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Full text of "Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung 19.1911"

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Beiträge 

zur 

Klinik der Tuberkulose 

und spezifischen Tuberkulose-Forschung. 


Unter Mitwirkung der Herren 

DOMBt Dr. H. IrBipBr^er (Heidelberg), Prof. Dr. Asrhoff (Freibnrg i. Br.), t'heferxt Pr. B. B«Mdeller 
(Schbmberg), Bxs. Wirkt. (ieli.-Ret Prof. Dr. t. Behrinir (Marburg), Prof. Dr. RettBiauB (Heidel¬ 
berg), Prof. Dr. de la Ceaip (Freiburg', Prof. Dr. Eber (Leipzig), Hofrat Prof. Dr. Escherieb 
(Wien), Geh. Hoffet Prof. Dr. Fleiaer (Heidelberg), Prof. Dr. Ganpp (Tübingen), Dozent Dr. 
Hanbnrger (Wien), Beg.-Bat Dr. Hemel (Berlin), Prof. Dr. Hammer (Heidelberg), Dozent Dr. 
Hegener (HemburgX Prof. Dr. t. Hippel (Halle a. S.), Prof. Dr. Hirarli (Güttingen), Prof. Dr. 
Jncobj (Heidelberg), Prof. Dr. Jnreaz (Lemberg), Prof. Dr. A. Kayaerllng (Berlin), Geh. 
Ober-Hed.*Bat Prof. Dr. Kirchner (Berlin), Thefarzt Dr. Krimer (Böblingen), Mcd.-Bet Prof. 
Or. Klttner (Brealen), Prof. Dr. Hagnna (Utrecht), Oberarzt Dr. Nehrkorn (Elberfeld), Ober- 
atnheerzt Prof. Dr. Nleiner (BeriinX Geh. Keg.-Bei Prof. Dr. Oaterteg (Berlin), Prof. Dr. 
Petrnachkj (DenzigX Prof. Dr. Roemer (Merbnrg), Clieferzt Dr. Rnepke (Meleungen), Prof. Dr. 
Sahli (Bern), Prof. Dr. A. Schmidt (HelleX Prof. Dr. Schoenborn (Heidelberg), Prof. Dr. Schott- 
IKaider (Wien\ Dirig. Arzt Dr. Schröder (Schömberg), Prof. Dr. Schwalbe (Rostock), Oberarzt Dr. 
Simon (KerlsmheX Prof. Dr. Soetbeer (Giessen), Chefarzt Dr. Lncins Spengler (Daros), Dr. Carl 
Spengler (DaTos), Prof. Dr. H. Starck (Karlsruhe), Prof. Dr.W. t. Starck (Kiel), Prof. Dr. Stöckel 
(Kiel), Prof. Dr. K. Pk. Teadeloo (Leiden), Prof. Dr. Tölker (Heidelberg), Prof. Dr. Vnlplns (Heidel¬ 
berg), Beg.-Rnt Dr. Weber (Berlin), Prof. Dr. Wenckebnch (Groningen) 

herausgegeben von 

Dr. Ludolph Brauer 

Ärztlicher Direktor dea allgemoinon Krankonhausea Eppendorf in Hamburg 


Band XIX. 


Mit 14 Tafeln sowie 31 Abbildungen und Kurven im Text. 



Würzburg. 

Curt Kabitzsch (A. Stuber’s Verlag). 
1911. 


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Druck der König!. UnivereitäUdrackerei H. btftrix ▲. 


Ü., WOrzbnrg. 


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Inhalt des XIX. Bandes. 


Seite 


Bauer, Dr. A., Zur Beurteilung einseitiger Unter)appenbefunde.397 

Becker, Erich, Fuhrt die funktionelle Beanspruchung der Lungen beim Spielen 

von Blasinstrumenten zu Emphysem? Mit 1 Kurve im Text . . . 337 

Brauer, Prof. Dr. L. und Spengler, Dr. Lucius, Klinische Beobachtungen 
bei künstlichem Pneumothorax. Mit 25 Figuren im Text, 3 Röntgen- und 

9 Kurven tafeln. 1 

Gabrilowitsch, Chefarzt Dr., Die spezifische Behandlung der Tuberkulose 

mit Endotin.485 

Kistler, Dr. med. £., Beitrag zur pathologischen Anatomie des künstlichen 

Pneumothorax. Mit 2 Tafeln.459 

Rlimmer, Prof. Dr. M., Die Häufigkeit, Bedeutung und spezifische Diagnostik 

der Rindei tuberkulöse. Mit 2 Kurven und 2 Abbildungen im Text . . 4SI 

Pollak, Dr. Rudolf, Über Säuglingstuberkulose .373 

— Das Kind im tuberkulösen Milieu .469 

Simon, Dr. Georg, Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachenraumes in 

ihren Beziehungen zur Tuberkulose.417 

Tobiesen, Chefarzt Dr. Fr., Untersuchungen über Pneumothoraxluft. Mit 

1 Textabhildung.451 

Werner, Dr. med. et phil.. Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes 

an Tuberkulose von 1801—1909 .. 355 



29168 3 


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Aus der medizinischen Klinik zu Marbtu-g a. Lahn (früher 

Prof. Dr. L. Brauer) und dem Sanatorium Schatzalp<Davos 
(Dr. Lucius Spengler und Dr. Neumann). 

Klinische 

Beobachtungen 


bei 

künstlichem Pneumothorax. 


Von 

Prof. Dr. L. Brauer 
Hamburg-Eppendorf. 

und Dr. Lucius Spengler 

Davos. 

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Original fröm 

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Herrn Geheimrat 

Prof. Dr. med. Wilhelm Erb, Exc. 

zu seinem siebzigsten Geburtstage 

gewidmet von 

Ludolph Brauer und Lucius Spengler. 


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Sehr verehrter und lieber Herr Geheimrat! 

Den Ergebnissen mehijähriger Beobachtung am Krankenbette, die wir 
gemeinsam Ihnen überreichen, soll ich, Ihr Schüler, das Geleite geben. Ich 
tue dieses, die Worte wiederholend, mit denen ich Ihnen im Namen Ihrer 
Schüler und Freunde am 30. November 1910 Ihr ehernes Bild überreichen 
durfte. 


Schüler und Freunde haben sich versammelt, um den heu¬ 
tigen Tag, Ihren 70. Geburtstag, mit Ihnen zu verbringen! Wir 
kommen, um Ihnen treu die Hand zu schütteln. Ihnen unsere 
Glückwünsche darzubringen, und um Ihnen in dieser ernsten und 
schönen Stunde zu zeigen, wie wir im innersten Herzen zu Ihnen 
stehen! 

Seit langem hat uns der Gedanke beschäftigt, wie wir wohl 
an diesem Tage vor Ihnen erscheinen könnten. Nicht mit leeren 
Händen wollten wir zu Ihnen kommen, der Sie uns allen mensch¬ 
lich und wissenschaftlich so sehr viel gaben. Eine Festschrift 
hatten Ihre Schüler Ihnen gewidmet, zu der Zeit, da Sie noch 
im Amte waren. Ein grösserer Kreis tritt heute vor Sie hin und 
bittet Sie, als Ausdruck des Dankes für alles Empfangene, als 
Zeichen der Freude und Verehrung, diese Büste annehmen zu 
wollen, von der nunmehr der Schleier fallen mögen I 

Die Büste soll — Dank dem Entgegenkommen Ihres Nach¬ 
folgers im Amte — Aufstellung auf klinischem Grunde finden, 
dort, wo wir Sie in langen Jahren wirken sahen und wo wir 
Sie lieb gewannen, — der heutigen und vielen folgenden Gene¬ 
rationen das Sinnbild eines Mannes, den die Schüler und Freunde 
lieben und ehren, — der in den weitesten Kreisen seiner 
Fachgenossen als Forscher hochgeachtet ist, — der als Arzt 
ein Ansehen sich schuf, das weit hinausreicht über die engen 
Grenzen unseres Vaterlandes! 

Beklommenen Herzens treten Schüler zu ihrem Lehrer in 
demjenigen Augenblicke, in welchem sie ihrer Liebe zu dem 
Lehrer lauten Ausdruck geben und ihm zeigen wollen, wie sie 


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VI 


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ihn schätzen! Und vielleicht noch schwerer fällt es dem Älteren, 
in Ruhe das gesprochene Wort anzuhören! Empfindungen, die 
um uns ein unsichtbares Band gewoben haben, die unser Denken 
in weitestem Masse beherrschen, und auch unser Handeln beein¬ 
flussen, — sie sollen in dieser Stunde klar ausgesprochen werden 1 
In grossem Kreise soll gesagt werden, was lieber in stiller Stunde 
ein kurzes Wort und ein wohlverstandener Händedruck vermittelt! 
Und doch, — wenn feinsinniges Empfinden Lob und Dank lieber 
in der Stille und in einfachster Form gibt, — die klare und 
starke Freundschaft, das engste Band, das Sie, lieber Herr Ge¬ 
heimrat, mit Ihren Schülern verknüpft, diese Freundschaft hat 
das Recht, auch einen starken und klaren Ausdruck zu finden 
vor aller Welt! Sie müssen, was Ihnen der heutige Tag bietet, 
hinnehmen, wie es uns aus dem Herzen kommt! Der heutige 
Tag aber schliesse ein neues Band um uns Alle! 

Sie sind uns, lieber Herr Geheimrat, das Vorbild für die 
Art unseres wissenschaftlichen Arbeitens und Den¬ 
kens. Wir tragen stolz den Stempel, den Sie uns aufprägten. 
Sicherlich wird heute noch vielfach zum Ausdruck kommen, was 
Sie im Einzelnen leisteten und wie Ihr Forschen positive Werte 
schuf. Diesen Inhalt Ihrer Arbeit will ich nicht berühren. Für 
uns, die wir unter Ihren Einfluss kamen, war es belanglos, was 
immer Sie zu dem Thema Ihrer Studien sich erwählten, für 
unsere Entwickelung war massgebend die Art, wie Sie in der 
Klinik arbeiteten, und dieser Eigenart, der wir uns klar bewusst 
sind, wollen wir treu bleiben! — Sie sind stets in erster Linie 
ein Kliniker, — ein wissenschaftlich arbeitender Arzt geblieben. 
Stets waren Sie sich der Tatsache bewusst, dass wir als innere 
Mediziner die Vertreter der inneren Heilkunde sind, und dass 
all’ das Arbeiten und Streben einer inneren Klinik nur dann den 
eigentlichen Aufgaben dieses Institutes gerecht wird, wenn es in 
letzter Linie immer wieder hinausgeht auf das Erkennen und 
das Heilen menschlicher Leiden. Sie haben geforscht in 
der richtigen Würdigung der selbstverständlichen Tatsache, dass 
ein klinisches Arbeiten aller vorhandenen Hilfswissenschaften 
und Unterlagen sich zu bedienen hat. Das zeigen zur Genüge 
die neurologischen Arbeiten, denen Sie Ihren wissenschaftlichen 
Namen danken. Aber die Beobachtung am Krankenbette, 
nicht in irgend einer P'orm die Laboratoriumsarbeit blieb Ihnen 
die Führ er in! Den inneren Kliniker stellt sein Beruf an das 
Bett des Kranken, und an das Bett des Kranken, hat alle.s, was 
an Hilfswissenschaften von uns herangezogen werden mag, 



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VII 


zurückzuführen. Eine Gelehrtenschule hat das Recht, sich die 
eigenen Wege zu wählen. Die Erb’sche Schule war eine streng 
klinische Disziplin und wir — Ihre Schüler — werden aus 
innerster Überzeugung diesen Standpunkt hochhalten. 

Als Lehrer waren Sie uns ein Vorbild der Einfachheit 
und Klarheit. Zahlreiche Ärzte, deutscher und ausländischer 
Zunge, wirken in dem Geiste Ihrer Lehre! Sie haben uns immer 
auf den festen Boden der einfachen Tatsachen gestellt und haben 

— wie nur wenige — es verstanden, dem Denken Ihrer Schüler 
ein klares und in sich festgefügtes klinisches Bild einzuprägen, 
damit dann draussen, in der schweren Schulung der eigenen 
Erfahrung, dieses festgefügte Bild sich färbe und jene Form an¬ 
nähme, die immer nur das Eigen-Erlebte geben kann. Wie oft 
konnten wir die Art bewimdern, mit der es Ihnen gelang, in 
einem komplizierten und unklaren Falle, bei dessen Beobachtung 
wir allen möglichen Betrachtungen nachhingen, mit fester Hand 
den Kernpunkt herauszugreifen! Sie suchten uns zu lehren, in 
einfachen Formen zu denken. Über dem Problem stand 
Ihnen die scharfe Hervorhebung des Tatsächlichen 

— des springenden Punktes. Das lag in Ihrem ganzen 
Wesen bedingt, in Ihrem Charakter! 

Und durch nichts haben Sie wohl mehr auf uns alle, die 
wir hier vereint sind, gewirkt, als gerade durch diesen, Ihren 
Charakter! Wie Sie als Freund imd Mensch zu uns traten, so 
lieben wir Sie! Das hat Ihnen den Namen eingetragen, unter 
dem Sie bei uns Jungen leben und fortleben werden: Vater Erb 

Sie waren, Herr Geheimrat, ein strenger Herr in Ihrem 
Hause. Sie haben durch Ihre Pünktlichkeit und Exaktheit, durch 
die Schärfe, mit der Sie Ihre Pflicht taten imd von anderen die 
Pflicht verlangten, uns alle unter Ihren Bann gezwungen. — 
Lieben lernten wir Sie ob Ihrer unbedingten Rechtlichkeit und 
der Art, wie Sie treu zu uns standen ! Sie waren Ihren Schülern 
ein Freund, doch stets eine unbedingt selbständige Per¬ 
sönlichkeit, die eine weitgehende Anlehnung nicht sucht, ihrer 
nicht bedurfte, ja — sie vielleicht nicht einmal vertragen hätte! 
Scharf und klar haben Sie uns oft Ihre tadelnde Meinung in das 
Gesicht gesagt, um alsbald, wenn die Türe sich hinter uns schloss, 
das Gute hervorzuheben, zeigend, dass Sie uns liebten, — diesen 
Mann, Herr Geheimrat, werden wir nie vergessen! Das ist die 
Grundlage, auf der Ihr Verhältnis zu so vielen Ihrer Assistenten 
erwuchs! Es ist etwas Ähnliches, wie jene wundervolle, schöne 
Männerfreundschaft, die unter Ältersgenossen festen Charakters 


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VIII 

entsteht, die im Gefühle rechtlichen Denkens und rechtlichen 
Handelns gemeinsame Schwierigkeiten überstanden! 

Wir kommen heute gar nicht in erster Linie zu Ihnen, weil 
wir Sie ob Ihrer allgemein anerkannten Verdienste ehren, oder 
weil wir von Ihnen gelernt haben und damit von Ihnen Nutzen 
hatten, wir kommen, weil wir Ihnen — wie nur wenigen 
Menschen auf der Welt — vertrauen und weil wir 
Sie lieb haben. 

Das Bildnis, das - in Erz geformt — die Jahrhunderte 
überstehen wird, das den spätesten Generationen einer ewig 
jungen deutschen Studentenschaft die Erinnerung vermitteln soll 
an den Mann, der mit Fleiss und Gewissenhaftigkeit, mit der 
seltenen Gabe intuitiven Erfassens, erfolgreich wissenschaftlich 
arbeitete — es ist fürunsumgebenmitdemHaucheeiner 
Persönlichkeit, die uns ein Muster ist! 

Ludolph Brauer. 


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Aus der medizinischen Klinik zu Marburg a. Lahn (früher Prof. Dr. 
L. Brauer) und dem Sanatorium Schatzalp - Dayos (Dr. Lucius 
Spengler und Dr. Neumann). 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungen- 
kollapslherapie. 

(Fortsetzung zu dem Aufsatz in Band XIV, Seite 419.) 

III. Klinische Beobachtungen bei künstlichem Pneumo¬ 
thorax. 

Von 

L. Brauer- Eppendorf und Lucius Spengler-Davos. 


Im Nachfolgenden soll über die Resultate, die wir im Laufe der 
letzten fünf Jahre an einer grösseren Zahl von Phthisikern, die 
der Behandlung mit Pneumothorax unterworfen wurden, in E i n z e 1 - 
•darstellungen berichtet werden. ^ 

Nach längeren Überlegungen und dem Versuche einer zusammen¬ 
fassenden Darstellung sind wir zu dem Entschlüsse gekommen, zu¬ 
nächst diese Form der Einzeldarstellung zu wählen, denn es er¬ 
schein t fast unmöglich, über die nach Zeit und Ausdehnung, sowie 
Charakter völlig differenten Fälle zuvor zusammenfassend zu urteilen. 
Auch die Art des Verlaufes wich bei den einzelnen Beobachtungen 
so wesentlich voneinander ab, dass es uns notwendig erschien, zunächst 
einmal das ganze Material in dieser breiten Form zu veröffentlichen. 
Den einzelnen Fällen werden stets die Indikation und ein epikritischer 
Bericht angefügt, so dass man sich wohl im allgemeinen leicht orien¬ 
tieren kann. Um diese Orientierung weiter zu erleichtern, bringen 
wir nachfolgende Tabelle. Wir haben liierauf sämtliche uns zur 
Publikation zugänglichen Fälle (abschliessend mit dem 31. Juli 1910) 
chronologisch nach dem Datum der Operation geordnet. Es sind der 
Tabelle auch einige persönliche Notizen angefügt. 

Die ersten Fälle wurden in Marburg operiert. Mit Fall 22 wurde 
die Therapie in Davos eingeführt. Wir sahen dann auch, wie aus 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. U. 1. 1 


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2 L. Brauer und Lucius Spengler. 12 

der Tabelle hervorgoht, später mit anderea Kollegen Patienten, bei 
denen eine Indikation zur Ausfülirung des Pneumothorax gegeben 
war. Wir möchten bei dieser Gelegenheit den Herren Kollegen: 
Dr. Neumann, Dr. v. Mura 11, Dr. Nienhaus, Dr. Philippi, 
Dr. E. Frey, Dr. Kormann, Dr. Wolfer, Dr. Baer und 
Dr. Kraus u. a. den l>esten Dank für die grosse Bereitwilligkeit 
aussprochen, mit der sie das Boolyachtuiigsmaterial der gemeinsa-in 
behandelten Fälle in so ül)eraus fnnindlicher und eingehender Weise 
uns verfügbar niacliten. 

Scharf möchten wir hervorhebcui, dass wir in der nachfolgenden’ 
Zusammenstellung, die mit Nr. 102 abschliesst, nur diejenigen Fälle 
bringen, bei denen es tatsächlich gelang, wenigstens einen gewissen 
Pneumothorax anzulegen. Dagegen haben wir die zahlreichen Fälle 
fortgelassen, bei denen es wegen breiter Adhäsionen nicht möglich 
war, einen Lungenkollaps in irgend einer Form oder nennenswerter 
Ausdehnung zu bewirken. Es wären sonst etwa noch 26 weitere Fälle 
aufzuführen, so dass wir damit auf die Schlusszahl von 128 kämen. 
Wir haben dieses zunächst unterla^ssen, weil es uns nutzlos erscheint. 
Die Eindrücke, die wir von Patienten gewannen, bei denen die An¬ 
legung eines Pneumothorax nicht möglich war, haben wir in der 
voraufgehenden Arbeit (Technik des künstlichen Pneumothorax) ver¬ 
wertet. 

Es könnte eingewendet werden, dass es vielleicht doch von Inter¬ 
esse wäre, zu wissen, in wieviel Prozent von Fällen es nicht gelingt, 
einen Pneumothorax tatsächlich anzulegen. Demgegenüber möchten AWr 
betonen, dass dieses nur in gewissen Grenzen zutreffend ist. Es kommt 
ja zum Schluss bei vielen Fällen durchaus darauf an, ob man den bei 
richtiger Technik an sich harmlosen Versuch, einen Pn.Th. anzulegen, 
unternehmen will oder nicht. Wir haben es wiederholt erlebt, dass 
wir im Einzelfalle es kaum für möglich hielten, dass der Pneumothorax 
gelänge, und doch ging es dann bei dem Versuch ganz überraschend 
gut, so z. B. bei dem Fall 86 und anderen. Andererseits gab es Fälle, 
bei denen wir und andere fest hofften, den Pleuraspalt frei zu finden 
und doch erwies derselbe sich als verklebt. Es ist dieses eine alte Er¬ 
fahrung, auf welche wir in dem Kapitel „Technik“ gleichfalls hin- 
wieson und die wir an dieser Stelle nur deswegen nochmals hervor- 
heben, um die Bedeutungslosigkeit der sich häufig findenden 
Angabe zu erweisen, dass bei soundso viel Prozent der Fälle es 
gar nicht möglich sei, einen Pneumothorax zu machen. Wollte man 
solche Prozentzahlen aufstellen, so müsste man prinzipiell jeden 
Fall von Lungentuberkulose, der durch seine Gesamtlage die Indi¬ 
kation zu dem Eingriffe minschenswert resp. zulässig erscheinen 



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3j Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstberapie. 3 

lässt, notieren und statistisch verarbeiten, und dann sagen, in wie¬ 
viel Fällen durch zweifellose, sicher diagnostizierbare Adhäsionen 
von vornherein der Versuch aussichtslos sei, in welchen Fällen es 
überraschenderweise doch gelänge und in welcher Zahl man sich 
getäuscht habe. Aber selbst diese Statistik würde dann, wie so viele 
andere, immer noch von recht zweifelhaftem Werte sein, da man 
oft bei einem zweiten und dritten Vorgehen doch noch zu einem 
Resultate kommt, und ausserdem die Pneumothoraxgrösse von Fall 
zu Fall sehr wechselnd ist und vieles andere mehr. 

Wir werden aber auf die Frage gelegentlich einer zusammen- 
fassenderen Darstellung ausführlicher zurückkommen, namentlich bei 
Besprechung der diagnostischen Überlegungen, die mehr oder weniger 
für resp. gegen Bestand eines freien Pleuraspaltes sprechen. 

Ausserdem möchten wir betonen, dass wir, von den hier aufge¬ 
führten Fällen abgesehen, noch eine grössere Anzahl anderer Pneumo- 
thoraxfälle sahen, bei denen wir entweder zur Punktion oder zur 
Nachbehandlung in verschiedenster Form zugezogen wurden, Fälle, 
die uns aber zur literarischen Verwendung nicht zur Verfügung 
standen. Das uns persönlich oder durch die Liebenswürdigkeit der 
Kollegen verfügbar gewordene Material haben wir aber ausnahmslos 
gebracht. Die Fälle von Bronchiektasie sind in dieser Arbeit 
nicht aufgeführt; sie werden besonders besprochen werden. 

Die Numerierungen beziehen sich auf die in den beiden 
vorangehenden Arbeiten zur Lungenkollapstherapie angeführten Fälle. 
Wir möchten betonen, dass wir auch später immer wieder auf diese 
Zahlen zurückgreifen werden, damit es den Lesern möglich wird, 
tatsächlich einmal ein grosses Material zu überschauen und mit uns 
zu beurteilen. 

Auch die Ergänzung des Literaturverzeichnisses be¬ 
zieht sich, um Wiederholungen zu veraieiden, auf das Verzeichnis 
in der Vorarbeit. 

Endlich darf nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen, 
wie schwierig es war, die notwendigen Daten für 
die einzelnen Krankengeschichten immer wieder 
zusammenzubringen. Die Patienten sind weit verstreut, 
sind vor und nach uns durch die verschiedensten Hände ge¬ 
gangen, sie lebten unter den allerwechselvollsten sozialen und 
hygienischen Bedingungen, — ein Faktor, der gleichfalls von grosser 
Bedeutung war, und zwar nicht nur für die Zusammenstellung 
der Krankengeschichten, sondern leider auch nur zu häufig für den 
Erfolg der Therapie. Endlich müssen wir daran erinnern, dass kaum 
eine Behandlungsweise so unbedingt der Konsequenz und der gleich- 

P 


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4 L. Brauer und Lucius Spengler. [4 

massigen Überlegung bedarf, wie die vorliegende. Der einmal be- 
schrittene Weg muss zielbewusst verfolgt werden, sonst erlebt man, 
wie dieses aus einzelnen Krankengeschichten hervorgehen wird, nur 
allzu unangenehme Enttäuschungen. 

Und endlich noch eines, das scharf hervorgehoben werden muss, 
bevor wir an die Schilderung der einzelnen Tatsachen gehen. 

Wir haben die Indikation zur Anlegung des künstlichen 
Pneumothorax sehr streng gestellt und ausschliesslich nur solche 
Patienten diesem Verfahren unterworfen, bei denen wir nach Befund 
und Verlauf eine absolut in fauste Prognose stellen 
mussten. Andererseits haben wir uns nicht gescheut, unbekümmert, 
eb dadurch die leidige „Statistik“ schlechter würde oder nicht, auch 
äusserst schwerkranke Patienten noch dem Verfahren 
zu unterwerfen. 

Zu unserer Freude sahen wir auch aus der letzten Gruppe der 
allerelendesten Kranken eine Anzahl überraschender Erfolge, ja -— 
kompletter Heilung, wie Fall 22 und andere beweisen. 

Wir betrachten daher die positiven Resultate, 
die wirerzielten, als Reingewinn, den wir auf andere 
Weise unserer Meinung nach nicht hätten erreichen 
können, und wir dürfen uns nicht wundem, dass unter den zahl¬ 
reichen, überaus schwerkranken Patienten eine Anzahl trotz der Be¬ 
handlung nicht gebessert, einige vielleicht auch infolge der Behand¬ 
lung geschädigt wurden. Wir bitten, unter diesem Gesichtswinkel 
die nachfolgenden Daten zu betrachten. 

Selbstverständlich stehen wir nicht auf dem Standpunkt, dass 
die Lungenkollapstherapie, deren Nutzen uns nunmehr über allem 
Zweifel steht, nur für sogenannte „verlorene“ Fälle reserviert bleiben 
darf. Wir sind mehr und mehr der Meinung geworden, dass bei 
strenger und vorsichtiger Auswahl und unter bestimmten Gesichts¬ 
punkten, die später noch erörtert werden sollen, auch mittelschwere 
Fälle dieser Therapie unterzogen werden dürften. Aber wir glaubten, 
als Pioniere auf diesem Gebiete, zunächst besonders vor¬ 
sichtig und besonders reserviert vergehen zu müssen. 
An den schwer darniederliegenden Kranken sollte die Therapie ihre 
Feuerprobe bestehen, an diesen wollten wir die Gefahren und Schatten¬ 
seiten des Eingriffes kennen lernen, damit wir später, ausgerüstet 
mit diesen Erfalirungen, guten Mutes die Indikation auch nach der 
Seite der etwas leichteren Fälle hin umgi*enzen dürfen. 


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5] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


Nr. 

Abgekürzter 

Name 

OperationS' 

Datum 

Seitenzahl 
dieser Arbeit 

Bemerkungen 

19 ' 

R.y Minna 

1 29. 

X. 05 

7 1 


20 • 

Schn., Joseph. 

9. 

VII. 06 

12 


21 

K., Kind M. 

23. 

I. 07 

17 


22 

H., Frl. Elia. 

' 27. 

I. 07 

21 1 


23 ! 

St., Frl. 

17. 

11. 07 

28 , 


24 i 

Ka.,Herr Paul | 

! 7. 

IIL 07 

32 


25 

Dr. R. ! 

8. 

ITI. 07 

42 


26 ' 

Mu., Frl. M. 

17. 

III. 07 

49 


27 1 

Imgr., Frl. M. 

3. 

IV. 07 

53 


28 

We., Herr P. 

1 4. 

VI. 07 

58 


29 

G., Herr Th. 

1 4. 

VI. 07 

60 


30 

K., Frl. Anny 

1 8. 

VI. 07 

67 1 


31 

H., Frl. Erna 

i 

VI. 07 i 

70 


32 

B., Frl.Elisab. 1 

20. 

VI. 07 i 

75 1 


33 

D., Frl.Helene 

28. 

VI. 07 1 

78 


34 ! 

St., Frau D. 

1. 

VII. 07 

79 1 


35 

F., Frl. Cloth. 

1 14 VIII. 07 

83 1 


36 ' 

St., Herr M. 

14. VIII. 07 

86 1 


12 j 

St.,HerrTheo. 

11. 

IX. 07 

92 

Fall 1 Nienhaus 

37 

P., Frl. G. 

11. 

IX. 07 

93 

Fall 1 Philipp! 

38 ; 

Kar., Herr 

i 14. 

IX. 07 

101 


13 1 

R., Herr Walt. 

14. 

IX. 07 i 

104 1 


39 

S., Herr Joh. 

29. 

IX. 07 

105 i 


40 ‘ 

Str., Herr 

9. 

XI. 07 

1)2 ! 


41 ! 

de M. Frau 

1 23. 

XI. 07 

117 


42 1 

H., L. Herr 

i 

I. 08 

122 

Fall 1 Mui*alt 

43 ' 

Egg., Auguste 

' 3. 

I. 08 

126 


44 

H., Ernst 

i 20. 

I. 08 

130 


6 

S., Herr E. 

j 10. 

11. 08 

136 j 

Fall 2 Muralt 

45 

V., B. Frau 

26. 

II. 08 

136 i 

Fall 3 Muralt 

46 

Sa., Frau 

12. 

III. 08 

140 


47 

Ul., Herr W. 

19. 

III. 08 I 

i 143 


48 

Schw., Georg 

24. 

III. 08 i 

i 145 


49 

B., Frl. M. 

30. 

IIL 08 1 

1 148 


50 

R., Paul 

! 14. 

IV. 08 1 

1 154 


51 

E., B. Herr 

i 25. 

VI. 08 1 

1 158 

Fall 4 Muralt 

52 

H., Frau 

1 

VI. 08 

1 164 1 

Fall 2 Philipp! 

53 

Sch., Emil 

1 28. 

VI. 08 

174 


54 

R., Frl. Anna 

4. VIII. 08 

180 

Fall 3 Philipp! 

55 

H., Herr H. G. 

7. VIII. 08 

188 


56 

Dr. med. W. 

15. VIII. 08 

191 

1 Fall 5 Muralt 

57 

So., Herr B. 

28. 

X. 08 

196 


9 

G., Frau 

9. 

XI. 08 

201 

i 

1 

58 

K. V. B. 

28. 

XI. 08 

i 201 

1 Fall 1 Wienerwald 

59 

R., Herr Dr. 

1 21. 

XII. 08 

1 203 


60 

St., Herr A. 

1 2. 

I. 09 

209 

Fall 2 Nienhaus 


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G 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[6 


' I 

^ Abgekürzter , OperationS' 
j Name Datum 


61 1 

He. 

, Pfarrer 

17. 

I. 

09 

62 ' 

s., 

K. Herr 

21. 

I. 

09 

63 1 

St.. 

Dr. jar. ' 

2 t. 

I. 

09 

64 1 

G.. 

G. Herr 

4. 

11. 

09 

65 

c, 

Julius 

10. 

U. 

09 

66 

L.. 

G. 

12. 

II. 

09 

67 

Wett., Herr 

25. 

II. 

09 

68 

G., 

Frl. H. 

3 

UI. 

09 

69 

T., 

L. Frau 

17. 

IIL 

09 

70 1 

Sch., Frau i 

24. 

III. 

09 

71 

Kno., Frl. 

8. 

IV. 

09 

72 

1 w., 

, R. 

3. 

V. 

09 

73 

i 0., 

s. ! 

21. 

V. 

09 

74 

Ho 

., Herr 

15. 

VI. 

09 

75 

Kl, 

, Frl. 

' Juni 

09 

76 

G., 

Herr D. 

' 25. 

VI. 

09 

77 

; s., 

Herr A. 

i 2. 

VII. 

09 

78 

z., 

Frl. K., 

14. 

VII. 

09 

79 

G., 

August 

5. 

XI. 

09 

80 

F., 

Frau Z. 

13. 

XI. 

09 

81 

v.Ch., hrl.N. 

14. 

XI. 

09 

82 

L., 

Frl. Anna 

4. 

XII. 

09 

83 

W. 

, Frl. Elis. 

6. 

II. 

10 

84 

Ba. 

, Herr 

13. 

II. 

10 

85 

L., 

Frl. A. 

14. 

II. 

10 

86 

K., 

Frl. Kath. 

1 28. 

III. 

10 

87 

z., 

Frl. M. 

29. 

III. 

10 

88 

Fr. 

, Frau 

j 19. 

IV. 

10 

89 

1 M., 

Frl. Elis. 

i 27. 

IV. 

10 

90 

1 F.. 

Herr Carl 

1 31. 

V. 

10 

91 

i c., 

Frau Dr. . 

8. 

VI. 

10 

92 

i Gr. 

, W. Herr 

! 10. 

VI. 

10 

93 

j R.,Frau Chris. 

1 22. 

vr. 

10 

94 

s., 

Herr Ad. 

1 5. 

VII. 

10 

95 

! W. 

, Frau M. 

i Ö* 

VII. 

10 

96 

G., 

Herr Rud. 

i 9. 

VII. 

10 

97 

P., 

Frl. Jean. 

1 9. 

VII. 

10 

98 

de 

M. Cam. 

1 12. 

VII. 

10 

99 

Th. 

, Frau Elis. 

12. 

VII. 

10 

100 

H., 

Frl. Carol. 

14. 

VII. 

10 

101 

Kd. 

,, Frl. Aug. 

27. 

vn. 

10 

102 

1 Pf., 

, Ludwig 

! 30. 

VI. 

07 


Seitenzahl 
dieser Arbeit 

— » - 

Bemerkungen 

211 


215 

Fall 3 Nienhaus 

216 


220 

Fall 4 Nienhaus 

221 

Fall 2 Wienerwald 

227 

Fall 6 Muralt 

232 

Fall 1 Wolfer 

234 

Fall 1 Schl Oder 

239 

Fall 7 Muralt 

244 


245 1 

Fall 2 Wolfer 

248 

Fall 8 Muralt 

254 

Fall 1 Eommann 

257 


260 


261 

Fall 3 Wiener wald 

263 


265 


268 


271 

Fall 4 Wienerwald 

1 273 

Fall 5 Wienerwald 

274 


' 285 


287 

1 

289 


: 292 


296 


299 


, 300 


i 303 

j 

i 305 

1 

1 

311 

1 

1 

1 313 

1 

: 315 

Fall 6 Wienerwald 

318 

Fall 7 Wienerwald 

318 

Fall 8 Wienerwald 

319 


1 320 

W. Frey-Clavadel 

j 323 

W. Frey-Clavadel 

CO 

i 

328 

i 

330 

1 



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TJ 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapsthcrapie. 


Krankengeschichten. 

19. Minna R., 18 Jahre alt, aus Wiesbaden. 

Am 2. IX. 05 auf der med. Klinik zu Marburg aufgenommen. 

Die Krankengeschichte der Patientin ist sehr ausführlich, und zwar ab¬ 
schliessend mit dem 10. IV. 06, von Brauer in der Deutschen med. Wochen¬ 
schrift 1906, Nr. 17 (Therap. Pneumothorax) publiziert. Ein weiterer kurzer 
iVachtrag findet sich alsdann in dem Universitäts-Programm Mar¬ 
burg 1906 (über Pn.Th.). Der Vollständigkeit halber sei an 
dieser Stelle ein Auszug gebracht und hieran erst der Be¬ 
richt über den Verlauf dieses Falles angeschlossen. 

Anamnese: Familiengeschichte ohne Belang. Im Mai 05 machte Pat. 
einen Partus durch. Juni 05 Erkrankung mit Husten und Auswurf. Seitdem 
sehr matt und abgemagert. Seit Ende August 05 unregelmässiges Fieber, häufig 
bis 39,0. Appetit schlecht. 

Status 2. IX. 05. Blass, höhere Fieberbewegungen, schmerzhafte Hals- 
IInd Nackendrüsen, linke Brustseite schleppt. 

Ausgedehnte Lungentuberkulose der ganzen linken Seite mit Kavernen¬ 
bildung im O.-L. Rechte Lunge fast völlig gesund, nur leichte Spitzenver¬ 
änderungen (vereinzelte nichtklingende Rh.). Die Schwere des Prozesses er¬ 
hellt aus der Röntgenphotographie, die als Abbildung I in der Deutschen med. 
Wochenschr. reproduziert wurde. Der Prozess auf der linken Lunge nahm 
während der klinischen Beobachtung imd Behandlung im Laufe der nächsten 
Wochen beträchtlich zu. Das Körpergewicht ging herab, daher am 29. X. 05 
Anlegen eines künstlichen Pneumothorax. Die linke Lunge 
kollabierte nahezu vollständig. Es bestand nur eine geringe Adhäsion in der 
Pleurakuppe, sowie solche der Herzspitze mit Zwerchfell. Unter dem Einfluss 
der Therapie trat relativ rasch ein Fieberabfall ein, doch stieg 
die Temperatur mit Resorption des Pneumothorax zunächst wieder an, fiel aber 
jedesmal mit der Nachpunktion wieder auf normale Werte. Von der 13. Behand- 
limgsw^oche an mit kurzen Unterbrechungen fieberfrei, dauernde Entfieberung 
von der 28. Woche an. Die Sputummengen, die vor der Behandlung meist 
30 ccm betragen hatten, stiegen anfangs bis zu 80 ccm an, gingen dann später 
aber-auf die gleichen resp. w'eit niedrigere Werte herab. Die Nachpunktionen 
wmrden dadurch sehr erschwert, dass die Patientin sich vor jeder Punktion 
sehr fürchtete und sich sehr laut benahm, so dass bei den damals noch geringen 
technischen Erfahrungen vor jeder Nachfüllung eine Ätherrausch-Narkosc aus¬ 
geführt w'-erden musste. Am 6. H. 06 wurde ein geringfügiges Exsudat bemerk¬ 
bar, welches aber nach 3 Wochen wieder verschwunden war. Das Körper¬ 
gewicht hatte während dieser Zeit von 40 kg auf 43,9 kg zugenommen. Die 
Beobachtung wurde am 10. IV. 06 wie folgt resümiert: 

„Mädchen, 18 Jahre laUt, aus gesunder Familie, keine wesentlichen Vor¬ 
krankheiten, im Mai 05 Partus. Im Juli Husten, Stiche auf der linken Brust¬ 
seite, sowie etwas Auswurf. Patientin magerte ab, matt. Seit Ende August 05 
höheres, täglich wiederkehrendes hektisches Fieber. Am 2. Sept. 05 Aufnahme 
in die medizinische Klinik. Objektiver Befund: Fortschreitend infiltrierende 
und Kavemenbildung im linken Oberlappen zeigende Lungentuberkulose, w^elchc 
die ganze linke Seite ergriffen hatte. Rechte Lunge fast völlig gesund. Das 
Fieber nahm ständig zu, die Morgentemperaturen selten unter 37^. Nach der 
ersten Stickstoffeinblasung sinkt die Abendtemperatur im Durchsclmitt um V 4 


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8 L. Brauer und Lucius Spengler. [S 

bis 10. Die Morgenieinj)eralimni jetzt unter 37o. Nach 3 Wochen stieg das F’iebor 
wieder. Der zweiten, beträchtlich stärkeren Stickstoffeinblasung folgte nun eine 
nahezu vollständige Entfiebening, welche bis zum G. Januar 06 anhielt, um welche 
Zeit mit erneuter Ausdehnung der Lunge wieder Fieber eintrat. Die dritte Ein- 
giessung am 15. Januar 06 brachte erneute, 12 Tage anhaltende Entfieberung. 
Dann aber trat Ende Januar 06 im .Anschluss an stärkere Erregung (Zanken, 
schluchzendes Weinen etc.) höheres Fieber ein, welches nach einigen Tagen 
spontan wieder absank. Bald wird ein geringes Pleuraexsudat nachweisbar; 
hiermit massiges Fieber. Trotz Schwinden des Exsudates blieb die Temperatur 
febril. Ende Februar 06, als die Lunge sich wieder stärker anzulegen begann, 
stärkeres Fieber. Einer vierten Sticks(offcinblasung folgte auch jetzt wieder ein 
Fieberabfall. 

Die Kranke, welche in den ersten Wochen nach dem Lungenkollaps an 
Gewicht zugenommen hatte, wies in den letzten Zeiten nur geringe Gewichts¬ 
zunahme auf. Ihr Aussehen und Allgemeinbefinden war ein gutes. Sie war häufig 
stundenlang ausser Belt. Der Lungenkollaps an sich bedingte keine Störungen. 
Puls und Respiration änderten sich kaum. Dyspnoe oder Zyanose traten nicht 
ein. Das Sputum war einmal etwas vermehrt, später in der Menge vermindert 
Nach den Einblasungen hatte die Kranke stets mehrere Tage etwas Spannungs¬ 
gefühl, w^ohl auch Schmerzen auf der kranken Seite. Da die Patientin überaus 
wehleidig und albern ist, so war nicht recht z\i entscheiden, ob diese Schmerzen 
wirklich von Bedeutung waren. Ein Pleuraexsudat trat zunächst nicht wieder 
auf, nur nach der eben erwähnten Erregung, die mit starker Anstrengung der 
Lunge durch Schelten etc. verbunden war, zeigte sich eine massige Pleurareizung, 
die später wieder verschwand.“ 

Der therapeutische Effekt wurde damals dahin zusammengefasst, dass 
unter dem Einfluss des Lungenkollaps eine prompte und längere Zeit anhaltende 
Beeinflussung des Fiebers eintrat, ein Effekt, der in der hier erreichten Fonn 
durch eine andere Behandlungsmethode wohl kaum erreichbar gewesen wäre. 
Nach den in der Literatur vorliegenden Beobachtungen war dieses zu erwarten. 
Es wurde verwiesen auf die jüngste Mitteilung von L. Spengler^), sowüe 
auf die Dissertation von M o s h e i m in welcher die Literatur wohl ziem¬ 
lich vollständig berücksichtigt wurde. 

In dem oben g e n an n t n U n i ve r s i t ä t s p r o g r a m m heisst 
esdannweiter: 

„Das Allgemeinbefinden der Kranken hat sich noch wesentlich gehoben,, 
sie ist meistens ausser Bett, bei gutem Appetit, viel im Freien; Liegekur. Die 
Atemzahlen schwanken um 22, die Pulszahlen, sind noch immer relativ hoch, 
vielfach um 110. Hie und da leichte Temperatursteigerungen, die jedoch 38.0 
nicht erreichen. Sputununengc gering. Es werden noch 2 weitere Stickstoff- 
einblasungen vorgenomraen. 

Am 7. V. 06 Brustumfang vor der Punktion links: 36,5 bis 37 cm; 
rechts: 40 bis 41 cm. Der Pneumothorax links wieder grösstenteils resorbiert. 
Die linke Seite bleibt bei der Atmung zurück. 

1) L. Spengler, Zur Chirurgie des Pneumothorax. Mitteilung von 
10 eigenen Fällen von geheiltem tuberkulösen Pneumothorax, verbunden in 
6 Fällen mit gleichzeitiger Heilung der Lungentuberkulose. Bruns, Beiträge 
zur klin. Chirurgie. 1906. Bd. 49 (K r ö n 1 e i n s Jubiläumsband). S. 68—89. 

*) Mosheim, Die Heilungsaussichten der Lungentuberkulose bei spon¬ 
tanem und künstlichem Pneumothorax. Beiträge z. Klinik der Tuberk. 1905. Bd. 3. 



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9] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkollapsthcrapie. 

5,40 p. m. 0,01 Morphium subkutan, da die Patientin wieder sehr erregt 
ist- Puls 145. Respir. 25. Der Puls sinkt auf die übliche Höhe (108). 6,15 Uhr 
leichter Ätherrausch, im Sitzen Punktion mit mitteldickem Troikart, links hinten 
in der Gegend der alten Punktionsstelle. Stickstoff läuft ohne Störung ein. 
Atmung und Puls in der Narkose sehr gut. Am Hg-Manometer, welcher in 
Nebenschallung sich findet, beobachtet man zu Beginn der Punktion einen 
negativen Druck von 0,4 cm Hg. Der Druck steigt 6,21 Uhr auf -|- 0,3—0,5 cm Hg, 
dann als Vi Liter eingelaufen sind, auf 0,7 cm Hg. Um 6,23 Uhr Druck 
0,6—1,5 cm Hg, je nach der Atemphase. Patientin erwacht aus der Narkose, 
ist etwas unruhig, Atmung 36, verlängertes etwas pressendes Exsp. 6,24 Uhr 
Schluss der Punktion. Es ist reichlich 1 Liter N eingelaufen. Druck bei Ruhe 
zuletzt 1,0 cm Hg. Patientin ist jetzt völlig wach. Puls und Atmung gut, Wohl¬ 
befinden. Abends keine Besonderheiten, ausser etwas Schmerzen an der linken 
Seite. Ruhige Nacht. Am 8. V. 06 linke Seite deutlich vorgewölbt, bewegt sich 
bei der Atmung etwas mit. Vorwiegend rechtsseitige Atmung. Brustumfang 
links 39,5—40 cm, rechts 38,0—39,0 cm. Die leichten Brustschmerzen haben 
bald wieder nachgelassen. In den nächsten Tagen Puls und Resp. ohne Besonder¬ 
heiten. Völlig fieberfrei. Herz mässig nach rechts verschoben. Schirmbild 
und die Untersuchung lassen andauernd Exsudat vermissen. 

17. VI. 06 Pneumothorax wieder im Schwinden. Brustumfang links 37,0 
bis 38,0 cm, rechts 38,0—40,5 cm. Am 22. VI. 06 N-Eingiessung. Zu Beginn 
zeigt der Manometer inspiratorisch —0,8 cm Hg. Bei der E.xsp. +0,2 cm Hg. 
In 10 Min. läuft 1,2 Liter Stickstoff ein. Zum Schluss bei gutem Puls und guter 
Atmung exspir. + 2,0 cm Hg, Inspir. + 1,2 cm Hg. Pneumothorax zeigt 
die Lunge besonders stark eingedellt. Am 1. VII. 06 ein kleines Pleura¬ 
exsudat links nachweisbar; dieses am 12. VII. etwas gestiegen und 
am 26. VII. von mittlerer Grösse (siehe Röntgenplatte 4). Patientin bietet dabei 
fast stets normale Temperaturen, hat nur hie und da, wie erwähnt, Temperatur¬ 
steigerungen bis höchstens 38,0. Probepunktion (Anfang August 06) zeigt ein 
klares, helles, seröses Exsudat, das im Kulturversuch sich als steril erweist. 
Am 20. und 21. VIIL 06 leichte Temperaturerhöhung, sonst vom 10. VIII. 06 
bis 18. IX. 06 vollkommen fieberfrei. Gewicht am 18. IX. 06 ist 46,6 kg gegen 
40,0 kg bei der Aufnahme am 2. IX. 05. Patientin sieht sehr gut aus, ist munter, 
ist den ganzen Tag auf, geht viel in den Garten.“ 

Weitere Punktionen haben nunmehr nicht stattgefunden, da Patientin diese 
verweigerte. Patientin war dann im Spätsommer 07 mehrere Monate in der Heil¬ 
stätte zu Oberkaufungen. Der Pn.Th. war hier eingegangen. Auf der rechten 
Seite fanden sich die gleichen Veränderungen wie früher. Links, neben einer 
ausgedehnten Dämpfung und Schrumpfung dieser Seite, meist zähes und halb¬ 
klingendes Rasseln, eine Kaverne war nicht deutlich nachzuweisen. Patientin 
bot blühendes Aussehen, war völlig fieberfrei und bei gutem Be¬ 
finden. 

In der nächsten Zeit stand Pat. immer nur vorüber¬ 
gehend in Beobachtung. Ein ausführlicher Status konnte gemeinsam 
mit Dr. Hansen und Dr. P i g g e r am 16. VII. 08 erhoben werden. Die Patientin 
war um diese Zeit arbeitsfähig, völlig fieberfrei; angeb¬ 
lich bestand weder Husten noch Auswurf. Sie bot frisches 
Aussehen. 

Untersuchung am 16. VII. 08 (Brauer, Hansen und P i g g e r). 

Linke Seite etwas tiefer stehend, vorn und hinten etwas eingesunken, 
über den unteren Partien leicht schleppend. Wirbelsäule gerade. L. h. o. stein- 


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10 


L. Brauor und Lucius Sjx^ngler. 


[10 


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harte Dämpfung ohne Möglichkeit einer Begrenzung der Spitze. Diese intensive 
Dämpfung reicht bis ein Q.F. breit unter die Spina. L. v. o. dito brettharto 
Dämpfung, die bis an den linken Sternalrand reicht und nach unten zu mit dem 
äusseren PektoraJisrand verläuft. Unterlappen leicht tympanitisch verkürzt 
Grenzen links fest, rechts gut beweglich. 

R. Spitze 6,5 cm breit, gut scharf nach innen, unscharf nach aussen. 
R. V. o. Insp. etwas rauh, E.xsp. verlängert. Nach Husten mehrfach feines 
Knattern. R. h. o. Insp. zu rauh, Exsp. verlängert, gleichfalls feines Knattern. 
M.-L. und U.-L. normal. 

Über dem ganzen linken Oborlappen v. und h. deutliches bronchiales * 
Inspirium und Exspirium, das 1. v. unter der Klavikel am schärfsten ist 
(bronchiale.s F.). Keine S j) u r von a m p h o r i s c h e m Atmen. Dieses 

Bronchialatmen ist über der Klavikula etwas leiser, aber noch immer 

ziemlich scharf. L. h. o. ist es eher etwas weicher (bronchiales ü.), 

ebenso in der 1. Axilla. Mit der seitlichen Begrenzung des 1. Oberlappens hört 

das ßronchialatmen ganz unvermittelt mit scharfer Grenze auf. In dem Dämp* 
fungsbezirk hört man nach Ilustonstössen spärliche hellklingende zähe 
Rhonchi. 

Im 1. ICR. nach der Axilla zu nacli Husten einige mittlere konsonierende 
zähe, nicht metallische Rh. Oberhalb der Klavikula feines Knattern und einige 
trockene Rh. 

L. h. o. desgleichen, aber noch einige mittlere bis grobe, zum Teil helle 
Rhonchi. L. h. obere Hälfte des U.L. .\tmen zu leise, rauh-scharf, Exsp. 
verlängert, feine bis mittlere Rhonclii. 

Untere Hälfte des U.-L. atmet noch leiser, ebenfalls rauh-scharf, dieselben 
Rhonchi, aber spärlicher. 

Bald nach jener Zeit ist Patientin mit einem aus der medizinischen Klinik 
entlassenen schwerkrmiken Plithisiker zusammengezogen. Sie lebte dann in 
München, b e r i c li t c t c w i c <l e r h o 11, dass es ihr in jeder Hinsicht 
gut gehe und dass sie als Näherin in angestrengtester Ar¬ 
beit für sich und ihren Freund den Unterhalt erwerbe. 

Im Herbst 09 traten schwere seelische Erregungen und 
körperliche Überanstrengungen dadurch hinzu, dass sie zu Nacht- 
wachen und anstrengender Krankenpfle ge g(‘zwungen wurde, da der Krankheits¬ 
prozess bei ihrem Freunde ein äusserst schwerer geworden war. Der letztere 
verstarb im Frühjahr 1910. Brauer sah die Pat. einige Zeit darauf gemeinsam 
mit Herrn Kollegen R an k e - München. Über den Verlust ihres Bräutigams war 
die Patientin untröstlich. Sie hatte wochenlang nicht mehr genügend 
Nahrung zu sich genommen und war nunmehr wieder kränker geworden. 

Es bestanden subfebrile Temperaturen, auch war wieder etwas Aus¬ 
wurf aufgetreten. Die letzten Nachrichten, die über die Kranke zu erhalten 
waren, finden sich in dem nachfolgenden Status, 30. IV. 10, den 
wir der Freundlichkeit des Herrn Kollegen Ranke danken. 

— Nach dieser Untersuchung ist Patientin dann Kellnerin in einem oberbayrischen 
Orte geworden. Nachrichten sind seitdem wieder von ihr direkt, noch von ihrem 
Vater zu erhalten. 

„Nach rechts konvexe Skoliose. Die ganze linke Seite gedämpft. Oben 
sehr barte Dämpfung, die vorn bis zur unteren Grenze, hinten bis Mitte Scapulae 
reichL Von hier nach abwärts relative Dämpfung. Die untere Grenze vorn un¬ 
beweglich, hinten fast unbeweglich. Sie steht links um 2—3 Querfinger höher 



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11 ] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


11 


als rechts, wo sie gut beweglich ist. Die Atmung ist 1. v. o. leise bronchial, von 
der 2. Rippe ab zunehmend abgeschwächt, nahe dem Herzen fast aufgehoben, 
aber immer von bronchialem Charakter. L. h. o. ebenfalls leise bronchial, 
über der obersten Spitze von Spina bis Mitte Scapulae sehr laut und scharf 
bronchial, fast amphorisch (Hilus), mit hellen, zähen, feinblasigen und ein 
zelnen mittelblasigen, halbklingenden Rasselgeräuschen. Von Mitte nach ab¬ 
wärts die Atmung wieder leiser und unten nicht mehr bronchial, sondern scharf 
vesikulär, abgeschwächt (also scharfes Vesikuläratmen infolge vikariierenden 
Atmens, aber gehört durch Pleuraschwarte), bis unten feine zähe Rhonchi. 
R. o. geringe Schallverkürzung, daselbst vesiko-bronchiales Atmen, mit wenig 
feinen zähen Rasselgeräuschen nach Husten und zwar vorn bis 2. R., hinten 
bis Mitte Scapulae, darunter überall scharf vesikuläres Atmen.“ 

Indikation. Schwer fieberhafte Tuberkulose der ganzen linken 
Seite, die unter klinischer Beobachtung rasch fortschritt und eine 
absolut ungünstige Prognose bot. Über der rechten Spitze waren 
geringfügige Veränderungen vorhanden. 

Epikrise. Am 29. Oktober 1905 Anlegung eines 
künstlichen Pneumothorax. Unter dem Einfluss desselben 
wesentliche B^serung des Allgemeinbefindens und zunächst je- 
w'eils nach den Punktionen mehrwöchentlicher Fieberabfall. Da 
aber infolge des sehr erregten Verhaltens der Patientin die 
Stickstoffnachfüllungen in sehr grossen Intervallen vorgenommen 
werden mussten, so trat zwischendurch wieder Fieber auf. Im 
ganzen hat der Pneumothorax etwa Jahre bestanden. Aus 
der schwer fortschreitenden fieberhaften Erkran¬ 
kung war nunmehr eine stationäre, meist afe- 
brile Phthise geworden, die im Laufe der nächsten 
Jahre unter wechselnder Behandlung noch w esent¬ 
liche Besserung aufwies, so dass Patientin lange 
Zeit arbeitsfähig wurde und den Eindruck erweckte, 
als sei der Prozess geheilt. Dann aber trat bei der Kranken, 
die lange Zeit als besonders günstig beeinflusster Fall betrachtet 
werden konnte, infolge sehr ungünstiger sozialer und 
hygienischer Verhältnisse ein Aufflackern des Pro¬ 
zesses auf. 

Im vorliegenden Falle haben die sozialen Verhältnisse 
auf den Ablauf des Prozesses einen überaus ungünstigen Einfluss 
ausgeübt. Nach den Erfahrungen, die bei ähnlichen Fällen in der 
Privatpraxis gemacht wurden, hätte sonst wohl ein ganz besonders 
gutes Resultat erwartet werden können. 

Diese Krankengeschichte ist, da Patientin sehr oft ihren Wohn¬ 
ort wechselte und immer nur zeitweise zur Behandlung kam, end¬ 
lich unter sehr unerfreulichen Verhältnissen lebte, lückenhaft. Wir 
gaben das Vorhandene im Auszug. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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20. Josephine Schn., 16 Jahre, Haustochter, Marburg. 

Aufnahme in die medizinische Klinik (Marburg) am 6. Juli 1906. 

Vater starb an Phthisis, Familie sonst gesund, als Kind Masern. 1807 
Gelenkrheumatismus ohne Herzl)efeiligung. Sonst stets gesund. Im verflossenen 
"Winter (1905) kränklich, aber arbeitsfähig. .\m 1. Mai 06 Husten, reclits 
Seitenstechen, Fieber, Appotillosigkeit, hnchtc Schweisse, kein Auswurf. 
D r a u s s e n als Pneumonie behandelt. Die Abendtemperaturen seien 
relativ hoch gewesen, eine Krisis trat nicht ein, das 
Fieber fiel allmählich ah. sei a n g (* b 1 i c h nur noch gering 
ge w e sen , e .s w u r d e aber nicht g e m essen. Patientin fröstelte 
dabei viel. 

Die Kranke wird von der medizinischen Poliklinik (Prof. D e 1 a C a in p > 
als ein bei der üblichen Behandlung prognostisch ungünstiger Fall der Klinik 
zur eventuellen Behandlung mit künstlichem fhieumothorax überwiesen. 

Status bei der Aufnahme: Sehr elend. Deutliche 
Zyanose, sehr flaclier Thorax, der besonders rechts vorne oben stärker 
eingesunken ist, Atmung oberflächlich, 48. L. Lunge ohne Befund. 
Im r. Oberlappen ziemlich dichte Infiltration mit be¬ 
ginnender K a V e r n e n b i 1 d u n g. Im U n t e r 1 a p p e n broncho- 
pneumonische Prozesse; keine P 1 u r a d ä m p f u n g. LungLii- 
grenze rechts hinten unten wenig verschieblich, dort Lungenrandgeräusche. 
Körpergewicht 48 kg. K a um S p u t u m. In den nächsten Tagen wird 
die Atmung etwas ruhiger, rechtsseitige Brustschmerzen verschwinden. Die 
Temperatur ist erhöht, täglich Fieberspitzen (38,4, 38,0, 37,6). 

A m 9. VII. 06 künstlicher Pneumothorax (Prof. K ü 11 n e r). 
9 Lhr 0,01 Morphium subkutan, 10,10 Uhr Puls 105, Patientin ist erregt. 
10,10 Uhr Ätherrauschnarkosc, 10,17 Uhr Beginn der Operation in linker 
Seitenlago. im rechten 4. Interkostalraum. Schnitt bis zur Freilegung der Inter- 
kostalmuskulatur. Eindringen in die Pleura mittelst Salomon scher Kanüle, 
durch welche ein Ureterenkatheter geführt wird. Die Pleura erweist sich als gut 
ablösbar. 

10,24 Uhr Beginn der Insufflalion. Pleuradruck, inspiratorisch: —1,0, 
exspir.: 0,4 cm Hg. 10,25 Uhr 200 ccm eingelaufen. Pleuradruck inspir.: — 1,5, 

exspir.: -j-1,0. Nach kurzer Pause weitere 150 ccm eingelaufen. 10,27 Uhr 
Pleuradruck inspir.: — 1,0. 10,29 Uhr Aufsetzen, Beine vom Tisch, noch tiefe 
Narkose. 10,31 Uhr bis 10,36 Uhr weiterer Stickstoff einlaufen lassen, im 
ganzen 1,7 Liter. Die Druckwerte kommen dann bei Inspirium und Exspirium 
auf etwa 0, steigen zum Schluss, als Patientin erwacht, auf Inspir.: 2,5, 

Exspir.: -f- 3,0 cm Hg. Dabei Puls 140, Atmung 26, ruhig. Abends ist Pat. 
elend, noch immer zyanotisch. Brechreiz. Puls 120, Temper. 36,0, Respir. 26. 
Dreimal 0,2 Koffein während der Nacht gegeben. Am 10. VII. des Morgens 
wohler, hat etwas Appetit. Puls 140, Temper. 38, Respir. 50. Pneumothorax 
deutlich über den unteren Partien rechts nachweisbar. Rechts vorne über 
Mittel- und Unterlappen lauter sonorer Schall, ohne Atemgeräusch, dieses erst 
in den oberen Partien wieder etwas zu hören, und dort von spärlichen Rassel¬ 
geräuschen begleitet. Herz stark nach links verdrängt. Spitzen- 
stoss in der linken vorderen Axillarlinie. Beim Essen fester Speisen 
Schmerzen im Verlauf des Ösophagus. Der Puls ist gut gefüllt 
trotz relativ hoher Zahl (100—120). Vom 12. VII. bis zum 18. IX. 06 völlig fieber- 
fi-ei. Nur am 9. VIII. (den Tag nach der zweiten Injektion) noch einmal 37,5. 


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1,')] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungi*iikollapsthorapie. 13 

12. VII. Puls 120, Temp. 37,0, Resp. 36—40. E t w a s s c h 1 o i in i g - e i t r i g e s , 
sanguinolentes Sputum, in dem Tuberkelbazilleii nicht nachzuweison 
sind. Die Zyanose lässt nach. Am 14. VII. Röntgenaufnahme (Platte). Patientin 
fühlt sich viel wohler. Auch in den nächsten Tagen in dom rtun eilrigon Sputum 
Tuberkelbazillen nicht zu finden. Vom 17. VII. an dauerndes Wohlbefinden 
bei gutem Appetit. Objektiver Befund bei physikalischer Untersuchung und 
Durchleuchtung stets der gleiche. He rzlx'sch werden bestelnm nicht, kein Herz¬ 
klopfen. Am 26. VII. Herz wieder etwas mehr nach der Mitte zu gerückt. 
Bild der kollabierten Lunge unverändert. Auch in den nächsten Tagen Sputum 
wiederholt vergeblich auf Tuberkelbazillen untersucht. Ateinzahlen schwanken 
«wischen 16 und 24. Keine Dyspnoe. Allgemeinbefinden gut. Pulszahlen 
zwischen 90 und 124. Rechts paradoxe Zwerchfellbewegung. Zyanose sehr 
gering, keine Exsudatbildung. Am 8. VIII. zweite N-Einblasung (Vel¬ 
den). Vor derselben Atmung 18, Puls 112. Blutdruck 114—92, resp. 118 
bis 94 (rechter Oberarm Riva-Rocci). Brustumfang: rechts oben 40, links oben 35. 
Rechts unten 37, links unten 35 cm. Perkussion und Durchleuchtung zeigen 
links wieder normalen Lungenbefund, den rechten Oberlappen dicht infiltriert, 
der Brustwand hinten und vorne anliegend. Der Perkussions.schall ist rechts 
hinten und vorne gedämpft tympanitisch, wird nach unten zu sonor, über der 
Dämpfung besteht lautes Bronchiälatmen mit klingenden Rasselgeräuschen. Das 
Herz zeigt lebhafte Aktion, reicht bis IOV 2 cm nach links von der Mittellinie. 
Töne laut, rein, Atmung vorwiegend kostal, keine Dyspnoe. Das Schirmbild 
zeigt das linke Zwerchfell gut beweglich. Das Bild der rechten Brustseite ist 
wie früher, nur ist der Pneumothorax beträchtlich kleiner geworden. Paradoxe 
Zwerchfellbewegung, Exsudat nicht nachweisbar, Komplementärraum 
völlig frei. 

5 Uhr p. m. Troikart trifft den Pneumothoraxraum ohne besondere Schwierig- 
kc'it. Pleuradruck inspir.: — 0,6, exspir.: ^ 0. Nach Einlauf von 150 ccm N inspix.: 
— 0,3, exspir.: 0. Einlaufen von 1100 ccm Stickstoff unter einem Seiten- 
driick von cm Hg. 

5,06 Uhr Punktion beendet, Pleuradruck inspir.: 0, exspir.: -p ^^»2. Patientin 
war nicht narkotisiert, hatte auch kein Morphium, zeigte nach beendeter In- 
sufflation geringes Oppressionsgefühl über dem Sternum. Atmung 36, Puls 136, 
etwas Hüsteln, keine Zyanose, Allgemeinzustand vorzüglich. Blutdruck am 
rechten Oberarm 102—80. 

Brustumfang: rechts oben 40,5—40,5, rechts unten 40,2-“40,2, links oben 
36—36,6, links unten 35,5—35,8. 

Kostale Atmung bedeutend abgeschwächt. Die rechte Seite erscheint vor¬ 
getrieben und zwar besonders in den unteren, nicht in den oberen Partien. Sie 
atmet kaum mit. Die Lungengrenzen sind r. h. u. zwei Querfinger unterhalb der 
vorher festgesetzten Grenze, ebenso v. r. Nur o. schwach bronchiales Atmen 
zu hören. Das Herz ist um einen Querfinger breit nach 1. aussen gerückt, reicht 
mit seinem linken Rande wieder bis zur vorderen Axillarlinie. Patientin geht 
aus dem Punktionssaal ohne besondere Beschwerden wieder auf ihre Station. 

Bei der sofort vorgenommenen Durchleuchtung zeigt sich ein älmliches 
Bild wie nach der ersten Punktion, nur ist der untere Zipfel des rechten Unter¬ 
lappens noch mehr abgestumpft und medianwärts gedrängt. Er sieht khdner 
aus. Der Pneumothorax hat die gleiche Anordnung, ist aber entschieden 
grösser. Vor allen Dingen reicht er weiter nach oben hinauf. Das Zwerchhdl 
steht rechts sehr tief und ganz still. Das linke Zwerchfell bewegt sich sehr 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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deutlich. Das Herz ist ziemlich weit nach links verschoben, das Mediastinum 
ist weniger verschoben. Am 9. VIII. höchste Temperatur, 37,5. Vom 10. bis 
20. August keine Teinperatursteigerung, Puls wird ruhig, zwischen 80 und 100, 
Atmung von 16—20. Patientin geht täglich in den Garten. Auswurf besteht 
nicht; allgemeines Wohlbefinden, nur ganz geringe Zyanose. Der Befund am 
20. VIII. zeigt noch keine Veränderung im Vergleiche zuin Befunde nach der 
Punktion. Sie wird nach Hause als bedeutend gebessert ent¬ 
lassen (Marburg), mit der Weisung, alle acht Tage zur Durchleuchtung 
wiederzukommen. Gewicht 45,500 kg, gegen 48 kg bei der Aufnahme. Der 
Pneumothorax resorbiert sich sehr langsam. Erst am 9, IX. ist nur noch so wenig 
vorhanden, dass eine neue Einblasung nötig ist. Patientin hat sich in der Zwischen¬ 
zeit sehr wohl gefühlt und erst in den letzten Tagen wieder etwas gehüstelt. Be¬ 
fund am 10. IX. weist gegen den erst(‘n Befund keine bedeutende Veränderung auf. 
Nur bestehen sehr wenig Geräusche über dem rechten Oberlappen. Das Herz reicht 
10 cm links von der Mediallinie, die Herzaktion ist regelmässig 100, es 
bestehen keine Geräusche. Blutdruck rechter Oberarm R.-R. 110—90. Die 
Zwerchfcllbewegung ist links gut, rechts angedeutet paradox. Im Röntgenbild 
sieht man- den rechten Komplementärraum undeutlich konturiert, so dass Ver¬ 
dacht auf ein beginnendes Exsudat rechts besteht. Am 10. IX. dritte 
Stickstoffein giessung (Velden), im fünften ICR. rechts, hintere 
Axillarlinie, mit einer ganz dünnen Punktionsnadel. Druckwerte lassen sich 
bei dieser Nadel am Manometer schlecht ablesen. Einlaufenlassen von 200 ccm. 
Da dieses sehr langsam erfolgt, Annahme, dass man in einer Adhäsion sich be¬ 
findet. Die gleiche Punktion um einen ICR. tiefer. Hier laufen unter ähnlichen 
Umständen ca. 500 ccm sehr langsam, ohne jegliche subjektive Störung ein. 
Bei Beendigung -f-O» gegen anfangs (bei der zweiten Punktion) —0,8. Physi¬ 
kalisch deutlicher Pneumothorax über den. rechten imteren Partien; Tiefstand 
des Zw’erchfells, zwölfte Rippe. Schirmbild: das gleiche Bild wie nach der 
vorigen Punktion. Minimales Exsudat im rechten Komplemen¬ 
tär r a u m. Herz um einen Querfinger weiter nach links wie vor der Punktion. 
Wohlbefinden. Blutdruck 102—87. Puls abends 120, Temperatur 37,9, etwas 
Auswmrf. Wird nach zwei Tagen mit denselben Weisungen wie das letzte Mal 
nach Hause entlassen. 

Ara 18. IX. 06 Pn.Th. unverändert. Wohlbefinden. Völlig normale Tem¬ 
peratur. Guter Appetit. Gewicht 47,0 kg. 

Die Patientin entzog sich nunmehr zunächst der weiteren Behandlung. 
Der Einstich bei der Nachpunktion tat dem sehr weichlichen Mädchen zu web. 
Sie glaubte, auch völlig gesund zu sein und war in der nächsten Zeit selbst 
zu Untersuchungen nicht mehr zu haben. So ging denn in der nächsten Zeit 
der Pneumothorax allmählich ein. Ob es zu einem grösseren Exsudat gekommen 
ist, lässt sich nicht feststellen. Aus dem derzeitigen Befunde sind Anhalts¬ 
punkte nicht zu entnehmen. Da aber doch gelegentlich der letzten Punktion 
ein geringfügiges Exsudat im Pneumothoraxraum nachzuweisen war, so ist 
nach unseren sonstigen Erfahrungen wohl anzunehmen, dass die Resorption 
des Pneumothorax sehr langsam vonstatten ging. Erst im Sommer 08 ge¬ 
lang es wieder, die Patientin dazu zu bewegen, sich untersuchen zu lassen. 

Es war ihr sehr gut gegangen, sie arbeitete bei ihren 
Eltern in der Haushaltung und zwar ziemlich angestrengt 
Sie konnte sich dal)ei gar nicht schonen, keine iLegekur machen etc. Den 
August 08 verbraclitc; sic in Caub, w'ar daselbst aber ebenfalls in der Haus- 



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15] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 15 

haltung tätig. Augenscheinliche Gewichtszunahme, gewogen hat sich Patientin 
aber nicht. Es bestanden weder Husten noch Aiiswurf in der ge 
nannten Zeit DieTemperaturwurdenichtgemessen, Patientin 
hatte niemals das Gefühl, Fieber zu haben. 

Seit November 08 ist Patientin in Stellung als Stütze 
der Hausfrau. Auch während des Winters 08/09 dasselbe Wohlbefinden 
vrie im Sommer 1908. 

Mitte April 09 gelegentlich Schmerzen in der Herzgegend, nur vereinzelt 
auch jetzt noch Schmerzen in der Herzgegend, aber sonst dasselbe Wohl¬ 
befinden. 

Befund vom 6. VI. 09 (L. Spengler). Patientin sicht frisch 
aus, hat eine gute normale Gesichtsfarbe, keine Spur von Zyanose. 
Stimme etwas rauh. Puls 72, ziemlich guter Ernährungszustand, 
Temperatur normal. Gewicht IO 2 V 2 Pfund. Husten und .Vuswurf 
besteht nicht. Pat. fühlt sich völlig wohl. Die rechte S e i t 
ist sehr stark eingesunken, das r. Schulterblatt steht ab, die r. Seile 
schleppt in den oberen Partien auch ziemlich beträchtlich nach, dagegen werden 
die unteren Teile gut bewegt. Man sieht im 2. und 3. ICR. rechts vom Sternum 
bis zur Parasternallinie sehr deutlich pulsatorische • Erscheinungen, dagegen 
keine abnorme Herzbewegungen. Spitzenstoss nicht zu fühlen. Herz stark 
nach rechts verlagert. 

Perkussion. L. vorn oben, hinten und vorn normaler Schall, gut 
breite Lungenspitze. R. vom gedämpfte, sehr schmale Spitze. R. hinten oben 
besonderes Lungenfeld kaum abzugrenzen, alles gedämpft. Die Dämpfung hellt 
sich hinten ab Spina auf. Über den beiden Unterlappen rechts und links gleicher 
Schall, nur ist der Schall rechts im allgemeinen ein wenig kürzer wie 
links. Untere Grenze rechts 10. Rippe, links Querfinger breit tiefer, rechts 
unverschieblich, links leidlich gut verschieblich. Vorn ist links und links seit¬ 
lich guter sonorer Schall. Die relative Herzdämpfung beginnt an dem oberen 
Rand der 4. Rippe imd reicht nur bis zur linken Parasternallinie. Der laute 
Schall der linken Seite reicht in der Höhe der 2. und 3. Rippe bis IV 2 Quer- 
finger breit nach rechts vom rechten Sternalrand. Die Dämpfung über der 
rechten Limgenspitze nimmt unter der Klavikula etwas ab und hellt sich von 
der 3. Rippe an auf. Lungengrenze 6. Rippe, nicht verschieblich. 

Auskultation. Auf der ganzen linken Seite ist das Atemgeräusch 
vesikulär, etwas laut und im allgemeinen etwas scharf, besonders in der 
Spitze. Über dem Oberlappen ist das Atemgeräusch während der Inspiration 
herzsystolisch sakkadiert, nach Husten hört man links vorn oben über dem 
Schlüsselbein einen leisen, trockenen Rhonchus. Hinten links dasselbe, 
aber keine Rh. Auskultiert man in der Höhe des 1. und 2. ICR. von links 
über das Sternum hinaus in den entsprechenden rechtsseitigen ICR. hinüber, 
so hört man dabei dasselbe Vesikuläratmen bis IV 2 cm über den rechten Sternal¬ 
rand herüber. 

Über dem rechten Schlüsselbein auffallend lautes und söharfes bronchiales 
Atmen. Exspirium mit undeutlichem hochamphorischem’ Beihauch, nach Husten 
einige feine trockene helle Rh. Im 1. ICR. dasselbe, nur ist hier das Exspirium 
deutlich broncho-amphorisch, nach Husten einige mittlere helle trockene Rh. 
Im 2. ICR. Atmen laut und scharf vesiko-brönchial, nach Husten ganz ver 
einzelto trockene Rh. 3. ICR. Inspirium scharf, Exspirium leise aber verschärft 
und verlängert Im 4. ICR. leises aber verschärftes Vesikuläratmen, ohne Rb., 


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L. Brauer und Lucius Sjmngler. 


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im 5. ICR, dasselbe. H. r. o. über dem Obcrlappcn Atmen etwas leiser als vorn, 
sonst ebenso wie über Schlüsselbein. Im Bereiche der oberen Hälfte des 
rechten llnterlai)])ens ziemlich leises aber scliarfcs vesikuläres Atmen, längs 
Wirbelsäule einige initthu'e trockene Rhonchi nach Husten. Zwischen Angulus 
scapuldo und Wirbelsäule an umschriebener, fünfmarkstückgrosser Stelle hoch 
broncho-amphorisches Atmen und nacli Husten einige helle trockene Rh. 
Untere Hälfte des ix'chten Unterlappens Atmen leise aber scharf, nach der 
Basis hin immer leiser werdend, Kxspiriuin verlängert, ganz vereinzelte feine 
trockene Rh. 

Herztöne rein, 2. Ton paukend, nicht gespalten, 2. Aortenion und 2. Uul- 
monalton sind deutlich klappend, die Herztöne werden der Verlagerung des 
Herzens entsprechend auffallend weit nach rechts gehört. 

S c h 1 u s s s t a t u s , März 1910. Seit zwei Jahren in voller 
Tätigkeit, fühlt sich vollkommen gesund, kann alles essen, alles init- 
arbeiten. Kein Husten, kein Fieber, kein Auswurf. Keine Nacht- 
schweisse. Vorzüglicher Ernährungszustand, seit Anlegung des Pneumo¬ 
thorax Gewichtszunahme von 14 Pfund, von 96 auf 110 Pfund. 
Puls 72. Rechte Supraklavikulargrube eingesunken. Die rechte Schulter steht 
tiefer als die linke. Die rechte Seite abgoflacht, schleppt, auch unten. Die linke 
Seite wird vorzüglich bewegt, keine Venendilatation. Spitzenstoss und Herz¬ 
aktion nicht fühlbar. 

Absolute Herzgrenze am r. Sternalrand, die relative ein Querfinger 
breit rechts vom rechten Sternalrand. Oben: relative 4., absolute 5. Rippe. 
Links deutlich innerhalb der M.L. um zwei Querfinger. 

Das rechte Schulterblatt steht mehr ab als das linke. 

L. h. o. normaler Schall. R. intensiv gedämpft mit ganz schwach tym- 
panitischem Beiklang. Auch r. h. o. intensive Dämpfung, nur schmale, unscharf 
gegrenzte Spitze. Bei tiefer Inspiration wird der Schall rechts eher etwas 
lauter und voller (umgekehrter Brandenburg, Zeichen eines vikariierenden Em¬ 
physems um Narbengewebe). 

Der laute Schall der linken Seite überragt den r. Sternalrand. Links überall 
guter Schall und normale Grenzen mit normaler Verschieblichkeit. 

R. V. hellt sich die Schallverkürzung unter der Klavikula etwas auf, 
von der 3. Rippe an nähert er sich dem Normalen, bleibt aber noch etwas 
verkürzt. Grenze r. h. u. 9. Rippe, verschieblich. Über r. Klav. nur ganz auf 
der Höhe der Inspiration nach Husten spärliches Knacken, Atmen scharf vesik., 
Exs}). verlängert, ebenso r. h. o. In der Mohrenheimschen Grube ist das Atem¬ 
geräusch auch noch sehr scharf, Rh. wie oben, sehr spärlich. Unter der 3. Rippe 
verliert das vesikuläre Atmen mehr und mehr den scharfen Charakter, wird 
nach unten zu etwas leise und nahezu normal. 

R. h. tritt das Hilusatmen sehr scharf hervor, es ist begleitet von ganz 
spärlichem zähem Knacken. Etwas über dem Angulus scapulae r. hört man 
bei vesikulärem, nur schwach verschärftem Atmen in mittlerer Intensität grobes 
knarrendes Plcurareibcn. 

Links vesikuläres Atmen, das in den stark bewegten Partien unter der 
Klavikula sehr laut imd voll ist. Nirgends Rasselgeräusche. Das Atmen hat 
puerilen Charakter. 

Indikation. Anscheinend seit einem Jahre bestehende 
Phthise und auf dieser Grundlage am 1. V. 06 tuberkulöse Pneumonie. 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkollapstherapie. 


17 


Am 6. Vn. 06 in sehr elendem Zustande, zyanotisch, mit stark be¬ 
schleunigter Atmung und fiebernd mit durchaus ungünstiger Prognose 
von der med. Poliklinik (Prof. Dr. d e 1 a Camp) der Klinik zur Be¬ 
handlung mit Pneumothorax überwiesen. 

Im rechten Oberlappen ziemlich dichte Infiltration mit beginnen¬ 
der Kavernenbildung, im Unterlappen broncho-pneumonische Prozesse. 

Epikrise. Am 9. VII. 06 Operation. Hierdurch relativ rasch 
auffallend günstig beeinflusst. Am 10. IX. 06 letzte Nachpunktion; 
damals kleines Exsudat nachweisbar. Die Patientin, die sich völlig 
wohl fühlte, entzog sich zunächst der weiteren Behandlung und 
Beobachtung. Nach späteren Mitteilungen ist es ilir dann aber dauernd 
gut gegangen; sie hat allmählich häusliche Arbeiten wieder über¬ 
nehmen können und ist nunmehr seit November 1908 als 
♦StützederHausfrautätig. Die letzten Untersuchungen zeigen 
eine blühende Person, die einen durchaus gesunden 
Eindruck macht, frei von Husten und Auswurf bei normaler 
Temperatur ist. 14 Pfund Gewichtszunahme. Der Befund ent¬ 
spricht einer völligen Ausheilung des Prozesses; 
ein Hohlraum ist nicht mehr nachweisbar. Es handelt sich somit 
um einen besonders schönen Dauererfolg. (R ö n t g e n b i 1 d T a f. I, 1.) 

21. M. Keller, 6 Jahre alt, Schreinerskind, Ockershansen. 

Aufnahme in die medizinische Klinik am 10. Januar 07. 

Anamnese : Eltern gesund, Pat. einziges Kind. Vordem stets ge¬ 
sund. Seit etwa einem Jahre leidet das Kind an Appetitlosigkeit und Husten, 
zeitweisem Erbrechen. Hierbei kommt dann meistens reichlich verschluckter 
Lungenauswurf zutage. Diese Erkrankung wurde im Anschluss an Masern 
bemerkbar. Der Husten war in letzter Zeit auffällig stark vermehrt, hohes 
Fieber, Nachtschweisse, Diarrhöen. 

Status {10- 1* 07): Graziler Knochenbau, schlecht ernährt, Hautfarbe 
äusserst blass, leicht zyanotisch, Temperatur zwischen 38 und 40 schwankend, 
Halsdrüsenschwellung mittleren Grades. Leichte Skoliose der Brustwirbelsäule 
nach links. 

Perkussion: Lungengrenzen hinten beiderseits 11. Rippe, Verschieb¬ 
lichkeit bei dem Kinde schlecht zu prüfen; vordere Grenze 6. Rippe. Über 
dem rechten Oberlappen vom und hinten intensive Dämpfung. Sehr schmale 
Spitze. Hinten gehl die Dämpfung allmählich in eine relative über, ebenso 
über dem Mittellappen relative Schallverkürzung. Links normale Perkussions¬ 
verhältnisse. 

Auskultation: Im Bereich des ganzen r. Oberlappens intensives 
broncho-amphorisches Atmen, zahlreiche klingende Rasselgeräusche. Über Mittel- 
xind Unterlappen rauhes Inspirium, stark verlängertes Exspirium. In diesem 
ganzen Bereich reichliche zum Teil feucht, zum Teil zäfl klingende Rassel¬ 
geräusche. Rechts unter der Klavikula metallisch klingendes Rasseln. Linke 
Lunge ohne wesentlichen Befund. 

Beitrige zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1 . 2 


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1,^ L. Brauer und Lucius Spengler. [18 

Das Rönlgenbild bestätigt die Diagnose einer ausgedehnten 
dichten Infiltration des rechten Oberlappens und zeigt 
deutlich Kavernenbildung, ferner ziemlich dicht stehende 
broncho-pneumonische Herde in Mittel - und Unterlappen. 
Das Zwerchfell ist leidlich verschieblich, nur an einer Stelle Zeltbildung. 

Herz normale Grenzen, unreiner erster Ton. Frequenz bis 130. 

Diazo-Reaktion stark positiv, sonst kein besonderer Befund. 

Da Pat hoch fiebert, fortschreitenden Kräfteverfall aufweist, so wird 
aim 23. I. 07 die Anlegung eines rechtsseitigen Pneumo¬ 
thorax versucht. Die regelmässige Kontrolle hat auf der linken Seite 
aktive Prozesse nicht erkennen lassen. 

Es wird, da das Kind sehr unruhig ist, nicht mit Lokalanästhesie, 
sondern mit Äthernarkose im 5. ICR., vordere Axillarlinie, ein ca. 3 cm 
langer Schnitt angelegt. Es gelingt leicht, den freien Pleuraspalt zu finden. 
Im ganzen laufen 500 ccm N ein. Genaue Druckmessungen konnten nicht 
ausgeführt werden, da das Kind während der Narkose stark würgt und hustet. 
Ausserdem entstand (damals wurden die Interkostalmuskeln 
noch nicht sorgfältig vernäht) bald ein sehr ausgedehntes sub¬ 
kutanes Emphysem, welches nach unten bis zur Schenkelbeuge, nach 
oben bis über die Schulterblätter herüber reichte. Allem Anschein nach 
hat das Kind bei dem fortwährenden Brechen und Pressen 
nahezu den ganzen Stickstoff aus der Pleurahöhle heraus 
in das Unterhautzellgewebe gedrängt. Jedenfalls war weder durch 
Perkussion, noch durch Auskultation ein Pneumothorax nachweisbar. Das Haut¬ 
emphysem schwand in den nächsten Tagen rasch und war am 1. II. nur noch 
geringfügig nachzu weisen. Wund verlauf glatt. Pat. blieb dauernd hoch fiebernd, 
nahm weiterhin an Kräften ab, daher am 23. II. 07 erneuter Pneumo¬ 
thoraxversuch. Dieses Mal Lokalanästhesie. 

Pleuraspalt leicht aufzufinden (mittlere Axillarlinie, 6. ICR.). Es werden 
1100 ccm N eingegossen, die Interkostalmuskelndieses Mal besser 
vernäht. Glatter Wundverlauf, kein Haute mpysem. Trotz der für dieses 
Lebensalter beträchtlichen Stickstoffmenge keine imgünstige Beeinflussung des 
Herzens. Die Pulszahlen liegen vor wie nach dem Eingriff zwischen 120 und 140. 
Es zeigt sich sowohl für Perkussion wie für das Röntgenbild ein grosser Pneumo¬ 
thorax. Man erkennt, dass die Abschnitte unter dem Mittellappen ziemlich weit¬ 
gehend kollabiert sind. Der Oberlappen gibt einen tieferen Schatten und ist, da 
er auch stärker infiltriert war, nicht so weitgehend zusammengefallen. D i e 
Röntgenphotographie Tafel 11 Bild 7 lässt deutlich die drei 
Lungenlappen voneinander unterscheiden. Es ist somit auch 
zwischen die einzelnen Lungenlappen Stickstoff eingedrungen und die einzelnen 
Lappen haben, da sie sämtlich mehr oder weniger infiltriert waren, noch eine 
gewisse Form behalten. Von nun an fallen die Temperaturen ab, sie steigen 
nicht mehr über 37,8, die Morgentemperatur häufig unter 37. 

Das Kind hustet weniger. Die Sputummengen waren zu keiner Zeit exakt 
zu bestimmen, da Pat. Sputum meist verschluckte, doch waren in den Massen, 
die zutage gefördert wurden, sehr reichlich The. und elastische 
Fasern nachweisbar. Nachfüllung von N am 7. III. (700 ccm), am 26. IV. 
(850 ccm) mit eindfn Enddruck von -)-5 mm Hg. 

Das Aufnahmegewicht war 18,8 kg, zur Zeit der Einblasung 16,4 kg. 
Ab 7. IV. 07 fieberfrei, niu* noch zweimal Spitzen auf 37,5, sonst Maxi- 



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19] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 19 

mum 37,1. Das Körpergewicht bleibt unverändert (bei der Entlassung am 9. Mai 
16,8 kg). 

Die Pah war während der letzten Wochen ausser Bett, sie lief im 
Garten herum, hatte gute Farbe, keine Atemnot, auch nicht beim Spielen, 
sie war munter und erschien völlig verändert. Hustenreiz 
fehlte. Anscheinend wurde Sputum überhaupt nicht mehr entleert. Leider 
wurde das Kind gegen den dringenden ärztlichen Rat aus 
der Klinik herausgenommen. Die unverständigen Eltern 
erklärten,dasKind seijetztvölliggeheilt, diePunktionen 
seien durchaus überflüssig, eine weitere Behandlung nicht 
nötig. Vergeblich wurde auf die Schäden hingewiesen, die 
für das Kind aus der allzu früh abgebrochenen Behand¬ 
lung Testieren würden. 

Aus dem Schlussstatus vom 10. V. 07 sei ferner hervorgehoben, dass die 
rechte Thoraxhälfte gegenüber der linken beträchtlich ausgedehnt erscheint 
und /schlechter bewegt wird. Über der linken Lunge völlig normaler Befund, 
keine Dämpfung. Das Atemgeräusch war auf der linken Seite normal, das 
Exspirium war nicht verlängert, keine Rh. Auf der Pneumothoraxseite alle 
klassischen Pneumothoraxsymptome. Die geschwellten Halsdrüsen sind unter 
Schmierseifenbehandlung eher kleiner geworden. 

27. VII. 07 bis 10. VIII. 07. Wiederaufnahme in die Klinik. 
Anamnese: Patientin war seit der Entlassung aus der Klinik, die gegen den 
ausdrücklichen wiederholten ärztlichen Rat erfolgte, im allgemeinen völlig wohl. 
Sie war stets ausser Bett, spielte, ass leidlich. Wiederholt wurden die Ange¬ 
hörigen darauf hingewiesen, dass bei der günstigen Einwirkung des Pneumo¬ 
thorax derselbe noch fortzuführen sei. Die Punktionen wurden aber 
von <fem Vater mit der Motivierung abgewiesen, dass das 
Kind jetzt gesund sei und einer weiteren Behandlung nicht 
bedürfe. So schwand der Pneumothorax allmählich wieder 
völlig. Die folgenden Erscheinungen veranlassten die erneute Einweisung des 
Kindes in die Klinik: 

Am 26.VII. 07 trat plötzlich wieder hohes Fieber auf, bis 
40,3. Das Kind hustet mehr, ist sehr erregt, hat Nasen¬ 
bluten, Erbrechen. In den letzten Wochen hatte das Kind, 
welches im Mai 07 frei von Husten war,nurnoch des Abends 
ganz wenig gehustet und Auswurf nicht mehr zutage ge¬ 
fördert 

Status : Gewicht wie bei der letzten Entlassung (16,8 kg). Hoch fieber¬ 
haft, beschleunigte Atmung, jagender Puls, sehr verfallenes Aussehen, Hals¬ 
drüsen beiderseits ziemlich empfindlich und geschwollen, Rachenorgane 
stark gerötet und geschwollen. Tonsillen vergrössert, jedoch ohne 
Belag. Mundschleimhaut gleichfalls gerötet. Starke Schleimsekretion an der 
hinteren Rachenwand. Die rechte Lunge atmet kaum. Rechts vorne eine intensive 
Dämpfung bis unten herab, rechts hinten imten eine Totaldämpfimg bis zur Mitte 
der Skapula, von da ab stark relativ gedämpft, überall intensives Bronchialatmen, 
dichte klingende mittelblasige Rasselgeräusche. Links nur neben der Wirbel¬ 
säule fortgeleitete Rhonchi, sonst nichts. Pneumothorax auch im 
Röntgenbild nicht mehr nachzuweisen. Herz an normaler Stelle, 
sonst nichts Besonderes. 

2 * 


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20 


L. Brauer und Lucius Spengler. 




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Am i31. VII. lassen die Erscheinungen im Halse nach, Lungenprozess 
bleibt unverändert, Puls und Temperatur sinken wieder langsam ab von 39,40 
auf 38/39. 

Am 14. TagewirddasKindnochhochfieberndmitnahczu 
unverändertem Befunde gegen den dringenden ärztlichen 
Rat nach Hause genommen. Der Rat, erneut einen Pneumo¬ 
thorax an legen zu lassen, wurde nicht befolgt, da ein 
Kurpfuscher davon abgeraten hatte!! 

Am 2. II. OS poliklinisch untersucht: 

In allerletzter Zeit Befinden etwas bcjssor, kein Fieber mehr, Appetit 
gebessert, fröhlicher, interessierbar, Hiistoii noch vorhanden, aber nicht sehr 
erheblich. 

Befund: Zartes, schmales, blasses Kind mit geringer Muskulatur, mager. 
Alte Rachitis. Rosenkranz. Andeutung von Pectus carinatum. Leichte Sko¬ 
liose der Brustwirbelsäulc, linke Thoraxhälftc weiter als die rechte. 

Die 1. Pupille ist weiter als die rechte; die linke Backe röter als die 
rechte. Pupillen reagieren prompt. Trockene Lippen. Weissbelegte Zunge. 
Rachitische Zähne. Am Hals kleine Drüsen, namentlich links, ebenso in 
beiden Leisten. Stimme normal. Geringe Blepharitis rechts. Unterhalb der 
5. Rippe in der rechten Mam.-Linie eine 3 cm lange Operationsnarbe. 

Die r. Brusthälfte ist abgeflacht und bleibt beim Atmen überall hinter der 
1. Seite zurück. Atmung 32 in der Minute. 

Im Bereich des rechten Oberlappens ist der Schall stark gedämpft 
mit tympanitischem Beiklang. Die obere Lungengrenze ist rechts 
nicht deutlich beslimmber. Bronchialatmen, vom scharf, mit zahlreichen, 
fein- und mittelblasigen, z. T. klingenden Rasseln. Rechter 
Mittel- und Untcrlappeii Dämpfung, doch nicht so stark wie oben, unbesümmtes 
Atmen mit feuchten Rasselgeräuschen und Reibegeräuschon 
(Lederknarren) namentlich in der Axillarlinie und hinten unten. Hinten unten 
r. Grenze und vordere untere r. Grenze steht fest. Kein Pneumothorax mehr 
nachzuweisen. 

Linke Lunge: Grenze oben normal, vorn unten 6. Rippe, frei verschieb¬ 
lich. Hinten unten 11. Rippe frei verschieblich. 

Schall links ohne Bes. Lunge überlagert das Herz zum grössten Teil. 

Vom und hinten scharfes pueriles Vesikuläratmen. Hinten von oben 
bis unten etwas Giemen, ebenso auch in der 1. Fossa supraclavicularis. 
Cor. nach r. hinübergezogen. 

Abdomen: o. Bes. Leber weich, 2 Finger br. unter Rippb. palp. Milz 0. 
R. Herzgrenze 2 Finger breit rechts vom Sternum. Töne rein. Puls 120, sonst 0. 
Temp. zurzeit normal. 

Einige Monate später starb das Kind. 

Indikation. Ausgedehnte dichte Infiltration des rechten 
Oberlappens mit Kavernenbildung. Dicht stehende broncho-pneumo- 
nische Herde im rechten Mittel- und Unterlappen. Hohes Fieber, 
schwere Allgemeinerscheinungen; völlig ungünstige Prognose. 

Epikrise. Ein erster Pneumothorax wurde 23. I. 07, da die 
Interkostalmuskelnaht damals noch nicht genügend ausgeführt wurde, 
zwischen den Rippen wieder durchgedrängt, so dass ein ausgedehntes 
subkutanes Emphysem entstand. 



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21 ) 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lujigenkollapstherapie. 


21 


Eine zweite Operation am 23. II. 07 führte bei besserer Technik 
zu einem sehr ^ten Pneumothorax (EöntgenbildTaf. II, 7). Der 
Erfolg war zunächst ein besonders guter: Fieberfrei¬ 
heit, Verschwinden des Hustenreizes und anscheinend jeglichen Aus¬ 
wurfs. Das Kind war munter, erschien wie eine Gesunde, so dass die 
ungebildeten Eltern, die von einem Kurpfuscher aufgehetzt waren, 
das Kind mit der Motivierung aus der Klinik nahmen, „es sei jetzt 
völlig gesund und die weiteren Punktionen seien überflüssig“. Wie 
voraus gesagt, folgte dem inkonsequenten Vorgehen eine schwere 
Scliädiguung des Kindes. 2V2 Monate nach der Entlassung wurde 
das Kind mit einer akuten Angina hochfebril wieder eingeliefert. 
Auf der ganzen rechten Seite akuter broncho-pneumonischer Schub. 
Das Kind blieb in diesem Zustande einige Wochen in der Klinik. 
Der Rat, die derzeitig so nützliche Therapie erneut auszuführen, 
wurde wiederum infolge Intervention eines Kurpfuschers abgelehnt. 
Das Kind ging draussen nach einigen Monaten zugrunde, ohne dass 
es weiter untersucht werden konnte. 

Der Fall ist überaus lehrreich, da er einerseits die überraschend 
günstige Wirkung der Pneumothoraxtherapie demonstriert, anderer¬ 
seits die ungünstigen Folgen einer gegen den ärzt¬ 
lichen Rat zu früh unterbrochenen und inkonse¬ 
quenten Behandlung erkennen lässt. 


22. Frl. Elisabeth H. aas N., 26 Jahre alt. 

Schwere hereditäre Belastung. Mutter lungenkrank, älterer Bruder an 
Phthise gestorben, Pat. hatte denselben gepflegt. Pat. selbst ist vierte von 
neun Kindern und machte alle Kinderkrankheiten (Masern, Diphtheritis, Keuch¬ 
husten) ohne Komplikationen durch, behielt aber seit letzterer Krankheit Nei¬ 
gung zu Katarrhen. Dez. 1905 zeigten sich die ersten Anzeichen der Krankheit 
durch häufiges pleuritisches Stechen in der linken Seite. Doch wurde ein 
imzweckmässiges Leben (viel Sport) fortgesetzt, so dass 1906 im August ein 
Aufenthalt in Norderney verordnet wurde, woselbst sie sich besserte. Sept 06 
wurde die Natur der Krankheit erkannt und ein Kuraufenthalt in Davos vorge¬ 
schlagen. Daselbst wurde folgender Lungenbefund erhoben: 

20. X. 06. Dämpfung über ganzer linker Lunge und etwas abgeschwächter 
Perkussionsschall über der rechten Spitze. L. v. über Klav. Atmen zu leise, 
vesiko-bronchiaJ, zahlreiche, mittlere und grobe Rh. Dasselbe im 1. ICR. Im 
2. u. 3. ICR. Atmen lauter, Inspir. sehr rauh, Exspir. verlgt., ziemlich viele 
feine und mittlere Rh. Gegen die Basis zu dieselben Verhältnisse, aber weniger Rh. 

L. h. über Oberlappen wie vom über Oberlappen; über dem Unterlappen 
Inspirium raub, Exspirium verlängert, zahlreiche mittlere und grobe Rh., 
w^elche auch hier gegen die Basis zu weniger grob und weniger zahlreich 
werden. In der Mitte des linken Unterlappens liegt neben der Wirbelsäule 
ein umschriebener Bezirk in der Höhe des Angulus scap., woselbst das Atmen 
broncho-amphor. ist, mit groben, klingenden Rh. Der untere Liingonrand ist 
deutlich verschieblich. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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22 


Rechts ist überall vesikuläres Atmen, nur über Spitze ist dasselbe etwas 
zu leise und zu rauh, das Exspir. verlgt Nach Husten hört man daselbst 
vereinzelte, feine, trockene Rh. Temp. leicht erhöht bis 37,4. Puls 104. Aus¬ 
wurf sehr reichlich, Tbc. (Gaffky VIII) und elastische Fasern enthaltend. Das 
Gewicht 55,7 kg. — 

Der Lungenprozess zeigte trotz Bettruhe und vorsichtigster Allgemein¬ 
behandlung rapiden Zerfall über der ganzen linken Lunge unter sehr hohem 
Anstieg der Temperatur, welche nach wenigen Wochen rein hektischen Charakter 
annahm \md durch Fiebermittel nur vorübergehend zu beeinflussen war. Dabei 
massenhaftes Sputum mit elastischen Fasern in Fetzen und Verbänden, Tbc. 
bis Gaffky X und täglich mehrmalige, schwere Schweissausbrüche. Rapider 
Zerfall der Körperkräfte bei völliger Anorexie. Puls 120. Während dieser Zeit 
zeigte aber die rechte Lunge ganz unveränderte, gute Verhältnisse. Bei dem 
massenhaften dünneitrigen Auswurf war aber stets eine Aspiration desselben 
in die rechte Lunge zu befürchten. 

26. Januar 1907 wurde die Anlegung eines künstlichen 
Pn. Th beschlössen und ausgeführt. Die Operation (Brauer) ging 
unter lokaler Anästhesie glatt von statten. Es wurden 1200 ccm N eingeführt. Der 
Eingriff gelang gut und die Lunge wurde sofort gegen den Hilus zu zusammen¬ 
gepresst, zeigte aber derbe Adhärenzen sowohl gegen die Basis als auch 
^egen die Spitze zu, so dass sie in länglicher, zigarrenförmiger Form im 
Pn.Th. hing. Gleich nach dem Eingriff wurden mehrere 100 ccm eitrigen 
Sputums ausgespuckt. Die beigegebenon Fieberkurven (Tafel IV) erläutern den 
klinischen Verlauf der folgenden Tage. Zunächst blieb das Befinden der Pat noch 
im höchsten Masse bedrohlich, doch gelang es einer sehr energischen Therapie 
mit Kampfer- und Koffeininjektionen die Herzkräfte hoch zu halten und durch 
Sauerstoffatmungen die Dyspnoe zu bekämpfen. Schlaf wurde durch kleine 
Morphiumdoseii erreicht 

Am 29. Januar 07 nahm das Sputum vorübergehend pneumonischen 
Charakter an. Der Allgemeinzustand ist ein recht bedrohlicher. Gegen Abend 
vorübergehender Kollaps, der auf Kampfer und Digalen schwindet Es be¬ 
stehen Diarrhöen, auf Morphium Schlaf. 

31. Januar 1907. Die Atmung wird etwas ruhiger. Der Auswurf ist 
nicht mehr rostfarben, Sauerstoffatmung nicht mehr nötig. 

1. Februar 1907. Sputum wird dünnflüssiger, zeigt vorübergehend noch¬ 
mals Rostfarbe, die bestehenden Schweisse haben fast ganz nachgelassen. 

3. Februar 1907. Allgemeinbefinden bedeutend gebessert, Sputum nimmt 
ab, der Durchfall ist noch vorhanden. 

6. Februar 1907. Erste Nachpunktion. Es wird ein Liter Stickstoff 
eingeführt Danach nur mässige Dyspnoe. 

7. Februar 1907. Es hat sich Hautemphysem gebildet Nach der Punktion 
war wiederum viel Auswurf aufgetreten, zum Teil harte klumpige Massen. 
Die nächsten Nächte verliefen gut und das Sputum nahm langsam an Menge ab. 

23. Februar 1907. Zweite Nachfüllung, 1000 ccm. Allgemein¬ 
befinden ganz beträchtlich gebessert. Pat. kommt vom 26. Februar an auf 
den Balkon. 

21. März 1907. Nachfüllung, 1200 ccm. 

25. März 1907 erster Spaziergang. Pat nimmt am gemein¬ 
schaftlichen Mittagessen teil. 

19. April 1907. Nachfüllung, 1200 ccm. Bei den Nachfüllungen 
der ersten Zeit musste noch sehr auf den labilen Zustand des Herzens Rück- 



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23] Erfahrui\gen und Überlegungen zur Lungentollapstherapie. 23 

sicht genommen werden. Es wurde vor und nach den Nachfüllungen stets eine 
Kampfereinspritzung gemacht. Das Allgemeinbefinden wird im übrigen aus¬ 
gezeichnet Die Schweisse sind fortgeblieben. Wegen Sputum, Körpergewicht, 
Temperatur etc. siehe die nachfolgenden Tabellen. — 


Gewichtstabelle. 


20. 

X. 06 

61,0 kg 1 

16. 

IV. 07 

49,3 kg 

6. 

XL 06 

58,0 kg i 

7. 

,V. 07 

63,8 kg 

25. 

Xn. 06 

56,0 kg 

6. VIII. 07 

56,3 kg 

15. 

I. 07 

55,7 kg 

10. 

III. 08 

56,3 kg 

26. 

I. 07 

Operation 

31. 

111. 08 

57,4 kg 

12. 

II. 07 

48,5 kg 

4. 

XI. 08 

62,5 kg 

5. 

III. 07 

47,2 kg 

3. 

V. 09 

65,5 kg 


Resultate der Sputumuntersuchungen. 


16. 

I. 07: Gaffky X u. elast. Fasern. 

14. 

V. 07: Gaffky II, keine elast. 

26. 

I. 07; Operation. 


Fasern. 


2. 

II. 07: Gaffky VI u. viele elast. 

27. 

V. 07 : keine Tbc. u. 

keine 


Fasern. 


elast. Fasern. 


7. 

11. 07: Gaffky IX u. viele elast. 

17. 

VI. 07: keine Tbc. u. 

keine 


* Fasern. 


elast. Fasern. 


15. 

11. 07: Gaffky X u. viele elast. 

18. 

VII. 07: keine Tbc. u. 

keine 


Fasern. 


elast. Fasern. 


26. 

II. 07: Gaffky VI u. spärl. elast. 

19. 

VIII. 07: keinen Auswurf. 



Fasern. 

18. 

IX. 07: keine Tbc. u. keine elast. 

7. 

III. 07: Gaffky VI u. spärl. elast. 


Fasern. 



Fasern. 

26. 

X. 07: keine Tbc. u. keine elast. 

12. 

III. 07; Gaffky VIII u. viele elast. 


Fasern. 



Fasern. 

21. 

XI. 07: keinen Auswurf. 


25. 

III. 07: Gaffky VI u. elast. Fasern. 

26. 

11. 08: ein Sputum ; enthält Gaff- 


4. IV. 07: Gaffky V u. elast. Fasern. I ky I, keine elast. Fasern. 

22. IV. 07: Gaffky I, keine elast. i 

Fasern. | 

Im März und April 07 wurden bei der Pat immer noch einzelne Tem- 
peraturerhöhimgen, bis 37,3 und 37,4, beobachtet. Von Anfang Mai 07 an bleibt 
dieselbe dagegen fieberfrei mit ganz seltenen Temperaturen bis 37,3. Die Puls¬ 
zahlen sanken nun auf 80, sind selten 92. Nur nach grösseren Stickstoff 
einblasungen erhebt sich die Pulszahl noch über 100, am 18. Juni 07 sogar 
für wenige Stunden auf 120. Ab Anfang Juni 07 bleiben auch die zuletzt 
erwähnten leichten und seltenen Temperatursteigerungen vollkommen weg. Die 
Kurve schwankt zwischen 36,4 und 37,0. Pat. erweckt den Eindruck einer 
völlig gesunden Person. Sie ist voller Humor und lebensfreudig, ganz im Gegen¬ 
satz zu der tiefen Depression und dem sehr schlechten Allgemeinbefinden 
während der Fiebermonate vor dem Eingriff. Pat. ist imstande zu laufen und 
zeigt dabei keine nennenswerte Dyspnoe. Es hält schwer, sie bei dem vor¬ 
züglichen Allgemeinbefinden zur Vorsicht und Ruhe zu mahnen. Es werden 
ihr neben der üblichen Sanatoriumskur kleinere Spaziergänge erlaubt, Krocket¬ 
spielen u. a. m. 

Weitere Nachfüllungen: 18. Juni 07, 1200 ccm. 5 mm Hg postiver Schlu.ss- 
-druck. — 16. Juli 1200 ccm. Anfangsdruck — 2 mm, Enddruck -f- 4 nun 


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24 L. Brauer und Lucius Spengler. [24 

Hg — 13. August KKK) ccm. Druckwerte wie früher. Am 2. u. 3. Sept. 07 
Darnikalarrh; dabei zum erstenmal wieder Temperatur zwischen 37,0 und 37,9. 

13. September 07 1000 ccm N. Schlussdruck -p 4 mm Hg. 

Am 9. Oktober 07 950 ccm. Anfangsdruck — 2 mm Hg, Enddruck 
-j- 5 mm Hg. Es entstehen dabei Schmerzen über den Lungenspitzen, be¬ 
sonders hinten in der Nackengegend; die Schmerzen scliwinden bald wieder. 

Am 1. November 07 zeigt die Röntgenkontrolle ein kleines, den Kom¬ 
plementärraum eben erfüllendes Exsudat. Rat. ist dabei aber temperaturfrei. 
Maximum jener Zeit, an einzelnen Tagen 37,2, meist unter 37,0. — 

Am 27. Dezember 07 war das Exsudat recht beträcht¬ 
lich angewachsen. Der obere Rand desselben stand vorn 
an der dritten Rippe. Bei der Durchleuchtung zeigte sieb, 
dass die obere E x s u d a t g r e n z e infolge starker Ausbuch¬ 
tung des hinteren Mediastinums etwa bis in d i e M i 11 e 
dos anderen Lungenfeldcs herüberrciclit. Bei Er¬ 
schütterung der Kranken lief eine Welle bis nach rechts 
herüber,so d asseine Täu sc hungbeiderBeurteilungdies(‘s 
Befundes völlig ausgeschlossen ist^). Bei dieser Untersuchung 
wurde Rat. zudem so gestellt, dass das mittlere Strahlenbündel die obere Exsudat- 
grenzo genau tangierte, so dass also das Herüberreichen des Exsudates nicht 
etwa auf fehlerhafter Projektion des l^xsudatfeldes beruhte. (Es sei hier 
auf die Arbeit des Herrn Dr. N i e t s c h, diese ,,Beiträge“, über das Ver¬ 
halten des Mediastinum verwiesen.) Trotz dieses hohen Exsudates war Pal. 
kaum dyspnoisch. Sie erklärte wiederholt, dass sie irgendw'elche Beschwerden 
von ihrem grossen Exsudat nicht verspüre. Sie machte zum Beispiel auch 
die Weihnachtsfeier mit, ohne besonders geniert zu sein. 

27. Dezember 07. Das Exsudat wird punktiert. Nach Abfluss von 400 ccm 
zeigt das Manometer einen Druck von — 4 mm Hg. Deshalb wird erst Stick¬ 
stoff eingelassen, bis zum Auftreten eines leicht positiven Druckes und 
nunmclir mit dem weiteren Ablassen dos Exsudates fortgefahren. Es wird 
auf diesem Wege, unter steter Kontrolle des Druckes, abwechselnd Ex¬ 
sudat entnommen und Stickstoff nachgefüllt bis zum Schluss 1500 ccm 
eines klaren grün-gelben Exsudates abgelassen und 1400 ccm Stickstoff nach¬ 
gefüllt waren. Hierbei bestand dann zum Schluss ein positiver Druck von 
2 mm Hg. Pat. ist durch diese Massnahme in keiner Weise angegriffen. Auch 
die Temperatur ist völlig normal. Die Lunge erscheint nach Ablassen des 
Exsudates in der Form, die aus der Figur 1 erhellt. 

21. II. 08. Exsudat ist wieder gestiegen. Es werden davon 600 ccm 
abgesaugt und, da dabei der Druck im Pneumothoraxraum bis auf 16 mm 
Hg sank, 400 ccm Stickstoff nachgefüllt. — Am 25. II. 08 e i n Sputum (Gaffky I, 
vergl. Tabelle), aber keine elast. Fasern. .Auf Grund dieses Befundes 
wurde beschlossen, den P n. T h. noch während einigen Mo¬ 
naten in der jetzigen Grösse zu erhalten. — 

Diese Verhältnisse werden verständlich bei Vergleich der Zeichnung auf 
Seite 61 (Fall Nr. 29) und Seite 85 (Fall Nr. 35). Es handelt sich in diesem 
Falle um eine Überblähung (oder „Modia.stinalhernie“) der hinteren unteren 
,,schwachen Stelle“, im Gegensatz zu der ,,Mediastinalheniic“ der vorderen 
oberen ,,schwachen Stelle“ des Mediastinum, die v. Mural t bei Fall 72 
(Seite 248) beobachtete und skizzierte. 



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25] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


25 


17. IIL 08. Nachpunklion: 600 ccm N. Exsudat kaum gestiegen, wes¬ 
halb davon nichts aspiriert wird. — Kein Auswurf. Toinperatur normal. — 
Mitte Mai 08 fährt die Kranke nach Hause, um den Sommer bei den 
Ihrigen zu. verbringen. Sie stellt sich in Marburg zur Kontrolle. 

Mai 08. Kein Sputum, keine Temperatur, kein Husten. Röntgen bild: 
Kleines Exsudat, bis höchstens zur Zwerchfellkuppe, links 2 Querfinger breit, 
gleichmässig hellgrau durchscheinend. Pn.Th.-Raum selbst noch 6 Querfinger 
breit Herz liegt an normaler Stelle, wird bei Inspiration nach links gezogen. 
Pat. bekommt bei aussergewöhnlichen Anstrengungen, Laufen etc., Herzklopfen, 
bei ruhigem Treppensteigen aber nicht. Wirbelsäule ganz symmetrisch und 
gerade, linke Seite schleppt bei der Inspiration nacli. 

Links oben etwas hypersonorer Schall, übermässig breiter Isthmus. R. o. v. 
und h. völlig normaler Schall. Über der ganzen linken Lunge auffallend lauter - 
Schall, Exsudatgrenze 9. Rippe. Kleines Rauchfuss sches Dreieck. Grenze 
r. h. u. 10. Rippe, sehr glatt verschieblich. 



.Auskultation. R. v. o. und r. h. o. Inspiriuni rauh, Exsp. srhwacli 
hauchend. Ganz spärliche feine trockene Geräusche nach Husten. Mittellappen und 
rechter ünterlappen völlig frei. Über Pneumothorax-Lunge (linke) ausgedehnte 
Stäbchen-Plessimeter-Perkussion. Atem nicht zu hören. Puls mittelvoll, normal, 
72, völlig regelmässig. Spitzenstoss nicht zu fühlen, Töne normal, nicht be¬ 
sonders paukend. Zweiter Pulmonalton nicht verstärkt. 

Mit Brief vom 30. Juni 08 berichtet die Kranke, dass sic ihr Hausarzt 
untersucht und dabei nur ein kleines Exsudat festgestellt habe. Das Befinden 
der Pat. ist ausgezeichnet — 

Letzte Punktion 11. Mai 1908. 

November 1908. Linke Seite deutlich abgeflacht, schleppt stark. Wirbel¬ 
säule im Brustteil etwas skoliotisch. Befinden gut. Kein Sputum, nur des 
Morgens ein kleiner Pfropf. Dauernd fieberfrei. Puls 88—06. Röntgenbild lässt 
Pneumothorax nicht mehr erkennen. Ganze linke Seite gleichmässig abg(‘schattet. 
Rechts von der Wirbelsäule nichts von Herz zu bcobachtcMi. Zw»Tchfell 
deutlich hochgehoben (Photographie: Tafel I Bild 2). Rechtem S])itzfi nor- 


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2G L. Brauer und Lucius Spengler. [26 

nialer Schall, sehr breit. Links bretthart gedämpft, Grenze nicht deut¬ 
lich. In den oberen Partien erkennt man deutlich eine Verschiebung des Me¬ 
diastinums und eine Überblähung der rechten Lunge nach links. Die Dämpfung 
nimmt hinten zwischen den Schulterblättern hellen Beiklang an, auch in den 
weiteren unteren Partien nur relative Dämpfung mit tympanitischem Beiklang. 
Untere Grenze links gut 2 Querfinger breit höher wie rechts. Bei leiser Per¬ 
kussion links vom neben der Dämpfung tympanitischer Beiklang. Vom links 
überall Dämpfung ziemlich hart mit leichtem tympanischen Beiklang. Per- 
kutiert man von rechts her über die obere Steraalpartie hinweg, so hat man den 
lauten Lungenschall der rechten Seite bis querfingerbreit über den linken 
Sternalrand hinaus. Spitzenstoss deutlich zu fühlen, zwischen Mamillar- und 
vorderen Axillarlinie. Herzaktion etwas beschleunigt aber regelmässig. Herz¬ 
töne rein. — 

Auskultation. L. v. unbestimmtes scharfes Inspirium, hauchendes 
Exspirium. Nach Husten keine Rhonchi. Man hört über der ganzen 
1. Lunge h. und in der Seite, ganz wenig auch vorn, ein 
eigentümlich systolisches Geräusch. Dieses Geräusch 
ist am Herzen selber nicht vorhanden. Im übrigen ist vorn 
ein leises In- und Exspirium scharf hauchend zu hören. Dasselbe ist links 
iii der Seite kaum hörbar. Keine Rhonchi. Nirgends Reiben. Dieses vor- 
beschriebene scharfe systolische Geräusch ist am deutlichsten links hinten 
zwischen den Schulterblättern und wird von dort scharf nach der Seite ge¬ 
leitet. Auch rechts ist eine Spur dieses Geräusches zu hören. Patientin reist 
nach Davos. 

4. V. 09. Pat. verbrachte die Zeit vom 4. Nov. 08 bis 5. Mai 09 in 
Davos. — Während dieser Zeit andauernd vorzügliches Allgemeinbefinden. 
Das Körpergewicht stieg von 62,5 kg auf 65,5 kg. Der Puls sank von 88—96 
auf 64—80. — Die Temperatur war andauernd normal. Die Kranke wirft 
morgens regelmässig etwa ccm Auswurf aus. Am 6. XI. 08 werden in dem¬ 
selben Tuberkelbazillen (Gaffky II, ohne elastische Fasern) gefunden. Am 
16. III. 09 Gaffky I, ohne elasL Fasern. Dann verschwindet der Auswurf. 
Nur am 30. IV. 09 konnte noch ein Sputum zur Untersuchung gelangen, in 
welchem jedoch weder Tuberkelbazillen noch elastische Fasern gefunden 
wurden. — Vom 27. II. 09 bis 4. V. 09 Tuberkulinkur mit kleinen Dosen. 
Anfangsdosis Viooooo ^6» Schlussdosis mg. — Diese Kur wurde sehr gut 
ertragen. Die Temperatur überstieg dabei nie die Höhe von 37,1. Der Erfolg 
war iuischeinend ein guter. — Das oben beschriebene systolische 
Zischen nahm an Intensität langsam ab und war zu Anfang 
Mai nur noch über der unteren Hälfte der Skapula zu 
hören als ein leise zischendes, mit der Systole zusam- 
monfallendcs Geräusch. Wohl ein kardiopulmonales Ge¬ 
räusch. Im Liegen war cs nicht zu hören, sondern nur im 
Stehen (wie bei Fall Nr. 53). — Herztöne rein. — 

Schlussstatus: Allgemeinbefinden vorzüglich. Die Kranke kann ohne 
Mühe grössere Gänge machen. Seit einigen Wochen keinen Auswurf mehr. 
Puls 64—80. Temperatur normal. Gewicht 65,5 kg. Gewichtszunahme seit 
dem 5. III. 07 Wochen nach der Operation) 18,3 kg. — Die perkussorischen 
Lungen grenzen sind aus der Fig. 2 ersichtlich. — Linke Seite strirk abgeflacht; 
zeigt nur kleine Respirationsexkursionen. Wirbelsäule im Brustteil leicht 
skoliotisch. Herz ahgedeckt und nach aussen und oben verschoben. 



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27] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 27 

Ober der linken Lunge, besonders den oberen Partien brettharte Dämpfung. 
— Rechts, normaler Schall. 

Auskultation: Über der rechten Spitze hinten und vom Insp. 
verschärft, Exspir. etwas verlgt., Rh. = 0. — Links vorn über Klavikula 
Atmen leise, aber zieml. scharf, vesiko-bronchial, Rhonchi keine. Sodann im 
1., 2.*u. 3. ICR. Atmen leise, Inspir. rauh-scharf, Exspirium verlängert, Rhonchi 
keine. Längs dem Sternum, entsprechend der Grenze der überblähten linken 
Lunge, zl. lautes, etwas verschärftes vesikul. Atmen. — Hinten links oben 
im Bereiche des Oberlappens scharfes vesiko-bronchiales Atmen, ohne Rhonchi. 

Ober dem ganzen linken Unterlappen Atmen leise, Inspirium verschärft, 
Exspirium verlängert; in der Höhe der Mitte der Skapula neben der Wirbel¬ 
säule einige wenige feine, trockene Rhonchi. — 



ludikation zur Operation. Die Patientin bot bei ihrem 
objektiven Lungenbefund und bei der schweren Störung des All¬ 
gemeinbefindens, sowie bei dem überaus raschen Fortschreiten des 
Krankheitsprozesses eine absolut ungünstige Prognose. Hierüber 
waren sich die Ärzte und der Vater in gleicher Weise klar. Die 
Chancen des Eingriffes erschienen sehr gering. Es 
musste dem Vater mitgeteilt werden, es sei sehr wohl möglich, dass 
eine so sehr schwer kranke und verfallene Person, welche 
hochgradig dyspnoisch war und ein äusserst labiles 
Herz darbot, bei dem an sich relativ harmlosen Eingriffe sterben 
könnte. Es erschien sehr zweifelhaft, ob die Patientin überhaupt im¬ 
stande war, die nächsten 2—3 Wochen zu überleben. In der Erkennt¬ 
nis der desolaten Sachlage wurde auf dringendes Bitten des Vaters 
hin und nach eingehender Besprechung mit demselben der Eingriff 
dennoch gewagt, da er die letzte Möglichkeit zu bieten schien, die 
Kranke noch am Leben zu erhalten. 


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Ls Brauer und Lucius Spengler. 


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Epikrise, ln deu ersten Tagen nach der Opera t ion 
zeitweise sehr bedrohlicher Zustand. Das Auftreten rost¬ 
farbenen Sputums lässt annehmen, dass sich inderKollapsluiige 
eine Pneumonie entwickelte. Anfäaiglich noch Fortschreiten dos 
rapiden Kräfteverfalles, trotzdem das Allgemeinljefinden sich schon 
nach 14 Tagen wesentlich besserte. Elastische Fa.sern schwanden 
nach 4 Monaten, Tuberkelbazillen nach 5 Monaten und sind seitdem 
nur ganz selten in geringer Menge gefunden in der Periode der 
Wiederausdehnung der Lunge. Im einzelnen nachzulesen ist das Ver¬ 
halten des hinteren Mediastinum während der Exsudatperiode, ebenso 
das Auftreten kardiopulmonaler Geräusche. Letzte Punk¬ 
tion 11. Mai 08. Seit November 08 Pneumothorax verschwunden. 
Resultat. Starke Schrumpfung der Kollapslunge, vorzügliches Allge¬ 
meinbefinden; 18,3 kg Gewichtszunahme, gerechnet vom tiefsten 
Stande des Gewichtes (fünf Wochen nach der Operation); Puls und 
Temperatur völlig normal; kein Husten und kein 
A u s w u r f. Im übrigen siehe Schlussstatus. — 

Pat. berichtet unter dem 7. I. 10, dass sie sich völlig wohl fühlt, 
mehrere grosse Gesellschaften mitgemacht hat und allgemein als auf¬ 
fällig wohl angesprochen wird. Man versichert, wie wohl und blühend 
sie aussehe. Pat. gibt an, dass sie ohne Beschwerden gut Treppen 
steigen kann; sie hätte einen raschen flotten Schritt. Auswurf und 
Husten fehlt vollkommen, so dass sie sich als absolut gesund be¬ 
trachtet. 

Pat. ist seit August 1909 verheiratet. 

Am 17. VII. 10 berichtet Patientin; „Es geht mir wirklich 
sehr gut, viel besser als wir je zu hoffen wagten. Davos ist meistens 
ganz vergessen.“ 


23. Frl. St. ans Wien, 23 Jahre alt. 

In der Aszendenz keine Tuberkulose, kein Krebs, kein Diabetes. Vater 
gesund, Mutter leberleidend. Patientin (1/3) war als Kind kräftig, hatte 
keine Kinderkrankheiten; schon mit 13 Jahren menstruiert, immer regelmässig. 
Die jetzige Krankheit begann mit einer Pleuritis exsudativa sinistra im Sommer 
1902. Zu gleicher Zeit bestand damals eine Nierenentzündung. Während Pat. 
zur Nachkur nach diesen beiden Krankheiten sich in Meran aufhielt, bekam 
sie hier eine Pleuritis exsudativa dextra. Sie war danach auf dem Semmering 
und im Sommer 1904 im Sanatorium Wienervvald. Damals wurden im Aus¬ 
wurf Tuberkelbazillen nachgewiesen. Sie machte eine kurze Tuberkulinkiir 
durch. Pat. ist gute Esserin. 

Am 15. X. 05 wurde die Patientin ins Sanatorium Schatzalp aufgenommen. 
Hier machte sie zunächst mit Bezug auf die Lunge nur sehr geringe Fort¬ 
schritte, da sie wegen eines Ulcus ventxiculi nur reduzierte Kost geniessen 
konnte. Wegen dieses Ulcus ventriciili wurde Patientin von Mitte Dezember 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapsthorapie. 


29 


1905 bis Mitte März 1906 in einer Privatklinik in Zürich behandelt, von wo 
sie in sehr gebessertem Zustand nach Schatzalp zurückkam und nunmehr reich- 
liclun* ernährt werden konnte. Der Lungenbefund besserte sich nun etwas, aber doch 
nur sehr langsam. Die Pat. verlor bei ihrem ausserordentlich lebhaften un 
ruhigen Temperament die Geduld und es wurde ihr deshalb der Vorschlag' 
gemacht, die Anlegung eines künstlichen Pn.Th. vorzunehmen. 

Der Lungenstatus war am 12. Febr. 07 folgender: Links Dämpfung von oben 
bis unten, auch rechts über der Spitze etwas verminderter Perkussionsschall. 
Links vorn über Klavikula Atmen leise, broncho-amphorisch, klingende Rhonchi, 
besonders grobe. Im 1. ICR. dasselbe, besonders deutlich am Sternum. Im 
2. ICR. Atmung broncho-vesikulär, am Sternum das Exspirium mit amphorischem 
Beihauch, mittlere Rhonchi, auch klingende, besonders am Sternum. 3. ICH. 
Atmung vesiko-bronchial, Exspirium am Sternum mit amphorischem Beihauch, 
grobe teilweise konsonierende Rhonchi. 4. ICR. leises, rauhes Inspirium, 
hauchendes Exspirium, am Sternum bronchial, Rhonchi, auch klingende. 
5. ICR. Atmen fast aufgehoben. L. h. o. über Oberlappen Atmen leise vesiko- 
bronchial, Exspirium mit amphorischem Beihauch, Rhonchi, meist grobe 
klingende. Über der oberen Hälfte des 1. Unterlappens Atmen vesiko-bronchial, 
mittlere imd gröbere Rhonchi. Über der unteren Hälfte des linken Unter¬ 
lappens neben dem Angulus scapulae an umschriebener Stelle ein lauter und 
schärfer atmender Bezirk mit vereinzelten trockenen Rhonchi. Nach unten 
hin Atmen rauher und leiser. In der oberen Hälfte der linken Seite hört man 
in der Tiefe Bronchialatmen mit amphorischem Beihauch und klingende Rhonchi. 
Über der unteren Hälfte Inspirium schärfer und lauter, Exspirium verlängert. 
An der Basis ist das Atmen wieder abgeschwächt. 

R. V. über Klavikula Insp. scharf, Exsp. verlängert, vereinzelte feine trockene 
Rhonchi, besonders nach Husten. Im 1. ICR. Atmen scharf, Exsp. verlängert, ab 
und zu ein leiser trockener Rhonchus. 2. ICR. dasselbe. Über dem Mittel- 
lappeu Vesikuläratmen. R. h. o. über Oberlappen wie r. v. o., nach Husten 
einige feine trockene Rhonchi. Über der oberen Hälfte des rechten Unter¬ 
lappens Atmen vesikulär, etwas zu leise, über der unteren Hälfte des rechten 
Unterlappens Atmen vesikulär. In der rechten Seite Atmen etwas zu leise, 
keine Rhonchi, kein pleuritisches Reiben. 

Das Sputum enthielt Tuberkelbazillen imd elastische Fasern. Die Tem 
peratur war öfter erhöht, bis 37,4 und darüber. — Zur Ausführung der Operation 
begab sich Pat. Mitte Februar 1907 nach Marburg. Hier wurde am 17. Febr. 
die Anlegung des Pneumothorax versucht. 

17. II. 07. Operation (Brauer). Besonders schwierig wegen starker Adi¬ 
positas. Zunächst starke Verwachsimgen. Nach einigen vergeblichen Versuchen 
aber findet man den Pleuraraum. Eine grössere Einblasung ist jedoch nicht mög¬ 
lich, da die Verwachsungen hindern. Das Röntgenbild zeigt eine Pneumo¬ 
thoraxhöhle von der Grösse etwa einer ganzen Hand, Inhalt etwa 1/2 Liter, 
daneben ein grösseres subkutanes Emphysem. Am 19. II. 07 wird dann die 
Luftblase punktiert. Unter stärkerem Druck werden 600 ccm eingebracht. Es 
entsteht ein stärkeres Hautemphysem, welches bis zum Halse heraufreicht. 
Das Röntgenbild zeigt ausser der Luftblase eine etwa 2 Querfinger breite 
innerhalb der Rippen liegende nicht scharf begrenzte, ziemlich weit 
heraufreichende helle Zone, welche Zone als EmphyseminderSchwarte 
aufgefasst wird. Der abgesackte Pneumothorax ist noch zu erkennen, aber 
durch die Punktion anscheinend nicht vergrössert. Die Punktionsnadel ist 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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somit nicht in die Pneumothoraxblase gelangt, sondern in das aufgelockerte 
Schwartengewebe. 

Es wmrde dann noch mehrfach nachpunktiert. Am 24. II. 07 gelangte 
die Nadel zweifellos in die Lunge. Es flössen 1500 ccm N ein, ohne die Sachlage 
zu ändern. Am 3. III. 07 befand die Nadel sich in einem extrapleuralen 
Emphysemraum. Der Ausschlag am Manometer war inspiratorisch negativ^ 
exspiratorisch positiv. Die Mittelstellung des Manometers schwach negativ. 
Es lag somit die Nadel in einem Raum, der unter dem Rippenwall sich befand. 
N. floss nur unter erhöhtem Druck ein und machte Schmerzen. Nach einiger 
Zeit erschien ein Hautemphysem an der oberen Thoraxapertur. Nunmehr er¬ 
kannte man die fehlerhafte Lage der Nadelspitze, schob die Nadel noch 
etwas weiter vor, traf jetzt den abgesackten Pn.Th. und verbrachte in denselben 
unter stärkerem Druck etwa 800 ccm N. Das Röntgenbild zeigte da¬ 
nach den in der Skizze (Fig. 3) wiedergegebenen. Befund 
Bei einer dritten Punktion (7. III. 07) liess sich der Pn.Th.-Raum nicht wieder 
sicher auffinden. Im Hinblick auf die Gefahr dieser imsicheren Punktionen 
wTirde von weiteren Punktionen abgesehen. 



Nachdem die Schnittwunde reaktionslos verheilt war, kehrte Pat Mitte 
März 07 nach Schatzalp zurück. Hier war der Befund am 19. III. 07 folgender: 
Im 9. ICR. in der hinteren Axillarlinie eine 5 cm lange Narbe mit Naht¬ 
spuren; in der Axilla drei Punktionsnarben. Über der 1. Lunge gedämpfte 
Tympani, namentlich in der linken Seite neben der Narbe. Über der linken 
Klavikula Dämpfung. Vom 1. ICR. an abwärts gedämpfte Tympani. Die Herz¬ 
dämpfung beginnt 1 cm ausserhalb des linken Stemalrandes. L. v. über der 
Klavikula Atmen leise bronchial, grobe Rhonchi, auch klingende. 1. ICR. 
Atmung leise vesiko-bronchial, grobe Rhonchi. 2. ICR. Atmung leise, Inspirium 
vesikulär, Exspirium verlängert. 3. ICR. Atmung fast aufgehoben, erscheint 
leise vesikulär. Dann hört man kein Atemgeräusch mehr, nur in der Ferne 
die oben beschriebenen Rhonchi. In der linken Seite Atmen fast aufgehoben, 
einige leise mittlere Rhonchi nach Husten. L. h. o. über Oberlappen Atmen 
leise vesiko-bronchial, mittlere und grobe Rhonchi. Ober der oberen Hälfte 
des 1. Unterlappens Atmen sehr leise, Inspirium rauh vesikulär, mittlere und 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


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gröbere leise Rhonchi während des Inspiriums. Exspirium kaum hörbar, ver¬ 
längert. Über der unteren Hälfte des 1. Unterlappens Atmen fast aufgehoben, 
leise trockene feine bis mittlere Rhonchi in der Feme. 

R. V. über Klavikula Atmen leise, rauh-scharf, Exspirium verlängert, 
Rhonchi keine. 1. ICR. dasselbe. 2. ICR. bis zur Basis Atmen vesikulär. 
R. h. o. über Oberlappen wie vorne, einige leise feine trockene Rhonchi nach 
Husten. Der untere Rand der r. Lunge ist hinten gut verschieblich. In der 
Ruhe reicht derselbe bis gut 6 Querfinger über den Angulus scapulae hinab. 
L. reicht der Pleuraraum 8 Querfinger über den Angulus scapulae hinab. 

Durch die Erzeugxmg des kleinen abgesackten Pneumothorax, sowie des 
ausgedehnten Schwartenemphysems wurde zunächst offenbar die Lunge einer 
gewissen Kompression ausgesetzt. Dafür spricht der soeben notierte Tiefstand 
des Zwerchfelles links. — Sodann war der Lunge durch die infolge des 
Schwartenemphysems entstandenen Auflockerungen und 
Entspannungen der Verwachsungen in gewissen Grenzen 
die Möglichkeit gegeben, sich zu retrahieren. — Diese Dinge 
kommen in dem vorliegenden Status in dem Fehlen der vor der Operation be¬ 
standenen Kavernensymptome zum Ausdruck. Die Pat. gab auch selbst an, 
besser atmen zu können und war sie über die Abnahme der Sputummenge 
befriedigt. 

Die Besserung der linken Lunge hielt in den nächsten Monaten an. Die 
Auswurfmenge wurde noch kleiner und die linke Lunge retrahierte sich so, 
dass bei der Entlassung am 11. V. 07 deren unterer Rand hinten nur 3 Quer¬ 
finger breit unterhalb des Angulus scapulae stand. Ebenso konnten bei der 
Entlassung keine Zeichen einer Kaverne wieder auf gefunden werden. — Die 
Kranke fährt nach Hause, wo sie mehrere Wochen verbleibt. Da sich dann 
wieder mehr Husten und Auswurf einstellt, nimmt sie Aufenthalt im Sanatorium 
Wienerwald. 

Nach den von uns am 18. Sept. 07 sowie am 11. Nov. 07 vorgenommenen 
physikal. Untersuchungen hatte sich bei der Kranken zu diesen Zeiten so 
zl. wieder der alte Zustand der Lungen hergestellt, nur stand links das Zwerch¬ 
fell um 2 cm höher als vor Anlegung des Pn.Th. — 

Nachdem die Patientin sich seinerzeit, nachdem die erkrankte Lunge 
längere Wochen durch ein zum Schluss ziemlich grosses Schwarten- 
emphysem und durch den kleinen Pneumothorax relativ ruhig gestellt war, be¬ 
deutend Wühler gefühlt hatte, einen besseren Temperaturverlauf und weniger 
Sputum darbot, so wünschte sowohl sie wie ihr Arzt, dass nochmals der 
Versuch, einen künstlichen Pneumothorax anzulegen, gemacht werde. Das 
Röntgenbild, sowie auch die physikalische Untersuchung liessen es immer 
wieder möglich erscheinen, doch noch zum Ziele zu kommen. Brauer ging 
daher im Nov. und Dez. 07 in Marburg noch an zwei anderen Stellen ein, nach 
breiter Schnittführung und Freilegung der Pleura costalis etwa in der Aus¬ 
dehnung eines Zentimeters. Es zeigte sich hierbei die Pleura costalis nur 
wenig getrübt. Es war aber dennoch nicht möglich, einen Pneumothorax an¬ 
zulegen, da sich an beiden Stellen ganz dünne durchschei¬ 
nende, aber ziemlich resistente, deutlich etwas ausge¬ 
zogene bindegewebige Pleuraverwachsungen fanden. Wohl 
konnte man sich mit der stumpfen Nadel in diesen durchscheinenden Ver¬ 
wachsungen etwas weiter präparieren, einmal auch einen kleinen. Pneumothorax 
erzeugen, es gelang aber nicht, einen grossen Pneumothorax anzulegen, dieses 
Mal auch nicht ein ausgedehnteres Schwartenemphysem zu schaffen. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Es wurde nunmehr von allen weiteren Versuchen, einen Pn.Th. anzu- 
legcn, Abstand genommen. 

Die Ausführung einer Thorakoplastik lehnte die Kranke ab. — Sie ^ing nach 
dem Süden, wo es ihr nach den eigenen Berichten relativ gut gehen soll. — 

Indikation zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen linken Lunge mit Höhlenbildung im Oberlappen, öfter leichte 
Temperatursteigerungen. Trotz jahrelanger Anwendung aller zu Ge- 
bote stehenden therapeutischen Hilfsmittel ist die Erkrankung nicht 
zu bessern. — 

Epikrise. Es gelang wohl (Februar 1907), einen nicht ver- 
grösserungsfähigen kleinen Pneumothorax anzulegen und ein aus¬ 
gedehntes Schwartenemphysem zu erzeugen, was eine während 
einigen Monaten andauernde, ausgesprochene Besserung (besserer Tem¬ 
peraturverlauf, beträchtliche Abnahme der Sputummenge, Hebung 
des Allgemeinbefindens) zur Folge hatte. Allein eine dauernde Besse¬ 
rung wai* nicht zu erzielen. Zwei weitere Versuche (November und 
Dezember 07), einen grossen Pneumothorax anzulegen, verliefen er¬ 
folglos, jedoch auch ohne jeden Schaden für die Kranke. — 

Nachtrag: Unter dem 6. IV. 10 berichtet Herr Kollege Kraus, 
Sanatorium Wienerwald: 

„Seit der Abreise des Frl. S. von hier habe ich sie nicht mehr gesehen, 
bin aber durch Nachrichten folgendermassen unterrichtet: 

Winter 1907—8: Ospodaletti. 

Sommer 1908: Schweiz, mehrfache Operationen im Larynx. 

Winter 1908—9: Ägypten, auf der Überfahrt retour vehemente Hämoptoe, 
mehrmonatlicher Aufenthalt im Krankenhaus in Palermo oder Neapel. 

Sommer 09: Schweiz, Nierenexstirpation wegen Nieren tuberkulöse. 

Winter: ? ? ?. 

Jetzt ist Frl. S. seit 1—2 Monaten in Wien, soll recht gut aussehen 
und eine recht gute Stimme haben. Näheres ist mir nicht bekannt. Doch dürften 
Ihnen diese Angaben vorläufig genügen." 


24. Herr K. aas Wien, geb. 1879. 

Anamnese: In der Familie mehrere Fälle von Tuberkulose. Ein Bruder 
des Pat. (3/9) starb vor 10 Jahren an Phthise. Ein anderer (6/9) ist zurzeit lungen¬ 
krank. Vater (2/3) lebt und ist gesund, Mutter (4/8) lebt und ist gesund. Ein 
Bruder des Vaters starb an Lungentuberkulose. 

Pat. (4/9) war als Kind kräftig und gesund, wurde etwa ein Jabr mit 
Ammenmilch genährt. In den ersten Lebensjahren hatte er Masern und Keuch¬ 
husten, beide ohne Komplikation. Später zeigte sich Neigung zu Anginen und 
Katarrhen der oberen Luftwege. Im 16. Jahre schnelles Wachstum. Zu dieser 
Zeit lebte Patient in engem Verkehr mit seinem lungenkranken Bruder. Er 
schlief mit demselben in einem Zimmer. Später, im 22. Lebensjahr, war 
Pat. in staubiger Atmosphäre beschäftigt (Kleiderstoffe), wo einige Angestellte 
mit schwerer Lungenphthise tätig waren. Bald nach dieser Zeit lag Pat 
während einer Waffenübung 8 Tage lang zu Bett an einer „Lungenerkrankung", 



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33] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 33 

und wieder einige Monate später bekam er eine kleine Hämoptoe. Die linke 
Lunge wurde damals krank gefunden. Patient ging nach Ragusa, wo 
er geradezu unvernünftig lebte, sich aber trotzdem etwas erholte. Pat. arbeitete 
dann wieder, trieb viel Sport (Fechten, Schwimmen, Reiten) und tanzte viel, 
hatte auch berufliche und familiäre Aufregung. Zu dieser Zeit, Sommer 1Ü04, 
fing er stark an abzumagern. Er ging deshalb im August 1904 auf ärztlichen 
Rat nach Wehrawald. Hier erholte er sich anfangs sehr gut, verlor den Aus¬ 
wurf, nahm aber zuletzt wieder an Gewicht ab und bekam wiederum bazillen- 
halliges Sputum. Pat. verliess im Juni 1905 Wehrawald und war bis September 
1905 zu Hause, wo der Auswurf wieder sehr reichlich wurde, dabei aber gute 
Gewichtszunahme (7 Kilo). Die Temperatur stieg in letzterer Zeit nicht über 
37,0. Pat. ist schlechter Esser, keine Syphilis. 

23. Sept. 05 Eintritt ins Sanatorium Schatzalp-Davos. 

Zunächst vollständig normale Temperatur, das Maximum war gelegent¬ 
lich 37,2 und zwar nur nach grösseren Mahlzeiten. Der damalige Befund war 
folgender : 

Dämpfung über der linken Lunge. Links vorri über Klavikula Atmen 
broncho-vesik., meist grobe Rhonchi, besonders nach Husten. 1. ICR. Atmen 
leiser, Insp. rauh-scharf, Exsp. hauchend, mittlere bis grobe und einige helle 
Rhonchi. 2. ICR. Atmen ziemlich, leise, Insp. rauh-scharf, Exspir. verlängert, 
mässig viele mittlere Rhonchi. 3. ICR. dasselbe. 4. und 5. ICR. Inspir. ver¬ 
schärft, Exsp. verlängert, spärliche mittlere und grobe Rhonchi. L, h. o. 
über Oberlappen Atmen yesiko-bronchial, besonders nach Husten mittlere und 
grobe Rhonchi. Über der oberen Hälfte des linken Unterlappens Insp. rauh-scharf, 
Exspir. verlängert, mässig viele Rhonchi, fast nur nach Husten. Untere Hälfte 
des linken Unterlappens Inspir. verschärft, Exsp. verlängert, spärliche trockene 
Rhonchi nach Husten. 

R. V. über Klavikula Inspir. rauh, Exspir. verlängert, feines Knattern 
nach Husten. 1. ICR. dasselbe, nur am Sternum ab und zu ein feiner trockener 
Rlionchus. 2. ICR. Inspirium rauh-scharf, Exspirium verlängert, keine Rhonchi. 
Cher dem Mittellappen ist das Atmen überall normal vesik. R. h. o. über Ober¬ 
lappen wie vorne. In der Spitze helles feines Knattern nach Husten, über 
dem rechten Unterlappen überall vesik. Atmen, das in der oberen Hälfte etwas 
zu rauh ist. — 

Im Laufe des Winters 05—06 machte Patient eine Tuberkulinkur durch, 
bei der zum Schluss eine etwas protrahierte fieberhafte Reaktion eintrat, die 
aber alsbald wieder vollständig verschwand, so dass Pat. mit einem deutlich 
gebesserten Lungenbefund entlassen werden konnte. Er ging während des 
.Sommer.s 06 wiederum nach Wehrawald, wo er eine zweite Tuberkulinkur mit 
altem Koch sehen Tuberkulin durchmachte und die ganze Zeit über voll¬ 
ständig fieberfrei blieb, einige kleine Reaktionen während der Tuberkulinkur 
ausgenommen. Husten und Auswurf nahmen im Verlauf der Tuberkulinkur ab. 
Während des Winters 06—07 war Pat. wiederum auf Schatzalp. Der Lungen¬ 
befund war ungefähr derselbe geblieben. Die Temperaturen waren vollständig 
normal. Plötzlich in der Nacht vom 22. auf 23. Dezember 06 
erkrankte Pat. unter Schüttelfrost und allgemeinem 
Krankheitsgefühl. Die Temperatur stieg im Laufe dos 
23. Dezember auf 40,1. In den nächsten Tagen sinkt sie all¬ 
mählich wieder bis zur Norm ab. Boi der Untersuchung 
zeigte sich aber, dass im linken Oberlappen ein rapider 
Beiträge zur Klinik der Taberkolose. Bd. XlX. U. 1. 3 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Zerfall des liungengewebes eingetreten war, so dass nach 
anfänglich zahlreichem meist grobem Rasseln im Ver¬ 
lauf von etwa 8—14 Tagen die ausgesprochenen Erschei¬ 
nungen einer ziemlich grossen Kaverne auftraten. Dem 
entsprechend war der Auswurf sehr reichlich, enthielt 
grosse Mengen von elastischen Fasern, in Haufen und 
Strängen und zahlreiche Tuberkelbazillen (Gaffky X). 
Da Im Verlauf der nächsten Wochen ein sichtlicher Rück¬ 
gang im Ernährungszustand des Pat. bemerkbar war, auch 
die Erscheinungen auf der linken Lunge nur langsam zu- 
rückgingen, so wurde dem Pat. der Vorschlag gemacht, sich 
einen künstlichen Pn. Th. anlegen zu lassen. Nachdem dieser 
Vorschlag die Zustimmung des Patienten und seiner Familie, auch des Haus¬ 
arztes gefunden hatte, reiste der Kranke nach Marburg zwecks Vornahme 
des Eingriffs. Der unmittelbar vor der Abreise (1. III. 07) erhobene Lungcn- 
befund war folgender: 

L. V. o. über und unter der Klavikula deutliche Retraktion. Dämpfung 
über dem linken Oberlappen und in geringem Grade auch über dem linken Unter¬ 
lappen. 

L. V. über Klavikula Atmen broncho-amphorisch, klingende Rhonchi. 1. ICR. 
am Sternum Atmen vesiko-bronchial, mittlere Rhonchi; nach aussen hin 
Atmen broncho-amphorisch, mittlere, besonders klingende Rhonchi. 2. ICR. Insp. 
leise rauh-scharf, Exsp. hauchend, einige trockene, halbklingende Rhonchi. 3. ICR. 
Insp. leise rauh-scharf, Exsp. verlängert 4. u. 5. ICR. Atmen fast aufgehoben, 
Exsp. etwas verlängert, einige trockene Rhonchi. In der linken Seite von oben 
bis unten Insp. rauh, leise, Exsp. verlängert, ab und zu einige feine trockene 
Rhonchi. An der Basis Insp. etwas verschärft, Exsp. etwas verlängert, ab 
und zu ein trockener Rhonchus nach Husten. 

L. h. o. über Oberlappen Atmen vesiko-bronchial, Exspirium mit am¬ 
phorischem Beihauch aus der Tiefe, meist klingende Rhonchi. Über der oberen 
Hälfte des linken Unterlappens Insp. rauh, Exsp. verlängert, mittlere trockene 
Rhonchi. besonders nach Husten. Über der unteren Hälfte des linken Unter¬ 
lappens Atmen vesik., aber zu leise und zu scharf, Exsp. etwas verlängert, ab 
und zu ein feiner trockener Rhonchus. 

R. V. über Klavikula Atmen zu scharf. Exsp. verlängert Keine Rhonchi. 
1. ICR. Atmen vesik., aber zu scharf. 2. ICR. Atmen vesik., eher scharf. 
3. ICR. Atme|n vesik. — R. h. o. über Oberlappen Atmen laut, zu scharf, 
ohne Rhonchi. Exsp. verlängert. Über dem rechten Unterlappen vesikul. Atmen. 
Gewicht 67,2 kg. Puls 60—76. Temp. normal. 

In Marburg kam der Pat. am 5. März mit normaler Temperatur an. A m 
7. März 07 wurde der Pn. Th. angelegt (Brauer). Der Eingriff gelang 
glatt, es flössen 1200 cm N ein, Schlussdruck 5 mm Hg. Menge des Auswurfs 
20 ccm. Zunächst steigt am Tage nach der Operation die Temp. auf 38,4, die 
Menge des Auswurfs bis auf 50 ccm. Bei der Durchleuchtung sieht man einen 
deutlichen Pn.Th., der die Lunge nach dem Hilus zu komprimiert Dieselbe 
ist aber an der Spitze und am Zwerchfell durch Verwachsungen fixiert, so dass 
das Zwerchfell in Form einer Spitze nach aufwärts gezogen erscheint In den 
nächsten Tagen fallen die Temperaturen etwas ab, übersteigen nicht 37,8. Die 
Menge des Auswurfs beträgt etwa 30—45 ccm binnen 24 Stunden. Das Herz ist 
ganz nach rechts verdrängt, die linke Grenze liegt am rechten Sternalrand. 



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35J Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 35 

Der Puls schwankt zwischen 80 und 90 pro Minute. Am 13. März wird die erste 
Nachpunktion ausgeführt. Es werden wieder 1200 ccm N eingelassen. Der 
Schlussdruck beträgt -f“ 5 mm Hg. Am Abend nach der Punktion steigt die 
Temperatur bis auf 38,2. Es hat sich ein geringes Hautemphysem entwickelt. 
In den nächsten Tagen übersteigt die Temperatur nicht 37,6. Pat. fühlt sich sehr 
wohl, hat keine nennenswerte Kurzatmigkeit Bei Ruhe ist er ohne jegliche Atem¬ 
störung. Im Röntgenbilde sieht man einen grossen Pn. Th. Die 
Lunge ist über der Klavikula imd hinten bis zur Mitte des Schulterblattes adhäx^t. 
Pat tritt die Rückreise nach Davos an und besucht dabei noch seinen Bruder 
im Sanatorium Wehrawald. Nach der Ankimft des Pat auf Schatzalp wird am 
26. März 1907 folgender physikalische Befund erhoben: 

Im 5. ICR. links in der vorderen Axillarlinie eine 4 cm lange Schnittnarbe, 
im 6. ICR. eine Punktionsstichnarbe. Zwerchfellstand links 5—6 cm tiefer 
als normal. Ober der ganzen linken Lunge vom und hinten Tympanie. Selbst 
über der Spitze ist Dämpfung weniger intensiv als rechts. Die Herzbewegung 
ist deutlich auf der rechten Seite zu fühlen und zwar über die rechte Papilla 
mam. hinaus. Relative Herzdämpfung ragt bis in die rechte Papillarlinie. Auch 
rechts steht das Zwerchfell 1 cm zu tief. 

L. V. über Klavikula überall deutliches, wenn auch leises metallisches 
Atmen, am deutlichsten im 2. ICR. Über der Klavikula ist das metallische 
Atmen am wenigsten deutlich. Rhonchi sind nicht zu hören. L. h. ebenfalls 
überall metallisclies Atmen, dasselbe ist am wenigsten deutlich über dem 
Oberlappen und ganz besonders über der Spitze. Von der Spitze an 
abwärb« befindet sich neben der Wirbelsäule eine Zone, über welcher 
das Atmen rauh vesikulär ist, mit verlängertem Exspirium. Über dieser 
Zone sind leise mittlere und grobe nicht klingende Rhonchi aus der Tiefe 
hörbar. Metallische Rhonchi hört man nirgends. Bei Plessimeter-Stäbchen- 
Perkussion besteht über der linken Lunge vom und hinten in ausgedehnter Weise 
Fassten. 

R. V. über Klavikula Atmen vesikulär, aber zu rauh und zu scharf, Ex¬ 
spirium verlängert, keine Rhonchi. Sonst überall über Mittel- und Unterlappen 
vesik. Atmen. R. h. über Oberlappen wie r. v. o. 

Im Verlaufe der nächsten Woche ist die Temperatur vollständig normal. Pat 
fühlt sich ausserordentlich wohl, hat guten Appetit Das Gewicht bleibt etwa das¬ 
selbe. Die nächsten Nachfüllungen gestalten sich wie folgt: 

Am 5. April 07 1200 ccm N. Schlussdruck + mm Hg. Puls nach der 
Füllung 120, kräftig und regelmässig. 3. Mai 1000 N. Schlussdruck -|- 5 mm Hg. 
Puls 108, kräftig. 29. Mai 1100 N. Schlussdruck +5 mm Hg. Keine Beschwerden 
von seiten des Herzens. Temperatur anhaltend normal. Plötzlich, am 
7. Juni 07 erkrankte Patient abends mit Frost und Tem¬ 
peraturanstieg bis 37,3, wofür sich zunächst keine spezielle Ursache 
finden lässt Am 8. Juni steigt die Temperatur bis 38,3. Pat klagte über 
Schmerzen in der linken Seite. Am 9. und 10. Juni steigt die Temperatur auf 
39,2 resp. 39,6. Die Schmerzen in der linken Brustseite halten an. Pat fühlt 
sich elend. Bei den fortgesetzten wiederholten Untersuchungen wird nunmehr 
Plätschern im Pn.Th.-Raum nachgewiesen. Auch in den nächsten Tagen be¬ 
tragen die Temperaturmaxima 39,6 resp. 39,8, trotz Fiebermitteln. Am 13. Juni 
wird vor dem Röntgenschirm das Vorhandensein eines pleuritischen Ex¬ 
sudates bestätigt Pat fiebert nun andauernd weiter. Unter 
Fiebermitteln erreicht die Temperatur nicht mehr so hohe Grade, geht aber 

3* 


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L. Brauer und Lucius Sp<?ngler. 


[36 


liie mid da docii über 39,0. Üas Aussehen des Kranken ver¬ 
geh 1 e c li l e r t e s i c li von Tag zu T a g. Der Ihils schwankt zwischen 
100 \uid 120. Ks wird deshalb am 20. Juni eine Probepunktion ausgeführt 
(trübes Serum vergl. unten). 

Es war aufgefallen, ditss der Pneumothorax sich in den letzten 
Wochen nicht so schnell wie sonst verkleinerte. Zudem waren wohl 
infolge des rasch ansteigenden Exsudates die V e r d r ä n- 
g u n g s e r s c h e i n u n g e n d e u 11 i c h e r. Da imm wegen der Verdrängungs* 
<*rscheinungen eine Erkrankung der rechten Lunge befürchtete und ausser¬ 
dem die TemtK‘ratur bis über 40 Grad anstieg und das Aussehen des Pat. sich 
weiter verschlechterte (leicht livide Verfärbung der Haut), so wurde am 23. Juni 
der Pn.Th. punktiert. E s w u r d e n 1700 ccm N abgelassen, d. h. so 
viel, bis im P n. T h. - R a u m kein Druck mehr v o r li a n d e n war. 
Das Fieber blieb zimächst ziemlich unverändert bestehen. Trotz mehrfacher 
Untersuchung und Durchleuchtung wurden für eine Erkrankung der rechten 
Lunge keine AnhaJtspunkte gefunden. Die wenigen Geräusche über der rechten 
Lunge nahe dem Hilus w'aren als fortgeleitet zu deuten. Im übrigen von dem 
frühei-en kein abweichender Befund. 

Im rechten Pleuraraum traten infolge Vorwölbung des Mediastinums die 
Begleitschatten deutlich hervor. Man sah neben einem noch ziemlich grossen 
Pneumothorax ein mittelgros.ses Exsudat, das vorne beim geraden Sitzen 
etwa am unteren Rande der vierten Rippe stand. Das Exsudat war frei 
beweglich. Eine abermals vorgenommene Probepunktion ergab ein sehr 
gelatinöses grünlich-gelbes Exsudat. In diesem fanden sich einzelne Diplo¬ 
kokken, welche wie Pneumokokken aussahen und sich eben¬ 
so färbten. Ferner r e i c li 1 i c h v i e 1 k (• r n i g e Leukozyten, sehr 
spärliche Lymphozyten, aber keine Tuberkelbazillen. 
E i w e i s s g e h a 11 3.5 o o. 

Am 1. V'I I. 07 P u n k t i o n des Exsudate s. E s wurde n 700 ccm 
E x s u d a t e n t f e r n t und dann s o f o r t d i e gleiche Menge N nach¬ 
gefüllt mit einem Schluss druck von-f-5 Hg. — Gleich am 
Abend nach dieser Punktion fällt die bis dahin sich 
immer um 39 bewegende Temperatur auf 38,5 und ist 
am 4. Juli ohne jegliches Fiebermittel auf 37,8 abgesunken. 
Das Allgemeinbefinden hat sich gebessert, ebenso das 
Aussehen. Auch der Puls steigt nicht mehr über 100. Da 
aber die Temperatur nicht unter 37,6 heruntergehen will, auch das Exsudat 
wieder eher angewachsen ist, so wird am 9. Juli eine zweite Punktion 
vorgenommen. Es werden 450 ccm Exsudat abgelassen, von demselben Aus¬ 
sehen wie am 1. Juli. Auch werden 450 ccm N n a c h g e f ü 111. Nach 
dieser Punktion sinkt dann die To m p e r a t u r weiter a b 
und ist vom 18. Juli ab völlig normal. Maximum nur noch 
37,0. Puls nicht über 92. In der Folgezeit bleibt das Exsu¬ 
dat bei vollständig normaler Temperatur weiter be¬ 
stehen, macht aber gar keine Beschwerden. Pat. sieht 
wieder gut aus, ist völlig bosch werdefrei und geht spa¬ 
zieren. Die weiteren N a c h f ü 11 u n g e ii g e s t a 1 I e n sich n u n 
folgcnderrnassen: • 

.'\m 13. August 07 wird zunächst versucht wieder etwas Exsudat abzu¬ 
lassen. Der Versuch misslingt, es werden daher 300 ccm N eingelassen bis 
zu einem Schlussdruck von -J- 9 mm Hg. Bei einem wiederholten Versuch, 


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371 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


37 


Exsudat abzusaugen, werden 400 ccm Exsudat entfernt und dann noch 
450 ccm N eingefüllt bei einem Schlussdruck von -f- 14 mm Hg. Im Anschluss 
an diese Punktion steigt die Temperatur wieder bis gegen 39 Grad, fällt aber 
binnen 24 Stunden ab. 

13. September 07 Einfüllung von 400 ccm N. Anfangsdruck -j- 2 mm 
Hg, Enddruck +8 mm Hg. In der Folgezeit ergaben wiederholte Unter- 
suchungen und Durchleuchtungen, dass der Pn.Th. in seiner Grösse sich un¬ 
gefähr auf derselben Stufe erhält. Er ist ziemlich gross, das Herz ist ziemlich 
stark nach rechts verlagert. Das Exsudat ist dauernd klein, etwa 4 cm hoch. 
Es hat nicht zugenommen. Dabei ist der Allgemeinzustand des Pat. ausge¬ 
zeichnet, die Temperatur völlig normal und es hat eine Gewichtszunahme von 
4 Pfund stattgefunden. Die Resorption des Stickstoffes geht so 
langsam vor sich, dass mit den Nachpunktionen über weite 
Zeit gewartet werden kann. Am 7. Dezember 07 wird wiederum 
eine Nachpunktion ausgeführt bei einem Anfangsdruck von -(* 4 und einem 
Enddruck von 26 mm Hg. Ein am Tage vor dieser Punktion aufgenommener 
Status ergab folgendes: 

Exsudat im Pneumothorax -Rau in nur noch 2 cm hoch. 
Die Stäbchen-Plessimeter-Perkussion ist über Spitze und den äusseren Thorax¬ 
partien deutlich ausgesprochen, dagegen besteht längs der Wirbelsäule, 
vom zweiten Brustwirbel an, eine 5—6 cm breite, nach unten breiter 
werdende, scharf abzugrenzende Zone, über welcher, bfd aufgelegtem Ohr, kein 
metallisches Geräusch hörbar ist, man mag das Plessimeter auflegen, wo 
man will, vom, oben, unten oder seitlich auf der ßrustwand. Legt man 
das Plessimeter auf die besprochene Zone, so hört man ebenfalls nirgends 
Fasston. Über der erwähnten Zone besteht überall vesik. Atmen, und sind 
nur hie und da in der oberen Hälfte trockene Rhonchi hörbar. L. v. über 
Klavikula, sowie im ersten und zweiten ICR. ist das Atmen scharf, massig 
laut, Exsp. verlängert, keine Rhonchi. Das Atmen dringt aus der Tiefe heraus. 
Cher dem übrigen Teil der linken Lunge kein Atemgeräusch hörbar. 

Auch fernerhin resorbiert sich der Pn.Th. ganz ausserordentlich lang¬ 
sam, so dass mit den Nachpunktionen Monate gewartet werden kann, erst am 
G. Mai 08 wird wieder eine solche ausgeführt. 700 ccm N bei einem Anfangs¬ 
druck von "l“ 2 mm Hg und einem Enddruck von -|- 12 mm Hg. Auch nach 
dieser Punktion bekommt Pat. wieder Fieber, das aber ebenfalls nach 24 Stunden 
wieder abfällt. Pat. reist einige Tage später nach Hause. 

Zusammenfassung, die Sputummenge betreffend. 

Die Sputummenge betrug vor dem Eingriff 20 ccm. Der Auswurf war 
von eitrig-schleimiger Beschaffenheit, enthielt stets Tuberkelbazillen in mässiger 
Anzahl. Nach dem Fieberanfall im Dezember 1906 traten, wie schon erwähnt, 
in dem Sputum wieder reichlich elastische Fasern auf, die Zahl der Bazillen 
vermehrte sich und erreichte im Februar 07 Gaffky X. Nach Anlegung des 
Pn.Th. sank der ßazillenbefund sofort, betrug Ende Mai 1907 nur Gaffky II, 
ohne elastische Fasern und war dann zwei Monate lang völlig bazillenfrci. 
Irn Aug. 07 wurden noch einmal Bazillen (Gaffky IV) gefunden. Von dieser 
Zeit an war das Sputum bazillenfrci und ohne elastische 
Fasern. Seit Januar 1908 hat jegliche Produktion von Spu¬ 
tum aufgehört. 

Den Sommer 1908 verlebte der Kranke bei seinen Eltern auf dem Lande. 
Er fühlte fsich stets sehr wohl, hatte nie Fiebf'r, nie Husten oder A u s w u r f, 
und (* s wurde dabei der Pneumothorax nicht n a c h g e f ü 11 t. 


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38 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[38 


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Im Oktober 1908 kehrte er nach Davos zurück. 

Am 27. Oktober 08 wurde der folgende physikalische Befund auf¬ 
genommen. — Kein Husten, kein Auswurf. — Über beiden Lungenspitzen 
Retraktion. 

Relative Herzdämpfung beginnt am Sternum links am oberen Rand der 
4. Rippe. Absolute Herzdämpfung nicht vergrössert. — Herzspitzenstoss an 
normaler Stelle. Die unteren Grenzen der rechten (gesunden) Lunge stehen 
hinten und vom um 1—2 cm zu tief, sie sind gut verschieblich. Die unteren 
Grenzen der linken Lunge stehen an normaler Stelle, sind verschieblich, aber 
weniger deutlich als die der rechten. 

Über dem Oberlappen der linken Lunge leichte Dämpfung. — In der 
linken Seite auffallend sonorer Schall. Hier an umschriebener Stelle bei Stäb- 
cben-Plessimeter-Perkussion hoher Fasston und bei Auskultation leises metal- 
liscbes Atmen. 



Links vom über Klavikula und im 1. ICR. abgeschwächtes .\tmen, 
verschärftes Inspir., verlängertes Exspir., keine Rhonchi. 2. ICR. Atmen lauter 
und schärfer, Exspir. etwas verlängert, keine Rhonchi. 3. ICR. abgeschwächtes 
vesikuläres Atmen, ohne Rhonchi. 4. u. 5. ICR. rauhes, leises Atmen, ohne 
Rhonchi. 

Links hinten über Oberlappen scharfes Insp., -verschärftes und ver¬ 
längertes Exspir., nach Husten einige feine trockene Rhonchi. — 

Über oberer Hälfte des linken Unterlappens zl. lautes Atmen, Insp. scharf, 
Exspir. verlängert, neben der Wirbelsäule hach Husten einige feine trockene 
Rhonchi. 

Über der unteren Hälfte des linken Unterlappens Atmen etwas leiser aber . 
schärfer als rechts, Exspir. kaum verlängert, Rhonchi keine. 

Über der rechten Spitze hinten und vorn Insp. scharf, Exspir. ver¬ 
längert, Rhonchi keine. — 

Rechter Unterlappen überall vesik. Atmen. — Die einige Stunden nach 
dieser Untersuchung vorgenommene Durchleuchtung bestätigte obigen Befund. 
— Zwerchfell steht rechts um 2 cm tiefer als links. — Linke Lunge bis zum 
Zwerchfell ausgedehnt. In der linken Seite besteht ein ca. 1^/2 cm breiter 
Pneumothorax, der sich vor dem Röntgenschirm, von hinten und von vom 



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39] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 39 

gesehen, in gleicher Weise als ein vom Zwerchfell bis gegen die Mitte der 
Skapula reichender schmaler heller Streifen präsentiert. — 

Am 22. November 08 bestätigt Brauer diesen Befund, stellt aber ausser¬ 
dem das Vorhandensein eines kleinen Exsudates fest, das die Form eines 
mit der Spitze medianwärts gelegenen kleinen Dreiecks darstellt (Figur 4). 
(Skizze bei der Durchleuchtung.) 

Am 8 . XII. 1908 wird das Röntgenbild (Tafel III Nr. 9) hergostellt 
(ventro-dorsal). Dasselbe bestätigt den Befund der Figur 4 (dorso-vcntrale Auf¬ 
nahme), nur ist auf der Photographie der Rest des Pneumothorax nicht sehr 
deutlich zum Ausdruck gekommen. Andererseits ist in der Skizze d.er Pneumo¬ 
thorax etwas zu breit wiedergegeben; er war etwa 11/2 Querfinger breit. 

Patient lebt in Davos wie ein Gesunder und hat weder 
Husten noch A u s w u r f. — Puls 60—72. — 



Vom 17. bis 27. Febr. 09 treten bei dem Kranken leicht erhöhte Tem¬ 
peraturen auf (Maximum 37,8) und zwar, wie Patient glaubt, infolge Erkältung 
(Schnupfen). Dabei besteht etwas Auswurf, täglich ein bis zwei kleine Sputa, 
in denen wieder Tuberkelbazillen (Gaffky II) gefunden werden. — Seit Ende 
Februar bis heute (Mitte April 09) fehlt jedoch wieder jeder Auswurf, und 
steigt die Temperatur seit 28. II. 09 nicht mehr über 36,9. Gewicht 62 V 2 kg. 
Puls 60—72. — Der am 28. II. 09 notierte Lungenbefund zeigt jedoch gegen¬ 
über den Befunden vom 27. Oktober und 22. November 08 ganz merkwürdige 
Veränderungen. — 

In der linken Seite ist auf physikalischem Wege ein Pneumothorax 
nicht mehr nachgewiesen, dagegen besteht über dem linken Oberlappen, d. h. 
genauer in Fossa supraspinata und vorn über Spitze bis zur 3. Rippe, eine 
Luftblase, die mittelst Stäbchen-Plessimeter-Perkussion genau abgrenzbar ist. 
In der linken Seite an Stelle des noch im Oktober und November 08 nach¬ 
gewiesenen abgesackten Pneumothorax, an umschriebener Stelle, besonders deut¬ 
lich nach vom gegen Papilla mammac hin, absolute Dämpfung (Exsudat). — 
Die Auskultation ergibt vorn links oben im Bereiche der Luftblase fast auf¬ 
gehobenes Atmen, ohne Rhonchi, ebenso in der linken Seite. Dagegen hört 


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40 L. Brauer und Lucius Spengler. [40 

man links vorn im 3.—5. ICK., besonders deutlich am Sternum, scharfes vesik. 
Insp. und verlängertes Exspir., ohne Rhonchi. 

Hinten links oben, im Bereiche des Oberlappens, ist das Insp. leise, 
rauh-scharf, das Exspir. verlängert, und sind bis zur Mitte der Skapula spär¬ 
liche feine und mittlere Rhonchi zu hören. Sie sind etwas lauter und zahl¬ 
reicher als früher. — Nach abwärts bis zur Basis der Lunge derselbe Befund 
wie früher. — 

Eine am 10. März 09 vorgenommene Durchleuchtung bestätigt obigen 
Befund. — Das Exsudat in der linken Seite steht höher als früher und erscheint 
etwas grösser. In der linken Seite besteht kein Pneumothorax mehr, wohl 
aber lässt sich ein solcher über dem linken Oberlappen in der oben ange¬ 
gebenen Ausdehnung nach weisen. — 

Am 4. April 09 Durchleuchtung (Brauer). — (Vg:l. Figur 5.) 

Exsudathöhe vorn oberer Rand der 3. Rippe. — Hinten Mitte Skapula. 
Bei Durchleuchtung ventrodorsal sieht man das Exsudat spitzwinkl. nach unten 
aussen abfallen, herab bis zur 9. Rippe (inittl. Axillarlinie). Hier inseriert 
s c h c i n b a r auc h das Z w r c h f (' 1 1. Diese l n s i* r t i o n s s t 1 1 e wird 
bei der Atmung nicht bewegt, d a g e g r• n steigt das sehr d e u t - 
lieh und scharf e r k e ii n b a r e Z w e r c h f e I 1 in s i* i n e n z e n t r a 1 e n 
Partien e x s [) i r a t o r i s c h stark nach oben, sinkt i n s p i r a t o • 
risch b e t r ä c h 11 i c h a b. Spielraum von ca. 0 cm. D a b e i m acht d a s 
Exsudat eine umgekehrte Beweg u n g (inspiratorisch Steigen, ex- 
spiratorisch Fallen, Differenz ca. 3 cm). Bei Dorsoventraldurchleuchtung 
markiert sich das Herz nur ({u<*rfingerbreit nach rechts verlagert. Auch 
jetzt liegt das Exsudat als Keil der Brnstwand wieder an, man erkennt 
deutlich, dass Lunge zwischen dem Exsudat und Herzen liegt. Es sind 
die gleichen Be wegungs Vorgänge wie oben geschildert am Zwerchfell wie 
am Exsudat zu beobachten. Ausserdem sieht man nun bei dem starken 
Tiefertreten der mittleren und zentralen Partien des Zwerchfells, wie 
das Herz etwas nach links gezogen wird uj\d der Herzschatten tropfenförmig 
erscheint. Dabei tritt dann eine winklige Abknickung der linken Zwerchfell- 
hälftc etwa in der Mitte ein. Es zieht von liier ein Adhäsionsstrang nach 
dem Herzen. Systolisch fed<‘rt da.s Zwerchfell herauf, der linke Rand des 
Herzschaltens wird dabei geradliniger als normal, zeigt eine beträchtliche Ab¬ 
nahme der Pulsation. Bei wirklich tiefer Inspiration ist ein 
P u 1 s i (.! r e 11 des linken H e r z r a n d e s k a u m noch zu b e m e r k e n , 

w ährend die 1' u 1 s a t i o n am r e c h t <* n H e r z r a n d viel a u s - 

g i e b i g e r wird. D a b e i deutlicher P u 1 s u s p a r a d o x u s; d e r 

P u 1 s w i r d w ä h r e n d d r Ins p i r a t i o n f a d e n f ö r m i g , hi e r u n d 

da verschwindet e r. 

Der am 20. IV. 09 aufgenommem* pliysikalische Befund deckt sich 
in allen Teilen mit dem Befund vorn 28. II. 09 (vergl. oben), nur waren hinten 
links oben keine Rhonchi mehr zu hören. — 

Patient lebte während des SomnuTs und Winters 1909/10 auf dem Lande 
und arbeitete täglich 6 Stunden im Oeschäft seines V^aters. Er fühlte sich 
dabei vollständig wohl. Nie Husten, nie Auswurf. 

Am 26. März 1910 stellt er sich zur Untersuchung. Seit einem Jahr 
besteht kein Auswurf mehr, der Puls schwankt zwischen 60 und 80; Tem¬ 
peratur immer normal. Patient lebt wie ein Gesunder und fühlt sich voll¬ 
ständig wohl. 



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41) 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lun^enkollapstherapic. 


41 


Befund vom 26. März 10: Der untere Rand der rechten Lunge 
steht hinten um 1 cm zu tief, der der linken um 1 cm zu hoch. Das Herz 
ist vorn etwas abgedeckt. Die absolute Herzdämpfung ist demzufolge vergrössert. 
Es besteht eine deutliche Überblähung der rechten Lunge nach links. Die 
rechte Lunge reicht vom 2. ICR. bis 5. ICR. bis zum linken StornaJrand. Über 
der ganzen linken Lunge verminderte Sonorität. 

Über der linken Klav. sowie im 1. ICR. Atmen laut, Insp. scharf, Exsp. ver¬ 
längert und verschärft, sehr spärliche feine trockene Rh. nach Husten. Im 2. und 
3. ICR. Insp. scharf, Exsp. verlängert und verschärft, keine Rh. 4. u. 5. ICR. fast 
aufgehobenes vesikuläres Atmen. Hinten links oben über O.L. Insp. scharf, 
Exsp. verlängert und verschärft, ab und zu ein feiner trockener Rh. Über der 
oberen Hälfte des linken U.L. dasselbe aber ohne Rh. Untere Hälfte des 
linken U.L. vesikuläres, aber zu leises Atmen, olme Rh. 

R. vom über Klav. Insp. scharf. Exsp. verlängert, sehr leises und sehr 
spärliches Knattern nach Husten. Dasselbe im 1. ICR. aber ohne Rh. 2. ICR. 
und M.L. vesikuläres Atmen. Hinten rechts oben über O.L. wie vorn. -- Keine 
Spur von Exsudat oder Pn.Th. mehr nachzuweisen, auch nicht vor dem 
Röntgenschirm. — 

Dieser Befund wird Mitte Aug. 10 dem Hausarzte des Kranken cingo- 
schickt, w'orauf am 24. Aug. 10 der Bericht eingeht, dass der Zustand 
der Lunge sich noch weiter gebessert habe. Aus w u r f bt*- 
stehe nicht. — 

Indikation zur Operation. Seit Jahren bestehende links¬ 
seitige Lungentuberkulose, die zunächst chronischen Verlauf nahm, 
iin Dezember 06 aber zu plötzlich auf tretenden und rasch fortschrei¬ 
tenden schweren Zerfallserscheinungen im linken Oberlappen führte. 
(Irössere Kaverne, reichlich Sputum, viel elastische Fasern und 
Tuberkelbazillen, sichtlicher Rückgang im Ernährungszustand. — 

E p i k r i s e. 7. III. 07 Operation, glatt verlaufen, grosser Pneumo¬ 
thorax. Sehr günstige Wirkung auf Allgemeinbefinden, Sputummenge 
und Temperatur sowie auf den Appetit (Pat. war früher schlechter 
Esser). Am 7. VI. 07 bei bis dahin völligem Wohlbefinden starke 
Erkältung, Angina, Schüttelfrost, Schmerzim Pneu¬ 
mothorax raum, rascher Fieberanstieg bis 39,0 und 
darüber. Patient sehr elend. Es wird ein Plcüraexsudat 
nachweisbar, welches den Patienten wochenlang fiebern lässt, ihn 
sehr herunterbringt, und mehrfach punktiert werden muss. Der 
Pneumothorax wird dabei durch regelmässige Stickstoffnachfüllung 
erhalten Das Exsudat enthält Lympho- und Leukozyten, sowie Doppel¬ 
kokken, die als Pneumokokken imponieren. Dabei bleibt die rechte 
Seite unbeeinflusst. AHmälilich gehen die Temperaturen herunter, 
speziell als am 1. und 9. Juli 07 das Exsudat noch etwas intensiver 
entleert war. Ab 18. Juli 07 wieder völlig wohl, ln der Folge¬ 
zeit bleibt das Exsudat bestehen, macht keine Beschwerden. Es tritt 
nun unter regelmässigen weiteren Nachfüllungen ein überaus 
befriedigendes Verhalten ein. Der Stickstoff im Pneumo- 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


[42 


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thoraxraum wird sehr langsam resorbiert. Seit Mai 08 keine weiteren 
Nachpuunktionen. 

Es sei auf das höchst eigenartige respiratorische Verhalten von 
Zwerchfell und Exsudat besonders hingewiesen. 

Tuberkelbazillen werden in der zweiten Hälfte des Jahres 08 
nicht mehr gefunden, da Pat. kein Sputum hat. Im Januar 09 vorüber¬ 
gehend auftretendes Sputum zeigte sich schwach bazillenhaltig (Qaffky 
I—II). Es ist dabei zu bedenken, dass die Lunge jetzt sehr weit sich 
wieder ausgedehnt hat, dass die restierende kleine Luftblase und das 
bestehende kleine Exsudat die Lunge zurzeit nur noch wenig ent¬ 
spannen. Das Exsudat, welches mit seinem Auftreten hier besonders 
bedrohliche Symptome dargeboten hatte, erwies sich für den weiteren 
Verlauf der Erkrankung als ganz besonders günstig, da dabei bei über¬ 
aus seltenen Punktionen die Lunge doch dauernd unter gleichmässigem 
Kollaps gehalten wurde. 

Seit IV 2 Jahren lebt Patient wie ein Gesunder, 
hat seit .18 Monaten weder Husten noch Auswurf und 
gans normale Temperatur. Er arbeitet täglich 6—7 
Stunden, ohne dabei zu ermüden, keinerlei Erschei¬ 
nungen mehr von seiten der Lunge.* Die andere Seite 
ist dauernd gut geblieben. 


25. Dr. R., Arzt, 31 Jahre alt, Rnmänien. 

Anamnese. Eine Tante väterlicherseits an Lungentuberkulose gestorben, 
sonst erblich nicht belastet. Vater (4/4) ist gesxmd, Mutter (1/1) lebt, hat Anlagen 
zu Gicht Pat (2/4) war kein sehr kräftiges Kind, wurde etwa 1 Jahr lang 
von einer Amme gestillt Kinderkrankheiten: Masern und Keuchhusten ohne 
Komplikation. Mit l^/g Jahren doppelseitige Pneumonie. Es bestand stets 
Neigung zu Anginen. Pat entwickelte sich nicht sehr kräftig, war aber doch 
gesund. 1898 Abmagerung, schlechtes Aussehen und Husten. Es wurde ein 
linksseitiger Spitzenkatarrh konstatiert. Zu Hause viermonatliche Mastkur mit 
gutem Erfolg, Fieber bestand nicht Pat bleibt dann frei von Beschwerden bis 
Januar 1905. Infolge einer Erkältung fing er an zu fiebern und ging deshalb 
im Sommer 1905 auf kurze Zeit ins Gebirge. Januar 1906 Influenza, seitdem 
dauernd Husten. Dann malaxiaahnliche Fieberattacke und sehr schlechtes All¬ 
gemeinbefinden. Keine Syphilis. Pat war immer guter Esser. Im September 1906 
wird Pat. im Sanatorium Schatzalp-Davos aufgenommen. 

Der allgemeine Ernährungszustand ist ein guter. Die anfangs infolge der 
Reise erhöhte Temperatur (bis 37,7) ist schon nach 3 Tagen vollständig zur Norm 
iabgesunken, so dass Pat. ausser Bett. Nunmehr stellen sich im Laufe 
der nächsten Monate etwa je drei Wochen dauernde Fieber- 
anfälle ein, deren Maxima teils über 38 liegen, teils 38 
beinahe erreichen. Zwischen diesen Fieberschüben liegen immer wieder 
vollständig fieberfreie Perioden. Hie und da, aber selten, erreicht die Temperatur 
sogar 39®. Wegen dieser so häufig sich wiederholenden 
Fieberattacken, die oft mit recht starken pleuritischen 



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43] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


43 


Schmerzen auf der linken Seite verbunden sind und wogen 
des sich nicht bessernden Lungenbefundes, bcschliesst 
Pat sich einen künstlichen Pneumothorax anlegen zu 
lassen. Der vor der Abreise nach Marburg notierte Lungenstatus lautet: 
Gewicht 74,3 kg. Puls 80—96. Auswurfmenge bis 30,0 ccm, enthält Tuberkel 
bazillen tmnd elastische Fasern. 

Links intensive Dämpfung, besonders über dem Oberlappen. Unterer hinterer 
Lungenrand etwas verschieblich, aber nicht ausgiebig. In der linken Brustseite, 
besonders in der vorderen Axillarlinie, in der Höhe der Brustwarze, sonorer 
Perkussionsschall. 

L. V. über Klavikula Atmen amphorisch, spärliche kling. Rh. 1. ICR. 
Atmung leiser, broncho-amphorisch, mehr Rhonchi, besonders grobe, auch 
ein Brummer. 2. ICR. Atmen leise vesiko-bronchial, spärliche Rhonchi. 
3. ICR. Atmung sehr leise, fast aufgehoben, nach aussen hin Rhonchi und 
vesik. bronch. Atmen. 4. und 5. ICR. Atmen leise bronch., einige knatternde 
Rhonchi. ‘ In der linken Seite von oben nach unten: Atmen ziemlich leise, 
Inspirium rauh-scharf, Exspirium verlängert, feines Knattern, besonders in der 
Axilla. L. h. o. über Oberlappen Atmen amphorisch, klingende Rhonchi. Über 
der oberen Hälfte des.linken Unterlappens Atmung vesik.bronch., mittlere und 
gröbere Rhonchi. Ober der'unteren Hälfte des linken Unterlappens Atmen rauh 
und leise, Exspirium verlängert, keine Rhonchi. In der hinteren Axillarlinie, 
nahe der Basis, pleuritisches Reiben. 

R. V. über Klav. Atmen leise, zu scharf, Exsp. etwas verlängert, keine Rh. 
Im 1. ICR. Atmen verschärft, ziemlich laut, Exsp. kaum verlängert, Rh. = 0. 
2. ICR. vesik. Atmen. Mittellappen vesik. Atmen. R. h. o. über Überlappen wie 
vom. R. Unterlappen durchweg vesik. Atmen. 

Das Röntgenbild zeigt eine sehr starke Abschattimg über der ganzen 
1 . Lunge, hinten bis zur Basis. Sie ist hier so stark, dass die Zwerchfell¬ 
kuppe schwer sichtbar ist, doch scheint sie sich bei den Atmungen zu be¬ 
wegen. Immerhin ist es nach dem Röntgcnbilde zweifelhaft, ob es gelingen 
wird, einen freien Pleuraspalt zu finden. Bei der am 8. März 07 in Mar¬ 
burg vorgenommenen Operation (Brauer) gelin gt dies 
wider Erwarten leicht, und es fliessen 1000 ccm Stickstoff ein, und 
nach dem Eingriff ist sowohl physikalisch wie. auch auf dem Röntgenschirm 
ein freier Pneumothorax nachweisbar. Kurzdauernder Kollaps. Die 
vorher infolge der Reise leicht fieberhafte Temperatur fiel binnen drei 
Tagen zur Norm ab und blieb seitdem normal. Hie und da steigt 
sic im Anschluss an die Punktionen abends um einige Zehntel. Nie w' i e d e r 
aber haben sich seit der Anlegung des Pneumothorax die 
früher so überaus lästigen Fieberanfälle eingestellt, ln 
der ersten Zeit war der Pneumothorax nur in dem unteren Thoraxraum vor¬ 
handen. Oben wurde sein Vordringen durch recht ausgedehnte und feste Ver 
wachsungen anfänglich unmöglich gemacht. Diese Verwachsungen lösten 
sich im Laufe einiger Monate aber mehr und mehr, bis auf 
geringe Adhärenzen in der Kuppe, so dass das Stäbchen-Plessimctor-Phänoni^n 
vom auch über der Klavikula imd hinten über der Spitze nachweisbar war. 
Von der freischwebenden Basis der Lunge zog hinunter zum Zwerchfell ein 
lang ausgezogener, dicker ^trang, der bis zuletzt sichtbar blieb. Orginell war 
in der ersten Zeit, solange die Verwachsungen des Oberlappens noch nicht 
gelüst waren, das Verhalten der komprimierten Lunge im Röntgenbild. Wenn 
Pat. sich schüttelte, so bewegte sich der im Thoraxraum 


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44 L. Rrauor und Lucius Spongler. [44 

f r c i s c Imv b o n d o L u ii g o n u n t e r 1 a p (mi wie der Klöppel in 

eincrGlocko. . 

Ende März 07 kehrte der Patient nach Schatzalp zurück. Zunächst war 
seine Atmung in der Höhe noch leicht dyspnoisch und der Puls etwas frequent, 

doch besserten sich diese Verhältnisse binnen weniger Wochen. Der bei der 

Rückkehr aufgenommene Lungenstatus ergab folgendes: 

Im 6. ICR. links in der vorderen Axillarlinie eine 6 cm lange, noch nicht 
ganz geheilte Schnittwunde. Vorn und hinten über der ganzen linken Lunge sehr 
sonorer Schall, fast Schachtelton. überall bei Stäbchen-Plessimeter-Perkussion 
Fasston. Rechte Lunge steht hinten unten 1 bis IV 2 cm zu tief ^). Rechte Herz¬ 
grenze reicht nach rechts bis 1 cm innerhalb der Papillarlinie. 

L. V. über Klavikula Atmen aufgehoben. Im 1. ICR. Atemgeräusch nicht 
deutlich. V'^om 2. ICR. an leis(‘s metallisches Atmen. L. h. o. wie vorn. 
In der Gegend des Lungenhilus neben dem metallischen Atmen vesik. Atmen 
und einige feine trockene Rhonchi hörbar. 

Rechte Spitze hinten und vom Atmen leise, scharf, Exspirium etwas ver¬ 
längert, keine Rhonchi. 

Das Sputum verhält sich folgenderrnassen: Vor der Operation durch¬ 
schnittliche Tagesmenge etwa 30 g. Nach der Operation sank dieselbe 
sehr bald auf etwa o g herunter, verminderte sich dann weiter bis auf 
ein bis zwei Sputa pro Tag und war von P(‘bru;Lr 1008 an vollständig ver¬ 
schwunden Vor der Operation enthielt der AusAvurf dauernd Tubcrkelbazilleri 
(Gaffky II—IV; und mässig viel elastische Fasern. Von Ende März 1908 an 
waren sowohl die elastischen Fasern als auch die Tnberkelbazillen verschwun¬ 
den. Dieselben kehrten noch einmal im Mai und August in geringer Quantität 
wieder und blieben dann aus. 

Nachfüllungen, die anfänglich im Hochgebirge mit einer Pulsbeschleunigung 
bis zu 120 und massigen subjektiven Beschwerden verbunden waren, Beschwerden, 
die im Laufe des Sommers aber voll.ständig nachliessen, wurden in Zwischen¬ 
räumen von etwa 5 Wochen ausgeführt. Die Quantität des eingefüllten Stick¬ 
stoffes betrug durchschnittlich 1000 ccm und der Enddruck durchschnittlich 
5 mm Hg. 

Die Intervalle zwischen den einzelnen Nachfüllungen wmrden immer 
grösser genommen, so dass 'nach Ablauf der ersten 10 Monate der Pn.Th.- 
behandlung zwischen den einzelnen Punktionen 6—9 Wochen lagen. Vom 
Frühjahr 1908 an wurde dabei auch so vorgegangen, dass 
nur solange N eingelassen wurde, bis der negative Druck 
im Pleuraraum a u f g h o b e n w a r. 

10. April 08, Nachpunktion: N - 1000 ccm. E.-Dr. -j“ ö. 

9. Juni 08, Nachpunktion: N — 1000 ccm. A.-Dr. — 6,0 mm Hg. End¬ 
druck -f- 0. — 

24. Juli 08, Nachpunktion: N = 1200 ccm. A.-Dr. —14 mm Hg. E.-Dr. 

1/2 mm Hg. 

A m 28. J u 1 i 08 f ä h r t P a t. n a c h H a u s e. W ä h r e n d d e r 1 e t z t e n 
11 M o n a t e w u r d e n im A u s w u r f w c d e r T u b e r k e 1 b a z i 11 e n n o c h 
e 1 a s t. F a s r n g e f u n d e n. T e m p. steigt nie über 37,0. G e - 
wicht 72,0 kg. Puls 72—80. P a t. fühlt sich völlig wohl, will 

1) Links hinten reicht der Pleuraraum bis 10 cm unterhalb des Angiil. 
Scapulae. 



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45] Erfahrungen und Überlegungen zur Luiigenkollapstherapie. 45 

heiraten, 6—8 Wochen zu Hause bleiben, um dann nach Marburg zu fahren, 
die Behandlung dort zu Ende zu führen und sich Spezialstudien zu widmen. 

7. IX. 08 Ankunft in Marburg. Ganz helles glasiges Sputum. P a t. 
sieht sehr elend aus. Er hat sich zu Hause nicht geriügcmd geschont; 
ist mehrfach umhergereist. Ende August stellte sich wieder Husten ein. 

11. IX. Punktion. Es wird ein kleines, etw^a bis Zwerchfellkup|)e reichen 
des Exsudat diagnostiziert. N-Menge = 900 ccm. 

Am 14. IX. Temperatursteigerung (38,2). Solche kleine Steigerungen halten 
bis 17. IX. an, dann Rückkehr zu normalen Werten. 

26. IX. Durchleuchtung. Exsudat bedeutend geringer, kaum nachweisbar. 

29. IX. Punktion. N-Menge = 1000 ccm. 

Nach dieser Punktion normale Temperaturen bis zum 21. X. 08. Am 
22. X. starke Erkältung in zugigem Lokal. Leichte Angina. Seitdem Temperatur 
Steigerungen, die am 26. X. 39,8 erreichten. Dabei Schmerzen, die von dem 
Patienten auf die Pleura bezogen wurden. Die physikalische Untersuchung 
ergibt nur geringes Exsudat, dagegen besteht in den der Auskultation zugäng 
liehen Lungenteilen der kranken Seite reichlicher Katarrh, trockene knackende 
Rhonchi. Gesunde Seite unverändert. 

Am 27. X. höchste Temperatur 38,9. 

28. X. bis 2. XI. Die Temperaturen schwanken zwischen 37,0 und 
38,0, gehen gelegentlich um ein bis zwei Zehntel über 38 hinaus. Die Schmerzen 
sind bedeutend geringer, der Auswurf flüssiger. 

3. XI. Anstieg abends auf 38,8. Vormittags Punktion: Anfang.sdruck —5 
bis — 10 mm Hg. N-Menge = 750 ccm. Am Schluss geringer Plusdruck. Im 
Röntgenbild ist das Exsudat ca. 6 cm hoch. 

4. XI. nachmittags. Pat. entleert hellrot gefärbtes Sputum. 

14. XI. Da das Exsudat wieder etwas angestiegen ist, werden davon 
etwa 150 ccm entleert und 500 ccm N nachgogossen. Am Schluss geringer 
Plusdruck. Die Sputummenge schwankte um 50 ccm, reichlich Tbc. Im Exsudat 
zahlreiche Lymphozyten, Endothelzellen, keine polynukleären Leukozyten. Agar- 
platte bleibt steril. Inoskopie: keine Tubcrkclbazillen. 

Die Temperaturen gehen allmählich auf die Norm zurück. 

25. Nov. Punktion. Entleerung von 300 ccm Exsudat. N-Menge = 400 ccm. 
Schlussdruck -[* ^ Hg und insp. 2 mm. 

Befund am 7. XII. 1908. R. Seite völlig unverändert. L. vom o. tyni- 
panitisch gedämpft. L. h. o. intensiver gedämpft, aber ebenfalls tympanitischer 
Beiklang. Ab Spina laute Tympanie. Diese nimmt den ganzen Seitenraum 
ein. L. v. beginnt die Tympanie an der 3. Rippe. Das Exsudat macht sich als 
Dämpfung im Traubeschen Raum bemerkbar. R. Herzgronze Q.F. breit ausser¬ 
halb des r. Steraalrandes. Am Herzen nichts Besonderes. 

Auskultation: L. v. o. sehr leises, nicht deutlich zu beurteilendes Atem¬ 
geräusch mit deutlich konsonierenden Rh., die unterhalb der Klavikula Metall¬ 
klang (Pn.Th.) annehmen. Derselbe Befund noch im 2. und 3. ICR. neben 
dom Sternum. Nach aussen zu und nach unten hört man nur noch leises, 
aber deutlich metallisches Atmen durch den Pn.Th. hindurchklingen. 

Es finden sich in diesem Bezirk spärliche klingende Rhonchi. 

Das Röntgenbild zeigt die Lunge etwa bis 3. Rippe adhärent. Der früher 
frei pendelnde Unterlappen ist jetzt verkürzt und dem Mediastinum anliegend. 
Der Pneumothorax ist in seiner unteren Hälfte deutlich abgeschattet. Diese 
Abschattung entspricht der früheren Exsudathöhe und ist wohl durch eine 
V'erdickung der Pleura bedingt. 


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L. Brauer und Lucius Si>engler. 


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16. XII. 08. Punktion des Exsudates. Es werden 100 ccm .ab¬ 
punktiert. Stickstoff fliesst nicht. Gleich nach der Punktion klagt der Patient über 
ausgedehntere Schmerzen in einem gut handflächengrossen Bezirke in der Um¬ 
gebung der Punktionsstelle, besonders auch nach unten zu. Die Untersuchung zeigt 
die ganze Gegend etwas ödematös. Man hat den Eindruck, als sei 
etwas Exsudat extrapleural durchgedrungen, und dadurch 
die ödematöse Durchtränkung des Unterhautzellgewebes 
eingetreten. Die Röntgenuntersuchimg zeigt kein subkutanes Emphysem, 
ebenso felüt Knistern. Die Temperatur, die vor def Punktion 37,8 war, ist 
nachmittags 37,5. Am anderen Tage trotz Pyramidon 37,9, uln 4 Uhr 
abends 37,5. 

18. Dezember rascher Anstieg auf 39,2. Auf Aspirin und Priessnitz geht die 
Temperatur wieder herunter. Nach 3 Uhr 37,4. Pat. hat gefröstelt. Pat. zeigt 
die schon vorher geschilderte ödematöse Durchtränkung. Kein Knistern. 

19. XII. morgens 37,7, mittags zwischen 36,8 und 37,2. 

20. XII. Fast stets unter 37,0, nur einmal 37 erreicht Keine Infil¬ 
tration mehr vorhanden. 

Pat ist vom 2. Jan. 09 ab wieder in Davos. Die Reise verursachte 
keinerlei Störungen.. — Puls 100, Temperatur steigt nicht über 37,3. Auswurf¬ 
menge in 24 Stunden 10 ccm. Im Auswuxf zl. viele Tuberkelbazillen. Die 
kranke, linke Lunge ist hinten und vorn längs der Wirbelsäule breit adhärent, 
und mittelst Stäbchen-Plessimeter-Perkussion deutlich vom Pneumothorax ab¬ 
zugrenzen. Die Durchleuchtung bestätigt diesen Befund. Hinten links oben 
und längs der Wirbelsäule bis zum 8. Proc. spin. über Lunge bronch. Atmen 
und grobes, lautes Rasseln; nach aussen und unten davon alle Zeichen eines 
Pneumothorax. Vorn links längs dem Sternum, in einer Breite von 5 cm, fast 
aufgehobenes Atmen, ohne Rh., nach aussen davon metall. Atmen, besonders 
deutlich bei Husten. 

Über rechter Lungenspitze hinten und vorn scharfes Insp., etwas ver¬ 
längertes Exspir., keine Rhonchi. 

Es besteht heute (am 2. Jan. 09) nur ein kleines Exsudat. Am 9. Jan. 09 
war dasselbe bis zum 9. Proc. spin. gestiegen und reichte am 14. Jan. 09 
bis zum 8. Proc. spin. Dabei isU die Temperatur normal, 37,1. 

Da die Auswurfmenge langsam bis auf 25 ccm pro die steigt, wird am 
14. Jan. 09 der intrapleurale Druck bestii^mt. Er beträgt + 7,0 mm Hg. — 
Es wird kein N eingelassen und kein Exsudat aspirierL 

Im Laufe der letzten Januartage 09 wird die Temperatur vollständig 
normal und die Auswurfmenge sinkt auf 15 ccm pro Tag. 

Am 21. Februar erfolgt eine Probepunktion und wird bei dieser Gelegen¬ 
heit der intrapleurale Druck bestimmt, er beträgt inspiratorisch + 2,0 mm 
Hg, exspiratorisch -|- 5,0 mm Hg. Es wird deshalb kein Stickstoff nach¬ 
gefüllt. 

Im Laufe des Monats März sinkt die Sputummenge auf 10 und dann 
auf 2—3 ccm pro Tag. Temperatur dauernd normal. Dasselbe gilt auch für 
den Monat April 09. 

Am 3. Mai wurden im Auswurf Tbc., Gaffky UI, gefunden. 

Befund vom 26. April 09: Gewicht 72 kg, Puls 70—80, Temperatur 
normal. Pat. fühlt sich wohl; ninunt Kreosotal. Exsudat reicht hinten bis 
Angulus Scapulae; darüber Luftblase deutlich nachzuweisen. 

Rechter Oberlappen vom und hinten verschärftes Vesikuläratmen, 
wenig verlängertes Exspirium, keine Rh. 



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47] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


47 


L. V. über Klavikula Atmen ziemlich laut, scharf vesiko-bronchial, nach 
Hustenstössen feine trockene Rh. Im 1. ICR. Inspirium verschärft, Exspiriiini 
hauchend, am Sternum bronchial, hier einige mittlere Rh. Im 2. ICR. Atmen 
etwas leiser und schärfer, vesiko-bronchial, nur am Sternalrand einige feine 
trockene Rh. Im 3. ICR. fast aufgehobenes Atmen, nach Husten einige mittlere 
Rh. Im 4. und 5. ICR. kein Atemgeräusch hörbar. Linker Oberlappon hinten 
Atmen vesiko-bronchial, Rh., auch halbklingende, dasselbe längs der Wirbel¬ 
säule bis Höhe des Angulus scapulae; etwas ausserhalb Angnlus Atmen rein 
bronchial, keine Rh., sodann fortgeleitetes Atmen hörbar. Nirgends Stäbchen- 
Plessinieter-Phänomen. 

Die Röntgenuntersuchung hat während der Beobachtungsdauer 
nachfolgenden eigenartigen Befund ergeben: 

Wie oben erwähnt, war anfänglich unter der Wirkung energischer Punktionen 
eine ziemlich weitgehende Ablösung auch des Oberlappens erfolgt. Der Ober 
lappen hing nur noch medianwärts der Pleurakuppe an. Später hatte dann 
während des Aufenthalts zu Hause infolge Kleinerwerden des Pneumothorax 
die Lunge sich der Pleurakuppe breiter angelegt, sie war zusehends mehr 
und mehr in den oberen Teilen adhärent geworden, so dass sie z. B. am 
9. Januar 09 links seitlich herabreichte bis zum ob. Rande der 3. Rippe, während 
am 4. IV. 09 sowie am 26. IV. 09 die Adhäsion noch um zwei Interkostal- 
raume weiter herab gewandert war. Zu den letzten Zeiten reichte das Exsudat 
dann etwa bis zum 7. Proc. spin. herauf und es lag nunmehr nur noch 
ein kleinerer Pneumothoraxraum vor (ein gleiches Herabwandern der 
Lungenadhärenz wurde auch bei Fall 36 beobachte t). 

Pat. stellt sich vor seiner Abreise nach Hause (Rumänien) nochmals 
zur Untersuchung (18. VI. 09). — Gewicht 72,6 kg. Puls 70—80. Ternp. im 
Max. 36,8. — Allgemeinbefinden, Schlaf und Appetit sehr gut. Nur morgens 
etwas Auswurf, 3—5 ccm. — Im Röntgenbilde rechte Seite unverändert. Links 
ist vom Pneumothorax nichts mehr nachzuweisen. Oberes Drittel mässig hell; 
gleichmässige Abschattung, die nach unten hin zunimmt und unterhalb Ang. 
scap. sehr intensiv ist. Eine Exsudatlinie ist nicht mehr mit 
Sicherheit nachzuweisen. Das Herz liegt links in der starken Ab¬ 
schattung. Rechts ist vom Herzen nichts mehr zu sehen. 

Perkutorisch reicht das Herz nach rechts bis zur Mitte des Sternums. — 
Die rechte Lunge ist sehr stark nach links hin überbläht wie im Falle H. 
Nr. 22. — 

Auskultatorisch bestehen zl. genau dieselben Verhältnisse wie am 26. IV. 09. 

Unter dem 16. VIII. 09 berichtet Patient: 

„Trotzdem ich täglich nur eine Stunde Liegekur mache, fühle ich’mich 
vrohl und munter. Ich habe nur Spuren von Auswurf. Habe auch 
angefangen etwas zu arbeiten.“ 

Am 27. XII. 09 berichtet Patient: 

„Ich habe seit vier Monaten meine ärztliche Tätigkeit 
wieder aufgenommen, die vorläufig jnehr in Labora¬ 
toriumsarbeiten besteht. — Seitdem ich Davos verlassen (Juni 09) 
habe, ging es mir immer besser. Mein Katarrh ist beinahe ganz verschwunden; 
hie und da etwas Auswurf, der bald wieder ausbleibt. Wenn ich jetzt daran 
denke, was ich alles durchgemacht habe und wie ich meine Gesundheit wieder 
erlangte, erinnere ich mich Ihrer mit grosser Dankbarkeit.“ — 

Kollege R. berichtet weiter unter dem 25. Juli 1910: Seit Juni 1909 hat 
mich kein Arzt untersucht. Es geht mir sehr gut. Seit September 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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1909 bin ich Sekundärarzt des allgemeino^n Krankenhauses 
in J. Seit der Zeit meiner Abreise von Davos war ich nie¬ 
mals krank oder unpässlich und kann ich gut arbeiten 
ohne zu ermüden. Gewicht: 75,0 kg, Puls 60—72. Auswurf hie und 
da, sehr wenig. — Untersucht wurde er nicht. — 

Indikation. Stets wdederkehrende häufige Fieberschübe, die 
oft mit starken pleuralen Schmerzen verbunden waren und den Pat. 
etwa alle vier bis sechs Wochen für zwei bis drei Wochen ins Bett 
brachten, dabei sehr ausgedehnte Erkrankung der linken Seite, die 
Neigung zur Besserung nicht erkennen liess. Rechts leichter inaktiver 
Prozess. 

Epikrise. Trotz der mehrfachen pleuralen Reiz- 
erscheinungen erwies sich die kranke Lunge bei der Ope¬ 
ration doch relativ weit frei von Verwachsungen. Die Ad¬ 
häsionen über dem Oberlappen dürften frischeren Datums gewesen sein. 
Es war dieses aus der Anamnese sowie aus der Tatsache zu schliessen, 
dass dieselben durch stärkere Druckerhöhung im Pneumothorax 
lösbar waren. Der Erfolg war in den ersten Jahren 
so ausgezeichnet, wie nur möglich. Patient schien 
ein völlig Gesunder. Nach Erwägung der Sachlage wird ihm 
trotz Bestandes des Pn.Th. die Ehe gestattet. Pat. war als Arzt über 
die Sachlage völlig klar, ebenso auch nach Bildungsgang und allem 
die Frau. Es trat aber im Laufe der nächsten Monate erneut etwas 
Auswurf und nach Erkältungen und Überanstrengungen 
.auch Exsudat ein. Vor der Entlassung aus Davos war bei der 
letzten Nachfüllung ein auffallend niedriger Druck im Pneumothorax 
diagnostiziert worden (— 14 mm Hg). Die Störung durch das Exsudat 
nahm im 18. und 20. Monat nach der Operation ziemlich zu, besonders 
nachdem am 22. X. 08 noch eine stärkere Durchkühlung eingetreten 
war. Im Sputum tmten wiederum Tuberkelslmzillen auf, die Auswurf¬ 
menge stieg zeitweise bis auf über 50 während eines akuten Katarrhs. 

Patient überwand dann aber wieder die durch das Exsu¬ 
dat entstandene Schädigung und erholte sich in Davos und 
später zu Hause sehr gut. Bei Abreise von Davos (Juni 09) schien 
das Exsudat resorbiert zu sein, sicher bestand damals kein Pneumo¬ 
thorax mehr und war der weitere Verlauf sehr günstig. Die andere 
Seile ist dauernd gut geblieben. — 

Nur von Zeit zu Zeit besteht noch wenig Auswurf. Pat. ist 
völlig fieberfrei, hat niedrige Pulszahlen und ist bei sehr gutem All¬ 
gemeinbefinden. Er geht wieder seinem Berufe (Arzt) nach und ist 
mit dem Erfolge der Pneumothoraxbehandlung sehr zufrieden. 


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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


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26. Marie M., Studentin ans Russland, 21 Jahre alt. 

Familien-Anamnese ohne Belang. Winter 05/06 Hüsteln, Sommer 06 Aus¬ 
wurf mit reichlichen Bazillen. Linksseitige Lungenaffektion, rasch fortschrei¬ 
tender Kräfte verfall, sehr hohes hektisches Fieber. Sputum 80—120 ccm pro 
Tag, massenhaft Tbc. Körpergewicht 40,4 kg. Patientin wird zur Pn.Th.- 
Therapie nach Marburg gesandt. 

Aufnahme 16. III. 07 (Medizinische Univ.-Klinik Marburg). 

Status: Hochgradig erschöpft, leicht zyanotiscli, be¬ 
schleunigte Atmung, beschleunigte Herzaktion, schlecht ent¬ 
wickelte Muskulatur. Thorax flach und lang. Subklavikulargruben beiderseits 
stark eingesunken, links mehr als rechts. Linke Seite schleppt stark. Lungen¬ 
grenze r. V. 6. Rippe, hinten beiderseits 10. Rippe, rechts massig verschieblich, 
links kaum verschieblich. 

Perkussion: Die ganze linke Thoraxhälfte vorn wie hinten ziemlich 
gleichmässig und intensiv gedämpft, vorn unter Klavikula mit tympanitischem 
Beiklang. Rechts geringfügige Schallverkürzung irn Bereiche des Oberlappens. 

Auskultation: L. v. o. über und. unter der Klavikula sowie im 
2. ICR. bronchiales Inspirium, amphorisches Exspirium, klingende imd metalliscli 
klingende Rasselgeräusche. Wintrich 'scher imd Gerhardt 'scher Schall¬ 
wechsel positiv. L. V. im 3. und 4. ICR. rauhes, leises Inspirium, bronchiale« 
Exspirium, klingendes Rasseln. L. h. o. lautes Bronchialatmen mit klingenden, 
zum Teil feuchten Rasselgeräuschen. Über dem ganzen linken Unterlappen 
rauhes Insj)irium, hauchendes Exspirium, gleichmässig zerstreute, reichliche, 
klingende Rh., ebenso in den seitlichen Abschnitten links. 

R. v. 0 . rauhes Inspirium, verlängertes Exspirium, klingende Rh. Im 1. 
und 2. Interkostalraum vorn rechts ebenso. Dasselbe über rechtem Oberlappen 
hinten. Über dem Mittellappen besieht bei rauhem Inspirium und verlängertem 
Exspirium spärliches Rasseln. .Über dem rechten Unterlappen waren Verände¬ 
rungen nicht nachzuweisen. Röntgenbild vom 16. III. 07 — Taf. III. Nr. 11. 

Diagnose: Ausgedehnte linksseitige Lungentuber¬ 
kulose mit starkem Zerfall im Oberlappen. ImrechtenOber- 
lappen Spitzenaffektion, im rechten Mittellappen anschei¬ 
nend halb aktiver Prozess (disseminierte broncho-pneu- 
nionische Herde). 

17. III. 07 vormittags 10 Uhr Anlegung eines linksseitigen 
künstlichen Pneumothorax (4. ICR., vordere Axillarlinie). Eingriff 
ohne Besonderheiten, 400 ccm N. Puls und Allgemeinbefinden durch den 
Eingriff nicht wesentlich beeinflusst. Die spätere Untersuchung zeigt einen 
mässig grossen Pneumothorax, die Lunge ist mehrfach durch Adhäsionsstränge 
am völligen Kollaps gehindert. Das Herz ist nur mässig nach rechts verlagert. 

Die physikalische Untersuchung zeigt am 18. HL vor¬ 
mittags rechts noch nichts Besonderes. 

Am 19. III. findet sich aberr. v. über dem Mittellappen eine 
beträchtliche Zunahme des Katarrhs, die Geräusche sind 
reichlicher und feuchter geworden. Neben dem Herzen 
liegt ein etwa f ü n f m a r k s t ü c k g r o s s e r Bezirk deutlicher 
Dämpfung. Patientin ist etwas dyspnoisch geworden. 
Ini Sputum finden sich einzelne pneumonisch gefärbte 
Ballen. Die hohe Kontinua, die nur am Tage nach dem Ein¬ 
griff nicht hervortrat, bleibt bestehen. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1. 4 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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21. III. Der Herd in der rechten Lunge hat sich ver- 
grössert, nimmt einen handtellergrossen Bezirk ein mit 
intensiver Dämpfung, klingendem Rasseln und deutlichem 
Bronchialatmen. Auch über dem rechten Oberlappen tritt deutlich 
feuchtes Rasseln auf und die Perkussion nimmt tympanitischen Beiklang an. 

22. III. Der Prozess auf der rechten Lunge ist nicht fort¬ 
geschritten, die Rasselgeräusche über dem r. Oberlappen 
haben an Zahl wieder abgenommen. Der Puls ist regelmässig um 
120 (somit gegen früher nicht beschleunigt). Leichte Dyspnoe. Patientin bleibt 
dauernd febril (zwischen 38 imd 39). Die pneumonischen Bei¬ 
mengungen im Sputum sind nicht wieder, aufgetreten. 

24. III. Über dem r. Mittellappen ist das Atemgeräusch nicht mehr 
rein bronchial. Die Rasselgeräusche sind sehr zahlreich, feucht klingend. 
Die Rh. über dem r. Oberlappen haben noch weiter abgenommen. 

26. III. Nachfüllung, 830 ccm, ohne Steigenmg der Beschwerden. 30. III. 
zunehmende Dyspnoe. Über der rechten Limge nichts Neues. Dauernd Appetit¬ 
losigkeit, Durchfall, Schmerzen im ganzen Leib. Die Temperaturen liegen jetzt 
zwischen 37 imd 38. Die Sputumraenge bleibt unverändert Am 2. IV. Ein¬ 
blasen von 900 ccm. Danach jetzt etwas mehr Dyspnoe. Am 4. IV. über der 
ganzen rechten Lunge mit Ausnahme der hinteren und unteren Partien wieder 
reichlichere Rh. Am 9. IV. 08 unter zunehmendem Verfall Exitus. 

Röntgenphotographie post mortem. (Tafel III, Nr. 12.) 

Sektionsbericht (9. IV. 07,*9V2 vorm.). 

Sehr blasse weibliche Leiche von mittlerer Körpergrösse. Im Gesicht 
geringe Zyanose. Untere Extremitäten frei von ödem. In der rechten Bauch- 
und Brusthälfte mehrere bis linsengrosse, flach erhabene Pigmentwarzen, zwei 
weitere am rechten Fussrücken und linken unteren vorderen Brustquadranten. 
In der Nähe der letzten vorderen Warze befindet sich eine Fingerlänge von 
der linken Mamilla entfernt in der vorderen Axillarlinie eine ältere, schon 
narbige Operationswunde mit stellenweise Exkoriationen des Epithels. In der 
Umgebung derselben mehrere verheilte Stichöffnungen. Subkutanes Fettgewebe 
der Brust und des Bauches gut entwickelt, aber von dunkler Farbe. 

Thorax sehr schmal gebaut. 

Abdomen: Zwerchfellstand rechts 6. Rippe, links 7.—8. ICR. Leber 
liegt breit vor, in der rechten Mamillarlinie handbreit den Rippenbogen über¬ 
ragend. Netz und Mesenterium sehr fettreich, im untersten Teil des Douglas 
ca. 15 ccm seröse Flüssigkeit. An den Jejunum- und Ileumschlingen bemerkt 
man auf der Serosa derselben zahllose, fleckweise auftretende Tuberkeleruptionen, 
die längs der Lymphgefässe ziehen. Die Umgebung dieser Stellen ist leb¬ 
haft gerötet. An einer Stelle eine etwas strählige Narbenbildung, subserös 
gelegen. Gleiche Tuberkeleruptionen am Cökum; Mesenterialdrüsen bis bohnen¬ 
gross, dunkelgraurot mit Tuberkelknötchen. 

Situs des Bauches normal. 

Linksseitig deutlicher Pneumothorax mittelst Streichholz 
nachweisbar. Nach Emporheben des Brustbeins zeigt sich, dass die rechte 
Lunge ungefähr der Knorpel knochengrenze der Rippen entsprechend mit den 
Rippen in den oberen 2/3 verwachsen ist. Unten nach dem Komplementärraum 
zu kommt man in die Pleurahöhle hinein. 

Die linke Lunge liegt ganz zurückgesunken in der Pleurahöhle. Ihr 
oberer Lappen ist in der Axillargegend bis hoch hinauf zur Spitze durch 



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51] Erfalirmigen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 51 

breite, bandförmige Adhäsionen verwachsen. Der linke Unterlappen ist in der 
hinteren AxiUargegend an einer Stelle durch bleifederstiftdicken, fibrösen 
Strang mit der Thoraxwand verbunden. Linker Oberlappen mit Unterlappen 
‘ebenfalls durch bandförmige, breite Adhäsionen streckenweise verwachsen. 
Im übrigen linker unterer Lungenlappen frei beweglich. Bei dem Loslösen der 
nach rechts gelegenen, den Oberlappen betreffenden, pleuritischen Adhäsion 
zeigt sich, dass die linke Spitze an einer 2 Querfinger breiten Partie nicht 
verwachsen ist, dass linker Unterlappen nur an der Basis durch frisch fibrinöse 
Exsudatmassen mit dem Zwerchfell verklebt, im übrigen aber linker Untef- 
lappen bis zur Wirbelsäule hin leicht verschiebbar sich erweist. In dem freien 
Raum der rechten Brusthöhle etwas blutig-fibrinhaltige Flüssigkeit. Aus den 
angeschnittenen Ingularvenen rechts und links entleert sich reichlich frisches 
Blut. Im Rachen schaumig-schleimige Massen. Lymphdrüsen längs der Aorta 
am Halse bis erbsengross. 

Herz in normaler Lage gelegen. Im Herzbeutel grössere Mengen 
klarer, seröser Flüssigkeit; Perikard, Epikard glatt. Beide Herzabschnitte ent¬ 
leeren flüssiges Blut, dimkelrote Kruormassen. Rechter Vorhof nicht dilatiert, 
Trabekularmuskulatur von normaler Stärke, ebenso die des rechten Ventrikels. 
Pulmonalvenenweite 6 cm, zarte Klappen. Mitralis o. B. Muskulatur des 
linken Ventrikels sehr schwach, etwas abgeplattet Aortenweite im Anfangsteil 
61/2, Intima des Bulbus der Aorta fleckweise mit Intimaverfettung. Muskulatur 
des linken Herzens blassgrau, brüchig, etwas auffaserbar. 

Zungenbalgdrüsen kräftig entwickelt. Ösophagus ohne Befund. Aorta stark 
hypoplastisch. Am Ductus Botalli starke Narbenbildung. Kehlkopfschleimhaut, 
Schleimhaut der Trachea nicht blutig. Peribronchialdrüsen hinten mässig anthra- 
kotiscb, fest, käsig durchsetzt 

Linke Lunge im Oberlappen mit dem Herzbeutel fest, kurz verwachsen. 
Pleuraoberfläche des linken Unterlappens glatt, mehrfach mit Blutungen versehen, 
in den hintersten Teilen sowie nach dem Oberlappen zu durchschimmemde bis 
bohnengrosse, käsige Herde. An der Spitze der linken Lunge fühlt man eine 
Kaverne, im Bereiche deren die Pleurablätter miteinander verwachsen sind. 
Schnittfläche des linken Unterlappens: Im luftleeren, grauroten Parenchym 
zahllose, zum Teil erweichte käsige Herde, die deutliche bronchiale resp. 
peribronchiale Lagen erkennen lassen. Schleimhaut der feineren Bronchien des 
ünterlappens fleckweise gerötet mit zähen, gelblich-.weissen Schleimmassen be¬ 
deckt, die der Wand fest anhaften. In der Umgebung dieser peribronchialen Stellen 
grössere bis erbsengrossh trockene Käseknoten, die in direktem Zusammen¬ 
hänge mit den käsigen Bronchien stehen. An manchen Stellen im Unterlappen 
bronchiektatische Erweiterungen, Zylinder- und sackförmiger Natur, mit glatter 
Wand und nicht deutlichem tuberkulösem Charakter. Der zum Oberlappen 
der linken Limge gehörige Bronchus ausgedehnt tuberkulös geschwürig zer¬ 
fallen. In seinem Innern finden sich dicke, zähflüssige Käsemassen. Die 
Kaverne im linken Oberlappen steht in breiter Kommunikation mit dem Bronchial- 
system. Die Wand der Kaverne ist von glattem Aussehen mit käsigen Be¬ 
legen versehen. Sie hat eine gekammerte Gestalt, an vielen Stellen gewinnt 
man den Eindruck, als ob die Bronchi bronchiektatisch erweitert wären und 
in dieser Weise mit der glattwandigen Kaverne in Kommunikation stehen. 
Besonders tritt dies im untersten Teile des Oberlappens zutage. 

Bei Verfolgung des Bronchialsystems des rechten Oberlappens zeigt sich, 
dass die Bronchien sich streckenweise erweitern, ihre Wand schwielig hart 

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wird und im Innern käsig-weisse Massen auftrcten, die sich in bis erbsen¬ 
grosse Kavernen mit im allgemeinen glatten schwieligen Rändern fortsetzen. Die 
Schnittfläche des rechten Oberlappens weist auf diese Weise ein grosses, im 
Zusammenhang stehendes Höhlensystem auf, das mit käsiger Masse erfüllf 
ist und in einem pneumonisch infiltrierten Lungengewebe liegt. Rechter Unter¬ 
lappen sehr ödematös imd in den obersten Partien tuberkulös knotig infiltriert, 
Pleura darüber ausgedehnt mit fibrinösen Belegen versehen. 

Milz: normale Grösse. Kapsel prall; Pulpa auf der Schnittfläche etwas 
weich, leicht verquillbar, zahllose disseminierte Miliartuberkeln enthaltend. 

Leber: sehr gross. Unter der Kapsel sieht man mehrfache disseminierte 
Tuberkelknötchen. Schnittfläche sehr fettreich. Acini von wechselnder Grösse, 
bald sehr gross mit breitem Durchschnittszentrum, bald sehr klein, fast nur 
dunkelrot, ohne erhebliche periphere gelbe Zone. Blutgefässe der Leber ohne 
Besonderheiten. 

Nebennieren: klein, mässig fettreich, frei von Tuberkulose. 

Nieren: Kapsel leicht abziehbar. Parenchym sehr blutreich, fest, be¬ 
sonders an der Rindensubstanz. Im Parenchym mehrfach beiderseits miliare 
Tuberkelknötchen, die von der Rinde bis in die Trabekeln sich hineinver¬ 
folgen lassen. 

Nierenbecken, Ureter, Blase o. B. 

0 V a r i u m , Uterus o. B. 

Im Fundusteil des Magens ist die Schleimhaut blassgrau, leicht granuliert. 
Hier sowohl, wie in den übrigen Teilen reichliche Schleimmassen. Im mittleren 
Drittel des Jejunums beginnend, treten zahllose, nach unten zu an Aus¬ 
dehnung zunehmende tuberkulöse Geschwüre auf, die an der Valvula ib‘o- 
coecalis fast die ganze Zirkumferenz einnehmen. Der Processus vermiformis 
ist ebenfalls tuberkulös erkrankt. 

Im Dickdarm treten die Geschwüre selir zurück, doch zeigen sich 
noch vereinzelte bis in die Flexura sigmoidea. 

Gehirn: Schädeldach sehr dick; Diploe fast sklerotisch. Pia mater 
corebri sehr ödematös. Gehimsubstanz voll, mit zahlreichen Blutpunkten versehen. 

Sektions-Diagnose: Anämie. Linksseitiger Pneumothorax. Beider- 
seilige ausgedehnte käsige Tuberkulose mit käsiger Bronchitis, Peribronchitis, 
Bronchiektasienbildung. Myodegeneratio cordis. Rechtsseitige Pleuritis der U.L. 
Disseminierte Miliartuberkulose der Leber, Milz und Nieren. Darmtuberkulosc. 
Mesontcrialdrüsen-Tuberkulose, Lungenödem, ödem der Pia mater cerebris. 

Indikation. Ausgedohnto linksseitige Lungentuberkulose mit 
starkem Zerfall im Oberlappen. Über dem rechten Oberlappen Spitzen¬ 
affektion, über dem Mittellappen disseminierte broncho-pneumonische 
Herdt (halbaktiver Prozess). Extremer Kräfteverfall. 

Epikrise. Die Patientin befand sich in höchst desolatem Zu¬ 
stande. Äusserst schwere Erkrankung der linken Seite. Der Befund 
auf der rechten Seite ist sowohl von uns wie von zwei erfahrenen 
Heilstättenärzten zu günstig angesehen worden. Die Geräusche, die 
über dem Oberlappen zu hören waren, wurden teils als fortgeleitet 
aufgefasst, auch glaubte man das Atmen der rechten Seite mit¬ 
bedingt durch die schweren Veränderungen des Atemgeräusches 
linkerseits. Der Eingriff als solcher gelang glatt. Da der Pneumo- 


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53J Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstlicrapie. 53 

tliorax nur ein partieller^war und bei der bestehenden Dyspnoe nur siölir 
niedrige Druckwerte zur Anwendung kamen, wai' eine nennenswerte 
Verschiebung des Mediastinums und des Herzens nicht eingetreten. 
Der Pneumothorax an sich wurde ohne besondere Beschwerden er¬ 
tragen. Dagegen traten nach zwei Tagen auf der an¬ 
deren Seite stärkere Veränderungen auf. Besonders über 
dem Mittellappen in jenem Bereiche, der auch vor dem Eingriff als 
halb aktiv betrachtet wurde, wurden die Rasselgeräusche viel feuchter, 
zahlreicher, und es bildeten sich pneumonische Symptome 
aus. Im massigen Grade entwickelte sich diesem auch im rechten 
Oberlappen. Der rechte Unterlappen blieb frei von diesen Verände¬ 
rungen. Die genannten Erscheinungen gingen nach einigen Tagen 
wiederum etw^as zurück, schwanden aber nicht völlig. Da ein Stauungs¬ 
katarrh im Unterlappen sich nicht ausbildete, so können die genannten 
Veränderungen auch nicht als durch Herzschwäche bedingt angesehen 
werden. Ebenso erschien es unzulässig, dieselben auf Sputumaspiration 
zurückzuführen, denn die Patientin war ohne Narkose operiert und 
hatte den kleinen Eingriff ohne Beschwerden und stärkeres Husten etc! 
überstanden. Nach dem klinischen Verlaufe wäre es möglich, in den 
Veränderungen die Folgen einer lokalen Tuberkuli n- 
reaktion zu erblicken (sielie spätere Ausfülirungen), die da¬ 
durch zustande gekommen wären, dass durch den Pneumothorax die 
mit Toxinen überfüllte kranke Lunge ausgepresst wurde und dass 
nun diese plötzlich in die Zirkulation hereingedrängten Tuberkuline 
die Herdreaktion in der nicht kollabierten Lunge auslösten.. (Sielie 
hierzu die späteren Krankengeschichten: Nr. 83 und 89.) 

Im ganzen ist zu betonen, dass nach unseren 
heutigen Anschauungen die rechtsseitigen Verän¬ 
derungen zu schwer und zu aktiv waren, um einen 
linksseitigen Pneumothorax anzulegen. Der Kräftever¬ 
fall an sich wäre kein Hindernis eines Erfolges gewesen, wohl aber 
selbstverständlich die disseminierte Organtuberkulose, wenn wir sie 
hätten erkennen können. 

27. Frl. M. Imgr. ans K., 27 Jahre alt, erkrankte 1898 an Lungenspitzen¬ 
katarrh rechts, lebte zuerst mehrere Sommer im Schwarzwald, im Winter zu Hause. 
Seit 1901 den Winter über in Davos. Keine Blutung, keine Pleuritis. Ilir 
Zustand verschlimmerte sich dabei ständig, nachdem auf Tuberkulin vorüber¬ 
gehend eine deutliche Besserung eingetreten war. Endo Dezember 1906 heftige 
Angina mit vorübergehender Albuminurie und nachfolgender deszendierender 
Bronchitis mit schwerer Verschlimmerung des Lungenbefundes. Während Patientin 
früher stets fieberfrei gewesen war, stieg nunmehr die Temperatur in Schüben 
ab und zu bis auf 39,0, bis in den März 1907 hinein. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Befund vom 10. März 1907: Gewicht 98 Pfund. Auswurf 50—70 ccm. 
Tbc. Gaffky VII und viele elast. Fasern. Puls 120 unä darüber. Intensive Dämp¬ 
fung über der ganzen rechten Lunge, ln der rechten Seite vom Angulus scap. 
über Axilla nach vorne gehend eine bandförmige Zone mit vermehrter Sonorität. 
Das Herz ziemlich stark nach rechts verlagert. 

R. vorne über Schlüsselbein und im 1. und 2. ICR. amphorisches Atmen 
und klingendes Rasseln. Über dem Mittellappen Atmen vesiko-bronchlal 
und mässig zahlreiches Rasseln. H. r. o. über Oberlappen Atmen scharf 
vesiko-bronch., Exsp. mit amph. Beihauche aus der Tiefe. Mässig zahlreiches, 
meist klingendes Rasseln. Obere Hälfte des rechten Unterlappens bronch. Atmen 
und viele besonders konsonierende Rh. Zwischen Wirbelsäule und Ang. scap. 
bronch.-amphor. Atmen und Rhonchi. In der rechten Seite dagegen leises, 
rauhes Atmen, verlgt. Exspir., feine Rh., besonders Knistern. Über der imtem 
Hälfte des Unterlappens Atmen leise, rauh, Exspir. verlgt. Knistern und pleu- 
ritisches Reiben. Rechter unterer Lungenrand steht 3 cm zu hoch. 



Fig. 6. 


Linker Oberlappen hinten und vorne Atmen scharf, Exspir. verlgt, kein 
Rasseln. Die Rh., die hier ab und zu gehört werden, besonders morgens, sind 
sicher fortgeleitet. 

Pat. reiste Ende März 07 nach Marburg. Erster Eingriff am 25. IIL 07 
bei hohem Fieber (39,0) im 4. ICR., mittlere Axillarlinie; Pn.Th. nicht anzulegen 
wegen Verwachsung. Am 3. AprilzweiterEingriff, nachdem tags zuvor 
noch Temp. von 38,7 bis 39,6 bestanden. Hintere Axillarlinie 4. ICR. (700 ccm 
N). Operation anstandslos ertragen. Die Temp. von dem Augenblick an nicht 
mehr höher wie 37,9. Am 8. IV. erste Nachpunktion (820 ccm N). Vom 
11. IV. an fieberfrei. 3. Punktion am 19. IV. (750 ccm N). Am 22. IV. Rück¬ 
reise nach Davos. Dort zeigten sich zunächst gelegentlich leichte Temperatur¬ 
steigerungen, so nach erneuter Angina am 3. V. Am 11. V. Punktion (^ ccm 
N), 3 Tage später Auftreten eines Exsudates unter Fieberbewegung bis 
39,0. 29. V. Punktion, 500 ccm N. Temperatur bleibt noch 3 Tage bestehen, 

verschwindet dann wieder, um nur vorübergehend leichteren Fieberbewegungen 



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55] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. oo 

bis höchstens 37,8 Platz zu machen. 18. VI. 07, 300 ccm N, Schlussdruck 
10 mm Hg, von da an fieberfrei. Es besteht aber noch viel Husten und 

Auswurf. 16. VII. 07, 400 ccm N. Druck 12 mm Hg. Der Pn. Th. ist (vergl. 

Fig. 6, Zeichg. vom 14. VIII. 07) zl. gross. Die Sputummenge bleibt noch auf 50 
bis 60 ccm. 30. VIL 07, 600 ccm N. Schlussdruck 22 mm Hg. Immer noch kleines 
Exsudat, fieberfrei. Die Sputummenge sinkt im August 07 auf 30—45 ccm. 
23. VIII. Punktion, 600 ccm N, Schlussdruck 40 mm Hg. Sputum sinkt aul 
20—25 rem. 5. IX. Punktion 500 ccm N, 37 mm Hg, darnach einmal 37,5. 
Sputum am 14. November wieder 50 ccm. 19. November 07 Punktion, 

400 ccm N, 41 mm Hg Schlussdruck. Gewicht hält sich zwischen 98 und 

100 Pfund. Puls meist 96. Die Sputummenge sinkt nach jeder Punktion, 
imd steigt bei ^einerwerden des Pn.Th. wieder an. Um jene Zeit beginnt 
eine Gewichtszunahme von 98 auf 105 Pfund bei abnehmender Sputummenge; 
völlig fieberfrei, Sputummenge 20—25 cm. Das Röntgenbild (siehe Fig. 6) 
zeigt die Lunge in der Thoraxkuppe angewachsen, im Unter- und Mittellappen 
am Mediastinum angedrängt, im Hilus grosse, deutliche Drüsen. Perkutorisch 
von oben bis unten Fasston, nur ganz kleines Exsudat im Komplementär- 
raum. Am 24. XI. 07 lässt sich im Röntgenbilde wieder deutlich erkennen, 
dass der Oberlappen, wie geschildert, in der Thoraxkuppe adhärent ist. 

Die Punktionen werden in etwa zweiwöchentlichen Intervallen fortgesetzt; 
•durchschnittlich werden 500 ccm N eingelassen. Druck bei.Beginn der Punktion 
meist minus 1—2 mm Hg, zum Schluss plus 30—40 mm Hg. Stickstoff winl 
ziemlich rasch resorbiert. 

Tuberkelbazillen vor der Operation sehr reichlich vorhanden (Gaffky V und 
mehr). Am 1. XI. 07 Gaffky I, spärliche elastische Fasern. Am 16. XII. 07 
Gaffky I., elastische Fasern fehlen. Am 14. III. 08 im Auswurf weder Tbc. 
noch elast Fasern. Zurzeit Temperatur normal, Sputum 35 ccm. Die rechte 
Th.-Hälfte eingesunken, das Herz ist ein wenig nach rechts in den Th.-Raum 
verlagert Die linke Seite wird auffallend gut und stark bewegt, linke" Lungen¬ 
spitze frei von irgendwelchen aktiven Prozessen. Vorzügliches Aussehen, gutes 
Allgemeinbefinden, Gewicht 107 Pfund. Pat ist viel frischer wie früher, 
macht grosse Spaziergänge und fällt durch auffallende Besserung auf. 

Während des Sommers und Herbstes 08 wird alle 3—4 Wochen nach- 
punktiert Es können immer nur kleine Mengen Stickstoff (200—300 ccm) 
eingeführt werden. Der Anfangsdruck ist dabei stets negativ (— 2,0 bis — 5,0 mm 
Hg), der Enddruck aber hoch, in der Regel -f" 30 bis 50 mm Hg. — Es 
handelt sich also um einen abgesackten Pn.Th. mit starren Wandungen, der 
nicht vergrösserungsfähig ist Es besteht immer noch ein kleines pleuritisches 
Exsudat Die Form des Pn.Th. erhellt auch jetzt noch aus der beigegebenen 
Figur 6 vom 14. VIII. 07. Über den dunkel gehaltenen Stellen (Lunge) be¬ 
steht bei Stäbchenplessimeterperkussion kein Fasston, dagegen ist derselbe deut¬ 
lich über den leicht schraffierten Partien (Lunge von Stickstoff umspült) und sehr 
deutlich über den ganz hellen Stellen. Hier geht der Pn.Th. von hinten nach vorn 
durch. Punktionsnadel wird stets im 7. ICR. unterhalb des Ang. scap. einge¬ 
führt. — Die Sputummenge schwankt zwischen 30 u. 40 ccm. Der Auswurf ent¬ 
hält selten keine, meist spärliche Tuberkelbazillen und spärl. clast. Fasern. — 
Im Anschluss an die Punktionen tritt öfter leichte Temperatursteigerung auf. 
Aus diesem Grunde wird auch die linke Lunge wiederholt besonders ein¬ 
gehend untersucht, doch fördern weder die Durchleuchtung noch die physikalische 
Untersuchung etwas Neues zutage. Der alte inaktive Prozess besteht hier 
unverändert fort — 


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r>6 L. Brauer und Lucius Sptuigler. [56 

I ni Laufe <1 e s Winters 11)08/09 und des Frühjahrs 1909 
ändern s i c li die \' (‘ r h ä 11 n i s s e insofern, als das Befinden 
im a I 1 g e in e i n n e i w a s weniger gut i s t. Das Gewicht sinkt von 

107 Pfund auf 103 Pfund /vor der Operation 98 Pfund). — Der Puls hält 

sich auf 80—96. — I)i(‘ Temperatur dagegen ist meist etwas erliöht (36,8 

bis 37,5). Die Sputummeime hat etwas zugenonunen, sie beträgt 50—60 ccin, 
frülior 30—40 (vor der Operation 50—70). — Der Auswurf enthält sj»ärl. 
Tuberkelbazillen und elast. Fasern. Auffallend sind die immer deutlicher wer¬ 
denden Schrumpfungsorscheinungen. Die ganze rechte Seite sinkt stark ein. 
Die Rippen sitzen diclit aufeinander. Trotz der noch alle vier Wochen 

ausgeführten Nachpiinklionen verlagert sich dji.s Herz immer mehr nach 
rechts. — Der Pn.Th. wird kleiner luid kleiner, doch bestehen die mit 
Zeichnung vem 14. VIII. 07 angedeuteUm hellen St'‘llen hinten und vom in 
verkleinerter Form noch fort. Das Exsudat ist bald fast ganz verschwunden, 
bald etwas grösser, doch steigt es nie über den 8. Proc. spin. hinauf. (Dabei 
Hochstand des Zwerchfelles.) — Alle vier Wochen werden 200—300 ccm N 
nachgefüllt bei einem Anfangsdruck von — 4 bis — 8,0 mm Hg und einem 
Schlussdruck von meist 60,0 mm Hg. Letzte N a c h p u n k t i o n am 10. 
III. 09. — Es wird beschlossen, den Pn.Th. eingehen zu lassen. — 

Befund vom 28. IV. 09. Gewicht 103 Pfund, Puls 80—96. Abend¬ 
temperatur 36,8—37,5 (sub lingua). Auswurf 40—60 ccm pro die, Tbc. Gaffky V 
und elast. Fasern. Ganze rechte Seite stark retrahiert, Rippen stellen dicht 
aufeinander. Herz stark nach rechts verlagert. 

Hinten stdit der untere Rand der linken Lunge auf der Höhe des 
11. Proc. Spin. — Rechts steht das Zwerchfell offenbar hoch. Genau ist dies 
heute wegen des bestehenden Exsudates nicht zu bestimmen. Zu Zeiten, 
während welchen das Exsudat nur den Komplementärraum ausfüllte, stand 
das Zwerchfell rechts zwisclien dem 8. und 9. Proc. spinös. — 

Ober der linken Spitze liinten und vorn Insp. scharf, Exspir. ver¬ 
längert, Rh. keine. Es besteht aber Verdacht, dass die Temperaturerhöhungen 
der letzten Wochen durch Erkrankung der 1. Spitze bedingt sind. 

R. besteht ein etwa 4 cm hohes Exsudat. Der Pn.Th. besteht fort, 
nur ist er deutlich kleiner geworden. 

R. vorn über Schlüsselbein und im 1. ICR. Atmen zl. laut hronchö- 
amphorisch, sj>ärl. kling. Rh. — Jin 2. und 3. ICR. At. v^esiko-bronch., über 
Pn.Th. mit metall. Beiklang, zl. spärl. Rh. Im 4. und 5. ICR. aufgehob. At. 

R. h. oben im Grenzbezirk des O.-L. lautes, scharfes bronch. At., 
spärl. meist klingende Rh. — Im Bereiche des Pn.Th. bronch. Atmen mit 
metall. Beiklang, Rhonchi keine. — 

Die Monate Mai und Juni 1909 zeigen eine leichte Besserung. Die 
Temperaturen erreichen selten die Höhe von 37,3. Vom 9. Juli ab jedoch 
besieht andauernd Fieber, oft bis 39,0 und darüber. Die Auswurfmenge steigt 
und erreicht im August 09 100 ccm. Puls 100—120. Ende August 09 be¬ 
steht rechts immer noch ein deutlicher aber kleiner Pn.Th. Der Befund der 
recliten Seite hat sich seit dem 29. IV. 09 (vergl. oben), abgesehen von ver¬ 
mehrtem Rasseln, wenig geändert. Dagegen hat sich links im Laufe der letzten 
zwei Monate ein ausgesprochener frischer . Prozess entwickelt. Ober dem I. 
O.-L. hinten und vorn vesiko-bronch. Atnu'ii und zahlreiche feine Rh., bes. 
vorn im 1. ICR. — Die Kranke fährt am 2. IX. 09 nach Hause und geht 
uns die Xachriclit von ihrem am 29. XI. 09 erfolgten Tode zu. 



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Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


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Indikation zur Operation. Seit 10 Jahren bestehende 
hoffnungslose Erkrankung tuberkulöser Natur der ganzen rechten 
Lunge mit grosser Kaverne in der Spitze und frischer (einige Wochen 
alter), bereits in Zerfall übergehender, sehr schwerer Piicumonio des 
ganzen rechten Unterlappens. Nicht ganz leichter, aber in¬ 
folge längerer Beobachtung mit Sich er li eit als in¬ 
aktiv zu taxierender Prozess der linken Seite. 

Epikrise. Der erste Eingriff (25; III. 07) misslang, weil kein 
freier Pleuraspalt gefunden wurde. Der zweite Eingriff (3. IV. 07) 
führte zu einem ziemlich grossen Pneumothorax, der während genau 
z\yei Jahren nachpunktiert wurde. Zwei Monate nach Anlegung des 
Pneumothorax trat ein kleines pleuritisches Exsudat auf, das bald 
grösser, bald fast ganz resorbiert, bis zur Entlassung der Kranken 
(2. IX. 09) fortbestand. Zunächst ging es der Patientin er¬ 
be b 1 i c h b e s s e r. Das seit Monaten besUindcne Fieber schwand 
völlig- Es erfolgte eine Gewichtszunahme von 98 auf 107 Pfund. 
Der Auswurf reduzierte’ sich auf die Hälfte und Patientin 
konnte ohne Mühe grössere Spaziergänge machen. Der Auswurf war 
zeitweise frei von T u b e r k e 1 b a z i 11 c n und elastischen 
F a s e r n. 

Da aber sehr ausgedehnte Partien der Lunge verkäst waren und 
der kavernöse 0]>erlappen sich zu fest adliärent zeigte, uni dauernd 
einer ausreichenden Kompression zugänglich zu sein, stellten sieh 
gegen Schluss der Behandlung wieder die alten Sputuminengen (mit 
Tuberkelbazillen und elast. Fasern) ein. Die Nachpunktionen wurden 
regelmässig aUe 2—4 Wochen ausgeführt und doch wurde schliesslich 
der Pneumothorax immer kleiner. Die ganze kranke rechte Seite 
zeigte immer ausgesprochenere, schliesslich hocligradige Schrunip- 
fungserscheinungen (Aufsitzen der Hippen, Verlagerung des Herzens 
nach rechts, Hochstand des Zwerchfells). Es gelang nur unter An¬ 
wendung hoher Druckwerte, besonders gegen den Schluss der Behand¬ 
lung kleine Mengen N (150—250 ccm) einzuführen. Es wurde deshalb 
im März 1909 beschlossen, den Pneumothorax eingehen zu lassen. — 
Während der ganzen zwei Jahre dauernden Behand¬ 
lungszeit war die linke (sogenannte gesunde) Seite 
unverändert geblieben. — Erst vier Monate später (9. Juli 
1909) trat unter akuten Erscheinungein eine frische Erkmnkung der 
linken Seite auf, der die Patientin am 29. November 1909 erlag. 

Im März 1907 war der Zustand der Kranken so, dass 
nur noch mit Wochen gerechnet werden konnte. Der 
künstliche Pneumothorax hat ihr Leben wohl s i c li e r- 
lich um zwei Jahre verlängert. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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28. Herr Paul We. ans P., 34 Jabre alt, ledig. 

Anamnese: Keine Heredität. Anfang Juli 06 auf Jagd kleine Hämoptoe 
(100 ccm). 3 Monate zuvor angeblich Influenza und im Anschluss daran 
ziemlich viel Husten mit etwas Auswurf, bes. morgens. Vom 9. VIII. 06 bis 
5. IV. 07 in Davos. Dort Verschlimmerung bei ziemlich unzweckmässigem 
Hotelleben. Im Sept. 06 Schub in den linken Unterlappen, Temp. bis 39,5. — 
31. XII. 06 kleine Blutung, Temp. bis 37,8. 

Status vom 14. III. 07. Dämpfung über ganzer linker Lunge. L. v. 
über Klavikula Insp. leise, rauh, Exspir. hauchend, einige feine trockene Rh., 
ein mittlerer heller Rh. imd ein Brummer. Im 1. ICR. Atmen lauter und schärfer, 
Exsp. hauchend, dieselben Rh. 2. ICR. idem, 3.—5. ICR. Insp. rauh, Exsp. 
verlängert, trockene, feine Rh., auch einige mittlere, halbfeuchte, hellere. L. h. 
über Oberlappen wie vom über Oberlappen. — Obere Hälfte des linken ünter- 
lappens Inspir. rauh, Exspir. verlgt., mittlere Rh. Untere Hälfte des 1. Unter¬ 
lappens Insp. leise, rauh, Exspir. verlängert. — Knarren, Knacken und Knattern 
nach Husten. R. Spitze hinten und vom Atmen zu rauh, ohne Rh. 

Gewicht 75,0 kg. Puls 88. Auswurf Tbc., Gaffky IV—VI. 

4. Juni 1907 Operation in Marburg (Brauer), gelingt 
glatt; zu bemerken ist nur das Folgende: Als nach Freilegung 
der Pleura costalis die stumpfe • Sonde durch die Pleura durch¬ 
gedrückt war und mit der feinen Sonde die Lage desselben im Pleura¬ 
spalte kontrolliert wurde, entleerte sich eine ganz geringe Menge 
eines klaren, hellgelben Exsudates (etwa 30 ccm). Dieses 
machte zuerst stutzig, da bei der physik. und bei der Röntgenuntersuchung 
der Befund eines Exsudates nicht erschlossen war. Da man sich aber bald 
überzeugen konnte, dass eine weitere Flüssigkeitsmenge nicht vorhanden war, 
so w’urde die Stickstoffeinblasung vorgenommen (1000 ccm). Die Röntgen¬ 
untersuchung, die am andern Tage stattfand, zeigte den Befund eines wohl¬ 
gelungenen Pneumothorax und auch im letzten Winkel des Komplementär- 
raumes keine Spur einer Flüssigkeitsansammlung. Es hatte sich somit un¬ 
zweifelhaft um ein ganz geringfügiges, abgesacktes steriles Restexsudat 
gehandelt. Der Eingriff hatte übrigens auf das Allgemein¬ 
befinden des Patienten einen so minimalen Einfluss, dass 
derselbe zu unserer Überraschung uns die Mitteilung 
machte, dass ihm 24 Stunden nach der Operation ein Früh¬ 
schoppen ausserhalb der Klinik sehr gemundet habe. Bei 
den späteren Nachfüllungen, die zwischen 500 und 1000 ccm schwankten imd 
meist bei einem positiven Schlussdruck von etwa 5 mm Hg endeten, gelang 
es einen grossen, vollständig trockenen Pneumothorax zu erhalten. Die Lange 
liegt ganz langgestreckt am Mediastinum an, ist auch schmal in der Thorax¬ 
kuppe. Das Herz ist etwas nach rechts verlagert Am 11. Tage nach der 
Operation reiste Patient mit einem grossen Pneumothorax nach Davos. Höhen¬ 
differenz anstandslos vertragen. Weiterer Verlauf völlig fieberfrei. Sputum 
vor der Operation Gaffky IV—VI bei einer Auswurfmenge von etwa 20 ccm. 
26. VII. Gaffky III, 16. XII. 1907 Gaffky I. Seitdem Auswurf nicht mehr zu 
erhalten. 

Pat gibt stets an, dass er sich während der ersten 14—20 Tage nach 
jeder Punktion bedeutend wohler fühle als nachher bei zunehmendem Kleiner¬ 
werden des Pn.Th. 

Punktion am 11. VI. 1907. Punktion am 5. VII. 1907. 500 ccm N. 

E.-D. -f 6,.5. 



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59] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 59 

Am 2. VIII. 07 Punktion. 900 ccm N, Schlussdruck 3 mm Hg. 

Am 5. VIII. 07 legt der Pat., selbstverständlich ohne Wissen des Arztes, 
die 4 Vä km lange Strecke vom Bad Semeus bis Klosters (Höhendifferenz 
220 m) ohne jede Beschwerden zurück. Da Pal. sich völlig wohl fühlt, kehrt 
er Mitte September nach P. auf sein Gut zurück, in der Absicht, sich von dort 
aus in Marburg weiter pimktieren zu lassen. Am 1. X. wurden auf der Durch¬ 
reise in Marburg 1600 ccm N eingeblasen, ohne erhebliche Beschwerden zu 
zeigen. Bis 19. X. auf dem Gut völliges Wohlbefinden, dann beginnt leichter 
Erkältungskatarrh, der sich aber bald wieder besserte und ohne Temperatur¬ 
steigerung verlief. Am 26. X. trat Frösteln auf, Gefühl von Spannung in der 
linken Brustseite, Temp. bis 39,4, Appetitlosigkeit. Atemnot war nicht vor¬ 
handen. Unter indifferenter Behandlung baldiges Verschwinden dieser Be¬ 
schwerden (allem Anschein nach leichter Erkältungskatarrh, da damals in 
dortiger Gegend Influenza herrschte). Im Hinblick auf die zweifellos unzweck¬ 
mässige Lebensweise des Kranken wurde ihm geraten, kommenden Winter 
wieder in Davos zu verbringen, damit doch wenigstens einige ärztliche Kon¬ 
trolle möglich sei. Dort traf derselbe am 17. XI. 07 wieder ein. Der Pn.Th. 
war wohlerhalten, wurde in grossen Pausen nachpamktiert, da die Resorption 
eine überaus langsame war. Pat. lebt wie ein Gesunder, macht grosse Touren, 
läuft Schlittschuh, rodelt, da er sich völlig wohl fühlt und seit Mitte November 
weder Husten noch Auswurf hat. 

Am 3. Dezember 07 vorletzte Nachpunktion. Anfangsdruck — 1,0, 
Enddruck -f- 5,0 mm Hg. Stickstoffmenge 600 ccm. 

Am 18. Februar 08 letzte Nachpunktion. — 

Patient entzieht sich der weiteren Behandlung dadurch, dass er ohne 
Wissen des Arztes Ende Febr. 08 nach Meran fährt, dort bis zum Frühjahr 
verbleibt und dann nach Hause zurückkehrt. — Nach brieflicher Mitteilung 
des Hausarztes vom 26. VII. 08 soll es dem Kranken sehr gut gehen und 
habe derselbe keine Lust gehabt, sich weiter nachpunktieren zu lassen. — 

Am 18. November 08 stellt sich Patient wieder seinem Arzte in 
Davos, wobei das Folgende notiert wurde. Den Sommer 1908 verbrachte der 
Kranke zu Hause. Sehr gutes Allgemeinbefinden, kein Husten, kein Aus¬ 
wurf, normale Temperatur. Jagdvergnügen. — Anfang Oktober 08 Rückkehr 
nach Davos. Patient benutzt die Abwesenheit seines Arztes 
zu einer Besteigung (20. Oktober 08!) des 3150 m hohen 
Schwarzhorns. Dabei keinerlei Beschwerden! Ausserdem 
unternimmt er noch mehrere grössere Fusstouren. 

Lungenbefund vom 18. November 08: 

Über r. Lunge überall normaler Schall. Die unteren Grenzen der rechten 
Lunge stehen hinten und vom um ca. 1 cm zu tief. Über r. Lunge überall 
vesikul. Atmen. 

L. vom, besonders über Spitze der Lunge, relative Dämpfung, ebenso 
links hinten oben über Oberlappen und über der unteren Hälfte des linken 
U.L. — Absolute Herzdämpfung deutlich vergrössert, Herz abgedeckt. Herz 
um 1 cm nach aussen verlagert. — Der untere Rand der linken Lunge steht 
hinten und vom um 1 cm zu hoch. — Überblähung der rechten Lunge nach 
links ist nicht deutlich nachzuweisen.' 

L. vorn über Klavikula Insp. zu leise und zu scharf, Exsp. etwas ver¬ 
längert, keine Rhonchi. Im 1. und 2. ICR. scharfes vesikul. Atmen, ohne 
Rhonchi. 3.—5. ICR. abgeschwächtes verschärftes, vesikul. Atmen, ohne Rh. 
L. h. über O.L. Inspir. zu leise und zu scharf, Exspir. etwas verlängert. 


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GO L. Brauer und Lucius Spengler. [60 

Rhonchi keine. Obere Hälfte des 1. U.L. Inspir. zu leise, zu scharf, Exspir. 
etwas verlängert, Rhonchi keine. Untere Hälfte des 1. U.L. Atmen vesikulär, 
aber leiser und schärfer als über entsprechender Stelle rechts. Exspir. etwas 
verlängert. Neben der Wirbelsäule leises, spärliches Knattern nach Husten ^). 

Puls 60—72. Temperatur völlig normal. Kein Husten, kein Auswurf. 
Gewicht 84,4 kg. 

Anfang Januar 1909 derselbe Befund. Patient fährt nach Hause. — 

April 1910. Leider waren über den Gesundheitszustand des Herrn W. 
in letzter Zeit keine zuverlässigen Nachrichten erhältlich. Sicher ist, dass 
er ohne jede Rücksicht auf seine Gesundheit ein recht unzweckmässiges Leben 
führt und als völlig arbeitsfähig und geheilt gilt. 

Die Indikationen zur Operation waren gegeben in den 
wiederholten Nachschüben der ziemlich ausgedehnten Erkrankung der 
linken Lunge, den periodiscli auftreteiiden Pieberschül^en, den wieder¬ 
holten kleinen Lungenblutungen, was alles bei der durchaus unzAveck- 
mässigen Lebensweise des Kranken eine ungünstige Prognose bedingte. 

E p i k r i s 0. 8 V2 Monate nach Anlegung des künstlichen Pneumo¬ 
thorax letzte Nachpunktion. Vollständige Wiederentfaltung der er¬ 
krankt gewesenen Lunge. Mit Anlegung des künstlichen Pneumo¬ 
thorax blieben trotz Fortführung der gleichen unver¬ 
nünftigen LebensAveise die Blutungen und die Fie¬ 
berschübe aus, und bestehen seit einem Jahre weder 
H u s t e n n 0 c h A u s w u r f. — F u s s 1 0 u r e n u n d B e r g b e s t e i - 
gu Ilgen AVer den anstandslos ertragen. — Heilung! 
Arbeitsfähig. 


29. Herr Th. G., stad. med. aus D., 22 Jahre alt. 

Anamnese : Ein Bruder ist tuberkulös, Vater starb an Herzaffektion. 
Mutter lebt und ist gesund. Alle Geschwister leben. Patient tuberkulös 
seit etwa 5 Jahren. Kuren in Honeff, Weissenburg und in Davos, 
an letzterem Orte drei Winter. Nie exsud. Pleuritis, aber drei Lungen- 
blutungen, letzte im Frühjahr 1904. In Davos gebessert. 

Status vom 2. V. 07: Gew. 150 Pfund. Puls 68—80. Temp. normal, 
Ausw. Tbc. Dämpfung über ganzer rechter Lunge. Linke Spitze hinten und 
vorn Atmen zu scharf, Exsp. verlängert Rh. = 0, nur im 4. ICR. Insp. 
rauh und einige feine trockene Rh. 

R. vom über Klav. Insp. scharf, Exsp. verlängert, ziemlich spärliches 
Knattern nach Husten. «Im 1. ICR. (besonders deutlich am Sternum) vesiko- 
bronch. Atmen und lautes Knattern nach Husten. Neben Sternum Exsp. mit 
amphorischem Beihauche. Im 2. ICR. Atmen bronch.-vesik., Knattern nach 
Husten. Im 3. ICR. Atmen rauh, Exsp. verlängert, spärliches Knattern nach 
Husten. 4. und '5. ICR. Atmen leise, rauh, Exsp. verlängert, Rh. sehr spärlich. 


Im Röntgenbilde deutliche Abschattung im linken Oberlappen und der 
unteren Hälfte des linken Unterlappens. 



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61 ] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapic. 


61 


R. hinten oben über Oberlappen scharfes vesiko-bronchialos Atmen, spärliches 
Knattern nach Husten. Rechter Unterlappen Insp. leise, rauh-srliarf, Exsp. 
verlängert, sehr spärliche trockene Rhonchi. 

4. VI. 07. In M a r b u r g ^Anlegung eines künstlichen Pn.Th. (B raue r) 
rechts, im 4. ICR. Nach lokaler Anästhesie und leider ohne vorheriger 
Darreichung von Morphium, Schnitt bis auf die Muskulatur und 
stumpfe Durebtrennung derselben. Pleura liegt in Daumennageigrösse dem 
Auge vor. Soweit wurde alles von dem Patienten ohne Be¬ 
schwerden ertragen. Als jetzt dagegen mit der stumpfen 
Sonde die Pleura berührt wurde, in dem Bestreben, die¬ 
selbe zu durchstossen, bekommt Patient einen schweren 
Erstickungsanfall,einenGlottiskrampf. Mühselige, krampfhafte, 
jauchzende Inspiration, Angst, Atemnot, Kleinerwerden des Pulses. Die Sonde 
wird entfernt, Patient bleibt etwa noch 5 Minuten in dem obenerwähnten 





Fig. 7. 


Zustand. Er bessert sich dann allmählich, ein Einzischen von Luft findet 
nicht statt, konnte auch nicht stattfinden, da nochmalig, durch Auseinander¬ 
halten der Muskulatur festgestellt wurde, dass die Pleura noch gar 
nicht durchgestossen war. Nach etwa einer Viertelstunde wird dem 
Patienten, der sich wieder ganz erholt hat, der Vorschlag gemacht, eine kurze 
Ätherrauschnarkose in Anwendung bringen zu lassen. Er lehnt dieses ab. 
Nunmehr wird nochmals der Versuch gemacht, durch die 
Pleura vorzudringen und zwar wird diese zunächst nur 
ganz leicht mit dem stumpfen Instrument touchiert. So¬ 
fort tritt wiederum ein Anfall wie beim ersten Male ein. 
Als dieser nach einer Viertelstunde völlig abgeklungen ist, wird zum dritten Male 
vorgegangen imd jetzt mit kurzem, energischen Stoss die Pleura durchdrungen. 
Vor diesem dritten Vorgehen hatte man auf die Pleura 
mit einem Tupfer etwas Novokain aufgebracht. Trotzdem 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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()2 




tritt auch jetzt wiederum dieser Anfall ein, aber weniger 
stark als zuvor. Während des Bestehens des Krampfes wird Stickstoff 
noch nicht eingeblasen, sondern die Sonde nur mit dem Manometer ver¬ 
bunden gehalten. Bei den starken Schwankungen desselben erkennt man, dass 
man sich zwischen den Pleurablättern befindet. Nachdem Patient sich 
beruhigt hat, wird zunächst langsam und vorsichtig Stick¬ 
stoff eingelassen. Dieses geht völlig glatt und unter fort¬ 
schreitender Beruhigung des Kranken vor sich. Der 
Kranke unterhält sich jetzt ruhig und klagterst über etwas 
Druckgefühl, als 700 ccm N eingelassen waren. Der Puls und 
die Atmung bleiben während des Eingiessens des N so ziemlich imberührt, so 
dass der Kranke jetzt selbst über seinen vorherigen Zustand scherzt. Der ganze 
Akt machte auf einen grösseren Kreis ärztlicher Zuschauer den Eindruck, dass 
ausschliesslich der Pleura-Reflex den Anfall der Atem¬ 
not bedingte, dass dagegen der bestehende Pn.Th. auch 
nicht den geringsten störenden Einfluss auf das Wohl¬ 
befinden des Patienten äusserte. 

Bei völlig glattem Wundverlauf trat am Abend des Operationstages eine 
leichte Temperatursteigerung auf (38,0 in rocto). In den nächsten Tagen, be¬ 
sonders nach der ersten imd zweiten Nachpunktion, Temperaturen bis gegen 
38,0, nur einmal 39,0. — Nachpunktionen am 10. VI. 07, 1200 ccm N, am 
17. VI. 1000 ccm N. Beide Punktionen wurden ohne Beschwerden ertragen. 
Auswurfmenge am Tage vor der Punktion 60 ccm, später langsam sinkend auf 
40 ccm. In den nächsten Monaten weitere Abnahme, jetzt 10—15 ccm pro 
Tag. — Tbc. noch spärlich vorhanden aber ohne elastische Fasern. 

Bei wiederholten Röntgenuntersuchungen zeigte sich die Lunge vome neben 
dem Herzen breit, streifenförmig angewachsen, ebenso in der Lungenspitze eine 
schmale Adhäsion (Figur 7). Durch.Wenden des Pat. lässt sich mit Sicher¬ 
heit im Röntgenbild feststellen, dass das hintere Mediastinum in den unteren 
und mittleren Abschnitten in Form einer von oben nach unten langgezogenen 
Blase in die gesunde Brustseite herübergewölbt ist. (Siehe auch hierzu 
Figur 7.) Der letztere Befund wurde besonders deutlich am 14. August 07 
erhoben, um welche Zeit wir noch etwas grössere Druckwerte bei Nach¬ 
füllung des Pn.Th. verwendeten. Später hal>en wir dann von den grösseren 
Druckwerten Abstand genommen, da wir damals Sorge hatten, cs könne mög¬ 
licherweise das sich seitlich ausbuchtende Mediastinum bei einem Hustenstoss 
oder beim Pressen einreissen, damit einen doppelseitigen Pn.Th. bedingend, 
eine Beobachtimg, die übrigens zu keiner Zeit tatsächlich gemacht worden ist. 
Diese Beobachtung war die Veranlassung zu weiteren Studien über das Ver¬ 
halten des Mediastinums i). Das Herz war im allgemeinen um etwa 2 Quer¬ 
fingerbreite verschoben. Ein Exsudat entstand während der ganzen Beobach¬ 
tung nicht. 

Am 25. VI. 07 Rückreise nach Davos. Höhenunterschied wird anstandslos 
vertragen. In regelmässigen Zwischenräumen von 2—4 Wochen Nachfüllungen, 
jeweils 500—1200 ccm N, anfangs Schlussdruck bis zu -f- 3,0 resp. 4,0 mm Hg, 
in letzter Zeit nur noch 2,0 mm Hg. In Davos stellt sich die Temperatur alsbald 
auf die Norm ein. (Bei Zungenmessung nie höher wie 37,1, ganz selten 37,2.) 


1) Siehe die Arbeit von Nit sch in diesen Beiträgen. Bd. XVIII, Heft 1, 
Seito 1. 



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1)3] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapsthcrapie. (>3 

Durch Stäbchen-Plessimeter-Perkussion waren die typischen Zeichen eines 
grossen Pneumothorax überraschenderweise nie recht nachweisbar, doch ist 
durch die Röntgendurchleuchtung der Pneumothorax stets als gross erkennbar. 
Am 14. Aug. 07 konnte gelegentlich einer Untersuchung ein metallisches 
Schluckgeräusch nachgewiesen werden. Das Sputum sinkt gegen Ende 
August 1907 ziemlich plötzlich von 40 auf 20 ccm pro Tag. Diese Ab¬ 
nahme des Sputums dürfte z u r ü c k z u f ü h r e n sein auf eine 
nachträgliche Lösung von Verwachsung im Anschluss 
an die vor 17 Tagen vorgenommene Stickstoffnachfüllung. 
.Auch im Röntgenbilde erschien die Lunge jetzt viel besser komprimiert 
als bei der letztmaligen Untersuchung. Die Temperatur ist andauernd normal, 
ebenso der Puls. Tuberkelbazillen und spärliche elastische Fasern wurden 
im Auswurf Anfang November 07 noch nachgewiesen. Am 21. April 1908 wird 
wiederum eine Stickstoffeinfüllung vorgenommen mit einem Schlussdruck von 
-j- ä mm Hg und darauf der Patient von Davos entlassen, da er in Marburg seine 
Studien wieder aufnehmen will, bei gleichzeitiger Weiterbehandlung daselbst. 

In Marburg wird in folgenden Intervallen weiter punktiert: 

27. IV. 08 (600 ccm N — 2 -f 2). 

12. V. 08 (700 ecm N — 2 + 2). 

26. V. 08 (900 ccm N — 5 -f- 3). 

3. VI. 08 (800 ccm N — 3 + 3). 

18. VI. 08 (1000 ccm N — 3 + 3 ). 

3. VII. 08 (700 ccm N — 3 4- 3). 

In dieser Weise wird bis Januar 1909 weiter punktiert. Dabei wurde nichts 
Besonderes beobachtet. 

11. VII. 08. Das Urteil des Patienten selbst geht dahin, dass sein 
Allgemeinbefinden seit der Pneumothorax-Therapie sich sehr wesentlich ge¬ 
bessert habe und dass er zum erstenmal seit Jahren ohne 
Verschlimmerung einen dauernden Aufenthalt im Tief¬ 
land vertragen hat. Er ist nach Marburg gekommen und studiert 
dort. Vordem hat er einen solchen Versuch dreimal unternonunen, stets aber 
traten in wenigen Wochen Verschlechterungen ein (zweimal Blutungen und ein¬ 
mal ausgedehnte Drüsenvereiterung). Sein Aussehen ist nach Ansicht aller seiner 
Bekannten ein wesentlich zum Guten verändertes. Er kann viel freier um¬ 
hergehen, ist weniger kurzatmig wie vor Anlegung des Pn.Th. Vor demselben 
fiel ihm alles schwerer. Die objektiven Krankheitszeichen haben sich in vielen 
Punkten gebessert, sind aber nicht verschwunden. Die Sputummenge ist auf 
20 ccm herabgegangen, Fieber überhaupt nicht wieder aufgeterten. Brustschmerzen 
bestehen nicht, Schlaf und Appetit ist gut. Der letztere sei gegen früher ein 
ganz beträchtlich besserer. Pat. hat gesundes Aussehen, ist muskulös und in 
normalem Ernährungszustand. Reizhusten besteht nicht, irgendwelche Kom¬ 
plikationen sind nicht mehr aufgetreten. 

28. VIII. 08. Subjektiv völlig wohl. Pat. im letzten Sommer täglich 
vier Stunden Kolleg gehört. Wurde durch seine Krankheit nicht belästigt. 
Jetzt 20—25 ccm Sputum. Hustenreiz sehr gering. Mikroskopische Unter¬ 
suchung ergab immer einzelne Tuberkelbazillen. Keine elastischen Fasern. 
Kein Fieber. Keine Schweisse. 

Letzte Na ch p u n k t i on (Marburg) am 8. I. 09. 


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04 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Mitte Januar Erkältung mit Temperaturen bis 37,6 und mit vermehrtem 
Husten und Auswurf (30—40 ccm pro die). Pat. fühlt sich nun aber wieder 
recht wohl und kräftig. — Seit 30. I. 09 Patient wieder in Davos. 

Befund vom 31. I. 09. 

Rechts besieht ein zl. grosser Pn.Th. Im Bereiche des rechten Ober¬ 
lappens hört man hinten und vorn metallisches Atmen und ab und zu ein metall. 
Rhonchus. Über dem Mittel- und Unterlappen fast aufgehobenes Atmen, keine 
Rhonchi. 

Links vom über Klavikula Insp. rauh, Exspir. verlängert, mittlere trockene 
Rhonchi. Im 1. ICR. Insp. scharf, Exspir. verlängert, spärliche feine Rh. Im 
2. ICR. Insp. scharf, Exsp. etwas verlängert, Rhonchi keine. 3.—5. ICR. vesi¬ 
kuläres Atmen. Über linkem Oberlappen hinten wie vom über 1. O.L., nur 
weniger Rhonchi. Linker Unterlappen überall vesik. Atmen. — Zustand des 
1. O.L. gegenüber früher also etwas verschlimmert. Gewicht 130 Pfund. Temp. 
normal. Puls 80—96. 



Am 4. IV. 09 ergab die in Davos gemeinsam vorgenommene Röntgenunter¬ 
suchung einen eigentümlichen Befund an der Pneumothoraxlunge (Figur 8). 

Der rechte Unterlappen war in seinen unteren Ab¬ 
schnitten in einem etwas grösseren Herde auffallend 
schattig. Derselbe lag birnenförmig in dem Pneumothorax¬ 
raum und zwar auf der vorderen Seite der Zwerchfell¬ 
kuppe, hier über die Leber in den Kompleraentärraum 
hereinragend. Es kreuzten sich daher die Linien der Zwerchfellkuppe 
und die Grenzlinie des halb kollabierten Lungenlappens etwa in der gleichen 
Art wie man normalerweise linkerseits sich kreuzen sieht die Zwerchfellinie 
mit der unter dieselbe tauchende Herzgrenze. Eine Durchleuchtung in ver¬ 
schiedenen Stellungen zeigte dann über allem Zweifel, dass dieser kollabierte 
Lungenlappen nach vom zu und nicht nach hinten zu herunterstieg. 

Befund v o m 8. V. 09. 

Gewicht 140 Pfund. Seit Ende 08 also 10 Pfund Zunahme. Puls 72 
(Ende Jan. 09 = 80—96) Temp. normal. — Auswurf 40 ccm pro die, Gaffky VI 
und spärl. ela.st. Fasern. — Der Pn.Th. scheint eingegangen zu sein. 
— Rechts, besonders über dem O.L., verminderte Sonorität. — 


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Gö] Mrfaliriiiiucri und 1 iKTloiiunuoii zur fninmuikolliipslliorapic. G.J 

Hechts vorn über Klavikiila und im l. li’U. vesikobronchiales Atmen 
und Knattern nach Hustenstössen. Im 2. ICH. Atmen leise, Insp. verschärft, 
Exspir. veilängert, nur am Sternum spärliches Knattern nach Hustenstössen. 
3.-5. ICR. Atmen leise, Insp. verschärft, Exspir. verlängert, nur in Axillar- 
linic spärliches, leises, feines Knattern nach Hustenstössen. 

Rechts hinten über O.L. Atmen leise, Insp. verschärft, Exspir. ver¬ 
längert, spärl. Knattern nach Hustenstössen. Im Bereiche der oberen Hälfte des 
rechten Unlerlappens Insp. verschärft, Exspir. verlängert, mässig zahlreiches 
Knattern nach Hustenstössen. Über der unteren Hälfte des rechten U.L. auf¬ 
fallend leises vesikuläres Atmen ohne Rhonchi. — 

Links vorn über Klavikula Insp. verschärft, Exspir. verlängert, spärl. 
mittleres Knattern nach Hustenstössen. Im 1. und 2. ICR. Insp. rauh-scharf, 
Exspir. etwas verlängert, Rhonchi keine. .3.—5. ICR. vesikuläres Atmen. 

Links hinten über O.L. Insp. scliarf, Exsp. v(*rlängert, keine Bhonrhi. 
L. U.L. vesikuläres Atmen. 

Befund vom 2. VIII. 09. 

Das Allgemeinbefinden dos Kranken hat sich wälirend der letzten Monate 
weiter gebessert. — 

Gewicht 150 Pfund, also seit Mai 09 um weitere 10 Pfund gestiegen. 
Puls 72. Temp. völlig normal. Auswurfmenge von 40 ccm auf 25—.30 ccm ge- 
falhm. Gaffky IV und nur sehr spärliche elast. F'asem. 

Auskultation: L. vorn über Klavikula Insp. scharf, Exspir. ver¬ 
längert, vereinzelte feine trockene Rhonchi. — 1. u. 2. ICR. verschärftes 
Atmen ohne Rhonchi. — 3. bis 5. ICR. vesikuläres Atmen. Hinten links oben, 
wie vom 1. oben. Linker Unterlappen vesik. Atmen. 

R. vom über Klav. Atmen vesik.-bronch., Knattern nach Husten. 1. u. 2 
ICR. Insp. scharf, Exspir. verlängert, Knattern nach Husten. M.L. Atmen leise. 
Insp. verschärft, Exspir. verlängert, nur in der Seite spärl. leises Knattern 
nach Husten. R. Oberlappen hinten Insp. scharf, Exspir. verlängert, sehr 
spärl. Knattern nach Husten. Obere Hälfte des rechten Unterlappens Inspir. scharf, 
Exspir. verlängert, spärl. Knattern nach Husten. Untere Hälfte des rechten 
Unterlappens abgeschwächtes vesik. Atmen, oline Rhonchi. — 

Patient lebt auch den Winter 09/10 über in Davos. Während des ganzen 
Winters stets normale Tempo r a t u r e n. A u s w u r f m e n g h ä 1 t s i c h 

zwischen 15 u n d 20 ccm. Der A u s w u r f enthält r g I m .ä s s i g 

Gaffky IV^ und sehr s p ä r 1 i c h e e 1 a s t i s ch e I’ a s c r n. I) a s G <• - 

wicht ist dagegen auf IGO Pfund g s t i e g e n. Der I' u 1 s 

s c li w a n k t z wische n 72 u n d 80. 

Der Schlussbefund vom 19. ALärz 10 lautet: Rechts über der ganzen 
Lunge verminderte Sonorität. Der untere Rand der rechten Lunge steht vorm* 
in der Papillarlinie am unteren Rand der 6. Rippe. Er ist deutlich verschieblich. 
.Auch hinten steht er um l cm tiefer als normal. Ihn* untere Rand der linken 
Lunge steht hinten 2 cm tiefer als normal. 

Auskultation: L. vorn ülx'r Klavikula Inspir. sclnirf, Exspir. verlgt., 
kein(! Rh. Im 1. ICR. dasselbe, daneben einige feine trockene Rh. Ebenso 
im 2. ICR. 3,-5. ICR. vesikuläres Atmen. Hinten links oben über Spitze 
Insp. scharf, Exsp. verlängert, keine Rh. Linker U.L. vesikuläres .Atmen. 

R. vorn über Klav. scharf vesiko bronchiales Atmen, Knattern nach Husten. 
1. und 2. ICR. Insp. sehr scharf, Exspir. verschärft und verlängert, ziemlich 
spärliches Knattern nach Husten. M.L. Insp. sehr scharf. Exsp. verlängert, 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1. .*) 



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G() J.. Hr.iiirr und Lucius [(.Ki 

keine Uli. lliiilcii rcclils oben über O.L. scharf vesiko-broncbiales Atmen, 
ziemlich spärliche feine und mittlere trockene Hh. nach Husten. Obere Hälfte 
des rechten U.L. Atmen zu leise, Insp. verschärft, Exspir. verlängert, spärliche 
feine trockene Rh. nach Husten. Untere Hälfte dos rechten U.L. scharfes Insp., 
verlängertes Exsp., keine Rh. 

Dio Indikation zur Operation war gegeben in der langen 
Dauer der Erkrankung, die unter der verschiedentliebsten Behandlung 
an Kurorten, mit Tuberkulin etc. während der letzten Jahre stationär 
blieb und einer weiteren erfolgreichen Behandlung nicht mehr zu¬ 
gänglich schien. — Operation am 4. VI. 07. — 

Epikrise. Patient wurde im ganzen zweifellos günstig be¬ 
einflusst. Die linke Seite hat sich während der ersten Jahre 
der Pneumothoraxtherapie gut gehalten. — Sie erschien im Sommer 

1908 gegen früher sogar gebessert. Dann aber trat im Januar 

1909 eine Erkältung auf und damit ein leichter Schub 
im linken Oberlappen. Diese frische Erkrankung der 
guten Seite bewog uns, den rechtsseitigen Pneumo¬ 
thorax langsam ein gehen zu lassen. Im Mai 1909 war 
derselbe vollständig resorbiert. Der frische Prozess der linken Spitze 
besserte sich in Davos wesentlich und machte im Winter 1909/10 
den Eindruck einer in Heilung übergehenden Affektion. — 

Das Allgemeinbefinden des Kranken war an sich durch den 
grossen Pneumothorax so gut wie gar nicht gestört. Nur zu Zeiten 
etwas stärkerer Nachfüllung bestand geringfügige Dyspnoe. Bis zum 
Nachschub im Januar 09 fühlte sich Patient viel kräftiger und machte 
grössere Spaziergänge. Das Befinden war nur während des ge¬ 
nannten Schubes in die linke Spitze gestört infolge vorüber¬ 
gehender Temperatursteigerungen, verbunden mit etwas grösseren 
Sputumroengen. — Der Pneumothorax blieb andauernd 
trocken. — 

Die Sputummenge betrug vor dem Eingriff 50—60 ccm pro die. 
Der Auswurf enthielt Tuberkelbazillen Gaffky VI und elastische 
Fasern. Während der Pneumothoraxbehandlung sank die Sputum¬ 
menge bis auf 15—20 ccm und die elastischen Fasern verschwanden, 
doch konnten stets spärliche Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. 
Die Lunge war flächenhaft, vorne neben dem Sternum adhärent. 
sonst gut kollabiert. Zurzeit steht das Körpergewicht auf der nie 
zuvor erreichten Höhe von 160 Pfund. — Das Allgemeinbefinden ist 
besser denn je zuvor wälirend der Krankheit. Das Gesamtresul¬ 
tat besteht somit in einer deutlichen Besserung, 
nachdem dem K r a n k o n' v o r d e m j a li r e 1 a n g e Kuren 
eine solche nicht gebracht hatten. 



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67] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungeakollapsfhcrapie. 67 

•BO. Fr]. Anny K. aus B., 22 Jahre alt. 

Anamnese: Vater der Mutter und eine Sclnvesler der Mutter starben 
an Phthise. Pat. erkrankte 1902 an L u n g e n b l u t u n g. Am 91. 1. 07 
wieder Blutung. Pat. ist. den vierten Winter in Davos. Erst von 
anderer Seite mit Denys’schem Tuberkulin und dann mit Perlsuchttuberkulin 
ohne Erfolg behandelt. Sehr viel Auswurf. Seit Mai 1906 nicht 
mehr mit Tuberkulin behandelt. Seit Monaten fieberfrei, nur nach Blutung vom 
91. I. 07 während 7 Tagen Temperaturen bis 38,2. Die Schwere der Er¬ 
krankung zwingt sie zu fast dauerndem Aufenthalt .i in 
Kurorte. 

Status vom 23. V. 07. Gewicht 138 Pfund bei 158 cm Länge. Puls 
80—10. Temperatur normal. Auswurf Tuberkclbazillen Gaffky V 
bis VII und ela st. Fasern. Menge 50 bis 60 cm. Intensive Dämpfung 
über ganzer linker Lunge. Über linker Klav. vorn Atmen leise hoch-broncho- 
amphprisch, klingende Rh. Im 1. u. 2. ICR. Atmen vesiko-bronch., Rh., besonders 
Knattern und Knistern nach Husten. 3. u. 4. ICR. Atmen vorne vesiko-bronchial, 
dagegen seitlich in Axillarlinie amphorisch, Rh., besonders nach Husten. 5. ICR. 
aufgehob. Atmen. Über linkem Oberlappen hinten Atmen leise vesiko-bronchial, 
Rh., besonders Knattern und Knistern nach Husten. Ganzer linker Unterlappen 
Atem vesiko-bronch. und Rh., besonders Knattern und Knistern nach Husten. 
Rechts vorn über Klav. und im 1. ICR. zu rauh und zu leise. Exsp. verlgt., 
einige feine, trockene Rh. Im 2. ICR. Atmen zu leise, Rh. = 0. Rechts hinten 
oben über Oberlappen Atmen zu leise und zu rauh, Exspir. etwas verlgt., 
Rh. = 0. 

8. VI. 07 Operation in Marburg (Brauer), die trotz der b e - 
trächtlichen Adipositas der untersetzten Pat. glatt von statten ging 
(750 ccm N). Nachfüllungcn am 11. VI. 700 ccm N, 17. VI. 750 ccm N, 
23. VI. 600 ccm N mit einem Schlussdruck bis zu 10 mm Hg. 

Dabei zeigt das Manometer gegen Ende der Punktionen im Pn.-Th. Raum 
herzsystolischc Druckschwankungen. Im Röntgenbild erweist sich der Ober¬ 
lappen adhärent. In demselben entstehen einzelne hochklingende Rh., die im 
ganzen Pn.Th.-Raum hörbar sind. Exsudat nicht vorhanden. Lunge unten dicht 
neben dem Mediastinum am Zwerchfell adhärent, so dass dieselbe dem 
Mediastinum platt angedrückt wird. Die Auswurfmengen betnigen vor der 
Operation durchschnittlich 50—60 ccm und sinken bald auf 10—20 ccm 
pro Tag. Nur mit Kleinerwerden des Pn.Th. traten anfänglich immer wieder 
grössere Sputummengen auf und damit auch Temperatursteigerungen bis 37,6, 
während Pat. sonst 37,0 nicht mehr erreichte. Das Herz ist etwas nach rechts 
verdrängt, Zirkulationsstörungen jedoch in keiner Weise nachweisbar. 

Rückkehr nach Davos am 2. VII. 07. Höhendifferenz beschwerdelos er¬ 
tragen. Nach der 5. Punktion (12. Juli 07, 600 ccm N) trat während einigen. 
Tagen vermehrter Auswurf auf (möglicherweise Ausquetschimg der Kavemen\ 
der aber bald wieder auf die niederen Werte von 10 bis 15 ccm zurückging. Ab 
26. X. 07 im Sputum keine Tbc. und keine elastischen Fasern 
mehr gefimden. Pat. hatte früher stets Gaffky V—VII. Unter Bestand des Pn.Th. 
nahm das Gewicht von 64,0 kg auf 57,5 kg ab. Das Aussehen der })astösen 
und zweifellos übermässig fetten Pat. wurde damit ein weit besseres. Bei 
gutem Appetit und bestem Allgemeinbefinden konnte man derselben vermehrte 
körperliche Bewegung zumuten. Die Gewichtsabnahme und damit die Rückkehr 
zu einem normalen Ernährungszustand dürfte zurückzuführen sein auf die 
vermehrte körperliche Bewegung. — 


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(>S L. Brauor uiul lauiiis S|K‘ngler. [C8 

Während des Sommers 07 wird etwa alle vier Wochen nachpunktiert. 
Der Pn.Th. ist ein fast kompletter geworden (vgl. Fig. 9 vom 14. VIll. 1907). Die 
nachgefüllten Stickstoffmengen betragen meist 1000 ccm. Der Anfangsdruck 
ist dabei in der Regel negativ, zwischen 1—4 mm Hg schwankend, der Enddruck 
positiv, je 4—S mm Hg. Gewicht hält sich auf 07^4—öS kg. Puls schwaakt 
zwischen 76 und 88, Temperatur stets normal. Auswurfmenge 10—15 ccm pro 
Tag, stets ohne Tbc. und ohne elastische Fasern. — 

ln derselben Weise wird die Behandlung auch während des Winters fort¬ 
gesetzt. Der Verlauf ist ohne jede Störung. Pneumothorax sehr gross und völlig 
trocken. 

Ende April 08 Gewicht 58 kg, Puls 76—84, Temperatur normal, Auswurf 
8 bis 15 ccm pro Tag. Während d(‘s Winters 1907 ()8 wurde der Auswurf 
oft untersucht, doch war das Resultat stets negativ. Rechte Lungenseite unver¬ 
ändert. 



Am 5. Mai 08 fährt die Kranke nacii Hause (Niederrhoin'. Zu den Nacli- 
punklionen reist sie j(‘weils nach Marburg. Letzte Punktion 8. Dezember 08. Die¬ 
selben wurden in 4—8 wöchentlichen Intervallen ausgeführt. 

Befund 4. Mai 1909. Pneumothorax fast vollständig resorbiert, 
nur in der linken Seite an umschriebener Stelle auffallend heller Purkussions¬ 
schall, besonders in der Umgebung der Operationsnarbe. Trotzdem die Lunge sich 
fast vollständig wieder ausgedehnt hat, ist die Auswurfmenge nicht gestiegen 
(schwankt zwischen 10 und 15 ccm). Seit Oktober 07 wurden, trotz häufigen 
Untersuchungen, im Auswurf keine Tbc. und keine elastischen Fasern mehr 
gefunden. Temperatur stets normal. Gewicht beträgt OU/o kg. Puls schwankt 
zwischen 76 und 88. Das Allgemeinlx'finden der I\at. ist vorzüglich, sie lebt 
wie eine Gesunde. 

Über der linken L u n g e Perkussionston Iniher und kürzer als über 
der rechten. Die untere Lungengrenze steht links hinten unten an normaler 
Stelle. Die absolute Herzdämpfung ist etwas vergrössert (Herz etwas ab- 
gcdecktV In der linken Seite besteht wohl noch eine kleine Luftblase (Schachtel¬ 
ton an umschriebener Stelle). Links vorn über Klavikula Atmen lei^e vesiko- 



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f>9J Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstiierapie. 09 

bronchial, feine und mittlere trockene Rh., die sich nach Husten etwas ver¬ 
mehren. Im 1. ICR. dasselbe, im 2. ICR. Inspirium scharf, Exspirium ver¬ 
längert, mittlere trockene Rh., besonders nach Husten. Im 3. ICR. Inspirium 
sehr scharf, Exspirium verlängert, mittlere und grobe Rh., keine klingenden, 
in vorderer Axillarlinie auch feine Rh., im 4. und 5. ICR. sehr leises, fast 
aufgehobene.s Atmen. 

Links hinten oben über Oberlappen leises vesiko-brpnchiales Atmen, 
Knattern nach Husten. Im Bereiche der oberen Hälfte des linken Unterlappens 
Inspirium verschärft, Exspirjum verlängert, viel Knattern nach Husten. Cher 
der unteren Hälfte des linken Unterlappens dasselbe. 

Cher der rechten Spitze hinten und vom verschärftes Inspirium, 
etwas verlängertes Exspirium, keine Rh. Sonst rechts überall vesikuläres Atmen. 
PaL wird aus der BehanJung entlassen. 

27. VII. 1910 letzte Untersuchung (Brauer). Patientin 
sieht wohl und frisch aus, ist seit Mai 1909 ununterbrochen 
zu Hause beschäftigt und fühlt sich vollkommen wohl und 
munter. Sie macht sich sehr reichlich Bewegung und hat 
daherdie frühere übermässige Fettleibikeit verloren. Aus 
wurf zeitweise ganz fehlend, in letzter Zeit frische Erkältung und 
damit etwa 5 ccm glasigen Sputums täglich. Hierbei zweimal. kleinste Blut¬ 
streifen im Auswairf. Temperatur völlig normal, keine Nachtschweisso. Guter 
Turgor der Haut. 

Sputum glasig. Tbc. fehlen in mehreren Präparaten. 

Die linke Seite schleppt in den oberen Partien ein wenig nach. Die 
unteren Thoraxabschnitte werden gleich gut bewegt. Der Spitzenstoss reicht 
bis nahezu an die linke vordere Axillarlinie, liegt dort im 4. IntcrkostaJrauni. 
Herzgrenzen: links Stemalrand, 3. bis 4. R. Herzaktion normal, Puls normal, 
Töne rein. 

Perkussion: Links oben über Klavikula und hinten bis Mitte Skapula 
deutliche Schallverkürzung, sehr schmale Lungenspitze, daselbst unscharfe 
Grenzen. Im übrigen auf der ganzen linken Seite leichte relative Schall Ver¬ 
kürzung und links unter Klavikula geringfügige Tympanie, aber kein Schall¬ 
wechsel. ' IM 

Lungengrenzen links hinten unten Querfinger breit höher wie rechts, aber 
sehr gut verschieblich. Rechts Schallverhältnisse überall normal. 

Auskultation: Links vorn oben Insp. leise, scharf, Exsp. verlängert. 
Links im 1. bis 4. ICR. Insp. viel lauter, sehr scharf, Exsp. schwach hauchend. 
Links hinten oben und 4inks vom eben über den ganzen Oberlappen sehr 
spärliche leise, sehr zähe, zum Teil leicht knackende Rh. Über dem linken 
Unterlappen ist das Atemgeräusch scharf vesikulär bei leisem Exsp. Rh. fehlen. 
Rechts alles normal. 

Im September 1910 berichtet die Kranke, dass die „Erkältung“ 
ini Juli 1910 nach wenigen Tagen wieder schwand. Damit wieder ganz frei von 
Sputum. Völliges Wohlbefinden. Lebt wie eine Gesunde. 

Indikation zur Operation. Seit fünf Jahren bestehende 
schwere Tuberkulose der ganzen linken Lunge mit ausgedehnten Zer¬ 
fallserscheinungen; Nutzlosigkeit der seitherigen Therapie. Leichter 
inaktiver Prozess auf der rechten Seite. Pat. war fetter geworden, 
aber nicht gesunder. 


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70 


L. Brauer und Lucius Si>engler. 


I7ü 


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Epikrise. Anlegung des künstlichen Pneumothorax 8. Juni 07. 
Derselbe bestand bis zum Beginn des Jahres 1909. Da Patientin 
jetzt weit grössere Bewegungsfreiheit gewann und 
nicht ständig Liegekur zu machen brauchte, verlor 
sie die übermässige Adipositas und kam auf einen 
sehrgutennormalenErnährungszustand. Puls schwankt 
vor der Operation zwischen 80 und 100, während der letzten Monate 
zwischen 70 und 80. Abnahme des Auswurfes von 60 auf 0. Nur 
im Juli 1910 nach frischer Erkältung vorübergehend etwa 5 ccm, 
aber keine Tuberkelbazillen zu finden. Seit Oktober 07, also 
seit drei Jahren, Sputum frei von Tuberkelbazillen 
und elastischen Fasern. Temperatur während der ganzen 
Behandlungszeit normal gewesen. Vor allem ist sodann hervor¬ 
zuheben, dass die andere (rechte) Seite, welche, wie aus den früheren 
Befunden hervorgeht, auch schon leicht erkrankt war, sich nicht nur 
entschieden besserte, sondern allem Anschein nach ausgeheilt ist. 
Seit Mai 1909 im Hause voll arbeitsfähig. Lebt wie 
eine Gesunde. 


31. Fräulein Erna H., 28 Jahre alt, aus B. 

Anamnese: Eltern leben und sind gesund. Eine Schwester des Vaters 
starb, 18 Jahre alt, an Lungentuberkulose. Eine Schwester der Patientin wegen 
Tuberkulose der rechten Lunge vor 3 Jahren in Davos behandelt. Sie ist 

zurzeit gesund, verheiratet und hat zwei gesunde Kinder. Pat. .1/3. — Vor zwölf 
Jahren erkrankte Pat. an Drüsenschwellungen am Halse. Badekur in Kol- 

berg. Vor 11 Jahren wurde schon ein leichter rechtsseitiger Spitzenkatarrh 
konstatiert. Längerer Aufenthalt im deutschen Mittelgebirge. Vor 9 Jahren erste 
Hämoptoe. Wiederholter längerer Aufenthalt in Reinerz. Winter 1902/03 

Laryngitis tuberc. ulcerosa. Heilung auf Lokalbehandlung. Sommer 1903 Wieder¬ 
erkrankung des Larynx; tuberkulöses Ulcus der Hinterwand. Heilung. — Pat. 
lebte ab Herbst 1903 mit kleinen Unterbrechimgen in Davos. Bei Ankunft in 
Davos waren die tuberkulösen Veränderungen des Kehlkopfes geheilt und blieben 
es auch während des weiteren Verlaufes der Krankheit. Im Sommer 1904 

machte die Kranke eine rechtsseitige trockene Pleuritis durch. Auf 
Tuberkulin trat dann eine ziemlich auffallende Besserung der ausgedehnten, 
schweren Krankheitsprozesses ein. — 

Trotzdem Pat. nunmehr mit Unterbrechungen das 4. Jahr in Davos ver¬ 
bleibt und dauernd in sorgfältigster Weise sich der hygienisch-diätetischen 
Behandlung unterwirft, geht das Befinden doch dauernd zurück. Der Befund auf 
der Lunge nimmt zu, mehr und mehr entwickeln sich breite Zerfallserscheinungen 
ini rechten Oberlappen; interkurrent wiederholt Fieberperioden. 

Anfangs Mai 1907 traten erneut Temperatursteigerimgen auf, die abends 
37,4 bis 38,2 erreichten. Im Urin Albumin nachgewiesen. 

Da bei der Pat. der Krankheitsverlauf ein dauernd progredienter ist und 
somit auf Grund der langjährigen Beobachtung, trotz sorgsamster Kurdurch- 



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71) 


Erfalirungoii und Übcrleguiigon zur LuugeiikollapsÜicTapii'. 


71 


fiihrung, mit zunehmender Sicherheit eine absolut schlechte Prognose gestellt 
werden muss, so wird die Anlegung eines künstlichen Pn.Th. in Erwägung 
gezogen. Hierbei wird sehr wohl überlegt, dass die andere Seite (linke) deut¬ 
liche Veränderungen aufweist und dass damit das Risiko des Eingriffes unzweifel¬ 
haft erhöht ist. Die Situation wird wiederholt mit den Eltern sowie mit der 
sehr verständigen Pat., die sich des Ernstes der Situation voll bewusst ist, 
besprochen. 

Anfang Juni 1907 kommt Pat. nach Marburg. Auch hier abendliche 
Temperaturen zwischen 37,4 und 37,9. Auswurfmengen 150 bis 250 ccm pro 
Tag. Albumingehalt des Urins 2—3 spärliche Zylinder und spärliche rote 

Blutkörperchen. 

Der Lungenbefimd war in d(*n letzten Worlien vor Anlegung dos Pn.Th. 
folgender: 

Status vom 22. April 1907: 

Gewicht 103V2 Pfund. Puls 80—90. Temperatur erhöht. Im Auswurf 
Tuberkelbazillen und elast. Fasern vorhanden. Herz stark nach rechts ver¬ 
längert. Hochstand dos Zwerchfelles rechts. — 

L. vorn über Schlüsselbein und im ersten ICH. Insp. rauh-scharf, Exsj)ir. 
verlängert, einige feine trockene Rhonchi. Ini zweiten ICR. raiih(‘s Insp., etwas 
verlängertes Exspirium, Rhonchi keine. 3.—5. ICR. vesik. Atrium. L. Ob‘r 
lappen hinten wie vom. L. Unterlappi^n vesikuläres Atmen. 

Rechts intensive Dämpfung. Rechts vom oben Scliachtelton und 
Schallwechsel. Rechts vom über ganzem Oborlappen amphor. Atmen und 
klingende z. T. metallische Rhonchi. Über Mittellappen vorn und seitlich Atmung 
leise, Insp. rauh, Exspir. verlängert, zl. spärliche trockene Rhonchi. Rechts 
hinten über Oberlappen broncho-amphorisches Atmen und klingende Rhonchi, 
besonders nach Husten. Über dem ganzen rechten Unterlappen vesiko-bronch. 
Atmen, feine, mittlere und grobe Rhonchi, trockene, feuchte und klingende. 

Am 8. Juni 1907 wird in der rechten mittleren Axillarlinic im 
0. Interkostalraum ein künstlicher Pneumothorax (Brauer) an¬ 
gelegt, 500 ccm eingegossen. Patientin ist von diesem Tage an bis 
zu ihrer Entlassung aus Marburg (24. VII.) dauernd völlig fieberfrei. Die 
Temperatur überschreitet 37,0 im ganzen nur sechsmal, bis auf 37,2—37,4 und 
2 :w'ar jeweils am Tage nach Punktionen. Die Sputummengen sinken in d(?r 
genannten Zeit herab auf 70 bis 150. Pat. fühlt sich viel wohler. Körper¬ 
gewicht steigt von 51,8 kg vor der Operation bis auf 54,4 kg. Der Eiweiss- 
gehalt sinkt auf V 2 Voo- Hustenreiz geringer. 

Nachpunktionen: 11. VI. 250 ccm. 

17. VI. 225 ccm. 

23. VI. 320 ccm. 

Jedesmal zeigt sich, dass der Druck im Pn.Th.-Raum rasch aiisteigt und 
Werte bis zu 30 mm Hg erreicht. Dabei empfindet die Palientin etwas Druck¬ 
gefühl und es tritt zum Schluss ein p a r a d o x e s S c h w a 11 k e n d o. r O u e <• k 
s i 1 b e r s ä u 1 e beim Atmen ein. Ent w e d e r s e , dass mit lief e r 
Inspiration der Druck im Pneumothorax steigt u 11 d b v i 
Exspiration fällt, oder so, dass d i Druckse h w a n k u 11 g 
sich parallel zu d e n j e n i g cmi D r u c k s c h w a n k u n ge n s t 11 t, 
die seinerzeit Schlippe |21()'» hei 1) r u c k m s s n n g n im 
Magen nach weisen konnte. (Wir vcTweisen auf die Kurven, die von 
Schlippe (210) rcjproduziert sind.) .Man sah hierbei dann das l'olgende; 


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\j. Uraiicr mul Lucius S}>i‘ngliT. 


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Boi der Inspiration fiel der Druck im Bn.-Th. erst (du wenig ab, stieg 
dann aber gleich wieder an. (Anfänglich die Wirkung der erschlaffenden Bauch- 
decke, dann die Wirkung der nach abwärts drückenden gesunden Zwerchfell- 
hälftc auf den intraabdominellen Druck.) Bei der Exspiration das gleiche Bild 
des Ersinken und dann Ansteigen des Drucks. (Hier zunächst Wirkung der 
Zwerchfellerschlaffung, dann das Zunehmen des intraahdominellen Drucks infolge 
der sich spannenden Bauchmuskeln.' Dieses im Abdomen normale Verhalten 
des Druckablaufs weicht sehr wesentlich von dem normalen Druckablauf im 
Pn.Th. ab, da in diesem normahTwcisi» sich (‘in* insp. Drucksenkung und 
eine exsp. Drucksteigerung z<‘igt. E s m u s s a n g e n o m m e n w erden, 
dass in dem v o r 1 i e g e n d e n Kall d i e d e m A b d o m v* n e i g e li i* n 
1) r 11 c k s c h w a n k u n g e n s i c h d <• s w e gen i m P n. T h. h e m e r k b a r 
machten, weil di e u n I (* r d e m P n. T h. g (* 1 <* g e n e Z w e r c hfell- 
p a r t i c V ü 11 k o m m e n <* n t s }> a n n t w a r , sn dass nun die im Abdomen 
herrschende Druckschwankung den Druckahlauf auch im Pn.Th.-Raum be¬ 
herrschte. Man sah sowohl im Röntgenbilde*' wie aucb bei der Perkussion 
die Luftblase die rechtseitigen unteren Abscbnitte des Th. erfüllen. Damit war 
der rechte Unterlappen ziemlich beträchtlich komprimiert, der Mittellappen und 
indirekt wohl auch der Oberlapjien in minimalerem (rrade entspannt und die 
Begrenzung dos Pn.Th. infolge der fesl(*n Vi*rvvachsung (‘ine straffe. Mediastinal- 
verschiebungon waren nicht eing(*troten. 

Boi Aufnahme in .M a r 1) u r g zeigt <* P a t. <* i n e n E i w e i s s 
ge halt zwischen 2—Ö pro Mille. Es wiu’en in mittlerer Menge 
granulierte Zylinder nachweisbar. Inter der weiteren Beobachtung 
sank der E i w e i s s g e h a 11 ganz boträchtlich, so dass er zeitweise nur 
ganz geringfügig war. Di(* Zylinder waren s<*hr spärlich geworden. Die Aus 
wurfmeng<* verminderte sich und betrug in der letzten Zeit in Marburg 70 
bis 120 ccm. O Pfund (Towichtszunabme. Viel weniger Jlusten. 

Patientin kehrt am 24. Juli 07 nach Davos zurück. Sie bleibt völlig 
fieberfrei bis 2. August und wird wiederholt nachpunktiert ohne besondere 
Beschwerden und erholt sich sichtlich. Der Eiweissgehalt des Harns ist zeit¬ 
weise sehr gering, zeitweise fehlend, und Zylinder werden nicht mehr ge- 

Am 2. August Nachpunktion, etwa 500 ccm N. Es beginnt am nächsten 
Tage wieder eine leichte Temperatursteigerung, Maximum 37,7. Vom 8. August 
an ist die Temperatur wieder normal. Pat. hatte in diesen Fiebertagen starke 
Diarrhoe. Di(‘ Teni]K*ratur bleibt nun normal, auch nach einer am 19. August 
fanden. 

vorgenommenen Punktion iöOO ccmi. Lästig war bei der Pat., dass man in 
dem lungrenzten, niittelgrossen l*n(‘umo(horaxraum stets rascb zu böheren Druck¬ 
werten kam und dass dann auch stets leichtes Hautemphysem (*ntstand. D(‘r 
Enddruck am 19. August war plus 25 mm Hg. 

Am 24. September 1907 letzte Naciipunktion in Davos. N = 400 ccm. 
Anfangsdruck -j-^»0 mm Hg, Enddruck -4-40,0 mm Hg. Es bestand das Be¬ 
streben möglichst viel Stickstoff einfliessen zu lassen, da Pat. nach Hause 
zu reisen beabsichtigte. Infolge d(*r hohen Druck werte entstand ziemlich be¬ 
trächtliches Hautemphysem, welches während eines Tages auf der rechten 
Brustseitc Schmerzen verursachte. Am 20. Sept. Abreise nach Breslau. Während 
in Davos die Temperatur die Höhe von 37,2 nicht überstiegen hatte, bestanden 

*1 Das Bünlgenbild ist als Bild Ib in (irotMlcls Alias der Uöiilg«*n- 
diagnostik i2bi von Brauer reprodu/.i(‘rl. 



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73| Krfalirunu<*n und ( lu'rli'mnii'rn zur IjiiiLnuikullapstliurapii*. l',\ 

während der ersten 8 Tage nach Ankunft in Breslau Temperaturen his 38,0, ein¬ 
mal 38,2. Die nun folgenden Nachpunklioneii wurden durch Herrn Professor 
K ü 11 n e r - Breslau ausgeführt. 

Am 12. X. 07: 500 ccm N. Enddruck [-30,0 mm Hg. Dabei abends Anstieg 
der Temperatur auf 37,7 und nachfolgender Abfall zur Norm. — 

Am 29. X. 07: 800 ccm N. Enddruck 50,0 mm Hg und abends 37,6. 
.Vin 31. X. 07, sowie am 1. u. 2. Nov. 07 wurde 38,3 gemessen. Es schwankt 
nun die Abendtemperatur andauernd zwischen 37,5 und 38,0 und steigt je 
einmal sogar auf 38,2, 38,5 und 38,7. 

Am 20. XI. 07: 870 ccm N. Enddruck -[- 40,0 inrn Hg. Nach dieser 
Punktion erreicht die Temperatur während 6 Tagen die Höhe von 38,4 bis 
3S,7, hält sich dann um 38,0 herum; tun 1. Dez. 07 sogar 39,4. 

An*. 5. Dez. 07: 700 ccm N. Enddruck -j- 40,0 mm Hg. Temperatur an¬ 
dauernd zwischen 37,8 und 38,4, am 10. Dez. 07: 39,2. — Es bestanden 
während des Aufenthaltes in Breslau vielfach Darmstörungen: Leibschmerzen 
und Durchfälle. 

.'Vnfang Januar 1908 reist Pat. üiK*r Marburg wieder nach Davos. — 

Am 12. Jan. 08 Ankunft in D:ivos. Hier Temperaturen bedeutend besser. 
Vom Tage der Ankunft an während einer Woche Tagesmaximum 37,3—37,6. 

Die Untersuchung der Lungen (13. I. 08) ergibt oim* V'e r s c h 1 i m m e- 
riing des Zustandes der linken Lunge. — 

Rechts bestehen die früheren Verhältnisse, oben die grosse Kaverne, 
unten der Pn.Th., der etwas grösser ist als bei der Abreise im Sept. 07. 

Links vorn oben über Klavikula sowie im 1. und 2. ICR. vesiko- 
bronch. Atmen und mässig viele mittlere Rhonchi. Im 3.—5. ICR. rauhes 
Insp., etwas verlängertes Exspirium und spärliche, feine, trockene Rhonchi. 

Liinks. hinten über Oberlappen Atmen vesiko-bronchial, mittlere 
Rhonchi, neben der Wirbelsäule auch einige klingende. Über dem ganzen linken 
Unterlappen ist das Insp. rauh, das Exspir. verlängert und hört man spärliche, 
zerstreute, mittlere, trockene Rhonchi. Gewicht: 100 Pfund. Puls: 80. Sputum¬ 
menge: 100—150 ccm. — 

Es wird ein Versuch mit minimalen Dosen Tuberkulin gemacht (Viooooo 
Da darnach leichte Temperatursteigerungen auftreten, erhält Pat. nur vier 
Injektionen in einem Zeitraum von 12 Tagen. Die Temperatur fällt nun aber 
doch ganz langsam zur Norm ab und ist vom 1. März 08 ab völlig normal. 
(Maximum 37,0.) Einzig nach den regelmässig vorgenommenen Nachpunktionen 
treten ab und zu leichte, vorübergehende Steigerungen, bis 37,5, auf. — 

24. Jan. 08. Nachpunktion: N = 175 ccm. A.Druck -[-4,0 mm Hg. 
E.-Druck 45,0 mm Hg. 

11. Febr. 08. Nachpunktion: N = 300,0. A.-Druck -f 3,0 mm Hg. 
E.-Druck -}- 45,0 mm Hg. 

3. März 08. Nachpunktion: N = 200. A.-Druck -^-2,0 mm Hg. E.-Druck 
+ 25,0 mm Hg. 

31. März 08. Punktion: N = 250. A.Druck 0. K.-Druck -j- 40,0 mm Hg. 


21. Aprfl 08. 

Punktion; 

: N = 200. 

A.-Druck 

-|- 3,5 mm 

Hg. 

E.-Druck 

35,0 mm Hg. 






12. Mai 08. 

Punktion : 

o 

II 

A.-Druck 

-[-2,0 mm 

Hg. 

E.-Druck 

-i-50,0 mm Hg. 






1. Juni 08. 

Punktion: 

N = 280. 

A.-Druck 

2,0 mm 

Hg. 

E. Druck 


-I- 37,0 mm Hg. 


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74 


L. Brauor und Lucius S[>i‘ngkT. 


174 


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Das Körpergewicht ist von 100 auf 105 Pfund gestiegen. 

Seit Anfang Mai bestehen wieder ab und zu leichte Temperatursteigerungen 
bis 37,2 und 37,4. Über der linken Lunge, die Neigung zu Besserung gezeigt 
hatte, hört man wieder mehr Rhonchi. — 

29. Juni 08. Nachpunktion: N = 230 ccm. A.-Druck — 2,0 mm Hg. E.-Druck 
-f- 38,0 mm Hg. 

Weil zwecklos, werden keine Nachpunktionen mehr ausgeftihrt. — 

Pat. hat wieder an Gewicht verloren, sie wiegt nur noch 98 Pfund. Puls 
80—90. Temperatur ist etwas höher geworden, schwankt im Maximum zwischen 
37,4 und 37,7. Der Auswurf wurde in der letzten Zeit reichlicher. Im Urin 
2 ®/oo A 1 b u m e n. 

L u n g e n b e f u n d vom 16. Juli 08. 

Rechts bestehen dieselben Verhältnisse wie am 13. Jan. 08 (vergl. 
oben). — 

Links vorn über Klavikula sowie iin 1. u. 2. ICR. Atmen vesiko- 
bronchial, besonders deutlich im 1. ICR. am Sternum; zl. viele besonders 
mittlere, darunter auch halbklingende Rhonchi. Im 3.—5. ICR. Insp. rauh, 
Exspir. verlängert, massig viele mittlere, trockene Rhonchi. 

Links hinten über O.-L. Atmen vesiko-bronchial, in Nuklealgegend rein 
bronchial; zl. viele, besonders mittlere Rhonchi. An Stelle des Bronchialatmens 
klingende Rhonchi. Über dem ganzen linken Unterlappen Insp. rauh, Exspir. 
verlängert und besonders in seiner oberen Hälfte mittlere Rhonchi. 

Pat. fährt Mitte August 08 nach Marburg und bleibt dort bis zum 
5. Oktober 08. Dort nimmt sie 3 V 2 Pfund an Gewicht zu. Im übrigen bleiben 
Befinden und Befunde unverändert. Pat. hoffte auf die Möglichkeit der Aus¬ 
führung einer partiellen Thorakoplastik, doch wird von einer Operation wegen 
des Zustandes der linken Lunge abgesehen. — Patientin fährt nach Hause und 
erliegt ihrem Leiden am 12. März 1909. — 

Indikation zur Operation. Nach vorübergehender Besse¬ 
rung trat trotz eines fast ununterbrochenen 31/2 jährigen Aufenthaltes 
in Davos eine deutliche Verschlimmerung der sehr schweren Er¬ 
krankung der rechten Lunge ein. Es trat wieder Fieber auf und auch 
die linke Seite schien schlechter zu werden. So bat die Kranke wieder¬ 
holt um Anlegung eines künstlichen Pneumothorax. Zunächst wurde 
diese wegen des Zustandes des linken Oberlappens abgelehnt. Schliess¬ 
lich aber wurde dem Wunsche der Patientin nachgegeben unter 
ausdrücklicher Betonung des erhöhten Risikos. 
Trotzdem verblieb die Kranke bei dem Wunsche, diesen letzten Ver¬ 
such zu machen, da sie selbst das Ungünstige ihrer Lage einsah. — 

Epikrise. Am 8. Juni 07 Anlegung des künstlichen Pneumo¬ 
thorax. Zunächst deutliche Besserung des Allgemein¬ 
befindens, Gewichtszunahme von 3 kg, erheblich weniger Husten 
und Aus Wurf, deutliche Veniiigerung der Albuminurie, vollständig 
fieberfrei und keinerlei Anzeichen einer Verschlimme¬ 
rung der anderen Seite. Patientin, welche 3^/^ Monate nach 
dom Eingriff Davos Endo 8epteml)er 1907 fieb^n-frei verlassen hatte, 



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75] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 75 

erkrankte alsbald in der Heimat mit erneuten Keberbewegungeai. 
Am 30. Oktober 1907 wurde in B. bei einer erneuten Punktion 
850 ccm N unter sehr hohem Druck (50 mm Hg) eingebracht. Hiermit 
gelang es dann zweifellos den Pneumothoraxraum zu vergrössern, 
es wurden aber die Temperatursteigerungen, die schon vor¬ 
her beobachtet wurden, jetzt erhöht und dauernd. In den letzten 
Tagen des Dezember 1907 wurden die Temperaturen zwar wieder 
normal und Husten und Auswurf besserten sich, aber im linken Ober¬ 
lappen traten deutliche Veränderungen auf. Sie bestanden in einer 
'massig intensiven Dämpfung, bronchialem Exspirium und in ziemlich 
zahlreichen Rasselgeräuschen, besonders hinten oben, wo leichte Zer¬ 
fallserscheinungen bereits nachweisbar waren. Während des Auf¬ 
enthaltes in B. zeigten sich gelegentlich Ödeme an den Füssen und 
Unterschenkeln, die aber bei ruhigem Liegen verschwanden. Der 
Eiw'eissgehalt des Urins schwankte zwischen Spuren und 1/2 pro Mille; 
gelegentlich vereinzelte Zylinder. 

Pat. kehrte dann Anfang Januar 08 nach Davos zurück. Hier 
fand sich, dass im Vergleich zu dem Status im September 1907 die 
Infiltrationserscheinungen über dem linken Ober¬ 
lappen vorne und namentlich hinten zugenommen hatten. Hinten 
links oben waren in der Spitze khngende Rasselgeräusche zu hören. 
Ferner waren im linken Unterlappen zerstreute kleine 
Herde nachzuweisen, während früher der linke Unterlappen nach¬ 
weisbar gesund gewesen war. Im Februar 1908 fallen die Tempera¬ 
turen wieder ab und sind vom 1. März 1908 bis Mai 1908 völlig 
normal (Maximum 37,0). — Dann treten wieder leichte Steigerungen 
der Temperatur auf, im Juni und Juli bis 37,7. Gewichtsabnahme 
von 7 Pfund, mehr Husten und Auswurf, im Urin 1 —2^/qo Albumen, 
deutliche Verschlechterung der linken Lunge. — 

Die Nachpunktionen waren von Januar bis Juni 1908 in drei¬ 
wöchentlichen Intervallen ausgeführt worden. Letzte Nachpunktion 
am 29. VI, 08. i \ 

Von Mitte August 08 bis 5. Okt. 08 Aufenthalt in Marburg. 
Patientin hoffte auf die Möglichkeit der Ausführung einer partiellen 
Thorakoplastik, doch wird von einer Operation abgesehen wegen 
des Zustandes der linken Lunge. Patientin fährt nach Hause und 
erliegt ihrem Leiden am 12. März 1909. 


32. Frl. Elisabeth B. ans W., 22 Jahre alt, hereditär belastet. Eltern 
tot, au unbekannter Ursache. Erkrankte Neujahr 1902 mit Husten und Auswurf; 
alsbald blutiger Auswurf. Sommer 1902 Lippspringe und Meran, ganzen Winter 


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70 0. OraiuT und I.ucius SpiMiijlcr. [70 

1902—0:i zu Hause mit iiohem Fieber gelegen. Sommer 1903 Lippspringc. 
Winter 1903—04 Gardone. Sommer 04 Bozen. Die nächsten drei Winter dann 
in Davos. Besserung während Behiuidlung mit Carl Spengler’s Perl- 
suchttuberkulm. — 

Status 18. IV. 07. Gewicht 60,0 kg. Puls 92. Temperatur normal. 
Sputum reichlich Tbc. Menge 50—100 ccm. 

Auf der rechten Spitze gmiz kleiner, wohl völlig inaktiver Prozess. Das 
Atmen ist hier vesikulär, aber zu leise und zu scharf. Kasselgeräuschc 
fehlen. 

Die linke Seite im Ober- und Fnlerlappen von ungewöhnlich grossen 
Kavernen durchsetzt, diese relativ trocken. TlK'rall spärliche, metallisch 
klingende Rasselgeräusche. Die Lunge stark retrahiert; die untere Grenze 
steht etwa 3 cm zu hoch. Das Herz ist nach links verlagert. 

Da keine Aussicht bestand, eine weitere Schrumpfung der linken Seite 
zu erreichen, und damit die Kavernen zur völligen Heilung zu bringen, wurde 
der Patientin der Vorschlag gemacht, sich einen künstlichen Pneumothorax an- 
legen zu lassen. 

7. VI. 1907 Aufnahme in Marburg. Gewicht 57,5 kg. Temp. normal. 
Puls 80—90. — 

10. VI. Der Versuch, einen Pneumothorax anzulegen, misslingt, da man 
auf sehr starke Verwachsungen stösst. In den nächsten vier Tagen leichte 
Temperatursteigerungen bei glattem Wundverlauf. 

20. VI. 07. Z w e i t e I n z i s i o n f ü h r t z u r A n 1 e g u n g c i n e s P n e u - 
rn othorax linksseitig (etw'a 600 ccm N). 

26. VI. Erste Nachfüllung von ca. 500 ccm. Es zeigt sich hierbei, dass 
der Druck im Pneumothoraxraum relativ rasch ansteigt. Das Manometer zeigt 
d(Mitlich herzpulsatorische Bewegungen. Bei 1,5 cm Hg-Druck tritt etwas 
Oppressionsgefühl ein. Die Punktion wird abgebrochen. Die Patientin kann 
aber ruhig ihr Zimmer aufsuchen. 

6. VII. Zw^eite Punktion. Das Manometer zeigt noch etwas Überdruck und 
deutliche Pulsation. Es werden ca. 500 ccm N infundiert, hierbei zum Schluss 
t w a 20 mm Hg-Druck. Infolge Oppressionsgefühls w ird die Punktion 
abgebrochen. Die Patientin bekommt aber doch ziemlich beträchtlichen 
Kollaps, Dauer etwa 2 Minuten, fahles Aussehen, zeitweise pulslos, er¬ 
holt sich dann aber rasch und klagt über keinerlei Beschwerden. Auch der 
Puls wird alsbald wieder voll und kräftig, nur noch etw as beschleunigt. E s 
war absichtlich ein höherer Druck angewandt worden, in 
der Hoffnung, damit di e V e r w a c h s u n g e n zu lösen. Die 
S e i t e n b e 1 a s t u n g , die das Herz dadurch erfuhr, w- a r a b e r 
doch zu gross, so dass jener Kollaps e n t .s t a n d. 

21. VII. Eingiessung von 200 ccm N. Druck anfangs um 0, zum Schluss 
etw\as über 18 mm Hg. Kein Kollaps. 

Die wiederholte physikalische sowie Röntgenuntersuchung zeigt einen 
f 1 a c h e n P n e u m othorax, welcher den Komplementärraum über dem 
Herzen erfüllt, links hinten bis zur hinteren Axillaiiinie, oben in der Achsel¬ 
höhle etwa bis zur dritten Rippe hinaufreicht. Auch der untere Komplementär¬ 
raum ist breit ausgefüllt. 

In Marburg entlassmi am 24. VHl. 07. Wohler und kräftiger als bei 
der Aufnahmi*. 0 b w’o h 1 d r Pneumothorax nicht die ganze 
L u n g e k o m }> r i m i e r t, s o ii rl e r n mit s i n e in Inhalt v o n e t w a 



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77J Erfalirunurn um! l horlc^inmcu zur LunuuuknllapslIuMajiif. 77 

1^/2 Liter u d i fi u u p e 11 u r h e t r ä c li 11 i c h (* u t s j) a n n t , so zeigt 
sich d 0 V ti i n s o f <• r n e in gut e r 1% i n f 1 u s s , als d i (* S p u t u lu - 
mengen ganz beträchtlich a h g o n o m ni e n h a h e n. I );ls S p u t u in 
betrug anfangs zwischen 50 und 100 ccni, sank dann in den letzten Wochen 
auf 5—25 ccm. Trotzdem nahm man davon Abstand, weiter zu punktieren. 
Es erschien unwahrscheinlicb, den Pneumothorax noch weiter zu vergrössern, 
da trotz ziemlich beträchtlicher Druckanwendung derselbe seine Form nicht 
wesentlich veränderte. Die Anw^endung noch grösserer Druck werte war aus¬ 
geschlossen wegen der Lage des Pn.Th. über und neben dem Herzen, da hier 
das Herz eventuell zu stark komprimiert und doch wohl hätte geschädigt 
werden können. 

Die Beobachtung hat erwiesen, dass der Pn.Th. nur langsam resorbiert 
wurde. Zu Hause ging es der Kranken sehr gut, der Auswurf blieb 
gering. Erst im Oktober 07 trat wieder mehr A u s w u r f auf, 
soviel wie früher. Sie geht Mitte Dezember 07 für den Winter nach 
Davos. Es zeigt sich hier, dass die S c h r u m p f u n g s e r s c h e i 
nun gen auf der linken Seite noch ganz beträchtlich zu- 
gönommen haben. Der Herzspitzenstoss ist bis in die mittlere Axillar- 
linio gerückt und dort bis in den 4. ICH. gestiegen. Die rechte Herzgrenze 
steht 2 cm nach links vom linken Sternalrand. Der untere Lungenrand steht 
links hinten 6 cm zu hoch. Die Kavernen sind noch nachweisbar, ganz spärl. 
Rh. zu hören. Die rechte Seite ist vollständig unverändert geblieben. 

Auch im Winter 08/09 verbrachte Patientin mehrere Monate in Davos. 

Am 20. April 09 letzte Untersuchung: Gewicht 114 Pfund, Puls 08—72, 
Temperatur normal, Auswurfmenge unverändert, Sputum enthält Tuberkelbazillen 
in mässiger Zahl, keine elastischen Fasern. Herzspitzenstoss im 4. ICR. 
in mittlerer Axillarlinie. Rechte Herzgrenze steht 2 cm nach links vom linken 
Sternalrand. 

Linke Lunge stark geschrumpft. Ihr hinterer unterer Rand überragt (hm 
.\ng. scap. nur um 1 cm, auch vorn steht der untere Lungenrand sehr hoch. 
Unterer hinterer Rand der rechten Lunge dagegen um 2 cm zu tief stehend. 
Vorn überragt der linke Rand der rechten Lunge den linken Sternalrand um 
über einen Zentimeter (starke Überblähuiig), 

Über der ganzen rechten Lunge hinten und vorn vesikuläres Atmen ohne 
Rh., nur in der Spitze ist es zu leise und zu scharf. ..Links vorn überall 
amphorisches und broncbo-amphorisches Atmen, mässig viele Rh. Links hinten 
von oben bis unten überall broncho-amphorisches Atmen und ziemlich spär¬ 
liche Rh. 

Den Sommer 09 sowie den Winter 09—10 verbrachte Patientin zu Hause, 
Es ging ihr andauernd gut. D e r 1 e t z t e B e r i c h t s t a m m t v o m 7. IV. 10 
und sagt, dass im Befinden der Kranken auch während des Winters zu Haus • 
keine wesentliche Änderung eingetreten sei. Allgemeinbefinden sehr gut. Aus 
wurfmenge dieselbe, Temperatur völlig normal. 

Indikation zur Operation. Schwere einseitige Phthise 
mit ausgedehnten grossen Kavernen. 

Epikrise. Es konnte nur ein flacher Pneuniothorax erreicht 
werden, die Behandlung wurde deshalb aufgegeben. Immerhin ist 
als Folge des Pneumothora.x, der etwa 4 Monate bestand, zunächst 


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7«^ Fi. RnnKT und liUciiis S|K*n{Tl<*r. [7S 

während s<3ines Beistandes eine deutliclie Bessemng der Symptome und 
später dann eine starke weitere Schrumpfung der Lunge 
oingetreten. Eine Schädigung der anderen Seite hat nicht statt gefunden. 
Seit Anlegung des Pneumothorax sind bald drei Jahre verflossen. 
Die Berichte über das Befinden der Kranken sind günstig. Einer 
ThorakopLostik will sich Pat. nicht unterziehen. 


B3. Helene D., 29 Jahre alt, Arbeitei*fraa ans Rödenan. 

Anamnese: Keine Belastung. Vor vier Jahren Zwillinge. Nach dom 
Wochenbett fieberhafte Erkrankimg, 15 Wochen lang, anscheinend mit Thrombose 
im linken Bein. Später gesund, aber schwach. Seit Frühjahr 1907 Schmerzen in 
der linken Seite, Husten mit viel Auswuirf, reichlich Herzklopfen, schlechten 
Appetit, nachmittags Fieber, starke Abmagerung, Schweisse. 

Status 8. VI. 07. Grazil blass, schlechter Ernährungszustand, sehr flacher 
Brustkorb. 

Lungengrenzen normal. Über der rechten Lunge Schall ohne wesent¬ 
liche Veränderungen, nur in den oberen Partien leicht tympanit. gedämpft. 
Das Atemgeräusch ist auf der ganzen rechten Seite normal, nur hinten über dem 
Oberlappen Insp. rauh, Exspirium verlängert, spärliche Rasselgeräusche. 

Über dem linken Oberlappen befindet sich eine tympa- 
nitische Dämpfung, teils bronchiales, teils amphorisches Atmen, daneben sehr 
zahlreiche, mittelgrossblasige, klingende, zum Teil metallisch klingende Rassel- 
gerfiusche. Über dem linken Unterlappen ist der Schall tympanitisch gedämpft, 
das Atemgeräusch ist durch dichteste, zum Teil klingende Rasselgeräusche völlig 
verdeckt. 

Am Herzen nichts Besonderes, Leber und Milz ohne Befund, Urin ent¬ 
hält sehr reichlich Albumin, reichlich hyaline und fein 
granulierte, zum* Teil mit Epithel besetzte Zylinder. 

Die Beobachtung während 20 Tage zeigt dauernde Fieberbewe 
g u n g, meist bis 38,8, dabei meist schon hohe Morgentemperaturen, mehrfach 
aber sehr tiefe Morgentemperaturen. Sputummenge 30—50, reichlich Tuberkel¬ 
bazillen und elastische Fasern. Dauerndes Sinken des Körpergewichts, Darm¬ 
störung. Rasch fortschreitender Kräftcverfall. 

28. VI. 07 künstlicher Pneumothorax links, 850 ccm N, 
danach geringer Temperaturabfall, insofern die Temperaturmaxima jetzt unter 38 
liegen. 

Am 11. VII. 07 Nachfüllung von 1000 ccm. Die sehr elende Patientin 
zeigt Kollapserscheinungen, die aber auf Darreichung von Wein verschwinden. 
Die Kranke bleibt aber nach wie vor sehr elend. Mittelstarkes Hautemphysem. 
Nach Überstehen der ersten Beschwerden fühlt sich Patientin, bei der wie 
gesagt die Temperaturen etwas niedriger bleiben, wohler als wie vor der 
Operation. Die Aus\^TJrfmengc ist geringer geworden, leichtes Exsudat nach¬ 
weisbar. Sehr störend sind dauernde Stuhlgangsbeschwerden. 

11. VII. Bei der Durchleuchtung zeigt sich die Lunge wieder stärker 
ausgedehnt. Infusion von 1100 ccm. Patientin bleibt dauernd elend. Die 
Temperaturen steigen auf etwa 37,8, nur ausnahmsweise auf 38,2. Im Vorder¬ 
gründe der Beschwerden stehen sehr starke Durchfälle. Stühle sind stark 



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791 


Erfahrungen und OlMTli'giingon zur Lurigenkollapsnierapie. 


7!) 


stinkend, sehr reichlich, manchmal Metcorismus. Von weiteren Punktionen 
wird Abstand genommen. Patientin bleibt sehr elend. Eiweissgehalt im Urin 
steigt ständig. Es gesellt sich eine Stomatitis hinzu. Die Angehörigen nehmen, 
um Kosten zu sparen, die Patientin nach Hause, woselbst sie bald verstirbt. 

Indikation. Progrediente floride Lungentuberkulose, Kräfto- 
verfall. Nephritis. 

Epikrise. Ungünstig verlaufender Fall, keine nennenswerte 
Beeinflussung der Erkrankung. Tod an Entkräftung infolge Darm¬ 
tuberkulose. Temperatur zeitweise gebessert Die andere Seite blieb 
unbeeinflusst 


34. Frau D. St. aas W., 35 Jahre alt, Bulgarien. 

Mutter lebt und ist gesund. Vater starb 75 Jahre alt an Altersschwäche. 
Seit 5 Jahren Witwe, 5 gesunde Kinder. Erkrankte vor 14 Monaten mit Husten 
und Auswurf an Influenza. Oft Temperaturen bis 38,0 und darüber, oft blutiges 
Sputum. Seit 1. X. 06 in Davos-Schatzalp. Oft Temperatursteigerungen 
während der Menses, oft blutige Sputa. Anfang Nov. 06 Temperaturen bis 38 
und darüber. Am 8. Nov. Blutung mit Temperaturen bis 38,6, die längere 
Zeit anhalten. Am 3. und 4. Dezember je starke Blutungen, nachdem Pat. 
noch immer nicht vollständig fieberfrei geworden war, diesmal mit Tem¬ 
peraturen bis 40 und darüber. Pat. wurde seit diesen Blutungen nicht wieder 
vollständig fieberfrei. Die Mundtemperaturen schwankten zwischen 36,9 und 
37,7, bis am 21. April 07 abermals eine kleine Blutung auftrat. Die erhöhten 
Temperaturen bestehen fort und werden auch durch kleine Dosen Tuberkulin 
nicht oder wenig beeinflusst. 

Status vom 1. Juli 1907 (S c h a t z a 1 p). Intensive Dämpfung über 
der ganzen rechten Lunge, namentlich hinten; unterer Rand der rechten Lunge 
wenig verschieblich. Das Herz um IV 2 cm nach rechts verlagert. 

L. V. über Klav. vesikuläres, aber zu lautes und zu scharfes Insp., Exsp. 
kaum verlgt., keine Rh. Im 1. ICR. vesik., im 2. idem. L. h. o. über Spitze 
idem, kein Rasseln. Linker Unterlappen überall vesik. 

Rechts vom über Klavikula amphorisches Inspirium und Exspirium, 
mittlere und grobe klingende Rh. Im 1. ICR. am Sternum sowie nach aussen 
davon Atmen vesiko-bronchial, Exspir. mit amphor. Beihauche, mittlere halb- 
klingende und klingende Rh. 2. ICR. Atmen vesiko-bronchial. Ziemlich viele 
klingende und halbklingende Rh. Mittellappen durchweg leises Inspir., Exspir. 
leis 3 hauchend, mittlere Rh., zum Teil helle. R. h. o. über Oberlappen amphor. 
Atmen und klingende Rh. Nuchalgegend broncho amphor. Atmen imd klingende 
Rh.; F. infrasp. vesiko-bronch. Atmen, Rh., auch klingende, besonders aus 
der Tiefe. Interskapuiarraum, sowie imterhalb Angulus scap. Atmen leise 
vesiko-bronchial, ziemlich viele mittlere Rhonchi, besonders nach Husten, 
darunter auch klingende. Neben Angulus inferior eine zirkumskripte Stelle 
mit hoch-broncho-amphor. Atmen und viel klingendem Rasseln. Gewicht: 
68,0 kg. Puls: 80—100. 

Am 1. Juli 07 Anlegungeines künstlichen Pneumotliorax 
(Brauer), 4 Uhr nachmitt. Operation dauerte 35 Min. Lokalanästhesie mit Novo¬ 
kain. Inzision zwischen vorderer Axillar- und Mamillarlinie im 4. ICR. rechts. 


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S(l 


L. Hraurr iiml Ijilmus SpmiiN'r. 


[H) 


Vor der OixTalion 0,02 xMorphiuni subkutan. King<‘Jasseii wurden 1000 ccin N, 
Kiiddruck plus 4‘/o mm Hg. m Abend und am Tage nach d i‘r Ope¬ 
ration stark vermehrter Ausw'urf, Respiralionszahl schwankt zwi¬ 
schen 28 u. 32. Krste Nachpunktion am 9. VII. 800 ccm N, Enddruck mm 
Hg. Die stets erhöht gewesenen Temj)eraturen seit ö. Juli unter 37,0. Sie sinken 
während der nächsten 10 Tage noch und üb(*rst(‘ig(Mi die Höh(‘ von 36,8 nicht 



Kig, 10. 



mehr. Am 9. VII. nach der erwähnten Nachpunklion zeigt sich im Röntgen¬ 
bild ein Pneumothora,\, der die ganze lainge von der Spitze und der Aussen- 
seite abgelöst hat (Fig^ur 10 und 11). Die Lunge ist hinten und vorm* 
nach dem Hilus hin komprimiert; es besteht nur unten eine an der 
Mitte des Zwerchfelles adhärente Verlängerung, die die Kuppe des Zwerch¬ 
felles etwas in die Höhe zieht. In der nächsten Zeit zeigen sich bei längeren 
Pausen in den Nachpiinktionen hdcbte Teniperatursteigerungen, bis 37,4, die 


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Krfalirungon uiifl I l)r‘rl«‘ciniuc‘n zur f.wnt'onknilapsdioraplc. 


Sl 


?^ 1 | 


mit erfolgter Nachpunktioii sofort wieder auf H7,0 lierabsinkeii. Pat. kann 
schon vier Wochen nach der Operation kleine Gänge machen. Der Stickstoff 
resorbiert sich ziemlich rasch. Ks kommen bei dreiwöchentlichen Nach 
punklionen stets 1000—1*200 ccm N in Anwendung. Zwischen 5.—11. Se{)(. 
1907 Temperatursteigerungen bis Ö9,(». (Es hatte s<‘it 19. .Vug. 1907 kein«* 
Nachfüllung mehr stattgefunden. ) Mit a m 13. S (* p t. e r f o 1 g I e r Nach- 
p u n k t i o n wieder v o 11 s t ä n d i g •• r Temperatur a b f a 11. .\bernniige 
Nachpunktion am 1. X. 07. 

Die Kranke verlässt am Ö. X. 07 das Sanatorium und wohnt im Ibörl. 

Vor der Operation wurden im eitrigen Sputum stets elastische l'asern 
gefunden und zwar meist ziemlicli viele; Tuberkelbazillen Gaffky VI—X. — 
Sofort nach der Operation, am 3. VII., noch Gaffky VI und viele elastische 
Ea.sern, dann langsam Abfall auf Gaffky III und spärliche elastische Fasern, 
Am 23 X. 07 und am 8. I. 08 Gaffky I—II und sehr spärliche elastische 
Fasern. Sputuinmenge sehr klein. \m IG. III. 08 im Auswurfe weder 11k. 
noch elasl Fasern. — Bei nun ca. vierw’öchentlicheii Nachpunktionen je 1000 
bis 1200 N und Enddnick 2—5 mm Hg. — Ende Januar 08 eine 
8 Tage dauernde Influenza ohne Nachteil ü b e r s t a n d e n; nur 
vorübergehend mehr Husten und .Vuswurf und über der komprimierten Lunge 
bronch. Almen und klingendes Hasseln, das fortgeloitet auch nebenan auf der 
gesunden Seite hörbar war. Mit erfolgter Nachpunktion verschwanden sowohl 
(las Bronchialatmen als auch die Rhonchi. — 

Seil der Operation eine Gewichtszunahme von 3 kg. nachdem kurz vor 
der Operation eine Abnahme von 2 kg konstatiert worden war. V o r d e r 
Operation s c h wankte der Puls z w i s c h «* n 80 u n d 100 p. m. — 
In den letzten Wochen Puls G8—72, z ii w e 1 <■ b e r Zahl er 1 a n g • 
s a lu heruntergekommen ist. — 

Während der Monate April, Mai und Juni 08 W(*der Husten noch .Aus¬ 
wurf. Am 11. Juli aber wieder Gaffky III, ohne elast. Fasern. — 

Am 21. IV. 08 Nachpunktion. 

N = .1200 ccm. 

A.-Dr. = — 1,5 mm Hg. 

E.-Dr. = 4" nfun Hg. 

Am 5. VI. 08 Nachpunktion. 

N = 500 ccm. 

.A.-Dr. = — 1,0 mm Hg. 

E.-Dr. = +2,0 mm Hg. 

Temperaturen andauernd unter 37,0. Puls GO—72. 

Am 14. VII. 08 Nachpunktion. 

N = 900 ccm, 

A.-Dr. = — 2,0 mm Hg. 

E.-Dr. = +9,0 mm Hg. 

Im Röntgenhild zeigt sich ein s(‘hr guter, vollständig trockc'uer, breibu* 
Pn.Tb. — Auch der Oberlappen ist kollabiert. — Der rechte Unlerlappen ist 
zipflig nach hinten, seitlich angezogen. An der Stelle, wo diese Adhäsion 
an der Thoraxwand ansetzt, empfindet Patientin auch stets Schmerzen, sobald 
im Pn.Th. etwas mehr Druck herrscht. Das hintere mediastinab* Feld ist 
etwas verbreitert. 

Über der linken Lungenspitze hinten und vorn vfTschärftes Iiisp., <*twas 
verlängertes Exspir, keine Rhonchi. 

lU-itillge zur Klinik d«r Tuberkulose, liil. Xl.\. II. t. G 


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L. BraiKT und Lucius S]K-ii»l<'r. 


[82 


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Pii (. rn i s I ;i lu 27. VIF. OS n ;i c li II a u s c iH u 1 ^ a r i v ii) u ii d k c li r t 

;l in 7. S e p t. 100<S w i u d e r n a c h 1) a v o s / u r ü c k in i t v o 11 .s t ä n d i g 

II o r in a I e n T u in p v r a t u r (‘ n u n d l r o c k c u <• in i* n (* u in o t h o r a x. 

Am 11. Sept. 08 N a c h p u n k t i o n. 

N = 900. 

Am 27. Oktob. 08 N a c h ]> u n k l i o n. 

N = 1000. 

A.-Dr. = — 5,0 mm Hg. 

E.-Dr. = 4" Hg- 

A m Schluss diese r P u n k I. i o n klag t P a l. übereinenplötz- 
1 i c li c n , rasch vor ü borg e h e n d n , in ässig heftigen Schmerz 
hinten rechts u n I e ii , w o die Lunge* s e i 11 i c li und hinten, 
wie oben beschrieben, a d h ä r e n t i s t. — Seit dieser l^mktion 
wdihrend drei Wochen Abendlemperaturen von 57,7—38,2. Es wird ein kleines 
pleuritisches Exsudat konstatiert. — Anscheinend ist unter de in 
etwas li o h o n P u n k l i o n s d r u c k eine A d li ä s i o n gelöst und 
d a d u r c li die P1 e u r a i n f e k t i o n bedingt worden. Es tritt wieder 
etwas Ausw'urf (Gaffky III, ohne elastische Fasem) auf. Das Exsudat steigt 
bis zum Ang. scap. Der N resorbiert sich sehr langsam. Es w^erden deshalb 
erst wdeder nach beinahe vier Monaten (21. Febr. 09) 350 ccm N durch das 
Exsudat eingelassen, k— Temperaturen normal. Puls ü4. 

14. IV. 09. Ausw’urfmenge 5—10 ccm pro die. Tuberkelbazillen äusserst 
spärlich, Gaffky 1; keine elast. Fasern. 

15. IV. 09. Exsudat geht bis Ang. scap. Ablassen von 100 ccm 
Exsudat, das sich als hellgelbes, leicht trübes Serum präsentiert und sodann 
Nachfüllen von N = 350 ccm durch das Exsudat. 

19. IV. 09. Die Kranke ist genötigt nach Hause (Bulgarien) zu fahren. — 

Schlussbefund: Gewicht 77 kg. Puls 60—68. Temp. andauernd 
normal. Auswmrf: Gaffky I, ohne elast. Fasern; Menge ca. 5 ccm pro die. 

Über der Spitze der linken Lunge hinten und vorn verschärftes Insp., 
wenig verlängertes Exsp., keine Rhonchi. Rechts besteht ein seit Monaten bis 
zürn Ang. scajr. reichendes Exsudat, das hellgelb und nur leicht getrübt 
ist. Über dem Exsudat besteht ein mässiger Pn.Th. Das Herz ist %venig nach 
links verdrängt. Die rechte Lunge liegt dem Mediastinum an, ist wenig aus¬ 
gedehnt, zeigt sich vor dem Röntgenschirm 3—6 cm breit,. nach unten hin 
breiter werdend und in das Exsudat eintauchend. — Da der Auswurf in der 
Hauptsaclie schleimig, nicht geballt ist und in demselben nur sehr 3 pär- 
liche Tuberkelbazillen |(Gaffky 1) zu finden sind, da ferner der Verlauf der 
letzten 6 Monate gezeigt hat, dass Stickstoff und Exsudat sich nur äusserst 
langsam resorbieren, (darf man ännehmen, dass die Lunge noch lange unter 
ausreichender Kompression etehen und sich später nur langsam wieder ent¬ 
falten wird. Patientin wird daher nach Hause (Bulgarien) ent¬ 
lassen. Weitere Punktionen sollen unterbleiben. 

Die Kranke sandle alle zwei bis drei Monate ihre Temperaturtabellen ein. 
Die Temperaturen siml stets völlig normal geblieben (laut Aufzeichnungen bis 
Mitte März 1910). Unter dem 19. März 10 schreibt Patientin, 
dass es ihr sehr gut gehe, und dass sic sehr w^enig Auswurf habe. Patientin 
wird ersucht, Sputum <*inzusenden, was sie auch lut. Die in Davos erfolgte 
Unter.suchung des am 7. IV. 10 eingesandten Auswurfes lautet: Tuberkcl- 
b a z i 11 e n nicht vor h a n d e ii, a ii c h n i c h t i m Sediment: k e i n 


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Erfalirungeii und Cl)erl(‘^^un^^‘n zur I^uiipiMikollupsthorapie. 


S3 


S^] 


c 1 a s t i s c li u Eusorn. Aju 17. III. 10 war die Kranke von iliroin llaiisarzL 
untersuchl worden, w(d)ei derselbe konstatierte, dass kein l’n.Tli. mehr vor¬ 
handen war. 

ludikatiüu zur Operation. Sowohl zu Hause als in Davos 
ziüilreiche zum Teil schwere Lungenblutungen. Nach der letzten 
Blutung war Patientin nicht wieder fieberfrei geworden. Schwere 
fortschreitende Zerstörungen im rechten Unterlappen und rechten 
Oberlappen. 

Epikrise. Sehr günstiges Hcsultat. Operation: 
1. VII. 1907. Pneumothorax seit März 1910 nicht mehr nachzu¬ 
weisen. Gewicht vor der Operation 68,0 kg, heute 77,0 kg. 
Puls 80—^-100 vor der Operation, 60—72 heute. A u s w u r f 
Gaffky VI—X und elast. Fasern vor der Operation, März 1910 
Auswurf ohne Tuberkelbazillen und ohne elast. Fasern. Auswurf¬ 
menge vor der Operation 60—80 ccm, heute 3—5 ccm. — Temperatur 
normal. Blutungen sind nicht wieder aufgetreten. Trotz Influenza 
(Januar 1908) keine Verschlimmerung. Allgemeinbefinden sehr gut. 
Pat. kann ohne Mühe grössere Spaziergänge machen und ist nur bei 
rascherem Gehen etwas kurzatmig. 

Ab Anfang Nov. 1908 bestand neben dem Pneumothorax ein 
massiges, fast klares pleuritisches Exsudat. — Nach der unter ähn¬ 
lichen Verhältnissen von L. Spengler0 am natürlichen Pneumo¬ 
thorax gemachten Beobachtungen und nach gemeinsamen Erfahrungen 
bei künstlichem Pneumothorax bietet das Bestehen eines solchen 
pleuritischen Ergusses günstige Aussichten für den weiteren Verlauf, 
was sich auch in diesem Falle bewalirheitete. 


35. Frl. Clothilde F.^) aus L., 18 Jahre alt. 

Anamnese: Keine Heredität. Als Kind immer schwilchlicli. Halte 
Diphtherie, Typhus abdomin. und Mittelohreiterung, Sehlechfc Esserin. 

Seit Herbst 1905 Husten, Auswurf, Nachtschweisse, Fieber bis 38,5. Anfang 
n«‘zember 1906 Eintritt ins Sanatorium Schatzalp. 

Von Anfang an Temperaturerhöhung bis 37,7. Trotz strikter Ruhe von 
Zeit zu Zeit fieberhafte Schübe. Mit Tuberkulin längere Zeit fieberfrei, aber 
doch wieder Fieberattacken mit teils pleuritischen, teils 
{) u I m o n ä r e n R e i z e r s c h e i n u n g e n. Immer viel Husten und 
b a z i 11 c n h a11 i ge r A u s w u r f. L u n gc n be f u n d im ganzen n i c li t 


Lucius Spengler, Zur Chirurgie des Pn.Th. Beiträge zur klin. 
Chirurgie. Band XLIX. 

2) Siehe auch Pigger, Diese Beiträge Bd. VIII. S. 337. 

6 * 


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L. Brauer und Lucius Sf>engl<‘r. 


[84 


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gebessert. Es wurde daher die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax 
beschlossen. 

Lungenstatus am 9. August 1907. Ober der ganzen linken Lunge intensive 
Dämpfung. 

Über 1. Klavikula und im 1. ICR. Atmung hrcmcho amphor., klingende grobe 
Rhonchi. 2. ICR. Atmung leise vesiko-bronrhial, am Sternum amphorisch, 
mittlere und grobe klingende Rhonchi. 

3. ICR. Atmung vesiko-bronchial, mittlere und grobe, meist halbklingendc 
Rhonchi. 

4. ICR. Atmung sehr leise, dieselben Rhonchi. 

5. ICR. Atmung aufgehoben. 

L. h. o. über Spina: wie vorne. 

Abwärts über dem Unterlappen zimächst .Vtrnung leise vesiko-bronchi il, 
viele feine mittlere und einige grobe Rhonchi; dann in den untersten Partien 
Atmung leise, rauh, viele feine bis grobe, auch klingende Rhonchi. 

Über rechter Spitze rauh-scharfes Atmen ohne Rhonchi. 

14. August 1907 Anlegung eines- künstlichen Pneumo¬ 
thorax (Brauer). 750 ccm N, -f- 4^4 nr^^n Hg. Im Anschluss daran steigt 
die vorher immer subfebrile Temperatur auf 38, fällt aber schon am andern 
Tag auf 37,4 und bleibt vom fünften Tage an dauernd unter 37. Das Röntg3n- 
bild zeigt die Lunge gut kollabiert. Sie ist nach oben und gegen den Hilus 
gedrängt. Atemgeräusche in der linken Lungenspitze stark abgeschwächt, im 
übrigen aufgehoben. Katarrh nicht mehr zu hören. 

Im weiteren Verlauf bleibt die Teniperatur dauernd normal, steigt nur 
einmal am 29. Oktober aus unbekannter Ursache (prämenstruell?) auf 37,5. 
Am 5. November klagt Patientin plötzlich über heftige Schmerzen in der 
linken Schulter und im Nacken, die Temperatur steigt an diesem Tage auf 
38,1 und ist am nächsten noch 37,4, von da an wieder vollständig normal. 
Zugleich waren die Schmerzen verschwunden. Eine Untersuchung ergab 
keine Anhaltspunkte für das Fieber, dagegen sah man vor dem Röntgenschirm, 
dass die Lunge noch mehr kollabiert war als früher. Offen¬ 
bar hatten sich noch einige V'er wachs ungen gelöst. Dah('r 
die Schmerzen und das Fieber. 

Pat. ist dann bis Anfang Februar 08 absolut fieberfrei geblieben. Nur 
einmal nach einer Punktion 37,4, und leichte Temperaturerhöhungen bis 37,2 
während der Menstruation. Sonst immer unter 37. Pat. hatte auch früher 
während der Mense.s gelegentlich besonders ausgeprägte Fieberbewegungen. Am 
5. II. 08 trat wieder eine tägliche Temperaturerhöhung von 37,2 bis 37,4 auf, 
die seitdem anhält, doch traten diese Steigerungen nur immer gleich nach den 
Hauptmahlzeiten auf. Dieser Zustand ist sehr auffällig und konstant in der 
Fieberkurve zu beobachten. Im Zusammenhang damit ist zu erwähnen, dass 
Pat. immer über Magen-Darmstörungen zu klagen hatte. Besonders 
ist ihr Appetit immer sehr schlecht. Das Körpergewicht bleibt zunächst drei 
Monate konstant. Ab Oktober dagegen trat wohl infolge jener Darmstörungen 
eine Gewichtsabnahme von 7,0 kg ein. Die Stuhluntcrsuchungen nach S c h m i d - 
Strassburger ergaben im Probestuhl als auffälligste Erscheinung ziem¬ 
lich viel Bindegewebe. Urin anhaltend ohne Befund. Zeitweise trat deutliche 
Anämie auf, die sich aber auf Eisenpräparate hin bald besserte. 



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8r>J Erfaliruiigeii und Lbi*rleguiiK(*n zur LuiimMikollapsIlio; apic. sT) 


Stickstoff II achfüllun gen: 


19. 

VIII. 07 

900 ccm N 

A.-Druck ± 0 

E.-Druck -f” 6,5 

27. 

VIII. 07 

1000 

.. + 0.5 


+ 5,0 

18. 

IX. 07 

1000 „ „ 

.. -1 


+ 5 

9. 

X. 07 

1000 „ 

-2 


+ 5 

1. 

XI. 07 

1000 „ 

0 


-f- 0 

30. 

XI. 07 

900 .. „ 

.. +1 


+ 6 

9. 

I. 08 

1000 „ 

-1 


+ 7 

18. 

11. 08 

500 .. „ 

0 


+ 5. 


Sputumanalysen: Vor Anlegung des Pneumothorax waren in denn 
eitrig-schleimigen Sputum stets reichlich Tuberkelbazillen nachweisbar (Gaffky 
IV—VI), ebenso stets einzelne elastische Fasern. Nach dem Eingriff sank die 
Zahl der Bazillen auf Gaffky I—11, um vom November an völlig zu verschwinden. 
Bei negativen Bazillenbefunden wurde stets nochmalige Kontrolle insofern an¬ 
gestellt, als das Sputum mehrerer Tage zusammengebracht wurde und noch¬ 
mals zur Untersuchung kam. Elastische Fasern waren nie mehr nachweisbar. 
Die rechte Seite blieb dauernd gesund. 



Die Pulszahlen waren während Monaten vor dem Eingriff stets erhöht und 
schwankten um 100. Es hat sich dieses seit dem Eingriff nicht geändert. 

Eine Röntgenuntersuchung, am 12. III. 08, zeigte eine auffällig starke 
Ausbuchtung des bei seitlicher Beleuchtung deutlich v(*r 
breiterten hinteren Mediastinums. Ähnlich wie bei Fall 20, 
daselbst Skizze Seite 59, un^ Frl. H., Fall 22.) Auch das vordere 
Mediastinum war überbläht (Figur 12). Dabei waren auch der Gefäss- 
schatten und das Herz ein wenig nach rechts verlagert Bei tiefer Insp. be¬ 
wegte sich die Grenzlinie des hinteren Mediastinums deutlich nach rechts und 
verschwand dann völlig unter den Gefässschatten. Dadurch wurdcMi die Be 
gleilschatten, die in der rc*chten Lunge vorher teilw^eise überdeckt waren, 
w ieder deutlicher. 


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80 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Der Schlussstatus vom 19. Mai 08 lautet: Links Kasslon hei Stäh- 
chen-Plessimeter-Perkussioii von oben bis unUm. Perkussionsschall links lief 
sonor mit tympanilischem Beiklang. 

L. V. über Scblüsselbcin Atmen leise vesik. Im 1. ICR. Almen aufgoholxm, 
bei Husten deutlich metallisches Klingen, 2. bis 5. ICH. Atmen aufgehobcm, 
bei Husten metallisches Klingen. Links hinten wie links vorne. 

Rechts vom über Schlüsselbein Atmen vesikulär, zu scharf, keine 
Rhonchi. 1. ICR. dasselbe, 2. ICR. nach aussen von der Mitte Atmen scharf¬ 
rauh, Exspirium etwas verlängert, einige feine trockene Rhonchi, besonders nach 
Husten, sonst im 2. ICR. Atmen vesik., 3. ICR. Atmen vesik., 4. ii. 5. ICH. 
dasselbe. Rechts hinten über der Lunge Atmen überall vesik. 

Am 22. Mai 08 fuhr Pat. nach Hause (Portugal) und wurde dort einige 
Tage später von N e u m a n n - Schatzalp nachpunktiert. Der dortige behandelnde 
Arzt sollte die weiteren, nach Neunianns Angaben auszuführenden Nach¬ 
punktionen vornehmen. Nach Berichten der Kranken unterblieben dieselben 
jedoch aus unbekannten Gründen, öftere briefliche Anfragen Dr. Neumanns 
beim behandelnden Arzte blieben unbeantwortet. — 

Die Nachrichten der Kranken selbst vom Juni 1909 sowie vom Dezember 
1909 lauten sehr günstig. 

Die Indikation zum Eingriff war gegeben in der ausgedeliiiteii 
Erkrankung der ganzen linken Seite, mit viel Husten und reichlich 
tuberkelbazillenhaltigem Auswurf, zahlreichen elastischen Fasern und 
ständigen Fieberattacken. 

Epikrise. Das Fieber wurde zunäclist sehr gut beeinflusst. 
Mit zunehmenden Verdauungsstörungen traten jedoch wieder vorüber¬ 
gehend leichtere Temperatursteigerungen ein. Der Auswurf ist, in 
der Menge beträchtlich gemindert, zuletzt frei von Tuberkelbazillen 
und elastischen Fasern. Es werden nur noch ganz minimale kleine 
Klümpv^^hen hervorgebracht, von denen nur ein kleiner Teil als eigent¬ 
liches Lungensputum zu betrachten ist. Sputum schleimig geworden. 
Die andere Lunge blieb gesund. Nicht günstig verhielt sich der 
Magen-Darmkanal und war hierdurch auch die nicht unl>e- 
trächtliche Gewichtsabnahme während unserer Beobachtungszeit be¬ 
dingt. 

Die Patientin berichtete später mehrfach, dass es ihr zunehmend 
gut gehe, zuletzt, dass sie sich für gesund halte. In 
diesem Sinne spricht auch die Mitteilung, dass sie s i c h i m M a i 1910 
verheiratet hat. — Einzelheiten waren trotz mehrfacher dringen¬ 
der Anfragen leider weder von dem Arzte, noch von der Patientin 
zu erhalten. 


36. Herr M. St., 25 Jahre alt, Student. 

Anamnese: Geringe erbliche Belastung von seilen der mütterlichen 
Familie. Eltern gesund. Sommer 1903 totale Durclmässung bei Gebirgstour. 



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87J Erfaliruiigen und lihorleguiigvii zur riUiigonkollap^sllierapii*. s7 

Danach fieberlose Pleuritis links. Angebliche Heilung, nur hi;* und da Sen¬ 
sationen an derselben Stelle. Seit Herbst 190fi Hüsteln. Januar 1907 Gelb- 
sucht angeblich nach starker Verstopfiuig. Bei Gelegenheit einer Körperanter 
suchung zufällige Entdeckung des Lungenleidens. Nunmehr kam<*n Nachtschweisse 
und Fieber. 

Am 11. März 07 Eintritt ins Sanatorium Sc Ii a t z a 1 p. Von Anfang an 
Fieber bis 38,2°, das bei strikter Bettruhe nur wenig abfällt. Mit Arscn-Aspirin- 
Pillen und Tuberkulin werden Temperaturen etwas niedriger aber nicht normal. 
Puls meist klein, hie und da unregelmässig, Klagen über Herzklopfen. Digalen. 

Auf der linken Lunge hatte sich der Befund eher verschlechtert. Es wurde 
daher die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax beschlossen. 

Lungenstatus am 9. August 1907. Intensive Dämpfung über der ganzen 
linken Lunge, besonders über dem Oberlappen. Über Klavikula und im 1. ICH. 
.Atmung broncho-amphor., konsonierendes Knarren und Knacken, auch sehr zabl- 
reichc mittlere klingende Rhonchi. 

2. ICR. Atmung yesiko-broncbial. Exspirium am Sternum mit am))hor. 
Hauch. Rhonchi wie oben, nur weniger zahlreich. 

3. ICR. Atmung vesikobronebiaJ, dieselben Ilh. — 

4. und 5. ICR. Atmung leise, scharf, Exspiration verlängert, mittlere, 
ziemlich leise Rhonchi aus der Tiefe. 

L. h. o. über O.-L. wie vorne. Abwärts über Ünterlappeii zunächst Aümmg 
vesiko-bronchial mit zahlreichen groben und einigen mittleren Rhonebi, dann 
in den unteren Partien Atmung leise, ziemlich scharf, Exspirium hauchend; 
Knarren und Knacken in der Feme. 

Auf der rechten Lunge nur in der Spitze etwas zu leises, rauhes Atmen. 
Die hier hörbaren spärlichen feinen Rhonchi sind jedenfalls von der linken Seite 
herübergeleitet. Sonst überall Vesikuläratanen. 

Pat. muss dauernd liegen (meist im Bett). 

14. August 07 Anlegungeines linksseitigen künstlichen 
Pneumothorax (Brauer). Menge des eingeblasenen N 600 ccm. Vor 
dem Röntgenschirm sicht man deutlich einen Pneumothorax, der die Lunge 
nach oben und gegen den Hilus zu hat kollabieren lassen. 

Das Atemgeräusch ist über der linken Spitze fast, sonst über der linken 
Lunge ganz aufgehoben, der sehr reichliche Katarrh zum grössten Teil ver¬ 
schwunden. 

Aus der Kurve^) ersieht man, wie die Temperatur zunächst absinkt, 
mit der ersten Nachfüllung am 19. August wieder etwas ansteigt, urn dann 
noch mehr als vorher abzufallen. Allgemeinbefinden besser als früher. Keine 
Klagen über Herzklopfen mehr. Nach der zweiten Füllung am 27. August wieder 
leichter Anstieg der Temperatur, die nun ohne Aspirin sich dauernd niedriger 
hält als früher, aber doch nicht für längere Zeit unter 37,0*^ absinkt. Es zeigen 
sich vielmehr wechselnd häufig einzelne eingestreute Temperaturen bis 37,3. 
Dabei kann Patient jetzt das Zimmer verlassen und kleine Spaziergänge machen, 
wozu er vorher nicht imstande war. Atemgeräusch und Rh. sind jetzt ganz 
verschwunden. Auch die vorher in der rechten Spitze gehurten Rh. sind nicht 
mehr nachweisbar, ein Zeichen, dass sie in der Tat fortgeleitet waren. 

Das Allgemeinbefinden ist besser wie vor dem Pn.Th. .Auffällig ist 
eine beträchtliche Abnahme der Pulszahl, die jetzt 

Die Kur\'o ist von Pigger in Bd. VlII (S. 3.37] piibli/.iert (künst¬ 

licher Pneumothorax und opsonischer Index). 



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S>> J.. hiiuicr mul Lm iu'^ S|M*iigl«*r. [SS 

d a u f r II cl z w i c li e ii 72 u n d 82 s c li w a n k I, während sie früh e r 
konstant 9ü—1(K) betrug. Körpergewicht zur Zeit der Operation 
57,6 kg, steigt auf 58,3 kg. Ende August tritt eia Magen-Darm katarrh 
auf, damit fällt das Gewicht relativ bald auf 56,0 kg, um dann auf dieser 
Höhe zu bleiben. Das S p u t u rn war vor dem Eingriff sehr reichlich, eitrig¬ 
schleimig, stets zahlreiche elastische Fasern in Strängen und grösseren Ver¬ 
bänden, Tbc. Gaffky VI—Vlll. Nach dem Eingriff schwanden die elastischen 
Fasern dauernd, die Bazillenzahl sinkt auf Gaffky I—II, selten III herab. 
Spiitummenge 2—3 ccm. 

Der Spirometer ergab vor dem Eingriff 24.50, 8 Tag(‘ nach demselben 
1800, nach der zweiten Einfüllung 1250, beträgt nach weiteren 14 Tagen wieder 
1800, sinkt nach der nächsten Einfüllung wieder auf 1200, um dann wiederum 
langsam zu steigen und zwar auf 1500. Das Röntgenbild zeigt, dass di? Lunge 
nach hinleii und auch .seitlich flächenhaft adhärent ist. Diese \ d h ä r o n z e n 
haben sich bei den späteren Punktionen beträchtlich ge¬ 
löst und zwar unter j e d e's m a I i g e n deutlichen p 1 e u r i t i - 
sehen Schmerzen. Die Lunge war dann von der hinteren Fläche abgelöst 
und nur noch in der Kuppe adhärent, nach dem Hilus zu zusammengedrängt. 

Die Punktionen wurden weiterhin in Pausen von 4—5 Wochen wiederholt 
bei stets relativ ausgiebigem Pneumothora.x. Es gelingt stets etwa 1000 ccm N 
einzublasen bei einem Schlussdruck von i)lus 4 bis 5 mm Quecksilber. Im 
Laufe des Februar 1908 treten unter h*i'?hten Temperalursteigerungen bis 
37,5 leichte katarrhalische Erscheinungen über der rech¬ 
ten Lunge auf bei gleichzeitig etwas vermehrtem Auswurf. 
Diese katarrhalischen Erscheinungen waren di? Folge einer Influenzainfektion. 
Inter vorsichtiger Lebensweise, teilweiser Bettruhe, aber bei Fortsetzung der 
Stickstoffüllung sinken diese Temperaturen ganz allmählich wieder ab, auch 
vermindert sich die Quantität d(‘s Auswurfs wieder. 

Im Laufe des Sommers 1908 verschwinden die k a t ar¬ 
rha 1 i s c h (mi Erscheinung e n über der Spitze der recht i* n 
Lunge vollständig. Die S p u t u m menge geht zurück auf 4—6 ccm 
))ro die. T u b e r k e 1 b a z i 11 e n und elastische Fasern werden 
nicht mehr gefunden. Das Körpergewicht steigt von 56,0 kg 
auf 61,0 kg. Der Puls hält sich um 80 herum und die Temperatur ist völlig 
normal. Dabei werden die Nachpunktionen in 5—7 wöchentlichen Intervallen 
ausgeführl. Der Pn.Th. ist nunmehr sehr gross. Ende November 08 beträgt 
das Gewicht sogar 63,0 kg, die S j» u t u m m n g V ?~l ist der Aus¬ 

wurf frei von Koch sehen Bazillen. 

Am 26. Novemlx-r 08 verspürt Patient eimm ludligen Schmerz in der linken 
Schultergegen«!. Es treten Temperaturen bis 37,7 auf, die sich auch während 
der Monate Dezcmiber 08 und Januar 09 auf 37,2—37,4 halten. Am 1. Dez. 08 
wird als Ursache dieser Temjieralursteigerung ein kleines p 1 e u r i t i s c h e s 
Exsudat gefunden, das i m L a u f e d r s M o n a I s F (* b r ua r 1909 
verschwindet. Gleichzeilig wird aucli di<‘ Temperatur völlig normal. 
Die linke Thora x h ä 1 f t e b e g i n n ( n u n e i n z u s i n k e n. Sie ver¬ 
kleinert sich in ihrer ganzen Ausdehnung. Die Interkostalräurnc werden auf¬ 
fallend eng. Zugleich dehnt sich die Lunge aus. 8ie wird in der Kuppe 
und längs der Wirbelsäule a d h ä r e n I. Sie läs.st sich bei den Nach¬ 
punktionen, di<' in zirka sechswöchentlichen Intervallen ausgeführt wurden, 
nur noch W(udg zurück<lrängen und die eingelass<‘nen Slickstoffmengen be- 



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Si)] lirüilirungeii iiml tln*rl«*mingf*n zur Lungciik()ll:i|).stlK‘r?ij)i«*. s‘) 

tragen nur noch 400—600 ccm. Dabei steigt der bei den einzelnen Füllungen 
zwischen 2,0 und 4,0 mm Hg schwankende negative Aiifangsdruck ziemlich 
rasch bis zu einem positiven Schlussdruck von 8—16 mm Hg. — Der Pn.Th. 
wird von Monat zu Monat kleiner, weil die Lunge in der Kuppe und längs der 
Wirbelsäule sich immer mehr ausdehnt und adhärent wird. — T e m p e r a l u r 
völlig normal. Sputummenge seit Anfang Nov. 1908 konslant 1—1\/\, ccm 
pro Tag. Auswurf ohne Tuberkelbazillen und elastische Fasern. Nur sidlen, 
direkt im Anschluss an eine Nachpunktion Gaffky I. 

Gewicht (Anfang Mai 09) 66 kg; Puls 72—80. 

Status vom 7. V. 09. 

Rechte Lunge steht hinten mit ihrem unteren Uiuide 2 cm zu tief; 

links steht die untere Grenze des Pleuraraumes l^ o cm zu tief. — Links oben 
etwas Dämpfung; hinten und vorn in der linken Seite Schachtelton und aus¬ 
gedehntes Stäbchen-Plessimeter-Phänomen. 

Bei der Auskultation links vorn über Klavikula und im 1. Inlerkostalr nun 
sehr scharfes bronchiales Atmen ohne Uhonchi. Im 2. InterkosUdraum am 

.Sternum leises bronchiales Atmen, aus der. Tiefe einige mittlere Rhonclii. Nacli 

aussen hin wird das Atemgeräusch immer leiser und verschwindet in der vorderen 
Axillarlinie. Im 3. Interkostalraum dasselbe. Im 4. und 5. Interkostalraum 
sehr leises Atmen am Sternum, nach aussen zu aufgehobenes Atmen. 

Hinten links oben dasselbe bronchiale Atmen wie vorn, nur etwas leiser 
und ohne Rhonchi. Längs der Wirbelsäule hinunter bis Angul. scap. leises 
bronchiales Atmen, mittlere Rhonchi, besonders nach Husten. Nach aussen zu 
aufgehobenes Atmen. 

Rechts vorn über Klavikula scharfes Inspirium, verlängertes Exspiriun^ 

ohne Rhonchi. Im 1. und 2. Interkostalraumc sehr scharfes Inspirium, ver¬ 
längertes Exspirium ohne Rhonchi. Über Mittellappen vesikuläres Atmen. 

Rechts hinten über dem Oberlappen scharfes Inspirium, verlängertes Ex 
spirium, keine Rhonchi. Atnjen etwas leiser als vorn. Rechter Unterl<ipj)en 
vesikulär. 

Sputum sehr gering, grauweisslich getrübt, schleimig-eitrig - enthält mässig 
zahlreiche Leukozyten, viel Detritus und Plaltenepithelien, zahlreiclie Alveolir- 
epithelien, reichlich Myelin, keine elastischen Fasern und wird in mehreren 
Präparaten ein einziges kurzes und dünnes, gut färbbares Stäbchen gefunden. 

Gewicht 66,1 kg. Temperaturen normal. Puls zwischen 70 und 80. 
Patient geht mehrmals des Tages bergauf spazieren ohne Beschwerden. 

Patient verlebt die Zeit von Ende Mai 09 bis Anfang Sept. 09 zu Hause 
auf dem Lande bei andauernd sehr gutem Befinden. Der Hausarzt ist 
erstaunt, den Kranken in solcli guter Verfassung wieder 
zu sehen, da er ihn für verloren gehalten habe. 

Am 12. Juli 09 wird der Kranke in Marburg nachpunktiert. N — 300. 
\. l)r. — 12,0, E.-Dr. + 7,0. 

Befund vom 12. VII. 09 vor der Punktion. 

Vorzüglicher Ernährungszustand, dauernd afebril bei Mundmessung. Sputum 
etwa 3 ccm. Keine Spur von Dyspnoe. Pat. kann Treppen steigen, geht auf 
Jagd (zu Hause). — 

L. V. o. Verkürzung mit Tympanie. 

R. V. o. sehr breite, scharf begrenzte normal schallende Spitze. 

L. h. o. Schallverkürzung, ab Angiilns lauter senorer Sctiall. Gn*ii/,c 
r. 11. sein gut verschieblich, 10. Rippe. L. u. unviTscliiiddich. 


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90 


L. Brauer iiml Lucius Spengler. 


190 


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Ilerzgrenzeii, 1. SternaJrand, 1. Mamillarlinie, der Schall der rechten Lunge 
reicht bis zum 1. SternaJrand. 

R. V. o. Atemgeräusch klein wenig zu scharf, Exsp. normal, keine Rh. 
Unter Klavikula Exsp. sakkadiert, zu scharf, liier herzsystolisches Atmen. Auch 
nach Husten keine Rh. 

R. h. o. Atmen etwas leise, keine Rh. Auf der ganzen rechten Seite 
etwas pueril. L. Atmen überaus abgeschwächt. Über der Spitze vorn ganz leises 
fern klingendes, hauchendes Atmen, ebenso vorn am 1. Sternalrand. Nach 
Hustenstössen einzelne hellklingende Rh. L. seitlich kein Atemgeräusch. L. li. 
klingt ganz leise hauchendes Atmen durch. Röntgenbild zeigt 4 Querfinger 
breiten Pn.Th. Vielleicht 2—3 Esslöffel Exsudat. 

Herztöne leise, rein. 2. Pulmonalton klappt. 

Patient ist frei von allen Komplikationen. 

Anfang Sept. 09 kehrt der Kranke nach Sanatorium Schatzalp zurück, 
um den Winter dort zuzubringen. 

Befund vom 10. Sept. 09. 

Gewicht 70,0 kg. Puls 68—80. Tenip. normal. Auswurf 1—3 ccm, ent¬ 
hält weder Tuberkelbazillen noch elastische Fasern. — 

In der linken Seite besteht ein langer, flacher, nicht sehr tiefer Pneumo¬ 
thorax. Dasselbe lässt sich auch mit Stäbchen-Plessimeter nachweisen. Herz 
nicht mehr nach rechts verlagert. Über dem Pneumothorax gedämpfte Tympanie; 
kein Exsudat. 

R. V. über Klav. scharfes Inspir., etwas verlängertes Exspir., nach Husten 
ab und zu ein feiner trockener Rh. 

1. ICR. dito. 

2. ICR. vesik. 

M.L. vesik. 

H. r. o. wie vorne. 

R. u. vesik. 

L. V. über Klavikula leises bronch. Inspir. und Exspir. ohne Rh. 

I. ICR. dito; hier spärliches Knattern nach Husten. 

2. ICR. Insp. scharf, Exspir. verlängert; ausserhalb der Mamillarlinie von 
oben bis unten (Bereich des Pneumothorax) abgeschwächtes Atmen ohne Rh, 

3. —5. ICR. laute Herztöne und abgeschwächtes Atmen. 

H. 1. o. Inspir. scharf, Exspir. hauchend; spärl. leises Knattern nach 
Husten. 

L. u. neben Wirbelsäule dito; in der Seite fast aufgehobenes Atmen. 

16. IX. 09. Nachpunktion. 

N = 300 ccm. 

A.-Dr. — 12,0 cm HgO. 

E.-Dr. -|- 7,0 cm HgO. 

Lunge, wie oben schon mitgeieilt, in der Kuppe und längs der Wirbel¬ 
säule bis zum Zwerchfell fest adhärent. Es steigt daher in dem kleinen Pn.Th. 
beim Nachfüllcn der Druck sehr rasch. 

Während des Winters 09/10 werden die Punktionen in Pausen von vier 
bis sechs Wochen ausgeführt. Der A.-Dr. ist dabei stets negativ (— 2 bis 4 und 
darüber, einmal —12 mm Hg), die Schlussdruckwerte sind ziemlich hoch 
(-]- 15 bis 22 mm Hg), und zwar trotzdem in der Regel nur 300 ccm N eingelassen 
werden können. Die Temperaturen zeigen während der ganzen Zeit öfters kleine 
Spitzen, bis 37,2, selten 37,4. Der Auswurf verschwindet nicht ganz, es 



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91] Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapslherapie. 91 

werden täglich 2—5 ccm ausgeworfen. Derselbe enthält bald Tuberkelbazillen, 
bald nicht; elastische Fasern konnten nicht wieder nachgewiesen werden. 

Die ganze linke Thorax hälfte ist stark zusammen- 
gcfallen, die Rippen sitzen dicht aufeinander, das Zwerch¬ 
fell steht links hinten ca. 2 cm zu hoch. Das Herz liegt links an 
normaler Stelle, es verschiebt sich natürlich unter dem Einfluss der Nach¬ 
füllungen. Der linke Rand der rechten Lunge reicht bis zum linken Sternal- 
rand (Überblähung). Die Form des Pn.Th. hat sich seit 16. IX. 1909 wenig 
v^erändert. Es wurden während des Winters 09/10 zweimal 
zwischen den Nachfüllungen etwas grössere Pausen ein¬ 
geschaltet, um beurteilen zu können, ob die Möglichkeit 
bestehe, den Pneumothorax eingeh en zu lassen. Da bei 
diesen Versuchen sofort wieder vermehrter bazillen¬ 
haltiger Auswurf auftrat, soll von nun an alle 14 Tage 
nachpunktiert, und dabei jeweils nur der negative Druck 
ausgeglichen werden. 

Das Gewicht schwankte während des ganzen Winters 09/10 zwischen 
68,5 imd 70 kg, der Puls zwischen 68 und 84. 

Befund vom 12. IV. 10: Puls 68—76, Temperatur normal, selten 37,1. 
Gewicht 68,3 kg. Sputum enthält sowohl am 8. März 10 als auch am 4. April 
1910 spärlich Tuberkelbazillen (Gaffky II—III), keine elastische 
Kasern. Allgemeinbefinden sehr gut, Schlaf und Appetit ebenso. 

Unterer Rand der rechten Lunge hinten wenig tiefer als normal, vorn in 
der Mamillarlinie Mitte 6. Rippe. Unterer Rand der linken Lunge hinten IV 2 cm 
zu hoch, Rechts vorn über Klav. verschärftes Insp., verlängertes Exsp., keine 
Rh. Im 1. ICR. dasselbe, 2. ICR. verschärftes Atmen ohne Rh., M.L. vesikulär. 
Rechte Spitze hinten Insp. scharf, Exsp. etwas verlängert, keine Rh. Rechter 
U.L. vesikulär. Rechte Lunge vorn nach links überbläht bis zum rechten 
Sternalrand, was perkutorisch sehr leicht nachzuweisen ist. Links vom und 
hinten besteht, wenn man von der Mitte nach aussen perkutiert, eine Dämpfung, 
welche ungefähr die Hälfte der linksseitigen Thoraxhälfte beschlägt. Über der 
äusseren Hälfte tympanitischer Schall und deutlich Stäbchen-Plessimeter-Phä- 
nomen. L. vorn über Klav. scharfes bronchiales Atmen, Knarren und Knacken. 
Im 1. ICR. Insp. scharf, Exsp. hauchend, Knarren und Knacken, jedoch fast 
nur nach Husteo; im 2. ICR. Insp. scharf, Exsp. verlängert, keine Rh., ebenso 
iin 3., 4. und 5. ICR. Über der oben beschriebenen tympanitischen Zone leises 
metallisches Atmen, am deutlichsten in der Axillarlinie. Hinten links oben 
Atmen leise imd scharf bronchial, Knarren \md Knacken. Über der tympanitischen 
Zone einige metallische Rh. aus der Tiefe. Linker U.L. längs der Wirbelsäule 
Atmen leise, Insp. rauh-scharf, Exsp. verlängert, spärliches Knarren und Knacken; 
an der Basis ohne Rh. Über der tympanitischen Zone (äussere Partie) metallisches 
•Atmen und aus der Tiefe spärliche metallisch klingende Rh. 

W’ährend des Sommers 1910 lebte Patient zu Hause auf dem Lande. Er 
wurde regelmässig in Intervallen von 2 —3 Wochen nachpunktiert. Die Stick¬ 
stoffmenge betrug jeweils 200—250 ccm, der Anfangsdruck betrug meistens 
^ 0 oder er wlar leicht negativ. Der Schlussdruck schwankte zwischen + 30 bis 
50 mm Hg. Tuberkelbazillen wurden während des ganzen Sommers im Aus¬ 
wurf nie gefunden. Die Auswurfmenge ist klein, schwankt zwischen 2—8 ccm. 
Der Puls 68—84. Körpergewicht schwankt zwischen 68—70 kg. Temper.ilnreii 
normal. Abschluss der Krankengeschichte Mitte S<‘ptoinber 1910. 


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L. Br.'iinT und Lucius S[M*u^U‘r. 


[02 


02 


Indikation zur Operation. Schwere linksseitige Tuber¬ 
kulose mit Zerfall im überlappen. Andauernde Temperaturerhöhung 
trotz mehrmonatlicher Ruhekur im Sanatorium. Ziemlich hohe Puls¬ 
zahlen, Verschlimmerung des Lungenbefundes, Vermehrung des Aus¬ 
wurfes, leichte, anscheinend inaktive Erkrankung der rechten Spitze. 

Epikrise. Gewicht vor der Operation 57,6 kg, bei Abschluss 
der Krankengeschichte (Sept. 10) 70 kg. Puls vor der Operation 
90—100, während der letzten Monate 68—80. Temperatur vor der 
Operation erhöht, nun seit länger als einem Jahre normal. Auswurf 
vor der Operation reichlich, viele Tubcrkelbazillen enthaltend (Gaffky 
VI—VII), sowie reichlich elastische Fasern. Seit Monaten Auswmrf 
nur 1—5 ccm pro Tag, der während des Winters 1908/09 und des 
Sommers 1909 meist keine Tuberkelbazillen und keine elastischen 
Fasern enthielt. Nur im Anschluss an eine Nachfüllung und neuer¬ 
dings bei den Versuchen, den Pneumothorax eingehen zu lassen, 
traten im Sputum Tuberkelbazillen ab und zu wieder auf (Gaffky 
I—11). Der Pneumothorax soll nun öfters nachpunktiert und dabei 
nur der Druck ausgeglichen werden. Die Operation war am 14. VIII. 
1907 ausgeführt worden. 6 Monate später, Februar 1908, im Anschluss 
an einen Influenzanfall, leichte Erkrankung der linken Spitze, die 
nun aber seit Herbst 1908 ausgeheilt ist. Im November 1908 trat ohne 
bekannte Ursache ein kleiner pleuritischer Erguss auf. Derselbe war 
von leichten vorübergehenden Temperaturerhöhungen begleitet. Der 
Erguss resorbierte sich im Laufe des Monats Februar 1909 spontan 
und vollständig. Die Lunge dehnte sich in der Kuppe und längs der' 
Wirbelsäule immer mehr aus und wird fest adhärent. Der Pneumo¬ 
thorax wurde so immer kleiner. Lange Monate war es wegen der 
Erkrankung der anderen Seite recht zweifelhaft, ob der Erfolg der 
Behandlung ein guter sein werde. Es hat sich hier das konsequente 
Bleiben bei der einmal begonnenen Behandlung gut be^vährt. 

Während des Sommers 1910 ist in dem Befinden insofern noch 
eine Besserung eingetreten, als im Auswürf seit April 1910 keine 
Tuberkelbazillen mehr gefunden werden konnten. Das Befinden ist 
sclir gut, Puls und Temperatur normal. Pneumothorax nur noch klein. 


129 . Tlieophil St., 20 Jahre alt (Fall 1 Dr. Nienhaus). 

Die Krankengeschichto ist aiisführliclier ini Zusammenhang mit tleiii 
Sektionsprotokoll imcl einer eingelienclen mikroskopischen Untersuchung von 
tiraetz publiziert ((li(‘se Beiträge Band X, Heft a). Es muss darauf ver¬ 
wiesen werden. Der Kall (dKirakt(‘ri'<i!‘rt sicli klinisch in Kürze dadurch, dass 

U' Siide- XiinirriiTimg «h*r Käll«* in t|i‘r Arls-il ,,Tf*rlinik“. 


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93] 


Erfaliriinuon iinri l’bprlet'uni'en zur f.uriK^'nkollapsIlior.ipi«'. 


93 


bei einem seit längerer Zeit sehr schw^erkranken jungen Manne am 11. iN'ov. 
1907 rechts ein Pneumothorax angelegt wurde. Der Pneuniotliorax gelingt 
teclmisch sehr gut und ist sehr gross. Der Zustand des Patienten wird 
wenig beeinflusst. Die Temperaturen schwanken bis auf 37,6, wie auch 
in der letzten Zeit vor dem Eingriff. Das Sputum wird an Quantität etwas 
geringer. ' Der Verlauf ist anfangs ohne Besonderheiten. Man konnte hoffen, 
dass, wie in anderen Fällen so auch hier, ein nennenswerter Erfolg noch 
eintreten werde. Am 18. Oktober trat dann unter Schüttelfrost und auf¬ 
steigendem Fieber ein sich rasch vergrössemdes Exsudat ein. Dieses nun 
sehr bald stark raumbeengende Exsudat gesellt sich der Pneumothoraxblasi* 
hinzu und damit tritt stärkere Zyanoso und Dyspnoe zutage. Nach einigen 
Tagen treten auch über dem linken Unterlappen zahlreiche feuchte mittel- und 
grossblasige Rasselgeräusche auf. Pat. geht am 2. November 07 zugrunde. 

Wegen des Sektionsberichtes muss auf die oben genannte Darstellung vor 
wiesen werden, 

Indikation. Wegen der sehr schweren Erkrankung der r. 
Lunge und des äusserst langsamen und ungünstigen Verlaufes, vor 
allem aber wegen der häufig sich wiederholenden Blutungen und der 
darauf folgenden Pieberschübe drängen Patient und dessen Familie auf 
Anle^ng eines künstlichen Pneumothorax, trotzdem sowohl ihm wie 
der Familie ausdrücklich betont worden war, dass in diesem Fall 
das Risiko des Eingriffes wegen des Befundes auf der anderen Seite 
ein relativ grosses sei. 

Epikrise. Der Patient wurde zunächst nicht nennenswert be¬ 
einflusst. Das sechs Wochen nach Anlegung des Pneumothorax auf- 
tretende Exsudat hat ihn aus dem gleich zu nennenden Grunde selir 
ungünstig beeinflusst, es traten hohe Temperaturen und die Erschei¬ 
nungen sehr starker Raumbeschränkung im Thorax ein. Diesen beiden 
Faktoren ist der Patient erlegen. 

Nach unseren jetzigen Erfahrungen wäre es wohl richtiger ge¬ 
wesen, bei rasch entstehendem grossem Exsudat dies^ mehrfach 
zu entleeren, eventuell auch die Pneumothoraxblase zur Druckkon¬ 
trolle zu punktieren und bei Bestand eines übergrossen Druckes 
entsprechende Mengen Stickstoff abzulasseii. 


37. Frl. G. P., Italien (Fall I Dr. Philippi). 

Anamnese: Keine Heredität, Eltern gesund, die sechste von zehn Ge¬ 
schwistern (eines an Meningitis gestorben). Als Kind kräftig. Masern und 
Keuchhusten ohne Folgen. Scharlach? Diphtheritis? Als Kind öfters Anginen. 
Von 13 Jahren an stark blutarm. Mit 17 Jahren Periode, hin und wieder mit 
Schmerzen, öfters Influenza, das erste Mal 1889 ohne Katarrh. Im Jahre 1899 
8 Tage Fieber (angeblich febr. typhoid). Im April 1902 Erkältung. Im An 
Schluss daran Lungen-Brustfell- und Kehlkopfentzündung. 17 Tage zu Bett, 
schon vorher etwas trockenes Hüsteln. Es blieb Husten ohne Auswurf zurück. 
Patientin nahm ab und fühlte sich schwach, zeitweise Naclitschweiss. Später 


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L. Brauer und l^ucius SjXMigler. 


104 


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B4 

auch Auswurf, der nicht untersucht wurde. CJehrauch von Sirulin. Die Patientin 
ging dann aufs Land in die Näh<^ des Lugajier Sees. Im Winter nach Mailand 
zurück, dort wieder Influenza mit etwas Fieber. Seit Ostern 1903 mehr Aus¬ 
wurf. Patientin wurde leicht müde, bekam leicht Herzklopfen, Appetit war 
schwach. Stuhl oft angchalten. Sie nahm dann auch Phosphate. Im Juni 1903 
Lungenblutung (etwa ein Taschentuch voll). Bei ihrem Eintritt in die Be¬ 
handlung des Herrn Kollegen Philipp i, dem wir diesen Bericht 
danken, am 31. VII. 03 bestand Husten und Auswurf. Zeitweise Schmerzen 
zwischen Schultern. Geringer Appetit, Nachtschweisse. Elwjis Herzklopfen, hdclit 
Engigkeit. Schlaf zeitweise durch Husten gestört. 

E i n t r i 11 s b c f u n d: Guter Erniihriuigszustand. Erscheinungen von 
Anämie. Thorax breit flach, über beiden Klavik. eingesimken, links nach¬ 
schleppend. 

Perkussion: R. v. o. Schallverkürzung bis 2. Rippe. R. b. o. bis Mitte 
Skap. R. h. u. noch geringe Schallverkürzung. Untere Grenze an der 6. Rippe 
verschieblich. L. v. o. relativ gedämpft mit tymp. Beiklang, nach unten zu 
etwas heller bis zur Herzgrenze. Untere Axillargegend noch geringe Schall- 
vorkürzung. L. h. o. auch relativ gcnlämpft, gegen Ang. scap. zu heller, weiter 
unten wieder stärker gedämpft. Untere Grenze wenig verschieblich. 

Auskultation: R. v. o. unrein vesiko-bronch., zahlreiche mittlere und 
gröbere meist klingende Rh. mit Giemen und Quietschen. Im 1. ICR. Rhonchi 
mehr mittel, weniger klingend, im 2. ICR. noch zähfeucht, ziemlich klanglos, 
ausserdem noch verbreitetes Giemen, weiter unten vesik. R. h. o. auch vesiko- 
bronch., zerstreute mittlere, zähe feuchte, in den oberen Partien klingende 
Rhonchi, nach unten zu weniger klingend bis gut Mitte Skap. L. v. o. bronch.- 
vesik. verbreitete, mittlere und gröbere zähfeuchte klingende Rhonchi, im ganzen 
etwas weniger als rechts, ausserdem Quietschen und Giemen. Im 1. ICR. 
Rhonchi etwas spärlicher. Ini 2. ICR. noch vorwiegend quietschende Geräusche. 
Rhonchi sonst weniger klingend, mittelzäJi, weiter unten klanglos, bis obere 
Axillargegend reichend. L. li. o. ebenfalls mittlere bis gröbere zähfeuchte, 
klingende Rhonchi gegen Mitte Skap. mehr mittel, weiter unten noch verbreitetes 
Giemen, noch zerstreute mittlere klanglose Rhonchi. Atmung in den unteren 
Partien abgeschwächt unrein. 

Larynx: Stimmbänder frei, llinterwand etwas verdickt und rauh. 
Chronische Pharyngitis. 

Sputum: Sehr viel Tuberkelbazillen (Gaffky VIII), elastische Fasern. 

Temperatur war dauernd erhöht, mit remittierend-intermittierendem 
Typus. Max. um 38^’, prämenstruell meist noch höher. 

Therapeutisch wurden zuerst Salizyl-Arsen-Pillen nach t e n Kate gegeben, 
daiui während ca. 4 Monaten Hetoleinspritzungen gemacht, später während 
eines Monats Alttuberkulin und schliesslich 5 V 2 Monate Perlsuchttuberkulin ge¬ 
geben. Da.^ Allgemeinbefinden war trotz der dauernd bestehenden Temperatur- 
erhöhimg gut. Das Gewicht der Patientin, das beim Eintritt 53,5 kg war, erhöhte 
sich in den ersten drei Monaten um 5 kg. Husten imd Auswurf gingen etwas 
zurück. Während nun der Prozess auf der linken Lunge sich im ganzen zurück¬ 
bildete, so gewaiui er auf der rechten Limge an Ausdehnung. In der ersten 
Zeit traten manchmal leichte pleuritischc Reizungen in den 
unteren Partien der linken Lunge auf. Hin und wieder war die 
Verdauung angehalten. Es zeigten sich öfters Leihschmerzen, ohne dass abnorme 
Resistenzen nachgewiesen werden konnten. Zeitweise ging aucli etwas Blut 



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9r>] Erfaliruiiuen und rinude^ningon zur Luu^uuikollapstiMMaiiic. ‘.»5 

lind Schluim mit dem Sluhl ab. Später wurden in dem Seldeim des Sluhl- 
uanges Tuberkelbaziilen gefunden; es trat auch liin imd wieder Diarrhöe auf. 
Nacli etwa Vi Jahren /and sich eine 'Druckempfindlichkeit mit vermehrter 
llesistenz in der Nabelgegend, sowie im linken Hypochondrium. Die Patientin 
erhielt dann in den Zeiten der Diarrhöe Taimalbin mit Opium und auf den 
Leib bekam sic längere Zeit Alkoholunischläge. Während längerer Zeit wurde 
Thiokol gegeben. 

Ferner litt Pat. an einer sehr hart n ä c k i g e n 1 y m p li a I i s c b e n Kon¬ 
junktivitis. Der Puls blieb immer gut, meist zwischen (>8 und 88 . LelxT und 
Milz Avaren nicht vergrössert. Am 13. IX. 04 machte sie dann eine Hämoptoe 
durch (etwa 1/3 Spucknapf voll Blut), die rasch stand. Die katarrhalischen 
Erscheinungen auf den Lungen wechselten sehr, dementsprechend auch die 
Menge des Auswurfs. Der Bazillengehalt des Auswurfs war 
immer sehr reichlich. Die Beschwerden von seiten des Darmes wurden 
später geringer, doch nahm der Appidit allmählich wieder ab und auch das 
Körpc'rgewicht ging wieder zurück. 

Am 8 . VII. 05 unterbrach die Patientin die Kur zum erstenmal. Der 
Entlassungsbefund am Ende der ersten Kur war kurz folgender: 

Perkussion: R. v. o. Schallverkürzung, im 1 . ICR. deutlicher bis 
relativ. Iin 2. ICR. hauptsächlich noch aussen. Im 3. ICR. aussen noch ge 
ringe Verkürzung, ebenso in den unteren Partien; in der oberen Axillargegend 
sonor. R. h. o. relativ gedämpft. Gegen Mitte Skap. etwas heller. Von Ang. 
scap. an ziemlich sonor, ganz unten noch geringe etwa dreifingerbreite Ver¬ 
kürzung. Rechte untere Limgengrenze verschieblich. L. v. o. relativ gedämpft 
stärker als rechts, im 2. ICR. heller, besonders neben Sternum. Von der 
oberen Axillargegend nach unten zunehmende bis relative Dämpfung. L. h. o. 
auch relativ gedämpft, weniger als rechts, gegen Mitte Skap. aufhellend, weiter 
unten sonor. Über dem unteren Lungenrand noch minimale Schallverkürzung, 
kleiner als rechts. Untere Grenze überall gut verschieblich. 

Auskultation: R. v. o. Atmung sehr leise, unrein, vesiko-bronch., 
mittleres bis gröberes, zähfeiichtes, nicht sehr klingendes Rasseln. Im 1 . ICR. 
vermehrt, stärker klingend, die bronch.-vesik. Atmung fast verdeckend, zum 
Teil mit etwas metallischem Beiklang. Im 2. ICR. Atmung noch leise, Rh. 
weniger klingend, mehr mittel. Im 3. ICR. noch vereinzelte klanglose Rh. 
Im 4. ICR. Rhonchi wieder vermehrt bis Knattern, ebenso weiter unten, aber 
weniger klingend, mehr zäh; ausserdem noch Schnurren. In der unteren Axillar¬ 
gegend noch ziemlich zahlreiche klanglose Rh. und Schnurren, dazwischen 
deutliches Pleurareiben. Nach oben zu Rh. spärlicher. L. v. o. über Klavikula 
ziemlich rein, vesiko-bronch., mit verl. Exsp. und sakkadiertem Insp., ver¬ 
einzelte ziemlich feine, fern klingende Knackse nach Husten. Im 1 . ICR. nebiMi 
Sternum noch vereinzelte mittlere halbklingende Knackse. Im 2 . ICR. nebiui 
Sternum noch etwa ein feiner Knacks nach Husten, Atmimg vesik. In der 
unteren Axillargegend noch einzelne klanglose Knackse. Atmung etwas ab¬ 
geschwächt, unrein. R. h. o. Atmung leise, vesiko-bronch., verdeckt durch 
verbreitetes, zähes mittleres Rasseln bei Mitte Skap., noch halbklingend, gegen 
Ang. scap. wieder spärlicher, klanglos, daneben Brummen. In den unteren 
Partien keuchendes Insp. bei unreinem Atmen, aussen noch etwa ein klangloser, 
ziemlich feiner Rhonchus, daneben feines Knacken und Reiben über Lungenrand, 
besonders aussen. L. h. o. Atmen leise, unrein, vesiko-bronch. Keine deut¬ 
lichen Nebengeräusche. Nur bei Mitte Skap. vereinzelte klmiglose, feine lüs 


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li. HraiuT nml lairiiis Spoii^lpr. 


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IM) 


liKJ 


niitlUML*, ziemlich Irockoiif Uhonclii, nach ausstMi zu feiner, weiter unten unrein. 
In (h‘n vertebralen Partien bis unten noch etwa ein mittlerer klaugFoser Rhonchus 
l)ei abgeschwächteni Atmen. Aussen über Lungenrand noch etwa ein klangloser 
f(‘iner Knacks. 

Im Auswurf noch zalilrei<he Tiiberkelhazillen (riaffky VIH, elastische 
Fasern. 

l'm Urin eine Spur Eiweiss. 

Das Gewicht war zuletzt 04.7 kg. 

Die Patientin ging dann für ca. 2 Monate nach Hause. Dort ging es ihr 
rasch schlechter. Sie hatte wieder mehr Husten und Auswurf und die Tempt> 
ratur war durchschnittlich höher. Auch die Magendarmbeschwerden traten wieder 
deutlicher auf. Patientin trat dann am 17. X. 05 wieder in die Anstalt ein. 
Der Lungenbefund hatte sich insofern Vv?rschlechtert, als die Dämpfungen über 
den oberen Partien der rechten Lunge, sowie* Jiuch über den unteren Partien 
derselben Lunge deutlich stärker geworden waren; auch die katarrhalischen 
Erscheinungen auf der rechten Lunge hatten zugenommen, ebenso die Zerfalls- 
erscheinungen in der rechten Spitze. Kurz zusammengefasst war der Befund 
bei der Wiederaufnahme folgender: 

Perkussion: R. v. o. gedämpft, tymp., im 1. ICH. neben Sternum 
(‘twas stärker, im 2. ICH. Dämpfung etwas heller, besonders aussen. Im 
3. ICH. noch geringe Verkürzung, nach unten zu Verkürzung zunehmend, bis 
relativ gedämpft. R. h. o. stark gedämpft, gegen Mitte Skap. heller, dann 
noch geringe Schallverkürzung, ganz unten wieder dreifingerbreite Verkürzung. 
Grenzen gut verscbieblich. L. v. o. Dämpfung Lm ganzen wie früher, aber 
weniger stark als rechts. Cntere Axillargegend noch relativ gedämpft. L. h. o. 
im ganzen wie früher. 

Auskultation: H. v. o. zahlreiche mittlere und grobe, zälie, klingende 
Hhonchi, die die .\tmung fast verdecken. Im l. ICR. Rhonchi zum Teil 
metallisch, nach aussen zu mehr mittel, nicht stark klingend. Im 2. ICR. 
besonders nach aussen zu klingendes zähes Hasseln. Im 3. ICR. spärlicher, 
noch halbklingend. Im 4. ICR. wieder feuchter, neben Sternum stärker klingend. 
Weiter unten etwas spärlicher mit Knarren vermengt. In der oberen Axillar¬ 
gegend spärliche klanglose Hhonchi, nach unten zu zunehmend, wenig klingend 
mit zerstreuten knarrenden Geräuschen vermengt. R. h. o. leise vesiko-bronch. 
verbreitete, mittlere und gröbere, klingende Hhonchi und zähes mittleres 
Quietschen, gegen Mitte Skap. zunehmend, stärker, mehr mittel klingend, be¬ 
sonders in den vertebralen Partien gegen Ang. wieder etwas spärlicher, weniger 
klingend. In den unteren vertebralen Partien noch zerstreute halbklingendo 
Hhonchi und Giemen bis aussen. Atmung abgeschwächt. L. v. o. über Klavikula 
leise vesiko-bronch. mit verlgl. Exsp., keine deutliche Nebengeräusche. Im 
1 . ICH. nelxm Sternum noch spärliche, wenig klingende, mittlere Knackse, 
ebenso im 2. ICH. neben Slernum ziemlich klanglos, aussen noch etwa halb¬ 
klingender feuchter Rhonchus, eh(*nso im 3. und 4. ICR. aussen. In der 
oberen Axillargegend keine Nebengeräusche, unten noch abgeschwächt, unrein. 
L. h. o. auch leise, unrein, vesiko-bronch., unterhalb Spin. scap. noch etwas 
Knarren, ziemlich klanglos, unten noch etwas abgeschwächt. Atmung überall 
vesikulär mit verlängertem Exsp. Puls regelmässig, ziemlich kräftig, 88. Im 
linken Hypochondrium immer noch starke Empfindlichkeit und strangförmigo 
Resistenz. Es h(*stehen noch ziemlich starke Leibschmerzen und Durchfall. 
Im Urin Eiweissspuren. Kein Diazo. kein Zucker. Zahlreiche Tuberkelbazillen 
im Sputum itJaffky VF, niMiv^t auch elaslischc l'ascm. 


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97] Erfa]irun|j;(.'n und t l)t‘rl«.*uuiu,u‘n zur Luu' 4 <‘nkullii})slln.*iai»i<‘. 97 

In den nächsten Monaten blieb das Hefindeii schwankend. D i e T e in p e - 
ratur war dauernd erhöht, Maxiniiim um 38 herum. Die Leib¬ 
beschwerden wechselten. Appetit ebenfalls schwankend. Patientin nahm dann 
längere Zeit Histosan. Es wurde dann noch einmal ein Versuch mit D e n y s 
schem Tuberkulin, .sowie mit T.O.A. „Höchst“ gemacht. Dabei gingen die Leib 
schmerzen zurück. Dagegen zeigten sich auf den Lungen wiod(*r frische 
Reizerscheinungen, so dass mit dem Tul>erkulin Monate ausgesetzt wurde. 
Am 14. September 1906 machte die Patientin eine Influenza durch, die imter 
.\.spiringebrauch rasch vorüberging. Im An.schluss daran zeigte sich wieder 
vermehrter Katarrh auf den Lungen. Später nahm dann der Katarrh wieder 
ab. Hin .und wieder trat auch einmal wieder kurzdauernde Diarrhöe auf, 
im ganzen aber seltener als früher. Ende .August 1907 war der Befund kurz 
folgender: 

Perkussion: R. v. o. relativ gedämpfte vermehrte Resistenz. Im 
1 . imd 2. ICR. aussen etwas heller, vom 3. ICR. jui wieder stärker gedämpft, 
.auch in den äusseren Partien. Untere Grenze in der Mamillarlinie kaum ver¬ 
schieblich, in der unteren Axillargegend wenig verschieblich. R. h. o. deut¬ 
liche relative Dämpfung, unterhalb Spina scap. stärker werdend, gegen Ang. 
.scap. wieder heller, ganz imten noch dreifingerbreite starke Verkürzung, aussen 
heller vmd schmäler; untere Grenze i.st otwa.s verschieblich. Links Dämpfung 
wie früher. 

Auskultation: R. v. o. .Atmung leise bronch.-vesik., mittlere und 
grobe, zähe, klingende Rhonchi. Im 1. ICR. wenig spärlicher, zum Teil 
metalli.sch. Im 2. ICR. noch ziemlich zahlreiche, zähe, initiiere, klingende 
Rhonchi, neben Sternum spärlicher. Irn 3. ICR. aussen auch ziemlich zahl¬ 
reich, zäh, halbklingend, auch Quietschen. Im 4. ICR. aussen noch spärlich, 
ziemlich klanglose Rhonchi, nel>en Sternum 0; ganz unten noch einige zähe 
halbklingende Rhonchi neben Sternum, nach aussen zu mehr knarrende Ge¬ 
räusche. Mittlere und obere Axillargegend noch spärliche, mittlere halbklingende 
Rhonchi neben Pektoralrand. R. h. o. bronch.-vesik., zahlreiche mittlere bis 
gröber klingende Rhonchi imd Quietschen. Gegen Mitte Skap. vorwiegend 
mittel, weniger klingend, ziemlich feucht. Nach unten zu fast klanglos, be¬ 
sonders in den äusseren Partien. Ganz unten ziemlich spärlich. Atmung abge- 
schwächt, aussen etwas lauter, hier noch etwas mittleres klangloses Knarren. 
L. V. o. keine deutlichen Nebengeräusche, nur im 3. ICR. etwas feines Piepsen. 
L. h.. o. unterhalb Spina scap. noch etwa ein ziemlich feiner, fern klingender 
Knacks nach hinten, ganz unten noch abgeschwächt unrein. 

Puls 84 regelmässig ziemlich kräftig. Herztöne rein. Zweiter Pulmonalton 
ziemlich akzentuiert. Herzgrenzen an normaler Stelle. Spitzenstoss 2 finger¬ 
breit innerhalb der Mamillarlinie. 

Eine am 10. IX. 1907 vorgenommene Röntgenaufnahme er¬ 
gab eine g 1 e i c h m ä s s i g e fleckige .Abschattung über der 
ganzen rechten Lunge. Iml. ICR. neben Sternum eine hellere 
Partie (Kaverne). Das Zwerchfell war rechts etwas weniger 
beweglich als links. Mit Rücksicht auf den nun schon seit 
4 Jahren andauernden fieberhaften Zustand und auf den 
entschieden progressiven Charakter des tuberkulösen 
Prozesses auf der rechten Lunge und im Hinblick auf die 
Erfolglosigkeit der bisher eingeschlagenen Therapi(' 
wurde noch als 1 e t z t e r V e r s u c h die .V n 1 e g u n g eines P n <* u m o- 

Heitrnge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. .\iX. If. 1. 7 


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L. I>rau(T uiul Lucius Spoii^lor. 


L98 


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1)S 

t h o r a X auf der r o c Ii t o n Lunge in K r w ä g u n g gezogen. Aller¬ 
dings schien j a d i e A u s s i c !i t bei Berücksichtigung der h e ■ 
sichenden Darm tuberkulöse recht gering. Da jedoch die 
Erscheinungen von seiten des Darmes in letzter Zeit 
wesentlich zurückgegangen waren, so erschien der er¬ 
wähnte operative Eingriff aus der Erwägung heraus ge¬ 
rechtfertigt, dass mit Eliminierung der grossen Eiter¬ 
fläche der rechten Lunge der Organismus den Darmprozess 
eher zur Heilung bringen würde. Für den Fall, dass die 
Anlegung des Pneumothorax gelingen und das Fi.eber in 
dem gewünschten Masse zurückgehen würde, war vorge¬ 
sehen, noch einmal eine vorsichtige Tuberkulinbehand¬ 
lung zu machen. Nachdem Brauer (Marburg) die Sachlage 
a u s e i n a n d e r g e s e t z t worden av a r, li i e 11 <* r die Anlegung 

des Pneumothorax für gerechtfertigt. 




Die Operation wurde am 11. IX. 1907 von Brauer vorge- 
n o m m e n. Es wurde im 6. ICR. ein Einschnitt gemacht unter lokaler Anästhesie. 
Boi der Durchbohrung der Pleura erfolgte zweimaliges leichtes Einzischen von 
Luft. Gleichzeitig musste die Patientin erbrechen. Es erfolgte dann ein leichter 
Kollaps. Der Puls, der anfänglich regelmässig 72 war, wurde unregelmässig 
und stieg auf 88. Es werden zwei Spritzen Kampferäther gegeben, worauf 
die Patientin sich wieder erholte. Es konnte dann die Ureterensonde leicht 
und glatt eingeführt worden. Danach wurden 900 ccm. Stickstoff eingegossen. 
Die Patientin gab zum Schluss etwas Dnickgefühl an. Der Schlussdruck war 
leicht positiv. Nach der Operation klagte die Patientin über ziemlich starke 
Dyspnoe, die bis zum AI)end andauerto. Der Puls blieb 80 bis 84. Die Pat 
liatte aber das Gefühl von Herzklopfen und Schwäche; auch klagte sie über 
S c h 1 u c k b e s c h w erde n. Gegen Abend trat eine ausgesprochene Rötung 
der rechten Gesichtshälfte ein, sowie etwas Hautemphysem, das vom 
bis zur Klavikula und hinten bis zur Spin. scap. reichte. Ein Tag nach der 
Operation wfix starke Heiserkeit, die sich gegen Al>end wieder verlor. Das 
Emphysem nahm dann wieder ab. Am 13. IX. 07 wurde die Patientin durch¬ 
leuchtet und es erfolgte eine Nachfüllung. Einstich im 4. ICR. der Axillarlinio. 



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(K)] Erfahrungen und Überlegungen zur Luiigenkollapstlierapi»*. !JD 

Die Luftblase wurde in ca. 5 cn» Tiefe erreicht. Einführung von l Liter Stick¬ 
stoff. Zum Schluss der Operation leichte Dyspnoe. Puls 84 regelmässig kräftig. 
Abends Schmerzen im Kreuz. Rechtsseitige Gesichtsrötung. Im Röntgen¬ 
bild schien der Mittel- und Oberlappen gegen die Wirbelsäule gedrängt. 
Das helle von der Luftblase herrührende Feld schiebt sich keilförmig da¬ 
zwischen (Figur 13). Paradoxe Bewegung des Zwerchfells. Herz nach links 
verlagert. Spitzenstoss 2 Finger ausserhalb der linken Mamillarlinie. Das 
Hautemphysem ging in den nächsten Tagen etwas weiter zurück. Die Wunde 
heilte p. pr. — 

Am 20. IX. 07 findet sich rechts vorn oben eine gedämpfte tymp. Partie 
über Klavikula und im 1. ICR. aussen. Im 2. bis 4. ICR. aussen hoch tymp. 
Zone. Unten noch geringe Dämpfung, am stärksten ausgesprochen neben Sternum. 
R. h. o. noch deutliche Schallverkürzung, unterhalb Spin. scap. mit tymp. 
Beiklang. Weiter unten neben Wirbelsäule noch Schallverkürzung; aussen eben¬ 
falls hoch tymp. R. v. o. Atmung leise, imbestimmt. Im 1. und 2. ICR. neben 
Sternum etwas lauter, aussen fast 0. Unten neben Sternum Atmung auch 
leise, nach aussen zu fast verschwindend; spärliche knarrende Geräusche. 
Links Stat id. — Weitere Einblasungen von Stickstoff erfolgen am 24. IX. 07 
500 ccm, am 13. X. 07 600 ccm. Mitte Oktober trat starke Heiserkeit und 
Schluckbeschwerden auf. Die linke Arygegend sowie das linke Taschenband 
waren stark geschwollen. Diese Erscheinungen gingen später wieder zurück. 
Husten und Auswurf nahmen rasch ab. Die Temperatur ging zurück. Weitere 
Einblasungen von Stickstoff erfolgten am 31. X. 07 300 ccm, am 8. XI. 07 
300 ccm. Am 16. XI. 07 450 ccm. Da die Beschwerden von seiten des 
Leibes wieder zunehmen, wird seit 21. Oktober Marmorekserum subkutan, 
später rektal gegeben. Da die Patientin immer leichte Reaktionen zeigt, so wird 
nicht höher laSis auf 2 ccm gestiegen. Letzte Injektion am 2. I. 08. Da der 
Stickstoff rasch absorbiert wird, werden öfters Einblasungen vorgenommen: 

Am 13. XII. 07 300 ccm, 

am 16. XII. 07 400 ccm, 

am 19. XII. 07 300 ccm, 

am 23. XII. 07 200 ccm, 

am 27. XII. 07 300 ccm, 

am 30. XII. 07 200 ccm, 

am 2. 1. 08 300 ccm, 

am 5. I. 08 300 ccm, 

am 10. I. 08 200 ccm, 

am 15. I. 08 250 ccm, 

am 21. I. 08 300 ccm, 

am 26. I. 08 400 ccm, 

am 4. II. 08 200 ccm, 

am 11. II. 08 300 ccm, 

lun 20. II. 08 200 ccm, 

am 4. III. 08 300 ccm. 

Der Druck nach den Einblasungen betrug meist -\- 5 mm Quecksilber. 
Am 23. III. 08 wmrden noch 300 ccm Stickstoff eingeblasen. Der Auswuirf 
batte bedeutend abgenommen, im ganzen noch ca. 10—20 ccm pro Tag. Die 
Patientin klagte aber immer über leichte Dyspnoe. Die Temperaturen 
waren im ganzen niedriger geworden. Die Max. schwankten 
zwischen 37,4 und 37,6. Vom 15. IV\ 08 an ging sic nicht über 

7 '. 


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1<HI J,. UraihT iiiid Liiriiis [KXI 

ilT/J. lii Zvi\ Iral \\ii“d»*r r>ft<*rs Duiclifall idu. iJi* 

krit im link<*ii I[yj»<)(hnn(lrimii war im ^an/a‘^ clwas jxoriiiuor. Im Auswurf 
wanui /.(‘ifwcisc k<*iiu* TuburkeJbazilkui zu fintlni, zukdzt wicilur in iiiiltl(Trr 
Mcn^c ((iaffky IV . Im l'riii war zuletzt kein Eiweiss mehr vorhanden. Der 
S (• > 1 1 u s s })<* f u n (1 (A ]) r i 1 1908 • w a r k u r z folg e n d e r: 

Porkussioji: II. v. o. über Klavikula und im 1. ICH. md)en St(‘rnum 
noch geringe Schallverkürziuig; weiter unic-n bis zum Rippenbogen hoch tynip. 
Schall. R. li. o. noch d(‘Utli(he Schallverkürzung, ebenso längs der ganzen 
Wirbelsäule <dwa dr<dfingerhreit unten idwas schräg nach ausscm verlaufend, 
ln den äusseren Partien überall ludie Tympanie. Dämpfungen links wie früher. 

Auskultation: IC v. o. über Klavikula Atmung leise unrein, un¬ 
bestimmt. Im 1. K'R. indjcai Si«‘rnum bis Milte etwas lauter, vesiko-bronch. 
Im 2. ICR. mdnai Sternum <‘benfalls noch leisos Atnu‘n, weiter unten nelxm 



Stenium noch mehr abgc'scdiwäc hl. C. v. o. Atmung freier, nach llusben <*twa 
1 mittlerer, fast klajigloser Knacks, ( her Klavikula im 1. ICR. neben Sternum 
<*in mitller<*r, fernklingcmder Knacks nach Husten, sonst keiiie Nebengeräusche. 
R. h. o. noch leise unndn, nach Husten etwas metallisches KeucHen, besonders 
ausscui. Weiter unten m*bc‘n Wirbelsäule überall leises Atmen, ganz unten 
spärlich(‘.s Knarren und cdwa noch ein metallisch klingender Knacks. Atmung 
leise, bronch, keine Succusio. L. h. o. vesiko-bronch., nach hinten etwa ein 
initlleniT, halbkling<*nder Kmicks. lad Mille Skapula noch scharf vesiko-bromdi., 
weiter unten v(‘sikulär mit verlängcTlmn Kxsp. Cnlen aussen feines leises 
Knacker. 

Herz etwas nach links verlagert. Spilzeiistoss (dw:is ausserhalb Mamillar- 
linie. Die* unteren zweiten Töne, sowie (Ct zwedte Pulmonallon etwas ak¬ 
zentuiert. Aortentöne sehr hdse. Puls 72. Am 29. IV. 08 letzte Einblasung 
von (500 ccm Stickstoff. Puls vor der Ojx'ration 152, nachher 80. Druck vor 
der Operation —2 mm Hg, na(h der Operation -p2 mm Hg. Nur leichtes 
Druckgefühl nach der (Operation. Im R ö n t g e ii b i 1 d zeigt sich noch ein 
Schatten über der nrhten Spitze, sowi(‘ ein langer, längs der Wirbelsäule 
verlauf(‘nder ca. zweifing(‘rbr(dter Scbatt<*n, der unten schräg abwärts verläuft 
bis zum Zwenbfell. Nach links g(‘bt die Pneumotboraxgnaize nicht über den 


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1011 Erfalirniision inid ÜhiMle^ungru zur I.uiimMikollaps|licraiM<‘. 101 

linkon Stornalrand (Figur 14). Die Patientin ging diuin nach Itausi“, wo 
später noch mehrere Male von ihrem Hausarzt Lufteinblasungen gemacht wurden. 
Dit^ Temperatur blieb nach ilireii Angaben immer leicht febril. Die Leib- 
b(‘schwerden wechselten. Ein Bericht des behandelnden Arztes, Herrn Prof. 
Riva-Rocci in Varese, war trotz wiederholter Aufforderung nicht zu 
erlangen. — Ende Oktober 1908 schrieb die Kranke, es gebe ihr so gut, 
dass ihr Arzt ihre Rückkehr nach Davos nicht für nötig halte. Die Tempe¬ 
raturen betrügen im Maximum 97,3—37,1. — 

Nach dem eigenen Bericht der Patientin vom 3. IV". 09 soll sie vor 
kurzem einen Fieberanfall bis 39,0 gehabt haben. Danach ist etwas Katarrh 
zurückgeblieben. Die Temperaturmaxima sollen nun wieder nur bis 37,4 bis 
37,5 gehen. Später stiegen sie wieder und wai-en in letzter Zeit um 39^^ C 
herum. N a c h A n g a b e d e .s S c h w a g e r s (A r z t) der 1* a t i e n t i n 
wurde der Pneu m o t h o r a x u n g e n ü g e n d u n t e r ha 11 e n , g i n g 
zweimal ganz ein. ln letzter Z e i t w u r d e d r 1 i n k s s i t i g o 
Prozess wieder aktiv. Es soll die Absicht bei dem derzeit lK*haiuh*lnden 
Kollegen bestehen, nun einen linksseitigen Pneumothorax anzulegen. — Letzte 
Nachricht anfangs November 1910. 

Indikation zur Operation. Seit 4 Jahren bestehender, 
fieberhafter Zustand, ini wesentlichen bedingt durch einen progres¬ 
siven, die ganze rechte Lunge einnehmenden tuberkulösen Pro¬ 
zess. — Ausgesprochener, jedocli anscheinend stationärer Prozess 
im linken Oberlappen. — Da che Erscheinungen von seiten der be¬ 
stehenden Darmtuberkulose in letzter Zeit wesentlich zurückgegangen 
waren, so erschien die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax 
aus der Erwägung heraus gerechtfertigt, dass mit Eliminierung der 
grossen Eiterfläche der rechten Lunge der Organismus den Darm¬ 
prozess eher zur Heilung bringen ^ürde. 

Kpikrise. Es gelang einen grossen rechtsseitigen Pneumo¬ 
thorax zu erzielen. Die Auswurfmenge wurde dadurch wesentlich ver¬ 
mindert, die Temperatur um durchschnittlich 0,5 (von 37,8—38,0 auf 
37,3—37,5) herabgesetzt und das Allgemeinbefinden deutlich gehoben. 
Die linke Seite blieb unverändert. Die Beschwerden von seiten des 
Darmes liaben sich gebessert. Die Patientin, die während 
4 Jahren fast stets bettlägerig war, kam infolge des 
operativen Eingriffes so weit, dass sie nun zu Hause 
und a u s s e r ‘ B e 11 leben konnte. Sie selbst war mit uns der 
Ansicht, dass der künstliche Pneumothorax ilir grossen gesundheit¬ 
lichen Vorteil gebracht habe. 

Angeblich wurde aber die Behandlung nach dem Ausscheiden 
aus dein Sanatorium nicht konsequent fortgeführt. In letzter Zeit 
sei eine V^erschlechterung der anderen Seite eingetreten. 


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102 


L. Brau<T und Lucius SpiMiglrr. 


[102 


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38. K., 31 Jahre. Lehrer. — 

Anamnese. Der Vater lebt und ist |;esund. Die Mutter starb mit 
51 Jahren an Lungentuberkulose, sonst in der Aszendenz keine Tuberkulose 
oder Fälle von Krebs und Diabetes. Pat. (3/4) hat noch eine lebende Schwester, 
die gesund ist. Eine andere Schwester starb mit 24 Jahren an Lungentuber¬ 
kulose. Pat. war als Kind schwächlich entwickelt, wurde von der Mutter ge¬ 
stillt. An Kinderkrankheiten machte er nur Scharlach durch, war sonst stets 
gesund. Die ersten Anfänge der jetzigen Krankheit datieren seit 1901. Damals 
bekam Pat. eine Influenza, nach der ein chronischer Husten zurückblieb. Oktober 
1901 Pleuritis sicca dextra. Nach einer Kur in Görbersdorf war Patient von 
1902—1905 wieder dienstlich tätig. * Im Februar 1905 Influenzarückfall mit 
Pleuritis exsudativa sinistra. Seit August 1905 ist Pat. in Davos und war 
er hier erst eine Zeitlang fieberfrei. Von Oktober 1905 bis Juli 1906 fieberte er 
jedoch dauernd bis 38,0. VOn da an ist er dann meist fieberfrei geblieben, 
abgesehen von einer Temperatursteigerung infolge einer Influenza und einer 
fieberhaften Reaktion im Verlaufe einer Tuberkulinkur. Während dieser ganzen 
Zeit hat sich die L\mge nur sehr wenig gebessert. Pat. ist dauernd 
(* 1 € n d bei s e h r r e d u z i e r t e m A 11 g e m e i n z u s t a n d. Es ward seinem 
dringenden Wunsche naebgegeben, einen Versuch mit einem künstlichen Pneumo¬ 
thorax zu machen, mit der ausdrücklichen Bmnerkung, dass w’enig Aussicht 
auf Erfolg bestehe. 

Lungenstatiis vom 27. VII. 07: Sehr elender Allgemeinzustand. Intensive 
Dämpfung über der ganzen rechten Lunge. Im Bereich des rechten Oberlappens 
vom und hinten Atmung amphorisch resp. broncho-amphorisch. Viele klingende 
Rhonchi. Über Mittellappen Atmung rauh, leise, Exspirium hauchend, mittlere 
konsonierende Rhonchi. Über dem Unterlappen in seiner oberen Hälfte Atmung 
vesiko-bronchial, Rhonchi, besonders knatternde nach Husten. Im Interskapular- 
raum klingende und halbklingende Rhonchi. In der unteren Hälfte des Unter¬ 
lappens Atmung zu leise und zu rauh, Exspirium verlängert, mittleres Knattern. 
Über der linken Lunge hört man nur in der Spitze rauh-scharfes Atmen und 
verlängertes Exspirium ohne Rhonchi. Sonst links überall vesikuläres Atmen. 
Die Aftertemperaturen des Pat. betragen in den letzten Wochen vor der Operation 
37,2—37,8 Maximum. 

14. S e p t. 07 Anlegung eines rechtsseitigen Pneumo- 
t li o r a X (Brauer). Eingiossung von 750 ccm N. Vor dem Röntgenschirm sieht 
man deutlich einen Pneumothorax, der die unteren Partien der Lunge gegen 
das Mediastinum hin komprimiert hat. Obere Partie adhärent. Dicke Ver¬ 
wachsungsstränge grenzen den Pneumothorax gegen die Medianlinie hin ab. 

Als am 19. Sejytember, also nach fünf Tagen, die erste 
Nachfüllung ge m acht werden soll, ist der Pneumothorax 
fast ganz resorbiert. Bc*i dem Versuche, ihn mit der Nadel wieder¬ 
zufinden, gerät man stets in die Lunge, in die auch einige 100 (fern N abfliessen. 

Es wird daher am 21. September ein neuer Pneumothorax angelegt; Ein¬ 
blasung von 1000 ccm N, von dem aber ein Teil als grosses Hautemphysem 
entweicht 

Im Röntgenbild sieht man deutlicli einen Pn.Th., der nach dem Mediastinum 
hin durch dicke Adhäsionsstränge, die teils in der Höhe der 2. Rippe, teils 
am Zwerchfell auslaufen, begrenzt wird. Am 23. IX. Nachfüllung von 750 ccm 
N, Schlussdruck 22 mm Hg. Der Pn.Th. ist wieder bis zu der bei der Operation 
erreichten Ausdehnung vergrössert. Es hestohl gleichzeitig ziemlich ausge- 


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103] Erfahrungen und Cl>erlegungcn zur Limgenkollapstherapie. 103 

dehntes Hautemphysem. 27. IX. Pn.Th. noch ziemlich gross, daher Nach¬ 
füllung von nur 250 ccm N. 1. X. 07 Pn.Th. noch unverändert. Nach an¬ 
fänglichem Steigen der Temperatur (am 22. bis 24. IX. bis 38,9) sinkt die¬ 
selbe seit dem 25. X. wieder langsam ab, ebenso auch der Puls von 96 auf 
80. Patient sieht besser aus und fühlt sich wohl. Temperatunnaximum jetzt 
37,8 im After. Von Anfang November ab Mundmessung.' Temp.maximum 37,2. 

Bei den weiteren NaeJifülIungen zeigt das Röntgenbild immer genau dieselben 
Verhältnisse. Der Pn.Th. lässt sich wegen der festen e r w a c h s - 
ungen nicht im geringsten vergrössern. Sobald ein stärkerer Druck 
angewandt wird, bildet sich neben der liegenden Kanüle Hautemphysem, 
auch entweicht bei stärkerem Überdruck nach Herausnahme der Kanüle ein Teil 
des Stickstoffes als Hautemphyseni. Trotzdem werden die Nachfüllungen fortge¬ 
setzt, in der Hoffnung, doch im Laufe von Monaten eventuell eine Lösung 
resp. Dehnung der Verwachsungsstränge zu erzielen. Auch sollte die Lunge 
wenigstens in der teil weisen Ruhigstellung verbleiben, die 
soweit erreicht war. Ein Erfolg blieb mehr und mehr aus. Ende Noveml)er lang¬ 
samer Anstieg der Abendtemperatur, Ansteigen der Sputummengen von 10 auf 
100 ccm. Zwischen 24. u. 29. Nov. schwankten die Temperaturen zwischen 38 
und 39,4 tmd erreichten die Sputumtagesmengen die Höhe von 180 ccm. Nachdem 
diese Menge während zwei Tagen bestanden hatte, plötzlicher Temperaturabfall 
und Rückgang der Sputummengen, auf 120 ccm, dann auf 80 und Mitte tk‘zember 
1907 wieder auf die alte Höhe von 50 ccm. Patient bleibt seitdem fieberfrei. 
Die Auswurfmenge schwankte weiter zwischen 30 und 60 ccm. Die Nach- 
punktioneu werden in derselben Weise in etwa dreiwöchentlichen Intervallen 
fortgeführt Die eingelassene Stickstoffmenge beträgt stets etwa 200—300 ccm 
bei dem hohen Enddruck von 40 mm Hg. Mitte April 1908 verlässt Patient 
Davos und geht, da wir ihm die Anlegung einer Thorakoplastik empfohlen, nach 
Marburg. Der hier aufgenommene Status lautet folgendermassen: 

Über der nicht kollabierten rechten Lunge völlig ungebessert der alte Be¬ 
fund. Ober den unteren Abschnitten r. ist der abgesackte Pneumothorax noch 
nachweisbar. Über der anderen (linken) Lunge hört man über der Spitze rauh- 
scharfes Atmen, verlängertes Exspirium. Nur irn 2. ICR. einzelne, nicht klingende 
Rhonchi.' Der Schall ist bis zur 2. Rippe verkürzt. 

In Marburg sind die Temperaturen mit geringen Ausnahmen zunächst 
ebenfalls fast normal, steigen dann gegen Ende August 08 unter Auftreten eines 
Darmkatarrhs eine Zeitlang auf 38,2. Im Anschluss an weitere Nachpunktionen 
steigt die Temperatur vorübergehend bis fast 39. Pat. befindet sich zunächst 
sehr elend, erholt sich dann aber bald wieder. Das Röntgenbild zeigt keine 
Vergrösserung des Pn.Th. Gegen Ende November stellt sich ein neuer Fieber¬ 
schuh bis fast 40® ein, der, offenbar durch Sputumretention veranlasst, bei 
Einsetzen reichlicher Exspektoration bis zu 180 ccm in wenigen Tagen wieder 
zum früheren Bestand abklingt. Von da ab bleibt Pat. dann völlig fieberfrei, 
bekommt nur gelegentlich im Anschluss an eine Punktion leichte Temjwratur- 
steigerungen. Die Sputummenge geht zeitweilig bis auf 20 ccm herunter. Von 
Mitte März 1909 werden, da Patient sich nicht zur Thorakoplastik 
entschliessen kann, zur En\eichung der starren Verwachsungssträngo 
Fibrolysininjektionen vorgoiiommen, doch gelingt es auch mit diesen 
nicht, den Pneumothorax zu vergrössern. Zum Schluss ist der Pneumothorax, 
da nidii absichtlich die Punktionen nur udcIi selten und in geringem Umfang 
vornahm, nicht mehr auffindbar u n d stellt s i c h b v i (‘ i n e m s o 1 c h e n 


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104 


L. Orauri* und Lucius Spengler. 


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[m 


o r s u c li ein Kollaps, so w i o 1 c i c Ii t «• Blut b i in c n g u n g c n des 
Spul u in s e i n. A n s c h e i n e n d k a in (* s bei dies e in V r s u c /i e 
zu ei n er k 1 e i n e n 1. u f I e in b o I i e , da die Nadel z vv' e i f e 1 1 o s di e 
Lunge verletzt hatte. Dabei bleibt aber die Temperatur normal, sic 
ist sogar niedriger als zuvor. Patient wird am 2. VI. 1908 nach Hause 
entlassen, nachdem er die Vornahme einer Thorakoplastik definitiv ab¬ 
gelehnt hat. Die andere Lunge war unverändert. Pat. hat infolge dauernder 
Ernährungsschwierigkeiten 10 Kilo abgenommen. 

Zu Hause hielt die Ver.schlechter«iig an. V’on einer weiteren Pneuino- 
thoraxbehandlung wurde Abstand genommen. 

Am 7. VI. 09 trat Patient in sehr elendem Zustande (Körpi*rgcwicht 52,7 kg), 
wechselnd fiebernd, wieder in die med. Klinik zu Marburg ein. Die Ein- 
schmelzungsersclieinungen auf der rechten Lunge waren fortgeschritten, ein 
Pneumotliorax nicht mehr nachweisbar. Links über der Spitze vorn und hinten 
leichte Schallverkürzung, verschärftes Insp. und Exsp., vereinzeltes Knister¬ 
rasseln. Auch sonst über der linken Lunge auffallend scharfes Atmen, jedoch 
keine Rasselgeräusche. Der 11. Brustwirbel sprang jetzt als beträchtlicher 
G i b b 11 s vor, auch sonst entsprechende Veränderungen der Wirbelsäule; nur 
geringfügige Zeichen einer Rückenmarkslitsion. Patient ging am 24. X. 09 
k a c h e k t i s c h zugrunde. Eine Sektion wurde von den Ange¬ 
hörigen leider u n in ö g 1 i c h ge m a c h t. 

Indikation. Ausgedehnter hoffnungsloser Prozess, der jeder 
anderen Behandlung trotzte. Pat. bat um Ausführung des Pneumo¬ 
thorax, obwohl ihm die Chancen von Anfang an nicht gut gestellt 
werden konnten. 

Epikrise. Völlig erfolglos behandelter Patient. Der partielle 
PiKumothorax genügt nicht zu ausgiebigem Lungenkollaps. Auch 
fortgesetzte stärkere Anspannung der Adhäsionsstränge bewirkt nicht 
die erhoffte Ablösung. Der weitere ungünstige Verlauf steht wesent¬ 
lich unter dem Einfluss von schweren Verdauungsstörungen, sowie 
einer Wirbelkaries. Die andere Lunge hat eine wesentliche Beein¬ 
flussung nicht erfahren. Bei einer der letzten Punktionen Lungen- 
verlctzung und kleine Luftembolie i). 


13. Walter R., 20 duhre. ri)(‘r d<‘n Pal. bat Gractz-) bcivits ausführ¬ 
lich borichfot; cs s(*i liier nur ein ganz kurzi*r Plicrblick gcgclxm. 

I n d i k a t i 0 n. P. erkrankte 1901, bot ein schweres progredientes 
Krankheitsbild, lang aiilialtende Fieberbewegungen, ausgedehnte Zer- 

Sich(‘ unsere frühenui Darlegungen. (,,Technik“ Bd. XIV, S. 419 ff.,; 

2) Graolz, Der Einfluss df‘s künstlichen Pneumothorax auf die tuber¬ 
kulöse Lunge, palliologisch-anatoinische Ihitersuchung. Diese Beiträge Bd. X, 
S. 249. 



Original frorri 

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IO.*)] Erfaliruiigoii mul Cbfrlcgiiu^rn zur LuiigeuikollapslluTjipir. lUo 

fallserscheinungeii rechterseits, hohe Pulszahlen und in letzter Zeit 
fortsclireitende Gewichtsabnahme. Die andere Seite bot im Oberlappen 
leichte Veränderungen des Atemgeräusches und einzelne trockene, 
knackende Geräusche. Unter diesen Umständen wurde bei dem völlig 
hoffnungslosen Fall am 14. IX. 07 Pneumothoraxtherapie als ultimum 
refugium versucht. Es gelang nur einen kleinen Pneumothorax an¬ 
zulegen (300 ccm). Wieilerholte Nachfüllungen (300 bis 600 ceni). 
Entstehung eines mässig grossen pleuritischen Exsudates. 

E p i k r i s e. Pat. verstarb am 28. X. 07 unter fortschreitendem 
Kräfteverfall. Die Eesultate der makroskopischen und mikroskopischen 
Untersuchung der Lungen sind von Graetz eingehend geschildert. 
Wir verweisen auf diese Arbeit. 

Als bemerkenswert sei hervorgeholxn, dass im rechten Oberlappen 
die sehr grosse Kaverne im Röncgenbilde scharf hervortrat und 
deutlich einen horizontalen Flüssigkeitsspiegel erkennen 
Hess, der beim Schütteln Wellenbewegungen erkennen liess 
und sich bei Lage Wechsel des Patienten verschob. 
Dieser schon vor Anlegung des Pneumothorax er¬ 
hobene Befund wurde später häufig bestätigt und 
zwar ganz eindeutig. 


39. Johannes 8., 20 Jahre, Schreiiiergeselle aus Weipoldshauseii. 

Anamnese: Keine Heredität. Seit Februar 1907 Schmerzen über d«‘r 
rechten Lunge, viel Husten und Auswurf, seitdem arbeitsunfähig, 
niemals Blutaiiswurf. Im April einige Zeit bettlägerig, damals auch Schmerzen 
auf der linken Lunge. Keine Magen-Darmbeschwerden. 

19. IX. 07. Status: Mittelgross, blass, geringes Fettpolster, schlaffe Mus¬ 
kulatur, leichte Drüsenschwellungen am Hals und in den Achselhöhlen. Ge¬ 
wicht 52,200 Kilo. 

Thorax sehr flach, lang gestreckt, schmale Supra- und Intraklavikular- 
gruben, rechts deutlich mehr eingesunken wie links. Bei der Atmung Schleppen 
der rechten Seite. 

Perkussion: R. v. u. unterer Liingcnrand am oberen Rand der G. Rippe, 
gut verschieblich, hinten beiderseits 11. Rippe, rechts weniger gut verschieb¬ 
lich wie links. R. v. o. bis zur 3. Rippe Schall höher und kürzer wie links. 
Diese Schallverkürzung nimmt bei tiefer Inspiration beträchtlich zu. Spitzen¬ 
feld r. 4 cm, 1. 6 cm. Die r. Spitze steht um 1 cm tiefer wie die linke. 
R. h. 0. Schallverkürzung. Von der Spina an intensive Dämpfung bis über die 
Mitte der Skapula. L. überall sonorer Lungenscliall. 

Auskultation: R. v. o. bis zur 3. Rippe Atemgeräusch vesiko 
bronchial, teilweise sakkadiert, mit zahlreichen grossblasigen, zum Teil metallisch 
klingenden Rasselgeräuschen. Nach unten Atemgoräusch rauh vesikulär, keim' 
Geräusche. R. h. o. teils unbestimmtes, teils rauhes Atmen, mitlelblasiges 
feuchtes, zum Teil klingendes Rasseln, verlängertes Fxspirium. Dieselben Rass(‘l- 


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108 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


1106 


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geräusche, nur nicht so zahlreich, hinten auf der ganzen r. Seite. Im Bereiche der 
hinteren Dämpfung deutlich bronchiales Atmen, in den unteren Abschnitten 
verschärft vesikulär. L. über der ganzen Seite vesikuläres Atmen, kein Ra-sseln. 

Herz: Normale Grenzen. 

Puls: Mässig gefüllt, etwas gespannt, 120 in der Minute. 

Sputum in mässiger Menge (etwa 25—30 ccm pro Tag), eitrig-schleimig, 
geballt, reichlich Tuberkelbazillen, elastische Fasern. 

Das Röntgenbild deckt sich mit dem physikalischen Befund. 

Diagnose: Infiltration mit Kavemenbildung im r. Oberlappen. Disse- 
minierler broncho-pneumonischer Prozess im r. Unterlappen, ebenso in der 
Spitze des r. Mittellappens. 

Einzeln abendliche Temperatursteigerung bis 37,5. 

29. IX. 07 Pneumothorax. 5. Interkostalraum rechts, vordere Axillar¬ 
linie. In 12 Minuten laufen 1000 ccm N ein. Kein Hustenreiz, keine Aus¬ 
schüttung der Kaverne, kein Kollaps. Enddruck bei Atemstillstand Durch¬ 

leuchtung zeigt leichte Herzverdrängung. Das Zwerchfell rechts steht tief, ist 
kaum beweglich. Alles ohne jede Beschwerden ertragen. Abends tritt Erbrechen 
ein, fraglich Morphiumwirkung. Keine Temperatursteigerung, Schlaf gut. ln den 
nächsten Tagen keine Beschwerden, Fäden werden am 6. X. entfernt. 

Status am 4. X. 07: Blass, fieberfrei, Brustkorb rechts etwas vorgewölbt, 
ruhig stehend. Im übrigen Atmung ruhig, ausgedehnte Pneuniothoraxsymptome 
rechts. Lungengrenze r. v. u. 8. Rippe, nicht verschieblich. Herz etwas nach 
links verdrängt. Oberlappen erscheint in der Thoraxkuppe adhärent. Röntgen¬ 
bild Tafel II Nr. 6. 


Thoraxmassc 

Exsp. Insp. 


Jugulum bis 7. Halswirbel 

13,0—13,8 

cm 

2 . Rippe bis 4. Brustwirbel 

Horizontalebene in der Höhe des .Ansatzes des Proc. eiisiformis. 

16,5—17,7 

” 

Sagittales Maass 

18,0—19,0 

>1 

Breitendurchmesser in Arhselhöhe 

25,3—25,8 

ft 

Weiter imten 

27,0—27,6 

ft 

Umfang rechts oben 

41,5—42,0 

f% 

Umfang rechts unten 

40,0—40,5 

ft 

Umfang links oben 

41,5—43,0 

ft 

Umfang links unten 

Epigastrischer Winkel 90,0. 

40,0—41,0 

ff 

5, X. 07. Injektion 8(K) (•cm N in G Minuten, Überdruck 
Atmungs- oder Herzbeschwerden. 

cm Hg. Keine 

Exsp. Insp. 

Jugulum bis 7. Halswirbel 

13,2—13,8 

cm 

2. Rippe bis 4. Brustwirbel 

17,2—17,9 

ff 

Horizontalebene Proc. eiisiformis 

19,5—20,5 

ff 

Breitendurchmesser oben 

27,0—27,6 

ft 

Breitendurchmesser unten 

27,5—28,0 

ft 

Epigastrischcr Winkel 

95,0 

ff 

Umfang rechts oben 

44,4—44,8 

ff 

Umfang rechts unten 

41,5—42,3 

ff 

Umfang links oben 

44,7—46,2 

ff 

Umfang links unten 

40,.5—41,5 

f* 



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107] 


Erfahrungen uncl Überlegungen zur LungenkollapsLherapic. 


107 


In der nächsten Zeit beschwerdefrei, nur sehr schwer zu ernähren, da 
Appetit schlecht, Stickstoff wird relativ rasch auf gesaugt. 

Am 19. X. 07 verlässt Patient das Bett. 

Am 25. X. 700 ccm N. 

Am 2. XL Durchleuchtung; kein Exsudat. 

Am 4. XI. leichte Temperatursteigerung ohne Lokalbefund. 

Am 6. XI. 07 Angina lacunaris deutlich. Pat. klagt über Kopf¬ 
schmerzen. Es treten Atemschmerzen in der rechten Seite auf. 
Physikalischer Befimd unverändert, namentlich links keine besonderen Geräusche. 
Auswurf und Husten hat nachgelassen, dagegen steigen die Tem¬ 
peraturen täglich um etwa zwei bis drei Zehntel an und 
kommen bis auf 38,2. 



Am 12. XL wird ein deutliches kleines Exsudat nachgewiesen, 
ca. 2 Querfinger breit (Figur 15). An diesem Tage auch zum ersten Male 
Sukknsionsgeräusch. Probepunktion ergibt ca. 50 ccm eines serösen Ex¬ 
sudates. Die Bouillonkultur zeigt eine Reinkultur von Staphylo¬ 
kokken (Infektion von der Angina ausgehend?). Das Exsudat 
ist gelblich opaleszierend, enthält gleichviel Leukozyten und Lymphozyten, sehr 
eiweissreich. 

In den nächsten Tagen steigende Temperatur bis auf 
39,0. Patient fühlt sich sehr matt, sieht elend aus, Husten 
und Auswurf nicht vermehrt. Atmung nicht beschleunigt. 

16. XL Status. Deutliches pleuritisches Exsudat. Zähe feuchte Rhonchi 
über der rechten Spitze. Rechts hinten unten femklingendes amphorisches Atmen 
und einzelne metallisch klingende Geräusche. Über linker Spitze vereinzelte 
feuchte Rhonchi. 

Am 17. XL Punktion. Beim Einstich wird eine Arterie an der Thorax¬ 
wand verletzt. Es entsteht schnell eine ziemlich bedeutende subkutane Blutung, 
so dass die Punktion abgebrochen wird. 

Am 18. XL ist die Schwellung zurückgegangen und am 20. XL nahezu 
vorschwimden. Erneute Pimktion mit dünner Hohlnadel (»>00 cm, Schluss 


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1<JS L. Hraufi* mul iaicius [lOS 

druck 4" ^icmlicli bcträclilliclu* Vcrdräiigimg des IltMzciis, tiul/.dnii kein 

hesonderes Oppressionsgefühl. 

21. XI. Masse: 

Jiiguluin bis 2. Brustwirbcd 
2. Rippe bis 4. Brustwirbel 
Ilorizontalebene Proc. eiisiformis 
Oberer Breitendurchmesser 
Unterer Breitendurchmesser 
Links oben halber Umfang 
Links unten halber Umfang 
Rechts oben halber Umfang 
Rechts unten halber Umfang 
Lpigastrischer Winkel 115‘^ 

1) a s zeit w e i s e s c b 1 <* c b t r A 1 1 g (‘ m J u b e f i n d e ii bat s i c h 
\\' i e d er i n w e n i g g e b e s s (‘ r t. P a t i e n t b a t aber noch ständig 
T e m j) e r a t u r s t e i g e r u n g e n bi .s u m 38 in den A b e n d s t u n d e n. 
Die • Morgentemperutereii Jiegeu fast regelm;U.sig über 37. Das Aussehen 
ist noch schl e c h t, es b(‘stehen aber keim' besonderen Beschwerden von 
seilen des Pneumothorax. 

Am 3. XII. 07 wird, da das Exsudat weiter gestiegen ist und da die 
Temperaturen noch nicht zur Xorni zurückgekehrt sind, ein Teil des Ex¬ 
sudates a b p u n k t i e r t. Es werden 300 ccm N nacbgefiillt; Enddruck 
1 m Hg. Der Eingriff wird ohne besondere Beschwerden ertragen, Tempe 
r a t u r s t e i g e r u n g e n (zwischen 37,5 und 38 1 bleiben aber. Da das 
Exsudat wieder steigt, wird am 19. XII. 07 nochmals ein Teil abgo- 
lassen und gleichzeitig S t i (' k s t o f f w i e d (‘ r n a c h g e f ü 111 :(ca. 
1000 ccm N). Die T e m p e r a t u r i s t w ä h r e n <1 d e r n ä c h s t e n ^ 
W 0 c b e n m a x i m a 1 37,2, z u m i s t u n l e r 37. 

Im 3. I. 08 39,4, dann wieder nahezu normale Tiunperaturen. 

Am 11. I. 08: 400 ccm Exsudat enlle(*rt, 750 ccm X nacligefüllt End¬ 
druck -j- 0,7 cm Hg. 

E n d e Jan. 08 t r i t t d a n n e n <11 i c h z u n e b m ende Hess e r u n g 
d e s A 11 g e m e i n b e f i n d e n s e i n. .\ [> j) e t i t w i r d besser, P a t i e n t 
f ü b 1 t sic h w o Iller , n u r s <• 1 t e n X a c b I s c li w e i s s e , das G e - 

w' i c b t s t i g t a b e r n i c b t a n. 

1. II. 08: 150 ccm Exsudat entfernt, 300 ccm X eingefüllt. 

I n d e n letz t (* n Wochen in e h r f a c Ii 'J' e m p e r a t u r s t e i g e - 

r u n g e n bis 37,5 u n d e i n z e 1 n a u'c li ü 1) e r 38 z u b e o b a c h t e n. 

.Vm 15. III. wird die Freiluftbehandlung wieder aufgenominen. Zunehmende 
Besserung des gesamten Befindens. Gewicht 54,5 kg. 

Am 18. III. 08. Nachfüllung 500 ccm. 

Am 5. I\\ 08. Ablas.sen von etwas Exsudat. Pn.Th. gut (‘rhalten. Pal. 
liekummt Apjietit. Einleitung einer Mastkur, Gewicht 54,1. 

30. IV. 08. Das Exsudat ist wieder etwas angestiegen. Ablassen von 
500 ccm trübseröser Flüssigkeit, Einfüllung von 800 ccm N. Druck am Schluss 
der Exsudatentleerung schwach negativ. Nach Einfüllung des X etwa 10 mm Hg. 
Befinden nach der Punktion gut, kein Druckgefühl. 


Exsp. Insp. 

13.3— 13,9 cm 

17.4— 18.2 „ 

19.5— 20,5 „ 
29.0—26,7 „ 
27,7—28,5 „ 

41.5— 43,0 „ 

40.5— 41,5 „ 
44,0—45,0 „ 
42,0—42,8 „ 



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10J| Iiirfaliruiii'rii und i'bcrl^'i^un^cn zur Lunu(‘nkull:i)>>llM*rapi<‘. l(Kj 

V. OS. Xaclifüllimg von 2(X) <.cni Slicksloff. IUt Druck sOdizI bald 
an und os ist deutlich orkonnbar, dass die Slicksloffrcsorplion überaus laim 
sani ist. 

15. VI. OS H c f i II d <• n ^ u I. 1‘alient ist seit Anfang .Mai OS 
völlig fieberfrei: a u c b d i e A b e n d I in ]> r a t u r u ii I e r 57. Seit 

.M i 11 e April n u r ein einziges Mal 57,5, e i n in a 1 57,2. w e i t e r li i n 

(1 a u e r n d uni e r 57 b ei Puls z a h 1 u in SO. 

L o t z t e N a c li f ü 11 u n g e n a in 24. VI. OS: 250 ccm : am I. \ 11. 250 ccm. 

Das Befinden ist jetzt s<dir gut. Kxsudat ist vor dem Böntgv^nschirm kaum nocli 
naebzuweison. Patient ist viel im Kreien, gebt umbiT, macht dazwischen Liege¬ 
kur. GeNviebt am 25. VIII. OS (11,1 kg geg<‘n idn Anfangsgewi< bl am 20. 1\. 07 
von 52,2 kg. 

Patient bleibt dann d a u e r n d f i e b e r f r i , nur ganz ausnahmsweis(‘ 
en-eicht die Temperatur abends 57,2. K ü r p <* r g e w i c h t 61,0 bis 61,7 kg. 
Sputum fehlt so gut wie ganz, nur gelegentlich noch kleine Klümpchen, 
die aber frei von Tbc. und e 1 a s t. Fasern sind. Weitere Punk¬ 
tionen werden nicht a n s g e f ü h r t, so dass der Pn.Th. allmäh- 
1 i c li g a n z e i n g e h t. Es bildete sicli während dieser Zeit eine geringe Meng«' 
Kxsudat. Ende Dezember 08 ist die rechte Brustseile stark eingozogen, sie schleppt 
bei tiefer Respiration stark nach. Die untere Lungengrenze steht r. v. an der 5. UijiiH', 
unverschieblich, r. h. an der 10. Rippe, .sehr wenig verschieblich. Aus d(‘n 
Befunden um diese Zeit sei liervorgehol>en, dass ülM*r der ganzen recbt('!n 
Seite sicli eine ziemlich intensive Dämpfung findet. T b c'r der linken 
Spitze erscheint das 1 n s p i r i u in v r s c b ä r f t und das Ex- 

s p i r i u in h a u c h <* n d. R a s s <* 1 g e r ä u s c h (‘ f .• h 1 e n h i e r. Der 

Charakter des t e m g r ä u s c h e s links ist z w i f«‘ 1 1 o s b e <‘in- 

f 1 u s s t durch das b r o n c h i a 1 A t m e n d v r r (* c h t e n S c* i t e, 
Rasselgeräusche sind rechts nur sehr spärlich und zäh 

zu hören. Das Herz ist deutlich nach rechts verlagert. 

Der Kranke wird Ende Dezember 08 nach Hause entlassen. Er kommt 
gelegentlich wieder zur Nachmusterung, auch zeitweise zu längerem Aufenthalte 
in die Klinik. 

Am 24. April 00 werd<‘n rechts verschiedene Probepunktionen aiisge- 
führt, doch ist ein Exsudat nie h t m ehr n a c h z u w e i s e n. 

Am 24. Mai 09 klagt Pat. über Kehlkopfbeschwerden. Es /.(‘igt sich 
eine tuberkulöse Infiltration der hinteren K e h 1 k o p f w a n d , 
jedoch ohne Neigung zum Zerfall. Z i I w e i s e tritt wieder 
etwas Sputum auf, die grösst«* M e n g <* ist 10 ccm : Tbc. w «• r d «* n 
n i c h t m e h r g e f u n d e 11 . 

Bei der N a c h u n t e r s u c h u n g a m N o v <* m b e r 09 wurde folgemb'r 
Status erhoben: 

Gewicht 61,5 Kilo. P a t i e n t i s t v ö 11 i g f i o b e r f r e i , h a t m a x i m a I 
5 ccm A u s w u r f. Tbc. fehlen, ebenso elastisch«* Fasern seit 
l */2 Jahren. Das Allgemeinbefinden ist dauernd befriv‘digen<l. 
Patient fühlt sich arbeitsfähig. Die rechte Seite ist stark ab 
geflacht und schleppt bei der Atmung beträchtlich nach, (fagegen ist die linke 
Thoraxhälfte sehr gut beweglich und stärker gewölbt als normal. Rechts steht 
die Schulter tiefer, das Schlüsselbein tritt beträchtlich vor, «lio Supraklaviknlar 
grübe ist eingesunken. 


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110 


L. HraiU-T iiml laiciiis Sjkmil'Nt. 


[110 


T li 0 r a X m a s s c: 

Jugulum bis zum 7. Halswirbel 
2. Rippe bis zum 4. Brustwirbel 

Horizontaiebene in der Höhe des Ansatzes Froc. (‘iisiformis 

Breitendurchmesser in Achselhöhe 

Weiter unten 

Umfang rechts oben 

Umfang rechts unten 

Umfang links oben 

Umfang links unten 


Kxsp. Insp. 

18.2— 14,0 cm 
16,0-17,4 „ 
18,0—19,7 „ 
27,0-27,5 „ 
29,5—29,5 „ 

44.4- 44,6 „ 

41.2- 41,4 „ 

44.5- 45,2 „ 
42,0—43,5 „ 


Puls: Mittelvoll, kräftig, wird durch die Atmung nicht beeinträchtigt. 

Perkussion: R. h. o. intensiv gedämpft, Grenzbestimmung der Lungenspitze 
nicht möglich, ebenso r. v. o. Die Schall Verkürzung hellt sich hinten auf ab Spina 
und reicht als relative Dämpfung r. h. bis zur 9. Rippe. Grenzen unverschieb¬ 
lich. R. V. gleichfalls ziemlich ausgesprochene Dämpfung, ebenso in den 
seitlichen Partien bis unten herab. Eine scharfe Leber-Lungengrenze ist nicht 
zu gewinnen. Der laute Schall der 1. Lunge reicht nach rechts 
gut ein Querfinger hreit über den rechten Sternairand. 
Rechte Herzgrenze ist nicht deutlich zu bestimmen, obere Herzgrenze ist die 
4. Rippe, linke 2 Querfinger breit innerhalb der Mamillarlinie. 

L. h. o. etwas kürzer wie normal, 1. v. o. normaler Schall. Spitzenbreite 
gut, 6 cm. Grenze 1. h. u. oberer Rand der 11. Rippe, gut verschieblich. 
L. V. unter der Klavikula über diesen hier besonders gut gewölbten Thorax¬ 
abschnitten lauter, voller, sonorer Schall, auch sonst links völlig normale Per- 
kiissionsverhältnisse. 

Auskultation: Rechts vom oben scharfes, lautes Broncliialatmen. Rechts 
hinten oben ebenso; Rasselgeräusche fehlen, nur nach Husten feines aus 
der Tiefe kommendes Knacken. Hinten nimmt nach dem Hilus zu das Atem¬ 
geräusch* an Intensität und Schärfe zu, auch hier nur feines Knacken nach 
Husten. Rechts hinten unten rauh-scharfes Vesikuläratmen, auf der Höhe der tiefen 
Inspiration und nach Husten spärliche, nicht klingende, zähe Geräusche. Längs 
des rechten Sternalrandes hört man exquisit während der Inspirationsphase 
herzsystolisches Ves^kuläratjnen. Dieses reicht pich rechts zu’ 
bis an die Mamillarlinie. Über dem rechten Mittellappen leises Vesikuläratmen, 
rechts seitlich stark abgeschwächtes unbestimmtes Atmen. NirgendsReiben. 
Röntgenbild Tafel II Nr. 5. 

L. V. 0 . Inspirium etwas zu leise, etwas scharf, auch nach Husten kein 
Rasseln. L. v. unter der Klavikula sehr lautes, pueriles Vesikuläratmen, 
exquisit herzsystolisches Anschwellen des Atemgeräusches über dem ganzen 
Oberlappen, nirgends Rhonchi. L. h. o. völlig normale Verhältnisse. 

Herztöne etwas paukend, rein, II. Pulmonalton etwas akzentuiert. 

Die laryngoskopische Untersuchung ergab folgendes: 

An der hinteren Larynxwand blasse Schwellung — Tuberkulom —, die 
wahren und falschen Stimmbänder sind ohne Besonderheiten, nur blass wie der 
ganze Larynx. 

Patient bleibt dann fast dauernd in der iiied. Klinik, führt zum Teil noch 
Liegekur im Freien aus, wird aber Öald zu leicliten Hilfsarbeiten im Laboratorium 
lierangezogen. 

Im Hinblick auf den iibenasrbend guten Erfolg, der trotz der schweren 
inlerkurrenten Komplikalionen erreirlit wurde, war bei der Landosversicherung 



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111 ] 


Erfahrungen uinl Übi^rlcgungen zur Lungenkollapsthcrapic*. 


111 


der Antrag gestellt worden, den Patienten zu einer dreimonatlichen Nachkur 
in eine Heilstätte zu senden. Der in Frage kommende Chefarzt war zur Auf¬ 
nahme in freundlicher Weise bereit; die Versicherungsanstalt lehnte aber leider 
die Übernahme der Kosten ab. Patient wurde daher während des letzten 
Jahres teils in der Klinik, teils zu Hause einer hygienisch-diätetischen Kur 
unterworfen. Bei kräftigster Ernährung meist Liegekur, aber bei dem guten 
Allgemeinbefinden auch zunehmende körperliche' Bewegung. Im März 1910 
wurde der Patient dann in der med. Klinik als Laboratoriumsdien er 
zunächst zu leichter und jetzt seit etwa einem halben Jahre zu 
dauernder normaler Arbeit herangezogen. Er ist vollkoni 
men leistungsfähig, hilft z. B. zeitweise Kohlentragen, 
trägt auch Patienten, und fühlt sich selbst vollkommen 
normal. 

Schlussbefund vom 9. XL 1910. Sputum: Es werden nur 
noch alle paar Tage kleine Schleimklümpchen entleert, meist ist Patient 
sputumfrei. Die genannten Schleimklümpchen enthalten dauernd, trotz 
wiederholter Untersuchungen auch mit Antiformin, keine Tiiborkel- 
bazillen. Temperatur dauernd völlig normal. 

Die objektive Untersuchung ergiebt nahezu den glei¬ 
chen Befund wie unter dem 8. November 09. Nur erscheint die 
Abtlachung der rechten Seite jetzt noch mehr ausgeprägt, die Seite schleppt 
sehr stark, die Schulter steht tief. 


Thoraxmasse 9. XI. 10: 

Exsp. Insp. 

Jugulum bis zum 7. Halswirbel 

13,5—14,0 cm 

2. Rippe bis zum 4. Brustwirbel 

16,0-17,0 „ 

Horizontaiebene in der Höhe des Proc. ensiformis 

17,5—19,0 „ 

Breitendurchmesser in Achselhöhe 

26,0—26,5 „ 

Weiter unten 

27,0—29,0 „ 

Umfang rechts oben 

41,5—43,0 „ 

Umfang rechts unten 

41,0—42,0 „ 

Umfang links oben 

44,0—44,5 „ 

Umfang links unten 

41,0—44,0 „ 


Laryngoskopisch nahezu normaler Befund. Perkutorisch stad. idem. Ausk.: 
Das Atemgeräusch ist vielfach noch schärfer, die oben erwähnten Geräusche 
sind sehr spärlich. Vorzügliches Narbenbild mit Schrumpfung 
der kranken Seite. 

Indikation. Patient kani in elendem Zustande mit einer ziem¬ 
lich schweren und ausgedehnten tuberkulösen Erkrankung der rechten 
• Seite, sowie beginnender Kavernenbildung im rechten Oberlappen 
zur Aufnahme. Die Prognose musste aus klinischen, wie sozialen 
Gründen ungünstig gestellt werden. Eine Aufnahme in die Heilstätte 
war ausgeschlossen. 

Epikrise. Am 29. IX. 07 Pneumothorax angelegt. Zunächst 
ging alles gut; dann aber trat am 6. XI. 07 eine Angina lacu¬ 
naris auf und einige Tage darauf rechtsseitiger Pleuraschmerz, 
Temperaturanstieg, Exsudatbi 1 du ng, in welchem eine Pein- 


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112 li. Hraiicr iintl lairins [112 

kultur von S t ap li y 1 o k o k k o ii liofiuidoii wurde, wohl Infektion 
von der Angina her. Nun in ehr trat eine scliwere, ziem¬ 
lich beträchtliche Se hädi gu n g d es Patienten ein, 
längere Zeit höhere und später mittlere T e m p e - 
rat u reu. Das Exsudat wurde mehrfach abpunktiert und durch N 
ersetzt. Dauerndes Wohlbefinden und völlige Fieberfreiheit erst vom 
April Ö8 an. I^etzte Naclifiillung am 4. YII. 08. Der Pneumothorax 
kommt infolge des bestehenden Exsudates sehr langsam zur Re¬ 
sorption, auch das Exsudat scliAvindet allmählich, es bleibt nur 
massige Schwarte zurück. Es ist dem Patienten alsdann weiterhin 
dauernd gut gegangen. Jetzt besteht folgendes Resultat: 
Gewichtszunahme von 52,2 auf 61,5 kg. Die Bazillen, die anfangs 
reichlich waren, sind seit 2i/o Jahren verschwunden, el^enso die elast. 
Fasern. Puls vor der Operation um 120; jetzt normale Pulszahlen. 
Temperatur, die anfangs subfebril war, jetzt durchaus normal. All¬ 
gemeinbefinden sehr gut. Patient ist vollkommen arbeits¬ 
fähig, ist in der Klinik als Laboratoriumsdiener beschäftigt. Die 
rechte Seite ist stark abgeflacht. Auf der vorderen kranken Seite 
ausgedehntes Narl>enbild (siehe den Scldus.<status und das Röntgen¬ 
bild). Vorzüglicher Erfolg. 

Während der Pneumothoraxbehandlung wurden wiederholt 
Messungen des Thoraxumfanges und -durchmessers vorgenommen. 
Es zeigte sich eine Zunahme aller Durchmesser. Der Thorax wird 
mehr fassförmig. Diese Form Veränderung bleibt auch nach Ein¬ 
gehen des Pneumothorax teilweise noch bestehen. Leider wurden 
vor Anlegung des Pneumothorax die * Masse nicht erhoben. Die 
Beobachtungen gleicher Art sollen später an anderen Fällen fort¬ 
geführt werden ; allzu woitgeliende Rückschlüsse gestattet ein einzelner 
Fall nicht. 


40. Herr Str., 24 Jahre alt, ans H. (Fall I Dr. Frey-Clavadel.) 

Anamnese: In der Aszendeiiz keine sicher nachweisbare Tuberkulose. 
Pat. war als Kind nicht sonderlich kräftig, aber doch ziemlich leistungsfähig. 
Er machte die üblichen Kinderkrankheiten durcli und bekam im Alter von 
10 Jahren eine rechtsseitige offenbar trockene Rippenfellentzündung. Während 
der Scliuljaiire war er längere Zeit mit einem schwer Lungenkranken zusamnuMi, 
mit dem er gleichzeitig mit zwei Schulkameraden in ein und demselben Zimmer 
schlief. 1902 ergab eine ärztliche Untersuchung noch vollkommen gesunde 
Lungen. In demselben Jahre schwere Blinddarmentzündung, Heilung ohne Ope¬ 
ration. Von 1903 ab studierte Patient in Greifswald. In dieser Zeit stellten 
sicli die ersten Zeichen (‘iiier Lungenerkrankiing ein. Juli 1904 kleine Hämophie 
ohne ernstere F()lg(Mi im Anschluss au eiiuMi Weltlauf. Von Oktob<*r 1904 ab 


Goi.igle 


Original frorri 

UNIVERSITY OF MflWESOTA 




113| Flrfahrungoii und Üf)r‘rlt‘gungen zur lAiiigciikollupstiiora113 

dauernde Müdigkeit und im November 1904 sehr sliirkc Hämoptoe. DaiiacJi hohes 
Fieber und zehnwöchentliches Krankenlager in der Greifswalder Universitäts¬ 
klinik. Hierauf machte Patient 13 Monate lang Kur in Arosa, wo er April 
1906 als nicht geheilt entlassen wurde. Im Sommer 1906 in der Heimat neuer 
Pleuritisschub mit Temperaturen bis 39,5. Patient ging deshalb nach Clavadel 
bei Davos von Juli 06 bis November 1907. Er machte hier wenig Fortschritte, 
hatte häufig Rückfälle und viele bronchitische Attacken. Das Allgemeinbefinden 
war dauernd schlecht, auch Tuberkulinkur braclite keine Besserung. Dieselbe 
wurde abgebrochen, als im Mai 1907 wiederum eine Hämoptoe eintrat. In 
den nächsten Monaten erfolgte immer wieder von Zeit zu Zeit eine leichte 
Verschlimmerung der Lungenerkrankung und nunmehr entschloss sich Pat. 
auf ärztlichen Rat einen künstlichen Pn.Th. anlegen zu lassen. Er ging zu 
diesem Zweck nach Marburg. 

Status vom 7. XI. 07. — Gewicht 63,0 kg. Puls 68—80. Temperatur 
momentan normal, ab und zu erhöht. — Auswurf reichlich, enthält Tuberkcl- 
bazillen und elast. Fasern. — Rechte Schulter steht tiefer, rechte Seite schleppt 
nach. R. oben, besonders hinten, deutliche Schallverkürzung. Isthmus rechts 
deutlich verschmälert, obere Grenze unscharf und tiefer stehend. Hinten unten 
Lungengrenze beiderseits 10. Rippe, links gut, rechts wenig verschieblich. — 

Über der Spitze der linken Lunge hinlen und vorn rauhes Vesikulär- 
atrnen, ohne Rhonchi. 

Rechts vom über Oberlappen Atmen vesiko-bronchial, massig viele 
knackende und knatternde, mittlere und aucli grobe Rhonchi. Über Mittel- 
lappcn rauhes Insp., verlängertes Exspirium, dieselben Rhonchi wie über O.-.L, 
aber spärlich. — Rechts hinten über O.-L., wie vorn reclits oben und die¬ 
selben Rhonchi. — Über dem rechten U.-L. abgeschwächtes rauhes Atmen, 
verlängertes Exspir., an der Basis grobe Rhonchi. — 

9. XI. 07. Anlegung eines k ü n s 11. Pn.Th. (R r a u e r ). Eingehen 
im 5. ICR. Es gelingt nur 300 ccm N einzugiessen. 

12. XI. 07. Durch Punktion werden 100 ccm N nachgefüllt. Da bei 
dem Versuch mehr N einzulassen, Oppressionsgefühl aufiritt, muss davon 
Abstand genommen werden. 

18. XI. 07. Punktion, 150 ccm N. 

Um den zunächst sehr kleinen Pn.Th. durch Lockerung der V^erwachsungen 
vergrössern zu können, wdrd vom 21. XI. 07 ab eine Fibrolysininjcktions- 
kur begonnen. Es werden bis zum 23. XII. 07 im ganzen 14 solcher Injektionen 
gemacht, jeden zweiten Tag eine. Bei den weiteren Stickstoffnachfüllungen, 
die wegen der Kleinheit des Pneumothorax etwa alle sechs Tage vorge- 
nomraen werden, gelingt es selten mehr als etwa 200 ccm Stickstoff einfliessen 
zu lassen. Der Schlussdruck bei diesen Einfüllungen beträgt immer 20 bis 
30 mm Hg. * 

Der Pn.Th. liegt flach vorn über der Lunge, er ist deutlich nachweisbar. 
Das Röntgenbild zeigte schon vor der Einblasung sehr deutlicli den Bestand 
von Pleuraverwachsungen. Man konnte bei tiefer Einatmung sehen, wie 
das an einer Stelle besonders stark verwachsene Zwerchfell sich etwa in der 
Mitte seines Verlaufs winklig abknickte. Auch vermochte man schon vor dem 
Eingriff mit leidlicher Sicherheit zu sagen, dass die Lunge über den hinteren 
Abschnitten stärker verwachsen sein müsse als über den vorderem, dtum }ii‘m 
konnte bei Vor- und Rückwärtsbeugen des Patienten nacliweisen, dass das 
Zwerchfell nach hinten zu stärker fixiert und höher gezogen war als vorn. 

Beitr&fto zur Klinik dor Tuberkalos«. Bd. XIX. H. 1. 8 


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1J4 


L. Hraiier und laicins SjK'nßl«‘r. 


[114 


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Ob es inöglicli sein würde, den Pneumotlionix iiorli weiter zu vorgrössern und 
ob damit dann eine so genügende Lungenkompression sich werde ausführen lassen, 
dass man zur Fortsetzung der Punktion wird raten können, konnte erst nach 
etwas weiterer Beobachtung entschieden werden. 

Am 17. I. 08, nachdem es gelungen war, drei Tage vorher 300 ccm 
Stickstoff einfliessen zu lassen (Fibrolysinwirkung?), tritt Patient die Rück¬ 
reise nach Davos an. Die Höhendifferenz wird ohne jegliche Beschwerden 
ertragen. In Davos ist es möglich, die Stickstoffeinfüllung mit Pausen von 
etwa 14 Tagen vorzunehmen und allmählich die Quantität der jeweiligen Stick¬ 
stof feinblasungen bis auf 400 ccm zu erhöhen, bei einem Enddruck von durch¬ 
schnittlich 30—40 mm Hg. Von Februar an erfolgte im Anschluss an diese 
Nachfüllung eine ganz bedeutende Abnahme der Sputumquantitäten (bisher 
10—20 ccm pro Tag, jetzt nur noch 1—2 ccm). Auch vor dem Röntgen¬ 
schirm zeigt sich, dass der Pn.Th. ganz merklich an Grösse 
zugenommen hat. Gleichzeitig damit tritt eine auffallende 
Besserung des Allgemeinbefindens auf. Die bis dahin 
üblichen bronchitischen Attacken haben vollständig auf¬ 
gehört. Die Temperatur ist dauernd normal, der Bazillen¬ 
befund, der mit der Rückkehr nach Davos Gaffky VIII und 
elastische Fasernge zeigt hatte,lau tetam 3. III. 08 G a f f k y IV, 
keine elastischen Fasern mehr. 

24. III. 08. Nachpunktion. N = 350 ccm. A.-Druck ^ 0. Enddruck 
35,0 mm Hg. 

7. IV. 08. Nachpunktion. N = 300 ccm. A.-Druck 0. Enddruck 
15,0 mm Hg. 

24. IV. 08. Nachpunktion. N = 350,0 ccm. A.-Druck — 1,0 mm Hg. 
Enddruck 25,0 mm Hg. 

Befund vom 24, IV. 08. Gewicht 140 Pfund. (Zunahme seit Operal. 
4 Pfund.) Puls 68—80. Temp. normal. Auswurfmonge geringer. — Mikroskop. 
Befund wie unter dem 3. III. 08. — 

Linke Lunge unverändert gut. — 

Rechts besteht in den unteren Abschnitten des Pleuraraumes ein mässig 
grosser Pn.Th. Hinten unten steht das Zwerchfell in der Höhe des 11. Proc. 
spin., vom ob. Rand der 8. Rippe. Vom Stemalansatze der zweiten linken 
Rippe an ist das Mediastinum stark nach 1. hinüber gebläht. Die oberen Grenzen 
des Pn.Th. sind hinten und vorn unscharf. 

R, vom oben über Klavikula und im 1. ICR. leises vesiko-bronch. At. 
und Knattern nach Hustenstösson. 2. ICR. fast aufgehobenes Atmen, spärliches 
leises Knattern nach Husten. 3., 4. u. 5. ICR. aufgehobenes Atmen. Thorax¬ 
wand hier vorgewölbt. — R. hinten oben über dem O.-L. leises rauh-scharfes 
Inspir., verlängertes Exsp., Rh. = 0. Im Bereich der obe^bn Hälfte des r. 
U.-L. fast aufgchob. At., Rh. keine, dann bis zur Basis völlig aufgehobenes 
Atmen. Der Kranke reist am 4. V. 08 nach Marburg, um dort sich.weiter nach¬ 
punktieren zu la.sson. — In Marburg kurzer Aufenthalt, dann nach Hause. 

Nachpunktionon in Marburg: 7. V. 08: 400 ccm N. 23. V.: 350 ccm 
A.-Dr. — 0,5, E.-I)r. + 15. 5. VI. 08: 600 ccm. 

Patient war zu diesen Punktionen nach Marburg gekommen und dann 
stets wieder nach Hause zu den Eltern gefahren. In der ganzen Zeit 
fieberfrei und bei gutem Befinden. 14 Tage nach der letztgenannten Punktion 
erkrankte der bis dahin völlig fieberfreie Patient an einer Influenza, nächtlichem 



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115) Erfabningon und LilK‘rli‘gun^cn zur fuiiig<‘nkoll:ii)stlM'ra|)i<*. 115 

Schwitzen, Kopfschmerzen, tagsüber öfters Frösteln, leichfe Teuiperalur- 
Steigerungen. Diese Beschwerden schwanden nach 8 Tagen. 

Am 27. VI. 08 wurde folgender Status erhobene Die linke Seite ohne 
besonderen Befund. Trotz eifrigem Suchen dort nichts von frischen Katarrhen 
zu finden. Rechts vom oben über den oberen Partien Schallverkürmng bei 
imbestimmtem Atmen und einzelnem zähem inspiratorischem Giemen. Exspiration 
sehr leise ohne Beigeräusche. R. v. von der 3. Rippe ab deutliche Tympanie, 
die bis an den unteren Rand der 7. Rippe reicht. Besonders laut ist diese 
Tympanie in der Axilla. Nacli hinten zu reicht der Pneumothorax etwas über 
die hintere Axillarlinie hinaus. 

Am 27. VI. Nachpunktion, 300 ccm, Schlussilruck -p (> inni Hg, daiienul 
fieberfrei, Temperatur überschreitet 37,0 niclit. 

25. VII. 08 Punktion, 500 ccm. 

Zum Winter kommt Patient dann nach Marburg. Befinden dauernd 
gut. Im September 08 fand man bei der Durchleuchtimg im Pn.Th.-Rauin 
ein kleines Exsudat. Dasselbe lag der Thoraxwand halbmondförmig an 
und erhielt durch die Lagerung des Pn.Th. jene eigentümliche Form, die das 
Rdntgenbüd Tafel I, Nr. 3 wiedergibt. Pat. zeigte keinerlei besondere Störungen. 
Wir waren überrascht, dieses Exsudat zu finden, konnten es aber physikalisch 
auch jetzt noch nicht nachweisen, obwolü wir genau den Stand kannten. Erst als 
das Exsudat in den nächsten Zeiten etwas anstieg, war durch sehr leise 
Perkussion bei stehendem Patient eine dem Exsudat entsprechende Schall¬ 
verkürzung nachweisbar. Bei Rückenlage verschwand diese Dämpfung völlig.. 

Am 27. X. 08 wurden durch Punktion 150 ccm dieses klaren serösen 
Exsudates abgelassen. Dasselbe stand unter Plus-Minusdruck (mikroskopisch 
Lymphozyten); darauf 300 ccm N eingegossen. Weiterhin fieberfrei und gutes 
Befinden. Sputum zeitweise völlig fehlend. In vorübergehend auftretenden 
geringen Sputummengen waren Tuberkelbazillen nicht nachweisbar. 

16. November. Das Exsudat ist handbreithoch. Der Pn.Th. scheint sich 
eher etwas verkleinert zu haben. 50 ccm Exsudat abpunktiert. 300 ccm N 
eingelassen. 

Am 12. Dezember 08 trat plötzlich ohne nachweisbare Ursache abends 
Temperatur (39,5) auf. An den beiden folgenden Tagen fiel das Fieber auf 37,4 
(Maximum 37,7) und dami wieder völliges Freisein von Fieber. 

Das Röntgenbild (Taföl I, Nr. 4) zeigt das Exsudat weit geringer; der 
obere Rand einer Pn,Th.-Blase ist noch zu erkennen. 

Weitere Nachpunktionen wurden bei dem Patienten nun niclit mehr vor¬ 
genommen. 

Anfang März 09 wurde der nachfolgende Status erhoben: 

Allgemeinbefinden sehr gut, Sputum 2—5 ccm. Aussehen 
des Pat. vorzüglich. Keine Dyspnoe. Spitzenstoss 1 Q.F. breit 
innerhalb der M.L., Pulsverhalten völlig normal. R. Supraklavikulargrubo 
etwas eingesunken, r. Brustseite abgeflacht, nicht besonders schleppend. L. Spitze 
normal schallend, scharf begrenzt, normal breit. R. Spitze leicht tympanitisch. 
Obere Grenze derselben unscharf, Breite 4 cm. 

L. V. und h. überall normal. R. unter der Klavikula leichte Tympanie. 
Ab 3. bis 4. Rippe bei leiser Perkussion Dämpfung, unter der 4. Rippe wieder 
normaler Schall bis zur 6. Rippe. Hier überraschend scharfe Grenze, sehr gut 
verschieblich und zwar um IV 2 QP- H.L. Grenze 11. Rippe, verschieblich. 
R. h. u. Schall ein wenig kürzer als normal. Grenze 10. R., schhiclit ver¬ 
schieblich. 

8 ’^ 


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11() li. Hraii*'r iiml laiciiis |11G 

L. V. o. Insp. rauhscharf, Exsj». normal. Koi!i(‘ Rfionclii, auch nicht nacli 
Husten. L. h. o. Insp. elwas leise, keine Rhonchi, Kxsp. normal, sonst links 

überall Yesikuläratmen. 

R. V. o. Insp. etwas zu leise, keine Rhoiichi, Kxsp. verlängert. R. unter 
Klavikulg scharfes Insp., verlgt. Exsp., ganz spärliche zähe, knackenrle Rh., be¬ 
sonders nach Husten, bei ruhiger Atmung keine Rhonchi. Unter 3. Rippe 
A.G. stark abgeschwächt, Charakter desselben unbestimmt, keine Rhonchi. Unter 
4. Rippe leises Vesikuläratmen, nur nach Husten spärliches Knacken. R. seit¬ 
lich unten sakkadiertes Vesikuläratmen und einzelne Reibegeräusche am Schluss 
des Insp. — R. h. o. wie r. vom oben. — 

R. h. u. Inspirium normal laut, aber scharf, keine Rhonchi. 

Patient reist nach Hause. 

Am 12. V. 09 traten von dem Kranken nachfolg('nde Milleilungen ein: End e 
März fühlte er sich nicht w o b 1 , b (‘ k a m e t w a s mehr Husten , 
wie er meinte, nach einer Erkältung, ln der Nacht zum 1. April Lungen- 
blutung ca. 100 ccm, Temperatur bis 39,9, 8 Tage huig blutiges Sputum. Patient 
wurde bettlägerig, behielt andauernd Temperaturen bis .38, häufiges Kr 
brechen, mangelnder Appetit. Er vergleicht di(*.seu Zustand ähnlich dem, 
der vor 4 V 2 Jahren seine Erkrankung einlei tele. Nach dem ärztlichen Bericht, 
der bald danach einging, war r c c ii t s s 0 i t i g eine intensive B r 0 n 
c h i t i s vorhanden. R e i c h 1 i c h c E x p e k t o r a t i o n eines schleimig-eitrigen 
Auswurfcs. Pat. verlor unter der m a n g e 1 h a f t e n N a li r u n g s a u f n a h m e 
und andauerndem Fieber zunehmend an Kräften. Dann erholte er sich 
wieder und wurde Mitte Mai eine Woche fieberfrei. Darauf aber stellte sich 
erneutes Fieber ein (bis 38,4 abends), über der ganzen rechten Seite blieben » 
zahlreiche Rasselgeräusche dauernd bestehen. Ende Mai 1909 wurde Pat. bei 
dauernd zunehmenden Temperaturen schwer besinnlich, stöhnte oft, schlief 
viel. Am 4. Juni trat Exitus ein. Eine Sektion wurde leider nicht ausgeführt. 

Iiidikation. Ausgedehnte Erkrankung der rechten Seite, die 
trotz jahrelanger Behandlung in Kurorten fortschreitend zunahm. 
Häufige pleuritische Schübe, mehrfache Lungenblutungen und schub¬ 
weises Fortschreiten der Lungenerkrankung, jeweils mit stärkerem 
Katarrh und höheren Pieberattackeii. Im Hifi blick auf die ungünstige 
Prognose ^vurde ein Pneumothorax angelegt (9. XI. 07). 

Epikrise. Der Pneumothorax war von mittlerer Grösse, so 
dass es nur zu einer Entspannung, nicht aber zu einem 
Kollaps kam, speziell der Oberlappen blieb breit adhärent. Trotz¬ 
dem in den nächsten l^/o Jahren auffällig günstige 
Gestaltung des KrankheitsVerlaufes. Die obengenannten, 
sonst regelmässig einsetzendeii Verschlimmerungen blieben aus. Der 
Allgemeinzustand sowie der Lokalbefimd besserten sich wesentlich, 
Sputuminengen traten fast ganz zurück. Pat. wurde längere Zeit 
bazillenfrei. 

Im September 1908 Auftreten eines serösen Exsudates im Pneumo¬ 
thoraxraum, welches 1/2 Fortl>estand des guten Befindens 

bestand. Letzte Naclifüllung 16. XI. 08. 



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1171 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkullapi^tlierapic. 


117 


Ende März 1909 wieder Hämoptoe und damit 
rasch fortschreitende, in zwei Monaten zum Tode 
führende Verschlimmerung, anscheinend auch Meningitis. 
Das Fibrolysin hat seinerzeit wahrscheinlich dazu beigetragen, die Ver¬ 
wachsungen zu lösen. Es wurde mehr denn ein Jahr vor der er¬ 
neuten Verschlimmerung des Krankheitsbildes angewandt. 


41. Frau de M., 35 Jahre alt. 

Erheblich erblich belastet: die Mutter des V'aters, der V^iter, sowie* dessen 
Geschwister starben an Lungentuberkulose. Ferner starb ein Bruder der FalieiUin 
an Lungentuberkulose nach 3'/o jähriger Krankheitsdauer. Die Patientin ist di<? 
dritte von vier Geschwistern. Ein Bruder und eine Schwester sind g(‘sand. 
Als Kind Scharlach und Masern, Blepharitis scrophulos, Ini übrigen bis zam 
22. Lebensjahre gesund. 

Beginn der bestehenden Lungentuberkulose 181)G. Damals Rippenfellent¬ 
zündung ohne Exsudat rechterseits. Weitere Erscheinungen fehlten bis Spät¬ 
herbst 1903. Damals, fünf Wochen nach dem ersten Wochenbett, Husten 
und Auswurf und zwei starke Lungenblutungcn. Winter 1904 bis 1905 in 
Arosa; gebessert entlassen. Leidliches Wohlbefinden bis zum zweiten Wochm- 
bett, Oktober 1905. Von da an allmähliche Verschlechterung, zunehmende 
Mattigkeit, Husten und Auswurf. 

Status vom 16. Vlll. 06 (Dr. Voigt, Davos): sehr nervöse und etwas 
überempfindliche Frau. Ernährungszustand gut, Gewicht 64 Kilo, Schleimhäute 
etw^as blass. Puls 70—80, Temperatur normal. Frin frei von Eiw'ciss und 
Zucker. 

Spitzenstoss im 5. Interkostairaiim, innerhalb der .Miunillarlinie, nicht 
hebend, Töne rein. 

Lunge. Perkussion: Linke Spitze leicht gedämpft, vom bis Klavi 
kula, hinten bis Spina scap. Cher dem rechten Oberlappen intensivere Dämp¬ 
fung, besonders über der Klavikula und hinten bis zur Spina. Von da ab ist 
Dämpfung etwas weniger intensiv. Hinten vom 3. Brustwirbel und vom von 
der 3. Rippe an normaler Lungcnschall. 

Auskultation: Links hinten oben und vorn oben In- und Ex- 
spirium zu leise und rauh, über Klavikula feines Rasseln. 

Rechts hinten oben rauhes Atmen bis 5. Brustwirbel, zahlreiche, mittlere 
trockene, sowie einige grobe und feuchte Rhonchi. Vorn der gleiche Bestand 
bis zur 3. Rippe, nur sind 'die Rhonchi hier weniger zahlreich. Weiter ab- 
w’ärts ist die Atmung sehr leise, aber vesikulär. 

Sputum Gf. Vlll. Tbc., in Häufchen mit Sj)orenbildung, wenig elastische 
Fasern. Tagesmenge 15 ccm. 

Die Patientin führt in ihrer Privatwohnung Liegekur durch. Das Be¬ 
finden bleibt ziemlich unverändert bis Mai 1907. Um diese Zeit spontaner 
Abort am Ende des ersten Monats. Zurückgebliebene Eiresto w'crden in Narkose 
entfernt. Vo n n u n a n w^ e r d e n d i e T e m p e r a t u r c n s u b f c b r i 1. Husten 
und Ausw'urf vermehren sich. Die tuberkulöse Infiltration dehnt sich allmälilich 
durch den ganzen rechten Unterlappen aus. Die Prozesse im rechten Ober¬ 
lappen werden viel dichter. Auf der linken Si*il(* sind die Erscheinungen besser 
geworden. Am 1. Nov. 07 ist auf der ganzen rechten Seite nonnales Atmen 


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11s L. Uraucr und Lucius Si>onglcr. [118 

nicht mehr zu hören. Dasselbe hat zum Teil broncliovesikulären Charakter 
angenommen. Die Rasselgeräusche sind sehr zahlreich, zum Teil klingend, 
zum Teil halbklingend, grob und feucht. 

A m 23. Nov. 07 Anlegung eines künstlichen Pneumo- 
t li o r a X rechts (Brauer). Der Eingriff gelingt gut, bringt nur die gewöhn¬ 
lichen geringfügigen Beschwerden mit sich, und laufen ungefähr 600 ccm N ein. 

In den nächsten drei Tagen entwickelt sich starkes 
Fieber (bis 39). Anscheinend handelt es sich um S p u t ii m r e t e n t i o n c n 
und vielleicht kleinere b r o n c h o - p n e u m o n i s c h e Prozesse in 
der halbkollabierten Lunge. 

Am 24. Nov. 07 zeigt das Röntgenbild die ganze rechte Lunge halb¬ 
kollabiert als Wulst der Wirbelsäule anliegend. Auch die Spitze ist wn N 
umflossen. Von der Basis zieht ein fingerdicker Strang zur Zwerchfellkuppc 
und hält so den Unterlap|)en etwas mehr ausgespannt. 

Nachfallungen: 26. Nov. 1907. A.-D. — 5 mm Hg. E.-D. ± 0. 900 ccm N. 

4. Dez. 1907. A.-D. ± 0 mm Hg. E.-D. 1000 ccm N. 

Das Fieber war in den letzten Noverabertagen allmählich zurückgetreten. 
Die Temperatur bleibt mm dauernd unter 37,3. Patientin ist stundenweis ausser 
Bett. Unter der Wirkung der Nachfüllungen war die Lunge besser komprimiert. 
Im allgemeinen ist der Zustand ein befriedigender. 

Der normale Temperaturverlauf wird nur durch einige subfebrile Spitzen 
unterbrochen (9. XII. 07: 37,7, 11. XII.: 37,4). 

Am 4. XII. 07 werden die letzten Fäden entfernt, ein etwas tiefer 
greifender Stichkanal zeigt mässige Sekretion. 

Nach- i 1901. A.-D. —2 mm Hg. E.-D. +2,0. 1200 ccm N. 

punk- I 4. I. 1908. A.-D. — 1 mm Hg. E.-D. -f 8,0. 1000 ccm N. 

tionen: l 19.1.1908. A. D. q: 0 mm Hg. E.-D. + 4,5. 1000 ccm N. 

Bei dieser Nachfüllung vorübergehend leichter Kollaps. 

25. I. 08. Die Patientin, die in letzter Zeit dauernd fieberfrei war, 
erkrankte mit Ko{»f- und Gliederschmerzen, anscheinend infolge einer leicliten 
Influenza. Temperatur stieg auf 37,4 und erreichte auch in nächster Zeit 
mehrfach 37,5—37,8. 

13. II. 1908. Nachpunktion: A.-D. 5 mm Hg. E.-D. -f 3. 1000 ccm N. 

Tags danach tritt hei der inzwisclum vom Fieber befreiten Patientin 
wieder 37,8 auf. 

9. III. 1908. Nücbpunktion: A.-D. — 5 mm Hg. E.-D. -f 4. 1200 ccm N. 

18. III. 08. Patientin hat in den letzten Wochen beständig an Gewicht 
abgenommen. In den letzten Tagen wieder gelegentlich Temperatur bis 37,6. — 
Letzte Nachpunktion in Davos am 4. .\pril 08. 

Die Sputummengen waren in den ersten Tagen nach der Operation sowie 
an den Tagen, die den Punktionen folgten, stets etw^as vermehrt, betrugen 
im übrigen täglich 10 ccm. Der Bazillengehalt w’ar stets reichlich, ebenso 
elastische Fasern. Körpergewichtsabnahme im ganzen 4 Kilo. In den letzten 
zw'ei Monaten traten immer mehr intensivere D a r m s t ö r u n g e n zutage. 
Häufig am T a ge D i a r r h o e. Dabei zunehmende Druckempfind- 
1 i c h k e i t in d r 11 e o c ö k a 1 g g e ji d. Hier auch deutlich ver¬ 
mehrte Resistenz. I)<r Ibdund und (li(‘ Beschwerden Hessen Darmtuber¬ 
kulose venuuton. Der G(*wieli(s\(*rlusl war diin li die sehr mangelhaft«' Nahrungs¬ 
aufnahme erklärt. 


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llü] 


Erfalirungi?ii und Überlegungen zur Luiigeiikollapstlierapie. 


11t) 


Der Befund auf der linken Lunge war unverändert geblieben. Puls an¬ 
dauernd ca. 80. 

Im Hinblick auf die zunehmende Verschlechterung des allgemeinen Be¬ 
findens ging die Kranke Anfang April 1908 nach Hause. Sie trat nunmehr 
wieder in die Behandlung ihres früheren Arztes Professor B o h 1 a n d. 

Wir verdanken den freundlichen Mitteilungen des¬ 
selben die folgenden Angaben. 

„Status am 30. IV. 08. Ernährungszustand ganz gut, Gew. 54 Kilo, kein 
Fieber, Stimme heiser. Über der r. Thoraxhälfte überall tiefer Schall, Atmungs¬ 
geräusch auf der ganzen r. Seite kaum hörbar. L. Lunge frei von Rasseln, 
keine deutliche Dämpfung, Atmungsgeräusch 1. h. o. etwas rauh. Herzstoss im 
5. ICR. in der M.-Linie. 

Am 7. V. Nachfüllung von 600 ccm N bei 15 mm Hg Überdruck. Sputum 
frei von T.B. Keine Beschwerden. R. Atmungsgeräusch überall aufgehoben, 
Spitzenstoss bis M.-Linie. 

,28. V. 1200 ccm N nachgefüllt bei geringem Überdruck; danach fciem- 
lich starke Schmerzen r. im Rücken. Sputum ohne T.B. Menge 10—15 rern. 

23. VI. 1000 ccm nachgefüllt, 5 mm Hg Überdruck. Allgemeinbefinden 
gut, Körpergewicht hat zugenommen. Sputum 0 T.B. 

7. VII. 08. R. V. und in der Seite schwaches Atemgeräusch. R. h. nur 
bei Sipna scapulae. 1000 ccm N nachgefüllt; Überdruck 15 mm Hg, danach 
stärkerer Druck r. h. o. und leichter Ohnmachtsanfall, Patientin erholt sich 
rasch. Spitzenstoss ca. 2 cm ausser M.-linie. Rechte Seite ziemlich stark 
vorgewölbt. L. Seite überall normales Atemgeräusch. Sputum 0 T.B. Gew. 
54,850. 

22. VII. 500 ccm N nachgefüllt, Gew. 55,500 Kilo. 

7. VIII. 600 ccm N nachgefüllt. Nachmittags Temp. 38,6. Kopf¬ 
schmerzen. 

8. VIII. Temp. 36,8, Auswurf, keine T.B., aber Streptokokken. Gew. 
56 Kilo. 

25. VIII. 100 ccm N nachgefüllt Spitzenstoss in M.-L. Gew. 55,6 Kilo. 

14. IX. 600 ccm N nachgefüllt. Sputum keine T.B. Untersuchung des 

Larynx: Rötung beider Stimmbänder, am rechten auch geringe Schwellung, 
Schwellung der Interarytänoidfalte. Gew. 56,45 Kilo. 

6. X. 300 ccm N nachgefüllt. Wirbelsäule seitlich gekrümmt, Konvexität 
im Lendenteil nach r. L. Lunge zeigt überall normales Vesikuläratmen ohne 
Nebengeräusche. Gew. 56,4 Kilo. 

27. X. 400 ccm N nachgefülU. R. Stimmband intensiv gerötet und ge¬ 
schwollen. Behandlung mit Einblasen von Orthoform und Propiusin. SpiiUim 
etwas mehr, 15—20 ccm, enthält einzelne T.B. 

19. XI. 300 ccm N nachgefüllt. Sputum enthält in einem Präparat 
je 2—3 T.B. Gew. 56,1 Kilo. 

4. XII. 400 ccm N nachgefüllt. Sputum kein#* T.B. 

5. I. 09. 800 ccm N nachgefüllt. Sputum keine T.B. Gewicht 58,4 Kilo. 

29. I. 09. 600 ccm N nachgefüllt. L. h. in der Mitte grober Rhonchus 

zu hören. L. h. u. Exspirium verlängert, kein RaSseln. 

26. II. 900 ccm N nachgefüllt. Gew. 57,3 Kilo. 

19. III. 250 ccm N nachgefüllt. Sputum keine T.B. 

5. IV. 300 ccm N nachgefüllt. 

6. V. Sehr schwaches Bronchialatmen ül>er der rechten Lunge, kein 
Rasseln. Linke Lunge normales Atmen, kein Rasseln. 700 ccm nach gefüllt. 


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120 


]j. Hraiier und Lucius Sikmi^Iit. 


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4. VL Klagt über stoclieiule Schmerzen in der 1. Seite und an der Wirbel¬ 
säule, die nicht stärker skoliotisch. 300 ccm nachgefüllt (lew. 60 Kilo. 

6 . VII. Stechen in der linken Seite hat zugenommen, 1 . h. u. und I. iiu 
der Seite grobes pleuritisches Reiben. Temperatursteigerung bis 38,0. 250 ccm 
N nachgefüllt Sputum keine Tb. (Der Pn.Th. besteht rechts.) 

27. VIII. 09. Patientin hat zu Hause fast stets gelegen wegen heftiger 
Seitenstichc links und häufigere TemfK‘ratursteigerungen. Nach Codein und Jod¬ 
pinselungen allmähliches Schwinden der Seitensliche. Heute nichts von 
p 1 € u r i t i s c he m Reiben mehr zu hören. Pat. bewegt sich flott ohne 
.\tembeschwerden. 250 ccm N nachgefüllt. Gew. 02 Kilo. 

27. IX. 09. Gewicht 63 Kilo. Nach Rönlgenbild ist die rechte Lunge 
mehr entfaltet, etwas mehr als ^^ 3 . In der Höhe der 3. Rij)])e 
zieht quer nach aussen ein Strang nach der Thoraxwand bis zur Spitze, sonst 
ist die Lunge überall frei. Auf der linken Lunge ist nirgends ab¬ 
normes A t e m g e r ä u s c h zu hören, kein Rasseln. Nach dem 
Rönlgenbild befindet sich in der Höhe der 2. Rippe ein kleiner Herd, sonst 
alles frei. Im Larynx rechtsseitige Rokurrensparese, keine Ulzeration. Pat. 
macht einen frischen, gesunden Eindruck, kann T r e |) p c n 
steigen, ja mit ihr e n K i il d e r n 1 a u f e n 0 h n e n e n n (‘ n s w e r t e 
A t e m n o t.“ 

Prof. B o h 1 a n (1 berichtet ferner unter dem 24. I. 10: ,,E r a u M. geht es 
sehr gut. Ich lasse die Lunge sich j e t z t entfalt e n. Das Rönt¬ 
genbild ergibt: die r. Lunge zu et w a wieder entfaltet, keine 
Schatten drin. Im Sputum kein e Tuberkelbazillen!“ — 

Es ist anzunehmen, dass d e r P n. T h. e t w a seit M ä r z 1910 völlig 
resorbiert ist. 

Bericht des H r r n Kollegen B o li 1 a n d vom 17. 9. 1910. 

„Es ging der Patientin bis vor 4 Wochen sehr gut, sie sah sehr gut aus, 
hatte nur leichte Atemnot beim Trepj)ensteigen, spielte sogar mit ihren Kindern. 
Dann aber traten heftige Schmerzen in der rechten Seite auf, 
leichte T e m ]> c r a t u r s t e i g e r u n g bis 38 u n d H u s t e n r e i z. Ich 
fand in der vorigen Woche die Patientin im Bett, mit geringen Temperatur- 
.«^teigerungen. D i e re c h t e Sei t e w a r e r h e b I i c h geschrumpft in 
den unteren seitlichen Parlii‘u. IL h. u. bestand eine 3 bis 
4 Finger b r eite D ä m }) f u n g m i t a b g e s c h w ä c h t 0 m A t m e n 
und k r e j) i t i e r e n d e n G e r ä u s c h e n. A u c li a u f d e n obere n a r - 
tien war der Schall rechts (‘t w a s kürzer und überall das 
Atmen schwach, kein Rasseln. Die linke Lunge ist stark emphyse- 
matös; kein Rasseln. S p u t u m n u r g e r i n g M e n g e n , s c h 1 e imig- 
eitrig, keine T u b e r k e 1 b a z i 1 1 e n. A 11 s s e li e n gut, E r n ä h - 
r u n g s z u s t a n d gut, Gew. 08 kg. 

Soeben .schreibt mir die Patientin, dass sie (dnige Tage wieder fieber¬ 
frei gewesen, dann aufg(‘standen sei und dann wieder 37,5 bekommen habe. 

Am 4. XI. 10 berichtelt« ITof. B o h 1 a 11 d ziilelzt. Pat. hat 8 Wochen zu Bett 
gelegen bis heute und zwar wegen leichten Temperatursteigerungen, die in den 
letzten Tagen jedoch nur bis 37,4 abends reichten. Boi den Versuchen aufzu¬ 
stehen und zu gehen trahm stets heftige Schmerzen in der rechten Brustseite und 
zwar besonders in dein rechten Interskapularraum auf. Objektiv der Be¬ 
fund der g 1 e i c h <* w i e a in 17. IX. d. J. , n u r ist die D ä m p f u 11 g 
a 11 f d c r r 0 c h t e n S ]» i t z e hinten int e n s i v e r g e w o r d e n. Rechts 



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121] 


Erfalirun^on imi.1 rborlegun^'rn zur Lim^rnkollaiistlicTapiu. 


121 


Atmen überall a b g e s c li w ä c li 1 , u ri l c u rechts k r (‘ ji i t i e r e n <1 e 
Geräusch e. A u s w u r f mini m a 1. A u s s e h e n ii ii d E rnähriings- 
z u s t a n d gut. 

Die Indikation zur Operation war gegeben durch die ruvseli 
fortschreitende, beträchtliche Verschlechterung der rechten Lunge. 
Die tuberkulöse Infiltration breitete sich unaufhaltsam über den ganzen 
rechten Unterlappen und den Mittellappen aus. Im Oberlappen wurden 
Zerfallserscheinungen deutlich. Damit einher gingen subfebrile Tem¬ 
peraturen. Diese Erscheinungen mussten die Prognose um so un¬ 
günstiger beeinflussen, als die Tuberkulose l>ei mehreren Blutsver¬ 
wandten der Patientin einen malignen Charakter gezeigt hatten. 

Epikrise. In den ersten Tagen nach Anlegung des Pneumo¬ 
thorax (23. XI. 07) traten erhöhte Temperaturen auf, anscheinend 
durch Sekretstauung, resp. pneumonische Prozesse 
in der halb kollabierten Lunge. Im übrigen folgte der Anlegung 
des Pneumothorax durch mehrere Wochen eine günstige Beein¬ 
flussung der Temperatur, da dieselbe zur Norm zurückkehrte. Ge¬ 
ringfügige Temperatursteigerungen fanden sich einzeln am Tage nach 
einigen Punktionen, ferner Endo Januar 08 gelegentlich eines In¬ 
fluenzaanfalles. 

Hieran schlossen sich dann M a gen- u n d D a r m s t ö r u n g c n , 
die das Entstehen einer Darmtuberkulose befürchten Uessen. Während 
dieser Zeit wieder subfebrile Temperatur. Der Durchfall und die damit 
einhergehende Appetitlo.sigkeit zeitigten stäi’kere Gewichtsabnahme. 
Die Sputummenge, die anfangs etw^^us gestiegen war, verblieb dann auf 
10 ccm. Bazillengehalt und Menge an elastischen Fasern war anfäng¬ 
lich ziemlich erheblich. Pat. reist nach Hause und wird dort weiter 
nachpunktiert. Die eingelaufenen Nachrichten (Prof. B o h 1 a n d) 
lauten im ganzen günstig und reichen bis zum 4. XI. 10. Seit dem 
27. X. 08 konnten im Auswurfe keine Tuberkelbazillen mehr nach¬ 
gewiesen • werden. Nur einmal trat vorübergehend leichte pleuritische 
Reizung links auf. Mitte August 1910 trat dann rechts, wo¬ 
selbst früher der Pneumothorax bestand, eine Pleurareizung mit 
massiger Exsudatbildung auf, die jetzt wieder im Abklingen ist und 
den Gesamtverlauf kaum ausschlaggebend beeinflussen dürfte. Das 
Gewicht ist zu Hause von 54,0 kg auf 08,0 kg gestiegen. Endo 
Januar 1910 war die Lunge bis etwa zu -/s entfaltet und wurden 
keine Nachfüllungen mehr gemacht, s*Mt März 1910 dürfte diesell)e 
sich Avieder ganz ausgedehnt halxMi. 


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122 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[122 


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42. Herr H. L. Pat. ist geb. 1877, Gärtner. (Fall I, Dr. L.y.Maralt.) 

Vater an Meningitis u. Otitis gestorben, Mutter leidet an chronischer Nieren¬ 
entzündung. Vaters Mutter ist an Lungentuberkulose gestorben. Patient ist 
das 10. von 13 Geschwistern, welche alle rasch nacheinander geboren worden 
sind. 4 derselben sind ganz jung an nicht tuberkulösen Erkrankungen gestorben, 
ein Bruder starb in reiferen Jahren an Lungentuberkulose, 2 Brüder und 
2 Schwestern leiden oder litten früher an Lungenschwindsucht Patient wurde 
von einer Amme ernährt, welche ein Jahr später an Lungentuberkulose starb. 

In seiner Jugend machte er Masern, Scharlach und Diphtherie durch. 
Seit der letzteren Krankheit war er immer mager und blass, gehörte aber 
nicht zu den schlechten Essern. Mit 16 Jahren machte er einen rechtsseitigen 
Lungenspitzenkatarrh durch, blieb deshalb 7 Monate zu Hause imd wechselte 
nachfier den kaufmännischen Beruf in denjenigen des Gärtners. Bis 1907 ging 
es ihm mit den Lungen gut, er hatte aber mit chronischem Gastro-intestinal- 
Katarrh zu tun. Im April 07 Influenza mit Fieber bis 39®. Nach 10 tägiger 
Bettruhe trat eine Hämoptoe von ca. 3 Dl. auf. Seither hustete er, hatte 
bazillenhaltigen Auswurf und musste sich pflegen. Von Mitte Juli an war 
er in einem Sanatorium des Tieflandes. 

24. VIII. 07 Ankunft in Davos. Schwächliche Konstitution, mittlerer Er¬ 
nährungszustand, blasses Aussehen. Rechte Pupille weiter als linke. Thorax 
etwas lang, sonst gut gebaut, rechts vorn deutliche Retraktion. Herzspitzen- 
stoss im 5. Interkostalraum, etwas über die Mamillarlinie hinaus, absolute 
Dämpfung an der 4. Rippe und am linken Sternalrand. Puls 88, regelmässig, 
wenig gefüllt. 

Lungen. Perkussion. R. v. leicht relative Dämpfung bis Klavikula, 
leichte Dämpfung bis 3. Rippe. Von der 5. Rippe abwärts und in der Seite 
Schallverkürzung, unterer Lungenrand gut verschieblich. R. h. deutliche Dämp¬ 
fung bis Angulus, am stärksten zwischen Spina und Mitte. 

Linke Spitze vorne und hinten leicht gedämpft. 

Auskultation. R. v. weich vesiko-bronchiales Insp., verläng. Exsp. bis 
2. Rippe, um Klavikula vereinzelte tonl. Rhonchi. Verschärftes Ves.-Atmen 
bis 3. Rippe, unten und in der Seite etwas unreines Inspirium. 

R. h. unrein verschärftes Atmen bis Spina, nach Husten Rauhigkeiten. 
Unrein vesiko-bronchiales Atmen mit br. Exsp. bis Mitte. Nach Husten ziem* 
lieh spärliche tonlose Rhonchi. Von da abwärts verschärftes, zu unterst etwas 
keuchendes Atmen. 

Links vorne und hinten über der Spitze verschärftes Insp., verläng. 
Exspirium. 

In dem schleimig-eitrigen Auswurf finden sich Tuberkelbazillen, Gaffky IV. 
Im Urin nichts Besonderes. 

Gewicht 61,4 kg. 

Seit der Aufnahme fieberte der Patient leicht und un¬ 
regelmässig, die eine Woche waren die Temperaturen bis 38 im Darm, 
die andere nur bis 37,5. Dabei hatte er im;nier etwas Atemnot, er¬ 
müdete rasch bei den geringsten Anstrengungen tmd hustete etwas mehr. 
Der Befund auf der rechten Lunge verschlechterte sich 
von Monat zu Monat. Im Oktober bestand mässig zahlreiches feines 
und mittleres Rasseln im ganzen Interskapulaxraum, unterhalb Knarren imd 
mittlere sowie grobe halbklingende Rhonchi bis zu imterst. Im November 
war auch vorne die Partie von (der 5. Rippe an leicht gedämpft, das Atmen 
in dieser Zone unrein mit spärlichen tonlosen Ulioiichi. Im Dezember hatte 



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123] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


123 


das Rasseln hinten in ganzer Ausdehnung noch zugenommen, der Auswurf, 
welcher häufig blutig tingiert erschien, war stark vermehrt, ebenso die 
Bazillen in demselben (Gaffky VI). Das Gewicht, welches zu Beginn der Kur 
auf 64,4 kg gestiegen war, hatte sehr stark abgenommen, ca. 57 kg. 
Von Mitte November an hütete Pat. wegen Fieber und 
Schwäche andauernd das Bett, der Puls war meistens über 100. 
Von Mitte Dezember an Fieber bis 38,5 und darüber, sehr, viel Htisten und 
graugrüner Auswurf. Da sich der Zustand von Woche zu Woche 
verschlimmerte, entschloss man sich anfangs Januar zur Anlegung eines 
künstlichen Pneumothorax. 

Operation nach der Methode von Brauer am 5. I. 08 
durch Lucius Spengler und L. v. Muralt. 

Die Röntgendurchleuchtung vor der Operation zeigt einen diffusen Schatten 
mittlerer Intensität über den unteren Lungenpartien rechts, ebenso Schatten 
über beiden Spitzen, über der ^rechten stärker. 

Eingehen im 5. Interkostalraum vordere ^xillarlinie rechts unter Novo¬ 
kain-Anästhesie. Nach Durchtrennung der Interkostalmuskulatur sieht man sehr 
schön, wie sich die beiden Pleurablätter gegeneinander verschieben. Es ge¬ 
lingt leicht, mit der Sonde in den Pleuraspalt hineinzukommen, es wird sofort 
unter zischendem Geräusch Luft in den Pleuraraum aspiriert. Am Manometer 
zeigt sich negativer Druck von einigen mm Hg. Es werden ohne Schwierigkeit 
2 Liter Stickstoff in den Pleuraraum gebracht Zum Schlüsse hustet Patient 
mehrmals krampfhaft und presst dadurch Gas aus, es bildet sich ein sehr 
ausgedehntes Emphysem der Haut, das eine physikalische Untersuchung nach 
der Operation fast unmöglich macht. Auf dem Röntgenschirm sieht man einen 
gleichmässigen hellen Saum um die ganze rechte Limge. 

Die nächsten Tage ist Patient sehr müde, klagt über quälenden Husten¬ 
reiz und wirft sehr viel aus; die Temperatur ist etwas niedriger, bis 38,0, 
der Puls hinter 100. Am 81. I. Nachpunktion von 1 Liter Stickstoff. Diesmal 
wurde zur Vermeidung von Husten und neuem Emphysem eine Morphin¬ 
injektion vorausgeschickt. Auf dem Röntgenschirm zeigt sich nachher die 
rechte Seite sehr stark aufgehellt, nur die Gegend des Hilus ist in einer 
handgrossen Ausdehnung noch dunkel,* besonders bei der Durchleuchtung 
von vorne. 


Weitere Nachfüllungen: 


18. 

I 

800 

ccm, 

Anfangsdruck 


0. 

Enddruck 

+ 3 

mm 

Hg im Mittel 

28. 

I 

700 

•> 


— 

2 

11 

+ 2 

19 


25. 

I 

500 

»» 



0 

11 

+ 4 

11 


3L 

I 

400 


11 


0 


+ 4 

cm 

Wasser 

5. 

11 

400 


11 


0 

11 

+ 4 


11 

12. 

11 

400 

»» 

11 


0 

11 

+ 4 

11 

11 

17. 

II 

450 

»f 

11 


0 

11 

+ 4 

11 

11 

24. 

II 

500 


11 


0 

11 

+ 5 

11 

11 

2. 

III 

400 

)> 

11 

+ 

1 

11 

+ 5 

11 

11 

16. 

III 

500 

»f 

11 

+ 

2 

„ 

+ 6 

11 

11 

2a 

III 

500 

»» 

11 

+ 

1 

11 

+ 5 

11 

11 

23. 

IV 

800 

»» 

11 

— 

4 

11 

+ 3 


11 

12. 

V 

500 

t» 

11 

— 

8 

11 

+ 3 

,, 

11 

26. 

V 1000 

ft 

11 

— 

6 

11 

+ 2 

11 

11 

22. 

VI 

500 


11 

— 

2 

11 

+ >/» 

,, 

fl 

20. 

VII 

850 

»» 

11 

— 

IV 


- 0.25 

11 

11 

17. VIII 

700 

tt 

11 

— 

10 

11 

- 2 

11 

11 


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124 


L. Hrauer iiinl [iUcius Sju'ii^lLT. 


[124 


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Das H a ii t e m p li y s e ni liatte sicli schon ca. eine Woche nach der 
Operation vollständig verloren. Ks hatte nur in den ersten Tagen dem Patienten 
Beschwerden verursacht. 

Die Temperatur hielt sich bis zum 24. Januar mit leichten Schwan¬ 
kungen wie vor der Operation. Nach der Nachfüllung vom 25. I. fiel sie 
lytisch ab bis auf 37,3 (Darm) im Maximum, um nach der Einfüllung vom 6. H. 
nochmals für 10 Tage etwas zu steigen. Vom 16. H. an war der Patient dauernd 
fieberfrei. 

Der Puls war schon wenige Tage nach dem Eingriff voller und kräftiger 
als vor der 0|K*ration, Jiielt .sich zunächst aber noch um löO, um dann 
mit dem Absinken der Temperatur langsamer zu werden. Seit Ende März 
betrug er dauernd 64 bis 76 und war von sehr guter Qualität. 

Das Sputum enthielt zunächst sehr viele Tuberkelbazillen, Gaffky VI, 
uiui zahlreiche elastische Fasern. Im Februar wurden noch 30—45 ccm täg¬ 
lich mit Tbc., Gaffky V, ohne elastische Fasern, im März 10—25 ccm mit 
Gaffky 11 ausgeworfen. Gegen Ende März nahmen die Sputummengen dann 
rasch ab, um im April ganz und dauernd zu verschwinden. 

Schon nach der ersten Nachfüllung war ein grosser Pneumothorax rechts 
physikalisch nachzuweisen, der Mitte Februar seine maximale Ausdehnung 
erreichte, auf der er dann während der nächsten Monate unverändert blieb. 

Der physikalische Befund war folgender: 

Spitzenstoss des Herzens im 5. ii. 6. Interkostalraum, vordere Axillar¬ 
linie links. Absolute Herzdämpfung am oberen Rand der 5. Hippe und nach 
rechts in der Mitte zwischen Sternum und Mamilla, nach links am Spitzenstoss. 

Perkussion. R. v. überall lauter, dröhnender Perkussionston bis 
zum* 7. Interkostalraum und bis 3 cm links vom linken Sternalrand. Nur 
über der Spitze erscheint die Tympanic etwas weniger voll. 

R. h. überall lauter Höhlenschall bis zum 1. L.-W. Nirgends respiratorische 
Verschiebung. Nur im Interskapularraum ist der Schall etwas verkürzt. 

L. V. und h. leichte Spitzendämpfung. 

.‘\ u s k u 11 a t i o n. R. v. und h. über der Spitze ist die Atmung leise 
amphorisch, unterhalb überall fast unhörbar, nur die Hustenstösse sind als 
metallisches Geräusch vernehmbar. Über dem Sternum und gegen den .\ngulus 
ist das Geräusch des fallenden Tropfens zu hören. 

L. v. und h. über der Spitze scharfes unreines Insp. mit verl. Exsp., 
nach Husten einzelne tonlose Rh. Links hinten unten ist die .-\tmung auffallend 
scharf, pueril, neben dem IhTzen unrein mit einzelnen Knacken beim Insp. 

Über der rechten Seite schöne Stäbrhen-Ph‘ssiineterMetallie in der ganzen 
.Ausdehnung der Tympanie. 

Das Körpergewicht stieg von Monat zu Monat: 9. 111.: 58,3; 13. IV.: 61,1; 
0. V.: 64, 1. Vf.: 65,2; 13. VII.: 65,9; 3. VIII.: 67,7; 7. IX.: 70,4; 
5. X.: 72,0, um von da an ungefähr gleich zu bleiben. Hie und da etwas Druck 
in der Magcmgegend, besonders nach Einfüllungen. 

Wie aus der Nachfüllungstahelle zu ersehen ist. wurde der intrathorakale 
Druck vom Juni an etwas niedriger gehalten, ohne dass der Effekt ein weniger 
vollkommener gewesen wäre. 

Der Pati(‘nt konnte schon anfangs Februar das Belt verlassen, nahm 
anfangs März Spaziergänge auf, die er imdir und mehr ausdedmen konnte. Nur 
geringe* Atombeschwerden, besonders beim Steigen. 


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125] 


Krfahrnngf^n und lihorU'^Min^M'ii zur linll^(•nkoll:^Jls1llf‘^^lpil•. 


125 


N a c h (1 c 111 das v u 11 k o ni in a n o W o li 1 b e f i n d o n 1 M o n a t <* a ii 
gedauert h a. t t e , w u r d e a in 17. VIII. ()H d i Jet z t e I' i n f ii l 1 ii ii g 
gemacht. 

Seit derselben nahm die Luftblase ganz langsam und allmählich ab. 
Schon bei einer Röntgendurchleuchtung am 12. August 08 zeigte sich die Lunge 
in den unteren Partien ziemlich ausgedehnt. Der Lungenschatten verlief von 
der 2. Rippe, an welcher dicht neben dem Sternum eine lungenspitzenähnliche 
Kuppe zu sehen war, allseitig konisch iiacli unten und aussen. Am unteren 
Hand des Pneumothorax bestand schon damals vom 5. Interkostalraum an 
eine Zone weniger lauten Schalles, welche bei liefen Inspirationen tiefer rückte. 
Daselbst war auch der Stimmfremitus vorhanden. Im Zusammenhalten von 
Röntgenbild und physikalischem Befund konnte man sicher annehmen, dass 
die Lunge an der Basis wieder das ganze Zwerchfell deckte und mit einer 
schmalen Partie auch die Brustwand berührte. Mitte September 08 reichte 
die tympanitische Zone vorne nur noch bis zur vierten Rippe und hinten bis 
etwas unterhalb Spina. Der Herzspitzenstoss war wieder in der Mamillarlinie 
zu fühlen Mitte Oktober bestand nur noch bis zur zweiten Rippe Tympanie. 
Schon im November 08 waren alle Zeichen von Äieumothorax verschwunden. 
Der L u n g c n b e f u n d war nunmehr ein ganz ähnlicher w i (‘ 
vor Anlegung des P n e u m o l h o r a x , nur hörten sich di o 
Rasselgeräusche t rocken an und, w a s sehr a u f f a l 1 e n d w a r , 
der L u n g e n r a n d , der im übrigen sehr gut v (* r s c h i o b 1 i c h 
war, stand vorne u n <l hinten zwei Q) u e r f in g e r höher als 
links. Auch im R ö n t g e n b i 1 d zeigte sich diese V r k l e i n e - 
rung der rechten Lunge. Die Interkostalräunie rechts waren alle lie 
deutend schmäler als die linksseitigen. 

15. I. 09. Der Patient bringt den Winter zur Befestigung seiner Gesund 
heit in Davos zu. Kein Husten, kein A u s w u r f, ü b e r h a u p t keine 
Symptome von seiten der Lunge. Line leichte Erkältung hat er 
ohne jeden Schaden überstanden. 

Die einzigen Klagen beziehen sich auf Magenbeschwerden, die ganz ähn¬ 
lich sind wie früher vor der Lungenerkrankung. 

18. III. 09. Pat. war 4 Wochen in der Magenklinik von Dr. A. Huber 
in Zürich, der ein Ulcus ventriculi fcststellte. Unter strenger Diät Besserung. 

Selten Stiche in der rechten Axillargegond, sonst keine Lungenbeschwerden. 
Gutes Aussehen, guter Kräftezustand; 69,7 kg. 

Herz noch deutlich nach rechts verschoben, unterer Lungenrand rechts 
überall höher als links, gut verschieblich. 

27. IV. 09. Herr H. n i m m t bei völlig m W o h 1 b e f i n d e u 
15^1» Monate nach der Operation s <* i n A r b it als Gärtner 
im Tiefland wieder auf. 

1. XII. 09. Im September war wieder eine Kur wegen des chron. Ulcus 
ventriculi nötig. Die Lungen sind unverändert, nur spürte der Patient im Tief¬ 
land hie und da Druck auf der rechten Seite und hat gelegentlich morgens 
wenig schleimigen Auswurf, der frei von Tbc. und elast. Fasern ist. 72,2 kg. 

10. IV. 1910. Wegen der Magenbeschwerden hat H. den Winter bei 
leichter Arbeit in Nizza zugebracht. Mitte Februar starke Erkältung mit Temp. 
bis 38. Husten, Auswurf imd Siechen rechts. Die.se .Symptome verloren sich in 
kurzer ZeiL 

Der Befund ist jetzt folgender: 


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120 li. r>r.'Ui(*r lind l.iicius Sikmi^Ipp. [ 120 

70 kg, sehr frisches, gesundes Aussehen, sehr gute (iesichtsfarbe. Keine 
Drüsen. Deutliche Trommelschlägelfinger. II. ,l^upille deutlich weiter als die 
linke. Kein Husten, kein Auswurf. Puls 76, regelmässig, kräftig. 

Temperaturen normal (Mund bis 36,8, Darm bis 37,2). 

Lungenrand rechts am oberen Rand der 6. Rippe und am 11. Domfort¬ 
satz, gut verschieblich; links im 6. Interkostalraum und am 12. Domfortsatz. 

Über der rechten Lunge besteht jetzt vorne eine leichte Dämpfung bis 
zur ersten Rippe, von da an bis zur vierten Rippe eine Schallverkürzung, von der 
vierten Rippe bis unten wieder leichte Dämpfung Hinten ist die Spitze leicht 
gedämpft mit tympanitischem Beiklang. Der ganze Interskapularraum zeigt 
leichte Dämpfung und auch zu unterst ist der Schall nicht ganz laut 

Über der Spitze ist das Iiisp. v. und h. rauh-ves.-bronch. Nach Husten 
hört man spärliche tonlose Rh. Im 1. ICR. besteht unreines Atmen; im übrigen 
abgeschwächtes und in der Seite abgeschwächt unreines Atmen. Am untern 
Lungenrand und in der Seite sind spärliche trockene Knacke zu hören. Hinten 
ist die Atmung im ganzen Interskapularraum ves.-br. mit br.-ves. Exsp. Man 
hört überall nach Husten spärliche, tonlose Rh. Zu unterst besteht scharfes 
Atmen, nach Husten mässi^ zahlreiche, halbklingende, trockene Rh. Auf der 
ganzen rechten Seite ist der Stimmfremitus verstärkt, ebenso die Bronchophonie. 

Die absolute Herzdämpfung steht an der 4. Rippe und in der Mitte des 
Sternum. Der Spitzenstoss ist etwas medial von der Mamillarlinie zu fühlen. 
Der Thorax ist gut gewölbt. Bei der äusseren Betrachtung zeigt sich keine 
auffallende Asymmetrie oder Verschiedenheit der Interkostalräume, nur rechts 
oben sieht man eine leichte Abflachung und Einziehung der Supraklavikular- 
grube. Es besteht aber kein deutliches Nachschleppen rechts. 

Die linke Lunge zeigt genau den gleichen Befund wie früher. 

1. XI. 1910. Unverändert gutes Befinden. Arbeitet an¬ 
dauernd. 

Indikation. 32 jäliriger, scliwer erblich belasteter, schwäch¬ 
licher Mann, der in seinem 16. Lebensjahre einen Spitzen¬ 
katarrh durchmachte. April 1907 Rezidiv, das sich rasch weiter ent¬ 
wickelte imd im Herbst 1907 sich über die ganze rechte Lunge und 
die linke Spitze ausbreitete. Rasche Progredienz unter Fieber und all¬ 
gemeiner Abnahme. 

Epikrise. Der totale künstliche Pneumothorax bringt iu 
wenigen Monaten alle Symptome zum Schwinden. Luftblase 8 Monate 
unterhalten, dann im Laufe von 3 Monaten resorbiert. Seit 2 Jahren 
ist die Lunge wieder ausgedehnt, hat aber das frühere Volumen nicht 
ganz erreicht. Völlige Heilung und Arbeitsfähigkeit 
seit einem Jahr. Komplikation: Ulcus ventriculi. 


43. Schw. Aag. Egg., 31 Jahre alt. (Dr. Brecke und Dr. Nienhaus.) 

Anamnese: Keine Heredität; Kinderkrankheiten, sonst immer gesund. 
März 1906 plötzlich Kehlkopfschmerzen und Heiserkeit. Laryngitis tuberculosa. 
Verschiedene Kuren, hierbei zeigte sich auch die rechte Lunge erkrankt. Kuren 
im deutschen Mittelgebirge ohne Erfolg. Mehrfach Blutungen. November 1906 



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1271 ErfaliriinßJMi und zur Liiiig<mkollapstlu‘rai»ii*. 127 

nach Davos (Deutsclie Heilstätte). Dort 10 Monate behandelt. Die Er¬ 
krankung dehnte sich weiter aus, es stellten sich Ein- 
schmelzungserscheinungen ein. Stets leichtes Fieber; der 
Ernährungszustand blieb genügend. Keine Darmerscheinungen, keine Naclit- 
schweisse; mehrfach rezidivierende pleuritische und bron- 
chitische Erscheinungen, damit zuweÜen Zimalime der Kehlkopf- 
erscheinun^n. Auswurf 20—30 ccm, schleimig-eitrig' Tuberkelbazillengehalt 
wechselnd. 

Patientin wurde, da aus dem konstanten Fortschreiten \md den ziemlich 
hochgradigen Erscheinungen eine durchaus infauste Prognose erschlossen werden 
musste, von dem Chefarzt, Herrn Dr. Brecke, zur Pneumothorax- 
Therapie empfohlen. Eine gemeinsame Röntgenuntersuchung am 25. XI. 07 ergab 
rechterseits über den oberen Abschnitten intensive Verdunkelung, über den 
mittleren und unteren Abschnitten einen mehr verstreuteren Prozess. Das Zwerch¬ 
fell schien überall gut beweglich. Über der linken Lunge keine wesentlichen 
Veränderungen. 

Status vom 4. XII. 07: Gross, kräftig, Gewicht 78,8 kg. Temperatur 
37,2—37,5 in recto. Befinden angeblich gut; etwas kurzatmig, mässig viel 
Husten und Auswurf. 

Die Untersuchung der Lungen ergibt: R. o. bis 3. Rippe und Spina kurzer 
Schall, über Schlüsselbein tympanitisch mit ziemlich lauter Flüsterstimme, rauhes 
verschärftes Atmen, ziemlich leise; spärliches, nach Husten mässig zahlreiches, 
mittelgrosses, hellgiemendes und knarrendes Rasseln, im 2. ICR. weniger imd 
leiser. R. h. von Spina bis Angulus verkürzter Schall, rauhes Atmm und 
spärliches knarrendes Rasseln. 

R. h. u. geringe Schallabschwächung. Zwischen Mamillar- und Achsel¬ 
linie, leises abgesetztes Atmen, feines Brummen. L. o. geringe Schall¬ 
abschwächung, rauhes Atmen, einzelnes Knacken.. 

Herz wenig rechts vom rechten Stemalrand, 2 Finger breit innerhalb 
Mamillarlinie, Töne rein, 2. Pulmonalton betont, Puls 120, nach Untersuchung 
mittelkräftig. 

Kehlkopf: Beide Stimmbänder gleichmässig rosa, Schleimhaut etwas 
gelockert. Hinterwand derb, links schräge glatte Fläche, an die sich rechts 
kleine Rauhigkeit anschliesst. 

Patientin übersiedelt in die med. Klinik nach Marburg. Hier¬ 
selbst dreiwöchentliche Vorbeobachtung, da zeitweise linkerseits über dem O.-L. 
etwas ausgedehnteres Rasseln gehört wurde und es daher zweifelhaft schien, 
ob der dortige Prozess den Eingriff zuliesse. Die Sputummengen schwankten 
zwischen 40 imd 95 ccm; sehr reichlich Tuberkelbazillen. Weitere Gewichts¬ 
abnahme, dauernd subfebril bis 37,8. 

Am 3. Januar 08 Pneumothorax, darauf Temperatursteigerung 
und von nun ab dauernd fieberfrei (cf. Kurve, Tafel V). Die Röntgendurch¬ 
leuchtung zeigt einen deutlichen Pn.Th. der imteren Partien, auch die Spitze 
zum Teil komprimiert, zum Teil durch strangförmige Adhäsionen fixiert. Der 
Eingriff als solcher verlief glatt, nur entwickelte sich ein massiges Haut¬ 
emphysem, welches aber bald wieder schwand. Nach dem Eingriff zeigte sich, 
dass von den Rasselgeräuschen, die links gehört wurden, zweifellos ein grosser 
Teil, wie angenommen, fortgeleitet war, daneben aber blieben ein¬ 
zelne knackende, sowie einzelne feuchte und feinblasige 
Rh., die zweifellos einer Erkrankung im linken O.-L. ihre 


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li. Hraiirr iiinl laiciiis Spengler. 


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lil II l s U; li u 11 g da II ko 11 . lu d o ii ii ä c li s L o ii d—4 Tagen ii a cli dem 
li i n g r i f f o n a li in o ii diese G e r ä u s c Ii e an 1 n t e n s i t ä t sogar 
weiter zu, u ni n a c li i* t w a 2 W o c Ji e ii w i e d e r w c s n 11 i c li v e r - 
in i n d e r t z u s e i n. (,,T ii 1) c r k u 1 i n - L o k a 1 r e a k I i o n ?‘‘ cf. Ausführungen 
hoi Fall 2G, 8H und 8V). — 

Im weiteren Verlaufe wurde Patientin dann nielirfach und in üblicher 
Weise punktiert. Sie kfagte nach stärkeren Eingiessungen über inässige Atem¬ 
not, gelegentlich auch über Anfälle von Herzklopfen. Im Januar 08 traten 
wiederholt Durchfälle auf. Eine Untersuchung des Magens ergab Mangel 
an Salzsäure, reichlich Schleim, normale Motilität. Der Stuhlgang enthielt 
keine Tuberkelbazillen, aber reichlich Bindegeweb.\ Trotz entsprechender Tlierapie 
besserten sich die Magenbeschwerden nur langsam. Das Körpergewicht ging 
in den nächsten Wochen um 4 kg zurück. 

Ende Febriiai* 08 wurde Patient zur W e i t e r b e h a n d 1 u n g wieder 
nach Davos entlassen. Das A 1 1 g in e i n b e f i n d e n war jetzt 
wesentlich b e s s r als zur / eit der A u f n a h m e , da, wie gc- 
.sagt, die T e in p e r a t u r völlig n o r m a 1 w a r. Auch die Magen-Darm¬ 
störungen waren in letzter Zeit allmählich zurückgetreten. Die Erscheinungen 
über dem linken O.-L., die zeitweise etwas vermehrt Avaren, hatten sich weil 
gehend zurückgebildet. Das Sputum war nicht nur in der Menge wesent 
lieh vermindert, sondern auch viel schhdmiger, weit weniger eitrig. 

Höhenunterschieil wird glatt üherstanden. Dort zunächst in Pension und 
ab 1. VI. 08 in der deutschen Heilstätte weiterbehandelt. Der Pneumothora-\ 
bleibt trocken und nimmt langsam an Grösse etwas zu. Die linke Seite hält 
sich unverändert. Es bleibt die geringe Schallverkürzung ülx^r dem O.-li. 
Das Atemgeräusch ist scharf, nach Husten sehr spärliche, knackende Rhonchi. 
Die Punktionen Averden glatt a- ertragen. Patientin bleibt fieberfrei. 

Am 27. X. 08 AAÜrd ein kleines Exsudat nachge.Aviesen; die Probo- 
punktion ist aber negativ. Das Exsudat macht keinerlei Besch av erde n 
oder Störung ira Allgemeinbefinden. Wälirend der letzten Monate 
hat sich die Limge der XhoraxAv^and elAvas mehr angelegt, so dass der Pneumo¬ 
thorax etwas kleiner gcAvorden ist. Am 26. XI. 08 dringt bei dem Versuch 
einer Nachfüllung die Nadel in festes Gew’ebe, unzAA'eifelhaft die sklero.^ierte 
Lunge, denn danach tritt eine kleine Hämoptoe ein. 

Herr Kollege Nienhaus berichtet hierüber unter dem 16. XII. 08 wie 
folgt: „Bei der letzten Pimküon, 26. XI., bekamen Avir gar keine Druckschwan¬ 
kungen, Avir keimten auf dem Röntgenschirm sehen, dass die Nadel in der 
komprimierten Lunge sass; auch beim langsamen Hcrausziehen traten keine 
Druckschwankungen auf, dagegen spuckte die Patientin nach leichtem Hu.sten 
einige blutige Sputa aus. Nach 2 Tagen trat A'orübergehend Fielx'r bis 38,2 
auf. Die Schwester lag im ganzen 11 Tage im Bett, jetzt ist sie auf imd be¬ 
findet sich ordentlich wohl. Meine gestrige Auskultation ergab über der recht <‘m 
L unge (Pneumothorax) vonie etAvas verschärfte A'esiko-bronchsiale Atmung supra 
clavic. und im 4. ICR. einzelnes Knacken. R. li. oben bis Mitte Skapula ab- 
gcscliAvächte, unterhalb etAvas schärfer vesiko-bronchiale Atmung, von Mitte 
.Skapula bis unten nach Husten trocken knisternde Rhonchi. Die Perkussion 
mgab leicht tympanitischen Beiklang vorn unten. Die Lunge liat sich Avieder 
ziemlich ausgedehnt, das Resultat scheint mir aber doch ein recht gutes zu 
sein. Leider besteht aber über der linken Spitze bis zur 2. Rippe und bis 
Spina scap. ein Herd mit mitt<‘lhasig(‘n hmchten luübklingenden Rassel- 
geräusclien. 


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129] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 1211 

Sputum, Bazillen Gaffky 111. 

Jedenfalls erscheint es unmöglich, den Pn.Th. durch Punktion jetzt weiter 
zu unterhalten, da die Lunge sich zu stark angelegt hat.“ 

Das Gewicht hatte sich während der ganzen Zeit bei der Patientin 

auf gleicher Höhe gehalten (meist 74 kg). 

Die Auswurfmongen w^aren gering, bis 10 ccm. 

Januar, Februar, März 09 traten vorübergehend geringe riebersteigerungen 
auf, die Sputummengen stiegen langsam auf 25—30 ccm an. 

Unter dem 24. III. 09 berichtet Herr Kollege Nienhaus: 

„Wie ich Ihnen schon mitteilte, ist der Pneumothorax ganz eing(‘gangen, die 
rechte Lunge hat sich wieder ganz ausgedeluit, die Atmung über der rechten 
Lungo hat vesiko-bronchialen Typus. Es sind vom und hinten zerstreute fein¬ 
mittelblasige Rhonchi zu hören. Über der linken Lunge sind vorne zerstreute 

Rhonchi bis unten \md h. o. bis unter Spin. scap. zu hören. Sputum Gaffky 11. 

Das Allgemeinbefinden ist ordentlich, die Sputummenge bleibt stets ungefähr 
gleich gross.“ 

Die Patientin verbringt dann den Sommer 1909 zu Hause. Zu 
Beginn, wie zu Schluss des Sommers, kommt sie nach Marburg zur Unter¬ 
suchung. Hierbei zeigt sich der Befimd rechterseits wie oben geschildert. Der 
Katarrh links hat gegen Ende des Sommers wieder wesentlich abgenommen 
und der Befund entspricht demjenigen, der vor Anlegung des Pn.Th. erhoben 
wurde. Die Kranke ist sehr munter, in gutem Ernährungszustände; dagegen 
zeitweise Schmerzen im Leibe, besonders in der Blinddarmgegend auf¬ 
tretend. Die Untersuchung erwies dort auch eine leichte Resistenz, Durch¬ 
fälle fehlten aber. Die Temperatur war während des ganzen Sommers nonnal, 
die Sputummengen hielten sich meistens um 20, spärl. Tuberkelbazillen. 

Die Kranke ging dann nach Nervi zur weiteren Kur. Hier war zu 
nächst das Befinden ein recht gutes, sie selbst, wie der behandelnde Arzt 
schrieben befriedigende Briefe. Dann aber ging sie plötzlich unter 
akuten Erscheinungen zugrunde, über die der nach¬ 
folgende ärztliche Bericht vorliegt: 

26. XI. 09: Schw. Aug. Egg. erkrankte plötzlich mit hohem Fieber, 
Schmerzen in der linken Thoraxhälfte (der Pneumothorax hatte ne c h t s 
bestanden!); bei der Untersuchung hörte man links zwischen den Schulter 
blättern Knisterrasseln, keine Dämpfung. Am zweiten Tage Avar der Zustand 
ganz derselbe; es trat aber starke Atemnot hinzu. Als dann am dritten 
Tage die Atemnot noch stieg, das Atemgeräusch links sehr leise w'urde, 
doch keine Dämpfung zu hören , war, vermutete ich einen spontan 
entstandenen Pneumothorax. Ich machte eine Probepunktion links 
hinten unten und fand daneben ein klares pleuritisches Exsudat. Sofort 
hinterher aspirierte ich mittels Potain etwas mehr als einen viertel Liter klare 
gelbe Flüssigkeit. Das Resultat war sofort ein ausserordentlich günstiges: 
Pat. atmete viel freier, der Puls wurde kräftiger, und das subjektive Befinden 
hob sich bedeutend. Dieses war abends um 6 Uhr passiert. In der Nacht 
verschlimmerte sich aber plötzlich das Befinden, der Puls vnirde sehr schlecht, 
die Patientin somnolent, imd sie starb trotz grosser Mengen Kampfer und 
Digaien gegen Morgen. Eine Sektion wurde nicht gemacht. Ich glaube, dass 
die Diagnose spontaner Pn.Th. zu Recht besteht, demi grössere Mengen Flüssig 
keit waren nicht vorhanden, es muss also eine Luftansammlung gewesen sein, 
die diese Atenmot verursacht hat. 

zur Klinik der Tnberkalose. Bd. XIX. H. 1 . 9 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Indikation.- Unaufhaltsames Fortschreiten und schwere Er¬ 
krankung der r. ^ite, dauernde Fieberbewegungen. Trotz bester 
Therapie dichte Infiltration mit Einschmelzung über dem rechten 
Oberlappen, ein inehr verstreuter Prozess über dem mittleren und 
unteren Lappen. Zu Bedenken gab der Befund über dem linken 
Oberlappen, unzweifelhaft bestand dort ein leichter aktiver Prozess. 

Epikrise. Eecht grosser Pneumothorax rechts, der lange 
Zeit gut zu unterhalten war, dann aber langsam sich verkleinerte, da 
die Lunge sich mehr und mehr der Pleurawand anlegte; nur vorüber¬ 
gehend und ohne wesentliche Störung geringe Exsudatbildung. 
Guter Anfangserfolg, auch im Verlaufe der nächsten 2 Jahre Resultat 
insofern befriedigend, als aus dem stetig fortschreitenden febrilen 
Prozess eine im wesentlichen afebrile stationäre Phthise resultierte 
(cf. Fieberkurv^e Tafel I, Nr. 2). Der Befund auf der linken Lunge 
Avar Schwankungen unterworfen, hielt sich aber im grossen und 
ganzen durchaus befriedigend. Störend waren zeitweise hervor¬ 
tretende Komplikationen seitens des Magen-Darmkanals. Beinahe 
3 Jahre nach Anlegung des Pneumothorax und etwa 1 Jahr nach 
dem völligen Schwinden desselben stellte sich bei der Pat., der in 
den letzten .Monaten eine leidlich gute Prognose gestellt werden! 
konnte, in Nervi plötzlich ein spontaner Pneumothorax links ein, 
der rasch zum Tode führte. 

Mit der Therapie als solcher dürfte dieses Vorkommnis kaum im 
Zusammenhang stehen. 


44. Ernst H., ans Traunstein in Oberbayern, 29 Jahre alt. 

Vorgeschichte: Vater gest. an unbekannter Todesursache, Mutter 
gcst. an Lungenleiden, ebenso 2 Schwestern, während 5 Geschwister leben 
und gesund sind. 

War abgesehen von einem Ulcus durum stets gesund, war jedoch 
starker Raucher (Zigaretten) und Trinker. 

Pfingsten 1Ü07 Hämoptoe ca. Va ^üer. Nur 2 Tage im Krankenhaus 
zu Amberg, dann wieder auf der Wanderschaft trotz Husten, Auswurf, 
Stechen zwisclien den Schulterblättern, grosser Mattigkeit, starker Gewichts¬ 
abnahme, starker Nachtscliwoisse. Oktol}er 1907 nochmals drei Wochen im 
Krankenhaus in Amberg. 

In die medizinische Klinik Marburg aufgenommen am 10. Jan. 
1908 Avegen Stechen auf der Brust und zwisclien den Schulterblättern, Herz¬ 
klopfen, Husten mit zähem Auswurf, ziemlich hohem Fieber (Kurve, Tafel VI, 
Nr. 1), Frostgefühl, Nachtschweissen. 

Befund bei der Aufnahme 10. I. 08: Grosser, kräftiger Mann von 
mittlerem Ernährungszustand und entsprechender Muskelentwickelung. Haut¬ 
farbe etwas blass, Schleimhäute leicht anämisch. Der Thorax ist gut gebaut. 


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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


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symmetrisch, gut elastisch, die Atmung ist ruhig, wesentlich abdominal, die 
linke Seite leicht nachschleppend. 

Gewicht 71,5 kg, Temperatur 38,0—39,0, Puls 80—100, Auswurf Tuberkel¬ 
bazillen. 

Das K r ö n i g sehe SchaJlfeld ist beiderseits ca. 9 cm breit, jedoch ist 
links seine Begrenzung sehr unscharf. Die Lungengrenzen sind r. v. u. 6. Rippe, 
r. h. u. 12. Domfortsatz, 1. h. u. 11. Dornfortsatz, hier weniger gut ver¬ 
schieblich. 

Perkussion: Die ganze linke Seite zeigt Schallverkürzung und zwar 
von oben nach unten an Intensität abnehmend. Keine Kavemensymptome. 

Über der rechten Lunge normale Perkussionsverhältnisse. 

Auskultation: L. v. o. vesikobronchiales Atmen, sowie vereinzelte 
klein- \md mittelbasige, klingende Rhonchi. Von der zweiten Rippe an abwärts 
Giemen und Knacken sowie vereinzelte grossblasige nicht klingende Rassel¬ 
geräusche. 

Über der ganzen rechten Lunge verschärftes Vesikuläratmen. 

Herz sowie Unterleibsorgane ohne Befund. 

Urin frei von pathologischen Bestandteilen. 

Tuberkelbazillen -{-. 

Röntgenaufnahme zeigt auch auf der gesimden rechten Seite mini¬ 
malsten kleinen Schatten, sonst nur einzelne feine Lymphbahnen. 

Blendenaufnahme des rechten Hilus zeigt einzelne lichte Punkte, aber fast 
normalen Behmden entsprechend. 

Es wird dem Patienten aus nachfolgender Indikation 
ein Pneumothorax vorgeschlagen: 

1. Progredienter Prozess mit imgünstiger Prognose. 

2. Rechte Seite nicht ganz gesund, aber nicht wesentlich miterkrankt. 

3. Keine stärkeren Schrumpfungserscheinungen, also keine stärkere Hei¬ 
lungstendenz. 

4. Kein Anhaltspunkt für stärkere Pleuraverwachsungen. 

Operation am 28. I. 08. Morphium. Lokalanästhesie. Schnitt im 

4. Interkostalraum links. Operation gelingt glatt, ohne Beschwerden fliessen 
in 5 [Minuten 900 ccm Stickstoff ein. 

Röntgenaufnahme (28. I.) zeigt deutlichen Pneumothorax. Herz 
nach rechts verdrängt. Lunge scheinbar nirgends adhärent in mittlerer Kom¬ 
pressionsstellung. 

2. II. Pneumothorax noch erhalten, Herz in Medianstellung, kein Exsudat 

7. II. Erste Nachfüllung. Im 5. Interkostalraum Einlassen von 
650 ccm N. Schlussdruck 0 mm Hg. Vor dem Röntgenschirm zeigt sich die 
Lunge in mittlerer Kompressionsstellung. Im Komplementärraum be¬ 
findet sich ein ca. 2 cm hohes bewegliches Exsudat 

10. II. Zweite N a c h f ü 11 u n g. Im 5. Interkostalraum werden 750 ccm N 
nachgefüllt Schlussdruck ^1^ 0 mm Hg. Schmerzen im Brustraum und danach 
plötzlicher Kollaps. Koffeininjektion 0,4. Erholt sich sehr schnell wiedeil 
Vor dem Röntgenschirm deutlicher Pneumothorax, kein Exsudat mehr vor¬ 
handen. 

18. II. 08. Dritte N a c h f ü 11 u n g. Einlassen von 550 ccm. Schluss¬ 
druck 0. 

26. II. Vierte Nachfüllung. 500 ccm N, keinerlei Störung. 

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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Röntgenschirm: Grosser Pneumothorax, fingerbreites Exsudat. Lunge 
hängt in der Thoraxku|)|>e an einem Strang, anscheinend mit Luft umspült. 

2. III. Fünfte N a c h f ü 11 u n g. 500 ccm N. Keinerlei Störung. Ex¬ 
sudat + ö- 

10. III. Sechste N a h f ü 11 u n g. 900 ccm N. 

29. IV. Siebte N a c h f ü 11 u n g. Bid 1000 ccm N noch geringer nega¬ 
tiver Druck, erst bei 1100 ccm |-Druck ; nachgefüllt 1200 ccm mit geringem 
positivem Enddruck. 

Bis zum 14. IV. 08 schien der Fall besonders gut ver¬ 
laufen zu wollen. Die Kurve zeigt den günstigen Einfluss 
auf das Fieber. Die Temperatur verblieb auch weiterhin 
im allgemeinen sehr gut; nur einige Zeit zu Ende Februar 
kamen wieder Abendtemperaturen von 37,3—37,4, sonst 
af e br i 1. 

Da.s Körpergewicht stieg von 71,5 kg bis Mitte April auf 77,3 kg. 
Patient war sehr wohl. Husten und Auswurf gingen beträchtlich 
zurück. Patient war ausser Bett, ging in den Garten, half auf der 
Station. 

Am 14. April 1908 plötzlich unter Frost Fieberanstieg 
auf 39®. An den nächsten Tagen normale Temperatur. Am 
20. und 21. IV. dergleiche Fieberanstieg. Dann wieder normal 
bis zum 4. V. 08. 

4. V. 08 plötzlich Fieberbis 40,0. Milz leicht vergrössert, 
schmerzhaft. Exsudat nicht angestiegen. 

Das hohe Fieber blieb jetzt bestehen. Es zeigte sich, dass das Exsudat 
langsam stieg. Zweifellos war dieses die Ursache der schweren Fieberbewegungen 
und der Störung des Allgemeinbefindens. 

. 20. VI. 08 erneuter Temperaturanstieg auf 39,0. Massen- 
haftTuberkelbazillenimSputum. 

24. VI. 08. Ablassen von 300 ccm trüb seröser, steriler 
Flüssigkeit. 

Siebte Nachfüllung 1200 ccm N. 

23. VII. Exsudat wieder deutlich nachweisbar. Der schleimig- 
eitrige Auswurf nimmt wieder zu. Röntgenschirm: Exsudat 3 Quer¬ 
finger breit über dem unteren Lungenrand freibeweglich. 

29. VII. Punktionsversuch, doch gelingt es nicht das Exsudat zu punk¬ 
tieren. 

4. VIII. Erneuter Punktionsversuch. Im 6. Interkostalraum gelingt es 
150 ccm eitrig seröser Flüssigkeit zu entnehmen. Achte 
Nachfüllung von 300 ccm. Exsudat frei von Tuberkelbazillen. 

27. VIII. 08. Unter hohem Fieberanstieg entwickelt sich 
auch rechts hinten unten ein Exsudat 

10. IX. 08 Punktion r. h. u. und Ablassen von 350 ccm des Exsudates. 
Hierauf objektive und subjektive Besserung. 

Auszug aus dem Status am 3. XI. 08. Die linke Schulter hängt ein 
wenig. Linke Fossa infraclavicularis in toto abgeflacht Deutliches Schleppen 
der linken Seite. 

Lungengrenzen: R. v. u. 6. Rippe (oberer Rand) gut verschieblich, r. h. u. 
10. Proc. spinosus verschieblich, 1. h. u. 10. Proc. spinosus nicht verschieblich. 



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133) Erfahningen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapic. 133 

Perkussionsbefund: Über der linken Spitze vom und hinten Schall¬ 
verkürzung, die sich schon gleich unterhalb der Klavikula aufhellt und hier 
tympanitischen Beiklang hat. 

Hinten von Skapulamitte an Schallaufhellmig mit lauter Tymj)anic. 

Über der rechten Spitze normale Schallverhältnisse, hinten vom 5. Dorn- 
fortsatz an nach abwärts deutliche Schallverkürzung. 

Auskultation: L. v. und h. o. während des Inspiriums zahlreiche 
klein- und mittelblasige, sehr wechselnde Rhonchi. Sonst über der ganzen 
linken Lunge leises amphorisches Atmen. R. vom imd h. oben rauhes Atmen, 
doch keine Rhonchi. R. h. u. abgeschwächtes Atmen, bei abgeschwächtein 
Stimmfremitus. Sonst überall Vesikuläratmen. 

Sputummenge schwankend zwischen 20 und 30 ccm pro die. 

4. XI. 08. Neunte N a c h f ü 11 u n g. 100 ccm Stickstoff im 5. Inter¬ 
kostalraum vordere Axillarlinie, nachdem etwa 100 ccm grüngelbe Flüssig¬ 
keit entleert worden, wobei die Nadel deutlich auf harte Schwartenraassen 
stiess. Exsudat im Kultui^^ersuch steril. 

5. XI. 08 Pneumothorax an der vorderen linken Brustwand deutlich perku¬ 
torisch nachweisbar. 

10. XI. 08 Sputummenge wieder vermindert, schwankt zwischen 5—15 ccm. 

Die hohe Temperatursteigerung, die'Anfang Mai 08 eingesetzt hatte, be¬ 
stand bis Mitte Mai 08, fiel dann langsam ab, so dass Ende Mai 08 normal© 
Temperaturen eintraten; dabei ging das Körpergewicht langsam wieder auf 
74,5 kg zurück (3. Juni 08); Patient blieb meist bettlägerig. In der Folgezeit 
schwankten die Temperaturen zwischen normalen Werten imd leicht subfebrilen 
Temperaturen bis etwa 37,5. Nur selten kam plötzlich wieder einer jener 
rapiden Fieberanstiege, so z. B. am 25. VIII. 08, am 9. IX. 08 etc. Das Körper¬ 
gewicht verhielt sich wechselnd. Es ging zwischen 73 und 77 kg hin imd 
her. Die Punktionen waren in üblichen Zwischenräumen vorgenommen worden. 
Die Sputummengen schwankten zwischen 10 und 30 ccm, waren aber im 
November und Dezember meistens 10—15 ccm, gelegentlich sogar weniger. 
Tuberkelbazillen wurden in gewissen Zwischenräumen imnier wieder nach¬ 
gewiesen. Im Januar und Februar 09 schien es, als wollte 
Patient sich erholen. Im März aber traten erneut Tempe¬ 
raturen bis 38 auf, und das Körpergewicht sank auf 69,5 kg 
am 7. IV. 09. Die Sputummengen waren beträchtlich in die 
Höhe gegangen (80—100 ccm pro Tag). In diesen Zeiten waren deut¬ 
lichere Veränderungen auch auf der rechten Lungenspitze 
nachweisbar geworden. R. v. o. und h. o. war das Atemgeräusch sehr verschärft, 
auch fanden sich einzelne feuchte, daneben auch einzelne klingende Rhonchi. 
Am 6. IV. 09 waren Tuberkelbazillen spärlich im Sputum nachweisbar, elastische 
Fasern fehlten. Am 10. IV. 09 verliess Patient plötzlich infolge 
eines Streites mit der Krankenschwester in elendem Zu¬ 
stande die Klinik. Er übersiedelte nun nach einem wechselnden Wander¬ 
leben, das ihn anscheinend auch in verschiedene Spitäler führte, nach München 
und lebte dort mit der Patientin Minna R. (Fall Nr. 19) zusammen. Nach 
gelegentlichen brieflichen Äusserungen ist es ihm hier sehr schlecht gegangen. 
Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren überaus ungünstige. 

Neuaufnahme in die med. Klinik am 9. XI. 1909. Patient 
hatte Temperatursteigerung bis 38, die Sputummengen schwankten zwischen 
120—130. Das Körpergewicht betrug bei der Aufnahme 68,5 kg, bei der Ent- 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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lassung am 6. I. 10 65,8 kg. Der Urin enthielt geringe Mengen Eiweiss, 
jedoch keine Zylinder. Dem Aufnahme-Status sei folgendes entnommen: 

Tractus circulatorius: Spitzenstoss im 5. ICR., 8 cm von der 
M.-Linie, kaum fühlbar, nicht sichtbar. R.D. reicht rechts bis zum rechten 
Stemalrand, links Mamillarlinie, oben 3. Rippe. A.D. rechts bis linken Stemal- 
rand, links 1 Querfinger breit innerhalb der 1. Mamillarlinie, oben 4. Rippe. 
Herzaktion ist regelmässig und kräftig. Töne rein, 2. Pulmonalton klappend. 

Tractus respiratorius: Der Pneumothorax war eingegangen. Die 
linke Thoraxhälfte ist stark abgeflaeht und schleppt beim Atmen nach. Linke 
Supraklavikulargrube mehr eingesunken als rechts. Das Spitzenfeld rechts ist 
eingeengt und imscharf jabgegrenzt. Links kann das Spitzenfeld nicht be¬ 
stimmt werden, 

P e r k u s s i o n: L. V. o. in der Supraklavikulargrube brettharte Dämpfung, 
die unterhalb der Klavikula bis zur 4. Rippe etwas aufhellt, aber von da ab 
seitlich und unten wieder bretthart wird. L. h. o. brettharte Dämpfung, die 
bis imgefähr zum 8. Proc. spin. etwas aufhellL Lungengrenze links hinten 
10. Proc. spin., nicht verschieblich. R. v. o. eine leichte Schallverkürzung bis 
zur 3. Rippe. Lungengrenze rechts v. 6. Rippe, verschieblich. R. h. o. bis 
4. Proc. spin. ziemlich harte Dämpfung mit tympanit. Beiklang. Von 4. bis 
8. Proc. spin. noch immer ziemlich harte Dämpfung, aber etwas mehr sonor. 
Von da ab normaler Schall. Untere Grenze 11. Proc. spin., verschieblich. 

Auskultation: L. v. o. in der Supraklavikurlargrube sowie 1. u. 2. ICR. 
sehr leises Atmen mit verlängertem Exsp. und vereinzeltem gröberem, knackendem 
Rasseln. Von da ab sind die Atemgeräusche etwas lauter, aber seitlich unten 
werden sie wieder sehr leise. Nach Husten sehr spärliches, grossblasiges Rasseln. 
Flüsterstimme über der ganzen Seite herabgesetzt. L. h. o. in der Fossa supra- 
spin. Atemgeräusche sehr leise, E.xsp. verlängert, mässig zahlreiche zähe Rh. 
Unterhalb der Spina zwischen Skapula und Wirbelsäule rauhes Vesikulär¬ 
atmen. Von Proc. 7 bis 9 vesiko-bronchiales Atmen. Von 9 ab verschärftes 
Vesikuläratmen. Von der Skapularlinie aufwärts sind die Atemgeräusche stark 
abgeschwächt. Flüsterstimme über der ganzen Seite herabgesetzt Die Rhonchi 
nehmen nach unten zu. 

Rechts hinten oben Vesikuläratmen verschärft, Exsp. verlängert. Zwischen 
Proc. 4 [und 9 zahlreiche fein- und mittel blasige, zähe Rhonchi. Unten imter- 
halb des Angulus Atemgeräusche verschärft, Exsp. verschärft und verlängert 
R. V. o. Atemgeräusche verschärft und rauh bis 3. Rippe. Unterhalb 3. Rippe 
Atemgeräuschc verschärft und verstärkt Im 2., 3. imd 4. ICR. zahlreicho 
zähe, mittelblasige Rhonchi, die besonders nach Husten auftreten; bis 3. Rippe 
Flüsterstimme verstärkt 

Während des Aufenthaltes in der med. Klinik zeigten sich stärkere 
Darm Störungen, die durch die übliche Therapie nur vorübergehend zu 
bekämpfen waren. Patient verfiel zusehends. Der Eiweissgehalt des 
Urins nahm zu. Bei der Entlassung fanden sich 2— 30/00 Albumin, hya¬ 
line und granulierte Zylinder. 

Der S c h 1 u s s - S t a t u s (5. I. 10) liess die Veränderungen auf der linken 
Seite nicht wesentlich verändert erscheinen, dagegen war der Prozess 
im rechten Oberlappcn wesentlich verschlechtert, wie aus 
nachfolgenden Daten herv^orgeht: 

R. V. o. ist die Dämpfung gegenüber der früheren Untersuchung intensiver 
imd reicht bis zur 3. Rippe. Von da ab ist der Schall etwas abgekürzt, be¬ 
sonders seitlich unten. 



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135] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkollapstherapie. 135 

R. h. o. besteht eine ziemlich harte Dämpfung, die nach unten zu etwas 
leichter wird und am 7. Proc. spin. in einen annähernd normalen Schall ül)er* 
geht. Die Grenzen r. v. an der 6. Rippe imd hinten am 11. Proc. spin. sind 
wenig verschieblich. 

R. V. o. ist das Atemgeräusch scharf vesiko-bronchial. Von der 3. Rippe 
ab sind die Atemgeräusche rauh und etwas verschärft. Oben sind die Rassel¬ 
geräusche mässig zahlreich, mittel- und kleinblasig, meist klingend. Von der 
3. Rippe ab hört man nach Husten einzelne grobe, knackende Geräusche und 
gelegentlich kleine klingende. Die Flüsterstimme ist oben verstärkt. R. h. o. 
sind die Atemgeräusche noch schärfer wie vorn, besonders in der Gegend der 
3. und 4. Proc. spin. Von da ab Werden sie leiser und gehen in rauhesVesikulär- 
atmen über. Die Rasselgeräusche sind hinten oben zahlreicher wie vorne oben. 

Patient wanderte nun wieder über einige Spitäler nach München, wurde 
nach dea gelegentlich zugehenden Mitteilungen daselbst immer elender und ver¬ 
starb im April 1910. Er wurde von der Patientin, mit der er zusammenlebte, 
in den letzten Wochen aufopfernd gepflegt. 

Indikation. Progrediente und ausgedehnte Lungentuberkulose 
der linken Seite mit beträchtlichen Fieberbewegungen bei dem vaga¬ 
bundierenden Menschen, der ausserdem Trinker und übermässiger 
Raucher Tvar und vor Jahren ein Ulcus durum überstaiid. Daher 
absolut ungünstige Prognose. 

Epikrise. Nach Anlegung des Pneumothorax am 28. I. 08 
zunächst während drei Monaten auffallende Besserung, so dass 
man glaubte, einen besonders günstigen Ablauf erwarten zu 
dürfen. Doch trat bald ein Exsudat auf, welches zunächst 

vorübergehend wieder schwand. Mitte April 1908 dann plötz¬ 
lich unter Prost hohe Pieberbewegungen, die mehrfach repetierten. 
Gleichzeitig damit rasches Ansteigen des Exsudates. Hiermit setzte 
bei dem Patienten, der bislang von 71,5 auf 77,3 kg an Gewicht 
zugenommen hatte, im gossen und ganzen die Wendung zum 
Schlechten ein. Zunächst gelang es durch Entleeren des sehr zellen¬ 
reichen und trüben Exsudates für längere Zeit wieder einen Gleich¬ 
gewichtszustand zu erreichen. Patient kam wieder längere Zeit auf 
normale Temperaturen. Mann konnte hoffen, dass er die interkurrente 
Störung in der gleichen Weise überwunden werde, wie der Pat. S. 
(Nr. 39) u. andere. Dieses aber erwies sich als trügerisch. Es stellten 
sich zu Beginn 1909 zunächst leichte Veränderungen im rechten Ober¬ 
lappen ein. Ausserdem verliess Patient plötzlich wegen einer Streitig¬ 
keit die Klinik, lebte in wilder Ehe mit Patientin Nr. 19 und kam 
in sehr ungünstige soziale Verhältnisse. Bei der Neueinlieferung 
in die Klinik im November 1909 zeigten sich gröbere Verände¬ 
rungen im rechten Oberlappen, die weiterhin beträchtlich Zunahmen; 
es gesellte sich Nephritis hinzu. Patient verliess im Januar 1910 
die Klinik und verstarb im Juni 1910 in München. 


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136 


L. Brauer und Lucius S|jengler. 


[136 


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6. Herr K. S. gcb. 77. Kaafm. (Pall 11, Dr. L. v. Mnralt.) 

Der Fall ist publiziert von L. Brauer: „Erfahrungen 
und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie" i) als Fall 6. 
Es sei hier noch nachgetragen, dass sich der Patient in den ersten 4 Monaten 
des Jahres 1909 ganz wesentlich weiter erholt und gekräftigt 
hat unter dem Einfluss einer Tuberkulinkur mit A.T.O. Sein Schlussgewicht 
betrug 76 kg. Der Aus\\'iu*f war in den letzten Monaten frei von Tuberkelbazillen 
und betrug nur noch durchschnittlich 10 ccm. Die Temperaturen waren dauernd 
zur Norm zurückgekehrt, Aussehen und Kräftezustand waren sehr gut Herr S. 
kehrte am 5. Mai 09 für den Sommer zur Leitung seines Geschäftes in die 
Heimat zurück, wo er bis im November angestrengt arbeitete. Das 
Gewicht stieg dabei auf 81,5 kg. November 09 bis Februar 1910 zur Kräftigung 
in Davos. Gutes Befinden. 

Zusammenfassung. 32jäliriger, kräftiger Mann, der seit 
12 Jahren lungenkrank ist. Mehrere gute Kuren, wiederholte Schübe. 
Zuletzt ein Jahr Fieber, das allen Mitteln trotzt, starke Abnahme, 
viel Auswurf. Die sehwerkranke rechte Lunge ist stark geschrumpft, 
hat das Herz nach rechts, das Zwerchfell imd die Leber in die Höhe 
gezogen. Es gelingt, einen basalen, spaltförmigen 
Pneumothorax zu erzeugen, der das Zwerchfell von 
der Lungenbasis trennt. Dabei entsteht aber Schwarten- und 
Mediastinalemphysem, das für den Patienten sehr lästig ist. Pleura¬ 
verwachsungen hindern eine weitere Ausdehnung 
des Pneumothorax. Der Patient wird durch extrapleurale 
Thorakoplastik sehr gut beeinflusst. Die Indikation zur 
Anlegung eines Pneumothorax war also vorhanden. 


45. Frau V. B., geboren 1884, Hausfrau. (Fall III, Dr. L. v. Muralt.) 

Das 10. von 12 Geschwistern, von denen zwei an Lrtngentuberkulöse 
gestorben sind, zwei andere an dieser Krankheit leiden. Grossvater mütter¬ 
licherseits war geisteskrank. 

Patientin wurde von der Mutter gestillt, wuchs in der Stadt auf, war in 
der Jugend kräftig und gesund, im Sommer ass sie jeweils wenig. Mit 14 Jahren 
menstruiert, regelmässig. Nach der Pubertät bleichsüchtig, litt oft an Schwindel. 
Mit 21 Jahren verheiratet mit gesundem Manne, hat einmal abortiert, keine 
Geburten. 

Mit 17 Jaliren hatte sie eine ZeiÜang Stechen in der rechten Seite, 
man empfahl ihr gros.se Schonung. Irn Sommer 1906 fühlte sie sich sehr müde 
und angegriffen und verlor an Gewicht. Im Oktober desselben Jahres stellte 
sich trockener Husten ein, einmal hatte sie eine kleine Hämoptoe. Im November 
begann sic zu fiebern und fieberte dann den ganzen Winter, hatte Nachtschweisse 
und nochmals eine Häinoptoi*. Das Leiden machte nun rapide Fortschritte, im 
Frühjaln wurde sie von einer Autorität als unheilbar erklärt Die Kur in 

1) Diese Beiträge Band XII, S. 84 ff. 



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137] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungonkollapstherapie. 13r 

einem Sanatorium der Bukowina brachte keine Besserung. Seit der ersten 
Blutung hatte sie sehr reichlichen Auswurf, war heiser und im Sommer 07 
gesellten sich starke Schmerzen im Kehlkopf dazu. 

Aufnahme in Davos am 21. XI. 07. Die Patientin ist klein, ziemlich 
korpulent, von blassem, leicht zyanotischem Aussehen. Der Puls ist sehr 
frequent, in der Regel 120 und darüber. Der 2. Pulmonal ton klappend, im 
übrigen am Herzen keine Anomalien. 

Lungen. 

Perkussion. R. v. relative Dämpfung mit etwas Tympanie bis 2. Rippe, 
leichtere Dämpfung bis 4. Rippe, von da an wieder stärker gedämpft. 

R. h. relative Dämpfimg von oben bis unterhalb Angulus, 4 cm unterhalb 
Angulus beginnt eine absolute Dämpfung. 

L. Spitze vorne und hinten leicht gedämpft. 

Auskultation. R. v. von oben bis 4. Rippe broncho-vesikuläres Inspirium 
mit bronchialem Exspirium, spärliche, nach Husten ziemlich zahlreiche halb¬ 
klingende Rhonchi. In den unteren Partien abgeschwächtes Atmen mit zahl¬ 
reichen mittleren halbklingenden Rasselgeräuschen, mit und ohne Husten. In 
der oberen Axilla bronchiales Atmen mit zahlreichen mittleren und groben 
klingenden Rhonchi. 

R. h. bis Mitte Scapulae Atmen und Rasseln wie vorne oben, von da 
nach unten abgeschwächtes Atmen mit spärlichen, nach Husten mässig zahl¬ 
reichen, halbklingenden und klingenden Rhonchi. 

Links ist das Atmen vorne und hinten über der Spitze verschärft und 
rauh, nach Husten hört man ganz spärliche tonlose Rasselgeräusche. In den 
übrigen Partien ist das Atmen laut, pueril. 

Grosses Geschwür an der Hinter wand des Larynx und geschwellte, auf- 
gelockerte Stimmbänder. 

In dem sehr kopiösen schleimig-eitrigen Auswurf finden sich zahlreiche 
Tbc. (Gaffky VII) und elastische Fasern. Der Urin gibt positive Diazoreaktion. 
Wegen anhaltenden Fiebers, bis 38,0 im Munde gemessen, lag Patientin hier 
dauernd zu Bett. Im Laufe des Winters zeigten sich einige Male Blutspuren 
im Auswurf. Eine Kur mit Aspirin-Arsen-Pillen beeinflusste die Temperatur 
nicht anhaltend, ebensowenig eine Digalenkur den Puls. Das Gewicht stieg 
langsam von 62,8 auf 64,3 kg. Am 5. II. trat eine Hämoptoe von einigen lOOccm 
auf, welche sich am 15. und 16. II. wiederholte. Seit der ersten Blutung 
fieberte die Patientin hoch und mit hektischem Typus, bis 39,4. Der Lungenbefund 
war nach der Blutung insofern verändert, als das Rasseln auf der rechten 
Seite vermehrt und mit reichlichem Giemen vermischt war. Die tägliche Aus¬ 
wurfmenge betrug 120—150 ccm. Links hinten unten bestand etwas unreines 
Atmen und einige tonlose Rhonchi. Phlebitis am rechten Arm. 

Am 26. II. 1908 Anlegung eines künstlichen Pneumo¬ 
thorax durch Lucius Spengler und L. v. Mural t. Morphin¬ 
injektion, Novokainanästhesie. Eingehen im 6. Interkostalraum hintere Axillar- 
bis Skapularlinie. Nach stumpfer Durchbohrung der Pleura kann die Sonde 
zunächst nicht Vordringen, nach allen Seiten sind die Pleurablätter fest 
verklebt, nur nach vorne findet sich allmählich ein Weg, es gelingt dort, die 
Sonde ca. 15 cm weit yofzuschieben.' Das Manometer zeigt negativen Druck 
und schöne Atemschwankungen. Es wird ein Liter Stickstoff eingelassen. Am 
Schluss ist ein positiver Druck von 3 cm Wasser vorhanden. Vor der Operation 
sah man auf dem Röntgenschirm über den unteren Lungenpartien einen starken 


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138 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[138 


tiiffusen Schatten, die oberen Partien bis zur 3. Rippe and gut Mitte Scapulae 
dagegen fleckig, ziemlich hell. Nach der Operation erschien vorne die Basis 
etwas heller, ein besonders heller Fleck war in der Höhe des Angulus neben 
der Wirbelsäule zu sehen wie eine Art Fenster. 

Am 28. II. und am 2. III. wurde versucht, vorne seitlich im 5. InterkostaL 
raum an einer für die Perkussion heller gewordenen Stelle nachzufüllen, 
aber ohne Erfolg. Die weiteren Punktionen werden dann unter- und ausserhalb 
der Operationsnarbe vorgenommen. Es wurden eingefüllt: 

am 3. III. — 375 ccm, Anfangsdrack 0, Enddinick 40 cm Wasser 


7. , 

, -280 „ 

„ 5 

20 „ 

„ 11. , 

— 300 „ 

„ 16 

40 „ 

16. , 

1 

o 

o 

4 

34 „ 

„ 20. , 

- 350 

10 

„ 40 „ 


Eine Durchleuchtung nach der letztgenannten Nachfüllung zeigte eine deut¬ 
liche Aufhellung der ganzen Partie unterhalb des Angulus und vorne von der 
ö. Rippe an, besonders schön ist der Pleurasinus zu sehen. Vorne ist die 
aufgehellte Zone durch einen schmalen, dunklen Schatten, welcher von innen 
unten nach oben aussen verläuft, ungefähr entsprechend der unteren Grenze 
des Oberlappens, von der helleren Spitzenpartie getrennt. 

Vorne ist die Perkussion nur wenig verändert, in der Seite und besonders 
hinten dagegen sind die unteren Partien laut tympanitisch, das Zwerchfell steht 
hinten 2 Querfinger tiefer als links. Über dieser Zone hört man nur sehr leises, 
fernes Atmen ohne Rasseln; in den oberen Partien der Lunge haben die Rassel¬ 
geräusche abgenommen. Keine Metallie bei Stäbchen-Plessimeter-Untersuchung. 
Auswurf durchschnittlich im Tag 70 ccm, Gaffky IV, elastische Fasern vor¬ 
handen Die Patientin fiebert immer noch, aber in allerletzter Zeit weniger hoch, 
fühlt sich im ganzen etwas besser. Nach jeder Nachfüllung hat sie ein bis 
zwei Tage lang intensives Stechen rechts unten und vorne oben. Linke Lunge 
unverändert, hinten unten immer noch Geräusche und hie imd da auch stechende 
Schmerzen. 

Weitere Nachfüllungen: 


25. 

III. 

— 400 ccm, 

Anfangsdr. -j- 8, 

Schlussdr. -[-40 cm Wasser 

6. 

IV. 

-450 „ • 

+ 6 

♦» 

+ 18 

14. 

IV. 

-450 „ 

+ 12 


+ 38 „ „ 

18. 

IV. 

1 

CO 

8 

+ 12 

»» 

+ 40 „ „ 

24. 

IV. 

-400 .. 

+ 21 


+ 54 ,, ,, 

30. 

IV. 

-400 „ 

+ 16 

11 

+ 40 „ „ 

11. 

V. 

- 450 „ 

+ 16 


+ 42 

22. 

V. 

-300 „ 

+ 14 

.t 

+ 22 „ 

25. 

V. 

— 450 „ 

„ + 14 

»» 

+ 28 „ „ 

27. 

V. 

-250 „ 

+ 18 


+ 42 „ 

3. 

VI. 

-450 „ 

„ + 10 

11 

+ 24 „ 

9. 

VI. 

o 

1 

„ +14 

11 

+ 44 „ „ 


Wie aus der Tabelle zu entnehmen ist, wurde mehrfach versucht, durch 
Anwendung höherer Druckwerte den Pneumothorax zu vergrössern und die 
Lunge vollständiger zu komprimieren. Dies scheiterte aber regelmässig daran, 
dass sich bei Druck von 40 cm mehr oder w^eniger ausgedehntes Hautemphysem 
«n Thorax bildete. 


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Got'gle 


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139] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkoliapstherapic. 13J) 

Der Druck von 54 cm hatte sogar ein Emphysem am rechten Arm bis 
ln die Hand zur Folge. Mehrmals breitete sich das Emphysem auf den Hals 
aus. Das Emphysem wurde jeweils in wenigen Tagen resorbiert. 

Nach den Einfüllungen zeigten sich öfters Magenbeschwerden, Appetitlosig¬ 
keit, Übelkeit, Druckgefühl. 

Nach den Nachfüllungen war die Patientin öfters einige Tage fieberfrei, 
die erhöhten Temperaturen stellten sich mit Nachlassen des Druckes aber 
wieder ein. 

Der Auswurf schwankte zwischen 60 und 75 ccm, Tuberkelbazillen und 
elastische Fasern waren seit Anfang April in demselben nicht mehr gefunden 
worden. Der Puls hatte sich bis im Juni nicht verändert, er war stets sehr 
beschleunigt, um 120. 

Am 17. VI. 08 reist die Patientin nach Hause, um sich von ihrem Manne, 
der Arzt ist, weiter behandeln zu lassen. 

Der Schlussbefund war folgender: Schlaf, Appetit, Verdauung gut. 

Perkussion: R. v. relative Dämpfung mit Tympanie bis 3. Rippe, 
lauter tympanitischer Schall bis 7. Rippe. Diese tympanitische Zone reicht links 
bis 2 cm über den linken Stemalrand hinaus. 

R. h. relative Dämpfung bis etwas unterhalb Mitte, laute Tympanie bis 
12. Wirbel. 

L. V. und 1. h. leichte Spitzendämpfung. 

Auskultation: R. v. br. Insp. und Exsp. bis 1. Rippe, leise br. Atmen 
bis 3. Rippe, abgeschwächtes Atmen bis 4. Rippe, unten leises fernes hauchendes 
Atmen. Über der Spitze spärliche, nach Husten zahlreiche klingende Rh. R. h. 
amph. Insp. und Exsp. über der Spitze; leises bronchiales Atmen bis Mitte, 
zu unterst leises fernes hauchendes Atmen. Über der Spitze Rh. wie vorne. 
Im Interskapularraum nach Husten spärlich klingende Rh. 

Über der tympanitischen Zone an der Basis besteht Metallie bei Stäbchen- 
Plessimeter. Der Stimmfremitus ist dort aufgehoben. 

Links ist die Atmung über der Spitze vom und hinten rauh und scharf. 
Hinten hört man nach Husten spärliche tonlose Rh. Neben dem Herzen sind nach 
Husten mittlere Knacke zu hören. 

Herzspitzenstoss im 4. Interkostalraum vordere Axillarlinie. Herzdämpfung 
an der 4. Rippe und 2 Querfinger links vom linken Stemalrand. Puls be¬ 
schleunigt 124. 

Die Patientin hat immer noch viel Husten, wieder mehr Auswurf, ca. 
120 ccm, doch sind bei wiederholten Untersuchungen keine Tuberkelbazillen 
mehr zu finden. Das Gewicht ist seit der Operation um 2 kg gestiegen und 
beträgt am Schluss 63,6 kg. Diazo negativ. 

Nach Berichfen des Gatten der Patientin ist der weitere Verlauf kurz 
folgender: 

26. III. 09. Gewicht 64 kg, Temperatur normal, Appetit gut. Pneumo¬ 
thorax wie im Juni 08. Nachfüllungen alle 20 bis 25 Tage mit Druck bis 
zu 44 cm. Linke Lunge Unverändert. Nach den Einfüllungen vorübergehende 
Temperatursteigenmg und Appetitmangel wegen Druck auf den Magen. 

18. IL 1910. Seit vergangenem Jahre blühender Zustand, 67 kg, guter 
Appetit, wenig Husten und wenig Auswurf, der bazillenfrei ist Nie mehr 
Fiebör, Puls 84 bis 88. Pneumothorax unverändert; alle 3 bis 4 Wochen eine 
Einfüllung von 500—600 ccm N2. Frau B. geht täglich aus und man würde nicht 
glauben, dass sie je krank gewesen wäre. 

Weitere Nachrichten fehlen. 


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140 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[140 


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Indikation. Junge Frau, erblich belastet. 18 Monate 
vor der Operation Beginn der Phthise, die unter Fieber rasch fort¬ 
schreitet, zu völliger Infiltration der rechten Lunge mit ausgedehntem 
Zerfall führt, öfters Blutungen, Larynxtuberkulose, positive Diazo- 
reaktion. Linke Spitze leicht erkrankt. 

Epikrise. Ein ziemlich kleiner, partieller Pneumothorax rechts 
unten mit sehr hohem Druck komprimiert die kranke Lunge ge¬ 
nügend, um die Krankheit zum Stillstände zu bringen. Keine Blu¬ 
tungen mehr. Seit fast zwei Jahren stationärer Zustand mit gutem 
Allgemeinbefinden, fieberfrei, bazillenfrei, ziemlich arbeitsfähig. 


46. Frau S. aus Italien, 30 Jahre alt. 

Anamnese: In der Familie keine Tuberkulose, kein Krebs, kein Diabetes. 
Vater (1/3) lebt und ist gesund, ebenso die Mutter (1/5). Pat. (1/9) war als 
Kind kräftig und gesund, wuchs auf dem Lande auf und wurde vier 
Monate lang von einer Amme gestillt. Keine Kinderkrankheiten. Später war 
Pat. etwas schwächlich, aber sonst gesund. Mit 18 Jahren leichter Gelenk¬ 
rheumatismus ohne Komplikation. Mit 20 Jahren nach starken Anstrengungen 
beim Schwimmen im Meer plötzlich starke Hämoptöe. Danach roborierende Be¬ 
handlung und angeblich Heilung. Mit 21 Jahren Heirat. Nach der ersten Ge¬ 
burt und zwei Monate langen Versuchen das Kind zu stillen, wurde Pat. sehr 
elend, ohne aber die Erscheinungen einer Lungenkrankheit zu zeigen. Während 
der zweiten Schwangerschaft hatte Pat. (im Jahre 1904) blutige Sputa, war 
aber gut genährt und stillte nach der Geburt das Kind acht Monate lang. Im Januar 
1905 dritte Geburt, danach leichter Gelenkrheumatismus und Abmagerung. Im 
Sommer 1905, als Pat. zum vierten Male schwanger war, bekam sie mehrere 
Hämoptoen und danach Husten, dem sich allmählich Auswurf hinzugesellte. In 
dem Auswurf wurden im Sommer 1906 Bazillen gefunden. Die Hämoptoen 
wiederholten sich nochmals im Sommer 06 und November 07. März 07 künst¬ 
licher Abort im vierten Monat. Wegen der andauernd sich wiederholenden 
Blutungen kommt die Kranke nach Davos (9. XII. 07). In der letzten Zeit 
hat sich auch Temperatursteigerung eingestellt. Pat. ist gute Esserin. 

Patientin hat nach ihrer Ankunft auf Schatzalp, Dezember 1907, leichte 
Temperatursteigerungen bis 38,0, die aber allmählich durch Bettruhe zur Norm 
absinken. Der Lungenbefund bessert sich wohl etwas, doch nur sehr langsam. 
Das Sputum enthält Tuberkelbazillen (Gaffky IV) und wenige elastische Fasern. 
Der Puls schwankt zwischen 90 und 100. W’egen der ausgedehnten Erkran¬ 
kung der rechten Lunge imd der nur sehr langsam fortschreitenden Besserung 
drängt Pat. auf Anlegung eines künstlichen Pn.Th. Die bei der Aufnahme 
vorgenommene Untersuchung hatte folgenden Befund ergeben: 

Dämpfung rechts von oben bis imten. 

Rechts vom über Klavikula Atmen amphorisch, klingende Rhonchi. 
1 . Interkostalraum am Sternum da.sselbe. Nach aussen hin Inspirium rauh, 
leise, Exspirium hauchend, mittlere, auch klingende Rhonchi. 2. Interkostalraum 
am Sternum dasselbe wie im 1. Interkostalraum, nach aussen rauhes, zu leises 
Insp., Exspir. verlängert, mittlere und grobe klingende Rhonchi. 3. ICR. Atmen 
vesiko-bronchial, besonders am Sternum, auch hier klingende Rhonchi, sowie 


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141] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


141 


helles Knattern nach Husten. 4. u. 5. ICR. Inspir. rauh, leise, Exspir. verlängert, 
Rhonchi, auch halbklingende. 

Rechts hinten oben über Oberlappen Atmen vesiko bronch. und klingende 
Rhonchi. Über der oberen Hälfte des rechten Unterlappens Inspirium rauh, 
Exspirium hauchend, Rhonchi, namentlich grobe. Über der unteren Hälfte 
des rechten Unterlappens Insp. sehr leise, Exspir. verlängert, mittlere und grobe 
Rhonchi. 

Links vom über Klavikula Inspirium rauh, Exspirium verlängert, ver¬ 
einzelte feine trockene Rhonchi nach Husten. 1. ICR. Inspir. rauh-scharf, Exspir. 
etwas verlängert, einige feine trockene Rhonchi am Sternum. Sonst 1. v. überall 
vesik. Atmen. 

Links hinten über Oberlappen Inspirium sehr rauh, Exspirium etwas 
verlängert, vereinzelte feine trockene Rhonchi. Über der oberen Hälfte des 
linken Unterlappens Atmen vesik., aber zu rauh; über der unteren Hälfte des 
linken Unterlappens vesik. Atmen. 

Dieser Befund ist unmittelbar vor dem Eingriff rechts im wesentlichen 
derselbe, links dagegen sind alle Zeichen eines aktiven Prozesses verschwunden. 
Vor dem Röntgenschirm sieht man neben der deutlichen Abschattung der ganzen 
rechten Thoraxseite eine nur geringe Verschieblichkeit der rechten Zwerchfell¬ 
kuppe. Seitlich in der Höhe der Mamma ist aber das Bild so hell, dass man 
hoffen darf, hier in den freien Pleuraspalt zu gelangen. In dieser Gegend wird 
am 12. März 1908 derEingriff vorgenommen (Brauer). Die Kanüle 
dringt in den freien Pleuraspalt ein. Das Manometer zeigt entsprechende Atem¬ 
schwankung, doch gelingt es nicht, einen Pn.Th. von nennenswerter Grösse 
zu erzeugen. Bei der nachfolgenden Durchleuchtung zeigt sich eine wesent¬ 
liche Aufhellung der vorher schon erwähnten helleren Partie, aber keine eigent¬ 
liche Pn.Th.-Blase. Bei der nachfolgenden Punktion zur Vergrösserung dieses 
kleinen Pn.Th. ist es nicht möglich, denselben zu vergrössern, und es wird 
daher von weiteren Punktionen Abstand genommen. Nachdem im Laufe des 
Monats April, im Anschluss an einen Spaziergang, eine kleine Hämoptöe auf- 
getreten war, drängt die Pat. darauf, dass ein abermaliger Versuch zur 
Anlegung eines künstlichen Pn. Th. imtemommen wird, obwohl ihr 
bedeutet wurde, dass nach dem ersten Misslingen die Chancen auf Erfolg 
nur gering sein würden. Die Kranke ist aber durch die kleine Hämoptöe der¬ 
artig eingeschüchtert, dass sie nach Marburg reist zwecks Vornahme der Ope¬ 
ration. Der nunmehr vor dem Eingriff aufgenommene Status lautet: 

Dämpfung rechts von oben bis unten und in der Seite tympanitischer 
Beiklang. Vom unter der Klavikula deutlicher, tympanitischer Beiklang. Untere 
Lungengrenze am oberen Rand der sechsten Rippe. Rechter imterer Lungenrand 
-etwas beweglich. 

L. V. über Klavikula Atmen ziemlich laut, verschärft, Exspir. * etwas ver¬ 
längert, keine Rhonchi. 1. ICR. Atmen verschärft vesik., keine Rhonchi. 2. ICR. 
bis zur Basis Atmung vesik. L. h. o. über Oberlappen wie links vome. Über 
dem linken Unterlappen überall vesik. Atmen. 

Rechts vom über Klavikula Atmen broncho-amphorisch, raässig zahl¬ 
reiche klingende Rhonchi. 1. Interkostahrauni Atmen vesiko-bronchial, klingende 
Rhonchi am Sternum. 2. Interkostalraum Atmen leise vesiko-bronchial, massig 
viele halbklingende Rhonchi. 3. ICR. Insp. abgeschwächt, rauh, Exspirium 
hauchend, mittlere und grobe, auch halbklingende Rhonchi. 4. ICR. Atmen noch 
leiser, Exspir. verlängert, mittlere trockene Rhonchi nach Husten. R. o. h. 


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142 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[142 


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über Oberlappen Insp. scharf, Exspir. bronchial, namentlich mittlere und grobe, 
klingende und halbklingende Rhonchi. Über der oberen Hälfte des rechten Unter¬ 
lappens Insp. rauh, Exspir. hauchend, mittlere und grobe Rhonchi. Über der 
unteren Hälfte des rechten Unterlappens Atmen leiser, Inspir. rauh, Exspir. ver¬ 
längert, mittlere und grobe Rhonchi. 

Die Röntgendurchleuchtung ergab ähnliche -Verhältnisse wie vor dem 
ersten Eingriff. Es wird deshalb am 7. V. 1908 versucht, den Pneumothoraxe 
dicht unterhalb der ersten Narbe anzulegen. Wiederum gelangt man mit der 
Kanüle in den Pleuraspalt. Es ist aber wegen der ausgedehnten Verwachsungen 
nicht möglich, einen freien Pn.Th. zu erzeugen. Trotz dieses zweiten Misslingens 
dringt Pat. weiter darauf, einen dritten Versuch zu machen, obgleich ihr die 
Chancen als durchaus minimal geschildert werden. Um aber alles versucht zu 
haben, der verzweifelten Pat. zu helfen, wird noch ein dritter Eingriff beschlossen, 
und zwar in der Skapularlinie, im 8. Interkostalraum (14. V. 08). Hier ge¬ 
lingt es nunmehr einen Pg. Th. zu erzielen von etwa der 
doppelten Grösse einer Männerfaust. Dieser Pn.Th. war zu per- 
kutieren und auch im Röntgenbilde zu sehen. Man konnte ihn auch mit der 
Punktionsnadel bei den Nachfüllungen wieder finden, jedoch war es nicht 
möglich, ihn zu vergrössern, da der Druck sehr bald stieg 
und dann heftige Schmerzen eintraten. Es wurde daher der 
Pat endgültig geraten, von dieser Form der Behandlung Abstand zu nehmen. 
Zu einer Thorakoplastick ko n‘n te Patient sich nicht ent- 
schliessen. Die Temperatur war vollständig normal, das Allgemeinbefinden 
gut, ebenso der Puls. Husten imd Auswurf waren nicht verändert 

Den Sommer 1908 verlebte Pat. in Italien in einer Höhe von 700 m. Dort 
nahm sie an Gewicht zu. Den Winter 1908/09 verbrachte sie in Davos, wo¬ 
selbst sie vorläufig zu bleiben gedenkt. 

Am 17. VIII. 09 wurde der folgende Befund aufgenommen: 

Lungenblutungen sind nicht wieder aufgetreten. Die Temperatur ist an¬ 
dauernd normal geblieben. Gewicht 78,0 kg (Zunahme 9 kg). Puls 96. Täg¬ 
liche Auswurfmenge 6—10 Sputa, Tb. = Gaffky IV und spärliche elastische 
Fasern.' — 

Über den oberen Partien der rechten Lunge hinten und vom intensive 
Dämpfung, nach unten hin an Intensität abnehmend. Der untere Rand der 
rechten Lunge steht hinten auf der Höhe des 9. Proc. spin., der untere Rand 
der linken Lunge dagegen etwas unterhalb des 10. Proc. spinös. — Vom reicht 
die linke Lunge bis zum rechten Sternalrand. — Das Herz überragt den rechten 
Steraalrand um zwei Querfingerbreiten. Kein Spitzenstoss fühlbar. Linke Herz¬ 
grenze nicht zu bestimmen. Herztöne leise, aber rein, — 

Über der Spitze der linken Lunge ist das Insp. rauh-scharf, das Exspir. 
etwas verlängert. Vorn sind keine Rhonchi zu hören, hinten dagegen nach 
Husten einige feine trockene. 

Vorn rechts über O.-L. Atmen zl. scharf vesiko-bronchial; mittlere und 
grobe, auch konsonierende Rhonchi. Mittellappen Insp. rauh-scharf, Exspir. 
verlängert, feine und mittlere, meist trockene Rhonchi. 

Hinten rechts über O.-L. zl. lautes, scharfes vesiko-bronch. Atmen, 
zl. spärliche trockene Rhonchi. Über dem ganzen rechten Unterlappen Atmen 
leise, Inspir. rauh-scharf, Exspir. verlängert, zahlreiche mittlere und feine, 
meist trockene Rhonchi. — 



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143] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 143^ 

Indikation zur Operation. Schwere progrediente Phthise 
der ganzen rechten Lunge mit Höhlenbildung in der Spitze. Zahl¬ 
reiche Lungenblutungen. Unbedeutender, inaktiver Prozess in der 
Spitze der linken Lunge. — 

Epikrise. An drei verschiedenen Stellen wurde versucht, zur 
Erzeugung eines künstlichen Pneumothorax zu gelangen. Wegen 
bestehender Verwachsungen war dies jedoch nur mangelhaft möglich. 
Bei dem dritten Eingriff gelang es zwar, einen Pneumothorax von der 
doppelten Grösse einer Männerfaust zu erzielen, allein dieser liess 
sich, trotz wiederholter Versuche durch Nachpunktionen, nicht ver- 
grössern. 

Nachtrag. 4. IV. 10. Nach eingegangenen Berichten ist seit 
August 1909 (vergl. oben) in dem Befinden der Kranken keine wesent¬ 
liche Änderung eingetreten. — 


47. W. U., 18 Jahre alt, Schlosserlehrlin^, Lollar. 

Anamnese: Eine Schwester starb an Lungen- und Kehlkopftuberkulose, 
eine andere Schwester leidet an Lungen- und Darmtuberkulose. Im August 
1907 Müdigkeit, mehrere Tage Fieber, dann bettlägerig und matt. Im Sept.. 
1907 begann Auswurf, einige Tage mit Blut gemischt, darauf wieder etwa 
11 Tage keinen Auswurf. Mitte November 1907 setzte reichlicher Auswurf 
ein, zum Teil blutig verfärbt, reichliches Rasseln auf der Brust. 

Patient kam dann am 17. XII. 07 nach Naurod, verblieb dort, andauernd 
fiebernd, bis Anfang März 08. Die Temperaturen gingen häufig über 38,5, 
waren selten unter 37,4, meist um 38. Ende Dezember 07, nach seiner An¬ 
gabe, sehr schwere Hämoptoe. Im Januar und Februar 08 gingen die Tem¬ 
peraturen noch etwas höher hinauf. Der Auswurf hatte sich stark vermehrt. 
Es bestanden Kopfschmerzen und starke Schmerzen auf der Brust. Appetit 
massig. Bei dem anhaltenden Fieber viel Durst, mässige Schweisse. 

Anfang März 08 kehrte er nach Hause zurück und wurde 
zur Pneumothoraxtherapie, weil völlig hoffnungslos er¬ 
krankt, der medizinischen Klinik in Marburg überwiesen. 

Status: 17. III. 08. Blasses Aussehen, mässige Muskulatur. Thorax¬ 
form normal, nur die rechten oberen Abschnitte eingesunken. Exkursions- 
breitc 79—86 cm. Nachschleppen der rechten oberen Partien. 

Perkussion: Links oben anscheinend sonorer Schall, Spitzenisthmus 
7 cm breit, untere Grenze 11. Rippe, gut verschieblich. Über der linken 
Spitze hört man von rechts her fortgeleitet hauchendes Exspirium, keine Rassel¬ 
geräusche. Rechts massive Dämpfung, vorn bis zur 4. Rippe, hinten bis 
zur Spina scapula, von da ab vorn und hinten ahgeschwächter Perkussions¬ 
schall. Grenze vorne rechts 6. Rippe, hinten rechts 11. Rippe, gut ver¬ 
schieblich. 

Auskultation gibt rechts oben vorne und hinten lautes Bronchial- 
atraen mit amphorischem Beiklang herab bis zur 5. Rippe. In diesem Bereich 
mittelgrossblasig klingende Rasselgeräusche. Über den unteren Abschnitten 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


[144 


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Ul 

pueriles Atmen mit verlängertem Exspiriiim, vereinzelte Rasselgeräusche. Körper- 
•gowicht 52,1 kg. 

Am 19. März 1908 Anlegung eines P n e u m o t h o r a xEin¬ 
griff glatt verlaufend. 800 ccm N. Die Temperatur bleibt 
a b e r h o c b. 

Am 21. III. Angina. 

Am 27. III. Nachfüiliuig 500 ccm N. Pat. bleibt gleicbmässig fiebernd, 
wie zuvor. Am 3. April 1908 zeigt sich der Bestand eines Ex¬ 
sudates im Pneumothoraxraum. Die Probepunktion liefert 
trüb-seröse Flüssigkeit. Das Exsudat steigt ziemlich rasch an, so 
dass schon am 6. IV. ein Teil des Exsudates durch Punktion entleert wird. 
Nachftillung von 600 ccm N. Es bestehen Durchfälle. 

11. IV. Entleerung einer grösseren Menge trüb-serösen 
Exsudates. In dem Exsudat zahlreiche einkernige Pleura* 
Endothelien mit Kernteilungsfiguren. Ganz spärliche 
Tuberk’elbazillen. Auf Agar und Bouillon wachsen da¬ 
gegen keine Bakterien. Für die Annahme einer Perfora¬ 
tion nach der Lunge bestehen keine Anhaltspunkte. Pat. 
bleibt dauernd sehr elend. 

Am 12. IV. Beginn einer regelmässigen Kampferkur; dreimal täglich eine 
Spritze bis zum 18. IV. 

Auf der linken Seite werden hinten besonders nach der 
Hilusgegend zu vereinzelte giemende und schnurrende Ge¬ 
räusche gehört. Das veränderte Atemgeräusch war nach Anlegung des 
Pneumothorax bestehen geblieben. Die anfängliche Annahme, die 
linksseitigen Befunde seien als fortgeleitete Phänomene 
aufzufassen, hatte sich somit nicht bestätigt. Es zeigt sieb 
vielmehr auch über der ganzen linken Lunge rauhes vesikuläres Atmen, links 
vom unterhalb der Klavikula fand sich sogar eine Stelle mit bronchialem Ex- 
spirium. Im Sputum spärliche Bazillen. 

Das Exsudat steigt wiederum ziemlich rasch an, erreicht am 25. IV. 
•etwa die mittlere Höhe der Skapula. Am 25. IV. werden 500 ccm trübserösor 
Flüssigkeit durch Punktion entleert. Das Exsudat hat sich gegen früher nicht 
•geändert. In den nächsten Wochen bleibt der Befund völlig unverändert. Es 
wurd in etwa 14 tägigen Intervallen etwas Exsudat entleert und N nachgegossen. 
Auch wird der Versuch gemacht, das Exsudat durch Eingiessen 
v o n 5 o/o Jodoformöl zu beeinflussen. 

Am 27. Mai 08 trat etwas stärkere Atemnot auf, daher wurde der Pneumo¬ 
thoraxraum punktiert und etwa 200 ccm N abgelassen, und zwar bis der 
vorher stärker positive Druck herabgesunken war auf 0,5 mm Hg-Druck. Der 
Druck im Pneumothoraxraum war infolge des starken Ansteigens des Exsudates 
sehr hoch angestiegen. 

Anfang Juni bekam der dauernd fiebernde Pat,, w'clcher eine sehr schlechte 
Nahrungsaufnahme darbot und dauernd an Gewicht abnahm, beträchtliche Stei¬ 
gerung seiner laryngealen Besch w^ erden. Es traten die Er¬ 
scheinungen einer Kehlkopftuberkulose immer mehr zutage. Sie be¬ 
reitete auch in Zukunft, trotz vielfältigster Behandlungsmethoden, der Nahrungs¬ 
aufnahme die grössten Schwierigkeiten. 

1) Das Röntgenbild findet sich in Groedels .\tlas der Röntgendiagnostik 
■als Nr. 36. 



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145] Erfahrungen und Überlegungen zur LungeiikoIlap>?therai io. 14;") 

Die Symptome der Darmtuberkulose bestanden fort. Die Kehl¬ 
kopfbeschwerden wurden nur zeitweise dadurch gelindert, dass seitens des 
Herrn Dr. Rockenbach 1,5 ccm 86 oq Alkohol in die Nähe des Nervus 
laryngeus sub. dext. eingebracht wurden. 

Die Untersuchung der linken Lunge zeigte zun(*hniende 
katarrhalische Erscheinungen. Zeitweise glaubte man 
die kleine Kaverne im linken Überlappen, die später durch 
die Sektion nach gewiesen wurde, diagnostizieren zu 
können, doch war diese Diagnose nicht sicher. 

Am 18. VII. werden 250 ccm eines stark eitrigen, ziemlich dickflüssigen 
Exsudates entleert. Das Exsudat riecht nicht; cs erweist sich iin hygienischen 
Institut wie bei uns als frei von Tuberkelbazillen, auch frei von M u c h ■ 
sehen Körperchen. Auf Nährböden verimpft zeigte sich das Exsudat nicht 
verunreinigt durch andere Bakterienarten. Meerschweinchen versuch negativ. 

Unter zunehmendem Kräfteverfall, andauerndem Fieber und völligem Ver¬ 
sagen der Nahrungsaufnahme trat am 6. IX. Exitus letalis ein. Es bestand 
stärkere Dyspnoe, obwohl der Pneumothorax, der nicht mehr nachgefüllt war, 
keine besondere Grösse mehr hatte. Die Dyspnoe erklärt sich durch zunehmende 
Erkrankung der anderen Seite. 

Indikation zur Operation. Schwere, fieberhafte Tuber¬ 
kulose der ganzen rechten Lunge, bei anscheinend nur leicht er¬ 
krankter linker Spitze (vergl. Epikrise) — Lungenblutungen. 

Epikrise. Ein völlig ungünstig verlaufener Fall, bei welchem 
sogleich nach Anlage des Pneumothorax ein tuberkulöses Exsudat 
entsteht. Lungenperforation war nicht nachweisbar. Mischinfektion 
fehlt im Exsudat bis zuletzt. Der Befund auf der anderen Seite war 
anfangs falsch gedeutet worden. Nach Anlegung des Pneumothorax 
zeigte sich, dass Veränderungen, die man auf der sogenannten ge¬ 
sunden Seite gehört hatte und die man als fortgeleitete Symptome an- 
sprach, doch an Ort und Stelle entstanden waren. Die schweren Kom¬ 
plikationen beschleunigten den schlechten Ausgang.' 


48. Georg Schw., 11 Jahre alt, aus O. 

Anamnese: Grossmutter väterlicherseits und Vater des Pat. waren 
tuberkulös. Der Vater starb mit 35 Jahren an galoppierender Schwindsucht. 
Pat. war von Anfang an ein schwächliches Kind, fast immer in ärztlicher 
Behandlung, hatte oft Bronchitis und neigte sehr zu Erkältiuigen. Er machte 
Keuchhusten durch. Der Schulunterricht musste wegen Kränklichkeit ein ganzes 
Jahr lang ausgesetzt werden. 1905 konnte er während des Sommers die Schule 
nicht besuchen wegen Unterernährung und „schwacher Lunge“. Im März 1907 
halle Pat. Auswurf. In demselben wurden Tuberkelbazillen gefunden. Darauf 
wurde Pat. in das Sanatorium Waldhof Elgers ha usen geschickt. 
Hier war die Temperatur meist normal, doch hat er mehrmals wegen Fieber 
einige Tage zu Bett liegen müssen, dazwischen .sehr oft leichte Steigerungen 
bis 37,5. Zuletzt in Elgershausen Temperaturen bis 38,0. Wegen der ausserordent- 
Beitrftge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1. 10 


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146 L. Brauer und Lucius Spengler. [146 

lieh langsamen Forlschritte \vurde Pat. von der Mutter nach Marburg gebracht 
z\veck.s Anlegung eines künstl. Pn.Th. Der liier am 17. März 1908 erhobene 
Status lautet folgendennassen: 

Linke Seite eingesunken. 

L. V. o. über dem ganzen Oberlappen gedämpfter Schall mit deutlicher 
Tympanie, nacli unten zu an Intensität abnehmend. Über dem 1. Oberlappen 
Wiiilrichscher Schallwechsel. Unter der Klavikula nicht so deutlich, dort aber 
laute Tympanie. 

Reclite Spitze schallt völlig normal. Isthmus breit und scharf begrenzt 

Untere Grenze r. h. 11. Rippe, 1. ein Querfinger breit höher, verschieblich. 
Herz 1. etwas über die Mamillarlinie hinausreichend. 

Auskultation. R. pueriles Atmen, nimmt nach dem Sternum zu mehr 
den Beiklang der anderen Seite an. über der rechten Spitze und der rechten 
Morenheimschen Grube nach Hustenstössen ganz spärliche autochthone Rhonchi 
neben deutlich fortgeleiteten klingenden Rhonchis der anderen Seite. 

L. vorn oben hört man, besonders deutlich in der äusseren Partie des 
1 . ICR., amphor. Atmen und klingende Rhonchi; im 2.—5. ICR. bronch. Atmen 
und grossblasiges Rasseln. 

Über dem 1. O.-L. hinten broncho-amphor. Atmen und klingende, meist 
grobe Rhonchi. L. U.-L. bis fast zur Basis bronchiales Atmen und grossblasiges 
Rasseln. 

Die Temperaturen sind bei 2 stündl. Messungen selten unter 37,0, er¬ 
höht bis 37,8. Menge des Sputums, in dem Bazillen gefunden werden, pro 
Tag 15—20 ccm. Gewicht 29,4 kg. Puls 100, unregelmässig. 

A m 24. III. 1908 wird ein linksseitiger Pn.Th. angelegt 
(Brauer). Der Eingriff gelingt glatt. Es werden 400 ccm N eingelassen. 
Nächste Nachfüllimg am 26. III. 08, N-Menge 200 ccm. Danach sinkt die Tempe¬ 
ratur für einige Tage bis zur Norm ab, steigt dann aber wieder etwas. Dritte 
Nachfüllung 3. April 08, N-Menge 300 ccm. Vierte Nachfüllung am 14. April 08, 
N-Menge 600 ccm. Nach dieser Nachfüllung sinkt die Temperatur binnen 
2 Tagen vollständig auf die Norm ab, erreicht niemals mehr 37,0. 

Vor dem Röntgenschirm sieht man von vom einen deutlichen Pn.Th., der 
die Lunge gegen den Hilus zu zusammengedrängt hat. Dieselbe ist an der 
Spitze imd am Zwerchfell durch Verwachsungen fixiert und wird auf diese Weise 
in Form eines Bandes ausgespannt erhalten. 

Zur Nachbehandlung geht Patient nunmehr nach Davos (Sanatorium 
Schatzalp). Der Höhenwechsel wird vollständig reaktionslos ertragen. Hier 
werden die Nachfüllungen in etwa 14täg. Zwischenräumen fortgeführt und dabei 
Stickstoffmengen von 200—500 ccm eingelassen, ohne dabei jeden Enddruck 
höher als bis zu 3 mm Quecksilber zu steigern. Allgemeinbefinden und Appetit 
ausgezeichnet. Die Temperatur steigt nie über 36,8, Puls 90. Es besteht ein 
grosser, absolut trockener Pn.Th. Patient macht kleinere Spaziergänge ohne 
jegliche Beschwerden. Der Sputumbefund lautet Ende April: Tuberkelbazillen 
positiv, Gaffky III, einzelne elastische Fasern. 

27. VII. 08 (Bericht Dr. L. Spengler). In den letzten Monaten meist 
keinen Aasw-urf, nur ab und zu kleine Mengen. In diesem spärlichen Auswurfe 
werden meist keine Bazillen und keine elastischen Fasern gefunden. Am 
26. VII. (16 Tage nach der letzten Punktion) spärliche Bazillen ohne elastische 
Fasern. Temp. in den ganzen Monaten in Davos n i c über 36,8. Das Gewicht 
blieb gleich. 



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147 ] 


Erfahrungen und Ül)erlegungon zur Lungenkollapstherapic. 


147 


Auch während des Herbstes 08 und des Winters 08/09 werden die Nach¬ 
punktionen in der oben angegebenen Weise fortgesetzt. Der Pn.Th. blieb dabei 
völlig trocken. Pat. ist andauernd fieberfrei (36,4 bis 36,8), bei sehr gutem 
Befinden und gutem Appetit. Der Auswurf verhält sich ebenso wie während 
des Sommers 08. Das Gewicht nimmt langsam zu, von 29,4 auf 33,0 kg. Der 
F^uls schwankt zwischen 70 und 80. Letzte Nachpunktion am 22. Januar 09 
(N = 700, A.-D. — 4,0 mm Hg, E.-D. 4,0 mm Hg). 

Am 20. III. 09 Durchleuchtung. Die linke Lunge hat sich 
fast vollständig wieder ausgedehnt. Es besieht nur noch ein 
flacher Pn.Th. in der linken Seite imd an der Basis der Lunge. Das Befinden 
des Pat. ist sehr gut; kein Husten, kein Auswnrf. Puls 68—72. Es wird des¬ 
halb von weiteren Nachfüllungen abgesehen. 

Befund vom 3. V. 09. Gewicht 33,5 kg. Puls 72, Temperatur unter 37,0. 
Auswurf fehlt, und wenn vorhanden, seit Januar 09 bazil¬ 
lenfrei. Die Lunge hat sich vollständig ausgedehnt. L. h. u. ist die Lungen¬ 
grenze an normaler Stelle. Vorn ist die Limge retrahiert, das Herz etwas ab¬ 
gedeckt, die absolute Herzdämpfung etwas vergrössert. 

Über linker Lunge hinten imd vom verminderte Sonorität, kein Schachtcl- 
■ ton, kein Schallwechsel. L. v. über Klavikula Atmen leise, Inspirium ver¬ 
schärft, Exspirium scharf hauchend, keine Rh. Im 1. und 2. ICR. dasselbe, 
nur Atmen leiser, keine Rh. Im 3., 4. und 5. ICR. sehr leises rauh-scharfes 
Atmen ohne Rh. L. h. o. im Bereiche des Oberlappens Inspirium verschärft, 
Exspirium verlängert, keine Rh. Linker Unterlappen von oben bis unten leises 
Atmen, rauh-scharfes Inspirium, etwas verlängertes Exspirium, nach Husten 
leises, ziemlich grobes Knattern aus der Tiefe. 

Uber der rechten Spitze hinten und vorn etwas verlängertes Exspirium 
ohne Rasselgeräusche, sonst über der ganzen rechten Lunge überall pueriles 
Atmen. 

Patient verlebte die Monate Juli bis Oktober 1909 zu Hause (Nord¬ 
deutschland), wo es ihm gut ging. Den Winter verbrachte er in Davos 
im Schulsanatorium. Er lebt wie ein Gesunder, macht alle 
Spiele mit, läuft Schlittschuh, besucht wöchentlich 
20 Schulstunden, hat sich während des ganzen Winters nie erkältet. 
Nie Husten, nie Auswurf. Gewicht 41 kg. Puls 72—84, Temperatur 
immer normal. 

Sommer 10 wieder zu Hause. Seit Herbst 10 in Davos, besucht wieder 
das Schulsanatorium. Befinden vorzüglich. Gewicht 42 kg. Puls 68—76. 
Temp. normal. 

22. XI. 10. S c h 1 u s s b e f u n d: Der hintere untere Rand der 1. Lunge 
steht iVi cm zu hoch. Über 1. Lunge hinten und vorn gekürzter Schall. 

Über r. Spitze besteht h. und v. etwas verschärftes vesikuläres Atmen, 
wenig verlängertes Exspir., kein Rasseln. Sonst r. überall normales .Atmen. 

Links vom über Kla\ikula Atmen scharf vesiko-bronchial, sehr spär¬ 
liches Knattern nach Husten. Im 1. und 2. Interkostal raum sehr scharfes lautes 
vesiko-bronchiales Atmen und spärliches Knattern nach Husten. Dasselbe im 
3. ICR. — 4. und 5. ICR. kein deutliches Atmungsgeräusch (Lunge retraiiiert, 
Herz abgedeckt). 

über 1. O.-L. h. Insp. scharf, Exsp. scharf hauchend, keine Rh. Ob. Hälfte 
des I. U.-L. Insp. verschärft, Exsp. verlängert, spärliches leises KnatüTn nach 
Husten. Unt. Hälfte des I. U.-L. Atmen leise, Insp. verschärft, Exsp. wenig ver¬ 
längert, vereinzelte feine trockene Rh. 

10 * 


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148 


li. Brauer und Lucius Spengler. 


[148 


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Indikation zur Operation. Bei dem 10jährigen Knaben 
eine seit zwei Jahren bestehende schwere Tuberkulose der ganzen 
linken Lunge mit Kavernen im Oberlappen. In der rechten Spitze 
ein unbedeutender inaktiver Prozess. Oft leichte Temperaturerhöh¬ 
ungen, andauernde Appetitlosigkeit und trotz sachgemässer Behand¬ 
lung keine nennenswerte Besserung. Ziemlich hoher, unregelmässiger 
Puls (100 und darüber). 

Epikrise. Am 24. Marz 08 gelingt es glatt einen links¬ 
seitigen Pneumothorax anzulegen. Derselbe besteht bei anfangs 
häufigeren, dann ca. vierv^öchentlichen Nachpimktionen bis März 1909. 
Letzte Nachpunktion 22. Januar 1909. Der Verlauf war völlig ohne 
Störung. Der Pneumothorax war dauernd trocken. Seit l^/g Jahren ist 
er vollständig eingegangen. 13 kg Gewichtszunahme, Puls von 100 auf 
72 gesunken. Temperatur, die vor dem Eingriff leicht erhöht war, 
jetzt dauernd normal. Auswurf seit 1^/^ Jahren nicht vorhanden resp. 
bazillenfrei. Lunge hat sich wieder fast vollständig ausgedehnt, trotz¬ 
dem der Pneumothorax ein Jahr bestand. Die grosse Kaverne ist 
nicht mehr nachzuweisen. Der Kranke fühlt sich vollständig ge¬ 
sund, besucht die Schule und kehrt demnächst in seine Heimat 
zurück. Seine Eltern sind mit dem Resultat sehr zufrieden. Abschluss 
der Krankengeschichte Ende Oktober 1910. Rechte Seite gebessert, 
d. h. geheilt. 


49. M. B. aus Holland, Alter 27 Jahre. 

Anamnese: 30. III. 08. 

Vater starb an Herzfehler, Mutter an Krebs ; eine Schwester starb an T. p. 
mit 28 Jahren. Sonst keine Tbc. in der Familie bekannt. Patientin 5/8, übrigen 
Geschwister sind gesund. Pat. ist angeblich niemals ernstlich krank gewesen. 
Januar 1904 zuerst erkrankt mit Husten; kein Auswurf und kein 
Fieber. Vom Arzt Lungenerkrankung links konstatiert. Immer sehr müde, trotzdem 
sehr viel spazieren gegangen. Im Herbst 04 zuerst Fieber und Auswurf. Zu 
Hause Liegekur gemacht und Weihnachten 04 nach Davos. Anfangs hier gut 
gegangen. Von Juni bis September 05 in Holland. Dort nicht gut gegangen, 
häufig Fieber. Seit September 1905 ständig in Davos; im Herbst 06 
Pleuritis exsud. sinistra. Patientin oft zu Bett wegen Temperatur- 
Steigerungen. Januar 08 Bronchitis mit 39,0 Fieber. Immer viel 
Auswurf und Husten und reichlich Tbc. 

Status praes.: 

Gewicht 97 Pfund. 

Puls 100. 

Temperatur normal. 

Auswurf Tbc. (reichlich). 

Ziemlich guter Ernährungszustand. Linke Seite schleppt sehr stark nach 
in oberen Partien. Rasseln durch Distanz hörbar. Bei tiefer Atmung wird untere 



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149] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 149 

Apertur gut bewegt. Linke Spitze vom intensive Dämpfung. L. h. o. Dämpfimg, 
klingt in der Mitte der Scapulae ab. 

Rechte Spitze gut breit, Grenzen breit und scharf, nur vorn obere Grenze 
etwas \mscharf. 

R. h. u. steht die Grenze an der XI. Rippe. 

L. h. u. steht die Grenze querfingerbreit höher, ziemlich gut ver¬ 
schieblich. 

R. V. über Klavikula Atmen verschärft, ohne Rh., auch nach Husten. 
Mittellappen vesikulär. 

R. h. o. Atn\en leicht amphorisch, das von links hergeleitet ist Rh. 0. 
R. U.L. vesikulär. 

L. V. über Klavikula hochamphorisches Atmen. Rh. keine, imterhalb Kla¬ 
vikula metamorph. mit metallisch klingenden Rasselgeräuschen imd grobem 
eingeschaltetem Schnurren und Pfeifen. Auch in der linken Seite bronch. Atmen, 
zurzeit mit amphor. Beiklang und metallischen Rhonchi; ebendort tympanitisch 
gedämpft Kein Wintrich scher Schallwechsel, nur in der linken Achsel¬ 
höhle leichter Schallwechsel. Linker Oberlappen hinten wie vom. L. U.L. 
Atmen abgeschwächt, aber gut hörbar, besonders auch links seitlich; Insp. 
rauh, Exspir. verlängert und verschärft, massenhafte trockene und zurzeit halb¬ 
klingende Rasselgeräusche. 

Herzspitzenstoss etwas nach links verlagert Töne rein, auffallend laut 
klingend (Resonnanz). 

30. III. 08. Anlegung eines künstlichen Pn. Th. (Brauer). 

Unter Lokalanästhesie w^ird im 4. Interkostalraum der linken vorderen 

Axillarlinie eine etwa 6 cm grosse Inzision gemacht. Die Muskulatur wird 
mit Haken zur Seite geschoben, und es liegt alsbald die Pleura costalis frei. 
Die Salomonsche Sonde dringt in den Pleuraspalt ein und lässt sich tief 
in denselben einschieben. Es werden nun imter mässigem Druck und unter 
mässigen Schmerzen 600 ccm N eingelassen. Hustenreiz ist ziemlich stark. 
Patientin erbricht während der Füllung. Puls nimmt an Zahl der Schläge zu, 
sobald mit dem Einströmenlassen sistiert wird, imd ab, sobald Stickstoff ein- 
fliesst (Pleurareflex?). Das Röntgenbild zeigt nach der Operation einen 
mässig grossen Pn.Th. 1. v. u. und 1. h. u. Mässiges Hautemphysem. Wegen an¬ 
dauerndem Hustenreiz keine Druckbestimmung. 

31. 111. 08. Es werden unter einem Anfangsdruck von 0 und —5 
und einem Enddruck von + 5 imd 0, 600 ccm N eingelassen. Patientin hat 
keine besonderen Beschwerden. Puls gut. 

4. IV. 08. Stickstoffeinblasung 600 ccm. 

A.-Dr. —1,0 mm Hg. 

E.-Dr. -|- 4,0 mm Hg. 

Vollständig fieberfreier Verlauf. Auswurfmenge vor der Operation 40 bis 
60 ccm, am 6. FV. 08 n\ir noch 25 ccm. Puls von 100 langsam auf84.—88 
gesxmken. 

11. IV. 08. 3. Nachpunktion. 

N =« 700 ccm. 

A.-Dr. — 3,0 mm Hg. 

E.-Dr. 3,0 mm Hg. 

Grosser vollständig trockener Pneumothorax. Unterlappen stark gegen den 
Hilus hin komprimiert. Oberlappen von N umspült, gegen das Mediastinum hin¬ 
gedrängt; an der Spitze strangartige Verwachsungen. Vor der Operation absolute 


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L. Brauer und Lucius SiH.*nglcr. 


[150 


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Appetitlosigkeit. 8 Tage danach Hebung des Appetits. Auswurfmengc sinkt 

auf 12, 7, 4 und 3 ccm pro die. 

18. IV. 08. 4. Nachpunktion. 

N = 600 ccm. 

A.-Dr. — 3,0 mm Hg. 

E.-Dr. + Hg. 

Appetit wird sehr gut. Auswurfinenge sinkt auf 0—3 ccm pro die. Am 1., 
2 . und 3. Mai steigt Auswurfmenge auf 12—15 und 20 cm. Temperatur erhebt 
sich von 36,6 auf 37,5; deshalb am 

4. V. 08 5. Nachpunktion. 

N = 500 ccm. 

A.-Dr. — 2,0 mm Hg. 

E.-Dr. 6,0 mm Hg. 

Temperatur wieder unter 37,0. Sputummenge wieder 1—3 ccm. Gaifky III, 
ohne elastische Fasern am 5. VI. 08. 


18. V. 08. 6. Nachpunktion. 

N = 500 ccm. 

A.-Dr. —2,0 mm Hg. 

E.-Dr. + Hg. 

29. VI. 08. 


8 . VI. 08. 7. Nachpunktion. 
N = 650 ccm. 

A.-Dr. —6,0 mm Hg. 
E.-Dr. +3,0 mm Hg. 

8 . Nachpunktion. 


N = 600 ccm. 


A.-Dr. — 5,0 mm Hg. 

E.-Dr. + 3,0 mm Hg. 

29. VI. Puls 80. Temperatur völlig normal. Auswurf 0—5 ccm. Appetit gut, 
aber keine Gewiclitszunahme (97 Pfund). 


20. VII. 08. 9. Nachpunktion. 

N = 750 ccm. 

D. -Dr. — 4,0 mm Hg. 

E. -Dr. + 4,0 nun Hg. 

Fieberfrei. Auswurfsmenge 0—1 ccm pro die. 

17. VIII. 08. 10. Nachpunktion. 

N = 680 ccm. ^ 

A.-Dr. — 4,0 mm Hg. 

E.-Dr. + 7,0 mm Hg. 

Fieberfrei. Puls 72. Auswurfmengc war pro die während der letzten 
10 Tage auf 2—5 gestiegen. Zwei Tage nach dieser Punktion fällt er auf 
Null ab und bleibt auf Null bis zum 6. IX. 08, um wieder auf 1—2 ccm anzu¬ 
steigen. Vom 8.—10. September 08 leichte Angina mit Temperaturen bis 37,8 
und dabei eine Auswurfinenge von 10—15 ccm. 

12. IX. 08. 11. Nachpunktion. 

N = 700 ccm, 

A.-Dr. — 3,0 mm Hg. 

E.-Dr. + 8,0 mm Hg. 

Bei der Durchleuchtung wurde ein kleines Exsudat nachgewiesen. Zwischen 
dem 13. und 19. September 08 bestehen Temperaturen bis 38,2, die mit dem 
23. September wieder vollständig normal werden und der Auswurf sinkt auf 
1—2 ccm pro die. Auch hier kam also w^ie schon öfter ini 
Anschluss au eine Angina, das Auftreten eines pleuriti- 
schen Exsudates zur Beobachtung. 



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151] 


Erfahrungen und ClKTlcgunccn zur Luiigenkollai)stherapic. 


151 


21* X. 08. 12. Nachpunktion. 

N = 450 ccm. 

A.-Dr. —2,0 mm Hg. 

E.-Dr. 6,0 mm Hg. 

Völlig fieberfrei. Es besteht noch ein kleines pleuritisches Exsudat. 

9. XII. 08. 13. Nachpunktion. 

N = 500 ccm. 

A.-Dr. — 6,0 mm Hg. 

E.-Dr. 4“ 6,0 mm Hg. 

Fieberfrei. Es besteht immer noch ein kleines Exsudat. 

Die Lunge liegt in einem langen, ziemlich schmalen Streifen von oben 
bis zum Zwerchfell dem Mediastinum an. Meist besteht kein Auswurf. Vor 
•dieser Punktion wurden ab und zu 1—2 ccm ausgeworfen. Am 20. Nov. 08 
Gaffky III, ohne elastische Fasern. Vom 14. Dezember 08 bis 20. Januar 09 
wurde nur einmal 1 ccm Auswurf notiert. 



Fig. 16.' 


21. I. 09. 14. Nachpunktion. 

N = 400 ccm. 

A.-Dr. —9,0 mm Hg. 

E.-Dr. +3,0 mm Hg. 

Fieberfrei. Vom 21. Januar 09 bis 26. Februar 09 kein Aus warf. Am 
^7. und 28. Februar, sowie am 1. und 2. März je 1 ccm Au.swurf. 

3. III. 09. 15. Nachpunktion. 

N = 500 ccm. 

A.-Dr. — 6,0 mm Hg. 

E.-Dr. +0 mm Hg. 

Exsudat vollständig resorbiert. Fieberfrei. 

4. IV. 09. Seit dem 3. März 09 kein Auswurf mehr. Im Röntgonbilde 
zeigt sich die Lunge etwa '/2 ausgedehnt. Sie liegt von oben bis zürn Zwerch¬ 
fell dem Mediastinum an. .Aussen besteht eine bis beinahe zur Spitze reichende 
Zone von Pn.-Th. Die Spitze ist neben der Wirbelsäule bis zum 5. Proc. spin. 
in Form eines schmalen Streifens von Stickstoff umspült (Figur 16). 


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Got'gle 


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152 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[152 


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8 . IV. 09. 16. Nachpunktion. 
N = 700 ccm. 


3. V. 09. 17. Nachpunktion. 
N = 500 ccm. 


A.-Dr. — 4,0 mm Hg. A.-Dr. — 6,0 mm Hg. 

E.Dr. mm Hg. E.-Dr. +^^0 mmHg. 

3. V. 09. Status: Temperatur normal. Auswurf meist nicht vorhanden, 

wenn vorhanden, noch spärliche Tuberkelbazillen enthaltend. Gewicht 104 Pfund. 
Puls 72. 

Über der ganzen rechten Lunge vesikuläres Atmen, auch über der Spitze, 
hier etwas verschärft. Rhonchi keine. Links hinten längs der Wirbelsäule 
und links vorn längs Sternum leises fast aufgehobenes Atmen. Ober den 
übrigen Teilen der linken Lunge aufgehobenes Atmen und deutliches Stäbchen- 
Plessimeter-Phänomen. 

Patientin reist Ende Mai 09 nach Hause (Holland). Einige Tage vor der 
Abreise, d. h. am 22. Mai, wird sie nochmals nachpunktiert. 

N = 650 ccm. 


A.-Dr. = — 4 mm Hg. 

E.-Dr. = + ö mm Hg. 

Am 29. Juni Nachpunktion in Marburg: 
N = 300 ccm. 


A.-Dr. bei Inspiration = — 9 mm Hg. 

A.-Dr. bei Exspiration = ^ 0 mm Hg. 

E.-Dr. bei Exspiration = -f ^2 mm Hg. 

E.-Dr. bei Inspiration = 3 mm Hg. 

Am 11. August 09 wird sie in Holland nachpunktiert, ebenso am 29. Sept 
Bei dieser Nachpunktion wird konstatiert, dass kein pleuritischer Erguss be¬ 
steht. Während der ersten Woche des Monats September 09 bestanden er¬ 
höhte Abendtemperaturen, die auf eine Bronchitis in der Pn.Th.-Lunge zurück¬ 
geführt wurden. Von diesem kleinen Zwischenfall abgesehen, war die Kranke 
zu Hause andauernd fieberfrei und bei gutem Befinden. Anfangs November 09 
kehrt Patientin nach Davos zurück. Es bestehen täglich zwischen 1—2 ccm 
Auswurf. 

Am 18. November 09 Nachpunktion in Davos. 

N = 600 ccm. 

A.-Dr. im Mittel = — 7—§ mm Hg. 

E.-Dr. im Mittel = + 7—8 mm Hg. 

Am 8. Januar 10 Nachpunktion: 

N = 500 ccm. 


Dieselben Druckverhältnisse wie am 18. November. 

Mitte Februar 09 Temperaturen bis 37,3. Bronchitis in der Pn.Th.-Lunge. 

Am 21. Februar 10. Nachpunktion: 

N = 150 ccm. 

A.-Dr. = +1,0 mm Hg. 

E.-Dr. = + 16,0 mm Hg. 

Die physikalische Untersuchung sowohl als auch die Durchleuchtung 
ergeben das Vorhandensein eines kleinen pleuritischen Exsudates. Es bestehen 
nun während 14 Tagen Abendtemperaturen bis 37,5 bei völlig normalen Morgen¬ 
temperaturen. Vom 10. März 10 an ist Patientin wieder vollständig fieberfrei. 

Am 30. März 10. Nachpunktion: 

N = 150 ccm. 

A.-Dr. = — 2 mm Hg. 

E.-Dr. = + 12 mm Hg. 



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153] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkollapstherapie. 


153 


Schlussbefund vom 11. April 10: 

Während des ganzen Winters konnten iin Auswurf keine 
Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Das Gewicht be¬ 
trägt 108 Pfund (vor Anlegung des Pn. Th. 97 Pfund). Puls 
schwankt um 80 herum, vor dem Eingriff um 100 herum. 

Die r. Lunge ist unverändert gut geblieben. Über ihrer Spitze besteht ver¬ 
schärftes vesik. Atmen, wenig verlängertes Exsp., kein Rasseln. Links besteht ein 
massig grosser Pn.Th. Die Lunge liegt der Wirbelsäule derart an, dass sie un¬ 
gefähr den halben Thoraxraum ausfüllt. Unten taucht sie in das Exsudat ein, 
welches ca. 4 cm hoch steht. Das Exsudat ist seröser Natur. Dasselbe bedingt, 
wie aus den beiden letzten Nachpunktionen hervorgeht, ein langsameres Resorbiert¬ 
werden des N, was für den Pn.Th.-Raum gleichmässige Druckverhältnisse 
schafft. Da das Exsudat vor 4 Wochen deutlich höher stand, also Neigung 
zur Resorption zeigt, wird es nicht abpimktiert. Das Vorhandensein des Ex¬ 
sudats soll wie in den Fällen Nr. 25. und Nr. 34 dazu benutzt werden, um 
den Pn.Th. langsam eingehen zu lassen. Gelegentliche Druckprüfungen werden 
die Indikation abgeben für allfällig nötige Nachpimktionen. 

Einige Tage nach der letzten Untersuchung verlässt Patientin in bestem 
Zustande Davos, um nach Hause zu reisen. In Zürich erkrankt sie akut mit hohem 
Fieber bis an 40° (in recto) und schwerem Krankheitsgefühl. Sie reist trotzdem 
nach Hause (Holland), bleibt hier zunächst 3 Tage mit der gleich hohen 
Kontinua ohne ärztliche Behandlung. Der alsdann hinzugezogene Kollege findet 
die Patientin stark zyanotisch-dyspnoisch und mit bescliieunigtem Puls. Es 
wurde ein pneumonisches Sputum entleert und der Zustand er¬ 
schien im höchsten Grade lebensbedrohend. Es befanden sich auf 
beiden Lungen anscheinend schwere ausgedehnte pneu¬ 
monische Erscheinungen, imd zwar waren die auskultatorischen Er¬ 
scheinungen auf der Pneumothoraxseite sehr viel schwerer und leiser zu hören 
als rechts. Im Laufe von etwa 2 Wochen gingen die Erscheinungen jedoch 
zurück. NacheinemMonatwarPatientinwiedervölligfieber- 
frei und, wie der Kollege schreibt, bei sehr gutem Allge¬ 
meinbefinden. Die Temperatur ist jetzt niemals höher als 
37,1 (rektal gemessen). Exsudat und Pneumothorax sind 
unverändert. Es bestand am 24. VII. 10 nur wenig, aber bazillenhaltiges, 
Sputum. 

Pat. ist seit dem 25. X. 10 wieder in Davos. Befund der rechten Lunge 
genau wie am 11. IV. 10 (vgl. oben). — Links besteht derselbe Pn.Th. wie im 
April 10 (nur ist er kleiner), sowie ein etwa 5 cm hohes Exsudat. Die Kranke 
ist seit dem 26. V. 10 völlig fieberfrei. Sie wurde in Holland wiederholt nach¬ 
punktiert. Es wird jedoch täglich eine kleine’ Menge (2—3 ccm) Sputum aus¬ 
geworfen, das Gaffky III—IV enthält. — Erkrankung vom Mai 10 richtete also 
keinen wesentlichen Schaden an. — 

Indikation zur Operation. Schwerer kavernöser Prozess 
ini linken Oberlappen; alte, ziemlich ausgedehnte, zurzeit katar¬ 
rhalische brnocho-pneumonische Prozesse im linken ITnterlappen. 
Bechts ohne aktiven Prozess. 

Bei der infausten Prognose dieses spontan kaum zur Heilung zu 
bringenden Prozesses ist ein eingreifendes Verfahren indiziert, ent- 


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ir)4 L. Brauer uad Lucius Sjiengler. [154 . 

weder Pneumothorax oder Thorakoplastik. Es wird wiederholt und 
sehr nachdrücklich der Patientin mitgeteilt, dass nur etwa 50o^o Wahr¬ 
scheinlichkeit besteht, einen freien Pleuraspalt zu finden. Sie ist 
jedoch mit dem Vorschlag einverstanden, einen Pneumothorax an¬ 
zulegen. 

Für freien Pleuraspalt spricht gute Beweglichkeit der unteren 
Apertur, inspirat. Weiterwerden der Interkostalräume, ziemlich gute 
Zwerchfellverschieblichkeit im Röntgenbilde, relativ nicht stark abge¬ 
schwächtes Atemgeräusch; ärztliche Angabe, dass noch kürzlich 
Pleurareiben zu hören war. 

Dagegen spricht Anamnese; Pleuritiden, eine exsudative und 
trockene; dass das Zwerchfell querfingerbreit höher steht als rechts, 
anscheinend Zeltbildung mitten im Zwerchfell bei tiefer Inspiration. 

E p i k r i s e. Puls von 100 auf 72—80 heruntergegangen, Gewicht 
von 97 auf 108 gestiegen. Auswurfmenge von 60—80 ccm pro Tag 
auf 0—1 ccm reduziert. Auswurf seit Monaten bazillenfrei und frei 
von elastischen Fasern. Hebung des Appetits und besonders des All¬ 
gemeinbefindens. Die Kranke kann ohne Mühe kleine und auch 
grössere Spaziergänge machen. Im Anschluss an eine leichte Angina 
war ein kleines pleuritisches Exsudat aufgetreten, das keine Fieber¬ 
erscheinungen zur Folge hatte und sich spontan resorbierte. Während 
des Sommers 1909 bis Februar 1910 war der Pneumothorax völlig 
trocken, Mitte Februar 1910 wieder ein kleines pleuritisches Exsudat 
infolge von Bronchitis in der Pneumothoraxlunge. Ein Rest dieses 
Exsudates besteht beim Abschluss der Krankengeschichte noch. Das¬ 
selbe soll wie in den Fällen R. und ,St. (Nr. 25 und 34) benutzt 
werden, um den Pneumothorax langsam eingehen zu lassen (vergl. 
oben). Anscheinend interkurrente Pneumonie in beiden Lungen; gut 
überstanden, doch nun wieder eine geringe Menge (2—3 ccm) Aus¬ 
wurf, der Bazillen enthält. Die Kranke und ihre Umgebung sind 
mit dem bisherigen Resultat sehr zufrieden und ist wohl auch nicht 
daran zu zweifeln, dass das Endresultat ein günstiges sein \vird. 


50. R. Paul, Apotheker, 32 Jahre alt, aus K. 

Anamnese. Ein Bruder des Patienten erkrankte mit 29 Jahren an 
Tuberkulose, die nach einem halben Jahre zum Tode führte. Im Jahre 1896 
hatte Pat. als Apothekerlehrling eine Hämoptoe stärkeren Grades. Er lag danach 
G Wochen zu Bett und musste ein Vierteljalir mit seiner Tätigkeit aussetzen. Er 
machte dami sein GehiJfenexamen und konditionierte 3 Jahre ohne Beschwerden. 
Von 1899 bis 1901 studierte er in Göttingen, ist aktiv gewesen und hat 
^,fast zwei Semester lang jeden Sonnabend gefochten“. Er genügte alsdann seiner 


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UNtVERSITYOF MlNNfSOTA 



155] 


Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapio. 


155 


Militärpflicht, wurde aber nach 5 Monaten wegen Oberschenkelbruches als 
Invalide entlassen. Als 1902 nach einer Influenza wieder eine Hämoptoe auf¬ 
trat, ging Pat. nach Nordrach und blieb daselbst ungefähr 7 Monate. Daselbst 
kein Fieber, nur „viel Auswurf“. 1903 ging Pat. nach Schömberg. Die Sputum¬ 
menge verminderte sich hier etwas. Pat. fühlte sich danach wieder soweit 
gebessert, dass er leichtere Stellungen annehmen konnte. 1906 erfolgte wieder 
eine Hämoptoe. Patient nahm im Bemer Oberland Aufenthalt; dann Alexander¬ 
baus in Davos. Die Sputummenge war in letzter Zeit 50—60 ccm. T.B. vor¬ 
handen, Gaffky VII, Temperatur normal. 

Patient kam am 10. IV. 08 in die Deutschhausklinik nach Marburg. 

Davoser Status (L. Spengler): 

Links gedämpft von oben bis unten, namentlich links vom oben intensive 
Dämpfung. 

Unterer Rand der rechten Lunge steht hinten cm zu tief, gut ver¬ 
schieblich. 

Unterer Rand der linken Lunge steht hinten und vom in normaler Höhe, 
wenig verschieblich. — 

L. V. über Klav. hochbroncho-amphor. Atmen, mässig viele klingende 
Rhonchi, Giemen und Schnurren selten. — Im 1. ICR. dto. — Im 2. ICR. 
leises vesiko-bronch. Atmen, Rhonchi, auch grobe und halbklingende. — Im 
3. ICR. leises rauhes Insp., verlgt. Exspir., trockene Rhonchi, meist grobe. — 
Im 4. u. 5. ICR. sehr leises Atmen, verlgt. Exspir., Rhonchi; in der linken 
Seite dieselben Verhältnisse, nur Atmen entschieden lauter. 

L. h. o. leises broncho-vesik. Atmen; aus der Tiefe mit undeutlichem 
amphorischen Beihauche; mittlere und grobe Rhonchi, auch klingende, be¬ 
sonders aus der Tiefe. 

Ob. Hälfte des 1. U.L. leises verschärftes Insp., verlgt. Exspir., feine 
und mittlere Rhonchi. — Unt. Hälfte des 1. U.L. dasselbe. — 

R. V. über Klav. Atmen zu leise, aber vesik. — Im 1. ICR. vesik. — Im 
2., 3., 4., 5. vesik. — 

R. h. o. Insp. verschärft, Exspir. etwas verlgt., keine Rhonchi. Unter¬ 
lappen vesikulär. — 

Das Röntgenbild bestätigte, dass die r. Seite ausser einer geringeren 
Verdunkelung der Spitze frei von Infiltrationen war. Diffuse Abschattimg der 
ganzen linken Seite, unten Aufhellung. Kavernen sind wegen des starken 
Thoraxdurchmessers und des dicken Fettpolsters nicht zu unterscheiden. 

Urin frei von Albumen und Sacharum. 

14. IV. 08. Pneumothoraxanlegung (Brauer) ohne Beson¬ 
derheiten. N = 1300 ccm. Der Patient hat nachher nur geringe Be¬ 
schwerden; keine Dyspnoe. 

15. IV. Abends 37,7. 

19. rv. Sputummenge 35 ccm, gegen 50 vor dem Eingriff. Nachfüllung 
N = 1000 ccm. Anfangsdruck inspirat. — 8, exspiratorisch 0 mm Hg; am 
Schluss inspiratorisch 2 mm Hg., exspirat. -|- mm Hg. 

25. IV. Nachfüllung von 800 ccm. Druckverhältnisse wie bei der vorigen 
Punktion. 

3. V. Nachfüllung 1200 ccm. Schlussdruck inspiratorisch 3 mm Hg., 
oxspirat. + 12 mm Hg. 

5 V. Pat. wird entlassen. Er nimmt in einem Nachbarorte Aufenthalt, 
um von dort aus Marburg zum Zwecke weiterer NachfüJlungen aufzusuchen. 


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156 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


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11 . V. Nachfüllung. Sputummenge sinkt beträchtlich ab, gutes Allgemein¬ 
befinden. 

Dann zwei weitere Nachfüllungen vor dem 20. VL 08. 

Am 20. Juni 08 erkrankte Patient nach längerem Spa¬ 
ziergang bei feuchtem Wetter plötzlich mit hohem Fieber 
und suchte die Klinik auf. Im Röntgenbild zeigte sich die linke 
Lunge oben und unten adhärent Exsudat bis zur Zwerchfellkuppe. (Siebe 
Figur 17.) 

Bei der Punktion entleeren sich 10 ccm gelbliche seröse Flüssigkeit. Mikro¬ 
skopisch: Leuko- und Lymphozyten zu gleichen Teilen, einige Erythrozyten, 
Pneumokokken. 

Unter Aspirin sinkt das Fieber am 25. VI. auf 37® morgens. In den 
nächsten Tagen wieder normale Temperatur i), cf. Kurve, Tafel I Nr. 2. 



Patient verlässt am 2. Juli 1908 die Klinik und Marburg. Die Punktionen 
sollen wie früher in Marburg vorgenommen werden. Letzte Punktion hier- 
selbst 6. VIII. 08. Der Druck im Pneumothoraxraum war Insp. + 8 mm, 
Exsp. 4“ 12 mm Hg. Nach Einlaufen von 100 ccm N bestand Insp. 12 mm 
Hg, Exsp. -f-20 mm Hg. 

Danach geht er wieder nach Davos in Behandlung von Dr. Lucius 
Spengler. 

Seit dem Bestehen des pleuritischen Exsudates halten sich die Abend¬ 
temperaturen beständig um 1—6 Zehntel über 37,0, während sie früher nur 
ausnahmsweise die Höhe von 37,0 erreichten. — Die Sputummenge ist in 
der letzten Zeit auf 30 und selbst 20 ccm pro die herabgestinken, während 
sie vor der Operation um 50 ccm herum schwankte. 

Am 26. VIII. 08 Ankunft in Davos. 

R. Lunge unverändert. 


4 Der Fieberverlauf erinnert an den Fieberablauf bei Pneumonie; siehe 
den Befund im Exsudat. 



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157] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


157 


Links besteht ein pleuritisches Exsudat, das bis etwa über den Ang. scap. 
reicht; daneben ein zl. grosser Pn.Th. — Im Auswurf: Gaffky VII und elast. 
Fasern. 

Am 28. VIII. 08 werden 600 ccm Exsudat abgelassen und 600 ccm N 
nachgefüllt — Danach treten an der Punktionsstelle und deren Umgebung 
Schmerzen und Hautemphysem auf, auch ist die Temperatur etwas höher als 
▼ordern, Maximum 37,7. Nach 8 Tagen sind jedoch alle diese Erscheinungen 
verschwunden. Sputummenge 20—30 ccm. — 

11. Sept 08. Ablassen von 850 ccm Exsudat und Nachfüllen von 
1000 ccm N. ~ 

2. Okt 08. Ablassen von 350 ccm Exsudat und Nachfüllen von 1000 ccm N. 
Temperaturen übersteigen selten die Höhe von 37,3. 

23. Okt. 08. Exsudat steht 2 cm unterhalb Angul. scap. Es wird des 
halb kein Exsudat aspiriert, aber N nachgefüJlt. N = 800. 

Anfangsdruck -f- 8,0. Enddruck + 40,0 mm Hg. Sputummenge 30 ccm. 

13. Nov. 08. Seit dem 11. N)ov. 08 hat sich an der Punktionsstelle vom 
28. Vlll. 08 nach und nach eine faustgrosse, fluktuierende Ge¬ 
schwulst gebildet, die das Liegen sehr erschwert und be¬ 
sonders bei Hustenstössen Schmerz bereitet. Temperaturen 
wieder bis 37,4 gestiegen. In letzter Zeit hatten sie sich auf 36,8—37,2 ge¬ 
halten. Der vermeintliche Abszess liegt selir tief. Nach Durchtrennung des 
mächtigen Pannic. adip., der Muskulatur und der Muskelfaszie strömt bei 
vorsichtigem Sondieren Gas aus. Die Geschwulst sinkt zusammen. 

15. Nov. 08. Gasgeschwulst hat sich wieder gebildet. Punktion derselben 
mittelst Hohlnadel. Erst strömt Gas aus, dann fliesst Exsudat nach. Haut¬ 
emphysem. 

17. Nov. 08. Durchleuchtung. Pn.Th. ist erheblich kleiner geworden. 

Sputummenge wieder auf 40 ccm gestiegen. — Morgentemperaturen 37,4, 
Abendtemperatur 37,6. Die Inzisionsstelle vom 13. Nov. 08 wird erweitert 
und drainiert. Es strömt Gas aus und fliesst Eiter ab. Vom 19. Nov. 08 
ab bleibt die Temperatur nun dauernd unter 37,0. Das Befinden des Kranken 
ist sehr gut. Er wird täglich verbunden. In der ersten Zeit gehen besonders 
bei Hustenstössen Gas und Eiter ab. — 

4. rV. 09. Pat. blieb dauernd fieberfrei. Das Gewicht hob sich im Laufe 
des Winters von 163 Pfund auf 172 Pfund. Der Pn.Th. ging im Laufe des 
Monats Dez. 08 vollständig ein. Damit stieg die Sputummenge wieder auf 50 ccm 
pro die. — Die Sekretion der Thoraxfistel nahm langsam ab 
und wurde im Laufe des Monats Februar 09 so gering, dass 
nur noch alle paar Tage ein Tropfen Sekret in den Ver¬ 
band floss. Seit Ende Februar 09 ist die Fistel vollständig 
geschlossen. 

Bei der Durchleuchtung erscheint die rechte Lunge unverändert 
Die ganze linke Lunge hat sich beinahe bis zur Norm aus¬ 
gedehnt und ist die ganze Seite, besonders die obere Hälfte abgeschattet In 
der linken Seite vom Zwerchfell aufwärts bis zur Mitte der Skapula ein schmaler, 
sehr harter Schatten, wohl einer Pleuraschwarte entsprechend. — R. Lunge 
unverändert. — 

Schlussbefund (23. IV. 09): Über der ganzen linken Lunge zl. 
intensive Dämpfung. — 

Über der rechten Spitze der Lunge besteht hinten und vorn ver¬ 
schärftes, zu leises Atmen ohne Rhonchi. — 


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158 


L. Brauer und LuciUvS Spengler. 


[158 


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Links vorn über Klavikula Atmen broncho-amphorisch, klingende Hh. 
Im 1. u. 2. ICR. Atmen vesiko-bronch., Rhonchi, auch klingende. Im 3. ICR. 
Atmen leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, grobe Rhonchi. — 4. u. 5. ICR. 
aufgehobenes Atmen. 

Links hinten über Oberlappen Atmen vesiko-bronchial, Exspirium mit 
amphor. Beihauche. Knarren und Knacken und konsonierende Rhonchi. Über 
dem ganzen linken Unterlappen leises Atmen, Insp. rauh, Exspir. verlängert; 
viele helle Rhonchi, besonders auch Knarren imd Knacken. — 

Temperatur völlig normal. Thoraxfistel solid ver- 
narbt, keine nennenswerte Einziehung der Narbe. A u s w u r f m e n g e: 
50 ccm. — Tuberkelbazillen: Gaffky II (1) und spärliche elast. 
Fasern. 

April 1910. Aus äusseren Gründen ist es dem Kranken seit Juni 
1909 nicht mehr möglich seiner Gesundheit zu leben. — Er lebt in einer grossen 
Stadt. Nach seinen Berichten hat sich sein Gesundheitszustand in letzter 
Zeit verschlechtert. 

Indikation zur Operation. Schwere Phthise der gan^n 
linken Lunge mit Zerfall im Oberlappen. Tägliche Sputummenge 50 
bis 60 ccm. Leichter, völlig inaktiver Prozess in der rechten Spitze. — 

Epikrise. Anlegung des Pneumothorax gelingt glatt (14. IV. 
1908). Massig grosser Pneumothorax. — Verwachsungen besonders 
im Bereiche des Oberlappens. Am 20. VI. 1908 Auftreten eines pleu- 
ritischen Exsudates nach starker Erkältung; dasselbe enthält 
Pneumokokken. Pieberverlauf wie bei Pneumonie (Tafel VI, 
Nr. 2). Öfteres Punktieren des Exsudates und gleichzeitiges 
Nachfüllen von N. An der Punktionsstelle vom 28. VIII. 1908 
bildet sich nach 2^/2 Monaten (November) eine Thoraxfistel, die im 
Verlaufe von 3 Monaten vollständig heilt, dabei Eingehen des Pneumo¬ 
thorax und schliesslich ziemlich derselbe Zustand der kranken Lunge, 
wie vor der Operation. 


51. Herr £. B., Gymnasiast, geboren 14. April 1890. (Fall IV. Dr. 
V. Mnralt). 

Die Mutter ist an Tuberkulose gestorben, ebenso ein Bruder des Patienten. 
Der Vater starb an einem Herzleiden. Zwei Geschwister leben und sind gesund. 

Er wurde bis zum 5. Monat von der Mutter ernährt, W'elche damals 
noch gesund gewesen sein soll. Als Kind war er immer schwächlich und blut¬ 
arm, machte Masern und Lungenentzündung durch, hatte aber keine Zeichen 
von Skrofulöse und keine Neigung zu Katarrhen. Guter Esser. Im Januar 1906 
brach er beim Schlittschuhlaufen ein und erkältete sich. Ende Februar 06 
zeigte sich Husten und etwas Blut im Auswurf. Er machte dann vom 1. März 
bis 1. September 06 Kur in Lussin-Piccolo, verlor aber den Husten nicht ganz. 
Nachher ging er für einen Monat in die Berge und kam dann ira Dezember 06 
nach Davos. 

Bei der Aufnahme war er 165 cm lang, wog 52,1 kg, sah sehr blass und elend 
aus. Linke Pupille weiter als die rechte. Rechts einige bohnengrosse Zervikal¬ 
drüsen. 



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159] 


Erfahrungen und rberh^gnngon zur Lungenkollapsllierapio. 


15t) 


Thorax gut gewölbt, asymmetrisch. Nachschleppen rechts. 

Herzspitzenstoss im ö. Interkostalraum, 2 cm rechts von der Mamillar- 
linie. Herztöne rein, Puls 116, schwach. 

Perkussion: R. v. relative Dämpfung mit Tympanie bis 2. Rippe. 
R. h. relative Dämpfung mit Tympanie bis Mitte; leichtere Dämpfung bis unten. 
L. V. leichte Dämpfung bis'2. Rippe, Schall in den äusseren seitlichen Partien 
kürzer als rechts. L. h. Schall überall leicht abgeschwächt. 

Auskultation: R. v. br. Insp. und Exsp. bis 2. Rippe mit spärlichen, 
nach Husten zahlreichen, mittleren klingenden Rasselgeräuschen. Im 2. Inter¬ 
kostalraum leise ves.-br. Atmen mit spärlichen tonlosen Rh. Am unteren 
Rana feine Knacke. R. h. zu oberst br.-ves. Atmen mit spärlichen, nach 
Husten zahlreichen mittleren klingenden Rh. Unterhalb Spina Bronchialatmen 
mit zahlreichem halbklingendem Rasseln, in der unteren Partie verschärftes 
Atmen mit feinen tonlosen Rh. L. ist vorne und hinten das Atmen über der 
Spitze ves.-br. mit spärlichen, tonlosen Rh. nach Husten. Auf der ganzen 
Seite hört man pleuritisches Schaben und Knacken. 

Leber und Milz ohne Veränderung. Urin frei von krankhaften Bestandteilen. 
In d#m flockigen, eitrig-schleimigen Auswurf finden sich zahlreiche Tuberkel¬ 
bazillen (Gaffky VIII) und elastische Fasern. Die Temperaturen bewegen sich in 
normalen Grenzen. 

In den folgenden Monaten wurde mit den verschiedensten Mitteln versucht, 
den Ernährungszustand des Pat. zu heben, doch blieb das Gewicht immer 
ungefähr gleich. Ebensowenig konnte der rasche Puls durch Kampfer-Injek 
tionen oder durch DigaJengaben dauernd beeinflusst werden. Nach Aussetzen des 
Digalens stieg er meistens wieder über 100. Im Mai 07 trat eine leichte B 1 u t u ng 
ein, nach welcher das Rasseln r. v. im 3. und 4. Interkostalraum sich ver¬ 
mehrt zeigte. Eine weitere starke Blutung, ca. ein halbes Glas voll, folgte am 
13. September 07. In den folgenden Wochen fieberte der Patient bis 38,5 und 
hatte Nachtschweisse. R. v. und in der Seite zeigte sich eine stärkere Dämp¬ 
fung. Das Atmen war bis unten scharf und rauh und man hörte mässig 
zahlreiche, nach Husten zahlreiche mittlere und grobe, tonlose Rh. Der Aus¬ 
wurf war seit dieser Zeit kopiöser und enthielt immer zahlreiche Tbc. und 
elastische Fasern. Am 28. November trat wieder eine starke Blutung ein, die 
sich an mehreren aufeinander folgenden Tagen wiederholte und nur mit An¬ 
wendung starker Gelatinegaben ^um Stehen zu bringen war. Dämpfung und 
Rasseln r. h. u. hatten nach dieser Blutung wieder zugenommen. Eine weitere 
Hämoptoe stellte sich am 4. Januar 08 ein und seither fieberte der Patient 
dauernd. In den folgenden Monaten, Februar, März, April, folgte eine ganze 
Reihe kleinerer und grösserer Blutungen. Der Patient sah 
immer blasser und elender aus und verlor mehr und mehr 
seine Kräfte. Das Gewicht sank auf 46 kg und von der Zeit 
der Blutung im September 1907 bis Ende Mai 1908 konnte er 
das Bett nicht verlassen. Wir entschlossen uns daher, ihm die .An¬ 
legung eines künstlichen Pneumothorax vorzuschlagen. 

Die letzte Untersuchung vor der Operation ergab deutliche Kavernen¬ 
symptome. R. V. bis zur 2. Rippe, r. h. bis zur Mitte Scapulae. Die unteren 
Partien der rechten Lunge waren v. und h. deutlich gedämpft Der Lungen¬ 
rand nicht nachweisbar verschieblich. V. bestand von der dritten Rippe an 
ves.-br. Atmen mit spärlichem, nach Husten mässig zahlreichem, halbklingendem 
Rasseln. H. war im. Interskapularraum leises ves.-br. .Atmen mit Rasseln 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



L. Brauer und Lucius Spengler. 


[160 


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160 

wie V., in den unteren Partien abgeschwächtes Atmen mit zahlreichen, ton¬ 
losen Rh. zu hören. Die linke Lungenspitze zeigte die gleichen Veränderungen 
wie früher. Die absolute Herzdämpfung reichte nach rechts bis fast zur 
Mitte des Sternums. Der Herzspitzenstoss war im 5. Interkostalraum in der 
Mitte zwischen Sternum und Mamilla zu fühlen. 

Am 25. Juni 08 Anlegung eines künstl. Pneumothorax 
nach Brauer durch Lucius Spengler und L. v. Muralt. Eingehen 
im 5. Interkostalraum in der rechten vorderen Axillarlinie. Nach Durchtrennung 
der Haut und stumpfem Durchpräparieren der Thorax- und Interkostalmuskulatur 
wird die Pleura deutlich sichtbar. Der Katheter gelangt nach geringem Drücken 
leicht nach vorne in den Pleuraraum, während es nach hinten nicht gelingt, 
den Katheter frei vorzuschieben. Das Manometer zeigt einen Druck von — 4 
bei der Insp. und 0 bei der Exsp. Es werden 900 ccm Stickstoff eingeführt 
und ein Schlussdruck von -f" 6 und -j- 10 erreicht 

Bei der Röntgendurchleuchtung unmittelbar nach der Operation 
zeigt sich ein schöner basaler Pneumothorax. Das rechte Zwerchfell ist stark 
nach unten gedrängt und macht paradoxe Atembewegungen. 

Die weiteren Nachfüllungen ergeben sich aus folgender Tabelle. • 

Unmittelbar nach der Operation stellte sich etwas Fieber und vermehrter 
Auswurf ein. Die Temperatur stieg bis 38,4, sank dann aber bis zum 4. Juli 
wieder zur Norm ab. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli klagte der Patient 
über Schmerzen in der Herzgegend. Er hatte starke Atembeklemmungen 
und fühlte sich sehr elend. Der Puls war 128, kaum zu fühlen. Es wurden 
daher morgens 4 ühr 500 ccm Stickstoff aus dem Pneumothorax entnommen, 
worauf sich der Patient sofort freier fühlte. Von Mitte Juli 08 an blieb 
die Temperatur dauernd normal. Nach der Operation und nach 
mehreren Nachfüllungen stellte sich zirkumskriptes Emphysem der Haut in 
der Umgebung der Punktionssteile ein. Im übrigen verliefen die Punktionen 
ohne Zwischenfall und die Operationswimde heilte per primara. Unter allmäh¬ 
licher Steigerung des Druckes (vergl. die Tabelle) wurde der Pneumothorax 
von Woche zu Woche grösser und dementsprechend besserte sich auch 
das Allgemeinbefinden langsam und zusehends. Am 1. und 
2. Tag nach den NachfüUimgen klagte der Patient öfters über Übelkeit, sogar 
Brechreiz, ohne dass es je zum Erbrechen kam, “und über Appetitlosigkeit. 
Gleichzeitig war der Puls beschleunigt. Nach Ablauf von zwei Tagen kehrte 
aber sowohl der Appetit wie der Puls zur früheren Norm zurück. 

Schon Mitte August 08 reichte der Pneumothorax vorne bis zur 2. Rippe, 
nach links bis zur linken Parastemallinie, nach unten bis zur 8. Rippe in der 
Mamillarlinie; hinten dagegen nahm er nur eine gut handbreite Zone unterhalb 
des Angulus ein, bis zum 1. Lendenwirbel, während der Lungenrand links am 
11. Brustwirbel stand. 

Der Pneumothorax wurde dann sukzessive vergrössert und seit Dezember 
1908 wurde der Druck auf ca. 18 cm gehalten. Seit Februar 09 sind in dem 
spärlichen, schleimig-eitrigen, balligen Auswurf keine Tuberkelbazillen mehr 
gefunden worden. 

28. IV. 09. Der Lungenbefund war zuletzt folgender: 

Perkussion: R. v. relative Dämpfung mit hoher Tympanie und Win- 
trichschern Schailwechsel bis 2. Rippe. Von da an bis 8. Rippe lauter dröhnender 
Schall, der nach links bis in die Parajstemallinie reicht. R. h. relative Dämpfimg 
mit hoher Tympanie bis Angulus, lauter drölmender Schall bis 1. Lenden- 



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IGl] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Luiigenkollapstherapie. 


101 


Herr B. 


Nr. 

'DA.f.nm 1 

Anfang-Druck 

• 

OiiAnfifäfc 

Schluss-Druck 




Insp. 1 

. 1 

Exsp. 1 



Insp. 

Exsp. 

Oper. 

25. 

VI. 08 

-4 i 

1 

0 

900 

ccm 

6 

10 

I. 

27. 

VI. 08 

- 2 ‘A 

— 1 

400 

19 

41'2 

6 Y 2 

11 . 

1 . 

VII. 08 

— 3 

‘A 

700 

>» 

97 . 

11 

III. 

4. 

VII. 08 

0 

IV 2 

550 

»5 

12 

13 

IV. 

12. 

VII. 08 

-3 

. 2 

300 

ij 

1 

2 

V. 

16. 

VII. 08 

— V 2 

— 1 i 

350 

ft 

5 

6 

VI. 

20. 

VII. 08 

— 1 

1 

400 

ff 

5^2 

8 

VII. 

24. 

VII. 08 

2 

0 

350 

ff 

77« 

9 

VIII. 

29. 

VII. 08 

8 

0 

300 


— 

11 

IX. 

4. 

VIII. 08 

Vh 

272 

450 

ff 

— 

11 

X. 

13. 

VIII. 08 

0 

3 

400 

ff 

— 

10 

XI. 

21. 

VIII. 08 

5V» 

6 Ya 

500 

ff 

10 

11 

XII. 

28. 

VIII. 08 

4'A 

77« 

450 

„ 

11 

127 a 

XIII. 

4. 

IX. 08 

3 

7 

i 450 

ff 

11 Va 

127 a 

XIV. 

12. 

IX. 08 

0 

7 

1 350 

ff 

11 

12 

XV. 

23. 

IX. 08 

5'A 

8 

i 300 

ff 

11 

127 a 

XVI. 

5. 

X. 08 

3 

51 a 

550 

*» 

10 

12 

XVII. 

14. 

X. 08 

5 

7 

350 


972 

11 

XVIIL 

26. 

X. 08 

4 

5 

450 

.. 

9' 2 

11 

XIX. 

8. 

XI. 08 

3 

67^ 

350 

.. 

1012 

127 a 

XX. 

16. 

XI. 08 

6 V 2 

97> 

400 

ff 

117 * 

14 

XXL 

24. 

XI. 08 

4'/. 

7 

400 


1372 

147a 

XXII. 

3. 

XIL 08 

4 

5 

450 

.. 

14 

15Ya 

XXIII. 

10. 

XII. 08 

8 

1 9 1 

375 


16 

16 Y 2 

XXIV. 

16. 

XII. 08 

9 

1 10 

300 

ff 

16 

18 

XXV. 

22. 

XII. 08 

9 

10 1 

; 275 

ff 

I 6 Y 2 

17 Y 2 

XXVL 

29. 

XII. 08 

8 

1 9 

400 

„ 

— 

18 Y* 

XXVII. 

5. 

I. 09 

9 

11 

300 

ff 

18 

19 

XXVIII. 

12. 

I. 09 

13 

14 

i 250 

ft 

I 8 V 2 

19 Va 

XXIX. 

21. 

I. 09 

10 

12 

275 

„ 

I 8 V 2 

19Y2 

XXX. 

28. 

I. 09 

14 

: 15 

1 300 

1} 

19 

1 20 

XXXI. 

8. 

II. 09 

7 

9 

350 

ff 

19 

20 

XXXII. 1 

21. 

II. 09 

i 7 

9 ; 

350 

ff \ 

15 

16 

XXXIII. 

! 7. 

III. 09 

i ® 

10 

275 

*f 1 

15 

16 

XXXIV. 

22. 

III. 09 

1 5 

7 

500 

>r 

16 

18 

XXXV. 

1 2. 

IV. 09 

6 

8 

400 

i 

ff 

15 

16 

XXXVI. 

1 15. 

IV. 09 

4 

6 

, 450 

»> ■ 

16 

18 

XXXVII. 

i 8. 

V. 09 

4 

1 ^ 

400 

ff 

, 1512 

Wi 

XXXVIII. 


V. 09 

6Vi 

1 9 

500 

ff 

18 

20 

XXXIX. 

i 18. 

V. 09 

13 

15 

1 200 

ff 

20 

20 

XL. I 

I 20. 

V. 09 

16 

18 

; 75 

ff 1 

; 20 Yi 

22 

XLI. . 

22. 

V 09 

16 

I 6 V 2 

, 200 

M 

1 20 

1 __ 

XLII. 

24. 

V. 09 

14 

i 16 

i 150 

ff ' 

1 19 

20 

XLIII. 

27. 

V. 09 

18 

19 

150 


! 21 

! — 

XLIV. 

29. 

V. 09 

1 

i 

1 

— 

100 

ff 

1 20 

1 


-Beitrltge zur Klinik der Taberkalose. Bd. XIX. H. 1. 11 


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162 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[162 


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Wirbel. Die tympaiiitische Zone geht vom Angulus scapulae in der Seite an¬ 
steigend nach vorne bis zur 2. Rippe hinauf. Linke Spitze leicht gedämpft. 

Auskultation: R. v. lis 2. Rippe amph. Insp. und Exsp., ebenso r. h. bis 
.Mitte. In diesem Gebiet nach Husten spärliche, grobe, metallisch klingende 
Rh. V. im 2. Interkostalraum und h., von Mitte bis Angulus, leises br. Atmen 
mit metallischem Beiklang. In den übrigen Partien ganz leises, metallisch 
klingendes br. Atmen. Keine Rasselgeräusche. 

Über der linken Spitze verschärftes Insp. und Exsp., v. nach Husten 
spärliche tonlose Rh. In den übrigen Partien links scharfes, pueriles Atmen. 
Neben dem Herzen einzelne feine Knacke. Absolute Herzdämpfung an der 
4. Rippe und Parasternallinie, Spitzenstoss im 5. Interkostalraum, vordere 
Axillarlinie. 

Über der tympanitischen Zone sehr deutliches metallisches Stäbchen- 
Plessirneter-Phänomen. 

Die Röntgenplatte zeigt einen sehr grossen, rechtsseitigen Pneumothorax. 
Das Zwerchfell ist stark nach unten gedrängt und leicht nach unten konvex. 
Die Interkostalräume, namentlich die unteren, sind verbreitert. Von der rechten 
Lunge ist nur ein Schatten zu sehen, welcher das ganze Spitzenfeld über der 
Spina scapulae einnimmt und überdies die obere Hälfte des Interskapularraums 
neben der Wirbelsäule ausfüllt. Das Herz ist stark nach links verschoben und 
auch der Mediastinalschatten über dem Herzen tritt links von der Wirbelsäule 
deutlich zutage. Linke Spitze etwas trüb. In der linken Lunge deutliche Ge- 
fäss- und Bronchialzeichnung. 

Der Patient wiegt 54 kg (Zunahme von 8 kg), ist zwar immer 
noch blass, sieht aber doch viel besser aus wie früher, 
ist den ganzen Tag auf und macht regelmässig Liegekur 
und Spaziergänge. 

31. V. 09. Anfangs Mai zog sich der Patient infolge von 
Erkältung eine fieberhafte Bronchitis zu. Da auch auf der linken 
Seite Schnurren zu hören war, wurde zunächst mit der Nachfüllung etwas 
zugewartet. Am 8. V. war der Anfangsdruck nur 4 und 6 cm. Am 16. V. 
trat in der Nacht eine Hämoptoe ein (einige Esslöffel voll Blut). Der Druck 
wurde nun sofort wieder hergestellt und in den nächsten Tagen durch häufige 
Nachfüllungen unterhalten. Vorübergehende Temperaturen bis 39,0 und Nacht- 
schweisse traten bald wieder zurück und vom 23. V. an war das Befinden 
wieder wie früher, nur enthielt der spärliche Auswurf Tuberkelbazillen. 

20. VII. Bis zum 16. Juli wieder ganz gutes Befinden. Am 16. Vll. 
leichtes Fieber und Schmerzen rechts oben. Die Untersuchung ergibt keine 
Veränderung der Grösse des Pneumothorax, es ist aber über demselben 
mehr Rasseln zu hören. Ara 17. VII. kann der Druck bei der Nachfüllung 
trotz 800 ccm eingeführteri Stickstoffs nicht höher als 11 cm gebracht 
werden. Dasselbe ist am 19. VII. der Fall. Von 10 cm an steigt der Druck 
nicht mehr Die Lunge ist also offenbar nach dem Pneumothorax durchgebrochen, 
es hat sich ein offener Pneumothorax gebildet. 

Die Röntgenkontrolle ergibt einen grossen Pneumothorax wie früher, kein 
Exsudat. Zwerchfell weniger abgeflacht, Herz und Mediastinum nach links 
verdrängt. Die komprimierte Lunge erscheint nicht grösser als früher. 

1 . VIII. .Vlle zwei Tage wmrde Stickstoff eingefüllt, der Anfangsdruck 
betrug regelmässig 2—6, der Schlussdruck 6—10 cm, höhere Steigerung un¬ 
möglich. Bis 22. VII. bew’^egten sich die Temperaturen unter 38, vom 23. an 



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168] Erfalirungcn und Überlegungen zur Lungenkollapsther^pie. 168 

zwischen 38 und 39,5. An diesem Tage ist zum ersten Male ein Exsudat 
nachzuweisen, das sich bei einer Probepunktion als klar serös erweist; im 
Zentrifugat wenige Lymphozyten, keine Tuberkelbazillen. Am 29. VII. 
Schüttelfrost. 

31. VIII. Im Laufe des Monats wurden wegen zunehmender Dyspnoe 
dreimal je 500 ccm Exsudat entfernt. Vom 18. VIII. an war das letztere eitrig, 
enthielt hauptsächlich pol 3 ^iukleäre Leukozyten und Tuberkelbazillen, die viel¬ 
fach intrazellular gelagert waren. Alle zwei Tage wurde zuerst 2 o/q Chinin¬ 
lösung, später 10 o/o Jodoformöl in das Exsudat injizierL Kurz nach den 
Jodoforminjektionen duftete die Atemluft des Patienten stark nach Jodoform. 
Temperatur unregelmässig, aber dauernd zwischen 38 und 39,5, Puls zwischen 
100 und 120. Ziemlich viel Auswurf mit zahlreichen Tbc. und elastischen 
Fasern. 

Es wird versucht, durch Tieflagerung des Kopfes die vermutlich oben 
sitzende Lungenfistel durch das Exsudat zu bespülen und so zum Schluss 
zu bringen. Es wird in dieser Lage vom Patienten nie Exsudat exspektoriert, 
auch ist kein Wasserpfeifengeräusch zu hören. Zahlreiche Druckbestimmungen 
und Stickstoffeinfüllungen ergeben immer das gleiche Resultat. Der Druck 
ist nicht zu steigern, in letzter Zeit kann er nur noch wenig über 0 gebracht 
werden. 

Es wird die Anlegung einer Schede sehen Thorakoplastik erwogen. 
Da die seit einem Jahr komprimierte Lunge aber offenbar schon sehr starr 
geworden ist — sie hat sich unter dem geringeren Drucke nicht sichtbar aus¬ 
gedehnt — und eine abundante Eiterung zu erwarten wäre, da überdies der 
Patient schon sehr schwach und hinfällig ist, wird davon abgesehen. 

17. IX. Das Exsudat bleibt seit Ende August ohne Punktionen ungefähr 
gleich gross, es reicht hinten in sitzender Stellung bis zum Angulus. Sputum 
mehrfach auf Exsudat verdächtig. 

Zunehmender Verfall, öfters Delirien und Brechanfälle, trockene Pleu¬ 
ritis links, zuletzt schwerer Anfall von Dyspnoe, Sauerstoffinhalation. 

Exitus am 17. IX. 

Sektion nicht gestattet. 

Indikation. Belasteter, selir schwächlicher, 19jähriger 
Jüngling, der seit drei Jahren lungenkrank ist, dessen Phthise trotz 
zweijähriger strenger Kur beständig fortschritt. Viele Blutungen, 
schlechter Puls, lange anhaltendes Fieber, Verfall. Eechte Seite 
schwer, linke nur ganz leicht erkrankt. 

Epikrise. Nach der Operation während 10 Monaten 
gutes Befinden, fieberfrei, wenig Sputum, keine Tuberkel¬ 
bazillen mehr. Dann im Anschluss an eine Erkältungsbronchitis, 
welche Herabsetzung des Druckes verlangte, Blutung aus der Spitze 
der komprimierten Lunge. Wiederherstellung des Druckes, nochmals 
2 Monate gutes Befinden. Spontane Bildung einer Lungenfistel, die 
zunächst einen gewissen Ventilmechanismus zeigte; Infektion des 
Pneumothorax durch die Fistel, seröses Exsudat, Empyem. Exitus 
2 Monate nach Entstehung der Fistel, Die Therapie hat jedenfalls 
einen längeren paliativen Erfolg gebracht. 

11 * 


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1(>4 L. Brauer imd Lucius Spengler. [1(>4 

52. Frau H., 24 Jahre alt, ans Budapest. (Fall 11 Dr. Philipp!.) 

Anamnese. Familie frei von Tuberkulose. Der Mann gesund. Als 
Mädchen einen vorübergehenden Bronchialkatarrh im Jahre 1905, ein Vierteljahr 
später Heirat (Jimi 05). Während der ersten Gravidität Krampfhusten ohne Aus¬ 
wurf, der nach der Entbindung (3. VI. 06) vollkommen sistierte, wurde als 
nen'öser Husten gedeutet. Pat verlor nach 3 Wochen die Milch. Bis Nov. 06 
war sie anscheinend vollkommen gesund, damals Influenza, konnte aber dabei 
aiisgehen Bald "wuirde jedocli Fieber konstatiert imd der Arzt wies eine 
katarrhalische Pneumonie nach. Irn Auswuirf fand man Tbc., der objektive 
lamgenbefund war aber noch gering. Das Fieber persistierte jedoch und wurde 
deshalb Pat. im Februar 07 nach Davos geschickt, woselbst sic im 
Sanatorium Philippi sich aufnehmen liess. Wälirend einiger Wochen 
war sie dort fieberfrei, dann aber traten wieder Temperaturen auf, die 
abends zwischen 37,8 und 38,1 schwankten. Im Mai 08 verliess 
sie Davos. Auch zu Hause bestanden dieselben Temperaturen, 
nur waren sie noch eher höher. Keine Nachtschweisse. Pat. ist 
gute Esserin, nie Pleuritis, keine Enteritis, leidlich guter Ernährungs¬ 
zustand. Pat. ist seit Monaten heiser. Der Vater, der Arzt ist, 
kommt auf Anraten von Dr. Philippi mit der Bitte, die 
Tochter mit Pneumothorax zu behandeln, da die interne 
Therapie nun dauernd versagt und der Zustand der Pat. 
sich ständig verschlechterte und weil er die Prognose 
wegen des fast ununterbrochen bestehenden Fiebers für 
ungünstig halte. Auch in Wien vnirde die Kranke von massgebender 
Seite untersucht, die Prognose infaust gestellt, die linke Seite für krank, di<‘ 
rechte für gesimd erklärt. 

Herr Kollege Philippi sandte über die Zeit Seiner Be¬ 
obachtung den folgenden Bericht: 

Die Kranke kam nach Davos am 5. Februar 1907. Nach den Aufzeichnungen 
des damals behandelnden Arztes fand sich damals ein starkes Infiltrat über 
den oberen Partien der linken Limge vom bis zur dritten Rippe, hinten bis 
Mitte Skapula; oben Bronchial atmen, zahlreiche klingende Rasselgeräusche, 
Giemen, in den imtemn Partien verbreitete kl»inglose Rasselgeräusche, vom 
Atmung verändert mit verlängertem ExspLrium. Auf der rechten Spitze keine 
Dämpfung, scharfes Vesiknläratmen, auf der Höhe der Spina scapiilae giemende 
Geräusche, unten einige klanglose Rasselgeräusche. Rechts vom über Klavikula 
etwa ein feiner Knacks. R. v. u. aussen zerstreute klanglose Knackse. 

Anfangs Juli 1907 ist folgendes notiert: 

Rechte Spitze leichte relative Dämpfung, linker Oberlappen stark gedämpft, 
hinten unten vom achten Rückenwirbel an ebenfalls gedämpft. Auf der rechten 
Spitze (vesiko-bronchial) Atmung mit verlängertem Exspirium. In der zweiten 
Hälfte des Exsp. deutliches Giemen und Knarren, aber keine ausgesprocheai 
konsonierenden Rh. Die ganzen Atemgeräusche etwas schwach. Links über dem 
Oberlappen Atemgeräusche ganz undeutlich, völlig verdeckt durch grobes Giemen, 
Knarren und Knacken, wenig feuchte GH}räusche, nach Husten Stoss. Bei der 
Dämpfung hinten Atemgeräusclie. deuüiclier, im Exspirium bronchial und ver¬ 
längert. Viel koiisonierende Rhonchi, Knarren imd Giemen spärlicher als oben. 
Ferner war damals sclion ein diffuses Infiltrat der Taschenbänder und der 
hinteren Partien des linken Stimmbandes vorhanden. 

Ich nahm die Patientin in Behandlung Anfluig August 1907. Damals er¬ 
hob ich, kurz zusanimengefasst, folgenden Befund: 



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165] Erfahrungen imcl Überlegungen zur Lungenkollapstlierapie. 1(55 

Rechte Lunge: Schallverkürzung über den oberen Partien vorn bis 
dritte Ripj)e, hinten stärker als vorn bis gegen ^InguJus scapulae. über den 
unteren Partien vom von der vierten Rippe an, hinten etwa drei Finger breite 
Schallverkürzung, vorn stärker ausgesprochen als hinten. Untere Lungengrenze 
gut verschiehlich. R. v. o. vesiko-bronch. Atmen, spärliche mittlere, zähe, fern 
klingende Rhonchi. Im 1. Interkostalraum Atmen scharf vesikulär, beim Husten 
etwas Keuchen. Ganz unten Atmung gleich, Exspirium überall verlängert, über 
den untersten Lmigenpartien Atmung abgeschwächt, unrein, über dem Lungen¬ 
rand feines, leises Knacken. 

Linke Lunge: Starke Dämpfung über der ganzen Lunge, in den 
mittleren äusseren Partien stärker als neben Sternum. Über der Mitte Skapula 
wenig aufgehellt. L. v. o. über Klavikula Atmung leise bronchial, verdeckt durch 
mittlere und grobe, zähe, klingende Rhonchi und Quietschen. Im 1. und 2. ICR. 
Rhonchi vermehrt, feuchter, im 3. und 4. zum Teil mit fernem Metallklang. 
Atmung über den äusseren Partien broncho-amphorisch. Li den stemalen Partien 
Rhonchi etwas spärlicher. Obere Axillargegend Rhonchi neben Pektoralisrand 
zum Teil metallisch, nach unten und hinten zu spärlicher, mehr mittel, klingend, 
nicht mehr metallisch. Daneben überall zähes Quietschen. L. h. o. Atmung leise, 
bronchial, mittlere, zähe, klingende Rhonchi, Quietschen. Unterhalb Spina scap. 
Rhonchi weniger klingend, Atmung vesiko-bronchial. Dicht unter- und ausser¬ 
halb des Angulus mittlere und gröbere, zum Teil metallische Rhonchi. In den 
unteren Partien Rhonchi wieder vermehrt, feucliter, laut klingend, daneben 
Giemen. Relative Herzdämpfung oberer Rand der dritten Rippe, später 
abwärts verlaufend bis ausserhalb Maniilla. Spitzensloss iin 4. Intcrkostalraum 
(‘twa 1,5 cm ausserhalb Mamillarlinie; absolute Ilerzdänipfung am oberen Rand 
(h‘r vierten Rippe, ziemlich gross. Lungen-Herz-Grenze nur wenig verschieb¬ 
lich. Untere Lungengrenze nicht verschieblich. Herztöne im ganzen rein. Zweiter 
Mitral-Trikuspidal- und Pulmonalton verstärkt. Puls 104—108, hie und da aus¬ 
setzend, mittelkräftig. Zyanose des Gesichtes, besonders links und der Finger¬ 
nägel. Infiltrat der Taschenbänder, der Hinterwand und der linken Arygegend 
sowie des Ansatzes des linken Stimmbandes. Die Temperatur war intermittierend 
febril. Insbesondere traten fast immer postmen strudle Temperatursteigerungen 
auf. Ein Versuch mit Einspritzungen von B e r an e c k schem Tuberkulin und 
mit T.O.A. wurde im Hinblick auf die immer wdederkehrenden, sich allmählich 
steigernden Fieberperioden aufgegeljen. Die Temperaturkurve der letzten zwei 
Monate liegt bei. Das Allgemeinbefinden wie auch der Lungen- und Kehlkopf¬ 
befund wurden zusehends sclilechter. Schon im Begimi der Behandlung wurde 
mit den ärztlichen Angehörigen der Patientin die Frage der Anlegung eines 
künstlichen Pneumothorax oder einer ausgedehnten Rippenresektion berührt. 
Ein im Frühjahr gemachter Vorsclilag in dieser Beziehung wurde zimäcdist 
abgelehnt. Mitte Mai verliess die Patientin in hoffnungslos 
erscheinendem Zustand die Anstalt. 

Am 27. April 08 wurde folgender Befund erhoben: 

Rechte Lunge: Dämpfungen über den oberen Partien wie früher, 
r. V. u. heller. R. v. o. über Klavikula leise, unrein vesiko-bronch., nach Husten 
spärliche feine bis mittlere halbklingende Knackse. Im 1. ICR. noch etwa 
ein feiner klangloser Knacks nach Husten. Atmung von hier an vesikulär mit 
verschärftem Exspirium. In den unteren Partien, besonders in der unteren 
Axillargegend Atmung noch abgeschwächt. Auf dem imteren Lungenraiid ziem¬ 
lich feines Knacken. In den mittleren axillaren Partien neben Pektoralisrand 


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166 


L, Brauer und Lucius Spengler. 


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leicht klingendes, ziemlich feines Knacken und Knistern. R. h. o. Atmung 
auch vesiko-bronchicil unrein, etwas fernes Giemen. Bei Mitte Skapula Atmung 
fast vesikulär, etwas Piepsen. Nach Husten ein klangloser bis kalbklingender 
zäher Rhonchus. Gegen *\ngulus Atmung vesikulär, reiner, weiter unten hie 
imd da feines klangloses Piepsen. Über Lungenrand Verdacht. 

Linke Lunge; L. v. o. gedämpft tympanitisch, über Klavikula sowie 
im 1. mid 2. ICR. deutlicher Wintrich scher Schallwechsel sowie auch das 
Geräusch des gesprungenen Topfes. Auch in den unteren Partien stark ge¬ 
dämpft. Neben Sternum bei leichter Perkussion eine einen Finger breite sonore 
Zone, bei kombinierter Untersuchung als von der rechten Lunge herrührend 
zu erkennen. 

L. h. o. auch noch stark gedämpft, über der Mitte Skapula wieder etwas 
heller, gegen Anguliis und weiter imten überall stark gedämpft, besonders 
auch aussen. Links über Kla'sdkula leise broncho-amphorisch, mittlere und 
grobe, zum Teil metallische Rhonchi und Quietschen. Im 1. imd 2. ICR. Atmung 
lauter, auch broncho-amphorisch, mittlere und gröbere, meist metallische Rhonchi 
und Quietschen. Neben Sternum Atmung mehr vesikulär, Quietschen, ferner 
Rhonchi spärlicher, fern klingend, zäh. Im 3. ICR. aussen auch noch broncho- 
amphorisch, gröbere, zähe, metallische Rlionchi. Neben Sternum Atmung fast 
vesikulär, mehr mittlere, knarrende Nebengeräusche. Im 4. ICR. neben Sternum 
dasselbe, aussen besonders über Pektoralisrand zähes metallisches, gut mittleres 
Knatteni. In der unteren Axillargegend Atmung leiser, zerstreute, knarrende, 
mittlere Geräusche sowie Giemen und Piepsen. In den vorderen Partien auch 
noch einige klingende, zälie, mittlere Rhonchi. Kehlkopfinfiltrat haupt¬ 
sächlich auf dem linken Aryknorpel über dem linken Taschenband sowde den 
entsprechenden Partien der Hinterwand. Am hinteren Ende des linken Stimm¬ 
bandes ein Längsgeschwür. Im Auswurf stets zahlreiche Tuberkelbazillen und 
zahlreiche elastische I'asem. Herzverhältnisse wie früher. Im Urin Spuren 
von Eiweiss. Puls 108—112. 

Mitte Mai wurden keine wesentlichen Veränderungen auf den Lungen fest- 
gestellt. Die Aussichten für djis Anlegen eines künstlichen Pneumothorax 
schienen an und für sich gering. Mit Rücksicht auf den schlechten Allgemein¬ 
zustand wurde darauf verzichtet, eine Durchleuchtung mit Röntgen strahlen 
resp. eine Röntgen-Aufnahme hier machen zu lassen. Es wurde der Pat. 
geraten, zunächst zur genaueren Beobachtung nach Mar¬ 
burg in die Klinik von Brauer zu reisen. Im Fall eines Nicht- 
Gelingens des Pneumothorax war dann eine ausgedehnte Rippenresektion in 
Aussicht genommen. 

Am 25. Juni 08 ^v^lrde in Marburg folgender Aufnahme- 
Status erhoben: Körpergewicht 48 kg, Puls 80—90, Temperatur 
trotz Aspirin und Pyramidon abends bis um 38^ steigend, Auswurfmenge 
40 ccm, enthält dicke Eiterballen, Tbc. positiv, reichlich elastische Fasern. 
Pat. macht einen sehr erschöpften Eindruck, ist aber bei 
leidlich gutem Ernährungszustände. Status: R. v. o. und h. 
nahezu normaler Lungenschall, gut breites Spitzenfeld mit scharfen Grenzen. 
Lungengrenze r. h. u. 10. Rippe. Das Atemgeräusch ist über der rechten 
Spitze zu leise, aber vesikulär, man hört über dem ganzen rechten Oberlappen 
ganz aus der Feme und Tiefe einzelne konsonierende Rh., die man'deutlich 
nach links herüber verfolgen kann. Dieselben werden nach links hin bedeutend 
stärker, sie entstehen höchst wahrscheinlich links vom oben in den dortigen 


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167] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 167 

Kavernen. Neben diesem fortgeleiteten klingenden Rasseln 
hört man einzelnes kurzes Knacken und spärliche ver¬ 
streute, nicht klingende Geräusche, die unzweifelhaft 
wohl im rechten Oberlappen entstehen. 

Ober dem rechten Unterlappen ist das Atemgeräusch etwas lauter als 
normal, beinahe pueril zu nennen, aber deutlich vesikulär. Auch hier hört 
man einzelne Geräusche, namentlich in der Hiluspartie, 
die als fortgeleitet aufgefasst werden. 

Links. Stark tympanitisch gedämpfte Spitze. L. v. o. Wintrich. — 
Hinten von der Mitte der Skapula an Dämpfung weniger intensiv, wird über den 
unteren Partien des U.L. etwas dichter. Untere Grenze steht zwei Querfingor 
breit höher wie r. Die ganze 1. Seite besonders in den oberen Partien stark 
eingesunken, tympanitisch gedämpft. 

R. Herzgrenze beginnt relativ erst am r. Sternalrand. Spitzenstoss drei 
Querfingei breit ausserhalb der Mamillarlinie. Herzspitze nach 1. und o. verzogen. 

Atemgeräusch links hinten oben und links vom oben metamorphosierend, 
amphorisch, metallisch klingende Rhonchi, speziell nach Husten. Nach Husten 
und mehrfachem Atmen werden die Rhonchi sehr dicht, laut klingend, überall 
bronchiales Exspirium, Inspirium zum Teil verdeckt. 

L. h. u. Inspirium sehr leise, Inspirium und Exspirium deutlich bronchial, 
zaldreicho klingende Rhonchi. Amphorisches Atmen sehr laut in der Axilla, 
Metallklang. 

In den unteren Partien der Seite A.G. etwas lauter. Untere Grenze nur 
wenig verschieblich. Besonders lautes amphorisches Atmen. 1. Unter der Klavikula, 

Herztöne rein, etwas klappend. Keine Leberschwellung, Milz nicht palpabel. 
Untere Magengrenze etwas über Nabel. Allgemeiner Ernährungszustand gut, 
Sputum reichlich, schleimig eitrig. 

Röntgenbild. Gegen Adhäsionen spricht die Gleichförmigkeit de.s 
Schatten.s, die Durchleuchtbarkeit der seitlichen unteren Partien. Ferner Ab¬ 
nahme der Dämpfung nach unten zu, im Vergleich zur Seite und das relativ 
laute Atemgeräusch in diesen Partien. 

Anlegung des Pneumothorax 27. Juni 08 (Brauer). 

Schnitt im 9. Interkostalraum zwischen hinterer Axillarlinie und Skapular 
linic. Durchtrennimg der Muskulatur in üblicher Weise. Beim stumpfen Durch- 
stossen der Pleura Einzischen von Luft, glatter Sondonversuch. Anfangs nega¬ 
tiver Druck von — 8 mm Hg bei Inspiration. Normale Bewegung der Hg- 
Säule, Einlaufen von 800 ccm ohne jede Dyspnoe. Nur leichter Druck in 
d(^r Seite wird gespürt. Anlegung mehrerer tiefer Nähte zur 
Verhütung des Hautemphysems. Nach Schluss ist die Patientin 
völlig wohl, keine Zyanose, Puls etwas kleiner als sonst und etwas be¬ 
schleunigt, und zwar um 15 Schläge. Respiration 24. 

1 . Juli 1908. Nachpunktion: Anfangsdruck —3 mm Hg bei Inspiration, 
Einlaufen von 600 ccm. Schlussdruck 11g- 

Röntgenbild zeigt den Zwerchfellwinkcl völlig trocken. Die Lunge liegt, 
in den unteren Abschnitten etwa Vs komprimiert, mit einer feinen Spange mit 
dem Zwerchfell verbunden. In den oberen Abschnitten etwa 1/2 bis kom¬ 
primiert. Die Lunge ist völlig von Luft umflossen, ein feiner Strang ist seit 
lieh adhärent. Man sieht im Oberlappen zwei je etwa fünf¬ 
markstückgrosse Kava, die gagiz scharf umrandet sind und 
hell erscheinen. Das Mediastinum ist mässig nach r. verdrängt, des- 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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IfjS 

gleichen das Herz. Das Mediastinum wird bei der Inspiration und Exspiration, 
hin und her bewegt. Auf der anderem Seite im R.B. nichts Besonderes. 

über den Fieber verlauf nach der Punktion, das Puls- 
V erhalten, die durch geführte Therapie, Sputummenge etc. 
orientiert die Fieberkurve (Tafel VII). 

An dem Tage der Operation bleibt die abendliche Temperatursteigerung 
aus, am anderen Tage steigt die Temperatur wieder an und wird gegen vordem 
etwas Iiöher, die Pulszahlen steigen auf 100—110. In den ersten Tagen 
nach der Punktion wird das Sputum reichlicher, auffällig 
dünnflüssig, es tret<*n deutlich rostbraune Ballen auf 
(das Sputum nimmt einen p n e u m o n i s c li e n Charakter an). 
Dieses rostfarbene S j) u t u m ve r s c h w i n d (* t am 4. Juli, damit 
tritt auch (* i n e Verminderung des bis d a li i n stärker a n g e - 
stiegenen Fiebers ein. 

Da auf der gesunden Lunge ein akuter krankhafter 
Prozess nicht n a c h z u w e i s e n war, so muss nach dem 
S p u t u m b e f 11 n d e angenommen werden, dass in der Kollaps- 
1 u n g e ein pneumonischer Prozess sich entwickelte und 
i n ü b 1 i c h e r W e i s e a b 1 i e f. 

8 . VIII. Punktion. .Aiifangsdnick bei Insp. —5 mm Ilg, bei Exsp. —2 mm 
Hg. Enddruck zwischen -f- 3 und -(- 8 mm Hg. Menge des Stickstoffs 700 ccm. 

13. VII. Punklion. Anfangs<lruck inspiralorisch — 3 mm Hg, exspiratorisch 
^ 0 mm Hg. Enddruck schwankt zwischen -f- 3 und -\- 7 mm Hg. N-Menge 
600 ccm. 

17. VII. Die Patientin spürt weniger Hustenreiz, der Auswurf löst sich 
leichter und ist deutlich gegen früher vermindert. 

S c h 1 u s s u n t e r s u c h u n g in Marburg am 25. VIII. 08. Der 
Tempcratun^erlauf erhellt aus der Kurve. Die Temperatur ist zwar gegen 
anfangs viel bes.ser geworden, doch bestehen noch abendlich leichte Erhöhungen. 
Subjektiv ist Pat. wesentlich gebessert, sie sieht viel wohler aus, 
ist in den letzten Zeiten vielfach ausser Bett gewesen, der Hustenreiz, unter 
der Pat. frülier sehr litt, hat nachgela.ssen, Sputum menge beträchtlich 
abgesiinken, ist \del dünnflüssiger, schleimiger, weit weniger eiterhaltig, es 
fehlen vollkommen die dicken Eiterballen, die beiden letzten Proben frei von 
Bazillen und elastischen Faseni. Appetit ist mässig. Seit dem Eingriff 
hat Pat. 4 Pfund z u g e n o in m e n. Ein Pleuraexsudat, welches am 
25. VII. 08 im Röntgenbildc in den allerersten Anfängen nachweisbar wurde und 
damals begleitet war von einer mehrtägigen geringfügigen Störung des A!l- 
gemeinbcfinden.s, kam Ende Juli und Anfang August etwa auf die Höhe der 
Zwerchfellkuppe, ist aber dann spontan wieder ganz verschwunden, 
kann somit nicht verantwortlich gemacht werden für die obengenannte Gewichts¬ 
zunahme. Man sieht iin Röntgenbilde nur noch eine minimale Abschattimg 
des Zwerch feil rippen winke Ls. Die ganze linke Seite lässt ein Atemgeräusch 
vermissen, selbstverständlich ausgenommen die Gegend der Hiluspartie. Es 
findet sich ein ausgesprochenes Metallphänomen über der linken Seite. Dieses 
metallische Phänomen reicht i n d e r Höhe der 2. bis 4. R i j) p e 
vorn nach r e c li t s herüber und zwar nahezu bis an die 
vordere P a r a s t e r n a 11 i n i e. In diesem Bereiche fehlt rechts 
vorn auch das A t e m g e r ä u s c h. Dieser eigenartige Befund 
ist zu erklären aus einer Ü b e 1* 1) 1 ä h u n g dos vorderen oberen 
M e d i a s t i n a 1 b 1 a 11 e s (Röiitg'Oiibild in G r o e d e 1 s Atlas, Nr. 37). 



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169] 


Erfalinmgen und Überlegiingon zur Lungonkollapstlierapie. 


109 


Rechts ist das Atemgeräusch überall vesikulär, nur hört man in der Hilus- 
partie in grösserer Ausdehnung als üblich ein lautes hauchendes Exspirium 
(Resonanz vom Pneumothoraxraum her). Auf der Höhe dos Inspiriums hört 
man an vereinzelten Stellen, besonders seitlich und unten ganz spärliches aus 
der Tiefe kommendes Knacken. Die vordem als fortgeleitet bezeichneten Ge¬ 
räusche sind während des Bestandes des Pneumothorax dauernd fortgeblieben. 

P a t. geht am 27. August 08 nach Davos in das Sanatorium 
Dr. Philippi zurück. 

Unter dem 9. September 08 berichtet derselbe: Frau H. scheint in ihrem 
Allgemeinbefinden und in ihrem Aussehen gegen früher wesentlich gebessert, so 
dass man den soweit vorliegenden Anfangserfolg als sehr gut bezeichnen kann. 

Unter dem Einfluss des H ö h e n w e c h s e 1 s war anfäng¬ 
lich bei der P a t. eine beträchtliche Atemnot entstanden 
mit leichter Zyanose. Der Puls war anfänglich um 92, die 
Temperatur i n d e n ersten Tagen noch erhöht (37,6 Maxi in u in), 
sie fiel dann aber in wenigen Tagen zur Norm herab (37^ 
wird nicht mehr überschritten). Pat. hat sich dann rasch 
gut akklimatisiert, die Atemnot Hess bald nach, die Aus¬ 
wurfmenge war auffallend gering, nur nach Sedimen- 
tierungsverfahren ganz spärliche Tbc. zu finden. 

Im Rücken war bei der Pat. infolge sehr häufiger Durchleuchtimgen in 
den letzten Marburger Tagen eine leichte Röntgendermatitis bemerkbar gewesen. 
Diese verschwand aber vollständig luul blieb olme nachteiligen Folgen. 

Im Winter 1908/09 verblieb Pat. in Davos. Herr Kollege Philippi 
berichtet imter dem 18. Mai 09 wie folgt: 

Schlussbefund. Es muss vorausgeschickt w'erden, dass, nachdem 
die Patientin einige Monate keine Tuberkelbazillen im Sputum hatte, wir seit 
Ende März solche wieder in spärlicher Menge vorfanden. Nachdem dann 
Ende März 09 die vorletzte Einblasimg von ca. 450 ccm Stickstoff erfolgt 
war, ergab sich bei der am 5. IV. 09 folgenden Durchleuchtung, dass sich 
links etwas Exsudat im Pleurasinus gebildet hatte. Die nächste Einblasung 
wurde dann erst wieder am 6. Mai 09 ausgeführt. Dabei fand ich, dass der 
Pneumothorax sich wesentlich zurückgebildet mid die linke Lunge dement¬ 
sprechend entfaltet hatte. Es wnirden dann 900 ccm Stickstoff eingeführt, w’ o - 
durch die Lunge wieder auf ihren alten Umfang zurück¬ 
gedrängt wurde (siehe Figur 18 und 19), die d(‘n Befund vor und nach 
der Punktion darsteRen. Der am 18. Mai 1909 erliol>cne Schlussbefimd ist 
kurz zusammengefasst folgender: 

Perkussion: L. v. o. über Klavikula gedämpft mit Tymp. weiter unten 
überall deutlich tymp. Die untere Grenze verläuft horizontal in der vorderen 
Axillarlinie, etwa in der Höhe der 9. Rippe. Oben geht die tymp. Zone etwas 
bogenförmig über den rechten Stemalrand heraus und ist von der 3. Rippe an 
vom rechten Stemalrand begrenzt. In dieser tymp. Zone befindet sich ent¬ 
sprechend der Herzgegend bei Tastperkussion eine bis etwa 2 V /2 Finger breite, 
ausserhalb des linken Stemalrandes liegende dreieckige Dämpfung. L. h. o. 
findet sich bei Tastperkussion 4 och eine deutliche Schallverkürzung über Spin, 
scap., sowie längs der Wirbelsäule, die bis etwa Mitte Skapula reicht. Die 
untere Grenze verläuft horizontal und steht etwa 1 cm tiefer als j-echts; 
nicht verschieblich. R. v. o. Schallverkürzung über Klavikula im l. ICR. 
neben St. etwas deutlicher, aussen heller. Im 2. ICR. aussen noch minimal. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Von der 4. Rippe an deutliche Schallverkürzung, fast horizontal nach aussen 
v'erlaufcnd über Mamillarlinie, nach unten zu stärker, nach aussen zu etwas 
schmäler und heller, in der unteren Axillargegend noch etwa 2 Finger breit. 
Untere Grenze der Mamillarlinie bis 7. Rippe gut verschieblich. R. h. o. eben¬ 
falls Schall Verkürzung etwas stärker als vom, bei Spin. scap. heller, gegen 



AinuAvr 

Mtd%a»t*num anticum 

\ 





Fig. 19. 


Das Mediastinum anticurn war nach rechts deutlich überbläht. Die Kavernen 
in der kollabierten Lunge traten noch etwas deutlicher hervor, als wie in 

dieser Figur erkennbar. 

Mitte Skapula wieder deutlicher. Direkt neben Wirbelsäule eine etwa 1,5 cm 
breite und 11 cm lange helle Zone, besonders bei leiser Perkussion. Beim 
Domfortsatz des 5. Bru.stwirbels endigt diese helle Zone spitz aus, unterhalb 
Mitte SkapuJa Dämpfimg heller, in den äusseren Partien tief sonor. Ganz unten 



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Erfalirungon und t’borlogiingon zur Lungenkollapstliorapio. 


171 


etwa 3 Tinger breite SchaJlverkürztmg, nach aussen zu steil abwärts verlaufend. 
Untere Lungengrenze am Darmfortsatz des 12. Ripponwirbels, gut verscliioblich. 

Auskultation: R. v. o. scharf vesiko-bronch. mit verlängertem Exsp. 
Ini 1. ICR. neben Sternum 1—2 mittlere, zähe, fern klingende Rhonchi. Im 
2 . ICR. aussen noch etwa ein mittlerer fern klingender Knaclis nach Husten. 
Atmung auch vesiko-bronch., in den unteren Partien kaum etwas abgeschwächt. 
Über Lungenrand spärliche feine knarrende Geräusche. R. h. o. scharf vesiko 
bronch. mit verlängertem hauchendem Exsp., nach Husten etwa ein ziemlich 
klangloser Knacks, neben Wirbelsäule gegen Mitte Skapula mehr spärliche 
knarrende Geräusche, kaum mittel. Atmmig unrein, nach aussen zu lauter, 
reiner ves., Exsp. überall verlängert, ebenso weiter unten. Ganz unten (dwas 
abgeschwächt unrein, besonders neben Wirbelsäule. L. v. o. über Klavikula 
s(‘hr leises unbestimmtes Atmen, unrein bis knurrend, einmal etwas frin(‘s 
fernes Giemen. Im 1. ICR. neben Sternum kaum vesiko-bronch., vielleicht von 
nichts fortgeleitet, nach aussen zu schwächer bis 0. Dasselbe weiter unten. 
Ganz unten einmal ein glucksendes fernes metallisches Geräusch. L. h. o. Atmung 
leise, unbestimmt. Am Ende des Exsp. leises mittleres Knarren ziemlich kling 
los, ebenso weiter unten. Neben Wirbelsäule aussen Atmung fast aufgcliobeii, 
unten etwas douüicher. Metallisches Keuchen beim Husten. 

Stimmfremitus: L. v. ülH?raJl abgeschwächt. L. h. o. schwach zu 
fühlen, neben der Wirbelsäule etwa bis Mitte Skapula. Reclits in den obunm 
Partien verstärkt, besonders aiicli hinten neben Wirbelsäule. L. v. etwa im 
5. ICR. der Parastornajlinie eino viTbreitete IbTzersclnillerung zu (ülilen. Keine 
Succussio. Herztöne an der Sjiitze etwas dumpf. Deutliches systolisches Blasiui. 
2 . Ton akzentuiert. 1. Mitralton etwas unrein, fast blasend. Trikuspidaltöne rein. 
1 . Ton an der Pulmonalis etwas dumpf, imrein, 2. Ton etwas akziuituiert, be 
sonders beim Insp. 1. Aortenton etwas verschwommen, 2. Ton auch etwas 
akzentuiert. 

Anfang Mai 09 bildete sicli in der .Mitte des linken Unterkiefers eine 
Schwellung, die zu einem Abszess führte, der später eröffnet wurde. In dem 
Abszesseiter fanden sich Much sehe Granula, keine Tuberkelbazillen. Die 
Temperaturen w a r e n , a b g e s <» h e n von leichten Erhöhungen, 
während der Bildung d i e s s A s z e s s e s immer normal. .M a x. 
30,8 beim M u n d m e s s e n. Im Sputum fanden sich noch z a h 1 r e i c h 
Tiibcrkelbazillen, aber keine elast. Fasern; ebenso M u c h sehe 
(iranula. Am 20. Mai reiste die Patientin nach Hause, wo die Nachfüllungmi des 
Pneumothorax alle Monate gemacht werden sollen. Im Herbst soll sie in unsere 
Behandlung zurückkommen. 

Im Kelilkopf scheint das Geschwür, das früher an der liinteren Wand und 
aru hinteren Ansatz des Taschenbandos vorhanden war, epilhelisiert. Es fimbd 
sich nur noch eine kleine Granulation an der Hinterwimd. Die Herzaktion war 
ziemlich ruhig. Puls nach der letzten Untersuchung ausnahmsw'oise 100, sonst 
gewöhnlich zwischen 92 und 100. 

Patientin geht dann nach Ungjun zurück. Unter dem 14. VT. 09 schreibt 
diT Vater (Arzt): 

„Cher das jetzige Befinden der Patientin kann ich nur das Günstigste he 
richten. Schlaf imd Appetit vorzüglich. Atmung gleichmässig ruhig. Tempe¬ 
ratur andauernd gut, zwischen 36,6 und 36,9, auch nach den Punktionen, 
die in Budapest regelmässig fortgeführt werden, nicht höher. Puls 82; Sputum- 
nimige (mit Speichel gemischt) 20—25 g. Boi genauester Untersuchung auf 


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L. Brauor und Lucius Spengler. 


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5 Objektträgern keine Tbc. gefunden. Körpergewicht 52 kg, (Jeniütszustand 
vorzüglich. Alles in allein lässt sich ilu: jetziger Zustand mit dem vorjährigen 
vor Anlegung des Pneumothorax überhaupt nicht vergleichen. 

Vor der Operation seit Monaten andauernd und unimterbrochen 
Fieber, häufiger, quälender Hu.^ten mit kopiösem, eitrigem Sputum, Tbc. in 
grossen Mengen. Schweres, kurzes Atmen, ins Bläuliche spielende Gesichts¬ 
farbe, Abmagerung, Müdigkeit, Schwäche, kaum die Fähigkeit, auch nur einige 
Schritte zu gehen. 

Nach der Operation fiel>erfrei, leichter Atom, sehr wenig Husten 
mit wenig Auswurf und wenig oder gar keinen Koch sclien Bazillen; blühende 
Gesichtsfarbe, Gewichtszunahme, allgemeines Wohlbefinden, viel kräftiger, kann 
spazieren gehen bis zu Stunde ohne zu ermüden. Appetit und Schlaf vor¬ 
züglich. .Alles in allein ein Re.sultat, wie ich es nie zu erhoffen w’agte.“ 



Im Herbst 09 kehrte die Patientin dann in das Sanatorium des Herrn 
Dr. Philipp! zurück und verblieb dort bis zum Frühjahr 1910. Der Kollege 
berichtet am 14. IX. 10 wie folgt: 

„Patientin war vom 20. Mai bis 11. Oktober 1909 zu Hause; in dieser Zeit 
w'urde der Pneumothorax 4 mal nachgefüllt. Hier in Davos (Winter 09/10) 
hat sich dann die Patientin immer wohl gefühlt. Ein Versuch, den Pneu- 
m o t li o r a X c i n ge he n zu lassen, scheiterte daran, dass etwa 
4—t) Wochen nach der N a c h f ü 11 u n g wieder mehr A u s w u r f 
e i n t r a t , und der sonst b a z i 11 e n f r e i e A u s w u r f wieder 
T u b e r k e 1 b a z i 11 e n a u f w i e s. Wir sahen uns infolgedessen veranlasst, 
et\va alle 4 Wochen den Pneumothorax aufzufüllcn. Zuletzt wurden Bazillen im 
Februar 1910 nachgewiesen; die letzte Untersuchung bei uns am 5. Mai 10 
ergab keine Bazillen. Bei der Punktion war gew^öhnlich ein leichter negativer 
iVnfangsdruck (— 5 bis — 8) vorhanden; im Durchschnitt wurden 350—500 ccm 
Stickstoff eingefüllt und ein Enddnick von -{-8 bis -j- 10 erzielt. Das kleine 
Exsudat links unten war nach wie vor nachzuweisen. Ich lege Ihnen eine 
Skizze (Figur 20) über die näheren Verhältnisse bei. Der B e f u n d war 
im einzelnen etw’a folgender: 



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1^3] Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 1^3 

L. V. o. über Kiavikula gedämpft mit Tympanie, weiter unten überall 
tyrnpanitiscli. Unten neben Sternum eine kleine Dämpfung, schräg nach aus¬ 
wärts bis zur Parasternallinie verlaufend. Die untere Grenze der tyrnpanitischen 
Zone in Mamillarlinie, 9. Rippe. Oben geht die tympanitische Zone über den 
rechten Stemalrand, verläuft etwa bogenförmig, von der 3. Rippe an längs 
des rechten Stemalrandes. L. h. o. germge Schallverkürzung neben Wirbel¬ 
säule, unter Mitte Skapula verschwindend. Untere Grenze etwa 1 cm höher 
als rechts, nicht verschieblich. R. h. o. geringe Schallverkürzung bei Spina 
heller, gegen Mitte Skapula wieder etwas deutlicher; weiter unterhalb neben 
Wirbelsäule heller, aussen überall sonor; ganz unten geringe, fast 3 Finger 
breite Schallverkürzung, nach aussen heller, untere Grenze gut verschieblich. 
R. V. o. Schallverkürzung kleiner als hinten, ebenso im 1. ICR. neben Sternum. 
Im 2. ICR. tief sonor, besonders aussen. Vom 4. ICR. an Schallvorkürzung 
etwas über Mamilla nach aussen verlaufend, nach unten zunehmend, nach 
aussen heller und schmäler, ln der unteren Axillargegend noch etwa 2 Finger 
breit, untere Grenze oberer Rand 7. Rippe, gut verschieblich. 

Auskultation: R. v. o. Atmung scharf vesiko-bronchial mit ver¬ 
längertem Exspirium, im inneren Winkel mal Verdacht. Im 1. ICR. scharfes 
Inspirium, weiter unten überall vesikulär olme Nebengeräusche. Unten über 
Lungenrand Atmung noch etwas abgeschwächt, unrein, ebenfalls ohne Neben¬ 
geräusche. L. v. o. Atmung über Kiavikula fast broncho-vesikulär, etwas 
metallisches Inspirium, sowie ein metallisches, klappendes Geräusch, kaum 
mittel, nach Husten, ln den stenialen Partien hört man die Atmung der rechten 
Liing(*, nach aussen zu ist das Atemgeräusch fast aufgehoben. In der oberen 
A.xillargegend etwas metallisches Keuchen; Atmung ebenfalls fast aufgehoben 
in den unteren Partien. R. h. o. Atmung etwas unrein, vesiko-bronchial ohne 
NelKjngeräusche; nur bei Mitte Skapula nochmal ein feiner, klangloser Knacks 
nach hinten. Auch unte;i über Lungenrand ein feines, leises, knackendes Ge- 
räu.sch bei etwas abgeschwächter, unreiner Atmung. L. h. o. Atmung leise, 
unbestimmt, unrein, ohne Nebengeräusche; ebenso weiter unten. In den unteren 
äusseren Partien etwas meUillisches Keuchen bei Husten. Stimmfremitus 
1. V. in den stemalen Partien etwas zu fühlen, aussen 0. L. h. o. nur schwach 
zu fühlen neben Wirbelsäule bis Mitte Skapula, r. h. o. bis Angulus, vorne in 
den oberen Partien etwas verstärkt. 

B r o n c h o p h o n i e: R. h. am deutlichsten bei Mitte Skapula, 1. h. 
in den vertebralen Partien etwiis verstärkt; im übrigen aufgehoben. 

L. V. ist im 5.—6. ICR. in der Parasteniallinie eine unbestimmte Herz¬ 
erschütterung zu fühlen. Der zweite Pulmonalton ist etwas akzentuiert, im übrigen 
Herztöne ohne Besonderheiten. Die Temperaturen waren in den letzten ^lonaten 
dauernd normal. Pat. ist Anfang Mai 10 nach Hause gereist; nach den bis in 
die jüngsten Tage hinein erhaltenen Berichten hat sie sich stets wohl 
gefühlt und stets normale Temperaturen gehabt. Bazillen 
wurden auch bei A n t i f o r m i n b e h a n d1u n g nicht nachge- 
w'iesen, der Pneumothorax wird weiter unterhalten. Im 
Larynx war die Hinterwand noch etwas verdickt, doch nur noch eim^ ganz 
kleine Granulation sichtbar. Die Stimmbänder waren fast vollkommen blass, 
Stimme klar. 

Der V'ater (Arzt) berichtet am 15, IX. 10 an Brauer das Folg<xiule.: 

„.lun so mehr, als ich Ihnen nur das Allerbeste be 

ricditeu kann. Meiner Tochter geht es vorzüglich; sie sieht 


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174 L. Brauer und Lucius Spengler. [174 

blühend aus, hat absolut keine Temperatur, hustet nicht 
und hat auch keinen Auswurf. Appetit und Schlaf sehr gut 
Am 24. Agust 10 wurde in Budapest die Nachfüllung vorgenommen (600 g), 
bei dieser (Gelegenheit auch das Sputum genau untersucht und vollkommen 
bazillenfrei gefunden. Alles in allem ist ihr Zustand ein so befriedigender, 
wie ich es nie zu hoffen wagte. Im November geht sie wieder nach Davos.“ 

Indikation. Sehr schwerer, fortschreitend ungünstig ver¬ 
laufender Fall einer linksseitigen Lungentuberkulose. Die Patientin 
war von ihren Angehörigen und Ärzten völlig aufgegeben, da auch eine 
längere Sanatoriuinstherapie, Tuberkulinbehandlung, klimatische 
Kuren etc. versagt hatten. Sehr schlechtes subjektives Befinden, 
dauernd Fieberzustand, reichlich Sputum. 

Epikrise. Alsbald nach Anlegung des Pneumothorax (27. VI. 
1908) entwickelte sich in der Kollapslunge anscheinend eine Pneu¬ 
monie, wenigstens glaubten wir in Marburg aus dem Sputumbefund 
und dem Fieberverlauf dieses schliessen zu dürfen. Physikalisch liess 
sicli selbstverständlich diese Frage nicht mehr beurteilen, da die kolla¬ 
bierte Lunge einer physikalischen Untersuchung nicht zugänglich ist. 

Keinesfalls hat in diesem Falle eine vorübergehende Lokalreaktion 
auf der anderen Seite stattgefunden, wie dieses bei anderen Patienten 
von uns beschrieben wurde, denn in diesem Falle war ganz besonders 
eingehend auf das Verhalten der anderen Seite geachtet worden. 
Die Fieberkurve Tafel VII ist beigegeben, um zu zeigen, wie 
gelegentlich dem Pneumothorax trotz bestem- Enderfolg nicht die 
rasche, sondern eine ganz systematisch langsame Entfieberung folgt. 
Es mahnt dieses, den einmal begonnenen Weg konsequent und geduldig 
fortzugehen und sich nicht durch anfänglichen scheinbaren Misserfolg 
irritieren zu lassen, denn diese Krankengeschichte lehrt, dass bei 
der Patientin gerade ein besonders günstiger weiterer Verlauf ein- 
trat (siehe hierzu die letzten Berichte). 

Aus den Befunden sei noch die starke Überblähung der vorderen 
und oberen schwachen Stelle des Mediastinums hervorgehoben. Ein 
Röntgenbild dieses Befundes ist in dem Grödelschen Atlas wieder- 
gogeben worden (Bild Nr. 37). Ebenda erkennt man auch auf der 
Pneumothoraxseito die giusse Kaverne in der anfangs halb kolla¬ 
bierten Lunge. 


53. Sch.^ Emil, Kaafmann ans B., 23 Jahre alt. 

Anamnese: Mutter litt an Knochentuberkulose, ebenso ein Bruder, 
sonst kein Fall von Tuberkulose in der Familie bekannt. Patient 1/2. Als Kind 
immer gesund bis zu seinem 21. Jahre. Mit 21 Jahren schwere Pneumonie links; 
während eines Monats sehr hohe Temperaturen, völliger Abfall der Temperaturen 



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175] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapio. 175 

erst nach 5 Monaten. Patient lag 5 Monate zu Bett Daraufhin viermonatlichor 
Aufenthalt in Lippspringe, 2 Monate zu Hause und von Oktober 07 bis 1. Juni 
1908 Aufenthalt in Davos. In Davos mit Ausnahme eines kurzdauernden Schubes 
andauernd fieberfrei gewesen. Trotzdem trat weder eine nemicnswerte Gewichts¬ 
zunahme, noch eine Besserung der Limgen auf. Nie Blutung. Seit dem Auf 
enthalt in Lippspringe viel Auswairf, bis 200 ccm täglich. 

Status vom 26. VI. 08: Gew. 53V2 80. Temp. normal. Ein¬ 

ziehung der linken Seite. Seitenverlagerung des Herzens nach links. Das Herz 
liegt der Brustwand breit an. Dichte Infiltration mit grosser Kaverne 
im linken Oberlappen. Kavemenbildung in der Spitze des linken Unterlappens. 
Ziemlich dichter bronchopneumonischer Prozess mit beginnendem Zerfall in 
den übrigen Teilen des linken Unterlappens. Rechte Seite zeigt nur ganz 
geringfügige Veränderungen. Auswurfmenge 150—200 ccm pro Tag, stark 
eitrig, sehr reichlich Tuberkelbazillen (Gaffky VII), e 1 a s t i - 
scheFasern. 

Am 28. VI. 08 Anlegung eines Pneumothorax (Brauer), der 
gut gelingt. Die Lxmge haftet nur mit einem dünnen Band in der l’horax- 
kuppe, hat ganz geringfügige Verwachsungen nach den Seiten und zwei dünne 
fadenförmige, jetzt lang ausgezogene Verwachsungen nach der Basis. 

2. VII. 08. Glatter Wundverlauf. Entfernung der Nähte. Sehr deutlicher 
Pneumothorax vom imd hinten nachweisbar. 

4. VII. 08. Punktion. Bei Beginn inspiratorisch — 8 mm Hg. Bei 500 ccm 
pendelt das Manometer um 1—2 mm + und —. Am Schluss -f- 3 mm Hg. 

8. VII. 08. Punktion. N = 6.50 ccm. Anfangs leicht negativ, am Schluss 
+ 5 mm Hg. 

13. VII. Punktion. Anfangs positiv = 1 mm Hg. Nach 400 ccm 4- 5 
und -f- 8 tarn Hg. Schluss bei 500 ccm -f- 6 und -}- 10 mm Hg. 

18. VII. Punktion. Bei Beginn — 6 mm Hg. Am Schluss -j- 5 und 
-f- 12 mm Hg. Menge = 1000 ccm. 

6. August 08 aus der Deutschhausklinik entlassen. Die Sputummenge 
war bald nach der Operation auf 45 bis 60 herabgesunken, hielt sich dann 
bis zur Entlassung zwischen 15 und 30 ccm. Patient dabei völlig fieberfrei. 
Er ging in seinen Heimatort, fülirte dort strenge Liegekur weiter durcli 
und kam in Zwischenräumen von etwa 4 Wochen zur Nachpimktion nach Marburg. 
Die Sputummengen sanken allmählich immer weiter herab, im Januar 09 be 
trugen dieselben etwa 2 ccm pro Tag. Am 6. Februar waren in 2 Sputum¬ 
proben Tbc. nicht aufzufinden, ebensowenig elastische Fasern. 

Am 15. Januar 1909 kam Patient zur Nachpunktion nach Marburg. Er 
sah sehr elend aus, während er vordem besonders frisches und gutes Aussehen 
dargeboten hatte. Daher wurde zunächst von einer Punktion .\b- 
stand genommen. Pat. wurde einige Tage zu Bett gehalten und .'tollte be¬ 
obachtet werden. Er hatte sich, bevor er nach Marburg kam, erkältet, 
hatte etwas Schnupfen und fühlte sich nicht wohl. Auf 
der Pneumothoraxseite bestanden Schmerzen, es wurde 
daher eine Pleurareizung vermutet. Die üntersucliung des 
Pneumothoraxraumes vor dem Röntgenschirm liess den Pneumothorax 
zunächst noch völlig trocken erscheinen. Auffallend 
waren hohe Pulszahlen, die um 100 lagen, auch hohe Rc- 
spirationszahlen, zwischen 20 und 30, während sie frühcT normal 
waren. Trotz grösster Schonung imd Bettruhe erfolgten am 20. I. leichte T e m - 


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17G L. Brillier und Lucius S|)engler. [17G 

j) e r a t u r s t e i g c r u 11 g e n , bis 37,G, w v 1 c li e a in 24. bis auf 39 
stiegen. Es Irat in diesen Tagen ein Pleuraexsudat auf, welclies 
relativ rasch anstieg und am 25. I. einer Probepunktion unterworfen wenlen 
konnte. Das Resultat der Unt(‘rsucliung war das folgende: 

„Färbung auf Tbc. negativ. 

Im Ausstrichiiräparat reichlich rote Blutkörperchen, massig kleine Lympho¬ 
zyten, ganz vereinzelt polynukleäre Lymphozyhm mit neutrophiler Körnelung.“ 
Das Verhallen dieses Exsudates wiU‘ ein ülnTaus eigentümliches (siehe 

Figur 21). 

Es fanden sich im Pn.Th.-Raum z w i ii b e r e i n a n d e r gelagerte 
Exsudate, das eine dieser Exsudate hig IiöIkt als das andere und nudir 
nach hinten zu, während das imtere sich vorn seitlich fand. Durch Schüthdii 
konnte man auf beiden Begrenzungslinitm die Schüttelwellen deutlich bf‘ob- 
achten. Es gelang uns nicht, durch die v<‘rschiedenartigsten Manipulation^ 
(Seitwärtslagerung, <‘xtr<‘me Tieflagerung des Kopfes etc."» das obere Exsudat 
nach unten hin abfli(‘ssen zu lassen. 



Bei fortgesetzter Bidtruhe wurde Pat. vom 2. Februar 09 a n wieder 
fieberfrei. Am 6. Februar wurde das untere der beiden Exsudate punktiert 
und 100 ccm entleert, dafür 300 ccm N nachgegossen. Patient bekam an 
diesem Tage wieder 37,8 und in den nächsten Tagen Temperaturen bis 37,4. 
Die Sputummenge war gegen Anfang Januar in die Höhe gegangen (ß—10 ccm). 

Boi völliger Fieberfreiheil und normalen Pulszahlen wurde Pat. noch 
guten Teils im BetI, später unter grösster Schonung weiter behandelt. Die 
Sputiimmengen stiegen bis Mitte Februar 09 auf 40—45, gingen ab 20. Februar 
wieder in Menge heruntiT und erreichten in den ersten Märztagen regedmässig 
die Menge von 8 ccm. Dal)ei war wieder Wold befinden eingetreten. Pat. sah 
wieder gut aus, und wurde nach Hause entlassen. Man beschloss, von 
w' e i t e r e 11 P u n k t i o n e n A b s t a n d z u n e li in e n. Die nächsten Zeiten 
brachten eine fortschreitende Besserung bis auf den SLand, der im nachfolgenden 
Status fixiert ist. 

Befund März 1909. Völliges Wohlsein, sehr gutes Aussehen. Puls kräftig, 
mittelvoll, durch die Atmung nicht beeinflusst. Auf der Höhe der Inspiration 



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177] 


Erfahrungen und Cberlegungcn zur Lungonkollapstherapie. 


177 


wird die mittlere Sternalpartie und von dort aus die Brustwand bis zur linken 
M.L. systolisch breit eingezogen. 

Bei offenem Munde hört man ein h o r z s y s t o 1 i s c h c s , etwas 
rauhes Geräusch sehr deutlich bis auf 10 cm Entfernung von dem 
Patienten. Dasselbe ist von der Atmungsbewegung ganz 
unabhängig. Am Halse keine abnormen Pulsationen, keine Pulsation 
am Jugulum. Subklaviastenosengeräusch fehlt beiderseits. An der Aorta 
kein systolisches Geräusch, ebenso kein Noimensausen. Das Stenose¬ 
geräusch ist ander Trachea und am Larynx sehr deut¬ 
lich zu auskultieren und zwar hier hauptsächlich 
während der Atem ruhe und während der Exsp. - Bewegung. 
Während der Insp.-Bewegung fehlt es, fehlt dann auch vor dem Munde, ist aber 
in Inspirationsstellung zu hören. Es besteht kein systolisches Pulmonalgeräusch, 
dagegen entspricht dem Geräusch ein herzsystolisches und diasto¬ 
lisches Geräusch, welches über der ganzen linken Lunge 
vorn gehört wird. 

L. h. am Angulus scapulae ist das gleiche Geräusch zu hören, nur weniger 
laut. Perikardiales Reiben fehlt, zwischen den Schulterblättern keine beson¬ 
deren auskultatorischen Phänomene. 

Auch r. h. nichts von Pleurareiben. 

Rechts vorn oben breite scharf begrenzte Spitze, 8 cm breit. L. v. o. 
leichte Tympanie, keine Dämpfung, scharfe Grenzen, Breite 7 cm. L. beginnt 
an der 3. Rippe eine Dämpfung, die bis zur hinteren Axillarlinie reicht. 
Dort ist in Höhe der 7. Rippe ein kleiner Bezirk von Tympanie nachweisbar. 
Hinten beginnt die Dämpfung 2 Q.F. breit unter der Spina und geht bis nach 
unten. 

R. h. normaler Schall, kleines Rauchfusssches Dreieck. Grenze 10. Rippe, 
sehr gut verschieblich. 

R. Herzgrenze 1 Q.F. breit r. vom 4. Sternalrand. Leberlungengrenze 
6 . Rippe, sehr gut verschieblich. Nach 1. ist die Herzdämpfung vom Exsudat 
nicht abzugrenzen. 

R. V. o. normales Atmen mit ganz geringer Verschärfung des Inspiriums, 
auch nach Husten keine Rh. Sonst über der r. Lunge überall normales Atmen, 
nur das oben geschilderte Saccadieren. In der .Spitze auch nach Husten 
keine Rh. 

L. h. o. leises I., auch nach Husten keine Rh. L. v. o. gleichfalls 
leises Inspirium und Exspirium von unbestimmtem Cliarakter, keine Rh. Lnter 
Klavikula bei sehr leisem Atemgeräusch einzelnes Knacken. Das eigenartige 
Stenosezischen ist 1. unter der Klavikula sehr deutlich zu hören. Das leise 
Atemgeräusch hat dort leicht hauchenden Beiklang. Im Bereich der Dämpfung 
hört man vom fernklingendes Kompressionsatmen. Seitlich und 1. h. u. ist das 
Kompressionsatmen dem Ohr näher klingend. Dort einzelne knackende, halb 
klingende zähe Geräusche. Nach dem Lungenhilus zu hört man 1. bronchiales 
Atmen mit spärlichen zähen halbklingenden Rh. 

Unter dem 12. Mai 09 berichtet der Pat.: ,,A 11 g c m e i n b e f i n d c n sehr 
gut, Temperaturen dauernd unter 36,8, Hustenreiz völlig 
fehlend, oft 10—14 Tage lang gar keinen Auswurf, dann an 
einzelnen Tagen 3—4 ccm. Die M u n d g e r ä u s c h e sind immer 
noch vor h anden.“ 

5. VI. 09. Die Durchleuchtung vor dem Röntgenschirme zeigt die rechte 
Seite im besten Befinden, Zwerchfell glatt beweglich, keine Besonderheiten. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIJX. H. I. 12 


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178 L. Brauer und Lucius Spengler. [17B 

Die ganze linke Seite ist gleichmässig, wenn auch nicht intensiv abgeschattet. 
Roste eines Pn. Th. oder ein Röntgenbild wie bei Exsudat 
sind nicht zu finden. Das Herz ist beträchtlich nach der linken Seite 
herübergezogen, bei ruhiger Stellung ist ina rechten Wirbelsäulenrande nichts 
von einem Herzschatten zu sehen. Nur bei tiefer Inspieration wandert das 
Herz aus der linken Thoraxhälfte etwas in die rechte Seite herein. 

Patient fühlt sich imstande, in der Ebene längere Spaziergänge zu unter¬ 
nehmen, nur bei Bergsteigen etwas kurzatmig. 

Befund vom 5. Juni 1909: Gewicht 123V2 Pfund (vor Operation 
111 Pfund), Puls 70—80, Temperatur normal (36,8 Max.). Auswurf seit 
5 Wochen ganz verschwunden. Linke Schulter steht tiefer, linke Seite 
stark eingesunken, besonders in ihrer oberen Partie, linke Seite schleppt stark 
nach, Atemexkursion klein. Im 2., 3. und 4. ICR. am Sternum, besonders im 2., 
herzpulsatorische Einziehungen deutlich. Über der ganzen linken Seite inten¬ 
sive Dämpfung. Untere Lungengrenze hinten links 11. Processus spinosus, 
untere Lungengrenze rechts 12. Processus spinosus. 

Rechts überall normaler Schall und normales Vesi¬ 
kuläratmen, nur über der Spitze vom sowohl als hinten Atmen zu 
scharf, Exspirium etwas verlängert, aber ohne Rhonchi. 

Längs dem linken Rande des Brustbeins ist ein ziemlich lautes kardio¬ 
pulmonales Geräusch zu hören, in abgeschwächter Form hört man 
dasselbe über der ganzen linken Lunge hinten und vorn. Dieses Geräusch hört 
der Pat. selbst sowie er den Mund aufmacht. Während der letzten 14 Tage hat 
es Pat. nicht gehört, heute trat es während der Herreise nach Marburg, also bei 
etwas vermehrter Bewegung wieder auf. Pat. legt sich auf ein Sofa und das 
Geräusch verschwindet sofort, es ist also nur im Stehen 
zu hören. Pat. erhebt sich vom Sofa, das Geräusch ist wieder da, jetzt 
aber erheblich leiser. Die Herztöne sind völlig rein. 

Die rechte Lunge ist stark nach links hinüber überbläht, ganz wie irn 
Fall H., Nr. 22. Auch hinten ist die Überblähung der rechten Lunge nach links 
mit Sicherheit nachzuweisen. 

Über dem linken Schlüsselbein Dämpfung intensiv, ebenso im 1. und 
2 . ICR. und zwar besonders in der äusseren Partie. In der 1. Axillarlinie ist die 
Dämpfung fast absolut. Über linkem Oberlappen hinten besonders intensive 
Dämpfung. Fast vollständig aufgehoben ist der Stimmfremitus nur in der 
hinteren Axillarlinie abwärts der Höhe des Angulus scapulae, abgeschwächt 
ist er über den übrigen JPartien des Unterlappens. Im Bereiche des 
Oberlappens ist er eher verstärkt. Die Herzgrenzen sind nicht mit Sicherheit 
zu bestimmen, ausgenommen nach rechts, wo die relative Grenze mit dem 
rechten Sternalrand abschliesst. — 

Über linker Klavikula scharfes lautes vesiko-bronchiales Atmen ohne Rh.^ 
im 1. ICR. links sehr hohes und scharfes broncho-amorphisches Atmen, und 
spärliche, meist feine klingende Rh. Dieselben Rh. im 2. ICR. nach Husten- 
stössen. Im 3. ICR. leises Vesikuläratmen, im 4. und 5. ICR. aufgehobenes 
Atmen. Linke Seile an der Basis aufgehobenes Atmen, in der Axilla ganz 
leises Bronchialatmen aus der Tiefe. 

Hinten links oben über Oberlappen Inspirium leise, scharf, Exspirium leise 
hauchend, ab und zu einige trockene Rh., namentlich nach Husten. Über der 
oberen Hälfte des linken Unterlappens ist das Atmen lauter, das Inspirium 
scharf, das Exspirium deutlich hauchend und liört man hier längs der Wirbel- 


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170] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


179 


Säule bei Hustenstössen feine und mittlere helle trockene Rh. Im Bereiche der 
unteren Hälfte des linken Unterlappens Atem ziemlich laut und scharf vesiko- 
bronchial, gegen die Basis hin leiser werdend, nach Husten leises ziemlich 

feines Knattern. 

Unter dem 6. Juli 09 berichtet der Kranke: 

„Mein Allgemeinbefinden ist gut. Temperatur stets normal, nie über 
36,9. — Husten und Auswurf nicht vorhanden. Auch morgens nicht den ge¬ 
ringsten Auswurf.“ — 

Befund 14. X. 09. Inspektion: Linke Seite abgeflacht, besonders in der 
Gegend der 2., 3. und 4. Rippe. Die ganze Seite schleppt deutlich nach. 

Beide Supraklavikulargruben eingesunken, 1. X r. die Mm. pectorales imd 
Trapetii, 1. ^ r. Rhomboidei, 1. zl r. Pneumothoraxnarbe im 9. ICR. 

Spitzenstoss etwas sichtbar, am deutlichsten 4. ICR. IV 2 innerhalb der 
M.-L. Pulmonalklappenschluss im 2. ICR. sichtbar. Pektoralfremitus über den 
Spitzen gleich; unten h. und seitlich 1.^ r. Über der 1. Spitze harte Dämpfung, 

Abgrenzung nicht möglich. 1. ICR. am Sternalrand gedämpft mit Tympanie, 

die nach der Axilla zu in völlige Dämpfung übergeht. Im 2. ICR. reicht die 
Tympanie weiter nach der Axilla zu. Im 3. ICR. überall leichte Dämpfung. 
Ira 4. ICR. beginnt eine härtere Dämpfung, die nach unten zunimmt und im 
6 . und 7. ICR. bretthart wird. 

L. h. o. bis zum 5. Brustwirbel hart gedämpft, von da an bis zum 9. Brust¬ 
wirbel etwas hellerer Schall, von dort an dieselbe harte Dämpfung wie 1. v. u. 
Der überall normale Schall der r. Lunge reicht nach 1. bis an den 1. Sternalrand. 
R. Spitze gut breit, 8 cm, normal schallend. 

Auskultation. L. v. o. Atemgeräusch broncho-vesikulär, auch nach 
Husten keine Rhonchi. 1. ICR. am Sternalrand bronchiales Atmen mit etwas 
amphorischem Beiklang. Ist im 2. ICR. weniger stark, aber deutlich. 3. ICR. 
Atemgeräusch sehr abgeschwächt, sehr verlängertes Exspirium mit fernem bron¬ 
chialem Beiklang. Von da an nehmen die Atemgeräusche an Intensität ab, 
so dass im 5. ICR. kein Atemgeräusch mehr zu hören ist. In der Supraklavikular- 
grube und 1.—3. ICR. Flüsterstimme sehr verstärkt, fast bronchophonisch. 

L. h. o. oberhalb der Spina broncho-vesikuläres Atmen, von da an bis 
VIII. Brustwirbel sehr lautes fast bronchiales Atmen, weder Reiben noch 
Rhonchi zu hören, auch nicht nach Husten. H. o. bis VIII. Brustwirbel starkes 
Durchdringen der Flüsterstimme rechts. 

R. v. o. und h. o. Atemgeräusch etwas verstärkt, Exspiration etwas ver¬ 
längert, sonst überall Vesikuläratmen. 

Im Januar 10 berichtet Patient, dass es ihm „vorzüglich“ geht. Trotz un¬ 
günstiger Witterung fühlt er sich völlig wohl, Aussehen vorzüglich, weder Husten 
noch Auswurf. Gewicht jetzt konstant, übernimmt in Frankfurt ein Agenturen¬ 
geschäft und muss viel reisen. 

Lungenbefund Ende Juli 1910: 

Perkussion: Die ganze linke Seite ist gedämpft und zwar über den 
oberen Abschnitten vom und hinten sehr intensiv, ebenso hinten unten und 
links seitlich und unten vom. Die harte Dämpfung hat zwischen der 2. und 
4. Rippe links vom einen etwas tympanitischen Beiklang. Die gleiche Tympanie 
befindet sich hinten in der Hilusgegend. * Das Herz ist nach links verlagert, 
die rechte Lunge nach links überbläht. Schallwechsel fehlen. Die linke Spitze 
ist schmal und eine Grenze kaum zu bestimmen. Die Grenze steht links hinten 
luiten um 2 Querfinger breit höher wie rechts, unbeweglich. 

12 ^ 


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180 L. Brauer und Lucius Spengler. [180 

A u s k II11 a 1 i o n : L. v. o. Insp. rauh, Exsp, leise bronchial, auch nach 
Husten kein Rasseln. L. v. iin 1. ICR. bronchiales Atmen mit leichtem arnjihori- 
.sehem Beiklang; <lies(‘s im 2. ICR. nicht mehr deutlich zu hören. Vorn nach 
unten zu wird da.s AtemgiTÜusch d;um scharf mul abgescliwächt, stark verlängertes 
Lxs])iriiim mit fernklingeiuhun bronchialem Charakter. Im 5. ICR. ist das 
Atomgeräusch nicht mehr deutlich zu hören. Rasselgeräusche werden in dem 
gimzen Bezirke nicht gcdiört. L. h. o. oberhalb Spina vosiko-bronchiales Atmen, 
alsdaim in der Ililuspartie sehr lautes Bronchialatmen, aber auch hier kein 
Rasseln, auch niclit nach Husten. L. h. u. ist das Atemgeräusch beträchtlich 
abgeschwächt, Exsp. verlängert, ausgesprochen hauchend, kein Ras.seln. 

R<*chte Spitze* hinten und vorn Atmen verschärft, Exspirium wenig ver¬ 
längert, Rhonchi k<*iiie. 

I n d i k a t i 0 n. Dichte Infiltration mit grosser Kaverne im linken 
()berlaj)pen, Kavernenbildung in der Spitze des linkon Unterlappens. 
Ziemlich dichter broncho-pneumonischer Prozess mit beginnenden Zer- 
fallserscheinungen in den übrigen Teilen des linken Unterlappens. 
Pechte Seite zeigt nur geringfügige Veränderungen. Auswurf- 
meiigen 150--200 cem pro Tag; stark eitrig; reichlich Tuberkel¬ 
bazillen (Ouffky VII), elastische Fasern. Somit s e h r u u g ü n s t i g e 
Prognose und völlige Arbeitsunfähigkeit, die um so 
schwerwiegendeT’, als I^atient auf eigenen Verdienst angewiesen ist. 

Epikrise. Es gelingt ein sein' guter linksseitiger Pneumo¬ 
thorax. Mit der nahezu kompletten Kompression der Lunge gehen 
die Aus Wurf mengen bald beträchtlich zurück. Die Tuberkelbazillon 
und elastischen Fasern schwinden. Der Pneumothorax bestand im 
ganzen etwa Jahre. Seit V /2 Jahren ist die Lunge wieder aus¬ 

gedehnt. Es resultierte ein völliger Schwund jeglichen Auswurfs 
bei kompletter Arbeitsfähigkeit unter ziemlich ungünstigen Be- 
diiigaingen, da Patient viel reisen muss. Er lebt und schaut aus 
wie ein völlig (jesunder. R. Seite gut geblieben. 

An Komplikationen trat während des Bestandes des Piieumo* 
thorax in dem Pneumothoraxraum ein geringfügiges, eigenartig ge¬ 
lagertes Exsudat auf (siehe Zeiclinung S. 176). Nach Resorption 
des Pneumothorax war sehr auffällig ein lautes kardio-pulmonales 
(ieräusch. Die Einzelheiten siehe Krankengeschichte, sowie die spätere 
Besprechung. — In Summa ein besonders überzeugender 
und schöner Erfolg. 


54. Frl. Anna R., B2 Jahre alt. Ilbersstedt in Anhalt. (Fall III 
Dr. Pliilippi.) 

Anamnese : Als Kind Masern und Scharlach. Im 16. Lebensjahre Kopf- 
roso. Seil Frülijalir 1903 Husten. Frühjahr 1904 Lungenspitzen¬ 
katarrh f e .s t g c s t e 11 t, jedoch kein Spiiturn, auch keine Bazillen. In- 
Jialieren brachte den Husten zunächst wieder w(‘g. Januar 1905 14 Tage liuig 



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lyi] Erfahrimgon und Überlogungcn zur Lungenkollapsthorapie. 181 

in der linken Seite Schmerzen, dabei Nachtschweisse. Sputum trat <rst im 
Mai 1905 auf. Damals 6 kg Gewichtsabnahme. Kam im September 1905 mit 
Temperaturen bis 38,7 nach Davos in Behandlung des Herrn Dr. 
P li i 1 i p p i. Die Temperatur sank in Davos auf 37,5 bis 37,8, blieb so etwa 
5 Wochen, später traten Zeiten ein, in denen Pat. vorüber¬ 
gehend temperaturfrei war, stets aber kamen wieder 
lange Wochen mit erheblicher Temperatursteigerung vor, 
während welcher dann Pat. das Bott hüten musste. So ging 
cs bis Januar 1906. Von da an fast beständig ausser Belt. Juli bis September 

1906 Tuberkulinkur mit selir niedrigen Dosen. Von Oktober bis Dezcnib('r 1906 
wieder zu Hause, während der ganzen Zeit aber leichte Fieberbcwegung. Von 
da an bis jetzt wieder ständig in Davos. 1907 eine Influonzainfektion. Von 
Mitte Februar bis Mitte Juni 1907 wiederum Tuberkulinkur mit niederen Dosen. 
August 1907 Influenza-Bronchial-Katarrb und Pneumonie 
im linken U n t e r 1 a p p e n , erhöhte. S p u t u m m e n g e n , Tempo- 
raturenbis39®. 3 Wochen lang. Ende Sefitember, November, Dezemlx^r 

1907 wiederum Tuberkulinkur, Mitte Juni 1908 i n t e n s i v r Bronchial- 
katarrh, vermehrter Auswurf. Tem])craturcn bis 40, von 
nun an wieder ständiges Wechseln zw’ischen fieberfreien 
und relativ hoch fieberhaften Zeiten. 

Herr Kollege Philipp! übersandte die nachfolgenden Befunde, die den Ver¬ 
lauf charakterisieren: 

Befund 26. XI. 05: Über der ganzen linken Seite Dämpfung, 1. v. o. 
unter der Klavikula mit tympanitischem Beiklajig. R. v. und h. o. leichte Schall- 
vorkürzung, ebenso ganz leichte Schallabschwächung r. v. u. 

L. V. 0 . Höhlenatmen mit groben zähen, metallisch klingenden Rassid- 
geräuschen. L. v. zwischen 2. und 4. Rippe Bronchialatmen mit zähem klingen¬ 
dem Knattern, mittelblasig. In der Stemalpartie 1. v. sind die Rhonchi spär¬ 
licher, aber auch klingend. L. v. u. und seitlich ist das Atmen abgeschwächt, 
mittleres zum Teil klingendes Knarren Tmd Knacken, vereinzelte, zälic klingende 
Rasselgeräusche. L. h. o. leise vesiko-bronchial. Von der Spina scapula bis 
zur Mitte voll bronchial, oben spärliche trockene mittlere Rhonchi und Knacken, 
abwärts der Spina klingendes, mittleres zähes Knattern. Gegen Angulus scapula 
sind die Rhonchi spärlicher, klanglos. Über den unteren Partien ist das Atmen 
abgeschwächt, unrein, spärliches mittleres Knattern, in den äusseren Partien 
etwas klingend. 

R. V. o. Atemgeräusch fast bronchial, zahlreiche mittlere, klingende, zälu‘ 
Rasselgeräusche. R. v. u. Atmung abgeschwächt, unrein, vereinzeltes Pleura¬ 
knacken. R. h. o. leise vesiko-bronchial, einige mittlere zähe klingende Rhonchi, 
bei und unterhalb der Spina vermehrt, gegen Mitte der Skapula spärlicher, 
fein, klanglos, weiter unterhalb alles normzü. 

21. VII. 08. Dämpfung über der ganzen linken Seite viel intensiver, tympa- 
nitischer Beiklang, besonders 1. v. o., 1. h. u. und 1. seitlich. Das Herz ist etwTs 
nach links verzogen. R. v. o. und h. ganz schwaclie Schallverkürzung, el)enso 
r. V. u. Zwerchfellgrenze links ist nur schwer verschieblich. 

.A.uskultation gibt 1. v. o. und h. sowie seitlich ausgedehntes Höhlen¬ 
atmen, 1. V. o. mit W i n t r i c h schem Schallwechsel. In diesen ganzen Parti<‘ii 
mit zum Teil mittleren, mehr oder weniger metallisch klingenden Rasselgeräuschen. 
Nach der Stemalpartie und nach unten zu werden die Rasselgeräusche mittel- 
gross, überall deutlich klingend. L. v. u. bronchiales Atmen mit mittleren klingen- 


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182 L. Brauer und Lucius Spengler. [182 

den, zum Teil auch hier noch metallisch klingenden Rasselgeräuschen; in den 
vorderen unteren Partien Atmung leiser, mehr knarrende Geräusche, weniger 
klingende Rhonchi. L. h. in der Mitte mehr mittlere, etwas weniger klingende 
Rasselgeräusche. L. u. neben der Wirbelsäule knarrende imd knatternde Ge¬ 
räusche, dort Atmung abgeschwächt, unrein, mit zähen mittleren klingenden 
Rasselgeräuschen. 

Rechts vom oben Atemgeräusch vesikobronchial, Rhonchi dortselbst fast 
nur nach Husten, ziemlich klanglos, Rechts hinten oben vesiko-bronchiales Atmen, 
spärliches, ziemlich feines Knarren und wenige klanglose, zum Teil feine Rhonchi, 
die bei der Spina scapula etwas vermehrt und gegen Mitte der Skapula etwas 
spärlicher sind. Die ganzen übrigen Partien auskultatorisch normal, nur r. 
seitlich zeitweise ein klein wenig Reiben. 

Im Hinblick auf die schwere Erkrankung und den fortschreitenden un¬ 
günstigen Ablauf der Erkrankung stellte Herr Dr. P h i l i p p i die Indikation 
zur Lg KolIaps-Therapie und überwies die Kranke nach Marburg. 

A m 24. VII. 08 traf Patientin in Marburg ein. Die Pulszahlen 
lagen meist um 90. Abendliche Temperaturen 37,3—37,7. Sputummenge zwischen 
30 und 55. Es wurde die Anlegung eines Pneumothorax beschlossen. Von 
vornherein schien es fraglich, ob es möglich sein würde, einen freien Pleura¬ 
spalt zu finden. Gegen den Bestand eines freien Pleuraspaltes sprach die 
Anamnese, ferner die schlechte Verschieblichkeit der Lungengrenze, und die 
gleichmässige Dichte des Röntgenschattens. Für den freien Pleuraspalt sprach 
die Tatsache, dass das Bronchialatmen über dem linken Unterlappen auffallend 
laut war, sowie, dass die Dämpfung daselbst nicht besonders intensiv schien. 

Endlich war kurz vor der Reise nach Marburg noch 
folgender Umstand aufgetreten, der die Möglichkeit der Anlegung 
eines Pneumothorax doch wieder näher rückte. Mitte Juni 08 konnte 
nämlich Dr. Philipp! in der linken unteren Axillargegend, die früher 
immer ziemlich stark gedämpft schien, eine etwa handtellergrosse tympanitische 
Zone konstatieren, welche bei der Perkussion ziemlich stark druckempfindlich 
war. In diesem Gebiet fand sich stark abgeschwächte Atmung. Die 
Rhonchi, die früher dort einfach klingend waren, hatten einen deutlich metallischen 
Beiklang. Ferner konstatierte man auch in dieser Gegend ausgesprochenes 
Stäbchen-Plessimeter-Phänomen. Die Atmung war leiser wie früher. Da die 
Kranke um jene Zeit sehr hohes Fieber hatte, konnte man sie nicht durch¬ 
leuchten, doch nahm man den Bestand eines umschriebenen 
natürlichen Pneumothorax an. Nach etwa U/j Wochen gingen die 
metallischen Phänome wieder zurück. Die Atmung war wieder lauter, und 
eine nach weiteren 3 Tagen vorgenommene Durchleuchtung ergab in jener 
Gegend eine deutliche helle Zone, die sich sicher von der Magenblase ab¬ 
grenzen liess. Nach weiteren 3 Wochen war auch diese helle Zone verschwunden. 

Da.^ frische pneumonische Infiltrat des schwer erkrankten Unterlappens 
hatte sich erst im Winter 1907—08 im Anschluss an Influenza entwickelt. 

Während einer 3 jährigen Beobachtung konnte Dr. Phil i pp i schwere 
pleuritische Attacken über dem Unterlappcn nicht beobachten. Auch die Vor¬ 
geschichte deutete nicht auf Rippenfellentzündung. Die Zerfallserscheinungen 
im linken Oberlappen waren während der Beobachtungsdauer entschieden stärker 
geworden, während sich der Befund über der rechten Spitze ziemlich stationär 
erwiesen hatte. 

So wurd^ denn am 4. VIII. 08 der Versuch der Anlegung 
eines Pneumothorax im 6. Interkostalraum, mittlere 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


183 


Axillarlinie unternommen (Brauer). Es gelang 600 ccm N ein¬ 
zubringen. Die Temperatur stieg während der nächsten 3 Tage abends auf 37,3, 
war dann bis zum 28. VIII. 08 dauernd völlig normal. 


Nachfüllungen: 

6. VIII. 08 

250 ccm N. 

11. VIII. 08 

350 ccm N. 

18. VIII. 08 

150 ccm N. 

23. VIII. 08 

300 ccm N. 

An diesem Datum war der Anfangsdruck inspir. + 10, exspir. -j- 12; der 

Schlussdruck 25. 

28. VIII. 08 

200 ccm N. 

2 Tage darauf einmal 37,8, die 

Pulszahl blieb dauernd um 80. 

5. IX. 08 

250 ccm N. 

14. IX. 08 

800 ccm N. 

16. IX. 08 

300 ccm N 

mit einem Schlussdruck + 27 mm Hg. 

Die Sputummenge betrug am 4. 

Tage nach dem Eingriff 45 ccm, sank dann 


am nächsten auf 25 xmd 20 ccm herab, und hielt sich nun dauernd zwischen 
15 und 20 ccm, war somit beträchtlich vermindert. 

Die Herzaktion war ständig regelmässig und kräftig. 

Die Pneumothoraxblase reichte sowohl nach dem physikalischen wie nach 
dem Röntgenbefunde vorne bis zur 3. Rippe herauf, ging bis etwa zur Mitte 
-des Sternums, füllte den Komplementärraum über dem Herzen aus, und ging 
vorne imten bis zum Zwerchfell herunter. Es war deutlich Stäbchen-Plessi- 
meter-Phänomen zu bekommen. Die Lunge war in der Thoraxkuppe breit adhärent. 
Ebenso war die Lunge adhärent von der hinteren Axillarlinie an. In der ganzen 
hinteren Thoraxfläche konnte man ausserdem im Röntgenbild zwei zarte Äd- 
häsionsstränge erkennen, die den der Lunge vorn aufliegenden Pneumothorax¬ 
raum in diesem unteren Abschnitte durchsetzten; somit war die Lunge nach 
der Seite zu völlig ausgespannt erhalten, doch lagerte vom auf der Limge 
eine vielleicht IV 2 Liter grosse Luftblase, welche die Lunge von vorn nach 
hinten zu ausspannte. Ein Exsudat war in diesem Raum nicht nachzuweisen. 
Es ist somit, falls tatsächlich früher schon einmal ein natürlicher abgesacktcr 
Pneumothorax bestanden haben sollte, zu einem erneuten Durchbruch der Lunge 
nicht gekommen. 

Am 19. IX. 08 wurde Patientin wieder nach Davos entlassen. A m 
13. III. 09 berichtete Dr. Philippi über den weiteren Verlauf, 
wie folgt: 

Patientin trat am 22. September 08 wieder in unsere Behandlung ein. 
Sie hatte hier anfänglich keinerlei Atembeschwerden. Der Puls war 100, regel¬ 
mässig. 

wir ihre letzten Temperaturtabellen nicht haben finden können. 

Der Lungenbefimd war kurz zusammengefasst folgender: Kissenbilduiig 
über rechter Klavikula, starkes Nachschleppen links, guter Ernährungszustand. 

Perkussion: R. v. 0 . geringe Schallverkürzung über Klavikula und 
im 1. ICR. neben Sternum; von der 4. Rippe an schräg abwärts verlaufende 
Schallverkürzung, in der unteren Axillargegend noch ca. zwei Finger breit, 
untere Grenze unterer Rand der 6. Rippe, gut verschieblich. 

R. h o. auch Schallverkürzung, am deutlichsten zwischen Spina und 
Mitte Skapula, dann sonor, unten drei Finger breite Schallverkürzung, nach 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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m 

aussen zu schmäler, unlere Grenze tiefstelieiul, auf der Höhe des Dornfortsatzes 
des 12. Rückenwirbels, gut verschieblich. 

L. V. o. stark gedäjnpft, etwas Tyinpanie, ebenso ini 1. und 2. ICR. Im 
1. ICR. aussen W i n t r i c h scher Schallwechsel. Vom oberen Rand der 2. Rippe 
verläuft eine tympanitische Zone steil abwärts bis zur Parastemallinie, von 
da an läuft die obere Begrenzungslinie dieser Zone bogenförmig, fast horizontal, 
nach aussen, die Operationsnarbe etwas über der Mitte schneidend. Herz¬ 
dämpfung lässt sich mit gewölmlicher Perkussion nicht begrenzen. Nach rechts 
ist die tympanitische Zone vom linken Stemalrand begrenzt, nach unten geht 
sie bis zum oberen Rand der 7. Rippe. 

L. h. o. ebenfalls stark gedämpfter Schall mit Tympanie, am deutlichsten 
etwas unterhalb Spina scapulae. Auf der Höhe der Mitte Skapula beginnt 
ebenfalls eine tympanitische Zone, deren obere Grenze direkt gegen den Angulus 
verläuft, von da ab etwa horizontal verlaufend mit der anderen früher er- 
wälmten oberen Begrenzungslinie zusammentreffend. Die untere Begrenzungs¬ 
linie verläuft vom oberen Rand des ersten Lendenwirbels horizontal nach vorn. 
In diesem Gebiet zeigt sich deutlich Stäbchenplessimeterphänomen. 

Auskultation: R. v. o. vesiko-bronchial, spärliche mittlere zähe halb¬ 
klingende Rhonchi über Klavikula \md im 1. ICR. neben Sternum, aussen 
spärlicher, ziemlich klanglos. Vom 2. Interkostalraum an Atmung vesikulär. 
Über der unteren Dämpfung Atmung etwas abgeschwächt. Über dem Lungenrand 
ziemlich feines Knacken. Dicht neben Sternum sehr laute Herztöne. 

R. h. o. Atmung vesiko-bronchial, einige zähe, femklingende Rhonchi (zum 
Teil wahrscheinlich fortgeleitet), nach aussen zu weniger klingend, spärlicher. 
Unterhalb Spina scapulae Rhonchi vennehrt, knatternd, aussen spärlicher, weniger 
klingend. Unterhalb Mitte Skapula noch vereinzelte femklingende Rhonchi neben 
Wirbelsäule, unten auch noch etwas abgeschwächt, über dem Lungenrand etwa 
ein feiner Knacks. 

L. V. o. Atmung broncho-amphorisch mit metallischem Beiklang, grobe 
metallische Rhonchi, ebenso im 1. ICR. Im 2. und 3. ICR. sind sie mehr 
mittel, laut klingend, Atmung leiser. In der imteren tympanitischen Zone Atmung 
sehr leise, unten fast aufgehoben. 

L. h. o. Atmung broncho-amphorisch, deutliches Kavernenglucksen, zähe 
grobe, meist metallische Rhonchi und Quietschen, unterhalb Spina scapulae 
vermehrt, zum Teil metamomorphorisierendes Atmen. Unterhalb Mitte Skapula 
werden die Rhonchi mehr femklingend, spärlicher,, unterhalb Angulus 
scapulae völlig verschwinden. In den unteren Partien der tympanitischen Zone 
ist die Atmung spärlicher, ohne Nebengeräusche, mit metallischem Keuchen. 
Im Sputum keine sichere Tuberkelbazillen. Urin ohne Eiweiss, Zucker, Diazzo- 
reaktion. Leber tiefstehend, besonders in der Mittellinie, etwa 5 cm über dem 
oberen Nabelrand, rechten Mamillarlinie bis zum Rippenbogen. 

Es wurden nun verschiedene Nachfülluhgen mit Stickstoff vo^enommen. 
Die erste am 10. X. Man kam {mit der Nadel zentralwarts vom Rippenkorb 
in ein starres knirschendes Gewebe (Pleuraschwarte). Erst nachdem die Spitze 
der Nadel etwa 6 cm eingedrungen war, fing der Manometer an, auszuschlagen. 
Puls vor der Operation 108, nach der Operation 96. A.-Druck im Mittel 
— 4,0 mm Hg, Enddruck 11,0 mm Hg. Einführung von 500 ccm N, die 
ohne Beschwerden ertragen werden. Im Röntgenbild erscheint die Luftblase 
nach der Operation hauptsächlich nach unten vergrössert, noch ziemlich starkes 
Abwärts drängen des Zwerchfelles. Am 18. X. zweite Injektion von 500 ccm N. 



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185] Erfahnmgon und Überlegungon zur Lungcnkollapstherapio. IR”) 

Druck vor der Operation im Mittel -f- 3—4 mm, nach der Operation -|- 13—14 mm. 
Puls vor der Operation 98, nach der Operation 92. Am 25. X. Einführung von 
400 ccm N. Druck vor der Operation 3—4 mm, nach der Operation 10—12 mm. 
Puls vor der Operation 98, nach der Operation 88. Es zeigen sich jetzt deut¬ 
liche strangförmige Adhärenzen, die auch eine Abknickung des Zwerchfelles 
verursachen (siehe Figur 22). Am 2. XI. Einführung von 500 ccm X. 
Druck vor der Operation — 2 mm, nach der Operation -{- 17 mm. Puls vor 
der Operation 108, nach der Operation 105. Am 9. XI. Einführung von 
900 ccm N. Druck vor der Operation —2 mm, nach der Operation 12 mm. 
PiUs vor der Operation 104, nach der Operation 98. Am 18. XI. Einführung 
von wieder 900 ccm N. Druck vor der Operation 0, nach der Operation 20 mm. 
Abends Anstieg der Temperatur auf 38^ nach 2 Stunden Abfall auf 37,2. 
Am 30. XI. Einführung von 300 ccm N. Druck vor der Operation — 2, nach 
der Operation zuerst 22, nach einigen Minuten -(- 19. Patientin bekam gegen 
fechluss der Operation starke Schmerzen 1. v. o. und 1. h. o. sowie in den 



Schultermuskeln. 7. XII. In einer Tiefe von 8 cm kommt die Nadelspitze 
wieder in festes Gewebe. Die Nadel zeigt eigentümlich zuckende, zum Teil 
mit dem Puls synchron gehende Ausschläge. Nach Zurückziehen der Nadel 
um 1 cm deutliches Manometerausschlagen. Druck vor der Operation ^— 2, 
nach der Operation 24. Puls vor der Operation und nach derselben 100. 
Nach der Operation leichtes Druckgefühl 1. v. o. In der Nacht steigen die 
Schmerzen in der linken Thoraxhälfte, die bis zum Hals hinaufziohen. Starke 
Dyspnoe und Zyanose (die linke Gesichtshälfte stärker blau als die rechte). 
Puls etwas über 100, ziemlich klein. Temperatur 37,1. Auf 0,0075 Morphium 
Schmerzen besser, aber Erbrechen von allem Genossenen. Im Laufe des folgen¬ 
den Tages wird der Puls ruhiger, kräftiger, ca. 100. Zyanose wird geringer, 
ebenso die Schmerzen, die nur noch bis zur Kiavikula reichen. Die Herz- 
töne sind etwas leise, unrein. In der Luftblase starke Tympanie mit Metall¬ 
beiklang. Auf den Limgen keine Änderung des Befundes. Den nächsten Tag 
lassen Zyanose und Dyspnoe nach, ebenso die Sclunerzen. Auf den Lungen 
keine Andenmg. 22. XI. Injektion von 200 ccm N. Druck vor der Operation 
— 3^ nach der Operation 13. Puls vor der Operation 98, nach der Operation 9ü. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


[186 


15. I. Einfühning von 200 ccm N. Druck vor der Operation —5, nach der 
Operation -f- 15. Puls vor der Operation 100, nach der Operation 92. 

Die letzten Slickstoffeinführungen brachten keine wesentliche Änderung im 
Befund. Bezüglich des übrigen Verlaufes ist zu bemerken, dass die Pat wieder¬ 
holt von Fieberanfällen befallen wurde, von ein* bis zweiwöchiger Dauer, die 
stets mit einer Vermehrung des Katarrhs, bis zu 50 ccm in 24 Stunden wie 
auch Zunahme der Rasselgeräusch hin und wieder auch über der rechten Lunge 
verbunden waren. In der Krankengeschichte sind solche Attacken notiert An¬ 
fang November, Ende Dezember, Anfang Februar. 

Der Schlussbefund vom 22. Februar 09 ist kurz folgender: Dämpfung 
über der rechten Lunge gleich wie früher. Über den oberen Partien der linken 
Limge Tympanie deutlicher ausgesprochen, deutlicher Wintrich scher Schall¬ 
wechsel, vom im 1. und 2. ICR. aussen, und hinten unterhalb der Spina 
Scapulae. Die untere tympanitische Zone ist ungefähr gleich wie anfangs. 
Hinten geht sie etwas weniger hoch hinauf bis zum Processus spinosus des 
7. Rückenwirbels. 

R. V. o. Atmung wie früher. Spärliche, fast klanglose, mittlere Rhonchi 
bis zur 2. Rippe. In den unteren Partien Atmung noch etwas abgeschwächt 
Auf dem unteren Lungenrand noch spärliches feines Pleurareiben. 

R. h. o. spärliche, ziemlich klanglose, trockene Rhonchi mit Knattern, 
unterhalb Spina scapulae etwas feuchter, weniger klingend unterhalb Mitte 
Skapula ganz vereinzelt, gegen Angulus verschwindend. Ganz unten noch etwa 
ein mittlerer Knacks. 

L. V. o. Atmung und Rhonchi wie früher. Im 1. ICR. aussen eigentüm¬ 
liches metallisches Ventilgeräusch; dasselbe auch im 2. ICR. Im 3. und 4. ICR. 
Atmimg sehr leise, keine deutlichen Nebengeräusche. In der oberen Axillar- 
gegend zahlreiche gröbere metallische Rhonchi. In der unteren tympanitischen 
Zone Atmung sehr leise, Ventilgeräusch nur noch fern hörbar. 

L. h. o. zahlreiche grobe, feuchte, metallische Rhonchi, am meisten unter¬ 
halb Spina scapulae, mit Knarren vermengt. Gegen Angulus scapulae mehr 
mittel, zum Teil auch metallisch, über den oberen Partien auch hörbar. Herz 
deutlich nach rechts verlagert Puls 92. Bronchophonie im Stimmfremitus 
stark vermehrt, über den oberen Partien der linken Lunge mit der tympanitischen 
Zone scharf abschneidend. In den oberen Partien der rechten Lunge wenig 
verstärkt 

Am 25. II. 1909 kam Patientin wieder nach Marburg. 

In Marburg wurde Patientin dann noch einige Male punktiert und jeweils 
100 resp. 200 ccm N in den kleinen abgesackten Pneumothoraxraum verbracht 
Die Temperaturen blieben dauernd völlig normal. Puls und Respiration w'aren 
nicht wesentlich erhöht Die Sputumzahlen schwankten um 30 ccm. Da nun¬ 
mehr aber doch mit Sicherheit erwiesen war, dass es unmöglich sein werde, 
den Pneumothorax wirklich auf genügende Grösse zu bringen, so wurde be¬ 
schlossen, von weiteren Punktionen Abstand zu nehmen (letzte Punktion 
am 22. III. 09 200 ccm). Patientin übersiedelte am 13. V. 09 in die Heil¬ 
stätte Sorge (Chefarzt Dr. Pigger). Dessen freundlichen Berichten 
danken wir folgende, für unser Thema wichtige Notizen: 

„Am 20. VIII. 09, um welche Zeit der Pneumothorax wohl grösstenteils 
resorbiert war, trat links hinten unten deutliches Reibegeräusch auf, Patientin 
hatte einige Tage Schmerzen. 


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187] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 187 

Am 17. IX. 09: Vor dem Röntgenschirme erscheint die linke Seite von 
der Mitte der Skapula an abwärts total verdunkelt. Zwerchfellkuppe oder 
sonstige Einzelheiten sind nicht näher zu erkennen. Von dem früheren Pneumo¬ 
thorax ist keine Spur mehr vorhanden. Oberhalb der Skapulamitte ist die Ab¬ 
schattung weniger dunkel. Man erkennt die Klavikula und die obersten Rippen. 
Von einer Kaverne ist zurzeit im Röntgenbilde nichts Sicheres zu erkennen. 
R. o. einige kleinere dunkle Herde, sonst rechts kein Röntgenbefund, und 
Zwerchfell rechts sehr gut verschieblich. 

Im rein eitrigen Sputum sind mässig viele Tuberkelbazillen (Gaffky l—V) 
nachweisbar. Es treten mehrfach wieder leichte Temperatursteigerungen auf. 
Die Sputummenge nimmt wieder zu (60—70 ccm). Das Allgemeinbefinden ist 
häufig gestört.“ 

Da somit der Gesamtzustand der Patientin gegen früher ziemlich unver¬ 
ändert ist, eine Besserung durch den kleinen abgesackten Pneumothorax nicht 
erreichbar war, so wurde Anfang 1910 beschlossen, eine aus¬ 
gedehnte Thorakoplastik in Anwendung zu bringen. Die 
Kranke wird zu diesem Zwecke nach Marburg überwiesen. Über die von 
Herrn Prof. Sauerbruch in 2 Absätzen ausgeführte Ope¬ 
ration soll bei einer anderen Gelegenheit eingehend be¬ 
richtet werden. Im ganzen sei nur kurz gesagt, dass Pat. 
die Operation sehr gut überstand und sich nun anscheinend 
auf dem Wege der Besserung befindet. Ein endgültiges 
Urteil kann aber erst nach einiger Zeit gefällt werden, 
doch lauten die letzten Nachrichten sehr günstig. 

Indikation. Ausgedehnte, schwere linksseitige Lungentuber¬ 
kulose von langjährigem Bestände. Völliges Versagen aller seitherigen 
Therapie; sehr häufige Temperaturanstiege und mehrfach rezidi¬ 
vierende Bronchialkatarrhe. 

Am 4. VIII. 1908 wird in Marburg ein Pneumothorax angelegt, 
über dessen Grösse die Skizzen S. 185, die später Dr. Philippi auf¬ 
nahm, orientiert. Infolge ziemlich fester Verwachsungen in der oberen 
Thorax hälfte, sowie strangförmiger Adhäsionen im unteren Abschnitt 
gelang es nur einen relativ geringfügigen Pneumothorax zu erzielen. 
Die Nachfüllungen wurden Jahr lang fortgesetzt. Während dieser 
Zeit war die Auswurfmenge verringert, das Allgemeinbefinden 
während mehrerer Monate gebessert, die Temperaturen überwiegend 
normal. Die vordem mehrfach beobachteten schweren Nachschübe 
der Erkrankung blieben aus. Da aber ein wesentlicher Erfolg nicht 
zu erreichen war, so liess man den Pneumothorax eingehen und schritt 
am 21. ni. 10 zu einer Thorakoplastik (Prof. Sauerbruch), 
die gut überstanden wurde. Über den endgültigen Effekt der Operation, 
die in zwei Absätzen vorgenommen wurde, ist zur 2 jeit noch niclit 
zu urteilen, doch lauten die letzten Nachrichten sehr günstig. 


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ISS L. Brauer und Lucius Spengler. [188 

55. Herr H., H. G., 43 Jahre alt. 

Anamnese: Patient stammt von gesunden Eltern. Bei Verwandten 
auf der mütterlichen Seite Verdacht auf Tuberkulose, doch keine bestimmten 
Angaben erhältlich. Patient ist das 3. von 11 Kindern; alle Geschwister leben 
und sind gesund. Als Kind machte Patient Keuchhusten, Masern und Schar¬ 
lach durch; war nie sehr kräftig und wuchs sehr rasch (mit 16 Jahren schon 
über 190 cm lang). Nie Lungenkrankheiten durchgemacht. Mit 21 Jahren 
nach Bombay, Ostindien, seither in Indien gelebt. Nie Malaria gehabt, dagegen 
des öfteren Leberleiden. Patient ist verheiratet und hat mehrere gesunde und 
kräftig entwickelte Kinder. 

Im Juni 1907 Pneumonie des rechten Unterlappens mit hohem 
Fieber während 9 Tagen. Hierauf rasche Rekonvaleszenz, nur 17 Tage bett¬ 
lägerig. Trotz dieser scheinbar raschen Erholung bleibt ein Gefühl von Müdig¬ 
keit zurück, sowie anhaltender Hustenreiz ohne Auswurf. A m 11. März 1908 
sehr starke Blutung aus derrechten Lunge mitAspirations- 
pneumonie im Unterlappen. Zu gleicher Zeit Leberentzündimg und 
Gastroenteritis. 

Mitte April von Bombay via Marseille und Zürich nach S c h a t z a 1 p. 

Status am 12. Mai 1908: Dämpfung über der ganzen rechten Lunge, 
besonders intensiv über dem Unter- und jMittellappen. 

Bei der Auskultation links von\ über Klavikula Atmen etwas zu leise 
und zu rauh, Exspirium etwas verlängert, vereinzelte feine trockne Rhonchi 
nach Husten. Dasselbe im 1. Interkostalraum; im 2. Interkostalraum In- 
spirium rauh-scharf, Exspirium etwas verlängert ohne Rhonchi. Dieselben Ver¬ 
hältnisse hinten links über dem Oberlappen, sonst links überall vesikuläres 
Atmen. 

Rechts vorn über Klavikula Atmen broncho-vesikulär, Exspirium mit im- 
deutlichem amphorischem Beihauche, spärliche mittlere Rasselgeräusche nach 
Husten, darunter einige klingende. Im 1. Interkostalraum Atmen vesiko-bronch., 
Rhonchi zahlreicher, meist mittlere, darunter auch einige halbklinde. Im 2. ICR. 
Inspir. rauh, Exspir. verlängert, mittleres Knattern nach Husten. Über dem Mittel¬ 
lappen Atmen im allgemeinen zu leise, Inspirium zu rauh, Exspirium ver¬ 
längert, ziemlich viele feine und besonders mittlere Rasselgeräusche während 
des Inspiriums und besonders nach Husten. Rechts hinten über dem Oberlappen 
Atmen leise vesiko-bronchial, feine und mittlere, meist trockene Rhonchi. Über 
der oberen Hälfte des rechten Unterlappens Inspirium leise, rauh, Exspirium 
verlängert, ziemlich spärliche feine und mittlere Rhonchi, meist nur nach 
Husten hörbar. Über der unteren Hälfte des rechten Unterlappens dieselben 
Verhältnisse mit vereinzelten feinen trockenen Rasselgeräuschen. 

Patient ist sehr anämisch, Hämoglobingehalt 65%. Sputum schleimig- 
eitriger Natur, reichlich, enthält elastische Fasern vereinzelt und in Fetzchen 
in grösserer Anzahl, sowie auch Tuberkelbazillen, Gaffky VI—VII. Urin ohne 
Befund. Gewicht 84 kg. Keine Nachtschw^cisse. Apetit und Schlaf gut. 

Patient erholt sich in seinem Allgemeinbefinden rasch und gut, doch 
bleibt der Auswmrf in ungefähr gleicher Menge bestehen. 

Mitte Juni 1908 im Auswmrf noch elastische Fasern imd Tuberkel¬ 
bazillen, Gaffky 111—IV. Der Hämoglobingehalt des Blutes hat sich auf 82 o/o 
gehoben. Die Temperatur ist während dieser Zeit leicht erhöht — 37,3 bis 
bis 37,5, wird aber rasch normal imd bleibt so bis Ende Juni. Nach mehreren 
kleineren Blutungen entzündliche Erscheinungen im Mittellappen, die aber bei 
Bettruhe bald zurückgehen. 



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189] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapsthernpie. 


1S9 

Im Juli wiederholen sich bei normaler Temperatur und ohne 
besondere Ursache die kleinen Blutungen abermals, welche den Patienten 
in Erinnerung an seine frühere schwere Blutung in In sehr beunruhigen. 
Am 4. August abermals kleine Blutungen. Da zu gleicher 
Zeit auch der Lungenbefund in seiner Besserung nicht 
gleichen Schritt hält mit der Besserung des Allgemein¬ 
befindens, sondern sich eher eine Neigung zu Zerfall 
zeigt, wird am 7. August 08 von li u c i u s S [> e n g 1 e r und Ne u - 
mann ein künstlicher Pneu m o t h o r a x a n g e 1 e g t. 

Der Eingriff geht glatt von statten. Es werden in den gross gebauten 
Brustraum 1000 ccm Stickstoff eingelassen bis zu einem Enddruck von 1 mm 
Hg. Patient erträgt den Eingriff ohne irgendwelche Beschwerden. Die Tem¬ 
peratur geht am nächsten Tage bis 37,4, fällt am zweiten Tage nach der 
Operation auf im Maximum 37,2, um von da ab Jiormal zu bleiben. Dru* 
Puls steigt nie über 72—76. 

Am 14. August wird Patient vor dem Röntgenschirm untersucht. Die 
Lunge, welche nach der Operation fest am Hiliis komprimiert gelegen hatte 
— überall frei von den Brustwandungen — hatte sich in wenigen Tagen wieder 
stark ausgedehnt, so dass eine Nachfüllung von Stickstoff notwendig wurde. 

Es wurde ein Anfangsdruck von — 2 mm Hg konstatiert. Hierauf Ein¬ 
führung von 800 ccm Stickstoff, wobei ein Enddruck von -f-1 mm Hg erreicht 
wurde. Die Lunge lag nachdem wieder flach am Hilus angepresst. 

Da.s Sputum war nach diesen beiden Nachfüllungcii nMcldichcr, enthielt 
sehr viele elastische Fasern und Tuberkelbazillen. Das Befinden des Patienten 
besserte sich zusehends. Das Gewicht beträgt Ende August 89 kg, der Hämo¬ 
globingehalt des Blutes steigt auf 96o'o. 

Der Stickstoff wird nun sehr langsam resorbiend, so dass eine weitere 
Nachfüllung erst am 8. September 08 notwendig wird. Es wird dabei ein An¬ 
fangsdruck von — 2 mm Hg nachgewiesen und nach Einführung von 900 ccm 
Stickstoff wird ein Enddruck von + 3 mm Hg erreicht. 

Sputum war nach dem 18. August 08 nicht mehr erhältlich. 

Patient musste aus dringenden geschäftlichen Gründen eine längere Reise 
unternehmen und kehrte erst am 19. Oktober 1908 nach Schatzalp zurück. 
Während dieser Zeit hatte sich der Stickstoff beinahe ganz resorbiert und 
war auch wieder Auswurf aufgetreten. Der Pn.Th. konnte jedoch mittelst Nach¬ 
punktion erneuert werden und wurde dann bis Januar 1909 erhalten. 

Während dieser Zeit blieb die Temperatur anhaltend normal. Der Puls 
bewegte sich zwischen 72 und 76, das Gewicht stieg Anfang Februar bis auf 
95,2 — bei anhaltend ausgezeichnetem Allgemeinbefinden. 

Es wurde deshalb beschlossen, den Pneumothorax niclit mehr zu er 
neuem. 

Am 5. Februar 1909 Avurde folgendes in die Krankemgeschichte notiert; 
Am 12. Januar hatte Patient noch deutlich nachweisbaren Pneumothorax, 
wobei die Lunge etwa zur Hälfte ausgedehnt war. Am 2. Februar konnte vor 
dem Röntgenschirm, sowie durch die physikalische Untersuchung kein Pneurno 
thorax mehr nachgewiesen werden, jedoch noch ein Rest des schon vor vier 
Wochen aufgetretenen kleinen Exsudates (das Exsudat war olme Ficberersc hei 
nungen zu erzeugen Anfang Januar aufgotreten und verlor sich dasselbe ganz 
und ohne therapeutische Eingriffe gegen Mitte Februan. 

Das angefertigte Röntgenbild bestätigt den Durchlcuchtungsbefund. 


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190 L. Brauer und Lucius Spengler. [190 

Der Lungenbefund war am 5. Februar folgender; 

Rechts oben Retraktion. Die ganze rechte Seite deutlich abgeflacht. tb.-r 
der reichten Seite abgeschwächter Perkussionsschall. Rechts vorn steht 
der untere Lungenrand am oberen Rand der 6. Rippe in der Papillarlinie. Rechts 
hinten ist die Dämpfung über dem Unterlappen zwei Finger unterm Ang. scap. 
inf. absolut und verläuft diese Dämpfungslinie entsprechend dem pleuritischen 
Exsudate nach vorn. 

Bei der Auskultation links vorn über Klavikula etwas zu scharfes vesi¬ 
kuläres Inspirium, Exspirium wenig verlängert, ab und zu ein feiner trockener 
Rhonchus nach Husten. Dasselbe hinten über der Spitze, sonst links überall 
reines vesikuläres Atmen. 

Rechts vorn über Klavikula Atmen im allgemeinen etwas zu leise, 
Insp. rauh, Exsp. verlängert, keine Rh. Im 1. ICR. Atmen lauter, Insp. rauh. 
Exsp. verlängert, keine Rh. Dasselbe im 2. ICR. Über dem Mittellappen rauh¬ 
scharfes Inspir., etwas verlängertes Exspir., gegen das Sternum zu einige 
feine mittlere trockene Rhonchi nach Husten. Rechts hinten über Oberlappen 
Atmen leise, Inspirium rauh, Exspirium verlängert, ab und zu ein feiner 
trockener Rhonchus. Über dem Unterlappen Inspirium rauh, Exspirium ver¬ 
längert, neben der Wirbelsäule einige feine trockene Rhonchi. Gegen die 
Basis zu wird das Atmen schwächer und hört man längs dem oberen Exsudat¬ 
rande pleuritisches Reiben. 

Das Verhalten des Exsudates wird genau kontrolliert und verschwindet 
da.sselbe ohne weitere Eingriffe von selbst innerhalb den nächsten 6 Wochen. 
Die Lunge dehnt sich vollkommen aus. 

Der seit November 08 ins Laboratorium gelieferte Auswurf war schleimig¬ 
eitrig, grau und getrübt, enthielt im schleimig-eitrigen Teil sehr zahlreiche 
Leukozyten und spärliche Alveolarepithelien, aber niemals Tuberkelbazillen oder 
elastische Fasern. 

Die Temperatur bleibt anhaltend normal, der Puls auch nach ausgedehnten 
Spaziergängen zwischen 72 und 76. Das Gewicht steigt auf 100 kg bis Ende 
April 09. Patient verlässt Anfang Mai 09 Davos. 

Am 23. April wird folgender Lungenbefund notiert: 

Rechte Schulter steht tiefer, rechte Thoraxseite deutlich abgeflacht, die 
Interkostalräume durchgehend rechts enger als links. Bei der Perkussion ist 
der Schall über der rechten Lunge kürzer als links. Die Dämpfung aber überall 
gering. Der untere Rand der rechten Lunge an normaler Stelle. Das Herz ist 
um ca. 2 cm nach rechts verschoben. 

Bei der Auskultation links nur über der Spitze etwas verschärftes vesi¬ 
kuläres Atmen beim Inspirium, Exspirium kaum verlängert, keine Rhonchi; 
sonst links überall vesikuläres Atmen. 

Rechts vorn über Klavikula Atmen zu leise, Inspirium rauhscharf, Ex¬ 
spirium verlängert, nach Husten vereinzelte feine trockene Rhonchi. Dasselbe 
im 1. und 2. Interkostalraum. Über dem Mittellappen rauh-scharfes Inspirium, 
Exspirium kaum verlängert, keine Rhonchi. Hinten rechts über dem Unter¬ 
lappen Atmen im allgemeinen zu leise, Inspirium scharf-rauh, Exspirium ver¬ 
längert, keine Rhonchi. Über dem rechten Oberlappen hinten dieselben Ver¬ 
hältnisse wie vorn über dem Oberlappen. — 

Am 11. Dezember 09 berichtet Patient aus Bombay; Ich verlebte 
den Sommer 09 in Irland und verliess dasselbe im August, um nach Bombay zu 
fahren, wo ich im September ankam, nach einer heissen und mühsamen Reise. 



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191] 


Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapic. 


191 


Trotz der Beschwerden derselben hielt sich mein Gewicht \md blieb ich voll¬ 
kommen gesund. Seit meinem Hiersein habe ich sehr viel gearbeitet, da mein 
Geschäftsteilhaber aus Gesundheitsrücksichten nach Europa reisen musste. Meine 
Lunge hat mir keinerlei Beschwerden oder Unbequemlichkeiten verursacht. 
Ich habe normale Temperatur, keinen Husten und keinen Auswurf. — 

Indikation zur Operation. Mittelschwere Tuberkulose 
der ganzen rechten Lunge. Leichter, inaktiver Prozess der linken 
Spitze. Da Kranker bald nach Beginn seines Leidens eine sehr 
schwere Blutung hatte und in der letzten Zeit trotz seines Aufent¬ 
haltes im Sanatorium wiederholt leichte Blutungen auftraten, und im 
Anschluss an die letzte Blutung Temperaturerhöhung und Verschlech¬ 
terung des Lungenbefundes konstatiert werden musste, wird am 
7. August 1908 ein künstlicher Pneumothorax angelegt. 

Epikrise. Der Pneumothorax, der ein kompletter 
war, bestand während ca. einem halben Jahre. Ab¬ 
gesehen von einem kleinen pleuritischen Erguss, der nur während 
sechs Wochen bestand und das Befinden des Kranken nicht im 
geringsten beeinträchtigte, war der Verlauf ohne Besonderheiten. Die 
rechte Lunge hatte sich schon Ende Februar 1909 wieder 
vollständig ausgedehnt imd die linke Spitze erschien ge¬ 
bessert resp. ausgeheilt. Es besteht weder Husten noch Auswurf 
seit fünf Monaten. Vor der Operation ziemlich viel Auswurf und 
reichlich Tuberketbazillen sowie elastische Fasern in demselben 
(Gaffky VI—VII). Befinden des Krank en das eines Ge¬ 
sunden. Derselbe wird im Mai 1909 aus der Behandlung ent¬ 
lassen. Bericht vom 11. XII. 1909 lautet sehr günstig. 


56. Herr V. W., Dr. med., geboren am 28. Oktober 1875. (Fall V 
Dr. V. Mni alt.) 

Vater lebt, gesund; Mutter an Myokarditis gestorben. Mutters Mutter an 
Tuberkulose gestorben, ebenso ein Bruder der Mutter. Geschwister an Diphtherie 
und Typhus gestorben. Patient ist 3/5. Schwestern leben, gesund. Verheiratet 
mit einer Frau, die an leichter Lungentuberkulose leidet. Ein Töchterchen 
gesund. 

Patient hat Masern, Diphtherie, Scharlach mit Nephritis und Keuchhusten 
als Rind durchgemacht Er entwickelte sich ordentlich, war mittelmässigor 
Esser, hatte im Winter öfters Schnupfen. Mit 19 Jahren machte er eine 
katarrhalische Lungenentzündung durch. Während der Studienjahre unterernährt 
und nervös. Im Sommer 1899 magerte er ab, sah schlecht aus, hatte 
Husten und Kehlkopfkatarrh. Im August 1899 eine „Lungenentzündung" mit 
Tuberkelbazillen im Auswurf. Er machte daher eine Kur in Arco, wo er 
fieberfrei wurde. Im Januar 1900 kam er nach Davos, wo er bis im April 
eine gute Kur machte, Husten und Auswurf verlor und 12 kg zunahiu. Er 


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192 


L. Brauer und Lucius Spengler, 


[192 


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absolvierte nachher das iiiediziiiisclie Süuitsexaiiien in seiner Heiinat, hustete 
ah(‘r dahei wieder etwas und Luid auch Bazillen im Auswurf. Bis im März 00 
übte er dann eine selir anstrengende Landpraxis aus und befand sich dahei 
wohl, obgleich öfters Tuherkelbazillen im J:>putuin nachgewiesen wurden. Im 
März 00 machte er Typhus eximthemalicus durch, nach welcher Krankheit 

er sich nicht ordentlich entfieherte. Im Summer steigerte sich die Temperatur 
etwas, auch nahm der Husten xmd der Auswurf zu. Er kam daher im 
November 00 zur Kur nach Davos. 

Bei der Aufnahme wurde notiert: 03,0 kg. Er ist von mittlerer Kon¬ 
stitution, ziemlich mager, blass. Der Thorax ist lang und etwas flach. Die 

Klavikulargruben vertieft, besonders links. Die linke Lunge schleppt nach. 
Atembreite 9 cm. 

Herz. Der Spitzenstoss ist im 4. und 5. Interkostalraum etwas einwärts 
der Mamillarlinie zu fühlen. Absolute Dämpfung am oberen Rand der vierten 
Ripj)e, 2 cm links vom linken Sternalrand. Erster Ton über der Spitze etwas 
unrein, zweiter Pulmonalton klappend. Puls 84, kräftig. Milz etwas gross, 

Leber ohne Besonderheiten. 

Lungen. Perkussion: R. v. leichte Dämpfung bis 2. Rippe, 
Lungenrand an der 6. Rippe, gut verschieblich. R. h. Perkussionsschall über 
der Spitze und im Interskapularraum nicht ganz laut. L. v. leicht relative 
Dämpfung mit Tympanie bis Klavikula, leichte Dämpfung bis zweite Rippe, 
etwas stärkere Dämpfung im zweiten Interkostalraum, leichte Dämpfung bis 
unten. L. h. leichte Dämpfung mit Tympanie bis Spina und leichte Dämpfung 
bis zum Angulus. 

Auskultation: R. v. ves.-br. Atmen bis zweite Rippe, mit spär¬ 
lichen tonlosen Rh. nach Husten, verschärftes Atmen im zweiten Interkostal¬ 
raum. • 

R. h. ves.-br. Atmen mit spärlichen, tonlosen Rh. nach Husten bis unter¬ 
halb Spina, verschärftes Insp. mit verlängertem Exsp. bis Angulus. L. v. 
br. Inspirium mit arnph. Exsp. bis Klavikula, spärliche, nach Husten mässig 
zahlreiche, grobe, klingende Rh. Br.-ves. Insp. mit br. Exsp. bis 3. Rippe, 
nach Husten spärliche, halbklingende Rh. Im 3. Interkostalraum leises, unreines 
Atmen, in den unteren Partien scharfes, unreines Atmen. L. h. zu oberst wie 
V. o., von Spina bis M. ves.-br. Insp. mit br. Exsp., von Mitte bis Angulus 
verschärftes Insp. Irn ganzen Interskapularraum Knarren imd nach Husten 
spärliche, tonlose Rh. 

.Vuswurf: schleimig-eitrig mit zahlreichen Tuberkelbazillen (Gaffky VllI) 
und elastischen Fasern; im Urin keine krankhaften Bestandteile. Temperaturen 
bis 37,5. 

Der Patient machte bis zum 22. April 1907 Kur im Sanatorium Davos- 
Dorf. Er w'urdc bald fieberfrei, das Gewicht stieg auf 72 kg; der Auswurf 
schwankte, nahm während wiederholten Katarrhen zu, um schliesslich doch 
stark zurück zu gehen. Die Bazillen kamen am Schluss der Kur auf Gaffky IV 
herunter; im Laufe der Kur wurde er mit A.T.O. gespritzt. 

Ende April übernahm er eine leichte Assistentenstelle in einem Davoser 
Sanatorium, war aber trotz ordentlichen Befindens dieser Arbeit noch nicht 
gewachsen. Husten und Auswurf nahmen wieder zu, und das Gewdeht ging 
zurück. Er entschloss sich daher, die Kur in Davos fortzusetzen. 

Im Juli 1907 bildete sich ein kleines pleuritisches Exsudat 1. h. u. 
unter nur ganz leichten Temperatursteigerungen. Das Exsudat blieb dann 



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J93] Erfalirungen und Überlegungen zur Lungonkollapstherapie. 193 

mehrere Wochen stationär, um bis im Oktober 07 wieder völlig zu verschwinden. 
Im übrigen war das Befinden während des Sommers 1907 und des Winters 
1908 ziemlich gleichmässig. Der Auswurf schwankte zwischen 20 und 50 ccm 
und enthielt regelmässig mittlere Mengen von Tuberkelbazillen. Während 
mehreren Monaten wurde der Patient mit B e r a n e k - Tuberkulin behandelt. 
Der Befund der Lungen änderte sich nur wenig, das Rasseln über der linken 
Spitze wurde jedoch in dieser Zeit entschieden spärlicher. 

Am 1. Mai 08 reiste der Patient zu Studienzwecken ins schweizerische 
Tiefland und setzte dort selbst die Beranek-Tuberkulin-Kur fort Einmal beim Über¬ 
gang von einer Lösung zur nächsten haOe er eine starke, fieberhafte Reaktion. 
Am 13. Juli 08 kehrte er nach Davos zurück, nachdem er sich während längerer 
Zeit nicht im geringsten geschont hatte, ln den nächsten Tagen stieg die 
Temperatur staffelförmig bis 40®, um im Laufe einer Woche lytisch wieder ab¬ 
zufallen unter dem-Einfluss von zweimal 5 ccm M a r m o r e k - Serum. Die 
Milz war nicht vergrössert gegenüber früher, keine Roseolen, keine Typhus¬ 
bazillen im Blut Dagegen zeigte sich 1. h. u. eine deutliche Dämpfung mit 
abgeschwächtem Atmen und zahlreichem feinem Rasseln. Während der Ent¬ 
fieberung entwickelte sich 1. h. u. ein 3 Querfinger breites Exsudat 

Vom 25. bis 30. Juli war Patient fast fieberfrei, klagte aber über fötideu 
Oeruch des Auswurfs, weshalb ihm Myrthol gegeben wurde. Am 31. Juli be¬ 
gann die Temperatur von neuem zu steigen und erreichte am 8. August 
wieder 39,4. Gleichzeitig war das kleine Exsudat zurückgegangen. 

Da der Patient während einer langen Kur auch unter dem Einfluss von 
Tuberkulin sich nicht genügend gebessert hatte, um arbeits¬ 
fähig zu werden, und da in den letzten Wochen eine frische Aus¬ 
saat im linken Unterlappen hinzugekommen war, welche 
die Aussichten für die Zukunft au s s e r o r d e n 11 i c h t r ü b ge¬ 
staltete, da es überdies sehr wahrscheinlich war, dass 
sich infolge des Exsudats Verwachsungen ausbildeten, 
schlugen wir dem Patienten die Anlegung eines künst¬ 
lichen Pneumothorax vor. 

Die Operation wurde am 15. August 08 durch Lucius 
Spengler imd L. v. M u r a 11 ausgeführt. Eingehen in der mittleren Axillar¬ 
linie links im 6. ICR. Nach Blosslegung der Pleura sieht man sehr deut¬ 
lich die beiden Pleurablätter sich gegeneinander verschieben. Es gelingt ohne 
weiteres, den freien Pleuraspalt zu gewinnen und es werden gleich 800 ccm 
Stickstoff eingeführt. Anfangsdruck — 3 und 1; Schlusdruck imd -j- 6. 

Schon nach der ersten Nachfüllung am 17. August wird der Patient 
fieberfrei und hat guten Appetit. Der Puls wird langsam und kräftig wie 
früher. Die Operationswunde heilt per primam. Es bildet sich nur geringes, 
lokales Emphysem. Die Nachfüllungen ergeben sich aus der folgenden Tabelle, 
aus welcher zu ersehen ist, dass der Druck im Pneumothorax im Laufe 
der Zeit nur wenig gesteigert wurde. Als höchster Druck ist 6 und + ^ 
notiert. 

II. 09. Das Befinden des Pat. bezüglich der Lungen ist 
seither ein sehr gutes. Die einzigen Beschwerden von seiten seines 
Pnedmothorax sind etwas Druckgefühl und Mangel an Appetit direkt nach den 
Nachfüllungen. Der Auswurf ist stark zurückgegangen, 12—15 ccm, und enthält 
nur noch spärliche Bazillen (Gaffky II). Dagegen ist das Allgemeinbefinden 
durch eine leichte Albuminurie gestört, welche seit der fieberhaften Attacke 
B«itrige snr Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1. 13 


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194 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[194 


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im Juli 08 besteht. Der Eiweissgehalt des Urins schwankt, von Spuren bis 
2%o» *^^ch dem Verhalten des Patienten imd je nach der Diät, die er be¬ 

obachtet. Infolge dieses Zustandes hat das Gewicht seit der Anlegung des 
Pneumothorax die alte Höhe nicht mehr erreicht, sondern hält sich zwischen 
65 und 66 kg. 

Herr Dr. W. 


Nr. 

_ 

Datum 


Anfang-Druck 

1 Quantität 

1 

1 Schluss-Druck 

Insp. 

Exsp. 

Insp. 

Exsp. 

Oper. 

15. 

VIII. 

08 

-3 

1 

800 

ccm 

3 

6 

I. 

17. 

VIII. 

08 

-^5 

1 

500 

»» 

272 

! 6 

II. 

21 . 

VIII. 

08 


2 

400 

M 

3 

1 6\2 

III. 

25. 

VIII. 

08 

— 1 

272 

500 

>» 

5 

7 

IV. 

1. 

IX. 

08 

-5 

— 2 

650 

»» 

57 * 

672 

V. 1 

7. 

IX. 

08 

— 4 

— 1 

500 


472 

672 

VI. 

18. 

IX. 

08 

-3 

1 

700 

1 

»» 1 

5 

7 

VII. i 

3. 

X. 

08 

-5 

-272 

750 

” 1 

2 

4 

VIII. i 

14. 

X. 

08 

-372 

— 72 

500 

>> 

3 

472 

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26. 

X. 

08 

-2 

— 72 ! 

400 


5 

6 

X. I 

8. 

XI. 

08 

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72 

650 

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57« 

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4. 

XII. 

08 1 

-57-* 

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2 

372 

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16. 

XII. 

08 

i —2 ' 

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400 

i 

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XIII. 

30. 

XII. 

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650 

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472 

6 

XIV. 

6. 

I. 

09 1 

0 

1 

450 

ff 

572 

1 7 

XV. 

13. 

I. 

09 1 

0 1 

2 

250 

.. 1 


7 

XVI. 

27. 

1. 

09 ' 

0 

— 

450 


5 

7 

XVII. 

10. 

II 

09 

0 I 

2 

350 

ff 

672 1 

772 

XVIII. 

24. 

II. 

09 

0 

2 1 

400 

ff 

672 1 

1 ® 

XIX. 

10. 

III. 

09 

- 2 

2 i 

400 

,, 

5 

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XX. 

20. 

III. 

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3. 

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XXII. ; 

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IV. 

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6 

9 

XXIII. i 

12. 

V. 

09 ' 

1 

-272 1 

372 1 

450 

1 

’• 1 

5 

87* 


Nach der Nachfüllung vom 10. März 1909 stellte sich an den nächsten 
Tagen leichtes Fieber ein, das am 16. März als Maximum 38,4 erreichte. 
L. h. u. war ein kleines Exsudat jsu konstatieren, das sich bei Lagewechsel 
deutlich verschob und Sukkussionsgeräusch gab. Die Röntgendurchleuchtung 
bestätigte diesen Befund. Bei vollkommener Bettruhe ging die Temperatur 
bis zum 22. März wieder zur Norm zurück. Das Exsudat blieb aber bestehen. 
Seit dieser Zeit wird der Stickstoff weniger rasch resorbiert, und die Nach¬ 
füllungen sind weniger häufig notwendig (vergl. Tabelle). Das Exsudat 
verursacht dem Patienten keinerlei Beschwerden. 

Der Lungenbefund war Ende April 09 folgender: 

Perkussion: R. v. leichte Dämpfung bis erste Rippe. R. h. leichte 
Dämpfung bis Angulus. Lungenrand an der sechsten Rippe imd am 11. Brust¬ 
wirbel, gut verschieblich. L. v. lauter dröhnender Schall von oben bis zum 



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195] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapio. 


195 


7. Interkostalraum Auch über dem Stemuiii und bis 2 Querfinger breit über 
den rechten Sternalrand hinaus. Nur die äussere Partie des 1. und 2. Intcrkostal- 
raums ist relativ gedämpft mit tympanitischem Beiklang. L. h. laute Tympanie 
bis Spina, leicht relative Dämpfung mit Tympanie im ganzen Interskapular* 
raum, lauter dröhnender Schall vom Angulus bis 12. Brustwirbel. 

Die Herzdämpfung lässt sich r. v. abgrenzen, sic reicht 
nach oben bis zur 5. Rippe, nach rechts bis etwas über die rechte Mamillar- 
linie hinaus, nach links bis zur rechten Parastcrnallinie. Der Spitzenstoss ist 
weder zu sehen, noch zu fühlen bei gewöhnlicher Lage. Begibt sich aber der 
Patient in Knie-Ellenbogenlage, so ist im 5. Interkostalraum rechts neben dem 
Sternum die Herzaktion deutlich zu fühlen. Die Herztöne sind am deutlichsten 
im 3. bis 5. Interkostalraum, rechts vom Sternum zu hören 

Auskultation: H. v. bis 2. Rippe ves.-br. Insp. mit verlängertem, 
hauchendem Exsp., im übrigen stark verschärftes Atmen. R. h. bis Mitte ves.-br. 
Insp. mit br.-ves. Exsp., in den unteren Partien verschärftes Atmen. Im 
Interskapularraum, nach Husten, sehr selten ein Knack. L. v. zu oberst sehr 
leises Bronchialatmen, links vom Sternum überall sehr leises, fernes Atmen, 
über dem Sternum und am rechten Sternalrand leises, ves.-br. Atmen. L. h. 
zu oberst wie vorne, im Interskapularraum etwas lauteres ves.-br. Atmen, zu 
unterst sehr abgeschwächtes Atmen mit metallischem Beihauch. Der Stimm- 
freraitus ist rechts überall verstärkt, links sehr abgoschwächt, über den oberen 
Partien hinten aufgehoben. Es besteht deutliche Stäbchen-Plessimeter-Metallie 
vorne über dem Sternum, et\vas rechts von demselben, und nach links bis in 
die Mamillarlinie; hinten von der Mitte bis zum untern Rand des Pneumo¬ 
thorax. 

Im Röntgenbild sieht man die linke Lunge auf ein säiihmförmig links 
neben der Wirbelsäule gelegenes Gcbild komprimiert, das durch Stränge oben 
seitlich imd auch unten noch zum Teil an der Brustwand fixiert ist. Herz 
und Mediastinum treten auf der rechten Seite der Wirbelsäule deutlich zutage. 
Die rechte Lunge ist etwas trüb mit starker Gefässzeichnung. In der kom¬ 
primierten linken Lunge sieht man an verschiedenen Stollen rundliche imd 
längliche dunkle Schatten. 

Die linke Pupille ist etwas w'eiter als die rechte. Links sind die Inter¬ 
kostalräume verstrichen, die Supraklavikulargrubc ziemlich ausgefülll, während 
die rechte eingezogen ist. Es besteht Nachschleppen rechts, besonders in den 
unteren Partien. 

1 . V. 09. Wieder dauernd sehr gutes Befinden. Der Patient war vom 
28. III. bis 2. IV. in Zürich zur Maturitätsprüfung, vom 9. bis 19. IV. in Lausanne 
zur Absolvierung des medizinischen Propadeutikums. 

Exsudat vorne und hinten ca. 2 Querfinger hoch, deutliche Sukkussion. 

30. VII. Ungefähr jeden Monat eine Nachfüllung von 500 bis 700 ccm, 
Schlussdruck -[-4 bis 8. Patient war im Juni und Juli in Zürich und 
hat in bestem Wohlbefinden das Schweiz, med. Fachexamon bestanden. 68 kg. 

6 . X. Das Exsudat ist seit August langsam und ohne Fiebererschei¬ 
nungen zu machen, gestiegen und steht jetzt am unteren Rand der 3. Rippe 
und an der Mitte der Skapula. Seit Juli wurden nur noch zwei kleine Einfüllungen 
von 60 und 250 ccm gemacht. Etwas mehr Auswurf, rechte Spitze hinten 
unruhiger. 

17. XI. Im Oktober heftige Bronchitis mit quälendem Reizhusten und 
leichtem Fieber. Zurzeit wieder gutes Befinden. 70 kg. Der Patient hat im 

13* 


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196 L. Brauer imd Lucius Spengler. [196 

Herbst die ärztliche Praxis aufgenommen und arbeitet * viel. Exsudat seit 
Oktober unverändert. 

4. IV. 1910. Dr. W. hat den ganzen Winter als Arzt praktiziert und 
sich bei strenger Arbeit sehr wohl gefühlt. Keinerlei Beschwerden, nur beim 
Steigen leichte Dyspnoe. Pat. geht sehr viel. Nur alle 6—8 Wochen nach* 
gefüllt mit Schlussdruck von -\-l bis + 3- 

70,5 kg. Gutes Aussehen. Kein Husten, 3—5 ccm Sputum pro die. 
Darin keine Tuberkelbazillen oder nur bei Anreicherung Gaffky I, keine elast. 
Fasern. Urin frei von Albumen. Puls 78, kräftig. Das Exsudat steht vorne am 
unteren Rand der 4. Rippe, hinten etwas über dem Angulus scap. Über dem 
Exsudat lauter Höhlenschall bis zur Mitte des Sternum. Über den oberen 
Partien leises Bronchialatmen, über dem Exsudat fernes metallisches Atmen. 
Am Sternum und an der Wirbelsäule nach Husten spärliche, metallisch klingende 
Rhonchi. Rechte* Spitze wie im April 1909. 

Die Herzdämpfung reicht nach rechts nur bis in die Mamillarlinie, der 
Spilzenstoss ist auch in vornübergeneigter Stellung rechts vom Sternum nicht 
mehr zu fühlen. 

Auf dem Röntgenschirm zeigt es sich, dass Herz und Mediastinum weniger 
stark nach rechts gedrängt sind als vor einem Jahr. 

1. XI. 10. Immer gutes Befinden, übt ununterbrochen eine anstrengende 
ärztliche Praxis aus. 

Indikation. Seit 10 Jahren bestehende Phthise bei 
einem 35 jährigen Arzte. Nach dem letzten Schube von 1906 konnte 
trotz IV 4 jähriger Kur der Zustand nicht bis zur Arbeitsfähigkeit 
gebessert werden. Narbe rechts oben, Kavernen links, leichtere In¬ 
filtration der linken unteren Partien. Sommer 1908 frische Aussaat 
links unten, hohes Fieber. 

Epikrise. Ausgedehnter Pneumothorax links. Sofortige 
Besserung des Zustandes. 8 Monate später Bildung eines 
kleinen Exsudates, das später ohne Störung des Allgemeinbefindens 
anstieg und bis zuletzt ungefähr die Hälfte der Brusthöhle ausfüllte. 
9 Monate nach der Operation arbeitsfähig, 14 Monate 
post operationem Aufnahme der ärztlichen Praxis, 
die er während 13 Monaten bis zum Schlüsse dieses 
Berichtes (Nov. 1910) im besten Wohlbefinden durch¬ 
führte. 


57. Herr B. So. aus B., 17 Jahre alt, Gymnasiast. 

Anamnese: Patient ist das dritte von vier Kindern. Eltern leben und 
sind gesund. Ein Vaterbruder starb an Tuberkulose. Der Vater selbst machte 
mit 20 Jahren einen j: e c h t s seitigen Lungenspitzenkatarrh durch. Eine jüngere 
Schwester des Fat. leidet an Lungentuberkulose bes. rechts. Bei dem älteren 
Bruder bestehen leichte Veränderungen in der- rechten Lungenspitze. Pat. er¬ 
krankte im Januar 08 an Pharyngitis imd im Anschluss daran an rechts seitiger 
Pleuropneumonie. Er fieberte hoch während vier Wochen und bestanden dann 



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197] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


197 


noch während 14 Tagen Abendteraperaturen bis 37,7. Vom 20. April 08 ab Kur¬ 
aufenthalt in Davos. Pat. hatte den ganzen Sommer 08 über einen recht 
labilen Puls. Derselbe hielt sich in Ruhe zwischen 80 und 100, stieg aber selbst 
beim Gehen im Zimmer auf 110 und 120. Die Temperatur war oft erhöht, 
37,2—37,5. Das Gewicht schwankte um 72 kg herum. Der Auswurf war spärlich, 
doch wurden in demselben Tuberkelbazillen in geringer Zahl gefimden, aber 
keine elastischen Fasern. Appetit und Schlaf ziemlich gut Ende August 08 
wurde der folgende Befund notiert 

Über der Spitze der rechten Lunge deutl. Dämpfg., über den übrigen 
Partien der r. Lunge hinten und vom bis zur Basis leicht verminderte Sonorität 

Linke Spitze hinten und vorn vesikulär, aber zu rauhes Atmen, Rh. keine. 

Rechts vorn über Klavikula und im 1. ICR. Atmen zu leise, Insp. 
rauh, Exspir. leise hauchend, spärliche mittlere trockene Rhonchi. Im 2. ICR. 
Atmen lauter, Inspir. rauh-scharf, Exspir. verlängert, ab und zu ein feiner 
trockener Rhonchus. Über Mittellappen Atmen vesikulär, aber zu rauh, 
Rhonchi keine. 

Hinten oben über rechtem Oberlappen Atmen zu leise, Exspir. verlängert, 
spärliche mittlere trockene Rhonchi nach Hustenstössen. Über dem ganzen 
rechten Unterlappen ist das Atmen zu leise, das Inspir. rauh, das Exspir. 
verlängert, imd hört man mässig viel Knattern nach Hustenstössen, sowie 
Knistern, besonders an der Basis. — 

Am 15. Oktober 08 erkrankt Pat. akut Herzaktion sehr stürmisch. 
Puls 120—150; Temperaturen bis 40,0 und darüber. Pat macht den Ein¬ 
druck eines Schwerkranken. Es entwickelt sich eine schwere Pleuropneumonie 
rechts. Über dem ganzen Unterlappen Bronchialatmen, das mehr und mehr 
den Charakter des Kompressionsatmens annimmt Die konsultierten Kollegen 
stellen eine schlechte Prognose. Über Puls und Temperatur gibt die am 
Schluss beigeffigte Kurve Aufschluss (Tafel VIII). Die am 21. X. 
1908 ausgeführte Probepunktion ergibt klares Serum. 
Da andauernd eine hohe Kontinua (39,5—40,2) besteht und das Exsudat bis 
über die Mitte der Skapula steigt, wird den Eltern vorgeschlagen, das Exsudat 
zu punktieren, einen Teil davon zu aspirieren und durch Stickstoff zu er¬ 
setzen. Dieser Eingriff wird (Lucius Spengler) am 28. X. 08 
derart ausgeführt, dass mittelst eines mit Doppelhahn 
versehenen Troikarts erst 500 ccm Exsudat aspiriert (Druck¬ 
kontrolle mittelst Manometer) und dann 600 ccm Stickstoff ein- 
gelas-sen werden. Derselbe Vorgang wird wiederholt: Ablassen von 
300 ccm Exsudatflüssigkeit und Einlaufenlassen von 300 ccm Stickstoff. Schluss¬ 
druck -f” *^»9 mm Hg. Auf diese Weise wurden in Summa 800 ccm Exsudat 
aspinert und 900 ccm Stickstoff eingebracht. Um eine Infektion des Stich- 
kanaies zu verhüten, wurden vor Entfernung des Troikarts durch denselben 
6 ccm einer sterilen 10 o/q igen Jodoformöllösung in die Pleurahöhle gespritzt 
Die Untersuchung des Exsudates ergab: Spezif. Gewicht: 1,020, 
grünlich-gelbe Farbe mit rötlichem Sediment Im Sediment viele rote Blut- 
körpercnen, sehr wenig Leukozyten, keine Tuberkelbazillen. — 

Der Puls wurde ab 17. X. 08, d. h. mit dem Steigen des Pleuraergusse.s 
und dem dadurch bedingten Kollaps der Lunge entschieden besser. (Vergl. 
Temperaturkurve, Tafel VIII). 

Der Eingriff vom 28. X. 08 wurde sehr gut ertragen. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Am 2. N 0 V. 08 werden 500 ccm N nachgefüllt. Der Pn.Th. ist mittelst 
Stäbchenplessimetcrperkussion deutlich nachzuweisen. Die Temperaturen fallen 
nur langsam ab. 

Am 11. N o V. 08 Nachpunktion, 600 ccm N, Anfangsdruck 2,0, End¬ 
druck 4“ 5,0 mm Hg. Ab 24. Nov. 08 endlich Temperaturabfall. (Vorgl. Kurve.) 

Am 1. Dez. 08 Untersuchung des Auswurfes: Tuberkelbaz.: Gaffky IV, 
keine elast. Fasern. 

28. Nov. 08. Nachfüllung: 300 ccm N. 

A.-Dr. — 1,0 mm Hg. 

E.-Dr. -|- 5,0 mm Hg. 

Das Exsudat resorbiert sich. Am 6. Dez. 08 stand es 2 cm unterhalb 
Ang. scap. — Der Kranke erholt sich mm rasch. — 

13. XII. 08. Nachpunktion. 600 ccm N. 

A.-Dr. = 0 mm Hg. 

E.-Dr. = -j- 9,0 mm Hg. 

Vom 16. XII. 08 an steht Pat. täglich etwas auf. Da vom 24. XII. 08 
bis 1. I. 09 wieder Temp. bis 38,0 bestehen und der Puls sich noch als 
recht labil erweist, Bettruhe bis Anfang Febr. 09, trotzdem Temp. vom 2. Jan. 
09 ab völlig normal ist. 


3. I. 09. Nachounktion: 

N = 300 ccm. 

A.-Dr. 4" 3,0 mm Hg. 

E.-Dr. 4“ 15,0 mm Hg. 

3. II. 09. Pat. steht nun täglich 
Puls schwankt zwischen 80 und 100. 

6 . III. 09. Nachpunktion: 

N = 700 ccm. 


27. I. 09. Nachpunktion: 

N = 500 ccm. 

A.-Dr. 4~V2 
E.-Dr. -j- 10,0 mm Hg. 
etwas auf. Temperatur bleibt normal. 


A.-Dr. +.0 mm Hg. 

E.-Dr. 4- mm Hg. 

29. III. 09. Im Auswurf weder Tbc. noch elast. Fasern. Pat. ist den 
ganzen Tag über ausser Bett und macht kleine Gänge. — Puls früh morgens 
(im Bett) 60, tagsüber 80—100. 

10. IV. 09. Gewicht: 67,600 kg (Sommer 08 = 72,6 kg). 

14. IV. 09. Nachpunktion: 

N = 600 ccm. 

A.-Dr. — 1,0 mm Hg. 

E.-Dr. 4~ 3,0 mm Hg. 

3. V. 09. Durchleuchtung. Während am 11. XI. 08 das Röntgen¬ 
bild die Lunge auch über den oberen, hinteren Abschnitten in der Grösse einer 
Handfläche adhärent zeigte, ergab die Durchleuchtung am 3. V. 09 diese Ad¬ 
härenzen als gelöst. Mehr wie die obere Hälfte des Thorax war rechterseits 
durch eine grosse Luftblase ausgefüllt. Sehr eigenartig und nicht ganz leicht 
zu deuten waren die Verhältnisse im unteren Thoraxabschnitt. Die Lunge 
war hier vom Hilus aus nach unten zu dreieckförmig ausgespannt. Die Skizze 
(Fig. 23) zeigt das rechte Zwerchfell fast horizontal verlaufend. Die Lunge 
schien nicht dem ganzen Zwerchfell adhärent zu sein, denn zwischen diesem 
und der Lunge fand sich sowohl bei vorderer als hinterer Durchleuchtung 
eine hellere, als Gasblase gedeutete Partie. Adhärent war die Lunge wohl dem 
Zwerchfell nach aussen zu (nach dem Zwerchfellrippenwinkel), ferner der 
Thoraxwand vorne und hinten in Partien, die schraffiert sind. — 



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190] 


Erfahrungen und Ül>crlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


199 


Das Eigenartige Jag ferner in dem Folgenden. Bei ventro- 
dorsaler Durchleuchtung sah man deutlich den Lungenrand vom Pn.Th.-Raum sich 
abheben. Führt Pat. nun eine tiefe Atembewegung aus, so dehnte er damit 
ausgiebig auch die rechte Tiioraxseite. Es entstand eine Luftverdünnung 
im Pn.Th.-Raum, und damit eine inspiratorische Ausdehnung der rechten 
Kollapslunge und so stieg der Lungenrand inspiratorisch um gut 4 Finger 
breit. — Die dunkleren Stellen hielten wir für Reste der Mitte Oktober 08 
von verschiedener Seite konstatierten pneumonischen Herde. — (Vgl. Fig. 23. ' 
Befund vom 5. V. 09. Gewicht 70,0 kg, also in letzter Zeit um 3 kg 
gestiegen. Puls ist während der letzten Monate qualitativ und quantitativ 
auffallend besser geworden. Es werden morgens früh im Bette stets 58—64 
Pulse gezählt. Seit 4 Wochen steigt er tagsüber nicht mehr über 92. — Die 
Temperatur ist seit dem 2. 1. 09 absolut normal, ganz selten 37,1—37,2. — 
Kein Husten und kein Auswurf. Cher der linken Lunge überall vesik. Atmen, 
auch über Spitze. — R. besteht ein grosser Pn.Th.; Exsudat vollständig 
resorbiert. Der Pn.Th. ist über der oberen Hälfte des Thorax deutlicher als 



Fig. 23. 


über der imteren. Vergl. Resultat der Durchleuchtung vom 3. V. 09 (Fig. 23), 
Schlaf, Appetit, Allgemeinbefinden vorzüglich. Pat. kann ohne Mühe 1—2 
Stunden gehen. 

Patient lebte den Sommer über bei .seinen Eltern in Z. und reist zu den 
Nachpunktionen nach Davos. 

Am 3. Juni 09. .Am 27. Juli 09. Nachpunktion: 

A.-Dr. = — 2 mm Hg. A.-Dr. = — 2,0 mm Hg. 

E.-Dr. == -|- 7 mm Hg. E.-Dr. = -f- 6,0 mm Hg. 

N = 450 ccm. N = 500 ccm. 

Am 14. September 09. Nachpunktion: 

A.-Dr. = — i/o mm Hg. 

E.-Dr. = 7 mm Hg. 

N = 300 ccm. 

Im Auswurf weder elastische Fasern noch Tuberkelbazillen. Der Kranke 
lebt wieder in Davos. — 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Am 18. November 09. Nachpunktion: 

A.-Dr. = — 1,0 mm Hg. 

E.-Dr. = 7—8 mm Hg. 

N = 200 ccm. 

Die Lunge hat sich deutlich ausgedehnt und gelingt es trotz der ange¬ 
gebenen Drucksteigerung von 8—9 mm Hg nicht mehr wie die kleine Menge von 
200 ccm N einzuführen. 

Am 22. Januar 10 wird abermals eine Nachpunktion versucht. Da sich 
die Lunge vor dem Röntgenschirm wieder mehr ausgedehnt zeigt und die 
Nachpunktion nicht glatt gelingt, wird dieselbe unterbrochen und beschlossen, 
den Pn.Th. eingehen zu lassen. 

Im Februar 10 werden im Auswurf noch einige wenige Tuberkelbazillen 
gefunden, doch nur im Sediment. Seither konnten Tuberkel¬ 
bazillen im Auswurf nicht mehr gefunden werden, trotz 
wiederholter Untersuchung. 

Am 16. März 10 ergab eine Durchleuchtung, dass der 
Pn.Th. vollständig eingegangen war. Keine Spur von Exsudat 

Schlussbefund vom 9. Juli 1910. Gewicht 73 kg. Puls 80. Tem¬ 
peratur normal. Auswurf spärlich und ohne Tuberkelbazillen. — Über der 
rechten Lunge überall leichte Dämpfung. — Herz 2 i/o cm nach rechts verlagert. 

Linke Lunge überbläht, reicht vorn bis zum rechten Sternalrand. Links 
überall vesikuläres Atmen auch in der Spitze. 

Rechts vom über Klavikula Atmen leise, Insp. rauhscharf, Exsp. leise 
hauchend, keine Rh. Im 1. ICR. Insp. rauhscharf, Exspir. verlängert, keine 
Rh., über M.-L. abgeschwächtes Atmen ohne Rh. Hinten rechts oben über 
O.-L. Atmen leise, Insp. rauhscharf, Exsp. verlängert, keine Rh. Über dem 
ganzen rechten U. L. stark abgeschwächtes Atmen ohne Rh. Unterer Lungenrand 
steht rechts 1 cm zu hoch. Er ist etwas verschieblich. 

Indikation zur Operation. Die sehr schwere Erkrankung 
der Lunge sowohl als auch der Pleura liessen einen schlechten Aus¬ 
gang befürchten. Mitte Oktober 1908 war unter sehr stürmischen, 
gefahrdrohenden Erscheinungen eine sehr schwere rechtsseitige Pleuro¬ 
pneumonie aufgetreten. Rechterseits hat vordem eine offene Tuber¬ 
kulose bestanden. Die andere Seite war frei. Das Exsudat war hämor¬ 
rhagischer Natur. In dem Ersatz des Exsudates (mittelst Punktion), 
durch ein indifferentes steriles Gas, und in der dadurch geschaffenen 
Möglichkeit, solange als notwendig, einen Kollaps der Lunge zu 
erhalten, sahen wir, um so mehr als es sich um einen harmlosen 
Eingriff handelte, einen grossen Vorteil. 

Epikrise. Das Exsudat wurde erstmals am 28. Oktober 1908 
mittelst Punktion durch N ersetzt. Dieses Vorgehen wurde wieder¬ 
holt , bis das Exsudat keine Neigung zur Vermehrung mehr 
zeigte. Der Pneumothorax wurde sodann während Jahren unter¬ 
halten. Letzte Nachpunktion im November 1909. 

Im März 1910 erwies sich der Pneumothorax als resorbiert und 
dio Lunge fast ganz wieder ausgedehnt. Patient fühlt sich voll- 



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201] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 201 

ständig gesund, arbeitet und bereitet sich auf 
Matura vor. Der Puls, welcher schon vor dem Auftreten der 
Pleurapneumonie sehr labiler Natur war und oft die Höhe von 
100 und mehr erreichte, schwankt nun seit Monaten zwischen 
60 und 80, die Temperatur ist völlig normal, niedriger 
als vor dem Auftreten der Pleuropneumonie. Sie war vor der¬ 
selben öfters erhöht. Der Kranke hat nicht die geringste Dyspnoe, 
kann grosse Spaziergänge ohne Mühe machen, Seine Angehörigen 
sind mit dem Erfolg ausserordentlich zufrieden, und zwar um so mehr, 
als mehrere Ärzte eine schlechte Prognose gestellt hatten. 


9. Frau G., 31 Jahre alt, aus St. 

Über diesen Fall hat B r a u e r i) bereits ausführlich berichtet Es sei 
hier nur ein kurzer Überblick gegeben. 

Im Hinblick auf die Schwere der rechtsseitigen Erkrankung und das 
stationäre Verhalten der linken Seite wurde am 9. November 08 ein künstl. 
Pn.Th. angelegt Ausser dem ersten Eingriff wurden fünf Nachpunktionen 
(14., 16. und 18. November, 3. und 8. Dezember 08) ausgeführt — Es wird 
ein ziemlich grosser Seitenpneumothorax erzielt. Der Unter- 
lappen ist mit einem etwa 3 Querfinger breiten Strang an der hinteren Partie 
der Zwerchfellkuppe angewachsen. Das Auftreten einer Zwerchfell¬ 
lähmung, eines Kardiospasmus und einer nervösen Dys¬ 
pepsie machten es nötig, den Pn. Th. zweimal abzupunk¬ 
tieren und auf eine Fortsetzung der Behandlung zu ver¬ 
zichten. Näheres ist an oben genannter Stelle zu finden. 

Den Sommer 09 verbrachte die Kranke zu Hauso auf dem Lande, den 
Herbst in Meran und den Winter 09/10 im Sanatorium Schatzalp-Davos. 

Der weitere Verlauf der Krankheit zeigte keine Besonderheiten 
oder Erscheinungen, die mit der vorangegangenen Pneumothorax¬ 
behandlung hätte in Zusammenhang gebracht werden können. — 


58. K. V. B., 36 Jahre alt, Offizier. (Sanatorinm Wienerwald, Dr. Baer 
und Dr. Kraus.) 

Patient stand von Mitte Juli bis Mitte Oktober 1905 im Sanatorium Wiener¬ 
wald in Behandlung. Er war angeblich im August 04 nach einer Verkühlung 
an Influenza erkrankt, an welche sich längeres Fieber, Nachtschweisse, Husten 
\md Auswurf anschlossen. Der Befund ergab eine Infiltration des 
linken Oberlappens. Der Verlauf war im ganzen fieberfrei und der Pat. 
wurde in gebessertem Zustande mit ivesentlichcr Gewichtszunahme i^Anfangs- 
gewicht 66,20, Entlassungsgewicht 78,70 kg) entlassen. 

Mitte Februar 06 Hess sich Patient wieder in die Anstalt aufnehmen. 
Die physikalischen Zeichen der Infiltration des linken O.-L. wan n deutlicher aus- 

^) Brauer, Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 
(Diese Beiträge, Band XII, Heft 1.) 


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202 L. Brauer und Lucius Spengler. [202 

gesprochen, es bestand in tä s s i g r e i c Ii 1 i c h e r A u s w u r f mit zahl- 
r e i c h e n T u b e r k e 1 b a z i 11 e 11 ; die Temperatur war nahezu immer normal. 
Da der Proz(‘ss sich nicht nennenswert änderte, unterzogen wir den Pat. eimT 
Tuberkulinkur, bei welcher wir ohne stärkere Reaktion bis Mitte August 06 bis 
zu 0,Gg Original Alttuberkulin gelangten. Dann verliess der Patient in gutem All¬ 
gemeinbefinden, jedoch mit nicht wesentlich verändertem Lokalbefunde die Anstalt 
und trat seinen Dienst (als Lehrer in einer Kadettenschule) wieder an. Seither 
stellte er sich immer wieder von Zeit zu Zeit hier vor. Im Mai 07 konnten 
wir Zeichen beginnenden Zerfalles in dem oberen Anteile 
des linke n 0 b e r 1 a p j) e n s konstatiere n. Es bildete sich daselbst 
langsam —- auffallenderweise immer bei nahezu fieberlosem Verlaufe — eine 
Kaverne aus unter wiederboltem Auftreten kleiner Hämoptysen. Der Ver¬ 
lauf war also langsam progredient; Allgemeinbefinden, Kräftezustand und Körper¬ 
gewicht änderten sich nicht nennenswert. Inzwischen hatte der Patient zu 
Hause nochmals eine Tuberkulinkur durchgemacht, bei welcher er reaktions¬ 
los bis zu 1 g Alttuberkulin gelangte. 

Trotz einer 3- und einer 6 monatlichen Anstaltsbehandlung, trotz zwei¬ 
maliger Tuberkulinkur war also der Prozess langsam progredient geworden 
und hatte sich dann durch viele Monate nicht geändert. Da der Patient in 
seinem Berufe behindert war, und man ihm eine wesentliche Änderung 
seines Zustandes nicht versprechen konnte, empfalilen wir ihm die Anlegung eines 
künstlichen Pneumothorax. Es erschien uns dieser Fall als sehr geeignet, da 
er einen schweren einseitigen i^rozess aufwies, der unter den üblichen Behand¬ 
lungsmethoden sich nicht gebessert hatte. Die andere Lunge erschien nahezu 
gesund (es war nur etwas rauheres In- und wenig verlängertes Ex^iriura zu 
hören, keine Has.selgeräusche'); die unteren Lungenränder der kranken Seite 
waren frei beweglich; keinerlei Komplikationen von seiten anderer Organe. 

Die Operation wurde am 28. XI. OSinMarburg (Brauer) vorgenommen. 
Die Anlegung des Pn.Th. gelang gut, es wurden 1000 ccm N eingegossen. Dann 
wurden am 3. XII. 1000, am 7. 900 und am 11. 600 ccm nachgefüllt, worauf 
dann der Pat. zu uns reiste. Wir fanden einen grossen Pn. Th., die 
Lunge in ihrem oberen Anteile adhärent. Von der Basis der Lunge 
zog eine streifenförmige Adhäsion zum Zwerchfell, diese zeltartig in die Höhe 
hebend. Der Patient fühlte sich selir wohl, die Wunde war per primam geheilt. 
Die Sputum menge, welche vor der Operation ca. 20—30 ccm täglich be¬ 
tragen hatte, stieg nach der Operation auf 50 ccm, um dann langsam und 
konstant abzusinken. Im Januar 09 rückte der Patient zu seinem 
Regiment ein. Seither kommt er alle 4—5 Wochen zur Stick- 
stoffnachfüllung zu uns. Die Nachpunktionen gingen stets glatt von 
statten, nur einmal erzeugten wir dem Patienten -ein Hautemphysem in der 
Umgebung der Ihinktionsstelle, welches sich über Brust und Rücken ausdehnte. 
Es schwand jedoch in wenigen Tagen wieder ohne weitere Folgen. 

Pat. ist mit seinem Zustande sehr zufrieden, er kann seinem schweren 
Dienst als Reiter Offizier bei der Truppe nahezu gänz¬ 
lich ungestört n a c h g e h e n , während er früher in dem 
wesentlich leichteren Berufe als Lehrer v i e 1 f a c li be¬ 
hindert war und s o 1 c li e n Anstrengungen, wie sie ihm jetzt 
z u g e ni u t t Werden, durch Jahre nicht gewachsen g e w e .s e n 
w a r. Nach der jedesmaligen Punktion stedgt die Sputummenge etwas an, dann 
sinkt sie wieder und derzeit hat der Patient nur des morgens 1—2 ccm 



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208] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 203 

A u s w u r f. Derselbe ist wesentlich schleimiger und flüssiger. Seit Dez. 1909 
konnten keine Tuberkelbazillen mehr nachgewiesen werden. Sept. 1910 
Zustand andauernd günstig. Macht seinen Dienst ohne Beschwerden. Nach* 
Punktionen alle 4—5 Wochen. 

Dieser Erfolg ist zufriedenstellend. Patient ist seinem Berufe wieder¬ 
gegeben (er ist inzwischen avanciert) imd fühlt sich sehr gut. Eine voll¬ 
kommene Heilung ist bisher nicht erreicht worden und es ist fraglich, ob 
dies durch die Pneumothoraxtherapie überliaupt möglich sein wird, da die Lunge 
in ihrer Kuppe adhärent ist und daher sich nicht vollständig komprimieren lässt. 

Indikation. Während dreijähriger Beobachtung langsam 
progredienter Verlauf. Kavernenbildung. Behinderung im Berufe 
als Offizier. Auf Gitind des ausgedehnten Befundes und der mehr¬ 
jährigen Beobachtung war eine ungünstige Prognose zu stellen. 

Epikrise. Lunge in der Thoraxkuppe und streifenförmig am 
Zwerchfell adhärent, sonst gut kollabiert. Sputum von 20—30 ccm 
auf 1—2 ccm gesunken, weniger eitrig. Seit Dezember 1909 keine 
Tuberkelbazillen. Pleuraraum andauernd trocken. Patient tut 
vollen Dienst als Keiteroffizier bei der Truppe; er 
ist trotz seines grossen Pneumothorax auch stärkeren Anstrengungen 
gewachsen. Der Pneumothorax soll versuchsweise zum Frühjahr 1911 
eingehen. Für diesen Teil der Behandlung, der besonders sorgsamer 
Überwachung bedarf, wird etwa Jahr Sanatoriumbehandlung 
nötig sein. 


59. Dr. R., Rechtsanwalt, 41 Jahre alt. 

Anamnese: Im 18. Lebensjahre r. Spitzenkatarrh, 1893 Keuchhusten, 
damals Kehlkopflues (?).‘Gleichzeitig wurde Lungentuberkulose festgestellt. 1903 
nach Hohenhonnef; daselbst 7 Monate in Behandlung, geheilt entlassen. Herrn 
Prof. Meissen danken wir aus jener Zeit einen eingehenden Bericht, dem 
wir entnehmen, dass eine doppelseitige Oberlappenaffektion und zwar rechts 
mehr wie links bestand. Der Auswurf war gering, wurde gegen Schluss der 
Behandlung bazillenfrei. 

Später erneut erkrankt. Behandlung in Sülzhain, Dr. Kremser 
(Juli 1905). Dem sehr ausführlichen Bericht sei entnommen: ,,Gewicht 89 kg, 
zahlreiche Tuberkelbazillen, kein Fieber, Puls 84, kräftig, regelmässig. Herz 
ohne Befund. März 1905 Hämoptoe. 

L u n g e n b e f u n d: R. v. o. Schall bis 1. ICR. leicht verkürzt, Atmung 
etwas verschärft, über Klavikula im Exsp. leicht verlängert, ohne katarrhalische 
Erscheinungen. Nach r. v. u. und seitlich normal. 

L. V. o. Schall bis 1. ICR. und Axilla mässig verkürzt, nach vom und 
seitlich und unten zunehmend voller werdend, mit gut verschieblicher unterer 
Lungengrenze. Atmung bis 2. ICR. abgeschwächt vesikulär mit leicht verl. 
Exsp. und mässigen, mehr aus der Tiefe kommenden, nach stärkerem Anhusten 
hörbaren kleinblas. Rasselgeräuschen auch zur Axilla hin. Nach l. v. u. und 
seitlich hin normal. 



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204 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


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R. h. o. Schall bis Vs Skapula deutlich verkürzt, Atmung verschärft» 
im Exsp. verlängert, mit seltenen trockenen Rasselgeräuschen nach Anhusten 
in diesem Bezirk. Nach r. h. u. nichts. 

L. h. o. Schall an der Spitze leicht verkürzt, sonst voll; nach I. h. u. 
und aussen voller Schall. Atmung bis Spina scap. verschärft mit leicht ver¬ 
längertem, etwas hauchendem Exsp. an der Spitze \md ganz seltenen trockenen 
Rasselgeräuschen und aus der Tiefe kommendem Knacken, zumal nach An¬ 
husten. Nach 1. h. u. reine, deutliche Vesikuläratmung. In .der Gegend des 
Angulus Scapulae, seltenes Knacken auf der Höhe der Inspiration. 

Am 8. Juli 1905 ist das Allgemeinbefinden gut, das Gewicht auf 90,5 kg 
gestiegen. Patientin war mit Alttuberkulin behandelt worden. Diese Kur wurde 
später fortgeführt. Der Lungenbefimd war nicht wesentlich geändert. 

Patient verlässt gegen den Willen des Arztes nach nur 7 wöchentlichem 
Aufenthalt gebessert das Sanatorium am 10. VII. 05, um die Ferienzeit mit 
seiner Familie in Thüringen zu verleben imd dort, wie später zu Hause die 
Tuberkulinkur fortzusetzen.“ 

Erneute Behandlung in Hohenlionnef. Hier folgender 
Bericht: 

„9. XI. 06. Rechts: Spitzengegend zeigt Sc hall Verkürzung gegen links; 
leichte Dämpfung, namentlich der eigentlichen Spitze. Atemgeräusch kaum ver¬ 
ändert. Nach Husten zumal oberhalb Klavikula nicht sicher: leises feinblasiges 
Rasseln. 

Links: Nichts Deutliches. Herz: Töne rein, Schlag etwas unregelmässig. 
Gewicht 160 Pfund. Spirometer 2100 ccm. 

18. XII. 06. Rechts: Dämpfung der Spitze noch merklich, Atemgeräusch 
dumpf, ziemlich leise. Vorn dicht unterhalb Klavikula am Brustbeinende Ver¬ 
dacht auf dumpfes Rasseln. Links frei. Gewicht 165 Pfimd.“ 

1907 grosse Erregungen und Überanstrengungen, seit¬ 
dem viel schlechter. Morgens und abends sehr reichlich Husten; Aus- 
’wurf ca. 100—120 ccm pro Tag, keine Scliweisse, Appetit schlecht, Tem¬ 
peratur abends subfebril (37,9—38,0 l>ei Mundmessung), viermalige starke 
Hämoptöe. 

A m 15. XII. 08 A u f n a h m e in die Marburger Deutschhaus¬ 
klinik. Patientistsehrheruntergekoinmenundelend,recht 
stark abgemagert; Gewicht 66 kg. 

Objektiver Befund: Viel Husten. Aüswurf 100 bis 130 ccm. 
Anorexie. Subfebril bis 38,0. Hängen der rechten Schulter, nahezu reine 
Abdominalatmung. Bei ruhiger Atmung wird der Brustkorb nur wenig bewegt 
Bei tiefer Inspir. nimmt der sagittale ,und horizontale Durchmesser fast gar 
nicht zu. Im Röntgenbild erscheint das Zwerchfell ausserordentlich gut beweglich. 
Die rechte Seite steht ungefähr l^/o Querfinger höher als die linke. Bei Insp. 
wird die rechte Seite um 3,* die linke um 2 Qujerfinger gesenkt Sagittaler 
Durchmesser in Mamillenhöhe 19,5—20,5 cm. Horizontaler Durchmesser (Axilla) 
27,2—28,0 cm. Sagittaler Durchmesser über dem Manubrium 15,0—15,5 cm. 
Umfang in der Axilla 85—86,0 cm, in Mamillenhöhe 85—86,5 cm. Die gesamte 
Brust- und Lendenwirbelsäule hält der Patient steif, er kann sich nur sehr 
wenig beugen. 

Status: R. v. o. leichte Dämpfung, aber gute breite Spitze, oberer Rand 
etwas unscharf. R. Ii. u. Grenze 11. Rippe, gut verschieblich. R. v. u. Grenze 
oberer Rand der 6. Rippe. 



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205) ‘Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 205 

L. h. o. bretthart, links v. o. mit tympanitischem Beiklang. Hinten reicht 
die Dämpfung bis Mitte Skapula. L. h. u. Luftschall, aber etwas kürzer wie 
rechts. L. h. u. Grenze unterer Rand der 10. Rippe, 1 Querfinger breit ver¬ 
schieblich. L. vom ab 2. ICR. relative Dämpfung. Traube scher Raum nicht 
gedämpft. 

Auskultation: R. v. q. scharfes In- und Exspirium, Exspirium ver¬ 
längert, ebenso r. h. o. (Narbenatmen). Nach Hustenstössen einzelne zähe 
spärliche Geräusche. Unter der Klavikula im 1. ICR. Atmung weicher, nach 
Husten keine Rbonchi; Exspirium etwas verlängert. Das Atemgeräusch der 
ganzen rechten Seite vorn auch in den abhängigen Partien schärfer als normal, 
ln- und Exspirium ohne Rhonchi. Axilla frei. 

L. h. o. Atemgeräusch sehr leise bronchial mit zähem Knacken. L. v. o. 
femklingendes leises Bronchialatmen mit knatternden zähen Rhonchis aus der 
Tiefe. L. imter Klavikula metallisch klingende Rhonchi neben broncho-amphor. 
In- und Exspirium. Aussen das gleiche, nur dort zahlreiche zähe knatternde 
Rhonchi. Ab 2. Rippe Rhonchi feucht und klingend, dazwischen zähes Knattern. 
Auch weiter nach unten zu und links hinten Atemgeräusch auffallend leise, 
überall zähe knatternde Rhonchi. L. h. u. Atemgeräusch lauter, auch hier 
aber zähe, zum Teil feuchte halbklingende Rhonchi. Exspirium verlängert. 

Ganze linke Seite schleppt stark, ist stark eingesunken. Breite herz¬ 
systolische Einziehimgen. (Indikation zur Kardiolysis?) 

Am 21. XII. 08 Anlegen eines Pneumothorax links. 

Am 24. XII. 08 1. Nachfüllung, 350,0 ccm N. 

Am 30. XII. 08 2. Nachfüllung, 400,0 ccm N. 

Am 2.' I. 09 3. Nachfüllung, 300,0 ccm N. 

Am 14. I. 09 4. Nachfüllung, 600,0 ccm N. 

Am 27. I. 09 5. Nachfüllvuig, 400,0 ccm N. 

In dieser Weise wurde der Pneumothorax alle 8—14 Tage iiachgefüllt. 
Das Körpergewicht blieb bis Mitte Februar 08 ziemlich unverändert, die Aus¬ 
wurfmenge ging langsam auf 50—60 (selten 70 ccm) herunter. 

Befund am 11. Februar 1909. Das R.B. zeigt bei sagittaler Durch- 
leuchtimg einen Pn.Th., der von gut Zwerchfellmitte beginnt und bis Achsel¬ 
höhle bogenförmig heraufsteigt. Exsudat nicht vorhanden. Der Pneumothorax- 
raum reicht auch vom imd hinten noch herauf und drängt die Lunge zusammen. 

Perkussion: R. h. u. Grenze 11. Rippe, verschieblich, 1. h. u. 12. Rippe, 
nicht verschieblich. 

L. V. o. gedämpft mit Tympanie, 1. h. o. dito, sehr schmale Spitze. Ab 
Spina Scapulae laute Tympanie, die dem Pneumothoraxraum entspricht. Nach 
der Seite zu geht von der Mitte der Skapula an der laute tympanitische Schall 
verloren imd macht einem weniger lauten Schall Platz. L. v. reicht der Pneumo¬ 
thoraxschall bis 3. Rippe herauf. Absolute Herzdämpfung linke Parastemallinie 
3. Rippe, linker Stemalrand. 

Auskultation: R. v. o. Insp. und Exsp. scharf, leicht sakkadiert, 
Exsp. verlängert, keine Rhonchi, auch nicht nach Husten. Unter der Klavikula 
scharfes, lautes, deutlich sakkadiertes Insp. ohne Rhonchi. R. h. o. einzelnes 
Oiemen, nahe der Wirbelsäule zähe, knatternde Rhonchi, die von links herüber 
geleitet sind. Auch über der Skapulamitte etwas Giemen. R. zwischen den 
Schulterblättern ist das physiologische Atmen ziemlich verstärkt, über dem 
ganzen Unterlappen pueril-vesikuläres Atmen, keine Geräusche. Ebenso r. v. u. 
über dem r. Mittellappen. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


[206 


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206 


L. h. 0 . sehr leises hauchendes Insp. und Exsp. mit ziemlich zahlreichen 
zähen Rasselgeräuschen. Unterhalb Spina wird das Atemgeräusch lauter bronchial 
und nimmt amphorischen Beiklang an, Rasselgeräusche heller und lauter klingend. 
Ab Angulus leises amphorisches Atmen. Keine Rhonchi mehr zu hören. L. 
seitlich unten ebenso. 

L. seitlich in der Achselhöhle leises unbestimmtes hauchendes Ex- und 
Inspirium und zähe knatternde, weniger helle Geräusche, mehr feinblasig. Die¬ 
selben werden 1. v. über der 4. Rippe dichter; über 2. ICR. bronchiales 
Atmen von etwas anderem Charakter. Die Rhonchi hier auch mittelblasig und 
stärker klingend. Über der Klavikula wüeder leiseres hauchendes .\tmen mit 
spärlicheren zähen Geräuschen. 

Herztöne rein, etwas paukend, Aktion regelmässig, etwas beschleunigt. 

Befund von Anfang März 1909. Nahrungsaufnahme in letzter Zeit 
besser. Nach der letzten Punktion stärkeres Druckgefühl und Spannung nach 
der Wirbelsäule zu. Atmung ohne Beschwerde. Patient macht regelmässige 
Freiliegekur. 

Im Röntgenbild zeigt sich die Zwerchfellkuppe deutlich abgeflacht, 
macht aber normale Atembewegung. Das Herz liegt an normaler Stelle, es 
hat durch den Pneumothorax keine Verdrängung stattgefunden. Entsprechend 
der Herzspitze sieht man eine kleine winklige Abknickung am Zwerchfell. 
Rechts wird dasselbe absolut normal und ausgiebig bewegt. 

Der Pneumothorax nimmt die unteren Partien des Brustkorbes ein; der 
Unterlappen ist stark zusammengedrängt. Die Liingengrenzc verläuft bei sagitlaler 
Durchleuchtung als Bogenlinie etwe von der Herzmitte bis gegen die Achsel¬ 
höhle hin. Wendet man den Kranken, so sieht man, dass der Pneumothorax 
hinten die Lunge ganz umspült. Dieselbe erscheint nur bandförmig neben und 
parallel der Wirbelsäule adhärent. Ferner ist ein Luftstreifen zwischen Media¬ 
stinum und dem linken Oberlappen zu erkennen. Kein Exsudat. Die Stäbchen- 
Plessimeter-Perkussion ist nicht sehr deutlich, aber vorhanden. 

Perkussion: L. v. und h. o. Schallkürze mit leicht tympanitischem 
Beiklang. Lauter Luftschall beginnt 1. h. etwas unter Spina scapulae. L. v. 
an der 3. Rippe zwischen 3. Rippe und Klavikula ein Bezirk tympanitischen; 
Schalles mit leichter Verkürzung. 

Auskultation: L. v. o. leises unbestinmites Inspir., hauchendes Exsp., 
keine Rhonchi. Unter Klavikula leises bronchiales In- und Exspirium, spärliche 
klingende Rhonchi. Weiter nach unten zu nimmt das Atemgeräusch mehr 
amphorischen Klang an; ab 3. Rippe leises Pneumothoraxatmen, das mit 
seinem amphorischen Klang als leiser Hauch über dem ganzen Pneumothorax 
gehört wird. L. h. o. bronchiales Insp. und Exsp., einzelnes Knacken, alles 
sehr leise. 

R. h. o. scharfes Insp. und Exsp., Exsp. verlängert. R. v. o. wie hinten 
rechts oben. Hinten imd vorn auch nach Husten keine Rhonchi. Rechter 
Unterlappen nichts Besonderes. 

Herz: Relative Dämpfung 1. Sternalrand. Aktion regelmässig, etwas er¬ 
regt, keine pathologischen Geräusche. Bcdde 2. Töne etw^as klappend. 

Patient wird Anfang März 1909 nach Hause (Berlin) ent¬ 
lassen und daselbst von Dr. Henius nach punktiert. Der 
Kranke übernimmt wieder seine anstrengende berufliche 
Tätigkeit und fühlt sich dabei recht wohl, bis er Ende 
März von einer Influenza überfallen wird. Doch auch von 
dieser erholt er sich bald wieder. 



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2071 ‘ 


Erfahrungen und Überlegungen zur Luiigenkollaj)stherapie. 


207 


Es stellten sich aber bei den Nachfüllungen bald Schwierigkeit(*n ein, so 
dass dieselben im Laufe des Monats Mai 09 aufgegeben wurden. 

Am 1. VI. 09 bis 14. VIII. 09 erneute Behandlung in der 
Deutschhausklinik. Die Temperaturen wanui iii letzter Zeit bichl sub- 
febril (bi.s 37,4). Die Sputummengen hatten wiederum zugenommen. 

Lungenbefundvom 2. VI. 09 (L. S p e n g 1 e r): Sputumnumge 40 ccm. 

Dämpfung über der ganzen linken Lunge, besonders in den oberen Partien; 
über der rechten Spitze relative Dämpfung. 

L. V. o. über Schlüsselbein, sowie der äussenui l'artie d(‘s 1. ICR. leises 
vesiko-bronchiales Atmen, ziemlich helle, besonders knatt<‘nide Rhonchi nach 
Husten. Im 1. ICR. am Sternum hochbroncho-amphorisches Atmen und klingende 
Rhonchi. Im 2. und 3. ICR. Atmen leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, mittlere 
trockene Rhonchi, dasselbe im 4. ICR. Im 5. ICR. aufgehobenes Atmen (Herz 
abgedeckt). H. 1. o. im Bereiche des Oberlappens Atmen broncho-am})horisch, 
klingende Rhonchi. Im Interskapularaum neben der Mitte des Schulterblattes 
an umschriebener Stelle Atmen hochbroneho-amphorisch Und klingende Rhonchi. 
Fossa infraspin. Atmen leise, Insp. rauh-scharf, Exsp. verlängert, mittlere Rhonchi. 
Untere Hälfte des 1. Lnterlappens dasselbe, aber etwas mehr Rhonchi, darunter 
auch grobe. 

R. V. o. über Klavikula und im 1. ICR. Insp. sehr scharf, Exsp. verlängert, 
keine Rhonchi. Im 2. ICR. verschärftes Atmen ohne Rhonchi, Mittellaj)pen 
vesikulär. R. o. 1. hinten wie vom, kein Rassehi. 

Der untere Rand der linken Lunge steht in der Höhe des 9. Processus 
spin., der untere Rand der rechten Lunge steht hinten zwischen 10. und 
11 . Processus spin. 

Reste eines Pneumothorax sind mit Sicherheit nicht mehr nachziiweistm. 

Der Kranke wird nun in Marburg bis zu seiner Rückkehr nach Berlin 
(14. VIII. 09) mit kleinen Tuberkulindosen behandelt. Da ihm diese Therapie 
gut zu bekommen scheint, wird dieselbe in Berlin von Herrn Dr. H e n i u s 
fortgesetzt. Letzterer berichtet unter dem 10. X. 09: 

„Während der letzten Wochen wurde Tuberkulinkur mit kleinen Dosen 
weiter durchgeführt. Es geht dem Pat. im ganzen b(‘sser. Er hat an Gewicht 
zugenommen. Leichte Temperatursteigerungen sind nur seilen vorhanden. Der 
Auswurf ist in letzter Zeit ziemlich reichlich. Apiietit mässig, öfters Brech¬ 
neigung infolge der Zähigkeit des Sputums. Der Hustenreiz hat seit .Anlegung 
des Pneumothorax aber ganz beträchtlich abgenommen. Pat. hält wi(‘der täg¬ 
lich Sprechstunden ab, macht Versammlungen mit, in denen geraucht wird, 
hält Reden und ist bei Gericht tätig. Er selbst sieht das ganze als erfreulichen 
Erfolg an.“ 

Ein weiterer Bericht des Herrn Dr. Benins geht am 28. III. 10 ein. 
Derselbe lautet: 

„Was Dr. R. betrifft, so ist sein jetziger Zustand im allgemeinen zu¬ 
friedenstellend. Er selbst hat leider in letzter Zeit sehr viele nervöse 
Aufregungen gehabt, die ihn ausserordentlich mitgenommen haben, so dass 
.sein Appetit sehr nachgelassen hat und er sich oft recht matt und apathisch 
fühlt. Wenn man aber bedenkt, dass der Mann doch recht miserable Lungen hat, 
ist es bewundernswert, was er damit noch alles leistet. So fuhr er z. B. neulich 
in 2 Tagen zu einer Gerichtsverluuidlung nach Köln hin und zurück, wo er 
sehr viel reden musste, ohne dass er es als besondere Anstrengung ernpfajid. Der 
Lungenbefund ist noch immer unverändert. Neue Erscheinungen oder Ver- 


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206 L. Brauer und Lucius Spengler. .[206 

änderungcn sind nicht da, so dass man durchaus den Eindruck 
hat, dass der Prozess zum mindesten zum Stillstand ge¬ 
kommen zu sein scheint. Temperaturen sind nie mehr auf¬ 
getreten. Die Sputummenge ist sehr zurückgegangen, 
ebenso der Husten, der eigentlich nur morgens früh beim 
Erwachen auftritt. Im Sputum sind im Deckglaspräparat 4—6 Tuber¬ 
kelbazillen im Gesichtsfeld nachweisbar. Das Körpergewicht ist durch 
viele nervöse Aufregungen etc. etwas heruntergegangen. Eine Hämoptöe 
ist nie mehr wieder aufgetreten; während ich sonst bei 
dem Patienten doch immerhin 3—4mal in jedem Jahre starke 
Hämoptyse auftreten sah, war jetzt nur ein einziges Mal leicht 
sanguinolentes Sputum nach starker Erkältung mit Aufenthalt in rauchiger Luft 
zu beobachten. Ich glaube ganz bestimmt, dass der Pneumothorax bei ihm her¬ 
vorragend gewirkt hat.“ 

Patient siedelt am 12. IV. 10 nach Hohenhonnef über. Herr Prof. Meissen 
stellt uns güiigst den folgenden Bericht zur Verfügung: 

„Patient war am 12. IV. bis 21. VII. 10 in Hohenhonnef. Er war stets 
völlig fieberfrei. Anfang Mai 1910 trat eine Iritis auf, die zeitweise Unbequem¬ 
lichkeiten bedingte. 

Der Lungenbefund war folgender: Rechts Dämpfung der 
oberen Abschnitte deutlich, nicht gerade stark, doch als SchalIverkürzimg 
bis in die unteren Abschnitte zu verfolgen. Atmung rauh und laut. Nur wenig 
und zeitweises Rasseln. 

Links Spitze im oberen Drittel stark gedämpft, stärker als rechts. Schall¬ 
verkürzung bezw. leichte Dämpfung durchweg. Oberes Drittel (d. h. bis Höhe 
-3. Rippe) rasselt ziemlich dicht, meist kleinblasig; auch übrige Lunge nicht 
ganz frei. Ausser diesen Rasselgeräuschen, schnarrende, knatternde katarrhalische 
Rhonchi weit herab, besonders über den mittleren Abschnitten. 

Dieser Befund hat sich nicht wesentlich geändert während des Aufenthaltes. 
Der Auswurf enthielt meist keine, einmal aber sehr viele Tbc. 
•Gewichtszunahme von 124V6 auf 127V5 Pfund. 

Eigentümlich ist an dem Falle, dass ursprünglich (1903) die rechte 
Lunge die hauptsächlich kranke war. Hier ist der Prozess seitdem stationär 
geblieben, während links die Operation nötig wurde.“ 

1. XI. 1910. (Bericht Dr. Henius) 

Allgemeinbefinden -ziemlich gut. Starke psychische Depression infolge per¬ 
sönlicher Sorgen. Keine Klagen über Beschwerden von seiten der Lunge, sondern 
nur über Ischiasschmerzen, Schlaflosigkeit imd Appetitmangel, letztere beide 
wohl nervöser Natur. Körpergewicht: 57 kg. 

Lungenbefund : Über der linken Spitze fast bis zum Angulus scapuIae 
Dämpfung, über der übrigen Limge deutliche Schallverkürzung; im oberen Drittel 
zahlreiches feinblasiges Rasseln und Knistern, sonst überall unreines, abge¬ 
schwächtes Atmen mit knackenden Geräuschen, besonders auf der Höhe des 
Inspirium. 

Rechts Dämpfung im Bezirk des Oberlappens, die weiterhin in nach unten 
zu abnehmende Verkürzung übergeht. Das Atemgeräusch ist nicht ganz rein, 
aber sehr laut und deutlich. Besonders im Mittellappen ab und zu Rasseln hörbar. 

Die Auswurfmenge beträgt ca. 40 g pro die. 

Im Auswurf von 6 untersuchten Präparaten in einem Tuberkelbazillen in 
spärlicher Anzahl gefunden. 


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209] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 20^^ 

Hustenanfälle hauptsächlich morgens, am Tage nur wenig Husten. 

Abdominalorgane: ohne Besonderheiten. 

Urin: Zeitweise Spuren Albumen, aber keine morphotischen Elemente. 

Indikation zur Operation. Sehr schwere tuberkulöse Er¬ 
krankung der ganzen linken Lunge, die schon seit 5 Jahren besteht. 
In der rechten Spitze ein vor 7 Jahren aufgetretener und dann 
ausgeheilter leichter, aber deutlicher Prozess. 

Epikrise. Anlegung des künstlichen Pneumothorax linker¬ 
seits am 21. XII. 1908. Es vird ein basaler inkomplettsn' 
Pneumothorax erreicht. Die im Bereiche des Oberlappens l)e- 
stehenden Verwachsungen lösen sich nicht. Der Pneumothorax 
besteht während eines halben Jahi’es. Er konnte, dann wiegen 
Schwierigkeiten bei den Nachfüllungen nicht länger unterhalten 
werden. Am 2. Juni 1909 konnte ein Pneumothorax nicht mehr nach¬ 
gewiesen werden. Dennoch war die Therapie für den Kranken inso¬ 
fern von Nutzen, als er mit der Anlegung des Pneumothorax fieber¬ 
frei wurde, sein tägliches Sputum von 100—130 ccm dauernd auf 
ca. 40 ccm abfiel imd dass der Kranke wieder arbeitsfähig wurde. 
Nach dem Urteil der ihn zurzeit behandelnden Ärzte ist der Prozess 
links (Pneumothoraxseite) ein stationärer geworden und die andere 
Seite (rechts) ist unverändert gut geblieben. 


60. A. St., Kaufmann. 40 Jahre alt. (Basler Heilstätte Davos 
Dr. Nienhaus.) 

Erkrankung 1904 in Paris, mehrfache Kuren in Davos, Arosa, Weissenburg, 
Ägypten, Tuberkulinbehandlung. 

Nov. 08 in Davos, hustet und spukt viel, bis 60 ccm, das Allgemein¬ 
befinden leidet stark darunter. 

Status: Magerer Körper, Herz in Ordg. Lunge: R. v. supra-klav. 
tympanit. ged. Schall, infra-klav. 1. Dämpfung bis III. C. R. h. supra spin. 
scap. 1. Dpfg., infra intensiver bis Angul. scap. R. v. versch. vesiko-bronch. 
Atmung, supra-klav. einige halbkl. mittelgrossbl. Rhonchi. R. h. um Spin, 
scap. Bronchialatmen, ob. u. unten vcs.-br. Atmung; s. sp. spärl. fein mittelgrbl. 
Rhonchi, infr. spin. zahlreicher und feuchter bis Mitte Scap./ dann wieder spär¬ 
licher bis Angulus. Linke Limge frei. Sput.: Baz. Gaffky X. 

2. I. 09. Unter Lokalanästhesie nach Brauers Methode Pneumothorax- 
Operation rechts (Op.: L. Spengler). Insuffl. v. 1000 ccm N. Schluss¬ 
druck -f-ö mm Hg. Gleich nach der Operation kurzer Kollaps, Puls 40 (Vagus¬ 
reizung ?). Kleines Hautemphysem. Auf dem Röntgenschirm in den unteren 
Thoraxpartien kompletter Pneumothorax, oben einige feste nach oben und 
hinten zur Thoraxwand ziehende Stränge. 

Beitilffe snr Klinik der Tnberkalose. Bd. XIX. U. 1. 14 


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210 


L, Brauer und Lucius Spengler. 


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Punktion Druck z. Beginn N SchluBsdruck 


5. 

1. 

09 

— 4 cm Wasser 

800 ccm 

+ 

1 cm Wasser 

22. 

I. 

09 

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21. 

VIII. 

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1600 „ 

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6 

11 11 

8. 

IX. 

09 

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1350 „ 

+ 

8 

11 11 

30. 

IX. 

09 

+ 2 „ 


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6 

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30. 

X. 

09 

-2 „ 

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1300 „ 

+ 

5 

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Nach den Nachfiillungen jeweils Kurzatinigkeit iür zwei Tage, Nahrungsaut- 
nahme durcli den Druck etwas gestört. Temperatur stets normal, Pat. ist nie 
bettlägerig. Am 1. 11. 09 auf dem Röntgenschirm grosser trockener Pneumo¬ 
thorax, an der Spitze zwei Stränge nach v. u. h. oben zur ^Thoraxwand 
ziehend. Herz stark nach 1. verdrängt, Spitzensto.ss im VII. ICR. in d. vorderen 
Axillarlinie. 

Da.s Sputum nimmt im Verlauf von einem Vierteljahr von 60 auf 2—3 ccm 
ab. Am 19. V. 09 keine Bazillen mehr gefunden, später wieder Gaffky II. 

Pat. verliess im Oktober 09 definitiv Davos, lebt seither in seiner Heimats¬ 
stadt Aarau, ist vollständig arbeitsfähig. Sputum 2—3 ccm. Es werden regel¬ 
mässige Nachfüllungen mit N gemacht. Die Behandlung soll fortgesetzt werden, 
bis das Sputum verschwunden ist. 

Kontrolle 26. III. 10. Grosser Pneumothorax r. H. in der Hiliisgegend 
leise rauhe Atmung, keine Rhonchi, linke Lunge frei. 


Indikation zurOperation. Fortschreitender schwerer Pro¬ 
zess der ganzen rechten Seite mit Kavernenbildung im Oberlappeii, 
grosse Mengen Auswurf. Linke Lunge frei. 

E p i k r i s e. Arn 2. I. 09 Anlegung eines künstlichen Pneumo¬ 
thorax rechts. E.s wird ein sehr grosser völlig trockener Pneumo¬ 
thorax erzielt, der heute noch besteht. Auswurfsmenge von 60 ccm 
auf 2—3 gesunken,' Tuberkelbazillen von Gaffky X auf II (vorüber¬ 
gehend 0). Sehr gutes Allgemeinbefinden, völlige Arbeitsfähigkeit. 
Behandlung wiTd ambulant fortgesetzt bis Aug. 1910, dann Pleu¬ 
ritis mit Temperatursteigerung. Oktober 1910 wieder voll arbeits¬ 
fähig. 

Abscliluss der Krankengeschichte 20. X. 10. 



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211] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


211 


61. Pfarrer H., 41 Jahre alt, England. 

Anamnese: In der Familie des Vaters sowohl als auch der Mutter 
sollen verschiedene Fälle von Tuberkulose vorgekommen sein. 3 Geschwister 
des Patienten (6/11) starben an Tuberkulose. Vater des Patienten starb an 
Pneumonie, Mutter lebt und ist gesund. — Schon im Alter von 15 Jahren fuhr 
Patient wegen „schwacher Lungen“ nach Neu-Seeland, woselbst er 3^/2 Jahre 
auf einer Farm lebte. Dort ist es ihm selir gut gegangen. Danach studierte er 
in England, arbeitete viel und blieb anscheinend gesund bis 1902. 1902 traten 
Husten und Auswurf auf, Pat. arbeitete jedoch bis Herbst 1904 weiter. Seit 
Dezember 1904 lebte Pat. abwechselnd in Davos und Arosa, machte mehrere 
Tuberkulinkuren durch und kehrte nur während des Sommers jeweils für 
kurze Zeit nach England zurück. Pat. hatte nie Hämoptoe, nie trockene, nie 
exsudative Pleuritis. 

Status vom 6. I. 09. Pat. wird L. Spengler zur Begutachtung und 
eventuellen Anlegung eines künstlichen Pn.Th. zugewiesen. — 

Gewicht 62,1 kg. Puls 80—90. Temperatur völlig normal (36,4—37,0). 
Auswurf sehr reichlich (60—100 ccm pro die), enthält Tbc. (Gaffky VI) und 
elast. Fasern. 

Über der linken Lunge, besonders dem Oberlappen intensive Dämpfung, 
über Klavikula und im 1. ICH. Schachtelton und Schallwechsel. Der untere 
Rand der linken Lunge steht hinten ca. 1 cm zu tief und ist gut verschieb¬ 
lich. — Der untere Rand der rechten Lunge hinten 2 cm zu tief, sehr gut 
verschieblich. Rechts sonst überall normale Perkussionsverhältnisse. Herz- 
spitzenstoss am deutlichsten im 4. ICR., 1 cm nach aussen von der Pap.linie 
zu fühlen. Herz nach aussen und oben verlagert. 

Links vorn über Klav. und im 1. ICR. amphor. Atmen, viele grobe, 
klingende Rhonchi. — Im 2. ICR. Atmen broncho-amphor., Rhonchi, auch einige 
klingende, von oben her fortgeleitete. Im 3.—5. ICR. rauh-scharfes Inspir., 
verlängertes Exspir., mittlere und gröbere Rhonchi. Linker O.L. hinten Atmen 
broncho-amphor., klingende Rhonchi, namentlich aus der Tiefe. Obere Hälfte 
des l. U.L. vesiko-bronchiales Atmen, mittlere und gröbere meist trockene 
Rhonchi. Untere Hälfte des linken U.L. Atmen leise, Insp. rauh-scharf, Exspir. 
verlängert, aus der Ferne ab und zu einige grobe Rhonchi. 

Über der rechten Spitze hinten und vorn verschärftes Inspir., etwas 
verlängertes Exspir., keine Rhonchi. 

Die Röntgenuntersuchung bietet keine Anhaltspunkle für eine 
nennenswerte Erkrankimg der rechten Lunge und bestätigt die gute V’erschieb- 
lichkeit der unteren Partien der linken Lunge. 

Es wird dem Kranken mitgeteilt, dass die Anlegung eines künstl. Pn.Th. 
bei ihm sehr wahrscheinlich möglich sei, dass der Zustand der rechten Lunge 
diesen Eingriff zulasse, dass jedoch im Bereiclu* des linken Oberlappens wahrschein¬ 
lich so derbe Verwachsungen b<*stünden, dass der definitive Erfolg ein zweifelhafter 
sei. — Pat. dringt dennoch auf die Vornahme des Eingriffes. — Derselbe wird 
am 17. Jan. 09 nach Brauers Methode ausgeführt (Lucius Spengler) 
und gelingt glatt. Eingegangen wird im 5. ICR. in der mittleren Axillarlinie. 
Es fliessen 700 ccm N ein. Enddruck -[~ “liü mm Ilg. Im Rönlgfuibilde zeigt 
sich ein deutlicher Pn.Th. in den unteren, äusseren Partien des Pleuraraumes. 
Die Temperatur steigt am Tage nach der Operation um 0,3^ C an, um von da 
ab andauernd auf der früheren Höhe zu bleiben (36,4—37,0). — Die Aus- 

14 * 


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212 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[212 


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TPurfmenge sinkt sofort von der früheren (60—100 ccm) Höhe auf 20 ccm 
und beträgt an den folgenden Tagen 20—30 ccm. — 

Der Kranke kehrt in Behandlung seines Arztes zurück, um sich von 
diesem nachpunktieren zu lassen. 


23. I. 09 Nachpunktion. 30. I. 09 Nachpunktion. 3. II. 09 Nachpunktion. 
400 ccm N. 480 ccm N. 325 ccm N. 

A.-Dr. — 2,0 mm Hg. A.-Dr. — 12,0 mm Hg. A.-Dr. -j- 2,0 mm Hg. 

E.-Dr. 10 mm Hg. E.-Dr. 4,0 mm Hg. E.-Dr. 16,0 mm Hg. 

Temperatur normal. Auswurfmenge schwankt seit dem 23. I. 09 zwischen 
10 und 20 ccm pro die. 

10. 11. 09 Nachpunktion. 

410 ccm N. 

A.-Dr. bei Insp. — 7,0 mm Hg, bei Exsp. -j- 13,0 mm Hg. 

E.-Dr. bei Insp. -f- 7,0 mm Hg, bei Exsp. 22,0 mm Hg. 

Mit dieser Nachfüllung beginnt die Auswurfraenge täglich zuzunehmen 
und erreicht am 17. II. 09 die Höhe von 55 ccm. 

17. II. 09 Nachpunktion. 

370 ccm N. 

A.-Dr. bei Insp. — 6,0 mm Hg, bei Exsp. -f" Hg* 

E.-Dr. bei Insp. -j- 18,0 mm Hg, bei Exsp. -f“ 20,0 mm Hg. 

Auswurfmenge hielt sich auf 40—50 ccm. 

24. II. 09 Nachpunktion. 

425 ccm N. 


A.-Dr. + i/„. 

E..Dr. +1V80- 

2. III. 09 Nachpunktion. N = 350 ccm. 

A.-Dr. -|- 18,0 mm Hg. 

E.-Dr. -f~ 28,0 mm Hg. 

Die Auswurfmenge steigt in diesen Tagen auf 60, ja 
90 ccm an. Starke Dyspnoe, Schmerzen in der Magengegend 
und nach links aussen davon, vollständige Appetitlosig¬ 
keit, deutliche Spuren von Eiweiss im Urin, Allgemein¬ 
befinden sehr schlecht. Temperatur normal, hoher Puls. — 
Im Einverständnis mit dem behandelnden Arzte wird Pat. am 10. III. 09 von 
Lucius Spengler untersucht. Diese Untersuchung ergibt einen 
enormen Pn. Th. Herz sehr stark nach rechts hin verdrängt 
Mediastinum stark überbläht. Links steht das Zwerchfell 
8 cm tiefer als normal, es bewegt sich bei der Respiration 
gar nicht und zeigt sich im Röntgenbilde leicht konkav 
nach unten gewölbt. — Die Lunge ist stark nach oben in die Kuppe 
und an die Wirbelsäule angedrängt. — 

Patient ist überpunktiert und sollen deshalb vor¬ 
läufig keine Nachpunktionen mehr ausgeführt werden. 

24. III. 09. Durchleuchtung. Pn.Th. noch sehr gross. Sputummenge 
sinkt wieder täglich, schwankt in diesen Tagen zwischen 35 und 40 ccm. Der 
Puls ist wieder ruhiger geworden, 80 p. m., die Magenbeschwerden schwinden, 
der Appetit stellt sich wieder ein, die Dyspnoe nimmt ab, Pat. kann wieder 
kleine Gänge machen. Keine Nachpunktion. 

5. IV. 09. D u r c h 1 e u c h t u n g. Pn.Th. noch recht gross. Keine Nach¬ 
punktion. Puls 72, Temp. normal. Auswurfmenge schwankt zwischen 25 und 



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213] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


213 


40 ccm. Allgemeinbefinden gut, 1 kg Gewichtszunahme, keine Dyspnoe. — 
Rechte Seite unverändert — 

Resultate der Sputumuntersuchungen. 

14. I. 09. Gaffky VI u. elast Fasern. 

17. I. 09. Operation. 

26. 1. 09. Gaffky V u. elast Fasern. 

6. II. 09. Gaffky IV u. elast Fasern. 

1. III. 09. Gaffky II u. sehr spärl. Fasern. 

31. III. 09. Gaffky III, keine elast. Fasern. 

22. IV. 09. Durchleuchtung. Pn.Th. bedeutend kleiner geworden, Lunge 
zl. stark ausgedehnt, deshalb Nachpunktion: 


N = 1000 ccm. 


A.-Dr. — 3,0 mm Hg. 
E.-Dr. 4“ 7,0 mm Hg. 
20. V. 09 Nachpunktion. 
N = 800 ccm. 


A.-Dr. —4,0 mm Hg. 
E.-Dr. -\-Qfi mm Hg. 


Temperatur normal, Auswurfmenge schwankt zwischen 16 und 30 ccm 
pro die. — Allgemeinbefinden imd Appetit sehr gut. — Kein Eiweiss mehr 


im Urin. 

26. VI. Nachpunktion. 

N = 1000 ccm. 

A.-Dr. —0,5 mm Hg. 
E.-Dr. 4” 1>0 Hg. 
20. VIII. 09 Nachpunktion. 
N = 1000 ccm. 


24. . VII. 09. Nachpunktion. 
N = 900 ccm. 

A.-Dr. ± 0. 

E.-Dr. 4-1»0 mm Hg. 

21. IX. *09 Nachpunktion. 

N = 300 ccm. 

A.-Dr. — 6,0 mm Hg. 
E.-Dr. 4"^^^ Hg. 


A.-Dr. — 8,0 mm Hg. 
E.-Dr. 4-ö»0 Hg. 


Am 26. Oktober 09 Nachpunktion. 
N = 800 ccm. 


A.-Dr. = —8 mm Hg. 

E.-Dr. = 4-Ö mm Hg. 

Der Kranke versieht während des Winters 09/10 in Arosa die Stelle eines 
Geistlichen, xmd kommt zu den Nachfüllungen nach Davos herüber. Ab und zu, 
etwa alle drei Wochen, Temperatursteigerungen bis 37,5 sub lingua. Die 
Sputummenge schwankt immer noch zwischen 30 und 50 ccm. Der Auswurf 
enthält Tuberkelbazillen (Gaffky 111—IV) und sehr spärliche elastische Fasern. 

Am 7. Dezember 09 Nachpunktion. Am 18. Januar 1910 Nachpunktion. 

N = 800 ccm. N = 750 ccm. 

A.-Dr. = —9,0 mm Hg. A.-Dr. = —4,0 mm Hg. 

E.-Dr. = 4” Hg. E.-Dr. = -4- 7,0 mm Hg. 

Am 17. Februar 10 zieht sich Pat. eine Schenkelhalsfraktur links zu, 
weshalb er Ende Februar Aufenthalt im Sanatorium Schatzalp nimmt. Sputum- 
menge 30—50 ccm. der Auswurf enthält Tuberkelbazillen (Gaffky III). 

1. III. 10 und 8. IV. 10 Nachpunktionen zu je 800 ccm N bei einem 
negativen A.-Dr. von 4—8 mm Hg und einem Schlussdriick von + Hg. 

Seit Januar 1910 Temperatur völlig normal. 


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214 


L. Brauer und Lucius Sponglcr. 


[214 


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8. IV. 10 S c li 1 u s s b c f u n d : Der Zustand der recliten Lungenspitze 
ist unverändert. Insp. verschärft, Exsp. etwas verlängert, keine Rh. Links 
b(‘steht ein grosser Pn.Th. Der O.L. ist jedoch in der Umgebung der grossen 
Kaverne unvollständig abgelöst. Die Kaverne ist sicherlich nicht zusammen¬ 
gefallen und scheint ihre Entleerung behindert zu sein, da Patient gewöhnlich 
30—35 ccm Sputum pro Tag hat, etwa alle 14 Tage aber Sputummengen I»is 
50 und 60 ccm auftreten. 

Indikation zur Operation. 6 Jahre alte, schwere Tuber¬ 
kulose der linken Lunge mit selir grosser Kaverne im Oberlappen. Der 
Krankheit konnte trotz jahrelanger sachgemässer Behandlung nicht 
Einhalt getan werden. — Unbedeutender inaktiver Prozess in der 
rechten Spitze. — 

Epikrise. Am 17. Januar 1909 konnte ohne Zwischenfall 
ein Pneumothorax erzielt werden, der auch in der Folge vollständig 
trocken blieb. Die rechte Lungenspitze hat sich während der bis¬ 
herigen bald 2 jährigen Behandlung nicht verändert. 

Die Nachfüllungen ^\’urden erst von dem behandelnden Arzt 
ausgeführt. Es war ihm bekannt, dass bei einem abgesackten Pneumo¬ 
thorax der Stickstoff ohne Schaden unter hohen Schlusswerten ein- 
gefülirt werden könne. Da ihm kein Eöntgenapparat zur 
Verfügung stand, konnte er sich aber von der Natur 
des hier vorliegenden Pneumothorax nicht aus¬ 
reichend überzeugen. Die oft und schliesslich bei hohen 
Schlussdnickwerten ausgofülirten Nachpunktionen hatten bei dem 
in diesem Falle sehr nachgiebigen Mediastinum zur Folge, dass der 
Pneumothorax stark überpunktiert wurde, eine 
enorme Grösse erreichte, und erhebliche Beschwer¬ 
den machte. Es wnirde daher von den hohen Druckwerten 
Abstand genommen. WäJirend 9 Wochen wurden nun keine Nach¬ 
füllungen ausgefülirt, sodann aber, wie oben angegeben, regelmässig 
gemacht. Leider ervriesen sich die über dem linken Oberlappen be¬ 
stellenden Adhäsionen als derart solide, dass die grosse Kaverne von 
ihrer Unterlage nicht genügend abgelöst werden konnte. Temperatur 
seit drei Monaten andauenid völlig normal. — Die Sputummengen 
sind zwar von 60—100 ccm pro Tag auf 30—50 gesunken, und 
der Auswurf enthält statt Gaffky VI und ziemlich reichlich elasti¬ 
schen Fasern nur Gaffky III—IV und spärliche elastische Fasern. 
Vorübergehend fohlten die letzteren ganz. Das Gewacht ist unge¬ 
fähr dasselbe geblieben. Puls 70—80. Der Verlauf war kompliziert 
dadurch, dass sich Patient eine Schenkelhalsfraktur zuzog. Der 
Pneumothorax wird vorläufig w’eiter unterhalten. 

Nachtrag (Oktober 1910). Seit 5 Monaten ist in dem Be¬ 
finden des Kranken eine w'eitere Besserung eingetreten. Sein Gewicht, 



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2151 


Erfahrungen und Cbc-rlegungen zur Lungenkollapstlierapie. 


215 


das bis auf 56,6 kg gefallen war, stieg auf 58,4. Puls 60—80. Tem- 
peratui* stets unter 37,1. Auswurfmenge schwankt zwischen 15 und 
30 ccm; enthält spärliche Tuberkelbazillen. — Über dem linken Ober¬ 
lappen haben sich ohne Zweifel vor kurzem noch Verwachsungen ge¬ 
dehnt oder gelöst. Der linke Of>erlappen erscheint deutUch besser 
kollabiert, die Kaverne kleiner. — Rechte Seite unverändert. 


62. S. K., Kaufmann, 39 Jahre alt (Basler Heilstätte Davos. l)r. Nien¬ 
haus). 

Krank seit 3 Jahren, erkrankte in Südafrika. In Davos seit Aug. 08. 
Liegekur, Injektionskur mit I.K. Dabei nimmt das Körpergewicht in fünf 
Monaten um 3 kg zu, das Allgemeinbefinden ist stets gut, Temperatur afebril, 
dagegen bessert sich der Lungenbefund und die Sputummenge (40 ccm) nicht. 

Status 9, I. 09. R. v. und h. o. relative Dämpfung, nach unten langsam 
heller werdend bis zur unteren Lungengrenze. V. o. bis zur II. C. Bronchial¬ 
atmen, mittelgrossbl. klingende Rlionchi in mittl. Zahl, unterhalb vesiko-broncli. 
Atmung, im II. ICR. spärliche trockene Rhonchi. H. r. o. bis Mitte Skap. vcrsch. 
vesiko-br. Atmung, Rhonchi wie v. Unten vesiko-bronch. Atmung. 

L. Oberlappen ganz leichte Dämpfung, Vesikuläratmen. 

Herz ohne Besonderheiten, Puls 80, Sputum ca. 40 ccm Gaffky II. 

21. I. 09. Unter Lokalanästhesie nach Brauers Methode künstl. Pn.- 
Th. (Op.: Nienhaus). Inzis. im V. ICR. 4 cm ausserh. d. Mamillarl. 
750 ccm N. Schlussdruck -|- 18 cm Wasser. Die Lunge ist (Röntgen) auf die 
Hälfte reduziert; an der Spitze breite Verwachsungen. Am Zwerchfell ein 
feiner Strang. Kleines Hautemphysem. Die Nachfüllungen werden sehr gut 
ertragen, nur die ersten verursachten etwas Atenmot. 


Nachfftllungen 

Druck z. 

Beginn 

N 

Schlussdnick 

28. 

I. 09 

? cm 

Wasser 

1200 ccm 

-j- 9 cm 

Wasser 

6. 

II. 09 

7 

« 


1200 , 

+ 10 

B 

B 

15. 

II. 09 

+ 7 

„ 

T 

750 , 

+ 14 

B 

B 

24. 

11. 09 

+ ö 

1» 

B 

1000 , 

+ 15 

B 

B 

13. 

III. 09 

+ 3 

»1 

V 

700 , 

+ 7 

B 

r 

5. 

IV. 09 

-f-4 


V 

850 , 

+ 8 

B 

B 

30. 

IV. 09 

- 1 

« 

T 

1300 , 

+ 7 

B 

B 

19. 

V. 09 

+ 1 

T» 

J* 

1000 , 

+ 7 

B 

B 

16. 

VI. 09 

0 



1200 , 

+ 6 

B 

B 

6. 

VII. 09 

+ 4 



500 , 

+ 8 

B 

B 

20. 

Vll. 09 

+ 2 

1» 

B 

1000 , 

+ 10 

B 

B 

11. 

VIII. 09 

0 



1100 , 

+ 10 

B 

B 

20. 

IX. 09 

— 2 

Tt 

B 

1400 , 

+ 8 

B 

B 

25. 

X. 09 

— 2 


« 

900 , 

+ 6 

B 

B 

29. 

XI. 09 

-4 

D 


1200 , 

+ 7 

B 

B 


Sputum und Husten nehmen schnell ab, vom 9. März an werden keine 
Tuberkelbazillen mehr gefunden. Ende Juni, also fünf Monate nach der Operation, 
die Lunge vollständig komprimiert, keine Atmung hörbar. Im Nov. 09 ver¬ 
schwand der Auswurf vollständig, die Nachfüllungen wurden ausgesetzt. 


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2IG 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[216 


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Befand 25. 11. 10. Husten und Sputum 0. Wohlbefinden. R. v. neben 
dem Sternum bis zur 111. C. leises Vesikulär-Atmen, ebenso h. neben der Wirbel¬ 
säule bis unten; aussen und unten Atmung 0, nirgends Rhonchi. H. ver¬ 
schärftes Vesikuläratmen. Auf dem Röntgenschirm sieht man unten über dem 
Zwerchfell und oben bei der 11. und 111. C. kleine Pneumothoraxblasen^ 
dazwischen ist die Lunge ausgedehnt, liegt der Thoraxwand an. Zwerchfell 
steht etwas höher als links. 

Patient lebt seit einem Vierteljahr im Tiefland, ist geheilt und voll 
arbeitsfähig. 

Indikation zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen rechten Lunge mit Zerfall im Oberlappen, bestehend seit drei 
Jahren. Durch fünfmonatliche Hochgebirgs- und Injektionskur keine 
Besserung. 

E p i k r i s e. Am 21. I. 1909 Anlegung eines künstlichen Pneumo¬ 
thorax. Sputum geht schnell von 40 ccm auf ca. 5 zurück, ist nach 
10 Monaten ganz verschwunden. 2 Monate nach der Operation ohne 
Bazillen. Allgemeinbefinden stets gut. Die Behandlung wird nach 
10 Monaten auf gegeben. Pat. ist geheilt. 

Abschluss der Krankengeschichte 25. II. 19101). 


63. Dr. jur. St., Patient ist 31 Jahre alt, Rechtsanwalt. 

Anamnese: Vater starb 44 Jahre alt an florider Phthise; Mutter lebt 
und ist gesimd. ln der Familie der Eltern sonst keine Lungenkrankheiten, auch 
weder Karzinom noch Diabetes. Patient 5/5. Er hat vier Schwestern, die sämt¬ 
lich gesund sind. Als Kind war er nicht schwächlich und wurde von der Mutter 
gestUlt. Im Alter von II /2 Jaliren Diphtherie (Tracheotomie), später Masern. 
Blieb dami etwas schwächlich bis zum Alter von 12 Jahren. Von da an erholt 
er sich. Längere Zeit litt er an Otitis media rechterseits. Mit 15 Jahren Pleu¬ 
ritis sicca links, die im Alter von 22 Jahren rezidivierte. Zu dieser Zeit 
schon hatte Patient etwas Auswurf, dem jedoch keine Bedeutung beigemessen 
wurde, da keine Tuberkelbazillen gefunden wurden. Das Allgemeinbefinden 
war damals und auch später vorzüglich, so dass Patient grössere Fusstourea 
ohne Ermüdung machen konnte. Erst im August 07 überkam ihn ein gewisses 
Krankheitsgefühl, er war abgespannt, ermüdete leicht, verlor den Appetit und 
magerte ab. Es stellte sich Fieber ein infolge einer Rippenfellreizung links. 
Der Auswurf wurde reichlicher. Es fanden sich in demselben Tuberkelbazillen. 
Das Fieber ging auf Bettruhe hin nach ca. 2 Wochen zurück. Auf einer 
unternommenen kurzen Reise Erkältung und wieder vorübergehend Fieber. 
Im Dezember 07 Rückfall, 5 Wochen Bettruhe und dann wieder Besserung,^ 
doch nur von kurzer Dauer. Der Kranke bleibt wieder 8 Wochen wegen Fieber 
zu Bett und tritt am 17. III. 08, um allgemeinen beruflichen Aufregungen aus 

1) Anmerkung beiderKorrektur; 14. XI. 10. Es trat im Sommer 
1910 wieder Sputum auf ohne Bazillen, Rasselgeräusche über der Spitze. Am 
1. VIII. 10 wüedcr Xachfüllung mit N. Pat. lebt in Berlin, wird ambulant 
w^eiter behandelt, ist ganz arbeitsfähig, also wirtschaftlich geheilt. 



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217] 


Erfahnmgen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


217 


dem Wege zu gehen, ins Sanatorium Schatzalp ein. In der letzten 
Zeit war leichte Hämoptoe (dreimal) aufgetreten. 

Befund vom 17. III. 08: Grewicht 45,850 kg. Temperatur schwankt 
morgens zwischen 36,4 und 36,1, abends zwischen 37,5 und 38,3, Puls 80—92, 
Auswurf mässig reichlich, enthält viele Tuherkelbazillen und elastische Fasern. 

Über linker Lunge von oben bis unten Dämpfung. Links vom über 
Klav. Atmen leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, momentan ohne Rh. Im 1. 
und 2. ICR. dasselbe. 3.—5. ICR. abgeschwächtes rauhes Atmen. Hinten 
links oben über O.L. wie vorn, keine Rh.; obere Hälfte des linken U.L. Atmen 
leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, zerstreute spärliche, mittlere, trockene Rh. 
Untere Hälfte des linken U.-L. dasselbe. 

Rechte Lunge überall vesikuläres Atmen, nur in der äussersten Spitze 
zu leise und zu rauh. 

Trotz andauernder Bettruhe steigt die Abendtemperatur auf 38 und selbst 
39 bei relativ tiefen Morgentemperaturen. 

Ab 1. V. 08 langsamer Abfall der Abendtemperatur auf 38. Dieser Fieber¬ 
zustand dauert sodann während fast des ganzen Monats Juni an. Erst in der 
zweiten Hälfte des Juni wird die Temperatur auf Aspirin-Arsen-Pillen all¬ 
mählich normal. Bis Ende Juni 08 hat eine Gewichtszunahme von 4 kg statt¬ 
gefunden. Im Laufe des Sommers werden die Aspirin-Arsen-Pillen w^eiter 
genommen, die Temperatur bleibt normal. Das Gewicht steigt auf 57,7 kg, 
was einer Gewichtszunahme von 12 kg gleichkommt Im August 08 werden die 
Aspirin-Arsen-Pillen weggelassen und die Temperatur bleibt normal bis zum 
16. XI. 08. Mit diesem Tage setzt wieder Fieber ein, das sich während einer 
Woche zwischen 38,0 und 38,8 hält und während einer weiteren Woche 
sich bis 38,0 erhebt; dann langsamer Abfall zur Norm, die jedoch erst Mitte 
Oktober 08 erreicht wird. Als Ursache dieser Temperatursteige-. 
rung wird ein kleines pleur itisches Exsudat hinten links 
unten konstatiert, das sich im Laufe des Oktobers voll¬ 
ständig resorbiert. Während der gemeldeten akuten Störung sank 
das Gewicht auf 51,2 kg. Im November und Dezember 1908 wieder Abend- 
temporaturen von 37,5—37,9 und weiterer Gewichtsverlust bis auf 49,5 kg. 

Lungenbefund vom 29. XI. 08: Ober der ganzen linken Lunge 
deutliche Dämpfung. Dieselbe ist deutlicher als im März 1908. 

Die rechte Spitze ist unverändert geblieben (zu leises und zu rauhes vesi¬ 
kuläres Atmen ohne Rh.). 

Links vom über Klavikula Insp. rauh-scharf, Exsp. leise bronchial, spär¬ 
liche feine trockene Rh., im 1. imd 2. ICR. dasselbe, nur Atmen etwas lauter 
und schärfer. 3.—5. ICR. Atmen zu leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, ver¬ 
einzelte feine trockene Rh. nach Husten. Hinten links über O.L. Atmen leise 
vesiko-bronchial, mittlere trockene Rh. namentlich nach Husten. Obere Hälfte 
des linken U.L. Atmen zu leise, Insp. rauh. Exsp. verlängert, spärliche feine 
trockene Rh. Untere Hälfte des linken U.L. Atmen zu leise, rauh-scharfes 
Inspirium, verlängertes Exspirium, nach Husten mässig viele feine trockene Rh., 
besonders in der Seite. 

Da auch im Verlaufe des Monats Januar 09 keine Besserung cintritt, 
entschliesst sich Patient angesichts der Verschlimmerung des Zustandes seiner 
linken Lunge zur Anlegung eines künstlichen Pn.Th. Diesem Entschluss wird 
Folge geleistet, da sich die leichte Erkrankung der rechten Spitze während der 
neunmonatlichen Beobachtung als inaktiv erwiesen hat 


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218 


L. Brauor und Lucius S{x*nglLT. 


1218 


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A m 24. I. ÜÜ Anlegung eines künstlichen Pneumothorax 
(Lucius Spengler' in der Axillarlinie ini ö. ICR. Der Eingriff gelingt glatt. 

N = 900 ccm. 

A.-Dr. = — 4 mm Hg. 

E.-Dr. ~ -\-l mm Hg. 

Am Tage nach dem Eingriff steigt die Temperatur bis 38,7, fällt dann 
aber auf die vor der Operation bestandene Höhe herab. 

Erste Nachpunktion am 26. L 09. 

N == 600 ccm. 

A.-Dr. = — 6,0 mm Hg. 

E.-Dr. = -f- 3,0 mm Hg. 

Es wird ein ziemlich grosser Pn.Tb. erreicht, der namentlich die vorderen 
Partien einnimmt. Hinten bestehen ausgedehnte strangartige Verwachsungen, 
die wohl auf das pleuritische Exsudat vom September 08 zurück zu führen sind. 

Zweite Nachpunktion am 30. I. 09. 

Dritte Nachpunktion am 6. II. 09. 

N = 800 ccm. 

A.-Dr. — — 2,5 mm Hg. 

E.-Dr. = -f- 7,0 mm Hg. 

In dieser Weise werden während der Monate Februar, März, April und 
^lai 09 etwa alle 14 Tage die Nachpunktionen ausgeführt. Die eingelassene 
Stickstoffmenge schwankt zwischen 400 und 700 ccm, der A.-Dr. ist meistens 
negativ (— 2 bis 3 mm Hgh der E.-Dr. beträgt in der Regel 3 mm Hg. 

Der P n. T h. wird nach und nach recht gross. Vorn ist die 
Lunge von oben bis unten gut abgelöst, doch erscheint sie hinten in grosser 
Ausdehnung adhärent. Die strangartigen Verwachsungen bestehen fort. Die 
Lunge ist d c s Ii a 1 b nur flächenhaft an die hintere Wand 
komprimiert. Dieser Lm stand des nur mangelhaften Kol¬ 
laps s und d <‘ r f 1 ä c h e n h a f t e n Kompression der Lunge lässt 
keinen vollständigen T e m p e r a t u r a b f a 11 zustande kommen. 
Es treten immer wieder TemperatursteigiTungen bis 38 und darüber auf, welche 
zum Teil wohl auch bedingt sind durch ab und zu zur Beobachtung gekommene 
V'e rd a u un g s s t önin gen. 

Ende Mai 09 begibt sich Patient aufs Land. Dort tritt am 27. V. eine 
)(‘ichte Blutung auf. Der Kranke war während drei Wochen nicht nach- 
punklierf. Pat. erholt sich von dieser Blutung rasch und kommt am 11. Vl. nach 
Davos zurück zur Nachpunktion. Die Lunge hatte sich stark ausgedehnt, doch 
gelingt es leicht, eine grössere Stickstoffmenge (1000 ccm) ohne Beschwerden 
einzuführen. 

Seit Anlegung des Pn.Th. hat Patient an Gewicht weitere 2 kg verloren. 
Dasselbe betrug im Mai 09 nur 47 Kilo. 

Die Nachpimktionen werden nun während des Sommers 09 regelmässig 
alle 2—3 Wochen ausgeführt. Der N wird ziemlich rasch resorbiert, denn 
die eingeführten Stickstoffmengen betragen stets 700—1000 ccm bei einem 
A.-Dr. von —2 bis 4 mm Hg und einem E.-Dr. von -f- 3 bis 6 mm Hg. Im 
l. a u f e der .Monate Juni und Juli wird die Temperatur nun 
aber vollständig normal und bleibt normal, doch sinkt 
das Gewicht bis auf 42,75 kg (16. Juli 1909). — 

Von da an stieg dasselbe nun regelmässig und er¬ 
reichte am 28. XL 09 die Höhe von 51,6 kg. Der Puls schwankt 



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219] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


219 


zwischen 76 und 88. Der Aus wurfnahm mit Anlegung des Pn. Th. 
stark ab und verschwand im Laufe des Sommers 09 zeit¬ 
weise ganz. Tuberkelbazillen konnten meist nicht mehr 
nachgewiesen werden. Das letzte positive Resultat stammt 
vom 27. VIII. 09: Gaffky II—III, keine elast. Fasern. 

Während des Herbstes 1909 und des Winters 1909—1910 werden die 
Nachpunktionen alle zwei bis drei Wochen ausgeführt. Die Stickstoffmengo 
beträgt meist 700—800 ccm, selten mehr. Die Temperatur ist* an¬ 
dauernd normal, nur ganz ausnahmsweise erreicht sie die Höhe von 
37,1—37,2. Wie oben gemeldet, wurden seit August 09 in dem spärlichen 
schleimigen Auswurf bis zum Abschluss der Krankengeschichte (Anfang August 
1910) keine Tuberkelbazillen mehr gefunden. Das Gewicht hält sich seit No¬ 
vember 09 auf 51—52 kg. Der Puls schwankt seit Monaten zwischen 72 und 
84. Der Pn.Th. ist sehr gross. Die strangartigen Verw'achsungen an der Hinter¬ 
wand des Pn.Th., von denen eine zum äusseren Drittel des Zwerchfelles geht 
und dasselbe dort zeltförmig emporhebt, haben sich im Laufe der Zeit teilweise 
gelöst oder doch gedehnt. Die Lunge erscheint besser komprimiert. Der Zu¬ 
stand der rechten Spitze ist unverändert gut (abgeschwächtes verschärftes 
Atmen ohne Rasseln). 

Am ö. III. 10 wird Patient nach Hause entlassen, er arbeitet wieder 
in seinem Beruf, die Nachfüllungcn werden noch regelmässig im Sanatorium 
Schatzalp ausgeführt. 

Abschluss der Krankengeschichte November 1910. 

Indikation zur Operation. Schwere progrediente Tuber¬ 
kulose der ganzen linken Lunge. Ganz leichter inaktiver Prozess in 
der rechten Spitze. 

Epikrise. Am 25. Januar 1909 Anlegung eines künstlichen 
Pneumothorax. Wegen bestehender Verwachsungen an der Eückwand 
während der ersten Monate nur unvollständiger Kollaps der Lunge 
und erst nach einem halben Jalire eintretende vollständige Ent¬ 
fieberung. Anfänglich Ge^vuehtsabnahme von 49,5 auf 42 kg, dann 
Gewichtszunahme bis auf 52 kg. Seit 15 Monaten Auswurf ohne 
Tuberkelbazillen und ohne elastische Fasern. Die Pulszahlen 
schwanken seit einem Jahre stets innerhalb normalen Grenzen. 
Patient ist seit 9 Monaten wieder in seinem Beruf als Rechtsanwalt 
tätig. Der Pneumothorax wird weiter unterhalten. Er war während 
der ganzen Behandlung vollständig trocken. Auffallend ist, dass 
während des Bestandes des Pneumothorax (Juni 1909) eine Lungen¬ 
blutung auftrat. Allerdings war zu jener Zeit die Lunge stärker ent¬ 
faltet, weil 3 Wochen lang nicht nachpunktiert worden war. 

Das Resultat der Behandlung besteht vorläufig in vollständiger 
Entfieberung, schliesslicher starker Gewichtszunahme imd Wieder¬ 
eintritt der Arbeitsfähigkeit. 


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220 L. Brauer und Lucius Spengler. [220 

64. G. G., Techniker, 30 Jahre alt (Basler Heilstfitte Davos. Dr. Nien» 
haus). 

1900 Lues, 1904 Beginn der Lungentuberkulose, 05 u. 07 Hämoptoe. 
Kuren im Sanatorium Wald (Zürich) und Tenigerbad. Stets subfebrile und 
febrile Temperaturen. 

22. IX. 08 Eintritt in die Basler Heilstätte Davos-Dorf. 

Status: Mager, Habitus phthisicus. Puls 132, Herz in Ordnung. Lunge: 
r. Oberlappen leichte Dpfg., verschärfte Atmung, keine Rhonchi. L. über dem 
Oberl. relative Dpfg., über dem Unterlappen leichte Dpfg. Ober der ganzen 
linken Lunge zahlreiche feuchte klingende bis grossblasige Rhonchi, die Atmung 
vollständig verdeckend. Larynx: tuberkulöse Ulzerationen unter der vorderen 
Kommissur und auf dem r. Stimmband. Sputum: Bazillen Gaffky VI. Diarrhöe» 

Während der ersten vier Kurmonate ist Pat. ständig bettlägerig. Temp. 
zwischen 38 und 39, der Status bleibt gleich, es tritt l. v. lautes Bronchial¬ 
atmen auf. 

Am 4. II. 09 Anlegung eines künstlichen Pneumothorax links nach 
Brauers Methode. Op.: Nienhaus. Inzision im V. ICR. vord. Axillarlinie» 
Es entsteht ein totaler Pneumothorax mit geringen Adhäsionen an der Spitze. 
Die Lunge erscheint als schmales Band neben der Wirbelsäule. 1600 ccm N» 
Schlussdruck cm Wasser. 

Geringes Hautemphysem, Erbrechen. 

Nach den Nachfüllungen öfters Erbrechen, zweimal kurze Ohnmächten 
(stets nach den Insufflationen beim Aufstehen, wahrscheinlich infolge starker 
Herzverlagerung). 


Nachfüllungen 

Druck z. Beginn 

N 


Schlussdruck 

15. 

n. 09 

? cm 

Wasser 

1100 ccm 

-f 5 cm Wasser 

2. 

III 09 

-2 „ 

n 

900 

>> 

+10 

ff ff 

12. 

III. 09 

~2 „ 

>» 

700 

»> 

+ 9 


25. 

III. 09 

-1 „ 


900 

M 

+ 10 

ff f» 

16. 

IV. 09 

"h 2 ,, 

»1 

900 

»» 

+ 13 

ff ff 

1. 

V. 09 

0 


700 

J» 

+ 12 

ff »f 

1. 

VI. 09 

-2 „ 

»* 

1000 

»» 

+ 10 

ff ff 

3. 

VII. 09 

-2 

>» 

500 

„ 

+ 5 

ff ff 

13. 

VII. 09 

H" 2 „ 

,, 

600 


- - 10 

ft ‘f 

3. 

VIII. 09 

-0,5„ 

,, 

750 

■» 

+ 8 

ff ff 

24. 

VIII. 09 

0 


800 

J» 

+ 7 

ff ff 

28. 

IX. 09 

-3 „ 

J» 

600 

ft 

+ 5 

ff ff 

23. 

XL 09 

— 3 ,, 

>» 

900 

ff 

+ 6 

ff ff 

4. 

I. 10 

“5 „ 


1100 

,, 

+ 9 

ff ff 

24. 

II. 10 

— 5 „ 

M 

1000 

ff 

+ 9 

fl ff 


Nach der Operation nimmt Husten imd Sputum schnell, das Fieber 
langsamer ab. Nach zwei Monaten ist Pat. fieberfrei und ist es seither ge¬ 
blieben, die Tuberkelbazillen waren einmal verschwunden, am 17. IL IG 
Gaffky III. Die Larynxulzerationen sind ausgeheilt, die Diarrhöen sind ver¬ 
schwunden. 

Pat. verliess am 15. Nov. 09 die Heilstätte. Er ist in Davos in ein 
Geschäft eingetreten, vollständig arbeitsfällig, wird ambulant weiterbehandelt,, 
da noch 3—4 Sputa täglich vorhanden. 



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221] Erfahrungen unH Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 2‘Jl 

Röntgenbild: Grosser trockener Pneumothorax 1., Herz nach rechts bis 
zur Mamillarlinie verschoben, Ausbuchtung des oberen Mediastinums nach r. 
Die r. Lunge ist unverändert frei. 

Indikation zur Operation. Schwere, fieberhafte Tuber¬ 
kulose der ganzen linken Seite, die trotz dreijähriger Kuren — vier 
Monate Bettruhe in der Baseler Heilstätte — nicht beeinflusst werden 
konnte. Leichter inaktiver Prozess der rechten Seite. 

Epikrise. Am 4. ü. 1909 Anlegung eines künstlichen Pneumo¬ 
thorax. Das seit Jahren bestandene hohe Fieber schwindet vollständig 
(langsam). Husten und Auswurf schwinden fast vollständig. Auf¬ 
fallende Besserung des Allgemeinbefindens. 

Es besteht ein grosser trockener Pneumothorax. Die andere Seite 
ist frei geblieben. Kehlkopfulsserationen sind geheilt. Diarrhoe ist 
verschwunden (Darmulzera?). Patient ist seit 15. November 09, also 
8 Monate nach der Operation, voll erwerbsfähig. Die Behandlung wird 
ambulant fortgesetzt. Alle 2 Monate -Nachfüllimg. 

Abschluss der Krankengeschichte 10. XI. 1910. 

Herr Dr. Nienhaus fügte seinen Berichten, die 
er uns freundlicherweise zur Verfügung stellte. 
Nachfolgendes an: 

Ausser den drei ausführlich mitgeteilten Fällen habe ich noch 
24mal nach Brauers Methode operiert. 7mal war es wegen Ad¬ 
härenzen nicht möglich, einen Pneumothorax herzustellen. In 
17 Fällen gelang die Operation leicht. Ein Patient starb 9 Monate 
nach der Operation infolge einer Blutung aus nicht komprimierbarer 
Kaverne. Der Pall wird in diesen Beiträgen veröffent¬ 
licht. Von den übrigen 16 Fällen sind 7 vollständig arbeitsfähig, 
werden aber noch ambulant weiter behandelt, 9 stehen noch in 
Behandlung. Sämtliche Patienten sind fieberfrei imd haben eine 
gute Prognose bei 3 trat ein kleines seröses Exsudat auf. 


65. Jolins €. aas Budapest, Alter 46 Jahre. (Wienerwald. Dr. Kraus 
und Dr. Baer.) 

Patient wird am 8. II. 09 auf Anraten des Herrn Dr. Kraus (Sanatorium 
WienerwaJd) und des Herrn Dr. Benedikt (Budapest) nach Marburg über¬ 
wiesen mit dem Ersuchen, über die Notwendigkeit einer LimgenkoUapstherapio 
zu entscheiden und eventuell Pneumothorax anzulegen. 

Anamnese. Patient ist nach der uns freundlichst übersandten Anamnese 
seit etwa 8 Jahren lungenkrank. Vor 5 Jahren konstatierte Dr. Benedikt 
über dem rechten Oberlappen eine ziemlich dichte Infiltration mit beträcht¬ 
lichen Zerfallserscheinungen. Auswurf enthielt reichlich Bazillen und elast. Fasern. 
Linke Lungenspitze stand etwas üefer. L. h. u. fanden sich die Residuen 
eines vor etwa einem Jahre abgelaufenen pleuritischen Exsudates. Fieber 


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222 


L. Brauer und Lucius Spentrler. 


[222 


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bestand damals nicht. Der Kräftezustand war ein zufriedenstellender. Patient 
konnte zu jener Zeit s(‘inem B(Tuf aJs Beamter nachgehen. Xur von Zeit zu Zeit 
suchte er einen klimatischen Kurort zur allgemeinen Kräftigung auf. Während 
der folgenden 3 Vl» Jahre wurde Patient nur gelegentlich von Dr. Benedikt 
untersucht und im allgemeinen der gleiche Status erhoben, Patient hatte in 
dieser Zeit geheiratet, fühlte sich wohl und nahm an Gewicht zu. 

Vor IV'o Jahren tjatem im Sputum mehrfach kleine Blutbeimengungen 
auf. Fieber bestand nicht. Fs zeigte sich dann ein Abwärtsschreiten des rechts¬ 
seitigen Prozesses, Vermehrung der Rasselgeräusche, Zunahme der elastischen 
F'asern. Der Kranke ging duluT in das Sanatorium Wienerwald. 

Im Herbst 08 hatte der Prozess die ganze rechte Seite ergriffen. Fs 
bestand eine ausgesprochene Dämpfung, vom bis zur dritten Rippe, rückwärts 
bis zur Mitte der Scapulae, über dem Oberlappen waren Kavernen nachweisbar, 
über dem IJnterlappen ausgedehntes, nicht klingendes Rasseln. 

Links oben gleichfalls eine geringe Dämpfung bis zur dritten Rippe, un¬ 
bestimmtes Atmen, kein Rasseln. Dabei bestand sporadisch auftretendes Fieber; 
meist wöchentlich stieg die Temperatur hoch an, blieb dann häufig wieder G—8 
Tage unter 37. Ziemlich beträchtliche Dyspnoe, reichlicher Auswurf, Ab¬ 
magerung. 

Während eines vierwöchentlichen Aufenthaltes im Sanatorium Wienenvald 
(Dr. Kraus) trat eine w<‘sentliche BesstTung des Allgemeinzustandes auf, 
der Lokalbefund änderte sich aber nicht wesentlich. Die Temperatur ging zur 
Norm zurück. 

Im Hinblick auf die schwere und ausg(‘dohnte Erkrankung der rechten 
Seite, die Konstanz des Bestandes, die mässige, ein besonderes Fortschreiten 
nicht zeigende Veränderung im linken Oberlappen, rieten sowohl Dr. Kraus 
wie Dr. Benedikt zur Einleitung der Pn.Th.-Therapie. 

Befund am 8. 11. 09 (Marburg). 

Puls etwas beschleunigt und inäqual, wird bei tiefer Inspiration deutlich 
kleiner. Die rechte Seite schleppt sehr deutlich. Auf der Höhe der Inspiration 
deutliche systolische Einziehungen der imteren Sternalpartie. R. obere Spitzen¬ 
partie deutlich eingesunken, Wirl)elsäule gerade. Sputum 7.5—100 ccm. 

Perkussion. R. v. o. beträchtlich gedämpft mit leichter Tympanie, 
eine Grenzbestimmung seitlich und nach oben nicht möglich. R. h. o. ebenso, 
auch hier keine Grenzbestimmung möglich. Ab Spina hellt sich die intensive 
Dämpfung ein wenig auf, ab Angulus schwache Scluülverkürzung. Grenze 
r. h. u. 9. Rippe, um ca. 2 Q.F. verschieblich. 

R. V. o. hellt sich der Schall unter der Klavikula ein wenig auf. Die 
Tympanie wird deutlicher, kein Schallwechsel; r. v. untere Grenze 6. Rippe, 
nicht deutlich verschieblich. R.. seitliche untere Grenze in gleicher Höhe 
wie vom. 

L. li. o. etwas kürzer als normal, obere Grenze unscharf, Spitzenbreite 
4 cm. L. V. o. gleichfalls etwas kürzer als normal, hier scharfe Grenze. Mitto 
Skapuld beginnt erst normaler Schall. Lnlere Lungeiigrenze links 11. Rippe, 
sehr gut verschieblich. 

L. unter der Klavikula und in den Seitenpartien etwas hypersonorer Schall, 
Traubescher Raum normal. 

Auskultation. R. v. o. laut bronchial mit amphorischem Exspirium, 
dichte konsonierende, zum Teil metallisch klingende Rh. Unter der Klavikel 
etwas weniger laut, leicht metamorphosierend. Nach Husten die Rhonchi sehr 



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223 ] 


Erfahrunaen und Üborloffunefon zur Luntronkollapslliorapio. 


223 


viel zahlreicher. Im 3. ICR. unbestimmtes, sehr rauhes 1. mit zahlreichen zähen 
klingenden Rh. und rauh hauchendem E. Ebenso im 4. ICR. Kein Reihen. 
Die Rh. sind mittel- und kleinblasig. R. seitlich sehr rauhes, normal lautes 1. 
bei verschärftem E. und den gleichen zähen Rh. 

R. h. o. lautes bronchiales I., amphorisches E., einzelne zähe Rh. Die 
Flüsterstimme kommt daselbst metallisch durch und zwar herab bis zur Spina. 
-M) Spina leises Inspirium, bronchiales E.xspiriurn, dichtere zähe Rhonclii. 
Mähe dem Hilus bronchiales I. und E. fbcT dem Unterlappen rauhscharfes lang¬ 
gezogenes Inspirium, verschärftes E., klingende und halbklingende Rh. 

L. b. o. verschärftes I., leicht hauchendes E., ganz feine spärliche Rh. 
aus der Tiefe, keine deutlich fortgeleiteten Geräusche. Ab Spina wird das 
Atemgeräusch etwas weicher, aber erst von Mitte Scapulae normal vesikulär. 
Über dem linken Unterlappcn Atemgeräusch sehr laut, keine Rh. 

L. V. o. wie 1. b. o. nur einzelne zähe Rhonchi besond(*rs nach lluslan. 
Links imter der Klavikel Inspirium langgezogen und scharf. Nach Husten ganz 
einzelnes Knacken. 

Seitenpartien normal. 

Cor.: R. Grenze in der r. Parasternallinie. Relative Grenze links 2 Q.F. 
innerhalb der M.L. Töne ;ui der Spitze paukend, aber rein, desgleichen über 
der Basis. 2. Pulmonal ton stark akzentuiert, ebenso 2. Aortonton. Kein peri¬ 
kardiales Reiben. 

Bei Rückenlage bemerkt man sehr deutliches Schleppen der rechten Stdle, 
Auf der Höhe der I. besteht eine breite systolische Einziehung der mittleren 
und unteren Stemalpartie. Kein Pulsus paradoxus. Kein 3. Ton. 

10. II. 09. P n. T h. - A n 1 e g u n g (Braue r). 6. Interkostalrauin, mittlere 
.\xillarlinie. Bei Durchstossung der Pleura bildet sich eine relativ grosse Öff¬ 
nung, es zischt laut Luft ein. Trotzdem also die Kanüle im Pleuraraum liegt, 
gelingt der Sondenversuch nicht glatt. Es laufen in mehreren Absätzen 900 rem 
N ein. Dabei keine besonderen Beschwerden, Druck am Schluss der Operation 
-7- 10 mm Hg. 

12. II. 09. Nachfüllung von 700 ccm N. Ebenfalls ohne Beschwerden. 
Druck am Schluss -j- 3 und + 7 mm Hg. 

In den ersten Tagen nach dem Eingriff ist die Sputummenge vermehrt. Dein 
Au.s'v^’urf ist reichlich Speichel beigemengt; die Sputumballen schwimmen in eiiu'r 
glasigen Flüssigkeit. 

22. II. 09. Nachfüllung von 900 ccm N. Anfangs negativer Druck, der 
auch im Exspirium negativ bleibt. I. — 2 mm, E. — 4 mm Hg. Am Schluss 
I. + 3 mm, E. 4- 6 mm Hg. 

Die Sputummengen sind wieder auf dieselbe Höhe gesunken, wie vor der 
Operation und beginnen sich nun zu verringern. 

6. III. Nachfüllung von 700 ccm N. Anfangsdruck — 5 und — 7 mm Hg. 
Am Schluss I. ^ mm und E. -f- 10 mm Hg. Der Patient fühlt sich immer 
noch sehr angegriffen, kann aber die Reise nach seiner Heimat antreten. 

Die Aus wurf mengen betrugen vor dem Eingriff 
zwischen 75 und 100 ccm, si(* gingen im Laufe der ersten Wochen nich 
der Operation auf 100—200 ccm. Ab 21. 11. 09 Abnahme auf .oO—80 und 
dann weitere Sputumabnahme bis auf 45—50 ccm. Das Körpergewicht betrug 
am Tage vor der Operation 72,5, sank dann bis zum 4. II1. 09 auf 70,5. 
Puls und Respiration betrugen vor der Operation um 80 rosp. 20, gingen dann 
auf 100—120 resp. 25 in die Höbe, sind am 18. 11. 09 wieder auf der 
gleichen Höhe wie vor dem Eingriff. 


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224 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[224 


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Vor seiner Abreise wurde folgender Befund erhoben: 

Perkussion. R. h. o. Schallverkürzung mit leichter Tympanie, keine deut¬ 
liche Grenze. R. v. o. laute Tympanie hei relativ breitem Schallfeld. L. h. o. 
etwas kürzer als normal, obere Grenze unscharf. L. v. o. leidlich normaler Schall, 
normale Grenzen. R. h. o. reicht die Dämpfung bis Spina, dann sehr lauter 
voller Schall (Pn.Th.) bis 12. Rippe, rechts seitlich überall tympanitisch. 

R. o. ab Klavikula hypersonorer voller Schall. Grenze r. v. im Stehen 
Mitte der 7. Rippe. 

L. V. und 1. seitlich normaler Schall, ebenso 1. h. Untere Grenze unterer 
Rand der 10. Rippe. Herzdämpfung: 1. Rand etwas ausserhalb der M.-L. Rechts 
linker Sternalrand. Ober den unteren Sternalpartien laute Tympanie. Spitzen- 
stoss nicht sichtbar und nicht fühlbar. 

Auskultation. Links hinten oben rauh-scharfes I., hauchendes E., 
spärliche aus der Mitte kommende halbklingende Rhonchi besonders nach Husten. 
Nach der Wirbelsäule zu nimmt das Atemgeräusch amphorischen Klang an 
(Herüberklingen des Pn.Th.-Atmen). L. v. o. I. rauh-scharf, nur einzelne Rh. 
Unter der Klavikula Inspirium langgezogen imd scharf, nach Husten ganz 
vereinzeltes Knacken. Über der ganzen rechten Seite hört man ausgedehntes 
metallisches Atmen, keine Rhonchi. Nur nach Husten klingt metallisches spär¬ 
liches Rasseln durch. Rechts v. über dem unteren Abschnitte wird das metallische 
Atmen sehr viel leiser, anscheinend ist dort die Lunge der Thoraxwand an¬ 
liegend. 

Nach der Rückkehr nach Budapest wurde Patient am 23. III. 09 von 
seinem Arzte zum erstenmal nachpunktiert. Die Luftblase hatte ziemlich 
beträchtlich an Grösse abgenommen, so dass es dringend geboten schien, 
dieselbe nachzupunktieren. Es gelang 1000 ccm N einzubringen. Diese Nach¬ 
füllung bereitete einige technische Schwierigkeiten. Anfänglich wollte durch 
die Nadel Luft nicht einfliessen; erst als man die Nadel etwas 
zurückzog, gelang es, Stickstoff einzubringen. Die Nadel 
war zeitweise in die Lunge eingedrungen. Letzteres ist des- 
w^egen wahrscheinlich, weil, wie gesagt, die Luftmenge im Pn.Th.-Raum bereits 
sehr gering geworden war. 

Gleich in den ersten Tagen nach dieser Punktion fühlte 
der Patient ein ungewöhnliches Unbehagen, die Tempe¬ 
ratur bewegte sich zwischen 37,0 und 37,3. Nach einigen 
Tagen begann dann eine stete Temperaturzunahme, Pat. 
musste das Bett hüten. Trotz Pyramidon ging die Tempe¬ 
ratur in den Abendstunden meist über 38 hinaus. Bei einer 
Durchleuchtung in den ersten Apriltagen zeigte sich der 
Bestand eines geringen Exsudates. Letzteres nahm dann 
relativ rasch zu. Von weiterer Punktion wurde zunächst Abstand ge¬ 
nommen. Patient hatte während dieser Zeit Schmerzen auf der ganzen Pn.Th.- 
Seite. Sputummenge zwischen 30 und 40, die Pulszahl um 90. 

Am 5. Mai 09 reichte das Exsudat bis zur 4. Rippe herauf, 
die Temperatur war wieder hinunter gegangen, erreichte 
nur selten 37,8. Bei sagittaler Durchleuchtung war der 
Pn. Th. vorn etwa 2 Querfinger breit. 

Während des subfebrilen Zustandes hatte man aus Scheu, die Pleura zu 
reizen, von weiteren Punktionen Abstand genommen. Das Exsudat war ziem¬ 
lich hoch angewachsen. Wohl gelang es dann Mitte Juni eine kleine Menge 



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225] Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 225 

abzupunktieren und 200 ccm N unter hohem Druck einzublasen. Bald 
war aber auch diese Luft nahezu völlig resorbiert, jedenfalls physikalisch 
nicht mehr deutlich nachweisbar. Patient kam mit ganz leichten Fieberbewe¬ 
gungen, 37,2—37,4 im Durchschnitt als Maximum, am 3. VII. 00 nach Marburg. 
Die Sputummengen waren gegen früher noch weiterhin abgesunken, durch¬ 
schnittlich 20 ccm; sie schwankten um wenige ccm auf und ab. Tuberkel¬ 
bazillen waren in diesem Sputum spärlich vorhanden. Am 3. VII. 09 wurde 
in Marburg nachfolgender Status erhoben: 

Die rechte Seite bleibt in den oberen und unteren Partien beim Atmen 
stark zurück. R. h. o. intensiv gedämpft. Die Dämpfung hellt sich ab Spina 
etwas auf, nimmt ab Angulus wieder zu, ist sehr hart. Links findet sich 
ein deutliches Rauchfusssches Dreieck. Die intensive Dämpfung geht auch 
rechts in die Seitengegend herein. 

R. V. o.' ebenso, dabei leichte Tympanie, aber auch hier scharfe Grenz- 
bestimmimg nicht möglich. R. v. unter Klavikula tympanitisch gedämpfter 
Schall; ab 4. Rippe intensivere Dämpfung. Die Dämpfung reicht bis an den 
rechten Stemalrand. Die Herzdämpfung reicht von der linken Mamillarlinie 
einen Querfinger breit nach aussen, beginnt oben relativ an der 3., absolut 
an der 4. Rippe. Deutlicher Spitzenstoss ist nicht zu fühlen. 

L. V. und h. o. normaler Lungenschall, gut breite Spitze, nur die obere 
Grenze etwas verwachsen. Untere Grenze 10. Rippe gut verschieblich. Auch 
in der Seite normaler Lungenschall. 

L. V. o. Insp. verschärft, Exsp. etwas rauh und hauchend, keine Rhonchi. 
L. h. o. ist das Insp. ein wenig verschärft, das Exsp. normal, man hört einzelne 
zähe, halbklingende, spärliche Rhonchi, die wohl sicher von der anderen Seite 
herübergeleitet sind. Unter der Spina ist das Insp. noch etwas scharf, keine 
Rhonchi. Im übrigen ist das Atemgeräusch der ganzen linken Seile etwas 
pueril, Rasselgeräusche sind nicht zu hören, auch nicht in der Lingula. Herz¬ 
aktion ein klein wenig erregt, Töne leicht paukend. 

R. V. o. broncho-amphorisches Insp. und Exsp., nach Husten zähe klingende 
Rhonchi. Unter der Klavikula aussen und innen broncho-amphorisches Almen, 
ziemlich zahlreiche halbklingende und klingende Rhonchi. Nach abwärts zu 
wird das Atemgeräusch sehr leise, Charakter unbestimmt, mittelzahlreichc 
zähe Rhonchi. Rechts seitlich unten leises, femklingendes, hauchendes Atmen, 
spärliche femklingende zähe Rhonchi. R. h. o. Insp. und Exsp. bronchial, 
mittelzahlreiche klingende Rhonchi, sehr hell klingend. Unter Spina bei leiserem 
Atmen, das im Exsp. hauchend ist, zahlreiche gröbere, knarrende und zum Teil 
klingende Rhonchi. Rechts über dem Unterlappen ist das Atemgeräusch sehr 
leise, femhauchend mit spärlichen zähen, aus der Tiefe kommenden Rhonchi. 

Das Röntgenbild zeigt die rechte Seite fast vollkommen abgeschattet. 
Ausgesprochene Verdrängungserscheinungen. Die andere Lunge gegen früher 
unverändert. 

5. Juli 09: Ablassen von einigen ccm eines hell gefärbten, völlig klaren Ex¬ 
sudates. Einfliessen von 250 ccm N. Druckwerte wegen des Exsudates nicht 
zu bestimmen. 

7. Juli: Entnahme von 500 ccm Exsudat, Einfliessen von 1100 ccm N. 

8. Juli abends: Temperatur 38,9. Es hat sich unter der Haut der rechten 
Brustseite etwas Flüssigkeit angesammelt, Alkoholumschlag. 

9. Juli morgens: 37,2°. Befinden besser. Die Schwellung der Haut ist 
etwas geringer geworden. 

B«itr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1. 15 


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226 L. Brauer und Lucius Sixingler. [226 

11. Juli: Temperatur morgens 36,7. Schwellung der rechten Brustseite 
völlig geschwunden. 

11. Juli: Punktion. Vom Exsudat 400 ccm abgelassen. Leukozyten, rote Blut¬ 
körperchen, keine Tuberkelbazillen. 

Am 15. Juli abends 3ö,5. Es tritt wieder eine teigige Schwellung der 
ganzen rechten Brustseitc auf, die sich nach wenigen Tagen bis in die Lumbal¬ 
gegend senkt 

19. Juli: Beim Aufheben einer Hautfalte bemerkt man, dass die Haut der 
ganzen rechten Seite viel derber ist als links. Wohlbefinden, früh 36,7. 

23. Juli: An der kranken Seite keinerlei Veränderungen der Haut 

26. Juli: Punktion: es werden 100 ccm Exsudat abgelassen. N = 300 ccm. 
Druckwerte: Insp. +6, Exsp. -j-12 mm Hg. 

Während dieser Punktion hatte Patient zweimal Temperaturen bis 
39, sonst verblieb die ganz geringe subfebrile Temperatur wie soeben 
geschilderL Patient reiste wiederum nach Hause. Es wurde dann in der nach¬ 
folgenden Zeit Exsudat abpunkliert und Stickstoff nachgeblasen. Zunächst aber 
stieg das Exsudat immer noch ziemlich rasch wieder an. Patient war in Buda¬ 
pest alsbald völlig fieberfnd geworden. Die Auswurfinengen betrugen 15—20 ccm 
pro Tag. Die Punktionen wurden von Herrn Dr. Kraus- W'ienerwald in grösseren 
Intervallen fortgeführt. Patient arbeitet seit Herbst 09 täglich 4 bis 5 Stunden. 
Eine wesentliche Änderung im Befunde ist nicht eingetreten (Dezember 1910). 

Indikation. Schwere ausgedehnte Lungentuberkulose der 
rechten Seite, die trotz sehr vorsichtiger Lebensweise und wiederholter 
zweckmässiger Kuren nicht zu bessern w^ar. Cirosse Kaverne im 
Oberlappeii, beträchtliche Auswurf mengen (75—100 ccm pro Tag). 
Im linken Oberlappen geringfügige Veränderungen, die seit langem 
süitionär sind. 

Epikrise. Am 10. IL 09 gehngt die Anlegung eines Pneumo¬ 
thorax; die bestehenden Verwachsungen lassen die Lunge etwa auf 
die halbe Grösse kollabieren. Im Anschluss an den Eingriff zunächst 
eine Woche subfebrile Temperaturen mit gesteigerten Auswurfmengen 
bis zu 200 ccm. Dann aber wieder Keberfreiheit. Der Aus¬ 
wurf sinkt nach Ablauf der 2. Woche auf 45—60 ccm. Der Eingriff 
hatte den nervösen Patienten zunächst sehr angegriffen; objektive 
Störungen der Zirkulation oder Eespiration waren aber nicht vor¬ 
handen. Patient erholt sich und reist nach Hause. Da mit 
der Nachfüllimg aus äusseren Gründen etwas länger als wünschens¬ 
wert gewartet werden musste, wurde die Pneumothoraxblase sehr 
klein, so dass bei der Nachpunktion die Nadel durch 
die Luftblase hindurch versehentlich in die Lunge 
e i n d r a n g. Als die Nadel dann etwas zurückgezogen wurde, ge¬ 
lang OS glatt Stickstoff einzubringen. Im unmittelbaren An¬ 
schluss aber an diese Verletzung der Lunge und 
wolil infolge von Verschleppung von Keimen aus 
dem kranken L u n g e ii g e w e b e in den Pleuraraum e n t - 



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227] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 227 

wickelte sich ein Pleuraexsudat, das relativ rasch 
anstieg und längere Zeit Temperatursteigerung be¬ 
dingte. Unter der Wirkung dieses Exsudates stand dann der weitere 
Verlauf, insofern, als dasselbe melirfach entleert werden musste und 
wiederholt Fiebersteigerungen veranlasste. Das Exsudat ist im Laufe 
der Zeit ziemlich gelatinös und zellenreich geworden (tuberkulöses 
Empyem). In den letzten 10 Monaten aber traten die von dem Exsudat 
abliängigen Störungen wieder völlig zurück. Patient ist vollkommen 
fieberfrei. Die Sputummengen liegen jetzt etwa um 20, sind also 
im Gegensatz zum Anfang auf zurückgegangen. Tuberkel¬ 

bazillen noch vorhanden. Patient ist als Beamter ziemlich weit¬ 
gehend arbeitsfähig. 

Einmal wurde nach Entleerung des Exsudates mittels einer 
dickeren Nadel und Naclifüllen des Pneumothorax unter höherem 
Dimck durch den Stichkanal ein Teil des restierenden Exsudates 
in das Unterhaut-Zellengewebe durchgepresst, so dass im Anschluss 
hieran in Handtellergrösse sich eine entzündliche Infiltration bildete, 
die aber unter feucliten Umschlägen bald wieder zurückging. 
Es blieb längere Zeit eine Verhärtung zurück, die jetzt wieder ge¬ 
schwunden ist. 

Das Qesamtresultat der Therapie ist nur ein geringes, immerhin 
insofern befriedigend, als die Sputummengen von 75—100 ccm auf 
15—20 ccm heruntergegangen sind und die Arbeitsfähigkeit ent¬ 
schieden gebessert ist. Lehrreich ist der Pall für die Frage 
des technischen Vorgehens. Er zeigt, wie auch andere Fälle, 
sehr deutlich die Schädigungen, die einer selbst geringen Verletzung 
der Pleura pulmonalis folgen können, mahnt daher dringend, bei 
Erstanlegung des Pneumothorax die Punktionsmethode zu meiden 
und bei den späteren Nachfüllungen streng ein zu tiefes Eindringen, 
der Nadel in den Pneumothoraxraum zu verhindern. Es muss durch 
strenge Röntgenkontrolle und passende Auswahl der Punktionsstelle 
selbst bei relativ schmaler Pneumothoraxblase die Lungenverlotzung| 
unbedingt vermieden werden. 

66. Frau L. G., Hausfrau, geh. Oktober 1883. (FaUVI, Dr. v. Muralt.) 

Vater war zur Zeit der Zeugung schon sehr alt, starb an Altersschwäche. 
Mutter an Asthma gestorben. In der Familie keine Lungenkrankheiten. Pat. 
ist das 4. von 4 Geschwistern. 3 Brüder sind gesund. Als Kind nie krank, 
war ziemlich kräftig, gute Esserin. Mit 16 Jahren Drüsenabszess am Halse, 
mit 17 Jahren menstruiert ohne Besonderheiten. Mit 22 Jahren hatte sie öfters 
Schwindelanfälle imd wnirde wegen Blutarmut vom Arzt mit Arsen behandelt. 

Im August 1907 Heirat mit gesundem Mann. Am 5. Juli 1908 schwere 
Geburt, die lange dauerte, mit Dammriss. Bald nach der Geburt stellte sich 

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L. Braiior und Lucius Spengler. 


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Fieber ein, das bis 40^ stieg. Auch zeigte sich starker Husten und Auswurf, 
in welchem einmal etwas Blut war, und Schweisse morgens früh. Trotz 
Fieber, Husten und schlechtem Appetit war die Patientin ausser Bett und be¬ 
sorgte ihre Geschäfte. Da es ihr zusehends schlechter ging, kam sie am 
19. November nach Davos. 

Gewicht 53,2 kg. Grösse 159 cm. Klein, grazil, ziemlich geringer Er¬ 
nährungszustand. Sehr blass, blasse Schleimhäute, starke Zyanose des Ge¬ 
sichts, besonders der Lippen, aber auch der Schleimhäute. Hände stark 
schweissig. 

Thorax lang, breit und flach, starkes Nachschleppen der ganzen rechten 
Seite. Herzspitzenstoss im 5. Interkostalraum, 2 Querfinger nach rechts von 
der Mamillarlinie. Absolute Herzdämpfung am linken Stemalrand und am 
unteren Rande der 4. Rippe. Puls 104, wenig gefüllt und gespannt Patientin 
ist stark heiser. Die Schleimhaut des Lar 3 nix ist sehr blass, die Hinterwand 
stark faltig. Hintere Partie der Stimmbänder stark injiziert 

Lungen. Perkussion: R. v. stark relative Dämpfung mit Tympanie 
bis 1. Rippe, relative Dämpfung mit Tympanie bis 3. Rippe, stark relative 
Dämpfung bis unten. R. h. relative Dämpfung mit Tympanie bis Spina, relative 
Dämpfung bis Angulus, leichte Dämpfung bis unten. Unterer Lungenrand nur 
ganz wenig verschieblich, steht etwas höher als links. L. leichte Dämpfung 
bis 2. Rippe. L. h. Schallverkürzung bis gegen Mitte. 

Auskultation: R. v. unrein-ves.-br. Insp. mit br.-ves. Exsp. bis erste 
Hippe, spärliche, nach Husten mässig zahlreiche, halbklingende Rh. Br.-ves. 
Insp., br.-ves. Exsp. im 1. und 2. Interkostalraum, spärliche, nach Husten zahl¬ 
reiche mittlere und grob feuchte Rh. In den unteren Partien leises, unreines 
Atmen mit spärlichen, nach Husten mässig zahlreichen, halbklingenden Rassel¬ 
geräuschen. R. h. leises br.-ves. Atmen bis Mitte mit spärlichen, nach Husten 
zahlreichen, mittleren und groben, feuchten halbklingenden Rh. In der Mitte 
zahlreiche, grobe, klingende Rh. In den unteren Partien leises, unreines Atmen; 
bis zum Angulus mässig zahlreiche, halbklingende Rh. L. v. über der Klavikula 
scharfes, unreines Atmen; im 1. Interkostalraum sakkadiertes Atmen; im 2. imd 
3. Interkostalraum neben dem Sternum nach Husten einzelne feine Rh. L. h. zu 
oberst scharfes, unreines Atmen mit spärlichen, nach Husten mässig zahlreichen, 
feinen, tonlosen Rh. Im Interskapularraum unrein ves.-br. Atmen mit Giemen. 
Zu unterst unreines Atmen. 

Leicht balliger, schleimig-eitriger Auswurf mit zahlreichen Tuberkelbazillen 
(Gaffky VII) und elastischen Fasern. 

Hämoglobingehalt des Blutes 60 o/q. Die Patientin fieberte anfangs bis 
39. Die Temperatur hielt sich dann mehrere Wochen unter der Wirkung 
von kalten Wickeln und Pyramiden auf 38—38,4. Anfangs nahm sie etwas 
zu, bald stellte sich aber wieder mehr Husten, gelegentliches Erbrechen und 
Appetitlosigkeit ein. Am 24. Dezember Temperatursteigerung bis 40®, sehr 
starker Husten und Heiserkeit, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen. Nach wenigen 
Tagen ist die Temperatur wieder wie vorher. Im Januar wieder ununterbrochen 
Fieber bis 38,4. Langsame Gewichtsabnahme. Am 1. Februar betrug das 
Gewicht noch 50,2 kg. Das Rasseln r. o. hat deutlich zugenommen. Die 
rechten unteren Partien sind ungefähr gleich geblieben. Auch über der linken 
Spitze sind vorne nach Husten einzelne Rh. zu hören. Die Rh. 1. h. über der 
Spitze haben halbklingenden Charakter angenommen. Der Urin ist dauernd 
frei von krankhaften Bestandteilen. 



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229] 


Erfahrungen und Lberlegungon zur Lungonkollapstherapie. 


229 


Da es sich um einen akut entstandenen, auf die ganze rechte Seite 
ausgedehnten, zu starkem Zerfall neigenden und offenbar rasch zum Ende füh¬ 
renden Prozess handelt, entschliessen wir uns, die Pneumothoraxtheia- 
]) i 0 vorzuschlagen. 

Ausführung der Operation am 12. Februar 09 nach der 
Methode von Brauer. Operation durch L. v. M uralt. 

Eingehen unter Lokalanästhesie im 6. Interkostalraum in der rechten 
Axillarlinie. Die Interkostalräume sind ausserordentlich schmal und es ge¬ 
lingt nur schwer, die Pleura frei zu präparieren. Die Sonde gelangt sehr leicht 
in den freien Pleuraspalt. Das Manometer zeigt einen Druck von — 6 Insp. 
und — 1 Exsp. Es werden im ganzen 1250 ccm Stickstoff eingebracht. Der 
Schlussdruck beträgt — 2 und -|- 2. 

Erste Nachfüllung am 13. Februar, der Druck wird auf -j- 2 und 4“ ^ 
gebracht. 550 ccm. Weitere Nachfüllungen am 17. und 20. Februar mit 
Schlussdruck von 8 und -f- 9. Nach diesen Nachfüllungen ist die Patientin 
fieberfrei und fühlt sich ausserordentlich wohl. Nach der Operation hatte sicli 
etwas Emphysem gebildet, das aber rasch resorbiert wurde. Die Wunde heilte 
per primam. Schon nach der Operation zeigte sich an der rechten Basis ein 
grosser Pneumothorax, das Zwerchfell w'ar vorne und hinten deutlich tiefer 
getreten. Der Pneumothorax wurde mit den nächsten Nachfüllungen 
deutlich grösser. Nach der Punktion vom 20. Februar klagte die Patientin 
über starke Schmerzen in der Gegend der rechten Spina scapulae und im 
rechten Arm. Auch hatte sie etwas Dyspnoe. Husten und Auswurf, welche 
stark vermehrt waren, hatten nach der Operation schon bedeutend abgenommen. 

Am 24. Februar 09 erneute Punktion, bei w^elcher die 
Patientin unruhig war, und eine stark drehende Beweguna 
ausführte, während die Punktionsnadel im Pneumothorax 
steckte. Während dieser 'Bewegung fühlt<‘ die Patientin 
einen starken stechenden S c li in e r z. Offenbar war dabei 
die Pleura pulmonalis oder die Lunge in Berührung mit 
de‘r Nadelspitze geko m men und es hatte eine Verletzung 
stattgefunden. Schlussdnick bei dieser Nachfüllung ; 9 und -j- 10. Zwei 
Sluntlen später stellte sich ein starker Hustenreiz ein. Die Patientin 
plötzlich ein starkes Hautemphysem über der ganzen rechten Thoraxhälfte, 
bis zum Kinn war auf beiden Seiten emphysematos. Gleichzeitig stieg 
die Temperatur bis 40. Bis zum 5. März fieberte sie dann andauernd 
hoch, hatte Schmerzen beim Schlucken, besonders alH‘r beim Atmen und 
Husten, hatte auch deutlich Dyspnoe, sah wieder zyanotischer aus, ass fast 
gar nichts und klagte über grosse Schwäche. Bei einer Punktion am 
2. März zeigte sich der Druck höher als am Schluss der 
letzten Punktion, nämlich - - 12 und - 18. Es wurden da¬ 
her 300 ccm Stickstoff entnommen, \\'orauf die Tempe¬ 
ratur rapid a b f i e 1, um nach wenigen S t u n d f* n wieder an- 
z u s t e i g e n. Am folgenden Tage war nun ein deutliches 
Exsudat in der Pneumothoraxhöhle nach zu weisen. Der 
Rand r. h. u., welcher vor der Exsudatbildung tiefer gestanden hatte 
als links, war nun deutlich etwas höher. Es bestand Siiccussio Hi|)])ocrcili'^. 
Beim Umlegen nach hinten zeigte sich das Exsudat verschieblich. Eine Probe¬ 
punktion ergab ein klares Exsudat, das auch im Zentrifugat nur sehr spär¬ 
liche Leukozyten enthielt. Nach Zichl, Gram und mit Methylenblau sind 
keine Mikroorganismen nachzuweisen. Impfungen auf Glyzerinagar bleiben steril. 


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L. Braiior und Lucius Spengler. 


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Der Druck wird in der Folgezeit durch kleine Naclifüllungen auf 6 und 
-f- 10 gehalten. Die Temperaturen bewegten sich vom 6. März an zwischen 
37,2 und 38,4. 

Am 20. März zeigt sich unter hohem Temperaturanstieg starkes pleu- 
ritisches Reiben rechts. Ungefähr zur gleichen Zeit klagt die Patientin über 
Leibbeschwerden und es ist in der rechten unteren Bauchgegend eine hand¬ 
tellergrosse, gedämpfte und resistente Zone zu finden. Am 25. März werden 
600 ccm des Exsudats, das immer noch vollständig klar ist, durch Punktion 
entfernt und ebensoviel Stickstoff eingeführt. Nach der Punktion zeigt der 
Stich kan al stark entzündliche Schwellung, und die Temp. 
steigen vorübergehend wieder höher an. Im April wurden mehrfach kleine Mengen 
des Exsudates entfernt und lOo^o steriles Jodoformöl injiziert. Unter dieser Be¬ 
handlung fiel die Temperatur allmählich ab, um dann aber Ende April ohne 
nachweisbare Ursache wieder anzusteigen. Von Mitte April an war das Exsudat 
eitrig mit vorwiegend polynukleären Leukozyten, mit positiv^em Tuberkelbazillen- 
bchmd. Mit M i 11 o n schem Reagens deutliche Scheibenbildung und Rotfärbung. 
Es wurden daher in mehrtägigen Intervallen Injektionen von 2 o/o steriler 
Chininum rhuriaticum-Lösung begonnen. 

Der Befund über den Lungen und die Röntgendurchleuchtung zeigt einen 
grossen, rechtsseitigen Pneumothorax mit kleinem, verschieblichem Exsudat 
Ende Mai wurde folgender Befund erhoben: 

Perkussion: R. v. lauter dröhnender Schall von oben bis zur 7. Rippe 
und bis 3 cm links vom linken Stemalrand. R. h. lauter dröhnender Schall 
über der Spitze, vom Angulus bis unten und über dem äusseren Teil der 
Skapula; leichte Dämpfimg mit Tympanie im oberen Interskapularraum, leicht 
relative Dämpfung im unteren Interskapularraum. Links ist die Spitze vorne 
und hinten leicht gedämpft mit tympanitischem Beiklang. 

Auskultation: R. v. bis 2. Rippe leises, etwas unreines Atmen, 
nach Husten spärliche, tonlose Rh.; in den übrigen Partityi leises Atmen ohne 
Rasselgeräusche. R. h. überall sehr abgeschwächtes Insp. mit leisem br. 
Exsp. und nur über der Spitze, nach Husten spärliche, tonlose Rh. V. und h. 
unten klingen die Hustenstössc metallisch und es besteht Stäbchen-Plessimeter- 
Metallie. Der Rand h. u. steht wie links am 11. Dornfortsatz, tritt beim 
Neigen nach vorn tiefer, beim Neigen nach hinten höher. Beim Schütteln hört 
man lautes Sukkussions-Cieräusch. L. v. ist die Atmung über der Spitze 
bis 2. Rippe ves.-br., nach Husten unrein; in den übrigen Partien verschärft. 
Im 2. imd 3. Interkostalraum neben dem Sternum hört man halbklingendes 
Knacken, am unteren Lungenrand weiches, pleuritisches Schaben. L. h. ist 
die Atmung bis zur Spina wie vorne, in den darunter folgenden Partien ver¬ 
schärft, zu unterst unrein. Über der Spitze, in der Mitte, hört man einzelne 
Knacke. 

Die absolute Herzdämpfung ist stark nach links verschoben, der Spitzen- 
stoss ist rechts von der linken Parastemallinic bis in die vordere Axillar¬ 
linie, 5. Interkostalraum, zu fühlen. Puls 108, leicht unterdrückbar. 

Die Patientin ist jetzt sehr stark abgemagert, hustet zeitenweise noch 
viel, w'irft aber nui* einige ccm sehr stark bazillenlialtigen Auswurf aus. 
Im Urin ist vorübergehend positiv Diazoreaktion nachzuweisen. 

31. V. Es w’urden am 12., 18., 22. und 25. des Monats Punktionen vor¬ 
genommen, bei denen 50—150 ccm des Empyems, das mikroskopisch den 
gleichen Charakter wie Ende April zeigte, entfernt wurden. Bei jeder Punktion 
wmrden einige Kubikzentimeter 10 o/o iges Jodoformöl eingeführt. Temperaturen 



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Erfahninc[en und Übcrlo^iingen zur Limponkollapstherapic. 


231 


bis 39, von hektischem Typus. Viel Klagen über Leibschmerzen, oft Diarrhöe, 
die durch keine Diät und Medikamente zu beeinflussen ist. Viel quälender 
Husten, Gewichtsabnahme. Oft Nachtschweisse. 

30. VI. Temperatur immer hoch, trotz vieler Antifebrilia, doch weniger 
hektisch. In letzter Zeit keine Nachtschweisse mehr. 

Seit einer letzten Punktion - vom 5. Juni, welche ganz an der Basis 
200 ccm Eiter ergab, ist das Exsudat nicht mehr nachzuweisen. Seither 
wird der Stickstoff wieder rascher resorbiert und es wird durch Nachfüllung 
von 200 bis 300 ccm Stickstoff alle 4—5 Tage der Druck auf -}- 8 bis 
14 cm erhalten. Zu Beginn der Einfüllungen ist er stets auffallend stark 
negativ, — 4 bis — 8 cm, die Lunge hat offenbar ihre Elastizität in hohem 
Masse eingebüsst. 

Magen-Darmbcschwerden viel intensiver, häufiges Erbrechen, fast keine 
Nahrungsaufnahme, profuse Diarrhöen. 37 kg. 

Sputum eitrig-ballig, enthält fast Reinkulturen von Tbc. 

24. VII. Exsudat nicht mehr nachzuweisen. Der Pneumothorax hat die 
gleiche Ausdehnung wie im April. Die Nachfüllungen werden wöchentlich 
vorgenommen. 200—300 ccm genügen, um den Druck von — 2 auf -f-10 
zu steigern. Links vorne und hinten mehr Rasseln. 

Fieber wieder ausgesprochen hektisch, häufige Schüttelfröste. Sehr 
quälender, anhaltender Husten, Auswurf wie im Juni. 

Im Vordergrund des Bildes stehen mehr und mehr die Erscheinungen der 
Darmtuberkulose. Rapide Abmagerung und Entkräftung. 

Exitus 24. VII. 2 h p. m. 

Das Ergebnis der makroskopischen und mikroskopischen Nekroskopie ist 
in der Arbeit von Dr. F. W a r n e c k e: „Beitrag zur patholog. Anatomie 
des künstl. Pneumothorax“, Brauers Beiträge, Bd. XVI S. 171 ff., veröffentlicht. 

Iiidikatioü. 26jährige, zehr zarte, anämische Frau, hei 
der sieh im Sommer 1908 im Anschluss an eine Geburt eine akute 
Phthise mit hohem Fieber entwickelt. In Davos gelingt es während 
drei Monaten nicht, den Prozess zum Stillstände zu bringen, er schreitet 
vielmehr rasch fort und führt auf der stark infiltrierten rechten Lunge 
zu ausgedehntem Zerfall. Larynxtuberkulose. 

Epikrise. Grosser rechtsseitiger Pneumothorax, rasche Ent¬ 
fieberung. Bei einer Punktion wird infolge von Un¬ 
ruhe der Patientin offenbar die Lunge angespiesst, 
es entsteht ein seröses, später eitrig werdendes Ex¬ 
sudat. Gleichzeitig wird die andere Lunge unrusiger und es treten 
mehr und Inehr die Erscheinungen der Darmtuberkulose in den 
Vordergrund. Durch mehrfache Punktionen und Jodoforminjektionen 
gelingt die Beseitigung des Exsudates 2^/2 Monate nach der Bildung 
desselben. Die Patientin erliegt aber Monate nach der Operation 
ihrer progredienten Lungen- und Darmtuberkulose. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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67. Herr W., 18 Jahre. (Neues Sanatorium Davos-Dorf, Dr. Wolfer.) 

Keine hereditäre Belastung. In Südamerika geboren und bis zum 15. Jahre 
dort aufgewachsen. Drittältestes von sechs Geschwistern. Mit 3 Jahren Jang 
andauernde Enteritis. Wuchs zwischen 14 und 15 Jahren sehr rasch, seither 
schlechter Esser. Kam Herbst 06 nach Zürich; damals schon ungesundes 
Aussehen. 

Im Winter 06/07 hartnäckiger Katarrh, Sommer 07 öfters Fieber, geringer 
Appetit, Winter 07/08 stets leichter Husten, oft stärker erkältet, trotzdem 
mit geringen Ausnahmen regelmässiger Schulbesuch. Mai 08 Verschlechterung 
des Befindens, Schwäche, Übligkeit, Stechen auf der Brust 1. ob. Subfebrile 
Temp. Deshalb Ende Juni zu Bett. Zunahme von Husten, Erscheinen von 
Sputum. Von Juli an Darmstörungen (Diarrhöen und Schmerzen). Seit August 
Nachtschweisse. 

Status vom 1. IX. 08. Blass, elend, abgemagert. Drüsen palpabel, 
indolent, eine grössere Gruppe in der 1. Fossa supraclavicularis. 

Thorax phthisicus. Linke Seite nachschleppend, in toto gedämpft, in 
den mittleren Partien etwas weniger als in den oberen und unteren, vorn oben 
mit Tympanie. Über der ganzen linken Lunge Rasseln, bes. vorn oben und 
in der Axilla mittel-grobblasiges klingendes Rasseln, ln den unteren Partien 
neben feuchtem, mehr klanglosem und auch trockenem Rasseln bes. h. u. 
pleuritische Geräusche. 

Rechte Spitze ebenfalls etwas gedämpft; gemischtes, unreines Atmen. 
Husten rasseln. Untere Partien frei. Verschieblichkeit r. > 1. unten. 

Puls 96, klein. 

Abdomen: nicht aufgetrieben, Palpation ohne besondere Schmerzhaftigkeit. 

Stuhl breiig-diarrhoisch, enthält neben viel Muskelfasern viele kleine 
Schleimfetzchen, in welchen sich Leukozyten und Tbc. finden. 

Urin: Eiweis —. Diazo Indikan mässig vermehrt. 

Sputum: 15—20 ccm, eitrig, geballt, enthält elast. Fasern und reichlich 
Tbc., wenig andere Mikroben. 

Temperatur im allgemeinen zwischen 36,4 morgens und 38,0 abends 
schwankend. 

Verlauf: Temperaturkurve verschiebt sich allmählicli nach oben, so 
dass Mitte Januar 09 die Schwankungen von 37,0—38,6 gehen. 

Das Gewicht hält sich bis Anfang Dez. 08 auf annähernd gleicher Höhe 
(55,5—55) und fängt dann an, stetig zu sinken (50,5 24. II. 09). 

Stuhl wechselnd, meist breiig, ab und zu stark diarrhoisch. Häufig 
Schmerzen diffus im Abdomen, hauptsächlich in der Cökumgegend, wo zwei¬ 
mal während mehreren Tagen stärkere Schmerzen auftraten und 
eine deutliche Resistenz wahrgenommeh wurde. Ab und zu Erbrechen. 

Nachdem im November 08 eine Vermindenmg der katarrhalischen Erschei¬ 
nungen beobachtet werden konnte, trat im Dezember eine Vermehrung der¬ 
selben auf. Vermehrung von Sputum, reichlicheres klingendes Rasseln 1. v. 
ob. Erscheinen von Schallwechsel 1. unterh, Klavik. 

Puls im Nov. stets 80—90, Dez. 90—100, Ende Jan. 90—110. 

Die Diazoreaktion, die im Anfang vorhanden war, dann verschwand, 
wurde wieder positiv. 

Das Allgemeinbefinden, der Kräftezustand, verschlechterte sich von Mitte 
Dezember an zusehends, so dass man sich angesichts der Prognosis pessima 
entschloss, die Pneumothoraxoperation auszuführen. Röntgenaufnahme ergab 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungonkollapstherapie. 


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gute Beweglichkeit des Zwerchfells 1. und in bezug auf die rechte Seite 
geringe Spitzentrübung. 

Operation am 25. II. 09 (L. Spengler und Wolfe rV Einfüllung 
von 1000 ccm N bei geringem Plusdruck (-j- 8 cm 

1. Nachfüllung 1. III. 800 ccm. 

2. Nachfüllung 6. III. 900 ccm. 

3. Nachfüllung 15. III. 700 ccm. 

4. Nachfüllung 15. IV. 1000 ccm. 

5. Nachfüllung 17. V. 1000 ccm. 

Weiterer Verlauf: Wundheilung p. p. Keine Komplikationen. Klauen über 
Druck, bes. im Abdomen. 

Temperatur (Mundmessung): bis 1. III. von 37 (a. m.» auf 38 (einmal 
38,5) p. m. ansteigend bis Mitte März durchschnittl. von 36,6—37,6, von Mitte 
März an allmählich mehr und mehr sinkend, so dass sclion von Ende Ajiril 00 
an die Temp. zwischen 36,2 und 37,3 schwanken. Seit Mai geht d i 
Temperatur nur ausnahmsweise wenig über 37. 

Gewicht: 50,5 vor und einige Tage nach Operation; seit¬ 
her stetige Zunahme. März 1910: 60,0. 

Sputum: vor Operat. ca. 30, nach Operat. bis 6. III. zw. 15 u. 25 ccm, 
von 7.—23. III. 10—20 ccm, vom 24. unter 10 ccm, von Ende April an 
0—2 ccm. Elast. Fasern und Tbc. wurden von Anfang Mai an 
nicht mehr gefunden (Ziehl und H 0 r m a n n sehe Färbung). 

Diazoreaktion bis 3. III. später —. 

Lungenbefund: neben den physikal. Zeichen des 1. Pneumothorax 
lassen sich in den ersten 6 Wochen inetall. klingende, aus der Ferne kommende 
Rarsein vernehmen, die später ganz verschwinden. R. ob. die Zeichen einer 
alten Infiltration, keine Rasseln. 

Darm. Anfänglich lästiges Druckgefühl; spontane Schmerzen nehmen 
ab, in der letzten Zeit ab imd zu noch unangenehme Sensationen im Abdomen, 
aber kein eigentlicher Schmerz. Stuhl unter verschiedener Tanninmedikation 
(bes. Tannyl) erheblich besser: meist fest, selten breiig, enthält noch spär¬ 
lich Schleim, keine Tbc. 

Puls nach Op. einige Tage 100—110, bis Ende April 80—90, von 
Mitte Mai 70—80. 

Allgemeinbefinden, Kräftezustand zusehends sich 
hebend, so dass Pat. Ende Mai ajifing Spaziergänge auszuführen, seit August 
sehr rüstig. Januar 1910 Reise nach Südamerika, von wo bis jetzt nur sehr 
günstige Nachrichten kommen. 

Indikation zur Operation. Ausgedehnte, sehr schwere 
und progrediente linksseitige Lungentuberkulose, rapider Kräftever¬ 
fall, regelmässig erhöhte Temperaturen, rasche Gewichtsabnahme um 
5 kg. Deutliche Darmtuberkulose, Ileocökaltumor; im Stuhl Schleim¬ 
fetzen mit Leukozyten und Tuberkelbazillen. 

Epikrise. Operation am 25. II. 1909; wider Erwarten 
auffallendgünstigerEinfluss. Temperatur seit Mai normal, 
rapider Gewichtsanstieg (in 2 Monaten 10 kg), Schwinden der Tuberkcl- 
bazillen und elastischen Fasern, sowie fast völUges Schwinden des 
Sputums. Allgemeinbefinden hebt sich zusehends. Gleichzeitig damit 



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2.^ L. Rrauor und Lucius Sponplor. [234 

gelingt es. uiiUt pa.ssender Beliandluiig die Darinstürungen, die vor¬ 
her einer Therapie niclit zugänglich waren, wesentlich zu Iwsseni. 
Patient reist Januar 1910 nach Hause (Süd-Amerika) und Ijerichtet 
fortlaufend nur günstig. 

Im ganzen also ein Resultat, das so eindrucksvoll durch keine der 
sonst bekannten Behandlungsmethoden erreichbar ist. 


68. Fräulein H. G., 20 Jahre alt. (Neue Heilanstalt Dr. Schroeder- 
Schömberg.) 

Vorgeschichte bis zur Anlegung des künstlichen 
Pneumothorax. Enlslaniint einer gesunden, langlebigen Familie. Keine 
Tbc.-Belastung. Im Kinde.saÜer Masern, Pneumonie. Flaschenkind. Gute Ver¬ 
hältnisse. Beste Krnähning. Häufig .\nginen. In der Kntwickelungszeit bis 
zum Ausbruch der Lungimlulx'ikulose ohne Störungen. Seit dem 17. Jahre 
normal und regelmiLssig menstruiert. In demselben Jahn; Auftreten von Müdig¬ 
keit, Entkräftung, Abmagerung, Fiebergefübl, Husten, Bruststiche besonders hinter 
dem Sternum, Herzklopfen. Beginn der Lungentuberkulose unter dem Bilde 
einer heftigen Bronchitis. Wurde anämisch, h ä u f i g Fi e b e r a n f ä 11 e. M«*ist 
zu Hause gepflegt. Kurze Kuren in LuftkurorUm. Vor Eintritt in die Anstalt 
Pleuritis sicca, r. u., mit Nachtschweissen. Häufig heiser. Am 25. VII. 
1908 Aufnahme. 

Status: Gewicht 101 Pfund. Grösse 160,5 cm. Mittlerer Körperbau. 
Blass, mager. E r e t h i s c h e Konstitution. Brustmasse: Insp. 79, Exsp. 
72 cm Brustumfang. Breite zwischen Akromien 30, zwischen den fnden 
Rippen 17. Brusttiefe: Übeiti Apertur 12, untere 16i/o. 

Hechts bleibt beim Tiefatmen zurück. Schall über ganzer Lunge ge¬ 
dämpft. Seite eingezogim. Atmung über Oberlapt)cn im In- und Exspirium 
von bronchialem Charakter, hier dichtes, grobes quietschendes Rasseln. Über 
Mittel- und Unterlapjxm leises unbestimmtes Atmen, zerstreutes Knattern, 
Schaben und Reiben; Ränder (normaler Stand) nur massig verschieblich. Links 
Schall vorn bis zur 2. Rippe, hinten entsprechend leicht gedämpft, Inspir. vorn 
oben sakkadiert, Exspir. vom imd hinten oben hauchend verlängert; spärliche 
krepitierende Rhonchi. Untere Abschnitte frei. 

Herzdämpfung nicht verbreitert. Puls m i 11 e 1 k r ä f t i g , etwas un¬ 
regelmässig, 90—100. Obere Luftwege: Pharyngitis und Laryngitis simpl. 

Rechts und links hinter Slernocleidomastoideus kleine harte Drüsen. 

Im Sputum T.B. (Gaffky VI). Urin frei von pathologischen Bestandteilen. 
Temperatur leicht erhöht (subfebril). — Rechts handelte es sich also um ein 
zweites bis drittes Stadium der Limgentuberkulose mit Pleuraadhä.sionen über 
Mittel- und Unterlappcn, links um ein erstes Stadium. 

Das hygienisch-diätetische Heilverfahren brachte bis Mitte November 08 
gute Besserung, zunelimende Schrumpfung r. o., Gewichtszimahme bis 130 Pfund, 
Abnahme von Husten, Auswurf und Bazillen, Entfieberung, Zunahme der Kräfte. 
Seit Mitte November neue Fieber anfälle mit Pleura- 
r e i z u n g e n rechts unten und zunehmendem Katarrh über 
der rechten ganzen Lunge, Abnahme um ca. 10 Pfund. 

Die Kurve wurde allmählich steiler, es traten Frost¬ 
schau e r e i n. Im Sputum w i e d e r r e i c h 1 i c h Tbc. P a t. i s t s t e t s 
im Bett. Am 3. III. 09 Konsultation mit Prof. Dr. Brauer, Marburg. 



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235] 


Erfahningon und Überlegungen zur Lungonkollapstherapie. 


235 


Diagnose: Infiltration der ganzen rechten Lunge mit beginnender Ein¬ 
schmelzung in den unteren Lapp<ui, keine ausg<‘dohnten Verwachsungen der 
Pleurablätter rechts. L. ein wenig aktiver Prozess im Obcrlapi)en. Keine Kom¬ 
plikationen in anderen Organen. 

Nach dem Verlaufe der Krankheit in (hm letzten Monaten und bei 

dem jugendlichen Alter der Kninken, war die IVognose recht zweifel¬ 
haft. Es wurde daher das Anlegen eines künstlichen Pneu¬ 

mothorax beschlossen, der von Br au er aiisgeführt wurde 
(3. III. 1909). Lokalanästhesie mit Eusemin (Dosis des Kokains 0,01 g). 
Subkutan vorher 0,01 Morphium. Schnitt zwischen 4. und 5. Rippe von der 
vorderen bis hinteren Axillarlinie. Der Pleuraspalt wurd<' frei gefunden. N(‘gativer 
Druck 2—3 m. Einlassen von 1400 ccm N. Wunde durch Naht geschlossen. 
Puls unmittelbar nach dem Eingriff beschleunigt, un¬ 

regelmässig, leicht d i c k r o t. Patient war e i n g e s c h 1 a f n , 
blieb bis abends b e n o m in v n , p li a n t a s i e r t e! Puls blieb s*t a r k 
beschleunigt. K o f f e i n - K a m [> f e r. K e i n Dyspnoe. Atmung 
ruhig, ungestört. Nachts zweimal Kainpferinj(‘ktion. Die eigentüm¬ 
liche B e n o m m (‘ n h e i t und Störungen s (m t e n*s d es Herz e n s 
waren anscheinend auf Kokain-Morphium-Wirkung zurückzuführen, ln den 
nächsten Tagen langsame Erholung des Herzens, Abfall des anfajigs liöheren 
Fiebers. R. kompletter Pneumothorax, Lunge lii*gt an der Wirbelsäule und ist 
oben fixiert. Eigenartige S c h 1 u c k b e s c h w erde n. Patiimtin hat das Ge¬ 
fühl, als ob das Essen in der S[)eiseröhre stecken bliebe. Mediastinum durch 
die N-Bla..e nach links verdrängt, redde Ilerzgrenze ca. 1 cm breit links vom 
Sternum. Beträchlliclio Abnahme des Auswurfs. Sensoriurn freier. Haut¬ 
emphysem. 

L u n g e n b e f u II d am S. III. 09 über Apex rechts leises ahgeschwächtes 
Atmen und spärliches trockenes Knattern, hinUm bis zum Hilus zu verfolgen. 
Schall hier abgeschwächt sonor. Über unteren Abschnitten Erscheinungen des 
Pneumothorax. L. o. über der Spitze vereinzelte trockene Rhonchi. 

9. III. 09. 1. Nachfüllung. Einstich in der hinteren Axillarlinie zwischen 
G. imd 7. Rippe. Sondierung ergibt leeren Raum. Druck bei Insp. — 4—5 mm, 
bei Exsp. — 1—2 mm. Nach Einlassen von 475 ccm N Dnick bei Insp. -f- 3 — 4, 
bei Exsp. -f* 1—2 mm. Leiclite Atembeklemmung, sonst keine Störung. 

12. III. 09. Entfernung der Nadeln. Wunde per primam geheilt. 

25. III. 09. 2. Nachfüllimg an gleicher Stelle wie am 9. III. 09. An¬ 
fangsdruck — 10 mm. Nach Einlas.sen von 700 ccm N -j- 10 mm. Leichte Atem¬ 
not, Puls normal. Befund wieder wie am 8. III. 09. 

Bis 16. IV. 09 allmähliche Entfaltung der kollabierten Lunge. 

3. Nachfüllung im 6. Interkostalraum in der hinteren Axilh'u-linie. Die 
Sonde berührt in einer Entfernung von ca. 2—3 cm von der Nadelspitze die 
glatte Pleura pulmonalis. Inspirations- oder Anfangsdnick — 10—12 mm. Nach 
Einlassen von 1425 ccm N -[- 10 mm. Nach 1 Stunde heftiger Hustenanfall, 
Entleeren reichlichen stark schleimigen Auswurfs. Wieder Schluck- 
beschwerden. 

7. V. 09. 4. Nachfüllung im 5. Interkostalraum in der hinteren Axillar¬ 
linie. Anfangsdruck — 4—5 mm. Nach 1500 ccm N — 9 mm. Darauf leicht 
sanguinolentes Sputum. 

20. Mai Durchleuchtimg. R. Lunge total kollabiert, Oberlappen oben 
nicht entspannt, fixiert, im übrigen Lunge neben der Wirbelsäule liegend. 


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236 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[236 


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Zwerchfell rechts höherstehend als links, fast unbeweglich. R. Herz überragt 
1 bis 2 Finger breit den rechten SternaJrand. L. u. leichte Verwachsung. 
Über 1. Apex ziemlich dunkler Schatten. 

Der Verlauf bis Anfang Juni 1909 ist ini übrigen aus der Temperatiir- 
kurvcj (Tafel IX) ersichtlich. Das Allgemeinbefinden ist im ganzen gut. 
Pat. ist bis auf kleine prämenstruelle Temperatursteigerungen fieberfrei. Husten 
und A u s w u r f sind minimal.' ln letzterem noch Tbc. i Gaffty IV). 
Im Harn nie etwas Abnormes. Ab und zu Stiche links unten. Ernährung etwas 
mangelhaft. Gewicht seit der Operation von 115 auf 113 Pfund gefallen. 
Launisch im Essen. Oft Heimweh. Nervöse Verstimmungen. 
Leistungsfähigkeit befriedigend. Kleine Gänge. Geringe Kurzatmigkeit. Kompli¬ 
kationen seitens der übrigen Organe fehlen. 

Verlauf Sommer 1909 bis Sommer 1910. Wie schon bei Wieder¬ 
gabe der Temperaturkurven bemerkt, traten von der 5. Nachfüllung ab unan¬ 
genehme Erscheinungen seitens des Herzens auf, die sich 
bis Ende November 09 regelmsäsig einstellten, aber schnell vorübc'rgingen ohne 
andauernde Störungen zu hinterlassen. Patientin verlor die Besinnung, war fast 
pulslos, sah verfallen aus. 

Der Enddruck bei den Nachfüllungen (es wurden bis Ende November 
weitere 5 Nachfüllungen vorgenommen und zwar stets dann, wenn wir vor 
dem Schirm die Wiederentfaltung der Lunge sahen) betrug stets zwischen 
-f- 6—8 mm. 

Lungenbefund blieb stationär. Das Gewicht war um einige Pfund gestiegen. 
Im Sputum keine Bazillen mehr. Ende November 09 Beurlaubung nach Hause 
bis Anfang Januar 1910. Zu Hause wieder zwei schwere Ohn¬ 
mächten (Nachfüllungen wurden hier nicht v o r g e n o m m e n', 
leichte Fieberbewegungen; lebte nicht ganz vorschriftsmässig. 

9. I. 10 Befund: Rechte Lunge fast ganz wieder entfaltet. 
Über der ganzen Lunge lautes Schaben. Links hinten über dem 
Hilus zerstreutes Krepitieren. Links unten und in der Mitte Pleurareiben. 

Durchleuchtung: R. in Mitte noch kleiner Pneumothorax. 

12. I. 10 9. Nachfüllung. Anfangsdruck — 8, 750 N, Schlussdruck -j- 2. 
Temperaturen dann bald normal. Leichte Herzstörungen: Tachykardie, un¬ 
regelmässiger Puls. 

17 1. 10. Nachfüllung 400 N. Schlussdruck 4. 

26. 1. 11. Nachfüllung 450 N. Scblussdruck -f- 4. 

Ante menses noch leichte Temperatursteigerungen. Ini Sputum vereinzelte 
Tbc.; sonst gutes Befinden. Rechts wieder totaler Lungcnkollaps. 
Bis Eiid(i März 10 im ganzen gutes Befinden; nur das Gewicht will nicht steigen; 
mässiger Appetit. Sehr geringer Auswurf. Leistungsfähigkeit steigt. Beim Durch¬ 
leuchten sicht inan vor allem Teile des Mittel- und Unterlappens rechts beim 
tiefen Einatmen polypenarmähnlich in den Pneumothoraxraum sich vorblähen. 
Kleineres früheres Exsudat r. u. resorbiert. Ende März 1910 nach zu an¬ 
strengendem Gehen und Steigen plötzlich schw'erer Kol¬ 
laps (letzte Nachfüllung lag 7 Wochen zurück): kleiner, aus¬ 
setzender Puls, oft auffallend verlangsamt. Bewusstlosigkeit, Verfallensein. Rechte 
Lunge hat sich besonders in den unteren Absclmitten wieder mehr entfaltet 
L. über Apex Zeichen der Schrumpfung; dagegen hinten vom Hilus aus über 
dem Unlerlappen zerstreutes Knistcrrasscln, hier leichte Schallabschwächung, 
haiudicnd verlängertes .\tmen. Kollapse wiederholen sich täg- 



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237] 


Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


237 


lieh. Koffein-Kampferinjektionen; innerlich Aphor und Truct. valerian. aa 
heisse Herzkompressen. Idem. Bettruhe. Vorübergehend Atropin subkutan. 
Stereoskopische Aufnahme zeigt r. total kollabierten Oberlappen, der nach 
unten verdrängt ist, sich wieder entfaltende Mittel- und Unterlappen. Pneumo¬ 
thorax. L. Spitzenschatten, vom Hilus aus nach imten fächerförmige dunklere 
Schatten. Herzaktion durch strenge Bettkur bald geregelter. 

20. rV. 10 13. Nachfüllung. Anfangsdruck — 6, 350 N, Schlussdnick -f" “• 
Befinden besser; Puls noch beschleunigt, leicht irregulär, Herztöne paukend, 
Temperaturen normal. Auswurf enthält wieder Tuberkelbazillen. Urin frei. — 

Patientin kam am 28. Juli 10 nach Marburg zur Untersuchung. Sie 
sah frisch und blühend aus, völlig fieberfrei. Auswurf nur sehr gering vor¬ 
handen, Tuberkelbazillen wiurden nicht gefunden. Es wurde nachfolgender Be¬ 
fund erhoben: 

Tractus circulatorius: Herzdämpfung; Relativ rechts 4 cm rechts 
.von der Mittellinie, links 7 cm links von der Mittellinie. Herztöne rein, 
2. Pulmonalton stark akzentuiert und etwas klappend. Brustkorb lang, etwas 
flach, rechts etwas weniger beweglich als links. 

Tractus respirat.: Lxmgengrenze r. v. 7. Rippe. R. h. Spina XI, 
keine Verschiebung. L. h. Spina X, verschieblich. Spitzen rechts normal, 
scharfe Grenzen. Links etwas eingeengt, nicht vollkommen scharfe Grenze innen. 
Links hinten oben leichte Schallverkürzung, ebenso links vom oben. 

R .h. leichte tympanitische Dämpfung. 

R. V. o. Schall bis zur 2. Rippe tief tympanitisch, imterhalb derselben 
bis unten Schall leicht tympanitisch verkürzt. 

R. V. o. Inspirium und Exspirium bronchial verschärft. Im 2. ICR. 
Atmen schärfer, besonders Exspirium nimmt nach unten ab. Über dem Pn.Th. 
amphorischer Hauch. 

Flüsterstimme oberhalb der 2. Rippe verstärkt, darunter nicht. Man hört 
über dem Pn.Th. verstreutes mittelgrossblasiges, metallischklingendes Rasseln. 

R. h. o. Inspirium und Exspirium vom etwas verschärft. Ober der Dämpfung 
besonders naheliegend. Vom Hilus weg Atemgeräusch schwächer. Überall fern- 
klingende zerstreute mittelgrossblasige Rasselgeräusche. 

Auf der ganzen linken Seite vom In- und Exspirium leicht verstärkt. 
Man hört nahe dem Hilus nach Husten einzelne femklingende mittelgross 
blasige Rasselgeräusche und naheliegende vereinzelte kleinblasige. 

L. h. auf der ganzen Seite besonders am Hilus In- und Exspirium ver¬ 
schärft, Exspirium verlängert. 

L. o. vereinzeltes mittelgrossblasiges knarrendes Rasseln, weiter unten 
besonders an den Wirbeln zahlreiches feinhlasiges Rasseln nach Husten 
verstärkt. 

Am 29. VII. Nachfüllung. 500 ccm. Nachts starkes Unbehagen, Schwindel, 
Kopfschmerzen, dass Pat. die Nachtschwester holen muss, worauf Ruhe ohne 
Medikament auf einfaches Zureden eintritt, imd der Schlaf gut ist. Puls ohne Ver¬ 
änderung. Am 1. VIII. 10 Entlassung. 

Fräulein G. ist zurzeit noch in Anstaltshehandlung in Schömberg 
(Dr. Schröder). Die linke Lunge hält sich erfreulich. Rechts wird ein 
massiger Pneumothorax unterhalten. Ab und zu, vor allem nach den Nach¬ 
füllungen, leichte Ohnmächten. 

Befund am 16. XI. 10. L. Schall über der Spitze leicht gedämpft. 
Inspirium frei verschärft, spärliches Knacken (dunkler scharf begrenzter Schatten 


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23S 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


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bei Durchleuclitung!) Ränder nicht sehr ergiebig verschieblich (v. u. VI. R.). 
11. über Hilus rauhes Atmen, spärliches trockenes Knattern (nicht forlgelcitet!}. 
R. über Apex und hinten neben Wirbelsäule, vom neben Sternum gedämpfbi*r 
tympanitischer Schall, sonst Pneumothoraxschall. Ränder nicht verschieblich. 
Im ganzen überall abgeschwächtes Atmen; üIxt den gedämpften Bezirken leises 
Knattern. 

Herz: Dämpfung nicht wesentlich verbreitert, Töne paukend, II. Pul¬ 
monalton akzentuiert. Puls weich, etwas irregulär, besclileunigt 80—00. — 
Sputum fehlt. Stets fieberfrei. Gewicht 107. Urin ohne Besonderheiten. —’ 
Die Besserung des Liingenbcfuudes seit der Untersuchung in Marburg am 28. VII. 
1910 ist also unverkeiuibar. — 


Indikation. Vor Anlegen des Pnemnothorax war die Prognose 
recht zweifelhaft. Es handelte sich um eine rasch fortschreitende 
Tuberkulose der rechten Lunge, die floriden Charakter annahm. Abso¬ 
lute Indikation für den künstlichen Pneumothorax. 

Epikrise. Ausser vorübergehenden Störungen seitens des 
Herzens (Kokaiinvirkung ?) sowde Schluckbeschwerden durch die 
veränderten Lagel^eziehungen der Thoraxorgane, wurde der 
Eingriff gut vertragen. Die Erscheinungen der aktiv 
fortschreitenden Tuberkulose traten auffallend 
rasch zurück. Auffallend und erfreulich ist der Rückgang der 
Ersclieinungen über der linken Spitze und dem Hilus links. 

Auch im weiteren Verlaufe hat die günstige Beeinflussung der 
Lungentuberkulose standgehalten. Es besteht jetzt berechtigte Aus¬ 
sicht, einen dauernden Stillstand des Leidens zu eiTeichen; bei der 
vorher üblen Prognose und dem dauernden Fortschreiten zweifellos 
ein guter Erfolg. Störend sind die H e r z a 11 a c k e n, die bei der Pat. 
bei Erregungen sowie nach grösseren Anstrengungen und im An- 
schliLss an die Nachfüllungen auftraten. Es war daher notwendig, 
jeden stärkeren Druck im Pneumothoraxraum zu vermeiden. Eine 
ernstliche Komplikation resultierte aber aus diesen Anfällen nicht. 
Sie machen zum Teil einen entschieden hysterischen Eindruck. Es 
ist aber möglich, das das von vomeherein nervöse und geschwächte 
Herz der Kranken durch die grösseren Druckwerte bei den ersten 
Nachfüllungen Schädigungen der Inneiwation davontrug, oder dass 
eine vorhandene Herzneurose vorübergehend sich verschlimmerte. 
Die Behandlung (Ozetbäder, Ruhe, Terrainkur, Diät) und Vermeiden 
höherer Druckw'^^orte hei den Nachfüllungen brachten entschieden 
Besserung. 


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239] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstlierapie. 239 

69. Frau L. T., Kaofmannsgattin, geb. 1879. (Fall VII, Dr. y. Mnralt.) 

Der Grossvater väterlicherseits und die Mutter sind an Tuberkulose ge¬ 
storben. Der Vater war zweimal lungenkrank, hat sich aber erholt. Ein Bruder 
ist an imbekannter Krankheit jung gestorben. Ein Stiefbruder war w'egen 
Lungenleiden längere Zeit in Davos. Die Patientin ist ein Zwillingskind. 

In der Jugend war sie immer zart, aber gute Esserin. Sie hat Masern 
und Keuchhusten durchgemacht und war längere Zeit skrofulös. Mit 16 Jahren 
menstruiert, immer regelmässig. Sie litt häufig an Erkältungen, flic immer lange 
dauerten. Mit 22 Jahren Heirat. 1904 erste Geburt von normalem Verlauf. 
Sie stillte das Kind fünf Monate, seither fühlte sie sich stark angegriffen und 
häufig elend. Im November 1907 zweite Geburt, die wieder normal verlief. 
Sie stillte diesmal drei Monate, was sie sehr anstrengte und eine starke Ab¬ 
magerung zur Folge hatte. Die beiden Kinder sind gesund. 

Im Januar 1908 (rat Husten auf, man fand aber zunächst nichts. Ende 
Januar zeigte sich typhusähnliches Fieber und nun wurde die Phthise ent¬ 
deckt. Sie musste nun 6 Wochen zu Bett liegen und machte dann verschie¬ 
dene Kuren. Im Mai wurde sie in Dr. Rumpfs Sanatorium in Ebersteinburg 
gebracht, wo sie bis zum 23. Oktober verblieb. Anfangs machte sie gute 
Fortschritte, nahm an Gewicht zu. Der Lokalbefund besserte sich und der 
Kräftezustand hob sich. Im September trat dann infolge einer starken 
Aufregung ein Rückfall ein, die Temperaturen begannen wieder zu steigen 
und die Patientin wurde ausserordentlich unruhig und nervös. Am 23. Oktober 
1908 Eintritt in Davos. 

Die Patientin ist von mittlerer Konstitution, etwas zu gering ernährt, 
ziemlich blass und zeigt leichte Zyanose der Wangen und Lippen. Pupillen 
gleich. Leichter Tremor der Hände. Thorax ziemlich gut gebaut, aber etwas 
zu lang und zu flach. Klavikulargruben beiderseits deutlich, kein Nachschleppen. 
Herzspitzenstoss kräftig im 5. Interkostalraum in der Mamillarlinie etwas 
hebend. Absolute Dämpfung Mitte der vierten Rippe und am linken Sternal- 
rand. Während der Untersuchung ist der Puls sehr frequent und klein. Die 
Patientin hat vorübergehend Schwächeanfälle. 

Lungen. Perkussion. R. v. leichte Dämpfung bis 3. Rippe, zu 
oberst mit etwas tympanitischem Beiklang, r. h. leichte Dämpfung bis zum 
Angulus, 1. V. relative Dämpfung mit tympanitischem Beiklang bis 2. Rippe 
und leichte Dämpfung bis unten. L. h. relative Dämpfung bis Mitte, leichte 
Dämpfung bis Angulus. 

Auskultation: R. v. ves.-br. Inspir., br.-ves. Exspir. bis 2. Rippe; 
ves.-br. Atmen im 2. Interkostalraum; scharfes, nicht ganz reines Atmen bis 
unten. Im 1. Interkostalraum, nach Husten spärliche Rh. R. h. ves.-br. Insp. 
mit br.-ves. Exsp. bis Mitte; scharfes, unreines Atmen bis unten. Über der 
Spitze sind spärliche, nach Husten mässig zahlreiche, halbklingende Rh. zu 
hören, die aber einen fortgeleiteten Eindruck machen. L. v. br. In- und Exsp. 
bis 1. Rippe; unrein br.-ves. Atmen bis 2. Rippe; scharfes, unreines Atmen 
bis unten. Bis 2. Rippe mässig zahlreiche, nach Husten zahlreiche, mittlere 
und grobe, halbklingende Rh. Von der 2. Rippe bis unten spärliche, nach 
Husten vermehrte halbklingende Rh. L. h. ist das Atmen bis Mitte unrein 
br.-ves.; bis Angulus unrein ves.-br. mit Rasseln wie vorne; unterhalb Angulus 
scharfes, ziemlich reines Atmen, Über der linken Spitze besteht hohes Giemen. 

Ziemlich viel balliger, eitrig-schleimiger Auswurf mit Tuberkelbazillen 
(Gaffky V) in Häufchen. Im Urin keine krankhaften Bestandteile. Die Patientin 
fiebert zunächst bis 38. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Ini Vordergründe des Krankheitsbildes steht aber neben dem Husten und 
Fieber eine ausgesprochene Melancholie. Die Patientin war meistens sehr 
deprimiert, hatte verzweifelte Gedanken über ihre Gesundheit und ihre Zu¬ 
kunft, quälte sich Tag und Nacht damit, dass sie ihren Mann und ihre Kinder 
nie mehr sehen werde, schlief sehr schlecht und erwachte oft mit Angst aus 
dem unruhigen Schlaf. Die Nahrungsaufnahme war ziemlich gestört, öfters 
erbrach sie direkt nach dem Essen die ganze Mahlzeit. Trotzdem stieg das 
Gewicht von Oktober bis Ende Dezember 08 von 61,5 auf 68,1 kg. 

Im Dezember akquirierte sie eine hartnäckige diffuse Bronchitis. Man 
hörte über beiden Lungen überall Giemen. Die Temperatur hielt sich zwischen 
38 und 39. Der Puls betrug meistens über 100. Auswurf bedeutend vermehrt, 
mit Gaffky V bis VIII. Im Dezember hatte sie häufig pleuritische Beschwerden 
mit deutlichem Reiben r. und 1. v. u., das sich gegen Wärmeapplikationen, 
Schröpfköpfe, Saugglocke, Jod etc. sehr hartnäckig erwies. 

Psychisch hatte sich der Zustand im Dezember eher noch verschlimmert. 
Sie weinte viel, grübelte über ihren Zustand und plagte sich mehrfach mit 
Suizidgedanken. Im Januar 09 fieberte sie gleichmässig weiter zwischen 37 
und 38,4, hatte täglich 60 ccm Auswurf und sah zyanotischer aus als früher. 
Der Lungenbefund hatte sich sichtlich verschlimmert, indem 1. v. bis zur 
2. Rippe und hinten bis xmterhalb Spina bronchiales Atmen mit grobem, 
klingendem Rasseln aufgetreten war. Auch die Partien 1. h. u. hatten seit dem 
Dezember leichte Dämpfung, unreines Atmen und tonloses Rasseln gezeigt. 
Im Februai* 09 stieg die Temperatur langsam höher, bis 38,5. Das Sputum nahm 
bis 75 ccm zu, der Puls wurde noch frequenter. Anfangs März steigerte sich 
die Temperatur weiter und erreichte gegen Mitte März 38 im Minimum, 39,8 im 
Maximum. Inzwischen hatte sich im ^Zusammenhang mit einem längeren Be¬ 
such des Gatten das psychische Befinden wesentlich gebessert. Die Verstim¬ 
mungen und Suizidideen waren zurückgetreten. Die Patientin war gleichmässig 
heiter geworden und trug nun ihre Lage mit Ruhe und Geduld. 

Da trotzdem der Prozess fortschritt imd die Temperaturen sich von Woche 
zu Woche steigerten, die Kräfte zurückgingen, der Urin starke Diazoreaktion 
zeigte, wurde die Frage des künstlichen Pneumothorax aufgeworfen. 

Im Röntgenbilde zeigte sich die obere Partie der linken Lunge ziemlich 
aufgehellt fleckig mit rundlichen helleren Feldern, offenbar Kavernen. Über 
der linken unteren Partie bestand ein starker Schatten. Zwerchfell nicht deut¬ 
lich sichtbar. R. starker Hilusschatten, obere Partien hinten bis zur vierten 
Rippe diffus getrübt, starke Bronchialzeichnung. 

Am 17. März 09 Anlegung eines künstl. Pneumothorax 
nach Brauer durch Lucius Spengler und L. v. Mura 11. Eingehen im 
6. Interkostalraum 1. mittlere Axillarlinie. Der Pleuraspalt wird nach hinten 
frei gefunden. Das Manometer zeigt einen Anfangsdruck von — 8 und 
nach Einführung von 800 ccm Stickstoff beträgt der Druck 0 imd -f- 9. Auf 
dem Röntgenschirm sieht man nach der Operation einen deutlichen basalen 
und lateralen Pneumothorax. Die weiteren Nachfüllungen und Druckverhältnisse 
ergeben sich aus folgender Tabelle. 

Nach der Operation trat ein Teinperaturabfall mit Schweissausbruch ein. 
Bei der ersten Nachfüllung am 19. März war die Patientin sehr erregt. Gegen das 
Ende des Eingriffs wurde sie vollständig pulslos, hatte kalten Schweiss und 
verlor das Bewusstsein. Durch Flachliegen und Exzitantien wurde sie bald 
wieder munter. In den folgenden Tagen stellte sich regelmässig Herzklopfen 



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241] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkollapstherapic. 241 

ein, wenn f»ie sich aufsetzto oder flach auf dem Rücken lag und beim Essen. 
Die einzige erträgliche Lage war rechte Seitenlage. In den ersten Tagen grosse 
Mengen zähen Auswurfs, ca. 100 ccm, der mit quälendem Husten hervor¬ 
gebracht wurde. Mit Rücksicht auf das offenbar stark nach rechts gedrängte und 
dadurch geschwächte Herz wurde der Druck bei den Nachfüllungen nur ganz 
langsam gesteigert. Dennoch trat von Anfang April 09 an völlige Entfieberung 
ein. Das Sputum ging zunächst auf 45 ccm und Ende April auf 25 ccm 
zurück und das Allgemeinbefinden besserte sich von Woche zu Woche. Nur 
das Gewicht sank in dieser Zeit ziemlich stark, von 69 kg auf 64 kg. 
Die Patientin hatte auch nach kleinen Nahrungsaufnahmen das Gefühl des 
Vollseins und der Appetit war entschieden geringer als zur Zeit des hohen 
Fiebers. 

Frau T. 


! 

Nr. 

Datum 

1 

Anfang-Druck 

! 

Quantität 

1 

Schluss- 

Druck 

Exsp. 

1 Jnsp. ; 

Exsp. 

Insp. 

Oper. 

17. 

III. 

09 

-8 

4 

800 

ccm 

0 

8-10 

I. 

19. 

III. 

09 

— 2’/^ ' 

1 

400 


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11 . 

28. 

III. 

09 

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26. 

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11. 

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10. 

V. 

09 

3 

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5 1 

7 

XL 

17. 

V. 

09 

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4 

250 


5 

7'A 

XII. 

24. 

V. 

09 

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6 

8 

XIII. 

29. 

V. 

09 

2 

4 

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87^ 

XIV. 

5. 

VI. 

09 

2 


300 

1 

6 

972 

XV. 

12. 

VI 

09 1 

3 

6 1 

225 

1 

” 1 

8 

10 

XVI. 

19. 

1 

VI. 

09 

4 ' 

5 

375 


11 

117. 

Eine 

Röntgendurchleuchtung am 

29. April U9 

zeigte 

folgenden 

Befund. 


Man sah von hinten die linke Lunge säulenförmig, ungefähr die Bnüte des 
Interskapularraums einnehmend, neben der Wirbelsäule von oben nach unten 
verlaufend. Die oberste Spitze und die äusseren Partien waren voll kommen 
hell, dagegen zog von der komprimierten Lunge ein Strang nach oben und 
aussen. Das Zwerchfell stand links etwas tiefer als rechts, unter demselben 
war deutlich die Magenblase zu sehen. Bei der E\sp. ragte nur die Spitze 
des Herzens links über die Wirbelsäule hen^or, bei der Iiisp. rückte die ganze 
Lungensäule nach links und auch das Herz war in grös.serer Ausdehnung links 
von der Wirbelsäule zu sehen. Mit diesen Bewegungen dos Herzens sah inan 
einen nach unten aussen über die Magenblase verlaufenden strangfürniigen 
Schatten hin und her huschen. Im rechten Thora.xraum war neben der Wirbel¬ 
säule ein breiter Mediastinalschatten zu sehen, der bei der Insp. nach links, 
bei der Exsp. nach rechts rückte. 

Boitr9ge zur Klinik der Tuberkulose. Btl. XiX. H. 1. 16 


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242 


L. BraiuT und Lucius Spengler. 


[242 


Lungen befund Ende April: 

Perkussion: R. v. leichte Dämpfung bis 1. Rippe, absolute llerz- 
dämpfung r. v. u» zwischen Mamillarlinie, Parastemallinie und 4. Interkostal- 
raum. Relative Herzdämpfung am rechten Sternalrand, 3. Interkostalraum und 
vordere rechte Axillarlinie. R. h. leichte Dämpfung bis Angulus, oben mit 
etwas Tympanie. Unterer Rand am 11. Brustwirbel gut verschieblich. L. v. 
leichte Dämpfung, mit Tympanie bis 1. Rippe, lauter, dröhnender Schall auch 
über dem Sternum bis 4. Rippe, von da an in den medianen Partien leichte 
Dämpfung mit Tympanie; in den lateralen Partien lauter dröhnender Schall. 
Unterer Rand an der 7. Rippe, Mamillarlinie. L. h. leicht relative Dämpfung 
mit Tympanie bis Spina, leichte Dämpfung mit Tympanie bis Mitte, lauter 
dröhnender Höhlenschall bis unten. Unterer Rand am 12. Dornfortsatz. 

Auskultation: R. v. wie im Oktober, nur neben dem Herzen etwas 
unreines Atmen mit einzelnem feinem Knistern. R. h. unrein ves.-br. Insp. 
mit br.-ves. Exsp. bis unterhalb Spina, nach Husten spärliche, tonlose Rh. 
(die früheren Rasselgeräusche waren also zweifellos fortgeleitet). Im unteren 
Interskapularraum leise, nicht ganz reine Atmung; zu unterst verschärftes ves. 
Atmen. L. v. supraklavikulär leise, unreine Atmung, von der 1. Rippe an 
zunehmend leiser w'erdende Atmung; von der 4. Rippe an unhörbar. L. h. über 
der Spitze imd im Interskapularraum wie vorne. Vom Angulus an leiser 

werdendes, zu unterst unhörbares Atmen. Vorne keine Rasselgeräusche. Hinten 
über der Spitze nach Husten spärliches, klingendes Rasseln. In den unteren 
Partien da und dort Geräusch des fallenden Tropfens. 

Diazoreaktion negativ. 

Im Mai 09 machte die Pat. zuerst eine Angina und dann eine fieberhafte 
Bronchitis durch, während welcher die Sputummengc vorübergehend wieder 
bis 7ö ccm stieg. Seit dem 18. Mai ist sie wieder fieberfrei, die Sputum¬ 
menge ist auf 20 ccm zurückgegangen. Die Patientin ist ausser Bett und 
spaziert etwas. Appetit besser, weniger Magenbeschwerden. 

20. VIII. 09. Der Druck wurde seit Mitte Juni durch Nachfüllungen 
alle 8-—10 Tage auf -j- gehalten. Während der ganzen Zeit 

fieberfrei, Puls langsamer und kräftiger, wenn auch immer noch sehr labil. 
Wenig Husten, nur ca. 15 ccm schleimiges Sputum, in welchem seit Anfang 
Juli keine Tuberkelbazillen mehr gefunden wurden. Zunächst waren 
in demselben jedoch noch elastische Fasern vorhanden. Appetit und Nahrungs¬ 
aufnahme ordentlich, Zunahme des Gewichts. Die Patientin wird allmählich 
leistungsfälliger und erträgt regelmässige Spaziergänge. 

1. X. 09. Am 20. September mit Eintritt der Menstruation Temperatur¬ 
anstieg bis 39, am 26. bis 39,8. Gleichzeitig stark vermehrter Husten und 

Auswurf, der leicht sanguinolent ist. Im Auswurf keine Tbc. und elast. Fasern 
bei zahlreichen Untersuchungen. Rechts vorne und seitlich, auch hinten im 
Interskapularraum ist tonloses Rasseln und Schnurren zu hören. Physikalischer 
Befund über dem Pneumothorax zunächst unverändert. 

Wegen Verdacht auf eine Dissemination rechts wird der Druck im Pneumo¬ 
thorax auf 0 abgelassen. Daraufhin erfolgt am 26. IX. der hohe Temperatur¬ 
anstieg. Am 27. IX. ist ein kleines Exsudat im Pneumothorax nachzuwoisen. 

20. X. Die Störung erweist sich seit Anfang Oktober deutlich als Bron¬ 
chitis, besonders der rechten Seite mit Infektion der Pleura. Am 29. IX. 
wurde wegen Drucksteigerung durch Anwachsen des Exsudates nochmals Stick¬ 
stoff abgelassen. Seither wurden drei kleine Nachfüllungen gemacht und der 
Druck auf -{- 2 gebracht. 


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243] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


243 


Vom 1. Oktober an rasche Entfieberung, vom 13. bis 17. Oktober noch¬ 
mals leichter Temperaturanstieg. Immer noch 80—120 ccm Auswurf, der öfters 
blutig tingiert ist, aber nie Tbc. enthielt. Beim Schlafen etwas Schweiss 
auf der Brust. Exsudat im Laufe des Monats kleiner geworden, es füllt nur 
den Komplementärraum aus. 

15. XII. Im November nochmals vorübergehend Fieberanstieg bis 38,5 
mit vermehrtem Auswurf. Nachher fieberfrei. Der Druck wird durch Nach- 
füllungeii von 100—250 ccm alle 10—14 Tage wieder auf der früheren Höhe 
von -{-11 gehalten. Seit Anfang Dezember wieder ganz fieberfrei, 

15 ccm Sputum, nie Bazillen. 

10 IV. 10. Seither ganz fieberfrei. Sie machte zwei kleine Erkältungen 
ohne jeden Nachteil durch. Kein Husten, nur 10—15 ccm Sputum, in welchem 
nie mehr Bazillen oder elastische Fasern gefunden wurden. Die Patientin spaziert 
1—IV 2 Stunden, ist den ganzen Tag auf und fühlt sich wohl, nur noch ermüd¬ 
bar. Puls in Ruhe nur 80, aber bei Anstrengungen noch labil. 

Die Patientin sieht sehr gut aus, 67 kg. 

Der Lungenbefund unterscheidet sich von demjenigen im April 1909 durch 
folgendes: 

L. V. unten und 1. h. über der Spitze besteht nun auch lauter tyrapa- 
nitischer Perkussionston. 

R. V. sind oben keine Rhonchi mehr zu hören. Neben der Herzdämpfung, 
die bis in die rechte Mamillarlinie reicht, besteht abgeschwächte Atmung, 
ohne Nebengeräusche. 

R. h. sind auch nach Husten keine Rasselgeräusche mehr zu hören. Die 
Atmung erscheint zu oberst und im Interskapularraum leicht unrein, mit 
verlängertem, hauchendem Exspirium. 

Über der linken Thoraxhälfte haben sich die auskultatorischen Phänomene 
nicht verändert. Ein Exsudat ist nicht mehr zu finden. 

Nachfüllungen noch jeden Monat. 

Im Röntgenschirm sieht man die 1. Lunge nun als milzförmiges Gebilde 
n(‘beii der Wirbelsäule. Die Stränge nach dem Zwerchfell und auch einige 
der nach oben ziehenden Verwachsungsbänder haben sich offenbar gelöst. 

Indikation. Schwer erblich belastete 30jährige Frau. Nach 
anstrengender Laktation tritt im Januar 1908 Phtliiso mit typhus- 
ähnlichem Beginne auf. Die Patientin erholt sich, erleidet jedoch im 
Herbst 1908 ein Kezidiv, gleichzeitig entwickelt sich eine melancho¬ 
lische Verstimmung. Seither rasches Fortsclireiten des Prozesses vom 
linken Oberlappen auf den Unterlappen, Zerfall in den oberen Partien, 
hohes Fieber, sehr frequenter Puls, massenhaftes Sputum, Diazo 
positiv. Rechte Spitze in ziemlicher Ausdehnung deutlich infiltriert. 

E p i k r i s e. Ein grosser linker Pneumothorax erzielt in zwei 
Wochen Entfieberung, Diazo verschwindet, Sputum geht stark zurück. 
Nach der ersten Nachfüllung leichter Kollaps, später melirfach Herz¬ 
beschwerden. (Herz durch einen Strang fixiert.) Vier Monate nach 
der Operation bazillenfrei. Im 6. Monat Erkältung, febrile Bronchitis, 
Exsudat. Beides wird überwunden. 13 Monate nach dem Eingriff 

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214 L. Brauer und Lucius Spengler. [244 

gutes Befinden, bazillenfrei, wesentliche Besserung der deutlich 
kranken rechten Spitze. 


70. Fran Schw., 37 Jahre alt (Nordamerika). 

Patientin hat mehrere Kinder. Sie erkrankte 1907. Im Herbst 1908 
Verschlimmenmg ihres Zustandes auf ihrer Reise nach Europa. Sie lag einen 
Monat krank in New York. Im November 08 Übersiedelung nach Davos. Pat. 
fiebert seit ihrer Neuerkrankung in New York beständig. Sie hatte nie grössere 
Blutungen, nie Pleuritis. Ihr Zustand besserte sich in Davos nicht, das Fieber 
ging nicht herunter, der Auswurf nahm eher zu. Im Februar 09 Eintritt 
in die Behandlung von Lucius Spengler. Trotz andauernder Bettruhe, 
trotz Aspirin-Arsen-Pillen täglich Temperaturen von 38,4—39,3 imd darüber. 
Auswurf nimmt zu. Lunge verschlechtert sich. Da die eine Seite von aktiven 
Prozessen frei zu sein scheint, wird die Anlegung eines künstlichen Pn.Th. 
erwogen und beschlossen. 

Am 20. März 09 wird folgender Befund aufgenommen: Tägliche Sputum¬ 
monge 100—150 ccm, Tbc. zahlreich. — 

Puls bei Bettruhe 110—120, Körpergewicht 115 Pfund, Temperatur bis 
39,0 und darüber. Über der ganzen rechten Lunge, besonders der oberen 
Partien, intensive Dämpfung. Über dem rechten Oberlappen hinten und vorn 
broncho-amphorisches Atmen, viele, fast ausschliesslich klingende Rhonchi. 
Mittellappen rauhes Inspirium, verlängertes Exspirium und zahlreiche Rhonchi. 
Rechter Unterlappen in seiner oberen Hälfte Atmung zu leise, Inspirium rauh, 
Exspirium hauchend, viele Rh., besonders mittlere und grobe, darunter auch 
halbklingende und klingende. Untere Hälfte des rechten Untcrlappens Atmen 
zu leise, Inspirium rauh, Exspirium verlängert, massig viele mittlere Rh. 
Linke Spitze hinten und vorn rauhes Inspirium, etwas verlängertes Exspirium, 
kein Rasseln. Der untere Rand der linken Lunge steht hinten an normaler 
Stelle und ist sehr gut verschieblich, der der rechten Lunge steht etwas 
höher und ist etwas verschieblich. Das Röntgenbild ergibt eine sehr starke 
Abschattung über den oberen Partien der rechten Lunge und eine leichte 
über den unteren Partien der rechten Lunge. Linke Spitze einige kleine, an¬ 
scheinend inaktive Herde. In der Hilusgegend eine grosse Drüse. 

A m 24. März 1909 wird von Lucius Spengler ein rechts¬ 
seitiger künstlicher Pn. Th. angelegt. Der Eingriff gelingt glatt. 
Es werden bei einem A.-D. von minus 3—4 mm Hg und einem E.-D. von plus 
10—12 mm Hg 900 ccm N eingelassen. 

Am 25. März erste Nachpunktion, N --- 700 ccm, A.-l). — 2,0, E.-D. 12,0. 

Der Puls der früher andauernd auf 120 stand, schwankt jetzt zwischen 84 
und 90. Temperatur ist durchschnittlich um 1,0^ C niedriger geworden. Aus- 
^vurfmenge noch 50—00 ccm, also um die Hälfte ziurückgogtUigen. 

Am 31. März 09 Naclipiinktion, N = 800, A.-D. — 1,0, E.-D. 1,0 mm Hg. 

8 . April 09 Naclipunktion, N 600, A.-D. ±_ 0, E.-D. 6 mm Hg. Tem¬ 

peratur noch erhöht, schwankt zwischen 36,8 und 38,0, selten darüber. Aus¬ 
wurfmenge immer noch 50—60 ccm, also um die Hälfte ziirückgegangen. 

Am 19. April treten die Menses ein, nachdem sie während 4 Monate 
sistiert hatten. 

Am 24. April Nachpunktion, N — 1000, A.-D. — 2,0, E.-D. 7,0 mm Hg. 

Am 8. und 24. Mai ebenfalls Nachpiinktion. 



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245] Erfalirungen und Ülx^rlegungon zur Lungenkollapsthcrapie. 245 

Es treten ab und zu wieder höhere Abendtemperaturen auf und der 
Puls steigt wieder auf 100—108. — Auch die Sputummenge nimmt etwas 
zu. Diese Erscheinungen lassen bei Bestehen eines grossen, vollständig trockenen 
rechtsseitigen Pn.Th. vermuten, dass eine frische Erkrankung linker¬ 
seits aufgetreten sei. Wiederholte physikalische Untersuchungen und Durch¬ 
leuchtungen bestätigen diese Vermutung. Die Nachfüllungen werden deshalb 
eingestellt und die Kranke wird auf ihren Wunsch hin am 1. Aug. 09 nach 
Hause entlassen. — 

Sie berichtet im Oktober 09, dass sie in Amerika wohlbehalten aber 
fiebernd angekommen. — • 

Schlussbefund vom 30. VII. 09. 

Puls 100—110. Temp. 38,0—38,5. Auswurf menge 60—80 ccm pYo die. 
Rechterseits besteht heute noch (letzte Nachpunktion am 24. Mai 09) 
ein mässig grosser Pn.Th., der die unteren Partien des Thoraxraumes ein¬ 
nimmt. Die rechte Lunge ist dementsprechend wieder zl. ausgedehnt und 
hört man über ihr überall lautes, besonders mittleres und grobes Rasseln. 

Über den linken Oberlappen (hinten deutlicher als vom) ist das At¬ 
mungsgeräusch zl. laut; das Insp. rauh und das Exsp. verlängert. — Mässig 
viele, meist feine trockene Rhonchi sind bes. hinten zu hören. Derselbe 
Befund in den obersten Abschnitten des 1. Unterlappens. Vor dem Röntgen¬ 
schirm sind zweifellos im 1. O.L. und den obersten Partien des 1. U.L. kleine 
frische Herde nachzuweisen. — 

Indikation zur Operation. Schwere progrediente Tuber¬ 
kulose der ganzen rechten Lunge mit ausgedehnten Zerstörungen im 
überlappen und beginnenden Zerstörungen im Unterlappen. Auf der 
anderen Seite ein leichter, anscheinend inaktiver Prozess in der Spitze. 
Aussichtslosigkeit jeder Therapie, hohes Fieber, enorme Auswurf¬ 
mengen. Hoffnungsloser Fall. — 

Epikrise. Nach anfänglich ziemlich günstigem Verlaufe 
musste man sich nach zweimonatlicher Behandlung überzeugen, dass 
der leichte, anscheinend inaktive Prozess der anderen Spitze an Aus¬ 
dehnung zugenommen hatte und erforderte dieser Umstand eine 
Unterbrechung der Behandlung. — Das Resultat war also null. 


71. FrLKno., 24 Jahre alt. (Dr.WoIfer, Neues Sanatorium Davos-Dorf 
und Prof. Hammer, Heidelberg.) 

Familienanamnese in bezug auf Tbc. negativ. Mit 10 Jahren Masern und 
Keuchhusten, dann gesund bis Juli 06: Angina, Tonsillarabszcss, 4 W'oehen später 
1. Pleuritis. Nov. 06. Husten, Sputum, Appetitmangel, Abmagerung, schlechtes 
Aussehen. Dez. vorübergehend Heiserkeit. April 07 ausgedehnte tub. Affektion 
des 1. Unterlappens festgestellt, wozu infolge Erkältung auch 1. Pleuritis kam. 
Später wurde auch Erkrankung der L Spitze (Juni) und des r. Mittellappens 
(Rasselgeräusche im Dez.) konstatiert. Hohes Fieber während Pleuritis, später 
normale Temp. Im Mai Ulcus im Larynx konstatiert, das im Laufe von einigen 
Wochen ausheilte. Gewichtszunahme seit Juni. Darm o. B. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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In Davos am 15. 1. 08. 

Allgemeinzustand ordentlich. Gewicht 56,7 kg. 

R. L. leichte Spitzendämpfung, spärl. katarrh. Geräusche vom und li. ob., 
etwas reichlicher neben Sternum vom 3. ICR. abwärts und am untern Lungenrand 
bis vordere Axillarlinie. 

L. L.: Infiltration des Oberlappens von mässiger Intensität, spärl. Katarrh 
oben, reichlicher an der Lingula. Starke Infiltration des Unterlappens, reich¬ 
liches feuchtes klingendes Rasseln. Kavemenbildung besonders im oberen Teil des 
Unterlappens. 

Linke Seite geschrumpft, Randexkursion minimal. 

Larynx: Das hintere Dritteil des linken Stimmbandes von grauroter 
höckeriger Granulation eingenommen. Stimme heiser. 

Husten mässig, S p u t. ca. 60 ccm. El. Fl. -)-• Tbc. Darm o. B. 

Temp. anfangs subfebril, von März an normal, meist unter 37 (Mund) 
bis Ende Sept. 08. 

Befund im August 08. Katarrhalische Geräusche über r. L. nicht mehr 
hörbar; Spitze nicht mehr gedämpft, nur leicht tympanitisch. L. L.: oben 
spärliche katarrhalische Geräusche, auch an Lingula Rasseln verringert, weniger 
klingend. Unterlappen: noch mässig reichliches gemischtes kl. R., entschieden 
geringer wie früher. Sput verringert, 30—40 ccm. 

Gewicht von 56,7 auf 58 kg Ende Sept. gestiegen. 

Ende IX. und Mitte X. Erkältungen, erstere mit geringer, letztere mit 
starker Temperatursteigerung verbunden. Andauernde Vermehrung des Rasseln 
links. Seither grosse Neigung zu subfebrilen Temp. und zu Erkältungen, ist viel 
empfindlicher geworden. 

Mitte XII. vorübergehende Darmstörung; wiederholt sich Mitte I. 09 und 
Ende. III. 09 (im Stuhl Schleim, nie Tbc.). 

Gewichtsabnahme bis Ende IIL 09 auf 54 kg, also von 4 kg. 

Lunge zeigt während des Winters 08/09 keine Neigung zum Rückgang der 
Erscheinungen. März 09: r. stets wieder vereinzelte katarrh. Geräusche, bes. 
V. u. neben Sternum. L.: reichliches R. im Unterlappen, 1. v. ob. mehr Katarrh 
wie früher. 

Mit Rücksicht auf mangelnde Tendenz zur Rückbildung 
des Prozesses, sowie auf Erscheinungen, die eher auf langsame Ver¬ 
schlimmerung hinweisen, wird die Herstellung eines linksseitigen künstlichen 
Pneumothorax beschlossen. 

8 . rV. 09 Operation (Lucius Spengler und Wo 1 fer). Schnitt 
unterh. Angul. scap. Es gelingt, ohne wesentlichen Plus-Druck zu erzeugen, 
800 ccm N einzuführen. Keine Nebenerscheinungen. Die unteren Partien der 
linken Thoraxhälfte geben lauten tympanitischen Schall. 

11 . IV. 09. 1. Nachfüllung 750 ccm N. 

15. IV. 09. 2. Nachfüllung 800 ccm N. 

25. IV. 09. 3. Nachfüllung 800 ccm N. 

4. V. 09. 4. Nachfüllung 1100 ccm N. 

18. V. 09. 5. Nachfüllung 800 ccm i\. 

3. VI. 09. 6. Nachfüllung 1000 ccm N. 

26. VI. 09. 7. Nachfüllung 250 ccm N. 

Am 18. VI. 09 wurde ein kleines Exsudat im Pn.Th.-Raum nachgewiesen 
und die bald nach der Punktion vom 3. VI. 09 aufgetretenen Temperatur¬ 
erhöhungen darauf bezogen. — 



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247] Erfahrungen und Überlegungen zur LungenJiollapstherapie. 247 

Bei der Nachpunktion vom 26. VI. 09 stand das Exsudat etwas unter¬ 
halb dem Ang. scap. Im Pneumothoraxraum bestand vor der Punktion ein ge¬ 
ringer negativer Druck und stieg derselbe schon nach dem Einfliessen von 
nur 250 ccm N auf 4,0 mm Hg. — 

Anfang Juli 09 reist Patientin nach Hause (Heidelberg) und tritt in Be¬ 
handlung des Herrn Prof. Hammer. Es bestehen immer noch Temperaturen 
bis 38,0. 

Am 11. VII. 09 Nachpunktion und Ablassen von Exsudat, das den halben 
Pn.Tb.-Raum erfüllte (Brauer imd Hammer). 

Vom 14. VII. 09 an steigt die Temperatur nicht mehr über 37,3. — 

Wie die physikalische Untersuchung, ebenso die Röntgendurchleuchtung, 
ergab, gelang die Erzeugung eines kompletten Pneumothorax und eine allmähliche 
völlige Kompression der linken Lunge. 

R e s u m ö: Sputum geht nach Operation allmählich zurück: Ende IV. 09 
15—25 ccm, V. 10—15 ccm, Anf. VI. 09 5 —10 ccm. 

Im Juni 09 elastische Fasern die früher zahlreichen Tuberkelbazillen 
w’erden sehr spärlich. 

Temperatur: Seit II. 09 häufig subfebril, in letzten Wochen vor Operat 
36,8—37,6, selten darüber. Unmittelbar nach Operation tieferes Temperaturniveau 
36,2—37,0 bis nach der 6. Nachfüllung (3. VI.), nach welcher mit der Bildung 
oines serösen Exsudates wieder ein einige Wochen anhaltender subfebriler Zu¬ 
stand auftrat 

Darm: April und Anf. Mai noch mehrmals Diarrhöen, seither keine 
Darmstörung mehr. 

Gewicht: nimmt noch bis 24. IV. ab auf 51,5, bleibt bis Ende Mai 09 
stehen und steigt dann langsam. 

Am 21. IX. 09 berichtet Prof. Hammer, dass kürzlich nochmals 400 g N 
nachgeblasen worden seien. Bei einem späteren erneuten Versuche, Stickstoff 
einzubringen, gelangte die Nadel nicht in den Pneumothoraxraum, sondern 
zweifellos in festes Gewebe. Man befand, sich somit in der Lunge oder in 
einer Pleuraschwarte. Eine zweite Punktion, an höherer Stelle ausgeführt, 
ergab ein trübes, sehr zellenreiches Exsudat Es wurden 100 ccm abgelassen 
und 400 ccm N nachgefüllt. Trotz dieses Empyems, das ganz 
steril sei, gehe es der Patientin sehr gut, sie sei voll¬ 
kommen fieberfrei und habe an Gewicht zugenommen, und 
dieses trotz des zweifellos verkleinerten Pneumothorax und auch sehr ver¬ 
minderter Menge des Exsudates. 

Von nun wurden weitere Punktionen nicht ausgeführt; der Pneumo¬ 
thorax ging ein. Zu Beginn des Jahres 1910 wurde mit Nutzen von 
Herrn Prof. Hammer eine Tuberkulinkur angefangen. Patientin befindet sich 
jetzt durchaus wohl, ist abgesehen von ganz vorübergehen¬ 
den leichten Temperaturerhöhungen fieberfrei. Es ist noch 
nachzutragen, dass etwa seit Oktober 1909 ein perirektaler tuberkulöser Abszess 
sich entwickelt hat, der für die Patientin mit sehr starken Beschwerden ver¬ 
knüpft war und das Allgemeinbefinden stark beeinträchtigte. Die Sputummenge 
ist stark vermindert. Der Schlussstatus (Aug. 1910), den uns Herr 
Prof. Hammer freundlichst zur Verfügung stellt, lautet wie folgt: 

„Der Puls beträgt 80—90, ist regelmässig und kräftig. Ab und zu be¬ 
stehen leichte Temperatursteigerungen vorübergehender Natur. 

Die linke Thoraxseite bleibt bei der Atmung stark zurück. Die ganze 
linke Seite ist stark gedämpft, am intensivsten hinten und seitlich unten, ge- 



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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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geringer vorn und hinten oben. Vom oben stark tympanitischer Beiklang. Hier 
sind ziemlich reichliche Rasselgeräusche mit verschärftem Atmen hörbar. Hinten 
und seitlich unten über den Stellen der stärksten Dämpfung ist bronchiales 
Atemgeräusch hörbar, keine Rhonchi. Die rechte Lunge ist, soweit nachweisbar, 
frei von Veränderungen. 

In der Umgebung des Anus besteht noch eine mässig stark 
eiternde, jetzt keine wesentlichen Beschwerden mehr machende Fistel, die 
vermutlich vom Knochen ausgeht. 

Die Tuberkulinbehandlung wird noch fortgesetzt und scheint von günstigem 
Einfluss zu sein.“ 

Indikation. Die schwere einseitige tuberkulöse Lungen- 
affektioii zeigt nacli anfänglicher Besserung ini Anschluss an mehr¬ 
fache Erkältungen ausgesprochene Tendenz zur Verschlimmerung. 
Wiederholte Darmtstörungen erwecken den Verdacht auf Darmtuber¬ 
kulose. Es besteht eine Sputummenge von 60 ccm mit Tuberkelbazillen 
und elastischen Fasern. Patientin ist subfebril. 

Epikrise. Unter der Behandlung nimmt das Sputum beträcht¬ 
lich ab, die Temperatur wird völlig normal. 

Nach der 6. Punktion trat ein seröses Pleuraexsudat auf, welches 
zunächst einige Wochen leichte Temperatursteigerung bedingte. Die 
Temperatur wurde dann wieder normal, das Exsudat aber dickte sich 
ein und wurde eitrig. Ende September 1909 wurde von weiteren 
Punktionen abgesehen, da im Pneumothoraxraum starke Schwarten¬ 
bildung und Retraktion eingetreten war. Das Befinden der Patientin 
ist jetzt laut Bericht des Herrn Prof. Hammer ein im allgemeinen 
als gut zu bezeichnendes. Aussehen, Ernährungszustand sind be¬ 
friedigend. Fieberfrei. Subjektive Beschwerden sind gering. Es be¬ 
steht noch immer Husten mit mässig-reichlichem Auswurf, der 
spärliche Bazillen enthält. Anusfistel. 


72. Herr W. R., geb. 1877, Musiklehrer. (Fall VIII, Dr. v. Muralt.) 

Vater an Sarkom gestorben. Mutter an Tuberkulose. Das 10. von 10 
Kindern. 8 Geschwister gestorben, 1 an Tuberkulose, die andern im frühen 
Kindesalter: eine Schwester lebt, gesund. 

In guten Verhältnissen aufgewachsen, als Kind Masern und Scharlach. 
Mit 9 Jahren Unterleibsentzündung. Als Student hatte er infolge starken Al- 
koholabusus eine Magenerweiterung. Zu jener Zeit machte er auch Parotitis 
und Orchitis durch. Die folgenden Jahre hatte er als Konzertsänger ein sehr 
bewegtes Leben. Verheiratet. Frau und zwei Kinder sind gesund. 

Im Oktober 1907 Beginn der jetzigen Erkrankung mit Husten. Am 
18. Dezember sang er noch eine anstrongondc Partie in der „Schöpfung“. Am 
24. Dezember 07 wurde Fieber bis 38 und 40^ konstatiert. Im Januar 1908 



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249] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


249 


fand man zum ersten Male Tuberkelbazillen im Auswurf. Damals hatte er eine 
erste Blutung^ wurde -mit Terpentin und Kreosotal behandelt. 

23. Februar 1908 Davos, wo er zunächst in einer Privatpension be¬ 
handelt wurde. Ende März machte er eine Influenza durch, nach welcher 
neue Herde im rechten Unterlappen konstatiert wurden. Vom 2. Mai 1908 bis 
Ende März 1909 Aufenthalt in der deutschen Heilstätte in Davos. In dieser 
Zeit war er nie ganz fieberfrei. Leicht erhöhte Temperaturen wechselten mit 
öfteren Schüben hohen Fiebers. Neben ausgedehnter Lungentuberkulose bestand 
schon zur Zeit des Eintrittes in die Heilstätte ein grosses Ulcus im Larynx an 
der Hinterwand links. Im Juli 1908 machte er eine rechtsseitige Pleuritis 
mit Fieber bis 40,6 durch. In den folgenden Monaten hatte er drei kleinere 
Blutungen. Am 1. März 1909 trat eine sehr schwere Blutung auf, welche sich 
am 3., 5. und 7. März wiederholte. Nach diesen Blutungen zeigjte sich grosse 
Herzschwäche, so dass das Ende befürchtet wurde. Während des Aufe’hthaltes 
in der Deutschen Heilstätte wurde eine Injektionskur mit I.K. (C. Spengler) 
gemacht ohne nachweisbaren Erfolg. Der Lungenbefund verschlimmerte sich 
während der Heilstättenkur und nur das Gewicht stieg in den 11 Monaten von 
59,8 auf 71,5 kg. Dem Patienten wurde von den Ärzten der Deutschen Heil¬ 
stätte die Pneumothorax-Therapie als ultima ratio ancmpfohlen. 

Befund am 29. April: 165 cm gross, mittlere Statur, mittlerer Ernährungs¬ 
zustand, etwas blass und zyanotisch, blasse Schleimhäute, linke Pupille weiter 
als die rechte, leichte Struma, Tromraelschlägel-Finger. 

Thorax ziemlich breit, vorne flach. Klavikulargruben ausgefüllt, mit leichter 
Kissenbildung. Starkes Nachschleppen rechts. Atembreite 6 cm. 

Herzspitzenstoss im 4. und 5. Interkostalraum, etwas einwärts von der 
Mamillarlinie, Herzdämpfung am untern Rand der 4. Rippe und am linken Stemal- 
rand. Herztöne rein. 2. Pulmonalton klappend. Puls 120, regelmässig, weich, 
leicht unterdrückbar. 

Perkussion: R. v. starke Dämpfung mit hoher Tympanie und Winth- 
richschem Schallwechsel bis 2. Rippe; relative Dämpfung mit Tympanie bis 
4. Rippe; fast absolute Dämpfung von da an. In der Axilla relative Dämpfung 
bis 5. Rippe; von da an absolute Dämpfung. R. h. relative Dämpfung mit 
Tympanie bis Mitte; von da an abnehmende Dämpfung bis zum unteren Rand, 
11 . Brustwirbel. In der Skapularlinie oben starke Dämpfung, in den unteren 
Partien stärkere Dämpfung als neben der Wirbelsäule. Unterer Lungenrand nur 
neben der Wirbelsäule deutlich verschieblich. L. v. leichte Dämpfung bis erste 
Rippe, hinten bis Mitte. 

Auskultation: R. v. br. Atmen mit grobem, klingendem, nach Husten 
vermehrtem Rasseln bis 2. Rippe. Im 2. und 3. Interkostalraum leise, ves.-br. 
Atmen mit mässig zahlreichem, halbklingendcm Rasseln; zu unterst fast im- 
hörbares Atmen und halb klingendem Rasseln. Stimmfremitus hier aufgehoben. 
R. h. leises, br. Atmen mit grobem, klingendem Rasseln bis unterhalb Spina, 
ves.-br. Atmen mit zahlreichem, halb klingendem Rasseln bis Angulus. In den 
unteren Partien neben der Wirbelsäule leise ves.-br. Atmen mit spärlichem, 
tonlosem Rasseln und pleuritischem Schaben bis unten. In der Seite scharfes, 
unreines Atmen mit grobem, halbklingendem Knacken. Stimmfremitus in den 
hinteren, unteren Partien verstärkt, in den seitlichen Partien deutlich fühlbar. 
L. V. unreine^ Insp. mit verlängertem Exsp. bis 3. Rippe, supra claviculam, nach 
Husten eine kleine Salve feiner, tonloser Rh. Im 2. und 3. Interkostalraum, 
neben dem Sternum, sind ebenfalls einige feine Rh. zu hören. L. h. ves.-br. Atmen 


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2.30 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[250 


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bis Spina, verschärftes Atmen bis Mitte. An der Spitze und neben Spina eine 
Salve feiner Rh. zu hören wie vorne. 

Der Patient hustet sehr viel, Tag und Nacht, und braucht beständig Nar¬ 
kotika gegen den Hustenreiz. Sputummengen 100—120 ccm. Sputum eitrig, 
grossballig mit zahlreichen Tuberkelbazillen (Gafky VII) und elastischen Fasern. 
Im Urin kein Eiweiss, Zucker oder Diazo. Temperatur im Darm zwischen 
36,7 und 39. Der Patient fühlt sich sehr schwach, klagt über mangelhaften 
Appetit, über den starken Husten, über Heiserkeit und Schmerzen im Hals, über 
lästiges Schwitzen. Er ist ausserordentlich nervös, erregt, schläft schlecht und 
ist deprimiert über seine Lage. 

Im Kehlkopf besteht noch ein grosses, kraterförmiges Geschwür an der 
Hinterwand links. Umgebung des Geschwürs und Stimmbänder stark injiziert 
imd geschwollen. Eine Röntgendurchleuchtung zeigt rechts, von vorne 2, von 
hinten 3 grosse Kavernen, die bis zur 3. Rippe und bis Mitte Scapulae 
reichen. Über dem Zwerchfell, das vorne in der Mamillarlinie segelförmig 
bis in die Höhe der 5. Rippe hinaufgezogen ist, sieht man vorne eine hellere 
Zone und hinten neben der Wirbelsäule einen rundlichen, helleren Fleck. 
Bei tiefen Insp. wird der Pleurasinus in den seitlichen Partien etwas heller. 
Über der linken Spitze ein leichter diffuser Schatten vorne bis 2. Rippe, 
hinten bis etwas unterhalb Spina. 

Am 3. Mai 09 wird die Pn. Th. - Operation vorgenommen 
(durch L. v. M u r a 11), nachdem der Patient Tags zuvor mehrere Gaben Digalen 
bekommen hatte wegen starker Unruhe des Herzens und wegen unregelmässigen, 
sehr frequenten Pulses. Es wird im 7. Interkostalraum in der Gegend der 
hinteren Axillarlinie rechts eingegangen und die Pleura frei gelegt. Es ist 
keine Verschiebung der Pleurablätter zu sehen. Beim Durchstossen der Pleura 
zischt deutlich Luft ein. Während die Sonde in den Plemraspalt gleitet, 
stellt sich ein starker Hustenreiz ein und es werden aus der Sonde einige 

Tropfen einer serösen Flüssigkeit ausgespritzt (es handelt sich offenbar um 

Spuren eines Pleuraexsudates, welches anlässlich der trockenen Pleuritis der 
letzten Tage sich gebildet hatte). Das Manometer zeigt deutliche Atemschwan¬ 
kungen ; die S a 1 o m o n sehe Sonde gleitet nach rückwärts frei vor; die Be¬ 

fürchtung, mit dem Katheter in die Lunge gelangt zu sein, konnte daher 
alsbald aufgegeben werden. Es werden 500 ccm Stickstoff eingeführt und 
ein Schlussdruck von +^/2 +4 erzeugt. Mit Rücksicht auf die aus¬ 

gepresste Flüssigkeit wird die ganze Wunde sorgfältig desinfiziert und dann 
vernäht. 

Nach der Operation fühlt sich der Patient sehr schwach und angegriffen. 
Der Puls ist sehr frequent und mehrfach, besonders an den ersten Abenden, 
fadenförmig und unzählbar. Der Patient erhält viel Digalen, Kampfer-Äther 

und Eisbeutel. 

Am 4. Mai stellt sich eine starke Diarrhöe ein, zuerst mit wässrigen, 

nachher mit blutigen Stühlen. Nach der Operation war nur r. h. u. ein 

Pneumothorax zu konstatieren. Während einer Stuhlentleerung hatte der Patient 
plötzlich starke Schmerzen r. v. und rief den Arzt. Es zeigte sich nun, dass 
sich offenbar durch das Pressen die rechte Lunge auch vorne abgelöst hatte. 
Auch über den vorderen unteren Partien bestand jetzt lauter hohler Schall. 
Am nächsten Tage, 5. Mai 09, klagte Patient über starke Dyspnoe und es 
wurden daher 150 ccm Stickstoff entfernt und der Druck von — 4 und + 3 
auf — 5 und -J- 2 herabgesetzt. Am 8., 11., 15., 19., 21., 24. und 28. Mai 



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251] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 251 

wurden Nachfüllungen mit je 400—500 ccm gemacht und der Druck allmählich 
auf 6 und -{-10 gebracht. Der Patient ist seit dem 23. Mai fieherfrei. 
Der Auswurf ist auf ca. 90 ccm zurückgegangen, enthält aber immer noch 
ausserordentlich zahlreiche Tuberkelbazillen; Schlaf, Appetit und Aussehen sind 
besser. Der Patient ist seit langer Zeit zum ersten Male für mehrere Stunden 
im Freien auf dem Liegestuhl. Operationswunde per primam geheilt. 

Die schöne Entfieberung im Laufe von 21 Tagen nach 
einem 18 Monat lang anhaltenden hohen Fieber w’ird durch 
die beistehende Kurve illustriert. 

Perkussion. R. v. lauter Höhlenschall bis zum 6. Interkoslalraum, 
nach links bis 2 cm über den linken Sternalrand hinaus. Nur gegen die Axilla 
hin besteht von der 2, bis 4, Rippe eine relative Dämpfung mit tympanit 
Beiklang. 

R. h. überall dröhnender Schall bis zum 12. Dornfortsatz, nur ist der 
Schall bis zum Angulus weniger laut als unterhalb desselben. 

L. V. leichte Dämpfung bis 2. Rippe. 

L. h. leichte Dämpfung bis gegen Mitte. 




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Absolute Herzdämpfung 2 cm links vom linken Sternalrand und an der 
4. Rippe. Spitzenstoss im 5. Interkostalraum zwischen Mamillar- und vorderer 
Axillarlinie. 

Auskultation. R. v. abgeschw^ächt unreines Inspirium, amphor. Ex- 
spirium, nach Husten einzelne tonlose Knacke bis 2. Rippe. Von der 2. bis 
4. Rippe sehr leises, fernes Atmen, unten kein Atemgeräusch zu hören. Über 
dem Sternum abgeschwächtes br. Atmen. In der Seite einzelne metallisch 
kl. Geräusche. 

R. h. Atmung bis zum Angulus sehr abgeschwächt, unten unhörbar. Von 
oben bis Mitte nach Husten spärliche tonlose und halbklingende Rhonchi. 

L. V. und h. ist der Befund zu oberst wie früher. Vorne hört man am 
Rand des Pneumothorax und der Herzdämpfung einzelnes feines Knistern. 
Hinten ist die Atmung in den unteren Partien lauter und schärfer. 

6 . VIII. 09. Die Sputummenge ist langsam auf 30 ccm gesunken, 
im August wurden keine Tbc. und elast. Fasern mehr gefunden. 

Gewicht schwankend um 63 kg, Appetit oft mangelhaft wegen Druck 
auf den Magen. 

Temperatur bis 37,3 im Darm, nur am 1. VII. nach einer Nach¬ 
füllung etwas erhöht. 

Die Nachfüllungen werden seit Mai jede Woche mit 200—600 ccm aus¬ 
geführt, der Schlussdruck wird jeweilen auf 10 bis -j- 12 gebracht. Nach 


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252 L. Brauer und Lucius Spengler. [252 

einer grossen Nachfüllung am 20. Juli (-(-12) trat starke Atemnot und Be¬ 
klemmung, Schwäche in den Beinen, Unruhe, Herzklopfen, Schlaf- und Appetit¬ 
losigkeit ein. Unter Digalen, Bromural, Eis und Ruhe war der Zustand bald 
wieder besser. 

Seit der Anwendung höherer Druckwerte ist die Atmung links vorne 
auffallend leise, hauchend mit leicht amphorischem Beiklang. Links hinten 
besteht besonders in den unteren Partien sehr laute, scharfe Atmung. 

Auf der Röntgenplatte sieht man Herz und Mittelschatten nach 
links verschoben, die linke Lunge ist durch starke Gefässzeichnung ziemlich 
dunkel, die Spitze bis zur Spina zeigt mittelstarken Schatten. Rechts er¬ 
scheint die Hauptpartie der Lunge als dunkles, schlank-pyramidenförmiges Ge¬ 
bilde neben dem unteren Teil der Brustwirbelsäule, sie hat ungefähr die 
F'orm eines schlanken Herzschattens. Die Basis ruht dem noch gut konvexen, 
aber deutlich tiefer getretenen Zwerchfell auf. Von dieser Pyramide aus 
sieht man als helle, aber scharf begrenzte Schatten fünf blattförmige Stränge 
nach aussen und oben ziehen. Die oberen kreuzen sich und gehen offenbar 
nach verschiedenen Richtungen, nach vom und nach hinten. Die Röntgen¬ 
platte zeigt nur basal und aussen einen von Strängen freien Pneumothoraxraum. 

7. X. 09. Nur noch alle zwei Wochen Nachfüllungen. Ganz regelmässige, 
tiefe Temperaturen, Puls ca. 100, kräftiger als früher. 20 ccm Auswurf, 
ohne Bazillen. Der Patient spaziert regelmässig. Laiynx wesentlich gebessert, 
das Geschwür ist flacher geworden, Stimme laut, aber noch heiser. 

4. I. 10. Dauernd gutes Befinden. Patient musiziert wieder, spaziert 
viel. Larynxgeschwür unter Milchsäurebehandlung weiter gebessert. 63 kg. 

9. IV. 10. Gutes Aussehen, guter Ernährungszustand. 62,3 kg. Rechte 
Pupille etwas weiter als die linke. — Thorax rechts stärker gewölbt, Klavikular- 
grubeu dort ausgefüllt. Nachschleppen links. — Herzspitzenstoss im 6. Inter¬ 
kostalraum, 3 cm lateral von der Mamillarlinie: Absolute Herzdämpfung am 
oberen Rand der 5. Rippe, 3 cm links vom linken Sternalrand. Puls 90, 
regelmässig, mittlere Füllung, gute Spannung. Herztöne nur über der abs. 
Herzdämpfung deutlich zu hören, sonst sehr leise. Erster Ton über der Spitze 
rauh, zweiter Ton akzentuiert. 

Der physikalische Lungenbefund unterscheidet sich nur wenig von dem¬ 
jenigen Ende Mai 1909. Der perkutorische Rand des Pneumothorax reicht noch 
etwas mehr nach links als damals und steht vorne unten an der 7. Rippe. 
Über der Basis rechts ist ein leises, fernes, amphorisches Atmen zu hören. 
Über dem Sternum, vorne aussen und über der Spina hört man seltene 
metallisch klingende Rh. 

Links vorne ist die Atmung überall sehr leise, etwas hauchend, das 
Exspirium hat etwas amphorischen Beihauch. Nur zu oberst sind nach Husten 
sehr spärliche Rhonchi zu hören. Auch hinten hat sich die linke Spitze 
wesentlich gebessert. Die Atmung ist etwas unrein, bei Spina nach Husten 
spärliche tonlose Rh. Unten sehr laute, scharfe Atmung. 

Der Patient wirft täglich 10—15 ccm schleimiges Sputum aus, das frei 
von Tbc. und elast. Fasern ist. 

An der Hinterwand des Larynx ist nur noch eine flache, weissliche 
Narbe zu sehen. Die Stimme klingt noch etwas rauh. 

Herr R. fühlt sich vollkommen wohl, spaziert viel und musiziert. 

Den Sommer 1910 verbrachte Herr R. in seiner Heimat in Schlesien. 
Di<* Behandlung während dieser Zeit hatte Dr. Joel in Görbersdorf übernommen. 



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253] 


Erfahniiigen und Cberlegungcn zur Lungonkollapslliorapio. 


253 


Endo Juni und Anfang Juli hatte er kurze Zeit gefi:‘berl und S(diin(*rz“n 
in der recliten Seite verspürt. Im Herbst 1910 übersiedelte der Patient wieder 
nach Davos-Dorf (Dr. v. Mural t). Bei der Untersuchung wurde ein Exsudat 
gefunden und die Röntgondurchleuchtung ergab mit aller Deutlichkeit ausser 
dem Exsudat in der Pneumothoraxhöhle (e) der rechten 
Seite ein kleineres Exsudat auf der linken Seite (h). (Fig. 24.) 

Schon früher hatte der physikalische Befund auf das B e s l e li e n einer 
starken Verschiebung des vorderen Mediastinum nach 
der gesunden linken Seite hingewiesen. Durch das Exsudat 
wurde das Vorhandensein einer Mediastinalhernie zur Evidenz erwiesen. 
Nach dem Stande des Exsudates in dieser Ausbuchtung musste der Hals der 
Hernie ungefähr in der Höhe des Ursprungs der grossen Gefässe am Herzen 
liegen. Der tiefste Punkt reichte nicht ganz bis zur Herzspitze hinab. Auf 
der dorsoventralen Röntgenphotographie konnte man eine feine, gebogene Linie (in) 
(l’’ig. 24) vom äusseren Rande des Exsudates nach oben und dann bogen¬ 
förmig geg(‘n die Gegend der Stemalinsertion der Klavikula verlaufen sehen. 



Die Hernie lag dicht unter der vorderen Brustwand; über ihren Tiefeudurch- 
rnesser lässt sich nichts Bestimmtes sagen. Bei Lagenveränderungen konnte 
der Hemieninhalt nach dem Pneumothorax entleert werden. 

Das Exsudat wurde mehrfacli durch Punktionen verkleinert und dits Be¬ 
finden des Kranken ist jetzt (November 1910) so gut wie vor der Pleuritis. ^ 

Indikation. Erblich belasteter 32jähriger Herr, seit Herbst 
1907 lungenkrank, seit Februar 1908 in Davos. Lungen- und 
Larynxtuberkulose. Ein Jahr Heilstättenbehandlung, dennoch immei* 
Fieber, Fortschreiten des Lungenprozesses, kleinere und eine schwere 
Blutung, Herzschwäche. Pleuritis rechts. Schwere Erkrankung rechts, 
leichte, aber deutliche Infiltration links oix?n. 18 Monate ge¬ 
fiebert. 

Epikrise. Grosser rechtsseitiger Pneumothonix. Trotz des 
Bestehens einer trockenen Pleuritis zur Zeit der Operation bildet 
sich kein Exsudat. Plötzliche Vergrösserung des Pneumothonix bei 


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254 L. Brauer und Lucius Spengler. [254 

Anwendung der Bauchpr^se. Rasche Entfieberung, all¬ 
mähliches Zurückgehen aller krankhaften Erschei¬ 
nungen. 11 Monate nach der Operation ist Patient 
dauernd wohl, bazillen- und fieberfrei, Larynx- 
geschwür geheilt. 

Später Seropneumothorax mit Tochterexsudat 
in einer grossen Mediastina 1 hernie. Befinden dadurch 
nur vorübergehend gestört. 


7B. Patientin O. S., ledig, 20 Jahre alt. (Dr. Kornmann-Davos.) 

Patientin hatte als Kind Masern luid Gesichtsrose, war stets blutarm 
und schwächlich. Eltern, 2 Geschwister imd sonstige Verwandte gesund. 
3 Geschwister starben im Alter von 14—17 Jahren an ,»Lungenschwindsucht“; 
eine 4. Schwester starb vor 4 Jahren an „Lungenschwindsucht mit eitriger 
Rippenfellentzündung“; kurz vor dem Tod „brach viel Eiter in der rechten 
Seite aus“. Patientin pflegte die Schwester „unter vielen Zärtlichkeiten“ bis 
zum Tod. Ein Jahr danach (vor 3 Jahren) bemerkte Pat. zum erstenmal „ihren 
Husten und ihre Müdigkeit“; das wiederholte sich immer mehr jedes Frühjahr, 
bis sie im Herbst 1908 an „heftigem Hustem und starkem Fieber“ mit Nacht- 
schweissen und viel Auswurf erkrankte. Im Dezember 08 zwei starke Blutungen. 
Seither sei immer etwas Blut im Auswurf; stets Fieber, Naclitschweisse, Mattig¬ 
keit, starke Abmagerung. 

Verlauf und Allgemeinstatus bis zur Operation. Pat. 
kommt am 27. Jan. 09 nach Davos; in sehr reduziertem Zustand, der sich bis 
zum 21. Mai 09 (dem Tage der Pneumothorax-Operation) noch verschlechterte. 
Scblaüosigkeit, absoluter Appetitmangel, Abmagerung, Atemnot, starke Anämie, 
grosse Schwäche, bes. im Anfang, infolge der Naclitschweisse. Temperatur 
hektisch, durchschnittliches Max. 38,5; Puls 130—140, klein; Atmung be¬ 
schleunigt; Sputummenge 200—300 ccm in 24 Stunden; Sputum eitrig, geballt, 
blutig gefärbt, Tbc. -j- Gaffky IX, Elastika zahlreich. Diazoreakt. des Harns 
stark -}-. Bis zum 21. Mai traten fünf Blutungen auf, von 
denen die zweite lebensgefährlich verlief. Dieser Zustand hatte 
seine Ursache in der rapid progressiven Affektion der rechten Lunge, deren 
Status am 20. Mai 1909 folgender war: 

Lokalstatus vorder Operation. R. Lunge: In der Spitze eine 
etwa klein-hühnereigrosse, feuchte Kaverne und käsige InfillTatioii bis vorn 
4. Rippe, hinten Mitte Skapula (tymp. Dpfung. Wintrich -|-j br. bis amph. .\tmon, 
grobe, feuchte metallische und zahlreiche mittlere bis feine helle bis halb¬ 
klingende Rh.). Im Unterlappen eine grosse feuchte Kaverne, welche sich 
im Laufe der Beobachtung aus einer käsigen Pneum. gebildet und die Quelle 
der Blutungen geliefert hatte. Untere Lungengrenze wenig aber deutlich ver¬ 
schieblich. 

Linke Lunge: In der Spitze Atmung abgeschwächt, unrein, Exsp. 
verlängert, nach Husten einige feine, leicht feuchte, klanglose bis helle Rh., 
sonst normal; dieser Befund seit Januar unverändert. Temp. 38,5; Puls 135; 
Sput. 250 ccm; Tbc. + Gaffky IX; Diazo im Sputum rotschwarze Ballen 
und freies Blut, da tags zuvor eine Blutung stattgefunden. Das Röntgenschirm¬ 
bild zeigte die Basis leidlich beweglich, die Spitze wahrscheinlich verwachsen. 



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255] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


255 


Operation. 21. V. 09 Anlegung des Pneumothorax nach 
Brauer (Dr. Kornmann unter Assistenz von Dr. Nienhaus, 
Davos); es gelingt, einen fast totalen Pneumothorax zu bilden. Die Lunge 
zeigt sich zu einem klein-handbreiten Streifen auf und neben der Wirbel¬ 
säule komprimiert; die Unterlappenkaverne ist verschwunden; die Spitzen 
kaveme noch angedeutet; oberste Spitze verwachsen. Im weiteren Verlauf 
fanden bis 7. August 1909 sechs Punktionen statt; durchschnittliche Stick- 
stoffraenge 700—1000 ccm; durchschnittlicher positiver Schlussdruck 6—9 mm 
Quecksilber. Nach den Nachfüllungen traten unerhebliche Atemnot und Schmerzen 
an der rechten Schulter auf. Die Besserung war eine auffallende: das Ge¬ 
wicht stieg in 9 Wochen von 53 auf 61 Kilo. Das Sputum nahm schon einen 
Tag nach der Operation von 200 ccm auf 60 ccm in 24 Stunden ab und zeigte 
nie mehr die geringsten Blutspuren. 

Die Temperatur (Kurve Tafel X) sank sofort nach der Operation 
und blieb schon nach einigen Tagen unter 37,3, um später auf 36,9 abzufallen. 
14 Tage nach der Operation ging Pat. bereits 1—2 Stunden spazieren bei 
einer täglichen Sputummenge von durchschnittlich 20—30 g; nach 3 Wochen 
von 15 g. . 

Status am 7. August 1909: 

Temperaturmax. 36,8; Puls 82; Atmung 35; Gewicht 60 Kilo (Gewichts¬ 
abnahme seit Ende Juli von 1 Kilo infolge Magenkatarrh, Diätfehler); SputOm- 
menge 15 g, schleimig-eitrig, keine Blutspuren; Tbc. -|- Gaffky I, keine Elastika; 
nur 2—3mal am Tag etwas Husten; Schlaf, Appetit, Allgemeinhefinden vor¬ 
züglich ; geht 2—3 Stunden spazieren; Ham normal, keine Diazoreaktion, 
mehr. 

Rechte Lunge: liegt (auf dem Röntgenschirm) als dunkler Strang auf und 
rechts neben der Wirbelsäule; mit einer dem Unterlapi)en entsprechenden Ver¬ 
dickung; in der Spitze, deren oberster Teil verwachsen, sieht man noch die 
Andeutung einer Kaveme; rechts davon ein dünner, freier Strang. Obere und 
untere Mediastinalgrenze 2 Finger breit links der Wirbelsäule; Herz: rechte 
Grenze 2 Finger breit links von der linken Grenze der Wirbelsäule. Auskul¬ 
tatorisch: an der Spitze ganz leises, unbestimmtes Atmen; nirgends Rh. Stäbchen- 
plessimetrischer Metallklang über der ganzen rechten Seite. 

Linke Lunge: Atmung schärfer, nur nach Husten leicht unrein; nirgends 
(auch nicht nach Husten oder Zählen) Rh. 

Im weiteren Verlauf ist die Temperatur bis Ende Oktober 09 völlig normal. 
Ende September beträgt das tägliche Sputum 5 g, enthält von da ab keine 
Tuberkelbazillen. Anfang bis Ende Oktober kein Sputum, Gewichtszunahme 
2 Kilo. Patientin ist seit Anfang Oktober 1909 zu Hause am 
Bodensce, wo sie in nebeligem Klima erst den Haushalt 
ihrer Mutter und dann ihr Geschäft mit voller Erwerbs¬ 
fähigkeit wieder besorgt. (Also fünf Monate nach der Ope¬ 
ration, die in aussichtslosem Zustand der Pat. wegen un¬ 
stillbarer Blutungen unternommen wurde). 

Ende Oktober starke Angina, in der Folge auf der Pneumothoraxseite 
Exsudat, das ohne Veränderung des übrigen Zustandes langsam ansteigt und 
die Kompression verstärkt, so dass von Ende Oktober 1909 bis 10. Januar 
1910 keine Nachfüllung nötig wurde. In der ganzen Zeit keine Temperatur, 
volle Arbeitsfähigkeit. Am 10. Januar steht das Exsudat bis zur dritten Rippe, 
der Druck ist plus 4 mm Hg. Durch Nachfüllung von 150 ccm N steigt er 


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L. Brauer und Lucius Sjx‘nglor. 


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bis auf den Eaddruck von plus 6 mm Ilg. Exsudat wurde, da das Allgemein¬ 
befinden ausgezeichnet war, nicht abgezogen. 

Als Patientin am 15. März 1910 zur Untersuchung nach Davos 
kam, zeigte sich, dass das Exsudat bis auf einen kleinen Rest resorbiert war. 
Der Druck war auf minus 2*2 nun Hg gesunken. Auf dem Röntgenschirm 
zeigte sich die Lunge etwas ausgedehnt, überall aber als gleichmässiger 
dunkler Schatten, von Kavernen war nichts zu entdecken, keine Sputum¬ 
vermehrung, keine Veränderung des ausgezciclineten Allgemeinbefindens. Es 
wurden 1200 ccm N nachgefüllt, und damit ein Enddruck von plus 6 mm Hg 
erzielt 

Am 28. März 1910, also ca. 10 Monate nach der Operation, ist der 
Allgemeinstatus: 

Temperatur ganz normal (zwischen 36,4 und 36,9 Mundmessung). Zwei- 
bis dreimal wöchentlich 5 g Sputum innerhalb 24 Stunden, keine Tuberkel- 
bazillen, Harn normal, Allgemeinbefinden ausgezeichnet, Patientin lebt am Boden¬ 
see, wo sie seit mehreren Monaten ihr Geschäft in voller Arbeitsfähigkeit führt. 
Gewicht 62 Kilo. Puls kräftig, voll, 80—88. Leichte Zyanose, keine Dyspnoe, 
keine Schmerzen. 

Lokalstatus: Rechte Lunge sieht man auf dem Röntgenschirm als dunklen 
2 Finger breiten Strang dicht neben der Wirbelsäule, auch bei tiefer Atmung 
fast unbeweglich. Von Kavernen niclits zu erkennen, die früher noch adhärente 
Spitze ist losgelöst. Im Komplementärraum ein klinisch nicht nachweisbares 
Exsudatrestchen, kompletter Pneumothorax. 

Auskultatorisch nur über dem obersten Teil der Spitze leises bronchiales 
reines Atmen hörbar, keine Spur von Nebengeräuschen, lauter hoher Stäbchen¬ 
plessimeter-Metallklang. 

Linke Lunge: Atmung über der Klavikol broncho-vesik., ganz rein. Nirgends 
Rhonchi. Über der übrigen Lunge Atmung verstärkt, normal. 

Der trotz des sehr grossen Absinkens des Druckes (bis auf 22 mm Hg 
negativen Druck, durch die Resorption des Exsudates) völlig gleichbleibende 
Zustand sowohl lokal als allgemein Hess hoffen, dass die feste Vernarbung 
der komprimierten Lunge erreicht sei. Es werden daher bis Anfang November 
1910 in grossen Abständen nur drei Punktionen gemacht, und der positive Druck 
auf immer geringerer Höhe gehalten. 

Der Status ist am 15. November 1910: 

Die rechte Lunge ist noch soweit komprimiert, dass sie etwa die Hälfte 
der r<*chlen Thoraxseite cinnimmt. 4 Finger hohes Exsudat. Atmung überall 
abgeschwächt broncho-vesikulär bis bronchial, überall g:uiz rein, keine Neben¬ 
geräusche. 

Linke Lunge: In der Spitze scharf vesiko-bronchiale reine Atmung, nach 
Husten ab und zu ein Narbenknacksen. 

Temperatur seit U/o Jahren normal, gelegentlich etwas 
schleimiger sehr spärlicher A u s w u r f, k e i n <' Bazillen, 
Puls 81, G e w i c h t 6.3 kg. Patientin geht s e i t Fr ü h j a h r i m G e ■ 
fühl völliger G e s u n d li e i t ihrem körperlich anstrengenden 
Beruf nach. 

Indikation. Rapid verlaufender tuberkulöser 
Prozess der ti:anzen rechten Lunge. Leichter in¬ 
aktiver Prozess in der linken Spitze. Lebensgef<ähr- 
liehe Blutungen. Patientin kränkelt seit 3 Jahren. Seit Herbst 



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257] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapic. 257 

1908 viel Husten und starkes Fieber. Im Dezember 1908 zwei 
heftige Blutungen und nun immer etwas Blut im Auswurf. 27. I. 09 
nach Davos. Hektisches Fieber, Puls 130—140. Auswurfmenge 
200—300 ccm in 24 Stunden; Gaffky IX und elastische Fasern. 
Von Ende Januar 09 bis Mitte Mai 09 fünf Blutungen, von deneii 
eine lebensgefährlich. Hochgradige Anämie. Diazoreaktion des Urins 
stark positiv. Grosse Kaverne im rechten Oberlappen und grosse 
Kaverne im rechten Unterlappen. — 

Epikrise. Noch bevor letzte Blutung völlig sistiert hatte, 
Anlegung eines künstlichen Pneumothorax rechts, am 21. V. 09. — 
Sehr rascher Abfall der Temperatur und dann bleibend fieberfrei. 
(Kurve Tafel X.) Rasche Verminderung der Sputummenge. Schon 
ab August 09 zeigt Urin keine Diazoreaktion mehr und Puls normal. 
Kompletter Pneumothorax. Ab Oktober 09 keine Tuberkelbazillen 
mehr im Auswurf. Blutungen blieben gäuzlich aus. — Ab Oktober 

1909 im Anschluss an Angina massiges Exsudat im Pneumothorax¬ 
raum, das keinerlei Störungen verursachte. 

Bei Abschluss der Krankengeschichte (15. XI. 10) rechte Lunge 
bis zur Hälfte entfaltet. Gewicht von 53 kg auf 63 kg gestiegen. 
Puls von 130—135 auf 84 abgesunken, Temperatur seit l^/g Jahren 
normal. Auswurf seit 11 Monaten frei von Tuberkelbazillen. Oft 
fehlt Auswurf ganz, ab und zu 5 ^ccm. Pat. geht seit einem, 
halben Jahre ihrem körperlich anstrengenden Be¬ 
rufe nach. — 

Es unterlag, bei der Belastung der Patientin, dem gefährlichen 
Alter und der rapiden Progression des rechten Unterlappenprozesses^ 
keinem Zweifel, dass bald eine terminale Blutung dem Leben ein Ziel 
gesetzt hätte, nachdem seit dem 8. Dez. 1908 Blutungen eine hoch¬ 
gradige Anämie erzeugt hatten und eine Blutung der Pat. schon bei¬ 
nahe das Leben gekostet hätte. Die Tatsache der rapiden Besserung geht 
aus dem obigen Bericht hervor. Das Fehlen grösserer Verwachsungen 
und das geringe Alter des Prozesses (die eigentliche Ausbreitung 
der Krankheit trat offenbar erst Ende des Jahres 1908 ein) haben 
das Resultat sehr wesentlich begünstigt. Was die wichtige Frage des 
Verhaltensderanderen Lunge betrifft, so lag in diesem Fall 
ein leichter, infiltrativer, seit vier Monaten absolut stationärer Prozess 
vor, welcher durch den Pneumothorax sichtlich günstig beeinflusst 
und der Heilung zugeführt wurde. Durch Entfernung des Herdes 
rechts kam eine günstige Beeinflussung auch links zustande. 


Beitr&ge £ur Klinik der Tnberkulone. Bd. XIX. H. 1. 


17 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


[258 


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25S 


74. Herr H. ans R., 24 Jahre alt. 

Anamnese: Vater starb nach langjähriger Krankheit, 63 Jahre alt, an 
Lungentuberkulose. Mutter lebt und ist gesund. Geschwister und Eltern des 
Vaters waren nicht lungenkrank. — Ein Bruder der Mutter war lungenleidend, 
soll aber zurzeit geheilt sein. — Pat. 2/5. — 3 Brüder leben und sind gesund. 
Ein Bruder starb als Kind an Masern. Pat. war ein gesundes Kind. Machte 
ohne Nachteil Scharlach und Masern durch. Im Alter von 18—22 Jahren trieb 
er viel Sport. Beginn der jetzigen Erkrankung vor zwei Jahren mit Husten und 
Auswurf und grosser Mattigkeit. Während eines sechsmonatlichen Aufenthaltes 
zu Hause erholte er sich gut. Bald trat aber Verschlimmerung ein. Ein halb¬ 
jähriger Aufenthalt in einem englischen Sanatorium und ein dreimonatlicher 
Aufenthalt an der Südküste Englands brachten keine Besserung, vielmehr ver¬ 
schlimmerte sich der Zustand. Vom Herbst 1908 an Kurgebrauch in Davos- 
Clavadel. Da auch hier keine Besserung sich einstellte, sondern andauernd 
erhöhte Temperatur bestand und oft Fieberschübe bis 40,0 und darüber auf¬ 
traten, riet ihm sein Arzt (Dr. E. Frey- Clavadel) zur Anlegung eines künst¬ 
lichen Pn.Th. — Pat. wird dem Sanatorium Schatzalp-Davos am 14. VI. 09 
überwiesen. — 

Befund vom 14. VI. 09. Gewicht 60,250 kg. Puls 90—100. Temp. 
37,5—37,9. Noch vor einer Woche bestanden während melireren Tagen Tem¬ 
peraturen bis 40,5. A u s w u r f 100 ccm im Tag, Gaffky IV, massig zahl¬ 
reiche elastische Fasern, aber grössere Fetzen. 

Linke Lunge bei Respiration gut beweglich, rechte Lunge bleibt liegen. 
R. oben Retraktion. Herz nach rechts verlagert. Rel. Herzdämpfung beginnt 
3 ccm innerhalb Mamillarlinie und überragt den r. Stemalrand um 3 cm. — 

Die untere Grenze der linken Lunge steht hinten l^/g cm zu tief. 
Lungenrand gut verschieblich. Untere Grenze der rechten Lunge hinten 
an normaler Stelle, wenig verschieblich. Auch rechts vom unterer Rand wenig 
verschieblich, in der Axillarlinie besser verschieblich. 

Über ganzer rechter Lunge hinten und vorn von oben bis unten ausge¬ 
sprochene Dämpfung. — L. überall sonorer Schall. 

L. vom über Klav. Insp. rauh-scharf, Exspir. etwas verlängert, ein feiner 
trock. Rh. Sonst überall schönes vesik. Atmen. 

L. h. oben wie vorn, keine Jlhonchi. — 

R. vorn über Klav. Atmen leise, Inspir. rauh, Exspir. hauch., spärl. 
mittlere Rhonchi; im 1. ICR. Atmen vesiko-bronch., mittlere und grobe, be¬ 
sonders klingende Rhonchi, namentlich neben dem Sternum; 2. ICR. rauhes 
Insp., hauchendes Exsp., mittlere und grobe Rhonchi, am Sternum halbklingende; 
3. ICR. idem. — 4. u. 5. ICR. Atmen leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, mittlere 
und gröbere, meist halbkling. Rh. 

R. hinten über O.-L. leises vesiko-bronch. Atmen, Rhonchi, besonders 
mittlere, auch klingende. 

Im Bereiche der ob. Hälfte des r. U.-L. rauhes Inspir., verlängertes Exspir.,. 
Rhonchi, bes. mittlere, auch halbklingende. Über unterer Hälfte des r. U.-L. 
Atmen sehr leise, Exsp. verlängert, mittlere trockene Rhonchi. In der r. Seite 
idem, aber Atmen lauter. 

15. VI. 09. Anlegung eines künstlichen Pn.Th. rechts nach Brauer 
durch Lucius Spengler und Ed. N e u m a n n. 

Eingegangen wird im 5. ICR. in der vorderen Axillarlinie. — Eingriff ge¬ 
lingt glatt. Es fliessen 1000 ccm N ein. A.-Dr. — 4,0 cm H^O. E.-Dr. 
-j- 2,0 cm HoO. 



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259J 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


259 


17. VI. 09. Völliges Wohlbefinden. Rings um die Operationswunde hat 
sich ein zl. ausgedehntes Hautemphysem gebildet. Bei Durchleuchtung sieht 
man einen massig grossen basalen Pn.Th. 

Nachpunktion: N = 800 ccm. 

A.-Dr. — 10,0 cm HgO. 

E.-Dr. ±0. 

Die Durchleuchtung ergibt einen zl. grossen Seitenpneumothorax. Lunge 
liegt der Wirbelsäule von oben bis unten in Form eines breiten Streifens an. 

22. VI. 09 Nachpunktion. N == 1200 ccm. 

A.-Dr. — 6,0 cm HgO. 

E.-Dr. ± 0. 

27. VI. 09 Nachpunktion. N = 1000 ccm. 

A.-Dr. — 2,0 cm HgO. 

E.-Dr. -f" 3,0 cm H 2 O. 

2. VII. 09 Nachpunktion. N = 500 ccm. 

A.-Dr. — 10,0 cm HgO. 

E.-Dr. ± 0. 

13. VII. 09 Nachpunktion. N = 1000 ccm. 

A.-Dr. — 8,0 cm HgO. 

E.-Dr. 4" cm HgO. 

27. VII. 09 Nachpunktion. N = 1000 ccm. 

A.-Dr. — 2,0 cm HgO. 

E.-Dr. + 3,0 cm HgO. 

10. VIII. 09 Nachpunktion. N = 600 ccm. 

A.-Dr. — 6,0 cm HgO. 

E.-Dr. ± 0. 

20. VIII. 09 Nachpunktion. N = 900 ccm. 

A.-Dr. — 6,0 cm HgO. 

E.-Dr. -f- 8,0 cm HgO. 

16. VIII. 09: Auswurf 40 ccm. — Gaffky IV, ohne elast Fasern. 

7. IX. 09 Nachpunktion. N = 1000 ccm. 

A.-Dr. — 4,0 cm HgO. 

E.-Dr. -j- 1,0 cm HgO. 

Puls 72—84. Temp. 36,5 (mittel). Gewicht 65,2 kg. 

23. IX. 09 Nachpunktion. N = 1100. 

A.-Dr. — 6,0 cm HgO. 

E.-Dr. 4“ 6,0 cm HgO. 

Der Verlauf der Behandlung w'ar bisher ein normaler. Die Kurve 
Tafel XI zeigt deutlich das fast sofortige Absinken der Temperatur auf 36,5 
im Mittel, sowie ein regelmässiges Ansteigen des Körpergewichtes. Im 
Anschluss an die Nachpunktion vom 22. VII. 09 trat eine auffallende Erhöhung 
der Pulsfrequenz ein, die während 12 Tagen anhielt und deren Ursache nicht 
ermittelt werden konnte. Im Laufe des Monats Juli fiel jedoch der Puls auf 
60—76 Schläge ab und hat sich seither auf dieser Höhe gehalten, während er 
vor der Operation zwischen 90 und 100 schwankte. 

Die Auswurfmenge ist von 150 ccm auf 40 gefallen. 

Da.s Körpergewicht ist von 60,250 kg bis heute (16. IX. 09) auf 65,2 kg 
(also um 5 kg) gestiegen. — 

Während des Herbstes 1909 und des Winters 1909/10, sowie des 
Frühjahrs 1910 werden die Nachfüllungon in Intervallen von zwei bis 
drei Wochen ausgeführt und kommen dabei meist Schlussdruckwerte von 

174 . 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


[260 


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-f- 4—7 cm H 2 O in Anwendung. Der Stickstoff wird auffallend rasch 
resorbiert, infolgedessen die jeweils nachgefüllten Stickstoffmengen 700 bis 
1000 ccm betragen. — Der Puls hielt sich fortgesetzt zwischen 72 und 80 p. m. 
Die Sputummenge sinkt nach tmd nach auf 2—5 ccm pro die. Der Aus¬ 
wurf enthält noch Tuberkelbazillen, Gaffky I—II, jedoch konnten seit Neu¬ 
jahr 1910 keine elastischen Fasern mehr nachgewiesen werden. Aus äusseren 
Gründen verlässt Patient am 6. I. 10 das Sanatorium Schatzalp, um in Davos- 
Clavadel Wohnung zu nehmen. Die Nachpunktionen werden jedoch weiterhin 
im Sanatorium Schatzalp ausgeführt. — Eine Bronchitis bedingt eine viertägige 
Temperatursteigerung (einmal bis 38,7), sowie eine Gewichtsabnahme von 1 kg. 
Das Gewicht hielt sich während des Winters 1909/10 auf 65,0 kg und beträgt 
nun bei Abschluss der Krankengeschichte (Anfang September 1910) 64,1 kg. Seit 
Beginn der Behandlung ist der Zustand der gesunden (linken) Seite vollständig 
un^srändert geblieben. R. besteht ein grosser, fast totaler Pn.Th. — Nur in 
der Spitze wenig ausgedehnte, aber solide Adhäsionen. — Der Pn.Th. war stets 
vollständig trocken. Im Juli 1910 wieder Bronchitis in der Pneumothoraxlunge 
mit Rektaltemperaturen bis 38,0. — 

Indikationen zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen rechten Lunge; ganz leichter, inaktiver Prozess in der linken 
Spitze. Der Zustand der Lunge hat sich trotz durchaus zweckent¬ 
sprechender Behandlung während der letzten l^/g Jahre verschlimmert. 
In den letzten Monaten traten häufig Fieberexazerbationen bis 40,0 
auf. Es bestand dauernd erhöhte Temperatur. — 

Epikrise. Am 15. VI. 1909 Anlegung eines künstlichen 
Pneumothorax ohne Zwischenfall. Nach und nach wurde ein grosser 
Seitenpneumothorax erzielt. Die Auswurfmenge sank innerhalb der 
bisherigen 14 monatlichen Behandlung von 100 auf 2—5 ccm, enthält 
aber noch Tuberkelbazillen, Gaffky I—11, jedoch keine elastischen 
Fasern. Das Gewicht stieg um 4 kg. Die Temperatur fiel innerhalb 
einer Woche völlig zur Norm ab (Kurve Tafel XI). Der Puls 
erreichte im Anschluss an die zweite Nachpunktion für 12 Tage 
eine ungewöhnliche Höhe, sank dann aber dauernd auf 60—80 
Schläge ab. Vor dem Eingriff schwankte er zwischen 90 und 100. 
— Allgemeinbefinden, Schlaf und Appetit sind gut. Der Kranke 
kann ohne Mühe grössere Gänge machen. — Unter Eücksichtnahme 
auf die Herzaktion kamen nach und nach bei den Nachpunktionen 
höhere Druckwerte zur Anwendung, um so den Pneumothorax zu 
vergrössern. Der Pneumothorax ist völlig trocken und schliessUcli 
sehr gross. — Der Kranke ist mit dem bisherigen Erfolge sehr 
zufrieden. 

75. Marie KL, Dienstmädchen, 28 Jahre, ans Gemünden. 

Aufnahme 3. III. 09, med. Klinik Marburg. Tod 19. IX. 09. 

V orgeschichte: Familien-Anamnese ohne Belang. Als Kind Lungen¬ 
entzündung. Januar 09 Husten und Auswurf; häufig Erbrechen, starke Nacht- 
schweisse, malt. Bald bettlägerig. 



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261] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 261 

Status: Sehr schwache, sclilecht ernährte Person. Herz ohne Be¬ 
lang. Temperatur stets über 37, Maximum bis 39,5. Viel Husten und 
Auswurf. Im linken Oberlappen dichte Infiltration mit Kavernenbildung. 
Im linken Unterlappen disseminierter, pneumonischer Prozess. Im rechten 
Oberlappen gleichfalls frische floridc, aber nicht sehr 
dichte Broncho-Pneumonie, Peribronchitis. Die sehr elende, 
dauernd fiebernde und ständig an Gewicht abnehmende Patientin war 
zur Pneumothorax-Behandlung gesandt, \vurde aber als 
ungeeignet abgelehnt, da auf der anderen Seit<‘ ein 
frischer, wenn auch nicht sehr dichter Prozess sich be¬ 
fand und daher zunächst das Verhalten dieser Seite abzuwarten war. — 
Schon bei der Aufnahme bestand links eine ziemlich ausgedehnte Pleurithi 
sicca. Anfang Juni 1909 entwickelte sich links ein rasch an¬ 
steigendes, seröses, aber Tuberke1baz i 11 en führendes 
Pleuraexsudat. Obwohl der Prozess auf der oberen Seite sich als langsam 
progredient erwies, trat jetzt doch zunächst ein massiger Tempo- 
raturabfall ein. Die Maxima blieben durchschnittlich um 1 Grad niedriger 
als früher und überschritten nur selten 38,0. Auch das Allgemeinbefinden hatte 
sich, nachdem die ersten pleuritischen Reizerscheinungen sich gemildert hatten, 
wesentlich gebessert, daher wurde das Exsudat durch N. ersetzt. 
Diese Besserung hielt aber nicht stand. Die Temperaturen blieben zunächst 
noch massig, nahmen aber später wieder beträchtlich zu und die Patientin ging 
im Laufe eines Vierteljahres unter fortschreilend(*r Erkrankung der rechten 
Seite zugrunde. 

Epikrise. Ein Pneumothorax war in diesem Falle wegen der 
frischen Erkrankung der rechten Seite abgelehnt worden, da 
befurchtet werden musste, dass dieser frische Prozess eher ungünstig 
beeinflusst würde. Der Verlauf der Krankheit hat dieses bestätigt. 
Es entstand dann spontan ein linksseitiges Exsudat-und damit 
Lungenkompression. Jetzt wurde dieses Exsudat dauernd durch N. 
ersetzt; der Prozess auf der rechten Seite nahm aber ständig zu 
und führte zum Exitus. 

Der Fall wird in diesem Zusammenhänge angeführt, da das 
Verhalten der anderen Seite sehr charakteristisch w^ar. 


76. D. G., 22 Jahre alt, Gutsbesitzerssohn. (Sanatoriam Wienerwald^).) 

Stammt aus hereditär belasteter Familie, erkrankte angeblich plötzlich an¬ 
fangs Dezember 1908 mit Hämoptoe. Dieselbe dauerte an und auch als der 
Patient am 30. XII. 08 in die Anstalt aufgenommen wurde, litt er noch immer 
an ziemlich starker Lungenblutung, welche dann noch durch Wochen anhielt 
Der sehr heruntergekommene Patient wies eine Infiltration des ganzen linken 

1) Die Fälle, welche im Sanatorium Wiencrwald gemeinsam mit den Kollegen 
Dr. Baer und Dr. Kraus behandelt wurden, sind teilweise von den genannten 
Herren in der Wiener med. W’ochenschr. hosprochon worden (Literatur-Ver¬ 
zeichnis Nr. 292). 


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262 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[262 


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Oberlappens auf, auch im Unterlappen derselben Seite feuchte und trockene 
Rasselgeräusche, in der rechten Spitze rauhes Atmen und vereinzelte trockene 
Geräusche. Die Temperatur stieg täglich über 38. Andauernd schlechtes All¬ 
gemeinbefinden, andauernd hohe Temperaturen, sehr häufig sich wiederholende 
beträchtliche Lungenblutungen, Gewichtsrückgang von 51,80 auf 46,70 kg. 
Die Infiltrationserscheiiiungen auf der linken Seite breiteten sich auch über den 
Unterlappen aus, das Rasseln wurde dichter und grossblasig. Im Sputum 
immer massenhaft Tuberkelbazillen. Ein Versuch mit IK.-Carl Spengler hatte 
nicht den geringsten Erfolg. 

Am 26. Juni 1909 Anlegung des künstlichen Pneumo¬ 
thorax (Brauer) Einfüllung von 1200 ccm Stickstoff. Die Operation ge¬ 
lingt leicht, die Lunge fällt völlig frei und glatt von der Thoraxwand ab. Im 
Röntgenbild erscheint die Lunge gut kollabiert, oben etwas adhärent. Bis Mitte 
Juli dann drei weitere Nachfüllungen von 600, 750, 850 ccm N. 

Der Erfolg des Pneumothorax war zunächst ein eklatanter. Die Tem¬ 
peratur, die vorher täglich über 38 gestiegen war, sank wenige Tage nach der 
Oi>eration unter diese Höhe. Die Sputummenge stieg von 40—60 ccm pro 
die vor dem Eingriff für kurze Zeit auf 100, um dann ziemlich rasch bis auf 
10 ccm abzusinken. Die Temperatur war dann eine Zeitlang noch schwankend, 
meist leicht subfebril, Ende Sept. 1909 jedoch war der Patient 
vollkommen fieberfrei und blieb dies bis Ende Januar 1910. 
Während dieser Zeit stieg das Körpergewicht bis auf 51 kg. Vorher monate¬ 
lang bettlägerig, der Patient fühlte sich nun sehr wohl, war mobil imd sein Lebens¬ 
mut war bedeutend gestiegen. Seit Oktober 09 konnten in dem 
spärlichen schleimigen Auswurf trotz häufiger Unter¬ 
suchung und auch im a n g e r e i c h e r t e n Präparate keine 
Tuberkelbazillen mehr nachgewiesen werden. Die vorher be¬ 
ängstigend häufen und lange dauernden Hämoptysen wiederholten sich nicht 
mehr. Alle 3—4 Wochen, später in grösseren Intervallen gossen wir 500 bis 
800 ccm N nach. 

Bereits im August 09 war in der Pneumothoraxhöhle ein steriles seröses 
Exsudat aufgetreten, -welches jedoch den Verlauf nicht im geringsten störte. 
Ende Januar 1910 wurde dieses Exsudat trübe, später aus¬ 
gesprochen eiterig und bald darauf Hessen sich in dem¬ 
selben Tuberkelbazillen nach weisen. Damit war eine Wendung 
zum Schlechteren eingetreten. Der Patient wird appetitlos, kommt stark herunter 
und hat wieder höhere Temperaturen mit zeitweiligen Schüttelfrösten. Anfangs 
Februar 10 tritt nach vielmonatlichem Zwischenraum wieder eine ziemlich 
beträchtliche Lungenblutimg auf. Es gelingt zwar dieselbe durch 
N-Insufflation prompt zum Stillstände zu bringen, doch hört 
man im Anschlüsse an diese Blutimg wenige Tage später im rechten Unter¬ 
lappen ziemlich reichliches mittelblasiges Rasseln.. Dies ist der jetzige Befund. 

Der Kranke starb im Frühjahr 1910. 

Indikation. Progrodienter einseitiger Prozess hei elendem 
Allgemeinbefinden, Fieber und häufigen Blutungen. 

Epikrise. Der Zustand bessert sich auf Anlegung des 
künstlichen Pneumothorax deutlich; Patient wird fieberfrei, 
nimmt an Gewicht zu, verliert die Lungenblutungen und die 
Tuberkelbazillen. Nach etwa Wohlbefinden Infektion 



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263] Erfahrungen und Cberlegungon zur Lungenkollapsthcrapie. 263 

eines vorhandenen sterilen Exsudates von der Pleura visceralis aus 
mit Tuberkelbazillen, Entstehung eines Empyems mit rapider Ver¬ 
schlimmerung. Anschliessend Hämoptoe mit walirscheinlich subakuter 
miliarer Aussaat auf die gesunde Seite. Der Tod erfolgte im Früh¬ 
jahr 1910. 


77. Herr A. S., 34 Jahre alt, ledig, aus W 

Anamnese: Stammt aus gesunder Familie, punkto Tuberkulose keine 
Heredität nachweisbar. Pat. 1/2. Schwester lebt und i.st gesund, ebenso die 
Eltern. Als Student wohnte der Kranke längere Zeit bei einer Familie, von 
der eine Anzahl Mitglieder tuberkulös waren. Im Mai 1908 erkrankte er an 
Bronchitis, die nicht völlig weichen wollte. Seit Oktober 08 bestehen Hustrui 
und Auswurf, sowie ab und zu Fieber und völlige Appetitlosigkeit. A in 
21. Januar 1909 kleine L u n g e n h 1 u t u n g. Keine Pleuritis exsudaL 
29. III. 09 Ankunft in Davos. 

Befund vom 29. III. 09. Gewicht 63,8 kg, Puls 80—100. 
Temperatur bis 39,0. .4uswurf reichlich; Gaffky VIII und zahlreiche 
elast. Fasern. Über der ganzen rechten Brusthälfte deutliche Dämpfung; rechts 
vom oben im 1. ICR. Schachtelton. — Links normale Perkussionsverhältnisse. 

Über der linken Spitze hinten und vom Atmen vesik., aber zu leise 
und zu rauh, Exspir. wenig verlängert, keine Rh. 

Rechts vorn über Klav. und im 1. ICR. lautes broncho-amphor. 
Atmen und metallisch klingende Rh.; im 2. ICR. Atmen vesik.-bronch., Rhonchi, 
auch klingende. Über dem Mittellappen Insp. rauh, Exspir. hauchend, Rhonchi, 
auch halbklingende. 

Rechts hinten über Oberlappen broncho-amphorisches Atmen und 
klingende Rhonchi. Über der oberen Hälfte des rechten ü.L. Atmen vesiko* 
bronch., Rhonchi, auch klingende, untere Hälfte des r. U.L. Atmen zu leise, 
Insp. rauh, Exspir. verlängert, spärliche mittlere Rhonchi. — 

Während der kommenden Monate (April, Mai und Juni) bestehen bei 
annähernd normalen Morgentemperaturen andauernd erhöhte Abend* 
temperaturen. Dieselben schwanken zwischen 38,0—39,0. Meist stehen 
sie um 38,5 hemm. Husten und Auswurf (letzterer ca. 200 ccm pro Tag, oft 
mehr) nehmen trotz Bettruhe nicht ab; Gewicht und Puls bleiben unverändert. 
Der Lungenbefund verschlimmerte sich, besonders in den 
oberen Partien des rechten U.L. — Der Zustand der linken Lungen¬ 
spitze bleibt jedoch unverändert Angesichts des aussichtslosen 
Verlaufes des Leidens sind sowohl Patient als auch dessen 
Vater, der Arzt ist, damit einverstanden, einen künst¬ 
lichen Pneumothorax anzulegen. 

Am 29. VI. 09 wird der folgende Befund erhoben (vergl. oben). 

Über der Spitze der linken Lunge hinten und vorn Atmen ziemlich laut, 
Insp. rauh-scharf, Exsp. etwas verlängert, Rhonchi keine. 

Über dem Oberlappen der rechten Lunge hinten und vorn amphor. 
Atmen und kling. Rhonchi. Über Mittellappen Atmen zu leise, Insp. rauh, 
Exspir. hauchend, Rhonchi auch halbklingend. — Über oberer Hälfte des 
rechten U.L., besonders längs der Wirbelsäule, Atmen hoch broncho amphorisch, 


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2(4 


L. Hrau(‘r mul Lucius SjKui^lcr. 


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klingende Rlionchi. Untere Hälfte des rechten U.L. Atmen zu leise, Insp. 
rauh, Exsp. verlängert, inässig viele mittlere Ith. 

A m 2. VII. 09 Anlegung e i n i‘ s r e c h t s s. P n e u m o t h o r a x 
durch Lucius Spengler. Der Eingriff gelingt glatt. Es laufen 10(X) ccm N 
ein. A.-Dr. ? Enddruck Hg. Die Auswurfmenge sinkt auf 50—60 ccm. 

Die Temperatur übersteigt in den nächsten Tagen die Höhe von 38,0 
bis 38,2 nicht, während sic in der Zeit vor der Operation stets auf 38,5 bis 
38,8 stand. 

Am 5. VII. 09 Nachpunktion. N = 800. — A.-Dr. —6,0 mm Hg. — 
E.-Dr. 5,0 mm Hg. — Sputummenge hält sich auf öo ccm p. d. Temp. 38—38,2. 
Es besteht ein m ä s s i g grosser basaler 1* n. T h. , doch ist d e r 
ganze O.-L. a d h ä r e n t und zieht aussen längs der B r u s t w a n d 
eine breite Verwachsung nach dem Zwerchfell hinunter. 
Allgemeinbefinden gut. 

In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli s (‘h r li e f t i g e Lungen- 
blutung, über ein Liter Blut. Patient glaubte deurlich wahrzunehmen, dass 
das Blut aus der Of‘gend seiner grossen Kaverne stammte. Am 11. Juli aber¬ 
mals eine kleine Menge frisches Blut. Während drei Tagen bestehen nun 
Abendtemperaturen von 39,0—39,3 und der Puls schwankt zwischen 110 und 
132. Hinten links unten an umschriebener Stelle Knistern. — Mit dem 
12. Juli sinken Puls (HO—120) und Temperatur (38,2—38,5) etwas ab. Um 
den Pneumothorax nicht ganz eingehen zu lassen, werden am 14. VlI. 1909 
bei einem A.-Dr. von 0 und einem Enddruck von 4 mm Hg 4(X) ccm N 
nachpunktiert. — 

D a a u c h n a c h fl i e s e r N a c h f ü 11 u n g w i e d e r f r i s c h b 1 u t i g e r 
A u s W' u r f a u f t r i 11, wird die P n. T h. - B e h a n d 1 u n g a u f g e g e b e n , 
in der Meinung, der Bestand des Pn.Th. wirke möglicherweise mechaniscJi 
derart auf die Raumverhältnisse der Kaverne, dass Blutungen aus einem in 
derselben sich befindlichen, nicht obliterierten Gefässe hervorgerufen würden. 
In weiteren Blutungen lag aber eine Gefahr für die gesunde Lunge. D i e 
Möglichkeit, die Kaverne bei Anwendung höherer Druck¬ 
werte ausreichend zu komprimieren, hielten wir bei d<*n 
bestehenden Verwaclisungen für ausgeschlossen. 

Pat. erholte sich nur langsam. Blutungen traten nicht wieder auf. Der 
Puls ging auf 96—104 zurück und die Temperatur sank im Laufe des Monats 
Juli langsam auf 37,6—38,0 

Am 31. Juli 09 wird der Bestand eines kleinen Exsudates im Pn.Th.- 
Haum nachgewiesen. Die Temperatur sinkt andauernd etwas und hält sich 
dann von Mitte .\ugust 09 an auf 37,2—37,6 im Maximum. — Mitte Sept 09 
ist der Zustand der Kranken noch unverändert. Es bestehen noch ein kleiner, 
aber deutlicli nachweisbarer Ihi.Th., sowie ein kleines Exsudat. 

Im weiteren Verlauf zeigt es sich, dass die leichte 
Infektion des 1 i n k (t n U.L., w (‘Ich e z u f o 1 g d er Blut u n g v o in 
9. Juli 09 erfolgt war, i n e ii u n g ü n s t i g <* n Verlauf nahm. 
Es traten im link<‘n l'.L. irn September ausg<‘delinte pneumonische Erschei¬ 
nungen auf, d(‘nen Patieiil am 26. September 1909 (^rlag. 

Indikation zur Operation. Schwere, progrediente, mit 
ziemlich hohem Fiel>er eiiihergehende Phthi.se der ganzen rechten 
Seite. Leichter inaktiver Prozess in der linken Spitze. — 



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265] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


265 


E p i k r i s e. Es konnte ein massig grosser, basaler Pneumothorax 
erzielt werden. Die Behandlung musste jedoch sehr bald aufgegeben 
werden wegen einer Komplikation, deren Auftreten im 
VerlaufederPneumothoraxbehandlungbishernicht 
beobachtet und beschrieben wurde (vgl. Fall51 u. 80). 6 Tage 
nach dem ersten Eingriff, resp. 3 Tbge nach der ersten Nachfüllung trat 
eine heftigeLungenblutung auf, di'e allem Anscheine nach aus 
der grossen Kaverne stammte. Die Blutung stand sehr bald, allein als 
6 Tage nach deren Auftreten eine N-Nachfüllung von 400 ccm gemacht 
wurde, zeigte sich abermals etwas frisches Blut. Wir nahmen an, 
der Bestand eines grösseren Pneumothorax wirke mechanisch derart 
auf die Raumverhältnisse der Kavöme, dass Blutungen aus einem in 
derselben sich befindlichen, nicht obliterierten Gefäss hervorgerufen 
würden. Auf der anderen Seite erschien es uns als sehr unwahrschein¬ 
lich, die blutende Kaverne durch weitere Nachfüllungen derart von 
ihrer Unterlage ablösen und so zum Kollaps bringen zu können, dass 
weitere Blutungen aus ihr und die damit verbundenen Gefahren hätten 
vermieden werden können. — 

Im weiteren Verlauf stellten sich keine Blutungen mehr ein, es 
war jedoch durch die Blutung vom 9. Juli die Basis der linken Lunge 
leicht infiziert werden. Diese neue Erkrankung verlief anfäjiglich 
ohne Folgen für den Patient. Nach 8 Wochen stellten sich jedoch 
im linken Unterlappen pneumonische Erscheinungen ein und führten 
zum Tode. 


78. Frl. K. Z., 22 Jahre alt, aus H. 

Anamnese: Vater lebt und ist gesund; Mutier starb 43 Jahre alt an 
Herzschlag, war angeblich nicht lungenleidend, ln der Familie der Eltern Lungen¬ 
krankheiten unbekannt. Pat. 7/8. Eine ältere Schwester ist ebenfalls lungen¬ 
krank (vergl. Nr. 87), ebenso ein jüngerer Bruder. Zwei Geschwister starbeii 
an Pat. unbekannten Krankheiten. In den Entwickelungsjahren war l\at. 
chlorotisch und stellte sich bei ihr eine gewisse Neigung zu Erkältungskatarrhen 
ein. Beginn der jetzigen Erkrankung vor zwei Jahren mit Husten. Auswurf 
besteht seit Dezember 07. Damals schon wurde er als bazillenhaltig befunden. 
.\m 23. XII. 07 erkrankte Pat. unter den Erscheinungen einer Pleuritis sicca 
(links vom oben) und lag fünf Wochen zu Bett. Seit Februar OS Aufenthalt 
in Davos. Zunächst ging es Pat. ziemlich gut, wenngleich ab und zu Tempe¬ 
ratursteigerungen bis 37,5 auftraten. Seit Herbst 08 Verschlechterung und seit 
Mai 09 konstant Temperaturen bis 38,0. — Nie Pleuritis exsudativa. — Patientin 
begibt sich behufs Anlegung eines künstlichen Pneumothorax nach Sanatorium 
Schatzalp. Dort wird am 13. VII. 09 der folgende Befund aufgenonunen : 

Patientin ist ziemlich gut genährt. Gewicht 56,4 kg. Puls 90—100. Tomp. 
37,5—38,0. Auswurf 30 ccm, Tbc. Gaffky VI—VII und massig zahlreiche elast. 
Fasern. 


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266 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[266 


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über linker Lunge von ob<*n bis unten Dämpfung. In der vorderen 
linken Axillarlinie vollerer Limgenschall, besonders in den unteren Partien. 
Rechts hinten untere Lungengrenze an nomiaJer Stelle, gut verschieblich. — 
Links hinten untere Lungengrenze 1 cm höher als rechts, etwas verschieb¬ 
lich ; ebenso in der linken Seite. — R. überall normale Sonorität. — 

Links vorn über Klav. leises vesiko-bronch. Atmen, nicht deutlich am¬ 
phorisch, aber zahlreiche, mittlere und grobe, meist klingende Rhonchi. Im 
1. ICR. dasselbe, doch am Sternum broncho-amphorisches Atmen und kling. 
Rh. — 2. ICR. Atmen vesiko-bronch., mittlere und grobe, auch klingende Rh. 
3. ICR. idem, doch weniger Rh. — 4. u. 5. ICR. leises, rauhes Inspir., verlängertes 
Exspir., aus der Tiefe Knarren und Knacken. 

Links hinten oben über O.-L. rauhes Inspir., hauchendes aus der Tiefe 
bronch. Exspir. — Knarren und Knacken aus der Tiefe. 

Über der ob. Hälfte des 1. U.-L. rauhes Inspir., verlängertes Exspir., Knarren 
und Knacken in der Tiefe. Untere Hälfte des 1. U.-L. Atmen leise, Inspir. 
rauh, Exspir. verlängert, massig viele mittlere trockene Rh. — 

R. Spitze hinten und vorn Atmen vcsik., aber zu rauh und zu leise. 
Rhonchi keine. — 

Am 14. VHI. 1909 Anlegung eines künstlichen Pneumothorax durch 
Lucius Spengler und Ed. Neumann. Glatter Verlauf. Es fliessen 
900 ccm N ein bei einem Enddruck von -f~ 4,0 cm H^O. 

Am 16. VII. 09 Nachpunktion. N = 600. 

A.-Dr. — 6,0 cm HgO. 

E.-Dr. 4“ 4,0 cm HgO. 

Puls imd Temperatur sinken sofort ab. Vergl. die Kurve Tafel XII. Die 
Sputummenge geht von 30 ccm auf ca. 10 ccm zurück. — 

Es wird ein zl. grosser Seitenpneumothorax erzielt. Die Lunge ist in der 
Spitze adhärent und liegt der Wirbelsäule in Form eines 3 Finger breiten Streifens 
an. An der Basis strangförmige Verwachsung mit Mitte des Zwerchfells (Zelt¬ 
bildung). 


20. Juli 09: Nachpunktion. N = 600. 
A.-Dr. — 4,0 cm H^O. 

E.-Dr. 4“ 


10. August 09: Nacbpunktion. 

N = 800. 

A.-Dr. — 2,0 cm HoO. 

E.-Dr. 4“ 4,5 cm HoO. 

10. September 09: Nachpunktion. 

N = 600. 

A.-Dr. — 2,0 cm HoO. 

E.-Dr. 4- 2,0 cm HÖO. 

Gewicht 56,0 kg. Puls 68—76. 
Auswurf 6—10 ccm. — 

Gaffky VI, wenig elast. Fasern. 


30. Juli 09: Nachpunktion. N = 500. 

A.-Dr. 4- 0,5 cm HoO. 

E.-Dr. 4“ ö,0 cm HgO. 

Puls 68—76. Temperaturmaximum 
36,8—37,1. 

31. August 09: Nachpunktion. 

N = 700. 

A.-Dr. — 5,0 cm HgO. 

E.-Dr. 4- 3,0 cm HoO. 

23. September 09: Nachpunktion. 

N = 500. 

A.-Dr. — 5,0 cm HgO. 

E.-Dr. 4“ 3,0 cm HoO. 


In dieser Weise werden je nach bestehender Indikation alle zwei bis 
vder Wochen die Nachpunktionen weiter ausgeführt. Es besteht dabei die 
Absicht, den Pn.Th. möglichst zu vergrösscrn und dadurch die Lunge, be- 


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267J 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkoliapstherapie. 


267 


sonders die oberen Partien, besser zu komprimieren, weil aus der Spitzen- 
kaveme immer noch etwas Auswurf abgesondert wird. Es gelingt, die 
längs der Wirbelsäule adhärente Lunge auf einen schmalen 
Streifen zusammenzudrücken und die Zw^erch fellad häsion 
zu lockern. Auch verschwindet der Auswurf zeitweise ganz. Das Zwerch¬ 
fell steht links (auf der Pneumothoraxseito) um 3—4 cm tiefer als rechts. 
Der Pn. Th. drückt auf den Magen und bedingt so Appctit- 
mangel. Daraus resultiert bis November 09 eine Gewichts¬ 
abnahme von 56,4 auf 50,0 kg. Nach Neujahr stieg das Gewicht wieder 
auf 52,5 kg, um sich auf dieser Höhe zu halten (April 1910). Puls hält 
sich andauernd zwischen 60 imd 76. Die Tempemtur bleibt unter 37,0 
(Kurve). — Eine leichte Steigerung der Temperatur (37,2) war uns stets eine 
Indikation zu erneuter Naclifüllung. Der Auswurf sinkt nach den Punktionen 
für Tage auf 0, um sich nach und, nach wieder einzustellim und die Mepigo 
von 5—10 ccm zu erreichen. Das Wiederauftreten des Auswurfes veranlassle 
jeweils die Wiederholung der Nachfüllung. — 

Der Bazillengehalt des Sputums schwankt noch zwischen Gaffky I und IV. 

Vom 31. März 1910 ab treten Temperatursteigerungen 
b i s 38,0 auf, die am 5., 6. und 7. April 10 die Höhe von 39,0 e r - 
reichen, aber innerhalb einer Woche wieder zur Norm ab¬ 
falle n. Es hat sich im Pneumothorax raum ein seröses Ex¬ 
sudat gebildet, das langsam bis etwas über den Angulus 
Scapulae steigt, sich sechs Wochen lang auf dieser Höhe 
hält, dann langsam resorbiert wird und Mitte Juli 1910 
völlig verschwunden ist. — Eine Indikation zur Punktion und 
Aspiration des Exsudates bestand nicht. Am 2. Mai 10 ergab eine Druckprüfung 
das Bestehen eines negativen Druckes von 4 cm HgO im Pneumothoraxrauin. 
Es wurden deshalb 300 ccm N eingelassen, wobei der Druck auf 11,0 cm 
HoO stieg. 

Am 11 . Juni weitere Nachpunktion. N = 200 ccm. 

A.-Dr. = — 5,0 cm HoO. 

E.-Dr. = -f 11,0 cm HgO. 

Am 5. Juli 10: Nachpunktion. N = 200 cm. 

A.-Dr. = — 5,0 cm HgO. 

E.-Dr. = + 6,0 cm HgO. 

Am 26. Juli 10: Nachpunktion. N = 300 ccm. 

A.-Dr. = — 3,0 cm HgO. 

E.-Dr. = -f- 7,0 cm HgO. 

In dieser Weise werden die Punktionen fortgeführt. 

W ährenddes Bestandesdes Exsudates, sowieauch nach 
dessen Resorption ist das Befinden der Kranken (abg<?- 
sehen von der Fieberzeit) ein sehr gutes. — 

Das Gewicht steigt langsam und beträgt bei Abschluss der Kranken¬ 
geschichte (November 1910) 55,7 kg (vor dem Eingriff 56,4 kg). — Puls 60 
bis 76. Temp. normal. A u s w u r f besteht zeitweise gar nicht, wenn erhältlich, 
werden aber immer noch spärliche Tuberkelbazillen in demselben gefunden. — 
Der Zustand der rechten Lunge ist unverändert — Links besteht ein grosser Seiten¬ 
pneumothorax. Die Lunge liegt in Form eines schmalen Streifens der Wirbel¬ 
säule an. Die Zwerchfelladhäsion hat sich gelockert und gedehnt, so dass 
auch die Basis der Lunge gut komprimiert erscheint und nicht mehr bis 


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268 L. Brauer und Lucius Spengler. [268 

Äum Zwerchfell reicht, sondern mit diesem nur mittelst der zipfeligen Ver¬ 
wachsung in Verbindung steht. Allgemeinbefinden sehr gut Pat 
macht ohne Beschwerden kleinere und etwas grössere 
Gänge und ist mit dem bisherigen Resultat sehr zufrieden. 

Indikation zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen linken Lunge; leichter inaktiver Prozess in der rechten Spitze. 
— Während des beinahe l^/g jährigen Aufenthaltes der Kranken in 
Davos verschlimmert sich ihr Zustand. Vor der Operation während 
3 Monaten Temperaturen bis gegen 38,0 sub lingua. 

E p i k r i 8 e. Am 14. VII. 09 erster Eingriff. Es wird ein grosser 
Seitenpneumothorax erreicht. Temperatur und Puls fallen innerhalb 
wenigei Tage zur Norm ab. Die Auswurfmenge ist bis zum Abschluss 
der Krankengeschichte (November 1910) von 30 ccm auf 0—2 ccm pro 
die gefallen. Allgemeinbefinden und Schlaf vorzüglich; Appetit 
während Wochen leicht gestört infolge Druckes des Pneumothorax 
auf den Magen. Gewichtsabnahme von 56,4 auf 52,0 kg, dann Wieder¬ 
anstieg auf 55,7 kg. Der Auswurf enthält noch einzeln Tuberkel¬ 
bazillen, aber keine elastischen Fasern mehr« — Während der Monate 
April bis Juni seröses Exsudat im Pneumothoraxraum. Spontane 
Resorption. Behandlung wird fortgeführt. 


79. Ani^nst Geb., 32 J. alt, Uolzbaner, Brotterode bei Schmalkalden. 

Anamnese: Keine Heredität oder Vorkrankheiten. Dezember 08 rechts 
Bruch der 2. und 3. Rippe. Einige Zeit krank, dann wieder arbeitsfähig. Ab 
Juni 09 wegen Lungenbeschwerden arbeitsunfähig. 

26. X. 09 Eintritt in die medizinische Klinik zu Marburg. 

Status: Klein, mässig ernährt, Thorax von geringem Tiefendurchmesser, 
rechte Seite stark eingesunken, in den oberen Partien schleppend. Gewicht 
52,5 kg. 

Perkussion: R. v. o. tympanitisch verkürzter Schall. R. v. unter 
Klavikula tympanitisch verkürzt, ab 3. Rippe leidlich normaler Schall, untere 
Grenze 6. Rippe, gut verschieblich. Spitze W i n t r i c h scher Schallwechsel an* 
gedeutet R. h. o. intensiv gedämpft Spitzengrenze nicht sicher feststellbar. 
Die intensive Dämpfung reicht nach unten his Spina. Ab Interskapularraum 
rechts relative Schallverkürzung, die die ganze rechte Seite bis unten hin 
einnimmt. Untere Lungengrenze h. r. und 1. 10. Rippe, beiderseits gut ver¬ 
schieblich. Links normale Perkussionsverhältnisse. 

Auskultation: R. v. und h. o. bronchiales Inspirium, amphorisches 
Exspirium. Flüsterstimme kommt auffallend gut durch. Mittelzahlreiche, aus¬ 
gesprochen klingende mittelblasige Rhonchi, die nach Husten an Menge zu¬ 
nehmen. Unter der Klavikula und 2. Interko.slalraum aussen schwach bronchiales 
Inspirium, deutlich amphorisches Exspirium, deutlich klingende Rh., mittelzahl¬ 
reich. Die Rh. sind bis an das Sternum zu verfolgen. Das Atemgeräusch be¬ 
hält denselben Charakter, wird nur lauter. 



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269] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


269 


3. ICR. die gleichen Rh., nur spärlicher. Inspirium rauh, etwas ver¬ 
schärft, Exspirium schwach hauchend. 

4. und 5. ICR. spärliche zähe halbklingende Rh. bei rauhem leicht sakka- 
diertem Inspirium und verlängertem Exspirium. In der r. Axilla rauhes Inspir., 
hauchendes Exspirium. Spärliche halbklingende Rhonchi. Unten und unten 
seitlich ebenso. 

R. Unterlappen: Insp. laut und rauh, Exsp. hauchend, zahlreiche feine, zähe, 
klingende und halbklingende Rh., die nach Husten an Zahl noch beträchtlich 
zunehmen. R. nirgends Reiben. 

L. h. o. Inspirium ein wenig zu rauh, Exspirium normal, keine Rhonchi, 
auch nicht nach Husten; ebenso 1. v. o. und unter der Klavikula. Links neben 
dem Sternum kommt das Trachealatmen auffallend gut durch. Über der Lingula 
nach Husten einzelne, spärliche, zähe, leise, nicht klingende Rh. bei nur ganz 
wenig verändertem Inspirium. Unterlappen völlig normal. 

Sputummenge 30 ccm. Dasselbe ist sehr dick, ballig-eitrig, enthält spär¬ 
liche Tbc., reichlich Kokken. 

Temperatur gelegentlich 37,5, sonst normal. 

Körpergewicht 52 kg. 

Der übrige Befund ist ohne Besonderheiten. Herz normal. 

Diagnose: Rechtss. Phthise mit Kavemenbildung im Oberlappen, dichte 
broncho-pneumonische Herde im Mittel- und Unterlappen. Mässige Schrumpfung 
der r. Lunge mit entsprechender Dislokation des Herzens nach rechts. Pleura¬ 
raum anscheinend frei von Adhäsionen. Linkerseits geringfügige Veränderungen 
im Oberlappen, jedoch ohne Katarrh. 

Das Röntgenbild zeigt links etwas vermehrte Hiluszeichnung. 

5. XI. 09. Anlegung eines künstlichen Pneumothorax in 
Lokalanästhesie. Nach Durchstossung der Pleura zischt sofort laut hörbar 
Luft ein. Das Manometer zeigt eine negative Schwankung von 5 mm Hg 
bei der Inspiration. Exspiratorisch zeigt dasselbe auf 0 mm Hg. Es fliessen 
in Abständen 700 ccm N ein, der Druck am Schluss beträgt 2 mm Hg. 

Abends geringes Haulemphysem. Vor dem Röntgenschirm ein deutlicher 
Pneumothorax, unten ist die Lunge am Diaphragma adhärent. In der Gegend 
des Mediastinums sieht man neben dem Sternum einen Streifen Luft 

Glatter Wundverlauf. Der Pn.Th. macht keinerlei Beschwerden. 

8 . XI. Erste Nachfüllung. Anfangsdruck: Inspiration —8 mm Hg, Ex¬ 
spiration 0. 500 ccm N ohne Beschwerden eingegossen. Schlussdruck: In¬ 
spiration 0, Exspiration —6 mm Hg. 12. XI. nochmaliger plötzlicher Tem¬ 
peraturanstieg, der sich am 15. XI. wiederholt Ursache nicht nachweisbar. 
Im übrigen auch weiterhin afebril und bestes Wohlbefinden. — 

Das Röntgenbild zeigt die Lunge in der Thoraxkuppe schmal adhärent, 
ausserdem zieht etwa von der Mitte des Zwerchfells ein schmaler Strang zur 
Basis des Unterlappens. Im übrigen wohlgelungener Pneumothorax. Die 
Lunge ist in allen Teilen gut komprimiert imd zwar auch im Oberlappcn, 
welch letzterer allseitig von Luft umspült ist. Im Weiteren Verlaufe bleibt der 
Pneumothorax völlig trocken. Patient wird etwa alle 14 Tage punktiert und 
werden jeweils 400—800 N eingegossen. Anfangs gewöhnlich schwach negativer 
Druck bei Inspiration und etwa 4—6 mm Plusdruck bei Exspiration. 

Patient fühlt sich sehr wohl und geht Ende Dezember 09 für 14 Tage auf 
Urlaub. Andauernd fieberfrei. Körpergewicht steigt auf 54 kg. Pulszahl um 80. 
Sputum sinkt allmählich auf 5 ccm; Tbc. zeigen bei mehrfacher Untersuchung 
allmählich Abnahme, sind zur Zeit noch vorhandenden. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Am 1. April 1910 bestes Allgemeinbefinden. Linke Lunge dauernd frei. 

Am 6. Mai 1910 wurde der nachfolgende Status erhoben; 

Die rechte Schulter steht etwas tiefer wie linke, die rechte Seite ist etwas 
vorgewölbt, aber nicht so gut beweglich wie linke. 

Perkussion: R. v. bis zur 1. Rippe ist der Schall verkürzt lund 
etwas tympanitisch, von der 1. Rippe ab ist der Schall überall tympanitisch. 

R. h. o. besteht eine starke tympanitische Dämpfung bis zum 5. Proc. 
spin., von da an ist der Schall tympanitisch. 

L. V. o. besteht eine leichte Schallverkürzung bis zur 2. Rippe. L. h. 
bis zum 3. Proc. spin. 

Auskultation: R. v. o. sind die Atemgeräusche abgeschwächt, aber 
etwas verschärft. Man hört einige metallisch klingende Rasselgeräusche, weiter 
unten hört man dieselben Geräusche, aber schwach und femklingend; dort sind 
auch die Atemgeräusche kaum zu hören. Stäbchen-Plessimeter-Phänomen leicht 
auslösbar. 

R. h. ist der Befund der gleiche wie r. v. 

L. V. o. sind die Atemgeräusche verstärkt und verschärft, Exspirium ist 
verlängert. Bis zur 2. Rippe hört man nach Husten einige trockene knackende 
Rasselgeräusche. Von der 2. Rippe his zur 6. Rippe hört man mässig zahL 
reiche, feuchte, mittclblasige Rasselgeräusche. 

L. h. o. sind die Atemgeräusche verstärkt und verschärft, Exspirium ver¬ 
längert und verschärft. Rasselgeräusche fehlen auch nach Husten. Unten hört 
man einige femklingende, trockene, mittelblasige Rasselgeräusche. 

Der Patient ist in gutem Ernährungszustand, ist dauernd fieberfrei. Der 
Puls ist normal und Patient fühlt sich sehr wohl. Er hustet sehr wenig, 
hat 2—3 ccm Sputum pro Tag. Das Sputum, das zuerst eitrig war, ist 
jetzt mehr schleimig. Ebenfalls ist der Bazillengehalt von Gaffky VI auf 0 
zurückgegangen. In den letzten 6 Wochen ist es trotz wiederholter Unter¬ 
suchungen nicht gelungen, Bazillen nachzuweisen. Die Rassel¬ 
geräusche 1. V. o. sind wahrscheinlich fortgeleitet. Da das Mediastinum etwas 
nach links verschoben ist, ist dieses sehr gut möglich. Im Röntgenbilde 
und durch die physikalische Untersuchung ist nichts 
nachzu weisen, was auf einen frischen Prozess links 
deutet. Rechts ist der Pneumothorax im Röntgenbilde leicht zu er¬ 
kennen. In der Spitze sind einige Adhäsionen, die auch physikalisch. nach¬ 
weisbar sind. Das Mediastinum ist nach links, das Zwerchfell nach unten ge¬ 
drängt. Die r. Lunge liegt am Hilus zusammengefallen und 
unbeweglich. Exsudat fehlt. 

1 . VIII. 1910. Befund imverändert. 

6 . XI. 1910. Es hat sich in den letzten Wochen allmählich luid ohne 
Fieber ein bis zur 4. Rippe steigendes Exsudat eingestellt Das Befinden ist 
dabei dauernd gut, die Temperatur unter 37^. Die Sputummenge beträgt durch¬ 
schnittlich 5 ccm: in letzter Zeit werden in demselben wieder vereinzelt Tbc. 
gefunden. Das Körpergewicht beträgt 55 kg. Der Befund auf der linken Seite 
Seite hat sich nicht verändert. 

Indikation. Rechtsseitige Phthisis mit Kavernen iin Ober¬ 
lappen. Dichte broncho-pneumonische Herde im Mittel- und Unter¬ 
lappen. Arbeitsunfällig. Zur Heilstättenaufnahme ungeeignet, daher 



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271J ErfahninRon und Überlegungen zur I.ungenkollap^t]iera])ie. 271 

nicht nur nach Lage des objektiven Befundes, sondern speziell auch 
nach Lage der sozialen Verhältnisse aussichtsloser Fall. 

Epikrise. Operation am 5. XL 09. Patient ist seitdem dauernd 
in klinischer Behandlung und dauernd fieberfrei. Die Temperaturen 
sind stets unter 37. Die Pulszahlen liegen zwischen 80 und 90. 
Die Atemzahlen zwischen 16 und 20. In üblichen Zwischenräumen 
Nachfüllung. Patient sieht vorzüglich aus, geht viel umher, macht 
dazwischen Liegekur. Sputummengen im März und April 10 nicht 
über 3,0 ccm. Lange Zeit bazillenfrei, in letzter Zeit bei Antiformin- 
melhode wieder einzelne Tuberkelbazillen gefunden. Ende April und 
Anfang Mai 10 ging der Auswmrf auf 1, resp. 2 ccm herunter, um dann 
völlig zu verschwinden. In letzter Zeit ca. 5 ccm. Körpergewicht 
55,0 kg gegen 52,0 bei der Aufnahme. 

In Summa also bisher befriedigender Erfolg. Behandlung ist 
fortzusetzen. 


80. Frau Z. F., 23 Jahre alt, Private. (Sanatorium Wienerwald. 
Dr. Baer und Dr. Kraus.) 

Aufnahme Sanatorium „WienerwaJd“ am 29. V. 1909. Patientin ist seit 
IV 2 Jahren krank; trotz Aufsuclien verschiedener Kurorte F o r t s c li r e i t n 
der Krankheit mit wiederholten schweren L u n g e n h 1 u I - 
ungen. Besonders rapide Verschliin in e r u n g seit der v u r 
einem Jahr s t a 11 g e f u n d e n e n (ersten) Entbindung. 

Befund bei Aufnahme: Infiltration der gan zen-rechten Seite mit 
multiplen Kavernen im Ober- imd Mittellappen. Die andere Seite weist nur 
einen verdächtigen Hilusschatten auf. Der Verlauf progredient, andauerndes 
Fieber bis 39,2, quälender Husten mit massenhaftem Auswurf (150—200 ccm 
täglich) und sehr zahlreichen Tuberkelbazillen. Nahrungsaufnahme schlecht, 
konstante Gewichtsabnahme von 46 auf 42 kg, wiederholte Blutimgen. Der 
Kräftezustand war so sclilecht, dass die Patientin monatelang das Bett nicht 
verlassen konnte. Anfangs NovemlHT reclits hinten unten Schmerzen, Verdacht 
auf Pleuritis. 

Operation am 13. XI. 09 (Brauer). Pleuraraum erweist sich völlig 
frei, die Anlegung des Pneumothorax gelingt glatt ohne irgendwelche Schwierig¬ 
keiten. Es w’erden 600 ccm N einlaufen gelassen. Im Böiilgenbild ist der 
Pneumothorax flach, aber vollständig, die Lunge entsprechend kollabiert, 
Kavernen noch immer deutlich sichtbar. Die.selben verkleinern sich jedoch 
deutlich bei zunehmender Stickstoffblase durch die folgenden Naohpunktionon 
(15. XI. 700; 20. XI. 750 ccm N). Am 5. XII. 09 massig starke Häiiioptm», mit 
Wiederholung in geringerem Grade bis zum 9. XII., an w(*lchem Ta^^e d i e 
dritte Nachpunktion (1000 ccm) die Blutung prompt zum Still¬ 
stände bringt. Die nachfolgende Zeit verbraclite die sehr ängstliche Pat. 
ausserordentlich ruhig und wagte sich kaum im Bette aufzusetzen. Die Durch¬ 
leuchtung am 3. I. 1910 ergab einen kompletten Pneumothorax, bloss der Untor¬ 
lappen in der hinteren Axillarlinie adhärent, wahrscheinlich infolge der kon¬ 
stanten Rückenlage, wobei die anfangs November 09 vermutlich abgelaufene 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Pleuritis ein unterstützendes Moment bildete. Ober- und Mittellappen sind 
total komprimiert, die Lumiena der Kavernen nicht mehr sichtbar. 

Am 25. Januar 1910 Auftreten eines Exsudates im Pneumothorax, 
das den günstigen Verlauf zunächst nicht stört. Die Adhäsionen beginnen sich 
wieder zu lösen. Bis zum Februar 10 wurden sieben Nachfüllungen gemacht. 

Die Operation hatte zunächst eine sehr gute Wirkung. 
Die Sputummenge sank gleich nach der Operation auf die Hälfte des 
früheren Quantums und dann konstant noch tiefer. Die Temperatur ging 
bis nahe an die Norm zurück, das Gewicht stieg auf die ursprüngliche 
Höhe von 46 kg. Die Patientin, welche von allen Ärzten als verloren 
angesehen war imd deren Tage nur noch gezählt schienen, fühlt sich seit 
der Operation subjektiv sehr wohl, ist voller Lebenslust und sieht 
blühend aus. Besonders auffallend war der geringe Hustenreiz. Währenfi 
die Patientin früher wegen des quälenden Hustens und massenhaften Auswarfes 
Tag und Nacht keine ruhige Minute hatte, ist ihr Schlaf jetzt ganz ruhig, was 
begreiflicherweise zum Wohlbefinden sehr viel beiträgt. 

Soweit w^ar die Krankengeschichte von den Herren Kollegen B a e r und 
Kraus publiziert worden (Wiener klin. Wochenschr. 1910. Jahrg. XXlll. 
Nr. 15). 

In der Folgezeit blieb dann das gute Befinden bestehen. Es wurden die Nach¬ 
füllungen etwa alle 4 Wochen wiederholt (durchschnittl. 800—1000 ccm N). Das 
Exsudat aber wurde trüber und zellenreicher. Am 25. 111. 10 
konnten in demselben Tbc. nachgewiesen werden. Pat, die 
längere Zeit fieberfrei war, bekam im Laufe des Sommers langsam wieder 
subfebrile Temperaturen, die auch jetzt noch bestehen. Am 3. VII. 10 zeigte 
sich, dass einer der Stichkanäle, der von einer der letzten Punktionen 
herrührte, langsam vereiterte. Es entleerte sich durch die Thorax- 
f i s t e 1 zunächst sehr reichlich, später weniger Exsudat. Das Allgemeinbefinden, 
der Patientin wurde durch diese lästige Komplikavtion nur vorübergehend ge¬ 
stört. Die Fistel wurde mit Jodoform-Emulsion behandelt, doch musste dieses, da 
Patientin Jodismus bekam, unterbleiben. Trotz Bestand der Fistel 
werden die Nachfüllungen fortgesetzt, doch werden 
stärkere Druckw^erte nicht angewandt. Man sucht nur den 
Druck, im Pneumothoraxraum auf Null zu bringen. Die 
kranke Lunge ist noch recht gut kollabiert; das Exsudat 
ist geringer. I^s fliessen nur ganz geringe Mengen durch 
die Fistel ab. Die Sputummengen sind minimal. 

Ein letzter sehr günstiger ärztlicher Bericht ging am 
20 . XII. 1910 ein, derselbe findet sich in der Epikrise abgedruckt. 

Indikation. Besonders schwere, mit wieder¬ 
holten Blutungen oinhergehende und rapide Ver¬ 
schlechterung bietende linksseitige Lungentuber¬ 
kulose. Konstante Gewichtsabnahme (bis auf 42 kg), grosse Sputum¬ 
mengen (150—200 ccm), andauernd hohes Fieber (bis 39); quälender 
Husten, daher Insomnie. Vollkommen aufgegebener Fall. 

Epikrise. Operation am 13. XI. 09. Im allgemeinen recht 
günstig beeinflusst. Der letzte ärztliche Bericht lautet: 



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273] 


Erfahrungen und Lberlogungen zur Lung<‘nkollapstherapie. 


273 


20. XIL 1910. Frau F. liat sich in den letzten Monaten sehr 
erholt; sie sieht jetzt blühend und frisch aus, ist seit 8 Woclien 
vollkommen fieberfrei. Die Sputummenge ist minimal. Die Fistel 
ist noch offen, produziert seit 3 Monaten nur noch ganz geringe 
Eitermengen. Das Röntgenbild zeigt einen schönen Pneumothorax 
mit mittlerem Exsudat. Die Adliäsion des Unterlappens wieder ge¬ 
löst. Man gewinnt den Eindruck, als sei die Pleura überall ziem¬ 
lich verdickt. Die Patientin, die zwei Jalire lang bettlägerig war, 
ist jetzt imstande, 1 Stunde zu gehen und fährt bei gutem Wetter 
spazieren. Sie ist mit dem Erfolge sehr zufrieden. 

Ein überraschend guter Erfolg ist somit erreicht worden. 
Komplikation durch Auftreten eines selir zellenreichen, Tuberkel¬ 
bazillen führenden Exsudates und Bildung einer jetzt noch wenig 
sezernierenden Thoraxfistel läng-s eines Stichkanals. 

81. N. V. Ch., 16 Jalire alt, Gutsbesitzei>tochter. (Sanatorium 
Wienerwald, Dr. Baer und J)r. Kraus.) 

Aufgenommen am 12. XI. 1908. Ist mindestens seit zwei Jahren krank. 
Damals starke Hämoptoe. Verschlimmerung des Zustandes wenige Monate vor 
dem Eintritt in die Anstalt durch Sturz vom Pferde. 

Aufnahmsbefund: Schwere Infiltration des linken 

0 b e r 1 a p p e n s mit katarrhalischen Geräuschen über d <* r 
ganzen linken Seite; rechts siisj)ekte Spitze. 

Der Verlauf ist progredient, Zerfallserscheinungen über dem linken 
Oberlappen, Entstehung einer Kaverne daselbst, Infiltration auf den Unter¬ 
lappen fortschreitend. Konstant leicht fieberhafte Tempera¬ 
turen, langsamer, ständiger Gewichtsrückgang, alle paar 
Tage sich wiederholende kleine Blutungen. Ein Jahr 
Sanatoriumsaufenthalt ist nicht imstande den Prozess in 
seinem F o r t s c h r e i t e n a u f z u h a 11 e ii. 

Operation am 14. November 1909 (Brauer). Gelingt glalt, 
es laufen 500 ccm Stickstoff beschwerdelos ein. Die Durchleuchtung zeigt 
die Lunge allseits frei in die Gasblasi* hineinhängend, sehr schön kollabiert. 
Bisher 6 Nachfüllungen von 500—1000 ccm N. Die Sputummenge ist 
von 30—40 ante auf 10—12 ccm post operationem horuntergegangen. Die 
Temperatur ist derzeit noch häufig leicht subfebril, wobei allerdings zu 
bemerken ist, dass die vorher nahezu andauernd bettlägerige Patientin den ganzen 
Tag ausser Bett ist und auch mässige Bewegungen macht. Das Gewicht ist bis¬ 
her wohl aus dem oben genannten Gnmde noch nicht viel gestiegen. Die 
früher hinfällige Patientin fühlt sich seit der Operation jedenfalls bedeutend 
besser und kräftiger. Der auffallendste Effekt in diesem 
Falle ist das sofortige Auf hören der Hämoptysen nach der 
Operation, welche früher doch in ganz kurzen Zwischen¬ 
räumen sich wiederholten und oft wochenlang anhielten. 

Im weiteren Verlaufe wird alle 4 Wochen Stickstoff nachgefüllt. Unter 
geringem Druck fliessen schnell 1000 ccm Stickstoff ein; geringe Kompressions¬ 
beschwerden. Nachdem während der ersten Monate d(‘r Erfolg der Behand- 
Beitrlge zur Klinik der Taberkolo&e. Bd. XIX. H. 1. 18 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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lung ein günstiger zu sein schien, bleibt die völlige Entfieberung doch aus. 
ln letzter Zeit Sputum unverändert (ca. 20 ccm) Tuberkelbazillen enthaltend. 
Das Aussehen wird schlechter, da.s Gewicht geht immerfort herunter. 

Indikation. Schwere Infiltration der linken Seite, starke 
EinschmelzuDgsersclieiiiungeii, konstant leicht febril; seit längerem 
sich wiederholende, regelmässige kleine Lungenblutungen. Schwerer, 
fortschreitender Kräfteverfall. 

Epikrise. 14. XI. 09 Operation; trotz des gut gelungenen 
trockenen Pneumothorax, der weiter unterhalten wird, bleibt die 
völlige Entfieberung aus, dagegen schwanden prompt und dauernd 
die Blutungen. Auch ist die Patientin, die bis dahin dauernd bett¬ 
lägerig war, seit der Operation jedenfalls bedeutend kräftiger, stets 
ausser Bett, macht kleine Spaziergänge. In den letzten Monaten 
steriles seröses Exsudat. In den letzten Monaten wesentliche Besserung. 

Aug.—Sept. 1910 6 Wochen zu Hause. Sehr unzweckmässige 
Lebensweise. Nach längerer Spazierfahrt plötzUoh Fieber bis 39,8, 
Brustschmerz. Am 4. IX. Eückkehr in das Sanatorium, woselbst 
Exsudat im Pneumothorax nachgewiesen ,wird (Weingelb, steril). 
Seitdem (bis 20. XII. 1910) subfebril. Dauernd massiges Exsudat, 
aber Allgemeinbefinden allmählich wesentlich gebessert, jetzt aus¬ 
gezeichnet. 5 kg Gewichtszunahme. Sehr gutes Aussehen. 


82. Fräulein Anna L. aus N., 15 Jahre alt. (Deutsche Heilstätte 
Davos und Dr. Pigger, Sorge.) 

Vorgeschichte: Familienanamnese ohne Belang. Die üblichen Kinder¬ 
krankheiten, keine Neigung zur Erkältung, sehr schnelles Wachstum. 

März 1909 Pleuritis, drei Wochen lang Bettruhe, danach dauernd 
Husten und Auswurf; sonst Wohlbefinden, kein Fieber. Im Juni 1909 er¬ 
neute Pleuritis; von da an eigentlich dauernd subfebril. 
Die Patientin kam zunächst in die Heilstätte Stammberg bei Heidel¬ 
berg. Dort hatte sie sich anfangs gut erholt; später im Anschluss an jene 
zweite Rippenfellentzündung wieder Verschlechterung. A m 20. VII. 09 nach 
Davos, Deutsche Heilstätte; verblieb dort bis 11. XI. 09. Es wurde 
nachfolgender Befimd erhoben: 

Sehr schwächlicher und dürftiger Körperbau; Ernährungszustand stark 
reduziert. Phthisischer Habitus; besonders links oben stark eingesunken. Arme 
lang und dünn, einzelne Drüsen links am Halse, sehr anämisch. 

Am 21. VII. 09 Körpergewicht 42,3 kg, keine besonderen Klagen, ziemlich 
viel Husten und Auswurf. Pulsation des Herzens namentlich im 2. und 4. ICR. 
sicht- und fühlbar. Systolisches Reiben über die Pulmonalis. Spitzenstoss im 
4. ICR. rauh und verbreitert. Systolisches Blasen an der Herzspitze. Herz¬ 
dämpfung normal. Puls sehr beschleimigt, 120, klein. Kehlkopfschleimhaiit 
gerötet. 

L 11 n g e n b e f u n d: R. v. o. bis unterer Rand der 2. Rippe verkürzter 
Schall; vesiko-bronch. Insp. und Exsp. über ii. unter Klavikula. Im 2. ICR. 
sehr scharfes Atmen. Im 4. ICR. zwischen Mamillar- und vorderer Axillar¬ 
linie leises Knarren. Scapulae alatae. 



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275] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


275 


R. h. o. bis Mitte Skapula verkürzter Schall. Rauhes, scharfes Atmen, 
spärliches knarrendes Rasseln über, neben und unter Spina bis Mitte Skapula. 

R. h. u. geringe Verkürzung; neben Angulus sehr spärliches knarrendes 
Rasseln, weiter abwärts verschärftes Inspirium, Brummen. 

L. V. in ganzer Ausdehnimg verkürzt, in den oberen Partien tympanitisch, 
Atmungsgeräusch über Klavikula von grobem, knarrendem Rasseln übertönt; 
laute Flüsterstimme; unter Klavikula grobes knarrendes Rasseln mit sehr 
scharfem Atmen. Im 2. ICR. etwas weniger zahlreich, ebenso im 3. ICR. 
bis zur unteren Grenze hörbar. 

L. h. o. bis 2 Finger breit über Angulus verkürzter Schall. Scharfes 
In- und Exspirium, grobes knarrendes Rasseln über u. unter Spina längs der 
Innenkante der Skapula. 

L. h. u. verkürzter Schall. Stimmfremitus verstärkt. Grobes Knarren 
und knarrendes Rasseln bis zur unteren Grenze zu hören, ebenso in den Seiten¬ 
partien. 

27. VIII. 09 Temperatur im allgemeinen etwas niedriger; Morgentempe¬ 
raturen seit 17. VIII. aber etwas höher (bis 37,6), keine Schmerzen. Husten 
und Auswurf unverändert. Puls 120, sonst Befund wie oben. 

Im Bett untersucht; R. v. o. bis 3. Rippe verkürzt, scharfes, vesiko- 
bronchiales In- und Exspirium, über Klavikula einzelnes Knacken — Giemen. 

R h. o. bis Mitte Skapula verki’u'zt; broncho-vesik. Insp., vesiko-bronchiales 
Exsp. über Spina, vereinzelte feinblasige Rh. bis Mitte Skapula. 

L. V. o. durchweg Schallverkürzung, oben tympanitisch; über Klavikula 
scharfes Atmen, Knarren und knarrende Rhonchi, reichlicher unter Klavikula 
imd im 2. ICR., dann wieder spärlicher, aber bis zur Untergrenze. 

L. h. o. bis Skapula Mitte verkürzt; in Fossa supraspin. tympanitisch, 
abgeschwächtes Atmen über Spina, verdeckt durch reichliche kleine, mittel- 
und grossblasige Rh., z. T. klingend. Giemen imd Knarren. 

L. h. u. von Mitte Skapula abwärts intensivere Verkürzung, reichliche 
feine, mittel- und grossblasige, teils klingende Rhonchi bei vesiko-bronch. Insp. 
und broncho-vesik. Exsp. 

17. IX. 09 r. keine Änderung im Befund, die Geräusche r. h. vielleicht 
fortgeleitet 

L. V. u. Knarren, Giemen. 

L. h. u. Rasselgeräusche spärlicher, Giemen, sonst derselbe Befund wie oben. 

8 . X. 09 r. V. o. über Klavikida einzelnes Knacken. 

R. h. o. über Spina spärliche feinblasige Rhonchi (fortgeleitet?). L. o. 
sind die Geräusche vom über der ganzen Lunge spärlicher zu hören; hinten 
keine Veränderung. 

Körpergewicht: 

30. VIII. 09 43,6 kg, 11. X. 09 44,1 kg, 

13. IX. 09 43,7 kg, 18. X. 09 44,1 kg, 

26. IX. 09 44,0 kg, 8. XI. 09 44,2 kg. 

17. IX. Am 31. VIII. im Sputum etwas Sanguis, später noch einige Male. 
Seit 3. IX. ohne Aspirin bessere Temperaturen, besseres Befinden. Seit gestern 
Schmerzen 1. v. u.; mattes Befinden. Puls 114. 

8 . X. Befinden wechselnd, schwankende Temperaturen. 4. XI. Sed. Tbc. 
plus, sehr zahlr. 

Am 10. XI. 09 Befund: R. v. o. normaler Schall, rauhes verschärftes 
Insp., verlängertes Exsp., Flüsterstimme hörbar, unter Klavikula bronchiales 

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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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27?] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 277 

Almen bis 3. Rippe, weiter abwärts verschärftes Atmen, scitl. an der Grenze 
Knistern. 

R. h. o. normaler Schall, rauhes Insp., vcrl. Exsp., wahrscheinlich über¬ 
geleitet von links her; imten neben Mitte Skapula si)ärliche knackende Rhonchi, 
und h. unten verschärftes Atmen, einzelne knackende Rh. und Knarren. 

L. V. o. in ganzer Ausdelmung verkürzter Schall, unter Klavikula tympa- 
nitisch, W plus, Br.-Atmeii, Flüsterstimmc laut, unter Klavikula leiseres Atmen. 
Im 2. ICR. amphor. Br.-Atmen, Flüsterstimmc sehr laut, metallisch klingend, 
Geräusche spärlich; auch im 4. ICR. an der imteren Grenze etwas zahlr. 
Rh. klingend. Amphor. Br.-Atrnon bis unt. Grenze. 

L. h. o. in ganzer Ausdelmung verkürzter Schall, leises Br.-Atincn, einz. 
knackende Rhonchi; neben Spina laute Flüsterstimme, etwas vermehrtes Rasseln; 
neben Mitte Skapula lautes amphorisches Br.-Atracn, knack. Rh., klingend bis 
Angulus; unterhalb Angulus abgeschwächtes Atmen, bronchial durch klingend, 
Insp. lauter als* Exsp. Spärliches Knarren, in der Tiefe knarrendes Rasseln. 
Verschieblichkeit der unteren Grenze gering. 

Husten wenig, Auswurf sehr viel, starke systolische Rauhigkeit an der 
Mitralis. Herztöne laut, besonders der 2. Ton, beide rauh, Pulsation im 2. ICR. 

Herz nach links verlagert, so dass rechte Grenze links von Medianlinie liegt. 
Verdauung o. B., Appetit mässig. 

Patientin war in Davos fast immer subfebril, zumeist über 38, selten 
unter 37; ziemlich dauernd im Bett; Körpergrössc 1G2,5. 

Patientin ging dann für zwei Wochen nach Strassburg in die med. 
Klinik. Herr Prof. Moritz sandte die Patientin nach 14 tägiger Beobachtung 
nach Marburg wegen der Frage eines künstlichen Pneumothorax. Die Indikation 
sei fraglich, da die rechte Lunge nicht ganz frei sei. 

In Marburg kam Patientin mit subfebriler Temperatur an (siehe Kurve 
Seite 276. Die Sputummengen schwankten zwischen 55 und 70 ccm,. Körper¬ 
gewicht 45 kg. Puls u. Respir. ergeben sich gleichfalls aus der Kurve. Die klinische 
und röntgenologische Untersuchimg bestätigte den zuletzt in Davos erhobenen, 
Brauer übersandten Befund. Bei der sehr elenden Pat. war im 
linken Oberlappen deutlich eine grosse Kaverne nachweis¬ 
bar, in den unteren Partien des Oberlappens dichte bro- 
cho-pneumonische Prozesse, auch über dem ganzen Untere 
lappen ziemlich dichte B r o n c h o - P n e u m o n i e und Infil¬ 
tration. Die Verschieblichkeit der unteren Lungengrenzen erschien sowohl 
klinisch als vor dem Röntgenschirm gering, so dass es recht zweifelhaft 
war, ob eine Pneumothorax-Therapie überhaupt möglich 
sein werde. Es musste mit Wahrscheinlichkeit der Bestand ausgedehnterer 
Adhäsionen angenommen werden. Da aber in ähnlichen Fällen gelegentliche doch 
der Pleuraspalt frei gefunen wurde und da das sehr heruntergekommene 
Mädchen einer ausgedehnten extrapleuralen Plaslik nicht gewachsen schien, 
so wurde die Anlegung eines Pneumothorax beschlossen. Der Pefund auf 
der rechten Seite erschien als kein unbedingtes Hinder¬ 
nis, musste aber allerdings als wesentliche Erhöhung des 
Risikos dem Vater dargelegt werden. Das bronchiale Atmen unter 
der 3. Rippe rechts fand sich nur nach der Mittellinie zu. Es wurde als von 
links herüber fortgeleitet aufgefasst, dagegen hielten wir die oben beschrie¬ 
benen Rhonchi für grösstenteils autochthon. Ein erhöhtes Risiko 
musstein diesem Falle eben in den Kauf genommen werden, 


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278 L. Brauer und Lucius Spengler. [278 

wenn man überhaupt noch daran denken wollte, dem Kinde 
zu helfen, denn nach Befund und dem aussichtslosem bis¬ 
herigem Verlaufe der Erkrankung schien die dauernd 
fieberhafte Patientin sonst verloren. 

Operation am 4. XII. 09. Es gelang wider Erwarten schon 
beim ersten Eingriff etwa Liter N. einzubringen und 
diese Luftblase später durch Nachfüllungen zu ver- 
grössern, sodass die Lunge doch ganz leidlich kollabierte 
und etwa auf die Hälfte der normalen Grösse reduziert 
wurde. Dagegen blieb die Lunge im Oberlappen breit adhärent; sie wurden 
aber sowohl vom wie hinten von Luft umspült und daher etwas komprimiert.; 
Das letztere kommt auf der später aufgenommenen Röntgen-Photographie, 
Tafel ill, Bild 10, nicht zum Ausdruck. Dagegen sieht man auf diesem Bilde 
sowohl den nach unten zu ziehenen Adhäsionsstrang, als auch vor allem eine 
grosse Oberlappen-Kaverne mit horizontaler Exsudat¬ 
grenze. Während der Durclileuchtung konnte man bei Lagewechsel der Kranken 
die horizontale Grenze sich verschieben sehen, auch war eine grobe langsame 
Wellenbewegung zu erzeugen. Aus der Temperaturkurve Seite 276 erhellt die 
zunächst unmittelbare W^irkung des Eingriffes. Die subfebrilen Temperaturen 
sind geschwunden, die Temperatur wurde nach einiger Zeit völlig normal, die 
Auswurfmengen verminderten sich wesentlich. Das Allgemeinbefinden, Puls und 
Respiration wurden nicht gestört, besondere Beschwerden traten nicht zutage. 

Am 7. XII. wurden 200 ccm, am 10. XII. 09 400 ccm nachgefüllt. Nach 
Anlegung des Pneumothorax blieb der Befund auf der rechten Seite zunächst 
unverändert. 

In diesem Zustande wurde Patientin Anfang Januar 1910 Herrn Kollegen 
P i g g e r (Johanniter-Heilstätte Sorge) überwiesen. Patientin blieb daselbst vom 
14. I. 1910 bis 30. V. 1910 und wnirde als gebessert entlassen. Im nachfolgenden 
ein Auszug aus der uns freundlichst überlassenen Krankengeschichte. 

Status 15. I. 10: Kränkliches Aussehen, geringes Fettpolster. Reduzierte 
Muskulatur. Ausgesprochener Habitus phthisicus. R. vom Sternum besonders 
in der Höhe des 2. ICR. deutliche Herzpulsationen. Grösse 1,63, Gewicht 44,7 kg, 
Brustumfang 72 Y 2 / 77 V 2 , I^uls 84, etwas klein, aber regelmässig. Urin o. B. 

Perkussion: Über dem 1. Oberlappcn hinten ausgesprochene Dämpfung, 
die fast bis zur Schulterblattspitze herabreicht. Vorn Dämpfung nur über Klavikula 
vorhanden. Vom 1. ICR. beginnt lauter, sonorer Schall, der in der Achselhöhle 
und über den unteren Partien am deutlichsten ist. Stäbchen-Plessimeter-Phänomen 
über diesem Bezirk sehr deutlich. 

Auskultation: R. v. und h. o. Atemgeräusch ziemlich scharf, leicht 
pueril, Exsp. etwas verlängert, kein Rasseln. Im übrigen über der ganzen rechten 
Lunge, ausser dem etwas puerilen Atmen, normaler Befund. L. v. o. abge¬ 
schwächt bronchial, kein Rasseln. Im 1. ICR. sehr leises Atmen von dumpfem 
Charakter. Aus der Tiefe einzelne spärliche Rhonchi. Aus dem 2. ICR. Atem¬ 
geräusch etwas lauter, nahe dem Sternum bronchial, massig zahlreiche, feine 
klingende Rhonchi. Von hier ab ist das Atemgeräusch aufgehoben, nur ein 
schwacher amphorischer Klang zieht durch den Pneninothoraxraum durch. D<;r- 
selbe ist auch in der Seite und bis nahezu Mitte Skapula hinunter zu hören. 
Am Hilus lautes Bronchialatmen. L. h. o. wie v. o. 

19. I. 10. V o r d e rn Röntgenschirm sieht man einen partiellen Pn.Th. 
in der linken Seite und nach der MtMÜanlinie liin über dem Zwerchfell. Die 


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279] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 279 

Lunge ist vom Zwerchfell abgedrängt, aber durch eine Adhäsion mit demselben 
verbunden, so dass die Kuppe des Zworclifells deutlich in Form einer Spitze 
nach aufwärts gezogen erscheint. Etwa in der Höhe der Schulter¬ 
blattmitte geht quer über das Gesichtsfeld ein dunkler 
Schatten und über demselben sieht man in dunklerer L'm- 
gebung einen gut apfelgrossen, hellen Schein, der offen¬ 
bar einer Kaverne angehört. 

Einstich unter Ai^'endimg von Äthylchlorid unmittelbar imter der Ope¬ 
rationsnarbe mit einer scharfen Kanüle. Es besteht ein positiver Druck von 
3 mm, dabei aber deutliche Atemschwankungen des Manometers, die bei .An¬ 
wendung des Müller sehen Versuchs fixiert werden. Es werden im ganzen 
450 ccm N sehr langsam und mit kleinen Pausen, während welcher der Druck 
im Pneumothorax kontrolliert w'ird, eingegossen. Dabei steigt der positiv’e Druck 
auf 10 mm Hg. Bei diesem Druck gibt Patientin an, im Thorax leichtes Spannungs¬ 
gefühl zu haben. Sofortiger Abbruch der Füllung und Schluss der Stichwunde 
mittelst Heftpflaster. Puls etwas klein, beschleunigt. Kurz darauf erbricht 
Patientin das unmittelbar vorher genommene Frühstück. Gleich darauf fühlt sie 
sich aber wieder völlig w'ohl. 

Vor dem Röntgenschirm sieht man nunmehr, dass die in der linken 
Seite gelegene Pneumothoraxblase erheblich vergrössert ist. Unter der^ Haut 
hat sich nach dem Sternum zu offenbar unter dem Brechakt ein kleines Haut¬ 
emphysem entwickelt. 

30. I. 10. Die Temperatur steigt heute plötzlich, aus 
gutem Allgemeinbefinden heraus, auf 38,H. Keine besonderen 
subjektiven Beschwerden. Bett. 

31. I. 10. Temperatur bis 38,5, man hört 1. v. in der Höhe des 2. bis 
3. ICR. pleuritisches Reiben. Patientin fühlt 1. o. auch Schmerzen. 

1. II. 10. Temperatur bis 38,7, Puls bis 132 beschleunigt. Die 

Reibegeräusche 1. o. haben eher etwas abgenommen. Dagegen sieht man vor 
dem Röntgenschirm im Komplementärraum eine cm hohe 

Flüssigkeitsansammlung. Der Pneumothorax ist noch ziemlich gross, 
Patient hat etwas vermehrten Hustenreiz, der besonders abends Brechneigung, 
aber kein Erbrechen auslöst. Bett. 

2. II. 10. Leichte Trübung des Urins bei der Eiweissprobe. Beim Absetzen 
mit Esbach sehr geringer Bodensatz. Kein Zucker, leichte Braunfärbung beim 
Kochen mit Nylander. 

4. II. 10. Temperatur an den beiden letzten Tagen nicht über 38,0. Das 
Exsudat ist etwas angestiegen. Pneumothorax unverändert. Gestern Abend 
infolge des Hustenreizes Erbrechen. .Abends Kodein. 

‘7. II. 10. Das Exsudat ist noch etwas w'eiter gestiegen. Steht jetzt 
in der Höhe der Narbe. Temperatur und Puls etw^as niedriger. 

14. II. 10. Gewicht 43,3 kg. Exsudat ist wdeder etwas gestiegen, steht 
über der Narbe. Herz liegt ganz rechts. Pneumothorax und Adhib^ionsstrang 
zum Zwerchfell noch sehr deutlich. 

21. II. 10. Das Exsudat ist etwa ein 1 cm bis über die Narbe hinaus 
gestiegen, das Herz etwas nach links zurückgesimken. Der Pneumothorax sicht¬ 
lich etwas verkleinert. Es wird daher heute zur Nachpunktion geschritten. Zu¬ 
nächst werden 100 ccm einer völlig klaren, grünlichen Exsudat¬ 
flüssigkeit entnommen. Der Schlussdruck beträgt alsdann noch 
-j- 3 mm Hg. Nunmehr werden langsam 200 ccm N mittelst derselben Kanüle 


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L. Brauer und Lucius Six^ngler. 


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nachgegosseii, bis der Druck etwa 8—10 min Hg beträgt. Patientin ist völlig 
frei von Beschwerden. Vor dem Röntgenschirm stellt sich, abgesehen von 
der niedriger stehenden Exsudatlinie das ganze Bild wieder so dar, wie vor 
etwa 10 Tagen. Da die Temperaturen jetzt niedriger sind, 
37,5 überhaupt nicht mehr erreichen, steht Patientin auf 
und macht im Freien Liegekur. 

24. II. 10. Sputum rein eitrig, Tbc. (Gaffky III—VI), Urin o. B. 

1. III. 10. Gewicht 43,9 kg. 

7. III. 10. Gewicht 44,3 kg. Das Exsudat hat sich wiederum etwas ver¬ 
mehrt, so dass es die ausgezogene Spitze der Zw'erchfellkuppe überragt. Der 
Pneumothorax hat sich wiederum verkleinert. Es werden daher zunächst 125 ccm 
grünlichen, ganz leicht getrübten Exsudates entnommen, 
das sich ohne Aspiration infolge des Überdruckes von selbst aus der Kanüle 
entleert. Nach dieser Entleerung beträgt der Quecksilberdruck — 0,1 cm. Nun¬ 
mehr werden langsam 280 ccm N eingefüllt, so dass der Druck am Schluss 
der Einfüllung -j- 1,0 ern Hg beträgt. Patientin ist v^öllig frei von allen Be¬ 
schwerden. V^or dem Röntgenschinn sieht man einen geringen Rest von Exsudat, 
während der Pneumotliorax wieder in ursprünglicher Form vorhanden ist 

10 III. 10. Patientin ist völlig fieberfrei, fühlt sich sehr 
wohl, macht kleine Spaziergänge. 

15. III. 10. Gewicht 44,5 kg. 

22. III. 10. Gewicht 45,0 kg. 

23. III. 10. Das Exsudat li a t sich fast völlig resorbiert 
Der Pneumothorax ist wiederum kleiner geworden. Bei der Nachfüllung fliesst 
keine Spur Exsudat ab. Der Anfangsdruck ist + 0,3 Hg, nach Eingiessimg von 
100 ccm N -f- 1,3 cm Hg. Keine Druckerscheinungen. 

29. III. 10. Gewicht 45,5 kg. Die Temperaturen der letzten Tage erreichen 
bisweilen 37,3. Patientin fülilt sich durchaus wohl. Der Auswurf ist quanti¬ 
tativ Tmd qualitativ unverändert. Sputum rein eitrig, Tbc., Gaffky I—IV, 
Urin o. B. 

19. IV. 10. Gewicht 46,0 kg. Vor dem Röntgenschinn ist eine apfel- 
grosse Kaverne 1. o. mit flottierendem Inhalt deutlich 
sichtbar (Tafel III, Bild 10). 

22 . IV. 10. Sputum rein eitrig, Tbc., Gaffky 0—III. Urin o. B. 

Nachfüllung des Pneumothorax. Es werden 150 N eingegossen. .Anfangs¬ 
druck 0. Enddruck -|- 10 mm Hg. Patientin verträgt die Nachfüllung sehr gut. 

4. V. 10. Gewicht 46,7 kg. Vor dem Röntgenschirm erscheint das Bild 
unverändert. 

10. V. 10. Gewicht 46,5 kg. Temperatur etwas höher als sonst. R. v. 
im 2. ICR. einige feine und mittlere Rhonchi hörbar. 

17. V. 10. Gewicht 46,9 kg. Vor 3 Tagen Ncuauffüllung des Pneumo¬ 
thorax. Es w’crden 180 ccm N eingelassen. Der .Anfangsdruck beträgt 0 Hg. 
Der Enddruck -j- 20 mm. Die .Auffüllung wird gut vertragen. 

30. V. 10. Sputum rein eitrig, Tbc., Gaffky 0—II, Urin o. B. 

Schlussstatus; Perkussion wde bei der Aufnahme. 

Auskultation: R. v. o. pueriles .Atmen, kein Rasseln. R. unter 

Klavikula ist Atemgeräusch leise, ganz spärliche feine Rhonchi; weiter abwärts 
etwas Giemen. Der auskultatorische Befund auf der linken Seite nicht wesent¬ 
lich verändert. 



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Erfahrungon und Ül>orlcgungeri zur FiUngciikollapsthorapie. 


281 


281J 


Körpergewicht am 24. V. 1910= 40,7 kg. ^Väl»^‘lul der ganzen Beobaclilungs- 
dauer hat Patientin häufig leichte s u b f h r i 1 e T e m p e r a t u r en 
gehabt Die Pulszahlen schwanken um 90. 

Vom 30. Mai 1910 bis 10. Juni 1910 Aufcnthall in der m e d. Klinik 
in Marburg. 

Auszug au.s dem Befunde vom 31. Mai 1910: 

Thorax gut ausdehnungsfiüiig, linke Seite bleibt zurück. 

Über der r. Lunge gleichmässig guter Scliall. Spitzonfeld breit und gut 
abgrenzbar. Nur am Hilus neben 5. und 6. Brustwirbel leichte Schallver- 
kürzung. Untere Lungengrenze r. v. am oberen Bande der 0. Rippe. Untere 
Lungengrenze h. unten 10. Rippe in der Skapularlinie. Unterer Lungenrand 
hinten und vom gut verschieblich. Unterer Lmigenrand hinten 1. unten 11. Spina, 
nicht verschieblich. 

Über der ganzen rechten Limge reines Vesikuläralmen, nur r. v. o. ziem 
lieh scharf und imter der Klavikula zu leise mit spärlichen feinen, knackenden 
Rhonchi. R. h. o. Exspiriurn verlilngert. Der laute sonore Schall der rechten 
Lunge erstreckt sich vorn bis an den linken Sternalrand i Überblähungi. 

L. V. o. bis zur 2. Rippe Dämpfung mit tyrnpanitischem Beiklang. Im 
2 . ICR, ist der Schall etwas heller. Unterhalb der 3. Rippe ist seitlich lauter 
tympanitischer Schall. 

L. h. o. bis zur Spina scapulae gedämpft tympiLnitischcr Schall, nach 
unten davon absolute Dämpfung, welche seitlich in lauten tymp;initischen Schall 
übergeht. 

Über linker Klavikula und im 1. ICR., sowie hinten im Bereiche des Ober¬ 
lappens leises, fernklingendes Bronchialatmen. 

Unterhalb der Spina scapulae zunächst leises, unbesilmmh's Atmen, dann 
vollständig aufgehobenes Atmungsgeräusch, ebenso vom und seitlich. 

Herzgrenzen: Unterer Rjind der 3. Rippe; linker Sternalrand; etwas 
innerhalb der Mamillarlinie. 

Herztöne rein, Herzaktion beschleunigt. 

Röntgendurchleuchung zeigt kleines Exsudat im Komplementär¬ 
raum; paradoxe Zwerchfellvcrschiebung bei der Inspiration. Deutliche Wellen¬ 
bewegung beim Schütteln der Kranken. Unten ein milssig grosser Pneumo¬ 
thorax, der oben gegen einen intensiven Schatten begrenzt ist. In diesem 
Schatten ein heller Raum (Kaverne) (Röntgen-Tafel III, Bild 10). Temperatur 
erhöht, abends 37,2—37,9, morgens 36,1—36,6. Puls 90—104. Gewicht 45,5 kg, 
tägliche Auswurfmenge 120—170 ccm. 

Am 2. Juni 1910 Nachfüllung. Es tritt sofort nach Einlaufen von 100 ccm N 
ein positiver Druck von 1 mm Hg auf. Die Punktion wird abgebrochen. 

Am 10. Juni 1910 erneute Nachfüllung, 170 ccm N, Enddruck -f- 2 mm Hg, 
keine Beschwerden. 

Die im oberen Abschnitt adhärente Lunge wird durch die Nachfüllungen, 
wie bei der Röntgendurclileuchtung zu erkennen ist, nur wenig beeinflusst Die 
Sputummenge wird durch verschiedene Lage des Körpers nicht geändert 

Patientin wird am 10. Juni 1910 nach Hause entlassen, mit dem Rate, 
sich in 5 .Wochen wieder vorzustellen. 

Am 14. Juli 1910 berichtet Patientin, dass es ihr bedeutend besser 
gehe, Husten und Auswurf seien seit 14 Tagen ganz plötzlich be*deutend w’cniger 
geworden, so dass jetzt nur noch V 3 der früheren Sputummenge bestehe. Das 
Allgemeinbefinden hätte sich sehr bebesserl, und könne sie grössere Spazier¬ 
gänge Tintemebmem 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Die Kranke stelHe sich nun am 23. VII. 10 wieder vor. Sie sieht 
viel bessei aus. Nachdem sie in letzter Zeit ziemlich beträchtlich abgenommen 
hatte, wieder um 5 Pfund an Gewicht zugenommen (Gewicht am 24. VII. 10 
471/3 kg). 

Die Temperatur überstieg während der Stägigen Be¬ 
obachtungszeit die Höhe von 37,2 nicht; der Puls schwankt 
zwischen 72 \md 94. Die Sputummenge bewegt sich zwischen 35—55 ccm 
und das Gewicht steigt bis zum Entlassungstage (1. VIII. 10) auf 49,0 kg. — 

Am 27. VII. 1910 Nachfüllung, 100 ccm N, Druck steigt sehr rasch. 

Befund vom 28. VII. 10. 

Spitzenstoss im 4. ICR. innerhalb M.-Linie palpabel, aber nicht sichtbar. 
Deutlich sichtbare Pulsationen im 2. ICR. am Sternum, weniger deutlich im 
1. und 3. ICR. am Sternum. — 

Herztöne rein, 2. Pulmonalton klappend. Puls 72—88. Thorax lang und 
eng; links oben etwas eingesxmken. Lungengrenzen wie am 31. V. 10 (vgl. oben). 

R. vom überall normaler Schall, rechts hinten oben leichte Dämpfung. — 

L. vom oberhalb Klavikula hoch tympanitisch gedämpft, unterhalb Klavi- 
kula tiefere Tympanie und an der 3. Rippe rein tympanitischer Schall. — 

L. h. o. hochtympanitische Dämpfimg bis zum 3. Processus spin.; harte 
Dämpfung vom 3. bis 5. Proc. spin.; vom 5. Proc. spin. an abwärts tiefe 
Tympanie. — 

R. Lunge vorn ohne Befund bei gewöhnlicher Atmung. Bei tiefem 
Atmen hört man längs des Sternums von links her fortgeleitete Rhonchi. 

R. Spitze hinten Insp. zu rauh, Exsp. verlängert und verschärft. 
Hier sowohl als in der Hilusgegend von links herübergeleitete Rhonchi hörbar. — 

L. vorn über Klavikula Insp. sehr leise, Exsp. fern klingend amphorisch; 
im 1. ICR. Atmen lauter, metallisch klingend, vereinzelte grossblasige, metallische 
Rhonchi. Von der 2. Rippe ab .4tmen sehr leise, kaum hörbar. 

L. h. oben Insp. leise, Exsp. verlängert und verschärft, aus der Tiefe 
amphorisch. Vom 3. bis 5. Proc. spin. Insp. lauter, rauh, Exsp. scharf bronchial. 
Von hier abwärts fast aufgehobenes Atmen. Über der oberen Hälfte der linken 
Seite hinten mässig zahlreiches mittel- und grossblasiges klingendes Rasseln. — 

Im Röntgenbilde im Oberlappen links grosse mit Sputum halbge¬ 
füllte Kaverne, kleiner Pneumothorax, kleines Exsudat. Die Pleurablätter 
haben sich breit angelegt. Weitere Punktionen werden deswegen unterlassen. — 
1. VIII. 10 Entlassung. 

Die Patientin wird nun zur weiteren Kur nach Lippspringe ge¬ 
schickt. Der Pneumothorax sollte dort langsam und unter ärztlicher Beob¬ 
achtung eingehen. Aus den Nachrichten, die zu verschiedenen Zeiten ein- 
treffen, sei folgendes herausgegriffen. Unter dem 13. IX. 1910 berichtet die 
Patientin: 

„Die Kur hier in Lippspringe ist mir bis jetzt sehr gut bekommen. 
Ich habe nur noch des Morgens etwas Auswuirf; während des Tages und 
in der Nacht brauche ich fast gar nicht mehr zu husten. Die Temperatur ist, 
wie auch das Allgemeinbefinden, ganz ausgezeichnet. Nur habe ich mir an¬ 
scheinend durch Erkältung einen leichten Bronchialkatarrh zugezogen, der sich 
in ständigem, hörbarem Ras.seln äussert.“ 

Unter dem 14. X. 1910 berichtet Herr Dr. Everken, dass es der 
Patientin im allgemeinen gut gehe. Neben den typischen Symptomen über dem 
Pn.Th.-Abschnitt habe sich aber in letzter Zeit im rechten Oberlappen 


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283] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


283 


ein ziemlich dichter, mittelhlasiger, zäh-feuchter Ka¬ 
tarrh eingestellt. Damit trat vermehrter Auswurf auf; Tuberkel- 
bazillen konnten trotz wiederholter Untersuchung nicht 
gefunden werden. Es trat bei alledem eine Gewichtszunahme von 3 Pfd. 
auf und das Allgemeinbefinden war leidlich. 

Mit diesem Katarrh reiste Patientin am 14. X. 1910 nach Hause (Neun¬ 
kirchen). Laut Bericht des Vaters (17. X.) kam Patientin rüstig und guten 
Mutes an, auf der Reise habe sie sich aber noch weiter erkältet und gleich 
nach Ankunft stärkeres Fieber bekommen. Der hinzugezogene Arzt habe 
eine rechtsseitige ^Rippenfellentzündung festgcstellt, auch die 
linke Seite (Pn. Th.) habe Katarrh. Die Temperaturen stiegen 
auf 40®; es traten heftige Brustschmerzen auf imd es blieb dann eine hohe 
Kontinua zwischen 39—40. Auch die Pn.Th.-Seite böte ausgedehntere Rasseln. 
Nach weiteren Berichten der Patientin und der Angehörigen ist nach einigen 
Tagen eine plötzliche Krisis eingetreten und damit das Fieber 
und alle Krankheitserscheinungen geschwunden. Danach 
blieb Patientin aber noch einige Zeit matt und elend. Allem Anschein na^h 
hat also eine Pneumonie mit typischem Ablauf bestanden. 

Anfang November, nachdem Patientin sich allmählich wieder gekräftigt 
hatte, übersiedelte sie nach Sanatorium Stammberg (Dr. Schütz). Letzterer 
berichtet unter dem 15. XI. 1910 wie folgt: 

7. XI. 1910: 

Gewicht 48,5. Temperatur 36,9 nach längerer Reise. Allgemeinbefinden 
und Aussehen gut, im Auswurf Tuberkelhazillen. Kein Eiweiss, kein Zucker, 
keine Diazoreaktion. 

Perkussion: Links hinten Dämpfung bis zum 5. Brustwirbel, von da 
nach unten tympanitischer Schall. Links vorne überall tympanitischer Schall. 
Die Atmung an der Spitze bronchial mit amphorischem Exspirium. Von der 
2. Rippe an nach unten Atmung abgeschwächt, fast aufgehoben. Keine Ge¬ 
räusche. Perkussion rechts normalen Befimd, vielleicht an der Spitze ab¬ 
geschwächter Schall, broncho-vesikuläres Atmen. Im Unterlappen vereinzeltes 
Giemen. 

12. XI. Gewicht 50 kg. Temperatur 37,2. Allgemeinbefinden sehr gut. 

Am Lungenbefund keine Änderung. Das Giemen im Unterlappen ist nicht 
mehr vorhanden. 

Seinem rein ärztlichen Berichte fügt er noch folgende persönliche 
Bemerkungen an: 

Ich war ganz überrascht, aJs A. L. wieder hierherkam. Sie war seiner¬ 
zeit (Sommer 09) von hier in absolut dekrepidem Zustand 
entlassen worden, nachdem sie drei Monate hier fast 
ständig hoch fiebernd im Bette gelegen hatte. Bei der 
ersten Untersuchung hatte sie jetzt noch etwas Giemen als 
Rest einer angeblich gerade überstandenen Erkältung. Das 
Giemen war bei der zweiten Untersuchung verschwunden. 
Ihr Gewicht betrug bei ihrer damaligen Entlassung keine 
80 Pfd. und heute über 100! Dabei ist sie in der besten Stim¬ 
mung, kann gehen, grössere Spaziergänge machen und da¬ 
mals kaum stehen, so dass wir sie per Wagen direkt an 
die Hauptbahn liefern mussten. Es ist ein direkt glänzen¬ 
der Erfolg des Pneumothorax. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Indikation zur Operation. Seit zwei Jahren be¬ 
stehende sehr schwere, progrediente Tuberkulose der ganzen linken 
Lunge rhit grosser Kaverne im Oberlappen; leichter inaktiver Prozess 
in der rechten Spitze. — Seit acht Monaten dauernd subfebrile Tem¬ 
peraturen. Kräfteverfall; absolut infauste Prognose. 

Epikrise. Am 4. XII. 1909 Anlegung eines Pneumothorax 
links, der wider Erwarten gelingt; es waren ausgedehnte Ver¬ 
wachsungen zu vermuten. Patientin wird zunächst fieberfrei (Kurve, 
Seite 276). Die Grösse des Pneumothorax erhellt aus der Röntgen¬ 
photographie (Tafel III Bild 10), doch ist zu bemerken, dassi 
die Luft auch von vorn und hinten die Lunge umspült. 
Patientin erholt sich. Am 30. Januar 1910 treten sodann für 
kurze Zeit Temperaturen bis 38,5 auf, bedingt durch ein 
massig grosses pleuritisches Exsudat im Pneumothoraxraum. Die 
Temperatur bleibt bis .zum Juni 1910 leicht erhöht (37,6 im 
Maximum), fällt dann aber zur Norm ab (37,2 im Maximum). 
Das Allgemeinbefinden bessert sich, besonders während der Monate 
Juni und Juli 1910. Während dieser Zeit fällt auch der Puls auf 
72—94 ab und das Gewicht steigt von 42,0 auf 49,0 kg. — Damit 
fiel auch eine Abnahme der täglichen Auswurfmenge auf 30—45 ccm 
zusammen, die im Frühjahr 1910 auf 100 und darüber gestiegen war. 
Halb gefüllte Kaverne im Röntgenbild. 

Letzte Nachfüllung am 27. VII. 1910, da nur ein inkompletter, 
mittelgrosser Pneumothorax erreicht wurde und die Verwachsungen 
über dem Oberlappen sich als nicht weiter ablösbar erwiesen. 
Die dort bestehende Kaverne wurde durch die Nachfüllimgen schliess¬ 
lich nicht mehr beeinflusst. Sie war mit dem Oberlappen aber doch 
längere Zeit entspannt, so dass Gelegenheit zu einer gewissen 
Schrumpfung gegeben war. Die Pleurablätter legten sich immer 
mehr breit an und der Pneumothorax wurde immer kleiner. Das 
kleine Exsudat blieb bis zum Abschluss der Krankengeschichte l:ye- 
stehen. 

Anfang Oktober 1910 anscheinend frische Bronchitis und dann 
Pneumonie auf der rechten (gesunden) Seite, die gut überstaaiden 
wird. Patientin ist jetzt in relativ gutem Zustande weiter in Be¬ 
handlung. Im ganzen hat sich aus einer absolut iii- 
fausten und floriden Phthise zunächst ein ganz 
leidlicher stationärer Zustand entwickelt. Die Be¬ 
urteilung des Gesamtresultates ergibt sich am 
besten aus dem vorstehend zitierten Schreiben 
(siehe S. 283 unten). 



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285] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapsthcrapie. 


285 


83. Elisabeth W., Marburg, 15 Jahre alt. 

Familien-Anamnese: In der Familie viel Skrofulöse, Vater Lungen¬ 
tuberkulose. 

Pat. von jeher sehr schwächlich. Im 4. Jahre Mittelohrentzündung. Mit 
121/2 Jahren in Pension. Seit Ende 1908 blass und sehr matt. Katarrhalische 
Erscheinungen an der rechten Lungenspitze. Häusliche Behandlung ohne Erfolg. 
1909 im Frühjahr nach Lippspringe. Herr Dr. Brach mann stellte sehr 
ausgedehnte Veränderungen fest; wesentlicher Erfolg war nicht zu erreichen. 
September 1909 schwere Lungenblutung, Übersiedlung nach Marburg. Hier 
dauernde rapide Verschlechterung. Kurzatmigkeit, trockene Lippen. In letzter 
Zeit Erbrechen nach Husten. Sehr verstimmt, keinen Appetit, fortlaufende 
Gewichtsabnahme. 

Am 17. I. 10 Aufnahme in die D e u t s c h h a u s - K 1 i n i k (Mar- 
bürg). 

Temperaturen bis 88,3 bei sehr geringer Morgenremission, hust<‘t sehr 
viel, Patientin schluckt alles Sputum herunter. Ausserste Maries und Kachexie. 

Eingesunkene Supra- und IntraklavikulargrulK^n. Sehr liinfällig. 

Perkussion: R. v. o. harte Dämpfung, ebenso r. h. o. R. unter 
der Klavikula gedämpft tymi«aiitisch. Ab 3. Rippe wieder kürzer mit tympa- 
nilischem Beiklang. Der tympanilisrlie Bezirk unÜT der Klavikula gibt Wintrich- 
schen Schallwechsel. 

Der Schall der linken Lunge reicht bis an den r. Slernalrand. 

R. h. hellt sich die SchaJlkürzc an der Spirui auf. Über dem ganzen 
Unterlappen relativ gedäm}dt. Grenze 10. Rippe massig verschieblich. 

L. V. und hinten etwas kürzer als normal. Spitze gut breit, aber nach 
oben hin unscharf begrenzt. Unter der Klavikula 1. Schall sehr sonor, sonst 
normale Perkussionsverhältnisse. 

Das Herz überragt um 1 Querfinger den r. Slernalrand; in dem Bereich 
r. vom Sternum sieht man deutlich Pulsationen. L. Herzgrenze innerhalb der 
Mamillarlinie. 

Herzaktion sehr erregt, Töne rein, kein Reibern. 

Auskultation: L. v. u. h. o. stark pueriles, etwas rauhes Atmen, 
leises hauchendes Exsp. Klingende fortgeleitete (?) Geräusche und nach Husten 
zähe.s Knacken, das zweifellos an Ort und Stelle entsteht. Dieses Knacken 
ist etwas deutlicher unter der Klavikula und fehlt über dem Unterla^pen. 
Auch sonst ist der Unterlappen ohne pathologischen Befund. 

R. V. iL h. o. weiches bronchiales Insp. und Exsp., mittelzahlreiobe 
klingende, z. T. hellklingende grossbla.sige Rhonchi, die nach Hustenstössen 
sehr zahlreich werden und dann grösstenteils feinblasig sind. 

R. V. unter der Klavikula broncho-amphorisches Atmen, mit deutlicJi 
metallischem Klingen. 

Über dem r. Mittellappen überdecken sehr zahlreiche, zähfeuchte, zum 
Teil klingende Rhonchi das Atemgeräusch stark, doch ist letzteres als vesiko- 
bronchiales Atmen zu erkennen. Reiben ist nicht zu hören. 

Das gleiche über dem ganzen r. Unterlappen, nur sind hier die Rhonchi 
nocli dichter wie über dem Mittellappen. Die Rhonchi sind hier feinblasig. 

Die klinische Untersuchung und das Röntgenbild zeigten somit auf der 
rechten Seite einen dichten Prozess in starker Einschmelzimg (mehrfache 
Kavernen). Der linke Oberlappen bot einen disseminierten Prozess. Die Eltern, 
die die völlig verzweifelte Lage einsahen, baten auf Grund des hausärztlichen 


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L. Brauer und Lucius Sp<?ngler. 


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Rates um Anlegung eines Pneumothorax. Der ausgedehnte Befund der rechten 
Seite rechtfertigte dieses Vorgehen, doch wnarde den Angehörigen mitgeteilt, dass 
sich im linken Oberlappen zweifellos ein aktiver disse- 
minierter Prozess befände, der die Chancen des Eingriffes 
sehr vermindere. Auch die schwere Kachexie musste als ungünstig in 
Rechnung gesetzt werden. Nach langer Überlegung wurde dann, da die Patientin 
sonst völlig verloren schien, doch der Versuch mit Pneumothorax gemacht 
Der Eingriff (500 ccm) am 6. II. 10 g e I a n g glatt und wurde von 
der Patientin ohne irgendwelche Störung überstanden. 

Am Abend nach dem Eingriffe war auf der linken Seite eine besondere 
Veränderung des Befundes nicht zu hören. Am anderen Morgen fand 
sich aber über dem ganzen linken Oberlappen ein dichter 
Katarrh, das Atemgeräusch war sehr rauh, das Exspirium 
verlängert, die Rasselgeräusche waren mittel- und vor 
allem feinblasig, zum Teil halbklingend, wesentlich in¬ 
spiratorisch, sie lagen sehr dicht. Besonders war ein 
etwa fünf markgrosser Herd in der Lingula des linken Ober- 
lappens nachweisbar. Hier war das Atemgeräusch vesiko- 
bronchial. Entsprechend diesem Befunde zeigte das 
Röntgenbild einen etwa eigrossen härteren Schatten im 
linken Oberlappen und den ganzen Oberlappen deutlich 
verschleiert und abgeschattet, ein Befund, der vor dem 
Eingriff nicht in dieser Weise zu erheben war. 

Der linke Unterlappen war vollkommen frei von 
Katarrh, bot keinen besonderen pathologischen Befund, blieb auch in den 
folgenden Tagen dauernd frei. Patientin hatte zweifellos vermehrtes Sputum 
und brachte auch etwas mehr Sputum zutage; dieses war zu keiner 
Zeit pneumonisch gefärbt. 

Die Kranke war jetzt sehr hinfällig und machte im allgemeinen • 
einen schlechten Eindruck. In den nächsten 2 Tagen blieb 
zunächst der Befund unverändert, dann traten die Rassel¬ 
geräusche mehr und mehr zurück. 

Am 12. II. Nachfüllung in linker Seitenlage. 

Am 13. II. war der Befund über dem linken Oborlappen etwa wieder so 
wie seiner Zeit vor dem Eingriff. Das Allgemeinbefinden relativ gut. 

Während der eben geschilderten Reaktion im linken Oberlappen waren 
die Temperaturen beträchtlich heraufgegangen; sie kehrten nunmehr wieder zu 
dem Typus zurück, den sie vor dem Eingriffe hatten. In den nächsten 
14 Tagen nach dem Abklingen der akuten Reaktion schien der Befund 
im linken Oberlappen ziemlich unverändert. Dann aber 
entwickelten sich im Laufe der nächsten Woche immer 
zahlreichere, feine klingende Rhonchi, das Atemgeräusch 
wurde zunehmend rauh, das Exspirium allmählich bron¬ 
chial. Der linke Unterlappen blieb zunächst frei. Erst nach weiteren 
Wochen traten auch hier reichlicher feinklingende Rhonchi auf, bei rauherem 
Inspirium. Patientin blieb appetitlos und dauernd subfebril, sie nahm auch 
weiter an Gewicht ab und ging bei häuslicher Behandlung zugrunde. Der 
Pneumothorax war ziemlich komplett, blieb trocken und wurde in den ersten 
Wochen unter Anwendung sehr niedriger Druckwertc nachgefüllt. Als aber 
auf der anderen Seite die zunehmende Ausbreitung des Prozesses über allem 



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287] Erfahrungen und Überlegungen zur Limgenkollapstherapie. 287 

Zweifel stand, wurde von weiteren Punktionen Abstand genommen. Die Pat. 
ging dann im Juni 10 in häuslicher Pflege zugrunde. Eine Sektion konnte 
leider nicht ausgeführt werden. 

Die Indikation war in dem schweren rechtsseitigen Prozess, 
dem zunehmenden Kräfteverfall und dem dauernden Fieber gegeben. 
Der aktive, wenn auch nicht sehr dichte Prozess im linken Oberlappen 
Hess das Risiko des Eingriffes von vornherein sehr gross erscheinen. 

Epikrise. Der Verlauf bestätigt dieses Urteil. Von grösstem 
Interesse war das Nachfolgende: Etwa 24 Stunden nach dem 
Eingriff entwickelte sich ein akutes Aufflackern des 
Prozesses im linken Oberlappen, ganz ähnlich wie man 
dieses bei Anwendung zu hoher Tuberkulin dosen als 
ausgedehnte Lokalreaktion beobachtet. Dem entsprach 
auch der Verlauf während der nächsten Tage, insofern, als nach etwa 
einer Woche diese Lokalreaktion wieder ablief, unter gleichzeitigem 
Wiederabsinken der hohen Pieberreaktion. Es wurde angenom¬ 
men, dass in diesem Falle der Kollaps der kranken 
Lunge zur raschen Entleerung der Lymphbahnen 
dieser kranken Partie geführt hatte und damit zu 
einer Überschwemmung des Körpers mit Tuberkulin. 
Der Katarrh auf der anderen Seite konntenichtaufeinedurch 
den Eingriff bedingte Herzschwäche bezogen wer¬ 
den, denn es fehlten im Zirkulationsapparat die Zeichen der Herz¬ 
insuffizienz, ausserdem waren, was auch mehrfach genau kontrolliert 
* wurde, die unteren Lungenabschnitte von Katarrh völlig frei geblieben. 
Es fehlte jedes Zeichen einer Hypostase und Stauungsbronchitis. 
Nach Abklingen der Tuberkulinreaktion schien dann der linke Ober¬ 
lappen nicht wesentlich geschädigt. Der weitere Verlauf er\\ies al)er 
doch, dass dieser vorübergehenden akuten Lokalreaktion eine aus¬ 
gesprochene Schädigung folgte, insofern als nun ein rasch fort¬ 
schreitender Prozess sich entwickelte, dem die Patientin erlag. 

Die B eobachtung zeigt besonders deutlich die 
Gefahren der Pneumothoraxtherapie bei dem Be¬ 
stehen aktiver Prozesse auf der anderen Seite, gibt 
auch einen Aufschluss über die Pathogenese der¬ 
artiger Veränderungen. Eine Aspiration war in 
diesem Falle völlig ausgeschlossen. 

84. Herr B., Student, 21 Jahre alt, aus L. 

Eltern leben und sind gesund, auch sonst in der Familie der Eltern 
Fälle von Tuberkulose nicht bekannt. Patient 2/7. Sämtliche Geschwister leben 
und sind gesund. 


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L. Brauer und Lucius SjH'ngler. 


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Kinderkrankheiten: Masern, Mumps. Patient war als Kind ziem¬ 
lich kräftig bis zum 9. Lebensjahre. Damals Schädelfraktur und längeres 
Beltlager. Es hlieb eine gewisse körperliche Schwäche zurück. Beginn der 
jetzigen K r a n k li e i t vor ca. 4 Jahren. — Zuerst Bluthusten, darauf 
Kuraufentlialt während eines Jalires in den heimatlichen Bergen (Portugal). Der 
Erfolg bestand in einer auffälligen Besserung. Dieselbe hielt jedoch nicht lange an. 
Im Januar 09 Rückfall mit erneutem Bluthusten. Mehrmonatlicher Aufenthalt in 
einem englischen Sanatorium. Da dort keine Besserung eintrat, siedelte der 
Kranke am 20. November 1909 nach Sanatorium Sc.hatzalj)- 
Davos über. 

Befund vom 23. November 09: Über der rechten Lunge Dämpfung von 
oben bis unten. 

Links vom über Klavikula Ins])irium scharf, Exspirium etwajs verlängert, 
einige feine trockene Rh. nach Husten. Im 1. ICR. dasselbe, im 2. ICR. vesikuläres 
Atmen, ebenso im 3. bis 5. ICR. Links hinten oben über O.L. Atmen vesikulär, 
aber zu rauh und zu leise, Exsp. etwas verlängert, kein Rasseln. Linker U.L. 
vesikulär. 

R. vorn über Klav. Atmen leise, Insp. rauh, Exsp. hauchend, Knattern 

nach Husten. Im 1. und 2. ICR. dasselbe. Mittellappen Atmen leise, Insp. 

rauh, Exsp. verlängert, Knattern nach Husten. Rechts hinten oben über O.L. 
Atmen sehr leise, Insp. rauh, Exsp. verlängert, aus der Tiefe hauchend, viele 
mittlere und grobe, meist feuchte Rh. Ganzer rechter U.L. Insp. sehr rauh, 
Exspir. verlängert, mittlere und grobe Rh., besonders nach Husten. 

Im Auswurf viele Tuberkelbazillen und spärliche elastische Fasern. Puls 
96—104 im Belt gezähll, Temperatur sub lingua bald normal, bald abejids 
die Höhe von 37,4 bis 37,5 erreichend. Gewdeht 65 Kilo. 

Während der Monate Dezember 1909 und Januar 1910 bestehen öfter 
leichtere Temperaturerhöhungen trotz Bettruhe. Der Puls schw%mkt zwischen 
88 und 104. Es tnden oft kleine Lungenblutungen auf, denen Temperatur¬ 

anstiege bis 38,4 folgen. Eine stärkere Blutung erfolgte Mitte Dezember 09 mit 
Temperaturen bis 38,7. Dabei tritt eine deutliche Verschlechterung der rechten 
Lunge ein. Es wird deshalb, und w<‘il sich der Prozess in der linken Spitze 
als inaktiv erwiesen hat, die Frage der Anlegung eines künstlichen Pneumo¬ 
thorax erwogen, und der Eingriff a m 13. Februar 1910 ausgeführt 
(Lucius Spengler und N e u m a n n). Verlauf der ausgeführten Ope¬ 

ration ohne Besonderheiten. Es werden 750 ccm N eingelassen bei einem 
SchJussdruck von -j“ 2 cm ILO. Wundverlauf ohne Störung, nur eine Nah- 
steile w'ar leicht infiltriert, weshalb der Faden vorzeitig entfernt wurde. In 
den ersten Tagen nach dem Eingriff während zwei Tagen Temperatursteigerungen 
bis 37,6. Am dritten und vierten Tage nach der Operation Abfall der Tem¬ 
peratur bis 37 im Max. 

Am 15 Februar erste Nachpunktion: 

N = 800 ccm. 

A.-Dr. = — 3 cm HoO. 

E.-Dr. = + 1 HoO. 

Mit dieser Nachfüllung sinkt der Puls unter 100. Vom 19. Februar 1910 
an bleibt er unter 92 und die Abendtemperatur schwankt zwischen 36,9 und 
37.1. Es besteht ein ziemlich grosser Seiten-Pn.Th. 



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289] 


Erfahrungen und Überlegungen zAir Lungenkollapstherapie. 


289 


Am 25. Februar 10 zweite Nachfüllung: 

N = 350 ccm. 

A.-Dr. = — 1—2 cm HgO. 

E.-Dr. = ± 0 cm HgO. 

Am 4. März werden einige blutige Sputa ausgeworfen,, ebenso am 6 . März. 
Am 8 . März dritte Nachpunktion: 

N = 600 ccm. 

A.-Dr. = — 3 cm HoO. 

E.-Dr. = + 1 H 2 O. 

Am 24. März vierte Nachpunktion: 

Am 15. April fünfte Nachpunktion: .\m 2. Mai 1910 sechste Nachpiinktion: 
N = 800 ccm. N = 800 ccm. 

A.-Dr. = — 3 cm H 2 O. A.-Dr. = — 4,0 cm HgO. 

E.-Dr. = + 1 cm H 2 O. E. Dr. = + 1 Vs cm HjO. 

Am 1. Juni 10 siebente Nachpunktion: Am 21. Juni 1910 achte Nachpiinktion: 
N = 750 cm. N = 700 ccm. 

A.-Dr. = — 3,0 cm H^O. A.-Dr. = — 2,0 cm HgO. 

E.-Dr. = + 2,0 cm HgO. E.-Dr. = + IV, cm HgO. 

Am 13. Juli 1910 neunte Nachpunktion: Am 6 . Aug.1910 zehnte Nachpunktion: 
N = 800 ccm. N = 900 ccm. 

A..Dr. = — IV 2 cm HgO. A.-Dr. = — 3Vo cm HgO. 

E.-Dr. = + IV 3 cm HgO. E.-Dr. = + 3,0 cm lUO. 

In dieser Weise werden die Nachfüllungen fortgeführt. 

6 . XI. 10 Abschluss der Krankengeschichte. 

Am 23. II. 10 konnten zum letzten Male Bazillen und 
elast. Fasern im Aus würfe nach gewiesen werden. Von da ab 
fehlen beide Bestandteile und zwar trotz häufig vorgenommener Untersuchungen. 
Das Sputum wurde untersucht am 22. III. 10, am 22. IV., am 23. IV., am 30. IV., 
am 26. V., am 24. VI., am 22 . VII. 10 usw. — 

G e w’ i c h t 68,0, also Zunahme von 3,0 kg. Puls 72—88. Tempe¬ 
ratur andauernd normal. 

Rechts besteht ein grosser, völlig trockener Seiten-Pneumothorax. Die 
linke Lunge ist unverändert. 

Allgemeinbefinden, Schlaf und Appetit sehr gut. 
Blutungen sind nicht wieder aufgetreten. 

Indikation zur Operation. Schwere progressive Tuber¬ 
kulose der ganzen rechten Lunge. Inaktiver Prozess in der linken 
Spitze. Häufig kleinere und grössere Blutungen mit nachfolgenden 
Temperaturschüben. Schlechte Prognose. — 

Epikrise. Am 13. II. 1910 künstlicher Pneumothorax. So¬ 
fortiger Abfall der Temperatur und dauerndes Ausbleiben der Lungen¬ 
blutungen. Grosser völlig trockener Seitenpneumothorax rechts; linke 
Seite unverändert. Gewichtszunahme 3,0 kg. Puls von 88—104 auf 
72—88 abgefallen. Auswurf seit 23. II. 1910 ohne Tuberkelbazillen 
und elastische Fasern. Gutes Allgemeinbefinden. — 

Die Behandlung wird fortgesetzt. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 1. 19 



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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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85. Fräulein A. L., 27 Jahre alt, aus S. 

Anamnese: Vater vor neun Jahren an Herzleiden, Mutter im Woclien- 
bett gestorben. In der Familie angeblich keine Tuberkuloseheredität Patientin 
ist einziges Kind. Sie hatte als Kind Masern, war kräftig entwickelt. Im Sommer 
1906 begann sie zu hüsteln. Dazu gesellte sich bald leichte Ermüdbarkeit. 
Weihnachten 1906 trat etwas Auswurf auf; bald nahmen Husten, Auswurf und 
die leichte Ermüdbarkeit zu. Im März 1907 wurde Lungenspitzenkatarrh fest¬ 
gestellt. Vom März 1907 bis Mai 1908 Aufenthalt in einem Sanatorium des 
deutschen Mittelgebirges. 10 Kilo Gewichtszunahme, Abnahme von Husten und 
Auswurf. Fünf Monate Behandlung mit Alt-Tuberkulin-Koch. Lokal soll keine 
nennenswerte Besserung eingetreten sein. Vom Mai 08 bis Januar 09 lebte 
Patientin zu Hause (Norddeutschland), dabei die mitgegebenen Vorschriften 
strenge befolgend. Vom Januar 09 bis Juni 09 wieder Aufenthalt in demselben 
Sanatorium, aber ohne dass wesentliche Besserung erfolgt wäre. Sommer und 
Herbst 09 auf dem Lande gelebt. Im Januar 10 wird Patientin von ihrem Arzt 
(Prof. Dr. N e i s s e r - Stettin) behufs Anlegimg eines künstlichen Pneumothorax 
nach Davos geschickt. 

Befund vom 21. Jan. 1910: Temperatur normal, im Maximum 37,0 
sub lingua. Sputummenge 35—40 ccm, im Sputum Tuberkelbazillen (Gaffky V) 
und elastische Fasern. Puls 104. Gewicht 140 Pfund. Beide Lungenränder stehen 
hinten um 1 cm zu tief, der rechte etwas tiefer als der linke. Der rechte 
vmtere Lungenrand ist sehr gut verschieblich, der linke weniger. Über der ganzen 
linken Lunge intensive Dämpfung. 

Auskultation: R. vorn über Klav. Insp. verschärft, Exspir. etwas 
verlängert, keine Rhonchi. Im 1. ICR. dasselbe. Im zweiten vesikuläres Atmen, 
Mittellappen vesikulär; über rechter Spitze hinten, wie vorn, keine Rh.; r. U.-L. 
vesikulär. 

L. vorn über Klav. leises amphorisches Atmen, klingende Rh. Dasselbe 
im 1. ICR., doch hier am Sternum das Atmen lauter. 2. ICR. Atmen broncho- 
amphorisch, klingende Rh. 3. u. 4. ICR. Atmen vesiko-bronchial, klingende 
und halbklingende Rh. 5. ICR. aufgehobenes Atmen. Linker O.-L. hinten Atmen 
broncho-amphorisch, klingende Rh. Obere Hälfte des linken U.-L. Atmen vesiko- 
bronchial, mittlere und grobe Rh. jeder Art. Linker ünterlappen in unterer 
Hälfte Atmen leise, Insp. scharf, Exspir. verlängert, mittlere und grobe Rh. 
In der linken Seite von Axilla bis Basis Atmen lauter als hinten, Insp. rauh- 
scharf, Exspir. verlängert, feine, mittlere und auch grobe Rh. 

14. Februar 10 Anlegung eines künstlichen Pn.Th. (Lucius Spengler) 
nach Brauer in der hinteren Axillarlinie im 7. ICR. Es gelingt glatt 600 ccm 
N einzuführen. Zu Beginn beträgt der Druck im Mittel — 4,0 mm Hg. Der 
Schlussdruck beträgt 8 mm Hg. Die Durchleuchtung vor dem Röntgenschirm 
ergibt einen basalen Pn.Th. Nach dem Eingriff erhebt sich die Temperatur 
während vier bis fünf Tagen bis 37,3, um dann wieder auf die frühere Höhe 
abzufallen. Wundverlaiif vollständig reaktionslos. 

16. Februar 10. Erste Nachpunktion: 

N = 400 ccm. 

A.-Dr. = —4,0 mm Hg. 

E.-Dr. = -f" 6,0 mm Hg. 

Es besteht ein mässig grosser basaler Pn.Th. Über dem Oberlappen scheinen 
festere Verwachsungen zu bestehen. 



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291] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Limgenkollapstherapic. 


201 


21. Februar 10. Zweite Nachpunktion: 

N = 250 ccm. 

A.-Dr. = -|-1,0 mm Hg. 

E.-Dr. = 6,0 mm Hg. 

Die Auswurfmonge ist auf 20—25 ccm gesunken und sinkt zufolge dieser 
Nachfüllung auf 12—15 ccm. 

2. März 10. Dritte Nachpunktion: 

N = 450 ccm. 

A.-Dr. = — 2,0 mm Hg. 

E.-Dr. = + 7,0 mm Hg. 

Der Auswurf sinkt auf 10—12 ccm. 

9. März 10. Vierte Nachpunktion: 

N = 275 ccm. 

A.-Dr. = ~|- 2,0 mm Hg. 

E.-Dr. = -j- 6,0 mm Hg. 

Der Pn.Th. ist deutlich grösser geworden. Die Auswurfmenge ist auf 
8—10 ccm gesunken. 

19. März 10. Fünfte Nachpunktion: 30. März 10. Sechste Nachpunktion: 

N = 450 ccm. N = 600 ccm. 

A.-Dr. = +. 0,0 mm Hg. A.-Dr. = — 6,0 mm Hg. 

E.-Dr. = +5,0 mm Hg. E.-Dr. = +5,0 mm Hg. 

Die Sputummenge ist auf 3—6 ccm pro die gesunken. Temperatur normal. 
Der Pn.Th. ist zl. gross geworden. Er drückt etwas auf den Magen und ver¬ 
ursacht dadurch Appetitmangel. Gewicht 135 Pfund. Puls 80—96. 

In den ersten Tagen des Monats April 1910 treten ganz leichte Erhöhungen 
der Ahendtemperaturen (abends 9 Uhr 37,1—37,4) auf. 

Am 10. April 10 minimales Exsudat im Pneumothorax¬ 
raum. Es wirdtrotzdem an diesem Tage eine Nachpunktion 
ausgeführt, da der Anfangsdruck +0 betrug. Nach Ein¬ 
giessen von 300 ccm N stieg der Druck auf +7,0 mm Hg. 

Am 11. April 10 Temperaturen bis 38,8 undetwas Dyspnoe. 

Am 12. April 10 Temperaturen bis 38,4, mehr Dyspnoe. 
Da das Exsudat gestiegen ist, werden 200 ccm N abpunktiert 
Die Dyspnoe wird erträglich. Diese Beobachtung lehrt^ 
dass beim Auftreten eines Exsudates nicht nach punktiert 
werden soll, ohne erst während einiger Zeit dessen Ver¬ 
halten zu beobachten. — 

Vom 22. April 10 ab sind die Morgentemperaturen und 
vom 7. Mai ab die Mittag- und Nachmittagtemperaturen 
wieder völlig normal. Abends 9 Uhr aber bestehen noch bis zum 
24. Mai Erhöhungen bis auf 37,2—37,4. 

Am 28. April 10 steht das Exsudat 2 Querfinger breit unter Angulus und 
am 14. Mai erreicht es den Angulus. Da im Pleuraraum (14. V. 10) ein posi¬ 
tiver Druck von 6,0 mm Hg besteht, wird nicht nachpunktiert. 

Die tägliche Sputummenge ist gesunken auf 2—3 ccm \md enthält der 
Auswurf am 4. VI. 10 weder Tuberkelbazillen noch elastische Fas(?rn. 

Am 30. V. 10 werden, da das Exsudat 2 cm über dem Angulus scap. steht, 
400 ccm des serösen Exsudätes abgelassen ’imd 400 ccm N nachgegossen. 

Am 6. VII. 10 Aspiration von 200 ccm Exsudat und Eingiessen von 
300 ccm N. 

19* 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Aus wurfmenge seit Mitte Juni 10 nur 1—2 ccm tägl. Am 27. VII. 10 fanden, 
sich im Auswurf weder Tuberkelbazillen noch elast Fasern- Im Laufe des 
Monats Juli blieb der Auswurf öfter ganz aus. 

Ende November 1910 (bei Abschluss der Krankengeschichte) ist das 
Exsudat fast ganz resorbiert. — Temperatur normal. Auswurf 
0—1 ccm täglich, ohne Tuberkelbazillen und ohne elast. 
Fasern, Puls 72—80. Gewicht 128 Pfund (Abnahme 12 Pfund). 
Allgemeinbefinden sehr gut; Patientin kann ohne jede 
Mühe 2mal täglich je 1—2 Stunden gehen. — Der Befund 
der anderen (rechten) Seite unverändert. Links besteht über dem 
Exsudat ein grosser Pneumothorax. Die gut kollabierte linke Lunge ist in 
der Thoraxkuppe und neben der Wirbelsäule gelegen. — Die Adhäsionen in 
der Thoraxkuppe haben sich zum Teil gelöst Behandlung wird fortgesetzt 

Indikation zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen linken Lunge mit ausgedehnter Kavemenbildung im Ober¬ 
lappen. Keine Aussicht auf Heilung. Ganz leichter inaktiver Prozess 
in der rechten Spitze. — 

Epikrise. Am 14. 11. 1910 künstlicher Pneumothorax links. 
Im April 1910 Auftreten eines serösen Exsudates im Pneumothorax- 
raum. Vom Exsudat besteht bei Abschluss der Krankengeschichte 
(Ende November 1910) noch ein kleiner Rest. Linke Lunge gut 
kollabiert, liegt der Thoraxkuppe und der Wirbelsäule an. Rechte 
Spitze unverändert gut. — Allgemeinbefinden sehr gut. Die Kranke 
kann ohne Mühe 2—4 Std. täglich gehen. Puls von 104 auf 72—80 
gesunken. Temperatur normal. Auswurfmenge von 35—40 ccm auf 
0—1 ccm gesunken. Der Auswurf enthält seit 5 Monaten weder 
Tuberkelbazillen noch elastische Fasern. Das Gewicht ist von 140 
auf 128 Pfund gesunken. Der Pneumothorax (linksseitig) drückte 
auf den Magen und behinderte so anfänglich etwas die Nahrungs¬ 
aufnahme Die Kranke war vordem übermässig gemästet; jetzt ist 
sie im normalen guten Ernährungszustände. Magenbeschwerden be¬ 
stehen nicht mehr. 


86. Katharina K. aus L., 19 Jahre, überwiesen durch Dr. Rumpf- 
Ebersteinbnrg. 

Familien*Anamnese ohne Belang. Im 11. Jahre Rippenfellentzündung; seit 
dem 16. Jahre Hu.sten, trotzdem im Institut zurückbehalten. Ostern 1909 stärkerer 
Husten, Fieber. 

Bericht des Herrn Dr. Rumpf: Eintritt ins Sanatorium am 26. V. 09. 
Damals nachfolgender Befund: 

„Aussehen und Allgemeinzustand leidlich, etwas kurzatmig, Temperaturen 
bis 37,4 (im Mund gemessen), Puls über 100, ziemlich starker Husten; im 
Auswmrf (anfangs versclduckt) zahlreiche Biij^illen, Gewicht 53,8 kg bei 159 cm 
Körpergrössc. Menses seit 3 Monaten ausgebliebcn. ürin frei, Verdauung gut. 


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293] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 293 

Lunge: Rechts überall Dämpfung, über dem Obcrlappen Tympanie und 
Schallwechsel, Atmung oben broncho-amphorisch, unten broncho-vesikulär, zahl¬ 
reiche klingende Rasselgeräusche von oben bis unteff. 

Links ganz oben Schallverkürzung, bronchialer Anklang und vereinzeltes 
Knacken. 

Verlauf der Kur: Anfangs sehr gute Erholung, Temperatur und Puls wurden 
normal. Die Menses traten wieder ein. Gewichtszunahme über 10 Pfund, kein 
Husten mehr, in dem spärlichen Auswurf selten Bazillen. Linke Lunge wurde 
gut (Rhonchi nur noch vom rechts fortgeleitet zu hören). Rechte Lunge zeigte 
wesentlich weniger Rasseln und etwas Schrumphmg. 

SeiteinerAngina, Anfang 1910, tratjedoch wieder Rück¬ 
gang des Allgemeinzustandes ein, Gewichtsabnahme, 
Fieber bis 38,0. Besonders r. h. u. wieder gröberes Rasseln 
undauchReiben,Hustenund me hrAuswurf,Appetitmangel. 

Da trotz Bettruhe keine Änderung zum Besseren wieder 
eintreten wollte, und auch der Larynx krank wurde, wurde 
die Einleitung eines künstlichen Pneumothorax rechts 
vorgeschlagen. Der physikalische Befund rechts war wieder älinlich 
wie beim Eintritt; links wurden nur von rechts fortgeleitete Rhonchi geluirt.“ 

Abreise nach Marburg am 26. März 1910. 

Aufgenommen in die Deutschhaus-Klinik am 26. III. 10. 

Status: Gut ernährt. Rechte Seite schleppt sehr stark. 

R. h. o. ziemlich intensiv gedämpft; sehr schmale Spitze. R. v. o. des¬ 
gleichen mit tympanitischem Beiklang. 

L. V. und h. o. leichte Verkürzung, obere Grenze unscharf, Spitze breit. 

R .h. reicht die intensive Dämpfung bis Angulus, ab dort relativ gedämpft. 
Ab Angulus plötzlich laute Tympanie, die nach imten herunter bis zur 10. Rippe 
reicht. Kein deutlicher Schall Wechsel. L. h. imtere Grenze 11. Rippe. 

R. V. imter Klavikula relative Dämpfung. Ab 3. Rippe leidlich normaler 
Schall. Grenze 6. Rippe, verschieblich. 

Seitlich ist Mittel- und Unterlappen deutlich zu trennen. Lnterlap])en 
deutlich relativ gedämpft Normale Herzgrenzen. Spitzenstoss nicht deutlich 
zu fühlen 

Auskultation: R. v. o. broncho-amphorisch, grossblasige klingende 
Rhonchi. R. unter Klavikula ebenso, die Rhonchi nehmen nach Husten stark 
zu. 2. ICR. bronchiales Insp. und Exsp., hellklingende Rh. Über und unter 
der Klavikula laute Flüsterstimme. 

R. V. u. (r. Mittellappen) rauhes Insp., lautes verlängertes Exsp., ziemlich 
zähe, halbklingende zahlreiche Rhonchi. Nach unten zu über dem Mittellappen 
werden die Rasselgeräusche zahlreicher. R. in der Axilla (Spitze des Mittel¬ 
lappens) bronchiales Atmen, ziemlich zahlreiche, feuchte und halbklingende Rh. 

R. h. o. broncho-amphorisches Atmen. In der Spitze des Oberlappens 
sprechende Kaverne. 

R. Unterlappen. Obere Hälfte: lautes bronchiales Atmen, sehr reichlich 
klingende Rasselgeräusche. Untere Hälfte: lautes bronchiales Atmen, sehr 
dichte feuchte, klingende, z. T. metallisch klingende Rhonchi. 

Links: L. h. o. Insp. ein wenig zu rauh, Exsp. normal. Anscheinend 
fortgeleitete Rhonchi. L. v. o. ebenso, über dem ganzen linken Oberlappen 
Atemgeräusch vom sakkadiert, pueril. .\uch nach Husten kein Rasseln. L. 
Axilla normal. L. Unterlappcn: anscheinend keine autochthonen Rhonchi. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Herz: Aktion etwas beschleunigt. Töne rein. Sonst nichts Besonderes. 
Sputum schleimig, ballig, eitrig, 10 ccm pro Tag, reicht. Tuberkelbazillen. Körper¬ 
gewicht 52,5 kg. Puls 76—88. Temperatur 38,0. 

Am 28. III. 1910 Anlegung eines künstlichen Pneumo¬ 
thorax rechts. 

Der Pneumothorax gelingt wider Erwarten gut Sowohl nach der geringen 
Verschieblichkeit, wie vor allem nach der sehr schlechten Zwerchfellbewegung bei 
der Röntgendurchleuchtung war ziemlich sicher auf breite Pleuradhäsionen ge¬ 
rechnet worden. Es war daher bereits mit den Angehörigen eine ausgedelmte 
Plastik besprochen worden. Die Pneumothoraxanlegung wurde 
eigentlich hauptsächlich unter dem Gesichtswinkel ver¬ 
sucht, um vor Beginn der Plastik sicher über den Bestand 
von Adhäsionen orientiert zu sein, denn der schwere und 
gefahrvolle Eingriff der ausgedehnten Thorakoplastik er¬ 
scheint eben nur dann berechtigt, wenn die einfachere 
Behandlung mit Pneumothorax unmöglich ist. Auch ist der 
Eingriff bei freier Pleura und damit fast unvermeidlicher Pleuraläsion er- 
fahrungsgemäss noch gefährlicher. Der Fall zeigt wieder einmal, 
wie schwer es ist, aus dem Untersuchungsresultate heraus 
ein sicheres Urteil über etwaige Pleura-Adhäsionen zu 
gewinnen; man ist eben nacli beiden Richtungen hin häufig 
der Täuschug unterworfen. 

Es laufen 800 ccm Stickstoff ein. Anfangsdruck inspiratorisch — 4 mm Hg, 
exspiratorisch + 0 mm Hg. Druck am Schluss inspiratorisch -|- 4 mm Hg, 
exspiratorisch 0 mm Hg. Patientin fühlt gar keine Beschwerden. Am 29. III. 10 
Nachpunktion: N = 800 ccm. 

Am 29., 30. und 31. III. 10 geht die Temperatur bis 38,7. Glatter Wund- 
verlauf, lineäre Narbe. 

Mit dem 1. IV. 10 sinkt die Temperatur unter 38 imd schwankt vom 
6. bis 24. IV. zwischen 37,0 und 37,5; nur am Tage der Nachfüllungen steigt 
sie auf 37,6—37,7. Der Puls hält sich vom 1. IV. ab zwischen 80—90. 

Am 7. IV. 2. Nachpunktion = 1000 ccm N. Anfangsdruck kaum noch 
positiv; Schlussdruck + 10 mm Hg. 

.4m 15. IV. 3. Nachfüllung = 750 ccm N unter den gleichen Druckverhält¬ 
nissen wie am 7. IV. 10. 

Am 22. IV. 4. Nachfüllung = 300 ccm N, am 4. V. 10 5. Nachfüllung 

= 300 ccm N. Anfangsdruck = 0, Schlussdruck ^ Hg. 

Am 18. V. 6. Nachfüllung = 1000 ccm N, am 30. V. 7. Nachfüllung 

= 500 ccm N, am 18. VI. 8. Nachfüllung = 1000 ccm N. Beim ersten Ein¬ 

stich gerät die Nadel in das kleine Exsudat, das am 11. VI. 10 entdeckt 
W'urde. Die Druckschwankungen waren deshalb nicht genau zu messen. Schluss¬ 
druck -[■ ^9 nun Hg. 

Am 22. VI. reist Pat., da Ebersteinburg bf^setzt war, nach St. Blasien, 
Sanatorium D r. Sander, zur Weiterbehandlung. Allgemein¬ 
befinden gut, fieberfrei, gute Ernährung. 

R. V. o. voller tympanitlscher Schall, ebenso r. h. o. Rechte Spitze sehr 
breit, scharfe Grenze. Auch rechts hinten und seitlich überall voller Pneumo¬ 
thorax-Schall. Untere Grenze im Stehen 10. Rippe mit starker passiver Ver¬ 
schieblichkeit. 



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295] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 2i)o 

L. o. V. und h. normaler Lungenschall, breite, scharfe Grenze. Im Inter- 
skapularraum links leichte Schallverkürzung, dann wieder normaler Schall und 
normale Grenzen. Ebenso seitlich. 

, Über und unter der Klavikula Insp. scharf, Exsp. normal, kein Rasseln, 
auch nicht nach Husten. Dasselbe links li. o. Auch sonst über der linken 
Lun^c nichts Pathologisches zu hören. 

Herz: Spitzenstoss liegt etwas ausserhalb der M.-Linie, ist deutlich zu 
fühlen, von normaler Breite, Töne rein, Aktion normal. 

Über der ganzen rechten Lunge hinten und vorn leises metallisches Atmen; 
einzelne hochmetallische Rhonchi klingen durch den Pneumothoraxraum hin¬ 
durch. Es besteht ein kompletter Pneumothorax und ein kleines pleuritisches 
Exsudat im Pneumothoraxraum. 

Temp.: Vor der .Anlegung des Pn.Th. 3 Tage lang jeden Abend 38, 
morgens 37,2. Pulszahlen 76—88, Atemzahlen 22—26. Nach Anlegung des 
Pneumothorax 2 Tage lang Temperatur bis 38,7, auch Morgentemperatur höher; 
dann aber sinken die Temperaturen, erreichen noch etwa 10 Tage Jang abends 
37,3—37,6 und werden dann 14 Tage nahezu normal, nur jeden 2. oder 
3. Tag 37,4. Vom 25. IV. ab völlig fieberfrei. 

Die Sputum menge stieg in den ersten 14 Tagen auf 15—20, ging dann 
allmählich herunter und war zuletzt dauernd 5,0. Das Körpergewicht ging 
vorübergehend um 1 kg herunter, stieg dann auf 53,4 (18. V. 10). Patientin 
ist jetzt viel wohler, geht herum. Unter dieser reichlichen Bewegung bei bestem 
Allgemeinbefinden sinkt das Körpergewicht auf 52,6 kg. 

Herrn Dr. Sander in St. Blasien verdanken wir die folgenden Berichte: 

„Patientin trat am 24. Juni 10 in die Anstalt ein. Der damalige Be¬ 
fund lautet: 

Über der ganzen rechten Lunge besonders über dem Unterlappen voller 
tiefer Schall, hauchende amphorische Atmung. R. v. o. bis zum 3. ICR., 
r. h. o. bis Med. scap. leise imd entfernt hörbare metallische Rasselgeräusche. 
Vorne von der 4. Rippe bis unten und hinten von Med. scap. bis unten leises 
klein- und mittelblasiges Rasseln. L. v. o. supraklavikulär, 1. h. o. supraspinar 
Knattern. 

Das Allgemeinbefinden war gut, Husten sehr wenig vorhanden, kein 
A u s w u r.f, die Temperatur normal und erreichte nur an wenigen Tagen in 
der zweiten Woche 37,6 in den Nachmittagsstimden. 

Am 8. Juli 10 wurde der Pneumothorax durch Nachfüllung von 850 ccm 
Stickstoff erneuert. Am Tage nachher leichtes Oppressionsgefühl, aber sonst 
gutes Befinden und keine Temperatursteigerung. So blieb es auch in den 
folgenden Wochen. Am 13. August bekam die Patientin einmal etwas .\uswurf, 
den sie leider nicht zur Untersuchung geschickt hat und eine Temperatursteigerung 
bis 37,7. 

Am 14. August wurden wiederum 900 ccm Stickstoff nachgefüllL 
Danach wurde die Temperatur wieder völlig normal. Auswurf stellte sich 
nicht wieder ein, und das Allgemeinbefinden war ein völlig normales. 
Die Patientin ist durchaus leistungsfähig und macht zw«m- 
m a 1 täglich einen d r e i v i e r t e l - bis e i n s t ü n d i g e u S {> a z i r - 
gang. 

Auf dem Röntgenschirm wurde jedesmal vor und nach dem Stickstoff¬ 
einlauf die Grösse des Pneumothorax kontrolliert. Vor der letzten Punktion 
hatte sich der Lungenstumpf etwas stärker ausgedehnt, war aber liintcrhei: 


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29G 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


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deutlich zusainmengefaJlen. Exsudat w^ar niemals im Pleuraraum 
nach w e i s b a r. Nach der letzten Punktion zeigte die Untersuchung auf 
der ganzen rechten Lunge übervollen tiefen Schall, amphorische Atmung und 
in toto mässig zahlreiche entfernt klingende metalUsche Rasselgeräusche, ln 
de r linken Spitze keine deutlichen Geräusche.“ 

28. Vlll. 10. „Patientin bekam vor einigen Tagen wieder etwas Auswurf, 
in dem wir noch spärliche Tuberkelbazillen nachweisen konnten“. 

20. IX. 10. „In der ersten Septemberwoche hatte Frl. K. leichte Temperatur¬ 
erhöhungen bis 37,4/5 in den Nachmittagsstunden. Auf dem Röntgen- 
scliirm zeigte sich die Lunge etwasausge dehnt. Es wurden 
«larauf am 11. Septeber 1250 ccm Stickstoff nachgefüllt, wodurch, wie durch 
das Röntgenbild kontrolliert werden konnte, eine gute Kompression der rechten 
Lunge herbeigeführt wurde. Seitdem ist das Befinden der Pat. 
wieder ein völlig gutes. Die T<Mnperatur ist normal, kein 
Husten, kein A u s w u r f.“ 

Bericht des Herrn Ur. Sander, St. Blasien, sub 16. XI. 1910: 

.\in 19. Oktober Nachfüllung von 900 ccm Stickstoff. Am 11. November 
Schmerzen auf der erkrankten rechten Seite. Temperatur bis 37,8. Bei einer 
Röntgendurchleuchtung am 13. zeigte sich ein ganz kleines Exsudat rechts 
unten, welches nur durch kräftiges Schütteln des Thorax auf dem Röntgen¬ 
schirm, nicht aber durch die Perkussion nachgewiesen werden konnte. Am 
selben Tage Nachfüllung von 500 ccm Stickstoff. Die Einführung der Punktions¬ 
nadel war diesmal ausserordentlich schmerzhaft. Es bestand also zweifellos 
eine Pleuritis. Nach der Punktion ist die Temperatur von Tag zu Tag mehr 
heruntergegangen und heute normal geblieben. Auch die Schmerzen haben 
sich verloren, so dass die Patientin wieder aufstehen kann. 

Die Temperaturerhöhungen und das Sputum wurden stets prompt 
durch die Nachfüllung beseitigt. Das letzte Sputum wurde im August 
expektoriert und enthielt noch Bazillen (Gaffky III). Seit¬ 
dem ist die Patientin andauernd ohne Aufwurf. Das All¬ 
gemeinbefinden ist andauernd gut. Das Körpergewicht hält sich 
seit 1. September auf gleicher Höhe, beträgt jetzt 106 Pfund gegen 103 bei 
der Aufnahme. Die Leistungsfähigkeit ist eine durchaus gute. Die Patientin 
geht täglich H/g—2 Stunden spazieren. 

4. XII. 1910: In Anschluss an meinem Bericht über Fräulein K. vom 
16. V. Monats kann ich Ihnen heute mitteilen, dass nach der letzten |am 
13. November vorgenommenen Punktion die Pleuritis sofort zurückgegangen 
und die Temperatur zur Norm abgefallen ist. Seitdem sind keinerlei 
Störungen aufgetreten. Die Patientin macht ihre Luftkur, geht 
spazieren, hat absolut normale Temperatur und weder 
Husten noch Auswurf. Exsudat konnte bei der letzten in 
d (‘ r vorigen Woche v o r g e n o m m e n e n Untersuchung nicht 
mehr n a c h g e w i e s e n werde n. 

Indikation zur Operation. Seit drei Jahren bestehende 
progrediente Tuberkulose der ganzen rechten Lunge. Leichter in¬ 
aktiver Prozess der linken Spitze. Oft länger dauernde Pieberanfälle. 
Viel Husten. 

Epikrise. Anlegung eines künstlichen Pneumothorax am 
28. III. 1910, der ein kompletter wird. Vom 11. VI. 1910 ab tleines 



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297] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 297 

plenritisches Exsudat im Pneumothoraxraum, das sich sehr bald spon¬ 
tan resorbierte. — Vor der Operation Temperaturen bis 38,0, die 
während der ersten zwei Tage nach dem Eingriff auf 38,7 stiegen, 
dann völliger Temperaturabfall, nur nach längeren Nachfüllungs¬ 
pausen dreimal eintägige Anstiege bis je 37,6, 37,7 und 37,4. — Puls 
80—90. — Auswurf vor der Operation 10,0 ccm, seit Juni 10 meist 
ganz fehlend, ab und zu ein Sputum. In einem solchen wurden zuletzt 
am 28. VIII. 1910 spärliche Tuberkelbazillen gefunden. Befinden 
völlig gut. Die Kranke kann zweimal täglich ohne Mühe je eine 
Stunde gehen. Die kleinen Sputummengen und geringen 
Temperaturen traten immer dann auf, wenn die 
Lunge sich wieder zu sehr ausgedehnt hatte; ein 
sehr charakteristischer Befund, der anzeigt, dass 
die Kompression noch lange Monate fortzuführen ist. 
Der Zeitpunkt, wann mit den Einblasungen aufzuhören ist, kann 
noch nicht angegeben werden; er ist gewissermassen experimentell 
aus dem weiteren Verlaufe zu erschliessen. 

Die Lungenentfaltungsperiode und die ersten 
Monate nach völliger Ausdehnung werden besonders 
sorgsame ärztliche Überwachung erfordern. 

87. Fräulein M. Z., 25 Jahre alt, ans H. 

A n a m n e s e: Patientin ist die Schwester des Fräulein K. Z. Vergl. über 
Heredidät Krankengeschichte Nr. 78. Als Kind gut entwickelt. Machte Masern 
und Scharlach durch, sonst war sie nie ernstlich krank, keine Skrofulöse, keine 
Rachitis, nie Lungenentzündung, nie Pleuritis, keine ausgesprochene Chlorose. 

Beginn der jetzigen Lungenkrankheit April 07 mit einer Blutung (ca. zwei 
Esslöffel voll). Husten soll allerdings schon ca. ein halbes Jahr lang vordem 
bestanden haben. Er war jedoch so gering, dass Patientin demselben keine 
Beachtung schenkte. Mai 07 bis August 07 Kur in Rehburg ohne wesentliche 
Besserung. Damals wurden schon Tuberkelbazillen im Auswurf nachgewiesen. 
Seit Oktober 07 fast ununterbrochener Aufenthalt in Davos. Hier ging es der 
Kranken relativ gut, selten Temperatursteigerung. Allgemeinbefinden ziemlich 
gut. Hustenreiz wechselnd stark. März 08 machte Patientin eine leichte In¬ 
fluenza durch. Mai 08 Rippenfellreizung hinten rechts unten. Mai 09 leichte 
Blutung, gefolgt von Temperaturen bis 37,8 während einer Woche. Juli und 
August 09 Aufenthalt im elterlichen Hause in H. Dort bald nach Ankunft kleine 
Blutung mit Temperatursteigerung. Seit 16. Oktober 09 im Sanatorium Schatzalp. 

Befund vom 19. 0 k t. 09; Gewicht 72,5 kg, Temperatur schwankt 
zwischen 36,3 und 36,9, Puls 84 bis 96, Auswurf ca. 30 ccm, enthält reich¬ 
lich Tuberkelbazillen (Gaffky VI) und elastische Fasern. Cher der ganzen 
rechten Lunge Dämpfung. 

L. vom über Klav. Atmen zu leise und zu rauh. Exspir. etwas verlängert, 
keine Rh. Sonst vom links normales vesikuläres Atmen. Hinten links oben 
in der Spitze wie vom. L. U.-L. vesikuläres Atmen. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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R. vorn über Klav. leises broncho-amphorisches Atmen, grobe und mittlere 
Rh., meist klingend. Im ersten ICR. dasselbe, im 2. ICR. bronchiales Atmen, 
lautes Knarren und Knacken, im 3. ICR. sehr rauhes Insp., verlängertes Exspir., 
Knarren und Knacken. 4. u. 5. ICR. Insp. rauh-scharf, Exspir. verlängert, nach 
Husten mittlere Rh. Rechts hinten oben über O.-L. leises bronchiales Insp. 
und Exspir., klingende Rh., Knarren und Knacken. Obere Hälfte des rechten 
U -L. leises rauhes Insp., leises hauchendes Exspir., mittlere und grobe Rh. 
Untere Hälfte des rechten Unterlappens dasselbe. 

Im Laufe des November 09 erreicht die Temperatur oft die Höhe von 
37,2, das Gewicht sinkt auf 70 kg, Husten imd Auswurf nehmen etwas zu. 
Im Januar und Februar 1910 sinkt das Gewicht auf 67 kg. 

Am 22. Februar in Form eines Anfalles auf tretende Schmerzen vorn in 
der Gegend der Leber; danach folgen während zwei Monaten Temperaturen 
bis 37,6. Seit dieser Zeit halten sich die Temperaturen andauernd zwischen 
37,4 und 37,7. 

Da sich der leichte F^rozess in der linken Spitze während der fünfmonat¬ 
lichen Beobachtung in keiner Weise verändert hat, da andererseits der Zustand 
der rechten Lunge sich nicht besserte, sondern eher verschlimmerte, wird die 
Frage der Anlegung eines künstlichen Pn.Th. erwogen. Die in letzter Zeit an¬ 
dauernd erhöhte Temperatur, sowie die Gewichtsabnahme von 72 auf 67 kg, 
bringen die Kranke zum Entschluss, sich dem Eingriff zu unterziehen. Ins 
Gew'icht fällt dabei auch der Umstand, dass sich der Zustand der rechten Lunge 
während des beinahe drei Jalire dauernden Kurgebrauchs in Rehburg und Davos 
ohne Zweifel verschlimmert hat. 

29. März 10 Anlegung eines künstlichen Pneumothorax 
(Lucius Spengler imd N e u m a n n) in der vorderen Axillarlinie, im 
6. ICR. nach Brauer. Der Eingriff gelingt glatt, es werden 900 ccm N ein¬ 
gelassen. A.-Dr. == — 2 cm HgO. E.-Dr. = -|- 2—3 cm HgO. 

Die Temperatur sinkt noch am selben Tage zur Norm ab und steigt am 
30. und 31. März nicht über 37,0. Der Puls schwankt an den ersteni 
zwei Tagen nach der Operation zwischen 88 und 100, Allgemeinbefinden sehr 
gut. Ein ziemlich ausgedehntes Hauteraphysem macht der Patientin \venig 
Beschwerden. 

Am 1. April 10 erste Nachpunktion: 

A.-Dr. = — 372 cm HgO. 

E.-Dr. = -J- 372 cm HgO. 

Dabei werden ohne der Kranken irgendwelche Beschwerden zu verursachen 
1000 ccm N eingelassen. Mit dieser Nachpunktion fällt die Temperatur weiter 
ab und übersteigt die Höhe von 36,8 nicht mehr. Der Puls sinkt auf 80 und 
hält sich auf dieser Höhe. Es besteht ein grosser Seiten-Pn.Th. Die Lunge er¬ 
scheint im Röntgenbild als ein langer drei Querfinger breiter Streifen der Wirbel¬ 
säule angelagert. In der 'Spitze bestehen noch breitere Adhäsionen. An der 
Basis ist sic in geringer Ausdehniuig neben der Wirbelsäule dem Zwerchfell 
adhärent. 


Am 8. April 10 zweite Nachfüllung. 
N = 600 ccm. 

A.-Dr. = — 172 cm H.O. 
E.-Dr. -4- 21/2 cm IlgO. 


Am 19. April 10 dritte Nachfüllung. 
N = 800 ccm. 

A.-Dr. = — 72 cm HgO. 
E.-Dr. = + 3,0 cm HoO. 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


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Am 2. Mai 10 vierte Nachfüllung. 

N = 600 ccm. 

A.-Dr. = -”^/2 cm HgO. 

E.-Dr. = 3,0 cm HoO. 

Am 10. Juni 10 sechste Nachfüllung. 
N = 500 ccm. 

A.-Dr. = +V 2 cm HgO. 

E.-Dr. = + 31/2 cm HoO. 


Am 23. Mai 10 fünfte Nachfüllung. 

N = 1000 ccm. 

A..Dr. = ± 0. 

E.-Dr, = -|- 3,0 cm HgO. 

Am 28 Juni 10 siebente Nachfüllung. 
N = 600 ccm. 

A.-Dr. == — 1,0 cm HgO. 
E.-Dr. = + 3,0 cm HgO. 


Am 5. Juli 10 achte Nachfüllung. 
N = 600 ccm. 

A.-Dr. = -|- cm HgO. 
E.-Dr. = + 31/0 cm HoO. 


Am 5. August 10 neunte Nachfüllung. 
N = 1000 ccm. 

A.-Dr. = — 2,0 cm HgO. 

E.-Dr. = + 31/0 cm HgO. 


In dieser Weise werden die Nachfüllimgen fortgesetzt. 

Abschluss der Krankengeschichte am 10. XII. 10. 

Allgemeinbefinden vorzüglich. Der Kranken kann ziemlich 
reichlich Bewegung gestattet werden, da sie durch den Pneumothorax nicht 
im geringsten belästigt wird. Keine Gewichtszunahme, sondern weitere 2 kg 
Abnahme in der ersten Zeit nach dem Eingriff. Temperatur andauernd normal. 
Puls 72—84. Seit Anfang Juni 10 Auswurf sehr spärlich, aber noch Bazillen 
enthaltend. 

Es besteht ein völlig trockener grosser Seiten-Pneumothorax. Die Lunge 
liegt in Form eines ziemlich schmalen Streifens der Wirbelsäule an bis zum 
Zwerchfell herab. In der Thoraxkuppe Adhäsionen. Die andere (linke) Seite 
unverändert. — Behandlung wird fortgesetzt. 


Indikation zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen rechten Lunge mit Kavemenbildung in der Spitze. Beinahe 
dreijähriger Kurgebrauch ohne Erfolg. Leichter inaktiver Prozess in 
der linken Spitze. Während der letzten Zeit vor dem Eingriff Gewichts¬ 
abnahme von 10 Pfund und Temperaturen bis 37,8. 

Epikr ise. Am 29. III. 10 künstlicher Pneumothorax rechts. 
Sofortiger Abfall der Tempeiutur, die dauernd normal bleibt. Puls 
72—84. Seit Anfang Juni 1910 Auswurf sehr spärlich, aber noch 
bazillenhaltig. Grosser, trockener Seitenpneumothorax rechts. Ander© 
(linke) Seite unverändert. Vorzügliches Allgemeinbefinden. — Be¬ 
handlung wird fortgeführt. — 


88. Frau Fr., Restanratears-Gattin, 38 Jahre. (Dr. E. Ranke, München.) 

Wir danken Herrn Kollegen Dr. Ranke nachstehende Angaben: 

Vorgeschichte: Mutter an Phthise gestorben. Vor drei bis vier 
Jahren Auftreten eines Drüsentumors in der linken Axilla. Gleichzeitig, oder 
vielleicht etwas später bemerkt, bestand eine nässende offene Stelle am linken 
Ellbogen. (Infektionspforte: Primär-Affekt?) Die Drüse vergrösserte sich rasch 
bis nahezu Faustgrösse. Operation abgelehnt. Die offene goschwürige Partie 
am linken Ellbogen heilte nach einigen Monaten von selbst. Seit ca IV 2 Jahren 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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ist die Drüse in der linken Axilla in langsamer Rückbildung, jetzt etwa eigross. — 
Als Kind war Patientin nie skrofulös und hatte nie Drüsenschwellungen. 

Befund am 19. IV. 10: 

R. o. Kavernensymptom, tympaniüscher Schall mit Schall Wechsel beim öffnen 
und Schliessen des Mundes, Bronchialatmen, klingendes Rasseln. 

R. u. broncho-vesikuJäres Atmen zum grössten Teil durch sehr zahlreiche 
Rasselgeräusche verdeckt (Giemen, mittelblasiges und grossblasiges Rasseln, 
zum Teil klingend). 

R. untere Grenzen hinten deutlich etwas beweglich. 

L. atmet die ganze Lunge scharf, über der Spitze und hinten um den 
Angulus vesiko-bronchial (lautes Exspirium), sonst überall scharf vesikulär. 

L. die untere Grenze gut beweglich, steht links um l^/g—2 Querfinger 
breit tiefer als rechts. 

Auf der linken Spitze ergibt die Auskiiltation helle, klingende Geräusche, 
die mit dem Charakter des Atemgeräusches (scharf vesiko-bronchial, nahe 
vesikulär) und der geringen Dämpfung so stark kontrastieren, dass es sehr 
nahe liegt, sie für herübergeleitet (von der grossen Kaverne in der rechten 
Spitze) zu halten. 

Sorgfältige Untersuchung ergibt mit Sicherheit, dass diese hell klingenden 
Geräusche nach der Wirbelsäule zu inuner lauter werden und im Klang-Charakter 
und in der Tonhöhe genau den lautesten klingenden. Geräuschen der rechten 
Spitze entsprechen. 

L. h. um den Angulus sehr grossblasige Rasselgeräusche und Giemen 
Atmen vesiko-bronchial, keine Dämpfung. Diese ergeben sich aus den gleichen 
Verhältnissen wie die Spitzengeräusche als fortgeleitet imd zwar hier von 
der Hilusgegend her. 

Am 20. IV. 10 Anlegung eines Pneumothorax (Brauer). 
Schnittverfahren. Erste Einblasung 700 ccm, am Tag darauf 600 ccm. Der 
intrathorakale Druck spielt über 0 (Inspirationsdruck 0). 

Die Geräusche in der Spitze und am Hilus der linken Lunge verschwinden 
nach Anlegung des Pneumothorax bis auf geringe Spuren, die nunmehr mit 
den übrigen Symptomen in möglicher Proportion stehen. 

L. o. wenig feine, zähe knackende Rh. in scharfem Vesiko-bronchial-Atmen. 

L. h. am Angulus Giemen nach Anhusten aus der Tiefe. 

Bericht Dr. Ranke vom 30. IV. 10. 

„Frau Fr. ist durch die Operation zweifellos günstig beein¬ 
flusst. Die starken Schweisse und die mit ihnen verbun¬ 
dene morgendliche Übelkeit sind fast vollkommen ver¬ 
schwunden. Auch ist die Temperatur in den ersten Tagen 
nach den Einblasungen deutlich niedriger, abernoch nicht 
dauernd. Exsudat hat sich bis jetzt nicht eingestellt.“ 

11 . VI. 1910 weiterer ärztlicher Bericht: „Bei Frau Fr. ist wenig Gutes 
nachzutragen. Seit einem Monat bestehen Darmerscheinungen, 
Tumoren im rechten Hypochondrium, Druckempfindlich¬ 
keit, Opstipation, spontane Leibsch m erzen, von Zeit zu 
Zeit Übelkeit, selten Erl)rechen, immer Appetitlosigkeit, 
Gewichtsabnahme. 

Auf der linken I^unge traten mit dem Auftreten einer 
Pleuritis im Pneumothorax (trocken) in der Spitze und am 
Hilus grossblasige Rasselgeräusche auf, die drei Tage 



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301] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 301 

anhielten und dann wieder verschwanden. Diese waren also 
an den Stellen zu hören, an denen vorwiegend die übergeleiteten Geräusche von 
der rechten Seite her vor Anlegung des Pneumothorax zu hören gewesen waren.“ 

Dr. Ranke spricht die grossblasigen Rasselgeräusche an als Bronchitis 
mit Lokalisation um kleinere Herde. 

Die Pleuritis im Pneumothorax gab sich zu erkennen 
durch spontane Schmerzen der ganzen Seite, Druckemp¬ 
findlichkeit der Zwischenrippenräume, feine, knackende 
pleuritische Geräusche, am unteren Rand des Pneumo¬ 
thorax im Bereich der Z werchfellbe wegung beim Atmen 
biparietales Reibegeräusch. 

22. VIII. 1910: Frau Fr. ist während des Urlaubes des Dr. Ranke unter 
den klinischen Erscheinungen zunehmenden Kräfteverfalles und Herzschwäche 
gestorben. Aus dem Auszuge des Sektionsprotokolles ergibt sich, wie Herr 
Kollege Ranke meint, anscheinend, dass es sich nicht um eine „ordinäre 
Phthise“, sondern um eine der Kinder tuberkulöse (generalisierte Drösen- 
Tuberkulose) analoge Erkrankung gehandelt hat. (Pneumonische Erkrankungs¬ 
herde, sehr grosse, frisch verkäste, endothorakale und Körperlymphdrüsen. 
Pneumothorax mit sehr wenig Sekret.) 

Indikation. Schwere, rasch fortschreitende Erkrankung der 
rechten Seite, Einschmelzungserscheinungen, anHaltendes Meber, 
Kräfteverfall. 

Epikrise. 20. IV. 1910 Anlegung eines Pneumothorax, der 
gut gelingt. Geräusche, die auf der linken Seite beobachtet 
wurden und schon vor Anlegung des Pneumothorax als fortgeleitet 
auf gefasst waren, schwinden nach Anlegen desselben fast gänz¬ 
lich. Anfänglich günstige Einwirkung auf Fieber und Allgemein¬ 
verhalten. Nach zwei Monaten aber traten Darmerscheinungein 
sehr in den Vordergrund und eine pleuritische Reizung im Pneumo¬ 
thoraxraum, anscheinend ohne Exsudatbildung. Auch trat anscheinend 
eine Verschlimmerung auf der linken Seite ein. Die Patientin, die 
erneut gefiebert, geht unter den klinischen Zeichen zunehmenden 
Kräfteverfalles am 22. VIII. 10 zugrunde. 


89. Elisabeth M., 17 Jahre alt, Landwirtstrochter, Frankenau. 

Anamnese: Schwere erbliche Belastung, seit Längerem Husten. Februar 
1910 trat rasche Verschlimmerimg ein, anhaltendes, sehr hohes Fiebes, grosse 
Aus wurfmengen, fortschreitender Kräfteverfall, völlige Appetitlosigkeit. 

23. IV. 1910: Aufnahme in die Deutschhausklinik zu Marburg. 
Hochgradige Abmagerung, sehr blass und kurzatmig, leicht zyanotisrh, unfähig 
zu gehen wegen fortschreitenden Kräfteverfalles. 

R. V. o. intensiv gedämpft, mit tympanitischem Beiklang, lautes broncho- 
amphorisches Atmen mit zahlreichen feuchten klingendem Rasseln. Dieser 
Befund reicht herab bis zur 4. Ripj>e; unter der Klavikiila bestfdit Schall¬ 
wechsel und hell-metallisches Klingen. Ab 4, Rippe relativ gtüämpft, lautes 


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302 L. Brauer und Lucius Spengler. [302 

Bronchialatrnen, reichlich feuchtes, grösstenteils klingendes Rasseln. Lungen¬ 
grenze an der 6. Rippe, nur wenig verschieblich. 

R. seitlich und in der Axilla vesiko-bronchiales Atmen, reichlich feuchte, 
grösstenteils klingende Rhonchi. R. h. o. wie r. v. o. Ab Spina relative 
Dämpfung, Grenze 10. Rippe, schwach verschieblich. Über dem ganzen rechten 
Unterlappen sehr rauhes Insp., hauchendes Exsp., mittelzahlreiche feuchte, 
klingende und halbklingende Rhonchi. 

Links: L. v. o. rauhes Inspirium, hauchendes Exspirium, sehr deut¬ 
lich fort^eleitete Rhonchi, neben einem feinen, halbfeuchten, nicht sehr 
reichlichen Rasseln, welches zweife4lbs an Ort und Stelle entsteht. Dieser 
Befund reicht vom bis zur 2. Ripj)e, h. bis Spina. Im 2. und 3. ICR. v. ist 
das Insp. zu rauh, das Exsp. hauchend, einzelne zähe, anscheinend an Ort 
und Stelle entstehende Rhonchi. L. h. über Unterlappen auffällig lautes, pueriles 
Atmen, nur in der Hiluspartie laute, grobe Rhonchi. Grenze 11. Rippe Die 
Herzaktion ist sehr erregt, durchschnittlich 120 pro Min., der Spitzenstoss 
liegt etwas ausserhalb der Mittellinie, die Herztöne sind klappend, aber rein, 
der 2. Pulmonalton ist besonders stark akzentuiert. 

Innere Organe sonst o. B. 

Im Hinblick auf die absolut infauste Prognose wird bei der floriden 
Phthise am 27. IV. 10 nachmittags die Anlegung eines Pneumo¬ 
thorax beschlossen, obwohl in der l. Spitze ein aktiver Prozess be¬ 
steht. Die Angehörigen waren auch im Hinblick auf das erhöhte Risiko mit 
diesem letzten Versuch einverstanden, da sie bei den mehrfachen Todesfällen, 
an Tuberkulose, die in der Familie vorgekommen waren, den Emst der Prognose 
ein sahen. 

Der Eingriff gelang ohne Schwierigkeiten (800 ccm N). Zunächst leichter 
Kollaps, der ohne Schwierigkeit überwunden wird. 

28. IV. 10: Während heute früh die 1. Seite noch ruhig 
war und nur den Befund bot, der auch vor Anlegung des 
Pneumothorax zu erheben war, sind nachmittags über 
dem 1. Oberlappen v. bis zur 3. Rippe und 1. h. o. ver¬ 
mehrte feuchte feinklingende Rhonchi zu hören. Der 1. 
Unterlappen ist frei von Rasseln. Die vor Anlegung des 
Pneumothorax als fortgeleitet an g e s p r o c h e n e n Rassel¬ 
geräusche waren grösstenteils nicht verschwunden, denn 
der r. Oberlappen hatte sich als breit adhärent erwiesen, 
so dass hier noch nahezu der gleiche Befund zu erheben 
war, wie vor Anlegung des Pneumothorax. Die Luft¬ 
ansammlung fand sich r. v. ab 3. Rippe und h. etwa ab Mitte 
Skapula, Unter- und Mittellappen ziemlich gut kompri¬ 
mierend. 

Weiterhin wurde bis Ende Mai in grösseren Zwischenräumen und mit 
Druckwerten, die zum Schluss nur gering auf Plus kamen, nachgefüllt und 
jeweils 500—700 ccm N eingegossen. Der Pneumothoraxraum blieb dauernd 
trocken. Der Stickstoff resorbierte sich jeweils selir rasch. 

Irgend ein günstiger Einfluss auf den Ablauf der 
Krankheit war nicht zu konstatieren. Die Temp., die in der 
Woche vor Anlegung des Pneumothorax täglich auf 40,2—40,5 gestiegen waren, 
blieben zwar fast regelmässig unter 39, das Fieber behielt aber seinen schweren 
hektischen Charakter. Die Pulszahlen blieben hoch und die 



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rK)3] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapsthcrapio. 303 

Atmung beschleunigt. Patientin verlor auch noch weiterhin an Gewicht imd 
Kräften. 

Die Beobachtung der 1. Seite ergab auch hier wieder 
in den nächsten Tagen ein Nachlassen der 24 S t (i. nach 
Anlegung des Pneumothorax hervor getretenen feuchten 
Geräusche (A b k 1 i n g e n d e r L o k a 1 • R e a k t i o n i, dann aber blieb 
in diesem Falle die 1. Seite ruhig, sie bot nicht, wi«? in 
dcm Falle 83, eine allmählich fortschreitende frische Aus¬ 
saat, vielmehr blieben die Befunde irn grossen ganzen so, 
wie vor Anlegung des Pneumothorax, so dass (*s also hier 
nicht zu einerii dauernden Aufflackern des vor Anlc^gung 
des Pneumothorax bestehenden Prozesses kam. 

Da das Befinden der Patientin sich aber, wie g(‘schildt‘rt, dauernd ver¬ 
schlechterte, so wurde sie Ende Mai nach Hause entlassen. Vom lü. .hili bis 
8 . August war Patientin dann erneut in klinischer Beobachtung. Die Tempe- 
ratnreii waren jetzt allerdings etwas besser (das Maximum meistens nur etwas 
über 38), die Sputummengen etwas geringer, der fortschreitende Kräfteverfall 
war aber völlig der gleiche. Auch jetzt erwies die Untersuchung die 1. Seite 
nicht verschlechtert, den r. Oberlappen breit ausg(‘spannt und völlig unverändert, 
den Pneiunothorax von gleicher Grös.se. Komplikationen seitens des Herzens 
imd des Verdauung.skanales waren nicht aufgetrehui. 

Keine Albuminurie. 

Die Patientin wurde wiederum nach Hause entla,ssen und verstarb Ende 
September 1910, ohne dass es möglich war, über die letzten Wochen einen 
irgendwie brauchbaren Bericht zu erhalten. Auch eine Sektion konnte leider 
nicht ausgeführt werden. 

Indikation: Floride, rasch fortschreitende, rechtsseitige Phthise 
bei einem schwer belasteten jugendlichen Mädchen. Absolut infauste 
Prognose. Links im Oberlappen ein massig ausgedehnter aktiver 
Prozess. 

Epikrise: Der Pneumothorax bringt den kranken Oberlappen 
nicht zur Kompression, Unter- und Mittellappen kommen gut in Kol¬ 
laps. Auch hier anderen Tages ein deutliches Aufflackern des aktiven 
Prozesses auf der anderen Seite (exquisite Lokalreaktion), ähnlich wie 
im Falle 83, jedoch lässt sich bei dieser Patientin im Laufe der Be¬ 
obachtung feststellen, dass diese Lokalreaktion nur eine vorüber¬ 
gehende ist und nicht zu einer dauernden Verschlechterung der 
1. Seite führt, so dass also hier kein frischer Nachschub auf der 
relativ gesunden, anderen Seite entsteht. 

Irgendwelche Heilwirkung war bei diesem Fall nicht zu beob¬ 
achten; der fortschreitende Prozess war nicht aufzuhalten, umsomehr, 
als der rechte Oberlappen nicht in Kollaps kam. 


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304 L. Brauer und Lucius Spengler. [304 

90. Carl F., Kaufmann, 26 Jahre alt, ans Nackenheim. (Landes- 
versicherungsanstalt Grossh. Hessen.) 

Aufnahme am 26. V. 10. (Med. Klinik Marburg.) 

Vorgeschichte: Familien-Ananmese ohne Belang. Mit 19 Jahren 
Bronchialkatarrh, dann aber 3 jähriger Militärdienst. Frühjahr 09 erneuter Bron¬ 
chialkatarrh, der ungefähr Vi anhielt, dabei blutiger Auswurf. März 

1910 wieder Husten und blutiger Auswurf, kein Fieber, keine Nachtschweisse, 
aber matt. Der behandelnde Arzt stellt eine Phthise fest, und nach anfäng¬ 
licher häuslicher Behandlung wurde Patient zur Anlegung eines Pneumothorax 
der Klinik überwiesen. 

Status: Gut gebaut, mässig abgemagert, keine stärkere Anämie. Die 
rechte Seite steht tiefer wie die linke. Sputum 25 ccm pro Tag. Reich¬ 
lich Tuberkelbazillen. Herz ohne Befund. 

Lunge: Rechte Seite schleppt, in den oberen Partien eingesunken, Grenzen 
normal und verschieblich. Rechts Spitzenfeld eingeengt, unscharf begrenzt. 
R. V. o. besteht eine ziemlich harte tympanitische Dämpfung, die bis zur 4. Rippe 
herabreicht und von dort an allmählich in einen normalen Schall übergeht. 
R. h. ebensolche Dämpfung bis Ausgang Skapula. Von hier an dann 
allmählich normaler Lungenschall. Links ist das Spitzenfeld normal breit. 
Die innere Grenze ist etwas unscharf. L. v. und h. o. ganz leichte Schallver¬ 
kürzung. Sonst links Perkussion normal. 

Auskultation: R. v. o. broncho-vesikuläres Atmen, bis zur 3. Rippe 
vesiko-bronchiales Atmen, das allmählich bis zur 5. Rippe hin abklingt und 
dann normalem Atmen Platz macht. Über dem ganzen rechten Oberlappen vom 
massenhaft grosse, mittel- und feinblasige Rasselgeräusche, die von der vierten 
Rippye ab an Menge abnehmen. Unterhalb der 5. Rippe hört man einzelnes 
Knistern und Knattern. Die Flüsterstimme ist über dem Oberlappen verstärkt 
R. h. o. broncho-vesikuläres Atmen, das bis zu den unteren Abschnitten der 
Skapula reicht, und von da an allmählich in rauh-vesikuläres Atmen übergeht. 
Hinten oben die gleichen massenhaften Rasselgeräusche wie vorn. Über 
dem rechten Unterlappen hört man verstreute knackende Rhonchi. 

L. h. imd V. o. ist das Inspirium etwas laut und verschärft, das Exspirium 
verlängert. Beim Husten hört man hier mässig zahlreiche, fernklingende feuchte 
Rhonchi, die als fortgeleitet angesehen werden. Daneben aber einzelne, dem 
Ohre naheliegende knackende Rhonchi, die anscheinend lokal entstehen.* Sonst 
links frei. 

Die Durchleuchtung zeigt rechts über den oberen Thoraxpartien einen 
dichten Schatten, über den unteren Partien rechts disseminierte Prozesse. Die 
Hiluszeichnung ist beiderseits stark vermehrt. Die 1. Lungenspitze erscheint 
klar, Zwerchfell beiderseits gut beweglich. 

Am 31. V. 1910 Anlegung eines Pneumothorax, 600 ccm. 
Am Abend dieses Tages 37,-5, von da an wieder normale Temperaturen. Das 
Körpergewicht bei der Aufnahme, sowie am Tage der Operation 57,5 kg. Die 
Puls- und Atem-Zahlen werden nicht wesentlich beeinflusst Durch weitere Nach¬ 
füllung gelingt es, einen grossen und guten Pneumothorax zu erzeugen, denn 
es besteht nur eine leichte Adhäsion an der Lungenspitze. Die Sputummengen 
bleiben etwa 14 Tage unvc'rändert, sinken dann mehr und mehr ab. Die Tbc, 
schwinden Ende Juni, um welche Zeit Patient noch 7—15 ccm Sputuni hat. 
Im Verlaufe des Juni nur noch 4—10, meist 5 ccm Sputum. Unter dauernder 
Nachfüllung vorzügliches Allgemeinbefinden. Sputummenge überschreitet nicht 



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305] Erfalirungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 305 

mehr 5 ccm. Körpergewicht steigt auf 58,5 kg. Wegen guten Befindens am 
'14. August beurlaubt und zu weiteren Nachfüllungen bestellt. 

Der Pneumothorax bleibt trocken; nur zeitweise zeigt sich 
im Thorax-Zwerchfellwinkel ganz minimale Menge Flüssigkeit; dieses mög¬ 
licherweise normale Pleuraflüssigkeit, die bei scharfer Durch¬ 
leuchtung in dem Winkel gerade eben nachweisbar wird. Auf der anderen Seite 
verschwanden alsbald nach der Punktion jene Geräusche, die als fortgeleitet 
bezeichnet wurden. Es blieb zunächst ein spärliches feines Knacken bestehen, 
welches als autochthon angesehen worden war. Seit Mitte Juli ist aber auch 
dieses völlig verschwimden und links über der Spitze nur noch etwas scharfes 
Inspirium zu hören, sonst nichts. 

Die Sputummengen waren seit Anfang Juli dauernd unter 10ccm herunter¬ 
gegangen. meistens 5 ccm. Es wird in regelmässigen Abständen auf T u b e r k e 1- 
bazilien untersucht, jedoch werden keine gefunden. Vom 
14. VIII. 10 bis 22. VIII. 10 beurlaubt, kommt in gutem Zustande zurück: ist 
auch jetzt noch fieberfrei. Atemzahl stets um 20, Pulszahlen 80—8G. 
Am 2. IX. beginnt eine leichte T e m p e r a t u r s t e i g e r u n g , die 
bis zum 5. IX. a n h ä 11 und als Maximum 38,0 bringt. Gleichzeitig 
hiermit entwickelt sich ein allmählich bis zur Brustwarze ansteigendes E x - 
s u d a t, welches sich bei der Probepunktion als klar-serös erweist. 
Nach Überwindung jenes viertägigen Fiebers ist Patient 
wieder völlig fieberfrei (bei dreimaliger Messung wrährend des Tages 
kein einziges Mal über 37). Das .\llge meinbefinden bleibt 
dauernd vorzüglich; das Aussehen ist gut. Es wird in grösseren 
Zwischenräumen N nachgefüllt. Ende September steigen die Sputummengen 
wieder etwas höher (10—20 ccm pro Tag, meist 15), aber auch jetzt sind bei 
wiederholter Untersuchimg Tuberkelbazillen nicht zu finden. Am 9. November 
1910 werden durch Punktion 1100 ccm Exsudat in kleinen Absätzen ent¬ 
leert und stets durch eine entsprechende Mengen Stickstoff ersetzt. Im ganzen 
werden 1500 ccm N eingegossen. Das Exsudat ist klar-serös, enthält wenig 
Zellen; spezifisches Gewicht 1021. Das Körpergewicht war vor Beginn 
der Behandlung 57,5 kg, jetzt, und zwar nach Entleerung des Exsudates, 61 kg. 
Der Befund auf der linken Seite hält sich unverändert gut. 

Indikation. Dichto tuberkulöse Infiltration im rechten Ober¬ 
lappen, ziemlich engstehende dissiminierte Herde im Mittel- imd Unter¬ 
lappen. Links im Oberlappen geringfügiger, wenig aktiver Prozess. 

Epikrise. Bis jetzt recht erfreulicher Anfangserfolg (siehe 
die letzten Befunde). Die Behandlung wird regelrecht fortgeführt 
werden müssen und zwar ist Ä in diesem FslIIq wahrscheinlich 
möglich, sie zu Hause durchzuführen. Der linksseitige Befund ging 
zum Teil gleich nach Anlegung des r. Pneumothorax zurück, er¬ 
wies sich damit — wie angenommen — als fortgeleitet; der Best, 
der lokalen Veränderungen seine Entstehung dankte, bildete sich 
zurück. 


Beiträge zur Klinik der Tuberknlose. Bd. XIX. H. 1. 


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3<)6 L. Brauer und Lucius Spengler. [306 

91. Frau Dr. C., 33 Jahre alt, aus D. (Dr. Kremser-SUlzhayn.) 

Patientin wird von Herrn Dr. Kremser- Sülzhayn mit nachfolgendem 
Bericht überwiesen: 

„Anamnese: Patientin, die zweite von 3 (ieschwisteni, war als Kind 
und auch später wohl etwas hocligewachsen, aber stets gesimd. Scharlach, 
Masern und Keuchhusten wurden leicht überwunden. Dann angeblich gesund 
geblieben bis Juni 1909. Pat. erkrankte unter einer atypischen 
Influenzapneumonie, die sich etwa 7 Wochen mit massigem Fieber 
hinzog. Pneumoniekokken wurden nicht nachgewiesen, da¬ 
gegen gleich Tuberkelbazillen. Patientin blieb in dieser Zeit in H., 
im Eltemhause, ging nur vorübergehend später nach D. in Thüringen, um 
nun jetzt hier eine Kur im Sanatorium durchzumachen. — Mutter an Tuber¬ 
kulose mit 49 Jahren gestorben, ebenso ein Bruder derselben. Der Vater und 
zwei Greschwister leben \md sind gesund; ebenso zwei Kinder der Patientin; 
beide Entbindungen normal verlaufen; erstes Kinld 6 Monate, das jüngste 5 Monate 
lang genährt; letzte Entbindung am 16. Januar 1909. 

Status praesens Oktober 1909: Gewicht: 63,5 kg, FielxT: 0. 
Tbc.: ja. Insp,: 84, Exspir.: 76. Puls: 78, ziemlich kräftig, gleichmässig. 
Herz: 0. Komplikation: leichte Anämie. 

Patientin, eine schlankgewachsene, junge Frau mit dunklem Teint und 
leichter Chlorose sowie mässigern Fettpolster klagt über massigen Hustenreiz 
mit geringem, teilweise dickballigem, schleimig-eitrigem Auswurf, zumal morgens 
beim Aufstehen, über sehr geringen Appetit mit scheinbar etwas behinderter 
Speichelabsonderung. Stuhlgang normal. — Schlaf gut; Nachtschweisse nicht 
vorhanden; Ohren und Kehlkopf normal; chronischer Nasen-Rachenkatarrh. 
Menses normal. 

Lungenbefund: R. v. o. Schall bis 1. ICR. gedämpft mit leicht 
tympanitischem Beiklang (Kavenie), im 2. ICR. und in Axilla deutlich verkürzt, 
ziemlich voll nach vom und seitlich und unten mit ziemlich hohem Zwerch¬ 
fellstande \md schlecht verschieblicher imterer Lungengr^ze (Retraktion). Atmung 
über Klavikula sehr abgeschwächt mit verlängertem Exspirium und trockenem 
Rasseln und Giemen, zumal nach Anhusten; im 1. Interkostalraum und Axilla 
sehr verschärftes Atmen mit bronchialem Charakter auch im deutlich verlängerten 
Exspirium mit mittelzahlreichen, vorwiegend feuchten Rasselgeräuschen; im 
2 . ICR. verschärftes Inspirium, verlängertes Exspirium mit seltenem trockenem 
Giemen und Pfeifen nach Anhusten und auf der Höhe forcierter Inspiration; 
nach r. h. u. und seitlich und Basis .sehr abgescliwächte, überall reine Vcsikulär- 
atrnung. 

L. V. o. und unten bei vollem Schall reine Vesikuläratmung. 

R. h. o. Schall bis Skapula deutlich verkürzt, Atmung sehr abge¬ 
schwächt, im Exspirium verlängert, hauchend bis Spina scapulae und massigem 
trockenem Rasseln und Giemen bis ^4 Skapula; nach r. h. u. und aussen bei 
vollen! Schall reine Vesikuläratmung. 

L. h. o. und unten nonnaJ. 

31, V. 1910. Die seit Mitte Januar 1910 im Anschluss an 
die I n f1u e n z a e r k r a n k u n g zurückgebliebenen leichten 
Temperaturanstiege bis 38*^ schwanden auch unter Pyra¬ 
miden und dauernder B e 11 r u li e ‘ n i c h t. Ohne Pyramidon bewegten 
sie sich vom 13. bis 20. Februar bis 38,5 und 38,7. Gewicht 57 kg. 


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307] 


Erfahrungen und Cberlcgungcn zur Lungenkollapstherapie. 


307 


Am 20. Februar setzte eine massige Blutung ein, bei der die 
Temperaturen bis zum 24. II. auf 39^ und einmal sogar auf 
39,6 (amTagenachderBlutung) sicherhoben. Am 22. II. zeigte 
sich wieder etwas Blut, ebenso am 2. und 12. März mit 
wechselnden Temperaturen zwischen 38 und 38,5. Wegen diesen 
leichtem, aber doch länger ajihaltenden Blutungen wurde neben den sonst 
üblichen internen Mitteln 1 mal 40 g Gelatine subkutan gegeben. Vom 12. 111. 
ab hielt sich die Temperertur ohne interne Mittel bis 22. III. unter 38®, um 
von diesem Tage an im Anschluss an wiederholte Blutungen, die 
bis zum 25. III. dauerten und mehrere sukutano Gelatine-Injektionen nötig 
machten, sich bis 1. April zwischen 38,0 und 38,3 zu halten. Von da ab sank 
die Temperatiur ohne interne Medikation trotz kleiner Blutbeimengungen vom 
9. IV. bis zum 16. IV. unter 38,0. Von dieser Zeit ab sistieren die 
Blutimgen, während trotz Bettruhe und interner Medikation von Aspirin-Arsen¬ 
pillen, abwechselnd mit Pyramiden, die Temperaturen sich zwischen 
38,0 und 38,9 bewegten, um in den allerletzten Tagen bei gleicher Medi¬ 
kation wie früher auf 38,0 und darunter sich zu halten. Der Appetit Hess 
in der ganzen Zeit viel zu wünschen übrig, während Husten 
und Auswurf Patientin zeitweise trotz interner Mittel stark belästigte. Gleich¬ 
zeitig machte sich vorübergehende Heiserkeit bemerkbar. Eine Unter¬ 
suchung des Kehlkopfes wurde von Pat. in Rücksicht auf die grosse Empfind¬ 
lichkeit des Halses imd Neigung zu Erbrechen vorläufig noch abgelchnt. Im 
übrigen berechtigte die Beobachtung dieses Symptoms zu der Annahme, dass 
es sich um keine ernstlich organische Erkrankung dieses Organs, sondern um 
einen vorübergehenden Reizzustand, verursacht durch stärkeren Husten, handle. 
Die Anfang Februar verursachte Behandlung mit Alt-Tuberkulin ermöglichte 
nur zwei Einspritzungen von 0,0025 und 0,005 mg. Das bestehende Fieber zwang 
zur Einstellung dieser Behandlung. 

Pat. ist jet^t etwa 14 Tage wieder ausserhalb des Bettes und verbringt 
den Tag zumeist auf dem Balkon liegend. Da eine Besserung des Krankheits¬ 
falles durch alle hier zu Gebote stehenden Mittel bis jetzt nicht zu ermög¬ 
lichen war, auf der anderen Seite aber durch das mehrwöchige Ausbleiben der 
Blutung einem Transport keine wesentlichen Bedenken mehr entgegenstehen, 
soll Pat. zwecks eventueller Anlegung eines künstlichen Pneumothorax zur 
weiteren Beobachtimg Prof. Brauer in Marburg zugeführt werden. 

Lungenbefund vom 16. Mai 1910. 

R. V. Schall bis 2. ICR. stark gedämpft, nach vom und unten deutlich 
verkürzt mit wenig verschieblicher unterer Lungengrenze und hochstehendem 
Zwerchfell; in Axilla und darunter Schall voller mit etwas besser verschieb¬ 
licher unterer Lungengrenze. Atmung vom oben abgeschwächt, nach Anhusten 
bis 2. ICR. mit bronchialem, amphorischem Beiklang und mittelzahlreichem, 
kleinblasigem zumeist feuchtem, klingendem Rasseln und Giemen in diesem 
Bezirk; nach vom unten ohne Rasselgeräusche. In Axilla Atmung verschärft 
mit massigem, feuchtem und klingendem Rasseln und Giemen, das sich nach 
seitlich unten bei abgeschwächter Atmung fast ganz verliert. 

L. V. bei vollem Schall mid gut verschieblicher unterer Lungengrenze bis 
3. ICR. und in Axilla deutliche, kräftige, nach vom und seitlich imten etwas 
abgeschwächte, reine Vesikuläratmung. 

R. h. bis Vs Skapula stark gedämpfter Schall mit leicht tympanilischem 
Beiklang in der Fossa supraspinata, nach unten und aussen vollerer Schall 

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308 L. Brauer und Lucius Spengler. [308 

mit fast unverschieblicher unterer Lungengrenze. Atmimg bis 1/3 Skapula ver¬ 
schärft, im Exspir. verlängert, mit bronchialem Beiklang und mittelzahlreichen 
kleinblasigen, teilweise feuchten, bis Spina scapulae klingenden Rasselgeräuschen; 
nach hinten unten und aussen bei stark abgeschwächter Atmung mässiges klein¬ 
blasiges Rasseln und Giemen. 

L. h. Schall bis 1/3 Skapula leicht verkürzt, sonst ziemlich voll nach 
hinten unten und aussen. Atmung an der Spitze abgeschwächt vesikulär, mit 
seltenem trockenem Knarren auf der Höhe der Inspiration zumal nach An¬ 
husten; nach hinten unten und aussen Vesikulänitmung, von -/s Skapula 
ab mit mässigen, mehr aus der Tiefe kommenden trockenen Rasselgeräuschen 
vermischt, die zum Teil von rechts herübergeleitet erscheinen.“ 

Aufnahme in die Deutschhaus-Klinik in Marburg. In 
8 tägiger Beobachtungsperiode zeigt sich die Patientin sehr matt. Sie ist sehr 
elend und hinfällig, nur schw'er zu untersuchen, da sie 
alles anstrengt. Sie kann kaum stehen, ist sehr verstimmt. 
Trotz 0,G Pyramidon pro Tag dauernd subfebril. Maximum 37,7—38,7, Minimum 
stets über 37. Körpergewicht 55 kg. 

Das Ü b e r s i c h t s b i 1 d (2. VI. 1910) wurde von Herrn Dr. Ruediger 
beschrieben. (Diese Beiträge Bd. XVII, p. 167; ebenda Taf. III, Nr. 7.) Die 
Spitzenplatte, mit Kompressionsblende aufgenommen, zeigt eine Schrump¬ 
fung der rechten Seite; die Seite ist im ganzen stark abgeschattet. Eine Kaverne 
ist deutlich zu erkennen; links findet sich eine deutliche pathologische Mar¬ 
morierung. Neben einzelnen, ziemlich scharf umschriebenen Herdchen finden 
sicli andere, die weicher erscheinen, als noch frischeren Herden ent¬ 
sprechen^ In Summa ist also zweifellos die linke Spitze leicht erkrankt und 
zwar finden sich neben älteren einzelne spärliche jüngere Herde. 

Diagnose: Aktiver, sehr dichter Prozess der ganzen rechten Seite, 
grosse Kaverne im rechten Oberlappen; geringfügige disseminierte, zum Teil 
noch frische Herde im linken Oherlappen. 

Am 8. Juni 1910 Anlegung eines rechtsseitigen Pneumo¬ 
thorax (900 ccm). Patientin hleibt zunächst sehr matt imd behält die 
gleichen Temperaturen; nur werden dieselben im Laufe der nächsten Woche 
insofern etwas besser, als trotz Fortlassens der Fiebermittel die Morgentemperatur 
auf 36,5—36,7 sinkt und die Abendtemperatur 37,5—37,8 ist. Dieses Temperatur- 
verhalten bleibt bis Ende Juni 10 bestehen. Von da ab sinkt die Tempe¬ 
ratur bis nahezu zur Norm. Die Sputummengen nehmen ganz langsam 
ab, die Patientin fühlt sich nach 2—3 Wochen zunehmend 
w o hie r. 

Anfangs Juli wird ein Pleuraexsudat im Pneumothoraxraum bemerkbar. 
Am 15. VII. werden 100 ccm abgelassen (klar serös, einzelne Lymphozyten, 
auch im Tierversuch keine Tbc.* nachweisbar). Das Exsudat bleibt stets niedrig. 
Das Körpergewicht zeigt leichte Schwankungen um 55 kg. Anfang Juli trat 
ein akuter, ziemlich heftiger Dickdarmkatarrh auf, der etwa 14 Tage 
lang bestand. Damit vorübergehendes Sinken des Körpergewichts auf 63,9 kg. 

Am 16. August 1910 mit nachfolgendem Schlussbefund zur Weiterbehand¬ 
lung nach Görbersdorf — Dr. Joel — entlassen. 

Durchleuchtung: Linke Seite gegen früher unverändert (leichte Hilus- 
schatten und einzelne Herdchen in der Spitze), eher erscheint die linke Spitze 
klarer, als auf der alten Röntgenplatte. Rechts in der oberen Thoraxpartie 
erkennt man deutlich die halbkollabierte Kaverne und sieht, dass der Ober- 



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309J 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


309 


lappen auch medial von Luft umspült ist Der Pneumothorax¬ 
raum-nimmt etwa Vs rechten Seite ein. Das Exsudat erreicht nicht 
ganz die Zwerchfellkuppe, ist also nicht mehr bedeutend, in letzter Zeit eher 
gesunken. Allgemeinbefinden gegen die Zeit der Aufnahme wesent¬ 
lich gebessert. Die Patientin hebt das entschiedene Wohl-^ 
sein gegen früher scharf hervor, während sie beim Kom¬ 
men kaum gehen und stehen konnte und sich sehr matt 
fühlte, sei sie jetzt viel frischer. Die Temperaturen (Mund¬ 
messungen) sind nahezu normal, abends 37,2—37,3, nur selten 37,5; Morgen- 
teraperatur 36,3—36,5 (bei der Aufnahme waren die Morgentemperaturen über 
37 und die Abendtemperaturen um 38). Die Sputummenge von etwa 75 auf 
etwa 26 ccm herabgegangen. Tuberkelbazillen bei der Aufnahme Gaffky III—IV, 
jetzt 0—I. Elastische Fasern sehr spärlich, anfangs reichlich. Das Wohlbefinden 
war zeitweise durch einen Dickdarmkatarrh gestört; alle Zeichen von Darm- 
tuberkulosc fehlen aber. Darm jetzt in Ordnung. Körpergewicht während 
des hiesigen Aufenthaltes in der Zeit des Darmkatarrhes von 55 auf 53 kg 
zurückgegangen. 

Perkussion: R. v. und h. o. laute Tympanie, Spitze sehr breit und 
scharf begrenzt. Die gleiche laute Tympanie nimmt die ganze rechte Seite ein. 
Stäbchen-Plessimeter-Phänomen ist auf der rechten Seite auch hörbar. 

L. h. o. imd V. o. normal lauter Lungenschall, breite Spitze, nach oben 
zu Grenze etwas unscharf. Grenze 1. h. 11. Rippe, gut verschieblich. 

Spitzenstoss schwach etwas oberhalb der Mamillarlinie zu fühlen. Herz¬ 
töne rein, Aktion ganz leicht beschleunigt. 

Auskultation: L. v. o. Inspirium etwas scharf, Exspirium etwas 
verlängert, kein Rasseln. Ebenso 1. h. o. 

Auch sonst über dem linken Oberlappen etwas verschärftes, nicht rauhes 
Atmen, ohne Rasseln. Linker Unterlappen ohne Besonderheiten. Auch links 
im Hilus kein Rasseln. 

R. h. o. imd r. v. o. Pneumothoraxhauch, das gleiche über der ganzen 
rechten Seite zu hören, nur ist an den Partien, wo nach dem Röntgenbilde 
oben die Lunge adhärent ist, das amphorische Atmen sehr leise. Dort sind 
auch einzelne zähe, metallisch klingende Rhonchi zu hören. 

Vier Tage nach der Abreise von Marburg entwickelten sich im Anschluss 
an eine angreifende Zahnbehandlung plötzlich Temperaturen bis 38,8; das 
Fieber blieb dann 8 Tage lang bis etwa 37,8 bestehen und ging dann wieder 
auf die niederen Werte wie vordem zurück. Am 28. VIll. wurde in Görbersdorf, 
während Patientin noch leicht fieberte, die 8. Punktion ausgeführt (450 ccm). 
Im Befunde war bemerkenswert, dass links hinten oben neben der Spina spär¬ 
liche Geräusche nachweisbar waren. Auch fanden sich über dem linken Unter¬ 
lappen verschärftes Atmen und leichte katarrhalische Erscheinungen. Die PaL 
wurde wegen dieser Veränderungen auf der anderen Seite von den Kollegen 
wiederholt untersucht, um entscheiden zu können, ob tatsächlich lokale Ver¬ 
änderungen beständen oder nicht. Die Geräusche sind im Laufe der Beobach¬ 
tung teils zurückgegangen, teils zweifellos als fortgeleitct erkannt. Da auch 
jetzt (Anfang November 1910) auf der linken Seite Geräusche nicht zu hören 
sind und der Befund sich mit dem deckt, was vor Anlegung des Pneumothorax 
erhoben wurde, so ist wohl mit Sicherheit zu sagen, dass sich 
die andere Seite bis fetzt sehr gut gehalten hat. 

Im Pneumothoraxraum fand sich eine mässige Menge Exsudat. Bei den 
üblichen Zwischenräumen erfolgenden Nachfüllungen wurde von dem Exsudat 


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310 L. Brauer und Lucius Spengler. [310 

gelegentlich etwas abgelassen. Ais am 10. IX. 300 ccm N unter etwas grösserem 
Druck eingebracht waren, wurde nach Entfernung der Nadel etwas Exsudat 
durch den Stichkanal in das Ünterhautzellgewebe ge¬ 
presst. Es entstand an dieser Stelle ein empfindliches 
.Infiltrat, — ein Vorgang, den auch wir gelegentlich beobachteten. Iin 
weiteren Verlaufe traten unangenehme Erscheinungen aber nicht auf; unter 
Umschlägen mit essigsaurer Tonerde wurde die Partie völlig reak¬ 
tionslos, so dass jetzt nur noch eine massige Induration zu fühlen 
ist. Die Patientin war dauernd subfebril. Die Minima lagen um 37,9, die 
Maxiina um 37,6—38,0, und nach zwei Punktionen jeweils Temperatursteige¬ 
rungen von 38,8 resp. 39,7. 

14^ X. 1910 geringfügige Hämoptoe, 1—2 Teelöffel voll, mit 
nachfolgendem leicht tingiertem Sputum. Nach 3 Tagen w^ar das Sputum wieder 
völlig blutfrei. Die Hämoptoe kam im Anschluss an eine Nachfüllung. Die 
rechte Lunge hatte sich ziemlich weitgehend ausgedehnt imd wieder stärker 
geatmet. 

Die Sputummenge stieg in letzter Zeit in Görbersdorf wieder von 25—30 
auf 70—80. 

Patientin reiste am 20. X. nach D. und von dort nach Marburg. 

28. X. 1910 Wiedereintritt in die Deutschhausklinik zu 
Marburg; am 27. X. 1910 Körpergewicht 51,200 kg. Allgemeinbefinden 
gegen die Zeit der Entlassung entschieden etwas schlechter, aber besser als 
w’ie vor der Operation. Sputummengen: 50—75, Tbc.-Befund: positiv, Tem¬ 
peraturen leicht subfebril. Morgens meist 36,5—36,7, abends 37,5—37,8. 

Objektiv: Die physikalische Untersuchung zeigt einen bis 
über die Lungenspitze herüberrcichenden Pneumothoraxraum, durch welchen 
lautes amphorisches Atmen hindurchklingt. 

Bei der Röntgenkontrolle ergibt sich, dass der Unterlappen relativ 
gut komprimiert ist, dagegen ist der Oberlappen durch seitliche Adhäsionen 
fixiert und nur von vorn imd hinten von Luft umflossen, so 
dass er etwas zusammengedrückt ist. Der Oberlappen erscheint in seinem 
unteren Teile als auffallend dicker, klumpiger Schatten, zweifellos dichter und 
massiger als früher. Im oberen Teile des Oberlappens ist die grosso Kaverne 
sichtbar. Das Röntgenbild legt den Gedanken nahe, dass in diesem Oberlappen 
ein pneumonischer Prozess vorliegt. Zu dieser Annahme stimmt die 
Angabe des Ehemannes (Arzt), dass das blutig verfärbte Sputum während der 
kleinen Hämoptöe am 14. und 19. X. einen durchaus pneumonischen Eindruck 
gemacht habe. Eine Entscheidung, ob diese Auffassung richtig war, konnte 
anfangs nicht gegeben werden. Es sollte versucht werden, durch wiederholte 
Röntgen-Analyse sich über den Ablauf des Prozesses im Oberlappen zu in- 
fonnieren, da durch Auskultation und Perkussion ein Aufschluss bei be¬ 
stehendem Ihieumothorax nicht zu erreichen ist. 

Rönfgenimlersuchung am 14. Nov. 10. Hierbei zeigte sich, dass jener auffällig 
dichte Schatten an Umfang wieder abgenommen hatte und auf die Form zurück¬ 
gegangen war, wie sie in der Arbeit von R u e d i g e r dargestellt ist (Diesei 
Beiträge Bd. XVII, Röntgentafel III, Bild 7.) Dabei ist in den letzten 6 Tagen, 
das Sputum völlig blutfrei gew'orden, W’ähremd es in der ersten Zeit des Auf- 
enthalt(?s dahier eine ganze Woche lang gleichmässig blutig tingierte Partien 
von pneumonischem Charakter enthielt, neben völlig blutfreien Massen, die 
evident anderen Ursprung hatten. Der vermutete pneumonische Prozess ist 
also zweifellos zurückgegangen. 



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311J Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 311 

Das Exsudat reichte etwa 2 Querfinger breit über die Zwerchfellkuppe, 
gab deutliches Plätschern. Die Punktion zeigte ein typisch tul)erkulöses Exsudat, 
es war grünschillemd und trübe, enthielt zahlreiche Lymphozyten, wenig Leuko¬ 
zyten, keine Tuberkelbazillen, sehr reichlich Eiweiss. Das Exsudat wurde am 
1. XI. punktiert, 200 ccm entleert und 300 ccm N eingegossen. Patientin ist 
auch bis zum Abschluss der Krankengeschichte — 14. XL 1910 — noch 
immer leicht subfebril, Maximum 37,5 bei Mundmessung, Morgentemperatur 
normal. Sie hat sich aber zweifellos wied,er erholt; sie isst besser, das Ge^ 
wicht ist auf 52,3 kg gestiegen. Die Kranke ist imstande, umherzugehen, ist im 
allgemeinen viel mobiler und frischer wie früher. 

Der Befund auf der gesunden linken Seite ist gegen 
früher nicht verschlechtert; über der Lungenspitze sind Rassel¬ 
geräusche überhaupt nicht zu hören, auch kein Knacken oder fortgeleiteto 
Geräusche. Dagegen hört man entsprechend der linken Hiluspartie sehr excpiisit 
fortgeleitete, grobe, feuchte Rhonchi. Besonders charakteristisch treten in diesem 
Falle die Fortleitungs-Phänomene insofern herv'or, als man weithin nach der 
linken Seite den amphorischen Pneumothoraxhauch neben dem normalen Atmen 
durchklingen hört. 

0. XII. 1910: Gewicht steigt auf 53,4 kg, bei gleichbleibendem, eher 
sinkendem Exsudat. Appetit zunehmend besser. Temperatur-Maximum in den 
letzten 10 Tagen meist 37,2, nur einzeln 37,4. Sputum 20—45 pro Tag. 
Weitere Besserung des Allgemeinbefindens. Pat. soll zur weiteren Kur nach 
Davos. 

Indikation. Schwere rechtsseitige Lungentuberkulose mit be¬ 
trächtlicher Kavemenbildung; dauernd subfebril trotz Fiebermittel. 
Ausgesprochener Kräftverfall. Pat. ist sehr hinfällig, 
muss getragen werden, da sie vor Schwäche kaum gelten oder stehen 
kann. Starke Appetitstörungen. 

Epikrise. Operation am 8. VI. 1910; mittelgrosscr rechts¬ 
seitiger Pneumothorax, der den Unterkppen und Mittellappen ziem¬ 
lich weitgehend komprimiert, den seitlich ziemlich breit adhärenten 
und daher ausgespannten Oberlappen vorn und hinten mit Luft um¬ 
spült. Hierdurch wird die grosse Kaverne zwar eingeengt, der Ober¬ 
lappen hat auch die Möglichkeit, im Laufe einer längeren Zeit zu 
schrumpfen, er wird aber nicht genügend komprimiert. Es tritt am 
Anfang langsame Entfieberung und damit eine wesentliche Besse¬ 
rung des Allgemeinbefindens auf. Nach vorübergehenden Störungen 
durch einen Darmkatarrh sowie stärkerer Störung durch ein Ex¬ 
sudat hat diese Besserung des Allgemeinbefindens nicht 
nur standgehalten, sondern in den letzten Wochen noch wesentlich 
zugenommen. In auffälligem Gegensätze zu dieser sehr ausge¬ 
sprochenen Besserung steht das Verhalten des Gewichtes, 
insofern die Pat. von 55 kg bis auf 51 kg abnahm und jetzt aller¬ 
dings wieder auf 53,4 kg zunahm. Dabei sieht die Pat. weit frisclier 
und besser aus, und ihr selbst, sowie der Umgebung und dem 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Pflegepersonal fällt die überraschende allgemeine Kräftezunahme 
auf. Man möchte an vordem vorhandene H y d r ä m i e denken! Jeden¬ 
falls ist es zu einer ausgesprochenen „Entgiftung*' gekommen. 

Die Sputummenge, die anfangs ziemlich beträchtlich abgesunken 
war (von 60—75 auf 18—30 ccm pro Tag), hatte zeitweise die 
alte Höhe wieder erreicht, ist in letzter Zeit aber wieder etwas 
zurückgegangen. Ein geringfügiges Exsudat blieb anfangs ohne 
nennenswerten Einfluss auf den Krankheitsverlauf; weiterhin hat 
dieses Exsudat sich aber stark eingedickt, hat den Charakter eines 
tuberkulösen Empyems angenommen und zeitweise die PaHentin 
wieder ziemlich heruntergebracht. Jetzt ist die Schädigung, die von 
dem Exsudate kam, wieder nahezu überwunden. Die Kranke ist 
wieder viel frischer, hat besseren Appetit, nimmt an Gesicht wieder 
zu, obwohl das Exsudat eher kleiner wie grösser geworden ist. 
Man hat durchaus den Eindruck, als werde man einen weiteren 
Verlauf zur Beobachtung bekommen, wie bei dem Pat. Nr. 39, 
24 u. a. 


92. W. Gr., cand. phil., 25 Jahre alt. (Med. Klinik.) 

Anamnese: Mutter imd eine Schwester lungenkrank. Patient als Kind 
schwächlich, aber nie krank. 1906 Beginn des jetzigen Leidens (Husten, Aus¬ 
wurf mit Blutbeimengung, leichtes Fieber, Nachtschweisse), nach einigen Wochen 
Erholung und Studium. Anfänglich Wohlbefinden, nur Darmkatarrh; es blieb 
Auswurf. Patient war aber arbeitsfähig. Sommer 1909 Temperatur¬ 
steigerungen, wieder leichte Blutbeimengungen im Auswurf, ab- 
nehmende Leistungsfähigkeit. Seitdem in Behandlung, zuletzt in 
der Heilanstalt Dr. Liebe- Elgershausen. Anfänglich noch Temperaturen, dann 
aber fieberfrei. Auswurf und Hustenreiz besserten sich, 12 Pfund Zunahme. 
Januar 1910 nach Hause. Hier bald starker Katarrh, Husten¬ 
reiz, mehr Auswurf. 

Aufnahme in die m e d. Klinik Marburg am 30. V. 1910. 

Patient klagt über leichte Ermüdbarkeit^ geringe^ 
aber regelmässige T e m p e r a t u r s t e i g e r un g. Er ist hierdurch 
sehr beunruhigt, da diesfj Temperaturen seit langem bestehen und nicht 
schwinden Avollen. Temperatursteigerungen speziell schon nach inässigen körper- 
lichen Anstrengungen. Nachtschweisse und Durchfälle sind nicht mehr vorhanden. 
Hustenreiz und Auswurf massig. 

Status vom 31. V. 1910. 

Schlechter Ernährungszustand, schwächlich, Anämie der Schleimhäute, keine 
Drüsenschwellung. Thorax wenig kräftig gebaut, flach, schwächlich entwickelte 
Muskulatur. Bei der Atmung bleibt die linke Seite zurück. Die Supraklavikulaj- 
gruben beiderseits eingesunken, Brustumfang direkt unter der Achselhöhle 85 
bis 90 cm, in der Höhe der Mamilla 80—86 cm; mittlere Wirbelsäule leichte 
Skoliose nach links. 

Perkussion: -Spitzenfelder rechts 6 cm, links unscharf, etwa 3—4 cm 
breit. L. v. o. Dämpfung bis zur 2. Rippe mit tympanitischem Beiklang, von 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


313 


dort ab relative Schallverkürzung. L. h. o. starke Schallverkürzung bis zuin 
6 . Brustwirbel, von da ab normaler Lungenschall. 

R. V. und h. überall normaler Schall. Lungengrenzen hinten beiderseits 
11 . Rippe, gut verschieblich, rechts vorn 6. Rippe, ebenfalls verschieblich. 

Auskultation: L. v. o. von der Spitze bis zur 2. Rippe bronchiales 
Atmen mit amphorischem Beiklang. Von da nach abwärts rauhscharfes Atmen» 
Müsterstimme verstärkt. L. h. o. bis 4. Dornfortsatz ebenfalls rein bronchiales 
Atmen und Flüsterstimme verstärkt. Man hört über der ganzen linken 
Lunge Giemen imd reichlich Rhonchi. Diese Geräusche sind über der Spitze 
klingend, zum Teil mit metallischem Beiklang. 

Rechts ist das Atemgeräusch rein vesikulär, etwas leise, kein Rasseln. 

Am Herzen nichts Besonderes. Sonstiger Befund ohne Besonderheiten. 

Sputum reiclilich Tubcrkelbazillen, Menge ca. 20—30 ccm, gelblich- 
eitrig geballt. Das Röntge nbild zeigt über dem linken Oberlappen dichte 
Infiltration und über den unteren Abschnitten disseminierte kleine Herde, die 
ziemlich dicht stehen. 

Am 10. VI. 10 Anlegung eines linksseitigen Pneumo- 
Thorax (Brauer). 

Operation o. B. Druckmessung gibt, nachdem ganz kleine Mengen Luft 
einzischten, bei leidlicher Thoraxruhe — 3 mm Hg, auf der Höhe der Insj). 
— 8 mm Hg. 800 ccm eingelassen; hierbei etwas Seitenstechen und zuletzt 
leichte Beklemmung. Druck exspir. -j- 6, insp. 4: 0. Beim Erheben vom Operations¬ 
tisch vorübergehender Kollaps. Das Befinden in den ncächsten Tagen nicht 
wesentlich gestört. Die Untersuchung ergibt massig grossen Pneumothorax^ 
der gut bis zur 3. Rippe heraufreicht. 

In regelmässigen Zwischenräumen wird der Pneumothorax nachgefüllt. 
Die Temperatur wird nach kurzen Schwankungen alsbald normal. Damit tritt 
eine zunehmende Besserung des Allgemeinbefindens des Kranken ein. Der 
Appetit hebt sich. Patient fängt wieder an, für sein Examen zu arbeiten und 
kann ohne Temperatursteigerung grössere Spaziergänge imtemehmen. Es bildet 
sich langsam ein kleines Exsudat ohne irgendwelche begleitende Störung. 

Patient wird am 9. Juli 1910 arbeil.sfähig und sehr zufrieden nacJi 
Hause entlassen, mit der Anweisung, in regelmässigen Zwisclumräumeii zur 
Punktion und Kontrolle zu erscheinen. Dieses geschitdit. Bei den Durchleuch¬ 
tungen zeigt sich die Ltmge rnedianwärts der Zwerchfellkuppe und der Tlionx- 
wand an einzelnen Stellen bandförmig adhärent. (Siehe die Schilderung weit<*r 
unten.) 

Infolge eines Missverständnisses erscheint der Patient, der Mitte Sej)- 
tember wieder kommen .sollte, erst am 1. Novemlx^r wieder. Die Durchleuchtung 
lässt jetzt einen Pneumothorax nicht mehr erkennen. Über der kranken linken 
Lunge liegt ein grosses Exsudat, welches mit seinem tiefen 
Schatten alles überdeckt und eine nähere Beurteilung der 
darunter liegenden Lunge resp. des Kompressionsgrades 
derselben nicht ermöglicht. Allenfalls war noch ein kleines Liift- 
bläschen über der Lungenkuppe zu beobachten, es war dieses aber, wie ge¬ 
sagt, nicht sicher. Patient hatte sich während der letzten Worlien beson¬ 
ders wohl gefühlt, nur war in den letzten JS Tagen die 
Sputummenge ein wenig angestiegen. Es war daher wahr- 
scheinlith, dass sich die kranke Lunge wi(3d('r zu stark 
ausgedehnt hatte; daher wurde mn 3. November eine P r o h e {> u n k t i o n 


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B14 


L. Brauer und Lucius Spengler. 


[314 


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des Exsudates vorgenoinnien. Dieses zeigte sich als grünlich-opalesierend, hell¬ 
serös. Am (5. November wurden von diesem klaren Exsudate 600 ccm jeweils 
in kleinen Absätzen entlwrt, sowie 1000 ccm N eingegossen. Die Röntgen¬ 
untersuchung zeigte danacli einen guten Pneumothorax. Die Lunge 
war etwa in mittlerer Höhe durch einen Zipfel der hinteren Thoraxwand, 
dem Angulus scapulae entsprcH-hend, angeheftet. Sie war in den mittleren 
und unteren Partien sonst sehr gut komprimiert. Nach der Thoraxkuppe zu 
war die Lunge gut halhkomprimiert, sie inserierte etwas nach aussen 
von der Mitte der Thoraxkuppe. IVr Patient wurde am 8. Nov. 1910 wii^der 
entlassen. Er war vollkommen fietxTfrei; Puls 80—88, Sputummenge 15—20, 
vereinzelte Tuherkelbazille]i. 

Der B<*fund rechts war gegen früher nicht verändert, nur am Hilus 
vereinzelte mittelgrossblasige Rasselgeräusche zu hören. 

Indikation. Seit vier Jahren krank, im letzten Jahre aus¬ 
gesprochen progredient; trotz mehrfacher Kuren katarrhalische Nach¬ 
schübe, Hustenreiz und zunehmender Auswurf. Seit längerem ge¬ 
ringe, aber regelmässige Temperatursteigerung; schlechter Eriiäh- 
rungszustand, ausgedehnte Erkrankung der ganzen linken Seite. 
Kavernenbildung im linken Oberlappen. Schlechte Finanzlage macht 
weitere Sanatoriumskuren ziemlich schwer. 

Epikrise. Pneumothorax 10. VI. 1910. Zunächst befriedigen¬ 
der Anfangserfolg. Der Patient, der wegen der ständigen 
F ieberbewegu ngen dauernd arbeitsunfähig war, ist 
fieberfrei und wiederum in der Lage, die Studien 
fortzusetzen, und hofft damit bald die Möglichkeit 
eines Erwerbes zu finden. Behandlung muss selbstver¬ 
ständlich lange Zeit fortgeführt werden. Sie kann, da der Kranke 
.sehr verständig ist, zunächst ambulant sein. 


93. Christine R., Hausfraa, 40 Jahre, Wald Michelbach. (Dr. Xoellner- 
Darmstadt.) 

Aufnahme 20. VI. 10 m e d. Klinik Marburg. 

Familien-Anamnosc ohne Belang, ebenso Vorkrankheiten. 

August 09 trat Husten auf. Oktob<?r 09 bis Februar 10 Lungenheilanstalt; 
angeblich gebessert entlassen. Wohl.bis März 1910, dann aber erneut Husten, 
Auswurf und Fieber. Apj»etit imd Schlaf schlecht; Gewichtsabnahme. 

Status: Körpergewicht 42,2 kg, schwächlich, stark abge¬ 
magert, fahle, blasse Hautfarbe. Pigmentstörungon, die 
an .Addison erinnern. Temperatur zwischen 38 und 39. S p u - 
t n m m e n g 80—-1 (X) ccm. Reichlich T u b c r k e 1 b a z i 11 e n und 
J a s t i s c h e Fasern. Herz o. B., aber stark beschleunigte 
A k t i o n. 


L ij n g e : 

Jni 


Thorax flacli. L. o. beträchtlich abgeflacht und schleppend, eln- 
linken Überlappen diclite Rroncho-Pneumonie 



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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


315 


und sehr grosse Kaverne. Im linken Unterlafipen dichter 
broncho-pneumonischer Prozess. Lungengrenze links noch leid¬ 
lich verschieblich, kein Pleurareiben. 

R. h. o. leichte Schallverkürzung, die bis etwa zur Mitte der Skapula 
herabreicht. Die rechte Grenze ist etwas schmal und nach oben unscharf 
begrenzt. R. v. o. gleichfalls Schall etwas kürzer als normal. 

Auskultation zeigt r. v. o. das Inspirium etwas abgeschwächt, das 
Exspiriuni mässig verlängert und verstärkt. Es bestehen mässig zahlreiche 
knisternde, feinblasige Rhonchi; auch sonst über dem r. Oberlappen zerstreute 
mittel- imd feinblasige, aber femklingende Rhonchi, so dass angenommen wurde, 
dass ein grosser Teil dieser Geräusche fortgeleitet sei, denn das Atemgeräusch 
war auffallend wenig verändert. Übriger Befund ohne Belang. 

Am 22. VI. 10 Anlegungeines Pneumothorax links, 500 ccm. 
Die Pulszahlen, die vorher um 100 waren, bleiben imverändert, ebenso die 
Atemzahlen, die zwischen 20 und 30 schwanken. Die Sputummengen stiegen 
in den nächsten 3 Tagen auf 120—140, sinken dann zunächst auf die frühere 
Zahl zurück. Die Temperatur bleibt unter 38 und ist vom 4. Tage an meist 
normal, nur einmal 37,3. 

Nachfüllung 24. VI. 10: 400 ccna 
Nachfüllung 29. VI. 10 : 500 ccm. 

Ab 4. VII. 10 treten wieder leichte Temperaturen auf; Maxima 37,3—37,7. 
Der Pneumothorax erweist sich als partiell; er nimmt die unteren Vs <ics 
Thorax ein. Die Kaverne ist noch vollkommen ausgespannt. 
Exsudat ist bis zum 15. VIII. (Entlassung aus der Klinik) nicht aufgetretciu 
Seit August ist Patientin wieder nahezu fieberfrei. Es war 
in Intervallen von 8—10 Tagen nachpunktiert worden, meist etwa 400 ccm. 
Man suchte durch etwas höhere Druckwerte den Pneumothorax zu erweitern. 
Die Sputummengen schwanken zwischen 30 imd 100 ccm pro Tag. Das Körper¬ 
gewicht ist auf 41 kg gesunken. Das Allgemeinbefinden ist aber besser. 
Patientin ist viel mobiler, macht Liegekur, dazwischen auch kleine Spaziergänge, 
während sie früher durch das ziemlich beträchtliche Fieber völlig an das Bett 
gefesselt und sehr matt war. Auch der Befund auf der rechten Seite hat 
sich nicht wesentlich geändert. Die fortgeleiteten Geräusche sind guten Teils 
noch vorhanden, da die gegenüberliegende Oberlappenkaverne nicht komprimiert 
werden konnte. 

Herr Kollege Dr. Noellner-Darmstadt berichtet unter dem 8. XI. 10: 

„Bei Frau R., die sich ja im allgemeinen recht gebessert seinerzeit bei 
mir vorstellte, war der Pneumothorax bei meiner ersten Nachfüllung am 1. X. 
beinahe eingegangen, doch gelang es mir, die kleine Luftblase wieder mit 
-500 ccm nachzufüllen. Auch die folgenden Füllimgen sind gut gelungen und 
übten eine stärkere Pression auf die Lunge wieder aus. Ich sah die Patientin 
zuletzt Ende Oktober. Damals war ihr Allgemeinbefinden gegen den 15. Oktol>er 
wesentlich ungünstiger; sie hatte wieder öfters Fieber gehabt, die rechte Lunge 
erklärte die Verschlimmerung nicht.“ 

Unter dem 22. XI. 1910 erfolgt dann die Mitteilung, dass Frau R. in 
Mainz verstorben sei; in den letzten Wochen habe eine zunehmende 
Entkräftung bestanden. Auch scheint plötzlich eine Verschlimme¬ 
rung der rechten Lunge eingelreten zu sein und wurde hierdurcli das 
Ende wesentlich beschleunigt. 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Indikation. Schwerste Erkrankung links mit starken Zer¬ 
fallserscheinungen, grosse Kaverne. Dauenid mittelhohes hektisches 
Fieber. Hascher Kräfteverfall. 

Leichter Prozess im rechten Oberlappen. 

Epikrise. Pneumothorax seit 22. VI. 1910. Der Anlegung 
folgte zunächst eine Besserung der Temperaturen imd damit des 
Allgemeinbefindens, dagegen bheb ein durchgreifender Erfolg aus. 
Der schwerkavernöse linke Oberlappen konnte infolge der breiten 
Adhäsionen zwar etwas ruliiger gestellt, aber nicht in Kollaps gebracht 
werden. Die Kranke verstarb Mitte November an zunehmen¬ 
der Entkräftung. Es scheint eine Verschlimmerung des Zustandes 
der rechten Lunge bestanden zu haben. 


94. Adolfs., Arbeiter, 17 Jahre, Momberg. (Dr. Engelhardt-Neustadt.) 

Aufnahme den 3. V. 10 (noch in der med. Klinik zu Marburg). Vor¬ 
geschichte ohne Belang. Anfang April 1910 erkrankt Patient akut unter Schüttel¬ 
frost, bekommt Sputum, wird allmählich bettlägerig, appetitlos; Nachtschweissi^, 
mässige Temperaturen. Nach dem Temperalurverlauf und dem ärztlichen Be¬ 
richt bestand aber keine krupöse Pneumonie. 

Bei der Aufnahme klagt Patient über mässige Fieberbewegungen, allge¬ 
meine Mattigkeit und Stiche im Rücken. 

Status: Kein Sputum, aber Hustenndz. Temperaturen anfangs meist 
normal, dazwischen Steigerungen bis 37,0. Puls 80—100 (trotz Bettruhe). Atcm- 
zahlen um 20. Köri)ergewicht 56 kg, stieg dann bei Bettruhe in 14 Tagen 
auf 60 kg, und blieb so bis zur Operation. Allgemeinbefinden stark gestört* 
Patient fülilt sich sehr matt, Appetit bleibt schlecht. 

Befund : Herzaktion auffällig erregt, sonst o. B. Thorax lang, sehr 
flach, linke Seite schleppt; Grenzen überall gut verschieblich. Das linke Spitzen¬ 
feld ist eingeengt und unscharf begrenzt. 

L. V. o. bis 4. Rippe eine ziemlich harte Dämpfung mit tympanitischem 
Beiklang. L. h. o. besteht eine ähnliche Dämpfung, bis über Mitte Skapula 
herabreichend. 

Rechts ist das Spitzenfcld ohne Befimd, nur bietet die Spitze eine ganz 
leichte Schallverkürzung. Ebenso r. h. o. (diese Schallverkürzung rechts ist 
aber sehr gering und erweckt den Eindruck, als sei die Schwingungsfähigkeit 
der rechten oberen Partie dadurch etwas behindert, dass über dem linken 
Oberlappcn eine so auffällig starke Dämpfung bestellt). 

Auskultation: R. v. o. Atemgeräusch normal, man hört aber einzelne 
feine, kleinblasige Rhonchi, die wahrscheinlich fortgeleitet sind. 

Über dem linken O.-L. Atmung vesiko bronchial vorn bis zur 4. Rippe und 
hinten bis zur Mitte der Skapula. Bei tieferem Atmen hört man mässig zahl¬ 
reiches klingendes Rasseln; die Flüsterstimme ist verstärkt. Über den unteren 
Partien des linken Oberlap{)ens hört man verstreute, halbklingende Rhonchi 
bei rauhem Atmen. Alle diese Geräusche werden nach Hustenstössen zahlreicher 
und lauter. Über dem linken Unterlappen ist das Inspirium rauh und auch 
hier verstreute und lialbklingende Rhonchi. L. seitlich unten Reiben. Im 
übrigen Befund ohne Belang. 


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Erfahrungen und Cbcrlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


317 


Patient wurde zur Pneum o t horax-Therap i e vorge¬ 
schlagen, sie wurde aber zunächst abgelehnt, da ein 
zwingender Grund zurzeit nicht vorhanden schien. Es 
sollte der Verlauf abgewartet werden. Nach 3 Wochen, Mitte Juni, wurden aber 
die Temperaturen allmählich etwas höher, die Pulszahlen stiegen an imd am 
15. VI. wurden zum erstenmal mit Antiformin Tuberkelbazillen nachgewiesem 
Ende Juni 1910 wurde das Sputum reichlicher, ebenfalls die Tuberkel¬ 
bazillen. Regelmässig abends Temperatur um 37,6, auch die Atemzahlen gingen 
jetzt auf 26 herauf. Von Ende Juni an wurde die Sputummenge 30—35 ccm 
pro Tag, eitrig und ballig, sehr reichlich Tbc. Der physikalische Befund 
war wesentlich verschlechtert. Im linken Oberlappen zeigten 
sich deutlich Einschmelzungserscheinungen, das klingende Rasseln wurde viel 
reichlicher und nahm an einzelnen Stellen metallischen Klang an. Kavemen- 
bildung in der linken Spitze war sicher, auch im Röntgenbild jetzt nachweis¬ 
bar. Über dem linken Unterlappen war das Rasseln sehr viel dichter geworden, 
klingender, das Atemgeräusch viel rauher. Rechts war der Befund unverändert. 

Es wurde nunmehr bei dem e r w i e s e n e r m a s s e n ziem¬ 
lich floriden und ungünstigen Verlauf zur Anlegung eines 
Pn. Th. geschritten (5. VII. lOj. Derselbe gelang glatt (800 ccm bei der 
ersten Operation). Durch weitere Nachfüllungen wurde ein ganz kompletter 
Pneumothorax erzielt, der bis zum 16. VIII. trocken blieb. Die Pulszahlen 
sanken in den nächsten Tagen auf 80—100, die Atemzahlen meistens auf 
20—22. Die Temperaturen erreichten in den nächsten Tagen 
noch einzeln 37,5, sind seit Mitte Juli völlig normal, über¬ 
schreiten die Linie 37 nicht mehr trotz eines Mitte August 
auftretenden mässigen Exsudates. Die Sputummenge ging bald 
auf 10, zidetzt auf 7—8 ccm pro Tag herab, der eitrige Charakter ist wesent¬ 
lich zurückgetreten; die Bazillen sind sehr viel spärlicher, aber noch vorhanden. 
Das Körpergewicht ist auf 61,5 kg herauf gegangen. Allgemeinbefinden ganz 
vorzüglich, Patient kann spazieren gehen. 

Das Befinden bleibt bis Anfang Oktober unverändert gut. 
Dann stellt sich unter Fiebersteigerungen bis 38,5 ein bis zur 4. Rippe 
steigendes Exsudat ein. Das Befinden ist seitdem ein nicht besonders 
gutes. Unter leichten Fieberbewegungen sinkt das Körper¬ 
gewicht von 62 kg bis 60 kg. Das in durchschnittlichen Mengen von 5 ccm 
ausgeworfene Sputum zeigt reichlich Tuberkelbazillen. Auf der 
rechten Lunge kein auf eine frische Erkrankung hinweisender Befund. 

8. XIL 1910. Nachtrag während der Korrektur: 

Seit dem 16. XI. völlige Fieberfreiheit, nur einmal 37,2, 
Temperatur sonst immer unter 37. Der Ablauf der Temperatur war 
in dem vorliegenden Falle für das Exsudat höchst charak¬ 
teristisch. Die Kurve zeigte das mit dem 3. X. sich langsam einschleichende 
Fieber, welches am 20. X. Max. 39 erreicht, dann ebenso langsam wieder ab¬ 
fällt, 3 Wochen hindurch sich zwischen 37 und 37,8 hält, um dann weiter 
^bzufallen tmd — wie gesagt — die letzten Spitzen am 15. XI. zu zeigen. 
Dem parallel geht das Verhalten des Allgemeinbefindens. Wie bereits 
gesagt, war dasselbe zunächst nicht unbeträchtlich gestört. Jetzt aber sieht 
Pat. seil 14 Tagen wieder w(ohl aus; er fühlt sich viel frischer, ist wieder 
ausser Bett, geht zeitweise im Garten spazieren, macht im Freien Liegekur; 
kurzum — wir sehen die Störungen, die durch das Exsudat 
bedingt sind, überwunden. Das Körpergewicht ist wieder im 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Steigen; es waY auf 59,2 gesunken, ist jetzt auf 59,7 gestiegen, obwohl 
in der betreffenden Zwischenzeit das Exsudat sehr gering geworden ist. 
Der Puls zeigte während der Fieberperiode zeitweise eine grössere Labilität, 
liegt jetzt wieder zwischen 80 und 90. Die Atemzahlen sind normal, das 
Sputum dauernd um 5—7 ccm, Tuberkelbazillen sind noch reichlich vor¬ 
handen. 

Das Exsudat wmrde in üblicher Weise durch Stickstoff ersetzt, und 

zwar am 26. X. 10 Probepunktion: 20 ccm entleert, seröses Exsudat, sehr 

geringer Zellgehalt, Eiweissgehalt 5o/o, spezifisches Gewicht 1021, Rivalta positiv, 
ln den nächsten Tagen wurde der grössere Teil des Exsudates entleert und 
ebensoviel N eingegossen. Seitdem ist das Exsudat spontan weiter zurück¬ 
gegangen, es erreicht jetzt nicht mehr die Höhe der Zwerchfellkuppe. Der 

Pneumothorax bleibt genügend gross, da N langsamer resorbiert wird; 
— Patient hat die Schwierigkeiten der Exsudatbildung überwunden. 

Indikation. Der Fall wurde von dem Assistenzarzt der Klinik, 
Dr. Ge c k 1 er, zur Pneumothoraxtherapie vorgeschlagen, doch glaubte 
Brauer, dieses zunächst ablehnen zu müssen. Bei dem afebrilen 
nur w^enig Auswurf produzierenden Patienten schien die Erkrankung 
des linken Oberlappens auch ohne Operation einer Besse¬ 
rung resp. Heilung zugängig. Der Verlauf erwies diese An¬ 
nahme als Irrtum, da der Prozess trotz klinischer Behandlung ziem¬ 
lich rapide Fortschritte machte. Damit war alsdann eine zwingende 
Indikation gegeben. Es bestand nunmehr nicht nur die ausgedehnte 
tuberkulöse Infiltration im linken Oberlappen, sondern es waren 
auch Einschmelzungserscheinungon hinzugetreten, und im linken 
Ilnterlappen war eine zunehmende Broncho-Pneumonie manifest ge¬ 
worden. 

Epikrise. Mit Anlegung des Pneumothorax rasche Änderung 
zum Guten und fortschreitende Besserung. Alsbald nach An¬ 
legung des Pneumothorax erwies sich, dass die rechte Seite, ab¬ 
gesehen von vergrösserten Hilusdrüsen, tatsächlich gesund war 
(physikalische und Röntgenunbersuchimg), so dass der geringe Be¬ 
fund, der vorher rechts erhoben war, fortgeleitet war. Es wird in 
regelmässigen Zwischenräumen nachpunktiert. 

Am 3. Oktober 1910 aber wieder Fieber (Exsudatbildung). 
Besonders charakteristischer Verlauf der hiermit 
einhergehenden Störungen. Ab 15. November bis Ab¬ 
schluss des Berichtes (8. XII. 1910) Avieder völlig fieberfrei und 
wohl, so dass im allgemeinen — nach Überwindung auch dieser* 
so liäufigen Störung — eine gute Prognose zu stellen ist. 


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Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapio. 


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95. Fraa M. W., 22 Jahre alt, ans T. (Sanatorinm Wienerwald, 
Dr. Baer and Dr. Kraus.) 

Eintritt WienerwaJd 28. V. 10. 

Seit 3 Jahren verheiratet (verdächtige Feld- und Frühgeburt, 1 Kind 
[letztes] Exanthem gehabt, jetzt gesund. „Wassermaim“ jetzt zweifelhaft). 

Seit 6 Monaten krank, wiederholt Hämoptoe, keine Pleuritis. War einige 
Zeit in Arco, keine Änderung, konstantes Fieber, progredienter 
Prozess, seit Monaten bettlägerig. 

Status 28. V. 1910. Infiltrat der ganzen linken Seite, Kavernensymptoin, 
Sputum eitrig, gering, Tuberkelbazillen massenhaft. Rechte Seite gesund. 

9. VII. 10. Pneumothorax (Prof. Brauer) gelingt leicht, keine Ver¬ 
wachsungen, 900 ccm N (kein Emphysem, keine Pleuritis). 

Seither regelmässig alle 3—4 Wochen N-Nachfüllungen, die anstandslos 
vertragen werden. 

Seit der Operation ist Patientin konstant fieberfrei, blüht auf, 
hat bisher (8. IX.) 6 kg z u g e n o m m e n , ist ausser Bett, geht 
und fährt spazieren. 

Sputum minimal, Tuberkelbazillen nachweisbar, viel spärlicher. 

Im Röntgenbilde zeigt sich die Lunge oben und unten adhärent. 

Seit Mitte September 1910 ausser Beobachtung gekommen. 

ludikation. Progredienter Prozess der ganzen linken Lunge 
(Kavemenbildung), konstantes Fieber, bettlägerig. Wiederholte Blu¬ 
tungen. 

Epikrise. Operation am 9. Juli 1910, seitdem völliger Um¬ 
schwung zum Guten. Siehe die obigen Notizen! Beliandlung müsste 
fortgesetzt werden — es fehlen aber leider alle Nachrichten. 


96. Rudolf G., 32 Jahre alt, Fabrikant aas W. (Wienerwald, Dr. Baer 
und Dr. Kraus.) 

1895 Hämoptoe, 1897 Pleuritis links. 

War schon im Jahre 1904 im Sanatorium Wienerwald mit beiderseitiger 
Lungentuberkulose 2 Monate in Behandlung. In der Zwischenzeit Verschlimme¬ 
rung des Befundes, in der letzten Zeit rapide Progredienz, hohes Fieber, 
wiederholte Hämoptöe, Abmagerung. 

Status beim Eintritt am 4. VI. 1910. 

R. Spitze abgelaufene Tbc. L. schweres Infiltrat der ganzen 
Seite, grosse Kaverne. Sputum eitrig. 150—160 ccm täglich, 
subfebrile Temperaturen, zeitweilig hohes Fieber. 

9. VII. 10 Pneumothorax (Prof. Brauer). Operation gelingt sehr 
leicht, keine Verwachsungen. 900 ccm N, seither regelmässige Nachfüllungiui. 

Temperaturen in der ersten Zeit höchstens 37,2. Sputummenge fällt auf 100, 
60, 40, 30 ccm. 

Patient nimmjt 5 kg zu. 

Mitte August 10 wieder höhere Temperaturen, bis 37,8, mehr Auswurf, 
80—90 ccm, viel Husten, geringer Appetit. Der Grund dürfte in mangelhafter 
Kompression der Kaverne gelegen sein. Möglicherweise ist dieselbe 
von zu starrem, schwartig induriertcm Lungen ge webe um¬ 
geben. Jedenfalls lässt sich bislang die Lunge nicht ge- 


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320 L. Brauer und Lucius Spengler. [320 

nügend koinpriniieren, obwohl Vcrwachsungssträngenicht 
recht na c h z u w eisen sind. — Ab Ende September 1910 bis 20. XII. 10 
mehrfach kleine und mittlere L u n g e n b 1 u t u n g e n. In den letzten Wochen 
aber fieberfrei. 

Indikat'ioii. Schwer prog^-edienter Prozess links. R. Spitze 
abgelaufene Tbc. 

Epikrise. Nach anfänglich selir gutem Erfolge jetzt wieder 
Störungen, deren Ursache noch nicht zu übei'sehen ist. — (Frag¬ 
lich ob zu starrwandige Kaverne). — 

Die einmal Ix^gonnene Behandlung muss konsequent fortgeführt 
werden. 

97. Fräulein Jeanette P. aus W., geh. 1892, Private. (Wienerwald, 
Dr. ßaer und Dr. Kraus.) 

Ein Onkel mütterlicherseits lungenkrank gewiesen, sonst hereditär nichts. 

Patient war 1906 wegen „Blutarmut“ im Süden. Dort erste Hämoptoe. 
Im Herbst darauf wmrde „Spitzenkataxrh“ konstatiert, jedoch keine Therapie oin- 
geleitet. Damals bestand Husten, Auswurf, Nachtschweisse; Temperatur nicht 
gemessen. April 1907 aufs Land geschickt, wo sie ohne weitere Behandlung 
IV2 Jahre verblieb; leichte Temperatursbeigerungen. Dann Davos 1908—1910. 
Ersten Winter dort fieberfrei. Im Frühjahr 1909 Influenza mit Fieber. Seit¬ 
her ununterbrochen Fieber, trotz ständiger Bettruhe. 
Wiederholt geringe Hämoptoe. Trotzdem Gewicht in dieser ganzen Zeit um 
14 kg gestiegen. Patient ist unsinnig fett. Husten und Auswurf gering. 

Am 10. III. 1910 im Sanatorium Wienerwald eingetreten. 

Übermässig gut genährt mit starkem Paniculus adiposus. Leichte Tachy¬ 
kardie, Protrusio bulbi, mässige Struma. 

Infiltration der ganzen linken Lunge, zahlreiche 
feuchte und trockene Rasselgeräusche von oben bis unten , 
auch über dem rechten Unterlappen. Aus letzterem Grunde wird 
in einer Konsultation mit Prof. Brauer beschlossen, von der Anlegung eines 
Pneumothorax zunächst abzusehen. Vielmehr wird beschlossen abzuwart.*n 
und lieber einen Versuch mit verständiger, weniger Fettansatz bedingender 
Ernährung bei massiger Bewegung bei der fetten und seit einem Jahre fast, 
ständig bettlägerigen Patientin zu machen. Tuberkelbazillen zahlreich. 

Tatsächlich gelingt es auf diese Weise die Temperatur etwas herab¬ 
zudrücken; dieselbe w^ar im Beginne immer bis 37,7, 37,8 gestiegen und erhob 
sich nach einigen Monaten nur mehr bis 37,3, 37,4. Das Allgemeinbefindm 
hebt sich. Eine vollständige Entfieberung gelang jedoch 
n i c h t. Da ferner der lokale Befund links sich nicht besserte, rechts dagegen 
die (offenbar fortgeleiteten) Geräusche verschwanden, wurde in einer neuer¬ 
lichen Beratung mit Prof. Brauer beschlossen, den Pneumothorax anzulegen. 

Operation am 9. Juli 1910 (Brauer). Gelingt glatt, es werden 
900 ccm N einlaufen gelassen. Im Röntgenbild kompletter Pneumothorax, nur 
unten die Lunge etwas adhärent. Nachfüllungen: 11. VIL 600 ccm; 28. VIl. 
750; 13. VIII. 900. 

Bisheriger Erfolg: Vollkommene Entfieberung, Herabgehen der 
Sputummenge von 15—20 ccm pro die auf 6—8 ccm. Patientin fühlt sich 
vollkommen wohl. Letzte Sputumuntersuchung ergab nega¬ 
tives Resultat. 



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321] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


321 


Die letzte Nachricht vom 20. XII. 1910 besagt, dass es unverändert gut 
geht. Fast kein Sputum mehr. 3 kg Gewichtsabnahme! 

Indikation. Übermästete seit einem Jahre bettlägerige Pat. 
Schwere linksseitige Erkrankung, seit ca. Jahren fiebernd. Zu¬ 

nächst zweifelhafter Befund auf der anderen Seite, der sich aber 
bei längerer Beobachtung als fortgeleitet erweist. 

Epikrise. Entfiebert, fast sputumfrei, bestes Allgemein¬ 
befinden, ausser Bett, reichliche Bewegung, so dass hoffentlich mit 
der Zeit eine verständige Entfettung mögUch sein wird! 

Behandlung ist, obwohl zurzeit ziemlich alle Krankheitszeichen 
fehlen, fortzusetzen! 


98. Camilla de M., 27 Jahre, Paris. (Dr. Frey-Clavadel.) 

Anamnese: Keine hereditäre Belastung. Zartes Kind, sehr schlechte 
Esserin; seit 1900 stets wegen Blutarmut behandelt. Seit 1901 heftiger, explosiver 
Husten, oft bis zum Erbrechen; wenig Sputum, Temperatur nie gemessen. Im 
Verlauf des letzten Winters starke Gewichtsabnahme, Kräfteverlust, Ohnmächten, 
Nachtschweisse, Fröste. Im Februar 1910 zum ersten Mal Temperatur gemessen 
(38,9 in axilla). 

Eintritt in das Sanatorium Clavadel (Dr. Frey) 5. III. 1910. 
Sehr blass, aber noch ziemlich resistent aussehende Patientin; Zunge trocken, 
belegt, Schleimhäute blass. Hinterwand des Larynx gerötet. Graziler Körper, 
sclilechter Ernährungszustand, Thorax ziemlich flach, Schlüsselbeingruben beider¬ 
seits stark eingezogen; rechts vorne Nachschleppen. 

R. Lunge vom imterer Rand an der 6. Rippe, wenig verschieblich. R. o. 
bis 2. Rippe relative Dämpfung mit Tympanie ohne Schallwechsel; bronch. Insp. 
und Exsp. mit groben kons. Rh. Bis unten gedämpft mit versch. ves.-br. Atmen 
und spärl. feuchten Rh., seitlich stärker gedämpft mit abgeschw. Atmen und 
spärl. Rh. R. h. bis Mitte Skapula intensiv gedämpft mit bron. Atmen und 
zahlreichen mittl. kons. Rh. Bis Angulus leicht rel. gedämpft mit ves.-br. Atmen 
und zahlr. mittl. feuchten Rh., abwärts ziemlich laut, Insp. versch., Rh. o. 

L. V. bis 4. Rippe gedämpft mit unreinem, zieml. leisem Insp. Am 
Sternum im 3. ICR. nach Husten knatternde Rh. Seitlich gedämpft mit ab¬ 
geschwächtem vesikulärem Atmen, oben in Axilla Knistern, unterhalb einige 
scharfe feuchte Rh. 

L. h. bis Skapula leicht gedämpft, bis Mitte Skapula unrein mit spärl. 
ziemlich feinen feuchten Rh., bei Angulus scapulae versch. n. H. Knacken. 

Herz o. B., Puls kräftig, 96, regelmässig. Leber überragt den Brustkorb¬ 
rand um ca. 1 Querfinger, ist weich. Meteorismus, Obstipation. Urin ohne Ei- 
weiss und ohne Zucker. Diazo negativ. Sputum reichlich (150—200 ccm in 
24 Stunden), schaumig mit schleimig-eitrigen Ballen, elast. Fasern und Tuberkel¬ 
bazillen Gaffky VI. Zahlreiche Diplokokken und Bazillen Friedländer. Ge¬ 
wicht 47,3 kg. Hektisches Fieber mit meist sehr grossen Ex¬ 
kursionen. Morgentemp. variieren zwischen 35,8 und 37,6, 
Abendtemperaturen 40®. Dem Ansteigen der Temp. gehen schwere, oft 
eine Stunde dauernde Schüttelfröste mit Kollapserscheinungcn 
Beitrtge tnr Klinik der Taberknlose. Bd. XIX. H. 1. 21 


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L. Braiior und Lucius Spengler. 


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voraus. In der Nacht profuse^ oft 2 — 3 mal sich wioderholene Schweisse. 
Puls regtdmässig kräftig, der Temperatur entsjirechend von 78—110. 

Der Verlauf 1 i e s s sich in keiner Weise beeinflussen. 
Wold nahmen auf der linken Seite die Rh. etwas ab, auf der rechten Lunge aber 
ging nach kurzem, scheinbaren Stillstand der Einschnielzungsprozess 
im rechten Oberlappen und rechten Mittellappen rasch weiter; auch über dem 
ganzen Unterlappen, der bis jetzt weniger ergriffen war, traten mehr Rassel¬ 
geräusche auf. Das Fieber war weder durch Anüfebrilia, noch durch hydro¬ 
therapeutische Massnahmen zu beeinflussen. Trotz der ungünstigen Prognose 
sollte auf Wunsch der Familie die Patientin weiter im Sajiatorium verbleiben, 
und als ultimum r e f u g i u m ein Versuch mit dem künstlichen Pneumo¬ 
thorax gemacht werden. Am 12. Juli 1910 Konsultation mit Prof. Brauer, 
der sich trotz sehr geringer Chancen (siehe z. B. Fall 22, der bei damals gleich 
schlechter Prognose jetzt gelieilt ist!) zu der Operation entschloss, in Hinsicht 
auf die andernfalls ganz ungünstige Prognose und den scheinbar günstigen 
Zustand der linken Lunge, die keine aktiven Herde mehr zu enthalten, schien. 

12. \ni. 10. Operation: Hautschnitt im 6. ICR. vordere Axillarlinie. 
950 cCm N fliessen leicht ein; Schlussdnick ? (Fremder, komplizierter Mano¬ 
meter, funktioniert am Schlüsse nicht). Auf dem Röntgenschirm ergibt sich 
das Vorhandensein eines grossen, aber nicht totalen Pn.Th., der die Lunge 
in der unteren und mittleren Partie ziemlich stark komprimiert; die obereti 
Partien scheinen adhärent. 

13. VII. Patientin war in der Nacht sclilaflos, aufgeregt Heutige max. 
Temperatur noch 38,0, Puls 88, am Nachmittag blässeres Befinden. 

14. VII. Patientin hat besser geschlafen als seit langem, nur leichter 
Nachtschweiss, kein Frost, Temperatur 38,5, Puls 92, Nachfüllung 400 ccm, 
Schlussdruck -j- 4. 

15. VII. Befinden etwas weniger gut, Nachtschweiss; Husten vermindert, 
ohne Erbrechen. Temperatur 38,6, Puls 102. 

16. VII. Temperatur 40,1, in der Nacht whxlerholt geschwitzt, Frost 
von 6—8 Uhr 30 vormittags. Patientin fühlt sich schlecht. Links seitlich 
einige feuchte Rhone hi. 

20. VII. Seit dem 16. VII. waren Temperatur und Befinden wieder wie 
vor der Operation. Cher der linken Spitze einige feuchte Rhonchi, iri Axilla 
Knistern und seitlich abwärts ziemlich zahlreicho Rhonchi. Das Röntgenbild 
zeigt den Pneumothorax noch in ziemlich der gleichen Ausdehnung wie am 
13. VII. 

27. VII. Probepunktion des Pneumothorax ergibt einen negativen Druck 
von 1,5 cm H 2 O. Nach Einfliesscnlasscn von 200 ccm N. klagt Patientin über 
heftige Schmerzen und sieht kollabiert aus. Puls 130, Abbruch der Operation, 
Schlussdruck -[- 2,5 cm HoO. In den nächsten Tagen fühlt sich Patient sehr müdei. 

Im weiteren Verlaufe traten links hinten auch bei Angulus scapulae 
einige Rhonchi auf. Rechts bildete sich ein seröses Exsudat, das ziem¬ 
lich rasch bis Mitte Skapula anstieg. Die rechte Lunge blieb, wie der Röntgen¬ 
schirm zeigte, kollabiert, wahrscheinlich zum Teil wegen des Exsudatdruckes. 

Es fragte sich nun, ob und inwiefern die Pneumothorax-Behandlung fort¬ 
zusetzen sei; seit der Verschlechterung der linken Lunge war sie ja ohnehin 
ziemlich gegenstandslos geworden; es fragte sich sogar, ob nicht durch eine 
energische Druckbehandlung der Verlauf direkt ungünstig beeinflusst würde. 
Man entschied sich dafür, vorläufig die rechte Lunge nur unter dem Drucke 


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Erfahrungen und Cberlegungon zur Lungcnkollapstherapio. 


323 


dos Exsudates zu belassen, dieses immerhin, so lange nicht zu entfernen, 
als keine Dyspnoe oder anden\^eitige Indikation auftroten würde und vorläufig 
den weiteren Verlauf und den Zustand der linken Lunge zu beobachten. 

Es erfolgte nun zunächst keine rasche weitere Ver¬ 
schlechterung des Befundes der linken Lunge; mitunter waren 
sogar wieder weniger Rhonchi zu hören. Aber Kräftezustand imd Körper¬ 
gewicht nahmen ab. Fieber unverändert. 

Am 11. September untersuchte Brauer die Patientin und riet, den nun 
vorhandenen Pneumothorax nicht eingehen zu lassen; es sollte aber das Ex¬ 
sudat entleert und durch N. ersetzt werden. Am 11. IX. 320 ccm Exsudat ent¬ 
leert und 650 ccm N eingefüllt. Schlussdruck -j-’ 8 cm H 2 O. 

17. IX. Im Befinden der Patientin ist keine wesentliche Veränderung ein¬ 
getreten. Es werden 300 ccm Exsudat entleert und 400 ccm N eingeführt. 
Schlussdruck 2,5. 

Vom 20. September ab trat rascher Kräfteverfall ein. Am 
28. September 1910 Exitus letalis. 

SektionsprotokolL 

Beim Eröffnen der Pleurahöhle zischt etwas Luft heraus. Auf dem Boden 
der Pleurahöhle ca. 350 ccm klare gelbe Flüssigkeit. 

Rechte Lunge auf etwa Y 2 ihres Volumens kollabiert. Oberlappem 
durch fibröse Stränge im obem Drittel adhärent Stumpfe Lösung nur unter 
Verlust von Lungengewebe möglich. Fast der ganze Oberlappen ist' in eine 
grosse von Gefässspangen durchzogene Kaverne verwandelt. Der Unterlappen 
ist derb, grau, luftleer. Zwischen zahlreichen bronchopneumonischen Herden 
sieht man schon makroskopisch mächtige Bindegewebsstränge durchziehen. 

Linke Lunge teilweise überdehnt, namentlich an den Randpartien. 
Im Ober- und Unterlappen zahlreiche bis 3 cm lange und breite derbe luft¬ 
leere Stellen, die auf dem Schnitt eine Marmorierung von roten und käse¬ 
gelben Flecken zeigen. Im imtem Teil des Oberlappens vorne mehrere kon- 
fluierende kleinerbsengrosse Höhlen. In der Lingula zahlreiche subpleurale 
hirsekom- bis stecknadelkopfgrosse Tuberkel. 

Im Perikard ca. 10 ccm klare Flüssigkeit. Herz klein. Mitralklappen 
am Rande etwas verdickt. Auf dem Flächenschnitt durch den Muskel makro¬ 
skopisch nichts Besonderes. 

Ein Horizontalschnitt durch beide gehärteten Lungen etwa in der Höhe 
der Bifurkation zeigt zahlreiche verkäste Hilusdrüsen. 

Milz leicht vergrössert. Trabekelzeichnung verwischt. 

Leber sehr gross, schwer, strohgelb. Die Azini zeigen eine gclbo 
Färbung, einige mehr in der Peripherie, andere auch im Innern. Die interazi¬ 
nösen Gallengänge sind stark erweitert und mit einer grüngelben Masse injiziert. 

Gallenblase enorm ausgedehnt. Wandung sehr atrophisch. Serosa- 
überzug verdickt und durch Stränge mit dem grossen Netz verbunden. Gallen¬ 
blasenhals ringförmig eingeschnürt. Ductus cysticus erweitert. Wandung ver¬ 
dickt. In demselben mehrere fazetüerte Gallensteine. 

Nieren und Nebennieren makroskopisch o. B. 

Cökum in der Nähe der Ueocökalklappo einige grosse flache Geschwüre 
mit wallartigen Rändern. 

Indikation. Sehr rasch fortsclireitende, zu ausgedehnter Ein¬ 
schmelzung führende Erkrankung der ganzen rechten Seite. Rascher 

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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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Kräfteverfall, hohes hektisches Fieber; absolut hoffnungsloser Fall. 
Linke Seite war bei den zahlreichen rechtsseitigen Geräuschen nur 
schwer zu beurteilen, erschien aber bei klinischer Untersuchung, 
wie vor dem Röntgenschirm, nicht wesentlich verändert. 

Epikrise. 12. VII. 1910 Pneumothorax, der gut gelingt. 
Nur vorübergehend geringfügige Besserung. Es traten schon in den 
nächsten Tagen links feuchte Rhonchi auf („Tuberkulin-Reaktion“? 
cf. Fall 83). Die frischen Erscheinungen links machen zunächst 
nur langsam Fortschritte. Rechterseits tritt ein seröses Exsudat 
auf. Unter rasch fortschreitendem Kräfteverfall am 28. IX. 10 
Exitus letalis. 


99. Mrs. Th., Elsie, 35 Jahre alt. (Dr. Frey-Clavadel«) 

Anamnese; Mutter gestorben an Hämoptoe. Vater lebt, leidet seit 
Jahren an Husten. Gesundes Kind. Seit Jahren beim Steigen Herzklopfen, 
Atemnot, Stechen hinter dem Brustbein; öfters Magenschmerzen. Juni 1907 
Erkrankung mit Husten, spärl. Auswurf. Stechen links seitl.; Temperatur 38. 
Arzt findet linksseitigen Lungenspitzenkatarrh; anfänglich zu Hause behandelt 

Sanatorium Clavadel: Erster Aufenthalt 17. XII. 08 bis 10. V. 09. 
Befund: L. v. abgeflacbt, Nachschleppen. Bis 4. Rippe gedämpft mit etwas 
Tympanie ohne Schallwechsel, Insp. bronch. und mässig viele mittl. und 
grobe kons. Rh. 

L. h. bis Mitte Skapula ged. mit bron. Insp. und einigen mittleren kons. 
Rh., bis Ang. scap. leicht ged. mit versch. Insp. und spärl. tonl. Rh. 

R. V. bis 2. Rippe und r. h. bis Mitte Skapxila ged. mit unreinem Insp. 
\md spärl, Knacken. Bei Angulus scap. nach Husten einige tonlose Rh. Puls 88, 
Temperatur 37,4. Sputum Tuberkelbazillen Gaffky VI; zahlreiche elastische 
Fasern. Gewicht 57,0 kg. 

Während des Aufenthaltes im Sanatorium besserte sich der Zustand 
etwas. Die Rasselgeräusche der linken Seite wurden trockener und weniger 
zahlreich. Auswurf vermindert. Temperatur im ganzen normal. Nur kurz 
vor der Entlassung machte Patientin eine leichte fieberhafte Bronchitis durch. 
Bei der Entlassung im Sputum noch Tuberkelbazillen (Gaffky IV). 

Zu Hause (London) unzweckmässiges Verhalten, rasche Verschlimmerung, 
die auch in einem englischen Sanatorium nicht zum Stillstand kam. Ständig 
Temperatursteigerungen, blutiges Sputum, trockene Pleuritis links. 

Beim zweiten Eintritt (2. X. 09) waren die Rasselgeräusche links \mten 
vermehrt, ausserdem bestand über den seitlichen Partien Dämpfung mit ah- 
schwächtem unreinem Vesikuläratmen, spärl. Rh. imd pleur. Reiben. Tem¬ 
peratur 38,3, quälender Husten mit reichlichem, schleimig-eitrigem, zum Teil 
geballtem Sputum, das sehr zahlreiche Tuberkelbazillen (Gaffky VIII) und 
elastische Fasern enthielt. Puls 98. Nach 10 Tagen Temperatur normal. Pat 
befand sich, gelegentliche Temperatursteigerungen — Max. 37,6 — abgerechnet, 
den Winter über im ganzen wohl. Lungen etwas ruhiger. Im Mai und 
Juni 10 Zeichen vermehrter Einschmelzung im linken 
Oberlappen, häufige Temperatursteigerungen (bis 38,4), 
schlechteres Befinden. 



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325] Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 325 

Da auf der rechten Seite keine aktiven Herde vorhanden zu sein schienen, 
so wurde die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax erwogen. 

12. Juli 1910 Konsultation mit Prof. Brauer. Durchleuchtung ergibt 
gute Bew^eglichkeit des linken imteren Lungenrandes. Rechte Lunge wahr¬ 
scheinlich inaktiv. 

Operation am 12. Juli 1910 (Prof. Brauer): Hautschnitt 6. ICR. vord. 
Axillarlinie. Nach Durchstossung der Pleura costalis gelingt es ohne Schwierig¬ 
keit 820 ccm Stickstoff einfliessen zu lassen, bei einem Enddruck von -f- 2 cm 11,0. 


14. 

VII. 

N a c h f ü 

600 ccm 

1 u n g c n: 

Enddruck 2 cm 

H,0 

20. 

VII. 

450 „ 

,, 

+ 8 , 


27. 

VII. 

480 „ 


“1“ 1.5 . 


3. 

VIII. 

450 

,, 

+ 8,5 , 


11. 

VIII. 

650 „ 


+ 2 . 

n 

24. 

Vlll. 

650 ,. 

,, 

+ 1 . 


8. 

IX. 

700 „ 


+ 2 . 


16. 

IX. 

470 


+ 1 . 


1. 

X. 

670 ^ 

,, 

+ 2 , 

n 

12. 

X. 

970 „ 

»» 

+ 4 . 



Der Einfluss der Behandlung auf das Befinden der 
Patientin war ein sehr günstiger. Der Husten verminderte 
sich sofort, der Auswurf sank allmählich auf gegen 
früher; er enthält noch Tuberkelbazillen (Gaffky V. 30. Oktober 1910 keine 
Tuberkelbazillen mehr), jedoch keine elastischen Fasern. Die Temperatur, 
2 Monate vor der Operation mit kurzen Intervallen stets leicht erhöht, betrug 
am Tage vor der Operation max. 37,5, stieg nach der Operation für einen Tag 
bis 38,2, sank dann aber wieder nach weiteren 24 Stunden unter 37,0 und 
verblieb so im wesentlichen. Nur im September stieg sie während weniger 
Tage bis 37,6. Die Prüfung mit dem Manometer zeigte, dass, obwohl eine 
Nachfüllung kurz vorausgegangen w’ar, doch im Pleuraraum ein negativer Druck 
bestand (infolge Lösung von Adhäsionen?); die sofort vorgenommene 
Nachfüllimg bewirkte immittelbares Sinken der Temperatur. Seit dem 1. Oktober 
hat die Temperatur 36,8 im Rektum überhaupt nicht mehr überstiegen. 

Schon wenige Tage nach der Operation fühlte sich * Patientin viel besser 
und bekam, im Gegensatz zu vorher, einen selir kräftigen Appetit. Das Körper¬ 
gewicht ging anfänglich etwas zurück, stieg aber in letzter Zeit beständig. A 1 s 
einziger Nachteil ergab sich, namentlich im Anfänge der Behandlung, 
eine ziemlich starke Dyspnoe mit Zyanose und Pulsbeschleunigung; diese 
Beschwerden dauerten nach jeder Einfüllung ca. 2—3 Tage, nahmen dann 
aber ab, so dass Patientin sich ausser Bett aufhalten und etwas gehen konnte. 

Der Pneumothorax war von Anfang an sehr ausgedehnt Nur in den oberen 
Partien bestanden — und bestehen noch —, wie das Röntgenbild zeigt, grösser© 
nach oben und aussen verlaufende Adhäsionen, an denen die Lunge wie 
aufgehängt erscheint Nach unten besteht eine dünne strangförmige Verbindung 
mit der Pleura diophragmat Trotz dieser Adhäsionen erscheint die Lunge 
auf dem Röntgenbild gut kollabiert 

Indikation. Mehrjährige mittelschwere Erkrankung des 
linken Oberlappens und Unterlappens, die — nachdem vorüber- 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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gehende Besserung eingetreten war — im Sommer 1910 vermehrte 
Einschmelzung, liäufigc Temperaturanstiege und schlechtes Befinden 
bedingt. Rcchterseits keine aktiven Herde mehr nachweisbar. 

Epikrise. Am 12. VlI. 1910 sehr guter Pneumothorax; selir 
güi^stige Wirkung, insofern, als Husten und Auswurf wesentlich 
zurückgehen und die Temperatur alsbald zur Norm absinkt (siehe 
die Einzelheiten hierüber in der Krankengeschichte). Im Laufe der 
Behandlung lösen sich einzelne Adhäsionen. 

Als Nachteil tritt bei dem sehr guten Pneumothorax und dem 
wolil recht nachgiebigen Mediastinum jeweils einige Tage nach der 
Punktion Dyspnoe mit Zyanose und Pulsbeschleunigung auf. Man 
muss daher, falls dieses auch 'weiterhin so bleibt, versuchen, mit 
kleineren Druckwerten auszukommen. 


100. Frl. Carola H., 30 Jahre alt, ans D. (Dr. Noellner-Darmstadt.) 

Anamnese: Vater lebt, ist gesund. Mutter starb an Tuberkulose, ebenso 
ein Stiefbnider dersellxui. Sonst keine weiteren Fälle von Tuberkulose in der 
Familie vorgekommen. Als Kind machte Patientin Keuchhusten und Masern 
durch. Sonst war Patientin bis zum Jahre 1897 gesund. Damals hohes Fieber 
mit Husten und A u s w u r f. Der Arzt stellte Lungenspitzenkatarrh fest 
und schickte die Kranke nach St. Blasien, woselbst sie von Mai bis Sept. 1897 
blieb. Dieser Aufenthalt soll ihr sndir gut bekommen sein. Den Rest des 
Jahres verbrachte Pati<*ntin in Darnistadt und führte eine Ruhe- und Liegekur 
durch. Während 8 Jahren schien Patientin dann vollständig gesund zu sein. 
Sie hatte keinerlei Beschwerden, konnte sogar Sport treiben (Reiten, Berg- und 
Wintersj)ort). 1900 im Sommer abernuUs hohes Fieber und zwar wälirend 
einer Bergtour. Es gesellte sich Husten und Aiiswurf dazu. Den Winter 
1906/07 Kurgebrauch in Leysin, doch wurde dabei Sport getrieben. Der Auf¬ 
enthalt war denn auch ohne Erfolg, indem Husten und Auswurf sich nicht 
verminderten und Patientin viel unter starker Bronchitis litt. Im Mai 1907 
Rückreise nach Hause. Der Arzt konstatiert eine Verschlimmerung des Leidens. 
Sommer 1907 verblieb Patientin in Darmstadt bei wechselndem Befinden. Im 
Herbst 1907 Verschlechtenmg. Ab Januar 1908 Aufenthalt in Davos (Turban), 
wo bald Besserung eintrat. Der Davoser Aufenthalt dauerte 17 Monate. Da¬ 
selbst mehrere Influenzaanfälle. 

Im Laufe des Winters 1908 09 hat sich, wie Herr Kollege Dr. Baer- 
Sanatorium Turban in freundlicher Weise berichtet, bei Patientin unter Aus- 
stossung von kleinen bis mittelgrossen Lungensteinen rechts oben eine 
grosse Kaverne ausgebildet. Der Ausstossung ging fast regel¬ 
mässig Temperaturanstieg, ‘vermehrter Husten und A u s - 
Wurf und intensive Schmerzen im rechten 1. und 2. ICR. 
vorauf. Dieses fiel fast rogfdmässig mit den Menses zusammen. Nach Ab- 
stossung der Konkremente Rückgiuig dieser Erscheinung. Ein Fortschreiten 
des tuberkuh’isen Prozesses in bisher intiikte Partien der Lunge wurde dabei 
nicht beobachtet. 



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Erfahrungen und ÜlxTlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


327 


Im Mai 1909 Rückkehr nach Hause. Hier traten dieselben Erscheinungen 
(Abstossung von Konkrementen) unter vermehrtem Husten, Auswurf und Fieber 
wieder häufiger auf. 

Die Kr an ke ist durch diese sich häufenden Anfälle 
sehr behindert, auch beunruhigt, da sie ziemlich klare Einsicht in ihre 
Lage hatte. 

Im Juni 1910 wird in Marburg folgender Befund erhoben (Brauer): 

Patientin schläft gut, hat guten Appetit, Gewicht 70 kg, Teini)e- 
ratm bis 37,3, Puls zwischen 80—90; Sputummengen 30—50 ccm pro Tag. Der 
Auswurf enthält' Tuberkelbazillen und elastische Fasern. 

Rechte Schulter steht tiefer w'ie links. Wirbelsäule nicht verändert. R. 
Seite r. V. o. etwas abgeflacht. 

Perkussion: R. h. o. ausgesprochen verkürzt mit leichter Tympanie. 
Sehr schmale unscharf begrenzte Spitze. R. v. o. ebenso; sehr stark Brandenburg. 
Die Schallkürze geht hinten herunter bis zur Mitte Skapula; über rechten Unter- 
la[)pen relative Dämpfung. U. Grenze 10. Rippe auffallend gut verschieblich. 

R. V. unter der Klavikula tympanitisch gedämpft. Die Dämpfung nimmt 
nach unten zu langsam ab, ab 4. Rippe leidlich normaler Schall, Grenze 
6. Rippe. 

L. h. o. Isthmus etwa 6 cm breit, Grenze scharf, Schall anscheinend 
normal, kein Brandenburg. 

L. unter Klavikula Schall normal. L. h. ab Spina relative Schallkürze von 
etwa 4 Querfingerbreite. Diese SchaJlkürze reicht nach links etwa 4 Quer¬ 
finger von der Mittellinie aus herüber (Interskapulardämpfung). L. h. u. Schall 
normal, Grenzen gut verschieblich. 

Herz. Spitzenstoss schwach fühlbar, etwas nach links verlagert. Horz- 
grenzeii 3. und 4. Rippe und r. SternaJrand. Aktion etwas beschleunigt. Töne 
leicht klappend, aber rein. 2. Pulmonalton etwas akzentuiert, ebenso 2. Aortenton. 

R e c h t e L u n g e. R. v. o. über Klavikula leises bronchiales Insp. und 
Exsp., daneben deutliches Giemen. Besonders nach Husten ziemlich reichlich 
zähe klingende Rhonchi. R. imter Klavikula sowie im 2. ICR. Insp. scharf 
bronchial, Exsp. amphorisch, daneben lautes Giemen. Rhonchi klingend, etwas 
spärlicher wie oben. Über diesem Bezirk nimmt die Flüsterstimme einen eigen¬ 
artig giemenden und lauten Charakter an. Über dem r. Mittellappen ist das 
Insp. sehr scharf vesikulär, das Exsp. leise hauchend, nach Husten feine 
zähe Rhonchi. 

R. h. o. Inspirium leise bronchial, Exspirium laut und ziemlich scharf 
bronchial. Nur Giemen und einzelne zähe Rhonchi. Nach Husten deutliches 
Knacken. Im Interskapularraum physiologisches Bronchialatmen. Spontan nur 
Giemen, nach Husten ganz feine zähe spärliche Rhonchi. In der r. Axilla 
sehr scharfes, bronchiales Atmen, im Exsp. leiser. Von selber hier gar keine 
Rhonchi, ausser etv^as Brummen. Nach Husten ganz spärliches zähes Knacken. 

R. h. u. über dem ganzen Unterlappen sehr scharfes Insp., verlängertes 
Exsp.; zerstreute, spärliche, ziemlich zähe Rhonchi (dies wechselt nach den 
Angaben sehr wesentlich, zeitweise fehlen diese Rhonchi vollkommen). 

Linke Lunge. L. h. o. Insp. scharf, aber sehr leise, Exsp. etwas ver¬ 
längert; ganz feines, zähes Knacken aus der Tiefe, das nach Husten nur wenig 
Stärker wdrd. In der Höhe der Spina Atemgeräusch nahezu normal. Das 
physiologische BronchialatnK»n ist in dem oben bcscliriebenen Dämpfungsbezirk 
sehr scharf, keine deutlichen Rhonchi. L. Unterlappen ganz normales Atem- 


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L. Brauer und Lucius Spengler. 


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gercäusch, keine Rhonclii. L. Oberlappen vorn Insp. etwas scharf, nicht rauh, 
Exsp. wenig verlängert; k(‘ine Rhonchi. 

Auf Grund obenstehenden Untersuchungsresultates und nachdem die 
Röntgendurchleuchtung und die Röntgen-Photographie dasselbe bestätigt hatten, 
wird die Anlegung eines künstlichen Pneumothorax beschlossen. Im Rönt^en- 
bilde war rechts oben ein deutliches Kavum zu sehen. 

Am 14. VII. 1910 Anlegung eines künstlichen Pneumo- 
t li o r a X (Brauer). Der Eingriff ist durch das starke Eettpolster etwas er¬ 
schwert, doch gellt sie glatt vonstatten. Es werden 950 ccm N eingelassen. 

Am 15. VII. 10: die Röntgenuntersuchung zeigt eine deutliche Luftblase 
in der rechten Pleurahöhle. Am 16. VII.: Patientin fühlt sich wohl, sucht 
bereits die Liegehalle auf. 

Am 17. VII. 10 1. Nachfüllung 500 ccm. Am 21. und 26. VII. 10 weitere 
Nachfüllungen. Am 28. VII. 10 wird Patientin nach Hause entlassen. Zu den 
Nachpunktionen stellt sie sich regelmässig in Marburg ein. Letzte Nachpunktion 
vor Abschluss der Krankengeschichte am 12. VIII. 10. 

Es besteht nunmehr ein grosser Seiten-Pneumothorax. Die 
Lunge ist in der Kuppe und an der Wirbelsäule bis etwas unterhalb der Mitte 
des Thorax adhärent; eine strangartige Verwachsung läuft bis zum Zwerchfell. 
Das Befinden der Patientin ist gut. Puls und Temperatur normal. Sputum¬ 
menge auf die Hälfte reduziert. Die andere (linke) Seite ist vollständig un¬ 
verändert geblieben. 

Die Nachrichten von der Patientin lauten dann sehr wechselnd. Eine 
der Nachpunktionen scheint Schwierigkeiten gemacht zu haben, man kam mit 
der Nadel nicht in den Pneumothoraxraum, sondern wohl in die Lunge. Danach 
bestand für einige Tage etwas Fieber bis 37,9, dann wieder normale Tempe¬ 
raturen. Unter dem 5. X. 1910 berichtet die Patientin, sie habe weit weniger 
Husten und Auswurf und sei sehr zufrieden mit dem Zustande, der sich nach 
Anlegung des Pneumothorax entwickelte, und über die hierdurch bedingte 
grössere Leistungsfähigkeit. Unter dem 30. X. 1910 berichtet die Patientin, 
dass sie sich wiederum eine starke Erkältung zugezogen habe; der Husten, 
der sehr abgenommen hatte, sei wieder recht quälend, die Sputummenge sei 
von 20 g auf 35—45 g gestiegen, die Temperaturen schwankten zwischen 37,6 
bis 37,8 als Maximum. Lungensteine wurden nicht wieder ausgehustet. 

Herr Kollege Dr. N o e 11 e r sah im Verlaufe der letzten Wochen einige 
Male einen leichten Katarrh in der linken Lunge auftreten, b e - 
sonders zeigte eine umschriebene Stelle am linken Sternal- 
rande feinblasiges Rasseln. 

Bei dem Versuche einer Nachfüllung wurde Ende Oktober 10 der Ihieumo- 
thoraxraum nicht gefunen, es entwickelte sich ein subkutanes Emphysem. Pat. 
übersiedelte dann nach Davos (Sanat. Schweizerhof, Dr. Staub). 
Der Herr Kollege berichtet in freundlicher Weise auf Anfrage wie folgt 
(23. November 1910); 

Am 19. X. 10 kam die Patientin nach Davos zurück (Sanatorium Schweizer¬ 
hof); die Menses, die gleich nach Ankunft auftraten, machte sie völlig be¬ 
schwerdefrei durch. Temperatur normal (37,3 rektal); Allgemeinbefinden vor¬ 
züglich, Auswurf 25—30 ccm; in demselben mässig reichlich Tuberkelbazillen 
und elastische F’asem. Die physikalische Untersuchung ergab nur wenig mittlere 
Rhonchi r. v. o. bis 3. Rippe», r. h. o. bis Mitte Skapula. Abwärts Pneumo¬ 
thorax ohne deutliche Metallie. L. v. o. und I. h. o. vereinzelte ziemlich 


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329] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungeukollapstherapie. 


329 


feine Rhonchi bis 3. Rippe imd bis unter Spina scapulae. In der Durchleuchtung 
sah man einen mittelgrossen Pneumothorax mit geringer hinterer Überblähung 
und einem ca. Rngerdicken Strang, von r. v. o. aussen nach r. v. u. innen zum 
Zwerchfell ziehend. Über der vordem Thoraxwand noch ausgebreitetes Haut¬ 
emphysem. 

1. Nachfüllung in Davos am 27. X. 10: 500 ccm N. Schlussdruck -|" 2 -j- 8. 
Patientin fühlt sich nach der Nachfüllung subjektiv sehr wohl, wohler als in 
den Tagen kurz zuvor; Temperatur normal. 

2. Nachfüllung am 2. XI. 10: Schlussdruck -f”. I 4“ ^ (während des Ein¬ 
griffs erfolgte offenbar Ablösung). 

3. Nachfüllung 11. XI. 10 : 800 ccm N. Schlussdruck 5 + ^ cm HoO. 
Allgemeinbefinden weiter sehr gut; Temperatur stets 
normal; Pat. fühlt sich wesentlich leistungsfähiger wie 
früher. Zeitweise Gefühl von Druck und Wundsein r. v. o. im 1. und 2. ICR. 
R. V. und r. h. o. sind kkum mehr Rhonchi zu hören; L. o. vereinzeltes ziem¬ 
lich feines Knacken. 

Die Ihirchleuchtung vom 2. XI. lässt einen grossen Pneumothorax er¬ 
kennen; nur oben bis 2. Rippe imd bis gut Spina ist die Ablösung nocji nicht 
erfolgt. Vorn ge^it der Pneumothorax bis etwas über den linken Stemalrand, 
hinten bis ca. 2 Querfinger über Vertebra, Herz ziemlich stark nach links 
verschoben. In dem ^m Diaphragma ziehenen Strang ist eine dicke Kalk¬ 
partie eingelagert 

Es ist keine Frage, dass es der Patient im Vergleich! 
zu früheren Jahren entschieden besser geht, dass der Pneumo¬ 
thorax sich gut zu entwickeln scheint, und dass die linke Lunge die Über¬ 
lastung ohne Schaden erträgt 

Indikation. Langjährige rechtsseitige, schwere Erkrankung; 
seit 2 Jahren Kavemenbildung, häufige Pieberschübe mit ver¬ 
mehrtem Husten und Auswurf mit Abstossung zum Teil ziemlich 
grosser Lungensteinchen, trotz wiederholter sorgfältiger Sanatoriums¬ 
behandlung. 

Epikrise. 14. VII. 1910 Pneumothorax, der ziemlich gut 
gelingt und trocken bleibt. Im ganzen bisher befriedigender Erfolg. 
AUgemeinbefinden jetzt sehr gut. Patientin fühlt sich wesentlich 
leistungsfähiger als früher; Lungensteinchen wurden nicht mehr 
entleert. 


101. Auguste Ed. aus O., 22 Jahre. 

Aufnahme: 20. Juli 1910 (Deutschhausklinik). Vorgeschichte: 
Familien-Anamnese ohne Belang. Im Jahre 1905—06 starke Bleichsucht. Februar 
1910 anstrengende Krankenpflege, danach Rippenfellentzündung links, 12 Wochen 
bettlägerig, darauf als tuberkulös erkannt und nach Lippspringc geschickt 
Dort 2 Monate mit mangelhaftem Erfolge behandelt. 

Status: Stiche auf der linken Seite, Atembeschwerden, speziell 
beim Gehen; häufig Herzklopfen. Sputummenge 20—40 ccm pro 


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L. Brauer und Lucius Si)engler. 


[330 


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Tag, r c i c li 1 i c h T u b e r k c* 1 b a z i 11 e n und elastische Fasern. 
Appetit schlecht, starke N a c h t s c h w e i s s e , keine Darnistöniogen. 
Patientin, die in letzter Zeit dauernd abgenommen hatte, bietet schlechten Er¬ 
nährungszustand. Gewicht 54,25 kg. Regelmässige subfebrile 
T e ni p e r a t u r s t e i g e r u n g e n. Puls zwischen 100 und 110. Linke 
Brubtseite wird weniger gut bewegt; sagittaler Thoraxdurchmesser vermindert. 
Spilzenstoss an nonnaler Stelle. 

Perkussion: Über dem linken Oberlappen eine ziemlich intensive 
Dämpfung mit tympanitischem Beiklang, die vom bis zur 3. Rippe und hinten 
bis zur Mitte Skapula herabgeht. Vom ab 3. Rippe bis unten relative Dämpfung, 
ebenso links seitlich und l. h. o. Die linke Spitze ist sehr schmal, die Grenzen 
sind unscharf. Rechts ist der Lungcnschall überall normal. 

Auskultation: Über dem linken O.-L. v. und h. sehr leises hauchen¬ 
des Insp., Exsp. bronchial. Sehr zahlreiche grobe und auch feine klingend4? 
Rasselgeräusche. L. unter der Klavikula sind die Rasselgeräusche zum Teil 
metallisch klingend und grossblasig, dius Exsp. amphorisch (Kaverne). 

L. h. über dem ganzen Unterlappon lautes, aber sehr rauhes Inspiriiini, 
hauchendes Exsj»irium, massig zahlreiche, feuchte, halbklingende Rhonchi. 

R. V. imd h. o. ist das Insp. zu leise, Exsp. etwas verlängert, kein Rasseln. 
R. unter Klavikula Insp. etwas scharf, Exsp. nicht deutlich verändert, auch 
hier kein Rasseln, sonst rechts alles normal. 

Am 27. VII. 1910 Anlegung eines Pneumothorax, der glatt 
gelingt. Da aber die hitcrkostalmuskolnähte nicht genügend festgelegt waren 
und die Patientin ziemlich stark hustete, trat ein mittelgrosses Hautemphysem 
auf, welches die Patientin wälirend einiger Stunden belästigte, aber sich dann 
si)äter, ohne Besonderheiten zu bedingen, resorbierte. 

Im weiteren Verlauf wurde regelmässig nachpunktiert, durchschnittlich 
600 ccm eingebracht und der Schlussdruck so gewählt, dass bei Inspiration 
gerade noch positiver Druck war. Die kollabierte Lunge ist in der Spitze 
und anscheinend über der Mitte des Zwerchfelles adhärent, so dass sie band¬ 
förmig ausgespannt gehalten wird. Im linken Oberlappen sieht man 
vor dem R ö n t g e ii s c li i r me deutlich eine halbkollabierte, 
ziemlich grosse Kaverne. Im übrigen ist die Lunge aber ziemlich gut 
von Luft umgeben und leidlich, weim auch nicht besonders gut, entspannt. 
Temperatur seit 8. VIII. normal, Sputuimnenge die gleiche, Allgemeinbefinden 
etwas gebessert. Die andere Seite liat sich unverändert gut erhalten. Mässige 
Exsiulatbildung. Letzte Naclirichten Ende Nov. 1910. 

ludikation zur Operation. Schwere Tuberkulose der 
ganzen linken Lunge; bisherige aussichtslose Behandlung und ganz 
schlechte Prognose. Leichter, wahrscheinlich inaktiver Prozess der 
anderen Seite. 

E p i k r i s e. Bisheriger Verlauf anscheinend günstig. Der 
Pneumothorax l>esteht ei'st seit 27. VII. 1910. 


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331] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapic. 


331 


Pneumothorax zur Behandiung schwerster Hämoptoe. 


102. Lndw. Pf., Müller, 28 Jahre alt, Bottendorf. 

Am 30. Juni 1907 meldet Herr Kollege Vahle (Frankenberg) 
der med. Klinik Marburg, dass daselbst seit mehreren Tagen ein 
Mann schwerste Limgenblutungen habe, die nicht zu stillen seien. Er bat 
um schleunigsten Besuch und um Entscheidung, ob Pn.Th. anzulegen sei. Der 
Transport des Patienten sei ausgeschlossen. Darauf fuhr Herr Dr. v. d. V e 1 d e n , 
entsprechend ausgerüstet, sofort hinaus. Er fand einen hochfieberden, hoch¬ 
gradig anämischen (ausgcblutet), aber kräftig gebauten Mann, bei dem vor 
einiger Zeit eine Lungenphthise konstatiert wurde. Die den erschwerten Um¬ 
ständen angepasste kurze Untersuchimg ergab, dass beide Spitzen verkürzt 
waren, dass aber die rechte Seite vorwiegend infiltriert schien. Auch während 
dieser oberflächlichen Untersuchung wieder abundante 
Lungenblutung, sodass von einer genaueren Beurteilung 
der Einzelheiten Abstand genommen werden musste. Immer¬ 
hin berechtigte die Untersuchung zu der Annahme, dass es sich um eine schwere 
Phthise handelte, und dass der Sitz der Blutung nach rechts 
zu verlegen war. Prognostisch erschien der Fall völlig ungimstig. So 
wurde als ultima ratio die Kompression der erkrankten Lunge versucht. Es 
gelang, in der Bauernstube den Eingriff glatt durchzuführen und einen günstig«! 
Pneumothorax anzulegen. Oppressionsgefühl trat nicht auf, es war auch ab¬ 
sichtlich vermieden worden, den Patienten durch einen allzu grossen Pneumo¬ 
thorax in Dyspnoe zu bringen. 

Der direkte Erfolg war durchaus befriedigend, denn 
die Blutung stand prompt; auch weiterhin blieben die Blu¬ 
tungen völlig aus. Der Patient erholte sich soweit, dass man ihn nach 
Ablauf einer Woche per Bahn nach ^larburg transportieren konnte. 
Hier traf er am 6. VII. 07 eüv 

Die Untersuchung zeigte einen wohlgelimgenen Pneumothorax. Die 
Sputummengen waren verhältnismässig gering, kaum noch blutführend, da¬ 
gegen bot die andere Seite ziemlich ausgedehnte katar¬ 
rhalische Geräusche, besonders auch über dem Unter¬ 
lappen. Allem Anschein nach hatte während der schweren 
Blutungen die bekannte .Aspiration und Aussaat stattge¬ 
funden. Der Kranke starb am 16. VII. 07 auf der Klinik. 

Sektionsprotokoll. 

Patient kräftig gebaut, gross, starke Zyanose, allgemeiner BJutgehalt geling. 

Im 4. ICR. Mamillarlinie 2 cm lange, gut granulierte, kleine Schnittwunde, 
dagegen ist in dem darunter liegenden Pektoralis imd der Pleura eine 
Wunde nicht mehr zu erkennen, also hier alles glatt und völlig 
normal verheilt. Keine Ödeme. 

Thorax: Bei der Eröffnung entströmt diesem etwas Luft unter leichtem 
Pfeifen. Das Herz ist normal gelagert. Die linke Lunge fällt nicht zusammen, 
da sie überall leicht adhärent ist. Die rechte Lunge ist an der Spitze durch 
sehr derben Strang fixiert; ein schmälerer Strang findet sich im unteren Ab¬ 
schnitt. Im rechten Pleuraraum sind ca. 30 ccm hellgelbe, trübe FUissigkeiL 
Herz ohne pathologischen Befund. 


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332 L. Brauer und Lucius Spengler. [332 

Bei der Herausnahme der Halsorgane findet sich die Trachea nebst den 
grossen Bronchi angefüllt mit sehr reichlich zähem Schleim; 
Blut ist nirgends nachzuweisen. Im Kehlkopf kleines kavernöses 
Greschwür. Die linke Lunge zeigt nach ihrer Herausnahme in der Spitze 
eine sehr derbe feste Einziehung; sie ist im aJlgemieinen gut mit Luft gefüllt 
und sehr blutreich. Die Bronchien sind gerötet und mit Schleim erfüllt; diese 
Füllung reicht bis in sehr feine Äste hinein. Im linken Unterlappen finden 
sich ödematöse, hyperämische Partien mit mässigen, dicht stehenden Infiltraten. 
Die zugehörigen Bronchi sind zylindrisch dilatiert und mit trübem, wässrigen 
Schleiminhalt gefüllt. Die Lunge enthält überall Tuberkelgruppen. Die mässigen 
Infiltrate sind meist klein, aber namentlich in dem hinteren Abschnitt recht 
dicht gestellt. In dem Oberlappen findet sich in dem meist gut lufthaltigen Ge¬ 
webe eine ziemlich kleine, vielbuchtige Kaverne mit gerötetem, eiterbedecktem, 
zum Teil käsigen Rande, welcher vielfach aus Granulationsgewebe besteht 
Trotz sorgfältiger Präparation gelingt es nicht, in dem Rande dieser Kaverne 
ein Arterien-Aneurysma zu finden, nur an einer einzigen sehr kleinen Arterie 
scheint eine Dehiszenz Vorgelegen zu haben, doch ist d4r sichere Nachweis, 
dass dieses die Quelle der Blutung war, nicht zu führen. Einige kleine, trockene, 
käsige Herde in der Spitze. 

Die rechte Lunge ist kleiner als die linke und zeigt deutliches 
Emphysem, ist von hellgrauroter Farbe, die in den unteren Partien noch 
zunimmt. Auch hier findet sich ein ausgeprägtes Emphysem (akute 
Blähung) der vorderen Abschnitte im grossen Umfange. Nur kleinere 
Teile des Oberlappens sind schierfrig - atelektatisch und die zugehörigen 
Bronchi dilatiert und gerötet. Eine Kaverne befindet sich nur in einer in der 
Spitze gelegenen etwa haselnussgrossen Höhle. Die Wand der letzteren ist 
vollkommen glatt, auch hier fehlt jede Andeutung eines Arterien-Aneurysmas. 
Die übrige Lunge enthält erheblich weniger Tuberkel als die linke, namentlich 
keine käsigen Herde; es finden sich hier nur miliare Tuberkelknötchen in 
mässiger Zahl, deren Umgebung ziemlich stark gerötet erscheint. Alle Bronchi 
sind mässig entzündet, die zu der Kaverne in der linken Spitze führenden 
ausgedehnt tuberkulös ulzeriert. Im übrigen Befund ohne Belang. 

Sektions-Diagnose: Tuberkulose beider Lungen mit Kavemen- 
bildung, hochgradige Überblähung der Luftwege mit Schleim und infolgedessen 
Erstickungshyperämie der Lunge, sowie der übrigen Organe. Nur noch un¬ 
bedeutender Pneumothorax der rechten Seite. 

Indikation. Ausschliesslich die schwere, nicht zu stillende 
Hämcptöe. Schwierigkeit der Untersuchung, der Beurteilung der 
Blutungsstelle, wie auch der „anderen Lunge'M 

Epikrise. Die Blutung steht prompt und dauernd. Nach 
2^/2 Wochen ist es aber nicht mehr möglich bei der Sektion das 
lädierte Gefäss .zu finden. 

Die Operation kam zu spät, da bereits ausgedehnte Aspiration 
und damit weitere Aussaat stattgefunden hatte. Tod. 



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333] 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie. 


333 


Fortsetzung zu dem Literatur*Verzeichais in Band XIV. 

Seite 464. 


292. Bach, Über das Vorkommen des spontanen Pneumothorax bei Emphysem. 
Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberk. Bd. XVIII. Heft I. 1910. 

298. B a e r, A. und Kraus, H., Behandlung der Limgentuberkulose mit künst¬ 
lichem Pneumothorax. Wiener klin. Wochenschr. 1910. Nr. 15. 

294. Balvay et Arcelin, Tuberculose pulmonaire. — Son traitement par 
la mise au repos du poumon au moyen de Pinjection d*azote dans la 
cavit6 pleurale. Lyon MMical. 1909. Nr. 42. 

295. Brauer, L., Respirationskrankheiten. Die wissenschaftlichen Voraus¬ 
setzungen, Indikationen und Resultate der chirurgischen Behandlung der 
Lungenkrankheiten. Jahreskurse für ärztliche Fortbildung. 1910. Heft 2. 

296. Derselbe, 1. Bericht über einige Patienten mit sogen. L. Spengler- 
schem Pleura-Exsudat. — 2. Demonstration von Röntgenbildem 
und Vorführung klinischer Beobachtungen von spontanem Pneumo¬ 
thorax bei Emphysem. — 3. Mit Sputum zum Teil angefüllte Ober- 
lappenkaveme im Röntgenbild. — 4. Verhalten des Magens bei links¬ 
seitigen pleurodiaphragmatischen Schwarten. Aus dem offiziellen Protokoll 
des ärztlichen Vereins zu Marburg vom 15. VII. 10. Münchner med. 
Wochenschr. 1910. Nr. 34. 

297. Brauer, L. und Spengler, Lucius, Die Technik des künstlichen 
Pneumothorax. Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberk. Bd. XIV. S. 419. 

298. Brauer und G e k 1 e r, Ein Beitrag zur Differentialdiagnose zwischen 
extrem grossen Kavernen und Pneumothorax. Beiträge zur Klinik der 
Tuberk. Bd. XIV. S. 395. 

299. Brauns, Zur Behandlung der Lungenschwindsucht mittelst künstlichen 
Pneumothorax. Zeitschr. f. Tuberk. Bd. XV. S. 425. 

300. Bull, Pyopneumothorax tuberculosus ambulans von vierjähriger Dauer. 
Resektion der zweiten bis elften Rippe. Heilung. Deutsche med. Wochen¬ 
schrift 1910. Nr. 6. 

301. Chapuis, R. (Genf), Contribution ä 16tude du pneumothorax artificiel 
suivant la möthode F o r 1 a n i n i. Dissertation der Universität Genf. 1910. 

302. C1 a i s s e , P., Le traitement de la tuberculose pulmonaire par le pneumo¬ 
thorax artificiel. La clinique. 27 Aoüt 1909. Nr. 35. 

302a. C1 o e 11 a, M., Eine neue Methodik zur Untersuchung der Lungenzirku¬ 
lation. (Archiv f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 63. S. 147.) 

303. C o r d i e r (Lyon), Des accidents nerveux au cours de la thoracentöse 
et de Tempiöme. Recherches experimentales sur Pepilepsie d*origine pleurale. 
Maloine Editeur, Lyon-Paris. 1910. 

304. Crescenzi, Über Heilungsvorgänge von Substanzverlusten der Pleura 
visceralis. Beiträge zur klin. Chirurgie. 1910. Bd. 65. 

805. D r e y e r, Zur Bewertung des neuen Überdruckverfahren. Beiträge zur 
klin. Chirurgie. 1910. Bd. 65. 

306. Dumarest, F., Les applications, les risques et les complications du 
Pneumothorax artificiel. Auszug aus dem Bande publiziert bei Gelegen¬ 
heit des Jubiläums des Professors T e i s s i e r. 1909. Lyon, A. Rey. 


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334 L. Brauer und Lucius Spengler. [334 

307. Eden, R., Versiiclie zur Lungenkollapstherapie durch Thorakoplastik. 
Beiträge zur Klinilc der Tuberk. 1900. Bd. XIV. Heft 4. 

308. F o r 1 a n i n i, Seit 6 Jahren bestehender, durch künstlichen Pneumothorax 
behandelter Lungenabszess. Münch, med. Wochenschr. 1910. Nr. 3. 

309. Derselbe, Über eine Prioritätsfrago bezüglich des künstlichen Pneumo¬ 
thorax bei der Behandlung der Lungenschwindsucht und Mechanismus 
seiner Wirkung. Therap. d. Gegenwart. 1910. Nr. 5 u. 6. 

310. Derselbe, Behandlung der Phthise durch künstlichen Pneumothorax. 

Ri form. med. 1910. Nr. 20. 

311. Derselbe, Ijo .stato attuale della torapia pneumotoracica nella tisi 
polmonare. Industria Grafica Italiano. Stucchi, Ceretti & Cie. Milano, via 
Baracca 19. Februar 1910. 

312. D e r s e 1 b e , ;Vn caso di ascesso }X)lmonarc datante da sei anni c feli- 

ccmente curato col pneumotorace artificiale. RiWsta delle pubblicazioni 

sul pneumotorace torapeutico. 1910. Nr. 8. Libreria editrice successori 
Marelli, Pavia. 

313. Derselbe, Mitteilungen zur Technik des künstlichen Pneumothorax. 

Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte. 1910. Nr. 17. 

314. Fourgous, Le pneumothorax artificial dans le traitement de la tuber- 
culose pulmonair<\ G. Steinheil, Paris 1910. 

315. Frank und v. J a g i c , Pneuniotlioraxtherapie bei Bronchiektasien. Wiener 
klin. Wochenschr. 1910. Nr. 21. 

316. Da Gardi, Über den Verlauf der Kehlkopftuberkulose bei der mit künst¬ 
lichem Pneumothorax behandelten Lungenschwindsucht. Deutsche med. 
Wochenschr. 1910. Nr. 22. 

317. Gaus sei, A., Traitement de la tuberculose pulmonaire. Montpellier, 
Coulet et fils. 1909. 

318. Ge s e 1 s c h a j, J. H., Behamllung der serösen Pleuritis mit Lufteinblasimg. 
Therapie der Gegenwart. Nr. 9. 

319. Harras, Mobilisierung und Immobilisierung der Lunge wegen Tuber¬ 
kulose. Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. 
1910. Bd. XXI. Heft 3. 

320. Härtel, F., Saugdrainage der Pleurahöhle. Berliner klin. Wochenschr. 
Nr. 25. 1910. 

321. Holmboe, W., Artefizioller Pneumothorax. Lancet. 13. August 1910. 

322. Holmgrcn, Beitrag zur Kompressionsbehandlimg der Lungentuberkulose. 
Münch, med. Wochenschr. 1910. Nr. 36. 

323. K a k o w s k i, Zur Frage des künstlichen Pneumothorax. Archiv für die 
ges. Physiologie. Bd. 134. 1910. 

324. Kuss, M., Pneumothorax artificiel dans le traitement de la tuberculose 
pulmonaire. (Soc. med. des höpit. La Presse med. 1910. Nr. 50.) 

324a. D e r s e 1 b e , La technique et les rösulUits immediats du pneumothorax 
artificiel dans les formes avancees unilaterales de tuberculose pulmonaire. 
(Bulletins et mc^moires de la Societe medicale des Höpitaux de Paria. 
Seance du 22 Juillet 1910.) 

325. V. M u r a 11, L., Zur Kenntnis der symmetrisch fortgeleiteten Rassel¬ 
geräusche. Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberk. Bd. XVI. Heft 2. 

326. Nienhaus, Die Behandlung einseitiger, schwerer Lungentuberkulose 
mit künstlichem Pneumothorax. Korrespondenzblatt für Schweizer Ärzte. 
1910. Nr. 11. 



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335) 


Erfahrungen und Überlegungen zur Lungcnkollapstherapie. 


335 


327. N i t s c h , Die „schwachen Stellen“ des Mediastinums und ihre* klinische 
Bedeutung bei pleuritischem Exsudat und Pneumothorax. Brauers Bei¬ 
träge zur Klinik der Tuberk. Bd. XVIII. Heft 1. 1910. 

328. Penzoldt, F., Behandlung der Lungentuberkulose. Aus dem Handbuch 
der gesamten Therapie von F. Penzoldt und R. S t i n z i n g. 4. umge¬ 
arbeitete Auflage. Jena 1910. Gust. Fischer. 

329. Rubel, Zur Kenntnis der Wirkung funktioneller Ruhe der Lunge auf 
die Ausbreitung und den Verlauf der Lungentuberkulose. Brauers Bei¬ 
träge zur Klinik der Tuberk. Band XVIII. Heft I. 1910. 

330. Ruediger, Zur Kollapstherapie der Lungentuberkulose. Brauers Bei¬ 
träge zur Klinik der Tuberk. Band XVIII. Heft I. 1910. 

331. Saugmann, Pneumothoraxbehandling of almindeling Praxis. Saertryk 
af Ugeskrift for Laeger. 1910. Nr. 10. 

332. Derselbe, Zur Behandlung der Lungentuberkulose mittels künstlicher 
Pneumothoraxbildung. Nordiskt Medicinskt Arkiv 1910. Abt II. Anhang. 

333. Saugmann und Hansen, Klinische Erfahrungen über die Behand¬ 
lung der Lungentuberkulose mittelst künstlicher Pneumothoraxbildung. 
Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberk. Bd. XV. Heft 3. 

334. Snoy, Ein Fall von ungewöhnlich grosser Lungenkaveme. Beiträge zur 
Klinik der Tuberk. Bd. XVI. Heft 2. 

335. Sokolowski (Warschau), Diagnose und Therapie der beginnenden 
Lungentuberkulose. Bert klin. W^ochenschr. 1909. Nr. 42, 43. 

336. Treupel, G., Der Pneumothorax und seine Behandlung. Deutsche med. 
Wochenschr. 1910. Nr. 15. 

337. W a r n e c k e , Beitrag zur pathologischen Anatomie des künstlichen 
Pneumothorax. Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberk. Bd. XVI. Heft 2. 

338. Wellmann, Klinische Erfahnmgen in der Behandlung mittels künst¬ 
lichem Pneumothorax. Brauers Beiträge zur Klinik der Tuberk. Bd. XVIII. 
Heft I. 1910. 

339. Würtzen u. Kjer-Petersen, R., Traitement de la tuberculose pul- 
monaire par le pneumothorax artificiel. La Revue International de la 
Tuberculose. Vol. XVI. Nr. 5. Novembre 1909. 


Erklärung der Röntgenbilder. 

Tafel I: 

Nr. 1. Fall 20 (S. 12) Erklärung des Bildes auf S. 16. 

Nr. 2. „ 22 (S. 21) „ „ „ „ „ 25. 

Nr. 3u.4. „ 40 (S. 112) „ „ „ „ „ 115. 

Tafel II: 

Nr. 5 u. 6. Fall 39 (S. 105) Erklärung des Bildes auf S. 112. 

Nr. 7. „ 21 (S. 17) „ „ „ „ „ 18. 

Nr. 8. „ 37 (S. 93) „ „ „ „ „ 97. 

Die Reproduktion ergiebt bei Bild 8 die linke Seite zu dunkel. 

Tafel HI: 

Nr. 9. Pall 24 (S. 32) Erklärung des Bildes auf S. 39. 

Nr. 10. „ 82 (S. 274) „ „ „ „ „ 278. 

Nr. 11 u. 12. „ 26 (S. 49) „ „ „ „ 49o.50. 


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BeMge ur Klinik der Tuberkulose Bd. XIX. 


Tak-I 0. 



Brauer u. Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei künstlichem Pneumothorax. 


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LOlo^.SÖli^maft A.-Q 
OF MINNESOTA 


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Bcitrige zur Klinik der Tubcfkulosc. Bd XK. 


Brauer u. Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei künstlichem Pneumothorax. 


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Curt Kabitzsch (A.. Stubcr^s Verlag), WOrrburg. 

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Fall 22: Frl. H. aus N., *26 Jahre alt. Siehe Seite 21. 

Brauer und Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei künstlichem Pneumothorax. 






















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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. 


Tafel V 




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Curt KabitzsclMA^ Stuber's Varla^), WOrzburg. 

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Brauer und Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei kOnstlichem Pneumothorax. 



















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Tafel VI. 


Beiträge zur KHnik der Tuberkulose. Bd. XIX. 




Curt Kabitzsch (A. Stuber's Verlftj), Worzburif. 


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Kurve Nr. 2: Fall 50: Herr Paul R. aus K., 32 Jahre alt. — Siehe Seite 154 
Brauer und Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei künstlichem Pneumothorax. 


































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Beiträge zur Klinik der luberkulose, Bd, XIX, 


Cort Kabitz«ch (A. Stuber^a Verlag), Würrburg. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. 


Tafel X. 



Ciirt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Würzburg. 


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Fall 73: Frl. O. S., 20 Jahre alt. — Siehe Seite 254. 

Brauer und Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei kOnstlichem Pneumothorax. 

































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Curt Kabitzsch (A. Stuber'a Verlag), WOrzburg. 


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Brauer und Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei künstlichem Pneumothorax. 











































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urt Kabitzsch (A. Stuber's Verlag), Wörzburg. 

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Brauer und Lucius Spengler, Klinische Beobachtungen bei kOnstlichem Pneumothorax. 






































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UMfVERSITY OFMmPJfSOTA 



Aus der inedizinisohen Klinik der Universität zu Marburg a. L. 

(Direktor: Professor Dr. L. Brauer). / 


Führt die funktionelle Beanspruchung der Lungen 
beim Spielen von Blasinstrumenten zu Emphysem? 

Von 

Erich Becker. 

Mit 1 Kurve im Text. 


Dio fül’ die Ätiologie des Emphysems in Betracht kommenden 
Theorien kann man zweckmässig — einer hergebrachten Einteilung 
zufolge — in zwei grosse Gruppen scheiden; einmal werden patho¬ 
logisch-anatomisch nachweisbai’e Veränderungen der Lungen selbst 
als ursächliche Momente genannt; auf der anderen Seite dagegen 
misst man der mechanischen Entstehung — also der Lungendehnung 
— durch Erschwerung der Ein- oder Ausatmung eine wesenüicho 
Bedeutung zu. Mit der letzteren Ursache des Emphysems durch 
Erschwerung der Ausatmung l>eschäftigen wir uns in folgendem. 

Der Frage, ob durch die Ausübung verschiedener Berufsarben, 
wie z. B. Glasblasen oder durch Spielen von Blasinstrumenten ein 
echtes Emphysem entstehen könne, ist man verschiedentlich aiäJier 
getreten. Es sei mir gestattet, die hier in Betracht kommenden Arbeiten 
und ihre Ergebnisse kurz anzuführen. 

Pretin und Leibkind untersuchten im gauzen 230 Glas¬ 
bläser auf die Frage liin, ob tatsächlich in diesem Berufe Emphysem 
sich so häufig fand, man — nach allgemein gültigen An¬ 

schauungen — bisher anzunehmen geneigt war. Bläser, die weniger 
als 10 Jahre im Berufe tätig waren, wurden von vornherein von 
der Untersuchung ausgeschaltet. Die Mehrzahl der Bläser waren 
zwischen 11 und 20 Jahren im Dienst. 

Die Methode dieser beiden Autoren bestand in „Messung des 
Thoraxumfangs mit dem Bandmass, durch Perkussion wurde Stand 

Beitrlge zur Klinik der Tnberknlose. Bd. XIX. U. 2. 22 


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Erich Becker. 


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und Verschieblichkeit des Zwerchfells bestimmt und der auskulta¬ 
torische Befund der Lungen erhoben. Spirometrisch wurde die 
Vitalkapazität gemessen und deren Wert im Verein mit den übrigen 
Befunden bei der Entscheidung ob Emphysem vorlag, in Betracht 
gezogen. Die gefundenen Spirometerwerte werden im Mittel zu 
3300 cm ang^eben.“ 

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in kurzen Zügen 
folgende: unter 164 Bläsern konnte kein Pall von Emphysem er¬ 
mittelt werden; bei 54 Bläsern im Alter von 40—50 Jahren konnte 
nur in 2 Fällen „ein nicht einmal deutlich ausgeprägtes Emphysem“ 
konstatiert werden. Von den 12 ältesten Bläsern boten drei das 
klinische Bild des Emphysems. „Im ganzen also unter 230 Fällen 
nur fünf wirkliche Emphysematose“! Daraus ziehen Pr et in 
und Leibkind den Schluss, „dass der Beruf als Glasbläser 
kein ätiologisches Moment für die Entstehung des Emphysems 
abgibt.“ „Eher zeigen bei den Glasbläsern die Lungen entschieden 
eine Angewöhnung an die Anstrengung des Blasens.“ Ein weit 
wichtigeres, die Entstehung des Emphysems begünstigendes Moment 
sehen Pretin und Leibkind darin, dass mit dem Beruf ein 
ständiger Aufenthalt in schlecht gelüfteten, mit Staub und Bauch 
erfüllten Räumen, der zu hartnäckiger katarrhalischer Bronchitis 
Veranlassung gibt, verbunden ist. Die Erweiterung der Lungen¬ 
alveolen durch die Erschwerung der Exspiration genügt bei ge¬ 
sunder Lunge nicht, ein Emphysem zu erzeugen, es müssen stets 
organische Veränderungen des Lungengewebes hinzukommen; nur 
dem Zusammenwirken beider Faktoren kann die Erzeugung eines 
echten Emphysems zur Last gelegt werden. 

Zu genau dem gleichen Ergebnis kommt H. Fischer durch 
die klinische Untersuchung von 500 Militärmusikern. Auch die 
älteren von ihm untersuchten Bläser „zeigten keineswegs den Sym- 
ptomenkomplex des Lungenemphysems“. Das ausgebildete Emphysem 
konnte er selbst bei den am längsten im Dienst und Beruf befind¬ 
lichen Musikern nirgends mit Sicherheit konstatieren. Auch Fischer 
neigt der Ansicht zu, dass mit dem Spielen von Blasinstrumenten 
eine Übung der Lungen verbunden ist. Der Aufenthalt in rauchigen^ 
staubigen Lokalen, die meist dabei in erheblichen Quantitäten ver¬ 
tilgten alkoholischen Getränke und die durch dies Leben verursachte 
chronische Bronchitis sind eher als ursächliche Momente zu be¬ 
schuldigen, als das Spielen von Blasinstrumenten. 

Die Möglichkeit, dass durch die Ausübung verschiedener Be¬ 
rufe ein substantielles Emphysem erzeugt werden könne, gibt auch 
F. A. Ho ff mann zu, wenn er in seiner Monographie „Emphysem 



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3] Führt die funktionelle Beanspruchung der Lungen zu Eraphysem? 33{> 

und Atelektase“ sagt: „unter den Beschäftigungsarten sind diejenigen 
zu fürchten, welche erhebliche und oft wiederholte Anstrengungen mit 
Steigerung von Druck auf die Lunge zur Folge haben. So gilt vor 
allen Dingen das Spielen von Blasinstrumenten als schädlich, hier wird 
die freie Zirkulation der Luft durch das vor den Mund genommene 
Hinideruis geschädigt. Aber es ist doch darauf hinzuweisen, dass 
ein vernünftiges Blasen sehr wohl so geübt werden kann, dass die 
Lungen dabei nicht geschädigt werden imd wir haben in allen 
Kapellen ältere, sehr tüchtige und leistungsfähige Bläser. Allerdings 
müssen sie sehr darauf achten, ihrer Lunge nichts über das Mass 
zuzumuten und namentlich nach schwächenden Krankheiten nicht 
zu bald wieder mit der gewohnten Energie zu blasen. Leicht ver¬ 
ständlich ist daher der Pall von jenem Trompeter, der nach einer 
Pneumonie ein Emphysem der ganzen früher pneumonisch infil¬ 
trierten Lunge bekam.“ 

„In ähnlicher Weise ist das Glas- und Lötrohrblasen zu be¬ 
urteilen, auch hier finden wir, dass der geschickte und geübte 
Bläser, wenn er sonst gesimd ist, ungestraft seiner Tätigkeit ob¬ 
liegen kann.“ 

Ferner bekennt sich Tendeloo in seinem klassischen Werke 
„Über die Ursachen der Lungenfcrankheiten“ zu der Ansicht, dass 
die Ausübung verschiedener Berufe ätiologische Momente für die 
Entstehung des Lungenemphysems abgebe. „Es fusst der mechanische 
Erklärungsversuch des Emphysems, welcher seine Ursache in mechani¬ 
schen oder dynamischen Störungen der Atmung erblickt, auf einigen 
unverkennbaren Tatsachen“. Unter den Berufen, die mit Störungen 
im Mechanismus der Atmung einhergehen, nennt Tendeloo Blas¬ 
musiker, Glasbläser, ^Marktschreier,. Sänger, Prediger usw. 

Der pathologisch - anatomische Prozess bestehe in einer Über¬ 
dehnung der elastischen Lungenelemente, die sich durch öftere Wieder¬ 
holung der akuten Lungenblähung entwickle. 

Erwähnt sei noch, dass auch Tendeloo der Ansicht ist, dass 
bei Entstehung des Emphysems neben individueller Disposition noch 
andere Faktoren eine ausschlaggebende Rolle spielen, se sei z. B. 
der Widerstand des Mundstückes bei den verschiedenen Instrumenten 
verschieden, ferner verstehe es der eine Bläser besser seinen Atem 
zu „verteilen“ als der andere, und endlich sind Ausbildung und 
physikalische Eigenschaften des elastischen Gewebes in den Lungen 
grossen individuellen Schwankungen unterworfen. 

Das durch Exspirationsstenose erzeugte Emphysem macht sich 
nach Tendeloo zunächst „in den suprathorakalen Teilen bemerk¬ 
bar. Der oftmaligen akuten Blähung folgt ein Zustand dauernder 

22 * 


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Erich Becker. 


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Überdehnung und Yergrösserung. Natürlich erweitert sich auch der 
Thorax bei der akuten Lungenblähung. Diese zunächst kurz an¬ 
haltende Formveränderung des Thorax wird aber bei häufiger Wieder¬ 
holung der Dehnung dauernd; aus dem vordem normalen Thorax 
bildet sich ein fassförmiger.“ 

Bei der klinischen Untersuchung der von uns untersuchten 
Musiker wurde auf die Verwölbung und das Verstrichensein der 
Supra- und Infraklavikulargruben, sowie auf Starrheit des Thorax 
im ganzen geachtet, es Hess sich aber ein derartiger Befund in 
keinem der von uns untersuchten Fälle nachweisen. 

In den Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin be¬ 
richtet neuerdings Lommel unter dem Titel „Zur Pathogenese des 
Emphysems“ über eine Untersuchungsreihe an den Glasbläsern 
Jenas. 

Lommel benutzte, was sämtliche bisher genannte Autoren 
nicht taten, als weitere, die kUnische Untersuchung ergänzende 
Methode die Spirometrie. Die einzelnen Komponenten des Lungen¬ 
luftwechsels wurden nach Bohr bestimmt, die Residualluft nach 
der Wasserstoffmischmethode Davys. Neben der spirometrischen 
wurde die klinische Untersuchung geübt, ausserdem die Zwerchfell¬ 
bewegung orthodiagraphisch festgestellt. 

Die Ergebnisse der spirometrischen Versuche Lommels 
stimmten — was die absoluten erhaltenen Werte anlangt — mit 
denen anderer Autoren überein; wichtiger als diese absoluten Werte 
für einzelne Atemvolumina erscheinen ihm die Relationen zwischen 
den Volumenergebnissen, so besonders das Verhältnis von Mittel¬ 
lage zu Totalkapazität und Residualluft zu Totalkapazität. 

Das Verliältnis Mittellage zu Totalkapazität, das von Bohr in 
der Norm zu 62o/o angegel>en wird, fand Lommel bei seinen Unter¬ 
suchungen auf 70—76^/0 erhöht. Ebenso wies auch die Relation 
Residualluft zu Totalkapazität grössere Werte auf. Der von Bohr 
verzeichnete Normalwert von 30f>/o wurde „teils wenig, teils be¬ 
deutend“ vermehrt gefunden auf 45 und 56o o. Damit ist eine dauernde 
vermehrte Inspirationsstellung des Thorax unzweifelhaft nachge- 
wiosen. '' 

Als echtes chronisches Luiigenempliysem möchte es Lommel 
nicht bezeichnen. Die vermehrte Inspirationsstellung erscheint ihm 
aber als prädisponierender Faktor in der Pathogenese des Emphysems. 

Wir sehen also, dass eine einheitliche Beurteilung der Ätiologie 
des Berufsemphysems in keiner Weise vorliegt. Auf Anregung vou 
Oberarzt Dr. Bruns hal>e ich es unternommen, die Frage, ob durch 
Ausübung eines Benifes, der mit häufig wiederholter akuter Lungen- 


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5] Führt die funktionelle Beanspruchung der Lungen zu Emphysem? 341 

blähung einhergeht, Emphysem entstehen könne, durch kliiiisclie und 
spirometrischo Untersuchung nochmals zu bearbeiten. 

Die Untersuchungen wurden vorgenommen an 22 Musikern. 

Die von uns angewandte Methode der Spirometrie, auf die 
neben der klinischen Untersuchung das Hauptgewicht gelegt wurde, 
war folgende: 

Wir benutzten bei unseren Versuchen ein nach den Bohr sehen 
Originalangaben vom Mechaniker Rink des hiesigen physiologischen 
Instituts in mustergültiger Weise verfertigtes Spirometer. Dasselbe 
fasst 10 Liter, hat eine sehr leicht bewegliche Glocke, die aber 
trotz der leichten Beweglichkeit sehr gut gegen ein zwischen zwei 
senkrechten Schienen sich bewegendes Laufgewicht ausgewogen sein 
muss. An der Seite des Spirometers ist eine Millimeterteilung an¬ 
gebracht, es entspricht bei unserem Apparat 1 mm Höhenverschiebung 
der Spirometerglocke 25 ccm gewechselten Luftvolumens. 

Zur Bestimmung der Eesidualluft brachten wir die Davysclie 
Wasserstoffmischmethode in Anwendung. Die sämtlichen Atem- 
volumina ^\uirden in einem Versuche bestimmt nach der von Hassel- 
balch angegebenen Technik. 

Eie Versuchsperson sass in einem bequemen Lehnstuhl, der Mund 
war in gleicher Höhe wie das mittels durchbohrten Gummistopfeiis 
an das Zuleitungsrohr des Spirometers angedichtete Mundstück. Die 
Nasenatmung wurde durch eine federnde, gut geglättete und ab¬ 
gerundete Holzklammer ausgeschaltet. Dass strengstens darauf ge¬ 
achtet wurde, dass die Versuchsperson mindestens 5—6 Stunden 
nicht geblasen hatte, damit eine vielleicht noch bestehende akute 
Lungenblähung keine Fehlerquellen ergebe, sei nebenbei erwähnt. 

Die Bewegungen der Spirometerglocke wurden auf ein Lud- 
w i g sches Kymographion auf benisstes Papier aufgezeichnet (cf. 
die beiliegende Kurve) U. 

Der Verlauf eines Versuchs gestaltete sich folgendermassen: 

Das gut durchlüftete Spirometer wird mit 3 Litern reinem, aus 
einer Bombe entnommenen Sauerstoff beschickt, dann auf 6 Liter 
mit atmosphärischer Luft aufgefüllt. Reinen Sauerstoff benutzten, 
wir aus dem Grunde, damit die Fehlerquelle einer etwa nicht aus¬ 
reichenden Verbrennung des Wasserstoffs von vornherein ausgeschaltet 
wurde. Den erforderlichen Wasserstoff stellten wir aus käuflichem 
arsenfreiem Zink im Kippschen Apparat dar, leiteten zur grösseren 
Sicherheit den entwickelten Wasserstoff durch zwei Waschflaschen, 

q Die in die Kurve eingezeichneten Zahlen geben die im Original ge¬ 
messenen Ordinatenhöhen an. 


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Erich Bocker. 


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7] Fuhrt die fanktionelle Beanapruekuog der Loogen za Emphysem? 343 


die, mit Kaliumpermanganat angefüllt, jede Spur von giftigen Arsen¬ 
wasserstoffen zurückbehalten sollten. In das Spirometer Hessen wir, 
nachdem eine 2feitlang das sich entwickelnde Gas die Luft des Kipp¬ 
schen Apparats verdrängt hatte und in die freie Luft geströmt war, 
durch Umstellung des Spirometerdreiweghahnes ca. 1 —Liter 
Wasserstoff einströmen. Das Spirometer blieb dann 10 Minuten 
stehen, damit die Gase in ihm zur innigen Mischung Zeit hätten; 
abkürzen lässt sich diese Zeit durch kleine stossweise ausgeführte 
Bewegungen der Spirometerglocke bei geschlossenem Hahn. Bevor 
wir unsere Untersuchungen an den Musikern begannen, haben wir 
uns vielfach davon überzeugt, dass ein 10 Minuten langes Stehen 
des Spirometers verbunden mit einigen kleinen Bewegungen der 
Glocke genügt, um eine innige Mischung der Gase zu gewährleisten. 
Ausserdem machten wir oft Bestimmungen aus verschiedenen Höhen 
des Spiromet^, mussten uns aber durch genau die gleichen Resul¬ 
tate der Verbrennung überzeugen, dass die Mischung der Gase eine 
vollkommene war. 

Vor Beginn des Versuchs wurde nun der Prozentgehalt an 
Wasserstoff in dem Spirometer bestimmt, indem 100 ccm Gasgemisch 
in eine Gasbürette geleitet wurden und von da zur Verbrennung in 
einen kleinen Verbrennungsapparat, in dem das Knallgasgemisch an 
einer mittels elektrischen Stromes glühend gemachten Platinspirale 
zur Explosion gebracht wurde. 

Durch Zurückleiten in die Gasbürette wurde jetzt die Verminde¬ 
rung der Gasmenge festgestellt. Da sich aus den beiden Gasen 
Wasser gebildet hat, ist die Zahl der weniger abgeleeenen ccm so 
auf die einzelnen Gase zu verrechnen, dass auf den Wasserstoff, 
1/3 auf Sauerstoff kommt. Durch Multiplikation des abgeleseneu 
Wertes mit Vs ^rd also sofort die Prozentzahl gefunden. 

Nachdem weiterhin der Inhalt des Spirometers an der Skala 
abgelesen ist, ist alles zur Anstellung eines Versuches bereit. 

Die Versuchsperson setzt sich bequem in dem Stuhl zurecht, 
Mund genau in Höhe des Spirometerhahnes, nimmt das mit Alkohol 
desinfizierte Mundstück zwischen die Lippen und die Zähne; die 
Nase wird abgeklemmt und nun atmet die Versuchsperson ruhig 
10—15 Atemzüge durch den auf die Seitenöffnung eingestellten 
Dreiweghahn in die Aussenluft ein und aus. Auf Aufforderung des 
Beobachters erfolgt dann eine tiefe Einatmung, darauf eine tiefste 
Ausatmung. In der tiefsten Exspirationsstellung, die die Versuchs¬ 
person durch Heben eines Fingers markiert, muss einen Augenblick 
ruhig verharrt werden. Der Beobachter stellt in diesem Moment 
durch schnelle Drehung den Hahn auf Verbindung der Versuchs- 


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344 


Erich Becker. 


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person und Spirometer und Absclüuss der Nebenöffnung, es besteht 
dann, vorausgesetzt, dass die Versuchsperson keine Luft neben dem 
Mundstück entweichen lässt, eine luftdichte Verbindung zwischen 
Spirometer und Versuchsperson. Es folgen jetzt 5—6 Atemzüge 
von gewöhnlicher Tiefe, dann eine tiefste In- und tiefste Exspiration, 
nach der das Spirometer unmittelbar ganz abgeschlossen wird. Diese 
tiefste Exspiration muss den Spirometerschreibstift wieder auf die 
gleiche Höhe einstellen, wie sie zu Anfang des Versuches stand, 
die Versuchsperson kam ja auch in tiefster Exspiration an den 
Apparat. Als ein Kennzeichen eines gelungenen Versuchs ist es 
mithin zu betrachten, wenn die auf dem Kymographion aufge^ 
zeichnete Endlinie in die Anfangslinie ausmündet. Geringe Differenzen 
von ca. 50 ccm lassen sich dadurch ausgleichen, dass man zwischen 
dem Inhalt vor und nach dem Versuch das Mittel nimmt. 

Es wird nunmehr durch Entnahme von 100 ccm Gasgemisch 
und Verbrennung zu Wasser der Prozentgehalt an Wasserstoff nach 
dem Versuche festgestellt, in der gleichen Weise wie früher. 

Der Wert des Spirometerinhaltes vor und nach dem Versuch, 
event. das Mittel zwischen beiden und der Prozentgehalt an Wasser¬ 
stoff vor und nach dem Versuch sind genügende Angaben zur Be¬ 
stimmung der Kesidualluft. 

Dieselbe beiechneten vdr aus folgender Formel: 



worin R den Wert der Eesidualluft, h^ den Wasserstoffgehalt vor 
dem Versuche in Prozenten, hg den Wasserstoffgehalt in Prozenten 
nach dem Versuch bedeutet. 

J ist der Inhalt des Spirometers (event. das Mittel zwischen 
Inhalt vor und nach dem Versuch bei kleinen Differenzen). 

Es erklärt sich diese Formel auf folgende Weise: bekannt sind 
der Inhalt des Spirometers und die prozentuale Wasserstoff menge! 
in ihm, mithin auch die absolute in dem Spirometer befindliche 
Wasserstoffmenge als das Produkt aus Inhalt mal Prozentgehalt an 
Wasserstoff. Da, nun die Versuchsperson in tiefster Exspiration an 
den Apparat kommt, mit anderen Worten nur mit der ^^idualluft 
in den Lungen, so muss — gleich tiefste Exspiration vorausgesetzt — 
der absolute Inhalt des Systems Spirometer und Lungen der Ver¬ 
suchsperson vor und nach dem Versuche gleich sein. Ein Teil des 
in dem Spirometer befindlichen Wasserstoffs wird zur Mischung 
mit der Residualluft verbraucht, das Mischungsverhältnis der Lungen¬ 
luft mit Wasserstoff muss nach einer genügenden Anzahl von Atem- 


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9] 


FühH die funktionelle Beanspruchung der Lungen zu Emphysem? B4o 


Zügen aus dem Spirometer in den Lungen das gleiche sein, wie 
im Spirometer. Bezeichnen wir die prozentuale Wasserstoffmengp 
am Ende des Versuchs mit h 2 , so enthält die in den Lungen l>e- 
findliche Kesidualluft E am Ende des Versuchs Hhg Wasser¬ 
stoff in absolut gemessener Menge, das Spirometer in gleicher 
Weise J h 2 . 

Die Summe dieser beiden Wasserstoffmengen muss gleich sein 
der absoluten Wasserstoffmenge des Systems Spirometer und Lungen 
der Versuchsperson vor dem Versuch, ein Verlust an Wasserstoff 
ist ja in diesem System nicht eingetreten, nur das Mischungsver- 
liältnis der gleich gebliebenen absoluten Menge Jh^ hat sich ge¬ 
ändert; es ergibt sich daraus 

E hg + J hg = J hl- 

Diese Gleichung nach der einzigsten Unbekannten E aufgelöst, ergibt: 

h2(E +J) = Jh, 

R 4- J = 


Die anderen Atemvolumina sind von der auf dem berussten 
Papier gezeichneten Kurve zu entnehmen. Da 1 mm Höhenver¬ 
schiebung der Spirometerglocke 25 ccm gewechselten Luftvolumens 
entspricht, kann man durch Ausmessung der Kurve mit einem An¬ 
lagemassstab leicht die übrigen Volumina, wie Vitalkapazität, Eeserve- 
luft, Komplementäxluft bestimmen. 

Der Einfachheit halber sei an einem Beispiel die Ausrechnung 
dieser Atemvolumina demonstriert (cf. Kurve). Der Wert der 
Eeserveluft wird auf folgende Weise berechnet: Die Differenz des 
Mittels der höheren Ordinaten und des Mittels der kleineren Ordinateii 
ergibt das im Mittel mit einem der gewöhnlichen Atemzüge im 
Abschnitt A B der Kurve gewechselte A^olumen, zunächst ausge¬ 
drückt als Höhenverschiebung der Spirometerglocke in Millimetern. 
Da nun 1 mm gleich ist 25 ccm gewechselten Luftvolumens, so ist aus 
diesen Angaben leicht das Volumen eines der normalen Atemzüge 
zu bestimmen. Die Hälfte der Höhenverschiebung der Spirometer¬ 
glocke bei diesem mittleren Atemzuge addiert zu dem Mittel der 
kleineren Ordinaten ergibt in Millimetern ausgedrückt, die beim 
Wechsel der Eeserveluft erfolgte Höhenverschiebung der Spirometer- 
glocie; die Umrechnung in Volumen ist die gleiche wie oben. 

Die Vitalkapazität erhält man durch Ausmessung der den Ver¬ 
such beschliessenden Zacke C G E. Die hier gemessene senkrechte 


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346 


Erich Becker. 


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HO 

Entfernung beträgt 133 mm, daraus berechnet sich die Vitalkapazität 
zu 3325 cöm. Die Differenz der Werte der Vitalkapazität und 
Reserveluft liefert den Wert der Komplementärluft. Die Mittellage 
ist gleich der Summe von Residual- und Reserveluft Sie ist in der 
Kurve dargestellt durch die punktierte Linie PG. 

Sämtliche Atemvolumina der Versuchsperson sind damit ge¬ 
funden, aber unter dem im Augenblicke des Versuchs herrschenden 
Barometerstand und der herrschenden Temperatur. In den Lungen 
herrscht aber der Druck Barometerstand plus Wasserdampftension 
bei 37®. Da uns nur das Volumen, das die Luft in der Lunge 
wirklich einnimmt, interessieren kann, müssen sämtliche gefundenen 
Werte auf den in den Lungen herrschenden Druck umgerechnet 
werden. Weiter kann nur daran liegen das Volumen des trocknen 
Gases zu kennen, nicht des Gases, wie es in den Versuchen in 
mit Wasserdampf gesättigten Räumen gemessen wird. 

Ist ein Gasvolumen über einer Flüssigkeit gemessen, mit deren 
Dämpfen der Raum gesättigt ist, so steht nach dem Daltonschen 
Gesetz das trockene Gas unter dem Druck, der gleich ist der Diffe¬ 
renz des Gesamtdruckes und der Wasserdampftension bei gleicher 
Temperatur. 

Dio hier benutzte Formel ist ausführlich abgeleitet und be¬ 
gründet von Gebhardt, sie lautet: 

\T _ ^ ö 37 b — s . t 

“ ■ ir-^37® 

dabei bedeutet 

V = das gesuchte Volumen. 

V = das beim Versuch gefundene Volumen. 

a = 0,00367. 

t = Temperatur des Wassers im Spirometer nach Celsiusgraden. 

s. t Wasserdampftension bei der Temperatur t. 

s. 37 = Wasserdampftension bei 37® (= 46,7). 

b = der reduzierte Barometerstand. 

Sämtliche in anliegender Tabelle gefundenen Werte sind nach dieser 
Formel auf das Volumen bei dem in den Lungen herrschenden 
Druck umgerechnet. 

Bevor wir zur Deutung unserer Ergebnisse übergehen, sei zu¬ 
nächst noch einiges zur Kritik über die zur Lösung der vorliegenden 
Frage angewandten Methoden vorausgeschickt. 

Pretin und Leibkind und Fischer verwandten vornehm¬ 
lich die physikalischen Untersuchungsmethoden. Die ersten beiden 
massen zugleich spirometrisch die Vitalkapazität. Ob die erhaltenen 


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11] Führt die funktionelle Beanaprucbung der Lungen zu Emphysem? 347 


Werte auf den in den Lungen herrschenden Druck reduziert wurden, 
darüber vermissen wir eine Angabe; zudem ist zu betonen, dass 
die alleinige Messung der Vitalkapazität unzureichend 
ist, über den geblähten Zustand der Lungen Aufschluss zu geben; 
beim Emphysem ist der Wert der Vitalkapazität vermindert infolge 
der Fixation des Thorax in vermehrter Inspirationsstellung. Damit 
man beurteilen kann, ob eine Lunge gebläht ist oder nicht, muss 
vor allen Dingen die Eesidualluft bestimmt werden; ihre Bestim¬ 
mung im Verein mit dem Ergebnis einer erhöhten Mittellage \md 
Herabsetzung der Vitalkapazität sind erst zur Diagnose des Em¬ 
physems ausreichend. 

Verwendet man die Spirometrie, so müssen sämtliche Atem¬ 
volumina bestimmt werden, das Hauptgewicht ist auf die Bestim¬ 
mung der Eesidualluft und Mittellage zu legen. 

Die von uns angewandte Methode der Spirometrie in der von 
Hasselbalch angegebenen Technik könnte zu einem Einwand 
Anlass geben. Die unter starker und ungewohnter Muskelanstrengung 
eingenommene tiefste Exspirationsstellung erzeugt einen physio¬ 
logischen Lufthunger und könnte deshalb zu grösseren Atemzügen 
in erhöhter Mittellage führen. 

Wii- haben uns nun durch eine Reihe von Versuchen darüber 
zu unterrichten versucht, inwieweit tatsächlich dieser Einwand be¬ 
rechtigt ist. 

Wir Hessen einen gesunden Laboraforiumsdiener, dessen Residual¬ 
luft uns aus vielfachen Versuchen bekannt war, zunächst nach der 
Hasselbalch sehen Methode atmen und bestimmten dabei die 
Reserveluft zu 1440 ccm; dann nach guter Durchlüftung des Spiro¬ 
meters und nach Ausruhen der Versuchsperson, das gleiche Atem¬ 
volumen nach der von Bohr befolgten Methode, die darin besteht, 
dass Residualluft und Mittellage in getrennten Versuchen festge¬ 
stellt werden und zwar geht Bohr bei Bestimmung der Mittel¬ 
lage so vor, dass die Versuchsperson am Dreiweghahn des Spiro¬ 
meters mehrere Minuten in die Atmosphäre atmet, und dass dann 
für die Versuchsperson unmerklich die Umstellung des Hahnes auf 
Kommunikation der Lungen der Versuchsperson mit dem Spirometer 
erfolgt. Eine tiefste Exspiration geht also bei dieser Methode dem 
Versuche nicht vorauf. Der Wert der Eesidualluft betrug nach dieser 
Methode 1380 ccm; die erstere Methode ergibt also tatsächlich eine 
etwas höhere Mittellage. Durch Wiederholung dieser Versuche 
stellten wir fest, dass die Werte der beiden Mittellagen um meist 
weniger als 100 ccm differierten. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Digitized by 


;]4S Erich Becker. [12 

Zur Klärung dieser Frage ist offenbar die Bestimmung der 
Reserveluft ausreichend, da die Mittellage sich zusammensetzt aus 
den Werten für Residualluft und Reserveluft. Die Residualluft ist 
aber bei den kurz hintereinander folgenden Versuchen als konstant 
zu betrachten. 

Nun die Ergebnisse unserer Tabelle! 

Bei der Überlegung, welche Resultate wir zu erwarten haben, 
ist anzunehmen, dass die Fähigkeit zu extremer Ausatmung, d. h. 
maximaler Entleerung der Luft aus der Lunge, bei den Musikern 
durch den Beruf ganz besonders gut entwickelt ist. 

In der Tat ergeben nun meine Untersuchungen, dass von 22 
Musikern 19 ein an der unteren Grenze der Norm stehendes Prozent¬ 
verhältnis von Mittellago und Residualluft je zur Totalkapazität auf¬ 
weisen. Diese 19 Musiker blasen im allgemeinen Instrumente, deren 
weite Mundstücke es ermöglichen, die vor dem Intonieren einge¬ 
nommene Luft rasch und vollständig lx>i den ersten Tönen aus den 
Lungen zu entleeren. 

Das Verhältnis von Mittellage zu Totalkapazität gibt Bohr 
beim Gesunden zu 62« o, bei Sportsleuten zu 54« o an. Die meisten 
der von uns untersuchten ^lusiker stehen — was die genannten 
prozentualen Verhältnisse anlangt — den Sportsleuten bei Bohr 
gleich. Es ist damit l)ewiesen, dass die Mehrzahl der Musiker 
mit einer geringeren Lungenfüllung den Anstren¬ 
gungen des Blasens gerecht zu werden vermag, als 
es einem andern 1 u ngenge s u n d e n Menschen möglich 
Nv ä r e. 

Dagegen ist bei den beiden ersten Musikern meiner Tabelle 
das Mundstück des Blasinstruments wesentlich enger. Der dritte 
Musiker bläst Posaune, die zwar kein enges Mundstück hat, aber 
die Bewegung grosser Luftquantitäten erfordert. Es findet nament¬ 
lich bei den ersten beiden Musikern eine erhebliche Pressung des 
exspiratorischen Luftstromes statt. 

Infolge des hohen Widerstandes in dem engen Mundstück atmet 
der Musiker vor dem Intonieren tief ein, um die folgende anstrengende 
Exspiration leichter ausführen zu können. Trotz des hohen exspira¬ 
torischen Druckes ist aber die Abgabe der Luft infolge des engen 
Mundstückes erschwert. Die exspiratorische Druckerhöhung bedingt 
daher eine intensive Aufblasung der oberen Lungenteile. Bevor 
noch die Lunge ihre Luft abgegeben hat, wird der Musiker durch 
die venöse Beschaffenheit des Blutes zu einer neuen Inspiration 
gezwungen. Diese Einatmung ist tiefer als die erste. Es wird also 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



13] Führt die funktionelle Beanspruchung der Lungen zu Emphysem? 349 


auch durch die folgenden Einatmungen das Lungenvolumen immer 
mehr vergrössert. 

Da also ein Musiker, der ein Instrument mit engem Mundstück 
bläst, bei jedem Blasen eine mehr oder weniger ausgedehnte akute 
Lungenblähung bekommt, so ist es nicht verwunderlich, wenn bei 
ihm sich im Laufe vieler Jahre eine Überdehnung gewisser Abschnitte 
der Lunge einstellt. Die akute Blähung geht anfangs prompt zurück. 
Die Jahre- und jahrzehntelange Wiederholung derselben kann eine 
partielle Üebrdehnung der Lungen bewirken. 

Nehmen wir an, dass, vde oben betont, die Reserveluft bei 
unseren Versuchen um den Wert von rund 100 ccm zu hoch ge¬ 
funden sei und berechnen wir dann die Abänderung der Prozent¬ 
tabelle für die ersten drei Nummern unserer Tabelle, so ergeben 
sich folgende Werte: 



Mittellage 
in Prozenten 
der Totalkapazität 

Residualluft 
in Prozenten 
der Totalkapazität 

Reservelaft 
in Prozenten 
der Yitalkapazität 

1 

55,8 

35,2 

31,1 

2 

66,3 i 

34,0 

49,0 

3 

60,3 

30,5 

43,4 


Bei diesen drei Musikern übersteigt der absolute Wert der 
Residualluft den von anderer Seite fixierten Normalwert von 2 L. 
Die Prozentzahlen der Mittelkapazität und der Residualluft bewegen 
sich an der oberen Grenze der normalen Werte, oder 
übersclireiten dieselben um ein Geringes. Diese werden von 
Bohr angegeben zu: Mittellage in Prozenten der Totalkapazität 
Min. 47,1 Max. 64,5. 

Residualluft in Prozenten der Totalkapazität 

Min. 12,9 Max. 32,3. 

Unser Ergebnis bei diesen drei Musikern bewegt sich in der¬ 
selben Richtung wie das Ergebnis L o m m e 1 s an den Glasbläsern 
der Jenenser Industrie. Die jugendlichen von ihm untersuchten 
Bläser wiesen Zahlen auf, die denen von trainierten Sportsleuten 
gleichkamen, die älteren Leute namentlich im vierten Jahrzehnt 
hatten eine abnorm hohe, 70—76 oü betragende Mittel läge. 

Auch die Prozentzahlen der Residualluft fand Lommel „teils 
wenig, teils bedeutend über den Normalwert von 30<^o vermehrt“. 


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350 


Erich Becker. 


[14 


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Damit ist der Beweis geliefert, dass bei Glasbläsern noch mehr 
als bei unseren Musikern der Thorax in eine gewisse inspiratorische 
Stellung kommt. Dass dabei die Glasbläser die höheren /Werte er¬ 
langen, liegt wohl in den Unterschieden des Berufes. Der Glasbläser 
übt die exspiratorische Pressung unstreitig häufiger und stärker aus 
als der Musiker. 

Lommel hebt ausdrücklich hervor, dass seine Glasbläser frei 
waren von allen subjektiven Beschwerden. Das gleiche fanden wir 
bei den von uns untersuchten Musikern. Die Beschwerden des Em- 
physematikers rühren eben nicht von der Überdehnung der Lungen¬ 
substanz her, sondern im wesentlichen von der begleitenden Bronchitis, 
der Abnahme der Pumptätigkeit des Thorax und den aus diesem 
mangelnden Ventilationsvermögen sekundär sich herausbildenden 
Herz- und Kreislaufsanomalien. 

Zum Schluss wollen wir versuchen, die Ergebnisse der Spiro¬ 
metrie einmal gegenüber zu halten den Ansichten T e p d e 1 o o s, 
die derselbe auf Grund langjähriger pathologisch-anatomischer Er¬ 
fahrung und Untersuchung in seinem Lehrbuch „Über die Ursachen 
der Lungenkrankheiten“ niedergelegt hat. 

Tendeloo führt aus, dass exspiratorische Druckerhöhung bei 
Verengerung bezw. Verschluss der Atemöffnungen zu einer Auf¬ 
blähung der oberen Lungenpartien führe. Der häufigen akuten 
Blähung folge die dauernde Überdehnung. Die dauernde Blähung 
fixiert auch den Thorax in inspiratorischer Stellung und bedingt 
die Dehnungsatrophie der Alveolarsepten. 

Widerspricht nun diese Ansicht Teiideloos den Ergebnissen • 
unserer spiroinetrischen Untersuchungen, die im Kernpunkt das 
gleiche ergaben wie die Untersuchungen Lommels? 

Ich glaube diese Frage verneinen zu müssen. Wir haben bei 
unseren Fällen diese dauernde Blähung eines umschrie¬ 
benen Lunge 11 abschnittes spirometrisch durch Erhöhung 
der Limgenmittellage und Residualluft nachweisen können. 

Die Feststellung des Sitzes dieser umscliriebenen Blähung eiit- 
zielit sich allerdings auch der spirometrischen Unter¬ 
suchung vollkommen, ebenso wie die klinische Untersuchung 
an Lungen und Herz keinerlei Abnormitäten erkennen Hess. 

Es scheint demnach, — und das sei als Ergebnis unserer 
Untersuchungen hier ausgesprochen — dass die Ansichten 
Tendeloos sehr wohl in Einklang zu bringen sind mit dem Resul¬ 
tate unserer Untersuchungen. Was der pathologische Anatom „als 



Original from 

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15] Führt die funktionelle Beaneprochiing der Langen za Emphysem? 351 


Blähung der suprathorakalen Lungen teile, als partielle Überdehnung“ 
bezeichnet, macht sich spirometrisch in der erhöhten Mittellage und 
Vermehrung der Residualluft kenntlich. 

Wenn wir also hier mit Tendeloo übeoreinstimmen, so muss 
andererseits hervorgehoben werden, dass das diffuse chronische 
Lungenemphysem erfahrungsgemäss meist infolge der durch chronisch- 
entzündliche Bronchialverengerung bedingten Atemstörungen eintritt. 




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352 


Erich Becker. 


116 


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Name 

Alter 

Grösse 

Ge¬ 

wicht 

Im 

Beruf 

Jahre 

Atem¬ 
exkursion 
in cm 

Halbes 

Atemvolum 

Vital¬ 

kapazität 

8 ^ 

Total- 

kapazitftt 

0 

1 

<2 

1. K. 

20 

1,68 

59,5 

7 

82:88 

410 

4500 

2440 

6940 

1500 

2. Pr. 

25 

1,70 

70,0 

11 

86:91 

550 

4490 

2310 

6800 

2300 

3. Schm. 

20 

1,80 

78,1 

6 

88:96 

420 

5810 

2470 

8280 

2620 

4. Er. 

27 

1,62 

61,9 

W/2 

87:91 

680 

5810 

1070 

6880 

2620 

5. R. 

18 

1,70 

56,0 

4'/2 

83:88 

420 

3590 

720 

4310 

1700 

6. Sp. 

30 

1,71 

70,0 

14 

86:93 

440 

5000 

1330 

6330 

1460 

7. H. 

21 

1,68 

67,0 

8 

81:87 

320 

4750 

1250 

6000 

1770 1 

8. En. 

19 

1,67 

59,1 

5 

78:84 

280 

3660 

1180 

4840 

1370 

9. St. 

21 

1,71 

66,1 

7 

• 86:91 

270 

4780 

1160 

5940 

2050 

10. Kr. 

30 

1,63 

65,1 

16 

88:3 ,5 

285 

4130 

840 

4970 

1540 

11. J. 

29 

1,69 

70,0 

16 

88:94 

840 

3810 

1540 

5350 

1040 

12. Bi. 

24 

1,76 

90.0 

12 

97 : 101 

470 

4490 

1320 

5810 

1 

1360 1 

13. Le. 

29 

1,75 

81,6 

16 

89:93 

500 

5260 

1410 

6670 

2040 

14. Bl. 

27 

1,70 

73,0 

14 

92:96 

340 

4190 

790 

4980 

1340 

15. Bö. 

27 

1,72 

69,2 ! 

1272 

84:92 

250 

4240 

1260 

1 5500 

1480 

16. L. 

21 

1,62 

67,0 

7 

85,5:89,5 

285 

3750 

1510 

t 5260 

1330 

17. Bre. 

24 

1,78 

65,0 

8 

82:89 

330 j 

4530 

1220 

5750 

1720 

18. Brü. 

25 

1,69 

69,0 

12 

102:106 

1 590 

4840 

1670 

6510 

1320 

19. M. 

27 

1,71 

62,9 

1472 

78:84 

i ! 

285 ; 

j 

4070 

1450 

5522 

1 1720 

20. V. 

28 

1,73 

80,0 

1372 

101:106 

1 

275 

5230 

1010 

6240 

' 1780 

21. B. 

26 

1,72 

72,0 

8 

86:92 

290 

3710 

990 

4700 

' 1690 

22. P. 

24 

1 

1,69 

I 

1 1 

67,0 

1 

1 1 

1 i 

1 

10 

■ 

84:90 

305 

1 

1 

! 1 

1 1 

5400 

1480 

> i 

1 

! 

' i 

6880 

1730 1 

' i 

1 

i 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




17] Fahrt die funktionelle Beanspruchung der Lungen zu Emphysem? 353 


Mittellage | 

Eomplemen- 

tftrluft 

Mittellage in 
7o der Total¬ 
kapazität 

iS .-s 

B 

«S ® ea 

S es 
B o 3 

’S 08 

J-S * 

03 i-, 

Reserveluft 
in 7o 

Vitalkapazit 

Instrument 

Schwierigkeitsgrad 

der 

Instrumente 

3940 

3000 

56,8 

35,2 

53,3 

Waldhorn 

enges Mundstück, starkes 
Pressen nötig. 

4610 

2190 

67,8 

34,0 

51,2 

Waldhorn 

» 

5090 

3190 

61,5 

30,5 

45,1 

Posaune, 

I. Stimme 

schwer, viel Luft nötig. 

3690 

3190 

53,6 

15,6 

45,1 

Trompete, 

I. Stimme 

schwer wegen Melodie- 
führnng. 

2430 

1890 

56,1 

16,7 

47,9 

Tuba 

viel Luft nötig, keine Pres¬ 
sung,da weitM Mundstück. 

2780 

3540 

43,9 

21,0 

29,2 

Tbna 

» 

3010 

2980 

50,2 

20,8 

37,3 

Waldhorn 

8. 0. 

2550 

2290 

52,7 

24,4 

37,4 

Posaune, 

II. Stimme 

mittelschwer. 

3220 

2730 

54,2 

19,5 

42,9 

Posaune, 

11. Stimme 


2380 

2590 

47,9 

16,9 ' 

37.3 

1 FlQgelhorn 

leicht. 

2580 

2770 

48,2 

1 28,8 : 

1 1 

1 , 

27,3 

Espikolo 

schwer, enges Mundstück, 
Pressung d. Luft, Melodie¬ 
führung. 

2680 

3130 

3220 

46,1 

22,7 j 

30,3 

Trompete 

schwer. 

3450 

' 51,7 

21,1 

38,8 

j Tenorhorn 

leicht. 

2130 

2850 

; 42,8 

i 

1 

15,9 

32,0 

1 

1 Flügelhorn, 

1 1. Stimme 

schwer, in der Höhe blasen. 

2740 

2760 

j 49,8 

22,9 

34,9 

Tuba 

8. 0. 

2840 

2420 

1 54,0 

i ^8,7 ; 

35,5 ! 

Flügelhorn 

8. 0 . 

2940 

2630 

1 51,1 

21,2 

3^,0 

Tenorhom 

leicht. 

2990 

■ 3520 

i 45,9 

25,6 

27,2 

1 

Flügelhorn, 

II. Stimme 

leicht. 

CO 

o 

2350 

1 57,4 

i 26,3 

1 

1 42,3 

Posaune 
und Bariton 

s. 0 ., M. ist nur Bläser. 

2790 

i 3450 1 

44,7 

: 16,2 

34,0 

i 

1 

Waldhorn 
und Klarinette 

s. 0 ., nur Bläser. 

2680 

2020 ' 

57,0 

21,1 

45,5 

1 Flügelhorn 

S. 0. 

3210 

3670 

46,7 

i 

1 21,5 

32,0 

Trompete, 

11. Stimme 

1 

leicht. 

1 


Beitrftgo zar Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 2. 23 


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354 Erich Becker: Führt d. funkt. Beanspruchg. d. Lungen zu Emphysem? [18 

An dieser Stelle möchte ich Gelegenheit nehmen, meinem hoch¬ 
verehrten Lehrer und Chef Herrn Professor Dr. Brauer für die 
Überlassung der Apparate der Klinik, sowie Herrn Oberarzt Dr. 
0. Bruns für die Anregung und die dauernde Förderung meiner 
Arbeit meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. 


Literatur. 


1 . Bohr, Die funktionelle Änderung in der Mittellage und Vitalkapazität. 
Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 88. S. 385. 

2. Bruns, 0., Die Bedeutung der spirometrischen Untersuchung von Emphyse- 
matikern und Herzkranken. Med. Klinik. 1910. Nr. 89. 

3. F i s c h e r, Ist Lungenemphysem eine Folge des Spielens von Blasinstmmenten ? 
Münch, med. Wochenschr. 1902. Nr. 17. 

4 . Gebhardt, Über Spirometrie. Münch, med. Wochenschr. 1902. Nr. 47. 

5. Hasselbalch, Über die Einwirkung der Temperatur auf die vitale Mittel¬ 
lage der Langen. 

6 . Derselbe, Über die Totalkapazität der Lungen. Deutsch. Arch. f. klin. 
Med. Bd. 93. Heft 1 u. 2. 

7. Hofmann, Emphysem und Atelektase. Nothnagels Handbuch XIV. 2. 

8 . Lommel, Zur Pathogenese des Lungenemphysems. Verhandl. d. deutsch. 
Eongr. f. inn. Med. 27. Kongr. S. 777. 

9. Pr et in und Leibkind, Kann durch Glasblasen ein Lungenemphysem er¬ 
zeugt werden? Münch, med. Wochenschr. 1904. Heft 6. 

10. Strauch, Über die vitale Mittellage der Lungen bei Tuberkulose und 
Emphysem. Inaug.-Diss. Halle 1910. 

11. Tendeloo, Ursachen der Lungenkrankheiten. Wiesbaden, Bergmann 1902. 

Bei der Ausrechnung der Tabelle wurde benutzt: 

Kohlrausch, Leitfaden der praktischen Physik. 

Schlömilch, Fünfstellige Logarithmen. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes 
an Tuberkulose von 1801—1909. 


Von 

Dr. med. et phil. Werner, 

Brunnen- und Badearzt in Bad Lippspringe. 


Die beifolgende Tabelle ist aus den Kirchenbüchern der katholi¬ 
schen und protestantischen Gemeinde Lippspringe zusammengestellt. 

Das Verfahren war dabei folgendes: 

Es wurden nach Jahrgängen die vorhandenen Diagnosen sämt¬ 
lich rubriziert und die einzelnen Fälle darunter eingetragen. 

Weiter wurde eine Sammelrubrik für Tuberkulose eingerichtet, 
in die Unterabteilungen für Kinder bis zu 20 Jahren inkl., für Er¬ 
wachsene bis zu 60, und für Greise darüber eingeteilt, und nun jeder 
Fall mit seiner Nummer, soweit er als Tuberkulose anzusprechen war, 
zum 2. Mal eingetragen. 

Dadurch war es ermöglicht gleichzeitig die ursprüngliche Dia¬ 
gnose und die Beurteilung zu erkennen. 

Für 1801 02 03 waren in der Hauptsache keine Diagnosen an¬ 
gegeben, so dass hier nur die Gesamtzahlen in Betracht kommen. 

Im übrigen sind die Zahl der gefundenen Diagnosen alphabetisch 
geordnet folgende: Ihre Zahl beträgt 297. 


A. B. 


1. Auszehrung. 

11. Brustkrankheit. 

2. Altersschwäche (Zehrung). 

12. Bräune (Hals). 

3. Auswärts. 

13. Brustfieber. 

4. Abzehrung. 

j 14. Blattern (schwarze). 

5. Ausschlag (zurückgetretener). 

15. Bruchschaden. 

6 . Ausschlag (böser). 

i 16. Blutflüsse. 

7. Asthma. 

17. Blutsturz. 

8 . Apoplexie. 

18. Brustschwäche. 

9. Abnehmungsfieber. 

19. Brustbeschwerden. 

10. Abnehmungskrankheit. 

20. Brustfehler. 


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356 


Dr. Werner. 


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21. Blutzehrung. 

22. Blutverlust 

23. Brustwasser. 

24. Brustentzündung. 

25. Blasenkrebs. 

26. Brustgeschwür. 

27. Brustkrampf. 

28. Blutklumpen auf dem Rücken. 

29. Blutbrechen. 

30. Brustschleimfieber. 

31. Brand (von Niederkunft). 

32. Brustwassersucht. 

33. Blasenfehler. 

34. Brustleiden. 

35. Brechdurchfall. 

36. Brightsche Krankheit. 

37. Bronchialkatarrh. 

38. Brustkatarrh. 

39. Blutvergiftung. 

40. Brustkrebs. 

41. Blasenkrampf. 

42. Blutfleckenkrankheit. 

43. Brechruhr. 

44. Brustbeklemmung. 

45. Bauchfellentzündung. 

46. Bronchialkrupp. 

47. Blinddarmentzündung. 

48. Blutstockung. 

C. 

49. Colik. 

50. Cholera. 

D. 

51. Darmkrebs. 

52. Darmkatarrh. 

53. Drüsen. 

54. Durchfall. 

55. Delirium. 

56. Diarrhöe mit Erbrechen. 

57. Diarrhöe. 

58. Darmverschlingung. 

59. Diphtherie. 

60. Darmschwindsucht. 

E. 

61. Epilepsie (Fallsucht). 

62. Entkräftung durch Durchfälle. 
6.3. Engbrüstigkeit. 

64. Entzündung (innere). 


I 65. Entzündung (Kopf). 

66 . Entzündung (Leib). 

67. Entzündung. 

I 68. Einklemmung (Leistenbruch). 

! 69. Eiweisszehrung 

70. Eiterwunden. 

71. Erbrechen (Fieber beim Zahnen). 

F. 

72. Fistelfluss. 

j 73. Fieber (hitziges). 

74. Fieber (kaltes). 

75. Fistel (innerliche). 

76. Frieseln. 

! 77. Fistelgeschwüre. 

78. Frühgeburt. 

79. Fussgeschwulst. 

80. Frieseln (brandig). 

81. Fäulnis. 

82. Frieseln (zurückgetretene). 

83. Fehler im Hinterkopf, 
i 84. Fieber. 

I 85. Fieber (gastrisches). 

I 86 . Fussleiden. 

G. 

87. Gichtern. 

88 . Gicht. 

89. Gichtgeschwulst. 

90. Geburtsfehler. 

91. Gelbsucht. 

92. Geschwüre. 

1 93. Geschwür (eins). 

94. Geburt. 

95. Geschwulst. 

I 96. Gallenfieber. 

97. Geschwür an der Kehle. 

98. Gehirnentzündung. 

99. Gehirnerschütterung. 

100. Gehirnerweichung. 

101. Gehirnlähmung. 

102 . Gehirnfehler. 

103. Gehirnwasser. 

104. Geschwür am rechten Kniegelenk. 

105. Gehirnschlag. 

106. Gehiiuaffektion. 

107. Gehirnentzündung (schleichende). 

108. Genickstarre. 

109. Grippe. 

110. Gallenstein. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



31 Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes an Tuberkulose. 3“)7 

H. 

1 154. Kinderkrankheit. 

111. Hundswut. 

155. Kopfrose. 

112. Herzlähmung. 

113. Halsgeschwür. 

L. 

114. Halsübel. 

' 156. Lungenentzündung. 

115. Herzkrampf. 

1 157. Leibgeschwulst. 

116. Herzverfettung. 

158. Leibfehler (innerer). 

117. Herznierenleiden. 

1 159. Lungenfehler. 

118. Hirnhautentzündung. 

160. Leibweh. 

119. Halskrankheit. 

161. Lungenschwindsucht. 

120. Husten. 

162. Leberschaden. 

121. Hollftndische Krankheit. 

163. Lungenlähmung. 

122. Herzschlag. 

164. Luftröhrenschwindsucbt. 

123. Herzleiden (organisches). 

165. Leberentzündung. 

124. Herzwasser. 

1 166. Leberkrankheit. 

125. Herzbeutelwassersucht. 

167. Lungenschlag. 

126. Herzkrankheit. 

168. Lungenerweiterung. 

127. Hautwassersucht. 

169. Lungen Vereiterung. 

128. Halsentzündung. 

169. Luftröhrenentzündung. 

129. Hämorrhoiden. 

170. Lungenkatarrh (chronischer). 

130. Herzentzündung. 

171. Lungengeschwür. 

131. Herzerweiterung. 

172. Lungenfiuss. 

132. Herzbeutelentzündung. 

173. Lungenverdichtung. 

133. Herzfehler. 

1 174. Lungenleiden (chronisches und 

134. Herzübel. 

Brustfieber). 

I. 

175. Leberleiden. 

176. Lungenwassersucht. 

; 177. Lungenvereiterung (chronische), 
i 178. Lungenleiden. 

179. Leberverhärtung. 

180. Lungenschaden. 

181. Lungenübel. 

135. Innerlicher Fehler. 

136. Impfe (schlechte). 


K. 

182. Luftröhrenkatarrh. 

137. Kindbettfieber. 

183. Lungenkrankheit. 

138. Krebsschaden. 

184. Luftröhren Verschleimung. 

139. Krämpfe. 

140. Krämpfe (innere). 

1 M. 

1 

141. Kniegeschwür. 

' 185. Magenkrämpfe. 

142. Kinderschrecken. 

186. Mundsperre. 

143. Knochenfrass. 

; 187. Mutterpolyp. 

144. Kehlkopfschwindsucht. 

' 188. Marklauf. 

145. Krebs im Gesicht. 

189. Milzschaden. 

146. Krebs. 

190. Magenzuschleimung. 

147. Knochenmarksschwindsucht. 

191. Magenfehler. 

148. Krieg. 

192. Mutterkrampf. 

149. Kopfwasser. 

193. Magenentzündung. 

150. Knochenleiden am Arm. 

' 194. Mastdarmverblutung. 

151. Katarrh (fieberhafter). 

195. Magenkrebs. 

152. Kopfkrankheit. 

196. Magenübel. 

l53. Enochenentzündung. 

197. Magensänre. 

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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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Dv. Werner. 


358 

198. Masern. 

199. Magenkatarrh. 

200. Miliar-Tuberkulüsc. 

201. Milzkrankheit. 

202. Magengeschwür. 

203. Mittelohrentzündung. 

N. 

204. Nervenfiebet (schwarzes). 

205. Nervenkrankheit. 

206. Nicht bestimmt. 

207. Nerven. 

208. Nervenziehen. 

209. Nervengehirnentiündung. 

210. Nerven im Kopf. 

211. Nieren. 

212. Nierengeschwür. 

213. Nerven auf Gehirn. 

214. Nierenkrankheit. 

215. Nierenwassersucht. 

216. Nierenentzündung. 

217. Nabelbruch. 

i). 

218. Offener Fuss. 

219. Ohrenentzündung (Gehirn). 

220. Operationsfolge. 

P. 

221. Plötzlicher Tod. 

R. 

222. Rotlauf. 

223. Ruhr (rote). 

224. Rückenmarksschwindsucht. 

225. Rückgratszehrung. 

226. Rückenmarkskrampf. 

227. Rückenmarkszehrung. 

228. Rückenspalte. 

229. Rippenfellentzündung. 

230. Rackenlähmung. 

231. Rückenleiden. 

232. Rückenmarksleiden. 

233. Rose. 

234. Rheumatismus. 

S. 

235. Skrofulöser Zustand. 

236. Selbstmord. 

237. Skrofeln. 


I 238. Skrofeln (innerliche). 

1 239. Stoff. 

240. Sarkom. 

241. Speiseröhrenkrebs. 

1 

j 

Sch. 

I 242. Schlagfluss. 

I 243. Schwindsucht, 
i 244. Schwulst. 

; 245. Schlag. 

I 246. Schwäche. 

247. Schlag (Nerven). 

248. Schlafsucht. 

249. Schftuerchen. 

250. Schwäche und Fieber. 

251. Schleimfieber. 

252. Schleimfieber (nervöses). 

253. Scharlach. 

254. Schwindsucht (Leib, Brust). 

255. Schwäche von Jugend auf. 

St. 

256. Stein schmerzen. 

257. Stickhusten. 

258. Stiche im Magen. 

259. Steinblattern. 

260. Starrkrampf. 

I 

! T. 

' 261. Totgeboren. 

I 262. Totschlag. 

263. Tot gefunden. 

264. Trunksucht. 

265. Typhus (abdominal). 

266. Typhöses Fieber. 

267. Tuberkulose. 

ü. 

268. Unfall. 

269. Unbekannt. 

270. Unterleibsschaden. 

271. Unterleibskrankheit. 

272. Unterleibsentzündung. 

273. Unterleibsschwindsucht. 

274. Unterleibsfehler. 

275. ünterleibsskrofeln. 

276. Unterleibszehrung. 

277. Unterleibsverhärtung. 

278. Unterleibskrebs. 


. [4 


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ÜNtVERSITY OT MINNESOTA 



ö] 


Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes an Tuberkulose. 


359 


289. Wasserkopf. 

290. Wunden (viele). 

291. Wasserkrebs. 

292. Wunde, mebijährige des linken 
Fusses. 

293. Wunden (brandig). 

Z. 

294. Zwerchfelientzandung. 

295. Zabnkrämpfe. 

296. Zuckerkrankheit. 

297. Zungenkrebs. 

Es hat natürlich keinen Zweck bei der grossen Zahl der Dia¬ 
gnosen jede einzelne besonders durchzusprechen, zumal bei der Mehr¬ 
zahl derselben ohne weiteres klar ist, dass es sich nicht um Tuber¬ 
kulose handelt. 

Es sollen daher im folgenden nur die Gesichtspunkte dargelegt 
werden, unter denen die Auswahl bezüglich Tuberkulose geschah. 

Es wurden zur Tuberkulose gerechnet: 

1. Alle Fälle von Auszehrung, 5. Das gleiche gilt für Brust- 
Abzehrung, Abnehmungsfieber fieber. 

und Abnehmungskrankheit. 6. Blutsturz. 

Selbstverständlich ist diese i 7. Brustschwäche. 

Rubrik zu weit gegriffen, da 8. Brustbeschwerden, 
einmal sicher Fälle von ma- 9. Brustfehler, 
lignen Tumoren sich darunter 10. Brustwasser, 
beünden, weiter bei den Kin- 11. Brustentzündung, 
dem unter einem Jahr, wohl 12. Brustwassersucht, 
zumeist Verdauungsstörungen 13. Brustleiden, 

bezw. Magendarmkrankheiten 14. Brustkatarrh, 

zugrunde liegen. 15. Darmschwindsucht. 

2 . Alle Fälle von Altersschwäche, 16. Entkräftung durch Durchfälle, 
die unter dem 71. Jahr lagen. 17. Engbrüstigkeit. 

3. Asthma. 18. Geschwür an der Kehle. 

4. VonderBrustkrankheitwurden 19. Halsgeschwür. 

die Fälle zwischem dem 3. 20. Kehlkopfschwindsucht, 

und 50. Jahr als Tuberkulose 21. Knochenmarksschwindsucht, 
angesprochen. Die übrigen 22. Knochenleiden am Arm. 
wurden als Lungenentzün- j 23. Lungenfehler, 
düngen, zumeist katarrhalische j 24. Lungenschwindsucht, 
bezw. Bronchitiden (bei den j 25. Lungenlähmung, 
älteren Leuten) angesehen. 26. Luftröhrenschwindsiicht. 


V. 

279. Verblutung. 

280. Verstopfung. 

281. Verkältung. 

282. Verstopfung (Leibes). 

283. Veitstanz. 

284. Verblutung (innere). 

W. 

285. Würmer. 

286. Wassersucht. 

287. Wurmfieber. 

288. Wechselfieber. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



360 


Dr. Werner. 


[6 


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27. Lungenschlag. 

28. Lungenvereiterung. 

29. Lungenkatarrh (chronischer). 

30. Lungengeschwür. 

31. Lungenfluss. 

32. Lungenverdichtung. 

33. Lungenleiden und Brustfieber, 
chronisches. 

34. Lungenwassersucht. 

35. Lungenschaden. 

36. Lungenübel. 

37. Lungenkrankheit. 

38. Miliartuberkulose. 

39. Rückenmarksschwindsucht, da 
es sich hier wohl nicht um 
Tabes, sondern um Wirbel¬ 
karies handeln wird. 


aus der 
ange¬ 
gebenen 
Ursache. 


I 40. Rückgratszehrung. 

41. Rückenmarkszehrung. 

; 42. Rippenfellentzün- 

I düng 

43. Rückenlähmung (?) 

44. Rückenleiden 

45. Rückenmarksleiden 

46. Skrofulöser Zustand 
! 47. Skrofeln 

48. Skrofeln (innerliche). 

49. Schwindsucht (Leib, Brust) 

50. Schwäche von Jugend auf. 

51. Tuberkulose. 

52. Unterleibsschwindsucht, 
j 53. Unterleibsskrofeln. 

54. Unterleibszebrung. 


Nachdem so für jedes Jahr die Tuberkulosefälle ausgesondert 
waren, wurde die eigentliche Tabelle aufgestellt. 

Sie enthält, wie inan sieht, 

1 . die Jahreszahlen, 

2. die Zahl der Todesfälle, 

3. die Einw^ohnerzahlen von Lippspringe. 

Sie sind nicht ganz genau, sondern auf Grund von Angaben an¬ 
genommen, die ich der Güte des Herrn Kaplan Fürstenberg, 
Paderborn verdanke. 

Die eigentlichen Zahlen waren: 


für 

1816 

1144 Einwohner, 


1817 

1026 


1828 

1364 


1830 

1440 


1834 

1508 


1842 

1627 

»7 

1855 

1946 

77 

1858 

1173 


1865 

2114 

7? 

1880 

2392 , 

’7 

1885 

2337 


1890 

2430 


1895 

2459 


1900 

2645 


1905 

3100 

r* 

1909 

3473 


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UNIVERSITY OPMimESOTA 



Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes an Tuberkuloee. 


361 


Es ist wohl kaum nötig hinzuzufügen, dass es hier auf absolute 
Genauigkeit nicht ankommt. 

4 . Die 4. Rubrik gibt das Verhältnis der Sterblichkeit auf 1000 
Einwohner berechnet. 

5. Die 5. Rubrik enthält die Tuberkulosefälle; eingeteilt in 

a) Kinder bis 21. Jahr, 

b) Erwachsene bis 60. Jahr, 

c) Greise über 61. Jahr. 

6 . Die 6. Rubrik gibt die Gesamtzahl der Tuberkulosefälle. 

7. Die 7. Rubrik deren Verhältnis zur Gesamtsterblichkeit. 

8 . Die 8. Rubrik deren Verhältnis auf 1000 Einwohner. 

Die Rubriken 9 und 10 beziehen sich auf die Gemeinde Xeii- 
haus bei Paderborn und sind zum Vergleich beigesetzt. Neuhaus 
wurde gewählt, weil es nach Lage, Beschäftigungsart und überhaupt 
Lebensbedingungen der Einwohner Lippspringe völlig gleicht. 

Die Zahlen für die Sterblichkeit sind den Büchern der katholischen 
Kirchengemeinde Neuhaus entnommen. 

Die Einwohnerzahlen sind der Einfachheit halber denen Lipp¬ 
springes gleichgesetzt. Sie sind dadurch etwas zu hoch gegriften, 
stimmen aber im allgemeinen, da Neuhaus jetzt 3400 Einwohner hat. 

11. Die 11. Rubrik enthält die Zahlen der Kurgäste in Lipp¬ 
springe. 

Zur besseren Übersicht endlich sind alle Jahre mit gleicher Ein¬ 
wohnerzahl zu Gesamt- und Durchschnittszahlen zusammengefasst. 

Dieselben sind ihrer Wichtigkeit halber in einer besonderen Ta¬ 
belle gegeben. 

Das wichtigste Ergebnis dieser Statistik ist nun, dass seit dem 
Jahre 1841 trotz Verdopplung der Bevölkerung sogar die absolute 
Sterblichkeit nicht nur nicht gestiegen, sondern etwas gefallen ist. 

Denn sie betrug 1841—1850 pro Jahr 55,3, während sie 1996 
bis 1909 pro Jahr 52 betrug. 

Oder anders zusammengefasst betrug sie von 1841—1885 pro 
Jahrzehnt 579 durchschnittlich, während sie von 1885 ab pro Jahr¬ 
zehnt im Durchschnitt 512 betrug. 

Dementsprechend ist natürlich die relative Sterblichkeit ganz 
erheblich zurückgegangen und zwar in einem fast kontinuierlichen 
Abfallen von 33,3 pro 1000 Durchschnitt in dem Jahrzehnt 1801 bis 
1810 auf 15,5 pro 1000 Durchschnitt in dem Jahrvier 1906—1909, 
also auf weniger als die Hälfte. 


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Dr. Werner. 


[8 


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3f;j 


Was nun die Hauptfrage nach dem Verhalten der Tuberkulose¬ 
sterblichkeit angeht, so hat auch diese unter Schwankungen absolut 
abgenommen und zwar von 14,9 Jahresdurchschnitt im Jahrzehnt 
1831 — 1840, dem Jahrzehnt der Eröffnung des Bades auf 12,25 
Jahresdurchschnitt im Jahrvier 1906—1909. 

Auch der Prozentsatz zur Gesamtsterblichkeit ist von 31,2® o 
auf 23®/o zurückgegangen. 

Am klarsten wird aber der Rückgang der Tuberkulosesterblich¬ 
keit, wenn man das Verhältnis auf 1000 Einwohner betrachtet. Denn 
dieses ist vom Jahresdurchschnitt 9,8 im Jahrzehnt 
1831 — 1840 pro 1000 Einwohner, auf 3,5 im Jahrvier 1906—1909 
als auf beinahe Vs und zwar fast kontinuierlich zurückge¬ 
gangen. 

Um die Bedeutung dieses Ergebnisses für die Entscheidung der 
Frage bezüglich der Infektionsgefahr bei Tuberkulose, speziell bei 
Lungentuberkulose voll zu würdigen, muss man folgendes bedenken: 

Man kann ruhig behaupten, dass zur Entscheidung dieser Frage 
zu keiner Zeit und nirgendwo in der Welt ein natürliches Experiment 
von solcher Ausdehnung und solcher Dauer gemacht worden ist, wie 
gerade in Lippspringe. 

Denn die Beobachtungsdauer erstreckt sich von 1833, dem Grün¬ 
dungsjahr des Bades ab gerechnet bis 1909 inkl. auf 76 Jahre. In 
diesen 76 Jahren ist Lippspringe von rund 170000 Patienten besucht 
worden. 

Von diesen waren sicher 80®/o = 136000 Lungentuberkulose und 
von diesen wiederum gut 7^ = 45000 rund sogenannte offene Tuber¬ 
kulosen mit Bazillen im Auswurf. 

Zur Erzielung von jährlichen Durchschnittszahlen fasst man am 
besten die Jahre bis zu den Frequenzen 500, 1000, 2000, 3000, 4000 
und darüber zusammen. 

Die Frequenz von 1000 wurde zuerst 1867 erreicht. 

Bis dahin betrug der Jahresdurchschnitt rund 830. Davon 664 
Lungentuberkulose und davon rund 222 offene Tuberkulosen. 

Die Frequenz von 2000 wurde zuerst 1874 erreicht, bis dahin 
betrug der Durchschnitt rund 1500. Davon also 1200 Lungentuber¬ 
kulose und davon 400 offene Tuberkulosen. 

Die Zahl 3000 wurde dauernd erreicht 1897. 

Bis dahin betrug die Durchschnittsfrequenz 2500. Davon also 
2000 Lungentuberkulose und davon rund 700 offene Tuberkulosen. 

1896 erscheinen die ersten Kassen- bzw. Versicherungsanstalts¬ 
patienten in Lippspringe. Von da an steigt die Frequenz rasch, 
so dass 1906 die Zahl 6000 überschritten wird. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



9] Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes an Tuberkulose. 

Bis dahin, also 1905 inkl., beträgt die Durchschnittsfrequenz 
4700. Davon 3760 Lungentuberkulose und davon rund 1250 offene 
Tuberkulosen. 

Von 1906 bis 1909 inkl. betrug die Durchschnittsfrequenz rund 
8000. Davon 6400 Lungentuberkulose und davon 2130 offene Tuber¬ 
kulosen. 

Dazu kommt weiter. 

Diese jährliche Anhäufung von Lungentuberkulosen geschieht 
nicht während des ganzen Jahres, sondern besonders in früheren 
Zeiten, in der Saison d. h. von April bis Oktober. Und diese An¬ 
häufung geschieht nicht auf einem weiten Gebiet, sondern in einem 
kleinen, in der Hauptsache ziemlich eng zusammengebauten Orte. 

Zieht man das alles, speziell die Zahl der offenen Tuberkulosen 
in Betracht, so kann man ruhig behaupten, dass nirgendwo in der 
Welt eine so allgemeine und intensive Bazillenausstreuung statt ge¬ 
habt hat als in Lippspringe seit der Gründung des Bades. 

Auf der anderen Seite ist folgendes zu bedenken. 

Bis zur Entdeckung des Tuberkelbazillus war der weitaus grösste 
Teil der Ärzte nicht von der Infektiosität, geschweige denn der Kon- 
tagiosität der Lungentuberkulose überzeugt. Und speziell in Lipp¬ 
springe steckte man, wie die älteren Badeschriften beweisen, völlig 
in der alten Krasenlehre. 

Man dachte daher nicht im entferntesten an das, was man heute 
„Spuckdisziplin^ benennt. Im Gegenteil, je häufiger, und gleichgiltig 
an welchem Orte, der Kranke sich zur Expektoration zwang, desto 
besser war es; denn gerade durch den Auswurf wurde das eigentlich 
Krankhafte, das Dyskrasische aus dem Körper entfernt. 

Aber auch nach der Entdeckung des Tuberkelbazillus hat sich 
die Ansicht von der Infektiosität der Lungentuberkulose unter dem 
Publikum, der Lippspringer Bevölkerung und den dortigen Ärzten 
nur sehr langsam durchgesetzt. 

Man kann daher wohl behaupten, dass erst mit dem Auftreten 
der Versicherungsanstalts-Patienten in grösserer Zahl im Jahre 1899 
der „Spuckdisziplin" bzw. der Auswurfbeseitigung grössere Aufmerk¬ 
samkeit zugewendet wurde. 

Die Konsequenzen hieraus vom kontagionistischen Standpunkte 
sind denn auch längst gezogen. Und es gab bzw. gibt eine ganze 
Anzahl Ärzte, die ihre Patienten nicht genug vor dem „durchseuchten 
Lippspringe" warnen können, als einem ganz gefährlichen Ansteckungs¬ 
herde. 

Ein weiterer wichtiger Punkt, der die Bevölkerung Lippspringes 
selbst betrifft, ist folgender. 


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304 


Dr. Werner. 


[10 


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Die besondere Entwickelung des Bades, hatte zunächst nicht zum 
Bau großer Hotels oder Sanatorien geführt, in denen die Kurgäste 
etwa wie ursprünglich in Görbersdorf, mehr oder minder von der Be¬ 
völkerung abgesondert sind, sondern die Bevölkerung ist durch Zimmer- 
verraieten, später auch Verpflegunggeben, überhaupt Pensiongeben mit 
den Kurgästen von Anfang an in sehr engen Kontakt gekommen. 

Dieses Pensionhalten hat dann, besonders nachdem Kassen¬ 
patienten in grösserer Zahl kamen, in erheblichstem Masse zugenommen, 
so dass man behaupten kann, dass seit 1899 jedes 2. Haus in Lipp- 
springe Kurgäste beherbergt und verpflegt. Daraus folgt aber, dass 
die Hälfte der Bevölkerung den Sommer über mit den Kurgästen in 
ständiger Berührung ist; dies gilt besonders für die Pensionen für 
Kassenkranke. Denn im allgemeinen verkehrt der Kassenpatient mit 
dem Vermieter viel enger als die Patienten anderer Stände. 

Dazu kommt, dass hier weniger Hilfspersonal gehalten wird, 
und die Familie im allgemeinen die gesamte Hausarbeit speziell 
Zimmerreinigen selbst mitbesorgt. 

Ein weiterer wichtiger Punkt für die Bedeutung dieses natür¬ 
lichen Experiments ist die Tatsache, dass die Lippspringer Bevölke¬ 
rung sehr stabil ist. Eine eigentliche Abwanderung findet so gut 
wie gar nicht statt. Es müsste daher jeder Fall von Infektion bzw. 
jede Steigerung von Infektionen unbedingt zur Kenntnis kommen. 

Weiter ist zu beachten, dass, wie die ursprünglich hohen Sterb- 
lichkeitszifFern beweisen, die Bevölkerung Lippspringes wie auch die 
von Neuhaus keineswegs unter günstigen Bedingungen lebt. 

Es berührt übrigens nebenbei gesagt recht eigenartig, wenn man 
angesichts dieser Sterblichkeitsziflfern von dem günstigen Senneklima 
fabelt. 

Diese ungünstigen Lebensbedingungen bedeuten aber auch nach 
allgemeiner Ansicht eine Erhöhung der Infektionsmöglichkeit. 

Also Zusammendrängen veh zahlreichen Lungentuberkulosen auf 
einen relativ kleinen Ort und in eine kleine Gemeinde, enorme Pro¬ 
duktion und Ausstreuung von Bazillen seit 76 Jahren. 

Fehlen aller Vorsichtsmassregeln bis etwa 1900, also 67 Jahre 
lang. Demnach und wegen des engen Zusummenlebens mit den 
Patienten ganz erhebliche Exposition der Bevölkerung verbunden mit 
ursprünglich ungünstigen Lebensbedingiingen und grosser Sesshaftig¬ 
keit, die zur längeren Beobachtung wie geschaffen macht; und dabei 
doch dieses statistisch völlig einwandfreie negative Ergebnis näm¬ 
lich Rückgang der relativen Tuberkulosesterblichkeit auf 
fast 


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UNfVERsrnr of-minnesota 



11] Die Sterblichkeit der BevölkeruDg Lippspringes an Tuberkulose. 365 

Daraus folgt aber mit aller nur möglichen Bestimmtheit, dass 
die Ansicht der Kontagionisten bzw. der älteren bakteriologischen 
Schule von der hohen Infektionsgefahr bei Lungentuberkulose total 
falsch ist, Diese Ansicht geht bekanntlich dahin, dass die Infektions¬ 
gefahr bei Lungentuberkulose derjenigen der akuten Infektionskrank¬ 
heiten oder der Lues gleich zu setzen sei, nur dass man, nebenbei 
gesagt, völlig willkürlich eine längere Inkubationszeit annimmt. 

Man braucht nicht viel Überlegung, um sich zu sagen, dass dann 
die gesamte Bevölkerung Lippspringes unter den geschilderten Um¬ 
ständen infiziert bzw. ausgestorben sein müsste. 

Andererseits ist natürlich an der infektiösen Natur der Tuber¬ 
kulose jeder Art festzuhalten. Es bleibt daher zur Lösung dieses 
Dilemmas nichts übrig, als auf die Ansicht der klinischen Schule 
zurückzugreifen. 

Diese geht bekanntlich dahin, dass einmal die Tuberkulose zwar 
ansteckend ist, dass aber die Infektionsgefahr gering ist und dass 
vor allem ein längeres enges Zusammenleben mit dem Infektions¬ 
träger notwendig ist. Die Tuberkulose nähert sich eben in dieser 
Beziehung, wie in vielen anderen der Lepra. 

Dieses Zusammenleben muss sich auch für Kinder anscheinend 
kontinuierlich auf länger als ein halbes Jahr erstrecken, da es 
wenigstens in Lippspringe bei dem durchschnittlich halbjährigen Zu¬ 
sammenleben von Kurgästen und Bevölkerung nicht gelungen ist, eine 
nachweisbare Erhöhung der Infektionen zu erzielen. 

Zum zweiten ist wohl die Anerkennung des 2. Hauptpunktes der 
klinischen Ansicht, nämlich des Begriffs des Disposition unerlässlich. 

Ausser diesem ätiologischen Ergebnis hat aber diese Statistik 
noch ein therapeutisches, das speziell Lippspringe bzw. überhaupt 
die Behandlung der Lungentuberkulose in offenen Bädern betrifft. 

Wenn nämlich eine so stark und so lange exponierte Bevölke¬ 
rung nicht infiziert wird, so kann natürlich ebensowenig oder noch 
weniger von einer Infektion der Patienten unter sich die Rede sein. 

Es steht daher zu hoffen, dass nunmehr das Spintisieren über 
die Behandlung offener und geschlossener Tuberkulosen in offenen 
Bädern oder geschlossenen Anstalten mit Rücksicht auf den Gesichts¬ 
punkt der Superinfektion oder Infektionsverbreitung aufhören wird, 
da ihm jede Erfahrungsgrundlage fehlt. 

Weiter ist von der Loyalität der Ärzte zu erwarten, dass nun¬ 
mehr auch die eifrigsten Kontagionisten ihre Warnungen vor Li])p- 
springe als einem Bazillen- und Infektionsneste als völlig unbegründet 
einstellen werden. 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



366 


Dr. Werner. 


[12 


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Endlich werden wohl die geschlossenen Anstalten ihren vermeint¬ 
lichen Anspruch auf Überlegenheit den offenen Bädern gegenüber 
bezüglich Infektionssicherheit fallen lassen müssen. 

Denn wenn in ihnen, wie ohne weiteres zugugeben ist, Infektions¬ 
sicherheit herrscht, so verdanken sie das nicht ihren Einrichtungen 
oder ihrer Disziplin, sondern einfach der Natur der behandelten 
Krankheit, die im offenen Bade denselben Schutz gewährt. 

Schliesslich möchte ich noch bemerken, dass es bei einer Bear¬ 
beitung der vorhandenen Kirchenbücher des vergangenen Jahr¬ 
hunderts, da in diesen immer eine genaue Eintragung des Familien¬ 
standes erfolgt, gelingen würde, die Frage der Heredität bei Lungen¬ 
tuberkulose einwandsfrei zu lösen. Es wäre dies eine Art Sammel¬ 
forschung, die vielleicht von den Regierungen in die Wege zu 
leiten wäre. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



13] Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes an Tuberkulose. 307 


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15] Die Sterblichkeit der Bevölkerung Lippspringes an Tuberkulose, 


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Dr. Werner: Die Sterblichkeit Lippspringes an Tuberkulose. 


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Aus der Kinderabteilung der allgemeinen Poliklinik in Wien. 
(Vorstand: Priv.-Doz. Dr. F. Hamburger.) 


Über Säuglingstuberkulose 

Von 

Dr. Rudolf Pollak, Assistenten der Abteilung. 


Die y. Pirquetsclio Entdeckung der kutanen Tiiberkulin- 
reaktion hat wohl den grössten praktischen Gewinn für die Er¬ 
kennung der Säuglingstuberkulose gebracht. 

Wie oft konnte vorher die Diagnose der Säuglingstuberkulose 
nur vermutungsweise gestellt werden und wenn ein .Obduktions¬ 
befund den Fall nicht sicherstellte, bUeb derselbe oft unaufgeklärt. 
Ich erinnere nur an die Beurteilung von chronischen Lungeninfil¬ 
trationen im SäugHngsalter, an die Deutung des Symptomenbildes 
der Bronchostenose, wo man sich meistens nur mit der Annahme 
einer „Hyperplasie der Broncliialdrüsen‘' begnügen musste und wemi 
vollends ganz uncharakteristische Symptome das Krankheitsbild be¬ 
herrschten, kam man oft nicht über eine vage Vermutung lünaus. 

Probatorische Tuberkulininjektionen im Sinne Kochs, nur von 
wenigen Pädiatern (namentlich Schlossmann, Bin swänge r^)) 
angewendet, wurden von vielen Kinderärzten als nicht unbedenk¬ 
lich abgelehnt, sind überdies nur bei klinischer Beobachtung an¬ 
wendbar, selbstverständlich nur bei nicht fiebernden Patienten. Da¬ 
mit sind ihrer Anwendungsweise schon bedeutende Schranken ge¬ 
zogen. 

Dagegen besitzen wdr in der Kutanreaktion nach v. Pirquet 
ein Verfahren, das überall, auch bei ambulatorischen Patienten, in 
ausgedehnter Weise angewendet werden kann, das so gut wie nie 

1) Nach einem am 17. März 1910 in der Gesellschaft für innere Medizin 
und Kinderheilkunde in Wien gehaltenen Vortrag. 

2) Binswanger, Archiv f. Einderh. Bd. 43. 


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374 


Rudolf Pullak. 


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Allgemeiu-Reaktioiien hervorruft und in seiner Ausführung höchst 
einfach ist. 

Dass die v. Pirquet sehe Reaktion eine spezifische Tuber¬ 
kulinreaktion vorstellt, dass jedes Individuum mit posi¬ 
tiver Kutanreaktion einen tuberkulösen Herd (gleich¬ 
gültig ob aktiv oder abgeheilt) in sich birgt, darüber kann wohl 
heute kein Zweifel mehr bestehen. 

Meines Wissens haben in bezug auf die Spezifität der Kutan¬ 
reaktion beim Säugling nur Engel und Bauer*) seinerzeit (1907) 
einiges Misstrauen gehegt, indem sie sich bei fünf positiv reagieren¬ 
den Säuglingen gegen die Diagnose „Tuberkulose'* aussprachen; eines 
dieser Kinder kam aucli zur Obduktion und zeigte keinerlei 2yeichen 
von Tuberkulose. Das ist gewiss ein merk^vürdiges Verhalten, um 
so mehr, als wir beim Säugling kaum an einen nur mikroskopisöh- 
anatomischen Herd denken können, andererseits bei „latenten“ 
Tuberkelbazillen im Sinne Har bi tz oder beim „lymphoiden Stadium“ 
Bartels ein positives Verhalten der Tuberkulinreaktion wahrschein¬ 
lich nicht zu erwarten ist. Dagegen lässt der Fall — mit einiger 
Reserve — vielleicht folgende Deutung zu: 

Engel und Bauer spi-echeii in dem Fall von geringgradiger 
Kutanreaktion. Ich möchte nun l>emerken, dass beim Säugling ziem¬ 
lich liäufig auf den traumatischen Eingriff bei der v. Pirquet sehen 
Impfung eine ganz leichte Entzündung entsteht, die sich in Form 
eines ca. 2 —3 mm breiten, etwas geröteten und leicht erhabenon 
Bezirkes um die Impfstelle konstatieren lässt. Solche (traumatische) 
Reaktionen verschwinden im Gegensatz zur positiven Kutanreaktioii 
nach 1—2 Tagen, ihr nicht spezifischer Charakter lässt sich übrigens 
leicht durch den negativen Ausfall einer nachfolgenden Tuberkulin- 
injektiou nachweisen. Ihr Aufti'eteii verdanken sie offenbar der 
grösseren Vulnerabilität der Säuglingshaut. Mit Rücksicht auf den 
Fall von Engel und Bauer wäre an eine solche nicht spezifische 
Reaktion zu denken. — 

Eine andere Frage ist die, ob durch die Kutanreaktiou jede 
Säuglingstuberkuluse aufgedeckt wird. 

Nachdem die aktive Tu]>erkulose (Kachexie, Endstadium, Menin¬ 
gitis, Miliartuberkulose, Morbillen oder interkurrente fieberhafte Er¬ 
krankungen ausgenommen) meistens mit positiver Kutanreaktion ver¬ 
bunden ist, beim Säugling aber eine inaktive (ausgeheilte) Tuber- 

1) Die Beobachtung von Jarosch, Zeitschr. f. Tuberk. 1909, S. 176 (Starke 
Allgemeinreaktion und Lokalreaktion auf den Lungen nach Eutanreaktion) dClrfte 
wohl ziemlich vereinzelt dasteben. 

2) Engel und Bauer, Berl. klin. Wochenschr. 1907. Nr. 37. 



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3] 


Über Säaglmgstaberkulose. 


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kulose nicht Vorkommen dürfte, haben wir beim tuberkulösen Säug¬ 
ling fast immer einen positiven Pirquet zu erwarten. 

Dieser Erwartung entsprechen auch die tatsächlichen Verhält¬ 
nisse. 

Während nach den Untersuchungen von Hamburger bei 
zunehmendem Alter (Zunahme der inaktiven Tuberkulosen) die „kutan 
negativen, subkutan positiven'* Eeaktion immer häufiger werden, 
ist „die Kutanreaktion um so verlässlicher, je jünger die Kinder 
sind" (Hamburger). Der. negative Ausfall der Kutanreaktion 
beim tuberkulösen Säugling ist auch sehr selten, kommt aber doch 
gelegentlich, namentlich im ersten Lebensha 1 b jahr vor (Moro^), 
Feer^), Hamburger^),Ri etschel*^), So 11mann^), Zieler^)). 

Moro*) glaubt, dass derartige Fälle dahin zu deuten sind, 
„dass sich diese Kinder erst im Inkubationsstadium der spezifischen 
Überempfindlichkeit befinden, oder dass, worauf vieles hinweist, der 
Säugling in seiner ersten Lebensperiode ein schlechter Antikörper¬ 
bildner ist". Letztere Annahme findet eine wesentliche Stütze in 
den Untersuchungen von Moll®). 

Ähnlich wie Moro spricht sich aucli Feer®) aus. Ich seilest 
habe unter meinem Säuglingsniaterial nur eine einzige derartige Be¬ 
obachtung gemacht; dieselbe betraf den 6wöchentlichen Säugling 
einer tuberkulösen Mutter. Seit 14 Tagen Husten. Kutanreaktion 
negativ. Subkutanreaktion auf 1 mg deutlich positiv. Ca. 1 Woche 
später war auch die P i r q u e t sehe .Reaktion deutlich positiv. Da¬ 
gegen konnte ich öfter bei Kindern am Anfang des zweiten Lebens¬ 
jahres den negativen Ausfall der Kutanreaktion bei positiver Sticli- 
reaktion konstatieren (auch bei nicht vorgeschrittenen Fällen). 

Nach dem oben Ausgeführten wird man sagen können: 

1. Der negative Ausfall der Kutanreaktion beim 
Säugling spricht mit grösster Wahrscheinlichkeit 
gegen das Bestehen eines tuberkulösen Herdes, doch 
kann letzteres nicht völlig ausgeschlossen werden. 


1) Hamburger, Wiener kliu. Wochenschr. 1908. Nr. 12. 

2) Moro, Münch. Gesellsch. f. Kinderheilk. 10.1. 1908; Verhandlungen der 
Gesellsch. f. Kinderheilk. 1909. S. 147. 

8) Feer, Münch, med. Wochenschr. 1908. Nr. 1. 

4) Rietschel, Jahrbuch f. Kinderheilk. XX. 1909. H. 1. 

&) Zitiert von Moro in der Diskussion, Verhandlungen der Gesellsch. für 
Kinderheilk. 1909. S. 147. 

6) Moll, Über das Verhalten des jugendlichen Organismus gegen artfr. 
Eiweiss. Verhandl. d. Gesellsch. f. Kinderheilk. 1907. S. 59. 


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376 


Rudolf Pollak. 


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Der Ausfall der empfindlicheren Stichreaktion (Reuschel^), 
Hamburger*)) bringt dann die Entscheidung. 

Nach dem Vorgang von Hamburger*) injiziert man in den 
nächsten 2—3 Tagen nach der negativen Kutanimpfung 0,1—1 mg 
Tuberkulin, später deshalb nicht, weil eine durch die Kutanimpfung 
eventuell hervorgerufene Steigerung der Tuberkulinempfindlichkeit 
dann zu Allgemeinreaktion führen könnte. 

2..Der positive Ausfall der Kutanreaktion be¬ 
weist aber, wie oben schon ausgesprochen, mit 
Sicherheit die Anwesenheit eines tuberkulösen 
Herdes. 

Beim Säugling beweist er al>er auch gleichzeitig das Bestehen 
eines aktiven Herdes, weil wir durch die pathologisch-ana¬ 
tomischen Erfalirungen wissen, dass ei neausge heilte Tuber¬ 
kulose beim Säugling nicht existiert. Dal)ei sei bemerkt, 
dass in den letzten Jahren von einigen Autoren über Fälle te- 
riclitet wurde, in denen als „Heilungsansätze“ zu deutende Befunde 
erhoben wurden (S ti rni man n^), Hohlfeld^), Geipel^), 
Hecker'), Engel^), in jüngster Zeit Rohner^) l^ei drei mit 
Tuberkulin behandelten Säuglingen). — 

Ini folgenden will ich nun über meine Erfalirungen ülxir Säug¬ 
lingstuberkulose Wichten. 

Seif Anfang 1908 habe ich 92 im ersten Lel^ensjahre stehende 
tuberkulöse Kinder beobachtet und zwar grösstenteils durch mehr 
minder iange Zeit ambulatorisch; ein Teil konnte auch klinisch l>e- 
obachtet werden. Die Diagnose wnrde 86 mal durch die positive 
Tuberkulinreaktion (da.nc4)en in einigen Fällen Obduktion), 6 mal 
durch die Obduktion verifiziert (in den letzteren Fällen wurde über¬ 
haupt keine Kutanimpfung unternommen). In 30 Fällen wurde die 
Tuberkulose im ersten Ivcliens hal b jalir, in 62 Fällen im zweiten 
Lebens h a 1 b jahr aufge-drckt. 

Das jüngste positiv reagierende Kind ivar 39 Tage alt. 

Zunächst einige Bemerkungen ül)er die anatomischen Verhält- 

1) Keusche), Münch, med. Wochenschi*. 1908. Nr. 8. 

2) Hamburger, Wiener klin. Wochcnschr. 1908. Nr. 12. 

3) Hamburger, Münch, med. Wochensohr. 1909. Nr. 1. 

0 Stirnimann, Jahrb. f. Kinderheilk. 1905. Bd. 61. 

ä) Hohlfeld, Verhandl. d. Gesellsch. f. Kinderheilk. 1907. 

‘>) Geipel, Zeitschr. f. Hygiene. 1906. Bd. 53. 

') Hecker, zit. nach Enge|l, Beiträge z. Klinik d. Tuberk. 1907. Bd. 7. 

«) Engel, Beitr. z. Klinik d. Tuberk. 1907. Bd. 7. 

Rohner, Arch. f. Kinderheilk. 1910. Bd. 52. 



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oj über Säuglingstuberkulose. 377 

nisse und die denselben entsprechenden klinischen Symptome der 
Säuglingstuberkulose: 

Nach den an einem ausserordentlich umfangreichen Material 
erhobenen Befunden von H. A1 b r e c h 11), ferner nach den Sektions¬ 
befunden von Gohn2), welche die seinerzeitigen Ergebnisse von 
Küss^) bestätigen konnten, findet man bei tuberkulösen Kindern 
(mit verschwindenden Ausnahmen) regelmässig neben einem Herd 
in der Lunge („Primäraffekt“) eine tuberkulöse Erkrankung der bron¬ 
chialen Lymphdrüsen. Der Primäraffekt entzieht sich wegen seiner 
meist geringen Ausdehnung für gewöhnlich der klinischen Diagnose; 
nur dann, wenn er, wie dies manchmal vorkommt, kavernös zerfällt, 
kann er der Erkennung zugänglich sein. Jüngst hat Sluka^) übea' 
Eöntgenbefunde berichtet, nach denen man fast regelmässig auf der 
Platte den (primären) Lungenherd nachweisen kann. Bisher ist 
meines Wissens eine Nachprüfung derselben von anderer Seite nicht 
erfolgt. Vielleicht kann man auch den bei beginnender Tuberkulose 
oft vorkommenden hartnäckigen Husten auf den Primäraffekt be¬ 
ziehen. 

Was die klinische Bedeutung der Bronchialdrüsen- 
tuberkulose anbelangt, kann man nun folgendes sagen: Einmal 
macht die Bronchialdrüsentuberkulose keine oder besser gesagt keine 
charakteristischen Symptome, d. h. wir sind zwar durch den posi¬ 
tiven Ausfall der Tuberkulinreaktion berechtigt, mit der aller- 
grössten Wahrscheinlichkeit eine Tuljerkulose der Bronchialdrüseii 
anzunehmen, aber der klinische Symptomenkomplex deutet nicht im 
mindesten auf eine solche liin (klinisch- latente Bronchial- 
drüsentubcrkulose). In anderen Fällen wieder kann schon 
der klinische Befund die Diagnose der Bronchialdrüsentiiberkulose 
ergeben. Wir sprechen dann von klinisch-manifester Bron¬ 
chialdrüsentuberkulose. 

Das Klinisch-Manifestwerden der Broiichialdmsentuberkulose 
liängt wesentlich von der Grösse der betreffenden tuberkulös er¬ 
krankten Drüsen ab. „Die Drüsen müssen eine gewisse Grösse er¬ 
reichen, sie müssen durch Druck, Zerrung, Entzündung auf die 
Nachbarschaft wirken, erst dann können die Erscheinungen klinisch 
bedeutsam werden“ (Hof f mann)®). 

1) H. Albrecht, Wiener klin. Wochenschr. 1909. Nr. 10. 

2) Zitiert nach Hamburger, Münch, med. Wochenschr. 1908. Nr 57. 

3) Küss, L’h4rödit4 parasitaire de la tuberculose humaine. Paris 1893. 

4) Sluka, Berichte d. Gesellsch. f. Kinderheilk. Salzburg 1909. 

Hoffmann, Erkrankungen des Mediastinums. Nothnagels Hand¬ 
buch. Bd. XIII. 


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Rudolf Pollak. 


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In der Literatur finden wir nun eine ganze Reihe von Sym¬ 
ptomen angegeben, die für die Erkennung der tuberkulösen Broncliial- 
drtisen verwertbar sein sollen. Unter allen diesen Symptomen finden 
sich nun zwei, die an diagnostischer Bedeutung alle anderen weit 
überragen, die man direkt als Kardinalsymptome der Bronchial¬ 
drüsentuberkulose bezeichnen kann: Der charakteristische 
Husten und das exspiratorische Keuchen (oder ex- 
spiratorische Rasseln). 

Gerade der Bronchialdrüsenhusten wird merkwürdigerweise in 
der Literatur entweder ganz nebenher behandelt, oder unrichtig be¬ 
schrieben. Die meisten Autoren bezeichnen denselben als pertussis¬ 
ähnlich. Der Bronchialdrüsenhusten ist aber in den seltensten Fällen 
keuchhustenartig und wenn, so fehlen für gewöhnlich die Exspekto- 
ration und die Reprisen, und nur der leicht krampfartige Charakter 
erinnert an den Keuchhustenanfall. Vielmehr hat der typische Drüseii- 
husten einen ganz anderen, selbständigen Charakter. 

Das Hauptmerkmal des Bronchialdrüsenhustens 
ist seine auffallend grosse Tonhöhe, sein ungemein 
charakteristischer hoher Klang. Darauf hat meines 
Wissens zuerst Fried jung^) aufmerksam gemacht und jüngst hat 
Hamburger-) darauf hingewiesen. Man kann ruliig sagen, daSvS 
dieser Husten für die Broncliialdrüsentuberkulose (resp. Schwellung 
der Bronchialdrüsen) ebenso p a t h o g n o m i s c h ist wie der 
K c u c h h u s t e n a n f a 11 für die Pertussis. 

Hamburger2) sagt: „Hat man diesen eigentümlich hoch- 
klingenden Husten einmal gehört, so erkennt man ihn sofort wieder 
und man kann oft die Diagnose aus dom charakteristischen Husten¬ 
klang allein machen, ohne dass man das Kind sieht“. 

Es ist schwer, einen passenden Vergleich mit bekannten Klang¬ 
bildern für diesen Husten zu finden. Vielleicht ist er dadurch an- 
näliernd charakterisiert, dass er an das Bellen eines kleinen Hünd¬ 
chens erinnert. — Dieser Husten tritt entweder in der W^eise auf, 
dass das Kind einen oder zwei derartiger Hustenstösse äussert, häufiger 
tritt er in Anfällen von multiplon Hustenstössen auf. Der Drüsea- 
husten findet sich manchmal isoliert, d. h. das zweite oben er¬ 
wähnte KardinaJsymptom fehlt; gewöhnlich al>er kommt dies nur 
temporär vor und nach absehbarer Zeit gesellt sich das exspira- 
torische K e u c h e n zum typischen Drüsenhusten. 

1) Friedjung, Archiv f. Kinderheilk. 1902. Bd. XXXV. Heft 5/6. 

2) Hamburger, Allg. Pathologie und Diagnostik der Eindertaberkulose. 
Deuticke. 1910. 


Goxfjgle 


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7] 


Über SäagliDgBtuberkulose. 


379 


Dieses letztere Symptom, von Variot und Guinon zuerst 
beschrieben, wurde in der letzten Zeit von Schick^) als ein für 
die Bronchialdrüsentuborkulose l>esonders wertvolles Zeichen liin- 
gestellt. 

Dasselbe besteht in einem oft auf Distanz hörbaren e x s p i r a - 
torischen Keuchen oder Easseln, ähnlich dem bei Asthma 
oder Bronchitis capillaris. (Die klinische Differenzierung von diesen 
beiden Erkrankungen ist leicht durchführbar.) 

Unter meinen 92 FäJlen fand ich in 46 Fällen, also gerade in 
der Hälfte, entweder eines der beiden oder, was für gewöhnlich der 
Fall war, beide Hauptsymptoino der Bronchialdrüsen tuberkulöse. 
Diese Symptome bestanden in vielen Fällen durch Monate. Öfters 
aber kam es zum wochenlangen Verschwinden derselben oder 
das Rasseln verschwand, während der Husten noch persistierte. 
Gewöhnlich aber kam es gegen das Ende des ersten Lebensjahres 
zum dauernden Wegfall der Symptome und nur wenige Kinder zeigten 
nocli im zweiten Lebensjahre das klinisch-manifeste Verhalten 
der Bronchialdrüsentuberkulose. Damit stimmt auch die bekannte 
Erfahrungstatsache überein, dass die klinisch-manifeste 
Bronchialdrüsentuberkulose bei Kindern jenseits 
des ersten Lebensjahres viel seltener angetroffen 
^vird als im Säuglings alter. 

Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass sich die Symptome 
der Bronchialdrüsentuberkulose, namentlich der Drüsenhusten, ge¬ 
wöhnlich sub finem vitae verwischen, namentlich dann, w^enn es 
zu ausgedehnter Lungeninfiltration kommt. Dann ist das Typische 
des Drüsenhustens für gewöhnlich verschwunden und auch das ex- 
spiratorische Rasseln vermisst man dann meist. 

Alle anderen von,d^n Autoren angegebenen Zeichen der Bronchial¬ 
drüsentuberkulose (Dämpfung über dem Sternum, im Interskapular- 
raum, hauchendes Atmen über den oberen Partien, Smithsches 
Zeichen, Pupillendifferenz etc.) sind teils unverlässlich, teils selten 
anzutreffen, treten jedenfalls an diagnostischem Wert gegenüber dem 
Husten und dem exspiratorischen Keuchen in den Hintergrund. Über 
die „Wirbelperkussion“ besitze ich noch keine genügende Erfahrung. 
Über den diagnostischen Wert des Röntgenverfahrens sind die Akten 
noch nicht geschlossen, vorderhand herrscht darüber noch vielfach 
eine gewisse Skepsis (vgl. z. B. die Diskussion auf der Natur¬ 
forscherversammlung 1909). Die Befunde Slukas habe ich oben 
erwähnt. 

1) Schick, Verhandl. d. Gesellsch. f. Kinderheilk, Salzburg 1909 u. Wiener 
klin. Wochenschr. 1910. Nr. 5. 


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Rudolf Pollak. 


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Was die weiteren klinischen Manifestationen der Säuglingstuber¬ 
kulose anbelangt, so figurieren der Häufigkeit nach die Haut- 
tuberkulide an zweiter Stelle. Abgesehen vom Lichen scrofulo- 
sorum, Skrofuloderm, Erythema induratum (3 Fälle) wurden 22 mal 
die für das Säuglings - und frühe Kindes alter so un¬ 
gemein charakteristischen kleinen papulösen resp. 
papulo-s quam Ösen Tuberkulide konstatiert, deren hohe 
diagnostische R^deutung in der letzten Zeit von Hamburger^) 
besonders hervorgehol3en ^^mrde und deren Ixizilläre Ätiologie jüngst 
von Lein er und Spie 1er 2) tierexi)erimentell und mikroskopisch 
festgesteilt vmrde. 

Bezüglich der Beschreibung derselben venveise ich auf die 
betreffenden Ausführungen Hamburgers i). 

In mehreren meiner Fälle waren diese Tuberkulide das einzige 
nianifeste Tuberkulose-Symptom, cks einzige Symptom, das zur Dia¬ 
gnose führte. 

Was das numerische Auftreten der Effloreszenzen anbelangt, so 
waren analog den Erfahrungen Hamburgers Fälle mit reichlicher 
Aussaat ungleich seltener als solche mit nur vereinzelten Exem¬ 
plaren, in einigen Fällen waren nur 1—2 Tul^erkulide zu kon¬ 
statieren. Die Persistenz der Hautveränderung erstreckte sich meistens 
über Monate, in ganz wenigen Fällen war eine ül)erraschend schnelle 
Involution der Eruption zu bemerken. 

17 mal wurden die Erscheinungen von L u n g e n i n f i 11 r a t i o ii 
resp. von K a v e r n e n b i 1 d u n g konstatiert. In 3 Fällen waren 
Iiifiltratioiiserscheinungen nur voriüx'rgehend nachzuweisen, so dass 
man nur interkurrente Pneumonien anzunehmen l^erechtigt war. — 

In 2 Fällen wurde ein seröses Exsudat gefunden. 

Bei 6 Säuglingen traten Phlyktänen auf. Das Charakteristiselie 
dieser Phlyktänen war einmal ihre überraschend kurze Dauer: 
l)is auf einen Fall waren dieselben in wenigen Tagen verschwunden. 
Zweitens fielen dieselljen durch den Mangel an stärkeren 
E n t z ü n d u n g s e r s e h (' i n u n g e n auf. A'on dem bei älteren 
skrofulösen Kindern so häufigem Bild der Conjunctivitis eczematosa. 
mit Schwellung der Augenlider, sclileirnig-eitriger Sekretion, Ekzem 
in der (migebung, hochgradiger Lichtscheu etc. war in diesen Fällen 
nicht die Bx'de; abgesehen von der Plilyktäne und dem zu ilir 

1) Hamburger, Münch, med. Wochenschr. 1908. Nr. 3. 

keiner ii. Spieler, Verhandl. d. Gesellsch. f. Kinderheilk. Köln 1908 
und Salzburg 1909. 



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9 ] 


Über Säuglingstuberkulose. 


381 


führenden Gefässbändchen waren keine oder mir minimale Entzüii- 
dungserscheinungen zu sehen. 

In 6 Fällen fanden sich Knochentuberkulosen (Fungus, 
Spina ventosa). 

Einer gesonderten Besprechung bedarf die M e n i n g i t i s t u b e r - 
k ul ose (resp. Miliartuberkulose) im Säuglingsalter. Es wurden 
17 Fälle dieser Affektion beobachtet. 

Nun ist mir folgendes aufgefallen: Säuglinge, die an Menin¬ 
gitis resp. Miliartuberkulose erkranken, zeigen meistens die klinisch¬ 
manifesten Symptome der Broncliialdrüsentuberkulose nicht, auch 
anamnestisch lässt sich auf ein früheres Bestehen derselben gewöhn¬ 
lich kein Schluss ziehen. In vielen Fällen wurde sogar erhoben, 
dass die Kinder entweder gar nicht oder nur vorübergehend und 
nur wenig gehustet halben. Nur in 2 'von 17 Fällen konnten ein¬ 
mal nach der Anamnese, einmal durch den -objektiven Befund die 
klinischen Symptome der Bronchialdrüsentuberkulose nachge¬ 
wiesen werden. Um nicht missverstanden zu werden, sei betont, 
dass anatomisch sich, wie ja bekannt, jedesmal eine tuber¬ 
kulöse Erkrankung der Bronchialdrüsen konstatieren liess; aber die 
klinische Manifestation mit ihren oben beschriebenen Kardinal¬ 
symptomen wurde 15 mal unter 17 Fällen vermisst. Nun wurden 
unter (abzüglich der Meningitis- resp. Miliartuberkulose-Fälle) 
77 Fällen, wie oben ausgeführt, 44 mal die kliniscehn Erscheinungen 
der Bronchialdrüsentuberkulose gefunden (60oo), während die Menin¬ 
gitis-Fälle (17) solche nur 2 mal (12o/o) aufwiesen. Wenn man nun 
lx}denkt, dass die klinischen Symptome der Bronchialdrüsentulxu- 
kulose erst dann auftreten, wenn die Drüsen eine gewisse Grösse 
erreicht halx>n (Hoffmann), \vozu es einer gewissen Zeit bedarf, 
— daher kommt es auch, dass wir l>ei ganz jungen Säuglingen, w’enn 
sic auch seit Geburt im tuberkulösen Milieu leben, sehr selten den 
charakteristischen Husten oder das exspiratoiische Rasseln antreffen — 
so scheint mir die Annahme gerechtfertigt, dass der an Meningitis, 
resp. Miliartuberkulose erkrankte Säugling mit grosser Wahrschein¬ 
lichkeit vor relativ kurzer Zeit mit Tuberkulose infiziert 
wairde. 

Dazu kommt noch der bemerkenswerte Umstand, dass die Menin¬ 
gitis tuberculosa fast immer, wwauf auch Hamburger hinweist, 
Säuglinge in recht gutem Eraährungszustand befällt. 

Es wurde also wiegen des Ausbleibens der Bronchialdi’üsen- 
syniptome und wogen des noch guten Ernährungszustandes für mich 
wahrscheinlich, (hiss in den meisten Fällen dort, wo ein Säugling 
an Meningitis erkrankt, der Zeitpunkt der erfolgten In¬ 
fektion nicht weit zurückliegt. 


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Rudolf Pollak. 


[10 




In dieser Annalime wurde ich durch die Beobachtung eines 
Falles bestärkt, in dem mit ziemlicher Genauigkeit die Zeit von 
der Infektion bis zur Erkrankung festgestellt werden konnte: 

Am 31. XII. 1909 wurde in die Kinderambulanz ein 11 Monat© 
alter Knabe K. K. gebracht, der seit 3 Tagen erkrankt ist (Er¬ 
brechen, Obstipation, nächtliches Aufschreien etc.). Diagnose: Menin¬ 
gitis tuberculosa. Dieses Kind (Brustna-hrung) ist stets gut gediehen 
und war (ausser Masern mit 8 Mon.) immer gesund. In der Pamili© 
alles gesund. (Die Eltern und 2 Geschwister [4 und 7 Jahre] wurden 
untersucht und nichts Suspektes gefunden.) In dieses gesunde Milien 
zog am 15. XI. 09 ein Ehepaar mit einem 9 monatlichen Säugling. 
Bei der Frau konnte eine schwere Infiltration der linken Lunge, 
lx3im Säugling typische Bronchialdrüsentuberkulose nachgewiesen 
worden. Also, 6 Wochen nach erfolgter Infektionsgelegenheit zeigen 
sich schon bei dem bis dahin ganz gesunden Säugling die unzweifel¬ 
haften Zeichen einer tuterkulösen Meningitis. (Exitus 15. I. 10, 
Obduktion [Prof. A1 b r e c h t]: Meningitis tuberculosa.) 

Wahrscheinlich handelt es sich in solchen Fällen um ganz 
besonders schwere Infektionen, die rasch zu der töd¬ 
lichen miliaren Aussaat führen; darüber in den Ausführungen über 
die Infektionsquelle. 

Schliesslich bleibt Ixn der Klinik der Säuglings tuberkulöse 
noch die Besprcchung von Fällen übrig, Wi denen die Tuberkuliii- 
reaktion positiv ausficl, dagogen jedes klinische Zeichen einer be¬ 
stehenden Tuberkulose fehlte, bei denen weder ein Symptom von 
seiten der Lungen, Bronchialdrüsen, Haut oder Schleimhäute den 
Verdacht auf eine solche wachrufen konnte, also Fälle von (klinisch) 

,.latenter“ Säuglingstuberkulose. (Das Bestehen von anatomisch-tuber¬ 
kulösen Veränderungen ist durch den positiven Ausfall der Tuber¬ 
kulinreaktion sicherg<?stellt.) 

Einige Fälle erwiesen sich bei Beginn der Beobachtung als 
klinisch-latent, aber nach absehbarer Zeit stellte sich z. B. der Drüsen- 
husteri ein oder das Auftreten von Hauttuberkuliden oder einer 
Phlyktäne manifestierte die stattgehabte tuberkulöse Infektion. Solch© 
Fälle sind gewiss nicht allzu selten und sicher auch von anderen 
beobachtet worden. 

Merkwürdig sind aber 3 von mir beolxichtete Fälle, wo während 
des ganzen ersten Lcl)ensjaJires (resp. zweiten Lebensjahres) jedes 
kliniselre Zeichen fehlte und erst im zweiten resp. dritten Lebens- 
jahre klinische Tuberkulose-Symptome einsetzten. 


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11 ] 


über SftugliDgstoberkulose. 


3S3 


Fall I: 17. X. 08. Lily K., 8 Mod., Flaschenkind. Nimmt seit Wochen 
nicht gut zu und ist deutlich blässer. Stühle (1—2 tägl.) normal, kein Erbrechen. 
Mit 7 Mon. durch 2 Tage Schnupfen und Husten, sonst nie gehustet. Pirquet. 

19. X. Pirquet stark positiv. 

Das Kind hat in der Folgezeit nie gehustet; kein Tuberkulid etc. Lang¬ 
same Zunahme. 

Erst mit 16V« Mon. Auftreten einer Phlyktäne am 1. Auge mit 
geringgradigen Entzündnngserscheinungen, die nach 4 Tagen abheilte. 

Mit 21 Mon. Auftreten einer Konjunktivitis und Blepharitis ohne Phlyktäne 
(nach ca. 14 Tagen geheilt). 

Mit 24 Mon.: Blasses, zartes Kind. Augen normal. Lungenbefund normal. 
Infektionsquelle: Vater (Apicitis dextra). 

Fall II: Johann D., Brustkind, 4 Mon., kommt am 8. XI. 1908 mit den 
Zeichen einer manifesten Tetanie in die Ambulanz (Gewicht 5600 g). Nach 
wenigen Tagen verschwindet die Tetanie. 14. XII. 6500 g. 24. XII. Abnahme 
(6320 g!), Pirquet 26. XII. Pirquet stark positiv (im Alter von 5V2 Mon.). 
Kind hat bisher nie gehustet. Klinisch kein Anhaltspunkt. Gewichtsanstieg von 
nun an flacher: 30. XII. 6400, 7. I. 1909 6430, 9. II. 7110, 22. II. 7300, 22. III. 
7050! Kind hat in der Zwischenzeit nie gehustet. Objektiver Befund immer 
negativ. 

23. III. 7080, 13. IV. 7150, 26. IV. 7100, 10. V. 7150, 22. V. 7200, 4. VII. 
7700. Das Kind war einen Monat auf dem Land. Befinden gut. Nie Husten. 
Objektiv 0. 

22. VIII. (13 Vs Mon. alt): 8100, sieht ziemlich gut aus, fängt an zu laufen. 
Kein Husten. Objektiv 0. 

4. X. 8400. 27. X. 8700, 12. XII. 8950, 22. I. 1910 9350, 4. III. (im Alter 
von 20 Mon.): 9450 ! Seit 14 Tagen Husten, seit 8 Tagen besteht eine Spina 
ventosa am 4. Finger links. — Infektionsquelle: Vater (beiders. Apicitis). 

Fall III: Anna Str., seit dem 5. Lebensmonat in ambulatorischer Behand¬ 
lung. Brustkind. Nie gehustet. 

14. VII. 1908 (11V 2 Mon.): In der letzten Zeit zunehmende Blässe, schlechte 
Zunahme. Pirquet. 

16. VII. Pirquet stark positiv. Objektiv keine Zeichen von Tuberkulose. 
Von da ab fast jede Woche kontrolliert und nie irgendwelche Symptome nach¬ 
gewiesen. Mit 30 Mon. typische Pertussis. Erst mit 32 Mon. Auftreten eines 
Lichen scrophulosorum am Stamm. 

Also 81 / 2 , 141/2 und I 8 I /2 Monate nach der Konsta¬ 
tierung der positiven T u b e r k u 1 i n r e a k t i o 11 konnten 
erst k 1 i n i s c li c T u b e r k 11 1 0 s e s y in p 10 in e n a c li g e w i e s e n 
werden. 

Veranlassung zur Anstellung der Kutanimpfung gab in diesen 
Fällen der Umstand, dass die bis vor kurzer Zeit gut gedielienen 
Kinder trotz Fehlen von Verdauungsstörung und trotz quantitativ 
ausreichender Ernährung anfingen, nicht recht zuzunehmen, dal^ei 
deutlich blässer wurden. 


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384 


Rudolf Pollak. 


[12 


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Auch in deu oben erwähnten Fällen, die anfangs klinisch latent 
verliefen, bald aber manifeste Symptome aufwiesen, war die mangel¬ 
hafte Zunahme das Aviso zur Tuberkulinprüfung. 

In derartigen Fällen ist eine solche dringend empfehlens¬ 
wert: Ein Säugling, der bei genügender und zw^eck- 
mässiger Nahrung (namentlich Brustnahrung) und 
ohne Krankheitssymptome, namentlich Fehlen von 
Verdauungsstörungen, Gewichtsstillstand oder gar 
Abnahme zeigt, ist auf Tuberkulose verdächtigt). 
Dass diese Kinder oft später, gewöhnhch nach Monaten, Symptome 
in Form einer Allgemeinstörung zeigen, die eine stattgeliabte tuber¬ 
kulöse Infektion wahrscheinlich machen, werde ich weiter unten 
ausführen. — 

Soviel über die Symptomatologie der Säuglingstuberkulose. 


Prognose der Säuglingstuberkulose« 

Es galt w'ohl bis in die letzte Zeit als ein Axiom in der Kinder¬ 
heilkunde, dass der mit Tuberkulose infizierte Säugling binnen 
wenigen Monaten seiner Krankheit erliegt, dass der tuberkulöse Säug¬ 
ling zugrunde geht, ehe er das Ende des ersten Lebensjalires er¬ 
reicht. S c h 1 0 s s m a n n (Handbuch der Kinderheilkunde 1906) 
schreibt. „Die Prognose der Säuglingstuberkulose ist 
eine i n f a u s t o“. Alle Autoren der letzten Jahre (z. B. B i ii s - 
wanger-), Ellenbeck3), Sehlbach^), Morgenr o t h 
Aron ade®) u. a.) drücken sich durchaus pessimistisch in bezug 
auf die Prognose der Säuglingstuberkulose-aus. 

„IsteinepositiveReaktionaufdieKutanimpfung 
erfolgt, so ist hiermit das Schicksal dos Säuglings 
w^ohl meist besiegelt“ (Ellenbeck). 

Sehlbach glaubt nach seinen Erfalirungen annehmen zu 
können, dass bei Säuglingen der ersten Monate wohl meist nur 
i/j Jahr vom Zeitpunkt der Infektion bis zum Tode vergeht, während 

1) Ähnlich drückt sich schon Balias (Jahrb. f. K. 49) aas; .In chronischen, 
ohne Darmkatarrh einhergehenden Fällen spricht Stehenbleiben oder ganz lang¬ 
same, aber unkennbare Abnahme trotz guten Appetits für Tuberkulose. Bestehende 
Diarrhöe würde geeignet sein, unseren Verdacht in eine andere Richtung zu 
lenken.“ 

-) Binswanger, Arch. f. Kinderheilk. 1906. Bd. 43. 

a) Ellenbeck, Med. Klinik. 1908. Heft 42. 

•*) S eh Ibach, Münch, med. Wochenschr. 1908. Heft 7. 

•">) Morgenroth, Münch, med. Wochenschr. 1908. Heft 26. 

‘4 Aronade, Brauers Beiträge. Bd. XIII. Heft 2. 


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13] 


Über SäugliDgsiuberkulose. 


385 


Morgenrotli die Zeitdauer für etwas zu kurz bemessen liält und 
ini allgemeinen eine solche von ungefähr 6 Monaten annimmt. 

Auch in dem jüngsten Sammelreferat von A r o n a d e heisst 
es: „Aus allem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Prognose der 
Tuberkulose im Säuglingsalter eine sehr ernste, ja, wenn man von 
den Erkrankungen der Knochen und Gelenk absieht, eine absolut 
ungünstige ist“. 

Daher war es sicher eine überraschende Mitteilung, als Engel 
auf der Naturforscherversammlung 1908 2) ül>er tuberkulöse Säug¬ 
linge berichtete, die in gutem Zustande das erste Lebensjahr über¬ 
schritten haben; allerdings handelte es sich damals grösstenteils um 
Säuglinge, die der Tuberkulinbehandlung unterworfen waren 
und der Autor war nach seiner Erfahrung geneigt, gerade dieser 
Behandlung für den weiteren Verlauf der Fälle eine ausschlaggelx^nde 
Bedeutung beizumessen. Er berichtet allerdings auch ü)>er einige 
nicht spezifisch behandelte Säuglinge, die mit vorläufig guter Prognose 
das erste Lebensjahr erreicht haben, darunter auch über ein 14 Monate 
altes Kind, bei dem bereits im vierten Lebensmonat die 
Tuberkulose festgestellt wurde. 

Weiter hat Schick®) auf Grund seiner Beobachtungen darauf 
hingewiesen, dass die allgemein übliche Annahme der absolut letalen 
Prognose der Säuglingstuberkulose nicht als richtig bezeichnet werden 
kann. Von 36 Kindern sind 22 gestorben, das Schicksal von 7 Kindern 
konnte nicht ermittelt werden; 7 Kinder lebten und 3 davon be¬ 
fanden sich im zweiten resp. dritten Lebensjahr. 

Allerdings hebt Schick hervor, dass bei den letzteren Kindern 
die positive Tuberkulinreaktion erst im zweiten Lebens halb jahr fest¬ 
gestellt wurde. 

Der Verlauf der von mir beolxichteten Fälle war nun ein folgender 
(siehe Tabelle I). 

Von den 92 tuberkulösen Säuglingen stehen 20 noch im ersten 
Lebensjahr, die also für die Frage der Prognose auszuschalten sind: 
auszuschalten sind ferner 5 Fälle, deren weiteres Schicksal nicht 
eruiert werden konnte. Von den restierenden 67 Kindern 
sind 45 gestorben, 22 leben, 19 davon im zweiten und 3 
bereits im dritten Lebensjahr. Das ergibt ein Mortalitätsprozent von 
67,2o/o. Es sind also rund V 3 der im ersten Lebensjalir 


D Aronade, Tuberkulose der Säuglinge. Ergebnisse der iiin. Med. und 
Kinderheilk. 1909. IV. Bd. S. 134. 

2) Engel, Verhandlungen der Gesellsch. f. Kinderheilk. 1908. 

3) Schick, Verhandl. d. Qesellsch. f. Kinderheilk. 1909. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 2. 25 


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38G 


Rudolf Pollak. 


(14 


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TU i t Tu ]) o 1 * k u 1 o s o i n f i z i o r t e ii K i n d o i* ins zweite 
Lo I) o II s j a.h r ei n treten. 


Tabelle I. 



Befinden sich gegenwärtig 

1 im 

1. Jahr 2. Jahr 3 Jahr 

t 

i 

i ; 

Schicksal 

1 un¬ 
bekannt 

Mortali- 

Uts- 

prozent 

Ge.samtzahl 

1 

92 

20 ' 19 j 

1 

3 

li 

' 45 

5 

67,2 Vo 

Im 1. Lebensbalbjahr 
diagnostiziert 

30 

1 

! 8 ; 3 

0 1 

' 18 

i ■ 

85,7 o 

Im 2. Lebenshalbjahr 
diagnostiziert 

62 

12 ! 16 * 

3 

1 

1 

27 

4 1 

1 

' 58,7 « 0 

i 

1 


Dazu ist nocli foli^endes zu l>emerken: 

Einige Kinder, die erst ain Anfang des zweiten Lebensjahi>os 
ihrer TulK'rkulose erlegen sind, wurden unter den Verstorbenen an¬ 
geführt, trotzdem sie das zweite Lebensjahr übersclu’itten haben. 

Dagegen wurden unter den Überlebenden 2 Kinder mitge- 
rechiiet, die an von mir selbst beobachteten interkurrenten Er¬ 
krankungen (Diplokokken-Empyem, alimentäre Intoxikation) im 13., 
resp. 24. Lelxnismonat zugrunde gingen; sie wurden schon aus dem 
Drunde mitgerechnet, weil sie kurz vor der tödlichen Erkrankung 
kein Tuberkulose-Symptom darboten, welches ihre Chancen für ein 
weiteies Fortkommen hätte beeinträchtigen können. 

Überhaupt leidet gegenwärtig keines der über¬ 
lebenden Kinder an irgend einer tuberkulösen Mani¬ 
festation, die an sich eine schlechte Prognose für 
die nächste Zukunft abgibt, d. h. keines der Kinder leidet 
momentan an einer klinisch manifesten Miliartuberkulose resp. Menin¬ 
gitis tuberculosa, keines der Kinder weist einen Infiltrationsprozess 
an den Lungen auf. Ein Teil der Kinder hat jetzt überhaupt kein 
manifestes Symptom mehr aufzuweisen, ein (der kleinere) Teil ist 
mit spezifischen Affektionen an der Haut, Augen oder Knochen 
behaftet. Über den gegenwärtigen Allgemeinzustand dieser Kinder 
werde ich weiter unten berichten. 

Ich kann also dahin restimieren, dass der tuberkulösen Häug- 
lingo das erste Lebensjahr nicht nur überschritten hat, sondern, was 
l>esonders wichtig ist, sich gegenwärtig (im zweiten resp. dritten 
Lebensjahr) in einem Zustand befindet, dessen Prognose vorläufig 
durch keine gefahrbringende Tuberkulose-Manifestation getrübt ist. 



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15] 


über Säuglingstuberkulose. 


387 


Es ist das, wenn maii die pessiuiistischen Erfulirungen der 
Autoren (ausgenommen Engel und Schick) vergleicht, gewiss 
ein ausserordentlich überraschendes Resultat. 

Wie ist es zu erklären, dass bis in die letzte Zeit immer wie<ler 
an dem Satz von der leüilen Prognose der SäuglingstulKudailose 
festgehalten wurde? 

Auf diese Frage hat bereits Engel^) die richtige Antwort 
gegeben. Er sagt: „Hier wird man nicht f e h 1 g e h e n , wenn 
man die mangelnde Diagnostik für diese Irrmeinung 
verantwortlich macht. Man war im allgemeinen 
der Ansicht, dass die Säuglingstuberkulose eine 
kachektische Krankheit sei und fahndete infolge¬ 
dessen nach ihren Anzeichen höchstens bei elenden 

Kindern .Seit wir gelernt haben, dass die Tuberkulose, ins- 

besnödere die der Drüsen, durchaus keine zehrende Krank¬ 
heit zu sein braucht, richtete sich unser Augenmerk auch 
auf die Kinder, welche in blühendem Ernährungszustand kamen und 
durchaus keinen tuberkulösen Eindruck machten“. 

Wenn ich mein Material von diesem Gesichtspunkte aus betrachte, 
kann ich nach meiner Erfahrung noch einen Schritt weiter gehen und 
sagen: Die zu Kachexie führende Form der Säuglings- 
tuberkuloseistdeutlichinder Minorität, denn die haupt¬ 
sächlich mit Abzehrung verbundene infiltrierende Lungentuberkulose 
fand sich nur in 17 von 92 Fällen (18,4o'o). Die akute Miliartuberkulose 
resp. Meningitis befällt aber, wie oben ausgeführt wurde und worauf 
auch Engel2 ) bei seinen Studien über Ernährung und Säuglings¬ 
tuberkulose hinweist, meist Kinder in gutem Ernährungszustand und 
die isolierte Bronchialdrüsen tuberkulöse führt an sich gewiss nicht 
zur Kachexie. Die Säuglingstuberkulose ist also bei w^eitem nicht 
immer eine kachektische Krankheit, wobei natürlich erwähnt werden 
muss, dass der tuberkulöse Säugling selbstverständlich auch durch 
andere chronische Störungen, namentlich alimentärer Natur atrophisch 
zugrunde gehen kann (vgl. die Ausführungen Engels2 )), wie ich 
das wiederholt beobachten konnte. 

War man früher gewöhnlich nur in der Lage, die mit Kachexie 
verbundenen Fälle als Tuberkulose zu diagnostizieren, ist man heute 
durch ausgedehnte Anwendung der Kutanreaktion (bei Schloss- 
mann schon früher durch Ausführung von probatorischen Injek¬ 
tionen), nicht zuletzt aber durch den Ausbau der Diagnostik — 
ich erwähne nochmals die klinische Erkenntnis der Bronchialdrüsen- 

1) Engel, J. c. 

Engel, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1908. 

2h* 


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3ö8 


Rudolf Poliak. 


[16 


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tu])t}rkuloso, die Erkoniiuii^ und Würdigung der charakteristischen 
Säugliiigstulx>rkulide — in der Lage, eine Zahl von Säuglingstuber- 
kulosen aufzudeckon, die früher der Diagnose verschlossen waren. 

Die früher erkannten Fillle geben allerdings die infauste 
Prognose, sic bilden alx^r nur einen Teil und nach meinen Erfahrungen 
den geringeren der mit Tuberkelbazilleii infizierten Säuglinge. — 

Wovon hängt die Prognose der Säuglingstuberkulose ab? Können 
wir ätiologische Momente dafür ins Tieffen führen, dass das eine 
Mal der Säugling in relativ kurzer Zeit seiner Krankheit erliegt, 
das andere Mal wi(Hler die Infektion wenigstens scheinbar überwindet 
und viele Monate, selbst Jahre nach Heginn der Erkrankung weiter 
lebt? 

Zunächst lässt sich feststellen, dass das Alter zur Zeit 
(1 0 r Infektion ei ne ganz hervorragende Rolle spielt. Da-s 
Mortalitätsprozent für alle Säuglinge, ungeachtet des Zeitpunktes 
der positiven Reaktion, ergibt (n,2<'o. Vergleicht man nun ilie 
Sterblichkeit der im ersten LcIkuis h a 1 b jahr als tuberkulös in¬ 
fiziert befundenen Säuglinge mit denen im zweiten Lebens halb jahr, 
so ergibt sich ein lx?deutender Unterschied. Von 62 im z.weiten 
Ldjens h a 1 b jahr positiv reagierenden Kindern sind 12 als noch im 
ersten Ix^^bensjahr stehend und 4 als niclit mehr eruierbar auszu- 
schalten, von den übrigen 46 sind 27 gestorben (M o r ta 1 i t ä t s- 
Prozent = 58,7^V^). Von 30 im ersten Lebenshalbjahr aufgodeckten 
Fällen sind nach Abzug von 8 noch unter 1 Jahr alten und 1 nicht 
auffindbarem noch 21 übrig, von, denon 18 gestorben sind (M o r - 
t a 1 i t ä t s p r 0 z e n t = 85,7^Vo). 

Die Prognose der S ä u g 1 i n g s t u b o r k u 1 o s e ist als o 
u m s 0 s c h 1 e c h t er, j o j ü n g e r das Kind zum Z e i t p u n k t 
d 0 r I n f e k t i 0 11 i s t. 

J e d (Ml f a 11 s g i b t aber auch die Infektion im e r s t e n 
L e 1) c n s h a 1 b j a h r keine absolut i n f a u s t e Prognose. 

3 der von mir beobachteten Kinder, die heute im zweiten Lebens¬ 
jahr stehen, konnten bereits mit 4, 5 und öVs Monaten als tuber¬ 
kulös erkannt werden, während in der mir zugänglichen Literatur 
sicli nur der oben erwähnte analoge Fall Engels vorfindet. 

Dabei lasse ich 3 weitere üljerlebende Fälle unberücksichtigt, bei 
(huum die Tuberkulinreaktion zwar erst im zweiten Lebens h a 1 b jahr 
angestollt wurde, bei denen al>er nach der Anamnese der Beginn 
der tuberkulösen Erkrankung mit grosser Wahrscheinlichkeit in das 
erste Lebens h a 1 b jahr (3 Monate, 4 Monate, 5 Monate) zurück¬ 
reicht. 

Soviel steht aber fest, dass für die Prognose das Alter des in¬ 
fizierten Säuglings von Einfluss ist. — 


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17] 


Über Säuglingstuberkulose. 


389 


Alb zweiter Faktor koinint, wie ilies ja vorauszusetzeii war, 
und wie dies namentlich auch das Tiercxperimeiit lehrt, die S c h w e r o 
der Infektion in Betracht. 

Ich bin dieser Frage auf folgende Weise näher getreten; Es 
ist eine bekannte und von vielen Autoren (S c h 1 o s snia n n i), 
F i n k e 1 s t e i n 2), E11 e n b e c k 3), S i e g e r t ^), C e r n y '») > 
Engel^) u. a.) immer wieder hervorgehobene Tatsache, dass man 
dort, wo ein Säugling an Tuberkulose erkrankt ist, 
fast immer bei einigtT Nachforschung den InfektionsVer¬ 
mittler eruieren kann. Es ist mir auch tatsächlich unter 
45 Fällen, die ich dieslKväiglich inquirierte, 40 mal gelungen, die 
Infektionsquelle zu ennitteln, 3 mal kamen mehrere Personen (Bett¬ 
geher) in Betracht und nur 2 mal war die Nachforschung ergeb¬ 
nislos. 

Ich habe mich weiter üIku* den momentanen Zustand des In¬ 
fektionsvermittlers zu orientieren versucht, hal)e möglichst denscUx^n 
entweder selbst untersucht oder zur Untersuchung an die di'ei 
internen Abteilungen der Poliklinik gewiesen, wo mir dann die Ixv 
treffenden Herren auf mein Ansuchen nicht nur einen detaillierten 
Lungenbefund, sondern auch ein Resümee über die Schwere der 
Erkrankung zukommen Hessen. Bei manchen nicht zur Untersuchung 
gelangten Infektionsträgern konnte schon nacli der Besclireibung ein 
Urteil über die Schwere der Erkrankung gefällt werden, namentHch 
dann, wenn der Infe-ktionsträger kurz© Zeit vorher seiner Phthise 
erlegen ist oder momentan in extremis darnieder liegt. Bei einigen 
wenigen Fällen, die nicht zur Untersuchung gelangen konnten, 
musste die Frage über die Schwere iluer Erkrankung offen bleiben. 

Betrachtet man die vorliegende Tabelle (II), so stellt sich kurz ge¬ 
sagt folgendes heraus: 

Die s eh w ereil (le ta le n) P h t h i si ker h ab en die Säug - 
linge meist mit einer letalen Tuberkulose infiziert, 
die überlebenden Säuglinge sind fast nur von einer 
leichten Infektionsquelle infiziert worden. 

Nun einige Worte zur l^*age, inwieweit die Art der Er¬ 
nährung einen Einfluss auf die Prognose der SäugHngstuberkulose 


1) Schloss mann, Verhandl. d. Gesellsch. f. Kinderheilk. 1902. 

2) Finkelatein, Lehrbuch der Säuglingskrankheiten. Fischer. 1905. 

3) Ellenbeck, Med. Klinik. 1908. Heft 42. 

*) Siegert, Deutsche med. Wochenschr. 1909. S. 1665. 

3) Cerny, Berl. klin.-Wochenschr. 1909. Nr. 46. 

3) Engel, Pathologie der Eindertuberkulose. Urban & Schwarzenberg. 1909. 


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390 


Rudolf Pollak. 


[18 


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aiisübt. EngeP) hat der Ernährungsart einen ganz bestimmten 
Einfluss auf den Verlauf der Säuglingstuberkulose zuerkannt, /in 
dem er nach seinen Erfahrungeit zu dem Schlüsse kommt, ’ dass 
einerseits hauptsächlich die künstlich genährten Kinder der kachekti- 
schen Form der Tuberkulose anheimfallen, während die infizierten 
Brustkinder, gewöhnlich gut weiter gedeihend, einer plötzlichen bazil¬ 
lären Aussaat unterliegen. Nach meinen Erfahrungen kann ich der 
Art der Ernährung einen so überzeugenden Einfluss jedenfalls nicht 
zuerkennen. Von 14 iui Meningitis verstorbenen Säuglingen waren 
5 künstlich genährt und 2 nur bis G Wochen an der Brust (gestorl:>eii 
mit 6, resp. 9 Monaten). 


Tabelle 11. 

Einfluss der Schwere der Infektion auf die Prognose der 
Säuglingstuberkulose. 


Infektionsquelle 

Säugling 

Schwere der Erkrankung 

Zahl 

der Fälle 


Überlebend 

Gestorben.. 

10 

I 

! ^ 

1 

Schwer. 

9 

8 

1 

Leicht 

13 

1 

12 

Zweifelhaft.. 

8 

1 

1 

1 7 

Infektionsquelle nicht zu eruieren 

1 

5 

II 

i 4 

1 

1 


Auch Zapp er t^) kommt jüngst in einer diesl)ezüglichen Zu¬ 
sammenstellung zu dem Schluss, dass der Art der Ernährung für 
das Auftreten von tulMTkulö.'^er Meningitis keine Bedeutung zukommc. 

Auch für die allgemeine Prognose der Säuglingstuberkulose ist 
die Eniährungsart, al)geselieii davon, dass künstlich genährte tuber¬ 
kulöse Säuglinge wie eben überhaupt künstlich genährte Säuglinge 
einen- alimentäreii Schädigung öfters erliegen, ziemlich belanglos. 
Von den 22 übeiiebendeii Säuglingen sind 7, also fast aus¬ 
schliesslich künstlich ernährt worden und nur 9 waren länger als 
2 Monate an der Brust (siche Tafel 111). 

Ich kann also auf Grund dieser Befunde der Brustnahrun^ 
speziell für die Frage der Prognose der Säuglingstuberkulose oder 


1) Engel, Monatsschr. f. Kinderheilk. 1908. H. 28. 

2) Zappert, Wiener med. Wochenschr. 1910. Nr. 5. 



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-ÜNIVERSITYtJF MINNESOTA 









15)] 


Über Säuglingstuberkuiose. 


391 


Tabelle m. 


Übersicht über die überlebenden Sauglingstuberkuloseii. 


Nr. 

Name 

Wahr- 

seheinlicber 

Beginn 

der 

Erkrankung 

Alter zur 
Zeit der 
Diagnosen¬ 
stellung 
(positive 
Tuberkulin¬ 
reaktion) 

Jetziges 

Alter 

Art 

der 

Ernährung 

Klinisch- 
manifeste 
Bronchial- 
drflsen- 
tuber- 
kulose ? 

Sonstige 

tuborkuluse 

Symptome 

1 

Staoek 

3 Mon. 

4 Mon. 

20 Mon. 

Brust 

2 Mon. 

ja 

Scrophulo- 

derma 

2 

Stifter 

6 Wochen 

5 , 

15‘/,, 

Brust 

8 Mon. 

ja 

Tuberkulide 

3 

Dinntrijevid 

— 

6'/«, 

20 , 

Brust 

8 Mon. 

0 

0 

4 

G ruber 

5 Mon. 

7 . 

16 „ 

künstlich 

ja 

0 

5 

Fürbsch 

? 

7'A. 

24 , 

künstlich 

ja 

Tuberkulide 

6 

Draxler . 

7'/2 Mon. 

8 n 

28 , 

künstlich 

ja 

0 

7 

Hertek 

4 , 

8 , 

Mit 

13 Mon. t 
(Enteroc. 
ac.) 

Brost 

3 Mon. 

ja 

0 

8 

Kessler 


8 , 

24 Mon. 

künstlich 

0 

0 

9 

Deman 

9 Mon. 

9 • 

20 , 

Brust 

4 Mon. 

0 

Spina ventosa 

10 

Klinger^Rud. 

? 

9 , 

18 „ 

künstlich 

ja 

Tuberkulide 

11 

Kastl 

8 Mon. 

10 „ 

13‘/., 

Brust 

7 Wochen 

0 

Phlyktäne 

12 

Kliuger, 

Käthe 

8 . 

10 . 

2^/4 Jahre 

Brust 

7 Mon. 

ja 

0 

13 

Praiak 

9 . 

10 „ 

23 Mon. 

Brust 

9 Mon. 

0 

Fungus 

14 

Blaschke 

9‘/». 

11 . 


künstlich 

0 

Spina ventosa 

15 

Mattusch 

® * 

11 n 

14 « 

Brust 

14 Tage 

ja 

0 

16 

Strtkofsky, 

Anua 

: 1 

i 

11 , 

2®, 4 Jahre 

Brost 

21 Mon. 

0 

0 

17 

Strtkofsky, 

Anton 

1 _ 

11 , 

Mit 

2 Jahren 

(Empyem) 

Brust 

21 Mon. 

0 

0 

18 

Kaliina 

3 Mon. 

liv«. 

14 Mon. 

Brust 

2 Mon. 

ja 

Phlyktäne 

1 

19 

Kronberger 

11 . 

12 , 

20 „ 

1 

Brust 

2 Mon. 1 

ja 

i " 

20 

Skoda 

9 , 

12 . 

21 , 

künstlich 

ja 

0 

21 

Willner 

10 , 

12 , 

17 „ 

Brust 

1 Mon. 

ja 

0 

! 

22 

Jerabek 

7 , 

12'/t. 

i 

17 . 

1 

Brust 

6 Mon. 

1 

ja 

0 


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392 


Rudolf Pollak. 


[20 


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für die Art des Verlaufes jedenfalls nicht den Wert zuerkeiiiieii, 
den ihr z. B. aiicli S e li 1 h a c h \dndiziert. 

Schliesslich möchte icli erwähnen, dass die Prognose gewiss 
aucli von der Pflege und den allgemeinen hygienischen Massnahmen 
des Kindes abhängt. Ich hatte den Eindruck, dass die meisten der 
überleitenden Säuglinge in recht sorgsamer Pflege sich befanden, 
dass deren Mütter, die fleissig die Ambulanz besuchten, die all- 
gemeinen hygieiiiscdieii Winke niclit unlx^achtet liessen. 

Keines der Kinder wurde mit Tuberkulin be¬ 
handelt. Vielleicht hatte die Verabreichung von Kreosotlelx*rtran 
einen bescheidenen Anteil an den Erfolgen. — 

In de!r Tabelle III ist eine Übersicht ülxr das Alter zur Zeit 
der positiven Tulterkulinmiktion, ülter den mutmasslichen Beginn 
der Erkrankung, über das jetzige Alter, die Art der Ernährung 
und über die klinischen Tulxrkulose-Symptome Ixn den ülterleben- 
don Säuglingen zusaminengestellt. 


Der „Habitus'' der überlebenden tuberkulösen Säuglinge. 

Ich habe früher erwälint, dass sämtliche tuberkulöse Säuglinge, 
die jetzt IxTcits im zweiten resp. dritten Lebensjahr sich befinden, 
momentan frei von jedem prognostisch ungünstigen tuberkulösen 
Symptom für die nächste Zukunft befriedigende Chancen abgeben. 
Weniger befriedigend ist aber der A11 g e m e i n z u s t a n d dieser 
Kinder. Bei den meisten derselben lässt sich ein gemeinsamer, recht 
charakteristischer Symptoinenkomplex erkennen, der im wesentlichen 
folgendermassen geschildert werden kann: Die Kinder sind 
rocht blass, mager, haben eine schlaffe Musku¬ 
latur, auffallend 1 a n g e Wimpern und sehr häufig 
eine abn 0rme Bc haar ung an den Schläfen und 
zwischen den Schulterblättern, kurzum die Kinder bieten 
ein Symptomenbild, das unter der Bezeichnung „tuberkulöser 
Habitus“ ziemlich bekannt ist. Auffallend ist auch bei den meisten 
dieser Kinder eine leichte Apathie und ein oft direkt trauriger Ge¬ 
sichtsausdruck. Dieser Habitus hat sich bei den von mir beobachteten 
Kindern g e w i s s c r in a s s e n unter meinen Augen ent- 
Wickel t. hx den ersten Monaten nach Beginn der Erkrankung weisen 
die Kinder keine Spur eines solchen Habitus auf. Es ist auch eine 
bekannte Tatsache, dass der tuberkulöse Säugling am Anfang seines 
Leidens, wenn er nicht vorher zum Beispiel durch alimentäi^ Scliäden 

v) Sohlbacii, Müoeh. nied. Woclienachr. 1908. 



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21 ] 


Über Säuglingstuberkulose. 


393 


in seiner Konstitution geschwilclit ist, niclit nur oft blühend aussieht, 
sondern, wie dies schon seinerzeit von 8 c h 1 o s s in a n n und in der 
letzten Zeit von Engel besonders hervorgeholKMi wurde, auch durch 
einige Zeit an Gewacht ungestört ziinehnuMi kann. Manche von den 
Kindern, d i e j e t z t s c h o n i in z w eite n L e b e u s j a h r s t e h c n , 
w' eise n a u c h n o c h heut e d e ii b e t r e f f e ii d e n H a b i t u s 
nicht auf. 8ic bilden allerdings die starke Minderheit und ich 
glaube, dass es sich Ixü ihnen um ganz lK‘sonders schwache In¬ 
fektionen handeln dürfte. 

Bei den meisten der überlebciideii Kinder alxu* ist der oben 
geschilderte Symptomenkomplex in mehr oder weniger deutliclier 
Weise ausgeprägt. Nach meinen Heobachtungen konnte ich kon¬ 
statieren, dass derselbe ungefähr Jahr nach Beginn der Er¬ 
krankung in Erscheinung trat. 

Es entwickelt s i c li also in d e ii m eisten F ä 11 e n 
1) e i m t u b e r k u 1 ö s i n f i z i e r t e n 8 ä u g 1 i n g , w o f e r n d e r - 
selbe seine Erkrankung über Monate hinaus über¬ 
stellt, eine eigentümliche Allgemeinst ö r u ii g , die 
ganz gew^isso Merkmale an sich trägt. 

Der tuberkulöse Habitus von Kindern der ersten Lebensjahre 
ist also eine Folge der stattgehabten tulxTkulösen Infektion. 

Jüngst hat Friedjung^) zu dieser Fnige de^ „Habitus tuber- 
culosus“ im frühen Kindesalter Stellung genommen. Seine Aus¬ 
führungen gehen dahin, dass er schon seit vielen Jahien einen ge¬ 
wissen Symptomenkomplex kennt, der sich häufig bei tuberkulösen 
Kindern der ersten Lebensjalire findet und der hauptsächlich in Ver¬ 
änderungen des Integuments (Abmagerung, lange, dunkle Wimpern 
bei blondem Kopfhaar, dunkle Behaarung zwischen den Scapulae 
und über dem Muse, deltoideus, an den Schhifen etc.) besteht. Dieser 
Habitus fand sich so oft bei Fällen zweifelloser Tuberkulose, dass 
Fried] ung glaubte, ihn auch zur Diagnosenstellung heranzieheii 
zu können. 

Nun hat Fried jung schon im Vorjahre die diagnostische 
Bodeutung des „tuberkulösen Habitus" an der Hand der Kutaii- 
impfung geprüft und kam dabei zu einem negativen Ergebnis. Die 
letzten auf Grund meines Vortrages erfolgten diesljezüglichen Unter¬ 
suchungen Fried] ungs ergaben, dass bei 29 den charakteristischen 
Habitus aufweisenden Kindern im Alter von 5—26 Monaten 1 i 
(38'» u) auf die Pirquet sehe Impfung positiv reagierten. Auf Grund 
dieser letzten Befunde glaubt nun Fried jung zw^ar an die Be- 

1) Friedjung, Wiener klin. Wochenschr. 1910. Nr. 25. 

2) Gesellsch. f. ino. Med. u. Kinderheilk. in Wien, 17. 111. 1910. 


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394 Rudolf Pollak. [22 

reclitigung, dic‘rseii Syiiiptoiiieiikoiuple.v diagiiustisch verwerten zu 
dürfen, aber „dennocdi widersprechen sie“ (sc. die Befunde) „der 
eindeutigen Auffassung Pollaks und verlangen eine vorsichtigere 
Erklärung“; denn „Pollak gibt (dem Symptomenbilde) eine so 
bestimmte Deutung, dass sein diagnostischer Wert von geradezu 
ausschlaggebendor Bedeutung sein müsste“. 

Ich will nun im folgenden zeigen, dass von einem Gegensätze 
zwischen Fried jung und meinen Anschauungen um so w^eniger 
die Redf* sein kann, als ich mich in meinem seinerzeitigen Vortrage 
an keiner Stelle üter die diagnostische Würdigung des „tuber¬ 
kulösen Habitus“ geiiussert habe. Meine Untersuchungen erstreckten 
sich doch überhaupt nur auf positiv reagierende Kinder. 
Bei der fortlaufenden Untersuchung tuberkulöser Säuglinge ist es 
mir aufgofallen, dass sich in vielen Fällen Monate nach Beginn der 
Erkrankung huigsiim ein Bild entwickelt, welches dem Bilde des 
„tuberkulösen Habitus“ entspricht, der in seinen charakteristischen 
Zügen nach Friedjuugs Eruierungen aus der Literatur allerdings 
vielleicht weniger gut bekannt ist, als ich geglaubt habe. 

Ich halx3 also in eindeutiger Weise ein Bild entstehen tsoheii, 
über dessen Pathogenese man sich bisher nicht ganz klar war. Fried- 
jung schreibt selbst, dass es ihm unklar war, „ob der Habitus 
oder die tul>erkulöse Infektion das Primäre sei“, ob der Habitus 
eine Prädisposition für die Tulx.Tkulose oder die Folge der erfolgten 
Infektion bedeute. 

• Nach meinen Untersuchungen ist es wohl zweifellos, dass der 
,,tuberkulöse Habitus“ sich unter dem Einfluss der Infek¬ 
tion mit Tuberkelbazillon entwickelt, dass er die 
Folge der Infektion bedeutet. 

Um die Feststellung dieser das Wesen des Tuberkulose-Habitus 
aufklärenden Tatsache ist es mir zu tun. Eine andere, obige Er¬ 
wägungen nicht tangierende Frage ist die, ob der betreffende „Habitus“ 
sich nur unter dem Einfluss der tul>erkulösen Infektion sich ent¬ 
wickelt, d. h., ob das Bestehen desselben ohne w^eiteres die Dia¬ 
gnose der stattgehabten tuberkulösen Infektion gestattet. Dieser Frage 
bin ich, wie oben erwähnt, nirgends näher getreten. Ja, es ist für 
das Zureclitbestehen der von mir erbrachten Befunde gleichgültig, 
in w'clchem Sinne sieh nach diesbezüglichen Untersuchungen die 
Fi’age beantworten lässt. 

In meinen Fällen, die ja sämtlich tuberkulös infiziert 
w^aren und w^o sich im Anschluss und unter dem Einfluss der In¬ 
fektion der cliai-akteristische Habitus entwückelt hat, war derselbe 
fast zweifellos ein spezifischer, auf dem Boden der Tuber- 


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23] Über Säügliogstaberkulose. 395 

kulose entstandener, also zweifellos mit der Tulxn’kulose zusammen'' 
hangender. 

Ich habe zufällig ausserhalb des Rahmens dieser Arbeit des 
öfteren Kinder der ersten Lebensjahre mit dem ausgesprochenen 
„tuberkulösen Habitus“ auf ihre Tuberkulinreaktion geprüft und 
solche gefunden, die auf 1 mg Tuberkulin wiederholt keine posi¬ 
tive Reaktion ergaben, mithin als tuberkulosefrei angesehen werden 
mussten (Hamburger). 

Es findet sich also ein äJmlicher Habitus bei Kindern in den 
ersten Lebensjaliren, der mit Tuberkulose nichts zu tun liat. Darüber 
habe ich bereits in der Diskussion zu meinem Vortrage Mitteilung 
gemacht. Es handelt sich dann um Kinder, die an anderweitigen 
chronischen Störungen leiden oder gelitten haben, in erster Linie 
um schwere Rachitiker, dann um solche Kinder, die im Säuglings¬ 
alter chronische Verdauungsstörungen durchgemacht haben, kurz 
chronische Noxen verschiedener Art in den ersten Lebensjahren 
können zu einer Allgemeinstörung mit analogem oder ähnlichem 
Symptomenbilde führen. 

Es fragt sich nun, ob angesichts dieser Tatsache die Bezeich¬ 
nung „tuberkulöser Habitus“ beizubehalten sei oder nicht. 

Ich habe mich für das erstere deshalb entschieden, weil es 
sich mir ja nur um die Feststellung der Ursache des nach meiner 
Meinung bekannten tuberkulösen Habitus handelte, dann auch des¬ 
halb, weil er ja für meine sämtRchen Fälle mit grosser Walirschein- 
lichkeit als spezifisch tuberkulös aiizusehen ist. 

Schiassätze: 

1. Am häufigsten dokumentiert sich klinisch die Säuglings¬ 
tuberkulose durch die Symptome der Tuberkulose der Broncliialdrüsen, 
deren wichtigste der patho^nomonische Husten und das exspiratorischc 
Keuchen sind. 

2. Recht häufig ist auch das Auftreten von Hauttuberkulidon 
bei tuberkulös infizierten Säuglingen. 

3. Die Meningitis tuberculosa im Säugliugsaltei' tritt wahrschein¬ 
lich liäufig kurze Zeit (wenige Wochen) nach erfolgter Erst¬ 
infektion auf. 

4. Es gibt Fälle von Säuglingstuberkulose, die während des ganzen 
ersten Lebensjahres klinisch „latent“ verlaufen. 

5. Die zu Lungeninfiltration führenden Fälle bilden die Minder¬ 
heit der mit Tuberkelbazillen infizierten Säuglinge. 


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3% Rudolf Pollak: Über SäugÜDgetuberkulose. [24 

0. Die R-ogiiose der Säiigliii^stuljerkulose in Ix^zug auf das 
Überstehen des ersten Ixd)ensjalii\js ist weitaus besser, als bisher 
fast allgemein angenomnien wurde. 

7. Die Prognose hilngt wissentlich von der Schwere der In¬ 
fektion ab: Die scliweren Phthisiker infizieixm den Säugling ge¬ 
wöhnlich so, dass er sivinefi- Infektion erliegt, während die über¬ 
lebenden Säuglinge gewöhnlich von einer leichten Infektionsquelle 
infiziert werden. 

8. Die Infektion ini ersten Ddams h a 1 b jahr gibt zwar eine 
viel schlechtere, aber inicht absolut intäuste Prognose. 

9. Die tuberkulösen Säuglinge (wenn sie das erste Lelxmsjahr 
überstellen) fallen meist einer Allgemeinstörung („tulaerkulöser 
Habitus“) anheim. 

10. Der „Habitus“ ist somit die Folge einer stattgehabten Jn- 
fektion mit Tuberkelbazillen. 



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Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefunde. 

Kasuistischer Beitrag 

von 

Dr. A. Bauer. 


Wie unter Lungenphthise überhaupt, so versteht man auch unter 
Unterlappenphthise ini allgenieinen diejenige Form, die tuber¬ 
kulöser Ätiologie ist. Wenn nun v. Hansemann es für nötig 
hielt, darauf hinzuweisen, dass es danel>en auch andere Formen von 
Phthise gibt, so die bronchiektatische, die fibröse, die ulzeröse, die 
syphilitische, die aktinomykotische, so war das nicht nur vom pathc)- 
logisch-anatomischen Standpunkt aus völlig berechtigt, sondern ist 
es auch klinisch erwünscht, bei dem Ausdruck Phthise nicht stehen 
zu bleiben, sondern in jedem Falle nach weiterer Klärung zu ringen. 

Während nun ein Autor wie Strümpell schreibt: „Ausser 
den Lungenspitzen sind auch die übrigen Abschnitte der Lunge 
genau zu untersuchen, da in nicht sehr seltenen Fällen die Tuberkulose 
auch in den unteren Lungenlappen beginnen kann“, und Cor net in 
seinem Handbuche die Aufforderung, sorgfältigst die gesamte Lunge 
physikalisch zu untersuchen, mit dem Hinweis stützt: „Ich hatte 
beispielsweise eine ältere Patientin mit grosser Kaverne r. h. u. und 
massenhaften Bazillen, die übrige Lunge war gesund“, so ist doch 
der Unterlappenphthise weder bei C o r n e t selbst, noch bei Schrö¬ 
der^), noch in den gebräuchlicheren Handbüchern der Diagnostik 
innerer Krankheiten ein besonderes Kapitel gewidmet. Offenbar 

über Heilung und Heilbarkeit der Lungenphthise. Berl. klin. Wochen¬ 
schrift 1902. Nr. 32. 

•) G. Schröder, Handbuch der Therapie der chronischen Lungen¬ 
schwindsucht 


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A. Bauer. [2 

sclii'eckeii die Autoren davor zurück, einen topograpliisch-anatonii- 
schen t3esichtspunkt unter die Einteilungsprinzipien der verscliiedeiioii 
Formen der Lungenphthise aufzunehmen. 

Indessen geht man wohl niclit fehl, wenn man behauptet, dass 
sich die Bezeichnung „Unterlappeuphthiso“ durch ihre häufige An¬ 
wendung in der Praxis als durchaus berechtigt und lebensfähig er¬ 
wiesen hat, und dass es zu wünschen wäre, von dieser Bezeichnung 
ausgehend, die Unterlappenfälle systematisch durchzuarbeiten und 
zu ordnen, damit sicherere Anhaltspunkte für die praktische Beurtei- • 
hing solcher Fälle gewonnen werden. Die nachfolgende kasuistische 
Zusammenstellung soll unverhüllt zeigen, wie schwierig die Beurtei¬ 
lung einseitiger Unterlappenbefunde im Einzelfalle sein kann. Wenn 
dabei manches mit angeführt wird, was uninteressant oder neben¬ 
sächlich erscheint, wenn dabei manches vermisst wird, was der exakte 
Kliniker für unerlässlich hielte, so mag das dem Nichtkliniker zugute 
gehalten werden, der jedenfalls das Bestreben gehabt hat, in jedem 
Einzclfallo mit den ihm gebotenen Mitteln zur Klarheit durch¬ 
zudringen, und gerade dabei das Bedürfnis empfunden hat, sich weiter¬ 
hin von andeixu’ Seite fördern zu lassen. 

I. 

Als ersten Fall und zwar als Beispiel einer Fehldiagnose 
bei einem einseitigen Unterlappenbefunde möchte ich den folgenden 
besclueiben: 

Es handelte sich um einen mit Krampfanfällen behafteten Idioten. 

Er befand sich seit seinem 6. Letensjahre in Anstaltsbehandlung, 
war von unbekannter Herkunft, sollte als Idiot bald nach der Ge¬ 
burt erkannt worden sein, bot seit seinem 5. Lebensjahre epileptische 
Anfälle dar, die ziemlich häufig gruppenweise und zwar meist nachts 
auftraten, seltener in grossen ausgesprochenen Krampfanfällen als 
in peüt mal bestanden, sich bis gegen das Lebensende monatlich in 
wechselnder Zahl, durchschnittlich aber 5—10 mal wiederholten. Der 
kleine Patient zeigte bei der 1906 erfolgten Aufnahme ausser im 
Schädelbau und dem Verhalten der Pupillen keine Besonderheiten, 
war damals, d. h. in seinem 6. Lebensjahr, körperlich gut entwickelt, 
kräftig gebaut. 

Im Laufe seines Anstaltslebens hatte das Kind längere Zeit 
Albuminurie, machte Otitis media und Gesichtsekzem durch, seit 
1908 litt es häufig unter heftigen Diarrhöen, die sich immer wieder¬ 
holten, es wurde immer elender und bot positive Pirquet- 
sche Reaktion. Es hatte einen unbändigen Appetit, ass alles, dessen 
es habhaft werden konnte, selbst Sand und Erde, wurde —' aller- 



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3] 


Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefunde. 


399 


dings nur vorübergehend — auch einmal gefüttert. Iin Novoniber 

1909 erkrankte es an Bronchialkatarrh mit liohoii ul^eiid- 
lichen Temperaturen bis 39,8bot Hasselgoriiiiseho über l)eid<‘n 
Lungen, konnte aber wegen ständiger Unruhe nie gründlich unter¬ 
sucht werden. 

Im Januar 1910 hatte das Kind Dämpf ung über dem recliton 
Unterlappen und abgeschwächtes Atmen, wurde punktiert, 
die Punktion ergab nichts. Es wurde stellenweise ül)er der übrigen 
Lunge Rasseln gehört 

Das Kind ging von da ab unter der Diagnose „progrediente 
Lungenphthise“, womit tul>erkulöse gemeint war. Ich selbst bekam 
das Kind im Mai 1910 in Behandlung, konnte wegen ständiger Un¬ 
ruhe des taubstummen, blöden, abgezehrten, ganz elenden Kindes 
niemals einen genauen Befund erhellen, {schloss mich aber der Jliagnose 
an — weniger auf Grund der kaum durchführbaren Lungen¬ 
untersuchung, als auf Grund des klinischen Gesamtbildes: während 
mehrerer Monate festgestelltes und kurvisch festgehaltenes typisches 
hektisches Fieber, übelriechende Durchfälle, Anämie, ständiger Kriifte- 
verfall. Natürlich fahndete ich auf Sputum, aber solches war nie 
zu erlangen, obwohl es anscheinend reichlich produziert wurde. Es 
bestand unverkennbares Sputumschlucken, die ständig auftretendon 
Durchfälle waren höchst übelriechend. Es l)cstand aashafter Foetor 
ex ore, der an sekundäre Gangrän denken Hess. Am 9. August trat 
der Exitus nach einem Anfall von „Bluthusten“ ein, wie ein alt¬ 
bewährter Pfleger angab. Das Kind wog gegen Lel}ensende 10^/^ kg, 
d. h. mit 10 Jaliren 33 Pfund. Die Sektion (Dr. Steinbiss) ergab 
ausgedehnte Gangrän des rechten Unterlappens, fistulöse Kommuni¬ 
kation zwischen Ösopjiagus und Trachea, nirgends Knötchen in der 
Lunge oder andere tuberkulöse Veränderungen derselben, nur einige 
geschwollene tuberkuloseverdächtige Bronchialdrüsen. 

Woher rülirte nun die Fehldiagnose? 1. Daher, dass kein Aus¬ 
wurf zu erlangen war und deshalb nicht untersucht wurde; 2. daher, 
dass die Gangrän einen auffallend protrahierten Verlauf nahm; denn 
wir stehen rückblickend nicht an, den im November 1909 diagnosti¬ 
zierten Broncliialkatarrh mit 39,8® Fieber und die im Januar 1910 
vermutete Pleuritis dem per obductionem erkannten gangränösen Pro¬ 
zess zuzurechnen, der sich sonach von November 1909 bis August 

1910 hingezogen und also volle 9 Monate gedauert haben dürfte. 
3. Daher, dass ausser einer Zeit subnormaler Temperaturen das Fieber 
einen typisch hektischen Verlauf nahm, schwai;Lkend zwischen 39,3® 
Maximum Abend- und 36,9® Minimum Morgentemperatur gemessen 
im Mastdarm und kurvisch verfolgt von Mai bis August 1910. 


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400 


A. Bauer. 


[4 


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Ist etwas zur Sicherung der Diagnose unterlassen worden ? 

Die Pirquet sehe Reaktion war gemacht — Es hätte der Ver¬ 
such gemaclit werden können, gewaltsam Sputum zu gewinnen, das 
Blut hätte untersucht werden können, oder es hätten die Stühle wegen 
des unzweifelhaften Sputumschluckens untersucht werden müssen. 
Jedoch hätte der negative Befund an Tuberkelbazillen, der ja so gut 
wie nichts beweist, uns von der Diagnose Phthisis pulmonum tuber- 
culosa nicht abbringen können, nur hätte das Auffinden von fetzigen 
Lungengewebsl^estandteilcn im Sputum die Annahme einer sekundären 
Gangrän bestätigt, die ja ohnehin nel>enher auf Grund des übel¬ 
riechenden Foetor ex ore gelegentlich aufgestellt, aber nicht zur 
Basis der Diagnose erhoben worden war. 

Also eine Fehldiagnose, die wohl angesichts der schwierigen 
TJntersuchungsbedingungen im vorliegenden Falle verzeihlich, aber 
doch als sehr verhängnisvoll anzusehen ist, zumal unter Umständen 
eine operative Eröffnung eines Gangränherdes von der Brustwand 
aus Heilung biingen kann (vgl. Lenhartz). 

II. 

Besonders lehrreich mu'h Richtung der Fehldiagnosen bei 
einseitigem ITnterlapjx^nlxfund erscheint mir auch folgender Fall: 

Patient wurde am 14. Nov. 1907 hier aufgenommen im Alter 
von 12 Jahren. Er hatte im Juli 1905 Bronchialkatarrh und war auch 
früher oft an Husten krank. Bei der Aufnahme bot er Spuren alter 
Rhachitis, sonst im Allgemeinzustand keine Besonderheiten, seine 
„Gesichtsfarbe w*ar frisch“. Am 4. Februar 1908 l>ekam Patient eine 
leichte Hämoptoe, 14 Tage später hatte er 1. h. u. Schallverkürzung 
und inspiratorisches Rasseln, und wurde seit dieser Zeit als tuber¬ 
kulös angesehen. Es trat in der Folgezeit auffallend häufig 
Hämoptoe auf und allemal kamen darnach deutlichere Erscheinungen 
seitens der linken Lunge zum Vorschein. Die Geräusche, die nun 
innerhalb zweier Jahre fast konstant gehört wurden, bestanden bald 
in klingendem grossblasigem Rasseln, bald in Reiben und Knacken, 
waren aber immer im wesentlichen über dem linken Unterlappen 
lokalisiert und wurden meist als bronchial gedeutet, nur hier und 
da wurde auch r. v. o. und r. h. o. vereinzeltes Giemen und Schnurren 
gehört, wohl auch der Schall verändert gefunden. Es waren an der 
Abfassung der Krankengeschichte verschiedene Ärzte beteiligt. Die 
Untersuchung auf Tuberkelbazillen ergab nie einen Befund, trotz¬ 
dem wurde an der Diagnose „offene Lungentuberkulose“ festgehalteu 
und 1. h. u. eine Kaverne angenommen. Der Prozess schien sich auch 
weiter auszudehnen, zumal r. hin und wieder Erscheinungen auf- 



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5] 


Zur BeurteiluDg einseitiger Unterlappenbefunde. 


401 


traten, die als feiiiblasiges Rasseln tezeiclinet sind. Das grobe Hasseln 

1 . h. u. kehrte immer wieder. 

Als der Patient, nachdem er bereits 30 Monate in einer Heilstätte 
gewesen war, in meine Behandlung kam, bot er im Allgemeinzustand 
Spuren alter Rhachitis dar, mit auffallender Erweiterung der unteren 
Thoraxapertur. Er sah fahl graugelb aus. Das Herz bot reine Töne, 
leicht irreguläre Aktion, 72 Schläge im mihigen Stehen. Urin war 
frei. Über den unteren Abschnitten der linken Lunge war der Klopfr 
schall tympanitisch, besonders 1 . h. u. und 1 . v. u. bestand eine auf¬ 
fallende Ähnlichkeit mit dem Klopfschall im Traube sehen Raum. 
L. h. u. war der Wintrichsche Schallwechsel nicht deutlich nach¬ 
weisbar-, aber angedeutet. Der Patient klagte damals über links¬ 
seitige Brustschmerzen, und es war ausser grobem Giemen auch 
Knarren hörbar, auch war die linke untere Lungengrenze 1. h. u. 
weniger verscliieblich und stand höher als die rechte. Der Fall war 
von vornherein besonders dadurch auffällig, dass die K r ö n i g sehen 
Felder bezw. Bänder gleich breit und die Spitzen auch im übrigen 
perkutorisch und auskultatorisch völlig frei waren. Wenn auch so¬ 
fort Zweifel an der tuberkulösen Natur des Leidens auftauchten, 
war trotzdem erst nach einer Beobachtung von acht Wochen die 
bisherige Diagnose zu stürzen und eine „Bronchiektasie“ zu dia¬ 
gnostizieren und zwar, weil 

1 . trotz der vermuteten Phthise der Junge sich in den zwei Jahren 
ganz leidlich entwickelt und es von 29,5 kg auf 44 kg gebracht, 
und weil er keine typische Temperaturkurve hatte; 

2 . weil auch nicht die geringsten Spitzenerscheinungen da waren; 

3. weil der Auswurf frühmorgens sehr reichlich — 1/4 Liter 
etwa — in Quinckescher Hängelage (Lagerung auf der rechten 
Seite in diesem Falle) ausgegossen oder ausgekippt werden konnte, 
nach diesem Manöver mehrere Stunden, ja meist den ganzen Tag 
völlig sistierte und aufbewahrt nach einiger Zeit die bekannten drei 
Schichten absetzte, ohne übrigens stinkend zu sein. 

4. Ausserdem musste es auffallen, dass innerhalb so langer Zeit 
niemals Bazillen oder elastische Fasern gefunden waren, so wenig 
auch sonst der negative Bazillenbefund etwas beweist. 

Der Patient wurde durch wiederholte Anfälle schwerer Hämoptoe 
und allemal folgendes hämoptoisches Fieber sehr geschwächt und, da 
zeitweilig auftretende Seitenstiche und doppelphasische Geräusche als 
pleuritische Reizungen angesprochen wurden, dem Chirurgen über¬ 
geben in der Erwartung, dass dieser Verwachsungen finden und 
einzeitig operieren können würde. 

B«itrlffe rar Klinik der Tiib«rkiilote. Bd. XTX. H. 2 26 


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A. Bauer. 


[6 


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m 


Die erste Rönt^ouaufnähme ergab nichts, da der Herzschatten 
den linken Unterlappen in zu grosser Ausdehnung bedeckte. Eine 
zweite Röntgenaufnahme ergab links engere Interkostalräume und 
höheren Zwerchfellstand als rechts, und weil perkutorisch die untere 
linke Lungxnigrenze höher gestanden hatte als die rechte und auch 
weniger verschieblich gewesen war als die rechte, wurde die An¬ 
nahme von A\u'wachsungen dadurch noch gestützt, zumal Patient 
auch hin und wieder linksseitigt's Bruststechen gehabt hatte, und 
zu dieser Zeit in- und exspiratorisches Knarren gehört war. 

Bei der Thorakotomie (Dr. Wilma uns) zweigte sich nun durch 
die Pleura costalis hindurch, dass die Lunge völlig frei verschieblich 
war; jedenfalls spricht <ler nun operativ festgestellte Mangel von 
Synechien mehr dafür, dass es sich um einfache Bronchiektasie han¬ 
delt, als dafür, dass am Ende doch eine Kaverne vorhanden war. 

Die Schwierigkeit, sich schon vor der Operation über das Voi*- 
handenseiii von Verwachsungen zu orientieren, ist schon häufig er¬ 
örtert worden: vgl. Cor net: „Die Tul>erkulose“ und die dort zitierten 
Autoren: Frey er, Holzknecht, v. Criegern. 

Die Röntgenaufnahme hatte 1. h. ii. ausser dem Herzschatten noch 
einen weiteren ausgedehnten Schatten gezeigt, und obgleich bei der 
Operation nicht durch die Lunge eingegangen und der Bronchien¬ 
sack nicht freigelegt wurde, muss an der Diagnose linksseitige Unter- 
lappenbroncliiektasie festgehalten werden, wobei die Möglichkeit, dass 
es sich nicht um eine, sondern um multiple Bronchiektasien handelt, 
offen bleibt. 

Nach der Operation hat Patient noch Scharlach durchgemacht; 
im ganzen soll es ihm zurzeit besser gehen, insbesondere soll der Aiis- 
wurf geringer geworden sein. Ein Versuch, durch die Lunge eiii- 
zugehen, steht noch aus. 

III. 

Als Typus einer einseitigen tuberkulösen Unterlappen¬ 
phthise habe ich folgenden Fall ansprechen zu können geglaubt: 

Anamnese: In der Familie sind Lungenkrankheiten bisher nie zur 
Beobachtung gekommen. Patient selbst war immer gesund gewesen, 
als er plötzlich aus voller Gesundheit heraus im Oktober 1909 während 
scliwerer Ai'beit, nämlich beim Säcketragen, einen Anfall von Blut¬ 
husten bekam und etwa ein Wasserglas voll hellrotes Blut ent¬ 
leerte. Seither hatte er immer Husten und Auswurf und zeitweise 
auch Seitenstechen. 

Es handelte sich um einen 20 jährigen Burschen von ungemein 
starkem Körperbau, kräftiger Muskulatur, insbesondere sehr guter 



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7] Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefundo. 4(J8 

Thoraxentmckeluiig, gtitem Allgeineinzustaiid. Ausser au Lungen 
und Kehlkopf konnte etwas Pathologisches nicht festgestellt werden; 
der Lungenbefund ergab: Schallverkürzung und bronchovesi- 
kuläres Atmen über der linken Lungenspitze lünten bis Spina, vorn 
bis 2. Interkostalraum, r. h. u. Dämpfung; r. v. u. geringe, 
r. h. u. üWhaupt kaum Vei*schieblichkeit der unteren Grenze, ini 
Bereiche der Dämpfung r. h. u. feuchte Rhonchi mit Giemen, 
ebenda zeitweise klingende Rhonchi mit grösster Intensität zwischen 
vorderer und hinterer Axillarlinie. 

Larynx: Heiserkeit, blasse Epiglottis, Schwellung und grau¬ 
rote Verfärbung beider Taschen- und Stimmbänder, am linken Stimm¬ 
band beginnende Exulzeration. 

Aus Wurf: eitrig-schleimig, enthielt bei Avieclerholten Unter¬ 
suchungen Tuberkelbazillen, deren Zahl z\\ischen II. und VL Klasse 
Qaffky schwankte. 

Der Patient bUeb etwa drei Monate in meiner Behandlung, wurde 
unter Tuberkuliin\drkung gestellt, und reagierte schon auf ganz kleine 
Dosen. Ich fange gewöhnlich mit 0,000001 oder sogar 0,0000001 Alt¬ 
tuberkulin an, steige in 3—4 tägigem Intervall und suche jede gröbere 
Reaktion auszuschalten, lasse dabei früh und abends im Mastdarm 
messen. Während der Patient vorher Temperaturen zwischen 37,8 
bis 36,5 anal gemessen hatte, zeigte die Temperaturkurve in Abhängig¬ 
keit von 0,000001 bis 0,000005 Alttubertulin immer grössere 
Schwankungen, 38,2—36,1; und obwohl z. B. die vorhergehen¬ 
den einzelnen Dosen 1—2 mal wiederholt wurden, bekam er doch 
auf 0,000005 39,2 ^ Mastdarmtemperatur. Von da an wuchs die 
Toleranz gegen Tuberkulin, so dass unter immer geringerer Tem¬ 
peraturschwankungsbreite (schliesslich 37,6—36,2) und ohne jedwede 
stossweise Temperatun^eränderung bis 0,000009 gestiegen werden 
konnte. 

Trotzdem, war irgend ein Erfolg nicht zu spüren, weder von 
der allgemeinen Jleilstättenbehandlung noch von dem Tuberkulin, 
und Patient wurde, nachdem ich ihn über drei Monate beobachtet 
hatte, als ungebesserte und wahrscheinUoh fortsclireitende tuberkulöse 
Unterlappenphthise entlassen. Gewichtszunahme 4,5 kg. 

Betont sei nochmals bei diesem Palle, dass der ausgesprochene 
Befund dem rechten Unterlappen angehörte, dass aljer auch die linke 
Spitze verändert war! 

IV. und V. 

Ungezwungen zusammenschliessen lassen sich die beiden folgen¬ 
den Fälle: 

26* 


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401 


A. Bauer. 


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Fall IV. 

27 jähriger geistig schon recht schwacher Epileptiker in auf¬ 
fallend gutem [Allgemeinzustand. (S.) 

Brustorgane: Krönigsches Band links etwa nur halb so 
breit wüe rechts. L. h. u. die untere Lungengrenze weniger verschieb¬ 
lich als r. h. u. 

Über der ganzen linken Lunge hinten Schall Verkürzung, 
Atemcharakter beiderseits sehr rauh, 1. h. o. leises broncho-vesikuläres 
Atmen, über keiner von teiden ^Spitzen Bhonchi, 

Dagegen 1. h. u. von Mitte bezw. Angulus scapulae an broncho- 
vesikuläres Atmen und teils gröbere, teils feinere feuchte, ater nicht 
klingende Rasselgeräusche, die sich, immer leiser werdend, bis zwi¬ 
schen vordere und hintere Axillarlinie verfolgen lassen,, zwischen¬ 
durch 1. h. u. vereinzeltes Giemen. 

II. Pulmonalton verstärkt, sonst cor o. B.; im ruhigen Stehen 
84—90 Schläge. 

L a r y n X Schleimhaut stark gerötet, keine ülcera. 

Husten häufig, keine Heiserkeit. 

Aus Wurf ziemlich reichlich, teils schleimig, teils eitrig, ohne 
Neigung zu Schichtung, nicht riechend, enthielt bei wiederholten 
Untersuchungen in den letzten sieben Monaten nie Fasern oder 
Bazillen. 

Subjektiv gar keine Beschwerden. 

Gewichtszunahme in sieben Monaten von 63,5—72,5 kg. 

Temperaturen in der sieben Monate langen Beobachtung so 
gut wie unabhängig von Ruhe und Bewegung, schwankten zwischen 
37,6—36,4, nur nach dem epileptischen Anfall gelegentlich erhöht, 
einmal bis 38,7 

Und nun die überraschende Vorgeschichte: Keinerlei 
hereditäre oder famihäre Belastung, erster epileptischer Anfall im 
14. Lebensjahr. Zwischen dem 8. und 9. Lebensjahr Lungen- 
katarrh, von dem sich Patient nur sehr langsam und mühsam er¬ 
holte. Mit 19 Jahren schwere Lungenentzündung. 

Februar 1908, d. h. mit 25 Jahren, bei der Aufnahme in die 
Anstalt ohne besonderen Lungen- und Herzbefund. März 1908 Klagen 
über Herzklopfen und Seitenstechen, ohne dass über die Lungen 
etwas festgestellt werden konnte. 

Juni 1908 „Bronchialkatarrh“ und bald darauf zu 
wiederholten Malen vereinzelte Tuberkelbazillen (!) 
im Auswurf. 

Oktober 1908 1. h. u. diffuses kleinblasiges Rasseln. Therapeu¬ 
tisch Kreosotal und Alttuberkulin in kleinsten Dosen. 


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9] 


Zur BeuiieiluDg eiuscitiger Unterlappenbefunde. 


405 


Januar 1909 Blutbeimenguiigeu im Auswurf. März 1909 reich¬ 
liche Tuberkelbazillen im Auswnrf. Juli 1909 Abnahme 
von Husten und Auswurf. Gewichtszunahme. Bei schnellem Gehen 
Herzklopfen und Schmerzen in der linken Seite. Im Mai 1910 trat 
Patient mit dem oben gescliilderten Befunde in meine Behandlung. 

Nach In- und Extensität hat bei den zahlreichen physikalischen 
Untersuchungen der Befund wolü geschwankt, ist aber in vsiel>en 
Monaten mühelos stets sofort zu erheben gewesen. 

Trotz der von anderer Seite nachgewieseneii Tul3erkell)azillen 
wird die Diagnose in suspenso gelassen. 

Die Behandlung war sieben Monate lang eine physikalisch¬ 
diätetische und in Zukunft wird besonders dem Herzen Beachtung 
geschenkt werden müssen. 

Parallelfall zu IV: 

Fall V. 

29 jähriger, grosser, kräftig gebauter, geistig sehr schwacher Epi¬ 
leptiker (H.), in sehr gutem Ernährungszustände. 

Erster Befund im Mai 1910: 

Krönigsche Bänder differieren V:> cm zu ungiuistcn der linken 
Spitze, der Schall darüber lünten bis Spina, vorn bis 2. Interkostal- 
raum abgeschwächt. Beide Spitzen atmen broncho-vcsikulär. Untere 
Grenzen beider Lungen frei verschieblich. L. h. u. und 1. v. u. und 
1. u. s. broncho-vesikuläres Atmen mit teils gröberen, teils 
feineren feuchten R h o n c h i, die aber nicht klingein 

Herz: Tachykardie, 90—110 bei ruhigem Stehen, klingender 
I. Ton, Spitzenstoss hebend, Scliilddrüse mässig vergrössert, starker 
Tremor der Hände, Neigung zu Schweissen. (Basedow? — Augen¬ 
symptome fehlen alle!) 

Lar y n X: Stimmbänder gerötet, geringe Schwellung der Taschen¬ 
bänder, geringe Heiserkeit. 

Husten selten, dagegen häufiges Räuspern, frühmorgens regel¬ 
mässig und auch tagsüber lün und wieder, bisweilen besonders nach 
Anfällen, etwas blutig fingierter A u s w u r f von meist eitrig-zäher, 
nicht münzenförmiger Beschaffenheit, darin sind hei zahlreichen 
Untersuchungen in den letzten sielten Monaten Fasern und Bazillen 
nie gefunden worden. 

Subjektiv nie die geringsten Beschwerden. 

Gewichtszunahme in sielxm Monaten über 9,0 kg. 

Temperaturen in den letzten sieben Monaten von Ruhe und 
Bewegung ziemlich unabhängig, schwankten zwischen S.'^.O und 30,4 
nur nach Anfällen wurde bis zu 38,5 und 38,7 beobachtet. 


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406 


A. Bauer. 


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Auch in diesem Falle überraschen die früher gesammelten Be¬ 
obachtungen und ariamnestiseheii Daten: 

V 0r ge s c li i c li te. Die Ixd der Aufnahme im September J908 
erhobene Anamnese ergab, dass die Epilepsie mit 18 Jahren auf- 
getreten war. ln der letzten Zeit vor der Aufnahme hatte Patient 
häufig blutig g(‘tarl)ten Schleim ausg(‘hustet. Auch war im Fra-ge¬ 
bogen vermerkt: ,,üi>er den Lungenspitz/^n verschärftes Exspiriiun“. 

Der Luiigenscliall w^ir bei der Aufnahme gleiclmiässig, jedoch 
war das Atmungsgcnüuscli ül)er der linken Schlüssell)eingrube etwas 
verschärft, und ))eim Husten waren <lort einzelne knackende Oe- 
räuscho zu hören. 

Die Ik'obaclitung (u*gab nun von scdteii der Lunge folgende in der 
Krankengeschiclito festgehaltenen Daten: 

f). Oktober Wegen Hluts])eiens zu Bett, kein Lungen¬ 

befund. 

23. NovemixT 11)09. Patient fiel im Anfall, starke Kontusion 
der rechten unt^Ten Hip|)eng('gend, sturki' l)ruckempfindlichk(dt, keine 
Fraktur, aber blutiges Sputum. 

24. Novembei’ 1909. Sputumuntersuchung ergab vereinzelt e 
Tube r ke 1 ba z i 11 e 11. Über den Lungen diffuser Katarrh, (rber 
beiden Spitzen Schallverkürzung. 

0. Januar 1910. Kur noch spärliches Bassein. 

3. Februar H)10. Über den unteren Teilen der linken Lunge 
hinten mittelgrossblasige Bass:dgeräu.schc. Stinimfremitus iiielit zu 
prüfen. 

25. Februar 1910. Auswurf mit Idiit unüTniischt. 

25. Juni 1910. Perkussion ohne besonderen Befund. Auskul¬ 
tation : (1)er allen Lungenbezirken verlängertes Exspirium, keine 

katarrha 1 isch en 0 (»rä u sc 1 le. 

19. Juli 1910. Si'it einigen Tag.'ii Bluthusten, Schmerzen werden 
in der lechten Sciti' geklagt. Es findet sich aber links hinten unten 
seitlich dicht(‘s Knisterrasseln, vinvinzcdtes Oiemen und gröberes 
klingiMides Bassein. 

27. Deztanber 1910. L. h. u. geringe Schallverkürzung. Atmung 
dort unl)('stimmt, b(>i der Einatmung und auf der Höhe der Einatmung 
hin und wieder feinblasigi's Bassein. Husten und Auswurf selten und 
spärlich. 

In der Folgi^zcat traten die Lungenerscheinungen hinter den 
epileptischen Anfällen und eim in sich i'instellonden schweren Status 
epilepticus ganz zurück und der nächste Lungenbefund war der oben 
eingangs dieser Beschreibung wiedergegebene. 



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11 ] 


Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefunde. 


407 


In diesem Falle haben die ausknltatorischen Ersclieiiiiuigen ei)en- 
fulls geschwankt bei den einzelnen Untersuchungen, ja vielloiclit mehr 
als im Falle IV, indem hin und wieder das Rasseln über dem linken 
Unterlappen melir trocken war, nur mehr einem Knattern und 
Knacken glich, andere Male wieder als grob, feucht, klingend, ja 
musikalisch angesprochen werden konnte. Je<lenfalls darf der Be¬ 
fund über dem linken Unterlappen als dauernd vorliandcn und grol) 
bezeichnet werden. 

Auch hier lasse ich die Diagnose in suspenso, obwohl am 24. No¬ 
vember 1909 Tuberkelbazillen gef u n d e n sind. Therapeutiscli 
ist der Fall wegen der Epilepsie durchaus schwierig und ist bisher 
von einem Erfolg keine Rede. 

Fall VI. 

Ähnlich, aW doch nicht direkt parallel den beiden geschilderten 
Fällen ist folgender: 

21 Jahre alter, seit dem 12. Jahr an Epilepsie leidender, seit dem 
16. Jahre in Anstaltsbehandlung befindlicher Patient, hat die typische 
epileptische Charakter-Degeneration durchgemacht, bekam im Anstalts- * 
leben eine merkwürdige Lungenaffektion, derentwegen er hier be¬ 
schrieben wird. 

Vorgeschichte. Familienverhältnisse unlx^kannt, Patient war 
bei der Aufnahme seinem Alter entsprechend kräftig gebaut, l)ot 
keine somatischen Besonderheiten ausser einer ziemlich starken 
Skoliose. 

Er machte in seinem Anstaltslel)en mehrmals Krankheiten der 
Atmungsorgane durch: 

September/Oktober 1905 Broncliialkatarrh. 

Januar 1906 Husten und Auswurf. 

Oktober 1908 Luftröhrenkatarrh. 

Januar 1909 wieder Atembeschwerden und Husten mit eitrig- 
schleimigem Auswurf. 

Wegen leichter Temperaturerhöhungen, Appetitlosigkeit und 
Knisterrasseln über dem linken Pntorlappen erhob sicli der Ver¬ 
dacht auf „tuberkulöse Un terlappeuphthise *. Bazillen 
sind nie nachgewiesen. 

Er erholte sich indessen sehr bald wieder, das Rasseln nahm 
ab und Patient kam wieder auf eine Landstation. Jedoch im De¬ 
zember 1909 erkrankte er aufs neue unter Bruststechen, machte eine 
Tendovaginitis crepitans der rechten Hand durch und kam im An¬ 
schluss daran auf eine andere Abteilung, auf der ich ihn über sieben 
Monate zu beobachten Gelegenheit hatte. 


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A. Bauer. 


[12 


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Infolge der durch die Skoliose bedingten Thoraxdifformität stösst 
die Vergleichsperkussion auf gi'osse Hindernisse; es würde zu weit 
füliren, alle Einzelheiten anzugebeii, es soll nur das Charakteristische 
des Falles hier hervorgehoben werden: 

Die auf Vergleichung beruhenden Perkussionsbefunde sind nicht 
verwertbar, auskultatorisch wurde in vielen Untei Buchungen folgendes 
Ergebnis iimner wieder bestätigt: 

Beide Spiti^ni atmen vesikulär. 1. v. o. ist das Inspiriuiii schärfer 
als rechts. 

L. V. 0 ., aller erst vom 3. Interkostalraum ab, ist der Ateni- 
charakter broiicho-vesikulär und 1. u. s. und 1. u. v. und I. u. h. ist 
er fast bronchial, rauhscharf. Demgegenüber ist das Aterngeräusch 
r. h. u. sehr viel leiser und weicher. 

In einem niclit viel über fünf markst ückgrosseni 
Bezirk 1. h. u. zwischen Angulus scapulae und hinterer 
Axillarhnie hört man nun k o n s t a ii t bei bronchialem Atemcharakter 
inspiratorisches Knistern und bisweilen, aber nicht immer, 
auch kleinblasiges bis mittelblasiges Rasseln. 

Der Stimmfremitus ist von oben bis unten links hinten im ganzen 
geringer als rechts lünteii, aber diagnostisch nicht verwertbar 
wegen der durch den linksseitigen Rippenbuckel bedingten Verschie¬ 
denheit der mechanischen Verhältnisse der beiden Seiten. 

Das Herz bietet alle Symptome einer Mitralinsuffizienz, der 
II. Pulmonalton ist daher zur Klärung des Lungenbefundes niclit ver¬ 
wertbar. 

Zwischendurch war Patient einmal eine Zeitlang wiegen eines 
skarlatinösen Exanthems auf der Isolierstation, wo der b^chriebeiie 
Luiigenbefund sofort bestätigt wurde. 

Patient produziert nun fast jeden Morgen unter kräftigen Husteii- 
stössen Auswurf, der an Menge wechselt, geruchlos ist, meist gelb- 
lich-weiss aussieht, aus Eiter und Schleim besteht, so zwar, dass diese 
Bestandteile innig miteinander gemengt sind bezw. ineinander über- 
fliessen, nur liiii und wieder ist die Homogenität durch etwas kon¬ 
sistentere eitrige Bestandteile unterbroclien, die Menge ist gering, 
von Schichtung auch bei mehrtägiger Sammlung keine Spur. 

Zahlreiche rntersuchungen ergaben nie Tuberkelbazillen oder 
faserige Bestandteile. 

Patient machte Gewichtsschwankungen bis zu 5 kg durch, jede 
Abnahme aber konnte sofort mit Leichtigkeit kompensiert werden. 
Temperaturen waren nie erhöht, erst recht nicht subfebril, von 
Buhe und Bewegung kaum beeinflusst. Allerdings setzte der Patient 



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13] Zur BeurieiluDg einseitiger Unierlappenbefuude. 4U9 

der Messung und eingehenden Beobachtung mit der dem Epileptiker 
eigentümlichen Hartnäckigkeit bisweilen Widerstand entgegen. 

Die Diagnose bleibt in suspenso, irgend ein Erfolg wurde bisher 
mit physikalisch-diätetischer Behandlung auf keine Weise erzielt. 

Fall VII. 

Eine besondere Gruppe bilden die thei folgenden Fälle: 

A. 

Im ersten Fall handelt es sieh um einen im Septemlx)r 1909 
liier aufgenonimenen etwas schwachsinnigen, damals 16 jährigen Für- 
sorgezügliug. Seine Anajnnese ist, da von ihm selbst erhoben, etwas 
lückenhaft. Über erbliche bezw. familiäre Belastung ist nichts be¬ 
kannt. Er will mit 13 Jahren an einer Lungen- und nachfolgenden 
Rippenfellentzündung gelitten, deshalb etwa Jalir im Kranken¬ 
haus gelegen und dort Flüssigkeit aus dem Rippenfell durch eine 
Nadel entleert bekommen halxn. Meine Anfrage bei dem betr. 
Krankenhause ist leider unbeantwortet geblieben. Er will naclilier 
noch an häufigem Husten und Atemnot l>eim Bergsteigen gelitten 
haben. Morgens hatte er zur Zeit der Aufnahme etwas Husten und 
Auswurf. Er bot von seiten des Herzens bei der Aufnahme einen 
akzentuierten II. rulnionalton und folgenden L u n g e n b e f u n d : 

L. V. o. Schallverkürzung, 1. h. Mitte Skapula, dann wxdter abwärts 
SchalLverkürzung bis zur unteren Lungengrenze. 

R. h. o. leicht verkürzter Schall und bronchovesikulärcs Atmen. 
L. 0 . im Bereiche der perkutorischen Schall Veränderungen broncho- 
vesikuläres, 1. li. ti. abgeschwächtes Atmen und abgeschwächter Stimm- 
fremUus. Die unteren Lungengrenzen waren gut versclüeblich. 

Er hatte nur Morgens Husten und Auswiu’f, aber darin weder 
elastische Fasern noch Tuberkelbazillen. Die monatlich angestellten 
Untersuchungen hatten stets das gleiche Ergebnis, nur schwankte 
die Grösse des Bezirkes. L. h. u., innerhalb dessen die abnormeii 
Nebengeräusche gehört wurden, und diese selbst sind bald als ,.fein¬ 
blasiges“, bald als „feuchtes“, bald als „Knister-Rasseln“ bezeichnet. 

Hin und wdeder gesellten sich dazu gröl>ere bronchitische Ge¬ 
räusche, die dann auch rechts zu hören waren. 

Als ich l>ei dem nunmehr 17 jährigen Jungen im Mai 1910, 
nachdem er also acht Monate in der Heilstätte gewesen w^ar und 
einen ausgezeichneten Allgenieinzustand erlangt hatte — er hatte 
32 Pfund zugenommen —, einen neuen Gesamtstatus erhob, konnte 
ich den alten Aufnahmebefund an Lunge und Herz mit einigen Ab- 
w’eichungen bestätigen; insbesondere musste ich die freie und beider 


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A. Bauer. 


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seits glcichgrossc Versehicblichkdt der iiiitcTeii Luiigongronzen l^e- 
stätigeii und hel>o nur da^ Charakteristiscdiste hervor: 

Der II. Pulnionalton war deutlich verstärkt, sonst cor. o. B. L. li. 
bestand die alte Schallverkürzung, 1. h. u. bestand inspiratorisclie.s 
Hasseln und zwischendurch etwas trockenes Reiben, der Stimin- 
frcmitus war 1. h. u. aber nicht abgeschwächt, sondern eher ver¬ 
mehrt. Auch war das Atemgeräusch nicht mehr abgeschwächt, sou- 
deru rauhscharf und broncho-vesikulär. 

Der etwas scüiwachsinnige Patient hatte bis vor kurzem noch 
über zeitweise auftretendes „Jucken“ in der linken Seite geklagt, 
äussortc al>er vom Mai dieses Jahres ah keinerlei Beschwerden mehr, 
liatto inslK^sondere nie mehr Husten und Auswurf. 

Seine anal gemessenen Temperaturen schwankten nur zwischen 
37,8 und 36^ -- Hulie und Bcwvegung waren darauf ohne Einfluss; 
al>cr auch eine einschleichend reaktionslos durchgeführte Tul>erkulin- 
kur (Viooo Alttulx3rkuLin) änderte weder etwas an 

der Temperatur noch an dem sonstigen Allgemeinbefinden, insbesun- 
dere trat nie Kopfschmerz, Seitenstechen oder Appetitsstörungen auf. 

Indessen änderte sich leider in meiner nunmehr über acht 
Monate langen Beo bachtu ngszcit auch so gut Avie nichts an dem links¬ 
seitigen Pnterlappeiilx^fund. Der Auswurf, der die ganze 2^it nur 
in etwas spärlichem glasigem Schleim bestand, förderte die Diagnose 
in keiner Weise, es wurden in ziihlreichen Untersuchungen niemals 
elastische Fasern, niemals Bakterien gefunden. 

Die Beurteilung des Falles ist daher eine äusserst ßclnvierigc. 
Es wmrdc nun zum Beweise der Konstanz des linksseitigen Uiiter- 
lappcnl>efundes auch früh nüchtern im Bett untersucht. Der Atem¬ 
charakter war fast vesikulär, stelleinveise mehr broncho-vesikulär, 
nirgends broncliial. Das Rasseln Avar nirgends klingend, nur hin 
und wiciler exspiratorisch, im Avesentlichen rein inspiratorisch, und 
ZAvar am deutlichsten unmittelbar nach einem kräftigen Hustenstoss, 
hatte dann noch manchmal einen unangenehm knatternden Charakter, 
es schien zwischen vorderer und liinterer Axillarlinie dicht uutemi 
Olir, hinten unter dem Angulus scapulae mehr in der Tiefe zu ent¬ 
stehen. Der Befund ist immer der glciclie geblieben. Patient soll 
nunmehr entlassen Averden. 


Fall YIII. 

17 jähriger Bursche, cl)cnfalls geistig scliAvach, ist nach Richtung 
der Tuberkulose familiär und hereditär nicht belastet, hat selbst im 
Alter von 7 Jaliren Lungenentzündung gehabt. Er erkrankte di'ei 
Monate vor seiner Aufnahme liier, bekam hnksseitiges Bruststechen, 



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15] 


Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefunde. 


411 


Nachtschwciss, und hatte angeblich zweimal früh nüchtern Blut iiu 
Auswurf; einige Stunden nach dem Blutspeien soll der Auswurf 
sclion wieder weiss ausgesehen ha]>en. Von seinem äusseren fjebeiis- 
gange verdient vielleicht Erwähnung, dass er das Tapeziererhaiidwerk 
lernen wollte, es aber auf ärztlichen Kat wieder aufgab. 

Patient klagte Ijei der Aufnahme über linksseitiges Bruststeclieii 
und erschwerte Atmung, hatte früh immer etwas Husten und Aus¬ 
wurf. Von dem Status sei hervorgehoben eine typische Polypennase 
(früher schon Polypen entfernt, jetzt wieder solche vorhanden, Ent¬ 
fernung verweigert) mit vollkommen unmöglicher Nasenatmung. 

Der wesentliche Befund der Lungen stellte sich bei der Aufnahme 
wie folgt dar: 

L. V. 0 . bis 2. Interkostalraum 8 c h a 11 v e r k ü r z u n g , 1. h. o. 
bi.s etwas unterhalb der Spina leichte Dämpfung, iintero liungen- 
grcnzen stehen so, wie man es physiologischerweise erwartet, sind 
frei und teiderseits gieichweit verschiebbar, di(] InddcMi Thoraxhälften 
erweitern sich bei der Inspiration gieichweit. 

Die Krönigsehen Bänder differieren etwa i/., cm zu ungunsten 
der linken Seite. Stimmfremitus beiderseits gleich, AtenicharaktcT 
links im Bereich der vSchallverkürziing broncho-vesikulär, überall 
scharfes pueriles Inspirium 1. h. u., ohne dass dort Schallverkürzung 
nachweisbar ist, broncho-vesikuläres Atmen mit ra.sselnden Neben¬ 
geräuschen, die sich, vom Angulus scapulae beginnend, auf einem 
in spitzem Winkel nach der vorderen Axillarlinie zu verlaufenden 
l^ezirk verfolgen lassen und gemischt, teils gröber und feucht, teils 
feiner und trocken, dabei aber nur inspiratorisch deutlich und in 
ihrer Intensität von Hustenstössen unabhängig sind. 

Interessant ist, dass der Auswurf an Menge und Häufigkeit 
ausserordentlich schwankte, ohne duvss sonst Veränderungen in den 
allgemeinen kataiThalischen Erscdieinungen hervortraten, einmal 
]X}ichliclier war, das andere Mal fehlte, und wenn er auftrat, nur 
frühmorgens produziert wurde. 

Überblicke ich nach sechsmonatlicher Beobachtung die l)ei den 
Einzeluntei'suchungen erhobenen Lungenl)efunde, so ergibt sich: 

Der linksseitige Unterlappenbefund hat nach In- und Extensität 
geschwankt, ist aber im grossen und ganzen quoad sanationem un¬ 
verändert geblieben, und insbesondere sind die Rhonchi, wenn si(' 
auch einmal geschwunden zu sein schienen, immer wiedergekchrt. 
Auch der Auswurf hat geschwankt, ist zeitweise reichlich gewesen, 
hat dann eitrigen Uharakter und Pfropfform angenommen, bat aber 
nie gerochen, nie patliognomonische Beschaffenheit angenommen, zeit- 


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412 


A. Bauer. 


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weise hat er ganz, gci'elilt, Ba^dlleii oder Fasern sind darin nie zu 
finden gewesen. 

Die geiiaueji Rektalnu‘s.siuigen ergaben keine irgendwie verwert¬ 
baren Temperaturen, insbesundere blieb die Kurve unbeeinflusst von 
Tuberkulin, welches e i n s c h 1 e i c h e n d in Dosen von 0,000001 bis 
0,007 verabfolgt wurde und das Allgemeinbefinden völlig unbeein¬ 
flusst liess. 

Leider aber ist auch der (lesamtzustand nicht sehr gefördert 
worden. Das (Jewicht hat zwischen 5li und 60,0 kg geschwankt, 
sich nie konstant erhalten. 

Eine siclierc Diagnose ist nicht gestellt, ein befriedigender Jlr- 
folg nicht erzielt. 

Fall IX. 

14 jähriger, etwas geistesschwacher Knabe aus gesunder Familie, 
hatte laut ärztlichen Attestes mehrmals, nach seiner eigenen Angabe 
mit 16 und 12 Jahren Lungen- und Rippenfellentzündung, Krank¬ 
heiten, über die näheres nicht zu ennitteln war. Er erkrankte iiu 
Frühjahr 1910 nach einem Ohumachb\anfall, hatte mehrere Wochen 
FieW, stand mehrere Monate wegen Bronchialkatarrhs drausscii in 
Behandlung, kam wegen Verdachtes auf Tuberkulose am 31. August 
1910 in die Heilstätte ,,Tannen wähl“, fühlte sich damals bereits be¬ 
schwerdefrei, wollte aber früher häufig !Stiohc in der linken Seite 
gefühlt haben. 

Der kräftig entwickelte Patient bot in seinem Allgemeinzustaiid 
bei der Aufnahme keine Besonderheiten, dagegen folgenden Lu n gen- 
1) e f u n d: Die K r ö n i g sehen Bänder differieren um mehr als 1 cm 
zu ungunsten der rechten Seite; r. v. o. bis 2. Interkostalraum, r. li. o. 
bis Spina Schallverkürzung, in diesem Bereiche des veränderten Klopf- 
schallcs brüncho-vosikuläres Atmen. 

Ülx'r der ganzen linken Lunge diffuses (liemen und grobes zähes 
Rasseln, das am intensivsten im Bemche des linken Unter- 
lappe ns ist, sich dort mit zahlreichen, teils gröberen, teils feineren 
feuchten Rasselgeräuschen mischt, die aber keinen klingeiideii 
(’harakter haben. 

Wegen des verhältnismässig jiigeiidliclien Alters — 14 Jahre — 
wurde die Piiwjuetsehe Reaktion angestellt; sie war mit ö^/o und 
25 go iger Lösung von Alttulx^rkulin cIkuiso negativ wie mit der 
Verdünnungsflüssigkeit, dagegen mit reineni Alttuberkulin stark 
positiv, durch die Moroselie Salbenprol>e wurde ebenfalls eine 
starko Reaktion hervorgeruhMi, die nach 36 Stunden deutbch war 
und meln-ere Tage stehen blieb. 


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17] Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefunde. 

Die ersten Sputumproben waren rein>schleimig, boten mikro¬ 
skopisch keine Bazillen oder Fasern, dagegen schwankte die Menge 
und Bescliaffenheit des Auswurfs sehr beträchtlich: 5 Wochen nach 
der Aufnahme nahm Husten und Auswurf stark zu. Die in 24 Stunden 
gesammelte Sputummenge betrug bis eine ganze OI>ertasse, war 
dünnflüssig, wässerig klar und fast homogen, enthielt ganz wenige 
gelbkömige und weissflockige Beimengungen, von denen die erstereii 
sich zu Boden senkten, die letzteren an der Oberfläche schwammen; 
al>er sie waren so vereinzelt, dass man von eigentlicher Schichtung 
nicht reden konnte. In frisch untersuchten Präparaten fanden sich 
nur Eiterkörperchen, nicht näher p^u bestimmender Detritus, keine 
Fasern, keine Fettsäuremandeln oder dergleichen. B a zi 11 en b e - 
f u n d im gefärbten Präparat stets negativ. 

.Überblicke ich die im Laufe von beinahe fünf Monaten ge¬ 
wonnenen Untersuchungsergebnisse dieses Falles, so schwanken sie 
auch stark, konstant aber kehrt immer wieder der über dem 
linken ITnterlappen zu erhebende Befund. 

L. h. u. und 1. u. s. bis 1. u. v. rauhscharfes Atmen, welches bald 
melir nach der bronchialen, bald mehr nach der vesikulären Seite 
hinneigt, mit Rasseln, das zeitweise in- und oxspiratorisch ist, bis¬ 
weilen mehr der einen als der anderen Phase anzugehören scheint, 
meist beim ersten tiefen Inspirium nach Husten an Intensität gewinnt, 
bald mehr zäh und trocken, bald mehr feucht und kleinblasig ist, 
zu dem sich lün und wieder Giemen und Brummen gesellt. 

Der Gesamtzustand hat sich ständig gehoben, das Gewicht hat 
von 48,0—59,0 kg zugenommen, die Temperaturkurve hat einen 
gleichmässigen, von Ruhe und Bewegung fast unabhängigen Ver¬ 
lauf eingehalten, eine mit 0,0000001 Alttuberkulin begonnene Spritz¬ 
kur hat der Patient bei 0,0000006 verweigert, sie hatten den Tem¬ 
peraturverlauf wenig geändert, immerhin war ihr Einfluss in Er¬ 
hebungen der Abendtemperaturen um 0,3—0,4® über den Durch¬ 
schnitt und in einer dadurch bedingten grösseren Breite der täglichen 
Temperaturschwankung bei sorgfältiger Messung spürbar. 

Wenngleich Patient zurzeit ein von Husten und Auswurf freies 
Intervall hat, und der linksseitige Unterlappenbefund bis zu einem 
Minimum herabgesunken ist, so wage ich doch nicht an einen dauern¬ 
den Erfolg zu glauben, so wenig wie ich behaupten möchte, dass 
ich wisse, woher die gelegentlichen Reizungen des Bronchialbaumes 
im linken Unterlappen rühren. — 

Überblicken wir jetzt die Reihe unserer Fälle, so ist zu Fall 1 
und 2 kaum etwas hinzuzufügen. Dagegen verdienen die Fälle 3—9 
eine eingehendere. Würdigung, alle sieben sind vorübergehend ein- 


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Original frorri 

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414 


A. Bauer. 


[18 


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mal als ,,T I n t e r 1 a p p e n p li t li i s <? ii“ an‘g esprochen worden, und 
nur bei einem Falle ist mir die tuberkulöse Unterlappenphthise 
sicher, d. i. Fall 3, in dem alle Bedingungen für eine exakte Diagnose 
erfüllt wurden, insl>esondere der Bazillennachweis wiederholt er¬ 
bracht und die Tulx?rkulinül)erempfindlichkeit festgestellt wurde. 
Daneben ist es al)er wohl nicht unwichtig, nachdrücklich zu be¬ 
tonen, dass in diesem Falle der rechte ITnterlappenbefund nicht ganz 
isoliert lag, sondern dass auch die linke Spitze, wenn auch nur in 
geringem Masse, verändert war. Ich würde daher Anstand nehmen, 
in diesem Falle von primärer tulxnknlöser Unterlappenphthise zu 
reden, ln Fällen mit völlig unveränderb n Spitzen dürfte man wohl 
gut tun, eine Unterlappentuberkulose nicht so rasch zu diagnosti¬ 
zieren. ln dem Fall 2 mit Bronchiektasie und in dem Fall 6 hat 
wesentlich die fast völlige klinische Intaktheit der Spitzen vor einer 
übereilten Diagnose geschützt. 

Dio Fälle 4 und 5 mit Unterlappcnbefunden und früherem 
Bazillennachweis nicht als tuberkulöse Unterlappenphthisen anzuer¬ 
kennen, obwohl sogar Spitzenveränderungen vorlicgen, mag paradox 
ei'scheinen und ist es auch; zwar glaube ich nun, dass in beiden 
Fällen der erste Anlass zu den Reizerscheinungen durch tuberkulöse 
Infektionen gegeben sein kann, nicht aber kann ich mich entschliessen 
anzunehmen, dass jetzt noch dort der tuberkulöse Prozess 
mit Knötchenbildung, Konfluenz, tuberkulöser Infiltration und Yer- 
käsung das Vorhen’schende ist, und dass wir in dem Auswurf die 
Produkte tuberkulöser Destruktion vor uns* hätten, zumal da nie¬ 
mals Bazillen oder Faseni gefunden sind. 

Vielmehr ist wohl anzunehmen, dass ihrer Entstehung nach 
weit zurückreichende alte tuberkulöse Herde zwar vorhanden sind, 
dass aber der klinische Befund in der Zeit der bisherigen Be¬ 
obachtung mit diesen als solchen nichts mehr zu tun hat, und dass 
dessen Substrat lediglich in bronchitischen Reizungen za suchen ist, 
fürdiederBazillus^elbstseineßolleausgespielthat. 

Bei Pall 6 ist ein ätiologisches Moment zu dem Befund vielleicht 
mit in der Tlioraxtlifformität gegelxn, und kann an eine partielle 
Kompressionsatelektasc bei Skoliose mit anschliessender rezidi\ieren- 
der Bronchitis gedacht werden. Zu diagnostizieren ist aber der Fall 
nicht. 

Bei Fall 7 ist überhaupt nicht zu entscheiden, ob wir die Yer- 
änderungen in der Lunge einschliesslich ihrer Bronchien oder in der 
Pleura zu suchen haben. Für die Bewertung der Rhonchi dürfte die 
Leu besehe Resignation gelten in bezug auf Differentialdiagnose 
pleuritischer Geräusche: „Trotz dieser charakteristischen Merkmale 


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19 ] 


Zur Beurteilung ^inseitiger Unterlappenbefunde. 


415 


ist man relativ häufig im Zweifel, ob pleiiritisches Iteil)eii oder ähn¬ 
lich lautende andere Veränderungen des Atemgeräusches im einzelnen 
Rille vorliegen.Für die Bestimmung des „unangenehmen knat¬ 
ternden Charakters der Ehonchi“ ist jedenfalls dem subjektiven 
Empfinden ein weiter Spielraum gegeben. 

Die Fälle 8 und 9, die mit einwandfrei zu erweisenden Spitzen¬ 
veränderungen derselben bezw. der gegenüberliegenden Seite ver¬ 
bunden waren, können trotz mangelnden Bazillennachweises in 
letztem Grunde auf alte Tulaerkulose zurückgehen; die in unserer 
Beobachtung festgestellten Befunde dürften al>er ihr Substrat eben¬ 
falls nui‘ in broncliitischen Veränderungen haben und gestatten kaum 
einen bindenden Schluss auf den Zustand des eigentlichen Lungen¬ 
parenchyms des betreffenden Unterlappens. 

Eins haben die Fälle 4—9 gemeinsam, es sind die weit zurück¬ 
reichenden Vorkrankheiten der Atmungsorgane, die sich zum 
Teil bis in die Kindheit zuriickverfolgen lassen. 

Zweifellos spielen die alten Pneumonien und Pleuritiden, und 
mögen sic 10 und 15 Jahre zurückliegen, für ilie allmähliche Ent¬ 
wickelung der uns später bescliäftigenden Krankheitsl)ilder der 
Atraungsorgane eine ganz bedeutende Rolle. 

Wü' haben lauter Fälle zusammengestellt, bei denen ein isolierter 
Unterlappenbefund das klinische Bild beherrschte, möchten al>er doch 
auch der Fälle gedenken, wo gleichzeitig nebeneinander bestehende 
Befunde für gleichzeitige tuberkulöse Erkrankung von oberen und 
unteren Lungenabschnitten sprechen. Dabei geht die Ausheilung der 
oberen Abschnitte bekanntermassen bisweilen überraschend schnell, 
während der Unterlappenbefund sich konstant erhält und nicht wankt 
und weicht. 

Wenngleich die Zahl unserer Unter lappenfälle nicht gerade gross 
war, meinen wir doch daraus ableiten zu dürfen, dass der Einzelfall 
ausserordentlich schwierig liegen kann, und dass insbesondere die 
Prognose mit grösster Vorsicht zu stellen ist. 

Praktisch ergeben sich die Fragen: Soll man Unterlappenfälle 
in Heilstätten schicken? Wie lange soll man sie dort behalten? 

Jedenfalls 'ist die Heilstätte der gegel>ene Ort für die Beobachtung 
und für die Hebung des Gesamtzustandes, wenngleich die Prognose 
für die Behebung des Lokalbefundes auch dort sehr ungünstig ist. 
V. Hansemann äussert sich in seinem Artikel: „Über Heilung 
und Heilbarkeit der Lungenphthise“: „Was man von definitv kon¬ 
solidierten Narben in den Lungen findet, das hat zunächst alles 
das Gemeinsame, dass die Narbenbildung immer nur den Oberlappen 

L e u b e, Diagnostik der inneren Krankheiten. 


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il6 A. Bauer: Zur Beurteilung einseitiger Unterlappenbefunde. [20 

]>etreffen.“ „Man kann also im allgemeinen behaupten, dass Phthisen, 
die ül>er den Oberlappen lünaus sich ausgedehnt haben, keine wesent¬ 
liche Aussicht auf definitive Heilung haben.“ 

Worin es liegt, dass besonders die bronchitischen Reizungen 
in den Unterlappen immer rezidivieren, ist wohl allgemein schwer zu 
sagen. Zweierlei scheint mir der Beachtung wert beim Vergleich 
von Unter- und Oberlappen hinsichtlich der Frage der Narbenbildung: 

1. Dass die Unterlappen entschieden beweglicher und bewegter 
sind als die Oberlappen und die Spitzen, die verhältnismässig leicht 
durch Adhäsionen in den für die Ausheilung günstigsten, d. h. in 
den Ruhezustand versetzt werden können. 

2. Dass die Pleurafläche im Verhältnis zur Masse des von ihr 
umhüllten Lungenparenchyms über den Unterlappen kleiner ist als 
über den Oberlappen und Spitzen, — da die Masse im Kubus, die 
Oberfläche nur im Quadrat wächst, — dass aber die solidesten Narben¬ 
stränge dort zu finden sind, wo sie sich unter schwartig verdickter 
Pleura mit dieser verbunden erweisen, so zwar, dass die Pleura als 
an der endlichen Narl>enbildung in dem von ihr umhüllten Lungen¬ 
abschnitt wesentlich mitbeteiligt angesehen werden kann. Doch soll 
damit mehr als ein Hinweis auf eine Erklärungsmöglichkeit nicht 
ausgesprochen sein. 

Für die Kritik dessen, was hier unter „konstanten Befunden“ be¬ 
schrieben steht, sei noch bemerkt, dass damit nicht die Unver¬ 
änderlichkeit des Befundes an sich betont sein soll, sondern das 
ständige Vorhandensein und die daher jederzeit leicht mög¬ 
liche Erhebung eines mehr oder weniger groben Befundes an einer 
l>estimmten Stelle. 

Alle Fälle sind wiederholt früh nüchtern vor dem ei'sten 
Husten und Auswurf, während und nach demselben und am Nach¬ 
mittag desselben Tages wieder, d. h. an ein und demselben Tage 
zweimal untersucht worden und zwar systematisch in bald kürzerem, 
bald längerem Intervall, so dass für die Festlegung der klinischen 
Erscheinungen jedwede nur mögliche Gewähr geboten ist. 


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Aus der Hals«, Nasen- und Ohrenklinik der Akademie zu Köln 
(Prof. Dr. Preysing) nnd der Kinderheilstätte Aprath bei Elberfeld. 


Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachen- 
raumes in ihren Beziehungen zur Tuberkulose. 

Von 

Dr. Georg: Simou, Aprath. 


Die Frage nach den Beziehungen der Rachenmandelhyperplasie 
zur Tuberkulose ist so alt wie die Kenntnis dieser Zustände und 
schon von M ey er - Kopenhagen in seiner^ grundlegenden Arbeit: 
Über adenoide Vegetationen in der Nasenrachenhöhle aufgeworfen 
worden. Meyer getraute sich nicht ein Urteil über ihre Ätiologie 
und ihre Wechselbeziehungen zur Skrofulöse und Tuberkulose ab¬ 
zugeben, um so weniger als „die für adenoide Wucherungen charakte¬ 
ristischen Symptome ja zum traditionellen Bilde des skrofulösen 
Individuums gehören“. Die Ähnlichkeit beider Krankheitsbilder 
einerseits und die längst bekannten ätiologischen Beziehungen 
zwischen Skrofulöse und Tuberkulose andererseits legten den Ge¬ 
danken einer tuberkulösen Natur dieser Zustände sehr nahe. Es 
hat auch i^jcht an einschlägigen Untersuchungen gefehlt. Auf 
dreierlei Weise bestrebte man sich zum Ziele zu gelangen, indem 
man 1. die Ergebnisse der klinischen Untersuchung zu verwerten 
strebte, 2. Tierversuche anstellte und 3. histologische Untersuchungen 
vornahm. 

Allen drei Methoden haften gewisse Missstände an. Die klinische 
Untersuchung kann auf die Frage der Tuberkulose der Mandel 
keine Auskunft geben. Durch Tuberkulininjektionen hat man ver¬ 
sucht (T r a u t m a n n) eine Herdreaktion zu erzielen. Die beobachteten 
Rötungen und Schwellungen haben zu Täuschungen Anlass gegeben, 
da man nach dem Eintreten einer derartigen Reaktion auf Tuber¬ 
kulose schloss, nach der folgenden Exstirpation aber bei der Unter- 

Beitrlge zur Klinik der Tuberkuloie. Bd. XIX. H. 2. 


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418 


Georg Simon. 


2 ] 


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suchung keine Spur davon finden konnte. Die von Lermoyez 
aufgestellten Kriterien einer tuberkulösen Erkrankung der Rachen¬ 
mandel: erstens Rezidivierung nach sicherer totaler Entfernung, 
zweitens Missverhältnis zwischen Grösse der Rachenmandel und den 
durch sie hervorgerufenen Störungen sind von Nachuntersuchern 
(L e w i n , L a c h m a n n) keineswegs bestätigt worden. Selbst der 
Nachweis von oberflächlichen Ulzerationen beweist die Diagnose 
noch nicht, da solche Ulzerationen auch bei einfach katarrhalischen 
Entzündungen Vorkommen können. Die klinische Untersuchung ist 
aber wohl imstande über primäre oder sekundäre Infektion, über 
die Art und den Weg derselben ein Urteil abzugeben. 

Beim Tierversuch stören die häufigen tödlichen Nebenerkran¬ 
kungen, meist Sepsis infolge Anw^esenheit pyogener Bakterien. Dann 
aber ist nach Lubarsch zum positiven Ausfall des Tierexperimentes 
eine gewisse Zahl von Bazillen — 10—20, bei stärkeren Tieren 
noch melir — nötig. Nun findet man aber nach dem Urteil der 
meisten Autoren fast stets nur spärliche Bazillen in tuberkulösen 
Rachenmandeln, so dass man diesen sogar eine besondere Immunität 
gegen den Tuberkelbazillus zugestehen wollte (W a 1 s h a m). 

Bei histologischen Untersuchungen stören nach W e x andere 
Erkrankungen, z. B. luetische; dann kommt nicht selten eine Art 
von Riesenzellen vor, die den tuberkulösen sehr ähnlich sehen, ja 
sogar verkäsen kann, die Fremdkörperriesenzellen, die sehr schwer 
von den ersteren zu unterscheiden sind. Nicht selten ergeben sich 
auch bei Schrägschnitten durch hyaline Kapillaren, den Fundus von 
Epithelkrypten Trugbilder, die nur durch Serienschnitte aufzuklären 
sind. Weiter steht fest, dass es eine nicht typische Form von Adenoid- 
Tuberkulose gibt, die sich als eine sklerosierende Entzündung äussert. 
Von Baup und Lublinski sind Fälle dieser Art beschrieben 
worden. 

Nach alledem kann es nicht wundernehmen, wenn die Zahlen¬ 
angaben der einzelnen Autoren nicht unwesentlich voneinander ab¬ 
weichen. Als der sicherste Weg zur Erkennung der Rachenmandel¬ 
tuberkulose ist, wie aus den Arbeiten von Lewin, Gradenigo, 
WeX und Uffenorde hervorgeht, der Nachweis von Bazillen 
anzusehen. Diesen Weg, mit neueren Methoden nachzugehen, musste 
Erfolg zu versprechen scheinen, zumal da mehrere Fragen, vorzüg¬ 
lich die der Bedeutung der adenoiden Wucherungen als Eingangs¬ 
pforte für den Tuberkelbazillus und für die Entstehung der Bronchial¬ 
drüsentuberkulose noch der Aufklärung harren. 

Der erste, der in adenoiden Wucherungen sowohl tuberkulöse 
Veränderungen wde auch Koch sehe Bazillen fand und demonstrierte, 



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3] 


Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachenraumes etc. 


419 


war Lermoyez (communication ä la Societe anatomique, Paris, 
1894). Es handelte sich um ein schwächliches Kind, dessen Rachen¬ 
mandel nach einer ersten Operation rezidiviert war, und das sonst 
keine tuberkulösen Symptome darbot, so dass es sich mit einiger 
Wahrscheinlichkeit um eine primäre Tuberkulose gehandelt liaben 
dürfte. 

Bald darauf berichtete Diculafoy über Tierversuche, in denen 
er 35 Meerschweinchen mit Stückchen hyperplastischer Rachen¬ 
mandeln impfte und 7 = 20o/o positiver Ergebnisse erlangte. Etwas 
weniger, 10—16o/o wurden von Lartignan und TJrioll ange¬ 
geben, wälirend andererseits nach Trautmann und Breitung 
die meisten Rachenmandeln tuberkulös sein sollten. Diese Zahlen¬ 
angaben haben sich indessen nicht halten lassen und wurden durch 
exakte spätere Untersuchungen immer mehr eingeschränkt. Man 
warf den Tierversuchen Diculafoys gegenüber den übrigens von 
ihm bestrittenen Einwand auf, dass sie die Möglichkeit nicht be¬ 
rücksichtigen, dass aussen auf der Oberfläche und in den Krypten 
der Adenoiden Tuberkelbazillen haften könnten. Von Strauss z. B. 
wurden bei Medizinstudierenden und Krankenwärtern, von Behr 
nach Untersuchungen Larynxtuberkulöser im eigenen Nasenschleim 
Tuberkelbazillen gefunden. Da nun alle unsere Erfahrungen auf 
eine Ubiquität des Tuberkulose-Virus, ausgehend allerdings von 
schwindsüchtigen Personen, hinweisen, ist die Möglichkeit trotz nega¬ 
tiver Ergebnisse mehrerer experimenteller Arbeiten (T h o m s e n und 
Hewlett, Wirtz und Lermoyez) durchaus zuzugeben. Andere 
Tierversuche ergaben ein viel geringeres Resultat als Diculafoy 
gefunden hatte. Baup hatte nach Impfung von 43 Meerschwein¬ 
chen nur einmal ein positives Ergebnis, W r i g h t bei 12 kein 
einziges Mal, Nobecourt und Tixier in neueren Untersuchungen 
in 22 Fällen und W i k n e r in 27 Fällen ebenfalls je einmal. Das 
ergäbe also zusammengenommen einen Satz von etwa 3—4o/o. 

Ungefähr dasselbe Resultat ergab die direkte Untersuchung der 
Mandeln. Es fanden 


Broca 

in 

100 Fällen 

0 mal Tuberkulose 

Fluder und Fischer 

tf 

32 

ft 

5 

ft i> 

Brieger 

»» 

78 

»» 

5 

»» ft 

Gottstein 

II 

33 

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4 

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Brindel 

»> 

64 

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8 

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Luzza tti 

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50 

ff 

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»1 »1 

Lewin 

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200 

ft 

10 

1» ft 

Baup 

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48 

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Rethy 

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106 

ft 

6 

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Lachman n 

ft 

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1 

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27 * 


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420 


Georg Simon. 


[4 


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Hynitzsch 

in 180 Fällen 

7 mal Tuberkulose 

Wex 

„ 210 „ 

7 „ 

1* 

Uffenorde 

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3 „ 

fl 

Lin dt 

»» 60 „ 

5 

ff 

Piffl 

,, 100 ,, 

3 ft 

I» 


Insgesamt in 1355 Fällen 69 mal Tuberkulose, 


also ein Prozentsatz von 5,1. Lach mann stellt in seiner 1908 
erschienenen Arl>eit 2065 Fälle von histologischen Untersuchungen 
und Impfversuchen zusammen, die 89 mal, also in 4,3«/o Tuberkulose 
ergaben. Hervorzuheben ist die sehr sorgfältige Arbeit von W e x 
(Lu bar sch), der 3,3<>.o tuberkulöser Rachenmandeln fand. 

Es erhebt sich nun die Frage: Sind diese tuberkulösen Ver¬ 
änderungen als primär oder als sekundär anzusehen. Eine sekundäre 
Infektion der Gaumentonsillen ist bekanntlich als allgemeine Regel 
erkannt worden, die primäre Infektion trotz gegenteiliger Behaup¬ 
tungen nicht häufig. Lubarsch berechnet auf sein Gesamtmaterial 
einen Satz von l,5o/o, im Kindesalter von 7,9f>/o primärer Tonsillen¬ 
tuberkulosen. Bei der Rachenmandel liegen die Infektions Verhält¬ 
nisse weniger einfach als bei der Gaumentonsille. Die Möglichkeit 
einer tuberkulösen Infektion durch bazillenhaltige Nahrung ist aus¬ 
geschlossen, die Selbstinfektion durch bazillenhaltiges Sputum selir 
viel schwieriger als bei den Gaumentonsillen, da beim Husten und 
Räuspern durch Anlegen des Zäpfchens und des weichen Gaumens 
an die hintere Rachenwand ein Abschluss gegen die Nasenhöhle 
ein tritt. Wohl aber könnten mit der Exspirationsluft Bazillen zur 
Rachenmandel getragen werden. In den vorgeschrittenen Stadien 
der Krankheit können sie auf dem Blutwege zu den Tonsillen ge¬ 
langen. Miliare Ausstreuungen im Endstadium der Tuberkulose ge¬ 
hören ja zur Regel. Übereinstimmend damit fand W a 1 s h a m bei 
Leichenuntersuchungen von 34 Tuberkulösen 20 mal Tuberkulose der 
Mandeln, während er bei operativ gewonnenen Gaumen- und Rachen¬ 
mandeln stets mit negativem Erfolge auf Tuberkulose fahndete. 
Dann spielt der Lymphweg eine gewisse Rolle. 

Nach den Untersuchungen von Schlenker und K r ü c k - 
mann entsteht die Halsdrüsentuberkulose in der Art, dass von den 
bronchialen aus die trachealen Lymphdrüsen aszendierend ergriffen 
werde]! und diesen von oben her, deszendierend, die bei der .— 
in der Regel sekundären — Infektion der Tonsillen miterkrankenden 
Zervikaldrüsen sozusagen entgegenwachsen. Mehrere klinische Be¬ 
obachtungen sprechen sich dafür aus, dass die Gaumentonsillen 
direkt von den tracheo-bronchialen Drüsen aus aszendierend affiziert 
werden können (Schlesinger). Ein von Gottstein veröffent- 


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5] 


Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachenraumes etc. 


421 


lichter Fall eines Mädchens, dem im Alter von 8 Jahren umfang¬ 
reiche Halsdrüsenpakete und 5 Jahre später Adenoide, die sich bei 
der Untersuchung als tuberkulös erwiesen, operativ entfernt wurden, 
führt den Autor zu der Meinung, dass auch bei der Rachenmaiidel 
dieser Infektionsweg möglich sei. Wahrscheinlicher aber als alle 
diese Formen ist die Infektion der Rachenmandel mit der Inspirations¬ 
luft. Hierfür spricht einmal der Sitz der Rachenmandel gerade da, 
wo der Luftstrom genötigt ist eine rechtwinklige Abbiegung zu 
machen, zweitens die zerklüftete, läppchenförmige, spalten- und 
kryptenreiche Formation der Oberfläche. Das Eindringen der Bazillen 
ist durch das ständige Auswandern der Lymphozyten und die da¬ 
durch gesetzten „physiologischen Wunden“ sehr erleichtert. Ober¬ 
flächliche Epithelnekrosen gehören keineswegs zu den Seltenheiten, 
und damit im Zusammenhänge stehende Verkalkungen des Ober¬ 
flächenepithels kommen häufig vor. 

In einer ganzen Reihe von Fällen, in denen sich die Rachen¬ 
mandeln als tuberkulös erwiesen, wurde nun eine primäre Lungen¬ 
tuberkulose vermisst. H y n i t Zjs c h hat den Standpunkt, den die 
Mehrzahl der Rhinologen in die.ser Frage einnimmt, mit den Worten 
charakterisiert: „Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch einmal 
die Pharynxtonsillen so gut wie jeder andere Teil des menschlichen 
Körpers zum Herd einer primären Tuljerkuloseinfektion gemacht 
werden sollten.“ Da nun Blumenfeld in neuerer Zeit der Raclien- 
tonsille wieder eine grössere Bedeutung als Eingangspforte für den 
Tuberkelbazillus zugeschrieben hat, soll weiter unten davon noch 
ausführlicher die Rede sein. — 

Meine eigenen Untersuchungen erstrecken sich auf 88 Fälle. 
Sie entstammen zum weitaus grösseren Teile dem Materiale der 
Kölner Hals-Nasen-Ohrenklinik; für ihre freundliche Überlassung 
bin ich meinem früheren Chef, Herrn Prof. Preysihg, zu Dank 
verpflichtet; der kleinere Teil betrifft Fälle der Kinderheilstätte 
Aprath. Die frisch exstirpierten Organe wurden in fliessendem Wasser 
sorgfältig abgespült, in lOo/oiger Formalinlösung fixiert, 8—8 Stunden 
gewässert und dann mit der von Merkel angegebenen Form der 
Antiforminmethode weiter verarbeitet. 

Merkel 1) empfahl, da sich ganze oder zerschnittene Organe 
in Antiformin nicht lösen, sie in 30—40 p dicke Gefrierschnittc 
zu zerlegen und diese in Antiforrain zu bringen. Er erzielte $o 
bei frischen, wie bei formolfixierten oder in Kayserlingscher 
Flüssigkeit oder Alkohol aufbewahrten und sogar bei bereits ein- 

0 Manchn. med. Wochenschr. 1910. Nr. 13. 


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422 


Georg SimoD. 


[6 


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gebetteteu Organen ausgezeichnete Erfolge und konnte mit dieser 
Methode Tuberkelbazillen nachweisen, wo Ausstriche und Schnitt¬ 
präparate ohne Erfolg durchmustert waren. In derselben Weise ge¬ 
lang es Krüger^) in 13 Lupusfällen dreimal säurefeste und stets 
granulierte Stäbchen mittelst der ]\I u c h sclien Modifikation der 
Gramfärbung zu finden. 

Ich bin nun in folgender Weise vorgegangen: Die Rachenmandel 
wurde auf dem Kohlensäuregefrierinikrotom in 40 ja dicke Schnitte 
zerlegt, diese in 20<'biger Antiforminlösung aufgefangen und 
24 Stunden lang stehen gelassen. Später wurden auch die Organe 
mit steriler Schere zerschnitten und in sterilem Mörser zerrieben. 
Die Ergebnisse waren auf beide Weise ziemlich gleich. Die Auf¬ 
lösung wird durch die Aufbewahrung im Brutschrank beschleunigt. 
Zur Erleichterung des Zentrifugierens wurde Alkohol zugesetzt, in 
elektrisch betrielxuier Zentrifuge mit hoher Tourenzahl 5 Minuten 
lang zentrifugiert, das Sediment mit Wasser aufgeschwemmt, wieder 
zentrifugiert und der Inhalt je eines Zentrifugengläschens auf einem 
gereinigten Objektträger ausgestrichen. Das eine Präparat wurde 
nach Z i e h 1, das andere nach G r a in gefärbt. Das Aufschwemmen 
des Zentrifugats ist nötig, um ein Haften auf dem Objektträger 
zu ermöglichen. Anfangs wurde dazu Aqua dest. benutzt; da dieses 
sich aber nach einigem Stehen stets als durch Kokken verunreinigt 
erwies, wurde später das Wasser der Warmwasserleitung gebraucht, 
das, worauf schon von chirurgischer Seite hingewiesen (Heiden- 
h a i n), als steril zu betrachten ist. Säurefeste Stäbchen, die B e i t z k e 
in der Wasserleitung des Berliner pathologischen Institutes fand, 
sind mir nie aufgestossen. 

Einen positiven Bazillenbefund boten nur 3 Fälle; in einem 
wurden nur säurefeste, in einem zweiten nur granulierte Stäbclieii;, 
in einem dritten beide Arten gefunden. 

Mit der Diagnose der Much sehen Granula halte ich es für 
unbedingt nötig, sehr vorsichtig zu sein. Verwechselungen können 
Vorkommen mit Farbstoffniedersclilägen, mit Kokken, mit Kern- 
nukleoli (Merkel) und namentlich mit Staub- und Russpartikelchen. 
Nur dann wuide die Much sehe Form angenommen, wenn wenigstens 
4 Granula im Stäbclienverbande hintereinander lagen (Welf, 
Merkel, Krüge r). 

Es lassen sieh gegen die bes(‘liriei)enc Antiforniinmethode mehrere 
Einwände erheben. Hin und wieder lösen sich die (3rgane nicht 
restlos auf. Das geschichtete Plattenejiithel leistet den hartnäckigsten 

0 Müoclin. mod. AV’^ochensglu*. 11)10. Nr. 22. 



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7] 


Die adenoiden Wucherungen dea Nasen-Rachenraumes etc. 


423 


Widerstand. Dann ist es sehr scliwer da^ gesamte Sediment eines 
Gläschens auf den Objektträger zu bringen. Andererseits gestattet 
die Methode das gesamte Organ zu verarbeiten, während die Im¬ 
plantation einer ganzen Mandel meist unmöglich ist. 

Der aufgefundene Prozentsatz von 3,4«o stimmt mit dem aus 
Tierexperimenton und histologischen Untersuchungen bekannten gut 
überein; die Erwartung, durch die kombinierte Ziehl- und Oram- 
färbung zu höheren Sätzen zu kommen, wurde nicht erfüllt. 

Unter den 88 untersuchten Fällen befinden sich 6 mit mani¬ 
festen tuberkulösen Lungenveränderungen; jedoch war eine offene 
Tuberkulose nicht darunter. Zwei junge, 16- und 17 jährige Mädchen, 
Schwestern, wurden mit der Diagnose eines beginnenden Lungen¬ 
spitzenkatarrhs zum Zwecke der Beseitigung der Adenoiden zugesandt, 
eine 15 jährige litt an einer leichten Affektion des rechten Ober¬ 
lappens (Stad. I—II), eine 22jälirige an einer beiderseitigen Spitzen¬ 
affektion (Stad. I), ein 21 jähriger junger Mann an einer inaktiven 
Erkrankung des rechten Oberlappens (Stad. II). In keinem Falle 
wurden Bazillen gefunden. Bei dem sechsten war gelegentlich eines 
Aufenthaltes in Davos die Rachenmandel bereits einmal entfernt 
worden; bei der histologischen Untersuchung war Tuberkulose nicht 
gefunden. Bazillen konnten jetzt nicht nachgewiesen werden. 

In weiteren 6 Fällen unter 60 Kindern, die daraufhin unter¬ 
sucht wurden, deuteten die physikalischen Symptome mit grosser 
Walirscheinlichkeit auf ein Befallensein der Bronchialdrüsen hin, 
von denen bei 2 herausgegriffenen die Diagnose durch das Röntgen¬ 
bild gesichert wurde (Prof. Grässner). Bazillen wurden nur in 
dem einen, weiter unten angefülirten gefunden, bei dem die Er¬ 
scheinungen am wenigsten charakteristisch waren. 

Katarrhalische Affektionen der Bronchien waren recht häufig 
uud bei weiteren 14 Fällen nachzuweisen, so dass mit den obigen 
6 zu Sara inengenommen 20 unter (JO Kindern einen pathologischen 
Lungenbefund darboten. 

Von 83 Fällen, von denen mir diesbezügliche Aufzeichnungen 
zur Verfügung stehen, wurden bei 48 nur die Rachenmandeln, bei 
35 Gaumen- und Rachenmandeln entfernt. 

Von den 3 Fällen mit positivem Bazillenbefunde betraf der 
erste ein lljäliriges, kräftiges und gesund aussehendes Mädchen, 
das ausser einigen kleinen Zervikaldrüsen nichts zeigte, das etwa 
auf Tuberkulose hätte hinweisen können. Der Pirquet war negativ. 
Eine Nachuntersuchung nach einem halben Jahre ergab denselben 
Befund; die Kutanreaktion war wieder negativ. 


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Georg Simon. 


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Dieses auffallende Resultat entspricht ganz und gar dem einzigen 
der von Nobecourt und Tixier veröffentlichten Fälle mit posi¬ 
tivem Impfergebnis bei negativem Ausfall der Kutan- und Subkutan¬ 
reaktion und zudem der histologischen Untersuchung. Es muss sich 
hier wohl um Fälle handeln, bei denen die Bazillen noch auf der 
Oberfläche sassen, oder, wenn sie ins Innere der Mandel eingedrungeii 
waren, noch nicht die Zeit gehabt hatten, tuberkulöse Veränderungen 
lokaler oder allgemeiner Natur zu setzen. 

Vom zweiten Falle verfüge ich leider nur über unvollkommene 
Notizen. Eine Nachuntersuchung war nicht möglich, da das Kind 
nicht wieder aufgefunden werden konnte. Es handelte sich um ein 
6 jähriges Mädchen mit den Erscheinungen einer diffusen Bronchitis. 
Im Ziehl- wie im Grampräparat waren säurefeste resp. granulierte 
Stäbchen vorhanden. 

Der dritte Fall endlich betraf ein 11 jähriges Mädchen von aus¬ 
gesprochen skrofulösem Habitus mit mächtigen Tonsillenvergrösse- 
rungen. Erbliche Belastung, Habitus, Temporal- und ektatische Brust¬ 
venen, chronische Bronchitis und ein stark positiver Ausfall des 
Pirquet legten den Gedanken an eine Bronchialdrüsenaffektion sehr 
nahe. 

Über das Verhalten des Pirquet bei 57 Kindern im Alter 
von 2—15 Jahren gibt die folgende Zusammenstellung Auskunft: 



2—3 Jahre 

! 

j 4—6 Jahre 

1 6 10 Jahre 

10—15 Jahre 

Zahl der Pirquetisierten 

5 

5 

! 2, 

26 

Davon positiv 

|| 0 

1 1 

00 

11 

CO 

00 

„o 

16 = 61% 


Diese Werte entsprcclien im ganzen den von Feer und N i e t n e r 
(Baginski) voröffentlicliten; die zu niedrigen Ergebnisse der beiden 
ersten Rubriken lassen sieh zwanglos durcli die zu geringen Zahlen 
erklären. Die Jabresklassen vom 5. bis 7. Jahre ergaben nacli 
Feer 32, die vom 7. bis 10. 42, die vom 10. bis 15 53o/o positiver 
Reaktionen. Die letztere Altersklasse weist also unter den mit 
Adenoiden Behafteten einmi deutlich höheren Prozentsatz auf. Ich 
bin mir nun wolil bewusst, dass der negative Ausfall des Pirquet 
keineswegs gestattet ein Freisein von Tuberkulose zu diagnostizieren; 
abgesehen davon, dass ich die Reaktion nur einmal anstellen konnte, 
:uif eine ,,Scnsibilisieruiig‘‘ des Organismus also verzichten musste, 
gibt cs sicherlich Fälle, bei denen die Tuberkulinempfindlichkeit 


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9] 


Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachenraumes etc. 


42o 


der Haut fehlen kann trotz zweifellos vorhandener Tuberkulose, und 
ohne dass die geringste Kachexie vorzuliegen braucht. 

Ein lehrreiches Beispiel kam mir kürzlich zu Gesicht. Bei einem 
5 jährigen Mädchen, das ganz gut genährt war und durchaus nicht 
sehr krank aussah, waren im Auswurfe Tuberkelbazillen gefunden 
worden. Ein nachuntersuchender Arzt, dem diese Tatsache nicht 
bekannt geworden war, entschied angesichts des negativen "Pirquet 
und des selir geringen Lungenl>efundes gegen die Diagnose Tuber¬ 
kulose! Auch die zweite Kutanprobe war hier negativ. 

Immerhin bilden solche Fälle grosse Seltenheiten und aus dem 
häufigen negativen Ausfall des Pirquet ist wohl der Schluss gestattet, 
dass jene Theorie, die die Hyperplasie der Mandeln als durch den 
Reiz bazillärer Toxine entstanden erklärt, falsch ist, oder mit anderen 
Worten, dass die adenoiden Wucherungen des Nasen¬ 
rachenraumes ätiologisch nichts ni i t der Skrofulöse 
und Tuberkulose zu tun haben. 

Schwerer zu beantworten ist die zweite Frage nach der Bedeutung 
der Rachenmandelhyperplasien als Eingangspforte für die Tuberkel¬ 
bazillen. Es ist a priori nicht anzimehmen, dass die Tuberkelbazillen 
bei der sogenannten latenten Tuberkulose der Rachenmandel in An¬ 
betracht ihrer im Kindesalter mehr noch als bei Erwachsenen vor¬ 
handenen Neigung sich auszubreiten, stets an diesem Orte ruhig 
liegen bleiben sollten. Andererseits gilt für die Pharynxtonsille das¬ 
selbe, was für die Gaumeutonsillen, das äussere Integument und 
die Schleimhäute des Verdauungstraktus von den meisten Autoren 
angenommen, von anderen l>estritten wird, dass die Tuberkelbazillen 
imstande seien sie zu passieren, ohne einen Primäraffekt zu setzen. 
Hiervon ausgehend behauptete Beckmann ebenso wie Aufrecht 
von der Gaumentoiisille, dass die Rachentonsille die wichtigste und 
häufigste Eintrittspforte für den Tuberkelbazillus bilde. Es bedeutet 
nun von vornherein eine Schwäche für eine Hypothese, vvenn sie 
von zwei topographisch, histologisch und funktionell eng verwandten 
Organen eines bei Behauptung einer pathologischen Funktion in 
vorwiegenden Anspruch nimmt und das andere mehr oder weniger 
vernachlässigt. Beide haben auch mit ihren Behauptungen ent¬ 
schiedenen Widerspruch gefunden. Blumenfeld, der neuerdings 
wieder den Adenoiden eine wichtige Rolle in der Entstehung der 
Bronchialdrüsentuberkulose beimisst, hält sich von diesen Übertrei¬ 
bungen fern. Blumenfeld kam zu seiner Auffassung durch die 
relative Häufigkeit gleichzeitiger Rachenmandelhyperplasien und 
physikalisch und röntgenologisch nachweisbarer Tuberkulose (h‘r 
endothorakalen Drüsen und beschrieb 17 Fälle, bei denen er einen 


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Georg Simon. 


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Zusamnieiiluuig für zweifellos hält. Einschränkungen werden von 
ihm selbst zugegeben, da die Adenoiden häufig genug ein liarmloses, 
lokales Leiden darstellten und andererseits wohl auch Bronchial¬ 
drüsentuberkulose ohne Rachenmandelhyperplasie Vorkommen könne. 
Das Bindeglied findet Bl u men fei d in einer Vergrösserung der 
Halslymphdrüsen, über die hinweg das Virus die bronchialen Drüsen 
erreiche. 

Zugegeben muss ohne weiteres werden, dass die Schwellung 
der hinter dem Sternoclcidomastoideus gelegenen Drüsen des Plexus 
cervicalis superficialis sich bei hypertrophischer Rachenmandel mit 
absoluter Regelmässigkeit findet (Thost); in keinem der von mir 
untersuchten Fälle wurde sie vermisst. Weiter, dass man diese 
Drüsen nicht selten bis zur Fossa supraclavicularis verfolgen und 
eine ürössenabnahme in absteigender Richtung feststellen kann. 
Natürlich ist es nicht angängig, dicvse Drüsenschwcllungen stets auf 
Tuberkulose zu beziehen; auch die absteigenden Schwellungen können 
ebensogut durch abgelaufene infektiöse Prozesse anderer Natur von 
der Schleimhaut des Mundes oder von der Kopfschwarte (durch Ver¬ 
mittelung der Okzipitaldrüsen) her entstanden sein. Von den unteren 
Zervikaldrüsen aus sollen nach einigen Autoren die Bazillen auf 
dem Lymphwege zur Pleurakuppe, nach anderen sollen sie direkt 
von den Zervikaldrüsen auf die bronchialen übergehen. Dieser Weg 
ist bisher in erster Linie für die Infektion von den Gauinen- 
tonsillen in Anspruch genommen worden (Aufrecht, Grawitz, 
W e i c h s e 1 b a u m , Bartel, Grober u. a.). Aber was der 
(iauraentonsille recht ist, kann der Rachentonsille als einem Gliede 
des adenoiden Schlundrings nur billig sein. Von Beitzke werden 
beide Möglichkeiten l^estritten, da es ihm nicht gelungen sei, von 
den unteren Zervikaldrüsen zur Pleurakuppe ziehende Lymphgefässe 
zu injizieren oder eine direkte Verbindung zwischen diesen und 
den bronchialen nachzuweisen. Beitzkes Untersuchungen sind 
von Most, Hart u. a. bestätigt worden. Man kann sich auch 
seiner Meinung nur anschliessen, dass wenn einmal unter abnormen 
A'eihältnissen ein Kollateralkreislauf sich bilde, die Infektion diesen 
Weg längst auf der Blutbahn überholt haben müsse. Dass die 
Tubcrkelbazillen selbst intakte Gefässwände durchwandern können, 
ist von Aufrecht und Goerdeler nachgewiesen worden; das 
gar nicht so seltene Vorkommen von Bazillen im jströmenden Blute 
(L i e b e r m e i s t e r , Jessen und R a b i n o w i t s c h u. a.) hat die 
auf histologischem V'ege gefundene Tatsache bestätigt. Ich halte es 
selbst bei voller Ausbildung des Blumonfeldschen Symptomen- 
trias nicht für angängig, hieraus den Infektionsweg ableiten zu 



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11 ] 


Die adenoiden Wucherungen des Nasen Rachenraumes etc. 


427 


wollen, auch dann nicht, wenn neben zweifelloser Tuberkulose der 
Bronchialdrtisen die Rachenmandel als tuberkulös verändert tefunden 
wnrd. Denn der Einwand, dass es sich um zwei Primäraffekte 
handle, ist nicht zu widerlegen. Dann aber ist die Vergrösserung 
der Eachentonsille und die Schwellung der zervikalen Lymphdrüsen 
meines Erachtens nicht subordiniert, sondern koordiniert, beides 
sind Symptome ein und desselben krankhaften Prozesses, nämlich 
jener Konstitutionsanomalie, die Heubner als lymphatische Kon¬ 
stitution, Moro und Eschericli als Lymphatismus oder lympha¬ 
tische Diathese beschrieben halx^n. Auch von Pfaundler (Hand¬ 
buch der Kindetheilkunde) wird die systematische Schwellung des 
lymphatischen Gewebes, namentlich der Gaumen- und Rachen¬ 
mandeln, der Hals-, Unterkiefer- und Nackendrüsen als eines der 
Hauptzeichen der lymphatischen Konstitution angegeben. 

Nun ist es eine bekannte Tatsache, dass die Lymphatiker auf 
eine tuberkulöse Infektion mit ausserordentlich lebhaften Entzün¬ 
dungserscheinungen reagieren. Die Entzündung nennt Moro') eines 
der wirksamsten AbAvehrmittel, die dem Menschen gegen den 
Tuberkelbaziüus und seine Produkte zur V^erfügung stehen, und 
erklärt daraus die relative Gutartigkeit der Tuberkulose der 
Lymphatiker (i. e. Skrofulöse). Wenn nun bei einem Lymphatiker 
die tuberkulöse Jnfektion die Bronchialdrüsen erreicht — der 

Infektionsweg ist hierbei vollkommen gleichgültig —, dann ent¬ 
stehen infolge der abnorm starken Entzündungsvorgänge jene abnorm 
starken Vergrösserungen der Broiichialdrüsen, die der klinisclum 
Untersuchung zugängig sind. Wenn Schlossmann2) sagt: ,,vSo 
finden wür denn die Bronchialdrüsen so gut wie ausnahmslos bei 
jedem tuberkulösen Kinde miterkrankt‘‘ und Heubner: „Die 
Phthisis incipiens sitzt beim Kinde in den Bronchialdrüsen“, so 
geht daraus hervor, dass nur ein kleiner Teil der Bronchialdrüsen¬ 
tuberkulose der physikalisclien und — fügen wir hinzu - der 

röntgenographischen Diagnose zugänglich ist; und das sind eben 
die tuberkulös erkrankten Bronchialdrüsen des lymphatischen, mit 
Adenoiden behafteten Individuums. Ich möchte nun nicht dahin 
verstanden sein, dass jede Broncliialdrüsentuberkulosc eines Lymplia- 
tikeis diagnostizierbar sein müsse. Die Grösse der Drüsenscliwellung 
hängt ausser von dem mehr oder minder starken Grade der lympha¬ 
tischen Diathese von mehreren anderen Faktoren, Dauer der Er¬ 

krankung, Menge und Virulenz der infizierenden Bazillen ab. 

J) MüDchn. med. Wochenschr. 1909. S. 259. 

2) Handbuch der Kinderheilkunde. 1910. 


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Georg Simon. 


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Aus der Tatsache, dass ich bei 6 Fällen von manifester Lungen¬ 
tuberkulose kein einziges Mal, unter weiteren 6 Fällen von mani¬ 
fester Bronchialdrüsentuberkuloso nur einmal Bazillen in der Rachen¬ 
mandel finden konnte, ziehe ich den Schluss, dass die Pharynx- 
tonsillealsEingangspfortefürdenTuberkelbazillus 
eine nur untergeordnete Rolle spielt. 

Es ist dann noch in Kürze auf eine Hypothese einzugeheii, 
die jüngst von Bruck aufgestellt ist. Nach Bruck^) sind die 
Adenoiden, da sie zur Mundatniung veranlassen, die eigentliche Ur¬ 
sache der kindlichen Zahnkaries und diese wieder bildet die Ein¬ 
gangspforte für den Tuberkelbazillus. Ähnliches ist bereits von 
W e s t e n h ö f f e r behauptet worden. Da aber anatomische Beweise 
nicht l>eigcbracht sind, ist dieser Hypothese lediglich der Wert einer 
unljowieseiien Behauptung zuzuerkennen. 

Ich komme nun zu den praktischen Schlussfolgerungen, die 
aus den vorliegenden Untersuchungen zu ziehen sind. Aus der Tat¬ 
sache, dass in einem gewissen Prozentsatz der Fälle — unter 
etwa 1 mal — tuberkulöse A^eränderungen in den Rachenmandeln 
gefunden werden, und der weiteren, dass diese Veränderungen teil¬ 
weise primärer Art sind und zu einer Weiterverschleppung der 
Keime führen können, zu folgern, dass man vergrösserte Raclien- 
tonsilleii in jcnlem Falle entfernen müsse, halte ich nicht für Un- 
gängig. Vor allem nicht, wenn man sich auf den Shmdpunkt stellt, 
dass die adenoiden Wucherungen nicht ein lokales Leiden, sondern 
ein Symptom einer Konstitutionsanomalie darstellen. Die Häufig¬ 
keit krankhafter A^eränderungen in den tieferen Teilen des Re¬ 
spirationsapparates sollte aber in jedem Falle von hyperplastischer 
Rachenmandel, wo nicht deren exzessive Grösse oder Komplikationen 
von seiten der Ohren oder nervöse Störungen allein ihre Entfernung 
rechtfertigen, zu einer ITntersuchung des Thorax veranlassen, und 
umgekehrt, wo physikalisch nachweisbare Bronchialdrüsenerkran¬ 
kungen oder chronisch katarrhalische Zustände der Luftröhren vor¬ 
liegen, sollte auf A'eränderungen des Nasenrachenraumes geachtet 
werden. Der AV)rschlag Fürbringers 2), nicht allzu hochgradige 
Atmungshindernisse der oberen Luftwege lyei bestehender Lungen¬ 
tuberkulose nicht zu beseitigen, da aus der Erschwerung der In¬ 
spiration in Analogie mit der Wirkung der Kuhnschen Luiigen- 
saugmaske eine günstige Beeinflussung der Tuberkulose resultiere, 

1) IX. InternatioDale'Tuberkulose-Konferenz, Brüssel. Kef. Internat. Zentral¬ 
blatt f. d. ges. Tuberkulose-Forschung. Nov. 1910. 

2) Zeitachr. f. ärztl.^Fortbildung. 1910. Nr, 19—2L 


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13] 


Die adenoiden VYucberuogen des Nasen-Racbenraumes etc. 


429 


sei der Originalität wegen erwähnt. Abgesehen davon, dass eine 
spezifische Wirkung der Lungensaugmaske auf tuberkulös erkranktes 
Lungengewebe zum mindesten durchaus unsicher ist, tritt eben in 
solchen Fällen bei Erschwerung der Inspiration vikariierend (he 
Mundatmung ein. Wo eine Indikation zur Entfernung der Adenoiden 
nicht vorliegt, da genügt die Anwendung der altbekannten, gegen 
die lymphatische Diathese angewandten therapeutischen Faktoren, 
Diät, Solbäder, Schmierseifeneinreibungen etc., um auch lokale Besse¬ 
rungen zu erzielen. 


Literatur. 


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Virchows Arch. Bd. 184. 

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430 G. Simon: Die adenoiden Wucherungen des Nasen-Rachenraumes etc. [14 


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Virchows Arch. Bd. 134. 

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Original from 

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Die Häufigkeit, Bedeutung und spezifische 
Diagnostik der Rindertuberkulose. 

Von 

Prof. Dr. M. Klimmer in Dresden. 

Vortrag, gehalten in der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden 
am 19. Februar 1911. 

Mit 2 Kurven und 2 Abbildungen im Text. 


Bei der grossen Verbreitung, welche die Tuberkulose unter den 
einheimischen Eindern erlangt hat, ihrer grossen nationalökonomi¬ 
schen und wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Gefahren für die 
Schweinehaltung und nicht zuletzt auch für die Gesundheit der 
Menschen besitzt die sichere und frühzeitige Erkennung der Tuber¬ 
kulose der Kinder eine grosse praktische Bedeutung. 

Bevor ich auf die Feststellung der Tuberkulose am lebenden 
Rind eingehe, möchte ich einige Worte über ihre Verbreitung, ihre 
Schäden und Gefahren für die Schweinehaltungen und die rnensch- 
licho Gesundheit vorausschicken. 

In die Verbreitung der Rindertuberkulose gewährt 
einmal die Fleischbeschaustatistik einen ungefähren Ein¬ 
blick. Da aber bei der Fleischbeschau nicht jeder Knochen aufge¬ 
sägt, nicht jedes Gelenk geöffnet und das Rind nicht in millimeter¬ 
feine Scheibchen zerlegt und genau auf das Vorkommen tuberkulöser 
Herde untersucht werden kann, so müssen kleine versteckte Herde 
natürlich entgehen und die Fleischbeschaustatistik muss geringere 
Tuberkuloseerkrankungsziffern geben als eine geeignete Tuberkulin¬ 
probe, auf die in der Regel alle tuberkulösen Rinder reagieren. Aber 
auch für Vergleiche sind die Ergebnisse der Fleischl>eschau nur vor¬ 
sichtig zu verwerten. Einmal hat sich die Fleischbeschau mit der 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose Bd. XIX. H. 3. 28 


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432 


M. Klimmer. 


[2 


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Zeit auch weiter entwickelt, wenn auch in Deutschland im letzten 
Jahrzehnt wohl keine wesentlichen Neuerungen eingoführt worden 
sind. Für vergleichende Betrachtungen kommt weiterhin noch in 
Frage, dass die Fleischbeschau in den einzelnen Ländern verschieden 
gehandhabt wird, wenn wir auch in Deutschland seit etwa 10 Jahren 
eine einheitliche gesetzliche Kegelung erhalten haben. Kleine Ab¬ 
weichungen bestehen aber trotzdem auch in Deutschland noch; so 
unterliegen in Sachsen auch die Hausschlachtungen der obligatori¬ 
schen Fleischbeschau, nicht aber in manchen anderen Teilen Deutsch¬ 
lands, so z. B. in Preussen. 

Betrachten wir zunächst einmal auf Grund der Fleischbeschau¬ 
statistik die Verbreitung der Tuberkulose unter den Schlachtrindern 
im Deutschen Reich, so gewährt nachfolgende Tabelle einen 
Einblick in die Stärke der Tuberkuloseverseuchung in den 
grösseren Staaten des Deutschen Reiches und Provinzen 
Preussens im Jahre 1904 und 1908. 

Von 100 geschlachteten Rindern erwiesen sich bei 
der Schlachtung als tuberkulös: 



1904 

1908 

Königreich Sachsen 

34,5 

37,6 

Mecklenburg-Schwerin 

31,4 

33,5 

Schleswig-Holstein 

30,8 

34,0 

Pommern 

26,3 

27,1 

Provinz Sachsen 

24,3 

27,1 

Westj)reussen 

23,5 

22,0 

Posen 

22 2 

18,0 

Rheinland 

20,5 

22,8 

Westfalen 

19,1 

21,1 

Schlesien 

18,9 

20,8 

Hessen-Nassau 

16,6 

21,5 

Brandenburg 

16,4 

23,3 

Ostpreussen 

14,2 

11,2 

Hannover 

13,1 

15,5 

Elsass-Lothringen 

10,3 

16,5 

Hessen 

9,8 

16,2 

Oldenburg 

9,6 

9,8 

Baden 

9,4 

13,5 

Bayern 

9,2 

11,9 

Württemberg 

9,1 

13,6 


Die nachfolgende graphische Darstellung lässt erkennen, dass 
die Tuberkulose von Jahr zu Jahr häufiger bei den 
Schlachtrindern in Deutschland festgestellt worden ist und hiernach 
in 4 Jahren in Deutschland um ca. 17<>/o zugenommen hat 



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3J Die Häufigkeit, Bedeutung u. spez. Diagnostik der Rindertuberk. 


433 


Vorkommen der Tuberkulose unter den Scblachtrindern im Deutschen Reich, 
zusaromengestellt nach der Fleischbeschaustatistik vom Jahre 1904 ab. 


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9 










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Rinder-; KUhe •••••; Ochson Balle . 

Im Königreich Sachsen erstreckt sich diese Statistik über 
eine grössere Reihe von Jahren; aus ihr geht, wie es nachfolgende 
Kurven zeigen, die sorgenerregende Zunahme der Tuber¬ 
kulose unter den Rindern noch weit schärfer hervor. 

Vorkommen der Tuberkulose unter den Schlachtrindern im Königreich Sachsen, 
zusammengestellt nach der Fleischbeschaustatistik vom Jahre 1890 ab. 

^SOO 



Nach der Fleischbeschaustatistik hat die Tuberkulose in Sachsen 
in den Jahren 1890 bis 1900 um 95o/o, bis 1909 sogar um 155o/o 
zugenommen. 

Die Nachbarländer sind zum Teil stärker (Südschweden), 
zum Teil weniger (Österreich, Schweiz, Frankreich) verseucht als 
Deutschland. Aber auch hier finden wir ganz allgemein, dass die 

28 * 


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434 


M. Kümmer. 


[4 


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Tuberkulose der Einder im bemerkenswerten Gegensatz zu jener 
des Menschen von Jahr zu Jahr häufiger wird. 

Wie ich bereits erwähnte, ist es bei der Fleischlyeschau nicht 
möglich, jeden tuberkulösen Herd aufzudecken; manches Rind mit 
mehr oder weniger geringfügigen, versteckten tuberkulösen Prozessen 
wird als frei von Tuberkulose registriert, das, wenn wir es einer 
geeigneten Tuberkulinprobe unterworfen hätten, reagierte. Es 
ist hiernach nicht verwunderlich, dass die auf Grund der Tuber¬ 
kulinproben erhaltenen Verseuchungsziffern höher als die der Fleisch¬ 
beschaustatistik sind. Für Sachsen können wir annehmen, dass etwa 
400/0 des Jungviehes und etwa 8 O 0/0 der erwachsenen 
Rinder auf Tuberkulin reagieren. Selbstverständlich unterliegt diese 
Zahl in den einzelnen Beständen beträchtlichen Schwankungen, Wir 
finden ausnahmsweise einmal einen Bestand, der noch vollkommen 
frei von Tuberkulose ist, andererseits Bestände, wo nicht nur sämt¬ 
liche älteren, sondern auch alle jüngeren Tiere auf Tuberkulin 
reagieren. Ein Einfluss allgemeiner hygienischer Faktoren (des 
Stalles, der Wartung und Pflege) auf die Häufigkeit der Tuber¬ 
kulose ist bei den Rindern nicht nachzuweisen. Wir können viel¬ 
mehr gerade in den grösseren Beständen w'ohlhabender Besitzer, 
die zumeist in hygienisch ein wandsfreien Ställen untergebracht sind, 
vorzüglich verpflegt und gefüttert werden, im allgemeinen höhere 
Tuberkuloseverseucluingsziffern finden als in den kärglich gehaltenen 
kleinen Beständen armer Leute. 

Die Tuberkulose ist bei den Schlachtrindern — und das gleiche 
gilt auch von den Schlachtschweinen — l>ei weitem die häufigste 
Krankheit. Diese Tatsache lässt schon vermuten, dass die Tuber¬ 
kulose auch diejenige Krankheit sein wird, welche bei der 
Fleischbeschau zu den meisten Beanstandungen und 
Entschädigungen Anlass gibt. Und tatsächlich ist aus dem 
Geschäftshericht der Ai^s'alt lür staatliche Schlachtviehversicherung 
im Königreich Sachsen für das Jahr 1908 zu entnehmen, dass von 
allen Entscliädigungen von Kindern und Schweinen nicht weniger 
wie 43 bezw. 44^)o, also beinahe die Hälfte, allein auf 
Tuberkulose entfallen. Wie hiernach schon zu vermuten ist, 
sind die Verluste, welche infolge der ganzen oder teilweisen 
Beschlagnahme geschlachteter Rinder wegen Tuberkulose bedingt 
werden, ganz ausserordentlich hohe. Sie betragen in Deutschland 
in letzter Zeit all] ä h r 1 i c h etwa 20 Millionen Mark. Schon 
hiernach sind die durch die Tuberkulose alljährlich bedingten Ver¬ 
luste grösser als die jeder anderen Tierseuche. Zum Vergleich möchte 
ich erwähnen, dass Milzbrand und Rauschbrand zusammen jährliche 
Verluste von etwa einer Million und Rotz von einer halben Million 


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5] 


Die Häufigkeit, Bedeutung u. spez. Diagnostik der Rindertuberk. 


4?5 


Mark, und zwar insgesamt und nicht nur infolge Beschlagnahme 
bei der Fleischbeschau bedingen. 

Die erwähnte Verlustsumme von 20 Millionen Mark, welche 
die Tuberkulose schon allein durch die ganze oder teilweise Be¬ 
schlagnahme geschlachteter Rinder erfordert, ist aber nur ein Teil 
des durch die Rindertuberkulose verursachten Schadens. Hierzu 
kommen noch die ebenfalls recht erheblichen, aber nicht zahlen- 
mässig berechenbaren Opfer, welche während der oft langen Dauer 
der Krankheit durch schlechte Futterverwertung, ver¬ 
minderte Zucht- und Milchleistung, sowie Verringe¬ 
rung der Nutzungsdauer infolge von Notschlachtungen und 
vorzeitigen Todesfällen bedingt werden. Bei der grossen Verbreitung 
der Tuberkulose, ihrem schleichenden, über Jahre sich erstreckenden 
Verlauf kommt die schlechtere Futterverwertung durch die tuber¬ 
kulösen Tiere selir wohl in Frage. 

Zu dem durch die Rindertuberkulose bedingten Schaden ist ferner 
noch die Einbusse infolge Tuberkuloseübertragungauf das 
Schwein durch Milch und Molkereiabfälle (Magermilch, Molken, 
Buttermilch), welche die hauptsächlichste Infektionsquelle für die 
Schweine sind, hinzuzuzählen. Dieser Verlust beträgt, wenn ledig¬ 
lich der Wert des bei der Fleischbeschau beanstandeten Fleisches in 
Rechnung gesetzt wird, in Deutschland jälirlich etwa 3,5 Mill. Mark. 

Bei der in den letzten Jaliren noch fortschreitenden Tuberkulose¬ 
verseuchung der einheimischen Rinder- und Schweinebestände (cf. 
Kurve 1) ist die Verlustsumme noch im Wachsen be¬ 
griffen. 

Endlich ist auch an dieser Stelle vor allem auf die in Geldes¬ 
wert nicht zu berechnende Gefahr der Tuberkulose Über¬ 
tragung vom Rind auf den Men sehen*zu erwähnen. Auf 
diese Gefahren, die hinsichtlich der Milch wesentlich grössere sind 
als des Fleisches, bin ich vor 6 Jaliren anlässlich meines in dieser 
Gesellschaft gehaltenen Vortrages „Die Rindertuberkulose, ihre Be¬ 
ziehungen zur Menschentuberkulose und ihre Bekämpfung“ näher 
eingegangen. Meine damaligen Ausführungen über das Verhalten 
der Menschen- und Rindertuberkelbazillen lassen sich wie folgt zu¬ 
sammenfassen : 

1 . Hinsichtlich der Morphologie und kulturellen 
Eigentümlichkeiten bestehen zwischen dem mensch¬ 
lichen und dem bovinen Tuberkelbazillus zumeist ge- 
ringfügige Unterschiede. 

2. Die Menschentuberkelbazillen sind für Rinder 
und Kaninchen im allgemeinen weniger virulent als 
Rindertuberkelbazillen.. 


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436 


M. Klimmer. 


[6 


Diese Merkmale sind nicht immer derart scharf aus¬ 
geprägt, dass in jedem einzelnen Falle eine scharfe Trennung 
möglich ist. Zwischen den beiden Extremen der hochgradigen Rinder¬ 
virulenz (Tod des Versuchstieres an allgemeiner Miliartuberkulose) 
auf der einen und der völligen Avirulenz (Fehlen jeglicher Reaktions- 
erscheinungen selbst an der Impfstelle) auf der anderen Seite kommen 
vielmehr die verschiedensten Übergänge vor, welche die Kluft 
zwischen den beiden Extremen überbrücken und den allmählichen 
Übergang der einen Bazillenform in die andere möglich erscheinen 
lassen. 

3. Betonte ich in meinem früheren Vortrag, dass der Rinder¬ 
tuberkelbazillus menschenpathogen ist. 

Diesen Sätzen ist heute noch hinzuzufügen, dass die zwischen 
dem Menschen- und Rindertuberkelbazillus aufgeführten Unter¬ 
schiede nur als Ausdruck von Standortsvarietäten auf¬ 
zufassen sind. Sie besitzen keine absolute Konstanz und 
können sehr wohl durch geeignete Versuchsbedingungen (Tier¬ 
passagen) ineinander übergeführt werden. Die Versuche von 
de Jong, Dammann und Müssenmeier, Eber u. a. haben 
gezeigt, dass vom Menschen stammende Tuberkelbazillen mit aus¬ 
gesprochenem Typus humanus - Charakter durch geeignete Über¬ 
tragung auf Rinder völlig in Bazillen des Typus bovinus 
übergeführt werden können. Wenn eine solche Umwandlung 
des Typus humanus in den Typus bovinus heute sicher erwiesen 
ist, so ist es von vornherein wahrscheinlich, dass Rindertuberkel¬ 
bazillen, welche, wie wir schon längst und sicher wissen, für 
Menschen pathogen sind, bei ihrem Aufenthalt im menschlichen Orga¬ 
nismus ebenfalls eine Umwandlung, und zwar in diesem Falle in 
den Typus humanus erleiden können. Diese naheliegende Schluss¬ 
folgerung hat bereits vor einigen Jahren durch die Untersuchungs¬ 
ergebnisse von Fibiger und Jensen eine wertvolle Stütze er¬ 
halten und mit der Möglichkeit der Umwandlung des Typus 
bovinus in den Typus humanus.im menschlichen Organismus 
ist bei Untersuchung älterer und vorgeschrittener tuberkulöser Pro¬ 
zesse beim Menschen auf das Vorkommen boviner Tuberkelbazillen 
wohl zu rechnen. 

Nebenher möchte ich auch daran erinnern, dass auch die Um¬ 
wandlung des Menschen- und Rindertuberkelbazillus in den wesent¬ 
lich ferner stehenden Vogeltuberkelbazillus und dieses in 
den Säugetiertuberkelbazillus nach den umfangreichen Unter¬ 
suchungen von 0. Bang und Bongert gelungen ist. Es hegt 
somit heute kein Grund mehr vor, den Vogeltuberkelbazillus als 


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7 


Die Hftufigkeit, Bedeutang vl spez. Diagoostik der Riodertuberk. 


437 


eine völlig von dem Säugetiertuberkelbazillus abzutrennende Art zu 
betrachten. 

Dass derRindertuberkelbazillusfürden Menschen 
pathogen ist, wurde zuerst durch zufällige Wundinfek¬ 
tion, die sich Tierärzte, Fleischer, Schlachthofsarbeiter etc. zuzogen, 
einwandsfrei bewiesen. Diese Infektionen besitzen nur ein be¬ 
schränktes Interesse für die Allgemeinheit. Die Allgemeinheit ist 
weit mehr an Infektionen interessiert, die namentlich i m A n - 
Schluss an Milchgenuss auf treten können. 

In der Milch kommen, wie es die starke Verbreitung der Tuber¬ 
kulose unter den Bindern schon vermuten lässt, tatsächlich ziemlich 
häufig Tuberkelbazillen vor. In zahlreichen Gressstädten hat man 
die Marktmilch auf Tuberkelbazillen untersucht und gefunden, dass 
etwa 10— 550/0 der untersuchten Proben Tuberkelbazillen enthielten. 
Dieser häufige Tuberkelbazillenbefund in der Marktmilch einerseits 
und ihre erwiesene Pathogenität für Menschen andererseits darf uns 
aber zu einer Überschätzung der aus dem Milchgenuss drohenden 
Tuberkulosegefahr nicht verleiten. Die Versuche Plügges und 
seiner Mitarbeiter haben gezeigt, dass es zur Erzeugung einer 
Pütterungstuberkulose immerhin recht beträchtlicher Tuberkel¬ 
bazillenmengen bedarf. Während ein Meerschweinchen durch sub¬ 
kutane Verimpfung bereits einzelner Tuberkelbazillen (nach eigenen 
Untersuchungen von etwa ^/loooooo schwer tuberkulös gemacht 
werden kann, sind für die Erzeugung einer Inhalationstuberkulose 
schon 200 eingeatmete oder 50 in die Lunge gelangte Tuberkelbazillen 
nötig. Dagegen riefen erst 140 Millionen stomachal aufgenommener 
Tuberkelbazillen eine Fütterungstuberkulose hervor. Diese am Meer¬ 
schweinchen gewonnenen Zahlen können nicht ohne weiteres auf 
den Menschen übertragen werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, 
dass für den Menschen eine grössere Anzahl der an ihn noch nicht 
angepassten Rindertuberkelbazillen zur Haftung einer Pütterungs¬ 
tuberkulose notwendig ist. Die Möglichkeit einer hinlänglichen 
Massenf ütterung mit Tuberkelbazillen dürfte aber vor¬ 
wiegend nur dann gegeben sein, wenn die Milch aus einem 
tuberkulösen Euter stammt, roh oder ungenügend er¬ 
hitzt, unvermischt oder mit der Milch nur weniger 
Kühe vermischt längere Zeit hindurch genossen wird. Das 
gleiche gilt auch von der aus solcher Milch hergestellten Butter. 
Ist das Euter frei von Tuberkulose, so ist eine Beimengung von 
Tuberkelbazillen zur Milch zwar keineswegs ausgeschlossen, aber 
sie dürfte sich in ziemlich engen Grenzen halten. Dagegen kann es 
bei bestehender Eutertuberkulose zu einer Massenaus- 


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43S 


M. Elimmor. 


[8 


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Scheidung von Tuberkelbazillen mit der Milch kommen. 
Unter solchen Verhältnissen kann 1 ccm Milch 50000—100000, 
ja selbst 1 Million Tuberkelbazillen enthalten. Es ist sehr bemerkens¬ 
wert, dass eine solche Milch aus tuberkulösem Euter lange Zeit 
(1—2, ja selbst 4 Monate hindurch) ilir normales Aussehen 
bei hohem Gehalt an Tuberkelbazillen auf weisen kann und somit 
bei unserer heutigen Milchkontrolle als Nahrungsmittel anstandslos 
Verw^endung findet. Erst ganz allmählich mit dem Fortschreiten 
der tuberkulösen Prozesse im Euter wird die Milch wässeriger; es 
treten kleine Flocken auf, schliesslich wird nur noch eine dünne, 
trübe, gelbliche, leichtflockige, seröse Flüssigkeit oft in sehr reich¬ 
lichen Mengen abgesondert. Wälirend der ganzen Dauer der Er¬ 
krankung werden recht Ijeträchtliche Mengen Tuberkelbazillen aus¬ 
geschieden. Die Häufigkeit der Eutertuberkulose beträgt nach der 
Fleischbeschaustatistik 1,5 o/o aller ermittelten tuberkulösen Tiere. 

Dass durch den Genuss von Milch eutertuberku¬ 
löser Kühe beim Menschen schwere und selbst tödlich ver¬ 
laufende Tuberkulose hervorgerufen werden kann, ist heute eiii- 
wandsfrei bewiesen worden. Den ersten Nachweis erbrachten die 
beiden dänischen Forscher Fi bi ger und Jensen. 

Ks haiuloltü sich um ein .I.ihrc alles aus tuberkulöser Familie 

s(amui«*n(les Kind, welches we^en Bauchwassersucht ins Krankenliaus auf¬ 
genommen wurde. Hier wurde ilie Diagnose auf Tuberkulose des Bauchfelles, 
Darmes, Pharynx Tind der Halsdrüsen gestellt. 

Das Kind hatte nehen Muttermilch etwa 1 Jjthr lang unerhitzte Kuh¬ 
milch genossen. Die Kuhmilch (*ntstammle einer Molkerei, welche während der 
letzten 3 Jahre Milch auch aus einem schwer tuherkulösen Viehbestand, darunter 
auch einer Kuh mit Eutertuberkulose, bezogen hatte. 

Das Kind soll vor 4 —d Monaten erkrankt sein. Nach 6 V 2 rnonatlichem 
Aufenthalt im Krankenhaus starb (»s. Obduklionshefund: sehr schwere Tuber¬ 
kulose des Darmes der M(*senterialdrüsen und des Pharynx, Tuberkulose des 
Bauchfelles, geringgradige sekundäre Miliartuberkulose der Lunge und Le]>er. 
Aus den Mesenterialdrüscn des Kindes wurden Tuherkelbazillen reingezüchtet, 
welche noch alle Charakteristika des Ty])us hovinus, namentlich auch eine 
hochgra<lig(‘ Virulenz für Rinder, zeigten. 

Weitere sichere Fälle von Übertragung der Rindertuberkulose durch Milch¬ 
genuss auf Menschen liegfui von Whitla (hetr. 2 Kinder von 4 und 9 Jahren,, 
sie waren nehen einer Tuberkulose der Mesenterialdrüsen an einer der Hirnhäute 
erkrankt und gestorben), Weber iMund- und Halsdrüsentuberkulose iciner 
20 Jahre alten Frau), sowie A. Weher d. Halsdrüsen- und Kehlkopftuber¬ 
kulose eines 2 jährigen Knaben, 2. Halsdrüsentuberkulose eines etwa 1jährigen 
Knaben) vor. In allen diesen Fällen gelang es, aus den tuberkulösen Verände¬ 
rungen der erkrankten Personen Tuberkelhazillen rein zu kultivieren und auf Grund 
der Kultur- und Impfversuche am Rind als zum Tyt)us bovinus gehörig fest- 
zustellen. Durch die weiteren Erhebungen wurde ernuttelt, dass die betreffenden 
Fälle auf den Genuss von Milch eutertuberkulöser Kühe zurückzuführen waren. 



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9] Die Häafigk<it, Bedeutung u. spez. Diagnostik der Rindertuberk. 439 

Diose Fälle beweisen, dass die Rindertuberkulose auf 
den Menschen durch Genuss tuberkelbazillen¬ 
haltiger Milch übertragen werden kann. Die Grösse 
dieser Gefahr vermögen wir al>er heute noch nicht zu ermessen 
und ihre Ermittelung stösst bei dem häufig clironischen Verlauf 
der Tuberkulose und der im menschlichen Organismus mit der Zeit 
sehr wohl möglichen allmählichen Umwandlung der Eindertuber- 
kulose in den Typus huraanus auf sehr grosse, ja unüberwindliche 
Schwierigkeiten. 

Wenden wir uns nunmehr der spezifischen Diagnostik 
der Rinder tuberkulöse zu. In meinem heutigen Vortrage be¬ 
absichtige ich vor altem eine Übersicht über eigene in Gemeinschaft 
mit meinen Mitarbeitern Herrn Dr. Kiessig, W. Assmann, 
Saalbeck, Bach und Brenner durchgeführte Untersuchungen 
der letzten Jahre zu gelten. Bei der beschränkten Zeit ist es mir nicht 
möglich, die einschlägige Literatur entsprechend zu berücksichtigen 
und auf alle Einzelheiten unserer Versuche näher einzugehen, sondern 
icii will mich darauf bescliränken, einzelne allgemein interessante 
Punkte herauszugreifen. Da das Rind nicht grundsätzlich anders 
als der Mensch reagiert, wir bei den Schlachtrindern in die ange¬ 
nehme Lage versetzt sind, die erhaltenen Ergebnisse der spezifischen 
Diagnostik kurz darauf durch die Befunde der Fleischbeschau zu 
kontrollieren, so können manche in der Humanmedizin schwebende 
Fragen auch durch Tierversuche ihrer Lösung näher geführt werden. 

Da die klinische Diagnostik zur Erkennung der Tuberkulose am 
Rinde wesentlich weniger leistungsfähig ist als am Menschen, so sind wir in 
der Veterinärmedizin in wesentlich höherem Masse auf die spezifisch- 
diagnostischen Hilfsmittel bei der Feststellung der Tuberkulose angewiesen. 
Ein Unterschied zwischen Human- und Veterinärmedizin besteht hinsichtlich 
der Tuberkulose auch insofern, als der Arzt die Tuberkulose zumeist nur als 
Krankheit feststellen oder ausschliessen will, ihn aber alte und latente Herde 
im allgemeinen wenig oder gar nicht interessieren, sucht der Tierarzt, für 
den das tuberkulöse Tier mehr Objekt der Seuchentilgung als der Behandlung 
ist, vielfach jedes Tier, welches überhaupt einen tuberkulösen Herd beherbergt, 
herauszufinden. Wir müssen das häufig um so mehr tun, als wir die Tiere 
mit offener Tuberkulose nicht hinlänglich sicher von jenen mit geschlossener 
Tuberkulose trennen können und andererseits auch nicht voraussehen können, 
wie lange ein zurzeit noch geschlossener tuberkulöser Prozess geschlossen 
bleibt, oder wenn er in das für die Umgebung gefährliche infektiöse Stadium 
der offenen Tuberkulose eintritt. 

Unter den spezifisch diagnostischen Hilfsmitteln zur Erkennung 
der Tuberkulose am lebenden Tier nehmen die yerschiedenen Tuber¬ 
kulinpräparate eine ganz souveräne Stellung ein. Von den An¬ 
wendungsweisen haben sich beim Rind besonders bewälirt: 


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440 


M. EJimmer. 


[10 


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1. Die subkutane Einspritzung des Tuberkulins mit nachfolgender 
Temperaturmessung, die sogen, thermische Reaktion. 

2. Die Installation des Tuberkulins in den Konjunktivalsack, 
die sogen. Augenprobo oder Kon junktival- bezw. 
Ophthalmoreaktion. 

3. Die Injektion des Tuberkulins in die Haut, die intrakutane 
Reaktion. 

Dagegen reagiert das Rind ^auf die kutane bezw. Dermoprobe 
nicht hinlänglich; sie ist für das Rind so gut wie bedeutungslos. 

Von den Tuberkulinpräparaten verwenden wir für die thermische 
Reaktion das Alttuberkulin Koch oder das Phymatin, für die Kon- 
junktival- und intrakutane Reaktion das Phymatin oder Bovo- 
tuberkulol. 


L Die thermische Reaktion. 

Die alte thermische Tuberkulinreaktion ist schon kurz nach 
der Entdeckung des Tuberkulins durch Robert Koch in die 
Veterinärmedizin eingeführt worden und hat sich hier sehr schnell 
den Ruf eines vorzüglichen Diagnostikums der Tuber- 
kuloseerworben und bis zum heutigen Tage unvermindert 
erhalten. Eine ähnliche Reaktion gegen die diagnostische Ver¬ 
wendung des Tuberkulins, wie sie in der Humanmedizin schon bald 
nach seiner Einführung aufgetreten ist und sich teilweise selbst 
bis zu den heutigen Tagen erhalten hat, ist in der Veterinärmedizia 
nicht aufgetreten. 

Den Tieren geben wir eine einmalige grosse Dosis, so dem 
erwachsenen Rinde 0,5 g unverdünntes Tuberkulin mit 4,5 ccm 
^/o^/oigem Karbol Wasser; die Applikation erfolgt, wie bereits er¬ 
wähnt, ebenfalls subkutan. Durch die grosse Dosis wollen wir eine 
kräftige, markante Fiebersteigerung bei den tuberkulösen Tieren aus- 
lösen. Die Temperatur des tuberkulosefreien Rindes bleibt normal, 
d. h. überschreitet 39,5^ nicht. Beim tuberkulösen Rind steigt das 
Fieber meist in der 12. bis 21. Stunde nach der Tuberkulin¬ 
einspritzung auf mindestens 40^, häufig selbst über 41<^ an. Das 
Fieber ist zuweilen von Schüttelfrösten, vorübergehender Appetit¬ 
verminderung, Nachlassen der Milchsekretion etc. verbunden. Trotz 
der sehr kräftigen Reaktion hat man dauernde Tuberkulinschäden 
beim Rind bisher nicht beobachten können. 

Auf die subkutane Tuberkulininjektion reagieren die Säuge¬ 
tiere (Pferd, Rind, Schaf, Ziege, Schwein, Hund, Meerschweinchen) 
sehr sicher thermisch, dagegen versagt diese Reaktion, das 
gleiche gilt auch von den lokalen Reaktionen, vollkommen bei dem 



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11] Die Häufigkeit, Bedeutung u. spez. Diagnostik der Rindertuberk. 441 

Hausgeflügel (Hühnern und Truthühnern). Diese Vögel reagieren 
selbst auf sehr grosse Dosen Tuberkulin nicht, wie ich dies gemein¬ 
schaftlich mit Dr. Saalbeck festgestellt habe. 

Es ist eine besondere Eigentümlichkeit des tuberkulösen 
Rindes, sich an subkutan einverleibtes Tuberkulin sehr 
schnell zu gewöhnen, so dass die tuberkulösen Rinder nicht 
selten schon auf die zweite Tuberkulineinspritzung thermisch nicht 
mehr reagieren. Diese Angewöhnung an das Tuberkulin besitzt natür¬ 
lich für die Praxis eine sehr grosse Bedeutung. Da wir den Tieren 
nicht ansehen können, ob sie vorgespritzt sind, wie der vulgäre Aus¬ 
druck lautet, so hat der negative Ausfall der thermischen Reaktion 
beim Händlervieh nur einen sehr bedingten Wert. Die traurige Be¬ 
rühmtheit, welche die Angewöhnung an das Tuberkulin bei den 
nach Deutschland importierten dänischen Rindern erlangt hat, ist 
allgemein bekannt. 

Mit Herrn Dr. Kiessig habe ich die Frage der Angewöhnung 
an das Tuberkulin eingehend studiert und gefunden, dass wenn zur 
ersten und zweiten Tuberkulinprobe die übliche Dosis von 0,5 g 
Tuberkulin benutzt wird und die 2. Probe 8— 14 Tage nach der 
ersten folgte, 65— 70 o/o wieder reagieren. Liegen dagegen 3 Wochen 
dazwischen, so zeigen nur ca. 50 o/o wiederum eine positive Reaktion. 
Der auffallend kleine Prozentsatz der nach 3 Wochen erneut reagieren¬ 
den Tiere ist vielleicht darauf zurückzuführen, dass nach 3 Wochen 
die Antikörperbildung auf dem Höhepunkt steht. Die Angewöhnung 
kann selbst ein Jahr und darüber noch nachweisbar sein. Das Aus¬ 
bleiben der thermischen Reaktion bei tuberkulösen Rindern wird 
vor allem durch die bei den beiden Proben benutzten Dosen beein¬ 
flusst. Steigern wir die Dosis bei der Wiederholung auf 1 g und 
selbst 2 g unverdünntes Tuberkulin, so können wir erreichen, dass 
alle Tiere wieder reagieren, vorausgesetzt, dass sie nur einmal und 
nicht mit noch grösseren Dosen vorgespritzt worden sind. Wie weit 
durch systematisches Vorspritzen die Angewöhnung an das Tuber¬ 
kulin noch weiter gesteigert werden kann, bedarf noch weiterer Unter¬ 
suchungen. — Von der einschlägigen Literatur möchte ich noch die 
Ergebnisse Hauptmanns erwähnen, der die übliche Dosis von 
0,5 g Tuberkulin injizierte, die wiederholten Einspritzungen in Zeit¬ 
abschnitten von 2 bis 11 Monaten folgen liess und fand, dass auf 
die 2. Injektion 72o/o, auf die 3. 30o/o, auf die 4. 19o/o, auf die 
5. 12o/o, auf die 6. 2o/o, auf die 7. und 8. Oo/o der tuberkulösen Tiere 
reagierten. 

In der Angewöhnung an das Tuberkulin haben wir eine Quelle 
von Fehlresultaten der thermischen Tuberkulinprobe kennen 


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. Google 


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442 


M. Elimmer. 


[12 


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gelernt. Weiter wissen wir, dass auch Tiere mit sehr ausgebreiteter 
und vorgeschrittener oder sehr alter abgekapselter (abgeheilter) 
Tuberkulose vielfach nicht inelir thermisch auf die übliche Tuber¬ 
kulindosis reagieren. 

Ob auch andererseits tuberkulosefreie Tiere einmal auf Tuber¬ 
kulin reagieren können, wird experimentell nie einwandsfrei beant¬ 
wortet werden können, da die reagierenden scheinbar freien Rinder 
nicht vollkommen in millimeterfeine Scheibchen zerlegt und genau 
untersucht werden können. Die massgebenden Autoren halten an 
der Spezifität der Tuberkulinreaktion fest. 

Insgesamt belaufen sich die Pehlresultate der thermischen Reak¬ 
tion beim Rind auf etwa 8,5o/o. 

Die immerhin beschränkte Genauigkeit der thermischen Reaktion, 
ihre zeitraubende, mühselige und kostspielige Durchführung, die 
I^einträchtigung der Milchleistung, welche etwa 8 (3—15) o/o be¬ 
trägt und mancher andere Übelstand, die mit ihr verbunden sind, hat 
den Wunsch nach einfacheren, bequemeren und sicheren Methoden 
frühzeitig reifen lassen. In den lokalen Tuberkulinreaktionen, nament¬ 
lich der Augenprobe, haben wir im allgemeinen das erhoffte Ziel 
erreicht. 


II. Die Augenprobe (Konjunktival- bezw. Ophthalmoreaktion). 

Das tuberkulöse Rind reagiert auf Tuberkulin verhältnismässig 
sehr schwer. Um eine markante thermische Reaktion zu erzielen, 
ist, auf die Gewichtseinheit bezogen, etwa die 40 fache Dosis für 
den Menschen notwendig. Auch bei der Augenprobe tritt 
die nur schwere Reaktionsfähigkeit auf Tuber¬ 
kulin hervor. Eine einfache Übertragung der für den Menschen 
ausgearbeiteten Augenprobe auf das Rind würde zu keinem Ziele 
führen. Bei den in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Kiessig durch¬ 
geführten Untersuchungen fanden wir, dass tuberkulöse Rinder auf 
die Instillation von lo/oigen Tuberkulinlösungen keine Augenreaktion, 
von 5—lOo/oiger Lösung nur zuweilen eine sehr geringe, kaum 
wahrnehmbare Reaktion, von 20o/oiger Lösung nur in 43 o/o der 
Fälle, dagegen von 50—lOOo/oiger Lösung in fast lOOo/o der Fälle 
eine positive Reaktion gaben. Die Verwendung von konzen¬ 
triertem Tuberkulin bringt es mit sich, dass das Alttuberkulin 
Koch, in dem 50ob Glyzerin enthalten sind, welches selbst, und 
zwar natürlich nicht spezifisch, auf die Konjunktiva reizend wirkt, 
zur Augenprobe am Rind nicht zu verwenden ist. Hierzu sind viel¬ 
mehr nur Tuberkulinpräparate zu gebrauchen, welche womöglich 



Original frorri 

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13] Die Häufigkeit, Bedeutung n. spez. Diagnostik der Rindeitoberk. 443 


noch reicher an spezifischen Stoffen der Tuberkel¬ 
bazillen sind als das Alttuberkulin Koch und dabei 
wesentlich ärmer an nicht spezifisch, allgemein 
reizenden Stoffen als dieses. Solche zur Anstellung der Augen¬ 
probe am Rind geeignete Tuberkulinpräparate sind das 
Phymatini) und das Bovotuberkulol. Mit diesen beiden 
Präparaten können wir bei dem tuberkulösen Rind deutliche, mar¬ 
kante Reaktionen auslösen, während sicher tuberkulosefreie Tiere 
hierauf nicht reagieren. Von den tuberkulösen Rindern 
zeigen auf P h y m a t i n etwa 99 «/o und auf Bovotuberkulol 
etwa 9300 eine positive Reaktion. Trockentuberkulin in 
5—lOo/oiger Lösung ist-zur Augenprobe weniger geeignet; es rea¬ 
gieren hierauf nur etwa 82—83o/o. 



Augenprobe mit Phymalin nach 24 Stundon. 
Tuberkulös! Frei von Tuberkulose! 


Zu einer positiven Reaktion genügt die einfache Rötung 
der Konjunktiva nicht, sondern wir verlangen bei den Tieren ein 
s c h 1 e i m i g - e i t r i g e s Exsudat, welches 12 bis 24 Stunden 
nach Eintröpflung womöglich aussen am Backen herunterläuft, wie 
es die Abbildung erkennen lässt, oder mindestens 20 bis 24 Stunden 
anhaltenden Tränenfluss. Trotz der sehr starken Reaktion habe ich 
bei etwa 5000 ausgeführten Augenproben niemals einen bleibenden 
Schaden auftreten sehen, und ein solcher ist auch in der Literatur 
nicht verzeichnet. Die Sekretion hört in der Regel am 2. Tage auf 
und ist am 3. verschwunden. 

Eine Angewöhnung an das Tuberkulin tritt bei 
der A u g e 11 p r 0 b e nicht ein, gleichgültig ob das Tuberkulin 

0 Phymatin wird von der chemischen Fabrik Humann und Teisler, Dolma 
bei Dresden, Bovotuberkulol von Merck, Darmstadt, hergestellt. 


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444 M. Klimm«r. [14 

vorher subkutan oder in den Konjunktivalsack einverleibt worden 
ist. Also tuberkulöse Tiere, welche vorgespritzt sind und thermisch 
nicht mehr reagieren, geben noch eine positive Augenprobe. Auch 
Tiere mit sehr ausgebreiteter, vorgeschrittener oder 
abgeheilter Tuberkulose geben eine markante Oph¬ 
thalmoreaktion. Die Fehlresultate, welche die alte thermische 
Reaktion beeinträchtigen, fallen bei der Augenreaktion weg. Aber 
ein erheblicher Nachteil haftet der Augenprobe an, welcher der 
thermischen Reaktion fehlt; es ist dies der Umstand, dass die Augen¬ 
reaktion nicht wie die Fieber Steigerung zahlenmässig zum Ausdruck 
kommt und die Abgrenzung der positiven Reaktionen von den nega¬ 
tiven dem Anfänger mitunter gewisse Schwierigkeiten bereiten kann. 
Aber auch hier kann die Schwierigkeit durch Übung überwunden 
werden. 

Die Augenprobe hat gegenüber der alten thermischen Reaktion 
auch den Vorteil der Einfachheit und Bequemlichkeit; fallen doch 
hier die vielen Temperaturmessungen weg. Weiterhin wird das All¬ 
gemeinbefinden der Tiere und ihre Leistungsfähigkeit auch am 
Prüfungstag nicht beeinträchtigt. 

Wie ich bereits erwälint habe, reagieren auf konzentriertes 
Phymatin etwa 100o/o der tuberkulösen Rinder; konzentriertes 
Phyniatin ist also zur Erkennung ausschliesslich nur aktiv tuber¬ 
kulöser Tiere nicht geeignet. Nehmen wir mehr und mehr 
verdünnte Tuberkulinpräparate zur Augenprobe, so sehen wir, dass 
mit dem Fortschreiten der Verdünnung immer weniger tuberkulöse 
Rinder reagieren. Gewisse tuberkulöse Rinder reagieren z. B. noch 
auf 20o/oige Tuberkulinlösung, andere nicht. Vergleichen wir nun 
einmal mit dem Ausfall der Augenprobe die Ergebnisse bei der 
Fleischbeschau, so finden wir unter den reagierenden Tieren unter 
anderen auch mitunter Tiere mit so geringfügigen tuberkulösen Pro¬ 
zessen, dass sie bei der Fleischbeschau überhaupt nicht entdeckt 
wurden, oder Tiere mit nur abgekapselten, verkalkten, also abge- 
heilteu Herden, also Tiere, bei denen wir von aktiver Tuberkulose 
sicherlich nicht reden können. Andererseits zeigen Tiere mit mittleren 
als auch ziemhch schweren und ausgebreiteten tuberkulösen Pro¬ 
zessen, bei denen wir entschieden von einer aktiven Tuberkulose 
reden müssen, zuweilen keine Reaktion auf derart verdünnte Tuber¬ 
kulinpräparate. Nach meinen bisherigen Erfahrungen am Rind ist 
die Augenprobe zum Herausfinden der aktiven Tuberkulose nicht 
geeignet. Auf hinlänglich konzentrierte Tuberkulinpräparate reagieren 
alle tuberkulösen Tiere und nicht nur die aktiv tuberkulösen; bei 
der Verwendung verdünnter Lösungen treten zwar nur 



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15] Die Häufigkeit, Bedeutung u. epez. Diagnostik der Rindertuberk. 445 


zuweilen Reaktionen auf, die aber nicht auf Rechnung 
der Aktivität der Tuberkulose, sondern der nicht näher 
bekannten Individualität der Tiere zu setzen sind. 

Bei vorliegender Tuberkulose geben nach eigenen Beobachtungen 
Rinder und Pferde und nach Angaben der Literatur auch 
Hunde eine deutliche Augenreaktion, dahingegen bleibt 
sie nach meinen Erfahrungen aus oder ist nur sehr undeutlich und 
diagnostisch nicht zu verwenden bei den Meer¬ 
schweinchen, Kaninchen, Hühnern und Truthühnern. 

Von den weiteren Lokalreaktionen ist die K u t a n - und Dermo- 
reaktion für das Rind, Meerschweinchen und Hausgeflügel nicht 
geeignet. Es reagierte kaum ein Drittel aller tuberkulösen Rinder 
auf diese Proben, die auch zur Ermittlung aktiver Tuberkulose nicht 
zu dienen vermögen. Besser sind die Erfolge be; der Intrakutan- 
leaktion. 

III. Die Intrakutanreaktion. 

Bei der Intrakutanreaktion am Rind wird 0,1 ccm eines ge¬ 
eigneten 50o/oigen Tuberkulinpräparates, z. B. Phymatin, an der 
Schwanzfalte oder rasierten und mit Alkohol abgeriebenen Halsseite 
in die Haut eingespritzt. Es ist scharf darauf zu achten, dass das 
Tuberkulin auch wirklich in die Haut eingespritzt wird und nicht 
einerseits durch die Epidermis nach aussen oder andererseits in 
die Subkutis gelangt. Ist die Injektion gut gelungen, dann bleibt 
eine erbsengrosse Blase zurück, die allmählich resorbiert wird. Bei 
den tuberkulösen Rindern tritt nach 1—3 Tagen eine Schwellung 
der Haut auf. Oft kommt es an der Injektionsstelle zur Borken¬ 
bildung. Schwellungen von mindestens 0,4 ccm sind als positive 
Reaktionen aufzufassen. Da bei den tuberkulosefreien Rindern Schwel¬ 
lungen nicht immer ausbleiben, ist die diagnostische Bewertung 
dieser Reaktion mitunter recht schwierig. 

Auch beim Schwein ist diese Reaktion empfohlen worden; 
hier wird die Injektion am Grunde der Ohrmuschel vorgenommen. 
Die Zahl der Fehlresultate beträgt nach eigenen in Gemein¬ 
schaft mit Herrn Dr. Assmann durchgeführten Untersuchungen 
als auch nach den Angaben in der Literatur bei tuberkulösen 
Rindern etwa 20—30o/o ; bei 16 bisher untersuchten tuber¬ 
kulösen Schweinen 5o/o. 

Nach meinen Erfahrungen am Meerschweinchen, die sich 
u. a. auch mit jenen meines früheren Mitarbeiters Herrn Dr. Brenner 
decken, ist die intrakutane Reaktion ein sehr sicheres 
diagnostisches Hilfsmittel, um am lebenden Meer- 


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44f) M. Elimmer. [16 

schwdiiclieii, welches die übrigen Lokalreaktioneii nicht gibt, Tuber¬ 
kulose festzustellen. 


Wenn wir auch heute an der SpezifitätderTuberkulin- 
reaktion nicht melir zweifeln, so habe ich dennoch in dieser 
Richtung einige Kontrollversuche mit Herrn Dr. Assmann durch¬ 
geführt. Zu diesen Versuchen benützten wir eine Flüssigkeit, die 
wir durch entsprechendes Eindampfen etc. einer Glyzerinbouüloii, 
wie wir sie zur Kultivierung der Tuberkelbazillen bei Tuberkulin 
bezw. Phymatinherstellung benutzen, gewonnen haben. Mit dieser 
eingedampften Bouillon, welche also einem Tuberkulin minus der 
spezifischen Stoffwechsel- und Extraktstoffen der Tuberkelbazilleii 
entspricht, war es uns nicht nur an den tuberkulosefreien, sondern 
auch den tuberkulösen Rindern nicht möglich, eine thermische oder 
lokale Reaktion hervorzurufen. Es sind also zur Auslösung der 
„Tuberkulinreaktionen“ die spezifischen Stoffe des Tuberkelbazillus 
notwendig. Im Anschluss daran prüften wir die verschiedenen 
Typen der Tuberkelbazillen (Menschen-, Rinder-, 
Vogel- und meinen avirulenten Tuberkelbazillus), 
ferner die Kaltblütertuberkelbazillen (Fisch- und 
B1 i n dsch 1 ei chn t u ber ke 1 baz i 11 u s) und einige säure¬ 
feste Saprophyten (Gras-, Pseudoperlsucht-, Butter- 
bazillus, Tobler II und Korn) darauf, ob sie zur Aus¬ 
lösung einer Augenreaktion am tuberkulösen Rind hinlängliche 
Mengen der betreffenden spezifischen Stoffe bildeten. Wir fanden, 
dass die Menschen- und Rinder tuberkelbazilleii die 
spezifischen Stoffe am kräftigsten bilden und zwischen 
diesen beiden Typen konstante Unterschiede nicht bestehen. 
Den Menschen- und Rindertuberkelbazillen stehen von den unter¬ 
suchten Stämmen meine avirulenten Tuberkelbazilleii am 
nächste'n. Die Bildung der spezifischen Stoffe ist bei diesen 
Bazillen nur wenig schwächer, aber immer noch kräftig genug, um 
eine deutliche Augonreaktion beim tuberkulösen Rind auszulöseii. In 
etwas grösserem Abstand folgen die Vogeltuberkelbazillen. 
Das Vogeltuberkulinpräparat löst zumeist nur derart schwache Reak¬ 
tionen aus, dass sie diagnostisch nicht mehr gut verwendet werden 
können. Endlich die mit Hilfe der Kaltblütertuberkel¬ 
bazillen und der säurefesten Saprophyten ge¬ 
wonnenen Präparate vermochten eine Augenreaktion 
(d. h. schleimig-eitriges Exsudat oder nach 18—24 Stunden noch 
vorhandenen Tränenfluss) beim tuberkulösen Rind nicht auszu- 



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17] Die Hftufigkeit, Bedeutung u. epez. Diagnostik der Rindertuberk. 447 


lösen. Es besteht also auch hier wie bei der Alkalifestigkeit und 
der Eeaktionsveränderung in flüssigen Nährböden ein bemerkens¬ 
werter Unterschied zwischen den Menschen-, Rinder-, 
avirulenten und Vogeltuberkelbazillen einerseits 
und den Kaltblütertuberkelbazillen und säurefesten 
Saprophyten andererseits. 


IV. Serodiagnostische Untersuchungsmethoden. 

Unsere Untersuchungen über die spezifische Diagnostik am Rind 
dehnten wir schliesslich auch auf die serodiagnostischen 
Untersuchungsmethoden aus. Leider war es aber nicht mög¬ 
lich, mit der Agglutination und Präzipitation (welche sich 
bei der Rotzkrankheit der Pferde als ein ganz vorzügliches dia¬ 
gnostisches Hilfsmittel bewährt haben) brauchbare Ergebnisse zu 
erhalten. Die betreffenden Rinder waren natürlich einer spezifischen 
Behandlung nicht unterworfen worden. Des weiteren prüften wir 
die Komplementbindung. Diese gibt ebenfalls bei der Rotz¬ 
krankheit gute brauchbare Ergebnisse. Die Rindersera untersuchten 
wir im Komplementbindungsversuch einmal nach der Wasser- 
mannsehen Versuchsanordnung mit fallenden Mengen Antigen 
(Tuberkulin), sodann auch bei konstantem Antigengehalt mit fallenden 
Mengen Komplement (Meerschweinchenserum). Mit der zuletzt er¬ 
wähnten Versuchsanordnung erhielten wir etwas markantere Aus¬ 
schläge. Beträchtlich waren die Erfolge aber auch hier nicht. Nach 
unseren Erfahrungen treten keine bezw. geringfügige Hemmungen 
der Hämolyse bei tuberkulosefreien als auch sehr häufig bei tuber¬ 
kulösen Rindern auf. Stärkere Hemmungen wurden bisher 
nur bei besonders starker Tuberkulose beobachtet. Hiernach ist die 
Komplementbindung zur Ermittelung sämtlicher Fälle von statt¬ 
gefundener tuberkulöser Infektion des Rindes nicht zu gebrauchen. 
Vielleicht gelingt es aber mit diesem serodiagnostischen Verfahren 
Rinder mit fortgeschrittener Tuberkulose zu diagnostizieren. Durch 
weitere Versuche ist diese Frage noch zu klären. 

Endlich prüften wir die Calmettesche Kobragift¬ 
methode auf ihre diagnostische Verwendbarkeit nach. 

C a 1 m € 11 e gibt an, dass im inaktivierten (V 2 Stunde auf 56® erhitzten) 
Serum tuberkulöser Menschen und Tiere eine Substanz, in welcher er das 
Lezithin vermutet, sich befände, welche das Kopragift zur Aktivierung bringt 
und dadurch eine Auflösung von roten Blutkörperchen, eine Hämolyse, ver¬ 
ursache. Diese *Kopragift aktivierende Substanz fehle aber im erhitzten Serum 
von tuberkulosefreien Individuen. Die aktivierende Eigenschaft verschwand aber 
Boitrige zur Klinik der Tnberknlose. Bd. XIX. H. 3. 29 


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448 


M. Klimmer. 


[18 


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auch im erhitzten Serum tuberkulöser Tiere dann, wenn das betreffende Tier 
infolge einer Tuberkulininjektion fieberte. Nach dem Verschwinden des Fiebers 
trat die Aktivierung des Serums wieder ein. 

Calmette gibt weiter an, dass der Nachweis Kopragift aktivierendea- 
Stoffe im inaktivierten Blutserum von Rindern ein vorzügliches diagnostisches 
Hilfsmittel zur Erkennung der Tuberkulose sei. 

Das Calmette sehe Verfahren ist zunächst einmal von Neu¬ 
bauer und Seiffert am Eind nachgeprüft worden; sie fanden, 
dass tuberkulosefreie Einder etwa zur Hälfte (54o/o) ebenfalls positiv 
reagierten und tuberkulöse Einder mitunter (in 14o/o) keine Heaktion 
gaben. Die Ergebnisse unserer Nachprüfungen fielen nicht viel besser 
aus; von tuberkulosefreien Eindern reagierten 38 o/o und 62 o/o' nicht 
und von den tuberkulösen 58 o/o und 42o/ö nicht. Es hat sich also die 
Hoffnung, in der Calmetteschen Methode ein brauch¬ 
bares serodiagnostisches Verfahren zu erhalten, 
nichterfüllt. 

Zusammenfassung. 

1. Die Tuberkulose hat unter den einheimischen Eindern eine 
sehr grosse Verbreitung erlangt. Nach der Fleischbeschau¬ 
statistik sind in Deutschland 21 o/o, im Königreich Sachsen 
40 o/o der erwachsenen Einder tuberkulös. Noch höher stellt 
sich die Verseuchungsziffer, wenn man die Ergebnisse der 
Tuberkulinproben zugrunde legt. Nach diesen sind im Mittel 
etwa 80 o/o der erwachsenen Einder und 40 o/o der Kälber 
mit tuberkulösen Prozessen behaftet. Die Ausbreitung der 
Eindertuberkulose ist noch in der Zunahme begriffen. 

2. Die Schäden, welche die Eindertuberkulose alljährlich ver¬ 
ursacht, sind recht beträchtlich und grösser als die aller 
anderen Tierseuchen. Schon bei der Fleischbeschau werden 
durch die Beschlagnahme wegen Eindertuberkulose Verluste 
von jährlich 20 Millionen Mark in Deutschland bedingt. 
Hierzu kommen noch die Einbussen infolge schlechterer Putter¬ 
verwertung durch die tuberkulösen Tiere, die Verminderung 
der Nutzungsleistung dieser Tiere und die Übertragung der 
Tuberkulose auf die Schweinebestände. Nicht zuletzt ist auch 
auf die Gefahren der Tuberkuloseübertragung vom Rind auf 
den Menschen hinzuweisen. Die Eindertuberkulose kann auf 
den Menschen übertragen werden. In dieser Eichtung kommt 
vor allem die Milch eutertuberkulöser Kühe in Frage. Die 
Grösse der Gefahr einer Tuberkuloseübertragung durch Milch¬ 
genuss vermögen wir zurzeit noch nicht zu ermessen. 



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19] 


Die Häufigkeit, Bedeutung u. spez. Diagnostik der Riudertuberk. 449 


3. Zur Feststellung der Tuberkulose am lebenden Rind bedient 
man sich der thermischen, Konjunktival- oder intrakutanen 
Reaktion. Die Kutan- und Dermoreaktion ist am Rind nicht 
zu gebrauchen. Die Zahlen der Fehlresultate betragen, soweit 
tuberkulöse Tiere in Frage kommen, bei der Augenprobe 1 
(Phymatin) — 7 o/o (Bovotuberkulol), bei der thermischen 
8 , 50/0 und bei der intrakutanen Reaktion 25—30 0 / 0 . 

4. Auf eine subkutane Einspritzung von Tuberkulin tritt sehr 
leicht eine Angewöhnung der Rinder gegenüber ebenfalls 
subkutan eingespritztem Tuberkulin ein. Hierauf beruht das 
häufige Versagen der thermischen Tuberkulinprobe bei „vor¬ 
gespritzten“ tuberkulösen Rindern. Dagegen macht sich eine 
Angewöhnung an Tuberkulinpräparate bei der Augenprobe 
auch nach vorausgegangener Eintröpflung von Tuberkulin 
in den Augenbindehautsack nicht störend bemerkbar. 

5. Tuberkulinschäden sind bisher beim Rind weder bei der 
thermischen noch der Augenprobe beobachtet worden. 

6. Die Konjunktivalreaktion ist zur Erkennung der Aktivität 
der Tuberkulose nicht geeignet. 

7. Die thermische Tuberkulinreaktion gibt bei Rindern, Pferden, 
Schafen, Ziegen, Schweinen, Hunden, Kaninchen und Meer¬ 
schweinchen diagnostisch brauchbare Ergebnisse, versagt aber 
bei den Hühnern und Truthühnern. 

8. Die Konjunktivalreaktion ist selir brauchbar bei Rindern, 
Pferden und Hunden, nicht aber bei Meerschweinchen, Ka¬ 
ninchen, Hühnern und Truthühnern. 

9. Die Intrakutanreaktion ist brauchbar beim Rind und vor 
allem beim Meerschweinchen. 

10. Die Agglutination, Präzipitation, die C a 1 m e 11 e sehe Kobra¬ 
giftreaktion und die Komplementbindung ist zur Erkennung 
der Tuberkulose beim Rind im allgemeinen nicht zu ge¬ 
brauchen; wahrscheinlich ist jedoch die Komplementbindung 
bei der Ermittlung von Rindern mit ausgebreiteter Tuber¬ 
kulose mit Nutzen zu verwenden. 


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Ans dem Krankenhause Oeresund der Stadt Kopenhagen. 


Untersuchungen über Pneumothoraxluft. 

Von 

Dr. Fr. Tohiesen, Chefarzt. 


Die Ausströmung von Luft in die Pleurahöhle als Nebenerscheinung 
bei der Lungentuberkulose wurde zuerst im Jahre 1805 von Itard 
beschrieben und Pneumothorax genannt. 18 Jahre später analysierte 
J. Davy zum ersten Male die Pneumothoraxluft bei einem Kranken 
und machte weiter eine Reihe Versuche £in Tieren, welchen er Luft 
in die Pleurahöhle einblies und nach einer gewissen Zeit die Luft auf 
ihrer Zusammensetzung untersuchte. Bei seinen Untersuchungen 
konnte er nachweisen, dass die in die Pleura des Menschen aus¬ 
getretene Luft seine Zusammensetzung änderte, indem der Sauer¬ 
stoff absorbiert und Kohlensäure ausgeschieden wurde. Bei seinen 
Tierversuchen machte er die gleiche Erfahrung und konstatierte 
ferner, dass auch Wasserstoff schnell absorbiert wurde. 

Die Untersuchungen von Davy sind später von anderen 
Forschem nachgemacht, welche die Ergebnisse bestätigt haben. 

Demarquay und Leconte haben darauf aufmerksam ge¬ 
macht, dass die Untersuchung der ausgetretenen Luft darüber Auf¬ 
schlüsse geben kann, inwieweit die Perforationsöffnung in der Lunge 
offen ist oder wieder verklebt, indem die Luft im ersten Falle 
reichlich Sauerstoff enthält, während sie im zweiten sauerstoffarm 
und kohlensäurereich ist. Ewald bestätigt diese Angabe und gibt 
an, dass ein Gehalt von mehr als lOo/o Kohlensäure dafür spricht, 
dass die Höhle ganz abgeschlossen ist, 5—lOo/o Kohlensäure deuten 
auf einen inkompleten Verschluss, während ein noch niedrigerer 
Kohlensäureprozent eine offene Verbindung zwischen Lunge und 
Pleura angibt. Die Änderung in der Zusammensetzung der Luft 
ist nach Ewald schon nach 24 Stunden hergestellt 


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452 


Fr. Tobiesen. 


[2 


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Stickstoff wird nach Demarquay und Leconte langsam 
von den Pleurawänden absorbiert und dieses sowohl als der Nach¬ 
weis der schnellen Absorption des Sauerstoffs hat praktische Wichtig- 
keit erlangt, als man vor einigen Jahren anfing, die Lungentuber¬ 
kulose mit Lungenkollaps zu behandeln. 



Da Stickstoff langsamer als Sauerstoff absorbiert wird, kann 
man durch Einblasung von Stickstoff statt atmosphärischer Luft 
eine geringere Absorption erzielen und deshalb mit selteneren Ein¬ 
blasungen durchkommen; es scheint auch, als ob man jetzt fast 
überall Stickstoff bei der Kollapstherapie benutzt. 

Diese Behandlung bietet nun Gelegenheit an Menschen zu unter¬ 
suchen, wie die eingeblasene Luft sich verändert und da die nach¬ 
stehenden Versuche und Untersuchungen an Kranken mit spon¬ 
tanem Pneumothorax vermeintlich mit einwandsfreier Technik aus¬ 
geführt sind, dürfen sie vielleicht etwas Interesse darbieten. 


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3] 


Untersachangen über Paeamothoraxloft. 


453 


Wie aus der Zeichnung ersichtlich, sind die beiden Rezipienten 
vor dem Versuche mit Quecksilber gefüllt und durch die Schwanz¬ 
bohr ud gen wird der ganze Apparat ebenfalls bis Marke x mit Queck¬ 
silber gefüllt; hierauf werden die beiden Schlangen durch Klemm¬ 
hähne gesperrt 1) (nur die eine Schlange ist auf der Zeichnung ge¬ 
zeigt). Man punktiert nun die Pleurahöhle, während die an den 
Troikart luftdicht schliessende Schlange durch den Klemmhahn I 
verschlossen ist, befestigt das freie Ende der Schlange auf dem hori¬ 
zontalen Rohre und öffnet den Hahn I, indem man den Patienten 
bittet, mit geschlossener Glottis zu pressen. Mittelst der Spritze saugt 
man soviel Luft aus der Pleurahöhle heraus, dass man sicher ist, 
alle atmosphärische Luft aus Schlangen und Rohre entfernt zu 
habeu. Klemmhahn II wird nun geschlossen und demnach die zentrale 
Hahnbolirung hervorgedreht, indem man den Kranken auffordert 
mit geschlossener Glottis wieder stark auszuatmen; hierbei werden 
die beiden Rezipienten mit Pleuraluft gefüllt. 


Spontaner Pneumothorax. 



Tage nach 
Entstehung des 
Pneumothorax 

7o 

Druck 

in 

der Pleurahöhle 

Bemerkung 

1 0. 1 

CO 2 

N 

I. 

80 


11,17 

88,83 j 

1 — — 

II. ^ 

1. 

2. 

8. 

4. 

11 

3,69 

6,61 1 

89.70 

! _ 

— 

14 

i 

4.21 

4.22 j 

6,42 ' 
6,49 ^ 

89,37 

89,29 

- 

Aspiration von 
1200 ccm 

21 

15,52 

14,79 

4,33 1 
5,32 j 

80,15 

79,89 

, Atmosph.-Druck 

Aspiration von 
1500 ccm 

28 

15,42 

16,53 

4,48 

4,06 

80.10 

79,41 

j Atmosph.-Druck 

— 

III. 

12 

0,09 

11,33 

88,58 

1 

1 

— 

IV. 

7 

24 

0,75 

0,04 

9,64 

! 10,58 

! 1 

89,61 

89,38 

Atmosph.-Druckj 

— 

V. 


2,45 

8.29 

89,26 

+10 cm Wasser 

— 

VI. 

V* ! 

5 ' 

4,95 

5,59 

7,90 

8,75 

87,15 

85,66 

j-f- 5 cm Wasser 
|-T- 6 cm Wasser 

— 

VII. j 

i 

28 1 
38 . 

3,92 

4,22 

7,40 

6,85 

88,68 

88,73 

Atmosph.-Druck 
2 cm Wasser 

— 


1) Die Einstellang des Quecksilbers bei x wird durch noch einen Klemm' 
hahn auf der einen Schlange bequem bewerkstelligt. 


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454 


IiV. Tobieaen. 


[4 


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Künstlicher Pneumothorax. 
A. Atmosphärische Luft 



! Gesamte ein- 
1 geblasene Luft- 
1 menge in ccm 

Tage 

nach letzter 
Einblasung 

Letzte 
Einblasung 
in ccm 

®/0 

0. 

CO, 

N 

VTIT f 

i 2850 

8 

1000 

2,48 

6,82 

91,20 

VIII. { 2. 

4650 

7 

800 

2,86 

.6,52 

90,62 

IX. 1. 1 

2450 

6 

800 

0,95 

7,04 

92,01 

X 11. 

' 2600 

6 

500 1 

0,71 

8,32 1 

90,97 

12. 

i 4300 

14 

600 : 

0,69 

9,31 

90,00 


B. Stickstoff*). 



Gesamte ein¬ 
geblasene Luft- 
menge in ccm 

Tage 

nach letzter 
Einblasung 

Letzte 
Einblasung 
in ccm 

®/o 

0, 

COa 

N 

YI / 

4200 

7 

300 

0,09 

10,26 

89,65 

XI. ( 2 

4500 

9 

300 

0,05 

10,12 

89,83 


? 

14 

700 

2,67 

7,15 

90,18 

{ 2. 1 

i ’ 

14 

1 

500 

2,82 

6,98 

90.20 

Yiir / h 1 

1260 

3 

! 320 

1,96 

7,14 

90,90 

XIII.; 2. 

2060 

^ i 

1 400 

1,66 

1 

7,39 

90,95 


Alle Verbindungen zwischen Schlangen, Eöhren und Troikart 
sind durch stramme Ligaturen gesichert. Die gefundenen Werte 
sind Durchschnittszahlen von Doppelbestimmungen, die ganz unerheb¬ 
lich verschieden waren, nur bei Fall II sind alle Bestimmungen an¬ 
gegeben. 

Der erste der untersuchten Kranken wurde — bisher scheinbar 
ganz gesund — von Pneumothorax befallen. Es bestand anfangs hohes 
Fieber und entwickelte sich ein grosses, etwas getrübtes Exsudat, 
welches massenhaft Tuberkelbazillen enthielt. Das klinische Bild war 
das eines geschlossenen Pneumothorax und diese Annahme wurde 
durch die Gasanalyse, welche die von Ewald für geschlossenen 
Pneumothorax angegebenen Werte ergab, bestätigt. Der Verlauf 
hat gezeigt, dass diese Annahme richtig war, denn die Luft ist 
in der Folge gänzlich verschwunden. 

Fall ni war ein 26 jähriger Mann, welcher in das Kranken¬ 
haus mit Lungentuberkulose und Seropneumothorax eingeliefert 

1) Der eingeblasoDe Stickstoff hatte folgende Zusammensetzong: 0| 4,81 
CO, 0,62, N 95,07 ®/o. 



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5] 


Untersuchangen über Pneumothoraxluft. 


455 


wurde. Die klinische Untersuchung sprach nicht gegen die durch 
die Gasanalyse vermittelte Annahme, dass der Pneumothorax ge¬ 
schlossen wäre. 

Ebenso schön haben sich die Angaben Ewalds bei Fall II 
bewährt. Dieser betrifft einen jungen Mann, der einige Tage, nach¬ 
dem er eine Erkältung“ durchgemacht hatte, bei seiner Arbeit kurz¬ 
atmig wurde und etwas Seitenstechen spürte. Bei der Aufnahme 
bestand links ein grosser Pneumothorax mit Erweiterung der Thorax¬ 
hälfte und bedeutender Verschiebung des Herzens und der Milz. 
Er fühlte sich sonst ganz wohl, war nicht kurzatmig, Temperatur 
dauernd normal, kein Pleuraexsudat. Die Diagnose wurde auch 
hier auf geschlossenen Pneumothorax gestellt, wurde aber durch 
die beiden Luftanalysen (1 und 2), welche auf Ventilpneumothorax 
deuteten, nicht bestätigt. Dass es sich damals wahrscheinlich um 
einen Ventilpneumothorax handelte, zeigte sich bei der dritten und 
vierten Untersuchung, welche beide das von Ewald für offenen 
Pneumothorax angegebene Kohlensäuregehalt und eine sehr beträcht¬ 
liche Vermehrung des Sauerstoffs ergaben. Es darf angenommen 
werden, dass man bei der Aspiration die Perforationsöffnung so 
umgestaltet hat, dass sie vorübergehend offen war. Dieser Vorgang 
wäre gewiss am leichtesten bei einem ventilartigen Verschluss denk¬ 
bar, und Weil hat auf die Möglichkeit einer solchen Umwandlung 
eines Ventilpneumothorax in einen offenen hingewiesen. 

Dass die Pneumothoraxhöhle anfangs nur ausnahmsweise offen 
war, sieht man aus den beiden ersten Untersuchungen, welche 
Luft von beinahe identischer Zusammensetzung ergaben. Dass sich 
aber später eine offene Kommunikation zwischen Lunge und Pleura¬ 
höhle ausgebildet hat, zeigen die zwei letzten Untersuchungen mit 
aller Deutlichkeit, denn die Zusammensetzung der Luft ist in den 
beiden, nur wenige Minuten nacheinander ausgesaugten Proben so 
verschieden, dass es nur durch Einpressen von Luft in die Pleura¬ 
höhle erklärlich ist. Ähnliche Erfa^ungen hat, wie ich später ge¬ 
sehen habe, schon Demarquay gemacht. Er gibt an, dass die 
verschiedene Zusammensetzung mehrerer rasch nacheinander ge¬ 
nommenen Luftproben darauf deutet, dass eine offene Verbindung 
zwischen Pleurahöhle und Bronchialbaum vorhanden ist. 

Nicht ganz so gut ist die Übereinstimmung mit Ewalds An¬ 
gaben bei Pall IV, einem Pneumothorax von 7 tägiger Dauer, welcher 
klinisch mit Sicherheit als geschlossen anzusehen war, während der 
Kohlensäuregehalt der Luft nach Ewald für einen Ventilpneumo¬ 
thorax sprach. Doch muss hervorgehoben werden, dass bei der un¬ 
vollkommenen Technik, die Ewald benutzt hat, seine Zahlen etwas 


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45G Fr. TobieseD. [G 

cum grano salis betrachtet werden müssen. Dass diese Anschauung 
zutrifft, geht aus den Ergebnissen der zweiten Untersuchung hervor, 
welche Zahlen ergibt, die deutlich zeigen, dass die Höhle abge¬ 
schlossen war. 

Ein Blick auf die Tabelle genügt um zu sehen, wie verschieden 
Fall II, V, VI und VII von den übrigen sind. Dass in diesen Fällen 
ein unvollkommener Verschluss der Fistel besteht, geht aus den 
Zahlen aufs deutlichste hervor und man darf behaupten, dass das 
gasanalytische Bild des Ventilpneumothorax ein sehr charakteristi¬ 
sches ist. Bei weitem nicht so prägnant ist das klinische Bild, 
und man hatte bei keinem dieser Kranken einen ventilartigeii 
Verschluss vermutet, denn es fand sich weder die starke Dyspnoe 
noch die bedeutende Orgaüverschiebung, welche für diese Art von 
Pneumothorax angeblich eigentümlich ist. 

Die Gasanalyse hat unzweifelhaft diagnostische und dadurch 
prognostische Bedeutung gehabt, weil die Prognose für den Ventil¬ 
pneumothorax durchaus ungünstiger ist als für den geschlossenen. 
Nach Weil bildet sich der Ventilpneumothorax doch häufig in einen 
geschlossenen um, wie es z. B. mit Fall II geschehen ist; gegeii- 
wäjtig findet sich keine Luft mehr in der Pleurahöhle. 

Es geht somit aus den sieben mitgeteilten Fällen mit aller Deut¬ 
lichkeit hervor, dass eine Analyse der Pneumothoraxluft auf Kohlen¬ 
säure und Sauerstoff Ergebnisse liefert, welche uns die Art des Falles 
vollständig enthüllen, wenn die Untersuchung nur nicht innerhalb 
des ersten Tages vorgenommen wird. Es bleibt aber sehr fraglich, 
ob eine Analyse, welche nur die Kohlensäure berücksichtigt, aus¬ 
reicht, um die Art des Pneumothorax sicher zu beurteilen. 

Die Versuche bei den künstlichen Pneumothorax zeigen im 
ganzen die besprochene Veränderung der Luft: Vermehrung der 
Kohlensäure und Verminderung des Sauerstoffes, welche anfangs 
schnell von statten geht, während es doch ziemlich lange dauert, 
bis der Sauerstoff gänzlich absorbiert ist. 

Während der Gehalt an Stickstoff bei den untersuchten Per¬ 
sonen mit geschlossenen Pneumothorax beinahe immer ca. 90 c/o be¬ 
trägt, sind die Prozente von Sauerstoff und Kohlensäure ziemlich 
verschieden. 

Die Ursache, weshalb der Sauerstoffgehalt bei einigen Krankeu 
so auffallend niedrig ist, bleibt uns gänzlich unbekannt. Bei Nr. III, 
bei dem die Luft nur Spuren von Sauerstoff zeigte, bei Nr. IV und bei 
Nr. I, bei dem die Luft überhaupt keinen Sauerstoff mehr enthielt, 
aber viel länger als bei den anderen Kranken in der Pleurahöhle ge¬ 
standen hatte, fand sich ein bedeutendes Exsudat. Man dürfte viel¬ 



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71 


Untersuchungen über Pneumothoraxluft. 


457 


leicht vermuten, dass das Vorhandensein eines solchen, besonders 
wenn viele Leukozyten darin enthalten sind, die Absorption des 
Sauerstoffs befördert. Untersucht man nun die übrigen drei Kranken, 
’ welche niedrige Sauerstoffprozente haben, erweist es sich, dass 
Nr. IX unmittelbar vor der Einblasung eine Pleuritis durchgemacht 
hatte, welche stethoskopisch noch nicht ganz verschwunden war 
und Nr. XI kurz nach der Untersuchung von einer Pleuritis exsu¬ 
dativa befallen wurde, welche vielleicht schon bei der Einblasung 
bestanden hatte, ohne doch nachweisbar zu sein; bei Nr. X konnte 
man nicht feststellen, dass er je eine Pleuraerkrankung durch¬ 
gemacht hatte. 


Literatur. 


G. Davy, Transactions of the royal society. London 1823. 

Wintrich, Krankheiten der Respirationsorgane. Yirchows Handbuch der 
spez. Pathologie n. Therapie. 

Demarquay etLeconte, Comptes rendus de Tacad^mie des Sciences. Tome LY I. 
— Essay sur la pneumatologie. Paris 1860. 

Ewald, Gharit^annalen 1875. 

Hoppe-Seyler, Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. 46. 

Szupak, Gesammelte Abhandlungen ans der med. Klinik zu Dorpat. Heraus- 
gegeben von Unverricht. Berlin 1893. 

Rodet et Pourrat, Comptes rendus de la socidtd de biologie. 9 s4rie. 
Tome IV. 1892. 

W erl, Zur Lehre vom Pneumothorax. D. Arch. f. klin. Med. B. 29. 


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Aus der Basler-Heilst&tte für Brustkranke in DaroS'Dorf. (Chefarzt: 
Dr. med. E. Nienhaus.) 


Beitrag zur pathologischen Anatomie des künst¬ 
lichen Pneumothorax. 

Von 

Dr. med. E. Kistler, 

AssiBtonzarKt. 

Mit 2 lithogr. Tafeln (XIII, XIV). 


Im Anschluss an die Publikationen von Dräschei), Por- 
lanini^), Graetz^) und Warnecke^) über pathologisch-ana¬ 
tomische und mikroskopische Veränderungen der Lunge bei künst¬ 
lich angelegtem Pneumothorax möchte ich zu dem bisher kleinen zur 
Beobachtung gelangten Materiale im gleichen Sinne einen weiteren 
Fall veröffentlichen. 

Aus der Krankengeschichte zunächst sei folgendes erwähnt: 

Anamnese: St. M., 31 J., war nie ernstlich krank. Keine Heredität. 
Im September 1907 trat in New York zum ersten Male Husten auf, 4 Wochen 
später in Colorado eine Limgenblutung, sowie eine zweite im März 1909. 
Seit Juni 1909 bestand stets Auswurf. 

Status (Dr. med. E. Nienhaus): Ernährungszustand unter Mittel; 
schmaler, langer, stark vomübergebeugter Thorax. 

Perkussion: RV. Oben bis unterer Rand der III. Rippe leicht ge¬ 
dämpft. LY. Lungenschall sonor. RH. Oben bis Spina scapulae leicht ge¬ 
dämpft, infra bis Angulus ganz leicht gedämpft und infra bis unten wieder 
stärker. LH. Supra spinam ganz leicht gedämpft. 

Auskultation: RV. Supra clavicul. bis zur II. Rippe vesikobronch. 
Inspirium, bronchovesikul. Exspirium, infra bis zur IV. Rippe bronchovesik. 
Inspir. \md Exspir. Bei der III. Rippe neben dem Sternum bronch. Inspir. 
und Exspir. Von oben bis unten feine bis mittelgrossblasige halbklingende 

1) Dräsche, Wiener klin. Wochenschr. 1899. Nr. 45—46. 

* F o r 1 a n i n i, Rivist. della Publicazioni sul Pneumothorace therap. Oct 
1909. Nr. 6 und Deutsche med. Wochenschr. 1906. Nr. 40. 

8) G r a e t z, Beitr. zur Klinik der Tuberk. Bd. X. 1908. S. 249—276. 

Warnecke, Beitr. zur Klinik der Tuberk. Bd. XVI. 1910. H. 2. 


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460 


E. Kistler. 


[2 


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und klingende Rhonchi in mittlerer Zahl. RH. oben bis Angul. vesikobronchL 
Inspir. und Exspir., infra bis unten vesikobronch. Inspir., hauch. jExspir., 
von oben bis unten Rhonchi wie vorne. LV. und LH. oben bis unten vesikobronch. 
Inspir., hauch. Exspir., keine Rhonchi. 

Diagnose: Tbc. pulm. III. R. III. L. I. 

13. X. 1909: Die Röntgendurchleuchtung zeigt Zeltbildung des Zwerch¬ 
fells und diffuse Schatten rechts von oben bis Mitte der Skapula. 

26. X. 1909: Operation (Dr. Nienhaus): Anlegen des Pneumothorax 
rechts (nach Brauer). Inzision im 5. ICR. in der vorderen Axillarliniei 
Nach Schluss der N*Füllung und Schluss der Muskulatur und Haut erfolgt 
starker Hustenanfall mit konsekutivem Hautemphysem. Späterhin tritt vorüber¬ 
gehend leichte Temperalursteigerung auf. Der Verlauf der Füllungen ist fol¬ 
gender : 


c 

Z, 

Datum der 
Füllung 

A') 

N») 

p’) 

i 

1 Bemerkungen 

1 

26. X. 09 i 

1-2-4 

800 

+6 +8 


2 

28. X. 09 

-2 

600 

+ 2 +3 

Verschiebung des Herzens um 

3 

1. XI. 09 

±0 

600 

+ 5 46 

2 Querfinger nach rechts. 

1—2 X Sputum pro die. 

4 

5 

6. XI. 09 
13. XI. 09 

+2 

+3 +4 

500 

600 

+ 6 +7 
+9+10 

Kein Sputum mehr. Untere 

6 

1. XII. 09 

+3 +4 

500 

+ 114-12 

Hälfte der Lunge komprimiert. 
Temperat.: 88,5, Schüttelfröste; 

7 

5. I. 10 

±0 

600 

+ 12 

Ansk.: nichts neues; Besserg. 
Röntgologisch: Rechts 2—8 quer¬ 
fingerbreites Exsudat. 

Wenig Exsudat mehr. 

8 

15. I. 10 

+1 +2 

600 

+-13+14 

19 

12. II. 10 

+3 4 

600 

-f 19 4-20 


0 

26. III. 10 

-3 +2 

600 

+20+21 


11 

15. IV. 10 

+ 1 +2 

600 

-f-16 f 17 


12 

6. V. 10 

+2 +2.5 

850 

+ 19 4-20 

0 Sputum. 

13 

27. V. 10 

0 +1,5 

425 

-1-22-f 28 

14 

17. VI. 10 

-1 +2 

600 

+20 


15 

8. VII. 10 

+2 +4 

500 

+ 45 (!) 

Sputum 2—3 X pro die. Baz. V f. 


13. VII. Starke Hämoptoe: Kodein, Styptizin. Mo subkutan, abbinden. 
In den nächsten Tagen erfolgt etwas Besserung. 

15. VII. Temperatur 39,3. LV. oben S. clav., einige Rhonchi. 

19. VII. Herzschwäche: Kampfer subkutan, später Koffein — Kampfer. 
Infus, fol. Dig. 1^5:200. Dyspnoe nimmt zu. 

20. /21. VII. 0-Inhalationen: unter zunehmender Dyspnoe und Herzschwäche 
erfolgt 21. VII. 4,15 a. m. Exitus. 

22. VII. Konservierung der Leiche mit Wickerheimersehen Flüssigkeit. 
5. VIII. Dieselbe Prozedur wiederholt. Herausnahme der Eingeweide. Die 
Autopsie ergibt folgendes: 

Rechte Lunge: Bei der Eröffnung der Pneumothoraxhöhle entströmt Gas. 
Die unteren Lungenteile sind gut komprimiert. Von der III. Rippe nach oben 


1) A = Anfangsdruck vor der N-Insuflation. — P = Schlussdruck, und 
zwar beide gemessen in Zentimeter und Wasser. — N = Menge des eingö- 
führten Stickstoffes in ccm. 



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3] Beitrag zur pathologischen Anatomie des künstlichen Pneumothorax. 461 


ist die Lnnge fest adhärent und insgesamt zirka faustgross, von blasser gelb¬ 
lich-rötlicher Farbe und derber Konsistenz. A. S. gegen die Spitze zu be¬ 
findet sich eine hühnereigrosse Kaverne, darunter ein gut erbsengrosser Käse¬ 
herd, daneben ein kleinerer. Das Lungengewebe fühlt sich fleischig an, luft¬ 
leer. Schwimmprobe negativ. 

Linke Lunge: vollkommen frei von Verwachsungen, ist gross, eher ge¬ 
bläht, fühlt sich schwammig, ödematös an. Makroskopisch keine tub. Herde. 

Herz: schlaff, gross, sonst o. B. 

Milz: matsch, vergrössert, verminderte Konsistenz: 15:9:4,5. 

Nieren und übrige Organe: o. B. 

Zur mikroskopischen Untersuchung gelangten Schnitte: I. Aus 
der linken Lunge: 1. aus dem Ober- und 2. aus dem Unterlappen. — 
II. Aus der rechten Lunge: 1. Oberlappen: a) Spitze mit Kaverne 
und b) aus tiefer gelegenen Teilen. 2. Aus dem Mittellappen: a) aus 
den inneren und b) aus den pleural gelegenen Partien, und schliess¬ 
lich 3. aus dem ganz kleinen gut komprimierten Unterlappen. 

Alles sind Parafinschnitte, gefärbt 1. mit Hämatoxylin-Eosin, 
2. nach van Qieson, 3. auf elastische Fasern und 4. auf Tuberkel¬ 
bazillen. — 

I. Das mikroskopische Bild bietet links 

1. Im Oberlappen folgenden Befund: 

Okul. 0, Obj. 2. Färbung nach van G i e s o n. Die Pleura besteht aus 
dünnem, zartem Bindegewebe; subpleural nur ganz wenig Kohlenpigment. Die 
Alveolen imd Infundibula sind teils gebläht, teils von normaler .Grösse, teils 
leer, teils erfüllt von zelligen Massen. Die Struktur des Lungengewebes ist aber 
erhalten. An anderen Stellen ist der Prozess schon etwas älter imd weiter 
fortgeschritten, es zeigt sich sehr mangelhafte Kernfärbung, Nekrose. Der 
Alveoleninhalt (Okul. 0, Obj. 6) erweist sich als Fibringerinsel, abgestossene 
Epithelien, Lymphozyten imd wenige polinukleäre Leukozyten. Die Alveolar- 
epithelien enthalten Blutfarbstoff. (Methode mit Ferrozyankalium — Salz¬ 
säure.) 

2. Im Unterlappen: Okul. 0, Obj. 2. Färbung nach van Gieson: 
Um Bronchien und Gefässe spärliches Bindegewebe. Die Alveolen sind schmal, 
länglich, ohne Inhalt. Einzelne Endbronchiolen sind nekrotisch, andere erst 
zellig infiltriert, ohne Lumen; sie weisen Dreiteilung auf, entsprechend der 
Verzweigung eines Endbronchiolus. Dicht daneben liegt stets ein Gefäss, dessen 
Wandung von wenig Kohlenpigment durchsetzt ist. Bei stärkerer Vergrösserung 
sieht man zartes Bindegewebe in die Knötchen hineinziehen, dieselben zum 
Teil auch peripher umspinnend. Das Zentrum solcher Knötchen ist hier und 
da fibrös umgewandelt oder auch in Nekrose begriffen, während sich an der 
Peripherie Rundzelleninfiltrat vorfindet. 

Aus dem Gesagten geht hervor, dass die linke Lunge ebenfalls 
tuberkulöse Herde aufweist; jedoch zeigt die Struktur dieser Knöt¬ 
chen: Nekrose, beginnende fibröse Umwandlung und Abkapselung, 
dass der Prozess selbst wenige Tage alt und kurz ante mortem ent¬ 
standen ist. Während in den Oberlappenteilen das Fortschreiten des 


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462 


£. Kistler. 


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tuberkulösen Prozesses auf pneumonischem ,und broncho-pneumoni- 
schem Wege stattfindet, d. h. das miliare Knötöhen von einem frischen 
Hofe pneumonischer Natur umgeben ist, so geschieht das Portschreiten 
im Unterlappen auf bronchialem und peribronchialem Wege mit 
der Bildung von broncho-pneumonischen Herdchen. Im ersten Falle 
finden wir im weiteren Verlaufe eine lobuläre pneumonische 
Infiltration mit wenig bindegewebiger Umwandlung und im zweiten 
Falle die eben oben beschriebenen fibrösen ibronoho-pneumonischen 
Herdchen mit einer Umwandlung nicht im Sinne einer Broncho- 
pneumonia fibrosa, sondern mehr einer Tuberculosis peribronchialis 
nodosa, 

II. Über den mikroskopischen Befund der rechten Lunge ist 
folgendes zu sagen: 

1. Oberlappen: a) Partie aus der nächsten Nähe der kavernösen Spitze 
(vergl. Fig. 1): Okul. 0, Obj. 2. Färbung nach van Gieson. Vor allem 
fällt die dicke breite Plenra auf mit ihren mächtigen ßindegewebsbalken. 
Zwischen diesen zeigen sich auch feinere, dünnere, zartere mit spindelförmigen 
Kernen. Durch eine schmale Zone getrennt folgt eine zweite Bindegewebs- 
schicht, stark mit Kohlenpigment durchsetzt, das verwachsene viscerale Blatt 
der Pleura. Nach innen folgen einige schmale, lange Alveolen. Stellenweise 
wechseln Bindegewebszöge ab mit diffusen Rundzelleninfiltraten dergestalt, dass 
man von einem eigentlichen Lungengewebe nicht mehr sprechen kann. Das 
Bindegewebe liegt zumeist perivaskulär, peribronchial und auch um die tuber¬ 
kulösen Infiltrate. Die Lumina der Gefässe sind entweder ganz obliteriert oder 
stark eingeengt. Besser erhalten sind die Bronchien. Kurz, man findet das, 
was man über alten Kavernen zu finden gewohnt ist: Eine perivaskuläre, peri¬ 
bronchiale, eine alveoläre Bindegewebsproduktion und eine Endarteriitis ob 
literans. 

b) Aus dem unteren Teile des Oberlappens (vergl. Fig. 2): Okul. 0, 
Obj. 2. Färbung nach van Gieson: Auch hier wieder eine mit Kohlen- 
pigment durchsetzte breite Pleura. Davon zweigen feinere Bindegewebsbalken 
ins Innere ab. Dicht unter der Pleura liegt ein zirka linsengrosser Käseknoten, 
der rings umgeben ist von Bindegewebe, ebenso liegt dasselbe perivaskulär 
und peribronchial und entsendet feinere Sprossen ins Zwischengewebe. Überall 
zerstreut finden sich Rundzelleninfiltrate, die umsponnen sind von binde¬ 
gewebigen Fasern, von letzteren ziehen feine Züge ins Innere der Knötchen. 
Überall, wo Bindegewebe in vermehrtem Masse auftritt, zeigt sich auch Ab¬ 
lagerung von Kohlenpigment. Die Lymphspalten sind deutlich ausgeprägt. Das 
Epithel der Alveolen ist zum grössten Teil desquamiert. Besser komprimierte 
Alveolen sehen drüsenähnlich aus, ihr Epithel ist mehr kubisch, die Des¬ 
quamation tritt in den Hintergrund. 

Diese beiden Präparate zeigen eine vorwiegend perivaskuläre, 
peribronchiale und pleurale Bindegewebshypertrophie, aber lange noch 
nicht in dem Grade, wie weiter unten, wo der Einfluss des Druckes 
des Pneumothorax ein viel grösserer war. Hand in Hand mit der 
Bindegewebsproduktion zeigt sich eine Ablagerung von Eohlenpig- 



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5] Beitrag zur pathologischen Anatomie des künstlichen Pneumothorax. 468 


ment. Weniger intensiv ist die fibröse Umwandlung um tuberkulöse 
Herdchen. Es ist auffallend, wie selten LanghanssChe Eiesen- 
zellen und epitheloide Zellen in solchen Knötchen Vorkommen, die 
meisten sind also lymphoider Natur. Infolge der Durchspülung mit 
Wickerheim scher Konservierungsflüssigkeit sind die Gefässe leer, 
teils mit unveränderten Lumina, teils obliteriert, teils wenig be¬ 
einflusst. ' 

Die Bronchiallumina sind vielfach eingeengt und die Alveolen zu 
länglichen Spalten komprimiert, zum grössten Teil aber doch noch 
mehr oder weniger gut erhalten, an letzteren zeigt sich eine Des¬ 
quamation der Epithelien, an ersteren mehr die Tendenz einer Um¬ 
wandlung in kubisches Epithel. Schliesslich sei erwähnt, dass die 
Elastinfärbung vielfach eine Zerstörung des elastischen Gerüstes er¬ 
kennen lässt und dass die Zieh Ische Färbung auf Tuberkelbazillen 
positiv ausfällt. — 

2. Die Präparate aus dem Mittellappen bieten folgendes Bild: 

a) An dem, dem Hilus zu gelegenen Teil (vergl. Fig. 3): Okul. 0, Obj. 2. 
Färbung nach van Gieson: Die Verhältnisse der Bindegewebsproduktion 
sind hier ähnlich wie sie oben sub. 1. beschrieben sind. Die tuberkulöse Infil¬ 
tration rmd die Verkäsung liegen peribronchial und von nur mässiger Binde- 
gewebsmasse umgeben. Das Lumen der Bronchien meist wenig beeinflusst, 
das Flimmerepithel abgestossen oder nur an einzelnen Stellen noch vorhanden. 
Die Alveolen sind nur mässig komprimiert, die interstitiellen Lymphspalten 
wenig ausgeprägt 

b) An den der Pleura zu gelegenen Abschnitten (vergl. Fig. 4): Okul. 0, 
Obj. 2. Färbung nach van iGieson: Die Pleura ist ;stark verdickt, be¬ 
steht nach aussen aus dicken, kemarmen Fasern, nach innen aus dünnen, 
zarten, reich mit spindelförmigen Kernen verseh^en Bindegewebselementen. 
Dazwischen treten kleine Rundzellen auf, sowie Fibroblasten. Das peribron¬ 
chiale und perivaskuläre Gewebe besteht aus demselben Gewebe. Zahlreiche 
Sprossen ziehen in das Lungengewebe hinein. Die Lumina der Bronchien und 
Bronchioli sind sehr eng, vielfach korkzieherartig gewunden oder auch völlig 
verschlossen. Die Gefässe im Gegenteil stellenweise, wo starkes Bindegewebe 
existiert, erfüllt von Blutzellen. Auch hier wieder die Ablagerung von Kohlen¬ 
pigment, das manchmal intravaskulär liegt. Die tuberkulösen Herde sind um¬ 
sponnen von starken Bindegewebsfasern. Der Tuberkel ist lymphoid. Die 
Alveolen endlich sind zu kleinen rundlichen, drüsenähnlichen Gebilden kom¬ 
primiert, deren Epithel kubisch, ein- bis zweischichtig ist, doch zeigen pich 
auch dicht daneben gut erhaltene Alveolen mit desquamiertem Epithel. 

In diesen zwei Präparaten (2 a und 2 b) ist der Einfluss des 
Pneumothorax ein unverkennbarer. Diejenigen Teile, die dem beweg¬ 
lichen Bülus zugelegen sind, zeigen lange nicht die starke Binde- 
gewebshypertrophie wie die peripher gelegenen Abschnitte aus der¬ 
selben Höhe. Besonders deutlich tritt der Unterschied der fibrösen 
Abkapselung an den tuberkulösen Herdchen zum Vorschein, die in 

Beiträge zur Klinik der Taberknlose. Bd. XIX H. 8. 30 


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E. Kistler. 


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den zentral gelegenen Partien eine viel schwächere ist. — In dem 
dem Hilus zugelegenen Präparat ist die Kompression der Bronchien 
und Alveolen eine mässige, in dem der Pleura zugelegenen eine 
starke, dort ist der Charakter der Epithelien derselbe, hier sind sie 
kubisch; auch erscheinen hier die interstitiellen Lymphspalteu viel 
breiter wie im ersten Präparat. — Wie aus den Schnitten der linken 
Lunge und aus denen des rechten Oberlappens zu ersehen ist, wo 
der Druck des Pneumothorax nicht zur Geltung kam, besteht auch 
dort ein gewisser Grad von spontaner oder reaktiver Bindegewebs- 
produktion, dieselbe ist jedoch lange nicht so mächtig wie im rechten 
Mittellappen und eben diese Vermehrung des Bindegewebes ist sicher 
der Druckwirkung des Pneumothorax zuzusclireiben. So finden wir 
denn auch die grösste Veränderung in der Struktur des Lungengewebes 

3. im Unterlappen: Zum besseren Verständnis sei kurz vorher 
auf die normalen Verhältnisse der respirierenden Teile verwiesen. 
Nachdem sich bei den grösseren Broncliialästen Knorpel- und Drüsen- 
bestandteile allmählich verloren haben, unterscheiden sich die 
feineren Abschnitte in der Beschaffenheit des Epithels. Den kleinsten 
Bronchialästen folgen die Broncliioli j^spiratorii, diese tragen am 
Anfang auch noch ein einscliichtiges Flimmerepithel, im weiteren 
Verlaufe verlieren sich diese Epithelien, die Zellen werden kubisch 
und es tintt zwischen ihnen eine zweite Art von Epithelzellen in 
Form von vei’schieden grossen, dünnen kernlosen Platten auf: das 
„respiratorische Epithel“. Der Übergang geschieht in der Weise, 
dass an der einen Seite der Bronchiolen kubisches, an der anderen 
respiratorisches Epithel sich befindet. Indem dieses respiratorische 
Epithel immer mehr an Ausdehnung gewinnt und die Gruppen 
kubischer Zellen immer seltener werden, geht das Epithel der Bron- 
chioli in das der Alveolen über. 

Die Alveolargänge und die Alveolen besitzen dasselbe respira¬ 
torische Epithel wie die Broncliioli respiratorii. Die Wandung der 
Alveolen und Alveolargänge besteht neben der Muskulatur aus einem 
feinfaserigen Gewebe und sehr zahlreichen elastischen Fasern. — 
Ganz anders gestalten sich die Verhältnisse bei der komprimierten 
Lunge im Unterlappen: 

Okul. 0, Obj. 2. Färbung nach van G i e s o n (vergl. Fig. 5): Ein eigent¬ 
liches Luiigenge\v<‘lx‘ oxisth'rt nicht mehr. Das Präparat besteht der Haupt¬ 
sache nach aus einem dickfaserigeii, fast kernlosen Bindegewebe. Dazwischen 
finden sich gri'mlich gefärbte, kleine runde drüsenähnliche Gebilde, die teil¬ 
weise aucli korkzieherartig gewunden sind: die Überreste des Lungenparen¬ 
chyms. Die Bronchiallumina sind obliteriert, oder bis auf ganz schmale Spalten 
komprimiert und von mächtigen Bindegewx*bsinassen umgeben. Bei stärkerer 



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7] Beitrag zur pathologischen Anatomie des künstlichen Pneumothorax. 465 

Vorgrössenmg (Fig. 6): Okul. 2, Obj. 6, finden wir im Gegensatz zu den obc'n 
beschriebenen Verhältnissen, dass, je feiner die Verzweigung des luftführenden 
Systems ist, um so reichlicher die kubischen Zellen auftreten, sie sind 
am reichlichsten in den Alveolen und zwar nicht einschichtig, sondern zwei- 
und dreischichtig, ja füllen stellenweise das ganze Lumen aus. Bei starker 
Abblendung erkennt man wie hier und da die Epithelien einander gegenüber¬ 
liegenden Wandungen eine Brücke bilden: eine Epithelbrücke, und wie ent¬ 
lang dieser Brücke ganz feine Bindegewebssprossen ziehen. Dieser Prozess 
wiederholt sich einige Male und so geschieht es, dass immer kleinere Bezirke 
von Epithelzellen von ihrem Verband abgeschnürt werden, bis sich nur noch 
ein oder zwei uncharakteristisch zueinander gelagerte Epithelien von einem 
ganzen Walle von Bindegewebsfasern umsponnen sind. Im weiteren Verlaufe 
lässt sich unter öl verfolgen, wie solche Zellen nur noch schwach gefärbto 
Kerne und verschwommen gefärbtes Protoplasma aufweisen: einer Lysis au¬ 
heimfallen und schliesslich die Lücke durch Bindegewebe ersetzt wird. Hier, 
wie in allen Präparaten der komprimierten Lunge, zeigt sich eine Verbreiterung 
der Lymphspalten und eine Ablagerung von Kohlenpigment. Auffallend ist 
auch, dass in dem gut komprimierten Unterlappen sich dennoch schmale, läng¬ 
liche Alveolen vorfinden, und zwar liegen diese stets zwischen zwei Binde- 
gewebsschwielen. 

Kurz z 11 s a m ni e n g e f a s s t geht aus allen den Prä¬ 
paraten folgendes hervor: 

1. Es besteht ein direkter unverkennbarer Zusammenhang 
zwischen der Druckwirkung des Pneumothorax und einer Binde¬ 
gewebswucherung. Wenn zwar auch einerseits ein gewisser Grad 
von Bindegewebsproduktion in jeder tuberkulösen Lunge vorkommt, 
so ist andererseits die fibröse Umwandlung in der durch Pneumo¬ 
thorax komprimierten Lunge eine so enorme, wie wir sie über alten 
Kavernen nicht einmal beobachten, ausserdem sehen wir eine Ver¬ 
mehrung des Bindegewebes hauptsächlich da, wo der Pneumothorax 
völlig zui’ Wirkung kam, d. h. im rechten Unterlappen und im 
pleuralen Abschnitte des Mittellappens. 

2. Die erweiterten Lymphspalten und die vermelirte Ablagerung 
von Kohlenpigment sprechen nach Graetz^) für eine Lymphstau- 
ung, welche wie Pigger^) auseinandorsetzt, die Schnelligkeit der 
Resorption der Toxine verlangsamt und den opsoninischen Index 
erhöht, wodurch der Organismus gestärkt wird und mit Bindogewebs- 
hypertrophie reagiert ^). 

G r a e t z , Beitr. zur Klinik der Tiiberk. Bd. X. 1908. 

2) P i g g e r , zit, nach G r a e t z , 1. c. 

3) Vergleiche die Versuche von Shingu in Brauers Klinik; boi 
G r a e t z, l. c. 1908. Bd. X. 274—275. (Beitr. zur Klinik der Tuberk.) 

30* 


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E. Kistler. 


[8 


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3. Ferner findet die von Porlanini^) gemachte Beobachtung 
Bestätigung, dass die komprimierte Lunge von einer frischen Infektion 
verschont bleibt, denn auch in unserem Falle wurde in der rechten 
Lunge kein frischer Herd wie links gefunden. 

4. Hand in Hand mit der Bindegewebshypertrophie findet eine 
Umgestaltung des Epithels statt und eine Obliteration oder Verenge¬ 
rung des luftführenden Systems. Die Lumina der Bronchien und 
Bronchioli sind meist obliteriert oder zu ganz engen Spalten kom¬ 
primiert. Die Bronchioli respiratorii und Alveolen sind in kleine 
rundliche, drüsenähnliche, auch korkzieherartig gewundene Gebilde 
verwandelt. Durch die Kompression der zuführenden Wege werden 
die Alveolen ihrer Funktion beraubt, Bie atmen nicht mehr, der 
alveoläre Druck fällt weg, sie kehren in den fötalen Zustand zurück 
und ihr Epithel wird kubisch. — Ob nun diese Veränderung an den 
Epithelien auf eine funktionelle Anomalie zurückzuführen ist oder 
nach Borst^) auf äussere Verhältnisse — der in der Metaplasie der 
Epithelien nur eine histologische Akkommodation erblicken will — 
kann ich hier nicht entscheiden. 

6. Trotz der guten Kompression bleiben noch respirationsfähige 
Alveolen erhalten. Diese liegen stets zwischen zwei Bindegewebs- 
schwielen. Durch diese wird der Druck von aussen auf die Alveolen 
abgeschwächt, zudem besitzen die Alveolen ein sehr reichliches Ge¬ 
webe von elastischen Fasern, so dass sie einem gewissen Drucke 
Widerstand leisten können, ohne gleich einer Kompressionsatelektase 
anheimzufallen. 

7. In den schwielig entarteten Lungenabschnitten findet sich 
auch ein destruktiver Prozess. An einzelnen Stellen scheint es, als 
ob von einander gegenüberli^enden Wandungen der Bronchioli respir. 
resp. der Alveolen Epithelbrücken sich bilden, welche dann durch 
Bindegewebszüge abgeschnürt werden (Fig. 6). An anderen Stellen 
derselben Präparate imponieren die Bindegewebsbrücken als die ver¬ 
dickten Alveolarsepten, wodurch die Epithelien weit voneinander ge¬ 
trennt scheinen. — Sei dem wie ihm wolle, auf alle Fälle sehen wir 
in dem Endresultat, dass im ganzen Schnitte einzelne Epithehen 
abgeschnürt sind und von mächtigen Bindegewebszügen umlagert 
sind, — Was nichts anderes als ein destruktiver Prozess gedeutet 
werden muss. 

Forlanini, Deutsche med. Wochenschr. 1906. Nr. 40. 

Borst, Lehrb, der allg. path. Anat (A s c h o f f. 1909. S. 477.) 


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9] Beitrag zur pathologischen Anatomie des künstlichen Pnenmothorax. 467 

8. Sehr schwer ist zu unterscheiden, ob der destruktive Prozess 
an nur krankhaft veränderten Alveolen stattfindet, oder ob derselbe 
allgemein auf kranke und gesunde Alveolen resp. Bronchioh respir. 
anzuwenden ist. 

Zum Schlüsse komme ich der angenehmen Pflicht nach, meinem 
verehrten Chefarzte, Herrn Dr. med. E. Nienhaus, für die Über¬ 
lassung des Falles meinen besten Dank auszusprechen. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose, Bd. XIX, 


Tafel XIIL 





Schnitt aus 

der rechten cavemösen Spitze. 

a) Stark verdickte Pleura. 
h) Abgelagertes Kohlenpigrnent. 

c) Obliteriertes Gefäss. 

d) Massig starke Bindegewebszüge. 
Tuberkulöse Infiltration. 


Schnitt aus dem unteren Teile des 
rechten Oberlappens. 

a) Bindegewebsschwiele, die einen 
h) linsengrossen Käseherd umgibt. 

c) Enges Bronchiallumen. 

d) Mässig komprimierte Alveolen. 

e) Obliteriertes Gefäss. 


Schnitt aus dem zentral gelegenen 
Teil des Mittellappens. 

a) Peribronchiale tuberkulöse Infiltration. 

d) Querschnitt durch den Knorpel eines 

Bronchus. 

c) d) Peribronchiale Bindegewebswucherung. 

e) Perivaskuläre Bindegewebswucherung. 
/) Mässig komprimierte Alveolen. 


Kistler, Beitrag zur pathol. Anatomie des künstlichen Pneomothoraut. 


C«irt Kabltaaoh (A. 8tuli|a?*a\«4aB) Wl 

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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. 


Tafel XIV. 









Fig.6. 


Kistler, Beitrag zur pathol. Anatomie des künstlichen Pneumothorax. 


Schnitt aus dem pleuralen Ab¬ 
schnitte des Mittellappens. 

a) Bindegewebsschwiele, die das ganze 
Präparat durchzieht. 

d) Komprimierte drüscnähnliche Alveolen 
und Bronchioli. 

c) W enig komprimierte Alveolen zu beiden 
Seiten der Bindegewebsschwiele. 


Schnitt 

aus dem rechten Unterlappen. 

a) Stark verdickte Pleura. 
d) Bindegewebige Schwiele in der Lunge. 
c) Kohlenpigment. 
ä) Mässig komprimierte Alveolen, 
tf) Komprimierte drüsenähnlich, zum Teil 
korkzieherartig gewundene Alveolen 
resp. Bronchioli respiratorii. 

_/■) Erweiterte interstitielle Lymphspalten. 


Schnitt 

aus dem rechten Unterlappen. 

a) Bindegewebsbrücke. 

Epithelbrücke. 

c) 1 — 2 abgeschnürte Epithelzellen. 
ä) Alveolarseptum. 



Jurt KablUtoh lA. 8twd«r'» 

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Aus der Kinderabteilung der nllgemeiiien Poliklinik in Wien. 
(Vorstand: üoz. Dr. Franz Hamburger.) 


Das Kind im tuberkulösen Milieu. 

Von 

Dr. Rudolf Pollak, 

Assistenten der Abteilung. 


Ini Verlaufe von systematisch fortlaufenden Untersuchungen 
tul>erkulöser Säuglinge wurde meine Aufmerksamkeit bald auch 
auf die anderen Kinder in tuberkulösen Familien gelenkt. 

Es ist eine bekannte Tatsache, die ich nach meiner Erfahrung 
wieder bestätigen konnte, dass es bei genauer Nachforschung fast 
immer gelingt, die Infektionsquelle für den tuberkulösen Säugling 
aufzudecken. 

In solchen Fällen, wo die Infektionsquelle eruiert und als solche 
auch entweder durch die klinische Untersuchung sichergestellt wurde 
oder auf Grund der Anamnese als sicher angenommen werden konnte, 
wurden möglichst sämtliche Kinder, die mit dem betreffenden In¬ 
fektionsträger im selben Milieu lebten, zur Untersuchung heran¬ 
gezogen. . Später wurden auch Kinder von Familien, wo entweder 
ein Mitglied an sicherer Phthise leidet oder an Phthise gestorben 
ist (selbstverständlich zu einer Zeit, wo die betreffenden Kinder 
schon am Leben waren), zur Prüfung verwendet. 

Vorerst interessierte mich die Frage der Tuberkulose- 
häufigkeit bei Kindern, die in einem Milieu leben, in dem sich 
ein Infektionsträger befindet. 

Nach der durch die Obduktionsbefunde N a e g e 1 i s und durch 
die Tuberkulinprüfungen von Hamburger und Monti festgc- 
stellten allgemeinen „Durchseuchung“ erwachsener Individuen kann 

V^erh and langen d. Gescllsch. f. innere Med. u. Kinderheilk. in Wien 1910, 
Nr. 5 und Brauers Beiträge z. Klin. d. Tbc. 1911, Bil. XIX, Nr. 1. 


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470 


Rudolf Pollak. 


[2 


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man aDnehmen, dass fast jeder Mensch, der Gelegenheit 
hat, sich mit Tuberkelbazillen zu infizieren, auch 
wirklich an einer (oft nur anatomisch nachweisbaren) tube r- 
kulösen Affektion erkrankt, was durch den positiven Aus¬ 
fall der TuberkulinreakHon festgestellt werden kann. Es war also 
von vorneherein zu erwarten, dass auch alle oder doch fast alle 
Kinder im tuberkulösen Milieu, vorausgesetzt, dass nicht ihre Tuber¬ 
kulinempfindlichkeit durch vorgeschrittene Kachexie, eventuell andere 
fieberhafte Erkrankungen vollständig darniederliegt, auf Tuberkulin 
positiv reagieren. 

Es wmrden nun die betreffenden Kinder (bis zu 14 Jahren) auf 
ihr Verhalten dem Tuberkulin gegenüber geprüft und zwar zunächst 
mit Hilfe der Pirquetschen Impfung, bei negativem Verhalten 
derselben der lokalen Subkutanreaktion bis zu Dosen von 1 mg. Hatte 
ein Kind auf letztere Dosis (eventuell wiederholt) keine Stichreaktion 
aufgewdesen, so konnte es als tuberkulosefrei angesehen werden 
(Hamburger). 

Aus dem Beobachtungsmaterial wurden Kinder unter einem 
halben Jahr ausgeschieden und zwar deshalb, weil Säuglinge in den 
ersten Lebensmonaten manchmal, auch wenn sie 
von Geburt an im tuberkulösen Milieu leben, keine 
Tuberkulinreaktion zeigen; dieselbe erweist sich dann erst 
im 2. Lebenshalbjahr als positiv. 

Ob es sich in solchen Fällen um eine gewisse Immunität 
gegenüber der Tuberkulose handelt, wie eine solche bei ganz jungen 
Säuglingen auch gegenüber anderen Infektionskrankheiten ange¬ 
nommen wird, oder ob es sich etwa in solchen Fällen um das lymphoide 
Stadium Bertels handelt, oder vielleicht um eine ganz besonders 
geringe Tuberkulinempfindlichkeit, möchte ich dahin gestellt lassen. 
Dass letztere im Beginn der Tuberkulose junger Säuglinge tatsäch¬ 
lich vorkommt, beweist das gelegentliche Versagen der Kutanreak¬ 
tion (positive Stichreaktion), worüber Moro, Feer berichtet haben 
und w’as ich selbst in einem Falle (39 tägiger Säugling) konstatieren 
konnte. 

Es wurden nun 285 Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu 
14 Jahren, die sämtlich aus einem tuberkulösen Milieu stammten, 
auf ihr Verhalten dem Tuberkulin gegenüber geprüft (Tabelle I). 

Es haben also von 285 Kindern nur 6^) negativ reagiert, d. h. 

1) Ich habe in meinem seinerzeifigen Vortrag über diesen Gegenstand 
(Mitteilungen d. Gesellsch. f. innere Medizin und Kinderheilkunde in Wien, 
1910, Nr. 5) nicht 6, sondern 9 Kinder als negativ reagierend angegeben. 
Ich scheide jetzt 3 Kinder aus dem Grunde aus, weil dieselben zu einer Zeit 


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3] 


Das Kind im tuberkulGsen Milieu. 


471 


97 , 90/0 aller im Tuberkulose-Milieu lebenden Kinder erwiesen sich 
als tuberkuloseinfiziert. 


Tabelle I. 

Tuberkulose-Häufigkeit von Kindern im Tuberkulose-Milieu. 


49 Kindern im 2. Lebenshalbjahr reagierten 47 positiv, 2 negativ 

33 

»» 

„ 2. Lebensjahre 

if 

32 


27 


fl 3. „ 

■1 

27 

ff 9 ,, 

28 

j» 

4 

fl 11 

ff 

27 


21 


II 3. ,, 

ff 

21 

fl D II 

24 

ff 

6 . 

if 

23 

.1 1 

15 

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.. 7. 

ff 

14 


17 

ff 

„ 8 . 

If 

17 

,1 0 

12 

»» 

9. 

II 

12 

fl 0 

18 

>» 

„ 10 . 

II 

18 

1, 0 

7 


„ 11 . 

•1 

7 

fl 0 

16 

»» 

12 . 

If 

16 

ff 0 II 

8 

ly 

„ 18. 

• f 

8 

•f 0 

10 


„ 14. 


10 

ff 0 


Von 285 Kindern im Alter v. 6 Mon. bis 14 J. reagierten 279 positiv, 6 negativ. 

Die 6 negativ reagierenden Fälle führe ich kurz an : . 

F a 1 1 I. 21 . XII. 09. Heinrich M,, 37 Jahre alt, vor 2 Monaten an 
Lungentuberkulose gest., war ca. ÖV 2 Jahre krank. 

Kinder: 1. Marie M., 7^/2 Jahre alt, Pirquet positiv. 

2. Hans M., 5 V 2 Jahre alt, Pirquet negativ; 23. XII. 1 mg Tuber¬ 
kulin; 25. XII. keine Stichreaktion. 

3. Fritz M., 4 V 2 Jahre alt, Pirquet positiv. 

Die Mutter behauptet, dass sie während der ganzen Krankheit ihres 
Mannes die Kinder ängstlich von demselben ferne gehalten hat; allerdings 
waren die Kinder die ganzen Jahre hindurch in derselben Wohnung. 

Fall II. 16. V. 09. Leopoldine Sch., 29 Jahre alt, Juni vorigen Jahres 
Hämoptoe, seit Anfang des Jahres Abmagerung, viel Husten, Auswurf, Nacht- 
schweisse, Fieber. 

Kinder: 1 . Leopoldine Sch., 2V2 Jahre alt, Pirquet positiv. 

2. Lina Sch., 17 Monate alt, Pirquet negativ; 18. V. 1 mg Tuber¬ 
kulin; 20. V. keine Stichreaktion. 

3. Hans Sch., 5 Monate alt, Pirquet negativ (Stichreaktion wird nicht 
geprüft). 

Anmerkung: Lina Sch. hat dann im Alter von 25 Monaten (18. I. 10) 
stark positive Kutanreaktion gezeigt, ebenso’ der 13 Monate alte Hans Sch., 
der dann an Tbc. pulmon. in unserer Kinderabteilung starb. Die Mutter starb 
am 2. II. 10. 


auf die Welt kamen, wo die betreffenden Infektionsträger (welche die älteren 
Kinder infiziert haben) keine klinischen Erscheinungen mehr dargeboten hatten; 
bei denselben konnten auch nach der Untersuchung des Internisten keine 
rezenten Prozesse nachgewiesen werden. 


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472 


Rudolf Pollak. 


[4 


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Fall III. 4. XI. 09. Wenzel J., vor 1 Woche 37 Jahre alt, an Lungen¬ 
tuberkulose gest. 

Kinder: 1. Franz J., 6^/4 Jahre alt; 11. XI. Pirquet negativ; 
14. XI. Pirquet negativ; 17. XI. 1 mg Tuberkulin; 19. XI. keine 
Stichreaktion. 

3. Anna J., mit 9 Monaten gest. (28. XII. 08) an Tuberkulose (26. IX. 08 
in unserer Ambulanz positiv^e Kutanreaktion festgestellt). 

Fall IV und V. 28. V. 09. Franziska H., vor 3 Jahren Hämoptoe, 
Nachtschweisse, abendliches Fieber, viel Auswurf, seit U/o Jahren Besserung, 
weniger Auswurf; jetzt kein Fieber, keine Schweisse. 

Kinder: 1. Michael H., 13^/4 Jahre alt, Pirquet positiv. 

2. Karoline H. (Lungentuberkulose), I 2 V 4 Jahre alt, Pirquet positiv. 

3. Franz H., llVi Jahre alt, Pirquet positiv. 

4. Franziska H., 9 V 4 Jahre alt, Pirquet positiv. 

5. Margar. H., mit 17 Monaten gest. (23. XI. 02), Pneumonie? 

6 . Hedwig H., mit 2 Jahren gest. (2. VIII. 04), Meningitis-Tbc. 

7. Johann H., 4 Jahre alt, Pirquet negativ; 26. XI. 09 Pirquet 
negativ; 1. XII. 1 mg Tuberkulin; 3. XII. 0. 

8 . Helene K., 8 Monate alt, Pirquet negativ; 26. XI. 09 (mit 14 Mon.) 
Pirquet negativ; 1. XII. 1 mg Tuberkulin; 3. XII. 0. 

Fall VI: Wird weiter unten beschrieben. 

Für die Fälle mit negativer Tuberkulinreaktion fehlt jede sichere 
Erklärung. An eine angeborene Immunität gegenüber der tuber¬ 
kulösen Infektion lässt sich schwer denken, eher daran, dass die 
Betreffenden durch einen Zufall oder durch zu wenig innigen Kon¬ 
takt mit dem Infektionsträger der Infektion bisher entgangen sind 
(siehe Fall I). Möglicherw^eise handelt es sich bei einem oder dein 
anderen Fall um so geringgradige Infektion, dass es nicht zur ana¬ 
tomischen Tuberkulose gekommen ist, sondern nur zu dem Zustund, 
der von Bartel als das lymphoide Stadium der Tuberkulose be¬ 
zeichnet wurde, über dessen Dauer wir nicht im mindesten orientiert 
sind und bei dem die Tuberkulinreaktion, wie man heute annehmen 
muss, wahrscheinlich negativ ausfällt. In einem der Fälle konnte 
allerdings festgestellt werden, dass ein solcher Zustand nicht vorliegt: 

Fall VI. Der 10 Monate alte Säugling einer schwer tuberkulösen Mutter 
flh'fuiul des Internisten), l)ei dem bis 100 mg Tuberkulin mit negativ'em Ergebnis 
injiziert wurden, ging an einer lobulären Pneumonie zugrunde und zeigte bei 
der Obduktion makroskopisch keine Spur von Tub3rkulosc. Eine von Herrn 
Prof. Al brecht mit einer Emulsion aus verschiedenen Lymphdrüsen voll¬ 
führte Injektion an einem Meerschweinchen hat nach 6L'o Wochen zu voll 
ständig negativem Resultat geführt. 

Soviel über den Ausfall der Tuberkulinreaktion bei Kindern im 
tuberkulösen Milieu. 

Weiters wurden die Kinder einer klinischen Untersuchung 
(auf manifeste Tuberkulose-Symptome) unterzogen. 



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5] 


Das Kind im tuberkulösen Milieu. 


473 


ausserdem über dieselben anamnestische Daten (über eventuell 
vorausgegangene tuberkulöse Erkrankungen) ein¬ 
geholt. 

Nun ist mir im Laufe der Untersuchungen aufgefallen, dass 
in tuberkulösen Familien bald sämtliche Kinder tuber¬ 
kulöse Symptome aufweisen, zum Teil an zweifellos tuber¬ 
kulösen Erkrankungen zugrunde gehen, in anderen Familien 
ein Teil tuberkulöserkrankt, ein Teil aber voll¬ 
ständig gesund bleibt. 

Wenn man sich nun um den Infektionsträger in einer solchen 
F'amilie näher kümmert und einerseits eruiert, wann die Erkrankung 
desselben ungefähr begonnen hat (namentlich Husten und Auswurf), 
andererseits feststellt, in welchem 'Alter die betreffenden Kinder 
zu der Zeit waren, wo die Erkrankung des Infektionsvermittlers 
vermutlich eingesetzt hat, so findet man einen auffallen¬ 
den Unterschied zwischen Kindern, die zur Zeit der 
beginnenden Erkrankung des Infektionsträgers in 
den ersten Lebensjahren sich befanden und solchen, 
diezurkritischenZeitbereitsim vorgeschritteneren 
Kindesalter waren. 

Die ersteren (in den ersten Lebensjahren infizierten 
Kinder) erkranken entweder manifest resp. gehen an tuber¬ 
kulösen Affektionen zugrunde oder sie sind in ihrer Er- 
nährung wesentlich geschädigt, sind blass, mager, kurzum 
sie bieten mehr oder weniger das Bild des „tuberkulösen Habitus“, 
wie er auf dem Boden einer stattgehabten tuberkulösen Infektion 
entstehen kann i). 

Die letzteren (in höherem Kindesalter infizierten 
Kinder) haben laut Anamnese fast niemals tuberkulöse 
Symptome gezeigt, weisen solche auch bei der Untersuchung 
nicht auf, sehen gut aus und sind normal entwickelt (voraus¬ 
gesetzt, dass nicht Schäden anderer Ätiologie ihre Entwickelung 
gestört haben). 

Das Bild in einer tuberkulösen Familie, wo ein Teil der Eltern 
bei der Geburt des ersten Kindes bereits tuberkulös erkrankt war, 
sieht also ganz anders aus als jenes, wo die offene Tuberkulose des 
Infektionsträgers erst zu einer Zeit auftritt, wo schon etwa fünf¬ 
jährige oder ältere Kinder vorhanden sind. In dem ersteren 
Falle fast lauter manifest tuberkulöse Kinder, im 

Vgl. meine diesbezüglichen Ausführungen: Brauers Beiträge zur 
Klinik d. Tbc. 1911 und Mitteilungen der Gesellsch. f. Kinderheilkunde in 
Wien 1910, Nr. 5. 


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474 


Rudolf Pollak. 


[6 


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letzteren Falle erkranken die zur Zeit der beginnen¬ 
den Erkrankung des Infektionsträgers noch jungen 
(unter 4 Jahre alten) Kinder manifest, während die 
damals schon älteren (über 4 Jahre alten) Kinder ge¬ 
wöhnlich frei von manifester Tuberkulose bleiben 
und sich normal weiter entwickeln. Es sei als selbst¬ 
verständlich darauf hingewiesen, dass alle diese Kinder, ob gesund 
oder krank, mit den verschwindend wenigen oben angeführten Aus¬ 
nahmen auf Tuberkulin positiv reagierten. Einige Beispiele zur 
Illustrierung der oben angeführten Verhältnisse: 

F a 11 I. 7. VI. 1909. Karl M., 40 Jahre alt, hustet seit 10 Jahren, 
vor 3 Jahren Hänw^toe, seit 3—4 Jahren viel Auswurf, Abmagerung, Nacht- 
schweisse. 

Kinder: 1. Viktoria M., 5 Jahre alt, war immer ein schwächliches Kind, 
seit dem 2. Lebensjahr oft „Katarrhe“, mit 3 Jahren „AugenenUündung“. 

Befund: sehr blasses, ausserordentlich zartes Kind; Conjunctivitis 
ekzematosa oculi utriusque. Pirquet positiv. 

2. Anna M., mit 14 Monaten gest. (14. X. 1906) an Meningitis-Tbc. (seiner¬ 
zeit selbst beobachtet). 

3. Karl M., mit 6 Monaten gest. (6. XII. 1907) an Lungeninfiltr. (hiesige 
Ambulanz Tbc. pulmon. diagnostiziert). 

Der Vater war bereits bei Geburt des 1. Kindes tuber¬ 
kulös und infizierte alle Kinder mit dem Effekt einer 
manifesten tuberkulösen Erkrankung. Dass das erstgeborene 
Mädchen, bei dem man nach der Anamnese Grund hat, anzunehmen, dass 
es bereits im 1. Lebensjahr infiziert wurde, seine Tuberkuloseinfektion bisher 
überstanden hat, dürfte wohl damit Zusammenhängen, dass der seither progrediente 
Prozess des Vaters vor 5 Jahren noch nicht derart schwer war, dass er 
wie bei den 2 nächsten Kindern eine letale Infektion vermittelte. 

In meiner Arbeit über Säuglingstuberkulose konnte ich zeigen, dass die 
Prognose der Säuglingstuberkulose wesentlich von der Schwere der Infektion 
abhängt. 

Fall II. 23. XI. 09. Selma Sch., 35 Jahre alt; schon vor 10 Jahren 
wurde die Frau wegen Lungentuberkulose von einem Krankenverein ab- 
ee wiesen. 

Kinder: 1. Ella Sch., mit 1 Jahr an Masernpneumonie gest. (1898). 

2. Margar. Sch., 10 Jahre alt, mit 2 Jahren Skrofulöse (Conj. ekzem., 
Ekzeme, verdickte Oberlippe) durchgemacht. Jetzt ziemlich schwächliches Kind. 
Am r. Auge kleine Maculae corneae. Pulmo nichts Verdächtiges. Pirquet 
positiv. 

3. Joh. Sch., 6 Jahre alt, ist angeblich krank, „solange er auf der Welt 
ist“. Hustet angeblich seit dem 8. Lebensmonat. Seit dem Ende des 2! Lebens¬ 
jahres Spondylitis. Ebenfalls schwächliches Kind. Spondylitis der Brustwirbel¬ 
säule. Pulmo 0. Pirquet positiv. 

4. Rosa Sch., mit 22 Monaten gest. an Lungentuberkulose (Diagnose in 
einem Kinderspital). War immer sehr schwach, hat schon als Säugling viel 
gehustet. Exitus 18 Wochen nach Masern unter progredienter Kachexie. 



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7] 


Das Kind im inberknlösen Milieu. 


475 


5. Leopold Sch., 3 Jahre alt, hat ebenfalls schon im 1. Lebensjahr 
cchustet und angeblich „gerasselt“, seit dem Ende des 1. Lebensjahres schlechtes 
Gedeihen. Typischer Tbc.-Habitus, sonst keine manifesten Symptome. Pirquet 
positiv. 

6 . Max Sch., mit 7 Wochen an Darmkatarrh gest. 

Es erkranken also alle Kinder der schon vor Geburt 
des 1. Kindes tuberkulösen Mutter an manifester Tuber¬ 
kulose. (Nur beim 1. Kind kann man nach der Anamnese nichts Sicheres 
sagen imd das letzte starb schon nach 7 Wochen.) 

Fall III. 4. I. 10. Genovefa W., 40 Jahre alt, seit der Geburt des 

2. Kindes (1901) bei jeder Schwangerschaft oft Hämoptoe. Seit 1901 sehr viel 
Husten und Auswurf, oft abendliches Fieber. 

Kinder: 1. Rosa W., mit 3 Monaten gest. (1899), angeblich an Pneumonie. 

2. Katharina W., mit 6 Wochen gest. (1901) an Darmkatarrh. 

3. Rudolf W., 6 Jahre alt, war immer ein schwaches Kind, hat schon als 
Säugling viel gehustet. Hustet jetzt noch immer viel. 

Befund: Ausserordentlich zartes, blasses Kind. Lymphomata colli beider¬ 
seits. Diffuse Bronchitis. Pirquet positiv. 

4. Franziska W., mit 8 Monaten gest. (1905), war angeblich lungenkrank 
(seit dem 5. Lebensmonat Husten und Rasseln, zunehmende chronische Ab¬ 
magerung). 

5. Josef W., mit 2 Jahren an Lungentuberkulose gest. (1908), war eben¬ 
falls schon als Säugling schwach und hat gehustet. 

Die Epikrise dieses Falles ist der der vorigen ziemlich analog. 

F a 11 IV. 9. XII. 09. Michael G., vor 2 Jahren an Lungentuberkulose 
gest.; war seit der Verheiratung (vor 15 Jahren) kränklich, hat die ganzen 
Jahre hindurch viel gehustet, war immer mager und blass; Auswurf verschieden, 
zu Zeiten reichlich, dann oft monatelang gar nicht. 

Kinder: 1. Karl G., mit 9 Jahren an „Auszehrung“ gest. (1900), 3 Monate 
nach Masern. 

2. Michael G., mit 2 Jahren gest., hat angeblich dieselbe Krankheit gehabt 
wie das 1. Kind. 

3. Barbara G., 15 Jahre alt, mit 3 Jahren monatelange dauernde Augen- 
entziindung, ist seit Jahren auf dem Land, soll angeblich sehr schwach sein 
und oft husten. 

4. Rosa G., 14 Jahre alt, ist ebenfalls auf dem Land. Angeblich eben¬ 
falls schwaches Kind, das schon seit Jahren hustet. 

5. Wilhelm G., 9 Jahre alt, hat mit 2^/2 Jahren Fungus am Fuss durch¬ 
gemacht (ist im Waisenhaus). 

6 . Magdalena G., 8 Jahre alt, hat im 3. Lebensjahr eine Augenentzündung 
-durchgemacht. 

Befund: Schwächliches, blasses Kind; Macula corneae links; chronische 
Blepharitis. Rechte Spitze suspekt? Pirquet positiv. 

F a 11 V. 21. XI. 09. Franz B., am 5. XI. 09 an Luiyjentuberkulose gest., 
war angeblich nur 2 Jahre krank, hat früher nicht gehustet, nicht ausgeworfen. 

Kinder: 1. Emilie B., 11 Jahre alt, gesundes, kräftiges Kind. Keine 
Tbc. Anamnese. Pirquet positiv. 

2. Franz B., 10 Jahre alt, gesund, Pirquet positiv. 

3. Josef B., 9 Jahre alt, gesund, Pirquet positiv. 


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476 


Rudolf Pollak. 


[8 


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4. Loopoldinc B., 7 Jahre alt, gesund, Pirquet positiv. 

5. Wilhelm B., 5V'2 Jahre alt, vor 2 Jaliren Tbc. tibiae (in einem hiesigen 
Kinderspital operiert), Pirquet positiv. 

6. Adolf B., mit 2 Jahren gest. (12. V. 08) an Meningitis tuberculosa. 

7. Melanie B., mit 3 Monaten gesl. (14. VI. 08) an Meningitis tuberculosa 
(selbst beobachtet, Obduktion). 

8. Grete B., 4 Monate. Typische Bronchialdrüsentuberkulose (exspirator. 
Rasseln, typischer Drüsenhusten). Pirquet positiv. 

Epikrise: Die zur Zeit der beginnenden Erkrankung 
des Vaters 9, 8, 7 und 5 Jahre alten Kinder entwickeln 
sich ungestört weiter und zeigen keine manifesten Sym¬ 
ptome. Das damals- S^/o jährige Kind erkrankt an Karies, 
die nächsten 2 gehen an Meningitis tuberculosa zugrunde 
und das letzte, jetzt 4 Monate alte Kind, zeigt die sicheren 
Z e i c li e n einer Tuberkulose der B r o n c h i a 1 d r ü s e n und hat 
eine positive T u b e r k u 1 i n r e a k t i o n. 

Fall VI. 4. XII. 09. Rosine K^, 39 Jahre alt, war bis vor 5 Jahren 
angeblich gesund. Im Jahre 1904 erkrankte sie an einem durch Jaiiro 
dauernden Husten; in der Zeit einige Male Hämoptoe. Im Jahre 1905 hat ihr 
ein Arzt das Stillen wegen Lungenleidens untersagt. 1906 und 1907 angeblich 
gutes Befinden und wenig Husten, weniger gu(e.s voriges Jalir. Mai dieses Jahres 
Hämoptoe, seither viel Husten und Auswurf, oft abends Fieber. Januar des 
Jahres Einleitung des künstlichen Abortus auf Klinik Prof. Rosthorn. 

Kinder: 1. Rosa K., mit 3 Monaten gest. (1894) an Darmkatarrh. 

2. Franz K., 14 Jahre alt (kam nicht zur Untersuchung), seit 7 Jahren 
auf dem Land, angeblich immer gesund. 

3. Rosa K., 11 Jahre alt (war 6 Jahre alt, wie die Mutter krank wurdet 
Ausser Masern angeblich nie krank gewesen. Nicht gehustet. 

Befund: Kräftiges, gut aussehendes Kind. Pulmo 0. Pirquet positiv. 

4. Leopoldine K., 10 Jahre alt (war 5 Jahre alt, wie die Mutter erkrankte). 
Angeblich immer gesimd. 

Befund: Mässig gut genährtes, gut aussehendes Kind. Pulmo 0, sonst 
nichts Suspektes. Pirquet positiv. 

5. Max K., mit 9 Moiuiten gest. (1901) an Ihieumonie, war ca. 8 Tage 
vor dem Tode krank, früher angeblich stets gesund. 

6. Marie K., 7‘A> Jahre alt (war 2^ ^ -hihre alt, wie die Mutter erkranktet 
Hat angeblich nie gehustet, war nicht krank. 

Befund: Ziemlich gut genährtes Kind; Pulmo 0. Keine sus{>ekten. 
Zeichen. Pir<|uet positiv. 

7. Frühgeburt mit 6 Monaten. 

8. Abortus (2 Mon.). 

9. Jos<*f K., 4^ y, Jahre alt. (Während der Schwangerschaft mit diesem 
Kinde erkrankb? die Mutter.) War schon seit den ersten Lebensmonaten ein 
so schwaches Kind, dass die Mutter immer darauf gefasst war, dass das 
Kind stirbt. Hustet seit dem 1. Lebensjahr viel, in der letzten Zeit stark ab- 
gemagert. 

Befund: Sehr schwaches, blasses Kind. Links vorne oben sichere 
Kaverne. Pirquet positiv. 

10. Amia K., 3 Jahre alt, war nicht an der Brust, hat schon als Säug¬ 
ling viel gehustet, war angeblich bis zum Ende des 1. Lebensjahres sehr mager, 
seither gute Entwickelung. 


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9] 


Das Kind im taberkulösen MiJieu. 


477 


Befund; Gut entwickeltes, gut aussehendes Kind. Diffuse Bronchitis. 
Keine Zeichen von Skrofulöse. Pirquet stark positiv. 

11. Stefanie K., mit 11 Monaten ^est. (1908) 2 Monate nach Keuchhusten 
angeblich an „Lungenleiden“, starke Abmagerung. 

Epikrise: Das zur Zeit der beginnenden Erkrankung 
der Mutter 2 Vo j ä h r i g e Kind und alle älteren Kinder in¬ 
fizieren s i c li schadlos. 

Dass das jetzt 3jährige Kind in gutem Ernährungs¬ 
zustand, frei von manifesten Symptomen ist, erklärt sich 
w a li r s c h e i n 1 i c h daraus, dass die Mutter in der Zeit, wo 
das Kind in den beiden ersten Lebensjahren stand, sehr 
wenig gehustet hat (vgl. die Anamnese der Mutter), mithin e n L - 
Wi der der Infektion damals ganz entgangen ist oder nur 
so schwach infiziert wurde, dass es nicht zu schwererer 
Erkrankung gekommen ist. 

Eall VII. 17. II. 10. Josef K., vor 6 Jahren (1904) an Lungentuber¬ 
kulose gest., war angeblich nur 3 Jahre krank (seit 1901). 

Kinder: 1. Mit 14 Monaten gest. (1894) (am Land, Todesursache un¬ 
bekannt). 

2. Marie K., 15 Jahre alt, angeblich immer gesund. 

Befund; Kräftig, gut aussehend. Pulmo 0. Pirquet positiv. 

3. Mit 6 Monaten gest. (Darmkatarrh). 

4. Josef K., 12 Jahre alt, gesund, kräftig. Pulmo 0. Laut .Vnamnese keine 
tuberkulösen Symptome gezeigt. Pirquet positiv. 

5. Mit 8 Monaten gest. (1899) an Darmkatarrh. 

6. Betty K., 10 Jahre alt, mit 1 Jahr „Augenentzündung“. 

Befund: Sehr schwaclies Kind, blass. Plithisischer Habitus. Kaverne 

im linken Oberlappen. 

Fall VIII. 1. II. 10. Hermine K., 32 Jahre alt, war angeblich bis vor 
1^^ Jahren gesund; seither Husten. Januar vorigen Jahres Rippenfellentzündung, 
Frühjahr 1909 Hämoptoe, seither Husten, viel Auswurf, hier und da Nacht- 
schweisse. 

Kinder; 1. Adele K., öLA, Jahre alt, war zwar immer schwächlich, aber 
stets gesund, hustet nicht, auch niemals im letzten Jahr. 

Befund: Schwächliches, aber sonst gesundes Kind. Pulmo 0; Pirquet 
positiv. 

2. Theodor K., Jahre alt, immer gesund, kein Husten, auch nicht 

im letzten Jahre. 

Befund: Gut aussehender, gut genährter Knabe. Pulmo 0. Pirquet 
positiv. 

3. Ernst K., 3 Jahre alt, war bis vor ca. 2/4 Jahren immer gesund. Seit¬ 
her „fortwährend“ Husten und Abmagerung. 

Befund: Deutlich abgemagertes, blasses Kind mit Andeutung von Tbc.- 
Habitus. Diffuse Bronchitis. Pirquet positiv. 

4. Siegfried K., am 1. I. 10 mit 15 Monaten an Lungentuberkulose gest., 
seit dem 9. Lebensmonat gehustet und „gerasselt“. 

Die angeführten Beispiele geben ein Bild, wie ich es bei den 
allermeisten Fällen angetroffen habe. 


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478 


Rudolf Pollak. 


[10 


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Ich habe nun in jedem Falle, wo die Infektionsquelle im tuber¬ 
kulösen Milieu sichergestellt war, eine sorgfältige Anamnese in 
bezug auf die Dauer der Erkrankung der Betreffenden zu eruieren 
gesucht, mir nur verlässlich erscheinende Daten verwertet und nach 
denen dann eine Tabelle angelegt, die darlegt, in welchem Ver¬ 
hältnis der mutmassliche Zeitpunkt der Infektion 
resp. der Zeitpunkt, an welchem das betreffende 
Kind mit eben dieser Infektionsquelle zusammen¬ 
gekommen ist, zum Auftreten resp. Nichtauftreten 
von tuberkulösen Affektionen steht (Tabelle II). 

Tabelle II. 


Davon sind: 


Alter 

zur Zeit der mutmasslichen 
Infektion 

1 

Zahl 

An Tbc. t 

An Tbc. 
klinisch 
erkrankt 

Nicht 

erkrankt 

1. Lebensjahr 

207 

91 

109 

7 

2 . 

38 

3 

28 

7 

3. 

23 

4 

10 

9 

4. 

17 

0 

6 

11 

5. 

12 

0 

1 

11 

6 . 

8 

1 0 1 

0 

8 

7. 

9 

0 

0 

• 9 

8 . 

3 

0 

0 

1 3 

9. 

2 

0 

0 

2 

10 . 

4 

0 

0 

4 

11 . 

12 . 

13 

1 

0 

0 

! 1 

1 

0 

i 

0 

1 


Aus der Tabelle (II) ersieht man, dass Kinder, 
die nach dem 4. Lebensjahr sich einer Infektions¬ 
gelegenheit ausgesetzt haben, fast nie manifest 
tuberkulös erkranken. 

Tabelle III zeigt, in welchem Alter sich die überlebenden Kinder 
(aus Tabelle II) heute befinden. 

Auf die gute Prognose der Tuberkulose mit zunehmendem Alter 
der infizierten Kinder hat bereits Hamburger in seiner Mono¬ 
graphie hingewiesen. Aus dem Verhältnis der in den verschiedenen 
Altersstufen an Tuberkulose verstorbenen Kinder und der in den 
verschiedenen Altersstufen sich infizierenden Kinder (eine Zahl, die 
aus den Häufigkeitszahlen der auf Tuberkulin reagierenden Kinder 



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11 ] 


Das Kind im tuberkalüsen Milieu. 


479 


ermittelt wurde) konstruiert Hamburger eine Frognosenbeiveh- 
nung für die in den eiiizelueu Altersstufen mit Tuberkulose infizierten 
Kinder. 

Darnach wäre das Mortalitätsperzent ungefähr folgendes: 
für im 1. Lebensjahr infizierte Kinder ~ ca. 90 ® o 
,2. ,, — ca. 13 



, 3.-4. „ 

— ca. 

8 °/o 


. 5.-6. „ 

= ca. 

2% 


ö 

1 

„ = ca. 

e 

00 

M 

. 11.-14.,, 

-= ca. 

1,5 o/o 


Hamburger macht auf die Fehlerquellen dieser Berechnung 
aufmerksam, kann aber zu dem Schluss kommen, „dass die Prognose 
der Tuberkulose im Kindesalter, mit Ausnahme im 1. und auch 
noch im 2. Lebensjahre, eine relativ gute ist“. 


Tabelle III. 


Alter zur Zeit 
der 

Infektion 

Zahl 

1. 

2- 

B.| 

4. 

5. 

Jetziges Alter 
6. 7. 8. j 9. 

10. 

■| 

11. 

12. 

13. 

14. 

im 1. 

Liebensjahr 

116 

22 

37 


9 

10 

5 

6 

3 

5 

3 

2 


_ 

1 

2. 


35 


7 

8 

— 

4 

5 

1 

l 

2 

3 

— 

3 

1 

— 

3. 


19 



1 

6 

1 

3 

2 

1 

2 

2 

— 

1 


— 

4. 

*> 

17 



1 


1 

4 

4 

3 

— 

2 

1 

1 

1 

— 

5. 


12 



1 



2 

1 

.3 

1 

2 

— 

1 

— 

2 

6. 

»» 

8 







1 

2 

1 

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— 

1 

1 

2 

7. 

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9 



1 





2 

1 

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2 

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1 

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Vorerst könnte man sagen, dass die älteren Kinder zu der Zeit, 
als sie mit der betreffenden Infektionsquelle in Berührung kamen, 
weil bereits früher von anderer Seite infiziert, sich gegen die jetzige 
Infektion immun erweisen. Bekanntlich wurde in der letzten Zeit 
von Römer und Hamburger auf (Irund von Erfahrungen mit 
dem Tierexperiment, von Hamburger n anentlieh auch auf Grund 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd XL\. H. 3. 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 









Rudolf Pollak. 


[12 


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4.S<l 

klinisclior Überlegung eine Immunität gegenüber einer 
Reinfektion mit Tuberkelbazillen angenommen. 

Allerdings ist eine derartige Immunität durch früher statt¬ 
gehabte Infektion bei keinem meiner Fälle auszuschliessen. Für 
alle Fälle kann sie jedoch nicht in Betracht kommen, weil ja bei¬ 
spielsweise im 5. bis 6. Lebensjahre nach Hamburger und M on ti 
nur ca. 50o/o, im 7. bis 10. Lebensjahre nur 70o/o auf Tuberkulin 
positiv reagieren, mithin wenigstens ein Teil der in diesem 
Alter stehenden Kinder zur Zeit, wo sie mit der betreffenden In¬ 
fektionsquelle in Berührung gekommen sind, noch tuberkulose ¬ 
frei war. 

Ein zweiter Einwand,, der gemacht werden kann, wäre der, 
dass die anamnestischeu Daten nicht so verlässlich sein können, 
dass man mit Sicherheit den Zeitpunkt feststellen kann, in welchem 
der betreffende Infektionsträger anfängt, infektiös zu werden. Es 
könnte z. B. das betreffende Individuum auch früher schon als nach 
der Anamnese vermutet wird, das betreffende Kind infiziert haben. 
Das würde aber nur zu der Ansicht führen, dass Kinder gelegent¬ 
lich auch schon in jüngeren Jahren eine Tuberkulose akquirieren, 
die „latent“ bleiben kann. 

Ausserdem verfüge ich aber über Fälle, die in bezug auf das 
Einsetzen der Infektion einw^ndsfrei sind. Es sind das Fälle, 
wo in ein gesundes Milieu zu genau fixierter Zeit ein tuberkulöses 
Individuum förmlich „hineingeschneit“ ist und sich daselbst mehr 
minder lange Zeit aufgehalten hat. Das Resultat ist wieder folgendes : 
Die Kinder der ersten Lebensjahre erkranken mani¬ 
fest, die älteren infizieren sich, ohne tuberkulöse 
Symptome zu zeigen und entwickeln sich ungestört 
weiter. 

Fall I. 25. n. 10. Die Eheleute Johann und Amalia K. sind angeblich 
immer gesund gewesen; aus der Anamnese kein .Anhaltspunkt für Tbc. Vor 
4 Jahren zog zu den Leuten die lungenkranke Schwester der Frau und starb 
daselbst nach ca. 1 jährigem .Aufenthalt. 

Kinder: 1. Jo.sef K., mit 10 Monaten gest. (vor 11 Jahren) an Darm¬ 
katarrh. 

2. Johann K., 9 Jahre alt, war 5 Jahre alt, als die Tante ins 
IIau.s kam. War angeblich immer gesund, hustet nicht. 

Befund: Gut aussehender, gut genährter Knabe. (Körpergew'icht == 
28 900 g.) Pulmo 0. Färquet positiv. 

9. Friederike K., o^/o Jahre alt, war D//, Jahre alt, als die Tante 
ins Haus k a m. .Mil 2 Jahren nach .Mas(‘rn .Augenerkrankung. Ist seit dem 
2. Lebensjahr ein schwächliches Kind. 

B e f u n d: T y p i s c h e r T h c. - H a 1) i t u s. L i n k s s e i t i g e s k 1 e i n e s 
Pleurae.xsudat (Kcjrpergewicht = 15 600 gV Pirquet positiv. 

4. Leop. K., mit 3 Wochen an Darmkatarrh gest. 


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Original frorri 

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13] 


Das Kind im tuberkulösen Milieu. 


481 


Das zur Zeit der Infektion 5jährige Kind entwickelt 
sich, frei von manifester Tbc. (Pirquet +) ungestört 
weiter, das l'/gjährige Kind erkrankt tuberkulös und bleibt 
in der Entwickelung wesentlich zurück. 

Fall II. 13. XII. 09. Mathias Sk., 37 Jahre alt, angeblich gesund, kein 
Husten. Befund negativ. 

Anna Sk., 37 Jahre alt, gesund, sieht gut aus, hustet nicht. Befund 
negativ. Mai 1908 zog der tuberkulöse Bruder des Vaters ins Haus und 
wohnte daselbst durch 3 Monate (gest. Februar 1909). 

Kinder: 1. Josef Sk., 12 Jahre alt, gesund, mittelkräftig, Pulmo 0; Pirquet 
positiv, Anamnese 0. 

2. Marie Sk., gest. (1902) mit 2 V 2 Jahren an Diphtherie. 

3. Rudolf Sk., gest. mit 11 Monaten (Empyema pleurae). 

4. Totgeburt. 

5. Stefanie Sk., öVg Jahre alt, gesund. Pulmo 0, Pirguet positiv. 
Anamnese 0. 

6. Marie Sk., 3 Jahre alt, war Brustkind durch 9 Monate. Gutes Ge¬ 
deihen. Hat angeblich erst am Ende des 2. Lebensjahres zu husten begonnen. 
Seit 1 Jahr Abmagerung. 

Befund: Typischer Tbc.-Habitus (10 400 g). Lupus von Mandelgrösse 
an der linken Wange. 

Fall III. 21. y. 1910. Hugo 0., 61 Jahre alt, immer gesund, kein 
Husten. 

Elise 0., 31 Jahre alt, immer gesund, kein Husten. 

ln der beiderseitigen Familie kein Lungenleiden. Seit 1 Jahr wohnt 
am selben Gang eine tuberkulöse Frau (öfters Hämoptoe, Ab¬ 
magerung), deren lungenkrankes Kind am 9. V. 1910 gestorben ist. In diese 
Nachbarwohnung sind die Kinder obigen Ehepaares öfters 
gekommen. 

1. Eugenie 0., ß Jahre alt, hat nie gehustet. Sonstige Anamnese 0. 
Gesundes, kräftiges Kind; gutes Aussehen. Pulmo 0. Pirquet positiv. 

2. Margit 0., 6 Jahre alt, Anamnese 0. Gesundes, mässig gut 
genährtes Kind. Pulmo 0; Pirquet positiv. 

3. Hugo 0., 4 Jahre alt, früher nie gehustet, erst seit ein paar Tagen. 
Sonstige Anamnese 0. Gut aussehendes, ziemlich gut genährtes 
Kind; momentan leichte, diffuse Bronchitis. Pirquet positiv. 

4. Elise 0. Gestern (20. V. 1910) im Alter von IV 4 Jahren in unserer 
Spitalabteilung an Miliartuberkulose gest. 

Man kann die Erscheinung, dass ältere Kinder nach Infektion 
mit Tuberkelbazillen nicht klinisch tuberkulös erkranken, nur durch 
eine dem Alter nach zunehmende natürliche Tuberkulose¬ 
festigkeit erklären. Engel (Pathologie d. Kindertuberkulose, 
1909, Urban u. Schwarzenberg) weist in seinen Ausführungen auf 
eine solche hin und denselben ist auch die Bezeichnung ^»Tuber¬ 
kulose-Festigkeit*' entnommen. Eine solche natürliche Tuberkulose- 
Festigkeit mit zunehmendem Alter kann man ja eigentlich schon 
aus anderen Tatsachen schliessen: 

31* 


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482 


Rudolf Pollak. 


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L14 

Wie bekannt, steigt die Häufigkeit der positiven Tuberkuliii- 
reaktion ini Kindesalter von Jahr zu Jahr an, so dass mit 13 Jahren 
schon 950/0 der (irossstadtbevölkerung als tuberkulös infiziert zu 
betrachten sind. Auffallenderweise wird jedoch die Tuberkulose als 
manifeste Erkrankung bei weitem nicht in demselben Masse häufig. 
Im (legenteil, man sieht, dass vom 4.-5. Letensjahr die manifeste 
Tul)erkulose (von Phthiseerscheinungen abgesehen) seltener wird. 
Hält man diese i)eiden Tatsachen einander gegeiiül>er, so muss man 
eben zu dem Schluss kommen, dass die Tuberkulose besonders jen¬ 
seits des 4. 5. Lebensjahres häufig klinisch völlig latent verläuft. 

Nun stellte man sich die Tuberkulose-Festigkeit dieser Kinder 
so vor, dass das ältere Kind mit den in den meisten Fällen ge- 
r i n ggra j^ige n Infektionen, die es zufällig irgend w 0 
0 [) h e m e r a k (j u i r i (‘ r t, eben anstandslos fertig wird. 

V o r a u s z u s e h ( ‘ n w a r a b e r m e i n e s E r a c h t e n s n i c li t, 
dass das ältere (schon über 4 Jahre alte) Kind auch 
d i e m e h r o d e r w n i g e r s c h w e r e n Infektionen i in 
tu berk u 1 ö se n Milieu in der überwiegenden Mehrzahl 
ohne S c li a d e n überwindet. — 

Dasselbe was von den manifesten tuberkulösen Affektionen gilt, 
dasselbe gilt aucli von dem sogenannten tuberkulösen Habitus. 
Kinder, die sich später infizieren, bekommen nach meiner Erfahrung 
fast niemals einen tuberkulösen Habitus, so dass ich sagen kann: 
Der t u b e i’ k u 1 ö s e Habitus ist der Habitus eines in 
den ersten Lebensjahren mit Tuberkulose infizier¬ 
ten K i n d e s. 

Wir können auch in den meisten Fällen bei älteren Kindern, 
die einen solchen Habitus zeigen, durch die Anamnese nachweisen, 
dass die betreffenden Kinder seit der ersten Kindheit ihre 
sch w a c h e K 0 n s t i t u t i o n a u f w e i s e n. 

Nun fragt es sich, wie die doch häufigen tuberkulösen Mani¬ 
festationen des sj)äteren Kindesalters zu erklären sind? 

Nimmt man bei solchen Kindern genaue Anamnesen bei ver¬ 
lässlichen .\ngehörigen auf, so wird man in den meisten Fällen 
feststellen können, dass das Kind entweder in den ersten Lebens- 
j a h r e n m i t e i 11 e m t u b e r k u 1 ö se n Individuum in Be- 
r ü h r u n g k a m oder dass das Kind schon in den ersten Lebeus- 
j a h r e n dir e k t o. 8 y m p t o m e d e r T u b e r k u 1 0 s e gezeigt hat 
(z. B. Husten und Hasseln im Säiiglingsalter durch längere Zeit oder 
Skrofnlosez(‘ichen etc.), oder sehliosslirh, dass das Kind schon seit 
f r ü beste r K i n d h o i t s e i n sch w’ a c h e K o n s t i t u t i 0 n 
aufweist. 


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UmVtRSlTY OF MINPJESÖTA 



15] 


Das Kind im tuberkulösen Milieu. 


483 


1. Florentine H., 9 Jahre alt, Kaverne im 1. Oberlappen. Phthisischer 
Habitus, starke Abmagorun^j. Mutter vor 4 Jahren an Lungeiituberkulöse gest., 
hat 3—4 Jahre vor dem Tode gehustet und ausgeworfen. Kind war also 
höchstens 2 Jahre alt, wie die Mutter erkrankt ist. 

2. Josef K., 5 Jahre alt, Tbc. pulmonum (Kaverne im 1. Oberlappen), 
Mutter hatte zu der Zeit, als das Kind auf die Welt kain^ schon eine schwere 
Tuberkulose (Hämoptoe, N^clitschweisse, Auswurf etc.). 

3. Marie H., 9 Janre alt, Habitus phthis. Apicitis dcxtra. War 1 JaJir 
alt, wie der Vater an Tuberkulose gest. ist. 

4. Therese F., 6 Jahre alt, Luiius an der Wange. Mutter vor 4 Jahren 
an Tuberkulose gest. 

5. Betty K., 10 Jahre alt, Kaverne im linken Oberlappen. Mit 1 Jahr 
„augenkrank“. Vater vor 8 V 2 Jahren erknuikt, vor 5 V 2 Jahren an Tuber¬ 
kulose gest. 

6. Hermine L., 10 Jahre alt, phthisischer Habitus. Kaverne im linken 
Oberlappen. Mit 4 Jahren seröses Exsudat. (St. Anna-Kinderspital.) 

Wenn man nun noch andererseits, wie oben ausgeführt, findet, 
dass ältere Kinder, wenn sie mit Tuberkulösen Zusammenkommen, 
meist ohne Erkrankung sich weiter entwickeln, so kann man wohl 
den Schluss daraus ziehen, dass die tuberkulösen Erkrankungen des 
späteren Kindesalters fast immer einer tuberkulösen In¬ 
fektion in den ersten Lebensjahren ihren Ursprung ver¬ 
danken. Während Hamburger noch vor kurzem angenommen 
hat, dass man in den meisten Fällen von klinisch-manifester Tuber¬ 
kulose hei älteren Kindern nicht entscheiden kann, ob es sich da 
um frische Infektion oder um Eezidive handelt, kann man heute 
auf Grund obiger durch klinische Beobachtung gewonnener Er¬ 
fahrung annehmen, dass es sich bei manifester Tuber¬ 
kulose älterer Kinder in weitaus den meisten Fällen 
um Eezidive handelt. 

Wie oben bereits ausgefülirt, beziehen sich meine Unter¬ 
suchungen lediglich auf Kinder (bis zu 14 Jaliren) im tuber¬ 
kulösen Milieu. 

Über die diesbezüglichen Verhältnisse bei der Tuberkulose der 
Erwachsenen stehen mir vorderhand fast keine Erfahrungen 
zur Verfügung. 

Schlusssätze. 

.1. Fast alle Kinder, die in einem Milieu leben, 
in dem sich ein Infektionsträger befindet, zeigen 
eine positive Tuberkulinreaktion. 

2. Kinder, die sich in den ersten Lebensjahren 
(ca. biszum 4.) mitTuberkuloseinfizieren,erkranken 
meist an klinisch-manifester Tuberkulose. 


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484 


Rudolf Pollak: Das Kind im tuberkulösen Milieu. 


[16 


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3. Ältere (über 4 Jahre alte) Kinder zeigen nach 
Infektion mit Tuberkulose gewöhnlich keine mani¬ 
festen Symptome und werden durch die Infektion 
gewöhnlich in ihrem weiteren (j c de ih e n nicht ge- 
s t ö r t, d. h. d i e T u b e r k u 1 0 s e d e r i m V 0 r g c s c h r i 11 e u e r e 11 
K i n d e s a 11 e r infizierten Kinder bleibt gewöhnlich 
latent. 

4. Der tuberkulöse Habitus findet sich fast nur 

bei in den ersten Lebensjahren infizierten Kindern. 

5. Die tuberkulösen Manifestationen älterer 
Kinder sind meist als Rezidive einer in den ersten 
Lebensjahren statt gehabten Infektion aufzufassen. 

6. Die Erscheinung, dass ältere Kinder sich ohne 
Schaden mit Tuberkelbazillen infizieren, dürfte 
auf einer mit dem Alter zunehmenden natürlichen 
„Tuberkulosefestigkeit“ beruhen. 

Die hier mitgeteilten Schlusssätze sind Folgerungen aus klini¬ 
schen Beobachtungen, auf die ich ganz ungezwungen gewüsser- 
massen „gestossen“ bin. Ich bin weit entfernt, sie schon heute als 
Axiome aufzustellen, um so weniger, als das Material zur Er¬ 
ledigung dieser gewiss wichtigen Fragen noch unzureichend ist. 

Der sicherste Weg, allerdings ein mühevoller und sich über 
viele Jahre erstreckender, zur Erforschung dieser Verhältnisse wird 
der sein, systematische Tuberkulinprüfungen bei tuberkulosefreieii 
Kindern in möglichst nahen Zeitabschnitten solange durchzuführen, 
bis sich die Reaktion als positiv erweist, somit den Zeitpunkt der 
Infektion genau festzustellen und dann eine fortlaufende klinische 
Prüfung dieser Kinder vorzunehmon. 

Gelingt es aber, dann nachzuweisen, dass die Erscheinungen 
sich wirklich so verhalten, wie es durch obige Untersuchungen höchst- 
wahrsclicinlich ist, dann ist ein wichtiger Schritt zur Prophylaxe 
der Tuberkulose gegeben, dann wissen wir, worauf übrigens in der 
letzten Zeit schon vielfach hingewieseii wurde, dass der aller¬ 
wichtigste Faktor im Kampf gegen die Tuberkulose 
darin gelegen ist, die Kinder der ersten Lebensjahre 
vor der Infektion zu schützen. 


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Die spezifische Behandlung der Tuberkulose mit 

Endotin. 

Von 

Dr. Gabrilowitsch, 

Chefarzt zu Halila. 


Die spezifische Behandlung der Tuberkulose besteht in 
der Anwendung von Tuberkelbazillenpräparaten, die auf das erkrankte 
Organ direkt wirken. Durch diesen Vorgang wird aber auch der 03- 
samtorganismus günstig beeinflusst, durch die Entlastung von giftigen 
Produkten. 

Allein, es darf nicht ausser acht gelassen werden, dass diese 
Therapie nur dann zum Ziele führt, wenn sie in energischer und 
zielbewusster Weise gehandhabt wird. 

Der Schöpfer der spezifischen Behandlungsmethode, Robert 
Koch, hatte zuerst die Beweise geliefert, dass die Tuberkulose auf 
diesem Wege heilbar sei. Wenn auch seine Ansichten über das 
Wesen des bei diesem Prozesse sich abspielenden Vorgangs jiioht 
von allen Ärzten geteilt werden, so können die Endresultate doch 
nicht hinweggeleugnet werden. Sein Verdienst ist es, wenn heute 
die spezifische Behandlung in der ganzen Welt Anhänger und 
Freunde gefunden. Dass aber alle bisherigen Leistungen noch lange 
nicht den realen Anforderungen genügen, versteht sich von selbst. 
Erst die eifrigste Beteiligung von seiten des Staates und der Ärzte 
würde die Sache kräftigst fördern und der Tuberkulose ihre Opfer 
entreissen. 

Zu diesem Zwecke bedarf es freilich vor allen Dingen der 
Unterstützung der Ärzte. Solange aber in diesen Kreisen 
noch nicht die vollste Überzeugung Platz gegriffen, dass die spezifische 

Beitrige zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XIX. H. 3. 81a 


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Dr. Gabrilowitsch. 


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Therapie? die Tuberlnilose erfolgreich bekämpfen könne, solange wird 
auch die Phthiseotherapie nur langsame Fortschritte machen in der 
Bekämpfung des Übels als Volkskrankheit. 

Dio frühere Stellung, welche die meisten Ärzte der spe¬ 
zifischen Behandlung gegenüber einnahmen, und welche noch gegen¬ 
wärtig viele veranlasst, derselben jm besten !Falle eine Indifferenz 
entgegenzubringen, erklärt sich einmal aus den Misserfolgen 
der ersten Kochschen Ära, und zweitens aus gewissen Trug¬ 
schlüssen, dass ein Spezifikum gegen die Tuberkulose 
jede Form derselben radikal heilen müsse. 

Was den ersten Punkt betrifft, so steht es fest, dass die meisten 
Ärzte, die sich da ablehnend verhalten, nicht aus eigener Erfahrung 
sprechen, sondern sich auf Handbücher und andere Autoren berufen. 
Ich kann jedoch bezeugen — und mit mir wahrscheinlich noch viele 
andere —, dass nicht wenige von uns seinerzeit mit Tuberkulin be¬ 
handelten Kranken bis heute gesund geblieben sind. Es sind also 
nicht alle gestorben, wie das so oft behauptet wird. 

Der zweite Punkt ist noch weniger stichhaltig. Besitzt denn 
die Medizin überhaupt Mittel, die in solcher Weise wirken, d. h. 
jedesmal und bei jeder Form. Bei der .Tuberkulose aber, wo die 
Vergiftungserscheinungen sich in erster Linie geltend machen, ganz 
unabhängig von der Krankheitsform, dürfen solche unmöglichen 
Forderungen nicht gestellt werden. Abgesehen von den in akuter 
Weise verlaufenden Prozessen haben auch chronische Formen oft 
schon einen solchen Grad der Erschöpfung des Gesamtorganismus 
bewirkt, dass eine Änderung des Zustandes [umnöglich wird, ganz 
unabhängig von dem Grad der anatomischen Ausbreitung. 

Meine ersten Erfahrungen mit TuberkuUn (Koch scher Lymphe) 
sammelte ich in den Jahren 1890/1891, worüber ich seinerzsit be¬ 
richtete (Wiener med. Wochenschr. 1891, Nr. 4). Zeitweise hatte 
ich die Tuberkulintehandlung unterbrochen, um verschiedene andere 
Präparate zu versuchen. (Über das Antiphthisin Klebs, Wiener med. 
Wochensclir. 1895.) 

Trotzdem, dass minimale Dosen injizieirt wurden (0,0005 mg), 
wmrdeii doch mit dem Koch sehen TuWkuhn sehr bedeutende All¬ 
gemeinreaktionen ausgelöst. So konnte bei einer Leichtkranken, fieber¬ 
frei, nach der ersten Injektion eine rapide Steigerung der Körper- 
w^ärme bis 39,5® beobachtet werden, die 48 Stunden lang anhielt 
Alle übrigen Reaktionserscheinungen verliefen äusserst stürmisch, 
da^ Allgemeinljefinden w^ar und bHeb schlecht, selbst nachdem die 
Temperatur schon normal geworden war. Bei den übrigen Kranken 
war zwar auch eine Temperatursteigerung zu beobachten, die aber 


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3| Die spezifische BehandluDg der Tuberkulose mit Endotin. 487 

fast nie über 39,0^ hinausging. Als weitere Symptome sind zu nennen: 
Schüttelfrost, Gliederschmerzen, Üblichkeit, Erbrechen (zuweilen mit 
Galle oder Blutbeimengungen). 

Besonders auffallend war das Anschwellen der Lymphdrüsen 
in der Achselhöhle, ein Symptom, das sich auch beim Antiphthisin 
Klebs stets wiederholta 

Scharf ausgesprochene Herdreaktionen waren gleichfalls zu kon¬ 
statieren; ja selbst Vergrösserungen der Dämpfungsbezirke über der 
Lunge. 

Im Anschluss an alle genannten Erscheinungen war eine Körper¬ 
gewichtsabnahme zu verzeichnen, wenigstens bald nach den In¬ 
jektionen. 

Immerhin muss ich zugeben, dass viele von den Kranken, die 
mit dem Koch sehen Tuberkulin in der ersten Ära behandelt wurden, 
geheilt wurden; ja, dass einige bis jetzt noch am Leben sind. 

Als nun in der späteren Zeit die ganze Behandlungsmethode eine 
Änderung erfuhr, die namentlich die Dosierung betraf, erschienen 
Berichte, die die Tuberkulinanwendung weniger gefährlich schilderten. 

Meine Erfahrungen ergaben entsclüeden günstige Resultate, die 
aber stets auch von Reaktionserscheinungen begleitet waren. (Russky 
Wratsch. 1905. — Nowojew Medizine, 1908, Nr. 6.) 

Mit dem AlttuberkuUn war es ein Ding der Unmöglichkeit, 
sichere Anhaltspunkte zu finden, um die Reaktionserscheinungen zu 
vermeiden. Bald waren es die leichtesten Formen, die eine Reaktion 
gaben, bald die schweren. Zuweilen glaubte man im Laufe der Be¬ 
handlung die Überempfindlichkeit beseitigt, da kam eine heftige Re¬ 
aktion. Arzt und Patient wurden nervös und mussten das Vertrauen 
zu dem Mittel verlieren. 

Dass übrigens in weitesten Kreisen die Unmöglichkeit, so weiter 
zu behandeln, erkannt wurde, erhellt aus den Versuchen, eine passende 
Dosierung zu finden. Man beschäftigte sich weniger mit der ILrank- 
heitsform, denn das war ein schweres Kapitel, auch nicht mit dem 
Studiun:; des Präparates selbst, sondern man wählte den Weg, auf 
dem man am raschesten zum Ziele kommen musste — die Dosierung. 
Nun hat ja eine entsprechende Dosierung gewiss etwas für sich; 
es kann nicht bestritten werden, dass die Dosis zuweilen zu hoch 
war. Aber es lag die Gefahr nahe, dass man auf diesem Wege zu 
den unmöglichsten Dingen gelangen konnte; zu Dosierungen, die 
sich unseren Begriffen ganz entziehen. Wenn nun selbst bei den 
minimalsten Dosen unerwartete Reaktionen auftreten, wenn die 
Lungenkrankheit an sich niemals massgebend ist, um eine richtige 

81a 


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Dr. Qabrilowitsch. 


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4ÄS 


Dosierung zu gewährleisten, so bleibt nur die dritte Möglichkeit, 
dass wir das Präparat selbst genauer studieren müssen. 

Die wirksame Substanz im Tuberkulin ist ein Ferment, das die 
Herdreaktion bewirkt, und zur Resorption des tuberkulösen Gewebes 
führt oder zu seiner Einschmelzung (cf. Qabrilowitsch Vortrag, 
Brüsseler Konferenz, 1910). Als nächste Folge sind zu verzeichnen: 
Hyperämie und thermale Temperatursteigerung. Dieses Ferment, das 
ich mit dem Namen „Endotin“ bezeichnet habe, wird unter natür¬ 
lichen Verhältnissen namentlich von älteren Tuberkelbazillen in aus¬ 
reichender Menge geliefert, um das tuberkulöse Gewebe einzuschmelzen. 
So entsteht die Höhle mit einem Ausführungskanal (Bronchus), der 
die Zerfallsprodukte nach aussen abführt. Die Höhle reinigt sich, 
die Wände schrumpfen und der Kranke gesundet. Die künstliche 
Einführung des Endotins bezweckt nur, den Einschmelzungsprozess 
zu unterstützen. Da nun erwiesenermassen das Endotin keine Re¬ 
aktionserscheinungen macht, im übrigen aber den lokalen 
Prozess sehr rasch bessert, po benutze ich jetzt das Präparat aus- 
schiessllich zur Behandlung der Tuberkulose. Ich benutze es in 
allen drei Stadien der Krankheit; auch bei Fiebernden. Ich be¬ 
schränke die Behandlung nicht auf bestimmte Kategorien, sondern 
benutze es überall da, wo der Allgemeinzustand befriedigend ist. 
Auch Kinder behandle ich mit dem Endotin, sobald klinische Sym¬ 
ptome da sind, als: schlechte Ernährung, die sich mit den üblichen 
Behandlungsmethoden nicht bessern lässt; subfebrile Temperatur¬ 
steigerung, Lymphdrüsenschwellungen, oder geringfügige Verände¬ 
rungen im Lungengewebe. 

Das Mittel ist nie kontraindiziert, es sei denn, es handle sich 
um Sterbende. 

• Ich beginne mit 0,01 mg. Eine Herdreaktion ist nicht nur nicht 
schädlich, sondern ich halte sie für wünschenswert, um eine erfolg¬ 
reiche Kur zu erzielen. Bei der Endotinl>ehandlung sind hohe Re¬ 
aktionen und Tuberkulinschäden gar nicht zu beobachten. Eine Kur 
dauert unter normalen Verhältnissen 6—8 W'ochen. Ich dosiere fol¬ 
gen dermassen: Die Dosis wird solange verdoppelt, bis die Herd¬ 
reaktion sich einstellt. Von da ab wird langsamer vorgegangen oder 
die Km* zum Abschluss gebracht, wenn die katarrhalischen Erschei¬ 
nungen in der Lunge ganz geschwunden sind. In den meisten Fällen 
schliesso ich jedoch die Kur mit 100 mg. 

Die Injektionen werden am Morgen gemacht und meist die Ska- 
pulargegend für die Injektion benutzt. 

Die hygienisch-diätetische Behandlung ist wünschenswert bei der 
Kur, notwendig ist sie jedoch nicht, wie die Erfolge der ambulaiitan 
Behandlung Ixiwiesen hal)en. 



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Die apezifische Behandlnng der Tuberkaloae mit Endotin. 


489 


Eine Wiederholung der Kur muss vorgenommen werden, sobald 
die katarrhalischen Erscheinungen sich vdeder eiiistellen oder noch 
nicht ganz geschwunden sind. 

Statistische Angaben sind weiter unten angeführt. 

Während der Tuberkulintherapie verwende ich keine anderen 
spezifischen Mittel. 

Das Alttuberkulin ist bekanntlich ein Glyzerinextrakt aus 
den Eeinkulturen der Tuberkelbazillen und wird für die spezifische 
Behandlung benutzt. All die vielen anderen Präparate sind nichts 
anderes als Alttuberkulin. 

Koch formulierte seine Hersbellungsweise folgenderinasson: „In 
das einfache Extrakt gehen aus den Tuberkelbazillen natürlich neben 
der wirksamen Substanz auch die übrigen, in 50^/o Glyzerin 
löslichen Stoffe über, und es finden sich darin eine gewisse Menge 
von Mineralsalzen, färbende Substanzen und andere unbekannte 
Extraktivstoffe. Einige dieser Stoffe lassen sich ziemlich leicht daraus 
entfernen** .... „Auch die Farbstoffe lassen sich beseitigen. Für 
die Anwendung in der Praxis bietet diese Reinigung des Glyzerin¬ 
extraktes indessen keine Vorteile, weil die so entfernten Stoffe für 
den menschlichen Organismus indifferent sind, und also der 
Reinigungsprozess das Mittel nur unnötigerweise verteuern würde.“ 

Diese beiden Argumente schienen demnach massgeljend, den 
Reinigungsprozess zu unterlassen. Das zweite Ai'gument ist natürlich 
an und für sich belanglos, nicht so das erste. Die hauptsächlichsten 
Bestandteile des Alttuberkulins organischer Natur sind: Protalbu- 
mosen, Deuteroalbumosen, kleine Mengen von Heteroalbumosen, 
Spuren von Dysalbumosen und Glyzerin. 

Da die Tuberkelbazillen auf Nährböden Deuteroalbumosen aus 
Protalbumosen bilden können Und dieselben, wie überhaupt Albii- 
minate und Albumosen als solche, den tuberkulösen Tieren einver¬ 
leibt, zu Temperatursteigerungen führen, so können diese Stoffe 
jedenfalls nicht zu den indifferenten gerechnet werden. 

Subkutane Injektionen von 0,02 g Deuteroalbumosen verursachten 
beim Menschen wenig Unl)ehagen, erst bei 0,05 bis 0,07 g entstand 
beim gesunden Menschen Fieber; in zwei Fällen traten palpablo Milz¬ 
tumoren auf. Mit Deuteroalbumosen konnten alle TuberkuUnrcaktionen 
hervorgerufen werden, sowohl beim Menschen, als auch beim Tier. 
Es konnte nachgewiesen werden, dass die stärkere Tuberkulinwirkung 
bedingt ist durch dessen Gehalt an echtem Pepton, dOvS immens 
giftig ist. 

Es muss also daran festgehalten werden, dass in sämtlichen 
Tuberkulinen Stoffe enthalten sind, die an und für sich schon Fieber 


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Dr. Gabrilowitsch. 


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49 <> 

erzeugen können; auf die Dosis kommt es gar nicht an, da die 
Dosis in jedem einzelnen Fall nicht vorher bestimmt werden kann. 

War es aber notwendig, dem Organismus zu Heilzwecken das 
ganze Gremisch der Kultur zu injizieren? Diese Stellung zu der 
Frage musste sich billigerweise aufdrängen, wenn der Umstand in 
Betracht gezogen wurde, dass selbst indifferente Lösungen von Gly¬ 
zerin, Kochsalz etcv bei subkutaner Anwendung Temperatursteige¬ 
rungen bis ül>er 40^ bei tuberkulösen Meerschweinchen hervorrufen 
konnten. 

Es drängte sich somit der Gedanke auf, ein Tuberkulin dar¬ 
zustellen, das die von Koch für indifferent gehaltenen Stoffe nicht 
enthielt, ohne die wirksame Substanz in irgend einer Weise zu ver¬ 
ändern. 

Koch hatte die Meinung geäussert, dass die wirksame Substanz 
im Tuberkulin ein Derivat der Eiweisskörper sei, dass es diesen 
nahestehe, aber nicht zur Gruppe der sogenannten Toxalbumine ge¬ 
höre, da sie hohe Temperaturen ertrage und im Dialysator leicht 
und schnell durch die Membran geht. „Das im Extrakt vorhandene 
Quantum der Substanz ist allem Anschein nach ein sehr geringes; 
ich schätze es auf Bruchteile eines Prozents. Wir würden es, wenn 
meine Voraussetzungen richtig sind, also mit einem Stoff zu tun 
haben, dessen Wirksamkeit auf tuberkulös erkrankte Organismen weit 
über das hinausgeht, w^as uns von den am stärksten wirkenden Arznei¬ 
stoffen bekannt ist.“ 

Dies alles liess sich bestätigen, vornehmlich auch, dass die wirk¬ 
same Substanz sehr hohe Temperaturen erträgt. 

Ich habe die wirksame Substanz als Endotin bezeichnet, zum 
Unterschied von jenen Körpern, die der Eliminierung unterlagen, 
also vornehmlich Eiweissstoffe und Fette, und die den gemeinsamen 
Namen Ekdotine erhielten. 

Das Endotin ist kein neues Tuberkulinpräparat, sondern Alttuber¬ 
kulin, auf chemischem Wege verändert. 

Das Endotin unterlag daher jedesmal der vorge¬ 
schriebenen Prüfung, da es aus dem in Deutschland 
staatlich geprüften Alttuberkulin gewonnen wurde. 
Es hat demnach auch die Konstanz der Zusammensetzung und Wir¬ 
kung des Ausgangsmaterials. Die chemische Bearbeitung kann natür¬ 
lich an dieser Konstanz des Präparates michts ändern, weil eine 
Behandlung mit Reagenzien in bestimmter Quanti¬ 
tät und Konzentration stets dieselbe Wirkung aus¬ 
üben muss. Die Reinigung muss allerdings so vorgenommen 
werden, da.ss die Vermischung des Originaltuberkulins mit dem be- 



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71 


Die spezifische Behandlung der Tuberkulose mit Endotin. 


491 


treffenden Eeagens eine ^ehr innige ist. Es muss ausserdem ge¬ 
nügend Zeit gelassen werden, um ,die Scheidung der Substanzen 
voneinander sch^ durchzuführen. Zu di^em Zwecke bedient man 
sich am besten des Scheidetrichters. In erster Linie wird Xylol zur 
Entfettung benutzt. Es folgen dann Chloroform und Äther. Beson¬ 
ders ist darauf zu achten, dass keine Spuren des Chloroforms Zurück¬ 
bleiben. Die Ätherausschüttelung ist in dieser Hinsicht von aller¬ 
grösster Bedeutung. Nach der Xylol-, resp. Chloroformanwendung 
ist Erwärmen mit nachfolgendem Zentrifugieren notwendig. Die Ei' 
weisskörper werden dann leicht mit heisser verdünnter Lauge 
entfernt. 

Der prinzipielle Unterschied zwischen Alttuberkulin und Endotin 
ist ersichtlich beim Vergleich ihrer chemischen Analysen. Aus dem 
physiologisch-chemischen Laboratorium der Universität Breslau liegen 
diese Analysen vor. Ich begnüge mich mit dem Anführen der Schluss¬ 
sätze, da die sehr ausführlichen fBerechnungen und Tabellen der 
Originalarbeit hier nicht in extenso .wiedergegeben werden können. 

„Es ist daher ersichtlich, dass das Quantum der im Endotin ent¬ 
haltenen Eiweisskörper sehr gering ist, jm Vergleich zu den im 
Alttuberkulin enthaltenen. . . .“ „Beim Vergleich des mit Alkohol, 
Xylol, Chloroform und Äther bearbeiteten Tuberkulins mit dem Alt¬ 
tuberkulin muss geschlossen werden, dass in qualitativer Be¬ 
ziehung diese Bearbeitung wenig wirksam war, in quantitativer 
dagegen sehr bedeutend. Die relative Steigenmg des Prozent¬ 
satzes an Amidosäuren allein jzeigt ßchon, in welch beträchtlicher 
Weise die Zahl der stickstoffhaltigen Körper verringert ist. Der gänz¬ 
lich unbedeutende Gehalt an lAlbumosen tritt hier in erste Eeihe. 
Das Quantum der Farbstoffe und Extraktivstoffe ist ebenfalls ge¬ 
ring. Gehalt und Quantum der Aschenbestandteile ist fast unver- 
ändert.** 

Der Beweis für die nach der chemischen Behandlung des Prä¬ 
parates noch erhaltene spezifische Aktivität wurde durch den Tier¬ 
versuch erbracht. 

Eine Herde von 50 Kühen wurde pait 0,5 g Bovotuberkulin 
Behring geimpft. Deutliche Reaktion zeigten 8 Kühe. Dieselben 
wurden isoliert und der Endotinbehandlung unterworfen. (cf. 
Stenius.) 

Vor der Behandlung wurden die Kühe genau untersucht, so¬ 
wohl in bezug auf das Allgemeinbefinden, als auch auf den Zustand 
der Lungen. Herdreaktion. Dieselbe bezieht sich vornehm¬ 
lich auf Atmungsgeräusche. Sie werden als verstärkt bezeichnet; 


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492 


Dr. Gabrilowitscb. 


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in einigen Fällen wurde unterdrücktes Atmen (abgesehwächtes) 
obachtet. Ausserdem war verstärktes Easseln zu notieren. 

Kniefalten, Euter- und Maxillardrüsen schwollen unter der Be¬ 
handlung an. 

Nach der Behandlung waren jsämtliehe pathologische Erschei¬ 
nungen geschwunden; ebenso der Husten. 

Thermale Reaktion. Bei allen Kühen war bei den Endotin- 
injektionen ein leichtes Ansteigen der Temperatur auf C 1,01) und 
C 2,0“) zu beobachten. Auf C 4,0^) dagegen eine Depression in 
gleicher Stärke, resp. stärker. Auf D 0,5^) war das Ansteigen der 
Temperatur geringer, die Depression jedoch stärker. Auf D 1,0^), 
D 2,0^), D 4,0^), D 8,0®), D 10,0^) war keine thermale Wirkung 
mehr zu konstatieren. Im allgemeinen kann gesagt werden, dass die 
Kurve auf Dosen bis D 1,0 sich unter der normalen Linie hielt; über 
D 1,0 dagegen auf dersell)en. Diese ausgesprochenen und charak¬ 
teristischen Schwankungen der Temperaturkurve waren bei einer Kuh 
(Ada), die auf Bovotuberkulin Behring (Enddosis) stark reagierte, 
im (Gegensatz zu den anderen nicht zu bemerken. 

Allgemeinbefinden während der Behandlung. Der Appetit war 
bei sämtlichen Kühen gut. Das Quantum der gemolkenen Milch 
nicht herabgesetzt. Die Kühe wai’en zusehends voller geworden als 
vor der Endotinbehandlung. Die |matte Haarfarbe war einer glän¬ 
zenden gewichen. Von den 8 kranken Kühen husteten 4. In den 
ersten Tagen des Monat März hatten 2 aufgehört zu husten, später 
auch die übrigen. (Bericht des Panners.) 

Letzte Kontrollimpfung. 40 Tage nach der letzten Eii- 
dotininjektion wurden die Kühe wiederum mit Beh ri n gschein Bovo¬ 
tuberkulin geimpft, diesmal mit der 4 fachen Dosis, d. h. mit 2,0 g. 
7 Kühe reagierten nicht mehr. 

S e k t i 0 n s p r 0 1 0 k 0 11. (Dr. H i n d e r s o n , Kopenhagen und 
Helsingsfors, Veterinär-Institut.) Lymphoglandulae mediastinalis et 
bronchiales. Teil? der Lunge. 

M a k r 0 s k 0 p i s c h. Die Lymphdiüsen etwas vergrössert; auf 
dem Durchschnitt grössere und kleinere verkäste Herde enthaltend, 
welche teilweise mit einer derben fibrösen Kapsel umgeben sind. 
Kalks<alz<j kaum vorhanden. Lunge jnormal bis auf einige atelek- 
tatische Partien, ohne spezifisch pathologische Veränderungen. 

Mikroskopisch. Die Kapseln sind rein bindegewebig; keine 
nennenswerte Zellproliferation. S^pärliche Tuberkelbazillen sind im 
Ausstriche nachzuweisen. 

1) 10 mg. 2) 20 mg. •«) 40 mg. *) 50 mg. s) 100 mg. P) 200 mg. ?) 400 mg. 
f*) 800 rag. 1000 mg. 



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9] 


Die spezifische Behandlnng der Toberkulose mit Endotio. 


493 


In einem anderen Ealle war das Bindegewebe besser entwickelt 
nnd die Einlagerung der Kalksalze reichlicher. Der Tierversuch fiel 
vollständig negativ aus. 

Somit hatte der Tierversuch ergeben, dass das Endotin ganz 
ausserordentlich günstige Resultate bewirkt, nicht nur im Sinne einer 
klinischen, sondern auch anatomischen (Heilung. Dabei war auch 
die Widerstandskraft der Tiere gegenüber hohen Dosen von Tuber¬ 
kulin zu konstatieren. (Bovotuberkulin Behring 2,0.) 

Hierbei sei noch bemerkt, dass die von den behandelten Tieren 
stammenden Kälber bei der Sektion sich als gesund herausgestellt 
hatten. 

Wird dem gegenüber in Betracht gezogen, dass das Endotin bei 
der 'Aktivitätsprüfung, selbst bei 100 mg, das tuberkulöse Meer¬ 
schweinchen nicht zu töten Vermag, so muss anerkannt werden, 
dass das Endotin keine toxischen Eigenschaften entwickelt, wie die 
anderen Tuberkuline; dass es also unschädlich ist, sowohl für Mensch 
als Tier. 

Als weitere Bekräftigung der Wirksamkeit des Eiidotins mögen 
die .Untersuchungen über den Opsoninindox dienen. 

Es konnte nachgewiesen werden, dass der Opsoninindex vom 
zweiten Tage ab, nach stattgehabter Endotininjektion, zu steigen 
beginnt, wobei die Kranken, sowohl subjektiv als objektiv, sich er¬ 
heblich besserten. 

Die ganz exakt feststehejiden Tatsachen, sowohl der klinischen 
Beobachtung, als auch des Tierexperimentes, können nicht mehr 
zwei Deutungen zulassen; die spezifische Substanz oder das 
heilende Agens besitzen wir im Endotin. 

Der Zwiespalt, der bis jetzt in sämtlichen Arbeiten wahrge¬ 
nommen wird, wo es sich um künisohe Beobachtung der Tuberkulin¬ 
wirkung und der entsprechenden Erklärung handelt, darf ohne 
weiteres dem Umstand zugeschrieben werden, dass man es mit keinem 
einheitlichen Präparat zu tun hatte, sondern mit einem Mittel, dessen 
Komponenten, jedes in seiner Art, den Organismus verschieden be¬ 
einflussen mussten. 

Wie auch immer die Methodik der Herstellungsweise der ver¬ 
schiedenen Tuberkuline sein mochte, das heilende Prinzip war 
überall das Endotin. Unzweckmässig und schädlich wurde ein Tuber¬ 
kulin, sobald es sich um Kranke handelte, die schon stark mitge¬ 
nommen waren, ganz unabhängig von der Ausbreitung des anatomi¬ 
schen Prozesses. Hier musste sich natürlich jenes Bild wisderholen, 
das wir bei der Aktivitätsprüfung beim Tier sehen: die Reaktion 
konnte das höchste Extrem der Erschöpfung er- 


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414 


Dr. Gabrilowitsch. 


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reichen. Die Praxis half sich einfach; sie griff zu der Miaimal- 
dosierung. Und so möchte man beinahe glauben, der Heilzweck 
steh«: in zweiter Linie — die Reaktion zu vermeiden um Jeden 
f^reis — in erster Linie. Die Gegner einer Tuberkulinbehandluiig 
hatten gewissennassen recht. Der Gewinn schien zu gering. Viele 
Tuberkulinfreunde begnügten sich mit dem Ausbleiben der Re¬ 
aktion. Schliesslich wurde noch die Immunitätslehre herangezog^n, 
um eine theoretische Pegründung zu haben; in dieser Hinsicht 
fehlen jedoch die Beweise. Ein ideales Tuberkulin ist ein solches, 
das nicht schadet. Das ist aber nicht gleichbedeutend mit der 
Methode der kleinsten Dosen. Es ist fraglos, dass das stärkste Gift 
in entsprechender Verdünnung keine schädigenden Eigenschaften 
mehr entwickelt; es wird indifferent. 

Wenn nun von verschiedenen Seiten geltend gemacht wird, dass 
für die Tuberkulintherapie, bis zu gewissen Dosen, keinerlei Be¬ 
dürfnis vorliege für albumosen-, /pepton- und glyzerinfreien Präpa¬ 
raten, so würde man sich damit nur in dem Falle für einverstanden 
erklären können, wenn bewiesen wäre, dass die Nebenprodukte in 
einem Tuberkulin nicht nur glicht |schädlich wirken, sondern im 
Gegenteil nutzbringend seien. Nun steht es aber fest, dass Albu¬ 
mosen und Pepton, sowohl beim Gesunden, wie beim Tuberkulösen, 
Fieber erzeugen können; dass der Tuberkulöse selbst auf kleinere 
Dosen Reaktion zeige als der Gesunde. Dass Tuberkulinwirkung 
nicht Peptonwirkung ist, versteht sich von selbst. Das Tuberkulin 
enthält el>en neben dem Pepton noch die wirksame Substanz. Des- 
w^egen wird auch beim Tuberkulin die Reaktion viel rascher ein- 
treten, resp. auf kleinere Dosen. 

Der Endzweck einer jeden Therapie ist die Heilung, und nur 
die exakte klinische Beobachtung kann hier Klärung bringen. 

Die Beurteilung des Wertes eines Heilmittels wird in erster 
Linie abhängig sein von seiner effektiven Wirksamkeit auf den 
Krankheitsprozess und in zweiter Linie von den Nebenerscheinungen, 
die sich dabei geltend paachen. Sind letztere stärker als der Heil¬ 
effekt, so wird OS geschehen können, dass der Organismus zu stark 
geschädigt wird, weshalb von der Benutzung des Mittels Abstainl 
genommen w’erden muss. Wir müssen aber daran festhalten, dass 
nur indifferente Körper den Organismus gar nicht 
beeinflussen, sonst aber immer eine Wirkung entsteht, die eine 
Umgestaltung des gegoltenen Zustandes involviert. Neben der spe¬ 
zifischen, heilenden Aktion wird demnach auch eine unerwünschte 
Änderung in den Organfunktionen !zu beobachten sein. Wie weit 
nun letzteres als Schädigung zu bezeichnen ist, lässt sich nicht 



Original frorri 

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11 ] 


Die spezifische Behandlang der Tabcrkalose mit Endotin. 


495 


ohne weiteres, vom theoretischen Standpunkt, sagen; es gehören dazu 
Ergebnisse einer objektiven Beobachtung. 

Endotin und Allgemeinzustand: Es liegen zahlreiche Berichte 
vor, dass die Kranken weder während, noch nach der Endotinbehand- 
lung bettlägerig werden. Es scheint mir das von grosser Bedeutung 
zu sein. Selbst die sehr schweren Fälle der Tuberkulose zeigten 
kein Erscheinungen, die auf gestörte Punktionstätigkeit irgend¬ 
welcher Organe hindeuteten. Die meisten Patienten waren aber in 
ihrer üblichen Tätigkeit nicht behindert und konnten ihre tägliche 
Arbeit verrichten. Selbst von den Kranken des III. Stadiums wird 
angegeben, dass sie in ihrem Allgemeinbefinden keinerlei Störungen 
erlitten (Oaikowitsch, Koch). 

Dies wären aber nur Beweise einer unschädlichen Wirkung. Dass 
aber noch eine äusserst günstige Wirkung erzielt wird, dafür sprechen 
die Untersuchungen vieler Autoren ^(Perott). So konnte nachge- 
wdesen werden, dass parallel mit der Endotinbehandlung der Opsonin¬ 
index ansteigt, und dass bei den Kranken eine bedeutende Besserung 
des Allgemeinbefindens eintrat, sowohl subjektiv, als auch objektiv 
(M i c h a i 1 0 w s k a j a). 

Schon auf kleine Dosen war diese Besserung zu verzeichnen; zu¬ 
weilen waren sie überraschend scharf ausgesprochen (S c h r e i b n e r). 
Ohne Unterschied der Krankheitsform konnte eine solche günstige 
Beeinflussung in 80—90o/o der behandelten Patienten konstatiert 
werden (Gabrilowitsch, Pedoroff). 

Aus diesen Untersuchungen war pchon jersichtlich, dass das 
Endotin eine spezifische Substanz darstellt, (mit.der Heileffekte er¬ 
zielt werden, wie sie die anderen Tuberkuline nicht geben; dass wir 
es gewissermassen nut einem Gegengift der Tuberkulose zu tun haben 
(Neumann, Deal). 

Endotin und Körpergewicht. Sämtliche Arbeiten, die von den 
Erfolgen eines Heilmittels gegen Tuberkulose sprechen, behandeln 
die Körpergewichtszunahmen in besonders ausführlicher Weise. Und 
doch kommt letzteren oft nur relative Bedeutung zu. Sehr viel hängt 
natürlich davon ab, in welchen Verhältnissen der Kranke vor der 
Kur gelebt und wie dieselben während der Kur waren. Ebenso 
nichtig sind natürlich die Angaben über sein Körpergewicht vor der 
Behandlung, über die Krankheitsform, über Keber, Komplika¬ 
tionen etc. 

Ich habe bei der Endotinbehandlung Zunahmen in 96o/o aller 
Fälle erzielt. Das ist an und für sich natürlich nicht massgebend, 
um von einem grossen Heilwert zu reden. Eine massgebende Begrün¬ 
dung findet das Mittel aber darin, dass von den mit Endotin behan- 


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Dr. Gabrilowitach. 


[12 


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delten Kranken nur etwa 10 o/o zu den leichteren Fällen gehören, 
und dass die meisten vor dem Beginn der Kur bereits längere Zeit 
h 5 agenisch-diätetisch behandelt wurden, während welcher sie schon 
an Körpergewicht zugenommen hatten. Weiter ist beachtenswert, 
dass bei den meisten, Komplikationen von seiten des Digestions¬ 
apparates, des Nervensystems bestanden; viele litten ausserdem an 
Kelilkopftuberkulose; bei den meisten aber war die Körperwärme 
gesteigert. 

Die äusseren Verhältnisse waren zudem vor der Kur nicht 
schlecht, da die meisten Kjanken dem besseren Mittelstand ange¬ 
hörten. In den Berichten aus Nord und Süd des weiten Reiches 
finden wir annähernd dieselben Zahlen. Wir finden Zahlen von 
lOOo/o Körpergewichtszunahmen unter Soldaten (Zlatowerchow- 
nikoff), 90o/o unter Kjanken der Krim (Fedoroff), bis zu 
15 Pfund im Mittel unter der ärmeren Bevölkerung Moskaus (Lap¬ 
se hin). In der ambulatorischen Behandlung }yei durchweg armen 
Handwerkern Petersburgs wurden noch 85« o Körpergevdehtszunahmen 
erzielt (G a i k o w i t s c h). 

Bei verzweifelten Fällen von unheilbarei' Tuberkulose unter der 
Bevölkerungs New Yorks und unter den denkbar ungünstigsten Ver¬ 
hältnissen wurden noch Körpergewichtszunalnnen notiert (D e a 1). Da¬ 
zu kommt noch, dass das Ansteigen des Gewichts schon auf kleine 
Endotindosen zu beobachten war (N e u m a n n). Zinveilen wurden 
ungewöhnlich grosse Zunahmen konstatiert, bis zu 20—30 Pfund 
(K och). 

Puls und Respiration l^ei der E n d o t i n bohandlung. Zu den 
am meisten unerwünschten Erscheinungen fder ersten Tuberkuliii- 
äni, welche bei der Alttuberkulinbehandlung in den Vordergrund 
traten, gehören beschleunigter Puls und gesteigerte Respirations- 
frequenz. 

Mit dem Heruntergehen in der Dosierung wurden diese Sym¬ 
ptome seltener, obgleich sie immer noch auftreten. Nun ist aber be¬ 
schleunigter Puls und gesteigerte Respirationsfrequenz schon an und 
für sich eine Begleiterscheinung |der Tuberkulose und sollen daher 
Eingriffe, die sie noch steigern, durchaus vermieden werden. 

Bei der Endotinl^ehandlung tidtt dieses Symptom nie auf. Im 
Gegenteil, es treten Besserungen auf, die dadurch gekennzeichnet 
sind, dass der Puls langsamer wird und die Respiration 
seltener und tiefer. 

In bezug auf den Puls wird angegeben, dass der Puls bei dieser 
Behandlung in in/o aller behandelten Fälle ruhiger wurde (Fedo- 



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13 ] 


Die spezifische Behasdlang der Tuberkulose mit Eodotiu. 


497 


roff). Dass der frequente JPuls zur Jfonn zurüokkehrte, wird als 
eine auffallende Erscheinung lang'^ebein (Gerden). 

Endetin und Appetit. Obgleich man niemals den subjektiven 
Symptemen allzu gresse Beachtung fecheüoken seilte, se scheint es 
dech, dass das Endetin auch den Appetit stark anregt. 

Sehen nach ganz kleinen Pesen war mir das aufgefallen, eb- 
gleich die Kranken ihre gewehnte Lebensweise in keiner Weise 
geändert hatten. Stets war ihm eine grössere Gewichtszunahme ge¬ 
felgt. Auch ven anderer Seite wird das bestätigt (Perett). Es 
konnte sogar ziffermässig festgestellt (werden, dass etwa 50o/o der 
mit Endetin behandelten Kranken eine Besserung des Appetits zeigten 
(Fe der off). 

Endetin und Schw^eiss. In naher Beziehung zum Fieber steht 
der Schweiss. Es muss jedoch hervorgeheben werden, dass die 
Nachtschweisse nicht immer in direkter Abhängigkeit vom Fieber 
stehen, da sie auch dann verkommen, wenn die Temperatur bereits 
normal geworden. Die Ursache für ihr Auftreten ist vielmehr in 
der Intoxikation des Organismus [mit Zerfallsprodukten zu suchen. 

Je schwerer der Krankheitsprozess, um so häufiger und hart¬ 
näckiger die Nachtschweisse. Bei der Endotinbehandlung schwinden 
die Nachtschweisse, ganz einerlei pb im II. oder im III. Stadium, 
sehr rasch. 

Ein Schwinden der Nachtschw^eisse wurde von anderer Seite 
Ijei der Anstalts-, Hospital- und pmbulatorischen Behandlung kon¬ 
statiert (Zlatowerchownikoff, Deal). 

E n d 0 1 i n und Husten. Husten ist bei den meisten Tuberkulösen 
vorhanden; nach meinen Beobachtungen in etwa 97—98o/o. Des 
Nachts sisÜert der Husten meist, lim am Morgen und Abend sich 
besonders stark geltend zu toachen. Am Tage oder in der Nacht 
werden diejenigen Kranken von Husten gequält, bei denen er trocken 
ist oder nur spärlichen Auswurf gibt. Der trockene Husten ist sehr 
schwer zu behandeln, namentlich dann, wenn der in den oberen 
Luftwegen sitzt. Heftiger Husten mit profuser Schleimabsonderung 
wird meist im IH. Stadium der Erkrankung beobachtet, ungefähr 
in 62o/o der Fälle, aber auch im II. Stadium ist er noch häufig (37^Vo), 
w^ährend er im I. Stadium fast gar nicht vorkommt. Husten von 
schwacher Intensität ist im II. Stadium am häufigsten (44o/o), dann 
im I. Stadium (25o/o) und etwas seltener im III. Stadium (23o/o), wo¬ 
gegen der mittelstarke Husten bei Kranken des I. Stadiums w’eit 
häufiger workommt (38o/o) als bei solchen des II. Stadiums (19o/o) 
oder des III. Stadiums (16 o,'ü). 


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49S 


Dr. Gabrilowitscb. 


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Der Husten ist als ein Hilfsakt der Natur anzusehen, der den 
Zweck hat, die Entzüiidungs- und Zerfallsprodukte aus der Lunge 
zu entfernen. Je nachdem, ob der Entzündungsherd zentral gelegen 
ist oder in Verbindung steht mit einem oder mehreren Bronchien, 
wirfl er trocken oder schleimig sein. Lokale Reize im Kehlkopf 
veranlassen meist Hustenanfälle, die eine energische Behandlung not¬ 
wendig machen. Der trockene Husten ist aber nicht nur unange¬ 
nehm für den Kranken, sondern direkt schädlich, indem er häufig zu 
Blechbewegungen und Erbrechen während oder nach der Mahlzeit 
fülii't. Er führt damit nicht nur ^.u subjektivem Unbehagen, son¬ 
dern die Ernährung des Kranken leidet darunter. Die Furcht vor 
dem Erbrechen bewirkt eine geringere Nahrungsaufnahme und eine 
Schwächung des allgemeinen Emährmigszustandes. 

Bei der hygienisch-diätetischen Behandlung gelingt es nach 
meinen Beobachtungen, den Husten günstig zu boeinflussen. Es ver¬ 
gehen zwar oftmals mehrere Monate, ehe das erreicht wird, aber die 
verschiedenen Behandlungsmethoden führen doch meist zum Ziel. 
Bei Kranken des L Stadiums wurde der Husten geringer in 25«/o; 
er schwand vollständig in 38o/o. Im II. Stadium wurde er schwächer 
während der Kur in 50o/o und hörte auf in 13o/o. Im III. Stadium 
war der Husten während der Kur kein einziges Mal geschwunden, 
wurde aber geringer in 31 o/o. 

Bei der E n d o t i n behandlung konnte bei 45o/o ein gänzliches 
Schwinden des Hustens konstatiert werden; bei 50o/o wurde 
er geringer (Fedoroff, Deal). 

Der Auswurf, der in naher Beziehung zum Husten steht, wird 
durch die hygienisch-diätetischen Massnahmen ebenfalls günstig be¬ 
einflusst. Im II. Stadium hörte er ganz auf in 13o/o ; selbst im HI. Sta¬ 
dium verschwand er in 4o/o. 

Bei der E n d o t i n behandlung schwand er ganz in 15—20o/o 
und wurde bei den meisten Kranken geringer (Fedoroff, Deal, 
Gabrilowitscb). Husten und Auswurf schwanden bei Kranken 
des I. und II. Stadiums in etwa 50o/b (Koch). 

Endotin und Limgenblutungen. Die Ursache für das Auf¬ 
treten der Blutungen liegt im tuberkulösen Prozess selbst, der zur 
Zerstörung des Lungengewebes führt. Bei seiner Entwickelung und 
beim Weiterschi'eiten können natürlich Blutgefässe angebohrt, ünd 
so Blutungen bewirkt werden. Ist die Gefässwand einmal krankhaft 
verändert, so können selbst äussere |Moment 0 eine Blutung veran¬ 
lassen. Heftige Erschütterung des Brustkorbes durch Stoss oder Fall, 
auch starker Husten, Muskelanstrengungen, atmosphärische Luft- 
drucksehwankungen etc. Zieht man somit dies alles in Betracht, 



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15 ] 


Die spezifische Behandlung der Tuberkulose mit Endotin. 


499 


so muss es zum mindeeten ungerecht lerscheineoi, wenn man, wie 
das so häufig behauptet wird, idem Tuberkulin alle Schuld für das 
Eintreten einer Blutung zuschreibt. Und so hat es beinahe den 
Anschein, als ob mit dem Auftreten einer Blutung nach stattge¬ 
habter Injektion die Autoren alle Überlegung verloren hätten. Denn 
aus der blossen Tatsache der Erscheinung folgt ja noch gar nicht, 
dass das Tuberkulin die veranlassende Ursache war. 

Bei der Endotinbehandlung sind Blutungen äusserst selten. Damit 
soll nicht gesagt eein, dass sie überhaupt nicht auftreten können. 
Andererseits sind aber Fälle bekannt, wo Kranke, die für Lungen- 
blulungen besonders disponiert waren, diese nach der Endotinbehand¬ 
lung ganz verloren. Trotz der ausgesprochenen Herdreaktion wurden 
Lungenblutungen weder in der Anstalt-, noch in der Hospital- oder 
ambulatorischen Praxis beobachtet. 

Endotin und Tuberkelbazillen. Die mikroskopische Unter¬ 
suchung des Auswurfs ergibt ein ßtets wechselndes Bild bei ein 
und demselben Kranken in bezug auf die Zahl der Tuberkelbazillen. 
Es kann deshalb die Abnahme der Tuberkelbazillen nur iDcdingten 
Anspruch auf Beachtung verdienen, wenn diese Abnahme keine 
dauernde ist. Als sehr günstiges Zeichen ist hingegen das gänz¬ 
liche Schwinden der Tuberkelbazillen aus dem Auswurf zu bezeichnen. 

Meine Beobachtungen in dieser Beziehung ergaben für das En¬ 
dotin : 55—60o/o gänzliches Schwinden der Tuberkelbazillen und 35o/o 
dauernde Abnahme. Andere Autoren geben an: 50o/o, resp. 42o/o 
((xai ko witsch). Wieder andere 12o/o, resp. 24 o/o (Zlatower- 
chownikoff). Selbst bei der ambulatorischen Behandlung sind 
noch 25o/o, resp. 25o/o beobachtet worden (Gai ko witsch). 

Sehr günstige Resultate waren auch bei Schwerkranken zu 
notieren (Deal). 

Endotin und katarrhalische Erscheinungen. Die Heilwirkung 
des Endotins äussert sich am prägnantesten im Schwinden der 
katarrhalischen Erscheinungen in den Lungen. Zuerst 
entsteht eine Exazerbation ini entzündeten Gewebe, darauf eine Ver¬ 
ringerung der katarrhalischen Erscheinungen, und schliesslich gänz¬ 
liches Schwinden derselben. Diese konstanten Ergebnisse einer laiig- 
jährigen Beobachtung kehren überall wieder; bei vielen Kranken 
rascher, bei anderen langsamer. 

GänzlichesSchwinden der katarrhalischen Erscheinungen 
konnte ich konstatieren in 60o/o, eine Verringerung derselben 
in 350 / 0 . Zusammen in 95o/o eine sichtbare, unzweifelhafte, günstige 
Beeinflussung des lokalen Prozesses. Ein gänzliches Schwinden 
wurde auch noch häufiger notiert und zwar in 71oo (Böhm), aber 


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500 


Dr. Gabriiowitach. 


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auch seltener, 50«o (Gaikowitsch). Ambulatorisch konnte das 
erreicht werden in 44«/o, eine Verringerung in 32o/o, zusammen also 
in 76o/o (Gaikowitsch). Eine grosse Besserung, sowohl quanti 
tativ, als auch qualitativ, zeigten die meisten mit Endotin behandelten 
Kranken .(Fedoroff). 

In der Hospitalpraxis war eine isolche Besserung in 660/0 zu 
verzeichnen (L a p s c h i n). 

Sämtliche Autoren, die mit dem Endotin gearbeitet haben, sind 
in dieser Hinsicht einer Meinung, dass es die katarrhalischen 
Erscheinungen zum Schwinden bringt oder stark ver¬ 
mindert (Neumann, Deal ptc.). Alle Kranken des II. und 
III. Stadiums hatten eine Besserung aufzuweisen (Koch). 

Endotin und Infiltrate. Bei weitem geringer ist die Wirkung 
des Endotins auf bereits längere Zeit bestehende Infiltrate. Dass 
aber auch hier eine teilweise Aufsaugung oder Verringerung des 
infiltrierten Gewebes erreicht wird, unterliegt keinem Zweifel (B ö h m). 

Selbst in der ambulatorischen Praxis konnte eine solche Wirkung 
nachgewiesen werden und zwar in 50«/o der behandelten Fälle 
(Gaiko witsch). 

Selbst bei Schwerkranken war diese Tatsache noch nachweisl)ar 
(Deal). 

Endotin und Fieber. Man kann mit Recht sagen, dass flie 
Tuberkulose fast nie ohne Fieber verläuft. Ein jeder Tuberkulöse 
wird einmal erhöhte Temperaturen gehabt Ihaben. Natürlich sind 
die Temperatursteigerungen abhängig von dem Erkrankungsprozesse 
und verschwinden zeitweise oder ganz, sobald der Kranke der Besse¬ 
rung oder Heilung entgegengeht. 

Das Auftreten von Fieber bei Tuberkulösen, auch in den beiden 
ersten Stadien der Erkrankung, {ist stets mit einer Sistierung der 
Sputumabsonderung verbunden. Sobald letztere wieder reichUclier 
wird, sinkt auch das Fieber. Dieser Vorgang wiederholt sich so oft, 
dass eine jede Krankengesclüchte besonders angeführt werden könnte, 
uni dieses zu bestätigen. 

Fi-eilich wird auch Fiebersteigerung bei reichlichem Auswurf 
beoliachtet, aber dann handelt es sich meistens lun schwere Fälle 
des HI. Stadiums, ^xo zahlreiche Herde in der Lunge nachgewieseii 
werden können. 

Das Prinzip der Fieberbehandlung ist der chirurgischen 
scliwürsbehandlung vergleichbar. Wie bei dieser muss dafür gesorgt 
werden, dass die Zerfallsprodukte und Eitermassen rasch entfernt 
werden. Als beste Behandlungsmethode ^st die Endotinanwendung 
zu nennen. 



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17J Die spezifische Behandlung der Tuberkulose mit Endotin. 5D1 

In dieser Hinsicht kann vom Endotin werden, dass eine 

Entfieberung stets da eintritt, wo es sich nicht um akut verlaufende 
Prozesse handelt (B ö h m). 

Bei Temperaturen, die 38,5^ nicht ül^erstiogen, konnte eine Ent¬ 
fieberung in 50«/o erzielt werden (Z1 a t o w e r c h o w ii i k o f f). In 
der ambulatorischen Praxis war das in 6G«o zu erreichen (Gaiko- 
witsch); temperaturherabsetzend in 30<Vo (bis zur Norm). Jeden¬ 
falls wird die Temperatur normal oder sie wird geringer bei den 
meisten Kranken (Fedoroff). 

Eine solche Wirkung konnte schon nach den ersten Dosen nach¬ 
gewiesen werden (Neumann, Gordon, Deal etc.). 

Endotin bei den verschiedenen Formen der Lungentuberkulose. 

Tuberculosis pulm. sicca. Pathologisch^natomisch ist diese 
Form charakterisiert durch Bildung fibröser Knötchen, die zum Teil 
verkäst sind. Klinisch ist eine Dämpfung über der Klavikula und 
Spina zu notieren. Die Atmung ist verschärft, rauh, oder es besteht 
verlängertes Ekspirium. Kein Rasseln. Zuweilen Krepitieren. Keine 
Komplikationen spezifischer Natur. Heilung: Vernarbung. Klinisch: 
Dämpfung geringer, Atmung mehr vesikulär. (Kein Krepitieren.) 
Leistungsfähigkeit nach der Kur durchweg erlialten. 

Die Endotinbehandlimg ergab nach meinen Beobachtungen 
bei dieser Form der Krankheit etwa 8 O 0/0 Heilung und 20 o'o Besserung. 
Andere Autoren kommen zu demselben Resultat (B ö h m). Einige 
geben grössere Zahlen an (Hirschberg, 1000/0 Heilung). 

Tuberculosis pulm. catarrhalis. Pathologisch - anatomisch 
wird diese Form charakterisiert durch den Übergang der fibrösen 
Knötchen in käsige Massen und Bildung exsudativ-käsiger Herde. 
Klinisch: Dämpfung über dem Oberlappen, den Angulus scap. nicht 
überschreitend. Atmung abgeschwächt oder Exspirium. Krepitieren. 
Komplikationen in 15o/o. Heilung: Neugebildetes fibröses Gewebe 
zwischen krankem und gesundem Gewebe eingclagert. Klinisch: Kein 
Krepitieren, Dämpfung geringer. Leistungsfähigkeit meist voll er¬ 
halten. 

Die E nd 0 1 inbehandlung ergab: Heilung in 30<>/o, Besserung 
in 7 O 0 / 0 . Ähnliche Angaben werden von anderen Autoren gemacht 
(Rostoschinsky, Böhm, Hirse hberg, Lapse hin). 

Tuberculosis pulm. f i b r 0 s a. Pathologisch-anatomisch: weiteres 
Vordringen des Käses, Verflüssigung desselben, Durchbrechung der 
Kapsel und Bildung des tuberkulösen Geschwürs. Klinisch: Dämpfung 
des Oberlappens, zum Teil des Unterlappens, Angulus nicht tiber- 

Beitrftge zur Klinik der Tuberkulose Bd. X'X. H. 3. 32a 


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502 


Dr. Gabrilowitscb. 


[18 


schreitend. Krepitieren oder kleinblasiges Easseln. Komplikationen 
in 250 / 0 . Heilung: Käsige Massen entfernt, Reinigung des Geschwürs¬ 
grundes, Häutchenbildung, Schrumpfung und Verkleinerung der 
Höhle Klinisch: Kein Rasseln, Dämpfung geringer, Atmung broncho- 
vesikulär. Leistungsfähigkeit in 70o/o erhalten. 

Bei der Endotinbehandlung Avnrde erzielt: Heilung in 35«b ; 
Besserung ebensoviel. 

Tuberculosis pulm. ulcerosa. Pathologisch-anatomisch: Ver- 
käsung und 2^rfall schreiten in der Höhle weiter fort, ergreifen be¬ 
nachbartes Gewel)e und bilden grössere Höhlen. Klinisch: Dämpfung 
über dem Oteiiappen, zum Teil Unterlappen. Tympanitisch. Atmung: 
amphorisch. Grossblasiges oder metallisches Rasseln. Komplikationen 
in 4 O 0 / 0 . Heilung: Die Höhle reinigt sich, die Wände schrumpfen. 
Kein Rasseln, Atmung mehr bronchial. Leistungsfähigkeit erhalten 
in 350 / 0 . 

Bei der E n d 0 1 i n behandlung werden jioch bei dieser Form 
Heilungen erzielt und zwar in 25o/o. Dieselben Zahlen werden auch 
von anderen Autoren angegeben (Böhm). Besserung ist in 30o.o 
zu erreichen: Gabrilowitsch, Böhm, Zlatowerchowni- 
koff ( 330 / 0 ), Lapschin (35o/'o). Viel grössere Ziffern sind ander¬ 
wärts notiert: Hirschberg (700/b), Deal etc. 


Endotin bei Kehlkopftuberkulose. 

Die Kehlkopftuberkulose muss als eine recht schwere Kompli¬ 
kation der Lungenphthise betrachtet [werden, da es a priori nicht 
leicht zu sagen ist, welchen Verlauf und Ausgang dieses Leiden 
nehmen wird. Selir oft erfahren die Kranken von ihrem Kehlkopf¬ 
leiden erst nach der laryngoskopischen lUntersuchung, da ihr sub¬ 
jektives Befinden von dieser Seite in keiner Weise gestört war. Die 
Erfahrung lehrt nun, dass die Heilbarkeit der Larynxtuberkulo&e 
in der Melirzahl der Fälle in direktem Verhältnis steht zm' Aus¬ 
breitung des Lungenprozesses. Je schwerer die Lungenerkrankung, 
um so ungünstiger flie Prognose für die Kehlkopftuberkulose und 
umgekehrt. 

Die Endotinbehandlung ergab fast durchweg günstige Resul¬ 
tate, selbst in Fällen stärkerer Ausbreitung des Lungenproziesses 
(Lebe de ff). Ohne irgendwelche lokale Behandlung schwanden die 
Kehlkopfaffektionen, die Infiltrate auf den Stimmbändern etc. (B1 u - 
men au). Es wurden einzelne Fälle einer ganz ausgezeichneten Hei¬ 
lung beobachtet (R 0 s to s c h i n s k y). Im allgemeinen wurden überall 
Besserungen, Schwinden der Infiltrate und der Hyperämien konstatiert. 


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19J 


Die spezifische BehandluDg der Tuberkulose mit Eudotin. 


503 


So wird berichtet, dass die Stimme nach der Behandlung mit dem 
Endotin wieder rein und volltönend wurde. 

Endotin und Nierentuberkulose. Bekanntlich ist die 
Prognose der Darm- und Nierentuberkulose gleich schlecht. Eine 
wirkliche Heilung ist fast ganz ausgeschlossen. 

Die Endotinbehandlung scheint aber auch hier Beniorkenswertes 
zu leisten. So wird berichtet (Gai ko witsch), dass bei der Nic^reii- 
tuberkulose die Schmerzen beim Urinieren, die früher sehr heftig 
waren, während der Endotinbehandlung ganz auf hörten. Die 
Tuberkel bazilleii verschwanden aus dem Harn, das Ei weissquantuni 
verringerte sich bedeutend. Schliesslich konnte sogar Körpergewiclits- 
zunahme verzeichnet werden. 

Endotin bei Knochen- und G c 1 e n k t u b e r k u 1 o s e. 
Die vorliegenden Berichte in bezug auf diese Formen der Tuber¬ 
kulose sind sehr günstig. Es wurden in der Hospitalpraxis unter 
den allerungünstigsten Bedingungen sehr schöne Erfolge erzielt 
(Blumenau). Das gleiche war zu konstatieren bei sehr schweren 
Fällen (Deal). 

Endotin und Ly ni phdrüsen tuberkulöse. Die Lymph- 
drüsentuberkulöse ist eine sehr häufige Erscheinung, ganz besonders 
häufig im jugendlichen Alter; aber auch bei Erwachsenen tritt sie 
nicht selten auf. 

Die Endotinbehandlung gibt hier ganz besonders schöne Erfolge. 
8o konnte ein gänzliches Schwinden der grossen Lymphdrüsanpakete 
konstatiert werden. Während für solche ausgebreitete Herde eine 
längere Behandlung erforderlich war, konnten kleinere Lymphdrüsen 
sehr rasch zum Schwinden gebracht werden. 

Endotin in der ambulatorischen Behandlung. Es 
ist bezeichnend, dass kein einziges der vielen Tuberkuline, nament¬ 
lich in der ambulatorischen Praxis, so leicht zu handhaben ist, wie 
das Endotin. Alle Autoren haben ganz vor 2 nigliche Resultate erzielt 
(Blumenau, GaT ko witsch, Lapschin etc.). Es wird an¬ 
gegeben, dass es ausgezeichnet wirkt, sehr gleichmässig 
und dabei absolut unschädlich sei. Es ist deshalb leicht 
anwendbar bei der arbeitenden Klasse der Bevölkerung (Gordon). 
Da das Endotin absolut unschädlich ist, so erscheint es mir als 
das beste Mittel für die ambulatorische Praxis; jegliche Temperatur¬ 
messung kann hier w^eggelassen werden. Es fallen dabei weg nicht 
nur Tuberkulinschädigungen, sondern auch Schädigungen ökono¬ 
mischer Natur. 

Endotin in der Hospitalbehandlung. Selbst in un¬ 
günstig gestellten Hospitälern war die Endotinwirkung ganz ausge- 

32a 


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5()4 Dr. Gabrilowitsch [20 

zeichnet (Blumenau, De.al, Lapse hin etc.). Das scheint mir 
ein guter Beweis für die Wirksamkeit des Präparates zu sein. Hier 
fallen natürlich alle jene Momente weg, die bei seiner Anwendung 
neben der Anstaltsbehandlung geltend gemacht werden. Es werden da 
stets Bedenken entstehen, was auf Bechnung des Endotins, und was auf 
Rechnung der hygienisch-diätetischen Kur zu schreiben ist. Nament¬ 
lich müssen solche Zweifel entstehen, wenn der Erfolg der Behand¬ 
lung eine Besserung des ,Allgemeinzustandes ergibt, ohne dass der 
lokale Prozess in eklatanter Weise sich geändert hätte. Bei der 
Hospitalbehandlung, bei der l)ekanntermassen, namentlich da, wo die 
hygienischen Verhältnisse schlecht sind, etwa lOO^/o Mortalität zu 
verzeichnen ist, fällt natürlich ein jedes Argument in diesem Sinne 
weg. Was da erreicht wird, ist ausschliessliches Verdienst des Mittels. 

E n d 0 1 i n und Klima. Die Behandlung mit dem Endotin ist 
ganz unabhängig vom Klima, wie das übrigens auch gar nicht anders 
sein kann. Es soll aber nur darauf liingewiesen werden, dass die 
Luft, die die Kranken beständig einatmen, mancherlei Veränderungen 
erleidet, die von grosser Bedeutung ist für den Lungenprozess selbst. 
Ich meine die meteorologischen Schwankungen, die im Norden grosse 
Wellenbewegungen machen. Der Winter zeichnet sich nicht durch 
Beständigkeit aus; Frühling und Herbst sind im Norden sehr unbe¬ 
ständig und zeichnen sich durch feucht-kalte Witterung aus. Dies-3 
ist für die Kranken in keiner Weise günstig, da sie zu Katarrhen 
der Respirationswege Veranlassung gibt. Es muss deshalb als be¬ 
sonderes Verdienst der Endotinbehandlung bezeichnet werden, wenn 
die ambulatorische Kur unter solchen Verhältnissen erfolgreich durch¬ 
geführt werden konnte. Wir wissen ja, dass bei Erkältungen ver¬ 
schiedener Natur eine Tuberkulinkur meist unterbrochen werden muss. 
Wir müssen deshalb annehmen, dass die Endotinbehandlung trotz 
Erkältungen erfolgreich zu Ende geführt werden konnte. Die An¬ 
gaben der Autoren stimmen auch darin überein (Blumenau). 

Indikationen und Kontraindikationen. 

Ich muss gestehen, dass ich keine Kontraindikationen kenne, bei 
welchen das Endo t i n nicht anzuwenden sei. Die Ansichten der 
verschiedenen Ärzte, die mit dem Mittel gearbeitet haben, lassen 
sich folgendermassen gruppieren: I. Kontraindikation bei Tempe¬ 
raturen über 38,0^\ 11. über 38,5« (Blumenau, Chadji- 

Iwanoff). III. Keine Kontraindikation (Perott). Zu der letzten 
Gruppe gehören z. B. Autoren, die das Endotin gerade in ver¬ 
zweifelten Fällen an w ende n (N e u m a n n). Es wird auch 



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21 ] 


Die spezifische Behandlung der Tuberkulose mit Endotin. 


505 


angegeben, dass das Eadotin indiziert sei bei hochfiebernden 
und schweren Fällen (Gordon). Zuletzt lesen wir, es sei 
indiziert bei schweren Fällen, bei welchen Tuberkulin 
bis jetzt überhaupt kontraindiziert war (Deal). 

Es scheint luir, dass einige Automi die -Tuberkulosie unter¬ 
schätzen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Tul>erkulose unter 
gewöhnlichen Verhältnissen eine unheilbare Krankheit ist. Warum 
sollen wir einige Kranke, die Hilfe vielleicht am meisten brauchen, 
ausschliessen und sie nicht mit Endotin l>eliandeln? Es wäre das 
verständlich, wenn wir diese Fälle mit anderen uns zu Gebote stehen¬ 
den Mitteln gegen die Tuberkulose jheilen könnten, wälu’end das 
Endotin thermale Temperatursteigerung horvorrufon kann, die den 
Schwerkranken ungünstig l^eeinflussen müsste. Wie verhält es sich 
aber damit in Wirklichkeit? Wir besitzen eben gar keine Mittel 
gegen solche Formen der Krankheit und sind deswegen darauf ange¬ 
wiesen, symptomatisch zu behandeln. Wo ist hier die Kontraindi¬ 
kation ? Ganz im Gegenteil halte ich diese schwere Form der Krank- 
“ heit geeignet für die Endotinbehandlung. Und zwar nicht deshalb, 
weil ich glaube, mit dem Endotin jede Ponn der Tul^erkulose heilen 
zu können, sondern well ich es für die Pflicht des Arztes halte, 
wenigstens einen Versuch zu machen, um den Kranken zu retten. 
Nun wäre das ja eine unnütze Arbeit, wenn es schon feststünde, 
dass das Endotin in solchen Fällen nichts leistet oder d<ass es schadet. 
Wir haben aber gesehen, dass viele Autoren gerade in verzwei¬ 
felten Fällen zum Endotin ihre Zuflucht nehmen; .^s muss also 
doch irgend eine günstige Wirkung in diesen Fällen beobachtet worden 
sein. Ich kann aber auch selbst bestätigen, dass in einigen schweren 
Fällen, bei Hochfietemden, eine Entfieberung eintrat nach der Be¬ 
handlung mit dem Endotin. Es sollte deshalb nie a priori von Kontra¬ 
indikationen geredet werden; ein Voi*such müsste immer gemacht 
werden. 

Eodotioreaktion. 

Ich komme nun auf das vielbesprochene und heissumstriUene 
Tliema der Reaktion zu sprechen. Es ist bereits ol>en erwähnt, dass 
die allgemeine Reaktion von den Ekdotinen herrührt und nur die 
thermale Reaktion, wenn sie überhaupt eintritt, als eine Folge 
der Endotinwirkung anzusehen ist. 

Bei der Endotinbehandlung ist eine thennale Reaktion, also Ele¬ 
vation der Temperaturkurve, äusserst selten; und wenn sie eintritt, 
sehr gering (Schreibner). Selbst bei Injektionen von 200 mg 
wurde sie nicht beobachtet (Chad j i -1 wan of f, Gordon, Deal). 


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506 


Dr. (labrilowitsch. 


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Unter 1549 Injektionen war eine Temperatursteigerung über 
0,5^ nur in 2,5o/o zu registrieren. 

Über 1,0^ wurde sie unter 2282 Injektionen nur in lo/o beobachtet 
(Hirschberg). 

Nun steht es fest, dass Ihm d(?r Endotinbeliandlung neben der 
Temperatiu*elevation auch eine Te in per a t u r depr essi o n zu l>e- 
()l)achten ist, und zwar in etwa 25«/o der behandelten Fälle. Diese 
t e m p e r a t u r h e r a b s e t z e n d e Kraft des Endotins ist sehr gross 
(Ne u m a n n) und tritt schon l>ei kleinen Dosen auf (Fed o r o f f). 
VV^as die Her dreak ti «ui betrifft, so ist sie fast immer scharf aus¬ 
gesprochen (Q 0 r d o n , R o s t o s c h i n s k y , Z1 a t o w e r c h o w n i - 
k 0 f f). Ich behaupte*, dass dort, wo sie besonders scharf ausge¬ 
sprochen, der lokale Prozess sich rasch bessert. Es istin solchen 
Fällen entschieden falsch, die Kur zu unterbrechen; 
es sei denn, die Lunge hat>e sich gereinigt. An der Einstioh- 
stelle wurden nie Infiltrate beobachtet (K o c h), oder andere 
Entzündungsvorgänge, wie bei Alttuberkuhn (Fedoroff). 

Über Körpergewichtsreaktionen lässt sich überhaupt nur schwer 
reden, da dieselben, wenn sie wirklich Vorkommen, sich unserer Kon¬ 
trolle entziehen. 


Schlusssätze. 

1. P]ndotin ist staatlich geprüftes Alttuberkulin, auf ch^ischem 
Wege verändert. Liut chemischer Analyse Ix^steht diese Verände¬ 
rung in einer lyeträclitlichen Yermindening der stickstoffhaltigen 
Körper. 

2. Beim Tierversuch ergab P]ndoün sehr günstige Resultate im 
Sinne einer klinischen und anatomischen Heilung. Bei der Aktivi¬ 
tätsprüfung entwickelt es jedoch keine toxischen Eigenschaften, wie 
die anderen Tuber kühne. 

3. Unter der Endotinbeliandlung steigt der Opsoninindex. 

4. Sämtliche Krankheitserscheinungen werden in günstigster 
Wei.^e l>eeintlusst, nicht niu' Ixii der Lungentuberkulose, sondern 
auch bei den anderen Fonnen. 

5. P]s hat sich gut l>ewährt l)ei der ambulanten Behandlung 
und t>ei der V^erwendung in der Hospitalpraxis. 

6. VjS macht keine Allgemeinreaktion. 



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23] 


Die spezifische ßehandluug der Tuberkulose mit Endotio. 


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