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Full text of "Beiträge zur Klinik der Tuberkulose und spezifischen Tuberkulose-Forschung 25.1912"

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Klinische Beiträge 


Beiträge 

« 

zur 

Klinik der Tuberkulose 

und spezifischen Tuberkulose-Forschung. 


Unter Mitwirkung der Herren 

Professor Dr. H. Arasperger (Dresden), Prof. Dr. Aschoff (Freiburg i. Br.), Exz. Wirkt. Geh.-Rat 
Prof. Dr. t. Behrlsg (Marburg), Prof. Dr. Bettmsnn (Heidelberg), Dr. F. Blumenfeld (Wies¬ 
baden), Professor Dr. Bruns (Marburg), Prof. Dr. de la Camp (Freiburg), Prof. Dr. Eber 
<I«aipzig), Geh. Hofrat Prof. Dr. Flelner (Heidelberg), Prof. Dr. Gaupp (Tübingen), Dozent 
Dr. Hambnrger (Wien), Reg.»Rat Dr. Hamei (Berlin), Prof. Dr. Hammer (Heidelberg), 
Dr. Haenisch (Hamburg), Professor Dr. Hegener (Hamburg), Prof. Dr. t. Hippel (Halle a. 8.), 
Prof. Dr. Hirsch (Göttingen), Prof. Dr. Jacob? (Heidelberg), Prof. Dr. Jurasz (Lemberg), 
Prof. Dr. A. Keyserling (Berlin), Geh. Ober-Ked.-Rat Prof. Dr. Kirchner (Berlin), Chef¬ 
arzt Dr. Köhler (Holsterhausen), Dr. Kramer (Böblingen-Stuttgart), Med.-Kat Prof. Dr. Kfittner 
<Brealau), Prof. Dr. Magnus (Utrecht), Oberarzt Dr. Much (Hamburg), Oberarzt Dr. Nähr- 
körn (Elberfeld), Oberstabsarzt Prof. Dr. Nletner (Berlin), Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Ostertag 
<B«rlin), Prof. Dr. Petruschky (Danzig), Prof. Dr. Roemer (Marburg), Chefarzt Dr. Roepke 
(Melsungen), Prof. Dr. Sahli (Bern), Prof. Dr. A. Schmidt (Halle), Prof. Dr. Schoeabora 
(Heidelberg), Prof. Dr. Schottliader (Wien), Dlrlg. Arzt Dr. Schröder (Sehömberg), Prof. Dr. 
Schwalbe (Rostock), Prof. Dr. Soetbeer (Giessen), Chefarzt Dr. Lucius Spengler (Davos), Dr. Carl 
Spengler (Davos), Prof. Dr. H. Starck (Karlsruhe), Prof. Dr. W. y. Ktarck (Kiel), Prof. Dr. Stöckel 
<Kfel), Prof. Dr. N. Ph. Teudeloo (Leiden), Prof. Dr. Völker (Heidelberg), Prof. Dr. Vulplu* (Heidel¬ 
berg), Geh. Reg.-Rat Dr. Weber (Berlin), Prof. Dr. Wenekebach (Strassburg) 

herausgegeben und redigiert von 

Professor Dr. Ludolph Brauer. 


Band XXV. 


Mit 6 Tafeln und 17 Abbildungen im Text. 



Würzburg. 

Verlag von Curt Kabitzsch. 

Kgl. Univ.-Verlagsbuehhftndler. 

1912. 


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Druck der Königl. Universitätadruckerei H. StQrtz A. G., Wörzburg. 


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Inhalt des XXV. Bandes. 


Balliano, Stabsarzt Dr. A., Über einen Fall von primärer Tuberkulose der 
Samenkanälchen des Hodens und des Nebenhodens. Mit 1 Tafel . . 
Bauer, Dr. F. A., Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. Mit 8 Ab¬ 
bildungen im Text. 

Brotzen, Siegfried, Die Kuhn sehe Lungensaugmaske. 

, Deist, H., Bemerkungen zu dem Aufsatz: Über Albumosurie bei Tuberkulose 
^ Dietl, Dr. Karl, Die Entwickelung der Tuberkulinempfindlichkeit im Inku- 

bationsstadium der Tuberkulose. 

^ Förster, Stabsarzt Dr. C., Über Tuberkulintherapie bei der chirurgischen 

Tuberkulose des Kindesalters. 

Gwerder, J., Die Tuberkulose-Sterblichkeit unter der einheimischen Be¬ 
völkerung von Davos. 

? Holmgren, I., Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter 
— Säuren in Löschpapier und der Tuberkulinreaktion in der Haut. Mit 

3 8 Abbild, und 17 Tab. im Text. 

Jacobaeus, Doz. H. C., Über Laparo- und Thorakoskopie. Mit einem Ge- 
leitwort von Prof. Dr. L. Brauer. Mit 5 Tafeln und 1 Textabbildung 
/ Rnhn, Stabsarzt Dr. E., Bemerkungen zu der Arbeit Berlins in Heft 8 

Bd. XXIII über Erfahrungen mit der Saugmaske. 

Lichtenstein, Dr. med. Mieczyslaw, Sind die Gallengangstuberkel in der 

Leber das Resultat einer Ausscheidungstuberkulose?. 

Löffelmann, Dr. H., Nachtrag zur Arbeit: Über Befunde bei Morbus Hodgkin 
mittelst der Antiforminmethode im 3. Heft des XXIV. Bandes . . . 
. Pachner, Dr. Ernst, Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 

9 Mit 1 Tabelle. 

0 Wolff, Hofrat Dr., Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose und die 

^ Disposition bei Tuberkulose. 

Zink, Dr., Über einen in seiner Entstehungsweise eigenartigen Fall von 
Stickstoffembolie. 


Seite 

385 

159 

355 

184a 

413 

1 

61 

85 

185 

27 

53 

184b 

137 


33 


421 




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- UNIVERSITY OF MfNNESOTÄ 




Aus der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg* — früherer Direktor 

Professor E. Feer. 


Über Tuberkulintherapie bei der chirurgischen 
Tuberkulose des Kindesalters. 

Von 

Stabsarzt Dr. C. Förster, Charlottenburg, früher Heidelberg. 

Wenn die therapeutische Anwendung des Tuberkulins trotz des 
auf die anfängliche Begeisterung folgenden Rückschlages von neuem 
wieder aufgenommen wird, so verdanken wir dies hauptsächlich den 
Beobachtungen undArbeiten von Petruschky,Götzsch,Fraenkel, 
Pickert, Spengler, Sahli, Denys, u. a., welche durch das 
Verfahren der Injektion kleinster und nur langsam steigender Dosen 
diese Behandlungsweise in neuste Bahnen geleitet haben. Allerdings 
war die neue Methode in der Hauptsache zunächst auf die Behand¬ 
lung der Lungen-Tuberkulose und für Erwachsene bestimmt. Mit¬ 
teilungen und praktische Erfahrungen über die neue Art der Anwen¬ 
dung des Tuberkulins bei chirurgischer Tuberkulose, speziell im Kindes¬ 
alter, liegen nur vereinzelt vor. 

Petruschky schrieb in seiner 1897 erschienenen Mitteilung: 
„Bei einigen anfangs schwächlich erscheinenden Personen, namentlich 
skrofulösen Kindern, fiel mir nach Ablauf der erfolgreichen Behand¬ 
lung eine körperliche Entwickelung auf, wie ich es früher nicht für 
möglich gehalten hätte. Es kommt zu einer vollständigen Änderung 
der Konstitution . u 

Escherich (1) hat dann eine Reihe von Skrofulosefällen mit 
Tuberkulin behandelt, dabei trat eine augenfällige und rasche Bes¬ 
serung der oberflächlichen Katarrhe, aber keine wesentliche Ver¬ 
änderung der eigentlichen tuberkulösen Krankheitsherde, der Drüsen- 
und Knochenerkrankungen, in Erscheinung. Allerdings verfuhr Esche¬ 
rich nach der Methode von Bauer und Engel mit hohen und 
schnell steigenden Dosen, auf die wir noch später zurückkommen. 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 1 


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o 


C. Förster. 


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Er erhielt daher auch letale Ausgänge infolge miliarer Ausbreitung 
der Krankheit. 

W. Neu mann (2) dagegen sah bei der spezifischen Behandlung 
der verschiedensten Arten chirurgischer Tuberkulose bessere und 
raschere Erfolge als bei der Lungentuberkulose; zwei Fälle von 
Skrofuloderma gelangten ohne jede lokale Therapie zur Heilung. 

Bandelier und Roepke (3) bezeichnen die Skrofulöse als ausser¬ 
ordentlich günstiges Objekt der spezifischen Behandlung, mit umso 
besserer Heilungsaussicht, je älter die Kinder sind. Dagegen drücken 
sie sich über die Erfolge bei der chirurgischen Tuberkulose zurück¬ 
haltend aus (S. 224). 

Sahli (4) hingegen betont die sehr günstigen Resultate, die er 
bei Spondylitis gesehen hat. Natürlich darf die übliche, chirurgische 
Behandlung nicht ausser Acht gelassen werden. Auffällige Erfolge 
erzielte er auch bei 2 Fällen schwerer, skrofulöser Augenentzündung, 
die vorher jeder Behandlung widerstanden. 

A. Janowsky (5) hat gleichfalls bei kindlicher Spondylitis tuber- 
culosa gute Resultate mit dem Tuberkulin gehabt. 

J. Bungart (6) hat die mild immunisierende Methode nach Sahli 
mit Alttuberkulin angewandt und während eines Jahres ohne Aus¬ 
wahl alle chirurgischen Tuberkulosen gespritzt, wobei die chirurgi¬ 
schen Eingriffe auf das nötigste beschränkt wurden. Er erzielte — 
wohl infolge Applikation noch zu hoher Dosen — Lokal- und All¬ 
gemeinreaktionen, auch meningitische Erscheinungen. Eine günstige 
Beeinflussung des tuberkulösen Prozesses hat er nur bei Fällen mit 
rein entzündlichen Erscheinungen gesehen; wo es dagegen schon zu 
schwererem Gewebszerfall gekommen war, versagte das Mittel. Trotz¬ 
dem empfiehlt er es auch in Fällen, wo ein chirurgischer Eingriff nötig 
ist, zur Hebung des Allgemeinzustandes und Herabsetzung der fieber¬ 
haften Temperatur. 

Wilms (7) aber spricht sich sehr warm für die Anwendung der 
Tuberkulintherapie bei der chirurgischen Tuberkulose aus. Nach 
seinen Erfahrungen ist „der Chirurg verpflichtet, selbst wenn ihm 
eine völlige, radikale Entfernung eines tuberkulösen Herdes gelungen 
ist, sich davon zu überzeugen, ob der Organismus positiv auf Pirquet 
reagiert, und wenn das der Fall ist, eine Tuberkulinkur dem Pa¬ 
tienten als prophylaktische Massnahme gegen ein eventuell auftretendes 
Rezidiv oder gegen eine sonstige Infektion mit Tuberkelbazillen vor¬ 
zuschlagen“. Nach seiner Ansicht leistet das Tuberkulin mehr als 
Jodoform, Glyzerin, Stauung und andere Mittel. Wilms hält solche 
Fälle als besonders geeignet für die spezifische Behandlung, welche 
auf Pirquet schwach oder gar nicht reagieren (Formen fungöser 


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3] Ober Tuberkulintberapie bei der Chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 


3 


Tuberkulose). Er wünscht die spezifische Behandlung noch kombiniert 
mit der Röntgenbestrahlung und natürlich auch mit den anderen all¬ 
gemeinen, therapeutischen Mitteln, um so die konservative Behandlung 
der chirurgischen Tuberkulose noch weiter zu fördern. 


Über die Veränderungen, die das Tuberlin nach der Einsprit¬ 
zung an dem Krankheitsherd wie im ganzen Körper bewirkt, sind 
verschiedene Theorien aufgestellt. Sahli (4), dessen Arbeit haupt¬ 
sächlich meinen Untersuchungen zugrunde gelegt ist, nimmt eine 
aktiv immunisierende Heilwirkung an, die dadurch erreicht wird, 
dass der Körper steigende Tuberkulindosen empfängt und so allmählich 
gegen höhere Werte des Giftes gefestigt wird (Mithridatismus). Durch 
die Einwirkung des entstehenden Antikörpers auf den tuberkulösen 
Herd werden die Tuberkelbazillenproteine (Tuberkulin) aufgelöst und 
so durch örtlichen Reiz entzündliche Erscheinungen wachgerufen. 

Mithridatismus und Erzeugung örtlicher Hyperämie nehmen auch 
Bandelier und Roepke (3) als das Wesentliche bei der Tuberkulin¬ 
behandlung an. Die Giftfestigung betrachten sie als Hauptmittel zur 
Bekämpfung der Allgemeinerscheinungen (Fieber, Pulsbeschleunigung, 
unruhiger Schlaf, nervöse Reizbarkeit, Appetitlosigkeit, Mattigkeit 
u. a.), die als toxische Wirkung aufzufassen sind. Die örtliche 
Hyperämie dagegen bewirkt schnellere Einschmelzung und Resorption 
des kranken Gewebes. 

Penzoldt (8) sieht den Nutzen hauptsächlich in der erzielten 
Hyperämie, desgleichen H. Schur (9), welcher deshalb vorschlägt, 
einen durch Tuberkulinbehandlung erreichten Immunitätsgrad nicht 
durch kontinuierliche Behandlung festzuhalten, sondern die Injektionen 
erst nach wiedererlangter Reaktionsfähigkeit fortzusetzen. 

Löwenstein (10) wiederum nimmt eine spezifische Wirkung ört¬ 
lich und allgemein an. Die entstehenden Antikörper sieht er als 
echte Toxine an, wie sie Pick er t fand bei günstig verlaufenden, 
nicht mit Tuberkulin behandelten Fällen. 

Meines Erachtens dürfte die von Sahli angegebene Theorie für 
die Erklärung der Wirkung des Tuberkulins nach zwei Seiten, örtlich 
und allgemein, am brauchbarsten sein. Das bald nach Einsetzen der 
Kur sich zeigende Schwinden der objektiven wie subjektiven Allge¬ 
meinerscheinungen ist als Wirkung der Antitoxine bzw. der Gift¬ 
festigung anzusehen, während die örtliche Hyperämie besonders dazu 
beiträgt, die Resorption des tuberkulösen Herdes zu fördern und die 
Bildung von Bindegewebe und Vernarbung zu beschleunigen. 


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4 


C. Förster. 


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Ob nun bei den Injektionen Stichreaktion (an der Einstichstelle) 
oder Lokal- (am Herde) oder Allgemeinreaktionen anzustreben oder 
zu vermeiden sind, darüber gehen die Anschauungen noch weit aus¬ 
einander. Sahli (4) bezeichnet es als ein gewagtes Spiel, entzündliche 
Lokalreaktionen hervorzurufen, weil bei jeder Injektion, auch wenn 
äusserlich keine Anzeichen dafür geboten werden, leichte Hyperämi- 
sierung und Exsudation bewirkt werde. Auch Kuthy (8) verlangt 
absolut reaktionslose Durchführung der Tuberkulintherapie, wenn sie 
wirklich von Erfolg sein soll, während P e n z o 1 d t (8) Reaktionen nur 
möglichst vermeiden will, weil jedenfalls heftige Reaktionen unnötig 
und schädlich seien. Neumann (11) glaubt ein besonders wertvolles 
Reaktionskriterium in der meist sehr vernachlässigten Stichreaktion 
gefunden zu haben, er steigert die Dosis erst bei sehr geringer oder 
völlig negativer Reaktion. Ebenso sieht Saathoff (12) die Stich¬ 
reaktion als Kriterium an und meint, mit ihr parallel verlaufe die 
Lokalreaktion; das Optimum der Stichreaktion bilde ein 2- bis 5-Mark- 
stück-grosses Infiltrat. F. Meyer (13) dagegen fordert neben der 
Stichreaktion leichte Allgemeinreaktion (geringe Temperatursteigerung, 
Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen). 

Ich war anfangs bestrebt, im Sinne von Sahli absolut reaktions¬ 
los zu injizieren, bin aber im weiteren Verlaufe der Beobachtungen 
und Erfahrungen zu dem Grundsatz gekommen, bei möglichst kleinen 
Dosen doch deutliche Stichreaktionen von etwa 10-Pfennigstück- bis 
2-Markstück-Grösse vnd eventuell massige Lokalreaktionen zu erzielen; 
von etwaigen gleichzeitig auftretenden, leichten Allgemeinerscheinungen 
sah ich keine üblen Folgen mit Ausnahme von Fällen ausgesprochener 
Skrofulöse, auf die später noch zurückzukommen ist. 

Meine Injektionen begannen mit 1 Millionstel bzw. */» Millionstel mg 
Alttuberkulin. Die anderen angeführten Autoren wählten Anfangs¬ 
mengen von Yiooooo—Vioooo— l /iooo — V 100 — V 10 m g- Philippi begann 
mit Dosen von 1 /a Millionstel mg, da er mit Yiooooo mg noch deutliche 
fieberhafte Allgemeinreaktion beobachtet hatte. Allerdings benutzte er 
das Präparat T.O.A. aus Höchst, das er tausendmal toxischer einschätzt 
als das Alttuberkulin. 

Die Herstellung der Lösungen erfolgte unter Anlehnung an die 
Grundsätze, welche Sahli angegeben hat. Um zu vermeiden, dass ein 
Übergang von der einen Lösung zur nächst stärkeren schädlich wirken 
könnte, wurde jede folgende Lösung nur doppelt so stark gemacht 
als die vorhergehende, so dass beim Übergang zur höheren eine halbe 
Spritze der stärkeren Lösung gleich der ganzen Spritze der schwä¬ 
cheren war. 

Es wurden folgende beiden Stammlösungen benutzt: 


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5] Über Tuberkulinther&pie bei der chirurg. Tuberk. des Eindesalters. 5 

A. 1 ccm Alttuberkulin Höchst verdünnt mit 100 ccm Koch¬ 
salzlösung 8 %o. 

Davon enthält 0,1 ccm = l mg Alttuberkulin. 

B. 0,1 ccm von Lösung A. verdünnt mit 100 ccm Kochsalzlösung. 
Davon enthält 1 ccm = 0,001 mg Alttuberkulin. 

1 ccm von Lösung B. verdünnt mit 100 ccm Kochsalzlösung, 
davon enthält 1 ccm =0,00001 mg. Diese Lösung stellt gleichzeitig die 
I. therapeutische Lösung dar (7io ccm = 1 Teilstrich der benutzten 
Rekordspritze = 1 Millionstel mg). 


II. therapeutische Lösung 1 ccm = 0,00002 mg (1 Strich=7sooooo mg). 

III. 

„ 1 ccm = 0,00004 mg 

IV. 

„ 1 ccm = 0,00008 mg . 

V. 

„ 1 ccm = 0,00016 mg 

VI. 

„ 1 ccm = 0,00032 mg 


usw. 

Die Lösungen wurden unter aseptischen Kautelen angefertigt, 
erhielten den üblichen Zusatz vonAc. carbol. liquefact. 0,5%, wurden 
im Eisschrank aufbewahrt und nach Bedarf, meistens 1 mal wöchent¬ 
lich, erneuert. 

Bei der Behandlung wurden die Kinder im Bett belassen und 
zweistündlich anal gemessen; im allgemeinen erhielten sie die erste 
Dosis (1 Millionstel mg) mehrmals und erst, wenn auch keine Zeichen 
einer Stichreaktion mehr auftraten, die nächst höhere Dosis { 2 /io ccm 
1 = 0,000002 mg) und so fort. Bei Reaktionen wurde gewartet, bis 
diese ganz abgeklungen waren, und erst nach weiteren 2—3 Tagen 
die Hälfte der vorigen Dosis verabfolgt. Erfolgte keine Reaktion 
mehr, so wurde jedes Mal um V 20 bzw. 1 /io ccm bis zur Dosis von 
5 Strich = % ccm Nr. I. (0,000005 mg = 7200000 mg) gestiegen. Wenn 
diese Dosis mehrmals reaktionslos vertragen wurde, schritten wir zur 
Lösung II, aber auch wieder unter Berücksichtigung des Sahli sehen, 
reaktionslosen Verfahrens, indem die Dosis zunächst auf nur 1 /io 
ccm H reduziert und dann allmählich auf 1 h ccm II gestiegen wurde. 
In der gleichen Weise verfuhren wir anfangs auch bei den höheren 
Dosen. Erst später wurde etwas von diesem Programm abgewichen 
und dreister vorgegangen, um — wie bereits angegeben — mässige 
Stichreaktionen, eventuell auch leichte Lokal- und Allgemeinreaktionen zu 
erzielen, ohne schädliche Folgen zu erwirken. War eine individuelle Maxi¬ 
maldosis erreicht, die sich dadurch zeigte, dass sie eben noch mit 
Stich- und Lokalreaktion ohne Allgemeinerscheinungen (manchmal 
auch mit eben angedeuteter Allgemeinreaktion) vertragen wurde, so 
blieben wir stehen auf dieser Höhe und wiederholten die gleichen Ein¬ 
spritzungen in bestimmten Zwischenräumen, durchschnittlich 1 bis 2 mal 


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C. Förster. 


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wöchentlich. Die Anfangsdosen wurden, wie gesagt, fast regelmässig 
2 bis 3mal injiziert, stärkere dagegen nur lmal wöchentlich; nach 
Allgemeinreaktionen wurde wenigstens eine freie Woche dazwischen 
gelassen. Bestimmte Regeln lassen sich aber hier nicht aufstellen. 
Je länger man die Tuberkulintherapie übt, um so klarer ergibt sich 
der Grundsatz, hier streng zu individualisieren und die Reaktions¬ 
fähigkeit jedes einzelnen Patienten sorgfältig zu studieren. Meines 
Erachtens liegt das therapeutische Optimum bei derjenigen 
Dosis, die mässige St ich- und Lo kalreaktion verursacht 
und eben noch vertragen wird, ohne deutliche Allgemein¬ 
wirkungen hervorzurufen. 


Es folgen nun die Krankengeschichten der einzelnen Fälle: 

A. Fälle, die bei der Tuberkulinbehandlung keine Besserung 
zeigten: 

1. Hans E., 3 J. Skrofulöse; Drüsen-, Knochen- und Gelenktuberkulose. 
In der Klinik 30. 12. 09 bis 6. 1. 10; 30. 12.10 bis 25. 1. 11; 27. 2. bis 7. 3. und 1. 4. 
bis 20. 4. 11; ausserdem ambulatorisch. 

Keine familiäre Belastung. Beginn der Krankheit Ende 1908 mit Drüsen- 
abscess am Kinn, der incidiert wurde. Dezember 1*909 Schwellung der rechten 
Hand und der Halsdrüsen. Bei Eintritt in die Behandlung 30. 12. 10. ausge¬ 
prägtes Bild von Skrofulöse (multiple Drüsenschwellungen, Conjunktivitis, 
Ekzem an Kopf und Rumpf, dicke Oberlippe) und Rachitis (Rosenkranz, defor¬ 
mierter Thorax, Verdickung der Epiphysen, Säbelbeine). Dabei mässige Ver¬ 
dickung des rechten II. Metacarpus, besonders am distalen Ende (Umfang um 
Mittelhand links 11cm, rechts 12 cm). PirquetTemperatur unregelmässig 
zwischen 36,0—37,5°. Gewicht 13560 g. 

Behandlung: Nach der 3. und 4. Injektion (0,000005 bzw. 0,000003 mg) 
starke Allgemeinreaktion: Erbrechen, schleimig-wässerige Stühle, Temperatur bis 
37,8°, Hustenreiz (Bronchialdrüsen?). Während weiterhin noch 6 Dosen in Grenzen 
von 0,000003 — 0,000001 mg verabfolgt werden, entwickelt sich aus der Spina 
ventosa und im unteren Drittel des rechten Radius je ein Abscess, die multiplen 
Drüsentumoren vergrössern sich, die in der Submentalgegend erweichen. Nach 
Eröffnung der Abscesse wird bei zufriedenstellendem Allgemeinbefinden die 
Tuberkulinkur wieder aufgenommen, 2 Injektionen zu je 0,000001 mg werden zu¬ 
nächst reaktionslos vertragen, aber nach 5 Tagen zeigt sich Schwellung beider 
Ellenbogengelenke, Verdickung an der linken Ulna, starke Nackendrüsenschwellung 
und beginnende Spina ventosa am linken Mittelfinger, während der Zustand des 
rechten II. Metakarpus unverändert ist; an der Aussenseite des rechten Ober¬ 
schenkels zeigt sich ein haselnussgrosser, kalter Abszess, in der rechten Skrotal- 
hälfte ein hühnereigrosser, nicht transparenter Tumor neben dem Hoden; der 
Tumor ist trotz weiten Leistenkanals nicht reponibel, er erweist sich bei der als¬ 
bald vorgenommenen Operation als ein Packet verkäster Drüsen des Omentum, 
das mit dem Bruchsack innig verwachsen ist und daher mit diesem reseciert 
wird. Danach bei glattem Heilungsverlauf auffallender Rückgang der andern 
Herde, besonders nachdem noch die grösstenteils verkästen Nackendrüsen heraus¬ 
geschält sind. 



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7] Über Tuberkulintherapie bei der chirmrg. Tuberk. des Kindesalters. 7 

Bei erheblich besserem Allgemeinzustand wird nochmals ein vorsichtiger 
Versuch mit Tuberkulinjektionen gemacht, jedoch nach der zweiten (0,000001 mg) 
zeigt sich wieder deutliche Allgemeinreaktion mit Temperatur bis 38,3°. Darauf 
Entlassung des Kindes auf Wunsch der Mutter. 

Als es nach 2 Monaten wieder vorgestellt wurde, hatte es sehr ungünstigen 
Allgemeinzustand, Temperatur b'8,6°, ziemlich starken Ikterus. Bauch stark auf- 
getrieben, tympanitisch mit Fluktuation und handbreiter Dämpfung an den 
Seiten. Leber 1 Finger breit unterhalb des Rippenbogens palpabel, starke Ver¬ 
dickung beider Ellenbogengelenke, Spina ventosa mässigen Grades am linken 
Mittelfinger, Auftreibung der linken Tibia in der Mitte, Vernarbung des alten 
Herdes am rechten II. Metakarpus. 

2. Walter K., l x /a Jahre alt. Gonitis tuberculosa dextra. Spina ventosa 
am rechten Zeigefinger. 17. 1. bis 8. 2. 11. 

Mutter an Lungentuberkulose gestorben. Mit V«* Jahr Spina ventosa des 
rechten Zeigefingers, Entfernung eines Sequesters, mit 1 Jahr allmählich zu¬ 
nehmende Schwellung des rechten Knies. 

Blasses, mässig genährtes Kind mit zahlreichen linsen bis bohnengrossen 
Drüsen an Hals, in Achsel- und Inguinalgegend. Temperatur 37,8°. Pirquet -f- -j- 
Rechtes Bein in Beugekontraktur, am Knie stark verdickt. Haut daselbst prall, 
glänzend, blass. Dicht oberhalb des Gelenkes Fluktuation. Grösster Umfang des 
Kniegelenkes links 18 cm, rechts 26 cm. Rechter Zeigefinger im Grundglied stark 
aufgetrieben, Fistelöffnungen an Aussen- und Innenseite; Umfang rechts 6 cm, 
links 4 cm. 

Die örtliche* Behandlung bestand anfangs in Punktionen und Injektionen 
von Jodoform-Glyzerin, doch musste schon nach 2 Wochen wegen weit vorge¬ 
schrittener Zerstörung des Gelenkes zur Arthrektomie geschritten werden, während 
die gleich nach der Aufnahme begonnene Tuberkulinbehandlung fortgesetzt 
wurde; im ganzen erhielt Patient 7 Injektionen (0,000001—0,000004 mg), dabei 
einmal (auf 0,000003 mg) Allgemeinreaktion und Fieber bis 39,8°, Wiederauf¬ 
flammen der Pirquetschen Impfstelle, aber ohne Stichreaktion. 

Leider entzog sich das Kind bald der weiteren Behandlung und Beobachtung. 
Bei der Entlassung war die Operationswunde völlig reaktionslos, die Spina ventosa 
um 1 cm geringer an Umfang. 

3. Barbara W., 9 Monate alt. Spina ventosa an beiden Füssen und 
rechter Hand. Tuberculosis pulmonum 8. 3. bis 12. 5. 11. 

Vater lungenkrank, Mutter „bleichsüchtig*, Tante mütterlicherseits an Tuber¬ 
kulose gestorben, eine 3 jährige Schwester lungenkrank. Pat. seit Geburt viel 
„Katarrh und Husten*. 

Blasses Kind von schlechtem Ernährungszustand, Gewicht 4670 g. Pirquet -k 
Temperatur öfter um 38° und darüber. Metacaipus III. dext. und beide Metatars. I 
mässig aufgetrieben, ohne Rötung der Haut, ohne Fluktuation. Multiple Drüsen¬ 
schwellungen. Leber und Milz palpabel. Infiltration der linken Lungenspitze bis 
zur Mitte der Skapula (Dämpfung und abgeschwächtes Atmen); keine Tuberkulide. 

Behandlung mit Schmierseifeneinreibungen, Kreosotal und Tuberkulin, be¬ 
ginnend mit 0,000001 mg, allmählich steigend bis zu 0,000009 mg, im ganzen 
13 Ipjektionen, ohne Stich-, Lokal- oder Allgemeinreaktion. 

Während die Knochenauftreibungen merklich zurückgehen, besonders die an 
der Hand fast geschwunden sind, macht sich zunehmende Verschlimmerung des 
Lungenbefnndes bemerkbar (keuchendes Exspirium; scharfes, lautes Atmen über 


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8 C. Förster. [8 

der rechten Lunge, beiderseits Rasseln). Gewichtszunahme noch 360 g. Kind 
auf Wunsch der Eltern entlassen. 

B.Fftlle,die sich unter der Tu b e r k uli nbeh an dlun g besserten: 

4. Joseph H., 6 Jahre alt. Spondylitis tuberculosa; Drüsenabscess am 
Halse. 7. 3. bis 5. 5. 11. 

Keine familiäre Belastung. Seit l 1 * Jahren zunehmende Verkrümmung der 
Wirbelsäule, seit 3 Monaten hühnereigrosse Geschwulst am Halse. 

Dürftiger Ernährungszustand. Temperatur 37,7°. Pirquet + -f-. Linsen¬ 
grosse Phlyktäne am linken Auge. Spitzwinkliger Gibbus im Bereich des 1.—8. 
Brustwirbels, die sämtlich druckempfindlich. Starke LordoBe. Beim Gang stützt 
sich Patient in typischer Weise mit beiden Händen auf die Oberschenkel. 
Patellar- und Achillessehnenreflexe beiderseits sehr stark erhöht, Fussklonus 
beiderseits stark. Linke Halsseite durch einen gänseeigrossen, vom Nacken bis 
in die vordere Medianlinie reichenden und auf die 2. Rippe herabhfingenden 
Tumor (Drüsenabscess) angefüllt, so dass der Kehlkopf 2 Finger breit nach rechts 
verdrängt ist; massiger Stridor. 

Behandlung. Nach Eröffnung des Abscesses (Entleerung von 200 ccm 
eitrig-käsiger Massen), der bis zur Schädelbasis und den Querfortsätzen der Hals¬ 
wirbel reicht, und nach Anlegung eines Gipskorsetts wird mit der Tuberkulinbe¬ 
handlung begonnen. Pat. erhält innerhalb zweier Monate im ganzen 17 Injektionen, 
0,000001—0,00002 mg; dabei nur einmal leichte Allgemeinreaktion (Temperatur 
bis 37,7°) nach Injektion von 0,000001 mg. Nach 2 Monaten bestand am Halse 
an Stelle der Abscesshöhle nur eine oberflächliche Fistelöffnung mit ganz geringer 
Absonderung, das Körpergewicht hatte um 2,610 kg zugenommen, das Aussehen 
war blühend. Patient war dauernd fieberfrei, lief ohne sich auf die Oberschenkel 
zu stützen und zeigte nur noch leichte Erhöhung der Reflexe an den Beinen. 

5. Lydia B., 5y 2 Jahre alt. Spondylitis tuberculosa. 9. 1. bis 14. 3. 11. 

Keine Belastung. Seit y 2 Jahr Klagen über Müdigkeit und Rückenschmerzen 

beim Laufen. Längere Zeit behandelt mit roborierenden Mitteln und Gipskorsett. 

Mittlerer Ernährungszustand, Ekzem um Mund und Nase; leichte mul¬ 
tiple Drüsenschwellungen. Gewicht 15 500 g. Temperatur schwankend zwischen 
36 -36,5—88,5°. Pirquet -f -f. Schallabschwächung über der rechten Lungen¬ 
spitze. Deformität des Thorax vorne unten. Starker Rosenkranz. 6. Brust¬ 
wirbel wenig, 7. stark nach aussen vorgedrängt, so dass ein gut walnussgrosSer 
Gibbus sich zeigt, welcher stark druckempfindlich ist. Keine Störungen der Sen¬ 
sibilität oder Motilität. 

Nach Anlegen eines Gipskorsetts Beginn der Tuberkulinbehandlung; im 
ganzen 15 Injektionen bis 0,00012 mg, die reaktionslos vertragen werden. 

Beim Abgänge recht günstiger Allgemeinzustand, Gewicht 17 940 g, Tempe¬ 
ratur noch etwas unregelmässig. Gibbus wenig prominent, nicht druckempfindlich. 

6. Hermann A., 5 Jahre alt. Tuberkulöse Karies der Fusswurzelknochen 
links. 5. 1. bis 27. 2. 11. 

Keine Belastung. Vor etwa 2 Jahren beginnende Anschwellung am linken 
Fuss, bald operiert, ungeheilt entlassen, zu Hause nicht weiter behandelt. Zu¬ 
nehmende Verschlimmerung. 

Blasser, dürftig genährter Knabe. Temperatur 36,5—37,5°. Gewicht 15550 g. 
Pirquet -f. Nacken- und Leistendrüsen erbsengross, Thorax flach, etwas einge¬ 
drückt. Über der rechten Spitze Dämpfung bis III. Rippe bzw. Mitte Schulter- 



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9] Über Tuberkulin therapie bei der Chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 9 

blatte, daselbst Bronchial atmen. Linke Fusswurzel und Mittelfuss stark ge¬ 
schwollen, unter beiden Knöcheln Fistelöffnungen, die auf den Talus bzw. Calcaneus 
fahren. Am Os naviculare kirschgrosser Abscess. Pronation und Supination des 
linken Fusses erheblich beschrankt. Am Grundgliede des rechten Ringfingers Spina 
ventosa mit 2 Fistelöffnungen. 

Behandlung: Schmierseifenkur, Lebertran, Resektion des Calcaneus, 
Tuberkulin, im ganzen 9 Injektionen bis 0,000007 mg. Nach den Injektionen 
meist Temperatursteigerung, einige Male etwas über 88°, nach einer Dosis von 
0,00007 mg starke Stichreaktion (zweimarkstück-grosses Infiltrat mit Druckschmerz¬ 
haftigkeit), Aufflammen der Impfstellen nach Pirquet, deutliche Lokalreaktion 
(Rötung und stärkere Anschwellung der Spina ventosa; über der infiltrierten 
Lunge viel Giemen und Schnurren). Patient scheidet mit gebessertem Allgemein- 
zustand (Gewicht 16100 g) und reizloser, in Heilung begriffener Operationswunde 
aus der Behandlung (auf Wunsch). 

Als Patient nach 3 Monaten wieder zur Vorstellung gelangt, ohne inzwischen 
behandelt zu sein, ist der Fuss im ganzen wieder unförmig verdickt, von zahl¬ 
reichen Fistelöffnungen an der früheren Operationsstelle besetzt; dagegen das 
Grundglied des rechten Ringfingers nur noch wenig verdickt, eine Fistelöffnung 
verheilt. Das Aussehen frischer, der Ernährungszustand befriedigend, Gewicht 
15500 g, Temperatur 37,5°. 

7. Peter Sch., 3 Jahre alt. Tuberkulose des rechten Ellenbogengelenkes. 
25. 1. bis 1. 2. 11; 20. 2. bis 15. 3. 11. 

Mutter an Tuberkulose gestorben. Vor 1 Jahr Schwellung des rechten 
Ellenbogengelenkes; nach Eröffnung und vorübergehender Heilung seit x jt Jahr 
erneute Erkrankung. 

Guter Allgemeinzustand. Gewicht 12950 g. Temperatur nicht über 37,5°. 
Pirquet + +• Massige Rachitis. Rechtes Kubitalgelenk stark verdickt, Um¬ 
fang -f 3 cm gegen links, Flexionskontraktur, Fluktuation. 

Behandlung: Punktionen, Jodoformglyzerin-Injektionen, Tuberkulin. Nach 
der ersten Dosis (0,000001 mg) Allgemeinreaktion mit Temperatur 38,1—38,7°, 
die sich fast bei jeder folgenden Injektion (im ganzen 7 steigend bis 0,000003 mg) 
wiederholt. Da Röntgenaufnahme starke Zerstörung des Gelenkes erkennen lässt, 
wird Resektion desselben und Entfernung der reichlichen fungösen und kariösen 
Massen vorgenommen. Heilungsverlauf gut; bei der Entlassung sehr günstiger 
Allgemeinzustand, Wunde reizlos, noch nicht völlig verheilt, Gewicht 13000 kg. 

Als Patient nach 3 Monaten wieder vorgestellt wird, ist die Wunde mit 
fester Narbe völlig verheilt, der Arm steht rechtwinklig, Beugung ist in geringem 
Grade möglich, dagegen Pronation und Supination ausgiebig. Allgemeinzustand 
weiter günstig. 

8. Paula V., 4 Jahre alt. Caries tuberculosa Metatarsi III. dextri. 27. 
12. 10. bis 28. 2. 11. 

Grossvater väterlicherseits an Tuberkulose gestorben, Vater lungenleidend. 
Seit V« Jahr Schwellung des rechten Fussrückens, die allmählich zunahm und 
vor 1 Woche aufbrach, seitdem Eiterabsonderung. 

BlassesKind von mittlerem Ernährungszustand, Gewicht 12140g; Pirquet -f + ; 
Temperatur sehr labil, schwankend zwischen 36,5—37,5 und darüber. Ekzem an 
der Nase. Haselnussgrosse Drüsen an der linken Halsseite. Hypertrophische 
Tonsillen. Massige Rachitis. Über dem linken Oberlappen Dämpfung und 
Bronchialatmen bis III. Rippe bzw. Mitte Schulterblatts. Rechter Fussrücken 


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stark geschwollen und'gerötet, auf der^Höhe der Geschwulst mehrere linsengrosse 
Öffnungen mit geringer Absonderung, man gelangt mit der Sonde auf rauhen 
Knochen (Metatarsus III); Fusssohle an der entsprechenden Stelle erheblich ver¬ 
dickt und gerötet. 

Behandlung: Schmierseifenkur, Lebertran, Tuberkulin, im ganzen 
15 Injektionen bis 0,00008 mg, auf die wiederholt Stichreaktion, einige Male auch 
Lokalreaktion (bronchitische Geräusche über dem linken Oberlappen nach dem 
Hilus zu) und Allgemeinreaktion (Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Temperatur bis 
38,5° bzw. 39,3° bzw. 40°) eintrat. Der kariöse Prozess wird behandelt mit Aus¬ 
löffelungen und Balsam. Peruv. Während im weiteren Verlaufe der Knochenherd 
langsam zur Heilung schreitet, treten vonseiten der Lungen — anscheinend in¬ 
folge der Tuberkulinreaktionen — stärkere katarrhalische Erscheinungen auf. 
Bei der Röntgenaufnahme werden beiderseits zwischen Schulterblatt und Wirbel¬ 
säule stärkere, unregelmässige Schatten bis etwa zum unteren Schulterblattwinkel 
nachgewiesen. Der Bauch zeigt Erscheinungen von Pseudo-Ascites, die Leber 
wird palpabel. Bei der Entlassung ist die Wunde am Mittelfuss noch nicht ganz 
verheilt, aber die Schwellung geschwunden und Absonderung sehr gering. Die 
übrigen Krankheitserscheinungen unverändert Gewicht 13 050 g (Zunahme 1 kg). 

Als Patientin nach 3 Monaten wieder vorgestellt wird, ist die Wunde am 
rechten Mittelfuss bis auf eine narbig eingezogene, linsengrosse Fistelöffnung mit 
sehr geringer Absonderung verheilt Das Kind sieht blass aus und macht den 
Eindruck, dass es schlecht gepflegt wird. Dabei ist der Ernährungszustand nicht 
ungünstig, der Bauch nicht mehr aufgetrieben, Leber nicht palpabel, aber über 
beiden Spitzen Verkürzung und abgeschwächtes Atmen bis zur II. Rippe bzw. 
Spina scapulae. 

9. Ludwig J., 9 Jahre alt. Spina ventosa des rechten Mittelfingers. 
Scrophulodermata. 

Grossmutter väterlicherseits an Tuberkulose gestorben, sonst keine Be¬ 
lastung. Mit */* Jahren englische Krankheit. Seit 3 Jahren Verdickung des 
rechten Mittelfingers, der wiederholt mit Incisionen behandelt wurde. Der Prozess 
griff auch auf die Mittelhand über. 

Blasser Knabe von gutem Ernährungszustand. Gewicht 19 700 g, Temperatur 
schwankend zwischen 36,5—37,5°. Pirquet Mässige Rachitis. Multiple 

Drüsenschwellung, in der rechten Achselhöhle eine walnussgrosse Drüse. Im 
Verlauf der Strecksehne des 3. und 5. Fingers mehrere zehnpfennigstückgrosse 
Scrophulodermata, die teilweise in die Gegend des Handgelenks übergehen. Am 
Grund- und Mittelglied des rechten Mittelfingers starke Spina ventosa (Umfang 
8 cm, links 5,5 cm), Beugekontraktur im Grundglied — Mittelgliedgelenk, am 
Grundglied 2 tief eingezogene Fisteln. Mitten in der rechten Hohlhand eine 
linsengrosse Fistelöffnung, durch die man mit der Sonde bis zum Mittelfinger ge¬ 
langt, ohne auf Rauhigkeiten zu stossen. 

Behandlung: Salzbäder, Lebertran, Tuberkulin, auf das Patient sehr 
empfindlich reagiert ; schon nach der Pirquet-Impfung tritt Lokalreaktion (Rötung 
und Schwellung der Scrophulodermata) und Allgemeinreaktion (Mattigkeit, 
Temperatur bis 38,8°) auf, die Impfstellen bilden sich in wenigen Tagen zu zehn¬ 
pfennigstückgrossen, erhabenen, blauroten Infiltrationen heraus. Mit der Tuber¬ 
kulinbehandlung'einher geht Lokalbehandlung durch Thermokauterisieren der er- 
krankteu Hautpartieen, Auslöffeln der Fistelgänge, Verbände mit Balsam. Peruv. 
Die Scrophulodermata verheilen schnell mit Hinterlassung blauroter, derber 
Narben. Dagegen ändert sich nichts am Mittelfinger, welcher zudem infolge 



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11] Über Tuberkulintherapie bei der chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 11 

seiner Kontrakturstellnng beim Gebrauch der Hand sehr hinderlich ist. Daher 
wird zur Amputation des Fingers geschritten einschliesslich 2 / 3 des Hü Meta- 
karpus und gleichzeitiger Exzision der Narben auf dem Handrücken. Nunmehr 
glatte Heilung. Patient hat im ganzen 12 Injektionen erhalten, allmählich steigend 
bis 0,00006 mg. Gewicht bei der Entlassung 21 220 g (4- 1520). 

Nach 6 Wochen sehr guter Allgemeinzustand, Narben fest, auf dem rechten 
Handrücken nur noch ein erbsengrosses Skrofuloderm. Gewicht 21620 (-(- 400) g. 
Die Mutter hebt besonders hervor, dass der Knabe jetzt viel besseren Appetit habe 
als vor der Behandlung. 

10. Alois M., 7 1 /* Jahre alt. Spina ventosa dns linken Daumens, Karies 
des Sternum, Scrophulodermata. 

Keine Belastung. Seit 2 Jahren zunehmende Anschwellung am linken 
Daumen, die Geschwulst brach vor 1 Jahr" auf, war vorübergehend heil, ist seit 
1 /2 Jahr wieder „offen*. Vor 1 Jahr Geschwulst vor dem rechten Ohr, die auch 
aufbracb, vorübergehend verheilte und seit 2 Monaten wieder offen ist. 

Genügender Ernährungszustand, etwas blasse Gesichtsfarbe. Gewicht 19400 g. 
Temperatur 36—37°. Pirquet-f-• Am rechten Unterkieferwinkel fast walnuss¬ 
grosse Drüse. Vor dem rechten Ohr in der Parotis-Gegend eine zehnpfennigstück¬ 
grosse, granulierende Fläche mit linsengrosser Fistelöffnung im Zentrum Mit 
der Sonde gelangt man 1 cm tief auf soliden Grund. Linker Daumen an 3er 
Grundphalanx stark aufgetrieben, mit 2 Fistelöffnungen. 

Behandlung: Salzbäder, Lebertran,Tuberkulin, örtlich Auskratzen,Thermo- 
kauterisieren, Perubalsam. Patient erhält im ganzen 8 Injektionen von 0,000001 
bis 0,000004 mg, reagiert fast jedesmal an der Einstichstelle und durch Lokal- 
(Rötung, Schwellung, stärkere Absonderung) und Allgemeinreaktion (Mattigkeit, 
schlechtes Aussehen, Temperatur bis 37,5 bzw. 37,8 bzw. 38,2°). Während dabei 
die Heilung der Herde zusehends fortschreitet, entwickelt sich am Processus ensi- 
formis sterni eine taubeneigrosse, fluktuierende Geschwulst, die punktiert und mit 
Jodoformglyzerin-Injektionen behandelt wird. Bei der Entlassung ist der Allge¬ 
meinzustand sichtlich gebessert, das Aussehen frischer, die Fisteln fast verheilt; 
Gewichtszunahme 660 g. 

Nach 2 Monaten weitere Zunahme von 410 g, frisches Aussehen, besserer Er¬ 
nährungszustand. Sämtliche Fisteln verheilt; am Processus ensiformis noch eine 
höchstens bohnengrosse, nicht fluktuierende Geschwulst ohne Fistel; Grundglied 
des linken Daumens im Vergleich zum rechten kaum merklich verdickt. 

11. Alfred K., 3 1 /* Jahre alt. Caries tuberculosa der Fusswurzelknocben 
rechts. 31. 1. bis 20. 11., in Ambulanz bis 19. 4. 11. 

Keine Tuberkulose in der Familie. Vor 8 Wochen Klagen über Schmerzen 
im linken Fussgelenk, an dem sich leichte Schwellung zeigte. Sie wurde incidiert 
und soll danach noch grösser geworden sein. 

Blasser Knabe von mittlerem Ernährungszustand. Gewicht 15150 g. Tempe¬ 
ratur 36,5—37,5°. Piquet Mä9sige Rachitis. Über beiden Lungenspitzen Schall¬ 
verkürzung bis zur 2. Rippe bzw. Mitte scapulae mit verschärftem, verlängertem 
Atmen. Rechter Unterschenkel bis zum Knie geschwollen, Fuss im ganzen un¬ 
förmig verdickt, besonders in der Gegend der Fusswurzelknochen. Unterhalb des 
des Knöchels jederseits Fistelöffnung, durch die man auf den rauhen Talus stösst. 

Behandlung; Auslöffelung des fungö9en Talo-Krural- und Talo Calcaneus- 
Gelenkes, Entfernung kariöser Massen des Talus, Drainage, Perubalsam; Tuber¬ 
kulin, im ganzen 17 Injektionen. Doch kommt Patient nicht höher als bis auf 


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0,000004 mg, da er fast jedesmal starke Lokal- und Allgemeinreaktion zeigt; die 
Temperatur steigt dabei meist über 38 und 39°, gleichzeitig wird ein flüch. 
tiges, wenige Stunden dauerndes, polymorphes Erythem auf der ganzen Körper- 
oberflficbe beobachtet. Wegen zu grosser Empfindlichkeit wird zeitweise die Tuber- 
kulinbebandlung ganz ausgesetzt. Die entzündlichen Erscheinungen am Fuss gehen 
deutlich zurück, die Fisteln verkleinern sich und scbliessen sich zum Teil, man 
gelangt nicht mehr auf rauhen Knochen. 

Nach 3 Monaten wird jedoch bei nicht ungünstigem Allgemeinzustand, bei Ge¬ 
wichtszunahme von 1300 g, gebessertem Lungenbefund und noch nicht völlig ver¬ 
heilter Fusswurzelkaries eine beginnende Spondylitis des 12. Brustwirbels fest¬ 
gestellt. 

12. A lf o n 8 P., 2 l /2 Jahre alt. Multiple Caries tuberculosa. Scrophulodermata 
24. 6. bis 30. 7. 10. 

Die Eltern wohnten längere Zeit zusammen mit einem an Tuberkulose leiden¬ 
den und später daran verstorbenen Kranken, als Patient Säugling war. 

Mit 1 l l* Jahren Verdickung am rechten Fuss, die später aufbr&ch und eiterte. 
Bald darauf Anschwellung unter dem linken Auge, die incidiert wurde, weiter an 
der rechten Hand und auf dem Rücken. Vorübergehende Krankenhausbehandlnng 
ohne Besserung. 

Blasser Knabe von schlaffer Haut und Muskulatur, mittlerem Ernährungs¬ 
zustand. Gewicht 12 810 g, Temperatur 36—37°. Pirquet-f--j--f. Lichen scrophu- 
losorum auf Brust und Rücken. Multiple Drüsenschwellungen von Linsen- bis 
Erbsengrösse. Caput quadratum, vordere Fontanelle noch nicht ganz geschlossen, 
Rosenkranz, Thorax deformiert. Epiphysen verdickt, Unterschenkel gekrümmt: 
Tonsillen hypertrophisch, Zähne mit zirkulärer Karies. Leib aufgetrieben, Leber 
palpabel. Über der rechten Lungenspitze Schallabschwächung und scharfes, ver¬ 
längertes In- und Exspirium bis 2. Rippe bzw. Mitte Scapulae. 

In der rechten Schläfengegend dicht über dem Ohr 2 auf das Schläfenbein 
führende Fisteln, Knochen raub. Eine 3. Fistel unterhalb des linken, äusseren Lid¬ 
winkels, die auf das rauhe Jochbein führt. In Gegend der linken 11. und 12. Rippe dicht 
neben der Wirbelsäule eine fünfmarkstück-grosse, leicht erhabene Geschwulst mit 
Fistel, durch die man 5 cm weit seitlich auf die Rippen gelangt, die rauh sind. 
Am rechten Handgelenk eine Fistel, die auf das distale, rauhe Ende des Radius 
führt. Scrophulodermata am linken Oberschenkel. 

Dieser Fall ist der einzige, in dem von der Anwendung anderer therapeu¬ 
tischer Mittel neben den Tuberkulininjektionen abgesehen wurde. Patient erhielt 
im ganzen 8 Dosen von 0,000001 bis 0,000004 mg und reagierte fast auf jede 
Injektion, meist mit Stichreaktion (*/2 Handteller-grosse, rote, schmerzhafte In¬ 
filtrationen, in deren Zentrum die Einstichstelle in etwa Linsengrösse noch stärker 
gerötet und infiltriert hervorirat), Lokalreaktion (stärkere Absonderung der Fistel, 
Verdickung und Rötung ihrer Umgebung; Anschwellung und Schuppung der 
Scrophulodermata; broncbitische Geräusche über der rechten Lungenspitze, nach 
Hilus zu, Husten, stark schleimige Absonderung aus der Nase; Rötung der Binde¬ 
haut der Lider; heftiges Aufflammen der Pirquet-Impfstellen: frische, stark ge¬ 
rötete, erbsen- bis bohnengrosse Infiltrate, umgeben von Lichen-artigen Papeln 
und Knötchen, Lichen-Eruptionen an den Oberarmen) und Allgemeinreaktion 
(Kopfschmerzen, grosse Mattigkeit und Appetitlosigkeit, Erbrechen, Temperatur 
bis 38,3°). 

Im weiteren Verlauf bessert sich das Allgemeinbefinden, Patient wird frischer 
und teilnehmender; die Fisteln sondern nur noch sehr wenig ab und ziehen sich 


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13] Über Tuberkulintherapie bei der chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 


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narbig ein, der Lichen-Ausschlag schwindet völlig, das Gewicht bat allerdings 
nur um 170 g zugenommen. 

Nach späteren Erkundigungen sollen die Fisteln wenige Wochen nach der 
Entlassung ganz verheilt sein; doch bekam Patient darauf Scharlach und im An¬ 
schluss daran Hirnhautentzündung, der er erlag. 

13. Lydia H., 6 1 /* Jahre alt. Multiple Garies tuberculosa. 5. 9. bis 12. 
11. 1910. 

In der Familie angeblich keine Tuberkulose. Seit dem 5. Lebensjahre An¬ 
schwellung des linken Unterschenkels, die nach 7* Jahr aufgescbnitten wurde, 
gleichzeitig mehrere Anschwellungen am rechten Arm, die ebenfalls geschnitten 
wurden und verheilten, während am Unterschenkel die Eiterung fortbestand. 
Später Salzbäder und Lebertran. Seit 6—8 Wochen Eiterung aus dem rechten Ohr. 

Frische Gesichtsfarbe, mittlerer Ernährungszustand. Gewicht 17350 g. Tempe¬ 
ratur 36—37°. Pirquet -f +• An Hals, Nacken, Achselhöhle, Leisten zahlreiche 
linsen- bis erbsengrosse Drüsen. An beiden Armen mehrere Scrophulodermata. 
Linke Mittelhand im ganzen aufgetrieben, 1 cm grösser an Umfang als rechte. 
Linker Oberschenkel in der Mitte auf der Beugeseite verdickt, daselbst 3 Fisteln 
nach der Tibia bzw. Fibula bin, an denen ruuhe Stellen zu fühlen sind. Uber 
beiden Lungenspitzen Schallverkürzung und verschärftes, verlängertes Atmen, 
rechts bis 3. Rippe bezw. Mitte Scapulae, links bis 2. Rippe bzw. Spina scapulae. 

Behandlung: Salzbäder, Auskratzungen der Knochenherde und Verbände 
mit Perubalsam; Tuberkulin, im ganzen 12 Injektionen von 0,000001 bis 0,000004 mg. 
Patientin zeigt nach jeder Einspritzung starke Stichreaktion (über handteller¬ 
grosse Infiltrate!), aber auch Lokalreaktion an Fisteln und Lungen und Allgemein¬ 
reaktion (einmal Fieber bis 39°). Nach den meisten Injektionen wird ausserdem 
ein Wiederaufflammen sowohl der Pirquet-Impfstellen als auch besonders aller 
früheren Injektionsstellen beobachtet, indem daselbst zehnpfennigstück- bis zwei¬ 
markstück-grosse, rote Infiltrate sich zeigen. 

Bei der Entlassung ist die Verdickung der linken Mittelhand gut 0,5 cm zu¬ 
rückgegangen, die Scrophulodermata sind abgeblasst, der kariöse Prozess gleich¬ 
falls im Rückgang, indem geringere Schwellung und nur noch leichte Absonderung 
der Fisteln festzustellen ist. Lungenbefund unverändert, keine Geräusche. Hebung 
des Gesamtzustandes, Gewichtszunahme 1,600 kg. 

14. Scholastika B., 6 Jahre alt. Coxitis tuberculosa dextra. 22.9. bis 31. 
10. 11. 2 Brüder der Grossmutter mütterlicherseits an Tuberkulose gestorben, 
Vater lungenleidend. Mit 3 Jahren lebte Patientin mit einem im Hause wohnenden 
Schwindsüchtigen etwa x /t Jahr lang zusammen. Vor 1 Jahr plötzlich Schmerzen 
im rechten Hüftgelenk; bis jetzt behandelt mit Streckverband und Jodoform¬ 
glyzerin-Einspritzungen. 

Blasse Hautfarbe, mittlerer Ernährungszustand. Gewicht 13750 g, Temperatur 
schwankend zwischen 36,5—38°. Pirquet +-f. Rechtes Bein liegt gestreckt mit 
Innenrotation und leichter Abduktion. Bei Bewegungen lebhafte Schmerzen im 
rechten Hüftgelenk. Trochanter verdickt, steht etwas über der Roser-Nölaton- 
sehen Linie, der innere Knöchel 1 cm höher als links. Haftgelenkgegend rechts im 
ganzen verdickt. Linsen- bis erbsengrosse Inguinaldrüsen rechts. 

Behandlung: W egen weitgehender Zerstörung der Pfannenwand, des Ober¬ 
schenkelkopfes und -Halses wenige Tage nach der Aufnahme Hüftgelenksresektion. 
Nachbehandlung mit Tamponade, Perubalsam, und Tuberkulin, in ganzen 7 In¬ 
jektionen von 0,000001 bis 0,000025 mg, mehrmals Stichreaktion, 2mal Lokal- und 


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Allgemeinreaktion. Die Operationswunde nimmt einen glatten Heilungsverlauf. Bei 
der Entlassung ist sie bis auf eine etwa 10 cm tiefe Fistel, die wenig absondert 
und festen, glatten Grund erkennen lässt, vernarbt. Durchaus befriedigender AU- 
gemeinzustand. 

15. Lisbeth K., 3 Jahre alt. Coxitis tuberculosa dextra, Rachitis, Scrofu- 
lose. 6. 9. bis 24. 10. 10; 15. 12. 10 bis 25, 1. 11. 

2 Brüder des Vaters und 2 Schwestern der Mutter an Tuberkulose gestorben. 
Mit l 1 /a Jahren ist Patientin viel im Hause einer schwindsüchtigen Tante ge¬ 
wesen. 

Sehr blasse Gesichtsfarbe, sehr schlechter Ernährungszustand, schlechter 
Hautturgor, schlaffe, dürftige Muskulatur. Gewicht 9430 g. Pirquet -f +• Tempe¬ 
ratur schwankend zwischen 36—37,5°. Cervicales haselnussgross, Axillares und In¬ 
guinales erbsen- bis bohnengross. Gaput quadratum, Kreuzschädel. Hornhaut¬ 
flecke beiderseits. Hochgradige Karies der Zähne. Starker rachitischer Rosenkranz, 
starke Deformität des Thorax, Säbelbeine, Verdickung der Epiphysen. Über beiden 
Lungenspitzen Schallverkürzung und scharfes, verlängertes Atmen etwa bis 
2./3. Rippe und Mitte scapulae. Abdomen stark aufgetrieben, mit deutlicher Fluk¬ 
tuation. Schleimige Stühle. Rechte Hüfte bis auf das Gesäss stark verdickt, ohne 
deutliche Fluktuation; in der Gegend der Darmbeinkante und am Oberschenkel 
dicht unterhalb des Gesässes je eine Fistelöffnung, durch die man mehrere Zenti¬ 
meter in die Tiefe gelangt, ohne auf rauhen Knochen zu stossen. 

Behandlung: Schmierseifeneinreibungen, Lebertran, Tuberkulin, im ganzen 
20 Injektionen von 0,000001 bis 0,000004 mg. Spaltung der Fistelgänge, Eröffnung 
des Hüftgelenks, Auskratzen der fungösen Massen; später Tamponade und Peru¬ 
balsam. Nach 8 Wochen ganz erhebliche Besserung des Allgemeinzustandes; die 
Wunde in der rechten Hüfte mitsamt Fisteln ist durch tief eingezogene Narbe 
verheilt. Stühle fest. Leib noch aufgetrieben, aber nur noch mit Erscheinungen 
von Pseudoascites. 

Nachdem Patientin nun etwa 2 Monate der Behandlung entzogen wurde, 
bot sie bei der Wiedervorstellung Ekzem im Gesicht, phlyktänuläre Conjunkti- 
vitis mit frischen, hartnäckigen Homhautinfiltraten an beiden Augen, taubenei¬ 
grosse Drüsengeschwulst unter dem rechten Ohr, Wiederaufbruch der tiefeinge- 
zogeneu Narbe an der rechten Hüfte, palpable Leber und Milz. 

Wegen hochgradiger Tuberkulinempfindlichkeit wurde zunächst von den In¬ 
jektionen Abstand genommen und erst, nachdem die Entzündung der Augen be¬ 
seitigt, diese Behandlung wieder aufgenommen. Dabei weitere Besserung und 
Verheilung der Fisteln an der Hüfte. 

Nachdem dann Patientin aus der Behandlung entlassen und^nach etwa V 2 Jahr 
wieder vorgestellt wurde, zeigte sie ein wesentlich anderes Bild: frische Gesichts¬ 
farbe, guten Turgor und Muskeltonus, günstigen Ernährungszustand (Gewicht 
12000 g gegen 9430 vor Ga Jahr), gut durchblutete Schleimhäute, Gesicht ohne An¬ 
zeichen von Ekzem, Augen reizlos. Bauch nur noch wenig aufgetrieben, ohne Er¬ 
guss, Leber und Milz nicht mehr palpabel. An der Hüfte tief eingezogene Narbe. 
Unter dem rechten Ohr an Stelle des früheren Drüsentumors eine kleine Fistel¬ 
öffnung mit geringer Absonderung. Über den Lungenspitzen leichte Verkürzung 
und abgeschwächtes Atmen ohne Nebengeräusche. 

16. Pompilio B., 9 Jahre alt. Spondylitis tuberculosa 26.11.10.bis 1.11. 11. 
Keine Belastung. Seit mehreren Jahren zunehmende Verkrümmung der Wirbel¬ 
säule und Rückenschmerzen. Wiederholt in Krankenhäusern behandelt mit Gips¬ 
bett bzw. Gipskorsett 



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15) Über Tuberkulintherapie bei der chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 15 

Schlechter Ernährungszustand, Gewicht 18130 g, Temperatur schwankend 
zwischen 38,5—39,5°,"später*36,5 — 37,5°, Pirquet -f, blassgraue, schlaffe, stark 
behaarte Körperhaut, schlaffe, dünne Muskulatur. In der Gegend des 12. Brust- 
bis 3. Lendenwirbels ein fast faustgrosser Gibbus, an dessen Basis rechterseits in 
einer alten Narbe 2 Fistelöffnungen; in die untere, welche viel dünnflüssigen Eiter 
absondert, gelangt man etwa 8—10 cm tief nach dem Becken zu; in die obere 
etwa 1 cm tief, ohne auf rauhen Knochen zu stossen. Oberhalb dieser Fisteln eine 
alte, weisse, etwa 5*cm lange, 1 cm breite Narbe. Links vom Gibbus eine etwa 
B-Markstückgrosse, sternförmige, weisse Narbe. Sternum eingedrückt, Rippen 
stark nach vorne gewölbt, so dass der Brustkorb eine mehr quadratische Form 
annimmt. Beim Stehen Rumpf stark nach vorne gebeugt; Gang nur'möglich durch 
Stützen der Hände auf die Oberschenkel. Keine Motilitäts- oder Sensibilitäts- 
Störungen an d6n unteren Extremitäten. 

Behandlung: Drainage der Fisteln, Eröffnung eines taubeigrossen Abscesses, 
der sich wenige Tage nach der Aufnahme an der Basis links vom Gibbus zeigt; 
aus der Abscesshöhle führt ein 6 cm tiefer Gang auf rauhen Wirbelknochen. 
Gipskorsett mit Fenstern. Tuberkulin im ganzen 30 Injektionen von 0,000001 bis 
0,000012 mg, öfter leichte Lokal- und Allgemeinreaktion. Dabei geht die Tempe¬ 
ratur nach wenigen Wochen herunter und bewegt sich — abgesehen von ge¬ 
ringeren Exacerbationen — zwischen 36,5—37,5°. Als jedoch nach x /4 Jahr das 
erste Gipskorsett abgenommen wird, ist der Gibbus erheblich grösser als vordem, 
fast kindkopfsgross, und erstreckt sich vom 9. Brustwirbel bis zum Os sacrum. 
Keine Abscessbildung in der Umgebung. Patellarreflexe gesteigert, sonst keine 
Motalitäts- oder Sensibilitätsstörungen. 

Als ein wiederum angelegtes Gipskorsett nach 3 Monaten abgenommen wird, 
ist der Gibbus erheblich ausgeglichen, die Geschwulst ragt nur noch im Bereich 
des 1. bis 3. Lendenwirbels wenig hervor. Die Absonderung aus den Fisteln be¬ 
steht noch fort, bald mehr, bald weniger. 

Etwa* 1 /« Jahr nach Aussetzen der Tuberkulinkur ist Patient in gutem All¬ 
gemeinzustand und kann ohne Stützen aufrecht geben, so dass das Korsett zu¬ 
nächst fortgelassen, aber wegen leichter Ermüdung bald wieder angelegt wird. 
Die Fiseln zeigen noch mässige Absonderung, die rechte ist 2 cm tief, die linke 
3—4 cm. Gewicht 20 080 g (Zunahme 2 kg). 

17. Lina R. 5 Jahre alt. Caries tubercnlosa an beiden Mittelhänden. 30. 1. 
bis 29. 4. 11. in ambulatorischer Behandlung. 

Seit 1 Jahr Schwellung und Eiterabsonderung am Handrücken. 

Mittlerer Ernährungszustand. Temperatur in normalen Grenzen. Pirquet 
Gewicht 11000 g. Starke Verdickung und Eiterabsonderung aus Fistelöffnung am 
2. Metakarpus links und 1. Metakarpus’ rechts. 

Behandlung: Salzbäder und Tuberkulin, im ganzen 23 Injektionen von 
0,000001—0,000032 mg; öfter mässige Lokal- und Allgemeinreaktion. Einmal 
Anskratzen und Thermokanterisieren der Fisteln. 

Bei Abschluss: Rückgang der Schwellung, Verringerung der Absonderung aus 
den Fisteln, die Mache Granulationen mit Neigung zur narbigen Einziehung zeigen. 
Hebung des Allgemeiuzustandes (Gewichtszunahme 530 g). 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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16 C. Förster. [16 

C. Fälle, die unter der Tuberkulinbehandlung als geheilt zu 
erachten sind: 

18. Eugen W., 11 Jahre alt. Spina ventosa des rechten I. Metatarsus. 
9. 4. bis 4. 5. 10; 25. 2. bis 17. 4. 11. 

Vater seit 14 Jahren lungenkrank, 2 Brüder desselben an Tuberkulose ge¬ 
storben, Schwester der Mutter an Kehlkopfschwindsucht gestorben. Vor 5 Jahren 
erste Anschwellung des rechten Fasses, die angeblich nach Salbenbehandlung 
verging. Seit 1 Jahr erneute, zunehmende Schwellung. 

Blasser Knabe von grazilem Bau und schlechtem Ernährungszustand. 
Zervikaldrüsen erbsengross, Inguinaldrüsen bohnengross. Am rechteu Fass über 
den medialen Metatarsal- und Tarsalknochen eine ziemlich beträchtliche Schwel¬ 
lung mit leichter Fluktuation. Dicht unterhalb der rechten Leiste ein taubenei¬ 
grosser Bubo. Eröffnung derselben und Freilegen des I. Metatarsus, von dem 
die fungösen Massen abgekratzt werden. Wunde nach 2 Monaten verbeilt. 

Etwa nach 1 Jahr neue Entzündung am 1. Metatarsus, die trotz mehrfachen 
Curettements bei ambulatorischer Behandlung nicht heilt. Daher Aufnahme in 
die Klinik (25. 2. 11) mit nicht ungünstigem Allgemeinzustand. Gewicht 31500 g. 
Pirquet + +. Temperatur unregelmässig, aber im allgemeinen in normalen 
Grenzen. Auf dem rechten Fussrücken über dem I. Metarsus eine etwa 6 cm 
lange, 1 cm breite Wunde mit schlaffen Rändern, in der Tiefe rauher Knochen 
und fungöses Gewebe. Bewegungen der grossen Zehe frei. Auslöffelung, Thermo- 
kauterisieren, Perubalsam und Tuberkulin, im ganzen 18 Injektionen von 
0,000002 bis 0,00016 mg; dabei öfter starke Stich-, mässige Lokal-, leichte Allge¬ 
meinreaktion. 

2 Monate nach der Entlassung sehr guter Allgemeinzustand, blühendes 
Aussehen. Gewicht 33930 g (4- 2430). Wunde verheilt, Narbe derb und einge¬ 
zogen. Funktion von Fuss und Zehen frei. 

19. Elise H., 4 Jahre alt. Coxitis tuberculosa sinistra. 13. 9. bis 10.10.10; 
28. 12. 10 bis 5. 1. 11. 

Seit 2 Monaten Schmerzen im Leib und Kreuz, später auch in der linken 
Hüfte und im linken Knie. Seit 3 Wochen in Behandlung mit Einreibungen und 
Bettruhe. 

Blasse Gesichtsfarbe, guter Ernährungszustand. Temperatur in leichten 
Schwankungen um 87°. Pirquet + +• In der linken Hüfte Schmerzen bei Be¬ 
wegungen, bei Druck auf das Hüftgelenk von vorne und von der Seite und bei 
Stoss des Beines gegen die Pfanne. Mitbewegung der linken Beckenhälfte bei 
Flexion und Abduktion. Keine Anschwellung, keine Lageveränderung. 

Behandlung: Gipsverband und Tuberkulin, beginnend mit 0,000001 mg, 
im ganzen 30 Injektionen. Einige Male leichte Stich- und mässige Allgemein¬ 
reaktion (Temperatur bis 37,5 bzw. 38,5°). 

Nach V* Jahr Entfernung des Gipsverbandes: Hüftgelenk völlig frei von 
Schmerzen. Bewegungen frei, seitliches Heben des linken Beines ebenso aus¬ 
giebig wie des rechten. Gang unbehindert. 

20. Friedrich J., 3 Jahre alt. Caries tuberculosa der Fusswurzelknochen 
rechts. 23. 9. bis 26 9. 10; 8. 1. 10 bis 11. 1. 11. 

Grossvater und Vater an Tuberkulose gestorben. Seit 8 Wochen Schmerzen 
im rechten Fups, Schwellung im Gelenk. 



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17] Über Tuberkulintherapie bei der chirurg. Tuberk. des Kindesftlters. 17 

Frisches Aussehen, guter Ernährungszustand. Temperatur zwischen 36—37°. 
Gewicht 14190 g. Pirquet + +. Am rechten Fuss dicht unterhalb des äusseren 
Knöchels eine gut zweimarkstückgrosse Schwellung mit Druckschmerzhaftigkeit 
ohne deutliche Fluktuation. Bei Bewegungen Schmerzen. Beim Gehen wird der 
Fass geschont. 

Behandlung: Zunächst Ruhigstellung des Gelenkes durch Gipsverband 
und Tuberkulin, im ganzen 12 Injektionen von 0,000001 bis 0,000012 mg; nur 
wenige Male leichte Stich- und Allgemeinreaktion. Als nach 4 Wochen trotz 
Gipsverband die Schwellung zugenommen hat, wird unterhalb des äusseren 
Knöchels incidiert und wenig Eiter entleert, ein Gang führt auf eine leichte 
Rauhigkeit am Calcaneus. Auslöffelung, Perubalsam, Tamponade. Die Wunde 
verheilt glatt in wenigen Wochen. 

Auch nach Vs Jahr zeigt der Knabe sehr guten Ernährungszustand, Ge¬ 
wicht 14200 g. Die Narbe ist fest geblieben, der Fuss in Funktion völlig normal. 

21. M aria Z., 4 Jahre alt. Goxitis tuberculosa sinistra. 22.11. 10. bis 10.1. 11. 

Vor 2 Wochen plötzlich Schmerzen im linken Bein. Seit 2 Tagen Fieber. 

Guter Ernährungszustand. Gewicht 12100 g. Pirquet ++ Temperatur 
in den ersten 2 Wochen 38—39—40°. Linkes Bein wird in leichter Flexions¬ 
und Abduktionsstellung gehalten, Schwellung der linken Gutäalgegend, so dass 
die Glutäalfalte verstrichen erscheint; bei Flexion, Abduktion, Adduktion und 
Rotation wird die linke Beckenhälfte mitbewegt. 

Behandlung: Schmierseifeneinreibungen, Gipsverband, Tuberkulin, im 
ganzen 38 Injektionen von 0,000001 bis 0,000004 mg. Der Gipsverband muss 
nach 2 Wochen wegen starker Schmerzhaftigkeit und Schwellung in der linken 
Hüfte wieder abgenommen werden; seitdem nur feuchte Umschläge. Die ent¬ 
zündlichen Erscheinungen gehen bald zurück, so dass nach weiteren 2 Wochen 
die Schwellung ganz geschwunden und das Becken bei Bewegungen nur noch 
minimal mitgeht Die Tuberkulinkur wurde noch 4 Monate weiter fortgesetzt 
Bei Beendigung derselben hatte Patientin 3,500 kg an Gewicht zugenommen, be¬ 
fand sich in sehr günstigem Körperzustand, das Hüftgelenk war völlig frei von 
entzündlichen Erscheinungen, nach allen Richtungen frei beweglich, der Gang 
unbehindert. 


In einer Anzahl der vorstehenden Fälle hat Frau Dr. Hirschfeld (14) vor 
Beginn der Tuberkulinknr, bei den meisten mehrmals im Verlaufe der Behandlung 
und bei allen vor der Entlassung aus der Klinik Blutproben entnommen, um das 
Verhalten der weissen Blutkörperchen festzustellen. In der folgenden Tabelle 
sind die aus ihrer Arbeit entnommenen Zahlen zusammengestellt: Auch hier be¬ 
deuten die unter die prozentualen Werte mit + oder — gesetzten Zahlen die 
über bzw. unter der Norm liegenden, während = die Norm darstellt: 


Beitrftge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 


2 


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18 


C. Förster. 


[18 


Neutrophile | 

Eosinophile 

e 1 

*© 

N 

« i 

ee ! 

" *3 

Lympho- 
! zyten 

Übergangs- 
,| zellen 

j t Gr. Mono¬ 
nukleäre 

50,3 ! 

3,7 

0 

44,3 

0,7 1 

1,0 

+ 2,0 

= 


4" 5,8 

-7,5, 

+ 0,3 

69,2 

0,5 

0,5 

28,5 

0,5 

1 0,5 

+ 21,2 

— 3,4 

4- 0,5 

— 10,0 

-7,7 

— 0,2 

65,5 

3,5 

0,5 

23,5 

2,0 

5,0 

+ 10,2 

- 2,7 

+ 0,5 

- 8,0 

-4,8 

+ 4,5 

64,0 

2,5 

0,5 

30,0 

2,0 

1,0 

+ 9,0 

- 3 ’ 7 

+ 6,5 

— 1,0 

— 4,8 

[+0,5 

48,7 

3,0 

0,3 

44,1 

1,9 

2,0 

- 4,0 

— 2,7 

+ 0,3 

+ 11,0 

-5,0 

H" l»b 

74,0 

1,0 

0 

19,0 

2,5 

3,5 

+ 22,0 

— 4.7 

= 

— 14,0 

-5,4 

+ 2,0 

63,3 

!,5 

0,2 1 

30,7 

1,3 

3,0 

+ 15,0 

: - 2,4 

+ 0,2 

- 8,0 

-7,0 

+ 2,3 

57,03 

0,5 

0 

38,07 

1,5 

2,0 

+ 9,0 

- 3,4 

= 

! = 

-7,2 

+ 1,7 

55,4 

3,6 

0 

39,1 

1,0 

0,9 

+ 7,0 

= 

= 

1 _ 

-7,0 

= 

47,0 

1 

2,0 

0 

49,0 

1,7 

1,3 

— 10,0 

— 3,5 

= 

+ 21,0 

-7,0 

+ 1.0 

66,5 

1,5 

0 

31,5 

0,5 

0 

+ 10,0 

- 4,0 

= 

+ 3,0 

— 8,0 

-0,3 

66,5 

4.0 

0,5 

24,5 

4,5 

0 

+ 10,0 

— 1,5 

+ 0,5 1 

- 4,0 

— 4,2 

— 0,3 

48,4 j 

5,3 

0 

44,7 

4,3 

0,3 

-4,2 

= 

= 

4- 8,5 

-3,2 

= 

50,4 

1,9 

0 

42,0 

2,7 

3,0 

- 2,2 

— 3,8 

= 

+ 9,0 

— 5,0 

4" 2,5 

22,56 

8,0 

j 0 

65,14 

2,7 

1,6 

- 30,1 

: + 3,0 

= 

+ 32,0 

- 5,0 

-[- 1,2 

71,7 

2,0 

0 

19,0 

5,3 

2,0 

+ 10,6 

— 4,3 

= 

— 6,0 

-2,0 

4" 1,6 

36,5 

3,0 

0 

60,0 

0,5 

0,5 

— 24,5 

- 3,3 

= 

+ 85,0 

-7,0 

= 

40,5 

9,0 

0 

50,0 

0 

0,5 

- 20,4 

1 4- 3,0 ! 

_ 

+ 25,0 i 

— 7,5 | 

= 


Name 


1. Haas E. (Nr. 1), 

a) bei Eintritt, 

b) vor Entlassung. 


o I *72 
S5 N -C3 ! 

* ,1 o cc ! 


I 


a 8200 


7200 


2. Lydia B. (Nr. b)}\ *[ 6700 j 

a) vor Behandlung, 

b) vor Entlassung. |b | 8600 

' ' f 

3. Paula V. (Nr. 8 ), a jj 4800 j 

a) bei Eintritt, i 

b) vor Entlassung, b 4700 | 


4. Alfons P. (Nr. 12), a 

a) vor Behandlung, 

b) 1 Tag nach der 6 
1. Einspritzung, j! 

c) vor Entlassung, c 


5. Pompiglio B. 

(Nr. 16), | la 

a) vor Behandlung, 

b) nach 3 wöchiger b 
Behandlung, 

c) nach 2 1 / 2 monat. c 
Behandlung. 


9600 ; 

10300: 

10200 j 

~~ i 

I 

12000 

14000 

7060 


6. Friedrich J., 

a) vor Behandlung, 

b) nach 3 wöchiger 
Behandlung, 

c) vor Entlassung. 


7. Marie Z., j 

a) vor Behandlung, 

b) während * I 

c) vor Entlassung.: 


b|| 11000 

c 13000 


|a| 8000 | 

i j 

b[| 6400 i 

j 1 : 

c ,i 6200 j 

I 

a! 20000 


Gck >glf 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 







19] Über Tuberkulin therapie bei der chirurg* Tuberk. des Eindesalters. 19 

Dr. H. Hirschfeld sagt in der Schlusszusammenfassung, dass 
bei Tuberkulininjektionen eine Verschiebung des Blutbildes in irgend 
welcher gesetzmässigen Weise nicht konstatiert wurde. Ich möchte 
mich dem im allgemeinen anschliessen, schon aus dem Grunde, weil 
die Zahl der Fälle, bei denen Blutuntersuchungen stattfanden, zu 
gering ist, um hieraus positive Schlüsse ziehen zu können. Be¬ 
züglich der Fälle Pompiglio B. (Nr. 16) und Lydia B. (Nr. 5) muss 
hervorgehoben werden, dass im weiteren Verlauf der Tuberkulin¬ 
behandlung der Zustand nicht unverändert blieb, sondern sich — 
wie die Krankengeschichte ergibt — ohne Zweifel besserte. 

Die von Sahli beschriebene leukozytäre Reaktion, welche er bei 
Tuberkulinbehandlung für ein feineres Zeichen als alle übrigen kli¬ 
nischen Symptome ansieht und die er deshalb zur regelmässigen Be¬ 
achtung empfiehlt, um danach die Dosierung einzurichten, konnte 
nur in den Fällen Alfons P. (Nr. 12) und Hermann F. — bei HirSeh¬ 
feld Nr. 23 bzw. 47 — bestätigt werden, wo eine Vermehrung 
um 700 bzw. 4800 während der Reaktion sich zeigte, während im 
Falle Robert M. — bei Hirschfeld Nr. 24 — 10 Stunden nach der 
Injektion die Leukozytenzahl die gleiche blieb. Allerdings ist wohl 
bei den übrigen Untersuchungen auf dieses Symptom nicht besonders 
geachtet worden. Es verdient bei weiteren Blutuntersuchungen dieser 
Art regelmässig berücksichtigt zu werden, um über seine Brauch¬ 
barkeit ein sicheres Urteil zu gewinnen. 

Nach Wright (15) bedeutet ein hoher Gehalt an Leukozyten eine 
schlechte Prognose. Bei uns war nur im Falle Marie Z. (Nr. 21) 
— bei Hirschfeld Nr. 28 — die Zahl auf 20000 bzw. 13000 er¬ 
höht, und gerade dieser Fall gehört mit zu den am günstigsten ver¬ 
laufenen, die Coxitis kam zur völligen Ausheilung. Im Falle Lydia B. 
(Nr. 5) — bei Hirschfeld Nr. 32 — der klinisch günstig verlief, 
wurde im Laufe der Tuberkulinbehandlung Vermehrung der Leuko¬ 
zyten um 1900 festgestellt, bei Pompiglio B. (Nr. 17) — bei Hirsch¬ 
feld Nr. 30 — der gleichfalls nicht ungünstig verlief — dagegen 
eine Verminderung um 5000. 

Nach Arneth (3) geht mit der Steigerung der Tuberkulindosis 
Schritt für Schritt eine gleichmässige, fortschreitende Besserung des 
neutrophilen Blutbildes einher. Bei den von uns behandelten Kin¬ 
dern würde dies nur für Alfons P. (Nr. 12) zutreffen, der sich all¬ 
mählich von +31% auf 7°/o dem Durchschnitt näherte; von den 
übrigen zeigt der klinisch ungünstige Skrofulosefall Hans E. (Nr. 1) 
und das unter ernsten Lungenerscheinungen leidende Kind Paula V. 
(Nr. 8) ein Überwiegen der neutrophilen, polynukleären Blutkörperchen. 

2 * 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



20 


C. Förster. 


[20 


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Diese beiden letzteren zeigen auch ebenso wie der Fall Lydia B. 
(Nr. 5) nach den Injektionen ein weiteres Herabgehen der eosino¬ 
philen Zellen unter den Durchschnitt, während alle übrigen ein deut¬ 
liches Ansteigen nach der Norm bzw. darüber erkennen lassen. 

Bezüglich der lymphozytären Elemente zeigen die zur Heilung 
gelangten Fälle F. (Nr. 20) und Z. (Nr. 21) und auch der erheblich 
gebessert entlassene Alfons P. (Nr. 12) eine deutliche Vermehrung — 
nach Wright (15) bedeutet hoher Gehalt an Lymphozyten gute Pro¬ 
gnose. Dagegen Hess der nur langsam zur Besserung schreitende 
Fall Pompiglio B. (Nr. 16) Verminderung erkennen. 

Bei der weiteren Betrachtung der Ergebnisse der Tuberkulin¬ 
therapie wird die Minimaldosis des Mittels auffallen, mit der gearbeitet 
wurde, im Gegensatz zu den bekannten Untersuchungen von Bauer 
und Engel (16) an der Schl ossmannsehen Klinik, welche zuerst mit 
V200, später mit l /io bis 1 mg begannen, möglichst alle zwei Tage 
die Dosis erhöhten, ohne sich vor fieberhaften Reaktionen auch be¬ 
trächtlicher Art zu scheuen, um so möglichst bald (in 4—6 Wochen) 
zu hohen Dosen (1 — 2 g). zu gelangen und diese dann fortgesetzt für 
längere Zeit einzuspritzen. Sie glaubten auf diese Weise eine mög¬ 
lichst hohe Bildung von Antikörpern und so besonders günstige Fak¬ 
toren für die Heilung zu erlangen, indem sie von dem Ergebnis ihrer 
früheren Untersuchungen ausgingen, dass es bei nichttuberkulösen 
Kindern nicht gelungen war, nachweisbare Mengen von Antituberkulin 
zu erzeugen. 

Bei dieser Anwendungsart des Tuberkulins darf es uns nicht wunder¬ 
nehmen, wenn die Verfasser schreiben, dass Gelenke dicker wurden, 
alte Narben über Knochenherden wieder aufflammten, tuberkulöse 
Abscesse praller wurden und die Haut darüber sich rötete und dass 
Drüsen während der Reaktion anschwollen. Denn die chirurgische 
Tuberkulose im Kindesalter, ist gegen Tuberkulin allgemein ganz 
ausserordentlich empfindlich, wie auch das Verhalten der vorstehenden 
Fälle beweist, die selbst auf Injektion von 7 a bis l Millionstel mg 
mit Stich-, Lokal* und Allgemeinreaktion antworteten. In keinem 
Falle konnte die Beobachtung von Bauer und Engel bestätigt 
werden, dass die lokalisierte Tuberkulose der Lymphdrüsen und des 
Knochensystems bei Ausschluss einer Erkrankung der Lungen auf 
kleine Dosen nur schwach reagierte, bei Wiederholung aber die Re¬ 
aktion schnell nachliess, so dass rasche Steigerung möglich gewesen 
wäre. Was Bauer und Engel als Ausnahme bezüglich des Ver¬ 
haltens gegenüber Tuberkulin ansehen, war in den vorliegenden Unter¬ 
suchungen die Regel. 



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21] Über Taberkulintherapie bei der Chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 21 

So haben dönn auch die verschiedenen Nachprüfungen dieses Ver¬ 
fahrens, von denen nur die vonRöhmer (17) und Fuchs (18) erwähnt 
seien, ergeben, dass dadurch keinerlei Nutzen, in verschiedenen Fällen 
aber offenkundiger Schaden angerichtet wird. Unter den Fällen von 
Fuchs kam es im Verlauf der spezifischen Behandlung einmal 
zur Abscessbildung an einer Spina ventosa, einmal traten neue Herde 
an entfernten Körperstellen auf, zweimal kam es zur Ablatio des er¬ 
kranken Gliedes, dreimal zum Exitus an Meningitis. 

Danach ist wohl der Standpunkt, dass in einer möglichst kurzen Zeit 
ein möglichst hoher Grad aktiver Immunisierung erzielt werden müsse, 
ziemlich allgemein verlassen worden. Man erreicht mehr durch das Gegen¬ 
teil. Meines Erachtens liegt der Kern der Tuberkulinbehandlung in derVer- 
abfolgung minimalster Dosen. Man darf die Wirkung des Mittels nicht 
etwa auf den bekannten Gehalt des Alttuberkulins an den verschie¬ 
denen Albumosen oder Glyzerin zurückführen, sondern muss die Er¬ 
fahrung berücksichtigen, dass nur wirklich Tuberkulöse auf Tuber¬ 
kulin reagieren, u. z. infolge spezifischer Wirkung von Toxinen im 
Verein mit den Eiweiss- und Fettstoffen. Dass diese spezifische 
Wirkung nach minimalsten Dosen auftritt, haben auch andere Autoren be¬ 
reits nachgewiesen. Sahli berichtet über einen Fall, der auf die Menge 
A 

von V 20 ccm Tub. Beraneck = V 20000 mg mit Fieber reagierte. 

Hamburger (19) gibt an, dass Kinder noch auf Verdünnungen von 
1:10000000 reagieren. Philippi sah, wie bereits erwähnt, auch 
bei Dosen von Viooooo mg deutliche Reaktion. Ich selbst beobachtete 
bei einer Frau, die sich wegen Infiltration einer Lungenspitze der 
Tuberkulinkur unterzog, nach einer Injektion von 0,000 004 mg inner¬ 
halb 16 Stunden Stichreaktion (5 Markstück-grosses, rotes, schmerz¬ 
haftes Infiltrat), Lokalreaktion (vermehrter Hustenreiz ohne katarrha¬ 
lische Geräusche am Herde), Allgemeinerscheinungen (Kopfschmerzen, 
Mattigkeit, Temperatur bis 38,3 °, die nach 12 Stunden wieder nor¬ 
mal war) und starkes Aufflammen der Impfstellen nach Pirquet. 
Wir müssen das Tuberkulin für Tuberkulöse, aber nur für Tuber¬ 
kulöse, als ein besonders hochwertiges Gift ansehen. 

Selbst die Kutanimpfung allein kann schon Lokal- und Allgemein¬ 
erscheinungen hervorrufen, wie dies im Balle Ludwig J. (Nr. 9) be¬ 
obachtet wurde, der 12 Stunden nach der Pirquet-Impfung Kopf¬ 
schmerzen, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Fieber bis 38,8° und aus¬ 
gesprochene Lokalreaktion hatte. Feer (20) beobachtete einen Fall 
mit zweimaliger Allgemeinreaktion nach Pirquetscher Impfung. 
Münch (21) teilt eine Beobachtung von Jarosch mit, dass eben¬ 
falls bei einer Kutanimpfung eine starke Allgemein- und Lokalreaktion 


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22 


C. Förster. 


[22 


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(an den Lungen) auftrat. Mönch machte therapeutische Versuche 
mit der Pirquetschen Impfmethode, in dem er mit zwei Punkten 
anfing und allmählich bis zur Höchstzahl von 90 stieg. Er gibt an, 
dass bei einigen Patienten mit hoher Überempfindlichkeit schon 2—3 
Impfpunkte genügten, um Schwindel, Kopfschmerzen und leichtes 
Frösteln heryorzurufen. 

Nun wird entgegnet werden können, dass durch die dauernde 
Zuführung dieser kleinsten Dosen die Überempfindlichkeit erst wach¬ 
gerufen werde, wie dies schon bei Pirquet-Impfungen beobachtet 
wird, bei denen öfter die erste negativ, die nach 1 Woche wieder¬ 
holte aber positiv ausfällt; es sei daher unmöglich, die grösseren und 
wirksameren Dosen richtig auszunutzen. Tatsächlich wollen auch 
manche Forscher deshalb die minimalen Dosen vermieden sehen. Die 
meisten aber sprechen sich dafür aus und betrachten die auf diese 
Weise erreichte Überempfindlichkeit als einen wichtigen Heilfaktor. 
Hamburger und Monti (22) haben durch Versuche festgestellt, dass 
im Gegensatz zu Erwachsenen bei Kindern die Tuberkulose mehr 
unter Zurücklassung einer Tuberkulinüberempfindlichkeit ausheilt, und 
dass dies daher schon gegen die Behandlung der kindlichen Tuber¬ 
kulose mit grossen Dosen spreche. Philippi (23) bestätigt, dass 
Kranke, die dem Tuberkulin gegenüber am empfindlichsten sind, die 
besten Kur- und Dauererfolge erzielen; ferner dass durch kleinste 
Dosen Entfieberung und sonstige Besserungen des Allgemeinzustandes 
erreicht wurden. Sicherlich wird ja auch bei überempfindlichen In¬ 
dividuen die für den Heilungsverlauf so sehr erwünschte Herdreak¬ 
tion viel leichter und weniger schädlich gefördert als bei sogenannten 
Giftimmunen. 

Aus diesen Erwägungen und nach den Ergebnissen der vor¬ 
liegenden Versuche, die sich allerdings nur über eine verhältnismässig 
kurze Zeit erstrecken, dürfte die Behandlung mit den m in im als ten 
Dosen als die für die chirurgische Tuberkulose im Kindesalter allein 
geeignete Methode zu erachten sein. 

Hervorgehoben zu werden verdient noch, dass in allen Fällen neben 
der üblichen Allgemeinbehandlung eine chirurgische, aber möglichst 
konservative Behandlung geübt wurde. Operiert wurde nur da, wo 
es sich nicht mehr umgehen Hess und erwartet werden konnte, dass 
durch Entfernung der Herde schützende Stoffe (Lysine und anti¬ 
toxische Substanzen) frei wurden, um etwaige andere, kleinere 
Herde günstig zu beeinflussen. Nur Alfons P. (Nr. 12) erhielt allein 
die Injektionen, die, wie oben beschrieben, eine deutlich günstige 
Beeinflussung des Zustandes zur Folge hatten. Erheblich günstiger 
wird natürlich die Wirkung des Tuberkulins sein, wenn auch von 



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23] Über Tuberkulintherapie bei der Chirurg. Tuberk. des* Kindeealters. 


23 


klimatischen Heilfaktoren ausgiebiger Gebrauch gemacht werden kann. 
Es sollte daher besondere Anwendung finden in den für Behand¬ 
lung der Knochentuberkulose eigens eingerichteten Kinderheilstätten, 
wo es eine wesentliche Unterstützung der Sonnenlichttherapie dar¬ 
stellen könnte. Die Behandlung würde hier so lange mit der opti¬ 
malen Dosis fortzusetzen sein, als noch Besserung ersichtlich ist. Bei 
uns musste leider fast durchweg aus äusseren Gründen die Tuberkulin¬ 
therapie viel zu vorzeitig abgebrochen werden. Immerhin ist doch 
in der Mehrzahl der Fälle ein Erfolg erzielt worden. So berichtet 
auch Sahli von Fällen, wo er durch eine Behandlung von wenigen 
Wochen, ja in leichteren Fällen von wenigen Injektionen erhebliche 
Besserung gesehen hat, so dass er rät, auch da, wo wenig Zeit ist, 
die Tuberkulinbehandlung dennoch einzuleiten. 

Von den vorliegenden Fällen zeigten alle diejenigen die besten 
Aussichten auf Erfolg bei der Tuberkulinbehandlung, welche schon 
bei der Pirquetschen Impfung eine ausgesprochene Überempfindlich¬ 
keit erkennen Hessen, ein Beweis, dass der Körper bereits genügend 
Schutzstoffe (Lysine) gebildet hatte. Sahli berichtet, dass auch der¬ 
artige Kranke die etwa notwendigen, chirurgischen Eingriffe vorzüg¬ 
lich vertragen, weil sie infolge schützender Lysinwirkung die etwa 
verschleppten Tuberkelbazillen mit Leichtigkeit überwinden, während 
Kranke ohne diese Überempfindlichkeit disseminierte Herde davon¬ 
tragen können. Bei uns wurde nach Operationen nie eine Disse¬ 
mination beobachtet. Doch kann wohl von einer solchen nach 
Tuberkulininjektion im Falle Hans E. (Nr. 1) gesprochen werden. 
Von den übrigen waren diejenigen, welche die steigenden Dosen 
am besten vertrugen, immer die mit der günstigen Prognose, ver¬ 
schiedene von den erheblich gebesserten und alle als geheilt bezeich¬ 
nten Kinder zeigten dieses gleiche Verhalten. 

Dagegen dürfte bei Fällen mit akuten, klinischen Erscheinungen 
auch die Verabfolgung nur kleinster Dosen mit Vorsicht anzuwenden 
sein. Dies trifft besonders zu für die Skrofulöse, die hier durch 
das Kind Hans E. (Nr. 1) repräsentiert ist; selbst die verabfolgten, 
kleinsten Dosen mit ihren nachfolgenden Reaktionen waren noch zu 
gross, so dass Verschlimmerung des Krankheitsbildes durch Disse¬ 
mination nicht ausblieb. Aber trotzdem wird die Skrofulöse als 
ein dankbares Gebiet für die allerdings äusserst vorsichtige An¬ 
wendung des Tuberkulins zu bezeichnen sein; die auffallenden Er¬ 
folge bei Lisbeth K. (Nr. 15) sprechen hinreichend dafür, man wird 
aber hier noch mehr erreichen, wenn streng nach der Sahli sehen 
Vorschrift verfahren wird, also absolut reaktionslos. 


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24 


C. Förster. 


[24 


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Dab.ei lässt sich eine bestimmte Anfangsdosis nicht vorschreiben, 
denn der eine Kranke verträgt höhere Dosen als der andere, die 
Wirkung ist individuell sehr verschieden, manche Fälle werden für 
die Tuberkulinbehandlung überhaupt nicht geeignet sein. 

Die individuelle Verschiedenheit der Wirkung zeigt sich auch 
in der Mannigfaltigkeit der Stich-, Lokal- und Allgemeinreaktion, 
wie sie aus dem Versuchsprotokoll ersichtlich ist. 2 Fälle fWalter K. 
(Nr. 2) und ein andei'er wegen Coxitis aufgenommener, der sich aber 
nach kurzer Zeit und nach Verabfolgung weniger Injektionen der 
Behandlung entzog und deshalb nicht näher beschrieben ist] zeich¬ 
neten sich dadurch aus, dass sie ausgesprochene Allgemeinreaktionen, 
aber nie Erscheinungen von Stich- oder Lokalreaktion bekamen. 
Man wird daher die Stichreaktion allein nicht immer als Kriterium 
bei der spezifischen Therapie ansehen dürfen, wie Neumann (11) 
und Saathoff (12) dies fordern. Der Fall Alfred K. (Nr. 11) mit 
seinem polymorphen Erythem nach fast jeder Injektion ist bereits 
unter den Krankengeschichten erwähnt. Bauer und Engel (16) be¬ 
schreiben einen ähnlichen Fall, bei dem sie ein rubeolenähnliches 
Exanthem beobachteten. Der Fall Lydia H. (Nr. 13) ist bemerkens¬ 
wert durch das Wiederaufflammen der Reaktionsstellen an den Orten 
der früheren Injektionen, wie dies auch schon von Hamburger (19) 
beobachtet wurde. 

Dagegen ist fast gleichmässig in allen Fällen, regelmässig aber 
in denen, wo eine Mischinfektion ausgeschlossen werden konnte, auf¬ 
gefallen, dass bald nach Einsetzen der spezifischen Therapie Ent¬ 
fieberung eintrat bzw. die Temperatur einen mehr gleichmässigen 
Verlauf nahm. 

Diese Wirkung wird von den verschiedensten Beobachtern allen 
Tuberkulinpräparaten gemeinsam zugeschrieben. Bandelier und 
Roepke halten das Präparat T.R. für das mildeste. Wenn auch 
zwischen den verschiedensten Präparaten kein sehr erheblicher Unter¬ 
schied bestehen dürfte, so wird es vielleicht doch mit Rücksicht auf 
die grosse Überempfindlichkeit der Kinder mit chirurgischer Tuber¬ 
kulose zweckmässiger sein, zunächst T.R. für die Behandlung auszu¬ 
wählen, um später auf das Alttuberkulin zurückzugreifen. 


Zusammenfassung der Hauptergebnisse aus den allerdings nur 
verhältnismässig kurze Zeit währenden Beobachtungen. 

1. Die chirurgische Tuberkulose des Kindesalters 
scheint ein dankbares Feld für die Anwendung der Tu- 



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25] Über Tuberkulintherapie bei der chirurg. Tuberk. des Kindesalters. 25 

berkulintherapie zu sein; hygienische, klimatische und 
allgemeine, therapeutische Massnahmen dürfen aber 
dabei nicht fehlen. 

2. In Anbetracht der fast allgemein vorhandenen 
Überempfindlichkeit kommt nur die Applikation mini¬ 
malster Dosen in Frage (durchschnittliche Anfangsdosis 
7«—IMillionstel mg); dabei sind Stichreaktion und massige 
Lokalreaktion nicht unerwünscht, leichte Allgemein¬ 
reaktionen nicht schädlich. 

3. Die Skrofulöse verdient besondere Berücksich¬ 
tigung bei der Tuberkulintherapie; doch darf hier nur 
streng nach der Sahlischen Methode, also absolut reak¬ 
tionslos, vorgegangen werden. 


Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Pro¬ 
fessor E. Feer, dem früheren Direktor der Klinik, für die An¬ 
regung zu der vorstehenden Arbeit den aufrichtigsten Dank zum 
Ausdruck zü bringen. 

Auch dem jetzigen Direktor der Klinik, Herrn ProfessorMoro, 
sowie dem Leiter der chirurgischen Abteilung, Herrn Professor 
B. Schmidt, danke ich bestens für die Überlassung des Kranken¬ 
materials. 


Literatur. 


1 . E scher ich, Über Indikation und Erfolge der Tuberkulintherapie bei der 
kindlichen Tuberkulose. Wien. klin. Wochenschr. 1910. Nr. 20. S. 723 pp. 

2. W. Neumann, Beiträge zur spezifischen Behandlung der Tuberkulose auf 
Grund klinischer Beobachtungen. Brauers Beiträge XVII. 

3. Bandelier und Roepke, Lehrbuch der spezifischen Diagnostik und Thera¬ 
pie der Tuberkulose. 1910. 

4. Sahli, Tuberkulinbehandlung und Tuberkulose-Immunität 1910. 

5. A. Janowsky, Die Spondylitis tuberculosa und ihre jetzige Behandlung 
Russky Wratsch 1911. H. 5. 

6 . J. Bungart, Über Versuche mit Tuberkulin in der Behandlung der chirur¬ 
gischen Tuberkulose. Deutsche Zeitschr. für Chirurgie 3. 4. 1912. 

7. Wilma, Die Tuberkulintherapie bei chirurgischer Tuberkulose. Deutsche 
med. Wochenschr. 1911. S. 1635. 

8 . Sitzungsbericht des Kongresses für innere Medizin 1910. Internationales 
Zentralblatt für die gesamte Tuberkuloseforschung 1910. H. 8. S. 443. 


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26 C. Förster: Über Tuberkulintherapie bei der Chirurg. Tuberk. etc. [26 

9. H. Schur, Über Tuberkulinbehandlung. Wien. klin. Rundsch. 1909. Nr. 30/31. 

10 . E. Löwenstein, Die wissenschaftliche Grundlage der Tuberkulinbehand¬ 
lung. Zentralblatt fQr die gesamte Therapie. 1911. Nr. 4. 

11. Neu mann, Tuberkulosebehandlung mit grossen Tuberkulindosen. Berliner 
Medizinische Wochenschrift 1910. Nr. 5. 

12. Saathoff, Tuberkulin-Diagnostik und -Therapie usw. Manch, med. 
Wochenschr. 1909. Nr. 40. 

13. F. Meyer, Die Tuberkulinbehandlung in der Hand des praktischen Arztes. 
Therap. Monatsh. 1911. H. 8. 

14. Dr. H. Hirschfeld, Über das Verhalten der weissen Blutkörperchen bei 
kindlicher Tuberkulose. Monatsschr. für Kinderheilkunde. X. Bd. Orig. II. 

15. B. L. Wright und R. W. King, The cellular of the blood in tuberculosis. 
Amer. Joum. of the med. Sciences. Juni 1911. 

16. Bauer und Engel, Klinische und experimentelle Studien zur Pathologie 
und Therapie der Tuberkulose im Kindesalter. Brauers Beiträge etc. Bd. XIII. 
H. 3. 

17. Röhmer, Tuberkulose und Tuberkulosetherapie im Säuglings- und frühen 
Kindesalter. Arch. für Kinderheilk. Bd. 55. 

18. Fuchs, über die Behandlung tuberkulöser Kinder mit hohen Tuberkulindosen. 
Jahrb. für Kinderheilk. 1910. S. 523. 

19. Hamburger, Allgemeine Pathologie und Diagnostik der Kindertuber¬ 
kulose. 1909. 

20. E. Feer, Über den Wert der kutanen und konjunktivalen Tuberkulinprobe 
beim Kinde und über das Wesen der Skrofulöse. Brauers Beiträge Bd. XVII. 
S. 122. 

21. Münch, Über die therapeutische Bedeutung der v. Pirq uet sehen Impfung. 
Brauers Beiträge XVII. Bd. H. 2. 

22. Hamburger und Monti, Über Tnberkuliniimnunität. Brauers Beiträge 
Bd. XVI. H. 3. 

23. Philippi, Über Entfieberung bei Lungentuberkulose durch kleinste Dosen 
Tuberkulin. Brauers Beiträge XVII. H. 1. 



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Bemerkungen zu der Arbeit Berlins in Heft 3 
Band XXIII über Erfahrungen mit der Saugmaske. 

Von 

Stabsarzt Dr. E. Kuhn, Berlin-Schlachtensee. 


Da eine grössere, seit ca, einem Jahre von mir in Vorbereitung 
befindliche Arbeit über das Thema: „Wann Ruhigstellung der Lungen, 
wann Bewegung“? in Kürze erscheinen wird, beschränke ich mich 
hier darauf, zu bemerken, dass Berlin meine Auffassung über die 
Anwendung der Saugmaske unvollkommen wiedergegeben hat und 
will nur kurz bemerken, dass meines Erachtens akut entzündliche, 
mit Einschmelzungen einhergehende, besonders kavernöse Prozesse und 
dauernd mit Temperatursteigerung verbundene Fälle aller Stadien 
in der Regel von der Saugmaskenbehandlung auszuschliessen sind. 
Im übrigen genügt aber die übliche „Stadien“-Einteilung im allge¬ 
meinen nicht zur Auswahl der Fälle, da diese Stadieneinteilung mehr 
die Quantität als Qualität der Prozesse berücksichtigt. Es lassen 
sich aber sehr wohl auch ausgedehntere Prozesse günstig beeinflussen, 
sofern sich die Erkrankung in chronisch-indurativem und nicht akut 
entzündlichem Zerfallsstadium befindet. 

Bezüglich der Auswahl der Fälle durch Berlin an der Kölner 
Krankenhausabteilung bedauere ich, dass die Behandlung gewisser- 
massen „am falschen Ende“ eingesetzt hat, und dass die Hauptarbeit 
auf schwere aussichtslose Fälle verwandt wurde, bei denen natur- 
gemäss höchstens eine Besserung der allgemeinen Erscheinungen 
(Husten, Auswurf, Lungenbluten, subjektives Befinden, Körpergewicht 
usw.) sich erzielen lässt, welche aber, da an und für sich nur 
in Ausnahmefällen für diese Behandlung geeignet, kein 
Urteil über den Wert des Verfahrens für das haupt- 


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28 


E. Kuhn. 


[2 


sächlich dafür in Betracht kommende Material ermög¬ 
lichen. Über die Hauptwirksamkeit, ja eigentlich die Domäne des 
Verfahrens bei wirklich primären Fällen beginnender Tuberkulose, 
welche allerdings hauptsächlich die Heilstätten und nur selten die 
Krankenhäuser aufsuchen, hat Berlin gär keine Erfahrungen. Auch 
unter seinen 21 leichteren, seiner Auffassung nach dem 1. Stadium 
angehörenden Fällen war die Mehrzahl schon ein Jahr und länger 
krank, und nur vier sind darunter, bei denen die Erkrankung mög¬ 
licherweise kürzer als Ü 2 Jahr bestand. Von diesen 21 Fällen boten 
18 zudem bereits sichere Anzeichen (Rhonchi, Dämpfungen usw.) von 
doppelseitiger Lungenerkrankung, und auch die drei übrigen 
zeigten im Röntgenbild deutliche Erscheinungen (Hilusdrüsen, aus¬ 
gedehnte Schattenstränge usw.) einer bereits doppelseitigen Erkrankung. 
Dass bei einem derartigen Material durch eine durchschnittlich 
4 Monate währende Behandlung (im 3. Stadium war der Durchschnitt 
rund 4, im 2. 4 V 2 , im 1. 4 Monate) nicht in allen Fällen einschnei¬ 
dende Resultate bzw. markante Änderungen des Lungenbefundes zu 
erwarten sind, ist selbstverständlich bei einem Verfahren, welches 
bei der Lungentuberkulose hauptsächlich durch allmähliche Um¬ 
gestaltung der gesamten Brustkorbverhältnisse wirken soll und 
welches überhaupt nach mehrmonatiger Anwendung 
seine Haupt Wirksamkeit erst zu entfalten beginnt. Jeder 
Praktiker, der sich längere Zeit mit Lungentuberkulose befasst hat, 
weiss, dass es bei dieser Krankheit keine Behandlungsmethode gibt, 
welche eine ausgesprochene tuberkulöse Lungenerkrankung, besonders 
in derartigen Stadien, wie sie Berlin vorwiegend behandelt hat, in 
so kurzer Zeit wesentlich zu beeinflussen vermag 1 ). Wie aus der Arbeit 
hervorgeht, hat Berlin ferner das Hauptgewicht auf eine möglichst 
intensive Blutstauung gelegt nnd daher die Anwendung möglichst 
stark und ausgedehnt betrieben. Eine grosse Zahl der Kranken, 
auch der schwersten Fälle, hat bereits nach verhältnismässig kurzer 
Zeit am Tage 5 und nachts möglichst auch noch 5 Stunden und 
länger, also täglich ca. 10 Stunden die Maskenatmung durchgeführt. 
Diese mühevollen Versuche sind auch für mich lehrreich insofern, als 
sie meine bereits seit längerer Zeit.gehegte Auffassung bestätigen, dass 
nur eine, besonders im Anfang, mässige und individualisie¬ 
rende Anwendungsweise angebracht und von Vorteil ist. Ver¬ 
schiedene der schweren Fälle, in denen anfangs bei massiger An¬ 
wendung gute Fortschritte erzielt wurden, und welche dann später 
bpi jillzii langer Ausdehnung des Verfahrens sich verschlechterten 

l ) Auch bei der Pneumothoraxbehandlung muss die Ruhigstellung jahrelang 
fortgeführt werden, wenn wirkliche Dauerresultate erzielt werden sollen. 


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3] 


Bemerkungen zu der Arbeit Berlins etc. 


29 


(z. B. Fall 4 und 21), bestätigen mich in der Erfahrung, dass die 
Maskenatmung nicht schematisch angewendet werden darf und nur 
langsam und allmählich unter dauernde! - Beobachtung des Allgemein¬ 
zustandes und der Temperatur (besonders im Anfang) betrieben 
werden muss, weil sonst unkontrollierbare Autoinokulationen den 
Körperzustand ungünstig beeinflussen und weil die, infolge mangel¬ 
hafter Spitzenatmung vorher untätigen, kollabierten und vielfach 
bereits geschrumpften oberen Lungenpartien sich erst allmählich 
einer langsam gesteigerten Volumenzunahme der oberen Brust¬ 
korbteile anpassen müssen, um Schaden zu verhüten. Eine 
akute Dehnung der Lungen ist bei einer allmählich ge¬ 
steigerten Anwendung dann nicht zu befürchten, da 
ja, wie sich durch Spiro metermess ungen sofort er¬ 
weisen lässt, die Lunge während der Anwendung der 
Maske (infolge Zwerchfellhochsaugung) an Volumen sogar ganz 
bedeutend abnimmt. Und da infolge der Elastizität des Lungen¬ 
gewebes alle Teile (wenn auch in verschiedenem Grade) an der Ausdehnung 
in den durch die Weitung bei der Einatmung zur Verfügung stehenden 
Raum hinein teilnehmen, so ist bei langsam gesteigerter Anwendung 
eine akute Dehnung der oberen Teile (etwa wie bei der durch Hart- 
Kausch inaugurierten Durchschneidung der oberen Rippenknorpel) 
nicht möglich, da die Lunge an Volumen nur mit dem 
Wachstum bzw. der allmählichen Weitung des Thorax¬ 
raumes zunimmt. 

Eine solche schnelle und starke Steigerung, wie sie Berlin 
noch dazu bei vorwiegend schweren Fällen vorgenommen hat, halte 
ich allerdings auch, darin stimme ich Stürtz bei, für unvorteilhaft 
und unzuträglich. 

Ich habe sogar selbst bei meinen eigenen anfänglichen tastenden 
Versuchen bei derartig schweren Fällen in der Charite die Beobachtung 
gemacht, dass nach anfänglicher zweifelloser Besserung (Hebung des 
Allgemeinzustandes, Abnahme der Lungenerscheinungen usw.), später 
dann bei intensiver Fortsetzung des Verfahrens der Körper, wahr¬ 
scheinlich unter dem Übermass der Autoinokulationen und nach Er¬ 
schöpfung aller noch einmal herangezogenen Reserven, manchmal 
schnell zusammenbrach. 

Trotzdem nun das Berlinsche Material, weder was 
die Auswahl, noch die Anwendungsweise anlangt, beson¬ 
ders günstige Chancen hatte, kann ich mich Berlins im 
allgemeinen ungünstigen Schlussurteil nicht anschliessen. 

Berlin schreibt, dass „in allen Stadien Husten und Aus¬ 
wurf bei einer Reihe von Kranken vollständig verschwunden, bei 


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30 


E. Kuhn. 


[4 


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zahlreichen anderen mehr oder weniger verringert, nur in vereinzelten 
Fällen unbeeinflusst geblieben sind“ (womit natürlich auch die Zahl 
der Bazillen abgenommen halben muss [der Ref.]). Ferner erwähnt 
Berlin, dass die Atemfrequenz fast durchweg herabgesetzt, Kurz¬ 
atmigkeit und Atemnot in vielen Fällen verschwunden ist, dass der 
Brustumfang sich mit wenigen Ausnahmen bei allen Behandelten ver¬ 
mehrt hat, dass das Allgemeinbefinden . und Körpergewicht sich bei 
der grossen Mehrzahl gehoben, dass auch bei der Mehrzahl der fieber¬ 
haften Fälle sich das Fieber verlor, dass ferner von 6 Fällen 5 ihre 
Nachtschweisse verloren, dass bei Patienten, die über Herzklopfen 
geklagt hatten, im Laufe der Maskenbehandlung dasselbe schon nach 
kurzer Zeit gewöhnlich nachliess, um später bei den meisten dieser 
Patienten ganz zu verschwinden“ und ähnliches. Berlin weist auch 
ausdrücklich darauf hin, dass „es den Anschein gewann, dass die 
Maskenbehandlung bei einer Reihe von Fällen Husten und Auswurf 
schneller beseitigt als die einfache Krankenhausbehandlung in Ver¬ 
bindung mit Liegekuren“. 

Ich kann daher Berlins Gesamturteil nur dadurch 
verstehen, dass er, abgesehen von zumeist falscher In¬ 
dikationsstellung der Behandlungsmethode und meines 
Erachtens nicht immer richtiger Beurteilung der Schwere 
seines Materials (z. B. sehe ich nach dem Röntgenbefunde Fall 33 
als zweites und 22 als drittes Stadium an), teilweise seine Er¬ 
fahrungen an für diese Behandlungsmethode von vorn¬ 
herein durchaus ungeeigneten Fällen verallgemeinert. 
Denn unter den tertiären Fällen befanden sich z. B. mehrere bereits 
moribunde Kranke, ferner Komplikationen mit Hodentuberkulose (5) 
mit Darmtuberkulose (8) u. a. und ferner scheint Berlin zum Teil 
spätere Verschlimmerungen nach Aussetzen der Maske und der 
Hospitalkur (welche bei einem derartigen Material doch die Regel 
sind), auf Rechnung der Maskenbehandlung zu setzen, bzw. die Be¬ 
handlung dadurch als erfolglos anzusprechen. 

Ferner hat Berlin in^einigen Fällen eine Verschlim¬ 
merung angenommen, wenn er in den oberen Lungen¬ 
teilen nach längerer Maskenanwendung „feine oder 
feinste Ronchi“ auftreten hörte, die bisher nicht bestanden 
hatten. (Hier kommen möglicherweise 30, 33, 38, 47 und vielleicht 
auch zum Teil 40 (?) u. a. des dritten Stadiums in Betracht.) Dieses 
ist eine mir wohlbekannte Erscheinung, welche mit zu¬ 
nehmender Ausdehnungsfähigkeit derbis dahin teil weise 
kollabierten oberen Lungenpartien häufiger in Erschei¬ 
nung tritt, mit katarrhalischen Erscheinungen aber nichts zu tun 



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5] 


Bemerkungen zu der Arbeit Berlins etc. 


31 


hat, wenn es auch meist schwer ist, sie von derartigen Geräuschen 
zu unterscheiden. Es sind Geräusche ähnlich dem Ent- 
faltungs-„Knister-Rasseln“ bei Atelektasen, oderauch, wie 
ich sie als „Burkhartsches Symptom u an den unteren Lungen¬ 
partien aus der gleichen Ursache beschrieben habe, oder wie sie 
Janowski auch bei kleinen pleuritischen Exsudaten an den unteren 
Lungenteilen bei tiefer Atmung (und Entfaltung der bis dahin durch 
Kompressionen aneinander klebenden Alveolen) auftreten sah. 

Jedem unbefangenen Beurteiler der Berlinschen Fälle, be¬ 
sonders der ersten Stadien, muss es ja a priori widersinnig er¬ 
scheinen , dass (unter Hebung des Allgemeinzustandes) Husten 
und Auswurf bei den meisten dieser Fälle mehr und mehr 
schwinden, dass aber trotzdem die „katarrhalischen“ Geräusche ver¬ 
mehrt sein sollen! Und weiter muss ich eine Reihe von 
Fällen (15, 24, 29, 37, 43), darunter vom ersten Stadium 
auch Nr. 37 und 43, als für eine einwandfreie Beur¬ 
teilung nicht geeignet zurückweisen, in denen gleich¬ 
zeitig eine Tuberkulinkur durchgeführt wurde und in 
denen Berlin z. T. ohne weiteres die Maske für eine Verschlimmerung 
verantwortlich machen will. Zum wenigsten wäre in diesen Fällen 
eine „non liquet“ am Platze gewesen, zumal da Berlin in keinem 
einzigen Falle der günstigen Erfolge darauf hinzuweisen vergisst, 
dass man (abgesehen von rascher als sonst erfolgender Verringerung 
des Hustens, Auswurfes, Vermehrung des Brustumfanges usw.) die 
übrigen günstigen Resultate auch auf Rechnung der Hospitalliege¬ 
kur setzen kann. 

Hiernach bleibt, abgesehen von aussichtslosen Fällen 
des 3. Stadiums, wozu meines Erachtens nach der Röntgen¬ 
platte auch der Fall 22 gehört (welcher noch dazu ambu¬ 
lant und anscheinend ohne nähere Fieberkontrolle be¬ 
handelt wurde), von den Fällen des 2. und 1. Stadiums 
nur der eine Fall 40 übrig, dessen Lungenbefund sich 
während der Maskenbehandlung verschlimmert hat. 

Das i81 eine seit ca. IV 2 Jahren bestehende doppel¬ 
seitige Spitzenerkrankung, welche bereits ein Jahr vor¬ 
her mit einer Tuber kulinkur behandelt war und nun inner¬ 
halb ca. 3 Monaten bis 5 Stunden täglich und auch noch des nachts 
der Maskenbehandlung unterworfen wurde. — 

Schliesslich möchte ich nicht unterlassen, bezüglich verschiedener 
anderer der Berlinschen Fälle Bedenken zu äussern, ob die, be¬ 
sonders in den leichteren Fällen in der Regel von Berlin provo¬ 
zierte diagnostische Tuberkulinherdreaktion den Kranken von Vorteil 


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32 


E. Kuhn. 


[6 


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gewesen ist. Ich selbst wage, in Übereinstimmung wohl mit den 
meisten Praktikern (conf. Sahli u. a.), auf Grund vermiedener be¬ 
denklicher Erlebnisse eine solche Herdreaktion nur noch hauptsäch¬ 
lich bei äusserlich kontrollierbaren tuberkulösen Affektionen, welche 
nicht gleichzeitig die Lunge betreffen und wo man von einem 
„Aufflackern“ der Erkrankung keinen nachhaltigen Schaden er¬ 
warten kann. 

Von weniger wichtigen Einzelheiten der Berlin sehen Arbeit 
möchte ich hier nur noch hervorheben, dass der Blutbefund bei den 
hauptsächlich daraufhin untersuchten progressen Phthisen infolge 
Toxinwirkung auf die Erythrozyten usw. naturgemäss schwankt, 
dass ferner meine und vieler anderer Erfahrung über die blutstillende 
Wirkung der Maske bei der selbstverständlich nötigen länger fort¬ 
geführten Anwendung durch Berlins Resultate durchaus ge¬ 
stützt werden, und dass auch die schlafmachende Wirkung sich in 
der Mehrzahl der Fälle (mehr kann man von keinem Mittel verlangen) 
bewährt hat. 

Auf verschiedene andere, meines Erachtens unrichtige Darstel¬ 
lungen, besonders theoretischer Natur, werde ich in der oben an¬ 
gedeuteten Arbeit zurückkommen, zumal, da mir vielfach unter dem 
Eindruck der Forlaninischen Arbeiten der Wert der Ruhigstellung 
einseitig bewertet und zum Teil überschätzt zu werden scheint. Die 
Ruhigstellung eignet sich ebenso wie die Bewegungs¬ 
therapie unter der Saugmaske usw. nicht für alle Fälle 
in gleicherweise, und sowohl dieAuswahl, wie dieindi- 
vidualisierende Behandlung der Fälle ist ausschlag¬ 
gebend für den Erfolg. Das sehe ich besonders daraus, wenn 
ich diese Krankenhausresultate Berlins mit den Ergebnissen der 
Maskenbehandlung in den Heilstätten vergleiche, ans welchen mir 
verschiedene Resultate vorliegen. Von diesen will ich hier nur kurz 
erwähnen, dass z. B. Stolzen bürg, der bisher wohl die meisten 
Erfahrungen an geeignetem Material mit der Saugmaskenbehandlung 
hat, in der Fürstl. Hohenloheschen Heilstätte Slawentzitz nun bereits 
seit mehr als 6 Jahren die Maske an vielen Hunderten in jährlich 
immer steigender Zahl erprobt hat und nun bereits seit Jahren 40 
bis 50% aller seiner Kranken auf diese Weise behandelt. 


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Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose und 
die Disposition bei Tuberkulose 1 ). 

Von 

Hofrat ür. Wolff, Reiboldsgrün. 


Vor nunmehr 30 Jahren trat Robert Koch mit einer der 
grössten medizinischen Entdeckungen aller Zeiten vor die Öffentlich¬ 
keit: die Entdeckung des Tuberkelbazillus. Es war eine Entdeckung, 
die allen bisherigen Kenntnissen über die Schwindsucht zu wider¬ 
sprechen schien. Zwar zeigte Koch selber gleich anfangs eine Brücke 
zwischen den alten und neuen Anschauungen, da er bereits in den 
Jahren 1882 und 1883 (Verh. d. I. Kongr. f. innere Med., S. 73 und 
Mitt. d. Kaiserl. Gesundheitsamtes 1884, Bd. II) völlig unseren heutigen 
Ansichten entsprechend betonte, dass „nicht der Infektionskeim, 
sondern gewisse Eigenschaften, welche die Entwickelung der später 
mit dem Körper in Berührung gelangenden Keime begünstigten, also 
das was wir Disposition nennen, vererbt werden“. 

Kochs Schüler aber, voran Com et, wussten dank der enormen 
Erfolge der Bakteriologie fast die ganze Ärztewelt auf falsche Wege 
zu leiten, man verwarf alle Lehren von Erblichkeit und Disposition, 
z. T. mit absprechenden Äusserungen wie „bequemer Sündenbock“ 
(Cornet) oder „Krücke für die Faulheit“ (Heller) und verkündete 
als Evangelium: wer durch einen „unglücklichen Atemzug“ Tuberkel¬ 
bazillen in sich aufnimmt, unterliegt der Schwindsucht. 

Gewiss protestierten eine ganze Reihe von Ärzten, andere stimmten 
wenigstens nicht zu, andere endlich meinten mit Bölling er, dass „wir 
geradezu vor neuen Mysterien der proteusartigen Krankheit gestellt 

Unter Benutzung eines beim XXIX. Kongress für innere Medizin ge¬ 
haltenen Vortrags. 

Beitrlge rar Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 8 * 


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84 


Dr. Wolff. 


[2 


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seien 41 . Im ganzen aber folgten die Ärzte den einseitigen bakterio¬ 
logischen Lehren und deren falschen Folgerungen. Und so kam es 
wegen dieses blinden Vertrauens auf die Bakteriologen dazu, dass 
die unerfüllbaren Hoffnungen auf das Koch sehe Heilmittel zu einer 
bedauerlichen Niederlage des „Kochins“ führten, weiter dass wir 
auch heute noch gegen die unglückliche Bazillenfurcht zu kämpfen 
haben, die unserer Zeit wahrlich nicht zur Ehre gereicht. So manche 
schon jetzt unverständliche Irrtümer entstammen jener Zeit, wie die 
Prognosenstellung nach der Gaffkyschen Tabelle, Vorschläge völlig 
undurchführbarer und höchst inhumaner Massregeln zum Schutz 
Schwindsüchtiger untereinander etc., und werden bis in unsere Zeit 
hinein festgehalten. 

Merkwürdigerweise konstruierte man s. Z. vom Wesen der 
Tuberkulose sich ein Bild, das in den meisten Zügen keinerlei Ähn¬ 
lichkeit mit anderen Krankheitsbildern hatte, und vergass, dass ein 
solches Vorkommnis allen Regeln der Natur widerspricht, in der es 
bekanntlich keine Sprünge und immer nur Übergänge gibt. Nur bei 
der Tuberkulose nahm man an, dass einer Einwanderung des Bazillus 
in den Organismus auch Krankheit unbedingt folgen müsse, während 
doch lange schon Träger von Infektionen ohne Erkrankung — so bei 
Cholera, Typhus etc. — bekannt sind. Man kam von dem Gedanken 
nicht los, der Weg der Atmung müsse bei der Tuberkulose der 
einzige zur Ansteckung sein, da die Lungen zumeist erkrankten und 
vergass dabei, dass man doch nicht etwa ein Eindringen des Giftes 
durch die Haut bei Masern annimmt, weil bei dieser Krankheit die 
Haut in erster Linie erkrankt. Man fürchtet entgegen jeglicher 
anderen Erfahrung bei Infektionskrankheiten, dass ein Tuberkulöser 
sich selber, z. B. durch Herabschlucken von Sputum, ein Schwind¬ 
süchtiger den anderen anstecken könne und manches andere mehr. 

Die grossen Irrtümer in der Beurteilung des Wesens der Tuber¬ 
kulose wären sicher unterblieben, wenn man frühzeitig sich erinnert 
hätte, dass die Tuberkulose ganz ungemein dem Verlauf der Lepra 
und der Syphilis gleiche. Daran ist im Laufe der Jahre oft, aber 
meist ohne Erfolg erinnert worden; erst jetzt wird die Wahrheit 
solcher Lehre mehr und mehr erkannt, wie ich sie schon in den 
Jahren 1892/93 in einer Reihe Arbeiten vertreten habe. 

Ich habe damals, wesentlich abweichend von dem, was, wie be¬ 
schrieben, als das Wesen der Phthise galt, die Schwindsucht als 
eine Krankheit geschildert, bei der die Ansteckung in der Regel in 
der Kindheit erfolge, von der fast jeder in der Kindheit angesteckt 
werde; spätere zweite Ansteckung im Leben gehöre zu den Aus¬ 
nahmen, ähnlich wie eine zweite Ansteckung an Syphilis; der ScKwind- 



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3] Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 35 

süchtige erkranke also meist als Erwachsener an der kindlichen 
Ansteckung, wenn seine Widerstandskraft in irgend einer Weise 
herabgesetzt sei, also eine Disposition entstehe; die Verbreitung der 
Tuberkulose im Innern des Menschen geschehe durch Entstehung 
einer lokalen Disposition im Organismus. 

Von meiner damaligen Auffassung vom Wesen der Tuberkulose 
legen folgende Äusserungen aus Arbeiten in den Jahren 1892 bis 1894 
Zeugnis ab: 

Im Artikel „Infektionsgefahr und Erkrankung der Tuberkulose“ 
(München, med. Wochenschr. 1893) wird diese Frage S. 11 dahin 
erledigt, dass „die Mehrzahl der im Verkehr lebenden Menschen bereits 
als Kind infiziert ist“, und dass die Ansicht, dass „jeder Tuberkel¬ 
bazillen in sich aufnehme, an Wahrscheinlichkeit, um nicht zu sagen, 
Bestimmtheit gewinnt.“ Daselbst S. 13: „Noch fehlt uns die bak¬ 
teriologische Lösung der Fragen, wie lange eine minimalste Menge 
tuberkulösen Giftes ihre schädigende Wirkung für eine disponierende 
Gelegenheit bewahren kann und es fehlt uns die Gewissheit, ob der 
einmal eingewanderte Bazillus jemals wieder eliminiert werden kann, 
ob tuberkulös infizierte Organismen wirklich im Gegensatz zu den 
verwandten Infektionskrankheiten der Syphilis und Lepra noch einmal 
von demselben Virus infiziert werden können“. S. 25/26: „Die 
Infektion ist eine allgemeine; die Infektion erfolgt in der Mehrzahl 
der Menschen bereits in der Kindheit und es bedarf nicht einer 
Reinfektion oder erster Infektion in späteren Jahren.“ Es wird 
„daran festzuhalten sein, dass die Gefahr der Infektion wenigstens 
beim Erwachsenen viel geringer anzuschlagen ist wie die Gefahr der 
Disposition.“ „Wer einmal tuberkulös ist, bleibt es sein Lebtag 
hindurch, wie der Syphilitische sein Lebtag syphilitisch bleibt trotz 
des zeitweisen Verschwindens der Erscheinungen.“ (München, med. 
Wochenschr. 1893. „Zur Errichtung von Heilstätten für Brustkranke.") 

Vgl. weiter „Die moderne Behandlung der Lungenschwindsucht“ 
bei J. F. Bergmann, Wiesbaden 1894. Daselbst S. 16: „Ich bin 
davon durchdrungen, dass es eine zweite Infektion der Tuberkulösen 
nicht gibt, dass die Infektion nur von innen, nicht von aussen ge¬ 
schieht, dass der einmal Tuberkulöse somit immun gegen neue 
Infektion sich verhält. Die wenigen Fälle in der Literatur, bei denen 
Tuberkulöse durch Ansteckung und Verletzung angeblich tuberkulöse 
Hautaffektionen, Knochenerkrankungen etc. akquirierten, müssen nach 
meinem Dafürhalten so gedeutet werden, dass das Trauma ein 
Punctum minoris resistentiae herstellte, in dem sich innere Tuber¬ 
kulose des Kranken ansiedelte.“ 

3 * 


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Dr. Wolff. 


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Diese Auslese von Zitaten wird erkennen lassen, dass das Anfangs 
der 90er Jahre von mir gegebene Bild des Wesens der Tuberkulose 
ganz sicher mehr unseren heutigen Vorstellungen sich nähert, wie 
die Anschauungen, die über dies Thema in den 80 er und 90 er Jahren 
die Ärzte weit beherrschten, wie sie u. a. noch beim Berliner Kongress 
zur Bekämpfung der Tuberkulose (1899) hervortraten. 

Aus dem s. Z. von mir gegebenen Bild findet die Ansicht, dass 
in der Kindheit die meisten Menschen mit Tuberkulose sich an¬ 
stecken und an solcher Ansteckung als Erwachsene erkranken können, 
nirgends mehr Widerspruch. Dem Vergleich der Tuberkulose mit 
Syphilis begegnet man heute — sozusagen — täglich. Und solcher 
Vergleich unterstützt die Untersuchungen, die sich mit der Möglich¬ 
keit einer zweiten Infektion mit Tuberkulose beschäftigen. Besonders 
dank den fleissigen Arbeiten Römers wird es allmählich zur Ge¬ 
wissheit, dass auch meine Behauptung (s. oben), dass eine zweite 
Infektion wenig bis gar nicht vorkomme, die erste Infektion vor 
weiteren Infektionen schütze, Bestätigung finden wird. Wenn man 
jetzt noch das Aussprechen der vollen Wahrheit meidet und meint, 
dass eine massige Infektion auch das bereits früher infizierte Indi¬ 
viduum anstecken und erkranken lassen könne, so bezweifle ich nicht, 
dass sehr bald man allgemein zu der Erkenntnis kommt, dass eine 
solche massige Infektion, beim Tierversuch wohl durchgeführt, im prak¬ 
tischen Leben niemals vorkommt. Dass eine massige Infektion beim 
Kinde Vorkommen kann, soll nicht bezweifelt werden, — sie kommt 
hier nicht in Frage. Und später? — Nirgends gibt es einen engeren 
Verkehr zwischen Schwerkranken und einmal Angesteckten, die nicht 
aktiv krank sind, wie in der Ehe. Zugegeben, dass hier zuweilen 
ein so intimer Umgang mit einem Schwerkranken geübt wird, dass 
die massige Infektion denkbar wird, spricht gegen solches Vorkommnis 
doch die relative Seltenheit von Infektionen in der Ehe und der 
Umstand, dass Frauen resp. Witwen durch die Ehe öfter erkranken 
wie die Männer, denn es besteht dafür der verständliche Grund, dass 
die Frauen durch das Leiden und Sterben ihrer Ehemänner, nämlich 
durch Pflege und Sorge, weit mehr wie die Männer mitgenommen 
werden. So wird es in praxi bei meiner Ansicht bleiben, dass massige 
Infektionen Erwachsener beim Menschen fast niemals Vorkommen 
und der als Kind Angesteckte sich nicht wieder anstecken kann. 

Nehmen wir wohl nicht mit Unrecht an, dass die allgemeine 
Anerkennung der Unmöglichkeit einer Reinfektion mit Tuberkulose 
nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, so fehlt an dem Bilde, 
wie ich es s. Z. von dem Wesen der Phthise gab, nach modernen 
Anschauungen nur wenig: beinahe überall sind heute meine damaligen 



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5] 


Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 


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Ansichten bestätigt. Es fehlt nur die Bestätigung der Lehre, dass 
die Verbreitung der Tuberkulose im menschlichen Körper eine häma¬ 
togene ist. 

Gerade über diesen Punkt ist man in den letzten Jahrzehnten 
ohne rechte klare Auseinandersetzung hinweggegangen. Bis in die 
jüngste Zeit begegnet man Warnungen, auch von seiten einzelner 
Tuberkulose-Ärzte, dass der Kranke sein Sputum nicht herunter¬ 
schlucken dürfe, weil dann Darm tuberkulöse entstehen könne, man 
fürchtet Beschmutzung mit tuberkulösem Material und stellt sich vor, 
dass das inspirierte Blut bei Lungenblutungen neue „Infektionen“ 
herbeiführen wird. Gegenüber solcher Anschauung findet man in 
allerletzter Zeit, ohne dass über diesen so wichtigen Punkt irgend¬ 
welche Diskussionen stattgefunden haben, in Nebenbemerkungen hie 
und da Äusserungen, die auf nahende Klärung der Frage hinweisen. 
Nach Weleminsky entsteht die Lungentuberkulose meist hämatogen. 
Bönniger äussert in einer Diskussionsbemerkung (Wiesbadener 
Kongress April 1912 S. 394) „da ja die Lungentuberkulose doch 
wahrscheinlich hämatogenen Ursprungs ist“ usw. Charakteristisch 
für die Situation ist, dass diese Bemerkungen nur gelegentlich fallen 
und mit einem „wahrscheinlich“ oder „meist“ verklausuliert sind. 
Dass nicht mit Sicherheit der hämatogene Weg als der einzige der 
Ansteckung bezeichnet wird, liegt offenbar daran, dass wir auch in 
dieser ^Frage immer noch unter dem Bann bakteriologischer Lehren 
und falscher Folgerungen derselben stehen, nämlich unter der Vor¬ 
stellung, dass dort tuberkulöse Erkrankung entstehen müsse, wo 
tuberkulöses Material mit irgendwelchem Gewebe, sei es auch völlig 
gesund, in Berührung komme. 

Und dabei sprechen gegen die Möglichkeit der Ansteckung durch 
Verschleppung der Tuberkelbazillen die einfachsten Beobachtungen und 
Betrachtungen. 

Wie sollte denn nur das Vorkommen von Kehlkopf- und Darm¬ 
tuberkulose verhältnismässig so selten sein, wenn eine Verschleppung 
von Tuberkelbazillen in diese Organe genügen sollte, um Tuberkulose zu 
erzeugen? — Bleibt auch nur einen Tag die Schleimhaut von Rachen 
und Kehlkopf eines Phthisikers verschont von der Berührung mit 
tuberkulösem Material und massenhaften Tuberkelbazillen? — Und 
kann man vollen Ernstes denken, dass das Verbot das Sputum zu 
verschlucken verhindern kann, dass bei einem Phthisiker tagtäglich 
Tuberkelbazillen in den Darm gelangen? 

Solche praktisch undenkbaren Vorgänge beherrschen noch heute 
die Vorstellung zahlreicher Ärzte, vielleicht der Mehrzahl der Ärzte, 
anscheinend wiederum unter dem Bann bakteriologischer Fehllehren. 


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Dr. Wolff. 


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Der auch nur oberflächlich Beobachtende weiss überdies, dass 
kehlkopfkrank derjenige wird, der den Kehlkopf besonders viel oder 
falsch benutzt, dass an Danntuberkulose frühzeitig derjenige erkrankt, 
der immer in bezug auf die Darmtätigkeit schwächlich war, dass 
aber am Kehlkopf, wie am Darm, wie an anderen Organen zuletzt 
diejenigen Phthisiker erkranken, die bereits allgemein geschwächt 
sind und bei denen damit auch jene Organe geschwächt sind. 

Solche einfachen Betrachtungen haben nicht genügt, um die 
falsche Lehre von der mechanischen Verschleppung der Tuberkel¬ 
bazillen und deren üble Folgen aus der Welt zu bringen. Dazu ge¬ 
hörte die experimentelle Wissenschaft, die jetzt in rascher Folge in 
einer Anzahl Arbeiten beweist, dass die hämatogene Verbreitung der 
Tuberkulose die einzig vorkommende ist. 

Zu diesen ist in erster Linie die Arbeit Bacmeisters über 
künstliche Erzeugung von Tuberkulose in abgeschnürten Lungenspitzen 
(Verhandlungen des Kongresses für innere Medizin 1911) zu rechnen. 
Bacmeister selber scheint mit den meisten Ärzten die hauptsäch¬ 
liche Bedeutung seiner Arbeit in der Erzeugung von Tuberkulose in 
den künstlich verletzten Organen zu sehen; mir scheint sie in der 
den Erforscher überraschenden, meinem Standpunkt nach natürlichen 
Entdeckung zu liegen, dass eine Infektion der Versuchstiere auf keine 
andere Weise wie auf dem hämatogenen Wege gelang, und zwar, 
was ebenfalls bemerkenswert ist, mit kleinsten Dosen tuberkulösen 
Materials. 

Innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung der Bacmeister¬ 
sehen Arbeit sind dann zahlreiche Arbeiten erschienen, in denen in 
überraschender Weise dargelegt wurde, dass das Vorkommen von 
Tuberkelbazillen nicht, wie man bisher glaubte, ein seltenes Vor¬ 
kommnis sei, sondern die Regel bei schwertuberkulösen Kranken 
bildet, bei leichteren noch häufig vorkommt, sogar auch bei scheinbar 
gesunden Menschen. (Kurashige, Kennerknecht, Lieber¬ 
meister, Duchinoff u. a.) 

Bei so vollständiger Übereinstimmung klinischer Beobachtungen 
und Betrachtungen mit experimentellen Ergebnissen kann die Lehre 
von der hämatogenen Verbreitung der Tuberkulose als feststehend 
betrachtet werden und damit ist dann auch ein weiterer Zug im 
Bilde der Tuberkulose, wie ich es vor 20 Jahren gab, als zutreffend 
erwiesen. 

Dass damit der alte Begriff der „Disposition“, dessen Bedeutung 
von mir und anderen immer hervorgehoben wurde, von neuem auf¬ 
tauchen muss, ist ohne weiteres klar. 



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7] Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 39 

Während auf der einen Seite immer noch Ärzte in grosser Zahl 
die Lehre von der Disposition, speziell der erblichen Disposition mit 
„vermehrter Infektionsgelegenheit“ ersetzen wollen, erstehen nunmehr 
auf allen Gebieten der Medizin neue Vertreter der Dispositionslehre. 
So äussert sich der Pathologe Hansemann in bemerkenswerter 
Weise („Die Konstitution als Grundlage von Krankheit.“ Med. Klinik 
23. III. 12.) Er schildert, welche Irrtümer durch „Verachtung der 
Disposition“ entstanden sind und feiert die „Entdeckung Freunds 
über die anatomische Grundlage der Lungenschwindsucht“. 

Wenn wir nun nach dem Wortlaut dieses Satzes den Grund der 
Lungenschwindsucht in der Freundschen Entdeckung finden 
wollten, so würden wir ähnliche Irrtümer begehen, wie wenn wir — 
eine Wahrheit verallgemeinernd — etwa nur die aerogene Verbreitung 
der Tuberkulose-Ansteckung oder die Verbreitung der Tuberkel¬ 
bazillen nur durch den Staub, der mit Bazillen vermengt ist, aner¬ 
kennen wollten. Die Freund-Hart sehe Lehre weist uns eine Art 
der Disposition nach und zwar die Art, wie die Lungenspitzen mit 
Vorliebe erkranken, auch ist die Entdeckung als erste ihrer Art von 
grösster prinzipieller Bedeutung, wenn sie auch nicht das gesamte 
Wesen der Disposition erklärt. Denn sie hat zur Folge, dass mit 
jenem falschen Vorurteil aufgeräumt wird, das Hansemann in den 
Worten schildert: „dass man die Disposition als einen wissenschaft¬ 
lich unfassbaren Zustand des Körpers betrachtete oder, um speziell 
auf die Infektionskrankheiten zu exemplifizieren, die Disposition über¬ 
haupt nicht als selbständig existierenden Zustand auffasste“. 

Ein volles Verständnis der Disposition wird uns aber erst auf¬ 
gehen, wenn wir ihr Wesen auf Grund der jetzigen Kenntnis der Tuber¬ 
kulose prüfen, speziell wenn wir an Stelle der Auffassung, dass ein 
mechanisches Verschleppen von Tuberkelbazillen Tuberkulose erzeugen 
kann, die hämatogene Verbreitung als einzig bestehende anerkennen. 

Wie die hämatogene Verbreitung eine Rolle bei der Erkrankung 
disponierter Organe spielen muss, wurde bereits bezüglich Kehl¬ 
kopf und Darm gestreift: der Kehlkopf erkrankt, wenn er — wie 
oben ausgeführt — zuviel und falsch benutzt, widerstandsloser wird und 
dann der Tuberkelbazillen führende Blutstrom ihn berührt. Ebenso 
erkrankt der Darm, wenn seine Funktionen immer mangelhaft waren 
und er geschwächt ist, durch das tuberkelbazillenhaltige Blut. 

Welcher Art die Läsionen sind, die ein Organ zu tuberkulöser 
Erkrankung vorbereiten, ist mit einem Wort'nicht zu erklären: die 
Läsion wird voraussichtlich mannigfacher Art sein,, bald in mangel¬ 
hafter oder sonstiger pathologischer Blutversorgung, bald in Defekten 


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Dr. Wolff. 


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der Schutzmittel des Organes (Epithel etc.) oder im Nachlassen irgend¬ 
welcher Funktionen bestehen. 

Einen Anhalt zur Beantwortung dieser Frage ergeben die Erfah¬ 
rungen der chirurgischen und traumatischen Tuberkulose. 

Man findet in chirurgischen Arbeiten älteren Datums (König), 
wie in modernen (Duchinoff) das Entstehen der Knochentuberkulose 
geschildert, wie wir das Entstehen der Tuberkulose überhaupt dar¬ 
stellen, denn Duchinoff (Bruns Beiträge z. klin. Chirurgie S. 1—57, 
1912) schreibt, dass durch den Bazillenbefund in den lokalen Herden, 
dem Blut und den histologisch normalen Organen die chirurgische 
Tuberkulose nicht mehr als lokale Erkrankung anzusehen ist, es 
wird dadurch die häufige traumatische Tuberkulose erklärt. 

Dass die Kinder mit Vorliebe an Knochentuberkulose erkranken, 
ist unschwer dadurch erklärt, dass die Knochen durchs Wachstum 
geschwächt sind und ein Punctum minoris resistentiae bilden, an 
dem sich die Tuberkelbazillen des Blutes ansiedeln können. Oft 
genug wird der Knochentuberkulose eine unbemerkte Läsion durch 
Stoss etc. yorangegangen sein, so dass es sich um eine ausgesprochene 
traumatische Tuberkulose handelt. 

In dieser stellt sich noch deutlicher wie in der chirurgischen 
Tuberkulose das rechte Verhältnis zwischen allgemeiner Infektion ohne 
Erkranken und Erkranken, sobald ein Punctum minoris resistentiae ent¬ 
standen ist, dar. „Das Trauma hat durch Blutung oder Entzündung einen 
günstigen Boden zur Ansiedelung und Verbreitung der im Körper 
latenten Bazillen geschaffen“, sagte ich 1892. („Über Infektionsgefahr“ 
etc., S. 19) bei Beschreibung eines Falles von traumatischer Phthise 
und kann auch heute den Zusammenhang der Dinge kaum besser 
schildern, — nur dass wir heute wissen, dass die Bazillen mit dem 
Blutstrom an das verletzte Organ gelangen. 

Es handelte sich bei dem dort beschriebenen Fall um einen 
Kranken, der, bisher gesund, im Anschluss an einen Sturz vom Fahr¬ 
rad und Stoss der Schulter und einer Brustseite an einen Eckstein 
sofort zu kränkeln begann, bis sich eine deutliche Phthise auf der 
verletzten Seite entwickelte. • 

Zweimal sah ich Kranke, die auf der Lunge akut erkrankten, 
die bei einer Quetschung des Brustkorbes zwischen zwei Eisenbahnwagen¬ 
puffern verletzt war; auch sonst sind Fälle echt traumatischer Phthise 
keineswegs so selten. 

Erst vor kurzem kam eine einfache Frau — Hausiererin — in 
meine Behandlung, die bei voller Gesundheit 59 Jahre geworden war, 
robust gebaut ist und keinerlei familiäre Belastung zeigt (gesunde 
Eltern und gesunde 4 Kinder). Dezember 1911 Rippenbruch bei 



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9] 


Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 


41 


einem Fall vom Stuhl beim Gardinenanstecken, gleich darauf Schmerzen 
in der Seite, Husten, Auswurf, nach kurzer Zeit Nachtschweisse und 
Abmagerung. Jetziger Befund: reichliches Rasseln in den unteren 
Partien der linken verletzten Lunge, weniger Katarrh auf der Spitze. 

Hier erkrankt also eine Lungenpartie im Anschluss an eine Ver¬ 
letzung der Lunge, die sonst nicht besonders zu Krankheiten neigt 
und meist sekundär ergriffen wird. Eine mit besonderer Aufmerk¬ 
samkeit hierauf gerichtete Beobachtung dürfte in zahlreichen Fällen 
eine Erklärung bringen, wenn einmal eine nicht durch die Freund- 
sche Abschnürung beeinflusste Partie der Lunge primär erkrankt. 
Es sei nur gestreift, dass öfter als sonst Unterlappenaffektionen mir 
vorzukommen scheinen, wenn es sich um erkrankte Frauen handelt, 
die zu lange selbst genährt haben. 

Wir sahen schon, dass keineswegs die Entwickelung der Tuber¬ 
kulose nach einem Trauma an die Lunge gebunden ist. Wir sehen 
vielmehr Organe nach Verletzungen tuberkulös erkranken, die sonst 
nur selten tuberkulös zu erkranken pflegen. So beobachtete ich bei 
einem Lungenkranken am Sternum eine tuberkulöse Erkrankung, nach¬ 
dem der Kranke lange Zeit die Gewohnheit geübt hatte, beim Ar¬ 
beiten seine Brust an den Arbeitstisch zu stemmen. 

Gewiss wird man nicht immer bei tuberkulöser Erkrankung sonst 
selten befallener Organe eine Verletzung, eine verminderte Wider¬ 
standsfähigkeit oder eine vorausgegangene anderweitige Erkrankung 
nachweisen können; es wird das fast unmöglich bei einer Reihe innerer 
Organe. Indessen ist der Nachweis vorangegangener Erkrankung 
eines Organes im obigen Sinne, ehe es tuberkulös erkrankt, doch 
zuweilen zu erbringen, öfter handelt es sich um begründete Vermu¬ 
tungen. 

Als letztere möchte ich bezeichnen, dass ich glaube, dass die Ent¬ 
stehung tuberkulöser Meningitis recht wohl die Folge von Trauma 
sein kann. 

Aus meiner Hamburger Assistentenzeit unter Curschmann 
stammt die Krankengeschichte eines kräftigen Mädchens, deren Er¬ 
krankung um so mehr als epidemische Genickstarre angesehen war, 
da sie ganz plötzlich nach einem Fall mit Bewusstseinsstörung ein¬ 
getreten war; da ferner damals epidemische Genickstarre in Ham¬ 
burg herrschte, schien die Diagnose durch einen zunächst günstigen 
Verlauf (Erwachen des Bewusstseins, Wiederkehr spontaner Be¬ 
wegungen etc.) bestätigt. Die Sektion ergab aber geringe tuberkulöse 
Erkrankung der Lungenspitze, Reste einer Pleuritis und tuberkulöse 
Basilarmeningitis. Der Beginn der Erkrankung bei einem Fall auf 
den Boden und der weitere Verlauf lässt nach unserem heutigen 


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Dr. Wolff. 


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Wissen es als hochwahrscheinlich erscheinen, dass die bereits be¬ 
stehende Tuberkulose die Meningen befiel, als sie durch den Sturz 
verletzt wurden. 

Klarer und eindeutiger wie hier wirken die Fälle traumatischer 
Hodentuberkulose, ja diese wirken fast wie ein Paradigma für die 
Lehre der tuberkulösen Erkrankung eines minderwertig gewordenen 
Organes durch die Bazillen des Blutstromes. Unter den zahlreichen 
mir vorgekommenen Fällen von Hodentuberkulose ist mir kein ein¬ 
ziger Fall bekannt, in dem nicht eine sorgfältige Anamnese entweder 
eine — oft viel früher — vorangegangene Verletzung oder Quetschung 
des Organes ergab (beim Reiten, Spielen mit den Kindern etc.) oder 
eine Orchitis aus anderen Gründen, meist bei Gonorrhoe; 

Über Entstehung tuberkulöser Zystitis und Nephritis nach chroni¬ 
schen Erkrankungen der betr. Organe, die nach dem Gesagten wahr¬ 
scheinlich sein dürfte, steht mir eine Krankengeschichte nicht zu 
Gebote ausser einer ebenfalls meiner Assistentenzeit entstammende, 
aus dem Gedächtnis wiedergebene. Es handelte sich um einen älteren 
Forstmann, den ich Anfang der 80 er Jahre im Hamburger Kranken¬ 
haus beobachtete. Er kam wegen Nephritis und Zystitis in Behand¬ 
lung, ohne dass sonst Krankheitserscheinungen wahrgenommen wurden; 
erst die Hartnäckigkeit des Leidens erschien auffallend und erst nach 
langer, monatelanger Beobachtung ergab sich, dass sich eine tuber¬ 
kulöse Erkrankung von Blase und Niere entwickelt hatte. Der 
Kranke ging an Urämie zugrunde, die Sektion bestätigte den zu¬ 
letzt gestellten klinischen Befund und eine klinisch nicht aufgefundene 
Spitzentuberkulose. Die Deutung, die damals dem Krankheitsverlauf 
gegeben wurde, dass es sich um eine Ansteckung beim Koitus handeln 
werde, wird nach unserem heutigen Wissen kaum aufrecht erhalten 
werden; heute wird man annehmen, dass eine Tuberkulose der Lungen 
vorlag, als durch Zystitis und Nephritis widerstandslose Organe ent¬ 
standen und eine tuberkulöse Erkrankung dieser Organe durch die 
hämatogene Ansteckung erfolgte. 

Die Bedeutung lokaler Disposition für andere tuberkulöse Krank¬ 
heitsformen ausser der Lungentuberkulose lässt sich recht wohl beim 
Lupus verfolgen. 

Das gehäufte Vorkommen von Lupus in Kreisen, in denen oft 
Sauberkeit mangelt, lässt von vorneherein wahrscheinlich erscheinen, 
dass ungepflegte Haut, Schmutz etc. gute Vorbedingungen für Lupus 
sind. Einwandlos erscheinen mir folgende Fälle, aus einem grossen 
Material herausgegriffen: die Erkrankung eines bereits 20 Jahre lang 
lungenkranken Phthisikers an Lupus faciei, nachdem er ein bullöses 
Erysipel des Gesichtes durchgemacht hat, die lupöse Erkrankung 


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111 


Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 


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eines Phthisikers an der Handwurzel, dort, wo ihn die Manschette 
beim Schreiben zn drücken pflegte, die Entstehung von Lupus im 
Gesicht eines Soldaten, wo die Schuppenkette gerieben hatte u. a. m. 

Überall Anden wir dasselbe Bild: der im Blute kreisende Tuberkel¬ 
bazillus siedelt sich dort an, wo ein Defekt und eine mangelnde 
Widerstandskraft in oder an einem Organ entstanden ist. 

Ob bei jedem Leichentuberkel, bei jedem Hordeolum, bei denen 
Tuberkelbazillen gefunden werden, es sich um eine Ansteckung 
von innen, also eine Metastase handelt oder ob in solchen Fällen es 
sich um zweite Infektionen handelt, wie wir sie auch bei Syphilis 
finden, mag dahingestellt bleiben; erinnern muss man sich aber, dass 
die Hordeola besonders häufig bei skrofulös-tuberkulösen Kindern 
Vorkommen; auch glaube ich beobachtet zu haben, dass die verrukösen 
Hauttuberkulosen (Warzen, Leichentuberkel etc.) mit Vorliebe bei 
bereits deutlich tuberkulös Erkrankten Vorkommen. 

Halten wir an dem Begriff der traumatischen Tuberkulose als 
der Erkrankung minderwertig und widerstandslos gewordener Stellen 
fest, so muss dieser Begriff auf eine Reihe von Vorgängen angewandt 
werden, die man bisher nicht darunter rubrizierte. 

In dem obigen Sinne ist ja dann z. B. auch die Spitzentuber¬ 
kulose als traumatische anzusehen, d. h. als eine solche, wo sich der 
Bazillus durch den Blutstrom an minderwertiger und widerstandsloser 
Stelle der Lungen resp. des Körpers, in diesem Falle die zusammen¬ 
gedrückte Lungenspitze, ansiedelt. 

Man wird aber noch weiter gehen müssen und muss als trauma¬ 
tische Tuberkulose die gesammte Gewerbe-Tuberkulose bezeichnen. 
Wenn bei schädlichen Gewerben tagtäglich Staub in vegetabilischer 
oder mineralischer Form oder aber schädliche Gase in die Lunge dringen, 
so wird eben diese, ganz ähnlich wie bei einer äusseren Verletzung, 
minderwertig und widerstandslos. Und darum setzen sich die im 
Blut kreisenden Bazillen mit Vorliebe in den auf solche Weise vor¬ 
bereiteten Lungen fest. 

Doppelt leicht wird das in den Lungenspitzen der durch 
schädlichen Staub oder Gas vorbereiteten Lungen geschehen, weil 
hier zweifache Disposition vorliegt. 

Wie die Lunge an einer anderen Stelle wie die Spitze unter dem 
Einfluss eines Traumas erkranken kann, erläuterte uns das Beispiel, 
das S. 8 angeführt wurde. Ich glaube weiter, dass man infolge von 
Lungenblutungen Erkrankungen von bisher gesunden Lungenpartien 
erlebt, weil durch die Blutung oder deren Behandlung Läsionen der 
gesunden Lunge stattgefunden haben. 


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44 Dr. Wolff. [12 

Gerade in Fällen von Blutungen herrscht noch allgemein die alte 
Anschauung, dass bei der Blutung Blutkoagula mit Tuberkelbazillen 
inspiriert werden und dadurch an früher gesunden Stellen tuberkulöse 
Herde entstehen. Nach allem hier Gesagten ist dieser Vorgang un¬ 
möglich: selbst wenn die verschluckten Koagula lebende Tuberkel¬ 
bazillen enthalten, kann die kräftig atmende und intakte Lunge, in 
ihren unteren Partien nicht beengt, nicht erkranken. Die bekannte 
dem Tuberkulosearzt vertraute Tatsache, dass Krankheitserscheinungen, 
die in den unteren Lungenpartien infolge von Blutungen oder deren 
Behandlung auftreten, weit rascher wie andere Krankheitserscfrei- 
nungen in den Lungen zum Verschwinden zu bringen sind, führt uns 
zur rechten Lösung der Frage: es handelt sich nicht gleich um frische 
Erkrankungen, sondern um Atelektasen, entstanden aus den eingeat¬ 
meten Blutmassen. Erst wenn es nicht gelingt durch rechtzeitiges 
Aufsetzen der Kranken, Stillen des Blutes ohne reichliche Narkotika 
usw. die unteren Partien zu kräftiger Atmung zu bringen, entstehen 
in den atelektatischen Stellen frische Tuberkuloseherde, weil in ihnen 
als Punctum minoris resistentiae sich Tuberkelbazillen festsetzen 
können. Dieses klinisch klarliegende Verhältnis scheint auch ex¬ 
perimentell bestätigt (vgl. Meinertz, Verhandl. des XXIX. Kongress, 
für innere Medizin 1912, S. 393). 

Unklar war bisher das Verhältnis zwischen Tuberkulose einerseits 
und Bronchitiden und Asthma nervosum andererseits. Vielleicht 
findet sich auch hier Erklärung durch die hämatogene Verbreitung 
der Tuberkulose und ihr Haften an minderwertigen Organen. 

Wir sehen, dass in manchen Fällen häufige und heftige Bron¬ 
chitiden, die kaum als tuberkulöse betrachtet werden können, da 
andere Symptome der Phthise, wie schlechtes Befinden, Schweisse 
Fieber, Abmagerung etc. fehlen, nach jahrelangem Bestehen endlich 
in Phthise übergehen. Dass in solchen Fällen die wiederholten Bron¬ 
chitiden, besonders wenn sie mit Vorliebe auf einer Seite lokalisiert 
sind, schliesslich ein Punctum minoris resistentiae zustande bringen, 
erscheint einfach erklärlich. Schwieriger erscheint die Erklärung des 
eigentümlichen Wechsel Verhältnisses zwischen Asthma und Tuberkulose; 
wir sehen zuweilen, dass früher Tuberkulöse unter Schwinden 
der tuberkulösen Symptome Asthmatiker werden, umgekehrt — weit 
häufiger — Asthmatiker unter Verschwinden asthmatischer Anfälle 
tuberkulös werden. 

Mag sein, dass die Theorie zutrifft, nach der venöse Stauungen bei 
Asthma die Entwickelung von Tuberkulose hindern, — es würde dann 
das Ausbleiben der Phthise bei Asthmatikern erklärt sein. Jedenfalls 
aber ist die Entwickelung des ehemaligen Asthmatikers zum Phthisiker 


Go gle 


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18 ] 


Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose eto. 


45 


dadurch erklärt, dass das Lungengewebe durch die jahrelangen 
Asthmaanfälle minderwertig geworden ist. Hört dann das Asthma 
mit seinem Schutz gegen Tuberkuloseentwickelung auf, so bildet die 
minderwertig gewordene Lunge ein Punctum minoris resistentiae, an 
den der Blutstrom Bazillen liefert. 

Wenn somit überall, wo tuberkulöse Erkrankung in der Lunge 
entsteht, eine Läsion oder eine Änderung des Widerstandes sich 
nachweisen lässt, wird man in gleicher Richtung auch die Rolle 
zu erklären suchen, die die Pleuritis im Verlauf der Lungentuber¬ 
kulose spielt. 

Dass die Pleuritis — von der seltenen rheumatischen Form ab¬ 
gesehen — ohne sonstige tuberkulöse Symptome immer auf eine noch 
nicht erkannte Tuberkulose zurückzuführen ist, braucht hier nicht 
erörtert zu werden. Ebenso sei nur kurz daran erinnert, dass Ent¬ 
stehung von Pleuritis nach Traumen öfter beschrieben worden ist. 
Hier beschäftigt uns nur die Frage, ob auch eine Pleuritis ein 
Punctum minoris resistentiae in dem hier erörterten Sinne zu bilden 
vermag. Die Frage ist zu bejahen, wenn sie auch in scheinbarem 
Gegensatz zu der Lehre steht, dass pleuritische Exsudate eine 
heilende Wirkung ausüben. 

Denn es ist bekannt, das pleuritische Verwachsungen, die Folgen 
von Pleuritiden, die Lungen bewegungsloser machen"und dadurch wider¬ 
standsloser. Atmet die Lunge minder tief, so haften in ihr leichter 
die im Blut kreisenden Bazillen, wiederum am häufigsten in der Lungen¬ 
spitze, wo die Spitzen dann doppelt disponiert sind. Dass oft genug 
die Lunge besonders zu Erkrankung neigt, die nicht der überstan¬ 
denen Pleuritis entspricht, findet vielleicht darin eine Erklärung, dass 
durch Verwachsungen beide Lungenflügel widerstandsloser werden, 
d. h. weniger tief atmen, dass in der von Pleuritis befallenen Seite 
aber jene durch Kompression zustande kommenden Heilungsvorgänge 
sich vollziehen. 

Die hier berührte mangelhafte Atmung wird stets die Lunge 
empfänglicher für tuberkulöse Ansteckung aus dem Blutstrom machen. 
Das gilt für die Kranken der arbeitenden Bevölkerung, die auch ohne 
direkte Gewerbeschädigung durch das Sitzen oder Stehen in schlecht 
ventilierten Räumen eine oberflächliche Atmung sich aneignen, das 
gilt für alle Stubenhocker, endlich für alle, die durch unglücklichen 
Wuchs (eingefallene Brust, Hühnerbrust etc.) schlecht, d. h. wenig 
tief atmen. Hier wird also durch Anlage und Gewohnheiten die 
Lunge widerstandsloser, wird ein Punctum minoris resistentiae gegen 
die im Blut enthaltenen Tuberkelbazillen geschaffen. 


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Dr. Wolff. 


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Die Bedeutung des Punctum minoris resistentiae in der Lehre 
von der Disposition gewinnt noch, wenn wir uns der Vererbung des 
Punctum minoris resistentiae erinnern, wie sie u. a. Turban (Ztschr. 
f. Tuberkulose Bd. I, Heft 1, 1900) beschrieben hat. 

Turban beschrieb Fälle, in denen bei sich ähnelnden Mitgliedern 
einer Familie immer derselbe Lungenlappen erkrankte; später hat 
M. Wassermann (Wiener med. Presse Nr. 43, 1904) im Sinne dieser 
Arbeit von Fällen von Tuberkulose des Zentralnervensystems bei ge¬ 
ringer Beteiligung sonstiger Organe berichtet, die in Familien vor¬ 
kamen, in denen eine Widerstandslosigkeit des Zentralnervensystems 
erblich ist. Turban zitiert weiter, dass Brehmer eine Vererbung 
des Locus minoris resistentiae beim Lupus fand. 

Wunderbar können uns derartige Erscheinungen nicht Vorkommen, 
wenn wir tagtäglich Ähnlichkeiten oder Übereinstimmungen in den 
Physiognomien von Familienmitgliedern erblicken, Ähnlichkeiten im 
Bau des Körpers, des Wuchses, also selbstverständlich auch des 
Habitus phthisicus in seinen verschiedenen Formen. Geradezu zwingend 
müssen wir annehmen, dass Ähnlichkeiten in inneren Organen, die 
ja auch ihre Eigentümlichkeiten in Art der Entwickelung und Form 
haben, ebenfalls bei Familienmitgliedern bestehen, auch wenn wir das 
einstweilen bei inneren Organen nicht nachweisen können. Damit ist 
aber dann auch die Vererbung des Punctum minoris resistentiae erklärt. 

Unter zahlreichen hierher gehörigen Familieukrankengeschichten 
sei die folgende hier skizziert: 

50jährige, äusserlich kräftige und korpulente Dame stellt sich 
mit ihren beiden Töchtern (24 und 26 Jahre alt) vor. Die Mutter 
war vor reichlich 20 Jahren in Reiboldsgrün zur Kur; jetzt leidet 
sie an einer Affektion des rechten Unterlappens mit geringer Be¬ 
teiligung der oberen Partien; das Journal von 1890 gab denselben 
Sitz der Erkrankung an, aber nur eine ganz leichte Erkrankung. — 
Beide Töchter, jetzt ungefähr im selben Alter, wie die Mutter s. Z. 
war, lassen leichte Erkrankungserscheinungen am rechten Unterlappen 
erkennen, also eine Lokalisation der Lungentuberkulose, wie man im 
Beginn der Krankheit nicht allzuoft findet. 

Von besonderem Interesse ist, dass bei den Töchtern nicht nur 
derselbe Sitz der Krankheit wie bei der Mutter sich nachweisen liess, 
sondern dass auch der Beginn der Krankheit bei Mutter und Töchtern 
in dieselbe Zeit fiel, eine Erscheinung, die einen weiteren Beitrag zur 
Dispositionslehre enthält. Auf solche Ähnlichkeit im Verlauf und 
Komplikationen bei Mitgliedern derselben Familie hat bereits Turban 
(1. c.) hingewiesen. 



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15 ] 


Die h&matogeoe Verbreitung der Tuberkulose etc. 


47 


Nach Statistiken aus Volksheilstätten soll die Heredität ganz 
ohne Einfluss auf den Verlauf der Krankheit, Heilung etc. sein. Das 
mag bei Kranken der Arbeiterklassen zutreffen und erklärt sich 
daraus, dass die Entstehung und Entwickelung der Krankheit in diesen 
Kreisen weit mehr wie in anderen von der schädigenden Arbeit und 
schädigenden Umgebung abhängt; Entstehung und Entwickelung zeigen 
weit grössere Gleichheit in diesen wie bei besser situierten Kreisen. 
In diesen letzteren trifft nicht zu, dass Entstehung und Verlauf der 
Tuberkulose, unabhängig von Heredität, d. h. von Familieneigen¬ 
schaften ist. 

So wird man in dem oben skizzierten Falle die Prognose bei 
den Töchtern, dem Vorbild der Mutter entsprechend, als eine gute 
hinstellen können: wie bei der Mutter wird sich die Entwickelung 
der Krankheit nur höchst langsam vollziehen, erst spät oder niemals 
einen ernsten Charakter annehmen, — es sei denn, dass besondere 
Vorkommnisse im Leben, besondere seelische oder körperliche Zu¬ 
mutungen die an sich gute Prognose einer der Töchter trüben. 

Unter zahlreichen, hierher gehörigen Familiengeschichten, die 
ich in langer Praxis kennen lernte, erscheint kaum eine so bemerkens¬ 
werte, wie die der Familie eines angesehenen deutschen Arztes. Hier 
erkrankten Mutter, Sohn und zwei Töchter in jugendlichem Alter, 
d. h. den Entwickelungsjahren, alle zunächst mit Lungenblutungen und 
mit anscheinend stürmischen, prognostisch ungünstigem Verlauf — 
man wagte bei einer Kranken s. Z. das damals neue Tuberkulin 
(„Köchin“) nicht zu verwenden! —, alle aber wurden wieder relativ 
gesund. Die Mutter erreichte ein hohes Alter, die Töchter erfreuen 
sich heute trotz vorgeschrittener Jahre und eigener erwachsener Kinder 
guter Gesundheit. Nur der Sohn ging in reiferen Jahren an Tuber¬ 
kulose zugrunde, vermutlich wegen unzweckmässiger Lebensführung. 
— Hier war also bei vier Mitgliedern derselben Familie nicht nur 
die Neigung zu tuberkulöser Erkrankung vererbt, sondern auch das 
Alter, in dem die Erkrankung erfolgte, die Art der Erkrankung 
(Hämoptoe) und der trotz stürmischer Anfänge gutartige Verlauf der 
Krankheit. 

Scheinbar war in dieser Familie die Zeit der Entwickelung das 
den Ausbruch der Krankheit veranlassende Moment. 

Betrachtet man bei zahlreichen Familien diese Momente, so 
findet man auch hier Besonderheiten, die den einzelnen Familien 
eigen sind: in der einen Familie pflegt die tuberkulöse Erkrankung 
auf seelische Erregungen zu folgen, in einer anderen ist sie Folge 
körperlich starker Zumutungen, wie zahlreiche, rasch einander 
folgende Geburten, in einer dritten sind Exzesse auf sexuellem, alko- 


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Dr. Wolff. 


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holischem oder sonstigem Gebiet die „auslösenden“ Momente der 
schlummernden Krankheit. Die eben wiedergegebene Krankengeschichte 
Hess bereits in diesem Sinne erkennen, dass hier anscheinend die 
Entwickelungsjahre eine Gefahr bildeten, nicht aber bei Mutter wie 
Töchtern die für andere tuberkulöse Frauen oft so verhängnisvollen 
Geburten. Auch Einzelkrankengeschichten bestätigen solches Ver¬ 
hältnis. So sah ich eine Dame zum ersten Male in der erregenden 
Brautzeit an „Lungenspitzenkatarrh“ erkranken, dann wieder nach 
10 Jahren, als geschäftliche Verluste des Gatten etc. neue schwere 
Erregungen gebracht hatten, — inzwischen hatte sie ohne Schaden 
drei Kinder geboren und selber ernährt. Hier zeigt sich also in 
einem Einzelfall, dass nicht immer die sonst als schwerschädigend 
betrachteten Momente der Geburt und des Selbstnährens auslösende 
Momente der schlummernden Krankheit werden, sondern bei dem¬ 
selben Individuum andere Schädigungen, hier die seelischen Erregungen, 
bedenklicher wirken. 

Es ist nur eine beinahe selbstverständliche Vervollständigung des 
eben Gesagten, wenn die Turbanschen Berichte über Erblichkeit 
des Sitzes tuberkulöser Erkrankungen durchaus bestätigt werden 
müssen: in einer Familie erkrankt mit Vorliebe die rechte, in der 
anderen die linke Lungenspitze, hier findet man immer wieder den 
Beginn der Krankheit mit Pleuritis, dort kommen häufig Blutungen 
vor, dort fehlen sie bei Krankheitsverlauf mehrerer Familienmitglieder 
völlig, einmal setzt in einer Familie die Krankheit ganz plötzlich ein, 
dann wieder entwickelt sie sich schleichend, dass man kaum sagen 
kann, wann sie begann. 

Wir kommen also zu dem Resultat, dass es neben dem ererbten 
Locus minoris resistentiae auch eine ererbte Disposition zu verschie¬ 
denen Formen der Erkrankung und des Verlaufs gibt. 

Das wichtigste Resultat dieser Lehre ist nun aber, dass der Ver¬ 
such der Bakteriologie, Art und Form eines Krankheitsverlaufs mit der 
Art der Ansteckungsmenge und mehr oder minder bösartigen tuber¬ 
kulösen Virus zu erklären, unmöglich gelingen kann: unabhängig 
von der Art des Ansteckungsstoffes richtet sich Form 
und Verlauf der tuberkulösen Erkrankung nach ererbter 
oder erworbener Disposition. Es wurde übrigens auch noch 
niemals erwiesen, dass beim Menschen besonders grosse Dosen von 
tuberkulösem Virus zur Erkrankung nötig sind, ja dass überhaupt 
das Eindringen grosser Mengen in den menschlichen Körper möglich 
ist: wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, dass ein Eindringen 
äusserst weniger Tuberkelbazillen das betreffende Individuum schon 
immun gegen weiteres Eindringen von Tuberkelbazillen macht. Jeden- 


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17] 


Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 


49 


falls kann nicht genug als äusserst wichtig die bereits erwähnte Tat¬ 
sache hervorgehoben werden, dass Bacmeister (1. c.) seine treff¬ 
lichen Versuche künstlicher Spitzenerkrankung nur mit äusserst 
geringen Dosen von Tuberkelbazillen zustande brachte, nicht mit 
besonders giftigen, nicht mit besonders vielen Tuberkelbazillen. 

Wir sprachen von einer Disposition, die durch erworbenen oder 
ererbten Locus minoris resistentiae gegeben war, sich in den Ursachen 
einer Erkrankung, in ihrer Form und in ihrem Verlauf offenbart, 
immer unabhängig von der Art der tuberkulösen Infektion. Es bleibt 
übrig zu erörtern, wie das Wesen der Disposition durch den Einfluss 
des Lebensalters auf Krankheitsverlauf und Form weitere Charakte¬ 
ristika erhält. 

Besonders die Tuberkulose des Kindesalters lässt erkennen, wie 
dies Alter zu gewissen Formen der Tuberkulose wie keine andere 
Lebenszeit disponiert. Hier allein findet sich, von Ausnahmen abge¬ 
sehen, die Meningitis tuberculosa ohne sonstige schwere tuberkulöse 
Erkrankungen; die Knochentuberkulose befällt ebenfalls beinahe nur 
das jugendliche Alter, endlich muss als wichtigstes Merkmal kindlicher 
Tuberkulose angesehen werden, dass im frühen Kindheitsalter, be¬ 
sonders bis zum vierten Lebensjahr, der Ansteckung auch sofortige 
schwere, oft tödliche Krankheit folgt, während ein solcher Vorgang 
— Ansteckung mit sofort nachfolgender schwerer Erkrankung — je 
später, je seltener fcur Beobachtung kommt, überaus oft ernste Er¬ 
krankung überhaupt ausbleibt. 

Weniger prägnant wie die Kindheitstuberkulose stellt sich die 
Tuberkulose der Entwickelungsjahre als eine besonders geartete dar. 
Immerhin ist ja schon die Tatsache des besonders häufigen Ausbruches 
von tuberkulösen Erscheinungen während der Wachstums- und Ent¬ 
wickelungsjahre eine Besonderheit dieser Lebensepisode. Sie muss 
somit zu den disponierenden Momenten gerechnet werden. Bekannt 
ist den Tuberkuloseärzten das immer sich wiederholende Bild des 
jungen hoch aufgeschossenen Mannes, der in den Oberklassen einer 
höheren Schule zu den ersten in der Klasse gehört, zum Stubenhocker 
wird und die Seinigen durch plötzliche schwere Erkrankung mit Fieber 
oder Blutungen erschreckt. Bekannt ist auch das Bild des in der 
Entwickelung befindlichen Mädchens, das unter den Erscheinungen der 
Bleichsucht keineswegs ernstlich erkrankt gilt, bis ein geschickter Arzt 
eine bereits vorgeschrittene Phthise entdeckt. In beiden Fällen ist 
wohl eine rationelle Therapie nicht aussichtslos, aber immer wird die 
Prognose ernst sein. 

Das ist ebenfalls der Fall bei den in Wechseljahren von Tuber¬ 
kulose befallenen Frauen: hier sehen wir an Tuberkulose Frauen von 

Beitritt© zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1 . 4 


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Dr. Wolff. 


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guter Konstitution erkranken, die, ohne erbliche Belastung und vor¬ 
her niemals irgendwie krank, meist in einer nicht rapide verlaufenden, 
aber oft schweren Form erkranken. 

Wenn hier unabhängig von Familiendisposition das Lebensalter 
eine Disposition zur tuberkulösen Erkrankung darstellt, so liegt auf 
der Hand, dass die Disposition besonders eingreifend ist, wenn sie 
mit einer familiären zusammenfällt: ein durch Familieneigenschaften 
ohnedies schwaches Individuum wird in jenen Lebensepisoden besonders 
schwach und widerstandslos werden. 

Wiederum auf einem anderen Felde wie die Disposition durch 
das Lebensalter liegt die durch Infektionskrankheiten entstehende. 
Auch hier zeigt sich, dass nicht etwa die Art der früheren latenten 
tuberkulösen Infektion für die spätere Erkrankung an dieser Anstek- 
kung ausschlaggebend ist, sondern dass eine solche Rolle in vielen 
Fällen der Ansteckung mit einer akuten Infektionskrankheit zukommt. 
Dabei ist es lange bekannt, dass die Rolle dieser letzteren Infektionen 
in bezug auf tuberkulöse Erkrankung eine ungemein verschiedene 
ist, wie die schwere Erkrankung an Scharlach, Diphtheritis etc., in 
bezug auf Tuberkuloseentwickelung keineswegs solche Bedeutung hat, 
wie eine an sich leichte Masernerkrankung usw. Gerade bei diesen 
Vorgängen tritt besonders klar hervor, wie die vorher latente Tuber¬ 
kulose und ihre Verschleppung durch das Blut, wenn der Organismus 
durch irgendwelches Moment — hier: vorangehende akute Infektion — 
vorbereitet ist, die Entstehung der Erkrankung erklärt und damit 
das Wesen der Disposition unserem Verständnis näher führt. 

Wir sind in unseren Ausführungen davon ausgegangen, dass die 
hämatogene Verbreitung des Tuberkelbazillus im menschlichen Orga¬ 
nismus den Schlüssel zur Erklärung der Disposition bilde. Wir sahen, 
dass unter solcher Voraussetzung das kreisende Gift Organe befalle, 
die, ererbt oder erworben, ein Punctum minoris resistentiae darstellen. 
Weiter konnten wir sehen, dass die Erwerbung eines solchen Punctum 
minoris resistentiae durch schwächende Momente möglich sei, die an 
gewisse Lebensperioden und an gewisse Erkrankungen gebunden sind. 
Endlich konnten wir nachweisen, dass nicht nur die Erkrankung als 
solche, sondern auch die Art der Entstehung und des Verlaufes von 
disponierenden Momenten 1 ) abhängig ist. 

Fassen wir alles zusammen, so ergibt sich, dass die im Blut 
kreisenden Tuberkelbazillen nur dort haften, wo im Organismus oder 

*) Es soll hier ausdrücklich ausgesprochen werden, dass nicht die Absicht 
bestand in dieser Studie alles anzufUhren, was unter disponierenden Momenten 
bei Entstehung im Verlauf der Phthise zu verstehen ist; es wurden nur die Dinge 
ausgewählt, die für das vorliegende Thema von Bedeutung scheinen. 


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19] Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. 51 

in einem Organ anormale Verhältnisse immer bestanden haben oder 
entstehen. Bleibt zu erörtern, worin eben diese anormalen Verhält¬ 
nisse bestehen. 

Trifft auch zu, was bereits oben (S. 18) ausgesprochen wurde, 
dass es sich bei der Disposition um Läsionen handelt, deren Natur 
voraussichtlich durch mangelhafte Blutversorgung, Defekte in den 
Schutzmitteln der Organe, Nachlassen regelmässiger Funktionen usw. 
erklärt ist, so ist zuzugestehen, dass hier noch ein weites Feld für 
weitere Arbeit vor uns liegt. 

Indessen liegen schon jetzt experimentelle Versuche zur Bestätigung 
klinischer Wahrnehmungen in kleiner Zahl vor. 

Zunächst muss hier wiederum die Bacmeistersche Arbeit an¬ 
geführt werden. Hier ist experimentell erbracht, dass es der künst¬ 
lichen Einschnürung der Lungenspitzen, also der Ausbildung einer 
Disposition, bedurfte, um dort Krankheit zu erzeugen. Es handelte 
sich dabei um eine künstlich hergestellte anormale Abweichung von 
der Norm, zunächst in anatomischer Beziehung, dadurch bedingt auch 
nach funktioneller Richtung. 

Weit über das Interesse des speziellen Falles hinaus ist dies 
experimentelle Ergebnis von grösster Tragweite; denn was hier bei 
einem Organe gelang, muss auch in anderen Organen gelingen: die 
Veränderung anatomischer und dadurch physiologischer Verhältnisse 
und die dadurch bewirkte Bildung einer partiellen Disposition. Gerade 
auf Grund dieser Versuche ist es von hohem Interesse, dass Meinertz 
(Diskussionsbemerkung in den Verhandlungen des XXIX. Kongresses 
für innere Medizin 1912) von anderweitigen Versuchen zur Klärung 
der Dispositionslehre sprach. Er konnte bei künstlicher Verlang¬ 
samung des Blutstromes durch Unterbindung eines Ureters in der 
betreffenden Niere weit rascher wie an der anderen einen tuberkulösen 
Prozess sich entwickeln sehen: er bildete ein Punctum minoris resi- 
stentiae und schuf anatomische und funktionelle Anormitäten, die 
dem kreisenden Bazillus zur Ansiedelung dienten. Meinertz stellte 
ferner eine Atelektase in der Lunge her und konnte dort Tuberkulose 
erzeugen auf Grund der enormen Erweiterung der Kapillaren und 
der verlangsamten Blutströmung. 

Bei den Versuchen von Bacmeister und Meinertz handelt 
es sich also um künstlich hervorgerufene funktionelle Störungen, die 
die Disposition zu tuberkulöser Erkrankung bilden. 

Neben diesen einen solchen Nachweis suchenden Experimenten 
finden wir noch ein weiteres für die Dispositionslehre wichtiges 
Moment bei den Erfahrungen der Kinderärzte, nämlich bei der Er¬ 
klärung, warum die Tuberkuloseansteckung nur in ganz früher Kind- 

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f)2 Dr. Wolff: Die hämatogene Verbreitung der Tuberkulose etc. [20 

heit zu direkter schwerer Erkrankung führt, später aber nicht. Es 
ist die Lehre, dass das Lymphsystem je später um so sicherer einen 
festen Damm gegen das Überwandern von Tuberkelbazillen aus den 
Drüsen in den Organismus bildet. 

Wiederum ist es also ein anatomischer und funktioneller Mangel, 
das Fehlen des Schutzwalles in früher Kindheit, der die Disposition 
darstellt oder vielmehr sie ist. 

Endlich sei noch zweier klinischer Beobachtungen bekanntester 
Art gedacht, die wie ein Experiment für die vorliegende Frage 
wirken, ich meine: den Diabetes und die Disposition gewisser Herz¬ 
affektionen für und gegen Erkrankung an Lungenschwindsucht. Über 
beide Krankheiten und ihr Verhältnis ist kaum ein Wort zu verlieren. 
Denn, wie bei einem Experiment, zeigt der Diabetes, wie eine ernste 
Stoffwechselstörung eine Disposition für die Entwickelung der Tuber¬ 
kulose darstellt, indem er den ganzen Menschen widerstandslos macht 
und leichter zu tuberkulöser Erkrankung führt. Bei Herzfehlern, 
die eine geringe Blutzufuhr zur Lunge als Folge haben, w r ird die 
Lunge zur Erkrankung disponiert, bei solchen mit venöser Stauung 
die Entwickelung tuberkulöser Erkrankung der Lunge eher verlang¬ 
samt. Hier ist es im Gegensatz zum Diabetes ein ganz lokal wir¬ 
kendes Verhältnis, eine Abweichung von der Norm in funktioneller 
Beziehung, die die Disposition bildet bzw. die Disposition ist. 

Wir haben im vorstehenden die Ergebnisse moderner Unter¬ 
suchungen und alter klinischer Beobachtungen in Einklang zu bringen 
gesucht, wenn nicht alles täuscht, mit dem Resultat, dass heute 
das Wesen der Disposition kein unklarer Begriff mehr ist, sondern 
ein deutlich charakterisierbarer. 

Was hier ausgeführt wurde, lässt sich in folgenden Sätzen zu¬ 
sammenfassen : 

1. Die Verbreitung der Tuberkulose im menschlichen Körper ist 
immer hämatogen. 

2. Die im Blute kreisenden Tuberkelbazillen haften dort, wo 
ein anormaler Zustand besteht, d. h. ein Organ durch fehlerhafte 
Anlage oder Funktion widerstandslos geworden ist (Punctum minoris 
resistentiae). 

3. Die anatomischen und funktionellen Abweichungen von der 
Norm können ererbt oder erwerben sein. 

4. Das Wesen der Disposition besteht aus pathologischen teils 
anatomischen, teils physiologischen Zuständen, die dem einzelnen Indi¬ 
viduum eigen sind oder als Familieneigenschaft bestehen oder zeit¬ 
lich dem Individuum anhaften. 



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Aus dem Pathologischen Institut der Universität Güttingen. 
(Direktor: Geheiinrat Prof. Dr. Kaufmann.) 


Sind die Gallengangstuberkel in der Leber das 
Resultat einer Ausscheidungstuberkulose? 

Von 

Dr. med. Mieczyslaw Lichtenstein, Warschau. 


Über die Frage, wie entstehen die sogenannten Gallengangstuberkel, 
sind die Ansichten noch geteilt. 

Simmonds hatte früher die Ansicht vertreten, dass der Prozess 
etwa in Analogie mit der tuberkulösen Peribronchitis, als Perichol- 
angitis einsetze, und dass bei weiterem Wachstum der Tuberkel 
diese allmählich immer mehr auf die Wand der Gallengänge über¬ 
greifen, bis schliesslich ein Durchbruch dieser Massen in das Lumen 
hinein erfolgt. Der Prozess schreite also von aussen nach innen fort. 

Demgegenüber ist Kotlar der Ansicht, dass zwischen den Tuber¬ 
keln und den Gallengängen eine primäre Beziehung nicht bestehe. 
Es kann aber durch ständige Vergrösserung eines Tuberkels allmäh¬ 
lich auch die Wand eines Gallenganges ergriffen werden und schliess¬ 
lich ein Durchbruch, also ebenfalls von aussen nach innen erfolgen. 
Auf die Ausführungen Kotlars werden wir weiter unten noch zu¬ 
rückkommen. 

Nun hat aber Simmonds neuestens eine ganz andere Ansicht 
über die Entstehung des Gallengangstuberkel ausgesprochen. Er 
glaubt, dass sie einer Ausscheidungstuberkulose ihren Ursprung 
verdanken. Dass der Modus der Ausscheidungstuberkulose vorkommt, 
war ja schon länger, durch die Untersuchungen von Hanau, Orth 
und von Meyer (für die Niere) nachgewiesen, und nach Simmonds 
wäre auch in der Tube dieser Modus nachzuweisen. Nach Simmonds 
entständen auch die Gallengangstuberkel so: Das primäre ist die 
Ausscheidung der Bazillen in der Galle; sie gelangen so in die Gallen¬ 
gänge, infizieren diese sekundär, und nun greift der Prozess vom 


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Mieczyslaw Lichtenstein. 


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Lumen des Gallenganges weiter über auf die Wand und seine Um¬ 
gebung, also im Gegensatz zu der oben erwähnten Ansicht, von innen 
nach aussen. 

Im Gegensatz zu dieser neuen Auffassung Simmonds steht nun 
aber die von Joe st und Emshoff. Diese hatten bei 57 spontan 
tuberkulösen Tieren (Rindern und Schweinen) den Tuberkel- 
ba.zillengehalt der Galle geprüft, und 14 mal positive Befunde 
erhoben. Eine tuberkulöse Erkrankung der Gallenblase wie der 
grösseren Gallengänge bestand nicht. Joest und Emshoff erklären 
den Befund folgendermaassen: Die Bazillen müssen aus tuber¬ 
kulösen Veränderungen der Leber stammen. Diese liessen 
sich ja auch meist makroskopisch nachweisen. Diese tuberkulösen 
Veränderungen müssen nach den Ausführungen zu „offen“ sein. Eine 
Ausscheidung von Bazillen durch eine gesunde Drüse gibt es nicht. 

Es fragt sich nun: gibt es überhaupt die Möglichkeit, aus dem 
anatomischen und histologischen Verhalten diese Frage, zumal die der 
„Ausscheidungstuberkulose“, zu beantworten. Simmonds hat diese 
Frage in seiner zweiten Arbeit erörtert und sagt (1. c. S. 156): 

„Die erste Forderung wird die sein, dass man in den Sekretions¬ 
kanälen Tuberkelbazillen zu einer Zeit nachweisen kann, wenn noch 
keine nennenswerten Veränderungen an der Kanal wand nachweisbar sind, 
die zweite Forderung ist die, dass die histologischen Veränderungen 
mit Sicherheit auf einen von den zentralen auf die peripheren Wand¬ 
schichten sich ausbreitenden Prozess hinweisen. Dort, wo man 
diesen beiden Forderungen gerecht werden kann, ist man wohl be¬ 
rechtigt, den angegebenen Infektions weg vorauszusetzen.“ 

Der histologische Befund an kleinsten Gallengangstuberkeln musste 
(bei Annahme einer Ausscheidungstuberkulose) nach Simmonds 
folgender sein: 

„Da wird man bei Anlegung von Serienschnitten auf Stellen 
treffen, wo das Kanälchen noch unversehrt ist, im Innern desselben 
aber bereits Tuberkelbazillen in geringer Anzahl vorhanden sind. Man 
wird weiter Partien begegnen, in welchen die Kanalwandung von Rund¬ 
zellen infiltriert ist, während das Epithel noch erhalten ist. Dann 
löst sich dieses ab, nekrotisiert, und jetzt erst zerfällt das Wand¬ 
infiltrat rasch unter der Einwirkung der Galle und führt zu Kavernen¬ 
bildung, während sich sekundär im umgebenden Lebergewebe neue 
Tuberkelablagerungen bilden.“ (1. c. S. 157/158.) 

Für eine Sonderstellung der Gallengangstuberkel, daher vermutlich 
auch besondere Genese dieser Gebilde spräche auch nach Simmonds, 
die Erfahrung, „dass jene Gallengangstuberkel entweder gar nicht 
oder gleich in grösserer Zahl in der Leber vorhanden sind, dass man 



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3J Sind die Gallengaogetuberkel in der Leber das Resultat etc. 5f> 

sie gelegentlich auch dann antrifft, wenn tuberkulöse Ablagerungen in 
der Leber nur spärlich vorhanden sind, dass man sie sehr häufig 
vermisst, wenn das Organ dicht von miliaren Knötchen durchsetzt 
ist. Um ein zufälliges Zusammenstossen von Tuberkeln und Gallen¬ 
kanalwandung kann es sich also unmöglich handeln." (S. 157.) 

Auf Anregung von Herrn Professor Kaufmann habe ich nach¬ 
zuweisen versucht, ob sich bei genauer Untersuchung geeigneter 
Leber nicht Anhaltspunkte für den einen oder anderen der oben 
genannten Entstehungmodi beibringen Hessen. 

Zuerst habe ich eine Leber von einem älteren, an Lungentuber¬ 
kulose verstorbenen Mann untersucht. Die Lunge enthielt eine sehr 
grosse Anzahl makroskopisch sichtbarer Tuberkel, doch keine makro¬ 
skopisch als solche erkennbaren Gallengangstuberkel. 

Eine zweite Leber stammte von einer 65 jährigen, an einem 
inoperablen Tumor (Karzinom) verstorbenen Frau, die ausserdem tuber¬ 
kulöse Herde in der Lunge und in den Halslymphknoten hatte. 
Hier waren in der Leber sehr zahlreiche Stecknadelkopf- bis erbsen¬ 
grosse Tuberkel vorhanden. 

Um dies gleich vorweg zu nehmen: Die histologische Unter¬ 
suchung von zahlreichen Stücken erster Leber an Serienschnitten hat 
für die Frage kein irgendwie entscheidendes Resultat ergeben. 

In der zweiten Leber konnte ich an Serienschnitten nirgends 
eine Andeutung für den Übertritt der Galle in die verkäste Masse 
feststellen. Ich konnte dagegen in einigen Leberstückchen deutlich 
Durchbrüche der verkästen Masse in grössere Gallengänge nach- 
weisen. In Serienschnitten war erst der Gallengang intakt, die ver¬ 
käste Masse von ihm getrennt; sie nähert sich ihm, wie die nächsten 
Schnitte zeigen, allmählich bis schliesslich ein Durchbruch festzu¬ 
stellen ist. Trotz der deutlichen Kommunikation der verkästen Masse 
mit dem Gallengang, konnte in der verkästen Masse keine Spur von 
Galle nachgewiesen werden. Wir haben hier also einen Gallen - 
gangstuberkel, dem das makroskopische Charakteristikum der 
galligen Färbung fehlt. 

Die histologische Untersuchung hat hier auch keinerlei Anhalts¬ 
punkte darüber ergeben, dass die Infektion primär vom Gallengang 
aus erfolgt sei, vielmehr müssen wir hier einen Durchbruch des Pro¬ 
zesses von aussen nach innen annehmen. 

Eine dritte Leber stammte von einem 57jährigen Arbeiter, bei 
dem die Sektion tuberkulöse Prozesse vorwiegend in den Lungen, 
ergeben hatte. Hier fanden sich in der Leber in grosser Anzahl 
neben kleinen, gewöhnlichen Tuberkeln stecknadelkopfgrosse und auch 
grössere gallig gefärbte Herde, die konzentrisch von einem weissen 


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Mieczyslaw Lichtenstein. 


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56 

King umgehen waren. Die gallige Masse im Zentrum bildete zum Teil 
eine erweichte Masse, an wenigen Stellen fand sich auch das Zentrum 
dieser Herde als kleine Höhle, mit gallig gefärbter Wand. 

Bei der histologischen Untersuchung mehrerer solcher Gallen¬ 
gangstuberkel an Serienschnitten konnte ich nun nirgends mikro¬ 
skopische Befunde erheben, wie sie Simmonds Desideraten ent¬ 
sprechen (s. o.). Ich habe nie in einem intakten Gallengang Tuberkel¬ 
bazillen nachweisen können, auch habe ich nie, bei noch intaktem 
Epithelüberzug des Ganges, Infiltrate in der Wand beobachtet. 

Hingegen wurden (an Serienschnitten) folgende histologische Be¬ 
funde erhoben: Man findet mehrere, einzelne, teils in Scheiden 
kleinerer Gallengänge, teils im Gefässe oder im interlobulären Binde¬ 
gewebe entwickelte Tuberkel, die allmählich grösser werden, ver¬ 
käsen, konfluieren (Konglomerattuberkel). 

Diese verkästen Massen nähern sich allmählich einem (in gewisser 
Entfernung verlaufenden) grösseren Gallengang. Dieser ist erst völlig 
intakt, der ihn umgebende bindegewebige Ring völlig erhalten. Auf 
den nächsten Schnitten sieht man nun, dass die Entfernung zwischen 
dem intakten Gang und der Peripherie der Käseherde immer kleiner 
wird. Jetzt findet sich auch auf der dieser Käsemasse zu¬ 
gekehrten Seite eine Infiltration. In den nächsten Schnitten ist 
ati dieser Stelle die Wand des Gallenganges zerstört: also eine 
Kommunikation von Käseherd und Gallengang. In den nächstfolgenden 
Schnitten werden die gleichen Befunde erhoben: mit dem Unterschied, 
dass die verkästen Massen den Gallengang nicht bloss an einer Seite, 
sondern ringsum umgeben. In den weiteren Schnitten verschwinden 
aber die tuberkulösen Bildungen um den Gang, und dieser lässt sich 
weiterhin, völlig intakt, verfolgen. 

An der Durchbruchsstelle sieht man, dass der Gang (der bei schwacher 
Yergrösserung, Leitz Obj. 3, Oc. I) ca. 1 Ii des Gesichtsfeldes ein¬ 
nimmt, noch wohl erhaltene Auskleidung mit Zylinderepithel zeigt. 
In der Nähe der Durchbruchsstelle findet sich eine intensiv grünlich¬ 
gelb gefärbte, mehr oder weniger scharf abgegrenzte gallige Masse. 
Sie ist am intensivsten gallig gefärbt auf der Höhe der Durchbruch¬ 
stelle; nach den anderen Richtungen hin wird sie blasser gefärbt und 
verliert sich allmählich. 

In der Höhle selbst findet man teils einzelne, teils miteinander 
noch im Zusammenhang stehende Gallengangsepithelien. 

Die gallige Färbung ist, wie gesagt, auf der Höhe der Durch¬ 
bruchsstelle am intensivsten. Aus dem Gallengang muss also Galle 
ausgetlossen sein, die das nekrotische Gewebe nun imbibiert hat. 
Diese Galle stand, wie ich mir vorstellen möchte, möglicherweise unter 



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5] 


Siad die Gralleugangstuberkel in der Leber das Resultat etc. 


57 


einem gewissen Druck: so wäre es zu erklären, dass die Epithelien 
des Gallenganges zum Teil als zusammenhängende Massen sich gelöst 
haben, und von der Wand grösstenteils abgehoben, nur noch an einer 
Stelle ihr anhaften, teils aber auch ausserhalb der Durchbruchsstelle 
in der verkästen Masse liegen. 

Die in der verkästen Masse gefundenen Epithelien brauchen aber 
nicht bloss einem einzigen Gallengange anzugehören, sondern sie 
können von mehreren abstammen. Zuweilen von recht kleinen, in 
einen grösseren Gang mündenden. Man kann bisweilen in Serien- 
schnitten einen solchen kleinen Gang über ein paar Schnitte ver¬ 
folgen, bis er sich völlig in eine verkäste Masse verliert. Die ein¬ 
zelnen Gruppen von Epithelzellen liegen auch oft in einem Schnitte 
zu weit voneinander entfernt, als dass sie zu einem Gang gehören 
könnten. 

Nimmt ein Gallengang einen etwas gewundenen Verlauf, so kann 
er, oberhalb oder unterhalb der Durchbruchstelle, wieder inmitten 
verkäster Massen zu liegen kommen. So können Bilder einer Peri- 
cholangitis vorgetäuscht werden. Solche Stellen sind mir aber nur in 
späteren Stadien begegnet, nie in Anfangsstadien. 

Meine Befunde decken sich so vollkommen mit denen Kotlars, . 
dass ich die Ausführungen dieses Autors hier wörtlich zitieren kann: 

„In der Höhle jener Kavernen, in denen Gallenpigment erhalten 
war, bildete einen konstanten Befund das Vorhandensein von Gallen- 
gangsepithelien. Die Frage nach der Herkunft dieser Epithelmassen, 
welche von der Mehrzahl der Autoren für Epithelreste eines einzigen 
Gallenganges, dessen Lumen zur Bildung der Kaverne diente, ge¬ 
halten werden, konnte nur mittelst der Serienschnittmethode gelöst 
werden. Auf diesem Wege gelang es mir oft zu verfolgen, wie solche 
Epithelreste allmählich in mehrere verschieden grosse, in der Kavernen¬ 
wand gelegene Gallengänge übergehen. Aus diesen Befunden geht 
hervor, dass diese Epithelreste keineswegs als Überreste eines ein¬ 
zigen Gallenganges, welcher für sich allein bei der Bildung der be¬ 
treffenden Kaverne die Grundlage abgegeben hatte, angesehen werden 
könnten, vielmehr als Fragmente mehrerer Gallengänge, die in eine 
schon vorgebildete und allmählich sich vergrössernde Kaverne ein¬ 
bezogen werden, aufzufassen sein werden. “ 

Sehen wir nun, was sich aus unseren histologischen Untersuchungen 
ergibt, so ist zu sagen: Wir haben nirgends an Gallengangstuberkeln, 
überhaupt an Tuberkeln in der Leber, solche Bilder gesehen, wie 
Simmonds Annahme einer Ausscheidungstuberkulose und 
dadurch bedingten Infektion eines Gallenganges entsprächen. 


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Mieczyslaw Lichtenstein. 


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f>8 


[6 


Die Frage, ob darum das Vorkommen einer Ausscheidungstuber¬ 
kulose in der Leber und eine sich daran anschliessende Entstehung 
von sogenannten Gallengangstuberkeln überhaupt zu negieren sei, be¬ 
trachten wir aber selbst damit noch nicht für erledigt. 

A priori wäre die Möglichkeit eines solchen Entstehungsmodus 
wohl zu bejahen. Nur scheint uns, dass auch nach den Kriterien von 
Simmonds ein Beweis keineswegs mit Sicherheit erbracht sei, und 
in unseren Untersuchungen haben wir gerade die Simmondsehen 
Kriterien eben nicht festgestellt. Aber gesetzt auch, man würde 
konstant die von Simmonds geforderten Befunde erheben: auch 
dann könnten die infizierenden Bazillen aus einem in der Nähe ge¬ 
legenen „offenen“ tuberkulösen Herd stammen. 

Andererseits kann natürlich auch bei unserer Auffassung immer 
der Einwand gemacht werden: es ist zwar ein Durchbruch eines 
tuberkulösen Herdes in einen Gallengang erfolgt, aber die primäre 
Infektion kann trotzdem durch ausgeschiedene Bazillen erfolgt sein. 

Können wir überhaupt anatomisch eine Entscheidung mit einiger 
Wahrscheinlichkeit treffen? 

Simmonds sagt zwar, dass man die Gallengangstuberkel sehr 
häufig vermisst, wenn das ganze Organ dicht von miliaren Tuberkeln 
(also irgendwie metastatisch entstandenen) durchsetzt ist. Umgekehrt, 
dass man die Gallengangstuberkel, wenn überhaupt, gleich in grösserer 
Anzahl antrifft, gelegentlich auch dann, wenn tuberkulöse Ablage¬ 
rungen (also doch wohl die gewöhnlichen Tuberkel) nur spärlich 
in der Leber vorhanden sind. Da also Simmonds die Gallengangs¬ 
tuberkel scharf von anderen Tuberkeln in der Leber trennt, und 
für jene einen besonderen Entstehungsmodus annimmt, so müsste man, 
wenn man schon ein sicheres Urteil abgeben wollte, fordern, dass man 
einmal in einer Leber nur Gallengangstuberkel anträfe, und keine 
anderen. Sobald aber die beiden, nach Simmonds genetisch ver¬ 
schiedenen Tuberkel da sind, kann man, je nach dem individuellen 
Standpunkt, jederzeit sagen: diese sind das primäre, jene das sekun¬ 
däre oder umgekehrt. 

Immerhin müsste künftighin genauer darauf geachtet werden, 
ob tatsächlich häufige Gallengangstuberkel reichlich in Lebern mit 
möglichst wenigen, anderen Tuberkeln Vorkommen: das würde für die 
Annahme Simmonds sprechen. 

Dann wäre festzustellen: wie verhalten sich die Leber über¬ 
haupt beiden verschiedenen Formen der Tuberkulose? Finden wir in 
Fällen, wo wir in anderen Organen, z. B. Niere, Prostata oder in den 
Tuben tuberkulöse Prozesse antreffen, die wir im Sinne einer Aus¬ 
scheidungstuberkulose deuten dürfen, gerade in der Leber auch reich- 



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7] Sind die Gallengangstuberkel in der Leber das Resultat etc. 59 

lieh Gallengangstuberkel, nach Simmonds also durch Ausscheidung 
von Bazillen entstandene Gebilde, oder nicht? 

Und ferner: es müssten in grösserer Zahl Gallenblasen auf ihren 
Gehalt an Tuberkelbazillen geprüft und gleichzeitig genau histologisch 
untersucht werden, ob in diesen Lebern überhaupt Tuberkel und 
etwa vorzugsweise Gallengangstuberkel sich finden. Vor allem müsste 
das in Fällen geschehen, wo nicht allzu ausgedehnte tuberkulöse Ver¬ 
änderungen in einem primären Herde, etwa der Lunge vorhanden 
wären. 

Endlich kann vielleicht das Tierexperiment uns weitere Auf¬ 
schlüsse über eine Infektion der Leber von der Galle aus liefern. 

Vorerst müssen wir jedenfalls soviel sagen, dass durch anatomi¬ 
sche und histologische Untersuchungen bisher noch kein sicherer 
Beweis für die Entstehung der Gallengangstuberkel durch eine Aus¬ 
scheidungstuberkulose erbracht ist. 

Herrn Geheimrat Professor * Kaufmann bin ich für die An¬ 
regung zu dieser Arbeit und die freundliche Überlassung des Materials 
zu grossem Dank verpflichtet. 


Literatur. 


E. Kotlar, Über die Pathogenese der sogenannten Gallengangstuberkulose in 
der Leber des Menschen. Zeitschrift für Heilkunde, Bd. XV. 1894. 

M. Simmonds, Tuberkulose der Gallengfinge. Beiträge zur Statistik und 
Anatomie der Tuberkulose, Deutsches Archiv für klinische Medizin, Bd. 
XXVII, 1880. 

M. Simmonds, Über Ausscheidungstuberkulose. Medizinisch-kritische Blätter, 
Hamburg 1910. 

Joest-Emshoff, Untersuchungen über den Tuberkelbazillengehalt der Galle 
bei tuberkulösen Tieren. Zeitschrift der Infektionskrankheiten, parasitäre 
Krankheiten und Hygiene der Haustiere, Bd. X, Heft 4, 1911. 


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Die Tuberkulose-Sterblichkeit unter der ein¬ 
heimischen Bevölkerung von Davos. 

Ein Beitrag zur Frage der Ansteckungsgefahr an Lungen¬ 
kurorten und der Tuberkulose-Vererbung. 

Von 

J. Gwerder, 

Hausarzt am ,,Sanatorium Davos-Platz“ in Davos-Platz. 


Die Frage, ob für die umwohnende Bevölkerung von Lungen¬ 
kurorten eine vermehrte Ansteckungsgefahr besteht, ist heute noch 
eine sehr aktuelle. Seit dem Erscheinen der Aebischen Arbeit 189(>, 
die sich mit dieser Frage unter besonderer Berücksichtigung der 
Davoser Verhältnisse beschäftigte, dürfte sich die Ansicht über die 
Ansteckungsgefahr doch wesentlich geändert haben. 

Wenn auch an manchen Orten und sogar in Ärztekreisen eine 
gewisse Angst vor Lungensanatorien besteht, so wird auf der andern 
Seite doch anerkannt, dass namentlich dank der Sanatorien die 
Belehrung des Publikums ziemlich weit vorgeschritten ist, wobei 
neben Sanatorien den verschiedenen Vereinen und Ligen zur Bekämp¬ 
fung der Tuberkulose und den Fürsorgestellen auch ein Hauptverdienst 
zukommt. Es ist zu hoffen, dass die meisten Patienten, welche in 
Sanatorien Aufnahme finden, den „Dettweiler“ mitbringen, und dass 
nicht mehr, wie es jetzt noch geschieht, schwere Tuberkulosepatienten 
auch in besseren Kreisen ohne Taschenspucknapf in ihrer Familie 
jahrelang verweilen. Unsere Ansichten über die Verbreitung der 
Tuberkulose sind durch die von Flügge inaugurierten Untersuchungen 
andere geworden. Wir wissen und können es nicht oft genug aus¬ 
sprechen, dass reinliche Tuberkulöse bei entsprechendem Verhalten 
für ihre Umgebung nicht gefährlich sind, und ebenso müssen wir 
betonen, dass* die Tuberkulose, wenn sie frühzeitig erkannt und 
behandelt wird, eine heilbare Krankheit ist. 


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62 


J. Gwerder. 


[2 


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Die früher von Notnagel und Jaccoud vertretene Ansicht, dass 
Prophylaktiker nicht in Sanatorien geschickt werden sollen, hat heute 
wohl kaum mehr Geltung. Philippi bemerkt mit Recht, dass die 
Grenze zwischen einem Prophylaktiker und einem leicht Kranken schwer 
zu ziehen ist, und dass eine geschlossene Tuberkulose von heute auf 
morgen in eine offene umgewandelt werden kann. Sind die Sanatorien 
nach den Grundsätzen der modernen Hygiene erstellt, und wird in 
den einzelnen Sanatorien streng auf Reinlichkeit gehalten und die 
Desinfektion gewissenhaft durchgeführt, so ist auch für nicht Tuber¬ 
kulöse die Gefahr des Aufenthaltes in einem Sanatorium geringer 
als in einem Gasthause, das ohne ärztliche Kontrolle Fälle von offener 
Tuberkulose Jahr aus Jahr ein beherbergt ohne irgendwelche Vor¬ 
kehrungsmassnahmen. 

Bevor wir zu unserem eigentlichen Thema übergehen, seien zwei 
Tabellen kurz erläutert. Die erste zeigt uns die Sterblichkeit an 


A. Sterblichkeit an Lungentuberkulose und den übrigen tuber¬ 
kulösen Krankheiten (ergänzte Zahlen) auf je 10000 Einwohner 
in der Schweiz von 1901—1909. 


Jahre 

_ i 

Lungen- 
| tuberkulöse 

Andere 

tuberkulöse 

Krankheiten 

i 

Gesamt- 

tuberkulöse 

i 

1901 

! 19,1 

7,8 

26,9 

1902 

; i8,9 

7,3 

i 26,2 

1903 

18,9 

1 7,5 

| 26,4 

1904 , 

18,9 

7,8 

26,7 

1905 

19,2 

7,8 

! 27,0 

1906 

18,3 

7,0 

25,3 

1907 

17,1 

7,7 

24,8 

1908 

17,1 

6,6 

23,7 

1909 

16,5 

i 

6,7 

; 

23,2 


Tuberkulose in der Schweiz in den Jahren 1901—1909 in ergänzten 
Zahlen. Die Ergänzung geschah in der Weise, dass entsprechend 
der Praxis des Schweiz. Gesundheitsamtes 50% der unbescheinigten 
Sterbefälle zu den ärztlich bescheinigten Lungentuberkulosefällen eines 
jeden Jahres und 75% zu den andern tuberkulösen Krankheiten 
hinzugerechnet wurden. 

Die zweite Tabelle orientiert über die durchschnittliche Tuber¬ 
kulosesterblichkeit nach Höhenlagen. Der Unterschied zwischen der 
5. Höhenregion mit und ohne den Bezirk Ober-Landquart (Davos) ist 
bemerkenswert. Die Todesfälle an Lungentuberkulose sind mit 15,5 


Go gle 


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3] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


63 


resp. 12,0 bezeichnet, d. h. unter Zurechnung von Davos wird die 
Gesamtzahl um 3,5 auf 10000 verschlechtert. Dieses Resultat wird 
manchen Arzt zu der Annahme veranlassen, dass die Verhältnisse 
von Davos sich für die Gesamtbevölkerung ungünstig gestalten, und 
da erscheint es nicht unangezeigt, an Hand von amtlichen Erhebungen 


B. Durchschnittliche jährliche Tuberkulosesterblichkeit (ergänzt) 
auf 10000 Einwohner nach Höhenlagen im Jahrfünft 1905—1909 *). 



| Lungen- 

Andere 

Gesamt- 

Höhenregionen 

| tuber- 

tuberkulöse 

! tuber- 

I 

I kulose 

Krankheiten 

! kulose 

1. Höhenregionen, Bezirke mit einer mittleren 




Höhenlage von 200-400 m ti. M. 

2. Höhenregion, Bezirke mit einer mittleren 

21,2 

7,6 

28,8 

Höhenlage von 400—700 m ü. M. 

3. Höhenregion, Bezirke mit einer mittleren ! 

| 17,3 

| 

7,4 

1 

24,7 

Höhenlage von 700—900 m ü. M. 1 

; i6,3 

1 7,2 

23,5 

4. Höhenregion, Bezirke mit einer mittleren i 




Höhenlage von 900 —1200 m ti. M. . . . j 
5. Höhenregion, Bezirke mit einer mittleren j 

1 16,4 

6,9 

1 

23,3 

Höhenlage von über 1200 m ü M.1 

^ 15,5 

; 5,9 

21,4 

6. Höhenregion ohne den Bezirk Oberland- l 

l 

j 

1 

| 


quart (Davos) 2 ). 

I 12,0 

! 6,1 

18,1 


die Frage, die vor einigen Jahren (1896) von Dr. Aebi aufgeworfen 
worden ist, weiter zu verfolgen. 

Es wurden die bis 1896 gemachten Erhebungen für Davos revidiert 3 ) 
und fortgesetzt bis und mit 1910. Daneben wurden aber in der 
N vorliegenden Arbeit die Sterblichkeitszahlen von Davos mit denjenigen 
eines andern Ortes im Kanton Graubünden, Bergün 4 ), mit ungefähr 

1 ) Mit dieser Statistik stehen auch frühere Erhebungen über den Einfluss der 
Höhenlage auf die Tuberkulosemortalität, wie sie von Schmid, Egger, ßuol, 
Turban und Philippi gemacht wurden, im Einklang. Letzterer wies ferner auf 
Grund amtlicher Erhebungen nach, dass auch die Tuberkulose-Morbidität mit an¬ 
steigender Höhenlage abnimmt. 

2 ) Für das Oberengadin (St. Moritz) ergeben sich beispielsweise folgende Zahlen: 
Durchschnittsbevölkerung 4628. An Tuberkulose gestorben 1,9 0 oo der Bevölkerung. 
Von diesen l,9°/oohaben die Tuberkulose im Auslande akquiriert 24, bleiben also 
93 Fälle der Stammbevölkerung = 1,5 °/oo autochthone Tuberkulosemortalität. 

(Dr. Bernhard.) 

*) Aebi zählte in seiner Statistik irrtümlicherweise 4 an Tuberkulose ver¬ 
storbene Eingewanderte den Einheimischen zu. 

4 ) Die Zahl der einheimischen Bevölkerung von Bergün kommt derjenigen von 
Davos, von allen graubündnerischen Ortschaften mit ungefähr gleichen Höhen- und 
Klimaverhältnissen wie Davos am nächsten. St. Moritz zählte beispielsweise 1910 
nur 46 einheimische Gemeindebürger. 


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04 


J. Gwerder. 


[4 


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gleicher Höhenlage und gleichen klimatischen Verhältnissen verglichen, 
einem Orte, der nicht Lungenkurort ist. Die einschlägigen Resultate 
befinden sich in den Beilagen aufgezeichnet. Die Aebische Anordnung 
der Tabellen wurde der Einfachheit halber für Davos beibehalten. 
Für Bergün jedoch nicht. Um eine genügende Übersicht zu bekommen, 
finden sich die Aebisehen Erhebungen meinen Tabellen vorgezeichnet. 
In den Davoser Tabellen ist zuerst die Zahl der Bevölkerung angegeben. 
Zweitens sind die Verstorbenen eingeteilt in Kurgäste und Einwohner, 
diese jeweilen getrennt in tuberkulöse und nicht tuberkulöse. Dieser 
Zusammenstellung muss, wie schon Aebi hervorhebt, eine Ungenauig¬ 
keit anhaften. Es kommt zur Frage, auf welche Weise sich die 
Einwohnerschaft in so grossem Masse vermehrt habe. Mit der 
Zunahme des Kurortes musste sich allerdings das Geschäftsleben 
heben; nun ist es aber bekannt, dass eine grosse Zahl tuberkulöser 
noch arbeitsfähiger Individuen sich nach Davos begeben und sich später 
zum Zwecke der Erhaltung der mehr oder weniger wiedergewonnenen 
Gesundheit als Geschäftsleute gerade dort niedergelassen. (Einge¬ 
wanderte.) 

Demnach sollte angenommen werden, dass die Zahl der an Tuber¬ 
kulose Verstorbenen wesentlich zunehme, also sich der Promillesatz 
bemerkbar heben musste, auch wenn die Kontagionsgefahr nicht besteht. 
Eine solche Vermehrung liegt nun allerdings vor. Um aber ein unbe¬ 
streitbares Ergebnis zu bekommen, musste die verstorbene Einwohner¬ 
schaft in Eingewanderte und Bürger (Landsassen) eingeteilt werden. — 
Wir haben in der Tabelle ebenfalls die Todesfälle unter den Kurgästen 
aufgezeichnet, weil sie uns ein deutliches Bild von der Entstehung 
und Entwicklung des Kurortes bieten, also auch ein eventuelles Steigen 
der Infektionsgefahr erklärlicher machen könnten. Rapide Zunahme 
der Bevölkerung und im entsprechenden Masse eine Zunahme der 
an Tuberkulose Verstorbenen ist einerseits das Resultat. — Die 
statistischen Erhebungen für Davos zeigen uns ent¬ 
gegen anderweitigen Behauptungen (Dr. Kompert) mit 
aller Deutlichkeit, dass eine anormale Vermehrung 
der tuberkulösen Todesursache unter den Einheimischen 
von Davos nicht zu konstatieren ist. 

Die andere Anordnung der Bergüner Tabellen ergibt sich 
aus den total verschiedenen Verhältnissen der Bevölkerung im Ver¬ 
gleich zu Davos. Da in Bergün die Einwohnerzahl fast immer 
dieselbe war, so ist eine diesbezügliche Trennung in Einheimische 
und Eingewanderte überflüssig. Hingegen gaben mir die Bergüner 
Verhältnisse Anlass, die Frage der Infektionsgefahr hinsichtlich der 
Verwandtschaft, des Berufes und Alters auch für Davos 



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Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


5] 


Gf> 


zu ventilieren, ein Umstand, der in der Aebisehen Arbeit un¬ 
berücksichtigt geblieben ist. — Um vor allen Dingen einwandfreie 
und gleichwertige Vergleichszahlen zu haben, wurde die Statistik für 
Davos und Bergün bis zum Jahre 1876 zurückgeführt. Seit dieser 
Zeit datieren im Kanton Graubünden die amtlich geführten 
Zivilstandsregister. 

Die Aebi sehe Statistik, die bis 1847 zurückreicht, umfasst 
5i Jahre, von denen 22 amtliches, 29 aber nicht amtliches Material 
enthalten. Da Davos erst seit ca. 25 Jahren eine rapid zu¬ 
nehmende Fremdenfrequenz aufweist, beweisenauch aus 
diesemGrunde unsere Zahlen mehr; denn erst indiesem 
Zeiträume der grössten Infektionsgefahr und auch in 
Hinsicht des chronischen Charakters des Leidens konnte 
die einheimische Tuberkulosesterblichkeits Ziffer be¬ 
einflusst werden, insofern überhaupt Einheimische von 
Kurgästen infiziert worden waren. Vor dieser Zeit 
kamen die Einheimischen mit den relativ in viel ge¬ 
ringerer Zahl anwesenden tuberkulösen Kurgästen in 
beschränkterem Masse in Kontakt. — Erst seit 1894 nehmen 
auch die an Tuberkulose verstorbenen Fälle der Eingewanderten 
rapid zu. (Vide Statistik.) 

Von den Einheimischen starben in den 35 Jahren in Davos an 


Tuberkulose 61 Personen. 

An Lungentuberkulose ... 47 

An tbc. Meningitis .... 9 

An Knochentuberkulose ... 1 

An Miliartuberkulose ... 3 

An Bauchfelltuberkulose . . 1 


61 

Nach dem Alter geordnet ergibt sich folgende Zusammen¬ 
stellung : 

Im 1. Lebensdezennium starben 9 


2. 


10 

3. 

,. 

8 

4. 


„ 12 

5. 

V 

8 

6. 

. , 

„ 8 

„ 7. 

V 

4 

8. 

• i 

V 1 

„ 9. 

j ? 

1 


61 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1 . 5 


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GG J. Gwerder. [6 


Zusammenstellung über Tuberkulose-Mortalitfit in der 
Gemeinde Davos. 


Jahrgang 

Wohn¬ 

bevölkerung 1 ) 

tb ;■ 

c : 

P 

u* 

© 1 

^ 1 

In Davos verstorbene 

Kurgäste ■ Einwohner 

s 

© 

Tuberkulös 

verstorbene 

Einwohner 

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nicht 

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•§ 

nicht 

tuberkulö 

E 

93 

GO 

a 

N 

Etage- 
w änderte 

Bürger 

1 

1876 

2002 

. 

1299 

26 

3 ' 

4 

40 1 

73 

1 

3 

1877 

— 

— 

25 

i i 

2 

42 

70 

1 

1 

1878 

— 

- ' 

33 

3 i 

2 

46 

84 

— 

1 

1879 

— 


20 

3 i 

1 

46 

70 

— 

1 

1880 

3533 

1266 

36 , 


1 

34 ! 

71 

— 

1 

1881 

— 

— 1 

35 

3 

3 

36 

77 

1 

1 

1882 

- 

— 

29 

5 

6 

36 

76 

3 

3 

1883 

— 

— 

34 

— 

' 3 

42 

79 

— 

1 

1884 | 

— 

— 

44 

5 

3 

50 

92 

2 

1 

1885 

— 

— 

47 

3 

2 

51 

103 

1 

1 

1886 

_ 

— 

44 

4 

— 

57 

105 

— 

— 

1887 

— 


39 

4 

4 

57 

104 

— 

4 

1888 | 

3891 

1306 

45 

4 

3 

47 

99 

— 

3 

1889 ; 

— 

— 

54 

8 

5 

45 

112 

3 

2 

1890 

— 

— 

64 

4 

5 

54 

129 

l 

4 

1891 

— 

1 - 

55 

8 

4 

51 

118 

1 

8 

1892 

— 

— 

50 

4 

4 

69 

1 127 

1 

4 

1893 

— 

— 

69 

7 

6 

66 

148 

1 

5 

1894 

— 

— 

83 

6 

7 

51 

147 

4 

2 

1895 

— 

— 

84 

4 

6 

64 

158 

5 

1 

1896 

— 

— 

78 

10 

8 

58 

154 

7 

1 

1897 

! _ 

— 

67 

4 

i 9 

54 . 

138 

8 

1 

1898 

— 

— 

91 

i 12 

10 

52 

165 

9 

1 

1899 

| — 

— 

84 

: 10 

14 

61 

169 

11 

3 

1900 

8089 

1387 

75 

10 

1 16 

78 

181 

15 

1 

1901 

— 

— 

72 

10 

22 

69 

173 

21 

2 

1902 

— 

— 

105 

7 

28 

69 

209 

28 

5 

1903 

— 

— 

100 

5 

22 

67 

194 

20 

2 

1904 | 

— 

— 

| 110 

9 

! 14 

71 

204 

14 

— 

1905 1 

— 

— 

112 

12 

; 21 

74 

219 

20 

1 

1906 | 

— 

— 

126 

! 10 

14 

73 

223 

14 

— 

1907 

— 

— 

148 

17 

19 

70 

254 

18 

1 

1908 

— 

— 

113 

11 

17 

71 

212 

17 

— 

1909 | 

— 

— 

147 

' 17 

14 

48 

226 

14 

— 

1910 

11305 

1388 

143 

20 

i 

20 

84 

267 

19 

1 


*) Die Kurgäste wurden nicht besonders gezählt, da diejenigen, welche mehr 
als ein Vierteljahr am Zfihltage in Davos anwesend waren, zur Wohnbevölkerung 
gezählt wurden und die andern zur Aufenthaltsbevölkerung. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 








7] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


67 


Nach dem Berufe geordnet finden wir an Tuberkulose gestorben: 

23 Landwirte 

22 ohne Beruf (inkl. Kinder) 

4 Kaufmann 
2 Hotelier 

1 Schneiderin 

2 Wirte 

2 Confiseure 
1 Dienstmagd 
1 Schuhmacher 
1 Landarbeiter 
1 Metzger 
1 Privatier 

Die verwandtschaftlichen Beziehungen sind fol¬ 
gende: 

Von den 61 Tuberkulosetodesfällen bei den Einheimischen sind 
13 Einzelfälle in verschiedenen Familien aufgetreten, die unter¬ 
einander nicht verwandt sind und auch nicht in besonders innigem 
Kontakt zueinander standen. Die übrigen 48 Fälle verteilen 
sich auf 12 verschiedene Familien, die untereinander nicht 
verwandt sind, mit Ausnahme einer mehr oder weniger entfernten 
Verwandtschaft von Glied d. Fam. 5 zu Farn. 6; b Farn. 1 zu i. 
Fam. 7 und zu g. Fam. 6; a b c von Fam. 4 zu Fam. 7 ; a von Fam. 7 
zu Fam. 4; a c von Fam. 8 zu Fam, 7; b von Fam. 9 zu Fam. 6; 

g von Fam. 6 zu a Fam. 7; a b Fam. 2 zu a Fam. 5 und a b von 

Fam. 2 zu b Fam. 4. 

In den einzelnen Familien waren die genaueren Verhältnisse 
folgende: 

1. Familie Rs. — Scheinbar rüstige Menschen; wohnten nach 
hiesigen Begriffen 1 ) wohlhabend. Bauernfamilie. 

a) 1877 starb der 56 jährige J. an Tbc. pulm. 

b) 1887 „ die 52 „ B. ,, Knochentuberkulose. 

*) Hier muss bemerkt werden, dass die Bauernhäuser vieler graubündneriscber 
Gegenden (z. B. Davos), wa9 Zahl und Grösse der Wohn- und Schlafräumlichkeiten 
anbelangt, den meisten anderer Schweiz. Kantone, mit Ausnahme etwa von Tessin 
und Wallis, nachsteheu. Aus diesem Grunde und der sonst eigenartigen Archi¬ 
tektur wegen (kleine Fensteröffnungen) hat Licht und Luft nur mangelhaften Zu¬ 
tritt. Überdies wurde früher die Durchlüftung der Wohn- und Schlafräume hier 
vielfach von den Einheimischen als etwas Überflüssiges betrachtet. Es kam sogar 
bei Wohlhabenderen vor, dass deren Frauen und Kinder, um Licht und Holz 
zu sparen, mit Handarbeit und Spinnrad während der Fütterungszeit der Haustiere 
regelmässig in den Stall übersiedelten. 

5 * 


Digitized b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



68 


J. Gwerder. 


[8 


Digitized by 


a b sind Mann und Frau; b hatte viele sehr schwere Geburten. 
Interessant ist, dass der Vater von b 97 Jahre, die Mutter über 70 
Jahre alt geworden ist; b war das älteste von 10 Geschwistern, von 
denen sonst keines an Tuberkulose gestorben. — Jetzt lebt noch ein 
Sohn von J. (50 Jahre alt) und zwei Töchter (beide über 40), verheiratet 
und gesund. — b ist im dritten Grade verwandt mit i. Familie 7 und 
ebenso mit g Familie 6. 

2. Familie Ji. — Diese lebt in guten Verhältnissen; in altem 
Bündnerhaus; zeitweise Überanstrengung im landwirtschaftlichen 
Betrieb. 

a) 1890 starb die 31jährige A. an Tbc. pulm. 

b) 1882 „ „ 20 „ M. „ „ 

a und b sind Schwestern. — Jetzt leben noch drei Brüder von 
den obigen im Alter von 50—60 Jahren; gesund. Der Grossvater 
mütterlicherseits von a und b war Bruder von Glied b Farn. 4 und 
der Grossvater väterlicherseits war im III. Grad verwandt mit a 
Farn. 5. 

3. Familie Hb. — Aus dieser Familie hielten sich viele Mit¬ 
glieder lange Zeit in der Fremde auf; so die beiden Verstorbenen; 
Überanstrengung; sonst gute Verhältnisse. 


a) 

1892 

starb 

i der 

55 jährige A. an 

Tbc. 

pulm. 

b) 

1887 

r> 

7) 

53 

i) H. „ 

77 

77 

c) 

1899 

77 

n 

66 

* N. „ 

77 

77 

d) 

1903 

77 

n 

37 

* Ch. „ 

77 

77 

e) 

1902 

n 

77 

15 

„ E. „ 

77 

77 


a und b sind Brüder. — c ist eine entfernte Verwandte von a 
und b. — d eine entfernte Verwandte von c. — e ist im III. Grade 
verwandt mit a, b, c, d. — Von dieser Familie leben keine Ge¬ 
schwister mehr. 

4. Familie Nh. — Eigentlich keine Davoserfamilie; ursprünglich 
von Klosters, sind sie schon sehr lange in Davos; gute Verhältnisse. 

a) 1892 starb der 6 jährige H. 

b) 1892 „ die 48 „ M. an Tbc. pulm. 

c) 1893 „ „ 22 „ M. „ „ 

a und c sind Kinder von b. — a, b, c sind Verwandte von Fam. 7. 
Der Vater, der nahezu 80 Jahre alt, ist gesund. Es leben von 
a und c noch zwei Brüder und zwei Schwestern von 30—40 Jahren; 
b hatte etwa 10 Kinder. 

5. Familie Rg. — Alte Davoserfamilie; Bauernbetrieb; etwas 
Handel mit Landesprodukten; Vater war in späteren Jahren Wirt. 
Wohnten gut und ernährten sich gut. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



9] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


69 


a) 1876 starb der 43 jährige 

J. an Tbc. pulm. 

b) 1892 

7? 

„ 19 

V 

u 

VT) 7) 

c) 1894 

77 

„ 32 

V 

P- „ * 

d) 1894 

77 

* 62 

77 

M. , „ v 

e) 1879 

77 

„ 43 

n 

Ch.„ * 

f) 1901 

n 

die 40 

77 

n r> n 

ein Neffe 

von 

a. — Ebenso 

c. — d ist die Mutter 


und Schwägerin von a. — Ebenso ist d eine Verwandte von Familie 
6. — e, lange Jahre im Ausland, ist entfernt verwandt mit d. — f ist 
Tochter von a. — Von a lebt noch ein Sohn (50), gesund; von a sind 
mütterlicherseits vor zirka 80 Jahren verschiedene Verwandte an 
Tuberkulose gestorben; ebenfalls ist der älteste Bruder von a nach dem 
Sonderbundskriege und ein Sohn von a in Amerika an Tbc. pulm. 
gestorben. — Ein Bruder von b leidet gegenwärtig an Tuberkulose. 

6. Familie Tp. — Alte Davoserfamilie; Bauern; habliche Verhält¬ 
nisse; vielleicht Überanstrengung und mittelmässige Ernährung. 

a) 1882 starb der 73 jährige F. an Tbc. pulm. 

b) 1893 „ die 35 „ M. „ „ „ 

c) 1902 „ „13 „ V. „ „ , 

d) 1902 „ „69 „ A. „ „ „ 

f) 1905 „ „56 „ D. „ „ 

g) 1900 „ der 13 „ D. „ multipler Tuberkulose 

h) 1876 „ die 53 „ M. „ Meningitis. 

b ist eine Nichte von a. — c ist eine Enkelin von a. — d ist 

eine Nichte von a. — Ebenso ist f eine Nichte von a und eine Schwester 

von b. — g ist im III. Grad verwandt mit c, im V. mit a und im 
IV. mit Glied a Farn. 7; ebenso im IV. Grad mit Einzelfall 4. — 
h ist eine entfernte Verwandte von allen Gliedern dieser Familie; 
Potatorin. — Grossvater väterlicherseits von g wurde über 60 Jahre 
alt. — Von a lebt noch ein Sohn nahezu 70 Jahre alt; er ist Alko¬ 
holiker; gesund. — Die Mutter von c und zugleich Tochter von a 
lebt: Alter ca. 50 Jahre. Ebenso lebt noch eine andere Tochter von 
a im Alter von nahezu 75 Jahren; beide sind gesund und verheiratet. 

7. Familie Rm. — Alte Davoserfamilie in guten Verhältnissen. 
Infektion in der Fremde wahrscheinlich, da verschiedene Mitglieder 
mütterlicherseits krank vom Auslande zurückkamen. 


a) 1888 starb die 36 jährige M. an Tbc. pulm. 


b) 1901 

7) 

der 32 

7) 

J. 

77 

77 

77 

c) 1902 

V 

die 5 


A. 

77 

Meningitis 

d) 1903 

7) 

der 44 

77 

D. 

77 

Tbc. pulm. 

e) 1910 

77 

die 28 

77 

A. 

77 

77 

77 

f) 1891 

77 

der 0 

77 

K. 

77 

Meningitis 

h) 1891 

7) 

„ i 

77 

J. 

77 

77 

i) 1896 

77 

» 12 

77 

EP. 

77 

Tbc. pulm. 


Difitized 


by Google 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



70 


J. Gwerder. 


[10 


Digitized by 


b ist ein Cousin von a. — c ist eine Nichte von b und d. — 
d ist ein Bruder von b. — Und e ist eine Tochter von d, Nichte 
von a und eine Cousine von c. — f ist eine entfernt Verwandte von 
a mütterlicherseits und ebenso von Familie 4. — h ist mit a im III. 
Grad verwandt. — i ist mit a im III. Grad verwandt. Die Gross¬ 
mutter mütterlicherseits von i wurde über 80 Jahre alt. — Von a 
leben noch 3 Geschwister im Alter von 50— 60 Jahren, gesund. — Von 
b leben 2 gesunde Kinder im Alter von 15—18 Jahren. — Von c 
leben die Eltern und ein Brüderchen unter 15 Jahren. — Von d leben 
ein Sohn und 2 Töchter zwischen 20 und 30 Jahren; alle gesund. 
Etliche Schwesterkinder von b und e sind im jugendlichen Alter an 
Tuberkulose auswärts gestorben. 

8. Familie Lb. — Sehr gute Verhältnisse; Metzgerei. Einge¬ 
bürgert. 

a) 1889 starb der 46 jährige P. an Tbc. pulm. 

b) 1899 „ „ 30 „ B. „ „ 

c) 1899 ,, „ 0 „ A. „ Meningitis 

d) 1887 „ „ 4 „ M. „ 

b ist der Vater von c. — Es leben noch 6 Geschwister von b 
im Atter von 30—50 Jahren; gesund, — d ist mit a und b im III. 
Grad verwandt. — b und d sind mit a im III. und IV. Grad verwandt. 

9. Familie La. — Alte Davoserfamilie; gute Verhältnisse; Land¬ 
wirtschaft. 


a) 

1883 

starb die 

81jährige C. an 

Tbc. pulm. 

b) 

1902 

„ der 

27 

r> J« n 

T) ?) 

c) 

1893 

„ die 

21 

, M. „ 

’? ?’ 

d) 

1890 

T) n 

17 

» A. » 

Meningitis 

e) 

1897 

n n 

15 

A. „ 

Tbc. pulm. 


a ist die Grossmutter von a und b. — Die Mutter von a ist 80 
Jahre alt und rüstig. — b und c sind Geschwisterkinder. — b ist 
eine Nichte von d Familie 6. — d ist eine entfernte Verwandte 
von c. — e ist mit c im IV. Grad verwandt. 

10. Familie De. — Landwirtschaft; gute Verhältnisse. 

a) 1884 starb die 18jährige U. an Meningitis 

b) 1891 „ der 55 „ L. „ Tbc. pulm. 

a und b sind entfernte Verwandte. — b Alkoholiker. — Eine 
Schwester von a ist tuberkulös. 

11. Familie Rv. — Gute Verhältnisse. 

a) 1880 starb der 34jährige P. an Tbc. pulm. 

b) 1888 „ „23 „ H. „ „ „ 

a ist Onkel von b. — a war lange Jahre im Ausland. 



Original from 

UNIVERS r- OF MINNESOTA 



11] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


71 


12. Familie Ib. — Landwirtschaft; gute Verhältnisse. 

a) 1890 starb die 12jährige U. an Tbc. pulm. 

b) 1895 * der 39 „ P. , „ „ 

a ist Nichte von b. — Von a starb vor Monaten eine Schwester 
an Tuberkulose auswärts. 


In der Familie RS. starben also der Vater (56) und die Mutter (52 J.). 


Ji. 

Hb. 

Nh. 

Kg. 


Tp. 

Rm. 

Lb. 

La. 

De. 

Rv. 

Jb. 


2 Töchter (31 und 20 J.). 

3 Vettern (55, 53 und 66); 2 entferntere Ver¬ 
wandte (37, 15 J.). 

die Mutter (48), 1 Sohn (6) und 1 Tochter (22 J.). 
die Mutter (62), 1 Sohn v 32) und 3 im 2. Grad 
verwandte (43, 40, 19) und ein entfernter Ver¬ 
wandter (43 J.). 

der Grossvater (73), 1 Enkelin (13), 4 Nichten 
(35, 56, 69, 53), ein entfernter Verwandter (13 J.). 
der Vater (44), 1 Tochter (28), 1 Bruder des 
Vaters (32), 1 Cousine (36), 1 Nichte (5) und 
3 entfernt Verwandte (0, 1, 12 J.). 
der Vater (30), 1 Sohn (0) und 2 entfernte Ver¬ 
wandte (4, 46 J.). 

1 Sohn (27), 1 Tochter (21) und die Grossmulter 
(81) und 2 entfernte Verwandte (15, 17 J.). 

2 entfernte Verwandte (18, 55 J.). 
der Onkel (34) und Neffe (23 J.). 
der Onkel (39) und Nichte (12 J.). 


Diese Zusammenstellungen von 12 Familien sind in mancher Hin¬ 
sicht interessant. Sie zeigen z. B. bei der einen Familie 2 Todesfälle 
an verschiedenen Formen der Tuberkulose in einem Zwischenraum 
von 10 Jahren. Bei anderen erfolgten die Todesfälle in kürzeren 
Intervallen, vor allem bei Familie 4, in der Mutter und zwei Kinder 
innerhalb einem Jahre starben. Auffallend ist ferner, dass unter 
den an Tuberkulose Gestorbenen ein ziemlich grosser Prozentsatz 
über 50 Jahre alt wurde. 

Die genaueren Verhältnisse der 13 Einzelfälle waren 
folgende: 

1. 1876 starb die 43jährige A. M., Dienstmagd, Potatorin. Die 
andern Familienmitglieder sind alle sehr alt. 

2. 1878 starb der 32jährige B. F., Schuhmacher; lebte in ärm¬ 
lichen Verhältnissen. Blutarm 1 ). 

3. 1881 starb die 60 jährige A. C. Die Mutter der Verstorbenen 
stammte aus dem Prättigau. 

*) Diejenigen Fälle, bei welchen die tuberkulöse Erkrankung nicht spezifiziert 
angegeben, sind an Tbc. pulm. gestorben. 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



72 


J. Gwerder. 


[12 


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4. 1882 starb der 36 jährige B. P. Cousin von Glied a der Familie 7. 
Eltern des Verstorbenen sehr alt. (70 — 80 J.) 

5. 1885 starb der 62jährige A. P., Schreiner und Landwirt; in 
guten Verhältnissen. 

6. 1887 starb die 2jährige L. M. an Meningitis. 

7. 1888 starb der 24jährige K. A., Alkoholiker; verschwägert 
mit dem Einzelfall 2. 

8. 1889 starb der 44 jährige S.G.; verwandt mit Glied e Fam. 5; 
Unterernährung infolge Magenleiden. 

9. 1890 starb die 25 jährige J. U.: mütterlicherseits psychopathisch 
belastet. Schneiderin. 

10. 1893 starb die 43jährige A. K., Unterernährung. 

11. 1893 starb die 1jährige K. B., Skrofulöse. 

12. 1898 starb die 5jährige H V., Miliartuberkulose. 

13. 1907 starb der 36jährige B. J. an Bauchfelltuberkulose; ausser- 
eheliches Kind. 

Von diesen 13 Einzelfällen sind: 

1 Fall mit Mitgliedern tuberkulös belasteter Familien sehr ent¬ 
fernt verwandt. 

2 Fälle Alkoholiker. 

2 Fälle Unterernährung (infolge Magenleiden und häufige sehr 
schwere Geburten). 

3 Fälle gestorben unter 6 Jahren. 

1 Fall aussereheliches Kind. 

2 Fälle über 60 Jahre alt gestorben. 

1 Fall von psychopathisch belasteter Familie. Schneiderin. 

1 Fall in ärmlichen Verhältnissen; blutarm. Schuhmacher.’ 

Auffallend ist das Verhältnis der Zahl der tuber¬ 
kulösen Familienmitglieder zu den Einzelfällen: 48:13. 
Es erhellt daraus die ungeheuer wichtige Rolle, welche 
die Blutsverwandtschaft bei der Tuberkulose der Ein¬ 
heimischen von Davos spielt. Was die Ursache der Tuber¬ 
kulose einiger der 13 Einzelfälle anbelangt, verweise ich auf die 
obenstehende Zusammenstellung. 

Die Tuberkulosemortalität der Einheimischen von 
Davos im Verhältnis zur Zahl der Lebenden für den Zeitraum von 
1876—1910 beträgt bei einer durchschnittlichen Seelenzahl von 1329 
demnach 1,30 °/oo. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



13] 


Die Taberkulose-Sterblichkeit etc. 


73 


Zusammenstellung über Tuberkulosemortalität in (1er Ge¬ 
meinde Bergtin und ihren Nachbargemeinden Stuls und Latsch. 

Zu den nachstehenden Tabellen mögen folgende Erläuterungen 
dienen: 

In Bergün war über die Zeit des Albulabaues ein sehr grosses 
Kontingent von Italienern in der Gemeinde anwesend und ist in diesen 
Jahren sowohl die Geburten wie die Sterbeziffer sehr in die Höhe 
gegangen. Die meisten Todesfälle sind auf die Kindersterblichkeit 
und auf Unglücksfälle zurückzuführen; an Tuberkulose sind unter 
diesen fremden Aufenthaltern und Kurgästen 10 gestorben, die aber 
nachher alle selbstverständlich von der Zahl der Einheimischen abge¬ 
zogen werden. 

In der Gemeinde Latsch bietet sich das echteste Bild über die 
Sterbeverhältnisse, indem dort seit Beginn der amtlichen Aufzeichnung 
eine sehr konstante Bevölkerung lebt, die weder durch zahlreiche 
Auswanderung in die Fremde, noch durch Einwanderung fremder 
Elemente beeinflusst wird. 

In Stuls hat die Bevölkerung stetig abgenommen und beträgt 
im Dörffhen Stuls selbst, das nur von alteingesessenen Familien 
bewohnt wird, z. B. nur 46 Seelen; 24 neu hinzugekommene Ein¬ 
wohner befinden sich seit Eröffnung der Eisenbahn unten auf der 
Station Stuls; diese letzteren beeinträchtigen die Tuberkulose-Statistik 
der eigentlich auf der Bergterrasse liegenden Ortschaft gar nicht. 
Zwei während des Bahnbaues verstorbene Italiener kommen in Abzug 
und eine wenige Tage dort gewesene Frau. 

Im ganzen sind in den 35 Jahren in Bergün gestorben: 

Männliche Personen 262, weibliche 195, Summa 457 

Abzügliche fremde „ 79, „ 26, „ 105 

Total der Einheimischen 183, „ 169, „ 352 

Von den Einheimischen starben an Lungentuberkulose 25 Personen 
und zwar 10 männliche und 15 weibliche, an tuberkulöser Meningitis 
8 Personen und zwar 4 männliche und 4 weibliche, an Knochentuber¬ 
kulose 1 männliche Person. 

Die unter 10 Jahren verstorbenen 7 Kinder erlagen alle der 
tuberkulösen Meningitis; ferner an der gleichen Erkrankung ein 19- 
jähriger Taglöhner. 

Über 10 Jahren starben alle anderen mit Ausnahme des 52 
Jahre alten Pat. mit Kniegelenktuberkulose an Lungenschwindsucht. 

Andere tuberkulöse Erkrankungen finden wir auf den ärztlichen 
Todesbescheinigungen nicht angegeben. 


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Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



74 


J. Gwerder. 


[14 


Verstorbene 



Wohn- 

in Bergün 

in Latsch 

in Stuls 

Jahr 

bevöl- 

i kerung 

1 

tuberkulös 

nicht 

tuberkulös 

- 

zusammen 

CO 

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JA 

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5 

- 

zusammen 

tuberkulös 

nicht 

tuberkulös 

zusammen 

1876 

416 

(1050 Inkl. 

N. G.) 

— 

3 

3 

— 

4 

4 

— 

-- 

— 

1877 

— 

1 

6 

7 

— 

4 

4 

— 

— 

— 

1878 

— 

1 

10 

11 


1 

i 

-- 

— 

— 

1879 

— 

— 

10 

10 


2 

2 

— 

— 

— 

1880 

428 

(1112 inkl. 

N. G.) 

— 

6 

6 

— 

5 

5 

— 

— 

— 

1881 

— 

2 

8 

10 

1 

7 

8 

— 

4 

4 

1882 

— 

— 

8 

8 

— 

— 

— 


— 

— 

1883 

— 

— 

11 

11 

1 

1 

4 


2 

2 

1884 

— 

— 

10 

10 

— 

3 

3 

— 

1 

1 

1885 

_ l 

l 

2 

10 

12 

— 

2 

2 

— 

3 

3 

18°6 


3 

5 

8 


1 

1 

— 

— 

— 

1887 

— 

1 

13 

14 

— 

— 

2 

— 

— 

— 

1888 

488 

(1064 inkl. 

N. G.) 

1 

11 

12 

— 

— 

— 

— 

.i 

1 

1889 

— 

1 

13 

14 

— 

1 

1 

— 

3 

3 

1890 

— 

1 

8 

9 

— 

2 

2 

— 

— 

— 

1891 

— 

3 

13 

16 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

1892 

— 

3 

10 

13 

1 _ __ 

5 

5 

— 

1 

1 

1893 

— 

1 

8 

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— 

— 

— 

— 

1 

1 

1894 

— 

— 

10 

10 

— 

1 

1 

— 

1 

1 

1895 

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2 

15 

17 

1 

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7 

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3 

3 

1896 

— 

3 

6 

9 

1 _ 

5 1 

5 

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2 

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1897 

— 

1 

7 

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1 

1 

1898 

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1899 

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— 

— 

1900 

1 

1 

33 

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1 _ 


3 

i — 

1 

1 

1901 

— 

— 

29 

29 

— 

- 1 

— 

— 

2 

2 

1902 

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4 

j 40 

44 

— 

1 3 

3 

— 

1 

1 

1903 

— 

3 

19 

22 

— 

i 1 

1 

— 

i 

— 

1904 

— 

— 

i 14 

14 

— 

— i 

— 

— 

1 8 

3 

1905 

— 

1 

1 16 

17 

— 

4 

4 

— 

— 

— 

1906 

— 

— 

10 

10 

— 

2 

2 


I 1 

1 

1907 

— 1 

2 

j 5 

7 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

1908 

— i 

1 

11 

12 

— 

2 

2 

— 

— 

— 

1909 

_ 1 

— 

9 

9 

— 

4 i 

4 

— 

— 

— 

1910 

534 

(1215 inkl. , 
N. G.) 

_ 

i 

9 

i 

9 


4 | 

4 

1 

1 

2 



44 

413 

457 , 

3 

79 

, 82 , 

1 

85 

36 


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OriginBl fro-m 

-WJIVERSITY OF MINNESOTA 








15] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


75 


Nach dem Alter geordnet ergibt sich folgende Zusammen¬ 
stellung : 

Im I. Lebensdezennium starben 8, 7 an Mening. tbc., 1 pulm. 

„ II. ,, 5, 4 „ Tbc. pulm., 1 Mening. 

„ III. „ „ 7 alle an Tbc. pulm. 

IV 4 

j) x 1 • r u ^ n v 77 n 

V 4 

* ' • 17 n ^ 11 n n n 

p VI. „ „ 2, 1 Tbc. pulm., 1 Knoch. 

„ VII. „ „ 4 alle an Tbc. pulm. 

Die Lungentuberkulose hat also vom 10. bis 30. Jahre nahezu 
soviel Opfer gefordert, wie vom 31. bis 69. Lebensjahre (11:13). 

Nach dem Berufe geordnet finden wir, dass 11 Verstorbene 
noch im kindlichen Alter standen und keinen Beruf hatten. 


Der Vater war von Beruf Taglöhner bei 4 Verstorbenen 

» » » » Landwirt „ 4 

„ - „ r? « Wegmacher „ 2 r 

r 77 i 7 i 7 i 7 Schlosser v 1 v 

Von den Erwachsenen, die an Tuberkulose starben, waren 
11 Landwirte, 2 Geschäftsreisende, 

3 Schneiderinnen, 1 Wegmacher, 

1 Schreiner, 1 Hotelportier, 

1 Schmied, 1 Kellnerin. 

1 Konditor. 


Die verwandtschaftlichen Beziehungen sind folgende: 

Von den 34 Einheimischen sind 11 Fälle in 11 verschiedenen 
Familien aufgetreten, die untereinander nicht verwandt sind und auch 
nicht in besonders innigem Kontakt zueinander standen. Unter diese 
11 Fälle fallen die meisten, welche ausgewandert oder doch viel in 
der Fremde waren und krank heimkehrten, um zu sterben (siehe 
noch nachträgliche Zusammenstellung darüber). 

23 Verstorbene waren untereinander direkt verwandt, 
mit Ausnahme von 2, die Stiefgeschwister sind. Diese 23 Verwandten 
verteilen sich auf 8 verschiedene Familien, die untereinander wieder 
nicht verwandt sind und auch keine gleichen Häuser bewohnten. 

In der Familie Vc. starben der Vater, 1 Sohn und 2 Töchter, 


r? r 

„ Vac. 

17 

die Mutter, 1 Sohn und 2 Töchter, 

r - 

.. Af. 

77 

der Vater, 1 Sohn und 1 Tochter und 
1 Schwester des Vaters, 

77 *7 

, Lf. 

77 

2 Stiefschwestern, 

„ „ 

„ Tm. 


2 Brüder, 

77 17 

, Rb. 

17 

2 Schwestern und 1 Onkel, 

17 " 

„ Bas. 


1 Tochter und 1 Vetter des Vaters, 

17 V 

* o. 

17 

die Grossmutter und 1 Enkelin. 



Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



76 


J. Gwerder. 


[16 


Inden einzelnen Familien waren die genauen Verhältnisse 
folgende: 

1. Familie Vc. — Anscheinend sehr rüstige Menschen, wohnten 
nach hiesigen Begriffen mittelmässig, aber nicht schlecht, jahrelang 
auf dem Weissenstein auf der Passhöhe. 


1895 starb 

die 16jahrige 

Tochter 

M. an Lungentuberkulose 

1899 „ 

die 13 

Tochter 

A. „ 

1899 „ 

der 48 „ 

Vater 

A- r n 

Wegmacher, Postpacker. 

1905 

, 22 „ 

Sohn 

A. an Lungentuberkulose, 


Reisender. 


Jetzt lebt noch die 62jährige Mutter, ein 25- und ein 30jähriger 
Sohn; diese drei sind gesund und hatten bis jetzt keine tuberkulösen 
Erscheinungen; leben jetzt in ganz guten Verhältnissen. 

2. Familie* Vac. — Eine unter ganz schlechten Verhältnissen 
lebende Familie, die aus dem Bündner Oberland stammt. Der Vater 
wanderte vor zirka 30 Jahren in Bergün ein, ist Taglöhner und ein 
schwerer Potator. Die Familie lebte in sehr verschiedenen arm¬ 
seligen, schlechten Wohnungen. 

1888 starb die 3jährige Tochter D. an Meningitis tbc. 


1899 „ 

* 40 

„ Mutter L. „ Lungentuberkulose. 

1899 „ 

, 1 

„ Tochter L. „ Meningitis tbc. 

1902 , 

der 10 

„ Sohn N. „ Lungentuberkulose, 


hatte auch eine spinale Kinderlähmung. 

Jetzt lebt noch der 60 Jahre alte Vater als Taglöhner, ist 
schwerer Alkoholiker, aber auf der Lunge gesund, und eine 20 jährige 
Tochter, die an schwerer Lungen- und Drüsentuberkulose leidet. 

3. Familie Af. ist eine sehr alte echte Bergünerfamilie mit ver¬ 
schiedenen Stämmen. Unser Stamm wohnte immer in einem alten, 
ordentlich gehaltenen Bündnerhaus; die Wohnräume sind von denen 
anderer nicht verschieden in Bauart und Anzahl, dagegen liegt die 
Hauptfront südwestlich und hat nicht soviel Sonne wie andere Häuser. 
Die Familie ist eine Bauernfamilie, wenn auch der Vater Schmied 
war; es sollen alle Mitglieder nie recht robust und kräftig gewesen 
sein. Lebten gut. 

1886 starb der 22 jährige Sohn J. an Lungentub., Landwirt, ledig. 

1889 die 51 .. Tante R. an Lungentub., Landwirtin, verheir. 

1899 der 69 Vater und Bruder Ch. an Lungentub., Land¬ 

wirt und Schmied. 

1907 „ die 36 Tochter E. an Lungentub., Landwirtin, ledig. 


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171 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


77 


Von der 1889 verstorbenen Tante Christine R. geb. Fal. stammen 
zwei Söhne und eine Tochter, die leben und gesund sind. Dann lebt 
noch ein zirka 45 jähriger Sohn des Vaters Af., der gesund ist, Land¬ 
wirtschaft betreibt; verheiratet, kinderlos. Wohnt im väterlichen Haus. 

4. Familie Lf., sehr zahlreiche Familie, die in ungünstigsten 
Verhältnissen lebt, da die Mutter — der Mann ist jetzt zum 3. Male 
verheiratet — ihren Verpflichtungen nur ungenügend nachkommt. 
Der Vater ist Schlosser. 

1891 starb die 8j. Tochter A. an Miliar und Meningit. aus 1. Ehe. 

1907 „ „ 21 j. Tochter C. an Lungentub., aus 2. Ehe, war 

Kellnerin und hatte 1 uneheliches Kind. 

Dieses uneheliche Kind, ein Knabe von 3 Jahren, ist gesund. 
Vater, die Stiefmutter 3. Ehe und die zahlreichen Stiefgeschwister 
sind gesund. Die Mutter 2. Ehe ist geschieden und soll leben, die 
Frau der 1. Ehe soll im Wochenbett gestorben sein. 

5. Familie Tm., sehr zahlreiche Familie aus dem Schamsertale, 
aber immer in Bergün; Vater übte neben dem Beruf eines Lehrers 
noch den eines Landwirtes und Bergführers aus. Wohnen und leben gut. 

1891 starb der 5 Monate alte Sohn E. an Meningitis tbc. 

1891 „ „2 Jahre alte Sohn E. an Meningitis tbc. 

Jetzt leben noch Vater und Mutter und 7 Geschwister, die alle 
ganz gesund sind und keine tuberkulösen Erscheinungen zeigen. Der 
Vater, 63 Jahre alt, ist seit einer langen Reihe von Jahren schwerer 
Potator. 

6. Familie Rb., war viele Jahre in Bergün eingesessen; ein 
letzter Sprosse ist vor einigen Jahren ausgewandert. Landwirtschaft 
in der Familie der Haupterwerb. Wohnten gesund; sollen in guten 
Verhältnissen gelebt haben. 

1885 starb der 52jährige Onkel P. an Knochentuberkulose, 

Landwirt und Hotelportier. 

1893 „ die 20 „ Tochter R. an Lungentuberkulose, 

ledig, Schneiderin. 

1896 „ „ 24 „ n M. an Lungentuberkulose, 

Landwirtin. 

Von der Familie leben noch Verwandte von seiten des Onkels 
resp. der Mutter der beiden Töchter, die alle gesund sind. Die Eltern 
sollen alt geworden, aber auswärts gestorben sein. 

7. Familie B., wenig zahlreiche Familie; die männlichen und 
weiblichen Angehörigen in der Jugend viel im Ausland; lebten in 
guten Verhältnissen, in sonniger guter Wohnung. 


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78 


J. Gwerder. 


[18 


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1881 starb der 49 jährige B. an Lungentub.; war viel in der Fremde. 
1892 „ die 10 „ C. „ „ ; Tochter einesVettersd.B. 

Der Vetter des Vaters der 1892 Verstorbenen steht im III. Ver¬ 
wandtschaftsgrade und hatte geringe Beziehungen zur andern Familie. 
Die Eltern und eine Schwester der C. leben ziemlich betagt und 
sind gesund. 

8. Familie 0., Wenig zahlreiche Familie, in hygienisch und 
ökonomisch wenig günstigen Verhältnissen. Der Vater stellte viele 
Jahre Phosphorzündhölzchen her; war nebenbei Schreiner. 

1881 starb die 36jährige Mutter E. 0. an Tbc. pulm. 

1896 „ „ 3 „ Enkelin E. „ Meningitis tbc. 

Die Enkelin war illegitim. Kind einer Tochter der E. i ).: Grossvater, 
Tochter, resp. Mutter und zwei Söhne leben und sind gesund; nur 
Grossvater leidet an Marasmus senilis. 

Die 11 Verstorbenen, welche untereinander nicht 
verwandt sind, stammen aus Familien, in denen gegenwärtig 
nirgends Tuberkulose bekannt ist. Es sind meistens Mitglieder von 
Bergünerfamilien oder aus dem Oberengadin stammend und ein¬ 
gebürgert; aber alle Familien seit mehr als einer Generation in Bergün 
niedergelassen. 

Die Wohnungs- und Lebensverhältnisse sind bei allen, ob gut 
oder weniger bemittelt, so ziemlich die gleichen. Die Leute wohnen 
meist gedrängter zusammen, was aber jedenfalls nicht so sehr ins 
Gewicht fällt, da die meisten im Freien arbeiten. Zwei waren bis 
wenige Jahre vor dem Tode im Ausland; 3 oder 4 viel in der Fremde, 
sei es in der Berufslehre oder als Geschäftsreisende. 

Bei der Berechnung der Tuberkulosemortalität erhalten wir 
folgende prozentuale Zahlen (nur für die Einheimischen): 

Auf 352 Todesfälle kamen 34 an Tbc. Verstorbene = 9,65%. 

„ 352 „ „ 25 „ „ pulm. „ = 7,10%. 

Von den 34 an Tuberkulose Verstorbenen fallen 73,5% auf Lungen¬ 
tuberkulose. 23,5 % auf tuberkulöse Meningitis und Miliartuberkulose 
und 2,9 % auf Knochentuberkulose. 

Da im Verlaufe dieser 35 Jahre der Zivilstandsstatistik bei den 
Einheimischen 34 verstorbene Tuberkulosen bekannt sind, so macht 
dies bei einer durchschnittlichen Seelenzahl von 466 einen Prozent¬ 
satz von 2,08 °/oo der Einwohner. 

Latsch. 

Die Sterblichkeitstabelle Latsch und Stuls siehe bei Bergün. 
In Latsch ist die einheimische Bevölkerung durch keine Zuwanderungen 



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19] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


79 


fremder Elemente beeinflusst worden. Es besteht vielmehr eine sehr 
enge Verbindung unter den einzelnen Familien, die teils untereinander, 
zu einem geringen Teil mit Elementen aus Bergün und Stuls ver¬ 
mischt sind. Die Bevölkerungszahl hat in den letzten 30 Jahren 
wenig Schwankungen gezeigt, auch während der Zeit des Bahnbaues 
sind in Latsch keine Italiener eingezogen. 

Auf die 82 Todesfälle seit 1876 kommen 3 Todesfälle an Tuber¬ 
kulose, die alle aus der gleichen Familie stammen. Der letzte Tuber¬ 
kulosetodesfall war 1895, seit 15 Jahren ist Latsch also tuber¬ 
kulosefrei. 

Es starben an Lungentuberkulose 2 Personen. 

Es starb an Miliartuberkulose 1 Person, alle aus der Familie Ca. 

Die Verwandtschaftsverhältnisse der Latscherfamilie sind folgende: 

Familie Ca. Alte echte Latscherbürger von verschiedenen Stämmen. 
Unser Stamm gute wohlhabende Landwirtschaftsfamilie; wohnten 
gut und sonnig. 

1881 starb die 26jährige M. G., Nichte, an Lungentub., ledig, 
Landwirt. 

1883 starb der 20jährige J. C. Sohn und Vetter, Miliartub., ledig, 
Landwirt. 

1895 starb der 60jährige J. C. Vater und Onkel, Lungentub., verh. 

Die 1881 verstorbene 26 jährige M. G. war eine Tochter einer 
Schwester der 1895 verstorbenen 60 jährigen J. C.; der 1883 an Miliar¬ 
tuberkulose verstorbene J. C. war Sohn des letzteren. — ‘Die Familie 
wohnte von Jugend auf im gleichen Hause; der Vater und Onkel 
war dagegen viele Jahre in Paris und ein starker Potator. Direkte 
Nachkommen des J. C. leben z. Z. in verschiedenen Häusern und sind 
alle gesund; resp. zeigen keine tuberkulösen Erscheinungen. Ein noch 
lebender Vetter des 60jährigen J. C. dagegen ist lungenleidend, 78 Jahre 
alt. In dessen Familie ist jedoch keine manifeste Tuberkulose. 

Stuls. 

Die Sterblichkeit in Stuls betrug in den 34 Jahren 36 Personen, 
wovon zwei ausser Betracht kommen, weil sie nur vorübergehend im 
Gebiete Stuls waren. 

Die eigentliche Einheimischenbevölkerung w r ohnt im Dörfchen 
Stuls; sie ist aber in den letzten 15—20 Jahren immer mehr zurück¬ 
gegangen, weil keine Geburten mehr stattfanden. Seit der Bahner¬ 
öffnung ist die im Gemeindegebiete gelegene Station Stuls von 3 
Familien mit gegenwärtig 24 Seelen besiedelt. Diese beeinflussten 
bis jetzt nur die Geburtsziffer, nicht aber die Sterbezahl. 


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J. G werder. 


[20 


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80 


Unter den 33 Todesfällen ist einer der Tuberkulose zuzuschreiben. 

1910 starb der 73 Jahre alte Vater B. an Lungentuberkulose, 
verheiratet, früher Lehrer, Landwirt. 

Der Verstorbene lebte in wohnlichen und sonst guten Verhält¬ 
nissen, war solid. Die Krankheit verlief äusserst chronisch unter der 
Form einer zirrhotischen Lungentuberkulose. Es leben von der Familie 
Mutter, 2 Töchter und 2 Söhne, die Landwirtschaft betreiben und 
alle gesund sind. 

Die Tuberkulosemortalität im Verhältnis zur Zahl der 
Bürgerbevölkerung beträgt demnach für: 

Davos: l,30%o 
Bergün: 2,08°/oo l ). 

Wie aus den obigen Vergleichszahlen ersichtlich, stellt sich Davos 
in bezug auf die Tuberkulosesterblichkeit besser als Bergün. Man 
hätte wohl das Gegenteil erwartet, bei den ganz verschiedenen Ver¬ 
hältnissen dieser beiden graubündnerischen Gemeinden in bezug auf 
vergrösserte Ansteckungsgefahr und der wesentlich grösseren Dichtig¬ 
keit der Bevölkerung in Davos und dem häufigeren Vorkommen in¬ 
dustrieller Berufsarten. Jedermann hätte erwartet, dass in Davos 
mit seiner scheinbar vergrösserten Infektionsgefahr gegenüber Bergün, 
einer Gemeinde, die fast aus lauter Einheimischen besteht, welche 
mit fremden, tuberkulösen Kurgästen kaum in Berührung kommen, 
sich eine merklich grössere Sterblichkeitsziffer ergeben würde. Es 
ist dies erfreulicherweise, wie die Statistik beweist, nicht der Fall, 
und wir haben hier guten Grund, den Ursachen nachzuforschen, die uns 
dieses günstige Resultat für Davos vielleicht erklären können. Im 
nachfolgenden sollen einige Punkte besprochen werden, die auf die 
Sterblichkeitsziffer Einfluss haben könnten. 

1. Ökonomische Verhältnisse. Überaus günstige Lebens¬ 
bedingungen bei den Einheimischen, herbeigeführt durch besonders 
ergiebige Erwerbsquellen, sind in Davos zweifelsohne vorhanden. 
Die Wohlhabenheit der Bergüner Bevölkerung steht jedoch bis zu einem 
gewissen, die Tuberkulosesterblichkeitsziffer interessierenden Grade 
keineswegs hinter Davos zurück. Eine einfachere, eingeschränktere 
Lebenshaltung infolge einfacherer Sitten ist aber in Bergün die Regel. 
Die Davoser hingegen werden in diesem Punkte bereits durch die Ernäh¬ 
rungsweise der tuberkulösen Kurgäste beeinflusst. Denn als Pensions- und 
Hotelhalter können sie sich einem gewissen Einflüsse in dieser Be- 

*) Der Prozentsatz für Stuls und Latsch wurde wegen der kleinen Einwohner¬ 
zahl nicht berechnet; die dortigen Verhältnisse wurden, weil zum Teil Fraktionen 
der grossen Gemeinde Bergün, der Vollständigkeit halber berücksichtigt. 



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21 ) 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


81 


Ziehung nicht entziehen. Die Ernährungsweise, speziell der Fleisch - 
genuss, ist deshalb in Davos ein überaus reichlicher. 

2. Alkohol. Was den Alkoholgenuss unter den Einheimischen 
der beiden Gemeinden Davos und Bergün anbelangt, ist er im 
allgemeinen wohl ziemlich der gleiche. Selbstverständlich dürften die 
zahlreicheren Wirte und Hoteliers von Davos das Resultat in dieser 
Beziehung zu ungunsten der letzteren Gemeinde doch etwas beein¬ 
flussen. 

3. Klima. Die klimatischen Verhältnisse gleichen sich an beiden 
Orten bis zu einem gewissen Grade ziemlich aus. Die Luftver¬ 
dünnung, Trockenheit und Keimarmut der Luft, Windstille-Klima¬ 
eigenschaften, welche in der Therapie von Bedeutung sind, sind an 
beiden Orten vertreten. Was die Insolation anbelangt, so ist sie 
allerdings in Bergün während der Wintermonate weniger intensiv 
und von geringerer Dauer als in Davos (Piz d’Aela). Dass die Insola¬ 
tion aber an und für sich in der Vernichtung virulenter Keime eine 
hervorragende Rolle spielt, dürfte bekannt sein. Eine eingehendere 
Vergleichung metereologischer Erhebungen beider Orte ist z. Z. nicht 
möglich, da meines Wissens solche für Bergün nur seit kurzer Zeit 
bestehen. 

4. Inzucht. Eine wichtige Rolle in der Frage der Disposition 
zur Tuberkulose spielt die Inzucht; während in Davos das Verhältnis 
der hereditär Belasteten zu den Einzelfällen 48:13 beträgt, stehen 
sich in Bergün 23:11 gegenüber. Von nicht geringer Bedeutung ist 
ebenfalls die ziemlich häufige Verwandtschaft zwischen Einzelgliedern 
der tuberkulös belasteten Davoser Familien untereinander selbst, 
was in Bergün eigentlich nicht vorkommt. (Vide die detaillierten 
verwandtschaftlichen Verhältnisse der an Tuberkulose verstorbenen 
Einheimischen in der Statistik.) Davos zum Nachteil dürften auch 
die hier keineswegs seltenen Heiraten zwischen Einheimischen und 
tuberkulösen Kurgästen gereichen. 

5. Hygiene. Die Erziehung zu einem hygienischen Leben ist 
in Davos eine sehr intensive 1 ). Durch allerhand sanitätspolizeiliche 
Vorschriften, wie sie vielleicht nirgends in der Welt in dieser Voll¬ 
kommenheit bestehen, wurde versucht, der Infektionsgefahr mit Erfolg 
zu begegnen, und gerade in diesen Anordnungen scheint mir der 
Kernpunkt zu liegen, der Davos, diesem grössten aller Lungenkurorte, 
eine so günstige Tuberkulosesterblichkeitsziffer garantiert. In diesem 

1 ) Einzelne Fälle grober Verstösse gegen die Spnckhygiene sind naehgewiesener- 
massen speziell in tuberkulös belasteten Familien in letzter Zeit doch noch vor- 
gekommen. 

Beiträge inr Klinik der Tnberkniose. Bd. XXV. H. 1. 6 


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82 


J. G werder. 


[22 


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Punkte hält keine graubündnerische, schweizerische oder ausländische 
Gemeinde den Vergleich mit Davos aus. Nach meiner Meinung wird 
gerade dadurch die Infektionsgefahr auf das Mindestmass ein¬ 
geschränkt. Dazu gehört vor allem die Instandhaltung der Strassen, 
ihre Befreiung von Staub im Sommer, die Desinfektion aller Fremden¬ 
zimmer, die Abfuhr des Hauskehrichts, öffentliche Kanalisation, Milch¬ 
kontrolle, Rauchgesetz und Spuckverbot. Auf einige dieser Punkte 
möchte ich näher eingehen. 

1. Die Versorgung des Kurortes mit gutem Wasser (so führt 
Dr. Hauri in: „Davos in alter und neuer Zeit“ aus) musste schon 
1873 ins Auge gefasst werden, da die bestehenden Wasserleitungen 
und Brunnen sich als ungenügend erwiesen. Eine damals auf der 
Westseite des Tales gefasste Quelle genügte für die nächsten 10 Jahre, 
aber 1884 musste eine grossartige Wasserleitung von etwa 5 km 
Länge hergestellt werden, die das Wasser vorzüglicher Quellen aus 
dem Flüelatale nach dem Kurorte leitete. Seitdem sind noch drei 
weitere Leitungen angelegt worden, die Quellwasser aus dem Flüela- 
und Sertigtale, sowie aus dem Totalpgebiet nach dem Kurorte führen. 
Nach gewöhnlicher Annahme genügen 150 1 Wasser pro Kopf der 
Bevölkerung für den Tag; Davos steht auch in der wasserarmen 
Winterszeit das Zehnfache dieser Wassermenge zu Gebote. 

2. Mit der Kanalisierung des Kurortes wurde 1882 begonnen. 
Sie umfasst heute den ganzen Kurort von Davos-Wolfgang an und 
führt dank dem Überfluss an Wasser und den tadellosen Spül¬ 
vorrichtungen in allen Häusern alle Unreinigkeiten prompt aus dem 
Bereich des Kurorts. Eine durch den ganzen Kurort gehende Hy¬ 
drantenanlage ermöglicht im Sommer die Freihaltung der Strassen 
und Wege von Staub. 

3. Durch ein Landschaftsgesetz ist seit 1900 die amtliche Des¬ 
infektion aller von Tuberkulösen bewohnten Räume eingeführt worden. 
Diese Vorschriften decken sich mit den Postulaten, die Silberschmidt 
im Jahre 1898 in seiner Arbeit über Wohnungsdesinfektion aufstellte. 
— Das Ausspucken auf den Fussboden, auf Trottoirs, Strassen und 
Fusswege (sowie auf den Schnee) ist durch Landschaftsgesetz bei 
Busse untersagt. Jeder Lungenkranke ist gehalten, einen Taschen¬ 
spucknapf bei sich zu tragen. 

4. Bedeutende Schwierigkeiten bereitete dem Kurverein die Rauch¬ 
frage. An den zahlreichen klaren 'Wintertagen, an denen in* den 
Morgenstunden sich kein Lüftchen regt, lagert sich über dem Kurort 
eine Rauchschicht, die erst verschwindet, wenn die Sonne einige Zeit 
in das Tal hereingeschienen hat. Jahrelang wurde an der Lösung 
der Rauchfrage gearbeitet, besonders durch Dr. Turban. Die unter 


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23] 


Die Tuberkulose-Sterblichkeit etc. 


83 


seiner Leitung arbeitende Kommission gelangte zu der Überzeugung, 
dass die Rauchfrage nur durch eine Gasfabrik gelöst werden könne. 
So ist im Jahre 1905 mit einem Kapital von 800000 Frs. die Aktien¬ 
gesellschaft „Gaswerke Davos" gegründet worden. Die Gasfabrik liegt 
anderthalb Stunden von Davos-Platz; sie liefert für billigen Preis 
Gas und Koks für die Werkstätten, Ofen und Küchen des Kurortes. 
Die Zahl der Häuser, in denen das Gas eingeführt ist, wächst von 
Jahr zu Jahr, so dass wir hoffen dürfen, der Rauch im Bereiche des 
Kurortes werde in einigen Jahren bis auf ein Minimum verschwinden. 
Gesetzliche Bestimmungen sorgen dafür, dass im Bereich des Kurortes 
alle unnötige Raucherzeugung vermieden wird. 

5. Eine Aktiengesellschaft, die „Allgemeine Kontrollmolkerei 
Davos" versorgt den Kurort seit 1907 mit guter Milch. Sie sorgt 
dafür, dass die am Kurorte zur Verwendung kommende Milch von 
gesunden, reinlich gehaltenen und mit unverdorbenem Futter genügend 
genährten Kühen stammt. Der Bezirkstierarzt und ein Assistent be¬ 
sorgen das Laboratorium der Gesellschaft. Die Milchproduktion und 
Milchlieferung wird sorgfältig überwacht. Die Milch wird beständig 
genau untersucht, insbesondere auch bezüglich ihres Reinheitsgrades. 

Im Anhänge befinden sich die sanitätspolizeilichen Vorschriften für 
die Landschaft Davos, das Reglement zum Gesetz betreffend die Des¬ 
infektion und das Gesetz über Rauchverhinderung. 

Dass sich in Davos sehr gut eingerichtete Anstalten gegen Tuber¬ 
kulose befinden, braucht nicht gesagt zu werden. Die hygienische 
Lebensweise, welche in den Lungenheilanstalten von den Kurgästen 
verlangt wird, gereicht nicht nur den in diesen Häusern verpflegten 
Kranken zum Vorteil; diese Grundsätze gehen vielmehr in Fleisch 
und Blut der einheimischen und der umwohnenden Bevölkerung der 
Sanatorien über. Nicht die Menge der hygienisch disziplinierten 
Kranken bildet demnach an einem Orte die Gefahr der Ansteckung, 
sondern die Unmenge der undisziplinierten. — Das erhellt schon aus 
den Worten Sondereggers, der 1894 schrieb: wo nicht nur ordi¬ 
näre Reinlichkeit, sondern die besondere Sorgfalt geübt wird, wie sie 
bei der Pflege Verwundeter und Kranken erforderlich ist, da behaupten 
sich die Wärterinnen auch unter den Tuberkulösen. In Brompton, 
dem grössten Sch windsuch tsspitale, erkrankten Ärzte, auch Wart- und 
Dienstpersonal, nicht häufiger an Tuberkulose als die übrige Londoner 
Bevölkerung. Ja in 15 Jahren kam niemand zur Beobachtung, der 
im Spital tuberkulös geworden wäre. (Williams.) 

In Friedrichsheim sind in 16 Jahren von 989 Ärzten und Wär¬ 
terinnen nur 7 tuberkulös geworden, also nicht 7 2 °/ 00 Jahr, während 
in Berlin jährlich 3 °/oo aller Einwohner der Lungenschwindsucht erlagen. 

6 * 


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R4 J. Gwerder: Die Tuberkulose*Sterblichkeit etc. [24 

Von einer besonderen Ansteckungsgefahr an Lungenkurorten wie 
Davos, kann nicht die Rede sein; indem die gleiche säuberliche 
Scheidung in der ganzen Welt, deren Bevölkerung bekanntlich zu 
ungefähr 10% aus Tuberkulosekranken besteht, nirgends stattfindet 
wie hier und die gesetzlichen Massnahmen betreffend Desinfektion 
allenthalben mangeln. 

Wie wir an Hand einer ausführlichen Statistik nachgewiesen 
haben, besteht an hygienisch geleiteten Lungenkurorten wie Davos 
keine vermehrte Ansteckungsgefahr. Durch besondere Massnahmen 
kann diese Infektion auf ein Minimum eingeschränkt werden. Die Diszi¬ 
plinierung, d. h. die Erziehung der Tuberkulösen zu durchaus hygie¬ 
nischen Grundsätzen, wie sie in den Sanatorien geübt werden, bietet 
die beste Gewähr, einer weiteren Ausbreitung dieser Krankheit Einhalt 
zu tun. Diese hygienischen Grundsätze sollten Gemeingut aller Völker 
werden. Dafür zu sorgen, ist in erster Linie der Staat verpflichtet. 
Er hat nichts anderes zu tun, als die bewährten Methoden in der 
Tuberkulosebekämpfung den weitesten Kreisen zugänglich zu machen. 
Es ist ihm diese Arbeit bedeutend erleichtert worden im Hinblick 
auf die wirklichen Erfolge, welche die heutige Tuberkulosebekämpfung 
begleiten. 


Literatur. 


1. Ae bi, Dr. Werner, Liegt für die um wohnende Bevölkerung von Lungen¬ 
kurorten eine vergrösserte Ansteckungsgefahr für Tuberkulose vor? Koire- 
spondenzblatt für Schweizer Ärzte, 1898. Nr. 2. 

2. Buol, Dr. Florian, Eröffnungsrede an der Schweizerischen balneologischen 
Gesellschaft 1905. Aarau 1906. Sauerlftnder. 

3. Hauri, Dr. J., Davos in alter und neuer Zeit. Buchdruckerei Davos A.-G. 1910. 

4. Philippi, Dr. H., Die Lungentuberkulose im Hochgebirge. Verlag von Fer¬ 
dinand Enke, Stuttgart 1906. 

5. Schmid, Dr. Fr., Die Verbreitung der Tuberkulose in der Schweiz. Bericht 
über den Kongress zur Bekämpfung der Tuberkulose als Volkskrankheit in 
Berlin 1899. 

6. Silber Schmidt, Prof. Dr., Über Wohnungsdesinfektion. Korresp. für 
Schweizer Ärzte, 1898. Nr. 7 ff. 

7. Sonderegger, Dr., Tuberkulose und Heilstätten für Brustkranke in der 
Schweiz. Zollikofersche Buchdruckerfei, St. Gallen 1894. 

8. Spengler, Dr. Lucius, Zur Phthiseotherapie im Hochgebirge. Sonderabdruck 
aus „Fortschritte der Krankenpflege 8 ,1891. Fischers medicinische Buchhandlung, 
Berlin NW. 

9. Turban, Dr. Karl, Die Anstaltsbehandlung im Hochgebirge. Wiesbaden, 
Bergmann 1889. 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



Aua der Abteilung für Lungentuberkulose beim Krankenhause 
St. Göran, Stockholm. (Chefarzt und Direktor: Privatdozent 

Dr. I. Holmgren.) 


Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten ver¬ 
dünnter Säuren in Löschpapier und der Tuber- 
kulinxeaktion in der Haut. 

Von 

I. Holmgren, Stockholm. 

Mit 8 Figuren und 17 Tabellen. 


1. Die äussere Ähnlichkeit der Kutanreaktion mit den 
Adsorptionserscheinungen in Löschpapier. 

Prüft man das Reaktionsgebiet auf der Haut bei einer wohlaus- 
gebildeten Kutanreaktion gegen Tuberkulin, so findet man, dass dieses 
aus zwei Zonen besteht, einer zentralen, stärker infiltrierten Partie 
und einer peripher davon gelegenen, geröteten Gürtelzone, der „Halo“, 
wo eine Infiltration entweder fehlt oder bedeutend weniger ausge¬ 
sprochen ist. Am allerschönsten treten diese Verhältnisse bei den 
prachtvollen Reaktionen hervor, die nach intrakutanen Injektionen 
entstehen. Injiziert man derart z. B. 0,1 ccm einer Verdünnung 
*/iooo von Kochs Alttuberkulin, so findet man ein Reaktionsgebiet 
in Form einer Kreisfläche von beispielsweise 40 mm Durchmesser, 
deren Zentrum von einer gleichfalls kreisrunden Anschwellung von 
beispielsweise 25 mm Durchmesser eingenommen wird. Diese zen¬ 
trale Anschwellung, die der sog. Papel bei schwächeren Reaktionen 
entspricht, ist nicht in der Mitte erhöht, um nach den Seiten hin 
allmählich abzunehmen, wie ein Hügel, sondern hat mehr den Cha¬ 
rakter sozusagen eines Hochplateaus, wodurch ihre Begrenzung gegen 
die Umgebung deutlicher hervortritt. Sie hat ausserdem eine andere 
Färbung als diese. Während letztere die gewöhnliche rote Farbe 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



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8G I. Holmgren. [2 

des Erythems in blässerer oder dunklerer Nuance aufweist, zeigt das 
zentrale Gebiet ausserdem Pigmentierung. Diese ist bereits 24 Stun¬ 
den nach der Injektion deutlich bei Anämisierung durch Druck auf 
gewöhnliche Weise zu beobachten und tritt dann immer stärker 
hervor, so dass die zentrale Zone nach weiteren 24 Stunden 
sich oft durch eine dunklere kupferrote Farbe von der Umgebung 
abhebt. 

Bei starken Reaktionen beobachtet man nicht selten zunächst 
eine Farbendifferenz in entgegengesetzter Richtung, indem das Ödem 
in dem zentralen Gebiete so stark ist, dass dieses gleich einer 
Urtikariaeffloreszenz durch seine Blässe von der Umgebung absticht. 
Manchmal ist die ödematöse Haut dann kleinhöckerig von dicht¬ 
stehenden flachen Bläschen. Bisweilen werden in dem Ödem, wenn es 
sehr kräftig ist, feine punktförmige Blutungen beobachtet. 

Auch bezüglich der Dauer der Hautveränderungen unterscheidet 
sich die innere Zone von dem äusseren Gürtel. Letzterer verschwindet 
nach dem zweiten oder dritten Tage in der Regel sehr rasch. Das 
Infiltrat in der inneren Zone bleibt dagegen im allgemeinen weit 
länger bestehen, und die Pigmentierung auf diesem Hautbezirke 
natürlich noch länger, bisweilen Monate lang. 

Infolge aller dieser Verschiedenheiten tritt die Differenzierung 
in zwei Gebiete sehr schön und charakteristisch hervor. Nachstehende 
Photographie (Fig. 1) gibt eine Andeutung hiervon. 

Die Einteilung des Reaktionsbezirkes in zwei Zonen ist demnach 
nicht willkürlich. Die innere Zone geht nicht allmählich in die 
äussere über, sondern sie sind hinreichend scharf gegeneinander 
abgegrenzt, um jeden Zweifel daran zu beseitigen, dass ein wirklicher 
prinzipieller Unterschied zwischen den beiden Gebieten besteht. Dies 
muss bedeuten, dass ganz oder teilweise verschiedene Faktoren bei 
der Entstehung derselben wirksam sind. > 

Als ich Anfang 1910 Gelegenheit erhielt, an einem weit grösseren 
Material als vorher Beobachtungen über die kutanen Tuberkulin¬ 
reaktionen zu sammeln, erregte diese Sonderung des Reaktionsgebietes 
in zwei konzentrische, prinzipiell nicht gleichwertige Zonen mehr und 
mehr mein Interesse, und der Gedanke kam mir, dass die Tuberkulin¬ 
reaktion hierdurch Berührungspunkte mit den Adsorptionserscheinungen 
darbot, die bei der Ausbreitung verdünnter Säuren in kapillaren Medien 
auftreten. 

Lässt man z. B. eine wässerige Lösung von HCl in der Stärke 
von einigen Zehntel Prozent aus einer Pipette sich in Löschpapier 
einsaugen, so beobachtet man, dass die Salzsäure und das Wasser 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



3] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 87 

sich voneinander trennen. Die Salzsäure wird von dem Papier zu¬ 
rückgehalten, adsorbiert, und vermag nur eine kürzere Strecke weit 
von dem Ausgangspunkt aus vorzudringen, während das Wasser in 
derselben Zeit sich eine Strecke weiter hin ausbreitet. Der ent¬ 
stehende kreisrunde Fleck wird daher aus zwei Zonen bestehen, einer 



Fig. 1. 


zentralen, sauer reagierenden Kreisfläche und einem konzentrisch 
um diese liegenden Wassergürtel. Die Grenze zwischen diesen beiden 
Bezirken ist scharf, was leicht zu beobachten ist, wenn man den 
Versuch auf einem mit Kongolösung getränkten und danach ge¬ 
trockneten Papier anstellt. Man kann ferner beobachten, dass bei 


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88 


I. Holmgren. 


[4 


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Anwendung derselben Menge saurer Flüssigkeit die zentrale salzsaure 
Area grösser wird, wenn die Säurekonzentration grösser ist, ganz 
wie bei der Tuberkulinreaktion das zentrale Infiltrat oder Ödem bei 
gleichbleibender Menge der einwirkenden Tuberkulinlösung um so 
grösser wird, je grössere Stärke die Lösung besitzt. 

Die beiden Arten von Erscheinungen sind demnach wenigstens 
in gewissen gröberen Zügen einander gleichartig. Es schien mir 
daher von recht grossem Interesse zu sein, festzustellen, ob diese 
Übereinstimmung sich auch tiefer erstreckt. Der Weg, der sich zu 
diesem Zwecke zunächst darbot, war der, zu prüfen, ob die Gesetz¬ 
mässigkeit, die ich zwischen dem Prozentgehalt von Säurelösungen und 
ihrer Ausbreitung in Löschpapier gefunden habe (Holmgren 6—14), 
auch hinsichtlich ihrer Einzelheiten für die Tuberkulinreaktion in 
der Haut Gültigkeit besass. 


II. Die Gesetzmässigkeit der Ausbreitung verdünnter 
Säuren in Löschpapier. 


Meine Untersuchungen über die erwähnte Gesetzmässigkeit 
betreffs verdünnter Säuren habe ich im einzelnen in dem Festband 
der Zeitschrift Hygiea 1908 und in Biochem. Zeitschr. 1909 veröffent¬ 
licht. Hier sei nur in Kürze an das erinnert, was für das Verständnis 
des Folgenden notwendig ist. Ich fand, dass, wenn eine verdünnte 
Salzsäurelösung auf die oben beschriebene Weise sich in Löschpapier 
ausbreitet, das Verhältnis zwischen dem Flächeninhalt des salzsauren 
Gebietes und dem Flächeninhalt der nach aussen davon liegenden 
Wasserzone in direkter Proportion zur Stärke der angewandten Säure¬ 
lösung variiert. Das Verhältnis zwischen den Prozentzahlen zweier 
Säurelösungen ist demnach gleich dem Verhältnis zwischen der 
Salzsäurearea und dem Flächeninhalt des Wasserringes in dem von 
der einen Lösung verursachten'Fleck, dividiert durch das entsprechende 
Verhältnis in dem von der anderen Lösung hervorgerufenen Fleck. 
Da eine Kreisfläche =/rr 2 ist, so kann man dieses Gesetz durch 
folgende Gleichung ausdrüeken, in welcher P und P, die Prozentgehalte 
zweier verschiedener Salzsäurelösungen, r der Radius der Salzsäure 
und R der Radius des ganzen Fleckes bei dem Prozentgehalt P, und 
r, bzw. R, die entsprechenden Werte für den Prozentgehalt P, ist. 
(Siehe nachstehende Fig. 2.) 


(i) 



II* — r* 




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UNIVERSITY OF MINNESOTA 




5] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 89 

Auf Grund dieser Gesetzmässigkeit habe ich eine quantitative 
Analysenmethode zur Bestimmung der Stärke verdünnter Mineral¬ 
säuren ausgearbeitet, betreffs deren Einzelheiten auf meine früheren 



Fig. 2. 


Arbeiten verwiesen sei. Um aus Gleichung (1) eine für diesen Zweck 
taugliche Formel herzuleiten, muss man den Wert für P bestimmen, 
für welchen 


also 


( 2 ) 


IV-V 


= 1 


r» 


P = K 2 — r 2 
’ ‘ x “ 1 

einen Versuch mit einer Lösung von 


Macht man einen Versuch mit einer Lösung von bekannter 
Stärke P, misst den Radius R des ganzen Fleckes und den Radius r 
des zentralen, Satiren Gebietes, und setzt diese Werte in Gleichung 
(2) ein, so kann man daraus den Wert von X berechnen. Dieser 
Wert ist für ein und dasselbe Löschpapier (innerhalb gewisser Grenzen, 
worauf ich hier keinen Anlass habe weiter einzugehen) konstant und 
gibt ein Mass für die Kraft ab, mit welcher das Löschpapier die 
fragliche Säure adsorbiert. Für verschiedene Löschpapiere ist er 
natürlich verschieden, je nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit. 
Nenne ich diesen gefundenen Wert k (Konstante), so kann der Glei¬ 
chung (2) die Form gegeben werden 


(3) 


P = 


~R 2 


ans der, bei Kenntnis von k und nach Messung von r und R der 
Prozentgehalt P berechnet werden kann. Löst man diese Gleichung 
(3) in bezug auf k bzw. r auf, so erhält man für diese folgende 
Werte: 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 





90 


I. Holmgron. 


[6 


w 

und 

(5) 


k = 



.P 


r = R 


V 


P 

P + k* 


III. Berechnung der Breite der Papeln bei Ellermann und 

Erlandsen. 

Während meiner Beobachtungen über die Gesetzmässigkeit der 
Kutanreaktion machte ich Bekanntschaft mit Ellermanns und 
Erlandsens, aus Grams Klinik hervorgegangener Arbeit: Das 
Gesetz der kutanen Tuberkulinreaktion usw. (3). In dieser vortrefflichen 
Arbeit finden sich sorgfältige Messungen der Papelbreite bei der 
Pirquetschen Reaktion mit einer Anzahl Lösungen verschiedener 
Stärke an mehr als hundert Patienten zusammengestellt. Hier bot 
sich mir eine vorzügliche Gelegenheit, an einem grossen, von anderen 
gesammelten Beobachtungsmaterial über die Tuberkulinreaktion die 
Gleichungen für die Ausbreitung von Säurelösungen in kapillaren 
Medien zu prüfen. Nachstehend soll über diese Prüfung berichtet 
werden, die in Wirklichkeit zu recht bemerkenswerten Resultaten 
geführt hat. 

Ellermann und Erlandsen haben sich bei ihren Versuchen 
nicht punktförmiger Läsionen der Haut, sondern kurzer Ritze be¬ 
dient. Die entstehenden Papeln haben daher nicht zirkuläre, sondern 
ovale Form. Es herrscht also nicht volle Übereinstimmung zwischen 
der Form ihrer Tuberkulinpapeln und derjenigen der Flächen, auf 
die sich meine Formeln beziehen. Die Masse, die Eil ermann und 
Erlandsen angeben, sind die Masse der Breite der Papeln. Wenn 
ich vorläufig von der Verschiedenheit der Form absehe und den Ver¬ 
gleich mit dem Salzsäurefleck in Löschpapier verfolge, so entsprechen 
ihre Masse also nicht dem Radius, sondern dem Durchmesser dieses 
Flecks. Bei einem Blick auf Gleichung (1) sieht man indessen, dass 
es für die Anwendung derselben gleichgültig ist, ob der Wert des 
Radius oder des Durchmessers (= doppelten Radius) eingesetzt wird, 
weshalb ich bei den folgenden Berechnungen ihre Masse unverändert 
angewendet habe. 

Für die Prüfung der Formeln lassen sich zwei Wege einschlagen. 
Entweder kann man, von der von Ellermann und Erlandsen ge¬ 
fundenen Papelbreite ausgehend, den Prozentgehalt der angewandten 
Lösung nach Gleichung (3) berechnen und Zusehen, ob dieser berechnete 
Prozentgehalt mit dem wirklich verwendeten übereinstimmt, oder auch 


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7] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 91 


kann man, bei Kenntnis des Prozentgehalts der angewandten Tuberkulin- 
lösnng, mittelst Gleichung (5) die Papelbreite (r) berechnen und diesen 
berechneten Wert mit dem von Ellermann und Erlandsen für den 
fraglichen Prozentgehalt gefundenen Wert vergleichen. Welchen der 
beiden Wege man wählt, ist gleichgültig. Ich habe den letzteren ge¬ 
wählt. 

Aus Gleichung (5) geht hervor, dass man zur Berechnung der 
Papelbreite (r) ausser dem Prozentgehalt der Lösung, mit welcher 
die Papel hervorgerufen ist (P), auch R und die individuelle Konstante 

(k) kennen muss. R war in der Salzsäureformel der Radius des ganzen 
Flecks, und bei dem Vergleich, wie er hier angestellt wird, entspricht 
dies dem Radius (bzw. dem Durchmesser) des ganzen Reaktions¬ 
gebietes auf der Haut. Solche Masse finden sich indessen nicht in 
Ellermann und Er 1 andsens Darstellung, sondern nur Masse der 
Papeln. R muss demnach berechnet werden. 

Diese Berechnung habe ich auf folgende Überlegungen gegründet. 
Auf demselben Löschpapier erreicht R bei Anwendung derselben 
Menge Salzsäurelösung in derselben Zeit stets denselben Wert, unab¬ 
hängig — wenigstens praktisch gesehen — von dem Grade der Ver¬ 
dünnung. El ler mann und Erlandsen haben bei ihren Versuchen 
in möglichstem Masse diese Bedingungen erfüllt. Sie haben gleichlange 
Ritze gemacht, haben die Tuberkulinlösung auf sie gleichlange ein¬ 
wirken lassen und die Ablesung nach der gleichen Zeit (24 bzw. 48 
Stunden) vorgenommen. Man muss also bei derselben Versuchsperson 
mit ein und demselben R rechnen können, unabhängig von dem 
Prozentgehalt der angewandten Lösungen. Die Berechnung von R 
geschieht mit Hilfe der Gleichung (1). R wird demnach in Gleichung 

(l) = Rj. Wenn man unter dieser Voraussetzung Gleichung (1) in 
bezug auf R auflöst, erhält man 

( ß ). R = r r . "|/].rT ~ j/,.2 

Um R zu berechnen,, muss man also die Papelbreite bei zwei 
Versuchen mit verschieden starken Tuberkulinlösungen kennen. Hat 
man auf diese Weise R berechnet, erhält man leicht mit Hilfe der 
Gleichung (4) den Wert von k. Man verfügt dann über die Werte, 
die nötig sind, um mittelst Gleichung (5) r für jede beliebige Tuber¬ 
kulinstärke bei der betreffenden Versuchsperson berechnen zu können. 

Das Verfahren dürfte am besten durch ein konkretes Beispiel 
zu veranschaulichen sein. Die Durchschnittswerte für die Papelbreiten 
(in mm ausgedrückt), die Eller mann und Erlandsen in ihrer 
Versuchsgruppe 2 gefunden haben, sind für die verschiedenen Tuber- 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 




92 


I. Holmgren. 


[8 


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Tabelle 1 


Nr . 

0,5 % 



1 °/o 



2 °/o 

St 

b 

c 

d 

e 

a 

b 

c 


e 

a 

b 

c 

d 

e 

1 

1,8 

1,8 

±0 

1,8 


3,5 

2,5 

+ 1,0 

3,5 

± 0,0 

4,3 

3,5 

+ 0,8 

5,1 

- 0,8 

2 

2,4 

2,4 

,» 

2,4 

ii 

3,4 

3,3 

4 * 0,1 

3,4 

± 0,0 

4,3 

4,5 

- 0,2 

4,5 

- 0,2 

3 

2,1 

2,1 


2,1 

»» 

3,6 

2,9 

+ 0,7 

2,9 

+ 0,7 

4,1 

3,8 

+ 0,3 

3,8 

+ 0,3 

4 

2,8 

2,8 

,, 

2,8 

»» 

3,5 

3,8 

- 0,3 

3,7 

- 0,2 

4,4 

5,0 

- 0,6 

4,6 

- 0,2 

5 

1,8 

1,8 


1,8 

ii 

2,3 

2,4 

- 0,1 

2,4 

- 0,1 

3,4 

3,2 

+ 0,2 

3,0 

+ 0,4 

6 

1,7 

1,7 


1,7 


2,5 

2,4 

+ 0,1 

2,7 

- 0,2 

3,3 

3,3 

± 0,0 

3,8 

- 0,5 

7 

2,4 

2,4 


2,4 

ii 

3,6 

3,3 

+ 0,3 

3,2 

+ 0,4 

4,0 

4,3 

- 0,3 

4,0 

+ 0,0 

8 

1,6 

1,6 

1t 

1,6 


2,5 

2,2 

+ 0,3 

H 

- 0,2 

3,9 

34 

+ 0,8 

3,9 

± 0,0 

9 

1,9 

1,9 

19 

1,9 

ii 

3,7 

2,6 

+ 1,1 

2,7 

+ 1,0 

4,6 

3,5 

+ 1,1 

3,5 

+ 1,1 

10 

2,3 

2,3 

1* 

2,8 

ii 

3,8 

3,2 

+ 0,6 

3,6 

+ 0,2 

4,9 

4.4 

+ 0,5 

4,8 

+ 0,1 

Mittel 

! 2,08 

2,08 

±0 

2,08 

1 + 0,0 

3.24 

! 2,88 

1 + 0,36 

© 

CO 

1 + 0,15 

4,12 

3,91 

+ 0,21 

4,10 

j + 0,02 


kulinkonzentrationen folgende (Ellermann und Erlandsen a. a. 0.. 
S. 6): 


oL 


mm 


0.5 . 1 2_5_ 10 25 64 

0,60 1,67 2,83 3,92 4,99 6,11 7,54 


Um festzustellen, inwieweit diese Serie denselben Gesetzen folgt 
wie Säurelösungen in Löschpapier, verfahre ich also folgendermassen. 
Zuerst wird der Wert von R berechnet. Für diesen Zweck eignen 
sich die beiden äussersten der gefundenen Werte am besten. Die Werte, 
die kleiner als 1 mm sind, habe ich indessen gar nicht berücksichtigt, 
da es mir recht unsicher erscheint, inwiefern so minimale Anschwel¬ 
lungen um den Hauteinschnitt herum der Tuberkulinwirkung zuzu¬ 
schreiben sind oder nicht, und sie daher meines Erachtens wertlos 
für die Beantwortung der vorliegenden Frage sind. In diesem Falle 
sind es also die Werte der 1 %- und 64 °/ 0 “ Papeln, die zur An¬ 
wendung kommen Bei Anwendung der Gleichung (6) erhalte ich dann 

R = <,o4 . 1,67 ]/- 4 - j (j 7 2__ 1 7 54 2- 


öle 


Original from 

UNtVERSITY OF MINNESOTA" 







9] Die. Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 93 


(Gruppe 1). 


5°/o 

10 °0 

25 o/o 

64 °/o 

* 

b 

c 

d 

e 

a 

b 

c 

d - 

e 

a 

b 

c 

d 

e 

a 

b 

c 

a 

e 

5.5 

5,5 

±0,0 

7 ,4 

-1,9 

7,8 

7,4 

±0,4 

9,0 

-1,2 

i 

11,0110,4 

] 

+0,6 

11,2 

-0,2 

13,5 

13,5 

' 

±0 

13,5 

±0 

5,3 

6,2 

-0,9 

5,9 

-0,6 

6,2 

7,6 

-1,4 

6,9 

-0,7 

7,3 

8,9 

-1,6 

8.3 

-1,0 

9,7 

9,7 

♦ » 

9,7 

*• 

5,1 

5,3 

-0,2 

4,9 

+0,2 

5,2 

6,3 

-u 

5,7 

-0,5 

6,0 

7,3 

-1,3 

6.8 

-0.8 

7,9 

7,9 

*» 

7,9 


5,5 

6,6 

-i,i 

5,8 

-0,3 

6,8 

7,7 

-0,9 

6,7 

+0,1 

7,5 

8,6 

-1,3 

7,9 

-0,4 

9,1 

9,1 

»» 

9,1 


3.8 

4,3 

-0,5 

3,8 

±0,0 

4,0 

5,0 

-1,0 

4,3 

-0,3 

4,8 

5,6 

-0,8 

5,1 

-0,3 

5,9 

5,9 

** 

5,9 

»» 

4,3 

4,8 

-0,5 

5,2 

-0,9 

5,2 

6,1 

-0,9 

6,2 

-1,0 

7,3 

7,8 

-0,5 

7,6 

-0,3 

9,0 

9,0 

»» 

9,0 

♦, 

4,7 : 

5,7 

-i,o 

5.0 

-0,3 

5,6 

6,6 | 

-i,o 

5,7 

-0,1 

6,8 

74 

I 0,6 

6,8 

±0,0 

7,8 

7,8 


7,8 

j », 

5,6 ^ 

4,7 

+0,9 

5,4 

1 ' 

+0,2 

6,5 

6,1 

+0,4 

I 

6,5 

±0,0 

8,1 

8,0 

+0,1 

8.0 

+0,1 

9.6 

9,6 

1 

1 >» 

9,6 

1 yt 

5,3 

4,9 

+0,4 

4,6 

+0,7 

5,6 

6,0 

-0,4 

5,4 

+0,2 

6,3 

7,0 

-0,7 

6,5 

-0,2 

7,6 

7,6 

i 

H 

1 

7,6 

t» 

6,5 

6,4 

+0,1 

6,5 

±0,0 

7,6 

8,0 

-0,4 

7,8 

-0,2 

9,1 

9,9 

-0,8 

9,5 

-0,4 

i 

11,211,2 

I» 

11,2 

i" 

5,16j5,56 

-0,40 

5,48 

-0,27 

6,05 

6,85 

-0,80 

6,44 

-0,39 

7,42|8,25 

-0,83 l 7,77 

1 

-0,35 

9,139,13 

1 

±0j9,13±0 


Durch Auflösung dieser Gleichung erhält man R = 9,0619. Wird 
nun dieser Wert für R in Gleichung (4) eingesetzt, und benutzt man 
für r und P die Werte aus einem der beiden Versuche, die eben 
zur Berechnung von R angewandt wurden, z. B. des Versuches mit 
64 % igem Tuberkulin so erhält man 
. 9,0619* - 7,54* 


7.54* 


. 64 = 28,443. 


Diese Werte von R und k werden in Gleichung (5) eingesetzt. 
Will man die Papelbreite beispielsweise für 25% iges Tuberkulin be¬ 
rechnen, so erhält diese Gleichung also folgendes Aussehen: 

- 2/ 25 


r = 9,0619 y 
Für 10% erhält man 

r = 9,0619]/ 


25 + 28,446 


10 

10 + 28,443 


= 6 , 20 . 


= 4,62 usw. 


Digitized b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





94 


I. Holmgren. 


[10 


Tabelle 2 


Nr . 


0,5 °/o 



• 


l°/o 





2 % 



a 

b j 

c 

d 

e 

a 

b 1 

c 

d 

e 

a 

b 

c 

d 

6 

1 

0,1 

"l 


0,1 

±0 

0,9 



1,2 

- 0,3 

2,1 1 

I 

2,1 

±0 

2,3 

- 0,2 

2 

0,1 

— 

— 

0,1 

,, 

0,9 j 

— 

— 

1 4 

- 0,5 

2,5 

2,5 

±0 

2,8 

- 0.3 

3 

0,1 

— 

— 

0.1 

,, 

i,i 

u 

±0 

0,9 

+ 0,2 

2,5 

1,5 

+ 1,0 

1,6 

+ 0,9 

4 

0,6 

— 

— 

0,6 

,» 

1,8 

1,8 

±0 

1,3 

+ 0,5 

2,6 

2,4 

+ 0,2 

2,0 

+ 0,6 

5 

0,1 

— 

— 

0.1 

,, 

0,9 

1,1 

- 0,2 

0,7 

+ 0,2 

1,5 

1,5 

±0 

1,2 

+ 0,3 

6 

0,3 

— 

— 

0,3 

,, 

1,8 

1,8 

0 

1,3 

+ 0,5 

2,6 

2,5 1 

+ 0,1 

2,4 

+ 0,2 

7 

0,1 

— 

— 

0,1 

», 

1,0 

1,0 

±0 

1,0 

±0 

1,4 

1,4 

±0 

1,8 

- 0,4 

8 

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— 

— 

0,5 

,, 

1,5 

1,5 

±0 

1,3 

+ 0,2 

3,1 

2,1 

+ 1,0 

2,1 

+ 1,0 

9 

1,0 

1.0 

±0 

1.0 

r 

2,4 

1,4 

+ 1,0 

2,0 

+ 0,4 

3,6 

2,0 

+ 1,6 

3,1 

+ 0,5 

10 

0,3 


— 

0,3 

,, 

0,6 

— 

— 

u 

- 0,5 

1,5 

1.5 

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1,9 

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11 

1,0 


— 

1,0 

,, 

2,8 | 

2,8 

±0 

2,5 

+ 0,3 

3,8 

3,9 

- 0,1 

4,0 

- 0,2 

12 

0,5 


— 

0,5 

,, 

1,8 

1,8 

±0 

1.7 

+ 0,1 

3.8 

2,5 

+ 1,3 

2,8 

+ 1,0 

13 

0,4 


— 

0,4 

,, 

1,5 

1,5 

±0 

1,4 

+ 0,1 

2,7 

2,1 

+ 0,6 

2,3 

+ 0,4 

14 

0,5 

_ 

— 

0,5 

,, 

2,3 

2,3 

+ 0 

1,5 

+ 0,8 

3,0 

3,1 

- 0,1 

2,4 

+ 0,6 

15 

1.4 

1.4 

±0 

1,4 

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3,0 

2,0 

+ 1,0 

2,5 

+ 0,5 

3,9 

2,7 

+ 1,2 

3,6 

+ 0,3 

16 

1,3 

1,3 

±0 

1,3 

,, 

2,6 

1,8 

+ 0,8 

2.2 

+ 0,4 

3,5 

2.5 

+ 1,0 

3,2 

+ 0,3 

17 

0,1 


— 

0,1 

„ 

2,3 

2,3 

±0 

1,2 

+ 1.1 

3,8 

3,1 

+ 0,7 

2,3 

+ 1.5 

18 

0.1 



0,1 

,, 

2,3 

2,3 

±0 

U 

+ 1,2 

3,3 

3,1 

+ 0,2 

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0,1 

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— 

0,1 

„ 

1,5 

1,5 

±0 

1,1 

+ 0,4 

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+ 1,4 

2,2 

+ 1,3 

20 

0,3 

— 

— 

0,3 

,, 

1,0 

1.0 

+ 0 

1,3 

- 0,2 

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2,3 

+ 0,3 

21 

0,8 

— 

— 

08 

tt 

1,7 

1,7 

±0 

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- 0,4 

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2,4 

+ 0,2 

3,4 

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1,2 

1,2 

±0 

1,2 

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3,1 

1,7 

+ 1,4 

1 2,2 

+ 0,9 

3,8 

2,4 

+ 1,4 

3,2 

+ 0,5 

23 

0,3 

— 

— 

0,3 

,, 

0,8 

— 

— 

1 1.1 

- 0,3 

2,0 

2,0 

±0 

1,9 

+ 0,1 

24 

0,5 

— 

— 

■ 0,5 

,, 

1,6 

1,6 

±0 

1,5 

+ 0,1 

3,0 

2,2 

+ 0,8 

2,4 

+ 0,6 

25 

0,8 

1 — 

— 

0,8 

,, 

1,8 

1,8 

±0 

1,9 

- 0,1 

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3,0 

+ 0,3 

26 

i ,4 

1,4 

±0 

1,4 


2,8 

2,0 

+ 0,8 

2,2 

+ 0,6 

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2,7 

+ 1,4 

3,0 

+ 1,1 

27 

1,1 

j 1,1 

±0 

1,1 

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2.1 

1,6 

+ 0,5 

2,1 

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3,4 

2,2 

+ 1,2 

3,2 

+ 0,2 

28 

1,2 

1,2 

±0 

1,2 

1 M 

2,1 

1,7 

+ 0,4 

2,5 

- 0,4 

3,0 

2,4 

+ 0,6 

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- 0,7 

29 

1 i,o 

1,0 

±0 

1,0 

,, 

1,9 

1,4 

+ 0,5 

1,9 

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3,1 

2,0 

+ 1,1 

I 2,9 

+ 0,2 

30 

0,1 

— 

— 

1 0,1 

,, 

1,9 

1,9 

±0 

1,3 

+ 0,6 

3,5 

2,6 

+ 0.9 

2,6 

+ 0,9 

31 

0.8 

, — 

— 

0,8 

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2,0 

2,0 

±0 

1,5 

+ 0,5 

2,6 

2,7 

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2,1 

+ 0,5 

32 

0,5 


— 

0,5 

tt 

2,0 

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±0 

1,8 

+ 0,2 

3,5 

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+ 0,7 

3,2 

-t 0,3 

33 

0.4 

— 

— 

0,4 

,, 

1,9 

1,9 

±0 

1,7 

+ 0,2 

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2,7 

+ 0,3 

3,0 

+ 0 

34 

0,6 

_ 

— 

0,6 

,, 

1,5 

1,5 

±0 

1,7 

- 0,2 

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0,8 

1 — 

— 

0,8 

tt 

1,6 

1,6 

±0 

2,0 

- 0,4 

3,6 

2,2 

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36 

1,1 

1,1 

±0 

1,1 

” 

1,7 

1,5 

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2,1 

- 0,4 

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37 

1,4 

1,4 

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i ,4 

,, 

2,0 

2,0 

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2,2 

- 0,2 

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+ 0,3 

38 

0,4 


— 

0,4 

tt 

0,9 

1,1 

- 0,2 

1,1 

- 0,2 

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1,6 

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— 

0,5 

tt 

1,0 

1,0 

±0 

1,1 

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1,5 

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- 0,1 

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| 0,5 

— 

— 

0,5 

tt 

0,8 

1,1 

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- 0,2 

1,5 

1.5 

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1,6 

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0,3 


— 

0,3 

„ 

0,1 

— 

— 

1,0 

- 0,9 

1,0 

1,0 

±0 

1.7 

- 0,7 

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0,4 

— 

— 

0,4 

,, 

1,0 

1,0 

±0 

1,2 

- 0,2 

1,9 

1,4 

+ 0,5 

2,1 

- 0,2 

Mittel 

0,60 

| — 

' — 

0,60 

±0 

1,67 

! 1,67 

±0 

1,59 

+ 0,08 

2,83 

2.32 

+ 0,51 

2,58 + 0,25 


Difitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 





11] Die Übereinstimmung zwischen dem Vorhalten verdünnter Säuren etc. 95 


(Gruppe 2). 




5 °/o 





10 °/o 


25 °/o 

64 % 

a 

b 

0 

d 

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a 

b 

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a 

b 

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* 

e 

a 

b 

c 

d 

e 

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I 

3,2 

+ 0,3 

3,8 

- 0.3 

4.6 

4,4 

+ 0,2 

4,9 

- 0,3 

5,6 

6,1 

- 0.5 

6,4 

- 0,8 

7,9 

!~ 

7 , 9j±0 

7,9 

-0 

4,3 

3,8 

+ 0.5 

4,5 

- 0,2 

5,0 

5,2 

0,2 

5,8 

- 0,8 

6,0 

7,3 

- 1,3 

7,6 

- 1,6 

9,4 

9.4 


9,4 

»* 

3,8 

2,3 

+ 1.5 

2,7 

+ 0.9 

4,2 

3,2 

+ 1,0 

3,4 

+ 0,8 

4,1 

4,4 

- 0,3 

4,5 

- 0,4 

5,5 

5,5 

»• 

5,5 

»t 

3,4 

3,4 

1+0 

2,9 

+ 0,5 

3,9 

4,2 

- 0,3 

3,6 

+ 0,3 

4,5 

4,9 

- 0,4 

4,5 

+ 0 

5,4 

5,4 

»* 

5,4 

»* 

2,1 

2,2 

- 0,1 

2,0 

+ 0,1 

2,3 

2,8 

- 0,5 

2,6 

- 0,3 

2,9 

3,6 

- 0,7 

3,3 

- 0,4 

4,1 

4,1 


4,1 


3,9 

3,7 

+ 0,2 

3,7 

+ 0,2 

4,9 

4,8 

+ 0,1 

4,7 

+ 0.2 

5,9 

6,3 

0,4 

6,1 

“ 0.2 

7,5 

7,5 


7,5 


3,1 

2,2 

+ 0,9 

3,0 

+ 0,1 

4,3 

8,0 

+ 1,3 

3,8 

+ 0,5 

4.9 

4.4 

+ 0.5 

4,9 

+ 0 

6,1 

6,1 


6,1 

tt 

3,6 

3.1 

+ 0,5 

3,2 

+ 0,4 

4.3 

4,0 

+ 0,3 

4,0 

+ 0,3 

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5,2 

+ 0.2 

5,0 

+ 0.4 

6,1 

6,1 


6,1 


4,3 

3,1 

+ 1,2 

4,5 

- 0,2 

5,2 

4,2 

+ 1.0 

5,5 

- 0,8 

6,7 

6,1 

+ 0,6 

6.9 

- 0,2 

8,3 

8,3 


8,3 

tt 

2,3 

2,3 

+ 0 

3,0 

- 0,7 

3,5 

3.1 

+ 0,4 

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- 0,3 

4,6 

4,5 

+ 0,1 

4.8 

- 0,2 

5.9 

5,9 

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5,9 

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6.0 

- 0,1 

9,0 

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+ 1,5 

7,5 

+ 1,5 

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9,8 

- 0,8 

9,5 

- 0,5 

11,5 11,5 

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9,5 

tt 

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+ 1,3 

4,3 

+ 0.8 

5.9 

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+ 0,8 

5,5 

+ 0,4 

7,4 

6,0 

+ 1,4 

7,0 

+ 0,4 

8,6 

8.6 


8,6 

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3,4 

3,2 

+ 0,2 

3,6 

- 0,2 

4,5 

4,2 

+ 0,8 

4,6 

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5.8 

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7,2 

7,2 


7,2 

tt 

3,6 

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- 0.1 

4,7 

5,4 

- 0,7 

4,6 

+ 0,1 

6.3 

65 

- 0,2 

5,9 

+ 0.4 

7,2 

7,2 

>1 

7,2 

f « 

5,0 

4,2 

+ 0,8 

5,1 

- 0,1 

6,4 

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+ 0,9 

6,2 

+ 0,2 

7,8 

7,5 

+ 0,3 

7,7 

+ 0,1 

9,2 

9,2 

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9,2 


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3,8 

+ 0,4 

4,4 

- 0,2 

5,3 

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+ 0,3 

5,3 

+ 0 

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6,5 

- 0,3 

6,5 

- 0,3 

7,8 

7,8 

*» 

7,8 


4,6 

4,5 

+ 0,1 

3,8 

+ 0,8 

5,6 

5,7 

- 0,1 

4,9 

+ 0,7 

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- 0,8 

6,4 

- 0,2 

7,9 

7,9 

” 

7,9 


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- 0,5 

3,4 

+ 0,5 

4,9 

5,4 

- 0,5 

4,4 

+ 0,5 

5,6 

6,4 

- 0,8 

5,7 

- 0,1 

7,1 

7,1 


7.1 

tt 

3,8 

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+ 0,6 

3,6 

+ 0,2 

4,8 

4,8 

+ 0,5 

4,6 

+ 0,2 

6,8 

5,9 

+ 0,9 

6,0 

+ 0,8 

7,4 

7,4 


7.8 

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3,7 

2,2 

+ 1,5 

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±0 

4,8 

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+ 1,7 

4,7 

+ 0,1 

6,2 

4,8 

+ 1,4 

6,0 

+ 0,2 

7,4 

7,4 

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7,4 

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5,1 

+ 0,4 

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7,4 

+ 0,6 

8,1 

- 0.1 

9,9 

9.9 


9,9 

tt 

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+ 1,7 

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+ 0,7 

6,0 

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5,6 

+ 0,4 

7,2 

6,6 

+ 0,6 

6,9 

- 0,3 

8,3 

8.3 


8,3 

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3,2 

3,0 

+ 0,2 

3,0 

+ 0,2 

3,9 

3,9 

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3.8 

+ 0,1 

5,0 

5,1 

- 0,1 

4,9 

+ 0.2 

6,0 

6,0 


6,0 » 

4,8 

3,4 

+ 0,9 

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+ 0,6 

5,6 

4,4 

+ 0.8 

4,6 

+ 1,0 

6,2 

5,9 

+ 0.3 

5,9 

+ 0,3 

7,2 

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+ 0,9 

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+ 0,2 

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+ 0,3 

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- 0,2 

6,8 

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- 0,1 

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8,5 

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tt 

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+ 1,5 

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+ 1,5 

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7,2 

tt 

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+ 1,0 

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8,3 


8,3 


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3,7 

+ 0,7 

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+ 2,2 

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+ 0,7 

9.0 

7,4 

+ 1,6 

8,3 

+ 0,7 

10,0 

10,0 


10,0 


4,6 

3,0 

+ 1,6 

4, 1 

+ 0,5 

5,4 

4,1 

+ 1,3 

5,0 

+ 0,4 

6,5 

5,8 

+ 0,7 

6,2 

+ 0,3 

7,5 

7.5 


7,5 


5,0 

4,0 

+ 1,0 

4,2 

+ 0,8 

5.5 

5,3 

+ 0,2 

5,5 

+ 0 

7,0 

7,2 

- 0 , 2 ; 7,1 

- 0,1 

8,8 

8.8 


8,8 


3.2 

3.7 

- 0,5 

i 3,0 

+ 0,2 

4,1 

4,4 

- 0,3 

3,7 

+ 0,4 

4,6 

5,1 

- 0,5 

4,6 

±0 

5,5 

5.5 

1 ” 

5,5 


4,6 

4,8 

+ 0.8 

5,0 

0,4 

5,8 

5,7 

+ 0,1 

6.3 

- 0,5 

7,9 

7,9 

+ 0 

8,1 

- 0,2 

9,9 

9 , 9 ! „ 

9,9 

.. 

4,3 

4,1 

+ 0,2 

4,7 

0,4 

5,7 

5,4 

+ 0,3 

6,0 

- 0,3 

7,7 

7,5 

+ 0.2 

7,7 

±0 

9,4 

9,4 


9,4 


5,1 

3,2 

+ 1,9 

4,1 

+ 1,0 

6,2 

4,4 

+ 1,8 

5,2 

+ 1,0 

7,1 

6,2 

+ 0,9 

6,6 

+ 0,5 

8,0 

8,0 


8,0 


5.2 

3,5 

+ 1,7 

4,6 

+ 0,6 

5,8 

4,7 

+ 1,1 

5,8 

+ 0 

7,5 

6,8 

+ 0,7 

7.3 

+ 0,2 

8,9 

8,9 


8,9 


4.0 

3,3 

+ 0,7 

4,3 

- 0,3 

5,2 

4,4 

+ 0,8 

5,2 

±0 

6.4 

6,2 | 

+ 0,2 

6,5 

- 0.1 

7,8 

7,8 


7,8 

tt 

4,3 

3,9 

+ 0,4 

4,1 

+ 0,2 

5,3 

4,9 

+ 0,4 

4,9 

+ 0,4 

6,5 

6,2 | 

+ 0,3 

5,9 

+ 0.6 

ES 

7,0 

>1 

7.0 

tt 

2,8 

2,4 

- 0,1 

2,9 

- 0,6 

3,4 

3,3 

+ 0.1 

3,6 

- 0,2 

4,2 

4,5 

- 0,3 

4,6 

- 0,4 

5,6 

5,6 

»» 

5,6 

•t 

2,0 

2,1 

“ 0,1 

2,4 

- 0,4 

2,8 

2,8 

+ 0 

3,0 

- 0,2 

8,8 

3,7 | 

+ 0,1 

3,7 

+ 0,1 

4,5 

4,5 


4,5 

tt 

2,2 

2.2 

±0 

2,8 

- 0,1 

2,8 

2,9 

- 0,1 

2,8 

+ 0 

3,5 

3 , 7 ! 

- 0,2 

3,6 

- 0,1 

4,3 

4,3 

*» 

4,3 

tt 

2,1 

1,6 

+ 0,5 

2,7 

- 0,6 

3,0 

2,2 

+ 0,8 

3,4 

- 0,4 

4,0 

3,4 1 

+ 0,6 

4,8 

- 0,3 

5,3 

5,3 


5,3 

tt 

3,0 

2,2 

+ 0,81 

3.2 

- 0,2 

4,0 

3,0 

+ 1,0 

4,0 

+ 0 

5,4 

4,5 I 

+ 0,9 

5,1 

+ 0,3 

6,2 

6,2 


6,2 

tt 

3,92 

3 , 50j + 0 , 42 |' 3 , 88j + 0,04 

4 , 9914 , 62j + 0 , 3714,91 j + 0,08 

6 , 11 ) 6,20 

- 0 , 096,19 

00 

0 

0 

1 

7,54 7,54 

+ 7 , 54^0 


Digitized by Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 









96 I . Holmgren . [12 

Tabelle 3 


Nr . 

l°/o 

2 0/ o 

5 °/o 

a 

b 


d 

e 

a 

b 

c 

d 

e 

a 

Ai 

c 1 

d 

e 

1 

0,1 



0,1 

±0 

0,6 


— 

0,8 

-0,2 

1,9 

1,9 

±0 

1,8 

+0,1 

2 

0,3 j 

— 

— 

0,3 

,, 

1,6 

1,6 

±0 

1,4 

+0,2 

2,6 

2,5 

+0,1 

2,9 

- 0,3 

3 

0,1 

— 


0,1 

», 

1,0 

1,0 

±0 

1,0 

±0* 

2,5 

1,6 

+ 0,9 

2,1 

+ 0,4 

4 

0,9 

— 

— 

0.9 


1,9 

1,9 

±0 

U 

+0,2 

3,0 

2,9 | 

+0,1 

2.8 j 

+0,2 

5 

0,6 


— 

0,6 

„ 

1,6 

1,6 

±0 

1,6 

+ 0 

3.6 

2,5 

+1,1 

3,0 

+0,6 

6 

0.5 

— 

— 

0.5 

»» 

1,7 

1,7 

±0 

1,3 

+ 0,4 

2,7 

2,6 

+0.1 

2,4 1 

+ 0.3 

7 

.,0 

1,0 

±0 

1,0 

„ 

1,8 

1,4 

+ 0,4 

1,8 

±0 

3,0 

2.2 

+0,8 

2,9 ! 

+0,1 

8 

1.5 

1,5 

±0 

1,5 


3,0 

2.1 

+ 0,9 

2,6 

+ 0.4 

4,5 

3,2 

+ 1,3 

4,0 

+ 0,5 

9 

0,3 

_ 

— 

0,3 

i' 

1,3 

1,3 

±0 

1,3 

±0 

2,6 

2.0 

+0,6 

2,5 

+0,1 

10 

0,1 

— 

- 

0,1 

»» 

1,4 

1,4 

±0 

0,9 

+ 0,5 

2,4 

2,1 

+ 0,3 

2,0 

+ 0,4 

11 

1,3 

1,3 

±0 

1,3 

i, 

2,5 

1,8 

+ 0,7 

2,3 

+0,2 

3,8 

2,8 

+1,0 

3,5 

+ 0,3 

12 

0,9 

— 

— 

0,9 

»» 

1,9 

1,9 

+ 0 

1,9 

±0 

3,5 

2,9 

+0,6 

3,2 

+ 0,3 

13 

0,1 

— 

— 

0,1 

»» 

1,5 

1,5 

±0 

1,0 

+ 0,5 

2,7 

2,3 

+ 0,4 

2,2 

+ 0,5 

14 

1,4 

1,4 

±0 

1,4 

,» 

3,3 

2,0 

+ 1,3 

2,4 

+ 0,9 

4,3 

3,0 

+ 1,3 

3,6 

+ 0,7 

15 

0,1 

— 

— 

0,1 

>• 

1,4 

1,4 

+ 0 

1,1 

+ 0,3 

2,8 

2,2 

+0,6 

2,4 

+ 0,4 

16 

0,8 

— 


0,8 

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2,7 

2,7 

±0 

2,1 

+0,6 

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4,0 

+0,2 

3,7 

+ 0,5 

17 

1,1 

1,1 

±0 

1,1 

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1,8 

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2,1 

- 0,3 

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3,4 

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18 

0,9 

— 

— 

0,9 

tt 

2,8 

2,8 

±0 

2,4 

+ 0,4 

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+ 0,3 

4,5 

+0,1 

19 

1,3 

1,3 

±0 

1,3 

V 

2,4 

1,8 

+0,6 

2,2 

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3,4 

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20 

1,1 

1,1 

±0 

1,1 

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j 1,5 

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1,9 

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3,0 

+ 0 

21 

0,3 

— 

— 

0,3 

11 

1,0 

1,0 

±0 

0,7 

+ 0,3 

1.4 

1,5 

-o,i 

1,2 

+03 

22 

0,4 

— 

- 

0,4 

11 

1,2 

1,2 

+ 0 

1,5 

- 0,3 

2,4 

1,9 

+ 0,5 

2,8 

- 0,4 

Mittel 

0,69 



0,69 

±0 

1,84 

1,84 

1 ±0 

1,64 

+0,20 

3,10 

2,80 

+ 0,30 

2,89 

+0,21 


Difitized by Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 






13J Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 07 


(Gruppe 3). 


10°/o 

25 ° o 

64 0 o 

a 

b 

C 

, 

d 

e 

a 

b 

C 

d 

e 

a 

b 

c 

d 

e 

2,9 

2,5 

+ 0,4 

2,5 

+ 0,4 

3,6 

3,5 

+ 0,1 

3,4 

+ 0,2 

4,4 

4 4 

+ 0 

4,4 

+ 0 

3,8 

3,4 

+ 0,4 

4,0 

- 0,2 

5,3 

5,0 

+ 0,3 

5,4 

-0,1 

6,9 

6,9 

»• 

6,9 

»» 

3,9 

2,2 

+ 1,7 

3,0 

+ 0,9 

4,2 

3,5 

+ 0,7 

4,1 

+ 0,1 

5,3 

5,3 

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6,7 

6,7 

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4,4 

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5,5 

5,5 

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5,9 

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6,0 

6,0 

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„ 6,0 , „ 

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2,9 

+ 0,5 

2,9 

+ 0,5 

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4,0 

+ 0,4 

4,0 

+ 0,4 

5,1 

5,1 


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7,0 

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5,5 

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4,3 

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5,5 

5,5 


5,5 

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6,1 

6,1 


6,1 


5,3 

1 

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+ 0 

5,0 

+ 0,3 

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7,0 

+ 0,2 

6,7 

+ 0,5 

8,4 

8,4 

„ 8,4 


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- 0,5 

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7,0 

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+ 0,1 

8,0 

+ 0,1 

10,1 

10,1 

„ 10,1 


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4,3 

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5,3 

+ 0,3 

5,6 

+ 0 

6,8 

6,8 

„ i 6,8 

M 

4,2 

3,2 

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+ 0,4 

5,2 

4,6 

+ 0,6 , 

4,9 

+ 0,3 

6,0 

6,0 

„ 6,0 

1 

M 

1,8 

1,8 

+ 0 

1,6 

+ 0,2 

2,3 

2,3 

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2,1 

+ 0,2 

2,6 

2,6 

„ j 2,6 


3,4 

2,7 

+ 0,7 

3,9 

- 0,5 

4,8 

4,2 

+ 0,6 

5,3 

- 0,5 

6,7 

6,7 „ 

6,7 

>» 

4,03 

3,73 

+ 0,30 

CO 

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+ 0,20 

5,23 

5,10 

+ 0,13 

l 

5,08 ' 

i 

+ 0,15 

6,36 

6,36 

+ 0 

6,36 

+ 0 

1 

1 

, 

Beiträge zur 1 

tlinik 

3er Tube 

rkulos* 

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>. Bd. 

XXV. H. 

i 

l. 




7 



Digitized by Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 















Digitized by 


98 


l. Holmgren. 


[14 




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UNIVERSITY OF MINNESOTA 








15] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 99 


Auf dieselbe Weise berechnet man die Werte für die übrigen 
Prozentgehalte. Die ganze Serie erhält folgendes Aussehen: 


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7,54 


Nach denselben Prinzipien habe ich mir berechnete Werte ent¬ 
sprechend allen den von Ellermann und Erlandsen empirisch ge¬ 
fundenen, die 1 mm übersteigen und ihren Gruppen 1—4 angehören, 
verschafft. Die Gruppen 5—7 habe ich nicht berücksichtigt, da in 
diesen die Anzahl der Zwischenglieder zwischen den äussersten Werten 
unzureichend ist. Bei Festhalten an dem obenerwähnten Prinzip, die 
Werte kleiner als 1 mm zu verwerfen, erhält man nämlich über¬ 
haupt keine Zwischenglieder in den Gruppen 6 und 7 und nur eine 
in Gruppe 5. 

Die Resultate der Berechnungen habe ich in den vorstehenden 
Tabellen (Tab. 1—4) zusammengestellt. Ellermann und Erlandsens 
Gruppeneinteilung der Patienten ist in denselben unverändert bei¬ 
behalten worden. Jede horizontale Reihe entspricht einer Versuchs¬ 
person. Diese kommen in derselben Reihenfolge wie in Ellermanns 
und Erlandsens Tabellen vor. Ihre Reihenfolgenummer innerhalb 
der Gruppen findet sich ganz links in jeder horizontalen Reihe 
angegeben. Die Werte in den senkrechten Spalten bezeichnen unter 

a) die von Ellermann und Erlandsen empirisch gefun¬ 
denen Masse; 

b) die mit Hilfe meiner Formeln für die Ausbreitung von Säuren 
in Löschpapier berechneten Werte; 

c) den Betrag, um welchen die empirisch gefundenen Werte die 
von mir berechneten übersteigen (-[-) oder untersteigen (—); 

d) die nach der von Ellermann und Erlandsen angegebenen 
Gesetzmässigkeit für die Tuberkulinpapeln berechneten 
Masse (betreffs dieser Gesetzmässigkeit siehe unten); 

e) den Betrag, um welchen die empirisch gefundenen Werte 
die unter d) berechneten übersteigen (-{-) oder unter¬ 
steigen (—). 

Zu unterst in jeder Tabelle kommt eine horizontale Reihe be¬ 
zeichnet mit M (Mittel) vor. Die Werte in dieser Reihe, die in der 
a-Spalte stehen, sind die direkten Durchschnittszahlen aus den 
a-Werten der ganzen Tabelle. Die übrigen Werte in der M-Reihe 
sind dagegen nicht die direkten Durchschnittszahlen aus den obigen 
Spalten, sondern aus den eigenen a-Werten der M-Reihe auf dieselbe 
Weise berechnet, wie es für die übrigen horizontalen Reihen ge¬ 
schehen ist. 

7 * 


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100 I. Holmuren. [IG 

IV. Die Resultate der Berechnung mittelst Gleichung (5). 

A. Die individuellen Werte. 

Prüfen wir diese Tabellen, so finden wir eine bemerkenswerte 
Übereinstimmung zwischen den beobachteten Werten (a-Spalten) und 
den mittelst meiner Formeln auf die oben beschriebene Weise be¬ 
rechneten (b-Spalten). In gewissen Fällen fallen die berechneten Werte 
sogar so gut wie vollständig mit den direkt gefundenen zusammen. 
So z. B. zeigen Tab. 2, Nr. 1, 31, Tab. 3, Nr. 10, 13, Tab. 4, Nr. 8, 
14, 19 eine grösste Abweichung von 0,5 mm; Tab. 2, Nr. 4, 6, 10, 
Tab. 3, Nr. 1, 2, Tab. 4, Nr. 1, 20 eine grösste Abweichung von 
0,4 mm; Tab. 2, Nr. 33, 38, 40, Tabu 3, Nr. 18, Tab. 4, Nr. 2, 9, 13 
eine grösste Abweichung von 0,3 mm; Tab. 2, Nr. 23, Tab. 3, Nr. 
6, 16, Tab. 4, Nr. 16 eine grösste Abweichung von 0,2 mm; Tab. 2, 
Nr. 39, Tab. 3, Nr. 4, 21, Tab. 4, Nr. 3, 12 eine grösste Abweichung 
von 0,1 mm. 

Dies sind insgesamt 30 von den 94 Fällen der Tabelle. In 
den übrigen 64 sind die grössten Abweichungen grösser als 0,5 mm. 
Die grösste numerische Abweichung zeigt der berechnete Wert für 
die 5°/o-Papel in Tab. 2, Fall 28, wo sie 2,2 mm beträgt. Die 
grösste prozentische Abweichung ist 46,1%, nämlich für die 2°/o-Papel 
in Tab. 2, Fall 20. 

Bei der Beurteilung der Ursache dieser Abweichungen der be¬ 
rechneten Werte von den empirisch gefundenen hat man natürlich die 
Möglichkeit von Unregelmässigkeiten bei diesen letzteren, die auf Ver¬ 
suchsfehler zurückgehen, in Betracht ziehen. Einen Anlass zu solchen 
geben z. B. in reichlicher Menge die oft nicht geringen Unregelmässig¬ 
keiten in der Form der Papeln, wodurch ihre Breite an verschiedenen 
Messungspunkten beträchtlich verschieden sein kann. Ellermann 
und Erlandsen haben diese Fehlerquelle dadurch zu neutralisieren 
versucht, dass sie Messungen an mehreren verschiedenen Punkten 
Vornahmen und den Durchschnittswert anwandten. Eine Anzahl 
Fehlerbestimmungen, die diese Forscher ausgeführt haben, ergaben, 
dass man trotzdem mit einem mittleren Fehler von je nach 
den Umständen 5—40% bei den Zahlen der Tabellen rechnen muss. 

Ist dem so, so ist es klar, dass die gefundenen Werte, in einem 
Koordinatensystem abgetragen, nur in einer Minderzahl von Fällen 
eine Kurve ergeben können, die so frei von Unregelmässigkeiten ist, 
dass sie vollständig oder annähernd vollständig mit der Kurve von 
bestimmter gesetzmässiger Krümmung zusammenfällt, die den graphi¬ 
schen Ausdruck für die aus meinen Formeln sich ergebenden Werte 


Gck igle 


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17] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 101 


darstellt. Die gefundenen Werte müssen vielmehr auf Versuchsfehlern 
beruhende Abweichungen von im Durchschnitt mindestens 5—40% 
von jeder beliebigen einfachen geometrischen Linie, also auch von 
derjenigen aufweisen, die durch Berechnung mittelst meiner Formeln 
hervorgeht. Es ist damit klar, dass ein grösserer oder geringerer 
Teil der mangelhaften Übereinstimmung zwischen den berechneten 
und den direkt beobachteten Werten unbedingt auf zufälligen Fehlern 
bei den letzteren beruhen muss. 



012 5 1 <T 25 64 % 

Fig . 3 . 


Aus dem Obigen geht hervor, dass das Maximum der in den 
Tabellen vorkommenden Abweichungen zwischen den gefundenen und 
berechneten Werten den Durchschnittswert der Versuchsfehler 
unter ungünstigeren Verhältnissen wenig übersteigt. Man kann 
hieraus den sicheren Schluss ziehen, dass die in den Tabellen vor¬ 
kommenden Abweichungen sämtlich innerhalb der Grenzen der Ver¬ 
suchsfehler liegen und hinsichtlich ihrer Grösse sämtlich sich allein 
durch diese erklären Hessen. 

Schon aus der eben angestellten Erörterung über die Grösse der 
Abweichungen zwischen den gefundenen und den mittelst meiner 
Formeln berechneten Werte in den einzelnen Fällen scheint mir völlig 


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102 


I. Holrngren. 


[18 


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deutlich hervorzugehen, dass die Übereinstimmung zwischen den beiden 
Serien von Werten so gross ist, dass sie unzweifelhaft eine nahe 
Übereinstimmung zwischen den Gesetzen, die die Papelbreite regeln, 
und den für die Ausbreitung verdünnter Säuren in Löschpapier von 
mir nach gewiesenen voraussetzt. Indessen darf man aus dem Um¬ 
stande, dass die Differenzen nirgends die Grösse der möglichen Mess¬ 
fehler überschreiten, nicht den Schluss ziehen, dass damit nun be¬ 
wiesen wäre, dass sie ausschliesslich auf solchen oder anderen Ver- 



012 5 10 25 04 u o 


Fig . 4 . 

suchsfehlern beruhten. Man muss natürlich auch die Möglichkeit in 
Betracht ziehen, dass sie zu einem Teil auf einem Mangel an Kongruenz 
zwischen den für die Berechnung angewandten Gleichungen und der 
tatsächlich vorhandenen Gesetzmässigkeit beruhen. Ich komme auf 
diese Frage noch weiter unten zurück. 

Ich will nun mit einigen graphischen Darstellungen das Vorher¬ 
gehende illustrieren. Fig. 3 veranschaulicht die Fälle 33 und 39 aus 
Tab. 2. Längs der Abszisse sind die Prozentgehalte der angewandten 



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19] Die Übereinstimmung zwischen dein Verhalten verdünnter Säuren etc. 1 (6 


Lösungen abgetragen. Die Ordinate bezeichnet die Papelbreite in 
Millimeter. Die beobachteten Werte sind durch kleine Ringe ge¬ 
kennzeichnet. Die nicht gestrichelten Kurven sind durch die ent¬ 
sprechenden, mittelst meiner Formeln berechneten Punkte gezogen. 
In diesen Fällen zeigt sich also die Übereinstimmung zwischen den 
beobachteten und den berechneten Werten so vollständig, wie es nur 
füglich möglich sein kann. Fig. 4 veranschaulicht eine andere Kategorie 
von Fällen (Nr. 11 und 16 aus Tab. 2), wo die Kurve, die durch 
die beobachteten Werte gezogen ist, durch ihre unregelmässige Form 
deutlich markiert, dass die Abweichungen von der berechneten, gleich- 
mässig verlaufenden Kurve auf durch diesen oder jenen Anlass her¬ 
vorgerufenen Versuchsfehlem beruhen. Am schärfsten tritt dies in 
Fall 11 hervor, wo die beobachteten Werte für 10% und 25°/o 
identisch sind. 

B. Die Durchschnittswerte. 

Noch deutlicher als in den einzelnen Versuchen tritt die Über¬ 
einstimmung zwischen berechneten und gefundenen Werten hervor, 
wenn man die zu unterst in jeder Tabelle (Tab. 1—4) vorkommenden 
Durchschnittswerte betrachtet. Die Abweichungen zwischen den aus 
den Formeln berechneten und den direkten Durchschnittswerten 
haben in Tab. 1 ein numerisches Maximum von 0,83 mm (25°/c-Papel) 
und ein prozentisches von 13,22% (10%-Papel). In Tab. 2 findet 
sich sowohl die grösste numerische als die grösste prozentische Ab¬ 
weichung bei dem Wert für die 2%-Papel, nämlich 0,51 mm = 18,0%. 
In Tab. 3 zeigt die 5%-Papel die grösste numerische und prozen¬ 
tische Abweichung, nämlich 0,30 mm = 9,68%. In Tab. 4 haben wir 
die Maximalabweichung bei der 10%-Papel, sie beträgt 0,33 mm = 
12,18%. Wirsehen also, dass in den Durchschnittswerten nicht an¬ 
nähernd so grosse Abweichungen zsvischen den beiden Serien von 
Werten Vorkommen wie in gewissen der Einzelversuche, was noch 
weiter zeigt, dass die grösseren Differenzen regellose Abweichungen 
sind, beruhend auf den zahlreichen Fehlerquellen beim Schätzen der 
Breite der einzelnen Papeln. 

Am anschaulichsten erscheinen die Verhältnisse bei der graphischen 
Darstellung. In Fig. 5 sind sowohl die berechneten als die direkt 
gefundenen Durchschnittswerte aller vier Tabellen eingetragen. Die 
zu den direkt gefundenen Durchschnittswerten gehörigen Kurven sind 
gestrichelt. 

Wir sehen, dass die Kurven von Tab. 2 bis 4 sehr schön 
Zusammengehen, während die Kurven von Tab. 1 eine grössere 
Abweichung voneinander zeigen, doch beträgt, wie erwähnt, ihre 


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21] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 105 


maximale Abweichung nicht mehr als etwas über 13% von der Höhe 
der Ordinate. Zu beachten ist, dass die Kurven von Tab. 1 eine 
weit geringere Zahl Fälle als die übrigen repräsentieren, wie das aus 
den Tabellen hervorgeht. 


V. Vergleich zwischen dem Resultat einer Berechnung nach 
Gleichung (5) und nach dem Weber-Fechnerschen Gesetz. 


A. Bei Ellermanns und Erlandsens Gruppeneinteilung. 


Nach dem sog. Weber-Fechnerschen Gesetz für das Verhältnis 
zwischen der Stärke der Sinnesempfindungen und des hervorrufenden 
Reizes entsprechen gleichgrosse Zunahmen der Intensität der Empfin¬ 
dung nicht gleichgrosse Zunahmen der Reizstärke, sondern gleichgrosse 
relative Zunahmen der Reizstärke. Die Zahl, die die Stärke der 
Empfindung bezeichnet, nimmt also nicht proportional mit der Zahl 
zu, welche die Stärke des Reizes bezeichnet, sondern proportional 
mit dem Logarithmus des letzteren Wertes. Mit anderen Worten, 
die Stärke der Empfindung wächst als eine Differenzenserie, die Stärke 
des Reizes dagegen als eine Quotientenserie. Nun fanden Ellermann 
und Erlandsen bei ihren Untersuchungen, dass dieselbe Gesetzmässig¬ 
keit betreffs der Zunahme der Papelbreite bei verschiedenen Kon¬ 
zentrationen der Tuberkulinlösung beobachtet werden kann, wie fol¬ 
gendes gedachtes Beispiel zeigt. 

1 °/o = 2 mm 
2% = 3 „ 

4% = 4 „ 

8°/o = 5 * 

16°/o = 6 „ usw. 

Die Breite der Papeln kann daher mit Hilfe folgender Gleichung 
berechnet werden, bezüglich deren Ableitung aus dem Weber- 
Fechnerschen Gesetz ich auf das Original (Ellermann und Erland¬ 
sen [3], S. 4) verweise: 


( 7 ) 


do = 


P n Pm 
log m 


• log q. 


log n 

In dieser Formel bezeichnet d q den Zuwachs der Papelbreite 
bei einer Konzentrationszunahme von q mal, m und n sind 2 beliebige 
Tuberkulinkonzentrationen, p m und p n die entsprechenden Papel¬ 
breiten. 

Ausgehend von dem höchsten und dem niedrigsten Werte in 
jeder Versuchsserie, wie die Verfasser das empfehlen, habe ich für 
jede der 94 individuellen Versuchsserien der Tab. 1—4 mit Hilfe 
dieser Formel die zwischenliegenden Werte konstruiert und dasselbe 


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I. Holmgron. 


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106 


[22 


auch bezüglich der Durchschnittswerte getan. Das Resultat findet 
sich in den d-Spalten der genannten Tabellen angegeben. 

Überblickt man dieselben, so findet man, dass auch diese Be¬ 
rechnungsweise Werte liefert, die schön mit den direkt gefundenen 
übereinstimmen. In einer geringeren Anzahl der individuellen Fälle 
stimmen die Werte nicht ebensogut wie die nach meinen Formeln 
berechneten überein, in der überwiegenden Anzahl der Fälle ist 
indessen die Übereinstimmung noch besser. So können wir 53 Fälle 
zählen, in denen die Maximalabweichung 0,5 mm oder weniger be¬ 
trägt, während, wie erwähnt, nur 30 Fälle nach meiner Berechnung 
so kleine Maximalabweichungen zeigten. Die grösste numerische Ab¬ 
weichung findet sich bei der 5%-Papel in Tab. 1, Fall 1, wo sie 
1,9 mm beträgt, also etwas geringer als die numerische Maximalab¬ 
weichung in den b-Spalten. Die prozentischen Abweichungen sind 
dagegen in den d-Spalten weit grösser als in den b-Spalten, nämlich 
im Maximum 120 °/o, für die 5 °/ o-Papel in Tab. 4, Fall 4. Doch ist 
zu beachten, dass die grössten prozentischen Abweichungen sich bei 
den Papelbreiten finden, die weniger als 1,0 mm betragen, und die 
nicht in den b-Spalten berechnet worden sind. 

Wie nach den durchschnittlich geringeren Abweichungen in den 
individuellen Fällen zu erwarten, ergibt auch die Berechnung der 
Durchschnittszahlen bessere Resultate mit Ellermann und Erland- 
sens Formel als mit der meinen. 

Der Übersicht wegen stelle ich hier aus Tab. 1—4 die mittleren 
Abweichungen nach meiner Formel und nach dem Weber-Fechner- 
schen Gesetz, in Millimeter ausgedrückt, also die c- und e-Werte der 
horizontalen M-Linien, zusammen. 


Tabelle 5. 


' 

Die mittleren Abweichungen bei Berechnung 


nach Ekvation ( 5 ) 


nach Ekvation ( 7 ) 


% 

_ 

1 

2 

5 

10 

o- 

2° 

1 

j 

2 

5 

10 

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Tab . 1 

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+ 0,21 

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o 

00 

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CO 

OO 

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1 

+ 0,15 

+ 0,02 

- 0,27 

- 0,39 

- 0,35 

1 

» 2 | 

_ 

+ 0,51 

+ 0,42 

+ 0,37 

1 

o 

© 

© 

+ 0,08 

+ 0,25 

+0,04 

+ 0,08 

- 0,08 

- 3 ! 

— 

— 

+ 0,30 

+ 0,30 

+ 0,13 

— 

+0,20 

+0,21 

+0,20 

+ 0,15 

- 4 ! 

! 

1 

, - 

j 

i 

+ 0,33 

+ 0/22 

— 

— 

i 

o 

© 

CO 

+ 0,15 1 

+ 0,08 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 




23] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 107 

Ein Blick auf diese Tabelle zeigt, dass die Berechnung der 25°/o- 
Papel in Tab. 3 eine etwas geringere Abweichung mit Gleichung (5) als 
mit Gleichung (7) ergibt, dass der Wert der 25%-Papel in Tab. 2 
ungefähr gleichgross nach beiden Berechnungen ist, dass aber in allen 
übrigen Fällen bei Berechnung mittelst Gleichung (7) geringere Diffe¬ 
renzen gegenüber den gefundenen Werten sich ergeben als mittelst 
der Formel (5). 

Es ist also unzweifelhaft, dass die von EHermann und Erland- 
sen gemessenen Papeln bezüglich ihrer Breite im grossen und ganzen 
eine bessere Übereinstimmung mit den Forderungen des Weber- 
Fechnersehen Gesetzes als mit meinen Formeln zeigen. Natürlich 
kann die Konstatierung hiervon nicht die Tatsache erschüttern, die 
oben nachgewiesen worden ist, dass die Gesetzmässigkeit, die bezüglich 
der Breite der Eil ermann und Erland sen sehen Papeln herrscht, 
sich eng an die anschliesst, die bei der Adsorption verdünnter Säuren 
in Löschpapier gilt, und auch nicht die Bedeutsamkeit dieser Tat¬ 
sache vermindern. 

Dagegen scheint man aus dem Umstande, dass sowohl Gleichung 
(5) als Gleichung (7) Werte liefern, die nahe mit den für die Papeln 
empirisch gefunden übereinstimmen, auf eine ziemlich nahe Ver¬ 
wandtschaft zwischen dem Weber-Fechnersehen Gesetz und dem von 
mir für die Ausbreitung verdünnter Säuren in Löschpapier gefundenen 
schliessen zu können. Diese Verwandtschaft wird noch weiter durch 
einen interessanten Umstand bestätigt, der aus Tab. 5 zu ersehen 
ist, dass nämlich die Abweichungen an entsprechenden Punkten 
ausnahmslos dasselbe Vorzeichen (-f- oder —) auf weisen, welche der 
beiden Berechnungsweisen auch zur Anwendung kommen mag. Es 
zeigt dies, dass die logarithmische Kurve, die aus dem Weber- 
Fechnersehen Gesetz hervorgeht, überall auf derselben Seite von 
der empirisch gefundenen Kurve liegt wie die meine. 

Da man aus Fig. 5 ersehen kann, dass in den Kurven, die aus 
den direkten Durchschnittswerten hervorgehen, die auf Versuchsfehlern 
beruhenden Unregelmässigkeiten in den individuellen Kurven praktisch 
genommen eliminiert sind, so scheint daraus zu folgen, dass die Ab¬ 
weichungen der empirisch gefundenen Durchschnittskurven von den 
berechneten nicht nur auf derartigen Versuchsfeldern beruhen können, 
und dass es sich daher auch nicht denken lässt, dass sie in demselben 
Masse fortfallen werden, wie die Durchschnittswerte aus einer grösseren 
Anzahl Versuche hervorgehen. Vielmehr scheint der Umstand, dass 
die Abweichung bei beiden Berechnungsweisen in derselben Richtung 
geschieht, auf eine prinzipielle Inkongruenz gleicher Art zwischen 
den Gleichungen (5) und (7) einerseits und den gefundenen Durcli- 


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Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



108 


I. Holmgren. 


[24 


Difitized by 


schnittswerten andererseits hinzudeuten. Was den Grad dieser Inkon¬ 
gruenz betrifft, so ist sie in beiden Fällen gering, aber doch sichtlich bei 
Berechnung nach Gleichung (7) beträchtlich geringer als bei Berech¬ 
nung nach Gleichung (5). 

Da also die logarithmische Kurve, wo sie nicht mit der aus 
Gleichung (5) berechneten zusammenfällt, überall zwischen dieser und 
der empirisch gefundenen liegt, könnte es als gesichert erscheinen, 
dass das W e be r- Fe chn er sehe Gesetz besser als das von mir für 
verdünnte Säurelösungen gefundene die Verhältnisse bei der Tuber¬ 
kulinreaktion abspiegelt. Dies ist indessen nur ein scheinbar richtiger 
Schluss. Er ist nämlich bewiesen nur für die speziellen Umstände, 
die hier vorliegen, und erhält Allgemeingültigkeit erst unter der 
Voraussetzung, dass Eli ermann und Erlandsens Papelbreiten 
wirklich geeignet sind, in unveränderter Form die herrschende Gesetz¬ 
mässigkeit wiederzugeben. Nun lässt es sich jedoch denken, dass, auch 
wenn die Gleichung (5) einen völlig zureichenden Ausdruck für die 
Gesetzmässigkeit der Tuberkulinreaktion abgäbe, doch infolge der Ver¬ 
suchsanordnungen und der Beschaffenheit der Gruppeneinteilung die 
gefundenen Werte und Durchschnittszahlen nicht in unveränderter Form 
diese Gesetzmässigkeit aufwiesen. Hierdurch könnte eine scheinbare 
Abweichung von Gleichung (5) und eine grössere Annäherung an das 
.Weber-Fechn ersehe Gesetz Zustandekommen. 

In der Tat lassen sich auch sowohl betreffs der Primärwerte als 
der Durchschnittswerte Umstände nachweisen, die geeignet sind, eine 
eventuelle vollständige Übereinstimmung zwischen der Gesetzmässigkeit 
der Tuberkulinreaktion und Gleichung (5) zu verhüllen. Im folgenden 
wird ausserdem gezeigt werden, dass, wenn diese Umstände beseitigt 
werden, eine wesentlich grössere Annäherung zwischen den gefundenen 
und den mittelst Gleichung (5) berechneten Werten beobachtet werden 
kann, und zwar nicht nur absolut, sondern auch relativ im Verhältnis 
zu den mittelst Gleichung (7) berechneten Werten. 

B. Der Einfluss der Form der Impfläsion. 

* Es ist oben bereits erwähnt worden,dassE11 ermann undErlandsen 
nicht in punktförmigen Läsionen, sondern in Ritze geimpft haben. Die 
Bedeutung dieses Umstandes für die Papelbreite haben sie selbst etwas 
erörtert und darauf hingewiesen, dass die Papelbreite für Lösungen 
derselben Konzentration etwas grösser im letzteren Falle ausfallt als 
im ersteren, dass aber, wenn die Ritze eine Länge von mehr als 1 cm 
erreichen, die Breite der Papeln mit grösserer Länge des Ritzes nicht 
zunimmt. Wie es sich hiermit auch verhalten möge, so unterliegt es 
jedenfalls keinem Zweifel, dass die Papel breiter wird bei einem Ritze 


Go gle. 


Original from 

UNIVERSITY OF MHNNE50TA 



25J Die Übereinstimmung zwischen dein Verhalten verdünnter Säuren etc. 109 


als bei einer punktförmigen Läsion. Die Breite der ovalen Papel, die 
um einen Ritz herum entsteht, kann also als die Summe der Papel¬ 
breite für dieselbe Tuberkulinkonzentration bei punktförmiger Läsion 
der Haut und einem Zusatzwert betrachtet werden. Dass dieser Zusatz¬ 
wert mit der Länge des Ritzes innerhalb gewisser Grenzen zunimmt, 
wissen wir, nach welchen Gesetzen dies geschieht, ist aber nicht 
festgestellt. Ebensowenig wissen wir, ob dieser Zusatzwert bei gleich¬ 
grossen Ritzen konstant ist, oder ob er ausserdem in einem Abhängig¬ 
keitsverhältnis von der Stärke der Tuberkulinlösung steht, und 
solchenfalls in welchem. 

Soviel dürfte hiernach klar sein, dass die Verhältnisse nicht so 
einfach für die Beurteilung des Einflusses der Tuberkulinlösung auf 
die Papelbreite liegen, wenn die Impfläsion die Form eines Ritzes 
hat, als wenn sie punktförmig ist. Die Gesetzmässigkeit, die sich in 
dem ersteren Falle betreffs der Breite der Papeln wahrnehmen lässt, 
muss von etwas komplizierterer Natur sein, und es lässt sich kaum 
denken, dass sie mathematisch genau mit der Gesetzmässigkeit zu¬ 
sammenfallen wird, die zur Erscheinung kommt, wenn die Reaktion 
sich von einem einzigen Punkt aus entwickelt. Da der letztere Fall 
die geometrische Voraussetzung für meine Formeln ist, so folgt daraus, 
dass, auch wenn diese vollständig sich mit den Verhältnissen bei der 
Tuberkulinreaktion decken sollten, man jedenfalls eine gewisse Differenz 
zwischen den berechneten Werten und Eli ermann und Erlandsens 
Papelbreiten zu erwarten hat. Ob die im vorhergehenden konstatierte 
Differenz wirklich in grösserem oder geringerem Grade hierauf beruht, ist 
natürlich eine andere Frage, die nicht auf dem Wege der Überlegung 
gelöst werden kann, sondern neue Beobachtungen erfordert. 

C. Verbesserung der berechneten Werte bei Gruppeneinteilung 

nach dem k-Werte. 

Bestimmtere positive Resultate liefert die Prüfung von Eli ermann 
und Erl andens Gruppeneinteilung. Diese gründet sich auf die Sortierung 
der Fälle nach der Lage des Nullpunktes, d.h. mit Rücksicht auf diejenige 
Tuberkulinkonzentration, für welche die Papelbreite in dem speziellen 
Falle bei Ausgehen von den beobachteten Werten nach dem Weber- 
Fechnerschen Gesetz zu 0 mm berechnet werden kann. Diejenigen 
Fälle, in denen der Nullpunkt am niedrigsten liegt, sind zu Gruppe 1 
vereinigt worden, eine andere Reihe von Fällen, in denen der Nullpunkt 
bei etwas höherer Tuberkulinkonzentration liegt, zu Gruppe 2 usw. 
(vgl. Tab. 1—4). 

Verwerten wir nun hier die bei der Adsorption in Löschpapier 
angewandte Betrachtungsweise, so finden wir, dass nach Gleichung (5) 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



110 


I. Hohngrou. 


[26 


Difitized by 


ein solcher für die verschiedenen Fälle verschieden gelegener theo¬ 
retischer Nullpunkt nicht existiert. Da R, wie aus dem Vorhergehenden 
ersichtlich, stets grösser als die beobachteten Papel breiten (r) und 
somit grösser als Null sein muss, und da k, wie aus Gleichung (2) 
und der Diskussion derselben sich ergab, das Mass derjenigen Kon¬ 
zentration der adsorbierbaren Substanz ist, bei welcher 

_—_= 1 

R 2 — r 2 

und demnach natürlich einen positiven Wert darstellt, so folgt daraus, 
dass in Gleichung (5) r erst den Wert Null erreichen kann, wenn 
P = 0. Alle individuellen Fälle haben somit nach dieser Be¬ 
trachtungsweise einen gemeinsamen theoretischen Nullpunkt für die 
Papelbreite, nämlich die Tuberkulinkonzentration Null. Die Lage des 
Nullpunktes gibt daher nach meinen Formeln keinen theoretisch be¬ 
friedigenden Einteilungsgrund für die Fälle ab. Einen solchen gewährt 
dagegen in erster Linie der Wert von k. Setzen wir voraus, dass 
bei der Tuberkulinreaktion Adsorptionsphänomene in der Haut sich 
nach denselben Gesetzen wie denen für Säuren in Löschpapier ab¬ 
spielen, so ist k das Mass für die Kraft, mit welcher die Adsorption 
in jedem einzelnen Falle vor sich geht. Es ist demnach ein Ausdruck 
für die Individualität des Falles. 

Trägt man die Papelbreiten in ein Koordinatensystem ein, in 
welchem die Abszisse die Tuberkulinkonzentration und die Ordinate 
die Papelbreite in Millimeter bezeichnet, wie es oben in Fig. 3—5 
gezeigt worden ist, so muss die Krümmung der Kurve also auf der 
Grösse von k beruhen. Deutlich wird dieses Verhältnis durch Fig. 6 
illustriert. 

Fig. 6 gibt eine graphische Darstellung der mittelst meiner 
Formeln berechneten Werte (der b-Werte) für 4 Fälle der obigen 
Tabellen, nämlich die Fälle 1, 4 und 7 aus Tab. 1 und Fall 29 aus 
Tab. 2. Die Fälle sind so gewählt, dass sie paarweise denselben Wert 
von k aufweisen. Die Fälle 1,1 und 11,29 haben k = 49,28; die 
Fälle 1,4 und 1,7 k = 5,29 bzw. 5,21, demnach nahezu gleichen 
k-Wert. Man sieht sehr schön, wie die Fälle, die denselben Wert 
von k haben, eine Kurve von gleichartiger Krümmung geben, während 
die beiden Paare voneinander beträchtlich verschieden sind. Denkt 
man sich die Kurven als feste Stäbe, die in ihrem linken Endpunkt 
durch ein Gelenk befestigt wären, während das rechte Ende frei wäre 
und ohne Änderung der Krümmung in der Ebene des Papiers ver¬ 
schoben werden könnte, so sieht man, dass man durch eine solche 
Verschiebung die zusammengehörigen Kurven zu mehr oder minder 
vollständigem Zusammenfall bringen könnte, während dies bei den 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



27] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 111 


Kurven, die verschiedenen Paaren angehören, ohne Veränderung der 
Krümmung in keiner Weise möglich ist. Eine gewisse Artverschieden¬ 
heit besteht demnach zwischen den beiden Paaren. Man kann hieraus 
den Schluss ziehet, dass, wenn es sich um Kurven handelt, die nach 
Gleichung (5) gekrümmt sind, nur diejenigen, die denselben Wert von 
k haben, Durchschnittswerte müssen liefern können, die vollständig 
dieselbe Gesetzmässigkeit zeigen wie die Komponenten, aus denen der 



Durchschnittswert hervorgegangen ist, während, wenn man Fälle mit 
verschiedenen Werten von k vereinigt, Durchschnittswerte entstehen, 
die eine artifizielle Gesetzmässigkeit zum Ausdruck bringen, die sich 
mehr oder weniger von derjenigen unterscheidet, die in Gleichung (5) 
formuliert ist, und der die Komponenten je für sich folgen. 

Die Richtigkeit dieser Überlegung lässt sich leicht betreffs der 
in Fig. 5 wiedergegebenen 4 mittelst Gleichung (5) berechneten Kurven 


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112 


. Holmgren. 


[23 


Difitized by 


bestätigen. Nehmen wir also die Durchschnittswerte einerseits zweier 
Fälle mit demselben Wert für k, nämlich 1,1 und 11,29, und anderer¬ 
seits zweier Fälle mit verschiedenen Werten für k, nämlich 1,4 und 
11,29. Von den äussersten Punkten in diesen Serien ton Durchschnitts¬ 
werten ausgehend, berechnen wir nun die zwischenliegenden Werte 
mit Hilfe der Gleichung (5) in derselben Weise, wie es im vorher¬ 
gehenden betreffs der Durchschnittswerte in Tab. 1—4 geschehen ist. 
Die Resultate finden sich in Tab. 6 wiedergegeben. 

Tabelle 6. 


Durchschnittswerte von 


I, 1 und II, 29. 



1, 4 und II, 29. 


0 

0 

Gefunden Berechnet Differenz 

r 

o/o 

Gefunden j Berechnet 

Differenz 

0,5 

1,40 

1,40 

±0 

i' ’ 

| 

0,5 

1,90 

t—■* | 

CO 

° ! 

+ 0 

1 

1,95 

1,97 

-0,02 


1 

2,60 

2,63 

-0,03 

2 

2,75 

2,76 

-0,01 


2 

3,50 

3,57 

t- 

O 

o 

l 

5 

4,25 

4,24 

+0,01 


5 

oo 

o 

5,07 

-0.27 

10 

.... 

0, i ö 

5,74 

+0,01 

i 

10 

5,90 

6,24 

-0,34 

25 

8,10 

8,10 

+ 0 

i 

I 

25 

7,20 

7,51 

-0,31 

64 ! 

10,50 

10,50 

±0 

\ 

64 

8 ,SO 

8,30 

±0 


Wir ersehen aus Tab. 6, dass die Durchschnittswerte, die direkt 
aus den beiden Adsorptionskurven 1 ) 1,1 und 11,29 hervorgehen, aus¬ 
gezeichnet mit den mittelst Gleichung (5) berechneten übereinstimmen, 
während die aus den Fällen 1,4 und 11,29 berechneten Durchschnitts¬ 
werte eine verhältnismässig bedeutende Abweichung von den Forde¬ 
rungen des Gesetzes zeigen. Es ist hiernach klar, dass, sofern die 
auf die Ausbreitung verdünnter Säuren in Löschpapier bezüglichen 
Formeln und die auf diese gegründete Betrachtungsweise- auf die 
Tuberkulinreaktion anwendbar sind, daraus folgen muss, teils dass 
die Durchschnittswerte, die erhalten worden sind, ohne dass die Fälle 
erst nach dem Wert von k sortiert wurden, mehr oder weniger von 

i) Wenn ich in dieser Arbeit von Adsorptionsformel, Adsorptionskurve usw. 
spreche, meine ich damit die Formeln, die ich als bei der Ausbreitung verdünnter 
Säuren in Löschpapier gültig gefunden habe und daraus hervorgehende Kurven, 
ohne Rücksicht darauf, ob sie mit den bekannten Formeln für das Adsorptions- 
gleicbgewicht in Übereinstimmung gebracht werden können oder nicht. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 





29] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhallen verdünnter Säuren etc. 113 

den mittelst Gleichung (5) berechneten abweichen, teils dass dieser 
Umstand seine Erklärung nicht in einer mangelhaften Übereinstimmung 
zwischen Gleichung (5) und den Gesetzen für die Tuberkulinreaktion, 
sondern darin hat, dass die Durchschnittswerte zufolge der Art ihrer 
Entstehung keine richtige Vorstellung von der tatsächlichen Gesetz¬ 
mässigkeit gewähren. 

Nach dieser Betrachtung gehen wir dazu über, zu prüfen, wie der 
Wert von k innerhalb der einzelnen Gruppen verteilt ist, in welche 
Ellermann und Erlandsen das Material einteilen. 

In Tab. 7 finden sich zusammengestellt die Werte von k für 
sämtliche Fälle in Tab. 1—4, entsprechend E11 e r in a n n u. Erlandsens 
Gruppen 1—4. 

Die Tab. 7 zeigt, wie innerhalb der verschiedenen Gruppen der 
Wert von k beträchtlich von einem Fall zum anderen variiert. Hält die 
obige Überlegung stich, so hat man daher Anlass zu erwarten, dass 
bei Neuordnung der Fälle nach dem Werte von k die dann ent¬ 
stehenden neuen Gruppen Durchschnittswerte liefern würden, die 
weniger von denen differierten, die aus einer Berechnung mittelst 
Gleichung (5) hervorgehen, als es die Durchschnittswerte aus Eller¬ 
mann und Erlandsens Gruppen tun. Ich habe untersucht, wie es 


sich hiermit verhält. Ich habe die Fälle nach dem k-Wert in 6 Gruppen 
eingeteilt. Diese Gruppen sind folgende und enthalten folgende Fälle: 


k 0-10: 

Tab. 1, 

Fall 2, 3, 4, 5, 7, 9 

Summe 


Y) 

2, 

r 

4, 31 

= 8 

k 10-20: 

77 

1, 

y> 

6, 10 




2, 

77 

5, 14, 17, 18, 26, 37, 40 



r 

3, 

77 

21 



r> 

4, 

77 

13 

= 11 

k 20—30: 

n 

1. 

77 

8 



77 

2, 

77 

6, 8, 11, 16, 23, 24, 39 



77 

3, 

77 

4, 6, 16 



» 

4, 

77 

8, 16 

= 13 

k 30—50: 

r 

1, 

77 

1 



n 

2, 

77 

1, 2, 3, 12, 13, 15, 19, 22, 25, 29, 
30, 32, 33, 34, 36, 38 



77 

3, 

77 

1, 8, 10, 12, 13, 14, 18. 19 



r> 

4, 

77 

2, 4, 9, 19 

= 29 

k 50—80: 

»• 

2, 

V 

9, 10, 21, 27, 28, 35 



r 

3, 

77 

5, 7, 11, 20 




4, 

77 

12, 18 

— 12 

k 80— cd: 

** 

2, 

77 

7, 20, 41, 42 




3, 

77 

2, 3, 9, 15, 17. 22 



77 

4, 

77 

1, 3, 5, 6, 7, 10, 11. 14. 15, 17, 20 

= 21 


= 94 


Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 8 


Digitized b' 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



114 


I. Hnlmgrcn. 


[30 


Digitized by 


Tabelle 7. 


Gruppe 1 (Tab. 1) 

Gruppe 2 (Tab. 2) 

Gruppe 3 (Tab. 3) 

Gruppe 4 (Tab. 4) 

Nr. 

R 

1 k 

Nr. 

R 

k 

Nr. 

R 

k 

Nr. 

R 

k 

1 

17,96 

49,28 

1 

10,41 

47,17 

1 

5,54 

37,55 

1 

17,09 

859,45 

2 

10,34 

8,79 

2 

12,38 

! 47,07 

2 

10,49 

83,89 

2 

8,25 

49,56 

8 

8,34 

7,39 

3 

6,99 

39,38 

3 

14,94 

443,43 

8 

6,33 

113,45 

4 

9,46 

5,24 

4 

5,78 

9,31 

4 

6,95 

24,78 

4 

4,27 

31,42 

5 

6,14 

5,31 

5 

4,61 

16,88 

5 

9,81 

73,15 

5 

12,64 

262,16 

6 

10,14 

17,30 

6 

8,72 

! 22,45 

6 

6,60 

28,13 

6 

9,35 

189,24 

7 

8,11 

5,21 

7 

9,35 

86,50 

7 

8,67 

74,13 

7 

25,94 

1309,10 

8 

11,28 

24,34 

8 

7,03 

20,95 

8 

10,65 

49,40 

8 

6,04 

29,53 

9 

8,09 

8,57 

9 

12,17 

73,51 

9 

10,21 

121,44 

9 

6,09 

30,98 

10 

12,36 

13,94 

10 

8,08 

56,03 

10 

6,56 

41,93 

10 

9,96 

161,84 




11 

13,30 

21,55 

11 

9,39 

51,18 

11 

12,28 

157,54 

M. 

9,87 

10,75 

12 

10,64 | 

33,93 

12 

8,64 

39,47 

12 

5,58 

60,68 




13 

8,93 

34,44 

13 

7,11 

42,90 

18 

5,38 

16,41 




14 

7,76 

10,39 

14 

9,33 

43,37 

14 

6,33 

113,45 




15 

11,26 

31,83 

15 

9,41 

88,44 

15 

9,96 

161,84 




16 

9,16 

24,34 

16 

9,90 

24,88 

16 

2,31 

21,69 




17 

8,68 

13,24 

17 

11,46 

107,55 

17 

22,28 

818,60 




18 

7,64 

10,02 

18 

12,90 

40,42 

18 

6,10 

77,71 




19 

9,33 

37,66 

19 

8,92 

46,04 

19 

6,00 

44,84 




20 

19,32 

372,37 

20 

8,14 

53,73 

20 

5,96 

172,73 




21 

14,33 

70,02 

21 

2,83 

14,59 







22 

10,45 

37,40 

22 

41,04 

2336,65 

M. 

6,81 

71,68 




23 

6,97 

22,26 










24 

8,64 

28,16 

M. 

7,90 

34,90 







25 

10,45 

32,69 










26 

8,05 

16,03 










27 

11,10 

50,37 










28 

14,73 

74,80 










29 

9,96 

49,28 










30 

10,70 

30,76 










31 

5,81 

7,44 






• 




32 

12,50 

38,09 










33 

11,87 

38,02 










34 

10,65 

49,40 










35 

12,29 

57,97 










36 

9,97 

40,58 










37 

7,77 

14,91 










38 

7,02 

36,46 










39 

5,40 

28,16 










40 

4,91 

19,42 










41 

14,92 

443,41 










42 

9,73 ! 

93,75 








M . 9,06 26,44 


Gck igle 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



31] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 115 


Für eine jede dieser Gruppen habe ich die Durchschnittswerte 
auf dieselbe Weise berechnet wie in den horizontalen M-Reihen in 
Tab. 1—4. Die Resultate sind in Tab. 8 mitgeteilt. Jede horizontale 
Reihe derselben stellt die Durchschnittswerte aus einer der neuen 
Gruppen dar. Der Inhalt der senkrechten Spalten ist mit den Buch¬ 
staben a—e bezeichnet worden, denen dieselbe Geltung zukommt wie 
in Tab. 1—4. 

Was in Tab. 8 zunächst interessiert, sind die Werte der c- und 
e-Spalten, d. h. die Abweichung in Millimeter von den gefundenen 
Durchschnittswerten bei Berechnung nach Gleichung (5) und nach 
Gleichung (7). Um den Überblick über diese Abweichungen zu er¬ 
leichtern, habe ich sie in Tab. 9 zusammengestellt, die in der gleichen 
Weise wie Tab. 5 errichtet ist. 


Tabelle 9. 


1 

| Die mittleren Abweichungen bei Berechnung 

1 

! nach Ekvation (5) ! 

1 

nach Ekvation (7) 

°» 

| i 

2 

5 1 

10 

25 

1 

1 2 

5 

10 

25 

k 0-10 

+0,44 

+0,33 

' -0,23 

i 

-0,58 

-0,79 

+0,35 

+0,33 

+0,08 

-0,07 

-0,31 

10-20 | 

— ! 

+0,27 

+0,07 

-0,07 

-0,17 

— 

+0,16 

+0,05 

+0,08 

+0,10 

20-30 

_ 1 

— 

-0,01 

+0,06 

-0,25 

— 

‘ — 

-0,01 

+0,19 

±0 

30—50 

1 

“ 1 

— 

-0,01 

-0,12 

-0,29 

— 

1 — 

-0,08 

-0,06 

-0,07 

Cn 

O 

1 

oo 

o 

— j 

— 

-0,01 

+0,13 

+0,05 

— 

i 

-0,18 

+0,04 

+0,15 

oo 

o 

1 

8 

1 

— 

1 i 

+0,20 

: 

+0,05 

— 


! “ 

+0,09 

i j 

+0,01 


Ein Vergleich zwischen Tab. 9 und Tab. 5, die also beide einen 
Ausdruck für die Totalsumme des vorhandenen Materials, obwohl auf 
verschiedene Weise gruppiert, abgeben, zeigt sofort, welch bedeutende 
Verbesserung bezüglich der Übereinstimmung zwischen den gefundenen 
durchschnittlichen Papelbreiten (den a-Werten) und den nach Gleichung 
(5) berechneten (den b-Werten) durch Gruppierung nach dem k-Werte 
erreicht worden ist. Ausser in bezug auf k 0—10, wo die Ab¬ 
weichungen ungefähr dieselben wie in der entsprechenden Reihe in 
Tab. 5 sind, kann man sagen, dass fast alle Abweichungen ganz un¬ 
bedeutend sind. 

8 * 


Digitized b' 


Google 


Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 



116 


I. Holmgrcn. 


[32 


Ta- 


Durchschnittswerte bei Grup- 


k 

0,5 °/o 



1 °/o 




2 0 o 



a 

b 

c 1 

d ! 

0 

a 

b i 

c 

d e 

* 1 

b 

c 

d e 

0—10 i 

| li85 ! 

1,85 

±0 

1,85 

±0 

2,99 

2,55 

+0,44 

2,64 +0,35 

3,75 

3,42 

+0,33 

3,42 +0,33 

10-20 



— 


1 

1,82 

1,82 

+ 0 

1,82 ±0 

2,77 

' 2,50 

+0,27 

2,61 +0,16 

20—30 

— 

— 

— 

— 


— 

— 


— — 

2,39 

2,39 

+ 0 

2,39 +0 

o 

IO 

1 

3 

- 


— 

— 


— 

— 

— 

— — 

2,54 

2,54 

+ 0 

2,54 ±0 

50—80 

— 

— 

— 

— 

( — 

— 




2,22 

2,22 

±0 

, 2,22 ± 0 

00 

o 

1 

8 

' — 

— 

— 

— 

— 

— 


j — 

— i — 

1,08 





Auch die Abweichungen für die mittelst Gleichung (7) berechneten 
Werte sind in Tab. 9 beträchtlich geringer als in Tab. 5. Betreffs 
des Grades der Verminderung dieser Abweichungen (der e-Werte) 
nach der Neuordnung der Fälle wie auch betreffs der Grösse der Ver¬ 
änderung der c-Werte und der e-Werte im Verhältnis zuein¬ 
ander liefert dagegen der Vergleich zwischen Tab. 5 und 9 keine 
hinreichenden Anhaltspunkte, was darauf beruht, dass ich in Tab. 2—4, 
infolge der im vorhergehenden berührten Verhältnisse, bei Berechnung 
der Durchschnittswerte mittelst Gleichung (7) nicht als äussersten Punkt 
nach unten denselben Wert wie bei Berechnung mittelst Gleichung (5) 
benutzt habe, was dagegen in Tab. 8 geschehen ist. Infolgedessen 
sind die aus Tab. 1—4 in Tab. 5 zusammengestellten e-Werte nicht 
ebenso geeignet für den hier fraglichen Vergleich wie die e-Werte in 
Tab. 9. Um völlige Gleichförmigkeit herzustellen, habe ich eine neue 
Berechnung der Durchschnittswerte in Tab. 2—4 mit Hilfe von 
Gleichung (7) und mit denselben Grenzpunkten angestellt, wie sie bei 
der Berechnung mittelst Gleichung (5) angewandt worden sind. 

Die Differenzen von den gefundenen Durchschnittswerten, die 
sich hierbei ergeben, sind in Tab. 10 zusammengestellt; sie sind, wie 
man sieht, im Durchschnitt etwas geringer als die ursprünglichen 
e-Werte in Tab. 5, was auf dem geringeren Abstande zwischen den 
Endpunkten der Kurve beruht. 


Difitized by Go de 


Original from 

■WJIVERSITY OPMINNESOTA 






§ 

331 Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 117 
belle 8. 

pierung nach dem k-Werte. 


4,54 4,77 -0,23 4,46 +0,08 5,18*5,76 - 0,58 5,25 -0,07 5,98 6,77 0,79 6,29 —0,31 7,36 7,36 0 7,36+0 8 

i i i 

3.71 3,64 +0,07,3,66 +0,05 4,54 4,61 -0,07 4,46 +0,0!? 5,60 5,77 -0,17 5,50 +0,10 6,58 6,58 hO 6,581+0 11 

| I | | . ' I 

3,52 3,53j —0,0113,53]-0,01 4,584,52 +0,06 4,39 +0,19 5,52!5,77 0,25 5,52 + 0 6,69 6,69 +0 6,69j+0 13 

3,76 3,77 - 0,01 3,84 - 0,08 4,76 4,88 -0,12 4,82 -0,06 6,04 6,33 0,29 6,11 0,07 7,44 7,44 ±0 7,44 =0 29 

‘ . ■ ■ | ! 

3,33 3,34 - 0,01 3,511-0,18 4,52,4,39 +0,13 4,48 + 0,04 5,91 5,86 + 0,05 5,76 +0,15 7,08 7,08 LC 7,08 +0 12 

! ' : i ' l 

2,26 2,26 • 0 2,26 +0 3,26 3,06 +0,20 3,17 +0,09 4,37 4,32 +0,05 4,36 +0,01 5,59 5,59 +0 5,59 =0 21 

~n 


Die beste Vorstellung von dem Einfluss der beiden verschiedenen 
Gruppeneinteilungen auf die Grösse der Abweichungen bei Berechnung 
mittelst der einen oder der anderen Formel erhält man offenbar, 
wenn man die Abweichungen in Prozenten von den gefundenen 


Werten (a-Spalten) berechnet. Ich habe daher eine solche Um¬ 
rechnung der c-Werte aus Tab. 5 und der e-Werte aus Tab. 10 
vorgenommen und die prozentischen Werte in Tab. 11 zusammen¬ 
gestellt. Die prozentische Umrechnung der Tab. 9 findet sich in 
Tab. 12. 


Tabelle 10. 


Tab. 1 
2 

„ 3 

4 


1 2 

+0,15 4-0,02 

4-0,18 


-0,27 

- 0,02 

4-0,06 


10 

25 

-0,39 | 

-0,35 

-0,07 

-0,10 

-0,21 

+0.10 

+0,17 

+ 0,09 


Difitized by Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 


| Anzahl der Fälle 




Digitized by 


118 I. Holmgrcu. [&4 

Tabelle 11. 



Betrachten wir zunächst die prozentischen Abweichungen bei 
Berechnung mittelst Gleichung (5), so finden wir in Übereinstimmung 
mit dem, was aus Tab. 9 und Tab. 5 hervorging, dass diese, wenn 
das Material nach dem k-Wert gruppiert wird, bedeutend geringer 
sind als bei der Ellermann und Er landsensehen Gruppierung. 
Nur in der Gruppe k 0—10 ist die mittlere Abweichung etwas grösser, 
10,60%, als in der damit zunächst vergleichbaren ersten Gruppe in 
Tab. 11, die 9,67% hat. Dabei ist zu beachten, dass die Gruppe 

Tabelle 12. 


Prozentische Umrechnung der Tab. 9. 



c-Werte (Ekvation (5)) 

e-Werte (Ekvation (7)) 

°/o 

1 

2 

5 

10 

25 

Durch¬ 

schnitts¬ 

wert 

1 

2 

5 

10 

25 

Durch¬ 

schnitts¬ 

wert 

k 0-10 

14,72 

OO 

00 

o 

5,07 

11,20 

13,21 

10,60 

1 

11,71 

o 

00 

CO 

1,76 

1,35 

5,18 

5,76 

10—20 

— 

9,75 

1,89 

1,54 

3,04 

4,06 

— 

5,78 

1,35 

1,76 

1,79 

. 

2,67 

20-30 

— ; 

— 

0,28 

1,31 

4,53 

2,04 

— 

— 

0,28 

4,15 

±0 

1,48 

30-50 

— 

— 

0,27 

2,52 

1 4,80 

2,53 

- 

— 

2,13 

1,26 

1,16 

1,52 

50-80 

— 

— 

0,30 

1 

2,88 

0,85 

1,34 


— 

5,41 

0,88 

2,55 

2,95 

CO 

o 

1 

8 


— 

I “ 

6,28 

1,14 

3,71 

— ( 


i 

2,76 

0,23 

1,50 



Durchschnittswert der 
Durchschnittswerte 

4,05 

Durchschnittswert der 
D ur chschn itts w erte 

2,65 



Original from 

UNIVERSITY OF MINNESOTA 







35] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 119 


k o —10 die kleinste von allen ist und nur aus 8 Fällen besteht 
{s. Tab. 8). In allen übrigen k-Gtuppen ist die Differenz zwischen den 
mittelst Gleichung (5) berechneten und den gefundenen Werten be¬ 
deutend geringer als bei der ursprünglichen Gruppierung, und das 
trotzdem mehrere der k-Gruppen aus einer weit geringeren Anzahl 
Fälle bestehen als die Gruppen in 
Tab. 11 (vgl. Tab. 1—4 u. Tab. 8). 

Als Durchschnittswert für die mittlere 
Abweichung der einzelnen Gruppen 
ergibt sich aus Tab. 12 der Wert 
4,05%, während Tab. 11 mehr als 
die doppelte Abweichung, nämlich 
8,72%, zeigt. 

Wenden wir uns nun der Diffe¬ 
renz. bei den mittelst Gleichung (7) 
berechneten Werten zu, so ersehen 
wir aus Tab. 12, dass auch diese 
bei der Gruppierung nach dem k-Wert 
geringer ausfällt. Dieser interessante 
Umstand bildet einen weiteren Hin¬ 
weis auf die bereits oben erwähnte 
Verwandtschaft zwischen dem Web er- 
Fechnerschen Gesetz und der bei 
der Ausbreitung von Säuren in Lösch¬ 
papier herrschenden Gesetzmässig¬ 
keit. In Zusammenhang damit ver¬ 
dient auch Beachtung, dass in Tab. 9 
bis auf einige Ausnahmen die Ab¬ 
weichungen bei beiden Berechnungs¬ 
weisen dasselbe Vorzeichen zeigen, 
also auf derselben Seite von den 
direkt gefundenen Werten liegen, 
ganz in Übereinstimmung mit dem, 
was oben bezüglich des Verhältnisses 
in Tab. 5 erwähnt worden ist. 

Von grossem Interesse ist der 
Vergleich zwischen dem Grade der 

Verbesserung, der für die mittelst Gleichung (5) bzw. Gleichung (7) 
berechneten Werte erreicht worden ist. Für einen solchen Vergleich 
dürfte die prozentische mittlere Abweichung pro Gruppe sich als 
Material am meisten eignen. Die Verhältnisse werden am besten 
durch die graphische Darstellung in Fig. 7 illustriert, wo die Kon- 



X bezeichnet die prozentische mittlere 
Abweichung der mittelst Gleichung (5) 
berechneten Werte. 

O bezeichnet die prozentische mittlere 
Abweich ung der mittelst Gleichung (7) 
berechneten Werte. 

Unter 0 finden sich die Werte bei 
Gruppierung nach dem Nullpunkte, 
unter k nach dem k-Werte. 


Digitized b' 


Google 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 




I. Ilolmuren. 


Digitized by 


120 


133 


vergenz der Kurven veranschaulicht, dass die Verminderung des pro¬ 
zentischen mittleren Fehlers absolut genommen grösser für Gleichung 
(5) ist, und wo aus der Lage des Schnittpunktes oberhalb der Ab¬ 
szisse hervorgeht, dass diese Verminderung auch relativ (d. h. im 
Verhältniss zu der ursprünglichen Grösse des Fehlers) grösser für 
Gleichung (5) ist. 

Die direkt gefundenen Durchschnittswerte der Papelbreiten fallen 
also wesentlich besser mit den aus Gleichung (5) berechneten, sowohl 
absolut als im Verhältnis zu Gleichung (7), zusammen, wenn die Fälle 
in Gruppen nach ihren k-Werten geordnet werden, als wenn innerhalb 
jeder Gruppe Fälle mit grösseren Abweichungen zwischen den k-Werten 
vereinigt werden. Das Resultat besitzt grosses Interesse und zeigt 
zweifellos, dass die Gesetze für die Tuberkulinreaktion sich noch enger 
an Gleichung (5) anschliessen, als wie es anfangs erschien. Da das 
Resultat in ganz derselben Richtung ausgefallen ist, wie es den obigen 
Darlegungen gemäss der Fall sein muss, wenn Durchschnittswerte 
individuellen Kurven entnommen werden, die je für sich nach 
Gleichung (5) gebaut sind, so lässt sich ausserdem sagen, dass auch 
dies für die Richtigkeit jener Voraussetzung spricht. Gegen eine solche 
Annahme spricht in keinem höheren Grade die Tatsache, dass das 
Weber-Fechnersche Gesetz auch nach der Neugruppierung bessere 
Werte als Gleichung (5) ergeben hat. Man muss nämlich in Betracht 
ziehen, dass auch innerhalb der gewählten k-Gruppen eine ziemlich 
grosse Amplitude für Variationen des k-Wertes vorhanden ist. Da 
die Neugruppierung indessen eine schöne Verbesserung, absolute und 
relative, der mittelst Gleichung (5) berechneten Werte herbeigeführt 
hat, so glaube ich mit Fug als wahrscheinlich ansehen zu dürfen, 
dass eine noch genauere Durchführung dieses Einteilungsgrundes mit 
engeren Grenzen zwischen den k-Werten innerhalb jeder Gruppe noch 
weiter die Werte verbessern würde, nicht nur absolut, sondern auch 
im Verhältnis zu den mittelst Gleichung (7) berechneten. Wenn die 
in Fig. 7 illustrierten Verhältnisse als repräsentativ auch für die 
Resultate bei einer fortgesetzten Aufteilung des Materials nach den 
k-Werten angesehen werden können, so würde, sobald der mittlere 
Fehler unter 2,3%, dem Schnittpunkt der Kurven, heruntergebracht 
worden, Gleichung (5) bessere Werte als das Weber-Fechnersche 
Gesetz liefern. Indessen kann das Material nicht weiter zerlegt 
werden, da die Anzahl Fälle zu gering ist und die Gruppen so klein 
ausfallen würden, dass die Durchschnittswerte nicht die auf Versuchs¬ 
fehlern beruhenden Unregelmässigkeiten in den einzelnen Fällen aus- 
gleichen könnten. 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



37] Die Übereinstimmung zwischen dem Veihalten verdünnter Säuren etc. 121. 


D. Prüfung der Primärwerte. 

Ein anderer Umstand von sehr grossem Interesse darf n icht übersehen 
werden. Die individuellen Werte in Ellermann und Erlandsens 
Material sind, wie oben erwähnt, Durchschnittswerte aus verschiedenen 
Messungen an jeder Papel. Diese sind für jede Papel zu zwei ver¬ 
schiedenen Zeitpunkten vorgenommen worden, teils nach 24 Stunden 
und teils nach 48 Stunden. Das Primärmaterial, mit dem wir hier 
arbeiten, d. h. die a-Werte in Tab. 1—4, stellt also Durchschnitts¬ 
zahlen aus 24-Stunden- und 48-Stundenwerten dar. Um die Bedeutung 
hiervon zu beurteilen, können wir uns an die Verhältnisse bei Lösch¬ 
papier halten. Ich erinnere da an die Gleichung 

Co) r = R ÜpTk' 

A^s dieser Gleichung geht hervor, dass eine Änderung des Wertes 
von r für einen und denselben Prozentgehalt der angewandten Flüssig¬ 
keit eine Änderung von R oder k oder beiden voraussetzt. Oben ist 
darauf hingewiesen worden, dass in ein und demselben Löschpapier 
R, d. h. die Grösse des ganzen Flecks, von der Menge und Art der 
zugesetzten Lösung abhängt. Ist die Menge und Beschaffenheit derselben 
unverändert, so kann auch R sich nicht ändern. Eine Änderung von R 
kann unter diesen Voraussetzungen nicht Zustandekommen ohne eine 
Änderung der eigenen Beschaffenheit des Papiers. Eine Änderung der 
Beschaffenheit des Papiers hat aber auch eine Änderung des k-Wertes 
zur Folge. R und k sind demnach im Löschpapier unter den ge¬ 
nannten Voraussetzungen nicht unabhängig voneinander. Eine Ände¬ 
rung des einen Wertes bringt auch eine Änderung des anderen mit sich. 

Lassen sich diese Beobachtungen auf die Tuberkulinreaktion in 
der Haut übertragen, so würde das bedeuten, dass, wenn bei ein und 
demselben Individuum der 24-Stunden- und der 48-Stundenwert 
für denselben Prozentgehalt verschieden sind, gleichzeitig eine Ände¬ 
rung des k-Wertes, also eine Umformung der Krümmung der Kurve 
(siehe Fig. 6), stattgefunden haben muss. Ist das der Fall, so können 
hier ganz dieselben Gesichtspunkte zur Anwendung kommen, die oben 
betreffs der Herstellung von Durchschnittswerten von Kurven mit 
verschiedenen k-Werten, dargelegt worden sind, dass nämlich die 
Durchschnittszahl irreführend für die Auffassung der wirklichen Gesetz¬ 
mässigkeit werden kann. Leider finden sich in der hier diskutierten Arbeit 
von Ellermann und Erlandsen keine Angaben über die Breite von 
24-Stunden- und von 48-Stundenpapeln je für sich. In einer anderen 
Arbeit von Erlandsen (4, S. 421) habe ich dagegen zwei derartige 
Beispiele angeführt gefunden. In dem einen derselben finden sich nur 


Digitized b" 


Google 


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UNIVERSITY OF MINNESOTA 



122 


I. Holmgrcn. 


[38 


Difitized by 


Werte bei 8 und 32% für die 24-Stundenpapeln, weshalb es, da 
Zwischenwerte für die Berechnung fehlen, hier nicht angewandt werden 
kann. Das andere Beispiel gebe ich unverändert in Tab. 13 wieder. 


Tabelle 13. 


Tuberkulin 

Papelbreite 
nach 24 Stunden 

Papelbreite 
nach 48 Stunden 

Mittelwert 
der Papelbreite 

32 °'o 

6,5 mm 

j 7,5 mm 

l 

| 7,0 mm 

8 0 o 

i 

4,5 mm 

6,0 mm 

5,3 mm 

2 °o 

2,8 mm 

4,5 mm 

3,7 mm 

0,5 % 

1,5 mm 

| 2,2 mm 

i 

1,8 mm 


, Berechne ich, ausgehend von den äussersten Werten, sowohl die 
24- als die 48-Stundenpapeln und die Durchschnittswerte nach Gleichung 
(5) und Gleichung (7), so erhalte ich folgendes Resultat (Tab. 14). 

Tabelle 14. 


Berechnete Werte in mm 



nach Gleichung (5) 

j nach Gleichung (7) 


R 

k ]i 0,5 0 o 

2 °/o 

8 °/o 

32 0 o 

0,5 »/o 

2 °/o 

8 °/o 

32 °o 

24 Std. 

7,67 

12,58 jj 1,5 

2,8 

4,8 

6,5 

1,5 

3,2 

4,8 

6,5 

48 Std. 

8,23 

6,49 1 2,2 

4,0 

6,1 

7,5 

2,2 

4,0 

5,7 

7,5 

Mittel 

7,95 

9,25 1 1,8 

|i 

3,4 

5,4 

1 ! 

7,0 

1 

1,8 

8,5 

5,3 

; i 

7,0 


Berechne ich die Differenzen zwischen den Werten in Tab. 14 
und den Werten in Tab. 13, so erhalte ich Tab. 15. 

Diese Tabellen zeigen einige recht interessante Sachen. Zunächst 
sehen wir in Tab. 14, dass wirklich eine bedeutende Verschiebung des 
Wertes von k stattgefunden hat, so dass dieser nach 48 Stunden nur 
etwas mehr als halb so gross ist wie nach 24 Stunden. Aus Tab. 15 
ersehen wir, dass sowohl Berechnung mittelst Gleichung (5) als solche 
mittelst Gleichung (7) Werte ergibt, die schön mit den gefundenen 
übereinstimmen, dass aber die Übereinstimmung sowohl bezüglich der 



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UNIVERSITY OF MINNESOTA 




39] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 123 


24-Stunden- als der 48-Stundenwerte -bedeutend grösser bei Berech¬ 
nung mittelst Gleichung (5) ist als bei Berechnung mittelst Gleichung 
(7). Besonders gilt dies für die 24-Stundenpapeln, wo für Gleichung (5) 
die Summe der Abweichungen in Prozenten der gefundenen Werte 6,7 
ist, gegen 21,0 für Gleichung (7). Da die berechneten Zwischenglieder 2 
sind, nämlich die 2°/o- bzw. 8°/o-Papeln, so beträgt der mittlere Fehler 
die Hälfte, also 3,4°/o bzw. 10,5%. 


Tabelle 15. 


Abweichungen in mm bei Berechnung nach 


Gleichung (5) 


Gleichung (7) 



0,5 0/0 

l 20;# 

1 8 °/o 

32 # /o 1 

i 

Fehler- , 

| summe. 
Prozent 1 

© 

i ** 

_1_° .. 

2 °,o 

8% 

1 

i 

CO 

to 1 

i 

Fehler- 
| summe. 

I Prozent 

24 Std. 

± 0 

±0 

-0,3 

±0 

6,7 0,0 

+ 0 

-0,4 

-0,3 

+ 0 

21,0 °o 

48 Std. 

+ 0 

+ 0,5 

-0,1 

+ 0 

12,8 o/o; 

±0 ' 

+ 0,5 

+ 0,3 

±0 

; 16,1 °:o 

Mittel 

±0 

+ 0,3 

-0,1 

+ 0 

10,0 0 o 1 

±0 

+ 0,2 

1 ±0 ; 

±0 

5,4 % 


Wenden wir uns den Durchschnittswerten zu, so finden wir nun 
das bemerkenswerte Verhältnis, dass trotz der besseren Überein¬ 
stimmung der Primärbeobachtungen mit Gleichung (5) die Durch¬ 
schnittswerte doch weit enger sich an Gleichung (7) anschliessen. 
Dies beweist unbestreitbar, dass durch Vereinigung der Werte von 
24-Stunden- und 48-Stundenpapel her, die jeder für sich näher mit 
der Adsorptionsformel für Löschpapier als mit dem Weber-Fechner- 
schen Gesetz übereinstimmen, Durchschnittswerte entstehen können, 
die das entgegengesetzte Verhältnis zeigen. Die a-Werte in Tab. 
1—4 sind aber eben solche Durchschnittswerte. Das Resultat spricht 
also betreffs der individuellen Werte in ganz derselben Richtung wie 
vorher die Resultate def veränderten Gruppeneinteilung bezüglich der 
Durchschnittswerte und geben einen weiteren Hinweis auf die Mög¬ 
lichkeit, dass die Adsorptionsformel einen genaueren Ausdruck für 
die Gesetzmässigkeit der Tuberkulinreaktion abgibt als das Weber- 
Fechnersehe Gesetz, trotz der durchschnittlich besseren Überein¬ 
stimmung mit dem letzteren, die sowohl die individuellen Werte als 
die Durchschnittswerte zeigen. 


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1*24 


I. llolinumi. 


[40 


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VI. Andere Beispiele der Übereinstimmung zwischen 
Bleichung (5) und der Gesetzmässigkeit der Tuberkulin- 

. reaktion. 

Ich gehe nun dazu über, einige Umstände zu prüfen, die noch 
weiter die Anwendbarkeit der Adsorptionsformel für das Verständnis 
der Verhältnisse bei der Tuberkulinreaktion zeigen. 

Eil ermann und Erlandsen erwähnen es (3, S. 8) als ein 
eigentümliches Verhältnis, dass d 2 , d. h. die Differenz zwischen der 
Breite der entstehenden Papeln bei einer Vermehrung der Konzen¬ 
tration auf das Doppelte, zunimmt, wenn der Nullpunkt sinkt. d 2 
ist also am grössten in ihrer Gruppe 1, die den niedrigsten Nullpunkt 
hat und nimmt in den folgenden Gruppen allmählich ab. 

Im Lichte der Adsorptionsformel stellen sich diese Tatsachen 
folgendermassen dar. Wenn der Nullpunkt niedriger liegt, so hat 
dies offenbar zur Folge, dass schon bei einer niedrigeren Tuberkulin¬ 
konzentration die Papeln eine Breite erreichen, die sie, wenn der 
Nullpunkt höher liegt, erst bei einer höheren Tuberkulinkonzentration 
erreichen. Wenn der Nullpunkt niedriger liegt, ist daher die Papel¬ 
breite bei einer gewissen Konzentration grösser. Nach Gleichung (5) 
kann dies nur dadurch ermöglicht werden, dass R grösser oder k 
kleiner oder beides der Fall ist. Eine Anzahl Fälle, die niedrigeren 
Nullpunkt aufweist, muss daher im Durchschnitt einen höheren 
R-Wert und einen niedigeren k-Wert haben. Wie Tab. 7 zeigt, ist 
dies auch bei den Durchschnittswerten aus Ellermann und Erland¬ 
sen s Gruppen der Fall, indem R am grössten und k am kleinsten in 
Gruppe 1 ist und danach sich das Verhältnis sukzessiv ändert, bis 
es in Gruppe 4 das entgegengesetzte geworden ist. Wird aber k 
kleiner, wenn der Nullpunkt sinkt, so ergibt sich daraus infolge des 
Baues der Formel ohne weiteres, dass die Differenz zwischen den 
Papelbreiten für zwei gegebene Konzentrationen grösser werden muss, 
wenn der Nullpunkt sinkt. Am einfachsten lässt sich dies an einem 
konkreten Beispiel klarmachen. Wir wollen also die Papelbreiten für 
1 bzw. 2% ige Tuberkulinlösung in zwei gedachten Fällen vergleichen, 
von denen wir annehmen, dass bei dem einen R = 5 und k = 20, 
bei dem anderen R = 10 und k = 5 ist. Wir erhalten somit den 
ersten Fall 

r (1 °/ 0 ) = 5 _ [/ I -_, 1 2Ü = 1,09 und 
>’ ( 2 Ü «') = 5]/ / 2 ^ 0 = 1 , 51 . 



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41] Die Übereinstimmung zwischen (lern Verhallen verdünnter Säuren etc. 125 


Der Unterschied zwischen diesen Papelbreiten, der also d 2 reprä¬ 
sentiert, ist gleich 0,42. 

In dem anderen Falle ergibt die entsprechende Rechnung 
r (1 °/o) = 10 "j/—1_ v = 4,08 und 

r (2»/o) = 10 ]/~-3 = 5,85. 


Der Unterschied zwischen den Papelbreiten im zweiten Falle 
ist also gleich 1,27. Wir sehen demnach, dass im letzteren Falle, 
wo R grösser und k kleiner ist, d 2 grösser ist als im ersteren. Der 
von Ellermann und Erlandsen erwähnte Umstand erhält also eine 


einfache Erklärung durch meine Adsorptionsformel. 

Die Adsorptionsformel kann aber bezüglich dieser Sache noch 
weiteren Aufschluss gewähren. Wir haben oben erwähnt, dass bei 
höherer Lage des Nullpunktes die Papeln geringere Breite haben, als 
bei niedrigerer Lage des Nullpunktes für dieselben Tuberkulinkonzen¬ 
trationen. Da, wie soeben gezeigt worden, die Differenz zwischen 
den Papelbreiten für zwei beliebige Tuberkulinkonzentrationen in den 
Durchschnittswerten aus Ellermann und Erlandsens Gruppen 
sinkt, wenn der Nullpunkt steigt, so folgt daraus, dass die Verminderung 
der Papelbreite, die mit dem Steigen des Nullpunktes eintritt, stärker 
die höheren als die niedrigeren Tuberkulinkonzentrationen treffen 
muss. Der Gedanke liegt da nahe, dass dies etwa mit sich bringen 
könnte, dass bei höherer Lage des Nullpunktes die Papelbreiten für 
niedrigere Tuberkulinkonzentrationen relativ grösser im Verhältnis 
zu den Papelbreiten für höhere Tuberkulinkonzentrationen wären, als 
wie sie es sind, wenn der Nullpunkt niedriger liegt. Gleichung (5) 
zeigt uns, dass gerade das Entgegengesetzte der Fall ist. Prüfen wir 
den in Gleichung (5) enthaltenen Faktor 



so finden wir, dass der Einfluss, den k auf die Grösse des Nenners 


und damit auf das Verhältnis zwischen dem Zähler und dem Nenner 


hat, um so grösser sein muss, je kleiner P ist. Eine Vermehrung 
des Wertes von k muss daher eine stärkere Verminderung des Ver¬ 
hältnisses zwischen dem Zähler und dem Nenner, d. h. des Bruches, 
bewirken, wenn P kleiner ist, als wenn P grösser ist. Die Papelbreite 
für eine bestimmte geringere Tuberkulinkonzentration wird also, wenn 
k zunimmt, einen immer kleineren Bruchteil der Papelbreite für 
eine bestimmte grössere Tuberkulinkonzentration ausmachen. Nun 
findet, wie erwähnt, eine derartige Steigerung des k-Wertes im Zu- 


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Original fro-m 

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126 


I. Holtngren. 


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[42 


sammenhang mit dem Steigen des Nullpunktes in Ellermann und 
Erlandsens Gruppendurchschnittswerten statt. Man kann daraus 
den Schluss ziehen, dass in Ellermann und Erlandsens Gruppen 
das prozentische Verhältnis zwischen den Papelbreiten bei niedrigerer 
und bei höherer Tuberkulinkonzentration von Gruppe zu Gruppe im 
Zusammenhang mit dem Steigen des Nullpunktes sinken muss. Um 
zu untersuchen, ob diese Forderung der Formel durch die Beobachtung 
bestätigt wird, habe ich für die Durchschnittswerte in den ver¬ 
schiedenen Gruppen (die a-Werte der M-Linien in Tab. 1—4) ihr 
prozentisches Verhältnis zu der durchschnittlichen Papelbreite bei 
64°/o berechnet. Das Resultat findet sich in Tab. 16 wiedergegeben. 


Tabelle 16. 


Das prozentische Verhältnis der a-Werte der Mittellinien in Tab. 1—4 
zu der durchschnittlichen Papelbreite bei 64 °/o. 


°/o 

0,5 

1 

2 

5 

10 

25 

64 

Tab. 1 

22,78 

35,49 

45,13 

56,52 

66,27 

81,27 

100 

2 

7,96 

22,15 

37,53 

51,99 

66,18 

81,03 

100 

„ 3 

— 

10,85 

28,93 

48,74 

58,65 

82,23 

100 

„ 4 

I 

— 


15,39 

37,18 

57,91 

78,85 

i 

100 


Wir ersehen aus Tab. 16, dass bis auf eine einzige Ausnahme, 
nämlich die 25°/o-Papel in Gruppe 3, die Papeln in jeder senkrechten 
Spalte eine von Gruppe 1 zu Gruppe 4 sinkende Grösse im Ver¬ 
hältnis zu der 64°/o-Papel zeigen. Die direkte Beobachtung bestätigt 
somit in dieser Hinsicht auf glänzende Weise die Voraussage der 
Formel. 

Im Zusammenhang mit der Angabe, dass d zunimmt, wenn der 
Nullpunkt sinkt, bemerken Eil ermann und Erlandsen, dass d 
aus diesem Grunde kaum ein individueller Faktor ist, sondern dass 
der Wert von d im Gegenteil willkürlich zum Steigen gebracht werden 
kann, wenn man durch Sensibilisierung den Nullpunkt senkt. 

Dass die Sensibilisierung eine Steigerung des Wertes von d zur 
Folge haben muss, ergibt sich völlig klar aus dem Vorhergehenden. 
Die Sensibilisierung bewirkt ja, dass die Papelbreite für dieselbe Tu¬ 
berkulinkonzentration grösser ist. Eine solche Veränderung in dem 
individuellen Falle ist nach den Ausführungen auf S. 37 nicht mög- 


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43] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 127 


lieh, ohne dass R wächst und k an Grösse abnimmt. Die Abnahme 
von k hat andererseits, wie oben nachgewiesen, mit mathematischer Not¬ 
wendigkeit eine Zunahme von d zur Folge. Dass E11 e r m a n n und E r - 
landsen bei ihren Versuchen gefunden haben, dass die Sensibilisierung 
eine Steigerung des Wertes von d verursacht, bestätigt daher andererseits 
die Richtigkeit unserer Überlegung auf S. 37. Die Sensibilisierung wird 
also durch zwei Faktoren charakterisiert, die Zunahme der Grösse von 
R und die Abnahme von k in meiner Formel oder eine Senkung des 
Nullpunktes und eine Zunahme des Wertes von d in dem Weber- 
Fechnersehen Gesetz. Von diesen Faktoren bedeuten die Senkung 
des Nullpunktes und die Zunahme von R offenbar beide die Ver¬ 
schiebung der Kurve in eine höhere Lage (vgl. Fig. 6 und Tab. 7), 
während Zunahme von d und Abnahme von k beide eine Umformung 
der Krümmung der Kurve bedeuten. Es ist interessant, diese Über¬ 
einstimmungen zu sehen. Man kann sagen, dass das R und k der Ad¬ 
sorptionsformel in dem Weber-Fechnersehen Gesetz in gewissem 
Grade durch die invertierten Werte des Nullpunktes bzw. d reprä¬ 
sentiert werden. 

Hat nun aber die Sensibilisierung nicht nur die Verschiebung 
der Kurve in eine andere Höhenlage, sondern auch eine Umformung 
derselben zur Folge, so scheint es mir völlig berechtigt zu sagen, dass 
die Sensibilisierung eine Veränderung der Individualität des Falles 
mit sich bringt. Es sind offenbar k bzw. d, die vor allem diesen 
individuellen Faktor repräsentieren. Dass man durch Sensibilisierung 
willkürlich die Grösse von d ändern kann, bedeutet nun meines Er¬ 
achtens nicht, dass d nicht ein individueller Faktor wäre, sondern 
vielmehr dass die Veränderung der Individualität eben zur Natur der 
Sensibilisierung gehört. 

Es kann angebracht sein, daran zu erinnern, dass die Kriterien, 
die oben als kennzeichnend für die Sensibilisierung angeführt worden 
sind, sich auch bei der Veränderung der Papelbreite zwischen 24 
und 48 Stunden, die in Tab. 13 wiedergegeben ist, finden. Auch 
hier sehen wir, dass die Zunahme der Papelbreiten bei den 
48-Stundenpapeln mit einer Zunahme von R und einer Abnahme 
von k in Zusammenhang steht. Der Gedanke dürfte da berechtigt 
sein können, dass der Unterschied zwischen den 24-Stunden- und 
den 48-Stundenpapeln eben der Ausdruck einer vor sich gehenden 
Sensibilisierung ist, im Gegensatz zu der üblichen Auffassung, wo¬ 
nach eine Sensibilisierung nicht so bald nach der Impfung beobachtet 
werden kann. 


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128 


I. Holintrmt. 


[44 


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VIL v. Pirquets quantitative Untersuchungen. 

Auch v. Pirquet hat sich mit quantitativen Untersuchungen 
über die kutane Tuberkulinreaktion beschäftigt. In einer Arbeit vom 
Jahre 1907 (v. Pirquet [19]) gibt er an, dass die Papelbreiten sich 
ungefähr proportional zur Kubikwurzel aus dem Verdünnungskoeffi¬ 
zienten verhalten. In einer späteren Arbeit (21, S. 171) erklärt er 
indessen gefunden zu haben, dass diese Formel sich nicht mit dem 
Prozesse deckt. In dieser letzteren Arbeit hat er (S. 171) unter an¬ 
derem eine Serie Durchschnittswerte für die Papelbreiten nach 24 
Stunden bei verschiedenen Tuberkulinverdünnungen zusammengestellt, 
die für die vorliegende Frage von Interesse sind. Sehe ich hier ab 
von den stärksten Verdünnungen, nämlich V 250 und 7 öl2 > die deut¬ 
lich, wie er auch selbst bemerkt, mit groben Fehlern behaftet sind, 
und der Sicherheit wegen auch von der nächst darüber liegenden 
Verdünnung, nämlich 7 12 *, und berechne ich dann die übrigen mittelst 
Gleichung (5), dabei, wie vorher, von den äussersten Punkten aus¬ 
gehend, so erhalte ich eine Serie Werte, die in Tab. 17 zusammen¬ 
gestellt sind. 


Tabelle 17. 


Verdünnungsgrad Prozentgehalt 

Die Werte 
v. Pirquet’e 

Mittelst Gleichung (5) 
berechnete Werte 


100 

15,4 mm 

1 15,4 mm 

1 •_> 

50 

15,2 

15,0 „ 

1 1 

25 

14,8 „ 

14,4 ,. 

1 3 

12,5 

11,4 , 

13,3 „ 

Vi* 

6,25 

10,4 „ 

11,8 „ 

1 32 

3,13 

9,3 „ 

9,8 „ 

1 04 

1,56 

7,7 „ 

| 7,7 „ 

Tab. 17 zeigt 

die von mir 

berechneten 

Werte und die von 

v. Pirquet direkt 

gefundenen. 

Links findet 

sich der Grad der 


Verdünnung nebst dem entsprechenden Prozentgehalt angegeben. Prüft 
man diese Werte, so findet man, dass die Übereinstimmung trotz der 
grossen Anzahl Zwischenglieder sehr gut ist betreffs der Werte für 
50°/o, 25° 0 und 3,13%, weniger gut dagegen für 12,5 bzw. 6,25°/o. 


Gck igle 


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45] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 129 

Die grösste Abweichung zeigt die 12,5°/o-Papel, nämlich 1,9 mm. 
Dies bedeutet indessen nicht mehr als 16,7 °/o von dem gefundenen 
Werte, was bei Messungen dieser Art nicht als übermässig viel an¬ 
zusehen sein dürfte. Die Übereinstimmung scheint mir daher im 
grossen und ganzen als gut bezeichnet werden zu können. Noch mehr 
tritt dies hervor, wenn man v. Pirquets eigene Auffassung von den 
gefundenen Werten in Betracht zieht. Nach ihm ist es nämlich 
augenfällig, dass der Wert für die Verdünnung 7* zu hoch und der 
Wert für die Verdünnung 1 /ie zu niedrig ist. Vergleicht man diese 
Bemerkung mit meiner Berechnung der Werte, so sieht man, dass 
sie völlig mit dieser übereinstimmt. Betreffs des Wertes für die 
Verdünnung 1 /s erwähnt er nichts, aus der graphischen Darstellung, 

mm. 



die er liefert, geht aber hervor, dass er auch diesen als bedeutend 
zu niedrig ansieht. Diese graphische Darstellung findet sich in Fig. 8 
wiedergegeben. Die gefundenen Werte sind durch Ringe bezeichnet 
worden. Aus der unregelmässigen Lage derselben geht hervor, dass 
offenbar gewisse von ihnen zu hoch, andere zu niedrig sein müssen. 
Die gestrichelte Kurve ist die, welche nach v. Pirquet am besten 
dem Versuchsresultat entspricht, indem sie durch oder möglichst nahe 
der grösstmöglichen Anzahl der gefundenen Fälle gezogen worden ist. 
Aus der Lage der Kurve ersieht man, dass die Papel von der Ver¬ 
dünnung Vs her die grösste Abweichung aufweist, also ganz wie aus 
meiner Berechnung in Tab. 17 hervorging. Die nichtgestrichelte 
Kurve ist von mir hinzugefügt worden; sie stellt die mittelst 
Gleichung (5) berechnete dar. Wir sehen, dass sie sich schön an 

Beitrftge xnr Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 9 


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* 1H0 


I. Ilohngrcn. 


[4G 


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die von v. Pirquet gezogene anschliesst und überall auf derselben 
Seite von den gefundenen Werten wie diese liegt. 

Betreffs der Gesetzmässigkeit der Tuberkulinreaktion ist v. P irquet 
geneigt, sie unter das Guldberg-Waagesehe Gesetz der Massen¬ 
wirkung einzuordnen. Eine Prüfung der Kurve, auf v. Pirquets 
Ersuchen von Mathematikern bewerkstelligt, führte indessen zu keiner 
Schlussfolgerung in dieser Richtung. Sollte diese Annahme indessen 
richtig sein, so scheint die Übereinstimmung zwischen seiner Kurve 
und der meinen, wie auch der oben nachgewiesene enge Anschluss 
der letzteren an die dem Web er-Fe ebner sehen Gesetz entspre¬ 
chende nicht anders erklärt werden zu können denn als auf einer 
Übereinstimmung zwischen den drei fraglichen Formeln selbst be¬ 
ruhend sei es, dass dieser nur formeller Art oder bedeutsamer ist. 
Auf eine derartige Analyse näher einzugehen, ist mir indessen un¬ 
möglich. 

y. Pirquet zieht aus seinen Untersuchungen den Schluss, dass 
die kutane Tuberkulinreaktion auf mindestens zwei Faktoren beruhen 
muss, deren einer das Tuberkulin ist, während der andere von dem 
Organismus geliefert wird und als ein Antikörper betrachtet werden 
kann. Die Anwesenheit des anderen Faktors lässt sich daraus er¬ 
schlossen, dass Personen, die frei von jeder tuberkulösen Infektion 
sind, auch keine kutane Reaktion mit Tuberkulin geben, sowie dar¬ 
aus, dass in Hautpartien, wo ein oder mehrere Male vorher Tuber¬ 
kulin appliziert, und die demnach „sensibilisiert“ worden sind, die 
Reaktion auf eine abweichende Weise verläuft. Diese Sensibilisierung 
beruht nach ihm auf einer lokalen Anhäufung von Antikörpern. Die 
entzündliche Reaktion soll auf einer Vereinigung der beiden gegebenen 
Faktoren beruhen, wodurch ein toxisches Prinzip erzeugt wird. Dieses 
toxische Prinzip wirkt auf die Gewebe und ruft die Papel und die 
umgebende Rötung hervor. 

Diese Auffassung enthält Verschiedenes, das im Zusammenhang 
mit dem Vorigen von Interesse ist. Dass die kutane Tuberkulin¬ 
reaktion auf wenigstens zwei Faktoren beruhen muss, von denen der 
eine das Tuberkulin ist und der andere von dem Organismus geliefert 
wird, besagt nichts anderes, als dass zu einer Tuberkulinreaktion in 
der Haut Tuberkulin und Haut nötig sind. Es ist das eine axioma- 
tische Sache, die nicht Gegenstand der Diskussion werden kann. Die 
Diskussion muss die’ Anzahl und die Art der Faktoren betreffen, mit 
denen diese beiden Hauptkomponenten in die Reaktion eintreten. 
v. Pirquet nimmt betreffs der Haut nur einen solchen Faktor an, 
den er Antikörper nennt. Ich habe bereits in der Einleitung dieser 
Arbeit darauf hingewiesen, dass die Gliederung des Reaktionsgebietes 


Gck igle 


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47] Oie Übereinstimmung zwischen dein Verhallen verdünnter Säuren etc. 131 


in zwei voneinander deutlich abgegrenzte Zonen verschiedenen 
Charakters unbedingt eine verschiedene Kombination von Faktoren 
innerhalb eines jeden der beiden Bezirke voraussetzt. Da in keinem 
der Bezirke eine Reaktion denkbar ist ohne das Zusammenwirken 
mindestens zweier Faktoren, so folgt daraus, dass bei derkutanen 
Tuberkulinreaktion mindestens drei Faktoren oder 
Gruppen von Faktoren wirksam sein müssen. 

Es kann ein gewisses Interesse haben, mit diesen Auffassungen 
von der Tuberkulinreaktion Gleichung (5) und die Verhältnisse bei 
der Ausbreitung von Säuren in Löschpapier, aus denen sie hergeleitet 
ist, zu vergleichen. Gleichung (5) lautete: 

r - B VS- 

In dieser Formel ist r die Papelbreite und kann demnach als 
ein Mass für die Stärke der Tuberkulinreaktion betrachtet werden. 
Wir sehen nun, dass die Reaktion von drei Faktoren oder Gruppen 
von Faktoren abhängt, nämlich R, P und k. Von diesen drei Fak¬ 
toren ist die Bedeutung von P uns bekannt. P ist ja die Konzentra¬ 
tion des Tuberkulins und repräsentiert den Anteil des Tuberkulins 
an der Reaktion. Wir ersehen aus der Gleichung, dass, wenn die 
Grösse von P zunimmt, dies auch mit der Grösse von r geschieht. 
Die Stärke der Reaktion nimmt demnach zu, wenn die Tuberkulin¬ 
konzentration steigt. 

Was repräsentieren nun die beiden anderen Faktoren? Wir 
wissen aus dem Vorhergehenden, dass die Sensibilisierung eine Zu¬ 
nahme von R und eine Abnahme von k bewirkt. Steht nun die 
Sensibilisierung in Zusammenhang mit einer Zunahme des Antikörper¬ 
wertes, wie v. Pirquet und auch Ellermann undErlandsen es 
meinen, und wie es vom Gesichtspunkt der Immunitätslehre aus un¬ 
zweifelhaft erscheint, so folgt daraus, dass, da die Sensibilisierung in 
der Gleichung in einer Zunahme von R und einer Abnahme von k 
zum Ausdruck kommt, es R sein muss, das in der Gleichung den 
Antikörperwert darstellt. Die Gleichung zeigt also, dass die Stärke 
der Reaktion mit der Zunahme der Antikörpermenge ebenso wie mit 
zunehmender Tuberkulinstärke steigt, dass die Reaktion am stärksten 
ist, wenn diese beiden Faktoren gross sind, und dass sie am schwäch¬ 
sten ist, wenn beide klein sind. Diese sämtlichen Schlüsse hat auch 
v. Pirquet von seinen Ausgangspunkten aus gezogen. Was die Be¬ 
deutung von k betrifft, so wissen wir von den Untersuchungen auf 
Löschpapier her, dass k das Mass der Stärke der Adsorption ist. 
Wir wissen ferner, dass sowohl k als R von der Beschaffenheit des 

9* 


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132 


I. Holmgren. 


[48 


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Löschpapiers wie auch, unabhängig von der Konzentration, von der 
Art der angewandten Flüssigkeit abhängig, und ferner dass R und k 
der Grösse nach nicht unabhängig voneinander sind, sondern auf 
verschiedenen Löschpapieren bei Anwendung von Lösungen desselben 
Stoffes in verschiedener Richtung variieren, so dass R abnimmt, wenn 
k zunimmt, und umgekehrt. Letzteres Verhältnis haben wir auch 
bei den Durchschnittswerten in Tab. 7 beobachtet. Übertragen wir 
diese Beobachtungen auf die Tuberkulinreaktion in der Haut, so be¬ 
deuten sie, dass die dritte bei der Reaktion wirksame Gruppe von Fak¬ 
toren ein Adsorptionsprozess ist, dass sowohl die Stärke dieser Ad¬ 
sorption als auch die Anhäufung von Antikörpern ,nicht nur von dem 
Organismus selbst, sondern auch von der Art der angewandten Tuber¬ 
kulinlösung abhängt, und ferner dass zwischen dem Antikörperwerte 
und der Stärke der Adsorption ein antagonistisches Verhältnis besteht, 
so dass die Adsorption in demselben Masse abnimmt, wie der Anti¬ 
körperwert zunimmt, und umgekehrt. 

Es bedarf keines besonderen Hinweises darauf, dass der Wert 
der hier angestellten Betrachtung mit gebührender Rücksicht auf den 
Grad von Unsicherheit beurteilt w r erden muss, der bei dem gegen¬ 
wärtigen Stande der Dinge gewissen Voraussetzungen derselben an¬ 
haftet. 


VIII. Schlusswort. 

Die Naturforschung kann sich nicht mit einem lediglich qualita¬ 
tiven Studium der Erscheinungen begnügen. Ein tieferes Eindringen 
in die Gesetze, die sie regeln, bringt stets eine Entwickelung von 
qualitativer zu quantitativer Untersuchung mit sich. 

Physik und Chemie sind seit lange quantitative Wissenschaften. 
Die biologischen Wissenschaften, einschliesslich der Medizin, die mit 
weit komplizierteren Verhältnissen arbeiten, haben noch verhältnis¬ 
mässig geringe Möglichkeit zu quantitativer Behandlung ihrer Pro¬ 
bleme. Eine Entwickelung in dieser Richtung muss jedoch auch für 
die Biologie ein erstrebenswertes Ziel sein. 

Von den Resultaten, die im vorstehenden gewonnen sind, seien 
folgende Hauptpunkte angeführt. - - 

Die Tuberkulinreaktion in der Haut stellt das Produkt min¬ 
destens dreier Faktoren oder Gruppen von Faktoren dar. 

Sie zeigt viele Analogien mit den Verhältnissen bei der Adsorp¬ 
tion verdünnter Säuren in Löschpapier. 

Die mathematische Formel, die ich als Ausdruck für die Gesetz¬ 
mässigkeit des letzteren Phänomens aufgestellt habe, lässt sich auch 



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49] Die Übereinstimmung zwischen <l«‘m Verhalten verdünnter Säuren etc. l.‘>3 


zur Berechnung der Breite der Papeln bei verschiedener Tuberkulin¬ 
konzentration anwenden. 

Diese Formel liefert ausserdem eine einfache Erklärung für 
einige beobachtete Eigentümlichkeiten betreffs der Änderung der 
Tuberkulinkurve unter verschiedenen Verhältnissen. 

Meine Adsorptionsformel scheint eine nahe innere Verwandtschaft 
mit dem Weber-Fechnersehen Gesetz für das Verhältnis zwischen 
der Stärke der Empfindung und des Reizes zu haben. Verschiedene 
Umstände sprechen dafür, dass sie einen genaueren Ausdruck für die 
Gesetzmässigkeit der Tuberkulinreaktion darstellt als das Weber- 
Fechnersche Gesetz. 

Die Analogien zwischen der Adsorption verdünnter Säuren in 
Löschpapier und der Tuberkulinreaktion in der Haut haben an und 
für sich grosses Interesse. Dieses Interesse wird noch erhöht, wenn 
man sie mit der genialen kolloid-chemischen Theorie für die Wasser¬ 
bindung im Organismus und für die Pathogenese des Ödems in Zu¬ 
sammenhang bringt, die M. Fischer (5), gestützt auf umfassende 
experimentelle Untersuchungen, begründet hat. 

Dieser hervorragende Forscher weist nach, dass die wirkliche 
Ursache zum Ödem nicht in Zirkulationsstörungen, sondern in den 
. Geweben selbst liegt, und dass sie in einer gesteigerten Affinität der 
Gewebskolloide für Wasser besteht. Diese gesteigerte Affinität wird 
durch eine abnorme Bildung oder Anhäufung von Säuren oder Stoffen 
hervorgerufen, die auf die Gewebskolloide auf ähnliche Weise wie 
Säuren wirken. Eine solche abnorme Anhäufung oder Bildung von 
Säuren, oder Bedingungen, die eine Disposition hierfür schaffen, sind 
in jedem Falle zu beobachten, wo Ödem auftritt. Bei lokalen 
Ödemen aller Art, Ödemen nach Insektenstichen usw., liegen die 
Verhältnisse in gleicher Weise. 

Ist dies richtig, und es scheint mir schwer, sich der zwingenden 
Beweisführung Fischers zu entziehen, so folgt daraus, dass auch 
die Tuberkulinpapel, die unzweifelhaft wenigstens in einer gewissen 
Phase ihrer Entwickelung den Charakter eines Ödems hat, oder mit 
dem Auftreten eines Ödems verbunden ist (siehe Abschnitt I), be¬ 
züglich ihrer Entstehung ganz oder teilweise auf einer derartigen 
Anhäufung von Säure beruhen muss, sei es, dass diese Säurewirkung 
dem Tuberkulin selbst zuzuschreiben ist oder dieses die Bedingungen 
für die Entstehung der Säure schafft. Ziehen wir weiterhin in Be¬ 
tracht, dass das Vermögen der Adsorption eine Eigenschaft ist, die 
generell kolloiden Lösungen zukommt, dass besonders ihr Vermögen, 
stark verdünnte Säuren zu konzentrieren, von Fr. Goppel sroeder 
nachgewiesen worden ist, und dass es keinem Zweifel unterliegt, dass 


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134 


I. Holmgren. 


[50 


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auch innerhalb der kolloiden Systeme des Organismus zahlreiche und 
bedeutsame Adsorptionsprozesse sich abspielen, so liegen hiermit eine 
Reihe Umstände vor, die zusammengenommen stark für die Möglich¬ 
keit davon sprechen, dass die konstatierte Übereinstimmung zwischen 
dem Gesetz für die Ausbreitung von Säuren in Löschpapier und dem 
Gesetz für die Ausbreitung der Tuberkulinpapeln in der Haut dar¬ 
auf beruht, dass auch bei der Tuberkulinreaktion eine ähnliche Ad¬ 
sorption verdünnter Säuren, oder von Stoffen mit ähnlichen Eigen¬ 
schaften, in der Haut stattfindet und auf die Grösse der Papel Ein¬ 
fluss ausübt. 

Dass die Formel sehr gute Möglichkeit gewährt, diese Auffassung 
mit den beobachteten Tatsachen und auch mit dem Gedankehgange 
der Immunitätslehre zu vereinigen, ist oben nachgewiesen worden. 

Im Hinblick auf die Ergebnisse betreffs der Tuberkulinreaktion 
dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, dass weitere Untersuchungen 
zu dem Ergebnis führen werden, dass die ähnlichen lokalen, ge¬ 
wöhnlich von einem Halo umgebenen Ödeme, die in der Haut von 
so vielerlei Agentien hervorgerufen werden, dieselbe eigentümliche 
Übereinstimmung mit den Adsorptionserscheinungen bei der Aus¬ 
breitung verdünnter Säuren in Löschpapier wie die Tuberkulinreaktion 
zeigen. 


Literatur. 


1. Bechhold, H., Die Kolloide in Biologie and Medizin, Dresden 1912. 

2. Ellermann, V. und A. Erlandsen, ÜberSensibilisierung bei der kutanen 
Tuberkulinreaktion. Beiträge zur Klinik der Tuberkulose etc. Herausg. von 
L. Brauer, Bd. XIV, 1909. 

3 . Dieselben, Das Gesetz der kutanen Tuberkulinreaktion und ihre An¬ 
wendung bei der Standardisierung von Tuberkulin. Beiträge zur Klinik der 
Tuberkulose etc. Herausg. von L. Brauer, Bd. XVI, 1910. 

4. Erlandsen, A., Tabelle für die Bestimmung des Tuberkulin-Titers. VVürz- 
burg 1911. 

5. Fischer, Martin H., Das ödem, Dresden 1910. 

6 . Holmgren, L, Studien über die Kapillarität und Adsorption nebst einer 
auf Grundlage derselben aus gearbeiteten Methode zur Bestimmung der Stärke 
verdünnter Mineralsäuren. Biochemische Zeitschrift 1908. 

7. Derselbe, Studier öfver kapillaritet och adsorption jämte en p& grundval 
häraf utarbetad metod für bestänimande af utspädda mineralsyrors styrka. 
Hygiea. Festband 1908. 


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51] Die Übereinstimmung zwischen dem Verhalten verdünnter Säuren etc. 1B5 

8 . Derselbe, Quantitative Analyse mit Hilfe von Adsorptionsphänomen. 
Zeitschrift für Chemie und Industrie der Kolloide 1909. 

9. Derselbe, Kapillaranalys af magsaft. Hygiea 1911. 

10. Derselbe, Ny metod för bestämning af den fria saltsyran i magsaft. 
Allmänna svenska läkartidningen 1911. Tidskrift for den norske laegeforening 
1911; Finska läkaresällskapets Handlingar 1911. 

11. Derselbe, Eine neue Methode zur Bestimmung der freien Salzsäure im 
Magensaft. Deutsche med. Wochenschr. 1911. 

12. Derselbe, En ny metode til bestemmelse af den fri saltsyre i mavesaften. 
Hospitalstidende 1911. 

18. Derselbe, Ett nytt sätt att (genom kapillaranalys) bestämma roagsaftens 
saltsyrehalt. Svenska läkaresällskapets förhandl. Hygiea, April 1911. Vor¬ 
trag und Diskussion. 

14. Derselbe, Kapillaranalyse von Magensaft. Archiv für Verdauungskrank¬ 
heiten 1911. 

15. Holmgren, I. und Arvid Lab att, Beobachtungen über einige Einzel¬ 
heiten bei der Konjunktival- und Kutanreaktion auf Tuberkulin. Zeitschrift 
für Tuberkulose 1910. 

16. Dieselben, Iakttagelser fifver nägra detaljer vid konjunktival- och kutan- 
reaktionerna für tuberkulin. Allmänna Svenska läkartidn. 1910. 

17. Michaelis, Leonor, Dynamik der Oberflächen. Dresden 1909. 

18. Pauli, W., Kolloidchemische Studien am Eiweiss. Dresden 1908. 

19. v. Pirquet, C., Die kutane Tuberkulinprobe. Medizinische Klinik 1907. 

20. Derselbe, „Allergie“. Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheil¬ 
kunde 1908. 

21. Derselbe, Quantitative experiments with the cutaneous tuberculin reaction. 
The Journal of Pharmacology and experimental Tberapeutics, Vol. 1, 1909. 


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Aus dem Josefstädter allgemeinen Krankenbause in Prag. (Primarius: 

Dr. Karl Saar.) 


Erfahrungen m i t dem Tnberkulomuzin Weleminsky. 

Von 

Dr. Ernst Pachner, 

1. Sekundärarzt des Krankenhauses. 

Mit 1 Tabelle. 


Durch eine eigenartige Züchtungsmethode und gleichzeitige un¬ 
unterbrochene Auslese unter den einzelnen Kulturen gelang es Wele¬ 
minsky 1 ) einen Tuberkelbazillenstamm in ungefähr 8 Jahren so weit 
zu verändern, dass unter seinen Stoffwechselprodukten koagulables 
Eiweiss und vor allem Muzin auftrat. Die muzinhaltige, durch Papier¬ 
filtration von den Bazillen befreite und durch Karbolzusatz sterili¬ 
sierte Bouillon zeigte eine gegenüber den gewöhnlichen Tuberkel¬ 
kulturen wesentlich vermehrte und von Generation zu Generation 
steigende immunisatorische Fähigkeit bei der experimentellen Kaninchen- 
und Meerschweinchentuberkulose. 

Daher erschien es gerechtfertigt, das Präparat auch für die 
menschliche Tuberkulose-Therapie zu verwenden, insbesondere, da 
unser Krankenmaterial sowohl zur Anwendung wie zur Beurteilung 
einer spezifischen Therapie sehr geeignet ist. In der Privatpraxis, 
sowie in den Lungenheilanstalten für die ärmeren Klassen können 
wir ja bereits durch hygienisch-diätetische Massnahmen in Verbindung 
mit der medikamentösen Therapie oft recht befriedigende Resultate 
erzielen; bei unseren Kranken dagegen, welche meist der Klasse der 
Unbemittelten und dem Arbeiterstand angehören, entfällt jede Unter¬ 
stützung der Therapie durch reichliche Ernährung, Ruhe etc. und es 
muss hier ausserdem besonderes Gewicht darauf gelegt werden, sie 

i) Weleminsky, Berliner klin. Wochenschr. Nr. 28, 1912. — Prager med. 
Wochenschr. Nr. 14, 1912. 


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138 Dr. Ernst Pacbner. [2 

bald arbeitsfähig zu machen, bezw. ihnen die Ausübung ihrer Berufs¬ 
pflichten auch während der Behandlung zu ermöglichen. 

In den meisten Fällen haben wir die Kranken ambulatorisch 
behandelt und nur die sehr herabgekommenen Patienten, Hämoptysen 
oder Hochfiebernde in Anstaltspflege aufgenommen. Für die Beur¬ 
teilung des Tuberkulomuzins scheinen uns, abgesehen von den leider 
nicht sehr zahlreichen, dafür aber sehr instruktiven Fällen von äusserer 
Tuberkulose die ambulatorisch behandelten Lungenkranken ausschlag¬ 
gebend zu sein, da diese während der ganzen Zeit ihre äusseren Ver¬ 
hältnisse, ihre gewohnte Lebensweise, ihre Berufsarbeit, die meist 
traurigen hygienischen Zustände ihrer Wohnung etc. beibehalten haben, 
und nur in vereinzelten Fällen neben den Injektionen auch noch 
Arsen als Adjuvans Anwendung fand. Auf die Resultate bei den im 
Krankenhause selbst verpflegten Patienten legen wir weniger Gewicht, 
da — wie die Heilerfolge der Sanatorien und Luftkurorte lehren — 
die bessere Ernährung und die Ruhe bereits wesentlich zur Besserung 
gerade der Tuberkulose beitragen. 

Eine Auswahl der Fälle für die neue Behandlung wurde prin¬ 
zipiell vermieden, um jede subjektive Beurteilung nach Möglichkeit 
auszuschalten; die unten angeführten 35 Fälle sind die sämtlichen 
während dieser Zeit in der Ambulanz erschienenen Tuberkulosen. 

Genaue objektive Untersuchung der Kranken fand vor Beginn 
der Behandlung und dann alle 4 Wochen statt; das Registrieren der 
subjektiven Symptome sowie das Wägen der Patienten allwöchentlich 
an den Injektionstagen. Jn den meisten Fällen wurde das Sputum 
mittelst Anreicherungsverfahren untersucht; besondere Erwähnung 
verdient auch der Umstand, dass unsere Kranken zum grössten Teile 
mit Hetol, Alttuberkulin, Guajakol etc. schon vorbehandelt waren, 
meist mit negativem Erfolge. Im Mai 1911 wurde mit 3 Fällen be¬ 
gonnen; infolge des relativ sehr rasch sichtbaren Resultats stieg die 
Zahl der Tuberkulose-Ambulanz auf eine früher in unserem Kranken¬ 
hause ungeahnte Höhe und gegenwärtig beläuft sich die Zahl der 
Behandelten im ganzen auf etwa 160, von denen interessanter weise 
die meisten von den früheren Patienten selbst hergeschickt wurden; 
erwähnenswert ist ferner, dass sehr selten Kranke aus der Behand¬ 
lung lernblieben und dass die Patienten, bei denen die Behandlung 
bereits abgeschlossen ist, regelmässig sich wieder vorstellen, und so 
durch längere Zeit beobachtet werden können. 

Die Anfangsdosis des Tuberkulomuzins wurde ursprünglich sehr 
klein gewählt und zwar V* mg; Einstichstelle war am Unterarm, Ober¬ 
arm oder Oberschenkel. Da naturgemäss auch Tuberkulin, wenn auch 


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3] Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 139 

in sehr geringem Grade, in dem Präparate enthalten ist, traten ähn¬ 
liche Reaktionserscheinungen wie nach diesem auf. Die Stichreaktion 
war aber insbesondere im Beginn im allgemeinen bedeutend stärker 
als die nach Tuberkulin; in vereinzelten Fällen machte sie direkt 
einen phlegmoneartigen Eindruck, welch letzteres sich aber später 
als prognostisch sehr günstig erwies. Als Allgemein-Reaktion beob¬ 
achtete man häufig leichte Temperatursteigerungen, bei den ersten 
Injektionen manchmal auch Fieber bis 38,5 oder 39°, Kopfschmerzen, 
Mattigkeit; in manchen Fällen auch Herdreaktionen, stärkeren Husten 
mit Auswurf, Verdichtung der Rasselgeräusche. Sämtliche Erschei¬ 
nungen dauerten höchstens 48 Stunden und verschwanden, ohne 
irgendwelche Schädigung zu hinterlassen und ohne von den Kranken 
als stärkere Störung empfunden zu werden. 

Ursprünglich stiegen wir nach dem Vorbilde der klassischen 
Immunisierungsmethoden regelmässig mit der Dosis, und zwar immer 
um das Doppelte, wenn die Stichreaktion geringer wurde; dauerte 
aber die Reaktion von einem Injektionstage zum andern, also eine 
ganze Woche an, so injizierten wir erst nach 14 Tagen wieder; durch 
dss Steigen in der Dosis kamen wir bis auf 100, ja in einzelnen 
Fällen bis auf 200 mg, ohne irgendwelche unangenehme Erscheinungen 
zu sehen. 

Im weiteren Verlaufe zeigte es sich aber, dass diese Methode 
einer Änderung bedurfte, dass für jedes Individuum ein „Maximum 
Optimum“ der Tuberkulomuzindosis bestehe, dass diese Dosis dann 
meistens dauernd gleich günstig wirkt und daher nicht gesteigert zu 
werden braucht. Wir gehen jetzt folgendermassen vor: Bei 
Erwachsenen nehmen wir als Anfangsdosis 10 mg der Original Flüssig¬ 
keit = 1 Teilstrich einer 1 ccm Spritze des durch physiologische 
NaCl-Lösung auf das 10 fache verdünnten Tuberkulomuzin), bei Kindern 
5 mg. War das Resultat dieser ersten Injektion eine starke Stich¬ 
oder Allgemeinreaktion, so bleiben wir auf dieser Dosis; bei geringer 
Reaktion dagegen steigen wir allwöchentlich auf das Doppelte, bis 
wir das Optimum erreichen, auf welches das betreffende Individuum 
deutlich reagiert; bei dieser Dosis zeigt sich dann für gewöhnlich 
schon nach 1 Woche deutliche, mindestens subjektive Besserung und 
dieselbe wird dann in der Regel während der ganzen folgenden In¬ 
jektionstherapie beibehalten. 

Welche Fälle eignen sich nun für diese Therapie? Da es sich 
um die ersten Versuche mit einem neuen Körper gehandelt hat, 
gingen wir nicht nach den für andere spezifische Präparate geltenden 
Maximen vor, sondern injizierten Kranke aller Stadien ohne Rück¬ 
sicht auf Alter, Körperzustand, Hämoptoe, Fieber etc.; wir konnten 


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Dr. Ernst Pachner. 


[4 


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in keinem Falle einen Schaden oder eine Verschlimmerung des Krank¬ 
heitsprozesses konstatieren. 

Die Frage über die Dauer der Heilung, also auch die der Be¬ 
handlung muss derzeit natürlich noch offen bleiben; vorderhand lässt 
sich nur so viel sagen, dass die bisher als geheilt entlassenen Patienten 
gesund geblieben sind; die längste Beobachtungsdauer eines solchen 
ist aber derzeit nur 7 Monate und bei der Natur der Krankheit ist 
jahrelange Beobachtung nötig, um von einer dauernden Heilung sprechen 
zu können. Wir möchten aber nicht unerwähnt lassen, dass bei jenen 
Fällen, wo unsere Behandlung vorzeitig unterbrochen worden war 
(durch Landaufenthalt, Operationen u. a.) und die Patienten neuer¬ 
lich verschlimmert sich wieder vorstellten, eine H. Injektionsreihe 
auffallend rasche und günstige Resultate ergab, so dass wir ähnliches 
auch bei einem eventuellen späteren Wiederausbrechen der Krankheit 
annehmen möchten. Wir injizierten immer womöglich bis zum völligen 
Verschwinden der subjektiven und objektiven Krankheitssymptome; 
selbstverständlich blieb dann aber noch immer die Atemdifferenz und 
Verkürzung des Perkussionsschalles vorhanden. 

Die Haut wurde vor der Injektion einfach mit einem äther¬ 
getränkten Wattebausch gereinigt; Abszesse wurden niemals beobachtet. 
Die Verdünnung wurde an jedem Injektionstage frisch zubereitet; als 
solcher empfiehlt sich der Samstag, da die besonders nach den ersten In¬ 
jektionen eventuell auftretende Allgemeinreaktion (Temperatursteigerung, 
Kopfschmerz, Appetitlosigkeit) an dem folgenden Ruhetage den Arbeiten¬ 
den weniger stört. Die Injektionen haben wir am Vormittag vorge¬ 
nommen, da in den meistön Fällen die eben erwähnten Reaktions¬ 
erscheinungen bis zum Abend abklingen und die Nachtruhe des 
Patienten somit am wenigsten gestört wird. 

Nach Beendigung der Behandlung behalten wir die Patienten 
womöglich dauernd in Beobachtung; sie kommen alle 4 Wochen zur 
Nachuntersuchung, und wenn nichts Verdächtiges zu konstatieren ist, 
erhalten sie eine Injektion von physiologischer Kochsalzlösung. 

Wir geben in nachfolgendem das Wesentliche aus den Kranken¬ 
geschichten und eine tabellarische Übersicht: 

1. Rudolf P., Arbeiter, 35 Jahre. Vor 1 Jahr erkrankt. Wegen der grossen 
Beschwerden, Husten S eitenstechen, Nachtschweiss, allgemeine Schwäche musste 
er die Arbeit aufgeben. 

Befund am 26. VII. 1911: Starke Anämie, Abendtemperatur 37,8, viel Aus¬ 
wurf mit reichlichen Bazillen, Gewicht 57V2 kg. 

RV. Verkürzung bis IV. Rippe, bronchiales Atmen und Knarren. RH. bis 
Skapulawinkel wie RV. LV. und LH. über der Spitze Verkürzung, abgeschwächt. 
Atmen und massig reichliches Rasseln. 6 Injektionen von steigender Dosis 1 /too— 1 ft>o 
(= 5 mg — 20 mg), Stichreaktion immer stark. 



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5] 


Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


Ul 


Befund am 4. IX. 1911: Patient wesentlich kräftiger, Appetit gut, hustet 
sehr selten. 

Objektiv lässt sich über dem rechten Oberlappen nur spärliches feinblasiges 
Rasseln nachweisen, auf der linken Lungenspitze ist die Atmung frei von Neben¬ 
geräuschen. 

Keine Schmerzen, Gewicht 61 Va kg. Seit Abschluss der Behandlung, also 
etwa 9 Monate in Beobachtung, bis jetzt beschwerdefrei, arbeitet gegenwärtig bei 
einem Brückenbau in Prag. 

2. JaroslavL., 19 Jahre,Zimmermaler. —2 Brüder an Tuberkulose gestorben. 

— Pat. schmächtig; besonders am Morgen sehr quälender Husten, Appetitlosig¬ 
keit, Nachtschweiss; seit 3 Monaten arbeitsunfähig. Gewicht 45 kg. 

Befund am 28. VII. 1911: Pat. blass, Husten stark, reichlicher Bazillen¬ 
befund im Sputum, häufig Erbrechen, Stuhl diarrhoisch. 

Auf der rechten Lunge vorne bis zur III. Rippe und hinten bis Skapula Hälfte 
starke Verkürzung, dichtes mittelblasiges Rasseln. — Auf der linken Spitze ver¬ 
schärftes Exspirium nachweisbar. 

Befund am 30. VIII. 1911: Pat. ist jetzt frei von subjektiven Symptomen, Ge¬ 
wicht 48 1 / 2 kg» Appetit gut, Stuhl regelmässig. Über der rechten Lunge oben nur 
noch vereinzelte feinblasige Rasselgeräusche. 

Am 2. X. 1911 stellte sich Pat. wieder vor, war beschwerdefrei geblieben und 
dauernd vollkommen arbeitsfähig. 

3. Barbara B., 36 Jahre, verheiratet. — Hat 6mal geboren; seit 2 Jahren 
krank; Husten, Schmerzen, Appetitlosigkeit; in längeren Intervallen treten An¬ 
fälle von Cholelithiasis auf. Bettlägerig. 

Befund am 28. IV. 1911: Pat. anämisch, Haut und sichtbare Schleimhäute 
subikterisch, Gewicht 54 kg. RV. Dämpfung bis zur IV. Rippe, bronchiales Atmen 
über der Spitze; abwärts dichtes bis grossblasiges Rasseln. RH. über* der Spitze 
fehlendes Atmen, abwärts bis zum Skapulawinkel reichliches mittel- bis gross¬ 
blasiges Rasseln. LV. und LH. über der Spitze Verkürzung und mässig reich¬ 
liches Knisterrasseln. 

Am 10. VI. .1911 waren die subjektiven Krankheitssymptome bereits sehr 
gering, Gewicht 55 kg, Appetit bedeutend gehoben. Patientin ging aufs Land. 
Vom 10. VI. bis Januar 1912 wurden die Injektionen ausgesetzt. Am 14. VII. 1911 
kam sie zurück, klagte über grosse Beschwerden in den letzten 2 Wochen; 
Menses waren bereits 2 Monate ausgeblieben; die Genitaluntersuchung ergab 
Gravidität. Da die Kranke grosse Beschwerden hatte wurde die vorzeitige Unter¬ 
brechung der Schwangerschaft vorgenommen und am 2. VIII. 1911 die Tubar- 
sterilisation im Krankenhause angeschlossen. 

Befund am 24. XI. 1911: RV. bis zur III. Rippe starke Verkürzung. RH. bis 
Skapulahälfte starke Verkürzung und abgeschwächtes Atmen ohne Nebengeräusche. 

— Husten gering, Gewicht 59 kg. In den späteren Wochen Hess sich wieder 
eine Gewichtsabnahme und Verschlimmerung des Lungenprozesses nachweisen, 
welche wohl auf die inzwischen eingetretene Salpingo-Oophoritis und wiederholte 
Anfälle von Cholelithiasis zurückzuführen sind. 

Nach dem Abklingen der Eierstocksentzündung wurde Pat. einer neuerlichen 
Injekfcionsserie unterworfen und am 9. III. 1912 war der Lungenbefund wieder 
soweit gebessert wie am 24. XI. 1911. Pat. ist seither frei von Beschwerden und 
versieht ohne Mühe ihre Hauswirtschaft; stellt sich regelmässig vor. 


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Dr. Ernst Pachner. 


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4. Karl K. f 17 Jahre, Schlosserlehrling, stammt aus hereditär belasteter 
Familie. Husten, Nachtschweiss, abendliche Temperatursteigerungen, hochgradige 
Anämie; am Halse beiderseits Narben nach tuberkulöser Lymphadenitis. Derzeit 
ausser Arbeit. 

Befund am 17. VII. 1911: Leichte Schallverkürzung über beiden Spitzen, 
rechte weniger beweglich als die linke; beiderseits mässig reichliche Rassegeräusche, 
dichter in der rechten Axilla; 8 Injektionen Y 200 — V 50 i Anfangsgewicht 46 kg. 

Befund am 21. *11. 1911: Von den objektiven Symptomen liess sich nur 
noch die Schalldifferenz über den Spitzen nachweisen. Da Patient vollkommen 
beschwerdefrei ist und nunmehr 8 Monate in Beobachtung steht, ist er als geheilt 
zu betrachten. Gewicht war auf 50 l /< kg gestiegen. 

5. Anton K., 45 Jahre, Müller. 2 Kinder an Meningitis gestorben. Im 
18. Lebensjahre Hämoptoö. 

Befund am 18. IX. 1911: Starke Schmerzen, oft Nachtschweiss, Husten oft 
mit Erbrechen, zeitweise Magen-Darmkatarrh; Gewicht 58 kg. Arbeitsunfähig. 
Über der rechten Lungenspitze Dämpfung und fehlendes Atmen; abwärts Ver¬ 
kürzung bis zur Basis und mittelblasiges Rasseln, welches vorne unter der 
Klavikula und gegen die Axilla besonders dicht ist. Über der linken Spitze ver¬ 
einzelte Rasselgeräusche. 

Am 9. XII. 1911, nach 9 Injektionen liess sich folgender Befund aufnehmen: 
Unterhalb der rechten Klavikula nur spärliche Rasselgeräusche am Ende des 
Exspiriums; über der linken Spitze vesikuläres Atmen ohne Nebengeräusche. 
Gewicht 60 kg. Pat. bleibt weiter in Beobachtung und ist bisher 5 Monate bereits 
vollkommen arbeitsfähig. 

6. Anna P., 28 Jahre, ledig; stammt aus gesunder Familie. Seit 2 Monaten 
Husten, Nachtschweiss, Blut im Auswurf; Abendtemperatur bis 37,9°. Ohne 
Beschäftigung. 

Am 20. X. 1911: RV. starke Verkürzung bis zur III. Rippe und RH. bis 
zum IV. Wirbel; dichtes Knisterrasseln bei abgeschwächtem Atmen; rechte 
Supraklävikulargrube deutlich tiefer als die linke. — Gewicht 48 kg. 6 Injektionen 
Yaoo — V 50 * Bereits nach den ersten 2 Injektionen zeigte sich kein Blut mehr im 
Auswurf. 

Am 2. XII. 1911: Patientin ist vollkommen beschwerdefrei und arbeitsfähig. 
Die Rasselgeräusche auf der rechten Seite sind völlig verschwunden. Das Körper¬ 
gewicht ist gleich geblieben. 

7. Johann L., Feldarbeiter, 38 Jahre. Seine Frau starb post partum an 
florider Phthise und das Kind 8 Wochen nach der Geburt an Pneumonie. Seit 
2 Jahren krank; der Zustand verschlimmerte sich so, dass Patient vor 2 Monaten 
einen Blutsturz erlitt, an Gewicht etwa 10 kg verlor; wegen seiner Schmerzen 
und des quälenden Hustens ist der Kranke vollkommen arbeitsunfähig. 

Befund am 22. XI. 1911: RV. bis zur V. Rippe und RH. bis zum Skapula- 
winkel stark verkürzter Perkussionsschall, verlängertes Exspirium, mittel- bis 
grossblasiges Rasseln. 

Über der linken Lungenspitze verschärftes Atmen. Patient sehr schwach, 
Fettpolster fast geschwunden, starke Atemnot. Gewicht 49 kg. 

Patient wird ins Krankenhaus aufgenommen, wo er 4 Wochen verblieb 
dann ging er aufs Land und kam allwöchentlich zur Injektion. 

Am 23. XII. 1911 vor dem Landaufenthalte waren die subjektiven Beschwerden 
zum grösseren Teile verschwunden. 



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Erfahrungen mit dem Tubeikulomuzin Weleminsky. 


143 


Am 2. 111. 1911 konnte der Kranke als zu massiger Berufstätigkeit geeignet 
bezeichnet werden. Das Hasseln auf der rechten Lunge war nunmehr kleinblasig, 
bedeutend seltener. Gewicht 58 7* kg. Pat. erfreut sich eines anhaltenden Wohl¬ 
befindens, nur zeitweise hustet er noch. 

Am 25. V. 1911, also 3 Monate nach Abschluss der Behandlung zeigte er 
sich wieder und gab fortdauerndes Wohlbefinden an. 

8. Barbara N., 25 Jahre, Dienstmädchen. Vor 4 Monaten erkrankt unter 
Husten mit reichlichem gelbem Auswurf, manchesmal Erbrechen, Appetit sehr 
gering, hochgradige Chlorose, Abendtemperatur 38,2°, Gewicht 45 kg. Ohne 
Beschäftigung. 

Befund am 6. XII. 1911: Über der linken Spitze vorn und hinten Bronchial¬ 
atmen mit mässig reichlichen Rasselgeräuschen. 9 Injektionen l /*oo — 7*°- 

Am 9. II. 1912: Die Beschwerden soweit verschwunden, dass sich Patientin 
völlig gesund fühlte. Nur noch Bronchialatmen rechts oben, keine Rasselgeräusche. 
Gewicht 55 kg; Appetit sehr gut, Husten verschwunden. 

9. Anna K., 22 Jahre, Schneiderin. Erkrankte vor 6 Wochen mit Hämoptoe, 
Nachtschweiss, morgens starker Husten, mässige Temperatursteigerung. Ausser 
Beruf. 

Am 12. XII. 1911. Über der rechten Spitze, welche beim Atmen gegen die 
linke zurückbleibt, Verkürzung und abgeschwächtes Atmen mit Knisterrasseln. 
Gewicht 44 kg. 7 Injektionen V«oo — l jso. 

Am 25. I. 1912 wurde Patientin aus der Behandlung geheilt, subjektiv sowie 
auch objektiv symptomlos, entlassen; Gewicht 457a kg. 

Patientin ist seither beschwerdefrei, steht aber noch weiter in Beobachtung. 

10. Anton W., 26 Jahre, Friseur. Seit 7 2 Jahre kam Patient sehr stark 
herunter, verlor angeblich in dieser Zeit 20 kg an Gewicht. Er ist sehr blass, 
abgemagert, appetitlos; im Sputum reichlich Tuberkelbazillen. Arbeitsunfähig. 

Befund am 16. IX. 1911: RV. bis zur IV. Rippe und RH. bis Skapula- 
winkel starke Verkürzung; oben fehlendes Atmen abwärts verlängertes Exspirium 
und reichliches mittelblasiges Rasseln sowie Pfeifen und Knarren. LV. bis zur 
111. Rippe und LH. bis zum IV. Brustwirbel starke Verkürzung und dichtes 
Rasseln. Zeitweise Hämoptoö, Temperatur erreicht abends 38,4°. Vollkommene 
Anorexie, es wird nur kalte Milch vertrugen. Gewicht 48 kg. 

Am 15. XI. 1911 hatte Patient 8 Injektionen bekommen, verbrachte dann 
4 Wochen auf dem Lande und am 20. XII. 1911 wurde mit der II. Injektionsserie 
begonnen, welche ebenfalls 8 Injektionen umfasste. 

Am 12. II. 1912 liess sich nach Abschluss der Behandlung folgender Befund 
erheben: Über beiden Lungenspitzen mässig reichliches, zumeist kleinblasiges 
Rasseln. Rechts unterhalb der Klavikula und links hinten an der Spina scapulae 
verschärftes Exspirium und mässiges Reiben. Also objektiv wesentlich gebessert 
subjektiv fast beschwerdefrei und berufsfähig. Temperatur 37°, kein Blut im 
Auswurf, Appetit gut; .Gewicht 56 kg. Patient blieb infolge von Übersiedlung 
aufs Land aus der Beobachtung fern. 

11. Anton K., 40 Jahre, ledig, Ziegelarbeiter. Seit 2 Jahren krank, vor 
V* Jahr Blutsturz; war mit Alttuberkulin vorbehandelt worden. Starker Nacht¬ 
schweiss und Husten, reichlicher Auswurf, Appetit mässig. Gewicht 56 kg. — 
Vollkommen arbeitsunfähig. 


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144 


Dr. Ernst Pacbner. 


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Befund am 10. X. 1911: RV. bis zur IV. Rippe uud RH. bis zum IV. 
Wirbel tympanitischer Perkussionsschall, nmphoriscbse Atmen, stellenweise 
dichtes Knisterrasseln. LV. bis zur III. Rippe und LH. bis zur Spina scapulae 
starke Verkürzung und dichtes, kleinblasiges Rasseln. 11 Injektionen: V*oo—7io. 

Am 8. I. 1912: Befund auf der rechten Lunge gleich. Ober der linken 
Lungenspitze nur spärliche Rasselgeräusche. Nachtschweise verschwunden; Husten 
zumeist nur morgens. Gewicht 58 kg. Patient versieht seither ohne Schaden 
Gärtnerarbeit. 

12. Georg J., 28 Jahre, Schreiber, aus hereditär belasteter Familie. Seit 
* 4 Jahre Husten, Nachtschweiss, Appetit gering; vor 1 Woche Hämoptoe; Seiten¬ 
stechen. Berufsfähig mit häufigen Unterbrechungen. 

Befund am 7. XII. 1911: Gewicht 51 kg. Übender rechten Lungenspitze 
verlängertes, verschärftes Exspirium. LV. bis zur III. Rippe und LH. bis 
Skapulahälfte deutliche Scballverkürzung und reichliches kleinblasiges Rasseln und 
Knarren. 

7 Injektionen; da bereits auf 5 mg sehr deutliche Stich- sowie Allgemein¬ 
reaktion auftrat, wurde dem Kranken stets die gleiche Dosis verabreicht. 

Am 10. II. 1911 konnte Patient, der seither in Beobachtung steht, als geheilt 
aus der Behandlung entlassen werden. Mit den subjektiven Beschwerden waren 
auch die Nebengeräusche beim Atmen auf der linken Lungenspitze verschwunden. 
Gewicht 55 x /a kg. Vollkommen arbeitsfähig. 

18. Barbara G., 21 Jahre, ledig, Angestellte einer Weberei, aus gesunder 
Familie. 

Die Krankheit setzte mit Husten und Hämoptoä ein; vor 1 Monat trat all¬ 
gemeine Schwäche, Arbeitsunfähigkeit, Appetitlosigkeit und Wadenschmerzen auf. 
Gewicht 48 kg. 

Befund am 17. IX. 1911: RV. bis zur III. Rippe und RH. bis zum 

III. Wirbel Verkürzung, verschärftes Atmen, mässig reichliches Rasseln. 

Es handelt sich um ein Frühstadium der Krankheit, hier als Berufskrank¬ 
heit aufzufassen. 6 Injektionen. 

Am 2. XI. 1911 wurde Pat. aus der Behandlung entlassen; subjektives 
Wohlbefinden; auf der rechten Lungenspitze nur noch die Schalldifferenz nach¬ 
weisbar. 

Etwa 2 Monate später zeigte sich Patientin wieder. Die Untersuchung ergab 
eine exsudative Pleuritis auf der rechten Lungenseite hinaufreichend bis zur 

IV. Rippe. 

Nach 2 Injektionen wurde die Kranke, nachdem sie 16 Tage im Kranken¬ 
hause verbracht hatte, geheilt entlassen und hat nun auf unseren Rat den Beruf 
gewechselt. Vollständig arbeitsfähig. 

14. Franz Z., 30 Jahre, Geschäftsdiener. Vater und 2 Geschwister an 
Tuberkulose gestorben. 

Patient kam wegen eines Blutsturzes am 12. XI. 1911 ins Krankenhaus zur 
Aufnahme. Arbeitsunfähig. RV. bis zur IV. Rippe und RH. bis Skapulahälfte 
Verkürzung und reichliches mittelblasiges Rasseln. 

Über der linken Lungenspitze tympanitischer Perkussionsschall, an der 
Klavikula amphorisches Atmen; abwärts Verkürzung und dichtes, meist klein¬ 
blasiges Rasseln bis zur Basis. Starker Nachtschweiss, Husten und zeitweise 
Erbrechen, Stuhl diarrhoisch, Gewicht 46 kg. Die Lungenblutung wurde nur mit 



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9] Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 145 

Eälteapplikation bekämpft and dem Patienten gleich eine Injektion von 10 mg 
Tuberkulomuzin gegeben. 

Am 19. XII. 1911 konnte Patient au9 dem Krankenhause entlassen werden 
und wurde in ambulatorische Behandlung übernommen. 

Am 10. II. 1912, nach 12 Injektionen also (10—100 mg), war der Befund 
folgender: Die Nebengeräusche waren auf der rechteu Lungenseite zum grössten 
Teile verschwunden, links selten und spärlich geworden. Das Erbrechen hatte 
aufgehört, Stuhl normal, kein Blut im Auswurf, Gewicht 52 72 kg: da die 
Besserung fortschreitet, bekommt Patient noch alle 4 Wochen eine Injektion mit 
20 mg Tuberkulomuzin. 

Seit Anfang Mai kann er wieder zeitweilig kleinere Arbeiten für seinen 
Dienstgeber, z. B. Schreibarbeiten ohne Schaden versehen. 

15. Marie S., 38 Jahre, ledig, Näherin, arbeitsunfähig. Seit 7 2 Jahre 
Husten, Schmerzen auf der rechten Seite, Nachtschweiss, Hämoptoe. — Es handelt 
sich um das Rezidiv einer Lungenaffektion, welche in das 20. Lebensjahr zurück¬ 
reicht. Damals stand Patientin unter Tuberkulinbehandlung und war durch fast 
10 volle Jahre beschwerdefrei. 

Befund am 7 XI. 1911: Rechts vorne auf der Lunge bis zur IV. Rippe und 
rechts hinten bis zum IV. Brustwirbel deutliche Scballverkürzung. Oberhalb der 
Klavikula stark abgeschwächtes Atmen, abwärts mässig reichliches klein und 
mittelblasiges Rasseln. — Gewicht 49 kg. 

Schon nach der I. Injektion von 5 mg Tuberkulomuzin starke Stich- und 
Allgemeinreaktion, sowie deutliche Besserung. 

Nach der VI. Injektion (10 mg) am 20. XII. 1911 war von allen Beschwerden 
nur ein geringer Husten zurückgeblieben. Die Lungenuntersuchung ergab rechts 
Über den oberen Partien abgeschwächtes Atmen ohne Nebengeräusche; Gewicht 
49 8 /4 kg. Seither ist Patientin wiederum vollkommen beschwerdefrei und arbeits¬ 
fähig. 

16. Anna D., 26 Jahre, Näherin, eine Schwester der sub 15 angeführten 
Patientin, leidet seit 3 Jähem an Husten und Nachtschweiss. Vor 2 Monaten 
verschlimmerte sich ihr Befinden post partum bedeutend. Es trat ein Blutsturz 
ein und Patientin, die auch vollkommen arbeitsunfähig ist, musste abstillen. Das 
Kind ist sehr schwächlich. 

Befund am 10. XI 1911: Rechts vorne bis zur Rippe und rechts hinten bis 
Scapulahälfte starke Verkürzung, verlängertes Exspirium, klein- und mittelblasiges 
Rasseln, Giemen und Pfeifen. Über der linken Lungenspitze verschärftes 
Exspirium und spärliches Knistern. 

Auswurf enthält reichlich Tuberkelbazillen und weist Blutspuren auf; 
Patientin anämisch, Herzaktion frequent, am Oberkörper diffus ausgebreitete 
Pityriasis versicolor. Gewicht 44 kg. 

Da Patientin auf die I. Injektion von 5 mg nicht deutlich reagierte, wurde 
die Dosis rasch vergrössert bei der 10. Injektion bereits auf 100 mg. 

Befund am 20. I. 1912: Auskultations- und Perkussionsbefund gleich. 
Subjektiv beschwerdefrei bis auf zeitweisen Husten und kann wieder die Arbeiten 
im Hauswesen gut versehen. 

17. Otto R., 20 Jahre, Lakierer. Mutter starb in jungen Jahren an einer 
fieberhaften Lungenerkrankung, ein Bruder starb mit 10 Jahren an Tabes meseraica. 
Pat. ist blass. Gewicht 38 kg; starker Husten und Nachtschweiss. Zu leichterer 
Arbeit noch fähig. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 10 


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Dr. Ernst Pachner. 


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Befund am 20. XII. 1911: Rechts vorne bis III. Rippe und rechts hinten 
bis zum III. Brustwirbel starke Verkürzung, hauchendes verlängertes Exspirium, 
reichliches meist kleinblasiges Rasseln. 7 Injektionen (5 mg — 100 mg). 

Am 13. II. 1912 wurde Patient entlassen. Er fühlte sich vollkommen 
beschwerdefrei, Nebengeräusche beim Atmen Hessen sich nicht mehr nachweisen, 
Patient sieht gut aus, ist völlig arbeitsfähig, Gewicht 45 7 a kg; seither steht er 
in Beobachtung und es hat sich keinerlei Verschlimmerung bis jetzt gezeigt. 

18. Marie H., 19 Jahre, ledig, Dienstmädchen. Seit 1 Jahre krank und 
vollkommen arbeitsunfähig. 

Befund am 23. XI. 1911: Patientin von gutem Ernährungszustand; klagt 
über Seitenstechen links, Husten, geringen Appetit, zeitweisen Nachtschweiss, all¬ 
gemeine Schwäche. Gewicht 45 kg. Abendtemperatur mässig erhöht. Über der 
linken Spitze, die beim Atmen etwas zurückbleibt, Verkürzung, abgeschwächtes 
Atmen, mässig reichliche Rasselgeräusche. 

5 Injektionen. 2. I. 1912: Patientin ist beschwerdefrei und vollkommen 
arbeitsfähig, Temperatur normal, Appetit wesentlich gebessert, Gewicht 47 V* kg. 
Auf der Huken Lungenspitze nur sehr spärliches Knistern. 

3 Monate nach Abschluss der Behandlung stellte sich Patientin wieder 
vor und gibt an, dass ihr Wohlbefinden unverändert andauert. 

19. Anna C., 32 Jahre, Arbeiterfrau. Dreimal geboren, viermal Abortus, 
nur 1 Kind lebt. Seit der Jugend kränklich; seit 4 Wochen bettlägerig. Starker 
Husten, Nachtschweiss, Abendtemperatur bis 39,5, dicker eitriger Auswurf, häufig 
mit Blut gemischt, Gewicht 50 kg. 

Befand am 21. X. 1911: Supraklavikulär- sowie Supraskapulargruben beider¬ 
seits tief eingesunken, rechte Lunge bleibt oben beim Atmen deutlich gegen die 
linke zurück; Herztöne leise, aber begrenzt. Puls 100. Rechts vorne bis zur 
IV. Rippe und hinten bis zum Skapulawinkel starke Verkürzung; oben fast 
fehlendes Atmen; abwärts von der Klavikula bronchiales Atmen und dichtes bis 
grossblasiges Rasseln. Links vorne bis zur Klavikula und hinten bis zur 
Spina scapulae stark abgeschwächtes Atmen, seitlich besonders dichtes Knisterrasseln. 

Patientin stand 8 Wochen in Krankenhauspflege und bekam 9 Injektionen. 

Am 22. XII. 1912: Abendtemperatur 37,2, Gewicht 52 1 4 kg, Husten und 
Nachtschweiss selten. 

Lungenbefund links unverändert; rechts sind die grossblasigen Rassel¬ 
geräusche bedeutend seltener geworden, Auswurf schleimig. 

Seit ihrer Entlassung ist Patientin wiederum in der Hauswirtschaft tätig. 

20. Wenzel Z., 39 Jahre, Schneider. Patient hat bereits dreimal Pneumonie 
auf der iechten Seite durchgemacht; seit 3 Monaten hustet er stark und bemerkt 
öfter Blut im Auswurf; Temperatur abends bis 38,9 Gewicht 50 kg, Haut und 
sichtbare Schleimhäute sehr anämisch. — Starker Nachtschweiss. — Arbeitsunfähig. 

Befund am 7. IX. 1911: Rechts vorne bis zur IV. Rippe und hinten bis 
Skapulahälfte starke Verkürzung und dichtes, besonders kleinblasiges Rasseln. 
Links vorne bis zur IV. Rippe beinahe Dämpfung und stark abgeschwächtes 
Atmen; hinten bis Skapulahälfte mässig reichliches Rasseln und deutHch verlängertes 
Exspirium. Über dem rechten Unterlappen Schallverkürzung, etwas abgeschwächtes 
Atmen und massiges Reiben. 8 Injektionen 5—100 mg. 

Am 5. XI. 1911 trat Patient wieder in seine Berufstätigkeit ein. Von den 
subjektiven Beschwerden weiss er nur zeitweisen Nachtschweiss anzugeben. Die 
Rasselgeräusche auf der Lunge, besonders rechts oben, bedeutend spärlicher; 


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Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


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Abendtemperatnr 37,4» Gewicht 52 kg. — Wegen eine9 allgemeinen Schwäche- 
zustandes steht der Kranke unter Arsenbehandlung und seit Abschluss der 
Injektionstherapie ist sein Krankheitsprozess unverändert geblieben; subjektiv ist 
Patient beschwerdefrei und zu leichterer Arbeit fähig. 

21. Joseph St., 29 Jahre, Kellner. Patient erkrankte vor 5 Jahren an einem 
linksseitigen Lungenspitzenkatarrh. Vor 2 Monaten begann er wieder stark zu 
husten, öfter Nachtschweiss, Stechen rechts auf der Brust. Arbeitsfähig mit 
öfteren Unterbrechungen. 

Befund am 22. X. 1911: Über der linken Lungenspitze vorn und hinten 
Verkürzung. Rechts vorne bis zur III. Rippe und hinten bis zur Spina scapulae 
deutliche Verkürzung und reichliches Knisterrasseln. Gewicht 51 kg. 7 Injektionen 
von 5—100 mg Tuberkulomuzin. 

Am 16. XII. 1911 wurde Patient geheilt aus der Behandlung entlassen. 
Seine Beschwerden sind sämtlich verschwunden; objektiv liess sich nur die 
Schalldifferenz an beiden Spitzen konstatieren. Seither ist Patient gesund und 
vollkommen arbeitsfähig. — Gewicht 52 7* kg. 

22. Franziska C., 30 Jahre, Arbeitersgattin. Seit 1 Jahre krank, Husten. 
Nachtschweiss, Schmerzen, Appetitlosigkeit, Dysmenorrhöe, Gewicht 56 kg. Arbeits¬ 
unfähig. 

Befund am 8. IX. 1911: Rechts vorne bis zur Klavikula und hinten bis zur 
Spina scapulae deutliche Verkürzung und abgeschwächtes Atmen. Links vorne 
überder Klavikula und hinten bis zur Spina scapulae beinahe vollkommene Dämpfung; 
abwärts bis zur IV. Rippe bzw. V. Brustwirbel starke Verkürzung und dichtes 
mittelblasiges Rasseln. 

Patientin war sehr schwach und konnte nur mit grösster Mühe den Weg 
von 1 /i Stunde zurücklegen, um zur Injektion zu kommen. Die übrige Zeit der 
Woche verbrachte sie zu Bette. 

Sie bekam 2 Serien zu je 8 Injektionen, aufsteigend von 10 auf 100 mg 
und dann versuchsweise wieder absteigend bis zur Anfangsdosis. 

Schon am 27. X. 1911 fühlte sich Patientin bedeutend wohler, bis auf 
mässigen Husten besch werde frei, Gewicht 57 I /s kg, Appetit gut. Die Besserung 
schritt langsam vorwärts. 

Am 20. XI. 1911 war der Lungenbefund deutlich gebessert. Rechts über 
der Spitze Verkürzung. Links Verkürzung, verlängertes Inspirium, spärliches 
Knisterrasseln. 

Bei der 16. Injektion reagierte Patientin weder an der Einstichsstelle noch 
allgemein. 

Am 30. XII. 1911 war der Lungenbefund wie am 20. XI. 1911. Das 
subjektive Befinden vollkommen gut, Gewicht 63 1 /* kg. 

Die Patientin, die sich regelmässig zur Nachuntersuchung einfindet, ist soweit 
hergestellt, dass sie alle häuslichen Arbeiten ohne Schaden versieht, auch Wäsche 
und den Fussboden waschen kann. 

23. Anton K., Landwirt, 38 Jahre, ledig. 2 Geschwister starben an 
Tuberkulose. Patient sehr herabgekoramen, blass, Temperatur abends zirka 3*,5, 
öfter Hämoptoö, Gewicht 60 kg. Arbeitsunfähig. — Erkrankte etwa vor 3 Jahren 
und war schon verschiedentlich vorbehandelt. 

Befund am 30. VI. 1911 : Rechts vorne bis zur III. Rippe und hinten bis 
Skapulahälfte Dämpfung, bronchiales Atmen, reichliches klein- bis mittelblasiges 
Rasseln. Links vorne und hinten über der Spitze verschärftes Exspirium. 

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Am 7. VIII. 1911 war Patient fieberfrei, Nachtschweiss geringer, Atmung 
freier, Gewicht 62 kg. 

Am 28. VIII. 1911 war der Husten wieder stärker geworden, das Gewicht 
auf 59 kg gesunken, Schmerzen grösser. Die Untersuchung ergab rechts denselben 
Befund bei spärlicherem Hasseln; links vorne bis 111. Rippe und hinten bis 
Spina scapulae deutliche Verkürzung und mässig reiehliches kleinblasiges Rasseln. 

Am 15. X. 1911 war Patient wieder hergestellt und das Wohlbefinden hielt 
an, so dass er am 14. XI. 1911 einen Marsch von 4 Stunden (von Kladno bis 
Prag) ohne Schaden machte. Abgesehen von kleinen Remissionen dauerte das 
subjektive Wohlbefinden bis Ende Dezember 1911 an. 

Am 11. I. 1912 kam Patient, der am Lande wohnto, in hochfieberndem 
(39,5°) Zustande zur Injektion. Es liess sich eine ausgebreitete Pleuropneumonia 
crouposa des rechten Unter- sowie Mittellappens nachweisen; die Aufnahme ins 
Krankenhaus wurde leider von ihm abgelehnt und er trat trotz seines Zustandes 
wieder die Rückreise an. 

Am 25. I. 1912 besuchte ich ihn, da er dringend brieflich um eine Injektion 
gebeten hatte; wegen der bereits eingetretenen Herzschwäche verabreichte ich 
ihm nunmehr aber natürlich kein Tuberkulomuzin, sondern Digalen. Die Pleuro¬ 
pneumonie und Herzinsuffizienz führten zum Exitus letalis. — Gerade in diesem 
Falle schien das Tuberkulomuzin ausserordentlich günstig zu wicken, bevor eine 
Verkettung unglücklicher Zufälle alles zu nichte machte. 

24. Pauline K., 38 Jahre, Maurersgattin, stammt aus hereditär belasteter 
Familie. Seit 4 Jahren krank und vollkommen arbeitsunfähig, leidet an quälendem 
Husten, Nachtschweiss, Appetitlosigkeit, Fieber, Halsschmerzen; Heiserkeit, Ge¬ 
wicht 58 kg. 

Befund am 5. V. 1911: Tuberkulöse Geschwüre im Larynx, grau verfärbt und 
stellenweise zerfallen. Rechts vorn bis zur IV. Rippe und hinten bis Skapulahälfte 
starke Verkürzung, stellenweise bronchiales Atmen, diffus reichliche mittelblasige 
Rasselgeräusche. Links vorne bis zur III. Rippe und hinten bis zur Spina scapulae 
Verkürzung und mässig reichliches, klein- bis mittelblasiges Rasseln. 

Die Therapie begann mit minimalen Dosen von 2—4 mg. Nach 10 Injektionen 
wurde folgender Befund am 25. VIII. 1911 erhoben: Die Geschwüre im Halse 
waren gereinigt, die Stimme freier; die subjektiven Beschwerden zum grössten 
Teile verschwunden, die Rasselgeräusche waren nunmehr sehr spärlich; Ge¬ 
wicht 60 kg. Aussehen gut, Appetit vortrefflich. Nun ging Patientin aufs Land. 

Am 20. X. 1911: Husten und Schmerzen waren wieder stärker geworden. 
Es bestand Gravidität im III. Monate. In der Lebergegend ein kindskopfgrosser 
Tumor palpabel, der Perkussionsschall darüber tympanitisch. .Patientin wurde 
ins Krankenhaus Aufgenommen und, da Blutungen eintraten, die Schwangerschaft 
künstlich unterbrochen. Am 8. XI. 1911 wurde der Tumor in der Lebergegend, 
eine Gallenblasen-Cyste, per laparotomiam entfernt. 

Vom 25. XI. 1911 ab unterzog sich Patientin einer neuen Injektionsserie. 
Sie ist jetzt vollkommen arbeitsfähig und von seiten der Lunge beschwerdefrei; 
beiderseits lassen sich nur sehr spärliche Nebengeräusche, Knarren beim Atmen 
nachweisen. Gewicht 65 kg. 

Nach 9 Injektionen wurde Patientin aus der Behandlung entlassen und steht 
jetzt etwa 3 Monate in Beobachtung. 

25. Emil K., 28 Jahre, Kaufmann. Seit 3V 2 Jahren krank, Abendtemperatur 
erreicht 38,5°, oft zeigt sich Blut im Auswurf; anhaltender Husten und Nacht- 



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Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


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schweiss; Schmerzen; Appetit liegt ganz darnieder; Patient geht nur sehr müh¬ 
sam und ist vollständig arbeitsunfähig. Yorbehandelt mit Tuberkulin^ Mamorek- 
serum, Hetol und Arsen, Gewicht 55 kg. 

Befund am 1. IX. 1911: Rechts vorne und hinten über dem Oberlappen 
tympanitischer Perkussionsschall und amphorisches Atmen. Von der 3. Rippe 
abwärts und hinten bis zum Skapulawinkel starke Verkürzung und dichtes mittel¬ 
blasiges Rasseln. 

Links vorne bis zur 3. Rippe und hinten bis Skapulahfilfte Verkürzung und 
reichliches, mittelblasiges Rasseln. — Stuhl diarrhoisch; zeitweise Erbrechen. 
2 Serien zu 9 Injektionen. 

Am 24. XI. 1911: Pat. fühlt sich subjektiv bedeutend besser, Schmerzen 
selten, Nachtschweiss gering, kein Blut im Auswurf, Appetit gehoben, Gewicht 
56 1 2 kg, Rasselgeräusche über beiden Lungen spärlicher. 

Am 8. III. 1912. Letzte Dosis 150 mg. Pat. fühlt Fortschreiten der Besse¬ 
rung; die subjektiven Beschwerden sind sehrmässig; Husten nur morgens, selten 
Nachtschweiss, Schmerzen fast völlig verschwunden; Atemnot verschwunden, 
Appetit gut, Gewicht 57 kg. Abendtempeoatur 37,2°. 

Bei gleichgebliebenem Perkussionsbefund sind die Rasselgeräusche zum 
grösseren Teile verschwunden; wegen des Sistierens der Schmerzen ist die Atmung 
freier und tiefer. Zu leichteren Arbeiten befähigt. 

26. Johann M., 26 Jahre, ledig, Gärtner. Seit 4 Jahren krank. Vorbe¬ 
handelt mit Hetol und Sorisin. Husten, Schmerzen, Nachtschweiss, Atemnot, 
Ar beitsun fähigkeit. 

Befund am 18. VIII. 1911: Gewicht 66 7* kg. Recht9 vorne bis zur 3. Rippe 
und hinten bis zur Skapulahälfte starke Verkürzung, abgeschwächtes Atmen, 
mässig reichliches, klein-bis mittelblasiges Rasseln. Links vom bis zur Klavikula und 
hinten bis zum 3. Brustwirbel Verkürzung, verlängertes Exspirium, mässig reich¬ 
liche, trockene Nebengeräusche. Über beiden Unterlappen Reiben (vor 3 Jahren 
Pleuritis durchgemacht). 

2 Serien umfassend 18 Injektionen (10—100 mg). 

Am 7. I. 1912: Rechts vorne starke Verkürzung über der Spitze und rechts 
hinten bis zum 4. Brustwirbel abgeschwächtes Amen. 

Leichte Verkürzung über der linken Lungenspitze vorn und hinten. 

Subjektiv beschwerdefrei, Gewicht 76 kg. — Auch zu schwereren Arbeiten 
geeignet aus der Behandlung entlassen. — Bereits 4 1 /» Monate in Beobachtung. 

27. Joseph N., 32 Jahre, ledig, Feldarbeiter. Erkrankte vor 3 Monaten 
unter mässigem Fieber, Husten, Nachtschweiss, Auswurf, Stechen auf der rechten 
Seite. 

Befund am 11. VIII. 1911 : Gewicht bl 1 !* kg, arbeitsunfähig. Rechts vorne 
bis zur 3. Rippe Verkürzung, verlängertes Exspirium, mässig reichliches Knister¬ 
rasseln. Rechts hinten bis zur Spina scapulae Verkürzung, kleinblasiges Rasseln, 
welches gegen die Axilla besonders dicht wird. 

8 Injektionen von je 10 mg Tuberkulomuzin. 

Am 29. X. 1911: Von subjektiven Beschwerden gibt Patient nur selten ein¬ 
tretenden Nachtschweiss an. Über dem rechten Oberlappen Verkürzung, etwas 
verlängertes Exspirium, keine Nebengeräusche. Gewicht 62 kg. — Seither ist. Pat. 
beschwerdefrei geblieben und zeigt sich alle 6—8 Wochen. Vollkommen ar¬ 
beitsfähig. 


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28. Katharina P., 30 Jahre, Arbeitersgattin. Seit 2 Jahren krank, Husten, 
viel Auswurf, manchmal Nachtschweiss, allgemeine Schwäche. Vor 1 Monat 
Hämoptoö, arbeitsunfähig. 

Befund am 8. IX. 1911: Gewicht 66 kg. Rechts vorne bis zur 3. Rippe 
und hinten bis zum 4. Brustwirbel beinahe Dämpfung, reichliches klein- bis mittel¬ 
blasiges Rasseln. — Über der linken Spitze Verkürzung und verschärftes Atmen, 
Schmerzen, Appetitlosigkeit. Pat. reagierte auf die 1. Injektion von 10 mg nur un¬ 
bedeutend, daher stiegen wir rasch mit der Dosis, bei 12 Injektionen bis 140 mg; 
die erste deutliche Reaktion zeigte sich bei 70 mg. 

Am 15. XII. 1911: Pat. ist völlig arbeitsfähig und beschwerdefrei bis auf 
den geringen Appetit; Gewicht 69 kg. Rechts über dem Oberlappen vorne und 
hinten starke Verkürzung und spärliches Knistern. Auf der linken Lungenspitze 
leichte Verkürzung, normales Atmen. 

29. Maria P., 25 Jahre, ledig, Köchin. Seit 2 Jahren krank; vorbehandelt 
mit Alttuberkulin und Hetol. Die sehr herabgekommene Pat. klagt über starkes 
Seitenstechen, Husten, Nachtschweiss; wegen Verschlimmerung ihres Zustandes 
musste sie vor V* Jahre ihren Dienst verlassen. Abendliche Temperatursteige¬ 
rungen bis 38°. 

Befund am 25. VIII. 1911: Gewicht 53 kg. Rechts vorne bis zur Klavikula 
und hinten bis zur Spina scapulae Verkürzung, rauhes Atmen, mässig reichliche, 
feuchte Rasselgeräusche. Links vorne bis zur 3. Rippe starke Verkürzung, abge- 
schwäcbtes Atmen, diffuses mittelblasiges Rasseln. Links hinten bis zur Spina 
scapulae Dämpfung und stark abgeschwächtes Atmen; abwärts bis zum Skapula- 
winkel starke Verkürzung und dichtes mittelblasiges Rasseln. Die 1. Injektion 
von 10 mg verursachte geringe Stichreaktion, dafür stärkere Allgemeinreaktion 
mit starken Kopfschmerzen; der aufgetretene stärkere Hustenreiz ist als Herd¬ 
reaktion zu deuten. Pat. bekam in der 1. Serie 10 Injektionen. 

Am 27. X. 1911: Pat. beinahe beschwerdefrei bis auf geringe Schmerzen, 
Gewicht 57 kg, Rasselgeräusche bedeutend geringer. Nach l 1 s monatlichem Land¬ 
aufenthalt wurde eine 2. Serie von 8 weiteren Injektionen begonnen. 

Am 14. II. 1912: Schmerzen selten und gering, Temperatur abends 37°, kein 
Husten, kein Nachtschweiss; Gewicht 60V 2 kg. — Rechts Atmung freier, ohne 
Nebengeräusche. Links abgeschwächtes Atmen und mässig reichliches, klein¬ 
blasiges Rasseln. Pat. fühlt sich subjektiv vollkommen erholt und wohl und ist 
bereits 3 Monate als Köchin im Dienste. 

30. Rudolf P., 38 Jahre, Maurer, ledig. Vor l /% Jahre traten die ersten Be¬ 
schwerden seitens der Lunge bei ihm auf. Starker Husten, Nachtschweiss und 
Schmerzen nötigten ihn, die Arbeit aufzugeben. 

Befund am 24. X. 1911: Gewicht. 58 kg. Rechts vorne bis zur 4. Rippe 
und hinten bis Skapulahälfte deutliche Verkürzung, dichtes kleinblasiges Rasseln. 
Links vorne bis zur 3. Rippe und hinten bis zur Spina scapulae Verkürzung und 
reichliches Knisterrasseln. — 7 Injektionen, 5 bis 20 mg Tuberkulomuzin. 

Am 5. XII. 1911 war Pat. vollkommen beschwerdefrei; Rasselgeräusche 
beim Atmen waren weder links noch rechts nachzuweisen, Gewicht 62 kg. Pat. 
fühlt sich subjektiv gesund und arbeitet wieder als Maurer. 

* Am 29. III. 1912, also 4 Monate später, stellte er sich wieder vor; der Be¬ 
fund war derselbe wie bei Abschluss unserer Injektionstherapie, zu deren schönsten 
Erfolgen dieser Fall zählt. 


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Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


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31. Johann R., 45 Jahre, ledig, Geschäftsdiener. Der Beginn der Erkrankung 
reicht bis ins 20. Lebensjahr zurück; Pat. leidet an oft rezidivierenden Lungen- 
katarrhen. Vor 3 Monaten traten heftige Schmerzen auf, Nachtschweiss, massiger 
Husten, leichtes Fieber, arbeitsunfähig. 

Befund am 8. IX. 1911: Gewicht 59 kg. Rechts vorne bis znr Klavikula 
Verkürzung, abgeschwächtes Atmen, dichtes Knisterrasseln; derselbe Befund rechts 
hinten bis zur Spina scapulae. Links vorne bis zur 3. Rippe und hinten bis zum 
3. Brustwirbel starke Verkürzung, abgeschwächtes Atmen, klingende Rasselge¬ 
räusche; Atmung bronchial. 7 Injektionen von je 5 mg. 

Am 3. X. 1911: Gewicht 60 V 2 hg* Von den Beschwerden weiss Pat. nur 
noch mässigen Husten anzugeben. Auf der rechten Lungenspitze sind die Rassel¬ 
geräusche völlig verschwunden. 

Ende Februar 1912 stellte sich der Kranke wieder vor; er ist als Diener an 
einem Provinzkrankenhause angestellt und nach Ansicht des leitenden Arztes 
völlig wiederhergestellt. • 

32. Anton R., 32 Jahre, ledig, Drechsler. Vor 2 Jahren erkrankt, war er 
in einer Lungenheilstätte mit Hetolinjektionen behandelt worden. Pat. sieht gut 
aus, seine Beschwerden sind hauptsächlich Nachtschweiss und Seitenstechen, 
mässig starker Husten. In letzter Zeit bemerkte er, dass er allmählich körperlich 
heruntergekommen war; im Auswurf zeigten sich Blutspuren; Gewicht 54 kg.— 
Als Kind war er an der linken Halsseite wegen Lymphadenitis operiert worden. 
Arbeitsfähig mit zeitweisen Unterbrechungen. 

Befund am 12. IX. 1911: Rechts vorne bis zur 3. Rippe und rechts hinten bis 
Skapulahälfte starke Verkürzung, reichliches, mittelblasiges Rasseln und Knarren. 
Über der linken Spitze Verkürzung und hauchendes verlängertes Exspirium. 

Schon nach den ersten 2 Injektionen stieg das Körpergewicht deutlich, so 
dass wir bei der Anfangsdosis von 10 mg verblieben. 

Befund nach 8 Injektionen am 6. XI. 1911: Über der rechten Spitze Ver¬ 
kürzung, leicht abgeschwächtes Atmen ohne Nebengeräusche. Links auf der Spitze 
leichte Verkürzung. — Gewicht 62 >/* kg. — Nach weiteren 8 Injektionen, die nun 
alle 2 Wochen gegeben wurden, ergab sich am 2. III. 1912 folgender Befund: 
Lunge ebenso wie am 6. XI. 1911. Nur noch seltener Husten. Blut und Bazillen 
im Sputum nicht mehr nachweisbar. Gewicht 65 V 2 hg. — Pat. steht seither in 
Beobachtung und ist vollkommen arbeitsfähig. 

33. Paul S., 27 Jahre, ledig, Tischler. Erkrankte vor lVs Jahren und be¬ 
kam ebenfalls Hetol-Injektionen. Schmerzen, Husten, viel Auswurf, Nachtschweiss. 
Vor 6 Wochen trat Hämoptoö auf. — Seit 7 Tagen grosse Schmerzen links auf 
der Brust. — Arbeitsunfähig. 

Befund am 25. VIII. 1911: Gewicht 50 kg. Rechts vorne und hinten über 
der Spitze Verkürzung und Knisterrasseln. Links bis zur IV. Rippe und hinten 
bis Skapulahälfte starke Verkürzung, oben beinahe fehlendes Atmen, abwärts 
dichtes, mittelblasiges Rasseln — Über den unteren Lungenpartien vorn und 
hinten Dämpfung, bronchiales Atmen, spärliches Knistern (Pneumonia lobuli inf. 
sin.) — Temperatur abends 40,3°. 1. Injektion: 5 mg. Starke Stichreaktion. 2. IX. 
2. Injektion: 5 mg Starke Stichreaktion. 

Am 12. IX. 1911 war die Pneumonie abgelaufen, das Fieber war lytisch 
heruntergejgangen. 

Am 20. XII. 1911 war die Behandlung nach 13 Injektionen abgeschlossen. 
Pat. bat nur noch selten Nachtschweiss, spärlichen Auswurf. Von den Nebenge- 



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rauschen beim Atmen auf der linken Longen9eite ist nur noch spärliches, feuchtes 
Rasseln zurückgeblieben. Das Wohlbefinden hält seither dauernd an. Das Ge¬ 
wicht hatte 5572 kg erreicht, Arbeitsfähigkeit wieder vollkommen hergestellt. 

34. Katharina S., 36 Jahre, Schneidersgattin. Seit 1 Jahre krank; morgens 
Husten, Appetitlosigkeit, zeitweise Schmerzen. Arbeitsfähig mit Unterbrechungen. 

Befund am 26. VIII. 1911: Gewicht 50 kg. Rechts über dem Oberlappen 
Verkürzung des Perkussionsschalles und eine Atemdifforenz gegen die linke Seite; 
spärliches Knistern. — lm Sputum liessen sich mittelst Anreicherungsverfahren 
zahlreiche Bazillen nachweisen. Es handelt sich um einen jener seltenen F&lle, wo 
wir die Tuberkulose in ihren ersten Anfängen zur Beobachtung und Behandlung 
bekommen, denn die Pat., der vor kurzem eine Schwester und die Mutter an 
Tuberkulose gestorben waren, kam aus Furcht vor der Tuberkulose in die Ordi¬ 
nation, ohne selbst den Ernst des eigenen Leidens zu ahnen. 

Das frühe Stadium der Erkrankung lie^f einen sehr günstigen Erfolg einer 
spezifischen Behandlung erwarten; tatsächlich trat schon nach 4 mg Tuberkulo- 
muzin eine ausserordentlich starke Stichreaktion auf, und nach weiteren 6 In¬ 
jektionen, am 10. XI. 1911 konnte Pat. bereits aus der Behandlung entlassen 
werden. Die Schall Verkürzung rechts oben bestand weiter; die Untersuchung 
mittelst Anreicherungsverfahren ergab jetzt keine Bazillen im Sputum; Pat. war 
beschwerdefrei; die Pirquetsche Reaktion negativ. Gewicht 50kg; Appetit gut. 

Im Mai 1912 war Pirquet ebenfalls negativ; somit dürfen wir die Kranke 
als geheilt ansprechen. 

35. Katharina Z., 24 Jahre, ledig, Bauerstochter. Vor 1 Jahre bekam sie 
ohne bekannte Ursache einen Blutstufz; sie stammt aus hereditär belasteter 
Familie; obzwar sie ständig am Lande und in guten materiellen Verhältnissen 
lebt, zeigt sie das Bild einer ausgesprochenen Chlorose. Seit Beginn der Lungen¬ 
erkrankung Husten, Nachtschweiss, Appetitlosigkeit, Schwäche, Amenorrhöe, zeit¬ 
weise gastrische Beschwerden. — Vor 2 Monaten Hämoptoö. Ohne Beschäftigung. 

Befund am 22. IX. 1911: Gewicht 56 kg. — Rechts vorne bis zur 4. Rippe 
und rechts hinten bis Skapulahälfte Dämpfung; oben fehlendes Atmen, abwärts 
reichliches, mittelblasiges Rasseln. Links vorn bis zur Klavikula und hinten bis 
zur Spina scapulae Verkürzung, bronchiales Atmen, reichliches Knarren- und 
Knisterrasseln besonders in der Axilla. 11 Injektionen. 

Als erstes Anzeichen der Besserung konnte Pat. das Aufhören des Er¬ 
brechens und die Hebung des Appetits wahrnehmen. Von Anfang November an 
kamen die Menses wieder, wenn auch nur 1 Tag dauernd. Die Besserung schritt 
dann ziemlich rasch vor. 

Am 18. XII. 1911 war von subjektiven Beschwerden nur noch massiger 
Husten zurückgeblieben; Pat. fühlt sich kräftig, Gewicht 58 kg. Rechts auf der 
Lunge war der Befund gleich; links konnte man bei bestehender Verkürzung nur 
spärliches Knistern nachweisen. Seither hat sich der Zustand nicht geändert. 

Die 35 hier angeführten Fälle bilden eine geschlossene Versuchs¬ 
reihe insoferne, als jeder in dieser Zeit zur Beobachtung gelangte 
Fall von Tuberculosis pulmonum ohne Rücksicht auf die Schwere der 
Erkrankung der Behandlung mit Tuberkulomuzin unterzogen und 
ferner für alle Fälle immer ein .und dasselbe Präparat verwendet 
wurde. 



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17] 


Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


153 


Als das uns überlassene Quantum zur Neige ging und wir den 
Rest für die bisher damit behandelten Fälle reservierten, stellte uns 
Doz. Dr. Weleminsky ein frisch hergestelltes Quantum zur Ver¬ 
fügung. Zu unserer Überraschung zeigte es sich aber nach einiger 
Zeit, dass die damit erzielten Resultate bei weitem nicht so günstig 
waren wie die mit dem ursprünglichen Präparate erzielten. Eine 
chemische Untersuchung durch Herrn Dr. Weleminsky ergab, dass 
das neue Präparat — wahrscheinlich durch die etwas stärkere Alka- 
leszenz der Bouillon — sich zersetzt und das Muzin sich in Alkali- 
albuminat verwandelt hatte. Die von da ab unter Vermeidung dieser 
Fehlerquelle dargestellten Präparate zeigten nun stets wieder die 
Konstanz und Wirksamkeit des ursprünglichen. Die Zahl der mit 
diesen späteren Präparaten behandelten Lungenkranken ist jetzt auf 
über 120 gestiegen. Die Resultate, soweit sie sich bis jetzt über¬ 
blicken lassen, entsprechen im allgemeinen den oben angeführten 
35 Fällen. Da aber die Beobachtungszeit eine zu kurze ist, müssen 
diese neuen Fälle einer eventuellen späteren neuen Publikation Vor¬ 
behalten bleiben. 

Besonders instruktiv für die Beurteilung der Wirkungsweise eines 
spezifischen Präparates sind naturgemäss die Fälle von äusserer 
Tuberkulose. Es standen mir, wie bereits erwähnt, leider nur 
sehr wenige zur Verfügung, die aber alle ausschliesslich mit Tuber¬ 
kulomuzin unter Vermeidung jeder anderen Therapie behandelt 
wurden, und welche etwas ausführlicher beschrieben werden sollen. 

I. Elisabeth U., 8 Jahre, Schulkind. 

Diagnose: Keratoconjunctivitis eczematosa, Lupus. 

Status (Prof. D. L. Waelsch): Blasses Mädchen, Gewicht 21 kg. 

Am linken Auge Conjunctivitis phlyctaenulosa und eine Nubeknla an der 
Kornea. An der Nasenspitze hinaufreichend bis zur Mitte des Nasenrückens, 
nach links übergreifend und berabziehend zum lateralen Rande des Nasenhofes 
bis ungefähr zur Mitte desselben ist die Haut lupös verändert. An den Rand¬ 
partien nach oben isolierte Knötchen, teils in Narben, welche den Krankheitsherd 
nach aussen begrenzen. Die Nasenspitze von diffus blaurotem lupösen Infiltrate 
eingenommen. Die vordere Hälfte des linken Nasenflügels und die linke Seite 
der Nasenspitze fast vollkommen eingenommen von einem Geschwür, welches 
sich in konvexem Bogen nach oben begrenzt und entsprechend seiner grössten 
Höhe ungefähr V* cm vom Rande des Nasenflügels hinaufreicht und schmierig 
belegt ist. Entsprechend dem vorderen Winkel des Nasenloches am Nasenflügel 
einspriugende Zacken. An der Oberlippe links bis auf den linken Mundwinkel 
* hin- neben zahlreichen Narben frische. Lupusknötchen. Die subraaxillaren und 
submentalen Lymphdrüsen beiderseits deutlich intumesziert. 

Nach 5 Injektionen von je 10 mg war das Körpergewicht auf 22 i/ 2 kg 
gestiegen und wir konnten (ebenfalls unter freundlicher Mithilfe des Herrn Prof. 
Dr. L. Waelsch) folgenden Befund erheben: 


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154 


Dr. Ernst Pachner. 


[18 


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Die Konjunktivitis seit einigen Tagen völlig verschwunden. Die Lupus¬ 
knötchen zeigen allenthalben Abflachung und blässere Farbe. Seit 2 Tagen ist 
jedoch frischer Zerfall an 3 Knötchen in der Narbe oberhalb des linken Mund¬ 
winkels eingetreten. An der rechten Seite der Nasenspitze ist es ebenfalls an 
mehreren Stellen zum Zerfall des lupösen Infiltrates gekommen. Das erwähnte 
Geschwür an der Nasenspitze hat sich bedeutend verkleinert, indem ein Epithel¬ 
saum von oben her über dasselbe hinübergekvocben ist und nun ein unregelmässig 
begrenzter, kleiner Herd am Rande des Nasenflügels Zerfall mit Krustenbildung 
zeigt. Die festhaftenden Schuppen am Übergang des Lippenrots in die Schleim¬ 
haut sind verschwunden. Die submentalen und submaxillaren Drüsen sind deut¬ 
lich kleiner geworden. 

Der Allgemeinzustand des Kindes ist ungemein gehoben, sein Gesicht ist 
voller und rosiger geworden. Von da ab schritt die Besserung gleichin&ssig fort. 
Beim Verlassen des Krankenhauses nach 9 wöchentlicher Behandlung war der 
Lupus zum grössten Teile geheilt und die affizierten Hautstellen vernarbt. Das 
Geschwür an der Nasenspitze war gereinigt und auf einen kleinen Bruchteil des 
ursprünglichen abgeheilt. Patientin kam leider nicht mehr in das Spital; Berichte 
von ihren Bekannten geben andauerndes Wohlbefinden an. 

II. Antonie T., 89 Jahre, Wäscherin. 

Seit 1 Jahre hat Patientin an beiden Unterarmen auf der Dorsalseite je 
einen Krankheitsherd, tuberkulösen Ursprungs. Ara linken Unterarm ist der Herd 
etwa 4 cm lang und 3 cm breit, zeigt unterminierte Ränder, der Grund schmierig 
belegt; in dem Herde selbst und am Rande vereinzelte Knötchen, stellenweise 
festhaftende Krusten. — Dieser Herd wurde scharf exzidiert, der Grund des Ge¬ 
schwürs mit dem scharfen Löffel ausgekratzt; nach drei Wochen war der Herd 
durch Narbenbildung verheilt. Am rechten Oberarm ein ebensolches Geschwür, 
etwas grösser. Am Tage der Exzision der linksseitigen Affektion (18. VIU. 1911) 
bekam Patientin die I. Injektion von 10 mg Tuberkulomuzin; schon nach 2 Tagen 
zeigte sich eine Herdreaktion in Form einer entzündlichen Rötung um das Ge¬ 
schwür; der Krankheitsherd begann stärker zu sezernieren. Nach der II. Injektion 
bemerkte man einen Zerfall der einzelnen Knötchen, besonders am Rande des Ge¬ 
schwüres. Am 8. IX. 1911 war der Gescbwürsgrund gereinigt, alle Knötchen zer¬ 
fallen und es zeigten sich in der Mitte des Herdes frische Granulationen. Am 
15. IX. bemerkten wir vom Rande her an verschiedenen Stellen gegen die Mitte 
ziehend einen Epithelsaum. 

Am 8. X. 1911, also nach 8 Injektionen, war der ganze Herd abgeheilt, 
vollständig von frischem Epithel gedeckt und stellenweise begann schon Narben¬ 
schrumpfung. 

Für die Beurteilung der spezifischen Wirksamkeit des Tuberkulomuzins 
scheint uns auch dieser Fall von vollständig geheilter Hauttuberkulose von be¬ 
sonderer Bedeutung zu sein. 

III. Marie M., 23 Jahre, Dienstmädchen. 

Leidet seit 2 Jahren an einem rechtsseitigen Lungenspitzenkatarrh. Etwa 
2 cm nach aussen von der Knorpelknochengrenze an der 7. Rippe links tastet 
man eine Knochenverdickung, die schmerzempfindlich ist. Entsprechend dieser 
Stelle ist in der Haut eine Fistel; beim Sondieren kommt man durch diesen 
etwa 3 /4 cm langen Fistelgang an eine voip Periost entblösste, rauhe Stelle des 
Rippenknochens, welche der erwähnten Verdickung entspricht Die Fistel sezer 
niert reichlich fötides, gelbes Sekret. Um die äussere Fistelöffhung ist die Haut 



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19] 


Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


155 


infiltriert und durch Druck lässt sich ebenfalls Sekret berausdrücken. Am 18. IX. 1911 
wurde mit der Injektionstherapie begonnen. 

Schon in der ersten Woche war eine stärkere Sekretion aus der Fistel 
wahrzunebmen und die Hautstelle war äusserst druckempfindlich; gleichzeitig 
erschien die Umgebung frisch entzündet. 

Allmählich wurde die Sekretion geringer und in der 3. Woche hatte sich 
ein kleiner Knochensplitter sequestriert und war durch die Fistel herausgekommen. 
Von da ab verkleinerte sich das Infiltrat um die Fistel, die Sekretion versiegte 
gänzlich. 

Nach 6 Injektionen war die Öffnung vernarbt, nicht mehr druckschmerzhaft. 
Gleichzeitig war von der Lungenspitzenaffektion nur noch eine mässige Ver¬ 
kürzung des Perkussionsschalles und rauhes Atmen nachzuweisen; subjektiv war 
die Patientin vollkommen beschwerdefrei. 

IV. Joseph K., 16 Jahre, Lehrling. 

Patient sehr schwach und unterernährt. Seit frühester Jugend kränklich. 
An der rechten Halsseite waren die Lymphdrüsen intumesziert, ebenso die am 
Unterkieferwinkel und die retroaurikularen. 

An 3 Stellen waren die Drüsentumoren durch Fisteln nach aussen durch¬ 
gebrochen und sezernierten reichlich gelb-eiteriges Sekret. — Gleichzeitig fand 
sich rechts vorne an der Brust eine Fistel, entstanden durch Karies der V. Rippe 
in der Mammillarlinie. — Gewicht 36 kg. 

Die I. Injektion bekam Patient am 17. X. 1911. Der Verlauf war ebenso 
wie im vorher beschriebenen Falle. 

Ara 8. XII. 1911 nach 8 Injektionen zu je 10 mg Tuberkulomuzin konnte 
Patient als geheilt aus der Behandlung entlassen werden. Die Drüsenabszesse 
waren vernarbt, ebenso die Fistel oberhalb der Rippe; Gewicht 41 kg. 

V. Marie B., 35 Jahre, Arbeiterwitwe. Mann und 2 Kinder an Tuberkulose 
gestorben. 

In früher Jugend war Patientin augenkrank; seit y 2 Jahre stand sie in 
unserer Beobachtung (bzw. in Behandlung von Herrn Priv-Doz. Dr. Hirsch). 
Patientin leidet an einer beiderseitigen Iridozyklitis. Die Pupillen verengt, Irides 
grau verfärbt. Das Sehvermögen ist stark herabgesetzt durch dichte, weisse, 
parenchymatöse Trübungen der Hornhaut auf beiden Augen. Wasserm annsche 
Blutuntersuchung ergab negatives Resultat; auch sonst Lues nicht nachweisbar. 

Eine probatorische Injektion von Alttuberkulin ergab starke Reaktion; 
daher wurde der Versuch einer Injektionsbehandlung mit Tuberkulomuzin unter¬ 
nommen. 

Schon die I. Injektion von 2 mg am 19. XII. 1911 liess auf die tuberkulöse 
Natur der Erkrankung der beiden Hornhäute mit grösster Wahrscheinlichkeit 
ßchliessen. Die Stichreaktion war stark, ferner traten Kopfschmerzen und eine 
Temperatursteigerung auf 37,5 ein; 24 Stunden nach der Injektion bemerkten wir 
aber- vor allem an beiden Augen Tränenfluss und eine nicht unbedeutende Reizung 
der Conjunctivae bulbi. Diese Reaktionserscheinungen, welche auch bei den fol¬ 
genden Injektionen auftraten, verschwanden nach etwa 48 Stunden. 

Am 8. III. 1912, also nach 12 Injektionen von 2-20 mg Tuberkulomuzin 
konnten wir folgenden Befund erheben (Priv.-Doz. Dr. Hirsch): Die Irides 
wiesen nunmehr deutliche Zeichnung auf. Die parenchymatösen Hornhauttrübungen 
hatten sich beinahe vollständig aufgehellt, indem nur zarte Schleier zurück¬ 
geblieben waren, welche das Sehvermögen beinahe gar nicht beeinträchtigen. 
Auch sonst hat sich der Ernährungszustand der Kranken wesentlich gehoben. 


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156 


Dr. Ernst Pachner. 


[20 


Nunmehr bleibt noch die Weiterbehandlung der Iridozyklitis übrig; aber auch 
dabei hat das Tuberkulomuzin nicht Unwesentliches geleistet. Die Schmerz- 
anfälle und die begleitenden Trigeminusneuralgien sind viel seltener geworden. — 
Dieser Fall ist dadurch besonders interessant, dass eine sonst allgemein und auch 
hier lange für luetisch gehaltene Erkrankung (Keratitis profunda s. parenchyma- 
tosa) sowohl durch die spezifische Herdreaktion als durch den Erfolg der Be¬ 
handlung mit Sicherheit als tuberkulöser Natur nachgewiesen werden konnte. 

Zur besseren Übersicht wollen wir die Fälle von Lungentuber¬ 
kulose in einer 2. Tabelle auch nach Stadien geordnet, zusammen¬ 
fassen, obgleich ja zweifellos die Einteilung nach Stadien ihre grossen 
Mängel hat; sie ermöglicht uns aber immerhin eine gewisse Orien¬ 
tierung über die Schwere des Krankheitsprozesses in den einzelnen Fällen. 

Tabelle II. 


Die Fälle von Lungentuberkulose nach Stadien geordnet. 


Stadium 

Zahl 

der Fälle 

Geheilt 

Sehr ge¬ 
bessert und 
vollständig 
arbeitsfähig 

Deutlich ge¬ 
bessert und 
teilweise 
arbeitsfähig 

Gestorben 

I. 

7 

7 

_ 



I.—II. 

6 

3 

3 

— 

— 

II. 

10 

— 

9 

1 

— 

II.—III. 

9 

— 

6 

3 

— 

III. 

3 

— 

— 

2 

1 

Summe 

1 

35 

10 

18 

6 

i 

i 


Stadium 

Zunahme 
0-1 kg 

Zunahme 
1—2 kg 

Zunahme 
2-11 kg 

Durchscbnitt- 
licheZunalnne 
in kg 

Durchschnitt¬ 
liche Dauer d. 
Behandlung 
in Wochen 

I. 

2 

2 

3 

3V 2 

8 

I.—II. 

2 

0 

4 

3 

7 

II. 

0 

3 

7 

5V 5 

UVa 

II.—III. 

1 

2 

6 

5 

15 Vj 

III. 

— 

2 

1 

2 

17 

Summe 

5 

9 

2! 

4,135 

11V, 


Wollen wir nun aus dieser Zusammenstellung nebst den dazu¬ 
gehörigen Krankengeschichten einerseits, dem Verlaufe bei äusserer 
Tuberkulose andererseits, unsere Schlussfolgerungen ziehen, so 
müssen wir sagen: 


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21] 


Erfahrungen mit dem Tuberkulomuzin Weleminsky. 


157 


1. Das Tuberkulomuzin muss als spezifisch wirksames Mittel bei 
Tuberkulose angesehen werden. Dies Hess sich vor allem bei den Fällen 
von äusserer Tuberkulose erkennen, deren Verlauf während der Be¬ 
handlung durch das Auge kontrolliert werden konnte, sowie aus der 
günstigen Beeinflussung auch der schweren Fälle des II. und III. 
Stadiums. Hierbei müssen wir besonderen Wert auf die Gewichts¬ 
zunahme unter sonst gleichbleibenden äusseren Verhältnissen legen, 
sowie auf die Wiedererlangung der vollständigen Arbeitsfähigkeit neben 
dem Schwinden der subjektiven und objektiven Krankheitssymptome. 
Weniger beweisend sind naturgemäss die leichteren Fälle des I. oder 
beginnenden H. Stadiums, wenn auch bei ihnen die Heilung auffallend 
rasch vor sich ging. 

2. Vom Tuberkulin unterscheidet sich das Tuberkulomuzin nicht 
nur chemisch, sondern auch klinisch wesentlich durch seine Wirkungs¬ 
weise. Die toxische Komponente ist geringer, ferner findet eine Ge¬ 
wöhnung an das Präparat nicht statt; die wirksame Dosis bleibt 
während der ganzen Behandlungsdauer fast stets dieselbe. Endlich 
zeigt sich die Wirkung verhältnismässig sehr rasch, häufig schon nach 
der ersten, selten später als nach der dritten Injektion. Es ist daher 
auch nach den Erfahrungen beim Menschen anzunehmen, dass das 
wirksame Agens im Tuberkulomuzin ein anderes ist als im Tuberkulin 
und im Muzingehalt zu suchen ist. 

Bei aller Skepsis, die bei der Beurteilung eines Tuberkulose¬ 
mittels notwendig ist, müssen wir dennoch sagen, dass die bisherigen 
Resultate ausserordentlich ermutigend sind und dass eine weitere 
Nachprüfung des Tuberkulomuzins besonders bei den schweren und 
fieberhaften Fällen des II. und III. Stadiums der Lungentuberkulose, 
denen wir bis jetzt im ganzen ziemlich machtlos gegenüberstanden, 
wünschenswert erscheint; auffallend günstig verliefen unter der 
Tuberkulomuzinbehandlung die Fälle von äusserer Tuberkulose, wie 
wir hier nochmals hervorheben wollen. 

Zum Schlüsse sei es mir gestattet, allen Kollegen aus dem Josef¬ 
städter allgemeinen Krankenhause meinen besten Dank für ihre freund¬ 
liche Mithilfe und das Interesse, das sie meiner Arbeit entgegen¬ 
gebracht haben, zu »gen. Besonderer Dank gehört meinem hoch¬ 
verehrten Chef, Herrn Primarius Dr. Karl Saar für die Über¬ 
lassung der Fälle zur Injektionstherapie. Nicht minder herzlich 
danke ich auch Herrn Dozenten Dr. Friedrich Weleminsky, 
der mir als erstem sein Präparat in liebenswürdiger Weise über¬ 
lassen und meine Arbeit in weitgehendstem Masse gefördert hat. 


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Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 

Von 

Dr. F. A. Bauer (Inner-Arosa). 

Mit 8 Abbildungen im Text. 


Einleitung. 

Vergegenwärtigt man sich die ausgesprochene Neigung chronischer 
zirkumskripter Bronchiektasien zu Blutungen, die dabei nach Friedrich 
Müller noch häufiger sind als bei Lungentuberkulose, bedenkt man 
dass ein Autor wie Strümpell meinte, die sackförmigen von ver¬ 
ändertem Lungengewebe umgebenen Bronchiektasien in der grossen 
Mehrzahl der Fälle ätiologisch nicht von der Lungentuberkulose 
trennen zu können, nimmt man hinzu, dass Ausheilung einer Lungen¬ 
spitzentuberkulose und daran sich anschliessender Übergang in Bronchi- 
ektasienbildung beobachtet ist 1 ), dass Bronchiektasien an den Prädi¬ 
lektionsstellen primärer Tuberkulose, nämlich im rechten Oberlappen 2 ), 
ja sogar vorwiegend in der rechten Spitze klinisch und pathologisch¬ 
anatomisch 8 ) festgestellt sind, so wird man mir darin zustimmen, 
dass die zirkumskripten Bronchiektasien in ganz hervorragendem 
Masse die Aufmerksamkeit der Heilstättenärzte beanspruchen müssen. 
Es ist eine alte, oft wiederholte Klage, dass selbst typische Bronchi¬ 
ektasien gewöhnlich lange unter falscher Flagge segeln; und manche 
nicht bazilläre Unterlappentuberkulose findet so ihre Erklärung. 

Wenn ich nun auch die Diaskopie und die zurzeit im Vorder¬ 
gründe des Interesses stehende chirurgische Heilweise beiseite lassen 
musste, so glaube ich, dürften die hier zusammengestellten, in Heil- 

1) G. Hauser, Deutsch. Arcli. f. klin. Med. LXXXIV, 1-4, 1905. 

2 ) T. L. v. Criegern, Über akule Bronchieklasie. Monographie. Leipzig, 
Verlag von Veit & Co. 1903. 

3 ) Verf., Brauers Beiträge, Bd. XVIII, Heft 3. 


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160 


F. A. Bauer. 


[2 


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Stätten gesammelten 10 Fälle, von denen 2 schon in anderem Zu¬ 
sammenhänge beschrieben wurden, doch nach gewissen Richtungen 
einen Beitrag zu der ja noch längst nicht abgeschlossenen Lehre von 
den Bronchiektasien liefern. 

Wer die Literatur durchsieht, ich erinnere an F. A. Hoff- 
manns grosse Abhandlung im No th nage Ischen Handbuche und an 
die von Cri eg er n sehe Habilitationsschrift, die eine geradezu glänzende 
Illustration dazu liefert, wird sich leicht überzeugen, dass wir, was 
Pathogenese, Verlauf, Prognose und Therapie der Bronchiektasien 
betrifft, über das Stadium der Kasuistik noch nicht hinaus sind, und 
wird sie auch hier berechtigt finden, so sehr man im allgemeinen 
auch davor zurückschreckt. 


Kasuistik. 

Fall Nr. 1. H. W., 22 Jahre alt, Arbeiter. 

Anamnese: Vater angeblich seit jeher in derselben Weise von Husten 
und Auswurf gequält wie Patient seihst. Dieser machte mit 7 Jahren Lungen¬ 



entzündung durch, bekam mit 15 Jahren einen schweren Lungenkatarrli, hatte 
von da ah immer etwas Husten und Auswurf. Letzterer steigerte sich stark 
im ganzen letzten Jahre und bildete die Hauptheschwerden vor der Heilstätten¬ 
kur, gegen deren Ende der hier skizzierte Status erhoben wurde. 

Grosser starker Mann von etwas zyanotischem Aussehen. Thorax wohl¬ 
gebaut. Herz o. B. Lungen: Klopfschall über beiden Spitzen verkürzt, aber 
nahezu gleich, ( her dem linken Überlappen Inspiration etwas verschärft, diffuse 
fernklingende Rhonchi. L.II.L. Klopfschall lauter als R.H.U. Die über dem 
Oberlappen als „fernklingend“ gehörten Rhonchi nehmen über dem Unter¬ 
lappen, besonders hinten, an Intensität zu und sind hier als gurrende, röchelnde, 
und zum Teil gross-, zum* Teil mittelblasige Rasselgeräusche zu bezeichnen. 
Der Atemcharakter ist wegen dieser Nebengeräusche nicht eigentlich bestimm- 



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3] 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


161 


har. Das Verhalten der unteren Lungengrenzen beiderseits gleich. Quincke- 
scher Versuch (Schräglagerung auf der rechten Seite in diesem Falle — 
Kopf tief, Becken erhöht) nach einigen tiefen Atemzügen bei wiederholten 
Versuchen jedesmal stark positiv, führt zu Husten und Expektoration eines 
lockersitzenden, der Tagesmenge nach reichlichen, nach einigem Stehen typisch 
dreischichtigen, im frischen Zustande nicht riechenden, eitrig-schleimigen Aus¬ 
wurfs. Tuberkelbazillen wurden darin nie gefunden, ebensowenig elastische 
Fasern. — Keine Trommelschlegelfinger. Auffallend guter Allgemeinzustand 
bis auf die Zyanose. Urin frei. Erfolg: Nach Angabe des Patienten hat sich 
durch die Kur Husten und Auswurf nur imwesentlich vermindert, soweit 
objektiv feststellbar, ist der Unterlappenbefund unverändert geblieben. 

Fall Nr. 2. B. G., 23 Jahre alt, Landwirt. 

In der Schulzeit einmal Lungenentzündung, genauere Angaben nicht zu 
erhalten. Angeblich später gesund, aber' bei den militärischen Aushebungen 



bereits zweimal zurückgestellt. 2 Jahre vor der jetzigen Beobachtung erlitt 
er einen Unfall, indem er mit einer schweren Last auf die linke Seite fiel, 
so dass der Brustkasten gestaucht und gequetscht wurde. Unmittelbar danach 
hustete er angeblich reines Blut aus, welches mehr als ein Schoppenglas fasst, 
betragen haben soll. Danach blieb er 11 Tage zu Bett und erholte sich bald 
von den unmittelbaren Unfallfolgen wieder. Husten und Auswurf hat er aber 
angeblich von da ab nicht wieder verloren, obwohl er nach dem Unfall be¬ 
reits eine Vierteljahrskur in einer Heilstätte machte. Wegen erneuten reich¬ 
lichen Blutspeiens wurde er zum zweiten Male in eine Lungenheilstätte ein¬ 
gewiesen. Die zweite Lungenblutung sollte ihn beim Umgraben befallen und 
einen Obertassenkopf voll betragen haben. — Kräftig gebauter Mann, ziem¬ 
lich zyanotisches Aussehen. Herz o. B. Urin frei. — Keine Trommelschlegel¬ 
finger. Lungen: Spitzen beiderseits ziemlich gleich, atmen ohne Neben¬ 
geräusche. Über dem linken Unterlappen etwas gedämpft-tympanitischer Schall, 
Atemcharakter wegen der daselbst hörbaren überlauten groben bronchitischen, 
mittel- und grossblasigen Rasselgeräusche nicht bestimmbar. Ausdehnung und 
Beitrag« zur Klinik der Tuberkalo*©. Bd. XXV. H. 1. 11 


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162 


F. A. Bauer. 


[4 


Stärke der linksseitigen Unterlappenerscheinungcn nach Tagen und Tageszeiten 
schwankend, aber beständig nachweisbar. 

Quincke scher Versuch (Hängelage auf der rechten Seite) mit der 
Exaktheit eines Experimentes bei wiederholten Untersuchungen positiv. Tages¬ 
menge des flockigen, locker sitzenden eitrig-schleimigen, graugrüngelben Aus¬ 
wurfes im Mittel 30 ccm. Typische Dreischichtung. Kein putrider Geruch. 
Tuberkelbazillen und elastische Fasern nie nachweisbar. Kurerfolg hinsichtlich 
des Lokalbefundes und der Husten-Auswurfsbeschwerden minimal. 

Fall Nr. 3. Frl. P. F., 29 Jahre alt, Landwirtstochter. 

Eltern gesund, ein Bruder lungenkrank. Patientin will seit 8 Jahren 
lungenkrank, d. h. von Husten und Auswurf gequält sein. Diese Erschei¬ 



nungen sollen sich in letzter Zeit sehr gesteigert haben. Häufig Stechen in 
der linken Seite. Etwa */* Jahr vor der Aufnahme in die Heilstätte, in der 
die nachstehenden Beobachtungen gesammelt sind, soll sie nierenkrank gewesen 
sein; zurzeit war Urin frei. — Ihrem Aller entsprechend entwickelte Person 
in gutem Gesamtzustand von etwas zyanotischem Aussehen. -Herz o. B. — 
Keine Trommelschlegelfinger. 

Lungen: Spitzen kaum verändert, jedenfalls frei von Nebengeräuschen. 
R.H.U. und R.U.V. leichte Dämpfung bzw. Schallveränderung gegenüber der 
linken Seite. Atemcharakter nicht zu bestimmen wegen grober, teils giemender, 
leils pfeifender und mittel- bis grossblasiger Rasselgeräusche. 

Quincke scher Versuch positiv", d. h. linke Seitenlage bei erhöhtem 
Becken und hängendem Kopfe löst fast augenblicklich Husten aus und führt 
zur Entleerung eines ziemlich reichlichen, locker sitzenden, meist faden, bis¬ 
weilen auch übelriechenden, gelbgrünlichen, eitrig-schleimigen Auswurfs, der 
nach einigem Stehen die typischen 3 Schichten absetzt. 

In der Bodenschicht werden Dittrich sehe Pfropfe und mikroskopisch 
reichlich die bekannten geschwungenen Fettsäurenadeln gefunden. Niemals im 
Auswurf Tuberkelbazillen oder elastische Fasern nachweisbar. 

Verlauf: Zum Zwecke der Behandlung nimmt Patientin mehrmals täg¬ 
lich die Q u i n c k e sehe Hängelage ein, hat davon grosse Erleichterung, be- 


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5] 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


163 


freit sich dadurch auf Stunden von Husten und Auswurf. Im Anschluss an 
eine der nebenher verordneten Terpentininhalationen bemerkt sie sehr bald 
selbst ein völliges Sistieren des Auswurfes, gleichzeitig steigt die Temperatur 
plötzlich auf 38,6°, auskultatorisch ergibt sich ein auffallend vermehrtes Rasseln, 
Brummen und Giemen R.H.U. Einen Tag später nach reichlicherer Expek¬ 
toration Temperaturabfall. Im übrigen Temperatur normal. Da die bronchi- 
ektatischen Erscheinungen im Vordergründe stehen und das Krankheitsbild be¬ 
herrschen, Abbruch der Heilstättenbehandlung nach 8 Wochen. 

Hinsichtlich des bronchiektatischen Leidens kein eigentlicher Erfolg. 

Fall Nr. 4. Frau Th. D., 46 Jahre alt, Weberin. 

Beschwerden: Starker Husten und viel Auswurf, draussen wiederholt 
Blut dabei. Nachtschweisse. Atemnot. Starkes Krankheitsgefühl und verminderte 
Leistungsfähigkeit seit nunmehr 2 Jahren. Fremdkörperanamnese negativ. 



Ergänzungsanamnese: Patientin hat spät, d. h. erst mit 3 Jahren, Laufen 
gelernt. Schon zwischen dem 10. und 12. Lebensjahre will sie an Husten 
und Auswurf derselben Art wie jetzt gelitten haben, der sich angeblich im 
Anschluss an eine etwa vierzehntägige zur Bettruhe zwingende Krankheit ein¬ 
gestellt hatte, und wie Pat. wiederholt bestimmt angibt, etwa 2 volle Jahre 
andauerte. Pat. behauptet nun fest hei wiederholter eingehender Befragung, 
dass sie dann zwischen dem 12. und 37. Jahre, also über einen Zeitraum 
von 25 Jahren hin, von Husten und Auswurf völlig frei gewesen sei. Diese 
Beschwerden hätten erst im Anschluss an das letzte Wochenbett, d. h'. 9 Jahre 
vor der Heilstättenkur, während welcher nachstehende Beobachtungen gesammelt 
sind, wieder eingesetzt und sich von da ah nach den Jahreszeiten etwas 
schwankend im ganzen aber konstant erhalten. Bei dem starken Husten häufig 
Ohrschmerzen, besonders rechts. (Geringe Rötung.) 

Status: Kleine schwächliche Frau mit ziemlicher Zyanose. Herz: Töne 
etwas matt, sonst o. B. Urin frei. — Keine Trommelschlegelfinger. 

Im unteren Dorsalteil der Wirbelsäule ausgesprochene rechtskonvexe 
Skoliose. Lungen: Die Spitzen verhalten sich physikalisch fast gleich, atmen 
insbesondere ohne Nebengeräusche. R.H.U. etwas oberhalb vom Angulus be¬ 
ll* 


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[6 

ginnend gegenüber L.H.U. deutlicher Schall unterschied bis zur unteren Grenze, 
oberhalb derselben etwa 3 Querfinger breit fast Dämpfung. Verschieblichkeit 
rechts gegenüber links sehr viel geringer. In der Zone des abweichenden Klopf¬ 
schalles stellenweise fast bronchialer Atemcharakter, im übrigen bei den wieder¬ 
holten Untersuchungen an Intensität und Ausdehnung zwar wechselnde, durch 
gewisse Massnahmen aber immer wieder deutlich zu machende, meist ziemlich 
zahlreiche mittel- bis grossblasige, mehr oder minder klingende Rasselgeräusche, 
zeitweise vermischt mit Giemen, Juchzen, Pfeifen und Knarren. Quincke- 
scher Versuch bei linker Seitenlage regelmässig positiv. Hustenanfall auch dann 
auslösbar, wenn sich Patientin auf den vorgestellten linken Fuss wie zum 
Schuhschnüren herunterbückt. Auswurf an Menge wechselnd — um so 
reichlicher, je länger Versuche obiger Art unterblieben —, niemals übelriechend, 
nicht locker, flockig und eitriggelb, sondern eigentümlich zäh und klebrig, 
schmutzig grauweiss, ausserordentlich festsitzend, nur mühsam auszuhusten. 
Mit Essigsäure und Ferrozvankali erweist er sich als sehr muzin =, weniger 
eiweisshaltig. Tagesmenge wechselnd, betrug im Mittel 12—15 ccm. Typische 
Dreischichtung. Diese schon bei einer in der Sprechstunde mittels des 
Quincke sehen Versuches gewonnenen Menge von nur 3 ccm in kleinem 
Messzylinderchen und zwar fast unmittelbar nach dem Aushusten völlig aus¬ 
gesprochen. Im Auswurf niemals elastische Fasern oder Tuberkelbazillen ge¬ 
funden, I) i 11 r i c h sehe Pfropfe ganz vereinzelt ; immer ausserordentlich zahl¬ 
reiche eosinophile Zellen. 

Kurverlauf immer fieberfrei, ausser nach Entfernung eines Nasenpolypen. 

Erfolg: Patientin zeigte trotz aller Ermahnungen eine merkwürdige Indo¬ 
lenz, unterzog sich ungern der kleinen Mühe, den Quincke sehen Versuch 
einzuüben zum Zwecke der Sei bst behänd Iung, führte ihn nicht regelmässig 
und nicht mit dem nötigen Eifer durch. Sie verliess nach 10 Wochen die 
Anstalt ohne Besserung des Lokalbefundes, ohne Milderung der Husten- und 
Auswurfbeschwerden. 

Fall Nr. 5. Fr. J. F., 30 Jahre alt, früher Landwirtschafts-, zuletzt 
Porzellanarbeiterin. 

Aufnahmeanamnese: Vor 4 und vor 2 Jahren angeblich schon Rippen¬ 
fellentzündung, seither Husten und Auswurf und dauernd Stiche in der linken (1) 
Seite. Ergänzungsanamnese: In der Familie, in der näheren und entfernteren 
Verwandtschaft sind angeblich noch nie Lungenleiden vorgekommen. Patientin 
Überstand von Kinderkrankheiten mit 7 oder 8 Jahren die Masern, war sonst 
gesund. In der Schulzeit noch kein auffälliger Husten. Dieser stellte sich 
etwa um die Zeit des Eintrittes der Periode im 16. Lebensjahre .ein, ver¬ 
schlimmerte sich in dem Masse, als die Arbeitsanforderungen sich steigerten. 
Besonders machte er sich störend fühlbar beim Arbeiten in gebückter Haltung, 
so z. B. beim Getreideraffen; Patientin kam damit nie zustande, sie kam auch 
nie mit ihren Altersgenossinnen im Laufen fort wegen ihrer Kurzatmigkeit. 
Zur Zeit der Aufnahme in die Heilstätte besteht also der quälende Husten 
seit 13 Jahren; er soll nach den Jahreszeiten etwas gewechselt, besonders 
im Sommer regelmässig etwas nachgelassen haben. Von den 4 Wochenbetten, 
die die Kranke durchgemacht hat, soll er unbeeinflusst geblieben sein. (Die 
4 Kinder wurden rechtzeitig, aber 2 davon tot geboren, 2 sollen früh ge¬ 
storben sein, ohne Husten und Auswurf gehabt zu haben. Keine Fehlgeburten. 
Kein Anhalt für Lues.) 



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Heilstättcnerfahrungen über Bronchiektasien. 


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Befund: Etwas kleine, leidlich gut genährte Patientin, von stark zyanoti¬ 
schem Aussehen. Leichte Kyphoskoliose im mittleren Dorsalteil der Wirbel¬ 
säule, Skoliose rechtskonvex. Atmung absichtlich oberflächlich, weil Patientin 
von tiefen Atemzügen einen stärkeren Hustenanfall befürchtet. — Ausge¬ 
sprochene Trommelschlegelfinger, unverkennbare Trommelschlegelbildung an 
beiden Grosszehen, die übrigen Zehen o. B. l T rin frei. Herz: Töne rein. 
II. Pulmonalton deutlich akzentuiert, sonst o. B. 

Lungenbefund, hier zusammengestellt auf Grund mehrerer Fntersuchungen: 
Isthmus beiderseits gleich, Spitzen atmen weich, vesikulär. R.H. eine Quer¬ 
fingerbreite, unter Spina beginnend eine Handbreite, weit nach abwärts reichend 
stark gedämpfter Klopfschall; von da ab godämpft-tympanitischer Schall bis 
zur unteren Grenze. Die rechte untere Lungengrenze vorn und hinten sehr 
wenig verschieblich. Im Bereiche des veränderten Klopfschalles Atemgeräusch 
schwer bestimmbar, zeitweise rein bronchial, meist übertönt von zahlreichen 
groben Nebengeräuschen (Giemen, Juchzen, mittel- und grossblasigen Rasseln). 



Der Lokalbefund R.H.U. erhielt sich während der ganzen Dauer der Beob¬ 
achtung konstant, wenn auch die Einzelerscheinungen nach Art i nd Stärke 
vielfach schwankten und wechselten. Quincke scher Versuch in schräger 
linker Seitenlage stets stark positiv, was den Husten anlangt, nicht dagegen 
in bezug auf den Auswurf. Die ganz enormen, furchtbar quälenden und lang- 
dauernden Hustenanstrengungen standen meist in gar keinem Verhältnis zu der 
bei solchen Versuchen geförderten Auswurfsmenge. Der Auswurf hatte ganz 
entschieden jedesmal ein schweres Hindernis zu überwinden. Die Frau hustete 
eigentlich fortwährend, d. h. Tag und Nacht. Zum Zwecke der Therapie, 
um das vorwegzunehmen, wurde sie angewiesen, beide Arme gestreckt in Hoch¬ 
hebhaltung zu bringen, dann den Oberkörper bei festgestellten Beinen nach 
links zu drehen und sich nun mit Schwung über das linke Hüftgelenk vor- 
und gleichzeitig seitwärts zu beugen, wie wenn sie nach Art spielender Knaben 
nach links hin ein Rad schlagen wollte. Diese Übungen hatten jedesmal einen 
gewissen Erfolg, es entleerte sich dabei mehr Auswurf als beim Husten in 
aufrechter Haltung oder bei blosser Hängelage., 


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Der Auswurf war im wesentlichen eitrig von gelbgrüner Farbe, von 
furchtbar stinkendem Geruch. Typische Dreischichtung; stets sehr viele 
D i 11 r i c h sehe Pfropfe. 

Mikroskopisch niemals elastische Fasern oder Tuberkelbazillen, dagegen 
geradezu massenhaft eosinophile Zellen und freie eosinophile Granula. 

Verlauf fieberfrei. Zeitweise, aber immer nur vorübergehend, gröbere Blut¬ 
beimengungen, die nach einiger Bettruhe bald wieder wegblieben. 

Eigentliche Kavernensymptome konnten selbst nach den reichlichsten Ex¬ 
pektorationen nicht nachgewiesen werden, obgleich der physikalische Befund 
sich danach stets etwas änderte. Häufig Ohrschmerzen von dem vielen Husten. 
Trommelfelle leicht gerötet, sonst o. B. 

Medikamentöse Therapie: Terpentininhalationen, Kreosotkapseln, zeitweise 
‘ etwas Apomorphin. 

Erfolg: Allmählich gelang es, durch die oben beschriebene Erweiterung 
der Quincke sehen Therapie gewisse von Husten und Auswurf freie Intervalle 
zu erzielen, leider blieben diese aber doch im ganzen recht kurz (1—2 Stunden). 
Der Auswurf blieb putride, die Zyanose prägte sich stärker aus bei den ge¬ 
ringsten Anstrengungen. Der Lokalbefund besserte sich so gut wie nicht. Die 
Patientin wurde daher nach einem über 9 Wochen ausgedehnten Kurversuch 
in der Heilstätte als zurzeit völlig und voraussichtlich ohne Operation dauernd 
erwerbsunfähig entlassen in chirurgische Behandlung. Diese ist dann in Ge¬ 
stalt einer Resektion der 2. bis 9. Rippe neben der Wirbelsäule ausgeführt 
worden. 

Wegen der enormen Hustenanstrengungen *), die der Expektoration im allge¬ 
meinen vorausgingen, wurde sehr starke Stenosenbildung bzw. Klappen- oder 
Ventilmechanismus angenommen. 

Fall Nr. 6. J. M., 22 Jahre alt, Dienstmädchen. 

Pat. will in früher Kindheit Masern überslanden haben, sonst gesund 
gewesen sein. Sie gibt mit Bestimmtheit an, seit dem 11. Lebensjahre immer 
an Husten gelitten zu haben und wiederholt vom Lehrer auf eine diesbezüg¬ 
liche notwendige Behandlung noch während der Schulzeit hingewiesen worden 
zu sein. Die Hustenbeschwerden bähen sie angeblich seit dem 11. Jahre nie 
ganz wieder verlassen. Blutspeien will sie nie beobachtet haben. Frage nach 
etwaiger Lungen- und Rippenfellentzündung wird verneint, die Frage nach der 
Möglichkeit einer Fremdkörperaspiration desgleichen. Die intelligente Patientin 
machte weiter spontan folgende Angaben: Husten und Auswurf machen sich 
besonders geltend beim Arbeiten in gebückter Haltung, so z. B. wenn sie in 
knieender Stellung scheuert. Sie habe ausserdem schon in der Schulzeit zu 
einer schiefen Körperhaltung geneigt (vgl. Skoliose) und sei deshalb vom 
Lehrer öfters gerügt worden. 

Sie selbst hat öfters die Empfindung von Rasseln oder Röcheln und von 
„Brennen“ und „Stechen“ rechts vorn auf der Brust. Rasseln und Husten 
ist meist am stärksten, wenn sie nüchtern ist, aber nicht nur früh, sondern 
auch, wenn sie untertags lange nichts gegessen und wenn sie starken Hunger 
hat. Nach häufigem Genuss von wenigen Schlucken Wasser lässt der Aus¬ 
wurf gewöhnlich nach, ebenso tritt stets ein von Husten und Auswurf freies 

*) Es ist später sogar eine Bauchdeckenhernie gefunden worden — wohl 
eine Folge des Hustens. 



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Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


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Intervall nach den Mahlzeiten ein. Neigung zu Herzklopfen und starken 
Schweissausbrüchen. (Kür B a s e d o w sehe Krankheit kein bestimmter Anhalt.) 

Befund: Grosse, hochgewachsene, kräftig entwickelte Person von gutem 
Ernährungszustände, ziemlich starker Zyanose. - Keine Trommelschlegelfinger. 
Skoliose der Wirbelsäule mit Konvexität nach rechts im oberen Dorsalteil, ge¬ 
ringere kompensatorische Skoliose mit Konvexität nach links an der Grenze 
des Brustlendenwirbelaiiteils der Wirbelsäule. 

Herz: II. Pulmonalton deutlich akzentuiert. Aktion leicht erregt — 
90 Schläge, sonst o. B. 

Urin: Vorübergehende ganz leichte Albuminurie, sonst o. B. 

Lungen: Spitzen verhalten sich beiderseits gleich. Perkussionshefund 
über beiden Lungen fast negativ. Auskultation ergibt diffuses inspiratorisches 
Schnarchen, das seine grösste Intensität dort, erreicht, wo die Patientin zeit¬ 
weise seit -mehreren Jahren Stechen zu fühlen angibt, nämlich R.V.O. im 2., 
3. und vor allem im 4. Interkostal raum und zwar von der Parasternal- bis 



Fall Nr. 6. 


zur vorderen Axillarlinie. Neben dieser schnarchenden, hinsichtlich ((es Atem¬ 
charakters in kein Schema recht passenden Atmung sind hei verschiedenen 
Untersuchungen auch gröbere Geräusche hörbar, die im wesentlichen aus Pfeifen, 
Seufzen und klingenden, meist ziemlich grossblasigen Rasselgeräuschen be¬ 
stehen. Dieselben Geräusche lassen sich, wenn sie einmal V. deutlich sind, 
auch seitlich und H. zwischen Spina und Angulus noch hören. Ähnliche 
grobe Geräusche sind vereinzelt auch L.H. zwischen Spina und-Schulterblatt¬ 
mitte und L.V. im 2. ICR. gehört worden, doch konnte man sie durch Ab¬ 
horchen in der Verbindungslinie zwischen den Stellen grösster Intensität rechts 
und den korrespondierenden links als nicht autochthom, sondern als fortge¬ 
leitet feststellen. Im übrigen erwiesen sich die Lungen bei wiederholten Unter¬ 
suchungen frei; insbesondere fehlten pleuritische Geräusche und Behinderung 
der Verschieblichkeit. 

Quincke scher Versuch beim Niederbücken auf den linken Fuss nach 
vorn und links seitwärts und auch bei linker Seitenhige, wie die typische 
Anamnese schon erwarten liess, deutlich positiv, führte zu Husten und zur 


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Entleerung eines locker sitzenden, flockig-eitrigen, schön gelb aussehenden, 
konfluierenden Auswurfes. Tagesmenge 20—25 ccm. Der Auswurf schichtete 
nicht, sondern blieb auch nach längerem Stehen ziemlich homogen, d. h. ein¬ 
schichtig. Tuberkelbazillen und elastische Fasern wurden darin nie gefunden, 
dagegen eosinophile Zellen ziemlich zahlreich. Der Auswurf roch nie fötid, 
Pfropfe fehlten. 

Verlauf: Die Beobachtung erstreckte sich nur über 3 Wochen. Inner¬ 
halb derselben Hess sich feststellen: Einatmung gewöhnlicher Salzdämpfe wirkt 
erleichternd. Die Liegekur wird schlecht vertragen, da sie die Husten- und 
Auswurfsbeschwerden bedeutend erhöht. 

Digitalispillen (ohne Beimengung von Extractum Belladonnae) bleiben ohne 
merkbaren Einfluss. Das Mädchen ist nicht zur therapeutischen Anwendung 
der Selbstentleerung nach Quincke zu bewegen — ( aus nicht erkennbaren 
Gründen. 

Die übliche Heilstättenbehandlung war in diesem Falle nutzlos. 

Fall Nr. 7. Frl. K. M., 19 Jahre alt, Kugelleserin. 

Familienanamnese o. B. Pat. will schon mit 2 Jahren Lungenentzündung 
durchgemacht und, soweit sie sich überhaupt besinnen kann, an Husten und 



Auswurf gelitten haben. Sie gibt bestimmt an, von dem ersten Schuljahre 
ab, d. h. vom 7. Lebensjahre an, durch Husten und Auswurf den Unterricht 
oft gestört zu haben und auch wegen schiefer Körperhaltung beim Turnen 
stets aufgefallen zu sein. Husten und Auswurf sollen besonders vor dem 
Einschlafen abends im Bett stark hervortreten: Ehe sie einschläft, legt sie 
sich von selbst auf die linke Seite und entleert allemal so noch reichlich 
Auswurf, dann schläft sie auf der linken Seite ein. Der Schlaf ist bisweilen 
durch Husten unterbrochen, aber Auswurf stellt sich dann gewöhnlich erst 
am andern Morgen nach dem Erwachen wieder ein. Gerade auf dem Rücken 
bei gestrecktem Rückgrat kann sie überhaupt nicht liegen, „weil es so auf 
der Brust zu sehr rasselt und röchelt“. 



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11 ] 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


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Sie ist von ihrer Umgebung darauf aufmerksam gemacht worden, dass 
ihr Auswurf zeitweise schlecht riecht; auch hat sie selbst draussen schon darin 
grobe Blutbeimengungen bemerkt. Vor 5 Jahren will sie wegen „Influenza“, 
vor 2 Jahren wegen „Rippenfellentzündung“ behandelt worden sein. 

Befund: Kleines grazil gebautes Mädchen in dürftigem Ernährungszustände; 
auffallende Zyanose, schiefe Körperhaltung infolge einer rechtskonvexen Skoliose 
des mittleren und unteren Dorsalteils der Wirbelsäule. Oberflächliche be¬ 
schleunigte Atmung. 

Herz: II. Pulmonalton stark akzentuiert, sonst o. B. 

Urin: Frei. Bei den Untersuchungen gewöhnliche starke Schweissaus¬ 
brüche. 

Lungen: Die Spitzen verhielten sich physikalisch gleich und waren 
frei von aütochthomen Nebengeräuschen, über beiden Unterlappen etwas ge- 
dämpft-tympanitischem Schall, untere Lungengrenzen wenig verschieblich. Atern- 
charakte«’ über dem Mittel- und den beiden Unterlappen im allgemeinen * wegen 
der reichlichen, sich vordrängenden, teils fortgeleiteten, teils autochthonen 
Nebengeräusche schwer bestimmbar, im allgemeinen bronchovesikulär, stellen¬ 
weise und zu Zeiten besonders rechts mehr bronchial. 

R.H. in Spinahöhe beginnend nach unten an Intensität und Menge zu¬ 
nehmend und R.V. vom 2. Zwischenrippenraum an bis zur unteren Grenze 
grobes Seufzen und Juchzen mit mittel- und grossblasigem, zum Teil klingendem 
Rasseln. 

Über dem linken Unterlappen H. etwa von Schulterblattmitte seitlich 
und vorn etwa von der 4. Rippe abwärts ebenfalls ziemlich reichliche grobe 
Rhonchi, aber nicht so stark und dicht wie rechts. 

Ausserdem zeitweise über beiden Unterlappen knatternde und reibende 
Geräusche dicht unter dem Ohr. 

A u s w u r f wurde in linker Seitenlage und bei gesenktem Oberkörper 
— Quincke scher Versuch! — ohne grosse Hustenanstrengungen nach ent¬ 
sprechend langer .auswurfsfreier Paüse „mundvoll“ entleert. Er war sehr ver¬ 
schieden beschaffen, zeitweise eitrig, grüngelb, höchst übelriechend, nach 
längerem Stehen (bis zu 48 Stunden!) drei schichtig; zeitweise mehr gelb¬ 
eitrig-schleimig, weniger riechend, nur zwei schichtig. Aber etwas roch 
er immer. Tagesmenge reichlich, anfangs 75 ccm. Im Auswurf konnten 
elastische Fasern und Tuberkelbazillen nie, dagegen eosinophile Zellen geradezu 
massenhaft nachgewiesen werden. Fast immer sehr reichliche Pfropfe. 

Gelegentlich während der Heilstättenkur Blutbeimengungen, aber unbe¬ 
deutend. Urin stets frei. — Keine Trommelschlegelfinger, ständig geradezu 
lästige Handschweisse. 

Verlauf: Die Beobachtung erstreckte sich über 4 Wochen, innerhalb der¬ 
selben nie Fieber oder andere Zwischenfälle. Liegekur in flacher Rücken¬ 
lage nicht durchführbar, sondern nur in linker Seitenlage; Put. weiss sich 
unter Zuhilfenahme des Ellenbogens eine ganz eigentümlich gekrümmte Haltung 
zu geben. Patientin sah leicht den Vorteil der Quincke sehen Hängelage 
ein und führte sie regelmässig zwei- bis dreimal täglich durch, erlangte da¬ 
durch allemal ein mehrstündiges husten- und auswurffreies Intervall. Die Aus¬ 
wurfsmenge ging auch auffallend rasch zurück, in 9 Tagen von 75 auf 
35 ccm. 

Da auch der linke Unterlappen als in ähnlicher Weise erkrankt ange¬ 
sehen wurde wie der rechte, wurde nach genügender Entleerung der rechten 


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Seite auch Lage Wechsel irn entgegengesetzten Sinne angeordnet, doch war der 
„Nachschub“ immer sehr gering und die Patientin ging mit sichtlichem Un¬ 
behagen von der ihr liehen linken.in die rechte Seitenlage über. Es wurde 
nun in diesem Falle ausserdem ein medikamentöser Versuch mit Digitalis¬ 
belladonnapillen gemacht, wie sie weiter unten noch angegeben werden sollen, 
der unverkennbar günstig wirkte. Die Tagesmenge verminderte sich mehr 
und mehr und ging schliesslich auf den 7. Teil des anfänglichen Betrages 
herunter. Mit diesem Erfolge wurde Patientin als „vorübergehend erwerbs¬ 
fähig“ nach 4 Wochen entlassen. 

Der Lokalbefund blieb unverändert. Die eigentliche Heil statten kur als 
• solche (Freiluftliegekur) kam bei der kurzen Dauer und dem Versagen der 
Liegekur nicht für den Erfolg in Betracht. 

Fall Nr. 8. Frl. Fr. M., 21 Jahre alt, bis zum 16 Jahre in Landwirt¬ 
schaft, .von da ab als Verkäuferin tätig. Über Kinderkrankheiten nichts zu er¬ 



mitteln; Masern, Keuchhusten, Lungenentzündung verneint. Husten und Aus¬ 
wurf schon seit den zeitigen Schuljahren, d. h. seit etwa 10—11 Jahren, 
steigerte sich ziemlich regelmässig im Winter. Vom Lehrer wiederholt w T egen 
schiefer Haltung getadelt. 

Befund: Grosse, kräftig entwickelte Person in gutem Ernährungszustände 
von etwas zyanotischem Aussehen. Wirbelsäule im unteren Dorsalteil links¬ 
konvex skoliotisch, im oberen Dorsalteil weniger stark kompensatorisch rechts¬ 
konvex. Fingerkuppen gewölbt, keine Trommelschlegelbildung an Fingern oder 
Zehen. 

Herz: 11. Pulmonalion deutlich akzentuiert, sonst o. B. Urin frei. 

Lungen: Spitzen verhalten sich fast einander gleich, atmen insbe¬ 
sondere rein vesikulär. Perkutorisch über dem linken Unterlappen sehr lauter 
(tympanitisch-gedämpfter ?) Schall. Linke untere Lungengrenze weniger ver¬ 
schieblich als die rechte. Auskultatorisch über dem linken Oberlappen H.O. 
ganz vereinzelte brummende oder schnarchende Nebengeräusche — fernklingend. 

L.H.ti. im Bereiche des veränderten Klopfschalles bronchovesikuläre Atmung 
mit knatternden und knarrenden, dazu mittel- bis grossblasigen, grösstenteils 



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13] 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


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klingenden Nebengeräuschen. Geräusche der nämlichen Art L.U.S. und L.U.V. 
R.H.U. ähnliche, aber nach In- und Extensität geringere Nebengeräusche ohne 
besonderen Klopfschall. 

A u s w u r f wird in dc k r O u i n c k e sehen Hängelage (auf der rechten 
Seite) ziemlich reichlich und zwar ohne grosse Husteiianstrengungen entleert. 
Tagesmenge 80 ccm, typische Dreischichtung, meist fötider Geruch. Elastische 
Fasern und Tuberkelbazillen nie nachweisbar. Viele eosinophile Zellen. Ein¬ 
mal während der Beobachtung eine gröbere Blutbeiinengung iin Auswurf. 

Verlauf: Wegen eines Zehenpanariziums kann therapeutisch die Quincke- 
sche Hängelage lange nicht durchgeführt werden. Beobachtungszeit 1 Wochen. 

Medikamentöse Behandlung mit Belladonnadigitalispillen —- Rückgang der 
Auswurfsmenge von 80 auf 40 ccm pro Tag. Der Auswurf trat dabei bis¬ 
weilen auch nur zweischichtig auf. Mit dem Rückgänge der Auswurfsmenge 
steigerte sich die Futreszenz. 

Heilstättenerfolg als solcher minimal, Entlassung in Soolbad. 

Fall Nr. 9. K., Di Jahre all, Fürsorgezögling. 

Linksseitige l'nlerhippenbronchieklasien. Wiederholt bedrohliche Blutungen. 
Überweisung in chirurgische Behandlung. —- Thorakoplastik. Später Amyloid 
der Nieren. Früher beschrieben 1 ). 

Fall Nr. 10. 33 Jahre alter Epileptiker. 

Lungenbefund intra vitam nicht genügend geklärt. 

Auswurf nicht schichtend! - Verblutungstod (?). 

Obduktion: Bronchiektasien der rechten Spitze und des rechten Ober¬ 
lappens. Früher beschrieben 2 ). 

Diagnostik. 

Obwohl dem gewählten Thema entsprechend der Nachdruck auf 
die Beziehungen der Bronchiektasien zum Heilstättenwesen gelegt 
werden soll, so ergeben sich aus den 8 soeben in extenso beschriebenen 
und den 2 zitierten bzw. skizzierten Fällen doch einige Winke für 
die Diagnostik, die ich in den gebräuchlicheren Handbüchern noch 
nicht betont gefunden habe. Zunächst sei hervorgehoben, dass mir 
alle 10 Fälle als Lungentuberkulose zugingen. 

Hinsichtlich der Anamnese ist es ein ganz wesentliches Charakte¬ 
ristikum des Bronchiektatikers, dass er nicht wie der tuberkulöse 
Phthisiker es so gern und so häufig tut, seine Husten- und Auswurfs- 
beschwerden so gering wie möglich hinzustellen sucht, wodurch man 
oft geradezu zu der Wendung verleidet wird: Omnis phthisicus men- 
dax est, sondern dass er sie mit wohltuender Offenheit, ja mit Vor¬ 
liebe in epischer Breite und meist sehr anschaulich schildert. 

Abgesehen, von Fall Nr. 10 meiner Reihe, in dem Bronchiektasien 
der rechten Spitze sich fanden, zeichneten sich fast alle meine Fälle 

1 ) Brauers Beitr. Bd. XIX. II. 2. 

2 ) Brauers Beitr. Bd. XVIII. II. 3. 


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dadurch aus, dass sich physikalisch die beiden Spitzen nahezu gleich 
verhielten uud insbesondere frei von autochthonen Nebengeräuschen 
waren. Eine so gute Beschaffenheit der Lungenspitzen in Fallen von 
ganz ausserordentlich schweren chronischen Husten- undAuswurfs- 
beschwerden bei Leuten in jüngeren Jahren (Emphysem!) darf 
auf Grund dieser Beobachtungen von vornherein einen gewissen Ver¬ 
dacht auf Bronchiektasien erwecken. (Über das Verhalten der Spitzen 
bei Unterlappentuberkulose vgl. Beziehungen zur Tuberkulose.) 

Weiter möchte ich als ein nicht nebensächliches diagnostisches 
Moment den Kontrast hervorheben, der zwischen den im allgemeinen 
doch recht geringen Perkussionsbefunden und den meist sehr auf¬ 
dringlichen, teilweise geradezu exzessiven, dabei schwankenden und 
unregelmässigen Auskultationserscheinungen besteht. 

Endlich ist mir aufgefallen, dass bei Anwesenheit von Skoliosen 
die stärkere Konvexität in Fällen von einseitigen Bronchiektasien 
nach der kranken Seite, in Fällen von doppelseitigen Erkrankungen 
nach der stärker befallenen Seite zeigte, was dem Zuge narbiger 
Schrumpfung (Pathogenese ?) wohl angemessen wäre. In der vor¬ 
stehenden Kasuistik ist oft nur die stärkere Konvexität bezeichnet, 
die geringere kompensatorische übergangen, sie lässt sich nach den 
Regeln der Statik allemal ergänzen. 

Die vorliegende Kasuistik ist zu klein, als dass sie bindende 
Schlüsse auf das Vorkommen von Bronchiektasien überhaupt zulidsse. 
Bekanntermassen gilt es als Regel, dass die Bronchiektasien sich am 
häufigsten in den Unterlappen entwickeln, und zwar häufiger nur 
einseitig als doppelseitig, unter Bevorzugung der linken Seite. In 
dieser Hinsicht verhalten sich die hier zusammengestellten Fälle etwas 
abweichend und sehr mannigfaltig; es fanden sich darunter: 

1 mal auch anatomisch festgestellte rechtsseitige Spitzen-Ober- 
lappenbronchiektasien (Nr. 10). 

3 mal rechtsseitige Unterlappenbronchiektasien (Nr. 3, 4, 5). 

3 mal linksseitige Unterlappenbronchiektasien (Nr. 1, 2, 9). 

2 mal doppelseitige Unterlappenbronchiektasien (Nr. 7 u. 8) 
und zwar in dem einen Falle mit überwiegendem rechtsseitigen (Nr. 7) 
und in den anderen mit überwiegendem linksseitigen Befund (Nr. 8) 
1 mal ein Grenzfall, wahrscheinlich mit wesentlicher Beteiligung des 
Mittellappens (Nr. 6). 

Was den Auswurf anlangt, so sind Abwesenheit von elastischen 
Fasern und Tuberkelbazillen, Gehalt an eosinophilen Zellen und freien 
Granula in nicht komplizierten Fällen, Dittrichsche Pfropfe mit 
Fettsäurekristallen nach Eintritt der so häufigen Putreszenz ja land¬ 
läufige Dinge; indessen ein Punkt bedarf der Erörterung: das ist die 



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15] Heilstättcnprfahrungon über Bronchiektasien. 173 

sogenannte „typische Dreischichtung.“ Dieser Ausdruck kehrt auch 
bei von Criegern stereotyp wieder, obwohl dieser Autor ausdrück¬ 
lich bemerkt, dass der wichtigste Punkt für die Diagnose nur die 
Entleerungsweise, also weder der örtliche Befund noch die Beschaffen¬ 
heit des Sputums sei. 

In der Tat ist die „typische Dreischichtung“ bei Bronchiektasien 
sehr cum grano salis zu verstehen. Es verdient nämlich die Stellung, 
die F. A. Hoffmann-Leipzig zur Frage der Auswurfsbeschaffenheit 
des Bronchiektatikers einnimmt, und mir einerseits von der Studien¬ 
zeit her aus seiner Poliklinik.sehr wohl erinnerlich ist, die er anderer¬ 
seits selbst in seiner hier vielfach zitierten Abhandlung klar zum 
Ausdruck bringt, besonders hervorgehoben zu werden. F. A. Hoff¬ 
mann gesteht entzündlichen Bronchieektasien das Vorkommen ein- 
und zweischichtigen Auswurfs zu. Er beschreibt nämlich den Aus¬ 
wurf als eitrig, sehr schön gelb, wenig zäh und fährt fort, dass 
nicht selten Zweischichtung einträte, indem sich auf dem 
Boden eine dicke rein eiterige Schicht und bröckliche Massen ab¬ 
setzten, worüber dann eine dünne, wenig trübe, fast seröse Flüssig¬ 
keit stünde. 

Die putride Zersetzung bezeichnet er als die'häufigste und 
gefährlichste Komplikatien der Bronchiektasien und nur der pu¬ 
triden Bronchitis, für die seiner Meinung nach Bronchiektasien 
das häufigste und gewöhnlichste Substrat liefern, kommt nach ihm 
das Dreischichtsputum zu. 

Die Sputa der von mir beobachteten Bronchiektatiker boten ein 
recht buntes Bild. 

In Fall Nr. 6 war der Auswurf nicht putride, schön gelb, kon- 
fluiert bzw. einschichtig; in Fall Nr. 10 war er höchst putrid und 
nicht schichtend; in Fall Nr. 7 teils zwei- teils dreischichtig, von 
wechselnd starker, aber immer deutlich vorhandener Putreszenz; in 
Fall Nr. 4 war er niemals putride und immer dreischichtig, selbst 
wenn ganz geringe Mengen bis herunter auf nur 3 ccm probeweise 
in einem engen Messzylinderchen aufgehoben wurden. Dabei trat 
die Dreischichtung in diesem Falle fast augenblicklich nach der Ent¬ 
leerung, jedenfalls nach höchstens 5—10 Minuten immer deutlich 
hervor, dagegen in Fall Nr. 7 bisweilen erst nach 48 Stunden. In¬ 
dem ich das Zustandekommen der Schichtung wiederholt verfolgte, 
bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass sie nicht nur durch die 
Wirkung der Schwerkraft, sondern durch chemische Vorgänge 
eintritt. 

Der wechselnde Eiweiss- und Muzingehalt spielt dabei offenbar 
eine grosse Rolle. In dem Falle Nr. 4 war — vergleichsweise mit 


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der Essigsäure-Ferrozyankalimethode geprüft — der Muzingehalt sehr 
reichlich, der Eiweissgehalt auffallend gering, während letzterer bei 
allen putriden Sputa bei weitem den ersteren über wog. Ich habe in 
der Literatur nicht finden können, ob das Problem der Verwandlung 
von Eiweiss in Fett für das Bronchiektatikersputum geprüft und ge¬ 
löst ist, halte aber den Chemismus für sehr wesentlich für die Sedi- 
mentierung, besonders für die spätere Abspaltung der in geschwungenen 
Nadeln sich darstellenden Fettsäuren. 

Man weiss ja, dass nach Blutungen die Putreszenz oft auf ge¬ 
wisse Zeit schwindet, und es wäre therapeutisch ein grosser Gewinn, 
wenn man die Zusammensetzung des Auswurfs unabhängig von der 
Einwirkung zersetzender Keime durch Beeinflussung der Sekretions¬ 
und Zirkulationsverhältnisse medikamentös beeinflussen lernen könnte, 
besonders nach Massgabe des Muzin- und Eiweissgehaltes. 

Schmerzen klagten nur 3 Patienten und zwar eine an der 
Stelle der intensivsten Auskultationserscheinungen (Nr. 6); zwei da¬ 
gegen in der dem Hauptbefunde gegenüberliegenden Seite (Nr. 3 und 
Nr. 5) und zwar die eine konstant (Nr. 5), die andere mehr vorüber¬ 
gehend (Nr. 3). Gerade diese beiden letzten Befunde konnte ich 
auch von anderer Seite nachprüfen lassen; sie wurden bestätigt, und 
so dürften diese Schmerzlokalisationen eine gewisse Beachtung ver¬ 
dienen — freilich eben wieder nur als „unregelmässige“ Er¬ 
scheinungen im Symptomenbild der so vielgestaltigen Bronchiektasien. 

Beziehungen zwischen Bronchiektasien und Lungentuberkulose. 

Dass die Bildung chronisch-entzündlicher zirkumskripter Bronchi¬ 
ektasien sehr verschiedene Ätiologie haben kann, ist sicher, man 
denke nur an die Fälle nach Fremdkörperaspiration oder-nach Pneu¬ 
monie mit Ausgang in Karnifikation. Das schwierige Problem der 
Pathogenese kann hier nur oberflächlich gestreift werden, weil es zu 
umfassend ist, und weil die hier beschriebenen Fälle zu keinerlei 
bündigen Schlüssen darüber berechtigen. Es sei nur kurz auf die 
Einleitung zurückverwiesen, wo die Bolle der Tuberkulose für die 
Entstehung von Bronchiektasien nach der älteren StrümpelIschen 
Auffassung und unter Hinweis auf die G. Haus er sehe Mitteilung 
berührt wurde. 

Indessen muss auf eine auch in manchen Heilstätten anzutreffende 
Gepflogenheit näher eingegangen werden, die wissenschaftlich völlig 
unberechtigt und geeignet ist, Verwirrung über die Bedeutung der 
Heilstättenbehandlung für Bronchiektasien hervorzurufen: Es werden 
nämlich in praxi ungeklärte Unterlappenerscheinungen, die sich neben 



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17] Heilstättenerfahrungcn über Bronchiektasien. 175 

gleichzeitiger Spitzentuberkulose finden und letztere bisweilen wohl 
sogar überwiegen, wenn sie bronchitischer Natur zu sein scheinen, 
rundweg als „komplizierende Bronchiektasien“ gedeutet, ohne dass 
dafür ein weiterer Anhalt gesucht oder gefunden ist. 

So erklären sich vielfach die in Jahresberichten unter den Kom¬ 
plikationen von Lungentuberkulose aufgeführten Bronchiektasien. 

F. A. Hoffmann schreibt: „In einer gewissen Zahl von Fällen 
kompliziert die Tuberkulose das Bild der Bronchiektasie, ein Aus¬ 
schliessungsverhältnis zwischen beiden besteht jedenfalls nicht, aber 
das Zusammenvorkommen ist kein häufiges. Kleinere Bronchiektasien, 
welchen eine klinische Bedeutung nicht zukommt, sind 
allerdings bei der Tuberkulose nicht selten“, und an einer anderen 
Stelle: „Zur Grundlage darf man den Satz nehmen, dass die Tuber¬ 
kulose wohl zur Bronchiektasie tritt, nicht aber das Umgekehrte, 
was praktisch richtig ist.“ 

Will man also, ohne dass der klinisch feststehende Symptomen- 
komplex der zirkumskripten Bronchiektasie in allen Einzelheiten ent¬ 
wickelt ist, bei etwelchen bronchitischen Nebenerscheinungen einfach 
komplizierende Bronchiektasien „diagnostizieren“, so kann man das 
beinahe in jedem Falle tun, denn, wie F. A. Hoffmann an anderer 
Stelle schreibt, „es gibt keine schwerere Veränderung des Lungen¬ 
parenchyms, bei welchen man nicht hier oder dort eine Ausbuchtung 
oder Erweiterung (der Bronchien) wuhrnehmen könnte.“ Nach von 
Criegern Werden „Tuberkelbazillen sogar als mit Recht als prinzi¬ 
piell gegen die Auffassung einer Erkrankung als Bronchiektasie ent¬ 
scheidend“ angesehen. 

Allerdings bestätigt er selbst diese Regel unter einer Kasuistik 
von 51 Fällen durch Ausnahme von 4 Fällen, die wenigstens zeit¬ 
weise, wenn nicht immer während der Beobachtung mit bazillärem 
Auswurf einhergingen, und von einem Falle, in dem sich bei der 
Sektion ausgeheilte Tuberkulose fand. 

Aber in allen diesen Fällen wurden die Bronchiektasien als das 
Hauptleiden erkannt und mussten als solches anerkannt werden. 

Da ich weder bei einer Sektion noch klinisch je einen Fall be¬ 
obachten konnte, der zu der Auffassung gezwungen hätte,, unbedingt 
primäre Unterlappentuberkulose anzunehmen, stehe ich diesem Vor¬ 
kommnis überhaupt skeptisch gegenüber. Fall HI aus der Reihe der 
von mir beschriebenen einseitigen Unterlappenbefunde musste zwar 
als tuberkulöse Unterlappenphthise angesehen werden, aber nicht als 
primäre; denn es waren so deutliche, wenn auch zur Zeit der Beob¬ 
achtung reizlose Veränderungen der einen Spitze vorhanden, dass sie 
als Sitz älterer und wahrscheinlich primärer Tuberkulose angesehen 


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F. A. Bauer. 


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werden mussten. In allen hier beschriebenen Fällen mit Ausnahme 
v.on Nr. 10 diente das Freisein der Spitzen als Wegweiser für die 
Diagnose der Bronchiektasien und den Ausschluss von Tuberkulose, 
wofür dann die ständige Abwesenheit von Tuberkelbazillen und ela¬ 
stischen Fasern im Auswurf neben dessen charakteristischen Ent¬ 
leerungsweise die Bestätigung lieferte. 

Auch sprach der ganze Verlauf, der im allgemeinen gute Ge- 
samtzustand, insbesondere der Mangel an Neigung zu febrilen oder 
subfebrilen Temperaturen in allen den hier zusammengestellten Fällen 
gegen gleichzeitige komplizierende Tuberkulose. Der in Fall Nr. 3 
beobachtete zunächst etwas unvermittelt wie bei Tuberkulose ja nicht 
selten einsetzende Temperaturanstieg liess sich völlig ungezwungen 
durch einfache Sekretverhaltung oder Bronchusverlegung (Schleimhaut¬ 
schwellung?) erklären. 

Es handelte sich also zweifellos in allen meinen Fällen um echte 
zirkumskripte Bronchiektasien, die ausschliesslich, insbesondere ohne 
Komplikation mit Tuberkulose den wenn auch noch so vielgestaltigen 
Erscheinungen zugrunde lagen. Man hätte also, selbst wenn in einem 
Falle später noch Tuberkulose hinzugetreten oder manifest geworden 
wäre, trotzdem die Bronchiektasien als Grundleiden anzusprechen 
gehabt. Die Skepsis gegenüber den Bronchiektasien, die man nur 
unter den Komplikationen von Lungentuberkulose verzeichnet, dürfte 
damit ebenso begründet sein wie die Behauptung, dass man sie bei 
einer Kritik der Vorteile, welche das Heilstättenwesen im allgemeinen 
für Bronchiektatiker bietet, nicht berücksichtigen kann. 

Ausserordentlich wichtig sind nun die zirkumskripten Bronchi¬ 
ektasien wegen ihrer Beziehung zum Trauma, besonders infolge ihrer 
grossen Neigung zu Blutungen. 

Traumen. Gutachten. Erwerbsfähigkeit. 

Fall Nr. 49 der v. Criegernsehen Kasuistik ist geeignet, einen 
Unfall als Entstehungsursache anzuschuldigen: der Patient war im 
11. Lebensjahr beim Bockspringen heftig auf die rechte Brusthälfte 
aufgefallen, hatte unmittelbar danach eine Lungenblutung bekommen, 
in Anschluss eine Lungenentzündung durchgemacht und bot später 
mit 21 Jahren die ausgesprochenen Symptome von rechtsseitigen 
Unterlappenbronchiektasien dar. 

Von meinen Fällen wurde in Nr. 2 das Trauma für das Lungen¬ 
leiden verantwortlich gemacht. Dabei kam aber in Betracht, dass 
der sonst kräftige und gesunde Patient schon vor dem Unfall zwei¬ 
mal (wegen Lungenleidens?) bei der Aushebung zurückgestellt worden 


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19] 


Ileilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


177 


war, worüber sich die näheren Gründe zum Zwecke der Begutachtung 
wohl hätten ermitteln lassen. 

Dass das Trauma bei der Beurteilung von solchen Fällen eine 
grosse Rolle spielen kann, 'ist zweifellos (vgl. die von v. Crieger-n 
zusammengestellte Literatur über traumatische Gangrän), aber es 
wird im allgemeinen nicht als Entstehungsursache an und für sich 
anzusehen sein, sondern nur als auslösendes Moment für Blutungen 
und Verschlimmerungen von schon vorher vorhanden gewesenen 
Bronchiektasien. Der Nachweis dürfte überall dort verhältnismässig 
leicht sein, wo diese schon vorher manifest waren; man muss sich 
aber gerade in gutachtlicher Hinsicht auch stets vor Augen halten, 
dass vorhandene Bronchiektasien sehr lange latent bzw. symptomlos 
verlaufen können, wodurch sich in gutachtlicher Hinsicht gewiss grosse 
Schwierigkeiten ergeben können. 

Das Stadium der Symptomlosigkeit oder Latenz erhielt eine 
Illustration durch Nr. 10 meiner Fälle, in dem erst kurz vor dem 
Tode Husten und Auswurf bemerkt wurden, während der anatomische 
Befund auf jahrzehntelanges Bestehen der Bronchiektasien hindeutet 
und durch Fall Nr. 4, in dem ein Latenzstadium von 25 Jahren 
höchst wahrscheinlich ist. 

Vom Standpunkte des heutigen Versicherungswesens ist weiter¬ 
hin ebenso wichtig wie schwierig die Beurteilung der Erwerbsfähig¬ 
keit von Bronchiektatikern. Was den zeitlichen Verlauf der Bronchi¬ 
ektasien anlangt, so sind folgende Beobachtungen von Arnold Cha¬ 
plin 1 ) bemerkenswert: Von 200 Fällen, die er beobachtete, führten 
60°/° den Beginn der Krankheit auf eine in der Kindheit über¬ 
standene Lungenkrankheit zurück. Meist handelte es sich um eine 
Lungenaffektion nach Masern, Keuchhusten oder einer anderen Kinder¬ 
krankheit. Chronische Bronchitis und Pleuritis werden viel seltener 
als Ursache angegeben. Die grosse Mehrzahl der 200 Fälle kam 
in jugendlichem Alter (unter 25 Jahren) in des Verfassers Be¬ 
handlung. Die chronische Bronchiektasie ist nach ihm eine sehr lang¬ 
sam verlaufende Krankheit, im Durchschnitt dauert sie 10—20 Jahre, 
bis sie zum Tode führt. 

Eine freilich recht vielfach bedingte, aber quoad vitam sehr viel 
bessere Prognose stellt Rumpf auf, er schreibt 2 ): „Wenn die Bronchi¬ 
ektasien der Unterlappen nicht fötid werden und nicht einmal eine 
Entzündung des übrigen Gewebes auftritt (Pneumokokken, Strepto- 

x ) Münch, med. Wochenschr. 1907. Nr. 10. Referiert aus englischer Lite¬ 
ratur. Practioner. Dez. 1906. 

2 ) Schröder und Blumenfeld, Therapie der Lungenschwindsucht. 
1904. „Prognose der Phthise.“ 

Beitrüge *ur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 1. 12 


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F. A. Bauer. 


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kokken usw.), so können sie jahrzehntelang und bis in hohes Alter des 
Patienten bestehen; der Ausheilung und therapeutischen Beeinflus¬ 
sung sind sie aber viel weniger zugänglich als die gleichzeitigen kleinen 
Tuberkuloseherde in der Spitze/ 

Sehe ich von Fall Nr. 2, Nr. 9 und Nr. 10 ab, und rechne ich 
bei Fall Nr. 4 nur die Zeit, in der die Bronchiektasie kontinuierlich 
manifeste Erscheinungen machte, so ergibt sich eine Durchschnitts¬ 
dauer des Leidens von 10 Jahren in 7 Fällen, davon musste ein 
Fall als zurzeit völlig und ohne Operation voraussichtlich dauernd 
erwerbsunfähig entlassen werden. Das bedeutet nach einer durch¬ 
schnittlich 10 Jahre langen Dauer 14% Erwerbsunfähig¬ 
keit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Dauer von dem Be¬ 
ginn der ersten subjektiven Beschwerden ab berechnet ist, die fast 
regelmässig in die Kindheit oder in den Anfang der Geschlechtsreife 
fielen. Leider nimmt die sonst in jeder Beziehung vorbildliche 
Kasuistik v. Criegerns zur Frage der Erwerbsfähigkeit keine Stel¬ 
lung, und ich weiss nicht, ob schon anderswo Berechnungen über die 
Erwerbsfahigkeitsverhältnisse von Bronchiektatikern niedergelegt sind. 

Behandlung — Aufnahme in Volks- und Heilstätten überhaupt. 

Die den Volksheilstättenarzt hinsichtlich seiner Gutachtentätig¬ 
keit gegenüber den Landes-Versicherungs-Anstalten obenan beschäf¬ 
tigende Frage ist nun die: Lässt sich durch Volksheilstättenbehandlung 
der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit hinausschieben? 

Diese Frage hängt auf das engste mit der Behandlung der 
Bronchiektaliker überhaupt zusammen. Der als Therapeut ebenso 
wie als Diagnostiker hervorragende F. A. Hof f mann-Leipzig schreibt 
über die Behandlung von Bronchiektatikern: 

„Es ist aber für einen solchen Kranken nicht Medizin, sondern 
der rechte Aufenthaltsort und die rechte Beschäftigung eines der 
wichtigsten Momente; das Getriebe der Menschen muss er vor allem 
vermeiden, denn in diesem werden die ihm gefährlichsten Schädlich¬ 
keiten geradezu gezüchtet. Alle Sorge ist darauf zu verwenden, dass 
neue Entzündungsprozesse, also auch selbst leichte Bronchiten ver¬ 
mieden werden, und es fällt diese Indikation in der Hauptsache mit 
der vorigen zusammen/ „Dass eine Grundbedingung ist, den Höhlen- 
und Bronchialinhalt aseptisch zu erhalten, ist jetzt zweifellos/ 

„Wir haben bis jetzt kein Mittel, dies zu erreichen als den Aufent¬ 
halt in einer möglichst reinen Luft/ 

Diesen Sätzen zufolge dürfen die klimatischen Kurorte, obenan 
diejenigen im Hochgebirge, vielleicht auch die See und das wald- 



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21 ] 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


179 


reiche Mittelgebirge, in jedem Falle den Bronchiektatikern versuchs¬ 
weise entschieden empfohlen werden. 

Ich habe nun nach kasuistischem Material über die Erfolge der 
physikalisch-diätetischen, besonders der klimatischen Therapie ziem¬ 
lich vergeblich gesucht. 

In der berühmten Turban-Rumpf sehen Statistik wird unter 
den 11 nicht an Lungentuberkulose Kranken erwähnt: 

Frl. N., 21 Jahre alt; chron. Bronchitis mit Bronchiektasie. Besse¬ 
rung. Nach dem Austritt nichts mehr zu ermitteln. 

Da man nach F. A. Hoff mann im allgemeinen die putriden 
Bronchitiden als auf Bronchiektasien beruhend ansehen darf, so ge¬ 
hört aus derselben Turban-Rumpf sehen Statistik noch Nr. 299 
(443) hierher: 

17 Jahre alter junger Mann, mit geringem rechtsseitigen Spitzen- und 
ziemlich grobem linken Unterlappenbefunde bei negativem Bazillenbefunde. Als 
Resultat beim Austritt: Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Vom Anstalts¬ 
arzt begutachtet: Erfolg positiv. Auskunft: Ein Jahr nach dem Austritt aus 
der Anstalt „war den ganzen Winter über im südlichen Frankreich“. 

Criegern berichtet über einen 11 Jahre alten Knaben (Fall 
Nr. 8 seiner Kasuistik), der angeblich durch eine Winterkur in 
Görbersdorf geheilt wurde. 1 Jahr nach dieser Kur stellte sich 
der Knabe wieder vor. Bei dieser Vorstellung produzierte er, nach¬ 
dem er vorher etwa 1 Jahr lang reichlich eiterig-schleimigen schich¬ 
tenden Auswurf gehabt hatte, uncharakteristischen Auswurf, in dem 
sich keine Tuberkelbazillen, aber reichlich eosinophile Zellen fanden. 

„Allgemeinzustand sehr gehoben, Patient sah blühend aus.“ 

v. Criegern bringt diese Einzelerfahrung später in folgendem 
Zusammenhänge und Wortlaute wieder (S. 140): 

„In früherer Zeit beschränkte sich die therapeutische Erwägung 
auf die Empfehlung der Verbesserung der hygienischen Verhältnisse, 
dass auch dadurch allein unter Umständen Heilung erzielt werden 
könne, war stets die herrschende Meinung. Wir finden es bestätigt 
in Nr. 8" — das ist der oben beschriebene Knabe. Darin spricht 
sich ein therapeutischer Optimismus aus, der entschieden viel zu weit 
geht. Denn 

1. hatte der Patient, wenn auch uncharakteristischen, so doch 
an eosinophilen Zellen reichen Auswurf behalten; 

2. ist ein Jahr Nachbeobachtung bei einer so chronischen Krank¬ 
heit viel zu kurz, um von Heilung zu reden; 

3. handelte es sich um einen Knaben zwischen 11 und 13 Jahren, 
nicht um einen Erwachsenen. 

12 * 


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Nun aber gibt es, wie übrigens v. Criegern S. 32 selbst auch 
ausführt, offenbar jahrelange, wenigstens in bezug auf Husten und 
Auswurf symptomlose Intervalle bei bronchiektatischen Leiden, die 
anscheinend — allerdings wohl eben nur im jugendlichen Alter? — 
spontan einsetzen, später aber einem erneuten, oft wesentlich ver¬ 
stärkten Ausbruch des Leidens zu weichen pflegen. Dafür spricht 
Fall Nr. 4 meiner Reihe, vielleicht auch Nr. 10. Also kann aus dem 
v. Criegernschen Falle zunächst wesentliches ebensowenig herge¬ 
leitet werden wie aus den 2 angeführten Fällen der Turban sehen 
Statistik. 

Von den 10 Fällen meiner Beobachtungsreihe wurden 9 — Fall 
10 kam moribund zu mir — den Heilfaktoren der Volksheilstätten¬ 
behandlung ausgesetzt, und zwar erstreckten sich die Aufenthalts¬ 
zeiten in Heilstätten bei 

Fall 1 über 12 Wochen; 

„ 2 bei der ersten Kur über 12 Wochen, 

bei der zweiten Kur über etwa 8 Wochen; 

Fall 3 über 8 Wochen 

„ 4 „ 10 » 

v 5 „ 9 ,, 



n 8 „ 4 „ 

„ 9 über 32 Monate (30 Monate unter der 

Diagnose Unterlappentuberkulose!) 

In keinem Falle wurde von der üblichen Freiluftliegekur und 
Wasserbehandlung auch nur irgend eine Spur einer wirklich objektiv 
feststellbaren Besserung des eigentlichen Leidens erzielt. 

Fall 9 und Fall 5 wurden chirurgischer Behandlung überwiesen. 
Indikation: häufige, schwächende und bedrohliche Hämoptysen im 
einen (Nr. 9) putride Bronchitis mit wahrscheinlicher Bildung von 
hochgradiger Stenose oder Klappen- bzw. Ventilmechanismus im 
anderen Falle (Nr. 5). 

Geradezu verschlimmernd auf die Husten- und Auswurfsbe¬ 
schwerden wirkte die Liegekur in flacher Rückenlage bei den Fällen 
Nr. 6 und Nr. 7. 

Am günstigsten wirkte in allen Fällen, wo sie überhaupt ver¬ 
sucht und eingeübt wurde, die Quincke sehe Hängelage oder regel¬ 
mässige Selbstentleerung nach deren Muster. 

Ein gewisser Vorteil scheint mir auch in der natürlich nur bei 
genauer Pulskontrolle möglichen Digitalis-Atropinkur zu liegen. Ich 



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23] 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


181 


lasse in leerem Magen täglich 1—2 mal 1 Pille von folgender Zu¬ 
sammensetzung nehmen: 

Rp. Fol. Digitalis pulv. 

Extr. Belladonnae ää 0,3 
Extr. Chinae aq. et spirit. 
q. s. ut f. pilul. Nr. XXX. 

Die Wirkungsweise dürfte durch Vermittelung des N. vagus zu 
erklären sein. Mit anderen Worten die Therapie, von der ich Nutzen 
für die Kranken sah, war eine, wie sie draussen in der Praxis durch¬ 
führbar ist. 

Leider haben die zu Gebote stehenden Volksheilstätteneinrich¬ 
tungen sich also nicht als wirksam.erwiesen. Allerdings waren die 
Beobachtungszeiten sehr wechselnd. und mit Ausnahme von 3 Fällen 
im allgemeinen zu kurz, auch fehlten abgesehen von waldiger Um¬ 
gebung besondere klimatische Heilfaktoren ziemlich überall, auch 
Salinen standen nicht zur Verfügung. 

Ehe wir nun an die Beantwortung der Frage herangehen, wie 
man der bronchiektatischen Phthise am wirksamsten begegnen kann, 
sei noch einmal an der Hand der Erfahrungen berufener Autoren 
der Verlauf skizziert: das Anfangsstadium ist nach F. A. Hoff- 
mann „unbestimmt“; das zweite Entwickelungsstadium geht nach 
ihm und v. Criegern unter den Erscheinungen eines konstanten, 
an einer mehr oder weniger gut umschriebenen Stelle lokalisierten 
Katarrhs einher, der durch grosse Ungleichmässigkeit im Auswurf 
auffällt, indem dieser bald reichlich, bald spärlich ist, zu einer be¬ 
stimmten Tageszeit massenhaft entleert wird, die übrige Zeit ganz 
oder fast ganz fehlt. Hieran kann sich nun mehr oder weniger rasch 
schon das Endstadium, die bronchiektatisehe Phthise, mit ihren Haupt¬ 
komplikationen der putriden Bronchitis oder der Gangrän anschliessen. 
Wem fiele bei diesem Überblick nicht der Parallelismus im Verlaufe 
zwischen der tuberkulösen und der bronchiektatischen Phthise auf? 
Mit Recht hat man die bronchiektatische das nicht spezifische Gegen¬ 
stück der tuberkulösen Phthise genannt. Von selbst zwingt sich an¬ 
gesichts dieser Tatsache* dem Therapeuten der Gedanke auf, wie die 
Lungentuberkulose so die Bronchiektasien in möglichst frühen Ent¬ 
wickelungstadien in Behandlung zu nehmen. Diese fallen soweit wir 
wissen, in sehr jugendliches, meist ins Kind es alt er. In diesem 
dürfte auch die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse unter 
Heranziehung klimatischer Heilfaktoren für Bronchiektasie- 
kandidaten am ehesten noch wirkliche Heilerfolge erzielen. Unter 
diesem Gesichtswinkel darf allerdings der v. Criegern sehe Fall Nr. 8 


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F. A. Bauer. 


P4 


ein ermutigendes Beispiel geben. In Kinderheilstätten führt der 
Kampf gegen beginnende oder drohende Bronchiektasien offenbar unter 
Umständen zum Siege. Freilich liegt die Diagnostik der Bronchiektasien 
im allgemeinen und die Frühdiagnose im besonderen noch mehr im 
Argen als die der Tuberkulose. Solange die Volksheilstätten der Ver¬ 
sicherungsanstalten ihre Tätigkeit auf die schmale Kante des Rechen¬ 
exempels einengen müssen, durch Hinausschiebung oder Minderung der 
Erwerbsunfähigkeit in absehbarer Zeit Renten zu sparen, kann auf 
Grund vorstehender Erfahrungen der Volksheilstättenarzt den Vor¬ 
ständen der Landes-Versicherungs-Anstalten jedenfalls die Übernahme 
eines Heilverfahrens für erwachsene Bronchiektatiker nicht raten. 
Ob die mit aktiver Tuberkulose komplizierten Bronchiektasien ein 
geeignetes Objekt für Volksheilstätten sind, vermag ich nicht zu ent¬ 
scheiden, da ich selbst keine sah und entsprechend durchgearbeitete 
und verwertbare Fälle in den mir zugänglichen Berichten und Sta¬ 
tistiken nicht fand. Allein hinsichtlich der Bronchiektasiebehandlung 
muss ganz entschieden ein Unterschied zwischen den auf Renten¬ 
sparung bedachten Volksheilstätten der Landes-Versicherungs-Anstalten 
und den privaten Lungenheilstätten gemacht werden. Letztere müssen 
trotz vieler Misserfolge, soweit sie insbesondere entsprechende klima¬ 
tische Heilfaktoren bieten, unbedingt den Bronchektatikern zugäng¬ 
lich bleiben bzw. gemacht werden. 

Wenn Schroeder, der die Bronchiektasien mit unter den stationär 
gewordenen Formen der Tuberkulose aufführt, sie von Heilstätten 
ausgeschlossen, dagegen in Walderholungsstätten und offene Kurorte 
geschickt wissen will, so dürfte er dabei wohl auch nur die den 
Bestimmungen der Reichs Versicherungsordnung unterliegenden Volks¬ 
heilstätten, nicht Lungenheilstätten an sich im Auge gehabt haben. 

Bei kasuistischer Durcharbeitung des betreffenden Materials der 
Privatheilstätten, die in bezug auf Dauer der Kur und Variation der 
Kurmittel doch viel grössere Bewegungsfreiheit bieten als Volksheil¬ 
stätten, werden sich hoffentlich noch die Bedingungen finden lassen, 
unter denen auch in letztere Bronchiektatiker zu erfolgversprechenden 
Kuren aufgenommen werden können. Tut doch diesen armen Kranken 
Hilfe ebenso dringend not wie den tuberkulösen Lungenkranken! 


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251 


Heilstättenerfahrungen über Bronchiektasien. 


183 


Literatur. 


G. Hauser, Deutsch. Arch. f. klin. Med. LXXXIV. 1—4. 1905. 

T. L. v. C r i e g e r n , Über akute Bronchiektasie. Monographie. Leipzig, Verlag 
von Veit & Co. 1903. 

Arnold Chaplin, Practioner. Dez. 1906. Referiert Münch, med. Wochen¬ 
schrift 1907. Nr. 10. (Englische Literatur.) 

E. Rumpf, 1. in Schröder und Blumenfeld, Therapie der Lungen¬ 

schwindsucht. 1904; Prognose der Phthise. — 2. in Turban, Lungen¬ 
tuberkulose. Wiesbaden, J. F. Bergmann. 1899. 

F. A. Hoffmann, Die Krankheiten der Bronchien. Aus Nothnagel, 
Pathologie und Therapie, XIII. Band. Wien 1896. 

G. Schroeder, Brauers Beitr. Bd. VIII (1907). Welche Lungenkranken 

gehören in die Heilstätten? 

Verfasser, 1. Brauers Beitr. Bd. XVIII. H. 3. — 2. Brauers Beitr. 
Bd. XIX. H. 2. 


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Bemerkung zu dem Aufsatz: Über Albumosurie 
bei Tuberkulose. 

Von 

H. Deist, 

cand. med. an der Kaiser Wilhelms-Akademie. 


Auf die Bemerkungen im 2. Heft des XXIV. Bandes von Dr. 
Rud. Di etschy erwidere ich folgendes: 

Es sind nur solche Urine zur Untersuchung gekommen, die nach 
der sorgfältigsten Untersuchung eiweissfrei befunden wurden. Eine 
Bemerkung hierüber fehlt allerdings in meiner Arbeit. Ich gebe dies 
gern zu und hole sie hiermit nach. Es erschien mir freilich durch¬ 
aus selbstverständlich, dass sich meine Versuche nur auf eiweissfreie 
Urine beziehen konnten, weil ich mich doch sonst über die not¬ 
wendige Enteiweissung hätte äussern müssen. Dass ich eiweisshaltige 
Urine ohne weiteres und ohne besondere Mitteilung des angewendeten 
Enteiweissungsverfahrens nicht auf Albumose untersuchen würde, 
darf man mir wohl glauben. Aus diesem Grunde kann ich in dem 
Fehlen dieser sich eigentlich von selbst ergebenden Mitteilung einen 
ernsthaften Mangel nicht finden. 


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Nachtrag 

zur Arbeit Löffelmann, Über Morbus Hodgkin mittelst 
der Antiforminmethode. Bd. XXIV, Heft 3 dieser Beiträge- 


In dem Aufsatze „Über Befunde bei Morbus Hodgkin mittelst der 
Antiforminmethode“ Beitr. 7 . Klin. d. Tub. Bd. XXIV, H. 3, S. 368 
möchte ich bemerken, dass Eug. Fraenkel die Ansicht vertritt, dass 
die Lymphogranuloraatosis durch die von Much und Eug. Fraenkel 
gefundenen antiforminfesten grambeständigen Stäbchen hervorgerufen 
wird, wie ich auch auf S. 371 erwähnt und im Verlaufe der Arbeit 
nicht anders angenommen habe. Die von mir auf S. 368 kurz an¬ 
geführte Ansicht von Eug. Fraenkel, die ich aus dem Leitsätze 
zur Pseudoleukämie entnommen habe, sollte, wie mich Eug. Fraenkel 
bittet zu erklären, so gedeutet sein, dass die Lymphogranulomatosis, 
durch den Tuberkelbazillus bedingte, oder auf syphilitischer Basis 
beruhende Lymphdrüsenschwellung . . von der Pseudoleukämie ab¬ 
zutrennen seien. Dieser Satz sollte also keine Erklärung eines Zu¬ 
sammenhanges zwischen Morbus Hodgkin mit Tuberkulose oder Syphilis 
enthalten, wie ich nach der Fassung annehmen konnte. Auf die Ar¬ 
beit selbst hatte diese Annahme keinen Einfluss, da dieselbe erst 
nachträglich eingefügt wurde. 

Dr. Löffeliiiann. 



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Aus dem Krankenhaus der kommunalen Yersorgungsanstalt (Dr. 
med. G. D. Wilkens) und aus den medizinischen Kliniken (Prof. 
Dr. S. E. Uenschen und Prof. Dr. J. G. Edgren) des Seraflmer- 
lazaretts in Stockholm. 


über Laparo- und Thorakoskopie. 

Von 

U. C. Jacobaeus, 

Privatdozent Stockholm. 

Mit 5 Tafeln und 1 Textfigur. 


Geleitwort. 


Mit Freuden folge ich der Bitte des Herrn Verfassers, seiner 
Monographie ein Geleitwort auf den Weg mitzugeben. 

Kollege Jacobaeus hat im Januar d. J. während eines längeren 
Aufenthaltes im Eppendorfer Krankenhause uns seine Methode der 
Thorakoskopie und Laparoskopie an zahlreichen Fällen vorgeführt, 
und uns mit ihrer Technik eingehend vertraut gemacht. Seit dieser 
Zeit ist auf meiner Abteilung, insbesondere durch Herrn Dr. He gl er, 
die Methode an einem grossen Material durchgeprüft worden, und 
sie hat sich uns als ein in vielen Fällen diagnostisch wertvolles Ver¬ 
fahren erwiesen. Wir haben bei strenger Einhaltung der aseptischen 
Kautelen in keinem Falle von der Anwendung der Methode bei 
unseren Kranken irgendwelche Nachteile erlebt. Auch waren be¬ 
sondere Belästigungen der Patienten damit nicht verbunden. Der 
häufig kürzere oder längere Zeit nach der Untersuchung erhobene 
Sektionsbefund konnte niemals irgendwelche durch die Untersuchung 
bedingte Schädigungen erkennen lassen. Stets zeigte sich an Pleura 
wie am Peritoneum lediglich eine kleine, oft kaum sichtbare, glatt 
verheilte Narbe. 

Die Technik der Untersuchung ist nicht allzuschwer zu erlernen. 
Dass peinlichst sauberes Arbeiten selbstverständliche Voraussetzung 
ist, braucht nicht hervorgehoben zu werden, ebensowenig, dass erst 
im Laufe der Zeit — wie bei jeder Endoskopiemethode — die not- 


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II 


Geleitwort. 


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wendige Übung und Erfahrung im Sehen und in der Deutung des 
Gesehenen erworben werden kann. 

Es ist uns in zahlreichen Fällen möglich gewesen, Veränderungen 
an Pleura, Leber und Peritoneum hiermit nachzuweisen, deren Er¬ 
kennung sonst überhaupt nicht oder nur unsicher gewesen war; 
beispielsweise primäre Pleuratumoren, Zuckergussleber, Leberlues, 
tuberkulöse Peritonitis u. dgl. 

Ich habe früher schon darauf hingewiesen, dass die Luftein- 
giessung in die Pleura resp. Bauchhöhle besonders günstige Vor¬ 
bedingungen ergibt für die Röntgenaufnahme der Brust- bzw. Bauch¬ 
organe. Insbesondere können auf diese Weise Tumoren der Kardia- 
gegend, der Lungen und Pleura mit einer sonst nicht zu erzielenden 
Sicherheit und Deutlichkeit im Röntgenbild festgelegt werden. Wir 
haben regelmässig im Anschluss an die Laparoskopie und Thorako¬ 
skopie Röntgenaufnahmen der noch Luft enthaltenden Brust- und 
Bauchhöhle ausgeführt, und glauben, dass durch diese Vervollstän¬ 
digung die Untersuchungsmethode in vielen Fällen diagnostisch er¬ 
heblich gefördert worden ist. 

Alles in allem müssen wir Herrn Dr. Jacobaeus sehr dank¬ 
bar dafür sein, dass er durch die Ausarbeitung seiner Methodik dem 
inneren Kliniker ein weiteres Hilfsmittel in die Hand gegeben hat, 
um über Veränderungen der Bauch- bzw. Brusthöhle sich Auskunft 
zu verschaffen von einer Deutlichkeit, wie sie sonst nur bei breiter 
Eröffnung dieser Höhlen möglich gewesen ist. 


L. Brauer. 



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Untersuchungen derjenigen Höhlen des menschlichen Organis¬ 
mus, die durch natürliche Öffnungen mit der Körperoberfläche in 
Verbindung stehen, sind seit langer Zeit mittels einer Menge ver¬ 
schiedenartiger optischer Instrumente ausgeführt worden. Die besten 
praktischen Resultate hat man bisher bei der Untersuchung der 
Harnblase durch die Kystoskopie erhalten. Später hat man analoge 
Untereuchungsmethoden auf andere Höhlen angewandt, wie Öso¬ 
phagus, iMagen, Luftröhre und Bronchien sowie Rektum. Auf die 
geschlossenen Höhlen des Organismus, Peritoneum, Pleura, Peri- 
kardium, Gelenkhöhlen, hat man erst in allerletzter Zeit versucht, 
dasselbe Prinzip (mittels ähnlicher Instrumente) anzuwenden. Als 
ich im Oktober 1910 in der Münch, med. Wochenschrift (Nr. 40) 
die ersten gelungenen Versuche mit der Laparo-Thorakoskopie ver¬ 
öffentlichte, glaubte ich der erste auf diesem Gebiete zu sein. In 
Nr. 45 derselben Zeitschrift veröffentlichte Prof. Kelling eine 
Erwiderung, in der er nachwies, dass er 8 Jahre zuvor in einem 
Vortrage des Titels: Über Ösophagoskopie, Gastroskopie und Kölio- 
skopie, ganz dieselbe Methode beschrieben und die ersten physio¬ 
logischen (Versuche an Hunden ausgeführt hatte. Aus dem Vor¬ 
trage geht hervor, dass Prof. Kelling die praktische Anwendbar¬ 
keit einer derartigen Methode erkannt hatte. Trotzdem ist während 
aller dieser Jahre keine weitere Veröffentlichung erfolgt, abgesehen 

Beiträge zur Klinik der Taberknloie. Bd. XXV. H. 2. 13 


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H. C. Jacobaeus. 


[2 


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von der Erwiderung gegen mich. In derselben werden zwei Unter¬ 
suchungen am Menschen erwähnt, die ein gutes Resultat gehabt 
haben sollen. Aus der Darstellung geht jedoch nicht hervor, dass 
sie vor meinen Untersuchungen ausgeführt worden sind. Den Nach¬ 
weis eines praktischen Nutzens dieser Methode hat Ke Hing jeden¬ 
falls nicht erbracht. 

In zwei kurzen Aufsätzen l ) habe ich über die Anwendung der 
Methode sowie über die ersten praktischen Resultate berichtet. Sie 
hat auch in weiteren Kreisen ein gewisses Interesse erregt, das sich 
in schriftlichen Anfragen geäussert- hat. An einigen Orten hat man 
ausserdem begonnen, die Methode praktisch anzuwenden. Derartige 
Untersuchungen werden zurzeit betrieben in Kopenhagen (Dr. Hans 
Janssen), in Budapest (Dr. Bä 1 int), in Hamburg (Prof. L. 
Brauer und Dr. C. Hegler) und in Wien (Dr. Fr. Tedesko). 
An der John Hopkin’s University, Nordamerika, hat Bertram M. 
Bernheim 2 ) „Organoscopy or cystoscopy of the Abdominal-Ca vity“ 
nach einer von ihm selbst erfundenen Methode, die der hier be- 
scliriebenen nahesteht, ausgeführt. 

Welche Tragweite die Methode erhalten wird, lässt sich noch 
nicht beurteilen. Durch die nachstehend veröffentlichten Unter¬ 
suchungen glaube ich jedoch gezeigt zu haben, dass sie wirklich 
praktischen Wert besitzt. Besonders für die Untersuchung der 
Thoraxkavitäten steht keine andere Methode zur Verfügung, um 
leicht und mit geringer Gefahr und Beschwerde für den Patienten 
die betreffenden Pleuraflächen einer okularen Besichtigung zu unter¬ 
ziehen. 

Im folgenden will ich nun über meine Erfahrung in den 
V /2 Jahren berichten, während welcher Zeit ich mit dieser Methode 
gearbeitet habe. Viele von den Fällen sind nur ganz kurz beschrieben, 
in anderen Fällen ist die Untersuchung mehr oder weniger miss¬ 
lungen. Ich habe jedoch in aller Kürze auch diese Fälle mitge¬ 
nommen, da sie eine Vorstellung von den Schwierigkeiten gewährt, 
mit denen man im Anfänge zu kämpfen hat. Bei den kurzen Epikrisen 
habe ich aus Raumrücksichten nicht alle * Möglichkeiten zu ver¬ 
schiedenen Deutungen der Fälle von klinischem Gesichtspunkt aus 
aufgeführt. In einigen Fällen wieder ist die klinische Diagnose 
von anderen Kollegen gestellt worden, wührend die Laparo- oder 
die Thorakoskopie ein anderes Resultat ergeben hat. In derartigen 
Fällen habe ich nicht mehr als die nächstliegenden Gründe für 
ilire Diagnose hier aufnehmen lÄnnen. Ebenso ist es möglich, dass 

1) Mönch, med. Wochenschr. 1910 Nr. 40, 1911 Nr. 38. 

2 ) Annales of surgery. Juny 1911. 



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3] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


187 


ich in der einen oder anderen Hinsicht vielleicht gerade einige der 
wichtigeren Stützpunkte für ihre Diagnose anzuführen vergessen 
habe. 

Meine Arbeit teile ich in 2 Hauptabschnitte: 

1. Laparoskopie, 

2. Thorakoskopie. 

% 

I. Laparoskopie. 

Technik. 

Während der Zeit, wo ich mich mit Laparoskopie beschäftigt 
habe, habe ich mich im grossen und ganzen derselben Technik be¬ 
dient, wie ich sie in meiner ersten Mitteilung 1 ) beschrieben habe. 

Man hat bei der Ausführung der Laparoskopie streng zwischen 
zwei verschiedenen Zuständen zu unterscheiden, nämlich Fällen 
mit Und Fällen ohne Aszites. 

Im ersteren Falle wird der Eingriff nach folgendem Prinzip 
vorgenommen. . Zunächst wird der Aszites des Patienten mittels 
des zum Kystoskop passenden Trokars, wie in der ersten Mitteilung 
beschrieben, entleert. Darauf wird filtrierte oder unfiltrierte Luft 
in nötiger Menge eingeblasien* und schliesslich das Kystoskop durch 
denselben Trokar eingeführt, wonach man sich nur in der Bauch¬ 
höhle zu orientieren und zu beurteilen hat, was man sieht. 

Der Eingriff bei Aszites bringt natürlich dieselben Gefahren mit 
sich wie jede Laparozentese. Es ist die Punktion selbst, die ein 
gewisses Risiko bedingt, und es ist klar, dass man bei der Ausführung 
des Eingriffes bis zu einem gewissen Grade individualisieren muss. 
Liegt Anlass zu der Annahme vor, dass Adhärenzen in einem Teile 
der Bauchhöhle Vorkommen, so muss man diese Stellen vermeiden. 
Ich führe den Eingriff nur auf Gebieten aus, die Dämpfung zeigen 
und wo diese bei Lageveränderung sich, auch verändert. Auch 
Fluktuation ist erwünscht, obwohl sie bei hoher Spannung in der 
Bauchhöhle bisweilen undeutlich sein kann. Die Stelle für den 
Eingriff wechselt. Bei Untersuchung der Leber geht man auf der 
rechten Seite des Bauches ein, gewöhnlich lateralwärts vom Rektus- 
muskel, wo die Bauchwand verhältnismässig dünn ist, und in gleicher 
Höhe mit dem Nabel. Handelt es sich um bedeutende Mengen Aszites, 
so muss man den Eingriff höher hinauf vornehmen. Es ist nämlich 
vorgekommen, dass, wenn der Eingriff an der ersterwähnten Stelle 

i) Manch, med. Wochenschr. 1910 Nr. 40. 13* 


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H. C. Jacobaeus. 


[4 


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ausgeführt Vmrde, das Kystoskop nicht so hoch hinaufgereicht hat, 
dass (man die Leberoberfläche sehen konnte. 

Andererseits darf man den Einstich auch nicht allzu nahe 
dem Brustkorbrande vornehmen. Meiner Erfahrung nach geschieht 
es leichter hier als weiter unten am Bauche, dass der Trokar bei 
Muskelkontraktion ganz oder teilweise aus dem Peritoneum gleitet. 
Geschieht dies, nachdem der Aszites des Patienten abgelassen worden, 
muss oft die ganze Untersuchung für die betreffende Gelegenheit 
•aufgegeben Werden. 

Wie in meiner vorläufigen Mitteilung erwähnt, wurde ein mit 
einer selbstschliessenden Klappe versehener Trokar angewendet, der 
zu einem geraden Nitzeschen Kystoskop passt. Anfangs bediente 
ich mich eines geraden Nitzeschen Kystoskops Nr. 16 Chartere. 
Dieses erwies sich indessen als zu grob. Später ging ich zuerst zu 
Nr. 14 Chartere über, das recht gut anwendbar war. Im letzten Jahre 
habe ich mich eines N i t z e sehen Kystoskops Nr. 12 bedint, das durch 
seine kleinen Dimensionen und doch gute Lichtstärke die besten 
Resultate ergeben hat. Der zu diesem Kystoskop gehörige Trokar 
ist auch ganz schmal, ungefähr wie die gewöhnlichen Trokars, die 
man bei Laparozentese anzuwenden pflegt. 

Die Vorsichtsmassregeln, die ich bei der Ausführung der Unter¬ 
suchung befolge, sind folgende. 

Die Desinfektion geschieht mittels Bepinselns der Haut mit 
Jodtinktur. In die Haut wird gewöhnlich ungefähr 1 ccm 72%ig er 
Novokainlösung eingespritzt, sowie, wenn es sich um einen empfind¬ 
lichen Patienten handelt, auch in die Tiefe nahe dem Peritoneum. 
Die Haut durchschneide ich, da sie das grösste Hindernis für die 
Einführung des Trokars bildet. 

Die Einführung des Trokars und das Ablassen des Aszites des 
Patienten geht in gewöhnlicher Weise vor sich, ohne dass ich 
etwas von Interesse hinzuzufügen hätte. Bei Leberzirrhosen kor¬ 
pulenter Personen bereitet das Ablassen oft ziemlich grosse Schwierig¬ 
keit. Das Einblasen von Luft verursacht dem Patienten keine Be¬ 
schwerden. Man bläst so viel ein, wie der Patient gut vertragen 
kann. Das Einführen des Kystoskops und die Manipulationen des¬ 
selben in der Bauchhöhle geschehen gleichfalls ohne Gefahr oder 
Beschwerden für den Patienten. Kein einziges Mal unter meinen 
über 100 Laparoskopien ist Infektion eingetreten. Berührt man bei 
den Manipulationen in der Bauchhöhle mit der Kystoskoplampe 
das Peritoneum parietale, so markiert der Patient oft einen leb¬ 
haften, brennenden Schmerz. Das gleiche ist auch der Fall, wenn 
man nach beendeter Untersuchung das Kystoskop mit brennender 



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5] 


über Laparo- und Thorakoskopie. 


189 


Lampe herauszieht. Bei Kontrolle findet man in solchen Fällen, 
dass das Kystoskop jedenfalls nicht brennend heiss gewesen ist. 
Eine Verbrennungsgefahr besteht bei diesen kaltbrennenden Osram¬ 
lampen sicherlich nicht. Eher liegt der Schluss nahe, dass das 
Peritoneum parietale sehr empfindlich ist auch für ganz geringe 
Temperaturerhöhungen. Eigentümlicherweise scheint das Peritoneum 
eine entsprechende Empfindlichkeit für niedrigere Temperaturen 
nicht zu besitzen. Während des Einblasens von Luft von Zimmer¬ 
temperatur verspürt der Patient nie ein Gefühl von Kälte, auch wenn 
man den bisweilen kühlen Luftstrom gegen die parietale Wand des 
Peritoneums richtet. Die eben angeführten Beobachtungen beziehen 
sich natürlich nur auf das Peritoneum parietale. 

Die Schmerzen, welche entstehen, wenn man mit der Kystoskop- 
spitze das Peritoneum parietale berührt, sind rasch vorübergehender 
Art, scheinen aber oft durch ihre Heftigkeit den Patienten ziemlich 
stark zu beunruhigen. 

Die beim Herausziehen des Kystoskops auftretenden Schmerzen 
sind leicht zu vermeiden. Man braucht nur die Kystoskoplampe 
höchstens eine Minute vor dem Herausziehen zu löschen, damit 
dieses schmerzfrei geschieht. 

Bei Patienten ohne Aszites kann man die oben beschriebene 
Technik mit direkter Einführung eines groben Trokars nicht an¬ 
wenden, teils wegen der Gefahr einer Verletzung des Darms, teils 
wegen der Schmerzen, welche der Eingriff bei sclilaffer Bauchwand 
mit sich bringt. Die Technik, deren ich mich in einigen Fällen be¬ 
dient habe, ist folgende: Schnitt durch die Haut nach Novokaini- 
sierung, darauf Einstich einer stumpfen Punktionsnadel von 2—3 mm 
Durchmesser mit langgestreckter vorderer Mündung. Die Nadel führe 
ich langsam durch die übrigen Bauchdecken. Wenn sie das Peri¬ 
toneum parietale durchdringt, markiert der Patient lebhaften Schmerz. 
Um zu entscheiden, ob ich im Innern der Bauchhöhle bin, führe 
ich durch die Punktionsnadel ein Stilett ein, das dann frei nach ver¬ 
schiedenen 'Richtungen bewegt werden kann. Ist man nicht durch 
alle Schichten der Bauch wand hindurchgedrungen, so fühlt man 
die Spitze der Nadel in ‘ihrer Bewegung behindert. Sollte man in 
einen Darm gelangen, was bisher mir nicht passiert ist, so liesse sich 
cheä an dem fäkalen Geruch des herausgezogenen Stiletts fest¬ 
stellen. Nach Einblasen von so viel Luft, wie der Raum es zulässt, 
wird der gröbere Trokar und schliesslich das Kystoskop eingeführt, 
worauf dann dieselben Verhältnisse für die weitere Untersuchung 
wie bei Aszites vorliegen. 


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H. C. Jacobaeus. 


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Damit das letztere Verfahren eine allgemeine Anwendung finden 
kann, ist es erforderlich, dass es vollständig ungefährlich ist. Das 
Risiko heftet sich natürlich an die Einführung der Nadel in die 
Peritonealhöhle, die eine Läsion eines Darms mit nachfolgender Peri¬ 
tonitis zur Folge haben kann. Wie gross diese Gefahr ist, lässt sich 
noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Gewisse Autoren [K e 11 i n g x ), 
Schmidt 2 ) u. a.] erachten die Gefahr für relativ unbedeutend, und 
viele Kollegen, mit denen ich mündlich diese Frage diskutiert habe, 
sind derselben Ansicht gewesen. Ja, ein hervorragender russischer 
Arzt behauptete mit grosser Bestimmtheit, dass der Eingriff voll¬ 
kommen [ungefährlich sei. Die Vorstellung von seiner Gefährlich¬ 
keit beruhe lediglich auf Vorurteil, ähnlich wie z. B. betreffs der 
Gefahr, die mit dem Zutritt der Luft zur Pleura beim Entziehen 
von Pleuraexsudat verbunden sein soll. Andere dagegen, und be¬ 
sonders Chirurgen, halten das Risiko für ziemlich gross. Sollte man 
bei dem Einstich auf einen meteoristisch aufgetriebenen Darm 
stossen, so sei die Gefahr sowohl einer Verletzung desselben als 
einer Peritonitis recht bedeutend. 

Für mich liegt die Frage folgendermassen. Ich glaube, dass 
man in der grossen Mehrzahl der Fälle ohne Schaden für den 
Patienten diesen Eingriff auf die oben beschriebene Weise aus¬ 
führen kann, ja, vielleicht in 99 Fällen von 100, dass man aber auch 
einen Darm lädieren kann, ohne im voraus etwas tun zu können, 
um ein solches Missgeschick zu vermeiden. Unter solchen Um¬ 
ständen ist auch die Anwendbarkeit dieser Methode in hohem Grade 
beschränkt. Man muss absolute Sicherheit gegen derartige Kompli¬ 
kationen haben. 

In anderen Fällen habe ich mich durch die Bauchdecken hin- 
durchdissekiert, bis ich an das Peritoneum gelangte, um dann mit 
einer Punktionsnadel in die Bauchhöhle einzugehen und danach die 
Untersuchung auszuführen, eine Methode, die zwar ungefährlich, 
aber ziemlich umständlich ist. Überdies ist noch ein weiterer Um¬ 
stand in Betracht zu ziehen. Bei Fällen ohne Aszites ist meiner — 
allerdings geringen — Erfahrung nach der Raum oft ziemlich be¬ 
schränkt, so dass man nicht immer ein Übersichtsbild von der Leber 
und der. Viscera hat erhalten können. Ausserdem verursacht man 
oft diesen Patienten dadurch Beschwerden, dass der Kystoskoplampe 
dem Peritoneum zu nahe kommt. Die Manipulationen im Inneren 
der Bauchhöhle sind daher ziemlich beschränkt, 

1) Münch, med. Wochenschr. 1910 Nr. 51. 

2 ) Deutsche med. Wochenschr. 1906 Nr. 13. 


Gck igle 


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7] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


191 


Indikationen. 

Auf Grund des oben bezüglich der Technik Erwähnten kann 
man gewisse Indikationen aufstellen. Bei mit Aszites verbundenen 
Kranklieiten, bei denen Laparozentese indiziert ist, bedeutet es meines 
Erachtens keinen neuen Eingriff für den Patienten, wenn er sich 
dieser Untersuchung unterzieht. Eine Infektionsgefahr schliesst 
dieser Eingriff meiner Erfahrung nach nicht in sich. Infolgedessen 
meine ich, dass man stets diese Untersuchung bei Laparozentese 
ausführen sollte, auch wo die Aussicht auf einen Gewinn in dia¬ 
gnostischer Hinsicht sehr unbedeutend ist. Ich betone dies besonders, 
da es sich gezeigt hat, dass man mehrmals sich in der Diagnose 
auch bei ziemlich „einfachen“ Fällen vergriffen hat. 

Die Indikationen, die bei Fällen ohne Aszites vom technischen 
Gesichtspunkt aus aufgestellt werden können, sind bedeutend enger. 
Da eine Ehtscheidung über die Grösse der Gefahr, die mit der Ein¬ 
führung einer Punktionsnadel ins Peritoneum verbunden ist, noch 
nicht möglich ist, muss dieses Verfahren zunächst geprüft werden. 
Stellt es sich heraus, dass in einem, wenn auch nur geringen 
Prozentsatz von Fällen eine Verletzung des Darmes herbeigeführt 
wird, so ist das ganze Verfahren zu verwerfen. 

Zuerst durch Dissektion an das Peritoneum zu gelangen, da¬ 
nach die Punktionsnadel einzuführen und die Untersuchung durch¬ 
zuführen, ist natürlich durchaus ungefährlich. Der Eingriff steht 
hierdurch der Probelaparotomie sehr nahe. Es fragt sich aber, 
ob solchenfalls eine Probelaparotomie nicht zweckmässiger ist. Ich 
habe diese Sache mit mehreren Kollegen, auch Chirurgen, diskutiert 
und sehr verschiedene Ansichten darüber gehört; einige sprachen 
sich für die Laparoskopie in gewissen Fällen aus, andere waren 
stets für die Probelaparotomie. Die Verteidiger der ersteren meinen, 
dass man durch eine kleinere Öffnung ein grösseres Gesichtsfeld 
erhält. 

Das Resultat unserer Diskussionen ist das gewiesen, dass man 
individualisieren muss. Man muss teils auf die anatomischen Ver¬ 
hältnisse bei dem betreffenden Patienten Rücksicht nehmen, teils auf 
die Krankheit, um die es sich handelt. Was die anatomischen Ver¬ 
hältnisse betrifft, so ist es natürlich unzw r eckmässig, eine Laparo¬ 
skopie an Personen mit gespannten Bauchdecken vorzunehmen, wo 
es auf Schwierigkeiten stosöen würde, einen so grossen Luftraum 
zu erhalten, dass es möglich wäre, sich bei der Laparoskopie zu 
orientieren. Bei Frauen, die geboren haben, besteht diese Schwierig¬ 
keit nicht, und hier liegt natürlich ein Gebiet vor, wo die Laparo- 


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H. C. Jacobaeus. 


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skopie sich mit einem gewisse n Vorteil an wenden lässt und wo 
ein grösseres Gesichtsfeld als bei einer einfachen Probelaparotomie 
erhalten wird. 

Zu berücksichtigen ist bei dieser Frage auch, welche Art von 
krankhaften Veränderungen man zu untersuchen hat. Bei der Laparo¬ 
skopie kann man nur oberflächliche Teile sehen und beurteilen. 
Kelling hat zwar Palpation direkt mit der Fi edler sehen Nadel 
empfohlen, zu einer erfolgreichen Anwendung dieser Untersuchungs¬ 
methode bedarf es aber sicherlich grosser Übung. Infolgedessen ist 
die Laparoskopie auf die Untersuchung oberflächlicher Teile, in 
erster Linie der Leber, beschränkt. Eben um bei Lebervergrösserung 
zu entscheiden, ob diese auf einer Herdkrankheit (Krebsmetastasen, 
Gummata u. dgl.) oder auf einer diffusen Krankheit (Zirrhose usw.) 
beruht, könnte die Anwendung der Laparoskopie von Vorteil sein. 
Es ist ja auch nicht gewöhnlich, dass bei Leberkrankheiten eine 
Probelaparotomie gemacht wird, da eben so selten ein Anlass vor¬ 
liegt, die Operation mit einer Radikaloperation fortzusetzen. 

Ganz anders liegt die Sache bei den Fällen, wo gewöhnlich eine 
Probelaparotomie vorgenommen wird, nämlich bei vermutetem Magen¬ 
krebs und ähnlichen streng örtlichen Krankheiten. Bei ihnen kann 
man keinen Erfolg von einer Laparoskopie erwarten. Hier kann 
infolgedessen keine Rede von einer Konkurrenz zwischen diesen 
beiden Methoden sein. Sie haben jede ihr Gebiet, für das ihr Vor¬ 
zugsrecht ohne weiteres klar ist. 

Was zurzeit die grösste Rolle spielt, ist indessen, an welche 
Methode man gewöhnt ist. Ein Chirurg macht natürlich stets Probe¬ 
laparotomie, ein Interner, der einige Erfahrung in der Laparoskopie 
besitzt, hält sich lieber an diese letztere Operation. 

Bevor ich nun zur Kasuistik übergehe, will ich kurz zusammen¬ 
fassen, w~as man bei einer derartigen Untersuchung sieht. Die prak¬ 
tischen Resultate hängen ja vor allem hiervon ab. Aus dem oben 
Erwähnten geht hervor, dass es hauptsächlich 2 Krankheitsgruppen 
sind, bei denen die Methode anwendbar ist, nämlich 1. Leberkrank¬ 
heiten und 2. Peritonitiden und Aszitesformen anderer Ätiologie. 
In vielen Fällen kann man den Magen und seine einzelnen Teile 
erkennen und auch z. B. Geschwülste an demselben ihrer Lokalisation 
nach bestimmen. Dies ist jedoch nur in w r eit vorgeschrittenen Fällen 
möglich, und einen praktischen Wert kann eine derartige Unter¬ 
suchung v T ohl kaum mit sich bringen. 

Bisweilen kann man auch bis zu einem gewissen Grade die 
Einwirkung der Behandlung (z. B. Lues hepatis, tuberkulöse Peri¬ 
tonitis) beurteilen oder feststellen, in welchem Stadium die Krank- 



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9] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


193 


heit sich befindet (Leberzirrhose, tuberkulöse Peritonitis). Die 
Schlüsse, die in dieser Richtung zu ziehen sind, können sich natür¬ 
lich nur in grossen Zügen bewegen, und alle Vorsicht ist hierbei ge¬ 
boten. Bei tuberkulöser Peritonitis z. B. können die oberflächlich 
sichtbaren Affektionen ganz unbedeutend und die in der Tiefe grösser 
und für den Patienten bedeutsamer sein. 

Was die Ausdehnung betrifft, in welcher man die Veränderungen 
in der Bauchhöhle studieren kann, so hängt dies bis zu einem ge¬ 
wissen Grade von der Länge des Kystoskops ab. Mit den von mir 
angewandten kann man gewöhnlich den grösseren Teil derselben 
Bauchhälfte und nicht selten einen Teil der anderen mit ihren 
oberflächlich belegenen Partien überblicken. 


Kasuistik. 


Bezüglich der hier mitgeteilten Kasuistik will ich zunächst be¬ 
merken, dass die Einteilung ziemlich willkürlich nach der Erfahrung 
vorgenommen ist, die ich gesammelt habe. Viele von den Fällen 
würden vielleicht von anderen Forschern einer anderen Krankheits¬ 
gruppe zugewiesen werden, als wie es hier geschehen ist. Ich habe 
mit wenigen Ausnahmen, die besonders behandelt werden, die Fälle 
• nach der ersten klinischen Diagnose zusammengestellt, damit der 
diagnostische Nutzen der Laparoskopie besser hervortritt. 

Die Fälle sind folgende: 

Anzahl der Anzahl der 
Fälle Untersuchungen 


1. Leberzirrhose und verwandte Fälle 14 

2. Leberkrankheiten mit Picks Krankheitsbild 8 

3. Lebersyphilis 3 

4. Stauungsleber 4 

5. Tuberkulöse Peritonitis 6 

6. Bauchgeschwülste 24 

7. Fälle von geringerem Interesse 10 

Summe 69 


20 

26 

4 

4 

8 

35 

12 


109 


I. Leberzirrhose und verwandte Fälle. 

Fall 1. L. A. M., 58 J., Ehefrau. A. F. J. i), Nr. 847, 1910. 

Cirrhosis hepatis Laennec. 

Anamnese unvollständig. Im letzten Jahre hat Pat. eine zunehmende An¬ 
schwellung des Bauches mit Atemnot and Herzklopfen bemerkt. Kein Er¬ 
brechen, guter Appetit; in der letzten Zeit im Krankenhaus Sabbatsberg !>e- 

1 ) Krankenabteilung der Allmänna Försörjningsinrättningen (Kommunale 
Vcrsorgungsanstalt) in Stockholm. 


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H. C. Jacobaeus. 


[10 


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handelt. Keine Auskünfte über Abusus. Aufgenommen in die Öffentl. Yer- 
sorgungsanstalt d. 19. VIII. 1910. 

Allgemcinzustand schlecht. Pat. ist stumpf und kann nicht über ihre 
Vergangenheit berichten. Bauch beträchtlich aufgetrieben, 110 cm Umfang. 
Aszites. Leberdämpfung geringer als normal. Milz nicht palpabel. Ham albumin- 
frei, keine reduz. Substanz, keine Gallenfarbstoffe. 

Herzdämpfung unbedeutend vergrössert. Erster Ton unrein. Keine 
Arrhythmie. 

Am 31. VIII. Laparozentese; 6 Liter Aszites mit einem Eiweissgehalt von 
1 “o wurden entleert. Bei der Laparoskopie deutliche Bilder vom Peritoneum. 
Keine vermehrte Gefässinjektion. Nichts von Interesse nachzuweisen. Das 
Kvstoskop reichte nicht so hoch hinauf, dass man die Leber sehen konnte. 

In der folgenden Zeit versank Pat. in einen komatösen Zustand mit schwach 
ausgeprägtem Ikterus. 

Am 12. IX. Exitus. 

Bei der Sektion fand man eine typische Laennecsche Zirrhose in weit 
vorgeschrittenem Stadium. Das Peritoneum ohne sichtbare entzündliche Ver¬ 
änderungen. 

Epikrise. Der Fall ist von zwei Gesichtspunkten aus inter¬ 
essant; teils gelangte man hier zu keiner Diagnose aus dem ein¬ 
fachen Grunde, weil der Einstich an der gewöhnlichen Stelle direkt 
unterhalb des Nabels gemacht wurde, das Kystoskop hierbei aber 
nicht so weit hinaufreichte, dass man die Leber sehen konnte, teils 
war das Peritoneum ganz normal ohne vermehrte Gefässinjektion.. 

Fall 2. K. G. S., 46 J., Kaufmann. Med. Klinik II des Serafimerlazaretts, 
Nr. 552, 1910. 

Alcohol. chron. -f- Cirrhosis hepatis cum ictero et ascitide -f- Diabetes 
mellitus -j- Myocarditis chron. -f- Nephritis chron. 

Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen. Im Alter von 16 Jahren hatte 
er Gelenkrheumatismus. 

Hochgradiger Abusus seit dem 20. Lebensjahr des Pat. Im 30. Jahr Ei- 
weiss im Harn. Einige Jahre später Zucker im Ham, ungefähr 2—3o/o. Im 
34. Jahr litt Pat. eine kürzere Zeit lang an Herzbeschwerden. Im 43. Jahr 
leichter Ikterus mit Vergrösserung der Leber. Im letzten Jahre ist Pat. kränk¬ 
lich und müde gewesen mit schlechtem Schlaf und Appetit. Oft Herzklopfen, 
Schwindel und Unwohlsein. Im August 1910 wurde der Bauch gross und auf¬ 
getrieben, danach Schwellung beider Beine. 14 Tage vor der Aufnahme Ikterus. 

Aufgenommen 28. X. 1910 in der mediz. Klinik II des Serafimerlazaretts. 

Allgemeinzustand schlecht, Dyspnoe, rascher Puls. Mässiger Ikterus. Be¬ 
trächtliche Schwellung des Bauches und der unteren Gliedmassen. Bauch¬ 
umfang 140 cm. Deutliche Zeichen von Aszites. Über dem Herzen hört man 
systolisches Blasen, am stärksten an der Spitze. Die Grösse des Herzens 
war wegen der Fettleibigkeit des Pat. nicht sicher durch Perkussion zu be¬ 
stimmen. Harnmenge gering, unter 900 ccm pro Tag, enthält Spuren von Ei- 
weiss, ungefähr 1 / 2 °o Zucker, sowie Azeton (0,02—0,05 pro Tag). 

Am 30. X. Laparozentese mit Entleerung von 4500 ccm klarer, schwach 
grünschimmernder Flüssigkeit. Eiweissgehalt 0,8o/o. Im Zentrifugat vereinzelte 
einkernige Zellen. Die Laparoskopie war mit Schwierigkeiten verbunden, da 



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11] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


195 


die Bauchdecken so dick waren, dass es nur schwer gelang, das Kystoskop nach 
verschiedenen Seiten hin zu führen. Jedenfalls erhielt man aber ein deut¬ 
liches Bild von der Leber, die deutlich kleinknotig war mit unebenem stumpfem 
Rande. Keine Perihepatitiden. Das Bild erinnerte am meisten an eine L a e n - 
n ec sehe Leberzirrhose. Peritoneum parietale ohne vermehrten Gefäss- 
jeichtum. 

Kurze Zeit danach starb Pat., und bei der Sektion fand man eine typische 
L a e n n e c sehe Zirrhose. 

Fall 3. E. M. C., 43 J., Geschäftsreisender. Mediz. Klinik I des Sera- 
fimerlazaretts, Nr. 485, 1910. 

Cirrhosis hepatis Laennec -f- Nephritis chron. 

Beträchtlicher Abusus seit dem 20. Lebensjahr des Pat. Im allgemeinen 
gesund gewesen. 1892 zog Pat. sich Lues zu, wurde aber vollständig be¬ 
handelt. Rezidiv 10 Jahre nach der Infektion. Im April 1909 wurde Eiweiss 
im Ham entdeckt, der jedoch bei diätetischer Behandlung verschwand. 

Im Januar 1910 trat Anschwellung der Beine ein, die bis zum Sommer 
bestand, wo der Zustand sich dank einer Badekur besserte. Im Herbst Ver¬ 
schlechterung. 

Aufgenommen am 28. XII. 1910. Allgemeinzustand schlecht mit Dyspnoe 
und allgemeinen Ödemen, auch im Gesicht. 

Herz unbedeutend vergrössert, keine Nebengeräusche. Aorta II akzentuiert. 
Blutdruck 140 mm. Der Bauch l>ei der Untersuchung stark aufgetrieben, 
136 cm Umfang, mit deutlichen Zeichen von Aszites. Leber nicht deutlich 
palpabel. Milz nicht nachweisbar vergrössert. 

Am 19. I. Laparozentese, 6500 ccm etwas trüber Aszites, Eiweissgehalt 
2o/o. Bei Runebergs Probe erhielt man schwere, grosse Tropfen. Ri val- 
tas Probe negativ. 

Laparoskopie: Die Leber vielleicht etwas vergrössert, mit etwas stumpfem 
Rande. Die Oberfläche ist uneben, höckerig, obwohl die zwnschenliegenden 
Furchen ziemlich seicht sind. Keine Verdickung der Kapsel. Das Parenchym, 
das hindurchschimmert, zeigt abwechselnd graue punktförmige Knötchen und 
dazwischenliegende rötere Partien, die Zeichnung ist unregelmässig. Das Peri¬ 
toneum mit etwas vermehrtem Gefässreichtum. 

In der folgenden Zeit blieb der Zustand des Pat. im ganzen unverändert. 
Allmählich nahm der Aszites wieder zu und am 17. II. wurden 2,5 Liter 
nicht unbedeutend blutigen Aszites entleert. Bei der Laparoskopie findet man 
die Verhältnisse verändert. Diesmal scheint es, als ob die Leber deutüch 
geschwollen und grösser wäre als das vorige Mal. Der Rand ist stark ge¬ 
rundet, die Oberfläche kleinknotig mit unregelmässiger Zeichnung und zahl¬ 
reichen grauweissen Zügen. Die Gallenblase trat deutlich hervor, schien aber 
in einer Vertiefung im Verhältnis zum umgebenden Lebergew'ebe zu liegen. Der 
Zustand besserte sich allmählich, und am 18. III. 1911 wurde Pat. als ge¬ 
bessert entlassen. Seitdem ist es mir nicht gelungen, Nachrichten von ihm zu 
erhalten. 

Epikrise. Bei der ersten Untersuchung konnte man die 
Richtigkeit der Diagnose bestätigen, und man hatte auch den Ein¬ 
druck, dass eine deutliche Schrumpfung der Leber eingetreten war. 
Ein gewisses Interesse hat die spätere Beobachtung, dass die Leber 


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196 


H. C. Jacobaeus. 


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damals vergrössert erschien. Die Beobachtung ist wahrscheinlich 
richtig, da sie von mehreren Kollegen, die bei beiden Untersuchungen 
anwesend waren, kontrolliert wurde. Die Möglichkeit eines Irrtums 
ist indessen nicht völlig ausgeschlossen, da, wie erwähnt, die Grössen¬ 
verhältnisse sehr schwer zu beurteilen sind. Die dicken Bauch¬ 
wände machten die Palpation unsicher. 

Fall 4. W. von G., 53 J., Geschäftsreisender. Serafimerlazarett, Abt. V, 
Nr. 52, 1911. 

Cirrhosis hepatis Laenuec. 

Im allgemeinen gesund gewesen. Lues wird verneint. Zweimal Gonorrhöe. 
Beträchtlicher Abusus seit dem 20. Lebensjahr des Pat. Keine Alkoholkrank¬ 
heiten vor der jetzigen ausser vor einigen Jahren während kürzerer Zeit 
Vomitus matutinus. Anfang Februar 1911 begann die gegenwärtige Krankheit 
damit, dass der Bauch anschwoll. Ein konsultierter Arzt vcrordnete Milchdiät, 
Bettruhe und Digitalis. Nach einigen Tagen ging die Anschwellung zurück, und 
Pat. begann von neuem Alkohol anzuwenden. Anfang März 1911 kehrte die 
Anschwellung ganz plötzlich zurück, und Pat. begann sich allgemein schlecht 
zu fühlen. Er kam daher am 8. III. 11 ins Serafimerlazarett. 

Allgemeinzustand nicht besonders beeinflusst. Appetit schlecht, ebenso 
der Schlaf. Der Bauch stark aufgetrieben, 112 cm im Umfang. Deutliche 
Symptome von Aszites. Leber und Milz nicht palpabel. Von den Brust- 
organen her nichts Abnormes. Harn eiweissfrei. 

Am 18. 111. Laparozentese; 10 Liter gelbe, milchige Flüssigkeit wurde 
entleert, spez. Gew. 1,012, 1,5% Eiweiss. Im Sediment rote Blutkörperchen 
und Lymphozyten. 

Der Aszites des Pat. bildete sich ziemlich rasch zurück, und am 10. IV. 
wurde neue Laparozentese und Laparoskopie gemacht; 10 Liter etwas chylöser 
Aszites wurde entleert, Eiweissgehalt l°/o. 

Laparoskopie. Die Leber war beträchtlich verkleinert mit unregel¬ 
mässig kleinknotiger Oberfläche und stumpfem Rande (also eine ziemlich weit 
vorgeschrittene L a e n n e c sehe Leberzirrhose). Die normale braune Farbe 
durch eine graurote ersetzt. Peritoneum deutlich hyperämisch. 

An den Tagen nach dem Eingriff Übelkeit und an einem Tage ein Er¬ 
brechen. Keine Schmerzen im Bauche. 

Pat.. wurde am 24. IV. 1911 entlassen. Ungefähr 1 Monat nach der Heim¬ 
kehr Exitus. Sektion wurde nicht vorgenommen. 

Fall 5. V. S., 58 J., Metallarbeiter. Serafimerlazarett II, Nr. 25, 1912. 

Cirrhosis hepatis Laennec -f- Aszites. 

Seit seinem 16. Jahr ist Pat. Metallarbeiter gewesen. Seit dem 25. Jahr 
hat er viel Alkohol angewendet, gewöhnlich 6—7 Schnäpse täglich nebst 
2—3 Flaschen Bier. Im Alter von 22 Jahren Lungenentzündung. Während der 
letzten Jahre oft am Morgen Erbrechen. Im letzten halben Jahr müde und 
matt. Anschwellung des Bauches seit Weihnachten 1911. 

Aufgenommen ins Serafimerlazarett am S. I. 1912. Allgemeinzustand ziem¬ 
lich gut. Kein Ikterus. Von den Brustorganen her nichts Besonderes. Bauch 
aufgetrieben, 104 cm jm Umfang. Die gewöhnlichen Symptome freier Flüssig¬ 
keit in der Bauchhöhle. Keine Einzelheiten palpabel. Harn ohne pathologische 
Veränderungen. 



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13] 


Über Laparo* und Thorakoskopie. 


197 


Am 12. I. 1912 Laparozentese; 5600 ccm gelbe seröse Flüssigkeit, Ei¬ 
weissgehalt l,2oo, gpez. Gew. 1,010. Runebergs Probe ergibt feinflockigen 
Niederschlag; R i v a 11 a s Probe negativ. 

Laparoskopie: Die Leber ist in ihrer Gesamtheit etwas verkleinert. 
Die Oberfläche ist uneben kleinknotigf der Rand stumpf. Die Farbe graurot 
bis braunrot mit grauweissen Zügen zwischen den Erhebungen. Unbedeutende 
Vermehrung des Gefässnetzes auf dem Peritoneum parietale. Nach der Ent¬ 
leerung des Aszites kann man die Leberresistenz im Epigastrium 8 cm unterhalb 
des unteren Endes des Sternums palpieren. Milz nicht palpabel. 

Fall 6. H., 53 J., Direktor. Privatpraxis. 

Cirrhosis hepatis (luetica?) -j- Arterio-cardiosclerose. 

Anamnese unvollständig. Vor ungefähr 20 Jahren luetisch infiziert. Be¬ 
handlung damals unbekannt. Später ist Pat. während einer Periode seines 
Lebens antiluetisch wegen vergrösserter Leber behandelt worden. Kein Abusus. 
Pat. ist eifriger Sportsmann gewesen. In den letzten Jahren ziemlich kränk¬ 
lich. Mehrere Jahre lang Eiweiss. Im April 1910 allgemeine Ödeme, Herz¬ 
klopfen und Atemnot. Herzvergrösserung 2 cm links von der Mammillarlinie. 
Danach verschwanden die allgemeinen Ödeme mit Ausnahme des Aszites. Im 
grossen und ganzen ist der Zustand des Pat. während des letzten Jahres un¬ 
verändert gewesen. 7 mal hat an dem Pat. Laparozentese vorgenommen werden 
müssen, wobei jedesmal 10—15 Liter Aszites entleert wurden. Nach den 
Entleerungen hat sich die Leber etwas vergrössert und hart angefühlt. 

Am 3. III. 1911 Laparoskopie. Die Oberfläche der Leber deutlich 
unregelmässig kleinknotig. Der vordere Rand stumpf. Zeichnung nicht wahr¬ 
nehmbar. Die Leberfarbe ziemlich stark ins Graue gehend. Keine Hyperämie 
im Peritoneum. 

In der folgenden Zeit wurden ungefähr alle 3 Wochen etwa 15 Liter 
Aszites jedesmal entleert. Im Herbst 1911 begann derselbe abzunehmen, und 
seit Nov. 1911 ist keine Laparozentese mehr ausgeführt worden. Pat. ist in 
der letzten Zeit mit einem Apispräparat in homöopathischen Dosen behandelt 
worden. Bei Untersuchung am 4. II. 1912 fand ich den Allgemeinzustand be¬ 
deutend besser als vorher. Der Bauch war mässig aufgetrieben, mit leichten 
Symptomen von Aszites. Die Leber fühlte man als undeutliche Resistenz im 
Epigastrium. Als das Bemerkenswerteste bei der Untersuchung erschien die 
allgemeine diffuse Empfindlichkeit über dem Bauche. 

Epikris©. Yom klinischen Gesichtspunkte aus hat dieser Fall 
ein recht grosses Interesse, und schade ist, dass nur eine einzige 
Untersuchung vorliegt, die überdies zu Hause unter weniger gün¬ 
stigen Umständen ausgeführt wurde. Der Anlass, weshalb die Wieder¬ 
bildung des Aszites ganz plötzlich aufhiörte, lässt sich nicht mit 
Sicherheit feststellen. Die Medikation von Apis in den kleinen Dosen, 
wie Patient sie erhalten hat, kann meines Erachtens keine hin¬ 
reichende Erklärung dafür abgeben. Ob man in dieser Frage Schlüsse 
aus dem Umstande ziehen kann, dass Patient nun eine allgemeine 
Empfindlichkeit über dem. Bauche auf weist, was auf eine chronische 
Peritonitis deutet, wage ich nicht zu entscheiden. 


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H. C. Jacobaeus. 


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Fall 7. K. P., 56 J., Kaufmann. Mcdiz. Klinik I des Serafimerlazaretts, 
Nr. 106, 1911. 

Cirrhosis hepatis Lacnnec- -f- Aszites. 

Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen. Lues wird verneint, kein Abusus. 
Pat. hat sich seit 30 Jahren völlig des Alkohols enthalten. In den letzlesn 
Jahren ist er oft durch ziemlich leichte Diarrhöen belästigt worden. 

Die jetzige Krankheit begann ziemlich schleichend im Januar 1910 damit, 
dass Pat. Verdauungsbeschwerden bekam, kein „kräftiges Essen“, gewürzte 
Speisen u. dgl. vertrug und Aufstossen bekam. Bei Magenmedizin verschwanden 
darauf die dyspeptischen Beschwerden. Im Spätsommer 1910 begann Pat. zu 
bemerken, dass der Bauch aufgetrieben wurde, im übrigen aber hatte er keine 
Beschwerden davon. Mitte Februar 1911 nahm die Auftreibung zu. Eine Zeit¬ 
lang bestand leichte Gelbsucht, die jedoch später verschwand. Im April 1911 
wurde zum erstenmal Laparozentese ausgeführt. In der letzten Zeit Ab¬ 
magerung; kein Erbrechen, keine Schmerzen im Bauch. Oft leichtes Fieber 
bis auf 38 n . Da der Zustand sich nicht besserte, kam Pat. am 11. V. 1911 
ins Serafimerlazarett. 

Allgemeinzustand ziemlich schlecht; Fettpolster reduziert. Gesichtsfarbe 
blass. Keine Ödeme. Lungen ohne Veränderungen mit Ausnahme einer ge¬ 
ringen Dämpfung über dem unteren hinteren Teil der linken Lunge, woselbst 
unbedeutende Schwächung des Atmungsgeräusches vorhanden ist. Am Herzen 
nichts Abnormes. 

Der Bauch ist, wenn der Aszites nicht entleert ist, aufgetrieben ohne 
sichtbare Hautvenen. Die Haut ist leicht ekzematös. Bauchumfang vor der 
Entleerung 98 cm, danach 91 cm. 

Entleerung am 12. V. 6100 ccm, Kiweiss 0,8°/°> spez. Gew. 1,014; Runebergs 

„ „ 19. V. 4500 „ „ 0,7 o/o, „ „ 1,011 Probe neg. 

, , 26. V. 2300 „ „ 0,5 °/o, , „ 1,011 

„ „ 7. VI. 6000 , 

Der Aszites des Pat. ist schwach trübe, von gelblicher Farbe. Die Leber 
ist nicht einmal nach der Entleerung palpabel; ebensowenig die Milz. Keine 
Empfindlichkeit an irgend welcher Stelle. Diazoreaktion negativ. Harn ohne 
Eiweiss und Zucker. Probe auf Gallenfarbstoffe negativ. 

Am 26. V. wurden 2 mg Tuberkulin gegeben, ohne Reaktion. Bei den 
hier vorgenommenen Entleerungen wurde zweimal laparoskopiert, beidemal mit 
demselben Resultat. Die Leber schien von ziemlich normaler Grösse, mög¬ 
licherweise etwas geschrumpft zu sein. Der Rand stumpf; die Oberfläche 
unregelmässig kleinhöckerig mit grauen eingesenkten Partien. Das Bild ähnelt 
am meisten einer L a e n n e c sehen Leberzirrhose mit massiger Schrumpfung. 
Die Därme zeigen eine unbedeutende Hyperämie; nirgends Verwachsungen oder 
Knötchen. Das Peritoneum parietale ist deutlich hyperämisch. Besonders um 
die Ansatzstelle des Lig. teres und das Suspensorium hepatis herum finden 
sich zahlreiche geschlängelte Venen, die von einer solchen Mächtigkeit sind, 
dass fast das Bild eines „Caput Medusae“ entsteht. Von der Leber aus sieht 
man an einigen Stellen kleinere Adhärenzen zur parietalen Bauchwand hin¬ 
ziehen. 

Am 8. VI. 1911 wurde Pat. als ungebessert entlassen. 

Epikrise. Der Fall betrifft einen 54jährigen Mann, der seit 
etwas mehr als einem Jahre Symptome von den Bauchorganen her, 



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15] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


anfangs leichte, gehabt hat, seit einigen Monaten aber einen rasch 
rezidivierenden Aszites. Ausserdem hat leichtes Fieber bestanden. 
Die Anamnese bietet weder für Tuberkulose noch für Alkoholmiss¬ 
brauch als etwaige Ursache einer Leberzirrhose einen Anhaltspunkt. 

In Anbetracht dieser Umstände wurde die Wahrschein¬ 
lichkeitsdiagnose auf tuberkulöse Peritonitis ge¬ 
stellt. Die Konfiguration des Bauches, die fast totale Abwesen¬ 
heit eines oberflächlichen Venennetzes, die etwas teigige Konsistenz, 
der Bauchwand schienen für die Richtigkeit dieser Diagnose zu 
sprechen. 

Um so grösseres Interesse hat daher hier das Resultat der Laparo¬ 
skopie. Die Diagnose Leberzirrhose mit mässiger Schrumpfung liegt 
durchaus klar, obwohl eine Ätiologie nicht nachgewiesen werden 
kann. Für Prognose und Behandlung ist dies natürlich von grosser 
Bedeutung. 

Die gleichzeitig vorkommende chronische Peritonitis ruht wahr¬ 
scheinlich nicht auf tuberkulöser Basis. Der negative Ausfall der 
Tuberkulinprobe spricht dafür. 

F a 11 8. 0. E. A, 66 J., Tischler. A. F. I. Nr. 166, 1912. 

Cirrhosis hepatis -j- Ascites -f- Varices oesophagi. 

Im allgemeine#! ist Pat. gesund gewesen. Kein eigentlicher Alkoholmiss¬ 
brauch liegt vor, wenn auch Pat. täglich Alkohol bei den Mahlzeiten genossen 
hat. Seine Krankheit begann im Herbst 1911, wo er mit heftigen Magenblutungen 
erkrankte und deshalb im Krankenhaus vom 28. IN. 1911 bis 2. I. 1912 ge¬ 
pflegt wurde. Während dieser Zeit wurde 3 mal ein Aszites entleert. Nach 
14 tägigem Aufenthalt zu Hause wurde er wegen eines grösseren Blutbrechens 
am 8. II. 1912 in die öffentl. Versorgungsanstalt aufgenommen. 

Befund am 9. II. Allgemeinzustand ziemlich schlecht. Gelblich blasse 
Haut. Kein Ikterus. Leichte Hautödeme. Von den Brustorganen her nichts 
Bemerkenswertes ausser einer geringen Herzvergrösserung nach links hin. Der 
Bauch stark aufgetrieben, 108 cm im Umfang, mit den gewöhnlichen Zeichen 
von Aszites. 

Leber und Milz nicht palpabel. Blut: Rote Blutkörperchen 1,3 Mill., 
weisse 5700, Hämoglobingehalt 20<Vo. • 

Am 9. II. Laparozentese mit Entleerung von 6500 ccm klarem, gelblichem 
Aszites. Bei der Laparoskopie sah man einen kleinen Teil der Leber ganz 
oben mit stumpfem Rande und deutlicher grauroter Farbe. Die Oberfläche ist 
ziemlich eben. Kleinere weisse Knötchen ohne hyperämische Zone rings herum 
finden sich nahe dem Rande. Die Schrumpfung erscheint verhältnismässig 
unbedeutend. Das Peritoneum ohne Veränderungen. Keine Beschwerden nach 
dem Eingriff. 

Fall 9. K. H., 50 J., Hauptmann. Serafimerlazarett I, Nr. 395, 1911. 

Cirrhosis hepatis -|- Diabetes mellitus -f- Debilitas cordis Arterio¬ 
sklerose. 


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Kein Diabetes in der Familie. Im allgemeinen gute hygienische Verhält¬ 
nisse. Lues im Alter von 30 Jahren, die gut behandelt worden ist. Alkohol¬ 
missbrauch liegt vor. Vor 6 Jahren wurde Zucker im Ham entdeckt Pat. 
hat zeitweise Diät beobachtet. Im letzten Jahre haben die Kräfte des Pat. 
abgenommen, Anfälle von Erbrechen sind auf getreten. In den letzten 4 bis 
5 Monaten hat der Bauch an Umfang zugenommen. Allgemeiner Kräfteverfall. 
Auch der Diabetes des Pat. hat sich verschlimmert. 

Pat wurde am 9. IX. 1911 aufgenommen. Allgemeinzustand schlecht 
Leichter Ikterus. Nichts Bemerkenswertes von den Brustorganen her. Die peri¬ 
pheren Arterien rigid. Bauch auf getrieben. Kein deutlich nachweisbarer Aszites. 
Leber bei tiefem Einatmen gerade noch palpabel, mit hartem Rande. Milz nicht 
palpabel. 

Harn ei weissfrei. A 1 m 6 n positiv; Zucker 1,23 o/o. Gerhard und Legal 
negativ. 

Während des Aufenthalts im Krankenhause rasche Verschlechterung. 

Am 17. IX. wurden Aszites sowie kleinere Ödeme in Füssen und Unter¬ 
schenkel nachgewiesen. 

Am 20. IX. Laparozentese mit Entleerung von 3 Liter serösem, gelb¬ 
lichem Aszites. 

Bei der Laparoskopie die Leber deutlich geschrumpft mit stumpfem Rande. 
Die Oberfläche deutlich kleinhöckerig, aber mit ziemlich gut erhaltener Leber¬ 
farbe. Das Aussehen stimmte mit dem einer L a e n n e c sehen Leberzirrhose 
überein. Deutliche Hyperämie des Peritoneums vorhanden. 

Bei Untersuchung des Aszites des Pat. findet man spez. Gew. 1,015, 
Esbach 3o/o. An dem Sediment nichts Bemerkenswertes. 

Während der folgenden Tage verschlechterte sich der Zustand des Pat. 
Fieber trat hinzu und am 29. IX. trat Exitus ein. 

Die Sektion bestätigte die Diagnose L a e n n e c sehe Leberzirrhose, ausser¬ 
dem aber fand sich noch eine tuberkulöse Peritonitis, die der Aufmerksamkeit 
des Beobachters bei der Laparoskopie entgangen war. 

Fall 10. O. K. V., 65 J., Buchbinder. A. F. J. Nr. 355, 1911. 

Tuberculosis pulmonum et laryngis -f- Cirrhosis hepatis. 

Im allgemeinen stets gesund gewesen. Keine Tuberkulose in der Familie. 
Alkoholmissbrauch in jüngeren Jahren. Erst vor 1 Jahr begann Pat. zu husten, 
wurde dann allmählich heiser, sowie mehr und mehr asthmatisch. Vor 
3 Wochen trat Aszites hinzu. 

Aufnahme am 18. III. ,1911. 

Allgemeinzustand sehr schlecht. Ausgebreitete tuberkulöse Veränderungen 
in beiden Lungen, sowie im Kehlkopf. Bauch stark aufgetrieben mit Aszites. 
Häufige Diarrhöen. Am 28. III. Laparozentese, wobei 5 1 / 2 Liter etwas opales¬ 
zierende, grüngelbe Flüssigkeit entleert wurden; Eiweissgehalt 1,5o/o. 

Bei der Laparoskopie sah man die Leber verkleinert mit stumpfem Rande 
und unregelmässig kleinhöckerig. Zeichnung undeutlich, da die Serosa etwas 
verdickt erschien, so dass die Leberoberfläche in ihrer Gesamtheit grauer als 
gewöhnlich aussah. Ganz unten rechts sah man eine strangförmige gefäss- 
führendc Adhärenz an das Peritoneum parietale. Die Gallenblase erschien 
klein sowie etwas geschrumpft mit verdickter Serosa. Auf dem Peritoneum 
parietale vereinzelte grössere erweiterte Venen ; sonst nichts von Interesse. 



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17] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


201 


Während der ersten Tage nach der Entleerung des Aszites fühlte sich 
Pat. subjektiv besser. Arn 31. III. verschlechterte sich der Zustand indessen 
ganz plötzlich und Pat. starb, ohne dass charakteristische Symptome hinzu¬ 
getreten wären. 

Bei der Sektion fand man eine ausgebreitete Tuberkulose in Lungen und 
Kehlkopf. Die Leber war klein und zeigte das Bild einer typischen Laennec- 
sehen Zirrhose, wie es oben beschrieben ist. Ausserdem fanden sich auf den 
Därmen zahlreiche kleinere tuberkulöse Knötchen. 

Epikrise. In diesem Falle wie in dem vorhergehenden ergab 
die Sektion eine vollständige Bestätigung der Diagnose. Ausserdem 
fand sich Tuberculosis peritonei, die bei der Laparoskopie nicht be¬ 
obachtet worden war. Die Ursache hierfür ist wohl darin zu suchen, 
dass die Leberveränderungen das hauptsächlichste Interesse auf sich 
zogen. Ein unmittelbarer Anlass für den Eintritt des Todes so bald 
nach der Laparoskopie war im letzteren Falle nicht nachzuweisen. 

Fall 11. P. G. B., 65 J., Bierkutscher. Serafimerlazarett I, Nr. 160, 1911. 

Cirrhosis hepatis -f~ Ascites chylosus. 

Im allgemeinen gesund gewesen. Lues wird verneint. Abusus vorhanden, 
obwohl nicht in den letzten Jahren. Pat. hat einigemal an Magenkatarrh ge¬ 
litten. In den letzten 2—3 Jahren hat Pat. Blähungen gehabt und der Bauch 
hat auch an Umfang zugenommen. Pat. hat in der Brust ein Gefühl der 
Schwere gehabt und abends sind oft die Beine angeschwollen. Seit Okt. 1910 
hat er nicht mehr gearbeitet. Aufgenommen in die mediz. Klinik I des Sera- 
fimerlazaretts am 12. IV. 

Allgemeinzustand ziemlich gut. Pat. wird beim Gehen durch Atemnot 
belästigt. Herz nicht deutlich vergrössert. Dumpfe Töne, keine Nebengeräusche. 
Bauch kolossal aufgetrieben, 128 cm im Umfang. Tympanitischer Schall überall 
ausser in den Flanken. Leber nicht palpabel, auch keine vergrösserte Dämpfung. 
Dasselbe gilt von der Milz. Harn eiweissfrei. 

Am 20. IV. Laparozentese. 2 l /o Liter chylüser Aszites wurden entleert, 
spez. Gew. 1,015, Eiweissgehalt 1,5°o. 

Da Luft nur in entsprechender Quantität eingeblasen werden konnte, so 
stand nur ein beschränkter Raum für die Laparoskopie zur Verfügung. 

Die Leber sah etwas verkleinert aus, mit stumpfem Rande. Die Ober¬ 
fläche ist auch kleinhöckerig, obwohl mit ziemlich seichten Einsenkungen. 
Die Leber ist stark hyperämisch, sie entbehrt der gewöhnlichen leberbraunen 
Färbung, sowie deutlicher Zeichnung. Auch erscheint sie weniger grau als 
bei den zuvor beobachteten Zirrhosen. Das Peritoneum parietale ist deutlich 
hyperämisch. In der Bauchhöhle im übrigen sieht man hauptsächlich das 
grosse fettreiche Oment, nur ganz unten einige Darm schlingen. 

Nach dem Eingriff verminderten sich die Schmerzen des Pat. etwas, 
die Besserung dauerte jedoch nur kurze Zeit. Der Aszites des Pat. nahm bald 
wieder zu und am 5. V. wurden wiederum 3800 ccm chylöse Flüssigkeit ent¬ 
leert. Die Laparoskopie ergab nun dasselbe Bild wie das erste Mal. Danach 
weitere Aszitesentleerungen am 17. V. und 23. V. mit nur vorübergehender 
Besserung. Tod am 4. VI. 

Bei der Sektion fand man eine typische Laennecsche Leber¬ 
zirrhose, ausserdem aber auch primären Leberkrebs, jedoch mit 
Bef träge zur Klinik der Tuberknlose. Bd. XXV. H. 2. 14 


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202 H. C. Jacobaeus. [iS 

einer solchen Lage, dass er bei der Laparoskopie nicht hat gesehen werden 
können. Metastasen fanden sich im Duct. thoracicus (Ursache des chylösen 
Aszites), sowie hier und da am Peritoneum. 

Fall 12. A. N., 53 J., Pfarrer. Serafimerlazarett, Nr. 000, 1912. 

Cirrhosis hepatis. 

Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen. Kein Abusus. Lues wird, ver¬ 
neint. In den letzten 10—15 Jahren hat Pat. oft an leichten Diarrhöen 
gelitten, die jedoch lange Zeiten hindurch vollständig verschwunden gewesen 
sind. Niemals Erbrechen. Pat. hat die ganze Zeit über seine amtlichen Ob¬ 
liegenheiten erfüllt. Seit Weihnachten 1911 Müdigkeit und Mattigkeit, ausser¬ 
dem hat der Bauch in hohem Grade an Umfang zugenommen. 

Befund 18. III. 1912. Allgemeinzustand ziemlich gut. Pat. ist abge¬ 
magert, mit blasser Hautfarbe. Spuren ikterischer Färbung an den Sklerae 
vorhanden. Die Brustorgane zeigen nichts Abnormes. 

Der Bauch ist aufgetrieben, 104 cm im Umfang. Aszites. 

18. III. Laparozentese mit Entleerung von 6 Liter deutlich blutigem 
Aszites; spez. Gew. 1,011, Eiweissgehalt 1,2o/o. Nach der Entleerung des 
Aszites konnte man eine harte und unebene Leberresistenz im Epigastrium, 
sowie ganz links eine vergrösserte Milz 2—3 cm unterhalb des Brustkorbrandes 
palpieren. 

Bei der Laparoskopie fand man eine hochgradig kleinhöckerige Leber mit 
abgerundetem Rande. Die Oberfläche zeigte völlig das Bild einer Laennec- 
sehen Zirrhose. Keine augenfällige Hyperämie. Dagegen waren alle kleinen 
Gefässe in dem Oment stark geschlängelt. 

Am Tage nach der Entleerung litt Pat. ziemlich viel an Blähungen, ohne 
dass aber Empfindlichkeit über den Bauch hin vorhanden war. Am 20. III. ver- 
liess Pat. das Krankenhaus. 

Epikrise. In diagnostischer Hinsicht bietet dieser Fall sicht¬ 
lich grosses Interesse. Kein Alkoholmissbrauch lag vor. Bei der 
Entleerung des Aszites des Patienten erwies sich derselbe als stark 
blutig, weshalb der Gedanke an eine bösartige Geschwulst am 
nächsten lag. 

Die Palpationsbefunde nach der Entleerung, die vergrösserte 
Leber und Milz sprachen am meisten für Zirrhose. Sie waren jedoch 
nicht so deutlich, dass man eine Magengeschwulst im Fu^idus mit 
Metastasen in der Leber ausschliessen konnte. Der laparoskopische 
Befund hat daher in diesem Falle diagnostischen Wert gehabt. 

Fall 13. G. F., 65 J., Schiffskapitän. Serafimerlazarett, Nr. 117, 1912. 

Cirrhosis hepatis. 

Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen und hat unter guten hygienischen 
Verhältnissen gelebt. Lues wird verneint. Alkoholmissbrauch liegt vor. Im 
Dez. 1911 erkältete sich Pat., bekam Schnupfen, Husten und Kopfschmerzen. 
Der Appetit wurde schlecht. Einigemal Erbrechen. Im Januar begann der 
Bauch anzuschwellen. Die Harnmenge nahm ab. Allgemeiner Kräfteverfall. 
Aufgenommen ins Serafimerlazarett am 17. II. 1912. 



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19] Über Laparo- und Thorakoskopie. 203 

Allgemeinzustand ziemlich gut. Von den Brustorganen her nichts Be¬ 
merkenswertes. Bauch stark aufgetrieben. Aszites. Bauchumfang 106 cm. Ver¬ 
einzelte Venen am Bauche sichtbar. Leber und Milz nicht palpabel. Aszites. 

Am 23. II. 1912 Laparozentese mit Entleerung von 7 Liter klarer Flüssig¬ 
keit. Eiweissgehalt 0,5 o/o, R u n e b e r g und R i v a 11 a s Probe negativ. Nach 
der Entleerung des Aszites konnte man keine Veränderungen der Bauchorgane 
nachweisen. 

Bei der Laparoskopie sah man die Leber ganz oben bedeutend verkleinert. 
Oberfläche grau, unbeträchtlich uneben. Hyperämie des Peritoneum parietale 
in geringem Grade vorhanden. 

Nach der Entleerung waren weder Leber noch Milz ’zu palpieren. 

Verlauf nach der Untersuchung reaktionsfrei. 

Epikrise. Auch in diesem Falle hat die Lap&roskopie dia¬ 
gnostischen Wert gehabt. Unter meinen Fällen von malignen Bauch¬ 
tumoren gibt es mehrere mit ganz demselben Krankheitsbild, wo 
man nach Entleerung des Aszites keine Veränderungen der Bauch¬ 
organe nachweisen konnte (mit Ausnahme von der Albuminmenge 
des Aszites). 

Fall 14. J. V., 58 J., Kutscher. Mediz. Klinik I des Serafimerlazaretts, 
Nr. 336, 1910. 

Cirrhosis hepatis. 

Pat. ist auf dem Lande unter guten hygienischen Verhältnissen auf¬ 
gewachsen. Alkoholmissbrauch ziemlich hochgradig seit seinem 30. Jahr (8 bis 
10 Flaschen Bier, 2—3 Schnäpse täglich). Lues wird verneint. 

Die jetzige Krankheit begann vor ungefähr U/s Monaten. Pat. begann an 
trockenem Husten, sowie an allgemeinem Übelbefinden zu leiden. Dann merkte 
Pat ungefähr 2 Wochen später, dass der Bauch angeschwollen war. Erbrechen 
nach dem Essen trat hinzu. Der Appetit wurde schlecht, der Stuhlgang träge. 
Beim Gehen wurde Pat müde und litt an Atemnot. In der letzten Zeit Ab¬ 
magerung, häufig Frostanfälle. Keine Anschwellung der Gliedmassen oder im 
Gesicht. 

Aufgenommen in die mediz. Klinik des Serafimerlazaretts am 31. VIII. 1910. 

Befund am 2. IX. 1910. Normale Körperkonstitution. Etwas abgemagert 
Keine Ödeme. Kein Ikterus. Der Bauch ist aufgetrieben, unempfindlich, mit 
deutlich hervortretendem Venennetz. Aszites. Deutliche Dämpfung in den 
Seiten. Fluktuation. Bauchumfang am 1. IX. 90 cm. 

Am 3. IX. Laparozentese und Laparoskopie. 4300 ccm klare seröse 
Flüssigkeit wurden entleert, spez. Gew. 1,019, Eiweissgehalt 3o/o. 

Bei der Laparoskopie zeigte die Leber einen stumpfen Rand, die Ober¬ 
fläche war unbedeutend uneben und zeigte an verschiedenen Stellen ein 
etwas verschiedenes Bild. Auf kleineren Gebieten hellere grauweisse Flecke, 
Belägen oder oberflächlichen Bindegewebsverdickungen ähnelnd. Keine Zeichen, 
die auf tiefere zirrhotische Einziehungen hindeuten. Das Peritoneum auf Därmen 
und an der parietalen Wand stark diffus gerötet und injiziert. Keiner der 
früheren Fälle hat auch nur annähernd so starke Gefässinjektion im Peri¬ 
toneum gezeigt. 

Die übrigen Organe boten zu Bemerkungen keinen Anlass. 

Die Untersuchung der Langen ergab eine Bronchitis an beiden Lungen 
mit zahlreichen Rhonchi, sowie vereinzelten, weichen, mittelgrosscn Rassel- 

14* 


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II. C. Jacobaeus. 


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goräuschen. An der rechten Lunge unten eine Dämpfung mit geschwächter 
Atmung, sich hinauf bis zum Angulus scapulae erstreckend. Bei Probepunktion 
erhielt man klare seröse Flüssigkeit. Die Leber war perkutorisch nicht ver- 
grössert. Die Milz nicht palpabel, dem Perkussionsbefund nach etwas ver- 
grössert Der Harn ohne pathologische Bestandteile. . 

Das Blut zeigte normale Verhältnisse. Wassermann negativ. 

Temperatur febril, während der ersten 14 Tage unregelmässig bis zu 39° 
hinauf. Die Kurve hatte ein Aussehen ähnlich dem bei Abdominaltyphus mit 
grossen Remissionen. Nach der genannten Zeit sank die Kurve allmählich, so 
dass Pat. während der letzten Woche fieberfrei war. In der ersten Zeit nach 
der Entleerung des Aszites nahm die Flüssigkeit langsam zu, schon 14 Tage 
danach musste aber eine neue Entleerung, diesmal von 2500 ccm mit spez. 
Gew. 1,022 und Eiweissgehalt 3,5 <>o, von demselben Aussehen wie das erste 
Mal gemacht werden. * 

Der Magen zeigte sich bei Aufblasen nicht vergrössert, Magenprobe er¬ 
gab eine Gesamtazidität von 3, Kongo und U f f e 1 m a n n negativ. 

Laut Journalaufzeichnung vom 20. IX. war die Dämpfung an der rechten 
Lunge verschwunden; ebenso der Husten; keine Rasselgeräusche oder Rhonchi. 

Am 28. IX. war der Zustand des Pat. sehr beträchtlich gebessert; Appetit 
gut. Kein Aszites nachweisbar. 

Meerschweinchenprobe mit dem Aszites des Pat. auf Tuberkulose negativ. 

Pah wird am 3. X. 1910 als gebessert, ohne Aszites und fieberfrei ent¬ 
lassen; ihm wird der entschiedene Rat gegeben, zurückzukommen, falls die¬ 
selben Symptome wiederkehren sollten. Seitdem hat Pat. nichts mehr von 
sich hören lassen. 

Epikrise. Der eben beschriebene Fall, der noch nicht als 
völlig klargestellt anzusehen ist, bietet von mehreren Gesichtspunkten 
aus grosses Interesse dar. 

Beim ersten Durchlesen der Krankengeschichte des Falles er¬ 
hält man den Eindruck, dass mehrere Sachen für eine gewöhnliche 
Leberzirrhose mit Aszites zu sprechen scheinen. Yor allem ist das 
ätiologische Moment klar, indem ein nicht unbedeutender Alkohol¬ 
missbrauch vorliegt. Studiert man indessen den Krankheitsverlauf 
und die Entstehung der Krankheit näher, so erkennt man doch nicht 
das gewöhnliche Bild einer Zirrhose. Die gewöhnlichen Symptome, 
wie Verdauungsstörungen, Gefühl der Selvwere und Unbehagen in 
der Lebergegend usw., fehlen. Im Gegenteil sind die ersten Symptome 
solche von Bronchitis und häufige kleine Frostanfälle, also Zeichen 
einer Infektion, was man als Komplikation deuten muss, wenn man 
an der Diagnose Leberzirrhose festhält. 

Bei der Untersuchung im Krankenhause ist das Hauptsymptom 
Aszites, sowie von den Brustorganen her Bronchitis und rechts¬ 
seitiges Exsudat. 

Von Leber und Milz her keine sicheren Symptome. Bei Laparo- 
zentese erhält man klare seröse Flüssigkeit, aber mit ungewöhnlich 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


205 


hohem Eiweissgehalt, 3o/o. Ausserdem hat Patient Fieber bis hinauf 
zu 39°, mit ziemlich grossen Remissionen. 

Nach 14 Tagen erneute Entleerung von Aszites mit demselben 
hohen Eiweissgehalt (3,5%). Allmählich verschwinden nun der As¬ 
zites des Patienten und die Symptome von den Brustorganen her, 
und Patient wird symptomenfrei entlassen. 

Von dem soeben Angeführten ist es eigentlich nur die An¬ 
amnese, die auf eine Leberzirrhose deutet. Die objektiven Verände¬ 
rungen weisen mehr auf eine subakute Infektion hin. Für die 
Stützung dieser Auffassung hat die Laparoskopie ziemlich wichtige 
Aufschlüsse geliefert. Betreffs der Leber hat sie gezeigt, dass hier 
•keine ausgeprägten zirrhotischen Veränderungen vorhanden sind. 
Auf dem Peritoneum sowohl an den Därmen als an der Bauchwand 
findet sich bedeutende Gefässinjektion, was für eine chronische Peri¬ 
tonitis irgendwelcher Art spricht. Worauf diese beruht, ist mir nicht 
gelungen festzustellen. Eine Ähnlichkeit mit den tuberkulösen Peri¬ 
tonitiden, die ich später untersucht habe, bestand nicht. Pirquets 
Probe fiel auch negativ aus. Da man ausserdem ein Exsudat in der 
rechten Pleura hatte, so ist es wohl wahrscheinlich, dass eine Form 
von Polyserositis Vorgelegen hat, obwohl unbekannter Ätiologie. Die 
kleinen Perihepatitiden sprachen hierfür. 

An diese 14 Fälle reihen sich noch drei Fälle, von denen zwei 
unter den Fällen von Stauungsleber und einer in der Gruppe der 
bösartigen Bauchgeschwülste aufgeführt sind. 

Bei den ersteren hatte man vom klinischen Gesichtspunkt Ver¬ 
dacht auf Zirrhose, fand aber bei der Laparoskopie Stauungsleber. 
Bei dem Falle von Leberkrebs fand man denselben kombiniert mit 
einer beginnenden Lae n n e c sehen Zirrhose. 

Bei den vorliegenden 14 Fällen habe ich für die typischen 
Formen von Leberzirrhose nur das Wichtigste aus der Anamnese 
hier angeführt. In anderen ist es mir nicht möglich gewesen, mehr 
Auskünfte zu erhalten. 

Die ersten acht Fälle, sowie die Fälle Nr. 12 und 13 sind 
typische Laennecsche Leberzirrhosen, für die wenigstens die 
Laparoskopie und in den Fällen, wo der Tod eingetreten, die darauf¬ 
folgende Sektion keine Komplikationen gezeigt hat. 

Vom klinisch-diagnostischen Gesichtspunkt aus ist Fall 7 von 
besonderem Interesse, da man hier, wie auch mir scheint, aus ziem¬ 
lich guten Gründen die Diagnose tuberkulöse Peritonitis gestellt hat 
Die Laparoskopie zeigte hier ganz deutlich bei zwei Untersuchungen, 
dass es sich um eine Laennecsche Leberzirrhose handelt. Es ist 


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H. C. Jacobaeus, 


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ja ziemlich schwer, in diesem Falle eine tuberkulöse Peritonitis aus- 
zuschliessen, besonders da ich in zwei anderen Fällen (Nr. 8 und 9) 
eine mit Leberzirrhose gleichzeitig vorkommende tuberkulöse Peri¬ 
tonitis übersehen habe. In dem fraglichen Falle glaube ich indessen 
nicht, dass eine solche Peritonitis Vorgelegen hat, da ich bei beiden 
Untersuchungen die Aufmerksamkeit ganz besonders auf etwa vor¬ 
kommende tuberkulöse Veränderungen im Peritoneum gerichtet habe. 
Man hat hier also einen Fall, wo die klinische Diagnose eben durch 
die Laparoskopie eine ganz andere geworden ist. 

In Fall 12 war gleichfalls die Diagnose sowohl vor wie nach 
der Laparozentese in hohem Grade unsicher. Zwar palpierte man 
hier eine vergrösserte Milz und im Epigastrium eine vergrösserte 
Leber, aber sowohl die Anamnese wie der ganze Habitus des Pa¬ 
tienten sprachen gegen die Diagnose Zirrhose. Hierzu kam die stark 
blutige Aszitesflüssigkeit, die an eine bösartige Geschwulst denken 
liess. Es stellte sich heraus, dass eine typische Laennecsche 
Leberzirrhose vorlag mit sehr stark hervortretender Stase mit grossen 
und geschlängelten Gefässen in dem Oment, das die Bauclmszera 
überdeckte. In der sichtlich hochgradigen Stase des Pfortadersystems 
ist wahrscheinlich die Ursache der blutigen Aszitesflüssigkeit in 
diesem Falle zu erblicken. 

In den Fällen 9 und 10 hatte ich bei der Laparoskopie Leber¬ 
zirrhose gefunden, was durch die spätere Sektion bestätigt wurde. 
Ausserdem lag in beiden Fällen, wie eben erwähnt, tuberkulöse 
Peritonitis vor. Dass dieselbe mir entgangen, beruht wahrschein¬ 
lich nicht darauf, dass sie nicht bei der Laparoskopie hat ent¬ 
deckt werden können, sondern darauf, dass meine Aufmerksamkeit 
von den Leberveränderungen derart in Anspruch. genommen war, 
dass ich den übrigen Verhältnissen in der Bauchhöhle nicht ge¬ 
nügende Beachtung schenkte. 

In Fall 11 fand sich ausser der Leberzirrhose ein primärer 
Leberkrebs, wahrscheinlich sekundär im Verhältnis zur Zirrhose, 
mit vereinzelten Metastasen auf dem Peritoneum. Die Krebsmeta¬ 
stasen waren jedoch so belegen, dass es kaum möglich gewesen wäre, 
dieselben bei der Laparoskopie zu finden. 

Der letzte Fall (14) nimmt eine Sonderstellung ein, und es 
fragt sich, ob er nicht eigentlich zu der folgenden Gruppe gehört. 
Die Diagnose, die von dem betreffenden Klinikchef gestellt wurde, 
lautet© auf Cirrhosis hepatis und stützte sich wahrscheinlich der 
Hauptsache nach auf den früheren Alkoholmissbrauch des Patienten 
und sein verhältnismässig hohes Alter. Die Symptome des Patienten 
kurz vor der Aufnahme deuteten auf eine akute Bronchitis und Pleu- 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


207 


ritis, die solchenfalls als zufällige Komplikation aufzufassen wären. 
Bei der Laparoskopie, die ausgeführt wurde, während meine Erfah¬ 
rung noch ziemlich gering war, wurde jedenfalls keine ausgesprochene 
Zirrhose gefunden. Einige kleinere Beläge fanden sich auf der Ober¬ 
fläche. Dagegen waren Därme und Peritoneum parietaler Sitz einer 
kräftigen Hyperämie, und es herrschte kein Zweifel darüber, dass 
eine chronische Peritonitis vorlag. Meine spätere Erfahrung lässt 
mir dies als völlig sicher erscheinen. 

Die Bedeutung der Laparoskopie in diesem Falle liegt darin, 
dass sie in kräftigerer Weise auf die chronische Peritonitis hinwies, 
als sonstige .Untersuchungsmethoden es hätten tun können. Ferner 
erhielt man keine Bestätigung für die Diagnose Leberzirrhose. 
Diese beiden Tatsachen lassen die Diagnose Leberzirrhose als weniger 
wahrscheinlich erscheinen. Eher dürfte dem ganzen Krankheitsbilde 
eine chronische Infektion irgendwelcher Art zugrunde liegen. Zu¬ 
nächst wäre an Tuberkulose zu denken, ein sicherer Anhaltspunkt 
hierfür ist aber nicht vorhanden. Die Meerschweinchenprobe mit 
Aszitesflüssigkeit fiel in bezug auf Tuberkulose negativ aus. Es 
bleibt so die Annahme einer Polyserositis irgendwelcher Art übrig. 
Die kleinen Beläge auf der Leber sprechen hierfür. 

Nach der Entlassung aus dem Krankenhause ist es nicht mög¬ 
lich gewesen, Auskünfte über den weiteren Verlauf zu erhalten. 

Von den obenerwähnten, rein diagnostischen Gesichtspunkten 
aus besitzt es ein grosses Interesse, zu wissen, eine wie grosse Sicher¬ 
heit diesen Beobachtungen bei der Laparoskopie innewohnt. In wie 
vielen Fällen ist die Diagnose durch spätere Sektion kontrolliert 
worden ? 

In einem Falle, dem ersten, konnte ich keine Diagnose stellen, 
da das Kystoskop nicht so hoch hinauf reichte, dass die Leber zu 
sehen war. Fall 2 verlief tödlich und die Sektion stimmte voll¬ 
ständig mit dem Resultat bei der Laparoskopie überein. In den 
Fällen 8, 9 und 10 wurde eine Bestätigung der Diagnose Laennec- 
sche Leberzirrhose erhalten, dagegen wurden Veränderungen anderer 
Art am Peritoneum übersehen. 

Dm* Schluss, den man bei dieser Krankheit in diagnostischer 
Hinsicht ziehen kann, ist der, dass die Leber Veränderungen 
einer richtigen Diagnostizierung keine Schwierig¬ 
keiten bereiten. Dagegen macht man sich leicht 
einer Unvollständigkeit der Untersuchung betreffs 
Veränderungen des Peritoneums schuldig. 

Auch in einer anderen Richtung habe ich versucht, Schlüsse 
auf Grund dieser Methode zu ziehen. Man erhält ja ein ziemlich gutes 


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Gesamtbild von der Leber, und man müsste bis zu einem gewissen 
Grade entscheiden können, in welchem Stadium die Zirrhose sich 
befindet. Zwar gehört ja im allgemeinen das eigentliche Schrump¬ 
fung sstadium mit Aszites erst dem späteren Verlaufe der Krankheit 
an. Bei den vorliegenden Fällen sind jedoch recht zahlreiche Ver¬ 
schiedenheiten beobachtet worden. So fand sich eine bedeutende 
Schrumpfung in den Fällen 2, 4, 5, 9, 11 und 12. Bei ihnen allen 
trat der Tod kurz nach der Untersuchung ein, ausser in Fall 5, 
der erst neulich untersucht worden ist. Wenigstens bei einigen der 
übrigen Fälle (4 und 5) konnte man aus den übrigen klinischen 
Symptomen keine näheren Schlüsse in prognostischer Hinsicht ziehen. 
In anderen Fällen (3 und 6) war die Zirrhose nicht so weit vor¬ 
geschritten. Über Nr. 3 habe ich keine Auskunft erhalten können. 
In Fall 6 glaubte ich, dass die Prognose nicht so gut sei, wie der 
spätere Verlauf es zeigte. Der Aszites des Patienten hörte allmählich 
auf und Patient wurde schliesslich symptomfrei. Und doch war eine 
deutlich nachweisbare Zirrhose vorhanden. 

Bei der Beurteilung, wie weit eine Zirrhose vorgeschritten ist, 
darf man sich meines Erachtens nicht lediglich an die Grösse der 
Leber, den Grad der Schrumpfung, die Menge grauer Züge auf der 
Leberoberfläche usw. halten. Man hat auch die Parenchym- 
färbe in ihrer Gesamtheit in Betracht zu ziehen, 
von der man bei Laparoskopie von Fällen mit normaler Leber eine 
sehr gute Auffassung erhält. Die normale braune Leberfarbe ist 
ja sehr charakteristisch. Bei Zirrhosen hat die Leber eine 
graurote oder fleischrote Farbe, und die normale braun¬ 
rote Farbe wird um so weniger hervortreten, je weiter vorgeschritten 
die Zirrhose ist. 

Schliesslich will ich darauf hinweisen, dass die Laparoskopie 
bei Leberzirrhosen zu den beschwerlicheren Untersuchungen gehört. 
Es handelt sich hierbei oft um korpulente Personen. Der Abfluss 
der Aszitesflüssigkeit durch den Trokar ist oft erschwert, und man 
muss ihm durch leichte Massage nachhelfen. Und noch eine andere 
Schwierigkeit erhellt aus der obigen Kasuistik; sie zeigte sich bei 
dem ersten der beschriebenen Fälle. Hier reichte ich mit dem Kysto- 
skop nicht so hoch hinauf, dass ich die Leber sehen konnte. In 
mehreren anderen Fällen habe ich nur dadurch, dass ich das Kysto- 
skop so hoch wie möglich hinaufschob, einen Teil der Leber zu 
sehen bekommen, für welche Veränderungen diagnostiziert worden 
waren. Auch die Entfernung der Luft stösst bisweilen auf Schwierig¬ 
keiten. Ihr Zurückbleiben in der Bauchhöhle ist allerdings unge¬ 
fährlich, da sie binnen kurzer Zeit resorbiert wird. In einem Falle, 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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wo die Luft in grösserer Menge zurückblieb, hatte der Patient am 
Tage danach Symptome von Darmparese, die einige Stunden hin¬ 
durch recht bedrohlich aussahen, ziemlich plötzlich aber aufhörten. 
Ich will hiermit keineswegs behaupten, dass die zurückgebliebene 
Luft in der Bauchhöhle die Ursache gewesen wäre. 

II. Fälle von Pickscher Krankheit. 

Fall 15. H. B., 30 J., Elektrizitätsarbeiter. A.F.I., Nr. 201, 1910. 

Synechia pericardii -f- Insufficientia valv. aortae -f- Ascites + Cirrhosis 
hepatis -f- Perihepatitis (Pick sehe Krankheit). 

Eltern gesund. Keine Kinderkrankheiten. Venerische Infektion wird ver¬ 
neint. Pat. ist verheiratet, hat 2 gesunde Kinder. Kein Abort bei der Frau. 
Alkoholismus, obwohl nicht hochgradig, im Alter zwischen 20—25 Jahren. 
Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen. Im Herbst 1907 erkrankte er an einer 
ziemlich leichten Brustfellentzündung, der Beschreibung nach einer trockenen 
Pleuritis. Nach 10 Tagen stand jedoch Pat. wieder auf und arbeitete, obwohl 
er noch nicht ganz wiederhergestellt war. Er hatte oft ein „Gefühl der Schwere 
in der Brust“. Weihnachten 1908 begann er sich wieder schwach und krank 
zu fühlen, er hatte beim Gehen starke Atemnot, und bei ärztlicher Unter¬ 
suchung wurde Herzfehler konstatiert. Er lag deshalb zu Hause 2 Monate. 
März 1909 kam Pat. in das Provisorische Krankenhaus, wo er, seiner eigenen 
Aussage nach, mit Herztonika und Bettruhe behandelt wurde. Kein Fieber 
und keine Ödeme. Bei der Entlassung gegen Ende Juni war Pat. gebessert, und 
den ganzen Sommer brachte er auf dem Lande zu. Im Oktober wurde er ins 
Krankenhaus auf genommen, wo er bis zum 1. Februar 1910 blieb. Hier wurde 
an ihm Laparozentese mit Entleerung von Aszites das erste Mal bei der Auf¬ 
nahme und dann noch 4 mal nach je 6 Wochen Zwischenzeit gemacht. Am 
1. Februar wurde er entlassen und w&r 20 Tage lang zu Hause, worauf er 
am 21. Februar in das Krankenhaus der A.F.I. aufgenommen wurde. Was Pat. 
in der letzten Zeit und während des Aufenthalts hier am meisten belästigt hat, 
sind die rasche Zunahme der Flüssigkeit in der Bauchhöhle, sowie zuweilen 
. auf tretende Schmerzen in der Herzgegend. Während der ersten 5 Monate des 
Krankenhausaufenthalts hat sich der Zustand ziemlich unverändert gehalten. 

Befund am 2. VI. 1910. Allgemeinzustand schlecht. Starke Zyanose 
und Dyspnoe. Bedeutender Aszites. Der Bauch misst 119 cm im Umfang, nach 
Entleerung des Aszites 92 cm. Leichte Ödeme an Ober- und Unterschenkel. 
Subjeküve Symptome ziemlich wechselnd, hauptsächlich jedoch in Form von 
Leibschmerzen und in geringem Grade anginösen Schmerzen in der Herzgegend. 

Bei Untersuchung des Herzens findet man eine unbedeutende Vorwölbung. 
Deutliche Einziehungen nach den Herzbewegungen im 3. und 4. Interstitium, 
3—4 cm links vom Sternum. Die Herzbewegungen fühlt man hier auf¬ 
fallend nahe. 

Der Spitzenstoss wird 2 cm links und 4 cm unterhalb der Mittellinie 
palpiert. Rechts fällt die Grenze mit dem Sternalrande zusammen, jedoch mit 
etwas schräger Grenze, so dass die Dämpfungsfläche rhomboidische Form hat. 
Die Dämpfung ist ziemlich intensiv mit ziemlich scharfer Grenze besonders 
nach links hin. Keine Dämpfung über dem oberen Teil des Sternums. 


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Bei der Auskultation systolisches und diastolisches Geräusch am stärksten 
über dem oberen Teil des Sternums links. An der Spitze undeutliche unreine 
Töne, von den fortgeleiteten Geräuschen über der Basis überdeckt. 

Die Herztätigkeit im allgemeinen rasch, zwischen 80—100 in der Minute, 
bisweilen unregelmässig, jedoch von keinem besonderen Typus. 

Schwache Pulsationen im Jugulum, Venen am Halse unbedeutend ange¬ 
schwollen, gleichmässig auf beiden Seiten. Kein Pulsus paradoxus. Radialispuls 
etwas gespannt Keine Pulsverschiedenheit. Nach Entleerung des Aszites kann 
man die vergrösserte Leber deutlich palpieren; die Oberfläche ist undeutlich 
grosswellig uneben, mit stumpfem Rande. Keine Druckempfindlichkeit. Die 
untere Grenze verläuft ungefähr 10 cm unterhalb des Brustkorbrandes in der 
Mammillarlinie, in der Mittellinie bis zur Nabelebene. Die Milz ist nicht 
palpabel. Bei Perkussion erscheint dieselbe nicht vergrössert. 

Vom Nervensystem her nichts Bemerkenswertes. 

Am 2. VI. Laparozentese, wobei 15 000 ccm Aszites entleert wurden. 

Da der Aszites des Pat. sehr rasch rezidivierte, wurde er von dieser 
Zeit an bis zu dem am 20. IX. 1910 erfolgten Tode des Pat. 9 mal in Quanti¬ 
täten, die zwischen 10—17 Liter wechselten, und zwar die ersten Male grösser 
als die letzten waren, entleert. Bei jeder Laparozentese wurde auch Laparo¬ 
skopie ausgeführt. Da alle diese Untersuchungen dasselbe Resultat ergeben 
haben, fasse ich die Beschreibung in einer einzigen zusammen. 

Bei der Laparoskopie sieht man, dass die Leber bedeutend vergrössert ist. 
Der Vorderrand ist stumpf und uneben. Die obere Fläche auf der rechten 
Seite ist grosswellig uneben, sowie ungefähr in der Ausdehnung einer Kinder¬ 
hand mit einer stark weissglänzenden Membran bedeckt, die sehr unregel¬ 
mässige Konturen hat, so dass ein sternförmiges Bild zustandekommt. Die Ver¬ 
änderungen sind um so grösser, je höher man an der Leberoberfläche hinauf¬ 
gelangt. Auf der linken Seite findet man nahe dem Leberrande einige breite 
Züge (Taf. II, Fig. 1), sowie weiter aufwärts „landkartenähnliche“ Flecke, wie 
auch auf der anderen Seite, obwohl kleiner. Nirgends Adhärenzen. Das Peri¬ 
toneum parietale zeigt sehr starke Gefässinjektion (Taf. II, Fig. 2) auch bei 
kräftiger Dehnung des Peritoneums. Hier und da tritt eine unbedeutende Fein- 
höckerigkeit hervor. Bisweilen erscheinen die Gefässe verschleiert, mit un¬ 
deutlichen Grenzen. Die Milz gelang es mir nie zu sehen. 

Die beigegebenen Figuren sind bei einer Laparoskopie am 12. IX. von 
Dr. G ö t h 1 i n gezeichnet. Fig. I zeigt den linken Leberrand mit strahligen 
Narben nahe dem Rande. Der weisse Fleck nahe dem Rande ist ein Reflex. 
Fig. II zeigt den starken Gefässreichtum im Peritoneum. 

Im allgemeinen wurden an dem Pat alle 10—14 Tage 12—13 Liter 
Aszites entleert; anfangs war er klare seröse Flüssigkeit, später wurde er 
mehr chylös. Der Eiweissgehalt hat sich beständig auf 12—15 % 0 gehalten. 

In dem Sediment vereinzelte zellulare Elemente, Lymphozyten, vereinzelt 
Endothelzellen und rote Blutkörperchen. 

Die Harnmenge gering, 600—800 ccm ohne Eiweiss und Zucker. Zum 
Schluss sank sie auf 200—300 ccm. 

Am 19. VI. Wassermann positiv. 

Am Tage darauf wurde mit Hg- und J-Behandlung begonnen, 7 Salicyl. Hg, 
sowie JK 1 g 4 mal täglich wurden einen Monat hindurch verabreicht. Dann 
wurde bis zum 1. IX. pausiert, wo die JK-Behandlung wieder begonnen wurde. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


211 


Der Zustand des Pat. schien sich anfangs zu bessern, aber nur für kurze 
Zeit. Pat. fiel mehr und mehr ab, und ohne dass neue Symptome hinzugetreten 
wären, starb Pat. am 19. IX. 1910. 

Die Sektion wurde von Dr. Resmark ausgeführt, wobei folgende patho¬ 
logisch-anatomische Diagnosen gestellt wurden: 

Hypertrophia et dilatatio cordis -f- Insufficientia valv. aortae + Aortitis 
Iuetica + Aneurysma aortae permagna -f- Perihepatitis et Perisplenitis -f- Peri¬ 
tonitis chronica -f- Stasis omnium organum. 

Die genauere Beschreibung ist folgende. 

Herz bedeutend vergrössert, 15 X 15 cm messend. Die Perikardialblätter 
fast überall miteinander verwachsen, stark verdickt bis zu 4 mm in den 
hinteren oberen Teilen. Alle Räume des Herzens erweitert. Die Wand der 
linken Kammer 1 cm unterhalb der Aortaklappe 19 mm dick. Endokardium ver¬ 
dickt Die Mitralis lässt gut 2 Finger hindurch. Aortaklappen verdickt, etwas 
retrahiert, zwischen der hinteren und der medialen Klappe finden sich ein 
paar einander zugewandte ulzerierte, erbsengrosse Flächen. In der Aorta finden 
sich in grosser Ausdehnung erhabene, gelbe, zusaramenfliessende, teilweise ver¬ 
kalkte Flecke, zwischen, denen die Intima einige narbenähnliche Einziehungen 
aufweist. Oberhalb der Aortaklappen führt eine ungefähr zweimarkstückgrosse 
Öffnung in einen apfelsinengrossen Hohlraum, der sich nach unten zu in die 
Wand der rechten Kammer ausbuchtet, die rechte Vorkammer und die Valv. 
tricuspidalis nach hinten und die Pulmonalisöffnung nach vom medianwärts 
drängend. Er erstreckt sich abwärts bis l l / 2 cm von der Spitze der Kammer. 
Die Wände des Hohlraums bestehen aus hartem, knorpelähnlichem Bindegewebe, 
das nach unten zu allmählich in normale Herzmuskulatur übergeht Die rnediale 
Wand l^/g cm, das laterale, sowie das äussere Perikardialblatt 4 mm dick. 
Im Inneren des Hohlraums finden sich an der unebenen, rauhen Wand einige 
an dieser festsitzende Thromben. Der Raum in der rechten Kammer durch den 
sich hineinbuchtenden Aneurysmasack stark verkleinert In der Intima der 
Koronararterien finden sich einige schwach erhabene, gelbe Flecke und Züge. 

Lungen wie auch Pleurae ohne Veränderungen. In der Bauchhöhle unge¬ 
fähr 12 Liter seröse Flüssigkeit. Das Peritoneum parietale bedeutend verdickt 
und pergamentartig, mehr als 1 mm dick im Durchschnitt, aber doch glatt 
und glänzend. Am dicksten ist es in den oberen Teilen über der Leber, die 
Dicke nimmt dagegen abwärts nach dem kleinen Becken zu ab. Die Darmserosa 
nicht besonders verdickt. Nirgends sichtbare fleckweise Verdickungen. 

Die Leber vergrössert (2—3 kg), die obere Fläche mit einer hier und da 
2—3 mm dicken, weissen Membran belegt, vor allem auf der rechten Seite, 
wo dieselbe sich über eine mehr als handtellergrosse Fläche erstreckte. Auf 
dem übrigen Teil der Leber fand sich eine netzförmige Zeichnung von ver¬ 
dicktem Bindegewebe. Von der oben erwähnten dicken Membran aus liefen in 
der Schnittfläche kleinere Züge hinab ins Parenchym. Auf der linken Seite 
fanden sich einige kleinere Flecke, jeder ungefähr 10 qcm gross. Nahe dem 
Rande ausserdem kleinere Bindegewebszüge, die bei der Laparoskopierung ab¬ 
gezeichnet worden sind und sich als im Detail mit den Zeichnungen über¬ 
einstimmend erwiesen. Das Leberparenchym im übrigen zeigte das gewöhnliche 
Aussehen einer Stauungsleber mit umgekehrter Zeichnung und jekundärer 
Schrumpfung. 

Die Milz zeigte an der Oberfläche einen ähnlichen Überzug wie die Leber, 
Der grössere Teil der vorderen Fläche hatte eine 2—3 mm dicke Schicht eines 


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vveissglänzenden schwieligen Gewebes. Das Parenchym im übrigen zeigte den 
Typus einer beginnenden Stauungsmilz. 

Vom Darmkanal her nichts Bemerkenswertes. 

Mikroskopische Untersuchung (Dr. Resmark). Die Aorta- 
wand zeigte bedeutende Veränderungen in der Media von dem für luetische 
Aortitis charakteristischen Aussehen. 

Die Perikardialverwachsung, sowie die weissen Beläge auf der Oberfläche 
von Leber und Milz, sowie Peritoneum parietale haben alle denselben Bau. 
Es handelt sich um ein ziemlich zellarmes, chronisch entzündetes Gewebe hier 
und da mit Rundzellenherden um die Gefässe herum. Veränderungen, Nekrosen 
oder Intimaveränderungen in den Gelassen, die absolut für den luetischen 
Charakter derselben entscheidend wären, sind nicht angetroffen worden. Die 
Leber erweist sich als Sitz einer diffusen interstitiellen Hepatitis nebst Stauungs¬ 
veränderungen. 

Epikrise. Dieser hier in aller Kürze relatierte Fall ist von 
vielen Gesichtspunkten aus sehr interessant. Hält man sich zunächst 
an das allgemeine Krankheitsbild, so waren es die Symptome vom 
Herzen und von den Bauchorganen her, die dominierten. 

Vom Herzen her hatte man Symptome einer Aortainsuffizienz, 
sowie in den ausgesprochenen Einziehungen im HI. und IV. Inter- 
stitium, den Schmerzen, schliesslich der Ausdehnung der Dämpfung 
und der Intensität derselben auch solche einer Synechia pericardii. 

Die Bauchsymptome bestanden in einer bedeutenden Vergrösse- 
rung der Leber, sowie einem rasch rezidivierenden Aszites. Zu¬ 
sammen mit den Symptomen vom Herzen her war es daher sehr wahr¬ 
scheinlich, dass Picks Krankheit vorlag. Durch Anwendung der 
Laparoskopie war es mir möglich, nicht nur eine Bestätigung hier¬ 
für zu erhalten, sondern auch diese Veränderungen und ihre Aus¬ 
breitung auf der Leber und auf dem Peritoneum parietale näher zu 
studieren. Auch versuchte ich die Einwirkung der spezifischen Be¬ 
handlung bei den neun Laparoskopierungen zu kontrollieren. Eine 
Wirkung davon konnte ich nicht beobachten. Die grosse Anzahl 
Untersuchungen, die ohne nennenswerte Beschwerden von dem Pa¬ 
tienten mit seinem schweren Herzfehler ertragen wurde, zeigt ja 
in überzeugender Weise, wie wenig anstrengend der Eingriff ist. 

Was die Ätiologie in diesem Falle betrifft, so fiel Wasser¬ 
manns Reaktion positiv aus, und bei der Sektion fand man ein 
sackförmiges Aneurysma, das sich zwischen den beiden verwachsenen 
Perikardialblättern nach unten ausbuchtete. Mikroskopisch fand man 
in der Aorta typische luetische Veränderungen. Dass Lues auch 
die Ursache der chronischen Peritonitis und Perihepatitis gewesen, 
ist möglich, obwohl man keine hierfür charakteristischen Verände¬ 
rungen hat finden können. Ebenso lässt sich der Gedanke nicht ganz 
abweisen, dass das Aortenaneurysma, das sich unten ausbuchtete und 


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29] Über Laparo- und Thorakoskopie. 213 

die rechte Herzhälfte durch die hierdurch entstehende Stauung kom¬ 
primierte, zur Entstehung der fraglichen Veränderungen beige¬ 
tragen hat. 

Fall 16. S. II., 18 J., Stationsdiener. Serafimerlazarett, Klin. II, 

Nr. 377, 1910. 

Synechia pericardii -f- Perihej)atitis -f- Ascites (Pick sehe KrankhoiU. 

Die Eltern leben, gesund. 6 Geschwister, davon 2 an Tuberkulose ge¬ 
storben. Hygienische Verhältnisse gut. Lues wird verneint. Kein Alkohol¬ 
missbrauch. 

Im Alter von 4—5 Jahren hatte Pat. Brustfellentzündung. Im Alter von 
9—10 Jahren angeschwollene Drüsen am Halse; Pat. w'urde 8—9 mal deswegen 
operiert, das letzte Mal vor 5—6 Jahren. 

Die jetzige Krankheit begann vor ungefähr 2 1 /« Jahren. Bei Anstrengungen 
stellte sich unbedeutendes Herzklopfen und Schwindel ein; bisweilen Stiche 
in der Herzgegend, manchmal auch in der Brust Der Zustand hielt sich ungefähr 
unverändert bis Neujahr 1909, wo Pat. bemerkte, dass der Bauch an Umfang 
zuzunehmen begann. Keine Schmerzen oder Beschwerden anfangs, und im 
Juni 1909, als Pat einen Arzt wegen eines Geschwürs am Unterschenkel auf¬ 
suchte, konstatierte dieser Flüssigkeit in der Bauchhöhle, worauf 4 Liter Asziles 
entleert wurden. Nach dieser ersten Entleerung verlief eine Zeit von 2 Monaten, 
worauf Pat wegen vermuteter tuberkulöser Peritonitis operiert wurde, ohne 
dass man jedoch hierfür charakteristische Veränderungen finden konnte. 
U/s Monate später neue Entleerung, danach dauerte es bis Februar 1910, wo 
wieder ungefähr 20 Liter Flüssigkeit entleert wurden. 

Ende 1909 traten leichte Ödeme an den Unterschenkeln auf. 

Im Mai 1910 wiederum Entleerung von 20 Litern Aszites, ebenso am 
22. VI. und 9. VII. 

Im übrigen hat Pat. keine Beschwerden gehabt. Der Appetit ist gut 
gewesen. Niemals Ikterus. Pat. wurde in die med. Klinik II am 13. VII. 1910 
auf genommen. » 

Befund 13. VII. bis 23. VII. 1910. 

Pat. ist gross, schmächtig gebaut, beträchtlich abgemagert. Kein Ikterus. 
Sklerae nicht gelb gefärbt. Keine Zyanose. Gesichtsfarbe etwas gelbbraun. Die 
Endphalangen der Finger etwas breiter als normal. 

Die Lungen zeigen nichts Bemerkenswertes. 

Die Herzgegend ist deutlich vorgewölbt. Iktus nicht sichtbar. Im IV. Inter- 
stitium zwischen Sternum und Mammillarlinie sieht man kleinere Einziehungen 
nach den Herzbewegungen. Die Herzbewegung fühlt man nur unbedeutend. 

Die Herzdämpfung ist sehr stark ausgesprochen, mit scharfen Grenzen; 
sie beginnt 3 cm rechts vom rechten Sternalrande und erstreckt sich links bis 
1 cm links von der Brustwarze und 10 cm unterhalb derselben. Bei Aus¬ 
kultation hört man ein systolisches Blasegeräusch, am stärksten über der Spitze. 
An der Ansatzstelle des 6. Rippenpaares am Sternum dicht oberhalb des Proc. 
xiphoideus hört man perikarditische Reibegeräusche. 

Die Halsvenen etwas angeschwollen mit leichten Undulationen, diastolischer 
Venenkollaps vorhanden. Kein Pulsus paradoxus. Radialpulse gleichzeitig und 
gleich gross. Blutdruck 95—100 mm Hg. 

Der Bauch ist aufgetrieben, 98 cm im Umfang in der Nabelebene messend. 
Oberflächliche Venen unbedeutend erweitert. Aszites. 


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Dio Leber stark vergrössert, 6—7 cm unterhalb des Brustkorbrandes, 
Höhe 18 cm in der rechten Mittellinie. Der Leberrand ist hart und eben ; die 
Oberfläche fest, ohne grössere Unebenheiten. Keine Empfindlichkeit. 

Die Milz ist gleichfalls vergrössert und kann auf einem kinderhandgrossen 
Gebiete unter dem Brustkorbrande palpiert werden. 

Am 18. VII. wurden 10,6 Liter ziemlich hämorrhagischer Flüssigkeit ent¬ 
leert, spez. Gew. 1,011, Eiweissgehalt 1,3o/o. Bei mikroskopischer Untersuchung 
Lymphozyten und rote Blutkörperchen, sonst nichts von Interesse. 

Die Laparoskopie ergab folgendes Resultat 

Die Leberoberfläche deutlich uneben, der Rand stumpf mit grossen Un¬ 
ebenheiten. Leberzeichnung undeutlich. Auf der oberen Fläche der Leber sieht 
man an einer Stelle eine Blutung, soweit man im Kystoskop sehen kann, von 
einer Ausdehnung von 1X2 cm. Um diese Stelle herum findet sich eine 
2 cm breite, helle, gefässarme und nach aussen von dieser eine hyperämische 
Zone. Der Gefässreichtum wechselt sehr mit abwechselnd hellen, gefäss- 
armen und dunklen hyperämischen Partien. An anderen Stellen sieht man 
unregelmässige, glänzend weisse, sternförmige perihepatitische Flecke. Das 
Peritoneum parietale zeigt gleichfalls einen sehr wechselnden Gefässreichtum. 
Gewisse Stellen sind sehr gefässarm, andere stark hyperämisch. Oberflächliche 
Darmschlingen erscheinen auch mehr als gewöhnlich injiziert, jedoch ohne 
deutlich nachweisbare Veränderungen. 

Das Blut zeigte bei Untersuchung 3 780 000 rote und 7000 weisse Blut¬ 
körperchen, Hämoglobingehalt (Sahli) 95, mikroskopisch keine Veränderungen, 
v. Pirquet negativ. Keine palpablen Lymphdrüsen. 

Im Harn nichts Abnormes. Diazoreaktion schwach positiv. 

Bei Röntgendurchleuchtung erwies sich der Herzschatten als bedeutend 
vergrössert. Seine grösste transversale Breite war 16 cm, davon 10 cm auf 
den linken Medianabstand. Das Herz hat eine ausgesprochen dreieckige Form. 

Am 30. VII. 1910 wurde Pat. entlassen. 

Nach der Entlassung wurde ungefähr monatlich eine Entleerung des 
Aszites vorgenommen. Im August 1910 wurde Kardialyse nach Brauer aus¬ 
geführt. Es zeigte sich nun, dass eine totale Synechie vorlag. Resektion der 
5. und 6. Rippe nahe dem Sternum wurde gemacht. Nach der Operation fühlte 
sich Pat. subjektiv besser. Die Zyanose nahm augenfällig ab. Pat. fühlte sich 
kräftiger. Betreffs des Aszites des Pat. konnte man eine Verminderung kon¬ 
statieren, indem in der gleichen Zeit 10—15 Liter Flüssigkeit gegen 20 Liter 
vorher entleert wurden. Da der Aszites andauernd jeden Monat oder alle zwei 
Monate entleert werden musste, wurde im Juni 1911 Talmas Operation mit 
Festnähen des Oments an der vorderen Bauchwand ausgeführt. Eine Besserung 
der Bauchsymptome des Pat. war jedoch nach dieser Operation nicht zu ver¬ 
spüren. 

Am 6. September wurde die letzte Entleerung vor der erneuten Aufnahme 
ins Krankenhaus vorgenommen, welch letztere am 20. X. 1911 erfolgte. 

Befund bei der Aufnahme. Allgemeinzustand ziemlich gut. Betreffs der 
allgemeinen Verhältnisse sei auf die vorige Befundaufnahme verwiesen. 

Auf dem Brustkorb findet sich in der Herzgegend eine ungefähr 10 cm 
lange Narbe, die dem Sternum parallel verläuft. In diesem Gebiete sind die 
dem Sternum nächstgelegenen Teile der 5. und 6. Rippe entfernt, und die Be¬ 
wegungen des Herzens lassen sich unmittelbar unter der Haut palpieren, welch 
letztere systolische Einziehungen zeigt. Keine Geräusche. Perikarditische 


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über Laparo* und Thorakoskopie. 


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Reibungsgeräusche hört man am Sternalende der 5. und 6. Rippe auf beiden 
Seiten. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben, 112 cm im Umfang messend. Die gewöhn¬ 
lichen Symptome von Aszites vorhanden. 

Am 21. X. wurden 16,5 Liter Aszites entleert; Eiweissgehalt 2,5 o/o. Ge¬ 
ringe Anzahl Lymphozyten und rote Blutkörperchen. Runeberg und 
R i v a 11 a positiv. Keine Tuberkelbazillen nachweisbar. Meerschweinchenprobe 
auf Tuberkulose gleichfalls negativ. 

Bei der Laparoskopie findet man die Leber bedeutend vergrössert. Die 
Oberfläche ist etwas uneben mit kleineren Einziehungen. Der Vorderrand der 
Leber ist stumpf. Auf der oberen Oberfläche sieht man zerstreute, ziemlich aus- 
gebreitetc Beläge (Perihepatitis), die durch schmale Ausläufer Zusammenhängen. 
Das von den Perihepatitiden eingenommene Gebiet ist ungefähr ebenso gross 
wie das der mehr normalen Partien. Die Farbe des Leberparenchyms zeigt 
mehr einen Stich ins Rote infolge Hyperämie. 

Gallenblase normal. Die sichtbare Magenoberfläche ist deutlich hyper- 
ämisch. Ein grosses Oment bedeckt den grösseren Teil der Viszera; nur ganz 
unten treten einige hyperämische Dünndarmschlingen hervor. Unterhalb des 
Nabels sieht man zwei Verwachsungen zwischen Oment und vorderer Bauch¬ 
wand. Diese Teile des Oments haben ganz dasselbe Aussehen wie die übrigen 
Teile desselben. Im besonderen kann man keine grösseren Gefässe in dem 
betreffenden Teil des Oments entdecken, auch sieht man keine grösseren ab¬ 
führenden Venen oder ein dichteres Gefässnetz im Peritoneum parietale an 
der genannten Verwachsung. Das Peritoneum parietale bietet ein sehr eigen¬ 
tümliches Bild dar. Im ganzen ist es stark hyperämisch und verdickt. Ziem¬ 
lich oft wechseln diese hyperämischen, etwas erhabenen Partien mit ein¬ 
gesenkten, stark blassen, runden Partien ab. Die Grenze ist bei der grossen 
Mehrzahl der Stellen halbkreisförmig, gyriform. Auch scheinen die Verände¬ 
rungen am ausgesprochensten in den oberen Teilen der Bauchhöhle zu sein und 
nach unten hin zuzunehmen. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. Am 23. X. stand Pat. auf. Vom 
27.—31. X. erhielt er Digitalis und Diuretin ohne nachweisbare Wirkung. Vom 
25. X. an wurde Pat. geraten, die Flüssigkeitszufuhr soviel wie möglich ein¬ 
zuschränken, und es gelang, die Flüssigkeitsmenge auf 500 ccm pro Tag zu 
halten. Im übrigen erhielt Pat.* gewöhnliche Kost. Im allgemeinen hatte Pat. 
eine Diurese von durchschnittlich 600—800 ccm. Bei dieser Lebensweise fühlte 
sich Pat. sehr wohl. 

Das Gewicht des Pat. hielt sich genau um 60 kg herum, und der Bauch¬ 
umfang nahm von 89 auf 87 cm ab. 

Am 27. X. wurde Röntgenuntersuchung des Herzens angestellt, wobei 
folgendes festgestellt wurde. „Der Herzschatten zeigt deutlich eine Aus¬ 
buchtung der Gegend der linken Vorkammer. Die Vena cava sup. liefert einen 
breiteren Schatten als gewöhnlich. Infolge dieser beiden Umstände ist die 
Breite des Herzschattens in seinem oberen Teil grösser als gewöhnlich, indem 
sie 11 cm misst. Der untere Teil des Herzschattens liefert eine undeutliche 
Kontur, so dass die Spitze nicht unterschieden werden kann. Der Herzschatten 
hat einen linken Medianabstand von 12 cm und einen rechten von 6 cm, grösste 
Breite demnach 18 cm. Pulsationen überall an der Kontur zu sehen." 

Am 9. XI. wurde Pat. entlassen mit dem Rate, dieselbe Diät wie im 
Krankenhause auch weiter zu befolgen. 


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H. C. Jacobaeus. 


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Am lf). II. 1912 erhielt ich von ihm die Nachricht, dass es ihm an¬ 
dauernd put gehe, und dass während dieser 3 Monate keine Entleerung von 
Aszites nötig gewesen sei. Bauchumfang und Gewicht seien dieselben, als wie 
Pat. das Krankenhaus verliess. 

Epikrise. Es handelt sich um einen nun 20jährigen jungen 
Mann, der seit 3—4 Jahren krank ist. Zuerst traten leichte Herz¬ 
symptome auf, später ein chronischer Aszites. Im Juli 1910 wurde 
Patient in die medizinische Klinik des Serafinerlazaretts aufgenom¬ 
men, und auf das Symptomenbild hin, das Patient damals aufwies, 
wurde die Diagnose Picks Krankheit gestellt. Eine bedeutende 
Vergrösserung der Leber und der Milz sowie Aszites wurden fest- 
gestellt. 

Bei Laparoskopie am 18. VII. sah man eine chronische Peri¬ 
tonitis; die Leber war vergrössert, uneben, mit kleineren Blutungen, 
perihepatischen Schwielen und anderen Veränderungen unbe¬ 
stimmter Art. 

Im August 1910 wurde Kardiolyse nach Brauer gemacht, nach 
welcher Operation der Zustand sich etwas besserte. Allmählich 
bildete sich der Aszites zurück und es musste nun alle 1—2 % Monate 
eine neue Entleerung vorgenommen werden. Im Juni 1911 wurde 
Talmas Operation gemacht, ein Teil des Oments wurde an der 
vorderen Bauchwand festgenäht. Nach dieser Operation war da¬ 
gegen keine augenfällige Besserung wahrzunehmen. Am 21. X. 
1911 erhielt ich aufs neue Gelegenheit zu einer Laparoskopie. Hierbei 
fand ich, dass die chronische Peritonitis unverändert war. Auf 
der Leber hatten die perihepatischen Flecke an Zalil und Aus¬ 
breitung zugenommen, so dass man nun von einer wirklichen 
„Zuckergussleber“ sprechen konnte. In den unteren Teilen war das 
Oment teilweise mit der vorderen Bauchwand verwachsen, ohne 
dass man aber vergrösserte oder erweiterte Venen an treffen konnte. 
Schliesslich wurde Patient auf „Trockendiät“ gesetzt, was wenigstens 
im Anfang eine ziemlich wesentliche Besserung nach sich zu ziehen 
schien. 

Die Ätiologie ist in diesem Falle unsicher, doch sprechen die 
wiederholten Lymphdrüsenanschwellungen in den Wachstumsjahren 
de3 Patienten in gewissem Grade dafür, dass er an Tuberkulose litt. 
Weder bei den Operationen noch bei den Laparoskopien ist etwas 
für Tuberkulose Charakteristisches angetroffen worden. Impfung von 
Meerschweinchen mit Aszites ergab negatives Resultat. Etwas 
Sicheres über die Ätiologie lässt sich demnach nicht aussagen. 

Die Entwickelung der Krankheit des Patienten ist chronisch, 
und bei der ersten Aufnahme ins Krankenhaus 1910 bot sie das 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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klinische Bild der Pietschen Krankheit dar. Bei der Laparoskopie 
findet man herdförmige Veränderungen, die deutlich in die Tiefe 
in das Parenchym gehen und vereinzelte deutlich perihepatitische 
Flecke. Sie waren jedoch so wenig verbreitete, dass ich im 
Zweifel darüber war, ob man auf derartige geringe Verände¬ 
rungen hin die Diagnose Picks Krankheit stellen konnte. Bei 
der ein Jahr später ausgeführten Laparoskopie hatten die Ober¬ 
flächenveränderungen eine solche Ausbreitung erlangt, dass ein 
Zweifel an der Richtigkeit der genannten Diagnose nicht mehr be¬ 
stehen konnte. Ferner schien es, als wenn die krankhaften Ver¬ 
änderungen im Rückgang begriffen und Schrumpfung eingetreten 
wäre. 

Die Wirkung der energischen Behandlung, die Patient genossen, 
ist schwer zu beurteilen. Zuerst wurde eine Kardiolyse nach 
Brauer ausgeführt, und nach dieser trat eine sichtliche Besserung 
ein, obwohl sich der Aszites von neuem bildete und andauernd 
Entleerungen vorgenommen werden mussten. Dann wurde Talmas 
Operation ausgeführt, ohne dass aber eine Wirkung auf den Zustand 
des Patienten zu beobachten gewesen wäre. Bei der Laparoskopie 
4 Monate später waren keine Kollateralgefässe, von den festgenähten 
Omentzipfeln ausgehend, nachzuweisen. Zwar ist ein negativer Be¬ 
fund kein entscheidender Beweis dafür, dass solche nicht vorhanden 
gewesen wären, ich möchte aber darauf hinweisen, dass es auf keine 
Schwierigkeiten stösst, Kollateralen um das Suspensorium hepatis 
herum zu finden. In der Literatur findet man erwähnt, dass dieselben 
die (irösse der Art. radialis erreichen können, und solchenfalls 
sollte es nicht schwer gefallen sein, sie zu sehen. 

Schliesslich wurde Patient auf „Trockendiät“ gesetzt, und hier¬ 
durch gelang es, den Patient in einem Zustande zu halten, bei dem 
sich sein Aszites nicht zurückbildet und sein subjektives Befinden 
bedeutend gebessert ist. 

Fall 17. C. S., 30 J., Ehefrau. Mediz. Klinik 11 des Serafimerlazaretts, 
Nr. 422, 1910. 

Synechia pericardii -f- Perihepatitis -f- Ascites (Pick sehe Krankheit). 

ln hereditärer Hinsicht nichts Bemerkenswertes. Keine Krankheiten von 
Interesse vor der jetzigen Krankheit. Lues wird verneint. 

Im Herbst 1897 erkrankte Pat. ohne vorhergehenden Anlass durch Er¬ 
kältung an Fieber und Schüttelfrost mit Schmerzen und Anschwellung in den 
Knie- und Fussgelenken. Nach einiger Zeit trat schweres Herzklopfen hinzu, 
und mail diagnostizierte rheumatisches Fieber mit Herzfehler. Nach 4 Wochen 
war Pat. relativ gesund und danach gesund bis November 1905, wo ihr Gelenk¬ 
rheumatismus mit denselben Symptomen wie das erste Mal rezidivierte. Die 
Herzbeschwerden nahmen zu; der Verlauf war schwerer. Pat. lag 2 Monate 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2. 15 


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218 II. C. Jacobaeus. [31 

lang zu Bett. Im April 11100 begann der Bauch anzuschwellen, ausserdem 
nahmen die Herzbeschwerden noch stärker zu. Im Herbst 1900 zum erstenmal 
Laparozentese, wobei 10 Liter entleert wurden. Dann Entleerung von Aszites 
2 mal jedes Jahr, im letzten Jahre 4 mal. 

Weilmachten 1907 unbedeutende Anschwellung der Beine. 

Im Juni 1910 waren die Beschwerden ärger als je zuvor. Pat. hatte jedoch 
nie eigentliche Schmerzen in der Herzgegend, sondern fühlte sich nur müde und 
matt. Aufnahme ins Serafiinerlazarett am 3. VIII. 1910. 

Befund 10.—15. X. 1910. 

Pat, ist von schwächlichem Körperbau; starke Zyanose des Gesichts. Am 
Halse kräftige Pulsationen. Kein diastolischer Venenkollaps. 

Der Bau des Brustkorbs bietet nichts von Interesse dar. An den Lungen 
keine Dämpfung. Bei Auskultation hört man an der Basis vereinzelte Rassel¬ 
geräusche. Die Herzgegend ist stark vorgewölbt, kräftige Pulsationen im 
III. Interstitium, sowie im Epigastrium. Kein sichtbarer Spitzenstoss, auch keine 
Einziehungen. Bei Perkussion erhält man Dämpfung 4 cm nach rechts hin 
vom Sternum, 3 cm nach links von der Mittellinie. 

Bei Auskultation hört man ein langgezogenes systolisches Blasegeräusch 
an der Spitze. Der Puls ist klein, unregelmässig, Erequenz 98. Kein Pulsus 
paradoxus. 

Der Bauch ist aufgetrieben, mit deutlichen Zeichen von Aszites. 

Die Leber ist 5 cm unterhalb des Brustkorbrandes palpabel. Der Rand 
fühlt sich stumpf, uneben an. Die obere Fläche stark uneben, fast knotig. 
Harn einweiss- und zuckerfrei. 

Blut: Hämoglobingehalt 90 (T a 11 q u i s t), 4 300 000 rote, 6700 weisse 
Blutkörperchen. Blutdruck 115. 

Die Gelenke zeigen nichts Bemerkenswertes. 

Pat. fühlt keine Schmerzen, nur Druck über der Brust. Temperatur normal. 
W assermann negativ. 

Am 7. IX. Laparozentese und Laparoskopie. 3800 ccm Aszites wurden 
qptleert. 

Leberoberfläche deutlich zu sehen, Vorderrand stumpf, dick. Leberzeich¬ 
nung undeutlich. Schon am vorderen Rande vereinzelte sternförmige Züge, 
die eine unbedeutende Einziehung des Parenchyms zu verursachen schienen. 
Weiter an der Oberfläche der Leber hinauf mehrere ausgebreitete glänzende, 
weisse Beläge, hier, wie es im Laparoskop scheint, eine mehrere Millimeter 
dicke Schwiele mit hier und da eigentümlichen trichterförmigen Vertiefungen 
bildend. 

Während der folgenden Zeit wurde antiluetische Behandlung angewandt, 
aber ohne nachweisbare Wirkung. 

Am 10. X. 1910 Laparozentese mit Entleerung von 3700 ccm Aszites. 

Am 13. X. wurde Pat. ungebessert entlassen. 

Während der nächstfolgenden Zeit besserte sich der Zustand etwas. Nach 
einem Monat aber trat wieder eine ziemlich rasche Verschlechterung ein. Am 
4. XI. wurden 10 Liter Aszites entleert. Hierauf begann die IJarnmenge ziemlich 
schnell abzunehmen und sank auf 450—500 ccm pro Tag. Am 30. XI. wurden 
wiederum 10 Liter Aszites entleert. Die Beine waren nun stark angeschwollen. 
Am 15. XII. trat ganz plötzlich der Tod ein. Sektion wurde nicht vor¬ 
genommen. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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Epikrise. Das klinische Bild in diesem Falle stimmt in den 
grossen Zügen mit dem der näclistvorhergehendeu Fälle überein. 
Yom Herzen her sind hier jedoch nicht so deutliche Symptome einer 
Synechia pericardii vorhanden. Man findet ein bedeutend ver- 
grössertes Herz mit einem systolischen Blasegeräusch am stärksten 
an der Spitze; keine deutlichen Einziehungen oder sonstige Sym¬ 
ptome, die hierauf deuteten. In Verbindung mit dem Symptomen- 
bilde von den Bauchorganen her darf man es indessen für wahr¬ 
scheinlich erachten, dass eine Synechia pericardii doch vorliegt. 
Vom Bauch her finden sich ganz dieselben Symptome wie in den 
vorhergehenden Fällen, eine bedeutend vergrösserte, etwas unebene 
Leber und Aszites. Weiter konnte man mit den gegenwärtigen Unter¬ 
suchungsmethoden nicht gelangen. Aus der Laparoskopie ging nun 
hervor, dass hier bedeutende Oberflächenveränderungen, ausge¬ 
breitete, stark weissglänzende, dicke Schwielen vorhanden waren, 
zweifellos eine Perihepatitis. Man muss also zugeben, dass diese 
üntersuchungsmethode eine wichtige Stütze für die Diagnose Pick¬ 
scher Krankheit geliefert hat. 

In diesem Falle lag es am nächsten, an eine rheumatische Ätio¬ 
logie zu denken. 

F a 11 18. A. A., 38 J., Hausknecht. Mediz. Klinik II des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 545, 1910. 

Polyserositis cum Synechia pericardii -f- Pleuritis amb. -f- Peritonitis 
chron. -f- Pericarditis chron. Perihepatitis chron. (P i c k sehe Krankheit). 

Pat. ist bisher im allgemeinen gesund gewesen. Beträchtlicher Alkohol¬ 
missbrauch seit dem 22. Jahr des Pat. Lues und Gonorrhöe werden verneint. 

Die gegenwärtige Krankheit begann im November 1909. Pat. erkältete sich 
stark mit Fieber und Husten. Vom Arzt wurde Bronchitis konstatiert. Im 
Dezember 1909 Verschlechterung. Allgemeines ödem trat auf und Pat. wurde 
am 3. I. 1910 in das Krankenhaus Sabbatsberg aufgenommen, wo er vom 3. I. 
bis 16. III. 1910 behandelt wurde. Hierbei wurden konstatiert beträchtlicher 
Aszites, ein unbedeutender Erguss in die rechte Pleura, sowie eine massig ver- 
grösserte Herzdämpfung mit deutlichen Reibungsgeräuschen. Später traten Sym¬ 
ptome eines Exsudats im Herzbeutel hinzu. 

Am 21. I. Thorakozentese mit Entleerung von 1500 ccm klarer Flüssigkeit. 

Am 16. III. wurde Pat. als gebessert entlassen, da sämtliche oben¬ 
erwähnten Symptome zurückgegangen waren. Er arbeitete danach als Haus¬ 
knecht, fühlte sich aber matt und müde und hatte Anschwellung in den Beinen. 

Pat. wurde noch zweimal im Laufe des Frühlings in dem genannten 
Krankenhaus behandelt. Bei keiner dieser Gelegenheiten fanden sich die oben¬ 
erwähnten Symptome von den serösen Häuten her. Vom 26. VII. bis 25. X. 1910 
war Pat. zu Hause, in der letzten Zeit wurde der Zustand schlechter. Empfind¬ 
lichkeit über der Leber war andauernd vorhanden, ausserdem nahm der Bauch 
an Umfang zu. Keine Schmerzen. 

Pat. wurde am 25. X. 1910 in die mediz. Klinik II des Serafimerlazaretts 
aufgenommen. 

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H. C. Jacobaeus. 


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Allgerneinzustand ziemlich gut. Etwas Dyspnoe vorhanden. An der rechten 
Lunge unterhalb der Spina scapulae Dämpfung, die weiter unten in matten 
Schall mit aufgehobener Atmung übergeht. Das Herz zeigt nichts Bemerkens¬ 
wertes ausser dumpfen entfernten Tönen. 

Der Bauch ist beträchtlich durch Aszites aufgetrieben. Die Leber palpabel 
6—7 cm unterhalb des Brustkorbrandes in der Mittellinie. Die Oberfläche 
scheint eben zu sein mit rundem Rande. Milz nicht vergrössert. Ham ohne 
pathologische Bestandteile. 

Pat. wurde mit Diuretin, 1 g X 4, sowie Bettruhe behandelt, ohne dass 
ein Erfolg zu verspüren gewesen wäre. 

An; 3. XI. Laparozentese. 8,6 Liter klare Flüssigkeit wurde entleert; 
spez. Gew. 1,022, Eiweissgehalt 3%. In dem Sediment rote Blutkörperchen, 
Lymphozyten, Endothelzellen. Nach der Entleerung kann man die Leber deut¬ 
lich palpieren mit rundem ebenem Rande. 

Der Aszites des Pat. hat sich allmählich zurückgebildet. Der Allgemein¬ 
zustand im ganzen konstant. 

Am 18. I. 1911 Laparozentese und Laparoskopie. 6500 ccm Aszites 
wurden entleert; Eiweissgehalt 3°/o. Die Leber erscheint bedeutend vergrössert 
mit stark gerundetem vorderem Rande. Die obere Fläche erscheint gleichfalls 
angeschwollen, jedoch mit nur seichten Einsenkungen; deutliche Höckerigkeit 
nicht vorhanden. Die Kapsel verdickt, aber doch glatt und glänzend. An dem 
durchschimmernden Parenchym sieht man die Struktur ziemlich gut mit ab¬ 
wechselnd grauen und rotbraunen Partien. Die grauen sind etwas eingesenkt. 
Das Peritoneum auf Därmen und an der Bauchwand mit bedeutend vermehrter 
Gefässinjektion. Während der folgenden Tage zeigte Pat. eine unbedeutende 
Empfindlichkeit über der vorderen Leberfläche. Hier hörte man auch Reibungs¬ 
geräusche. Fieber am Abend nach der Entleerung 38,5°, an den folgenden Tagen 
allmählich abnehmend. Nach 4—5 Tagen war der Zustand wie vor der Ent¬ 
leerung. 

E p i k r i s e. Auch in diesem Falle erhielt man durch die Laparo¬ 
skopie Aufschlüsse über das hinaus, was die sonstige klinische 
Untersuchung ergeben hatte. Der Fall war ziemlich kompliziert 
und nicht leicht zu deuten. In der Anamnese fand sich ein beträcht¬ 
licher Alkoholmissbrauch, sowie vor ungefähr einem Jahre eine 
akute Infektion, die sich zuerst durch Bronchitis, danach Perikarditis, 
Pleuritis und Aszites kundgab. Nach einigen Monaten wurde Pat. 
als geheilt entlassen und war es bis zum Herbst 1910, wo sein 
jetziger Aszites begann. Bei der Aufnahme ins Krankenhaus hatte 
Pat. ausserdem eine bedeutend vergrösserte Leber, eine exsudative 
Pleuritis, aber keine Symptome vom Herzen her. 

Es lässt sich einerseits sehr wohl denken, dass ein Fall von 
Picks Krankheit im Frühstadium vorliegt, die Anamnese und das 
Symptomenbild stimmen recht gut mit den vorher beschriebenen 
Fällen überein. Andererseits berichtet die Anamnese von Alkohol¬ 
missbrauch, so dass man an eine Leberzirrhose denken kann, die 



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37] Über Laparo- und Thorakoskopie. 221 

sich dann noch im Anschwellungsstadium befände. Weiter kommt 
man mit den bisherigen klinischen Untersuchungsmethoden nicht. 

Bei der Laparoskopie konnte man feststellen, dass eine chro¬ 
nische Entzündung des Peritoneums sowohl in den parietalen als 
den viszeralen Teilen vorlag. Die Leberkapsel erschien etwas ver¬ 
dickt, aber ohne ausgebildete Perihepatitis. Ferner fand sich eine 
unbedeutende (Schrumpfung der im übrigen stark angeschwollenen 
Leber. Auch die unregelmässige Zeichnung lässt darauf schliessen, 
dass eine nicht unbedeutende Bindegewebsvermehrung vorhanden 
war. Man hat hier demnach sowohl eine chronische Peritonitis als 
gleichzeitig eine interstitielle Hepatitis mit beginnender Schrump¬ 
fung. Dass hier im Laufe der Zeit sich perihepatitische Verände¬ 
rungen von demselben Aussehen wie in den erstbeschriefcenen Fällen 
entwickeln werden, ist möglich. Doch scheinen mir die oberfläch¬ 
lichen Veränderungen recht unbedeutend zu sein. Es wird inter¬ 
essant sein, den Fall in dieser Hinsicht weiter zu verfolgen. 

Hier stellte sich nach dem Eingriff eine Fiebererhöhung ein 
mit Empfindlichkeit über der Leber und Reibungsgeräuschen, welche 
Symptome am Abend nach Vornahme des Eingriffs begannen und 
dann während der folgenden Tage allmählich wichen. Die Annahme 
liegt am nächsten, dass mit der Luft, die nicht filtriert war, oder 
mit den Instrumenten ein Infektionsstoff hineingelangt und die Sym¬ 
ptome verursacht hat. Für mein Teil bin ich jedoch dessen nicht 
ganz sicher. Pat. hat während des Aufenthaltes im Krankenhause 
dann lind wann eine geringe Temperaturerhöhung auf höchstens 
38° gezeigt. Nach der ersten Aszitesentleerung trat gleichfalls eine ■ 
solche Temperaturerhöhung auf 38°, sowie kurze dauernde Empfind¬ 
lichkeit über der Leber auf, und damals wurde nur Entleerung ohne 
andere Eingriffe ausgeführt. Nicht unmöglich erscheint es mir daher, 
das3 der hier ausgeführte Eingriff eine w r enn auch leichte Exazer¬ 
bation der chronischen Peritonitis mit den oben erwähnten Sym¬ 
ptomen verursacht hat. Wäre eine Infektion von aussen her während 
des Eingriffs zugeführt w r orden, so hätte man eine Inkubations¬ 
zeit von einem oder mehreren Tagen zu erwarten gehabt; hier aber 
treten die grössten Beschwerden an demselben Tage auf, an dem 
der Eingriff vorgenommen wmrde, um dann abzunehmen. 

Die eben relatierte Epikrise bezieht sich auf die erste Untersuchung. 
Nach der Entlassung ist Pat. teils zu Hause, teils in verschiedenen Kranken¬ 
häusern gepflegt worden. Der Zustand ist im grossen und ganzen stationär 
gewesen, wenigstens was die subjektiven Symptome betrifft. Die verschiedenen 
Mittel, die zur Anwendung gekommen, sind von geringer oder keiner Wirkung 
gewesen. Eine Entleerung des Aszites ist erst im August 1911 nötig gewesen. 
Bei Untersuchung am 12. VIII. 1911 ist der Allgemeinzustand ziemlich be- 



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friedigend, und dieselben Organveränderungen sind vorhanden wie beim früheren 
Aufenthalt irn Krankenhause. Dämpfung über der rechten Lunge bis zur Spina 
Scapulae mit geschwächtem Atmungsgeräusch. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben (116 cm) durch Aszites. Die Leber ist 
bedeutend vergrössert, reicht bis 14 cm unterhalb des Proc. xiphoideus, ist 
unempfindlich mit ebenem unterem Rande. Milz nicht palpabel. Am 19. VIII. 
Laparozentese und Laparoskopie. 11 Liter gelbe, seröse Flüssigkeit wurden 
entleert; Eiweissgehalt 6«/o. Mononukleare Zellen im Exsudat. 

Bei der Laparoskopie erscheint die Leber vergrössert mit stark gerundetem 
oberem Rande. Die Form der Leber ist verändert, indem die vordere obere 
Fläche deutlich eingesenkt ist, so dass der vordere Rand emporsteht. Die ganze 
obere Fläche ist mit einer dicken, glänzend weissen Schwiele bedeckt, so dass 
man nur auf zerstreuten Stellen die Leberfarbe hindurchschimmern sieht (Fig. 9). 
Auf dem vorderen unteren Rande sind die Beläge bedeutend dünner und insel- 
förmig gruppiert (Fig. 10). Die Gallenblase hat eine verdickte Serosa mit etwas 
vermehrtem Gefässreichtum. Die Därme zeigen gleichfalls vermehrten Gefäss- 
reichtum, nirgends Adhärenzen. Das Peritoneum parietale ist stark hyperämisch, 
abwechselnd mit helleren Flecken. Nach der Entleerung wurde eine geringere 
Menge Luft zurückgelassen, die durch eine um den Bauch gelegte Binde zwischen 
die Leber und die Bauchwand hinaufgepresst wurde. Beschwerden nach der 
Entleerung des Aszites kamen auch diesmal nicht vor. Darauf wurde dem 
Pat. geraten, soviel wie möglich Trockendiät zu beobachten. Am 20. VIII. ver- 
liess Pat. das Krankenhaus. 

Nach der Heimkehr versuchte Pat. in den ersten 3 Monaten die Flüssig¬ 
keitszufuhr möglichst einzuschränken. Während dieser Zeit nahm sein Aszites 
nicht zu; der Bauchumfang hielt sich auf demselben Standpunkt. Der Allge¬ 
meinzustand war auch ziemlich befriedigend. Dann begann Pat. der Trocken- 
diät müde zu werden, er nahm wieder flüssige Speisen ohne Einschränkung 
zu sich mit dem Resultat, dass sein Aszites wiederum zunahm. Während des 
Februars 1912 geschah diese Zunahme sehr rasch, so dass Pat. sich zu Bett 
legen musste. Am 13. III. 1912 wurde Pat. in die mediz. Klinik V aufgenommen. 
Allgemeinzustand nicht besonders schlecht. Bauch kolossal aufgetrieben, 125 cm 
im Umfang. Die Brustorgane zeigen dieselben Veränderungen wie bei früheren 
Gelegenheiten. Laparozentese am 13. III. mit Entleerung von 23 Liter klarem 
bernsteingelbem Aszites; Alb. 3°/o. 

Bei der Laparoskopie sieht man ungefähr dieselben Veränderungen wie das 
nächstvorhergehende Mal. Die Oberfläche der Leber ist mit dickem, weissem 
Pelz bedeckt, der vordere Rand etwas emporstehend, mit zerstreuten grau- 
weissen Herden. Das Peritoneum parietale hyperämisch mit zerstreuten weissen 
Flecken. Die Därme sind fleckweise hyperämisch. 

Epikrise. Die letztausgeführten Untersuchungen zeigen, was 
ich bei der ersten Epikrise für möglich erachtete, dass sich nämlich 
hier eine typische ,,Zuckergussleber“ entwickeln würde. Vom Ge¬ 
sichtspunkt der Behandlung aus ist es von Interesse, dass man durch 
Trockendiät eine kurzdauernde Besserung erzielte, die nur so lange 
anhielt, wie Pat. diese Diät beobachtete. 

F a 11 19. K. P., G8 J., Landwirt. Serafimerlazarett, mediz. Klinik II, 
Kr. 408, 1911. 



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39] Über Laparo- und Thorakoskopie. 223 

Perihepatitis hypertrophicans -|~ Peritonitis chron. (Picks Krankheit). 

In hereditärer Hinsicht nichts von Interesse. 

Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen. Als Kind hat Pat. im Alter von 
16—17 Jahren Wechselfieber gehabt. Seitdem hat er 10 Jahre lang jedes 
Jahr 3—4 mal während kürzerer Zeit Schüttelfrost gehabt, nie aber einen 
Arzt wegen seines Leidens konsultiert. 

Im Alter von 21 Jahren hatte Pat. ein Jahr lang fast beständig Diarrhöe, 
und auch später hat Pat. ziemlich oft daran gelitten. 

Lues wird verneint. Während einer Periode seines Lebens ist Pat. Gast¬ 
wirt gewesen und hat dabei in geringem Grade Alkoholmissbrauch getriel>en 
(2—3 Schnäpse täglich). In den letzten Jahren kein solcher Missbrauch. 

Pat. hat stets ein bewegliches Leben geführt. Seit 1905 hat er sich viel 
mit Holzflössen beschäftigt und dabei viel in kaltem Wasser gehen müssen. 

Im Sommer 1908 zog Pat. sich eine schwere Erkältung beim Holzflössen 
zu. Er bekam zuerst trockenen Husten und einige Tage später Atemnot nebst 
Schmerzen und Empfindlichkeit in der Herzgegend. Kurz darauf begannen die 
Beine anzuschw T ellen. Der Appetit wurde schlecht, leichte Kopfschmerzen be¬ 
standen. Pat. fühlte sich matt und müde und begann auch abzumagern. Der 
konsultierte Arzt fand Eiweiss im Harn, nach Angabe des Pat. ziemlich viel, 
und verordnete Milchdiät. 

Pat. war im folgenden Winter auf. Der trockene Husten hörte auf, ebenso 
die Anschwellung im Gesicht. Die Atemnot nahm zu, die Schmerzen in der 
Herzgegend desgleichen, die Anschwellung in den Beinen trat dann und wann 
auf. Der Harn war andauernd eiweisshaltig. Pat. wurde daher im Frühling 
1909 sechs Wochen lang im Krankenhaus gepflegt, wobei die Schmerzen in der 
Herzgegend verschwanden und auch der Eiweissgehalt abnahm. Später im 
Sommer wurde Pat. in einer Badeanstalt behandelt, wobei weitere Besserung 
eintrat. Das Eiweiss verschwand vollständig, ebenso die Anschwellung der Beine, 
dagegen begann der Bauch anzuschwellen, und man konstatierte Aszites. 

Nach der Heimkehr schwoll der Bauch mehr und mehr an, so dass Pat. 
zu Bett liegen musste. Die Anschwellung der Beine kehrte «zurück und wurde 
sehr bedeutend; das Skrotum wurde kindskopfgross. 

Im April 1910 wurden zum erstenmal ungefähr 20 Liter Aszites entleert. 
Die Leber erwies sich nun als vergrössert. Seit dieser Zeit ist alle 14 Tage 
ungefähr dieselbe Menge Flüssigkeit entleert worden. Seitdem man Pat. mit 
Entleerungen zu behandeln begonnen hat, ist der Zustand im allgemeinen er¬ 
träglicher gewesen. Die Anschwellung der unteren Extremitäten ist fast völlig 
zurückgegangen. Die Herzbeschwerden sind geringer gewesen. Die ganze Zeit 
über ist Pat. durch ziemlich oft auftretende Schüttelfröste belästigt worden. 
Pat.'wurde am 6. VII. 1911 in die mediz. Abteilung II des Serafimerlazaretts) 
aufgenommen. 

Allgemeinzustand verhältnismässig gut. Fettpolster und Muskulatur redu¬ 
ziert. Gewicht 72,5 kg. Gesichtsfarbe gelblich, Sklerae schwach gelb. Leichte 
Ödeme auf der Hinterseite der Oberschenkel. Appetit schlecht. Pat. fällt es 
schwer, feste Speisen zu geniessen, wenn er nicht gleichzeitig dazu trinkt. 
Sonst kein ausgesprochenes Durstgefühl. 

Der Brustkorb kurz mit breiter unterer Apertur. Ang. epigastr. fast 180°. 
Atmung beschleunigt, 30 in der Minute. Nichts Abnormes von den Lungen her 
ausser einer Dämpfung und geschwächtem Atmungsgeräusch über den unteren 


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Teilen der Hinterseite der rechten Lunge. Reibungsgeräusche vereinzelt über 
der Basis der Lungen. 

Bei Untersuchung des Herzens sieht man schwache Einziehung im 111. Inter- 
stitiurn links vom Sternum. Iktus nicht palpabel. Bei Perkussion keine Yer- 
grösserung nach links hin, nach rechts hin im II. Interstitium 2 cm rechts von 
der Mittellinie. 

An der Spitze hört man die Herztöne schwach und entfernt; im III. Inter¬ 
stitium links vereinzelte Reibungsgeräusche. Die Venen am Halse vor den Ent¬ 
leerungen angeschwollen, danach nicht sichtbar. Die Art. radiales rigid. Kein 
Pulsus paradoxus. Blutdruck systolisch 100, diastolisch 60 mm Hg. 

Bauch stark aufgetrieben, vor den Entleerungen Umfang ungefähr 116 cm, 
danach 108—110 cm. Venennetz deutlich hervortretend; walnussgrosser 
Nabelbruch. 

Leber bei Palpation nach den Entleerungen vergrössert, von fester Konsi¬ 
stenz, ungefähr einen Finger breit unter dem Brus'tkorbrande; hat einen unteren 
stumpfen Rand. Keine deutlichen Unebenheiten palpabel. Milz nicht zu pal- 
pieren. Dämpfung nicht deutlich vergrössert. 

Aszitesentleerung am 

14. VII. von 9,6 Liter, spez. Gew. 1,013, Eiw. 1,5% Esbach, 

24. VII. ii 8,5 „ . . 1,012, , 0,9% , 

31. VII. „ 7,3 „ , 1,012. 

Die Aszitesflüssigkeit schwach trübe, gelbweiss, alkalische Reaktion; ent¬ 
hält pro emm 320 einkernige lymphozytenähnliche Zellen. R i v a 11 a pos. 
Keine Tuberkelbazillen oder andere Organismen nachweisbar. 

Bei allen Entleerungen wurde Laparoskopie mit im grossen und ganzen 
demselben Befunde gemacht. Das Peritoneum parietale ist stark liyperämisch 
und erscheint verdickt. In den unteren Teilen nur Hyperämie, in den oberen 
abwechselnd mit unregelmässig geformten hellen Flecken. Die grössten Ver¬ 
änderungen über der Leber. Die Flecke sind nicht über die Oberfläche erhoben. 
Leber vergrössert mit stumpfem Rande. Die ganze sichtbare obere Fläche auf 
beiden Seiten ist mit einer speckigen, stark weissglänzenden Membran bedeckt 
mit hier und da verstreuten Inseln von mehr normalem Lebergewebe. Auch 
der vordere untere Teil der Leber zeigt ähnliche Beläge. Die Gallenblase 
scheint gleichfalls verdickte Serosa zu haben, in ihrer unmittelbaren Nähe 
sieht man einige strangförmige Adhärenzen. Die vordere Fläche des Magens 
deutlich hyperämisch mit helleren, nicht erhabenen Flecken. Die Gefässe längs 
der Curvatura major sind etwas verschleiert und scheinen hier und da von 
einem sulzigen Gewebe umgeben zu sein. An dem Oment sind keine augen¬ 
fälligen Veränderungen wahrzunehmen. Es ist ziemlich kurz und bedeckt nur 
die dem Magen zunächst befindlichen Darmschlingen. Die Dünndärme sind 
stark, aber fleckig hyperämisch, nirgends Verwachsungen. 

Milz nicht mit Sicherheit sichtbar. 

Bei den später ausgeführten Laparoskopien bot sich dasselbe Bild dar, aus¬ 
genommen vielleicht, dass die Hyperämie stärker ausgesprochen war als vor¬ 
her. Vereinzelte glänzende weisse Fibrinfäden sah man über der Leber bei 
der letzten Untersuchung. 

Nach den Entleerungen hatte Pat. die ersten Male während einiger Tage 
Fieberanstieg bis höchstens 39°, danach allmählich normale Temperatur. Gleich¬ 
zeitig hörte man Reibungsgeräusche über der Leber. Das Fieber war in beiden 
Fällen am höchsten am Tage des Eingriffs oder tags darauf. Nach der 3. Ent- 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


225 


leerung liess ich etwas Luft zurück, wobei die Leber nicht mit der Bauch wand 
in Berührung kam; weder Fieber noch Reibungsgeräusche traten diesmal auf. 

Die Behandlung bestand in einem Versuch mit „Trockendiät“ nach 
F i n s e n. Eine Besserung war während der kurzen Zeit, die Pat. im Kranken¬ 
hause war, nicht nachzuweisen. 

Pat. wurde am 31. VII. als ungebessert aus dem Krankenhause entlassen. 
Nach einem halben Jahre trat der Tod ein. Sektion nicht vorgenommen. 

Epikrise. 68jähriger Patient, der im allgemeinen gesund 
gewesen ist. Von durchgemachten Krankheiten anzuführen Malaria 
mit zahlreichen Rezidiven in jungen Jahren. Leichter Alkoholmiss¬ 
brauch während etwa 10 Jahren im Leben des Patienten. Jetzige 
Krankheit beginnt 1909 mit allgemeinen Symptomen einer Infektion, 
trockenem Husten, sowie Schmerzen in der Herzgegend und Sym¬ 
ptomen von Herzschwäche. Dieser Zustand dauert ungefähr ein 
Jahr, darauf Besserung der Herzsymptome, kurz danach aber An¬ 
schwellen des Bauches und seit April 1910 ungefähr alle 14 Tage 
Aszitesentleerung notwendig. Bei der Aufnahme des Patienten ist 
der Zustand des Patienten relativ gut. Die Untersuchung ergibt, 
dass Lebervergrösserung, nicht aber augenfällige Milzvergrösserung 
vorliegt. 

Bei der Beurteilung dieses Falles treten schon in diagnostischer 
Hinsicht gewisse Schwierigkeiten hervor. Patient wurde unter der 
Diagnose Leberzirrhose eingeliefert. Man hatte sich dabei auf den 
früheren Alkoholmissbrauch des Patienten gestützt, und auch bei 
näherei* Prüfung liesse sich bei unseren bisherigen Untersuchungs¬ 
methoden diese Diagnose nicht ausschliessen. 

Keine speziellen Symptome der Pick sehen Krankheit, weder 
von Brust- noch von Bauchorganen her. Nur die Anamnese spricht 
in gewissem Grade für diese Krankheit. Gegen dieselbe spricht aber 
auch das hohe Alter des Patienten (67 Jahre). Alle übrigen Fälle 
betreffen junge oder im mittleren Alter stehende Individuen. Die 
Eiweissmenge im Aszites war nicht grösser als bei Zirrhosen im 
allgemeinen. Erst durch die Laparoskopie erhält man volle Klar¬ 
heit über die Krankheit des Patienten, indem die chronische Peri¬ 
tonitis und die Perihepatitis durch sie nachgewiesen werden. 

Ob in diesem Falle auch Synechia pericardii vorliegt, ist un¬ 
gewiss. In der Anamnese kommen Schmerzen in der Herzgegend 
zu Beginn der Krankheit vor, bei klinischer Untersuchung sind 
aber keine sicheren Zeichen dafür zu finden. Bemerkenswert ist 
jedoch, dass einmal Reibungsgeräusche über der Basis des Herzens 
gehört worden sind. Auch die Röntgenuntersuchung hat keine An¬ 
haltspunkte hierfür geliefert. 


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Fall 20. H. II., Ehefrau, 25 Jahre. Mediz. Klinik II des Serafimer- 
lazarctts, Nr. 380, 1911. 

II e p a-t i t i s et perihepatit-is chron. (t b c. ?) -j~ Peritonitis 
chro n. -j- Tbc. pulmonum levis -j- Gastritis chron. 

In hereditärer Hinsicht nichts von Interesse. 7 Geschwister gesund. 

2 Kinder gleichfalls gesund, das eine soll jedoch „schlechte Lungen“ haben. 
Pat. hat im allgemeinen schwer arbeiten müssen. Essen oft knapp und nicht 
recht nahrhaft. 

Pat. ist stets schwächlich und kränklich gewesen; Masern mit 11 Jahren. 
Im Alter von 19 Jahren bekam Pat. heftige Kopfschmerzen, sowie nach salzigen 
und fetten Speisen Schmerzen im ganzen Leibe mit Erbrechen und Aufstossen. 
Durch Diät und Medizin verschwanden die Beschwerden allmählich. 

Einige Monate nach der Geburt des ersten Kindes (21 Jahre) bekam Pat. 
heftige Schmerzen und Empfindlichkeit quer über den Leib in der Nabelgegend. 
Dann und wann Erbrechen, wonach die Schmerzen abnahmen. Nach 2 bis 

3 Wochen besserte sich der Zustand von selbst. Seitdem (Sommer 1906) hat 
sic oft an Kopfschmerzen und allgemeinem Unwohlsein, sowie oft an Diarrhöe 
abwechselnd mit Verstopfung gelitten; niemals Blut oder Schleim. 

In» April 1910 wurde Pat. im Krankenhause wegen einer trockenen Pleu¬ 
ritis auf der linken Seite gepflegt. Auch die linke Lungenspitze erwies sich 
als angegriffen. Nach 1 Monat wurde sie als gebessert entlassen. Der Husten 
blieb jedoch bestehen und ein geringes Expektorat war vorhanden, das Pat. ge¬ 
wöhnlich verschluckte. 

Im Juli wiederum Verschlechterung. Leise bohrende Schmerzen in der 
rechten Seite des Bauches. Nach dem Essen Beschwerden; Druckgefühl und 
Empfindlichkeit in der Magengrube. Kein Erbrechen. Einige Wochen später 
begann der Bauch ziemlich rasch anzuschwellen, so dass Pat. täglich eine 
weitere Zunahme des Bauchumfangs bemerkte. Im August verschlimmerte sich 
die Diarrhöe; 5—6 mal täglich. Die Entleerungen waren jedoch nicht f schmerz¬ 
haft oder blutig. Harnbeschwerden. Die Anschwellung des Bauches war am 
stärksten im ^Herbst und nahm während des Winters ab, wo sie in den Beinen 
verschwand. Während des Winters begannen Nachtschweisse und Husten, dann 
und wann mit Blutstreifen im Auswurf. Ungefähr seit 1 Monat Anfälle von 
starken Schmerzen in der Wurmfortsatzgegend. Die Anfälle pflegen, wenn sie 
sich hingelegt hat, nach 10—15 Minuten nachzulassen. Pat. ist jedoch die 
ganze Zeit über meistens auf gewesen und hat ihre Arbeit besorgt, wenn sie 
auch dann und wann hat ruhen können. Keine auffällige Abmagerung. Niemals 
Ikterus. 

Aufnahme ins Serafimerlazarett am 28. VI. 1911. 

Fettpolster und Muskulatur beträchtlich reduziert, jedoch ohne Kachexie. 
Hautfarbe schmutzig grau. Nirgends Ödeme. Bauch stark aufgetrieben mit er¬ 
weiterter unterer Brustapertur. 

Die subjektiven Symptome bestehen aus Müdigkeit und Mattigkeit, sowie 
Gefühl des Unbehagens im Bauche. Nie Schmerzen. Appetit schlecht. Puls 
und Temperatur normal. Gewicht 51 kg. 

Der Bauch ist stark angeschwollen, mit ausgebuchteten Seiten. Vereinzelte 
grosse Venen über demselben. Haut trocken glänzend. Walnussgrosser Nabel¬ 
bruch. Deutliche Zeichen von Aszites. Bauchumfang 92 cm. Leber deutlich 
vergrössert und in der Mittellinie 10 cm unterhalb des Proc. xiphoid. palpabel, 
nicht empfindlich, eben. 



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über Laparo- und Thorakoskopie. 


227 


Milz nicht palpabel. Bei Palpation vom Rektum aus und bei gynäkologi¬ 
scher Untersuchung nichts Abnormes. Nirgends geschwollene Lymphdrüsen. 

Am 1. VII. Laparozentese, 11 Liter opaleszierender, hellgelber Flüssigkeit 
wurden abgelassen. Reaktion alkalisch, spez. Gew. 1,020. Runebergs Probe 
ergibt kompakte Flocken, die rasch zu Boden sinken. R i v a 11 a pos. Eiweiss 
nach Esbach 3,5 °/o. 

Nach der Aszitesentleerung ist Pat. über der Wurmfortsatzgegend empfind¬ 
lich, Bauchumfang 86 cm. Die Leber ist nun sehr deutlich zu fühlen. Sie ist 
härter als normal mit ebener Oberfläche und ebenem unterem Rande. Die 
untere Grenze verläuft 8 cm unterhalb der Spitze des Proc. xiphoid. Obere 
Grenze an der 4. Rippe in der Mittellinie. Milz nicht palpabel. Bei Unter¬ 
suchung des Magens wurde keine Retention erhalten. Das Probefrühstück war 
nach x / 2 Stunde schleimig, nicht übelriechend, schlecht verdaut. Gesamt¬ 
azidität 3. Kongo, Günzburg, Uffelmannn neg. Schmidt- 
Strasburgers Probediät zeigt, dass die Fäzes ziemlich reichlich Binde- 
gewebsbündel, keinen Schleim, vereinzelte Stärkekörner enthalten. Gärprobe neg. 
Guajakprobe pos. Keine Zunahme der Muskelreste. Keine Tuberkelbazillen 
nachgewiesen. 

Bei Untersuchung der Lungen unbedeutend gedämpfter Schall über der 
rechten Lungenspitze mit vesikobronchialer Atmung, aber ohne Rasseln. Bei 
Röntgendurchleuchtung eine fleckige Verdichtung der Partien um den rechten 
Hilus herum. Im Sputum waren nach Konzentrierung nach Ellermann- 
Erlar dsen seltene Tuberkelbazillen nachzuweisen. 

v. Pirquets Reaktion pos., Wassermann neg. Herz 0. Blutunter¬ 
suchung: 3 600 000 rote, 6500 weisse Blutkörperchen; Hämoglobingehalt 70—80 
nach T a 11 k v i s t und Autenrieth-Königsberger. Keine Verschiebung 
des gegenseitigen Verhältnisses zwischen den verschiedenen Arten von Blut¬ 
körperchen. 

Vom Nervensystem und den Hamorganen her nichts Abnormes. Diazo- 
reaktion neg. 

Am 8. VII. Injektion von 0,001 mg Tuberkulin, 

„ 1L VII. „ „ 0,004 „ 

„ 12. VII. „ „ 0,004 „ 

„ 13. VII. „ „ 0,010 „ 

„ 17. VII. „ „ 0,010 „ 

Während dieser Zeit, wo Pat. Tuberkulin erhielt, nahm der Aszites auf¬ 
fallend rascher zu als unter gewöhnlichen Verhältnissen. Am 17. VII. wiederum 
Entleerung von 7,5 Liter Exsudat von denselben Eigenschaften wie vorher. 

Am 18. VII. Injektion von 0,04 mg Tuberkulin, 

„ 20. VII. „ „ 0,06 „ 

22. VII. „ „ 0,07 „ 

Während dieser Tage fühlte sich Pat. beträchtlich schlechter mit Nacht- 
schweissen und schlechtem Allgemeinzustand, weshalb die Tuberkulinbehand¬ 
lung ausgesetzt wurde. 

Schon am 31. VII. musste eine neue Entleerung des Aszites von 8 Liter 
vorgenommen Iwerden. 

Am Tage vorher war 1 / 2 mg Tuberkulin verabreicht worden. Pat. bekam 
am Abend Kopfschmerzen und am folgenden Tage Fieber bis zu 38,5°. Die 
Absicht war eben die, die Verhältnisse bei der Laparoskopie zu studieren, 
worüber nun im Zusammenhang berichtet wird. Bei den ersten zwei Unter- 


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H. C. Jacobaeus. 


[44 


suchungen fand man das Peritoneum deutlich hyperämisch, mehr über der Leber- 
gecenri als über weiter unten gelegene Partien. Die Hyperämie fleckweise mit 
anämischen Partien dazwischen. Die Leber bedeutend vergrössert mit stumpfem 
Rande. Zeichnung nicht deutlich, Farbe hellbraun. Nahe dem Lig. teres finden 
sich auf der Oberfläche kleinere, membranähnliche Beläge, umgeben von 
schmalen, hyperämischen Zonen (Fig. 11). Höher hinauf auf der oberen Fläche 
der Leber zerstreute ähnliche Flecke. Einige davon sind eingesenkt, gleichsam 
in Schrumpfung begriffen. An anderen Stellen sieht man einige kleinere, steck¬ 
nadelkopfgrosse Knötchen durch das Parenchym hindurchscheinen. Gallenblase 
normal. Magen etwas hyperämisch. Das Oment ist ziemlich hoch längs der 
Curv. rnajor hinaufgezogen. Dünndärme hyperämisch, mit geschlängelten kleinen 
Gefässen. Nirgends Beläge oder Verwachsungen. Bei der am 11. VII. aus- 
geführten Laparoskopie dasselbe Resultat. 

Bei der am 31. VII. vorgenommenen Laparoskopie nach der Tuberkulin¬ 
injektion war an dem Peritoneum parietale kein sicherer Unterschied gegenüber 
den früheren Untersuchungen wahrzunehmen. Im grossen und ganzen wiesen 
auch die Leberveränderungen dasselbe Aussehen auf wie das erste Mal. Was 
die weissen Beläge und Herde betrifft, so hatte man wahrscheinlich eine deut¬ 
lich breitere hyperämische Zone als bei den vorhergehenden Untersuchungen. 
Dasselbe gilt für die mehr eingesenkten Herde. 

Nach der Entleerung wurden auch genaue Masse von der unteren Leber¬ 
grenze in der Mittellinie genommen, und bei Messung am Tage danach, sowie 
am folgenden Tage konnte man feststellen, dass die Leber an Grösse ungefähr 
1—2 cm abgenommen hatte. Eine lokale Empfindlichkeit war über der Leber 
vorhanden, die gleichfalls nach einigen Tagen verschwand. Betreffs der oben¬ 
erwähnten Symptome ist man fast ausschliesslich auf subjektive Urteile an¬ 
gewiesen; da aber alle Beobachtungen, auch von den Kollegen, die gleich¬ 
zeitig mit mir den Fall beobachtet haben, in dieselbe Richtung weisen, dürften 
sie wohi richtig sein. Da die Tuberkulinprobe der Pat.. beträchtliche Be¬ 
schwerden verursachte, wurde sie nicht wiederholt. 

Während der folgenden Zeit wurde Pat. ganz in Ruhe gelassen und ihr 
nur kräftige Kost verabreicht, wobei der Allgemeinzustand sich deutlich besserte. 

Die Rückbildung der Flüssigkeit in der Bauchhöhle geschah langsamer, 
indem nun nur ungefähr einmal monatlich Entleerungen von je 12—15 Liter 
vorgenommen zu werden brauchten. Bei den Laparoskopien sah man ungefähr 
dasselbe, wie cs oben beschrieben worden ist. Man fand bei diesen Unter¬ 
suchungen am Leberrande, sowie auf einer begrenzten Stelle an der oberen 
S< ile der Leber eigentümliche zerstreute gallertige Knötchen von wechselnder 
Grösse (Fig. 12). Ihre Natur zu bestimmen ist mir nicht gelungen. Bei Dis¬ 
kussion mit Kollegen ist es unentschieden geblieben, ob es sichern Tuberkel- 
knötcheii oder um Lymphzysten handelte. 

Im grossen und ganzen ist jedoch eine Besserung im Allgemeinbefinden 
der Pat. eingetreten. Versuche mit Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr 
(„Trockendiät“) sind auch in diesem Falle angestellt worden, aber ohne nennens¬ 
werten Erfolg. 

Epikrise. Die lange Krankengeschichte ist kurz folgende: 
Vor 4—5 Jahren Verdauungsstörungen mehr unbestimmter Art 
April 1910 trockene Pleuritis. Im Sommer beginnt der Bauch an- 
ziuchwellen. Erst im Jahre darauf ist derselbe so gross, dass Pat. 



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tiflIVtfiSITY 0FMINNES6TA- 



45] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


229 


deshalb ins Krankenhaus kommt. Bei der Aufnahme am 28. YI. 1911 
bot Pat. ein Krankheitsbild dar, das recht sehr an die vorher¬ 
gehenden Fälle erinnerte. Hier fehlten jedoch alle Symptome vom 
Herzen her, im übrigen aber fand sich eine diffuse Lebervergrösse- 
rung sowie bedeutender Aszites mit hohem Eiweissgehalt. Sieht 
man von den Untersuchungen ab, zu denen die Laparoskopie direkt 
oder indirekt Anlass gegeben, so war es ziemlich schwer, zu einer 
bestimmten Diagnose zu gelangen. Zu Picks Krankheit stimmten 
die Verhältnisse in der Bauchhöhle recht gut, nur dass keine Herz¬ 
symptome vorhanden waren. Für tuberkulöse Peritonitis sprachen 
die Anamnese, die Lungenuntersuchung, sowie der positive Fund 
von Tuberkelbazillen in Sputum und Aszites. Ungewöhnlich für 
eine Tuberkelbazillen-Peritonitis war die kolossale Menge Aszites. 
Sehr schwer erklärlich w r ar bei letztgenannter Deutung auch die 
stark vergrösserte Leber. 

Was hat nun die Laparoskopie hier Neues gelehrt? Sie hat ge¬ 
zeigt, dass eine chronische Peritonitis vorhanden war, aber von 
einem Aussehen, das für tuberkulöse Peritonitis nicht charakteristisch 
oder nicht dabei gewöhnlich ist. Betreffs der Leber geht aus 
der Untersuchung hervor, dass kleinere beginnende perihepatitische 
Flecke vorhanden sind, aber nicht so ausgebildet, dass inan die 
Diagnose Pick sehe Krankheit für vollständig gesichert halten kann. 
Hält man dies mit den übrigen klinischen Symptomen zusammen, 
so darf man es allerdings wohl als in hohem Grade wahrscheinlich 
betrachten, dass diese Krankheit vorliegt. Ferner finden sich kleinere 
Knötchen im Parenchym selbst, deren einige Tuberkeln sehr ähnlich 
sehen und die in Anbetracht der übrigen Verhältnisse wahrscheinlich 
auch wirklich Tuberkelknötchen sind. Die von einem Kollegen ge¬ 
gebene Erklärung, dass es Lymphzysten seien, ist jedoch möglich, 
da solche bei der Pick sehen Krankheit Vorkommen. Ich für meinen 
Teil halte es für möglich, dass Tuberkulose die hauptsächliche Ur¬ 
sache der Lebervergrösserung bildet. Von grossem Interesse ist 
auch ein derartiges Krankheitsbild im Hinblick auf die Ätiologie der 
Leberzirrhose. Bei der letzten Untersuchung schien es mir ziem¬ 
lich sicher, dass die Leberoberfläche stärker hügelig geworden war 
mit tieferen Tälern als vorher, also, allem nach zu urteilen, eine 
Schrumpfung. Sollten die Schrumpfungsprozesse fortsetzen, so ist 
es sehr wahrscheinlich, dass man ein Aussehen der Leber erhalten 
würde, das sehr an eine La.ennecsche Leberzirrhose erinnerte. 

Der in diesem Falle gemachte Versuch, Lebertuberkulose auf 
lokale Reaktionen der Tuberkulininjektion zu diagnostizieren, hat 


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H. C. Jacobaeus. 


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in all seiner Unvollkommenheit ein gewisses Interesse. Schlüsse 
sind daraus natürlich nur mit grosser Vorsicht za ziehen. 

Fall 21. A. S., 16 Jahre, Dienstmädchen. Mediz. Klinik II des Sera- 
fimerlazarotts, »Nr. 81, 1912. 

Polyserositis ,-f- Hydrops universalis. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Die hygienischen Verhältnisse 
sind gut gewesen. Pat. hat jedoch recht schwer arbeiten müssen. Keine früheren 
Krankheiter, von Interesse. 

Die jetzige Krankheit begann allmählich während des Sommers 1911 mit 
rheumatoiden Schmerzen in Muskeln und Gelenken. Im Oktober lag Pat. eine 
Woche lang an Fieber krank. Der behandelnde Arzt konstatierte damals 
Perikarditis. 

Einen Monat später bekam Pat. aufs neue Fieber. Bei Untersuchung fand 
man schweres Vitium, sowie grosse harte Lymphdrüsen längs den Seiten des 
Halses, ödem in den Beinen trat hinzu. Pat. wurde deshalb während der 
ersten Hälfte des Januars 1912 im Krankenhaus behandelt. Danach wurde 
sie besser, war aber ziemlich müde und matt. Eine Woche vor der Aufnahme 
ins Serafimerlazarett trat eine gewisse Atemnot auf. Pat. fühlte es schwer 
in der Brust. 

Aufnahme in die mediz. Klinik II am 6. II. 1912. 

Allgemeinzustand ziemlich schlecht. Dyspnoe. Dämpfung über der ganzen 
linken Lunge. Atmungsgeräusch nicht hörbar ausser ganz oben über der Spitze 
der Lunge. Herz nach rechts verschoben. Seine rechte Grenze verläuft 4 cm 
rechts vom Sternum. Grenze links nicht nachweisbar infolge des Exsudats. 
Herztöne dumpf, ohne deutliche Geräusche. Von den Bauchorganen her nichts 
Bemerkenswertes. 

Am 7. II. wurden 3 Liter klare seröse Flüssigkeit aus der linken Pleura¬ 
höhle abgelassen. Eiweissgehalt 3<>o. Das Sediment enthält fast nur Lympho¬ 
zyten. Bei der Thorakoskopie sah man die Lunge stark komprimiert ohne 
Atmungsbewegungen. Die Oberfläche ist mit einem spärlichen Fibrinnetz be¬ 
deckt. Nirgends Knötchen. Die Pleura parietalis stark hyperämisch mit nur 
angedeutetem Unterschied zwischen Rippenfeldem und Interstitien. Man sieht 
zahlreiche kleinere, graugallertige Knötchen ohne vermehrte Hyperämie um sie 
herum, die nur w-enig über die Oberfläche erhaben sind. Auf dem Zwerchfell 
gleichfalls kleinere, deutlich erhabene Knötchen. 

Pat. fühlt nach der Entleerung des Exsudats eine beträchtliche Er¬ 
leichterung in der Brust, und in der nächsten Zeit schien eine Besserung vor¬ 
handen zu sein. 

Nach ungefähr 14 Tagen begann der Zustand sich wieder zu verschlechtern. 
Fieber von ungefähr 38° trat auf. Der Bauch nahm an Umfang zu und 
bald konnte freie Flüssigkeit festgestellt werden. Auch allgemeine Ödeme in 
den Beinen traten auf. Bemerkenswert ist jedoch, dass die Dyspnoe und die 
übrigen Symptome einer Herzinkompensation so unbedeutend waren. Pat. hatte 
kein Gefühl von Herzklopfen. Die Leber erschien vergrössert, eine Empfind¬ 
lichkeit über derselben war aber nicht vorhanden. 

Am 1. III. 1912 wurden 2,2 Liter serösen Aszites entleert. Eiweiss- 
gehalt 2,5o/o. Runebergs Probe ergibt schwere kompakte Tropfen. 

Bei der Laparoskopie erweist sich die Leber als beträchtlich vergrössert, 
die Oberfläche kleinhöckerig. Farbe dunkel braunrot, ähnlich einer typischen 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


231 


Stauungsleber. Am Leberrande sieht man eine Reihe grauweisser kleinerer 
Knötchen, deren nähere Natur nicht i>estimmt werden kann. Das Peritoneum 
an Därmen und an der parietalen Wand nur in unbedeutendem Grade hypcr- 
ärnisch. Nirgends sind Fibrinbeläge oder Knötchen zu finden, die auf Tuber¬ 
kulose deuteten. Meerschweinchenprobe auf Tuberkelbazillen negativ. 

Nach Verabreichung von Herzstimulantien besserte sich der Zustand 
etwas, die Harnmenge nahm in gewissem Grade zu, die Ödeme verschwanden 
aus dem Gesicht. Man erhielt jedoch nicht den Effekt, wie man ihn zu sehen 
gewohnt ist, wenn man bei inkompensiertem Herzfehler zum erstenmal Digi¬ 
talis und Diuretin in grossen Dosen verabreicht. 

In der letzten Zeit ist der Zustand unverändert gewesen. 

Epikrise. Die Untersuchung des Falles ist noch nicht be¬ 
endigt; schon jetzt ist aber wahrscheinlich, dass wir einen Fall der 
Pick sehen Krankheit in ihrem ersten Stadium vor uns haben* 
während noch die Polyserositis und die allgemeinen Ödeme das 
Krankheitsbild beherrschen. Die Ätiologie ist. auch nicht sicher, 
Tuberkulose ist verdächtig. 

Fall 22. M. N., 32 Jahre, Kellnerin. Mediz. Klinik II des Serafimcr- 
lazaretts, Nr. 669, 1911. 

Vit. org. cord. -f- Aszites -f- Kystoma ovarii -f- Metast. peritonei et 
hepatis -f- Tbc. peritonei. 

Vater im Alter von 74 Jahren an Wassersucht infolge Herzfehlers ge¬ 
storben. Sonst in hereditärer Hinsicht nichts von Interesse. Hygienische Ver¬ 
hältnisse ziemlich gut. Ziemlich anstrengende Arbeit. Kein bedeutender Alkohol¬ 
missbrauch. Lues wird verneint. Kein Partus. Menstruation stets regelmässig. 
In jungen Jahren Masern, Diphtherie, Chorea, Scharlach, sowie möglicherweise 
Gelenkrheumatismus. 7 Jahre alt, tiel Pat. im Spätherbst in ein Wasser und 
blieb dort ungefähr 10 Minuten, bevor sie herausgezogen wurde. Sie erkrankte 
sogleich mit Schüttelfrost und Fieber, und bei Untersuchung am selben Tage 
wurde ; ,viel Eiweiss“ im Harn, sowie schwerer Herzfehler konstatiert. Sie 
wurde darauf 2 Monate lang im Krankenhaus gepflegt, hatte aber bei der 
Entlassung andauernd Eiweiss im Ham. Sie litt während dieser Zeit haupt¬ 
sächlich an Atemnot. Erst nach langer Zeit trat allmählich Besserung ein. 

Mit 16 Jahren begann Pat. ihren gegenwärtigen Beruf als Kellnerin aus¬ 
zuüben, und sie hatte dabei mehrmals Anfälle von ziemlich schwerem Herz¬ 
klopfen. Bei Harnuntersuchung, die einige Male angestellt worden ist, hat man 
Eiweiss gefunden. Nie Anschwellung der Beine. 

Die gegenwärtige Krankheitsperiode begann im Juni 1910, wo die Beine 
anzuschwellen begannen, während gleichzeitig Atemnot auftrat. Der Bauch 
begann gleichfalls an Umfang zuzunehmen. Keine Beschwerden vom Ver¬ 
dauungskanal her. Pat. wurde ins Krankenhaus aufgenommen und dort mit 
Digalen und Diuretin behandelt. Die Hammenge stieg auf 3—4 Liter den 
Tag, die Anschwellung nahm rasch ab und Pat. wurde nach einer Woche 
ohne nachweisbare Ödeme entlassen. Seitdem ist Pat. auffallend wohl ge¬ 
wesen und hat an allen möglichen Arbeiten teilgenommen bis Sept. 1911, wo 
die Beine und der Bauch wieder in derselben Weise anzuschwellen begannen. 

Pat. wurde wiederum ins Krankenhaus aufgenommen und wie das erste 
Mal mit Digalen und Diuretin behandelt, nun aber nicht mit ebenso guter 


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H. C. Jacobaeus. 


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Wirkung. Die Anschwellung des Bauches nahm etwas ab; die der Beine 
verschwand ganz. Bauchumfang bei der Aufnahme 119. cm, bei der Ent¬ 
lassung 90 cm. 

Kurz darauf kehrte die Anschwellung zurück, und am 1. DezembeV 1911 
wurde Pat. in die Mediz. Klinik II des Serafimerlazaretts aufgenommen. 

Befund am 2. XII. Allgemeinzustand ziemlich schlecht. Starke Zyanose. 
Atmungsfrequenz 28. Kein Ikterus. Mässige Ödeme in den Beinen, Fettpolster 
wohlentwickelt. Keine Spur von Kachexie. Pat. leidet vor allem unter ihrer 
Atemnot. 

Der Bauch ist stark aufgetrieben, 119 cm im Umfang. Keine Venen¬ 
zeichnung. Die gewöhnlichen Zeichen von Aszites vorhanden. Bei Stoss- 
perkussion im Epigastrium eine Resistenz entsprechend einer vergrösserten 
Leber. Keine deutliche Empfindlichkeit. Im übrigen keine Details wahr¬ 
nehmbar. 

Der Brustkorb ist kurz und weit mit stark erweiterter unterer Apertur. 
Von den Lungen her nichts Bemerkenswertes ausser einer kleineren Dämpfung 
und Schwächung des Atmungsgeräusches über den unteren hinteren Teilen 
der rechten Lunge. Keine Rasselgeräusche. Herzgegend etwas vorgewölbt. 
Starke diffuse Pulsationen im Präkordium. Vergrösserung bei Röntgendurch¬ 
leuchtung nach rechts hin 4,7 cm von der Mittellinie, nach links hin 12,5 cm. 
Das Herz zeigt Dreiecksform, der Vorkammerwinkel auf der linken Seite ist 
ausgefüllt. 

Über das ganze Herz hin hört man ein starkes systolisches Blasen. 
Pulm. II akzentuiert. Keine vermehrte Dämpfung über dem Sternum. Keine 
Pulsationen im Jugulum. Halsvenen erweitert mit positivem Venenpuls. Starke 
Arrhythmie ohne bestimmten Typus. Blutdruck 120 mm. Rote Blutkörperchen 
5 400 000. Hämoglobingehalt 100 nach Autenrieth. 

Harn mit 2 % 0 Eiweiss, sonst normal. 

Am 3. XII. Laparozentese und Laparoskopie. 11 Liter ziemlich klarer, 
seröser Flüssigkeit von hellgelber Farbe wurden abgelassen, spcz. Gew. 1,013, 
Eiweissgehalt 2,l°;o. Im Sediment zahlreiche rote Blutkörperchen, vereinzelte 
Lymphozyten und Endothelzellen. Runeberg und Rivalta pos. In der 
Aszitesflüssigkeit wurden mit Alkohol zahlreiche Fäden von Pseudomuzin 
gefällt. 

Bei der Laparoskopie findet man ausgesprochene Hyperämie und Ver¬ 
dickung des Peritoneums. Die Leber ist massig vergrössert, mit stumpfem Rande. 
Die Oberfläche ist fast überall mit einem Netzwerk von breiten weissen 
Zügen bekleidet, wobei nur hier und da dem Aussehen nach "ziemlich normal 
braune Leberfarbe hervorschimmert (I'ig. 13). Die Beläge weichen eben durch 
ihre Form von gleichmässig breiten Fäden von dem gewöhnlichen Bilde peri- 
hepatitischer Beläge ab. Die Oberfläche ist im übrigen ziemlich eben. Ganz 
hinten über der Kuppe der Leber sieht man zwei gut spanischnussgrosse Zysten 
mit glatten, gefässführenden Wänden, mit einem breiten Stiel von der Leber¬ 
oberfläche ausgehend. Am vorderen Rande der Leber sieht man einige kleinere 
Zysten, deren eine Hälfte im Parenchym zu sitzen scheint, während die andere 
Hälfte sich frei in die Bauchhöhle ausbuchtet. Ganz rechts findet man eine 
Gruppe grösserer und kleinerer Blasen, die so gut wie ganz von der Leber 
abgesondert liegen. Eine derselben punktierte ich, indem ich mit einer Spritze 
erst die Bauchdecken durchstach und darauf unter Leitung durch das Kystoskop 
die Zystenwand durchbohrte. Hierbei spritzte der grössere Teil des Inhalts 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


233 


in die Bauchhöhle. Der Inhalt schien klar zu sein. Was in der Spritze heraus¬ 
kam, erwies sich als mit Blut vermischt infolge Läsion eines Ciefässes der 
Zysten wand. Die Gallenblase ist mit verdickter Wand am vorderen unteren 
Rande der Leber zu sehen. Das Oinent ist verdickt, mit grauweisser Farbe; 
an einer Stelle ein distinktes, linsengrosses Knötchen. 

Nach der Entleerung besserten sich die subjektiven Beschwerden recht 
sehr. Die Zyanose verschwand und auch die Arrhythmie besserte sich einiger- 
massen. Man konnte nun die Leber 2—3 crn unterhalb des Brustkorbrandes 
deutlich fester als normal palpieren. Milz nicht nachweisbar vergrössert. Bei 
Palpation des Bauches im übrigen nichts Abnormes zu entdecken. 

Bei chemischer Untersuchung des Aszites der Pat. wurde Pseudomuzin 
in ziemlich grosser Menge angetroffen, hauptsächlich in dem Zysteninhalt. 

Nach kurzer Zeit bildete sich der Aszites der Pat. zurück. Am 14. XII. 
erneute Laparozentese. Diesmal wurden 7 Liter deutlich chylöse Flüssigkeit 
erhalten, spez. Gew. 1,010, Eiweissgehalt 1,2o/o. Runebergs Probe pos. 
Auch Rival ta pos., trotzdem die Reaktion wegen der chvlösen Beschaffen¬ 
heit der Aszitesflüssigkeit schwer zu sehen war. Im Sediment nichts von 
Interesse. 

Bauchumfang nach der Entleerung 90 cm. Subjektive Besserung. 

Am 5. XII. wurden wiederum 8 Liter abgelasson. Der Aszites nun noch 
chylöser. spez. Gew. 1,010, Ei weissmenge 0,8 n ,o. Bei der Laparoskopie keine 
neuen Erfahrungen. Die Harnmenge hat zwischen 450 und 900 ccm ge¬ 
schwankt. Keine Zylinder, wohl aber rote und weisse Blutkörperchen. Eiweiss- 
gehalt l /c, —2% 0 . Bei Untersuchung des Beckens gleich nach der Aszites¬ 
entleerung konnte man eine kindskopfgrosse, runde, ziemlich feste, unbedeutend 
bewegliche Geschwulst palpieren. 

Pat. verliess das Krankenhaus am 10. I. 1912. Da der Aszites der Pat. 
rasch rezidivierte, beschloss Pat. sich einer Operation wegen der Unterleibs¬ 
geschwulst zu unterziehen.. 

Am 25. I. 1912 wurde Pat. ins Krankenhaus Sabbatsberg aufgenommen und 
am 27. I. 1912 operiert. Bei der Operation (Dr. S. C. Johansson) fand man 
ein kindskopfgrosses Ovarialkystom. Auf den Dünndärmen hier und da kleinere 
Zysten. Auf der Leber eine Menge haselnussgrosser Zysten. Auf dem Peritoneum 
parietale sah man hier und da kleinere Knötchen von gallertigem Aussehen. Das 
Peritoneum war verdickt. An der herausgenommenen Ovarialgeschwulst sass ein 
Teil der Tube, und diese erwies siQh als zu einem weiten Sack erweitert, der 
eine grauweisse kittartige Substanz enthielt. Die nächsten Knötchen auf der Zyste 
hatten einen grauweissen Kern, in der Mitte zerfallen und der Tuberkulose 

verdächtig. Nach der Operation bildete sich der Aszites der Pat. nicht mehr 

zurück. Pat. verliess das Krankenhaus bedeutend gebessert. Bei Untersuchung 
2 Monate nachher keine Aszites. Die Pat. hat ihre Beschäftigung wieder auf¬ 
genommen. 

Mikroskopische Untersuchung der Ovarialzvstenwand zeigte 
das gewöhnliche Bild eines Ovarialkystoms. Die Knötchen auf dem Peritoneum 
parietale enthielten tuberkulöse Veränderungen, Nekrosen und Riesenzellen. 
Meerschweinchenimpfung ergab pos. Resultat betreffs Tbc. 

Epikrise. Auf den ersten Blick hin möchte es wohl ganz 

unmotiviert erscheinen, den obigen Fall der Gruppe der Fälle mit 

Pick scher Krankheit zuzuweisen. Ich erinnere hier aber noch 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2. 16 


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II. C. Jacobaeus. 


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2‘U 

oininal daran, dass ich der Gruppierung der Fälle die erste, von 
dem laparoskopischen Befunde unabhängige Diagnose zugrunde ge¬ 
legt habe. Vor der Laparoskopie hatte man ein Krankheitsbild zu 
beurteilen, charakterisiert durch ein schweres Vitium cordis, betreffs 
dessen man grossen Anlass hatte, an eine Synechia pericardii zu 
denken. Bei der Untersuchung der Bauchorgane findet man eine 
diffus vergrösserte feste Leber, spwie einen bedeutenden Aszites 
mit verhältnismässig niedrigem Eiweissgehalt. Keine Ödeme in den 
unteren Extremitäten. 

Die Diagnose, die auf Grund dieses Krankheitsbildes am nächsten 
liegt, ist eben die Pick sehe Krankheit. Diese Diagnose war es 
auch, die in der Klinik gestellt wurde, und der auch ich beistimmte. 

Bei der Laparoskopie findet man die eigentümlichen Zysten 
auf der Oberfläche der Leber sowie teilweise im Parenchym 
Handelt es sich um eine Zystenleber? Echinokkkus? Metastasen 
von einer Ovarialzyste her? Echinokokkus war von Anfang an 
wenig wahrscheinlich weshalb ich es wagte, eine Punktion an einer 
derselben auszuführen. Als Inhalt ergab sich klare seröse Flüssig¬ 
keit. Die chemische Untersuchung derselben zeigte unter anderem, 
dass Pseudomuzin in der Aszitesflüssigkeit enthalten war. Hierdurch 
wurde die Wahrscheinlichkeit dafür erhöht, dass die Krankheit auf 
einem Ovarialkystom mit Metastasen beruhte, die speziell auf der 
Leber lokalisiert waren. Die Untersuchung der Genitalien der Pa¬ 
tientin ergab, dass eine ungefähr kindskopfgrosse feste Geschwulst 
im kleinen Becken vorhanden war, die sich in die Bauchhöhle auf¬ 
wärts erstreckte. Die Konsistenz war jedoch so fest, dass der unter¬ 
suchende Spezialkollege nicht entscheiden konnte, ob es sich um 
Myom oder Kystom handelte. Gegen die Annahme einer Ovarial- 
geschwulst mit Metastasen sprach übrigens das Aussehen der Pa¬ 
tientin. Das Fettpolster war recht gut entwickelt und Patientin zeigte 
durchaus kein kachektisches Aussehen. Wegen des Vorkommens 
von Pseudomuzin in der Aszitesflüssigkeit neigte ich jedoch haupt¬ 
sächlich der letztgenannten Annahme zu. Doch war die Möglichkeit 
einer Zystenleber nicht von der Hand zu weisen. Mehrere der Blasen 
waren in der Leber eingesenkt und machten unstreitig den Eindruck 
einer Zystenleber. Patientin war allerdings allzu korpulent, als dass 
man die Nieren genauer hätte palpieren können. Eiweiss war aber 
jedenfalls vorhanden, und das Krankheitsbild konnte sehr wohl zu 
einer Kombination von Zystenniere und Zystenleber stimmen. 

Dann wurde die Operation ausgeführt, und man fand das Ova¬ 
rialkystom, sowie die zystenähnlichen Bildungen auf der Leber und 
auf vereinzelten Darmschlingen. Ferner aber fanden sich Verände- 


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Über Laparo* und Thorakoskopie. 


235 


rungen, die auf Tuberkulose deuteten, was auch durch das Resultat 
bei Meerschweinchenimpfung Bestätigung erhielt. Es liegt also eine 
sehr seltene Kombination von Ovarialkystom, wahrscheinlich mit 
benignen Metastasen hier und da in der Bauchhöhle und Tuber¬ 
culosis peritonei vor. 

Durch die Operation hat der Zustand der Patientin eine hoch¬ 
gradige Besserung erfahren, der Aszites hat sich während der letzten 
zwei Monate nicht zurückgebildet (vorher Entleerung alle drei Wochen 
nötig), auch die Symptome vom Herzen her sind bedeutend gebessert 
und Patientin kann ohne Schwierigkeit ihrer Arbeit nachgehen. 


Die Fälle, die ich oben unter der Rubrik Pick sehe Krankheit 
zusammengestellt habe, bieten Krankheitsbilder von stärker wech¬ 
selnder Art dar als die Fälle von Leberzirrhose. So finden sich 
solche mit dem typischen Bilde einer Synechia pericardii mit chro¬ 
nischem Aszites und vergrösserter Leber, die sich bei der Laparo¬ 
skopie als mit einem dicken, glänzendweissen Belag bedeckt erweist, 
also eine typische „Zuckergussleber“. Ferner finden sich frühzeitige 
Fälle, wo die Leberoberfläche nur kleine perihepatitische Flecke auf¬ 
weist, oder wo noch das klinische Symptomenbild „Polyserositis“ 
überwiegt. In anderen schliesslich findet man nur Symptome dieser 
Krankheit von den Bauchorganen her. 

Aus dem eben Erwähnten geht hervor, dass ich den Ausdruck 
„Picksehe Krankheit“ in einem weiteren Sinne gebraucht habe, 
als es im allgemeinen gebräuchlich ist. Ein zusammenfassender Name 
existiert noch nicht. Ich habe, kurz gesagt, dahin gerechnet alle 
Fälle mit chronischem Aszites und Lebervergrösserung mit oder ohne 
Symptome einer Herzkrankheit, in denen die Laparoskopie gezeigt 
hat, dass chronische Peritonitis und perihepatitische Beläge vorhanden 
gewesen sind. Yom klinischen und pathologisch-anatomischen Ge¬ 
sichtspunkt aus scheint es mir wohlbefugt, diese Fälle zu vereinigen, 
da ähnliche Krankheitsprozesse in ihnen allen vorzuliegen scheinen 
(abgesehen von Fall 22). 

Die Ätiologie ist jedoch sehr wahrscheinlich in den verschie¬ 
denen Fällen verschieden. 

Die Bürgschaft, die ich für die Richtigkeit meiner Beobach¬ 
tungen bei den Laparoskopien anführen bann, ist in diesen Fällen, 
streng genommen, ziemlich gering. Nur ein Fall (Nr. 15) ist zur 
Sektion gelangt, und in einem anderen (Nr. 22) sind die Beobach¬ 
tungen bei der Operation kontrolliert worden. In beiden Fällen hat 
sich volle Übereinstimmung mit den Laparoskopiebefunden ergeben. 
Ferner will ich bereits hier betonen, dass die Technik bei dieser 

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Krankheitsgruppe selrr einfach ist. Man bekommt die Leber leicht 
in das Gesichtsfeld. Ebenso ist es nicht schwer, die Veränderungen 
der Leberoberfläche zu beurteilen. Diese weissen Beläge stechen 
gegen die Leberfarbe in hohem Grade ab. Eine Meinungsverschieden¬ 
heit zwischen mir und meinen Kollegen betreffs der Deutung dieser 
Veränderungen hat nie bestanden. Ich glaube daher, dass die Be¬ 
obachtungen mit grosser Wahrscheinlichkeit richtig sind, zumal da 
die Zuverlässigkeit der Methode bei Fällen von bösartigen Bauch¬ 
geschwülsten in vielen Fällen konstatiert worden ist. 

Diagnostische Gesichtspunkte. 

Wie oben erwähnt, bestanden Verschiedenheiten in dieser Gruppe 
von Fällen betreffs der Ausbreitung des Prozesses. Hierbei war es 
besonders die An- oder Abwesenheit von Symptomen einer Synechia 
pericardii, welche wechselte. Das Symptomenbild von den Bauch¬ 
organen her war fast das gleiche in allen Fällen. Hat nun die Laparo¬ 
skopie in diagnostischer Hinsicht wichtige Auskünfte betreffs der 
Diagnose der Krankheit selbst geliefert? 

Man kann betreffs der Diagnose schwerlich weiter gelangen 
als zu einem grösseren oder geringeren Grade von Wahrscheinlich¬ 
keit. In gewissen Fällen haben die ganze Krankheitsgeschichte und 
die Symptome mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit auf die frag¬ 
liche Krankheit hingewiesen (z. B. in Nr. 15, 16, 17), und die 
Laparoskopie hat auch diese Diagnose bestätigt. Dass man jedoch 
der Diagnose nicht völlig sicher sein kann, zeigt Fall 22. Klinisch 
fanden sich hier ein schwerer Herzfehler, möglicherweise eine 
Synechia pericardii, Aszites und Lebervergrösserung ganz wie in 
den typischsten Fällen. Die klinische Diagnose vor der Laparo¬ 
skopie lautete, wie oben erwähnt, daher auf Picksche Krankheit 
Bei der Laparoskopie wurden dann jene eigentümlichen Zysten auf 
der Leberoberfläche angetroffen, die zuerst so schwer zu erklären 
waren. Der Nachweis von Pseudomuzin in Zysteninhalt und Aszites 
Hess vermuten, dass ein Ovarialkystom mit Metastasen vorläge. Bei 
der Untersuchung der Genitalien nach einer Entleerung des Aszites 
der Patientin erwies sich diese Vermutung auch als richtig. Patientin 
wurde operiert und ein kindskopfgrosses Kystom wuirde entfernt. 
Eigentümlicherweise wurden auch tuberkulöse Knötchen und Ver¬ 
änderungen in der Bauchhöhle nachgewiesen, und Impfversuche an 
Meerschweinchen bestätigten das Vorhandensein von Tuberkulose. 
Nach der Operation verschwand der Aszites der Patientin, der Zu¬ 
stand besserte sich in so hohem Grade, dass Patientin nun ihrem 
Berufe nachgehen kann. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


237 


Es sei gern zugegeben, dass der Fall einzigartig ist, er zeigt 
aber doch die Schwierigkeit der Diagnose bei diesen Krankheiten. 
Zwar sind hier perihepatitische Beläge vorhanden, sie haben aber, 
wie die Zeichnung zeigt, durchaus nicht dasselbe Aussehen wie in 
allen den übrigen Fällen der genannten Krankheit. Dass die Stau¬ 
ung nicht die Hauptursache des Aszites der Patientin gewesen ist, 
geht teils daraus hervor, dass Herztonika keine Wirkung auf den 
Aszites der Patientin ausübten, teils daraus, dass der Aszites mit 
einem Schlage verschwend, nachdem ihr Ovarialkystom durch Ope¬ 
ration beseitigt worden war. Eine wie grosse Rolle die gleichzeitig 
vorkommende Bauchfelltuberkulose bei der Rückbildung ihres As¬ 
zites gespielt hat, ist natürlich unmöglich zu entscheiden. Die prak¬ 
tische Erfahrung hat ja gelehrt, e dass Bauchfelltuberkulose oft nach 
einer Entleerung des Exsudates durch Operation zur Heilung ge¬ 
langt. Soviel glaube ich jedoch sagen zu dürfen, dass durch die 
Laparoskopie das Interesse für den Fall in hohem Grade erhöht 
worden ist, und letzthin durch die mittels dieser Methode erhaltenen 
Resultate hat die Patientin frühzeitig eine Behandlung erhalten, 
die ein besseres Resultat ergeben hat, als es auf anderem Wege zu 
erreichen gewesen wäre. 

In einem anderen Falle (Nr. 19) w r ies der Patient ein Sym- 
ptomenbild auf, das am meisten für Leberzirrhose sprach. Patient 
w r ar 67 Jahre alt und hatte während einer längeren Reihe von Jahren 
in allerdings geringem Grade Alkoholmissbrauch betrieben; dazu 
kam, dass von den Brustorganen her keine Symptome Vorlagen. 
Die Bauchsymptome bestanden in einem rasch rezidivierenden As¬ 
zites von niedrigem Eiweissgehalt, sowie einer massigen 
Vergrösserung der Leber. Für die Pick sehe Krankheit sprach nur 
die in der Anamnese vorkommende Allgemeininfektion, die dem 
Zustande vorausgegangen war, in welchem sich Patient im Kranken¬ 
hause befand. In diesem Falle wurde bei der Laparoskopie eine 
ausgebildete „Zuckergussleber“ angetroffen. Der diagnostische Nutzen 
der Laparoskopie in diesem Falle ist augenfällig. 

In einem dritten Falle (Nr. 20) w^ar die Diagnose gleichfalls 
ziemlich unsicher. Es bestanden hier eine bedeutende Lebervergrösse- 
rung und Aszites von Exsudatnatur, aber keine Symptome vom 
Herzen her. Dagegen wurden spärlich Tuberkelbazillen in Sputum 
und Aszites gefunden. Es schien daher ziemlich klar, dass eine 
tuberkulöse Peritonitis vorlag. Auch wenn die Ätiologie hiermit 
als gelöst betrachtet werden darf, so muss man doch zugestehen, 
dass der rasch rezidivierende Aszites wie auch die Lebervergrösse- 
rung bei der genannten Diagnose schwer erklärlich w'aren. Den 


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H. C. Jacobaeus. 


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weiteren Details, die die Laparoskopie liier geliefert hat, kommt 
daher ein grosses Interesse zu. Die vergrösserte Leber zeigte eine 
unebene Oberfläche mit teils deutlichen perihepatitischen Flecken, 
teils eigentümlichen grauweissen, gallertigen Knötchen auf begrenzten 
Stellen der Leber. Es ist möglich, dass letztere Tuberkelkmötchen 
sind, obwohl sich ein entscheidender Beweis dafür nicht erbringen 
lässt. Ein Kollege, dem ich sie zeigte, hielt sie für Lymphzysten. 
In der Bauchhöhle im übrigen fand sich eine chronische Peritonitis, 
aber ohne Fibrinadhärenzen und ohne Zeichen von Tuberkulose. 
In den sechs Fällen von Tuberculosis peritonei, über die weiter 
unten berichtet-werden wird, w r ar es leicht, Tuberkelknötchen nach¬ 
zuweisen. Das Aussehen der chronischen Peritonitis hier stimmte 
durchaus nicht mit dem bei den obenerwähnten Fällen von tuber¬ 
kulöser Peritonitis überein, sondern mit dem bei den übrigen Fällen 
von Pick scher Krankheit. Hier hat die Laparoskopie diese ver¬ 
wickelten Verhältnisse nicht auf klären können, sie hat aber doch 
in wesentlichem Grade unsere Kenntnis erweitert und damit auch 
das Interesse an diesem Falle erhöht. Wegen verschiedener Er¬ 
klärungsmöglichkeiten verweise ich auf spezielle Epikrise zu diesem 
Falle. 

Von typischen Fällen Pick scher Krankheit liegen fünf vor. 
In zweien derselben, wo die Laparoskopie bei zwei verschiedenen 
Gelegenheiten ausgeführt wurde, ist unter anderem ein grosser Unter¬ 
schied in der Ausbreitung des Prozesses beobachtet worden. In dem 
einen Falle (Nr. 16) konnte ich bei der ersten Untersuchung nur un¬ 
bedeutende perihepatitische Flecke wahmehmen. Ferner fanden sich 
in die Tiefe gehende isolierte Herde mit Einsenkung der Oberfläche. 
Ein Jahr später hatte ich Gelegenheit, denselben Patienten von 
neuem zu laparoskopieren. Es zeigte sich nun, dass die perihepa- 
titischen Flecke eine bedeutend grössere Ausbreitung besassen als 
das erste Mal, so dass man nun von einer „Zuckergussleber“ 
sprechen konnte. 

Grosses Interesse bietet auch Fall 18 dar. Hier sprach die 
Anamnese in ziemlich hohem Grade für eine Polyserositis, allerdings 
kompliziert mit starkem Alkoholmissbrauch. Bei der ersten Unter¬ 
suchung im Januar 1911 findet man eine augenfällige chronische 
Peritonitis mit Hyperämie von Därmen und Peritoneum parietale. 
Die Leber war beträchtlich vergrössert, die Kapsel erschien diffus 
verdickt, nirgends aber konnte man perihepatitische Flecke wie im 
vorhergehenden Falle finden. 7 Monate später erneute Laparoskopie. 
In der Zwischenzeit hatte sich der Zustand des Patienten eher etwas 
gebessert als verschlechtert. Bei der Laparoskopie fand ich die ganze 



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55] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


239 


obere Fläche der Leber mit einer dicken Schwiele bedeckt, und die 
Leber schien geschrumpft zu sein, indem die obere Leberfläche sich 
als etwas eingesenkt erwies. Es erscheint recht bemerkenswert, dass 
in so kurzer Zeit so grosse Veränderungen entstanden waren, da 
kaum anzunehmen ist, dass ich sie hätte übersehen können, wenn 
sie das erste Mal schon vorhanden gewesen wären. Durch die La¬ 
paroskopie hat man in diesen Fällen in eingehenderer Weise als 
vorher die Entwickelung der Krankheit verfolgen können. 

Pathogenetische Gesichtspunkte. 

Obwohl man lediglich auf Grund der laparoskopischen Erfah¬ 
rungen natürlich sieh nicht über die Natur dieser Symptomenkomplexe 
äussern kann, glaube ich doch, dass sie gewisse wertvolle Auskünfte 
liefert, besonders betreffs des Auftretens der perihepatitischen Beläge 
in den früheren Stadien der Krankheit. Die Ätiologie in bakterieller 
Hinsicht ist wahrscheinlich wechselnd; allein bei den hier behan¬ 
delten Fällen ist an Tuberkulose, Syphilis, rheumatische Infektion 
zu denken. 

Unsere Auffassung von der Natur dieser Krankheit stützt sich 
hauptsächlich auf pathologisch-anatomische Untersuchungen an Sek¬ 
tionsmaterial. Die Erfahrungen, die man hierbei gewonnen, beziehen 
sich im allgemeinen auf weit vorgeschrittene Fälle, und über frühere 
Stadien sind meines Wissens kaum systematische Untersuchungen 
angestellt worden. Für die Beurteilung frühzeitiger Fälle können 
nun diese Beobachtungen bei den Laparoskopien ein Interesse be¬ 
sitzen. Auf alle die Theorien einzugehen, die für die Entstehung 
des Pick sehen Symptomenbildes aufgestellt worden sind, würde 
hier zu weit führen. Ich behandle hier nur kurz diejenigen von 
ihnen, die durch die Beobachtungen, die ich bei den Laparoskopien 
gemacht habe, direkt berührt werden. 

Eine Theorie, der viele in der einen oder anderen Form sich 
angeschlossen haben, ist die von Pick 1 ) selbst dargestellte, die in 
grösster Kürze folgende ist: Zwei verschiedene Komponenten wirken 
zur Entstehung der Krankheit zusammen. Zuerst entsteht die Peri¬ 
karditis und verursacht Störungen der Zirkulation. Die Folge hier¬ 
von sind Stauungsleber und Aszites. Durch die oft wiederholten 
Entleerungen entsteht eine chronische Peritonitis. Nach Hess 2 ) 
soll dies so vor sich gehen, dass die Stauung irritierend auf die 


x ) Pick, Zeitschr. f. klin. Medizin, Bd. 29, 1896. 

2 ) Hess, Über Stauung und chronische Entzündung in der Leber und 
den serösen Höhlen. Habilitationsschrift, Marburg 1902. 


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240 II. C. Jacobacus. [5C 

Gewebe wirkt und hierdurch allmählich die chronische Peritonitis 
ausgelüst wird, die zur Bildung der Beläge auf der Leber führt. 

Ich will nicht leugnen, dass gewisse klinische Beobachtungen, 
z. B. die Bies 1 ), für eine derartige Entstehungsweise sprechen. 
In den oben geschilderten Fällen habe ich vergebens nach einer 
Stütze für eine derartige Theorie gesucht. 

Betrachtet man den Fall, der am frühesten nach dem Ausbruch 
der Krankheit während des Stadiums, in welchem allgemeine Ödeme 
und nur geringe Mengen Aszites vorhanden sind, untersucht worden 
ist (Nr. 21, doch nicht sicher Pick scher Krankheit), so findet man 
doch auch hier schon entzündliche Veränderungen. Die Leber ist 
zwar gross und ähnelt einer Stauungsleber, am Rande aber finden 
sich eine Reihe kleiner weisser Herde, die nicht durch Stauung haben 
verursacht sein können; der Eiweissgehalt ist hoch, Runebergs 
Probe fällt positiv aus, und auch die Viszera zeigen eine leichte 
Injektion der feinsten Gcfässe, schon jetzt auf einen entzündlichen 
Prozess deutend, ln anderen frühen Fällen (Nr. 16, 20) findet man 
eine Leber, die zwar einer Stauungsleber ähnelt, aber mit isolierten 
Herden teils in Form perihepatitischer Flecke, teils in Form von 
Herden, die in die Tiefe des Organs zu dringen scheinen. Ausserdem 
ist sowohl in diesen wie in allen übrigen Fällen eine chronisch* 
Peritonitis vorhanden. 

Wäre die Stauung das auslösende Moment, so 
wäre es eigentümlich, dass die Krankheit schon in 
den oben erwähnten frühen Stadien in Form lokaler 
Herde mit Ein Senkungen der Leberoberfläche a u f - 
tritt. Eine Stauung sollte mehr eine allgemeine Rei¬ 
zung und diffuse Ausbreitung der Veränderungen 
hervorrufe n. 

Auch die Lebervergrösserung scheint mir nicht dadurch erklärt 
zu sein, dass sie vollständig oder hauptsächlich auf einer Stauung 
beruhen soll. In gewissen Fällen (Nr. 19, 20) findet sich kein nach¬ 
weisbares Vitium, und auch funktionell lässt sich keine Schwäche des 
Herzens konstatieren. Und doch zeigen diese Fälle keinen prin¬ 
zipiellen Unterschied im Aussehen der Leber gegenüber denn, wo 
ein Vitium vorhanden ist. Auch in den Fällen mit schwerem Vitium 
erhalt man nicht dasselbe klinische Bild wie bei ,,gewöhnlicher“ 
Stauungsleber. Empfindlichkeit über dem Organ findet sich nicht 
in nennenswertem Grade, und die subjektiven Symptome vom Herzen 
her sind unbedeutend. Im Laufe der Jahre nehmen die Zirkul^tions- 

J ) Bic, Nordisk tidskrift für terapi. Juli 1911. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


241 


Störungen zu. Und doch findet man bei den Sektionen jener Ober- 
fläclienveränderungen an der Leber, während oft das Leberparenchym 
fa*t normal ist. Die Leber ist dann oft bis auf die Hälfte ihrer 
normalen Grösse verkleinert. Wäre die Stauung die Hauptsache 
gewesen, so sollte man eine „Cirrhose cardiaque“ antreffen. Aus 
diesen Gründen halte ich es für wenig wahrscheinlich, dass die 
Stauung einen Hauptfaktor für die Entstehung der Lebervergrösse- 
rung darstellt. 

Die andere noch vorliegende Möglichkeit ist die, dass die Leber- 
vergrösserung durch eine diffuse chronische Hepatitis liervorgerufen 
wäre. Auch hierbei erscheint es eigentümlich, dass dieselbe ver¬ 
schwinden und das Leberparenchym so unbeschädigt zurücklassen 
kann, wie man es zuweilen bei den Sektionen findet. Ohne positive 
Beweise hierfür liefern zu können, halte ich aber doch diese letztere 
Erklärung für die ansprechendste. In dieser Ansicht bestärken mich 
Mitteilungen von Herrn Prof. He ns dien, der bei seinen klini¬ 
schen Beobachtungen, die bisher noch nicht publiziert sind, den¬ 
selben Eindruck erhalten hat. 

Therapeutische Gesichtspunkte. 

Obwohl die Therapie dieser Fälle streng genommen ausserhalb 
des Rahmens dieser Arbeit liegt, will ich doch mit einigen Worten 
dieselbe berühren. Nachdem durch die Laparoskopie die klinische 
Diagnose sichergestellt worden, hat man seine ganze Aufmerksam¬ 
keit der Behandlung zuwenden können. 

In den Fällen, wo die Ätiologie mit einiger Wahrscheinlichkeit 
hat festgestellt werden können, ist eine Therapie auf dieser Basis 
versucht worden. So ist die antiluetische Behandlung in Fall 15 
eingeleitet worden, jedoch ohne erkennbare Wirkung. 

In Fall 20 wurden während einer kürÄeren Periode schwache 
Tuberkulindosen gegeben. Das Resultat w r ar, dass man eine raschere 
Zunahme des Aszites der Patientin erhielt, und möglich ist auch, 
dass die Beobachtung einer lokalen Reaktion, dass die Leber durch 
eine grössere Dosis Tuberkulin an Grösse zunahm, richtig ist. Im 
grossen und ganzen hat man in diesen Fällen keine Besserung durch 
eine Therapie auf ätiologischer Grundlage erzielt. 

In einem Falle (Nr. 16) wrurde chirurgische Behandlung ver¬ 
sucht; zuerst wurde eine Kardiolyse wegen der Herzbeschwerden 
des Patienten ausgeführt. Es zeigte sich, dass dies eine unzweideutige 
Besserung des Allgemeinzustandes herbeiführte, konnte aber nicht 
die Neubildung des Aszites verhindern. Einige Monate später wurde 
Talmas Operation ausgeführt, jedoch ohne nachweisbaren Effekt, 


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H. C. Jacobaeus. 


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und bei meiner später ausgeführten Laparoskopie konnte ich keine 
neugebildeten Gefässe finden. Doch darf man aus einer negativen 
Angabe in dieser Richtung nicht allzuviel schliessen. Auch kann 
ich theoretisch keinen Anlass zur Vornahme der Talma sehen 
Operation bei dieser Krankheit finden. Diese Operation bezweckt ja, 
kurz gesagt, Kollateralgefässe zwischen dem Pfortadersystem und 
dem übrigen Venenkreislauf herzustellen und dadurch die Stauung 
in den überfüllten Pfortaderzweigen zu vermindern. Einen Stauungs¬ 
aszites kann man auf diese Weise zum Verschwinden bringen. Bei 
der Pickschen Krankheit hat man mehr als bei Zirrhosen im all¬ 
gemeinen mit einem Exsudat im Peritoneum zu tun, und die Stau¬ 
ung ist wahrscheinlich nicht das Hauptsächliche. Von der. Her¬ 
stellung von Kollateralgefässen hat man sich daher wahrscheinlich 
geringe Wirkung zu versprechen. 

Das grösste Interesse bei der vorliegenden Zusammenstellung 
hat die interne Behandlung. Die Versuche mit Herztonika und 
Diuretin haben hier wie im allgemeinen vollständig negatives Resultat 
gehabt. Aufmerksamkeit verdienen dagegen die Versuche mit Ein¬ 
schränkung der Flüssigkeitszufuhr, einer sogen. Trockendiät nach 
O e r t e 1. Diese Behandlung, die allerdings recht anstrengend für den 
Patienten ist, haben vor allem dänische Forscher zur Anwendung 
gebracht. Prof. Finsen, der selbst an dieser Krankheit litt, ge¬ 
lang es durch diese Diät, einen wesentlichen Rückgang oder wenig¬ 
stens einen Stillstand in der Neubildung seines Aszites zu erreichen, 
so dass nur alle ein oder zwei Jahre eine Entleerung nötig war. Auch 
Faber 1 ), Flöystrup und Scheel 2 ), sowie Bie berichten über 
verhältnismässig günstige Resultate. In der deutschen Literatur habe 
ich diese Behandlung nicht erwähnt gefunden (Sinnhuber). 

In vier Fällen habe ich diese Behandlungsmethode versucht; 
in Zweien der Fälle nfit einigermassen gutem Resultat. In dem 
einen Falle (Nr. 16) hatte man zuerst Kardiolyse und Talmas 
Operation ausgeführt, und zwar mit sichtlichem Erfolg, es war 
aber nicht gelungen, die Neubildung seines Aszites zu verhindern. 
Durch Trockendiät gelang dies dagegen sofort. In den vier Monaten, 
während welcher Zeit der Patient diese Diät beobachtete, sind Bauch¬ 
umfang und Gewicht auf demselben Punkt stehen geblieben, und 
Patient hat laut brieflichen Mitteilungen sich bedeutend wohler 
gefühlt. 

In Fall 18 führte Trockendiät eine Besserung des Zustandes 
während einiger Monate herbei, und der Aszites blieb während dieser 

x ) Hospitalstidende 1004. Nr. 22. 

2 ) Ugeskrift for läger 1904, pag. 1015. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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Zeit ziemlich konstant. Dann hörte Patient mit der Diät auf, und 
das Resultat war, dass sein Aszites rasch wieder zunahm. 

Endlich habe ich dieselbe Diät in noch zwei Fällen (Nr. 19, 20) 
versucht, jedoch ohne welchen Erfolg. Die Patienten hatten ein 
so starkes Bedürfnis zu trinken, dass jede Einschränkung schwere 
Leiden verursachte. 

Mein Gesamteindruck von dieser Behandlung ist daher der, 
dass man in gewissen Fällen, wo der entzündliche Prozess nicht 
besonders heftig ist, ziemlich gute Resultate mit Trockendiät erhalten 
kann. In anderen Fällen stellen sich ihrer Durchführung unüber¬ 
windliche Schwierigkeiten in den Weg. 

III. Fälle von Leberlues. 

F a 11 23. 0. B., 34 Jahre, Serafimerlazarett, Mediz. Klin. I, Nr. 504, 1908. 

Alcoholismus chron. -f- Lues hepatis. 

In hereditärer Hinsicht nichts von Interesse. Hygienische Verhältnisse gut. 
In den letzten 10 Jahren ziemlich beträchtlicher Alkoholmissbrauch. Im Alter 
zwischen 20 und 30 Jahren hatte Pat. wiederholte Gonorrhöen. Im Juni 1908 
begann Pat. an schlechtem Appetit zu leiden, ausserdem begann der Bauch 
anzuschwellen. Pat. hatte saures Aufstossen und dann und wann morgens 
Erbrechen. Anfang September 1908 wurde Pat. luetisch infiziert. Ungefähr 
einen Monat hiernach traten zahlreiche papulo-nekrotische Geschwüre auf, 
zuerst an den Unterschenkeln, dann an den Armen und schliesslich auf dem 
ganzen Körper. Im Herbste nahm der Bauch höchst beträchtlich an Umfang 
zu und im November begannen auch die Füsse anzuschwellen. Erst im 
November wandte sich Pat. an einen Arzt und wurde mit Hg behandelt. Am 
16. XII. wurde Pat. in das hiesige Krankenhaus aufgenommen. 

Allgemeinzustand schlecht. Starke Dyspnoe. Bauch kolossal aufgetrieben, 
148 cm Umfang. Ödeme um die Malleolen herum. Über den ganzen Körper 
verstreut ein- bis zweipfennigstückgrosse Effloreszenzen, sowie kleinere Ge¬ 
schwüre mit scharfen Rändern. Unbedeutender Ikterus. Vom Herzen nichts 
Bemerkenswertes. Spuren von Eiweiss im Harn, sowie vereinzelte Zylinder. 
25 l /2 Liter Aszites wurden entleert; Eiweissgehalt 2 1 / 2 <>/o. In dem Sediment 
vereinzelte Endothelzellen und rote Blutkörperchen, spez. Gew. 1,015. Die Leber 
fühlte man nun deutlich ungefähr 5 cm unter dem Brustkorbrande, sie war 
fest, knotig uneben und imempfindlich. Milz nicht deutlich palpabel. Dämpfung 
etwas vergrössert. Wassermann pos. 

Hg- und JK-Behandlung wurde eingeleitet, Pat. brach aber die Behandlung 
nach 5 Injektionen ab. Der Allgemeinzustand besserte sich etwas, die Flüssig¬ 
keit in der Bauchhöhle aber bildete sich rasch zurück und am 10. I. 1909 
wurden 23 Liter Aszites entleert. Am 11. I. verliess Pat. das Krankenhaus. 
Seitdem sind noch zwei Entleerungen von ungefähr derselben Menge Aszites 
mit je 1 Monat Zwischenzeit vorgenommen worden. Bei Untersuchung der 
Bauchorgane war es klar, dass die Leber jedesmal kleiner geworden war. Die 
Hautaffektionen waren Ende März vollständig geheilt. Die antiluetische Be¬ 
handlung war während dieser Zeit sehr unregelmässig, bestehend in einer 
Hg-Injektion jedesmal, wenn der Aszites abgelassen wurde, und Jodkaliiim in 


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H. C. Jacobaeus. 


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der zwischenliegi*n<hMi Zeit. Seit März ist eine Entleerung nicht mehr nötig 
gewesen, doch ist bei Entersuchungen im Juni fortgesetzt Aszites, wenn auch 
nicht so hochgradiger wie früher, konstatiert worden. Die Leber ist undeutlich 
palpabel, hart, nicht empfindlich. 

Während der folgenden l l 2 Jahre verlor ich Pat. aus dem Auge und erst 
im Januar 1011 wurde er wieder ins Serafimerlazarett wegen Delirium tremens 
aufgencmmen. In der Zwischenzeit hatte Pat. keine antiluetische Behandlung 
erhalten, wohl aber seinen Alkoholmissbrauch fortgesetzt. 

Allmählich war ohne Ablassen aller Aszites verschwunden und bei Unter¬ 
suchung im Januar 1011 war ein solcher nicht nachzuweisen. Die Leber war 
als eine diffuse Resistenz bei tiefem Atmen palpabel. Milz nicht palpabel. Im 
übrigen nichts von Interesse. 

Am 2. I. 1011 Laparoskopie. Da die Bauchwand sehr schlaff war, wurde 
eine Saug m a n n sehe Nadel durch eine aufgehobene Falte der Bauchwand 
eingeführt, darauf Luft eingeblasen und schliesslich der gröbere Trokar und 
das Laparoskop eingeführt. 

Die Leber erscheint nicht deutlich vergrössert, der Rand ist stumpf und 
deformiert. So findet sich stellenweise eine deutliche Andeutung von Gelappt* 
heit, jedoch sehr unregelmässig, so dass eine grössere Ähnlichkeit mit Hepar 
lobatuLi als mit einer L a e n n e c sehen Leberzirrhose besteht (Fig. 3). Die 
einzelnen Lappen sind von wechselnder Grösse, aber mit glatter Oberfläche. 
Auf der oberen Leberfläche scheint die Kapsel stellenweise verdickt mit zer¬ 
streuten weissen perihepatitischen Belägen von wechselnder Grösse (Fig. 3). 
Links vom Lig. teres sieht man auf der Leber einen grösseren perihepatitischen 
Fleck mit unregelmässigen Konturen, al>cr scharf begrenzt und von glänzend 
weisser Farbe. Auf dem Peritoneum parietale sind keine Veränderungen nach¬ 
zuweisen. 

Epikrise. Der Laparoskopie verdankt mail in diesem Falle 
praktisch wichtige Aufschlüsse. Patient gibt an, dass er im Sep¬ 
tember 1908 luetisch infiziert worden sei, und schon im Dezember 
desselben Jahres kommt er mit zahlreichen luetischen Geschwüren 
und Effloreszenzen, einem kolossalen Aszites (25,5 Liter), sowie 
einer ziemlich stark vergrösserten Leber (5 cm unterhalb des Brust¬ 
korbrandes) ins Krankenhaus. Die Deutung dieser Symptome ist 
ziemlich schwer. Es lässt sich wegen des hochgradigen Alkohol¬ 
missbrauchs des Patienten nicht leicht entscheiden, ob die Leber- 
vergrösserung auf der Wirkung des Alkohols (Zirrhose im Schwel¬ 
lungsstadium) oder auf Lues beruht. Es wurde daher angenommen, 
dass es sich um eine diffuse interstitielle Hepatitis analog den 
Hautveränderungen handelte. Doch war es unmöglich, eine Zirrhose 
auf alkoholischer Basis allein oder als Komplikation auszuschliessen. 

Der weitere Verlauf hat jedoch gezeigt, dass Patient trotz der 
sein* unvollständigen Behandlung seinen Aszites vollständig los ge¬ 
worden ist. Ferner hat die Leber deutlich an Grösse abgenommen, 
was ebensogut nach alkoholischer wie nach luetischer Ätiologie hat 
ein treten können. 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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Das gleichzeitige Verschwinden der Lebervergrösserung mit den 
übrigen luetischen Symptomen spricht allerdings für die letztere 
Ätiologie. 

Bei der 2 Jahre später ausgeführten Laparoskopierung kann 
man ein beginnendes Hepar lobatum sowie perikepatitiseke Schwielen, 
dagegen keine augenfälligen Zeichen von Zirrhose konstatieren. 

Dieser Befund spricht dafür, dass das vorhergehende Krank¬ 
heitsbild des Patienten, die vergrösserte Leber und der Aszites, der 
Hauptsache nach auf Lues beruht haben. Es sind oberflächliche 
Prozesse gewesen mit der gewöhnlichen Lokalisation um das Sus¬ 
pensorium hepatis herum, begleitet von einer mehr oder weniger 
diffusen Infiltration in die Tiefe, die die Lebervergrösserung ver¬ 
ursacht hat. 

F a 11 24. K. H., Ehefrau, 40 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 356, 1911. 

Lues hepatis (Gummata). 

Als Kind ist Pat. gesund gewesen, desgleichen während der Wachstums- 
jalire. Mit 20 Jahren verheiratete sie sich und hat 10 Partus durchgemacht, 
darunter 2 Totgeburten. Lues wird verneint. 

Vor 4 Jahren traten auf der rechten Seite des Gesichts einige Effiores- 
zenzen auf, die bei interner Behandlung heilten. Kurze Zeit danach bemerkte 
Pat. zum erstenmal eine Verhärtung im oberen Teile des Epigastriurns, die 
druckempfindlich war und eine Zeitlang ziemlich heftige Schmerzen verursachte. 
Im übrigen keine Beschwerden vom Verdauungskanal her. Durch „Magen¬ 
medizin“ besserte sich der Zustand der Pat. und erst Weihnachten 1910 
kehrten die Symptome in derselben Weise wieder und die Verhärtung nahm 
beträchtlich an Grösse zu. Der Allgemeinzustand verschlechterte sich auch. 
Abmagerung. 

Aufgenommen in die mediz. Klinik des Serafimerlazaretts am 3. IV. 1911. 

Allgemeinzustand herabgesetzt. Beträchtliche Abmagerung. Von den Brust- 
organen her nichts von Interesse. Bauch weich mit schlaffen Bauchdecken. 
Die Leber hinabgesunken und vergrössert. Obere Grenze im 5. Interstitium, 
untere Grenze in der Mamillarlinie 3,5 cm unterhalb des Brustkorbrandes, in 
der Mittellinie 8 cm unterhalb des Proc. xiphoideus. Leberrand stumpf mit 
einer empfindlichen, gut hühnereigrossen, abgegrenzten, etwas erhabenen Ge¬ 
schwulst auf der rechten Seite. Die Leberoberfläche fühlt sich auch im übrigen 
nicht völlig eben an. Kein Ikterus. Milz nicht palpabel. Im übrigen nichts 
Bemerkenswertes. 6. IV. Wassermann positiv. 

1. IV. Laparoskopie: Einstich mit dünner stumpfer Nadel durch eine 
Falte der Bauchwand, danach Aufblasen und schliesslich Einführung des groben 
Trokars, sowie des Kystoskops. 

Das Peritoneum erweist sich hierbei empfindlicher als gewöhnlich, jedoch 
nicht in solchem Grade, dass Pat. den Eingriff nicht ohne Schwierigkeit ver¬ 
trug. Die Leber kommt sofort in das Gesichtsfeld, da sie sich ziemlich weit 
in die Bauchhöhle hinabbuchtet, vor allem ihr rechter Lappen. Der Rand ist 
überall ziemlich stumpf. Der hinabragende rechte Lappen zeigt eine ziemlich 
normale untere und vordere Oberfläche mit gewöhnlicher Leberfarbe. Auf der 


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oberen vorderen Fläche dagegen sieht man ganz vorn verzweigte, ziemlich 
breite perihepatitische Züge, die weiter aufwärts in eine grauweisse, unebene 
Fläche von ungefähr 10 cm Durchmesser (im Laparoskop geschätzt) übergehen. 
Die Leberfarbe ist hier vollständig verschwunden und deutliche Ausläufer in 
normales Gewebe finden sich nach verschiedenen Richtungen hin. Auf der 
einen Seite grenzt die Geschwulst an die Gallenblase, die nichts Bemerkens¬ 
wertes aufzuweisen scheint, auf der anderen an das Suspensorium hepatis. Auf 
dem linken Leberlappen sieht man an mehreren Stellen kleinere grauweisse 
Züge im Parenchym, sowie auch begrenzte Knoten an der Oberfläche. Nahe 
dem Suspensorium auf dieser Seite findet sich ein oberflächlicher, erhabener, 
grauweisser Belag, von dessen einem Rande aus breite Adhärenzen zum Zwerch¬ 
fell hinziehen. 

Auf den beiden Leberlappen sieht man hier und da Furchen, die den 
Beginn der Bildung eines Hepar lobatum andeuten. 

Das Peritoneum parietale deutlich hyperämisch. 

Nach dem Eingriff keine nennenswerte Beschwerden. 

Epikrise. Diese vereinzelte Beobachtung von Lebersyphilis 
besitzt unstreitig recht grosses Interesse. Durch den Ausfall der 
Wasser mann sehen Reaktion war es bereits entschieden, dass 
es sich um diese Krankheit handelte, und man konnte auf Grund der 
Palpationsbefunde sich eine Vorstellung von den Veränderungen 
bilden. Die Laparoskopie vermittelte jedoch eine detaillierte Kennt¬ 
nis von der Ausbreitung der Veränderungen auf einem Teil der 
Leberoberfläche. Eines scheint mir hierbei von Interesse zu sein. 
Gleichzeitig damit, dass man v floride“ Gummata an einer Stelle 
findet, findet man in der Nähe tiefe Furchen, also Verhältnisse, 
die darauf hindeuten, dass der luetische Prozess nicht gleichzeitig 
überall sich entwickelt hat, sondern dass der gegenwärtigen Eruption 
Gummata vorausgegangen sind, die bereits resorbiert und geschrumpft 
sind und zu dem beginnenden Hepar lobatum Anlass gegeben haben. 

Schliesslich hat dieser Fall einen augenfälligen Unterschied 
im Aussehen gegenüber den bösartigen Geschwülsten auf gewiesen. 
Man findet hier diffuse, baumförmig verzweigte Ausläufer auf der 
Oberfläche von den grösseren Lebergummata aus. 

Bei den Fällen von Leberkrebs, die ich beobachtet habe, sieht 
man breite Züge und Übergänge zu benachbarten Metastasen. In 
diesem und dem vorhergehenden Falle dagegen viele Oberflächen¬ 
veränderungen, perihepatitische Flecke oder Einsenkungen. Bei 
Cancer hepatis hat man Parenchymveränderungen, mit Ausbuch¬ 
tungen oder durch die Leberkapsel hindurchschimmernden Ge¬ 
schwülsten. 

Fall 25. B. H., Feiler, 40 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafimerlazaretts, 
Nr. 165, 1011. 

Nephritis chron. -j- Hepar lobatum Ascites chylosus. 



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63] . über Laparo- und Thorakoskopie. 247 

Vor 20 Jahren zog sich Pat. Lues zu und. wurde unvollständig behandelt. 
Vor 2 Jahren Schmerzen in der Magengrube und Erbrechen. Beträchtliche Ab¬ 
magerung. Pat. wurde deshalb 1 Monat lang im Krankenhaus behandelt. Nach 
der Entlassung arbeitete er 3 Monate. Dann trat Anschwellung der Beine auf, 
Pat. wurde müde und matt, oft Diarrhöe und Erbrechen. Keine Schmerzen. Pat. 
wurde am 27. XII. 1909 wiederum ins Krankenhaus aufgenommen. Hier wurde 
Probelaparotomie gemacht, wobei ein Hepar lobatum, sowie eine Narbe nach 
einem Ulkus angetroffen wurde, die den Magen mit dem Pankreas verlötete. 
Hg-Behandlung. Am 18. III. 1910 wurde Pat. aus dem Krankenhause entlassen. 
Der Harn enthielt 7% 0 Eiweiss. Pat. hielt sich 8 Wochen auf dem Lande 
auf, wobei er sich verhältnismässig wohl fühlte, und arbeitete dann bis März 
1911. Zu dieser Zeit begannen die Beine wiederum anzuschwellen und Pat. 
müde und matt zu. werden. Aufnahme am 21. IV. 1911. 

Befund am 21. IV. 1911. Allgemeinzustand schlecht. Beine geschwollen. 
Aszites, doppelseitiger Hydrothorax. Das Herz zeigt nichts Bemerkenswertes. 
Blutdruck max. 116, min. 78. Leber eben noch am Brustkorbrande palpabel; 
ziemlich fest. Milz nicht nachweisbar vergrössert. Im Harn 11% 0 Eiweiss, 
zahlreiche körnige Zylinder. Wassermann positiv. 

Am 29. IV. Laparozentese mit Entleerung von 11 Liter chylüsem Aszites 
vom spez. Gew. 1,013. Eiweissgehalt l,ö<>o. Der Aszites enthält in reichlicher 
Menge Fett. 

Bei der Laparoskopie findet man die Leber deutlich vergrössert; die Ober¬ 
fläche ist knotig mit ziemlich tiefen Einsenkungen, auf deren Grunde grau- 
weisse Bindegewebszüge zu sehen sind. Die einzelnen Höcker sind rund und 
zeigen gewöhnliche Leberfarbe; keine augenfällige Verdickung der Kapsel. Der 
ganze sichtbare Teil der Leber ist in der eben beschriebenen Weise verändert. 
Gerade gegenüber der Narbe in der Bauch wand finden sich breite Adhärenzen 
an den Därmen und es scheint, als wenn auch der Magen daran interessiert 
wäre. Die Dünndärme sind hyperämisch, mit geschlängelten kleinen Gefässen, 
letzteres stärker ausgeprägt als ich es in irgend einem der vorhergehenden 
Fälle gesehen habe. Das Oment ist sehr blass. Das Peritoneum parietale zeigt 
gleichfalls vermehrte Gefässinjektion. Jedoch muss betont werden, dass die 
Hyperämie mehr durch Stauung als durch Entzündung hervorgerufen zu 
sein scheint. 

Die gewöhnliche Besserung trat nach dem Ablassen des Aszites ein, 
aber bereits am 12. V. wurden wieder 3 Liter Aszites von demselben Aus¬ 
sehen wie vorher entleert; Eiweissgehalt 1,37°/o, spez. Gew. 1,011. 

Nieren und am 27. V. 1911 trat Exitus ein. 

Der Zustand verschlechterte sich wegen der schlechten Funktion der 
Nieren und am 27. V. 1911 trat Exitus ein. 

Bei der Sektion fand man ein Hepar lobatum, ganz entsprechend dem, 
was man bei der Laparoskopie gefunden hatte. Ausserdem fand man hier und 
da auf den Därmen quergehende, perlbandähnliche weisse Stränge, erweiterte 
Chylusgefässe. 

Epikrise. Man fand bei der Laparoskopie in diesem Falle 
ein schönes Hepar lobatum, das allerdings schon zuvor bei einer 
Operation nachgewiesen worden war. Ausserdem wurden einige Ver¬ 
wachsungen zwischen Därmen und einer Narbe in der vorderen 


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Bauch wand konstatiert. Das zweifellos Interessanteste in diesem 
Dalle waren die erweiterten Chylusgefässe. Diese' wurden nicht 
entdeckt, was walirscheinlich darauf beruht, dass ich der # Prüfung 
der Därme nicht genügende Aufmerksamkeit zuwandte. Ich wage 
diese Vermutung, da icli in einem anderen Falle von Ca-rcinosis 
peritonei ganz ähnliche charakteristische weisse, perlbandälinliche 
Stränge wie in diesem Fall gefunden habe. 

Meine Erfalirung betreffs der Laparoskopie bei Lues hepatis 
beschränkt sich auf lediglich 3 Fälle. Praktischen Wert hatte nur 
die Beobachtung im ersten Falle. Es war nämlich nicht klar, ob 
die Lebervergrösserung auf einer Zirrhose auf Alkoholbasis oder 
auf einem luetischen Prozess beruhte. Mit einem gewissen Grade 
von Wahrscheinlichkeit wurde auf Grund des Laparoskopiebefundes 
angenommen, dass die Veränderungen hauptsächlich auf Lues be¬ 
ruhen. 


IV. Fälle von Staunngsleber. 

Fall 20. A. D., 38 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafimerlazanetts, 
Nr. 480, 1911. 

Vit. org. cord. (Stenosis et insuff. valv. mitral, et insuff. valv. aortae) -r- 
Endocard. reecur. -f- Aszites -f- Anasarca -j- Stasis hepatis. 

Vor 4 Jahren Erkältung mit „Stichen“ in der Brust. Pat. wurde oft 
durch Husten belästigt, einigemal hustete Pat. reines Blut aus. Bei ärztlicher 
Untersuchung zeigte es sich, dass sie an Herzfehler litt. Im November 1910 
Herzinkompensation, die sich bei Digitalis besserte. Während 1911 wiederholte 
Inkompensationen. Pat. wurde mit grossen allgemeinen Ödemen am 23. X. ins 
Krankenhaus aufgenommen. 

Befund am 23. X. Allgemeinzustand sehr schlecht. Allgemeine Ödeme. 
Aszites. 

Herz bedeutend vergrössert mit den gewöhnlichen Symptomen der oben 
erwähnten Klappenfehler. Bedeutende Arrhythmie. Schwere subjektive Sym¬ 
ptome. 

Bauch aufget rieben, 110 cm Umfang. Leber vergrössert, reicht bis 2 cm 
unterhalb des Brustkorbrandes. Milz nicht nachweisbar vergrössert. Harn ohne 
Eiweiss und reduz. Substanz. 

Am 24. X. Laparozentese mit Entleerung von 9 Liter serösem Aszites. 

Bei der Laparoskopie findet man die Leber bedeutend vergrössert. Die 
Oberfläche ist leicht uneben mit kleinen Einziehungen und mit deutlichen 
Pulsationen. 

Pat. ertrug ohne Schwierigkeit das Lufteinblasen, das jedoch mit einem 
gewissen Risiko verbunden war, da die Luft natürlich sich in den oberen 
Teilen der Bauchhöhle ansammelte und das Zwerchfell nach oben drückte, was 
möglicherweise eine Erschwerung der Herztätigkeit zur Folge haben konnte. 
Keine Beschwerden nach dem Eingriff. 

Trotz Stimulanticn und Herztonika starb Pat. am 10. XI. 1911. 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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Bei der Sektion erhielt man eine Bestätigung der Laparoskopiediagnose. 
Typische Stauungsleber mit Induration. 

Fall 27. M. K. G, Ehefrau, 57 Jahre. A. F. I. ü., Nr. 200, 1911. 

Vit. org. cordis -(- Tabes dorsalis -j- Aszites. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Vor 5 Jahren Gelenkleiden, wobei 
die meisten Gelenke von der Krankheit befallen wurden. Lues unbekannt. 
Alkoholmissbrauch wird verneint. In den letzten Jahren hat Pat. ein schlechtes 
Herz gehabt; sie hat leicht Atemnot bekommen und oft Schmerzen in der Herz¬ 
gegend gehabt. Sie ist wegen Herzfehlers mehrmals im Krankenhaus behandelt 
worden, hat jedoch nie Aszites gehabt. Im letzten Monat beträchtliche Ver¬ 
schlechterung ; allgemeine Ödeme sind aufgetreten und der Zustand war bei 
der Aufnahme ins Krankenhaus am 24. II. 1911 sehr schlecht. 

Bei Untersuchung findet man eine l>edeutendc Vergrösserung des Herzens, 
hauptsächlich nach links hin (1 cm medianwärts von der vorderen Axillarlinie). 
An der Spitze hört man ein deutliches systolisches Blasen, sowie über der* 
Aorta sowohl ein systolisches als ein diastolisches Blasen. Starke Arrhythmie. 

Bauchumfang 98 cm; die gewöhnlichen Zeichen freier Flüssigkeit. 

Pat. ist über der Leber empfindlich. Die absolute Leberdämpfung reicht 
bis 2 cm unterhalb des Brustkorbrandes. Nichts deutlich zu palpieren. Im 
übrigen fehlen W Pat. Reflexe, Pupillen klein und reaktionslos. 

Am 7. III. Laparozentese. Etwa 4 Liter Aszites wurden entleert. Bei 
der Laparoskopie sah man die Leber etwas vergrössert mit stumpfem Rande. 
Die Oberfläche war unbedeutend kleinhöckerig uneben. Auf der linken Seite 
der Leber sah man 2 schmale Adhärenzen, die den Leberlappen nach dem 
Peritoneum parietale hin emporgehoben hielten. Auf der rechten Seite nahe 
dem Lig. Suspensorium einige vereinzelte Adhärenzen, sowie weiter rechts in 
der Gallenblasengegend zahlreiche Adhärenzen, die von dem Leberrande zur 
Bauchwand hinziehen. Die Wand der Gallenblase erschien verdickt mit Ad¬ 
härenzen nach verschiedenen Richtungen hin. Im übrigen keine Veränderungen. 

Am 21. III. starb Pat. Bei der Sektion fand man mit den oben be¬ 
schriebenen im Detail übereinstimmende Verhältnisse. 

Epikrise. Man war in diesem Falle ungewiss, ob ausser 
dem Herzfehler der Patientin auch Leberzirrhose vorlag. Die 
Laparoskopie teeigte, dass keine Zirrhose vorhanden war. Welches 
die Ursache der Leberveränderungen, speziell der zahlreichen Ad¬ 
härenzen, gewesen ist, lässt sich unmöglich jetzt entscheiden. 
Patientin ist ja sicherlich luetisch infiziert gewesen, Gummata. aber 
oder Einschnürungen an der Leber, die für Leberlues sprächen, 
wurden nicht angetroffen. Dagegen gab Patientin bei der Unter¬ 
suchung auf direktes Befragen an, dass sie vor vielen Jahren heftige 
Schmerzen in der rechten Seite gehabt habe, die vom Arzt als auf 
Gallenstein beruhend aufgefasst wurden. Die ausgebreiteten Ver¬ 
wachsungen um die Gallenblase herum sprechen auch hierfür. 

F a 11 28. 0. H. Th., Arbeiter, 41 Jahre. A. F. I., Nr. 564, 1911. 

Myocarditis chron. Albuminuria -f- Cirrhosis hepatis -f- Hydro- 

thorax bil. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2. 17 


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Anamnese unvollständig. Seit vielen Jahren ziemlich hochgradiger Alkohol¬ 
missbrauch. Keine früheren Krankheiten von Interesse. Vor 2 1 / 2 Monaten 
Atemnot und Anschwellung der Beine, weshalb Pat. im Krankenhaus behandelt 
wurde. Nach der Entlassung arbeitete Pat. 1 Monat lang, musste dann aber 
wegen Atemnot und Anschwellung der Beine aufhören. Pat. wurde am 14. VI. 11 
in A. F. I. ö. aufgenommen. 

Allgemeinzustand schlecht. Dyspnoe; Ödeme des Bauchs und der Beine. 
Herz nach links hin vergrössert, Grenze 1 cm nach aussen von der Mammillar- 
linie, nicht nach rechts hin. Töne unrein; Arrhythmie ziemlich hochgradig; 
über den Lungen hört man zahlreiche Rasselgeräusche und Rhonchi; Dämpfung 
und geschwächtes Atmungsgeräusch über der Basis beider Lungen. Bauch auf¬ 
getrieben mit den gewöhnlichen Zeichen von Aszites. Ganz oben im Epi- 
gastrium palpiert man eine harte Leberresistenz. Im Harn Spuren von Ei- 
weiss: V^/oo- 

Am 26. VI. Laparozentese; 4 Liter Aszites wurden entleert. Bei der 
Laparoskopie erwies sich die Leber als von ziemlich normaler Grösse. Farbe 
dunkelbraun mit kleineren graulichen Flecken auf der Oberfläche. Rand stumpf, 
Oberfläche eben ohne zirrhotische Einziehungen. Gallenblase normal. Nichts 
Abnormes von den übrigen Teilen der Bauchhöhle her. 

Vorübergehende Besserung nach der Entleerung. Dann kehrte der Aszites 
und die übrigen Ödeme wieder zurück, der Allgemeinzustand’ verschlechterte 
sich und Pat. starb am 2. VIII. 1911. 

Bei der Sektion fand man eine hochgradige Myokarditis mit allgemeiner 
Stauung in den Organen. Die Leber war eine Stauungsleber, zeigte aber keine 
Zirrhose. 

Epikrise. Es war in diesem Falle unsicher, ob es sich ledig¬ 
lich um einen unkompensierten Herzfehler oder um einen solchen, 
mit Leberzirrhose kombiniert, handelte. Das Krankheitsbild lieferte 
für keines von beiden einen entscheidenden Beweis. Die Laparo¬ 
skopie sprach für Stauung ohne Zirrhose, was auch durch die 
Sektion bestätigt wurde. 

Fall 29. W. B., Ehefrau, 76 Jahre. A. F. I., Nr. 1068, 1910. 

Myocarditis chron. -f- Stasis hepatis. 

Seit mehreren Jahren leidet Pat. an Herzfehler (Myokarditis), der in 
letzterer Zeit Zeichen von Inkompensation aufgewiesen hat. 

Pat. wurde am 15. X. in schlechtem Zustande mit bedeutender Atemnot 
aufgenommen. Bei Untersuchung des Herzens bedeutende Vergrösserung bis hin 
zur Axillarlinie. Dumpfe Töne mit bedeutender Arrhythmie. Periphere Arterio¬ 
sklerose. Keine Ödeme. Kein Aszites. Leber 3—4 Finger breit unterhalb des 
Brustkorbrandes palpabel, empfindlich. Spuren von Eiweiss im Harn. 

Am 18. X. Laparoskopie. Die Leber mit stumpfem Rande, etwas pul¬ 
sierend, uneben; die Oberfläche mit Zeichnung, ähnlich einer Stauungsleber. 
Sonst nichts von Interesse. 

Pat. starb nach 14 Tagen. Bei der Sektion konnte man die Richtigkeit 
der Laparoskopiediagnose konstatieren. 


Die oben relatierten 4 Fälle von Stauungsleber besitzen an 
sich ein verhältnismässig unbedeutendes Interesse. In 2 derselben 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


251 


war man unsicher, ob nicht gleichzeitig Leberzirrhose vorlag. Die 
Laparoskopie zeigte, dass, den oberflächlichen Veränderungen nach 
zu urteilen, keine Zirrhose vorhanden war. Von Interesse ist da¬ 
gegen, dass in sämtlichen 4 Fällen die darauffolgende Sektion im 
einzelnen die Angaben bestätigt hat, die man bei der Laparoskopie 
erhalten hatte. 

In einem Falle (Nr. 27) kamen zahlreiche Adhärenzen in der 
Gallenblasengegend vor, und auf näheres Befragen berichtete die 
Patientin, dass sie vor vielen Jahren Schmerzen in der rechten 
Seite des Bauches gehabt hatte, die damals als Gallensteinleiden 
gedeutet worden waren. 

V. Fälle von Tuberculosis peritonei. 

F a 11 30. K. A. N. M., Konditoreilehrling, 16 Jahre. Mediz. Klinik I 
des Serafimerlazaretts, Nr. 455, 1910. 

Tuberculosis peritonei. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Im allgemeinen ist Pat. ge¬ 
sund gewesen, nur hat er oft an schlechter Verdauung gelitten. 

Die jetzige Krankheit begann in den ersten Tagen des November 1910 
nach einer Erkältung. Der Stuhlgang wurde träge und der Bauch gespannt 
und aufgetrieben, dann und wann Bauchgrimmen. Pat. fühlte sich matt und 
kraftlos. Er wurde in die mediz. Abteilung am 26. XI. 1910 angenommen.; 

Befund am 26. XI.: Allgemeinzustand ziemlich gut. Pat. ist schmächtig 
gebaut, mit blasser Gesichtsfarbe. Temperatur wechselnd, bisweilen 38° oder 
mehr, bisweilen subnormale Temperatur. 

Der Bauch ist immer noch aufgetrieben, etwas gespannt, nirgends empfind¬ 
lich. Umfang 77 cm in der Nabelebene. In den lateralen Teilen unbedeutende 
Dämpfung, die sich bei verschiedenen Lagen ändert. Schwacher Wellenschlag. 
Keine Vergrösserung innerer Organe nachweisbar. 

Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. Ophthalmoreaktion 
pos. Kein Eiweiss im Harn. 

Am 30. XI. Laparozentese und Laparoskopie. Entleerung von 1250 ccm 
sämiger, grüngelber, opaleszierender Flüssigkeit, enthaltend 6°/o Eiweiss, ver¬ 
einzelte Endothelzellen und Blutkörperchen. 

Die Laparoskopie ergab folgendes Resultat: Auf dem Peritoneum parietale 
grosse, ausgebreitete, unregelmässige Flecke von hellerer Farbe teils oben, 
teils unten in der Bauchhöhle. Rechts oben entdeckte man eine grössere 
Infiltration desselben gefässarmen, blassen Gewebes. An derselben sind einige 
Darmschlingen mit breiten Adhärenzen fixiert. Weiter links sieht man eine 
lange, fadenförmige, weisse Fibrinadhärenz von einem weissen erhabenen Fleck 
der eben erwähnten Art auf dem Peritoneum parietale nach einer Darmschlinge 
hinziehen. Im unteren Teile der Bauchhöhle mehrere Verwachsungen. Alle 
Dünndärme zeigen lebhafte Peristaltik und sind diffus hyperämisch. Hier und 
da trifft man vereinzelte linsen- bis erbsengrosse Knoten auf der Darmserosa an. 

Während der folgenden Zeit blieb der Zustand des Pat. unverändert. 
Der Allgemeinzustand war ziemlich befriedigend, abgesehen davon, dass die 
Verstopfung hartnäckig bestehen blieb. Das Gewicht hielt sich gleichfalls auf 

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derselben Höhe. Der Bauch nahm auf ungefähr denselben Umfang wie vorher 
zu (76 cm). Dämpfung stellte sich wieder in der linken Seite ein mit An¬ 
deutung von Wellenschlag. 

Am 22. XII. erneute Laparozentcse mit Entleerung von etwa 1200 ccm 
Aszites, sowie Laparoskopie. 

Bei der Untersuchung zeigten sich jetzt die Veränderungen weiter vor¬ 
geschritten; auf dem Peritoneum parietale war das normale Aussehen über 
den grösseren Teil hin verschwunden. Deutliche erhöhte, hellere Knötchen mit 
breiten Zügen traten überall hervor; ferner war eine allgemeine Hyperämie 
des Peritoneums zu konstatieren. Die Darmschlingen waren in bedeutend 
höherem Grade hyperämisch und rauh als das vorige Mal. Die Knoten auf den¬ 
selben und die Verwachsungen waren gleichfalls zahlreicher. Der Gesamt¬ 
eindruck war daher, dass der Zustand sich verschlechtert hatte. Die sicht¬ 
baren Darmschlingen zeigten ziemlich lebhafte Peristaltik. 

Während des folgenden Monats blieb der Zustand des Pat. auf demselben 
Punkte stehen. Der Aszites verschwand, weshalb meines Erachtens ein weiterer 
Eingriff mit zu grossem Risiko verbunden gewesen wäre. Erst nach einigen 
weiteren Monaten begann der Allgemeinzustand sich zu bessern, und gegen¬ 
wärtig ist Pat. auf und symptomenfrei. 

Epikrise. Mehrere Umstände sind in diesem Fall von Inter¬ 
esse. Patient zeigte bei der Aufnahme das Bild einer Tuberculosis 
peritonei, bei der jedoch die klinischen Symptome ziemlich leicht 
waren: eine lästige Verstopfung sowie Zeichen einer unbedeutenden 
Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle. 

Bei der ersten Untersuchung erhielt man eine Bestätigung der 
zuvor nur wahrscheinlichen Diagnose; typische Knoten sah man 
auf der Darmserosa, ferner erhielt man den Eindruck, dass der 
Prozess ziemlich ausgebreitet war in Form von zerstreuten Herden 
hier und da in der Bauchhöhle sowie vereinzelter Verwachsungen 
zwischen den Därmen. 

Während des folgenden Monats lässt sich klinisch keine Ver¬ 
änderung im Zustande des Patienten nach weisen, weder zum Besseren 
noch zum Schlechteren. Bei einer darauf vorgenommenen Unter¬ 
suchung zeigte es sich, dass der Prozess sichtlich weiter vorge- 
scliritten war. Leider war es unmöglich, die Untersuchung zu wieder¬ 
holen, da der Aszites des Patienten verschwand und der Zustand 
sich besserte. 

Fall 31. A. R., Arbeiter, 34 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafi,mer- 
lazaretts, Nr. 529, 1910. 

Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen. Im Alter von 22 Jahren hatte 
er Lungenentzündung und vor einem Jahre einen kurzdauernden Luftröhren¬ 
katarrh. 

Die gegenwärtige Krankheit begann vor ungefähr 6 Wochen mit diffusen 
Schmerzen im Bauche. Der Stuhlgang wurde träge, kein Appetit. Kein Er¬ 
brechen. Pat. hörte vor 3 Wochen zu arbeiten auf. Bedeutende Abmagerung. 
Mattigkeit. Pat. wurde in die mediz. Klinik am 14. XI. 1911 aufgenommen. 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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Allgemeinzustand ziemlich schlecht. Fieber 38,5°—39°. Pat. ist mager, 
geringe Lymphadenitis in den Leisten. 

Bauch aufgetrieben mit deutlichen Zeichen von Aszites, doch keine Ge¬ 
schwülste palpabel. Unbedeutende Empfindlichkeit bei Palpation. Starke Oph¬ 
thalmoreaktion. Nichts Abnormes von den Brustorganen her. 

Am 5. I. 1911 Laparozentese. 2000 ccm Aszites von grünlich fluores¬ 
zierender Farbe. 

Laparoskopie: Überall auf dem Peritoneum parietale Knoten und Uneben¬ 
heiten. Wenn man das Kystoskop nahe an das Peritoneum hält, treten die 
Knoten mit grauweissem bis gelblichem Zentrum, sowie gruppenweise an¬ 
geordnet hervor. Das ganze Peritoneum parietale ist beträchtlich verändert, 
entzündet, mit zahlreichen Knoten. An gewissen Stellen sind benachbarte 
Dünndärme durch breite fibrinöse quergehende Bänder miteinander verwachsen 
(Taf. III, Fig. 5); Peristaltik gering. An anderen Stellen ziehen schmale Bänder 
vom Peritoneum parietale zu dem Oment (Taf. II, Fig. 4), welches hier und da 
unregelmässige Geschwülste bildet. 

Nach der Laparoskopie liess ich die Luft in der Bauchhöhle verbleiben. 

An den folgenden Tagen war keine deutliche Veränderung zu beobachten. 
Der Zustand des Pat. war andauernd so schlecht, dass man jeden Tag den 
Tod erwarten konnte. 

Nach einer Woche hatte sich wieder etwas Exsudat gebildet, weshalb 
eine neue Entleerung und Untersuchung stattfand. Im grossen und ganzen 
waren die Veränderungen dieselben, ausgenommen dass die Hyperämie um die 
tuberkulösen Knoten herum deutlich geringer war als das erste Mal. Man 
hatte den Eindruck, dass der Prozess im Rückgang begriffen war. 

Auch diesmal liess ich die Luft in der Bauchhöhle zurück. Während 
der folgenden Wochen konnte man auch eine wenigstens vorübergehende 
Besserung im Zustande des Pat. konstatieren mit Abnahme des Fiebers und 
etwas gehobenem Allgemeinzustand. Nach 14 Tagen (22. XI.} verliess Pat. 
das Krankenhaus und hat seitdem nichts mehr von sich hören lassen. 

Epikrise. Die Laparoskopie hat in diesem Palle die Richtig¬ 
keit der Diagnose bestätigt und auch einigermassen gezeigt, welche 
Ausbreitung der tuberkulöse Prozess hat. Ausserdem gewährt sie 
in gewissem Grade Aufschlüsse über die Einwirkung der Behand¬ 
lung. Hier wurde Lufteinblasen in die Bauchhöhle angewendet. 
Über die Wirkung derselben kann man sich noch nicht aussprechen, 
sie scheint gber doch darauf hinzudeuten, dass die alte Auffassung 
voii der günstigen Einwirkung der Luft auf die tuberkulöse Peri¬ 
tonitis richtig ist. 

Fall 32. S. A. L., 39jährige Frau. A. F. I., Nr. 269, 1911. 

Peritonitis tbc. -f- Tuberculosis pulmonum. 

Anamnese unvollständig. Pat. ist im allgemeinen kränklich gewesen. 
Sie ist in diesem Krankenhaus 1904 wegen Hysterie, sowie 1906 wegen Anämie 
behandelt worden. Weihnachten 1910 begann Pat. müde und matt zu werden, 
verlor den Appetit und hatte oft Diarrhöe. Sie wurde daher am 25. II. 1911 
in A. F. I. aufgenommen. 


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Allgemeinzustand ziemlich herabgesetzt. Fieber ungefähr 38°. Bei Unter¬ 
suchung der geringen Organe findet man geringe Dämpfung über der rechten 
Spitze, sonst normale Verhältnisse. Bauch massig aufgetrieben; keine Zeichen 
von Aszites. 

Pat. wurde zuerst mit Fe und As behandelt, ohne dass Besserung eintrat. 
Am 16. III. wurde sie wegen infizierter Lymphdrüsen in der rechten Achsel¬ 
höhle operiert. Ungefähr am 10. IV. beginnt Pat. über diffuse Schmerzen im 
ganzen Bauche zu klagen, welch letzterer etwas aufgetrieben ist. Nirgends 
eine abnorme Resistenz. 

Bei Untersuchung am 3. V. findet man deutlich aufgetriebenen Bauch mit 
Dämpfung in den Flanken, sowie undeutlichem Wellenschlag. 

Am 12. V. Laparozentese, wobei 1100 ccm Aszites entleert wurden. Bei 
der Laparoskopie sah man zahlreiche, gruppenweise angeordnete tuberkulöse 
Knoten auf den Dünndärmen. Keine Verlötungen zwischen den Därmen. Auf 
benachbarten Teilen des Oments kommen gleichfalls zahlreiche Knoten vor, 
während man auf dem Peritoneum parietale keine finden konnte. Einen be¬ 
stimmten Eindruck von der Ausbreitung des Prozesses erhielt man nicht, 
weil die Lampe mitten während der Untersuchung erlosch. 

Die Luft wurde nach dem Eingriff in der Bauchhöhle belassen und 
während der nächsten Zeit konnte man eine wenigstens subjektive Besserung 
konstatieren. Der Aszites der Pat. kehrte nicht zurück, und da die ursprüng¬ 
lich eingeführte Luft resorbiert wurde, war es später nicht mehr möglich, eine 
neue Laparoskopie auszuführen. Der Zustand verschlechterte sich in der 
folgenden Zeit immer mehr und am 20. I. 1912 starb Pat. cachectio modo. 

Bei der Sektion fand man eine ausgebildete Tuberculosis peritonei, sowie 
ausserdem Tuberkulose in Dünndärmen und Lungen. 

Fall 33. M. E., Plätterin, 26 Jahre. Mediz. Klinik II des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 450, 1911. 

Tuberculosis peritonei et pulmonum. 

In hereditärer Hinsicht nichts von Interesse. Pat. ist als Kind stets 
gesund gewesen. Im Alter von 16 Jahren exsudative Pleuritis. Gleichzeitig 
hatte Pat. an den Unterschenkeln Erythema nodosum. Nach 8 Tagen war Pat. 
wiederhergestellt. Hygienische Verhältnisse gut. 

Die jetzige Krankheit begann erst vor ungefähr 14 Tagen, indem Cbel- 
•keit und Kopfschmerzen, sowie Schmerzen im Bauche unmittelbar nach dem 
Essen auftraten. Keine Empfindlichkeit; auch kein Erbrechen. Gleichzeitig 
begann der Bauch anzuschwellen. Leichtes Fiebergefühl. Keine Verdauungs¬ 
störungen. Pat. wurde am 24. VII. 1911 ins Krankenhaus aufgenommen. 

Allgemeinzustand gut. Keine Abmagerung. Fieber abends 39°. Bei Unter¬ 
suchung der Brustorgane findet man keine Veränderungen. Der Bauch ist stark 
aufgetrieben, Umfang 88 cm. Nirgends Empfindlichkeit. Keine nachweisbare 
Vergrösserung von Leber oder Milz. Die gewöhnlichen Zeichen von Aszites 
vorhanden. 

Am 25. VII. Laparozentese mit Entleerung von 7 Liter seröser, grün- 
schillerndem Aszites. Eiweissgehalt 4,2o/o. Zahlreiche Lymphozyten im Sedi¬ 
ment. Bei der Laparoskopie sieht man sogleich eine intensive Injektion auf 
dem Peritoneum parietale, und hier und da erblickt man zerstreute grauweisse 
Knoten, umgehen von einer hyperäinischen Zone. Alle Dünndärme sind zu 
einer zusammenhängenden Masse verwachsen. Die einzelnen Darmschlingen 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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mit breiten, gallertigen Membranen aneinander befestigt. Deutliche Peristaltik 
indessen vorhanden. Auf den Darmschlingen selbst findet man zahlreiche 
grauweisse Knoten. In der ganzen Bauchhöhle sieht man derartige Verände¬ 
rungen bis hinauf auf der Leber, die im übrigen nicht verändert zu sein scheint. 

Nach der Laparoskopie liess ich die Luft in der Bauchhöhle verbleiben 
und füllte alle 3 Tage während 2 Wochen je l j 2 Liter Luft nach. Der All¬ 
gemeinzustand besserte sich etwas. In der Bauchhöhle konnte man kein neues 
Exsudat nachweisen. 

Am 5. VIII. bekam Pat. Stiche in der linken Seite, und bei Untersuchung 
der Brustorgane findet man Zeichen eines kleineren Exsudats in dieser Seite. 
Auch hörte man vereinzelte harte Rasselgeräusche über der Mittelpartie der 
genannten Lunge. Nach einer Woche waren diese Symptome zurückgegangen. 
Auf der Röntgenphotographie sah man vereinzelte fleckige Verdichtungen. 

Der Allgemeinzustand der Pat. besserte sich jedoch rasch. Nach einer 
Woche wurde Pat. fieberfrei. Keine Neubildung von Aszites. Am 5. X. wurde 
Pat. entlassen, nachdem sie 8 kg an Gewicht zugenommen hatte. An den Lungen 
hörte man auf der linken Hinterseite vereinzelte harte Rasselgeräusche; vom 
Bauch her waren keine Veränderungen nachzuweisen. 

F a 11 34. J. J., Laufbursche, 14 Jahre. Mediz. Klinik V des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 207, 1911. 

Tuberculosis peritonei -f- Pleuritis exsudativa dx. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Als Kind gesund, abgesehen 
von den gewöhnlichen Kinderkrankheiten. Hygienische Verhältnisse gut. 

Im Juni 1911 begann Pat. sich schwach und matt zu fühlen, er bekam 
Schüttelfrost und Schmerzen im linken Arm, dann auch Stiche in der linken 
Seite der Brust. Das Fieber stieg auf 41°. Pat. lag 3 Wochen lang zu Bett. 
Seit dieser Zeit hat sich Pat. nicht mehr völlig gesund gefühlt. 14 Tage vor 
der Aufnahme bemerkte die Mutter, dass der Bauch des Pat. beträchtlich auf- 
getrieben war und dass er an den folgenden Tagen noch an Umfang zunahm. 
Mattigkeit und Schüttelfrost traten hinzu. Keine nennenswerten Verdauungs¬ 
störungen. Träger Stuhlgang. 

Pat. wurde am 12. IX. 1911 ins Krankenhaus aufgenommen. 

Allgemeinzustand ziemlich gut. Fettpolster etwas reduziert. Temperatur 
38°—39°. 

Bei Untersuchung der inneren Organe findet man bei den Lungen normale 
Verhältnisse mit Ausnahme der unteren hinteren Teile der rechten Lunge, wo 
Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch erhalten wird. Nirgends Rassel¬ 
geräusche. Über dem Herzen hört man ein schwaches systolisches Blasen; ge¬ 
ringe Vergrösserung des Herzens nach links hin. % 

Der Bauch ist stark aufgetrieben, Umfang 79 cm, mit deutlichen Zeichen 
von Aszites und ohne nachweisbare Vergrösserung der Bauchorgane. Harn 
normal. Diazoreaktion pos. 

Am 14. IX. Laparozentese. 3250 ccm seröser grünschillernder Aszites 
wurde abgelassen; spez. Gew. 1,021, Eiweissgehalt 7o/o. Im Sediment haupt¬ 
sächlich Lymphozyten und rote Blutkörperchen. Runebergs und R i v a 11 a s 
Proben positiv. Keine Tuberkelbazillen gefunden. 

Bei der Laparoskopie waren die Därme stark hyperämisch mit zahlreichen 
kleinen grauweissen Knoten von dem bei Tuberkulose gewöhnlichen Aussehen. 
Das Oment ist stark infiltriert, mit grauweissen Knoten auf der Oberfläche. 


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Ganz rechts ist es mit der vorderen Bauchwand verwachsen. Peritoneum 
parietale gleichfalls stark injiziert, mit Knötchen auf der Oberfläche, die 
jedoch nicht sicher Tuberkelknötchen zu sein schienen. Auch hier wurde die 
Luft in der Bauchhöhle zurückgelassen. Pat. wurde mit Aspirin 1X4 vom 
13. IX.—18. IX. behandelt. Am 23. IX. wurden 600 ccm schwach mit Blut 
vermischtes Exsudat aus der rechten Pleura abgelassen; spez. Gew. 1,022, 
Ei weissgeh alt. 7 o/o. Im Sediment hauptsächlich Lymphozyten. 

Thorakoskopie. Die Beweglichkeit des Kystoskops ist wegen der empor¬ 
geschobenen Lage des Zwerchfells in hohem Grade beschränkt. Die Pleura 
parietalis ist hyperämisch ohne deutliche Fibrinbeläge. Zahlreiche grauweisse 
etwas erhobene Flecke, die an gewissen Stellen vereinzelt liegen, an anderen 
dagegen miteinander konfluieren (Fig. 14). Die Lunge ist nicht sichtbar. Von 
dem Zwerchfell erhielt man kein klares Bild. 

Während der folgenden Tage hielt sich der Zustand ziemlich stationär. 
Am 28. IX. erhielt Pat. Emulsio Morrhuae 1X3. Anfangs verschlechterte sich 
der Zustand unter Zunahme des Aszites, ganz plötzlich aber geschah ein Um¬ 
schlag mit rascher Besserung. Pat. wurde am 13. XI. als gebessert entlassen. 

Bei der Entlassung war keine freie Flüssigkeit in der Bauchhöhle nach- 
zuweisen, und von den Brustorganen her war nur eine leichte Dämpfung 
ganz unten auf der rechten Lunge zu verzeichnen. Diazoreaktion beim Harn 
negativ. 

E p i k r i s e.* Auch in diesem Falle war es in hohem Grade wahr¬ 
scheinlich, dass eine Tuberculosis peritonei vorlag. Zwar bestand 
ein leichter Herzfehler (Mitralisinsuffiziens), ein Gedanke an z. B. 
Pick sehe Krankheit oder Stauungsaszites konnte nicht ernstlich 
in Frage kommen. Man hatte in diesem Falle eine grosse Ausbreitung 
des tuberkulösen Prozesses sowohl im Peritoneum als in der Pleura 
und dennoch auffallend rasche Heilung. 

Fall 35. A. J., Ehefrau, 26 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 113, 1912. 

Eines von den Geschwistern der Pat. leidet an Knochentuberkulose. 

Pat. ist bis zur gegenwärtigen Krankheit stets gesund gewesen. Kurz vor 
Weihnachten 1911 begann Pat. Schmerzen und Unbehagen im Leibe zu fühlen. 
Sie vertrug jedoch alles Essen gut mit Ausnahme von Kaffee und fetten Speisen. 
Der Bauch begann anzuschwellen. Schlechter Appetit und Abmagerung traten 
hinzu. Aufnahme ins Krankenhaus am 16. II. 1912. 

Befund bei der Aufnahme: Allgemeinzustand gut. Fettpolster und Musku¬ 
latur etwas reduziert. Von Brustorganen her nichts Bemerkenswertes. Bauch 
stark aufgetrieben, Umfang 84 cm. Wellenschlag. 

Am 17. II. Laparozentese mit Entleerung von 2600 ccm grünlichem 
Aszites: spez. Gew. 1,021, Eiweissgehalt 5°/o. 

Bei der Laparoskopie sieht man eine intensive Hyperämie auf dem Peri¬ 
toneum parietale mit ziemlich zahlreichen Fibrinadhärenzen. In dem oberen 
Teile der Bauchhöhle hat man ausgebreitete Verwachsungen zwischen Viszera 
und vorderer Rauchwand, was zur Folge hat, dass man die Leber nicht sehen 
kann. Zahlreiche Tuberkelknötchen auf Därmen und Peritoneum parietale. 



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73] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


257 


Die Luft wurde in der Bauchhöhle belassen, Nachfüllungen aber nicht 
vorgenommen. Der Zustand hat sich während des Aufenthaltes im Kranken¬ 
hause rasch gebessert. 

Bei diesen 6 Fällen von Tuberculosis peritonei hat die Laparo¬ 
skopie nicht sonderlich viel Neues in diagnostischer Hinsicht zutage 
gefördert. In sämtlichen Fällen lag die Diagnose Tuberculosis peri¬ 
tonei am nächsten, wenn sie vielleicht auch nicht immer völlig 
sicher gewesen ist. Durch die Laparoskopie hat sie in allen 
Fällen eine weitere Sicherstellung erfahren, indem deutliche tuberkel¬ 
ähnliche Knötchen in sämtlichen Fällen beobachtet worden sind. 

Bezüglich der Ausbreitung der oberflächlichen Veränderungen 
vermag man auf diesem Wege gleichfalls zu einer Vorstellung zu 
gelangen. Aus dem laparoskopischen Bilde einen Schluss zu ziehen, 
wie die tuberkulöse Affektion in ihrer Gesamtheit sich verhält, ist 
natürlich nur in gewissem Grade angängig. Besonders wenn man 
eine grosse Ausbreitung von tuberkulösen Knoten und Verwach¬ 
sungen findet, muss man dies als ein weniger günstiges Zeichen 
betrachten. Das gleiche gilt für die Besserungen oder Verschlech¬ 
terungen, die man von der einen zur anderen Laparoskopie beob¬ 
achten kann und die mit grösster Vorsicht beurteilt werden müssen. 

In technischer Hinsicht ist der Eingriff ziemlich leicht. Es 
ist gewöhnlich durchaus nicht schwer, isolierte oder gruppenweise 
angeordnete Knoten oder Fibrinadhärenzen zu finden, die, allem 
nach zu urteilen, Tuberkelknoten sind. Dagegen glaube ich, dass 
man ziemlich vorsichtig bei der Einführung des Trokars sein muss. 
Gerade bei Tuberculosis peritonei finden sich oft Verlötungen 
zwischen Darm und Bauchwand. Ich sehe daher bei dieser Krank¬ 
heit mit grösster Sorgfalt zu, dass ich den Eingriff nur dort mache, 
wo ich Dämpfung finde, und wo dieselbe sich auch bei Lagever¬ 
änderungen verschiebt. 

Ich habe in diesen Fällen bei meinen Laparoskopien die Luft 
in der Bauchhöhle zurückgelassen, um ihre therapeutische Einwir¬ 
kung zu untersuchen. Nach der Ansicht älterer Chirurgen soll eben 
der Luftzutritt zum Peritoneum einen günstigen Einfluss auf die 
Heilung ausüben. In allen meinen Fällen bis auf einen ist die Ver¬ 
besserung rasch vor sich gegangen, so dass jedenfalls wohl eine 
schädliche Einwirkung des Luftzutritts ausgeschlossen werden kann. 
Ob die Patienten einen wirklichen Nutzen davon gehabt haben, 
wage ich in Anbetracht des geringen Umfanges meines Materials 
nicht zu entscheiden. 


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H. C. Jacobaeus. 


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IV. Cancer ventriculi et hepatis. 

Fall 36. S. V. F., Arbeiter, 49 Jahre. A. F. I., Nr. 802, 1910. 

Cancer ventriculi et hepatis. 

Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen. Erst seit 3 Monaten Symptome 
von den Bauchorganen her. Pat. hat eine zunehmende Anschwellung des 
Bauches bemerkt mit Gefühl der Spannung und etwas Schmerzen. Kein Er¬ 
brechen, kein Ikterus. 

Befund am 5. VIII. 1910: Allgemeinzustand schlecht. Kachexie. 

Bauch beträchtlich aufgetrieben mit grossen hervortretenden Venen. 
Schmerzen im Bauche. Leber vergrössert bis ungefähr zur Nabelebene in der 
Mammillarlinie. Aszites. 

Im Harn, dessen Tagesmenge etwa 300—500 ccm beträgt, Spuren von 
Eiweiss mit zahlreichen Zylindern. 

Am 10. VIII. Laparozentese mit Entleerung von 3 Liter opaleszierender 
gelber Flüssigkeit mit einem Eiweissgehalt von 1,6o/o. 

Bei der Laparoskopie zeigte sich das Peritoneum normal. Leber mit 
scharfem Rande, normale Farbe, Zeichnung undeutlich. Auf der Oberfläche 
der Leber oft zusammenfliessende, zugleich aber wohlbegrenzte, oft schwach 
erhabene Flecke. An anderen Stellen konnte man derartige Bildungen unter 
einer dünnen Schicht des Parenchyms liegen sehen. Gefässreichtum gross. 
Sowohl auf der Ober- als auf der Unterseite der Leber fanden sich diese 
Bildungen. Die Gallenblase sah man deutlich als eine runde, weisse, hühnerei- 
ähnliche Bildung am vorderen Leberrande. Der Magen war nicht mit Sicher¬ 
heit zu erkennen. 

Pat. starb am 18. VIII. Bei der Sektion fand man eine bedeutend ver- 
grösserte Leber (3—4 kg) mit zahlreichen grauweissen Knoten, auf diesen 
typische Krebsnabel. Sie waren gefässreich und einige ganz unter der Ober¬ 
fläche, doch aber durch das Parenchym hindurchschimmemd, wie oben be¬ 
schrieben. Die Gallenblase lag bei Eröffnung der Bauchhöhle genau wie oben 
angegeben. Der Magen erwies sich als unter die Leber emporgezogen und 
mit der vorderen Fläche an derselben fixiert. Hier sass die Ursprungsgeschwulst, 
die eine kaum kinderhandgrosse, teilweise ulzerierende Infiltration am Magen 
bildete. 

Fall 37. II. K. O., 43 jähriger Mann. A. F. I., Nr. 705, 1910. 

Cancer ventriculi et hepatis. 

Seit ungefähr einem Jahre leichte Verdauungsbeschwerden, die jedoch vor 
3 Monaten in hohem Grade zugenommen haben. Starke Abmagerung. In der 
letzten Zeit Empfindlichkeit und Schmerzen nach dem Essen und später 
Erbrechen. 

Befund am 20. VII. Allgemeinzustand sehr herabgesetzt, Pat. fast in 
Agonie. Beträchtliche Kachexie, sowie intensiver Ikterus. Von den Zirku- 
lations- und Atmungsorganen her nichts von Interesse. Der Bauch eingesunken 
ausser über der Lebergegend, die deutlich vorgewölbt ist. Dieselbe hat die 
Form der Leber und erscheint in geringem Grade uneben. Deutliche Geschwülste 
nicht palpabel. Keine Empfindlichkeit. Kein Aszites. Der Ham enthält Spuren 
von Eiweiss nebst Gallenfarbstoffcn. 

Am 2G. VII. Laparoskopie. Leberoberfläche bunt mit grossen runden, 
wcissen, etwas erhabenen Flecken, die ohne Schwierigkeit als Krebsgeschwülste 



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75] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


259 


zu erkennen sind. Leberzeichnung im übrigen normal. Peritoneum normal. 
Nach der Laparoskopie lag Pat. in dem gleichen halb verwirrten Zustande 
wie vorher und starb dann 2 Tage später am 28. VII. 

Bei der Sektion fand man eine bedeutend vergrösserte Leber mit Zahl¬ 
reichen Metastasen von ganz demselben Aussehen wie im Laparoskop. Peri¬ 
toneum normal. Am Magen an seiner Curvatura minor eine ungefähr zweimark¬ 
stückgrosse, 1 cm dicke krebsige Infiltration. In der Bauchhöhle dagegen traf 
man eine grosse Blutung an, 1 / 2 —1 Liter Blut, und bei näherer Untersuchung 
der Einmündungsstelle des Trokars in die Bauchhöhle findet man diese weit 
offen und mit Blutgerinnsel ausgefüllt. Eine Ursache für die Blutung war nicht 
nachzuweisen. Die Viszera zeigte keine Verletzung. 

E p i k r i s e. In diesem Falle, wo die Diagnose Cancer ventricnli 
et hepatis schon zuvor sicher war, wurden die Leberveränderungen 
durch die Laparoskopie und später auch durch die Sektion bestätigt. 

Letztere zeigte, dass der Eingriff hier eine ziemlich schwere 
Komplikation hervorgerufen hatte, die wenigstens wahrscheinlich 
den Tod beschleunigte, nämlich die nicht unbedeutende Blutung 
in der Bauchhöhle. Sie rührt so gut wie sicher von der Wunde in 
der Bauchwand her. Das Risiko in dieser Beziehung ist ja dasselbe 
wie bei gewöhnlichen Aszitesentleerungen. In diesem besonderen 
Falle hat sicherlich der fast agonale Zustand des Patienten eine 
Rolle gespielt, indem die Gewebe nicht dieselbe Elastizität hatten 
wie unter normalen Verhältnissen. Dazu kommt, dass Patient einen 
sehr hochgradigen Ikterus hatte. Die klinische Erfahrung lehrt, wie 
leicht ikterische Patienten bluten. Die Blutung hätte leicht ver¬ 
mieden werden können, wenn, während die Luft noch in der Bauch¬ 
höhle ist, in die Bauchwand eine oder mehrere tiefe Nähte durch 
die Muskulatur gelegt worden waren. Solange die Luft noch in der 
Bauchhöhle ist, ist ja die Gefahr, einen Darm zu verletzen, minimal. 
Nach Ablassen der Luft kann man leicht die Nähte anziehen und 
so mit grosser Wahrscheinlichkeit eine Nachblutung verhindern. 

F a 11 38. 0. E. B., Marqueur, 58 Jahre. Mediz. Klm. V des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 251, 1910. 

Cancer ventriculi -f- Metastases hepatis -f- Cirrhosis hepatis. 

In hereditärer Hinsicht nichts von Interesse. Pat. im allgemeinen gesund 
gewesen. Lues wird verneint. Alkoholmissbrauch seit dem Alter von 20 Jahren. 

Die jetzige Krankheit begann im Herbst 1910. Der Bauch begann anzu¬ 
schwellen und wurde druckempfindlich, besonders auf der rechten Seite. Appetit 
schlecht. Abmagerung. 

Befund am 15. XI. 1910. Allgemeinzustand ziemlich schlecht. Keine 
deutliche Kachexie. Keine Anämie. 

Herz mit akzentuiertem 2. Aortaton und Pulsationen im Jugulum. Rigide 
Radialarterien. Wassermann negativ. 

In der Fossa supraclavicularis eine vergrösserte und harte Lymphdrüse. 
Bauch aufgetrieben. Umfang 95 cm in der Nabelebene. Hautvenen erweitert, 


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260 H. C. Jacobaeus. [76 

deutliche Zeichen von Aszites. Leber vergrössert, unterer Rand in der Mam- 
millarlinie 7 cm unterhalb des Brustkorbrandes. Konsistenz fest, Oberfläche 
grobknotig, Rand uneben. Milz nicht palpabel. Harn eiweissfrei. 

Am 15. XI. Laparozentese. Entleerung von etwa 4 Liter Aszites. Bei 
Laparoskopie sieht man die Leber bedeutend vergrössert, mit stumpfem Rande. 
Rechts ist die Oberfläche mehr unregelmässig mit höckeriger Oberfläche, einer 
Laenncc sehen Zirrhose ähnelnd. Links sieht man grosse helle, erhabene 
Flecke, zweifellos Krebsmetastasen. Das Peritoneum mit deutlich vermehrtem 
Gefässreichturn. 

Am 2. XII. starb Pat. Die Sektion bestätigte, was man bei der Laparo¬ 
skopie gefunden hatte: ein Leberkrebs (primärer), kombiniert mit einer typischen 
Laennec sehen Zirrhose. 

Fall 39. A. E. J., Arbeiter, 65 Jahre. A. F. I., Nr. 1199, 1910. 

Cancer ventrieuli et hepatis. 

Seit ungefähr 1 Jahr hat Pat. Magensymptome gehabt, obwohl keine 
schweren; kein Erbrechen, dagegen Appetitlosigkeit und bedeutende Abmagerung. 

Befund bei der Aufnahme am 16. XI. 1910. Allgemeinzustand schlecht. 
Kachexie. 

Bei Filtersuchung des Bauches zeigt sich die Leber bedeutend vergrössert, 
fast bis zur Nabelebene, sowie mit deutlichen palpablen Geschwülsten ver¬ 
sehen. Unbedeutender Aszites. 

Am 20. XI. Entleerung von 2000 ccm Aszites von gelblicher opales¬ 
zierender Farbe. Bei der Laparoskopie sah man deutliche Geschwülste in der 
Leber, sich über die Oberfläche erhebend, sowie mit etwas hyperämischer 
Randzone. Die Leber wies im übrigen kleinere Verdickungen in der Kapsel 
auf, sowie hei starker Vergrösserung eine netzförmige Zeichnung auf dem 
Parenchym. Von Magen und Darmkanal her war nichts .von Interesse nach¬ 
zuweisen. 

Pat. starb am 23. XI. Die Sektion lieferte eine Bestätigung für das, was 
man bei der Laparoskopie gefunden hatte. Abgesehen von den grossen massiven 
Geschwülsten erwies sich die Leber als eine Stauungsleber, was zu der netz¬ 
förmigen Zeichnung Anlass gegeben hatte. 

Fall 40. J. E. C., 72jährige Frau. A. F. I., Nr. 761, 1908. 

Cancer ventrieuli, peritonei et hepatis. 

Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen bis zu den letzten Monaten, wo 
sie ziemlich stark abgefallen ist. Bedeutende Abmagerung. Seit 1 Monat begann 
der Bauch anzuschwellen. 

Befund bei der Aufnahme am 18. VI. 1910: Allgemeinzustand schlecht. 
Kachexie. Bauch beträchtlich aufgetrieben, Umfang 78 cm. Wellenschlag. Matter 
Ton überall ausser im Epigastrium. Bei Probefrühstück Retention, keine HCl. 
Uffelmann positiv. 

Am 26. VI. Laparozentese und Laparoskopie. Entleerung von 4500 ccm 
Aszites mit 3 o/o Eiweiss. 

Bei der Laparoskopie war die Leber klein, atrophisch mit einigen an 
einer Stelle deutlich hervortretenden Knoten; an einer anderen Stelle mehrere 
in einer Reihe. Unterhalb der Leber sah man eine dicke Darmschlinge, die 
durch eine schmale Adhärenz mit der vorderen Bauchwand verwachsen war. 
Die Oberfläche war unregelmässig, die Wand erschien dick und rigid. Unter¬ 
halb dieses Teiles sah man Därme von gewöhnlichem Aussehen, oft mit ziem- 



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77] 


Über Laparo* und Thorakoskopie. 


261 


lieh lebhafter Peristaltik. An einigen Stellen kleinere Knötchen auf der Darm* 
serosa. Das Peritoneum parietale zeigte einen ziemlich wechselnden Gefäss- 
reichtum, bisweilen mit sehr zahlreichen Gefässen, bisweilen mit relativ aus¬ 
gedehnten gefässarmen Partien. Auch erschien die Oberfläche nicht ganz eben. 

Am 15. VII. wiederum Laparozentese und Laparoskopie. Entleerung von 
5 Liter Aszites. Bei der Laparoskopie erhielt man dasselbe Resultat wie das 
erste Mal. 

Pat. wurde dann in ein anderes Krankenhaus übergeführt und starb 
dort. Sektion wurde nicht vorgenommen. 

Fall 41. K. IL, 75jährige Frau. A. F. I., Nr. 699, 1910. 

Tumor malignus abdominis -j- Aszites -f- Arteriosklerose. 

Pat. hat seit Februar 1910 allmählich zunehmende Vergrösserung des 
Bauches bemerkt, jedoch ohne weitere Beschwerden im übrigen. Abmagerung. 

Befund bei der Aufnahme am 8. VII.: Allgemeinzustand herabgesetzt. 
Ziemlich hochgradige Arteriosklerose. Deutliche Symptome von Aszites. 

Am 9. VII. Laparozentese und Laparoskopie. 5 Liter Flüssigkeit mit 2,5°o 
Eiweiss wurden entleert. Normale Verhältnisse bei der Laparoskopie. Keine 
abnorme Gefässinjektion. Leber mit sehr scharfem Rande, etwas runzeliger 
Oberfläche und von grauerer Farbe. 

Am 9. VIII. wiederum Laparozentese, diesmal Entleerung von 7,5 Liter 
Aszites mit 2<>o Eiweiss. Bei Laparoskopie dasselbe Bild wie das erste Mal. 
Im unteren Teile der Bauchhöhle wurden Adhärenzen mit kleinknotigen Ver¬ 
dickungen beobachtet, die sich von den Därmen zur vorderen Bauchwand hin 
erstreckten. 

Pat. starb ziemlich rasch am 26. VIII. Die Sektion ergab einen Pankreas¬ 
krebs mit Metastasen in den benachbarten Lymphdrüsen, sowie den benach¬ 
barten Teilen der Leber. Keine jedoch so belegen, dass sie mittelst des 
Laparoskops hätten wahrgenommen werden können. Am Peritoneum nichts 
von Interesse. Die kleineren Verwachsungen mit den knotenförmigen Adhärenzen 
waren vorhanden, waren aber nicht Metastasen. 

Fall 42. P. G. B., 78jährige Frau. A. F. I., Nr. 784, 1910. 

Carcinosis peritonei Kystoma ovarii. 

Pat. seit vielen Jahren kränklich. Sie hat eine mannskopfgrosse Ge¬ 
schwulst im Bauche gehabt, die jedoch in letzterer Zeit an Grösse abgenommen 
hat. In den letzten Monaten schlechter Appetit, oft Erbrechen und starke Ab¬ 
magerung. Ins Krankenhaus aufgenommen am 22. VII. 1910. 

Befund am 20; Xi.: Pat. fast moribund. Beträchtliche Abmagerung. Der 
Bauch ist etwas eingesunken, ohne Aszites. In demselben palpiert man mehrere 
geschwulstförmige Unebenheiten. So fühlt man ausser zahlreichen Knoten 
einen 5—10 cm dicken Wulst, der in der Nabelebene von der einen Seite des 
Bauches zur anderen hin verläuft. Der untere Rand scharf, ähnlich einem 
Leberrande. Konsistenz sehr hart. Ham ohne Eiweiss und Zucker. 

Laparoskopie. Auf dem Peritoneum parietale zahlreiche grössere und 
kleinere Knoten mit reichlicher Gefässinjektion. Gerade gegenüber dem oben¬ 
erwähnten palpablen Wulst sieht man eine unregelmässige Masse mit etwas 
undeutlichen Konturen. Oberhalb derselben in der Ferne eine stark braune 
Leber. Metastasen hier nicht sicher beobachtet. Weiter nach unten zu findet 
man Dünndarmschlingen mit zahlreichen kleinen Knoten, sowie lebhafter Ge¬ 
fässinjektion (Taf. III, Fig. 6). 


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H. C. Jacobaeus. 


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Pat. starb am 22. IX. 1910. Keine schädlichen Folgen von der Laparo¬ 
skopie waren bei der Sektion nachzuweisen. Ausgedehnte Verwachsung zwischen 
dem rechten Teil der Leber und der vorderen Bauchwand. Der breite palpable 
Wulst quer über den Bauch erwies sich als krebsinfiltriertes Oment. Der Pylorus 
war mit der Leber stark verwachsen und an der Verwachsungsstelle fand sich 
eine walnussgrosse Geschwulst, die die Leber infiltrierte. Vereinzelte Knoten 
in der Nähe, sonst keine Metastasen in der Leber, überall auf dem Peritoneum, 
sowohl dem parietalen als dem viszeralen Blatt, zahlreiche Stecknadelkopf- bis 
erbsengrosso Knoten. 

Epikrise. Bei einem Vergleich der bei der Laparoskopie 
von den peritonealen Metastasen angefertigten Zeichnungen mit dem 
Sektionsbefunde erhält man den entschiedenen Eindruck, dass die 
Gegenstände im Laparoskop grösser erscheinen, als sie es in Wirk¬ 
lichkeit sind. Im übrigen war volle Übereinstimmung zwischen dem 
Sektions- und dem Laparoskopiebefunde zu konstatieren. 

Fall 43. A. E. K., 57jährige Frau. A. F. I., Nr. 559, 1910. 

Cancer ventriculi. 

Seit Anfang März d. J. hat Pat. sich schlecht gefühlt, sie begann ab¬ 
zumagern, bekam Erbrechen nach dem Essen, jedoch nie blutiges, sowie ziem¬ 
lich starke Schmerzen in der Magengrube, besonders links. Im Mai 1910 wurde 
Probelaparotomie gemacht, wobei eine inoperable Geschwulst angetroffen wurde. 
Aufnahme ins Krankenhaus am 3. VI. 1910. 

Während des Aufenthalts im Krankenhause hat sich der Zustand mehr 
und mehr verschlechtert. 

Befund am 2. IX.: Ausgesprochene Kachexie. Allgemeinzustand sehr 
schlecht. Bauch stark eingesunken, über der Magengegend Empfindlichkeit, 
besonders links unter dem Rippenrande, wo eine unbedeutende Resistenz beim 
Atmen hervortrat. Leber nicht palpabel. Kein Aszites. Harn normal. Täglich 
Erbrechen, jedoch nie Blut. 

Laparoskopie am 6. IX. Leber deutlich hervortretend, ohne sichtbare 
Metastasen, ebenso die Gallenblase von normalem Aussehen. Der Magen eben¬ 
falls leicht erkennbar, wenigstens dessen rechter Pylorusteil. Verfolgt man die 
Curvatura major nach links hin, so kann man ganz links eine gelbweisse, 
spanischnussgrosse Geschwulst im Oment sehen. Während der Laparoskopie 
bekam Pat. einen Anfall von Übelkeit, wobei die peristaltischen Bewegungen 
des Magens deutlich als ein dicker Wulst hervortraten, der sich rasch von 
rechts nach links verschob. 

14 Tage später starb Pat. Bei der Sektion am 22. IX. erwies sich die 
vordere Oberfläche des Magens als normal, der Pylorusteil als schmal und 
kontrahiert. Der Fundusteil war ziemlich erweitert, der hintere Teil desselben 
in eine faustgrosse Geschwulst aufgegangen, die mit den umgebenden Organen 
verwachsen war. Am unteren Rande der Curvatura minor lag die bei der 
Laparoskopie beobachtete spanischnussgrosse gclbweisse Geschwulst. Bei Ein¬ 
schneiden kam indessen Eiter hervor, der auch tiefer in den Verwachsungen 
zwischen dem Magen und den umgebenden Teilen angetroffen wurde. 

Epikrise. In diesem Falle war die Diagnose Cancer ventriculi 
klinisch sichergestellt, und es fragte sich nur, ob es möglich sei, 



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79] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


263 


die Geschwulst mittels dieser Methode zu finden. Die Laparoskopie 
zeigte eine normale vordere Oberfläche des Magens, sowie die gelb- 
weisse kleine Geschwulst unterhalb des Magens, die das einzig Sicht¬ 
bare der Geschwulst darstellte. Diese kleine Geschwulst erwies sich 
indessen als ein Abszess, ein Irrtum, der wohlerklärlich ist. 

Fall 44. L. M. K., 64jährige Frau, unverheiratet. A. F. I., Nr. 849, 1910. 

Cancer ventriculi. 

Pat. ist seit längerer Zeit matt und kraftlos geworden und hat sehr be¬ 
trächtlich abgemagert. Stuhlgang sehr unregelmässig, bald lose, bald hart. 

Befund am 19. VIII.: Pat. in sehr herabgesetztem Zustand, fast moribund. 
Ausgesprochene Kachexie. 

Bauch etwas aufgetrieben. Im Epigastrium rechts fühlt man deutlich 
eine ziemlich leicht verschiebbare Geschwulst. Fast täglich Erbrechen und 
Aufstossen. 

Am 27. VIII. Laparoskopie. Die Leber ganz oben im Epigastrium zu 
sehen, etwa9 atrophisch, keine sichtbaren Metastasen. Unterhalb derselben an 
der Stelle der Geschwulst sah man eine grössere unebene, höckerige Fläche, 
die eine runde Geschwulst zu sein schien. Längs den oberflächlichen Gefässen 
grauweisse Züge, die von der im übrigen rosafarbenen Serosa abstachen. 

Pat. starb am 31. VIII. 1910. Bei der Sektion sah man keine schädlichen 
Folgen von dem Eingriff. Eine gut gänseeigrosse Geschwulst wurde im Pvlorus 
angetroffen, offenbar die im Laparoskop beobachtete runde, unregelmässige 
Bildung. Ob die kleineren, grauweissen Züge Krebsinfiltrationen gewesen waren, 
liess sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Wahrscheinlich sind es durch das 
Laparoskop vergrösserte Details der Geschwulst selbst gewesen. Bei der Sektion 
waren sie wegen der Gefässarmut der ganzen Geschwulst schwer wieder¬ 
zuerkennen. In der Leber keine Metastasen. 

Fall 45. A. V. S., Kutscher, 53 Jahre. A. F. I., Nr. 1115, 1910. 

Cancer ventriculi v et peritonei. 

Seit kaum einem Jahre Verdauungsstörungen, die mehr und mehr zu¬ 
genommen haben. Starke Abmagerung und Kachexie. Niemals Erbrechen. Auf¬ 
nahme ins Krankenhaus am 28. X. 1910. 

Allgemeinzustand schlecht. Kachexie. Beträchtlicher Aszites. Mageninhalt 
alkalisch, etwas blutig. In der Magengegend keine Geschwulst palpabel. Von 
der Aufnahme bis zum Tode am 3. I. 1911 wurden 9 Aszitesentleerungen vor¬ 
genommen und jedesmal Laparoskopie ausgeführt, wobei man die Entwickelung 
des kanzerösen Prozesses verfolgen konnte. Bei den 3 ersten Entleerungen 
konnten Krebsknoten nicht sicher nachgewiesen werden. Danach wurden sie 
zahlreich und gross. Besonders im Oment sah man ausgedehnte krebsige In¬ 
filtrationen, die sich durch ihre weissgelbe Farbe deutlich von den Darm¬ 
schlingen abhoben. Diese letzteren waren eigentümlicherweise weder injiziert, 
noch wiesen sie Metastasen auf. Ebenso waren weder an der Leber noch am 
Magen Metastasen oder deutliche Geschwülste zu sehen, dagegen war die vordere 
Oberfläche des Magens sowohl hyperämisch als rauh von kleinen Infloreszenzen. 
Die krebsigen Veränderungen fanden sich, wie gesagt, hauptsächlich im Oment. 
Bei den letzten 3 Laparoskopien wurden Einspritzungen von normalem Menschen¬ 
serum an einer bestimmten Stelle in diese Geschwülste gemacht, um in vivo 
Freunds und Kaminas Versuche in vitro über die Einwirkung von Norrnal- 


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II. C. Jacobaeus. 


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2G4 

sera auf Krebszellen nachzuprüfen (Fig. 7). Es zeigte sich hierbei, dass es 
ziemlich leicht war, teils sich zu orientieren, teils auch die Spritze unter 
Führung durch das Laparoskop zu manövrieren. Leider wurde die Sektion 
ausgeführt, als ich nicht anwesend war, weshalb die hier interessierenden Ge¬ 
sell wulstteile nicht zu weiterer Untersuchung aufbewahrt wurden. 

Im übrigen bestätigte die Sektion, was man bei der Laparoskopie gefunden 
hatte. Der ganze Magen erwies sich als in einer diffusen krebsigen Infiltration 
aufgegangen, die in markigem Zerfall begriffen war. In der Bauchhöhle fanden 
sich hauptsächlich Krebsinfiltrationen im Oment, nicht aber an den Därmen. 
In der Leber gleichfalls Metastasen, obwohl nicht so belegen, dass sie der 
Laparoskopie zugänglich gewesen wären. 

Fall 4f>. A. K., 4(5 jährige Frau. Mediz. Klin. I des Serafimerlazaretts, 
Nr. 375, 1910. 

Cancer ovarii et peritonei. 

II para. Letzter Partus vor 7 Jahren. Pat. ist im allgemeinen gesund 
gewesen bis März 1910. Seit dieser Zeit Spannungen und Druck im Unterleibe. 
Bedeutender Kräfteverfall. Aufnahme ins Krankenhaus am 27. IX. 1910. 

Befund am 29. IX.: Kachexie. Beträchtlich aufgetriebener Bauch mit 
Aszites. 

Am 24. X. Laparozentese mit Entleerung von 10 Liter etwas hämorrhagi¬ 
schem Aszites. 

Bei der gleichzeitig vorgenommenen Laparoskopie sah man ausgebreitete 
krebsige Veränderungen auf Därmen und auf dem Peritoneum parietale. Auf 
der Leberoberfläche sah man keine Metastasen. 

Pat. starb am 8. XL Sektion wurde nicht vorgenommen. 

Fall 47. A. C. i\, 66jährige Frau, unverheiratet. A. F. I., Nr. 1261, 1910. 

Cancer ventriculi. 

Keine anderen Krankheiten von Interesse. Seit 1 Jahr Abmagerung, sowie 
unbedeutende Verdauungsbeschwerden, Appetitlosigkeit und dann und wann 
Erbrechen, jedoch niemals blutiges. 

Befund bei der Aufnahme am 30. XI. 1910. Allgemeinzustand herab¬ 
gesetzt. Anämie. In der Magengegend fühlt man eine gut faustgrosse harte 
Geschwulst, die sich gegen die Umgebung etwas verschieben lässt. Die Ober¬ 
fläche erscheint unregelmässig. Im übrigen nichts Abnormes vom Bauche her. 
Selten Erbrechen. Kein Aszites. 

Am 20. XII. 1910 Laparoskopie. Keine Veränderungen am Peritoneum. 
Die oben beschriebene Geschwulst zeigte eine glatte, ziemlich gefässarme 
Oberfläche, die sich nur unbedeutend von den benachbarten Därmen unterschied. 
Ihr Verhältnis zum Magen konnte nicht sicher entschieden werden. Wahr¬ 
scheinlich ging die Geschwulst vom vorderen unteren Teile des Magens aus. 
Eine Serumeinspritzung wurde in die vordere Wand der Geschwulst unter 
Führung durch das Laparoskop gemacht. 

Fall 48. E. P., 43jährige Frau. Mediz. Klinik II des Serafimerlazaretts, 
Nr. 662, 1910. 

Carcinosis peritonei. 

Pat. ist im allgemeinen vor der jetzigen Krankheit gesund gewesen. Im 
September begann sie an Verdauungsbeschwerden und schlechtem Appetit zu 


Gck igle 


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81 ] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


265 


leiden, ausserdem nahm der Bauch rasch an Grösse zu. Seitdem kontinuier¬ 
liche Verschlechterung. Der Aszites ist 3 mal entleert worden. 

Befund bei der Aufnahme ins Krankenhaus am 29. XII. 1910: Allgemein¬ 
zustand ziemlich gut. Der Bauch beträchtlich aufgetrieben, Umfang 98 cm, 
Aszites. Keine Details palpabel. 

Am 5. I. 1911 Laparozentese mit Entleerung von 7 Liter Aszites, wo¬ 
nach man deutlich multiple Geschwülste im Bauche palpieren konnte. Bei der 
darauf ausgeführten Laparoskopie konnte man zahlreiche gelbweisse Geschwülste 
sich gegen die Darmschlingen abzeichnen sehen, welche letztere hyperämisch 
waren. Hier und da Adhärenzen. Einen Anhaltspunkt zur Beantwortung der 
Frage, von wo die Geschwulst ausgegangen war, erhielt man nicht. 

Fall 49. G. H., 67jährige Frau. A. F. I., Nr. 176, 1911. 

Cancer ventriculi cum metastasibus peritonei et omenti -j- Ascites. 

Pat. hat seit mehreren Jahren einige gastrische Symptome, sowie perioden¬ 
weise voluminöse Erbrechen. In der letzten Zeit hat der Bauch an Umfang 
zugenommen. Der Allgemeinzustand ist schlecht geworden. 

Befund bei der Aufnahme am 1. II. 1911: Allgemeinzustand schlecht, 
Kachexie. Bauch stark durch Aszites aufgetrieben. 

Am 1. II. Laparozentese mit Entleerung von 8 Liter trüber, schmutzig¬ 
gelber Flüssigkeit. 

Bei der Laparoskopie sah man vereinzelte Krebsknoten im oberen Teile 
der Bauchhöhle nahe der Leber. Der grössere Teil der Bauchhöhle war von 
fettreichem Oment ausgefüllt, in dessen unteren Teilen einige krebsähnliche 
Knoten sich fanden. Die Leber mit geschwollenem Rande, aber ohne sichtbare 
Metastasen. Das Peritoneum mit vermehrtem Gefässreichtum. 

Fall 50. J. F. F., Arbeiter, 62 Jahre. A. F. I., Nr. 207, 1911. 

Cancer ventriculi et hepatis. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. 1897 erhielt Pat. ein schweres 
Trauma in der Magengrube, wonach eine Zeitlang dort Empfindlichkeit bestand. 
Niemals Erbrechen. Abmagerung um 10—11 kg im letzten Jahre. Pat. hat im 
letzten Jahre heftige Schmerzen im Epigastrium besonders nach dem Essen 
gehabt und eine Geschwulst hat sich hier ausgebildet. Kein Fleischekel. 

Pat. wurde am 9. II. 1911 in sehr herabgesetztem Zustand aufgenommen. 
Von den Brustorganen her nichts Bemerkenswertes. Im Epigastrium fühlt man 
eine runde, harte, fast faustgrosse Geschwulst, die der Leber anzugehören 
scheint. 

Am* 12. II. 1911 Laparoskopie. Einstich mit einer stumpfen Spritzen¬ 
spitze und Aufblasen. Die Leber hatte ein ziemlich normales Aussehen. Der 
Ausdehnung der palpablen Geschwulst entsprechend war die Leber mit dem 
Peritoneum verwachsen. Einige helle Flecke waren seitwärts hiervon zu sehen. 
Der Magen konnte nicht mit Sicherheit unterschieden werden. 

Pat. starb am 3. III. 1911. Bei der Sektion fand man einen Cancer 
pylori mit Metastasen in der Leber, die mit der vorderen Bauchwand verwachsen 
waren. Die helleren Flecke, die man gesehen hatte, waren Krebsmetastasen. 

Fall 51. A. S. M, Witwe, 58 Jahre. A. F. I., Nr. 235, 1911. 

Cancer mammarum -f- Cancer peritonei -f- Ileus -j- Ascites. 

Seit 1 Jahr hat Pat. bemerkt, dass in der Gegend der rechten Mamma 
einige kleine Knoten auftraten, die dann miteinander verschmolzen. Seit drei 
Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2. 18 


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H. C. Jacobaeus. 


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Monaten hat auch die linke Mamma begonnen hart zu werden und an Umfang 
zuzunehmen. Ungefähr gleichzeitig hiermit ist der Bauch angeschwollen und 
stark aufgetrieben worden. 

Befund bei der Aufnahme am 16. II. 1911: Allgemeinzustand schlecht, 
ausgesprochene Kachexie. In beiden Mammae inoperable Krebsgeschwülste. Der 
Bauch ist beträchtlich aufgetrieben mit mattem Schall, aber kaum deutlichem 
Wellenschlag. Im Rektum fühlt man einen Wulst, der transversal das Becken 
durchzieht und eine Verengerung desselben verursacht. 

Am 21. II. Laparozentese mit Entleerung von 8 Liter Flüssigkeit. Bei 
der Laparoskopie sah man gelbweisse Knoten auf den Därmen und im Oment; 
letzteres war zu einem transversal verlaufenden Strange zusammengezogen, 
der mit grosser Wahrscheinlichkeit krebsinfiltriert war. Bedeutende Hyperämie 
überall. 

Während der folgenden Tage nahmen die Ileussymptome zu, die Pat. schon 
vor der Entleerung gehabt hatte, und am 27. II. starb Pat. 

Bei der Sektion fand man typische Skirrhen in beiden Mammae. Auf der 
Darmserosa zahlreiche Krebsknoten. Das transversale Omentgewebe erwies 
sich dagegen makroskopisch nicht als Sitz von Krebsinfiltrationen. 

Fall 52. J. W., Arbeiter, 59 Jahre. Mediz. Klinik II des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 348, 1911. 

Cancer ventriculi -f- Carcinosis peritonei. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Januar 1911 Schmerzen in der 
Magengrube, teils spontan, teils heftiger nach dem Essen. Beträchtliche Ab¬ 
magerung. Seit 1 Monat Anschwellung des Bauches. 

Befund bei der Aufnahme am 14. VI. 1911: Allgemeinzustand schlecht. 
Kachexie. Bauch aufgetrieben, mit deutlichen Zeichen von Aszites, Umfang 
89 cm. Auch nach Ablassen des Aszites konnte eine deutliche Geschwulst nicht 
palpiert werden. Leber und Milz nicht vergrössert. 

Untersuchung des Magens ergab Retention; Kongo neg., Uffelmann pos., 
Gesamtazidität 22. 

Am 20. VI. Entleerung von 4 Liter stark blutigem Exsudat. Bei der 
Laparoskopie sieht man die Darmschlingen überall mit unregelmässigen Knoten 
und Belägen bedeckt. Auch auf dem Peritoneum parietale zahlreiche Knoten. 

Bei der Sektion am 13. VII. fand man eine Carcinosis peritonei mit einem 
Cancer ventriculi (Scirrhus) als Primärherd. 

F a 11 53. G. E., Arbeiter, 66 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafimer- 
lazaretts, Nr. 457, 1911. 

Cancer ventriculi et peritonei. 

Seit März 1911 leidet Pat. an Magensymptomen; Schmerzen in der Magen¬ 
grube, schlechter Appetit usw. 

Befund bei der Aufnahme am 14. X. 1911: Allgemeinzustand schlecht. 
Kachexie. Von den Brustorganen her nichts Bemerkenswertes. Bei der Unter¬ 
suchung des Bauches ist keine deutliche Geschwulst zu palpieren, unbedeutende 
Empfindlichkeit im Epigastrium. Keine nachweisbare Vergrösserung von Leber 
oder Milz. Unbedeutende Dämpfung in den lateralen Teilen des Bauches. Un¬ 
deutlicher Wellenschlag. Magensaftuntersuchung ergibt Retention, Kongo und 
Uffelmann neg., Gesamtazidität 4. Während des Aufenthaltes im Krankenhause 
nahm der Aszites des Pat. zu. 



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83] • 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


267 


Am 23. XI. Laparozentese mit Entleerung von 3200 ccm Aszites von 
2,5 o/o Eiweissgehalt. Bei der Laparoskopie sieht man allgemeine Hyperämie von 
Dünndärmen und Peritoneum parietale. Im Oment kommen zahlreiche grau- 
gallertige Knoten vor. Das gleiche Bild zeigen auch die Därme, besonders am 
Mesenterialrande. Auf den Dünndärmen kommen ausserdem weisse, perlband¬ 
ähnliche Stränge vor, die in der Quemchtung des Darms verlaufen (erweiterte 
Lymphgefässe). Eine Primärgeschwulst lässt sich nicht mit Bestimmtheit nach- 
weisen (Fig. 8). 

Am 8. XI. erneute Entleerung von 4 Liter Aszites; Eiweissgehalt 2°/o. 
Bei der Laparoskopie erhielt man dasselbe Bild wie das vorige Mal. Versuche 
wurden gemacht, die Resorptionsverhältnisse im Darm dadurch zu prüfen, dass 
man Pat. auf S c h mi d t - S t r a s s b u r g er sehe Probekost setzte, der Zu¬ 
stand des Pat. war aber zu schlecht, als dass man Schlüsse aus den Versuchen 
bezüglich des Resorptionsvermögens des Darms ziehen konnte. 

Pat. starb am 9. I. 1912. Die Sektion bestätigte, was man bei der Laparo¬ 
skopie gefunden hatte, im besonderen auch die dort beobachteten Erweiterungen 
der Lymphgefässe auf den Därmen. 

Fall 54. M. H., 59jährige Frau. Mediz. Klinik II des Serafimerlazaretts, 
Nr. 518, 1911. 

Cancer peritonei. 

Keine früheren Krankheiten von Interesse. Die jetzige begann im August 
1911. Pat. litt an Diarrhöen und später Erbrechen. In der letzten Zeit hat 
der Bauch an Umfang zugenommen. 

Befund bei der Aufnahme am 14. IX. 1911: Pat. ist beträchtlich abge¬ 
magert. Bauch auf getrieben. Umfang 93,5 cm. Wellenschlag. Keine Empfind¬ 
lichkeit. Keine subjektiven Beschwerden von den Verdauungsorganen her. Die 
übrigen Organe zeigen nichts Abnormes. 

Am 16. IX. Laparozentese mit Entleerung von 4 Liter schwach hämor¬ 
rhagischem Aszites; Eiweissgehalt 6<>/o, spez. Gew. 1,022. Bei der Laparoskopie 
findet man das Peritoneum parietale beträchtlich hyperämisch. Därme gleich¬ 
falls hyperämisch, teils mit Fibrinmembranen, teils verwachsen. Hier und da 
deutliche, blumenkohlähnliche Krebsknoten. An einer Stelle tritt eine ziemlich 
grosse, subseröse Blutung hervor. Auch in den übrigen Teilen der Bauchhöhle 
zahlreiche Metastasen. 

Am 25. IX. erneute Entleerung von 3 Liter Aszites, sowie Laparoskopie 
mit dem gleichen Resultat wie vorher. 

Pat. starb am 11. XI. Die Sektion zeigte einen Cancer ventriculi mit Meta¬ 
stasen im Peritoneum. 

Fall 55. P. A. N., 75jährige Frau. A. F. I., Nr. 98, 1912. 

Cancer ventriculi et peritonei. 

Seit Herbst 1911 allgemein kränklich und matt. Gegen Weihnachten be¬ 
gannen Schluckbeschwerden aufzutreten. Bedeutende Abmagerung, Erbrechen. 

Befund bei der Aufnahme am 1. II. 1912: Allgemeinzustand schlecht. 
Kachexie. Von den Brustorganen her nichts Bemerkenswertes. Bauch auf¬ 
getrieben, mit den gewöhnlichen Zeichen von Aszites. Keine Details palpabel. 

Am 9. II. Laparozentese. Entleerung von 5 Liter blutigem Aszites. Bei 
der Laparoskopie sieht man zahlreiche graugallertige Knoten hier und da auf 
dem Peritoneum parietale. Das Oment erscheint in eine graugallertige Masse 
umgewandelt. Die Leberoberfläche ist hier und da mit ebensolchen Knoten, 

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H. C. Jacobaeus. 


• [84 


besonders um die Befestigung des Lig. teres herum, besetzt. Dünndärme 
hyperämisch. 

Auf Grund des Befundes wurde die Diagnose Cancer gelatinosus gestellt, 
was ja ein gewisses Interesse besitzt. 

Pat. starb am 31. II. Die Sektion bestätigte im einzelnen die Beobachtungen 
bei der Laparoskopie. 

Fall 56. K. C. J., Ehefrau, 46 Jahre. A. F. I. ö., Nr. 726, 1911. 

Cancer ovarii et peritonei. 

Seil 1 Jahr hat Pat. an Verdauungsstörungen gelitten, hauptsächlich in 
Form von Diarrhöen. Im letzten Halbjahr ist der Bauch angeschwollen und 
einige Aszitesentleerungen sind vorgenommen worden. 

Pat. wurde am 24. VII. ins Krankenhaus aufgenommen. Allgemeinzustand 
schlecht, Kachexie. Bedeutender Aszites, der ungefähr einmal monatlich ab* 
gelassen. Nach den Entleerungen konnte man unregelmässige Geschwülste im 
Bauche palpieren. 

An. 7. IX. 1911 Laparozentese mit Entleerung von 7 Liter leicht hämor¬ 
rhagischer Flüssigkeit von 1,5% Eiweissgehalt. Die Laparoskopie zeigt überall 
deutliche Metastasen von wechselnder Grösse sowohl auf dem Peritoneum 
parietale als an den Bauchviszera, Därmen, Magen und Leber. Letztere hat 
Knoten auf der Oberfläche, ist aber nicht weiter vergrössert. 

Pat. starb am 9. X. 1911. Bei der Sektion wurde eine Carcinosis peritonei 
in der Ausdehnung konstatiert, wie sie bei der Laparoskopie beschrieben 
worden ist. 

Fall 57. S. W., Witwe, 57 Jahre. Mediz. Klinik I des Serafimerlazaretts, 
Nr. 200, 1912. 

Cancer ventriculi et peritonei. 

Seit Weihnachten 1911 ist Pat. beträchtlich abgemagert. Heftige Schmerzen 
in der Magengegend nach dem Essen. Kein Erbrechen. Im letzten Monat ist 
der Bauch angeschwollen. 

Pat. wurde am 29. III. 1912 ins Krankenhaus aufgenommen. Ausge¬ 
sprochene Kachexie. Von den Brustorganen her nichts von Interesse. Bauch¬ 
umfang 90 cm, Aszites. 

Am 30. III. Entleerung von 7 Liter klarem, gelbem Aszites. Keine Ge¬ 
schwülste nach der Entleerung palpabel. Die Laparoskopie zeigt eine leichte 
Hyperämie der sichtbaren Viszera. Zahlreiche kleinere Knoten hier und da 
auf den Darmschlingen. Die Leber erscheint etwas geschrumpft; auf der Ober¬ 
fläche zeigt sie zahlreiche grauweisse Züge, deren Natur man jedoch nicht 
genauer feststellen kann. 

Zustand nach der Entleerung unverändert. 

Fall 58. J. W. S., Landwirt, 60 Jahre. A. F. I., Nr. 463, 1911. 

Cancer ventriculi. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Die jetzige Krankheit begann im 
September 1910 damit, dass Pat. heftiges Blutbrechen bekam. Er wurde des¬ 
halb längere Zeit im Krankenhaus behandelt. Seitdem allgemeine Verschlech¬ 
terung, jedoch mit nur leichten Magensymptomen, dann und wann Erbrechen. 

Befund bei der Aufnahme am 18. IV. 1911: Allgemeinzustand schlecht, 
ausgesprochene Anämie. Bauch stark aufgetrieben, Umfang 104 cm. Aszites. 
Keine Geschwülste palpabel. 


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85] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


2G9 


Am 19. IV. Laparozentese mit Entleerung von 6 Liter chylösem Aszites. 
Bei der Laparoskopie sieht man alle Viszera hochgradig blass und gefässarm, 
ohne deutliche Veränderungen. Leber von gewöhnlicher Grösse und Aussehen. 
Wegen des schlechten Zustandes des Pat. musste die Beobachtungszeit ein¬ 
geschränkt werden. 

Pat. starb am 19. V. Bei der Sektion fand man eine Krebsgeschwulst in 
der Curvatura minor, mit Metastasen in den benachbarten Lymphdrüsen, da¬ 
gegen nicht in der Leber oder auf dem Peritoneum. 

Fall 59. R. A., 68jährige Frau. A. F. I., Nr. 343, 1910. 

Cancer ovarii -j- Peritonitis carcinomatosa. 

Pat. ist vor 20 Jahren wegen Ovarialzyste operiert worden; dann gesund 
bis Weihnachten 1909, wo Aszites aufzutreten begann, weshalb Entleerungen 
am 5. IV., 30. IV., 28. V., 26. VI. 1910 vorgenommen wurden. Bei den beiden 
letzten Entleerungen wurde Laparoskopie ausgeführt, wobei jedoch nur nor¬ 
male Verhältnisse mit Ausnahme einiger Adhärenzen, sowie einiger subserösen 
Blutungen beobachtet wurden. 

Pat. starb am 15. VII. 1910. Bei der Sektion wurden Krebsmetastasen 
hier und da auf den Därmen gefunden. Die laparoskopische Untersuchung war 
in der ersten Zeit der Anwendung der Methode ausgeführt worden, woraus 
sich das weniger günstige Resultat erklärt. 

Fall Nr. 60 ist unter den Fällen von chronischer Pleuritis (Nr. 42) auf¬ 
geführt, da das Hauptinteresse bei dieser letzteren Krankheit liegt. 


Der vorstehenden Gruppe, die 25 Fälle von bösartigen Bauch¬ 
geschwülsten lumfasst, kommt vom diagnostischen Gesichtspunkte 
aus kein sonderlich grosses Interesse zu. Nur ausnahmsweise hat 
zur Zeit der Laparoskopie Unsicherheit betreffs der Diagnose ge¬ 
herrscht. Die Krankengeschichten sind daher auf ein Minimum 
reduziert, während die laparoskopischen Befunde ausführlicher wieder¬ 
gegeben sind. Der Vergleich zwischen ihnen und den Sektions¬ 
befunden besitzt das grösste Interesse. Mit Rücksicht auf den Raum 
habe ich jedoch bei der Beschreibung der Sektionsresultate nicht 
die Einzelheiten angeführt, sondern mich damit begnügt, zu er¬ 
wähnen, ob Übereinstimmung vorliegt oder nicht. Man möchte viel¬ 
leicht meinen, dass dieses Verfahren nicht völlig befriedigend ist. 
Die Diagnose bösartige Bauchgeschwulst ist von Anfang an mehr 
oder weniger wahrscheinlich gewesen, und es besteht daher nicht 
völlig sichere Bürgschaft dafür, dass, was man als Krebsmetastasen 
gesehen und beschrieben hat, auch wirklich solche gewesen sind. 
In nicht wenigen Fällen, die nur einige Tage nach der Laparoskopie 
zur Sektion gelangt sind, habe ich indessen die Veränderungen bei 
der Sektion auch in Einzelheiten mit den Laparoskopiebefunden 
wohl .übereinstimmend gefunden. Ich glaube auch, dass für den- • 
jenigen, der einmal eine Laparoskopie gesehen hat, kaum ein Zweifel 


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an der richtigen Deutung der Beobachtungen bestehen kann. Krebs¬ 
metastasen auf Därmen, Leber oder Peritoneum parietale sind leicht 
zu erkennen. Möglicherweise kann bei sehr kleinen Knötchen eine 
Schwierigkeit für die Wahrnehmung derselben bestehen, und einige¬ 
mal habe ich in der Tat solche übersehen. Ebenso ist es häufig 
schwierig, Metastasen im Oment zu erkennen, besonders wenn dieses 
fettreich ist. 

Krebsartige Veränderungen von tuberkulösen oder luetischen 
Prozessen zu unterscheiden, ist dagegen im allgemeinen mög¬ 
lich. Man stösst hier auf dieselben Schwierigkeiten, wie sie 
bei Operation oder Sektion vorliegen, sofern man nur die ober¬ 
flächlichen Veränderungen zu beurteilen hat. Darf man wohl auch 
mit Recht behaupten, dass man im allgemeinen auf Grund des 
äusseren Aussehens Krebsmetastasen von den obenerwähnten ent¬ 
zündlichen Prozessen unterscheiden kann, so gibt es doch Fälle, 
wo es sich makroskopisch nicht entscheiden lässt, welcher dieser 
verschiedenen Prozesse vorliegt. Das gleiche gilt natürlich auch 
von den Resultaten bei der Laparoskopie. 

Iti 19 von diesen 25 Fällen bösartiger Bauchgeschwülste habe 
ich sichere krebsartige Veränderungen gefunden. In 4 Fällen habe 
ich solche nicht nachweisen können. Bei der kürzere oder längere 
Zeit danach eingetroffenen Sektion fanden sich in einem dieser 
Fälle (Nr. 59) so ausgebreitete Metastasen, dass man sie bei der 
Laparoskopie hätte sehen müssen. In 3 Fällen (Nr. 41, 43, 58) 
konnte man bei der Laparoskopie keine Carcinosis peritonei nach¬ 
weisen, Und die fraglichen Geschwülste erwiesen sich auch bei 
der Sektion in allen Fällen als so lokalisiert, dass sie bei der Laparo¬ 
skopie nicht hätten gesehen werden können. 

In 2 Fällen (Nr. 44, 50) war man unsicher, ob das, was man 
bei der Laparoskopie sah, wirklich Krebsgewebe war oder nicht. 
Die Sektion brachte Gewissheit darüber, dass es Krebsknoten ge¬ 
wesen waren. In einem Falle (Nr. 50) vermochte ich bei den ersten 
Laparoskopien keine Metastasen nachzuweisen; danach bildeten sich 
indessen zahlreiche Krebsknoten aus, die bei den späteren Laparo¬ 
skopien Unschwer zu entdecken waren. 

Bei den Fällen von Leberkrebs ist es im allgemeinen leicht 
gewesen, die Geschwülste nachzuweisen. Sie stachen durch ihre 
helle Farbe grell von der Leberfarbe ab. 

In einem der erwähnten Fälle (Nr. 38) wurden sowohl Krebs 
als Zirrhose laparoskopisch diagnostiziert, was auch durch die darauf¬ 
folgende Sektion Bestätigung erhielt. 



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87] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


. 271 


In Nr. 55 waren die sichtbaren Knoten auf Därmen und auf der 
Leberoberfläche gallertig, weshalb ich die Diagnose Cancer gela- 
tinosus stellte. In einem anderen wiederum (Nr. 53) konnte ich nach- 
weisen, dass die Chylusgefässe erweitert w^aren und ein Perlband 
von kleinen weissen Knoten bildeten, das in der Querrichtung des 
Darmes verlief (Fig. 8). Die Sektion lieferte in beiden Fällen volle 
Bestätigung der laparoskopischen Befunde. 

Versuche, zu bestimmen, in wie grosser Ausdehnung der karzino- 
matöse Prozess in den einzelnen Fällen vorgekommen ist, habe ich 
nicht gemacht. Sie ermangeln jeder praktischen Bedeutung, zumal 
da es nur die w r eit vorgeschrittenen Fälle sind, die mittels dieser 
Methode studiert w r erden können. 

Die letzte Gruppe, die 10 Fälle und 12 Untersuchungen umfasst, 
hat so geringes Interesse, dass ich nicht im einzelnen über die¬ 
selben berichte. In der Mehrzahl der Fälle hat die Laparoskopie 
keine positiven Resultate ergeben. Sie gehören sämtlich der ersten 
Zeit meiner Beschäftigung mit dieser Methode an. In einem von 
ihnen handelte es sich um einen Fall von Morbus Banti, w^o ich zu 
entscheiden hatte, ob die Leber der Sitz krankhafter Veränderungen 
(Zirrhose) war oder nicht. Für eine etwaige Operation (Exstir¬ 
pation der Milz) war dies von Bedeutung. In dem genannten Falle 
(16 jähriger Jüngling ohne Aszites) gelang es mir nicht, ein deut¬ 
liches Bild von der Leber zu erhalten. Ich erwähne dies, da es 
sich meines Erachtens denken lässt, dass die laparoskopische Unter¬ 
suchung praktisch wertvolle Auskünfte in der erwähnten Hinsicht 
liefern kann. 


Eine andere Frage, die ich ursprünglich eingehender zu be¬ 
handeln gedacht hatte, muss ich ganz summarisch abfertigen, da 
mein Material für den Zweck allzu einseitig ist. Seit langer Zeit 
hat man dem Studium der physikalisch-chemischen Eigenschaften 
der Aszitesflüssigkeit seine Aufmerksamkeit zugewandt, so vor allem 
Reuss, Runeberg u. a. in ihren Arbeiten. Runeberg hat sein 
bekanntes Schema aufgestellt, dessen Hauptprinzip das ist, dass hoher 
Eiweissgehalt und hohes spezifisches Gewicht der Aszitesflüssigkeit 
(Exsudat) für einen chronischen entzündlichen Prozess irgendwelcher 
Art (spricht. Niedriger Eiweissgehalt und niedriges spezifisches Ge¬ 
wicht sollen dagegen für Stauung oder Hydrämie (Transsudat) 
sprechen. Im allgemeinen (und mit den Einschränkungen, die Rune¬ 
berg gemacht hat) dürfte wohl diese Lehre Anerkennung gefunden 
haben. In der Laparoskopie besitzt man nun jedenfalls eine Me¬ 
thode, die es ermöglicht, unmittelbar die Auskünfte zu kontrollieren, 


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H. C. Jacobaeus. 


[88 


die durch die Untersuchung der genannten Eigenschaften der Aszites¬ 
flüssigkeit erhalten worden sind. Im grossen und ganzen stimmt 
auch meine Erfahrung recht gut mit dem überein, was bereits zuvor 
bekannt ist, nur einige kleinere Abweichungen sind vorhanden. 

Ziemlich gute Übereinstimmung erhält man in den Fällen von 
Tuberkulose ;und Krebs. Nur 2 Ausnahmen (Fälle Nr. 9 und 10) 
sind anzuführen, und in diesen lag auch Anlass zu einem Stauungs¬ 
aszites vor. Bei den Fällen von Pick scher Krankheit dagegen 
stösst man auf viele Ausnahmen. In nicht weniger als 4 (Nr. 15, 16, 
19, 22) von 8 Fällen hat man eine relativ niedrige Eiweissmenge, 
1—lV 2 0 /°> und doch wurde bei der Laparoskopie eine intensive Peri¬ 
tonitis gefunden. Der nächstliegende Gedanke ist der, dass der 
Transsudattypus der Aszitesflüssigkeit sich hier daraus erklärt, dass 
diese Patienten ausserdem eine schwere Herzkrankheit hatten. Es 
fehlte jedoch allgemeines Ödem, und funktionell wurde die Herz¬ 
tätigkeit nicht in augenfälligem Grade herabgesetzt gefunden. 
Schliesslich liess sich auch in einem der Fälle (Nr. 19) kein Herz¬ 
fehler nachweisen. 

Das Kennzeichnende für alle diese Fälle ist teils die grosse 
Aszitesmenge, teils, in dreien derselben, die rasche Neubildung des 
Aszites innerhalb 14 Tagen oder 3 Wochen. In dem 4. Falle (Nr. 15) 
war der Bauch beim Ablassen nicht gefüllt, sondern schlaff und 
schlottrig. Besonders letzteres, die Schnelligkeit, mit der die Neu¬ 
bildung geschieht, spielt meines Erachtens eine Rolle bei der Ent¬ 
stehung eines niedrigen Eiweissgehaltes und spezifischen Gewichtes. 
In einem Falle (Nr. 17) konstatierte ich bei dem Aszites nach einer 
Zwischenzeit von 8 Monaten einen Eiweissgehalt von 6o/o. Hier¬ 
nach rezidivierte sein Aszites rascher und nach 4 Monaten bereits 
musste Entleerung einer Aszitesmenge geschehen, die weit grösser 
war als das erste Mal (16 Liter und 23 Liter), bei der nun aber der 
Eiweissgehalt nur 3o/ 0 nach Esbach betrug. Die Spannung des 
Bauches, von der man im allgemeinen mit Recht annimmt, dass sie 
auf den Eiweissgehalt erhöhend einwirken kann, schien viel grösser 
bei der letzteren Gelegenheit zu sein. Auch in anderen Fällen 
(Nr. 15, 19) ist der Bauch stark aufgetrieben und der Eiweissgehalt 
doch niedrig gewesen. 

Meine Erfahrung bezüglich des Eiweissgehaltes und des spe¬ 
zifischen Gewichtes der Aszitesflüssigkeit bei chronischer Peritonitis 
ist demnach die, dass bei Tuberkulosis oder. Cancer peritonei in der 
überwiegenden Mehrzahl der Fälle Übereinstimmung mit den von 
R u n e b e r g u. a. aufgestellten Gesetzen besteht. Bei der Pick- 
scheu Krankheit habe ich bisweilen niedrigen Eiweissgehalt und 


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89] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


273 


niedriges spezifisches Gewicht besonders in den Fällen gefunden, 
w r o die Aszitesneubildung rasch geschieht. 

Bei Transsudaten ist nur in einer geringeren Anzahl von Fällen 
der Eiweißsgehalt und das spezifische Gewicht untersucht worden. 
Gerade bei den ausgesprochenen Fällen von Stauungsaszites fehlen 
Angaben «über die Eigenschaften. der Aszitesflüssigkeit in der ge¬ 
nannten Hinsicht. 

Bei Leberzirrhose sind die Verhältnisse nicht so leicht zu be¬ 
urteilen. In den Fällen, wo ich hohen Eiweissgehalt und hohes spe¬ 
zifisches Gewicht gefunden habe, finden sich Komplikationen irgend¬ 
welcher Art, so in Nr. 8 Tuberculosis peritonei. In den Fällen 
Nr. 2 fund 13 war die Aszitesflüssigkeit augenfällig mit Blut gemischt. 
Doch konnte hier eine chronische Peritonitis nicht nachgewiesen 
werden. Die Gefässe w r aren nur stark geschlängelt. Die diffuse 
Rötung und Injektion der kleinsten Gefässe, wie sie die chronische 
Peritonitis zu charakterisieren pflegt, w r ar nicht zu entdecken. 
Dieser negative Befund schliesst jedoch nicht aus, dass Peritonitis 
wirklich vorhanden war. 

Auf andere Faktoren, die nach Runeberg auf die physikalisch¬ 
chemischen Eigenschaften der Aszitesflüssigkeit Einfluss sollen aus¬ 
üben können, gehe ich hier nicht weiter ein. 

Soweit man Schlüsse aus dem vorliegenden kleinen Material 
ziehen kann, scheint es eine Bestätigung der Runeberg sehen Ge¬ 
setze zu liefern. In den Fällen von hohem Eiweissgehalt und spe¬ 
zifischem Gewicht, wo man ein Transsudat hätte erwarten sollen, 
hat eine Komplikation (chronische Peritonitis oder mit Blut ver¬ 
mischter Aszites) * nachgewiesen werden können. 


II. Thorakoskopie. 

1. Technik. 

Das Prinzip der Thorakoskopie ist genau das gleiche w r ie bei 
der Laparoskopie. Ich wende auch dieselben Apparate in beiden 
Fällen an. Liegt ein Pleuraexsudat vor, so wird dasselbe unter 
gleichzeitiger Ersetzung der Flüssigkeit durch Luft abgelassen. Da¬ 
nach wird das Kystoskop eingeführt und es können nun verschiedene, 
je nach den Verhältnissen grössere oder kleinere Teile der Pleura¬ 
flächen besichtigt werden. 


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Liegt dagegen Pneumothorax vor, so sind die Bedingungen 
für eine Thorakoskopie von vornherein einfacher, weshalb ich hier 
zunächst über die Technik in diesem Falle berichten will. 

Der Trokar, der zur Verwendung kommt, ist kaum gröber, *ils 
wie er gewöhnlich bei Thorakozentese verwendet wird. Ein erstes 
und selir wichtiges Moment bei der Ausführung der Thorakoskopie 
ist die Anästhesierung nicht nur der Haut, sondern auch der Pleura. 
Eine Rekordspritze wird nach der Rippe hin eingestochen, die gleich 
oberhalb des Interstitiums liegt, in das man den Trokar einzuführen 
gedenkt. Man geht mit der Nadelspitze der Rippe entlang bis zu 
ihrem unteren Rande. Gleitet man an demselben vorbei, so markiert 
der Patient lebhaften Schmerz, ein Zeichen, dass man sich in der 
Nähe des Interkostalnerven befindet oder ihn getroffen hat. Hier 
werden 5—10 ccm von der Novokainlösung injiziert. Nach 5 Minuten 
kann man den Trokar gewölmlich ganz schmerzfrei in den be¬ 
treffenden Interkostalraum einführen. Das Thorakoskop kann man 
während der Thorakoskopie ohne Beschwerden für den Patienten in 
verschiedenen Richtungen bewegen. 

Nach Beendigung der Thorakoskopie muss man dafür sorgen, 
dass nicht zu hoher Druck im Thoraxraum herrscht, da sonst leicht 
Hautemphysem entstehen kann. Gefährlich ist dieses zwar nicht, 
kann aber doch beträchtliche subjektive Beschwerden verursachen. 

Die Stelle für den Eingriff wird so gewählt, dass möglichst 
grosse Teile der Lunge oder der Pleuraflächen der Inspektion zu¬ 
gänglich werden. Ich wähle als Eingangsstelle meistens ICR. VI oder 
VII etwas medianwärts von der vorderen AxiJIarlinie. 

Meistens kann man dann bei Richtung des Thorakoskops nach 
oben den oberen Lungenlappen ganz oder teilweise sehen. Sehr deut¬ 
lich treten hier etwa vorhandene strangförmige oder häutchenähn¬ 
liche Adhärenzen hervor. Bei einer derartigen Inspektion hat man 
den Eindruck, dass es wohl möglich sein müsste, dieselben (durch 
Thermokauter) unter Leitung des Kystoskops zu beseitigen. Dreht 
man das Kystoskop nach unten, so sieht man den unteren Teil der 
Lunge und das Zwerchfell. Nach aussen hin hat man die parietale 
Wand mit deutlichem Unterschied zwischen Rippeninterstitien und 
Rippenfeldern. Führt man das Kystoskop eine kürzere oder längere 
Strecke in die Brusthöhle ein, so treten die vorderen oder hinteren 
Teile der Lunge ins Gesichtsfeld. 

Bei vollständigem oder fast vollständigem Pneumothorax sind 
es daher grosse Teile der Lungen- und Pleuraflächen, die der In¬ 
spektion zugänglich sind. Der Eingriff ist einfach und verursacht, 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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mit Vorsicht ausgeführt, dem Patienten keine nennenswerten Be¬ 
schwerden. 

Über das Prinzip für die Ausführung des Eingriffs bei exsuda¬ 
tiver Pleuritis habe ich bereits oben berichtet. 

Grosse Sorgfalt verwende ich auf die Anästhesierung nicht nicht 
nur der Haut, sondern auch der Pleura, Eben um das Kystoskop 
unbehindert in verschiedenen Richtungen bewegen zu können, be¬ 
darf es einer effektiven Anästhesierung. 

Die Entleerung selbst geschieht unter gleichzeitigem Nachfüllen 
von Luft nach einer Vereinfachung der Holmgrensehen Ausblase¬ 
methode. 

Mein Verfahren ist im einzelnen folgendes: Der Patient wird 
auf die gesunde Seite mit einem Kissen unter dem Brustkorb und 
ziemlich wagerecht gelegt. Die Absicht dabei ist die, dass der 
Patient sozusagen auf der Kante liegen soll; es ist dann viel leichter, 
ihn während des Entleerens in verschiedene Stellungen zu drehen, 
ohne dass es ihn geniert. 

Die Anästhesierung und der Einstich werden auf gewöhnliche 
Weise vorgenommen. Die günstigste Stelle für den Einstich ist da¬ 
gegen nicht so leicht zu bestimmen. Man muss ihn an eine Stelle 
verlegen, wo die Möglichkeit sich bietet, sowohl die parietale als 
die viszerale PleurafLäche zu besichtigen. Die beste Stelle dürfte 
die an der Grenze zwischen dem Exsudat und normalem Gewebe 
sein. Da das Prisma des Kystoskops hierbei seitswärts gerichtet 
ist, so müsste man die beiden Pleurablätter überblicken können. 
Ein Eingriff hier stösst jedoch wahrscheinlich oft auf Adhärenzen, 
weshalb ich denselben nicht versucht habe. 

Die besten Resultate habe ich bei Einstich ziemlich weit hinten 
im 7., 8. oder 9. Interstitium, unterhalb und medianwärts vom 
Ang. scapulae, erhalten. Der Arm wird nach vorn und oben ge¬ 
leget, was zur Folge hat, dass die Rippeninterstitien breiter werden. 
Beim Ablassen selbst schraube ich den Teil des Trokars, der das 
Ventil enthält, ab, so dass eine offene Verbindung zwischen der 
Pleurahöhle und der Aussenwelt besteht. Ist hoher positiver Druck 
vorhanden, so strömt das Exsudat von selbst heraus. Ist der Druck 
ausgeglichen, so wird Luft durch den Trokar bei den Inspirationen 
eingesogen, während bei der Exspiration infolge des dabei vermehrten 
Druckes in der Brusthöhle das schwerere Exsudat ausströmt. Durch 
abwechselnd Inspiration mit Einsaugen von Luft und Exspiration 
mit Austreiben von Exsudat kann man leicht und rasch fast voll¬ 
ständig eine Pleura ihres Exsudates entleeren. Ist alle Flüssig¬ 
keit entfernt, so hört man nur das Ein- und Ausstreichen der 


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H. C. Jacobaeus. 


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Luft durch den Trokar. Eine grössere Druckdifferenz in der Pleura¬ 
höhle kann hier nicht Zustandekommen, wie das bei Ablassen nach 
der Pota in sehen Methode der Fall sein kann. 

Das Verfahren dürfte einfacher sein als alle anderen bisher 
beschriebenen Verfahren zur Entleerung von Exsudaten. Haften 
ihm nun Nachteile an? Zunächst wäre an die Möglichkeit einer 
Infektion durch die Luft zu denken, die in die Pleurahöhle ein- 
und aus ihr ausströmt. Man scheut sich indessen nicht, bei Ope¬ 
rationen der Luft Zutritt zu den Höhlen des Körpers zu gestatten. 
Weshalb sollte man es liier tun, wenn auch die Ventilation recht 



lebhaft ist? Auch habe ich bei meinen Fällen niemals einen Pleura¬ 
schock beobachtet. Meine Erfahrung erstreckt sich zurzeit auf un¬ 
gefähr 100 Entleerungen auf diese einfache Weise, ohne dass eine 
sekundäre Infektion eingetreten wäre. Zudem habe ich in allen 
Fällen gleichzeitig Thorakoskopie ausgeführt. Ich glaube daher, dass 
ich dieses einfache Verfahren zu fortgesetzter Anwendung emp¬ 
fehlen kann. 

Nachdem die Flüssigkeit abgelassen worden, führe ich das 
Thorakoskop ein. Am leichtesten zu beobachten sind die parietale 
und die Zwerchfellpleura. Die Lungenoberfläche in grösserer Aus¬ 
dehnung zu sehen, stösst oft auf Schwierigkeiten. Am besten sieht 


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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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man sie, wenn man den Patienten ziemlich stark auf die Bauch¬ 
seite legt, wobei dann die Lunge auch die Neigung hat, sich an 
die vordere Fläche der Brustwand zu legen. Dies erleichtert die 
Inspektion mit dem Kystoskop, und nicht ungewöhnlich ist es dann, 
dass man den ganzen vorderen und lateralen Teil der Lunge über¬ 
blicken kann (vgl. die Textfigur). 

Eine Unzuträglichkeit davon, dass der Eingriff an der ge¬ 
nannten Stelle ausgeführt wurde, habe ich nicht gesehen. Bis¬ 
weilen habe ich nicht alles Exsudat herausbekommen. Ich habe 
dann einen dünnen, weichen Ureterenkatheter, der an dem ein¬ 
geführten Ende mit einem Bleigewicht beschwert war, eingeführt 
und ihn mit einem Potainsehen Apparat verbunden. Zwischen 
dem Katheter und dem Trokar war hierbei ein schmaler Zwischen¬ 
raum vorhanden, so dass die Luft frei einströmen konnte. Bei 
dieser Anordnung sinkt das Katheterende auf den Boden der Pleura¬ 
höhle hinunter, und man kann einen beliebig starken negativen 
Druck durch das Katheter bewirken, ohne ein zu starkes Saugen 
mit seinen unangenehmen oder gefährlichen Folgen befürchten zu 
brauchen. Auf diese Weise kann man leicht das Exsudat sozusagen 
bis auf den letzten Tropfen entleeren. Das Verfahren empfiehlt 
sich bei herabgesetztem Zustand des Patienten sowie vor allem bei 
Empyem. Bei letzterer Krankheit verbinde ich den Katheter mit 
einem T-Rohr. Der eine Ast ist mit einem Potain sehen Apparat 
zum Aussaugen des Exsudats verbunden, der andere mit einer Flasche 
mit physiol. Kochsalzlösung zur Spülung. Durch diese Anordnung 
kann man abwechselnd das Exsudat heraussaugen und mit Koch¬ 
salzlösung ausspülen. 

Den Eingriff weiter unten am Thorax vorzunehmen, ist zwar 
ebenso einfach, man kann dann aber nicht so leicht bei der Thorako¬ 
skopie die oberen Teile der Lunge sehen. Ferner habe ich in zwei 
Fällen bei der Thorakoskopie eine Verletzung des Zwerchfells durch 
das Trokarstilett wahrgenommen. Beide Fälle sind ohne Kompli¬ 
kationen verlaufen, es kann das aber natürlich eine Gefahr sein, 
die man bei Thorakozentese so weit unten am Thorax nicht ausser 
acht lassen darf. 

2. Indikationen. 

Bei Pneumothorax, bei dem diese Untersuchung am einfachsten 
auszuführen ist, kann man kaum von bestimmten Indikationen 
sprechen. 

Einerseits ist der Gewinn in diagnostischer Hinsicht oder der 
Gewinn der Auskünfte, die man bei Tbc. pulmonum mittelst dieser 
Untersuchung erhalten kann, sehr unbedeutend. Ob es möglich sein 


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wird, unter Leitung durch das Thorakoskop chirurgische Eingriffe 
auszuführen, lässt sich zurzeit noch nicht entscheiden. Anderer¬ 
seits ist aber der Eingriff so klein und ungefährlich, dass man kein 
grosses Bedenken zu tragen braucht, ihn anzuwenden. Man kann 
ihn sehr wohl im Zusammenhang mit einer Nachfüllung von Stick¬ 
stoff vornehmen. Es besteht ein gan2 augenfälliger Unterschied 
zwischen der Untersuchung bei Pneumothorax und bei exsudativer 
Pleuritis. Im ersteren Falle bleiben die Druckverhältnisse in der 
Brusthöhle und die Lage der Lunge so gut wie unverändert. Im 
letzteren Falle, wenn man ein Exsudat durch Luft ersetzt, ent¬ 
stehen im allgemeinen gleichfalls keine grösseren Druckänderungen, 
oft aber beträchtliche Lageveränderungen, indem die Luft vorzugs¬ 
weise den Raum auf der Vorder- und Oberseite der Lunge ausfüllt, 
die folglich nach hinten und unten sinkt. Vor dem Ablassen des 
Exsudats liegt die Lunge meistens nach oben und an die Vorder¬ 
seite des Brustkorbs angepresst. Dass dies in gewissen, seltenen, 
Fällen unangenehme Symptome verursachen kann, dafür scheint 
mir einer meiner Fälle zu sprechen. 

Die Anwendung der Thorakoskopie nach der Entleerung von 
Exsudat ist meines Erachtens in allen Fällen völlig berechtigt, wo 
man das Exsudat entleeren soll und dasselbe durch Luft oder Stick¬ 
stoff ersetzt. Wie bei Aszites kann es nicht als ein neuer Eingriff 
betrachte^ werden, das Kystoskop einzuführen und die betreffenden 
Pleuraflächen zu untersuchen. Zu beurteilen, was man sieht, ist 
zwar weit schwieriger als bei der Bauchhöhle, dies dürfte sich aber 
mit der Zeit ändern. 


3. Kasuistik. 

Folgende Fälle sind untersucht worden: 


1. Pleuritis exsudativa acuta 

2. Pleuritis exsudativa chronica 

3. Empyema pleurae 

4. Pneumothorax artificiale 


Anzahl der Anzahl der 

Fälle 

Untersuchungen 

32 

36 

15 

20 

7 

11 

17 

21 

Summe 71 

88 


Die obige Einteilung verfolgt den Zweck, die Übersichtlichkeit des ■ 
Materials zu erhöhen, die viele Übergangsfälle zwischen akuter und 
clironischer Pleuritis finden. Im allgemeinen habe ich den chroni¬ 
schen Pleuritiden solche zugewiesen, wo mehrere Monate seit den 
ersten Symptomen der genannten Krankheit verflossen waren. Ferner 
habe ich die Fälle dahin gerechnet, wo der Patient nicht hat angeben 
können, wie lange er Symptome seiner Pleuritis gehabt hat Schliess¬ 
lich habe ich unter die Fälle von Pleurageschwülsten auch einige 



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über Laparo- und Thorakoskopie. 


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relativ akut» Fälle auf genommen, bei denen ein Verdacht auf diese 
Krankheit Vorgelegen hat. Über die Pleuritiden, akute und chronische, 
die bei der Pneumothoraxbehandlung aufgetreten sind, wird wegen 
ihrer Sonderstellung unter der letztgenannten Krankheitsgruppe be¬ 
richtet. 

Gewährt nun die Thorakoskopie die Möglichkeit zu okularer Be¬ 
sichtigung der Thoraxkavitäten in ziemlich grosser Ausdehnung, 
so liegt die Frage nahe: Ist es möglich, aus den Veränderungen, 
die man bei der Thorakoskopie sieht, einigermaßen einen Schluss 
auf die Natur derselben zu ziehen, und demnach beispielsweise 
eine tuberkulöse Pleuritis von einer solchen anderer Ätiologie zu 
unterscheiden oder zu entscheiden, ob eine bösartige Neubildung 
vorliegt? In den Epikrisen, die sich am Ende jeder Unterabteilung 
finden, ist das Hauptgewicht auf die Erörterung dieser Frage ge¬ 
legt. Oft muss man der späteren Entwickelung der Krankheit die 
Entscheidung darüber überlassen, um welche Art von Prozess es 
sich handelt. Nachuntersuchungen derartiger Patienten haben ge¬ 
zeigt, dass in einer grossen Anzahl von Fällen der Pleuritis eine 
Lungentuberkulose gefolgt ist. In einer grossen Zusammenstellung 
haben Allard und Köster 1 ) 50<>/o Lungentuberkulose gefunden, 
eine Ziffer, die sie überdies als einen Mindestwert betrachten. Andere 
Untersuchungsmethoden haben in einer hohen Prozentzahl von Fällen 
(etwas verschieden bei verschiedenen Untersuchungen) Tuberkulose 
bei den idiopathischen Pleuritiden nachgewiesen. Die wichtigsten 
dieser Methoden sind Impfung des Exsudats auf Meerschweinchen, 
Inoskopie sowie schliesslich das Vorkommen einer lymphozytären 
Formel bei den Leukozyten im Exsudat. Die verschiedenen An¬ 
sichten bezüglich der Tuberkulös als Ätiologie der idiopathischen 
Pleuritiden kamen auf dem Kongress für innere Medizin in Bergen 2 ) 
1911 zum Ausdruck. So warnte Petren vor dem Dogma, dass 
von 60°/o nachgewiesener Tuberkulose» bei der akuten Pleuritis auf 
lOO^o zu schliessen sei. Der Beweis dafür, dass die Genesenein 
wirklich eine geheilte Tuberkulose mit sich herum trügen, sei noch 
nicht erbracht. 

Nach Gram wäre die tuberkulöse Ätiologie nicht völlig sicher, 
da eine lymphozytäre Formel der Leukozyten vorliegt, weil dieselbe 
auch bei Pleuropneumonie auftreten kann. Thue dagegen trat der 
Ansicht der französischen Forscher, vor allem Landouzi, bei und 
meinte, dass sie so gut wie jede idiopathische Pleuritis auf Tuber¬ 
kulose beruhe. Die Lymphozytenformel stimme im allgemeinen. 

x ) Hygiea, Okt. 1911. 

2 ) Kongressverhandlungen in Nord. Med. Archiv 1912. 


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Scheel wies darauf hin, dass es bei Sektionen oft sehr schwer 
sei, den tuberkulösen Herd in der Pleura bei Patienten zu finden, 
die vorher pleuritisches Exsudat gehabt hatten. 

Das Angeführte möge genügen, um die verschiedenen An¬ 
sichten in dieser Präge zu illustrieren. Im folgenden will ich über 
meine Erfahrungen bei der Thorakoskopie und ihr Verhältnis zu 
dieser Frage berichten. Die Resultate, die erhalten worden sind, 
wollen jedoch nicht als sichere Tatsachen betrachtet sein. Ihre 
Mitteilung hier verfolgt lediglich den Zweck, die Kritik heraus¬ 
zufordern und zur Äusserung anderer Auffassungen zu veranlassen, 
wobei sich dann schliesslich ergeben wird, welcher Wert der Thorako¬ 
skopie für das Studium der Pleuritis zukommt. 

Eben im Hinblick auf die Ätiologie und die obigen Darlegungen 
teile ich die akuten Pleuritiden in drei Unterabteilungen ein: 

1. tuberkulöse Pleuritiden, 

2. idiopathische Pleuritiden, 

3. nichttuberkulöse Pleuritiden. 

a) Tuberkulöse Pleuritiden. 

B' a 11 1. K. H. J., Anstreicher, 23 Jahre. A. F. I., Nr. 1329, 1910. 

Tbc. pulmonum Pleuritis exsudat. acuta sin. 

Keine Heredität bezüglich Tuberkulose. Seit 1 Jahr matt und müde. 
Erst in den letzten 2 Monaten ein immer mehr zunehmender Husten. Nie¬ 
mals Hämoptyse. Nachtschweisse in der letzten Zeit. Abmagerung. 

Befund bei der Aufnahme am 28. XII. 1910. Allgemeinzustand gut. 

Schallverkürzung über der rechten Spitze bis zum 2. Interst. Hier 
broncho-vesikuläres Atmen sowie krepitierendes Rasseln, sonst keine hörbaren 
Veränderungen. 

Der Zustand besserte sich während der nächsten Zeit. Einigemal hatte 
Pat. blutstreifigen Auswurf. 

Am 11. März Stiche in der linken Seite. Bei Untersuchung gedämpfter 
Schall unten auf der rechten Lunge mit geschwächter Atmung. Fieber unge¬ 
fähr 39°. Während der folgenden 2 Wochen nahm die Dämpfung nach oben 
zu, und am 29. III. erreichte sie den Angulus scapulae, weshalb Thorako- 
zentese gemacht und 1250 ccm Exsudat abgelassen wurde. 

Thorakoskopie: Pleura costalis mit lebhafter Hyperämie ohne Beläge sowie 
mit deutlichem Unterschiede zwischen Rippenfeldern und Interstitien. Der 
sichtbare Teil der Pleura diaphragmatica zeigt dünnen Belag ohne deutliche 
Knoten. Im Sinus noch vorhandenes Exsudat. Pleura pulmonalis bedeutend 
verändert mit grauweissen Belägen sowie hier und da deutlichen tuberkel- 
ähnlichen Knoten, die in Gruppen stehen und, wie es schien, in der Mitte 
käsige Umwandlung aufweisen. Die Lunge zeigt unbedeutende respiratorische 
Bewegungen. 

Der Zustand besserte sich etwas nach dem Ablassen, was die sub¬ 
jektiven Symptome betrifft, der Allgemeinzustand blieb aber andauernd ziem¬ 
lich herabgesetzt. Da das Exsudat wiederum sich anzusammeln begann, wurde 



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37J Über Laparo- und Thorakoskopie. 281 

neue Entleerung versucht, die aber wegen des schlechten Zustandes des Pat. 
abgebrochen werden musste. Weiterer Verlauf unbekannt. 

Fall 2. K. 0. S., Arbeiter, 28 Jahre. A. F. I., Nr. 372, 1911. 

Tbc. pulmonum -f- Pleuritis exsudat. sin. 

Keine Heredität. Vordem im allgemeinen gesund gewesen. Im Alter von 
20 Jahren Stiche in der rechten Seite eine Woche lang. Im Dezember 1910 
begann Pat. an Husten sowie allgemeiner Müdigkeit und Mattheit zu leiden. 
Keine Nachtschweisse, kein Bluthusten. 14 Tage vor der Aufnahme Stiche 
in der linken Seite mit beträchtlicher Atemnot und Fieber. 

Befund bei der Aufnahme am 23. III. Allgemeinzustand schlecht. Temp. 
40°. Dyspnoe (40 in der Min.). Lästiger Hustenreiz. 

Über der Spitze der rechten Lunge sowie im 1., 2. und 3. ICR. ge¬ 
dämpfter Schall mit broncho-vesikulärem Atmen und zahlreichen Rasselge¬ 
räuschen verschiedener Grösse. Auch über der linken Spitze unbeträchtliche 
Schallverkürzung sowie vereinzelte Rasselgeräusche. Über der unteren Hälfte 
von der Mitte der Skapula an auf dieser Seite Dämpfung mit geschwächtem 
Atmungsgeräusch. Probepunktion ergab schwach trübe seröse Flüssigkeit. 

Am 24. III. Thorakozentese mit Ablassen von 1 Liter klaren serösen 
Exsudats unter gleichzeitiger Lufteinblasung. 

Thorakoskopie: Pleura costalis in den unteren Teilen beträchtlich ent¬ 
zündet ohne deutlichen Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interstitien; 
in den oberen Teilen gering ausgesprochener Unterschied. Pleura pulmon. 
bedeutend stärker entzündet, mit einem Fibrinnetzw r erk auf der Oberfläche, 
das in den Knotenpunkten Tuberkelknötchen ähnliche Verdickungen aufweist. 
Unbedeutende respiratorische Bewegungen an der Lunge selbst. Zwischen Lunge 
und Brustwand vereinzelte Adhärenzen. Im Sinus andauernd Flüssigkeit. 

Nach dem Ablassen besserte sich der Allgemeinzustand des Pat. be¬ 
trächtlich. Die Dyspnoe verschwand. Das Fieber nahm ab. Allmählich aber 
stieg die Flüssigkeit wiederum in der Pleurahöhle, und die früheren Symptome 
traten wieder auf. 

Am 13. IV. erneute Entnahme von 750 ccm sero-hämorrhagischer Flüssig¬ 
keit. Die Thorakoskopie ergab ungefähr dasselbe Resultat wie das erste Mal. 

Am 14. VI. als gebessert entlassen. Weiterer Verlauf unbekannt. 

Fall 3. H. W., Ehefrau, 28 Jahre. Serafimerlazarett, Abt. I, Nr. 216, 1911. 

Pleuritis exsudat. dx. -f - Tbc. pulm. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Im Alter von 8 Jahren Exsudat 
in dem einen Brustfell, Pat. kann jedoch nicht mehr angeben, auf welcher 
Seite. Im Alter von 19 Jahren Erkältung und schwerer Husten. Ärztlicherseits 
wurde linksseitiger Lungenkatarrh konstatiert. Niemals Bluthusten, im Herbst 
und Frühling aber Husten. 

Anfang April dieses Jahres bekam Pat. leicht Atemnot beim Gehen. 
Am 14. V. Stiche in der rechten Seite, Schüttelfrost und Nachtschweiss. 

Befund bei der Aufnahme am 20. V. Allgemeinzustand ziemlich schlecht, 
Dyspnoe. Temp. 38°. Über der unteren Hälfte der Hinterseite der rechten 
Lunge ausgesprochene Dämpfung mit geschwächtem Atmungsgeräusch. Kein 
Rasseln. Über der Spitze der linken Lunge bis zum 3. ICR. Schallverkürzung; 
broncho-vesikuläres Atmeji sowie zahlreiche harte Rasselgeräusche. Das Röntgcn- 
Beitrftge rar Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2. 19 


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bild zeigte nach dem Ablassen des Exsudats eine diffuse Verdichtung über 
das ganze rechte Lungenfeld hin, wahrscheinlich verursacht durch Pleura- 
verdickungen. Innerhalb des verdichteten Gebietes eine pflaumengrosse luft¬ 
erfüllte Höhlung zwischen dem 2. und 3. ICR. In der linken Spitze fleckige 
Verdichtungen oberhalb des 1. ICR., sowie dichtere Zeichnung um die Bronchien 
herum bis zum 4. ICR. Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 24. V. Thorakozentese mit Ablassen von 2 Liter Flüssigkeit. Wegen 
des schlechten Zustandes der Pat. wurde der Eingriff an ihr in halbliegender 
Stellung ausgeführt. 

Bei der Thorakoskopie fand man starke Rötung der Pleura parietalis; 
an einer Stelle sah man einen erhabenen, weissen Knoten, umgeben von einer 
mehr hyperämischen Zone; die ganze Bildung ähnelte ziemlich stark einer ge¬ 
wöhnlichen Aknepustel. Lunge komprimiert; die Oberfläche zeigt einen Fibrin¬ 
belag mit wabenartig angeordneten Zügen. Der untere Teil durch Fibrin¬ 
adhärenzen mit dem Zwerchfell verlötet. 

Nach der Punktion Besserung. Die Temperatur sank, nach einer Woche 
normal. Am 3. VI. wurde Pat. als gebessert entlassen. 

Fall 4. T. L., Ehefrau, 31 Jahre. Serafimerlazarett, Abt. I, Nr. 213, 1911. 

Pleuritis exsud. sin. acuta -f- Tbc. pulm. 

Ein Bruder tuberkulös. Pat. ist während der Wachstumsjahre stets 
schwächlich und mager gewesen. Anfang April dieses Jahres begann sie 
sich müde und unlustig zu fühlen und bekam Husten. Anfang Mai Verschlechte¬ 
rung mit Stichen und Gefühl der Schwere in der linken Seite; konnte auf 
dieser Seite nicht liegen. Bei Untersuchung am 7. Mai in der hiesigen Poli¬ 
klinik fand man Dämpfung über dem unteren Teil der linken Lunge. Temp. 
38,1°. Pat. wurde noch 14 Tage lang zu Hause gepflegt unter andauernder 
Verschlechterung. 

Befund bei der Aufnahme am 20. V. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
schlecht. Dyspnoe. Dämpfung über der Hinterseite der ganzen linken Lunge, 
im Traubeschen Raum und auf der Vorderseite bis zum oberen Rande der 
4. Rippe. Unten geschwächte Atmung, oben bronchiale Atmung mit mittel¬ 
grossen harten Rasselgeräuschen. Pektoralfremitus oben verstärkt, unten ge¬ 
schwächt. Rechte Lunge normal. Herz etwas nach rechts hinübergeschoben, 
sonst nichts Abnormes. Das Röntgenbild zeigt diffuse fleckige Verdichtung 
der linken Spitze. Von der rechten Lunge her negativer Befund. 

Am 23. V. wurden 500 ccm mittelst Katheters abgelassen, während Pat. 
halbsitzende Stellung einnahm. 

Bei der Thorakoskopie erwies sich das ganze Exsudat als abgelassen 
mit Ausnahme eines unbedeutenden Restes in dem einen Sinus. Pleura stark 
gerötet mit helleren unregelmässigen Flecken, jedoch nicht mit deutlichem 
Bilde von Tuberkeln. Kein Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interstitien. 
Zahlreiche gefässlose, kreideweisse Fibrinadhärenzen. Das Zwerchfell, das die 
grössten Veränderungen auf wies, erschien aufgelockert, mit weisser höckeriger 
Oberfläche und zahlreichen kleineren Blutungen, die fleckweise auftraten, 
nicht unähnlich Blutungen im Augengrunde. Die sichtbaren Teile der Lunge 
sind mit Fibrinmembranen bedeckt. 

Nach der Punktion besserte sich der Zustand der Pat. ziemlich rasch. 
Husten und Fieber nahmen ab. Pneumothoraxbehandlung wurde am 2. VI. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


283 


eingeleilet, wobei der Zustand sich noch weiter besserte. Die Sputummenge, 
ursprünglich ungefähr 20 ccm pro Tag, sank auf 0. Gewichtszunahme 3 kg. 

In der ersten Zeit nach dem Ablassen des Exsudats konnte ein unbe¬ 
deutendes Plätschergeräusch hervorgerufen werden. Keine Zunahme des Ex¬ 
sudats während der Pneumothoraxbehandlung. 

Am 7. VII. neue Thorakoskopie. Die Lunge erschien wohlkomprimiert,, 
mit unbedeutenden Atmungsbewegungen. Der obere Lappen ist durch eine 
breite Adhärenz mit der Brust wand verwachsen. Oberfläche grauweiss mit 
verdicktev Pleura, Lungenbezeichnung nicht sichtbar. Der untere Lappen hat 
dasselbe Aussehen, ausserdem aber vereinzelte Knötchen, umgeben von einer 
hyperämischen Zone. An anderen Stellen weissglänzende Fibrinklumpen. Das 
Zwerchfell ohne deutlich nachweisbare Veränderungen. Eine unbedeutende 
Menge schwach trüber Flüssigkeit sah man um die niedrigst belegenen Partien 
herum. Die Pleura nicht besonders hyperämisch. 

Keine Beschwerden von dem Eingriff her. Am 29. VII. 1911 wurde 
Pat. behufs Behandlung im Sanatorium entlassen. 

Fall 5. H. F., Schmied, 19 Jahre. Serafimerlazarett, Abt. V, Nr. 192, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Pat. vordem stets gesund gewesen. Am 18. VIII. verhob sich Pat. an 
einem schweren Gewicht (118 kg). Unmittelbar danach keine weiteren Be¬ 
schwerden; erst um den 23. VIII. herum Stiche in der linken Seite. Bei 
Untersuchung am 30. wurde Exsudat im linken Brustfell angetroffen, weshalb 
Pat. am 31. VIII. ins hiesige Krankenhaus aufgenommen wurde. 

Befund bei der Aufnahme. Allgemeinzustand ziemlich gut. Fieber unge¬ 
fähr 38°. Geringe Empfindlichkeit über der untersten Rippe auf der linken 
Seite. Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch oben bis zur Mitte der 
Skapula. An der linken Spitze vereinzelte harte Rasselgeräusche. Das Herz 
nicht nach rechts hinübergeschoben; keine Nebengeräusche. 

Am 5. IX. Thorakozentese mit Ablassen von 600 ccm leicht hämorrhagischen 
Exsudats. Lymphozytose. 

Bei. der Thorakoskopie die unteren Teile der Pleuraflächen stark gerötet 
und injiziert. An einigen Stellen der Pleura parietalis sternförmige Fibrin¬ 
ablagerungen. An anderen Stellen erhabene grauweisse Knoten. Die Zwerch¬ 
fellfläche zeigt ein ähnliches Aussehen teils mit Fibrinablagerungen, teils mit 
verdächtigen Knoten. Lungenoberfläche uneben mit vereinzelten unregelmässigen 
Belägen, die jedoch mehr Fibrinbelägen ähneln. 

Nach 4—5 Tagen wurde Pat. fieberfrei, und nach weiteren 14 Tagen 
wurde er ohne subjektive Beschwerden von seiner Krankheit her entlassen. 
Bei Untersuchung nur leichte Dämpfung und geringe Schwächung des Atmungs¬ 
geräusches über den untersten Teilen der linken Lunge. Meerschweinchenprobo 
auf Tbc. positiv. 

F a 11 6. J. E. L., Schachtmeister, 31 Jahre. Serafimerlazarett, Abt. V r 
Nr. 188, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Keine Heredität in bezug auf Tbc. Pat. ist stets gesund gewesen bis zum 
7. VIII. dieses Jahres, wo er mit Mattigkeit, Kopfschmerzen und Schüttelfrost 
erkrankte. Leichte Stiche in der linken Seite. Nach 4 Tagen Besserung; Pat. 
stand auf, obwohl die Atemnot recht lästig war. 

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2S4 H. C. Jacobaeus. [100 

Befund bei der Aufnahme am 28. VIII. Allgemeinzustand ziemlich gut. 
Temp. ungefähr 38°. Fettpolster und Muskulatur ziemlich reduziert. 

Dämpfung und geschwächtes oder aufgehobenes Atmungsgeräusch über 
der linken Lunge bis etwas unterhalb der Spina scapulae. Rechte Lunge normal. 
Die Herzgrenze geht rechts 2 cm über den rechten Rand des Sternums hinaus. 
Unreine Töne. Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 29. VIII. Thorakozentese mit Ablassen von 800 ccm klarer seröser 
Flüssigkeit. Eiweissgehalt 3<>/o ,* spez. Gew. 1,025. Lymphozytose. Meer¬ 
schweinchenprobe auf Tbc. positiv. 

Bei der Thorakoskopie nur sehr beschränktes Gesichtsfeld. Überall ver 
sperrten Fibrinmembranen zwischen den Pleuraflächen die Aussicht. Keine 
nachweisbaren Tuberkelknötchen. 

Nach dem Ablassen allmähliche Besserung, ohne Rückbildung des Ex¬ 
sudats in nennenswertem Grade. Bei der Entlassung am 27. IX. 1911 war 
eine leichte Dämpfung über den unteren hinteren Teilen des Thorax nachzu¬ 
weisen, sonst nichts, was auf einen aktiven tuberkulösen Prozess deutete. 

Fall 7. A. J., unverheiratete Frau, 44 Jahre. A. F. I., Nr. 1085, 1910. 

Tbc. pulmonum -f- Pleuritis exsudat. sin. 

Pat. hat mehrere Jahre lang an einer chronischen Lungentuberkulose ge¬ 
litten und ist deshalb in mehreren Krankenhäusern behandelt worden. 

Befund bei der Aufnahme am 19. X. 1910. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Bei Untersuchung der Brustorgane findet man eine doppelseitige Lungen¬ 
tuberkulose ungefähr bis hinab zur 2. Rippe auf beiden Seiten und etwas 
weiter herunter auf der Rückenseite. 

Während des Aufenthalts im Krankenhause besserte sich der Zustand 
der Pat. in der ersten Zeit; Gewichtszunahme usw. 

Mitte April 1911 begann Pat. an Atemnot zu leiden, die mehr und mehr 
zunahm. Am 29. IV. wurde bei Untersuchung ein mittelgrosses Exsudat auf 
der linken Seite bis zur Mitte der Skapula entdeckt. 

Am 1. V. Ablassen von 1500 ccm Flüssigkeit. Lymphozytose.. 

Bei Thorakoskopie sieht man keinen Unterschied zwischen Rippenfeldern 
und Interstitien; die Pleuraflächen sind diffus gerötet. Lunge komprimiert 
mit ausgesprochenen Oberflächenveränderungen in Form von deutlichen grau- 
weissen erhabenen Knoten. Auch auf der Pleura diaphragmatica konnte man 
zahlreiche, von einer mehr hyperämischen Zone umgebene Knoten wahrnehmen. 

Nach dem Ablassen wurde kein Plätschergeräusch mehr erhalten. Am 

17. V. war das Atmungsgeräusch gut hörbar bis unten mit geringer Dämpfung, 
und Pat. fühlte sich bedeutend besser. 

Später wieder Verschlechterung, obwohl keine Pleuritis. Exitus am 

18. VI. 1911. 

Fall 8. A. S., Mädchen, 16 Jahre. Serafimerlazarett, Abt. II, Nr. 483, 1911. 

Pleuritis exsudat. dx. acuta. 

Keine Tuberkulose in der Familie. Pat. erkrankte vor 14 Tagen mit 
Müdigkeit, leichtem Husten und spärlichem Auswurf. Seit 4 Tagen Stiche in 
der rechten Seite. 

Befund bei der iUifnahme am 10. VIII. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Fieber ungefähr 39°. Stiche in der rechten Seite. 



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101 ] 


Über Laparo* und Thorakoskopie. 


285 


Dämpfung über dem unteren hinteren Teil der rechten Lunge unterhalb 
des Angulus scapulae mit im übrigen aufgehobener Atmung. Vom Herzen her 
nichts Bemerkenswertes. Übrige Organe normal. 

Am 10. VIII. Ablassen von ungefähr 100 ccm schwach hämorrhagischer 
Flüssigkeit. Eiweissgehalt 2,5o/o mit 400 Lymphozyten pro cmm. 

Thorakoskopie: Pleura parietalis hyperämisch hier und da mit vereinzelten 
erhabenen grauweissen Knötchen. Auf dem unteren Teil der Lungenpleura 
mehrere erhabene weisse Knoten. Fibrinbelag nur unbedeutend. 

Nach der Punktion keine Beschwerden. 2 Tage später sank die Temperatur 
auf die normale herab. Keine Flüssigkeit nachzuweisen. 

Am 16. VIII. Röntgenphotographie: Kleinfleckige Verdichtungen auf der 
rechten Lungenspitze; übrigens keine Veränderungen verdächtig auf Tbc. 

Am 18. IX. 1 mg Tuberkulin, deutliche Lokalreaktion mit Stichen in 
der rechten Seite und Fieber 38,5°. 

Pat. wurde am 23. IX. mit Dämpfung und geschwächtem Atmungsgeräusch, 
im übrigen aber subjektiv symptomenfrei entlassen. 

Fall 9. J. H., Redakteur, 32 Jahre. Serafimerlazarett, Abt. I, Nr. 63, 1912. 

Pleuritis exsudat. dx. -|- Tbc. pulm. 

In der Familie der Mutter mehrere Fälle von Tuberkulose. Im allgemeinen 
ist Pat. zuvor gesund gewesen. 1909 erkrankte Pat. an einer rechtsseitigen 
Lungentuberkulose. Nur die Spitze war angegriffen, und Pat. wurde ziemlich 
rasch symptomenfrei. Die jetzige Krankheit begann akut nach einer Erkältung 
am 20. I. 1912. Nach einigen Tagen Husten und Fieber traten Stiche in der 
rechten Seite sowie Symptome eines Exsudats im rechten Brustfell auf. 

Befund bei der Aufnahme am 27. I. 1912. Allgemeinzustand ziemlich 
schlecht. Temp. 39—40°. Pat. ist matt, häufige Schüttelfröste. 

Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch über der rechten Lunge 
oben bis zur Spina scapulae. In der Fossa supraspinata und supraclavicularis 
hört man troncho-vesikuläre Atmung und krepitierende Rasselgeräusche. Das 
Röntgenbild zeigt fleckige Verdichtungen und kleinere Kavernen an der rechten 
Lunge. Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 4. II. Thorakozentese mit Ablassen von 800 ccm etwas mit Blut ver¬ 
mischter Flüssigkeit. Spez. Gew. 1,018. Lymphozytose. 

Thorakoskopie: Pleura parietalis gleichmässig gerötet und mit kleineren 
Fibrinzügen belegt. Die Lunge zeichnete sich durch verminderte Beweglichkeit 
aus und zeigte einen glänzend weissen, speckigen Überzug von Fibrin. Zahl¬ 
reiche Fibrinadhärenzen zwischen den Pleurablättern. Keine deutlichen Tuberkel¬ 
knötchen. 

Während der nächsten Tage nach dem Ablassen zeigte die Temperatur 
dieselbe Höhe wie vorher, und der Allgemeinzustand war nur unbedeutend 
gebessert. Erst nach 10 Tagen begann das Fieber zu sinken, und bei der 
Entlassung am 29. II. 1912 war der Zustand bedeutend gebessert. Nur einige 
wenige Male war Fieber bis auf 38° eingetreten. Über den unteren Teilen der 
rechten Lunge andauernd Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch. 

F a 11 10. A. J., Ehefrau, 26 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klinik I, 
Nr. 113, 1912. 

Tbc. peritonei -f- Pleuritis exsudat. sin. 


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286 


H. C. Jacobaeus. 


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Der Fall ist oben als Nr. 35 unter den Fällen von Tbc. peritonei be¬ 
schrieben worden. Am 17. II. wurde Laparoskopie ausgeführt, wobei ziemlich 
ausgebreitete tuberkulöse Veränderungen in der Bauchhöhle nachgewiesen wurden. 
Der Zustand der Pat. besserte sich in der folgenden Zeit. Der Aszites bildete 
sich nicht wieder, und das Körpergewicht nahm zu. Am 24. IV. plötzlich 
Stiche in der linken Seite und unbedeutende Dämpfung ganz unten sowie 
Reibegeräusche. Fieber 39,6°. Am 26. IV. war die Dämpfung bis zum Ang. 
scapulae emporgestiegen. Während der folgenden Tage remittierendes Fieber. 
Am 2. V. erreichte die Dämpfung die Spina scapulae. Dämpfung im Traubeschen 
Raum. Die Herzdämpfung 1 cm rechts vom Sternum. Pat. hat subjektiv ein 
Gefühl von Druck über der Brust. 

Am 3. V. Thorakozentese mit Ablassen von 1800 ccm serösem Exsudat. 

Bei Thorakoskopie sah man den unteren Teil der Lunge komprimiert ohne 
Atmungsbewegungen. Die Oberfläche ist bedeckt mit fleckweise ausgebreiteten 
Fibrinmembranen. An einigen Stellen deutliche Knötchen (Fig. 16). Pleura 
parietalis und diaphragmatica diffus gerötet wie roter Sammet. An einigen 
Stellen isolierte, ziemlich grosse weisse Knoten, deren Natur nicht mit Sicher¬ 
heit werden konnte (Fig. 15). Die gerötete Pleura war fein kleinhöckerig oder 
granuliert. Im Sinus war noch eine geringe Menge Flüssigkeit vorhanden. 

Keine Beschwerden während des Eingriffs. Am Tage danach hatte Pat. 
jedoch eine Temp. von 39,4° sowie Stiche in der linken Seite. Nach 2—3 
Tagen sank die Temperatur, und nach einigen weiteren Tagen war Pat. 
fieberfrei. 

Fall 11. J. J., 14 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. V, Nr. 207, 1911. 

Tbc. peritonei -f~ Pleuritis exsudat. sin. 

Der Fall ist bereits in der Gruppe Tbc. peritonei als Nr. 34 beschrieben 
w r orden. 

Epikrise. In dieser ersten Gruppe, die 11 Fälle umfasst, 
habe ich in sämtlichen Fällen durch andere Methoden als die Thorako¬ 
skopie Tuberkulose nachgewiesen. In einigen Fällen waren physi¬ 
kalische Veränderungen an den Lungen zu konstatieren, in anderen 
erhielt man positives Resultat durch Meerschweinchenimpfung, in 
anderen wieder zeigte das Röntgenbild deutliche Veränderungen. 
Was man bei der Thorakoskopie in diesen Fällen sieht, darf daher 
als charakteristisch für die tuberkulöse Pleuritis betrachtet werden. 
Es ist freilich die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass ein Patient 
mit Lungentuberkulose eine Pleuritis, die auf einer Sekundärinfektion 
beruht, oder eine Pleuritis ex frigore bekommt, dies dürfte aber 
keine nennenswerte Fehlerquelle darstellen. Jedenfalls kann diese 
Möglichkeit nur bei einer verschwindenden Minderzahl der Fälle 
in Betracht kommen. 

Gemeinsam allen diesen Fällen ist eine intensive Rötung und 
Anschwellung der serösen Haut, wodurch der unter normalen Ver¬ 
hältnissen so deutliche Unterschied zwischen Rippenfeldem und Inter¬ 
kostalräumen mehr oder weniger aufgehoben wird. Nur in den 



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103 ] 


Ober Laparo- und Thorakoskopie. 


287 


Fällen, die während der ersten Tage der Krankheit zur Untersuchung 
gelangt sind, oder wo, allem nach zu urteilen, der entzündliche 
Prozess nicht besonders heftig gewesen, ist der genannte Unter¬ 
schied noch vorhanden gewesen (Nr. 1, 11). Bezüglich der übrigen 
Fälle findet sich die Angabe, dass in fünf derselben kein Unter¬ 
schied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen zu entdecken 
war (Nr. 2, 4, 7, 9, 10). In vier Fällen waren die Pleuraflächen 
stark gerötet, es fehlt aber eine genauere Angabe betreffs des er¬ 
wähnten Unterschiedes (Nr. 3, 5, 6, 8). Ich glaube es jedoch als 
ein allgemeines Kennzeichen hinstellen zu dürfen, dass relativ früh¬ 
zeitig im Verlaufe der Krankheit eine samtartige, diffus gerötete 
Fläche ohne Unterschied zwischen Rippenfeldem und Interkostal¬ 
räumen zustandekommt. 

Von weiteren Veränderungen, die die Aufmerksamkeit auf sich 
ziehen, ist das Vorkommen von Fibrin zu erwähnen. Es will mir 
scheinen, als wenn die Ausbreitung und Lokalisation des Fibrins in 
engem Zusammenhang mit dem Verlaufe des pleuritischen Prozesses 
steht. Nur in zwei Fällen (Nr. 1,11) findet sich keine Angabe darüber, 
ob sichtbare Fibrinbeläge vorhanden waren oder nicht. Diese Fälle 
habe ich auch als während früherer Stadien des Prozesses beobachtet 
aufgefasst, bevor noch sichtbare Fibrinbildung zustande gekommen 
war. Die nächste Gruppe umfasst einige Fälle, in denen vereinzelte 
Fibrinbeläge sich auf den Pleuraflächen ausgebildet hatten. Sie bilden 
ein Netzwerk von kreideweissen, erhabenen Zügen, die auf der Ober¬ 
fläche der Pleura belegen sind und wie Beläge derselben aussehen. 
Im nächsten Stadium sieht man das Fibrin als Fäden oder Stränge 
zwischen der Lunge und der Pleura parietalis und diaphragmatica 
auftreten. In einem noch mehr vorgeschrittenen Stadium, während 
der Rekonvaleszenz, soweit ich jetzt sehen kann, findet man membran¬ 
ähnliche Verwachsungen zwischen Lunge und Brustwand. Diese 
erschweren oft das Ablassen der Flüssigkeit, und in zwei Fällen von 
chronischer Pleuritis habe ich Punktionen an zwei Stellen vornehmen 
müssen. Eine andere Wirkung dieser Verwachsungen ist die, dass 
die Druckdifferenz zwischen der In- und Exspiration ljedeuteiid 
geringer ist, als wenn die Lunge frei ist. 

Die dritte und wichtigste Frage ist die, inwieweit es möglich 
ist, tuberkulöse Knötchen und Infiltrate zu erkennen. Dies hängt 
von mehreren Umständen, vor allem aber von dem Vorkommen von 
Fibrin ab. In späteren Stadien bleiben infolge der Fibrinbeläge 
nur beschränkte Partien der Pleura sichtbar, und vielleicht gerade 
die Partien, auf denen man die tuberkulösen Veränderungen zu 
erwarten hätte, sind durch Membranen verdeckt. In den weniger 


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H. C. Jacobaeus. 


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vorgeschrittenen Stadien hat man sowohl Fibrinbeläge, die man mit 
Leichtigkeit als solche erkennt, als auch Knötchen und Infiltrate, 
die mit grosser Wahrscheinlichkeit tuberkulöser Natur sind. Diese 
letzteren sicher zu erkennen, stösst auf ziemlich grosse Schwierig¬ 
keiten. Es scheint mir, als wenn das Fibrin vor allem von den 
tuberkulösen Veränderungen oder von Stellen in der Nähe der¬ 
selben seinen Ursprung nähme. Oft sieht man nämlich Fibrinstränge 
von verschiedenen Seiten her zusammenlaufen und in ihrem Ver¬ 
einigungspunkte ein Knötchen bilden, das grosse Ähnlichkeit mit 
einem Tuberkelknötchen aufweist: ein grauweisser Herd im Zentrum 
mit einer hyperämischen Zone ringsherum. Man erhält auf diese 
Weise eine ganze Gruppe von Fällen, in denen aller Anlass vorliegt> 
das Vorkommen tuberkulöser Veränderungen zu vermuten. 

In den Fällen schliesslich, wo die Fibrinbildung sehr spärlich 
ist, hat man die Knötchen, die mit grosser Wahrscheinlichkeit als» 
tuberkulös zu bezeichnen sind. Man findet vereinzelte oder gruppen¬ 
weise angeordnete grauweisse Knötchen, die von dem Gewebe selbst 
ausgehen, nicht oben darauf liegen, umgeben von einer mehr oder 
weniger ausgesprochen hyperämischen Zone. Nicht selten zeigt die 
Bildung grosse Ähnlichkeit mit einer Aknepustel. In anderen Fällen 
sieht man ein hyperämisches Knötchen, bei dem nur die Spitze grau- 
weiss ist; derartige Bildungen habe ich als Tuberkulose aufgefasst 

Prüfe ich das vorliegende Material von den ebenerwähnten 
Gesichtspunkten aus, so komme ich zu folgendem Resultat. Ich 
beginne mit den zuletzt beschriebenen Verhältnissen. 

In drei Fällen (Nr. 1, 7, 11) hat keine Schwierigkeit bestanden, 
Knötchen zu finden, die aller Wahrscheinlichkeit nach tuberkulöser 
Natur sind. Es sind dies die Fälle, wo die Fibrinbildung noch 
nicht in nennenswertem Grade zur Entwickelung gekommen ist 

In vier Fällen (Nr. 3, 5, 8, 10) finden sich vereinzelte Knötchen 
von demselben Aussehen wie in der vorigen Gruppe, ausserdem aber 
auch Fibrinbeläge, also mit grosser Wahrscheinlichkeit Tubarkel- 
knötchen, obwohl die Möglichkeit eines Irrtums hier nicht aus¬ 
geschlossen ist. 

In zwei Fällen (Nr. 2, 4) hat die Fibrinbildung einen solchen 
Umfang erreicht, dass ich nicht darüber zu entscheiden wage, ob 
Tuberkelknötchen beobachtet sind oder nicht. In den Knotenpunkten 
der Fibrinstränge findet man Knötchen, die möglicherweise 
tuberkulöser Natur sind. 

In zwei Fällen schliesslich (Nr. 6, 9) waren die Fibrinmembranen 
zwischen Lunge und Brustwand in so grosser Ausdehnung aus¬ 
gespannt, dass man keine orientierende Übersicht über die Pleura- 



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105] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


289 


flächen erhielt Ferner waren die vorhandenen Veränderungen derart 
von mehr oder minder organisiertem Gewebe umgeben, dass für 
Tuberkulose charakteristische Veränderungen nicht entdeckt werden 
konnten. 

b) Idiopathische Pleuritiden. 

F a 11 12. K. B., Ehefrau, 39 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 61, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Keine früheren Krankheiten 
von Interesse. 

Im Dezember 1910 zog sich Pat. eine schwere Erkältung zu und. fühlte 
damals Stiche in der linken Seite. Danach oft Schüttelfrost. Nach 3 Wochen 
ausgesprochene Stiche in der linken Seite. Im Januar 1911 schlechtes All¬ 
gemeinbefinden; die Stiche nahmen zu, so dass Pat. zu Bett liegen musste. 

Befund bei der Aufnahme am 17. II. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
beeinflusst. Fettpolster und Muskulatur mässig ausgebildet. Fieber 38—38,5°. 

Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch über der unteren hinteren 
Hälfte der linken Lunge. 

Am 19. II. Thorakozentese mit Entnahme von 1700 ccm Exsudat. Eiweiss- 
gehalt 6o/o. 

Thorakoskopie: Pleura costalis intensiv hyperämisch, jedoch mit deut¬ 
lichem Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interstitien. An einer Stelle 
unten und hinten ein über mehrere Rippeninterstitien sich erstreckender weisser, 
etwas erhabener Belag. Lungenpleura hyperämisch mit schwachen respiratorischen 
Bewegungen. Auf dem oberen Lappen sah man einige vereinzelte grauweisse 
Knoten, deren tuberkulöse Natur jedoch nicht sicher war. 

Zustand danach unverändert. Am 3. III. Thorakozentese mit Ablassen 
von 800 ccm Exsudat. Am 24. III. wiederum Thorakozentese, diesmal mit 
Entleerung von 300 ccm hämorrhagischer Flüssigkeit. Seitdem ist der Zustand 
im grossen und ganzen unverändert geblieben. 

Fall 13. A. H., Ehefrau, 27 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klinik I, 
Nr. 81, 1911. 

Pleuritis exsudat. dx. acuta. 

Eine Schwester leidet an Tuberkulose. Pat. im allgemeinen gesund ge¬ 
wesen. Während der Pubertätsjahre Chlorose. Im Alter von 16 Jahren Sym¬ 
ptome von Magengeschwür; leichtes Rezidiv nach 4 Jahren. Seit dem Sommer 
1910 hat Pat. sich nicht mehr völlig wohl gefühlt, hat schlechten Appetit ge¬ 
habt und ist während des- Herbstes oft „erkältet“ gewesen mit trockenem 
Husten. 4 Wochen vor der Aufnahme schwere Erkältung, gleichzeitig Stiche 
in der rechten Seite der Brust. Nach weiteren 14 Tagen Verschlechterung 
mit hohem Fieber, Husten und Atemnot. 

Befund bei der Aufnahme am 3. III. 1911. Allgemeinzustand nicht be¬ 
sonders schlecht. Temp. 38,5—38° in den ersten Tagen, dann normal. 

Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch über der unteren, hinteren 
Hälfte der rechten Lunge. Nirgends Rasselgeräusche oder Veränderungen des 
Atmungsgeräusches, die auf Tbc. deuteten. Von den übrigen Organen her 
nichts Bemerkenswertes. 


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H. C. Jacobaeus. 


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Am 8. III. Thorakozentese mit Ablassen von 1100 ccm etwas hämor¬ 
rhagischer Flüssigkeit. 4 

Thorakoskopie: Die Zwerchfellkuppe liegt in gleicher Höhe mit der Ein¬ 
stichstelle. Die Zwerchfelloberfläche ist über den ganzen sichtbaren Teil hin 
mit einem dicken Belag ven zahlreichen graugallertigen Knötchen bedeckt. 
Auch die parietalen Wände zeigen diesen Knötchenbelag, so dass der Unter¬ 
schied zwischen den Rippenfeldern und den Interstitien verwischt ist. Die 
Hyperämie ist auf diesen Partien nicht besonders intensiv. Die Lungenober- 
flächc erscheint ziemlich normal, ohne Beläge, mit Ausnahme einer schmalen 
grauweissen Zone längs dem unteren Rande. 

Verlauf nach der Punktion günstig. Tuberkulinprobe mit 1 mg negativ; 
mit 5 mg stark positiv mit Fieber von 39°. Keine Lokalreaktion von der 
Pleura her. Keine Neubildung des Exsudats. Am 12. IV. wurde Pat. ent¬ 
lassen. Bei Untersuchung jetzt eine leichte Dämpfung mit geschwächtem Atmungs¬ 
geräusch über den unteren Teilen der rechten Lunge. Allgemeinzustand gut. 
Gewichtszunahme 3 kg. 

Fall 14. K. S., Feiler, 27 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klinik V, 
Nr. 92, 1911. 

Pleuritis exsudat. dx. acuta. 

Keine Tuberkulose in der Familie. Stets gesund gewiesen mit Ausnahme 
einer Gonorrhöe vor 4—5 Jahren. Vor 14 Tagen begann Pat. matt und müde 
zu werden und fühlte leichte Stiche in der rechten Seite. Er arbeitete bis 
Ostern. Husten relativ unbedeutend. Abmagerung. 

Befund bei der Aufnahme am 22. IV. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Fieber ungefähr 39°. Bei Untersuchung absolute Dämpfung über der 
Hinterseite der rechten Lunge von der Spina scapulae an. Stark geschwächte 
Atmung über diesen Partien. Von der linken Lunge her nichts Bemerkenswertes. 
Herz nach links verschoben, 1 cm links von der Mittellinie. Leber perkutorisch 
nach unten verschoben bis 1—2 cm unterhalb des Brustkorbrandes. Die übrigen 
Organe normal. 

Am 24. IV’. Thorakozentese mit Ablassen von 3150 ccm etwas trübem 
Exsudat. 

Thorakoskopie: Pleura costalis intensiv hyperämisch ohne Unterschied 
zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. An mehreren Stellen grau- 
weisse netzförmige Züge von Fibrinsträngen. In den Knotenpunkten oft Tuberkeln 
ähnliche Knötchen. Einige vereinzelte Knötchen von verdächtigem Aussehen 
wurden angetroffen, jedoch nirgends solche gruppenweise angeordnet. Die 
Zwerchfellpleura war beträchtlich verdickt sowie ihrer ganzen Ausdehnung 
nach fast vollständig weissglänzend. Die Lungenpleura in den unteren Teilen 
gleichfalls weissglänzend mit dicken weissen Belägen, so dass man kein nor¬ 
males Lungengewebe sehen konnte. Der obere Lappen zeigte fleckenweise 
weisse Verdickungen mit verhältnismässig normaler Lungenoberfläche da¬ 
zwischen. Die fraglichen Flecke waren sternförmig und kommunizierten durch 
ihre Ausläufer miteinander. 

Das Exsudat hatte einen Eiweissgehalt von 6<Vo, spez. Gew. 1,020. Nur 
Lymphozyten im Sediment. Keine Tuberkelbazillen nachweisbar; Meer¬ 
schweinchenprobe negativ. Am 24. IV. v. Pirquet positiv. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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Verlauf nach der Punktion günstig, ausgenommen, dass am 26. IV. Pat. 
einen eine halbe Stunde dauernden Anfall von Atemnot hatte. Nach einer 
Woche war Pat. fieberfrei. Eine geringe Menge Exsudat bildete sich wieder, 
so dass am 2. V. eine Dämpfung auf der Rückenseite bis zur 8 . Rippe nach¬ 
gewiesen werden konnte. Bei der Entlassung am 13. V. hatte die Dämpfung 
sich bedeutend vermindert und der Allgemeinzustand gebessert. 

F a 11 15. E. K., Dienstmädchen, 25 Jahse. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 152, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Mutter an Lungentuberkulose gestorben; 2 Schwestern leiden an dieser 
Krankheit. 

Im allgemeinen ist Pat. von schwächlicher Gesundheit gewesen. Vor un¬ 
gefähr einem Monat erkältete sich Pat. und bekam hierbei Stiche in der linken 
Seite, die dann immer heftiger wurden. Atemnot, Schüttelfrost und Nacht- 
schweisse traten hinzu. 

Befund bei der Aufnahme am 14. IV. 1911. Allgemeinzustand nicht be¬ 
sonders schlecht; Fieber ungefähr 39°. Bei Untersuchung findet iqan Symptome 
eines mittelgrossen Exsudates auf der linken Seite, sonst normale Verhältnisse. 
Nirgends Rasselgeräusche oder Veränderungen, die auf Tbc. deuteten. Die 
übrigen Organe zeigen nichts Bemerkenswertes. 

Am 15. IV. wurden 1500 ccm etwas trübes Exsudat abgelassen. Das¬ 
selbe enthielt rote Blutkörperchen, Lympho- und Leukozyten in mässiger Menge, 
sowie 5o/o Eiweiss. 

Thorakoskopie: Bedeutende Hyperämie der beiden Pleurablätter. An der 
parietalen Pleura jedoch deutlicher Unterschied zwischen Rippenfeldern und 
Interstitien. Zahlreiche kleinere, etwas erhabene Knötchen (Tuberkeln), teils 
vereinzelt, teils in Gruppen über das parietale wie das viszerale Blatt hin. 
Die grösste Ausbreitung findet sich zweifellos auf der Lungenoberfläche selbst. 
An den untersten Teilen der Lunge ist dieselbe mit einem Netzwerk wahrschein¬ 
lich von Fibrin bedeckt. Höher hinauf hat die Lunge transversale Falten, 
beruhend auf der Kompression durch das Exsudat. 

Zustand unmittelbar nach der Punktion gut. Aufgehobene Atmung über 
den fraglichen Partien. Am 3. V. konnte man von neuem Dämpfung nachweisen. 
Bei Probepunktion erhielt man klare seröse Flüssigkeit; Eiweissgehalt 4 0 / 0 , 
1100 Zellen pro cmm, 67o/ 0 Leukozyten und der Rest Lymphozyten. 

Am 9. V. v. Pirquet positiv. Thorakozentese mit Ablassen von 200 ccm 
Exsudat von demselben Aussehen wie vorher. Nur mit Schwierigkeit floss 
die Flüssigkeit ab, nachdem man zuerst durch den Trokar hindurch sondiert 
hatte. Auch fand beim Atmen nicht das gewöhnliche Ein- und Ausströmen 
der Luft statt. 

Bei der Thorakoskopie erhielt man nur ein unbedeutendes Gesichtsfeld. 
Überall sah man weisse Fibrinmembranen zwischen Lunge und Brustwand, 
wodurch der Pleuraraum in verschiedene Fächer abgeteilt wurde. Pleura parie- 
talis gerötet. Nur an einer Stelle beobachtete man einige Knötchen, die jedoch 
keinen sicheren Tuberkulosecharakter aufwiesen. 

In der Exsudatflüssigkeit 8 O 0/0 Leukozyten und 20<>/o Lymphozyten; Eiw'eiss- 
gehalt 3o/o. • 

Nach dieser Punktion war eine Zunahme des Exsudats nicht mehr nach¬ 
zuweisen. Am 15. V. wrurden Reibungsgeräusche in der linken Axillarlinie 


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gehört. Der Allgemeinzustand besserte sich, über dem unteren Teil der linken 
Lunge blieb aber Dämpfung mit geschwächtem Atmungsgeräusch bestehen. 
Das Fieber, das in den ersten 14 Tagen zwischen 38° und 39° schwankte, 

war in der letzten Woche normal geworden. Am 26. V. wurde Pat. als ge¬ 
bessert entlassen. 

F a 11 16. E. G., Seemann, 24 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. V, 
Nr. 102, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Keine Tbc. in der Familie. Pat. während der Wachstumsjahre stets 

gesund gewesen. Am 25. IV. 1911 erkrankte Pat. ohne nachweisbare Ursache 

ganz akut mit Schüttelfrost und Fieber sowie Stichen in der linken Seite. 
Beträchtliche Atemnot in den nächsten Tagen. Am 29. IV. begannen ausserdem 
Schmerzen beim Schlucken aufzutreten. 

Befund bei der Aufnahme am 2. V. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 

beeinflusst. Fieber 39°. Dyspnoe. Puls 120. Dämpfung und geschwächtes 
oder aufgehobenes Atmungsgeräusch über die ganze linke Brusthälfte hin. 
Rechte Lunge normal. Herz nach rechts verschoben. Von den Bauchorganen 
her nichts Bemerkenswertes. Mandeln und Gaumenbögen stark angeschwollen 
und gerötet. 

Am 4. V. Thorakozentese mit Entnahme von 3900 ccm klarer seröser 
Flüssigkeit und gleichzeitigem Einlassen von Luft. 2000 ccm wurden mittelst 
Katheters entleert. Keine Beschwerden von dieser grossen Entziehung. Eiweiss- 
gehalt des Exsudats 3<>/o. Lymphozytose. 

Thorakoskopie: Die ganze Pleura parietalis intensiv hyperämisch ohne 
Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. Nur ganz oben 
nach der Kuppe zu konnte man die Rippen „hindurchschimmern“ sehen. 
Lunge stark komprimiert gegen den Hilus; sie zeigt hier und da Fibrinmem¬ 
branen, nicht aber so viel, dass die natürliche Farbe der Lunge dadurch ver¬ 
deckt würde. Unten das Zwerchfell angeschwollen und hyperämisch. Im Sinus 
eine unbedeutende Menge zurückgebliebener Flüssigkeit, wahrscheinlich nicht 
50 ccm übersteigend. Auf der Pleura parietalis einige begrenzte weisse Flecke, 
nicht erhaben oder von einer besonderen hyperämischen Zone umgeben, wes¬ 
halb ihre Natur nicht festgestellt werden konnte. 

Keine unmittelbaren Beschwerden von der Punktion. Beträchtliche sub¬ 
jektive Erleichterung; die Dyspnoe verschwand. Das Fieber hielt sich jedoch 
unverändert auf 39° und schien durch die Exsudatentziehung nicht beeinflusst 
zu werden. Möglicherweise beruhte es teilweise auf der Angina des Pat. Schon 
am 10. V. waren die Symptome derselben zum grössten Teile verschwunden. 
Allmählich bildete sich von neuem etwas Exsudat, Plätschergeräusch wurde 
erhalten und Dämpfung unterhalb des 9. Interstitiums, sonst keine Verände¬ 
rungen von den Lungen her. Seit ungefähr dem 20. V. ist Pat. fieberfrei. 
Rekonvaleszenz verhältnismässig langsam. Am 8 . VI. 1 mg Koch sches Tuber¬ 
kulin ohne Reaktion. Dämpfung besteht die ganze Zeit hindurch über den 
untersten Teilen der Hinterseite der linken Lunge fort; Atmungsgeräusch über 
der Spitze normal. Über den unteren Teilen bei der Entlassung am 30. VI. 
1911 geschwächtes Atmungsgeräusch. 

• Fall 17. T. A., 20jährige Frau. Serafimerlazarett, med. Klin. II, 
Nr. 491, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 



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109] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


293 


Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Keine rheumatischen Schmerzen 
vorher, wie auch keine anderen früheren Krankheiten von Interesse. In den 
letzten Monaten allgemein kränklich. Nach „Erkältung“ vor 3 Wochen Ver¬ 
schlechterung mit trockenem Husten. Keine Stiche, dagegen aber Atemnot 
beim Treppensteigen. Am Abend des 16. VIII. begann Pat. sich matt zu fühlen 
und hatte Schüttelfrost. 

Befund bei der Aufnahme am 17. VIII. Allgemeinzustand ziemlich gut. 
Keine subjektiven Beschwerden. Unbedeutender Husten. Kein Expektorat. 
Fieber ungefähr 39°. Bei Perkussion der Lungen erhält man matten Schall 
über der ganzen linken Lunge, ausgenommen in der Fossa supraspin., wo 
tympanitischer Schall herrscht. Atmungsgeräusch ganz oben schwach bronchial, 
über den unteren Teilen nicht hörbar. Rechte Lunge normal. Rechte Grenze 
des Herzens verläuft 6 cm rechts von der Mittellinie. Töne dumpf. — Von 
den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 19. VIII. Thorakozentese mit Ablassen von 2600 ccm klarem serösem 
Eksudat. 110 Lymphozyten pro cmm. Keine Tuberkelbazillen nachweisbar; 
5o/o Eiweiss. 

Thorakoskopie: Intensive Rötung und Verdickung der Pleura parietalis; 
kein Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. Man sieht 
kleine Knötchen von höchster Erbsengrösse dicht gehäuft an einer Stelle, 
während sie an anderen fehlen. Die grösseren sind grauweiss an der 
Spitze, wodurch sie Aknepusteln ähneln. Die kleineren sind in ihrer ganzen 
Ausdehnung hyperämisch. Auf dem Zwerchfell finden sich die grössten 
Knoten, die bisweilen zusammenfliessen. Fibrinmembranen von der Lunge zum 
Zwerchfell nur in unbedeutendem Masse vorhanden. Lunge stark komprimiert, 
fleischfarbig, hier und da mit Fibrin belegt; an vereinzelten Stellen Knötchen, 
die jedoch von einem Fibrinnetz umgeben sind, so dass ihre Natur schwer 
festzustellen ist. 

Keine Beschwerden von der Punktion. Nach 3—4 Tagen war eine geringe 
Menge Flüssigkeit wieder nachweisbar, höchstens einige 100 ccm. Das Fieber 
hielt sich noch eine Woche lang ungefähr auf 39°, danach sank es allmählich. 
Da durch die Thorakoskopie Anhaltspunkte für Tuberkulose sich ergeben hatten, 
wurde Pat. wie ein Tuberkulosepatient weiter mit Pneumothorax behandelt, 
was ihr ausgezeichnet bekam; sie nahm an Gewicht zu. Die vorher nachgewiesene 
Exsudatmenge wurde resorbiert. Am 27. IX. wurde Pat. als gebessert ent¬ 
lassen. 

Am 25. XI. wurde poliklinisch Thorakoskopie ausgeführt. Pleura parie¬ 
talis jetzt normal. Lunge nicht vollständig komprimiert. Auf dem unteren 
Lappen vereinzelte grauweisse Knötchen. Ein dünner Belag auf der Lungen¬ 
pleura. Zwerchfell leicht hyperämisch. Im Sinus etwa 50 ccm schwach trübe 
Flüssigkeit. 

Fall 18. K. O., Jungfrau, 27 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. II, 
Nr. 487, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Keine Tuberkulose in der Familie. Als Kind Masern, sonst keine Krank¬ 
heit gehabt. Pflegt nicht zu husten. 3 Wochen vor der Aufnahme begann 
Pat. sich allgemein schlecht und müde zu fühlen, schwitzte viel. Kopfschmerzen. 
10 Tage danach Stiche in der linken Seite mit Atemnot und Husten. 


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294 


H. C. Jacobaeus. 


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Befund bei der Aufnahme am 16. VIII. Allgemeinzustand nicht besonders 
beeinflusst. Fieber 39°. Stiche in der linken Seite, leichter Husten, kein 
Auswurf. 

Dämpfung über der linken Lunge bis zur Mitte der Skapula auf der 
Hinterseite: auf der Vorderseite unterhalb der 7. Rippe. Atmungsgeräusch 
über den gedämpften Gebieten nicht hörbar, aufwärts davon bronchial. Reibungs¬ 
geräusche oberhalb der Dämpfung. Rechte Lunge normal. 

Herz nicht verlagert. Töne dumpf. Von den übrigen Organen her nichts 
von Interesse. 

Am 17. VIII. Thorakozentese mit Entnahme von 2000 ccm etwas hämor¬ 
rhagischem Exsudat. Eiweissgehalt 5<yo. 

Thorakoskopie: Pleura parietalis hyperämisch und angeschwollen. Kein 
Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interstitien. Auf dem Zwerchfell 
mehrere kleinere Knötchen, einige gefässführend, durchweg graurot, andere 
grauweiss an der Spitze. Fibrinstränge in unmittelbarer Nähe. Die Lungenober¬ 
fläche, die nur in geringerer Ausdehnung sichtbar ist, zeigt ein ausgebreitetes 
Fibrinnetz, und keine Knötchen sind auf ihr sichtbar. 

Während des Ablassens des Exsudats erbrach sich Pat. mehrmals, hatte 
aber keine Schmerzen während oder infolge des Eingriffs. Der Puls wurde 
indessen schnell, ungefähr 120, und klein. Offenbar litt Pat. an ziemlich 
hochgradiger Herzschwäche. Sie erhielt Kampfer, und nach 1 / 2 Stunde besserte 
sich der Zustand, um bald wieder normal zu sein. 

Nach der Punktion war der Zustand subjektiv besser. Das Fieber blieb 
noch etwa eine Woche bestehen, danach normale Temperatur. Am 13. IX. 
wurde Pat. als gebessert entlassen. 

Am 15. II. 1912 stellte Pat. sich zur Nachuntersuchung ein. Der Zu¬ 
stand war in der zwischenliegenden Zeit gut gewesen. Bei der Untersuchung 
fand man eine leichte Dämpfung ganz unten an der linken Lunge; Atmungs¬ 
geräusch etwas geschwächt. Kein Rasseln. 

Fall 19. E. G. II., Tischler, 39 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. V, 
Nr. 63, 1912. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Keine Heredität betreffs Tuberkulose. Die hygienischen Verhältnisse sind 
gilt gewesen. Im Jahre 1900 hatte Pat. eine Pneumonie. Während der Rekon¬ 
valeszenz Bluthusten; der Arzt konstatierte damals Tbc. pulm. dx. Schon 
1901 konnte man klinisch keine Veränderungen mehr an den Lungen des Pat. 
nachweisen. Seitdem ist Pat. völlig arbeitsfähig gewesen. Weihnachten 1911 
zog sich Pat. eine Erkältung zu, die dann nicht vollständig hat verschwinden 
wollen. Am 15. II. Verschlechterung. Stiche im Rücken traten hinzu, danach 
Atemnot, Fieber. Aufgenommen ins Krankenhaus am 29. II. 

Befund am 1. III. Körperbau, Fettpolster und Muskulatur gut. 

Keine Veränderungen betreffs der rechten Lunge nachweisbar. Über der 
linken Lunge Dämpfung auf der Hinterseite bis hinauf zur Spina scapulae 
und auf der Vorderseite bis zum 2. Interstitium. Überall geschwächtes Atmen. 
Dämpfung im Traubeschen Raum. Herz nicht deutlich nach rechts verlagert. 
Keine Nebengeräusche. Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 5. III. Thorakozentese mit Ablassen von 2100 ccm Exsudat; Eiweiss- 
gehalt 3,5 , '.b, spez. Gew. 1,021. Mononukleare Zellen im Exsudat. 



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111] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


295 

Thorakoskopie: Intensive Hyperämie der Pleura parietalis. Kein Unter¬ 
schied zwischen Rippenfeldern und Interstitien. Zahlreiche Fibrinbeläge. An 
mehreren Strängen sieht man Fibrinstränge sich von der Lunge zur Pleura parie¬ 
talis hinziehen. Die Lungenoberfläche ist in grosser Ausdehnung sichtbar, mit 
Fibrinmembranen belegt. Keine Atmungsbewegungen sichtbar auch bei tiefer 
Inspiration. Nirgends tuberkelähnliche Knötchen. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff, auch keine Neubildung von Ex¬ 
sudat. Pat. wurde am 17. IV. als gebessert entlassen. 

Fall 20. E. N., Mädchen, 15 Jahre. Serafimcrlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 229, 1912. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Keine Heredität betreffs Tuberkulose. Keine früheren Krankheiten. Pat. 
erkiankte plötzlich, nachdem sie sich zuvor vollkommen gesund gefühlt hatte, 
am 1. IV. 1912 mit Schüttelfrost, Erbrechen und Stichen in der linken Seite 
der Brust. Sie hat seitdem zu Bett gelegen. In den letzten Tagen Atemnot. 

Befund bei der Aufnahme am 12. IV. 1912. Allgemeinzustand nicht be¬ 
sonders beeinflusst. 

Dämpfung über der ganzen linken Lunge mit aufgehobenem oder schwach 
bronchialem Atmungsgeräusch. Die rechte Herzgrenze beginnt 2 cm rechts 
vom Sternum, keine Geräusche. Von Bauchorganen her nicht Bemerkenswertes. 

Am 13. IV. Thorakozentese mit Ablassen von 2 Liter klarem serösem 
Exsudat. 

Thorakoskopie: Pleura parietalis intensiv hvperämisch; kein Unterschied 
zwischen Rippenfeldern und Interstitien. Hier und da kleinere grauweisse Knöt¬ 
chen auf dem Zwerchfell sowie auf der medialen Wand nach dem Herzbeutel 
hin. Lungenoberfläche hyperämisch, graurot, ohne deutliche Atmungbewegungen. 
Nur vereinzelte Fibrinadhärenzen sind oben nach der Lungenspitze hin zu 
sehen. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. In dem Exsudat mononukleare 
Zellen. 

Fall 21. G. G., Fabrikant, 40 Jahre. Serafimcrlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 485, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Vater an Lungentuberkulose gestorben. Pat. im allgemeinen gesund ge¬ 
wesen, keine früheren Krankheiten von Interesse. 

Vor 14 Tagen erwachte Pat. mit starken Stichen in der linken Seite. 
Kein Husten, kein Schüttelfrost. Die Krankheit wurde als Muskelrheumatismus 
aufgefasst. Später stellten sich Schüttelfrost und Fieber ein. 

Befund bei der Aufnahme am 8. IX. Allgemeinzustand ziemlich schlecht. 
Fieber 38°, starke Dyspnoe. Dämpfung über der ganzen linken Lunge bis hinauf 
zur Fossa supraclavicularis, entfernte Bronchialatmung. Die rechte Grenze des 
Herzens liegt 5 cm nach aussen vom rechten Sternalrand. Keine Geräusche. 
An den übrigen Organen nichts von Interesse. 

Am 9. IX. Thorakozentese mit Ablassen von 3400 ccm klarem Exsudat, 
davon 2500 ccm mittelst Katheters. 

Thorakoskopie: Pleuraflächen in grosser Ausdehnung zu sehen. Pleura 
parietalis marmoriert mit abwechselnd hellen und stark hyperämischen Flecken 
sowie hier und da Fibrinbelägen. Kein Unterschied zwischen Rippenfeldern 
und Interstitien. Lunge stark komprimiert, mit schwachen Atmungsbewegungen. 


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H. C. Jacobaeus., 


[112 


Die Oberfläche ist uneben, mit Fibrinbelägen; an vereinzelten Stellen sieht 
man isolierte Knötchen, möglicherweise Tuberkelknötchen. Kein Exsudat mehr 
vorhanden. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. Die Rekonvaleszenz zog sich etwas 
in die Länge. Erst nach 3 Wochen vollständig fieberfrei. Dämpfung und ge¬ 
schwächtes Atmungsgeräusch bestanden noch sehr lange fort, die Menge der 
Flüssigkeit war jedoch so gering, dass man keine weitere Thorakozentese vor¬ 
zunehmen brauchte. Meerschweinchenprobe negativ. Pat. wurde am 14. X. 
als gebessert entlassen. 

F a 11 22. A. D., Ehefrau, 42 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. II, 
Nr. 589, 1911. 

Pleuritis exsudat. sin. acuta. 

Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen. Im Herbst und Frühling hat 
sie jedoch oft gehustet. Vor 6 Wochen heftiger Husten und Stiche in der 
linken Seite, Nachtschweisse. Pat. hat seitdem zu Bett liegen müssen. Schlechter 
Appetit. Atemnot ist hinzugetreten. 

Befund bei der Aufnahme am 28. IX. 1911. Allgemeinzustand gut. Fieber 
38—38,4°. 

Starke Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch über der linken 
Lunge von unten an bis hinauf zur 2. Rippe auf der Vorderseite lind ebenso 
hoch auf der Hinterseite. Die rechte Grenze des Herzens verläuft 2 cm rechts 
vom Sternum. Dämpfung im Traubeschen Raum. Von den übrigen Organen 
her nichts Bemerkenswertes. 

Am 2. X. Thorakozentese mit Entnahme von 3300 ccm seröser Flüssigkeit. 

Thorakoskopie: Grosse Teile der Pleura parietalis sichtbar. Auf der¬ 
selben grauweisse Knötchen, etwas erhaben über der Oberfläche sowie um¬ 
geben von einer schmalen hyperämischen Zone. Auf dem Zwerchfell gleichfalls 
vereinzelte Knötchen. Die Pleuraflächen im übrigen stark gerötet, mit nur 
angedeutetem Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interstitien. Lunge kom¬ 
primiert, ohne Atmungsbewegungen. Oberfläche wellig uneben, mit erhabenen, 
mehr hyperämischen Partien sowie eingesenkten, helleren, grauen Partien. Keine 
entsprechenden Knötchen sichtbar. 

Keine Beschwerden nach der Punktion. Die Temperatur sank einige Tage 
bis auf 37,5°, am 3. Tage begann sie wieder zu steigen, erreichte am 4. Tage 
39°, hielt sich 3 Tage lang auf dieser Höhe und sank dann wieder auf die 
normale Temperatur. Eine Zunahme des Exsudats konnte nicht mit Sicherheit 
nachgewiesen werden. Bei Probepunktion war das Aussehen desselben wie 
vorher. Eine direkte Ursache der Temperatursteigerung war nicht festzustellen. 
Nachdem noch eine Temperaturerhöhung stattgefunden hatte, wurde die Tem¬ 
peratur allmählich normal, und der Zustand begann sich rasch zu bessern. 

Bei der Entlassung am 8. XI. fand sich noch Dämpfung und geschwächtes 
Atmnngsgeräusch über den unteren Teilen der linken Lunge. Pat. ist fieber¬ 
frei und der Zustand beträchtlich gebessert. Meerschweinchenprobe auf Tbc. 
negativ. 

F a 11 23. K. P., Arbeiter, 25 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 217, 1912. 

Pleuritis exsudat. acuta sin. 

Vater und 2 Geschwister an Tbc. gestorben. 


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113] 


über Laparo- und Thorakoskopie. 


297 


Diphtherie im Alter von 13 Jahren. Hat periodenweise gehustet, nie 
aber Auswurf gehabt. Um den 20. März herum begann Pat. Stiche in der 
linken Seite zu fühlen, die bei der Arbeit recht schmerzhaft waren. Bisweilen 
Schüttelfrost und Fieber. 

Befund bei der Aufnahme am 4. IV. 1912. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Fieber von ungefähr 39°. 

Dämpfung unterhalb des Angulus scapulae und geschwächtes Atmungs¬ 
geräusch. Herz normal. Von den Bauchorganen her nichts. 

Da das Fieber keine Tendenz zur Abnahme zeigte, trotzdem die Dämpfung 
nicht besonders massiv erschien, wurde am 10. IV. Thorakozentese gemacht. 
Nur etwa 50 ccm etwas blutiges Exsudat wurde abgelassen. Lymphozytose. 
Beim Ein- und Ausatmen sehr unbedeutender Druckunterschied. 

Thorakoskopie: Das Gesichtsfeld ist auf einen sehr kleinen Teil der Pleura¬ 
flächen beschränkt. Überall zahlreiche Fibrinmembranen zwischen Lunge und 
Brustwand. Nirgends sichere Tuberkelknötchen. 

Nach der Thorakozentese trat rasche Besserung ein; nach einer Woche 
war Pat. fieberfrei, und kurz darauf stand er auf. 

F a 11 24. H. J. A., Arbeiter, 26 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. II, 
Nr. o4S, 1911. 

Pleuritis exsudat. acuta dx. 

Keine Heredität. Pat.* stets gesund gewesen. Am 28. IX. erkrankte er 
mit Stichen in der rechten Seite. Kein Schüttelfrost. 

Befund bei der Aufnahme am 3. X. 1911. Allgemeinzustand gut. Fieber 
ungefähr 39°. Herz nicht verlagert. Systolisches Blasen. Über der unteren 
hinteren Hälfte der rechten Lunge Dämpfung mit geschwächtem Atmungs¬ 
geräusch. 

Am 4. X. Ablassen von 1200 ccm klarem serösem Exsudat. 

Thorakoskopie: Hyperämie der Pleura parietalis mit unbedeutendem Unter¬ 
schied zwischen Rippenfeldern und Interstitien. Nach oben und hinten finden 
sich zerstreut weisse erhabene Flecke mit kreideweisser Oberfläche, Fibrin 
ähnelnd. Auch auf dem Zwerchfell ähnliche Bildungen. Die Lunge ist kom¬ 
primiert, ohne Atmungsbewegungen. Lungenoberfläche hyperämisch; längs dem 
unteren Rande ein Kamm von Fibrin, von dem aus eine Fibrinadhärenz zum 
Zwerchfell hinzieht. Weiter oben auf der Lungenoberfläche findet man be¬ 
grenzte weisse Knötchen, die möglicherweise Tuberkelknötchen sein 
können. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. Allmählich sank das Fieber, und 
Pat. wurde am 14. XI. 1911 als beträchtlich gebessert, mit nur geringer 
Dämpfung auf den fraglichen Partien des Brustkorbes, entlassen. 

F a 11 25. S. E., Bauerntochter, 19 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 236, 1912. 

Pleuritis exsudat. acuta sin. 

Keine Heredität betreffs Tuberkulose. Hygienische Verhältnisse gut. Keine 
früheren Krankheiten von Interesse. Seit 1 / 2 Jahr hat Pat. dann und wann 
Stiche in der linken Seite gehabt, die jedoch Pat. nicht weiter belästigt und 
sie auch nicht in ihrer Arbeit gestört haben. Vor 2 Monaten begann Pat. müde 
und matt zu werden. Zeitweise lag sie zu Bett. Zunehmende Stiche und Atem¬ 
not in den letzten 14 Tagen vor der Aufnahme ins Krankenhaus. Nachtschweisse 
und Fieber. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2 20 


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H. C. Jacobaeus. 


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Befund bei der Aufnahme am 16. IV. Allgemeinzustand gut. Fieber von 
38—38,5°. 

Die gewöhnlichen Symptome eines pleuritischen Exsudats auf der Ilinter- 
seite bis oben zur Spina scapulae, auf der Vorderseite bis zur 2. Rippe. 
Dämpfung im Traubeschen Raum. Herz 2 cm rechts vom Sternum verlagert. 
Keine Geräusche. Von den übrigen Organen her nichts Besonderes. 

Am 18. IV. Thorakozentese mit Ablassen von 600 ccm hämorrhagischem 
Exsudat, das rote Blutkörperchen und Lymphozyten enthielt. 

Thorakoskopie: Rötung und Anschwellung der Pleura; kein Unterschied 
zwischen Rippenfeldern und Interstitien. An zerstreuten Stellen der Pleura 
parietalis sieht man grauweisse Knötchen, umgeben von einer mehr hyperämischen 
Zone. Andere Knötchen erscheinen in dem Pleuragewebe eingesenkt, mit kleinen 
Gelassen, die von dem Gewebe aus an ihnen hinauflaufen. Lunge mässig kom¬ 
primiert, ohne Atmungsbewegungen. Oberfläche gerötet, hier und da mit Fibrin¬ 
belägen ; vereinzelte Fäden erstrecken sich quer über den Zwischenraum zwischen 
Lunge und Pleurawand. Auf dem Zwerchfell gleichfalls vereinzelte Knötchen 
und Fibrinbeläge. Eine geringe Menge Exsudat auf dem Boden der Pleura¬ 
höhle. 

Nach der Punktion sank das Fieber allmählich und der Zustand besserte 
sich rasch. 

Fall 26. E. A., Dienstmädchen, 26 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 262, 1912. 

Pleuritis exsudat. acuta sin. 

Keine Heredität betreffs Tbc. Pat. im allgemeinen gesund gewiesen. Ende 
Februar 1912 litt Pat. an Erythema nodosum, gleichzeitig Gelenkschmerzen. 
Seitdem nicht mehr völlig gesund. Vor 14 Tagen traten Stiche in der linken 
Seite auf mit Fieber und Husten. Pat. hat seitdem zu Bett gelegen mit Fieber 
von höchstens 38,5°. Oft Gefühl von Druck über der Brust. Einmal blutig 
gefärbter schleimiger Auswurf. Gelenke nicht angegriffen. 

Befund bei der Aufnahme am 25. IV. 1912. Allgemeinzustand gut. Un¬ 
bedeutende Dyspnoe. Über der ganzen linken Lunge Dämpfung und geschwächtes 
oder aufgehobenes Atmungsgeräusch. Herz 2 cm rechts vom Sternum ver¬ 
lagert. Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 27. IV. Thorakozentese mit Entnahme von 3 Liter klarer seröser 
Flüssigkeit; Eiweissgehalt 4o/o, Lymphozytose. 

Thorakoskopie: Alle Pleuraflächen zeigen ein ähnliches Aussehen. Sie 
sind lebhaft hyperämisch, zeigen aber noch deutlichen Unterschied zwischen 
Rippenfeldern und Interstitien. Nirgends Fibrinbeläge. Dagegen waren grosse 
Teile der sichtbaren Pleuraflächen mit graugallertigen Knötchen von ziemlich 
derselben Grösse bedeckt. Nirgends käsige Umwandlung. 

Nach der Thorakozentese sank allmählich die Temperatur auf die normale 
herab. Eine geringe Menge Flüssigkeit bildete sich wieder, brauchte aber nicht 
abgelassen zu werden. 

F a 11 27. S. P., 15 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, Nr. 278, 1912. 

Pleuritis exsudat. acuta dx. 

Keine Heredität betreffs Tuberkulose. Keine früheren Krankheiten von 
Interesse. Die jetzige Krankheit begann ungefähr vor 3 Wochen mit Husten 
sowie leichten Stichen in der rechten Seite. Nachtschweisse. Am 4. V. Ver¬ 
schlimmerung mit erhöhtem Fieber und stärkeren Stichen. 


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115] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


299 


Befund bei der Aufnahme am 7. V. 1912. Allgemeinzustand ziemlich gut. 
Fieber ungefähr 38°. Linke Grenze des Herzens 1 cm links von der Mammiliar- 
linie. Reine Töne. Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch über der 
rechten Lunge von der Mitte der Skapula an. Die linke Lunge zeigt normale 
Verhältnisse. Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. 

Am 9. V. Thorakozentese mit Ablassen von 0,8 Liter klarer seröser Flüssig¬ 
keit; Eiweissgehalt, Lymphozytose. 

Thorakoskopie: Kein Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostal¬ 
räumen. Auf der Pleura parietalis zahlreiche graugallertige Knötchen, die sich 
über das Gewebe erheben. Hier und da Fibrinmembranen. Lungenoberfläche 
verdickt, gerötet, ohne Spuren normaler Färbung. Deutliche Atmungsbewegungen. 
Richtet man das Thorakoskop auf den Zwischenraum zwischen Lunge und 
Brustwand, so sieht man, dass beide Pleurablätter miteinander verlötet sind. 

Nach der Punktion rasche Besserung. 

Fall 28. E. S., 15 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. II, Nr. 81, 1911. 

Polyserositis usw. Der Fall findet sich in der Gruppe der Pick sehen 
Krankheit als Nr. 21, S. 46 beschrieben. 

Epikrise. 16 Fälle habe ich in dieser Gruppe sog. idio¬ 
pathischer Pleuritiden zusammengestellt. Eine grosse Anzahl der¬ 
selben sind erst vor kurzer Zeit beobachtet worden, weshalb eine 
Nachuntersuchung bisher nicht hat angestellt werden können. In 
einigen der Fälle habe ich Meerschweinchenprobe mit negativem 
Resultat angestellt. Mit Inoskopie habe ich mich leider nicht in 
nennenswertem Masse beschäftigt, da die Resultate, die ich damit 
erhielt, mir nicht ermutigend erschienen. In allen untersuchten 
Fällen wurde Lymphozytose im Exsudat angetroffen. Man kann 
demnach einwenden, dass die Untersuchung auf Tuberkulose nicht 
so vollständig gewesen ist, wie es wünschenswert gewesen wäre. 
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass man durch konsequente An¬ 
wendung der obengenannten Methoden Tuberkulose in noch einigen 
Fällen hätte nachweisen können. Mehrere derselben haben aber jeden¬ 
falls deutlich den Charakter einer Pleuritis ex frigore gehabt, wobei 
man aus der Form der Erkrankung nicht auf das Vorhandensein 
einer tuberkulösen Pleuritis hat schliessen können. In Anbetracht 
dessen, was man jetzt bezüglich der Natur dieser Pleuritiden weiss, 
dürfte es allerdings wohl wahrscheinlich sein, dass mehrere der¬ 
selben früher oder später sich als von tuberkulöser Natur erweisen 
würden. Bei den Fällen, die zur Genesung gelangen, wird über 
ihre Natur nie sicheres zu entscheiden sein. 

Es erhebt sich daher bei dieser Gruppe die Frage: Kann man 
durch die Thorakoskopie entscheiden, in welchen Fällen Tuber¬ 
kulose und in welchen Fällen eine Pleuritis anderer Ätiologie vor¬ 
liegt? Man müsste solchenfalls eine Reihe von Fällen erhalten, bei 
denen Bau und Aussehen mehr mit den Verhältnissen bei der vor- 

20 * 


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300 


H. C. Jacobaeus. 


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[116 

her beschriebenen Gruppe übereinstimmte. In anderen Fällen müsste 
man ein mehr oder weniger abweichendes Aussehen finden. 

Obwohl die Aufmerksamkeit eben darauf gerichtet gewesen ist, 
prinzipielle Unterschiede zwischen den verschiedenen Fällen dieser 
Gruppe zu entdecken, ist dies nicht gelungen. Der Anlässe hierzu 
können mehrere sein. Man kann sich denken, dass die von mir 
verwendete Methode, die Thorakoskopie, nicht hinreichend fein ge¬ 
wesen ist, um eventuell vorkommende Unterschiede nachzuweisen. 
Es ist auch möglich, dass in Wirklichkeit kein Unterschied vor- 
lianden gewesen ist. Eine dritte Möglichkeit wäre die, dass es nur 
während piner gewissen Zeit, beispielsweise zu Anfang, möglich 
ist, die verschiedenen Fälle voneinander zu unterscheiden, dass aber 
dann die Unterschiede sich verwischen und alle Pleuritiden ein 
gleichartiges Aussehen aufweisen. Diese Fragen zu entscheiden ver¬ 
mag ich zurzeit nicht. Im ersteren Falle lässt sich von weiteren 
Untersuchungen mittelst der fraglichen Methode nichts erwarten. 
Im zweiten Falle w r ird man alle Fälle von idiopathischen Pleuritiden 
als tuberkulös auffassen. Die hier vorliegende Anzahl von Fällen 
ist ja zu gering, um sich ein sicheres Urteil hierüber zu bilden, 
und die Entscheidung muss weiteren Untersuchungen Vorbehalten 
bleiben. Ich komme auf diese Frage noch bei der Behandlung der 
Fälle zurück, bei denen ich Anlass gehabt habe, eine andere Ätio¬ 
logie als Tuberkulose anzunehmen. 

Da es, wie gesagt, nicht möglich gewesen ist, zwischen ver¬ 
schiedenen Fällen innerhalb dieser Gruppe zu unterscheiden, so zeigt 
die nähere Beschreibung überall dasselbe Aussehen wie in der vor¬ 
hergehenden Gruppe. Die Pleura parietalis hat die gleiche stark 
rote Farbe ohne Unterschied zwischen Rippenfeldern und Inter¬ 
kostalräumen mit Ausnahme der frühzeitigeren Stadien. Die Fibrin¬ 
bildung und das Auftreten von Knötchen, die mit grösserer oder 
geringerer Sicherheit tuberkulöser Natur sind, verhalten sich eben¬ 
falls auf gleiche Weise. Dieselbe Schwierigkeit bezüglich der Ent¬ 
scheidung darüber, was als Tuberkulose und was als Fibrin auf¬ 
zufassen ist, besteht auch hier. 

Wendet man.hier dasselbe Einteilungsprinzip wie bei der vor¬ 
hergehenden Gruppe an, so erhält man eine ähnliche Verteilung der 
Fälle. In zw r ei Fällen (Nr. 15, 17) treten Aknepusteln ähnelnde 
Knötchen auf, die mit grosser Wahrscheinlichkeit tuberkulöser Natur 
sind, ln weiteren zw r ei Fällen (Nr. 13, 26) sind ausserdem die 
Pleuraflächen in grösserer oder geringerer Ausdehnung mit kleinen 
graugallertigen Knötchen übersät. Eine andere Erklärung für sie, 
als dass es sich auch bei ihnen um Tuberkelknötchen handelt. 


Gck igle 


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117] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


301 


kann ich nicht geben, obwohl in diesem Falle eine gewisse Unsicher¬ 
heit herrscht. Besonders Fall Nr. 26 ist in gewissem Grade zweifel¬ 
haft. Pat. hat zuvor Gelenkrheumatismus und Erythema nodosum 
gehabt. Nun sind zwar keine derartigen Symptome vorhanden, was 
jedoch nichts als entscheidend gegen rheumatische Ätiologie an¬ 
gesehen werden kann. Es ist mir nicht bekannt, ob die rheumatische 
Pleuritis das hier beschriebene Aussehen mit Knötchen haben kann. 
In den beiden ebenerwähnten Fällen finden sich ausserdem im¬ 
bedeutende Fibrinbeläge. In vier Fällen (Nr. 20, 22, 25, 27) hat das 
Fibrin begonnen, in Form von Netzwerk oder fleckenweisen Be¬ 
lägen aufzutreten, ausserdem aber finden sich Knötchen, die die¬ 
selben Charaktere aufweisen, wie sie oben beschrieben worden sind. 

In sechs Fällen (Nr. 12, 14, 16, 18, 21, 24) sind Fibrinbeläge 
in so hohem Grade vorhanden, dass man von den verdächtigen Bil¬ 
dungen, die man sieht, nur wagen kann, zu sagen, dass es sich 
möglicherweise bei ihnen um Tuberkelknötchen handelt. In 
zwei Fällen (Nr. 19, 23) konnte man nur stark gerötete Pleura- 
flächen sowie Fibrinmembranen nach allen Richtungen hin sehen. 

Einen Fall schliesslich habe ich nicht unter die übrigen ein¬ 
reihen können (Nr. 28, S. 46). Es ist ein Fall von Polyserositis mit, 
wie aus der Beschreibung hervorgeht, ziemlich eigenartigen Eigen¬ 
schaften. Ein Anlass, Tuberkulose zu vermuten, lag nur in ge¬ 
ringem Grade vor; Meerschweinchenprobe auf Tuberkulose fiel ne¬ 
gativ aus. 

Es ist klar, dass zwischen den obenerwähnten Fällen in den 
verschiedenen Gruppen zahlreiche Übergänge sich finden, die Grup¬ 
pierung bleibt künstlich. 

Weder bei dieser noch bei der vorhergehenden Gruppe habe ich 
die Frage nach der Ausbreitung der tuberkulösen Prozesse und 
ihrer Einwirkung auf die Prognose näher berührt. Solange man 
im Einzelfalle nicht entscheiden kann, was als Tuberkulose und was 
nicht so aufzufassen ist, sind Versuche hierzu von geringem Wert. 
Den verschiedenen Ausbreitungen des Prozesses, die ich in ver¬ 
schiedenen Fällen gefunden, haben nicht analoge Verschiedenheiten 
des Verlaufes entsprochen. Beim Durchlesen der thorakoskopischen 
Befunde erhält man vielleicht betreffs der Ausbreitung der als 
Tuberkelknötchen aufgefassten Bildungen den Eindruck, dass sie 
meistens sich auf der Pleura parietalis und diaphragmatica finden 
sollen. Dies scheint ja in Widerspruch zu unserer Erfahrung bei 
Sektionen an Patienten mit Pleuritis in der Anamnese zu stehen, 
wonach man meistens alte Tuberkelherde auf der Lungenpleura 
findet. 


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H. C. Jacobaeus. 


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Mein obenerwähnter Befund dürfte darauf beruhen, dass es viel 
leichter ist, die grauweissen Knötchen auf den stark geröteten Pleura¬ 
flächen zu entdecken als auf der graulichen Lungenoberfläche. Aus 
meiner Beschreibung dürften daher nicht Schlüsse betreffs der haupt¬ 
sächlichen Lokalisation der Pleuritis an der einen oder anderen 
Stelle zu ziehen sein. Meines Erachtens sind nun allerdings die 
Heilungsverhältnisse bessere auf der parietalen und der Zwerch¬ 
fellwand als auf der Lungenoberfläche, was wohl einigermassen 
dazu beitragen kann, dass man hauptsächlich Reste auf der Lungen¬ 
oberfläche antrifft. 

Noch einige weitere Details wären vielleicht zu erwähnen. In 
vier Fällen (Nr. 2, 4, 12, 16) habe ich Thorakoskopie zweimal aus¬ 
geführt. In Nr. 2 und 12 wegen neugebildeten Exsudats; im ersten 
Falle war das Bild nicht sonderlich verändert, wenigstens finden sich 
keine diesbezüglichen Vermerke. In Fall Nr. 12 hatte man das 
erste Mal deutliche Knötchen gesehen, die als Tuberkelknötchen 
aufgefasst worden waren. Drei Wochen später 'wurden 200 ccm 
Exsudat abgelassen. Bei der Thorakoskopie fand man nun überall 
Fibrinadhärenzen, die die Ansicht versperrten, und Tuberkelknöt¬ 
chen konnten diesmal nicht wahrgenommen werden. Man hatte nach 
dieser Zeit dasselbe Aussehen erhalten wie bei in Heilung be¬ 
griffenen Pleuritiden. 

Den beiden übrigen Fällen gemeinsam war, dass hier Pneumo¬ 
thoraxbehandlung im Anschluss an die Exsudatentziehung zur An¬ 
wendung kam. In dem einen der Fälle (Nr. 4) wurden das erste Mal 
Veränderungen angetroffen, die möglicherweise tuberkulös sein 
konnten. Bei der Untersuchung zwei Monate später sind die akuten 
Symptome verschwunden. Die Pleuraflächen sind verdickt. Nur an 
einigen Stellen auf der Lunge sieht man einige grauweisse Flecken, 
die möglicherweise Tuberkelinfiltrate sein können. 

In dem anderen Falle konnte ich bei der ersten Untersuchung 
deutlich gruppenweise zerstreute, kleine, höchstens erbsengrosse Akne¬ 
pusteln ähnelnde Knötchen auf alten Pleuraflächen sehen. Ungefähr 
vier Monate später, während noch die Pneumothoraxbehandlung im 
Gange war, wurde aufs neue Thorakoskopie ausgeführt Nun sind 
keine Veränderungen auf Pleura parietalis und diaphragmatica zu 
sehen. Nur der untere Lungenlappen zeigt einige vereinzelte grau¬ 
weisse Knötchen, die jedoch nichts für Tuberkulose Charakteristisches 
aufweisen. Hat man etwa die oben beschriebenen Knötchen unrichtig 
gedeutet, so dass hier nur Fibrinbeläge Vorgelegen haben, die später 
resorbiert worden sind? Die Möglichkeit hiervon ist natürlich nicht 
auszuschliessen. Meinerseits glaube ich jedoch, dass es sich um 
geheilte tuberkulöse Veränderungen gehandelt hat. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


303 


119] 


c) Niclittuberkulose Pleuritiden« 

Fall 29. S. K., Dienstmädchen, 19 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 273, 1911. 

Pleuritis exsudat. acuta -j- Nephritis haemorrhagica acuta. 

Pat. ist zuvor stets gesund gewesen. Sie erkrankte akut am 19. VI. 1911 
mit Kopfschmerzen, Schüttelfrost und starken Stichen in der rechten Seite. 
Tags darauf bemerkte Pat., dass der Harn trübe und dunkel war. Zustand 
an den folgenden Tagen unverändert. 

Befund bei der Aufnahme am 29. VI. Allgemeinzustand beeinflusst. Fieber 
von 38,5—39°. 

Dämpfung über der Ilinterseite der rechten Lunge von der Spina scapulae 
an. Hier geschwächtes oder aufgehobenes Atmungsgeräusch. Linke Lunge normal. 
Herz'nicht verlagert, normale Verhältnisse. Dasselbe betreffs der Bauchorgane. 
Eiweissgehalt des Harns 1 °/ 00 , hyaline und körnige Zylinder. 

Am 2. VII. Thorakozentese mit Ablassen von 700 ccm schwach hämor¬ 
rhagischer Flüssigkeit; spez. Gew. 1,019, Eiweissgehalt 3,3%. Das Sediment 
enthält rote und weisse Blutkörperchen, hauptsächlich Lymphozyten. 

Thorakoskopie: Intensive Rötung der Pleura parietalis. Hier und da 
grauweisso Beläge; an einigen Stellen nicht unähnlich Tubcrkelknötchen (?). 
Lungenoberfläche gleichfalls hyperämisch mit zahlreichen Fibrinbelägen; ver¬ 
einzelte Fibrinmembranen zwischen Lunge und Brustwand. Keine deutliche 
Lungenzeichnung am unteren Rande. 

Bedeutende Besserung des Zustandes nach der Punktion. Eine unbe¬ 
deutende Dämpfung kehrte zurück und blieb noch ungefähr einen Monat be¬ 
stehen. Der Eiweissgehalt des Harns sank auf 1 4 °/ 00 , während der letzten 
Tage eine typische zyklische Albuminurie. 

Am 9. VIII. wurde Pat. entlassen. Nur eine unbedeutende Schallver¬ 
kürzung noch am Orte der Pleuritis vorhanden. Im Harn kleine Spuren von 
Eiweiss. 

F a 11 30. O. A. L., Arbeiter, 37 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. V, 
Nr. 145, 1911. 

Pleuritis exsudat. träum. 

Pat. zuvor gesund gewesen. Keine Heredität betreffs Tuberkulose. Am 
9. VI. 1911 geriet Pat. bei der Arbeit unter eine über ihn hinabstürzende 
Steinmasse, die den linken Teil des Brustkorbes traf. Pat. wurde ins Kranken¬ 
haus gebracht und hatte bei tiefem Atmen, Niesen und Husten heftige Schmerzen 
in der linken Seite. Leichter Hustenreiz. Temp. 38°. Bluthusten während 
der ersten Tage nach dem Unfall. Zustand während der folgenden 3 Wochen 
ziemlich unverändert. 

Befund bei der Aufnahme ins Serafimerlazarett am 6. VII. 1911. Allge- 
mcinzustand gut. Stiche in der linken Seite. Hier ausgebreitete blaue Ver¬ 
färbung nach dem Trauma. Temp. 38°. 

Von den Brustorganen sind Herz und rechte Lunge normal. Über der 
Hinterseite der linken Lunge von der Mitte der Skapula an nach unten Dämpfung 
mit geschwächtem Atmungsgeräusch. Oberhalb des gedämpften Gebietes Rasseln. 
Von den Bauchorganen her nichts Abnormes. 

Am 11. VII. Thorakozentese mit Entnahme von 900 ccm schwach hämor¬ 
rhagischer Flüssigkeit. 


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H. C. Jacobaeus. 


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Thorakoskopie: Pleura parietalis gerötet, verdickt, ohne deutliche Details. 
Nirgends tuberkelähnliche Knötchen. Lunge in hohem Grade mit Fibrinadhärenzen 
bedeckt. Oberfläche mit einem sulzigen Gewebe bekleidet, fast nirgends normal. 
Unbedeutende Atmungsbewegungen. 

Keine unmittelbaren Beschwerden nach dem Eingriff. Besserung während 
der folgenden Wochen, obwohl eine deutliche Dämpfung sich wieder bildete, 
die sich hinauf bis zum Angulus scapulae erstreckte. 

Bei der Entlassung am 24. VIII. war nur eine unbedeutende Dämpfung 
ganz unten mit geringer Schwächung des Atmungsgeräusches vorhanden. Sub¬ 
jektiv fühlt sich Pat. vollständig wiederhergestellt. 

Fall 31. A. I., Dienstmädchen, 20 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 206, 1911. 

Pleuritis exudativa sin. Pericarditis acuta. 

Pat. im allgemeinen gesund und kräftig gewesen. Hat als Kind Diphtherie 
durchgemacht. Am 24. V. 1911 bekam Pat. Stiche in der linken Seite der 
Brust. Der Zustand verschlimmerte sich rasch mit Fieber und allgemeinem 
Übelbefinden. Nach einer Woche musste sie sich zu Bett legen. 

Befund bei der Aufnahme am 21. VI. Allgemeinzustand ziemlich schlecht. 
Fieber von 38,2°. Pat. ist nervös und erscheint abgemagert. 

Deutliche Dämpfung mit geschwächtem Atmungsgeräusch über dem unteren 
hinteren Drittel der linken Lunge. Von den übrigen Organen her nichts Be¬ 
merkenswertes. 

Am 23. VI. Ablassen von 800 ccm Exsudat, das infolge Beimischung von 
Blut und darin schwimmender kleiner Körnchen und Flocken nicht völlig klar 
war; bei Kultur auf Agar kein Wachstum. Mikroskopisch hauptsächlich poly¬ 
morphkernige Zellen und zwischen ihnen zahlreiche eosinophile Zellen. 

Thorakoskopie: Lebhafte Hyperämie der Pleura parietalis mit ganz unten 
aufgehobenem Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. 
Weiter aufwärts deutlich Unterschied. Lungenoberfläche gleichfalls hyperämisch, 
jedoch nirgends Fibrinbeläge. 

Nach dem Ablassen des Exsudats sank zunächst während eihiger Tage 
die Temperatur unter gleichzeitiger Besserung des Allgemeinzustandes. Am 
30. VI. jedoch von neuem Verschlimmerung mit Temperaturerhöhung und 
Schmerzen in der linken Seite. Bei Untersuchung am 1. VII. fand man Rei¬ 
bungsgeräusch über dem Herzen, obwohl eine Vergrösserung der Herzdämpfung 
nicht nachweisbar war, da die Luft die Vorderseite der Brusthöhle eingenommen 
hatte und die linke Hälfte der Herzdämpfung deckte. Bei Probepunktion der 
Pleura wurde eine Flüssigkeit von demselben Aussehen erhalten wie das erste 
Mal. Dämpfung war nun über den unteren hinteren Teilen der linken Lunge, 
halbwegs hinauf bis zum Angulus scapulae. Das Fieber hielt während der 
folgenden Tage an. Die Reibungsgeräusche nahmen allmählich an Intensität 
ab. Die Dämpfung über der linken Lunge blieb unverändert unterhalb des Ang. 
scapulae bestehen, bis sie plötzlich zunahm. Augenfällige Verschlechterung 
des Allgemeinzustandes. Probepunktion wurde ausgeführt und zeigte rahmähn¬ 
lichen Eiter, der Staphylokokken enthielt. Am folgenden Tage weitere Zunahme 
des Exsudats. Nun Operation mit Rippenresektion, w T obei grosse Mengen Eiter 
entleert wurden. Der weitere Verlauf gestaltete sich günstig, so dass Pat. 
nach einem Monat als gebessert entlassen werden konnte. 



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121] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


305 

Epikrise. Der Fall weicht in ziemlich bedeutendem Grade • 
von den übrigen akuten Pleuritiden ab. Das Exsudat hat hier ein 
anderes Aussehen. Es ist schwach mit Blut gemischt mit ver¬ 
einzelten sämigen Flocken, keine Fibrinbildung selbst bei Stehen. 
Mikroskopisch findet sich keine Lymphozytose, dagegen zahlreiche 
eosinophile Leukozyten. Bei Thorakoskopie Hyperämie mit massiger 
Anschwellung der Pleura parietalis, nirgends aber Fibrinzüge. Und 
doch hatte die Pleuritis einen ganzen Monat bestanden. Nach der 
Punktion nur vorübergehende Besserung. Fieber und Schmerzen in 
der Brust treten wieder auf, und bei Untersuchung findet man 
Symptome einer Perikarditis. Nach weiteren 10 Tagen wiederum 
Verschlimmerung mit den klinischen Zeichen eines rasch zunehmen¬ 
den Exsudats. Bei Probepunktion Eiter, der Staphylokokken enthält. 

Der Verlauf ist ja ziemlich eigentümlich, und man fragt sich 
in erster Linie, ob etwa einer der ausgeführten Eingriffe den Über¬ 
gang des Exsudats zum Empyem verursacht hat. Vor allem gilt 
dies bezüglich der Thorakoskopie. Der klinische Verlauf zeigt nicht 
die Verschlimmerung in unmittelbarem Anschluss an diesen Eingriff. 
Auch zeigt die eine Woche danach vorgenommene Probepunktion 
keine sichtliche Veränderung des Exsudats. Eine Infektion durch 
diesen Eingriff ist daher sehr wenig wahrscheinlich. Es scheint, 
dem klinischen Verlauf nach zu urteilen, als wenn eine rasche 
Verschlimmerung mit Vermehrung des Exsudats einige Tage vor 
der Operation stattgefunden hat. Der Verlauf zeigt den Typus eines 
Durchbruchs von irgend einem Eiterherde in die Brusthöhle hinein, 
verbunden mit rascher Zunahme des Exsudats. Über die Quelle 
eines solchen Herdes lässt sich nichts aussagen. 

Fall 32. K. 0. K., Zementarbeiter, 23 Jahre. Serafimerlazarett, med. 
Klin. I, Nr. 236, 1911. 

Pleuritis exsudat. acuta dx. -f- Nephritis acuta. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Im hiesigen Krankenhaus vom 22. I. 
bis 3. IV. 1911 wegen Ulcus ventriculi -f- Anaemia sec. behandelt. Niedrigste 
Anzahl roter Blutkörperchen 1,5 Mill. Bedeutende Besserung während des 
Aufenthaltes im Krankenhause. 4 Mill. rote Blutkörperchen bei der Entlassung, 
Harn schon damals Spuren von Eiweiss. In der ersten £eit danach fühlte sich 
Pat. vollkommen wohl. Ungefähr am 17. V. zog sich Pat. eine Erkältung zu 
mit Husten, aber ohne Stiche, etwas Atemnot; Nachtschweisse. 

Befund bei der Aufnahme am 14. VI. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Pat. ist allgemein müde und matt. Temp. ungefähr 38°. 

Dämpfung über der Hinterseite der rechten Lunge hinauf bis zum Angulus 
scapulae. Geschwächtes oder nicht hörbares Atnningsgeräusch. Sonst normale 
Verhältnisse. Linke Herzgrenze 3,5 cm links von der Mittellinie. Rechte Grenze 
am linken Sternalrande. Blutdruck nach Riva Rocci 145. 


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BOG 


H. C. Jacobaeus. 


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Ilnrn mit 2,5 °/ 00 Eiweiss sowie zahlreichen körnigen und hyalinen Zylindern, 
roten Blutkörperchen und Leukozyten. 

Am 8. VI. Ablassen von 600 ccm seröser Flüssigkeit. 

Thorakoskopie: Die sichtbaren Schleimhäute hyperämisch, aber mit deut¬ 
lichem Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. Dicht am 
Rückgrat sah man die Interkostalvenen hindurchschimmern. Zwerchfell nur 
leicht hyperämisch. Unterer Lappen der Lunge atelektatisch, aber ohne Fibrin¬ 
belag. Die benachbarten Teile hell und lufthaltig. Nirgends Tuberkelknötchen 
oder ähnliche Bildungen. 

Keine Beschwerden nach der Punktion. Nach einer Woche hatte sich eine 
geringe Menge Flüssigkeit zurückgebildet, die indessen bald verschwand. Ziem¬ 
lich rasch verschwanden alle Symptome der Pleuritis. Dagegen blieb das Ei¬ 
weiss im Harn noch längere Zeit bestehen und war noch bei der Entlassung 
des Pat. am 17. VIII. 1911 in Spuren vorhanden. 

Die vier Fälle von Pleuritis, die in dieser Gruppe vereinigt] 
sind, genügen nicht alle den Forderungen, die man aufstellen möchte, 
um Tuberkulose ausschliessen zu können — eine natürlich äusserst 
schwierige Sache. Es gilt dies speziell für die Fälle Nr. 29 und 30. 

In Fall Nr. 29 bot die Pleuritis ein Aussehen dar, das ganz 
dem gewöhnlichen Aussehen bei den vorhergehenden Gruppen ähnelte. 
Ausserdem fand sich Lymphozytose in dem Sediment des Exsudats. 
Die Erkrankung war jedoch so akut, dass man kaum zu einem anderen 
Schluss kommen kann, als dass eine akute Infektion Vorgelegen hat, die 
gleichzeitig in einer Pleuritis und einer hämorrhagischen Nephritis 
zum Ausdruck gekommen ist. Unter solchen Umständen ist Tuber¬ 
kulose als Ätiologie weniger wahrscheinlich. 

In Fall Nr. 30 handelte es sich um eine Pleuritis nach einem 
schweren Trauma. Auch hier erinnerte das Aussehen: intensive 
Hyperämie der Pleura und reichliche Fibrinbeläge, stark an das bei 
den Fällen der vorhergehenden Gruppen. Auch unter diesen findet 
sich zwar eine Pleuritis mit vorhergehendem Trauma, als Ursache 
und dennoch tuberkulöser Natur (Fall Nr. 5). In unserem Falle 
hier dürfte jedoch die Krankengeschichte stark für eine rein trau¬ 
matische Pleuritis sprechen. Auch erscheint es mir nur natürlich, 
dass grosser Fibrinreichtum bei traumatischen Pleuritiden vorhanden 
ist, besonders wenn die äussere Gewalt so kräftig gewesen ist wie 
hier, wo Bluthusten sogleich auftrat, ein Zeichen dafür, dass die 
Lunge verletzt worden war. 

Von den beiden übrigbleibenden Fällen schliesslich ist in dem 
einen (Nr. 32) die Pleuritis mit Nephritis kombiniert, in dem anderen 
(Nr. 31) bildet sich später ein Empyem heraus. Diese beiden Fälle, 
bei denen die klinischen Pleuritissymptome 3—4 Wochen zurück¬ 
zuverfolgen sind, zeichnen sich durch die geringe Fibrinmenge aus. 
Nirgends sieht man jene charakteristischen blendend weissen Be- 


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123] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


307 


läge. Auch schien es, als wenn nicht dieselben entzündlichen Ver¬ 
änderungen in der serösen Haut Vorlagen. In beiden Fällen war es 
relativ leicht, den Unterschied zwischen Rippenfeldern und Inter¬ 
kostalräumen wahrzunehmen. 

Angesichts dieser letztgenannten Fälle erhebt sich die Frage, 
ob es möglich ist, an dem Aussehen der Pleuritis die tuberkulösem 
und die idiopathischen einerseits von denen durch andere Ursachen 
bedingten andererseits zu unterscheiden. Die Frage lässt sich noch 
nicht entscheiden, da die Anzahl der Fälle allzu gering ist. Prüft 
man indessen die Fälle von chronischer Pleuritis, so finden sich 
auch dort solche, bei denen man gleichfalls mit grosser Wahrschein¬ 
lichkeit Tuberkulose ausschliessen kann. Hierher gehören die Fälle 
Nr. 37 (Pleuritis bei Leberzirrhose), 39 (Pleuritis bei Nephritis), 
43, 44, 45 (bösartige Pleurageschwülste). Allen diesen sind Charaktere 
gemeinsam, die sie wenigstens von der Mehrzahl der tuberkulösen 
Pleuritiden unterscheiden. So haben die Pleuritissymptome ziem¬ 
lich lange gedauert, und doch ist es nur zu einer unbedeutenden 
oder gar nicht nachweisbaren Fibrinbildung gekommen. Nirgends 
Fibrinmembranen. Ferner ist der Unterschied zwischen Rippen- 
feldem und Interkostalräumen in der Mehrzahl der Fälle noch deut¬ 
lich. Die Hyperämie ist weniger lebhaft, und natürlich werden keine 
tuberkelähnliche Knötchen angetroffen 1 ). 

Die obigen Darlegungen scheinen mir für die Möglichkeit zu 
sprechen, vielleicht für die Mehrzahl der Fälle einen charakteristi¬ 
schen Unterschied zwischen tuberkulösen und idiopathischen Pleuri¬ 
tiden einerseits und solchen anderer Ätiologie andererseits wenigstens 
in gewissen Stadien aufzustellen. Dass dieser Unterschied kein 
absoluter ist, geht aus Fall Nr. 40 hervor, wo bei der Thorako¬ 
skopie nur normale Verhältnisse gefunden worden waren, bei der 
Sektion kurze Zeit danach aber Tuberkelknötchen in unmittelbarer 
Nähe |der Partien angetroffen wurden, die bei der Thorakoskopie 
untersucht wurden waren. 

Eine Stütze für die oben envähnte Möglichkeit gewährt 
auch ein Vergleich mit den Verhältnissen beim Peritoneum. 
Zwar sind die entzündlichen Prozesse (abgesehen von den eitrigen) 
ziemlich selten; im ersten Teil dieser Abhandlung kommen in¬ 
dessen Beispiele sowohl für tuberkulöse Peritonitiden wie auch 
für solche. anderer Ätiologie vor. Ich denke bei diesen letzteren 
an die Peritonitiden bei der Pick sehen Krankheit. Allerdings be- 

x ) Seitdem ist meine Erfahrung mit noch drei Fälle dieser Art vermehrt, 
nämlich eine karzinomatöse und zwei akuten Pleuritiden. Sie scheinen sämt¬ 
lich diese Behauptung zu stützen. 


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H. C. Jacobaeus. 


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steht in einigen dieser Fälle Verdacht auf Tuberkulose als Ätio¬ 
logie. In einem Falle (Nr. 15) ist es jedoch zur Sektion gekommen, 
und nicht einmal bei mikroskopischer Untersuchung haben Zeichen 
von Tuberkulose entdeckt werden können. Ob man nun in der 
genannten Krankheitsgruppe (Picksehe Krankheit) Tuberkulose als 
ätiologisches Moment in Verdacht gehabt hat oder nicht, so haben 
docli die Veränderungen ein ganz anderes Aussehen gehabt als bei 
tuberkulöser Peritonitis. Die letztere Krankheit wird durch zahl¬ 
reiche Verwachsungen oder Verlötungen zwischen den Därmen, durch 
Fibrinadhärenzen, Tuberkelknötchen sowie eine intensive Hyperämie 
gekennzeichnet. Bei der Pick sehen Krankheit hat man eine leb¬ 
hafte, oft fleckenweise ausgebreitete Hyperämie, nirgends aber nach 
meiner Erfahrung Verwachsungen oder Fibrinadhärenzen und natür¬ 
lich keine tuberkelähnliche Knötchen. Der Unterschied im Aussehen 
ist scharf und unverkennbar. 

Sucht man nach einem analogen Unterschiede zwischen ver¬ 
schiedenen Arten von Pleuritiden, so gelingt es auch einen solchen 
zu finden. In einer Hinsicht unterscheiden sich indessen die Ver¬ 
hältnisse in Bauch- und Brusthöhle voneinander. Während bei der 
Bauchhöhle die tuberkulöse Peritonitis isoliert von den übrigen 
Peritonitiden steht und ihnen gegenüber wohlcharakterisiert ist, findet 
ein anderes Verhältnis bei den Pleuritiden statt. Hier bilden die 
tuberkulösen und die idiopathischen (und vielleicht auch die trau¬ 
matischen) Pleuritiden eine Gruppe mit ähnlichem Aussehen, während 
die übrigen Pleuritiden auf der anderen Seite stehen. 

Ist nun hieraus der Schluss zu ziehen, dass die idiopathischen 
Pleuritiden alle tuberkulöser Natur sind ? Die Frage ohne weiteres zu 
bejahen, ist \vohl nicht richtig. Man kann bei den übrigen Pleuritiden 
nicht zwischen beispielsweise nephritischen und akuten Pleuritiden 
anderer Ätiologie unterscheiden. Es ist daher auch möglich, dass 
die Methode nicht hinreichend empfindlich ist, um zwischen tuber¬ 
kulösen und idiopathischen Pleuritiden zu unterscheiden. Doch 
scheinen mir die mittelst der Thorakoskopie gewonnenen Erfahrungen 
in gewissem Grade dafür zu sprechen, dass die grosse Mehrzahl 
idiopathischer Pleuritiden tuberkulös sind, wie L a n d o u z i u. a. 
das auf andere Gründe behauptet haben. 

d) Pleuritis exsudativa chronica. 

Kall 33. K. H. M., 70jährige Frau. A. F. I., Nr. 682, 1910. 

Pleuritis exsudat. chron. sin. 

Seit Anfang Juni Husten und Atemnot sowie Stiche in der linken Seite; 
einmal blutiger Auswurf. 


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125] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


309 


Befund bei der Aufnahme am 6. VII. 1910. Allgemeinzustand schlecht, 
hochgradig abgemagert. Ausgesprochene arteriosklerotische Veränderungen. 

Starke Dämpfung über dem ganzen unteren Teil der linken Lunge von 
der 2. Rippe an sowie auf der Rückenseite von der Spina scapulae an. Atmungs¬ 
geräusch entfernt bronchial. Über der rechten Lunge vereinzelte feuchte Rassel¬ 
geräusche, sonst nichts von Interesse. Rechte Herzgrenze 2 cm rechts vom 
Sternum. Unreine Töne. Hochgradige periphere Arteriosklerose. 

Am 8. VII. Thorakozentese mit Entnahme von 1500 ccm klarer seröser 
Flüssigkeit; gleichzeitig Einblasen von Luft nach Holmgren. 

Thorakoskopie: Ein unbedeutender Teil der Pleura parietalis ist zu sehen, 
die verdickt und speckig erscheint. 

Zustand nach Punktion ziemlich befriedigend. Nach kurzer Zeit ver¬ 
mehrte sich die Dämpfung wieder, die Atemnot nahm zu, und am 10. VIII. 
hatte das Exsudat seine frühere Grösse erreicht, weshalb an diesem Tage 
wiederum Punktion vorgenommen und 1100 ccm etwas hämorrhagische Flüssig¬ 
keit abgelassen wurde. 

Thorakoskopie: Die Oberfläche der Pleura parietalis speckig weissglänzend; 
Gefässe ziemlich zahlreich. Hier und da kleinere punktförmige Hämorrhagien. 

Nach dieser Punktion trat zunächst subjektive Besserung ein, nach 3 Tagen 
indessen wiederum Verschlimmerung und Fieber, Dyspnoe und Husten. Keine 
Veränderung war auf der Seite des Thorax wahrzunehmen, wo der Eingriff 
vorgenommen worden war. 

Pat. starb am 14. VIII. 

Bei der Sektion fand man eine chronische Pleuritis auf der linken Seite 
mit dicken Membranen. Keine Veränderungen, die auf Akutisierung des Pro¬ 
zesses deuteten, waren wahrzunehmen, ebensowenig akute Veränderungen in 
der Lunge auf dieser Seite. In der rechten Lunge bestand dagegen eine Broncho¬ 
pneumonie im mittleren Teil derselben, die offenbar die eigentliche Todesursache 
bildete. Im übrigen wurden nur arteriosklerotische Veränderungen gefunden. 

Fall 34. E. A., Barbier, 57 Jahre. A. F. I., Nr. 1266, 1910. 

Myocarditis chron. -j- Pleuritis exsudat. sin. -f- Alcoholismus chron. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Beträchtlicher Alkoholmissbrauch. 

Seit einem Jahre leidet Pat. an verschiedenen Alkoholkrankheiten. Im 
November 1909 erkrankte er an linksseitiger Pleuritis und wurde wegen dieser 
Krankheit wie wegen seines Alkoholismus 9 Monate lang im Krankenhaus be¬ 
handelt. Während dieser Zeit mehrmalige Punktion. Im Herbst wieder Ver¬ 
schlimmerung. 

Befund bei der Aufnahme am 2. XII. 1910. Allgemeinzustand ziemlich 
schlecht. Atemnot. Herz vergrössert, dumpfe Töne und bedeutende Arrhythmie. 
Leber 2 Finger breit unterhalb des Brustkorbrandes palpabel. Dämpfung und 
entferntes Atmungsgeräusch über dem unteren Drittel der linken Lunge. 

Am 5. XII. Thorakozentese mit Ablassen von 200 ccm Exsudat unter 
gleichzeitiger Nachfüllung von Luft. 

Die Thorakoskopie wurde trotz des beschränkten Raumes ausgeführt. 
Pleurae weissglänzend, verdickt, sowie hier und da Adhärenzen. Die Be¬ 
wegungen der Lunge beim Atmen sehr gering. 

Fall 35. A. A., 43jähriger Mann. A. F. I., Nr. 270, 1911. 

Pleuritis exsudat. dx. 


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Keine Heredität. Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Ungefähr am 
20. I. 1911 erkältete er sich, hatte Kopfschmerzen sowie „Schmerzen im ganzen 
Körper“. Fieber, Atemnot, Nachtschweisse traten hinzu. 

Befund bei der Aufnahme am 25. II. 1911. Allgemeinzustand ziem¬ 
lich gut. 

Dämpfung über der unteren Hälfte der rechten Lunge mit geschwächtem 
Atmungsgeräusch. Das Herz war nach links ungefähr 2 cm links von der 
Mittellinie verlagert. Normale Töne. Im übrigen nichts Besonderes. 

Am 1. III. Ablassen von 2500 ccm serösem Exsudat. 

Die im Zusammenhang hiermit vorgenommene Thorakoskopie ergab 
schlechtes Resultat, da der Thoraxraum sich als mit Luftblasen angefüllt er¬ 
wies, die nicht entfernt werden konnten. Nur eine ziemlich gefässarme, weiss¬ 
glänzende Oberfläche ohne Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostal¬ 
räumen konnte wahrgenommen werden. 

Nach der Punktion trat Besserung ein, allmählich aber kehrte das Ex¬ 
sudat wieder zurück, und am 18. III. wurden wiederum 800 ccm abgelassen. 
Hierbei wurde Holmgrens Methode mit Ausblasen mittelst einer oberen 
schmalen Spritzenspitze und einige Interstitien weiter unten angebrachter Kanüle 
angewandt. Es zeigte sich nun die eigentümliche Erscheinung, dass Exsudat 
aus der oberen schmalen Spitze herausfloss, nur Luft aber beim Aus- und 
Einatmen aus der unteren Kanüle herausströmte. Die Erklärung hierfür kann 
nur die sein, dass zwei abgekapselte Räume mit je für sich gesondertem Flüssig¬ 
keitsinhalt vorhanden waren. Der weitere Verlauf sprach auch für die Richtig¬ 
keit dieser Auffassung. Eine Menge Luftblasen erschwerten die Thorakoskopie. 
Alle sichtbaren „Oberflächen“ von Lunge und Brustwand waren mit weissem. 
schwieligem, nicht sehr gefässreichem Gew r ebe bekleidet. Nach oben zu sah 
man auch eine weissglänzende Membran, die wahrscheinlich die beiden Räume 
voneinander getrennt hatte. 

Nach der Punktion trat ziemlich rasche Besserung mit normaler Tempe¬ 
ratur ein. 

Fall 36. A. B., 31 Jahre. A. F. I., Nr. 1144, 1911. 

Tbc. pulm. amb. -f- Pleuritis exsudat. sin. 

Vater an Lungentuberkulose gestorben. Seit 15 Jahren leidet Pat. eben¬ 
falls an dieser Krankheit. Hämoptyse vor 15 und vor 7 Jahren sowie vor 
einer Woche. Im letzten Jahre Verschlechterung; Abmagerung. Pat. hat keine 
lokalen Symptome gehabt. 

Befund bei der Aufnahme am 21. XI. 1911. Allgemeinzustand beein¬ 
flusst. Fieber 39—40°. 

Schallverkürzung über beiden Lungenspitzen bis herunter zum 2. Inter- 
stitium. Broncho-vesikuläres Atmen und krepitierendes Rasseln. Dämpfung und 
geschwächtes Atmungsgeräusch über der unteren Hälfte der linken Lunge. 

Am 23. XI. Thorakozentese mit Ablassen von 800 ccm schwach trübem 
Exsudat mit vereinzelten Fibrinflocken. 

Thorakoskopie: Lunge komprimiert mit undeutlichen Atmungsbewegungen, 
mit einer ziemlich dicken grauw r eissen Membran belegt, die ziemlich organisiert 
zu sein scheint. Auf der Pleura parietalis und diaphragmatica zahlreiche Fibrin¬ 
beläge. Keine Tuberkelknötchen sichtbar. 

Unmittelbar nach der Punktion sank die Temperatur, so dass Pat. nach 
14 Tagen nahezu fieberfrei w T ar. Bei Untersuchung 3 Monate später bestand 
noch eine geringe Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch. 



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127 ] 


über Laparo- und Thorakoskopie. 


311 


Fall 37. Hj. C., Kaufmann, 27 Jahre. Serafimerlazarett, II, Nr. 472, 1911. 

Pleuritis exsudat. chron. dx. + Osteochondritis tbc. -j- Marasmus. 

Nur wenige Auskünfte sind zu erhalten gewesen. Im allgemeinen ist Pat. 
gesund gewesen. Keine ernsten Krankheiten ausser Diphtherie und Scharlach 
in jungen Jahren. Die jetzige Krankheit begann ziemlich schleichend in Nacht- 
schweissen und Stichen in der rechten Seite im Januar. Während des ganzen 
Frühlings wurde Pat. in anderem Krankenhause wegen eines rechtsseitigen 
pleuritischen Exsudats behandelt. Eine Thorakozentese wurde nicht ausgeführt. 

Am 2. VIII. 1911 wurde Pat. in das hiesige Krankenhaus aufgenommen 
mit so grossem Exsudat, dass Vitalindikation für Punktion vorlag. Mittelst des 
P o t a i n sehen Apparates wurden bei der Aufnahme 2 1 2 Liter Exsudat ab¬ 
gelassen. Die subjektiven Symptome wurden etwas erträglicher. Andauernd 
Dämpfung über der ganzen Lunge. Allgemeinzustand sehr schlecht. Bedeutende 
Abmagerung. Psychische Depression. 

Am 10. VIII. erneutes Ablassen von 1500 ccm hämorrhagischem Exsudat 
mittelst Katheters. Wegen des schlechten Zustandes des Pat. konnte Thorako¬ 
skopie nur in geringer Ausdehnung ausgeführt werden. Die Pleura parietalis 
war stark gerötet, hier und da mit Gruppen von grauweissen, erhabenen Flecken. 
Auch auf dem Zwerchfell ähnliche weisse Erhebungen. Nach der Punktion 
Besserung. Am 18. VIII. verliess Pat. das Krankenhaus. Meerschweinchen¬ 
probe auf Tbc. mit der Pleuraflüssigkeit positiv. 

Fall 38. A. W., Arbeiter, 58 Jahre. A. F. I., Nr. 405, 1911. 

Pleuritis exsudat. chron. -f- Rheumatismus art. chron. 

Pat. hat Muskel- und Gelenkschmerzen viele Jahre hindurch gehabt und 
ist deshalb in verschiedenen Krankenhäusern behandelt worden. Schüttelfrost 
und Fieber waren in den letzten Tagen des Aprils 1911 hinzugetreten. 

Befund bei der Aufnahme am 1. V. 1911. Allgemeinzustand ziemlich gut. 
Fieber 38—39°. Pat. leidet hauptsächlich an Schmerzen im Rücken und in 
den Gelenken; kein Erguss, keine Anschwellung. Kein Husten. Am 29. V. 
fand man Dämpfung über der linken Lunge vom Ang. scapulae an mit ge¬ 
schwächtem Atmungsgeräusch. Etwas Husten und Atemnot hatten sich in 
den letzten Wochen eingestellt. Sputum pos. auf Tuberkelbazillen. Am 23. V. 
Thorakozentese mit Ablassen von 2000 ccm leicht hämorrhagischer Flüssigkeit. 

Thorakoskopie: Zahlreiche Fibrinadhärenzen, die teilweise das Zwerch¬ 
fell decken. Eine geringe Menge Flüssigkeit auf dem Boden des Pleuraraums. 
Pleura parietalis verdickt, hyperämisch, ohne Unterschied zwischen Rippen¬ 
feldern und Interkostalräumen. Hier und da kleinere weisse, etwas erhabene 
Flecke ohne scharfe Begrenzung. Lungenoberfläche uneben, mit dicken und 
zahlreichen Fibrinpelzen bedeckt. Nirgends deutliche Tuberkelknötchen. 

Langsame Besserung nach dem Eingriff. 

F a 11 39. C. V. B., früh. Schiffskapitän, 68 Jahre. Serafimerlazarett, 
med. Klin. I, Nr. 277, 1911. 

Cirrhosis hepatis -f- Pleuritis exsudat. chron. dx. -f- Cardio-arteriosclerosis. 

Stets gesund gewesen mit Ausnahme eines vor vielen Jahren durch¬ 
gemachten gelben Fiebers. Alkoholmissbrauch nicht unbeträchtlich. Seit 
6 Wochen leidet Pat. nun an Atemnot. Befund bei der Aufnahme am 26. V. 
1911. Allgemeinzustand ziemlich schlecht. Dämmerzustand, Zyanose, ödem 
der Unterschenkel. Dyspnoe. Temp. afebril. Bauch stark aufgetrieben, leichter 


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H. C. Jacobaeus. 


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Wellenschlag; Leber vergrössert, palpabel. Herz nicht deutlich vergrössert oder 
verlagert. Dumpfe unreine Töne. Puls unregelmässig, ungefähr 100. Artt. 
radiales geschlängelt. Linke Lunge normal. Auf der Hinterseite der rechten 
Lunge Dämpfung von der Spina an bis zur Basis und geschwächtes oder 
aufgehobenes Atmungsgeräusch. DigalenbehandlAmg versucht, ohne (lass sich 
die Symptome erheblich besserten. 

Am 3. VI. Thorakozentese mit Ablassen von 2600 ccm stark gelber, etwas 
trüber Flüssigkeit; spez. Gew. 1,019, Esbach 2o/o. 

Thorakoskopie: Alle Pleura wände leicht hyperämisch, jedoch mit deut¬ 
licher Verdickung der Haut, so dass der Unterschied zwischen Rippenfeldern 
und Interkostalräumen nicht so deutlich hervortritt wie bei künstlichem Pneumo¬ 
thorax. Lunge komprimiert mit unterscheidbaren Lobuli. Keine Atmungs¬ 
bewegungen. Nirgends Fibrinbeläge oder Fibrinfäden. Am Zwerchfell sah man 
einige gefässführende breite Adhärenzen. Nach der Punktion erfuhr Pat. sofort 
grosse subjektive Erleichterung. Sein Zustand war jedoch noch 2—3 Wochen 
hindurch ziemlich kritisch; danach mehr stetig fortschreitende Besserung. Seit 
dem 15. VIII. steht Pat. täglich auf. Aszites und ödem sind verschwunden, 
und nur ganz unten an der Basis der rechten Lunge findet sich eine imbe¬ 
deutende Dämpfung. 

Fall 40. J. K, 75jähriger Mann. A. F. I., Nr. 1050, 1911. 

Nephritis chron. + Pleuritis exsudat. amb. praecique sin. + Arterio- 
cardiosclerosis. 

Seit 1911 ist Pat. in verschiedenen Krankenhäusern wegen chronischer 
Nephritis behandelt worden. In der letzten Zeit sind Herzbeschwerden und 
Ödeme in den Beinen hinzugetreten. Atemnot. 

Befund bei der Aufnahme am 27. X. 1911. Allgemeinzustand sehr schlecht. 
Dyspnoe. Puls 112. Beine beträchtlich angeschwollen. Schwere Atemnot. Herz 
massig vergrössert mit systolischem Blasen. Auf der Hinterseite beider Lungen 
Dämpfung rechts unterhalb des Angulus, links mitten zwischen Ang. und Spina 
scapulae. An der linken Lunge gleich links vom Herzen Reibegeräusch. Harn 
1 °/ 00 Eiweiss, Zylinder. Stimulantien wurden ohne Erfolg gegeben. Der Zu¬ 
stand wurde immer schlechter. Am 4. XI. war Pat. moribund. Als letzte Zu¬ 
flucht wurde Thorakozentese auf der linken Seite versucht mit Ablassen von 
1150 ccm seröser Flüssigkeit; spez. Gew. 1,021, Eiweissgehalt 2,5°/o. Gleich¬ 
zeitiges Lufteinlassen. 

Thorakoskopie: Überall normale Verhältnisse. Die Lunge war mit dem 
Zwerchfell verwachsen. Unbedeutende Atmungsbewegungen an der Lunge. 

Der Zustand änderte sich nach der Punktion nicht merkbar und in der 
Nacht trat Exitus ein. Bei der Sektion fand man eine chronische Nephritis, 
eine Synechia pericardii sowie eine serofibrinöse Pleuritis, die am ausge¬ 
sprochensten in der Nähe der Perikardialsynechia war; sonst normale Pleura¬ 
flächen. 

Fall 41. E. T., Ehefrau, 46 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 134, 1912. 

Nephritis chron. -f- Oedemata -f- Ascites -f- Pleuritis exsudat. sin. -j- Arterio- 
sclerosis. 

Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen. Sie hat 6 Kinder, von denen 3 
an Tbc. gestorben sind. In den letzten 3 Jahren hat sich Pat. oft beim 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


313 


Arbeiten müde und matt gefühlt. Die Beine waren bisweilen abends geschwollen. 
Nicht selten Erbrechen. Seit 1 / 2 Jahr begann der Bauch anzuschwellen. Zu¬ 
nehmende Atemnot. 

Befund bei der Aufnahme am 27. II. 1912. Pat. ist kräftig gebaut, 
mit blassem, aufgedunsenem Aussehen. Ödeme der Augenlider. Temp. afebril. 
Allgemeinzustand sehr schlecht. Dämpfung und geschwächtes Atmungsgeräusch 
über der linken Lunge vorn von der 2. Rippe an; hinten von der Spina an. 
Heiz nicht deutlich nach rechts verlagert. Dumpfe Töne. In der Bauchhöhle 
die gewöhnlichen Zeichen von Aszites. Im Harn 2 °/ 00 Eiweiss. Die peripheren 
Arterien stark geschlängelt und rigid. Behandlung mit Herzstimulantien. 

Am 28. II. Laparozentese mit Entleerung von 5 Liter serösem Aszites von 
l,8o/o Eiweissgehalt; spez. Gew. 1,016. Bei der Laparoskopie (Dr. Ti 11g re n) 
nur normale Verhältnisse. 

Am 29. II. Thorakozentese mit Ablassen von 1 Liter seröser Flüssigkeit 
von 2o/o Eiweissgehalt. 

Thorakoskopie: Überall normale Verhältnisse. Rippenfelder und Interkostal- 
räüme wohl voneinander zu unterscheiden. Atmungsbewegungen deutlich bei 
der nur leicht komprimierten Lunge. Diese ist stark kohlenpigmentiert, zeigt 
aber im übrigen keine Veränderungen. 

Der Eingriff wirkte auf die subjektiven Beschwerden der Pat. nicht 
nennenswert ein. Ausserdem traten Reibegeräusche über der Herzbasis hinzu, 
die eleu Charakter von pleuro perikardialen Reibegeräuschen hatten. Der Zu¬ 
stand der Pat. verschlimmerte sich fortgesetzt. Leichtes Fieber von ungefähr 
38°. Am 12. III. starb Pat., ohne dass etwas Neues von Interesse hinzu¬ 
gekommen wäre. 

Bei der Sektion fand man eine weit vorgeschrittene interstitielle Nephritis, 
Herzhypertrophie, alte tuberkulöse Veränderungen in der linken Lunge sowie 
eine verhältnismässig frische Eruption von Tuberkeln an dem vorderen medialen 
Rande der Lunge und auch auf den entsprechenden Teilen der Pleura parie- 
talis. In den hinteren unteren Teilen der Pleura fanden sich keine Veränderungen. 

F a 11 42. L. J. P., 58 jähriger Mann. A. F. I., Nr. 101, 1910. 

Pleuritis exsudat. chron. (Endothelioma ?). 

Als Kind hat Pat. Poliomyelitis gehabt, mit leichter Parese der rechten 
Seite. Seitdem ist er im allgemeinen gesund gewesen. Lues wird verneint, 
kein Alkoholmissbrauch. Vor 2 Jahren „krank im ganzen Körper, nebst Stichen 
in der rechten Seite". 

Befund bei der Aufnahme am 24. I. 1910. Hauptsächlich Schmerzen in 
der Rückenmuskulatur. Bei Untersuchung der inneren Organe war nichts Ab¬ 
normes nachzuweisen. Temperatur afebril. 

Pat. wurde mit Aspirin 1X3 behandelt. Während der folgenden Monate 
keine erhebliche Veränderung im Zustande des Pat. Er lag die ganze Zeit 
über zu Bett, klagte hauptsächlich über „Muskelrheumatismus", dann und wann 
auch über Schwere in der Brust und Spannen im Bauche. 

Erst bei Untersuchung am 26. IX., als Pat. ziemlich abgemagert war und 
ein kachektisches Aussehen hatte, wurde eine ausgebreitete exsudative Pleuritis 
mit Dämpfung auf der Hinterseite bis hinauf zur Spina scapulae, auf der 
Vorderseite bis zur 3. Rippe entdeckt. Linke Lunge mit hypersonorem Schall 
ohne Veränderungen. Linke Herzgrenze 3 cm links von der Mittellinie. Leber 
Beitritt rar Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 3. 21 


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H. C. Jacobaeus. 


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nicht vergrössert. Von den Bauchorganen her nichts von Interesse. Lymph- 
driisen in der rechten Achselhöhle haselnussgross, an den übrigen Stellen 
von normaler Grösse. Blut ohne Veränderungen. 

Am 27. JX. Thorukozentese mit Ablassen von 2800 ccm stark mit Blut 
gemischter Flüssigkeit unter gleichzeitigem Einblasen von Luft. 

Thorakoskopie: Eine grössere Partie konnte nicht untersucht werden, da 
Pat. vor Anwendung von Novokainanästhesie mehr als gewöhnlich starken 
Schmerz beim Verschieben des Kystoskops in verschiedenen Richtungen mar¬ 
kierte. Die Schleimhaut war beträchtlich verdickt, eigentümlich dunkel rosa¬ 
farben mit netzförmig angeordneten erhabenen helleren Zügen. Die Ober¬ 
fläche wurde hierdurch ziemlich uneben mit kleineren Erhebungen und Ver¬ 
tiefungen. Hier und da kleinere, höchstens erbsengrosse Blutungen. Gefäss- 
injektion nicht sichtbar, alles war diffus gerötet. Lunge nicht sichtbar. Unten 
sah man die Zwerchfellkuppe mit ihren grossen respiratorischen Bewegungen. 
Die Oberfläche war uneben, mit Erhebungen von hellerer Farbe. 

Nach der Thorakozentese war der Zustand etwas besser, obwohl Pat. 
nicht die Erleichterung verspürte, die man nach der Entleerung eines so grossen 
Exsudats hätte erwarten können. Allmählich verschlimmerte sich der Zustand 
und Pat. starb unter kachektischen Symptomen. 

Die klinische Diagnose war auf Pleuritis exsudativa (Endothelioma ?) ge¬ 
stellt worden, und zwar auf Grund des schleichenden fieberfreien Verlaufes 
und der deutlich ausgesprochenen Kachexie. Hierzu kam die starke Blutbei¬ 
mischung im Exsudat, das fast von schokoladenbrauner Farbe war.- Die thorako- 
skopische Untersuchung ergab für die Pleura ein Aussehen, das durchaus nicht 
mit meiner bis dahin gewonnenen geringen Erfahrung übereinstimmte. Man 
sah ein helleres Netzwerk auf einem dunklen, blutimbibierten Grunde, was 
schön zu d'er Oberfläche eines Endothelioma pleurae zu stimmen schien. 

Die Sektion überraschte mit ganz anderen Befunden. In der Bauchhöhle 
fand man eine ausgebreitete tuberkulöse Peritonitis mit Verlötung der Därme 
und ohne Exsudat. Die klinischen Symptome hiervon waren nur zeitweise auf¬ 
tretende Diarrhöen, die jedoch nicht unstillbar waren, sowie unbedeutende 
Schmerzen und Empfindlichkeit im Bauche gewesen, die indessen nicht hin¬ 
reichend ausgesprochen gewesen waren, um die Aufmerksamkeit auf sich zu 
ziehen. In beiden Pleurae, obwohl besonders in der rechten, fanden sich gleich¬ 
falls Tuberkelknötchen nebst hämorrhagischem Exsudat. Die bei der Thorako¬ 
skopie untersuchte Pleurawand erwies sich als mit einem dünnen Blutgerinnsel 
austapeziert, das zu den beobachteten eigentümlichen Bildern Anlass gegeben 
hatte. Die helleren Erhebungen waren das Fibrinnetzwerk, und hierdurch erhält 
man auch eine Erklärung dafür, weshalb man keine Gefässe in den zwischen¬ 
liegenden Feldern sah. 

F a 11 43. P. S., Zimmermann, 62 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin II, 
Nr. 360, 1911. 

Cancer ventriculi -f- Pleuritis haemorrhagica sin. -f- Angina pectoris -f- 
Arterio-cardiosclerosis. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Leichter Alkoholmissbrauch seit 
dem 20. Lebensjahr. In den letzten 7—8 Jahren hat Pat. an Schmerzen in 
der Hüfte gelitten, die sich später als auf einer chronischen Ischias beruhend 
erwiesen haben. Im April 1911 begann Pat. zu husten mit ziemlich xeichlichem 
Auswurf bis zu einer Teetasse tagsüber, welcher Zustand seitdem fortgedaüert 
hat. Seit 1909 hat Pat. Magenbeschwerden gehabt, anfangs Erbrechen einmal 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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im Monat, dann öfter, während der letzten Monate täglich. In dem Erbrochenen 
niemals Speisereste. In der letzten Zeit wurde Erbrechen oft durch Husten¬ 
anfälle ausgelöst. 

Befund bei der Aufnahme am 19. V. 1911. Pat. mager, mit etwas gelb¬ 
blasser Hautfarbe. Kein Ikterus. Herz nach links bis 2 cm links von der 
Mammilla und 4 cm unterhalb derselben vergrössert. Dämpfung über dem 
Manubrium sterni. Über dem ganzen Herzen hört man ein deutliches systolisches 
Blasen. 2. Aortaton akzentuiert. Temporalarterien geschlängelt. Radialarterien 
geschlängelt und rigid. Bei Untersuchung der Lungen Dämpfung über dem 
unteren hinteren Teil der linken Lunge unterhalb des Angulus scapulae. Hier 
geschwächtes bronchovesikuläres Atmungsgeräusch. Bauch weich, im Epi- 
gastrium druckempfindlich. Unbedeutende spontane Schmerzen. Keine Ge¬ 
schwulst palpabel. Magensaft: Kongo pos., Gesamtazidität 42; freie HCl 32. 
Unbedeutende Retention. Weber neg. in Fäzes. Schmidt-Strass¬ 
burgers Probekost ergab vermehrte Menge Bindegewebe in den Fäzes. 
Gärungsprobe neg. Im Harn 1 / 4 °/ 00 Eiweiss. 

Am 5. VII. Thorakozentese mit Ablassen von 1 / 2 Liter hämorrhagischem 
Exsudat. Thorakoskopie: Die parietalen Pleurawände hyperämisch, aber ohne 
Fibrinmembranen. Lunge dagegen teilweise mit einer weissglänzenden, etwas 
gefässführenden Membran bekleidet. Mit der Spitze des Kystoskops konnte 
man den Herzbeutel und die Bewegungen des Herzens palpieren. Versuche, 
grössere Teile der Pleura zu untersuchen, wurden nicht gemacht, da Pat. einem 
grösseren Auditorium demonstriert wurde. 

Von den Manipulationen beim Thorakoskopieren hatte Pat. keine sub¬ 
jektive Empfindung, und überhaupt von der ganzen Exsudatentleerung die 
denkbar geringsten Beschwerden. 3 Stunden später trat plötzlich ein heftiger 
Anfall von Angina pectoris auf, der ungefähr eine Stunde dauerte. Pat. hatte 
ein intensives Gefühl, dass „der Leib platzen würde". Keine Puls- oder Atem¬ 
beschleunigung. Die Schmerzen waren am geringsten, wenn Pat. vornüber¬ 
gebeugt sass. 

Eine geringe Menge Flüssigkeit in dem Pleuraraum bildete sich wieder, 
subjektiv aber besserte sich der Zustand beträchtlich, und am 14. VII. 1911 
wurde Pat. als gebessert entlassen. 

Epikrise. Der Fall ist von mehreren Gesichtspunkten aus 
interessant. In der Anamnese waren die Symptome vom Magen und 
von den Lungen her ziemlich verwickelt, und es war nicht klar, 
wieviel von der "Krankheit des Pat. auf krankhaften Veränderungen 
des einen oder des anderen dieser Organe beruhte. Auch führte die 
Untersuchung des Pat. zu keiner Klarheit hierüber. Pat. ist mager, 
mit in gewissem Grade kachektischem Aussehen. Bei Untersuchung 
des Magens findet man freie Salzsäure, aber eine unbedeutende 
Retention. Von den Brustorganen her ist, abgesehen von einem 
bedeutend vergrösöerten Herzen mit systolischem Blasen, ein kleineres 
Exsudat auf der linken Seite zu erwähnen. Soll man der unbedeuten¬ 
den Retention Bedeutung beimessen und das Vorhandensein eines 
Cancer ventriculi annehmen? Ist die nachweisbare Pleuritis selb¬ 
ständiger entzündlicher Natur, oder liegt ein Cancer ventriculi mit 

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Metastasen in der Pleura vor? Das hämorrhagische Exsudat sprach 
in gewissem Grade hierfür; auch war kein Fieber vorhanden. Bei 
der Thorakoskopie fand man Hyperämie der Pleuraflächen, keine 
Fibrinmembranen auf den parietalen Wänden, dagegen auf der 
Lungenoberfläche einen weissen, etwas gefässftihrenden Belag, der 
als eine organisierte Fibrinmembran aufgefasst wurde. Also keine 
grössere Abweichung von dem, was man sonst zu sehen gewohnt 
war. Infolgedessen wurde die Möglichkeit von Krebsmetastasen in 
der Pleura für weniger wahrscheinlich angesehen. 

Von Interesse ist ferner der schwere Anfall von Angina pectoris, 
der einige Stunden nach dem Eingriff auftrat. Die Anamnese be¬ 
richtet von keinen früheren Anfällen dieser Art, und während der 
Operation wurde keine Veränderung des Pulses wahrgenommen; 
auch hatte der Pat. keine subjektiven Beschwerden davon. Eine 
Erklärung für den Anfall zu geben, ist nicht leicht. Auf irgend eine 
Weise muss wohl die Operation an ihm schuld sein. Wahrschein¬ 
lich dürfte es meines Erachtens sein, dass nach dem Abzapfen 
des Exsudats die an Stelle desselben eingelassene Luft sich vor 
die Lunge und teilweise vor das Herz gelagert und dadurch in 
gewissem Grade eine Lageveränderung des Herzens verursacht hat. 
Bei Perkussion war nun die Herzdämpfung links vom Sternum 
ganz verschwunden; also muss man annehmen, dass das Herz mit 
der Spitze eine Rotation nach hinten erfahren hatte. Schliesslich 
spricht vielleicht für diese Deutung auch der Umstand, dass während 
des Anfalls dem Pat. die beste Linderung ein starkes Vorbeugen 
des Oberkörpers brachte, wodurch das Herz einigermassen in die¬ 
selbe Lage wie vor dem Abzapfen kam. Entscheidend ist frei¬ 
lich dieser Umstand nicht, da Angina pectoris-Patienten auch sonst 
bisweilen während der Anfälle diese Stellung als die schmerz¬ 
linderndste einnehmen. 

Einige Monate später habe ich Gelegenheit gehabt, Pat. von 
neuem zu untersuchen/ Es hatten sich nun unbestreitbare Symptome 
von Cancer ventriciili entwickelt mit palpabler Geschwulst im Epi- 
gastrium. Auch das pleuritische Exsudat hatte sich wiedergebildet. 
Hiermit dürfte es wohl unzweifelhaft sein, dass die Thorakoskopie 
die Diagnose auf eine falsche Spur geführt hat. Ich wage indessen 
zu behaupten, dass eine vielleicht entscheidende Rolle hierbei der 
Umstand gespielt hat, dass der Fall zur Demonstration vor einem 
grösseren Auditorium benutzt wurde. Die Genauigkeit der Unter¬ 
suchung litt hierunter. Auch wurden die sichtbaren Veränderungen 
nicht richtig beurteilt. Die „gefässfühienden Beläge“ auf der Lungen¬ 
oberfläche sind wahrscheinlich nicht organisiertes Fibrin, sondern 
Krebsmetastasen gewesen. 



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133] Über Laparo- und Thorakoskopie. 317 

Fall 44. J. B., Witwe, 69 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 261, 1911. 

Cancer peritonei -)- Ascites -f- Carcinosis pleurae sin. 

Anamnese wegen des schlechten Gedächtnisses der Pat. unvollständig. 
Pat. hat ziemlich viele Jahre hindurch Husten gehabt mit reichlichem Auswurf. 
Während der letzten 2 Jahre Verdauungsbeschwerden, abwechselnd Perioden 
von Verstopfung und von Diarrhöen. Im November 1910 bekam Pat. Stiche 
in der Brust und wurde ins Krankenhaus aufgenommen, wobei linksseitige 
Pleuritis konstatiert wurde. Das Exsudat wurde abgelassen und Pat. als ge¬ 
bessert m Januar 1911 entlassen. Während des Frühlings 1911 magerte Pat. 
beträchtlich ab. Im April begann der Bauch anzuschwellen. Der Husten nahm 
auch zu. 

Befund bei der Aufnahme am 20. VI. 1911. Pat. bedeutend kachektisch. 
Nirgends Ödeme. Kein Fieber. Bei Untersuchung der Lungen findet man 
intensive Dämpfung über der ganzen linken Lunge; Atmungsgeräusch nicht 
hörbar. Rechte Herzgrenze 2 cm rechts vom Sternum. Sonst bezüglich des 
Herzens nichts Bemerkenswertes. Der Bauch ist beträchtlich aufgetrieben, Um¬ 
fang 129 cm; deutliche Zeichen von Aszites. Am 21. VI. wurden 6 Liter stark 
blutig gefärbter Aszites abgelassen. Danach waren zahlreiche knotige Uneben¬ 
heiten zu palpieren. Bauchumfang nun 91,5 cm. Leber und Milz nicht palpabel. 

Bei der Laparoskopie sah man zahlreiche Krebsknötchen, die deutlich 
hier und da auf den Darmschlingen hervortraten; besonders zahlreich waren 
sie im Oment; Leber ohne nachweisbare Veränderungen. 

Am 30. VI. Thorakozentese; Pat. dabei in halbliegender Stellung, Ein¬ 
stich in der mittleren Axillarlinie im 8. ICR. 2300 ccm schokoladenbraune 
Flüssigkeit wurde mittelst Katheters abgelassen, ohne dass Pat. irgend welche 
Beschwerden verspürte. Die Flüssigkeit war stark blutig, spez. Gew. 1,038; 
im Sediment vereinzelte rote Blutkörperchen, Leukozyten und Zellen unbe¬ 
kannter Art. Hgbl. nach Autenrieth 25<>/o. 

Bei der Thorakoskopie, die wegen des herabgesetzten Zustandes der Pat. 
nur in geringer Ausdehnung vorgenommen werden konnte, sah man die parie¬ 
tale Wand blass graurot mit zahlreichen Zügen von derselben Farbe (demnach 
nicht Fibrin). Hier und da Blutungen, die runde begrenzte Flecke von dunkler, 
fast schwarzer Farbe bildeten. Auf dem Zwerchfell eine deutliche Anschwellung 
mit Gefässinjektion und um sie herum zahlreiche Blutungen, die runde, dunkle 
Flecke von charakteristischem Aussehen bildeten. 

Nach dem Ablassen fühlte Pat. ziemlich grosse Erleichterung. In der 
Bauchhöhle bildete sich die Flüssigkeit langsam wieder, in der Brusthöhle 
nicht nachweisbar, obwohl ziemlich lange Zeit verfloss. Allmählich nahm die 
Kachexie der Pat. zu, und am 29. VIII. 1911 trat der Tod ein. 

Bei der Sektion wurden als Primärherd doppelseitige Geschwülste in den 
Ovarien sowie Krebsmetastasen in der Bauch- und Brusthöhle nachgewiesen. 
In der Pleura waren die Veränderungen von ähnlichem Aussehen, wie es bei 
der Thorakoskopie beschrieben worden ist. 

Epikrise: Von klinischem Gesichtspunkt aus bietet der Fall 
geringeres Interesse dar, da die Diagnose Carcinosis peritonei et 
pleurae ja von vornherein ziemlich klar war. Interessant ist da¬ 
gegen die Frage, ob es hei der Thorakoskopie möglich ist, bei 
Pleuritis kankröse Veränderungen von solchen entzündlicher Natur 


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H. C. Jacobaeus. 


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zu unterscheiden. Die zahlreichen Blutungen, ihre dunkle, fast 
schwarze Farbe, die geschwulstähnliche Infiltration, die Abwesenheit 
von Fibrin w r aren die Merkmale, die hier den Unterschied gegenüber 
der entzündlichen Pleuritis markierten. 

F a 11 45. S. D., Haushälterin, 62 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. 1, 
Nr. 376, 1911. 

Tumor renis dx. op. -f- Pleuritis exsudat. sin. c. metastat. pleurae sin. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose oder Geschwülste. In den 
Wachstums]ähren ist Pat. schwächlich gewesen und hat oft an Husten gelitten. 
An einem der ersten Tage im März 1911 fühlte Pat. sich müde und matt. 

Der Harn war am folgenden Tage blutig, von Portweinfarbe. Am 15. April 

starke Blutung von den Harnwegen her. Abmagerung. Im Bauche fühlte man 
damals eine Geschwulst an der Stelle der linken Niere. Pat. lehnte angeratene 
Operation ab. Während des Sommers Verschlimmerung. Eine Woche vor 
der Aufnahme begann Pat. Atemnot zu bekommen, unbedeutender Schüttelfrost 
und Nachtschweisse traten hinzu. Der Husten nahm etwas zu. Keine nennens¬ 
werten Stiche. 

Befund bei der Aufnahme am 1. IX. 1911. Allgemeinzustand schlecht. 
Fettpolster und Muskulatur reduziert. Allgemeine Hautfarbe blass; etwas 
Kachexie. Fieber ungefähr 38°. Dämpfung über der ganzen linken Lunge ausser 
der Spitze. Entfernte Bronchialatmung. R. Herzgrenze bis 4 cm rechts vom 

Sternum verlagert. Keine Geräusche. 

Bauch aufgetrieben, kein Aszites. In der rechten Fossa iliaca palpiert 

man eine gut faustgrosse Geschwulst, die beim Atmen sich nicht deutlich ver¬ 
schiebt und der rechten Niere anzugehören scheint. Leber und Milz nicht 
vergrössert. Ham 1 / 2 % 0 Eiweiss. Im Sediment vereinzelte körnige Zylinder, 
keine roten Blutkörperchen. Röntgenphotographie der Nieren zeigt die linke 
Niere von gewöhnlichem Aussehen. An der Stelle der rechten Niere ist kein 
Weichteilschatten von der Form der Niere nachzuweisen. 

Am 1. IX. 1911 Thorakozentese mit Ablassen von 3 Liter schwach mit 
Blut vermischtem Exsudat. Am 4. IX. Ablassen von weiteren 400 ccm Exsudat. 

Thorakoskopie: Pleura hyperämisch, nirgends Fibrinbeläge. Deutlicher 
Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. An einer Stelle 
einige gefässführende, graurote Auftreibungen der Pleura, zweifellos Geschwülste. 
Auf ihrer Oberfläche hier und da kleinere Blutungen. 

Nach der Thorakozentese vorübergehende Besserung der Symptome. Da¬ 
nach fortschreitende Kachexie und Exitus am 15. X. 1911. Bei der Sektion 
wurde eine Nebennierengeschwulst mit Thrombosen in der Vena cava inferior 
sowie Metastasen in beiden Lungen und in der linken Pleura, entsprechend 
dem Befunde bei der Thorakoskopie, angetroffen. 

Fall 46. K. J., 72jähriger Mann. Krankenhaus Sabbatsberg, 1911. 

Pleuritis exsudat. chron. 

Pat. erkrankte in den ersten Tagen des Febr. ganz akut mit Husten, 
Übelkeit und Stichen in der linken Seite. 

Befund bei der Aufnahme am 7. II. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Kein Fieber, auch keine Kachexie. Bei Untersuchung der inneren Organe 
findet man Symptome eines linksseitigen pleuritischen Exsudats mittlerer Grösse. 
An den übrigen Organen arteriosklerotische Veränderungen. Anfangs wurde ein 
paarmal hämorrhagisches Exsudat nach Potain abgelassen, jedoch jedesmal 



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135] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


319 


höchstens 400 ccm. Der Zustand blieb ungefähr unverändert, das Exsudat 
zeigte aber die Tendenz, sich ziemlich rasch wieder zu bilden. 

Am 2. III. Thorakozentese mit Ablassen von 800 ccm Flüssigkeit unter 
gleichzeitigem Lufteinblasen. 

Thorakoskopie: Pleura costalis hyperämisch und verdickt; kein Unter¬ 
schied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. Lungenoberfläche nicht 
sichtbar. Pleura parietalis diffus gerötet. Nach beiden Seiten hin zahlreiche 
Fibrinadhärenzen zwischen Lunge und Brustwand. 

Epikrise. Ich wurde in diesem Falle konsultiert, um durch 
die Thorakoskopie zu entscheiden, ob ein Endothelioma pleurae vor¬ 
handen war oder nicht. Der rasche Fortschritt der Krankheit, das 
hämorrhagische Exsudat liessen an eine bösartige Geschwulst denken. 
Durch die Thorakoskopie wurden indessen zahlreiche Fibrin- 
adhärenzen nebst anderen entzündlichen Symptomen nachgewiesen, 
die die Diagnose Endothelioma weniger wahrscheinlich machten. 

Nach mündlicher Mitteilung seitens des Arztes des Pat. starb 
Pat. kurze Zeit danach. Bei der Sektion wurde eine chronische 
adhäsive Pleuritis angetroffen. 

Fall 47. S. L., Krankenpflegerin, 33 Jahre. Serafimerlazarett, mcd. 
Klin. I, Nr. 589, 1911. 

Sarcoma cruris dx. Pleuritis exsudat. dx. 

Heredität betreffs Tuberkulose unbekannt. Pat. im allgemeinen gesund 
gewesen. Im April 1910 entdeckte sie eine hühnereigrosse Geschwulst auf der 
Innenseite des rechten Schenkels. Langsames Wachstum derselben. Pat. wurde 
am 8. X. 1910 wegen einer faustgrossen Geschwulst operiert, die zwischen 
den tieferen Schenkelmuskeln belegen und deren Ursprung nicht zu bestimmen 
war. Am 19. X. wurde Pat. als geheilt entlassen. Die Diagnose war damals 
auf Sarcoma cruris dx. gestellt worden. Röntgenbehandlung nach der Ent¬ 
lassung während eines halben Jahres. Drei Wochen nach Aufhören derselben 
entstand ein walnussgrosser Knoten an der Stelle der früheren Geschwulst. 
Diesmal rascheres Wachstum. Am 2. VIII. 1911 wurde eine ungefähr faust¬ 
grosse Geschwulst von derselben Lokalisation wie die erste durch Operation 
entfernt. Eine geringe Infektion in der Wunde trat hinzu, ohne aber den All¬ 
gemeinzustand zu beeinflussen. Am 9. IX. 1911 wurde Pat. entlassen. An¬ 
fang Dez. begann Pat. Stiche in der rechten Seite des Rückens sowie Husten 
und Atemnot zu bekommen. Fieber von 38,5—39° und Nachtschweisse. 4 Tage 
vor der Aufnahme Verschlimmerung. 

Befund bei der Aufnahme am 15. XII. 1911. Allgemeinzustand nicht be¬ 
sonders schlecht. Dyspnoe, Stiche in der rechten Seite. Dämpfung und ge¬ 
schwächtes Atmungsgeräusch über der unteren hinteren Hälfte der rechten 
Lunge. 

Am 21. XII. Thorakozentese mit Ablassen von 1 Liter hämorrhagischer 
Flüssigkeit. Im Sediment Lymphozyten, Eiweissgehalt 3,5o/o. Keine Tuberkel¬ 
bazillen im Sputum oder in der Punktionsflüssigkeit bei Inoskopie nachweisbar. 

Thorakoskopie: Alle sichtbaren Pleuraflächen lebhaft gerötet. Ausserdem 
zahlreiche Fibrinbeläge sowie Membranen zwischen Lunge und Brustwand, 
die die Aussicht sehr beschränkten. Keine sichtbare Tuberkelknötchen. 

Nach der Punktion besserte sich der Zustand der Pat. ziemlich langsam. 
Ferner konnte man nun eine rezidivierende Geschwulst in der Operationsnarbe 


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am rechten Schenkel palpieren. Pat. wurde daher behufs Röntgenbehandlung 
in die chirurgische Abteilung übergeführt. Während der folgenden Zeit bildeten 
sich die Lungensymptome bei der Pat. mehr und mehr heraus. Pat. begann 
zu husten. Bronchovesikuläre Atmung und Rasseln traten auf. Röntgenunter¬ 
suchung zeigte zahlreiche kleinknotige Verdichtungen von dem für Lungen¬ 
tuberkulose gewöhnlichen Aussehen. Tuberkelbazillen im Sputum nun auch 
nachweisbar. 

Epikrise. Die drei ersten Fälle (Nr. 33, 34, 35) dieser Gruppe 
stellen chronische Pleuritiden dar, bei denen die Ätiologie nicht 
bekannt ist. Alle gelangten während der ersten Zeit der Anwendung 
der Methode zur Untersuchung, als sie noch an mancherlei Unvoll¬ 
kommenheiten litt. Vor allem war ich noch nicht mit der Technik 
der Anästhesierung eingehender vertraut, was zur Folge hatte, dass 
ich mit dem Thorakoskop nicht in der Brusthöhle manöverieren 
konnte, ohne dem Pätienben hochgradige Schmerzen zu verursachen. 
Ferner wirkten die Luftblasen in der Pleurahöhle recht störend, 
indem sie das ganze Gesichstfeld ausfüllten. Dies geschah wiederholt 
bei Anwendung der Holmgrensehen Methode mit Einblasen von 
Luft. Nachdem ich zu der einfachen Kanüle übergegangen war, 
durch welche sowohl das Ablassen der Flüssigkeit als das Einsaugen 
der Luft stattfand, bin ich durch Luftblasen nicht mehr belästigt 
worden. Infolgedessen sind die Pleuraflächen nur in sehr geringer 
Ausdehnung untersucht worden. Sie bieten jedoch in allen Fällen 
ziemlich dasselbe Aussehen dar. Die Oberfläche ist nicht besonders 
hyperämisch, sie ist sehnig und weissglänaend mit kleineren 
Blutungen hier und da. 

Die folgenden drei Fälle (Nr. 36, 37, 38) sind wahrscheinlich 
tuberkulös. Bei allen liegt zugleich Lungentuberkulose vor. Dass 
sie nicht unter den akuten aufgeführt sind, beruht darauf, dass 
der Zeitpunkt der Entstehung der Pleuritis entweder unbekannt 
ist oder zeitlich ziemlich weit zurückliegt. 

Der erste der Fälle zeigt eine verdickte grauweisse Membran 
sowie ziemlich zahlreiche Fibrinbeläge. In Nr. 36 waren keine 
tuberkulösen Veränderungen nachweisbar, in Nr. 37 und 38 be¬ 
stand Verdacht auf solche. In den beiden letzteren war keine 
starke Hyperämie vorhanden, dagegen reichlich Fibrinbeläge auf und 
zwischen den Pleuraflächen, was mit den oben gelieferten Be¬ 
schreibungen tuberkulöser Pleuritiden übereinstimmt 

Ein Aussehen, das ziemlich stark von dem der letztgenannten 
abweicht, charakterisiert Fall 39. Es handelt sich hier um eine 
Cirrhosis hepatis mit einem rechtsseitigen pleuritischen Exsudat, 
eine Kombination, die so gewöhnlich ist, dass man wahrscheinlich 
einen ätiologischen Zusammenhang zwischen der Zirrhose und der 


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137] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


321 


Pleuritis annehmen darf. In diesem Fall erhielt man keinen An¬ 
haltspunkt für Tuberkulose, und für mein Teil glaube ich auch 
nicht, dass Tuberkulose die Ursache der Pleuritis hier gebildet hat 
Von Interesse ist es nun, dass hier ein ganz anderes Aussehen 
als bei den übrigen Fällen vorliegt. Die Pleurawände sind zwar 
etwas verdickt, aber trotz der ziemlich langen Dauer (6 Wochen) 
konnte man noch deutlich die Rippenfelder von den Interkostal¬ 
räumen unterscheiden. Ausserdem waren nirgends Fibrinzüge zu 
sehen. Der Unterschied im Aussehen war ganz augenfällig. Doch 
ist zuzugeben, dass das Herz ziemlich schlecht funktionierte, so 
dass eine Stauung möglicherweise auch eine gewisse, wenn auch 
unbedeutende Rolle gespielt haben kann. Ein unbedeutender Aszites 
war nachzuweisen, dagegen kein Erguss in das linke Lungenfell. 
Aus dem rechten Lungemfell wurden 2600 ccm Exsudat abgelassen. 
Der Eiweissgehalt des Exsudats war auffallend niedrig, 2%. 

In den Fällen 40 und 41 spielt die Stauung sicherlich eine 
gewisse Rolle. Beiden gemeinsam ist, dass das Symptomenbild 
Nephritis chron. -f~ Arteriokardiosklerose mit schweren Symptomen 
von Herzinkompensation vorlag. In Fall 40 wurde Pat. in sehr 
elendem Zustande mit Ergüssen in beiden Pleurahöhlen, hauptsäch¬ 
lich jedoch in der linken, eingeliefert. Auf der Vorderseite lateral- 
wärts vom Herzen hörte man deutliche Reibegeräusche. Eine Pleu¬ 
ritis war also vorhanden. Infolgedessen machte ich auf die Auf¬ 
forderung des Arztes des Pat Thorakozentese, trotzdem Pat. so gut 
wie moribund war. Bei der Thorakoskopie waren alle sichtbaren 
Pleuraflächen normal. In der Nacht starb Pat. Bei der tags darauf 
ausgeführten Sektion erwiesen sich die Pleuraflächen lateralwärts 
und hinten, welche Teile bei der Thorakoskopie beobachtet worden 
waren, als normal. In der Nähe des Herzens, wahrscheinlich ausge¬ 
gangen von der Synechia pericardii des Pat., fand sich eine sero¬ 
fibrinöse Pleuritis. 

Der andere Fall ähnelte dem ebenerwähnten. Es handelte sich 
um eine 46 jährige Pat mit allgemeinen Ödemen und bedeutendem 
Aszites sowie schwerer Herzinkompensation. Zuerst wurden 5 Liter 
Aszites abgelassen, ohne dass aber ihr schlechter Zustand dadurch 
günstig beeinflusst wurde. Bei Untersuchung der Brustorgane fand 
man das Eigentümliche, dass Dämpfung von der 2. Rippe an auf 
der Vorderseite bestand, während dieselbe auf der Rückenseite 
mindestens 4—5 cm weiter unten begann und nicht so intensiv 
war. Pat. hatte nicht auf der linken Seite, sondern auf dem Rücken 
zu liegen gepflegt Jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass hier 
ein grosses pleuritisches Exsudat von zwischen 2 und 3 Liter vor- 


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lag. Nur 1 Liter Flüssigkeit wurde beim Ablassen erhalten. Bei 
der Thorakoskopie zeigte auch die Lunge ungewöhnlich gute At¬ 
mungsbewegungen und füllte die Pleurahöhle so aus, dass nur 
ein verhältnismässig enger Baum für die Thorakoskopie vorhanden 
war. Die hier sichtbaren Pleuraflächen zeigten nichts Abnormes. 

Bei der später ausgeführten Sektion fand man eine Eruption 
frischer Tuberkeln auf der Vorderseite der linken Lunge sowie auf 
den entsprechenden Teilen der Pleura parietalis. Hier hat man 
also von dem Gewöhnlichen abweichende Verhältnisse. Man er¬ 
hält ein dünnes Exsudat mit Hauptlokalisation auf der Vorder¬ 
seite und lateralwärts von der Lunge und, abgesehen von den an¬ 
gegriffenen Partien, keine merkbaren Veränderungen in den be¬ 
nachbarten Teilen der Pleuraflächen. Der Eiweissgehalt ist niedrig, 
2 o/o, was teils auf Stauung, teils auf dem anämischen Zustande der 
Pat. zu beruhen scheint. Im vorhergehenden Falle hatte man die 
makroskopisch sichtbaren entzündlichen Veränderungen an derselben 
Stelle der Pleura, während das Exsudat sich wie gewöhnlich auf der 
Bückenseite befand. 

Das grösste Interesse kommt bei dieser Gruppe den Fällen zu, 
bei denen Pleurageschwulst oder Verdacht einer solchen Vorgelegen 
hat. Bei nicht weniger als sechs Patienten ist dies der Fall ge¬ 
wesen. In den zwei ersten Fällen (Nr. 42, 43), die ich selbst be¬ 
obachtet habe, habe ich mit der Methode keinen Erfolg gehabt. 
In Fall 42, wo ich die Diagnose Pleurageschwulst gestellt hatte, 
verfügte ich nur erst über eine Erfahrung mit der Methode in 
wenigen Fällen. Ausserdem beherrschte ich die Novokainanästhe¬ 
sierung nicht, und diesen beiden Umständen schreibe ich das Miss¬ 
lingen zu. Betreffs der Einzelheiten verweise ich auf die Beschrei¬ 
bung des Falles. 

In Fall 43 beobachtete ich nur geringe Hyperämie der Pleura¬ 
flächen ; was als Fibrinbeläge aufgefasst wurde, waren wahrscheinlich 
Krebsmetastasen gewesen. Da ich keine deutlichen Metastasen dieser 
Art sah, glaubte ich, dass keine Geschwulst vorläge. Doch ist hier¬ 
bei zu berücksichtigen, dass die Thorakoskopie nicht so gründlich 
ausgeführt wurde, wie zu wünschen gewesen wäre, da die Zeit 
durch Demonstration des Gesehenen vor einem grösseren Auditorium 
in Anspruch genommen wurde. Der spätere Verlauf zeigte indessen 
mit ziemlich grosser Sicherheit, dass ein Magenkrebs mit Metastasen 
in der Pleura Vorgelegen hatte. Die Irrtümer bei der Deutung, die 
begangen worden, sind aus der Beschreibung des Falles zu ersehen. 

In den lallen 44 und 45 hatte man klinisch ziemlich sichere 
Symptome von Geschwulstmetastasen in der Pleura. Bei der Thorako- 



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139] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


323 


skopie wurden nicht nur Geschwulstmebastasen beobachtet, die sich 
als gefässführende Knötchen mit Blutungen zu erkennen gaben, 
sondern das Aussehen der Pleuraflächen selbst wich deutlich von 
dem der chronisch entzündlichen Pleuritiden ab. Also keine oder 
nur unbedeutende Fibrinbildung sowie, und wenigstens in dem einen 
Falle, ein deutlicher Unterschied zwischen Rippenfeldern und Inter- 
kostalrämnen. 

Führt man die Thorakoskopie im Dunkelzimmer aus, so 
schimmert das Licht von der Lampe durch die Brustwand hindurch. 
In der Pleura parietalis vorhandene Geschwülste müssen sich dann 
als dunkle Flecken abzeichnen, deren Konturen leicht auf .1er Haut 
nachzuzeichnen wären, so dass man eine genaue Vorstellung von ilirer 
Grösse und Lage erhielte. Auf Grund meiner Erfahrungen bei der 
Laparoskopie muss ich dies für wahrscheinlich halten. Noch habe 
ich freilich keine direkten Beobachtungen in dieser Beziehung an¬ 
stellen können 1 ). 

In den beiden letzten Fällen (Nr. 46, 47) hegte man klinischen 
Verdacht auf bösartige Geschwulst. In beiden Fällen lehrte die 
Thorakoskopie, dass entzündliche Veränderungen, Fibrinadhärenzen, 
intensive Hyperämie usw. Vorlagen. Infolgedessen glaubte ich mit 
grosser Wahrscheinlichkeit eine Geschwulst ausschliessen zu können. 
Der eine Fall verlief tödlich, wobei man Bestätigung für die Ab¬ 
wesenheit einer bösartigen Geschwulst erhielt. In dem anderen Falle 
wurde der Verdacht auf Geschwulst dadurch verursacht, dass hier 
ein Sarkom am rechten Schenkel vorlag, das wiederholt nach der 
Operation rezidiviert hatte. Zwar setzte die Pleuritis ziemlich akut 
mit Fieber ein, was gegen Geschwulst sprach. Doch braucht man 
nicht weiter als zu Nr. 43 zurückzugehen, um einen Fall, Nieren¬ 
tumor mit Pleurametastasen, mit Fieber ohne andere ersichtliche 
Quelle hierzu zu finden. Später haben sich für Lungentuberkulose 
typische physikalische Veränderungen entwickelt, und auch Tuberkel¬ 
bazillen sind im Auswurf nachgewiesen worden. 

Dio vorliegenden Untersuchungen auf bösartige Pleura- 
geechwülste haben demnach verschiedene Resultate ergeben. Sie ist 
auch unvollständig. Ein primäres Pleuraendotheliom ist z. B. nicht 
beobachtet worden. Jedenfalls aber glaube ich, dass An¬ 
lass genug vorliegt, anzunehmen, dass die Thorako¬ 
skopie praktische Bedeutung für die Entscheidung 

Neulich habe ich einen solchen Fall gehabt. Bei der Thorakoskopie 
gelang es mir sehr leicht, die Pleurametastasen zu sehen. Beim Durchleuchten 
der Thorax wand konnte ich die Metastasen sehr genau lokalisieren und auf 
der Haut nachzeichnen. Die später eingetroffene Sektion bestätigte die Richtig¬ 
keit der Methode. 


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324 H. C. Jacobaeus. [140 

darüber erhalten wird, ob bösartige Pleura¬ 
geschwulst vorliegt oder nicht. Bei unseren bisherigen 
Methoden kann es recht schwer fallen, diese Diagnose mit einiger 
Sicherheit zu stellen. Die zytologischen Untersuchungen ergeben oft 
negative oder unsichere Resultate. 

Passen wir die Resultate der Thorakoskopie bei diesen serösen 
oder serös hämorrhagischen Pleuritiden zusammen, so ergibt sich 
folgendes. 

Bei den tuberkulösen Formen findet sich in 
allen Stadien eine intensive Rötung der Pleura¬ 
flächen (parietalis und diaphr ag ma tica), meistens 
mit Aufhebung des Unterschiedes zwischen Rippen¬ 
feldern und Interkostalräumen sowie mit Bildung 
von Fibrinbelägen. Es ist ein Prozess, der mit dem 
Aussehen der tuberkulösen Peritonitiden überein¬ 
stimmt. In den akuten Fällen findet man oft grau- 
weisse Knötchen, die aller Wahrscheinlichkeit nach 
Tuberkeln sind. Je mehr sich die Fibrinbeläge aus¬ 
bilden, um so schwerer wird es, die genannten Knöt¬ 
chen zu erkennen. 

Die idiopathischen Pleuritiden, bei denen je¬ 
doch in mehreren Fällen klinischer Verdacht auf 
Tuberkulose besteht, zeigen im grossen und ganzen 
ein Aussehen, das von dem bei der erstgenannten 
Gruppe keine Abweichung aufweist. Bei mehreren 
derselben findet man ähnliche Knötchen, wie sie 
oben als tuberkulös beschrieben worden sind, 
Fibrinbildung in derselben Weise und schliesslich 
dasselbe Aussehen der Pleuraflächen. 

Von nichttuberkulösen Pleuritiden sind nur eine 
geringe Anzahl von Fällen untersucht worden. In 
mehrjeren derselben bieten die Pleuraflächen ein 
anderes Aussehen dar, indem Hyperämie zwar vor¬ 
handen, der Unterschied zwischen Rippenfeldern 
und Interkostalräumen aber wohlbewahrt ist und 
geringe oder keine sichtbare Fibrinbildung und 
keineKnötchensichfinden. Obandemdirekten Aus¬ 
sehen der Pleuraflächen tuberkulöse von nicht¬ 
tuberkulösen Pleuritiden unterschieden werden 
können, bleibt noch eine offene Frage. 

Bei den chronischen Pleuritiden liegt das Haupt¬ 
interesse bei der Frage nach der Möglichkeit, 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


325 


zwischen Geschwulstmetastasen und chronisch ent¬ 
zündlicher Pleuritis zu unterscheiden. 

Wir haben oben die Bedeutung der Thorakoskopie für das 
Studium der Pleuraflächen bei Exsudaten seröser Natur ins Auge 
gefasst. Da es zur Ausführung einer solchen Untersuchung not¬ 
wendig ist, das Exsudat durch Luft zu ersetzen, kann es von Inter¬ 
esse sein, etwas bei den therapeutischen Resultaten dieser Behand¬ 
lungsmethode zu verweilen. 

Haben sich während des Ablassens des Exsudats oder unmittel¬ 
bar danach Folgen unangenehmer Art gezeigt? In zweien der Fälle 
sind solche beobachtet worden. In dem einen (Nr. 43) trat drei 
Stunden nach der Punktion ein Anfall von Angina pectoris auf, 
der jedoch nach einer Stunde überstanden war. In dem anderen 
(Nr. 19) stellte sich während des Ablassens und einige Stunden 
später aus völlig unbekannter Ursache ein Schwächezustand des 
Herzens ein, der die Darreichung von Stimulantien notwendig machte. 
In allen übrigen Fällen ist der Eingriff ohne Beschwerden für den 
Pätienten vorgenommen worden. Die Infektionsgefahr scheint mir 
sehr gering. In allen diesen Fällen habe ich die Luft durch die 
Kanüle ohne Filtrierung ein- und ausströmen lassen und kein¬ 
mal Sekundärinfektion erhalten. Diese Erfahrungen geben also 
Achard 1 ) und Holmgren 2 ) darin recht, dass es unnötig ist, 
die Luft zu sterilisieren. 

In einer ganzen Reihe von Fällen habe ich eine Temperatur¬ 
erhöhung (um 1—2°) an demselben Tage oder am Tage nach dem 
Eingriff erhalten. Ihre Ursache ist natürlich in dem Eingriff selbst 
zu suchen. Sollte sie auf Infektion beruhen, so müsste man zuerst 
eine Inkubationszeit von einigen Tagen und dann Fieber haben. 
Letzteres ist auch einigemal eingetroffen. In allen Fällen ist jedoch 
die Temperatur nach einigen Tagen wieder auf ihr früheres Niveau 
gesunken oder normal geworden, und eine nennenswerte Vermehrung 
des Exsudats hat nicht stattgefunden. Es scheinen mir vor allem 
die akuten grossen Exsudate zu sein, bei denen Fiebersteigerungem 
nach der Punktion Vorkommen. Bei den chronsichen Formen und 
auch bei den Empyemen zieht das Ablassen des Exsudats gewöhnlich 
geringe Reaktion seitens des Organismus nach sich. 

Meine Erfahrungen bezüglich der Vorteile der Methode stimmen 
mit denen anderer Autoren überein (Forlanini 3 ), Achard u. a.). 

*) La semaine med. 1908. Nr. 38. 

2 ) Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie. 1911. 
Nr. 176. 

8 ) Gazz. med. Italiana. 1902. 


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„Ein Exsudat von beliebiger Menge kann nun ohne weiteres, sozu¬ 
sagen bis zum letzten Tropfen, abgezapft werden, ohne dass der 
Patient die geringsten Beschwerden dabei empfindet“ (Holm- 
gren 1 )). Ich kann dies im grossen und ganzen auch aus meiner 
Erfahrung bestätigen. 

Ob der Heilungsverlauf bei dieser Behandlungsmethode rascher 
ist als bei den früheren (Potain), wage ich nicht zu entscheiden. 
Hierzu wäre erforderlich, dass man den Verlauf in einer grossen 
Anzahl von Fällen vergleicht, deren eine Hälfte nach älteren Me¬ 
thoden, deren andere Häufte mit Ersatz des Exsudats durch Luft 
behandelt worden wäre. 

Eine andere Frage von grosser Wichtigkeit ist die, ob die in 
gewissen Fällen von Pleuritis nachfolgende Lungenschrumpfung 
durch diese Behandlungsmethode irgendwie beeinflusst wird. Ein 
Pneumothorax sollte hierbei die Adhärenzbildung hindern. Wie der 
Pneumothorax in unseren Fällen ausgeführt ist, glaube ich jedoch, 
dass seine Wirkung nicht sonderlich effektiv ist. Er müsste solchen¬ 
falls unterhalten werden, bis die pleuritische Reizung wenigstens 
nahezu auf gehört hat. Und auch dann kann man vor späteren 
Verwachsungen nicht sicher sein. Will man z. B. eine neue Pneumo¬ 
thoraxbehandlung bei Lungentuberkulose in Fällen einleiten, wo ein 
Pneumothorax bereits vorher angelegt gewesen, die Luft aber resor¬ 
biert worden ist, so stösst dies recht oft eben infolge von Ver¬ 
wachsungen auf grosse Schwierigkeiten (Thue 2 ), Saugraan 3 )). 
Doch dürfte es wohl wahrscheinlich sein, dass diese Behandlungs¬ 
methode doch einen gewissen Nutzen in der genannten Hinsicht 
mit sich bringt, wenn man auch keine Methoden besitzt, dies nach¬ 
zuweisen. 

In keinem meiner Fälle ist schon Lungenschrumpfung ein¬ 
getreten; doch ist die Beobachtungszeit allzu kurz, und es haben 
ferner die Fälle nicht alle nachuntersucht werden können. Hat 
man einmal bei der Thorakoskopie in Heilung begriffener Pleuri¬ 
tiden gesehen, wie mächtig und zahlreich die Fibrinadhärenzen 
sind, so erstaunt man darüber, dass Lungenschrumpfung nicht weit 
häufiger eintritt, als das wirklich geschieht. 

Noch eine andere Frage möchte ich mit einigen Worten be¬ 
rühren. Wie lange hält sich die Luft in der Brusthöhle, ohne 
resorbiert zu werden? Die Fälle verhalten sich in dieser Beziehung 
sehr verschieden. Bei den kleineren Exsudaten, wo wenigstens die 

1 ) L c. 

2 ) Norsk Magazin for Lagevidenskab. Nr. 12. 1908. 

3 ) Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 15. Heft 3. 



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Über Laparo- und Thorakoskopie. 


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oberen Teile der Thoraxhöhle nicht angegriffen sind, geschieht die 
Resorption ziemlich rasch, häufig binnen 14 Tagen. Bei den grossen 
Exsudaten, wo die ganze Pleura angegriffen ist, habe ich nicht 
selten die ganze Luftmenge nach 3 Wochen bis 1 Monat ver¬ 
schwunden gesehen, in anderen Fällen aber ist der Pneumothorax 
noch nach 1 oder 2 Monaten ziemlich unverändert vorhanden ge¬ 
wesen. Dies darf jedoch meines Erachtens nicht als ein Nachteil 
aufgefasst w r erden. In der grossen Mehrzahl der Fälle handelt es 
sich wohl um Tuberkulose. Die Pneumothoraxbehandlung dieser 
Krankheit ist wohl bei bestimmten Indikationen als berechtigt an¬ 
zusehen. Jedenfalls dürfte es sicher sein, dass bei einer derartigen 
Behandlung bessere Bedingungen für die Heilung eines tuberkulösen 
Prozesses in einer Lunge bestehen, als wenn man das Exsudat 
aspiriert. Von diesem Gesichtspunkt aus kann es also eher ein Vor¬ 
teil sein, den Pneumothorax lange zu erhalten. 

Über das Verhalten der Lunge bei diesen Pleuritiden ist nicht 
viel hinzuzufügen. In den akuten Fällen findet man- ein dünnes 
Fibrinnetz, das jedoch die Eigenfarbe der Lunge noch hervortreten 
lässt. Die Hyperämie ist schwer oder unmöglich zu beurteilen. 
Bald nimmt die Fibrinmenge zu, und man erhält oft ein waben- 
ähnliches Netzwerk. Danach bilden sich fleckenweise dicke fibrinöse 
Beläge, die später zu einem einzigen dicken Pelz Zusammenflüssen. 

Die Lunge selbst zeigt ein wechselndes Aussehen. Ist das 
Exsudat klein, so kann man noch deutliche respiratorische Be¬ 
wegungen sehen. Bei der Inspiration nimmt die ganze Lunge an 
Volumen zu. Bei grösserem Exsudat bietet die Lunge ein anderes 
Aussehen dar. Bisweilen zeigt z. B. der ganze untere Lungen¬ 
lappen Falte an Falte. Bisweilen hat die Lunge ein ähnliches kolla¬ 
biertes Aussehen, wie man es bei Sektionen an Patienten mit Pneumo¬ 
thorax sieht. In solchen Fällen lassen sich auch keine respirato¬ 
rischen Bewegungen entdecken. Bittet man den Patienten, tief zu 
atmen, so hebt sich zwar die Lunge etwas, die allgemeine Ver- 
grösserung des Volumens aber, die bei kleinen Pleuritiden so augen¬ 
fällig ist, fehlt ganz. 

Die Bewegung, die man stets sehen kann, wie komprimiert 
auch die Lunge gewesen sein mag, sind Pulsationen infolge der 
Funktion des Herzens. Besonders bei linksseitigem Exsudat, wo 
die Lunge bei rechtsseitigem Liegen des Patienten auf dem Herzen 
liegt, sind die Pulsationen sehr lebhaft Nicht selten sieht man dann 
die eigenen Bewegungen des Herzens sich durch die Pleura hindurch 
abzeichnen. Man erstaunt dann darüber, dass, da die Pleura hier 
dasselbe bösartig entzündliche Aussehen aufweist wie an anderen 


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Stellen, es nicht zu einer Perikarditis kommt. Ich habe derartige 
Patienten auch während des weiteren Verlaufes der Krankheit genau 
beobachtet, ohne indessen jemals diesbezügliche Symptome wahr¬ 
zunehmen. 

e) Fälle von Eropyemae pleurae. 

Fall 48. A. F., Modistin, 28 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I. 
Nr. 344, 1910. 

Tb. pulm. -f- Empyemae pleurae sin. 

Vater an Lungentuberkulose gestorben. Pat. ist im allgemeinen schwach 
lieh gewesen; Skrofulöse im Alter von 12—13 Jahren. 1905 erkrankte Pat. 
an Lungentuberkulose, wobei Tuberkelbazillen in den Sputa nachgewiesen wurden. 
Sie wurde ein Jahr lang in einem Sanatorium gepflegt. Von dort als gebessert 
entlassen, ist sie dann in Arbeit gewesen bis zum Frühling 1910, wo wieder 
dieselben Lungensymptome auftraten. Bei Untersuchung erwies sich die linke 
Lunge in ihrer oberen Hälfte sowie die rechte Spitze bis zum ICR. I angegriffen. 
Während des Sommers weilte Pat. auf dem Lande, der Zustand aber blieb 
im ganzen ziemlich unverändert. 

Befund b*ei der Aufnahme im Serafimerlazarett am 8. IX. 1910. Allge¬ 
meinzustand gut. Lokalsymptome wie oben beschrieben. Sofort wurde Pneumo¬ 
thoraxbehandlung eingeleitet, was ohne Schwierigkeit vonstatten ging, und Pat. 
fühlte sich bei der Behandlung wohl. Es wurde jedoch ziemlich hoher positiver 
Druck angewendet. Der Husten nahm ab. Das Körpergewicht sank jedoch von 
67,5 auf 64,2 kg. Am 10. XI. begann Pat. nach einer Stickstoffeinblasung 
Fieber bis zu 39° zu bekommen und sich allgemein matt zu fühlen. Der Aus¬ 
wurf betrug bis zu 40—50 ccm den Tag. Nach 14 Tagen sank die Temperatur 
allmählich und der Zustand besserte sich. Pat. wurde am 24. XII. 1910 zu 
poliklinischer Pneumothoraxbehandlung aus dem Krankenhause entlassen. 
Während des Aufenthaltes zu Hause blieb der Zustand ziemlich unverändert. 
Fieber und Nachtschweisse ziemlich gering. Bei Röntgenuntersuchung Ende 
Februar wurde Flüssigkeit im Lungenfell nachgewiesen, und bei Probepunktion 
erhielt man Eiter. 

Am 9. III. 1911 wurde Pat. von neuem ins Krankenhaus aufgenommen 
und nun 600 ccm Eiter aus dem Lungenfell entleert; ausserdem wurden 30 ccm 
2o/oiges Formalinglyzerin injiziert. Das Exsudat enthielt 6% Eiweiss. Kultur¬ 
versuche mit dem Eiter wurden nicht angestellt. 

Thorakoskopie: Die Pleura wand ist mit einer unebenen, kleinknotigen 
Membran bekleidet; kein Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostal¬ 
räumen. Lunge vollständig komprimiert, einen erhabenen Wall bildend, der 
allmählich in die angrenzende Wand übergeht. Die Oberfläche ist mit einer 
dicken, weissen Membran belegt, ohne dass man eine Spur von der normalen 
Farbe der Lunge sehen kann. Mitten auf dem unteren Lappen findet sich 
eine Öffnung mit runden Rändern, nicht ganz so gross, dass ein Bleistift hinein¬ 
gehen würde (im Thorakoskop). Keine respiratorischen Bewegungen sind an 
der Lunge zu sehen. 

Der Zustand besserte sich ziemlich rasch nach der Punktion. Nach einer 
Woche war Pat. fieberfrei, das Körpergewicht nahm in einem Monat um 4 kg 
zu. Ein weiteres Ablassen von Exsudat ist nicht mehr nötig gewesen. Pat. 
wurde als gebessert am 21. IV. 1911 entlassen. 



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145] 


Über Laparo* und Thorakoskopie. 


329 


Fall 49. T. 0., 36jährige unverheiratete Frau. Tuberkulosenabteilung 
des Krankenhauses St. Göran, Nr. 47, 1910. 

Tbc. pulm. -f~ Pyopneumothorax dx. 

Keine Heredität. Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Vor 2 Jahren 
begann sie sich matt zu fühlen und im Herbst 1909 trat Husten auf. In den 
letzten 6 Wochen ist Pat. heiser gewesen, hat aber nicht Schlingbeschwerden 
gehabt. Kein Fieber, keine Nachtschweisse. 

Befund bei der Aufnahme am 22. IV. 1910. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Pirquet und Calmette positiv. Bei Untersuchung der Lungen fand man 
eine starke Dämpfung über der ganzen Vorderseite sowie über der Hinterseite 
herunter bis zur Mitte der Skapula sowie zahlreiche Rasselgeräusche und ver¬ 
ändertes Atmungsgeräusch. Im übrigen keine Veränderungen in anderen Organen. 

Am 30.* V. 1910 wurde mit Pneumothoraxbehandlung begonnen und diese 
ohne Beschwerden für die Pat. den ganzen Sommer und Herbst hindurch fort¬ 
gesetzt. Im allgemeinen wurde ziemlich starker Überdruck von 10—30 cm 
Wasser mittelst des S a u g m a n sehen Apparats angewendet. * Nachdem Pat. 
eine kürzere Zeitlang unbestimmte Stichschmerzen in der rechten Seite gehabt 
hatte, bekam sie am 15. XI. 1910 Fieber,-und bei Untersuchung fand man 
Dämpfung und Plätschergeräusch. Am 17. XI. wurde 700 ccm Eiter abge¬ 
lassen. Danach besserte sich der Allgemeinzustand allmählich. Noch 2 weitere 
Male wurde ungefähr dieselbe Quantität Eiter entleert. 

Am 30. III. 1911 Thorakozentese mit Ablassen von 450 ccm Eiter. 

Thorakoskopie: Die beiden Pleurablätter stark verdickt, mit bedeutenden 
Veränderungen. Parietalpleura ohne wahrnehmbaren Unterschied zwischen 
Rippenfeldern und Interkostalräumen; sie erscheint diffus verdickt, ziemlich 
gefässreich, aber hier und da mit weissen, erhabenen Flecken. Der sichtbare 
Teil der Pleura diaphragmatica zeigt dasselbe Bild. Im Sinus eine geringe 
Menge zurückgebliebener Flüssigkeit. Die Pleura pulmonalis zeigt die grössten 
Veränderungen. Überall zahlreiche weisse, erhabene Flecke. Nirgends normale 
Lungenoberfläche. Bei der Respiration äusserst unbedeutende Bewegung der 
Lunge. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. 

Fall 50. J. A. S., Fischer, 41 Jahre. A. F. I., Nr. 1344, 1910. 

Empyema pleurae dx. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Während der Wachstums 
jahre schwächlich, aber keine besonderen Krankheiten. Im Sommer 1906 
Stiche in der rechten Seite, die den ganzen Herbst über verbunden mit schwerem 
Husten fortfuhren. Pat. wurde vom 26. X. 1906 bis 3. IV. 1907 wegen Pleuritis 
exsudativa behandelt und währenddessen 7 mal Exsudat entleert. Zustand 
schlecht den ganzen Sommer über, dann allmählich Besserung. Vor 2 Jahren 
schweres Trauma in der rechten Seite, seitdem hier Empfindlichkeit und Ge¬ 
fühl der Schwere. Pat. kam leicht ausser Atem. In der letzten Zeit Atemnot 
beim Gehen. 

Befund bei der Aufnahme am 30. XII. 1910. Allgemeinzustand ziem¬ 
lich herabgesetzt. Pat. abgemagert. Fieber bis zu 38°. Rechte Thoraxhälfte 
abgeplattet, nimmt nicht an der Respiration teil. Dämpfung über der ganzen 
Lunge ohne hörbares Atmungsgeräusch. 

Am 2. I. Ablassen von 3000 ccm Eiter unter gleichzeitigem Lufteinblasen. 
Die Thorakoskopie ergab keine deutlichen Bilder. Nach der Punktion Besserung. 

Beitrüge zur Klinik der Tuberkoloee. Bd. XXV. H. 2. 22 


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H. C. Jacobaeus. 


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830 


Am 2. II. erneute Thorakozentese mit Entleerung von 1 Liter, diesmal 
hämorrhagischer Flüssigkeit. 

Thorakoskopie: Pleura pariej^lis stark verdickt, ohne Unterschied zwischen 
Rippenfeldern und Interkostalcäumen. Lunge stark gegen den Hilus kompri¬ 
miert. Oberer Lappen mit weniger ausgesprochenen Veränderungen. Unterer 
Lappen mit einem dicken Pelz von schwieligem Gewebe. Deutliche respiratorische 
Bewegungen. Ein kleinerer Rest der hämorrhagischen Flüssigkeit auf dem 
Boden der Höhle vorhanden, in deren Mitte die Zwerchfellkuppe emporragt. 

Am 1. III. wurden 500 ccm gleichfalls blutiger Flüssigkeit abpunktiert. 

Die Thorakoskopie ergab dasselbe Resultat wie das erste Mal. Während 
der folgenden Monate besserte sich der Allgemeinzustand des Pat. bedeutend. 
Noch 2 mal wurde je ungefähr 1 / 2 Liter schwach trübes Exsudat entfernt. 
Neues wurde bei der Thorakoskopie nicht beobachtet. Am 15. VII. wurde 
Pat. bedeutend gebessert entlassen. 

Fall 51. S. W., Dienstmädchen, 19 Jahre. Serafimerlazarett, med. 

Klin. II, Nr. 127, 1912. 

Empyema pleurae sin. 

Eine Schwester an Lungentuberkulose gestorben. Hygienische Verhältnisse 
gut. Im Jahre 1908 wurde Pat. untersucht, wobei linksseitige Lungentuberkulose 
festgestellt wurde. Pat. fühlte sich damals völlig gesund, kein Husten. Im 
Herbst 1909 erkrankte Pat. mit Husten, Fieber und Nachtschweissen. Sie lag 
14 Wochen zu Bett, der Zustand besserte sich dann, sie hat sich aber seitdem 
andauernd matt und müde gefühlt. Im Januar 1912 wurde bei Untersuchung 
ein linksseitiges Exsudat entdeckt. 

Befund bei der Aufnahme am 29. II. 1912. Allgemeinzustand gut. Pat. 
fühlt sich müde und matt. Dämpfung und aufgehobenes Atmungsgeräusch fast 
über der ganzen linken Lunge. Herz nicht verlagert, Töne rein. Am 1. III. 
Thorakozentese mit Ablassen von 2,1 Liter Eiter aus der linken Pleura. 
Eiter steril. 

Thorakoskopie: Pleuraflächen mit dicken, weissglänzenden Pelzen belegt. 
Keine Atmungsbewegungen an der Lunge. 

3 Tage nach dem Eingriff bekam Pat. Fieber bis auf ungefähr 39°. 
Kulturversuche mit der kleinen Menge noch zurückgebliebenen Exsudats er¬ 
gaben kein Wachstum. Nach einigen Tagen wurde die Temperatur wieder normal 
und der Zustand besserte sich rasch unter Zunahme des Körpergewichts. Nur 
in unbedeutendem Masse bildete sich die Flüssigkeit in der Brusthöhle wieder 
und hat bis heute (20. IV.) kein weiteres Ablassen erforderlich gemacht. 

Fall 52. J. A., Arbeiter, 24 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 412, 1911. 

Empyema pleurae dx. 

Keine Tuberkulose in der Familie. Pat. ist im allgemeinen gesund ge¬ 
wesen bis zum Frühling 1910. Begann nun an trockenem Husten, schlechtem 
Appetit und Abnahme der Kräfte zu leiden. Stiche in der rechten Seite der 
Brust traten hinzu. Im April 1910 wurde Pat. in ein Krankenhaus aufge 
nommen, wo nahezu 2 Liter fast klarer Flüssigkeit entleert wurden. Nach 
4 Monaten wurde er als gebessert entlassen. Während des folgendes Winters 
und Frühlings war Pat. andauernd krank mit Stichen in der Brust und Atem¬ 
not. Da keine Besserung eintrat, wurde er am 16. IX. 1911 ins Serafimer¬ 
lazarett aufgenommen. 



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147] 


über Laparo- und Thorakoskopie. 


33t 

Befund bei der Aufnahme. Allgemeinzustand ziemlich gut. Körperbau gut. 
Temp. ungefähr 38°. Gefühl der Spannung und Schwere in der Brust. Rechte 
Thoraxhälfte ausgebuchtet, 3 cm mehr als die linke an Umfang messend. Bei 
Perkussion matter Schall über der ganzen rechten Lunge. Kein hörbares Atmungs¬ 
geräusch. Linke Lunge normal. Linke Herzgrenze fast in der-vorderen Axillar¬ 
linie. Systolisches Blasen über dem Herzen. Die Leberdämpfung reicht bis 
2 cm unterhalb des Brustkorbrandes. Leber nicht palpabel. 

Am 19. IX. 1911 Thorakozentese mit Ablassen von 6,5 Liter dünn¬ 
flüssigem grünlichem Eiter. Keine Reaktion nach dem Ablassen. 10 ccm 
2o/oiges Formalinglyzerin wurde eingespritzt. Danach bedeutende Besserung 
im Allgemeinbefinden des Pat. Das Körpergewicht nahm während der nächsten 
Monate um 7 kg zu. Am 6. X. wurde 1 mg Tuberkulin subkutan gegeben 
mit positiver Reaktion. Meerschweinchenprobe auf Tbc. pos. am 11. XI. 1911. 
Allmählich begann Exsudat sich wieder zu bilden, und am 9. XII. 1911 wurden 
2300 ccm dünnflüssiger Eiter abgelassen. 

Thorakoskopie: Die Wände der Pleurahöhle überall mit dicken, weissen 
Fibrinpelzen bedeckt. Die Lunge, beträchtlich komprimiert, liegt als ein er¬ 
habener Wall der medialen Wand an. Nirgends Fibrinadhärenzen. Der Zu¬ 
stand fuhr fort sich allmählich zu bessern. 

Das Exsudat bildete sich in geringer Menge wieder, und am 3. V. 1912 
wurden wieder 1,8 Liter schwach trüber Flüssigkeit abgelassen. 

Bei der Thorakoskopie dasselbe Aussehen wie das vorige Mal. Überall 
speckige Membranen, nirgends Rippenfelder von Interkostalräumen zu unter¬ 
scheiden. Die Lunge ist andauernd an die mediale Wand angedrückt, keine 
Atmungsbewegungen. Keine Reaktion seitens des Organismus nach den Punk¬ 
tionen. Pat. verliess bedeutend gebessert das Krankenhaus am 14. V. 1912. 

Fall 53. M. S., Ehefrau, 22 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 49, 1911. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. sin. -j- Empyema sin. -f- Nephritis 
chron. + Amyloidosis. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Seit Dez. 1910 Husten, Müdig¬ 
keit und Abmagerung. 

Befund bei der Aufnahme am 2. II. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
schlecht. Fieber ungefähr 38,5—39°. Über der linken Lunge Dämpfung auf 
der ganzen Vorderseite sowie auf der Hinterseite bis mitten auf der Skapula. 
Bronchovesikuläre Atmung und zahlreiche Rasselgeräusche über diesen Partien. 
Über der rechten Lunge leichte Dämpfung und bei Auskultation über der Spitze 
bronchovesikuläre Atmung und vereinzelte knackende Rasselgeräusche. Von 
den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. Diazoreaktion schwach pos. 
Pneumothorax sehr schwer anzulegen. Erst unter Anwendung von Holm- 
g r e n s Kochsalzmethode gelang dies am 20. IV., und es musste im weiteren 
Verlaufe ziemlich hoher Druck verwendet werden, um den Pneumothorax einiger- 
massen vollständig zu erhalten. Im Anfang einige Besserung, danach fort¬ 
schreitende Verschlechterung. Hämoptysen traten hinzu sowie Symptome von 
anderen Organen her, wie chronische Diarrhöen, Albuminurie usw. Okt. 1911 
begann Dämpfung über den unteren Teilen der linken Lunge aufzutreten, ohne 
dass jedoch Plätschergeräusche zu erhalten gewesen wären. 

Infolgedessen wurde am 20. X. Thorakoskopie ausgeführt. Einstich in der 
mittleren Axillarlinie, Pat. in sitzender Stellung wegen ihres schlechten Zu¬ 
standes. Nur in geringer Ausdehnung w'aren die Pleuraflächen zu sehen. Sowohl 

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H. C. Jacobaeus. 


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Lunge als Pleuraflächen zeigten dicke, weisse Fibrinbeläge. Auf dem Boden 
der Pleurahöhle sah man eine geringe Menge sehr dicken Eiters. Es wurden 
Versuche gemacht, denselben mittelst Katheters zu entfernen. Nur ungefähr 
50 ccm konnten abgelassen werden. Der elende Zustand der Pat. besserte sich 
nicht, und am 11. Xll. 1911 trat Exitus ein. 

Fall 54. K. G. N., Arbeiter, 67 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. V, 
Nr. 126, 1911. 

Empyema pleurae foetida -j- Arterio-cardiosclerosis. 

Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Im Alter von 33 Jahren doppel¬ 
seitige Pneumonie. Seitdem keine Symptome von den Lungen her. Vor 16 
bis 17 Jahren Gelenkschmerzen, die ihn seitdem nicht mehr verlassen haben. 
Am 3. XII. 1910 brach Pat. sich den linken Collum femoris und wurde des¬ 
halb sowie wegen Malum coxae senilis in der chirurgischen Abteilung des 
Serafimerlazaretts behandelt. Ungefähr am 7. V. 1911 bekam Pat. heftige 
Stiche in der rechten Seite der Brust. Schüttelfrost und Fieber mit 39° 
stellten sich ein. Puls 108. 200 ccm übelriechende eitrige Flüssigkeit wurden 
abpunktiert. Infolge des herabgesetzten Kräftezustandes des Pat. konnte keine 
Rippenresektion ausgeführt werden, weshalb Pat. behufs Punktion am 27. VI. 
1911 in die medizinische Abteilung übergeführt wurde. 

Bei der Aufnahme hier war der Zustand des Pat. sehr schlecht. Dyspnoe, 
schlechter Puls, etwas unregelmässig, ungefähr 110—120 in der Minute. Ober 
dem ganzen hinteren Teil der rechten Lunge von der Spina scapulae an 
herunter bis zur Basis intensive Dämpfung mit geschwächtem oder aufge¬ 
hobenem Atmungsgeräusch. Die Dämpfung setzte sich lateralwärts in der Axillar¬ 
linie fort mit der oberen Grenze an der 5. Rippe. Zuerst wurde Einstich 
mit dem Trokar mehr lateralwärts in der hinteren Axillarlinie im 6. ICR. ge¬ 
macht. Mittelst Katheters wurden 500 ccm unbedeutend blutige und trübe 
Flüssigkeit abgelassen. 

Thorakoskopie: Pleurawände glatt und eben mit mässiger Hyperämie. 
Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen deutlich, obwohl 
etwas verschleiert. Nirgends Fibrin. Alles Exsudat ist verschwunden mit Aus¬ 
nahme eines kleineren Restes (10—15 ccm). Da über der medialen Partie 
bis hinauf zur Spina scapulae noch Dämpfung bestand, wurde hier Probe¬ 
punktion gemacht, wobei stark stinkender Eiter erhalten wurde. Der Trokar 
wurde auch hier eingeführt und ungefähr 500 ccm dickflüssiger Eiter haupt¬ 
sächlich dadurch entleert, dass Pat. ein paarmal kräftig hustete, wobei der 
Eiter herausgepresst wurde. Danach wurde noch mit Katheter versucht, in¬ 
dessen nur eine geringere Menge (80—100 ccm) erhalten. Die Höhle wurde 
mit durch den Katheter mit physiologischer Kochsalzlösung ausgespült. Bei 
der darauf ausgeführten Thorakoskopie fand man eine wohlabgegrenzte Höhle, 
hier und da belegt mit glänzend weissen Belägen. Der Boden war deutlich 
frei von Flüssigkeit, nur einige kleinere Blutkoageln waren zu sehen. Schliess¬ 
lich wurden ungefähr 30 ccm 2o/oiges Formalinglyzerin injiziert. Das Exsudat 
enthielt mononukleäre Zellen; bei Kulturversuchen mit dem Inhalt der beiden 
Höhlen erhielt man Staphylokokken. 

Am Tage danach war der Zustand deutlich besser und hielt sich auch 
so während der folgenden Tage. Das Fieber war zwar in den nächsten Tagen 
etwas höher bis hinauf zu 39°, der Allgemeinzustand aber doch besser. Am 
31. V. wurde die obere Höhle von neuem punktiert, wobei ungefähr 50 ccm 
dunkle, nicht stinkende Flüssigkeit mit deutlichem Formalingeruch erhalten 


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149] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


333 


wurde; aus der unteren Höhle kam nichts heraus. Am 1. VI. wurden 50 ccm 
dunkelbraune Flüssigkeit mittelst einer schmalen Spritzenspitze entleert und 
durch 20 ccm Formalinglyzerin ersetzt. Am 6. VI. wurden 100 ccm Flüssig¬ 
keit abgelassen und 15 ccm Formalinglyzerin eingeführt. Seit dem 31. V. 
ist Pat. fieberfrei und der Zustand hat sich andauernd gebessert. Eine Dämpfung 
mit geschwächtem Atmungsgeräusch hat zwar auf der rechten Seite unten 
und hinten fortbestanden, und bei Röntgenphotographierung wurde hier eine 
kinderhandgrosse Verdichtung gefunden. Bei Probepunktion erhielt man eine 
fast klare bräunliche Flüssigkeit, aber ohne jede Spur eines fötiden Geruchs. 
Kulturversuche auf Agar ergaben negatives Resultat. Am 3. VIII. wurde 
Pat., subjektiv so gut wie wiederhergestellt, entlassen. 

Epikrise. Der Fall ist von mehreren Gesichtspunkten aus 
interessant. Pat. war bei der Aufnahme so elend, dass man ihm 
einen grösseren chirurgischen Eingriff wie eine Rippenresektion nicht 
zumuten zu dürfen glaubte, trotzdem er an einem stinkend putriden 
Empyem litt. Die konservative Behandlung wurde daher angewandt, 
und hierbei zeigte es sich, dass zwei völlig voneinander getrennte 
Höhlen mit Exsudat vorhanden waren, eine mit schwach trübem 
Inhalt und eine mit dem oben beschriebenen Eiter. 

Nach der Entleerung dieser Höhlen wurde Thorakoskopie aus¬ 
geführt und ihre Wände untersucht. Es zeigte sich, dass beide 
Höhlen glatte, ebene Wände hatten ohne bedeutendere Auflockerung. 
Der Prozess schien wohlabgegrenzt zu sein. Im ganzen erhielt man 
daher den Eindruck, dass trotz der schweren klinischen Symptome 
eine relativ gutartige Infektion vorlag. Ferner konnte man sich 
davon überzeugen, dass die Höhlen wirklich fast bis auf den letzten 
Tropfen entleert worden waren. 

Der weitere Verlauf zeigte, dass die gute Prognose, die man 
auf Grund des thorakoskopischen Befundes zu stellen wagte, richtig 
war. Der Fall ist auch insofern von Interesse, als er ein Beispiel 
dafür darbietet, dass man durch konservative Behandlung ein 
günstiges Resultat bei einem Fall von fötidem Empyem hat er¬ 
halten können. 

Die hier angeführten Fälle von Empyem weisen vom klinischen 
Gesichtspunkt aus ziemlich geringe Abweichungen auf. Alle sind 
tuberkulös ausser dem letzten. Von den tuberkulösen sind drei 
in Zusammenhang mit Pneumothoraxbehandlung von Lungentuber¬ 
kulose entstanden. 

Bei der Thorakoskopie zeigen die Pleuraflächen dasselbe Aus¬ 
sehen in allen Fällen. Die Pleuraflächen sind bedeckt mit einer 
dicken Membran mit geröteter Oberfläche. Auf derselben treten 
in sehr verschiedener Menge und Ausdehnung erhabene glänzende, 


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weisse Knötchen oder Züge auf. Bisweilen sind sie nur zerstreute 
Flecken auf der oben beschriebenen geröteten Oberfläche, bisweilen 
bilden sie grosse kreideweisse, zusammenhängende Membranen. Dieses 
Gewebe bekleidet nicht nur die Oberflächen der Pleura parietalis 
und diaphragmatica, sondern auch die Lungenoberfläche. Ebenso 
scheint der entzündliche Prozess tiefergehend zu sein, was gewisse 
Abweichungen im Aussehen gegenüber dem bei der vorigen Gruppe 
bedingt. Bei den serösen oder hämorrhagischen pleuritischen Ex¬ 
sudaten ist im allgemeinen der Unterschied zwischen den Rippen¬ 
feldern und Interkostalräumen aufgehoben. Man konnte jedoch bis¬ 
weilen die Rippen sich als parallele Erhebungen in den Pleuraraum 
vorwölben sehen, so dass auf diese Weise ein Unterschied zwischen 
Interkostalräumen und Rippenfeldern zustande kam. Hier kann man 
keinen derartigen Unterschied wahrnehmen. Überall bildet die Innen¬ 
seite der Pleura wand eine ebene Fläche. 

Auch betreffs der Lunge finden sich Verschiedenheiten, indem 
sie an den Hilus angedrückt ist Man sieht nicht die gewöhnlichen 
scharfen Lungenlappen, sondern die ganze Lunge liegt als ein in 
der Längsrichtung des Thorax verlaufender Wall da mit diffusen 
Übergängen zu den übrigen Pleuraflächen. Infolgedessen sind die 
Atmungsbewegungen oft gering oder solche überhaupt nicht vor¬ 
handen. Ebenso sind die fortgepflanzten Herzpulsationen bedeutend 
mehr gedämpft. 

Ein anderer Unterschied gegenüber den serösen Pleuritiden, 
der ziemlich augenfällig ist, besteht in der Abwesenheit von Fibrin¬ 
zügen und Membranen, die sich quer durch den Pleuraraum er¬ 
strecken. Es gilt dies für alle Fälle. 

Wie erwähnt, stehen alle die ebenerwähnten Empyeme auf tuber¬ 
kulöser Basis, ausser dem letzten, und man fragt sich, ob es mög¬ 
lich ist, für Tuberkulose charakteristische Veränderungen zu ent¬ 
decken. Es ist dies meines Erachtens unmöglich. Die erhabenen 
weissen Flecken und Knötchen, die überall auf den Pleuraflächen 
sich finden, sind sicherlich schwer von Tuberkelknötchen zu unter¬ 
scheiden. Zudem sind in vielen Fällen die Tuberkelknötchen von 
den genannten Membranen verdeckt. 

In zwei von den Fällen (Nr. 50, 52) habe ich Thorakoskopie mehr¬ 
mals ausgeführt. In beiden Fällen haben die Pleuraflächen keine 
bemerkenswerten Abweichungen gegenüber dem ersten Befunde auf¬ 
gewiesen. 

Von gewissem Interesse ist auch Fall 48, wo ich eine Per¬ 
forationsöffnung an der Lungenoberfläche nachweisen konnte. Das 
Bild war ganz dasselbe wie bei den Sektionen, so dass ein Irrtum 


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151] Über Laparo- und Thorakoskopie. 335 

nicht wahrscheinlich ist Der Krankheitsverlauf zeigt jedoch kaum 
klinische Merkmale, die den Fall von den übrigen unterscheiden. 
Er beginnt zwar ziemlich akut nach einer Einblasung, ohne dass 
ein hoher Druck angewandt worden wäre (13,5 cm Wasser, Saug- 
mans Apparat). Das Wahrscheinlichste ist es meines Erachtens, 
dass schon damals der Durchbruch geschehen ist Nur allmählich 
bildet sich die Flüssigkeitsansammlung und wird erst bei einer 
Röntgenuntersuchung im Februar 1911 entdeckt. Nur einmaliges 
Ablassen ist nötig, was bei einem Falle von Empyem mit gleich¬ 
zeitiger Lungenfistel eigeütümlich ist. Die 'Erklärung dürfte wohl 
darin liegen, dass wahrscheinlich keine sekundäre Infektion hinzu¬ 
getreten ist 

Ein nicht geringes Interesse beansprucht auch Fall 54, be¬ 
treffs dessen ich auf die Krankengeschichte mit seiner Epikrise 
verweise. 

f) Fälle von künstlichem Pneumothorax. 

Fall 55. A. Z., Arbeiter, 41 Jahre. A. F. I., Nr. 990, 1910. 

Tbc. pulm. 4" Pneumothorax artific. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Im allgemeinen gesund ge¬ 
wesen. Alkoholmissbrauch liegt vor. Seine Frau an Tuberkulose vor einigen 
Jahren gestorben. Vor 6 Monaten begann Pat. zu husten und abzumagern, 
und 14 Tage vor der Aufnahme bekam er Bluthusten. 

Befund bei der Aufnahme am 26. IX. 1910. Allgemeinzustand ziemlich 
gut, obwohl etwas abgemagert. Temp. abends 38°. Dämpfung über der ganzen 
oberen Hälfte der rechten Lunge, im übrigen in geringem Grade hypersonorer 
Schall. Keine Dämpfung über der linken Lunge. Bei Auskultation broncho- 
vesikuläre Atmung über der rechten Spitze sowie im übrigen verschärfte Vesi¬ 
kuläratmung mit verlängertem Exspirium. Mittelgrosse Rasselgeräusche an der 
rechten Spitze. Röntgenuntersuchung zeigt intensive Infiltration der oberen 
Hälfte der rechten Lunge, zerstreute Herde unten. In der linken Lunge zer¬ 
streute Herde sowie ein grosser zentraler Herd um den Hilus herum. 

Am 18. X. 1910 wurde mit Pneumothoraxbehandlung begonnen und 
500 ccm N eingelassen. Am 21. X. wurde Thorakoskopie in dem so entstandenen 
Lufträume versucht. Vorher war 1 mg Skapulaminmorphium gegeben, worauf 
weitere 500 ccm N eingeführt wurden. Darauf wurde der gröbere Trokar 
und schliesslich das Kystoskop eingeführt. Trotz des beschränkten Raumes 
erhielt man deutliche Bilder nach den Seiten hin. Die Lunge zeigte lebhafte 
Bewegung beim Atmen und besonders bei Hustenstössen, die Pat. in seinem 
Dämmerzustände unaufhörlich ausführte. Es gelang mir daher nicht, ein scharfes 
Bild von der Lunge zu erhalten. Bei Richtung des Thorakoskops parallel mit 
der Lungenoberfläche sah man überall zahlreiche Adhärenzen, an denen bei 
den Hustenstössen gezerrt und gerissen wurde. Pat. verspürte nach der Thorako¬ 
skopie keinerlei Beschwerden. 

Fall 56. D. A. J., Ehefrau, 33 Jahre. A. F. I., Nr. 234, 1911. 

Tbc. pulm., praecipue sin. -f- Tbc. laryngis -f- Pneumothorax artific. 


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Eltern an Tuberkulose gestorben, ein Bruder leidet gleichfalls daran. 
Pat. ist bis vor einem Jahre gesund gewesen, wo sie zu husten und abzu¬ 
fallen begann. Sie nahm 10 kg an Gewicht ab. Im Okt. 1910 begann sie 
heiser zu werden, was seitdem fortgedauert hat. Nachtschweisse und Fieber. 
Bluthusten vor 2 Monaten. Alkoholmissbrauch seit mehreren Jahren. 

Befund bei der Aufnahme am 16. II. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Bei Untersuchung der Lungen Dämpfung über der oberen Hälfte der linken 
Lunge sowie den Fossae und dem 1. ICR. an der rechten Spitze. Broncho- 
vesikuläre Atmung sowie Rasselgeräusche über den genannten Partien. Bei 
Röntgenuntersuchung ausgebreitete Veränderungen in der linken Lunge sowie 
kleinere in der rechten Spitze. 

Am 1. III. wurde mit Pneumothoraxbehandlung der linken Seite be¬ 
gonnen. Nachdem etwa 2 l / 2 Liter Luft in mehreren Sitzungen eingebracht 
worden, wurde am 15. III. 1911 Thorakoskopie ausgeführt. Die Lunge war 
nur teilweise komprimiert mit kräftigen Bewegungen beim Atmen. Keine Tuberkel¬ 
herde wurden sichtbar. Pleura costalis normal. Keine sichtbaren Adhärenzen. 
Keine Beschwerden nach dem Eingriff. 

Fall 57. A. A., Ehefrau, 30 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 120, 1911. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. 

Erbliche Belastung vorhanden. Gute hygienische Verhältnisse. Im Jan. 
1910 erkrankte Pat. an einer rechtsseitigen Pleuritis, wegen deren sie im 
Serafimerlazarett vom 19. II. bis 18. IV. 1910 behandelt wurde. Danach 
Besserung. Im Winter Verschlimmerung. 

Befund bei der Aufnahme am 27. III. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
schlecht. Mit den gewöhnlichen Untersuchungsmethoden sowie mit Röntgen 
wurden bedeutende Veränderungen über der oberen Hälfte der rechten Lunge 
konstatiert. Geringe Veränderungen an der linken Spitze. Am 7. IV. 1911 
wurde mit Pneumothoraxbehandlung begonnen. Im allgemeinen gelang es, im 
Anfang nur 100—200 ccm N hineinzubringen, dann aber wurde die Menge 
auf 400, höchstens 500 ccm vermehrt. Subjektive Besserung des Zustandes. 
Nur im unteren Teile der Pleurahöhle bestand Pneumothorax, über den oberen 
Teilen hörte man fortgesetzt Bronchialatmung und Rasselgeräusche. Bei 
Röntgendurchleuchtung fand man am 1. V. 1911 einen luftgefüllten Raum 
von der 6. bis zur 9. Rippe, ungefähr 5 cm im Quer- und 10 cm im Längs¬ 
durchmesser haltend. Das rechte Zwerchfell war durch Pleuraadhärenzen in eine 
Spitze emporgezogen. 

Am 14. VI. Thorakoskopie der eben beschriebenen Höhle. Nur ein kleinerer 
Luftraum wurde angetroffen. Die Lunge war eingebuchtet, ohne sichtbare 
Atmungsbewegungen. Rings herum ist die Lunge mit der Brustwand fest ver¬ 
wachsen. Die Pleuraflächen sind überall verdickt und undurchsichtig. Nach 
dem Eingriff keine Beschwerden. Pat. wurde am 4. VII. als gebessert ent¬ 
lassen. 


Fall 58. S. T., Anstreicher, 23 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 12, 1912. 

Tbc. pulm. -j- Pneumothorax artific. sin. 

Heredität vorhanden. Hygienische Verhältnisse gut. Im Okt. 1909 die 
eisten Symptome seiner Krankheit mit Husten, Müdigkeit usw. Im Jan. 1910 



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153] 


Ober Laparo- und Thorakoskopie. 


337 


wurde Lungentuberkulose konstatiert. Hämoptyse im Febr. 1910 zum ersten¬ 
mal, dann noch mehrmals. 

Befund bei der Aufnahme am 4. I. 1912. Allgemeinzustand gut. Haut¬ 
farbe blass. Bei Bewegungen leicht Atemnot. Bei Röntgenuntersuchung über 
beiden Lungen bis zur 5. Rippe auf der Vorderseite fleckige Verdichtungen, 
besonders auf der linken Seite. Vereinzelte Flecke in den unteren Teilen 
der Lungen. Bei physikalischer Untersuchung findet man die grössten Ver¬ 
änderungen an der linken Lunge. Am 18. I. wurde die Pneumothoraxbehand¬ 
lung begonnen. Es gelang nur einen partiellen Pneumothorax anzulegen. 

Am 15. II. Thorakoskopie: Eine begrenzte Höhle wurde angetroffen mit 
ebenen Wänden und verdickter Serosa. Die Pleura parietalis schien überall 
mit der Lunge fest verwachsen, so dass die Höhle von einer einzigen zu¬ 
sammenhängenden serösen Haut begrenzt zu sein schien. 

Kerne Beschwerden nach dem Eingriff. Eine Erweiterung dieser kleinen 
Pneumothoraxhöhle liess sich nicht durchführen, weshalb die Einblasungen 
in der Achselhöhle vorgenommen wurden, worauf die Anlegung eines beinahe 
vollständigen Pneumothorax gelang. Pat. wurde am 11. V. 1912 als gebessert 
zu fortgesetzter poliklinischer Behandlung entlassen. 

Fall 59. P. E. L., Arbeiter, 29 Jahre. Serafimerlazarctt, med. Klin. I, 
Nr. 423, 1910. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. 

Keine Heredität. Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen. 1903 und 
1904 ist Pat. mit Steinhauerei beschäftigt gewesen. Während des Herbstes 
1910 fühlte sich Pat. matt und müde. 3 Wochen vor der Aufnahme Stiche 
im Rücken und in der linken Seite sowie Husten und Nachtschweisse. 

Befund bei der Aufnahme am 8. XI. 1910. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Kräftiger Körperbau. Verkürzter Schall über der linken Lunge, in den 
Fossae und im 1. ICR. Bei Auskultation verschärfte Atmung und verlängertes 
Exspirium sowie zahlreiche mittelgrosse Rasselgeräusche. Bei Röntgenunter¬ 
suchung zerstreute Veränderungen in der ganzen linken Lunge, besonders 
in der Mitte derselben. Rechte Lunge fast frei. Am 15. XI. wurde mit Pneumo¬ 
thoraxbehandlung begonnen, die dann ohne Komplikationen fortgesetzt 
worden ist. 

Thorakoskopie am 6. I. 1911. Pleura parietalis ohne Veränderungen. 
Oben kann man die konische oder trichterförmige Spitze der Brusthöhle sehen. 
Am Hilus liegt die Lunge als ein länglicher Körper. Die Lunge scheint durch 
eine dicke Adhärenz mit der oberen Wölbung der Brusthöhle verbunden zu 
sein. Die Lungenpleura in ihrer Gesamtheit diffus verdickt, von grauweisser 
Farbe. Mitten an der Lunge befindet sich eine Partie mit kleineren Blutungen. 
Hier sowie weiter unten nach der Basis zu findet man glänzende, weisse, wohl¬ 
begrenzte Fibrinzapfen. An anderen Stellen ein beträchtlich erhabener weisser 
Wulst mit etwas eingerolltem Rande. Ganz unten einige kleinere Adhärenzen. 
Keine Spur von Atmungsbewegungen an der komprimierten Lunge sowie nur 
ziemlich kleine Pulsationen. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. Pat. wurde am 22. IV. 1911 
zu fortgesetzter poliklinischer Behandlung entlassen. 

Fall 60. K. B., Ehefrau, 24 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 310, 1910. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. 


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H. C. Jacobaeus. 


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ass 

Mutter und eine Schwester an Tuberkulose gestorben. Pat. ißt im allge¬ 
meinen gesund gewesen. Anfang 1903 begann sie sich allgemein schwach zu 
fühlen, ohne dass aber lokale Symptome auftraten. Im Mai 1910 begann Pat. 
zu husten unter Auftreten zunehmender Atemnot. 

Befund bei der Aufnahme am 23. VIII. 1910. Allgemeinzustand ziem¬ 
lich gut. Dämpfung über der linken Lungenspitze mit Bronchialatmung und 
Rasselgeräuschen. Die Veränderungen nehmen nach unten zu ab und sind 
bis zum 4. ICR. einschliesslich auf der Vorderseite hörbar. Auch an der 
rechten Spitze bronchovesikuläres Atmungsgeräusch mit vereinzelten Rassel¬ 
geräuschen. Bei Röntgenuntersuchung erhielt man eine entsprechende Aus¬ 
breitung der Veränderungen. Von den übrigen Organen her nichts Besonderes. 
Pneumothoraxbehandlung wurde am 5. IX. 1910 eingeleitet und den ganzen 
Herbst hindurch ohne störende Komplikationen sowie mit deutlich besserndem 
Erfolge fortgesetzt. 

Thorakoskopie am 16. X. 1911. Lunge vollständig gegen den Ililus kom¬ 
primiert. Der obere Lappen an seiner Spitze etwas mit der Thoraxwand ver¬ 
wachsen, jedoch nur mittelst kurzer Adhärenzen. Die Pleura ist normal, und 
nur an zwei Stellen sieht man einige Knötchen, die wahrscheinlich Tuberkel¬ 
knötchen sind. Der untere Lappen ist durch lange Adhärenzen mit dem Zwerch¬ 
fell verwachsen, die Oberfläche hat grauere Farbe, verursacht durch die etwas 
verdickte Pleura. Keine Atmungsbewegungen sichtbar, nur schwache Herz¬ 
pulsationen. 

Nach dem Eingriff keine Beschwerden. 

Fall 61. F. K. S., 30jährige Frau. A. F. I, Nr. 198, 1911. 

Tbc. pulm. -j- Pneumothorax artific. 

Keine Heredität. Pat. ist im allgemeinen gesund gewesen bis zum Früh¬ 
ling 1909, wo sie im Krankenhaus Sabbatsberg 6 Wochen lang wegen rheu¬ 
matischen Fiebers behandelt wurde. Im Frühling 1910 hustete Pat., obwohl 
nicht stark. Während des Sommers und Herbstes überanstrengte sich Pat. 
und litt sehr unter äusseren Verhältnissen. Im Nov. und Dez. 1910 be¬ 
deutende Verschlechterung mit Husten, Nachtschweissen und beträchtlicher Ab¬ 
magerung. 

Befund bei der Aufnahme am 3. II. 1911. Allgemeinzustand schlecht. 
Pat. leidet an intensivem Husten und reichlichem Expektorat. Fieber zwischen 
38° und 39°. Nachtschweisse. Die ganze rechte Lunge erweist sich als an¬ 
gegriffen mit verkürztem Schall über der oberen Hälfte sowie Rasselgeräuschen 
über der ganzen Lunge. Linke Lunge mit verändertem Atmungsgeräusch und 
Rasseln bis zum 2. ' ICR. einschliesslich. Röntgenuntersuchung ergab hiermit 
übereinstimmendes Resultat. Am 21. II. wurde mit Pneumothoraxbehandlung 
begonnen, die im weiteren Verlaufe eine sehr gute Einwirkung auf ihre Sym¬ 
ptome ausübte. Der Husten nahm ab, um schliesslich fast ganz aufzuhören. 
Das Fieber verschwand. Pat. nahm an Gewicht zu usw. 

Am 3. III. Thorakoskopie. Nur partieller Pneumothorax. Die verschie¬ 
denen Lappen sah man deutlich mit ziemlich grossen Atmungsbewegungen. 
Hier und da vereinzelte grauweisse Knötchen, die durch das Parenchym hin¬ 
durchschimmern. Mehrere grössere Herde an dem oberen Lappen sichtbar. 
An der Mitte eine U-förmige Adhärenz, die sich vom mittleren Lappen zur 
Pleura costalis hin erstreckt. Keine Veränderungen an letzterer wahrzunehmen. 
Zustand nach dem Eingriff unverändert. 



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155] 


t'ber Laparo- und Thorakoskopie. 


339 


Am 17. III. wiederum Thorakoskopie. Die Lunge war bedeutend mehr 
komprimiert. Der obere Lappen zeigte mehrere pfeilerförmige Adhärenzen. Ver¬ 
suche wurden gemacht, dieselben abzubrermen, sie misslangen aber, da eben 
in dem kritischen Augenblick Kurzschluss des elektrischen Stromes eintrat. 

Keine Beschwerden nach dem Eingriff. Pat. wurde am 15. VI. 1911 als 
gebessert entlassen. 

Fall 62. L. H., 16jähriges Mädchen. Serafimerlazarett, med. Klin. 1, 
Nr. 198, 1911. 

Tbc. pulm. sin. -f- Pneumothorax artific. 

Pat. ist stets gesund gewesen bis zum Herbst 1910, wo sie sich erkältete 
und ein paar Wochen lang hustete. Während des Winters Verschlimmerung. 

Befund bei der Aufnahme am 13. V. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
gut. Rechte Lunge normal. Linke Lunge vorn Dämpfung bis zum 4. ICR. 
einschliesslich, auf der Rückenseite in der Fossa supraspinata. Geschwächtes 
vesikuläres Atmungsgeräusch mit Rasseln. Bei Röntgenuntersuchung Verdich¬ 
tung oberhalb der 2. Rippe, vereinzelte zerstreute Herde in den unteren Teilen 
der Lunge. Am 30. V. wurde Pneumothoraxbehandlung eingeleitet, die sich 
ohne Schwierigkeit ausführen liess. 

Am 25. VII. Thorakoskopie. Lunge wohlkomprimiert, ohne Atmungs¬ 
bewegungen. Oben sieht man eine dicke Adhärenz die Spitze an der Brust¬ 
wand fixieren. An der Lunge ist die Pleura verdickt und undurchsichtig. 
Im übrigen nichts von Interesse. Keine sichtbaren Tuberkelknötchen. 

Während der folgenden Monate besserte sich der Zustand der Pat. augen¬ 
fällig, und am 12. I. 1912 wurde sie zu fortgesetzter poliklinischer Behandlung 
entlassen. 

Fall 63. A. N., Ehefrau, 36 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. I, 
Nr. 114, 1911. 

Tbc. pulmonum et laryngis -f- Pneumothorax artific. sin. 

Eine Schwester an Tuberkulose gestorben. Ein Kind der Pat. an Meningitis 
tbc. gestorben. Vor 4 Jahren wurde Pat. wegen „Drüsen“ am Halse operiert. 
Im März 1910 zog sie sich eine Erkältung zu, die zu einem hartnäckigen Husten 
führte. Im Mai 1910 Lungenbluten. Während des Sommers vereinzelte kleinere 
Hämoptysen. Zunehmender Husten während des Herbstes und Winters. Ab¬ 
magerung. 

Befund bei der Aufnahme am 22. III. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 
schlecht. Fettpolster reduziert. Häufige Diarrhöen. Temp. ungefähr 38°. Dämp¬ 
fung über der oberen Hälfte der linken Lunge auf der Vorder- und Hinter¬ 
seite. Bronchovesikuläre Atmung mit zahlreichen Rasselgeräuschen. Auch über 
der rechten Spitze etwas verkürzter Schall sowie vereinzelte knackende Rassel¬ 
geräusche. Bei Röntgenuntersuchung ziemlich grosse, fleckige Verdichtungen 
über der linken Lunge. Eine kleinere kleinfleckige Verdichtung über der rechten 
Spitze. Kavernen von Nussgrösse an der linken Lunge sichtbar. Vom Herzen 
her nichts Bemerkenswertes. Pat. ist im 6. Monat schwanger. 

Am 11. III. wurde mit Pneumothoraxbehandlung begonnen, die in der 
folgenden Zeit ohne störende Komplikationen fortgesetzt wurde. Es trat jedoch 
ziemlicn starke Atemnot ein, und die Pneumothoraxbehandlung führte zu keiner 
Besserung. 

Am 6. V. Thorakoskopie. Der mediastinale Teil der Pleura kam zuerst 
ins Gesichtsfeld, wobei die Bewegungen des Herzens sehr deutlich zu sehen 


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aio 


waren. Die Lunge lag gegen den Hilus komprimiert, von dunkler Farbe und 
ohne sichtbare Atmungsbewegung. Von dem unteren Lappen gingen strang- 
förmige Adhärenzen nach der Brustwand hin. Der obere Lappen frei. Keine 
sichtbaren tuberkulösen Veränderungen. Pleura parietalis von normalem Aus¬ 
sehen. Nach der Thorakoskopie fühlte Pat. sich die folgenden Stunden hin¬ 
durch ziemlich matt. 

Am 24. V. wurde Pat. in die gynäkologische Abteilung zwecks Einleitung 
künstlichen Aborts übergeführt, da ihr Zustand andauernd ziemlich schlecht 
blieb. Ihre Kräfte reichten jedoch nicht aus, den genannten Eingriff zu über¬ 
stehen, und am 5. VI. 1911 trat Exitus ein. 

Fall 64. K. A. N., 19 jähriger Jüngling. Serafimerlazarett, med. Klin. V, 
Nr. 132, 1911. 

Tbc. pulm. praecip. dx. 

Keine Heredität. Pat. gesund gewesen bis April 1911, wo Stiche und 
trockener Husten auftraten, die während des Mai Zunahmen. Leichte Atemnot. 

Befund bei der Aufnahme am 6. VI. 1911. Pat. ist grazil gebaut. Temp. 
subfebril. Puls ungefähr 80. Dämpfung über der rechten Lungenspitze bis 
zum 2. ICR. mit bronchovesikulärer Atmung ohne Rasselgeräusche. Über den 
unteren hinteren Teilen der rechten Lunge Dämpfung und geschwächtes Atmungs¬ 
geräusch. Linke Lunge ohne nachweisbare Veränderungen. Die übrigen Organe 
normal. Wiederholte Probepunktionen wurden auf der gedämpften Partie an 
der rechten Lunge ausgeführt, aber stets mit negativem Resultat. Bei Röntgen¬ 
untersuchung am 26. VI. zeigte das rechte Zwerchfell stark herabgesetzte 
Beweglichkeit, der Sinus phrenico-costalis füllte sich nicht bei der Atmung. 
Über der unteren Hälfte der rechten Lunge teils eine diffuse Verdichtung, teils 
grosse, flockige Verdichtungen, die über das Lungenfeld zerstreut sind ohne 
nachweisbaren Zusammenhang mit der Bronchienzeichnung. Über der oberen 
Hälfte der rechten Lunge eine feinflockige Verdichtung. Linke Lunge mit einer 
feinflockigen Verdichtung bis zur 3. Rippe, sonst normal. Am 10. VII. wurde 
Pneumothoraxbehandlung begonnen, die sich ohne Schwierigkeit ausführen Hess. 
Am 26. VII. neue Röntgenphotographie: Lunge gegen den Hilus komprimiert, 
mit strangförmigen Adhärenzen oben und lateralwärts an der Thoraxwand sowie 
mit breiter Adhärenz an dem Zwerchfell fixiert. Kein Exsudat. 

Am 29. VII. Thorakoskopie: Pleura parietalis von gewöhnlichem Aussehen. 
Kein Exsudat. Lunge wohlkomprimiert, ohne Atmungsbewegungen. Oberer 
Lappen am lateralen Teil des Thorax durch eine breite, hautähnliche Adhärenz 
befestigt. Mitten auf der Haut sieht man eine Reihe deutlich grauweisser 

Knötchen, die sehr Tuberkelknötchen ähneln. Lungenoberfläche dicht an der 
Befestigungsstelle der Adhärenz von hellerer Farbe, die sich ziemlich scharf 

von der im übrigen dunklen Färbung der Lungenoberfläche absetzt. Das 

gleiche Verhältnis findet man in dem unteren Teil der Lunge, die an dem 
Zwerchfell stark adhäriert; die nächstliegenden Partien sind bedeutend heller 
als normalerweise und gehen mit scharfer Grenze in die mehr normale Lungen¬ 
oberfläche über. Nirgends augenfällige Verdickungen der Pleurae. 

Keinerlei Beschwerden nach dem Eingriff. Pat. wurde am 19. IX. 1911 
als gebessert entlassen. 

Epikrise. Interessant ist, dass man klinisch Dämpfung und 
geschwächtes Atmungsgeräusch über dem unteren Teil der Lunge 
hatte, ohne dass man bei der Thorakoskopie oder bei Röntgenunter- 



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157] Über Laparo- und Thorakoskopie. 311 

suchung entsprechende Veränderungen nach weisen konnte. An der 
Lunge sah man teils auf dem unteren Lappen, teils an der Spitze 
begrenzte helle Partien um die Ansatzstelle der Adhärenzen herum. 
Über ihre Natur bin ich mir nicht völlig klar. Möglicherweise 
liegen tuberkulöse Infiltrate vor. 

Fall 65. A. N., Näherin, 23 Jahre. Serafimerlazarett, ined. Klin. I, 
Nr. 151, 1911. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. 

Keine Heredität. Pat. im allgemeinen gesund gewesen. Vor 8 Jahren 
rechtsseitiges Empyem. Nach einigen Monaten wiederhergestellt. Vor 2 Jahren 
ärztlich untersucht, wobei gefunden wurde, dass „die eine Lunge nicht ge¬ 
sund war“. Vor 5 Wochen hustete Pat. Blut, jedoch nur eine geringe Menge. 
Seit 14 Tagen heiser. 

Befund bei.der Aufnahme am 13. IV. 1911. Allgemeinzustand gut. Temp. 
37,5—38°. Puls 80—90. Die Untersuchung der Lungen ergibt bedeutende Ver¬ 
änderungen (Bronchialatmung und zahlreiche Rasselgeräusche) über der oberen 
Hälfte der rechten Lunge. Keine sicheren Veränderungen auf der linken Seite. 
Von den übrigen Organen her nichts Bemerkenswertes. Am 26. IV. wurde mit 
Pneumothoraxbehandlung begonnen. Röntgenphotographie am 3. V. zeigt die 
rechte Lunge nahe an den Hilus retrahiert, mit zwei langen strangförmigen 
Adhärenzen an der lateralen Thorax wand und mit einem breiteren Strang an 
der Mitte der Zwerchfellkuppe befestigt. An der.Spitze eine breite diffuse Be¬ 
festigung. An der rechten Lungenspitze einige walnussgrosse runde Verdün¬ 
nungen. die lufthaltigen Kavernen ähneln. 

Am 10. V. Thorakoskopie. Wegen der zahlreichen Adhärenzen ist es 
ziemlich schwer, sich zu orientieren. Der obere Lappen ist teils durch breite 
Verwachsungen, teils durch einige strangförmige Adhärenzen befestigt. Lungen¬ 
pleura im übrigen verdickt. Keine Atmungsbewegungen wahrnehmbar. Die 
strangförmigen Adhärenzen, die im Röntgenbild beobachtet worden waren, er¬ 
wiesen sich als breit und hautähnlich, aber transversal ausgespannt, wodurch 
das Bild schmaler Fäden entstanden war. Auch unten vom untersten Lappen 
aus sieht man mehrere Adhärenzen nach dem Zwerchfell hinabziehen. Mehrere 
von ihnen entbehren Gefässe, weshalb sie wahrscheinlich nur aus Fibrin be¬ 
stehen. An einer Stelle der Lungenoberfläche sieht man eine deutliche Tuberkel. 
Keine Beschwerden nach dem Eingriff. 

Am 17. VI. Thorakoskopie von einem anderen Interkostalraum aus mit 
der Hauptsache *iach demselben Resultat und auch diesmal ohne schädliche 
Folgen für die Pat. 

Während des weiteren Aufenthaltes im Krankenhause trat im Laufe des 
Herbstes ein kleines Exsudat auf. Am 21. XI. 1911 wurden 200 ccm seröse 
Flüssigkeit abgelassen. Keine Neubildung von Exsudat, Zustand seitdem un¬ 
verändert. 

Fall 66. B. H. A., 24jähriges Mädchen. A. F. I., Nr. 783, 1910. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. -f- Pleuritis exsudativa. 

Mutter und 2 Brüder an Tuberkulose gestorben. Selbst ist Pat. gesund 
und kräftig bis etwa 3 Monate vor der Aufnahme gewesen, wo sie zu husten 
begann; jedoch keine Hämoptyse und keine Nachtschweisse. Keine Stiche. 


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H42 

Befund bei der Aufnahme am 29. VII. 1910. Allgemeinzustand gut. 

Temp. 38° im allgemeinen. Reichlicher Auswurf. Über der Spitze der lechten 
Lunge sowie im 1. und 2. ICR. ziemlich intensive Dämpfung, die nach unten 
zu allmählich sich klärt. Zahlreiche Rasselgeräusche sowie bronchovesikuläre 
Atmung. Die linke Lunge zeigt bei Auskultation nur normale Verhältnisse. 

Bei Röntgenuntersuchung hochgradige Veränderungen mit Kavernen in der rechten 
Lunge. Die linke Lunge zeigt zerstreute Herde um den Hilus herum. Am 8. X. 
wurde mit Pneumothoraxbehandlung begonnen, die dann den ganzen Winter hin¬ 
durch ohne störende Unterbrechung fortgesetzt wurde. Am 10. II. Röntgenunter¬ 
suchung. Pneumothorax fast vollständig. Lunge durch mehrere schmale Ad¬ 
härenzen an der Spitze der Thoraxhöhle befestigt. An der Basis der Lunge 

eine eigentümliche S-förmige, adhärenzähnliche Bildung, die von dem lateralen 
Rande der Lunge nach der Mitte des Zwerchfells hinzieht. 

Am 26. II. Thorakoskopie. Lunge nicht vollständig komprimiert, jedoch 
ohne deutliche Atmungsbewegungen. Pleura pulm. grau, mehr undurchsichtig 
als gewöhnlich, ohne deutliche Lungenzeichnung. Der ganze vordere Teil der 
Lunge ist sichtbar. Der obere Lappen hat zahlreiche mehr oder weniger dicke, 
gefässführende, pfeilerförmige Adhärenzen an der Pleura costalis. Der untere 
Lappen zeigt keine Adhärenzen, dagegen sieht man an seinem unteren Rande 
zwei eigentümliche hyaline, weissglänzende Bildungen, die wie grosse, horn¬ 
ähnliche Fortsätze der Lungenoberfläche aufsitzen. Der eine derselben geht 
in einem Bogen zum Zwerchfell hinunter (Tafel V). Ausserdem einige Knöt¬ 
chen, die Tuberkeln ähneln. Pleura costalis von normalem Aussehen. 

Am 23. III. wiederum Thorakoskopie. Dasselbe Aussehen wie das vorige 
Mal. Abbrennen der pfeilerförmigen Adhärenzen wurde versucht, aber ohne 
Resultat, da der Einstich mit dem Abbrenner zu weit unten am Brustkörbe 
gemacht wurde, dass es nicht möglich war, zu denselben hinaufzureichen. Die 
Anästhesierung war auch unvollständig, weshalb die Schmerzen zu gross wurden. 

Die nächste Zeit nach der Thorakoskopie verfloss ohne Beschwerden. 
Pat. war die ganze Zeit über auf. Anfang Mai begann sie leichte Stiche 
in der rechten Seite zu bekommen. Am 9. V. Einblasen von 250 ccm Luft. Am 
Tage danach nahmen die Stiche zu, und nach einigen weiteren Tagen traten 
auch Dämpfung und Plätschergeräusch auf. Bei Probepunktion klare seröse 
Flüssigkeit. Lymphozytose. Während des folgenden Tages stieg die Dämpfung 
allmählich bis zur Mitte der Skapula empor. Anfangs hatte Pat. Fieber bis 
38,5° hinauf. Die subjektiven Symptome waren ziemlich unbedeutend. 

Während der folgenden Monate war der Zustand der Pat. ziemlich kon¬ 
stant. Am 8. VIII. 1911 wurde sie als gebessert entlassen. 

Fall 67. K. B., Klempner, 31 Jahre. A. F. I., Nr. 5, 1911. 

Tbc. pulm. praecip. sin. -f- Pneumothorax artific. 

Mutter und eine Schwester an Tuberkulose gestorben. Pat. im allgemeinen 
gesund gewesen. 5 Wochen vor der Aufnahme begann Pat. zu husten und 
halte Nachtschweisse. Ausserdem litt Pat. an Verdauungsstörungen, Erbrechen, 
was zur Folge hatte, dass er in kurzer Zeit 12 kg an Gewicht verlor. 

Befund bei der Aufnahme am 3. I. 1911. Allgemeinzustand nicht be¬ 
sonders schlecht. Pat. jedoch ziemlich abgemagert. Fieber von 38°. Be¬ 
deutende Dämpfung über der linken Spitze bis zum 3. ICR. einschliesslich. 
Bronchovesikuläre Atmung und Rasseln über dem grösseren Teil dieser Lunge. 
An der rechten Lunge nichts hörbar. Bei Röntgenuntersuchung bedeutende 


Gck igle 


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159] Über Laparo- und Thorakoskopie. 343 

Veränderungen an der linken Lunge; an der rechten kleinere Infiltrationen 
dicht am Hilus. Am 31. 1. 1911 Beginn der Pneumothoraxbehandlung. Ein¬ 
blasen von 500 ccm Luft alle 5 Tage. Nach einigen Einblasungen begann 
Pat. leichte Stiche in der linken Seite zu bekommen. 

Am 16. II. Thorakoskopie, nachdem insgesamt 2300 ccm Luft eingeführt 
worden waren. Lunge nur unbedeutend komprimiert, mit deutlichen Atmungs¬ 
bewegungen. Sowohl Lunge als Pleura costalis stark hvperämisch. Auf der 
Lunge sieht man gerade gegenüber den Stellen, wo die Einstiche für die 
Einblasungen gemacht worden waren, ein kleineres, erbsengrosses Knötchen 
mit eingesenktem Zentrum, um das herum die Hyperämie am stärksten ist. 
Auf der Grenze zwischen dem mittleren und dem unteren Lappen sieht man 
gleichfalls einen unbedeutenden grauweissen Belag an den Lungenrändern. 
Keine sichtbaren Adhärenzen. 

Die Beschwerden des Pat. in der linken Seite nahmen allmählich ab. 
hörten aber niemals vollständig auf. Einblasungen wurden fortgesetzt einmal 
wöchentlich vorgenommen. Der Zustand besserte sich, Pat. nahm einige kg 
an Gewicht zu. Nach ungefähr einem Monat konstatierte man Dämpfung ganz 
unten an der linken Lunge sowie bei Schütteln Plätschergeräusch. Bei Probe¬ 
punktion klares seröses Exsudat; Lymphozytose. Kulturversuche wurden nicht 
ausgeführt. Das Exsudat reichte nie bis zum Angulus scapulae empor, war 
zuerst eine Zeitlang stationär, um nach einigen weiteren Monaten verschwunden 
zu sein. Am 28. VI. 1911 wurde Pat. als gebessert entlassen. 

Fall 68. 0. P., Möbeltischler, 23 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. II, 

Nr. 314, 1911. 

Tbc. pulm. dx. -f~ Pneumothorax artific. 

Keine Heredität. Im allgemeinen ist Pat. gesund gewesen. Im April 1909 
zum erstenmal Lungenbluten. Albuminurie während einer kürzeren Periode 
1910. Ende Mai 1911 wiederholte Anfälle von Lungenbluten. 

Befund bei der Aufnahme am 2. VI. 1911. Pat. ist blass und mager, 
Allgemeinzustand jedoch ziemlich gut. Temp. ungefähr 37,5—37,8°. Dämpfung 
über der rechten Lunge bis zum 2. ICR. einschliesslich sowie entsprechend 
weit herunter auf der Rückenseite. Hier bronchovesikuläre Atmung und Uhonchi. 
An der linken Lunge wie auch an den übrigen Organen nichts Besonderes 
nachweisbar. Bei Röntgenuntersuchung kleine fleckige Verdichtungen fast in 
der ganzen rechten Lunge. In der linken nur kleinere Verdichtungen um die 
Bronchien herum. Am 20. VI. wurden 300 ccm N eingeblasen, danach 500 ccm 
alle zwei Tage bis zum 4. VII., von da ab einmal die Woche. 

Am 5. VII. Thorakoskopie. Lunge stark komprimiert am Hilus. Nirgends 
Tuherkelknötchen sichtbar. Die Serosa über der Lunge und Pleura parietalis 
von normalem Aussehen. Nirgends Adhärenzen. Zwischen den beiden Lungen¬ 
lappen ist die Serosa etwas gallertig und hyperämisch. Das Zwerchfell zeigt 
ausgesprochene Hyperämie mit weilen und verschleierten Gefässen, die inten¬ 
sivste Hyperämie an der Basis der Lunge. Auf dem Boden der Pleurahöhle 
eine geringe Menge Flüssigkeit, höchstens 10—20 ccm, also nicht mehr, als 
dass es nicht die Novokainlösung hätte sein können, die durch Irrtum in die 
Pleurahöhle gelangt wäre. 

Nach der Punktion konnte kein Plätschergeräusch hervorgerufen werden. 
Während der folgenden Tage Zustand wie gewöhnlich. Keine Veränderung 
in Puls oder Temperatur. Am 10. VII. wurde Dämpfung ganz unten sowie 


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Plätschergeräusch konstatiert. Pat. blieb nur noch 14 Tage im Krankenhause, 
während dieser Zeit aber nahm das Exsudat nicht nachweisbar zu, und Pat. 
wurde ani 26. VII. als gebessert zu weiterer poliklinischer Behandlung ent¬ 
lassen. 

Fall 69. G. A., Arbeiter, 24 Jahre. Serafimerlazarett, med. Klin. V, 
Nr. 235, 1911. 

Tbc. pulm. sin. -f- Pneumothorax artific. Pleuritis exsudat. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Hat unter guten hygienischen 
Verhältnissei. gelebt. Vor 3 Jahren Erkältung, einige Tage danach trockener 
Husten, Müdigkeit und Atemnot. Abmagerung. 

Befund bei der Aufnahme am 11. V. Allgemeinzustand gut. Temp. 38° 
bis 38,5°. Linke Lunge mit leichter Dämpfung auf der Vorderseite hinab bis 
zum 3. ICR. sowie auf dem Rücken in der Fossa supraspinata. Verschärfte 
vesikuläre Atmung mit zahlreichen Rasselgeräuschen über den gedämpften Partien. 
Rechte Lunge ohne nachweisbare Veränderungen. Am 13. V. Röntgenunter¬ 
suchung. Innerhalb des linken Lungenfeldes bis zur 4. Rippe auf der Vorder¬ 
seite eine stark fleckige Verdichtung. Am 16. V. wurde mit Pneumothorax¬ 
behandlung begonnen, die sich ohne Schwierigkeit in gewöhnlicher Weise 
durchführen liess. Am 22. V. Röntgenuntersuchung. Linke Lunge vollständig 
retrahiert; im unteren Teile der linken Pleurahöhle bis zur 8. Rippe freie 
Flüssigkeit. Geringe Dämpfung unten; Plätschergeräusch bei Schütteln. 

Am 20. VI. Thorakoskopie. Oberer Lungenlappen nur teilweise kom¬ 
primiert, schwache Atmungsbewegungen vorhanden. Eine schmale Adhärenz 

an der obersten Kuppe der Pleurahöhle. Weiter unten an der Lunge erhabene 
knotige Ausbuchtungen der Lunge von hellerer Farbe, zweifellos tuberkulöse 
Veränderungen im Parenchym, die die Lungenoberfläche ausbuchten. Unterer 
Lungenlappen mehr komprimiert, Oberfläche graurot, nur sehr wenige Fibrin¬ 
adhärenzen, vereinzelte grauweisse, etwas erhabene Flecke unbekannter Natur 
vorhanden. Keine deutlichen Tuberkelknötchen. 

Temperatursteigerung auf 39° am selben Tage, wo der Eingriff vorgenommen 
wurde. Seitdem hat Pat. trotz seines Exsudats sich wohl gefühlt. Zweimal 
mit einer Zwischenzeit von 3 Monaten hat das Exsudat abgelassen werden 

müssen, wobei jedoch keine Thorakoskopie ausgeführt wurde. Am 9. V. 1912 
wurde Pat. als gebessert entlassen. 

Fall 70. A. H., Buchbinder^ 26 Jahre. A. F. I., Nr. 805, 1911. 

Tbc. pulm. dx. -f- Pneumothorax artific. -f- Pleuritis exsudat. dx. -{- Al- 
cohol. chron. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Alkoholmissbrauch seit 1908. 
Im Dez. 1910 Bluthusten. Pat. wurde wegen Tbc. pulm. dx. im Krankenhaus 
Sabbatsberg mit Pneumothorax behandelt. Als gebessert von dort am 4. IV. 
1911 entlassen. Danach rasche Verschlechterung. 

Befund bei der Aufnahme am 18. V. 1911. Allgemeinzustand ziemlich 

gut. Temp. 38—39°. Die gewöhnlichen Zeichen eines Pneumothorax über der 
rechten Lunge. Bronchialatmung und Rasselgeräusche über der Spitze, sonst 
kein Atmungsgeräusch. Dämpfung über der Spitze bis zum 1. ICR. einschliess¬ 
lich, danach tympanitischer Schall; ganz unten an der Basis unterhalb des 
Angulus wiederum Dämpfung. Deutliches Plätschergeräusch. 

Am 23. V. Thorakozentese mit Ablassen von 750 ccm nicht völlig klarer, 
seröser Flüssigkeit. 



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161 ] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 


345 


Thorakoskopie: Pleura verdickt, gerötet, keine deutlichen Tuberkelknötchen. 
Die Lunge, nur in unbedeutendem Grade sichtbar, ist mit Fibrin belegt. Un¬ 
mittelbare Besserung. Bald aber wiederum Zunahme des Exsudats. Am 30. VI. 
Entleerung von 1200 ccm deutlich trüber Flüssigkeit. 

Thorakoskopie: Pleura parietalis graurot, mit mässiger Hyperämie. Dicke 
Fibrinzüge zwischen Lunge und Brustwand. Lunge mit Fibrinpelzen überzogen. 
Zwerchfell unbedeutend beweglich. Keine Beschwerden nach dem Eingriff. 
Besserung nach der Punktion. Bei Untersuchung am 5. VIII. 1911 Allgemein¬ 
zustand besser. Die Lungen zeigen dieselben Veränderungen wie vorher. Eine 
geringe Dämpfung unterhalb des Angulus ist vorhanden, weshalb in gewissem 
Grade eine Neubildung von Flüssigkeit stattgefunden haben muss. 

Fall 71. A. B., Ofensetzer, 19 Jahre. Serafimerlazarett, rned. Klin. V, 
Nr. 13, 1912. 

Tbc. pulm. -f- Pneumothorax artific. sin. -f- Pleuritis cxsudat. 

Keine Heredität in bezug auf Tuberkulose. Keine früheren Krankheiten 
von Interesse. Schlechte hygienische Verhältnisse in den letzten Jahren. Im 
Mai 1911 Erkältung, Stiche in der Brust. Seit dieser Zeit nicht mehr völlig 
gesund. Im Herbst 1911 Abmagerung. Kurz vor Weihnachten 1911 wiederum 
schwere Erkältung mit Stichen in der linken Seite, Fieber usw. Da seine 
Krankheit sich nicht besserte, wurde Pat. am 13. I. 1912 ins Krankenhaus 
aufgenommen. 

Befund bei der Aufnahme. Allgemeinzustand schlecht. Fettpolster und 
Muskulatur reduziert. Temp. 39°. Dyspnoe. Bei Untersuchung der rechten 
Lunge findet sich nur etwas verschärfte vesikuläre Atmung und verlängertes 
Exspirium über der Spitze sowie vereinzelte Rasselgeräusche, sonst normale 
Verhältnisse. Über der ganzen linken Lunge mittelstarke Dämpfung mit Bron¬ 
chialatmung und Rasseln. Bei Röntgenuntersuchung eine ziemlich intensive 
Verdichtung über der ganzen linken Lunge sowie in dem oberen Teil der 
rechten Lunge zerstreute Herde; endlich vergrösserter Hilusschatten auf beiden 
Seiten. Zahlreiche Tbc.-Bazillen in den Sputa. Da während der folgenden 
Monate keine Besserung eintrat, wurde am 22. III. 1912 mit Pneumothorax¬ 
behandlung begonnen. Die Auswurfmenge nahm nach einigen Einblasungen 
bedeutend ab. Die Ausführung der Behandlung stiess auf keine Schwierig¬ 
keiten. Um den 1. Mai herum begannen die ersten Zeichen eines Exsudats 
sich zu zeigen. Keine subjektiven Beschwerden davon. Fiebersteigerungen 
wie vorher bis auf 39°. Am 18. V. Thorakozentese mit Ablassen von 2 Liter 
ziemlich blutigem Exsudat. 

Thorakoskopie: Die parietalen Pleuraflächen stark gerötet und verdickt, 
kein. Unterschied zwischen Rippenfeldern und Interkostalräumen. Lungenpleura 
ganz grauweiss mit speckiger Oberfläche und hier und da kreideweissen Fibrin¬ 
belägen. An einigen Stellen nicht unbedeutende Blutungen in der genannten 
Pleura. Keine Atmungsbewegungen, dagegen lebhafte Pulsationen von dem 
darunterliegenden Herzen her. Am Abend nach der Exsudatentleerung Schüttel¬ 
frost und jFieber bis zu 39,5°. Am folgenden Tage Temp. 38°, Allgemein¬ 
zustand gut. 

Epikrise. Die oben referierten 17 Fälle von künstlichem 
Pneumothorax nach Forlanini habe ich in der Weise geordnet, 
dass ich zunächst einige weniger wichtige Fälle von partiellem 

Beiträge «ur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 2. 23 


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H. C. Jacobaeus. 


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Pneumothorax beschrieben habe. Die Fälle von vollständigem 
Pneumothorax sind ferner in solche ohne und mit Exsudat eingeteilt 
worden. Ausserdem finden sich noch einige Fälle beschrieben, wo 
die Exsudatbildung kürzere oder längere Zeit nach der Thorako¬ 
skopie eingetreten ist. Über die genauere Ursache der Exsudatbildung 
bei künstlichem Pneumothorax ist man sich noch nicht völlig einig, 
weshalb es nicht seines Interesses entbehrt, diese Frage mittelst der 
hier angewandten Methode zu beleuchten. 

In sechs Fällen habe ich Thorakoskopie bei partiellem Pneumo¬ 
thorax ausgeführt (Nr. 55—59, 61, 67). In vier derselben wurde die 
Untersuchung vorgenommen, nachdem nur kurze Zeit seit Beginn 
der Behandlung verflossen war, während noch die Lunge lebhafte 
Atmungsbewegungen zeigte. Die einzelnen Lungenlappen waren 
durch die normale Pleura hindurch wohlunterscheidbar und oft 
durch Kohlepigmentansammlungen voneinander abgegrenzt; die 
Lunge selbst hatte eine hell graurote Farbe. In den Fällen 57 
und 58 bestand gleichfalls partieller Pneumothorax, aber unter 
anderen Verhältnissen. Hier waren eine längere Zeit hindurch zahl¬ 
reiche Einblasungen vorgenommen worden, aber trotz Überdruck 
war es nur gelungen, eine kleinere Höhle zu erhalten. Hat man 
Aussichten, durch fortgesetzten Überdruck den vorhandenen Luft¬ 
raum zu einem vollständigen Pneumothorax mit seinem besseren 
therapeutischen Effekt zu erweitern? Lägen die Verhältnisse wie 
in dem ersten oben beschriebenen Fall 55, wo zahlreiche, aber nur 
schmale Adhärenzen das Hindernis bildeten, so wäre es denkbar. 
In den zwei Fällen hier waren die Pleuraflächen verdickt Die 
Verwachsung zwischen Lungenpleura und Brustwand war so voll¬ 
ständig, dass man den Eindruck erhielt, die Höhle sei durch eine 
einzige Haut begrenzt, die direkt zwischen den genannten Teilen 
sich fortsetzte. Keine Atmungsbewegungen waren an der Lunge 
sichtbar. Unter solchen Umständen schienen mir ziemlich geringe 
Aussichten dafür zu bestehen, durch Überdruck eine derartige Höhle 
erweitern zu können, was auch durch die weiteren Einblasungs¬ 
versuche seine Bestätigung erhielt. In einem der Fälle (Nr. 58) 
wurde mit gutem Resultat an einer anderen Stelle des Brustkorbs 
ein Versuch gemacht 

Bezüglich der Fälle von vollständigem Pneumothorax gebe ich 
zunächst eine allgemeine Beschreibung dessen, was ma» bei der 
Thorakoskopie sieht. Ob man den Eingriff von der Vorder- oder 
Hinterseite des Brustkorbs aus vornimmt, so pflegt es auf keine 
Schwierigkeit zu stossen, sich zu orientieren. Die Lunge ist klein 
und liegt stark komprimiert am Hilus. Hierdurch wird der Ab- 



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163] Über Laparo- und Thorakoskopie. 347 

stand zwischen dem Thorakoskop und der Lunge ziemlich gross. 
Dies hat zur Folge, dass man sogleich Übersichtsbilder der Lunge 
erhält und gleichzeitig den ganzen oberen oder unteren Lappen 
im Gesichtsfelde hat. Die Lunge ist gewöhnlich von dunkler Farbe, 
ohne Atmungsbewegungen, einer von Exsudat komprimierten Lunge 
bei Sektionen ähnelnd. Ist die Pleura verdickt, so zeigt sie eine 
hellere Farbe. An der Lunge selbst besteht oft eine geringe Er¬ 
hebung, deren Gipfelpartie verleiht ein darunter gelegener tuber¬ 
kulöser Herd eine hellere Färbung. Man kann sich leicht vorstellen, 
dass, wenn inan in solchem Falle hohen Druck anwendet, das 
dünne Lungengowebe vor dem Herde anämisch wird, was ein Durch¬ 
brechen desselben nach der Lungenoberfläehe hin mit dadurch be¬ 
wirkter Entzündung, eventuell serösem Exsudat oder Empyem be¬ 
günstigen muss. 

Nicht selten sieht man ausser den obengenannten Veränderungen 
auch lokale Verdickungen in der Pleura sowie, allem nach zu ur¬ 
teilen, Tuberkelknötchen. 

Von der Lunge zur Brustwand oder zum Zwerchfell sieht man 
sehr deutliche Adhärenzen ziehen, die je nach ihrer Menge und 
Grösse schmale Bänder, Pfeiler oder Häute bilden. Sie haben ein 
ziemlich charakteristisches Aussehen. Sie sind graurot bis hochrot, 
deutlich gefässführend und gewöhnlich sowohl an der Lunge als 
an der Pleura parietalis mit einer breiteren Basis befestigt und am 
schmälsten an der Mitte, w r ie die Röntgenphotographien es zeigen. 

Die Farbe ist auch infolge der verschiedenen Blutfüllung stärker 
rot an den Befestigungspunkten und oft fast weiss an der Mitte. 

Ausser Adhärenzen sieht man auch Fibrin, das in verschiedenen 
Formen, und ohne dass Exsudat vorhanden zu sein 
braucht, auftritt. So sieht man bisweilen Fibrinmembranen an der 
Lunge. Meistens ist dies der Fall längs dem unteren Rande, der 
dann einen weissen Fibrinkamm trägt. In anderen Fällen bilden 
diese Fibrinbeläge scharf begrenzte, weisse Fortsätze von einer im 
übrigen dem Anschein nach normalen Lungenoberfläche aus. In 
zwei Fällen (Nr. 59, 66) w'aren diese Bildungen so ausgeprägt, dass 
eine gewisse Ähnlichkeit mit Adhärenzen entstand. Das hier bei¬ 
gefügte Röntgenbild (Tafel V) zeigt eine derartige „Pseudoadhärenz“. 
Von dem unteren und äusseren Teil der Lunge sieht man eine 
S förmige adhärenzähnliche Bildung in der Richtung nach der 
Zwerchfellkuppe ausgehen. Bei genauerer Untersuchung sieht man 
indessen, dass dieselbe nicht den gewöhnlichen Regeln für Ad¬ 
härenzen folgt. Bei einem Vergleich mit den im oberen Teile des 

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H. C. Jacobacus. 


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Pleuraraumes vorhandenen ergeben sich gewisse Unterschiede. Sie 
zeigen keine Streckung, man sieht sie daher weder an der Lunge 
noch an dem Zwerchfell einen Zug aussüben. Hierzu kommt das 
Aussehen, das diese Bildung bei der Thorakoskopie hatte. Sie stellte 
einen kreideweissen Ausläufer dar, der keine Gefasse führte und im 
übrigen dasselbe Aussehen wie Fibrin unter anderen Verhältnissen 
aufwies. Ich kann sie daher nicht anders erklären, als dass sic 
Fibrin mit Adhärenzaussehen darstellt. Ein lokaler entzündlicher 
Prozess dürfte wohl zugrunde liegen; für das Zustandekommen ihres 
eigentümlichen Aussehens kann ich aber keine Erklärung liefern. 
Eine besondere Bedeutung kann man diesen Bildungen auch nicht 
beilegen. Man hat sie als Ausdruck lokaler pleuritischer Entzün¬ 
dungen zu betrachten, wodurch die Aussicht auf nachfolgende Ex¬ 
sudatbildung ziemlich gross ist. Bei unseren zwei Fällen ist es 
jedoch nur in dem einen zu einer solchen Exsudatbildung ge¬ 
kommen (Nr. üb). 

Die Verhältnisse bei der Pleura parietalis bietet relativ ge¬ 
ringes Interesse dar. Sie ist gewöhnlich intakt, und man sieht die 
stark roten Interkostalräüme mit den weissen Rippenfeldem ab¬ 
wechseln. Nur an der Stelle, wo die Einstiche für die Einblasungen 
gemacht worden sind, ist die PlejLira nicht selten sehnig verdickt. 

Eine ziemlich lebhafte Erörterung hat in der Fachliteratur die 
Frage nach der Entstehung der pleuritischen Exsudate gefunden. 
Sie sind gewöhnlich bei dieser Behandlung, wenn sie auch eine 
ziemlich unschädliche, ja, nach der Ansicht mancher sogar will¬ 
kommene Komplikation darstellen. Die plausibelste Erklärung für 
ihre Entstehung ist zuerst von Graetz 1 ) geliefert worden. Denkt 
man sich einen subpleuralen Fokus, der im Begriff steht, die Pleura 
zu perforieren, so entsteht in gewöhnlichen Fällen eine adhäsive 
Pleuritis, und der Herd wird abgekapselt. Dies kann nicht ge¬ 
schehen, wenn die Lunge von der Brustwand entfernt ist, es bildet 
sich dann eine lokale tulierkulöse Pleuritis oder eine ausgebreitete 
Tuberculosis pleurae. Brauer 2 ) und Sau gm an 3 ) sind ausser¬ 
dem der Ansicht, dass Streckung und Sprengung von Adhärenzen 
mit Blutung und Exsudation eine der Ursachen der Pleuritiden 
bi Iden. B r a u e r meint ferner, da.ss bei der Fori a n i n i - S a u g - 
m a n sehen Technik eine Verletzung der Lunge durch die Nadel 
Zustandekommen, und dass, wenn tuberkulöse Herde getroffen 
werden, durch die hierdurch verursachte Verbreitung des An- 

y j Beiträee zur Klinik der Tuberkulose. Bd. X. Heft 3. 

-j .lahivskurse für ärztliche Fortbildung. Febr. 1910. 

y ) Beitrage zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XV. Heft 3. 



Original fram 

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165] 


Über Laparo- und Thorakoskopie. 




steckungsstoffes eine Pleuritis hervorgerufen werden kann, oder auch, 
„wenn bei besonders schwer tuberkulös zerstörten Lungen die Pleura 
pulmonalis nicht mehr bakteriendicht ist, resp. durch den tuber¬ 
kulösen Prozess arrodiert wurde“. Schliesslich hat F a gi u o 1 i 1 ) 
neulich dem Stickstoff eine gewisse reizende Wirkung zugeschrieben: 
„Der Stickstoff stellt für die Pleura einen nicht adäquaten Reiz 
dar, dessen andauercnde Wirkung die seröse Haut zur Erkrankung 
disponiert/* 

Mittelst der Thorakoskopie kann man sowohl vor als während 
der Bildung der Exsudate die Pleuraflächen studieren. Die oben¬ 
erwähnten Ansichten können so von einem neuen Gesichtspunkt 
aus auf ihren Wert hin geprüft werden. Es scheint mir hierbei, als 
wenn bei dem Studium der Pleurafläche genügend Ursachen für 
die Entstehung des Exsudats zutage treten, ohne dass man zu einer 
reizenden Einwirkung seitens des Stickstoffs seine Zuflucht zu 
nehmen braucht, wie F a g i u o 1 i das getan hat. 

Bei den thorakoskopierten Fällen ist später zum Teil Exsudat¬ 
bildung aufgetreten, zum Teil nicht. Zunächst will ich nun das 
allgemeine Aussehen bei den Exsudatfällen mit dem bei den Fällen 
ohne Exsudatbildung vergleichen. Mehrere der obenerwähnten Ur¬ 
sachen lassen bei einer Thorakoskopie beurteilen. So das Vorkommen 
von Adhärenzen und subpleural und oberflächlich gelegenen tuber¬ 
kulösen Herden nebst dem allgemeinen AussoIrui der Pleuraflächen. 
Adhärenzen finden sich in der Mehrzahl der Fälle, es scheint mir 
aber zweifelhaft, ob sie eine nennenswerte Rolle für die Entstehung 
von Exsudaten spielen, ln einem Falle (Xr. öS) mit nachfolgendem 
Exsudat fanden sich gar keine Adhärenzen. Es ist meines Erachtens 
auch nicht wahrscheinlich, dass die Adhärenzen bei ihrem Zer¬ 
reissen Anlass zu Blutungen u. dgl. geben. Es geschieht wohl selten, 
dass die Adhärenzen an ihrer Befestigung an der Lunge in der 
Nähe der tuberkulösen Veränderungen zorreissen. Die Erfahrungen 
bei der Thorakoskopie gewähren eine Vorstellung davon, wie wahr¬ 
scheinlich das Zerreissen der Adhärenzen vor sich geht. Die Ad¬ 
härenzen sind, wie oben beschrieben, am breitesten an den Ansatz¬ 
stellen und am schmälsten an der Mitte. Der Gefässreichtum ist auch 
am grössten an Lunge und Brustwand, während an der Mitte die 
Adhärenzen bedeutend blass sind. Bei vermehrtem Zusammenpressen 
der Lunge, wodurch die Spannung der Adhärenz vermehrt wird, 
ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass die mittleren Teile noch mehr 
anämisch und die Gefässe schliesslich thrombotisiert werden. Wenn 

*) Münch, med. Wochenschr. 1912. 


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die Adhärenz endlich zerreisst, so geschieht dies meines Erachtens 
am wahrscheinlichsten an der Mitte, die ans den angeführten Gründen 
ja die schwächste Stelle bilden muss. Unter solchen Umständen 
ist anzunehmen, dass sie bereits thrombotisiert sind, und dass es 
daher weder zu einer Blutung noch zu einer Verbreitung tuberkulösen 
Gewebes hierdurch kommt. Die vermehrte Spannung der Adhärenz 
scheint mir dagegen sehr wohl einen ungünstigen Einfluss auf 
Tuberkelherde an ihrem Befestigungspunkt ausüben und hierdurch 
eine niitwirkende Ursache zum Durchbrechen dieser Herde nach 
der Oberfläche hin sein zu können. 

Eine andere mit Recht vermutete Ursache für die Entstehung 
der Exsudate ist, wie erwähnt, das Vorkommen subpleural gelegener 
Tuberkelherde, die nach der Pleura hin durchbrechen. Ist dies 
richtig, so müsste man bei der Thorakoskopie derartige Herde vor 
allem in denjenigen Fällen finden, wo später ein Exsudat aufge¬ 
treten ist. Hierbei will ich zunächst betonen, dass die Thorako¬ 
skopie als Untersuchungsmethode unzureichend ist, um eine Ent¬ 
scheidung dieser Frage herbeizuführen, da man bei ihr nicht die 
ganze Lungenoberfläche überblicken kann. Ist die Pleura ferner 
sehnig verdickt, so entziehen sich auch leicht oberflächliche Herde 
der Beobachtung. Das Urteil, das man sich daher bezüglich des 
Vorkommens derartiger Herde bilden kann, bleibt daher sowohl 
subjektiv als unsicher. Der allgemeine Eindruck, den ich erhalten, 
ist jedoch der, dass wenigstens in drei (Nr. 64, 65, 66) der fünf 
Fälle mit nachfolgender Pleuritis entweder Fibrinmembranen oder 
subseröse oder Pleuratuberkeln oder endlich eine ziemlich verdickte 
Pleura vorhanden waren. 

In dem folgenden Falle (Nr. 67) hatte man Anlass, an eine 
ganz andere Entstehungsweise der betreffenden Pleuritis zu denken. 
Die Thorakoskopie wurde in ziemlich frühzeitigem Stadium nach 
Beginn der Behandlung ausgeführt. Die Lunge war nur teilweise 
komprimiert. Gerade gegenüber den Partien, wo die Einstiche für 
die Einblasungen gemacht worden waren, fand sich eine Bildung 
auf der Lungenoberflache, die ich nicht anders denn als eine Ver¬ 
letzung durch die Nadel deuten kann. Auch die Herren Kollegen, 
denen ich diese Bildung demonstrierte, waren derselben Ansicht. 
Es fand sich dort nämlich ein etwa erbsen- oder linsengrosses 
grauweisses Knötchen mit eingesenktem Zentrum, umgeben von einer 
zirkulären,, ziemlich akut entzündlichen Rötung der Lungenpleura. 
Pat. hatte während der Tage vor der Thorakoskopie über leichte 
Stiche in der fraglichen Seite geklagt. Diese fuhren in der nächsten 
Zeit fort, Hessen dann etwas nach, hörten aber nie auf. Ungefähr 



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167] 


über Laparo- und Thorakoskopie. 


351 


eineu Monat nach der Thorakoskopie — die Einblasungen waren 
die ganze Zeit über fortgesetzt worden — traten Symptome eines 
Exsudats, Dämpfung ganz unten am Thorax und Plätschergeräusch, 
auf. Die Möglichkeit ist natürlich nicht auszuschliessen, dass das 
Exsudat auch auf andere Weise entstanden ist, besonders im Hin¬ 
blick auf die lange Zeit, die verfloss, bevor das Exsudat auftrat 
Indessen hatte Pat. doch die ganze Zeit über leichte pleuritische 
Symptome dargeboten. Die nächstliegende Erklärung für die Ent¬ 
stehung des pleuritischen Exsudats scheint mir daher doch die 
Pleuritis darzubieten, die durch die wahrscheinlich geschehene Ver¬ 
letzung eines Tuberkelherdes an der Lunge durch die Nadel hervor¬ 
gerufen wurde. Man braucht übrigens nur die heftigen Bewegungen 
der Lungen im Thorakoskop bei Hustenstössen zu sehen, um zu 
verstehen, dass auch eine ziemlich stumpfe Nadelspitze die Lungen¬ 
pleura dabei leicht anritzen und oberflächlich verletzen kann. Es 
spielt das wohl im allgemeinen keine Rolle, man kann aber auch, 
wie Brauer betont hat, dabei zufälligerweise oberflächliche 
Tuberkelherde in der Lunge treffen und dadurch in der oben be¬ 
schriebenen Weise ein pleuritisches Exsudat hervorrufen. 

Auch der nächste Fall (Nr. 68) bietet ein gewisses Interesse. 
Hier hatte man wegen Lungenblutungen rasch einen vollständigen 
Pneumothorax in etwa 14 Tagen angelegt Die Lungenveränderungen 
schienen weder gross noch oberflächlich zu sein. Bei einer kaum 
14 Tage nach Beginn der Behandlung vorgenommenen Thorakoskopie 
findet man trotz der Abwesenheit aller subjektiven und auch 
objektiven Symptome eines Exsudats eine augenfällige Hyperämie 
des Zwerchfells sowie auch gewisser Teile der Lunge. Ferner fand 
sich in der Pleurahöhle eine geringe Menge, höchstens 10 ccm, 
seröser Flüssigkeit, demnach nicht mehr, als dass die ganze Menge 
bei der Injektion in die Bauchhöhle gelangte Anästhesierungsflüssig¬ 
keit gein konnte. Später entwickelte sich nach einigen Tagen deut¬ 
liches Plätschergeräusch. Der Fall ist insofern interessant, als er 
zeigt, dass auch in den frühesten Stadien dieser Exsudate doch 
deutliche entzündliche Symptome an den Pleuraflächen nachweisbar 
sein können. In dem vorliegenden Falle war auch die Pneumothorax¬ 
behandlung ungewöhnlich rasch durchgeführt worden. Man könnte 
sich die Möglichkeit denken, dass ein sog. Ersatzerguss nach Lucius 
Spengler sich entwickelt hätte. Zwar beschreibt Spengler sie 
im Zusammenhang mit spontanem Pneumothorax, dem ein pleu¬ 
ritisches Exsudat folgt; es liegt aber natürlich nichts im Wege, 
dass derartige Exsudate auch bei künstlichem Pneumothorax auf- 
treten können. Alle diese Untersuchungen, die allerdings nicht sehr 


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zahlreich sind, sprechen dafür, dass die Exsudate bei artifiziellem 
Pneumothorax entzündlicher Natur und auf die eine oder andere 
Weise durch den tuberkulösen Prozess in der komprimierten Lunge 
verursacht sind, was ja auch die allgemein herrschende Ansicht ist. 

Weisen die Pleuritiden, die hier aufgetreten sind, dieselben 
Kennzeichen bei der Thorakoskopie auf wie die vorher beschriebenen 
tuberkulösen Pleuritiden ? Die grosse Mehrzahl der Fälle von 
Pneumothoraxpleuritis zeigt klinisch einen fast noch gutartigeren 
Verlauf als die Fälle von gewöhnlicher tuberkulöser Pleuritis. In 
zweien der hier untersuchten Fälle mit Exsudat (Nr. 68, 69) be¬ 
finden sich die Veränderungen noch in allzu frühem Stadium, um 
mit denen bei letztgenannter Pleuritis verglichen werden zu können, 
wozu noch für Fall 69 hinzukommt, dass die entzündlichen Ver¬ 
änderungen nicht hinreichend genau für diesen Zweck beschrieben 
worden sind. Der nächste Fall (Nr. 70) dagegen zeigt das Bild, 
wie es sich bei den chronischen Pleuraexsudaten darbietet. Viel 
Fibrin und keine sicheren Tuberkelknötchen. In dem letzten Falle 
(Nr. 71) hat man dasselbe Bild wie bei tuberkulösen Pleuritiden. 
Die grössten Veränderungen fanden sich an der Lungenoberfläche, 
die speckig war und zahlreiche Blutungen aufwies. Dies stimmt gut 
zu dem klinischen Verlaufe in diesem Falle. Ursprünglich handelte 
es sich -um eine tuberkulöse Pneumonie im unteren Lappen. Die 
bei der Pneumothoraxbehandlung entstehende exsudative Pleuritis 
scheint sich mir nur durch Brauers Annahme für gewisse der 
Exsudate zu erklären, dass die Pleura pulmonalis nicht mehr 
bakteriendicht ist. Der Fall scheint auch Forlaninis Erfahrung 
zu bestätigen, dass die Methode sich für die Behandlung tuber¬ 
kulöser Pneumonien nicht sonderlich eignet. 

In einigen Fällen (Nr. 61 und 66) findet sich erwähnt, dass 
Versuche gemacht wurden, unter Leitung des Thorakoskops Ad¬ 
härenzen durchzubrennen. Auf die genauere Technik gehe ich liier 
nicht ein Das Prinzip der Ausführung ergibt sich ja ohne weiteres 
aus den obigen Worten. Es scheinen mir, allerdings ziemlich selten, 
Fälle bei dieser Behandlung vorzukommen, bei denen eine Lungen¬ 
tuberkulose mit Kavernen vorliegt und eine Kompression dieser 
Kavernen eben durch ganz schmale Adhärenzen gehindert wird. 
In derartigen Fällen scheint es mir eines Versuches wert, unter 
Leitung des Thorakoskops diese Adhärenzen durchzubrennen. Die 
Schwierigkeit liegt wohl vor allem darin, sich zu orientieren und 
den hierzu besonders konstruierten Thermokauter zu manövrieren, 
bei einiger Übung am Phantom dürfte diese Schwierigkeit aber 
nicht unüberwindlich sein. Blutungen, Entstehung einer Lungen- 


Gck igle 


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über Laparo- und Thorakoskopie. 


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fistel usw. sind vor allem durch besondere, thorakoskopisch fest¬ 
xustellende Verhältnisse im einzelnen Falle bedingt und dürften 
daher vermieden werden können. In letzter Zeit habe ich jedoch 
keinen geeigneten Fall gehabt, um weitere Versuche anzustellen. 

Schliesslich möchte ich bemerken, dass die obige kleine Zu¬ 
sammenstellung von mit Pneumothorax behandelten Fällen nicht 
beabsichtigt, einen Beitrag zu den Resultaten dieser Behandlung 
zu liefern. Die Mehrzahl der Patienten ist entlassen worden, um 
anderweitig die Behandlung fortsetzen zu lassen, und was hier be¬ 
treffs der mehr oder weniger günstigen Resultate erwähnt worden ist, 
bezieht sich daher nur auf die unmittelbaren Erfolge. Ferner sind 
die Krankenjournale, was Anamnese und Beschreibung des Brust¬ 
status anbelangt, hier in beträchtlich gekürzter Form wiedergegeben 
worden. 

Zum Schlüsse ist es mir eine angenehme Pflicht, den Chef¬ 
ärzten der Krankenhäuser, an denen ich die obigen Untersuchungen 
ausgeführt habe, Herrn Dr. med. G. D. W i 1 k e n s am Kranken¬ 
haus der Städtischen Versorgungsanstalt und den Herren Professoren 
Dr. med. S. E. Henschen und Dr. med. J. G. Edgren an 
den medizinischen Kliniken des Serafimerlazaretts in Stockholm 
meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das Interesse und die 
vielfache Förderung, die ich von ihnen erfahren habe, für das 
reichhaltige Material, das ich dank ihrem Entgegenkommen habe 
bearbeiten können, und schliesslich für das Vertrauen, das dies 
bei der ersten Anwendung einer derartigen Methode in sich schliesst. 


Erkläiung der Figuren. 

Taf. I, Fig. 1 (S. 26). Perihepatitische Beläge auf der Leberoberfläche nahe 
dem Rande bei der Pick sehen Krankheit. 

Taf. I, Fig. 2 (S. 26). Chronische Hyperämie des Peritoneum parietale bei 
der Pickschen Krankheit. 

Taf. I, Fig. 3 (S. 60). Lues hepatis. Grobe Lappung der Leber und peri¬ 
hepatitische Flecke auf der vorderen oberen Fläche. 

Taf. I, Fig. 4 (S. 69). Tbc. peritonei. Tuberkulöse Infiltrate auf dem Peritoneum 
parietale sichtbar; schmale Fibrinstränge zum Oment hin. Links eine Darm¬ 
schlinge. 

Taf. II, Fig. 5 (S. 69). Tbc. peritonei. Därme miteinander durch Fibrin¬ 
membranen verklebt. Auf der Serosa einige Tuberkelknötchen. 


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354 H. C. Jacobaeus. [170 

Taf. II, Fig. 6 (S. 77). Cancer peritonei. Kleine Krebsmetastasen auf der 
Darmserosa. 

Taf 11, Fig. 7 (S. 79). Karzinomatöse Infiltration im Oment. In der Mitte 
die Einstichstelle für unter Leitung durch das Laparoskop aasgeführte Serum* 
einspritzungen. 

Taf. II, Fig. 8 (S. 88). Zwei Darmschlingen nebeneinander liegend. Auf der 
einen teils eine kleinere Krebsmetastase, teils eine Reihe weisser, gleichgrosser 
* Knötchen = infolge Stauung aufgetriebene Lymphgefässe. 

Taf. 111, Fig. 9 (S. 38). Obersichtsbild. Obere Leberfläche bei einem weit 
vorgeschrittenen Fall von Pick scher Krankheit, bedeckt mit einem dicken weissen 
Pelz, nur ganz vorn einige runde Inseln von relativ normalem Lebergewebe. Das 
dunkle Feld oben rechts ist der Luftraum oberhalb der Leber, die als dunkler 
Hintergrund erscheint. 

Taf. III, Fig. 10 (S. 38). Detailbild von demselbem Falle. Man sieht kleinere 
unregelmässige Inseln perihepatitischer Natur, die miteinander durch schmale Aus¬ 
läufer in Verbindung stehen. 

Taf. III, Fig. 11 (S. 44). Obersichtsbild. Obere Leberfläche mit seichten 
Einsenkungen. Ganz vorn einige sternförmige weisse, peiibepatitische Flecke 
(Picksche Krankheit). 

Taf. III, Fig. 12 (S. 44). Detailbild von demselben Falle. Einige kleine 
Knötchen auf der Oberfläche der Leber, möglicherweise Tbc. 

Taf. IV, Fig. 13 (S. 48). Obere Leberfläche, bedeckt mit grauroten Zügen. 
Auf ihr sieht man zwei spanischnussgrosse gefässführende, zystische Geschwülste. 

Taf. IV, Fig. 14 (S. 72). Detailbild von einer tuberkulösen Pleuritis. Die 
Pleura hyperämisch. Die Rippen schimmern schwach hindurch. Einige grauweisse, 
schwach erhabene Flecke vorhanden, wahrscheinlich Tuberkelknötchen. 

Taf. IV, Fig. 15 (S. 102). Akute Pleuritis. In der Mitte ein erhabener 
weisser Knoten, auf der hyperämischen Wand im übrigen zahlreiche kleinere 
Knötchen, möglicherweise Tuberkelknötchen. 

Taf. IV, Fig. 16 (S. 102). Unterer Lappen einer durch pleuritisches Exsudat 
komprimierten Lunge. Reichliches Fibrinnetzwerk mit zwei vereinzelten (Tbc.?) 
Knötchen. 

Taf. V (S. 164). Röntgenphotographie einer durch künstlichen Pneumothorax 
komprimierten Lunge. Oben Adhärenzen von gewöhnlichem Aussehen. Unten 
eine „Pseudoadhärenz“ mit S-förmiger Krümmung. Die Konturen der Adhärenzen 
etwas retuschiert, uni sie kräftiger hervortreten zu lassen. 



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Tafel L 




Fig. 3. 


Fig. 4. 



Jacobaeus, Ober Laparo- und Thorakoskopie. 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.-Verlagsbuchhandler, Würzburg. 


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Jacobaeus, Ober Laparo- und Thorakoskopie. 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.*VerlagsbuehhAndler, Würzburg. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd . XXV. 


Tafel 111 






Fig. 11. 


Fig. 12. 


Jacobaeus, Über Laparo* und Thorakoskopie. 


Curt Kabitzsch, Kgl. Univ.«Verlagsbuchhäiuller, Würzburg. 


Kgl. C r niv.~ Druckern // Stitri» J.G., Würtburg. 


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V 


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Tafel JI \ 


/teilrage zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXI \ 




Fi*?. i:j. 


Fig. 14. 


Fig. 15. 


Fig. 16. 


Jacobaeus, Über Laparo und Thorakoskopie. 




Curt Kahitznch, Kgl. Um v.-Verlagsbuchhamller, Würzburg. 


Kgl. I J mv.~Drucktrtt //. Stiirtt A.(J. % II ‘iiribury. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. 


Tafel V. 



Jacobaeus, Über Laparo- und Thorakoskopie. 


Curt Knbitzsch, Kgl. Univ.-Verlagsbuchhändler, Würzburg. 


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Aus den Lungenheilstätten Beelitz der L.Y.A. Berlin. (Ärztlicher ^ 
Direktor: Dr. Marquordt.) 


Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 

Von 

Siegfried Brotzen. 


Im Juni 1906 hielt der Stabsarzt Dr. Ernst Kuhn im Verein 
für innere Medizin zu Berlin einen Vortrag, in dem er eine von ihm 
erfundene Saugmaske erläuterte, die den Zweck haben sollte, eine 
Stauungshyperämie in den Lungen hervorzurufen, um dadurch ein 
Hauptunterstützungsmittel im Kampfe gegen die Lungentuberkulose 
zu werden. 

Fast 6 Jahre sind bereits seitdem verstrichen und viel ist für 
und wider die Maske gesprochen und geschrieben. Die grössten 
Autoritäten darf sie zu ihren Anhängern zählen. Trotzdem aber ist 
das Urteil über sie noch lange nicht als abgeschlossen zu betrachten. 
Es wütet hier genau so wie auf vielen anderen Gebieten unserer 
Wissenschaft ein unentwegter Kampf der Meinungen gegeneinander 
weiter, der nur hier und da — abgelenkt durch etwas anderes — 
einen Stillstand erfährt. 

Bevor ich nun auf die an hiesiger Heilstätte mit der Lungen¬ 
saugmaske gemachten Erfahrungen näher eingehe, mag es mir ge¬ 
stattet sein, über die Geschichte und Bewertung der Hyperämie¬ 
behandlung bei Lungentuberkulose im allgemeinen, sowie über die 
Kuhnsche Maske im besonderen kurz einiges zuvor zu bemerken. 

Schon im Jahre 1815 fiel es einigen Forschern (Farre und 
Travers) auf, dass man die Lungentuberkulose gar so häufig bei 
einer Pulmonalstenose findet, ja man sah eine Zeitlang die Phthisis 
pulmonum überhaupt als eine Begleiterscheinung der Pulmonalstenose 
an. Sehr interessant war es weiter, als Rokitansky im Jahre 1838 

Beiträge rar Klinik der Tnberknlose. Bd. XXV. U. S. 24 


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Siegfried Brotzen. 


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darauf hinwies, dass man bei Herzfehlern, die mit einer Blutüber¬ 
füllung im kleinen Kreislauf einhergehen — Mitralinsuffizienz etc. — 
die Lungentuberkulose fast nie findet, oder dass, wenn solche bereits 
bestand, sie nach Eintritt der Herzaffektion zur Ausheilung gelangt. 
Als Beweis führte Rokitansky u. a. eine Statistik an, aus der zu 
ersehen war, dass er unter 143 Leichen mit hypertrophischem Herzen 
15 mal erloschene und im übrigen überhaupt keine Tuberkulose fand, 
was um so auffälliger war, als doch auch in damaliger Zeit ca. 80°/o 
aller sezierten Leichen irgendwelche Tuberkulose aufwiesen. 

Es wäre nun eigentlich zu erwarten gewesen, dass man, nachdem 
die von der Natur geschaffene Hyperämie als ein Feind der Lungen¬ 
tuberkulose, die Anämie aber als ihr Helfershelfer erkannt waren, 
daran gegangen wäre, die Hyperämie artifiziell zu erzeugen, um viel¬ 
leicht so zu einem Heilmittel der verbreitetsten Volkskrankheit zu 
gelangen. Jedenfalls war es erst Bier, der Ende der neunziger 
Jahre des vorigen Jahrhunderts in seinen Arbeiten auf den Nutzen 
der Hyperämie hinwies, sie aber zunächst selbst bekanntlich nur bei 
tuberkulösen und anderen Gelenkaffektionen anwendete. Immerhin 
aber hatte er die Gedanken der Forscher darauf gelenkt, durch 
artifizielle Hyperämie die Lungentuberkulose zu beeinflussen zu suchen, 
zumal da Tierexperimente von Nötzel, Marmorek u. a. erwiesen 
hatten, dass bei Kranken mit Stauungshyperämie in den Lungen das 
Blut durch seine bakterizide Kraft das Gedeihen der Tuberkelbazillen 
nicht gestatte. 

Man ging nun also daran, solche Blutüberfüllung künstlich zu 
erzeugen. 

Von vornherein ungeeignet erschienen Mittel wie der Tartarus 
stibiatus oder das Pilokarpin, die nicht nur eine Stauung in den 
Lungen, sondern eine starke Hyperämie aller Schleimhäute des 
Körpers, daneben auch gewaltige Ausschläge und Hautrötungen her¬ 
vorriefen und ausserdem, innerlich genommen, noch giftig auf den 
Körper einwirkten. 

Bier und besonders Wassermann schlugen vor, die Patienten 
durch eine enge Öffnung inspirieren und frei mit offenem Munde 
ausatmen zu lassen, ein Prinzip, dem wir bei der Kuhn sehen Maske 
wieder begegnen. Wassermann verlangte, dass sich die Patienten 
zu diesem Zwecke bei der Inspiration die Nasenlöcher zuhielten, 
während sie frei durch Nase und Mund exspirieren sollten. Die 
Methode zeitigte jedoch keine Erfolge und bedeutete einen derartigen 
Energieaufwand für die Patienten, dass nur sehr energische sich 
längere Zeit ihrer zu bedienen vermochten. Ähnlich war es mit 
einem ebenfalls von Wassermann angegebenen Verfahren, die 



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3] 


Die Kuhnsche Lungensangmaske. 


357 


Patienten durch ganz enge Röhrchen inspirieren und frei exspirieren 
zu lassen. Von Bier und vorher von Eisenmeyer wurden Apparate 
konstruiert, die fast völlig den Bi ersehen Saugapparaten entsprachen. 
Weiter benutzte Leo ein dem Lignosulfit analoges Präparat — das 
Turioliguin —, von dem er wusste, dass es schleimhautreizend und 
hyperämisierend wirkte, und das er aus diesem Grunde die Patienten 
täglich in mehrfachen Sitzungen inhalieren liess, doch kann er selbst 
nicht über Erfolge berichten, ausser, dass vielleicht bei einigen 
Patienten die Atmung erleichtert wurde i\nd die Expektoration zu¬ 
weilen günstig beeinflusst zu werden schien. Das war aber, wie Leo 
selbst sagt, alles. 

Von Büchner wurden Heiss Wasserblasen, von Vogel heisse 
Tücher auf die erkrankten Thoraxpartien gelegt. Jacoby kon¬ 
struierte sogar einen Apparat, durch den „mittelst einer um den 
Thorax gelegten hohlen Gummiweste ein Heisswasserbad auf die ganze 
Brust appliziert werden sollte". Ferner hatte Jacoby versucht, 
durch Tieflagerung des Thorax und Hochlagerung der übrigen Körper¬ 
partien eine Hyperämie der Lungen hervorzurufen; er hatte sogar 
zu diesem Zwecke eine besondere Art von Liegestuhl konstruiert. 

Aber alle diese Methoden zeitigten wenig oder gar keine Erfolge. 

Da machte es immerhin ein gewisses Aufsehen, als Kuhn in 
dem oben von mir erwähnten Vortrage auf die von ihm erfundene 
Lungensaugmaske hinwies, zumal da in der sich anschliessenden 
Diskussion Autoritäten wie Leyden, Kraus u. a., die Erfindung 
als eine „willkommene Bereicherung unserer Therapie der Tuber¬ 
kulose" begrüssten. 

Fussend auf Biers Stauungsverfahren sowie auf die vonRok.i- 
tansky angegebene, von mir anfangs erwähnte Statistik führte 
Kuhn zunächst einige weitere Beispiele an, um zu beweisen, dass 
sowohl der Anämie wie der Hyperämie eine wichtige Rolle bei der 
Ausbreitung und Behandlung der Tuberkulose zukomme. Zunächst 
der primäre Sitz der Tuberkulose in den Lungenspitzen. Nicht die 
mangelhafte Lüftung, sagt Kuhn, ist hierfür allein haftbar zu machen, 
denn die Tuberkelbazillen sind ja aerobe Bakterien, müssten also in 
mangelhaft gelüfteten Teilen der Lunge weit weniger haften als in gut 
gelüfteten, vielmehr ist es die durch die mangelhafte Lüftung hervor¬ 
gerufene geringere Blutansaugung, die den primären Sitz in den 
Spitzen erklärt, was jetzt ja übrigens auch von anderer Seite als 
feststehend angenommen wird. Bei den Tieren ist es ähnlich so: 
nach Schütz z. B. findet man bei Rindern, nach Rabinowitsch 
bei Papageien die tuberkulösen Knötchen besonders in den wenig 
durchbluteten Partien, und zwar bei ersteren hauptsächlich in der 

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Siegfried Brotzen. 


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stark anämischen Lingula, bei letzteren in den oberen Abschnitten 
der Lungen. Beim Menschen kommt neben der infolge der Thorax¬ 
missbildungen hervorgerufenen Anämie der Spitze auch noch die 
Schwerkraft in Betracht, da bei einem aufrecht gehenden Menschen die 
grössere Blutmenge natürlich in die unteren Partien der Lunge sinkt. 
Auch die Kehlkopftuberkulose hat ihren Lieblingssitz an anämischen 
Stellen: an den Stimmbändern und an der hinteren unteren Seite der 
Epiglottis. Weiter zieht Kuhn die Kyphotiker als Beispiel heran. Sie, 
die doch zum grössten Teile einen tuberkulösen Herd in der Wirbel¬ 
säule mit sich herumtragen, akquirieren verhältnismässig selten eine 
Lungentuberkulose. „Es kommt hier sicherlich“, sagt Kuhn, „dieselbe 
Blutstauung in den Lungen in Betracht, die bei Herzfehlern solche 
Rolle spielt, denn es ist bekannt, dass die meisten Kyphotiker, welche 
ein höheres Alter erreichen, schliesslich an ihrem kranken Herzen 
zugrunde gehn.“ 

Durch diese Tatsachen, sowie durch einige — weniger wichtige 
— Momente, die anzuführen über den Umfang meiner Arbeit hinaus¬ 
ginge, in der Annahme bestärkt, in der Hyperämie ein Kampfmittel 
gegen die Tuberkulose zu besitzen, suchte Kuhn diese ebenfalls, wie 
vor ihm Wassermann, Bier u. a., durch künstliche Atmungs¬ 
behinderung hervorzurufen. Veranlasst hatten ihn hierzu wieder die 
Lungen Erstickter, die, wie Kuhn bei zahlreichen Sektionen bemerkt 
hatte, stets ausserordentlich hyperämisch waren. Es musste also 
jede Atmungsbehinderung, auch solche geringeren Grades, eine Hyper¬ 
ämie der Lungen hervorrufen. 

Kuhn konstruierte eine Zelluloidmaske, welche die natürliche 
Inspiration (nur) durch die Nase geschehen lässt, während die Ex¬ 
spiration frei durch Nase und Mund erfolgen kann. 

Der Vollständigkeit halber will ich den Bau der Maske hier noch 
einmal kurz zu erläutern suchen: 

Die Maske besteht aus dünnem Zelluloid und ist für Mund und 
Nase am Rande mit einem Luftschlauch gepolstert, eine quere Scheide¬ 
wand trennt die Nasenatmung von der Mundatmung. Durch einen 
schmalen Spalt vor dem Nasenabteil inspiriert der Patient; dieser 
Spalt kann durch einen Schieber beliebig reguliert werden, so dass 
mit grosser Spaltöffnung begonnen wird, während diese nach und 
nach, je nach den subjektiven Befinden des Patienten, verringert 
werden kann. Die Ausatmung erfolgt unbehindert durch grosse Aus¬ 
atmungsventile am Nasen- und Mundteil. Zum Tragen der Maske 
dienen Bänder, die um den Nacken unterhalb der Ohren gelegt 
werden. 



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5] 


Die Kuhnsche Lungensangmaske. 


359 


Das Wichtigste der Maskenatraung ist also die lange Inspiration, 
während welcher das Blut in die Lungen gesogen wird, und die 
kurze Exspiration, die das Blut nicht sofort wieder aus den Lungen 
herausschiessen lässt, sondern zu einer Anhäufung des Blutes bei der 
nächsten Inspiration beiträgt. Dass eine solche Hyperämie in der Tat 
eintritt, hat Kuhn selbst, ausser ihm auch Scholl, in zahlreichen 
Versuchen besonders an Hunden nachgewiesen. Durch ein einem 
Hund in die Thoraxwand eingeptlanztes Zelluloidfenster konnte Kuhn 
deutlich beobachten, wie während der Maskenatmung die vorher 
rosenrote Lunge tiefrot, ja blaurot wurde. Scholl konnte bei Hunden 
nach 4-5stündiger, stark behinderter Atmung bei der Sektion eine 
sehr starke Hyperämie der Lungen nachweisen. Auf die Beobach¬ 
tungen vor dem Röntgenschirm, sowie auf die zahlreich hergestellten 
Blutdruckkurven möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. 
Jedenfalls beweisen auch sie zur Genüge die Umlagerung der Blut¬ 
fälle vom grossen auf den kleinen Kreislauf. Durch Blutentziehung 
aus dem Gehirn entwickelt sich das bei allen mit der Maske be¬ 
handelten Patienten beobachtete Schlafbedürfnis (keine C0 2 -Intoxi- 
kation!). Hieraus resultiert auch das Langsamerwerden der Atmung, 
weil von der allgemeinen peripheren Anämie auch das Atemzentrum 
betroffen wird, welches sich dementsprechend „beruhigt“. Wichtig ist 
ausserdem noch, dass nicht nur das Blut in die Lungen gesogen wird, 
sondern dass auch die Lymphe aus dem Ductus thoracicus, der be¬ 
kanntlich in den Angulus venosus sin. der Cava sup. mündet, ange¬ 
sogen resp. in lebhaftere Bewegung versetzt wird. 

Festgestellt ist weiter, dass unter der Maskenatmung die roten 
und weissen Blutkörperchen, und zwar besonders die ersteren, viel¬ 
leicht angeregt durch die herabgesetzte SauerstofFspannung der blut¬ 
bildenden Organe sich auffallend vermehren. Auch der Hämoglobin¬ 
gehalt nimmt unter der Maske erheblich zu und zwar nicht nur 
vorübergehend, sondern in den meisten Fällen auch nach Aussetzen 
der Maskenatmung. Doch möchte ich auf die besonderen Wirkungen 
der Maske erst später genau eingehen. 

In seiner ersten Arbeit berichtet Kuhn über etwa 40 beobach¬ 
tete Fälle, die „subjektiv meistens, objektiv vielfach eine Besserung 
zeigten“. Ich führe Kuhns eigene Worte an, um zu zeigen, dass 
er sich in seinem ersten Bericht noch sehr vorsichtig ausdrückt und 
löblicherweise seine Maske nicht gleich als das einzige Heilmittel 
der Schwindsucht anpreist. Als augenfälligste Zeichen resp. Erfolge 
der Maskenbehandlung führt Kuhn an: Abnahme des Hustenreizes, 
weniger Bazillen im Sputum, Zunahme der roten Blutkörperchen. Er 


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360 Siegfried Brotzen. [6 

empfiehlt daher die Anwendung „in mittleren und leichten Fällen, 
welche überhaupt noch zu beeinflussen sind.“ 

In einer seiner folgenden Arbeiten fasst Kuhn die Vorzüge der 
Maskenbehandlung präzise zusammen. Ich möchte, da ich später 
darauf zurückzukommen beabsichtige, diese hier noch einmal wört¬ 
lich anführen. 

1. Das Verfahren ist ungefährlich und den Kranken nach Über¬ 
windung sehr geringer anfänglicher Schwierigkeiten in den ersten 
Tagen durchweg sympathisch. 

2. Unter der Maskenbehandlung bleiben die Lungen nach Mög¬ 
lichkeit ruhig gestellt. 

3. Durch die Widerstandsgymnastik bei ruhig gestellten Lungen 
erlangt durch die bessere Ausbildung der Atemmuskulatur und des 
gesamten Brustkorbes die natürliche Funktionstüchtigkeit dieser Organe 
eine dauernde Kräftigung und Ausbildung, welche auch für späterhin 
das für die Tuberkulose hauptsächlich disponierende Moment der 
Blutarmut der Lungen durch bleibende bessere Atmung und Blutan¬ 
saugung zu beheben imstande ist. 

4. Die oberen Lungenteile profitieren am meisten von der Hyper- 
ämisierung. 

5. Bei der Saughyperämie ist die Gefahr des Lungenblutens 
äusserst gering. 

6. Auch das Herz wird nicht geschädigt, sondern durch bessere 
Durchblutung gekräftigt. 

7. Unter der Anwendung der Maske entsteht ähnlich wie im 
Höhenklima auch eine Vermehrung der Blutelemente. 

Als ausserdem festzustellende Besserungssymptome führt Kuhn 
an: Besserung der Atmung und Abnahme der Atemnot, Abnahme 
der Atemfrequenz, oft eklatantes Nachlassen des Hustenreizes (vgl. 
oben), schnelle Abnahme, bzw. Schwinden der Bazillen, des Auswurfs, 
gesündere Gesichtsfarbe infolge der Blutverbesserung, vermehrter 
Appetit und Gewichtszunahme, allmähliche Kräftigung der Atem¬ 
muskulatur und des Brustkorbes, Hebung der Herzkraft und der ge¬ 
samten Zirkulationsverhältnisse, vor allem aber eine deutlich objektiv 
nachweisbare Besserung des Lungenbefundes, die sich hauptsächlich 
im Nachlassen resp. völligen Verschwinden der Rasselgeräusche kund¬ 
gibt. Die Besserung des Schlafes habe ich bereits oben hervorgehoben. 

Soweit die von Kuhn selbst angegebenen Vorteile seiner Saug¬ 
maske. Es wird nun weiter interessieren, welche Erfolge bisher 
von anderer Seite mit der Kuhnschen Lungensaugmaske erzielt 
worden sind. 



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7] 


Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 


361 


Ich möchte da zunächst eine Arbeit von Fürbringer erwähnen, 
in der dieser über 12 mit der Maske behandelte Fälle von Lungen¬ 
tuberkulose berichtet. Er konnte in allen seinen Fällen eine deut¬ 
liche Besserung sowohl des subjektiven wie des objektiven Zustandes 
feststellen, ausgenommen einen Fall des zweiten Stadiums, der mit 
Larynxtuberkulose kombiniert war und durch eine interkurrente In¬ 
fluenza verschlimmert wurde. In zweien seiner Fälle, dem soeben er¬ 
wähnten und einem anderen des III. Stadiums, kam es allerdings zu 
einer Hämoptoe und schliesslich zum Exitus letalis, doch hat Für¬ 
bringer auch in diesen sehr vorgeschrittenen Fällen einen deut¬ 
lichen subjektiven wie objektiven Erfolg beobachtet, indem bei beiden 
eine langsame, ruhige Atmung einsetzte, der Puls kräftiger wurde 
und Husten und Auswurf erheblich abnahm. Auf Grund seiner 
Erfahrungen empfiehlt Fürbringer die Maske nicht nur bei der 
Lungentuberkulose, sondern vor allem auch beim Asthma bronchiale, 
bei Emphysem, auch bei Tussis convulsiva, ferner bei krupöser 
Pneumonie, bei pleuritischen Exsudaten, bei Anämie, Chlorose und 
anderen Blutkrankheiten. Besonders möchte ich hier noch auf die 
Erfolge Fürbringers bei chronischer Pneumonie und chronischer 
Pleuritis hinweisen. 

In der Ansicht, dass man die Maske auch bei Herzaffektionen 
anwenden könne, wird Fürbringer von Morelli unterstützt, der 
besonders in Fällen von Debilitas cordis oder Myodegeneratio cordis 
eine deutliche Abnahme der Pulsfrequenz, eine deutliche Besserung 
der Atmung, eine wesentliche Abnahme des Blutdruckes sowie eine 
von sehr vielen Autoren festgestellte Vermehrung der roten Blut¬ 
körperchen bemerken konnte. 

Über zwei Fälle allgemeiner Wassersucht kardialen Ursprungs 
berichtet Zabel. Nachdem alle möglichen Exzitantien vergeblich 
versucht waren, griff man zur Maske und ihre Anwendung zeitigte 
eine deutliche Besserung im Befinden der Patienten. Zabel will 
Patienten, die sich bereits im moribunden Zustande befanden, allein 
durch die Maske geheilt haben und kann eine solche dauernde Heilung 
nunmehr bereits zwei Jahre beobachten. Als Kontraindikation führt 
er seröse Pleuritis an, da das Exsudat jedesmal nach Anwendung der 
Maske wieder anwuchs. 

Greef kommt zu der Überzeugung, dass die Saugatraung neben 
ihren glänzenden therapeutischen Eigenschaften vor allem ein glän¬ 
zendes Prophylaktikum gegen die Tuberkulose darstelle. „Bei here¬ 
ditär belasteten Individuen mit mehr oder weniger ausgesprochenem 
phthisischen Habitus, bei anämischen und chlorotischen Personen, sowie 
bei solchen mit schwach entwickelter Brustmuskulatur“ hat er mit 


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Siegfried Brotzen. 


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der Saugmaske recht beachtenswerte Erfolge erzielt. Vor allem schätzt 
Greeff die muskelkräftigende Wirkung der Maske, sowie ihren gün¬ 
stigen Einfluss auf die Gestaltung des Thorax. 

Auch Hahn betrachtet die Lungensaugmaske „als ein gutes 
symptomatisches Hilfsmittel bei der Behandlung der Tuberkulose“ 
und empfiehlt sie wegen ihrer die Atmung verbessernden und dadurch 
die Durchblutung der Lungenspitzen fördernden Eigenschaften zur 
prophylaktischen Behandlung Tuberkuloseverdächtiger. Im speziellen 
hat sich Hahn mit dem Blutbefunde vor und nach der Masken¬ 
behandlung beschäftigt, und auch er hat gefunden, dass eine entschie¬ 
dene Zunahme der roten wie der weissen Blutkörperchen (letztere 
jedoch in geringerem Grade) stattfindet, doch glaubt Hahn dieselbe 
Blutverbesserung in ungefähr gleicher Weise bei nicht mit der 
Maske behandelten Patienten gemacht zu haben; er schreibt letztere 
der Besserung des Allgemeinzustandes, sowie in erster Linie auch der 
Wirkung der Höhenlage seiner Beobachtungsstätte (Moltkefels in 
Schreiberhau) zu, da Höhenklima bekanntlich eine gute Wirkung 
auf das Blut ausübt. Kuhn selbst jedoch konnte auch ohne Höhen¬ 
klima, einzig unter der Maskenbehandlung, nach 8—9 Tagen eine 
Verdoppelung der Anzahl der roten Blutkörperchen nebst ent¬ 
sprechender Hämoglobinvermehrung feststellen. Auch zahlreiche andere 
Autoren (Senator, Blumenthal, Stolzenburg, Vehling u. a.) 
unterstützen in ihren Arbeiten die Mitteilung Kuhns. 

Vehling, der ebenfalls mit der Maske die besten Erfolge erzielt 
hat und sie für ein „ausgezeichnetes Unterstützungsmittel in der 
Therapie der Tuberkulose“ hält, der ausserdem in der durch die Maske 
hervorgerufenen Erziehung zum richtigen Atmen, in der Kräftigung 
der Atmungsmuskulatur, auch in der besseren Durchblutung der 
Lungenspitzen ihren grossartigen prophylaktischen Wert zu würdigen 
weiss, hegt jedoch Zweifel, ob die in den Heilstätten erzielten Erfolge 
mit der Saugmaske auch ohne die hygienisch-diätetischen Mass¬ 
nahmen eingetreten wären. 

Diesem Zweifel tritt Gudzent in seiner Arbeit entgegen. Er 
nahm die Behandlung an ambulanten Patienten vor, und zwar zog er, 
ausgehend von der guten Wirkung der Maske auf die Blutbildung 
zunächst anämische und chlorotische Mädchen heran und kam bei 
diesen zu den besten Resultaten. In allen seinen Fällen trat eben¬ 
falls auch ohne hygienisch-diätetische Massnahmen eine ausgesprochene 
subjektive wie objektive Besserung ein; die Zahl der roten Blut¬ 
körperchen nahm zu, ebenso der Prozentsatz des Hämoglobins. Der 
Appetit wurde besser, Mattigkeit, Kopfschmerzen und Herzklopfen 



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9] 


Die Kuhneche Lungensaugmaske. 


363 


schwanden usw. Auch bei ambulant behandelten Fällen von Lungen¬ 
tuberkulose hat Gudzent mit der Maske die gleichen hervorragenden 
Erfolge gehabt wie andere Autoren mit Heilstättenpatienten. 

Stolzenburg, der die Maske als einer der ersten in seiner 
Heilstätte (Slawentzitz) anwendete, ist nach jahrelanger Erprobung zu 
der Ansicht gekommen, dass wir in der Kuhnschen Saugmaske ein 
Hauptheilmittel gegen die Tuberkulose besitzen. Er hat Erfolge 
erzielt auch in Fällen vorgeschrittenen Stadiums mit positivem Bazillen¬ 
befund. Nachteile will er wie sämtliche bisher zitierte Autoren in 
keinem Falle bemerkt haben. 

Dass die Kuhn sehe Maske auch für den praktischen Arzt ein 
dankbares Therapeutikum darstellt, betont Seebens in einer erst 
kürzlich erschienenen Arbeit. „Wir Ärzte“, sagt Seebens, „dürfen 
an dieser Therapie nicht achtlos vorübergehen unserer Patienten 
wegen und aus dem Grunde, weil ein so wirksames Mittel sonst aus 
unserer Hand in die der Kurpfuscher geraten könnte und wir den 
Schaden hätten.“ 

An wirklich ungünstigen Berichten sind, soweit ich die Literatur 
übersehe, überhaupt nur zwei vorhanden. Ich will selbstverständlich 
auch diese erwähnen. 

Courage, der überhaupt nur übereinen einzigen Fall berichten 
kann und daher vorwiegend auf theoretische Erwägungen angewiesen 
ist, beobachtete bei seiner Patientin während der Maskenatmung 
(täglich 15 Minuten) Schmerzen in der Seite, die erst nach Aussetzen 
der Behandlung schwanden. Er hält das ganze Verfahren für eine 
unangenehme Belästigung der Patienten und meint, dass Lungen¬ 
kranke zur Maskenatmung, die besonders ihre dyspnoischen Be¬ 
schwerden noch steigern, schwerlich ein Vertrauen finden würden. 

Ähnlich lautet ein Bericht Zickgr afs, der die Maske in 5 Fällen 
zur Anwendung brachte, und bei diesen neben Temperaturerhöhungen 
Pleuritiden, Zunahme des Katarrhs und andere Schädigungen nach- 
weisen konnte. Auch will er bei zwei Patienten im Sputum, das vor 
der Behandlung ohne Tuberkelbazillen war, solche nach der Masken¬ 
atmung gefunden haben. 

Was nun unsere eigenen Erfahrungen anlangt, so bemerke ich 
folgendes: 

Wir haben die Maske an 118 Patienten erprobt (60 Männern und 
58 Frauen). Hiervon zählten 65 zum ersten, 38 zum zweiten und 
18 zum dritten Stadium nach (Turban-Gerhardt). 

Wir gaben die Maske zunächst 3 mal täglich eine Viertelstunde, 
nach den nächsten 5 Tagen 3 mal täglich eine halbe Stunde, wieder 
nach 5 Tagen 3 mal täglich eine Dreiviertelstunde. Über 3mal 


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Siegfried Brotzen. 


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täglich eine Stunde gingen wir gewöhnlich nicht mit der Verordnung 
hinaus. Selbstverständlich ist, dass, wenn der subjektive Zustand des 
Patienten oder der objektive Lungenbefund es aus irgend einem Grunde 
erheischten, wir nur sehr langsam und vorsichtig mit der Dauer der 
Maskenbehandlung fortschritten; jedoch war dies in äusserst wenigen 
Fällen nötig. 

Die Anwendung der Saugmaske erfolgte auch bei uns während 
der üblichen Liegekur, da, wie Leo richtig hervorhebt, die Lungen¬ 
hyperämie im Liegen leichter zu erzeugen ist als im Stehen oder 
Sitzen mit herabhängenden Extremitäten. Dazu kommt natürlich, 
dass die Liegekur überhaupt die geeignetste Zeit für eine derartige 
Behandlung bildet. Mit der Erschwerung der Einatmung wurde eben¬ 
falls individuell vorgegangen und den Patienten selbst, soweit sie 
zuverlässig und intelligent genug, hierin eine möglichst grosse Frei¬ 
heit gewährt. 

Die hygienisch-diätetischen Heilmethoden wurden selbstverständ¬ 
lich in keinem Falle vernachlässigt, in einigen Fällen wurde auch 
nebenbei die Tuberkulintherapie angewendet (Bazillen-Emulsion, sel¬ 
tener Alt-Tuberkulin). Jedoch wurde hiervon soweit wie möglich 
Abstand genommen, so dass nur ca. 15°/o unserer Fälle dieser Be¬ 
handlung nebenher erfuhren. Ich will jedoch gleich im voraus be¬ 
merken, dass der Erfolg der Maskenbehandlung auch durch die neben¬ 
her laufende Tuberkulintherapie durchaus nicht verschleiert wurde. 

Wenn ich nun zunächst ein Urteil über die subjektiven Be¬ 
schwerden, die die Maske hervorruft, abgeben soll, so muss ich mich 
allerdings durchaus den Autoren anschliessen, die da behaupten, 
dass die Maske in den ersten Tagen für den Patienten ziemlich lästig 
sei; er leidet an Luftmangel, hat das Gefühl des Erstickens, bekommt 
Halsschmerzen, Drücken in den Schläfen, wolil auch eine leichte 
Entzündung der Gesichtshaut (letzteres konnten wir jedoch nur in 
einem Falle beobachten bei einem Patienten, der auch sonst eine 
leicht reizbare Haut aufwies). Gewöhnlich aber gingen diese Erschei¬ 
nungen bei unseren Patienten so bald zurück, dass bereits am dritten 
oder vierten Tage die Maske ohne Beschwerden getragen werden konnte. 

Ich habe mir von einigen mehr oder minder intelligenten Pa¬ 
tienten schriftliche Aufzeichnungen machen lassen über das Emp¬ 
finden beim Tragen der Maske in den ersten und späteren Tagen. 
Ich füge diese meiner Arbeit an, da sie ein beredtes Zeugnis für 
den Wert der Maske ablegen. Es geht aus ihnen hervor, dass die 
Beschwerden, die die Maske in den ersten Tagen bereitet, in keinem 
oder doch in einem sehr geringen Verhältnisse stehen zu den An¬ 
nehmlichkeiten, die sie im Laufe eines längeren Gebrauches erzeugt. 


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11 ] 


Die Kuhusche Lungensaugmaske. 


365 


Ich komme nun zu der Gefährlichkeit einer Maskenbehandlung. 
Eine solche wird von fast allen Autoren geleugnet, die meisten machen 
noch besonders auf das Ungefährliche der Maskenatmung aufmerk¬ 
sam, und auch wir sind der Meinung, dass vonseiten der inneren 
Organe nichts bei der Maskenbehandlung zu befürchten ist. Wie 
haben wir uns jedoch bei dem Hauptübel und gewiss auch der Haupt¬ 
gefahr jeder Lungentuberkulose, den Lungenblutungen zu verhalten? 

Kuhn und neben ihm Schröder u. a. heben ausdrücklich 
hervor, dass die Gefahr des Lungenblutens unter der Maskenbehand¬ 
lung nicht bestehe und dass eine Furcht unbegründet sei. Senator 
teilt sogar mit, dass er in einer Reihe von Fällen schwersten Lungen¬ 
blutens, in denen alle anderen Mittel versagt hatten, nach der Maske 
die Blutungen stehen sah. Einer Autoriät wie der des verstorbenen 
grossen Senator muss man schon Glauben schenken und doch ist 
dies der einzige Punkt der Maskenbehandlung, dem ich mit einiger 
Skepsis gegenüberstehe. Kuhn selbst sagt, dass die Blutung zweifel¬ 
los meist die Folge einer Arrosion der Gefässe ist und dass die 
Hyperämie, wenn sie nicht zu stark und plötzlich eintritt, eher zu 
einer Verdickung der Gefässe führt, wie man solches auch an Stauungs¬ 
lungen, Trommelschlägerfingern etc. erkennen kann. 

Das mag nun sicher alles ganz richtig sein. Da wir aber in 
dreien unserer Fälle Hämoptoe erlebten, möchte ich die Gefahr des 
Lungenblutens doch nicht so ganz von der Hand weisen. Dass wirk¬ 
lich eine Verdickung der Gefässwand mit der Zeit eintritt, glaube 
ich gerne. Wie aber, wenn ein bereits arrodiertes Gefäss, das nicht 
weit von der Zerreissung steht, nun durch den eindringenden Blut¬ 
strom stärker gezerrt wird und nachzugeben nicht mehr imstande ist? 
In einem solchen Falle käme es wohl sicher auch ohne Maske zur 
Blutung, doch wird letztere durch die Maskenbehandlung zweifellos 
beschleunigt. 

Das soll nun etwa nicht heissen, dass aus Furcht vor dem 
Lungenbluten man mit der ganzen Maskenbehandlung aufhören soll, 
ich möchte nur die von vielen hervorgAobene völlige Gefahrlosigkeit der 
Maske etwas in Frage stellen. 

Daneben weist die Maske nun jedoch soviel Vorteile auf, dass 
diese gewiss nur geringe Gefahr kaum in Frage kommt. 

Eine Kräftigung der Atmungsmuskulatur, eine Stärkung und 
Kräftigung des Brustkorbes können wir ohne weiteres zugeben. Der 
Brustumfang nahm, wie aus einigen der folgenden Krankengeschichten 
zu ersehen, in vielen Fällen erstaunlich zu (so in Krankengeschichte 
Nr. 28 von 80/88 bis 87/96, oder in Krankengeschichte Nr. 25 von 


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366 


Siegfried Brotzen. 


[12 


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85/92 bis 89/98 cm usf.). Bei Männern war die Zunahme des Brust¬ 
umfanges entschieden ausgesprochener als bei Frauen, was wohl mit 
den voneinander verschiedenen Atmungstypen zusammenhängt. 

Die von Kuhn und von vielen anderen Autoren hervorgehobene 
Ruhigstellung der Lunge kommt wohl am deutlichsten in der lang¬ 
samen Atmung zum Ausdruck und dieses Zeichen konnten wir in 
allen unseren Fällen beobachten, ja es war dies dasjenige Besserangs¬ 
symptom, das von den Patienten zuerst bemerkt und oft freudig 
begrüsst wurde. Sie, die häufig genug unter einer dyspnoischen 
Atmung mit 24—30 Atemzügen und noch mehr in der Minute zu 
leiden hatten, bemerkten bereits oft am 4. oder 5. Tage ein Geringer¬ 
werden der Atemfrequenz, die in den folgenden Wochen der Be¬ 
handlung auf 6, ja, wie einer meiner Patienten mir angab, auf 4 
Atemzüge in der Minute hinabsank. Dass die Ruhigstellung der 
Lungen ein bedeutender Heilfaktor in der Tuberkulosetherapie ist, 
haben zur Genüge die Versuche von Bauer u. a. mit dem arti¬ 
fiziellen Pneumothorax gezeigt, dessen Vorzüge ja auch auf nichts 
anderem beruhen; es ist also erklärlich, dass eine Ruhigstellung der 
Lunge durch Geringerwerden der Atemfrequenz ebenso freudig zu 
begrüssen ist. , 

Des weiteren bemerkten wir bei mit der Maske behandelten 
Patienten eine deutliche Abnahme des Hustenreizes, ein Geringer¬ 
werden der Auswurfsmenge, die in den ersten Tagen oft 3 bis 4 
Flaschen*) betrug, während sie in vielen Fällen bereits nach 1 Woche 
auf */ 2 — V 4 Flasche hinabsank. Sehr wohltuend wurde auch das 
Nachlassen der oft so unangenehmen und therapeutisch sonst so 
schwer zu bekämpfenden Nachtschweisse empfunden. Es kam vor, 
dass Patienten, die bei der Aufnahme über die fürchterlichste 
Hyperhidrosis klagten, die angaben, dass sie jeden Morgen sich 
„im Schweisse gebadet“ fänden, bei ihrer Entlassung völlig von dieser 
befreit waren. 

Was das Verschwinden der Tuberkelbazillen im Sputum anlangt, 
so bemerke ich folgendes: Ein Auftreten von Bazillen im Sputum 
nach der Maskenbehandlnng in Fällen, wo zu Anfang solche sich 
nicht fanden, bemerkten wir nie. Es fanden sich in 25,4% unserer 
Fälle Tuberkelbazillen im Sputum bei der Aufnahme, bei der Ent¬ 
lassung nur in 10,2 ö /o. Es waren also in 15,2% die Tuberkel¬ 
bazillen geschwunden, d. h. in ca. % a ^ er positiven Fälle. Die 
Zahl bedarf meiner Meinung nach keines Kommentars. 

Auffallend war weiter die hervorragende Besserung des Appetits, 
die gerade bei Phthisikern so oft vergeblich angestrebt wird. Hier- 

i) Die bekannten Speiflaschen nach Dettweiler. 



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13] 


Die Eahnsche Lungensaugmaske. 


367 


aus resultierte natürlich auch eine bedeutende Gewichtszunahme. 
Ähnlich verhielt es sich mit der Besserung des Schlafes. Einige 
Patienten, die in den ersten Nächten überhaupt, wie sie so oft sagten, 
„kein Auge schlossen“, selbst wenn sie des Abends protahierte warme 
Bäder und alle möglichen Hypnotika (Sulfonal, Veronal, in letzter 
Zeit auch Adalin) bekamen, schliefen schon etwa 4 Wochen nach 
Einsetzen der Maskenbehandlung fast die ganze Nacht hindurch. 
Ich halte gerade diese Wirkung der Maske auf den Schlaf als eine 
der hervorragendsten überhaupt, wenigstens was die subjektiven Wir¬ 
kungen anlangt. Wer die oben angeführten Klagen so vieler Lungen¬ 
kranker kennt, der wird den Wert eines solchen Mittels zu schätzen 
wissen, und ich glaube sicher, dass man auch bei der neurastheni- 
schen Agrypnie die Maske mit Erfolg anwenden kann, obgleich mir 
Erfahrungen nach dieser Hinsicht nicht zu Gebote stehen, ausser 
dass wohl auch in unseren Fällen sehr oft Lungenkrankheit und 
Neurasthenie parallel liefen. 

Die von vielen hervorgehobene Vermehrung des Hämoglobins 
wurde auch bei uns beobachtet, und zwar besonders bei chlorotischen 
Mädchen. Um ein Beispiel anzuführen stellten wir bei einem Mäd¬ 
chen vor der Maskenatmung ca. 60% Hg fest (Sahli), während sie 
bei der Entlassung 92°/o aufwies. Also eine Zunahme von 32°/o. 
Dagegen stehen uns Beobachtungen über Vermehrung der roten und 
weissen Blutkörperchen nicht zu Gebote, weshalb ich hier nur auf 
die bereits oben erwähnten Arbeiten nochmals verweisen kann. 

Neben den soeben angeführten Wirkungen beobachteten wir bei 
kurzatmigen Patientinnen ein oft erstaunliches Nachlassen der Dyspnoe. 
Am deutlichsten wurde dieser Erfolg in Fällen von bronchialem 
Asthma. Hier war der Effekt so hervorragend, dass Patienten, die 
vor der Behandlung fast ständig unter den lästigsten Anfällen zu 
leiden hatten, wenn auch nicht völlig, so doch so weit von ihren An¬ 
fällen befreit wurden, dass sie oft wochenlang, nicht unter diesen zu 
leiden hatten. Manche Kranke setzten auch des Nachts, wenn sier 
das Nahen eines Anfalles merkten, die Maske auf, und wenn es 
ihnen auch nicht immer gelang, diesen völlig zu unterdrücken, so 
vermochten sie ihn doch dadurch zum mindesten zu verkürzen. 

Ich komme jetzt zu den objektiven Lungenbefunden vor und 
nach der Maskenatmung. Bei leichteren Fällen (rauhes oder vesiko- 
bronchiales Atmen über den Spitzen) bemerkten wir keine sonderliche 
Veränderung des objektiven Befundes, wohl aber beobachteten wir in 
mittelschweren Fällen ein deutliches Nachlassen der Rasselgeräusche, 
die auch sehr oft völlig schwanden. In ganz schweren Fällen konnten 

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Siegfried Brotzen. 


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wir eine deutliche Besserung des Lungenbefundes nur äusserst selten 
feststellen. 

Die Haupterfolge erzielten wir mit der Maske objektiv in Fällen 
akuter und chronischer Bronchitis. Bereits nach einer Behandlungs¬ 
dauer von 1—2 Wochen war ein deutliches Nachlassen der bronchi- 
tischen Geräusche (Giemen, Brummen, Pfeifen etc.) bemerkbar, die 
in fast allen Fällen nach einer Maskenbehandlung von 10—12 Wochen 
völlig oder doch bis auf geringe, kaum noch wahrnehmbare Spuren 
schwanden. 

Ähnlich war der Erfolg bei Kranken mit chronischen Pneumonien 
oder Pleuritiden. Sehr oft fanden wir bei Patienten, die vor mehreren 
Jahren eine Pleuritis oder Pneumonie oder beides kombiniert durch¬ 
gemacht, an der Stelle der damaligen Erkrankung noch abgeschwächtes, 
oft rauhes oder vesikobronchiales Atmen mit klein- bis mittelblasigen, 
sehr oft auch trockenen Rasselgeräuschen und pleuritischem Reiben. 
In allen Fällen gingen nach der Maskenbehandlung die Geräusche 
zurück oder schwanden völlig, während die Atmung sich auch hier 
nicht wesentlich änderte. In der Literatur ist auf diesen Vorzug 
der Maske eigentlich so recht nur von Fürbringer aufmerksam 
gemacht, ich möchte dies daher um so mehr tun, als wir doch diesen 
Prozessen, die ja allerdings oft nur wenig Schmerzen machen, oft aber 
auch zu lästigen Beschwerden Anlass geben, therapeutisch ziemlich 
machtlos auf die Dauer gegenüberstehen. 

Über die Wirkung der Maske in Fällen frischer Pneumonie, 
trockener oder exsudativer Pleuritis stehen uns Beobachtungen nicht 
zur Verfügung, ebenso natürlich nicht über die Wirkung bei Pertussis, 
die in letzter Zeit auch von vielen hervorgehoben ist. 

Dagegen bemerkten wir deutlich, wie der in der ersten Zeit 
kleine und beschleunigte Puls vieler Patienten schon nach einigen 
Tagen voller und vor allem langsamer wurde. 

Eine Wirkung der Maske, wie sie von Zabel und auch von 
Morelli angeführt wird (bei dekompensierten Herzaffektionen), hatten 
wir zu beobachten nicht Gelegenheit. 

Soweit unsere Beobachtungen und Erfolge. 

Ich führe jetzt aus der grossen Zahl der mir zur Verfügung 
stehenden Krankengeschichten der Übersicht und Vollständigkeit 
halber einige an. 

Krankengeschichten. 

1. E. H., Schneiderin, 24 Jahre alt, ledig. Mutter leidet an Tuberkulose. 
1900 Influenza. Seit zwei Jahren Husten, Auswurf, Stiche zwischen den Schulter¬ 
blättern, Mattigkeit, zeitweise heftige Nachtschweisse. Seit 1 /* Jahr ca. 10 Pfund 
abgenommen. 




15] 


Die Kuhnsche Lungensaugmaske, 


369 


Befund: Gut genährte etwas blasse Patientin, Brustumfang 73:79; Brustbau 
flach. Gewicht 58,7 kg, Appetit schlecht, Schlaf gut, häufig heftige Kopfschmerzen. 
Im Sputum keine Bazillen. 

Über der linken Spitze vorn bis zur 2. Rippe und hinten bis zur Spina scapulae 
abgeschwächter Schall mit vesikobronchialem Atmen, ganz vereinzelten trockenen 
Rasselgeräuschen. Bronchitisches Giemen. L.H.U. handbreite Dämpfung mit rauhem 
Atmen, zahlreichen Rasselgeräuschen und Giemen. Stad. II. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenfcehandiung 98 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, Schlaf jetzt „ganz gut“. Husten 
und Auswurf fast 0. Appetit gut, Verdauung regelmässig. Keine Nachtschweisse. 
Keine Schmerzen. Dämpfung über der linken Spitze mit vesikobronchialem Atmen 
wie oben. Keine Rasselgeräusche mehr, kein Giemen. L.H.U. noch Dämpfung 
mit rauhem Atmen, jedoch ebenfalls ohne Rasselgeräusche und Giemen. 

Gewicht €5,7, Brustumfang 74:81, Stad. I—II. 

2. G. K., Buchhalterin, 24 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Als Kind Masern, 
Scharlach, Diphtherie, Blutarmut, Mattigkeit. Seit Anfang 1905 Husten ohne Aus¬ 
wurf, damals bereits eine Kur durchgemacht, gebessert entlassen. Seit Sommer 
1909 wieder Husten, kein Aus wurf, keine Nachtschweisse. In 3Va Jahren 2G Pfund 
abgenommen. 

Aufnahmebefund: Stark abgemagerte blasse Patientin. Brustumfang 
70,5:75,5; Brustbau flach. Gewicht 52,5 kg. Appetit und Schlaf gut. Starkes 
Mattigkeitsgefühl. Sehr viel Husten, kein Auswurf. 

L.V.O. bis zur 2. Rippe, L.H.O. bis zur Spina scapulae Dämpfang mit rauhem 
Atmen; über der rechten Spitze leichte Schallverkürzung mit ab geschwächtem 
Atmen. L H U. nach L.V.U. sich erstreckende über handbreite Dämpfung mit 
rauhem Atmen, zahlreichen klein- bis mittelblasigen Rasselgeräuschen, pleuritischem 
Reiben und vereinzeltem broncbitiscben Giemen. Stad. I—II. 

Im Auswurf keine Bazillen. Die übrigen Organe o. B. Dauer der Masken¬ 
behandlung 126 Tage (mit Unterbrechung). Daneben Tuberkulinbehandlung (Bazilien- 
Emulsion). 

Etwa 40 Tage nach Beginn der Maskenbehandlung Hämoptoe (2 Esslöffel 
Blut). Maske ca. 14 Tage ausgesetzt. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen, nur noch wenig 
Husten, kein Auswurf. Schlaf und Appetit gut. 

Lungenbefund über den Spitzen wie oben. L.H.U. Dämpfung ebenfalls wie 
oben. Atmung sehr stark abgeschwächt, noch ganz vereinzelte Rasselgeräusche, 
kein pleuritisches Reiben mehr, keine bronchitischen Geräusche. L.V.U. etwas 
rauhes Atmen, sonst o. B. Stad. II. 

Gewicht 59,0 kg. Brustumfang 72:77. 

3. E. N., Näherin, 26 Jahre alt, ledig. Vater ist lungenkrank, eine Schwester 
ebenfalls lungenleidend. Als Kind Masern und Diphtherie. Mit 6 Jahren Lungen¬ 
entzündung. Bleichsucht. Mit 13 Jahren Lungen-und Brustfellentzündung. Seitdem 
zeitweise Stiche auf der Brust, „Röcheln“, etwas schleimiger Aus wurf. Einigemal 
des Morgens Blut im Munde, angeblich jedoch aus der Nase. Keine Nachtschweisse. 
1904 bereits im Sanatorium Beelitz, 1909 in Blankenfelde. 

Aufnahmebefund: Schlecht genährte, blasse Patientin. Brustumfang 
76,5:78,0 (!). Brustbau flach; Gewicht 46 kg. Zurzeit wenig Husten, Auswurf 
nur des Morgens. Schlaf gut, Appetit wechselnd. 


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370 


Siegfried Brotzen. 


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Über beiden Spitzen vorn über der Klaviknla und hinten bis zur Spina scapulae 
abgeschwächter Schall mit vesikobronchialem, recht9 etwas rauhem, links mehr 
abgeschwftcbtem Atmen. L.H.U. Dämpfung (handbreit) mit abgeschwächtem Atmen, 
zahlreichen Rasselgeräuschen und pleuritischem Reiben. Stad. II. 

Im Auswurf keine Bazillen. Dauer der Maskenbebandlung 145 Tage. 

Daneben Tuberkulinbehandlung (Bazillen-Emulsionj. 

Entlassungsbefund: Befund über den Spitzen wie oben, nur ist die 
Atmung links jetzt weniger abgescbwächt und rechts nicht mehr so raub. L.H.U. 
noch abgeschwächter Schall mit rauhem abgeschwächtem Atmen. Geräusche ver¬ 
schwunden. Stad. I. Kein Husten, Schlaf gut, Allgemeinbefinden gut. Gewicht 
54,1 kg, Brustumfang 77:80. 

4. M. H., 27 Jahre alt, Näheriu, ledig. Vater am Blutsturz gestorben. Mit 
14 Jahren Diphtherie. Seit Winter 07/08 öfter Husten, Auswurf häufig blutig, 
starke Nachtschweisse, grosse Mattigkeit, Ohnmächten. Bereits zweimal zur Er¬ 
holung in Blankenfelde und einmal in Schönholz. 

Aufuahmebefund: Schlecht genährte, blasse Patientin, Brustumfang 70:75. 
Kein Husten oder Auswurf. Schlaf und Appetit sehr schlecht. Erhebliche Kurz¬ 
atmigkeit. Gewicht 50,0 kg. Über beiden Lungen vorn bis zum III. I.K.R. und 
hinten bis zur Mitte der Skapula Dämpfung mit vesikobronchialem und (rechts) 
bronchovesikulärera Atmen mit zahlreichen Rasselgeräuschen beiderseits und bronchiti- 
schen Geräuschen links. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 142 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Allgemeinbefinden. Keine Nachtschweisse, 
kein Husten oder Auswurf. Appetit und Schlaf jetzt gut. Keine Kurzatmigkeit. 

Die Dämpfung hat sich beiderseits etwas aufgehellt und reicht besonders 
L.H.U. nicht mehr so tief. Atmung rechts bronchovesikulär, links vesikobronchial, 
keine Rasselgeräusche mehr. Stad. II. 

Gewicht 55,5 kg, Brustumfang 72:78. 

5. E. R., Plätterin, 21 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Als Kind Masern 
und Halsentzündung. 1905 Lungenspitzenkatarrh. Seit März 1908 wieder Stiche 
im Rücken, etwas Husten, kein Auswurf, hochgradige Mattigkeit, Nachtschweisse, 
starke Abmagerung. Niemals Hämoptoe. 

Aufnahmebefund: Mässig genährte, sehr blasse Patientin. Brustumfang 
79:82, etwas rachitischer Thorax. Kein Husten oder Auswurf. Nachtschweisse, 
Schmerzen im Rücken. Erhebliche Kurzatmigkeit. Gewicht 48 kg. Hämoglobin 78%• 

Über beiden Lungenspitzen, besonders links hinten abgeschwächter Schall. 
Rechts vesikobronchiales Atmen. Links vorn reines Atmen, hinten rauhes, unbe¬ 
stimmtes Atmen. Beiderseits verlängertes Exspirium. 

Die übrigen Organe o. B., nur beschleunigte Herzaktion. 

Dauer der Maskenbehandlung 42 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Allgemeinbefinden, keine Schmerzen, kein 
Husten, kein Auswurf, keine Nachtschweisse (!). Hämoglobin 88%. 

Lungenbefund nicht wesentlich geändert. Kurzatmigkeit fast völlig ge¬ 
schwunden, nur noch bei grossen Anstrengungen vorhanden. Stad. I. 

Gewicht 51,6 kg, Brustumfang 79:827*. 

6. F. Sch., Schneiderin, 26 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Als Kind 
Keuchhusten. Seit dem 16. Lebensjahre bleichsüchtig und oft sehr matt und 
appetitlos. Seit Februar 1908 Stiche in der Brust und im Rücken, starke Mattigkeit 


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17J 


Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 


37 i 


und Appetitlosigkeit, etwas Husten und Auswurf, starke Nachtschweisse, angeblich 
Fieber, keine wesentliche Abmagerung, niemals Hämoptoe. 

Aufnahmebefund: Schlecht genährte, sehr blasse Patientin, Brustumfang 
73,5:76,5. Gewicht 46,8 kg. Schmerzen im Rücken und in der Seite. Etwas Husten 
und Auswurf. Erhebliche Nachtschweisse. Appetit schlecht, Schlaf gut. Kurz¬ 
atmigkeit bei körperlichen Anstrengungen. Keine Bazillen. Hämoglobin 70°/o. 

Über der linken Spitze leicht abgeschwächter Schall mit abgeschwächtem, 
rauhem Atmen, Exspirium verlängert. In beiden Unterlappen etwas Keuchen 
im Hnsten. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 88 Tage. 

Entlassungsbefund: Allgemeinbefinden gebessert. Keine Kurzatmigkeit 
mehr, keine Nachtschweisse. Appetit und Schlaf gut. Keine Schmerzen, kein 
Husten, kein Auswurf. Hämoglobin 80°/o. 

Befund über den Lungen wie oben, nur ist die Atmung weniger abgeschwächt. 
Brustumfang 75:78, Gewicht 50,5 kg. 

7. M. B., Packerin, 20 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Als Kind Diphtherie, 
Masern, Scharlach, sonst gesund. Seit April 1910 Husten mit reichlichem Aus¬ 
wurf, keine Nachtschweisse, keine Mattigkeit, Gewichtsabnahme nicht bemerkt. 

Aufnahmebefund: Leidlich genährte, blasse Patientin. Brustumfang 78:81. 
Gewicht 51 kg. Appetit und Schlaf gut. Keine Schmerzen. Wenig Husten und 
Auswurf. Keine Bazillen. 

Beiderseits (besonders rechts) abgeschwächter Schall (vorn bis fast zur 2. Rippe, 
hinten bis zur Spina scapulae [rechts etwas tiefer] mit stark abgeschwächtem 
rauhem (rechts ve$ikobrouchialem) Atmen. Beiderseits diffuse bronchitische Ge¬ 
räusche. Lungengrenzen in Höhe des 1. Lendenwirbels, schlecht verschieblich. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 144 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Allgemeinbefinden, keine Schmerzen. Etwas 
Husten und Auswurf. Schlaf gut. Keine Nachtschweisse. Appetit gut 

Schallabschwächung über den Spitzen wie oben, Atmung links rauh, rechts 
vesikobronchial, sakkadiert und leicht abgeschwächt. Keine bronchitische Geräusche 
mehr. Lungengrenzen besser verschieblich. 

Gewicht 56 kg, Brustumfang 80:84. 

8. J. K., Näherin, 25 Jahre alt, verheiratet. Heredität o. B. Als Kind 
Masern. Angeblich schon mit zwei Jahren Blut gehustet. Vor einem Jahre bereits 
16 Wochen in einer Lungenheilstätte gewesen; danach gutes Befinden; seit l /t Jahre 
wieder Husten und Auswurf mit etwas Blut. 10 Pfund Gewichtsabnahme, starkes 
Mattigkeitsgefühl. Stiche in der linken Seite, rechten Schulter und im Rücken. 
Häufig „Fröstelgefühl*. 

Aufnahmebefund: Mittelmässig genährte, etwas blasse Patientin. Brust¬ 
umfang 80:85. Starke Mattigkeit. Sehr starker Husten. Reichlich Auswurf. 
Keine Nachtschweisse, Schlaf gut, Appetit sehr schlecht. Starke Atemnot bei 
körperlichen Anstrengungen. 

R.V.O. bis zur 3. Rippe. R.H.O. bis fast zum Angulus scapulae, L.V.O. bis 
zur 2. Rippe, L.H.O. bis etwas unterhalb der Spina ccapulne Dämpfung. Beider¬ 
seits vesikobronchiales Atmen mit zahlreichen mittelblasigen Rasselgeräuschen, 
daneben zahlreiche bronchitische Geräusche, letztere auch über den nicht ge¬ 
dämpften Partien. Stad. III. Keine Bazillen. 

Die übrigen Organe: Die Stimmbänder sind leicht gerötet. Pharyngitis. 
Dauer der Maskenbehandlung 65 Tage. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 3. 25 


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372 Siegfried Brotzen. [18 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, Schmerzen nur noch im Rücken. 
Wenig Husten mit geringem schleimigem Auswurf, Appetit jetzt leidlich. 

Lungenbefund wie oben, jedoch bedeutend weniger Rasselgeräusche. Bron- 
chitische Geräusche rechts nur gering, links noch zahlreich Yorhanden. 

Patientin hatte 8 Wochen Tor der Entlassung eine Hämoptoe mit sehr ge¬ 
ringem Blutverlust. Die Maskenbehandlung wurde nach 8 Tagen wieder aufge- 
nommen. 

Gewicht 54,5 kg, Brustumfang 80:86. 

9. F. K., Arbeiterin in einer Schriftgiesserei, 19 Jahre alt, ledig. Heredität 
o. B. Als Kind Masern, Scharlach, Keuchhusten und skrofulöse Augenentzün¬ 
dung. Seit zwei Jahren mitunter Rückenstiche, häufig starke Nachtschweisse, 
grosse Schwäche. Viel Husten und Auswurf. 

Aufnahmebefund: Schlecht genährte, sehr blasse Patientin. Brustum¬ 
fang 68:73. Brustbau schmal und flach. Sehr mattes Befinden. Oft Stiche im 
Rücken. Kein Husten oder Auswurf, zurzeit auch keine Nachtschweisse. Schlaf 
gut, Appetit schlecht. Viel Kopfschmerzen. Gewicht 50,9 kg. Über der rechten 
Spitze abgeschWächter Schall mit vesikobronchialem Atmen und verlängertem 
Exspirium. 

Hämoglobin 55 %. Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 
78 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Allgemeinbefinden, keine Schmerzen, kein 
Husten, kein Auswurf, Schlaf und Appetit gut, Lungenbefund nicht wesentlich 
verändert. Hämoglobin 84% (!). Gewicht 56,9 kg, Brustumfang 70:75. 

10. E. M. t Arbeiterin, 28 Jahre alt, ledig. Vater und ein Bruder sind au 
Schwindsucht gestorben, ein anderer Bruder ist lungenkrank. Als Kind Masern, 
Keuchhusten, Typhus, Gelenkrheumatismus, Herzklappenfehler, Blutarmut. Vor 
ca. 5 Jahren Husten, Auswurf, Stiche, mässige Nachtschweisse. Im Sommer des 
folgenden Jahres Lungenentzündung. In den nächsten Jahren immer wieder 
Spitzenkatarrh. Im letzten Sommer besonders heftigen Husten, Auswurf, Stiche 
und wieder mässige Nachtschweisse. 

Aufnahmebefund: Mässig genährte, blasse Patientin. Brustumfang 
78:81. Brustbau flach. Viel Kopfschmerzen, sonst zurzeit keine Schmerzen. 
Wenig Husten, etwas Auswurf. Wenig Nachtschweisse. Appetit und Schlaf gut 
Zeitweise erhebliche Atemnot. Gewicht 55,8 kg. 

Über der rechten Spitze ganz leicht verkürzter Schall mit rauhem Atmen, 
links vom kein Befand, hinten derselbe Befund wie rechts. 

Die übrigen Organe: 1. Ton an der Herzspitze etwas unrein. 

Dauer der Maskenbehandlung 61 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden; keine Schmerzen, kein Husten, 
keine Nachtschweisse, Schlaf und Appetit gut. Keine Atemnot mehr. 

Befund über den Lungen wie oben. Brustumfang 80 : 84. Gewicht 64,4 kg. 

11. A. J., Köchin, 33 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Schon als Kind etwas 
gehustet. In den letzten Jahren Appetitlosigkeit Seit 7* Jahr Husten und Aus¬ 
wurf (ohne Blut). Keine Nachtschweisse, keine Stiche. Starkes Mattigkeitsge¬ 
fühl. Starke Gewichtsabnahme. 

Aufnahmebefund: Stark reduzierte, sehr blasse Patientin. Brustum¬ 
fang 75%: 79. Sehr mattes Befinden. Etwas Husten,-kein Auswurf. Schlaf 
und Appetit sehr schlecht. Gewicht 47,8 kg. Keine Bazillen. Über beiden Spitzen 



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19] 


Die Kuhnsche Lungensangmaske. 


373 


abgeschwächter Schall mit vesikobronchialem Atmen, leichten bronchitiseben Ge¬ 
räuschen und verlängertem Exspirium. L.H.U. handbreit abgeschwächter Schall 
mit kleinblasigem Rasseln. Stand I/II. Die übrigen Organe o. B. Dauer der 
Maskenbehandlnng 58 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen, kein Husten, 
kein Auswurf, Schlaf jetzt gut, Appetit leidlich. 

Spitzenbefund wie oben, ohne jegliche Geräusche. Stad. I. Gewicht 54 kg, 
Brustumfang 77:81. 

12. R. T., Arbeiterin, 21 Jahre alt, verheiratet. Als Kind Masern, Scharlach, 
Diphtherie und Bleichsucht. Vor 6 Jahren Lungen- und Rippenfellentzündung. 
Seitdem etwas Husten und Auswurf. Keine Nachtschweisse. Vor einem Monat 
etwas Blut gehustet. Starke Gewichtsabnahme. 

Aufnahmefund: Schlecht genährte, blasse Patientin. Brustumfang 72: 74 1 /*« 
Drüsen an der r. Halsseite. Die r. Brustseite ist eingesunken und bleibt bei der 
Atmung zurück. Eswas Husten und Auswurf. Schlaf und Appetit gut. Keine 
Bazillen. Gewicht 43,5 kg. 

Dämpfung über beiden Spitzen vorn bis fast zur zweiten Rippe und hinten 
bis zur Spina scap. mit vesikobronchialem, vorn abgeschwächtem Atmen. R.H. 
und R.V.U. bronchitische Geräusche. H.U. beiderseits handbreit abgeschwächter 
Schall mit pleuritischem Reiben und trockenen Rasselgeräuschen. 

Die übrigen Organe: Herz: langgezogenes systolisches Geräusch a. d. Spitze. 
2. Ton über der Aorta akzentuiert. Spitzenstoss in der Mamillarlinie. 

Dauer der Maskenbehandlung: 38 Tage. Die Kur wurde wegen häuslicher 
Verhältnisse abgebrochen. 

4 Wochen nach Einsetzen der Maskenatmung ganz leichte Hämoptoe. 

Entlassungsbefund: Allgemeinzustand gebessert. Befund über den 
Lungen wie oben, nur sind die Geräusche R.H.U. und L.H.U. bereits fast völlig 
geschwunden. Gewicht 49 kg, Brustumfang 72: 75. 

13. E. D., Buchhalterin, 21 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Masern und 
Windpocken als Kind. Mit 17 Jahren Gelenkrheumatismus. Im vorigen Jahre 
Longenkatarrh. Seit 1 .U Jahr wieder Stiche zwischen den Schulterblättern und 
Husten, kein Auswurf, niemals Blqtspucken. Zeitweise Nachtschweisse. Keine 
Abmagerung. 

Aufnahmebefund: Leidlich genährte etwas blasse Patientin. Brustum¬ 
fang 78:81, Brustbau leidlich gut gewölbt, rechts etwas nachschleppend. Appetit 
und Schlaf gut. Momentan keine Nachtschweisse, kein Auswurf. Morgens und 
abends etwas Husten. Bei Anstrengungen Kurzatmigkeit. Keine Bazillen. Ge¬ 
wicht 48,9 kg. 

Über beiden Spitzen leicht abgeschwächter Schall mit rauhem, abgeschwächtem 
Atmen. 

Herztöne dumpf und unrein. 2. Pulmonalton betont (subjektiv: Herzklopfen). 
Retroflexio uteri. Hämoglobin 76°/o. Dauer der Maskenbehandlung 108 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Allgemeinbefinden, keine Schmerzen, kein 
Husten, kein Auswurf, keine Nachtschweisse, Schlaf und Appetit gut Keine 
Kurzatmigkeit. LV.O. normale Atmung, keine Sch all Verkürzung, sonst Befund 
wie oben. Hämoglobin 90°/o. Gewicht 56,8 kg. Brustumfang 80:84. 

14. H. E., Näherin, 24 Jahre alt, ledig. Vater an Schwindsucht gestorben. 
Als Kind Masern. Später gesund, nur immer blutarm. In den letzten 5 Jahren 

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Siegfried Brotzen. 


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angeblich 39 Pfd. abgenommen. Ziemlich viel Hasten, wenig Auswarf, Mattigkeit, 
Stiche L.H.U. und auf der Brast. 

Aufnahmebefund: Reduzierte, blasse Patientin. Brustumfang 77:84. 
Sehr mattes Befinden. Stiche wie früher. Etwas Husten mit gelblichem Aus- 
wurf. Appetit schlecht, Schlaf leidlich. Kopfschmerzen, Kurzatmigkeit bei leichten 
Anstrengungen. Gewicht 52,3 kg. Keine Bazillen- 

Über beiden Spitzen abgeschwächter Schall mit abgeschwächtem, rauhem 
Atmen. Beiderseits bronchitische Geräusche. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 92 Tage. 

Entlassungsbefund: Ganz gutes Befinden. Keine Schmerzen, etwas 
Husten und Auswurf, Schlaf und Appetit gut. Kurzatmigkeit nur noch bei sehr 
schweren Anstrengungen. 

Befund über den Spitzen wie oben. Bronchitische Geräusche völlig ge¬ 
schwunden. Gewicht 60,8 kg, Brustumfang 78:86. 

15. A. T., Laufmädchen, 18 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Als Kind 
Masern, Scharlach, Diphtherie, Blutarmut. Seit längerer Zeit Husten mit schleimigem 
Auswurf. Stiche in der linken Seite. Starke Mattigkeit. 

Aufnahmebefund: Schlecht genährte, blasse Patientin. Brustumfang 
67:70. Brustbau sehr flach und schmächtig. Sehr mattes Befinden, Stiche wie 
oben. Ziemlich viel Husten und Aus wurf. Keine Nachtschweisse, Appetit gering, 
Schlaf gut, zeitweise Kopfschmerzen. Gewicht 42 kg. Keine Bazillen. 

Über beiden Spitzen abgeschwächter Schall mit rauhem Atmen. L.H.U. hand¬ 
breite Dämpfung mit abgeschwächtem Atmen und zahlreichen Rasselgeräuschen. 
R.H.U. vereinzelte bronchitische Geräusche. 

Die übrigen Organe: o. B. Dauer der Maskenbehandlung 63 Tage. 

Entlassungsbefund: Im allgemeinen gutes Befinden, keine Schmerzen, 
wenig Husten, doch noch ziemlich viel Auswurf. Schlaf gut, Appetit leidlich 
(besser als früher). Keine Kopfschmerzen. 

Lungeubefund über den Spitzen wie oben. Der Unterlappenprozess ist fast 
völlig geschwunden. Noch vereinzelte bronchitische Geräusche. Gewicht 44,5 kg, 
Brustumfang 68:72. 

16. M. D., Schlosser, 29 Jahre alt. Die Mutter ist lungenkrank. Als Kind 
Windpocken. Seit dem 23. Jahre wiederholt an Erkältung und Husten gelitten. 
In letzter Zeit wenig Hasten und Aus warf, jedoch häufig Atemnot. Vorüber¬ 
gehend Nachtschweisse. 

Aufnahmebefund: Schlecht genährter, blasser Patient. Brustumfang 
88:93. Leidlich gutes Befinden. Husten und Auswurf nur des Morgens. Jetzt 
keine Nachtschweisse. Schlaf gut, Appetit leidlich. Gewicht 59 kg. Ziemlich 
erhebliche Atemnot. 

Dämpfung R.V.O. bis zur 2. Rippe, R.H. bis zur Mitte der Skapula, L.V.O. 
bis unterhalb Klavikula, L.H.O. bis zwei Finger breit unterhalb der Spina scap. 
•Über diesen Partien vesikobronchiales, R.V. über der Klavikula und R.H.O. 
bronchivesikuläres Atmen. R.V.O. vereinzelte trockene Rasselgeräusche. Lungen¬ 
grenzen • schlecht verschieblich. Über beiden Lungen diffuse bronchitische Ge¬ 
räusche. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 76 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, Atemnot, Husten und Auswurf 
fast Null. Appetit und Schlaf gut. 


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Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 


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Dämpfung wie oben. Beiderseits vesikobronchiales Atmen ohne Rasselge¬ 
räusche. Nur noch L.V.O. ganz leichtes Piepsen, sonst auch keine bronchitischen 
Geräusche mehr. Brustumfang 91:97. Gewicht 68,8 kg. 

17. A. L., Hausdiener, 31 Jahre alt, verheiratet. Vater an Schwindsucht 
gestorben. Als Kind Masern. Bis April vorigen Jahres häufig Nachtschweisse, 
Mattigkeit, auch Husten. Seitdem bei Anstrengung oft Atemnot; nie Blutungen. 
In letzter Zeit starke Mattigkeit, Hustenreiz. Ziemlich stark abgemagert. 

Aufnahmebefund: Unterernährter, blasser Patient Brustumfang 84:93. 
Schmerzen zwischen den Schulterblättern. Reichlich Husten und Auswurf. 
Schlaf leidlich, Appetit gut. Gewicht 70,5 kg. Im Sputum Tuberkelbazillen. 

R.V.O. bis zur 3. Rippe und R.H. Über der ganzen Lunge Dämpfung mit 
vesikobronchialem bis bronchovesikulärem, abgeschwächtem Atmen, zahlreichen 
mittel- bis grossblasigen Rasselgeräuschen, diffuse bronchitische Geräusche, nur 
über der rechten Lunge R H.U. rauhes Atmen mit pleuritiscbem Reiben und 
trockenem Rasseln. Über der linken Spitze leichte Dämpfung mit abgeschwächtem 
vesikobronchialem Atmen. 

Die übrigen Organe: Herz etwas nach links verbreitert, Töne leise. 

Dauer der Maskenatmung 36 Tage. 

Entlassungsbefund: Befinden leidlich, keine Schmerzen, noch etwas 
Husten mit mässig viel Auswurf. Appetit und Schlaf leidlich, Atemnot geringer. 

Lungenbefund wie oben, jedoch ohne bronchitische Geräusche. R.H.U. völlig 
reines nur abgeschwächtes Atmen. Dämpfung noch vorhanden. 

Brustumfang 85 :94. Gewicht 75,6 kg. 

18. E. H., Schlächter, 25 Jahre, ledig. Heredität o. B. Mit 6 Jahren 
Lungenentzündung. Mit 13 Jahren Lungenkatarrh. Seit 3 Jahren zeitweise 
Husten und Auswurf, leichte Nachtschweisse. Die Erscheinungen verschlimmerten 
sich. Seit V 4 Jahr dazu starke Atemnot. Bei grossen Anstrengungen wird der 
(Husten-) Auswurf angeblich ganz rot. 10 Pfund abgenommen. 

Aufnahmebefund: Leidlich gut genährter Patient. Brustumfang 82:87. 
Mattes Befinden. Schmerzen in der linken Seite. Ziemlich viel Husten und Aus¬ 
wurf. Schlaf und Appetit gut. Häufig Durchfall. Zeitweise Kopfschmerzen. 
Atemnot. Keine Bazillen. Gewicht 60,5 kg. 

R.V.O. bis zur 2. Rippe, R.H.O. bis zur Spina scap. Dämpfung mit vesiko¬ 
bronchialem Atmen und vereinzelten trockenen Rasselgeräuschen. Über der linken 
Spitze leichte Dämpfung mit rauhem Atmen. Beiderseits diffuse bronchitische 
Geräusche. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 119 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen, wenig Husten 
und Auswurf. Schlaf und Appetit gut. Atemnot fast völlig geschwunden. 

Rassel- und bronchitische Geräusche völlig geschwunden. 

Gewicht 65,5 kg. Brustumfang 83: 89. 

19. O. M., Laufbursche, 17 Jahre. Heredität o. B. Als Kind Masern, 
Scharlach, Diphtherie. Später Veitstanz, häufig Schwindelanfälle. Seit dem 
6. Lebensjahre grauen Star, mit 14 Jahren daran operiert. Seit Herbst vorigen 
Jahres starken Husten, etwas weisslichen Auswurf, leichte Abmagerung. 

Aufnahmebefund: Leidlich gut genährter, etwas blasser Patient. Wenig 
Husten und Auswurf. Schlaf und Appetit sehr gut. Brustumfang 77:83. Keine 
Bazillen. Gewicht 59,4 kg. 


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Siegfried Brotzen. 


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Über der rechten Spitze vorn bis zur 2. Rippe und hinten bis fast zur Mitte 
der Skapula abgeschwächter Schall mit vesiko-bronchialem Atmen. R.V.U. und 
R.H.U. handbreite Dämpfung mit broncbovesikulärem Atmen, vereinzelten Rassel¬ 
geräuschen und verlängertem Exspirium. An dieser Stelle auch leichtes Giemen. 

Die übrigen Organe o. B. Imbezillität. Dauer der Maskenbehandlung 
89 Tage. 

Entlassnngsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen, kein Husten, 
kein Auswurf. Schlaf und Appetit gut, keine Nachtschweisse. 

Über der rechten Spitze Befund wie oben. Der Unterlappenprozess ist 
kaum noch wahrnehmbar. Atmung R.V.U. noch leicht vesikobronchial. 

Brustumfang 79 : 84. Gewicht 64,1 kg. 

20. R. W., Möbelpolier, 23 Jahre alt, ledig. Vater ist an Schwindsucht 
gestorben. Als Kind Diphtherie. Mit 14 Jahren Luftröhrenkatarrh. Vor zwei 
Jahren Bluthusten. Bei Anstrengung Luftmangel. Im vorigen Jahre Lungen¬ 
entzündung, zweimal Rippenresektion. Fieber, zunehmende Mattigkeit, starke 
Abmagerung. 

Aufnahmebefund: Dürftig genährter, etwas blasser Patient. Brustum¬ 
fang 79.82. Im allgemeinen gutes Befinden. Keine Schmerzen. Husten und 
Auswurf nur morgens. Schlaf und Appetit gut. Im Sputum vereinzelte Bazillen. 
Gewicht 63,5 kg. 

R.V.O. bis fast zur 4 . Rippe, R.H.O. bis fast zum Angulus scapulae Dämpfung 
mit bronchovesikulärem Atmen und zahlreichen klein- bis mittelblasigen Rassel¬ 
geräuschen. Vereinzelte bronchitische Geräusche rechts und links. Über der 
(recht.) linken Spitze abgeschwächter Schall mit vesikobronchialem Atmen. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 89 Tage. 

Entlassungsbefund: Ganz gutes Befinden. Schlaf gut Appetit ge¬ 
ringer. Husten und Auswurf wenig. Befund über den Lungen wie oben, jedoch 
keine bronchitischen Geräusche und bedeutend weniger Rasselgeräusche. 

Brustumfang 81,5 : 86. Gewicht 67,6 kg. 

21. P. N., Schlosser, 27 Jahre alt, verheiratet. Heredität o. B. Als Kind 
Scharlach und Diphtherie. Seit 11 Jahren bereits Husten und Auswurf. Ge¬ 
wichtsabnahme. Seit Herbst vorigen Jahres auch Atemnot und Stiche; vor 
V* Jahre Rippenfellentzündung. 

Aufnahmebefund: Dürftig genährter, schwacher Patient. Kyphose 
einiger Brustwirbel. Ab und zu Stiche auf der Brust. Wenig Husten und Aas¬ 
wurf. Schlaf gut, Appetit schlecht. Brustumfang 80: C6. Chronischer Ikterus. 
Keine Bazillen. Gewicht 62,6 kg. Atemnot. 

Über beiden Spitzen leicht abgeschwächter Schall mit abgeschwächtem, 
rauhem Atmen. Diffuse bronchitische Geräusche über beiden Lungen. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 75 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, wenig Husten und Auswurf, 
Appetit und Schlaf gut. 

Über beiden Spitzen und teilweise auch in den unteren Partien rauhes 
Atmen. Keine Geräusche mehr. Atemnot bedeutend nachgelassen. 

Brustumfang 83,5 :90. Gewicht 66,3 kg. 

22. J. \V., Klempner, 34 Jahre alt, verheiratet. Ein Bruder ist ebenfalls 
lungenkrank. Vor 7 Jahren Gelenkrheumatismus. Seit einem Jahr grosse Mattig¬ 
keit, Gewichtsabnahme, Fiebergefühl, Husten, Stiche in der Brust und im Rücken. 
Nachtschweisse. Koin Auswurf. 


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Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 


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Aufnahmobefund: Unterernährter blasser Patient. Brustumfang 81:89. 
Rachitischer Thorax. Sehr mattes Befinden. Wenig Husten, kein Auswurf. 
Nachtschweisse vorhanden. Bei Anstrengungen erhebliche Kurzatmigkeit. Appetit 
und Schlaf gut. Keine Bazillen. Oft Durchfälle. Gewicht 55,8 kg. 

Über beiden Spitzen abgescbwächter Schall (besonders rechts) mit vesiko- 
bronchialem Atmen. Beiderseits H.U. und V.U. klein- bis mittelblasige Rassel¬ 
geräusche. 

Hernie der Linea alba. Dauer der Maskenbehandlung 93 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden. Kein Husten, keine Nachtschweisse. 
Appetit und Schlaf gut. Stuhlgang normal. 

Befund über den Spitzen wie oben. Die Unterlappenprozesse sind völlig 
geschwunden. 

Brustumfang 84:92. Gewicht 60,9 kg. 

23. O. F., Zettel Verteiler, 43 Jahre alt, ledig. Mutter an Blutsturz ge¬ 
storben. Früher gesund. Seit 3 Jahren Husten und Auswurf. Vor einem Jahre 
Luftröhrenkatarrh, seitdem stärkeren Husten. 

Aufnahmebefund; Dürftig genährter Patient. Brustbau flach. Brust¬ 
umfang 82:84. Viel Husten, weniger Auswurf. Schlaf schlecht, Appetit gut. 
Starke Atemnot. Keine Bazillen. Gewicht 60,6 kg. 

Über beiden Spitzen abgeschwächter Schall mit • vesikobronchialem unreinem 
Atmen. Über beiden Lungen ausserordentlich zahlreiche bronchitische Geräusche 
aller Art. Schachtelton. Lungengrenzen kaum 1 Finger breit verschieblich. Herz 
überlagert, Töne leise. Dauer der Maskenbehandlung 90 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden. Atemnot nur noch bei sehr 
schnellen Bewegungen. Schlaf und Appetit gut. Keine Schmerzen, kein Husten, 
kein Auswurf. 

Nur noch über der rechten Spitze abgeschwächter Schall mit vesiko¬ 
bronchialem Atmen. Geräusche fast völlig geschwunden. Grenzen etwas besser 
verschieblich. 

Brustumfang 85 :91. Gewicht 65 kg. 

24. A. P., Weissgerber, 46 Jahre alt, verheiratet. Heredität o. B. Als 
Kind Masern. Seit einem Jahre Luftmangel, Stiche unter dem linken Schulter¬ 
blatt und in der rechten Höfte, Husten, etwas Auswurf. Zeitweise Nachtschweisse. 

Aufnahmebefund: Mittelmässig genährter Patient von gesunder Haut¬ 
farbe. Etwas mattes Befinden. Schmerzen vorn auf der Brust, wenig Husten 
und Auswurf. Schlaf und Appetit leidlich. Jetzt keine Nachtschweisse. Starke 
Kurzatmigkeit auch ohne körperliche Anstrengungen. Brustumfang 87:92. Ge¬ 
wicht 67,0 kg. Keine Bazillen. 

Über der linken Spitze abgeschwächter Schall mit rauhem abgeschwächtem 
Atmen. Über beiden Lungen diffuse bronchitische Geräusche. Lungengrenzen in 
Höhe des 1. Lendenwirbels, schlecht verschieblich. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 96 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen, wenig Hasten 
und Auswurf. Schlaf und Appetit gut. Keine Nachtschweisse. Atemnot be¬ 
deutend gebessert. 

Bronchitische Geräusche noch vorhanden, jedoch bedeutend spärlicher als 
früher. 

Brustumfang 87 :99. Gewicht 75 kg. 


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Siegfried Brotzen. 


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25. F. R., Packer, 24 Jahre alt, ledig. Heredität o. B. Früher stets ge¬ 
sund. Beim Militär Bronchialkatarrh. Im vorigen Jahre dieselbe Krankheit 
Beklemmungen und Atemnot. Seit 3 Monaten starker Husten, Auswurf, Atem¬ 
not, Nachtschweisse. 

Aufnahmebefund: Mässig genährter Patient. Brustumfang 85:92. 
Schlaf und Appetit gut. Bei Anstrengungen Atemnot. Etwas Husten und Aus¬ 
wurf. Nachtschweisse. Gewicht 62,0 kg. Keine Bazillen. 

Über der rechten Spitze abgeschwächter Schall mit vorn vesikobronchialem 
und hinten rauhem Atmen. Über beiden Lungen diffuse bronchitische Geräusche. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 97 Tage. 

Entlassungsbefund: Sehr gutes Befinden, Schlaf und Appetit gut, keine 
Nachtschweisse mehr. Seit 8 Wochen kein Asthmaanfall (früher fast täglich). 
Kein Husten, wenig Auswurf. 

Keine Geräusche mehr über beiden Lungen. Spitzenbefund wie oben. 

Brustumfang 89 :98. Gewicht 70,7 kg. 

26. M. W., Aktenhefter, 27 Jahre alt, verheiratet. Heredität o. B. Mit 
einem Jahre Lungenentzündung, mit 14 Jahren Scharlach. Seit längerer Zeit 
Stiche, Husten, Auswurf, Nachtschweisse. 

Aufnahmebefund: Mässig genährter blasser Patient. Brustumfang 
82,5:89,5. Brustbau sehr flach. Rechts oben Stiche. Wenig Husten und Aus¬ 
wurf, hin und wieder Nachtschweisse. Appetit und Schlaf gut Atemnot Ge¬ 
wicht 58,2 kg. Mässig viol Bazillen im Sputum. 

Über der rechten Spitze abgeschwächter Schall mit vesikobronchialem 
Atmen. R.H.O. vereinzelte trockene Rasselgeräusche. Links etwas rauhes Atmen. 
Über beiden Lungen diffuse bronchitische Geräusche. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 117 Tage. 

Entlasusungsbefund: Gutes Befinden. Ganz wenig Husten und Aus¬ 
wurf, Schlaf und Appetit gut Keine Nachtschweisse mehr. Atemnot fast völlig 
geschwunden. Keine Bazillen. 

Lungen befund über den Spitzen wie früher. Die Rasselgeräusche sind ge¬ 
schwunden, ebenso die broncbitischen Geräusche, bis auf L.H.U., wo letztere noch 
vorhanden. Brustumfang 84 : 91. Gewicht 60,5 kg. 

27. K. M., Hausdiener, 32 Jahre alt, verheiratet Vater und Ehefrau sind 
ebenfalls lungenkrank. Als Kind Masern, skrofulöse Halsdrüsen, Geschwüre und 
Augenentzündung, 1900 lungenleidend, 1901 13 Wochen in der Heilstätte Grabowsee. 
Seit zwei Jahren wieder Husten, Auswurf, Nachtschweisse, Mattigkeit. Abge¬ 
magert 

Aufnahmefund: Dürftig genährter, schwächlicher Patient. Haut- und 
Schleimhäute sehr blass. Brustumfang 68:75. Brustbau flach. Mattes Be¬ 
finden, Stiche iu der Brust Etwas Husten und Auswurf. Schlaf leidlich, Appetit 
mässig. Mässig Nachtschweisse. Gewicht 45,7 kg. Keine Bazillen. Atemnot 
R.V.O. bis fast zur 4. Rippe, R.H. bis zum Angulus scapulae, L.V.O. bis zur 
2. Rippe, L.H.O. bis zur Mitte der Skapula Dämpfung mit vesikobronchialem 
Atmen. Rechts vorn und hinten trockene Rasselgeräusche. Über beiden Lungen 
zahlreiche bronchitische Geräusche. Herztöne dumpf und klappernd. Dauer der 
Maskenbehandlung 40 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden. Noch leichte Schmerzen in der 
Brust. Reichlich Husten und Auswurf. Keine Rasselgeräusche. Schlaf und 


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Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 


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Appetit gut. Atemnot geringer. Keine Nachtschweisse mehr. Bronchitische Ge¬ 
räusche nur noch spärlich R.H. und R.V. Brustumfang 70:77. Gewicht 48,4 kg. 

Patient wird gegen ärztlichen Rat seiner Arbeitsverhältniase wegen bereits 
nach 8 Wochen entlassen. 

28. R. B, Metallarbeiter, 24 Jahre alt, verheiratet. Ehefrau ist lungen¬ 
krank. Als Kind Masern. Vor drei Jahren plötzlich an Rippenfellentzündung er¬ 
krankt. Vor zwei Jahren 8 Wochen lungenkrank. Seitdem Stiche rechts hinten. 
Kurzatmigkeit, Husten, Auswurf. Zweimal Bluthusten. 

Aufnahmebefund: Mittelgut genährter, etwas blasser Patient. Brust¬ 
umfang 80 : 88. Morgens Schmerzen im Rücken. Viel Husten und Auswurf. 
Keine Nachtschweisse. Appetit und Schlaf gut. Kurzatmigkeit besonders bei 
Anstrengungen. Im Sputum Bazillen. Gewicht 65,6 kg. 

Dämpfung R.H. allmählich sich aufhellend, fast über der ganzen Lunge, 
ebenso R.V. In den oberen Teilen bronchovesikuläres Atmen mit mittelblasigem 
Rasseln, in den unteren Partien vesikobronchiales Atmen mit spärlichen trockenen 
Rasselgeräuschen. Über der linken Spitze abgeschwächter Schall mit vesiko- 
bronchialem Atmen. Beiderseits bronchitische Geräusche. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 95 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen. Sehr wenig 
Husten und Auswurf, keine Nachtschweisse. Atemnot fa9t völlig geschwunden. 
Appetit und Schlaf gut. 

Lungenbefund wie oben, jedoch sind die bronchitischen und Rasselgeräusche 
nur noch ganz spärlich. Brustumfang 87:96. Gewicht 79,5 kg. 

29. F. R., Maurer, 41 Jahre alt, verheiratet. Ein Bruder ist an Schwind¬ 
sucht gestorben. Die Ehefrau ist ebenfalls lungenkrank. Schon seit 12 Jahren 
Atemnot von verschiedener Intensität. Vor einem Jahr Bluthusten, seitdem 
stärkere Kurzatmigkeit 

Aufnahmebefund: Mittelmässig genährter, blasser Patient. Brustumfang 
86:91,5. Brust fassförmig. Starke Atemnot. Schlaf und Appetit leidlich. 
Schmerzen in der Brust, viel Husten und Auswurf. Gewicht 65 kg. Keine 
Bazillen. Über beiden Spitzen abgeschwächter Schall mit rauhem z. T. vesiko- 
bronchialem Atmen. Rechts vereinzelte trockene Rasselgeräusche. Beiderseits 
überaus zahlreiches Giemen und Pfeifen. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenatmung 70 Tage. 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Atemnot, sehr wenig Husten 
und Auswurf. Schlaf nnd Appetit gut, keine Nachtschweisse. Über der linken 
Spitze noch Schallabschwächung mit rauhem Atmen und vereinzeltem bronchitischem 
Pfeifen. 

Brustumfang 87:93. Gewicht 70,0 kg. 

30. R. Sch., Schuhmacher, 43 Jahre alt, verheiratet. Früher Magenleiden. Seit 
7 Jahren Stiche im Kreuz, Auswurf, Husten und Nachtschweisse. Vor 5 Jahren 
Brustfellentzündung. 

Aufnahmebefund: Magerer Patient, blasse Hautfarbe. Brustumfang 93:100. 
Schmerzen im Kreuz. Etwas Husten und Auswurf. Appetit und Schlaf gut. 
Keine Bazillen. Gewicht 69,8 kg. 

Über beiden Spitzen abgeschwächter Schall mit vesikobronchialem Atmen. 
L.H.O. vereinzelte trockene Rasselgeräusche. R.V.U. pleuritisches Reiben. R.H.U. 
rauhes abgeschwächtes Atmen. 

Die übrigen Organe o. B. Dauer der Maskenbehandlung 92 Tage. 


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380 Siegfried Brotzen. [26 

Entlassungsbefund: Gutes Befinden, keine Schmerzen, Husten und Aus¬ 
wurf fast 0. Schlaf und Appetit gut. 

Über den Lungen derselbe Befund, jedoch ohne Rasselgeräusche und ohne 
pleuritisches Reiben. R.H.U. noch rauhes Atmen. 

Brustumfang 97:103. Gewicht 82,0 kg. 

Urteile von Patienten über die Maskenbehandlung. 

1. Zu Anfang benutzte ich die Maske 3 mal 1$ Minuten täglich. Bei meinem 
asthmatischen Leiden merkte ich ruhigeres und regelmässigeres Atmen; ich zählte 
nur noch 6—7 Atemzüge in der Minute. Namentlich konnte ich besser ausatmen. 
Auch habe ich versucht, des Nachts einen asthmatischen Anfall, der bereits in 
vollem Gange war, zu unterdrücken, was mir jedoch nicht gelang. Bald darauf 
stellten sich jedoch die Vorboten des Anfalles ein und wieder griff ich zur Maske, 
und zwar diesmal mit dem Erfolge, dass ich den Anfall nach einem Gebrauch der 
Maske von 20 Minuten unterdrückte. Um recht schnell vorwärts zu kommen, habe ich 
bald die Maske 3 X 3 /4 Stunden benutzt, doch hatte ich hiernach das Gefühl starker 
Müdigkeit und bekam Schmerzen im Kopf und über den Augen. Dagegen stellten 
sich diese Beschwerden nicht ein, wenn ich die Maske 4mal täglich 20 Minuten 
benutzte. Inwieweit der 6 wöchentliche Gebrauch der Maske zu der bedeutenden 
Besserung meines Leidens beigetragen, kann ich selbst als Laie schwer beurteilen. 

A. Mauthd. 

2. Nachdem ich bereits 4 Wochen im Besitz meiner Maske bin, kann ich mit 
Freuden konstatieren, dass ich weder an Kopfschmerzen, Atemnot noch sonst 
welchen Beschwerden mehr leide. F. Wagner. 

3. Nachdem ich die Maske erhalten hatte, konnte ich schon nach 8 Tagen 

eine Besserung meines Befindens konstatieren. Nach nunmehrigem 8 wöchentlichen 
Gebrauch hat sich meine Atemnot derart gebessert, dass ich von einer solchen 
kaum noch reden kann. Beschwerden beim Gebrauch des Apparates hab9 ich 
nicht gehabt. W. Krawutschke. 

4. Als ich die Kuhn sehe Maske erhielt, litt ich anfangs an Atemnot. Mit 

der Zeit legte sich diese, auch verspürte ich, dass mein Husten bedeutend nach- 
liess, dass sich jedeoch gleichzeitig meine Luftröhre etwas verschleimte. Da ich 
die Maske fieissig benutzt habe, habe ich es in einer Minute auf 4 Atemzüge 
gebracht. Ich fühle mich durch diese Kur sehr wohl. B. Boettcher. 

5. Als ich die Maske bekam, war sie mir die ersten Tage etwas lästig und 

ich musste sie häufiger abnehmen, da ich stark unter Atembeklemmungen litt 
Jedoch hat sich das nach und nach bedeutend gebessert. Während ich früher in 
einer Minute 11—12mal atmete, zähle ich jetzt in derselben Zeit — nach 3 Wochen — 
nur noch 6—7 Atemzüge. Ebenso geht es auch ohne Maske schon viel besser 
als vorher. H. Link. 

6. Ich benutze die Maske seit 15 Wochen und kann nur sagen, dass ich 
mich nach dieser Behandlung sehr erholt habe. Während ich früher 12—13 Atem¬ 
züge in der Minute machen musste, komme ich jetzt auf 4—5 bequem ohne An¬ 
strengung, wenn ich mir Mühe gebe auch bis zu 3 Atemzügen in der Minute. 
Husten, Auswurf, Nachtschweisse haben nachgelassen, der Schlaf ist besser ge¬ 
worden, auch hat mein Appetit, der anfangs sehr schlecht war, sich bedeutend 
gebessert. Von einer Atemnot verspüre ich eigentlich fast gar nichts mehr. 
Die Schmerzen, die ich vor der Maskenbehandlung verspürte (besonders in der 



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27] 


Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 


381 


rechten Seite), sind geschwunden. Doch will ich nicht verhehlen, dass die Maske 
auch ihr Unangenehmes hat. So setzt sich der Hauch, den man ausstösst, an den 
Seitenwänden fest, wird zu Wasser und dies läuft einem die Backen hinunter. 
Dies ist ein sehr unangenehmes Gefühl. Auch der Gummigeruch ist nicht ange¬ 
nehm. Ausserdem möchte ich raten, die Maske nicht allzu lange, sondern lieber 
einmal häufiger zu tragen. P. Elbing. 

7. Die Beklemmung, welche ich beim Tragen der Maske verspürte und die 

noch durch den Gummigeruch zunimmt, legte sich schon nach kurzer Zeit. Je 
länger und tiefer ich atmete, desto mehr liess diese nach. Die Atemzüge, welche 
bei meiner Kurzatmigkeit zuerst unter der Maske noch 16 in der Minute be¬ 
trugen, gingen schnell herab, so dass ich jetzt nach 8 Wochen nur noch 4 Atem¬ 
züge mache. Die Atemnot hat aufgehört und ebenso alle übrigen Beschwerden, 
ln der eisten Zeit hatte ich beim tiefen Atmen unter dem linken Schulterknochen 
(wo jedenfalls der kranke Teil der Lunge sitzt) Stiche. Diese haben sich jedoch 
jetzt ganz verloren. Ich trage jetzt die Maske 3 mal täglich 1 Stunde und habe 
dabei absolut keine Beschwerden, nur das drückende Gefühl, woran ich aber 
vollständig gewöhnt bin. E. Bahr. 

8. Ich trug die Kuhnsche Lungensaugmaske gemäss der ärztlichen Ver¬ 

ordnung 5 Tage lang je 3 mal 7* Stunde, und seit dem 6. Tage trage ich sie täglich 
3 mal x /2 Stunde. In der ersten Viertelstunde hatte ich das Gefühl des Erstickens 
und machte aus diesem Grunde folgende Anwendungsart: 10 Atemzüge unter der 
Maske, einen ohne Maske usw. die ganze Viertelstunde hindurch. Bei der zweiten 
viertelstündigen Benutzung konnte ich schon zwanzig Atemzüge ohne Erstickungs¬ 
gefühl tun und schlug deshalb die Taktik ein: zwanzig mit, einen ohne Maske usw. 
In der dritten Viertelstunde vermochte ich dann die Maske ohne Unterbrechung 
zu tragen. Hierbei traten jedoch einige unangenehme Nebenerscheinungen auf, 
und zwar fühlte ich heftiges Drücken in den Schläfen, Halsschmerzen und in 
der Brust ein merkwürdiges Ziehen, ein Gefühl, als ob ein träges Organ gedehnt 
würde. Ich kann nicht sagen, dass die letzteren Erscheinungen schmerzhaft waren, 
doch jedenfalls unangenehm. Noch stärker traten diese drei Erscheinungen beim 
Beginn des halbstündigen Gebrauchs auf. Nach einer Anwendung von zwei 
Wochen jedoch traten die Unannehmlichkeiten zurück, und als drei Wochen ver¬ 
strichen waren, spürte ich davon überhaupt nichts mehr. Selbst bei einstündigem 
Tragen^ welches ich einige Male versuchsweise vornahm, konnte ich von den 
anfänglichen unangenehmen Begleiterscheinungen nichts mehr wahrnehmen. Eine 
nachteilige Einwirkung der Maske auf Schlaf, Appetit oder auf die Körper¬ 
temperatur habe ich nicht gefunden, sondern vielmehr das Gegenteil. Der an¬ 
fangs vorhandene Hustenreiz ist geschwunden, die Menge des Auswurfs um 
über die Hälfte zurückgegangen. P. Müller. 

Zum Schluss mag es mir gestattet sein, noch einmal ein zu¬ 
sammenfassendes Urteil über die Maske auszusprechen. 

Ich kann mich im grossen und ganzen, fussend auf die Resul¬ 
tate unserer Beobachtung, den oben angeführten Sätzen Kuhns an- 
schliessen. Die Maske ist nicht nur ein glänzendes Prophylaktikum, 
sondern auch ein glänzendes Therapeutikum und zwar besonders in 
leichteren bis mitttelschweren Fällen von Lungentuberkulose, ferner 
bei akuter und chronischer Bronchitis, bei Asthma bronchiale, 


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Siegfried Brotzen. 


382 


[28 


Emphysem, bei chronischen Pneumonien, sowie bei Chlorose und 
Pleuritiden. 

Es wäre sehr zu wünschen, dass der Maske in Kürze der ihr 
gebührende Platz im Kampfe gegen die Lungentuberkulose und die 
oben angeführten Krankheiten eingeräumt würde zum Heile der 
leidenden Menschheit. 


Literatur. 


1. Kahn, Eine Langens&agmaske zur Erzeugung von Stauungshyperämie in 
den Lungen. Deutsche med. Wochenschr. 

2. Derselbe, Die Lungensaugmaske in Theorie und Praxis. J. Springer, 
Berlin 1911. 

3. Fürbringer, „Die Kuhnsehe Lungensaugmaske, Indikationen und Technik 
ihrer Anwendung.“ Zeitschr. f. Ärztl. Fortbild. 1910, Nr. 19, 20, 21. 

4. Gudzent, „Über Behandlung mit der Kuhnsehen Lungensaugmaske. 4 Berl. 
klin. Wochenschr. 1909 Nr. 5. 

5. Diskussion zu 4, Berl. klin. Wochenschr. 1909. Nr. 9. 

6. Morelli, „Über die Wirkung der Kuhn sehen Lungensaugmaske bei Herz¬ 
krankheiten.“ Zeitschr. f. klin. Mediz. 67. Bd. Q. 1—8. 

7. Greeff, „Beitrag zur Behandlung der Lungenkrankheiten mit der Kuhn- 
sehen Saugmaske.“ Münch, med. Wochenschr. 1909. Nr. 18 u. 19. 

8. Kuhn, „Die Vermehrung der roten und weissen Blutkörperchen und des- 
Hämoglobins durch die Lungensaugmaske und ihre Beziehung zum Höhen¬ 
klima.“ Münch, med. Wochenschr. 1907. Nr. 35. 

9. Derselbe, „Weitere Erfahrungen mit der Hyperämiebehandlung der Lungen 
vermittelst der Lungensaugmaske.“ Münch, med. Wochenschr. 1907. Nr. 16 

10. Stolzenburg, „Über die mit der Kuhnschen Lungensaugmaske in der 
Heilstätte Slaventzitz gemachten Erfahrungen.“ Münch, med. Wochenschr. 

1907. Nr. 16. 

11. Vehling, Beitrag zu den Ergebnissen der Behandlung der Lungentuber¬ 
kulose mit der Kuhnschen Lungensaugmaske. Berl. klin. Wochenschr. 

1908. Nr. 51. 

12. Kuhn, Physikalische Behandlung des Asthma bronchiale. Mediz. Klinik 1910. 
Nr. 42 u. 43. 

18. Leo, „Hyperämiebehandlung bei Lungentuberkulose.“ Bericht über die 3. Ver¬ 
sammlung der Tuberkulose-Ärzte. 1. VI. 06. 

14. S e e b e n s, „Über die K u h n sehe Lungen saugmaske aus der Praxis.“ Therap. 
der Gegenwart. August 1911. 

15. Kuhn u. Aldenhoven, „Die ausschlaggebende Bedeutung der verminderten 
Sauerstoffspannung der Gewebe für die Anregung der Blutbildung.“ Deutsch* 
med. Wochenschr. 1909. Nr. 45. 


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383 


29] Die Kuhnsche Lungensaugmaske. 

16. Kahn, Hyperämiebehandlung der Lungen vermittelst der Lungensangmaske. 
Mediz. Klinik 1907. Nr. 21. 

17. Zabel, Interessante Falle aus der inneren Medizin und ihren Grenzgebieten. 
Korrespondenzblatt des allgem. Mecklenburg. Ärztevereins 1909. Nr. 297. 

18. Hahn, Beitrag zur Hyperamiebehandlung der Lungentuberkulose vermittelst 
der Kuhnseben Lungensangmaske. Inaug.Dissert. Leipzig. Bruno Georgi. 

19. Zickgraf, „Beitrag zur Behandlung der Lungentuberkulose mit der Kuhn- 
sehen Saugmaske.“ Zentralbl. f. innere Medizin 1908. Nr. 39. 

20. Courage, Behandlung der Lungentuberkulose durch Stauungshyperamie. 
Inaug.-Dissert. Bonn 1907. 


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Aus dem Militärhauptspital in Genua. 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose der 
Samenkanälchen des Hodens und des Nebenhodens. 

Von 

Dr. med. Arturo Balliano, 

Stabsarzt. 

Mit 1 Tafel. 


Die in der Wissenschaft lebhaft erörterte Frage, auf welchem 
Wege die tuberkulösen Krankheiten des Urogenitalsystems zustande 
kommen und sich in demselben ausbreiten, sowie die Beobachtung 
von neuen klinischen und pathologisch-anatomischen Vorgängen, deren 
Ursprung man auf den Tuberkelbazillus zurückführen könnte, haben 
mich veranlasst, über einen bemerkenswerten Fall, der in unserem 
Spital vorkam, kurz zu berichten. Meines Erachtens ist er sehr 
wichtig nach der klinischen, pathologisch-anatomischen und histologi¬ 
schen Seite. 

Feldwebel A. B., von gutem und starkem Körperbau, immer 
gesund und erblich frei von Tuberkulose, litt vor etwa sieben Jahren 
an Tripper, welcher binnen vier Monaten vollständig geheilt wurde 
und keine Komplikationen an dem Hoden noch an dem Nebenhoden 
hinterliess. 

Vor etwa sechs Monaten begann er leichte Schmerzen an dem 
rechten Hoden mit lästiger Schwere zu empfinden. Man hatte ihm 
einen Hodenträger verordnet, der ihm aber nur wenige Tage half, 
dann fingen leichte Schmerzen zeitweise wieder an den Patienten zu 
belästigen, ohne ihn jedoch zu nötigen, sich zu Bett zu legen oder 
den Dienst zu unterbrechen. Gleichzeitig bemerkte er, dass der kranke 
Hoden langsam, aber beständig nach allen Richtungen an Grösse zu¬ 
nahm, so dass er bald gänseeigross wurde. Die Schmerzen nahmen im 


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Arturo Balliano. 


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Laufe der Zeit allmählich ab und verschwanden fast gänzlich. Im 
übrigen fühlte Pat. sich stets ganz wohl, hatte guten Appetit und 
schlief ruhig ohne zu schwitzen. Er litt weder an Husten, noch an 
Durchfall oder Störungen im Urogenitalsystem, noch an Ver¬ 
engung der Harnröhre. Seine Beschwerden waren die Ursache zur 
Aufnahme in unser Hospital. 

Am kranken Teil bemerkte man folgendes: rechter Hoden gänseei¬ 
gross; die bedeckende Haut war gesund, an keiner Stelle gerötet, 
weder mit unterliegendem Gewebe verwachsen, noch sonst pathologisch 
verändert. Durch Tasten konnte man feststellen, dass der kranke 
Teil im grossen und ganzen die Form eines gesunden Hodens be¬ 
halten hatte, nur war er vergrössert und hatte eine glatte, regel¬ 
mässige Oberfläche. Auch der Nebenhoden nahm an der Vergrösserung 
des ganzen Organs teil, war aber regelmässig, glatt, hart, und zeigte 
keine Knoten noch Verwachsungen; leichter Druck rief nur geringe 
Schmerzen hervor. Der Hoden war hart, unempfindlich, von fleischig¬ 
bindegewebiger Härte: die Vaginalis propria enthielt ein wenig 
Flüssigkeit, welche jedoch das Betasten des Hodens nicht beein¬ 
trächtigte. 

Der Samenleiter ging von dem erhärteten Nebenhoden, mit 
welchem er verwachsen war, aus; er war ganz normal, zylindrisch, 
von regelmässiger Grösse. In dem ganzen, ausserhalb des Leisten¬ 
ringes liegenden Teile, den man tasten konnte, waren nirgends Knoten 
noch Verhärtungen zu spüren. Die übrigen Elemente des Samen¬ 
stranges waren gleichfalls normal. 

Das Rektaltasten ergab, dass die Prostata und der erreichbare 
Teil der Samenblasen regelmässige Grösse und Härte hatten. 

Der Urin bot nichts Bemerkenswertes, keine pathologische Ver¬ 
änderung der Atmungsorgane, der beste Ernährungszustand. Nach 
seiner Aufnahme in das Hospital litt Pat. eine Woche lang an leichten 
Temperatursteigerungen von 37,4—38,1; wiederholte Untersuchungen 
Hessen nichts feststellen, was diese Temperatur erklären konnte; nur 
leichte Verdauungsstörungen zeigten sich, welchen diese Temperatur¬ 
steigerungen zugeschrieben wurden. Übrigens sank die Temperatur 
bald wieder auf die normale. 

Fasst man nun die Entstehungsweise der Krankheit ins Auge, 
ihren schnellen Verlauf, die Härte, die Konsistenz, die Form und 
Grösse des kranken Teiles, die begleitenden Schmerzen, das Alter des 
Patienten, den Mangel an tuberkulösen Erscheinungen am Urogenital¬ 
system oder an anderen Körperteilen, so musste man an ein Sarkom 
denken. Auf Grund dieser Diagnose wurde dem Patienten die baldige 
Entfernung des kranken Teiles vorgeschlagen. Der Kranke nahm dies 



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3] 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


3S7 


ohne Zögern an, da ihm auch von anderen Chirurgen einstimmig dazu 
geraten worden war. 

Die Operation fand in unserem Hauptspital am 29. Oktober 1909 
statt: Schrägschnitt durch die Haut und Unterhaut, an der Basis 
des Skrotums beginnend, nach oben gerichtet und nach aussen ver¬ 
laufend, bis drei Querfinger oberhalb des vorderen Leistenringes, 
Spaltung der vorderen Kanalwand, Freilegung des ganzen Samen¬ 
stranges, dessen Elemente möglichst hoch einzeln unterbunden und 
durchschnitten wurden. Der zentrale Stumpf verschwand in der 
Bauchhöhle, der periphere in Zusammenhang mit dem Hoden wurde, 
in seine sämtlichen Häute gehüllt, von oben nach abwärts gezogen 
und weggeschnitten. Peinlich genaue Blutstillung, Wiederherstellung 
der vorderen Kanalwand und völlige Hautnaht per pfimam. 

Der Patient hat mir jüngst, d. h. etwa 25 Monate nach der 
Operation, brieflich raitgeteilt, dass er sich ganz wohl befinde und 
an keinerlei Beschwerden leide; er habe weder Unannehmlichkeiten 
an der Stelle der Operation, noch anderswo. Völlige Gesundheit, guter 
Ernährungszustand, kein Husten; er leistet regelmässigen Dienst. 

Die makroskopische Betrachtung ergab, dass die Geschwulst, aus 
Hoden und Nebenhoden bestehend, 11,5 cm lang, 8 cm breit, 7 cm dick, 
230 g schwer, eiförmig, fleischfest war. Als man die Vaginalis ge¬ 
spalten hatte, kam etwa 30 ccm gelbliche, durchsichtige Flüssigkeit 
heraus. Die Vaginalis war verdickt; ihre innere Fläche weisslich 
glänzend; kein geschwüriger Herd, keine Vernarbung noch Spuren 
einer sonstigen Erkrankung zu bemerken. Der Hoden war mit ge¬ 
sunder, glatter Seröse bedeckt; nirgends waren weder Erhöhungen 
noch Knoten bemerkbar, aber überall regelmässige und glatte Ober¬ 
flächen. Der Nebenhoden war ebenfalls regelmässig vergrössert, gelb- 
weisslich, auch er zeigte weder Knoten noch Verkäsung. Dann 
führten wir einen senkrechten Schnitt durch die Geschwulst und 
sahen eine weissliche Schnittfläche (Fig. 3), welche an manchen Stellen 
allmählich in eine blassrötliche oder gelbliche Zone überging. Die 
ganze Oberfläche war mit unzähligen feinen, runden Erhöhungen be¬ 
deckt, von etwa Vs mm Durchmesser, die regelmässig über die ganze 
Masse verteilt waren. Die Oberfläche war fast durchwegs von gleicher 
Festigkeit, an dem Nebenhoden jedoch mehr bindegewebig als an dem 
Hoden. Zwischen denselben lag (Fig. 3) ein bindegewebiger, starker 
weisser Streifen, welcher beim Schnitt ein wenig aus den nächsten 
drüsigen Teilen herausragte und den Hoden vom Nebenhoden trennte, 
die im übrigen allerdings im Schnitt nicht mehr voneinander zu 
unterscheiden waren. Man führte zahlreiche Schnitte durch den Tumor, 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 8 . 26 - 


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Arturo Baliiano. 


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388 

aber nirgends traf man auf eiterige Höhlen, käsige Herde oder ander¬ 
weitig verdächtige Knoten. 

Die Elemente des Samenstranges boten nichts Pathologisches. Die 
Gefässe waren normal, der Samenleiter war weisslich, fest, hatte 
überall den gleichen Durchmesser und zeigte keine Spur von Er¬ 
krankung. Sein Anfangsstück war so fest mit dem Nebenhoden 
verwachsen, dass es unmöglich war, beide voneinander zu trennen. 

Man machte mehrere mikroskopische Schnitte an Stücken, die 
von verschiedenen Stellen der Geschwulst entnommen waren. Fixierung 
und Härtung durch Alkohol; Chloroform, Paraffin zu 55°, Färbung 
mit Hämatoxylin-Eosin usw. Leichte Vergrösserung zeigte das Vor¬ 
handensein eines bindegewebigen, kernreichen Stroma (Fig. 1, ci), das 
allmählich in «Herde von nekrotischem Aussehen und von schwacher 
Färbung überging. In diesem Gewebe lagen zahlreiche Formen (Fig. 1 
und 2, t, t'), welche aussahen wie ein Querschnitt von drüsigen 
Schläuchen; sie waren vielgestaltig, bald rund, bald verlängert oder 
eiförmig, mit abgerundetem Ende und gewundenem Laufe, je nach 
der Richtung des Schnittes; sie hatten einen gleichmässigen Durch¬ 
messer und waren gegen das umliegende Bindegewebe durch eine 
kernarme und nekrotische Membran haarscharf begrenzt. Diese Schläuche 
enthielten eine schwach mit Eosin färbbare, kernlose gebrochene Masse, 
teils im Lumen frei, wie umförmige Klümpchen in Trümmern liegend, 
teils an den Kanalwänden anhaftend. Das zwischen den Tubuli 
liegende Gewebe besass bedeutende, wenn auch verschiedene Grösse, 
so dass bald ein ganzes mikroskopisches Feld (Reichert Oc. 3, Ob. 2), 
bald dagegen nur 1 U, Vs davon eingenommen wurde. Der Durchmesser 
der oben erwähnten Kanälchen war nur wenig grösser als der der 
normalen Schläuche. Nirgends war mehr der physiologische Bau des 
Hodens zu erkennen. 

Bei stärkerer Vergrösserung fand man, dass das zwischen den 
Tubuli liegende Gewebe aus jungem, mit verlängerten hellen, scharfen, 
feinkörnigen Kernen versehenen Bindegewebe bestand. Diese Kerne 
hatten keine bestimmte Richtung, aber lagen verwirrt in einem fein¬ 
faserigen Netze zerstreut. Die peripherischen Teile der eben be¬ 
schriebenen kernreichen Zonen verloren ihre Kerne allmählich und 
gingen in grosse Felder über, die aus nekrotischen, kernlosen und 
schwach mit Eosin färbbarer Substanz bestanden (Fig. 1 und 2, z); 
Struktur war keine mehr zu finden. Sehr bemerkenswert ist es, dass 
der nekrotische Vorgang seinen Ausgangspunkt immer in den Tubuli 
nahm und dass er dort stets am fortgeschrittensten war. Iip Anfangs¬ 
stadium dagegen, selbst wenn die Samenkanälchen schon vollkommen 
in Nekrose zerfallen, war das umliegende Bindegewebe noch gut er- 



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5] Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 389 

halten, sogar vermehrt und kernreich. Die Nekrose nahm an Stärke 
allmählich ab, je nach der Entfernung von den Tubuli. Umgekehrt 
fand man nirgends, dass das Zwischengewebe schon in Nekrose über¬ 
gegangen, während dagegen die in demselben liegenden Tubuli noch 
mit gesunder Epithelschicht versehen waren. Meines Erachtens zeigt 
dies zweifellos, dass der Vorgang gar nicht im Zwischengewebe, son¬ 
dern in den Samenkanälchen seinen Ursprung hatte, wie wir weiter 
unten sehen werden. 

Wenn wir jetzt die obenerwähnten drüsenförmigen Gestaltungen 
näher betrachten, so finden wir, dass sie eine deutliche Membrana 
propria besitzen, welche meistens jedoch schon in Nekrose geraten war; 
nur hier und da in ihren äusseren Schichten waren noch einzelne 
Kerne zu sehen. An der inneren Wand der Membrana blieben, wenn 
auch selten, noch einige Epithelzellen mit schlecht gefärbten Kernen 
und feinkörnigem Protoplasma liegen; an anderen Stellen hatten die 
abgestorbenen, hyalinen Epithelzellen nur ihre Gestalt und Anordnung 
noch behalten. 

Diese noch erkennbaren Reste des Samenepithels gaben uns das 
Recht, diese Bilder als veränderte Samenkanälchen anzusprechen. Die 
granuläre, kernlose in ihrem Lumen liegende Masse besteht aus ne¬ 
krotischen, in Trümmern zerfallenen, losgelösten Samenepithelien. 

Dieses histologisch verdächtige Bild führte uns zu dem Schlüsse, 
dass es sich um einen tuberkulösen Prozess handle und veranlasst© 
uns, die Färbung der Tuberkelbazillen an den Schnitten zu prüfen. 
Dies geschah mittelst der gewöhnlichen Methoden, mit Karbolfuchsin, 
nach Z i e h 1 usw. Es war sehr mühsam und zeitraubend die sehr 
zahlreichen Schnitte anzufertigen, und noch mehr sie mit Immersion 
genau zu untersuchen. 

Anfangs, verfuhr ich mit sehr guten Erfolgen folgendermassen: 

1. Färbung in Z i e h 1 s Karbolfuchsin 24 Std. auf Zimmertemperatur; 

2. Entfärbung mit Salpetersäure 20, Wasser 100, bis die Schnitte 
farblos erschienen; 

3. Methylenblau 0,5%ige Lösung 5 Sek. lang; 

4. Wasserspülung 30 Sek.; 

5. Trocknung, Xylol, Balsam. 

Die Färbung ist mir aber am besten mit dem von Klopstock- 
Kowarsky (128) empfohlenen Verfahren gelungen: Fixierung in 
Alkohol abs.; Chloroform 10 Std., Paraffin 4 Std. zu 50—55°. Wenn 
man das Paraffin aus den Schnitten entfernt hat: 

1. färbt man sie 30 Min. lang mit Ziehl-Lösung auf Zimmer¬ 
temperatur; 

26 * 


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Arturo Balliano. 


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2. Wasserspülung 1—2 Min.; 

3. * Kochsalzsäure 3 g, Alkohol zu 70° 100 g, spüle bis zur 
Entfärbung der Schnitte (oder Salpetersäure 20% 10 Sek. lang, dann 
Alkohol zu 60°, bis die Schnitte farblos erscheinen); 

4. Wasserspülung 2—3 Min.; 

5. Methylenblau 0,5%, 5 Sek.; 

6. Wasserspülung; 

7. Trocknen an der Luft oder Brutofen (kein Alkohol!); 

8. Xylol-Balsam. 

Wenig befriedigende Erfolge bekam ich mit der Much sehen 
Methode (82), die grosse Schwierigkeit bot, die Schnitte zu entfärben. 

Die Tuberkelbazillen (Fig. 2, bk) wurden immer und 
ausschliesslich in der nekrotischen unförmigen Masse 
der abgefallenen Epithelien gefunden, welche die ver¬ 
wüsteten Samenkanälchen erfüllte (Fig. 1—2, t, t'). 

Die Tuberkelbazillen waren sehr deutlich, scharf und hell und 
konnten keinen Zweifel aufkommen lassen. Sie waren zu je zwei und 
drei verteilt, mit ihrer eigentümlichen Anordnung wie ein V, aber 
niemals bildeten sie Anhäufungen von mehr als drei oder vier Bazillen, 
von denen einige auch Verfallserscheinungen mit ungefärbten, sehr 
kleinen Zwischenräumchen und gespitzten, unregelmässigen Enden usw. 
boten. Eine sehr bemerkenswerte und eigentümliche Tatsache ist es, 
dass die Tuberkelbazillen ausschliesslich innerhalb der 
zerstreuten Samenkanälchen lagen. Ausserhalb derselben 
konnte ich niemals einen Tuberkelbazillus in dem reichlichen Zwischen¬ 
bindegewebe finden, trotz genauester und peinlichster mehrtägiger 
Untersuchungen an mehr als 150 Schnitten. Nirgends war ferner eine 
Lücke an der Membrana propria zu finden, welche das Innere der 
Samenkanälchen mit dem Äusseren in Zusammenhang brachte. 

Ein ähnliches Bild* war am Nebenhoden zu beobachten. Auch 
fanden sich verwüstete Samenschläuche im vermehrten Zwischen¬ 
gewebe liegend und in ihrem Innern Tuberkelbazillen enthaltend. 

Mehrere Querschnitte durch sämtliche Elemente des Samen¬ 
stranges, mit Hämatoxylin-Eosin gefärbt, zeigten keine Veränderung. 
Nichtsdestoweniger wurden einige Schnitte auf Tuberkelbazillen gefärbt, 
aber kein einziger Bazillus war zu entdecken. Aus dem blossgelegten 
Samenleiter wurden etw^a 80 Schnitte von verschiedenen Abteilungen 
angefertigt und teils mit Hämatoxylin-Eosin, teils auf Tuberkelbazillen 
gefärbt. Alle zeigten ganz regelmässige Muskelschichten und wohl¬ 
behaltene Epithelbelegung ohne pathologische Veränderungen. Die 
Forschungen nach Tuberkelbazillen blieben erfolglos. Weder im 



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Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


391 


Lumen noch in den Wänden oder im Epithel des Samenleiters wurden 
solche gefunden. 

Aus dem Vorerwähnten geht die Wichtigkeit des Falles hervor, 
welcher die klassischen Eigentümlichkeiten der tuberkulösen Vorgänge 
entbehrt, wie der gewöhnliche primäre Sitz an dem Nebenhoden mit 
Entstehung von Knoten, die sehr grosse Neigung zur Verkäsung, zur 
Fistelbildung, zur Ausbreitung an dem Samenleiter und an den Samen¬ 
blasen und Prostata zeigen. Dem entgegen sehen wir einen seltenen, 
klinisch ganz wie ein Sarkom erscheinenden Vorgang, an dem ganzen 
Organ gleichmässig ausgebreitet, das heisst, die so selten zur Beob¬ 
achtung kommenden Anfangsstadien einer primären Tuber¬ 
kulose des Epithels der Samenkanälchen des Hodens und 
des Nebenhodens, mit gleichmässiger, entzündlicher Ver¬ 
dickung des Zwischengewebes und folgender Nekrose 
desselben. 

Was die Pathogenese des vorliegenden Falles anbetrifft, entsteht 
die Frage, woher sind die Tuberkelbazillen zur Geschlechtsdrüse ge¬ 
kommen, um diese eigentümliche Krankheit zu erregen? 

Im allgemeinen können wir darauf fünf Annahmen erörtern. 

1. Die Tuberkelbazillen sind direkt durch den Blutkreislauf in 
die Geschlechtsdrüse verschleppt worden (Metastasis). 

2. Sie sind durch die Lymphwege gekommen. 

3. Indirekt aus dem Blut, durch Ausscheidung. 

4. Sie kommen von der Urethra, Prostata, dem Samenleiter, d. h. 
von aussen her. 

5. Von den Nieren, der Harnblase, Urethra, Prostata, Samenleiter. 

Die erste Annahme, zu der man sich verleiten lässt, da sie mit 

Leichtigkeit die Frage löst, ist trügerisch. 

Das Vorhandensein von Tuberkelbazillen im kreisenden Blute 
Tuberkulöser wurde mit Sicherheit bewiesen, und zwar nicht bloss 
bei galoppierenden Fällen mit ausgedehnten Lungenhöhlen und dergl., 
bei hochfieberhafter allgemeiner Entstehung von Miliartuberkulose, 
sondern auch bei chronischen, trügerisch schleichenden Fällen. Die 
im Blute kreisenden Bazillen müssten tuberkulöse Erkrankungen in 
den Körperteilen hervorrufen, wo sie sich angesiedelt haben, wie es 
bei Pyämie infolge Einfliessens von Eiterkokken 'in das Blut geschieht. 
Dieser Meinung entgegen steht aber bei unserem Fall der völlige Mangel 
eines tuberkulösen Herdes anderswo im Körper, von dem die Tuberkel¬ 
bazillen entstammen könnten. Der Kranke litt weder an Husten noch 
an chronischem Durchfall oder an Gelenkerkrankungen; er war an¬ 
scheinend vollständig gesund und von blühendem Aussehen. Dem 
gegenüber kann man darauf verweisen, dass manchmal ein verborgener 


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Arturo Balliano. 


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tuberkulöser Herd im Körper liegen kann, z. B. infizierte Bronchial- 
lymphdrüsen usw., welcher für die klinische Untersuchung unzugäng¬ 
lich und ihr daher verborgen bleibt. Wir finden oft am Sektionstisch 
unerwartet dergleichen Herde, die schon in Heilung geraten, oder 
sogar noch virulent geblieben waren. Aus diesem Punkte können wir 
also nur klinisch mit Sicherheit nach weisen, dass bei unserem 
Kranken die obenerwähnten Herde nicht vorhanden waren. 

Die primäre isolierte Tuberkulose des Hodens und des Neben¬ 
hodens ist andererseits heute von vielen Seiten festgestellt und be¬ 
schrieben worden. Unter anderen meinen v. Baumgarten (55) und 
v. Bruns (54), dass die Hodentuberkulose der einzige tuberkulöse 
Herd des ganzen Körpers sein kann; sie heben ferner hervor, dass 
auch die Nebennieren, wenn auch tief liegend und gegen äussere 
Infektionen geschützt, von der Tuberkulose befallen werden können, 
ohne dass an irgend einem anderen Körperteile ein tuberkulöser Herd 
nachzuweisen ist. Auch Kocher (9), v. Braman (28), Dur ante 
(110) und viele andere Autoren treten für diese Meinung ein. Das 
gleiche gilt auch für andere Organe, wie die Ohrspeicheldrüsen, die 
Milchdrüsen usw. 

Unter 74 mikro- und makroskopisch genau untersuchten Fällen 
von Genitaltuberkulose fand Cholzow (109) zur 19mal gleichzeitige 
Tuberkulose an anderen Organen. — Ziegler (75) drückt sich fol- 
gendermassen aus: . . Die Tuberkulose des Hodens und Neben¬ 

hodens kann der einzige Herd des ganzen Körpers sein/ Kowa- 
lewsky (86) berichtet über zwei Fälle von isolierter Tuber¬ 
kulose des Hodens beim Stiere: die peinlichste anatomische Unter¬ 
suchung des ganzen Körpers konnte keinen anderen tuberkulösen 
Herd zutage fördern. — Auch Kränzle (87) berichtet über eine 
akute, tuberkulöse, isolierte, primäre Orchitis bei einem Stier, 
der keinen anderen tuberkulösen Herd an den übrigen Körperteilen 
aufwies. 

Stammten aber die Tuberkelbazillen von einem fern verborgenen, 
nicht beweisbaren Herd von Tuberkulose her, dann müsste die In¬ 
fektion offenbar auch andere Organe ergriffen haben, was nicht der 
Fall war. Die so in den Hoden geratenen Tuberkelbazillen hätten 
sich andererseits im Bindegewebe ansiedeln und vermehren müssen, 
welches die Samenkanälchen umgibt und Blut- und Lympbgefässchen 
enthält, und dort hätten wir sie ausschliesslich oder wenigstens 
vorwiegend finden müssen neben den ihr Vorhandensein begleitenden 
Erscheinungen; nur sekundär hätten sie von da ins Innere der Tu¬ 
buli durch die zerfallene Membrana propria dringen können, welche 
jedoch gegen diesen Durchtritt der Bazillen sehr widerstandsfähig 



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9] Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 893 

ist. Wie dagegen eben bewiesen, finden wir die Bazillen ausschliess¬ 
lich im Inneren der Tubuli, und keinen einzigen davon im Zwischen¬ 
gewebe liegend. 

Auf Grund dieses müssen wir die Meinung verwerfen, dass die 
Tuberkelbazillen aus dem kreisenden Blute hergekommen sind. 

Die zweite Hypothese, dass die Infektion durch die Lymphwege 
entstanden ist, scheint uns ebensowenig befriedigend; erstens weil, 
wie es für die erste Annahme gilt, die Tuberkelbazillen im Zwischen¬ 
gewebe sich primär ansiedeln, entwickeln und zeigen müssten, dort 
wo die Haarlymphgefässe die Tubuli umwickeln. Es ist andererseits 
schwer anzunehmen, dass sie gegen den Lymphstrom einen so langen 
Weg bis zum Hoden hätten zurücklegen können. Bewiesen und all¬ 
gemein bekannt ist es ferner, dass die Bazillen mit dem Lymphstrom 
zu gehen pflegen und nur bei Lymphstauung jenem entgegen wandern 
können. — Meines Erachtens ist der Lymphweg als Infektionsquelle 
auszuschliessen. 

Mit der dritten Hypothese, dass die Bazillen indirekt aus dem 
Blute gekommen sein können, wollen wir andeuten, dass die kreisenden 
Bazillen mit dem Blute in die Haargefässe, welche die Samenkanäl¬ 
chen umfassen, gelangten, um von hier aus die Samenschläuche zu 
passieren. — Aber wie kann dies geschehen? Durch Ausschei¬ 
dung. — Es scheint heutzutage einwandfrei festgestellt, dass die 
drüsigen Organe die Fähigkeit besitzen, mit ihren eigenen Flüssig¬ 
keiten nicht bloss chemische, im Blute gelöste Stoffe, sondern auch 
nicht gelöste, auszuscheiden, das heisst auch solche, in Form kleinster, 
mit Blut vermischter Körnchen, wie Schimmelsporen, Bazillen (Typhus), 
Eiterkokken usw. So z. B. entfernen die Nieren aus dem Blut nicht 
nur die chemischen Harnbestandteile, sondern auch die im Blut vor¬ 
handenen Bakterien. — Grawitz bat bewiesen, dass Elemente von 
einer gewissen Grösse, wie z. B. die Schimmelsporen, die Wände der 
Haargefässe und die Epithelbelegung der Glomeruli passieren können, 
ohne mikroskopisch feststellbare Schädigungen zu verursachen. — 
So natürlich auch Bazillen, insbesondere die Tuberkelbazillen, die 
bekanntlich viel kleiner als die Schimmelsporen sind. Viele Au¬ 
toren sind der Meinung, dass gewöhnlich die Nieren die kreisenden 
Bazillen ausscheiden, und diese so aus dem Organismus entfernt 
werden; andere dagegen sagen, dass diese Annahme unrichtig ist. 
So Wyssokowicz z. B. (5—89) glaubt, dass eine gesunde Niere 
physiologisch Sporen und Bakterien nicht ausscheiden kann, auch 
dann nicht, wenn in dem Urin Albumin vorhanden ist; nur wenn 
das Epithel zerstört und die Filtrierschicht durchlöchert ist, könnte 
dies geschehen. 


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391 Arturo Balliano. [10 

Derselben Meinung sind unter andern auchBuday (72), v. Klecki 
und Wrzosek (90). 

Eine ganze Reihe von Autoren dagegen verteidigen das Gegen¬ 
teil, wieOrth (13), Reissner (12). — Rolly (105) hat bei Typhus¬ 
kranken die Typhusbazillen im Urin gefunden, auch dann, wenn dieser 
keine Spur von Albumin enthielt, das heisst bei wohlerhaltenem 
Nierenepithel. Er injizierte bei Hunden die Typhusbazillen in das 
kreisende Blut und fand dieselben schon nach einer halben Stuhde 
im Urin wieder, welcher jedoch kein Albumin enthielt. — Heyn 
(53) meint, dass in derselben Weise auch die Tuberkelbazillen durch 
die Glomeruli aus dem Blut in die Tubuli gelangen können. Auch 
Mayer (27) nimmt eigentümliche Formen von Tuberkulose der Nieren 
an, welche von Ausscheidung herrühren. In einigen Präparaten von 
Nieren von Tuberkulosen fand er die Tuberkelbazillen in den Tubuli, 
die, wie er bewiesen hat, nur durch Ausscheidung von den Glomeruli 
aus dort hergekommen sein könnten. 

Cohnheim meint, dass die Tuberkelbazillen aus dem Blut in 
die Nieren ausgeschieden werden können, und nennt die so entstehende 
„Ausscheidungstuberkulose*. — Auch Krämer (65—116) schliesst 
sich der Meinung an und spricht von Ausscheidungsformen der Tu¬ 
berkulose. 

In gleicher Weise muss man das Vorhandensein von Tuberkel¬ 
bazillen in der Milch von Kühen erklären, deren Milchdrüsen anato¬ 
misch genau untersucht, keine tuberkulöse oder nur verdächtige Lä¬ 
sion zeigten. Wir möchten nur die jüngsten Forschungen von Hessler 
(104) erwähnen, die den Befund nochmals bestätigen. 

Anzunehmen ist, dass die Nieren auch in normalem Zustande Ba¬ 
zillen ausscheiden können. Dürfen wir nun schliessen, dass dasselbe auch 
in den Samenkanälchen stattfinden kann; sind wir dies wissenschaft¬ 
lich abzuleiten berechtigt? — Hoch wertvoll sind in dieser Richtung 
die Janisehen (6) genauen Untersuchungen. — Er suchte festzu¬ 
stellen, ob der gesunde Hode von tuberkulösen Männern Tuberkel¬ 
bazillen enthält oder nicht. — Seine genauen Forschungen 
fielen positiv au-. Bei 5 unter 7 Fällen wurden die Tuberkel¬ 
bazillen sicher und zweifellos festgestellt und von Weigert bestätigt, 
wenn aucli nur je ein bis zwei Bazillen bei jedem Schnitte vorhanden 
waren. Von grösstem Wert ist die Tatsache, dass das Epithel immer 
ganz gesund befunden wurde, die Wände der Tubuli keine Schä¬ 
digung und keine Spur von Tuberkelbildung oder Knötchen auf¬ 
wiesen oder anderweitige tuberkuloseverdächtige Erkrankungen zeigten. 
— Jani nimmt an, dass die Tuberkelbazillen von dem Hoden¬ 
epithel ausgeschieden worden sind. — Gärtner (18) be- 



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11] 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


395 


streitet dagegen, dass sich die Tuberkelbazillen schon vor dem Tode 
im Innern der Samenkanälchen finden, dann wenn der Patient noch 
zeugungsfähig war. In der Tat fehlten, wie schon erwähnt, an dem 
Epithel oder an den Kanälchenwänden die tuberkulösen Veränderungen 
immer und zwar vollständig, was bei einem, wenn auch kurzem Ver¬ 
weilen Kochscher Bazillen im Lumen der Tubuli nicht möglich 
wäre. — Es ist andererseits auffallend, dass sie in so geringer Anzahl 
vorhanden vraren und sich ferner nicht in loco vermehrt hatten. 
Gärtner meint, dass sie sich im kreisenden Blut befanden und 
erst nach dem Tode oder kurz zuvor in die Tubuli kamen. Es 
scheint tatsächlich, als wenn sub fine vitae ein reichliches Ein¬ 
dringen von Bazillen in das Blut stattfindet. — Kraemer(05—HG) 
gibt nicht nur das Entstehen einer Nierentuberkulose durch Aus¬ 
scheidung zu, sondern auch eine ähnliche Form von Tuberkulose 
der Samenkanälchen, ebenso durch Ausscheidung ver¬ 
ursach t. 

Hueter (64) nimmt auch an, dass die Koch sehen Bazillen 
durchs Samenepithel ausgeschieden werden können und dass die 
Hoden- und Nebenhodentuberkulose gewöhnlich durch Ausscheidung 
entsteht. 

Maffucci (22) spritzte Tuberkelbazillen in die Vena jugularis 
beim Kaninchen und fand sie in dessen Samen wieder: er sagt aber, 
dass nicht das Epithel der Samenschläuche, vielmehr die Mukosa 
der Samenblasen, die im Samen vorhandenen Bazillen ausscheiden 
kann. 

Auch Kökel behauptet auf Grund von Nakarais Unter¬ 
suchungen (40), der die Tuberkelbazillen in den^ßamenbläschen in 
sehr grosser Zahl fand, dass die Mukosa der Samenbläschen der 
Hauptsitz der Bazillenausscheidung sei; er schliesst aber nicht aus, 
dass diese Ausscheidung auch in den Tubuli des Hodens statt 
finden könne. 

Jäckh (26) meint ebenfalls, dass die Mukosa der Samenblasen 
geeigneter ist, Bazillen auszuscheiden, welche sich sekundär mit dem 
Samen vermischen. 

Bei einigen Anfangsstadien von Samenblasentuberkulose fand 
Simmonds (85) ungeheuere Mengen von Tuberkelbazillen im Sekret, 
und er meint daher, dass sie entweder von Ausscheidungen aus den 
Samenkanälchen des Hodens stammen, von wo sie mit dem Samen¬ 
strom in die Samenblasen befördert und dort angesammelt wurden, 
oder in loco von der Mukosa der Samenblasen selbst ausgeschieden 
worden sind. — Dazu aber scheint die ausgedehnte Ausscheidungs- 


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396 Arturo Balliano. [12 

Oberfläche der Samenschläuche mehr geeignet als die Mukosa der 
Samenblasen. 

Spano (19) spritzte in die Bauchhöhle beim Meerschweinchen 
den aus den Samenblasen entnommenen Samen von Männern (mit 
gesunden Hoden), die an akuter Tuberkulose gestorben waren; die 
Tiere starben an akuter Tuberkulose. Die Probe fiel dagegen negativ 
aus in zwei Fällen, bei welchen der Impfungsstoff von Männern (gleich¬ 
falls mit gesundem Hoden) stammte die an chronischer Tuberkulose ge¬ 
storben waren. Auch Rohlffs Untersuchungen (2) mittelst Ein¬ 
spritzungen von Samenblasensekret tuberkulöser Männer (mit gesunden 
Hoden) in die Augenkammern bei Kaninchen fielen negativ aus. 

Negative Erfolge sahen ferner Westermeyer (20) bei Impfung 
von Tieren mit Stückchen oder Emulsion des gesunden Hodens von 
tuberkulösen Männern; bei letzteren war auch die Forschung nach Koch- 
schen Bazillen in Hodenschnitten erfolglos geblieben. Auch Walther 
(23) in seiner Kontrolluntersuchung der Janisehen Arbeit, nie¬ 
mals in gesunden Hoden Tuberkulöser das Vorhandensein vonKoch- 
schen Bazillen nachweisen konnte. 

Heutzutage stimmen also die Meinungen noch nicht überein, um 
entscheiden zu können, ob das Samenepithel des gesunden Hodens 
Tuberkelbazillen ausscheiden kann oder nicht. — In allen den posi¬ 
tiven oder negativ oben erwähnten Fällen handelte es sich jedoch 
offenbar immer um tuberkulöse Kranke, meistens mit ausgedehnten 
und schweren tuberkulösen Erscheinungen. In unserem Falle hin¬ 
gegen war keine Läsion zu finden, durch welche die Tuberkelbazillen 
in das Blut eindringen konnten; was gewöhnlich mit Entstehung 
von Metastasen in anderen Organen, mit Läsion der Nieren und 
allgemeinen Erscljpinungen begleitet zu sein pflegt. Dies alles fehlte 
vor der Operation, wie auch mehrere Monate nach derselben. 

Aus diesem Grunde können wir in unserem Falle ^meines Erach¬ 
tens auch die Hypothese verwerfen, dass die Tuberkelbazillen in die 
Samenkanälchen durch Ausscheidung gelangt sein könnten. 

Wir wollen nun die Hypothese erörtern, die Infektion sei 
von aussen her erfolgt und die Bazillen durch die Urethra 
Prostata, Samenblasen, Samenleiter zur Geschlechts¬ 
drüse gelangt. Diese ehemals gern gebrauchte, aber auch sehr 
umstrittene Annahme hat heute noch sehr berühmte Anhänger, aber 
ebenso grosse Gegner. Unter den letzteren finden wir Reclus (36), 
der durch seine Studien dieser Hypothese einen schweren Schlag 
versetzte. Gegen dieselbe wendeten sich ferner Rokitansky, 
Virchov, Cornil und Ranvier (38), Dufour, Le Dentu und 
andere an. 



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13] 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


397 


Jani beweist, dass die Tuberkelbazillen nach dem Samenstrom 
gehen. Von Baumgartens (55) bekannte Untersuchungen fielen 
zugunsten der aszendi er enden Infektion (vom Hoden zur Prostata) 
aus. In einer langen Reihe von Proben injizierte er Kaninchen mit 
stumpfen Kanülen tuberkulöse Stoffe in die Urethra und mehrmals 
konnte er dadurch die Tuberkulose der Urethra, der Samenblasen, der 
Harnblase, der Prostata, aber niemals des Samenleiters oder Geschlechts¬ 
drüse hervorrufen. Deshalb meint er, dass die Infektion nie gegen 
den Sekret- oder Lymphstrom stattfinden könne. Hingegen gelang 
es ihm mehrmals und mit Leichtigkeit in umgekehrter Richtung 
die Tuberkulose des Samenleiters und der Prostata zu erregen, indem 
er tuberkulöse Stoffe in den Nebenhoden oder in den Anfangsteil 
des Samenleiters einspritzte. Er sagt weiter, die Tuberkelbazillen 
besässen keine eigene Bewegungsfähigkeit und sie seien daher ausser- 
stande den Samenleiter (oder den Ureter) gegen den Sekretstrom zu 
passieren, und sie wandern ganz passiv, vom Sekretstrom befördert, 
in den Körper. Die Tuberkelbazillen sind keine Sekretparasiten wie 
die Eiterkokken, die Gonokokken usw., sie vermehren sich nämlich 
nicht in den Sekreten. Die Sekrete dienen nur als Beförderungs¬ 
mittel, denn um die Infektion zu verbreiten, müssen die Bazillen vom 
Sekret in die Wandgewebe hineindringen. Könnten sie sich im 
Sekret vermehren, dann würden sie das ganze Sekret, besonders bei 
Stauung desselben, nach allen Richtungen und auch gegen den physio¬ 
logischen Strom erfüllen und so die Infektion auch gegen den Strom 
verbreiten. 

Ähnliche Erfolge hatte auch Bobbio (112) bei Kaninchen. Auf 
dem Gebiete des uropoietischen Systems finden wir Camporas (74) 
Untersuchungen, der nach Infizierung der Harnblase nie eine aszen- 
dierende Tuberkulose der Nieren beobachtete. 

Hueters Meinung (64) stimmt mit den angeführten Erfahrungen 
überein. Was die uropoietischen, wie auch die Geschlechtsorgane 
anbetrifft, so konnte er keinen Beweis finden, um die Infektion durch 
die Urethra erklären zu können. Er schliesst deshalb diesen Infektions¬ 
weg aus und sagt ferner, die Infektion der Nieren wie auch der 
Geschlechtsdrüse fände zumeist durch das kreisende Blut statt. — 
Jordan (60) bestätigte diese Ansicht. 

Viele andere Studien und Beobachtungen dagegen sprechen zu¬ 
gunsten einer von der Urethra zur Geschlechtsdrüse fortschreitenden 
Infektion. — Den oben erwähnten berühmten Namen gegenüber 
stehen ebenso grosse Autoritäten, wie Verneuil, Lancereaux, 
Monod und Terillon, Cohnheim, Steinthal, Collinet, 
Tuffier, Weigert und andere, die wir weiter unten nennen werden, 


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398 


Arturo Balliano. 


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die die Ausbreitung der Tuberkulose gegen den Sekretstrom verteidigen; 
auch Orth meint, dass dieser Weg der gewöhnlichste ist. Birch- 
Hirschfeld, wie auch Guelliot, sagen, dass die Infektion gegen 
den Sekretstrom in vielen Fällen zur Geltung kommt. — R. König 
beobachtete einen Fall von tube r kulöse r Deferentitis, während 
der Hoden und der Nebenhoden ganz gesund geblieben 
waren. Durante (HO) sagt, im Gegensatz zu den v. Baumgarten- 
schen Ergebnissen, die klinische Beobachtung genügend zahlreicher 
Fälle von primärer Tuberkulose des Nebenhodens, ohne 
irgendeinen anderen tuberkulösen Herd in den übrigen Körperteilen 
führe zum Schluss, dass die Infektion, mindestens für die meisten 
Fälle, von aussen her durch die Urethra erfolge und dass in gleicher 
Weise die tuberkulöse Infektion von der Harnblase aus durch den 
Ureter zur Niere gelangen kann. 

v. Bram an n (28) spricht davon, dass zweifellos die Hodentuber¬ 
kulose als ganz primäre, alleinige und isolierte tuberkulöse 
ARektion bei "im übrigen vollkommen gesunden Individuen beobachtet 
wurde. Er ist der Meinung, dass die Koch sehen Bazillen durch 
die Samenkanälchen zum Hoden einwandern können. 

Cholzow (100), der in 7 Jahren mehr als 200 Fälle von Genital¬ 
tuberkulose untersuchte, von denen nur 25 von Tuberkulose der uro- 
poietischen Organe begleitet waren, bemerkte, dass sehr oft der 
tuberkulöse Vorgang in dem Epithel und in den Wänden der 
Sa me lisch lau cli e begann. Er stellt sich daher auf den Stand¬ 
punkt der von aussen her durch den Samenweg kommenden Infektion. 
Die Genitaltuberkulose ist nach ihm gar nicht so oft sekundär, wie 
man anzunehmen pflegt, denn von 74 Fällen zeigten nur 19 gleich¬ 
zeitig Tuberkulose anderer Organe. Die Infektion durch den 
Blutstrom ist nicht zu häufig und er ist auch nicht der einzige und 
allein mögliche Infektionsweg. Unter den 74 Fallen beobachtete er 
nur fünfmal eine Tuberkulose der Niere; bei Urogenitaltuberkulose 
ist die Niere also zweifellos nicht immer der Ausgangspunkt der 
Infektion. 

Sehr wertvoll sind die Experimente von Delli Santi (59), der 
die Tuberkelbazillen in die Urethra injizierte und schon 
nach drei Tagen die Bazillen in den Hoden wiederfand. Er 
spritzte dann eine Emulsion von diesen Hoden unter die Haut von 
Meerschweinchen; die so injizierten Tiere starben nach einem Monate 
an allgemeiner Tuberkulose, woraus er schliesst, dass auch bei nor¬ 
malen Zuständen die Infektion des Hodens von der Urethra her statt¬ 
finden kann, und zwar auch ohne irgend eine Erkrankung 
der zwischen liegenden Organe. 


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15] 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


390 


Auch Paladino-Blandini (48) spritzte in die Urethra von 
Kaninchen tuberkulöse Stoffe und schon nach drei Stunden fand er 
Tuberkelbazillen im Nebenhoden: unter 10 Fällen zweimal auch im 
Hoden. Nach Resektion eines Samenleiters spritzte er die 
Bazillen in die Urethra: in den dem resezierten Samenleiter 
entsprechenden Hoden fand er keinen einzigen Bazillus, während 
im Hoden mit unberührtem Samenleiter eine Menge davon zu beob¬ 
achten war. — Krämer (65) konnte die Tuberkulose des Hodens er¬ 
zeugen, indem er den Samenleiter umschnürte und danach den Impf¬ 
stoff im Lumen desselben, an einem Punkte zwischen dem Hoden und 
der Ligatur gelegen, injizierte. Cornet (66) meint, dass die Infektion 
oft aus der Urethra kommt. — Ziegler (75) sagt, dass unter den Ent¬ 
zündungserregern die von der Urethra durch das Vas deferens 
zum Nebenhoden gelangen können, die Gonokokken und 
die Tuberkelbazillen die wichtigsten sind. 

Teutschländer (78) nimmt auch an, dass die Tuberkulose 
vom Hoden aus zu den Samenblasen (urethropetale) oder in umgekehrter 
Richtung (testipetale), d. h. nach dem Samenstrome oder 
diesem entgegen, sich ausbreiten kann. lr\ beiden Formen können 
die Bazillen im Lumen des Samenleiters sich ausbreiten, und 
zwar durch einen pathologischen Sekretstrom. — Der primäre Sitz 
der Infektion ist bald im Hoden und Nebenhoden, bald in den Samen¬ 
blasen zu finden, was praktisch von grosser Wichtigkeit ist. Im 
ersteren Falle muss man den kranken Teil sobald als möglich ent¬ 
fernen, um den Gesamtorganfsmus vor dem Übergreifen der Affektion 
zu bewahren; im zweiten Fall dagegen, wenn die Affektion der Ge- 
schlechtsdrüse von einer der Samenblasen herkommt, oder beide von 
anderen Organen, metastatisch, ist die Operation wenig nützlich. 

Kuhn (79) ist der Meinung, dass die Gonokokken gegen den 
Samenstrom durch den Samenleiter zur Geschlechtsdrüse gelangen. 
Was die Tuberkelbazillen betrifft, so teilt er drei Obduktionsbefunde 
mit, die vermuten lassen, dass die Tuberkulose gegen den Sekretstrom 
sich ausbreiten kann. 

Im Falle von gleichzeitiger Affektion der Uro- und Genitalorgane 
nehmen die einen Autoren an, dass der Hoden der primäre Sitz der 
Tuberkelbazillen ist, die von da allmählich durch den Samenleiter, 
der Urethra, Harnblase und dem Ureter zur Niere gelangen. Die 
anderen dagegen meinen, dass umgekehrt die Bazillen die Niere 
durch Ausscheidung passieren und hierauf zur Harnblase herabsteigen, 
um von da durch die Urethra, Prostata, den Samenleiter zum Hoden 
zu gelangen. 


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400 


Arturo Balliano. 


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Kocher (9) ist zu dieser Meinung gelangt, weil man oft eine 
Tuberkulose des Samenleiters findet, während der Hoden und alle 
Elemente des Samenstranges gleichzeitig wohlbehalten und gesund 
sind, was bestätigen würde, dass die Infektion im Innern des 
Samenleiters zu den Hoden geht. Eine Tuberkulose der Lymph- 
und Blutgefässe und des Bindegewebes des Samenstranges müsste 
dagegen eine Ausbreitung der Infektion durch die Lymphwege an¬ 
deuten. 

Pauchet (108) drückt sich folgendermassen aus: „Der Tuberkel¬ 
bazillus wird durch den Urin ausgeschieden. Im Augenblick, wo 
dieser bazillenhaltige Urin durch die Urethra posterior geht, erreicht 
der Tuberkelbazillus die Samenwege. (Der Koch sehe Bazillus steigt 
den Urinstrom herab und die Samenwege empor.) Bei seinem Durch¬ 
gehen durch die Samenwege infiziert er entweder nur eine Abteilung 
der Geschlechtswege oder dieselben in toto, und dadurch entstehen 
Läsionen von verschiedenem Aussehen und Entwickelungsstufen, je 
nach der Virulenz des Bazillus und der Widerstandsfähigkeit des 
Kranken.“ — v. Bruns, Dürr, Finckh, Haas verteidigen dagegen 
die Theorie der Ausbreitung der Infektion von dem Hoden zur Urethra, 
Harnblase und den Nieren, d. h. sie verlegen den primären Sitz der 
Infektion in die Hoden. 

Wo hat aber die Hodeninfektion in diesem Falle ihren Ursprung 
genommen? Ist dieselbe hämatogen oder ektogen? Die klinischen 
Fälle von Infektion gegen den Sekretstrom sind übrigens sehr häufig 
und zwar geschieht die Infektion nicht # bloss durch selbstbewegliche 
Keime, sondern auch durch bewegungslose Kokken. Allgemein be¬ 
kannt ist die Nebenhodenentzündung durch Gonokokken, die gleich 
wie die Tuberkelbazillen bewegungslos sind und nichtsdestoweniger 
sehr oft und leicht gegen den Sekretstrom an den Nebenhoden ge¬ 
langen. 

Macaigne und Vanverts (33) berichten über einen operierten 
Fall von eiteriger Nebenhodenentzündung, welcher durch 
den Friedländer sehen Bazillus hervorgerufen worden war. Der 
Bazillus zeigte sich in reiner Kultur und die Autoren meinen, dass 
er von aussen her durch die Urethra gekommen ist. 

Die Nieren sind ihrerseits gleich entzündlichen Vorgängen ähn¬ 
lichen Ursprungs ausgesetzt; so entsteht die Pyelonephritis durch 
unreinen Katheterismus, durch Prostatahypertrophie usw. Die Ent¬ 
zündungen werden von den gewöhnlichen Eiterkokken hervorgerufen, 
die den langen Weg, trotz des Urinstromes, der ohne Zweifel viel 
stärker ist als der Samenstrom, durchwandern. Sogar Fälle von 
Pyelonephritis wurden beobachtet, welche durch Gonokokken hervor- 



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17] 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


401 


gerufen worden waren, die gegen den Urinstrom bis zur Niere empor¬ 
stiegen [Bossos (107)]. 

Dass auch die Tuberkelbazillen in derselben Weise von der Harn¬ 
blase zu den Nieren gelangen können, geben viele Autoren zu; unter 
anderen Weigert, der diese Form von Nierentuberkulose „Pyelo¬ 
nephritis tuberculosa“ nennt, die in ähnlicher Weise wie die aus 
Eiterkokken erzeugte Pyelonephritis verläuft. 

Auch Al bar ran (92) nimmt die aszendierende Form der Nieren¬ 
tuberkulose an, wenn dieselbe auch, wie sagt, nicht zu häufig vor¬ 
kommt. 

Rovsing (93) gibt nicht nur diese Form zu, er glaubt sogar, dass 
sie gar nicht selten ist. — Carlier (94) dagegen ist der Ansicht, 
dass diese aszendierende Infektion unter eigentümlichen Umständen 
zwar stattfinden kann, aber, dass die durch den Kreislauf des Blutes 
(hämatogene) entstandene häufiger ist. Derselben Meinung sind auch 
Federo w (95), Bromgersma (91), Illy ös (97). — Wild bolz (106) 
injizierte tuberkulöse Stoffe im Lumen des Ureter mit freiem 
Abfluss des Urinstromes bei Hunden und beobachtete das 
Entstehen der Nierentuberkulose nur an der injizierten Seite, die er 
durch direktes Aufsteigen der Bazillen gegen den Urinstrom hervor¬ 
gerufen glaubt. — Wenn er die Impfstoffe in die äusseren Wände 
des unteren Teiles des Ureter injizierte (extrakanalikulär), sah er 
nur dann die Infektion entstehen, wenn sich ein tuberkulöses Knöt¬ 
chen durch das Innere des Ureters brach. — Er ist zum Schlüsse 
gekommen, dass auch bei den Menschen die Infektion von der Harn¬ 
blase zu den Nieren gehen kann. — Giani (73) dagegen schliesst 
diese Möglichkeit bei unbehindertem Urinabfluss aus. 

Ähnliche Ergebnisse kann man bei anderen drüsigen Organen 
beobachten; so zum Beispiel zeigt die Leber Entzündungen der Gallen¬ 
wege, die durch aus dem Darm gekommene Bazillen hervorgerufen 
werden. — Wir müssen auch die eiterige parenchymatöse Mastitis 
erwähnen, die durch von aussen kommenden Eiterkokken verursacht 
wird, die in die Milchgänge steigen. — Ebbinghaus (61) glaubt, 
dass auch die Tuberkelbazillen in ganz gleicher Weise von 
aussen her in die Milchgänge dringen und den Milchstrom aufwärts 
gehen können. — Reerink (102) dagegen verwirft, auf Grund der 
Ähnlichkeit mit den männlichen Geschlechtsorganen, für welche, wie er 
sagt, dieser Ausbreitungsweg noch nicht einwandsfrei bewiesen worden 
ist, diese Meinung. — Gau di er und P e r a i r e (30) illustrierten drei 
Fälle von Milchdrüsentuberkulose, bei welchen die Infektion ihren 
Ausgangspunkt weder im Zwischengewebe, noch an den Blut- und 
Lymphgefässen, sondern in dem Epithel zeigte. 


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402 Arturo Balliano. [18 

Mintz (56) berichtet über einen Fall von primärer Parotistuber- 
kulose, bei welchem seiner Meinung nach die Tuberkelbazillen durch 
den Stenonisgang zur Drüse gelangten. Auch Leguen und Marien 
(29) teilen einen Fall von primärer, isolierter Parotistuberkulose mit: 
auf Grund histologischer Untersuchungen sind die Verfasser zum 
Schlüsse gekommen, dass die Tuberkelbazillen den Ductus Stenonianus 
aufwärts gehen müssen. 

Entzündliche Erscheinungen an der Schleimhaut erleichtern die 
Ausbreitung der Bazillen in den Drüsengängen. — In den patholo¬ 
gischen Sekreten bilden sich vielleicht gegen die physiologische Rich¬ 
tung gerichtete Ströme, welche durch unregelmässige Zusammen¬ 
ziehungen der Ausführungsgänge erzeugt werden. 

Forkel (111) studierte einen Fall, bei dem die linke Niere eine 
schwere aszendierende Tuberkulose zeigte infolge eines Druckes, welcher 
von einer Geschwulst auf den Ureter ausgeübt wurde; eine Sekret¬ 
stauung war dadurch im Ureter entstanden. — Im Genitalgebiete ist 
eine Samenstauung in den Samenblasen noch leichter zu verstehen; 
es ist dies fast ein physiologisches Ereignis. Kein Wunder also, dass 
dort die Tuberkelbazillen sich vermehren, sich in Häufchen zeigen 
und sich bis an den Hoden erstrecken können. 

Noch ist eine bedeutende Eigentümlichkeit des Sitzes der Affek¬ 
tion zu erwähnen. Bei gonorrhoischen Fällen, wie auch bei solchen, 
die durch unreinen Katheterismus hervorgerufen werden usw., endlich 
auch bei Komplikationen, die durch die aus der Urethra kommenden 
Keime erzeugt werden, wird zuerst der Nebenhoden befallen; in ganz 
ähnlicher Weise wird auch bei der Tuberkulose oft der Nebenhoden 
primär krank. Diesem gleichen Verhalten nach darf man annehmen, 
dass die Tuberkelbazillen den gleichen Weg gegen den Strom gehen, 
um in die Geschlechtsdrüse zu gelangen. 

In dieser Beziehung gehen also die Meinungen noch auseinander. 
In unserem Fall glauben wir, dass man das ausschliessliche 
Vorhandensein der Tuberkelbazillen im Lumen der 
Samenkanälchen und di e mehr oderwenigervorgeschrit- 
tenen Läsionen des um gebenden Zwischengewebes, letz¬ 
tere allmählich mit der Entfernung von den Tubuli ab¬ 
nehmend, damit erklären kann, dass man annimmt, die 
Samenkanäle selbst seien der primäre Sitz der Bazillen, 
welche von aussen her durch die Urethra, Prostata, in 
die Samenblasen und den Samenleiter gekommen sein 
müssen, in derselben Weise, wie sie es bei anderen Organen tun 
und wie viele andere Bakterien, die die natürlichen Wege gehend, 


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19] Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 403 

ähnliche Läsionen des Hodens und anderer drüsiger Organe hervor- 
rufen. Man könnte zwar im letzteren Falle erwidern, dass der von 
den Bazillen zurückgelegte Weg zum Nebenhoden seinerseits hätte 
erkranken müssen. Aber die Mitleidenschaft desselben ist durchaus 
nicht nötig, denn in der Tat können wir oft eine Tuberkulose des 
Nebenhodens und gleichzeitig der Samenblasen mit vollkommenem 
gesundem zwischenliegendem Samenleiter beobachten. Dieser selbst 
kann sogar mehrere Knoten haben, die durch gesunde zwischen¬ 
liegende Teile von einander getrennt sind. 

Sogar ausgedehnte Lungentuberkulose kann durch Luftinfektion 
mit gleichzeitiger gesunder Schleimhaut der Luftwege Vorkommen; 
so konnten wir auch eine Pyelonephritis mit unbehaftetem Ureter 
beobachten. Diese Tatsache steht mit der verschiedenen Widerstands¬ 
fähigkeit des Epithels und den verschiedenen Abschnitten des von 
den Krankheitserregern zurückgelegten Weges in Zusammenhang. 

Was nun die Hypothese von einer aus der Niere durch die 
Harnblase, Urethra und Samenwege zur Geschlechtsdrüse gekommene 
Infektion betrifft, so können wir neben dem oben ausführlich Ge¬ 
sagten nur noch bemerken, dass dieselbe nur dann erörtert werden 
könnte, wenn gleichzeitig Läsionen des Genitals und des uropoieti- 
schen Systems vorhanden wären, was bei unserem Kranken nicht der 
Fall war. Es fehlten tuberkulöse Herde im Körper, aus welchen 
die Tuberkelbazillen hätten herstammen können. Deshalb wollen wir 
nicht weiter davon sprechen. 

Nur noch wenige Worte über den Ausgang, den die oben be¬ 
schriebene AfFektion haben könnte. 

Die Krankheit hätte fortschreiten und sich ausbreiten können 
bis zur völligen Zerstörung des Hodens, Eiterung, Fistelbildung usw., 
wie es gewöhnlich der Fall ist. — Manchmal aber ist die Widerstands¬ 
fähigkeit der Organismus überwiegend und die Infektion erschöpft 
sich nach dem Absterben der Bazillen. Die nekrotischen Gewebe 
verschwinden, die Samenschläuche werden durch verhärtetes Binde¬ 
gewebe ersetzt; und dadurch entsteht die klinische, wenn auch nicht 
die anatomische Heilung, oder wenigstens die Einhüllung des kranken 
Teiles, was uns oft die Obduktion zeigt. So hätte unser Fall in 
Orchitis fibrosa ausgehen können, über deren Ursprung noch 
lebhafter Streit besteht. Diese Krankheit wird von den meisten 
Autoren der Syphilis zugeschrieben. Die syphilitische Infektion reinen 
hämatogenen Ursprungs, primär im Zwischengewebe liegend, bringt 
letzteres zuerst zur Vermehrung mit darauf folgender Vergrösserung 
des Hodens. Im Laufe der Zeit verhärtet sich das junge Binde- 

Beitrlge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 3. 27 


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Arturo Balliano. 


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gewebe, die Haargefässe werden gedrückt, die Epithelzellen werden 
durch den Druck und Ernährungsmangel schmal, sterben und ver¬ 
schwinden, und so entsteht die Orchitis fibrosa. — Aber schon Chiari 
trat in der dritten Sitzung der deutschen pathologischen 
Gesellschaft — Haag 1900 — gegen diesen ausschliesslichen 
Standpunkt auf. Er meint, dass auch andere Entzündungsvor¬ 
gänge, welche von aussen her durch die Urethra und Samen¬ 
wege an den Hoden gekommen sind und das Epithel der Tu¬ 
buli primär befallen (wie z. B. die gonorrhoischen Infek¬ 
tionen), infolge der Zerstörung der Epithellagen, reiches Bindegewebe 
entstehen lassen und so die Orchitis fibrosa erzeugen können. 
Derselben Meinung sind auch Ponfich, Hansemann, Lubarsch 
und andere. — Fränkel (76) sagt, der Grund der Orchitis fibrosa 
sei eine Affektion der Samenschläuche mit darauf folgender Zerstö¬ 
rung des Lumens derselben; man kann also von einer Spermato- 
angiitis fibrosa obliterans sprechen. Dieses narbige Gewebe 
hat nichts mit der Syphilis zu tun, da eine Vermehrung des Zwischen¬ 
gewebes fehlt. Die Gonorrhöe, seltener die Tuberkulose, ist von 
grosser Wichtigkeit für die Entstehung der Orchitis fibrosa. 

Das gleiche gilt für die Nephritis parenchymatosa. Das zer¬ 
störte Epithel wird durch Bindegewebe ersetzt, das zur Sklerosis der 
Niere führt. Der allgemeine Satz kommt also zur Geltung, dass die 
höheren Elemente wie z. B. Epithelien, Nervenzellen und Fäden, 
Muskelfasern usw., wenn sie zugrunde gegangen sind, meistens durch 
niedriges Gewebe, d. h. junges Bindegewebe (Narbe) ersetzt werden. 
Es kann auch sein, dass in unserem Falle, wenn die Affektion sich 
selbst überlassen geblieben und der Organismus die Krankheit über¬ 
wunden hätte, ein ähnlicher Erfolg zustande gekommen wäre. 

In der Tat kein Wunder, wenn man die mannigfaltigen klini¬ 
schen und anatomischen Erscheinungen ins Auge fasst, die der Tu¬ 
berkelbazillus hervorrufen kann. Neben der gewöhnlichen Tuber¬ 
kulose der Knochen, Gelenke, Haut, des Darms, der Lymphwege, Lungen, 
Geschlechtsorgane usw., steht heute fest, dass die Tuberkulose auch 
verdächtige Vorgänge erzeugen kann, deren Ursprung bis jetzt dunkel 
war. — So berichtet Keersmacher (96) über Albuminurien und 
chronische Nephritis, die vom Tuberkelbazillus verursacht wurde, und 
hebt hervor, dass eine Infektion von Tuberkelbazillen erzeugt, wie 
ein gewöhnlicher Entzündungsvorgang, ohne Eigentümlichkeiten fort¬ 
schreiten und ohne KnotenbilduDg zu Sklerosis führen kann. Die 
letztere ist nicht von den im Blut kreisenden, vielmehr durch die 
Toxinen verursacht, welche die im Gewebe vorhandenen Bazillen in 
loco erzeugen. 



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Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


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Liebermeister (101) hat eigentümliche Veränderungen der 
Venen, Arterien, Nerven usw. bei tuberkulösen Individuen beschrieben, 
welche nicht das gewöhnliche histologische. Bild der Tuberkulose 
zeigten: er hat bewiesen, dass man dieselben trotzdem zu dem Koch- 
schen Bazillus und seinen Toxinen zuschreiben kann. —Auch Heyn 
(53) hat feststellen können, dass der Tuberkelbazillus in vielen Or¬ 
ganen, wie Lungen, Nieren, Prostata usw. einfache Entzündungen 
erzeugen kann, die in narbige Verhärtung übergehen können, ohne 
irgendeine eigentümliche tuberkulöse Erscheinung zu zeigen, was mit 
der Widerstandsfähigkeit des Organismus und der Virulenz des Ba¬ 
zillus in Zusammenhang zu bringen ist. 

Wenn wir nun das oben Erwähnte kurz zusammenfassen, so scheint 
es, als wenn zwei Formen von Hodentuberkulose existierten: Die ge¬ 
wöhnliche klinische Form der Tuberkulose, die sich öfters primär 
am Nebenhoden ansiedelt, mit Bildung von einzelnen Knötchen. Diese 
gelangen bald zur Verkäsung und Eiterung mit Fistelbildung, welche 
Form als eine metastatische, von im Blut kreisenden Bazillen er¬ 
zeugte und primär im Zwischengewebe sitzende Tuberkulose zu be¬ 
trachten ist. Ausserdem kann man auch eine seltene und eigentüm¬ 
liche Form der Hodentuberkulose antreffen, bei der die Infektion 
von aussen her durch die natürlichen Wege, d. h. durch Urethra, 
Prostata, Samenleiter erfolgt. Sie ergreift meistens den ganzen Hoden 
und Nebenhoden gleichzeitig, hat ihren primären Sitz im Innern der 
Samenkanälchen und ruft reaktionsweise eine Vermehrung des Zwischen¬ 
bindegewebes hervor, mit kleinzelliger Infiltration und allgemeiner, 
gleichmässiger Vergrösserung der Geschlechtsdrüse, was dieser Form 
das Aussehen eines Sarkoms gibt. In den fortgeschrittenen Stadien 
entsteht Verkäsung und Zerstörung des Organes. Wenn aber das 
organische Schutzvermögen die Infektion* überwinden und vernichten 
kann, dann kann die klinische Heilung entstehen mit Verhärtung 
* der Drüse (Orchitis fibrosa) in derselben Weise, wie wir es bei 
Obduktionen an erloschenen und narbigen tuberkulösen Herden an¬ 
derer Organe zu beobachten gewöhnt sind. 


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Arturo Balliano. 


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Beiträge zur Klinik der Tuberkulose . Bd. XX J 


Fig. 3 ( ] a natQrl. Grösse). 


Balliano, Ein Fall von primärer Tuberkulose der Samenkanälchen des Hodens und 

des Nebenhodens. 


Gurt Kabitzsch, Kgl. Univ.*Verlagsbuchhandler, Wflrzburg. 


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27] 


Über einen Fall von primärer Tuberkulose etc. 


411 


Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 1 . 

(Reichert — Ob. 3 — Oc. 2.) 

t = Samenkanälchen, unförmige Trümmer von nekrotischen Epithelien ent¬ 
haltend, von noch gut erhaltenem Zwischenbindegewebe umgeben (Anfangsstufe 
des Prozesses). — t = nekrotische Tubuli. Die Nekrose hat sich schon auf das 
umgebende Zwischengewebe ausgebreitet. — z = nekrotische Herde des Zwischen¬ 
gewebes. — ip = kleinzellige Infiltration. — ci = vermehrtes Zwischengewebe. 

Fig. 2. 

(Reichert — Ob. Imm. hom. l /n — Oc. 4) 
t = Trümmer des Samenepithels im Innern des Samenkanälchens liegend. — 
ci = Zwischengewebe. — z = nekrotisches Bindegewebe. — bk = Tuberkelbazillen 
(etwas zu gross gezeichnet). 

Fig. 3. 

Senkrechter von vorn nach hinten durchgeführter Schnitt ( 1 j 2 natürlicher Grösse). 

di = Hode. — e = Nebenhode. — de = Samenleiter. — cs — Samenstrang¬ 
elemente. — vi= Vaginalis interna. — ve = Vaginalis externa. — m = binde¬ 
gewebiger Streifen, den Hoden vom Nebenhoden trennend. 


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Aus dem Kinderspitale der Wiener allgem. Poliklinik. (Vorstand: 
Prof. Dr. F. Hamburger.) 


Die Entwickelung der Tuberkulinempfindlichkeit 
im Inkubationsstadium der Tuberkulose. 

Von 

Dr. Karl Dietl, 

Assistenten der Abteilung. 


Über das Verhalten der Tuberkulinempfindlichkeit des Organis¬ 
mus kurz nachdem die Infektion mit Tuberkelbazillen stattgefunden 
hat, also während des Inkubationsstadiums der Tuberkulose, sind wir 
noch wenig unterrichtet. 

Es liegt eigentlich darüber nur eine einzige Publikation vor, die 
von Hamburger: „Über die Entwickelung der Tuberkulinempfind¬ 
lichkeit beim Kinde 

Ist doch aus rein äusseren Gründen die Feststellung, wo und 
wann ein Individuum sich mit Tuberkulose infiziert hat, eine ziem¬ 
lich schwierige; und nur dann, wenn man mit Sicherheit weiss, dass 
ein bis zu einer bestimmten Zeit tuberkulosefreier Mensch plötzlich 
anfängt, auf Tuberkulin zu reagieren, nachdem er mit einem Bazillen- 
huster kürzere oder längere Zeit beisammen war, kann man daran¬ 
gehen seine Tuberkulinempfindlichkeit unmittelbar nach der Infektion 
in dem Verlaufe ihrer Entwickelung zu verfolgen. 

Diese Voraussetzung trifft bei dem zwölfjährigen Knaben J. N. 
zu, der im März 1912 wegen Enuresis auf unserer Abteilung aufge¬ 
nommen wurde. Wiederholt vQrgenommene Tuberkulinapplikationen 
— teils kutan nach der v. Pirquetschen Methode, teils subkutan 
(0,1—1 mg) — führten stets zu einem negativen Ergebnis, so dass • 
man mit Recht den Knaben für tuberkulosefrei halten konnte. 
Diese erwähnten Tuberkulinproben wurden deswegen angestellt, weil 


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Karl Dietl. 


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ja während eines längeren Aufenthaltes in einem Kinderspital die 
Gelegenheit zu einer Infektion mit Tuberkulose des öfteren vorhanden 
ist und somit auch in unserem Falle mit einer gewissen Wahr¬ 
scheinlichkeit zu erwarten war. Aber lange Zeit hindurch, vom März 
bis zum Juli, blieben die Proben ergebnislos. 

Plötzlich trat am 16. VII. 1912 nach einer tags vorher gemachten 
Injektion von 1 mg Tuberkulin, d. i. 0,1 ccm hundertfach verdünnten 
konz. Tuberkulins, eine sehr deutliche Stichreaktion auf, während eine 
noch am 12. VII. vorgenommene Injektion derselben Dosis nicht die 
Spur einer Rötung oder eines Infiltrates gezeigt hatte. Hingegen war 
dann am 18. VII., nachdem man abermals 1 mg Tuberkulin ein¬ 
gespritzt hatte, die Reaktion genau so deutlich positiv wie am 16. VII. 

Wir hatten es also mit einem frisch infizierten Individuum zu 
tun, das, wie sofort gezeigt werden soll, am 12. VII. zwar schon in¬ 
fiziert war, aber auf 1 mg noch nicht reagierte, was auch nur bei 
einem ganz frisch infizierten Individuum möglich ist, da Menschen, 
die sich in früherer Kindheit infiziert haben, im Alter von 12 Jahren, 
wenn sie sonst gesund sind, auf 1 mg sehr stark reagieren, wie 
man aus Erfahrung weiss. Die Infektionsquelle in unserem Fall 
konnte tatsächtlich mit grösster Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. 

Wir wissen, dass unser Knabe trotz aller Vorsichtsmassregeln mit 
einem Phthisiker zusammenkam, der vom 21. VI. bis 2. VH. auf unserer 
Abteilung lag und in dessen Sputum wiederholt Tuberkelbazillen nach¬ 
gewiesen wurden. Und ferner wissen wir auch, an welchen Tagen 
die beiden Kinder miteinander spielten und auf diese Weise in 
näheren Kontakt kamen und wir können mit grösster Wahrscheinlich¬ 
keit behaupten, dass die Infektion zwischen dem 24. und 28. VH. er¬ 
folgt ist. Man kann hier wieder die Beobachtung machen, dass 
nur der Phthisiker, also der Bazillenhuster, als Infektionsquelle 
in Betracht kommt, denn unser Knabe war früher wiederholt mit 
einer Menge „skrofulöser“ Kinder viele Stunden des Tages beisammen, 
ohne jemals, wie die stets negativen Tuberkulinproben zeigten, eine 
Infektion davongetragen zu haben. 

Wir gingen nun, als am 16. VH. zum erstenmal eine deutlich 
positive Stichreaktion auf 1 mg Tuberkulin aufgetreten war, daran, 
bei unserem frisch infiziertem Falle die Entwickelung der Tuberkulin¬ 
empfindlichkeit näher zu prüfen. 

Das hierbei eingeschlagene Verfahren ist aus dem mitgeteilten 
Protokoll ersichtlich. 

Ausserdem verdient Erwähnung, dass unser mit Tuberkulose in¬ 
fizierter Patient, der eine so hohe Tuberkulinempfindlichkeit erreichte, 



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3] 


Die Entwickelung der Tuberkulinempfindlichkeit etc. 


415 


wie man aus dem Protokoll ersehen kann, niemals wirklich krank 
war und absolut keinerlei Veränderungen seiner Organe erkennen Hess. 
Auch die röntgenologische Untersuchung führte zu einem negativen Resul¬ 
tat. Die Temperaturkurve zeigt stets geringe Tagesschwankungen von 36,6 
bis 37,1 und nur vom 8. bis 14. August fieberte das Kind, was auf einen 
Drüsenabszess, der von einer nicht steril genug gemachten Injektion 
herrührte, zurückzuführen war. Auch gegenwärtig soll, wie die 
Direktion des Waisenhauses, in das der Knabe gebracht wurde, mit¬ 
teilte, sein Befinden ein sehr gutes sein. 

Betrachten wir nun die Entwickelung der Tuberkulinempfindlich¬ 
keit unseres Knaben an der Hand der im Protokoll verzeichneten Tuber¬ 
kulinreaktionen, wobei wir daran festhalten, dass die Infektion mit 
allergrösster Wahrscheinlichkeit zwischen dem 24. und 28. VI. erfolgt ist. 
Was zunächst die Pirquet sehe Kutanreaktion betrifft, so ist dieselbe 
vom 17. VII. bis 30. VH. stets negativ und wäre somit auch in der 
Zeit vom 28. VI. bis 17. VH. immer negativ ausgefallen. 

Wir können also mit Hilfe der Kutanreaktion den ganzen Zeit¬ 
raum unserer Untersuchung (17. VII. bis 27. VIII.) in zwei Hälften 
zerlegen:. In der ersten Hälfte ist der „Pirquet“ negativ (bis 
30. VII.), in der zweiten Hälfte positiv (vom 30. VH. bis 27. VIII.). 

Die viel empfindlichere Stichreaktion aber zeigt ein anderes Ver¬ 
halten. Auf die relativ kleine Dosis von 1 mg tritt schon am 16. VII. 
eine deutliche Reaktion auf und wir können mit aller Wahrscheinlich¬ 
keit behaupten, dass schon zwischen dem 28. VI. und 16. VII. auf 
grössere Dosen (10—100 mg) positive Reaktionen aufgetreten wären. 
Analysieren wir aber die Stichreaktionen genauer, so zeigt sich für die 
Zeit vom 17. VII. bis 3. VIII. ein deutlicher Unterschied der Emp¬ 
findlichkeit in bezug auf ihre Grösse und dann in bezug auf 
ihre Steigerungsfähigkeit gegenüber dem Zeitraum vom 3. VIH. 
bis zum Ende der Untersuchung am 27. VIH. Eingespritzte Tuber¬ 
kulinmengen, die kleiner sind als 0,1 mg gaben nur ganz schwache, 
nicht sicher positive Reaktionen und nur die Injektion von 0,1 mg ruft 
eine stärkere Rötung und eine deutliche Infiltration hervor. Bei 
wiederholter Tuberkulinapplikation steigert sich die Empfindlichkeit 
nur langsam und nicht wesentlich, denn wenn auch z. B. am 24. VII. 
auf die Injektion von 0,01 mg eine stärkere Reaktion auftritt, so 
wird diese am 31. VII. durch eine um so schwächere wieder wett 
gemacht. 

Ganz anders in der zweiten Untersuchungsperiode! Da ruft die 
Injektion von 0,01 mg eine sehr starke Reaktion hervor und bei 
wiederholter Tuberkulinapplikation immer kleinerer Dosen steigert sich 


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8. vm. 9. YIII. 10. VIII. 11. VIII. 12. VIII. 13. VIII. 14. VIII. 15. VIII. 16. VIII. 17. VIII. 


5] 


Die Entwickelung der Tuberknlinempfmdlichkeit etc. 


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Karl Dietl. 


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die Empfindlichkeit so bedeutend, dass am 27. VIII. 0,0000001 mg 
eine stärkere Reaktion bewirkt als vor 5 Wochen am 18. VII. 0,01 mg 
d. i. die hunderttausendmal so grosse Dosis. 

Wir können — wie schon oben erwähnt — aus der Beobachtung 
der kutanen sowohl als der subkutanen Tuberkulinreaktion den ganzen 
Zeitraum unserer Untersuchung in zwei Perioden zerlegen. In der 
ersten (vom 28. VI. bis 3. VIII.) ist der „Pirquet“ negativ, die Stich¬ 
reaktion nur bei relativ grossen Dosen positiv, die Empfindlichkeit 
somit eine geringe und nur langsam ansteigende, in der zweiten 
Periode (vom 3. VIII. bis 27. VIII.) der „Pirquet“ deutlich positiv, 
die Stichreaktion auch bei den kleinsten Dosen positiv und die Emp¬ 
findlichkeit steigt sehr rasch bis zu einem bedeutenden Grade an. 

Diese eben getroffene Einteilung scheint mir aus folgendem Grunde 
wichtig zu sein: Man pflegt die Zeit unmittelbar nach der Infektion 
bis zum Eintritt der ersten klinisch manifesten Krankheitserschei¬ 
nungen als Inkubationszeit zu bezeichnen. Das Auftreten der ersten 
Krankheitserscheinungen hängt nach der Lehre von v. Pirquet und 
Schick mit dem ziemlich plötzlichen Auftreten antikörperähnlicher 
Substanzen zusammen, die mit den Krankheitserregern giftige Reaktions¬ 
produkte bilden und dadurch die klinisch manifesten Krankheits¬ 
symptome bewirken. Gleichzeitig damit ist eine spezifische Umstim¬ 
mung des Organismus erreicht, die sich dadurch äussert, dass er auf 
die Einbringung der Krankheitserreger bzw. deren Derivate deutlich 
reagiert. Und zwar fällt gewöhnlich der Höchstgrad der 
spez. Umstimmung mit dem Auftreten der Krankheits¬ 
erscheinungen zeitlich zusammen. Nun haben in unserem 
Falle klinisch manifeste Krankheitserscheinungen wohl gefehlt, die 
spezifische Umstimmung aber war vorhanden, wie aus dem Protokoll 
ersichtlich ist, und sie hat auch, wie die Beobachtung der Pirquet¬ 
schen Reaktion zeigt, den Höchstgrad erreicht, der durch den plötzlich 
positiven Ausfall der Kutanreaktion (am 31. VII.) gekennzeichnet ist. 
Wir können somit — die P irquetsche Reaktion gleichsam als einen 
Indikator benützend ohne uns auf eine genaue Abgrenzung nach Tag 
und Stunde einzulassen — die Zeit von Ende Juni bis Anfang 
August als Inkubationszeit in unserem Falle bezeichnen. 

Während, wie oben erwähnt, v. Pirquet *md Schick die An¬ 
sicht ausgesprochen haben, dass die Antikörper am Ende der Inku¬ 
bationszeit plötzlich auftreten und die spezifische Umstimmung des 
Organismus somit plötzlich in die Erscheinung tritt, hat Hamburger 
schon aus den Arbeiten Knöpfeimachers über die Kuhpoeken- 
vakzine den Schluss gezogen, dass schon während des Inkubations¬ 
stadiums eine spezifische Umstimmung vorhanden ist. Diese Annahme 



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7] 


Die Entwickeltmg der Tuberkulinempfindlichkeit etc. 


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führte auch zu den Untersuchungen über Inkubationszeit, die Ham¬ 
burger gemeinsam mit Grüner, Pollak, Schey und Toyofuku 
durchführte. In diesen Arbeiten wurde sowohl für die Tuberkulose 
(beim Meerschweinchen) als für die Serum- und Vakzineerkrankung 
(beim Menschen) der Beweis erbracht, dass schon vor dem Auftreten 
klinisch manifester Krankheitserscheinungen, also im sogenannten 
Inkubationsstadium eine spezifische Umstimmung des 
Organismus besteht. Daraus geht natürlich ohne weiteres her¬ 
vor, dass die Antikörper, die ja nach v. Pirquets Lehre für diese 
spezifische Umstimmung Bedingung sind, ebenfalls schon während 
des Inkubationsstadiums im ganzen Organismus vorhanden sind. 
Dieses allgemein gültige pathologische Gesetz findet in unserem Falle 
eine neuerliche Bestätigung. Vierzehn Tage schon bevor die Kutan¬ 
reaktion, die wir ja, wie oben erwähnt, als Indikator für die Dauer 
des Inkubationsstadiums im klinischen Sinne benützten, positiv 
wurde, war die spezifische Umstimmung aus dem positiven Aus¬ 
fall der viel empfindlicheren Stichreaktion deutlich nachweisbar. Wir 
sehen daraus wieder, dass der Begriff „Inkubationszeit“ zwar klinisch 
aber nicht theoretisch seine Berechtigung hat. Theoretisch ist der 
Organismus „krank“, sobald er infiziert ist, wenn eben „Kranksein“ 
identisch ist mit Umstimmung des Organismus. 

Wie verhält sich nun in unserem tuberkuloseinfizierten Fall die 
Tuberkulinempfindlichkeit ? 

Sie ist im Anfangs- resp. Inkubationsstadium gering, denn nur 
auf grössere Dosen Tuberkulin tritt eine deutliche Reaktion auf. Es 
sind also die Antikörper, deren Vereinigung mit dem Antigen d. i. 
Tuberkulin die Reaktion bewirkt, nur in geringen Mengen vorhanden. 
Sie steigt langsam an, d. h. die Antikörper vermehren sich anfangs 
nur langsam, sie steigt nicht kontinuierlich, sondern ruckweise, indem 
heute eine stärkere, morgen auf dieselbe Dosis eine schwächere Reaktion 
auftreten kann (vgl. im Protokoll die Reaktionen am 24. VH. u. 31. VII.). 
Diese Erscheinung erklärt sich vielleicht daraus, dass die anfangs nur in 
geringen Mengen vorhandenen Antikörper durch das Antigen fast 
völlig gebunden werden und somit dem neuerlich eingebraehten An¬ 
tigen nur sehr wenig Antikörper mehr entgegentreten. Alles dies 
stimmt völlig mit den Beobachtungen bei der Vakzination und Serum¬ 
krankheit überein, die Hamburger gemeinsam mit Pollak und 
Schey veröffentlicht hat. Auffallend ist schliesslich der Umstand, 
dass die Steigerungsfähigkeit der Tuberkulinempfindlichkeit im Anfangs¬ 
stadium (siehe im Protokoll die Zeit von 17. VII. bis 3. VIII.) eine 
sehr geringe, danach aber eine sehr bedeutende ist. Wir wissen 
freilich nicht, ob die wiederholte Tuberkulinapplikation diese Steige- 

Beitr&ge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 3. 28 


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420 Karl Dietl: Die Entwickelung der Tuberkulinempfindlichkeit etc. [8 

rung der Empfindlichkeit bewirkt, oder ob die Empfindlichkeit viel¬ 
leicht auch spontan einen so bedeutenden Grad erreichen würde. 
Jedenfalls aber können wir sagen, dass im Inkubationsstadium der 
Tuberkulose die Tuberkulinempfindlichkeit nur eine ganz unbedeutende 
Steigerungsfähigkeit zeigt. 


Literatur. 


F. Hamburger, Beitr. z. Klinik der Tuberkulose Bd. 17, H. 2. 

F. Hamburger und Toyofuku, Ebenda. 

F. Hamburger und Grüner, Wiener klin. Wocbenscbr. 1910, Nr. 9. 

F. Hamburger und Schey, Ebenda Nr. 23. 

F. Hamburger und Pollak, Ebenda Nr. 32. 

v. Pirquet und Schick, Die Serumkrankheit. Wien 1905. Verlag F. Deuticke. 


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Aus der Basler Heilstätte für Brustkranke in Davos. (Chefarzt: 

Dr. E. Nienhaus.) 


über einen in seiner Entstehungsweise eigen¬ 
artigen Fall von Stickstofembolie. 

Von 

Dr. Zink. 


Bei dem grossen Interesse, das alle Tuberkuloseärzte dem künst¬ 
lichen Pneumothorax entgegenbringen, ist es berechtigt, einen in 
seiner Entstehungsweise eigentümlichen Fall von Stickstoffembolie 
mitzuteilen und im Anschluss daran auf die Eutstehungsweise und 
das Krankheitsbild der Gasembolie näher einzugehen. 

Zum Glück ist die gefährliche und mit Beeilt so gefürchtete 
Komplikation bei der Anlegung des künstlichen Pneumothorax 
äusserst selten geworden; wenn sie auch noch heute zweifellos öfter 
beobachtet wird und längst nicht alle Fälle in der Literatur nieder¬ 
gelegt sind. 

Namentlich in der ersten Zeit, als die Operationsmethoden noch 
nicht zur jetzigen Höhe ausgebaut waren, werden w r ohl öfter mehr 
oder minder schwere Fälle von Gasembolien beobachtet sein, die 
teils nicht als solche erkannt wurden, teils wegen des günstigen 
Verlaufes der Veröffentlichung entgingen. Wer ist nicht schon bei 
Erstoperationen, ja selbst bei Nachfüllungen Zeuge schwerster 
Kollapse gewesen, die plötzlich ohne Vorboten blitzartig auf traten 
und deren Deutung oft auf grosse Schwierigkeiten stiess? Wie 
mannigfaltig ihre Ursachen sein können, ist aus der Literatur er¬ 
sichtlich. Forlanini schuf zu ihrer Erklärung das Krankheits- 
bild der Pleuraeklampsie, andere glaubten einen Herzschock vor 
sich zu haben. Verdrängungserscheinungen des Mediastinums, Ab¬ 
knickung der grossen Gefässe, zu grosse Belastung des rechten Ven- 

28 * 


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422 


Dr. Zink. 


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P 

trikels infolge zu hoher Druckwerte im Pneumothorax wurden als 
Erklärung herangezogen. Stickstoffembolien wurden dafür verant¬ 
wortlich gemacht, ja selbst der fast immer schon etwas alterierte 
nervöse Status des Phthisikers wurde beschuldigt. Hier Klarheit 
geschaffen zu haben, ist das grosse Verdienst Brauers. Er trennte 
das Krankheitsbild der Gasembolie von den anderen schweren Kompli¬ 
kationen und wies klar den A^eg zu ihrer Verhütung. Seinem rast¬ 
losen Arbeiten am Krankenbett und im Laboratorium haben wir es 
zu verdanken, dass die Pneumothoraxtherapie Gemeingut aller Tuber¬ 
kuloseärzte geworden ist. Sein Operationsverfahren, das mit der 
Forlaninisehen Methode wohl heute am meisten geübt wird, 
ist zur Genüge bekannt, so dass ich darauf nicht näher cinzugehen 
brauche. Doch möchte ich zum Verständnis unseres Falles das von 
uns geübte Operationsverfahren kurz schildern. In neuerer Zeit 
operieren wir gewöhnlich nach dem etwas modifizierten F o r 1 a n i n i - 
sehen Verfahren, nur in vereinzelten Fällen, in denen die Stich¬ 
methode versagt, versuchen wir, um nichts unversucht zu lassen, 
nach Brauer zum Ziel zu kommen. Doch meist auch dann ohne 
Erfolg. Allerdings gelang es uns jüngst in einem Fall, wo die 
Forlaninische Methode versagte, mit dem Schnittverfahren einen 
schönen Pneumothorax anzulegen. Wer aber einmal die elegante 
Forlan inische Operation in einem unkomplizierten Falle gesehen 
hat, wird nur zu leicht geneigt sein, sich ihr in allen Fällen zu¬ 
zuwenden. Zweifellos ist auch für den Patienten dieses Verfahren 
das angenehmere, wie andererseits der Arzt auf den grossen chirurgi¬ 
schen Apparat verzichten und, was nicht zu unterschätzen ist, in 
einer Sitzung an verschiedenen Stellen des Thorax die Punktion vor¬ 
nehmen kann, ohne den Kranken sonderlich zu belästigen. Ver¬ 
schiedentlich sind wir erst bei einer mehrmaligen Punktion zum 
Ziel gekommen. In einem Falle gelang es erst bei der fünften 
Punktion, einen therapeutisch wirksamen Pneumothorax zu erzielen. 
Doch soll man sich nicht absolut auf eine Methode versteifen. Eine 
kritische Auslese der Fälle wird auch hier den rechten Weg weisen. 
Jedenfalls wollen wir es nicht vergessen, dass wir es einzig und 
allein Brauer zu verdanken haben, dass die Pneumothoraxtherapie 
ein so wichtiger Faktor im Heilplan der Tuberkulose geworden ist. 
Wir gehen gewöhnlich so vor. Die mit einem Mandrin armierte 
und dem Manometer verbundene Saug mann sehe Nadel wird meist 
im vierten Interkostalraum zwischen Mamillar- und Axillarlinie ein» 
gestochen. Bei einiger Übung gelingt es in unkomplizierten Fällen 
spielend leicht, den freien Pleuraspalt zu finden. Das häufig ge¬ 
brauchte Mandrin gibt am besten über den Stand der Nadel Aus- 



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3 ] 


Über einen in seiner Entstehnogsweise eigenartigen Fall etc. 




kimft. Ob wir uns in Pleuraschwarten oder im freien Pleuraspalt 
befinden, zeigt es ziemlich sicher an, ebenso ob wir die Lunge 
verletzt haben. Natürlich wird es ohne Täuschungen nicht immer 
abgehen. Nachdem wir uns so über die Lage der Nadel orientiert 
haben, wird das Mandrin herausgezogen, auf etwaiges Anhaften 
von Blut geprüft und das Manometer eingeschaltet. Erst wenn wir 
dort einwandsfreie Ausschläge bekommen, lassen wir Stickstoff unter 
ganz geringem Druck einfHessen. 

Seit einiger Zeit verwenden wir Sauerstoff bei der Erstpunktion, 
um vor den gefährlichen Stickstoffembolien ganz sicher zu sein. 
Denn schwere Embolien sind bei der Sauerstoffverwendung bisher 
nicht beobachtet. Von dem ebenfalls erst in neuester Zeit auf¬ 
gestellten Röntgenapparat machen wir reichlich Gebrauch. Beide 
Neuerungen fehlten noch, als wir die Stickstoffembolie erlebten, 
doch wäre auch dadurch die betrübende Komplikation kaum ver¬ 
mieden worden. 

Die Krankengeschichte des Falles ist folgende: 

Frau J. W., 10 Jahre all, seit 3. Mai 1012 in der Heilstätte. Anamneslisch 
ist hervorzuheben, dass von seiten der Eltern keine Belastung bestand. Zwei 
Geschwister starben an Tuberkulose. Sie selbst machte ausser den Kinder¬ 
krankheiten in der Schulzeit Typhus durch, war sonst gesund. Verheiratet mit 
21 Jahren, ein Partus. In der Ehe stets gesund. Die jetzige Erkrankung begann 
im Frühjahr 1910. Nach mehrmaliger Influenzaerkrankung stellten sich Schmerzen 
im Rücken ein. Ein hinzutretendes Magenleiden lenkte die Aufmerksamkeit von 
der vermutlich bestehenden Lungenerkrankung ab. Im folgenden Winter trat 
Husten und Auswurf auf. Grösst* Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme 
Hessen die Patientin auf den kamst ihres Leidens aufmerksam werden. Eine 
hinzutretende Lungenblutung klärte die Situation auf. Temperaturerhöhung nach 
der Blutung — 39°. Später starke Nachlschweisse. 

Der von Herrn Dr. Nienhaus am 4. Mai aufgenommene Befund ist. 
folgender. 

Ernährungszustand iwiter Mittel, blasse Schleimhäute, Zervikaldrüsen fühl¬ 
bar, Supraklavikulargruhen vertieft. Rechte Seite bleibt hei der Atmung zurück. 
Thorax schmal, oben abgeflacht. 

Herz: 0. B., Puls 132. 

Lungen: Untere Grenze r. v. unterer Rand der VI. Rippe,, kaum ver¬ 
schieblich, hinten Proc. Spin. X, wenig verschieblich. 

Perkussion: R. v. Supklav. leicht relativ gedämpft, nach unten ab¬ 
nehmend bis zur IV. Rippe. Von V. Rippe nach unten leicht relativ gedämpft. 

L. v. Supklav. leicht relativ gedämpft, weniger als rechts. 

Im I. Interkostalraum leicht gedämpft. 

1L h. Supspin. relativ gedämpft, langsam abnehmend bis Ang. scapul., unter 
ang. Schall verkürzt. 

L. h. Supspin. leicht relativ gedämpft, abnehmend bis Mitte Skapula. 

A u s k u 1 t a t i o n : R. v. Supklav. leise bronch.-ves. Insp., dito verlängertes 
Exsp. Im I. Interkostalraum bronch. Insp., bronch.-ves. Exsp. Unterhalb ves. 


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424 


Dr. Zink. 


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bronch. Insp., kurz hauchendes Exsp. Oben bis zur III. Rippe nach Husten 
eine Salve bis gut mittelblasiger, feuchter, klingender und knisternder Rhonchi, 
von III. Rippe bis unten spärlicher und trockener. 

R. h. Supspin. bronch.-ves. Insp., dito verlängertes Exsp. Unterhalb etwas 
verschärftes ves.-bronch. Insp. u. Exsp. Ähnlich bis unten. Spärliche zerstreute 
fein- bis mittelblasige Rhonchi nach Husten bis Ang. scap. 

L. v. Supklav. verschärft ves.-bronch. Insp., leise hauchend ves.-bronch. 
Exsp. Nach unten zu in etwas verschärftes Vesikuläratmen übergehend. Keine 
Rhonchi. 

L. h. Supspin. verschärft ves.-bronch. Insp., kurz hauchend ves.-bronch. 
Exsp. Ähnlich bis unter Mitte Skapulae, unterhalb Vesikuläratmen. Keine Rhonchi. 

L a r y n x: 0. B. Urin frei von Eiweiss und Zucker. Im Sputum Tuberkel¬ 
bazillen Gaffky IV, keine elastischen Fasern. 

Die anfangs bestehenden subfebrilen Temperaturen gingen auf dauernde 
Bettruhe hin herunter; das Allgemeinbefinden hob sich. Doch blieb der Puls 
stets über 120 und der Lungenbefund änderte sich nicht. 

Es wurde deshalb der Patientin die Pneumothoraxtherapie vorgeschlagen. 
Patientin willigte ein. Eine zu dem Zweck vorgenommene Röntgendurchleuchtung 
ergab folgenden Befund: In der oberen Hälfte der rechten Lunge mehrere inten¬ 
sive Schatten, von IV abwärts ganz leicht diffuser Schatten. Das Zwerchfell 
steht rechts höher wie links, kaum beweglich. 

6. Juli. Pneumothoraxoperation nach F o r 1 a n i n i (Dr. Nienhaus). 
Einstich im IV. Interkostalraum, die Nadel dringt sehr tief ein. In der Tiefe 
sind anscheinend ziemliche Widerstände zu überwinden. Manometerausschläge 
gering. Ziemlich starkes Druckgefühi beim Einlassen des Stickstoffes in der 
Gegend der Einstichstelle. Nach 200 ccm N Druck nach oben und vom sehr 
stark. Puls gut, Atmung beschleunigt. 

Über die Druckwerte und Stickstoffmengen gibt folgende kleine Tabelle 
am besten Auskunft. 





Anfangsdruck 

N 

Enddruck 

Erstoperation 

am 

6. VII. 

— 3/4 

200 

+ 8 9. 

Nachfüllung 

am 

8. VII. 

— 3/4 

400 

+ 2/3- 


am 

10. VII. 

-1/0 

200 

+ 12. 


Trotz der ungünstigen Aussichten, einen Pneumothorax anlegen zu können, 
war es doch gelungen, eine kleine Gasblase zu erzielen. Die geringen Ausschläge 
und das starke Steigen des Druckes bestätigten dte Annahme von Pleura¬ 
adhäsionen. Wir hofften aber dennoch zum Ziel zu kommen, zumal bei der 
ersten Nachfüllung ohne sonderliche Beschwerden 400 ccm N eingelaufen waren. 

Die Punktion am 10. VII. verlief folgendermassen. Die Nadel drang ohne 
Schwierigkeiten in die Gasblase ein, das Manometer zeigte einen Druck von 
—1/0. Es wurde langsam N eingelassen. Da Patientin schon bei 100 ccm 
N über stärkeres Druckgefühl klagte, wurde das Manometer eingeschaltet und 
ein mittlerer positiver Druck abgelesen. Daher Einfliessenlassen von weiteren 
100 ccm N. Druckgefühl stärker, Manometerausschlag -f-12. Es wurde darauf 
eine ganze Weile gewartet, um zu sehen, ob der Druck nicht herunterginge. 
Da er sich aber in gleicher Höhe hielt, wurde von einer weiteren Nachfüllung 
abgesehen. Herr Dr. Nienhaus zog die Nadel heraus, unterhielt sich mit 
der Patientin und wollte gerade über dem Pneumothorax auskultieren, als die 
Patientin kollabierte. Die Pupillen waren maximal erweitert, der Puls kaum 
fühlbar. In der Gegend der Einstichstelle und am rechten Vorderarm trat 



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5] Ober einen in seiner Entstehungsweise eigenartigen Fall etc. 425 

Marmorierung der Haut auf. Es bestand tiefes Koma, weder auf Anrufen 
noch auf Schmerz Reaktion. Ein plötzlich auftretender Trismus behinderte stark 
die Atemtätigkeit. Gesichtsfarbe livide. Nach Öffnung der Kiefer und Hervor- 
ziehen der Zunge setzte die Atmung wieder ein. Gleichzeitig mit dem Trismus 
trat starke Beugekontraktur im rechten Ellenbogen- und Handgelenk auf. Die 
Finger wurden krampfhaft geschlossen gehalten. Kurz darauf klonische Krämpfe 
des ganzen Körpers. Unter Kampferinjektionen wurde die Herz- und Atemtätig- 
keit besser. Korneal- und Pupillarreflcx wieder deutlich und zwar rechts 
Reaktion früher und prompter als links, keine Fazialisparese, Sauerstoffinhalation. 

Bewusstlosigkeit hält tagsüber an. Die Krampfanfälle werden im Lauf 
des Tages seltener und weniger heftig. Atmung, Herztätigkeit gut. Starke 
Schweisssekretion. 

In der Nacht wieder stärkere Anfälle. Sie gingen mit stark verlangsamter 
Herzaktion und. Aussetzen der Atmung einher. Zittern am ganzen Körper, 
starker Trismus. Dauer des Anfalls etwa 2 Minuten. 

11. VII. früh 6 Uhr. Aussehen schlechter wie tags zuvor. Beugekontraktur 
im rechten Arm weniger stark. Atmung ruhig, Puls klein, weich. Sauerstoff¬ 
inhalation dauernd. 

8 Uhr. Kochsalzinfusion. Puls kräftiger. Pupillenreaktion prompt. Pat. 
reagiert noch immer nicht auf Anrufen, wenig Schmerzreaktion. 

12 Uhr. Koma unverändert. Aussehen etwas schlechter. Puls gut. Zeit¬ 
weise leichte Krampfanfälle. 

4 Uhr. Patientin stärker verfallen. Trachealrasseln. Puls klein, weich, 
kaum fühlbar. Cheyne-Stokes. 

8 Uhr. Exitus. 

Sektionsbericht. Hirnhäute injiziert, Gefässe der Pia beiderseits 
stark angefüllt, Hirnsubstanz ebenfalls blutreicher, sonst ohne Besonderheiten. 
In den Piavenen reichlich Gasblasen, doch waren die Gefässe beim Ablösen 
der Dura stellenweis verletzt, deshalb Befund nicht eindeutig. 

Brustorgane: Nach Ablösen der Haut wird in der rechten Brustseite 
von den Weichteilen eine Tasche gebildet und mit Wasser gefüllt. Beim Ein¬ 
stich an der alten Punktionsstelle in die Brustwand mit einem Skalpell entleeren 
sich Gasblasen (Pneumothorax). 

Rechte Lunge total flächenhaft mit der Brustwand verwachsen. Die 
Verwachsungen lassen sich leicht lösen. Zwischen Ober- und Mittellappen er¬ 
weisen sich diese etwas gelöst. Lunge in über Hühnereigrösse von der Brust¬ 
wand abgedrängt. Die Lungenoberfläche zeigt an dieser Stelle keine makro¬ 
skopisch sichtbaren Verletzungen, auch nicht in der Umgebung. Hier angelegte 
Schnittflächen ebenfalls frei von Verletzungen. Brustwand über diesen Lungen- 
partien blutig imbibiert. Nach Ablösen der Pleura costalis Faszien und Weich¬ 
teile stark blutig verfärbt. Irgend ein grösseres Gefäss an dieser Stelle nicht 
aufzufinden. Rechte Lunge ganz mit miliaren Knötchen durchsetzt, im Ober¬ 
lappen zwei gut kirschkerngrosse Kavernen mit käsigem Inhalt. Im Mittel- und 
Unterlappen zwei mit hartem käsigem Inhalt versehene Kavernen von über 
Kirschgrösse. Hilusdrüsen vergrössert, schiefrig verfärbt. 

Linke Lunge: Spitze des Oberlappens in Pflaumengrösse induriert, 
zum Teil schiefrig verfärbt und mit stecknadelkopfgrossen Kalkkonkrementen 
durchsetzt. Dazwischen einzelne frische opake Tuberkel. 

Herz: Starke Fettauflagerung über beiden Ventrikeln. Klappenzipfel der 
Milralis am freien Rande schwielig verdickt, übrige Klappen zart. Leider wurde 


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Dr. Zink. 


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lieim Ilcraiisnehmen <los Herzens nicht genügend Vorsicht angewendet, so dass 
über den etwaigen Gasgehalt keine Angaben gemacht werden konnten. 

Milz klein, weich. 

N i c r e n ohne Besonderheiten. 

Berücksichtigt mail die in der Literatur von Murphy, 
Lemke, F o r 1 a n i n i und neuerdings von Birke beschriebenen 
Fälle und die namentlich von Brauer und Spengler besonders 
kritisch betrachteten Gasembolien, so ist der gewöhnliche Weg des 
Stickstoffeintritts in die Blutbahn ein verletztes Lungengefäss. Die 
Punktionsnadel war in allen mitgeteilten Fällen in die Lunge ein¬ 
gedrungen und hatte dort ein Lungengefäss verletzt, und zwar so¬ 
wohl bei Erstoperationen als auch bei Nachfüllungen, häufiger sogar 
bei den letzteren. Bei Erstoperationen ist ein Hineinstechen in die 
Lunge bei der For 1 a n i n i scheu Methode ohne weiteres denkbar, 
bei Nachpunktionen nur dann, wenn ein kleiner partieller Pneumo¬ 
thorax vorliegt, sei es, dass die Nadel den Pneumothorax verfehlt 
und das angrenzende Lungengewebe trifft, oder aber wegen des 
geringen Tiefendurchmessers der Gasblase in die dahinterliegende 
Lunge dringt. Dieses passiert namentlich dann leicht, wenn der 
Patient während der Operation eine plötzliche, unvorhergesehene 
Bewegung macht, wie in den beiden von Brauer und Birke be¬ 
schriebenen Fällen. Ein immerhin seltenes Vorkommnis. Dass die 
Nadel von vorneherein die Gasblase verfehlt, ist bei Beobachtung 
aller Kautelen, namentlich bei Gebrauch des Mandrins, nicht gut 
möglich, besonders wenn man sich vorher am Röntgenschirm über 
Gi ’össe und Lage des Pneumothorax orientiert hat. 

Wie kommt es nun, dass in manchen Fällen die Verletzung der 
Lunge von so deletären Folgen begleitet ist, während anderseits 
ein Eindringen in die Lunge in so vielen Fällen anscheinend ziem¬ 
lich belanglos ist? Auch darüber hat uns Brauer Auskunft ge¬ 
geben. Bei seinen Tierversuchen ist es ihm nie gelungen, durch 
Einfliessenlassen von Stickstoff in die gesunde Lunge eine Gas¬ 
embolie zu erzeugen. Er erklärt es damit, dass in der normalen, 
lufthaltigen Lunge die Gefässe in dem elastischen und leicht ver¬ 
schieblichen Gewebe einer Verletzung kaum ausgesetzt sind, sie 
weichen einfach der andringenden Nadel aus. Anders dagegen liegen 
seiner Ansicht nach die Verhältnisse in der tuberkulösen Lunge. 
In dem starren, durch derbe Infiltrate durchsetzten Gewebe würden 
die Gefässe, namentlich die dünnwandigen Lungenvenen, bei Ver¬ 
letzungen offen gehalten und könnten anderseits der andringenden 
Nadel nicht so leicht ausweichen wie in der normalen Lunge. Dazu 
kommt noch, dass die kleineren Gefässe, sowie die Kapillaren in den 



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7] 


Über einen in seiner Entstehungsweise eigenartigen Fall etc. 


427 


infiltrierten Bezirken thrombosiert sind, so dass meist nur grössere, 
teilweise auch durch Stauung dilatierte Gefässe der Verletzung an- 
heimfallen. Meist sind ihre Wandungen ebenfalls durch die toxischen 
Wirkungen der Tuberkelbazillen verändert, haben ihre Elastizität 
eingebüsst und erhalten durch die Bindegewebswucherungen der 
Externa ein starreres Gepräge. Zieht man die Nähe des Herzens uud 
die stärkere Saugwirkung des linken Ventrikels in Betracht, so 
sind auch für die kleineren Lungengefässe die Bedingungen für ein 
leichtes Eindringen von Gas gegeben. Brauer ist der Ansicht, 
dass ein Hineinpressen von Stickstoff in das verletzte Gefäss gar 
nicht nötig ist zur Embolie, sondern dass die Ansaugung des Herzens 
allein genügt, eine Luftembolie zu erzeugen. Es soll sogar die in 
dem Verbindungsschlauch zwischen Nadel und Manometer befin- 
liche Luft dazu ausreichen. Dass infolge der Lungenverletzung Luft 
von den Alveolen in die Gefässe dringt, dürfte doch wohl bei richtiger 
Ausführung der Stichmethode kaum Vorkommen. Zwar hat Brauer 
einen solchen Fall beschrieben und Ben ecke hat pathologisch- 
anatomisch die ziemlich ausgedehnte Lungen Verletzung im Anschluss 
an die Fori an in i sehe Operation bestätigt. Das ist aber doch 
nur denkbar, wenn der Patient forcierte Atembewegungen macht 
und dicke Schwarten und eine starre Brustwand die Nadel fest 
fixiert halten. Jetzt, wo man den Patienten nur ganz oberflächlich 
atmen lässt, sind solche Verletzungen rein unmöglich. Dass man 
früher zu forcierten Atemzügen aufforderte, um bessere Maiiometer- 
ausschläge zu bekommen, zeigen die Ausführungen Lex er s, dessen 
Einfliessenlasseu von N ohne Manometerausschläge ja selbst unter 
hohem Druck den heutigen Ansichten nicht mehr entspricht. Auch 
Adolf Schmidt dürfte man heute nicht mehr ganz zustimmen, 
der eine Lungenverletzung trotz Verwendung einer stumpfen Nadel 
in den meisten Fällen für ganz bedeutungslos hält. Allerdings hat 
er selbst nie nachteilige Folgen beim Eindringen in die Lunge ge¬ 
sehen. Dass verschiedene Autoren eine Lungenverletzung für be¬ 
langlos halten, liegt meiner Ansicht nach daran, dass wir bestrebt 
sind, über möglichst unveränderten Lungenpartien die Punktion vor¬ 
zunehmen. Und eben dort schadet die an und für sich geringfügige 
Verletzung offenbar nicht viel. Immerhin sollen wir nicht damit 
rechnen, sondern eine Lungenverletzung unter allen Umständen zu 
vermeiden suchen. 

In zweiter Linie kommen für das Zustandekommen der Gas¬ 
embolie die Gefässerweiterungen in den Pleuraschwarten in Betracht. 
Es ist bisher in dieser Beziehung den Pleuraveränderungen wenig 
Aufmerksamkeit geschenkt worden. Das Zustandekommen einer 


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Dr. Zink. 


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Embolie von solchen Gefässen ausgehend ist bisher nicht beschrieben 
worden. Brauer misst den neugebildeten Arterien und Venen der 
erkrankten Pleura nicht viel Bedeutung bei. In einer neueren Arbeit 
hält Brauns das Zustandekommen einer so entstandenen Gasembolie 
für fast ausgeschlossen. Er ist der Ansicht, dass in den festen Binde¬ 
gewebsveränderungen, ebenso wie im Narbengewebe grössere Ge- 
fässe überhaupt nicht Vorkommen. Damit allein sind natürlich die 
Beobachtungen Forlaninis nicht widerlegt, der diese Verhält¬ 
nisse genauer studiert hat, noch dazu, wo er für seine Ansicht 
mikroskopische Beläge bringt. 

Forlanini unterscheidet zwischen der diffusen, über grössere 
Lungenabschnitte sich erstreckenden Pleuritis und der zirkum¬ 
skripten, über oberflächlich gelegenen tuberkulösen, hauptsäch¬ 
lich kavernösen Lungenherden entstehenden Rippenfellentzündung. 
Während erstere, falls sie nicht ausheilt, in mehr oder minder starke, 
aber gefässlose Membranen übergeht, ist letztere der Sitz reicher 
venöser Gefässe. Es bilden sich in den zirkumskripten Pleuritiden 
plexusartige Gefässknäuel, ja sinuöse Erweiterungen, selbst grosse 
Lakunen. Sie stellen Verbindungen zwischen dem Lungenkreislauf 
und den exothorakischen Venen her und treten bei Einengung des 
Lungenkreislaufes als abführende Venen des Lungenvenenblutes auf. 
Dieselbe Ansicht vertritt Ackermann über den grossen Gefäss- 
reiehtum der sogenannten Pseudoligamente, jener strangförmigen Ver¬ 
bindungen zwischen Lunge und Brustwand, die seiner Ansicht nach 
nicht entzündlicher Natur sind, sondern nur der kompensatorischen 
Blutabfuhr aus dem noch erhaltenen Lungengewebe bei vorge¬ 
schrittener Phthise dienen. Bei Resektion von Lungenteilen gelang 
es ihm, diese äusserst gefässreichen Pseudoligamente zu erzeugen, 
die eine Verbindung zwischen grossem und kleinem Kreislauf dar¬ 
stellten und zum Abfluss des eingeengten Lungenkreislaufes dienten. 
Das Vorhandensein von Venen grösseren Kalibers in der veränderten 
Pleura lässt sich nicht ohne weiteres leugnen. Wie weit sie bei der 
Punktion gefährlich werden können, ist eine andere Frage. Jeden¬ 
falls liegen bisher keine Beobachtungen darüber vor. Doch wird 
man eine Möglichkeit des Zustandekommens einer Embolie von der¬ 
artigem Venenplexus aus zugeben müssen. Man wird gut tun, bei 
Sektionen in fraglichen Fällen auch darauf zu achten. 

Für unseren Fall kommen beide bisher geschilderten Ent¬ 
stehungsarten nicht in Frage. Wie die Obduktion ergab, lag weder 
eine Lungenverletzung vor, noch waren grosse Pleuragefässe in 
dem betreffenden Abschnitt nachzuweisen. Wir müssen deshalb eine 
andere Entstehungsweise des Stickstoffeintritts in die Blutbahn an- 



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9] 


Über einen in seiner Entatehungsweise eigenartigen Fall etc. 


429 


nehmen. Unserer Ansicht nach ist die Embolie von einem Gefäss 
der Thoraxweichteile vor sich gegangen. Entweder handelt es sich 
um eine verletzte epipleural oder epifaszial gelegene Yene oder aber 
um die Arteria intercostalis, die, wenn auch sehr selten, bei Punk¬ 
tionen von Pleuraexsudaten ebenfalls verletzt und lebensgefährliche 
Blutungen herbeigeführt hat. 

Tödliche Blutungen aus Interkostalarterien beschreiben Evans, 
Naunyn und Fürbringer. Nach Fürbringer ist ein ab¬ 
normer Verlauf der Arterie oder besondere Weite des Lumens nicht 
einmal nötig. In seinen beiden Fällen bestand allerdings eine ziem¬ 
liche Atheromatose. Dass es so selten zu der Verletzung der Inter¬ 
kostalarterie kommt, liegt seiner Ansicht nach darin, dass die Arterie 
in einem sehr lockeren Gewebe liegt und infolgedessen der an¬ 
dringenden Nadel ausserordentlich leicht ausweicht. Die hier in 
Betracht kommenden Interkostalarterien teilen sich gleich nach ihrem 
Eintritt in den Zwischenrippenraum in einen schwächeren hinteren 
und einen stärkeren vorderen Ast, welcher in der Furche verläuft, 
die am unteren Rippenrand durch die vorspringende Leiste ge¬ 
bildet wird; doch überragt die Arterie den unteren Rippenrand nach 
unten gar nicht so selten, so dass sie einer Verletzung wohl zugäng¬ 
lich ist. 

Leider ist bei der Obduktion auf diese Verhältnisse zu wenig 
geachtet worden. Abgesehen von den blutig imbibierten Weichteilen 
an der Punktionsstelle haben wir nichts, was wir für unsere An¬ 
sicht verwerten könnten. Auf den ebenfalls negativen Befund über 
den Luftgehalt des Blutes komme ich bei der Besprechung des Ver¬ 
bleibens des Gases in den Blutgefässen noch zurück. 

Viel wertvoller für unsere Ansicht ist der klinische Verlauf 
der Embolie. Ich habe bereits oben ausgeführt, dass Herr Dr. Nien¬ 
haus nach Herausziehen der Nadel noch mehrere Worte an die 
Patientin richtete und sich eben anschickte, über dem Pneumo¬ 
thorax zu auskultieren, als die Patientin kollabierte. Da zwischen 
dem Herausziehen der Nadel und den ersten Erscheinungen der 
Embolie mehrere (etwa JO—15) Sekunden verstrichen waren, so 
müssen wir annehmen, dass der Stickstoff durch ein Weichteilgefäss 
in den grossen Kreislauf gekommen ist, die Lungenkapillaren passiert 
hat und dann erst durch Vermittlung des linken Herzens die Ver¬ 
legung in den Hirngefässen herbeigeführt hat. Ich stelle es mir 
folgendermassen vor. Die Nadel hat bei der Punktion ein Gefäss 
in der Thoraxwand perforiert. Solange die schützende Nadel das¬ 
selbe verschloss, konnte es natürlich nicht zur Embolie kommen. 
Erst als die Nadel herausgezogen wurde, drang der Stickstoff, der 


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430 

ja unter einem ziemlich hohen Druck stand, in das betreffende Ge- 
fäss ein. Wäre eine Lungenvene verletzt worden, was ja durch die 
Sektion widerlegt ist, so hätten wir die alarmierenden Symptome der 
eingetretenen Gasembolie noch beim Einfüllen des Stickstoffs oder 
aber sofort nach Herausziehen der Nadel haben müssen. Hier aber 
verlief eine gewisse Zeit zwischen beiden Momenten. 

Wir können natürlich diesen unglücklichen Zufall der Forla- 
11 in isehen Methode keineswegs zur Last legen. Die erste und zweite 
Punktion war ohne Schwierigkeit verlaufen, es war uns sogar ge¬ 
lungen, bei der zweiten Füllung 400 ccm N ohne Störungen ein- 
fliessen zu lassen. Bei der dritten Punktion haben wir eben einen 
jener unglücklichen Zufälle erlebt, die ja in der Medizin nicht so 
ganz selten Vorkommen. Hätten wir nach Brauer operiert, hätten 
wir ebenfalls bei der Erstoperation einen kleinen Pneumothorax 
angelegt, den wir durch Nachfüllungen zu vergrüssern bestrebt ge¬ 
wesen wären. Und dabei hätte uns dann dasselbe Missgeschick treffen 
können. 

Das eigenartige Zustandekommen der Gasembolie vermittelst des 
grossen Kreislaufes verlangt ein näheres Eingehen auf den Ver¬ 
bleib des Gases im Blute. Die Ansichten waren darüber trotz der 
reichen Beobachtungen und trotz der zur Erklärung herangezogenen 
Tierexperimente lange geteilt. 

Die ersten Luftembolien wurden bei Operation am Halse, Schulter 
und der oberen Brustgegend beobachtet, und zwar bei Verletzung 
m der grossen Venenstämme. Später wurde Lufteintritt in das Blut 

auch von anderen Körpervenen aus beschrieben. Meist handelte es 
sich um Verletzung grosser Gefässe, so dass der Tod plötzlich unter 
asphyktischen Erscheinungen eintrat. I 11 einigen Fällen trat der 
Exitus erst nach einiger Zeit, nach A müsset erst nach einigen 
Tagen ein, ja selbst Fälle von Heilungen wurden beschrieben. Die 
Todesursache fand die verschiedenste Deutung. Schädigungen des 
Herzens, Verlegung der Lungenkapillaren, Embolien der lebens¬ 
wichtigen Zentren im Gehirn wurden für den Exitus verantwortlich 
gemacht. 

Bei den Obduktionen wurden Luftbläschen teils nur in den 
grossen Venen und dem rechten Herzen, teils nur in den Lungeu- 
gefässen gefunden. Seltener war der Nachweis von Luft im ge¬ 
samten Gefässsystem, dann aber besonders im Gehirn und Rückenmark. 

Die experimentellen Arbeiten, auf die ich nur soweit als nötig 
(‘ingehen werde, behandelten zunächst nur den Lufteintritt in die 
grossen Venen. Später kamen auch Arbeiten hinzu, die den Gas- 



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11] Über einen in seiner Entstehurgsweise eigenartigen Fall etc. 431 

eiutritt in das arterielle System eingehend studierten. Trotz der 
Vielseitigkeit der Beobachtungen waren die Ansichten lange geteilt. 
Aus der grossen Zahl der Veröffentlichungen greife ich nur einige 
heraus. 

So ist Jürgensen der Meinung, dass es infolge Lufteintrittes 
in das Herz zu einer Überdehnung des rechten Ventrikels und infolge¬ 
dessen zum Herzstillstand käme, dass also der Tod eine direkte 
Folge der Herzschädigung wäre. Neben Mercier und Hoppe- 
Seiler waren auch Conheim und seine Schüler Anhänger des 
primären Herztodes. Erwähnenswert ist noch, dass man als Ur¬ 
sache des plötzlichen Todes den direkten Kontakt der Luft mit 
den Herzmuskelfasern annehmen zu müssen glaubte. 

Zur zweiten Kategorie gehören vor allen Passet und Hauer. 
Aus ihren experimentellen Arbeiten geht hervor, dass der Exitus 
durch Verlegung der Lungenkapillaren eintritt, dass also eine reine 
Asphyxie vorliegt. Denselben Befund erhebt Feltz bei seinen 
Untersuchungen. Er sah nie Gasblasen ins arterielle Gefässsystem 
übergehen, dagegen machte er die interessante Beobachtung, dass 
bei seinen Versuchstieren Luft von den Lungenkapillaren an die 
Alveolen durch beschleunigte Respiration abgegeben wurde. Auch 
von anderer Seite wurde dieses Vorkommen bestätigt. Interessant 
war auch die Feststellung der geringen Empfindlichkeit der Hunde 
gegen Luftembolien. War die eingelassene Luftmenge nicht zu gross, 
so traten ausser der Respirationsbeschleunigung keinerlei Schädi¬ 
gungen auf. Auch beim Menschen spielt zweifellos die infundierte 
Luftmenge für den Verlauf der Embolie die Hauptrolle. 

In einer sehr kritischen Arbeit beschäftigt sich Wolff mit 
derselben Frage. Auch er ist Anhänger der Verlegung der Lungen¬ 
kapillaren durch die eingetretene Luft. Das häufige Vorkommen von 
Gasblasen im ganzen Gefässsystem, namentlich in den Hirngefässen, 
führt Wolff auf Verletzung der Gefässwände resp. auf Fäulnis¬ 
prozesse zurück; deshalb rät er zu äusserst vorsichtiger Deutung des 
Sektionsbefundes. Seiner Ansicht nach kommt die Luft in der Regel 
nicht in den grossen Kreislauf. Der Tod tritt durch Verlegung der 
Lungenkapillaren ein und ist die Folge der Asphyxie. Wenn nicht 
plötzlich eine zu grosse Anzahl der Lungenkapillaren verlegt wird, 
kann das Herz den Widerstand überwinden. Vereinzelt kann es 
Vorkommen, dass Gasblasen in die Lungenvenen und damit in den 
grossen Kreislauf dringen. Damit gibt Wolff die Möglichkeit einer 
Verschleppung von Luft in das Zentralnervensystem zu; doch kommt 
es nach seinen Versuchen nur in äusserst seltenen Fällen vor. 


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Dr. Zink. 


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Zu den Anhängern des Luftgehaltes des gesamten Blutes gehören 
vor allem Heller, Mager, v. Schrott er. Allerdings gehen 
sie von ganz anderen Voraussetzungen aus. Während bisher Luft 
nur in das Venensystem gebracht war, lassen sie das Gas in das 
arterielle System eintreten. Ihre Ergebnisse sind folgende: Mass¬ 
gebend für den Verbleib der Luft in der Blutbahn und seine Folgen 
ist vor allem die Menge des eingetretenen Gases. Bei grossen Quanti¬ 
täten tritt der Tod sofort, und zwar durch Schädigung des Herzens 
ein. Bei kleinen Mengen ist der Verlauf ein protrahierter und 
günstigerer. Das Krankheitsbild beherrschen bei dieser Versuchs¬ 
anordnung neben den Allgemeinerscheinungen des Sauerstoffmangels 
nervöse Symptome, gleichgültig ob die Luft in den zentralen oder 
peripheren Stumpf der Arterie infundiert wird. In beiden Fällen 
treten nervöse Ausfallserscheinungen auf, ein Zeichen dafür, dass 
die Lungenkapillaren ohne Schwierigkeiten passiert werden. Hat 
die Luft das Kapillarnetz des grossen Kreislaufes passiert, dann 
bilden ihrer Ansicht nach die Lungenkapillaren wegen ihrer Weite 
überhaupt keinen Widerstand mehr beim Durchtritt des Gases. 

Einen grossen Einfluss auf den Verlauf und den Ausgang der 
Embolie messen Heller, Mager und v. Sclirötter der Herz¬ 
kraft zu; bei gut erhaltener wird der Widerstand in den Gefässen 
überwunden, so dass es nicht zur Verlegung des Gefässlumens und 
der daraus folgenden Ischämie und Nekrose der befallenen Gewebe 
kommt. Bei stark geschädigtem Herzen dagegen sind deletäre Folgen 
das Gewöhnliche. 

Unter den nervösen Ausfallserscheinungen stehen im Vorder¬ 
grund Bewusstlosigkeit, Manegebewegung, Streckkrämpfe und das 
Auftreten von spastischen Lähmungen von Mono- bis zur Hemi- 
und Paraplegie. Entsprechend den klinischen Erscheinungen haben 
sich bei den Sektionen die Hirngefässe in den verschiedensten Zentren 
als lufthaltig erwiesen. Doch machen die Untersucher besonders 
darauf aufmerksam, dass man bei der gewöhnlichen Okularinspektion 
ausser der Ischämie häufig nichts Pathologisches nachweisen kann. 
Sie fordern deshalb auf, die Gefässe der in Frage kommenden Ge¬ 
biete mit der Lupe auf Luftbläschen abzusuchen, eventuell die mikro¬ 
skopische Untersuchung des betreffenden Gewebes anzuschliessen. 

Aus allen diesen mannigfachen wie interessanten Untersuch¬ 
ungen kommen wir zu dem Ergebnis, dass in erster Linie für den 
Verbleib des Gases und seine mehr oder minder deletären Folgen 
die eingetretene Menge in Betracht kommt. Daneben spielt für den 
Verlauf der Embolie die Herzkraft des betreffenden Patienten die 



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13] Über einen in seiner Entstehongsweise eigenartigen Fall etc. 433 

grösste Rolle. Bei durch die Tuberkulose geschädigtem oder, wie in 
unserem Falle, stark verfettetem Herzen ist bei anscheinend günstigem 
Verlauf doch die Prognose ernst zu stellen. 

Als Todesursachen kommen bei der Stickstoffembolie haupt¬ 
sächlich der Herz- und Gehirntod in Frage. Dringt der Stickstoff, 
wie ja in den meisten Fällen, in eine Lungenvene ein, fällt die 
Verlegung der Lungenkapillaren eo ipso fort. Auch sonst ist, wie 
ja auch in unserem Falle, trotz des Eindringens des Gases in den 
grossen Kreislauf, die Verlegung der Lungenkapillaren nicht be¬ 
obachtet. 

Tritt nicht sofortiger Exitus ein, stehen im Vordergrund die 
Schädigungen des Zentralnervensystems. In unserem Falle handelte 
es sich offenbar um Gefässverlegung in der Medulla oblongata, die 
ja wohl auch den letalen Ausgang herbeigeführt hat. Der Sektions¬ 
befund ist meist negativ. Es ist nötig, in fraglichen Fällen die 
mikroskopische Untersuchung anzuschliessen, die dann schon zum 
positiven Ergebnis führen wird. 

Und nun noch einige Worte über den klinischen Verlauf und 
die hauptsächlichen Symptome. Das klinische Bild ist äusserst 
mannigfaltig. Tritt nicht sofortiger Exitus im Anschluss an die 
Embolie ein, sei es, dass das Herz schwer geschädigt wird oder 
lebenswichtige Zentren im Gehirn in grösserer Ausdehnung verlegt 
werden, treten in erster Linie nervöse Ausfalls- und Reizerschei¬ 
nungen auf. 

Meist setzt das schwere Koma blitzartig ohne die geringsten 
Vorboten ein. Seltener geht eine kurze Aura vorher, in der die 
Patienten die schweren Erscheinungen der drohenden Synkope ver¬ 
spüren, über starken Kopf druck, Schwindelgefühl klagen, das Gefühl 
des Fallens haben oder unter Ausstossen von kurzen Schreien 
kollabieren. 

Die maximale Erweiterung der Pupillen, das Fehlen der 
Korneal- und Pupillarreflexe, die Pulslosigkeit, das Aussetzen der 
Atmung lassen einen keinen Augenblick über den Ernst der Situation 
in Zweifel. In diesem Stadium tritt nicht selten der Exitus ein, 
den man weder durch künstliche Atmung, Sauerstoffinhalation, 
Kampferinjektion, Herzmassage noch sonstige Mittel verhüten kann. 
Anscheinend sind das jene Fälle, bei denen die Medulla oblongata 
der Sitz einer ausgedehnten Embolie ist. Bei mehr protrahiertem 
Verlauf ist das häufigste und beinahe für die Stickstoffembolie 
pathognömonische Symptom die Marmorierung der Haut an den 
verschiedensten Körperstellen, meist an den Extremitäten. In unserem 


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434 Dr. Zink. [14 

Fall trat die marmorierte Färbung am rechten Vorderarm und in 
der Gegend der Einstichstelle am Thorax auf. Ob es sich dabei 
um eine Verlegung der Hautvenen oder um vasomotorische Störungen 
vom Zentralnervensystem aus handelt, wage ich nicht zu entscheiden. 

Die nervösen Ausfallserscheinungen sind nach Sitz und Schwere 
der Schädigung verschieden. Es kommen Mono-, Hemi- bis Para¬ 
plegien von spastischem Charakter vor, die vorübergehend, aber 
wie ein Fall von Forlanini beweist, auch dauernd sein können. 
Die Hirnnerven werden ebenfalls nicht selten geschädigt. Fazialis 
und Trigeminus fallen dabei am meisten in die Augen, daneben 
können natürlich auch die anderen Hirnnerven in Mitleidenschaft 
gezogen werden. Totale Amaurose ist verschiedentlich beobachtet. 
Sie ist meist von kürzerer Dauer, doch hielt sie in dem neuerdings 
von Birke erwähnten Fall längere Zeit an. Auf Störungen des 
sensiblen Gebietes hat man weniger geachtet, aber bei Herden in 
Brücke, Hirnschenkel und Medulla oblongata müssen auch sie vor¬ 
handen sein. Bei Schädigung dieser Partien treten neben den Läh¬ 
mungen Reizerscheinungen auf. Tonische und klonische Krämpfe 
werden in den verschiedensten Muskelpartien beobachtet. Während 
erstere nur einzelne Muskelgruppen befallen, treten letztere im ganzen 
Körper auf. Sie sind meist von kurzer Dauer, können aber in häufigen 
Anfällen wiederkehren. Abnorme starke Schweissausbrüche werden 
danach beobachtet. 

Nicht selten beteiligt sich das motorische Trigeminusgebiet an 
den Reizerscheinungen, die unter dem Bilde des Trismus ja all¬ 
gemein bekannt sind. Bei unserer Patientin-waren die Anfälle ausser¬ 
ordentlich häufig und ziemlich heftig, dagegen dauerten sie stets 
nur kurze Zeit. 

Der Ausgang der Stickstoffembolie hängt in erster Linie von 
der Menge des eingetretenen Gases ab. Daneben spielt der Allgemein¬ 
zustand, namentlich aber das Herz des Patienten eine grosse Rolle. 
In unserem Fall lag eine beträchtliche Adipositas cordis vor, die 
für den letalen Ausgang sicher nicht bedeutungslos gewesen ist. Denn 
nachdem die ersten bedrohlichen Erscheinungen der Stickstoffembolie 
vorüber waren, war das Allgemeinbefinden der Patientin relativ gut, 
so dass wir an einen günstigen Ausgang glaubten. Auch am andern 
Morgen war der Zustand keineswegs bedrohlich, erst in den Nacli- 
mittagstunden traten ernste Störungen von seiten des Herzens auf, 
die durch keine Mittel zu bekämpfen waren. 

Frauen wir uns nun zum Schluss, ob wir irgend etwas bei der 
Operation versäumt haben, oder ob wir den letalen Ausgang in 



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15] Über einen in Beiner Entstehungsweise eigenartigen Fall etc. 435 

irgend einer Weise hätten verhüten können. Unterlassen haben wir 
die Röntgenuntersuchung nach der Erstpunktion, weil wir damals 
noch nicht über einen eigenen Apparat verfügten und das Röntgen 
wegen der grossen Entfernung des Instituts immer mit Schwierig¬ 
keiten verbunden war. Doch hat die Unterlassung nicht die ge¬ 
ringsten nachteiligen Folgen gehabt, da die Entstehungsweise der 
Embolie mit dem Pneumothorax ja gar nichts zu tun hat. Vielleicht 
hätten wir nach der eingetretenen Embolie die Gasblase abpunktieren 
sollen, doch höchstwahrscheinlich wären wir auch damit zu spät 
gekommen. Wie schon oben ausgeführt, ist auch dem Operations¬ 
verfahren der betrübende Exitus keineswegs zur Last zu legen. 
Bedauerlich ist es immerhin, dass wir bei der so glänzenden und 
in so vielen Fällen * lebensrettenden Operation den unglücklichen 
Zufall in keiner Weise haben verhüten können. 

Meinem verehrten Chefarzt Herrn Dr. Nienhaus danke ich 
verbindlichst für die Überlassung des Falles. 


Literatur. 


Ackermann, Die Pseudoligamente der Pleura und ihre Bedeutung für die 
Zirkulation. Tageblatt der 62. Versammlung der Naturforscher und Ärzte 
zu Heidelberg 1889. 

Amusset, Zit. bei \Y o 1 f. 

Aron, Mechanik und Therapie des Pneumothorax. Verlag von A. Hirschwald. 
1902. 

Derselbe, Experimentelle Studien über den Pneumothorax. V i r c h o w s 
Archiv. Bd. 145. 

B e n e c k e, Ein Fall von Luftembolie im grossen Kreislauf nach Lungen¬ 
operation. Brauers Beitr. zur Klinik der Tuberkulose. Bd. IX. 

Birke, Ref. über Tuberkuloseärztevers. in Hamburg. Im Int. Zentralbl. für 
Tuberkulose. 

Bra u er, Erfahrungen und Überlegungen zur Lungenkollapstherapie (ausgedehnte 
extrapleurale Thorakoplastik). Brauers Beitr. zur Klinik der Tuberkulose. 
Bd. XII. 

Derselbe, Behandlung der einseitigen Lungenphthise mit künstlichem Pneumo¬ 
thorax. Münchener med. Wochenschr. 1906. Nr. 7. 

Derselbe, Die Behandlung chronischer Lungenkrankheiten durch Lungen¬ 
kollaps. Therapie der Gegenwart. 1908. 

Beiträge zur Klinik der Tuberkulose. Bd. XXV. H. 3. 29 


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Dr. Zink. 


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