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Full text of "Beitrag zur Kenntnis der Vogelwelt Islands"

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1869 
THE  LIBRARY 


X 


Beitrag  zur  Kenntnis 


der 


Vogelwelt  Islands 


Vun 


Bernhard  Hantzsch 


Mit  26  Abbildungen  und  1  Karte 


Berlin 

Verlag  von  R.  Friedläader  &  Sohn 
1905 


Druck  von  A.  Hopfer  in  Burg  b.  M. 


THZ   PAGES    IN  THIS  VOLUXE   .^.AV£  •    .: 

SEEN    INTERLEAVED  WITH  AN  ACID  ;: 

FF.ZE     PAPER  70  PERy. IT  3 IN' DING  i 

A.':3  70  REDüCE  FURTHER  DETERl-  j- 
ORATIGN. 


Vorwort. 

Die  ncicbsteheude  Arbeit  hut  den  Zweck,  das  Interesse  an  der  Vogelwelt 
Islands  bei  Ornithologen  und  Reisenden  zu  fördern.  Sie  faßt  in  kritischer 
Weise  die  wertvollere  Literatur,  die  brieflichen  und  mündlichen  Angaben 
zuverlässiger  Isländer,  sowie  die  Ergebnisse  eigener  Untersuchungen  zusammen. 
Auf  absolute  Vollständigkeit  erhebt  sie  keinen  Anspruch.  Zur  Zeit  sind 
unsere  Kenntnisse  über  die  Vögel  des  behandelten  Gebietes  noch  so  lückenhaft, 
daß  es  unzweckmäßig  wäre,  eine  abschließende  Arbeit  liefern  zu  wollen. 
Das  geringe  vorhandene  Balgmaterial  ist  in  Privatsammlungen  und  ötfentlichen 
Museen  zerstreut,  die  Literatur  bei  Erwähnung  ähnlicher  Arten  und  Formen, 
sowie  der  Eier  gewisser  Vögel,  teilweise  nur  mit  Vorsicht  verwendbar,  die 
Insel  selbst  aber  ein  schwierig  zu  bereisendes  Land  von  fast  105000  qkm, 
das  noch  jahrelanger  ornithologischer  Untersuchung  bedarf,  um  in  dieser 
Beziehung  als  einigermaßen  erforscht  zu  gelten.  Trotzdem  halte  ich  eine 
vorläutige  übersichtliche  Behandlung  des  Stoffes  für  nötig,  da  außer  der 
kurzgefaßten  in  englischer  Sprache  veröffentlichten  Arbeit  H.  H.  Slaters,  die 
seither  nicht  unbeträchtlich  überholt  ist,  keine  solche  aus  neuerer  Zeit  vorliegt. 

Die  nachstehende  Schrift  zerfällt  in  einen  allgemeinen  und  einen 
besonderen  Teil.  Der  erstere  hat  den  Zweck,  den  zweiten  zu  entlasten  und 
übersichtlicher  zu  gestalten.  Auch  soll  er  dem  Leser,  der  mit  isländischen 
Verhältnissen  unbekannt  ist,  die  Möglichkeit  verschaffen,  sich  anschauliche 
Vorstellungen  biologischen  Zusammenlebens  der  isländischen  Vögel  zu  bilden. 
Der  geschichtliche  Überblick  wird  in  ausführlicher  Weise  gegeben,  weil  im 
bes(»ndei-en  Teile  der  Arbeit,  mit  Ausnalirao  vereinzelter  Fälle,  die  ältere 
Literatur  unberücksichtigt  bleiben  soll. 

In  den  angewendeten  wissenschaftlichen  Namen  folge  ich  den  üblichen 
Regeln  für  die  zoologische  Nomenklatur  überhaupt  (Journal  für  Ornithologie 
1891,  S.  :')15— 329).  Bei  zahlreichen  Vogelarten  machte  sich  eine  Hervor- 
hebung der  für  Island  festgestellten  Subspezies  unbedingt  nötig,  zumal  unsere 
Insel  an  der  Grenze  des  paläarktischen.  nearktischen  und  arktischen  Fauneu- 
gebietes  liegt.  In  solclien  Fällen  wählte  ich  trinäre  Namen,  mit  denen  ich 
im  Ansclilusse  an  Hartert  (Die  Vögel  der  paläarktischen  Fauna,  S.  VI,  1903)  u.  a. 
die  örtlich  verschiedenen  Rassen  ein  und  derselben  Spezies  bezeichnen  will. 
Diese  trinäre  Benennung  unterblieb  bei  x\rten.  von  denen  zunächst  feststehende 

I* 


jy  Vorwort. 

geographisclic  Formen  unbekannt  oder  noch  ungenügend  charakterisiert  sind, 
in  einigen  Fällen  auch  bei  seltneren  Gästen,  wie  Cerc/mm  tinnnucida  (L.) 
und  Asu)  otiis  (L.),  die  nur  in  Island  weitentfernten  Gebieten  geographische 
Vertreter  besitzen.  Die  angewendete  Nomenklatur  bezweckt  möglichste 
Deutlichkeit,  ist  sich  aber  gewisser  Mängel  wohl  ))ewußt.  In  der  Auf- 
einanderfolge der  Spezies  schließe  ich  mich  Schalow  in  seinen  Vögeln  der 
Arktis,  1904,  an. 

Die  bei  Besprechung  der  einzelnen  Vogelarten  angeführten  Maße  beziehen 
sich  nur  auf  isländische  Exemplare.  Gewicht.  Gesamtlänge  und  Flugbreite 
gebe  ich  bloß  in  solchen  Fällen  an,  wo  ich  selbst  Messungen  von  Vögeln 
im  Fleische  vornehmen  konnte,  ebenso  die  Färbung  der  Iris,  des  Schnabels, 
der  Füße  und  sonstiger  nackter  Körperteile.  Die  Länge  der  Flügel  habe 
ich  bei  kleineu  Arten  mit  dem  Zirkel,  bei  größeren  mit  dem  Stabmaße, 
doch  immer  geradlinig  vom  äußersten  Rande  des  Flügelbuges  bis  zur  Spitze 
der  letzten  Handschwinge  genommen,  beim  Schwänze  die  ganze  Länge  der 
größten  Federn,  indem  ich  ihn  im  ünterrücken  aufwärts  bog,  was  besonders 
beim  Vogel  im  Fleische  eine  genaue  Messung  zuläßt.  Als  Länge  der  Tarsen 
bezeichne  ich  in  üblicher  Weise  den  Abstand  zwischen  der  unteren  Fersen- 
gelenk Vertiefung  und  dem  Rande  des  obersten  Laufschildes,  als  Schnabelläuge 
die  Entfernung  vom  Beginne  der  hornigen  Schnabeldecke  des  Oberkiefers 
bis  zur  Spitze  desselben,  alles  mit  dem  Zirkel  gemessen. 

Den  zahlreichen  Oruithologeu,  die  mich  bei  Abfassung  der  Arbeit  durch 
Auskünfte  freundlichst  unterstützten,  insonderheit  den  Herren  Kreisarzt 
p.  Jönsson  auf  Heimaey  (Vestmannaeyjar),  Faktor  P.  Nielsen  in  Eyrarbakki 
(Island),  Professor  Dr.  A.  Newton  in  Cambridge,  Dr.  med.  0.  Ottoßon  in 
Lenhofda  (Scliweden),  Vizepräsident  der  Deutschen  Oruithologischen  Gesellschaft 
H.  Schalow  in  Berlin,  Vizeinspektor  mng.  scient.  H.  Winge  in  Kopenhagen 
und  anderen,  deren  Namen  im  zweiten  Teile  angeführt  werden,  spreche  ich 
nochmals  meinen  verbindlichsten  Dank  aus,  desgleichen  auch  den  Herren 
Major  Baumaun  und  Maler  Alf  Bachmann  in  München  für  Überlassung  einer 
Anzahl  isländischer  Photographien,  Herrn  stud.  mag.  Jon  Ofeigsson  aus  Island 
(z.  Z.  in  Kopenhagen)  für  sprachliche  Angaben  und  Herrn  W.  Baer.  Assistent 
an  der  Kgl.  Forstakademie  Tharandt,  für  die  Untersuchung  des  Inhaltes 
einiger  von  mir  mitgebrachter  isländischer  Vogelmagen.  Meinen  nochmaligen 
Dank  auch  allen  Isländern,  die  mir  bei  meinem  Aufenthalte  auf  ihrer  Insel 
behilflich  waren,  besonders  den  Herren  Konsul  Thomsen  und  Kaufmann 
Björn  Kristjänsson  in  Reykjavik,  Kaufmann  Möller  in  Hjalteyri,  Bauer  Einar 
Fridreksson  in  Reykjalid  (Myvatn)  und  Pastor  Matthias  Eggertsson  auf  Grimsey! 

Dresden-Planen,  April  1905. 

Bernhard  Hantzsch. 


Inhalt. 

I.  Allgemeiner  Teil. 

Seite 

1.  Geschichtlicher  Überblick 1 

2.  Übersicht  der  wichtigsten  Literatur 24 

3.  Bericht  über  meiue  eigene  isländische  Reise.  —  Isländisches  Vogel- 

schutzgesetz    20 

4.  Die  Landschaftsformeu  Islands  mit  Hervorhebung  ihrer  Charaktervögel  32 

5.  Wandlungen  innerhalb  der  Vogelwelt  Islands  in  geschichtlich  bekannter 

Zeit 73 

6.  Zugverhältuisse  isländischer  Vögel 79 

7.  Bedeutung-  der  Vogelwelt  Islands  für  die  Bewohner.  —  Gezähmte  Vögel  85 

II.  Besonderer  Teil. 

Verzeichnis  der  für  Island  festgestellten  Vogelarteu 92 

Besprechung  derselben • 95 

Anhang:  Isländische  Aussprachregeln 334 

Sachregister 337 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 

Seite 

Figur  1.  Hjalteyri 28 

,,      2.  Reykjalid  am  Mfvatn 29 

„      3.  P.  Nielsen  am  Neste  von  Megalestris  skna 31 

„      4.  Grashindschaft  bei  Hjalteyri 33 

„      5.  Lavafeld  beim  M;fvatn 40 

„      6.  Schwefelberge  beim  M^vatn 41 

„      7.  Nordwestisländische  Steilküste 44 

„8.                   .,                          ,,          45 

..      9.                  „                 Küste 46 

.10.                   „ 47 

„    11.  Hölasandr  nördlich  vom  Myvatn 49 

,,    12.  Wasserfall  im  Skjälfandafljdt '.  51 

„    13.  Gullfoss  in  der  Hvitc'i 52 

,,    14.  Slutnes  im  Myvatn 54 

,,15.         ••         „          „          55 

,,    16.  Strand  bei  Ebbe  (Reykjavik) 61 

„    17.  Südwestlicher  Strand  auf  Grimsey 64 

„    18.  Blick  auf  die  Nordspitze  von  Grimsey 65 

,,    19.  Oberster  Teil  eines  Vogelberges  auf  Grimsey 67 

,,    20.  Brutplatz  von  Alle  alle  auf  Grimsey 126 

,.    21.  Nest  von  Megalestris  skna 128 

,,    22.  Dunenjunge  von  Megaledris  skna  im  Neste 129 

,,    23.  Kolonie  von  Rissa  rissa  im  Pati-eksfjördr 137 

,.    24.  Nest  von  Lants  mai-hius 140 

,.    25.  Hafsülastapa  und  gegenüberliegender  Teil  von  Grimsey     .    .  162 

,.    26.  Kolonie  von  Somateria  niollisshna  in  Südwestisland     ....  200 


Übersichtskarte  von  Island 335 


Allgemeiner  Teil. 
1.  Geschichtlicher  Überblick. 

Während  die  Inselu  tropischer  Meere  vornehmlich  durch  die  Üppigkeit 
ihrer  Vegetation  zur  Besiedelung  locken,  ist  es  in  nordischen  Gebieten  der 
Reichtum  der  Tierwelt,  der  einen  Aufenthalt  daselbst  wünschenswert  oder 
sogar  überhaupt  erst  möglich  macht.  Besonders  die  Menge  der  Fische  und 
Seevögel  war  es,  die  auch  in  Island  den  ersten  Ansiedlern  die  wichtigste 
Garantie  zur  Existenzmöglichkeit  bot.  Die  norwegischen  Wikinger,  die  in 
der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  die  Insel  zu  ihrem  Wohnsitze  wählten,  waren 
zwar  in  der  Heimat  mehr  auf  die  Tiere  des  Waldes  angewiesen,  wußten 
jedoch  bei  ihren  häufigen  Seefahrten  auch  die  Geschöpfe  des  Meeres  zu 
benutzen.  Die  zahlreicheren  und  größeren  Vogelarten  kannten  sie  selbst 
dem  richtigen  Namen  nach  recht  wohl,  wenn  freilich  die  Beobachtungen 
über  deren  Lebensweise  durch  heidnischen  Aberglauben  arg  verunstaltet 
wurden.  Bekannt  ist,  daß  man  verschiedenen  Vögeln  nicht  nur  menschlichen 
Verstand  und  menschliche  Gefühle  beilegte,  sondern  sogar  glaubte,  sie 
befänden  sich  im  Besitze  übernatürlicher  geistiger  Kräfte.  Von  jenem  aben- 
teuerlustigen Normannen  Flöki  Vilgerdarson,  der  Island  den  Namen 
gegeben  haben  soll,  erzählt  z.  B.  das  altisländische  Landnämabök  ^),  daß  er 
mit  Hilfe  wegekundiger  Raben  die  freilich  schon  vor  ihm  entdeckte  Insel 
auffand.  Dieser  „große  Seeräuber"  aus  Rogaland  veranstaltete  vor  seiner 
Abreise  ein  Opferfest  und  „heiligte"  dabei  drei  Raben,  indem  er  sie  durch 
zauberische  Mittel  zu  befiihigen  suchte,  ihm  den  Weg  zu  weisen.  Flöki  fuhr 
nun  —  ums  Jahr  8G5  —  zunächst  nach  den  Färöern  und  von  da  aus  im 
Vertrauen  auf  die  heiligen  Odinsvögel  weiter  in  das  unbekannte  Meer.  Als 
er  den  ersten  Raben  fliegen  ließ,  kehrte  dieser,  so  wird  erzählt,  gleich  wieder 
um;  der  zweite  schwang  sich  zwar  ein  Stück  in  die  Luft,  kam  aber  eben- 
falls bald  zurück;  der  dritte  jedoch  flog  richtig  nach  der  Seite  hin  ab,  wo 
die  Seefahrer  endlich  das  gesuchte  Land  auffanden.  —  Manche  der  norwegischen 
Edeln  konnte  freilich  auch  der  Überfluß  der  fernen  Insel  an  Fischen,  See- 
hunden, Vögeln   und  Vogeleiern   nicht   verlocken,    die  Heimat  zu   verlassen, 


1)  J.  C.  Poestion,  Island,  S.  283,  Wieu  1885. 
Hantzsch,  Vogelwelt  Islands. 


2  Geschichtliches. 

selbst  wenn  sie  hier  geächtet  und  verfolgt  wurden.  „Nach  diesem  Fischer- 
platze fahre  ich  nicht  in  meinen  alten  Tagen,"  sprach  Ketill  Flatnefr,  als 
seine  Söline  ihm  zuredeten,  nach  Island  auszuwandern,  um  den  Nachstellungen 
des  Königs  Haraldr  Härfagri  zu  entgehen.') 

l'iine  Menge  interessanter  Mitteilungen  über  das  Verständnis,  welches 
diese  Germanen  den  Vögeln  entgegenbrachten,  geben  die  ältere  oder  Lieder- 
Edda,  die  fälschlicherweise  dem  gelehrten  Isländer  S»mund  Sigfusson 
(f  1133)  zugeschrieben  wird,  und  die  jüngere  oder  Prosa-Edda  des  isländischen 
Geschichtsschreibers  Snorri  Sturlason  (f  1241)-).  Besonders  Adler  und 
Raben  werden  darin  oft  genannt,  ferner  noch  Geier,  Habichte,  Krähen, 
Schwäne,  Möven  und  von  Hausvögeln  Hühner  und  Gänse. 

Einige  Beispiele  mögen  folgen!  So  heißt  es  in  der  Wöltispa  (Strophe  59)  von 
dem  Zustande  nach  der  (TÖtterdämmerung: 

„Aufsteigen  seh'  ich  zum  andern  Male 
Aus  der  Flut  die  Erde  in  frischem  Grün; 
IJber  schäumenden  fällen  schwebt  der  Adler, 
Fische  fängt  er  an  felsiger  Wand."  (Gering.) 

Im  (irimnismöl  wird  erzählt  (Str.  10): 

,,Leicht  kenntlich  ist  allen,  die  zu  Odin  kommen. 
Des  Herrschers  hoher  Saal: 
Ein  Wolf  hängt  westlich  vom  Tore, 

Drüber  schwebt  oben  ein  Aar."  (Gering.) 

Nach  altisländischem  Volksglauben  muß  man,  um  die  Sprache  der  Vögel  ver- 
stehen zu  können,  einem  lebenden  Raben  das  Herz  ausreißen  und  es  unter  die  Zunge 
legen.  Dieselbe  Wirkung  hat  die  Zunge  des  Steinfalken  (Gering,  1.  c,  S.  207).  Die 
Meinung,  daß  auch  der  Genuß  eines  Drachenherzens  zum  Verständnis  der  Vogelsprache 
verhelfe,  kennzeichnet  das  Lied  von  Fal'uir  (Fäfnismöl).  Nachdem  Sigurd  nämlich, 
diesen  Drachen  getötet  hatte,  briet  er  dessen  Herz  am  Spieße,  und  als  er  nun  meinte^ 
daß  es  gar  wäre  und  das  Blut  aus  dem  Herzen  zu  schäumen  anfing,  faßte  er  mit  dem 
Finger  daran.  Er  verbrannte  sich  aber  und  steckte  den  Finger  in  den  Mund.  Als 
hierdurch  Fafnirs  Herzblut  auf  seine  Zunge  kam,  verstand  er  plötzlich  die  V^ogelsprache. 
Er  hörte,  was  die  Meisen  im  Gebüsche  zwitscherten. 

Die  Raben  sind  meist  als  solche  Vögel  bezeichnet,  die  nach  dem  Kampfe  sich 
von  dem  Fleische  der  Gefallenen  sättigen.  Zur  Freude  der  Raben  will  mancher  Held 
kämpfen,  was  eben  bedeutet,  seine  Feinde  erschlagen.  Auch  ist  der  schwarze  Rabe 
ein  Unglücksvogel,  dessen  Gekrächz  Trauer  verkündigt: 

„Gesunken  war  Sigurd  südlich  am  Rhein, 
Von  hoher  Heister  schrie  heiser  ein  Rabe." 

(Simrock,  Brynhildarkwida  4). 
Freilich  hatten  die  alten  Germanen  auch  wohl  erkannt,  welch'  kluge  Tiere  die 
Raben  sind,  ja  nicht  mit  Unrecht  hielten  sie  diese  für  die  klügsten  von  allen  Vögeln 
und  machten  sie  zu  den  allwissenden  Dienern  Odins.  Auf  den  Schultern  dieses  hohen 
Gottes  sitzen  die  Raben  Hugin  und  Munin,  „die  sagen  ihm  ins  Ohr  alle  Zeitungen, 
die  sie  hören  und  sehen.  Er  sendet  sie  morgens  aus,  alle  Welten  zu  umfliegen,  und 
mittags  kehren  sie  zurück.     Die  Menschen  nennen  ihn  deshalb  Rabengott." 

Krähen,  Geier  und  Habichte  waren  als  aasfressende  Vögel  berüchtigt,  ihr 
Fleisch  aber  diente  als  Zauberspeise.  In  der  Brynhildarkwida  (Str.  4)  heißt  es  von 
den  Meuchelmördern  Sigurds: 


1)  J.  C.  Poestion,  1.  c,  S.  288. 

*)  Die  Edda,  übersetzt  und  erläutert  von  Hugo  Gering,  Leipzig  und  Wien  1894. 
Karl  Simrock,  Stuttgart  1878. 


Geschichtliches.  3 

„Sie  brieten  Wolfsfloisch,  den  Wurm  zerschnitten  sie, 

Gaben  dem  Guthorn  Geier  Heisch 

Ehe  sie  mochten,  die  Mordgierigen, 

An  den  hehren  Helden  die  Hände  legen." 
Weiter  wird  in  der  jüngeren  Edda  schon  berichtet,  daß  man  die  „Falken  warf" 
und  mit  ihrer  Hilfe  das  Weidwerk  übte. 

Auch  der  Singschwan  war  den  alten  Isländern  ein  beachtenswerter  Vogel,  der 
oft  erwähnt  wird.  „In  Urds  Brunnen  nähren  sich  zwei  Vögel,  die  Schwäne  heißen".  — 
Der  Ase  Niördr,  der  Skadi,  die  Tochter  des  Eiesen  Thiassi,  zur  Frau  hatte,  wollte  gern 
am  IVIeeresstrande  wohnen,  sie  aber  auf-  den  Felsen  in  Thrymheim,  der  Burg  ihres 
Vaters.     Da  Niördr  von    den  Bergen   nach  dem  Strande  Noatun  zurückkam,    sang    er: 

„Leid  sind  mir  die  Berge,  nicht  lange  war  ich  dort, 

Nur  neun  Nächte. 

Der  Wölfe  Heulen  däuchte  mich  widrig 

Gegen  der  Schwäne  Singen." 
Aber  Skadi  entgegnete: 

„Nicht  schlafen  könnt'  ich  am   Ufer  der  See 

Von  der  Vögel  Lärm; 

Da  weckte  mich  vom  Wasser  kommend 

Jeden  Morgen  die  Möve.*'   —  (Simrock.) 

Die  Gänse  werden  öfters  als  Hausvögel  genannt,  besonders  berühmt  aber  ist 
der  Hahn  mit  seinem  Krähen. 

„Da  saß  am  Hügel  und  schlug  die  Harfe 

Der  Riesin  Hüter,  der  heitre  Egdir. 

Vor  ihm  sang  im  Vogelwalde 

Der  hochrote  Hahn,  geheißen  Fialar." 

,,Den  Göttern  gellend  sang  Gulliukambi, 

Weckte  die  Helden  beim  Heervater, 

Unter  der  Erde  singt  ein  andrer, 

Der  schwarzrote  Hahn  in  den  Sälen  Hels." 

(Simrock,  Wöluspa  34,  35.) 

Diese  Beispiele  zeigen  zur  Genüge,  wie  der  Alt-Isländer,  beziehentlich 
der  Nordgermane  überhaupt,  in  seiner  Naturkeuutnis  jenen  kindlichen  Stand- 
punkt einnahm,  auf  dem  sich  heutzutage  noch  unsere  Kinder  befinden,  wenn 
sie  mit  größtem  Vergnügen  die  oft  ungereimtesten  Tierfabeln  anhören. 

Außer  den  erwähnten  Vögeln  nennt  Benedikt  GröndaF)  noch  eine 
gToße  Menge  andere,  die  in  den  alt-isländischen  Gedichten  genannt  sind. 
Da  es  nicht  uninteressant  ist,  diese  Namen,  von  denen  etwa  50  fast  unver- 
ändert noch  heute  in  Island  gebraucht  werden,  mit  den  im  II.  Teile  dieser 
Arbeit  angeführten  zu  vergleichen,  lasse  ich  sie  folgen,  zumal  das  isländische 
Schriftchen  kaum  irn  Buchhandel  zu  haben  sein  dürfte.     Die  Vösel  heißen: 


Gammr,  gripr,  gauk)7J6rr,    j        Ödinshani,  älka, 


gaukr,  sviplekja, 
grägäs,  heim  gas, 
gagl  ok  helsingr; 
geirl'ugl,  geitüngr, 
gleda,  dodr,  kvisa, 
ari,  nagr,  arta, 
älpt,  mär  ok  haukr. 


önd,  hrossagaukr, 

hramn,  hsens,  himbrin, 

iiryggjarstykki; 

heri,  hani,  hsena, 

ok  hilduri, 

üfr,  valr,  smyrill, 

ugla,  skurfir. 


Svörr,  storkr,  süla, 
svarr,  skadi,  spai'rhaukr, 
stelkr,  spörr,  svala, 
steindelfr,  spiki, 
sküfr,  spöi,  s;edingr, 
skarfr  ok  svartbakr, 
skeglingr,  skidi, 
skjöldüngr,  päi. 


^)  Islenzkt  fuglatal,  Reykjavik  1895. 


Geschichtliches. 


Kam,  igda,  kjalarfugl. 
kräka,  di'ifa, 
iTÖstr,  pidurr,  periia. 
J^eisti,  (liinnu: 
trana,  tjaldr,  titlinf(r, 
tyrcliliiii'ili, 
löiur,  Ijevirki 
ok  leitrblaka. 

Jjängve,  liindi, 
loa,  fjölmödi, 
lyiing,  löjra'll, 


frigfrjarelda, 
riiidiljnari,  liri, 
rjüpa,  fjailrota, 
jarpi,  ertla, 
ok  jadrakarn. 

Akri,  dodka, 
eedr  ok  najtingr, 
kreppint/r,  flödskitr, 
kjarfilki,  sptetr, 
meisingr,  j^fiiigr, 
rayrisnipa, 


ritr,  hajngivakr, 
rivaiiskintia. 

Hrökr,  g.jödr,  liegri, 
ok  haftyrdill, 
brandgäs,  hrotgäs, 
briraorri,  mär, 
sendiingr,  skr^'tingr, 
siifefugl,  skäri, 
vakr,  valr,  di'ifa. 
vallol'r.  sturi.') 


Diese  sogenannte  „eddisdie  Nonjenkhitur"  ist  eine  auf  l'evgament  im 
13.  Jalivhundert  verfaßte  und  eddischen  Abhandlungen  einverleibte  Auf- 
zeichnung vorstehender  119  Namen,  von  denen  allerdings  geitüngr  (Wespe) 
und  ledrblaka  (Fledermaus)  wegfallen  müssen.  Außer  nordischen  Vogelarten 
sind  noch  andere  darin  aufgezählt;  eine  Anzahl  von  Bezeichnungen  lassen 
sich  auch  heute  nicht  mehr  erklären.'^) 

In  jene  alten  Zeiten  reicht  auch  die  l-hitstehung  des  geschichtlich 
interessanten  Namens  für  die  Bekassine  (Gallinago  (jaUlnago):  Hrossagaukur 
d.  i.  Roßkuckuck.  Den  Normannen,  so  wird  erzählt,  war  in  ihrer  Heimat 
der  Kuckuck  ein  wichtiger  Orakelvogel.  Weil  sie  diesen  in  Island  nun  nicht 
fanden,  setzten  sie  an  seine  Stelle  die  Bekassine,  deren  pferdeartig  wiehernde 
Töne,  besonders  durch  zitternde  Bewegungen  der  äußeren  Schwanzfedern 
während  des  Fluges  hervorgebracht,  den  Aberglauben  zur  Genüge  reizten. 
Noch  heutigen  Tages  vertritt  die  Bekassine  in  Island  den  Kuckuck  als  wahr- 
sagender Vogel.  =')  —  Auch  die  Namen  Odinshani  (P/udaropus  lohatm)  und 
])örshaui  ( Cry mophilns  fitlicarii(s)  erinnern  an  die  heidnische  Zeit.  Doch 
ist  letzterer  wahrscheinlich  erst  viel  später  jenem  nachgebildet  worden. 

Snorri  Sturlason,  der  Verfasser  der  Prosa- Edda,  hat  auch  das  große 
nordische  Geschichtswerk  Heiraskringla  geschrieben.  Daß  hierin  Wahrheit 
und  Dichtung  verbunden,  beziehentlich  mehr  oder  weniger  kritiklos  alte 
Yolkssagen  aufgenommen  sind,  ist  nach  dem  damaligen  Stande  der  Geschichts- 
forschung erklärlich.  Snorri  erzählt  z.  B.,  daß  König  Haralld  Gormsson  von 
Dänemark  (ca.  1200)  zum  Kriegszuge  gegen  Island  rüstete,  um  sich  für  die 
Schmach  zu  rächen,  die  isländische  Seefahrer  ihm  angetan  hatten.  Vorher 
aber  sandte  er,  wie  die  Volkssage  berichtet,  einen  zauberkundigen  ]\Jaun 
nach  der  Insel,  der  in  Walsgestalt  um  das  Land  fuhr.  Er  sah,  daß  alle 
Berge  und  Hügel  voll  waren  von  Schutzgeistern,  die  nebst  Drachen.  Würmern, 
Fröschen  und  Eidechsen  ihm  die  Landung  verwehrten  und  Gift  entgcgen- 
bliesen.  Als  er  endlich  in  den  Eyjafjördr  eindringen  wollte,  flog  ihm  ein 
Vogel  entgegen,  der  war  so  groß,  daß  seine  Schwingen  hinausragten  auf  die 
Berge   zu   beiden   Seiten,   und   hinter  ihm  kamen   eine   Fülle  andere  Vögel, 


*)  B.  Gröndal,  1.  c,  S.  55—56. 

')  B.  Gröndal,  Isländische  Vogelnamen,  Ornis  1887,  S.  618. 

3)  B.  Gröndal,  Ornis  1887,  S.  597. 


Geschichtliches.  5 

große  und  kleine.  So  wurde  auch  hier  dei-  Zauberer  zur  ürakehr  genötigt, 
und  der  Kriogszug  König  Harallds  unterblieb.^) 

Auf  Tatsachen  gründet  sich  die  Mitteilung  des  Giraldus  Cambrensis,-) 
der  im  12.  Jahrhundert  in  England  lebte,  wenn  er  schreibt,  man  fange  in 
Island  schöne  große  Falken  und  Habichte  (!)  und  bringe  sie  von  dort  nach 
anderen  Ländern. 

Daß  unter  allen  isländischen  Vögeln  keiner  dem  Jagdfalken  au  altem 
Ruhme  gleichkommt,  steht  fest,  Grund  genug,  diesen  stattlichen  Räuber  auf 
das  "Wappenschild  Islands  zu  setzen.  Im  13.  Jahrhundert  hatte  der  Bischof 
von  Droutheim  das  alleinige  Monopol,  isländische  Falken  zu  erwerben,  bis 
die  dänischen  Könige  dieses  Recht  für  sich  in  Anspruch  nahmen.  Sie 
benutzten  die  Vögel  teils  für  eigene  Jagdzwecke,  teils  verschenkten  sie  diese 
an  andere  Vornehme,  wovon  in  verschiedenen  Schriften  damaliger  Zeit 
berichtet  wird. 

Von  weiteren  isländischen  Vögeln  bekommen  wir  auch  aus  dem  14.  und 
15.  Jahrhundert  nur  ganz  dürftige  Mitteilungen.  =^)  Zu  erwähnen  ist  die 
Gudmundarsaga  des  Abtes  Arngrimr  zu  J)ingeyrar  (11361).  in  der 
eine  kurze  Beschreibung  Islands  gegeben  wird,  die  insofern  Bedeutung  hat, 
als  sie  die  einzige  aus  dieser  Zeit  darstellt.  Arngrimr  schreibt  darin:  Island 
ist  in  manchen  Gebieten  der  Nordküste  so  gestaltet,  daß  daselbst  Berge  von 
mächtiger  Höhe  stehen,  die  an  einigen  Stellen  hundert  Klafter  noch  über- 
steigt. Auf  solchen  Bergen  sammeln  sich  im  Sommer  eine  unzählige  Menge 
von  Seevögeln,  die  in  den  Höhlen  und  Klüften  des  Gebirges  nisten.  Der 
Lebensunterhalt  vieler  Leute  besteht  nun  darin,  die  Eier  und  Vögel  wegzu- 
nehmen. Der  Vogelfänger  läßt  sich  an  einem  Seile  von  oben  an  der  Berg- 
wand herab,  doch  ist  diese  Fertigkeit  mit  Gefahr  und  Verlust  an  Menschen- 
leben verbunden,   weil  das  Seil  leicht  beschädigt  wird.     (Thoroddsen  I,  69.) 

In  den  folgenden  Jahrhunderten  riefen  besonders  die  Mitteilungen 
Interesse  hervor,  die  berichteten,  daß  gewisse  isländische  Tiere  mehr  oder 
weniger  weiß  gefärbt  seien.  So  erzählt  der  Schwede  Olaus  Magnus  in 
seinem  Buche  über  die  Länder  und  Völker  des  Nordens,'^)  daß  es  in  Island 
sehr  viele  Raben  gäbe,  unter  denen  sich  häufig  weiße  Exemplare  fänden. 

Auch  Ditmar  Blefkeu,'"^)  dessen  Mitteilungen  freilich  noch  aben- 
teuerlicher klingen,  als  die  des  vorhin  genannten,  berichtet,  es  gäbe  in  Island 
ausgezeichnete  Falken,  die  zum  Teil  weiß  aussähen,  ferner  auch  weiße  Schnee- 


')  Snorri  Sturlasous  Heiuiskringla,  Deutsche  Übersetzung  von  Wachtor,  TT.  T. 
S.  247,  Leipzig  1836. 

'^)  Cambriae  descriptio,  iu:  Viriinnius  Ponticus,  Britannicae  historiae  libri  VI. 
Londini  1585. 

■')  Eine  ganze  Anzahl  der  Tolgeuden  Berichte,  die  sich  auf  ungedruckte  Hand- 
schriften oder  mir  unzugängliche  isländische  Bücher  beziehen,  die  aber  docJi  wieder- 
gegeben zu  werden  verdienen,  entnehme  ich  der  „Geschichte  der  isländischen  Geographie'* 
von  Th.  Thoroddsen,  auf  deren  deutsche  Übersetzung  aus  dem  Isländischen  voit 
A.  Gebhardt,  I.  T.  Leipzig  1897,  IL  T.  ebd.   1898.  ich  hinweise. 

*)  Rom  1555. 

^)  Islandia,  usw.     Lugduui  Batavorum  1G07. 


ß  Geschichtliches. 

liühner  und  inituiitor  weiße  Raben.  Da  Blefken  selbst  in  Island  gewesen 
sein  soll,  verdient  die  Mitteilung  iirinierhin  der  Beachtung. 

Der  Isländer  Björn  Jönsson ')  erzählt  gleichfalls  von  weißen  Falken, 
ebenso,  daß  mit  dem  Grönlandstreibeise  weißgefleckte  Raben  kämen  und 
vor  kurzer  Zeit  —  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  —  ein  ganz  weißes  Exemplar 
dieser  Art  beobachtet  worden  sei.  Kr  berichtet  auch  von  Hvid-Ornen  (Weiß- 
Adlern),  worunter  er  jedenfalls  Schneeeulen  meint. 

Diese  und  andere  Mitteilungen  wurden  von  den  Gelehrten  Mittel- 
europas derart  verallgemeinert,  daß  mau  glaubte,  die  meisten  isländischen 
Tiere  wären  weiß,  zumal  man  auch  von  weißen  Füchsen  und  Bären  Kunde 
erhielt.  Auf  alten  Karten  der  Insel  finden  sich  deshalb  fast  regelmäßig 
weiße  Tiere,  insbesondere  Falken  und  Raben,  zur  Charakterisierung  des 
Landes  dargestellt. 

Die  Isländer  selbst  verfolgten  die  Landvögel  nur  wenig,  schon  weil 
ihnen  geeignete  Schießwatfen  fehlten.  Kein  Kaufmann  durfte  der  bäuerlichen 
Bevölkerung  eine  solche  verkaufen,  und  mit  Pfeil  und  Bogen  jagen  oder 
mit  Schlingen  fangen  war  ebenso  müiisam  als  wenig  erfolgreich.  Es  mochte 
deshalb  für  Ausländer  eine  Leichtigkeit  sein,  in  kurzer  Zeit  große  Mengen 
von  Vögeln  zu  schießen,  nicht  nur  weil  es  an  geeigneten  Orten  solche  in 
beträchtlicher  Zahl  gab,  sondern  auch  weil  die  Vögel  scheinbar  geringe  Scheu 
gegen  den  Menschen  zeigten.  So  berichtete  einer  von  Hudsons  (lefährten 
in  einem  Briefe  nach  England,  geschrieben  am  30.  Mai  1610  in  Nordisland:'-) 
„Am  Weißen  Sonntage  waren  wir  auf  dem  Nordkap  von  Island  und  lebten 
dort  so  gut,  wie  kaum  in  England.  Die  Bewohner  dieser  Gegend  sind 
äußerst  arm  und  führen  ein  kümmerliches  Leben.  Aber  wir  fanden  eine 
große  Menge  Fische  und  viele  wohlschmeckende  Vögel.  Au  einem  einzigen 
Abende  habe  ich  so  viele  davon  erlegt,  daß  die  ganze  Schiffsmannschaft  von 
23  Köpfen  zu  Mittag  allein  von  den  Schneehühnern  eine  reichliche  Mahlzeit 
hatte,  ohne  die  Brachvögel,  Regenpfeifer,  Wildenten,  Krickeuten  und  Gänse 
zu  zählen.'' 

Wenn  derartige  gelegentliche  Notizen  über  die  Vogelwelt  Islands  auch 
liistorisches  Interesse  haben,  kann  man  ihnen  doch  wissenschaftlicii  keinen 
besonderen  Wert  beilegen,  zumal  man  nie  weiß,  inwieweit  der  Berichterstatter 
glaubwürdig  ist.  Bis  in  das  17.  Jahrhundert  hinein  begegnet  man  vorurteils- 
freier, sachlich  richtiger  Naturbeobachtung  äußerst  selten.  Die  Landbevölkerung, 
die  in  regem  Verkehre  mit  der  Natur  stellt,  hat  keinen  Sinn  für  die  alltäg- 
liche Umgebung  oder  verbindet  alle  Beobachtungen  mit  den  sonderbarsten 
Vorstellungen.  Die  sogenannten  Naturkundigen  aber  schreiben  in  der  Haupt- 
sache nur  Gehörtes  ab,  reproduzieren  Gelesenes  oder  stützen  ihre  Mitteilungen 
auf  Annahmen.  Der  wichtigste  Grund,  weshalb  man  gerade  im  17.  Jahr- 
hundert so  selten  eigene  Untersuchungen  in  der  Natur  anstellt,  liegt  aber 
in  dem  beispiellosen  Aberglauben,  der  alle  Kreise  gefangen  hält.  Jedes 
freie  naturwissenschaftliche  Studium  Itringt  die  Gefahr  mit  sich,  gerichtliche 

*)  S.  Thormod  Torl'aeus,  (jronlandia  Antiqua,  1715. 
'^)  In  Samuel  Purchas:  His  pilgrimes,  London  1625. 


Geschichtliches.  7 

Verfolgung,  ja  selbst  Folterung  und  Verbrennung  nach  sich  zu  ziehen.  Dies 
ist  in  Island  kaum  besser  als  im  übrigen  Europa.  Trotzdem  existieren  einige 
Männer,  die  im  Rahmen  ihrer  Zeit  auch  für  unseru  Gegenstand  nicht 
unwichtige  Werke  verfaßt  liaben. 

Vor  allen  andern  ist  Jon  Gudmundsson  der  Gelehrte  (f  c.  1650) 
zu  nennen,  dessen  Buch  „Von  Islands  unterschiedlichen  Naturen"')  zahl- 
reiche ornithologische  Mitteilungen  bringt,  die  deutlich  die  Auffassung  des 
Jahrhunderts  wiederspiegeln.  Ein  besonderer  Abschnitt  behandelt  „einige 
Gattungen  von  Vögeln".  Jon  teilt  diese  nach  ihrem  Aufenthalte  ein  in 
Land-,  Sumpf-,  Heide-,  Strand-  und  Schärenvögel.  Er  nennt  die  meisten 
der  noch  heute  in  Island  gewöhnlicheren  Arten,  und  manches,  was  er  über 
sie  schreibt,  zeugt  von  guter  Beobachtung.  Freilich  erzählt  er  auch  eine 
Menge  Märchen.  So  sagt  er  z.  B.  vom  Zaunkönige:  „Er  hat  das  vor  andern 
Vögeln  voraus,  daß  er  auf  der  Erde  nicht  getötet  werden  kann  und  sofort 
entkommt  oder  vor  dem  Streiche  in  der  p]rde  verschwindet,  außer  wenn 
dieser  ihn  trifft,  solange  er  in  der  Luft  ist.  Er  meidet  die  Fensterki-euze 
uud  lebt  in  Löchern  gleich  der  Maus." 

Jon,  der  viele  Edelsteine  besessen  haben  will,  erzählt  auch,  daß  er 
den  Lebensstein  Bezoar  gefunden  hätte,  mit  dem  die  Eaben  ihren  Jangen 
Leben  beibringen.  Von  andern  Natursteinen  sollen  diese  Vögel  auch  ihren 
großen  Verstand  und  ihre  Weisheit  besitzen.  „Jung  war  ich  noch",  sagt 
Jon,  „als  ich  sah,  wie  ein  alter  Geistlicher  mit  einem  Raben  redete."  Im 
Kröpfe  einer  Bachstelze  fand  er  ebenfalls  einen  merkwürdigen  Naturstein, 
doch  ist  er  nicht  gut  auf  diesen  Vogel  zu  sprechen,  nennt  ihn  giftig  und 
rachsüchtig  und  sagt,  „eine  Bachstelze  töten,  das  kann  nur  ein  glückloser 
Gauner  tun". 

Jon  Gudmundsson  hat  auch  ein  „Lied  von  den  Vögeln"  gedichtet: 
wenigstens  stammen  die  13  letzten  Strophen  desselben  von  ihm,  während 
die  3  ersten  wahrscheinlich  von  |)orleifur  pördarson  (der  Zauber -Leih, 
j  1647)  herrühren.  In  diesem  Liede  sind  52  Arten  isländischer  Vögel  auf- 
gezählt und  außerdem  noch  10  ausländische  genannt.  Von  den  meisten 
werden  Notizen  über  ihre  Lebensweise  gegeben. 

„Wenig  weiß  ich  Hübsches  beizubringen, 

Will  nun  Islands  Vögel  hier  besingen, 

Wie's  meine  Kunst  im  Lied  mir  läßt  gelingen." 

„Rabe,  Odinshuhn  und  Aar 

Ist  dreier  Vögel  Name  fürwahr  ..." 

„Zierlich  und  klein  der  Zaunkönig  ist 

Und  ziemlich  ohne  Nutzen." 

„Taucher,  Möven  und  noch  mehr 

Schwimmen  auf  dem  Meer  umher, 

Die  Kragenente  kommt  daher  .  .  .•'-) 


1)  Thoroddsen  II,  95  f. 

2)  Viele  Namen  isländischer  Vögel  enthält  auch  das  Lied  von  den  Klauen- 
vögeln („Vor  allen  andern  nenne  ich  den  alten  schwarzen  Raben")  und  die  Lieder 
porbjörn  Salömonssons  von  den  See-  und  Landvögeln  („Viel  Uferläufer  einst  ich  sah"). 


g  Geschichtliches. 

Die  Schriften  Jon  Gudraimdssons  waren  lange  Zeit  die  wichtigste 
Quelle,  aus  der  spätere  Schriltsteller  schöpften,  wenn  sie  über  die  zoologischen 
Verhältnisse  Islands  berichten  wollten.  Viele  der  von  ihm  erzählten  Tier- 
sagen sollen  auch  noch  heute  unter  der  Bevölkerung  der  Insel  verbreitet  sein. 

Weitere  Angaben  über  isländische  Vögel  finden  sich  in  Jon  Dadasons 
(f  1676)  „Hexensabbat."^)  Der  Verfasser  rechnet  freilich  alles,  was  fliegen 
kann,  zu  unsrer  Tierklasse,  so  auch  „Biene,  Drache,  Grashüpfer  und  Fleder- 
maus". Von  den  Zugvögeln  sagt  er:  „Einige  Vögel  fliegen  nach  andern 
Ländern;  der  Eidervogel,  der  Seepapagei  und  der  Austernflscher  nach  Barbaria^), 
die  Ringelgans,  die  Bläßgans  und  die  Weißwangengans  nach  England  und 
Frankreich,  der  Brachvogel,  die  Pfuhlschnepfe  und  der  Goldregenpfeifer  nach 
den  Orkneys,  der  Schwan  aufs  offene  Meer  und  die  Entenvögel  nach  den 
Binnenseen."  Vom  Adler  erzählt  Jon:  „Der  Adler  heißt  der  König  der 
Vögel  und  das  Wappen  des  Kaisers.  Man  glaubt,  er  werde  hundert  Jahre 
alt  und  verjünge  sich  dann  wieder,  sei  vom  Blitze  unverletzbar,  trage  den 
Lösestein  in  sein  Nest,  wenn  er  brüten  wolle,  fliege  am  höchsten  und  sehe 
am  schärfsten  von  allen  Vögeln;  er  lehre  seine  Jungen,  in  die  Sonne  zu 
schauen,  auch  wolle  er  wissen,  wo  Aas  zu  erwarten  sei,  könne  sehr  wohl 
bei  Heilungen  gebraucht  werden"  usw.  „Das  ist  gewiß:  der  Adler  wirft 
sein  Gefieder  ab,  wie  andere  Vögel,  wie  der  Krebs  die  Schale,  die  Schlange 
die  Haut,  die  Vierfüßler  das  Haar,  doch  verjüngt  sich  kein  einziges  Wesen 
oder  entsteht  von  neuem  und  der  Adler  am  allerwenigsten." 

Von  isländischen  Schriften  des  17.  Jahrhunderts,  die  für  unseren  Gegen- 
stand einige  Bedeutung  haben,  mögen  noch  folgende  genannt  sein. 

Gisli  Oddsson  schrieb  1638  ein  Buch  „De  mirabilis  Islandiae",  worin 
von  den  zahmen  Vögeln,  den  Zugvögeln,  dem  Winteraufenthalte  der  Vögel 
und  den  Seevögeln  Mitteilungen  gegeben  werden.     (Thoroddsen  II,  119.) 

Der  Bischof  ]>orläkur  Skülason  berichtet  dem  Könige  Christian  IV. 
auf  dessen  Befragen  hin  (1647),  daß  die  isländischen  Falken  nicht,  wie  die 
Ausländer  meist  glaubten,  alle  weiß,  sondern  im  Gegenteile  gewöhnlich  grau 
seien.  Auch  hätte  er  nur  ein  einziges  Mal  einen  weißen  Raben  gesehen. 
(Thoroddsen  II,  122.)  Der  andere  der  beiden  Bischöfe,  B r y  n  j  ö  1  f u  r  S  v  e i n  s s o  n 
dagegen,  berichtete  auf  dieselbe  Anfrage  hin,  daß  ihm  niemals  weiße  Raben 
zu  Gesicht  gekommen  seien.     (Thoroddsen  11,  124.) 

Ebenfalls  im  Jahre  1647  sandte  der  gebildete  Isländer  Gisli  Magnussen, 
der  in  Dänemark,  Holland  und  England  studiert  hatte,  an  den  König  eine 
Abhandlung,  in  welcher  er  Vorschläge  für  eine  Hebung  Islands  gibt.  Hierin 
spricht  er  es  als  notwendig  aus,  daß  die  Leute  in  einer  vorteilhafteren  Art 
des  Vogel-  und  Fischfanges  unterwiesen  würden  und  zählt  verschiedene 
Vögel  auf,  die  mehr  beachtet  werden  sollten.  Weiter  fügt  er  hinzu,  daß  die 
Bewohner  diese   und  andere   flrwerbsquellen   kaum   auszunützen  verstünden. 


1)  Thoroddsen  II,  105. 

*)  Barbaria  ist  die  Berberei,  ehemals  auch  die  Barbareskenstaaten  genanut,  also 
die  nordafrikanischen  Küstenländer  von  Tunis  bis  Marolvko. 


Geschichtliches.  9 

Er  erklärt  bestimmt,  daß  die  Armut  ab-  und  der  Handel  zunehmen  würden, 
wenn  man  Fiscli-  und  Vogelfang  rationeller  betriebe  (Thoroddsen  11,    133). 

Bischof  ):)örd  j^orläksson  (Theodorus  Thorhicius)  beschrieb  1666 
seine  Heimatinsel  und  zählte  auch  einige  Vogelarteu  derselben  auf.  „Der 
nützlichste  aller  Vögel,"  sagt  er,  „ist  der  p]idervogel;  denn  die  Fremden 
kaufen  seine  Dunen  für  teures  Geld"  (Thoroddsen  II,  147). 

Der  in  Dänemark  lebende  Holländer  Olaus  Worraius  (Ole  Worm) 
stand  mit  verschiedenen  Isländern,  die  in  Kopenhagen  studiert  hatten,  in 
dauernder  Verbindung  und  erhielt  von  diesen  Mitteilungen  und  Naturalien 
der  Insel.  Seine  naturwissenschaftlichen  Sammlungen  waren  weit  berühmt, 
doch  erschien  deren  Beschreibung  erst  nach  seinem  Tode.^)  Etwas  Neues 
über  Island  bringt  diese  Schrift  nicht. 

p]benso  enthalten  die  drei  weiteren,  nicht  isländischen  Arbeiten  des 
17.  Jahrhunderts  wohl  ziemlich  ausführliche  Darstellungen  der  Vogelwelt 
unserer  Insel,  sind  aber  voll  von  Anekdoten  und  Irrtümern,  weshalb  ich 
unterlasse,  ausführlicher  über  sie  zu  berichten.  1638  erschien  in  polnischer 
Sprache  ein  Buch  über  Island,  dessen  Verfasser  Daniel  Streyc  (Fetterus) 
wahrscheinlich  1613—14  selbst  die  Insel  bereist  hatte.  1654  veröffentlichte 
der  Däne  Jens  Lauridsen  Wolf  sein  Encomiou  regui  Daniae,  in  dem  er 
61  Arten  von  Vögeln  aufzählte.  1684 — 88  endlich  verfaßte  der  Universitäts- 
professor und  Bürgermeister  von  Kopenhagen,  Peter  Resen,  eine  ausführ- 
liche Beschreibung  Islands  in  lateinischer  Sprache,  die  aber  nie  gedruckt 
wurde  (Thoroddsen  II,  196). 

Im  18.  Jahrhundert  wächst  die  Literatur  über  die  ornithologischen 
Verhältnisse  Islands  beträchtlich.  Man  hat  gelernt,  die  Natur  ungleich  besser 
zu  beobachten  als  früher  und  beginnt,  sie  um  ihrer  selbst  willen  zu  studieren. 
Man  schreibt  nicht  bloß  Gehörtes  und  Gelesenes  nieder,  sondern  begründet 
seine  Mitteilungen  durch  eigene  Untersuchungen.  Deshalb  finden  sich  hier 
und  da  Bemerkungen  über  das  Leben  der  Vögel,  die  heutzutage  nicht  anders 
gegeben  werden  könnten,  wodurch  solche  Schriften  etwas  mehr  als  rein 
historisches  Interesse  für  uns  erhalten.  Schwierigkeit  bereiten  dem  Leser 
dieser  Bücher,  insbesondere  wenn  es  sich  um  Übersetzungen  handelt,  die 
häufige  Unklarheit  der  angeführten  Namen,  sowie  mannigfache  Verwechslungen 
feststehender  Arten  untereinander.  Aus  diesem  Grunde  darf  man  Mit- 
teilungen über  das  Vorkommen  seltener  und  schwierig  zu  beobachtender 
Vögel  nicht  allzugroßen  Wert  beilegen. 

Von  isländischen  Schriften  selbst  sind  im  dänischen  Reichsarchive 
26  Sysselbeschreibungen  verwahrt,  die  in  den  Jahren  1744 — 50  entstanden 
sind.  In  einigen  derselben  finden  sich  nach  den  Mitteilungen  Thoroddsens 
auch  eingehende  Bescln-eibungen  über  die  Vogelwelt  der  betreffenden  Gebiete, 
die  freilich  nicht  allzuviel  Neues  zu  bringen  scheinen.  In  der  Besprechung 
der  ]3ingevjarsysla  z.  B.  wird  von  Jon  Benediktsson  über  den  Vogelfang 
auf  Langanes  berichtet:    „Anfang  Juni  kommen   die   Leute   auf  den  Felsen 


')  Olaus  Wormius,  Musenm  Worniianum  usw.     Lugduni  Batavorum  1655. 


\Q  Geschichtliches. 

zusamnien  und  lasaeii  einander  an  einem  Tau  liinab,  das  80  Klafter  lang 
und  aus  8  Kiemen  von  Rindsleder  gedreht  ist.  Der  Fänger  (sigamadur) 
hat  in  der  Hand  eine  Stange  von  7 — 9  Ellen  Länge  mit  einer  Schlinge 
aus  Fischbein  am  Ende.  Damit  fängt  er  die  Vögel,  drelit  ihnen  das  (lenick 
um  und  bindet  sie  an  das  Tau;  die  Eier  aber  steckt  er  in  den  Busen  seines 
Mantels.  So  werden  täglich  einige  liundert  Vögel  erlangt."  Diese  Schilderung 
läßt  erkennen,  wie  wenig  sich  in  den  letzten  zwei  Jahrhunderten  die  Art 
des  Vogelfanges  auf  Island  verändert  liat.  Bei  der  Besprechung  des  Mfvatn 
werden  10  Entenarten  genannt  und  beschrieben,  die  daselbst  brüten.  Freilich 
erzählt  man  auch  noch  abergläubisch  von  kleinen  Vögeln,  die  auf  den  heißen 
Quellen  schwömmen  oder  sogar  in  diesen  untertauchten,  ohne  zu  verbrennen, 
ebenso,  daß  es  in  verschiedenen  Gegenden  Islands  giftige  Seen  gäbe  und 
die  Vögel,  die  darüber  flögen,  sterben  müßten. 

Das  erste  gedruckte  Buch  des  18.  Jahrhunderts,  das  bedeutsame  Mit- 
teilungen über  Island  brachte,  verfaßte  der  Bürgermeister  Johann  Anderson 
in  Hamburg^).  Freilich  war  dieser  selbst  nie  in  Island  und  hat  auch  seine 
Angaben  über  die  Vogelwelt  der  Insel  mit  allen  möglichen  Anekdoten  ver- 
knüpft, die  das  Buch  lesenswerter  machen  sollten,  in  Wirklichkeit  aber  nur 
seiner  Glaubwürdigkeit  schaden.  DerVerfiisser  schreibt  z.  B.:  „Die  Adler  auf 
Island  sind  teilweise  sehr  stark  und  keck  und  richten  besonders  unter  dem 
jungen  Vieh  großen  Schaden  an.  Menschen  beunruhigen  sie  im  allgemeinen 
nicht,  wenn  sie  aber  zufällig  an  einer  angetriebenen  Leiche  Menscheufleiscb 
gekostet  haben,  werden  sie  so  lüstern  darnach,  daß  sie  Kinder  von  4  bis 
5  Jahren  wegschnappen  und  in  ihr  Nest  schleppen".  „Die  große  Seemöve 
(Larus  marimisf)  holt  Fische  aus  dem  Meere  und  schleppt  sie  ans  Land. 
Die  Bauern  aber  haben  ihre  Kinder  gelehrt,  sobald  sie  gewahr  werden,  daß 
eine  Seemöve  mit  einem  solchen  Fische  kommt,  ihr  diesen  abzujagen  und 
den  Eltern  zu  bringen".  „Die  meisten  isländischen  Entenarten",  sagt  er  an 
anderer  Stelle,  „schmecken  ekelhaft  nach  Tran;  doch  kehren  sich  die  Isländer 
nicht  daran,  sondern  schmeißen  alles,  was  sie  nur  auf  den  Klippen  erhalten 
oder  auf  den  Sandhügeln  ausgraben  können,  in  den  Topf,  kochen  es  auf 
ihre  Weise  und  schicken  es  in  ihren  vortrefflichen  Magen  hinunter."  Über 
den  Eidervogel  berichtet  er  folgendes:  „Man  hat  mir  von  dem  Eidervogel 
erzählt,  daß  er,  wenn  man  einen  Stab  von  einer  halben  Elle  mitten  ins 
Nest  stecke,  gar  über  die  Gewohnheit  fortlege  und  nicht  eher  aufhöre,  bis 
die  Spitze  des  Steckens,  damit  er  darüber  sitzen  könne,  mit  Eiern  bedeckt 
sei,  wodurch  der  Vogel  aber  dermaßen  sich  entkräftet,  daß  er  den  Tod  davon 
nimmt."  „Der  Geyrvogel  wird  gar  selten  gesehen  und  zwar  nur  an  den 
Klippen,  die  von  ihm  den  Namen  Geyrfugl-Sker  führen.  Die  Isländer 
glauben,  daß,  wenn  dieser  Vogel  sich  sehen  läßt,  es  eine  recht  sonderliche 
und  große  Begebenheit  vorbedeute.  So  seien  das  Jahr  vor  dem  Ableben 
König  Friedriclis  IV.  verschiedene  gesehen  worden." 


')  Johann  Anderson,  Nachrichten  von  Island,  Grönland  und  der  Straße  Davis,  usw. 
Hamburg  1746. 


Geschichtliches.  11 

Trotz  derartiger  fabelhafter  Erzähluugeii,  wie  sie  ja  noch  heute  dem 
in  Ishmd  reisenden  Ornithologen  nicht  selten  in  ähnlicher  Weise  geboten 
werden,  verbreitete  das  Andersonsche  Buch  besonders  in  Deutschland  die 
Kenntnis  auch  von  den  isländischen  Vögeln  um  ein  erhebliches. 

Die  offenbaren  Fehler  desselben  aber  suchte  1752  der  Däne  Niels 
Horrebow  zu  berichtigen.  Dieser  hatte  zwei  Jahre,  von  1749 — 51,  jeden- 
falls auf  Kosten  der  1742  neubegründeten  dänischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften, in  Island  zugebracht  und  war  deshalb  wohl  geeignet,  glaubhafte 
Mitteilungen  über  die  Insel  zu  bringen.  Sein  Buch^)  ist  teilweise  eine 
Widerlegung,  teilweise  auch  eine.  Ergänzung  des  Andersonschen  Werkes,  im 
allgemeinen  weit  richtiger  und  selbständiger  als  dieses.  Als  Beispiel  für 
die  Darstellungsweise  Horrebows  mag  des  geschichtlichen  Interesses  wegen 
augeführt  sein,  was  er  in  §  40  über  die  Falken  sagt.    „Die  isländischen  Falken 

sind  weiß,  halbweiß  oder  grau  und  die  Männchen  etwas  kleiner  als  die  Weibchen. 
Doch  sind  sie  alle  von  einer  Art,  und  daher  finden  sich  bisweilen  in  einem  einzigen 
Neste  .Junge  von  jeder  Farbe.  Im  Winter  kommen  auch  welche  von  Grönland  herüber. 
Diese  sind  meistenteils  weiß  und  werden  von  den  Isländern  fliegende  Falken  (üugfälkur) 
genannt,  weil  sie  keine  Nester  im  Lande  haben.  Die  isländischen  Falken  sind  die 
besten  und  stärksten  von  allen,  und  während  ein  norwegischer  Falk  nur  ein  paar 
Jahre  zur  Jagd  dienlich  sein  kann,  ist  es  ein  isländischer  bis  zu  12  Jahren  und  darüber. 
Außerdem  sind  sie  auch  größer.  Der  königliche  Reise-Falkonier  kommt  jährlich  mit 
einem  oder  zwei  Bedienten  mit  einem  Schifte  von  Holm  (das  jetzige  Keykjavik)  nach 
Bessastadir.  Diese  selbst  fangen  aber  keine  Falken,  sondern  nehmen  nur  die  von  den 
Isländern  im  Laufe  des  Jahres  gefangenen  Falken  in  Empl'ang.  In  jedem  Distrikte 
Islands  sind  nämlich  Falkenfängei-,  welche  Briefe  vom  Amtmann  darauf  haben.  Auf 
Johannis  kommen  diese  Falkenfänger,  jeder  mit  seinen  Falken,  nach  Bessastadir  ge- 
ritten, da  ein  Jlann  zu  Pferd  deren  10 — 12  Stück  führen  kann,  welche  alle  verkappet 
und  an  eine  Querstange  gebunden  sind.  Selbige  gehet  über  eine  andere  Stange,  die 
der  Kerl  in  der  rechten  Hand  wie  eine  Standarte  führet  und  auf  dem  rechten  Steig- 
bügel ruhen  läßt.  Alsdann  ist  des  Reise-Falkoniers  Amt,  die  Tüchtigen  zu  sich  zu 
nehmen,  die  Untüchtigen  aber  zu  kassieren  und  erstere  zu  Schiff  mit  sich  nach 
Kopenhagen  zu  führen.  Gegen  des  Keise-Falkoniers  Beweis  empfangen  die  Falken- 
fänger von  des  Königs  Landvogt  15  Rtr.  für  einen  weißen  Falken,  10  Utr.  für  einen 
halbweißen  und  außerdem  eine  Douceur  von  2—4  Rtr.,  wenn  sie  dergleichen  bringen. 
Für  einen  grauen  Falken  erhielten  sie  vordem  5  Rtr.,  seit  einigen  Jahren  aber  hat 
ihnen  der  König  für  einen  jeden  grauen  Falken  7  Rtr.  allergnädigst  zugelegt."  „Die 
Falkenfänger  fangen  aber  die  Falken  auf  folgende  Weise:  Sie  schlagen  zwei  Pfähle  in 
tlie  Erde,  unweit  voneinander;  an  dem  einen  wird  eine  Rype  (Schneehuhn),  Taube 
oder  in  deren  Mangel  ein  Hahn  oder  Henne  mit  einer  Schnur  von  3 — 7  Ellen  Länge 
am  Fuße  festgebunden,  auf  daß  die  Rype  oder  Taube  Raum  hat,  etwas  in  die  Höhe 
flattern  zu  können  und  der  Falk  sie  desto  eher  sieht.  An  den  Fuß  selbiger  Rype 
binden  sie  noch  eine  andere  Schnur  von  80  Faden,  welche  durch  ein  Loch  des  anderen 
Pfahls  gehet,  sodaß  der  Falkentänger  mit  dieser  Schnur  die  Rype  von  dem  ersten  zum 
andern  Pfahle  hinziehen  kann.  Bei  diesem  Pfahl  ist  ein  Garn  aufgestellt,  wie  eine 
Fischreuse,  mit  einem  großen  Tonnenband  in  einem  halben  Zirkel  von  3  Ellen  im 
diametcr  perpendiculair  aufstehend,  welches,  wenn  es  niederfällt,  über  den  andern  Pfahl 
gehet,  zu  welchem  Ende  eine  ebensolange  Schnur,  wie  die  vorige,  oben  in  dem 
halben  Zirkel  festgemacht  ist  und  durch  den  ersten  Pfahl  niedergehet  nach  dem  Falken- 
fänger, mit  welcher  Schnur  er  das  Garn    über  den  Falken    ziehen    kann,   gleichwie    er 

^)  Niels  Horrebow.  Tilforladelige  Efterretninger  om  Island  med  et  nyt  Landkort 
og  2  Aars  meteorologiske  Observationer.  Kjebenhavn  1752.  —  Deutsch  bei  Fr.  Chr.  Pelt, 
Kopenhagen  und  Leipzig  1753. 


J2  Geschichtliches. 

mit  der  andern  Schnur  die  Rype  von  dem  ersten  Pfalil  zum  andern  hinziehen  kann. 
IJiese  Anstalten  machen  die  Falkenfänger  entweder  da,  wohin,  wie  sie  vermuten,  Falken 
kommen,  oder  in  der  Xähe  von  Falkennestern  oder  auch,  wenn  sie  eineti  „fließenden 
Falken"  ankommen  sehen.  —  Wenn  nun  der  Falk  diese  Rype  oder  Taube  unten  an 
der  Erde  flattern  sieht,  schwingt  er  sich  einigemal  in  der  Luft  über  der  Stelle  herum 
und  siehct,  ob  wohl  Gefahr  vorlianden  sei.  Endlich  schießt  er  nieder  mit  aller  Force 
und  zwar  solchergestalt,  daß  der  Kopf  von  der  Hype  so  glatt  abgehet,  als  wäre  er  mit 
einem  Messer  abgeschnitten.  Sobald  der  Falk  den  Vogel  gestoßen,  fliegt  er  gern  wieder 
auf  —  er  müßte  denn  allzu  hungrig  sein  —  um  sich  vorzusehen,  damit  er  seine  Mahl- 
zeit außer  Gefahr  verzehren  kann.  Mittlerweile  er  nun  also  auffliegt,  zieht  der  Falken- 
tanger mit  der  einen  Schnur  die  Kype  hin  zu  dem  andern  Pfahl  dicht  neben  das  Netz, 
welches  der  Falk  nicht  merken  kann,  und  wenn  derselbe  alsdann  wiederkoumit,  um 
sich  mit  der  gemachten  Beute  zu  traktieren,  zieht  der  Falkenfänger  mit  der  andern 
Schnur  das  Netz  über  den  Falken,  sodaß  er  darunter  sitzt,  gleichwie  in  einem  Käfige 
oder  Vogelbauer,  und  solchergestalt  macht  er  sich  denselben  zur  Beute;  worauf  der 
Falkenfänger  alsbald  hinzugehet  und  den  Falken  sehr  vorsichtig  herausnimmt,  indem 
keine  Feder  in  seinen  Flügeln  oder  Schwanz,  wenn  es  recht  sein  soll,  beschädigt  werden 
muß,  und  mit  Ueihiilfe  eines  andern  Kerls  setzet  er  eine  Kappe  über  seine  Augen.  In 
währender  Zeit,  daß  der  Fang  dauert,  hält  sich  der  Falkenfänger  verborgen  und  so 
stille  er  nur  kann,  hinter  etlichen  Steinen,  oder  liegt  auch  platt  nieder  auf  der  Erde 
und  ist  .50 — -80  Faden  davon,  sodaß  sich  der  Falk  keine  Gedanken  macht,  wenn  er  ihn 
schon  erblicket,  daß  er  dort  etwas  zu  bestellen  habe,  nachdem  er  so  fern  davon  ist.'- 
„Wenn  das  Falkenschiff  fertig  ist,  werden  so  viele  Ochsen  geschlachtet  als  nötig  ist,  um 
die  Falken  14  Tage  lang  damit  zu  füttern.  Außerdem  aber  wird  an  Ochsen  und  Schafen 
soviel  lebendes  Vieh  mit  an  Bord  genommen,  daß  sie  bis  zur  Ankunft  in  Kopenhagen 
ausreichen.  Gewöhnlich  ist  das  Schiff  auf  7  Wochen  ausgerüstet.  Das  Fleisch,  mit 
dem  die  Falken  gefüttert  werden,  wird  in  Milch  getaucht  und  mit  Ol  und  Eiern  ver- 
mischt, wenn  die  Falken  krank  sind.  An  Bord  sitzen  die  Falken  unter  Deck  verkappt 
in  2  Reihen  auf  jeder  Seite  auf  Stangen,  die  mit  Kissen  von  Wadmel  und  fest  mit 
Heu  gestopft  sind." 

Älinlicb  wie  Horrebows  Werk  hat  auch  das  nun  zu  erwähnende  von 
Olafsson  und  Pälsson^)  heutzutage  in  der  Hauptsache  nur  noch  historischeu 
Wert,  weil  die  darin  enthaltenen  biologischen  Beschreibungen  der  Vogel- 
welt woiil  in  jeder  Hinsiclit  durch  vollständigere  oder  zum  mindesten  gleich- 
wertige neuere  überholt  worden  sind,  die  Mitteilungen  über  die  geographische 
Verbreitung  der  Vögel  aber  nicht  mehr  maßgebend  sein  können  und  außer- 
dem auch  mannigfache  Verwechslungen,  beziehentlich  Unklarheiten  über 
die  Arten  den  ornithologischcn  Wert  des  Buches  beeinträchtigen.  Immerhin 
muß  dieses  als  das  vollständigste  seiner  Zeit  gelten,  auf  das  eine  ganze 
Anzahl  Mitteilungen  über  die  Vogelwelt  Islands,  die  noch  lieute  sel))st  in 
ornithologischen  Werken  ab  und  zu  Eingang  finden,  zurückzuführen  sind. 
Deshalb  verdient  das  Buch  samt  seinen  Verfassern  eine  ausführlicliere  Be- 
sprechung. 

Das  zweibändige  Werk  stützt  sich  auf  die  Erfahrungen  der  beiden 
Isländer  Eggert  Olafsson  (dänisch  Ohifsen)  und  Bjarni  Pdlsson  (Povelsen). 
Diese  hatten  an  der  Kopenhagener  Universität  studiert,  Olafsson  Mathematik,^ 

')  Eggert  Olat'sens  og  Biarne  Povelsens  Reise  igjennem  Island,  foranstaltet  af 
Videnskabernes  Sälskab  i  Kiöbonhavn  og  beskreven  af  forbenieldte  Eggert  Olafsen. 
2  Bände,  Soroe  1772.  -  Deutsche  Übersetzung:  Kopenhagen  und  Leipzig,  1.  Teil  1774. 
2.  Teil  1775. 


Geschichtliches.  13 

Physik  uucl  Ökonomie,  Pdlsson  besonders  Medizin.  Sie  bereisten  ihre  Heimat- 
insel, hauptsächlich  die  Küstengebiete,  teilweise  gemeinsam,  teilweise  auch 
jeder  für  sicli  in  den  Jahren  1752 — 57.  An  die  sie  unterstützende  dänische 
Gesellschaft  der  Wissenschaften  in  Kopenhagen  sandten  sie  zunächst  einzelne 
Reiseberichte,  die  in  gelehrten  Zeitungen  veröffentliclit  wurden.  Eingehender 
l)eschrieben  sie  die  Resultate  ihrer  Reisen  in  ihren  Tagebüchern,  deren  Be- 
arbeitung später  Ölafsson  allein  übernahm.  Vieles  strich  er,  anderes  fügte 
er  neu  hiiizu,  wobei  er  auch  ungedruckte  Schriften  und  mündliche  Mitteilungen 
benutzte.  Im  Jahre  1767  wurde  Ölafsson  Vize-Lavmand  in  Island,  hatte 
aber  im  folgenden  Jahre  das  Unglück,  im  Meere  zu  ertrinken.  Die  geretteten 
Manuskripte  bearbeitete  nun  der  Däne  G.  Schi0nning,  Professor  der  Ge- 
schichte an  der  Ritterakademie  zu  Soroe.  Aus  der  Menge  der  zum  Teil  von 
Ölafsson  selbst  hergestellten  Abbildungen  wählte  Professor  Brünnich  die 
besten  aus,  die  denn  auch  bei  den  meisten  Vögeln  auf  den  ersten  Blick  die 
Art  erkennen  lassen. 

Der  Plan  des  Werkes  folgt  der  Einteilung  des  Landes,  wodurch  die 
ornithologischen  Mitteilungen  zerrissen  und  teilweise  wiederholt  werden. 
Ölafsson  führt  außer  einigen  unbestimmten  und  unbestimmbaren  Vögeln 
60  Arten  an,  von  denen  mit  Ausnahme  von  Alca  impeuins  alle  noch  heute 
in  Island  gefunden  werden.  Auffälligerweise  nennt  er  dagegen  weder  Falco 
ineriUns  noch  Glaiirionetta  Ulaiidica  u.  a.  Imius  canus  und  Rlssa  rissa  hält 
er  für  eine  Art;  die  nur  stummelartig  sichtbare  Zehe  sei  durch  das  Sitzen 
auf  harten  Felsen  abgebrochen.  Die  wichtigsten  Vogelarteu  werden  ein- 
gehender behandelt  und  von  verschiedenen  ausführliche  und  gute  Schilderungen 
gegeben.  Allerdings  wiederholt  Ölafsson  auch  die  Ansichten  der  Bevölkerung 
und  erzählt  dabei  manches  abgeschmackte  Märchen  über  gewisse  Vögel.    So 

schreibt  er  Z.  B.  über  die  Wasserralle  :  „Ob  wir  schon  keine  vollkommene  Be- 
schreibung von  diesem  \'ogel  geben  können,  dürfen  wir  ihn  doch  nicht  übergehen,  da  er 
die  wunderbarste  Haushaltung  von  allen  Vögeln  hat,  der  irrigen  Hegriffe  nicht  zu  ge- 
denken, die  man  überhaupt  von  ihm  hat.  Man  sagt  z.  B.,  daß  der  Kieldu-Svin"  (so 
der  isländische  Name  für  Ballus  aquaficus)  „halb  die  Natur  eines  Wurmes  hat,  und 
wenn  er  verfolgt  wird,  in  die  Erde  kriechen  kann,  wie  hart  und  dicht  auch  der  Boden 
sei;  denn  er  kann  nicht  fliegen.  Abergläubische  3Ienschen  haben  ihm  ein  großes  Ver- 
mögen zu  wunderbaren  Dingen  und  insbesondere  zur  Hexerei  beigelegt,  weiche  ungereimte 
Meinung  daher  ihren  Ursprung  haben  mag,  weil  dieser  Vogel  selten  ist.  Was  man 
vom  Kicldu-Svin  mit  Grewißlieit  sagen  kann,  ist,  daß  er  sich  an  einigen  Orten  in  Island 
und  am  öftersten  bei  warmen  Bädern  oder  auch  nahe  bei  Quellen.  Bächen  und  Morästen 
aufhält.  Der  Vogel  kann  nicht  fliegen,  sondern  hält  sich  unten  bei  der  Erde  in  Ritzen 
und  Höhlen,  und  wenn  man  ihn  auf  der  Erde  antrifft,  welches  oft  geschieht,  geht  er 
einem  sogar  auf  dem  ebenen  Felde  in  einem  Augenblicke  aus  dem  (iesichte;  denn  er 
ist  sehr  gewiß  darauf,  seine  kleinen  Winkel  und  verborgenen  Gänge  in  der  Erde  zu 
finden,  welche  mau  nicht  sehen  kann  und  deshalb  Gelegenheit  genommen  hat,  unter- 
schiedliche Fabeln  von  ihm  zu  erdichten.  Im  Winter  befindet  er  sich  meistens  in  der 
Erde,  wo  der  Grund  nicht  friert,  am  allermeisten,  wo  er  warm  und  zugleich  offen  ist. 
Auf  Reykholt  sieht  man  ihn  oft  nahe  am  Priesterhofe  und  dem  warmen  Bade,  wo  die 
Katzen  ihn  zuweilen  gefangen  haben.  Wie  viele  Mühe  wir  uns  auch  gegeben,  so 
haben  wir  ihn  doch  noch  nicht  in  die  Hände  bekommen  können.  Vor  vielen  Jahren 
hat  einer  von  uns,  nämlich  Bjarni  Pälssou,  ihn  ziemlich  genau  gesehen,  und  außerdem 
haben    wir    mit    glaubwürdigen    Männern,    die    ihn    gefangen    und    betrachtet    haben, 


^^  Gesclnclitliches. 

gesprochen.  Seine  Größe  kommt  mit  Selningeii  —  Arquatella  maritima  ---  sehr  überein. 
Er  ist  aschf^rau  in  der  Farbe,  hat  weiche  Federn  und  geschmeidige  Gliedmaßen.'") 

Der  Fulkciifany-  war  zu  Olafssons  Zeiten  noch  immer  in  Blüte  und 
brat'lite  dem  Lande  alljährlich  2 — 30t)0  Rtr.  ein,  bis  er  dann  gegen  Ende 
des  Jahrhunderts  eingestellt  wurde.  Olafsson  gibt  ebenfalls  geschichtliche 
Notizen  über  diese  wichtige  Erwerbsquelle  Islands.  Weil  die  dänischen 
Reisc-Falkoniere  die  Gewohnlieit  geliabt  hatten,  diejenigen  unter  den  ge- 
brachten Vögeln  zu  töten,  die  entweder  zu  alt  waren,  zu  wenige  Federn  be- 
saßen oder  auf  irgend  eine  Weise  zu  Schaden  gekommen  und  für  die  Jagd 
unbrauchbar  geworden  waren,  verringerte  sich  die  Zahl  der  Falken  mehr 
und  mehr.  Doch  suchten  die  Falkoniere  auf  diese  Weise  zu  verhüten,  daß 
die  betreffenden  Tiere  ihnen  nochmals  gebracht  wurden.  Oft  waren  aber 
solche  Vögel  noch  fortpflanzungstüchtig  und  ,. Schaden  taten  sie  weiter  nicht, 
als  daß  sie,  wenn  sie  oft  gefangen  würden,  dem  Falkeufänger  die  vergebliche 
Arbeit  überdrüssig  machen  könnten.  Im  Jahre  1651  beantragte  deshalb 
der  damalige  Amtmann  über  Island,  Henrik  Bjelke,  beim  Althinge,  eine 
Strafe  auf  solche  Tötung  der  Vögel  zu  setzen,  welcher  Vorschlag  auch 
tatsächlich  zum  Gesetze  erhoben  wurde"  (1.  c.  I,  S.  32), 

Auch  von  dem  Fange  der  Seevögel  zu  Nahrungszwecken  berichtet 
Olafsson  an  verschiedenen  Stellen.  „Man  fängt  besonders  die  „Svartvögel" 
in  Schlingen  aus  schwarzen  Pferdehaaren,  die  man  auf  Brettern  befestigt, 
die  auf  dem  Meere  schwimmen."  Im  großen  konnte  freilich  die  arme 
Bevölkerung  den  Vogelfang  nicht  betreiben,  da  schon  der  Besitz  eines  Seiles 
ein  Kapital  darstellte.  „Das  lederne  Seil  zum  Vogelfange  gehört  in  das 
Inventarium  des  Bischofssitzes.  Wenn  es  gehörig  verfertigt  ist,  so  schätzet 
man  es  auf  5  Hunderte,  d.  i.  20  Speziestaler.  In  diesem  Falle  besteht  es 
aus  7  Riemen,  wovon  jeder,  wenn  er  seine  gehörige  Länge  haben  soll, 
80  Faden  lang  sein  muß.  Man  schneidet  sie  aus  Ochseuhäuten,  da  wo  das 
Leder  am  dicksten  ist,  und  braucht  16  mittelgroße  Häute  zu  einem  Riemen. 
Wenn  das  Seil  trocken  ist,  wiegt  es  120  Pfund.  6  Tagelöhner  halten  das 
Seil  und  ziehen  es  auf  und  nieder  über  einen  im  Berge  befestigten  Stock. 
Der  siebente  hält  Wache  und  gibt  acht,  was  der  am  Seil  hinuntergelassene 
Sigemand  für  Zeichen  gibt"  (1.  c.  II,  S.  48).  — 

Ferner  mag  das  1780  von  dem  Dänen  Ol  aus  Olavius')  verfaßte 
Buch  über  seine  Reise  durch  Island  erwähnt  werden,  da  es  ebenfalls  einige 
ornithologische  Mitteilungen  briugt.  Der  Verfasser  besuchte  dreimal,  nämlich 
1775,  76  und  77  Nordisland,  jedesmal  auf  einige  Monate  zur  Sommerszeit. 
Er  reiste  auf  Befehl  der  königl.  W^estindisch-Guineischeu  Rente-  und  General- 
zollkammer, besonders  um  nach  dem  Zustande  der  Fischerei  zu  forschen 
und  Vorschläge  zur  Hebung  derselben  zu  machen.  Der  Vogelwelt  widmet 
er  deshalb  auch  nur  gelegentlich  einige  Zeilen,  beschreibt  besonders  den 
Fang   der  Seevögel  an  verschiedenen  Vogelbergen,  sowie  den  der  Schwäne. 

^)  Olafsen  und  Povelsen,  Deutsche  Ausgabe,  Bd.  I,  S.  122. 

2)  Olaus  Olavius,  Oecouomisk  Reyse  igjeunem  Island  etc.,  Kjebenhavn  1780.  — 
Ins  Deutsche  übersetzt:  Ökonomische  Reise  durch  Island  in  den  nordwestlichen  und 
nord-nordöstlichen  Gegenden.     Dresden  und  Leipzig  1787. 


Geschichtliches.  .  ]^5 

Er  tadelt  die  oft  rücksichtslose  Behandlung-  dieser  Tiere  und  rät  zur  ver- 
ständigeren, Ausnutzung  der  für  den  Menschen  so  wichtigen  Naturobjekte. 
Irgend  etwas  ornithologisch  Neues  und  Wichtiges  bringt  das  Buch  nicht. 

Eine  kurze  und  recht  brauchbare  Übersicht  der  damals  für  Island 
bekannten  Vogelarten  gab  der  Däne  Nicolas  Mohr  ^)  in  einem  Versuche  zu 
einer  isländischen  Naturgeschichte.  Der  Verftisser  wurde  nach  Beendigung 
seiner  Universitätsstudien  in  Kopenhagen  von  der  Direktion  der  dänischen 
Porzellanfabrik  und  im  Auftrage  des  Königs  nach  Island  geschickt,  um 
nachzusuchen,  ob  sich  daselbst  brauchbare  Porzellanerde  fände,  ferner  auch, 
um  im  Auftrage  des  Kammer-Kollegiums  die  Naturverhältnisse  des  Landes 
im  allgemeinen  zu  studieren.  Soviel  aus  dem  Buche  ersichtlich,  ist  der 
Verfasser  mindestens  bis  zum  Frühjahr  1781  in  Island  geblieben. 

Das  1786  erschienene  und  mit  großem  Fleiße  zusammengestellte  Werk 
enthält  die  für  Island  damals  bekannten  Naturobjekte  aus  allen  drei  Natur- 
reichen. Selbstverständlich  hat  der  Verfasser  andere  Werke  mitbenutzt. 
Von  den  Vögeln  berichten  S.  18 — 55.  Drei  gut  kenntliche  kolorierte  Ab- 
bildungen —  Uistnonicus  histrionicus  (^  und  Ö,  Phalaropus  lohatus  und 
Colymhns  auritus  —  sind  eingefügt.  66  Arten  werden  in  übersichtlicher, 
gedrängter  Form  aufgezählt.  Auch  die  Namen  sind,  weil  nach  Linnes  Fauna 
Suecica  angeführt,  verständlich. 

Falco  menllus  zählt  Mohr  zwar  unter  dem  isländischen  Namen  „Smirill" 
mit  auf.  bezeichnet  ihn  aber,  jedenfalls  von  Brünnichs  Ornithologia  Borealis 
abschreibend,  als  den  Falco  Lanarlm  Linnes.  Eine  ähnliche  Unklarheit  ist 
ihm  untergelaufen,  wenn  er  Linnes  Anas  Fidignla  anführt  und  ihr  die 
isländischen  Namen  Hrafnsönd  (=  Oidemia  nigra)  und  Dukönd  (=  Aetht/a 
marila)  gibt,  desgleichen  Linnes  Anns  Fmna,  die  er  Kaudhöfdaönd  (=  Mareca 
penelope)  nennt.  Ferner  vertauscht  er  die  isländischen  Namen  bei  Mevgus 
mmjanser,  den  er  als  Toppönd,  und  M.  serrator,  den  er  als  Gulönd  bezeichnet. 
Bei  einigen  Arten  (Tildra,  Lsekjadudi-a,  Keldusvin)  schreibt  ei-,  weil  er  sie 
nicht  selbst  gefunden  hat  und  nach  Linnes  Verzeichnis  nicht  bestimmen 
kann,  nur  von  Ölafsson  die  Namen  ab.  Auch  inhaltlich  enthält  das  Buch 
natürlich  eine  Anzahl  tatsächlicher  Fehler,  muß  aber  immerhin  als  das  für 
unsern  Stoff  wichtigste  des  ganzen  18.  Jahrhunderts  bezeichnet  werden. 

Unter  den  allgemeinen  ornithologischen  Schriften  dieser  Zeit  will  ich 
Brünnichs  Ornithologia  Borealis'-)  anführen,  die  freilich  nur  geringen 
Wert  für  die  Kenntnis  der  Avifauna  Islands  besitzt.  Das  Büchlein  gibt 
ein  Verzeichnis  von  ungefähr  232  Vogelarten,  die  teilweise  kurz  beschrieben 
werden.  Verbreitung  und  verschiedene  Namen  sind  ebenfalls  angeführt, 
für  Island  etwa  56  Arten.  Doch  enthalten  diese  Angaben  eine  Menge 
Unklarheiten  und  sogar  Fehler,  von  denen  einige  hier  angeführt  sein  sollen. 
Falco  Lanarius,  Anser  Erythropus,  Colymhns  Arcticns  (?),  Laras  Canus, 
Trinqa  Pugnax   werden    als    isländische  Vögel   bezeichnet.     Pelicanns  Carlo 


^)  N.  Mohr,   Fors0o-    til    en   Islandsk   Naturhistorie    med    adskillige   ekonoruislie 
samt  andre  Anmserkninger.     Kiebenhavn  1786. 

*)  M.  Th.  Brünnich,  Ornithologia  Borealis,   Hafniae   1764. 


16  (ieschiehtliclies. 

und  P.  PItalacrocorax,  /'.  Graczäus  und  /'.  Crisfatns  sind  als  verschiedene 
Arten  gedacht,  ebenso  (■havadrius  Apricaiius  und  I'lucia/is.  Der  Verfasser 
hält  den  isländischen  /Irossaguitkur  für  „Trhxja  (hroplmx"-;  Nuinenius 
pliaeopaa  und  arqnatus  werden  in  ihrem  Vorkommen  auf  Island  verwechselt. 
Außerdem  läßt  Briinnicli  eine  Reihe  häufiger  Vögel  der  Insel,  besonders  die 
kleineren  Arten,  ganz  außer  acht.  Deshalb  hat  sein  Buch  für  unser  Gebiet 
ebenfalls  nur  noch  historischen  Wert. 

Das  Ende  des  18.  und  der  Anfang  des  19.  Jahrhunderts  gehen  in 
Island  still  vorbei.  Europa  hat  mit  sich  genug  zu  tun  und  braucht  seine 
Männer  selbst.  Vierzig  Jahre  hindurch  schreitet  die  Kenntnis  über  die 
Vogelwclt  Islands  so  gut  wie  gar  nicht  vorwärts.  Die  Mitteilungen  des 
[ino  von  Troil')  und  einige  andere  kleine  Schriften  über  unsern  StoflF 
enthalten  nichts  Neues.  Erst  die  zwanziger  Jahre  des  19.  Jahrhunderts,  die 
Zeit,  in  der  ganz  Europa  aufatmet  nach  schweren  Kriegs-  und  Notjahren, 
bringen  neues  wissenschaftliches  Leben  auch  für  Island.  Dänemark  ist  es 
wiederum,  das  einen  tüchtigen  jungen  Mann  in  seine  Kolonie  sendet.  Frederik 
Faber,  dessen  Forscliungeu  die  umfassendsten  und  wertvollsten  genannt 
werden  müssen,  die  l)isher  über  die  Avifauna  Islands  überhaupt  gemacht 
worden  sind. 

Friedrich  Faber,  wie  er  sich  in  seinen  in  deutscher  Sprache  abgefaßten 
Schriften  nennt,  wurde  geboren  1795  zu  Odense  auf  Fünen.  Im  Mai  1819 
segelte  er,  damals  Kandidat  der  Jurisprudenz,  nach  Island,  um  insbesondere 
die  Vögel  und  Fische  der  Insel  zu  erforschen.  Er  hielt  sich  bis  September 
1821  hier  auf,  wobei  er  von  dem  dänischen  Könige  und  der  Kopenhagener 
Universität  unterstützt  wurde.  Er  bereiste  besonders  die  Küstengebiete 
Islands,  besuchte  unter  andern  im  Sommer  1820  vier  Wochen  Grimsey  und 
im  Sommer  1821  sechs  Wochen  die  Vestmaunaeyjar.  Er  machte  bedeutende 
Sammlungen  an  Vogelbälgen  und  Eiern,  die  er  größtenteils  schon  vor  seiner 
Rückkehr  nach  Dänemark  sandte,  und  die  von  hier  aus  auch  an  Museen 
und  Privatsammler  anderer  Länder  abgegeben  wurden. 

Von  Fabers  ornitiiologischeu  Werken  sind  zu  nennen  sein  „Prodromus 
der  isländischen  Ornitliologie  oder  Geschichte  der  Vögel  Islands".  Kopenhagen 
1822,  sowie  sein  Hauptwerk  „Über  das  Leben  der  hochnordischen  Vögel", 
Leipzig,  1.  Heft  1825,  2.  Heft  1826.  Außerdem  veröffentlichte  er  recht 
wertvolle,  doch  in  der  Literatur  wenig  beachtete  Beiträge  zur  arktischen 
Zoologie  in  Okens  Isis.  Leider  starb  der  ausgezeichnete  Ornitholog  bereits 
i.  J.  1828  als  dänischer  Regimentsquartiermeister  und  Auditeur  zu  Horsens 
in  Jütlaud. 

Fabers  Mitteilungen  haben  nicht  nur  deshalb  AVert.  weil  er  2^/2  Jahr 
hindurch  Sommer  und  AVinter  ornithologisch  in  Island  beobachtete  und  sammelte, 
sondern  weil  seine  Sammlungen,  von  andern  wissenschaftlichen  Händen 
nachgeprüft,  das  sichere  Belegmaterial  für  das  wirkliche  Vorkommen  der 
von  ihm   angegebenen  isländischen  Vogelarten  bildeten.     AVo  Belegmaterial 

^)  Uno  von  Troil,  „Notes  on  the  Fauna  of  Iceland*'  in  Letters  on  Iceland  by 
Sir  J.  Banks,  Dr.  Solander  usw.     Pinkertons   Voyages,   London  1808. 


Geschichtliches.  J  7 

gefehlt  hat,  sind  seiue  Angaben  ebenfalls  kritisch  zu  betrachten.  Das  Ver- 
zeichnis der  Vögel  Islands  wächst  nun  auf  86  Arten,  von  denen  einige  von 
Faber  zum  ersten  Male  richtig  beschrieben  und  benannt  werden.  Diese 
sind  Tetrao  Jslaiuiorum,  Pnffi)nis  arciicus  (=■  Fvocellaria  Anglorum  Temm.), 
F.  major  (Proc.  jmffinus  Temm.j  und  Larns  lencopterus.  Podiceps  auritus  (L.) 
trennt  Faber  nach  damaliger  Ansicht  noch  in  J'odieeps  comutus  (Lath.) 
und  F.  aurltuK  (Lath.).  GLancionetta  islandica  (Gm.)  kennt  er  nicht,  sondern 
verwechselt  sie  mit  Linues  Anas  ciamjxdn.  Im  übrigen  umfaßt  sein  Ver- 
zeichnis die  meisten  der  noch  heute  für  Island  bekannten  Vogelarten.  Seine 
Mitteilungen  über  Häufigkeit  und  Verbreitung  können  allerdings  nicht  mehr 
als  völlig  mußgebend  bezeichnet  werden,  wennschon  in  Island  Veränderungen 
der  Naturverhältnisse  langsamer  vor  sich  gehen  als  bei  uns.  Die  Faberschen 
Arbeiten  bilden  jedoch  nochjetzt  die  Grundlagen  für  die  Kenntnis  der  isländischen 
Vogelwelt,  auf  denen  alle  späteren  Bearbeiter  unseres  Gegenstandes  gefußt 
haben  und  noch  fußen.  Die  Darstellungsweise  seines  Prodromus  ist  kurz, 
übersichtlich  und  fern  von  nebensächlichen  Erzählungen.  Im  „Leben  der 
hochnordischen  Vögel"  verliert  sich  Faber  allerdings  nicht  selten  in  unbeweis- 
bare Spekulationen,  denen  zu  Liebe  er  wohl  auch  richtige  Beobachtungen 
falsch  auslegt 

Ich  gehe  liier  nicht  weiter  auf  seine  Schriften  ein,  da  insbesondere  der 
Prodromus  der  isländischen  Ornithologie  in  der  zweiten  Hälfte  des  Buches 
beständig  zitiert  wird. 

Auch  bei  der  isländischen  Bevölkerung  hat  sich  das  Andenken  an 
Faber  noch  lange  erhalten.  So  schreibt  Krüper  (Naumannia  1857,  II,  S.  23): 
„Faber  steht  bei  den  Isländern  noch  in  lebhafter  Erinnerung.  Sie  haben 
ihm,  um  ihn  von  andern  Leuten  gleichen  Namens  zu  unterscheiden,  den 
Beinamen  Vogel-Faber  (Fugla-Faber)  oder  auch  Vogelfänger-Faber  gegeben." 
'  Die  Rückreise  von  Island  unternahm  Faber  in  Gemeinschaft  von  zwei 
jungen  Deutschen,  Thienemann  und  Günther,  die  vom  7.  Sept.  1820 
bis  zum  23.  Sept.  1821  ebenfalls  zwecks  naturkundlicher  Studien  in  Island 
gewesen  waren.  Das  Hauptergebnis  dieser  beiden  bestand  in  einer  bedeutenden 
Sammlung  von  Mineralien,  Pflanzen  und  allen  möglichen  Tieren.  Darunter 
befanden  sicli  600  Bälge,  200  Skelette,  800  Eier  von  Vögeln  und  von 
40  Arten  die  Nester.  Diese  ornithologischeu  Objekte  wurden  später  zum 
größten  Teile  von  dem  Kgl.  Naturalienkabinette  in  Dresden  gekauft,  wo 
Thienemaim  Anstellung  fand.  Viele  scheinen  auch  jetzt  noch  im  Dresdener 
Zoologischen  Museum  vorhanden  zu  sein.  Doch  kennzeichnen  sich  die  Bälge 
nicht  genügend.  Außerdem  fehlen  Geschlechtsangabe  und  Datum,  sodaß 
man  sie  nicht  wissenschaftlich  benutzen  kann.  Dagegen  sind  die  Pher, 
■die  ja  Thienemanns  Hauptstudium  darstellten,  als  isländische  bezeichnet. 
Eine  größere  Zahl  davon  ist  durch  Tausch  in  meine  Privatsammlung  über- 
gegangen. 

Leider  hat  Thienemann  nichts  Zusammenhängendes  über  die  ornitho- 
logischeu Ergebnisse  der  Reise  veröffentlicht,  was  jedenfalls  seinen  Grund 
in  dem  Erscheinen  der  Faberschen  Schriften  hatte.     Doch  gibt  er  in  seiner 

Hantzscli,  Vogelwelt  Islands.  ^ 


\Q  Geschichtliches. 

Reisebeschreibuiig^)  biologische  Mitteilungeu  über  64  auch  von  Faber  an- 
geführte Vogelarteii.  Außerdem  weist  er  iu  seinem  bekannten  Werke  über  die 
Fortpflanzungsgeschichte  der  VögeP),  sowie  in  einigen  anderen  zoologischen 
Schritten  auf  isländische  Brutverhältnisse  hin.  Freilich  begeht  er  mitunter 
den  Fehler,  die  Vogelart  nach  den  Eiern  bestimmen  zu  wollen,  weshalb^ 
gewisse  Notizen  mit  Vorsicht  aufzunehmen  sind. 

Nur  mit  wenigen  Worten  soll  auchTeilmannsVersuch  einer  Beschreibung 
der  dänischen  und  isländischen  Vögel  ^)  erwähnt  sein.  Obwohl  der  Verfasser, 
dänischer  Kammerjunker  und  Jägermeister,  selbst  in  Island  gewesen  war 
und  hier  Vögel  gejagt  hatte,  sind  seine  Mitteilungen  ül>er  das  Vorkommen 
der  von  ihm  aufgezählten  Arten  in  Island  durchaus  unvollständig  und  gar 
nichts  Neues  und  Wichtiges  bietend.  Jedes  andere  Buch,  das  über  die  Ver- 
breitung der  Vögel  berichtet,  hat  für  uns  denselben  Wert,  nur  der  Titel  der 
Schrift  läßt  größere  Erwartungen  aufsteigen. 

Auch  die  ornithologischen  Notizen  Gliemanns'*)  in  seiner  Beschreibung 
Islands  sind  ganz  unwesentlich. 

Es  würde  nun  im  folgenden  zu  weit  führen  und  liegt  aucli  keineswegs 
im  Zwecke  dieser  Arbeit,  all  die  zahlreichen  Bücher  und  Artikel,  die  in 
neuerer  Zeit  Mitteilungen  über  die  Vogelwelt  Islands  gebracht  haben,  zu 
besprechen.  Und  ein  bloßes  Verzeichnis  der  hierher  gehörigen  Literatur  hat 
ohne  Kritik  des  Einzelnen  geringen  Wert.  Die  Menge  der  Touristen,  die 
zum  Vergnügen  oder  auch  zwecks  wissenschaftlicher  Untersuchungen  nach 
Island  kommen,  nimmt  bis  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  beständig  zu,  und 
viele  derselben  veröffentlichen  Mitteilungen  über  ilire  Erlebnisse.  Auch  die 
Zahl  allgemeiner  ornithologischer  Werke,  die  isländisclie  Verhältnisse  berück- 
sichtigen, wächst  bedeutend.  Manche  dem  Namen  nach  vielversprechende 
Schriften  oder  Artikel  bringen  aber  nicht  nur  nichts  Neues,  sondern  sogar 
Fehlerhaftes.  Wichtige  Angaben  sind  späterhin  meist  wieder  zitiert  worden, 
sodaß  die  mühevolle  Durchsicht  der  gesamten  diesbezüglichen  Literatur  die 
Kenntnis  der  Avifauna  Islands  kaum  wesentlich  vermehren  könnte,  gegen- 
über dem  Studium  der  bedeutendsten  Schriften.  Es  würde  auch  nur  zu 
Irrtümern  oder  zwecklosen  Auseinandersetzungen  führen,  wollte  man  die 
Aussagen  jedes  Keisenden  über  die  so  schwierig  zu  beobachtende  Vogelwelt 
für  wissenschaftlich  richtig  oder  überhaupt  beachtenswert  hinstellen.  Ich 
berücksichtige  deshalb  im  Folgenden  außer  einigen  Isländern  nur  die  zuver- 
lässigsten Verfasser,  die  selbst  an  Ort  und  Stelle  beobachtet  und  gesammelt 
haben.  Um  jedoch  Wiederliolungen  mit  dem  IL  Teile  dieser  Arbeit  möglichst 
zu  vermeiden,  fasse  ich  mich  hier  ganz  kurz. 


^)  F.  A.  L.  Thieneniann,  Reise  im  Norden  Europas,  vorzüglich  in  Island. 
Leipzig  1827. 

^)  F.  A.  L.  Thieneniann,  Fortpflanzungsgeschichte  der  gesammten  Vögel.  Dresdea 
1845—53. 

")  Charles  Teilmann,  Forsog  til  cn  Beskrivelse  af  Danmarks  og  Islands  Fugle. 
Ribe  1823. 

*)  Ph.  Gliemann,  (ieographische  Beschreibung  von  Island.     Altena  1824. 


Geschichtliches.  ]  9 

1B37  besuchte  der  Engländer  William  Proctor  unsere  Insel,  sammelte 
selbst  Vögel  und  Hier  und  erhielt  auch  später  seltene  Objekte  von  dort  zu- 
gesandt. Im  Juni  genannten  Jahres  weilte  er  auf  Grimsey.  Cber  seine 
Keiseergebnisse  berichtete  er  nur  in  zwei  kleinen  Artikeln  ^).  Doch  veröflent- 
lichte  Professor  A,  Newton  in  Cambridge  interessante  Angaben  über  die 
isländischen  Sammlungen  Proctors. 

1847  erschien  in  der  von  einigen  Isländern  in  Kopenhagen  herauf^- 
gegebenen  Zeitschrift  Fjölnir  eine  Abhandlung  über  40  isländische  Vogel- 
arten ^j.  Sie  ist  von  dem  isländischen  Dichter  Jonas  Hallgrimsson  (j  1844 
in  Kopenhagen)  verfatit  und  wurde  von  diesem  bei  einer  Versammlung 
seiner  Landsleute  in  Kopenhagen  i.  J.  1835  vorgetragen.  Der  Artikel  enthält 
nichts  wesentlich  Neues,  ist  aber  historisch  des  Verfassers  halber  interessant, 
berichtet  auch  in  allem  Ernste  noch  einige  der  alten  abergläubischen  Erzählungen 
über  gewisse  Vögel.  So  sagt  Hallgiimsson  (Naumannia  1857):  „Der  Sundhani 
( Phalaropiiis  iohatns)  kann  Hitze  ertragen  und  vergnügt  sich  wohl  auf  warmen 
Quellen,  obgleich  sie  so  heiß  sind,  daß  man  kaum  aushält,  die  Hände  hin- 
einzustecken", KalLuH  aquatkuH  „kann  nicht  fliegen,  da  seine  Flügel  zu 
kurz  sind".  ..Von  dem  Steindepill  (Saxlcola  omantUc)  glauben  einige,  daß 
er  unter  das  Euter  der  Milchschafe  fliegt."  Anort/twa  troylodytes  „ist  der 
kleinste  von  den  Vögeln  auf  Island  und  wahrscheinlich  auch  der  einzige, 
welcher  zweimal  im  Jahre  Junge  zieht.  Er  bleibt  im  Winter  zurück  und 
stiehlt  sich  dann  in  die  Küchen  zu  Fleisch  und  anderen  Nahrungsmitteln 
hinein,  aber  im  Sommer  fängt  er  Fliegen.  Wenn  er  sich  so  hineinschleicht, 
grau  und  klein,  mit  dem  Schwänze  wie  er  ist,  dann  haben  die  Leute  ihn 
mit  einer  Maus  ähnlich  gehalten  und  ihm  so  diesen  Namen  Müsarbrodir 
gegeben".  —  Viele  Mitteilungen  Hallgiimssons  stützen  sich  auf  Ölafsson  und 
Faber,  mit  dem  gemein  er  Falco  lanarim  und  Loxia  serinus  nennt.  Von 
einer  Anzahl  Ajten  gibt  er  auch  eigene,  teilweise  recht  zutreffende  Schil- 
deiiingen.  —  Dem  Grätitlingur  (Anthas  pratensis),  jenem  lieblichen  Sänger 
der  Wiesenlandschaften,  hat  der  Dichter  ein  ansprechendes,  noch  heute  in 
Island  viel  gesungenes  Lied  gewidmet. 

Im  folgenden  müssen  die  Schriften  zweier  Deutscher  hervorgehoben 
werden,  die  eingehendere  Nachrichten  über  die  Avifauna  unserer  Insel  ver- 
veröff'entlicht  haben. 

Theobald  Krüper  hielt  sich  im  Sommer  1856  in  Nordisland  auf 
und  weilte  vom  14.  .Juni  bis  31.  Juli  am  Myvatn.  Seine  Mitteilungen  in 
der  Naumannia '),  die  allerdings  durchaus  kein  vollständiges  Verzeichnis  der 


')  William  Proctor,  Notes  on  an  Ornithological  Tour  in  Iceland.  Naturali.st  111. 
London   1838. 

—  Clangula  Barrovii  a  Native  of  Iceland,    Annais  of  Natural  Histo  IV.     1840. 

^)  Yfirlit  yfir  fuglana  ä  Islandi  (Übersicht  über  die  Vögel  auf  Island),  Fjölnir, 
9.  Jahrgang,  S.  58 — 72.  Kaupmannahöfn  1847.  —  Teilweise  ins  Deutsche  übersetzt  von 
Th.  Krüper,  Naumannia  1857;  vollständig  ins  Französische  übertragen  von  Olphe  Galliard, 
Copenhague  1890. 

2* 


20  Geschichtliches. 

isländischen  Vögel  bieten  sollen,  stützen  sich  anf  üheraus  gewissenliaftc  und 
planmüßige  Untersuchungen  und  verdienen  weit  mehr  Beachtung,  als  man 
ihnen  gesclienkt  hat.  Krüper  verstand  isländisch,  kannte  auch  die  ornitho- 
logische  liitenitur,  sowie  die  Verbreitung  isländischer  Vögel  in  anderen 
nördlichen  Gebieten,  was  seinen  Beobachtungen  zu  Gute  kam.  Wohl  als 
erster  beschrieb  er  das  Dunenjunge  von  (jtlancioiirtta  idandim,  leugnete  auch 
die  vor  und  nach  ihm  vielerorts  erhobene  Behauptung,  Aamt/iis  linaria  sei 
besonders  selten  in  Island. 

1860  bereisten  William  Preyer  und  Ferdinand  Zirkel  die  Insel, 
um,  wie  sie  in  der  Vorrede  ihrer  Reisebeschreibuug '^)  sagen,  die  seltneren 
Tiere  daselbst  kennen  zu  lernen  und  namentlich  das  Leben  der  borealeu 
Vögel  in  freier  Natur  zu  beobachten,  sowie  die  geognostischen  und  minera- 
logischen Eigentümlichkeiten  und  die  einzig  in  ihrer  Art  dastehenden  Natur- 
wunder Islands  näher  zu  untersuchen.  Sie  landeten  um  14.  Juni  in  Reykjavik, 
ritten  von  da  nach  dem  Nordlande  und  kehrten  endlich,  auch  dem  Mj''vatn 
einen  Besuch  abstattend,  auf  dem  Landwege  wieder  nach  der  Hauptstadt 
zurück,  wo  sie  am  2.  August  abfuhren.  In  der  Beschreibung  ilirer  Reise 
bringen  sie  im  Anhange  zusammenfassende  wissenschaftliche  Mitteilungen, 
so  auch  ein  von  Preyer  verfaßtes  Verzeichnis  der  isländischen  Vögel  Preyer 
zählt  102  Arten  auf  und  zwar  81,  die  mehr  oder  weniger  häufig  auf  der 
Insel  gefunden  Averden,  21  aber,  die  man  nur  zufallig  oder  vereinzelt  da- 
selbst gesehen  hat  oder  gesehen  haben  will.  Freilich  kann  man  iieutzutage 
nicht  in  jeder  Beziehung  mit  ihm  übereinstimmen.  In  der  von  Olafsen  unter 
dem  isländischen  Namen  Lfekjadudra  beschriebenen  Vogelart  glaubt  er  be- 
stimmt, Totamis  oc/iropus  zu  erkennen.  I]r  nimmt  ferner  au,  daß  außer 
Cygnus  cygnus  auch  C.  hewicki  in  Island  ))rüte,  ohne  dies  irgendwie  zu  be- 
gründen. Podicej>s  cornntus  Lath.  und  P.  auritiis  Lath.  trennt  er  und  sagt, 
erstere  Art  sei  sehr  selten.  Eingehend  beschreibt  er  die  früher  verkannte 
GlaiicioneUa  Islcmdint,  was  aber  Krüper  und  andere  schon  vor  ihm  getan 
haben.  Als  neue  Arten  für  Island  führt  er  Querquedula  rireia  und  Erü/iacus 
titys  an.  Er  stellt  endlich  eine  Raubmöve  als  wahrscheinlich  neue  Art  auf 
und  nennt  sie  LeKtris  thnliaca,  die  isländische  Raubmöve.  Nicht  nur  in 
Preyers  Verzeichnis,  sondern  auch  an  vielen  Stellen  der  Reisebeschreibung 
werden  biologische  Mitteilungen  über  die  isländischen  Vögel  gegeben,  wes- 
halb mau  das  Buch  als  eine  der  beachtenswerten  neueren  Schriften  über 
die  Avifauna  Islands  bezeichnen  muß.  Freilich  bringt  der  Verfasser  mitunter 
recht  allgemein  gehaltene  Notizen,  die  gegenüber  den  exakten  Angaben 
Krüpers  mit  Vorsicht  aufgenommen  werden  müssen. 

Noch  sollen  zwei  andere  Deutsche  genannt  sein,  die  in  neuester  Zeit 
Island  aufsuchten  und  Nachrichten  über  die  Avifauna  des  Landes  publizierten. 


^)  Th.  Krüper,  Der  Myvatn  und  seine  Umgebung, 

—  Die  Inseln  des  Myvatn, 

—  Ornithologische  Miscellen:  Naumannia  1857. 

*;  W.  Preyer  und  f.  Zirkel,   Reise  nach  Island  im  Sommer  1860.     Leipzig  1862. 


Geschichtliches.  21 

J.  Riemschneider')  bereiste  die  Insel  vom  10.  Juni  bis  12.  Juli  1895. 
Nachdem  er  Reykjavik  besucht  hatte,  fuhr  er  um  die  Ostküste  nach  Akureyri 
und  begab  sich  von  hier  aus  nach  dem  M;fvatn,  wo  er  zwei  Wochen  lang 
weilte.  Auf  ziemlich  demselben  Wege  kehrte  er  nach  Reykjavik  zurück. 
Seine  Mitteilungen  enthalten  lebensvolle  Schilderungen,  insbesondere  der 
Entenvögel  des  Myvatn,  denen  er  als  neue  Art  für  Island  Aethya  fuUgula 
hinzufügen  konnte.  Auch  behauptet  er  als  erster  und  bis  jetzt  einziger  das 
Vorkommen  von  Urinator  arctleux  als  Brutvogel  Islands. 

Alf  Bachmann^)  besuchte  unsere  Insel  als  Maler.  Von  Ende  Juni 
bis  Anfang  September  1900  Iiielt  er  sich  daselbst  auf  und  beobachtete,  so- 
bald sich  Zeit  und  Gelegenheit  bot,  auch  die  Vogelwelt.  Interessant  sind 
seine  Mitteilungen  über  die  Vögel  der  Vestmannaeyjur,  wo  er  sich  fast  einen 
Monat  aufhielt.  Wenn  seine  Angaben  auch  nicht  frei  von  Verwechslungen 
sind  und  deshalb  der  Nachprüfung  bedürfen  —  z.  B.  seine  Notizen  über 
Cal'ulris  arenana  (S.  19),  Stercorarius  longicaudus  (S.  30),  Lariis  canus  (S.  32)  — 
Itieten  sie  doch  wertvolle  biologische  Schilderungen  üher  Ocea7iodro)na  letu-orrhoa, 
PiiffhiHs  pnfßnns  und  andere  Arten.  1904  bereiste  Bachmann  wiederum 
Island,  beobachtete  eingehend  Megalestris  skua  am  Brutplatze,  Cvymophüiis 
fulirarius  USW.  Er  gedenkt  seine  diesmaligen  Erfahrungen  gleichfalls  in  der 
Ornithologischen  Monatsschrift  niederzulegen. 

Da  Island  im  verflossenen  Jahrhundert  am  häufigsten  von  englischen 
Touristen  besucht  wurde,  bringt  auch  die  Literatur  dieses  Landes  zahlreiche 
treffliche  Bemerkungen  über  die  Vogelwelt  unseres  Gebietes. 

Wissenschaftlich  besonders  wertvoll,  weil  mit  großer  Sachkenntnis  ge- 
prüft, sind  die  Angaben  Alfred  Newtons.  Dieser  bereiste  die  Insel  im 
Sommer  1858  gemeinsam  mit  John  Wolley,  vor  allem  freilich,  um  Nach- 
forschungen über  A/ca  htipeiiuis  anzustellen.  Doch  wurden  auch  zahlreiche 
andere  ornithologische  Beobachtungen  ausgeführt.  Seine  Erfahrungen  legte 
Newtoi!  in  Baring-Goulds  Beschreibung  Islands'^)  nieder,  indem  er  das  für 
seine  Zeit  vollkommenste  Verzeichnis  der  Vögel  unseres  Gebietes  aufstellte. 
Später  wurde  dieses  durch  Hinzufüguug  einiger  seltener  Arten  noch  von 
ihm  vermehrt.*) 

Die  wichtigste  Bearbeitung  unseres  Gegenstandes  im  letzten  Jahrzehnt 
geschah  durch  Henry  H.  Slater,  der  Island  im  Sommer  1885  in  Gesell- 
schaft von  Carter  bereiste  und  auch  1894  und  1900  besonders  im  Nord- 
lande weilte.     Nach  Abfassung  mehrerer  kleiner  Artikel^)  veröffentlichte  er 


^)  J. Rieruschneider,  Reise  nach  Island.  Ornithologische  Monatsschrift  XXI.  1896. 

^)  Alf  Bachmann,  Einiges  über  das  Vogelleben  auf  Island.  Ornitholog.  Monats- 
schrift XXVII.     1902. 

^)  Alfred  Newton,  Notes  on  the  ornithology  of  Iceland.  Appendix  A  to  Sabine 
Baring-Goulds  Icelands:  its  Scenes  and  Sagas.     London  1863. 

*)  Alfred  Newton,  Letter  on  Icelandic  birds.     Ibis  1864. 

^)  H.  H.  Slater  and  Th.  Carter,  Notes  from  Northern  Iceland  in  the  Summer  of 
1885.     Ibis  1886. 

—  Field-notes  from  Northern  Iceland.     Zoologist  1886. 

—  On  the  Goldeneyes  and  Ptarmigan  of  Iceland.     Zoologist  1887. 


22  üeschichtliclies. 

1901  sein  Verzeichnis  der  Vögel  Islands*),  die  einzige  zusaninienhängcnde 
Arbeit  ii])er  unser  Thema  seit  Pabers  Zeit.  Kr  berücksichtigt  darin  natur- 
gemäß am  vollständigsten  die  englische  Literatur,  die  nun  zusammengefaßt 
deutlich  die  Fortschritte  der  Forschung  erkennen  läßt,  Slaters  Buch  ist  als 
übersichtliches,  freilich  heutzutage  nicht  mehr  vollständiges  Handbuch,  speziell 
für  den  Touristen,  vortrefflich  brauchbar,  bringt  aber  auch  zahlreiclie  eigene 
Beobachtungen  des  Verfassers,  die  für  den  Ornithologen  interessant  sind.  Als  neu 
für  Island  ist  Cla)ußüa  glaucion  aufgestellt.  Im  Ganzen  werden  115  Nummern 
angeführt.  Bei  vielen  Vögeln  sind  kurze  Artbeschreibungeu  gegeben.  Auf 
feinere  Formenunterschiede  und  Originalbeschreibungen  isländischer  Exemplare 
wird  indes  kein  Wert  gelegt. 

Eine  kurze  Aufzählung  der  isländischen  Vögel  brachten  auch  Henry 
.].  und  Charles  E.  Pearson  in  der  Ibis^).  Diese  umfaßt  108  Spezies, 
bietet  indes  gegenüber  früheren  Veröffentlichungen  kaum  Neues,  da  die  An- 
führung von  Sterna  doiigalli  ein  Irrtum  sein  muß.  Vor  dem  Verzeichnisse 
geben  die  Verfasser  eine  Reihe  nicht  unwichtiger  Notizen,  insbesondere  Brut- 
daten von  17  Arten,  die  sie  auf  ihrer  Reise  in  Südisland  im  Sommer  1894 
sammelten.  Interessant  ist  die  Mitteilung  von  der  Erlegung  eines  Anser 
cinereus  (=  A.  fenis  Schaeff.)  nebst  der  Bemerkung  der  Verfasser,  nur  diese 
eine  Gänseart  mehrfach  in  Island  beobachtet  zu  haben. 

Endlich  soll  unter  den  Engländern,  welche  die  Kenntnis  der  Vogel- 
welt unserer  Insel  vermehren  halfen,  noch  J.  Coburn  genannt  sein,  der 
1899  Mareca  americana  in  Nordisland  entdeckte'')  und  dem  zu  Ehren  Sharpe 
1901  die  isländische  Rotdrossel  als   Tiirdus  cobnrni  beschrieb. 

Von  Isländern  haben  in  den  letzten  Jahrzehnten  nur  wenige  etwas 
über  die  Vogelwelt  ihres  Landes  publiziert.  Jon  Gunnlaugsson  gab 
einige  Beobachtungen  aus  Reykjanes  (S,  W.  Island)*)  und  P.  Nielsen  aus 
der  Gegend  von  Eyrarbakki  (S.  Island)^).  Der  letztere  besitzt  noch  um- 
fassendes Material,  besonders  über  die  Brutverliältnisse  südisländischer  Vögel, 
und  er  beabsichtigt  in  nicht  allzuferner  Zeit  eine  Publikation  desselben. 

Weit  zahlreichere  Mitteilungen  als  die  genannten  hat  der  als  Dichter 
und  Gelehrter  über  Islands  Grenzen  hinaus  bekannte  Benedikt  Gröndal  in 
Reykjavik  gegeben,  die  im  folgenden  Abschnitte  aufgezählt  sind.  Es  handelt 
sich  freilich  in  der  Hauptsache  auch  nur  um  kurze  Verzeichnisse  und  Zahlen- 
angaben. So  wertvoll  manche  dieser  Bemerkungen  auch  sein  mögen, 
erkennt  man  doch  recht  oft,  daß  der  Verfasser  wenig  im  Freien  beobachtet 
hat   und   sich    zumeist    auf  die    Mitteilungen   anderer   verläßt,    ferner   auch, 


1)  Henry  H.  Slater,  Manual  of  the  Bilds  of  Iceland.     Edinburgh  1901. 

^)  Henry.),  and  Cliarles  PI  Pearson,  Ün  Birds  obscrved  in  Iceland  in  1894,  with 
a  List  of  the  Species  hithorto  recorded  therofrom.     Ibis   1895. 

»)  J.  Coburn.  Bulletin  of  the  British  Ornithologists  Club,  XII.     1901. 

*)  Jon  (iunnlauosson,  Ürnithologische  Beobachtungen  aus  Keykjanes  in  Island, 
Ornis  1895— 9(). 

•^)  P.  Nielsen,  ürnithologische  Beobachtungen  zu  Eyrarbakki  in  Island,  Ornis  1886. 
—  Ornis  1887. 


Geschichtliches.  23 

daß  ihm  neuere  Literatur  uud  die  Verbindung  mit  andern  Ornithologen 
fehlen.  Ich  erinnere  nur  an  die  Verwechslung  von  Montif ring  Uta  nivalis 
(In  Ornis  1886,  S.  358,  sogar  der  deutsche  Name  „Schneelink")  mit  Piec- 
trophanes  (Fasserina)  nivalis.  Im  übrigen  jedoch  müssen  die  verdienstlichen 
Arbeiten  Gröndals,  inbesondere  sein  Islenzkt  fmj/atal  (Reykjavik  1895)  voll 
anerkannt  werden. 

Recht  groß  ist  endlich  noch  die  Zahl  der  allgemeinen  Werke,  die 
^gelegentlich  auf  die  Avifauna  Islands  zu  sprechen  kommen.  Da  aber  wohl 
keins  derselben  wesentlich  neue  Mitteilungen  bringt,  sondern  alle  fast  aus- 
schließlich die  vorerwähnten  Schriften  und  Artikel,  nicht  einmal  immer  ganz 
richtig,  zitieren,  sollen  sie  hier  unberücksichtigt  bleiben.  Die  wichtigsten, 
von  mir  im  II.  Teile  dieser  Arbeit  benutzten  Werke  sind  im  folgenden 
Abschnitte  angeführt. 

Zum  Schlüsse  dieses  Kapitels  über  die  ornithologische  Erforschung 
Islands  bemerke  icli,  daß  ich  die  spezielle  Literatur  über  Alca  impmnis 
unberücksichtigt  gelassen  habe.  Doch  soll  im  5.  Abschnitte  zusammenhängend 
über  diesen  interessanten  Vosel  berichtet  werden. 


2.  Übersicht  der  wichtigsten  Literatur. 

Th.  Thoroddseu,  Geschichte  der  Isländischen  Geographie,  I.  und  II.  Teil, 
deutsche  Übersetzung  1897  und  1898.     Leipzig, 

Joh.  Anderson,  Nachrichten  von  Island,  Grönland  und  der  Sti-aße  Davis, 
1746.     Hamburg. 

Niels  Horrebow,  Tilforladelige  PJfterretninger  om  Island,  1752.  KJ0benhavn. 

M.  Th.  Brünnich,  Oruithologia  Borealis,  1764.     Hafuiae. 

Eggert  Olafsens  og  Biarne  Povelseus  Reise  igjennem  Island,  1772. 
Soroe. 

N.  Mohr,  Fors0g  til  en  Islandsk  Naturhistorie,  1786.     Kj0bcnhavn. 

Friedrich  Faber,  Prodromus  der  isländischen  Ornithologie,  1822.  Kopen- 
hagen. 

—  Nachtrag  zum  Prodromus.  Okens  Isis  1824.     Jena. 

—  Beiträge  zur  arktischen  Zoologie,  Okens  Isis  1824  und  1827.     Jena. 

—  Über  das  Leben  der  hochnordischen  Vögel,  1826.     Leipzig. 

F.  A.  L.  Thienemann,  Reise  im  Norden  Europas  vorzüglich  in  Island, 
1827.     Leipzig. 

—  Fortpflanzungsgeschichte  der  gesaramten  Vögel,  1845 — 53.     Dresden. 
William  Proctor,  Notes  ou  an  Ornithological  Tour  in  Iceland.  Naturalist  III, 

1838.     London. 

—  Clangula  Barrovii  a   Native    of  Iceland,   Annais   of  Natural  Historv  IV, 

1840.  London. 
Jonas   Hallgrimsson,   Yfirlit   ytir    fuglana   ä   Islandi,   Fjölnir   IX,     1847. 

Kaupmannahöfn. 
Th.  Kriiper,  Der  Myvatn  und  seine  Umgebung. 

—  Die  Inseln  des  Myvatn, 

—  Ornithologische  Miscellen,  Naumaunia  1857.     Leipzig. 

W.  Preyer  und  F.  Zirkel,  Reise  nach  Island,  1862.     Leipzig. 
Alfred   Newton,  Notes    on   the    ornithology    of  Iceland,    Appendix    A    to 
Baring-Goulds  Iceland,  1863.     London. 

—  Letter  on  Icelandic  birds,  Ibis  1864.     London. 

N.  Kj8erb0lliug,   Skandinaviens  Pugle,  2.  üdgave  ved  Jonas  ('ollin.   1877, 

Kj0benhavn.') 
J.  C.  Poestion,  Island,  1885.     Wien. 


1)  Zitiert  als  „Colliu,  Skandinaviens  Fugle  (1877)' 


Literatur.  25^ 

H.  H.  Slater  aud   Th.  Carter,   Notes  fi-om  Northern   Icelaiid,   Ibis  1886. 
London. 

—  Field-notes  from  Northern  Icelaud,  Zoologist  1886.     London. 

—  On  the  Goldeneyes  and  Ptarmigan  of  Iceland,  Zoologist  1887.  London. 
Benedikt  Gröndal,  Verzeichnis  der  bisher  in  Island  beobachteten  Vögel^. 

Ornis  1886.     Wien. 

—  Ornithologischer  Bericht  von  Island  (1886),  Ornis  1886.     Wien. 

—  Isländische  Vogelnamen,  Ornis  1887.     Wien. 

—  Islenzkt  fuglatal,  1895.     Ke3kjavik. 

—  Ornithologischer  Bericht  von  Island  (1887/8),  Ornis  1897.     Paris. 

—  Zur  Avifauna  Islands,  Ornis  1901.     Paris. 

P.  Nielsen,  Ornithologische  Beobachtungen,  Ornis  1886  und  1887.  Wien. 
H.  J.  and  C.  E.  Pearson,  On  birds  observed  in  Iceland,  Ibis  1895.  London.. 
J.  Riemschneider,  Reise  nach  Island,  Ornithologische  Monatsschrift  1896, 

Gera-Uutermhaus. 
HerlufWinge,  Couspectus  Faunse  Groeulandicse :  Gr0nlands  Fugle,  Ssertryk 

af  Meddelelser  om  Gr0nland  XXI,  1898.     KJ0benhavn. 
G.  Koltlioff  och  L.  A.  Jägerskjöld,  Nordens  Fäglar,   1898.     Stockholm. 
H.  H.  Slater,  Manual  of  the  Birds  of  Iceland,  1901.     Edinburgh. 
Alf  Bachmann,    Einiges  über  das  Vogelleben   auf  Island,    Ornithologische 

Monatsschrift  1902.     Gera-Üntermhaus. 
Stefan  Stefänsson,  Ny  rit  um  nättüru  Islands,  Nordurland,  4.  Okt.  1902.. 

Akureyri. 
H.  E.  Dresser,  A  Manual  of  Palaearctic  Birds,  1902 — 3.     London. 
Naumann,  Naturgeschichte   der  Vögel  Mitteleuropas,  Jubiläumsausgabe  von 

Carl  R.  Hennicke,  1897—1905.     Gera-Üntermhaus. 
Herman  Schalow,  Die  Vögel  der  Arktis,  Band  IV,  Lief.  I  der  Fauna  Arctica 

von  Römer  &  Schaudinn,  1904.     Jena. 
Bjarni  Ssemundsson,  Zoologiske  Meddelelser  fra  Island,  Ssertryk  afVidensk.. 

Meddel.  fra  den  naturh.  Foren,  i  Kbhvn,  1905.     Kj0benhavn. 


3.  Bericht  über  meine  eigene  isländische  Reise. 

Nach  den  Dötigen  Spezialstudien  in  Literatur  und  Biilj,^en.  auch  im 
Kopenhao-ener  Zoologischen  Museum,  wo  Herr  Vizeinspektor  Winge  mir  in 
liebenswürdigster  AVeise  seine  Unterstützung  zuteil  werden  ließ,  trat  ich 
Anfang  April  1903  eine  ornithologischen  Untersuchungen  dienende  Reise 
nach  Island  an.  Sie  führte  zunächst  über  Kopenhagen,  Edinburgh,  die 
Täröer  und  Vestmannaeyjar  nach  Reykjavik,  der  Hauptstadt  Islands,  wo 
ich  gjn  20.  April  anlangte.  Meine  Exkursionen  von  hier  aus  erstreckten 
sich  besonders  längs  der  Meeresküste,  da  die  sonstige  Umgebung  sich  als 
ziemlich  reizlos  und  vogelarm  erwies.  Ich  möchte  keinem  Ornithologen 
•empfehlen,  hier  Standquartier  nehmen  zu  wollen,  da  es,  wie  ich  später 
kennen  lernte,  ungleich  günstigere  Gebiete  genug  gibt.  Auch  verhielten 
sich  die  Vögel  in  dieser  verhältnismäßig  dicht  bewohnten  Gegend  weit  vor- 
sichtiger als  an  einsamen  Örtlichkeiten.  Doppelt  erschwert  wurde  das 
Sammeln  durch  die  gesetzliche  Unmöglichkeit,  eine  Ei'laubnis  zum  Erlegen 
geschützter  Arten  zu  erhalten.  Für  spätere  Forscher  ist  glücklicherweise 
eine    solche    in    dem    neuen  Gesetz   vom  27.  November   1903  vorgesehen.') 


1)  Der  isländische  Althingsabgeordnete  Herr  Björn  Kristjansson  in  Reykjavik 
war  so  freundlich,  mir  dieses  Gesetz  nebst  zwei  anderen  Verordnungen  in  dänischer 
Sprache  zuzusenden,  was  ich  in  Übersetzung  folgen  lasse. 

Gesetz  über  den  Schutz  der  Vögel  (Ausgeg.  am  27.  Nov.  1903). 

§  1.  Nachstehende  Vogelarten:  Bachstelzen,  Steinschmätzer,  Drosseln,  Zaunkönige, 
Finken,  Schneeammern.  Pieper.  Wassertreter  (beide  Arten),  Seeschwalben,  Stein- 
wälzer, Sandregenpfeifer,  Pfuhlschnepfen  und  isländische  Strandläufer  sollen 
während  des  ganzen  Jahres  geschützt  sein. 

§  2.  Folgende  Yogelarteu :  Adler,  Jagdfalken,  Steinfalken,  Eulen.  Haben,  Raubmöven, 
Mantelraöven  und  andere  Mövenarten,  Scharben,  Tölpcl,  Eistaucher,  Nordsee- 
taucher, Ohrentaucher,  Lummen  und  Alke,  Säger  und  Weißwangengänse  sind 
nicht  geschützt  zu  irgendwelcher  Zeit  des  Jahres. 

§  3.    Andere  Vogelarten  sollen  nach  folgenden  Bestimmungen  geschützt  sein. 

a)  Schneehühner  vom   1.5.  Februar  bis  15.  September. 

b)  Alle  andern  als  die  obengenannten  Entenarten  vom  1.  April  bis  1.  September. 

c)  Schwäne  vom   1.  April  bis   15.  September. 

d)  Seepapageien  vom  10.  Mai  bis  20.  Juni.   — 

Die  Bezirksvorstände  werden  für  ihren  Distrikt  beauftragt,  die  Schonzeit 
für  den  Eissturmvogel  festzusetzen.  Doch  darf  diese  nicht  später  als  den 
20.  März  beginnen  und  nicht  früher  als  den  10.  August  endigeu. 


Reisebericht.  27 

Imiuerhin  konnte  icli  während  meines  Aufenthaltes  in  Reykjavik  verschiedene 
auf  dem  Zuge  befindliche  seltenere  Vogelarten  beobachten  und  eine  Reihe  An- 
kunftsdaten notieren.  Ich  besuchte  auch  von  ornithologisch  tätigen  Einwohnern 
der  Hauptstadt  Herrn  Gröndal,  der  mir  freundlichst  seine  letzten  Publi- 
kationen einhändigte,  sowie  Herrn  Adjunkt  S?emundsson,  der  mich  in  die 
Vogelsammluug  führte.  Diese  ist  urspünglich  von  Gröndal  angelegt,  jetzt 
aber  in  den  Besitz  der  Stadt  übergegangen.  Einige  Objekte  darin  sind 
wertvoll,  den  meisten  fehlen  jedoch  die  so  überaus  wichtigen  Angaben  über 
Geschlecht,  Datum  der  PJrlegung  usw.  Dazu  waren  verschiedene  außer- 
isländische Vögel  mit  eingestellt,  die  zu  Irrungen  Anlaß  geben  können. 
Allmählich  wird  man  hoifentlich  die  Sammlung  vervollständigen  und  die 
wissenschaftlich  wertlosen  Präparate  daraus  entfernen. 


Alle  nicht  oben  namhaft  gemachten  Vogelarten  sollen  vom  1.  April  bis  1.  August 
geschützt  sein.  Beim  Fange  von  Seepapageien  und  Eissturmvögeln  dürfen  weder 
Schüsse  noch  Kietze,  sondern  ausschließlich  Kätscher  angewendet  werden. 

§  4.  Für  jeden  hierdurch  geschützten  Vogel  soll  der  Gesetzesübertreter  2  Kronen  als 
Buße  bezahlen,  was  für  jede  weitere  Übertretung  verdoppelt  wird  bis  zu  40  Kronen. 

§  5.  Der  Minister  kann  wissenschaftlich  gebildete  Ornithologen  von  den  Bestimmungen 
dieses  Gesetzes  befreien. 

§  6.  Rechtsstreitigkeiten,  die  infolge  von  Übertretung  der  gesetzlichen  Bestimmungen 
entstehen,  werden  als  öffentliche  Polizeiangelegenheiten  behandelt.  Die  eine 
Hälfte  der  Buße  fließt  in  die  Landeskasse,  die  andere  erhält  der  Ankläger. 

§  7.  Das  Gesetz  vom  17.  März  1882  über  den  Schutz  der  Vögel  (und  Rentiere)  und 
das  Gesetz  vom  IH.  Dezember  1885  betreffend  Veränderungen  im  Gesetze  über 
den  Schutz  der  Vögel  (und  Rentiere)  werden  hierdurch  aufgehoben. 

Verordnung 
über  die  Jagd  in  Island  (ausgegeben  am  20.  Juni   1849).     Auszug. 

§  11.  Niemand  darf  irgendwo  in  Island  Ei  der  vö  gel  töten,  weder  auf  dem  Meere  noch 
im  Lande,  auf  seinem  eigenen  oder  auf  eines  anderen  Grund  und  Boden,  nicht 
durch  Schüsse,  Hunde,  Netze  oder  auf  irgendwelche  andere  Weise.  Vorsätz- 
liche Übertretung  hiervon  wird  mit  einer  Strafe  von  48  Skilling  (=  50  Öre  = 
56  Pfennig)  für  jeden  getöten  Vogel  belegt,  was  in  die  Gemeindekasse  gezahlt 
werden  soll. 

Gesetz 

enthaltend  Nachtrag  zur  Verordnung  über  die  Jagd  in  Island  vom   20.  Juni  1849 

(ausgegeben  am  22.  März  1890). 

§  1.  Jeder,  der  vorsätzlich  Eidervögel  tötet,  soll  statt  der  in  §  11  der  Verordnung 
über  die  Jagd  in  Island  vom  20.  Juni  1849  vorgesehenen  Strafe  für  jeden  Eider- 
vögel eine  Buße  von  10  bis  100  Kronen  erlegen,  die  im  Wiederholungsfalle  ver- 
doppelt wird. 

§  2.  Niemand,  weder  der  Eigentümer  noch  ein  anderer",  darf  Eidervogeleier  verkaufen 
oder  kaufen.  Übertretung  hiervon  wird  mit  einer  Buße  von  10  bis  100  Kronen 
bestraft,  die  im   Wiederholungsfalle  verdoppelt  wird. 

§  3.  Niemand  darf  irgendwo  in  Island  tote  Eidervögel  oder  Teile  davon  kaufen  oder 
verkaufen,  zusichnehmen  oder  benutzen.  Übertretung  hiervon  wird  mit  einer 
Buße  von  10  bis  100  Kronen  bestraft. 

§  4.  Die  in  §§  1,  2  und  3  bezeichnete  Buße  fällt  zu  einem  Drittel  an  die  Gemeinde- 
kasse, wo  die  Übertretung  begangen  wird,  zu  zwei  Drittel  an  den  Ankläger. 

§  5.  Streitigkeiten  infolge  von  Übertretung  vorstehenden  Gesetzes  werden  als  öffent- 
liche Polizeiangelegenheiten  behandelt. 


28  lieiseberifht. 

Meine  Absieht,  von  Reykjavik  mis  nun  auf  dem  Landwege  allmählich  nach 
Nordisland  zu  gelangen,  scheiterte  an  der  besonders  ungünstigen,  kühlen 
Witterung,  der  bodenlosen  Schlechtigkeit  selbst  der  im  Sommer  guten  Wege  und 
dem  Mangel  an  jeglicher  frischen  Nahrung  für  die  zum  Keisen  nötigen  Pferde, 
Deshalb  begab  ich  mich  am  13.  Mai  auf  den  Küsteudampfer  Skdlholt  und  fuhr 
mit  diesem  nach  Norden.  Das  Schiff  ging  bei  über  20  Ortschaften  vor  Anker,, 
und  ich  hatte  dann  mehrmals  Gelegenheit,  stundenlange  Exkursionen  zu  unter- 
nehmen. Der  Nordwesten  Islands  mit  seinen  gToßartigen  Felsformationen 
zeigte  sich  noch  völlig  im  Winterkleide,  und  auch  das  Meer  war  an  vielen 
Stellen  mit  Treibeis  bedeckt.  Trotzdem  hatten  sich  die  Seevögel  überall  an 
ihre  Brutplätze  begeben,  und  der  eigentliche  Vogelzug  schien  vorüber  zu  sein. 
Nur  solche  Arten,  die  im  Innern  des  Landes  brüten,  hielten  sich  noch  am 
Strande  auf.  Ungeheuer  reich  au  Seevögeln  war  die  Gegend  am  Kap  Nord, 
Verschiedene  Vogelarten,  die  sich  in  der  Ferne  zeigien,  z.  B.  Kaubmöven,  konnten 
vom  Schiffe  aus  nicht  immer  richtig  angesprochen  werden. 

Da  ich  nicht  wieder  in  einer  größeren  Ortschaft  wohnen  wollte,  ging 
ich    bei   dem    kleinen    Fischerplatze    Hjalteyri    im   Eyjafjördi-  (Fig.  1),  das 


1.     Hjalteyri. 


einige  Stunden  nordwärts  von  Akureyri  liegt,  am  25.  Mai  an  Land.  Die 
Gegend  zeigt  in  der  Nähe  des  Meeres  grasige  Heideflächen.  Im  Hinter- 
grunde steigen  höhere  Gebirgszüge  auf,  die  aber  nur  zum  kleinen  Teil  das 
ganze  Jahr  über  mit  Schnee  bedeckt  bleiben.  Der  Strand  ist  zumeist  flach 
und  steinig,  an  einigen  Stellen  aber  fallen  auch  steile  Felsen  senkrecht  ins 
Meer,  an  denen  Phalacrocorax  carbo,  Coitus  corax  u.  a.  horsten.  Zahlreiche 
Flüsse  und  Bäche  durcheilen  das  Hügelland.  Fruchtbare,  teilweise  versumpfte 
Einsenkungen  und  Täler  bieten  den  Vögeln  Schutz  und  Nahrung.  Gegen- 
über von  Hjalteyri  ergießt  sich  die  wasserreiche  Fnjöskä  in  den  Eyjafjördr, 


Keisebericht.  29 

die  im  Laufe  der  Zeit  große  Mengen  Sand  und  Erde  mitgebracht  und  vor 
der  Mündung  als  Inseln  abgelagert  hat.  Diese  bieten  mit  ihrem  niedrigen 
Gestrüpp  von  Heidekräutern  und  Zwergbirken  verschiedenen  Entenarten, 
besonders  Soinatf-ria  mollissima,  ferner  auch  Seeschwalben,  Gänsen  u.  a.  m., 
willkommene  Brutplätze.  Wenige  Stunden  aufwärts  der  Mündung  sind  die 
Abhänge  des  Fnjöskätales  mit  dichtem  Buschwalde  bedeckt,  der  Turdus 
iliacns  und  Acanilds  Jinaria  zum  Wohnplatze  dient.  So  beherbergt  die 
Gegend  im  weiteren  Umkreise  die  meisten  der  zu  erwartenden  Vogelarten, 
aus  welchem  Grunde  ich  mich  bis  zum  25.  Juni  in  Hjalteyri  aufhielt. 

Ich  besuchte  auch  von  hier  aus  den  norwegischen  Konsul  in  Akureyri, 
Herrn  Kaufmann  I.  V.  Havsteen,  der  ein  guter  Kenner  isländischer  Vogel- 
«ier  ist.  Ich  verdanke  ihm  eine  Anzahl  wertvoller  Mitteilungen,  für  die 
■er,  hoffe  ich,  einstehen  kann. 

Um  nun  die  auf  den  Vogelbergen  brütenden  Arten  zu  beobachten, 
begab  ich  mich  mit  dem  Küstendampfer  Hölar  nach  Grimsey  im  PJismeere. 
Da  diese  interessante  Insel  in  neuerer  Zeit  oar  nicht  ornitlioloa'isch  unter- 


Fig.  2.     Reykjalid  am  Myvatn. 

sucht  wurde,  will  ich  ihr  bei  Schilderung  der  Landschaftsformen  einen 
besonderen  Abschnitt  widmen.  Mich  lockte  vor  allem  der  Krabbeutaucher  dahin, 
der  hier  seine  südlichsten  sicher  bekannten  Brutplätze  besitzt,  sowie  der 
Sanderling,  der  zu  Fabers  Zeiten  gleichfalls  daselbst  gebrütet  haben  soll. 
Trotz  ungünstiger  Witterung  war  diese  Exkursion  hochinteressant,  und  mit 
einer  Anzahl  Bälgen  und  einer  Menge  Eiern  kehrte  ich  in  einem  sechs- 
rudrigen  Boote  am  11.  Juli  nach  Hjalteyri  zurück. 

Nunmehr  begab  ich  mich,  unterwegs  auch  den  berühmten  Buschwald 
bei  Hals  im  Fnjöskätale  durchstreifend,  nach  dem  größten  Binnensee  Nord- 
islands,  dem  Mvvatn.     Der  Aufenthalt  daselbst    ealt  in   erster  Linie  dem 


30  Reisebericht. 

Sammeln  von  Entendunenjungen,  speziell  solchen  von  Glaucionetta  islavdica. 
Diese  Absicht  wurde  dadurch  erleichtert,  daß  die  kühle,  stürmische  Witterung 
vielen  der  zarten  Tiere  den  Tod  brachte  und  ich  Dutzende  derselben  am 
Ufer  des  Sees  auflesen  konnte,  die  sich  teilweise  noch  recht  gut  zur  Prä- 
paration eigneten.  Die  größte  Menge  der  tot  oder  halbtot  gefundenen 
Dunen  jungen  bildeten  solche  von  Mergus  serralor  und  Aditija  mavüa, 
seltener  die  von  ClaiK/ida  hyemans,  Oidemia  tiiyra,  Anas  boschus  und  Glaii- 
cionHtd  isiamlira.  Die  landschaftlich  abwechslungsvolle,  eigenartige  Umgebung 
des  oft  besuchten  Myvatn  ist  auch  sonst  ornitliologisch  äußerst  interessant. 
Am  4.  August  verließ  ich  das  gastliche  Reykjalid  (Fig.  2),  ritt  nach 
Hjalteyri  zurück,  verpackte  meine  Sammlungen,  die  den  oft  schwierigen 
Transport  gut  überstanden  hatten,  und  brachte  sie  auf  das  nach  Reykjavik 
fahrende  Schiff. 

Am  andern  Tage  trat  ich  selbst  den  Landweg  nach  Reykjavik 
an  und  zwar  allein  mit  nur  einem,  freilich  vortrefflichen  Pferde.  Das  hastige 
Reisen  mit  Führern  und  vielen  Reit-  und  Lasttieren  behagte  mir  auf  die 
Dauer  nicht,  zumal  oruithologische  Untersuchungen  dann  sehr  in  den  Hinter- 
grund treten  mußten.  Um  meinem  Pferde  etwas  Erholung  zu  gönnen,  schloß 
ich  mich  allerdings  einige  Tage  Isländern  an.  Ich  sammelte  auf  der 
15tägigen  Tour  zwar  keine  Vögel  mehr,  konnte  aber  noch  eine  Menge 
Beobachtungen  über  deren  Verbreitung  und  Lebensweise  anstellen.  Der 
Weg  führte  von  Akureyri  durch  das  grasreiche  Öxnätal,  dann  über  die 
steinige,  romantische  Hjaltadalsheidi,  wo  es  lebhaft  schneite  und  der  Boden 
fest  gefroren  war,  nach  Silfrastadii*.  Von  hier  aus  besuchte  ich  den  enten- 
reichen Miklavatn,  durchquerte  nun  bei  Nebel  und  Regen,  meist  öde.  sumpfige 
Täler  benutzend,  die  einsamen,  nur  selten  von  Vögeln,  Schafen  und  Pferden 
belebten  Gebirge  bis  zum  Blandatal  hinab.  Hier  besserten  sich  die  Wege. 
Ich  ritt  über  Blönduös,  Sveinstadir  und  Lsekjamöt  nach  Stadr,  von  da  aus  aber- 
mals über  öde  Heiden,  in  denen  ein  schreiender  Jagdfalk  mein  Begleiter 
war,  nach  Hvammr,  von  da  wieder  durch  grasreiche,  abwechsluugsvoUe 
Hügellandschaften,  wo  hier  und  dort  kräftiges  Birkeugebüsch  die  Abhänge 
bedeckte,  nach  Saurbaer  am  Hvalfjördr.  Diese  großartige  Gegend  wieder 
verlassend,  kletterte  ich,  mein  Pferd  am  Zügel  nachführeud,  über  steile, 
wilde  Gebirge  nach  dem  Tale  des  ]?ingvallavatu.  Wundervolle  kleine 
Seen,  auf  denen  die  weißen  Schwäne  dahinzogen,  lagen  am  einsamen  Wege. 
Von  ])ingvellir  aus  durchstreifte  ich  die  großen  Buschgebiete  zwischen 
Middalr  und  Uthlid  und  besuchte  dann  den  merkwürdigen  Geysir  und  den 
majestätischen  Gullfoss.  Von  hier  aus  ritt  ich  auf  schwierigen,  sumpfigen 
Pfaden  nach  Skälholt,  übersetzte  die  tiefe,  milchweiße  Hvitä  in  einer  Fähre 
und  gelangte  endlich  nach  Eyrarbakki  au  der  Südküste,  wo  ich  Herrn 
Faktor  Nielsen  (Fig.  3),  einen  tüchtigen  Vogelkenner,  besuchen  wollte. 
Leider  war  dieser  abwesend.  Doch  traf  ich  ihn  kurz  vor  meiner  Abreise 
in  Reykjavik.  Später  hatte  er  noch  die  Liebenswürdigkeit,  mir  schriftlich 
zahlreiche  Mitteilungen  zukommen  zu  lassen,  weshalb  ich  ihm  zu  besonderem 
Danke  verpflichtet  bin.     Von   Eyrarbakki  reiste  ich  zuletzt  nach  Reykjavik,^ 


Reisebericht. 


31 


wo  ich  am  Nachmittage  des  23.  August  aulangte.  Am  Abend  des  27.  dieses 
Monats  verließ  ich  die  Stadt,  am  Morgen  des  28.  passierten  wii-  die  Vest- 
mannaeyjar,  und  einige  Stunden  darauf  verschwanden  die  fernen  Berge 
Islands  im  Nebel. 

An  Material  habe  ich  über  150  Vogelbälge  in  43  Arten'^bis  zur  Größe 
des  Siugschwaus,  sowie  ca.  400  Eier  in  37  Arten  in  Island  gesammelt.  Mit 
wenigen  Ausnahmen  befindet  sich  dieses  noch  in  meiner  Sammlung.  Die 
speziellen  ornitliologischeu  Resultate  werden,  soweit  es  der  Phitz  erlaubt,  im 


Alf  Bachmanu,  München.    Phot. 

Fig.  3.     P.  Nielsen  am  Neste  von  Megalestris  skua. 


zweiten  Teile  der  Arbeit  dargelegt.  Ereilich  sind  die  Ergebnisse  meiner 
Untersuchungen  auch  nur  durchaus  lückenhafte,  wovon  niemand  mehr  als 
ich  selbst  überzeugt  sein  kann.  Möchte  die  eingehende  ornithologische  Er- 
forschung Islands,  die  von  Dänemark  aus  geplant  wird,  recht  viele  der  heute 
noch  vorhandenen  Lücken  ausfüllen  und  die  Kenntnis  der  Vogelwelt  unseres 
Gebietes  auf  dieselbe  Höhe  bringen,  wie  dies,  besonders  durch  dänischen 
Forschungseifer,  bei  der  benachbarten  grönländischen  Kolonie,  wenigstens  bei 
deren  Westküste,  der  Fall  ist! 


4.  Die  Landschaftsformen  Islands  mit  Hervor- 
hebung ihrer  Charaktervögel. 

Gras,  Wasser,  Steiü:  iiii  großen  Ganzen  ist  die  isländische  Natur  nur 
eine  Zusammensetzung  von  diesen  Dreien,  oft  das  eine  vorherrschend,  ander- 
mal wieder  alles  Dreies  gleichmäßig  vereinigt  und  abwechselnd.  Nur  an 
sehr  wenigen  günstigen  Stellen  kommen  noch  niedere  Buschwälder  hinzu, 
außerdem  natürlich  maunigfaclie  Blumen  und  Kräuter,  die  die  Landschaft 
etwas  weniger  tot  und  starr  erscheinen  lassen.  Im  allgemeinen  aber  kann 
mau  wohl  sagen,  daß  die  isländische  Natur  arm  und  traurig  ist,  freilich 
auch  gToßartig;  denn  überall  wird  der  Hintergrund  durch  die  dunkeln  stillen 
Berge  abgeschlossen,  die  zum  Teil  das  ganze  Jahr  über  ihre  blendend  weiße 
Schneekappe  tragen.  Ja  an  verschiedenen  Stellen  glänzen  von  ferne  die 
gewaltigen,  unheimlichen  Gletschergebiete.  Aber  kein  Windhauch  flüstert 
heimlich  mit  den  schwanken  Hängezweigen  hochstämmiger  Birken.  Kein 
Lied  vom  deutschen  Walde  kann  wiederhallen  in  stolzen  Richbäumen  und 
ernsten,  dunkeln  Tannen.  Kein  Saatfeld  wogt,  über  dem  die  Lerche  frühlings- 
jubelnd dahinflatterte.  Kein  Blütenbusch  steht  am  Hange,  aus  dem  in 
schwellender  Mainacht  die  Nachtigall  ihre  Liebeslieder  jauchzte.  Und  doch: 
du  sehnst  dich  fort  aus  deinem  blühenden  Garten,  fort  aus  deinem  rauschenden 
Sommerwalde  nach  der  nordischen  Einsamkeit,  nach  der  unendlichen  Stille, 
die  geheimnisvoll  über  den  dürftigen  Gräsern  und  Blumen  lagert  und  über 
Wasser  und  Fels.  0  die  isländische  Natur  ist  reich  an  Poesie  und  altem, 
wunderbarem  Märchenzauber!  Nur  muß  man  Sinn  dafür  haben  und  allein 
sein.     Laute,  lebensfrische  Geselligkeit  paßt  nicht  in  diese  Landschaften. 

Wie  manchmal  lag  ich  dort  am  Berghange,  wo  der  Gießbach  mir  sein 
Lied  sang,  oder  am  glitzernden  See,  wenn  die  Sonne  darin  sclilafen  ging! 
Die  isländischen  Vögel  sind  wie  alle  anderen  abhängig  von  ihrer  Umgebung. 
Wenn  ich  ihr  Leben  schildern  will,  muß  ich  zuvörderst  ein  Bild  malen  von 
den  charakteristischen  Landschaftsformen  der  Insel. 

Wiesen  und  GrasLind. 

Besonders  in  den  tiefer  liegenden  Teilen  des  Gebietes  finden  sich  aus- 
gedehnte Graslandschaften,  ebenso  in  den  PJinsattlungen  zwischen  den  Bergen 
und  an  den  Abhängen  derselben.  Die  Flußtäler  zeigen  natürlich  gleichfalls 
Oraswuchs.    Jedoch  verliert  sich  in  der  Nähe  des  Wasserlaufes  sehr  oft  der 


Wiesen   und   (irasluiid. 


33 


(.'harakter  eigontliclier  Wiesen,  um  in  Moor-  und  Sumpfland  überzugehen, 
das  eine  besondere  Vogelwelt  hat.  Freilich  ist  der  Name  Wiese  auch  für 
jene  erst  angedeuteten  Gebiete  nicht  völlig  bezeichnend.  Höheres  und 
kräftigeres  Gras  von  frisehgrüner  Farbe  findet  man,  außer  an  wenigen  be- 
.sonders  begünstigten  Plätzen,  meist  nur  in  unmittelbarer  Nähe  der  Bauern- 
höfe. Die  übrigen  Wiesenflächen  zeigen  gewöhnlich  bloß  kurzes  und  nicht 
besonders  dicht  wachsendes  Gras  von  mehr  graugrüner  Färbung,  ähnlich 
wie  bei  uns  die  Matten  der  Gebirgsabhänge.  Das  Terrain  solcher  Gebiete 
ist  selten  eben.  Fast  immer  besteht  der  Boden  aus  unzähligen  kleinen 
Hügeln,  die  kaum  höher  als  ein  halber  Meter  sind  und  so  dicht  beieinander- 
liegen, daß  man  in  den  meisten  Fällen  von  einem  zum  andern  steigen  oder 
wenigstens  springen  kann  (Fig.  4).  Zur  feuchten  Jahreszeit,  besonders  im 
Frühlinge,   findet  sich  zwischen    den  Hügeln    oft  Wasser  und  Sumpf,    sodaß 


Graslandschaft  bei  Hjalteyri. 


ein  längeres  Durchqueren  der  Grasflächen  des  fortwährenden  Springens  wegen 
nicht  ohne  Anstrengung  ist.  Aber  auch  wenn  später  im  Sommer  die  Ver- 
tiefungen trockner  werden  und  man  bei  ihrem  Betreten  nicht  mehr  einsinkt, 
ist  es  immer  noch  am  bequemsten,  von  Hügel  zu  Hügel  zu  steigen,  und 
nur  dann,  wenn  diese  zu  weit  auseinanderliegen  oder  die  Einsenkungeu  ein 
Stück  wegartig  am  Boden  hinführen,  letztere  zu  benutzen. 

Für  den  jagenden  Ornithologcn  bieten  solche  Graslaudschafteu,  wie 
leicht  ersichtlich,  mancherlei  Hindernisse.  Nicht  nur  bei  feuchter  Witterung, 
sondern  aucli  bei  Trockenheit  sind  die  kleinen  Hügel  oft  so  glatt,  daß  man 
gar  leicht  ausgleitet.  Darum  ist  es  nicht  ungefährlich,  mit  schußfertigem 
Gewehr,  also  mit  gestochenen  Hähnen,  ein  derartiges  Terrain  abzusuchen. 
Andernteils  aber  flnden  die  Vögel  hinter  den  Schollen  so  günstige  Deckung, 
daß   sie  dann  und  wann  schneller  vor  dem  Jäger  auffliegen,  als  dieser  zum 

Hantzscli,  VoKi^lweU  I.slamls.  3 


34  Wiesen  und  (irasland. 

Schießen  bereit  ist.  Laiigsain  und  schrittweise  geht  mau  deslialli  Norwarts. 
die  Flinte  in  der  Hand  und  mit  dem  Blicke  den  Fuß  unterstüt/end.  Aber 
aller  ])aar  Sekunden  Ideibt  man  stehen,  scliaut  sich  um  und  hiusclit.  In 
den  stillen  isländischen  Landschaften  schärft  sich  das  Olir.  und  nnin  be- 
herrscht mit  dessen  Hilfe  ein  großes  Gebiet.  Wenigstens  im  Frühjahr  und 
Sommer,  wenn  die  Vögel  überhaupt  liäufiger  ihre  Stimme  hören  lassen,  be- 
grüßen sie  nicht  selten  den  Mensclien,  der  es  wagt,  in  ihre  einsamen  Wohn- 
orte zu  dringen.  Sie  rufen  verwundert  ilire  Locktöne  oder  nähern  sich  sogar 
neugierig  dem  Beobachter.  Im  Herbste  scharen  sich  die  meisten  zusammen 
und  sind  dann,  aucli  ohne  daß  man  iln-e  Stimme  vernimmt,  leichter  sichtbar. 
So  lernt  man  gar  bald  die  wenigen  Charaktervögel  der  isländischen  Wiesen- 
flächen recht  gut  kennen,  wenn  freilich  ihre  Flrlegung  auch  oftmals  Schwierig- 
keiten bietet. 

Wieder  steh'  ich  nun  im  Geiste  draußen  am  gi'asigeu  Hange,  das 
gute  Fernglas,  die  treue  Flinte  in  der  Hand,  sonst  einsam  und  lauschend 
und  schauend.  Der  Winter  ist  vorüber,  und  der  Frühling  beginnt.  Isländischer 
Frühling!  Wie  ganz  anders  ist  er  als  bei  uns  daheim!  Nur  eine  ferne 
Sage  vom  Lenzesglttcke  dringt  hinauf  nach  dem  nordischen  Eilande.  Kein 
dunkelblauer  Himmel  wölbt  sich  über  der  kahlen  Erde.  Kühl  bleibt  auch 
der  Sonne  blinkender  Strahl.  Statt  milder  Frühliugslüfte  kommt  eilend  der 
rauhe  Nord  geflogen:  vom  Grönlandseise  nach  Islands  weißen  Berggipfeln. 
Und  doch  beginnen  die  Grasflächen  bereits  im  Mai,  sich  im  ersten  Frühlings- 
ahnen zu  schmücken.  Das  trübe  Grau  der  Hügel  und  Hänge  mischt  sich 
langsam  mit  feinem  Grün,  und  hier  und  dort  am  windgeschützten  Orte 
entfalten  winzige  Pflänzchen  schüchtern  ihre  roten  und  weißen  Blüten,  und 
lautlose  Stille  deckt  feierlich  das  weite  Land  und  zwingt  zum  Schauen  und 
Lauschen.  Da  in  der  Ferne  ein  feines  Sit  Sit!  Rascher  und  stärker  werden 
die  Töne,  und  nun  beginnt  ein  angenehmer  Gesang.  Der  Wiesenpieper 
(Anthus  pratensis)  ist  es,  der  den  Frühling  verkündet.  Wie  lieblicli  klingt 
sein  weiches  Schmettern  und  Trillern,  wie  stimmungsvoll  wechseln  damit 
die  einzelnen  gezogenen  Töne  ab!  Doch  nicht  er  allein  belebt  die  Gras- 
flächen: Goldregenpfeifer  (Charadrins  apricarms)  und  Brachvogel  (Numenhis 
])haeoj)Hs)  schweben  hoch  oben  am  Himmel  dahin  und  erfüllen  mit  ihrem 
anhaltenden  Trillern  die  ganze  Gegend.  Und  der  kleine  Alpenstrandläufer 
(Faüdna  alpiria)  sucht  es  den  beiden  gleichzutun;  sausend  durcheilt  er  die 
Luft,  zitternd  flattert  er  in  die  Höhe,  die  Stimme  freilich,  die  er  dabei  hören 
läßt,  muß  mehr  ein  Schnurren  als  Trillern  genannt  werden.  An  andrer 
Stelle  der  Grasfläclien  dringt  das  meckernde  Schwirren  der  Bekassine 
(Gallinago  galUnago)  an  unser  Ohr,  und  zahlreiche  Seeschwalben  (Stirna 
mao-ura)  erfreuen  uns  durch  ihr  geschicktes,  gaukelndes  Hin-  und  Her- 
schweben. Aber  plötzlich  stoßen  die  gewandten  Flugkünstler  ihr  lebhaftes 
„Kria"  aus,  die  andern  Vögel  verstehen  die  Stimme  und  machen  sich  zum 
Kampfe  oder  zur  Flucht  bereit.  Ein  Zwergfalke  (talco  merilLus)  kommt 
flatternd  dahergezogeu !  Auf  einmal  beschreibt  er  einen  engen  Kreis  in  der 
Luft,  in  schönen  Bogenlinien  schwebt  er  tiefer  zur  Erde  und  stürzt  plötzlich 


Moor  und  Siiuipl'land.  35 

mit  angezogoiieu  Flügeln  nach  dem  Boden.  Laut  schreiend  erhebt  er  sich 
wieder  und  trägt  den  eben  noch  so  froh  singenden  Wiesenpieper  in  die  Luft 
einpor.  Bald  verschwindet  er  in  der  Ferne,  um  auf  seinem  Lieblingsi)latze 
die  Beute  zu  verzehren.  Manchmal  kommt  auch  der  stolzeste  Vogel  Islands, 
der  Jagdfalke  (Hierofalco  is(andus),  aus  seinen  Bergen  in  das  Grasland  hinab. 
Angstlich  lockend  sitzen  dann  die  Brachvögel  um  Boden,  erschreckt  eilen 
die  Goldregenpfeifer  umher,  und  die  Alpenstrandläufer  nicken  und  knixen 
in  ihrer  Aufregung.  Keiner  vermöchte  dem  kühnen  Räuber  zu  entfliehen, 
höchstens  der  Alpenstrandläufer,  wenn  er  sich  regungslos  hinter  einen  Gras- 
hügel stellt,  was  er  so  gern  tut.  Aber  der  Falke  zieht  langsam  weiter. 
Wer  weiß,  welch' Vogellebeu  heute  unter  seinen  Fängen  bluten  muß!  Zeigen 
sich  Rabe  (Cormis  corax)  und  Schraarotzerraubmöve  (Stercorarms  parasiticus), 
so  werden  sie  nicht  selten  von  den  andern  Vögeln,  besonders  den  lebhaften 
und  streitbaren  Brachvögeln,  verfolgt.  Häufigere  Gefahren  freilich  drohen 
von  Seiten  der  Menschen  und  des  weidenden  Viehes,  vor  allem  zur  Brutzeit. 
Kaum  eine  andere  Landschaftsform  wird  von  ihnen  in  gleicher  Weise 
beunruhigt  wie  die  Wiesenflächeu. 


Moor  und  SumpHand. 

Außerordentlich  reich  ist  Island,  wie  ja  auch  andere  wenig  bewohnte 
und  wenig  kultivierte  Länder  nördlicher  Gebiete,  au  Mooren,  Sümpfen  und 
wassergetränkten,  feuchten  Örtlichkeiten.  Zahllose  fließende  Gewässer  be- 
rieseln das  Land,  überschwemmen  dieses  auch  nicht  selten  bei  starken  Regen- 
güssen oder  rascher  Schneeschmelze  und  hinterlassen  beim  Zurücktreten  an 
vielen  tiefer  gelegenen  Plätzen  Lachen  und  Tümpel.  In  manchen  flachen 
Tälern  besitzt  auch  der  Bach  so  geringes  Gefälle,  daß  er  sich  ausbreitet 
»md  bedeutende  Strecken  längs  seiner  Ufer  in  Sumpf  1  and  verwandelt.  Trotz 
üppigen  Graswuchses  sind  derartige  Gebiete  gewöhnlich  nur  während  der 
trockensten  Sommerwochen  vom  Vieh  zu  begehen,  bilden  auch  eins  der 
unangenehmsten  Hindernisse  beim  Reisen.  Andere,  selbst  große  kesseiförmige 
Täler  haben  gar  keinen  Abfluß;  das  Schnee-  und  Regenwasser  rieselt  von 
den  Bergen  in  die  Talsohle  hinab,  wo  es  völlig  stagniert.  Je  dichter  und 
torfiger  die  Schicht  der  im  Laufe  der  Jahre  abgestorbenen  Pflanzen  wird, 
desto  weniger  kann  ein  Durchsickern  des  Wassers  bis  zur  touigen  oder 
steinigen  Unterlage  einti-eten.  Da  ferner  auch  die  isländische  Luft,  vielleicht 
mit  Ausnahme  weniger  Somraerwochen,  fast  immer  kühl,  ^ucht  und  neblig 
ist,  wird  das  Vorhandensein  der  zahlreichen  Sumpfgebiete  zur  Genüge  erklärt. 

Manche  derselben  ähneln  den  Wiesen.  Dies  sind  entweder  nur  zeit- 
weilig unter  Wasser  gesetzte  Grasflächen,  vielleicht  mit  eingestreuten  kleinen 
Tümpeln  und  Teichen,  oder  auch  Tieflandsraoore,  deren  ti'ügerische  grüne 
Rinde  oft  nur  dünn  über  dem  zähen  schwarzen  Schlamme  liegt.  So  ge- 
fährlich, als  man  diese  Gebiete  manchmal  schildert,  habe  ich  sie  allerdings 
nicht  gefunden.  Mit  der  nötigen  Vorsicht  und  einem  Stocke  versehen,  der 
zur  Untersuchung  kritischer  Stellen  dient,  selbstverständlich  auch  nur  zu  Fuß 

3* 


36  Moor  und   Siiiii|.flan(l. 

uutl  nicht  zu  Fferd,  das  man  acl 1 1 im lustcii falls  am  Zügel  liiiiteiliorfüliren 
miiU,  kanu  man  zur  ti-ockneu  Jalivi'Hzoit  aucli  derartigo  Moore  durrlisuclien. 
Hohe  Lederstiefel,  denen  der  Sclilamm  zu  leicht  anhaftet,  eignen  sicli  freilicli 
nicht  gut  für  derartige  Exkursiontiu.  Hesser  ist  es.  man  bindet  richtig 
passende  ishindische  Scliulie  au  die  l>loBen  FüiW  und  reclinet  im  übrigen 
mit  der  Möglichkeit,  den  unteren  Extremitäten  ein  kleines  Moorbad  bieten 
zu  müsseu.  Auch  erkennt  man  au  dem  Aussehen  der  l'Hanzendecke.  welche 
Tragfähigkeit  man  ihr  zumuten  darf. 

Die  versumpften  Wiesenflächen  und  Tieflandsmoore  sind  fast 
immer  mit  kräftigem  I'tlauzenwuchse  überzogen.  Algen  und  Torfmoos  bilden 
mehr  den  Untergrund,  dazwischen  wuchern  harte  (iräser  —  vor  allem 
Cyperaceen  und  Juncaceen,  unter  den  Scirpeeu  zwei  schöne  Arten  Eriophorum, 
Wollgras,  die  oft  große  Strecken  ganz  weiß  erscheinen  lassen  — .  Sie 
erreichen  mitunter  eine  recht  ansehnliche  Höhe,  wenn  auch  nur  eine  geringe 
Dichte.  Niedriges  Gesträuch  erblickt  man  ganz  selten,  Blumen  auch  nur 
in  wenigen  Arten,  am  häutigsten  die  leuchtend  gelbe  Sumpfdotterblume 
(Caltha  jyal-iistris). 

Wohl  aber  ist  die  Vogelwelt  oft  ziemlich  reich,  besonders  wenn  der- 
artige Tieflaudsmoore  keine  allzugroße  Ausdehnung  haben,  offenes,  am  besten 
fließendes  Wasser  und  abwechslungsvolle  Umgebung  besitzen.  Vor  allem  beim 
Beginne  der  Brutzeit  glauben  sich  die  Vögel  hier  am  sichersten,  weil  vorher 
weder  Menschen  noch  Vieh  ein  solches  Gebiet  aufsuchten  und  die  Pflanzen- 
welt Schutz  und  Nahrung  verspricht. 

Von  Kleinvögeln  freilich  ist  nicht  viel  zu  erblicken,  denn  auch  der 
Wiesenpieper  bewohnt  sumpfige  Gegenden  nicht  so  häufig  als  andere.  Das- 
selbe gilt  von  dem  Goldregenpfeifer.  Dagegen  sind  Brachvögel  und  Alpen- 
strandläufer regelmäßige  Bewohner  dieser  Gebiete,  wenn  sie  auch  zu  Brut- 
plätzen ein  trockenes  Hügelchen  aussuchen.  Ste7-7ia  macrura  besucht  ebenfalls 
das  Sumpfland,  obgleich  sie  als  Kolouienvogel  durchaus  nicht  überall  brütet. 
Sehr  zur  Belebung  einer  derartigen  Gegend  trägt  bei,  wenn  eine  Anzahl 
Rotschenkel  (Totanus  totanus)  daselbst  nisten.  Die  Vögel  sind  ja  so  außer- 
ordentlich unruhig  und  verursachen  durch  ihr  angenehmes  Flöten  und  Trillern 
so  viel  Lärm,  daß  es  immer  wieder  interessant  ist,  ihre  Brutplätze  zu  be- 
suchen. Dann  umfliegen  sie  den  Beobachter  mit  allen  Kennzeichen  größter 
Besorgnis  und  mit  unaufhörlichem  Rufen.  Einen  besonders  schlimmen  Auf- 
ruhr verursacht  die  Annäherung  einer  vielleicht  sogar  in  der  Nähe  nistenden 
Schmarotzerraubmöve,  die  Eier  suchend  dahinschwebt.  Eine  solche  verfolgen 
die  erregten  Vögel,  gemeinsam  mit  Auinenius  p/iaeopus,  auf  das  heftigste 
und  bewegen  den  Räuber  oft  genug  zum  Verlassen  des  Ortes.  Auch  die 
Bekassine  ist  im  Sumpf  lande  zu  Hause,  jedoch  meist  seltner  als  in  den 
Hochmooren.  Ganz  einförmiges,  ebenes  Terrain  liebt  sie  nicht.  Wenn  kleine 
Teiche  das  Gebiet  durchsetzen,  findet  man  auch  den  überaus  zierlichen  Üdinshani, 
den  kleineu  Wassertreter  (PhcUarojiiis  lobaiu^).  Geradezu  rührend  ist  es,  das 
Familienleben  dieser  Vögelchen  zu  beobacliten.  Weiter  bewohnt  die  Wasser- 
ralle    (Rallus  aqnaiicus)    die    Sumpfgegenden,    wird    aber    im   Sommer    nur 


Moor  und  SumprUmd.  37 

äußerst  selten  gesehen.  Das  merkwürdige  Balzgeschrei  des  Vogels  mag  woliJ 
7.11  seinem  isländischen  Namen  Keldusvin  (d.  i.  Sumpfschweiu)  Veranlassung 
gegeben  haben.  Tu  einem  kleinen  Teile  Südwest-Islands  belebt  auch  die 
schwarzschwäuzige  Uferschnepfe  (Llmosa  limosa)  die  feuchten  Wiesen,  doch 
wird  sie  sonst  nirgends  auf  der  Insel  gefunden.  Noch  erwähnt  als  Oharakter- 
vögel  des  Sumpf landes  seien  die  Gänse  und  Enten.  Über  das  Vorkommen 
und  die  Verbreitung  der  erstereu  liegen  bestimmte  Beobachtungen  erst  in 
recht  geringer  Zahl  vor;  unter  den  l^]nten  sind  Anas  boschas,  Nettion  crecca 
und  Mareca  penelope  am  liäufigsteu  an  den  Gewässern  der  Tieflandsmoore, 
wenigstens  in  Nordislaud. 

Ganz  andere  Stimmung  liegt  über  den  Hochnioorciil  Kein  Weg 
Inhrt  hinein  in  diese  trostlosen,  düsteru  Landschaften,  die  man  gewöhnlicli 
auch  nur  zu  Fuße  besuchen  kann.  Leicht  bricht  das  Pferd  bis  an  den  Leib 
in  den  zähen  Schlamm,  bringt  den  Reiter  zu  Sturze  und  wird  selbst  so  ein- 
geschüchtert, daß  es  sich  kaum  am  Zügel  weiterführen  läßt.  So  mutig  die 
Isländer  als  Reiter  sind,  so  vorsichtig  verhalten  sie  sich  beim  Betreten  von 
Mooren,  die  sie  wenn  irgend  möglich  umreiten.  Freilich  kann  sich  auch  der 
Isländer  kaum  trennen  von  seinen  Pferden.  Niemals  unternimmt  er  frei- 
willig größere  AVanderungen  zu  Fuße,  und  deshalb  l)leiben  ihm  gewisse 
Gebiete  gänzlich  unbekannt.  In  der  Nähe  der  Gehöfte  sticht  der  isländische 
Bauer  Torf  aus  den  Mooren,  den  er  als  Brenn-  und  Baumaterial  benutzt, 
weshalb  an  solchen  Plätzen  kleine  Wege  vorhanden  sind. 

Die  Pflanzenwelt  der  Hochmoore  ist  meist  recht  dürftig,  doch  maiub- 
irial  abwechslungsvoller  als  die  des  sumpfigen  Tieflandes.  Nicht  nur  Moose 
und  Gräser  bedecken  den  Boden,  sondern  hier  und  dort  auch  verschiedene 
Heidekräuter  mit  hübschen  Blüten.  Die  zierliche  Zwergbirke  (BeUda  nemo) 
bildet  niedriges,  aber  dichtes  Gestrüpp.  Manchmal  zeigen  sich  kleine,  kaum 
kniehohe  Weiden,  deren  große  Blütenkätzchen  die  düstere  Fläche  freundJirli 
schmücken.  Auch  verschiedene  Blumen  strecken  (Um-  Sonne  ihre  leuchtenden 
Köpfchen  entgegen:  die  weiße  Dryas  octopetala,  die  vielblütige  rote  Saxifraga 
opposüifolia,  die  zierliche  Farnama  jyahistris,  die  dunkelblaue  Pingviculo 
vulgans  u.  a.  m.  So  geht  das  Hochmoor  schon  otwns  in  die  Heideland- 
schaften über. 

Die  Vogelwelt  ist  gewnihnlich  ;irm:  doch  sind  die  Brntvögel  oft  recht 
zutraulich,  weil  sie  selten  bennruliigt  werden,  l'ud  einen  eigentümlichen 
Reiz  hat  es,  ihrem  liCbeu  und  Treiben  aus  unmittelbarer  Nähe  zuzuschauen, 
sich  mit  Verständnis  und  Liebe  in  ihre  Gedanken  und  deren  Äußerungen 
zu  vertiefen,  selbst  aufzugehen  als  Geschöpf  unter  den  Geschöpfen. 

Fs  war  ein  .lunimorgeu,  trübe  und  feucht,  f. eise  strit  h  der  AVind  über 
das  einsame  Moor,  und  raschelnd  erzitterten  die  kh'inen  harten  Blätter. 
Sonderbare  Nebelmassen  wälzten  sich  auf  den  tieferen  Finsenkungen  und 
(gründen,  während  die  nahen  Berggipfel  in  ihrer  stillen  weißen  Pracht  feierlich 
herabschauten  auf  das  weite  öde  Land  zu  ihren  Füßen.  Auch  die  Rufe  der 
sonst  alles  belebenden  Vögel  vermochten  nicht,  die  nielancli(dische  Stimmung 
zu  beseitio-en.    Ein  Paar  Bekassinen  strich  sausend  vorüber.    Fast  schrill  klang 


38  Heidi-. 

(las  taktiiiiilMgo,  sonst  so  yelicinmisvull  zärtliche  l'itepiteiiit,  das  beide  Vögel 
aiisstielieu.  Doch  nach  kurzem  Fluge  tiel  das  AVeibclien  an  sunij)figer  Stelle 
ein.  während  das  Männclien  sicii  hinimelhoch  eniporsdiwang.  um  im  krampf- 
haft starren  AbwärtsHiegen  sein  eigentümliches  Meckern  hervorzubringen. 
Der  kleine  Alpenstrandläufer  stolzierte  wenige  Scliritte  vor  mir  von  Hügelchen 
zu  Hügelchen  und  warnte  mit  verständigem  Tüb  Tüb.  Plötzlich  schwang 
er  sicli  auch  mit  scharfem  l*ip  davon,  sauste  in  der  Luft  umher  und  zeterte 
sein  rasches,  rauhes  Tiiiiii.  Dann  kam  sein  Begleiter,  der  Goldregenpfeifer. 
Wie  zutraulich  er  auf  dem  ^Moosliügelcheu  saß!  Wie  unverdrossen  er  sein 
Didüli  Didüli  rief,  während  daweile  das  Weibchen  tief  niedergeduckt  das  Nest 
verließ!  Vorsichtig  lauerte  noch  H*iu  Brachvogel  in  der  Ferne;  tu  tu  war 
das  einzige,  was  er  sagte. 

Wenigstens  die  drei  letztgenannten  Vögel  ähneln  sich  außerui deutlich 
in  ihrem  Wesen  und  in  ihren  Stimmen.  Fast  möchte  man  glauben,  sie 
hätten  einer  von  dem  andern  gelernt,  oder  die  Lehrmeisterin  Natm-  hätte 
hier  in>  einförmigen  Hochmoore  nicht  gewollt,  daß  ein  abwechslungsvolles 
Treiben,  ein  buntes  Gemisch  der  Töne  die  ernste  Stimmung  störe. 

Selten  zeigen  sich  noch  andere  Vogelgestalten  iu  diesen  Gegenden: 
ein  Wieseupieper,  der  kaum  wagt,  sein  fi-öhliches  Liedchen  anzustimmen, 
Ivrickente  und  Wassertreter,  die  auf  dunkler  Lache  umherschwimmen,  ein 
Schneehuhn,  das  mit  lautknarrendem  Balzrufe  fast  unheimlich  die  Stille 
unterbricht,  wohl  auch  ein  Rabe  oder  Raubvogel,  denen  ihre  hervorragende 
Flugkraft  ermögliclit,  alltäglich  große  Gebiete  nach  Beute  abzusuchen.  Doch 
kann  man  halbe  Stunden  die  Hochmoore  durchqueren,  ohne  einem  einzigen 
Vertreter  dei'  Vogelwelt  zu  begegnen. 

Heide. 

Vielleicht  noch  öder  sind  die  Heiden,  die  Island  in  großer  Ausdehnung, 
besonders  in  seinen  gebirgigen  Teilen,  bedecken.  Selbst  wenn  die  Sonne 
freundlich  herabstrahlt,  vermag  sie  kaum  den  geheimnisvollen  Zauber  zu 
lösen,  der  übei"  diesen  verlassenen,  stillen  Landschaften  liegt.  Wenn  man 
aber  bei  trübem  Wetter  einsam  über  sie  hinwegreitet,  erfaßt  bange  Be- 
klommenlicit  Mann  und  l^oß.  Und  wenn  vollends  die  märchenhafte,  dämmernde 
Sommernacht  ihre  Schatten  niederseukt,  dann  werden  all  die  unheimlichen 
Sagen   lebendig,   mit  denen    isländischer  Aberglauben   die  Heide   erfüllt  hat. 

Lautlose  Stille  liegt  über  dem  Ganzen!  Die  wenigen  Schafe,  die  sich 
mit  den  dürftigen  Kräutern  und  Gräsern  begnügen,  haben  sich  zwischen  den 
/ahllosen  Hügelchen  uiedergetan.  Raschelnd  streifen  die  Füße  des  Pferdes 
die  am  Boden  hinkriechenden  Gebüsche  von  Weiden  und  Zwergbirken.  Das 
kluge  Tier  hat  keine  Neigung  hier  zu  rasten,  wo  ihm  nur  allzuharte  Nahrung 
winkt.  Heideki'aut  (Callnna  viihfanKJ,  Rauschbeere  (Arctostap/ii//os  ura  ur.^i). 
Krähenbeere  (Kmpetrum  idgrum)  und  verschiedene  Vaccinieen  bedecken  eben- 
falls das  trockne  Erdreich,  doch  selten  schimmern  hier  und  dort  kleine  Blumen: 
S<(.ri/ra;i(i  oppositifoUa.   Dn/as  octopctala,   Armevia  ehngalo,    Potenülla  nipestris 


Lavaoebiete.  39 

<pder  auch  (mu  Enzian  und  Hieracimn.  Stellenweise  suclien  Sand  und  Kies 
die  dürftige  Vegetation  nocii  vollends  zu  vernicliten,  während  an  andern 
Plätzen,  besonders  in  kleinen  Tälern,  sich  Moortiächen  eiuscliiebeu. 

Aus  der  schwarzen  Lavii.  des  Untergrundes  hat  man  Steinpyramideii 
aufgerichtet,  um  bei  Sturm  und  Schnee  Wegweisung  zu  geben.  Oben  auf 
der  Spitze  einer  s(»lclien  sitzt  der  graue  Steinschmätzer  (Suxicola  oenanthe), 
wippt  mit  dem  Schwänze  und  verschwindet  dann  in  einem  der  Zwischen- 
räume. Auch  die  Schueeammer  (Passerina  nivalis)  hat  manchmal  ihr  weich 
gepolstertes  Nest  daselbst  gebaut  und  singt  mit  dem  Wiesenpieper  um  die 
Wette,  der  gleichfalls  hier  wohnt.  ( 'haraktervogel  aber  der  Heide  ist  das 
Schneehuhn  (Lagopus  mpestris),  das  Schutz  und  Nahrung  in  'dem  Gestrüpp 
daselbst  findet,  wenn  auch  sein  Hauptfeind,  der  große  isländische  Falke,  es 
hart  verfolgt.  Fast  noch  mehr  als  bei  uns  das  Rebhuhn  (PenUx  pevdix) 
bietet  in  Island  das  Sclmeehuhn  die  rührendsten  liilder  eines  innigen  Familien- 
lebens. Auch  Goldregenpfeifer,  Alpenstrandläufer  und  Brachvogel  bewohnen 
die  Heide,  die  sie  mit  ihren  melancholischen  Stimmen  beleben.  An  besonders 
trocknen  Plätzen  ist  ferner  der  Sandregenpfeifer  (Aegialitis  Maticula)  zu  Hause, 
der  in  Besorgnis  um  Eier  und  Junge  den  einsamen  Reiter  viertelstundenlang 
mit  wohlklingendem  Düid  begleitet.  Vielleicht  noch  das  Gekrächze  eines 
Kolki-al)en!  Oft  a])er  auch  überall  lautlose  Stille,  wenn  nicht  der  Sturm  übei- 
das  Land  braust,  der  mit  Regen  und  Schneeschauern  vereinigt  die  isländischen 
Heiden  selbst  im  Hochsommer  als  einen  Ort  des  Grauens  erscheinen  läßt, 
in  dem  Spukgestalten  uivd  ))öse  Geister  ihr  Wesen  treiben!  Wenn  freilich 
der  taufrische  Augustmorgeu  aufwacht,  wenn  in  den  Spinngeweben  die 
unzähligen  Tröpfchen  blitzen  und  der  Sonnenschein  über  der  weiten  Land- 
schaft zittert,  dann  erscheint  die  Heide  iils  ein  Märchen  und  Rätsel,  dessen 
Lösung  miin  sucht  und  nicht  findet. 

Lava^ebiete. 

Hie  zahlreichen,  teilweise  heute  noch  tätigen  Vulkane,  die  Island  besitzt, 
liab(;n  große  Flächen  einst  vielleicht  fruchtbaren  Landes  mit  Ijavaströmen 
übergössen,  die  nun  erstarrt  ganz  e'gentümliche  Landschafts  formen  bilden. 
Je  jünger  die  erkalteten  Massen  sind,  desto  weniger  hat  sich  Vegetation  auf 
ihnen  entwickelt  und  desto  ärmer  ist  infolgedessen  auch  die  Faunii.  Ver- 
wittern die  Laven  allmählich,  so  lüldet  sich  darauf  eine  gewöhnlicli  dürftige 
1  Pflanzenwelt,  die  im  allgemeinen  den  Typus  der  isländischen  Heide  dar- 
.stellt.  Hin  ebenso  interessantes  wie  abwechslungsvolles  Gebiet  jüngerer 
vulkanischer  Tätigkeit  ist  die  Gegend  des  Myvatn.  die  teilweise  sogar  gut 
i'iitwickelte  Vegetation  zeigt. 

Wie  ein  Gletscher,  wie  ein  starrer  Fisstrom  erscheinen  manche  Lava- 
felder. In  großen,  ganz  flachen  Blasen  ist  die  Masse  erkaltet,  sodaß  man 
<»ft  weite,  Strecken  äußerst  bequem  darüber  gehen  kann.  Meist  aber  wird  das 
liai'te  Gestein  von  zahllosen  Rissen  und  Spalten  durchzogen,  die  je  nach  der 
Stärke  der  Schicht  mehr  odei-  weniger  tief  sind,  mitunter  selbst  völlig  den 
Weg  versperren,  weil  sie  senkrecht   ;ibt;ill('ii  (Fig.  5).     Derartige  Schlucliten, 


40  liavaijebietc. 

in  denen  sicli  iiiandinuil  aucli  klares  und  wolilsclinicckendcs  Wasser  findet, 
zeigt  am  or()üarti<,^sten  die  (ie<fend  Vdii  |>ingvellir.  Im  GruiKle  der  Kisse 
hat  sich  zuerst  Erde  angesammelt,  in  der  nun  Gräsrr  und  Kräuter  üj^pig 
wuchern,  weil  sie  vor  den  oft  äußerst  heftigen  und  kalten  Winden  geschützt 
sind.  Hier  baut  dann  der  Wiesenpieper  sein  Nest,  während  in  seitlichen 
.Spalten  Steinschmätzer  und  Schneeamraer  ihre  Jungen  großziehen.  Und 
wahrlich,  sie  haben  sich  kein  iil)les  Plätzchen  gewählt,  wo  aucli  der  müde 
Wanderer  im  .Schein  der  warmen  Sonne  nur  zu  gern  sich  im  frischen  Grüne 
nied(n-läßt!  Manchmal  freilich  gibt  es  in  den  Lavagehieten  so  viele  Ritze. 
Löciier.  Spalten  und  Schluchten,  daß  sie  fast  unzugänglich  werden  oder  man 
zum  mindesteil  außerordentlich  vorsichtig  umherklettern  mul».  um  nicht  auf 
dem    hai'ten   Gestein   auszugleitoii   und  gefährlich   zu  stürzen,      liier  und  durt 


Lavafeld  beim  (Vlyvatn. 


nehmen  die  Lavannissen  die  Gestalt  großer  Blöcke  an.  die  z.  15.  in  der  Nähe 
von  Kc'ilfaströnd  am  .Myvatn  phantastische,  wunderliche  Formen  zeigen. 
Sonderbare  Felsen,  gewöhnlich  von  schwarzer,  selten  r(»tbrauner  I'^ärhung. 
starren  kahl  empor.  Zwischen  ihnen  al)er  wächst  eine  recht  gut  entwickelte 
Pflanzenwelt.  Zahlreiche  Birkenbüsche  {Ikhda  puhe-'o-ciis)  gehen  diesen  Ge- 
bieten einen  hesduderen  Heiz,  locken  auch  die  isländische  Hotdrossel  (Turdn.i 
iliacnx)  und  den  l.eintiidcen  (Acant/tis  /Inaria)  herbei,  die  ungestört  von  den 
Mensclien  hier  ihr  bescheidenes  Dasein  führen.  Diese  kleinen  Vögel  finden 
daselbst  so  viel  Deckung,  daß  man  weit  öfter  ihre  Stimme  vernimmt.  al> 
sie  selbst  zu  Gesicht  bekommt.  Häufig  begegnet  man  den  Schneehühnern, 
die  unter  den  Birkeubüschen  geschützte  Nistplätze  finden,  außerdem  freiJicli 
ihrem  Verfolger,  dem  Haben,  der  in  wenigen  Lavagebieten  fehlt,  in  einigen 
sogar  Charaktervogel   ist.     Ebenso   wie   iI(M-   i'nlarfuchs  ((Äum  Jagopus)  weiß 


N'ulkiuüsclie  (lebiete. 


41 


iiucli  der  Idugo  Rabe,  daß  er  in  dem  scliwer  zugäiigliclien  Gewirr  der  Fels- 
broi'keii  kaum  von  Meiisclieu  belästigt  wird,  und  der  große  seliwarze  Vogel 
paßt  mit  seinem  tiefen  Gekräehz  ganz  ausgezeichnet  in  die  wild  zerrissenen 
Massen.  Die  beiden  Falkenarten  suchen  ebenfalls  die  Gebiete  auf,  Fako 
meriUiis  besonders  der  /.abli-eiclien  Steinschmätzer,  flierofa/ro  yyrfalco  der 
Schneehühner  wegen. 

Viilkaiiiselie  Gebiete  imd  lieilJe  (Quellen. 

Dort,  wo  die  vulkanische  Tätigkeit  sich  noch  jetzt  unniittcliiar  geltend 
macht  oder  wo  vor  kurzer  Zeit  Ausbrüche  erfolgten,  ist  jedes  organisclie 
Leben  so  gut  wie  verschwunden.  Keine  Blume,  ja  kein  Grashalm  rntsproßt 
dem  Boden,  keine  Fliege  snmnit.  kein  Käfer  läuft  darüber  hin.  und  auch 
die  Pferde  betreten  höchst  ungern  die  nackten  Schuttilächen  und  die  scharl- 
kantige  poröse  Lava.  Totenstille  lagert  über  solch  öden  Gebieten,  aber  hier 
und   dort   entsteigen  dünne  Kauchsäulen  dem   Boden,   die  sich  mitunter  iinf- 


L^       ^ 

fe'           1 

Schwefelberge  beim  Myvatn. 


fällig  verdichten  luul  deren  ersticl<cnde  Dünste  dem  liesuchci-  warnungsvoll 
ervtgegenwehen.  Gelber  Schwefel  bedeckt  stellenweise  die  Obertläche  der 
Lrde,  und  die  ausstrahlende  Hitze  mahnt  gleichfalls  zur  ^'orsicilt  (Fig.  (>). 
Selten,  daß  solche  Orte  von  einem  Raben,  einem  Falken  überflogen  werden, 
weil  ja  doch  keine  Beute  winkt.  Nur  den  kleinen  Sandregeiipfeifer  traf  ich 
finmal  dicht  am  Rande  eines  derartig  erhitzten  Gebietes. 

Einen  völlig  andern  Liudruck  machen  die  Orte,  wo  heiße  oder  kncliende 
Ouellen  dem  Boden  entströmen,  was  ja  in  vielen  Gegenden  Islands  der  Fall 
ist.  Der  berühmte  (leysir  freilich  und  seine  Lmgebung  sind  durchaus  nicht 
die  ornithologisch  interessantesten  Spring(iuellen.  weil  das  kochende  Wasser 
nur  ab  und  zu  aus  der  Lrde  schießt  und  deshalb  nicht  ständig  eine  genügende 
Menge  davon  abfließt  und  die  Umgebung  erwärmt.  Oft  fern  vom  Verkehre, 
ich  denke  z.  B.  an  Deildartungu  in  der  Borgarfjardar  Sysla.  sprudeln  kochende 
<>uellen    unnnterbroclien    iiervor.    die    das    umlierliegende    T-and    mit    lauem 


42  Gebirge  mit  geringem  l'flauzenwuclise. 

AN'asser  bedecken  und  d;iinitf(Mide  Bäche  bilden.  Hier  und  dort  entspringen 
auch  inmitten  von  Tcirlien  und  Seen,  wie  in  gewissen  Teilen  des  Myvatn, 
derartige  Quellen,  die  das  umgebende  AVasser  erwärmen.  Wd  die  Hitze  nicht 
mehr  vegetationshindernd  wirkt,  entwickeln  sich  üppige  Gräser  und  Sumpl- 
gewächse,  die  der  Tierwelt  äußerst  willkommen  sind.  Mehrfach  sah  ich  zur 
Zugzeit  im  .Vugust  große  Scharen  von  Goldregenpfeiftn-n  und  Brachvögeln  in 
derartigen  Geliieten  so  eifrig  dem  Kerbtierfange  obliegen,  daß  ich  im  Schutze 
des  aufsteigenden  Dampfes  mich  bis  auf  wenige  Schritte  den  Vögeln  nähern 
konnte.  In  der  kalten  Jahreszeit  haben  die  heißen  Quellen  größte  Bedeutung, 
da  sie  und  ihre  rmgebung  niemals  zufrieren,  Pflanzen,  niedere  Tiere  und 
Fische  am  Leben  erhalten,  und  auch  den  Vögeln  die  Möglichkeit  einer  Über- 
winterung bieten. 

Grebiri^e  mit  geringem  Pflauzenwuchse. 

Bergköuigin  nennt  der  Isländer  seine  Heimat  in  dem  vielgesungeneu 
Nationalliedc  „Eldgamla  Isafold",  und  auch  der  Reisende  behält  in  seiner 
Erinnerung  vor  allem  das  Bild  der  einsamen,  dunkeln  oder  auch  schuee- 
gekröuten  Bergriesen.  Nirgends  wollen  sie  ein  Ende  nehmen,  immer  wieder 
in  andern,  oft  so  cliarakteristischen  Formen  türmen  sie  sich  auf:  selten  nur 
.sanft,  steigen  sie  gewöhnlich  steil  und  starr  in  die  Höhe,  ragen  oft  so  wild 
empor,  daß  eine  Besteigung  der  Gipfel  fast  unmöglich  erscheint. 

Kaum  sichtbar  schlängelt  sich  der  kleine  Pfad  über  Bergmatten  hin- 
weg nach  den  höheren  Teilen  des  Gebirges.  Die  Schafe  allein  sind  es,  die 
ihn  benutzen.  Höchstens  wenn  im  Spätjahre  die  Bauern  das  Vieh  von  den 
Hochweiden  nach  den  Höfen  treiben,  klettern  sie  auch  da  hinan.  Langsam 
schreitet  man  vorwärts,  schaut  hier  und  dort  nach  einem  auffälligen  Steine, 
der  am  Boden  liegt,  nach  einer  der  vielen  zierlichen  Blumen,  die  den  Ab- 
hang bunt  überstreuen,  oder  lauscht,  wenn  eine  Vogelstimme  an  das  Ohr 
drang.  Allmählich  wird  die  Pflanzenwelt  dürftiger,  und  das  Steingeröll 
herrscht  vor.  Selbst  in  der  tiefen  Rinne,  die  der  murmelnde  Bach  gegraben  hat, 
entwickelt  sich  keine  Vegetation;  stürzt  ja  nur  zu  oft  das  Wasser  so  wild 
herab,  daß  es  jedes  Körnchen  Erde  mit  fortreißt  und  die  großen  und  kleinen 
Felstrümmer   voi'  si<-h   herrollt,   daß  man  es  trotz  des  Brausens  hören  kann. 

Jetzt  aber  fließt  der  Bergbach,  von  Trockenheit  und  Sonnenschein  be- 
zwungen, ungefährlich  in  seinem  Bette  dahin.  Zahllose  kleine  Riesel  eilen 
auf  ihn  zu,  sodaß  er  wenige  Kilometer  talabwärts  vielleicht  kaum  mehr  von 
einem  Mensclien  durchquert  werden  kann.  Solche  Riesel,  die  der  schmelzende 
Bergschnee  speist,  führen  oft  durch  sumpfiges  Erdreich,  auf  dem  sich  kurze 
Gräser,  Moose  und  vor  allem  die  überaus  verbreitete  Alchemilla  alpina  ent- 
wickeln. Diese  gelblichgrüne  Pflanze  begleitet  die  kleineu  AVasserläufe  von 
der  Schneegrenze  bis  hinab  ins  Tal,  sodaß  man  schon  aus  weiter  Ferne 
erkennt,  ob  der  Gebirgsabhang  trocken  oder  feucht  ist.  Alerkwürdig  und 
nicht  ungefährlich  sind  die  Stellen,  wo  das  rieselnde  Wasser  streckenweise 
verschwindet,  um  von  torfigen  Erdschichten  überdeckt  unsichtbar  dahinzu- 
fließen.   Dann  und  wann  vermögen  dünne  Scliichten  das  Gewicht  des  Menschen 


(lebirge  mit  f^eriiigfiu  Pttanzenwuchsc.  43 

nicht  zu  tragen,  sie  geben  nach,  brechen  durch,  und  man  steht,' mitunter  in 
höhlenartigeu  Vertiefungen,  in  Wasser  und  Moor.  Oder  was  ungleich  häufiger, 
füi-  den  mit  Gewehr  und  andern  Utensilien  versehenen  Ornithologen  aber 
ebenfalls  wenig  vergnüglich  ist.  man  gleitet  auf  dem  äußerst  schlüpfrigen 
Moosgruüde  ans  und  rutsclit  ein  Stück  abwärts.  Am  besten  noch  kommt 
man  vorwärts,  wo  niedrige  Zwergbirken,  Heidekräuter  und  ähnliche  Arten 
den  trocknen  lioden  bedecken. 

Aber  doch,  wie  schön  ist  es  inmitten  der  pflanzenarmeu  Gebirgsland- 
schaften, besonders  wenn  der  Wind  feiert  und  die  Sonne  scheint!  Über  mir 
die  flatternden  weißen  Wolken  auf  dem  blaßblauen  Grunde,  vor  mir  die 
wilden,  uubesteigbaren  Bergwände,  von  denen  nicht  selten  ein  Wasserfall 
schäumend  lierunterstürzt.  neben  mir  der  murmelnde  klare  Bach,  die  unzähligen 
kleinen  Steine  und  die  mächtigen  Felstrümmer!  Und  schaut  man  hinab: 
wie  friedlicli  liegt  das  weite  stille  Tal  im  Sonnenscheine,  das  auf  der  andern 
Seite  drüben  sieb  wieder  zu  stolzen  Berghöhen  auftürmt!  Grün  schimmern 
die  Matten,  weiß  steigt  der  Rauch  aus  dem  grasbewachsenen  Torfhause,  in 
<lem  man  mit  einfachen,  biederen  Menschen  zusammenwohnt,  weit  weg  von 
allem  Hader  der  Welt. 

Neben  mir  schmettert  ein  wolilbekanutes  Stimmchen :  Anorthuratroglodytes 
ist  es.  die  gleichfalls  am  Bachufer  das  Gebirge  bestieg.  Aber  leise  in  der 
Ferne  beginnt  Siilskrikjan  (Passerina  nwalis)  der  Sonne  entgegenzusingen. 
Ich  klettere  hin  in  ihre  Nähe,  wo  sie  auf  dem  großen  Steine  immer  sitzt. 
Es  ist  ein  altes  Männclien  mit  pechschwarzem  Rücken  und  blendendweißer 
Unterseite.  Und  das  Singen  hat  es  auch  gelernt!  Man  muß  die  Sclmeeammer 
in  solcher  Umgebung  gehört  haben,  um  zu  verstehen,  warum  der  isländische 
Dichter  jiorsteinn  Erlingsson  sie  höher  schätzt,  als  alle  Nachtigallen  Kopen- 
liagens ' ).  Auch  der  Steinschmätzer  belebt  •  die  einsamen  Berghalden  mit 
seinem  Gesang,  und  in  der  Nähe  der  AVasserriesel  ertönt  mitunter  die  fröhliche 
Stimme  des  Wiesenpieiiers.  Das  Schneehuhn  geht  nur  so  hoch  hinauf  in  die 
Gebirge,  als  etwas  lieideartiger  Pflanzenwuchs  sich  findet. 

Doch  in  den  senkrecht  emporsteigenden  gewaltigen  Felsen  mit  ihren 
Rissen  und  Klüften  sind  die  Horstplätze  der  Raubvögel  und  des  Raben.  Da 
sitzt  der  Jagdfalke  regungslos  auf  vorspringender  Felszacke,  schreiend  flattert 
der  Steinfalke  an  den  Abhängen  dahin,  und  in  wundervollen  weiten  Bogen 
schwebt  der  scheinbai-  ungeschickte  Rabe  hoch  oben  in  reiner  Morgenluft. 
Freilich  behauptet  jeder  von  diesen  Vögeln  ein  großes  Revier,  wo  er  horstet, 
für  sich  allein.  V^ersucht  ein  andrer  daselbst  einzudringen,  so  kommt  es  zu 
heftigem  Kaui]ife.  Besonders  die  Raben,  die  gewöhnlich  familienweise  zu- 
sammenfliegen.  greifen  die  Falken  mit  zornigem  Gekrächze  an.  vermögen 
fi-eilich  den  wohl  bewehrten  und  gewandten  Fliegern  kaum  etwas  anzuhaben. 

Manchmal  bin  ich  auch  stundenlang  in  den  Bergen  umhergestiegen, 
<'line  einen  eijizigen  V(»gel  zu  sehen  oder  zu  hören. 

')  Jii  Wirkln-likfit  koiimit   dort   nur  der  Sprosser  (Erithaciis  philomela)  vor. 


44 


SchiH'cfelder  iirnl  (Tletscher. 


Scliufefelder  iiiid  (Gletscher. 

islaudl  Wohl  nicht  mit  UniTcht  hat  der  alte  Flnki  Vilgerdaröon  oder 
irgend  eiu  andrer  AVikiiioer  der  Irisel  diesen  Namen  gegeben.  Wenn  in 
entsprecliend  nördlichen  Teilen  Norwegens  längst  der  Frühling  eingezogen 
ist.  steht  Islands  Erde  noch  unter  dem  liarten  Banne  des  Winters.  Wohl 
sind  die  Witterungsverhältnissc  der  einzelnen  Jahre  recht  verschieden,  auch 
die  Meeresküste  und  das  Innere,  der  Süden  und  der  Norden  des  Landes, 
doch  kann  nicht  geleugnet  werden,  daß  Schnee  und  Kis  auf  der  Insel  viele 
Monate  des  Jahres  herrschen.  Bedecken  ja  allein  die  Gletschergebiete  einen 
ungefähr  dreimal  so  großen  Raum  als  die  der  Alpen.    Wenn  man  sich  von 


Kig. 


Nordwestisländische  Steilküste. 


Süden  her  der  Insel  nähert,  leuchten  schon  aus  weiter  Ferne  die  blendenden 
Zinken  des  vulkanischen  Öra?fa-Jökull.  weiter  im  Hintergrunde  dieinnjestätischen 
Kuppen  des  ungeheuren  Vatna-Jökull,  die  ebenso  großartig  wie  erscb reckend 
auf  den  Reisenden  wirken,  der  vom  warmen  Süden  kommt. 

Als  ich  in  der  zweiten  Hälfte  des  Mai  die  Nordwestküste  umfuhr,  bot 
sie  noch  völlig  das  Bild  des  Winters  (Fig.  7 — 10).  Bis  an  das  Meer  hinab 
ging  vielerorts  der  Schnee,  während  höher  hinauf  an  den  steilen  Abhängen 
durclisichtig  grünes  Eis  schimmerte.  Und  das  Hinterland  war  überall  weiß, 
ein  Reisen  daselbst  kaum  denkbar.  Aber  sclion  lierrschte  an  den  Brut]ilätzen 
der  Seevögel  das  regste  Leben. 

unvergeßlich  prägen  sich  d(!m  Naturfreunde  diese  stillen,  großartigen 
Wiuterlandschaften  ein,  die  er  hier  betracliton  k;inn.  wenn  d;ilieini  Rosen 
und  Jasmin  ihre  Blüten  öftnenl 


Schueefolder  und  Gletscher. 


45 


Wir  hatten  von  Hafnarljövdr  aus  eine  unruhige  Fahrt  über  den  Faxafjördr 
gehabt,  als  wir  abends  gegen  10  Uhr  vor  Budir  den  Anker  fallen  ließen. 
Die  Luft  war  still  geworden,  sonimernächtige  Dämmerung  sank  herab,  niemand 
dachte  an  Schlaf.  Einer  der  schönsten  Gletscherberge  Islands  lag  vor  uns: 
der  märchenhafte  Suae felis,  der  sich  gegen  1400  m  hoch  trotzig  aus  dem 
Meere  erbebt  und  sein  weißes  Haupt  leuchtend  in  den  Nachthimmel  empor- 
reckte. AVir  schauten  alle  auf  ihn,  aucli  die  ihn  oft  genug  gesehen  hatten; 
denn  immer  wieder  war  er  schön. 

Aber  hundertfältige  Bilder  isländischer  Schnee-  und  Eislandschaften 
bot  die  Fahrt  um  die  nordwestliche  Spitze  der  Insel.  Wir  hatten  Cap  Nord 
überschritten  und  das  Eismeer  durchkreuzt.  Nirgends  auch  nur  ein  grüner 
Schimmer  au  den  steilen  Bergen,  bloß  das  Weiß  des  Sclmees  oder  hier  und 


Fig.  8.     Nordwestisländische  Steilküste. 


dort  das  Schwarz  des  Basaltes!  Das  Meer  war  still,  so  still  und  spiegel- 
glatt wie  selten  in  diesen  Gegenden.  Und  auch  wir  drei  auf  der  Kommando- 
brücke sprachen  kaum  ein  Wort.  Der  Cours  ging  nach  Südost,  längs  der 
Küste  hin.  Allmählich  kam  die  Mitternacht  heran,  und  das  Thermometer 
sank  auf  0^  Welch  wunderbare  Farben  zeigte  die  Landschaft!  Hinter  uns 
war  eben  die  Sonne  ins  Meer  versunken.  Aber  leuchtend  in  duftigem  Rot 
strahlten  die  vielen  kleinen  AVolken  des  nordwestlichen  Himmels.  Und  sie 
spiegelten  sich  wieder  in  dem  ungeheuren  Spiegel  der  glatten  Meeresfläche, 
hier  in  breiten  gelben  Streifen  über  diese  hinweghuschend,  dort  funkelud  und 
zitternd,  wo  das  Schiff  das  Wasser  durchschnitten  hatte.  Und  rechts  zur 
Seite!  Tief  im  Hintergrunde  türmton  sich  die  Gletschergipfel  der  Dranga, 
an  der  Küste  entlang  eine  unabsehbare  Reihe  steilansteigender  Berge.  Und 
welcher  Kontrast  der  Farben!  Unten  am  Meere  ein  schwarzblauer,  düstrer 
Streifen,   die  Mitte   der  Felsen   in   eigentümlicli   milcliiges  Blau   gehüllt,   die 


46 


Schneefeldor  und   (iletsclior. 


Spitzen  aber  vom  Abendscheine  mit  dem  zartesten  rosagelben  Schimmer 
iiberliaucht.  Und  endlich  der  Norden!  Schwarz  nnd  schweigend  dämmerte 
das  Meer,  bloß  am  Horizonte  glänzten  zahllose  lenchtendweiße  Flecken:  das 
Grönlandstreibeis,  das  uns  die  folgenden  Tage  so  viele  ]Mnhe  verursachen 
sollte!  Auf  dem  Meere  plätscherten  Lummen  und  Alke  erschreckt  vor  uns 
her.  Als  wir  in  den  Nordfjördr  einfuhren,  schliefen  l'liderenten  und  andere 
Arten  auf  den  großen  Eisschollen.  Wenige  dreizeliige  Möven.  häutigi'r  noch 
Eissturmvögel  umflogen  unser  Schiff. 

Im  Spätsommer  verschwindet  der  Schnee  aus  allen  tiefen  (legenden, 
es  sei  denn  in  Schluchten  und  steilen  Tälern,  die  von  den  Sonnenstrahlen 
nicht  getroffen  werden.  Und  oben  auf  den  Gletschern  und  Schneefeldern. 
die  nie  vergehen,  hat  der  Ornitholog  kaum  etwas  zu  suchen.    Sie  sind  durch- 


Fio.  9.     Nordwestisländische  Küste. 

aus  verlassen  von  Vögeln  oder  werden  höchstens  von  Raben  und  Falken 
überflogen.  In  Südostisland  allerdings,  wo  die  tiefsten  Gletscherenden  kaum 
20  m  über  dem  Meere  liegen  und  die  Schneegrenze  sclion  bei  600  m  beginnt, 
mögen  auch  die  andern  Gebirgsvögel,  sowie  Seeadler  und  Raubmöven  dann 
und  wann  in  solche  Gebiete  eindringen.  In  Nordisland  befindet  sich  die 
Schneegrenze  erst  in  einer  Höhe  von  1300  m,  doch  hört  eine  eigentliche 
Pflanzenwelt  fast  immer  schon  in  viel  tieferen  Gegenden  auf,  und  ausnahms- 
weise nur  wird  die  Vegetationsgrenze  von  den  Vögeln  überscliritten.  Auch 
in  den  Höhenlagen,  wo  nur  hier  und  dort,  besonders  in  den  Tälern,  Sommer- 
schuee  liegen  bleibt,  ist  das  Tierleben  äußerst  dürftig.  Die  Fährte  des 
Polarfuchses  führt  über  die  weißen  Flächen,  in  der  Luft  flattert  ein  Jagd- 
falke, knarrend  fliegt  ein  Schneehuhn  davon,  hier  und  da  noch  ein  Stein- 
schmätzer oder  eine  Schneeammer,  die  gern  in  der  Nähe  von  Schneemassen 
ihr  Nest  baut,   sonst  ist  es  öde  im  höheren  Gebirge,  das  voll  von  Gefahren, 


Wüsten  und  Sandflächen. 


47 


wohl  nur  von  dem  Geographen  aufgesucht  wird,  Furclitbare  Stürme,  die  eine 
Fortbewegung  des  Menschen  in  gefährlichem  Terrain  unmöglich  machen, 
rasen  über  die  unwirtlichen  Höhen,  dicke  Nebel  versclileiern  oft  plötzlicli 
die  ganze  Gegend.  Der  rasclie  Wechsel  der  Witterung  ist  ja  besonders  in 
Nordisland  so  berüclitigt  und  fügt  auch  der  Vogelwelt  nicht  selten  empfind- 
lichen Schaden  zu. 

Wüsten  und  Sandfläclien. 

Auch  diese  Gebiete  entbehren  beinahe  völlig  jedes  Tierleben,  wenigstens 
da,  wo  sie  größere  Ausdehnung  annehmen.  Und  Island  besitzt  neben  den 
unwirtlichen  Gletschern  große  Strecken  von  solchem  durchaus  wüsten  Lande. 
Ist  ja  kaum  der  dritte  Teil  der  Insel  für  Menschen  bewohnbar.     Besonders 


Fig.  10.     Nordwestisländische  Küste. 

in  der  Umgebung  des  ungeheuren  Vatna-Jökulls  liegen  derartige  vöUig 
unfruchtbare  Landschaften,  die  sich  bis  zur  Nordküste  Islands  ausdehnen. 
Hier  gibt  es  viele  tageweite  Strecken,  die  nur  äußerst  selten  oder  überhaupt 
nicht  von  Menschen  aufgesucht  werden  und  erst  in  den  letzten  Jahrzehnten, 
vor  allem  durch  den  unermüdlichen  isländischen  Geographen  Professor  Dr. 
Thorvaldur  Thoroddseu,  einigermaßen  durchforscht  und  kartographisch  auf- 
genommen wurden.  Daß  diese  zum  größten  Teile  freilich  öden  und  kahlen 
Gebiete,  die  nur  hier  und  da  Gewässer  und  Pflanzenwuchs  zeigen,  doch  von 
gewissen  Vögeln  als  Brutplätze  gewählt  werden,  ist  mit  Sicherheit  anzunehmen. 

Nicht  zu  unterschätzende  Bedeutung  würde  es-  haben,  diese  Gegenden 
ornithologisch  zu  untersuchen,  wodurch  eine  ganze  Zahl  nicht  nur  für  die 
Avifauna  Islands  wichtiger  Fragen  gelöst  werden  könnten.  Freilich  ist  ein 
derartiges  Unternehmen  mit  ebensoviel  Strapazen  wie  Kosten  verbunden. 

In  der  weiteren  Umgebung  des  Mi^vatn  hat  man  Gelegenheit,  die  Wüsten 
und   Sandflächen  Islands  kennen    zu   lernen.     Unter  Wüsten   meine   ich   die 


48  Wüsten   iitul  Sandflächen. 

uToßeu  Schutt-  und  Gemllfelder,  die  teilweise  aus  postglacialen  Laven,  teil- 
weise auch  aus  l>inisstein,  Tuffen,  Konglomeraten  und  ähnlidien  Gesteinen 
gebildet  sind.  In  geringer  Ausdelinung  tinden  sich  Geröllfelder  zwar  überall, 
besonders  am  Fuße  der  Gebirge,  doch  Itestelien  sie  dann  vorzüglich  aus  den 
verwitterten  und  losgelösten  Gesteinen  der  Umgebung,  also  hauptsächlich 
iiasalten  und  Trachyten.  Die  PHanzeuwelt  solcher  meist  wenig  bewässerter 
örtlichkeiten  ist  fast  immer  dürftig:  manclimal  wird  sie  nur  durch  Kryptogamen, 
insbesondere  Moose,  gebildet;  streckenweise  verschwindet  sie  auch  gänzlich. 
An  den  Rändern  der  Geröllflächen  wohnen  Steinschmätzer  und  solche  Vögel, 
die  in  den  benachbarten  Gegenden  ihre  Nahrung  suclien  und  nur  im  Schutze 
des  Felsgewirres  ihr  Nest  anlegen.  Ich  habe  ausgedehnte  Wüsten  nicht 
genug  bereist,  um  von  Charaktervögeln  daselbst  reden  zu  können.  Für 
gewöhnlich  scheint  aber  nur  der  Steinschmätzer  ein  solcher  zu  sein,  vielleicht 
noch  die  Schneeammer,  wo  es  sich  um  gebirgigere  Gegenden  handelt. 

Wer  mit  Zeit  und  Geld  rechnen  muß,  wird  kaum  die  isländischen 
Wüsten  aufsuchen,  zumal  man  abseits  von  den  wenigen  sogenannten  Wegen 
Pferde  oft  nicht  gebrauchen  kann.  Und  das  Klettern  über  die  Schotter-  und 
Geröllfelder  ist  ebenso  anstrengend  wie  langsam  fördernd.  Eigenartig  berührt 
es  freilich  den  Forscher,  wenn  er  sich,  vielleicht  ganz  allein,  inmitten  des 
Gewirres  von  Schutt  und  Steinen  befindet,  ringsum  ein  lebloses,  starres  Meer, 
dessen  Pflanzenwelt,  wo  überhaupt  vorhanden,  den  melancholischen  Eindruck 
durchaus  nicht  vermindert.  Wie  verbannt  und  ausgestoßen  von  der  Welt 
kommt  man  sich  vor,  wie  erlöst  und  von  einem  seelischen  Drucke  befreit, 
wenn  man  wieder  frisches  Grün  und  bewohnte  Gegenden  unter  den  Füßen  hat. 

Landschaftlich  kaum  angenehmer  sind  die  Kies-  und  Sandflächen,  die 
freilich  vor  den  Geröllfeldern  den  erheblichen  Vorzug  leichterer  Passierbarkeit 
besitzen.  Wenn  man  vom  Myvatn  nach  Hüsavik  reitet,  muß  man  viele 
Stunden  lang  über  den  Hölasandr,  das  ist  ein  solches  Gebiet,  hinweg  (Fig.  11). 
Sanft  wellig,  im  kleinen  fast  eben,  liegen  die  öden  Flächen  vor  unsern 
Blicken.  Kilometerweit  rundum  nur  brauner  Sand  und  grober  Kies,  der 
heftig  stäubt,  wenn  man  bei  trocknem  Wetter  rasch  dahintrabt.  Strecken- 
weise werden  auch  die  unzähligen  runden  Steine,  die  den  Boden  bedecken, 
größer  und  erschweren  dann  dem  Pferde  das  rasche  Laufen,  natürlich  auch 
dem  Menschen,  der  es  unternimmt,  ein  solches  Gebiet  zu  Fuße  aufzusuchen. 
Aber  ich  glaube  nicht,  daß  schon  einmal  ein  Mensch  zu  Fuße  über  den 
Hölasandr  gegangen  ist.  In  geringen  Ausdehnungen  trifl't  mau  Kies-  und 
Sandflächen  auch  sonst  überall  auf  der  Insel.  Sie  sind  gewöhnlich  so  eben 
wie  ein  Tisch  und  ganz  verlockend  zum  Begehen.  Doch  der  Schein  trügt! 
Nur  im  Hochsommer,  wenn  wochenlange  Trockenheit  herrschte,  erfüllen  sie 
die  Erwartungen;  im  Frühlinge  und  bei  feuchtem  Wetter  aber  sinkt  man 
bis  an  die  Knöchel  oder  tiefer  in  zälieu  Schlamm,  was  besonders  den  Pferden 
höchst  unangenehm  ist.  Pflanzenwelt  findet  sich  an  derartigen  Stellen  durch- 
aus nicht;  sie  sind  noch  öder  als  die  Geröllfelder  und  bieten  auch  den 
Vögeln  so  gut  wie  nichts.  Nur  den  Sandregenpfeifer  beobachtete  ich  auf 
solchen  (')rtHclikeiten.     Im-   Hndet  scheinbar  immer  noch  genügend  Insekten, 


(Teröllf eider  an  Flüssen. 


49 


und  schnell  wie  eine  Maus  läuft  er  vor  dem  Reiter  her.  Der  Vogel  brütet 
üuch  auf  solchen  Kiesflüchen  ohne  jeden  Pflanzenwuchs.  Wenigstens  fand 
ich  inmitten  des  Hölasandrs  ganz  kleine  Dunenjuuge,  die  freilich  schon  recht 
schnell  laufen  konnten.  Im  übrigen  ist  eine  derartige  Landschaft  außer- 
ordentlich öde  und  tot.  es  sei  denn,  daß  Wasseradern  sie  günstig  beeinflußten. 

OeröUMder  an  Flüssen. 

Einige  der  teilweise  überaus  reißenden  Gebirgsgewässer  Islands  rollen 
kaum  glaubliche  Mengen  abgesclilififener  Steine  vor  sich  her  und  setzen  sie 
bei  hohem  Wasserstande  an  geeigneten  Plätzen  ab.  Auf  diese  Weise  sind 
ausgedehnte  fruchtl>are  Wiesenstrecken,  sogar  innerhalb  weniger  Tage,  in  tote 
GoröUfelder  verwandelt  worden,   die  sich  durch  spätere  Überschwemmungen 


Fio.  11.     Holasandr  nördlich  vom  Nlyvatn. 


immer  mehr  vergrößerten.  Diese  Erscheinung  ist  durchaus  nichts  Seltenes 
in  Island,  besonders  an  den  Ufern  der  mit  furchtbarer  Gewalt  dahinstürzenden 
Gletscherflüsse,  deren  milchiggrünes,  undurchsichtiges  Wasser  die  Tiefe  der- 
selben gar  nicht  erkennen  läßt.  In  großer  Ausdehnung  fand  ich  solche 
Geröllflächen  z.  B.  zwischen  Silfrastactir  und  Miklibser  in  der  Skagafjardar  Sysla. 
Sie  bieten  einen  trostlosen  Anblick,  und  weder  zu  Fuße  noch  zu  Pferde  ist 
ihr  Betreten  angenehm.  Wohl  ähneln  sie  gewissen  Partien  des  zur  Ebbe 
trockenliegenden  Meeresstrandes,  sind  aber  häufig  viel  breiter  und  ganz  ohne 
Abwechslung.  Trotzdem  fand  ich  derartige  Geröllfelder  weit  vogelreicher 
als  die  in  dem  vorigen  Abschnitte  beschriebenen  Landschaften,  was  leicht 
erklärlicherweise  seinen  Grund  in  dem  Vorhandensein  des  Wassers  hat,  das 
in  jenen  andern  Gebieten  fehlt.  Oft  teilt  sich  der  Fluß  gerade  an  solchen 
tiefer  liegenden  Stellen  und  bildet  kleinere  Arme,  von  denen  der  eine  oder 

H an tzsr.h,  Vogelwelt  Islands.  '  ^ 


50  Flüsse. 

der  auderc  mitunter  langs-anier  daliinströmt.  Vielerorts  bleibeu  uach  dem 
Rückgänge  des  Wassers  kleine  Tümpel  stehen,  wodurch  die  Möglichkeit  des 
Vorhandenseins  von  Insekten  daselbst  erheblich  gesteigert  wird.  Wenn  die 
GcröUfelder  an  Flüssen  den  Vögeln  auch  selten  zu  Brutplätzen  dienen  oder 
im  Falle  dies  doch  geschieht,  das  Nest  gar  leicht  ein  Raub  des  plötzlich 
übertretenden  Wassers  wird,  besuchen  doch  die  Vögel  jene  Gebiete  nicht 
ungern.  Besonders  während  der  Zugzeit,  wo  ich  allerdings  auch  vorzugs- 
weise gi'ößere  Geröllfelder  untersuchte,  stellen  sich  viele  Arten  ein,  die  mit 
dem  Flusse  wandern  oder  an  und  in  diesem  Nahrung  zu  finden  hoffen.  In- 
mitten der  unzähligen  Steine  sind  sie  für  Raubvögel  nicht  so  leicht  sichtbar 
und  haben  selbst  doch  vollständig  freie  Ausschau.  Auf  dem  Zuge,  in  un- 
bekannten Gegenden  also,  erhöhen  ja  fast  alle  Vögel  ihre  Aufmerksamkeit  und 
Vorsicht  ganz  erheblich. 

Von  Arten,  die  die  Geröllfelder  der  Flüsse  gelegentlich  besuchen, 
müßten  fast  alle  einigermaßen  in  Betracht  kon]mendcu  aufgezählt  werden: 
vom  Singschwane  bis  zum  Wiesenpieper  hinab  beobachtete  ich  sie  daselbst. 
Als  Charaktervogel,  der  auch  im  Sommer  die  Geröllfelder  belebt,  möchte 
ich  nur  die  Bachstelze  (Motadlla  alba)  nennen,  die  freilich  in  Island  viel 
seltener  ist  als  bei  uns.  Von  den  Straudläufern  und  ähnlichen  Gattungen 
werden  besonders  die  Teile  der  Flußufer  aufgesucht,  wo  Kies-  und  Schlamm- 
flachen  sich  hinziehen.  Hier  entwickeln  sich  im  Juli  und  August  oft  inter- 
essante ornithologische  Bilder  vor  dem  Auge  des  Beobachters,  wenn  es 
diesem  auch  nicht  so  leicht  möglich  wird,  die  Vögel  auf  Schußnähe  zu 
beschleichen. 

Flüsse. 

Island  ist  zum  großen  Teil  reich  versehen  mit  stehenden  und  fließenden 
Gewässern  von  der  verschiedensten  Ausdehnung.  Allenthalben  durchströmen 
Flüsse  das  Land,  die  trotz  ihrer  verhältnismäßig  geringen  Länge  docli  mit- 
unter eine  ganz  beträchtliche  Breite  und  Tiefe  besitzen.  Sie  bilden  nicht 
selten  unüberwindliche  Hindernisse  auf  einer  Binnenlandsreise,  bei  denen 
auch  die  unerschrockenen  isländischen  Pferde  versagen.  Freilich  gestalten 
sich  allmählich  durch  Anlegung  von  Brücken  und  Fähren  die  Verhältnisse 
etwas  günstiger.  Besonders  die  rasche  Fortbewegung  des  Wassers  und  die 
damit  zusammenhängende  beständige  Veränderung  des  Flußbettes  erschweren 
den  Durchgang  (Fig.  12). 

Die  Flüsse  sind  natürlich  Sammelorte  des  Vogellebens,  zunächst  schon 
zur  Brutzeit,  vielleicht  noch  mehr  aber  während  des  Zuges.  Bilden  sie  ja 
den  bequemsten  und  sichersten  Weg  vom  Meere  uach  dem  Innern  der  Insel 
und  zurück,  wohingegen  das  Überfliegen  der  zahlreichen,  nur  zu  oft  von 
Nebel  umwogten  Gebirgsrücken  manchen  Vogelarten  Schwierigkeiten  ver- 
ursachen oder  wenigstens  unangenehm  sein  würde.  Die  Flußläufe  stellen 
keine  selbständige  Landschaftsform  dar,  führen  vielmehr  durch  alle  möglichen 
Gebiete,  geben  diesen  aber  ein  besonderes  Gepräge.  Sie  bringen  Abwechslung 
in    die   ödesten  Gebirge   und   beeinflussen   die  Vegetation  teilweise  auf  das 


Flüsse. 


51 


günstigste.  Das  alles  belebende  und  allen  Gescliöpfcn  notwendige  Wasser 
lockt  auch  die  Tierwelt  herbei,  unter  der  die  leichtbeschwingten  Vögel 
besonders  vertreten  sind.  Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  daß  die  isländischen 
Flüsse  selbst  und  deren  Ufer  eine  beträchtliche  Zahl  von  Charaktervögein 
aufwiesen,  vielmehr  siedelt  sich  jede  Art  in  der  ihr  zusagenden  Landschafts- 
form an,  bevorzAigt  aber  solche  Gebiete,  die  von  einem  fließenden  Gewässer 
durchströmt  werden.  Diese  Erscheinung  ist  natürlich  durchaus  nichts  allein 
für  Island  Charakteristisches. 

Dort,  wo  der  klare  Gebirgsbach  hurtig  zwischen  den  großen  Steinen 
hineilt  und  hier  und  da  auch  einen  rauschenden  Wasserfall  bildet,  schlüpft 
der  Zaunkönig  durch  die  Ritzen  und  Spalten  der  Felsbrocken.  Wohl  hat  er 
ein   ziemlich   langes  Revier,  in  dem  er  Nahrung  sucht,  doch  verläßt  er  zur 


Fig.  12.    Wasserfall  im  Skjälfandafljöt  (Nordisland). 


Brutzeit  niemals  die  Umgebung  des  von  ihm  zum  Wohnplatze  gewählten 
Gewässers.  Auch  die  graue  Bachstelze  (Motacilla  alba)  ist  hier  zu  Hause, 
liebt  aber  die  Nähe  von  menschlichen  Ansiedlungen. 

Ist  der  Bach  zum  Flusse  geworden,  so  kommen  noch  andere  Be- 
sucher an  seine  Ufer.  Bilden  sich  hier  und  dort  Inseln  in  seiner  Mitte, 
so  sind  diese,  besonders  zu  Brutplätzeu,  noch  mehr  bevorzugt.  Charakter- 
vogel der  tiefen,  wasserreichen  Flüsse  und  Ströme  Islands  ist  die  Kragen- 
ente (Histnouiciis  hisinonkics),  die  mit  bewunderungswürdiger  Gewandtheit 
selbst  den  stärksten  Strudeln  zu  widerstehen  vermag  und  scheinbar  mit 
Leichtigkeit  im  reißendsten  Gewässer  stromaufwärts  schwimmt.  Neben  ihr 
auf  den  Inseln  oder  am  Ufer  der  Flüsse  brüten  mitunter  noch  andere  Enten- 
arten,  vor  allem  Clangula  hyemalis,  Aetliya  inarila,  Nettion  crecca,  Mareen 
penelope   und   Anas  boschas.     Auch    die  zierliche   Küstenseeschwalbe  (Steima 

4* 


52  Seen  und  Teiche. 

maemra)  mit  deu  biegsaineu,  elastischen  Schwauzfedeni,  sowie  die  Mautel- 
möve  (Lamts  mariims)  nisten  kolonienweise  auf  manchen  Inseln,  im  Süden 
des  Landes  auch  die  int(^ressante  große  Raubmöve  (Megalesbis  skna).  Viel 
seltener  in  den  bewohnten  Gebieten  finden  sich  die  vorsichtigen  Gänsearteu, 
die  durcli  ihre  Größe  sich  leicht  verraten.  Mehrfach  beobachtete  ich  auch, 
z.  B.  auf  der  l)reiten,  wasserreichen  Hvitci  unterhalb  von  Skälholt,  Schwäne, 
die  hier  während  der  Mauser  im  August  weit  sicherer  sind,  als  auf  eng- 
begi'onzten  stehenden  Gewässern.  Die  beiden  Seetaucherai-ten  (Urinator  imber 
und  luntme)  bemerkt  man  ebenfalls  nicht  selten  auf  größeren  Flüssen,  wenn 
sie  auch  nicht  hier  brüten.  Gern  besuchen  endlich  Palidna  alpina,  Totnnus 
totanus,  Limosa  limosa  und  Numenius  phaeopus  die  Ufer,  während  die  Räuber 
unter    deu    isländischen  Vögeln,    Haliaetns  alhicilla,    Hürofako    Idandux    und 


Fig.  13.     Gullfoss  (Hvitä). 

merilhis,  Corviis  corax  und  Stercorar'ms  p)arasiticus,  beutesuchend  über  den 
Gewässern  dahinfliegen.  —  An  vielen  Orten  bilden  die  isländischen  Ströme 
auch  mächtige  Wasserfälle  (Fig.  13). 


Seen  und  Teiclie. 

Auch  an  stehenden  Gewässern,  vom  kleinen  Tümpel  an  bis  zum 
majestätischen  See,  ist  Island  reich.  Diese  stellen  nicht  nur  Sammelorte 
des  Vogellebens  dar,  sondern  mitunter  Gegenden  von  ausgezeichneter  land- 
schaftlicher Schönheit.  In  überaus  malerischer  Umgebung  liegen  manche 
der  kleinen  Gebirgsseen,  die  sich  weltvergessen  und  unbeachtet  in  die  groß- 
artige ßergszeuerie  einfügen.  Geheimnisvoller  Zauber  weht  über  ihnen,  den 
kein  Mensch  stört.  Vergelien  ja  selbst  in  den  bewohnteren  Gegenden  oft 
Wochen  und  Monate,  bis  jemand  in  die  einsamen,  wegelosen  Gebirge  empor- 
steigt, um  etwa  nach  Schafen  zu  suchen.  Wenn  man  selbst  nun,  das  treue 
Roß,  das  einen  über  die  Bäche  wegträgt,  am  Zügel  nachführend,  die  Höhen 
hinaufgeklettert  ist,  immer  näher  dem  ewigen  Schnee  und  Eis  entgegen,  da 
weitet  sich  auf  einmal   der  Blick:    ein    kleines  windgeschütztes  Tal  nimmt 


Seen  und  Teiche.  53 

uus  auf,  das  im  Grunde  von  durchsichtig  schimmerudem  Wasser  erfüllt  ist. 
Trotz  der  Höhe  wächst  dürftiges  Grün  zwischen  den  Felsen,  und  man  gönnt 
dem  Pferde  ein  Kuhestündchen,  um  selbst  zu  schauen  und  zu  lauschen. 

Vormittag  10  Uhr  ist  es!  Noch  liegt  das  Tal  in  tiefem,  dämmerndem 
Schatten;  denn  kaum  die  Mittagssonne  vermag  ihre  neugierigen,  alles  durcli- 
dringenden  Blicke  in  dieses  Märchen  hinabzusenken.  Es  schweigt  der  kühle 
Morgenwind,  der  die  Spitzen  der  nalien  Schueeberge  mit  zerrissenen  Nebel- 
sti-eifen  umhängt  hat.  Das  Blau  des  Himmels  scheint,  vom  düsteru  Tale 
aus  betraclitet,  dunkler  als  sonst,  und  leuchtend  heben  sich  die  weißen, 
duftigen  Streifenwolken  davon  ab.  Waln-lich,  ein  eigenartiger  Anblick,  wie 
eine  Sage  vom  fernwinkenden,  unbeständigen  Glücke!  Verwundert  schauen 
die  beiden  Schafe  am  Abhänge  drüben  nach  mir  her.  Seit  Minuten  schon 
regen  sie  sich  nicht.  Vielleicht  kommen  ihnen  alte.  ))öse  I^^rinnerungen  an 
den  Menschen,  die  sie  fast  vergessen  hatten. 

Doch  nun  der  See!  Leise  spielen  die  Wellen  am  steinigen  Strande, 
den  ein  schmaler  Ring  von  weißem  Schaume  einfaßt.  Zitternd  spiegeln 
sich  die  Schneehäupter  der  Berge  in  seinen  Fluten,  die  nie  der  Kiel 
eines  Schiffes  furchte.  Ob  ein  Maler  die  unbeschreibliche  Farbenstimmung 
des  Wassers  wiedergeben  könnte?  Ich  bezweifle  es;  d(!nn  der  Pinsel  ist 
schwach  wie  das  Wort.  In  der  Mitte  der  schimmernden  Fläche  gleiten  zwei 
weiße  Punkte  dahin:  ein  Paar  Siugschwäne,  die  hier  ihre  schöne,  einsame 
Sommerwohnung  aufgeschlagen  haben.  Sonst  zeigt  sich  kein  Vogel  auf  dem 
Wasser.  Dort  aber  knixt  der  Steinschmätzer  vor  mir  auf  dem  Steine,  und 
die  kleine  Schneeammer  singt  von  dem  Felsenvorsprunge  aus  der  allmählicli 
höher  steigenden  Sonne  entgegen. 

Befinden  sich  die  Seen  in  etwas  tieferen  Lagen,  avo  die  Luft  nicht 
beständig  so  kühl  ist,  wo  die  Sonnenstrahlen  besser  auffallen  können  und 
kräftigere  Vegetation  sich  entwickelt,  so  vermehrt  sich  auch  die  Vogelwelt. 
Freilich  verlieren  solche  Gebiete  den  Reiz  der  starren,  unberührten  Scliönheit 
und  nehmen  mehr  den  Charakter  unserer  Bergseen  an.  Lieblichere  und 
anheimelndere  Bilder  zeigen  sich  nun  den  Blicken  des  Reisenden,  und  bis- 
weilen läßt  der  aufsteigende  Rauch  eines  Gehöftes  erkennen,  daß  Menschen 
in  der  Nähe  sein  müssen.  Außer  dem  Schwane  brüten  die  Seetaucher  am 
Rande  derartiger  Gewässer:  Uiinator  imher  in  tiefer  Einsamkeit,  jedoch  mit- 
unter auf  gar  nicht  großen  Teichen.  Urinator  Immae  dagegen  auch  in  be- 
wohnten Gebieten.  Eigentlich  scheu  ist  keine  der  beiden  Arten,  wenn  die 
Vögel  nicht  erschreckt  und  verfolgt  werden.  Wassertreter  (besonders  Phcda- 
ropus  lobaii(s)  und  Ohrentaucher  (Colymlms  auritus)  bauen  ebenfalls  ihr  Nest 
an  derartige  Gebirgsseen,  endlich  auch  einzelne  Paare  solcher  Vogelarten, 
die  in  gi'ößerer  Menge  die  tiefer  gelegenen  Gewässer  bewohnen. 

Die  großen  Seen  sind  zur  Brutzeit  Sammelorte  zahlreicher  Wasser\  (igcl, 
die  gegen  Ende  des  Sommers,  wenn  die  ueuvermauserten  Schwingen  die 
Wanderung  gestatten,  zum  Hauptteile  wieder  davonziehen.  Manche  der 
Seen  haben  ihre  Eigentümlichkeiten,  der  jn'ngvallavatn  z.  B.  eine  Kolonie 
der   Mautplniövc    (Lams  marinus).    keiner   aber   sclieint    so    viele    Arten    zu 


54 


Seen   und  Teiche. 


vereiuigen  wie  der  Myvatn,  der.  weil  uucli  landscliaftlicli  abwechsluugsvoll  uud 
interessant,  von  verschiedenen  Reisenden  ornitbologisch  nntersucht  wurde. 
Im  allgemeinen  kann  man  freilich  die  Angaben  über  die  dortige  Vogelwelt 
auf  jeden  anderen  ähnlich  gelegenen  See  beziehen,  von  denen  ich  einige 
kennen  lernte,  die  im  Verhältnis  zu  ihrer  Oröße  kaum  vogelärmer  waren. 

Der  Myvatn  liegt,  wie  ein  Teil  des  noch  größeren  j^ingvallavatn,  auf 
Schichten  postglacialer  Basaltlava,  welcher  Untergrund  ihm  sein  eigentüm- 
liches Aussehen  verschafft.  Tief  eingeschnittene  Buchten,  deren  durchsichtiges 
Wasser  die  grottenartigen  Bildungen  des  schwarzen  Gesteins  deutlich  erkennen 
läßt,  wechseln  ab  mit  großen,  überaus  seichten  Fläclien,  die  von  Wasser- 
pflanzen, besonders  Myriophyllum  spicafnm,  erfüllt  sind.  Sie  beherbergen  die 
Larven  der  unendlichen  Mengen  kleiner  Mücken  (isl.  My,  Myfluga;  Gatt. 
Culex  und  Simnlvi),  die  dem  See  zu  seinem  Namen  verholfen  haben.    Diese 


Fig.  14.     Slutnes  im  Myvatn. 


schwärmen  zur  Somnjerszeit  oft  in  Iniushoheu,  breiten  Säulen  über  dem 
Wasser  und  dem  Ufer  und  bringen  dabei  ein  nicht  unangenehmes,  eigen- 
tümliches Geräusch  hervor,  das  ähnlich  wie  ein  fernes,  unklares  Stimmen- 
gewirr oder  wie  leiser  Orgelton  klingt.  Besonders  bei  w^ecliselnder  Witterung 
sterben  nun  diese  zarten  Dipteren  sehr  rasch,  fallen  in  Menge  auf  das  Wasser 
und  bedecken  mitunter  buchstäblich  das  Ufer,  was  man  an  freien  Plätzen 
deutlich  erkennt.  Dieser  Tnsektenreichtum  kommt  nicht  nur  den  zaldlosen 
Forellen  des  Sees  zu  Gute,  sondern  auch  den  Vögeln,  die  sich  manchmal 
fast  ausschließlich  von  Mücken  und  deren  Larven  ernähren  mögen. 

Im  nördlichen  Teile  des  Sees,  zwischen  Grnustadir  und  dem  Vindbel- 
gjarljall,  befindet  sich  eine  l)reite  Hal))insel,  die  aus  Moor-  und  Sandboden 
besteht  und  mit  zahlreichen  kleinen  Tümpeln.  Teichen  uud  Sümpfen  bedeckt 
ist.     Hier   entwickeln   sicli    über  meterhohe  Ttlanzendickichte.   vor  allem  aus 


Seen  und  Teiche. 


55 


Birken  und  Weiden  bestehend,  die  den  Vögeln  willkommene  Brutplätze  und 
Schlupfwinkel  bieten.  Fast  noch  günstiger  beschatten  sind  einige  Inseln, 
von  denen  Slntnes,  zum  Hole  Grimstadir  geliörig.  als  vogelreichste  gerühmt 
wird.  Man  glaubt  wirklich  niclit  auf  Island  zu  sein,  wenn  man  diese  Ört- 
lichkeit betritt.  Parkartig  wechseln  mannshohe  Birken  und  frischgrüne 
Weidenbüsche  mit  Grasflächen  und  kleinen  Teichen  ab;  das  anffillligste  aber 
sind  die  üppigen  Archangelica-Stauden.  die  mitunter  zwei  Meter  liocli  kerzen- 
gerade nebeneinander  stehen  (Fig.  14,  15). 

Hier  und  auf  ähnliclien  Inseln  sind  die  Hauptbrutplätze  der  Enten, 
deren  Hier  als  Nalu'uugsmittel  für  die  Bewohner  große  Bedeutung  gewinnen. 
Einige  Arten,  besonders  Glancionetta  islandica,  bauen  freilich  ihr  Nest  lieber 
in  die  Spalten  der  Kraterinseln.  Hasselbe  gilt  von  dem  sehr  häufigen  Mergux 
setrator  und   dem  seltneren   Mergu-^  mergansev.     Reclit   zalilreich   findet  man 


Fig.  IT).     Slutnes  im  Myvatn. 


ferner  den  zierlichen  Phalaropu.^  lolMitns  auf  den  Inseln,  in  geringerer  Menge 
auch  Totamis  totanus.  Vielerorts  nistet  Stema  inacrura,  die  von  den  Bew.ohnern 
deshalb  gern  gesehen  wird,  weil  sie  die  Iiaul>vögel  anzeigt  und  verfolgt.  Charakter- 
vogel des  Myvatn  ist  weiter  dei-  Ohreutaucher  (Colt/inbus  auritus),  der  mit 
den  graufleckigen  Dunenjungen  auf  dem  Rücken  den  Eindruck  eines  recht 
vielgeplagten  Familienvaters  maclit.  üriimtor  Iniume  brütet  am  Rande  kleiner 
Teiche  auf  Inseln  oder  in  unmittelbarer  Nähe  des  Mfvatu:  doch  beobachtete 
ich  aucli  den  großen  Eistaucher  (Urinator  imber)  im  Juli  auf  dem  See.  Im 
sumpfigen  Teile  wohnen  mehrere  Paare  der  Schmarotzerraubmöve.  die  als 
Eierräuberin  berüchtigt  ist,  Gänse  und  Schwäne  brüten  jedocli  für  gewöhnlich 
nicht  daselbst.  Häufig  besuchen  die  beiden  Falkenarten  das  Gebiet;  denn 
unschwer  bemächtigen  sie  sicli  hier  einer  Beute.  Dagegen  trift't  man  den 
Raben  nur  ziemlich  selten  lieim   Myviitn. 


56  Ijuscliwaki. 

Nicht  immer  und  iii<-lit  überall  bietet  der  See  die  liildcr  eines  über- 
reichen Vogellebens.  Man  kann  ntundenhing  auf  ihm  herumfaiiren  und  endlich 
recht  enttäuscht  zurückkehren.  Die  Vög-el  finden  alter  so  mannigfache  Ver- 
stecke am  Kande  des  Sees,  wo  man  sie  mitunter  kaum  vermutet.  Die  günstigst*' 
(Telegenheit,  hetiftchtliche  Mengen  von  Knten  zu  heoliachtcn.  hat  man  be- 
sonders dann,  wenn  die  Jungen  den  Eiern  entschlüpft  sind  und  morgens  bei 
schönem  Wetter  von  der  Mutter  aufs  Wasser  geführt  werden.  In  der  Nähe 
der  Brutinseln  oder  in  stillen  seichten  Huchten  zeigen  sich  dann  äuLW^rst 
zahlreiche  Familien  der  verschiedenen  Arten.  An  andern  Stelleu  des  offenen 
Sees  scharen  sich  die  Krpel  zusammen  und  liegen  zu  vielen  Hunderten  bei 
einander.  Man  kann  wohl  behaupten,  dal)  der  ]\Kvatn  noch  vogelreicher  ist. 
als  die  günstigsten  Teichgebiete  Mitteleurojias.  wie  ich  solche  z.  li.  in  den 
Donaurieden  Ungarns  und  Slavoniens  oder  ;iucli  in  der  sächsischen  Lausitz 
kennen  b'rnte. 

rnvergeßliche  Bilder  wird  dieser  See  in  dem  IJcsuciicr  hinterlassen,  die 
an  eigenartiger  Stimmung  nicht  so  leicht  ihresgleichen  finden.  Noch  denke 
ich  zurück  an  manchen  Abend,  den  ich  am  steilen  Lavarande  einer  Bucht 
bei  Reykjalid  zubrachte!  Die  Sonne  stand  tief  über  dem  schöngeformten 
Vindbelgjarfjall  und  tanzte  auf  dem  weiten,  zitternden  Myvatn  lier  zu  mir. 
Feuerrot  flammte  der  AVeg,  den  sie  ging,  bis  sie  sich  endücli  hinter  dem 
Berge  schlafen  legte.  Doch  die  nordische  Sommernacht  ist  nicht  minder 
schön  als  der  Abend.  Blauglitzernd  lag  die  kleine  Bucht  vor  mir.  auf  der 
wenigstens  ein  Dutzend  Bergenten,  mittlere  Säger  und  Schellenten  mit  ihren 
Jungen  schwammen.  Wenn  man  nicht  die  Gestalt  der  Vögel  genau  kannte, 
waren  sie  freilich  nicht  mehr  zu  untersclieiden.  sojidern  alle  schwarz.  Noch 
saßen  sie  auf  dem  Wasser,  während  über  ihnen  in  der  l^uft,  zufrieden  ihr 
Kria  rufend,  eine  Anzahl  Seeschwalben  flatterte.  Ort  und  Tageszeit  schienen 
besonders  reiche  Beute  zu  bescheren;  denn  fortwährend  stießen  die  Vögel 
auf  das  Wasser  oder  stürzten  in  dieses  hinein,  um  mit  einem  kleinen  Fische 
im  Schnabel  frohlockend  wieder  emporzusteigen.  Das  sind  weihevolle  Augen- 
blicke für  den  Ornitlndogen,  und  still  schleiclit  man  endlich  mich  Hause,  wo 
schon  alles  schläft.     Freilich  den  Feierabend   nniL>  man  draußen  lassen. 

Busch  wald. 

Wenn  auch  der  Isländer  seinem  Skc'igur  denselben  Namen  l>eilegt  wie 
unserm  stolzen  Walde,  so  darf  man  sich  nicht  falschen  Vorstellungen  hin- 
geben. Der  isländische  Wald  besteht  nur  aus  (4ebüschen.  die  zum  größten 
Teile  von  Birken  (Betnla  odorato  /nibesccm),  hier  und  dort  aber  auch,  z.  B. 
in  der  Umgelnmg  des  Myvatn,  von  Weiden  gebildet  werden.  SaU.r  phylidfolia, 
die  häufigste  Art,  erreicht  eine  Höhe  von  :>  m  und  bietet  mit  dem  frischen 
Grün  ihrer  Blätter  einen  recht  erfreulichen  Anblick.  Selten  höher  als  1,5  m 
wird  SalLr,  lanata,  die  auch  weit  unscheinlnirer  ist.  Die  anderen  beiden 
Weidemirten  Islands.  Salix  fflauca  und  ho'hncea.  können  wegen  ihrer  geringen 
Größe  nicht  als  waldbildende  Pflanzen  in  Betracht  kommen.  Dasselbe  gilt 
von  der  schon  melirfach  erwähnten  HeUiIa  iKom.  wohingegen  lietulo  pnbff'ceiis 


.Buschwald.  57 

manchmal  eine  Hölie  von  :5— 4  in  erreicht.  Hier  und  dort  wachsen  im  Schatten 
des  Gesträuchs  auch  niedrige  Wachliolderbüsche  (Juniperus  communis  nana). 

Der  berühmteste  Skogur  Islands  findet  sicli  bei  Hdls  im  Fujöskätale, 
wo  man  ))ei  bescheidenen  Ansprüchen  wirklich  die  Vorstellung  eines  Birken- 
waldes haben  bann.  Auch  der  8kögur  im  Fljötstale  in  Ostisland  soll  ähnliche 
Höhe  besitzen,  doch  sah  ich  ihn  nicht  selbst.  Für  gewöhnlich  eiTeicheu  die 
IJüsche  kaum  die  GröL^e  eines  Menschen,  der  Bestand  aber  ist  so  dürftig, 
daß  man  ihn  unschwer  passieren  kann.  Oft  stehen  die  von  unten  auf  be- 
laubten Sträucher  gruppenweise  inmitten  von  Grasplätzen,  wodurch  die  Gegend 
doppelt  abwechsluugsvoU  und  angenehm  erscheint.  An  besonders  günstigen 
Stellen  freilich  werden  die  Gebüsche  mitunter  auch  äußerst  dicht.  Ja,  es 
gibt  Örtlichkeiten,  von  denen  es  fast  unmrtglich  ist,  sie  zu  durchqueren.  Das 
sind  die  Lieblingsplätze  der  Rotdrossel  (Turdus  iliacus),  während  der  andere^ 
( 'haraktervogel  des  isländischen  Waldes,  der  Birkenzeisig  oder  Leinfink 
(Acantlds  linaria),  meist  oft'nere  Stellen  bevorzugt. 

Ich  besuchte  eine  ganze  Reihe  der  immerhin  in  Island  seltnen  Busch- 
wälder. In  der  Umgebung  des  Myvatn  befinden  sich  solche  teilweise  auf 
sandigem,  trocknem  Boden,  sind  aber  deshalb  keineswegs  dürftig.  Auch 
zwischen  den  älteren  Lavabrocken  hat  sich  frisches  Birkengebüsch  angesiedelt, 
das  außer  den  eben  genannten  Vogelarten  aucli  beträchtliche  Mengen  von 
Schneehühnern  beherbergt.  Die  Gebüsche  auf  den  Inseln  des  Myvatn  und 
seiner  sumpfigen  Umgebung  im  Norden  sind  kräftiger  und  dichter,  werden 
aber  von  den  Kleinvögeln  nicht  so  häufig  bewohnt.  Bedeutende  Streckeji 
des  Fnjöskätales  in  Nordisland  sind  gleichfalls  mit  Wald  bedeckt,  keineswegs 
bloß  die  Gegend  von  Hals,  sondern  hinab  bis  kurz  vor  die  Mündung  des 
Flusses  in  den  Eyjafjördr.  Gerade  dort,  im  Skuggabjargaskögur  und  Skards- 
skögur,  traf  ich  selbst  während  der  Brutzeit  kleine  Scharen  alter  Acantlm 
linana,  etwas  seltner  Turdus  Uiac.m.  Freilich  begegnete  ich  diesen  Vögeln 
aucli  in  allen  anderen  von  mir  besuchten  Waldgebieten,  so  in  der  Nähe  von 
Hvammr  und  Nordtunga,  dann  später  auf  dem  AVege  von  der  in  den  Borgar- 
fjörcti-  fließenden  Hvitä  bis  nach  dem  Skorradalsvatn.  Auch  die  Umgebung 
des  ]^ingvallavatn  hat  zahlreiche  Gebüsche.  Besonders  ausgedehnte  Birken- 
waldungen durchreitet  man  ferner  auf  dem  Wege  von  ]:>ingvellir  nach  dem 
(leysir,  zwischen  dem  Laugarvatn  und  Uthlid.  In  diesen  landschaftlich  eigen- 
artigen Geländen,  wo  weite  Hügel  ringsum  mit  Gesträuch  bedeckt  sind,  war 
die  Rotdrossel  geradezu  gemein.  Auch  den  Wiesenpieper  trift't  man  in  den 
meisten  derartigen  Ge))ietcn  in  großer  Menge.  Merkwürdigerweise  aber  sind 
dun'haus  nicht  alle  isländischen  Buschwälder  so  vogelreich,  als  man  in  einem 
zum  größton  Teile  ja  völlig  baumlosen  Lande  erwarten  könnte. 

Für  den  Fremden,  der  aus  waldigen  Gegenden  nach  der  kalüen  Insel 
versetzt  wird,  ist  der  Anblick  dieser  dürftigen  Buschlandschaften  anheimelnd 
und  erfreuend.  Malen  sie  ihm  ja  Bilder  der  Heimat,  wenn  auch  angepaßt 
dem  nüchternen  Norden. 

Es  war  am  8.  Juni.  In  dem  Hofe  Skard,  etwas  aufwärts  der  Fnjöskii- 
rnündnng.    hatte   ich    ein    paar   Stunden    geschlafen.     Frühzeitig   verließ    ich 


58  Das  Meer. 

das  Haus,  schritt  über  das  taufeuchte  Gras  nach  der  kleinen  Brücke  hin. 
die  ein  schäumendes  Bergwasser  überspannt,  und  befand  mich  im  Skögur. 
der  die  Abhänge  des  Fnjöskatales  bedeckt.  Vorfrühling  war's  hier  oben,  und 
jener  rötlichviolette  Schimmer,  der  dem  Grünworden  der  Sträucher  voraus- 
geht, lag  über  dem  harzduftenden  Buschwaldc.  Hier  und  dort,  wo  die  Sonne 
besser  dazukonnte,  brachen  auch  schon  die  ersten  gi-ünen  Spitzen  hervor, 
die  uns  hoffnungsfrendiger  stimmen,  als  alle  Blätter  des  Sommers.  Im 
Dickichte  drüben  sang  die  Rotdrossel  ihr  hastiges  Lied,  während  der  Birkeu- 
zeisig  drei  Meter  vor  mir  sein  warnendes,  weiches  Düid  rief.  Sonst  lag  tiefe 
Stille  über  der  Natur,  die  bloß  durcli  das  ferne  Rauschen  der  reißenden 
Fnjöskä  nicht  unangenehm  beeinträchtigt  wurde.  Die  Sonne  brach  in  vollem 
Glänze  über  die  Berge,  der  Hrossagaukur  (Gallinago  gaüuuigo)  flog  ihr 
wiehernd  entgegen,  der  eben  noch  am  sumpfigen  Riesel  nach  Würmern  ge- 
stochen hatte.  Doch  kein  ewiger  Friede  in  der  Natur!  Mit  schrillem 
Geschrei  fährt  ein  Steinfalke  vor  mir  auf,  in  den  Fängen  die  blutige  Leiche 
des  kleinen  Wiesenpiepers! 

Das  Meer. 

Auf  einer  verhältnismäßig  nicht  allzu  großen  Insel  wie  Island  stellt 
das  Meer  natürlich  eine  der  Hauptlandschaftsformen  dar,  das  immer  bewegte, 
immer  lebendige  Meer.  Zahlreiche  tiefeinschneidende  Fjorde  verlängern  die 
Ausdehnung  der  Küste,  die,  wie  die  Oberfläclie  des  Wassers  selbst,  eine 
mannigfach  verschiedene  ist.  Seichte  Strandflächen,  von  der  Ebbe  weithin 
bloßgelegt,  wechseln  ab  mit  wilden  Geröllpartien  und  steil  abfallenden 
Bergen,  denen  niclit  selten  kleine  und  große  Klippen  vorgelagert  sind.  Da 
der  unterschied  der  Wasserhöhe  bis  fünf,  ja  sogar  sechs  Meter  bcti-ägt,  zeigt 
dei-  Sti-and  auch  im  Verlaufe  des  Tages  oft  gänzlich  verschiedene  Bilder, 
von  denen  natürlich  das  Leben  der  Meeresvögel  gleichfalls  abhängig  ist. 
Dort,  wo  während  der  Flut  die  Wogen  an  die  Felsen  schlugen,  liegt  jetzt 
zur  Zeit  der  Ebbe  ein  breiter,  flacher  Sandstreifen.  Gewisse  Küstenstrecken 
kaun  man  nur  bei  Ebbe  auf  dem  Landwege  passieren,  in  manche  Häfen 
nur  bei  Flut  vor  Anker  gehen.  Doch  dieser  immerwährende  Wechsel  des 
Strandes  selbst,  verbunden  mit  der  Veränderlichkeit  des  bald  leise  spielenden, 
bald  in  machtvoller  Dünung  lieranbrausenden  Meeres,  gibt  der  Küste  gerade 
ihren  Reiz. 

Der  Island  umgebende  Atlantische  Ozean,  zum  kleinen  Teile  auch  das 
nördliche  Eismeer,  bieten  natürlich,  wie  alle  anderen  Meere  aucli,  zahllosen 
Tieren  Aufenthalt  und  Nahrung.  Die  Vögel,  von  denen  freilich  durchaus 
nicht  alle  tagelang  auf  dem  Wasser  zu  wohnen  vermögen,  finden  daselbst 
reichlicli  ihren  Tisch  gedeckt,  falls  nicht  Treibeis  und  Winterkälte  ihnen  den 
Zugang  verwehren.  Dies  geschieht  aber  für  gewöhnlich  nur  im  Nordwesten 
und  Norden  der  Insel  und  auch  dort  nicht  allwinterlich.  Die  Anzahl  der 
Vogelarten,  die  man  bis  jetzt  auf  den  Island  umgebenden  Meeren  festgestellt 
hat,  darf  sicher  nicht  als  erschöpft  angesehen  werden.  Nur  fehlte  es,  besonders 
zur  Winterszeit,   an  geeigneten  Beobaclitern.     Es  ist  auch  keineswegs  leicht, 


Das  Meer.  59 

ja  manchmal  sogar  völlig  iiiimöglich,  vou  einem  dahinfahreudeu  Schiffe  aus 
alle  Vögel,  die  sich  zeigen,  richtig  anzusprechen.  Und  selbst  wenn  man  fähig 
wäre,  durch  einen  Scliuß  das  fragliche  Exemplar  zu  erlegen,  wird  man  kaum 
das  Verlangen  äußern  wollen,  das  Schiff  stoppen  zu  lassen,  bis  man  die  Beute 
geholt  hat.  So  bleiben  denn  die  oruithologischen  Beobachtungen  auf  der 
See  oft  unvollkommen  und  unsiclier,  zumal  die  Beleuchtung  und  der  Mangel 
«Ines  eigentlichen  Hintergrundes  außerordentlich  täuschen.  Selbst  in  ruhigen 
Meeresbuchten  ist  dies  mitunter  der  Fall.  Manche  Vogelarten  freilich  haben 
eine  s(»  charakteristische  Färbung  und  Gestalt  oder  nähern  sicli  den  Schiften 
derart,  daß  eine  zweifellos  richtige  Bestimmung  erfolgen  kann. 

Wenn  man  viele  Tage  auf  dem  Ozeane  dahinfährt  und  lange  Zeit 
hindurch  nichts  als  Himmel  und  Wasser  erblickt,  wendet  sich  das  Auge 
unwillkürlich  nach  den  Seevögeln,  die  als  beinahe  einzige  lebende  Wesen 
über  der  endlosen  Fläche  sicht])ar  werden.  Verwundert  erwarten  die  Alke 
(Alca  torda)  und  Lummen  (Una  troile  und  lomvia)  den  mächtigen  Schiffs- 
koloß. Mit  hochgestrecktem  Halse  lassen  sie  ihn  ganz  nahe  kommen,  um 
nun  schnell  unterzutauchen  oder  plätschernd  über  das  Wasser  hinzuflattern, 
indem  sie  dieses  mit  den  Füßen  streifen  und  mit  den  Flügeln  schlagen. 
Noch  weniger  scheu  zeigt  sich  manchmal  Cepphtis  grylle,  der  kaum  vor  dem 
Schifte  flüchtet.  Gar  zu  gern  sieht  man  den  Flugkünstlern  unter  den  See- 
vögeln zu:  den  zierlichen  dreizehigeu  Möven  (Rissa  rissa),  von  denen  nicht 
selten  ein  Dutzend  das  Schift'  begleitet,  oder  dem  Eissturmvogel  (Fulmarm 
glacialis),  der  das  Fahrzeug  in  weiten  Bogen  umfliegt.  Mag  der  Sturm  toben, 
daß  man  sich  festhalten  muß.  um  nicht  hin-  und  hergeworfen  zu  werden, 
die  Vögel  überwinden  ihn,  indem  sie  Flügel  und  Füße  nach  allen  Richtungen 
auf  das  geschickteste  bewegen.  Sind  sie  aber  müde,  so  lassen  sie  sich  auf 
dem  wilden  Wasser  nieder,  werden  aus  den  tiefen  Wellentälern  auf  die  Höhe 
emporgetragen,  wo  der  Wogenkamm  oft  schäumend  über  sie  hinwegspült. 
Seltener  beobachtet  mau  die  großen  Möven  und  ßaubmöven.  die  übrigen 
Seevögel  meist  nur  in  der  Umgebung  ihrer  Brutplätze. 

Nähert  man  sich  der  Küste,  so  wird  das  Vogelleben  gewöhnlich  reichei-, 
obwohl  es  auch  Strecken  gibt,  die  außer  der  Zugzeit  fast  gänzlicli  verlassen 
und  einsam  daliegen. 

Die  isländischen  Meeresküsten  sind,  wie  schon  erwähnt,  mitunter  recht 
abwechslungsvoll.  Ausgedehnte  flache  Strandpartien,  wie  sich  solche  z.  B. 
in  Norddeutschland  finden,  besitzt  die  Insel  in  geringem  Maße.  Das  Land 
ist  ja  zum  größten  Teile  gebirgig.  Freilicli  lagert  sich  auch  den  Steilküsten 
meist  ein  mehi-  oder  weniger  breiter  Geröllstreifen  vor.  Flacher  Strand 
findet  sich  mitunter  im  innersten  Zipfel  von  Fjorden  und  Meeresbuchten 
oder  dort,  wo  größere  Flüsse  münden.  Während  der  Ebbe  sind  solche,  oft 
mit  dickem,  weichem  Schlamme  bedeckten  Plätze  Sammelpunkte  zahlreicher 
Sti-andvögel,  die  aus  der  ganzen  Umgegend  herbeikommen,  um  Nahrung  zu 
suchen.  Schon  die  Oberfläche  derai-tiger  Gebiete  zeigt,  was  das  Meer  zurück- 
ließ. Tauseude  von  Quallen  (Acalephae)  bedecken  mitunter  den  Grund,  hier 
und  dort  liei>en  Muscheln.  Seesterne  und  Taschenkrebse,  wälirend  viele  Ideine 


(;()  Das  Meor. 

liöclier  zu  K('»l)i-pii\vüi-nieni  (Tnhicoln).  winzigen  Kvclis-  nnd  andern  See- 
tierchen führen,  die  sich  im  .Sande  verkrochen.  JiCider  bieten  derartige 
Meeresufer  znr  Ebbezeit  selten  Deckung,  weshalb  man  siel)  gewöhnlich  be- 
gnügen miili,  die  versammelten  Vögel  aus  entsprechender  Ferne  zu  beobachten. 
Sehr  häutig  erblickt  man  dann  den  llotschenkel  (Totanu,^  totanm),  der  bei 
der  geringsten  Beunruhigung  mit  flötenden  Warnrufen  davoneilt.  Langsamer 
und  bedächtiger  wandeln  die  habhaft  gef^irbten  Austerntischer  (Haematoptis 
ostralegm)  einher,  die  mit  dem  harten  langen  Schnabel  den  Schlicker  unter- 
suchen. Eilig  läuft  der  Saudregenpfeifer  (Aecjialitis  Inatlruln)  dahin,  den» 
sich  gern  der  Alpenstrandläufer  (Palidna  alpina)  zugesellt.  Etwas  abseit« 
von  den  andern  erblickt  man  eine  Schar  der  zutraulichen  !\Ieeresstrandläufer 
(Arquatella  ■maritbnd).  die  liebst  Arenaria  interpres  und  Tringn  canutus  auch 
steinige  Strandpartieeii  häufig  besuchen. 

Besonders  reichlich  wird  den  Vögeln  der  Tisch  gedeekt.  wenn  der  Wind 
die  Wellen  nach  dem  Ufer  zu  treibt.  Dann  sieht  man  die  behenden  Ge- 
stalten eilig  am  Rande  des  Meeres  umherlaufen  und  eifiüg  suchen  und  picken, 
.fede  Welle  bringi  ihnen  neue  Nahrung,  und  es  stört  sie  auch  nicht,  wenn 
einmal  das  Wasser  sie  erfalU,  ein  Stück  in  die  Höhe  hebt  oder  mit  fortträgt. 
Möven,  Seeschwalbeu  und  Kaben  überfliegen  die  Gegend,  gleichfalls  nach 
zurückgebliebenen  Seetieren  suchend,  während  Seeadler  und  Falken  den  ver- 
sammelten Vögeln  nachstellen. 

Tritt  die  Flut  ein,  so  ziehen  sich  die  Scharen  zurück,  sitzen  auf  den 
Steinen  am  Ufer  und  ruhen  oder  fliegen  nach  den   15rut])lätzen. 

In  geeigneten  Gebieten  kann  man  zur  Zugzeit,  besonders  im  August, 
noch  andere  als  die  erwähnten  Arten  antreffen;  jeder  Tag  bietet  oft  neue 
Bilder,  sodalA  der  Ornitholog  mit  Befriedigung  von  seinen  Exkursionen 
zurückkehrt. 

Außerordentlich  günstigen  Flachstrand  traf  ich  im  Innern,  vor  allem 
im  nördlichen  Teile  des  Hvaltjörctrs,  ein(>  gute  Tagereise  nördlich  von 
Reykjavik.  Dieses  (lebiet  ist  auch  landschaftlich  überaus  groL^ai-tig.  Am 
1 7.  August  kam  ich  von  Saurban-  (Borgarfjardar  S.)  dahin.  Ich  ritt  bis  an 
den  Ausgang  des  Fjordes  mit  zwei  Isländern,  die  etwa  zehn  Pferde  bei  sich 
hatten.  Ein  scharfer  Wind  blies,  dodi  der  Himmel  war  blau,  und  die  Sonne 
schien.  Wir  konnten  der  Ebbe  halber  am  Strande  hinreiten,  aber  der  weiche, 
gummiartige  Boden,  in  den  man  freilich  nur  wenig  einsank,  schien  den  Pferden 
Furcht  einzuflößen.  AVie  rasend  wollte;  mein  Tier  vorwärts;  durch  die  Nüstern 
blasend  bekundete  es  seine  Aufregung  und  ließ  sich  kaum  halten.  Und  ich 
gab  ihm  die  Zügel  frei,  und  wir  flogen  voraus,  dahin  über  den  sonderbaren 
zähen  Schlamm,  der  von  zahlreiclien  Strandvögeln  mannigfacher  Art  belebt 
war.  Sie  blieben  ruhig  stehen;  denn  wir  kamen  und  gingen  schneller,  als 
ihre  überlegenden  Gedanken.  Hoch  auf  spritzte  das  Salzwasser,  wenn  wir 
hier  und  dort  ein  Stück  seichtes  ]\reer  durchsprengten.  Aber  kein  Stein 
hinderte  den  l^auf.  Roß  und  liciU'r  kannten  sich,  und  die  AViendruhe  winkte. 

Rechts  liegt  der  Hvalfjördr,  über  diesem  prächtige  Berge,  hinter  denen 
die  Nachmittagssonne   stralilt.     Neben    uns   steigen   märchenliaft   die   kahlen. 


Diis  J\Ioer. 


61 


wilden  Felswände  empor.  Senkrecht  türmen  sich  die  mächtigen  schwarzen 
IJasaltburgeu.  wie  von  Riesenhänden  erschaffen.  Doch  ein  Streifen  Grün  am 
Fuße  der  Berge  hat  die  Menschen  verlockt,  hier  und  dort  einen  Hof  anzu- 
legen, wo  der  Reisende  über  Nacht  bleiben  kann.  Niemand  wird  bereuen, 
dieses  Gebiet  besucht  zu  haben. 

Ungleich  häufiger  als  mit  Schlamm-  und  Sandflächeu  ist  das  Meeres- 
ufer mit  Steinen  bedeckt.  Je  höher  den  Strand  hiuauf,  desto  größer  sind 
diese,  sodaß  man  oft  zur  Flut  höclist  mühselig  vorwärts  kommt,  wo  man 
zur  Ebbezeit  auf  glattem  Kiesboden  hinwandert.  Derartige  Partien  gewähren 
im  Flachlande  meist  einen  recht  toten  Anblick.  Nur  einzelne  der  schon 
Yornin  erwähnten  Vogelarten  besuchen  sie  (Fig.  16). 

Abwechsluugsvoller  erscheint  die  Gegend,  wenn  steilere  Gebirgsstöcke 
dicht  an   die  Küste  treten.     Zur  Ebbe   werden  dann  mitunter  wilde  Geröll- 


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Fig.  16.     Strand  bei  Ebbe  (Reykjavik). 


fiächeu  bloßgelegt,  deren  größte  Steinbrocken  wohl  auch  bei  hohem  Wasser- 
standeTals  Klippen  hervorragen.  Landschaftlich  wirken  derartige  Küsten- 
streifen oft  äußerst  romantisch,  lassen  sich  jedoch  nur  schwer  begehen.  Die 
zahlreichen,  teilweise  mächtigen  Steine  sind  vom  Wasser  rund  geschliffen 
und  gewöhnlich  dicht  mit  Tangen  bedeckt,  die  ihrer  erheblichen  Glätte  wegen 
das  Betreten  erschweren.  Nur  langsam  kommt  man  vorwärts  und  ist  doch 
beständig  in  Gefahr  zu  fallen.  Die  kleineren  Steine  dagegen  sind  oft  von 
andern  üppigen  Tangarten  überwuchert,  wodurch  Erhebungen  und  Vertiefungen 
unsichtbar  werden.  Weit  bequemer  ist  es  natürlich,  solche  Strandpartien 
mit  dem  Boote  zu  befahren,  wobei  man  auch  selten  einen  Vogel  übersehen 
wird.  Will  man  schießen,  muß  man  freilich  beim  Erblicken  des  Objektes 
rechtzeitig  ans  Land  gehen,  das  Boot  weiterfahren  lassen,  selbst  aber  zu 
Fuße    sich    anpirschen.     Da    zwischen    den   Felsbrocken  Unmengen   kleiner 


62  l^as  Meer. 

Meertien;  zurückbleiben,   Hiuleii  di(!  Vögel  reiclilirlic  Niiliruiig  und  ))esucheii 
aus  diesem  Grunde  den  (ileröllstrund  sehr  ^crn. 

Am  häufigsten  tritt't  man  den  Meeressti-andläufer  (ArqnateUa  maritima), 
der  sich  äußerst  geschickt  hinter  den  Steinen  zu  verbergen  weiß.  Nicht 
selten  läßt  er  so  den  Menschen  l>is  auf  wenige  Schritte  herankommen,  um 
dann  ein  kleines  Stück  weiterzufliegen  und  dasselbe  Spiel  von  neuem  zu 
beginnen.  Oft  begegnet  man  auch  dem  Rotschenkel  (Totanus  totanus),  der 
alle  andern  Vögel  warnt  und  dem  Scliützen  nicht  selten  das  mühsamste 
Anpirschen  verdirbt.  Hinter  großen  Steinen  gedeckt  gelingt  es  freilich  mit- 
unter, den  schlauen  Vogel  selbst  zu  überlisten.  Zur  Zugzeit  kann  mau  • 
Tnnga  carmtus  und  große  Scharen  nicht  allzu  scheuer  Arenaria  interpres  am 
Strande  bemerken  und  außer  den  Möven,  die  gern  auf  den  großen  Steinen 
sitzen,  auch  Scharben  (Fhalacrocorax  carbo  und  graculus)  erblicken,  die  im 
Wasser  verschwinden,  ehe  man  sich  dessen  versieht.  Ral)en  und  Falken 
übei-fliegen  die  Strandpartien  nach  Beute,  und  zuweilen  hakt  auch  der 
mächtige  Seeadler  (Haliaetus  alhicilla)  auf  einem  tangbewachsenen  Steine 
auf,  um  den  Enten  naclizustellen,  die  besonders  zur  Zugzeit  die  Meeres- 
küsten bevölkern.  Charaktervögel  des  felsigen  Strandes  sind  endlich  die 
nützlichen  Eiderenten,  die  freilich,  weil  kolonienweise  brütend,  nicht  tiberall 
angetroffen  werden.  Doch  unternehmen  sie  stundenweite  Ausflüge  von 
ihrem  Brutorte. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  daß  die  Geröllflächen  am  Strande  mit- 
unter recht  vogelreich  sein  können,  zumal  sie  selten  von  Menschen  beunruhigt 
werden.  Will  man  aber  die  ganze  Menge  der  nordischen  Seevögel  beobachten, 
muß  man  sich  an  deren  Brutplätze  begeben,  wo  der  Ornitholog,  der  zum 
ersten  Male  oder  nach  längerer  Abwesenheit  dahin  kommt,  in  der  Betrachtung 
geradezu  schwelgen  kann.  Ich  meine  hierbei  weder  die  himmelaustrebendeu 
Felsen,  wo  einsam  ein  Seeadlerpaar  horstet  oder  die  trägen,  sondei'baren  Ge- 
stalten der  Kormorane  friedfertig  beieinander  sitzen,  noch  die  grasbewachsenen 
Inseln,  auf  denen  Eiderenten  oder  Seesciiwalben  nisten,  sondern  vielmehr  die 
sogenannten  Vogelberge,  wie  Island  solche  in  ziemlicher  Anzahl  besitzt. 
Es  sind  das  gewöhnlich  steil  aus  dem  Meere  aufsteigende  Klippen,  Inseln 
und  Vorgebirge,  die  von  einer  an  Arten  geringen,  an  ludividuenzahl  aber 
nicht  selten  ungeheuren  Menge  von  Seevögeln  bewohnt  werden.  Solange 
man  zurückdenken  kann,  sind  derartige  Orte  zu  gleichem  Zwecke  benutzt, 
während  viele  andere,  scheinbar  ebenso  gtinstige,  dauernd  unberücksichtigt 
bleiben.  liier  und  da  besetzt  nur  eine  einzige  Art  den  ganzen  Berg,  der 
dann  zwar  Leben  und  Bewegung,  jedoch  wenig  Abwechslung  zeigt.  Ungleich 
interessanter  sind  die  Plätze,  wo  verschiedene  Gattungen  nebeneinander  brüten, 
was  auch  bei  den  meisten  der  bedeutenderen  Vogelberge  der  Fall  ist.  Als 
bekannteste  und  wichtigste  derselben  seien  aufgezählt  die  Inseln  Papey  und 
Sküdr,  sowie  die  Klippen  vor  Vopnafjörclr  im  Osten  Islands,  im  Nordosten 
Gap  Digranes  und  Langaues,  im  Norden  die  unbewohnten  Mänäreyjar,  Grimsey 
im  Eismeere,  die  kleine  Insel  Drangcy  im  Skagafjördr  und  der  Hornbjarg 
bei  Cap  Nord,  ferner  im  westlichsten  Funkte  Islands  Lätrabjarg  und  südlich 


Griiusey.  63 

von  Reykjavik  der  Vogelberg  bei  Krisuvik,  endlich  die  bedeutendste  Insel- 
gruppe im  Süden,  die  Vestmannaeyjar.  Hiermit  ist  die  Zahl  der  Vogelbergo 
aber  keineswegs  erschöpft. 

Die  gTößte  Menge  von  Vögeln  mag  wohl  der  Hornbjarg  am  Cap  Nord 
aufweisen,  doch  ist  dieser  nie  ornithologisch  genauer  untersucht  worden. 
Die  unwirtliche  Gegend,  nach  der  man  nur  äußerst  schwierig  gelangen  kann, 
wird  bloß  von  wenigen  armseligen  Menschen  bewohut,  welche  die  Vögel 
zweifellos  in  weit  geringerem  Maße  als  anderwärts  beunruhigen.  Wenn  man 
mit  dem  Schiffe  längs  der  Küste  dahinfährt,  ist  man  erstaunt  über  die  Zahl 
der  Lummen,  die  das  Meer  in  langen  Streifen  bedecken,  und  stundenlang 
fährt  man  dahin,  ehe  die  Vögel  verschwinden,  üuunterbroclien  hüpfen  einzelne, 
Fröschen  ähnlich,  mit  flatternden,  schweren  Flügelschlägen  über  das  Wasser 
oder  tauchen  erschrocken,  wenn  das  Schiff  allzuschnell  näherkommt.  Eine 
Schätzung  der  Zahl  auch  nur  der  gesehenen  Vögel  ist  kaum  möglich.  Wie 
reich  muß  doch  das  Meer  sein,  um  all  die  Scharen  zu  ernähren,  denen  sich 
außerdem  Eissturmvögel  (Fulmarus  glacialü),  Dreizehenmöven  (Rissa  nssa), 
Papageitaucher  (Fratercula  arctica),  Lunde  (Cepphus  grylle)  und  vielleicht  noch 
andere  Arten  zugesellen. 

Da  die  Vogelberge  von  großer  Bedeutung  für  die  Bewohuer  der  Gegend 
sind,  zugleich  aber  auch  die  ornithologisch  auffälligsten  Örtlichkeiten  jener 
nördlichen  Länder  darstellen,  will  ich  zwei  der  interessantesten,  nämlich  die 
größten  Gestadeinseln  Islands,  im  Norden  Grimsey,  im  Süden  die  Vest- 
mannaeyjar, eingehender  besprechen.  Ich  knüpfe  meine  Schilderungen  an 
Grimsey,  die  dadurch  vielleicht  an  Interesse  gewinnen,  weil  diese  Insel  selten 
zwecks  wissenschaftlicher  Forschungen  besucht  worden  ist. 

Grimsey  (Nordisland). 

Grimsey^)  liegt  ungefähr  unter  66^  35'  n.  Br.  und  18"  2'  w.  L.  v.  Gr. 
Im  Juni  1820  weilte  Fr.  Faber  auf  der  Insel,  ein  Jahr  darnach,  nämlich 
vom  21.  Mai  bis  8.  Juni  1821,  F.  L.  A.  Thienemaun;  1837  hielt  sich  W.  Proctor 
vom  3. — 17.  Juli  daselbst  auf;  seit  dieser  Zeit  aber  wurde  das  Felseneiland 
nicht  wieder  ornithologisch  untersucht.  Grimsey  ist  von  länglicher  Gestalt. 
Seine  größte  Ausdehnung  in  ziemlich  nordsüdlicher  Richtung  beträgt  ungefähr 
6,5  km,  die  größte  Breite  2,8  km.  Von  dem  ihm  nächsten  Punkte  Islands, 
der  Mündung  des  Eyjafjördrs,  liegt  es  ca.  47  km  nordnordöstlich.  Das  Süd- 
westende der  Insel  ist  am  niedrigsten.  Hier  lagert  sich  den  kaum  5 — 10  m 
hohen  Felsen  ein  Stück  flacher  Strand  vor,  der  mit  glatten  Steinen  bedeckt 
ist.  Vor  der  Südspitze  liegen  zwei  Klippen,  Flesjar,  die  stets  über  dem 
Wasser  sichtbar  sind  und  von  deren  südlichster  ein  kurzes  Rift'  ^msschießt 
(Fig.  17).  Die  Westküste  ist  bloß  an  wenigen  Stellen  höher  als  50  m. 
Trotzdem  macht  die  Steilheit  der  Felsen  ein  Hinabklettern  nach  dem  schmalen 
Strande  nur  hier  und  dort  möglich.     An  dieser  Küste  befinden    sich  auch 


^)  Nach  allgemeinen  Gesichtspunkten  habe  ich  die  Insel  beschrieben  im  Dresdner 
Anzeiger,  Frühjahr  1904. 


64 


Lfrimsey. 


die  einzigen  Ankerplätze,  diu-li  ist  die  Landung-  .seihst  nur  in  kleinen  Booten 
zu  bewerkstelligen  und  wird  selir  oft  durch  Dünung  ersclnvert  oder  sogar 
unmöglich.  Weiter  nach  Norden  zu  ist  die  AVestküstc  höher  und  fast  überall 
senkrecht  abfallend,  während  die  Nordspitze  wieder  etwas  tiefer  liegt  (Fig.  18). 
Am  höchsten  ist  die  Ostseite,  an  der  die  Felsen  etwa  140  m  ins  Meer  ab- 
fallen. An  einigen  Stellen  der  Küste  sind  kleine  Klippen  vorgelagert,  die 
teilweise  kaum  über  das  Wasser  ragen,  teilweise  aber  auch,  wie  die  llafsülastapa 
im  Osten,  steil  und  hoch  aufsteigen  (s.  Fig.  25).  Im  Innern  zeigt  Grimsey 
ein  welliges  Plateau,  das  von  einigen  kaum  sichtbaren  Pfaden  durchzogen 
wird.  Hier  und  dort  erhel)en  sich  saufte  Hügel,  die  aber  kaum  die  Höhe 
der  Ostküste  überragen.  Dazwischen  liegen  kleinere  und  größere  Täler.  An 
einigen  Stellen  tinden  sich  Geröll-  und  Sandflächen,  an  anderen  merkwürdig 
gestaltete  Klüfte  und  Felspartien,  die  ebenfalls  des  Pflanzenwuchses  entbehren. 


Fig.  17.     Südwestlicher  Strand  auf  Grimsey. 


Im  allgemeinen  muß  man  das  Innere  Grimseys  öde  und  einförmig  nennen. 
Etwas  Abwechslung  bieten  eine  Anzahl  Süßwasserteiche  von  etwa  3 — 25  m 
im  Durchmesser,  die  von  Hügeln  eingeschlossen  werden,  teilweise  aber  im 
Sommer  vertrocknen.  Sie  sind  die  Sammelorte  zahlloser  Vogelscharen,  ins- 
besondere der  Seeschwalben  und  dreizehigen  Möven,  die  in  buntem  Gewimmel 
darüber  hinwegfliegen  oder  sich  auf  dem  Wasserspiegel  niederlassen,  um  zu 
trinken,  zu  baden  und  Nahrung  aufzunehmen.  Fließende  Gewässer  fehlen 
durchaus.  Das  Klima  Grimseys  ist  Seeklima,  im  allgemeinen  feucht,  rauh 
und  stürmisch.  Auch  unter  dem  Treibeise  muß  die  Insel  oft  leiden.  Dem- 
zufolge ist  die  Pflanzenwelt  äußerst  dürftig  und  besteht  größtenteils  nur  aus 
kurzen  Gräsern  und  Moosen:  höhere  Gewächse  fehlen  vollständig.  Außer 
ein  paar  Sehafen,  zwei  Pferden  und  einer  Kuh  flnden  sich  keine  Säugetiere 
auf  der  Insel,  ebensowenig  I^eptilien  oder  Amphibien. 


Grmisev. 


65 


Von  um  so  gTößercr  Bedeutung  für  die  etwa  75  Menseben,  die  es 
gewagt  haben,  die  unwirtliche  Insel  7AI  ihrer  Heimat  zu  wählen,  sind  deshalb 
die  unzähligen  Vögel,  die  dem  kleinen  Felseneilande  sein  Gepräge  verleihen, 
ja  die  zweifellos  die  Hauptursache  zur  Besiedelung  desselben  gewesen  sind. 
Kaum  ein  Stückchen  Land  gibt  es  auf  der  ganzen  Insel,  wo  niclit  der  Be- 
sucher von  Vögeln  umgeben  wäre  oder  wenigstens  ihre  Stimme  vernähme. 
Höchstens  in  einigen  der  kleinen,  tiefen  Täler  kann  es  vorkommen,  daß  mau 
auf  Viertelstunden  unberührt  und  ungestört  von  dem  bunten  Vogelleben  über 
sich  bleibt.  Für  den  Oruithologen  ein  interessantes  Land!  Freilich  jeder 
andere  Besucher  muß  hier  halb  und  halb  zum  Oruithologen  werden.  Die 
Zahl  der  regelmäßig  auf  der  Insel  brütenden  Arten  ist  freilich  gering.  Was 
aber  an  Artenreichtum  abgeht,  wird  durch  Individuenzahl  ersetzt. 


Fig.  18.     Blick  auf  die  Nordspitze  von  Grfmsey. 


Der  häufigste  und  zugleich  auffälligste  Vogel  im  Innern  Grimseys  ist 
<iie  Küstenseeschwalbe  (Slerna  niarrnra),  die  in  ungeheuren  Mengen  die  sonst 
ao  trostlosen,  öden  Moos-  und  Grasflächen  belebt.  Zur  Brutzeit  können  diese 
Vögel  den  Besucher  fast  zur  Verzweiflung  bringen,  indem  sie  nicht  nur  mit 
ihrer  durcadringenden  Stimme,  besonders  einem  scharfen  Kria  —  so  ja  auch 
der  gebräuchlichste  isländische  Name  der  Art  —  ihn  fortwährend  umfliegen, 
sondern  auch  pfeilschnell  auf  den  Kopf  des  Menschen  herabstoßen,  was  mit- 
unter wirklich  schmerzt. 

Ungleich  wichtiger  sind  die  9  Arten  der  sogenannten  Felsenvögel,  die 
an  den  steil  abfallenden  Basaltwändeu  und  Klippen  ihre  Wohnung  auf- 
geschlagen haben,  ein  unwirtiiclies  und  unsicheres  Heim  freilich,  das  von 
abrollenden  Steinen,   von  Sturm    und  Brandung   fortwährend   bedroht   wird! 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands.  5 


66  (inrnsey. 

Und  doch,  der  Ausblick  auf  das  weite,  wilde  Meer,  das  all  die  tausend  und 
abertausend  Tiere  beständig  mit  Nahrung  versorgt,  das  am  Fuße  ihrer  stolzen 
Felsenwohnung  immerfort  grollt  und  wogt,  ist  ihnen  Lebensbedingung;  ge- 
fangen und  im  Hause  oder  auch  im  Freien  abseits  des  Meeres  losgelassen, 
laufen  sie  elend  flatternd  am  Boden  umher,  fahren  in  alle  Ecken  und  Löcher 
oder  verhalten  sich  wie  geistesabwesend  ganz  still. 

Oben  am  Rande  der  hundert  Meter  hohen  Bergwände  sitzen  die  sonder- 
baren Papageitaucher  (Fratermla  arctica)  mit  dem  bunten  breiten  Schnabel. 
In  etwas  geschützten  Vertiefungen  brüten  die  fetten  f^issturmvögel  (Fnlmarus 
glacialis).  In  großer  Menge  bewohnen  die  Dreizelienmöven  (Rissa  rlsm)  den 
oberen  Teil  der  Vogelbergc,  sowie  die  niedrigeren  Felsen  und  Klippen.  Die 
nützlichsten  Arten  dieser  Seevögel  sind  die  Alke  (Alca  torda)  und  Lummen. 
von  denen  Uria  lomvia  am  häufigsten  ist,  wäln-end  Uria  troile  seltener  ge- 
funden wird.  Der  große  weiße  Tölpel  (Sida  bassana,  isländisch  Hafsühi) 
brütet  nur  auf  der  Hafsülastapa  und  einem  Stück  des  gegenüberliegenden 
Felsens.  Die  Gryll-Lumme  (Cepphus  grylle)  hat  ihi-e  Bruthöhlen  gewöhnlicli 
abseits  von  anderen  Arten  in  geringer  Höhe  über  dem  Meere.  Der  kleine 
Kra])bentaucher  (Alle  alle)  legt  sein  Ei  zwischen  die  abgestürzten  mächtigen 
Geröllbrocken  am  Grunde  einiger  Felsen.  Er  wohnt  sonst  an  keiner  Stelle 
von  Island  und  hat  zugleich  hier  auf  Gri'msey  seinen  südlichsten  bekannten 
Brutplatz  (siehe  Fig.  20). 

Wenn  im  Frühjahre  das  Meer  eisfrei  zu  werden  beginnt,  kommen  die 
Seevögel  nach  der  Insel.  In  laugen  Reihen  sitzen  sie  dann  später  auf  jedem 
Vorsprunge  der  Felsen,  um  ihi*  einziges  großes  Ei  abzulegen,  das  sie  viele 
Wochen  bebrüten,  wenn  es  nicht  durch  Naturgewalten  vernichtet  oder  von 
den  Menschen  weggeholt  wird.  Für  den  Binnenländer  ist  es  ein  doppelt 
interessanter  Anblick,  dem  unbeschreiblichen  Gewimmel  der  zahllosen  Vögel 
zur  Brutzeit  zuzuschauen. 

Unten  brandet  dumpf  das  dunkle  Meer,  mit  leuchtend  weißem  Rande 
den  schmalen  Küstenstreifen  einfassend;  gespenstische  Nebelwolken  flattern 
drüber  hin,  und  der  Sturm  rast  gegen  die  senkrechten  Felsen.  Krampflmft 
an  den  Vorsprüngen  sich  festhaltend  klettert  man  in  eine  geschützte  Erd- 
nische, läßt  sich  nieder  und  schaut.  Wenige  Meter  entfernt  sitzen  eine 
Menge  Papageitaucher.  Sie  verlassen  den  einmal  gewählten  Platz  nicht 
sogleich,  trotzdem  sie  hin-  und  herbalaucierend  immerfort  gegen  den  Sturm 
ankämpfen  müssen.  Mit  äußerst  raschen  Flügelschlägen  eilen  in  großen 
Bogen  die  Alke  dahin.  Froh,  endlich  nach  mehrfaclieu  vergeblichen  Ver- 
suchen den  Brutplatz  erreicht  zu  haben,  läßt  sich  flatternd  eine  Lumme  auf 
ihr  Ei  herab.  Aber  ein  Windstoß  faßt  sie  unter  den  halb  geöffneten  Flügeln : 
aufschlagend  rollt  das  große  grüne  Ei  hinunter,  was  der  Vogel,  der  nun 
erst  festen  Fuß  auf  dem  mit  Löffelkraut  (Cochleana  groenlandica)  be- 
wachsenen Erdrande  gewinnt,  scheinbar  kaum  bemerkt.  Knurrend  kriechen 
jetzt  die  Papageitaucher  in  ihre  Bruthöhlen,  und  brummend  zanken  sich  die 
dickschnäbligen  Lummen.  Aber  spielend  mit  der  bewegten  Luft  schwebt 
als  Flugkünstler  der  Eissturmvogel  dahin.    Wie  er  mit  den  einzelnen  Federn 


Grimsey. 


67 


der  oft  sonderbar  gebogeueu  Flügel  und  des  Schwanzes  gegen  den  Wind 
operiert!  Wie  er  die  Füße  vor-  und  rückwärts  biegt  und  langsam  mit  ge- 
spreizten Zehen  und  Schwimmhäuten  in  der  Luft  rudert!  Wie  er  den  ganzen 
Körper  nach  allen  Kichtungen  dreht  und  die  merkwürdigsten  Schwenkungen 
ausführt!  Dann  wieder  beschreibt  er  einen  schönen  Bogen,  um  abermals 
ohue  wirkliche  Flügelschläge  minutenlang  an  derselben  Stelle  zu  verharren. 
Mit  lautem  Kreischen  durchwirbeln  die  leichten  weißen  Scharen  unzähliger 
Dreizehenmöven  die  bewegte  Luft.  Ein  unbeschreibliches  Durcheinander  ist 
es,  aber  kein  hastiges  und  ungeschicktes,  nein,  ein  von  tausend  gewandten 
Flugkünstlern  ausgeführtes  Ballett,  dem  man  zuschauen  kann,  so  lange  man 
will,  und  der  einzige  Zuschauer  ist  man  selbst. 

Die  Stunden  gehen  dahin!     Der  Sturm   hat  sich   gelegt,   die  düsteren 
Nebel   sind    fortseflooen  nach  anderem  Lande;    ein  Frieden   gießt   sich   aus 


Fig.  19.     Oberster  Teil  eines  Vogelberges  auf  Grimsey. 


über  die  ganze  Welt,  „am  Abend  wird  es  licht  sein!"  Überall  sitzen  die 
weißschwarzen  Vogelgestalten  auf  den  Felsen  und  putzen  das  Gefieder,  gi-oße 
Scharen  liegen  tief  unten  auf  dem  Meere,  dessen  uralter  Sang  vom  Kommen 
und  Vergehen  noch  immer  heraufhallt  an  dein  Ohr.  Und  noch  immer  um- 
gaukeln dich  die  Tänzer  der  Lüfte,  mit  dem  unmelodischen  Zusammenklange 
ihrer  Stimmen  die  Luft  erfüllend. 

Die  Sonne  sinkt:  Mittnachtssonne!  Glühend  übergießt  sie  den  ganzen 
Himmel,  leuchtend  überflutet  sie  das  weite  Meer,  schimmernd  überhaucht  sie 
die  schwarzen  Felsen,  stiehlt  sich  auch  hinein  in  die  Brust  des  einsamen  Be- 
schauers. —  Etwas  stiller  wird's  am  Berge.  Die  Männclien  kommen,  um 
die  Weibchen  im  Brüten  abzulösen,  das  bunte  Gewimmel  in  der  Luft  verringert 

5* 


ßg  Verzoichnis  der  Vöfjel  Griinseys. 

sich,  aluT  Felsen  und  Meer  sind  dicliter  mit  ruhenden  Vrtf^eln  l)edeckt. 
Doch  nur  wenige  Stunden  n:ich  Mitternaelit  beginnt  von  neuem  das  geseliäftige 
Treiben.  Und  auch  der  Ornitliolog  erliebt  sieli  mit  dem  Bewußtsein,  wieder 
einige  Stunden  verlebt  zu  haben,  die  ihn   voll  befriedigten  (Fig.  19). 

Verzeichnis  der  Vögel  Grimseys. 

Nach  eig^enon  Untersuchungen  uud  nach  JVIitteihingen  der  Bewohner,  insbesondere 
des  besten  Vogelkcnners  der  Insel,  Yngvar  Gudmundsson,  sowie  des  Pfarrers  Matthias 
Eggertsson.  Außer  den  angeführten  Arten  wurden  in  den  letzten  .Jahrzehnten  noch 
einige  andere  nnbestimnibare  beobachtet.  Die  mitverzeichneten  isländischen  Namen 
sind  die  auf  der  Insel  gebräuchlichen. 

1.  Urinator  imber  (Gunn.),  Himbrirai.     Gelegentlicher  Gast  im  Spätsommer. 

2.  Urinator  lumme  (Gunn.),  Lömur.     Gelegentlicher  Gast. 

3.  Fratercula  ardica  glacialis  Steph.,   Lundi.     Häufiger   Brutvogel   im   oberen  Teile 
der  Vogelberge. 

4.  CeppJnis  grylle  grylle  (L.),  Teista.     Nicht  seltner  Brut-  und  Standvogel,  in  kleinen 
Kolonien  getrennt  von  anderen  Arten. 

5  a.    Uria  trolle  troile  (L.),  Langvia.     Nicht  häufiger  Brut-   und  Standvogel,    mehr  im 
unteren  Teile  der  Felsen, 
b.    Uria  troile  troile  (L.)  var.  rliingvia  (Brunn.),  Hringvia.     Seltene  Abart. 

6.  Uria  lomvia  lontvia  (L.),  Stuttnefja.     Gemeiner  Brut-,  Stand-  imd   Wintervogel. 

7.  Alca  torda  L.,  Alka.     Häufiger  Brutvogel. 

[Alca  impennis  L.,  Geirfugl.  Eine  Schar  soll  nach  Erkundigungen  Preyers 
(Naumann  XII,  S.  194)  c.  1838 — 40  nach  Grimsey  gekommen  und  daselbst  getötet 
worden  sein.  Pastor  Matthias  Eggertsson  fand  hierüber  in  alten  Kirchenbüchern 
u.  dgl.  nichts  aufgezeichnet.  Auch  die  ältesten  Bewohner  Grimseys  können  sich 
nicht  erinnern,  von  dem  Erscheinen  des  Vogels  gehört  zu  haben.] 

8.  Alle  alle  (L.),  Haftirdill.     In  150—200  Paaren  Brut-  und  Standvogel. 

9.  Megalestris  skua  (Brunn.),  Häkallskümur.     Gelegentlicher  Gast. 

10.  Stercorarius  parasiticus  (L.)  ?,  Kjöi.     Gelegentlicher  Gast. 

11.  Rissa  rissa  rissa  (L.),  Skegla.     Gemeinster  Brutvogel   an  den  Felsen,    im   Winter 
selten. 

12.  Larus  niarinus  L.,  Svartbakur.     Seltener  Brutvogel,  doch  häufiger  Gast. 

13.  Laras  glaucus  Brunn.,  Grämäfur.     Wahrscheinlich  nicht  Brutvogel,   aber   ziemlich 
häufiger  Gast. 

14.  Larus  leucopterus  Faber,  Hvitmäfur.     Häufiger  Herbst-  uud  AVintergast. 

1.5.    Sterna   macrura   mncrura   Naum.,   Kria.      Gemeiner   Brutvogel   auf   dem    grasigen 
Plateau  des  Inuern. 

16.  Fulmarus  glacialis  glacialis  L.,   F^lingur.     Häufiger   Brut-    und    teilweise   Stand- 
vogel. 

17.  Puffinus  puffinus  (Brunn.),  Skrofa.     (xelegentliciier  Gast. 

18.  Puffinus  gravis  (O'Ileilly),  Störa  Skrofa.    Der  geiuiuen  Beschreibung  zufolge  mehr- 
maliger (jast. 

lit.  Siila  bassana  (Ij.),  Hafsüla.     In  etwa  50 — 70  Paaren  Brutvogel  auf  der  Hafsülastapa 
und  dem  gegenüberliegenden  Felsen. 

20.  Phalacrocorax  carba  (L.),  Skarfur.     Zeigt  sich  zuweilen  im  Herbste. 

21.  Plialacrocorax  graculus  graculus  (L.),  I^oppskarfur.     Seltener  Gast. 

22.  Anas  boschas  L.,  Gräönd.     Mitunter  zu  den  Zugzeiten. 

23.  Nettion  erecca  crecca  (L.),  Urtönd.     Vereinzelt  im  Herbste  beobachtet. 

24.  Clangula  hyemalis  (L.),  Hävella.     Gelegentlich  zu  den  Zugzeiten. 

2.5.    Soinateria  spectabilis  (L.),  ^darköngur.    Seitoner  Gast.    Anfang  .Juni   l!)()t  ein  cJ 

erlegt. 
2(i.    Somateria  mollissima  mollissinui  (L.).  ^Edar.     Häufiger  Brut-  uud  Standvogel. 


Vestmannaeyjar.  ()<» 

27.  Oidemia  nigra  nigra  (L.),  Hrafnsönd.     Gelegentlicher  Herbst^ast. 

28.  Anser  sp.'^,  Grägaes.     Vereinzelt  im  Frühjahre. 

29.  Branta  leitcopsis  (Bchst.),  Helsingi.     Ziemlich  regclmäliiger  Herbstrlnrchzügler. 
'■iO.  Cygnus  cygnus  (L.),  Svanur.     Selten  im  Frühjahre. 

."U.  Ardea  cinerea  L.,  Hegri.  Ansnahmsweiser  Gast.  Nach  Fabers  Mitteilungen  wurde 
ein  Exemplar  Ende  September  1819  auf  der  Insel  gefangen  (Prodromus  S.  23). 

.'32.  Ciconia  ciconia  (L.),  Storkur.  Yngvar  Gudmundsson  versicherte  mit  Bestimmtheit, 
im  Frühjahr  1856  ein  Exemplar  auf  der  Insel  beobachtet  zu  haben. 

••{3.    Crytnophilus  fulicarins  (L.),  ^örshani.     Seltner  Gast. 

.'{4.  Phalaropus  Johafus  (L.),  Odinshani.  Häutiger  Brutvogel  an  den  Süß\vasserteich<Mi 
im  Innern. 

■iö.    Arquatella  maritima  maritima  (Brunn.),  Sendlingur.     Vereinzelter  Brutvogel. 

36.  Palidna  alpina  schimii  (Brehm),  Tj6u|7ra!ll.  Nicht  seltner  Brutvogel,  besonders  im 
südlichen  Teile  der  Insel. 

37.  Calidris  arenaria  (L.),  Sanderia.  Soll  nach  Fabers  Vermutung  auf  der  Insel  ge- 
brütet haben,  was  jetzt  bestimmt  nicht  mehr  der  Fall  ist.  Kommt  wohl  gelegentlich 
zur  Zugzeit. 

38.  Totanus  totanus  (L.),  Stelkui-.     Gelegentlicher  Gast. 

39.  Numenins  phaeopiis  phacopus  (L.),  Spöi.  Kommt  mitunter  zur  Zugzeit.  Brut- 
angaben, wenigstens  aus  neuerer  Zeit,  sind  in-tümlich. 

10.     Vanelhis  vanellus  (L.),  Vepja.     Wurde  einmal  im  Frühjahre  beobachtet. 

U.    Charadrins  apricarius  L.,  Loa.     Brütet   in  wenigen  Paaren    im    Innern    der   Insel. 

42.  Aegialitis  hiaticula  (L.),  Sandlöa.     Nicht  seltner  Brutvugel  im  Innern. 

43.  Arenaria  interpres  (L.),  Tildra.  Seltner  Gast.  Ich  fjind  die  tjberreste  eines 
Exemplars,  Kopf  deutlich  erhalten,  Ende  Juni  1903. 

4:4.  Haematopus  ostralegus  L.,  Tjaldur.     Selten  im  Spätsommer. 

45.  Lagopus  rupestris   islandormu  (Faber),  Rjüpa.     Mitunter  im  Winici-    bei    viel   Kis. 

46.  Haliaetus  alhicilla  (L.),  Orn.     Kommt   selten  während    der  Brutzeit   der  Seevfigel. 

47.  Hicrofalco  gyrfalco  islandus  (Brunn.),  Fälki.  Besucht  die  Insel  gelegentlieh  /u 
allen  Jahreszeiten.     Im   Winter  oft  sehr  helle  grönländische  Exemplare. 

48.  Falco  mcrillus  ((rer'nn),  Smirill.  Kommtabundzu, besonders  im Frühjahreund  Herbste. 

49.  Nyetea  nyctea  (L.),  Kattugla.     Nicht  seltner  Wintergast. 

.'")0.    Apus  apus  apns  (L.),  Svala.     Ansnahmsweiser  Gast.    Am  2.  ,luli  1903  ein  einzelnes 

Exemplar  von  mir  erlegt. 
.')1.    Corvus  corax  principalis  Ridgw.,  Hrafn.     Seit  alten  Zeiten  brütet  regelmäßig  nur 

ein  Paar  auf  der  Insel,   auch  die  .Jungen    werden    bald    fortgetrieben.     Im  Winter 

ausnahmsweise  mehrere  Vögel. 

52.  Corvus  cornix  cornix     Ij.,  Kräka,     Ist  einige  Male   im  Spätjahre  gesehen  winden. 

53.  Corvus  frugilegus  frugilegus  L.,  Kräka.     Seltener  Wintergast. 

54.  Passerina  nivalis  nivalis  (L.),  Snjotitlingur.  Häufigster  Kleinvogel  dei-  Insel. 
Regelmäßig  daselbst  überwinternd. 

55.  Motacilla  alba  alba  (L.),  Märiatla.  Nicht  seltener  Brutvugel,  gel(;gentlicli  üImt- 
winternd. 

56.  Anthus  pratensis  (h.).  Grätitlingur.     Nicht  häuüger  Brutvogel. 

57.  Anorthwa  troglodytes  borealis  (Fisch.).  Müsarbroctir.  Ab  und  zu  ist  ein  ('nur  brütend 
beobachtet  worden. 

58.  Turdus  iliacus  coburni  Sharpe,  Skögarl'röstur.  Zeigt  sich  nicht  selten  im  Früh- 
jahre und  Herbste. 

59.  Saxicola  oenanthc  Icucorrhoa  (Gm.),  Steindepill.  Regelmäßiger,  aber  nicht  hüuliycr 
Brutvogel. 

Vestmannaeyjar  (Südisland). 

Die  Westmaim-Inselu  liegen   ungefähr  unter  63"  25'  n.  Hr.  und  2«"" 
15'  w.  L.  V.  Gr..  von  der  benachbarten  siidisländiscben  Küste  etwa  6 — 25  kin 


70  Verzoiclinis  der  N'üoel  der  Vostniantiaeyjar. 

euttVriit.  Von  den  über  ein  Dutzend  gröLk'ren  Klijiiien  ist  nur  die  H;iui>t- 
insel  Heiniiiey  von  (5  —  700  Menschen  bewohnt,  die  sicli  durch  Fischfang, 
Schafzucht  und  Vogelfang  ernähren.  Heiraaey  fällt  nach  Norden  zu  flach  al> 
und  besitzt  dasell)st  eine  Art  Hafen.  Die  Insel  ist  vielerorts  mit  kahlen 
Lava-  und  Tufffelderu  bedeckt  und  steigt  im  Osten  zu  dem  300  m  hohen 
Helgafell  em])or.  Der  übrige  Teil  der  durchaus  vulkanisdieu  Insel,  wie  auch 
die  zahlreichen  andern  Klippen,  senken  sich  steil  ins  Meer  und  bieten  den 
.Seevögeln  geeignete  Brutplätze.  Die  Menge  der  auf  den  Vestmannaeyjarn 
brütenden  Individuen  ist  wohl  noch  größer  als  auf  Grimsey,  der  Anblick  der 
Vogelberge  aber  in  beiden  < jrtlichkeiten  sehr  ähnlich. 

Verzeichnis  der  Vögel  der  Vestmannaeyjar. 

Besonders  nach  den  mir  liebenswürdigst  von  Herrn  Kreisarzt  porsteinn  .lönsson 
daselbst  gemachten  Angaben.  Die  mitverzeichneten  isländischen  Namen  sind  die  unter 
der  Bevölkerung  gebräuchlichen. 

1.  Urinator  imber  ((Tunn.),,Himbrimi.     Gelegentlicher  Gast. 

2.  TJrinator  lumme  (Gunn.),  Lömur.     Desgleichen. 

3.  Fratercula  arctica  glacialis  Ste])h.,  Lundi.  Gemeiner  Brutvogel,  besonders  auf 
Ystaklett. 

4.  Cepphiis  grylle  grylle  (L.)  Tcista.  Nicht  besonders  zahlreicher  Brutvogel  in  kleinen 
Kolonien  von  höchstens  8  Paaren;  teilweise  überwinternd. 

öa.    Uria  troile  troile  (L.),  Laugvia.     Gemeiner  Brutvogel, 
b.   Uria   troile   troile  (L.)   var.  rhingvia   (Brunn.),  Hringvia.     Jiedeutend   seltner   als 
vorige  Art. 

6.  Uria  lomvia  lomvia  (L.),  Stuttnefja.  Brutvogel  auf  verschiedenen  Klippen,  doch 
in  geringerer  Zahl.     Die  Uria-Arten  ziehen  im  Winter  zum  größten  Teile  fort. 

7.  Alca  torcla  L.,  Alka.     Häufiger  Brutvogel. 

[Alca  impennis  L.,  Geirfugl.  Hat  besonders  auf  den  südlichen  Klippen,  nach 
dem  Vogel  Geirfuglasker  genannt,  bis  zu  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  beträcht- 
licher Anzahl  gebrütet.  Das  letzte  nachgewiesene  Exemplar  wurde  1843  daselbst 
getötet.] 

8.  Alle  alle  (L.),  Haftirdill.     Mitunter  im  Spätjahr  und  AVinter. 

9.  Megalestris  skua  (Brünu.),  Skümur.     Besucht  die  Inseln  häufig. 

10.  Stercorarius  parasiticus  (L.)?,  Kjöi.     Nicht  seltner  Gast. 

11.  liissa  rissa  rissa  (L.),  Kita.     Gemeiner  Brutvogel. 

12.  Larus  marinus  L.,  Svartbakur.  Einzeln  oder  in  kleineu  Kolonien  auf  verschiedenen 
Inseln  brütend;  auch  im  AVinter  regelmäßig  anzutreffen. 

13.  Larus  glaucus  Brunn.,  Grämäfur.  An  einigen  Felsen  in  Kolonien  von  6 — 10  Paaren 
brütend;  bleibt  auch  im  Winter  da. 

14.  Larus  leiicopterus  Faber,  Hvitmäfur.     Häufig  im  Spätjahre  und  Winter. 

15.  Sterna  macrura  macnira  Nauin..  Kria.  Gelegentlicher  Gast,  brütet  nicht  auf  den 
Inseln. 

Iß.  TludassogeroH  chlor orhynchos  (Gm.),  Fuglköngur.  Wahrscheinlich  ein  einzelnes 
Individuum  hat  mehrere  Jahre  als  „Vogelkönig"  auf  einer  der  Klip])eu  gelebt 
und  wurde  1846  daselbst  erlegt. 

17.  Fulmarus  glacialis  glacialis  L.,  Fill.     Häufiger  Brut-  und  Standvogel. 

18.  Puffinus  puffinus  (Brunn.),  Skrofa.  Brütet  in  Kolonien  auf  Ystaklett  und  an 
einigen  andern  Stelleu. 

19.  Oceanodroma  leucorrhoa  (Vieill.),  Sjösvala.  Brütet  in  einigen  hundert  Paaren 
besonders  auf  der  Halbinsel  Ystaklett  und  einer  nördlich  davon  gelegenen  Klippe. 

20.  ProceUaria  pelagica  L.,  Litla  Sjösvala.  Wahrscheinlich  nicht  brütend,  sondern  nur 
gelegentlicher  Gast. 


Verzeichnis  der  Vögel  der  Vestmannaeyjar.  71 

21.  Sula  bassana  (L.),  Si'ila.     Brütet  in  einer  bedeutenden  Kolonie   auf  der  Sülasker; 
zieht  im  Winter  nicht  fort. 

22.  Phalacrocorax   carbo  (L.),  Dilaskarfur.     Brütet   in    wenigen  Paaren   an    unzugäng- 
lichen Felsen  auf  Heimaey.     Zeigt  sich  während  dos  ganzen  "Winters. 

2B.    Phalacrocorax  graculus  (L.),  Topi)skarfur.     Seltner  ßrutvogel.  im  Winter  häufiger, 

24.  Mergus  merganser  (L.),  Störa  Toppönd.     Wird   mitunter   zur  Zugzeit  beobachtet. 

25.  Mergus  serrator  (L.),  Litla  Toppönd.     Vereinzelt  im  Spät-  und  Frühjahre. 

26.  Anas  boschas  L.,  Störa  Stokkönd.     Nicht  seltner  Durchzügler  und  Wintergast. 

27.  Glaucionetta  dangula  clangula  (h.),  Hüsönd.  Ein  Exemplar  von  den  Vestmannaeyjarn 
befindet  sich  im  3Iuseum  in  liej'kjavik. 

28.  Glaucionetta  tslandica  (Gm.),  Hüsönd.     Mitunter  zu  den  Zugzeiten. 

29.  Clangula  hyemalis  (L.),  Hävella.     Auf  dem  Zuge  beobachtet. 

30.  Histrioniciis  histrionkus  (L.),   Straumönd.     Einige   Male   zur   Zugzeit   beobachtet. 

31.  Somateria  mollisslma  mollissima  (L.)  ^Edar.     Häufiger  Brut-  und  Standvogel. 

32.  Oidemia  nigra  nigra  (L.),  Hrafnsönd.     Im  Frühjahre  und  Herbste  beobachtet. 

33.  Anser  fabalis  (Lath.)?.  Grägtes.     Nicht  selten  auf  dem  Zuge. 

34.  ßranta  leucopsis  (Bchst.),  Helsingi.     Gelegentlicher  Durchzügler. 

35.  Cygnus  cygnus  (L.),  Alft.     Nicht  selten  zu  den  Zugzeiten. 

36.  Ardea  cinerea  L.,  Hegri.     Nicht  seltner  Gast;  1891  ein  Exemplar  erlegt. 

37.  Rullus   aquaticus    L.,    Keldusvin.     Gelegentlicher    Gast,    z.  B.    Januar    1902    und 
25.  November  1903. 

38.  Gallinula  cJdoropus  (L.).  Sjöha?na.     Seltener  Gast.     Am  5.  April  1882   wurde  ein 
Exemplar  tot  ans  Land  getrieben,  2  lebende  im  Herbste  1903  beobachtet. 

39.  Fulica  atra  L.,  Blesönd.     Hat  sich  mehrmals  gezeigt. 

40.  Phalaropus    lobatus    (L.),    Odiushani.      Häufiger    Gast,    besonders    im    Früh-    und 
Spätjahre. 

41.  Arquatella  maritima  maritima    (Brunn.).  Sendlingur.     Zeigt   sich    das    ganze  Jahr 
hindurch,  auch  im  Winter,  ist  aber  noch  nicht  brütend  gefunden  worden. 

42.  Palidna  alpina  schinzii  (Brehm),  LöuprajU.     Nicht  seltner  Durchzugsvogel 

43.  Totamis  totanns  (L.),  Stelkur.     Regelmäßiger  Durchzugsvogel. 

44.  Numenius  phueopus  phaeopus  (L ),  SiJÖi.     Zur  Zugzeit  häufig. 

45.  Vanellus  vanellus  (L.),  Vepja.     Ist  einige  Male  beobachtet  worden. 

4ti.    Charadrius  apricarius  L.,  Loa.     Häufig  auf  dem  Durchzuge,  brütet  jedoch  nur  in 
wenigen  Paaren  auf  Heimaey. 

47.  Aegialitis  Jiiaticula  (L.),  Sandlöa.     In  einigen  Paaren  Brutvogel,  häufiger  auf  dem 
Zuge. 

48.  Arenaria  interpres  (L.),  Tildra.     Nicht  häufiger  Durchzugsvogel. 

49.  Haematopus   ostralegus   L.,    Tjaldur.     Regelmäßiger   Durchzugsvogel,   brütet    aber 
nur  in  geringer  Zahl  auf  Heimaey. 

öO.    LagojMS  rupestris  islandorum  (Faberj,  Rjiipa.     Seltner  Wintergast, 
öl.    Haliaetus  albicilla  (L.),  Sa?örn.     Besucht  ab  und  zu  die  Vogelberge. 

52.  Hierofalco   gyrfalco   islandus   (Brunn.),   Fälki.     Gelegentlicher   Gast    während   des 
ganzen  Jahres. 

53.  Falco  merillus  (Gerini),  Smirill.     Zeigt  sich  besonders  zu  den  Zugzeiten. 

54.  C'eryle  alcyon  (L.),  isfugl.     September  1901  wurde   ein  cj   auf  Heimaey   gefangen. 

55.  Corvus  corax  principalis  Ridgw.,    flrafn.     In   einigen  Paaren  Brutvogel:    zieht  im 
Winter  nicht  fort. 

5tj.    Corvus  cornix  cornix  L.,  Kräka.     Seltner  Gast. 

57.  Corvus  fruyilegus  frugilcgus  L.,  Fiereyjahrafn.     Besucht  gelegentlich,  besonders  im 
Winter,  die  Inseln,  sehr  zahlreich  z.  ß.  1880. 

58.  Bombycilla  garrula  (L.),  Silkihali.     Eine  Schar  am  18.  Oktober  1903  auf  Heimaey; 
ein  Exemplar  davon  gefangen. 

59.  Sturnus  vulgaris  vulgaris  L.,  Stari.     Gelegentlicher  Gast. 

60.  Passer ina  nivalis  nivalis  (L.),  Sölskrikja.  Nicht  seltner  Brutvogel,  z.  T.  überwinternd. 


72  Verzeichnis  (Iit  Vögel  der  N'estmannaeyjur. 

Kl.     Hirumlo  msfica  rustica  iL.),  Svala.     Gelogentlidier  Frülijahrsgasl.     Hat  niehrnmls. 

■/..  B.  1892,   Hrutversuche  gemacht.     Frühjahr  190-1   g-rößerc  Schar,    die    aber  auch 

wieder  verschwand. 
♦)2.    Chelidonaria  urbica  urbica  (L.),  Svula.     Aiisnahnisweiser  Gast. 
(53.    Motacilla  alba  alba  (L.),  Märiatla.     Nicht;  seltner  Brutvogel. 
tj4.    Änthus  pratensis  (L.),  j'i'd'utitlinoin-.     Nicht  seltner  Briitvogel. 

65.  Anorthura    troglodytes    borealis  (Fisch.),    Mi'isarrindill.     Unregelmäßiger,    vielleicht 
manchmal  auch  übersehener  Briitvogel. 

66.  Turclns   iliacns    coburni   Sharpe,    Skögarpröstur.      Regelmüßiger    Durchzugsvogel. 
Anfang  April  vind  Mitte  Oktober. 

67.  Merula  merula  merula  (L.),  Sölsvort.     Seltener  Gast. 

68.  Saxicola  oenanfhe  lencorrJwa  (Gm.),  Steindepill.     Nicht   seltner   Brut-   und    Durch- 
zugsvogel. 


5.  Wandlungen  innerhalb  der  Vogelwelt  Islands 
in  geschichtlich  bekannter  Zeit. 

Wie  im  ersten  Abschnitte  gezeigt  worden  ist,  kann  vor  der  Zeit  l'^aliers 
(1820)  von  wissenschaftlicli  glaubliaften  Mitteilungen  über  die  Vogelwelt 
Islands  nicht  viel  die  Rede  sein.  Insbesondere  muß  man  die  Nachrichten 
über  das  Vorkommen  seltener  Spezies  kritisch  betrachten,  falls  nicht  von  ver- 
schiedenen Seiten  übereinstimmende  Berichte  vorliegen.  Nur  wenige  auf- 
fällige, charakteristische  und  deutlich  benannte  Vogelarten  ermöglichen  einen 
unmittelbaren  Vergleich  der  früheren  Verhältnisse  mit  den  heutigen. 

Zweifellos  sind  ehemals  die  weißgefleckten  Raben  (Corvus  corax 
varius  Brunn.)  ungleich  häutiger  in  Island  vorgekommen  als  jetzt.  Ja  man 
kann  wohl  annehmen,  daß  auch  die  gewöhnliche  Form  in  weit  größerer 
Menge  vorhanden  war.  zumal  man  von  Seiten  der  Bewohner  eine  gewisse 
Anzahl  der  Vögel  gern  in  der  Nähe  der  Geliöfte  duldete  und  im  Winter 
sogar  fütterte.  Wurde  der  Schaden,  den  sie  anrichteten,  nicht  allzu  bemerkbar, 
so  verfolgte  man  sie  nicht,  hatte  ja  auch  bis  in  die  neuere  Zeit  so  ungenügende 
Schießwaffen,  daß  man  den  klugen  Vögeln  wenig  anhaben  konnte.  Albinismus 
ist  nun  aber  ein  Zeichen  der  Degeneration,  tindet  sich  am  häutigsten  bei 
Standvögeln,  die  blutsverwandt  sind,  wie  dies  auf  den  Färöern  sehr  deutlich 
zum  Ausdrucke  kommt,  und  vererbt  sich  auch  leicht.'')  Hierdurch  wird  das 
liäufigere  Vorkommen  weißgefleckter  Raben  in  früheren  Jahrhunderten  ver- 
ständlich, zumal  alle  Corviden  Neigung  zum  Albinismus  zeigen.  Seitdem 
man  die  Schädlichkeit  unserer  Vogelart  mehr  erkennt,  fast  jeder  isländische 
Bauer  eine  Flinte  besitzt  und  der  Glaul)e  an  die  ünantastbarkeit  der  sicli  an 
die  Häuser  gewöhnenden  Exemplare  sehr  geschwunden  ist,  gehört  auch  Corvus 
varivs  zu  den  größten  Seltenheiten  in  Island. 

Eine  Abnahme  an  Individuenzahl  ist  ferner  bei  den  zwei  großen  Raub- 
vogelarten, dem  Seeadler  und  dem  Jagdfalken,  festzustellen.  Der  erstere 
mag  früher  nur  ganz  selten  erlegt  worden  sein.  Noch  zu  Fabers  Zeiten 
traf  man  ihn  regelmäßig  in  der  Nähe  von  Vogelbergen  und  Eiderbrutplätzen. 
Ich  sah  die  Art  nur  wenige  Male  während  meines  Aufenthaltes  in  Island, 
und  auch  die  Mitteilungen  älterer  Bewohner  der  Insel  bestätigen,  dati  die 
Zahl  der  Vögel  zurückgeht.  Ebenso  eifrig  verfolgt  man  den  Jagdfalken,  der 
sich  ja  gleichfalls  von  Nutzgeflügel  nährt.  Man  schießt  ihn  und  raubt  auch 
seine  Eier.     Auf  solche  Weise   schadet   man   den  Vögeln   weit   mehr   als   in 

^)  Vgl.  Amseln  (Merula  m,crtda)  und  Sperlinge  (  FaxHer  domci^ticus)  iinsrer  Städte. 


74  Wandlungen  innerhalb  der  Vogelwelt  Islands. 

ffülicreu  Jahrliuuderteii,  wo  man  sie  zwar  fing,  im  übrigen  aber  als  ein 
ständig  sich  verzinsendes  Kapital  beschützte. 

Vielleicht  im  Zusammenhange  mit  dieser  Abnahme  steht  das  ziemlich 
häufige  Vorkommen  des  Steinfalken  (Falco  menlhis),  dessen  Zahl  zuzunehmen 
scheint.  Während  der  Vogel  von  verschiedenen  älteren  Schriftstellern  gar 
nicht  genannt  wird,  und  auch  Faber  ihn  als  ziemlich  selten  bezeichnet,  ist 
er  heutzutage  allbekannt  und  ungleich  häufiger  als  die  beiden  anderen  Raub- 
vogelarten. Er  wird  wenig  verfolgt,  da  der  Isländer  ihm  die  scheinbar  nutz- 
losen Kleinvögel  im  allgemeinen  gönnt. 

Bedeutend  hat  sich  die  Eiderente  in  neuerer  Zeit  vermehrt,  besonders 
seitdem  man  gesetzlich  das  Töten  derselben  streng  untersagt  (vgl.  Abschn.  2) 
und  ihr  größtmöglichen  Schutz  an  den  Brutplätzen  angedeihen  läßt.  In 
dieser  Beziehung  ist  das  Verhalten  der  Isländer  mustergültig,  und  man  kann 
zuversichtlicli  hotten,  daß  die  Vermehrung  der  so  nützlichen  Vögel  immer 
weiter  fortschreiten  wird,  falls  nicht  Krankheiten  oder  sonstige  Kalamitäten 
Einhalt  gebieten. 

Ganz  dasselbe  ist  von  den  Süßwasserenteu  leider  nicht  zu  sagen,  die 
vielerorts,  z.  B.  an  ihrem  Hauptbrutgebiete,  dem  My-vatn,  an  Zahl  zurück- 
gehen. Der  Grund  hierfür  liegt  sicher  in  der  allzugroßen  Ausnutzung  der 
Vögel.  Nicht  nur,  daß  man  ihnen  die  Eier  nimmt,  schießt  man  sie  auch 
außer  der  Brutzeit  in  beträchtlicher  Menge.  Diese  Vernichtung  aber  scheint 
die  Vermehrung  zu  übersteigen.  Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  bei  dem 
Singschwane,  den  Tauchern  und  Sägern. 

Vielleicht  noch  deutlicher  macht  sich  die  Abnahme  der  sogenannten 
Felsenvögel  bemerkbar,  d.  h.  der  Arten,  die  an  den  Vogelbergen  brüten. 
Die  Küstenbevölkeruug  Islands  hat  freilicli  in  neuerer  Zeit  erheblich  zu- 
genommen, alle  Nahrungsquellen  müssen  intensiver  ausgenutzt  werden,  wes- 
halb die  AVegnahme  der  Eier  und  das  Fangen  junger  und  alter  Vögel  an 
deren  Brutplätzen  als  verhältnismäßig  einfach  und  lohnend  lebhaft  betrieben 
wh'd.  Soll  der  Nutzen,  den  die  Seevögel  dem  Menschen  heute  noch  ge- 
währen, in  den  späteren  Jahrhunderten  nicht  wesentlich  zurückgehen,  muß 
in  Zukunft  maßvoller  und  überlegter  gehandelt  werden,  was  leider  nach  dem 
neuen  isländischen  Vogelschutzgesetze  nicht  zu  erwarten  ist.  Schon  beim 
Befragen  alter  Isländer,  die  Jahrzehnte  hindurch  ein  und  denselben  Vogelberg 
beobaclitet  haben,  kann  man  die  Klage  der  Abnahme  gewisser  Arten  hören, 
vor  allem  der  Lummeu  (Uria  trolle  und  lomcia),  Alke  (Alca  torda)  und 
Papageitaucher  (Fratercula  arctica),  deren  Eier  und  Fleisch  besonders  ge- 
schätzt sind.  Dagegen  haben  die  nur  zu  gewissen  Zeiten  begehrten  und 
deshalb  weniger  verfolgten  Arten  nicht  so  augenscheinlich  an  Zahl  abgenommen. 
So  zeigt  die  Kolonie  des  Tölpels  (Sida  bassava)  auf  Grimsey  dieselbe  Stärke 
von  etwa  50 — 70  Paaren  wie  zur  Zeit  Fabers  und  Thienemanns  vor  über 
80  Jahren,  und  der  kleine  Krabbentaucher  (Alle  alle)  ebendaselbst  scheint 
sich  sogar  zu  vermehren. 

Den  deutlichsten  Beweis  aber  für  den  unvernünftioen  Vernichtungski-ieg, 


Wandlungen  innerhalb  der  Vogehvelt  Islands.  75 

hat,  bietet  die  völlige  Ausrottung  des  Riesen-  oder  Brille nalkes  (Alca 
impennis),  die  freilieb  durch  das  Zusammentreffen  verschiedener  ungünstiger 
Verhältnisse  beschleunigt  worden  ist.  Zunächst  lockte  schon  die  Größe  des 
Vogels,  noch  mehr  aber  die  seiner  p]ier,  zum  Fange  und  zur  Wegnahme. 
Erleichtert  wurde  beides  durch  das  kolonienweise  Brüten  der  Art,  sowie 
durch  ihre  Unfähigkeit  zu  fliegen.  Da  heute  noch  die  verwandten  Felsen- 
vögel am  Nistplatze  überaus  ungeschickt  und  wenig  scheu  sind,  auf  unbewohnten 
Eilanden  nicht  selten  sogar  mit  den  Händen  gegriffen  werden  können,  mag 
auch  der  Fang  des  ßiesenalkes  keine  besonderen  Schwierigkeiten  verursacht 
haben.  Weiter  kommt  in  Betracht,  daß  Eier  und  Fleisch  des  Vogels  wahr- 
scheinlich besonders  wohlschmeckend  gewesen  sind.  Ich  habe  solches  von 
fast  allen  sogenannten  Felsenvögeln  (Una  trolle  und  lomvia,  Alca  torda. 
Alle  alle,  Cepphus  grylle,  Fratercula  arctlca,  Sula  bassana,  Rissa  rissa,  Fidmams 
gladalis)  genossen  und  gefunden,  daß  Alca  torda,  also  der  nächste  Verwandte 
von  Alca  impennis,  am  wohlschmeckendsten  ist.  Höchstens  können  sich  noch 
die  üria-Arten  auf  gleiche  Stufe  mit  ihm  stellen.  Die  Federn  des  Vogels 
scheint  man  ihrer  Härte  wegen  in  Island  weniger  gern  benutzt  zu  haben. 

Leider  war  es  mir  nicht  möglich,  auf  meiner  diesmaligen  isländischen 
Reise  gewisse  noch  der  Lösung  harrende  Fragen  über  die  ehemalige  Ver- 
breitung des  wahrscheinlich  mit  Reclit  als  ausgestorben  geltenden  Vogels 
zur  Untersuchung  zu  stellen,  weshalb  ich  eigene  Bemerkungen  über  die  Art 
nicht  zu  bieten  vermag.  Um  aber  den  interessanten  Alk,  der  ja  heutzutage 
wenigstens  noch  historische  Bedeutung  für  die  isländische  Avifauna  besitzt, 
in  dieser  Arbeit  nicht  uuberücksichtig-t  zu  lassen,  gebe  ich  die  wichtigsten 
Bemerkungen  über  sein  früheres  Vorkommen  bei  Island  an  der  Hand  der 
ausführlichen  Zusammenstellungen,  die  W.  Blasius  1903  im  12.  Bande  von 
Naumanns  Naturgeschichte  der  Vögel  Mitteleuropas  geliefert  hat.  Leider  ist 
über  die  eingehenden  Forschungen,  die  John  Wolley  in  Verbindung  mit 
Alfred  Newton  1858  an  Ort  und  Stelle  selbst  anstellte,  nach  dem  frühen 
Tode  Wolleys  bis  jetzt  nicht  allzuviel  veröffentlicht  worden.') 

Verschiedene  Gestadeinseln  Islands  erinnern  in  ihrem  Namen  noch  heute 
an  das  einstige  Vorkommen  des  „Geirfugls".  So  liegt  an  der  Ostküste,  in 
der  Nähe  von  Djüpivogr  am  Berufjördr,  ein  „Geirfuglasker",  auf  dem  wenigstens 
bis  in  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  Riesenalke  in  größerer  Zahl  gebrütet 
haben  sollen.  Eggert  Olafsen  hebt  dies  hervor  (ca.  1755)  und  noch  Olaus 
Olavius,  der  1775,  76  und  77  Island  bereiste,  berichtet,  daß  alljährlich  um 
die  Mittsommerzeit  Fahrten  nach  der  Klippe  unternommen  würden,  um  Vögel 
und  Eier  zu  liolen.  Scheinbar  ist  aber  kurze  Zeit  darauf  die  Kolonie  aus- 
gerottet worden,  oder  Olavius  hat  überhaupt  nur  Olafsen  nachgeschrieben,  da 
Mohr,  der  sich  1781  etwa  zwei  Monate  in  Djüpivogr  aufhielt,  nichts  davon 
erwähnt.  Wolley  und  Newton  haben,  wenn  auch  nicht  mit  völliger  Sicherheit, 
festgestellt,  daß  sich  1858   keine  Riesenalke  mehr  auf  jener  Klippe  fanden 


1)  Alfred  Newton,  Abstnict  of  Mr.  .John  Wolleys  researches  in  Iceland  respecting- 
the  Garefowl.     Ibis  1861. 


76  \V;iiidlun<;cii  iiinorhalb  dor  Vogelwelt  Islands. 

und  iiiicli  die  M('V('tlk(H-iiiig  der  lHMUiclil)iivt('ii  Kiistp  iiiclits  vnii  dem  ('"msti-^rn 
N'orkoinmon  dor  Vö<>(d  wußte. 

Die  südliclistf^  Klippo  der  Vcstnuuimiov  juv  heißt  L(lei('lifalls  (leirt'uglasker. 
Hier  haben  die  Riesonalke  sicher  bis  zum  p]nde  des  18.  Jahrhunderts  in 
beträchtlicher  Zahl  gebrütet.  Öfters  sind  Leute  hingefahren,  die  unsere  Vögel 
derart  rücksichtslos  töteten  und  sammelten,  daß  nach  den  Angaben  Steensti'ups 
und  Newtons  bereits  im  Anlange  des  11).  Jahrhunderts  Alra  impennis  aucli 
auf  diesem  Brutplatze  äußerst  selten  wurde.  Faber,  der  sich  im  Juli  und 
August  1821  auf  den  Vestmannaeyjarn  aufhielt,  berichtet  nur.  daß  ums 
Jahr  1800  ein  Vogel  nebst  einem  Ei  dasclltst  erbeutet  worden  sei,  und  Newtitn 
teilt  mit,  daß  man  ungefähr  im  Jahre  1S43  einen  jungen  Riesenalk  an  dieser 
Stelle  fing,  von  dem  aber  unsicher  ist.  ob  er  auf  dem  Felsen  selbst  erbrütet  wurde. 

Die  wichtigsten  isländischen  Inseln,  die  einst  ^Uca  impenni-'  beherbergten, 
liegen  südwestlich  von  Cap  Reykjaiies  und  führen  den  Namen  Fuglasker. 
Mannigfaclie  Umgestaltungen  durcli  vulkanische  Kräfte  scheinen  das  Bild 
dieser  Klippen  wiederholt  verändert  zu  halten.  Bis  zum  -lahrc  1830  bestand 
die  Gru})pe  aus  vier  nennenswerten  Inseln:  nämlicli  13  km  von  Cap  Reykjanes 
entfernt  l*ildey,  2  km  weiter  südlich  die  Klippe  Eldeyjardrängr,  etwa  10  km 
westlich  von  dieser  Geirfuglasker  und  nocli  4  km  südwestlich  Geirfugladrangr. 
Abermals  etwa  10  km  entfernt  soll  der  178:5  aufgetaucht(^  und  I)ald  wieder 
verschwundene  Felsen  Kldeyjabodi  gelegen  liaben.  Diese  ganze  Gruppe  hat 
Alca  impennis  bis  in  die  ersten  Jalu'zehnte  des  \S).  Jahrhunderts  bewohnt, 
doch  brüteten  die  Vögel  nur  auf  dem  für  Menschen  schwer  zugänglichen 
Geirfuglasker.  Schon  seit  dem  14.  Jalirhundert  scheint  mau  sie  daselbst 
gekannt  und  ziemlich  regelmäßig  verfolgt  zu  hal)en.  In  den  -Jahren  1628 
und  39  ereigneten  sich  indes  auf  Fahrten  nach  den  Inseln  schwere  Unglücks- 
fälle, worauf  man  viele  Jahrzehnte  hindurch  die  gefährlichen  Klippen  mied. 
Erst  1732  wurden  die  Bewohner  durcli  das  zahlreiche  Auftreten  des  Riesen- 
alks am  benachbarten  Festlande  zu  neuen  Beutezügen  veranlaßt,  die  man 
des  guten  Erfolges  halber  bis  etwa  176(i  last  alljährlich  wiederholte.  Bei 
diesen  Fahrten  tötete  mau  alle  Vögel,  die  zu  erlangen  waren,  und  fand  bis- 
weilen so  viele  Eier  derselben,  daß  die  Boot(^  damit  gefüllt  werden  konnten. 
Natürlich  ging  infolgedessen  die  Zahl  dei-  Alke  rasch  zurück,  und  die  Nach- 
stellungen unterblieben,  wenn  man  merkte,  daß  die  gefährliche  Kx])edition  nicht 
lohnte.  Hatten  sich  aber  die  Vögel  wieder  vermehrt,  so  begann  man  von  neuem 
mit  der  Abschlachtung  der  tlugunfähigen  Tiere,  die  der  Ha))gier  des  Menschen 
nicht  gewachsen  waren.  Auch  fremde  Seelahrer  landeten  auf  dem  Geirfugla- 
sker von  Reykjaues.  1808  wurden  von  dei'  Besatzung  des  Dampfers  Salamine 
zahlreiche  Ricsenalke  daselbst  erschlagen  und  Eier  und  .hinge  niedergetreten. 
1813  kam  wieder  ein  anderes  Schiff  dahin,  und  man  tötete  abermals  (sine 
Menge  der  Vögel  ..auf  ihren  Eiern'-.  Die  meisten  davon  salzten  die  Leute 
ein,  24  wurden  in  frischem  Zustande  ]nitgenommen.  viele  aber  blieben  tot 
auf  der  Insel  liegen,  weil  das  AVetter  die  beabsiclitigte  zweite  Landung  ver- 
hinderte. Von  all  diesen  Vögeln  sclieint  nur  ein  einziges  Exemplar  für  die 
Wissenschaft  gerettet   und   nach   England  gel  »rächt  worden    zu   sein.     I<jinige 


Waudlungen  innerhalb  der  Vogelwelt  Islands.  77 

der  erschreckten  Vögel  verließen  bei  diesem  Massenmorde  die  Insel;  1814 
wurden  z.  B.  7  p]xemplare  bei  Lätrabjarg  an  der  Westküste  Islands  getötet. 

Erst  in  dieser  Zeit  richtete  sich  das  Interesse  der  europäischen  Orni- 
thologen  lebhafter  der  seltenen  Vogelart  zu,  und  man  versuchte,  sie  nebst 
ihren  p]iern  für  die  Sammlungen  zu  gewinnen.  Aber  schon  war  das  Werk 
der  Vernichtung  zu  weit  vorgeschritten,  und  bloß  wenige  Exemplare  konnten 
späterer  Wissenschaft  erhalten  werden. 

Da  vernichtete  plötzlich  noch  im  Jahre  1830  eine  vulkanische  Katastrophe 
das  Geirfuglasker,  diesen  letzten  Brutplatz  des  Rieseualks/)  Die  wenigen 
überlebenden  Vögel  trieben  sich  zunächst  in  der  Nachbarschaft  umher  und 
gerieten  an  verschiedenen  Orten  der  isländischen  Küste  in  die  Gewalt  der 
Menschen.  Die  letzten  Individuen  wählten  als  Brutstätte  das  Reykjanes  am 
nächsten  liegende  Eldey,  womit  ihr  Untergang  besiegelt  war.  Diese  Insel  konnte 
viel  leichter  als  das  Geirfuglasker  erreicht  und  bestiegen  werden,  und  so 
stellte  man  den  wertvollen  Vögeln  derart  nach,  daß  im  Jahre  1844  die 
beiden  letzten  Exemplare,  ein  gepaartes  Paar,  getötet  und  deren  zerbrochen 
gefundenes  Ei  weggeworfen  wurde.  Spätere  Untersuchungen  der  Insel  sind 
resultatlos  gewesen,  weshalb  man  annehmen  muß,  daß  AU-a  hnpennls  1844 
in  Island  ausgerottet  wurde.  Da  kaum  noch  eine  oder  die  andere  für 
Menschen  fast  unzugängliche  Klippe  existiert,  die  als  Brutplatz  des  Vogels 
in  Betracht  kommen  könnte,  ohne  bereits  daraufhin  untersucht  worden  zu 
sein,  nimmt  man  jetzt  allgemein  an,  daß  die  interessante  und  charakteristische 
Art  überhaupt  ausgestorben  ist.  Der  Hauptfoktor,  der  dies  bewirkte,  war 
eben  das  Unvermögen  des  Vogels,  sich  fliegend  in  Sicherheit  zu  bringen. 
Aber  im  übrigen  darf  man  nicht  glauben,  daß  die  Menschen  heutzutage 
rücksichtsvoller  handeln,  wenn  der  Kampf  ums  Dasein  oder  die  Sucht  nach 
Geld  jede  idealere  Regung  unterdrückt.  Nur  strenge  gesetzliche  Bestimmungen 
können  die  Vogelwelt  schützen. 

Während  also  die  unmittelbar  schädlichen,  wie  auch  einige  nützliche 
Vogelarteu  Islands  durch  menschlichen  Einfluß  zweifellos  an  Zahl  abgenommen 
haben,  kann  dies  von  den  vielen  kleineren  und  weniger  beachteten  Arten 
kaum  gesagt  werden.  Das  ganze  Innere  Islands  zeigt  im  Vergleiche  zu  früheren 
Jahrhunderten  kein  wesentlich  verändertes  Bild,  zumal  auch  die  Bevölkerung 
daselbst  nicht  zugenommen  hat.  Noch  wohnt  der  Isländer  in  seinem  ein- 
samen Hofe,  nirgends  im  ganzen  Lande  —  mit  Ausnahme  der  Küsten- 
streifen —  findet  sich  ein  Dorf.  Kein  Pflug  furcht  den  Boden,  keine  Fabrikesse 
schüttet  giftigen  Rauch  über  die  grünen  Matten,  kein  Eiseubahnzug  eilt  durch 
die  stillen  Täler.  Wie  aus  meiner  Schilderung  der  Landschaftsforraen  ersichtlicli 
ist,  tnff"t  man  in  Island  noch  überall  die  ursprünglichen,  bei  uns  längst  ver- 
schwundenen Naturverhältuisse,  die  den  reisenden  Forscher  in  hohem  Maße 
anziehen.  Und  wenn  auch  der  Isländer  hier  und  dort  die  Kleinvogelwelt 
durch  Wegnahme  der  Eier  schädigt,  so  ist  dies  wohl  früher  nicht  viel  anders 
gewesen,  und  im  übrigen  nützt  er  ihr  durch  Verminderung  des  Raubzeuges. 


^)  Auf  der  geologischen  Karte  Islands  von  Th.  Thoroddsen,  1901,  ist  allerdings 
das  Geirfuglasker  noch  aufgezeichnet. 


78  "Wandlungen  innerhalb  der  Vogelwelt  Islands. 

Ob  das  Schneehuhn  seltner  wird,  will  ich  dahingestellt  sein  lassen;  gewisse 
Bauern  erzielen  ohne  besonder«^  Geschicklichkeit  noch  derartig  große  Strecken, 
daß  man  vorläufig  eine  sichtbare  Abnahme  der  Art  kaum  7,u  konstatieren 
vermag. 

Möchte  es  noch  lange  so  bleiben!  Möchte  die  einsame  Insel  im  äußersten 
Europa  die  Natur  so  bewahren,  wie  sie  ihr  gegeben  wurde,  7Aim  eigenen 
Wohle  und  zur  Freude  des  Wanderers,  der  sich  heraus  aus  der  Kulturwelt 
zu  ihr  flüchtet,  um  aus  ihrem  Jugendborn  zu  trinken! 


6.  Zugverhältnisse  isländischer  Vögel. 

lu  der  Tertiärzeit  besaß  Island,  wie  auch  Grönland,  Spitzbergen,  die 
Bäreninsel  usw.  eine  ziemlich  reiche  Flora,  und  es  ist  anzunehmen,  daß  auch 
die  Vogel  weit  bereits  in  einigen  Arten  vertreten  war.  Bis  jetzt  mangeln 
allerdings  noch  Funde,  die  sicheren  Aufschluß  über  deren  Beschaffenheit 
geben  könnten.  Doch  handelte  es  sich  jedenfalls  um  mehr  oder  weniger 
zirlmmpolar  verbreitete  Standvögel.  Als  dann  am  Ende  der  Tertiärzeit  jene 
tiefgreifenden  Veränderungen  in  den  physikalischen  Verhältnissen  der  Erde 
eintraten,  die  den  allmählichen  Beginn  der  Glazialzeit  auch  für  Island  be- 
deuteten, wurden  die  Vögel,  soweit  sie  nicht  untergingen,  gezwungen,  sich 
entweder  den  Unbilden  der  Witterung  anzupassen,  oder  periodische  Wanderungen 
zu  unternehmen,  oder  das  Gebiet  überhaupt  dauernd  zu  verlassen.  Die  zu- 
rückgedrängten Arten  siedelten  sich  wahrscheinlich  in  naheliegenden  Gegenden 
au,  besuchten  in  vielen  Fällen  die  ursprüngliche  Heimat  noch  während  der 
Sommermonate  und  brüteten  daselbst,  oder  kehrten  zu  dieser  zurück,  als  die 
Eiszeit  allmählich  wieder  verschwand.  Nach  Analogie  mit  andern,  besser 
bekannten  Gebieten  darf  angenommen  werden,  daß  die  meisten  charakteristischen 
und  weitverbreiteten  isländischen  Vogelarten  von  heutzutage  Nachkommen 
der  Tertiärformen  sind,  zu  denen  sich  aber  noch  eine  Anzahl  südlicherer 
Arten  gesellte,  die  erst  nach  dem  Zurückweichen  der  Glazialzeit  in  jene 
Gebiete  vordrangen.  Diese  letzteren  kennzeichnen  sich  schon  dadurch 
als  spätere  Einwanderer,  daß  sie  nicht  zirkumpolar  auftreten,  sondern  zum 
größeren  Teile  rein  europäisch-asiatische,  zum  kleineren  auch  amerikanische 
Formen  darstellen.  Die  paläarktischen  Vögel  sind  von  Norwegen  und  Groß- 
britannien, teilweise  jedenfiills  über  die  Shetlands-Inseln  und  Färöer  nach 
Island  gelangt,  die  nearktischen  Arten  dagegen  haben  Grönland  als  Brücke 
benutzt.  Mit  Sicherheit  kann  freilich  weiter  angenommen  werden,  daß  nicht 
nur  die  erwähnten  klimatischen  Veränderungen,  sondern  auch  mehr  zufällige 
und  außergewöhnliche  Vorkommnisse,  die  allerdings  wohl  erklärbar  sind, 
solche  Einwanderungen  unterstützt  haben,  zumal  die  Vögel  wie  keine  andere 
Klasse  der  Landtiere  fähig  sind,  bedeutende  Entfernungen  in  verhältnismäßig 
kurzer  Zeit  zurückzulegen.  Treten  besonders  günstige  oder  besonders  un- 
günstige lokale  Verhältnisse  ein,  so  binden  sich  die  wenigsten  Vogelarten 
sklavisch  an  ererbte  Gewohnheiten,  sondern  verändern  diese  selbständig  und 
bisweilen  in  ganz  auffälliger  Weise. 

Gerade  Island  bietet  uns  zufolge  seiner  geographischen  Lage  und  Gestalt 
alle  möglichen  Beispiele  für  die  Art  des  Vogelzuges,  und  es  wird  sicher  von 


80  Zuo-s'crliältnisse  islätidisclicr  Vögel. 

Interesse  für  die  gesiimte  Ornithologie  sein,  diesen  auch  während  des  Winters 
eingehender  als  bisher  in  unserni  Gebiete  zu  studieren. 

Als  weit  draußen  iin  Ozean  liegende  Insel  mit  hochaufragenden  Küsten 
und  mächtigen  Gebirgsstöckeu  winkt  Island  manchen  Irrgast  herbei,  der 
auf  dem  vielleicht  ungewohnten  Meere  Weg  und  Richtung  gänzlich  verfehlte. 
Ks  handelt  sich  hierbei  zumeist  um  solche  Vögel,  die  auf  dem  Zuge  durch 
Stürme  und  Neliel  verschlagen  wurden,  wie  dies  z.  B.  bei  Ceryle  alcyon, 
Ujmpa  epops  und  Cerchneis  ümmnmla  der  Fall  gewesen  sein  mag. 

Reicht  das  ständige  Verbreitungsgebiet  einer  Art  bis  in  die  Island 
nächstliegenden  Länder  und  bedingen  Zugverhältnisse  und  Lebensgewohn- 
heiten eine,  wenn  auch  seltene  Wiederholung  ihres  Vorkommens  auf  unsrer 
Insel,  so  kann  man  sie  als  gelegentlichen  Gast  bezeichnen.  Dahin  gehören 
z.  B.  Merula  merula,  Sturnns  vulgaris,  Apus  apus  und  Vanellm  lumellus. 
Am  häufigsten  wird  es  sich  um  Vögel  handeln,  die  von  ihrem  Zuge  zwischen 
Norwegen  und  Schottland  durch  südöstliche  Stürme  abgelenkt  wurden,  wie 
man  dies  in  verschiedeneu  Fällen  für  die  Färöer  und  Island  nachgewiesen 
hat.  Aber  nur  ein  verschwindend  Tileiner  Teil  der  verschlagenen  AVanderer 
mag  das  rettende  Eiland  erreichen.  Die  meisten  finden  in  dem  weiten  Ozean 
ihren  Tod.  Andere  streben  nach  der  fern  winkenden  Insel  hin,  erreichen 
diese  mit  Aufbietung  der  letzten  Kräfte,  stürzen  sich  todmüde  auf  den  Strand, 
werden  jedoch  von  den  brandenden  Wellen  mitunter  auch  hier  noch  erfaßt 
und  getötet.  Derartige  Exemplare  hat  man  gelegentlich  gefunden,  z.  B.  von 
Ardeüa  ndnuta  und   Gallbnda  chloropns. 

Manche  fluggewandte  und  ausdauernde  Vogelarten  haben  aber  au  und 
für  sich  die  Neigung,  zur  Zugzeit  weit  umherzustreifen.  Sie  erscheinen  mit- 
unter, wie  die  Krähen  (Corvus  comix  und  frugücgus),  gelegentlich  des  Herbst- 
zuges, wenn  auch  erst  am  Ende  desselben,  in  Island,  oder  wie  die  Scliwalben 
(Hirundo  rustica  und  Chelidonaria  urhica)  im  Frühjahre. 

Als  Gäste  kommen  auch  die  jüngeren  Individuen  einiger  größerer 
Vogelarten  in  Betracht,  die  erst  im  Alter  von  mehreren  Jahren  fortptlanzungs- 
fähig  werden,  bis  dahin  aber  große  Teile  der  Erde,  darunter  auch  Island, 
besuchen.  Ich  erinnere  hierbei  au  Stercorarms  pomarinus  und  cepphus,  Pnjjinus 
gravis  und  vielleicht  auch  an   Ardea  cinerea. 

Bei  all  diesen  Gästen,  wenigstens  den  häufigeren  Arten,  liegt  die 
Möglichkeit  vor,  daß  gemeinsam  erschienene  Paare  zur  Brut  schreiten,  wie 
solches  die  beiden  Schwalbenarten  mehrfach,  freilich  erfolglos,  versucht  haben. 
Sind  die  Lebensbedingungen  genügende  und  kommen  die  Jungen  wirklich 
in  die  Höhe,  so  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  diese  samt  den  Eltern  die 
Insel  von  nun  an  als  Heimat  betrachten,  wie  es  vielleicht  ]>ei  Fulica  atra 
und  Marem  amencana  der  Fall  sein  mag.  Natürlich  können  derartige  Vögel 
ebenso  rasch  auch  wieder  verschwinden.  Aus  der  Beobachtung  oder  p]rlegung 
einzelner  Individuen  seltner  Arten  während  der  Sommermonate  darf  man 
jedoch  durchaus  nicht  ohne  weiteres  auf  deren  Brüten  in  Island  schließen, 
wie  dies  nur  zu  leicht  geschieht.  Man  muß  hierbei  zunächst  an  jüngere, 
noch  nicht  geschlcchtsreife  oder  alte,  gelte  Tiere  denken.    Gelegeutlidi  inögen 


Zugverlaältnisse  isländischer  Vögel.  31 

nucli  gesellig-  lebende  Vögel,  wie  Enten,  einzelne  Exemplare  verwandter  Arten 
aus  den  gemeinsamen  Winterquartieren,  die  teilweise  schon  an  den  britischen 
Küsten  liegen,  mit  nach  Island  locken.  Diese  mehr  oder  weniger  freiwilligen 
Gäste  verlassen  natürlich  die  Insel  auch  erst  mit  der  folgenden  Zugzeit. 
Bei  Beobachtung  aller  derartigen  Erscheinungen  ist  nötig,  sich  von  Nest, 
Eiern   oder  Jungen   zu  überzeugen,   bevor  mau  sie  als  Brutvögel  bezeichnet. 

Weiterhin  müssen  die  mehr  oder  weniger  regelmäßigen  üurchzügler 
erwähnt  werden,  die  Island  als  willkommene  Station  auf  ihren  Wanderungen 
von  oder  nach  den  nordwärts  liegenden  Brutgebieten  benutzen.  Es  kommen 
hierbei  besonders  Vögel  aus  Nordostgrönland,  Mevenklint,  Jan  Mayen  und 
Spitzbergen,  etwas  weniger  wohl  von  der  Bäreninsel  und  dem  nördlichen 
Norwegen  in  Betracht.  Einige  dieser  Arten  nehmen  mitunter  schon  in 
Island,  besonders  an  der  eisfreien  Südküste,  ihr  Winterquartier.  Dies  mag 
am  häutigsten  bei  rein  arktischen  Vögeln  der  Fall  sein,  z.  B.  bei  Fagoj^hüa 
ebumea,  Xema  sabiniifnnd  nordostgrönländischen  Exemplaren  von  Hierofalco 
[Pjrfalco.  Andere  Arten  treiben  sich  längere  Zeit  auf  oder  in  der  Nähe 
unserer  Insel  umher,  z.  B.  Lams  lencoptencs,  Nyctea  nyctea  und  Alle  alle, 
wandern  aber  häufig  auch  noch  milderen  Klimaten  entgegen.  Die  meisten 
der  Durchzügler  freilich  berühren  Island  nur  kürzere  Zeit  auf  der  langsameren 
Herbst-  und  eiligeren  Frühjahrswanderung.  Manche  davon,  wie  Branta 
leucopsis  und  Larus  leucoptems,  erscheinen  ziemlich  regelmäßig,  andere,  wie 
Alle  alle,  Tnnga  camdns  und  Calidris  arenaria,  nur  gelegentlich.  Die  zahl- 
reichen nordischen  Vogelarten,  von  denen  Angehörige  in  Island  selbst  brüten, 
lassen  sich  natürlich  auf  ihren  Wanderungen  schwer  kontrollieren. 

Auch  von  den  durchziehenden  Gästen  bleiben  mitunter  einzelne  I^xemplare 
und  kleine  Scharen  während  des  Sommers  in  Island  zurück.  Ob  man  es 
dann  freilich  bei  den  größeren  Arten,  wie  Branta  leticopsis,  Anser  hrachyrliynchus 
und  Nyctea  nyctea,  mit  Brutvögeln  zu  tun  hat,  ist  sehr  fraglich.  Jedoch  konnte 
das  ausnahmsweise  Brüten  kleinerer  nordischer  Gäste,  wie  Tringa  catmtus 
und  Calidris  arenaria,  festgestellt  werden. 

Besonders  interessant  ist  es  endlich,  die  Zugverhältuisse  der  regelmäßigen 
isländischen  Brutvögel  zu  betrachten.  Wie  wenige  gleichgroße  Gebiete 
zeigt  unsere  Insel  gan,z  auffällige  klimatische  Verschiedenartigkeiten,  die 
selbstverständlich  einen  bedeutenden  Einfluß  auf  ihre  gesamte  organische 
Welt  ausüben.  Der  Süden  Islands  wird  von  der  warmen  Golfstromtrift  bespült, 
während  die  an  der  Dänemarkstraße  liegenden  nordwestlichen  Gebiete  unter 
dem  ungünstigen  lilinflusse  der  kalten  Grönlandsströmung  zu  leiden  haben. 
Jene  Meeresteile  sind  deshalb  fast  immer  auch  völlig  eisfrei,  während  die 
nördlichen  Küsten  oft  genug  vom  Treibeise  blockiert  werden.  Zu  diesem 
gesellen  sich  noch  heftige,  kalte  Winde,  die  das  betroffene  Land  nicht  selten 
bis  in  den  Juni  hinein  unter  Schnee  und  Eis  begraben  sein  lassen.  Aber 
auch  tief  im  Innern  Islands  sind  die  lokalen  Gegensätze  groß,  berühren  sich 
jedoch  hier  und  da.  Zwischen  eisigen  Gletschern  und  ewigen  Schneefeldern 
liegen  geschützte  Täler,  die  durch  vulkanische  Einwirkungen,  insbesondere 
durch   kochende   Quellen,   derart   erwärmt  werden,    daß   sie   das  ganze  Jahr 

Hautzsch,  Vogel  weit  Islands.  6 


82  Ziifjvoi-liällnissc  isländischer  X'ilgrl. 

übei*  schneefrei  hloilteii.  V'crscliiedeiie  (iewiisser.  kleine  IJäelie  sowdlii  als 
ganze  Seen,  z.  IJ.  große  Teile  des  Myviitn,  frieren  iiiis  diesem  ({r\iiide  niemals 
zu,  wie  schon  im  4.  Abschnitte  hervorgehoben  wurde. 

Kein  Wunder,  daß  sich  infolgedessen  einheitliche  Termine  für  die  Jahres- 
teilung vieler  isländischer  Vogelarten  nicht  angeben  lassen,  was  sich  sowohl 
bei  den  Ankunfts-  und  Abreisedaten,  wie  bei  den  lirutzeiten  usw.  bemerkbar 
macht.  Das  lokale  und  temporäre  Schwanken  des  islandischen  Klimas  führt 
in  all  diesen  Beziehungen  zu  Angaben,  die  auch  unter  sonst  natürlichen 
Lebensbedingungen  der  Vögel  mehr  als  Monatsfrist  voneinander  abweichen. 
Ich  habe  selbst  z.  B.  auf  meiner  Reise  beobachtet,  wie  die  Wiesenpieper  bei 
Reykjavik  bereits  überall  mit  dem  Baue  des  Nestes  begannen,  während  sie 
eine  Woche  später  im  Nordwesten  eben  erst  angekommen  waren  und  noch 
in  Scharen  auf  schneefreien  Orten  umherliefen.  Es  ist  durchaus  nicht  selten, 
daß  die  Mehrzahl  der  Vögel  einer  Gegend  erst  frische  I']ier  besitzt,  während 
dieselben  Arten  gar  nicht  weit  davon  bereits  die  Jungen  füttern.  Je  kleiner 
und  zarter  eine  Spezies  und  je  mehr  sie  auf  Pflauzenwuchs  und  damit  gleich- 
zeitig sich  entwickelnde  Tiere  angewiesen  ist,  desto  unbestimmter  sind  die 
Kalenderdaten,  in  denen  sich  ihr  lieben  während  des  Jahres  abspielt.  Ver- 
suchen einzelne  Individuen,  sich  den  Unbilden  der  Witterung  voreilig  gegen- 
überzustellen, müssen  sie  dieses  nicht  selten  auf  das  schwerste  büßen. 

Die  Zugverhältnisse  der  isländischen  Brutvögel  gestalten  sich  nun 
ungefähr  folgendermaßen.  Die  wenigsten  Arten  sind  ausgesprochene  Zug- 
vögel, die  unter  allen  Umständen  zu  einer  annähernd  feststehenden  Zeit 
die  Insel,  besonders  von  ihrem  südlichen  Teile  aus,  verlassen  und  ebendahin 
wieder  zurückkehren.  Nur  einige  Kleinvögel,  vor  allem  Saxkola  oenantJie 
und  Turdus  iliacus,  sowie  verschiedene  Regenpfeifer  und  Strandläufer,  besonders 
Charadrius  apricariiis  und  Palidna  a/jyi.na,  sind  hierher  zu  zählen.  Jedoch 
ist  bei  unserer  geringen  Kenntnis  der  winterlichen  Verhältnisse  Islands  nicht 
ausgeschlossen,  daß  auch  von  solchen  Arten  gelegentlich  einzelne  Individuen 
zurückbleiben,  wie  mir  beispielsweise  von  Numenius  j)haeopuii  mit  Bestimmtheit 
versichert  wurde.  Die  Zugrichtung  der  isländischen  Vögel  ist  im  allgemeinen 
im  Herbste  eine  südöstliche,  im  Frühjahre  eine  nordwestliche.  Die  Wanderer 
eilen,  wie  dies  aus  den  Rinzelbesprechungen  im  2.  Teile  der  Arbeit  mehrfach 
genauer  ersichtlich  ist,  mit  gelegentlicher  Benutzung  der  Färöcr  oder  Hebriden 
auf  Schottland  zu,  von  wo  aus  sie  allmählich,  besonders  längs  der  Küsten, 
weiter  nach  Süden  streichen.  Die  meisten  Individuen  mögen  bereits  auf 
den  Britischen  Inseln,  einige  sogar  schon  auf  den  Färöern  überwintern.  Daß 
von  dieser  Inselgruppe  aus  auch  eine  Zugbewegung  isländischer  Vögel  über 
Shetland  nach  Südnorwegen  stattfindet,  ist  unwahrscheinlich,  da  von  hier  aus 
große  Scharen  in  entgegengesetzter  Riclitung  nacli  Schottland  ziehen.  Konträre 
Zugbewegungen  als  Regel  sind  aber  kaum  jemals  beobachtet  worden;  denn 
von  einem  mehr  oder  weniger  planlosen  Umlierstreifen  könnte  hier  ja  nicht 
die  Rede  sein.  Im  Frühjahrszuge  bedeutet  Nordschottland  den  Scheideweg 
vieler  norwegischer  und  isländischer  Vögel.  Während  sich  jene  über  die 
Shetlaudsinseln    nach    Südnorwegen   wenden,    bewegen   sich   diese   über   die 


ZiigverhiUtiiisse  isländischer  Vögel.  83 

Färöer  mich  Island.  Ein  beständiger  Austausch  isländischer  und  norwegischer 
Ilotdrosseln  (Turdns  iliaacs)  z.  JJ.  ist  keineswegs  anzunehmen.  Ein  regel- 
mäßiger Zug  isländischer  Vögel  nach  Südostgrönland  scheint  nicht  statt- 
zufinden, obwohl  das  umgekehrte  Verhältnis  besteht.  Dagegen  mögen  die 
Sti'ichvögel  Islands  gelegentlich  Grönland  besuchen  und  von  hier  ausnahms- 
weise auch  mit  grönländischen  Wanderern  nach  der  Ostküste  des  nördlichen 
Amerikas  gelangen. 

Der  größte  Teil  der  isländischen  Vögel  sind  teilweise  Zugvögel. 
Dies  bedeutet,  daß  die  Hauptmenge  der  Individuen,  besonders  Junge  und 
Weibchen,  zu  einer  ungefähr  feststehenden  Zeit  von  der  Insel  verschwindet, 
ein  mehr  oder  weniger  großer  Prozentsatz  aber  an  offenen  Wasserstellen  im 
Innern  und  an  der  Küste  zurückbleibt.  Diese  Eigentümlichkeit,  die  sich  in 
wenigen  Gebieten  unter  gleicher  Breite  so  auffällig  als  in  Island  wiederfinden 
mag,  hat,  wie  schon  bemerkt,  seinen  Grund  in  dem  Vorhandensein  milder 
Küstenstrecken  und  heißer  Quellen.  Ich  werde  bei  Besprechung  der  einzelnen 
Vogelarten  im  2.  Teile  dieses  Buches  öfters  hierauf  zurückkommen,  soweit 
das  Winterleben  der  isländischen  Vögel  überhaupt  bekannt  ist.  Hervor- 
gehoben sei  hier  nur,  daß  z.  B.  Rallus  aquaticm  auf  unserer  Insel  in  der 
Mehrzahl  überwintert  und  nur  zum  geringen  Teile  fortzieht,  was  selbst  bei 
uns  in  Mitteleuropa  gerade  umgekehrt  ist.  Verschiedene  Strandläuferarten, 
insbesondere  Arquatella  manüma  und  Arenaria  interpres,  wurden  den  ganzen 
Winter  über  am  Meeresufer  getroffen.  Dieses  bietet  dann  noch  soviel  Nahrung, 
daß  sogar  südliche  Gäste,  wie  Vanellus  vanellus,  Siurnus  vulgaris  oder  Corvns 
frufjllegus,  ihr  Leben  daselbst  fristen  können.  Auch  von  den  Enten,  Gänsen 
und  Singschwänen  bleibt  ein  Teil  im  Lande  zurück.  Doch  sind  die  immerhin 
in  beschränkter  Zahl  vorhandenen  offenen  Gewässer  nicht  imstande,  alle  im 
Sommer  daselbst  wohnenden  Individuen  auch  wälirend  des  Winters  zu 
ernähren,  zumal  fremde  Gäste  aus  dem  Norden  sich  den  zurückbleibenden 
Vögeln  zugesellen. 

Einen  weiteren  beträchtlichen  Teil  der  isländischen  Vogelarten  kann 
man  als  Strichvögel  bezeichnen.  Es  sind  dies  zunächst  die  Lummen,  Alke, 
Scharben,  gewisse  Möven  und  andere  verwandte  Gattungen,  die  auf  das  Meer 
angewiesen  sind  und  einesteils  schon  die  natürliche  Neigung  haben,  sich 
außerhalb  der  langen  Brutzeit  auf  der  weiten  Wasserfläche  auszubreiten, 
andernteils  aber  auch  lokal  gezwungen  werden,  sich  von  dem  Treibeise,  der 
allzugroßen  Kälte  des  Wassers  und  den  heftigen  Winterstürmen  nach  mildereu 
Meeresteilen  zu  flüchten.  So  verschwinden  die  Baßtölpel  z.  B.  von  der 
nordischen  Insel  Grimsey  im  Winter  fast  ganz,  während  sie  auf  den  Vest- 
mannaeyjarn  zum  größten  Teil  Standvögel  sind.  Auch  die  den  weiten 
Ozean  zu  ihrem  Winteraufenthalte  wählenden  Scharen  der  Lummen  und  ver- 
wandten Arten  verlassen  ihre  Brutgebiete  nur  während  der  kältesten  Wochen 
und  Monate,  höchstens  im  Dezember,  Januar  und  Februar,  und  soweit  fest- 
gestellt ist,  bei  günstiger  Witterung  nicht  besonders  weit. 

Ebenso  streifen  viele  der  im  Innern  Islands  überwinternden  Vögel 
zwischen  benachbarten  Futterplätzen   umher,   ohne  sich   an   einem   derselben 

6* 


g4  Zugverhältiiisse  isländischer  Vögel. 

dauernd  niederzulassen.  Die  Leinfinken  werden  dann  aucli  abseits  der  Buscb- 
wälder  auf  schneefreien  Grasfläcben  geseben;  die  Jagdfalken  ))esucben  die 
Sammelplätze  der  Enten  und  Scbneebübner  usw.  Je  milder  der  Winter  und 
je  zahlreicber  die  Möglicbkciten.  zusagende  Nahrung  zu  finden,  desto  größere 
Bewegungsfreiheit  zeigen  die  Vögel.  Wird  jedocli  die  Kälte  anhaltend  und 
bedeckt  allerorts  tiefer  Sclinee  den  Boden,  so  drängt  sich  das  gesamte  Vogel- 
leben des  Innern  an  einigen  besonders  günstigen  Plätzen  zusammen.  Dann 
wird  es  mitunter  einzelnen  Bauern  am  My-vatu  niclit  schwer,  in  wenigen 
Wochen  1000  Schneehühner  und  zahlreiches  Wasserwild  zu  erlegen,  trotzdem 
die  Leute  die  Jagd  auf  ziemlich  primitive  Weise  und  auch  meist  ohne 
Hunde  betreiben. 

Eine  kleine  Zahl  isländischer  Vögel  kann  nmn  endlich  als  Stand- 
vögel bezeichnen.  Dahin  gehören  gewisse  Exemplare  der  schon  genannten 
und  angedeuteten  Arten,  die  au  geeigneten  Örtlichkeiten  wohnen,  außerdem 
noch  in  der  Hauptsache  die  Zaunkönige,  Schueeammeru  und  Raben.  Diese 
drei  kommen  im  Winter  häufig  in  die  Nähe  der  Viehställe  bei  den  einsamen 
Gehöften  im  Innern  oder  in  die  Ortschaften  au  den  Küsten  Islands.  Daselbst 
suchen  sie  solange  ihr  Leben  zu  fristen,  bis  der  neue  Frühling  sie  wieder 
verschwinden  läßt.  Gegen  diese  Standvögel  verhalten  sich  die  Isländer  meist 
duldsam,  ja  schütten  ihnen  sogar  Abfälle  vor  die  Türen.  So  mögen  die 
meisten  der  isländischen  Wintervögel,  wenn  nicht  ausnahmsweise  ungünstige 
Witterung  herrscht  oder  Menschen  und  Raubtiere  sie  vernichten,  das  Frühjahr 
glücklich  erleben. 


7.  Bedeutung  der  Vogelwelt  Islands  für  die 
Bewohner. 

Außer  dem  Fischfänge  und  der  Viehzucht  ist  die  Ausnutzung  der  Vogel- 
welt die  einzige  hervorragendere  Einuahmequelle  für  die  isländische  Land- 
bevölkerung. Zweifellos  hat  unsere  Tierklasse  auf  der  Insel  ungleich  höhere 
Bedeutung,  als  in  einem  dichtbevölkerten  Kulturstaate,  wo  ihr  Nutzen  zum 
großen  Teile  nur  ein  indirekter  ist,  ihr  Schaden  aber  sich  auffälliger  bemerkbar 
macht,  indem  der  Mensch  jeden  fremden  Eingriff  in  die  von  ihm  selbst 
intensiv  verwerteten  Naturobjekte  als  solchen  empfindet. 

Schädlich  sind  in  Island  bloß  wenige  Vogelarteu  und  auch  diese  nur 
lokal  und  temporär,  wenn  sie  dichter  bewohnte  und  infolgedessen  landwirt- 
schaftlich stärker  ausgenutzte  Gegenden  besuchen.  Diese  Schädlichkeit  bezieht 
sich  auf  solche  Vögel,  die  größere  Tiere  verzehren,  wohingegen  von  einem 
Schaden  an  der  ja  überhaupt  dürftigen  Pflanzenwelt  nicht  die  Rede  sein  kann. 

Wirklich  unangenehm  werden  nur  die  beiden  großen  Raubvogel  arten, 
Haliaetus  alhicUla  und  Hierofalco  gyrfaUo,  wenn  sie  die  Brutplätze  der  Eider- 
enten täglich  beunruhigen  und  brandschatzen,  der  Seeadler  wohl  auch  ein 
junges  Schaf  raubt  und  der  Jagdfalke  zahlreiche  Schneehühner  wegfängt. 
Aber  der  Seeadler  lebt  zum  großen  Teil  von  Fischen,  die  mau  ihm 
am  Meere  ohne  weiteres  gönnen  kann,  dazu  von  den  im  einzelnen  ja  nicht 
besonders  wertvollen  Felsenvögeln,  von  denen  sowieso  zahlreiche  durch 
elementare  Einwirkungen  zu  Grunde  gehen.  Andernteils  ist  auch  klar,  daß 
eine  völlige  Ausrottung  der  Raubtiere  nur  eine  allmähliche  Degeneration  der 
bisher  als  Nahrung  dienenden  Vögel,  besonders  wenn  es  sich  wie  hier  zumeist 
nicht  um  Zugvögel  handelt,  zur  Folge  haben  würde. 

Der  Jagdfalke  ist  au  und  für  sich  wohl  noch  schädlicher  als  der 
Seeadler,  aber  doch  hüten  sich  manche  berechnende  isländische  Bauern,  ihn 
im  Brutgebiete  zu  schießen,  weil  sie  durch  Wegnahme  seiner  Eier  und 
gelegentlich  auch  Dunenjungen  einen  nicht  unbedeutenden  jährlichen  Gewinn 
in  Aussicht  haben.  Da  der  Vogel  gewöhnlich  4  Eier  legt,  von  denen  das 
Stück  ausgeblasen  selbst  in  Island  mit  4 — 8  Mark,  von  Reisenden  sogar  noch 
höher  bezahlt  wird,  sehen  die  Bewohner  am  Myvatn  z.  B.  durchaus  nicht 
gern,  wenn  man  einen  Jagdfalken  zur  Sommerzeit  schießt,  trotzdem  die 
Vögel  genug  Enten  wegholen.  Würden  die  Eier  geringwertig  sein,  möchte 
die  Vernichtung  des  stolzen  Räubers  weit  rascher  vor  sich  gehen,  als  dies 
nun  in  Wirklichkeit  der  Fall  ist. 


8fi  Heck'iitiiiiL;   der  ^'ogol\v('lt   Islands. 

Der  Sfhiulcii  des  kleinou  Steinfalkcii  wird  selten  bocli  angeschlagen 
und  infolgedessen  der  Vogel  wenig  verfolgt.  Dasselbe  gilt  von  dem  in 
mauclien  Gegenden  häutigen  Kaben.  der  besonders  durch  Vertilgung  von 
Kiern  und  jungen  Vögeln  nützlicher  Arten  Schaden  anstiftet.  Da  er  aber  im 
allgeDieinen  unbrauchbare  Stoft'e  verzelirt  und  dort,  wo  er  verfolgt  wird,  seine 
sonstige  Dreistigkeit  sehr  bald  ablegt,  stellt  man  ihm  nur  gelegentlich  nach. 
Kbens(»  vorhält  es  sich  mit  den  Raubmöven,  die  mau  zwar  gleichfalls  als 
Nesträuber  kennt,  sie  aber  nur  hier  und  dort  energischer  verfolgt. 

Auch  den  Fischräubern  der  Binnengewässer  stellt  man  kaum 
irgendwo  planmälMg  nach.  Urinator  Imbcf  und  lumme  sind  niclit  so  leicht 
zu  schieüen,  und  Mergus  merganser  und  f<errator,  sowie  die  fischefressenden 
Knten  nützen  anderweit  durch  Eier,  Fleisch  und  Federn.  Stema  macrura, 
die  zeitweise  ausschließlich  von  kleinen  Fischen  lebt,  hält  wieder  durch  ihre 
['nrulie  und  Angriffslust  die  Raubvögel,  Raben  und  Raubmöven  von  den 
IJrutiilätzen  der  Fidervögel  und  anderer  Enten  ab,  weshalb  man  sie  scliützt 
und  gern  in  der  Nähe  solcher  Orte  gleiclifalls  brüten  sielit.  Dazu  nimmt 
man  ihr  die  äuL^erst  zarten  Eier. 

Von  einer  Schädliclikeit  solcher  Vögel,  die  aus  dem  Meere  ihre  Nahrung 
holen,  kann  natürlich  erst  recht  nicht  die  Rede  sein,  und  man  verfolgt  sie  um 
so  weniger,  je  geringer  der  Wohlgeschmack  ihrer  Eier  und  ihres  Fleisches,  sowie 
die  (iüte  ihrer  Federn  ist.   Dies  gilt  z.  B.  von  Phalacrocorax  carbo  und  gracuhit^. 

Einige  Arten,  besonders  die  kleineren,  sind  in  ihrer  Bedeutung  für  den 
Menschen  indifferent.  Doch  haben  ja  alle  Vögel  wenigstens  ästhetischen 
Wert,  wenn  auch  der  ungebildetere  Isländer  nicht  viel  davon  spüren  mag. 
Sie  beleben  die  öden  Landschaften  durch  ihre  Stimme,  mit  der  sie  sich  S(» 
ausgezeichnet  der  „Stimmung"  der  Natur  anpassen;  sie  sind  die  Verküudei' 
des  Frühlings  und  des  Herbstes,  des  Morgens  und  des  Abends.  Sie  begleiten 
den  einsamen  Reiter  über  Berge  und  durchs  Tal.  sie  besuchen  den  fleißigen 
Fischer,  der  weit  draußen  auf  hoher  See  seiner  Arbeit  nacligelit. 

Viele  Vögel  nützen  nun  aber  dem  Menschen  unmittelbar  durch  Eiei', 
Fleisch  und  Federn,  ja  es  gibt  Gebiete  in  Island,  z.  B.  die  Insel  Grimsey, 
die  ohne  das  Vorhandensein  unserer  Tierklasse  kaum  bewohnt  sein  möchten. 
Teils  wird  lohnender  Handel  damit  getrieben.  Docli  mag  es  kaum  jemand 
auf  Island  geben,  dessen  alleiniger  Beruf  der  Ausnutzung  der  Vogelwelt  gälte. 

Das  Wegnehmen  und  der  Handel  mit  Vogel  eiern  ist  nur  bezüglich 
der  Eiderenten  gesetzlich  beschränkt,  im  übrigen  aber  freigegeben  und  wird 
von  den  Isländern  so  viel  als  möglich  betrieben.  Freilich  hat  in  bewohnten 
Gegenden  nur  {.Wx  Grundeigentümer  das  Recht  der  Wegnahme  auf  seinem 
Besitztume,  wo  ihm  ja  auch  ohne  weiteres  das  Jagdrecht  zusteht.  Das 
Sammeln  der  Eier  von  selten  unbefugter  I'ersonen  kann  als  Diebstahl  ver- 
folgt werden.  Auch  hat  der  Besitzer  von  Ortlichkeiteu,  auf  denen  Vögel 
kolonienweise  nisten,  das  Recht,  das  Betreten  dieser  Gebiete  zu  untersagen, 
was  auf  Eiderbrutplätzen  nicht  selten  streng  gehaudhabt  wird.  Außerhalb 
solcher,  ja  immer  eng  begrenzter  Bezirke  sammeln  die  Isländer  meist 
rücksichtslos    alle     liischcii     Eier,    mit    Ausnalime    der    kleinsten,    die    sie 


Bedeutuno   der  \nsiol\vcU  Islands.  87 

zufälligerweise  oder  auch  durch  besonderes  Suchen  auffinden.  Doch  werden 
am  Myvatn  z.  B.  selbst  die  der  Wiissertreter  nicht  verschont,  trotzdem  die 
Leute  genug'  größere  haben. 

Besondere  Bedeutung'  gewinnt  die  Wegnahme  der  Eier  natürlich  nur 
dort,  wo  die  Vögel  in  Kolonien  brüten,  vor  allem  an  den  Vogell)ergen  und 
an  einigen  Seengebieten,  die  Saniraelorte  der  Enten  darstellen.  Doch  werden 
auch  die  Brutplätze  von  Seeschwalben,  großen  Raubmöveu,  Mantel- 
möven  und  andern  Arten  in  gew^issen  Abständen  besucht  und  der  Eier 
beraubt,  bis  mau  den  Vögeln  endlich  gestattet,  ihr  erstes  oder  zweites  Nach- 
gelege zu  bebrüten.  Natürlich  Avird  dieser  Termin  je  nach  Gutdünken  des 
Besitzers  eher  oder  später  angesetzt.  Audi  im  übrigen  geschieht  das  Sammeln 
nicht  allerorts  auf  dieselbe  Weise.  Am  Myvatn  beginnt  das  Wegnehmen 
der  Eier  selten  vor  Anfang  Juni  und  wird  etwa  einen  Monat,  doch  kaum 
über  das  erste  Drittel  des  Juli  hinaus,  fortgesetzt.  Mau  sammelt  vorzugs- 
weise die  Eier  der  Enten  und  Säger,  nimmt  aber  auch  alle  andern,  die 
gleichzeitig  gefunden  werden,  mit  fort.  Gewissen  Arten  raubt  man  das 
ganze  Gelege,  andern  läßt  man  3  oder  4  Eier  im  Neste  zurück,  worauf 
dei"  Vogel  dieses  weiterb(;nutzt.  Der  l^esucli  der  Brutplätze  wird  melirmals 
wiederholt.  Den  Ohrentauchern  (Colymhus  anräus)  und  andern  weniger  wert- 
vollen Vögeln  nimmt  man  sogar  bis  Ende  Juli  die  noch  frischen  Gelege, 
wenn  man  beim  Fischfange  an  den  Nestern  vorüberfährt.  Die  Eier  werden 
7.\im  größten  Teile  für  den  Selbstbedarf  l>enutzt,  da  ein  Transport  auf  Pferden 
schwierig  ist.  Der  Reisende,  der  im  Juni  irgend  einen  H(»f  am  Myvatn  besucht, 
erhält  zu  den  drei  täglichen  Mahlzeiten  i'cgelmäßig  gekochte  Eier  vorgesetzt, 
von  denen  die  der  Seeschw^albe  und  der  isländischen  Schellente  als  die 
wohlschmeckendsten  gerühmt  werden.  Bei  meinem  Juliaufenthalte  in  Reykjalid 
hatten  die  schlecht  aufbewahrten  Eier,  die  in  Kisten  im  Schuppen  standen, 
.schon  sehr  an  Frische  eingebüßt,  ja  gelegentlich  wurden  auch  etwas  fmgebrütete 
auf  den  Tisch  gebracht.  Selten  nehmen  sich  die  Bauern  die  ]Müh(',  die 
Eier  sorgfältiger  zu  konservieren. 

Nicht  so  leicht  ist  das  Sammeln  an  den  Vogelbergen,  doch  üben 
sich  die  Bewohner  in  der  Nähe  solcher  Ortlichkeiten  von  Jugend  auf  im 
Klettern,  das  ja  für  einen  ki-äftigcn  und  schwindelfreien  iAIenschen  keine 
besonderen  Schwierigkeiten  )>ietet.  Auf  Grimsev  kennt  jeder  Bauer  das  zu 
seinem  Hofe  gehörige  Stück  des  Berges  ganz  genau  und  hantiert  beim 
Sammeln  gewöhnlich  allein.  Er  bindet  ein  langes  Seil  um  einen  kurzen 
eisernen  Stab  oder  hölzernen  Pfahl,  von  denen  eine  Menge  iu  den  steinigen 
Orund  auf  der  Höhe  des  Vogelberges  fest  und  tief  eingeschlagen  sind,  und 
wirft  es  dann  den  Felsen  hinunter.  Nun  klettert  er  selbst,  sich  mit  beiden 
Händen  am  Seile  haltend,  langs:ini  schräg  abwärts,  wobei  er  die  ihm  genau 
bekannten  Vorsprünge  benutzt.  Oft  rutschen  die  Leute  auch,  nur  durch  die 
dicken  Fausthandschuhe  geschützt,  sehi-  rasch  an  fiberhängenden  Felspartien 
abwärts,  wobei  die  größte  Gefahr  immer  darin  besteht,  daß  lose  Steine  auf 
sie  herabrollen.  Sie  nehmen  nun  mit  einer  Hand  die  Eier  weg,  stecken  sie 
in   Taschen   und   iimgehiingte  Ik'utel   und  steigen   hingsnni   und  siclier  wieder 


gg  Bedeutung  der  Vogelwelt  Ishiinls. 

hiuaii.  um  sich  oben  ilirer  Ernte  zu  entledigen.  Dann  klettern  sie  nueli 
einer  andern  Richtung  von  neuem  abwärts.  Das  Sammelergebuis  der  unteren 
Felspartien  wird  wohl  auch  bei  ruhigem  Wetter  in  ein  Boot  geschafft,  das 
zur  Zeit  der  Ebbe  am  Strande  steht.  Wenn  Anfang  Juni  die  Hauptsammeizeit 
eintritt,  bindet  sich  der  Kletterer  das  Seil  um  den  Leib  und  wird  ol)en 
von  mehreren  andern  Männern  gehalten.  Eine  weitere  Person  steigt  auf 
einen  Vorsprung,  wo  ihn  beide  Teile  sehen  können,  und  gibt  durch  Winke 
kund,  wenn  der  Fänger  hinaufgezogen  sein  will,  da  das  Geschrei  der 
unzähligen  Seevögel  natürlich  die  menschliche  Stimme  auf  weitere  Entfernungen 
hin  völlig  übertönt.  Seit  vielen  Jahren  ist  hierbei  auf  Grimsey  niemals  ein 
schwereres  Unglück  vorgekommen,  trotzdem  alle  Bauern  dasell)st  oft  genug 
au  den  Felsen  herumklettern.  Mir  hat  ein  über  TOjähriger  Mann  ganz  allein 
Eier  und  Vögel  geholt.  Man  nimmt  auf  Grimsey  fast  nur  die  Eier  von 
Uiia,  Alca  und  Rimi,  beginnt  mit  Sammeln  Ende  Mai  und  setzt  dies 
gelegentlich  bis  Ende  Juni  fort.  Die  Vögel  sollen  in  der  Regel  nicht  mehr 
als  einmal  nachlegen.  Ein  Teil  der  Eier  wird  von  den  Leuten  selbst  verzehrt, 
ein  anderer  auch  für  5,  bezw.  6  Öre  das  Stück  an  die  Besatzung  von 
Walfängern  und  andern  Schiffen,  die  AVasser  auf  der  Insel  holen,  verkauft 
oder  gelegentlich  auch  nach  Akureyri  gesandt.  Ganz  ähnlicii  sind  die  Ver- 
hältnisse in  der  Umgebung  anderer  Vogelberge.  Frisch  gelegte  Eier  der 
genannten  Arten  haben  gekocht  einen  recht  angenehmen  Geschmack,  doch 
werden  auch  die  angebrüteten  p]xemplare  von  den  Bewohnern  häufig  verzehrt, 
nachdem  mau  den  Embryo  entfernt  hat.  Die  Zeit  der  Eierernte  stellt  für 
die  Gegend  den  Höhepunkt  des  Wolillebens  dar.  Gewöhnlich  'sind  die 
Vorräte  nach  einigen  Wochen,  spätestens  Monaten  aufgezehrt  und  verkauft. 
Eine  längere  Aufbewahrung  ist  im  allgemeinen  auch  nicht  ratsam,  weil  sehr 
viele  der  Eier  beim  Sammeln  Eindrücke  und  Sprünge  bekommen  und  infolge- 
dessen rasch  verderben. 

Eine  nicht  unerhebliche  Einnahmequelle  für  gewisse  isländische  Bauern 
bildet  auch  der  Verkauf  von  Eiern  seltnerer  Vogelarten  zu  Sammel- 
zwecken. In  den  meisten  Gegenden  der  Küste  gibt  es  Kaufleute,  die  wohl 
erhaltene  volle  oder  richtig  ausgeblasene  Exemplare  zu  einem  bestimmten 
Preise  von  den  Bewohnern  kaufen  und  nun  weiteren  Handel  damit  treiben. 
Fast  überall  kennen  deshalb  die  Leute  viel  besser  als  bei  uns  den  Wert 
der  einzelnen  Arten  und  bieten  dem  fremden  Reisenden  gefundene  Eier 
selten  billig  an.  Selbst  auf  Grimsey  mußte  ich  z.  B.  das  volle,  auch 
angebrütete  Ei  von  Alle  alle  mit  1,05  Krone  bezahlen,  zu  welchem  Preise 
die  Leute  in  dem  einen  Jahre  70 — 80  Stück  nach  Akureyri  verkauft  hatten. 

Außer  den  Eiern  sind  vor  allen  Dingen  die  Federn  der  Vögel  vi>u 
Bedeutung,  die  einen  wichtigen  Ausfuhrsartikel  des  isläudisclien  Handels 
darstellen.  In  erster  Linie  stehen  die  Eid  er  dunen,  von  denen  das  Pfund 
(=  ^2  '^8")  i'^  8'"^  gereinigtem  Zustande  einen  Exportpreis  von  8 — 13  Kronen 
besitzt.     In  den  letzten  Jahren  schwankte  dieser  zwischen  8,5  und  11  Kr.'). 


1)  Diese    und  die  folgenden    statistischen  Angaben    verdanke   ich    der  Güte    des 
deutschen  Konsuls  für  Island,  Herrn  Kaufmann  Thonisen  in  Reykjavik. 


Bedeutung  der  Vogelwelt   Islands.  j-!9 

Freilicli  ist  die  Mühe  der  Reinigung  eine  bedeutende.  Man  holt  die  Dunen 
in  der  Regel  erst  dann,  wenn  die  Jungen  das  Nest  verlassen  haben,  be- 
unruhigt die  Vögel  vorher  gar  nicht  oder  nimmt  ihnen  höchstens  für  den 
Selbstbedarf  einige  Eier,  deren  Verkauf  ja  gesetzlicli  verboten  ist.  Bauern- 
höfe, zu  denen  Eiderbrutplätze  gehören,  haben  besonderen  V^ert,  und  man 
bemüht  sich  überall  an  den  Küsten,  die  Vögel  ansässig  zu  machen.  Der 
teuerste,  allerdings  im  Besitze  der  Landeskasse  befindliche  Hof  Islands, 
Laxamyri  in  der  Sudr  ])ingeyjar  Sysla,  der  einen  Wert  von  etwa  25000  Kronen 
haben  soll,  erreicht  diesen  teilweise  durch  seine  vorzüglich  besetzte  Eider- 
kolonie.  Der  Gesamtexport  Islands  an  Eiderdunen  beträgt  jährlich  5-  bis 
•  iOOO  Pfund.    1902  wurden,  soweit  bekannt,  5923  Pfund  ins  Ausland  verkauft. 

Andere  Vogelfedern  sammelt  man  melir  für  den  Selbstbedarf.  Im 
Jahre  1902  wurden  nur  646  Pfund  zum  Preise  von  420  Kronen  exportiert. 
Am  Myvatu  und  an  andern  bedeutenden  Brutorten  der  Süßwasserenteu 
nimmt  man  deren  Dunen  nach  beendigter  Brut.  Doch  wird  das  Pfund 
solcher  kaum  höher  als  mit  5—6  Kr.  bezahlt.  In  einigen  Gegenden  sammelt 
man  auch  die  Federn  der  mausernden  Vögel,  von  denen  jedoch  nur 
die  des  Schwanes  einigen  Wert  besitzen.  Auf  Grimsey  waren  die  Gras- 
flächen am  Rande  der  Vogelberge  so  dicht  mit  kleinen  weißen  Federn 
bedeckt,  daß  man  den  Eindruck  hatte,  es  sei  ein  leichter  Schnee  gefollen. 
Hierbei  handelt  es  sich  um  die  besten,  die  Bauchfedern,  die  den  Vögeln  au 
den  Stellen  der  Brüteflecken  ausgehen.  Doch  sammelt  man  diese  nicht. 
An  den  Vogelbergen  gewinnt  man  ja  so  leicht  große  Mengen  von  Federn, 
indem  man  die  gefangeneu  und  getöteten  Pelsenvögel  rupft.  Auf  Grimsey 
Jiat  eine  Lumme  oder  ein  Alk  den  Wert  von  25,  ein  Papageitaucher  von 
15  Öre,  wovon  man  die  Hälfte  auf  die  Federn,  die  andere  auf  das  Fleiscli 
rechnet.  Auch  Enten-  und  Gänsefedern  benutzt  man  regelmäßig,  sonstige 
nur  gelegentlich.  Man  sortiert  die  Federn  nach  ihrer  Güte  und  verkauft 
sie  in  benachbarte  Ortschaften. 

Von  großer  Bedeutung  werden  die  Vögel  selbst  als  Nahrungsmittel. 
Sie  stellen  mit  Ausnahme  der  wenigen  vorhandenen  Renntiere  das  einzige 
Nutzwild  Islands  dar,  das  man  eifrig  verfolgt,  weil  jeder  Besitzer  auf  seinem 
Grund  und  Boden  jagdberechtigt  ist.  Innerhalb  der  gesetzlichen  Grenzen, 
die  freilich  nur  von  wenigen  genau  beachtet  werden,  schießen  die  Isländer 
alle  möglichen  Vogelarten,  die  ihnen  zur  Nahrung  geeignet  erscheinen,  von 
Landvögeln  besonders  Schneehühner,  Enten,  Gänse  und  Schwäne,  jedoch 
auch  Goldregenpfeifer,  Bekassinen  u.  a.  m.  p]in  eigentlicher  Handel  wird  nur 
]uit  der  erstgenannten  Art  betrieben,  von  der  die  Bewohner  günstiger  Jagd- 
gebiete im  Winter  große  Mengen  erlegen,  zu  Pferde  nach  den  Ortschaften 
an  der  Küste  bringen  und  hier  15 — 25  Öre  für  das  Stück  erhalten.  Im 
.lahre  1902  sind  nach  der  mir  von  Herrn  Konsul  Thomsen  in  Reykjavik 
gemachten  Angabe  192  695  Schneehühner  im  Werte  von  4:5  611  Kronen  nach 
Scliottland  und  Dänemark  ^exportiert  worden. 

Geradezu  Lebensbedürfnis  wird  die  Erbeutuug  von  Vögeln  für  die 
f>ewohner    in    der   Nähe    von  Voo-elberoen.     An    den   meisten    derartigen 


1)0  Bedeutung  der  Vogelwelt   Islands. 

Ortliclikeiteu  bemächtigt  man  sicli  der  Tiere  durch  Faug,  ja  vermeidet,  wie 
auf  Grimsey,  das  Schießen  gänzlich,  um  die  Vögel  möglichst  wenig  scheu 
zu  erhalten.  Nur  abseits  der  Brutplätze  werden  oft  zahlreiche  Möven 
gelegentlich  des  Fischfauges  mit  Hilfe  von  Schießgewehren  erbeutet,  wozu 
auf  offenem  Meere  jedenuann  berechtigt  ist. 

(jewisse  Vogelarteu  läßt  man  mehr  oder  weniger  ungestört  brüten  und 
ihr  Junges  gToßfüttern,  raubt  dieses  aber  kurz  vor  dem  Ausfliegen,  um  das 
äußerst  fette,  zarte  Tier  frisch  zu  koclien  oder  einzusalzen  oder  mitunter  aucli 
zu  räucliern.  Dies  tut  man  besonders  bei  Suta  bassana,  huhnarns  glacialis, 
l'ufl'iiiuH  pnfßima,  Fratercula  arctica  und  auch  Cepphus  gi'yUe.  Soviel  man 
bekommen  kann,  nimmt  man,  ohne  berechnend  an  die  Zukuuft  zu  denken. 
Doch  gibt  es  genug  unzugängliche  Nester,  die  verschont  bleiben.  Befinden 
sich  die  Jungen  in  Höhlen,  so  werden  sie  mit  einem  eisernen  Haken,  der 
sich  an  einem  Stocke  befindet,  erfaßt  und  herausgezogen.  Man  dreht  den 
zappelnden  Tieren  nun  langsam  aber  sicher  den  Hals  um,  bis  die  Wirbel- 
knochen auseiuanderreißcn  und  der  Tod  eintritt.  Einen  doppelt  unangenehmen 
Kindruck  macht  es,  wenn  sich  Knaben  in  dieser  Tätigkeit  üben,  die  scheinbar 
nicht  so  leicht  ist,  da  der  sich  wehrende  zälilebige  Vogel  oft  eine  Minute 
lang  gequält  wird.  Die  getöteten  Exemplare  steckt  der  Fänger  mit  dem 
Kopfe  unter  den  Riemen  oder  das  Seil,  das  er  um  deü  Leib  geschlungen 
hat,  und  begibt  sich  auf  dieselbe  Weise  wie  beim  Sammeln  der  Eier  nach 
oben  oder  unten. 

Die  wenigsten  Vögel  lassen  sich  mit  der  Hand  ergreifen  oder  mit 
Knütteln  totschlagen,  die  alten,  die  natürlich  die  größte  Bedeutung  haben, 
fast  gar  nicht,  weshalb  man  verschiedene  einfache  Fangvorrichtungen 
anwendet.  Auf  Grimsey  ist  die  gebräuchlicliste  eine  lauge  dünne  Stange, 
an  deren  Ende  sich  eine  feste  Fischbeinschlinge  befindet,  die  man  dem 
sitzenden  Vogel  über  den  Kopf  steckt  und  darauf  rasch  anzieht.  Mit  Vorsicht 
und  einiger  Übung  lassen  sich  die  meisten  Felsenvögel  auf  diese  Weise 
erbeuten,  selbst  die  gewandte  Rissa.  Auf  den  Vestinannaeyjarn  benutzt  man 
lieber  ein  Netz  an  der  Stange,  mit  dem  man  den  sitzenden  Vogel  bedeckt, 
das  aber  auch  zum  Fangeu  von  nahe  vorbeifliegenden  Tieren  verwendet  wird. 
Eine  derartige  VoiTichtung  besaß  auf  Gi-imsey  nur  ein  Bauer.  Solange  die 
Vögel  sich  überhaupt  an  den  Felsen  aufhalten,  holt  man  ab  und  zu  etliche 
zum  Kücheubedarf,  besonders  Lummen,  Alke  und  Dreizehenmöven.  Man 
fängt  sie  auch  von  den  Eiern  weg,  da  diese  angeblich  sofort  von  andern 
Individuen  weiter  bebrütet  werden.  Dem  Papageitaucher  oder  gelegentlich 
der  Gryll-Lumme  stellt  man  auf  Grimsey  auch  während  des  Sommers  mit 
Fußschlingen  nach,  die  man  aus  lloßhaaren  zusammendreht  und  auf  Bretter 
befestigt  oder  auf  natürlicheu  Ruheplätzen  im  oberen  Teile  der  Vogel- 
berge anbringt.  Sel])st  am  Rande  der  kleinen  Süßwasserteiche  im  Innern 
Grimseys  fand  ich  vielerorts  Fußschliugen  aufgestellt,  die  besonders  den 
Dreizehenmöven  galten.  Leider  werden  aber  die  Schlingen  uicht  allzu  oft 
kontioUiert,  sodaß  die  gefangenen  Vögel  sich  bei  ihren  Befreiungsversuchen 
nicht  selten  die  Haut  der  Tarsen  bis  auf  den  Knochen  durchreilten.  mitunter 


Gezähllitt'  Vögel.  92 

uucli  die  Beiuc  uusreiikcn.  Hat  sich  das  großscliiiäblige  Mäuiiclieu  des 
Papageitauchors  gefaiigeu,  kommt  bald  sein  Weibchen  geflogen  und  setzt 
sich  daneben.  Ab  und  zu  trippelt  es  auf  dem  Fangbrette  umher,  lockt  das 
Männchen  mit  leise  knurrenden  Lauten,  flattert  wohl  auch  ein  Stück  davon 
und  veranlaßt  das  arme  gefangene  Tier,  ähnliche  Bewegungen  zu  versuchen. 
Dann  wieder  drängen  sich  die  Vögel  eng  aneinander,  sitzen  regungslos  still 
\ind  \  erharren  stundenlaug  in  Angst  und  Qual.  Und  dies  geschieht  den 
ganzen  Sommer  über  täglich  mit  zahlreichen  Exemplaren. 

Die  Hauptmenge  der  Felsenvögel,  die  zum  Winter  vor  rate  aufbewahrt 
werd(!n  sollen,  fängt  man  im  Spätsommer,  wenn  die  Jungen  ziemlich  heran- 
gewachsen sind.  Die  viele  tausend  Stück  umfassende  Beute  schaff't  man  auf 
Grimsev  mit  Hilfe  zweier  Pferde,  die  man  nur  zu  diesem  Zwecke  auf  der 
Insel  hält,  nacli  den  Häusern.  Gewöhulicli  läßt  man  die  Vögel  in  den  Federn 
solange  an  kühlen  Orten  liegen,  bis  man  sie  verzehren  will.  Ich  habe  solche 
regelmäßig  nur  in  Salzwasser  gekocht  vorgesetzt  bekommen  und  fand  ihren 
(leschmack  ganz  angenehm.  Au  einigen  Vogelbergen,  besonders  auf  den 
Vestmaunaeyjarn,  salzt  mau  auch  viele  Vögel  ein  oder  räuchert  sie.  Ja  auf 
dieser  Insel  benutzt  man  die  geräuclierten  Papageitaucher,  denen  man  die 
Federn  der  Unterseite  ausgerupft  und  das  Brustfleisch  abgeschnitten  hat,  auch 
häufig  als  Brennmaterial,  was  auf  Orimsey  nur  mit  Knochen  und  sonstigen 
Abfällen  geschieht. 

Ein  eigentlicher  Handel  mit  den  Seevpgeln  wird  nicht  getrieben,  da 
deren  Fleisch  nicht  nacli  jedermanns  Geschmack  ist. 

Grezähmte  Vögel. 

Von  Bedeutung  sind  in  Island  nur  die  Haushühner,  die  mau  auf 
vielen  Bauernhöfen  lullt,  besonders  dort,  wo  die  Beschaffung  anderer  Eier 
.Schwierigkeiten  verursacht.  Wert  auf  geeignete,  gute  Rassen  scheint  man 
nirgends  zu  legen.  Dementsprechend  ist  meist  auch  die  IJierproduktion  gering. 
In  den  wenigen  größeren  Ortschaften  hält  man  hier  und  dort  Haustauben, 
die  oft  dem  Jagdfalken  zur  Beute  fallen,  ausnahmsweise  nur  Hauseuten 
und  Hausgäuse,  deren  Einbürgerung  nicht  selten  fehlschlägt.  In  den 
Städten  trifft  man  natürlicli  auch  den  Kauarienvogel,  gelegentlicli  einen 
Papagei  und  andere  ausländische  Arten.  Von  einheimischen  Vögeln  sah 
ich  nur  in  Akureyri  einige  Schneeammeru  (Passerina  nivalis)  gekäfigt,  die 
sieh  scheinbar  recht  wohl  befanden.  Bei  den  billigen  Preisen,  die  man  selbst 
in  den  größeren  Ortschaften  für  Federwild  zahlt  (in  Reykjavik  z.  B.  kosten 
Schneehühner  ungefähr  :}r)  Öre,  Enten  40—50  Öre  usw.),  ist  die  Zucht  der 
meisten  zahmen  Vögel  nicht  lohnend.  Gelegentlich  bezieht  man  aber  Geflügel 
und  Eier  von  Dänemark  und  Schottland. 


IL 
Besonderer  Teil. 

Verzeichnis  der  für  Island  festj^estellten  Vogelarten. 

1.  Colymbua  griseigena  griseigena  (Bodd.).     p]inmaligei  Vorkonmien. 

2.  Colymhus  auritus  L.     Ziemlich  häufiger  Erutvogel. 

3.  Urinator  imher  (Gunn.).     Nicht  häufiger  Brutvogel. 

4.  Urinator  arcticus  (L.).     Nur  einmal  im  Sommer  festgestellt. 

5.  Urinator  lumme  (Gunn.).    Verbreiteter  Brutvogel. 

6.  Fratercula  arctica  glacialii<  Steph.     Gemeiner  Brutvogel. 

7.  Cejjphus  grylle  grylle  (L.).     Häufiger  Brut-  und  Standvogel.') 
8a.Uria  troile  troile  (L.).     Gemeiner  Brut-  und  Standvogel. 

b.  Uria  troile  troile  (L.)  var.  rhingvia  (Brunn.).     Seltnere  Abart. 
9.    Uria  lomvia  loinvia  (L.).     Gemeiner  Brut-,  Stand-  und  Wintervogel.-) 

10.  Älca  torda  L.     Häufiger  Brutvogel. 

—  Alca  impennis  L.     Ausgestorben. 

11.  Alle  alle  (L.).     Brutvogel  auf  Grimsey  und  Wintergast. 

12.  Megalestris  skua  (Brunn.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

13.  Stercorarius  pomarinus  (Temm.).     Gelegentlicher  Gast. 

14.  Stercoraniis  parasiticus  (L.).     Verbreiteter  Brutvogel. 

15.  Stercoranus  cepphus  (Brttim.).     Gelegentlicher  Gast. 

16.  Pagophila  ehurnea  (Phipps).     Gelegentlicher  Wintergast. 

17.  Rissa  rissa  rissa  (L.).     Gemeiner  Brutvogel. 

18.  Larus  marinus  L.     Nicht  seltner  Brut-  und  Standvogel. 

—  [Larus  argentatus  argentatus  Brunn.     Zwcifelliaftes  Vorkommen.] 

19.  Larus  glaucus  Brunn.     Nicht  seltner  Brut-  und  Wintervogel. 

20.  Larus  levcopterus  Fabei-.     Häufiger  Wintervogel. 

21.  Ijttrus  canns  caniis  L.     Seltner  Gast.  . 

22.  Xema  sahinii  (Sab.).     Seltner  Gast. 

23.  Sterna  7nacrura  macrura  Naum.     Gemeiner  Brutvogel. 

24.  T/ialassögeroH  chlororhynchos  (Gm.).     Einmaliges  Vorkommen. 

25.  Fulmanis  glacialis  glacialis  L,     Häufiger  Brut-  und  Standvogel. 


1)  Bedeutet  hier:  auch  iin  Wiuter  auf  oder  bei  Islai 
^)  Aus  andern  Gegenden  kommend. 


Verzeichnis  der  für  Island  festgestellten  Vogel  arten.  93 

26.  Pufßnus  pnfßnus  (Brünu.).     Bvutvogel  auf  den  Vestmannaeyjarn. 

27.  Puffums  gravis  (O'Reilly).     Seltner  Gast. 

—  [Pufßiiis  griseus  (Gm.).     Wahrscheinlich  seltner  Gast.] 

28.  Oceanodroma  leucorrhoa  (Vieill.).     Brutvogel   auf  den  Vestraannaeyjarn. 

29.  Procdlaria  pdagica  L.     Gelegentlicher  Gast. 

30.  Sida  bassana  (L.).     An  einigen  Orten  Brutvogel. 

M.  Phalacrocorax  carbo  (L.).     Nicht  luiufiger  Brut-  und  Staudvogel. 

32.  Phalacrocorax  graculus  graculus  (L.).    Nicht  seltner  Brut-  und  Standvogel. 

33.  Mergiis  merganser  L.    Verbreiteter  Brutvogel. 

34.  Mergus  serrator  L.     Häufiger  Brutvogel. 

35.  Anas  boschas  L.     Häufiger  Brutvogel. 

36.  Chaulelasmus  streperits  (L.).     Seltner  Brutvogel. 

37.  Mareca  penelope     (L.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

38.  Mareca  amerlcana  (Gm.).     Einmal  aufgefundener  Brutvogel. 

39.  Nettion  crecca  crecca  (L.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

4(».  Querquedula  circia  (L.).    Wahrscheinlich  gelegentlicher  Brutvogel. 

41.  Dafila  acuta  (L.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

42.  Aethya  ferina  (L.).     Seltner  Sommergast. 

43.  Aethya  marila  manla  (L.).     Häufiger  Brutvogel. 

44.  Aethya  fnligxda  (L.).    Wahrscheinlich  gelegentlicher  Brutvogel. 

45.  Aethya  nyroca  (Güld.).     Seltner  Sommergast. 

46.  Glancionetta  clangida  clangida  (L.).  Wahrscheinlich  gelegentlicher  Brutvogel. 

47.  Glaucionetta  islandica  (Gm.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

48.  Clangida  hyemalis  (L.).     Häufiger  Brutvogel. 

49.  Histrionicus  histrionicus  (L.).    Verbreiteter  Brutvogel. 

50.  Somateria  spectabilis  (L.).    Gelegentlicher  Gast  und  wahrscheinlich  seltner 
Brutvogel. 

51.  Somateria  mollissima  iiiollissima  (L.).     Gemeiner   Brut-  und  Standvogel. 

52.  Oideniia  nigra  nigra  (L.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

53.  Casarca  casarca  (L.).    Ausnahmsweises  Auftreten  1892. 

54.  Tadorna  tadorna  (L.).     Seltner  Gast. 

55.  Chen  hyperborea  hyperborea  (Fall.)     Einmaliges  Vorkommen. 

56.  Anser  albifrons  albifrons  (Gm.).     Nicht  häufiger  Brutvogel. 

57.  Anser  fabalis  (Lath.).    Angeblich  nicht  seltner  Brutvogel. 

58.  Anser  brachyrhynchns  Baill.     Gelegentlicher  Durchzügier  und   vielleicht 
Brutvogel. 

59.  Anser  ferus  ferus  Schaeff.     Nicht  häufiger  Brutvogel. 

60.  Branta  bernicla  bernicla  (L.).     Nicht  häufiger  Durchzügler. 

61.  Branta  lemopsis  (Bchst.).    Regelmäßiger  Durchzugs-  und  vielleicht  ge- 
legentlich Brutvogel. 

62.  Cygnns  cygmis  (L.).    Verbreiteter  Brutvogel. 

63.  Ardea  cinerea  L.     Nicht  seltner  Gast. 

64.  Ardetta  minuta  minuta  (L.).     Einmaliges  Vorkommen. 

—  [Ciconia  ciconia  (L.).     Einmaliges  Vorkommen.] 

65.  Plegadis  autumnalis  (Hasselq.).    Ausnahmsweises  Vorkommen  1824. 


<)4  Verzeichnis  ilor  für  Island   festf^ostellten  Vogelarten. 

66.  h'nllns  aqnaticus  L.     Nicht  liiliifigcr  l>riit-  und  .Standv<ii(el. 

67.  (jnllunda  chloropus  (L.).     Gelegentlicher  Gast. 

68.  Fulicd  atra  L.     Nicht  seltner  Gast  und  gelegentliclier  Mrutvogel. 

69.  Crj/mophüus  fnlicarim  (L.).     Seltner  Brutvogel. 

70.  P/iidaropns  lohalus  (L.).     Häutiger  Brutvogel. 

71.  Galliiuigo  f/allijiago  (jnUhiago  (L.).     Häutiger  r>rntv<igel. 

72.  Scolopax  rw^Ücola  L.     Seltner  Gast. 

73.  Tringa  cnnutus  L.     Durchzügler  und  ausnahmsweiser  Brutvogel. 

74.  Arquaidia  maritima  mariümd  (Brunn.).    Verbreiteter  Brut-,  Stand-  und 
Wintervogel. 

—  [Aiicf/locheilus  ferrugineus  (Brünu.).     Fragliches  Vorkommen.! 

75.  Palidna  alpina  schinzii  (Brehm).     Häufiger  Brutvogel. 

76.  Calidvis  arenaria  (L.).     Durchzügler  und  ausnahmsweiser  Brutvogel. 

77.  Limosa  limosa  (L.),     Brutvogel  im  Südwestlande. 

78.  Pavoncella  pngnax  (L.).     Seltner  Gast. 
7i>.  Tof.anus  totaims  (L.).     Häufiger  Brutvogel. 

—  [Xnmeniiis  /indsonicus  Lath.     Zweifelhaftes  Vorkommen.) 

80.  Ni(menins  phaeoptcs  phaeoprts  (L.).     Häufiger  Brutvogel. 

81.  Aumenins  arquatns  ai-quatus  (L.).     Gelegentlicher  Gast. 

82.  VaneUus  ranelhis  (L.).     Gelegentlicher  Gast. 

83.  Squatarola  Helvetica  (L.).     Gelegentlicher  Gast. 

84.  Charadrius  apricarius  L,     Häufiger  Brutvogel. 

85.  Aegialitis  hiaticida  (L.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

—  [Acgialitls  cnronica  (Gm.).     Fragliches  Vorkommen.) 

86.  Arenaria  interpres  (L.).     Nicht  seltner  Brut-,  Stand-  und  Wintervogel. 

87.  Haematopns  ostralegn.'<  }j.     Nicht  seltner  Brutvogel. 

88.  Lagopus  rupestris  islandortun  (Faber).    Häufiger  Brut-  und  Standvogel. 

89.  Columba  paliimbna  L.     Einmaliges  Vorkommen. 

90.  f/a/iaetiis  albicUla  (L.).     Seltner  Brutvogel. 

91.  Hierofalco  gyrfaJco  gyrfalco  (L.).     Gelegentlicher  Gast. 

92.  Hierofalco  gyrfalco  islandus  (Brunn.).    Nicht  häufiger  Brut-,  Stand-  und 
Wintervogel. 

93.  Falco  merdliis  (Gerini).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

94.  Cerchneis  tinnuncida  (L.).     Seltner  Gast. 

95.  Anio  otus  (L.).     Seltner  Gast. 

96.  Asio  acclpilriinis  (Fall.).     Gelegentlicher  Gast. 

97.  Xyctea    nyctea    (L.).      Nicht    seltner  Wintervogel    und    gelegentlicher 
Sommergast. 

98.  Ci'vyle  alryon  (L.).     Einmaliges  Vorkommen. 

99.  Upupa  epops  L.     Einmaliges  Vorkommen. 

100.  Apus  opus  apm  (L.).     Seltner  Gast. 

101.  Coi'vus  corax  p>rincipalis  Ridgw.     Häufiger  Brut-  und  Staudvogel. 

102.  Corvus  cornix  connx  L.     Gelegentlicher  Wintergast, 

—  [Corvus  corone  corone  L.     Fragliches  Vorkommen.] 

103.  Corvus  frugilegus  frugilegus  L.     Gelegentlicher  Wintergast. 


Colyiubiis  griseigena  griseigena.  95 

104.  Cohens  inonedala  sperutologus  (Vieill.).     Seltner  Gast. 

—  \^Nucifraga  caryocatades  macrorhynchos  Bvelim.    Eiuraaliges  Vorkommen.] 

—  [Oriolns  oriolus  (L.).     Zweifelhaftes  Vorkommen.] 

105.  BomhjciUa  garrula  (L.).     Ausuahmsweises  Vorkommen  190:5. 

106.  Stüvnus  ütilgaris  vulgaris  L.     Gelegentlicher  Gast. 

107.  AcantJils  linaria  islandica  Hantzsch.  Nicht  häufiger  Brut-  und  Standvogel. 
—  [jicLvdIds  linaria  rostrata  (Coues).    Wahrscheinlich  Wintergast.] 

—  [Acaidhis   Jiornemannii   horneniarmii    (Holb.).     Vielleicht    gelegentlicher 

Wintergast.] 

108.  Fringilla  coelebs  coelebs  L.     Seltner  Wintergast. 

—  [Semius  ülandicns  Brehm.     Zweifelhafter  Typus.] 

109.  Passenna  nivalis  nivalis  (L.).     Häufiger  Brut-  und  Standvogel. 

110.  Calcarius  lapponicus  lappordcus  (L.)     Seltner  Wintergast. 

111.  Hirnndo  rustica  rustica  L.     Gelegentlicher  Sommergast. 

112.  (Jlielidonaria  urbica  urbica  (L.).     Seltner  Sommergast. 

113.  Motadlla  alba  alba  (L.).     Nicht  seltner  Brutvogel. 

114.  Anthus  pratensis  (L.).     Häufiger  Brutvogel. 

115.  Anorthura  troglodytes  borealis  (Fisch.)     Seltner  Brut-  und  Standvogel. 

116.  Tnrdas  iliacus  coburni  Sharpe.     Nicht  seltner  Brutvogel. 

117.  Tnrdus  pilaris  L.     Gelegentlicher  Gast. 

118.  Merula  menda  merrda  (L.).     Gelegentlicher  Gast. 

119.  Saxicola  oenanthe  leucorrlioa  (Gm.).    Häufiger  Brut-  und  Durchzugsvogel. 

120.  Erithacus  titys  (L.).     Einmaliges  Vorkommen. 


Besprechung  der  für  Island  festgestellten 
Vogelarten. 

1.  Colyrabus  griseigena  griseigena  (Bodd.). 
ßothalstaucher. 

Fodiceps  rubricoUis  ((xmel.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  421  (1863).  — 
Podiceps  grisegena  Bodd. :  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  52  (1895).  —  Podicipes  griseigena 
(Bodd.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  136  (1901). 

Podiceps  grisegena,  Bodd.:  Oollin,  Skandinaviens  Fngle,  S.718  (1877).  —  Podicipes 
griseigcfia  (Bodd.):  Ogilvie-Grant,  Cat.  Birds  Brit.  Mns.  XXVI,  p.  539  (1898).  ~-  Winge, 
Grenlands  Fugle,  S.  131  (1898).  —  Colymbus  griseigena  Bodd.:  Naumann,,  Vögel  31ittel- 
europas  XII,  S.  78  (1903). 

Isländisch:  Hälsraud  Sefönd  (=  Rothalsige  Schilfente). 

Auch  dän. :  Rodhalset  Silkeand.  Schwed.:  Rödhalsad  Dopping.  Kngl.:  Red- 
necked  Grebe. 

Colymbus  griseigena  griseigena  bewohnt  Kuropa  mit  Ausnahme  seines  südwest- 
lichsten Teils  und  das  benachbarte  Asien,  brütet  etwa  bis  zum  65.  Grade  nordwärt.«, 
ist  in  Rußland  und  Finnland  stellenweise  häufig,  im  benachbarten  Skandinavien  seltner, 
in  Norwegen  vielleicht  nur  ausnahmsweise  Brutvogel.  Selbst  auf  Sj^itzbergen  soll  ein 
Exemplar  erlegt  worden  sein.  Im  Spätherbste  begeben  sich  die  Vögel  nördlicherer 
Gebiete  auf  die  Wanderung  und  werden  dann  nicht  selten  an  den  deutschen  Ost-  und 
Nordseeküsten,  in  England,   Irland  und  Schottland,  wo  auch  einzelne  brüten,  gesehen. 


96  Colynibus  auritus. 

Von  deu  Färöern  und  Grönlaiul  aber  ist  unsere  Spezies  noch  unbekannt.  Südwärts 
wandern  die  Vögel  bis  NordatVika.  —  In  Xurdamerika  und  Ostasien  wird  unsere  Forui 
durch  ilen  etwas  größeren  ('.  y.  holhoellii  lihdt.  vertreten,  der  sich  mehrfach  auch  in 
Südgrönland  gezeigt  hat. 

Von  Island  ist  nur  <'in  einmaliges  Vorkommen  unseres  Vogels 
bekannt,  wobei  es  sich  um  ein  Hxemjtlar  der  paläarktiscben  Form  gehandelt 
zu  haben  scheint,  das  durch  widrige  Winde  bis  zu  unsrer  Insel  getrieben 
und  im  Dezember  1885  bei  Keflavik  (>SW.)  erlegt  wurde  (Gröndal,  Ornis  1886. 
8.  369).  Es  erwies  sich  durch  die  Sektion  als  Männchen.  Wo  sich  der 
Balg  des  Vogels  befindet,  konnte  ich  leider  nicht  erfahren.  Ganz  ausgeschlossen 
ist  nicht,  daß  es  sich,  entgegen  den  Angaben,  um  den  amerikanischen 
C.  g.  holhoellii  geliandelt  hat.  zumal  die  Mehrzahl  der  in  Südgrönhmd  erlegten 
Exemplare  dieser  Form  gleichfalls  aus  dem  Spätjahre  stammt.  Wenn  ßaring- 
Gould  glaubt  (1.  c),  Colymbus  griseigena  auf  dem  M;f vatn  gesehen  zu  haben, 
so  beruht  diese  Angabe  höchst  wahrsclieinlich  auf  Verwechslung  mit  der 
folgenden  Art. 

•I.  Colymbus  auritus  L. 

Ohrentaucher. 

Podiceps  cornutus  (Lath.)  &  P.  auritus  (Lath.) :  Faber,  Prodromus,  S.  61  und 
62.  —  Podiceps  cornutus  Lath.  &  P.  auritus  Lath.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach 
Island,  S.  422  und  423  (1862).  —  Podiceps  cor 7mtus  (Gme\.):  Newton,  in  ßaring-Goulds 
Iceland,  p. 421  (1863).  —  Podiceps  cornutus  Lath.  &  P.  auritus  Lath.:  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  52  (1895).  —  Podicipes  auritus  (Llnn.):  Slater.  Eirds  of  Iceland, 
p.  137  (1901). 

Podiceps  cornutus,  Lath.:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  71!)  (1877).  —  Podicipes 
auritus  (Linn.):  Ogilvie-Grant,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  527  (1898).  —  Winge, 
Grönlands  Fugle,  S.  130  (1898).  —  Colymbus  auritus  L.:  Naumann.  Vögel  Mittel- 
europas XII,  S.  85  (1903). 

Isländisch:  Sefönd  (=  Schilfente);  Flürgodi  (flör  =  Flur,  Morast,  godi  ist  ein 
Ehrenname  altisländischer  Häuptlinge,  also  etwa  Herrscher  der  Sümpfe),  davon  Ab- 
kürzung Flora:  seltner  Flüaskitur  (flöa  ist  Genetiv  von  flöi  =  Sumpf,  skitur  =  Exkrement), 
Flödskitur  (fiöd  =  Flut),  abgekürzt  Flöaskit,  Fh'.dskit. 

Auch  färöisch:  Seväudt. 

Colymbus  auritus  wurde  nach  seinen  verschiedenen  Kleidern  von  den  älteren 
Ornithologen  irrtümlicherweise  in  zwei  Arten  getrennt,  deren  Zusammengehörigkeit 
heutzutage  außer  jedem  Zweifel  steht. 

Unser  Vogel  bewohnt  die  nördlicheren  Gebiete  der  Erde.  In  Amerika  brütet 
er  von  den  Vereinigten  Staaten  an  bis  zu  den  Hudsonsbailäudern,  aber  nicht  in  (rrön- 
land,  wo  er  sich  nur  wenige  Male  im  südlichen  Teile  gezeigt  hat.  in  Asien  nordwärts 
vom  Amurgebiete  und  Turkestan.  Nirgends  jedoch  scheint  er  als  Brutvogel  den  Polar- 
kreis zu  überschreiten.  Im  Winter  trifit  man  ihn  südlicher.  In  Nordrußland  ist  unsere 
Art  stellenweise  häufig.  Sie  brütet  auch  iu  Finnland,  und  in  Norwegen  besonders  auf 
den  Küsteuinseln.  Dagegen  besucht  sie  die  Britischen  und  die  nördlich  davon  liegenden 
kleinen  Inseln,  einschließlich  der  Färöer,  nur  auf  dem  Zuge.  Sogar  bis  Jan  Mayen 
nordwärts  ist  sie  gesehen  worden  (Winge),  südwärts  bis  zum  Wendekreise  hinab. 

In  Island  gehört  der  Ohreutaucher  zu  den  ziemlich  häufigen  Brut- 
vögeln. In  beträchtlicher  Anzahl  bewohnt  er  den  M}''vatn,  seltner  den 
]?ingvallavatn  und  andere  größere  Seen.  Auf  dem  Zuge  kommt  der  Vogel 
auch  nacli  kleineren  Teichen  und  Sumpfgebieten. 


Colymbus  anritus.  97 

Einige  isländische  Exemplare  raeinor  iSammlung  zeigen  folgende  Maße:  cJad., 
Saudarkrökr,  April  1902.  Flügel:  138  mm.  Tarsen:  46.  Schnabel:  25,5.  —  (5ad.,  ebd. 
Flügel:  1 -43.  Tarsen:  46,5.  Schnabel:  25.  —  $ad.,  Myvatn,  Jirutvogel  vom  20.  Juli  1903. 
Gewicht  i.  Fl. :  600  g.  Gesamtlänge  i.  FL:  340  mm.  Flügel:  145.  Schwanz -|- Flügel: 
25.  Tarsen:  45.  Schnabel:  c.  23.  —  $  ad.,  M^-vatn,  Brutvogel  vom  27.  Juli  1903. 
Gewicht:  ca.  720  g.  Gesamtlänge:  330.  Flügel:  139.  Tarsen:  46.  Schnabel:  25.  — 
Von  den  letzten,  beiden  Exemplaren  war  die  Iris:  feurigrot,  um  die  Pupille  ein  Kranz 
feiner  goldiger  Pünktchen.  Schnabel:  schwärzlich  mit  heller  Spitze,  Kelilhaut  und 
seitlicher  Grund  des  Unterschnabels:  rötlichgrau.  Nackte  Hautstelle  am  Zügel:  blaß- 
blutrot. Füße:  hellgrau,  nach  außen  zu  mehr  schwärzlich.  Beide  Vögel  sind  fast 
fertig  in  Sommertracht. 

Die  Obrentaucher  sind  Zugvögel  auf  Island.  Aufaug  April  zeigen 
sie  sich  in  der  Nähe  des  Meeres.  Im  Mai  kommen  sie  nach  ihren  Brut- 
plätzen und  beginnen  mit  dem  Baue  des  Nestes.  Dieses  wird  gewöhnlich 
etwas  abseits  vom  üfer  in  seichtem  Wasser  angelegt.  Es  ist  zwar  häufig 
schwimmend,  dann  aber  doch  mit  den  am  Grunde  wurzelnden  Wasser- 
pflanzen verflochten.  In  Form  und  Größe  variiert  es  außerordentlich,  besonders 
in  Gegenden,  wo  man  die  Vögel  oft  stört.  Mitunter  wird  es  fest  und 
dicht  aus  abgestorbenen  Pflanzenstoffen  und  mooriger  Erde  aufgebaut.  Dies 
tun  besonders  ältere  Paare,  indem  sie  das  vorjährige,  als  kleiner  Hügel 
noch  sichtbare  Nest  benutzen.  Andere  Brutstätten  werden  liederlicher  in 
wenig  Tagen  aus  einer  Unmenge  frischer  Wasserpflanzen  der  nächsten  Um- 
gebung, besonders  gern  Myriopliyllum,  aufgeschichtet,  auf  deren  Mitte  nun 
der  Vogel  wie  auf  einer  Insel  sitzt.  Bei  solchen  Bauten  wird  es  diesem 
allerdings  leicht,  aus  dem  Wasser  hinaufzusteigen,  was  ihm  sonst  mitunter 
rechte  Mühe  verursacht  und  mehrmalige  Sprünge  und  Anläufe  erfordert,  auch 
wenn  das  Nest  flach  ist  und  wenig  über  das  Wasser  emporragt. 

Beide  Vögel  eines  Paares  bauen  geraeinsam  und  sind  zu  dieser  Zeit 
viel  lebhafter  als  sonst.  In  den  Morgen-  und  Abendstunden  vernimmt  man 
häufig  als  charakteristischsten  Stimmlaut  den  trillernden  Paarungsruf,  ein 
sehr  schnelles  Bibilnbibib,  das  überaus  an  Colymbus  nigricans  erinnert  und 
mit  keiner  andern  isländischen  Sumpfvogelstimme  verwechselt  werden  kann. 
Treibt  das  Männchen  sein  Weibchen,  so  läßt  es  ein  lautes,  klägliches  Güi 
hören,  das  mannigfachen  Veränderungen  unterworfen  ist.  Ich  notierte  auch 
guau,  giau,  gui,  aui.  Wenn  beide  Vögel  ungestört  beisammenschwimmen, 
rufen  sie  sich  einsilbige,  kurze  Töne  zu,  die  ungefähr  wie  girt  girt  klingen. 
Warnend  lassen  sie  ein  leises  Grrr  hören.  Derartige  Stimmlaute,  wie 
Colymbus  griseigena  sie  zur  Balzzeit  ausstößt,  vernahm  ich  nie.  Riemschneider 
allerdings  erwähnt  die  Ähnlichkeit  der  Rufe  beider  Arten  (Ornith.  Monats- 
schrift 1896,  S.  319). 

Im  Wesen  erinnert  unser  Vogel  am  meisten  an  Colymbus  nigricollis. 
Er  ist  still,  veriiältnismäßig  zutraulich,  lebt  nicht  besonders  versteckt  und 
taucht  nur  bei  der  Nahrungssuche  oder  in  äußerster  Not. 

Gewöhnlich  nicht  eher  als  Anfang  Juni  beginnt  die  Ablage  der  Eier; 
wenigstens  ist  mir  keine  Maibrut  bekannt.  Die  Angabe  Rieraschneiders 
(1.  c,  S.  320),  er  habe  am  4.  Juni  ein  Dunenjunges  gesehen,  beruht  auf  einem 
Druckfehler;  gemeint  ist  der  4.  Juli.     Das  normale  Gelege  besteht  aus  4, 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands.  7 


98  Colyinbus  auritus. 

manchmal  o,  seltner  3  —  6  Stück.  Durch  rechtzeitige  Wegnahme  der  Eier 
kann  die  Erzeugung  derselben  beträclitlich  vermehrt  werden.  Späte  Funde 
haben  in  der  Kegel  i)ierin  ihren  (jrund.  An  eine  zweimalige  erfolgreiche 
Brut  ist  dabei  nicht  zu  denken.  Am  Myvatn  trifft  mau  bis  Ende  Juli  frische 
Eier.  Ich  schoß  am  27.  d.  M.  ein  Weibclien,  das  im  Eierstocke  bald  lege- 
reife Eier  trug.  Um  diese  Zeit  sieht  man  einige  Paare  mit  Jungen,  andere 
brüten,  etliche  Itauen  sogar  noch  ein  neues  Nest. 

Isländische  Eier  meiner  Sammlung  haben  folgende  Maße:  50x31.8  mm  (2,2  g). 
46x31(2,2).  46x30,5(2,1).  45x30(2).  44.2x31,5(2,4).  44,2x30,8(2).  43,2x30 
(1,9).  42,2x30,^(1,9).  41,5x30,5(1,8).  40  x  28,5  (1,7).  —  Das  Yollgewicht  einiger 
von  mir  untersuchter  Exemplare  schwankte  zwischen  19 — 25  g.  Die  Eier  lassen  sich 
nicht  mit  Sicherheit  von  denen  verwandter  Arten  unterscheiden.  Sie  haben  frisch  eine 
blaßgrünliche  Färbung,  nehmen  aber  durch  chemische  Veränderung  der  Oberhautschicht 
allmählich  einen  gelblichen,  bräunlichen  oder  selbst  schwärzlichen  Ton  an,  am  schnellsten 
und  intensivsten  dort,  wo  das  Wasser  der  Umgebung  recht  warm  ist. 

Bei  trockner  Witterung  und  in  Gegenden,  wo  Nestraub  durch  Vögel 
und  Menschen  vorkommt,  wird  schon  das  erste  Ei  eines  Geleges  alsbald  mit 
feuchten  Pflanzenstoffen  zugedeckt.  Hierdurch  beginnt  sofort  die  Selbst- 
bebrütung,  woraus  sich  in  erster  Linie  die  häufig  beobachtete  ungleiche  p]nt- 
wicklung  der  Jungen  erklärt.  Das  eigentliche  Brüten  beginnt  unter  normalen 
Verhältnissen  erst  auf  dem  vollständigen  Gelege.  Die  Ohrentauclier  sind 
um  ihre  Eier  recht  besorgt.  Meist  sitzt  das  AVeibchen  auf  dem  Neste, 
während  das  Männchen  beobachtend  in  der  Nähe  umherschwimmt.  Aus- 
nahmsweise jedoch  steigt  auch  dieses  feierlich  in  die  Nestmulde,  stellt  sich 
hochbeinig  über  die  Eier,  schaut  nochmals  sichernd  umher  und  läßt  sich 
endlich  langsam  und  mit  Würde  nieder.  -Die  Vögel  erhalten  weit  unten  am 
Körper  einen  großen  Brutfleck,  der  nur  mit  dürftigem  Flaume  bedeckt  bleibt. 
Eigentümlich  ist,  daß  sie  die  Federn  dieser  Stelle  nicht  nur  selbst  ausrupfen, 
sondern  sogar  regelmäßig  verschlingen,  was  sie  häufig  auch  während  der 
Mauser  tun.  Die  verschluckten  Federn  bleiben  viele  Tage  im  Magen  und 
scheinen,  ähnlich  wie  Saudkörner,  die  Verdauung  der  eigentlichen  Nahruiigs- 
stoffe  zu  unterstützen.  Sonst  fand  ich  im  Magen  nur  Algeu  und  andere 
feine  Pflauzenteile,  tierische  Überreste  konnte  ich  mit  einer  gewöhnlichen 
Lupe  nicht  erkennen.  Nach  20 — 24tägiger  Bebrütung  schlüpfen  die  Dunen- 
jungen aus,  doch  bleiben  nicht  selten  einzelne  taube  oder  abgestorbene 
Eier  im  Neste. 

Die  Beschreibung  des  Dunenkleides,  wie  sie  Krüper  gibt  (Naumannia  1857, 
S.  54),  paßt  auf  die  von  mir  gesammelten  verschiedenaltrigen  Jungen  nicht  gut,  wohl 
aber  diejenige  Palmens  und  Colletts  (Naumann  XII,  S.  88).  Folgendes  sei  hinzugefügt. 
Je  jünger  der  Vogel,  desto  lebhafter  Färbung  und  Zeichnung.  Ein  etwa  2  Tage  altes  cj 
wog  92  g,  Gesamtlänge:  185  mm.  Ein  ca.  4  Tage  altes  ?  :  125  g,  Gesamtlänge:  200  mm. 
CoUett  besehreibt  die  Iris  eines  8tägigen  Individuums  als  rot.  Bei  4  von  mir  unter- 
suchten ca.  1 — 6  Tage  alten  Exemplaren  war  sie  übereinstimmend  grau,  nach  außen  zu 
weißlich.  Schnabel:  fleischfarben,  Oborschnabel  mit  schwärzlichen  Flecken.  Zwischen 
Schnabel  und  Augen  befindet  sich  beiderseits  eine  zartweißlichblutrote  nackte  Haut- 
stelle. Eigentümlich  ist  eine  ebensolche  inmitten  der  Stirn,  die  aber  bald  verwächst. 
Größe  dieser  bei  dem  erwäluiten  (5pull.  ca.  6x6,  bei  dem  $  nur  noch  4x2  mm. 
Füße:  schwärzlich  und  hellgrünlichgrau  gefleckt. 


Urinator  iniher.  ^     99 

Die  Familien  halten  eng  zusammen.  Frieren  die  Jungen,  was  sehr 
leicht  der  Fall  ist,  klettern  sie  auf  den  Rücken  der  Alten,  besonders  auf 
den  der  Mutter.  Diese  sträu])t  die  Federn,  lüftet  die  Flügel  und  läßt  wenigstens 
das  Kleinste  gern  hinauf,  wobei  sie  öfters  ihr  feines  Grrr  ausruft.  Dann 
sieht  man  bei  dem  Vogel  den  weißen  Flügelspiegel  und  erkennt  daran,  daß 
er  Junge  trügt.  Manchmal  tauchen  die  Alten  mit  mehreren  der  Tierchen 
auf  dem  Rücken  unter  das  Wasser,  Dies  tun  sie  immer,  wenn  man  sie  ver- 
folgt. "Wird  jedoch  die  Gefahr  zu  groß,  so  verlassen  sie  die  Kleinen,  um 
sich  selbst  zu  retten,  mitunter  wohl  auch,  um  die  Aufmerksamkeit  von  diesen 
abzulenken.  Die  Tierclien  lialten  nun  ängstlich  zusammen  und  gehen  gemein- 
sam, aber  nicht  gern,  unter  Wasser.  Sie  erweisen  sich  angeschossen  als  sehr 
zählebig,  was  bei  erwachsenen  Vögeln  in  noch  viel  höherem  Grade  der  Fall 
ist.  Werden  die  Jungen  größer,  so  dulden  die  Alten  sie  nicht  mehr  auf  dem 
Rücken,  legen  die  Federn  an  und  schwimmen  fort.  Mitunter  sterben  dann 
freilich,  besonders  bei  späten  Brüten,  die  immer  noch  zarten  Vögel  vor  Kälte. 
Außerdem  wird  unsere  Art  in  allen  Altersstufen  von  zahllosen  Schmarotzer- 
iusekten  geplagt.  Bei  einem  von  mir  präparierten  Dunenjuugen,  sowie  bei  einem 
alten  Exemplare,  war  auch  der  ganze  Unterleib  mit  Bandwürmern  angefüllt. 

Die  Familien  bleiben  bis  zum  Flugbar  wer  den  der  Jungen  beisammen, 
was  über  einen  Monat  dauert.  Im  September,  mitunter  auch  erst  iVufang 
Oktober,  verlassen  sie  gemeinsam,  wenn  der  Abend  dämmert,  in  raschem  hohen 
Fluge  das  Brutgebiet  und  verschwinden  spätestens  i'lnde  Oktober  ganz  aus  Island. 
Ein  Überwintern  scheint  in  der  Regel  nicht  stattzufinden.  Doch  berichtet 
Faber,  daß  ein  junges  Exemplar  im  Dezember  auf  dem  Südlande  erlegt  wurde. 

3.  Urinator  imber  (Guun.). 
Eistaucher. 

Colymbiis  glaciaüs  (Liiin.):  Faber,  Prodronius,  S.  57  (1822).  —  Colymbus  immer 
Brunn.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  420  (1862).  —  Colymhus  glaciaüs  Linn.: 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  421  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkfc  fuglatal,  bis.  52 
(1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  133  (1901). 

Colymbus  glacialis,  L. :  CoUin.  Skandinaviens  Fugle,  8.725(1877).  --  Ugilvie- 
Grant,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  496  (1898).  —  Colymhus  glacialis  (L.)  typicus : 
Winge.  Grönlands  Fugle,  S.  134  (1898).  —  Gada  torquata  (Brunn.):  Naumann,  Vögel 
Mitteleuropas  XII,  S.  122  (1903). 

Isländisch:  Himbrimi,  selten  im  Nordlande  Brüsi  (Etymologie  beider  Wörter 
unklar  und  sehr  verschieden  gedeutet). 

Auch  deutsch:  Imber.  Hymber,  Himbriue.  Dan.:  Imber,  Havimber.  Norw.: 
Hymber,  Havhyniber.  Schwed. :  Imber,  Hymber,  Halhymber.  Engl.:  Imber  Goose. 
Franz. :  Imbrim. 

Urinator  imher  ist  vielfach  mit  dem  hellschnäbligen  U.  adamsii  (Gray),  ja  sogar 
mit  U.  arcticus  (L.)  verwechselt  worden,  sodaß  man  sich  vorläufig  kein  genaues  Bild 
von  der  Verbreitung  dieser  Spezies  entwerfen  kann.  Es  ist  überhaupt  noch  nicht  fest- 
gestellt, ob  sich  die  beiden  erstgenannte^  Arten  nur  geographisch  vertreten  und  dann 
als  Subspezies  aufzufassen  wären,  oder  w^e  weit  ihre  AVohnplätze  ineinandergreiien. 
Im  allgemeinen  muß  man  als  Verbreitungsgebiet  von  U.  imber  das  westliche  Nord- 
europa und  Noi'damerika,  für  U.  adamsii  dagegen  Asien  ansehen.  Allerdings  steht  fest, 
daß  noch  nicht  foi-ti)flanzungsfähige  jüngere  Individuen  beider  Arten,  wie  auch  die 
älteren  Vögel  zur  Zugzeit,    an   denselben  Örtlichkeiten   zusammentreffen,    doch    bedarf 

7* 


100  Urinator  imlicr. 

es  genauerer  Untersuchungen,  wie  weit  U.  adanisii  als  Brutvogel  von  Asien  aus  auf  das 
benachbarte  Europa  und  Amerika  übergeht.  Sichere  Brutplätze  von  U.  imber  kennt 
man  in  einigen  lokal  begrenzten  Gebieten  des  nearktischen  Amerikas,  in  Tirönland,  wo 
die  Art  recht  häufig  ist,  ferner  in  Island  und  auf  Jan  Mayen.  Im  Winter  streifen  die 
Vögel  südwärts  bis  zu  den  Wendekreisen  hinab  und  zeigen  sicii  dann  auch  auf  den 
Britischen  Inseln  und  den  nördlich  davon  liegenden  kleinen  Gruppen. 

In  Island  ist  der  Eistaucher  ein  verbreiteter,  aber  durciiaus  nicht 
häufiger  Brutvogel.  Er  lebt  während  des  Sommers  auf  stehenden  Ge- 
wässern im  Innern,  die  keineswegs  allzugroß  sein  müssen,  falls  mehrere 
beieinander  liegen.  Am  liebsten  sind  den  Vögeln  fischreiche  einsame  Gebirgs- 
seen, die  am  Rande  etwas  Schilf-  und  höheren  Graswuchs  zeigen.  Ganz  öde 
und  pflanzenlose  Örtlichkeiten  bewohnen  sie  aber  für  gewöhnlich  nicht,  obwohl 
ihnen  kahle  Berghänge  und  schroffe  Felsen  in  der  Umgebung  zusagen.  Sie 
sind  wenigstens  im  Sommer  weit  mehr  Gebirgs-  als  Tieflandsbewohner  und 
besuchen  Ebenen  und  Meeresteile  außerhalb  der  Zugzeit  nur  gelogentlich. 
Einzelne  Exemplare,  die  miin  auch  während  der  Brutperiode  in  solchen  Ge- 
bieten antrifft,  sind  entweder  jüngere,  noch  nicht  fortpflanzungsfähige  Individuen, 
gestörte  Brutvögel  oder  Gäste,  die  mit  Hilfe  des  äußerst  schnell  fördernden 
Fluges  ihren  benachbarten  Nistbezirk  stundenweise  verlassen. 

J)ie  isländischen  Eistaucher,  die  ich  im  Leben  und  in  Museen  sah,  gehörten  alle 
zu  Urinator  imber.  Sollte  gelegentlich  ein  U.  adanisii  beobachtet  werden,  so  dürfte 
es  sich  gewiß  nur  um  einen  Gast  handeln.  Bis  jetzt  ist  von  dem  Vorkommen  dieser 
Art  auf  unserer  Insel  nichts  bekannt.  Ein  am  27.  Juni  1903  bei  Hjalteyri  erlegtes 
ausgefärbtes  Männchen  meiner  Sammlung,  das  sich  lange  Zeit  hindurch  auf  dem 
Eyjafjördr  gezeigt  hatte  und  nach  dem  Zustande  der  Testikel  zu  schließen  noch  nicht 
geschlechtsreif  war,  zeigt  folgende  Maße.  Flügel:  365  mm.  Schnabellänge:  78.  Schnabel- 
höhe am  Grunde:  24.  Tarsen:  83.  31ittelzehe  inkl.  der  11  mm  langen  Kralle:  IIb  mra. 
Als  größte  Schnabellänge  maß  ich  nicht  mehr  als  82  mm  bei  einem  Exemplare  im 
ßeykjaviker  Museum. 

Im  zeitigen  Frühjalire  sieht  man  die  Vögel  einzeln  oder  auch  schon 
paarweise  auf  dem  Meere,  vor  allem  in  breiten  geschützten  Fjorden,  von 
wo  aus  sie  gelegentlich  nach  benachbarten  Süßwasserseen  fliegen  und  Ströme 
aufwärts  schwimmen.  Sie  sind  in  dieser  Zeit  sehr  scheu  und  kaum  auf  Kugel- 
schußweite im  Boote  anzufahren.  Verfolgt  tauchen  sie  zunächst,  wird  die 
Gefahr  größer,  erheben  sie  sidi  ziemlich  rasch  in  die  Luft.  Sie  steigen  meist 
sofort  in  bedeutende  Höhe  und  fliegen  mit  vorgestrecktem  Halse  und  kraft- 
vollen, hurtigen  Flügelschlägen  äußerst  schnell  davon,  wobei  sie  häufig  ihre 
Lockrufe  hören  lassen.  Diese  bestehen  in  der  Hauptsache  aus  ziemlich 
hohen,  einsilbigen  Tönen,  etwa  wie  gek  klingend,  die  mehrmals  hintereinander 
ausgestoßen  werden.  Gelegentlich  vernahm  ich  auch,  besonders  häufig  am 
19.  Mai  von  einem  bei  Steiugrimsfjördr  lebhaft  umherfliegenden  Paare,  einzelne 
tiefere,  scharfe  Warnrufe,  nachdem  ich  erfolglos  auf  einen  der  Vögel  geschossen 
hatte.  In  der  Ruhe  und  üngestörtheit  locken  sich  die  Paare  mit  einem  tiefen, 
ziemlich  weichen  Hohüu.  manchmal  auch  mit  Weglassung  der  ersten  Silbe. 
Dieser  Ruf  verändert  sich  am  Nistplatze  in  das  laute  Paarungsgeschrei, 
dem  ich  leider  nur  einmal  am  20.  Juni,  da  aber  fast  eine  Stunde  lang, 
lauschen  konnte.     Es   war  in   der  Nähe  von  Stserri-Ärskogi  im  Eyjafjörch- 


Urinator  itnber.  \()\ 

gebiete,  kurz  vor  Mitternacht,  als  die  Sonne  vei-sclileiert  und  düsterrot  tief 
am  Horizonte  stand.  Meine  Versuche,  die  Töne  in  Süllen  zu  fassen,  wollten 
nicht  recht  gelingen.  Man  erkennt  in  dem  Geheul  den  weichen  Lockruf 
wieder,  mit  dem  sich  ein  gedehntes  Au  mischt.  Mitunter  folgen  die  Laute 
kurz  und  schnell  aufeinander,  dann  wieder  klagend  gezogen.  In  den  einsamen 
isländischen  Gebirgen  wirkt  der  auffällige  Ruf  in  der  Nähe  fast  erschreckend, 
zumal  er  besonders  bei  Dämmerung  hervorgebracht  wird.  Soviel  ich  damals 
beurteilen  konnte,  ging  das  Paarungsgeschrei  von  beiden  Geschlechtern  aus. 
Sobald  die  Vögel  fest  brüten,  vernimmt  mau  ihre  Stimmlaute  nur  noch  selten. 
Das  unscheinbare  zusammengedrückte  Nest,  von  dem  Slater  in  seinem 
Buche  (p.  133)  eine  gute  Photographie  bringt,  befindet  sich  meist  dicht  am 
Wasser  und  ist  njit  weichen,  oft  noch  grünen  Gras-  und  Schilfstengeln 
unordentlich  ausgelegt.  Die  Zahl  der  Eier  beträgt  uuter  normalen  Verhältnissen 
immer  2.  Ihre  Ablage  erfolgt  gewöhnlich  im  Juni.  Herr  Dr.  Ottoßon  -hi 
Lenhofda  (Schweden)  hatte  die  Güte,  da  ich  selbst  nur  ältere  Eier  ohne 
Daten  besitze,  mir  Angaben  über  12  seiner  isländischen  Gelege  zu  machen. 
Diese  stammen  aus  der  Zeit  vom  28.  Mai  bis  5.  Juli,  wobei  freilich  die 
Stärke  der  Bebrütung  nicht  berücksichtigt  ist. 

Die  Maße  der  Eier  sind  folgende:  92,5x55  mm  und  93,5x54,8  mm.  — 
95,7x56,(3  und  94,2x56,3.  —  85,4x57,6  und  87,8x57,2.  —  91.1  X  57,G  (Gewicht 
19,75  g)  und  90.5x57,1  (18  g).  —  96,6x56  und  90x56.  —  90,5x56  (16,6)  und 
90x54,5(17,75).  —  93,4  x  57,5  und  92,4  x  58.  —  90,7x58  (15,54)  und  90,2x56,4 
(15.19).  —  92.6x60,4  (17,5)  und  90,1x59,6(17,47).  —  88,1x58  (17,2)  und  87x57,5 
(18,25).  —  92,7x59  (18,85)  und  90,1x58,1  (20,05).  --  96.8x59(18,4)  und  91.1  x  60,5 
(18,2).  Ein  weiteres  ausnehmend  großes  Ei  mißt  101x62,5  mm,  Gewicht  20,'2  g. 
Die  8  isländischen  Exemplare  meiner  Sammlung  halten  sich  in  den  angegebenen  Grenzen. 

Pearson  erhielt  ein  frisches  Gelege  auch  noch  am  12.  Juli  (Ibis  1895, 
p.  246).  Die  Vögel  sind  am  Brutplatze  viel  weniger  scheu  als  sonst,  sollen 
aucii  gegen  Ende  der  Brutzeit  das  feuchte,  schmutzige  Nest  nur  schwer  verlassen. 
Sie  fliegen  dann  uugern  auf,  suchen  sich  meist  durch  Schwimmen  mit  tief- 
eingesenktem Körper  oder  bei  Gefahr  durch  Tauchen  zu  verbergen  und  lassen 
in  iliren  abgelegenen  Gebirgswässern  den  Menschen  fast  immer  auf  40 — 50  m, 
ja  selbst  noch  näher  herankommen.  Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd 
mit  großer  Fürsorglichkeit.  Die  Brutdauer  beträgt  nach  Faber  etwa  30  Tage, 
die  Dunenperiode  der  Jungen  ungefähr  45  Tage.  Leider  konnte  ich  weder 
selbst  solche  erhalten,  noch  in  der  Literatur  eine  genaue  Beschreibung 
von  ihnen  finden.  Sie  leben  sehr  versteckt  und  wissen  sich  äußerst  geschickt 
den  Blicken  der  Menschen  zu  entziehen.  Die  Alten  führen  sie  bis  zum 
Flugbarwerden,  worauf  gewöhnlich  im  September  die  kleine  Familie  das  Nist- 
revier verläßt.  Die  Vögel  kommen  nun  nach  tiefer  gelegeneu  Gewässern 
und  späterhin  nach  dem  Meere,  das  sie  von  jetzt  an  zu  ihrem  Hauptaufenthalts- 
orte wählen.  Viele  überwintern  daselbst,  besonders  im  eisfreien  Süden, 
doch  sollen  nur  ausnahmsweise  einige  Exemplare  im  Innern  des  Landes 
zurückbleiben,  wo  offenes  Wasser  ihnen  genügende  Fischuahrung  zu  bieten  ver- 
mag. Andere,  wahrscheinlich  mehr  die  jüngeren  Tiere,  verlassen  die  Insel  im 
Oktober.  Gäste  von  Grönland  und  Jan  Mayen  mögen  die  Lücken  teilweise  ausfüllen. 


202  Urinator  arcticus. 

4.  Urinator  arcticus  (L.). 

Polarseetaucher. 

Colymbus  arcticus  Linn.:  Faber,  Prodromus,  S.  60  (1822).  —  Gröndal,  fslenzkt 
fuglatal.  bis.  52  (1895)  und  C)riii,s  XI,  ]).  457  (1901).  --  Urinator  arcticus:  Kiemschneider, 
Ornith.  Monatsschrift  XXI,  8.321  (1896)  und  XXVII,  S.  404  (1902)  und  XXIX,  S.  48 
(1901).      -  Colyinbus  arcticus,  L.:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  135  (1901). 

Colymbus  arcticus,  L.:  «Jollin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  727  (1877).  —  Ogilvie- 
Grant,  Uat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  492  (1898).  —  Gavia  arcticu  (L.):  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  132  (1903). 

Isländisch:  Nach  Riemschneider  Himbrimi.  Brüsi  (partim). 

Urinator  arcticus  brütet  im  Norden  von  Europa  und  Asien  und  soll  von  der 
Parry-Expedition  auch  auf  den  Melville-Inseln  gesammelt  worden  sein,  wobei  es  sich 
aber  wahrscheinlich  um  den  verwandten  nearktischen  Urinator  jmcificus  (Lawr.)  ge- 
handelt hat.  Soweit  die  Angaben  nicht  ebenfalls  auf  Verwechslungen  beruhen,  brütet 
unsere  Art  in  Europa  ungefähr  vom  55.  Breitengrade  an  nordwärts.  Sie  ist  in  Rußland 
und  Finnland  recht  häufig,  seltner  in  Schweden,  noch  vereinzelter  in  Norwegen.  Die 
Britischen  Inseln  besucht  der  Vogel  nur  als  seltener  Gast.  Von  den  Färöern  wird 
bloB  ein  einziges  Vorkommen  gemeldet,  und  von  Spitzbergen,  der  Bären-Insel,  Jan  3Iayen 
und  Grönland  fehlen  sichere  Angaben  über  sein  Auftreten  vollständig. 

Island  scheint  der  Polartaucher  ausnahmsweise  als  Gast  zu  besuchen, 
wobei  es  sich  um  Exemplare  handeln  dürfte,  die  über  Schottland  und  die 
Färöer  nach  unserer  Insel  verschlagen  wurden.  Die  meisten  Keimer  der 
Avifauna  Islands,  insbesondere  auch  Faber,  stellen  das  Vorkommen  der  Ali 
durchaus  in  Abrede.  Nur  Dr.  Riemschneider  behauptet  (1.  c),  im  Juli  1895 
ein  Paar  der  Vögel  am  Myvatn  l)eim  Neste  beobachtet  und  auch  später  noch 
in  Akureyri  Eier  unsrer  Art  gesehen  zu  haben.  Da  aber  die  Beschreibung 
der  Eier  vermuten  läßt,  daß  es  sich  um  solche  von  U.  imher  gehandelt  hat, 
würde  die  Aufnahme  von  U.  arctlms  in  vorstehendem  Verzeichnisse  unterblieben 
sein,  wenn  nicht  Riemschneider  ausdrücklich  versicherte,  daß  dieses  ihm  unter- 
laufene Versehen  bezüglich  der  Eier  nichts  an  dem  Vorkommen  des  Vogels 
selbst  in  Island  ändere.  „Ich  habe  am  Myvatn  ein  erlegtes  Exemplar  von 
Urinalor  ai-cticas  gesehen,  ja  noch  mehr  (!),  ich  habe  den  Vogel  vor  meinem 
Gewehr  gehabt  —  leider  entkam  er  schwer  krank  geschossen  — ,  und  ich  habe 
die  Eier  aus  dem  Nest  genommen"  (?)    (Ornithol.  Monatsschrift  1904,  S.  48). 

An  das  Vorkommen  des  Polartauchers  als  regelmäßiger  isländischer 
Brutvogel  kann  ich  vorläufig  nicht  glauben.  Sein  gelegentlicher  Besucli  der 
Insel  aber,  von  einjährigen,  noch  nicht  fortpflanzungsfähigen  Vögeln  auch 
während  des  Sommers,  ist  mir  nicht  unwahrscheinlich,  und  ich  nehme  an, 
daß  es  sich  in  besagtem  Falle  um  ein  solches  verirrtes  Exemplar  gehandelt 
hat.  Doch  weiß  ich  selbst  durch  Vorkommnisse,  wie  leicht  man  U.  imher 
für  U.  arcticus  halten  kann,  wenn  er  bei  gewisser  Beleuchtung  auf  dem 
Wasser  schwimmt. 

5.  Urina^tor  lumme  (Gunn.). 

Nordseetaucher. 

Colymbus  rufogularis  (I\Ieyer):  Faber,  Prodromus,  S.  59  (1822).  —  Colymbus 
lumme   Brunn.:   Preyer  (&  Zirkel),    Reise    nach    Island,    S.  421    (1862).    —    Colymbus 


Urinator  lumme.  JQ3 

septentrionalis  Linn.:  Newton,  in  Haring-üoulds  Iceland,  p.  421  (186B).  —  Uröndal, 
islenzkt  luglatal,  bis.  52  (1895).      -  Slater,  Binis  of  Iceland,  p.  135  (1901). 

Colytnbiis  septentrionalis,  L.:  Coliin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  729  (1877).  — 
Ogilvie-Cirant,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVJ,  p.  487  (1898).  —  AVinge,  Grönlands  Fugle, 
S.  131  (1898).  —  Gavia  lumme  (ninn.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XU,  S.  139  (1903). 

Isländisch:  jjöinur  (Etymologie  unklar,  vielleicht  vom  alten  lömr  =  Betrug), 
nach  Sveinn  Pälsson  auch  f>errirkräka  (perrir  =  Dürre,  Kräka  =  Krähe),  weil  man  das 
Geschrei  des   Vogels  besonders  bei  dürren  Zeiten  hören  soll. 

xAuch  deutsch:  Lom,  Lumme.  Dan.  &  norw. :  Lom.  Schwed.:  Lum,  Luma. 
Engl.:  Loon.     Fär. :  Louraur. 

Urinator  lumme  brütet  zirkumpolar  im  allgemeinen  vom  60.  Grade  an  soweit 
nordwärts,  als  offenes  Land  sich  findet.  Im  Winter  geht  er  in  allen  Erdteilen  bis 
etwa  zum  Wendekreise  hinab.  Er  ist  die  häufigste  Art  der  Gattung  und  auch  in 
Europa  weit  verbreitet.  Er  bewohnt  hier  das  nördliche  Rußland  und  Skandinavien, 
eJjenso  Nowaja  Semlja,  Franz- Joseph-Land,  Spitzbergen,  die  Bären-Insel,  Jan  Mayen 
und  Grönland,  vereinzelt  auch  Westschottland,  die  Hebriden,  ürkaden,  Shetlands  und 
Färöer. 

Iii  Island  findet  sich  der  Noi'dseetaucher  gleiclifalls  als  verbreiteter 
ßrutvogel  iu  den  meisten  Teilen  des  Landes.  Zur  Zugzeit  trifft  mau  ihn 
gewöhnlich  auf  dem  Meere  oder  auf  breiten  Strömen  in  der  Nähe  der  Küste. 
Als  Brutplatz  wählt  er  dagegen  stille  Teiche  inmitteu  von  fruchtbaren  Hügel- 
landschafteu  und  Tälern,  am  liebsten  solche,  die  mit  reichlichem  Pflanzen- 
wuclise,  hohen  Gräsern  und  Schilf  umsäumt  sind.  Iu  öden  Gebirgspartieu 
begegnet  man  ihm  selten.  Gelegentlich  streicht  er  auch  zur  Brutzeit  nach 
benachbarten  tischreichen  Strömen  oder  dem  Meere.  Er  ist  ein  hurtiger 
Flieger,  der  geradlinig  und  hoch  durch  die  Luft  eilt. 

Nach  Faber  erscheint  unser  Seetaucher  im  Süden  Islands  in  der 
2.  Aprilwoche,  im  Norden  Anfang  Mai.  Ich  sah  Ende  April  einzelne  der 
Vögel  auf  dem  Meere  bei  Reykjavik,  auch  etliche  Kilometer  abseits  vom 
Ufer,  später  fast  nur  im  Innern  des  Landes.  Sie  waren  nicht  besonders 
scheu,  manchmal  sogar  neugierig  dreist.  Als  ich  mich  am  21.  Mai  bei 
Blöuduös  in  der  Nähe  einer  Kiesbauk  niedergebeugt  hatte,  auf  der  unter 
zalilreicheu  Exemplaren  von  Palidmi  alpuia  auch  4  solche  von  Crt/inophiliis 
jnlimrim  umherliefen,  tauchte  plötzlich  etwa  10  m  vor  mir  ein  Nordsee- 
taucher auf.  Sobald  er  mich  gewahrte,  sank  er  bis  au  den  Hals  ins  Wasser, 
weil  ich  aber  regungslos  in  meiner  Stellung  verharrte,  kam  er  langsam  noch 
näher  geschwommen,  sodaß  ich  sein  verwundertes  Mienenspiel  beobachten 
konnte.  Da  mein  Interesse  den  Wassertretern  galt,  die  ich  nicht  zum  Schusse 
bekommen  konnte,  erhob  ich  mich  endlich,  worauf  der  Vogel  blitzschnell 
untersank  und  erst  nach  1 — 2  Minuten  weit  draußen  im  Meere  wieder  sichtbar 
wurde,  um  sofort  von  neuem  zu  verschwinden. 

Nicht  selten  schwimmen  unsere  Taucher  die  Flüsse  aufwärts,  wobei 
sie  starke  Strömung  mit  ziemlicher  Leichtigkeit  zu  überwinden  vermögen. 
Ebenso  sind  sie  fähig,  heftiger  Dünung  zu  widerstehen.  Mitte  bis  Ende  Mai 
begeben  sich  die  dann  schon  gepaarten  Vögel  fliegend  nach  den  Brutgewässeru 
im  Innern.  Wenn  möglich  benutzen  ältere  Paare  die  vorjährige  Niststelle 
oder  wenigstens  einen  benachbarten  Ort.  Zwei  Nester,  die  ich  untersuchte, 
befanden  sich  dicht  am  Wasser,  sodaß  der  brütende  Vogel  auf  einer  kurzen 


104  Ürinatfir  liiiii'iie. 

glatten  Rinne  in  dieses  gleiten  konnte.  Die  flache  Nestnuilde  liatte  eine 
Größe  von  etwa  25  cm  Durchmesser,  war  naß  und  mit  faulenden  Pflanzen- 
stoften,  besonders  Schilf  und  starken  Gräsern,  belegt.  Doch  werden  bis  in 
die  letzte  Zeit  der  Bebrütung  frische  Halme  hinzugefügt,  worin  sich  die 
Gattungen  Urbmtor  und  Colyinhus  gleichen.  Mehrfach  benutzte  Nester  sind 
ziemlich  dick.  Ab  und  zu  sollen  aber  jüngere  Vögel  auch  ohne  jeden  Unter- 
bau  in  eine  flache  Vertiefung  legen.     (Vergl.  Krüper  in   Naumannia  1857, 

11,  S.  8).  Unter  normalen  Verhältnissen  werden  die  Eier  im  Juni  gezeitigt. 
Die  5  datierten  Gelege  meiner  Sammlung  aus  Nordisland  sind  zwischen  dem 

12.  und  28.  Juni  gefunden  worden.  Doch  gibt  es  in  geschützten  Gegenden 
auch  Ende  Mai  schon  Eier.  Krüper  z.  B.  erhielt,  noch  dazu  im  Nordlande, 
Gelege  am  25.  d.  M.  (1.  c).  Die  Zahl  der  Eier  beträgt  2,  eins  mehr  ist 
seltne  Ausnahme,  eins  weniger  kommt  bei  Nachgelegen  vor. 

Einige  isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  77,2  x 
44,5  mm  (5,8  g)  und  76,5x43,8  (5,7).  74,5x45  (H,2)  und  74x44,5  (6,2).  67  X 
45,2  (6)  und  66,5  X  45,5  (5,7).  77  x  47  (6,9).  72  x  42  (5,4).  69  x  42.8  (6,3).  68  X 
43  (5,2). 

Die  Brutzeit  beträgt  nach  Faber  24 — 28  Tage.  Männchen  und 
Weibchen,  die  sich  ja  auch  nur  durch  ihr  Benehmen  und  die  Stärke  des 
Halses  und  Kopfes  unterscheiden,  brüten  abwechselnd  und  sind  sehr  besorgt 
um  die  Eier.  Selbst  wenn  man  den  Vogel  schon  mehrfach  vom  Neste  auf- 
getrieben hat,  verläßt  er  dieses  gegen  Ende  der  Periode  erst  bei  einer 
Annäherung  auf  5  — 10  m.  Dann  gleitet  er  fast  unsichtbar  ins  Wasser, 
kommt  weit  abseits  wieder  zum  Vorscheine  und  schwimmt  angstvoll  beobachtend 
umher,  ohne  von  neuem  zu  tauchen.  Dabei  läßt  er  ein  leise  klagendes  Wau 
auw  hören,  dieselben  Töne,  die  verbunden  und  laut  die  dämmernde  Abend- 
stille  als  Balzgesang  unterbrechen  und  dem  Rufe  des  Eistauchers  ähneln. 
Hierdurch  versuchen  die  Alten,  die  Blicke  des  nahenden  Feindes  vom  Neste 
auf  sich  zu  lenken.  In  die  Enge  getrieben  fliegen  die  Vögel  in  die  Höhe, 
strecken  den  Hals  weit  vor  und  erscheinen  dann  recht  groß.  Tm  Fluge 
lassen  sie  besonders  häufig  ihre  eigentlichen  Lockrufe  hören:  tief  und 
knarrend  gagagak,  einsilbig  gak  gak  oder  auch  gagagagagauw  und  ähnlich. 
FJntfernt  man  sich  vom  Neste,  kehren  die  Vögel  bald  wieder  dabin  zurück. 

Faber  fand  die  ersten  Duuenjungen  am  22.  Juni  (l.  c).  Riem- 
schneider  2  mehrere  Tage  alte  beim  Myvatn  am  23.  d.  M.  (Ornith.  Monats- 
schrift 1896,  S.  279).  Mir  wurde  am  29.  Juli  an  einem  kleinen  Teiche  in 
unmittelbarer  Nähe  dieses  Sees  ein  Nest  gezeigt,  das  noch  das  eine  Ei 
enthielt,  während  dem  andern  das  Junge  bereits  entschlüpft  war  und  bei 
dem  nicht  brütenden  Vogel  auf  dem  Wasser  schwamm.  Ich  ließ  mir  dieses 
Tierchen  zum  Zwecke  seiner  Präparatiou  von  einem  Manne,  der  in  das  brust- 
tiefe, völlig  klare  Wasser  watete,  fangen.  Es  bewegte  sich  so  schnell  unter 
der  Oberfläche  dahin,  daß  es  kaum  eingeholt  werden  konnte.  In  die  Hand 
genommen  ließ  es  ein  feines  Piep  hören. 

Dieser  kaum  tagealte  Vogel  besaß  ein  (Tewicht  von  82  g  und  eine  Gesamtlänge 
von  175  mm.     Sein  Gefieder  zeigt  auf  der  Überseite  viel  längere  und  weichere  Dunen 


Frutercula  arcticii  glacialis.  IQ^ 

als  auf  der  äußerst  dicht  besetzten  Unterseite.  Er  hat  eine  rauchschwärzliche  Allgemein- 
färbung ohne  irgendwelche  Zeichnung.  Auf  dem  Rücken  ist  er  am  dunkelsten,  etwas 
matter  auf  dem  Oberhalse  und  dem  langflaumigen  Oberkopfe.  Die  übrigen  Teile  des 
Kopfes,  und  Halses,  sowie  der  Unterleib,  erscheinen  mehr  aschgrau,  der  Bauch  fast 
weißlichgrau  gefärbt.  Das  Dunengetieder  ist  viel  dichter  und  weicher  als  das  junger 
Enten.  Der  Oberschnabel  zeigt  noch  den  weißlichen  Eizahn  und  hat  selbst  eine 
glänzeudschwarze  Farbe,  die  an  den  Seiten  und  an  dem  Unterschnabel  etwas  in  Grau 
übergeht.  An  der  Spitze  ist  letzterer  weißlich,  das  Innere  des  Schnabels  Üeischfarben- 
grau.  Schnabellänge:  IS  mm,  vom  Ende  der  bis  an  die  Nasenlöcher  vorspringenden 
Befiederung  bis  zur  Spitze:  7,5.  Größte  Breite  des  Oberschnabels,  vor  den  Nasen- 
löchern: 2,8.  Höhe  des  Schnabels  bei  diesen:  6.  Tarsen:  22.  Mittelzehe  inkl.  der 
4  mm  langen  Kralle:  2(>  mm.  —  Tarsen  sowie  die  unteren  Zehen  schwarz,  das  übrige 
der  Füße  dunkelgraugelb,  Mitte  der  Schwimmhäute  weißlichgrau.  Iris:  dunkelbraun. 
—  Im  Kröpfe  des  Vogels  befand  sich  eine  7  cm  lange  kopflose  Forelle,  sein  Magen 
war  mit  ungefähr  gleichgroßen  Fischen  vollgestopft. 

Die  alten  Eistaucher  führen  ihre  Jungen  mit  größter  Sorgfalt  bis  zu 
deren  Flugbarwerden,  was  Fabers  Beobachtungen  zufolge  etwa  40  Tage 
nach  dem  Verlassen  des  Eies  eintritt.  Vielfach  nicht  eher  als  Mitte  September 
entfernen  sich  die  Familien  fliegend  von  dem  Brutplatze,  benutzen  die  Ströme 
als  Zugstraßen,  wenn  sie  nicht  vorher  diese  abwärts  geschwommen  sind, 
und  kommen  endlich  an  das  Meer.  Ihr  Zusammenhalt  wird  loser,  und 
besonders  die  alten  Männchen  isolieren  sich.  Diese  überwintern  nicht 
selten  an  oflenen  Küsten,  ab  und  zu  auch  im  Innern  des  Landes.  Die 
übrigen  Vögel  aber  fliegen  spätestens  Ende  Oktober  nach  südlicheren  Gegenden, 
wobei  sie  vorübergehend  auf  den  Vestmannaeyjarn  und  anderen  kleinen  Inseln 
Halt  machen. 

6.  Fratercnla  arctica  glacialis  Steph. 
Papageitaucher. 

Mormon  fraterculn  (Temm.):  Faber,  Prodromus,  S.  50  (1822).  —  Mormon 
fratercnla  Temm.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  424  (1862).  —  Fratercula 
arctica  (Linn.):  Newton,  in  Bariiig-Goulds  Iceland,  p.  421  (1863).  —  Mormon  fratercula 
Temm.:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  51  (1895).  —  Fratercula  arctica  (Linn.)  & 
F.  glacialis,  Naum.:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  132  and  133  (1901). 

Fratercula  arctica  (L.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  741  (1877).  —  Ogilvie- 
Grant,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXYL  p.6l6  (1898).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  239 
(1898).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  247  (1903). 

Isländisch:  Lundi  (Etymologie  unklar),  selten  Prestur  (=  Priester),  Pröfastur 
(=  Propst),  Luiidaprofastur.  Die  Jungen:  Lundakofa  (von  kofi  =  Versteck,  weil  die 
Vögel  in  Höhlen  wohnen). 

Auch  deutsch:  Lund.  Dan.  &  norw.:  Luude.  Schwed.:  Lunne.  Fiun.:  Lunni. 
Fär. :  Lundi. 

Ob  und  inwieweit  Fratercula  arctica  arctica  (L.)  und  Fratercula  arctica  glacialis 
Steph.  auseinanderzuhalten  sind,  mag  zunächst  unberücksichtigt  bleiben.  Erstere  Form 
wird  in  der  Hauptsache  als  paläarktische  und  nearktische,  letztere  als  rein  arktische 
aufgefaßt.  Das  Verbreitungsgebiet  von  Fratercula  arctica  überhaupt  erstreckt  sich  auf 
den  nordatlantischen  Ozean  und  das  angrenzende  Eismeer,  nordwärts  so  weit  offenes 
Land  sich  findet,  ostwärts  bis  an  die  Westküste  von  Nowaja  Semlja  und  Franz-Joseph- 
Land,  westwärts  bis  zur  Nordostküste  Amerikas,  südwärts  bis  zu  den  Normannischen 
Inseln,  ja  vielleicht  sogar  bis  zu  der  portugiesischen  Küste.  Auf  allen  nordischen  Insel- 
gebieten brütet  unser  Vogel  in  beträchtlicher  Menge,  in  Norwegen  bis  zum  Christiania- 


106  Fratercula  arctica  glacialis. 

fjord   hinab,   auch   an  vielen  Stellen   der   englischen,   irischen   und   schottischen   Küste. 
Im  Winter  zieht  er  gelegentlich  bis  zu  den  Wendekreisen  südwärts. 

In  Island  gehört  der  Papageitaucher  gleichfalls  zu  den  gemeinen 
Brut  vögeln.  Wenn  er  auch  durchaus  an  das  Meer  gebunden  ist,  findet 
er  sich  doch  in  großen  und  kleinen  Kolonien  an  ziihlreiehen  Stellen  der 
Küste  und  auf  vorgelagerten  Gestadeinseln,  ja  er  raag  neben  dem  freilich 
nirgends  in  besonderer  Menge  auftretenden  Cepphus  fjrt/Ue  die  verbreitetste 
Art  der  sogenannten  Felsen vögel  darstellen.  In  bedeutender  Zahl  wohnt  er 
natürlich  auch  auf  den  Vestmannaeyjaru  und  auf  Grimsey. 

Es  steht  fest  und  läßt  sich  verschiedenartig  erklären,  daß  unsere  Art  in  höheren 
Breiten,  vor  allem  in  den  auch  landschaftlich  arktischen  Gebieten,  die  Neigung  besitzt, 
größere  Körpermaße  anzunehmen,  insbesondere  einen  stärkeren  Schnabel  und,  was  wohl 
noch  mehr  berücksichtigt  werden  muß,  längere  Flügel  zu  entwickeln.  Will  man,  um 
dies  anzudeuten,  von  einer  F.  a.  glacialis  reden,  mag  es  berechtigt  sein,  und  nur  in 
diesem  Sinne  habe  ich  den  Namen  angewendet.  Ich  erkenne  aber  nicht  die  Möglichkeit, 
nach  den  heutigen  Diagnosen,  die  sich  ausschließlich  auf  Größenverhältnisse  stützen, 
zwei  sicher  zu  trennende  Subspezies  oder  gar  Spezies  zu  unterscheiden.  Für  noch 
weniger  berechtigt  sehe  ich  vollends  die  Auffassung  an,  daß  F.  a.  glacialis  nur  auf 
Spitzbergen  und  Nordgrönland  beschränkt  sei.  Schalow  spricht  sich  in  seinen  Vögeln 
der  Arktis  (S.  122)  zwar  dahin  aus,  daß  F.  glacialis  der  Vertreter  von  F.  arctica  im 
ganzen  arktischen  Gebiete,  wozu  er  Island  nicht  mitrechnet,  von  Nowaja  Semlja  bis 
Grönland  sei,  doch  halte  ich  auch  diese  Begrenzung  für  zu  eng.  Meine  2  mitgebrachten 
Grimseyer  Bälge  besitzen  wenigstens  größere  Schnabelmaße  als  verschiedene  von  mir* 
untersuchte  alte  Vögel  von  Spitzbergen,  z.  B.  ein  Exemplar  im  Berliner  Museum,  wie 
ich  in  der  .lanuarsitzung  1904  der  Deutschen  Ornithologischen  Gesellschaft  in  Berlin 
gezeigt  habe.  Ein  altes  cj  von  Spitzbergen  im  Dresdener  Museum,  gesammelt  am 
12.  .Juni  1900,  zeigt  folgende  3Iaße.  Schnabelhöhe:  43  mm.  Flügel:  178.  Schwanz: 
58,5.  Tarsen:  29.  Mittelzehe  inkl.  der  13  mm  langen  Kralle:  51  mm.  Die  in  der 
Literatur  angeführten,  bei  unsern  Formen  immer  zuerst  beachteten  Schnabelmaße  be- 
sitzen freilich  nur  dann  vollkommenen  Wert,  wenn  genau  angegeben  ist,  in  welcher 
Weise  man  die  Messung  vornahm.  So  wird  z.  B.  in  Naumanns  Naturgeschichte  der 
Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  250  die  Schnabelhöhe  für  F.  arctica  mit  47.  für  glacialis 
mit  49  mm  angegeben,  während  Winge  als  Höchstmaß  für  grönländische  glacialis  des 
Kopenhagener  3Iuseums  42  mm  (Nasbets  Hejde)  anführt,  bei  gewöhnlichen  arctica  (aus- 
gewachsenen Exemplaren  und  scheinbaren  Brutvögeln)  bis  auf  32  mm  hinabgeht  (Grön- 
lands Fugle,  S.  240).  Meine  Schnabelmaße  sind  mit  dem  Zirkel  genommen  und  beziehen 
sich  auf  die  Entfernung  vom  Beginne  der  beiderseitigen  Firsten  des  Ober-  und  ünter- 
schnabcls;  mit  Bandmaß  gemessen  vermehren  sie  sich  um  c.  3  mm. 

15  Papngcitauclier  von  (irimsey.  P]nde  .Juni  im  Fleische  gomessen,  ausgefärbte, 
an  den  Brutplätzen  gefangene  Vögel,  von  denen  freilich  nicht  feststeht,  wieweit  sie 
selbst  in  Fortpflanzung  begriffen  waren,  zeigten  folgende  Maße: 

Gesamtlänge:       350  345  365  370  335  355  360  340  385  335  360-350  365  350  360  mm 
Flügellänge:        164   153  165   174  157  163  168  162  165   163  168  165  163   164  172     „ 
Schuabelhöhe:       32     34     37     37     38     40     41     41     42     43     43     44     45     42     42     „ 

Die  beiden  letztgenannten  Exemplare  befinden  sich  in  meiner  Sammlung,  die 
übrigen  habe  ich  unmittelbar  hintereinander  in  gleicher  Weise  gemessen.  Die  Angaben 
lassen  erkennen,  daß  eine  Übereinstimmung  zwischen  Schnabelhöhe  und  sonstigen 
Größenverhältnissen  nicht  besteht.  Doch  ist  sicher,  daß  die  Schnäbel  männlicher 
Individuen  eine  bedeutendere  Größe  erreichen  als  die  weiblicher.  So  erwiesen  sich 
meine  beiden  präparierten  Exemplaie  als  männliche  Brutvögel,  die  beiden  zuerst  an- 
geführten, die  ich  wegen  ihrer  geringen  Schuabelhöhe  gleichfalls  anatomisch  unter- 
suchte, als  Weibchen  mit  gering  entwickelten  Eierstöcken.  Lebend  beobachtete  ich 
viele   gepaarte  \'ögel   bis    auf  wenige  Meter  Entfernung.     Besonders   deutlich   sah   ich 


Fratercula  arctica  glacialis.  107 

die  erheblichen  Schnabelunterschiede  der  Geschlechter  auch  bei  Tieren,  die  sich  in 
Fußschlingen  gefangen  hatten.  Der  angepaarte  freie  Vogel  kam  nämlich  in  vielen 
Fällen  zu  dem  gefesselten  geflogen,  bemühte  sich  in  rührendster  Weise  um  diesen  und 
setzte  sich  stundenlang  dicht  neben  ihn. 

Der  Vergleich  obiger  Schnabelmaße  mit  den  von  Winge  für  grönländische 
Exemplare  angegebenen  (1.  c  ),  welche  die  ausführlichsten  sind,  die  mir  zur  Verfügung 
stehen,  veranlaßt  mich,  die  Papageitaucher  Grimseys  und  zum  mindesten  auch  die  der 
übrigen  Nordküste  Islands  zu  F.  a.  glacialis  zu  ziehen,  zumal  die  Vermutung  vorliegt, 
daß  die  kleinschnäbligen  Vögel  jüngere,  vielleicht  noch  nicht  einmal  fortpflanzungs- 
fähige Individuen  waren.  Newton  berichtete  auch  schon  1864,  daß  Proctor  von  Grimsey 
2  Bälge  der  Art,  die  später  in  die  Sammlung  Tristram  kamen,  erhalten  und  für  die 
Variation  glacialis  angesprochen  habe  (Ibis  1864,  p.  182).  Allerdings  fehlt  hierbei  die 
Angabe,  ob  es  sich  um  Brut-  oder  Wintervögel  handelte,  doch  ist  ersteres  wahr- 
scheinlich. Inwieweit  das  südliche  Island,  das  ja  in  bezug  auf  die  Gattung  Uria 
erhebliche  Unterschiede  gegenüber  dem  Nordlande  zeigt,  auch  bei  Fratercula  andere 
als  die  erwähnten  Verhältnisse  besitzt,  mag  noch  dahingestellt  bleiben.  Herr  Dr.  Jönsson 
auf  Heimaey  war  so  freundlich,  mir  eine  Anzahl  großschnäbliger  Brutvögel  von  den 
Vestmannaeyjarn  zu  versorgen  und  nach  Reykjavik  zu  senden,  die  leider  während 
meiner  Abwesenheit  daselbst  ankamen  und  verdarben.  2  Köpfe  solcher  Vögel,  die  ich 
aufgehoben  habe,  zeigen  41   und  40  njim  Schnabelhöhe. 

Folgende  Notizen  über  die  2  von  mir  präparierten  Exemplare  seien  noch  hinzu- 
gefügt. Gewicht  i.  FL:  c.  750  g.  Flugbreite:  580,600  mm.  Schwanz:  58,54.  Schwanz 
-f  Flügel:  20,  25.  Tarsen:  32,  33.  Mittelzehe  mit  der  9  bezw.  10  mm  langen  Kralle: 
47  bezw.  48  mm.  —  Füße:  hochzinnoberrot.  Iris:  dunkelgrau.  Augenlid:  hellpurpurn. 
Augenwülste:  bleigrau  und  schwarzgrau.  Hautwülste  im  Schnabelwinkel:  lebhaft  goldgelb. 

Unter  der  großen  Menge  der  Vögel  sollen  sich  gelegentlich  einzelne  weiße,  isabell- 
farbige oder  mattgraue  Exemplare  finden.  Gröndal  berichtet  auch  von  einer  drei- 
beinigen Mißgeburt  (Ornis   1886,  S.  367). 

lu  günstigeven  Teilen  Islands  kommen  die  Papageitaucher  im  April, 
auf  den  Yestraannaeyjarn  z.  B.  nach  Jönssou  zwischen  den  5.  und  25.  d.  M., 
im  Norden  mitunter  auch  erst  Anfang  Mai  nach  ihren  Brutplätzen,  die 
sie  für  sich  allein  auf  niedrigen,  grasbewachsenen  Holmen  oder  gemeinsam 
mit  andern  Arten  auf  mächtigen  Vogelbergeu  besitzen.  Sie  bevorzugen  solche 
Örtlichkeiten,  die  mit  einer  Schicht  weichen  Erdreichs  bedeckt  sind,  in  dem 
sie  bequem  ihre  Nisthöhle  anlegen  können,  doch  nehmen  sie  auch  mit  stein- 
durclisetztem  Boden,  ja  gelegentlich,  z.B.  auf  Grimsey,  mit  Felsritzen  zur 
Anlage  ihrer  Wohnung  fürlieb.  Die  Vögel  suchen  ihre  vorjährige  oder  eine 
freigewordene  Bruthöhle  auf,  reinigen  diese  von  Schnee,  hineingefallener 
Erde  und  Steinen,  vertiefen  sie  mit  Schnabel  und  Nägeln  oder  graben  auch 
eine  neue.  Selten  ist  die  schräg  abwärts  führende  Eiugangsröhre  kürzer  als 
1  m.  die  Höhlung  selbst  etwa  15—20  cm  im  Durchmesser,  dunkel  und  vor 
Zugluft  geschützt.  Zur  Zeit  der .  Bautätigkeit  sind  die  Vögel  äußerst  lebhaft, 
fliegen  ein  und  aus  und  zanken  und  streiten  sich  fortwährend,  besonders 
wenn  fremde  Eindringlinge  die  Höhle  beunruhigen.  Dabei  lassen  sie  eine 
knurrende,  nicht  weit  hörbare  Stimme  vernehmen,  aus  der  man  deutlich  den 
Ton  der  Gereiztheit  erkennt.  An  sonnigen  Mittagen  und  am  Abende  dagegen 
setzen  sich  die  Vögel  vor  ihre  Höhle  oder  auf  Vorsprünge,  putzen  das  mit 
Erde  verunreinigte  Gefieder  und  verdrehen  fast  eulenartig  den  Kopf.  Andere 
kommen  eben  erst  hungrig  von  der  Arbeit  aus  ihren  Löchern  hervor  und 
schwirren  mit  äußerst  raschen  Flügelschlägen    auf  das  Meer,  wobei  sie  die 


108  Frutoi-cula  arctica  {j;laciaH.s. 

leuchtendroteu  Beine  breit  auseinander  nach  liiiiten  strockeii.  Die  gesättigt 
zurückkehrenden  Tiere  fliegen  häufig  auch  hoch  in  der  Luft,  wie  ich  dies 
am  30.  Ajiril  bei  präciitigem  Abendwetter  auf  einer  kleinen  Brutinsel  unsrer 
Vögel  unweit  Reykjaviks  sah.  Dort  herrschte  ein  Leben  wie  an  einem  Bienen- 
stocke, und  dies  ist  aus  der  Nälie  zu  beobachten  doppelt  interessant,  weil  die 
Vögel  eine  so  eigentümliche,  komisch  wirkende  Gestalt  besitzen.  An  manchen 
Stellen  haben  die  l*apageitaucher  im  Laufe  der  Zeit  den  Boden  derart  unter- 
wühlt, daß  man  ihn  nicht  ohne  Gefahr  betreten  kann,  ja  das  Erdreich  bricht 
endlich  von  selbst  zusammen  und  verschüttet  die  Höhlen. 

Die  Nestmulde  wird  selten  mit  etwas  Gras,  Moos  oder  Tang  aus- 
gefüttert. Die  Ablage  des  einen  Eies  erfolgt  kaum  vor  Mitte  Mai,  auf 
Grimsey  fast  immer  erst  Anfang  bis  Mitte  Juni.  ♦ 

Grimseyer  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  5Iaße:  69x44  mm 
(5,1g).  H7x45(5,2).  65,2x45,5(4,5).  64,2x47(5,9).  64x46,2(5,3).  63,5x45 
(4,9).  61,5x44  (5).  Ihr  Vollgewicht  schwankte  zwischen  66  und  76  g.  Sie  haben 
ein  diinkelzinnoberrotes  Dotter,  das  wenig  durch  die  helle,  wenn  auch  dicke  Schale 
schimmert.     In  Nachgelegen  finden  sich  nicht  selten  Zwergeier. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  sehr  fest,  lassen  zornig 
ein  rauhes  Grrr  hören,  wenn  man  ihre  Höhle,  aufgräbt,  und  beißen  sogar, 
wenn  man  sie  vertreiben  will.  Fängt  man  sie  vom  Neste  weg,  was  auf 
Grimsey  in  zahlreichen  Fällen  geschieht,  so  soll  das  Ei*  doch  sehr  bald  von 
andern,  scheinbar  nicht  selbst  zur  Fortpflanzung  geschrittenen  Individuen 
angenommen  und  später  auch  das  Junge  von  diesen  versorgt  werden.  Das 
Innere  der  Bruthöhlen  ist  oft  von  zahllosen  bläulichen  Schmarotzerinsekten 
(DocojihotHR  celedoxiis)  bevölkert,  die  wahrscheinlich  unsere  Vögel  sehr  quälen 
und  mir  selbst  beim  Anfassen  und  Abbalgen  derselben  sofort  in  die  Ärmel 
krochen.  Die  Brutdauer  scheint  nach  übereinstimmenden  Berichten  etwa 
5  Wochen  zu  währen.  Faber  redet  freilich  in  seiner  vortrefflichen  Arbeit 
über  unsern  Vogel  in  Okens  Isis   1827,  S.  664,  auch  von  6  Wochen. 

Das  langflaumige  Dunenjunge,  das  oberseits  dunkel  braungrau,  unter- 
seits  weißlich  aussieht,  entwickelt  sich  äußerst  langsam,  wird  aber  von  beiden 
Eltern  reichlich  mit  kleinen  Fischen,  Krustaceen  und  andren  Seetiei-chen 
gefüttert.  Hierbei  lassen  die  alten  Vögel  nicht  selten  ein  gezogenes  Ho 
oder  Ha  hören,  das  im  Tonfälle  auf-  und  absteigt.  Die  Jungen  sollen  einen 
flötenden  Stimmlaut  hervorbringen,  den  ich  aber  selbst  nicht  vernahm.  Auf 
dem  Vogelberge  herrscht  zu  dieser  Zeit  wieder  reges  Leben.  Geschäftig 
fliegen  die  Alten  zwischen  Meer  und  Brutplatz  hin  und  her.  obwohl  ein  Vogel 
des  Paares  gewöhnlich  in  oder  bei  der  Nisthöhle  bleibt.  Nur  wenige  Stunden 
um  Mitternacht  gönnen  sich  beide  Teile  Ruhe.  Sie  kriechen,  falls  das 
Wetter  regnerisch  und  stürmisch  ist,  in  ihre  Höhle,  bei  milder,  ruhiger  Luft 
jedoch  versammeln  sich  viele  am  oberen  Rande  des  Berges  oder  auf  Fels- 
vorsprüngen, vertragen  sich  jetzt  weit  besser  als  zu  Anfang  der  Fortpflanzungs- 
zeit, lassen  aber  nur  selten  ihre  Stimme  hören,  am  häufigsten  noch  ein  leises 
Schnurren,  ausnahmsweise  bloß  das  gedehnte  Ha.  Dem  Menschen  gegenüber 
sind  derartige  Vögel  wenig  scheu.     Auf  Grimsey  konnte  ich  mich  ungedeckt 


Ceppliiis  gryllo  grylle.  109 

bis  auf  etwa  5  m  nähern.  Dann  werden  sie  unruhig,  trippeln  uraher  und 
schwirren  endlich  in  flachem  Bogen  nach  einem  andern  Ruheplatze  hin. 
Übrigens  können  die  Vögel  auch  ziemlich  gut  laufen. 

Die  Dunenperiode  dauert  ebenfalls  5 — 6  Wochen.  Das  Junge  ver- 
läßt die  tinstere  Bruthöhle  kaum  eher  als  Eude  August,  zumeist  aber  erst 
im  September.  Doch  kommt  es  schon  vorher  bis  an  den  Ausgang  der  Röhre, 
schaut  das  Sonnenlicht  und  macht  sich  mit  der  Außenwelt  bekannt.  Ks 
hat  ein  ähnliches  Federkleid  wie  die  Alten,  sein  Schnabel  ist  aber  noch 
schmal.  Nach  einigem  Zögern  versucht  es  mit  den  Artgeuossen  das  Flattern 
in  die  Tiefe,  kommt  meist  glücklich  ins  Meer  und  erwählt  dieses  zu  seinem 
nunmehrigen  Aufenthalte.  Ks  lernt  von  andern  seinesgleichen  das"  Aufsuchen 
der  Nahrung,  wird  jedoch  von  seineu  bisherigen  Yersorgern  nicht  eigentlich 
geführt.  iMitunter  trifft  man  bis  Ende  des  Jahres  junge  Vögel  in  der  Nähe 
ihrer  Brutplätze,  die  meisten  aber  verlassen,  gemeinsam  mit  den  alten,  im 
Oktober  das  Land,  ziehen  hinaus  auf  den  freien  Ozean  und  verbringen  daselbst 
den  Winter.  Auf  den  Vestmannaeyjarn  verschwinden  die  Vögel  zwischen 
dem  20.  Oktober  und  5.  November  (Jönsson).  Sie  scheinen,  wenigstens  auf 
dem  Südlande,  sich  nicht  allzu  weit  von  den  Sommerwohusitzen  zu  entfernen. 
Ob  freilich  die  wenigen  Tiere,  die  man  auch  während  des  Winters  beim 
Lande  sieht,  Standvögel,  gelegentliche  Besucher  oder  fremde  Gäste  aus  nörd- 
licheren Gegenden  sind,  ist  schwer  zu  sagen. 

7.  Cepplius  grylle  grylle  (L.). 

Gryll-Lumme. 

Uria  grylle  (Lath.):  Faber,  Piodroinus,  S.  39  (1822).  —  Uria  grylle  Briiunich, 
Preyei-  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  42;j  (1862).  —  Uria  grylle  (Linn.):  Newton, 
in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  419  (1863).  —  Uria  grylle  L. :  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal, 
bis.  51  (1895).  —   Uria  grylle  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  130  (1901). 

Uria  grylle  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  736  (1877).  —  Ogilvie-Grant, 
Cat.  Birds  ßrit.  Mns.  XXVI,  p.  580  (1898).  —  Cepphns  grylle  (L.):  Winge,  Grenlands 
Fugle,  S.  214  (1898).    -    Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  x'll,  S.  234  (1903). 

Isländisch:  Teista  (Etymologie  unklar,  nach  Faber  von  der  Stimme  des  Vogels 
abgeleitet),  alte  Form  peista,  peisti.  Die  Jungen  heißen  Kofa  (kofi  =  Versteck,  weil 
die  Vögel  tief  in  Felsritzen  erbrütet  werden),  genauer  Teistukofa,  auch  Peturskofa 
(vielleicht,  wie  Olafsen  vermutet,  weil  sich  die  Vögel  nach  St.  Peterstag,  d.  i.  der 
22.  Fe!)ruar,  wieder  dem   Lande  nähern). 

Auch  deutsch,  dän.  &  norw.:  Teiste.  Schwed.:  Teiste,  Teste.  Fär. :  Teisti. 
Engl.:  Tystic. 

Bei  der  großen  Ähnlichkeit  und  der  geographischen  Trennung  kann  ich  Cepplms 
grylle  grylle  (L.)  und  Cepphus  grylle.  mandtii  (Licht.)  nur  als  subspezifisch  geschieden 
ansehen.  C.  g.  grylle  brütet  von  Neufundland  nordwärts  bis  Labrador,  ferner  in  Grön- 
land. Island,  auf  den  Färöern,  in  Schottland,  Irland  und  Dänemark,  sowie  an  den 
norwegischen  Küsten  östlich  bis  zum  Weißen  Meere.  In  der  arktischen  Region  brütet 
C.  g.  mandtii  von  Spitzbergen  ostwärts  auf  den  meisten  asiatischen  Inselgruppen,  im 
Gebiete  des  Nordpacifik  die  weit  mehr  verschiedene  Spezies  Cepphus  columba  Pall. 

In  Island  ist  die  Gryll-Lumme  an  allen  Küsten  verbreiteter  und 
häufiger  Brutvogel.  Sie  lebt  auf  den  meisten  Gestadeinseln,  geht  aber 
auch  tief  in   die   Fjorde  hinein.     Gewöhnlich   brüten    die  Vögel   in  kleinen 


110  Cepphus  f^rylle  grylle. 

Kolonien  von  etwa  4 — 10,  seltner  bis  20  Paaren,  mitunter  triflft  man  sogar 
einzelne  Paare  für  sich  allein.  Zwar  liebt  unsere  Art  die  Nähe  anderer 
Scevögcl,  docli  iiält  sie  sich  meist  abseits  von  den  dichtbesetzten  Teilen  der 
Vogelberge  und  bewohnt  auch  auf  Grimsey  und  den  Vestniannaeyjarn  die 
stilleren  Gegenden.  Niedrige  Klippen  und  Felstrünimer  am  Meeresstrande 
genügen  ihr  als  Wohnstätte,  an  hölicrcn  Bergen  wühlt  sie  zumeist  auch 
die  unteren  Partien. 

Etwa  10  isländische  Brutcxemplare,  die  ich  im  Fleische  untersuchte,  mußte  ich 
als  typische  Cepphtis  grylle  grylle  ansprechen.  Ob  im  Winter  gelegentlich  auch 
C.  g.  mandtii,  der  z.  B.  auf  Spitzbergen  Zugvogel  sein  suil,  bei  Island  vorkonuiit,  ist  bis 
jetzt  unermittelt. 

Einige  Soiidorangaben  über  3  in  meiner  Sammlung  befindliche  .Brutvögel  mögen 
folgen.  1.  und  2.:  cj^ad..  Grimsey,  27.  Juni  1903.  Gewicht  i.  Fl.:  c.  500  g. 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  320,  340  mm.  Flügel:  1.51,  154.  Flugbreite:  c.  510.  Schwanz: 
50,  52.  Schwanz  -(-  Flügel:  20.  Schnabellänge:  29,  28.  Schnabelhöhe  am  Grunde: 
10,5.  Tarsen:  29,30,5.  Mittelzeho  inkl.  Kralle  (9,10):  c.  41,  43.  Iris:  schwarzbraim. 
Schnabel:  durchaus  schwarz,  innen  samt  Gaumen  und  Zunge:  kirschrot.  Füße:  lebhaft 
hellkarminrot.  Fett  unter  der  Haut:  matt  zinnoberrot.  Magenwand:  hellgrün.  — 
3.  Saudarkrökr,  Mai  1902.  Flügel:  151.  Schnabel:  31.  Tarsen:  31.  Mittelzehe 
inkl.  Kralle  (10):  c.  45. 

Dagegen  zeigt  ein  altes  (5  von  C.  g.  mandtii  aus  Spitzbergen,  gesammelt  am 
12.  .Juni  1900,  jetzt  im  Dresdener  Museum  befindlich,  folgende  Maße.  Flügel:  155  mm. 
Schnabellänge:  29.  Seliiiabelhühe:  9.  Tarsen:  34.  Mittelzehe  inkl.  der  10  mm  langen 
Kralle:  42  mm. 

.  Im  Süden  Islands  nähern  sich  die  Gryll-Lummeu  mitunter  schon  Ende 
Februar,  in  der  Regel  aber  erst  von  Mitte  März  an,  den  Brutgegenden. 
Für  die  Vestmannaeyjar  gilt  als  Ankunftstermin  die  Zeit  vom  15.  bis  25.  d.  M. 
(Jönsson).  Die  Vögel  sind  dann  oft  schon  in  Sommertracht.  Im  Nordlande, 
wo  das  Meer  nicht  selten  noch  mit  Treibeis  bedeckt  ist,  erscheinen  die  Tiere 
auch  nur  wenig  später.  Sie  schwimmen  scheinbar  nicht  ungern  zwischen 
den  Schollen  dahin,  tauchen  tief  unter  diesen  hinweg  oder  klettern  flatternd 
hinauf,  wenn  sie  sich  sonnen  wollen.  Ich  konnte  dies  noch  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Mai  häufig  beobachten,  zumal  die  Vögel  wenig  scheu  sind,  mitunter 
sogar  lialbestuiidenlang  furchtlos  das  stillstehende  Schiff  umschwimmen.  Mit 
dem  Aufsuchen  des  Brutplatzes  warten  indes  die  Paare  solange,  bis  der 
Schnee  aus  Felsspalten  und  Höhleu  verschwunden  ist,  was  selten  vor  Ende 
April  oder  Anfang  Mai  geschieht.  Von  da  an  fliegen  sie  häufig  zwischen 
dem  felsigen  üfer,  das  ihre  Niststätte  bergen  soll,  und  dem  Meere  hin  und 
her.  Sie  benehmen  sich  dabei  lebhafter,  als  ihre  größeren  Verwandten.  Der 
Flug  ist  freilich  auch  geradeaus  gehend,  fördert  aber  rasch  und  wird  mit 
äußerst  schnellen,  fast  schwirrenden  Flügclbewegungen  ausgeführt.  An  geeig- 
neten Örtlichkeiten  kann  man  häufig  auch  den.  zutraulichen  Vögeln  beim 
Schwimmen  unter  Wasser  zusehen,  wobei  sie  ein  wenig  die  Flügel  öö'nen, 
den  Kopf  nach  vorn  oder  unten  richten  und  lebhaft  mit  den  roten  Beinen 
rudern.  Oft  deuten  aufsteigende  Luftblasen  die  Stelle  an,  wo  sich  der 
Vogel  befindet.  Für  gewöhnlich  tauchen  die  Tiere  imr  "/^ — 1  Minute,  kommen 
dann  ^2  Minute  an   die  Oberfläche,  um   von   neuem   zu  verschwinden.     Ich 


Cepphus  grylle  grylle.  Hl 

beobachtete  dies  vielfach  mit  der  Uhr  in  der  Hand.  Treiben  sich  die  Paare 
auf  dem  Wasser  oder  ruhen  kleine  Scharen  auf  Felsbrocken  eng  beisammen, 
so  unterhalten  sie  sich  mit  hohen  Stimmlauten,  die  meist  ziemlich  sanft, 
etwa  wie  piep  klingen,  manchmal  aber  auch  hastig  hintereinander  hervor- 
gebracht werden,  soduß  man  deutlich  ein  scharfes  S  durchhört.  Dabei  strecken 
die  Vögel  den  Hals  nach  vorn  und  öifnen  den  Schnabel.  Dieser  ßuf,  der 
mitunter  tatsächlich  an  das  Locken  des  AVasserpiepers  erinnert,  liegt  höchst 
wahrscheinlich  dem  weitverbreiteten  Namen  unsrer  Art,  Teiste,  zu  Grunde. 
Die  Nestmulde  findet  sich  in  den  zerklüfteten  Felswänden  oder  in 
Zwischenräumen  von  Steintrümmern  am  Meere,  meist  wohlgeschützt  und 
oft  über  1  m  tief.  Der  Eingang  ist  jedoch  selten  steil  abwärts  gerichtet, 
obwohl  ich  dies  dicht  beim  l'farrhofe  in  Grimsey  auch  sah,  gewöhnlich  so 
schmal,  daß  man  den  Arm  nicht  hineinstecken  kann.  Doch  erblickt  man 
mitunter  die  Eier  in  der  dunkeln  Höhle  schon  von  außen.  Ein  eigentliches 
Nest  bauen  die  Vögel  nicht.  Oft  legen  sie  ihre  Eier  auf  klares,  zerbröckeltes 
Gestein,  manchmal  findet  man  aber  auch  Erde,  etwas  Moos  oder  Gras  in 
der  Mulde.  Die  Ablage  der  Eier  scheint  selten  vor  Juni  zu  erfolgen,  auf 
Grimsey  gewöhnlich  erst  in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Monats.  Freilich  sammelt 
man  die  Eier  nur  gelegentlich,  w'eil  ihr  Suchen  zu  viel  Mühe  bereitet,  sodaß 
wenig  genaue  Daten  vorliegen. 

Einige  von  mir  selbst  präparierte  (.Trimseyer  Gelege  zeigen  folgende  Maße: 
58,2  X  37,5  mm  (3,8  g)  und  59  x  37,8  (3,8).  5ti,6  x  39,2  (3,9)  und  57,8  X  39  (3,85). 
56,5  X  39  (3,fi)  und  60,2  x  39  (4,05).  56,5  x  39  (4)  und  57,2  x  39,5  (4,2).  55,5  x  38 
(3,3).  53,5  X  35,2  (voll  35,  leer  3.5  g)  und  57,5  x  38  (voll  45,  leer  4,3  g).  —  Frische 
Eier  wiegen  voll  etwa  40 — 48  g.     Jhr  Dotter  ist  lebhaft  zinnoberrot. 

Die  Zahl  der  Eier  beträgt  fast  immer  2.  in  Nachgelegeu  häufig  nur  1. 
3  Stück  bilden  eine  Ausnahme,  rühren  vielleicht  auch  von  verschiedenen 
Weibchen  her.  Mitunter  finden  sich  so  großgefleckte  Eier,  daß  sie  an  kleine 
Exemplare  von  Alca  tonla  erinnern.  Beide  Vögel  haben  einen  Doppelbrutfleck 
am  Bauche  und  sitzen  abwechselnd  auf  dem  Gelege.  Anfänglich  verlassen 
sie  dieses  jedoch  regelmäßig  täglich  mehrere  Stunden,  was  vielleicht  der 
Grund  ist,  daß  so  häufig  nur  ein  Junges  zur  Entwicklung  gelangt.  Späterhin 
brüten  sie  allerdings  fester.  Des  Nachts  wurden  in  verschiedenen  Fällen, 
die  mir  zur  Beobachtung  kamen,  Mäimchen  auf  dem  Neste  gefangen,  am 
Tage  Weibchen,  wie  ich  durch  anatomische  Untersuchung  feststellte.  Den 
Magen  solcher  Tiere  fand  ich  immer  leer.  Die  Brutdauer  scheint  nach 
übereinstimmenden  Berichten  etwa  3^/,  Woche  zu  währen. 

Die  grauflaumigen  Jungen  findet  man  also  gewöhnlich  nicht  vor  Ende 
Juni,  Anfang  Juli.  Die  Alten  bringen  ihnen,  wie  ich  öfters  beobachtete, 
reichlich  kleine  Fische.  Wahrscheinlich  verursacht  der  Transport  der  winzigen 
Krustaceen,  von  denen  die  Vögel  sonst  vielfach  leben,  Schwierigkeiten.  Zu 
dieser  Zeit  herrscht  an  den  Brutplätzen  der  Gryll-Lummen  geschäftiges 
Treiben,  doch  verhalten  sich  die  Alten  ziemlich  still,  huschen  heimlich  in 
die  Felsspalten  und  verlassen  diese  ebenso  unauffällig  wieder,  um  dem  Meere 
zuzufliegen.     Das   bräunliche    Jugendkleid  wird  von   den  Jungen   innerhalb 


112  Uria  troile  troile. 

eines  Monats  angelegt.  Halbbefiedert  aber  kriechen  die  Tierchen  schon  aus 
der  Nisthöhle  hervor,  ja  sollen  sich  mitunter  sogar  freiwillig  auf  das  Meer 
begeben,  falls  sie  bequem  dahin  gelangen  können.  Dauernd  verlassen  sie 
die  Bruttstätte  erst  nach  vollendeter  Befiederung,  etwa  Mitte  August.  Die 
Alten  führen  die  ängstliclien  Tierchen  noch  kurze  Zeit  und  lehren  sie  das 
Tauchen  und  Nahrnngsuchen.  Doch  sieht  man  die  Jungen  anfänglich  ganz 
selten  fliegen. 

Bald  darauf  beginnt  bei  den  alten  Vögeln  die  Herbstmauser.  Sie  ent- 
fernen sich  dann  vom  Ufer  und  suchen  das  offene  Meer  auf,  scheinen  indes 
nicht  allzuweit  fortzuwandern.  Auf  den  Vestmannaeyjarn  gilt  als  Haupt- 
abzugstermiu  die  Zeit  vom  20.  bis  31.  August  (Jönsson).  Während  der 
Herbst-  und  Wiutermouate  soll  man  nur  selten  alte  Vögel  in  der  Nähe 
des  Landes  erblicken,  am  häufigsten  noch  bei  heftigen  Stürmen  und  vielem 
Treibeise.  Die  Jungen  hingegen  verbleiben  in  der  Mehrzahl  bei  ihren  Brut- 
orten und  werden  besonders  im  Südlande  den  ganzen  Winter  über  gesehen. 

8  a.  Uria  troile  troile  (L). 
Dünnschnäblige  Lumme. 

Uria  troile  (Unn.):  Faber,  Prodromus,  8.42(1822).  —  Uria  troile  Lath.:  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  423  (18fi2).  —  Uria  troile  (h'mn.):  Newton,  in  Earing- 
Ooulds  Iceland,  p.  420  (1863).  —  Gröudal,  Islenzkt  fuglutal,  bis.  51  (1895).  —  Slater, 
Birds  of  Iceland,  p.  127  (1001). 

Uria  troile  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  732  (1877).  —  Ogilvie-Grant, 
€at.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  573  (1898).  —  Winge,  Granlands  Fugle,  S.  221  (1898).  — 
Uria  lomvia  L.:  Naumann,   Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  217  (1903). 

Isländisch:  Langnel'ja  (langr  =  lang.  nefja  =  Schnabel),  meist  zusammengezogen 
in  Langvia,  auch  Längvia.  Kollektivname  für  diese  und  verwandte  Arten:  Svartfugl 
(=  Schwarzvogel). 

Deutsch  gleichfalls:  Lombe,  Lomme,  Langschnabel-Lnmme  (die  2.  Hälfte  des 
Namens  scheint  dasselbe  zu  bedeuten  wie  die  isländische  Bezeichnung.  Gegensatz  zu 
Alca  torcla).  Dan.:  Langnaebet  Lomvie.  Norw. :  Lomvie,  Langvia.  Schwed. :  Lomvia. 
Gäl.:  Langaidh.     Fär. :  Lomvia. 

Uria  troile  troile  ist  von  vielen  Reisenden  mit  den  verwandten  Spezies  ver- 
wechselt worden,  sodaß  ihre  Verbreitung  nicht  mit  völliger  Sicherheit  angegeben 
werden  kann.  Sie  scheint  nur  das  Gebiet  des  nordatlantischen  Ozeans  im  weiteren 
Sinne  und  einige  benachbarte  Teile  des  Eismeers  zu  bewohnen;  in  die  eigentliche 
arktische  Region  dringt  sie  indes  nicht  vor.  An  den  pazifischen  Küsten,  wenigstens 
im  Westen  Nordamerikas,  wird  sie  von  der  Subspezies  U.  t.  californica  (Bryant)  ver- 
treten. Im  Herbste  trifft  man  sie  südwärts  bis  zu  den  Vereinigten  Staaten  von  Nord- 
amerika, den  Kanarischen  Inseln,  Gibraltar  und  Italien.  In  Europa  brütet  sie  an  ver- 
schiedenen Stellen  der  schwedischen  Küste,  in  Menge  au  den  Gestaden  Norwegens, 
nordwärts  bis  zu  der  Bären-Insel,  ferner  in  geringer  Zahl  auf  Helgoland,  an  einigen 
Punkten  der  französischen  und  sogar  portugiesischen  Küste,  zahlreicher  auf  den  Britischen 
Inseln,  in  Menge  auf  St.  Kilda  und  den  übrigen  Hebriden,  den  Orkaden,  Shetlands- 
Inseln  und  Färöern.  In  Grönland  dagegen  wird  unsere  Art  durchaus  nicht  häufig  und 
auch  nur  im  südlichen  Teile,  nach  Seebohm  bis  etwa  zum  64.  Grad  nordwärts,  ge- 
funden.    In  Labrador  soll  sie  wieder  zahlreicher  brüten. 

In  Island  gehört  die  dünnschnäblige  Lumme  zu  den  gemeinen  Brut- 
vögeln.    Besonders   im    Süden    der   Insel    findet    sie   sich    in    l)cdeutender 


Uria  troile  troile.  113 

Menge,  wohingegen  sie  im  Norden  auffällig  hinter  Uria  lomvia  an  Zahl 
zurücktritt.  An  verschiedeueu  Stellen  der  Küste  trifft  naan  Vögel  unsrer 
Art  in  kleinereu  und  dann  gewöhnlich  von  Menschen  wenig  belästigten 
Kolonien;  die  Hauptmasse  aber  brütet  an  den  hoch  und  steil  aus  dem  Meere 
ragenden  Vogelbergen,  von  denen  die  wichtigsten  schon  im  I.  Teile  der 
Arbeit  genannt  wurden.  Auf  Grimsey,  wo  sie  die  unteren  Partien  der 
Felsen  bewohnt,  und  soweit  meine  Beobachtungen  beim  Vorüberfahren  reichten 
auch  in  der  Gegend  vom  Cap  Nord  wird  Uria  trolle,  nur  in  geringer  Zahl 
angetroffen.  Am  Lätrabjarg  soll  sie  bereits  in  gleicher  Menge  wie  die  dick- 
schnäblige  Verwandte  brüten,  weiter  südwärts  an  Zahl  vorherrschen  und  auf 
den  Vestmauuaeyjarn  die  bei  weitem  häufigste  Lummenart  sein.  Diese 
Verschiedenheit  in  der  Verbreitung  von  Uria  troile  und  lomvia  ist  eins  der 
auffälligsten  Beispiele,  wie  der  Norden  Islands  nicht  bloß  rein  geographisch 
der  arktischen  Region  weit  näher  steht  wie  der  Süden,  die  Insel  also  fauuistisch 
keineswegs  ein  einheitliches  Gebiet  darstellt. 

Isländische  Vögel  scheinen  völlig  mit  andern  nordatlantischen  Exemplaren  überein- 
zustimmen. Folgende  Bemerkungen  über  ein  am  7.  Juli  1903  von  mir  auf  Grimsey 
gesammeltes  $  ad.,  sicherer  Bi-utvogel  (Brutfleck),  seien  hinzugefügt.  Gewicht  i.  Fl. : 
c.  1100  g.  Gesamtlänge  i.  FL:  470  mm.  Flugbreite:  c.  710.  Flügel:  200.  Schwanz: 
68.  Schwanz  -|-  Flügel:  20.  Schnabelläuge:  49,5.  Schnabelhöhe  am  Grunde:  15. 
Tarsen:  46.  Mittelzehe  inkl.  der  14  mm  langen  Kralle:  56,5  mm.  -Iris:  dunkelgrau- 
braun. Schnabel:  einfarbig  hornschwarz,  innen  samt  Mundwinkeln  gelb.  Füße:  dunkel- 
graubraun, nach  hinten  und  Schwimmhäute  schwarz  (kein  gelblicher  oder  grünlicher 
Streifen).  Nägel:  hornschwarz.  —  Das  Kleingefieder  des  Rückens  und  Bauches  beginnt 
bereits  wieder  zu  mausern. 

Ich  konnte  Uria  troile  zwar  an  verschiedeueu  Stellen  der  Süd-  und 
Westküste  Islands  beobachten,  jedoch  nur  vorübergehend.  Auf  Grimsey  ist 
die  Art  wieder  ziemlich  selten  und  brütet  hauptsächlich  in  den  tiefer  gelegenen 
Teilen  der  Felsen,  die  für  mich  unzugänglich  waren.  Unter  weit  mehr  als 
hundert  während  meines  Besuchs  auf  dieser  Insel  gefangenen  Lummen  war 
kein  Exemplar  unsrer  Art,  und  ich  erhielt  zuletzt  nur  durch  besondere 
Versprechungen  das  obenbeschriebene  Weibchen.  Doch  sah  ich  die  Vögel 
mehrfach  lebendig,  xluch  wurde  mir  in  Übereinstimmung  mit  meinen  eignen 
Beobachtungen  von  allen  Vogelfängern  versichert,  daß  sich  die  beiden  Lummen- 
arten  wohl  gern  von  einander  absondern,  in  ihrer  Lebensweise,  Stimme  usw.  aber 
völlig  gleichen.  Ich  gebe  deshalb  einige  biologische  Mitteilungen  nur  bei  der 
Besprechung  dermii*  besser  bekannten  Uria  lomvia  und  fasse  mich  hier  ganz  kurz. 

Auf  den  Vestmauuaeyjarn  kommen  unsre  Vögel  bereits  zwischen  dem 
20.  und  30.  Januar  nach  dem  Lande  (Jönsson),  erhalten  aber  das  fertige 
Sommerkleid  nicht  vor  Mitte  März.  Bezüglich  der  Stimme  behauptet  Faber, 
unsre  Art  bringe  ihr  Örr  gedehnter  hervor  als  die  dickschnäblige  Verwandte. 
Ich  konnte  bei  mehrfachem  aufmerksamen  Vergleichen  keinen  feststehenden 
Unterschied  finden.  Die  Ablage  des  einen  Eies  erfolgt  auch  im  Süden 
Islands  selten  vor  Mitte,  gewöhnlich  erst  Ende  Mai  oder  sogar  Anfang  Juni. 

Merkwürdig  ist,  daß  man  von  vielen   erfahrenen  Vogelfängern   übereinstimmend 
die   Behauptung   hört,    die   Eier   von    Uria  troile,  var.  rhingvia   und  U.  lomvia  ließen 
Hantzsch,  Vogelwelt  Islands.  ° 


114  ^ria  troile  troile  var.  rhingvia. 

sich  in  den  meisten  Fällen  unterscheiden.  U.  troile  soll  fein  punktierte  oder  mit  wenigen 
Linien  besetzte  Eier  haben,  die  sich  bei  der  Abart  rhingvia  zu  engstehenden  Schnörkeln 
und  Schriftzeichen  verdichten,  während  U.  lornvia-Eler  angeblich  gröbere  Punkte  und 
Flecken  aufweisen.  Diese  hauptsächlichsten  Kennzeichen  sind  auf  Grimsey  allen  Vogel- 
fängern geläufig,  und  tatsächlich  sah  ich  daselbst  auch  unter  Hunderten  von  Lummen- 
eiern  zumeist  grobgefleckte  und  stark  punktierte.  Trotzdem  wage  ich  nicht,  die  Richtigkeit 
der  Kennzeichen  zu  bestätigen.  Konsul  J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri  und  andre,  die 
Handel  mit  Vogeleiern  treiben,  behaupten  allerdings,  ihrer  Sache  ganz  sicher  zu  sein 
und  bestimmen  alle  Lummeneier  selb.st,  was  gar  nicht  anders  möglich  ist,  wenn  man 
die  Art  des  Sammeins  an  den  Vogelbergen  bedenkt.  Der  Käufer,  dem  viel  an  völlig 
zuverlässiger  Bestimmung  liegt,  darf  deshalb  nicht  Exemplare  aus  Island  beziehen, 
sondern  aus  (iegenden,  wo  nur  eine  der  beiden  Lummenarten  vorkommt.  Da  ich  selbst 
unter  weit  über  liundert  Uria- Eiern  kein  einziges  mir  völlig  authentisches  Exemplar 
von  Uria  troile  troile  besitze,  verweise  ich  mit  3Iaß-  und  <Tewicht.sangabcn  auf  die 
folgende  Art. 

Zwischeu  dem  20.  und  31.  August  verschwinden  die  meisten  Lummen 
von  den  Vestmannaeyjarn  (Jönsson).  Viele  aber,  angeblich  besonders  die 
jüngeren  Vögel,  überwintern  auch  daselbst.  Doch  ist  nicht  ausgeschlossen, 
daß  es  sich  hierbei  mehr  um   l.^ria  lornvia  handelt. 

81i.  Uria  troile  troile  (L.j  var.  rhingvia  (Brünn.j. 
Ringellumme. 

Tar.  extraord.  Uria  troile  lencophtalmos :  Faber,  Prodromus,  S.  42  (1822).  —  Uria 
ringvia  Brunn.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island.  S.  424  (1862).  —  Uria  leuco- 
phthaJmus  F aber:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  420  (186.3).  —  Uria  ringvia 
Brunn.:  üröndal,  fslenzkt  fuglatal,  bis.  öl  ri89.5).  —  Uria  troile  (Linn.):  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.   128  (1901). 

Uria  troile  (L.).  CoUin,  Skandinaviens  Fugle.  S.  732  C1877).  ^  Uria  troile  var. 
rhingvia  (Brunn.):  Ügilvie-Grant,  Cat.  Birds  Brit.  31us.  XXVI,  p.  57.5  (1898).  —  Uria 
troile  (L.):  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  221  (1898).  —  Uria  rhingvia  Brunn.:  Naumann, 
Vögel  3Iitteleuropa8  XII,  S.  223  (1903). 

Isländisch:  Hringlangnefja  (=r  Ringlangschnabel),  meist  zusammengezogen  in 
Hringvia,  Hringvia. 

Auch  dän.  &  norw. :  Ringelöiet  Lomvie.     Engl.:  Ringed  Guillemot. 

Diese  Abart  von  Uria  troile  scheint  ganz  dieselbe  Verbreitung  wie  die  gewöhn- 
liche Form  zu  besitzen,  weshalb  ich  sie  nicht  als  Subspezies  auffassen  kann.  Sie  findet 
sich  nach  Hartert  (Naumann  XII,  S.  224)  nicht  nur  bei  der  atlantischen  U.  tr.  trmle, 
sondern  auch  bei  der  pazifischen  U.  tr.  californica.  Daß  jedoch  von  U.  lomvia  gleich- 
falls eine  weißgestreifte  Abart  existieren  sollte,  wie  Winge  vermutet  (1.  c,  p.  221, 
8.  auch  Zoologist  XX,  p.  230.  1896),  ist  zunächst  unbegründet.  Einzelne  Fälle  könnten 
durch  ausnahmsweise  Bastardierung  entstanden  sein. 

Es  bt  nicht  besonders  auffällig,  daß  sich  die  gleicbgeiärbten  Ringellummen  in 
den  meisten  Fällen  zusammenhalten,  ebensowenig,  daß  sich  der  weiße  Augenring  und 
Schläfenstreif  in  derselben  Weise  vererben,  falls  nicht  eine  Paarung  zwischen  der 
typischen  Form  und  der  Abart  stattfindet,  was  nicht  selten  der  Fall  ist.  31öglicher- 
weise  kann  sogar  Fabers  Vermutung  (Okens  Isis  1824,  S.  979)  sich  bestätigen,  daß 
gelegentlich  Paare  von  Uria  troile  ein  Junges  mit  Augenring  erzeugen  oder  umgekehrt. 
Man  müßte  dann  an  Rückschläge  in  der  Vererbung  denken. 

Ob  die  Ringellumme  wirklich  ein  wenig  größer  ist  als  U.  troile,  könnte  an  Fang- 
plätzen der  Vögel  nicht  unschwer  festgestellt  werden.  Von  den  Eiern  wird  gleiches 
behauptet,  auch  sollen  diese  ja  die  charakteristischen  Schlangenlinien  besitzen.  Ich 
habe  nach  Umfrage  bei  scheinbar  glaubhaften  Vogelfängern  keinen  Grund,  diese  Angaben 


Uria  loinvia  lonivia.  2^5 

als   völlig   erfunden    zu    bezeichnen,    und   ich    vermute,    daß  U.  rhlngvia   eine  jüngere 
kräftigere  Umbildung  des  Typus  darstellt. 

Der  Prozentsatz  der  vorhandenen  Ringellummen  ist  wechselnd,  mag  jedoch  in. 
den  günstigsten  Gebieten  Islands  kaum  mehr  als  ein  Zehntel  der  Gesamtmenge  von  U.troile 
darstellen.     Auf  Grimsey   konnte   ich  kein  Exemplar  erhalten,   sah  aber  einige  lebend. 

2  Eier,  die  mir  Herr  Pastor  Matthias  Eggertsson  daselbst  als  von  seinem  Vogel- 
fänger besonders  aus  dem  Neste  genommene  Exemplare  unsrer  Abart  überließ,  zeigen 
außer  kleinen  Flecken  zahlreiche  Haarzüge.  Sie  messen  78x50  und  82x50,.ö  mm. 
Ihr  Gewicht  betrug  voll  107  und  112,  leer  12  und  13,1  g.  Biologisch  untersciieidet 
sich  die  Ringellumme  nicht  von  der  gewöhnlichen  Form. 

Bemerkung:  Krüper  erwähnt,  daß  nach  Mitteilung  des  Grimseyer  Pastors  Jon 
Jönsson  am  13.  Juli  1848  eine  sehr  auffällige  Aberration  von  U.  troile  daselbst  gefangen 
wurde,  die  in  ihrer  Befiederung  der  gewöhnlichen  Form  ähnelte,  sich  jedoch  durch 
gelbrote  Färbung  des  Schnabels  und  der  Füße,  das  Junge  des  Vogels  sogar  durch 
weiße  Füße,  auszeichnete.  (Naumannia  1857,  S.  4B7.)  Ob  derartige  Abnormitäten  wieder- 
holt beobachtet  wurden,  ist  nicht  angedeutet. 

9.  Uria  lomvia  lomvia  (L.)- 

Dickschiiäblige  Lumme. 

Uria  Brünniehii  (Sabine):  Faber,  Prodromus,  S.  41  (1822).  —  Uria  Brümiichi 
Sabine:  Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  424  (1862).  —  Uria  brtiennichi  Sabine : 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  420  (186H). —  Uria  Brünniehii  üahine:  (yv<5üda,\, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  51  (1895).  —  Uria  hruennichi  (E.  Sabine):  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  12H  (1901). 

Uria  Brünniehii,  Sabine:  CoUin.  Skandinaviens  Fugle,  S.  734  (1877).  —  Uria  loiuvia 
(Pallas):  Ügilvie-Grant,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  577  (1898).  —  Uria  arra  (Pall.): 
Winge,  Grenlands  Fugle,  S.  222  (1898).  —  Uria  Brünnichi  Sab.:  Naumann,  Vögel 
Mitteleuropas  XII,  S.  227  (1903). 

Isländisch:  Stuttnetja  (=  Kurzschnabel),  selten  Xefskera  (=  Schnabelscherer); 
Svartfugl  (part.). 

Auch  dän.:  Xortnjebet  Lomvie. 

Uria  lomvia  loynvia  bewohnt  im  allgemeinen  die  arktischen  Inselküsten  nördlich 
vom  Atlantischen  Ozean,  während  sie  nördlich  vom  Pazifischen  Meere  von  U.  l.  arra 
(Pall.)  vertreten  wird.  Die  Grenzen  beider  Formen  gegeneinander  sind  noch  ungenügend 
bekannt.  Sicher  brütet  U.  l.  lomvia,  zumeist  in  bedeutender  Individuenzahl,  auf  den 
Inselgruppen  Nordasiens,  ferner  auf  Nowaja  Semlja,  Franz- Joseph-Land,  Spitzbergen, 
der  Bären-Insel,  Jan  Mayen,  Mevenklint,  Grönland  und  in  den  benachbarten  Gebieten 
des  arktischen  Nordamerikas,  jedoch  nicht  in  Skandinavien,  auf  den  Färöern  usw.  Im 
Spätjahre  besucht  sie  mehr  oder  weniger  regelmäßig  die  Küsten  des  Nordatlantischen 
Ozeans,  wandert  aber  in  viel  geringerem  Maße  als  U.  troile  und  ist  selbst  für  die  Färöer 
nur  seltner  Gast. 

Die  Verbreituug  der  dickHcbuäbligen  Lumme  iu  Isbmd  ist  schon  bei 
der  vorigen  Art  besprochen  worden.  Im  Süden  der  Insel  ist  sie  selten. 
In  ungeheurer  Menge  bewohnt  sie  aber  die  Gegend  bei  Cap  Nord,  in  beträcht- 
licljer  Zahl  aucli  Grimsey.  Doch  teilt  sie  beide  Örtlichkeiten  noch  mit 
U.  tro'di'.  Sie  überläßt  dieser  Art  besonders  die  unteren  Partien  der  Felsen. 
Auf  der  von  Grimsey  etwa  40  Sm.  nordwärts  gelegenen,  nur  ab  und  zu  von 
Fischern  bes'tiegeuen  Klippe  Mevenklint  wurde  nach  den  mir  von  Jon  Antonsson 
aus  Hjalteyri  gemachten  Angaben  unter  der  gewaltigen  Menge  der  Lummea 
unsere  Art  allein  beobachtet. 


116  Uria  loriivia  loinvia. 

Isländische  Exemplare  von  U.  lomvia  stimmen  durchaus  mit  Vögeln  der  benach- 
barten Ciebiete  überein.  Auch  untereinander  variieren  gleichaltrige  Tiere  wenig,  wie 
ich  mich  bei  zahlreichen  toten  Exemplaren  überzeugte.  Von  U.  trolle  unterscheiden 
sie  sich  natürlich  auch  im  Leben  ohne  weiteres.  Von  Bastarden  beider  Arten  wußten 
die  Vogelfänger  nichts.  Einige  Bemerkungen  über  2  von  mir  auf  Grimsey  präparierte 
Exemplare  meiner  Sammlung,  (5  und  ?  ai'-^  Hrutvögel  (Brutfleck)  vom  2.  und  6.  Juli  1903, 
seien  hinzugefügt.  Gewicht  i.  EL:  c.  1100  und  1200  g.  Gesamtlänge:  440,  410  mm. 
Elugbreite:  730,  740.  Flügel:  210,  212.  Schwanz -)- Flügel :  ',,  10.  Schnabellänge: 
35,  36.  Vom  Schnabelwinkel  bis  zur  Spitze:  59,  58.  Schnabelhtihe  (am  Grunde): 
16,  15.  Tarsen:  39,  38,5.  31ittelzehe  inkl.  der  12  mm  langen  Kralle:  57,  56  mm.  — 
Schnabelfärbung:  schwarz,  äußerste  Spitze  blaß  horniarben.  Oberschnabel  an  den 
Schneiden:  leuchtend  bleigrau.  (Man  erblickt  dieses  sicherste  Kennzeichen  der  Art 
auf  große  Entfernung.  Unter  Hunderten  von  genau  besichtigten  toten  und  lebenden 
Vögeln  fand  ich  die  Schneiden  niemals  gelblich,  welche  Färbung  wohl  bloß  bei  alten 
Bälgen  hervortritt.)  Schnabelwinkel,  Zunge  und  Gaumen  :  lebhaft  zitronengelb  (geschlossen 
ist  nichts  davon  bemerkbar).  Füße:  gelblichbraun  (nicht  gelb),  Hinteiseite  der  Tarsen, 
sowie  (ielcnke  und  Schwimmhäute  schwärzlich.     Iris:  dunkelbraun. 

Eude  März  oder  Anfang  April  nähern  sich  die  im  Winter  fortgezogenen 
JiUmmen  ihren  Brutgebieten  auf  Grimsey.  Freilich  bewolinen  sie  auch 
dann  noch  das  Meer  und  besuchen  das  Land  nur  gelegentlich.  In  langen 
Streifen,  die  oft  viele  hundert,  ja  tausend  Vögel  zählen,  liegen  sie  auf  dem 
Wasser  und  führen  in  solchen  Ketten  eine  .  ziemlich  übereinstimmende 
Lebensweise.  Gemeinsam  tauchen  sie  unter,  um  Nahrung  zu  suchen,  und 
gemeinsam  ruhen  sie  auch.  Ab  und  zu  kommen  neue  Scharen  geflogen, 
andere  entfernen  sich.  Das  Auffliegen  vom  Meere  bereitet  den  Vögeln 
ziemliche  Schwierigkeit.  Noch  schwimmend  beginnen  sie  bereits  die  Flügel 
zu  bewegen,  flattern  dann,  das  Wasser  mit  den  Schwingen  schlagend  und 
mit  den  Füßen  schleifend,  ein  großes  Stück  darauf  hin,  bis  sie  sich  endlich 
nicht  allzu  hoch  in  die  Luft  erheben.  In  einer  einfaclien  Reihe  ordnen  sie 
sich  genau  hintereinander  und  streichen  nun  geradeaus  sehr  rasch  davon, 
wobei  sie  äußerst  schnell,  fast  schwirrend,  ihre  Flügel  bewegen.  Niemals 
beobachtete  ich  die  Vögel  in  Haufen  fliegen  oder  in  gedrängten  Scharen 
auf  dem  Meere  schwimmen. 

Von  Fnde  April  an  sieht  man  die  Lummen  dauernd  an  den  Vogel- 
bergen sitzen.  Sie  paaren  sich,  ohne  jedoch  dem  Anscheine  nach  besonders 
fest  zusammenzuhalten.  Viele  Individuen,  vor  allem  wohl  die  jüngeren, 
kommen  nicht  zur  Brut,  doch  sind  die  Angaben  zweifelhaft,  daß  einjährige 
Vögel  überhaupt  nicht  fortpflanzungsfähig  sein  sollten.  Oft  bemerkt  man 
auf  einem  abgegrenzten  Teile  des  Vogelberges  weit  mehr  Individuen,  als 
nach  der  Zahl  der  Eier  gepaarte  Vögel  vorhanden  sind.  Als  ich  Mitte  Juli 
Grimsey  verließ,  sah  ich  zwischen  der  Insel  und  Island,  also  über  20  km 
von  jedem  Lande  entfernt,  noch  zahlreiche  Lummen,  die  ich  in  der  Haupt- 
sache gleichfalls  nicht  für  Brutvögcl  halten  konnte. 

Ein  eigentliches  Nest  bauen  unsere  Vögel  nicht,  doch  mögen  sie  nur 
selten  ihr  Ei  auf  den  nackten  Stein  legen.  Ich  habe  diesen  Fall  nie  beob- 
achtet. Die  wagerechten,  wenn  auch  schmalen  Felsnischen  und  Vorsprünge 
der  Vogelberge,  auf  denen  die  Lummen  in  langen  Reihen  brüten,  sind  überall 
mehr  oder  weniger  dick  mit  einer  weichen,  bindenden  Erde  bedeckt,  welche 


Üria  lonivia   lotnvia.  217 

besonders  aus  den  rötlichen  Exkrementen  der  Vögel  entsteht,  von  denen  zur 
Brutzeit  die  Felsen  überzogen  werden.  In  diese  Schicht  scharren  die  Lummen 
selbst  eine  kleine  Vertiefung,  die  das  Ei  vor  dem  Herunterrollen  schützt. 
Ich  beobachtete  eine  derartige  Tätigkeit  mehrfach,  sah  auch  bei  frisch- 
gefangenen  Vögeln  die  Wirkung  des  Scharrens  an  den  kräftigen  Nägeln. 
Auf  Gri'msey  wuchert  in  dem  fruclitbaren  Erdreich  vielerorts  üppig  das 
grönländische  Löffelkraut  (Cochleavia  yroculandiva),  das  mit  seineu  weißen 
Blüten  und  seinem  frischen  Grün  die  sonst  so  kahlen  Berge  freundlich 
schmückt.  Zwar  werden  die  besten  Brutplätze  meist  von  Eissturmvögeln  und 
Dreizehenmöven  in  Besitz  genommen,  doch  ist  auch  die  Niststätte  mancher 
Lummen  recht  wohlgeschützt  und  beliaglich.  Vielen  anderen  drohen  freilich 
fortwährende  Gefahren  durch  heftige  Stürme  und  herabrollende  Steine.  Die 
Menge  unsrer  Vögel  ist  eine  so  große,  daß  sich  die  einzelnen  Paare  nur 
dann  einen  günstigen  Brutplatz  erstreiten,  wenn  fortwährend  eins  von  ihnen 
den  Ort  besetzt  hält.  Verlassen  sie  gleichzeitig  auch  nur  für  wenige  Stunden 
den  Platz,  ist  dieser  meistens  für  sie  verloren.  Sind  später  Eier  und  Junge 
vorhanden,  wird  das  Besitzrecht  besser  anerkannt.  Immerhin  mag  die 
Schwierigkeit,  einen  geeigneten  Brutplatz  zu  finden  und  zu  behaupten,  mit 
dazu  beitragen,  daß  sich  die  Vögel  am  leichtesten  iiuf  dem  Neste  fangen 
lassen.  In  Örtlichkeiten  wie  Mevenkliut,  wo  ungeheure  Mengen  von  Lummen 
auf  engbegrenztem  Räume  beieinander  wohnen,  soll  man  die  Tiere  auf  dem 
Eie  mit  der  Hand  greifen  können. 

Zu  Beginn  der  Brutperiode  herrscht  unter  den  Vögeln  lebhafter  Zank 
und  Streit,  der  freilich  weniger  durch  tätliche  Augriffe,  als  vielmehr  durch 
langandauernde  Wortkämpfe  ausgefochten  wird.  Faber  bezeichnet  die  Stimme 
unsrer  Art  mit  errr  oder  örrr.  Ich  fand  sie  recht  abwechselnd  und  modulations- 
fähig. Im  allgemeinen  vernimmt  man  an  den  Brutplätzen  fast  unablässig  ein 
verschiedenartiges  Brummen,  das  sich  in  die  tauseudstimmigeu  Geräusche  eines 
bedeutenden  Vogelberges  verworren ''mischt  und  wesentlich  mit  zur  Erzeugung 
des  wirkungsvollen  Gesamteindruckes  beiträgt,  der  dem  Besucher  einer  der- 
artigen Lokalität  eben  nicht  nur  durch  das  Auge,  sondern  auch  durch  das 
Ohr  vermittelt  wird.  lu  der  Ruhe  klingt  die  Stimme  tief  und  mehr  oder 
weniger  leise  hrrr...,  mitunter  auch  hoch  und  lachtaubenartig,  nur  wesentlich 
stärker,  aus  großer  Nähe  fast  unheimlich  raaa...  .  Streiten  sich  die  Tiere 
ernstlich,  so  fahren  sie  sich  manchmal  mit  einem  rabenartig  rauhen  Go  oder 
Ga  in  die  Federn ;  lösen  sich  die  Paare  beim  Brüteu  ab,  rufen  sie  wiehernd 

gaaa...  oder  gahahaha Derartige  Stimmlaute  notierte   ich   an   Ort    und 

Stelle  wiederholt,  doch  vernahm  ich  noch  manche  andere,  die  sich  mit 
menschlichen  Zeichen  nicht  so  leicht  wiedergeben  ließen. 

Die  Ablage  des  einen  Eies  beginnt  auf  Grimsey  nicht  vor  Mitte  Mai; 
die  Mehrzahl  der  Vögel  aber  legt  je  nach  der  Witterung  erst  Ende  Mai 
und  Anfang  Juni.  In  der  Mitte  dieses  Monats  brüteu  jedoch  fast  alle  über- 
haupt zur  Fortpflanzung  schreitenden  Paare.  Nimmt  m.m  die  Eier  weg, 
was  ja  in  bedeutendem  Umfange  geschieht,  so  legen  die  Vögel  gewöhnlich 
noch  einmal;  werden  sie  auch  ihres  zweiten  Eies  beraubt,   scheinen  sie  ein 


118  IJria  loinvia  lomvia. 

diittos  durcluius  nicht  iniracr  erzeugen  zu  können.  Einzelne  tVisclic  Kicr 
findet  mau  bis  iu  den  Juli  hinein.  Solche  späte  Nachgelege  sind  aber 
mitunter  sehr  klein,  wenn  auch  sonst  normal,  und  wahrscheinlich  nicht 
immer  entwicklungsfähig. 

Die  Eier  variieren  außerordentlich,  verlieren  jedoch  selten  die  ciiarakteristische 
Birnenform.  In  der  Färbung  fand  ich  unter  vielen  Hunderten  intensives  Blaugrün 
vorherrschen;  eine  seltne,  aber  bei  Vogeleiern  überhaupt  auffällige  Farbe  ist  ein  schönes 
helles  Grasgrün.  Normale  Exemplare  haben  ungefähr  eine  Größe  von  77x51  mm, 
ein  Vollgewicht  von  100  und  ein  Leergewicht  von  Hg.  Einige  ausgewählte,  sicher 
Z7nrt  lomvia  angehörigo,  von  mir  seihst  präparierte  Eier  meiner  Sammlung  seien  hervor- 
gehoben: 83x52  mm  (12,:}  g).  83x51  (13,2).  81x54  (U,5).  80x51  (12,5).  76x49 
(9.5).  74x50  (9).  74x46  (10,2).  72x50,5  (10,9).  7:^x45  (9,6).  64x43  (8,5).  50x36,5 
(5,1).  Das  letztgenannte  Zwergei  A^om  7.  Juli  1903  wog  voll  37  g  (frisch),  andere  kleine 
Exemplare  von  Ende  Juni  58,  59  und  68  g.  Das  von  mir  gemessene  Höchstgewicht  voller 
Eier  betrug  117  g,  doch  mögen  noch  schwerere  vorkommen.  Das  Eidotter  ist  bei  unsrer 
Art  lebhaft  orangerot,  aber  nicht  so  dunkel  wie  bei  Cejyphits  gri/lle.  Gekocht  bleibt 
das  Eiweiß  gallertartig  durchsichtig.  Frische  Exemplare  sind  sehr  wohlschmeckend,  kaum 
von  Hühnereiern  zu  unterscheiden  und  nicht  tranig  wie  die  von  Sovtateria  mollissima. 

Die  Brutdauer  beträgt  etwa  einen  Monat,  soll  sich  aber  bei  ungünstiger 
Witterung  noch  einige  Tage  verlängern.  Beide  Vögel  des  Paares  brüten 
und  lösen  einander  regelmäßig  ab.  Zwischen  9-  und  10  Uhr  abends  beob- 
aclitete  ich  den  Wechsel  am  auffälligsten.  Fängt  man  die  Tiere  vom  Kie 
weg.  so  sollen  andere,  angeblich  ungepaarte  Individuen,  dieses  bald  annehmen 
und  weiter  bebrüten.  Die  dicke  Schale  schützt  es  unterdessen  vor  Regen 
und  rascher  Abkühlung. 

.Am  10.  Juli  sah  ich  die  ersten  Jungen  und  zwar  in  solchen  Lagen, 
wo  man  die  Eier  Anfang  Juni  fortgenommen  hatte.  Um  Brüten  aus  Nach- 
gelegen mag  es  sich  dabei  nicht  gehandelt  haben.  Das  Dunenkleid  zeigt 
bereits  die  Färbung  des  Jugendgefieders.  Im  Anfange  bleibt  einer  der  Alten 
neben  dem  Jungen  sitzen,  indein  er  dieses  zwischen  sich  und  den  Felsen 
bringt  und  die  dunkle  Oberseite  nach  außen  wendet,  Kopf  und  Hals  freilich 
dem  Meere  zudreht.  Beim  Brüten  lassen  die  Vögel  fast  immer  die  weiße 
Unterseite  sehen.  Sind  die  Jungen  größer,  fliegen  auch  beide  Litern  gleich- 
zeitig davon,  um  kleine  Fische  als  Futter  zu  holen.  Ende  Juli  entsteht 
das  bunteste  Gewimmel  am  Vogelberge.  Die  Alten  schnarren,  die  Jungen 
lassen  ihr  durchdringendes  Piepen  hören,  das  Gewirr  und  Gezänk  will  kein 
Ende  nehmen. 

Nach  3 — 4  Wochen,  Faber  meint  nach  24  Tagen,  sind  die  Jungen 
halb  befiedert,  können  ein  wenig  umlierklettern,  aber  noch  nicht  fliegen. 
Trotzdem  stürzen  sie  sich  nun  unter  Begleitung  der  Alten  iu  das  tosende  Meer. 
Da  auf  Grimsey  die  höchsten  Teile  der  Vogelbcrge  140  m  erreichen,  sollen 
die  Vögel  nicht  immer  glücklich  die  Tiefe  gewinnen.  Gelingt  jedoch  der 
Absturz,  fahren  sie  unbeabsichtigt  ein  Stück  ins  Wasser  hinein  und  lernen 
so  das  nasse  Element  von  vornherein  ordentlich  kennen.  Bald  darauf  sieht 
man  sie  munter  an  der  Oberfläche  schwimmen  und  sich  unter  Führung  der 
Alten  im  Tauchen  und  Nahrungssuchen  üben.  In  weitverstreuten  Scliaren 
bleiben  die  Vögel  zunächst  iu  der  Umgebung  des  Brutplatzes,  fangen  dann 


Alca  torda.  H9 

im  September  au,  zum  Teile  fortzuzieheu,  werden  nun  auch  au  den  übrigen 
Küsteuoebieteu  Islands  gesehen  und  verfolgt,  bringen  indes  die  kalten  Monate 
mehr  in  südlicheren  Gegenden  des  freien  Ozeans  zu,  wo  die  Tage  nicht  zu 
kurz  sind.  Viele  Vögel  uiisrer  Art  sollen  freilich  auch  in  der  Nähe  von 
Grimsey  überwintern,  falls  die  Insel  nicht  vom  Treibeis  blockiert  ist.  Zum 
Teil  mag  es  sich  hier  um  Standvögel  handeln,  deren  Zahl  vielleicht  auch 
durch  Zuzügler  aus  arktischen  Gebieten  vermehrt  wird.  Übereinstimmenden 
Bericliten  zufolge  scheint  rria  foinvid  \[q\  jnehr  Standvogel  zu  sein  als  Uria  trolle. 

10.  Alca  torda  L. 

Tordalk. 

Alca  torda  (Linii.) :  Faber.  Prodromus,S.  46  (1822).  — Alca  fordaL. :  Prcyer(& Zirkel), 
Reise  nach  Islaud,  ö.  425  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Gonlds  Iceland,  p.  421  (1863).  — 
Gröndal,  Islenzkt  fiiglatal,  bis.  51   (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  124  (1901). 

Alca  torda,  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  744  (1877).  —  Ogilvie-Grant, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI.  p.  565  (1898).  —  Winge,   Grönlands  Fugle,  S.  233  (1898). 

—  Naumann.   Vögel  Mitteleuropas  XU,  S.  160  (1903). 

Isländisch:  Alka  (Etymologie  unklar,  uacli  Faber  deutet  das  Wort  auf  den  lang- 
samen Gang  des  Vogels),  seltner  Klumbunefja  (klumba  =  Keule,  nefja  =  Schnabel)  und 
Klumba.  Drumbnefja  (drurabr=Balken)  und  Drunnefja ;  Svartfugl  (:=Sclnvarzvogel) partim. 

Deutsch  gleichfalls:  Klumbalk,  Klubalk.  Dan.:  Alk.  Norw. :  Alke,  Klubalke. 
Schwad.:  Alka,  Klunsalka.    Lett.:  Alks.     Holl. :  Alk.     Engl.:  Auk.     Fär. :  Alka,  Alka. 

Alca  torda  bewohnt  den  Xordatlantischen  Ozean  und  einige  Teile  des  benach- 
barten Eismeers.  An  der  Nordostküste  Amerikas  und  in  Westgrönland,  nordwärts 
wenigstens  bis  Upernivik,  brütet  er  teilweise  häufig,  für  Ostgrönland,  Jan  Mayen  und 
Spitzbergen  ist  er  aber  nach  Schalow  noch  nicht  mit  Sicherheit  nachgewiesen,  dagegen 
findet  er  sich  auf  der  Bären-Insel.  Weiterhin  nach  Osten  kennt  man  ihn  nicht.  Häufig 
bewohnt  er  die  Küsten  Skandinaviens,  der  Britischen  und  der  kleinen  nördlich  davon 
liegenden  Inseln,  auch  noch  die  Bretagne.  Im  Winter  streichen  die  Yögel  südwärts 
bis  Algier,  zu  den  Kanarischen  Inseln  und  Azoren,  sowie  den  südlichen  Küsten  der 
Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika. 

In  Island  ist  der  Tordalk  ein  häufiger  Brutvogel,  jedoch  bei  weitem 
nicht  so  gemein  als  die  Lummen,  in  deren  Gesellschaft  er  sich  fast  immer 
findet.  Er  brütet  an  allen  bedeutenden  Vogelbergen,  im  Norden  vielleicht 
weniger  häutig  als  im  Süden  der  Insel,  und  bewohnt  hier  inmitten  anderer 
Arten  die  höheren  Felspartien,  besonders  wenn  diese  weite  Vorsprünge  und 
tiefe  Spalten  und  Nischen  besitzen.  Eigene  Kolonien  scheint  er  nirgends 
zu  bilden.     Er  bevorzugt  das  offene  Meer  und  meidet  schmale  Fjorde. 

Geographische  Abweichungen  unserer  zweifellos  sehr  alten  Spezies  sind 
nicht  bekannt.  Ein  von  mir  am  7.  Juli  1903  auf  Grimsey  gesammeltes  ?,  sichrer 
Brutvogel  (2  Brutflecke),  hatte  ein  Gewicht  von  etwa  900  g  und  eine  Gesamtlänge  von 
430  mm.  Flugbreite:  c.  650.  Flügel:  195.  Schwanz:  98.  Schwanz  -f-  Flügel:  45. 
Schnabellänge:  32.  Schnabelspalt:  47.  Sehnabelhöhe  an  der  breitesten  Stelle:  21,5. 
Tarsen:  31.  Mittelzehe  inkl.  der  9,5  mm  langen  Kralle:  47  mm.  —Iris:  braunschwarz. 
Schnabel:  schwarz  mit  1,5  mm  breitem  weißen  Furchenstreifen.  Füße  und  Nägel:  dunkel- 
schwarzbraun, Schwimmhäute  am   äußeren  Teile    schildkrotartig   mit  Gelb   marmoriert. 

—  Das  Kleingefieder  beginnt  zu  mausern. 

Biologisch  hat  der  Tordalk  große  Ähnlichkeit  mit  den  Lummen.  Die 
Brutplätze    beider   Gattungen    sind    auch  durchaus  dieselben.     Ende  März 


120  Alca  torda. 

oder  Anfang  April  nähern  sich  unsere  Vögel  diesen  Örtlichkeiten,  wie  mir 
in  Grimsey  übereinstimmend  mit  Fabers  Angaben  (z.  B.  Okens  Isis  1827, 
S.  674)  versichert  wurde.  Ilir  Erscheinen  soll  gewöhnlich  etwas  später  er- 
folgen, als  das  der  Lummen.  Herr  ]i.  Jönsson  schrieb  mir  freilich,  daß 
bei  den  Vestmannaeyjarn  schon  Ende  Januar  Exemplare  anlangten.  Ende 
April  fliegen  sie,  nun  in  völliger  Sommertracht,  zu  den  Niststätten,  die  sich 
gewölmlicli  in  beträchtliclier  Höhe  über  dem  Meere  befinden.  Selten  sah 
ich  lange  Reihen  von  Alken  beisammen,  fast  immer  einzelne  oder  wenige 
Paare  mit  Lummen  und  wohl  auch  Dreizehenmöven  gemischt.  Die  Vögel 
gellen  zwar  ungern  und  ungeschickt,  fliegen  jedoch  nach  meinen  Beob- 
achtungen auf  Grimsey  weit  häufiger  als  die  Uria-Arten.  Ja  ich  sah  in 
zahlreichen  Fällen,  wie  die  Alke  halbe  Stunden  lang  große  Kreise  beschrieben, 
wobei  sie  mit  überaus  raschem  Flügelschlage  regelmäßig  in  der  Nähe  der 
Felsen,  ungefähr  in  der  Höhe  ihrer  Brutplätze,  schnell  vorüberflatterteu. 
Wiederholt  beobachtete  ich  von  einem  Punkte  aus  mehr  als  ein  halbes  Dutzend 
der  Vögel,  deren  Flugbalin  ich  mit  den  Augen  verfolgen  konnte,  in  dieser 
Weise  sich  vergnügen  und  erkannte  daran  geradezu  die  Art.  Von  den 
Lummen  sah  ich  so  anhaltendes  Fliegen  niemals, 

Ihre  Stimme  lassen  unsre  Vögel  ziemlich  selten  hören,  meist  sind  sie 
still  und  überhaupt  wenig  lebhaft,  andern  gegenüber  harmlos  und  verträglich. 
Trotz  aller  Bemühungen  und  stundenlangem  Ausharren  in  der  Nähe  der 
ßrutplätze  vernahm  ich  von  deutlich  hörbaren  Lauten  nichts  als  ein  ärger- 
liches, abwehrendes  Rrrr,  ähnlich  aber  rauher  als  das  der  Lummen,  noch 
seltner  ein  heiseres  Groa,  wobei  der  Vogel  den  Schnabel  ziemlich  weit  öffnet 
und  den  Hals  vorstreckt. 

Zum  Nistplatze  wählt  Älca  tarda  meist  die  besser  geschützten  Stellen 
an  den  Vogelbergen,  nicht  nur  auf  Felsvorsprüngen,  sondern  auch  in  höhlen- 
artigen Vertiefungen,  Nischen  und  wagerechten  Spalten.  Doch  scheint  er  zur 
Herstellung  einer  Nestmulde  trotz  seines  kräftigen  Schnabels  nichts  beizutragen. 
Auf  weiche  Erde  legt  er  sein  Ei  sehr  gern,  üppige  Kräuter  sind  ihm  auf 
Grimsey  willkommener  Schutz,  .Die  Ablage  des  einen  Eies  erfolgt  auf  dieser 
Insel  kaum  vor  Ende  Mai,  gewöhnlich  erst  im  Juni,  im  allgemeinen  etwas 
später  als  bei  den  Lummen,  Bis  in  die  2,  Hälfte  dieses  Monats  sind  erste 
Gelege  nichts  seltnes.  Die  Eier  zeigen  einen  weißlichen,  niemals  lebhaft 
grünlichen  Grund,  einzelne  stark  gefleckte  gehören  zu  den  schönsten  Vogel- 
eiern überhaupt.  Sie  unterscheiden  sich  durch  die  rauhe  Körnung  von 
ähnlichen  Lummeneiern. 

Die  Maße  etlicher  Grimseyer  Exemplare  aus  der  Zeit  vom  10.  bis  23.  .Juni  1903, 
unbebrütet,  von  mir  selbst  präpariert,  stellen  sirh  wie  folgt:  77x49  mm  (9,1  g).  77x48 
(9).  74x47,5  (8,7).  72x48  (7,9).  72x46  (8.8).  71,5x48  (8,3).  71x48  (9,2).  71x4(3,5 
(7,9).  65x:43,5  (7,1).  63,5x40  (5,8).  —  Die  kleinsten  Exemplare  sind  wahrscheinlich 
Nachgelege.  Auch  im  Vollgewichte  stehen  normale  Eier  hinter  denen  der  Lummen 
zurück.  Die  von  mir  gewogenen  schwankten  zwischen  69  und  92  g.  Geschmack  und 
Aussehen  von  Dotter  und  Eiweiß  wie  bei  den  Lummen. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  etwa  einen  Monat  lang. 
Doch  kann  sich  die  Brutdauer  bei  besonders  ungünstiger  Witterung  bis  auf 


Alca  impennis.  121 

5  Wochen  ausdehnen.  Am  10.  Juli  suh  ich  die  ersten  ganz  kleinen  Dunen- 
jungen,  obwohl  die  Mehrzahl  der  Vögel  noch  Eier  hatte.  Die  Aufzucht  erfolgt 
wie  bei  den  Lunimen.  Als  Futter  bringen  die  Alten  fast  ausschließlich 
Fische.  Halb  befiedert  und  noch  ziemlich  klein  verlassen  die  Jungen  nach 
3 — 4  Wochen  die  Niststelle,  klettern  ein  Stück  die  Felsen  hinab  und  gelangen 
endlich  rutschend  und  stürzend  ins  Meer,  wo  sie  von  den  Alten  geführt, 
aber  nicht  mehr  gefüttert  werden.  Erst  nach  abermals  4  Wochen  sind  sie 
wirklich  flugbar.  Faber  macht  darauf  aufmerksam  (Okens  Isis  1827, 
S,  673),  daß  das  Nestgetieder  der  jungen  Alke  von  dem  der  Lummen 
wesentlich  abweicht,  indem  es  nicht  der  Winter-,  sondern  der  Sommertracht 
der  Alten  ähnelt.  Nachdem  das  Junge  dieses  Übergangskleid,  das  den 
Lummen  fehlt,  etwa  einen  Monat  getragen  hat,  soll  es  von  neuem  in  die 
Wiutertracht  mausern.  Auch  behauptet  Faber,  die  jungen  Tordalke  würden 
schon  im  nächsten  Frühjahre  brutfähig  (1.  c,  S.  669),  worüber  genauere 
Nachprüfungen  noch  angestellt  werden  möchten.  Vielleicht  versucht  man 
es  einmal  mit  einer  größeren  Menge  von  Fußringen. 

Bereits  Ende  August  verlassen  viele  der  Vögel  die  Vestmannaeyjar 
(Jönsson);  von  Grimsey  zieht  die  Hauptmenge  im  September  fort.  Sie 
streichen  nun  in  Scharen  umher,  wandern  teilweise  auch  südlicheren  Gegenden 
zu,  überwintern  aber  _ scheinbar  weniger  auf  hoher  See,  als  vielmehr  an 
geschützten,  eisfreien  Küsten.  Mitunter  kommen  sie  sogar  während  der 
kältesten  Periode  in  die  Buchten  hinein.  Gröndal  berichtet  (Ornis  1886,  S.  367), 
daß  unsere  Art  im  Winter  häufig  in  der  Nähe  der  Südknste  Islands  gesehen 
werde,  und  Faber  bemerkt  (1.  c,  S.  675),  daß  nach  heftigen  Stürmen  nicht 
selten  tote  und  halbtote  Individuen  ans  Ufer  gespült  würden.  Gewisse 
Angaben  über  den  Winteraufenthalt  der  Vögel  sind  mit  Vorsicht  aufzunehmen; 
unsere  Art  ist  in  dieser  Zeit  weit  scheuer  als  im  Sommer  und  dann  auf 
freiem  Meere  leicht  mit  den  so  ähnlichen  Lummen  zu  verwechseln. 

Ausgestorben: 

Alca  impennis  L. 

Riesenalk. 

Alca  impennis  (Linn.) :  Faber,  Prodromus,  S.  48  (1822).  —  Plantus  impennis :  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  427  (1862).  —  Alca  impennis  lAnn.:  Newton,  in  Earing- 
Goulds  Iceland,  j).  420  (18H3).  —  Plautus  imj^ennis  L.:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis. 
51  (1895).  —  Alca  impennis,  Linn:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  125  (1901). 

Plautus  impennis  (Linn.):  Ogilvie-ürant,  Cat.  Birds  Brit.  3lus.  XXVI,  p.  562 
(1898).  —  Alca  impennis  L.:  Winge,  Grenlands  Fugle,  S.  235  (1898).  —  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  69  (1903). 

Isländisch:  Geirfugl,  Geyrfugl,  Gyrfugl  (nach  Faber,  Okens  Isis  1827,  S.  679, 
ist  Geir  gleichbedeutend  mit  dem  deutschen  Ger  =  Wurfspieß.  Der  Name  bezieht 
sich  entweder  auf  den  Schnabel  des  Vogels  oder  auf  den  Aberglauben,  das  Erscheinen 
desselben  abseits  von  den  Brutplätzen  verkünde  Krieg.  Vielleicht  benutzte  man 
auch  die  festen  Knochen  des  Vogels  in  alter  Zeit  zu  Lanzenspitzen  oder  tötete  ihn 
selbst  irgend  einer  Sitte  zufolge  mit  Geren) ;  fälschlich  auch  Haftyrdill,  Havtirdill  (haf 
=  Meer,  tyrdill  =  ein  wenig,  kleiner  Klumpen). 


122  Alca  iinpennis. 

Deutsch  gleichfalls:  Geirvogel,  GeiTOgel.  Dan. :  Geirfugl,  Gejrfugl.  Norw.:  Geir- 
fugl,  Geyrlugl,  Geirfugia,  Goifugl.  Schwed. :  Garlägel,  Garfahl.  Engl.:  Gare-Fowl, 
Garfowl.  Schott. :  Gare- Fowle,  Gearbhul.  (tüI.:  Gear-bhull,  (leurr-bhiil.  Auf  St  Kilda: 
Gayrfowl,  Gairfowl,  (iarefowl.  Fär.:  Gorfuglir,  Gärfuglur,  Garfugel,  Gaart'ugi,  (Joirl'ugl, 
Goifugel.     Franz. :  Gorfou. 

Da.s  ehemalige  Verbreitungsgebiet  von  Alca  imjiennis  lug  im  nördlichon  Teile 
des  Atlantischen  Ozeans.  Sichere  Brutstälteu,  die  bis  wenigstens  gegen  das  Ende  des 
18.  .lahrluindcrts  hin  benutzt  wurden  sind,  fanden  sich  außer  im  Süden  Islands  nocli 
»auf  den  Orkney- Inseln,  St.  Kilda  und  den  Faröern,  in  Amerika  besonders  auf  den 
Funks-Inseln.  Ferner  sind  verschiedene  Örtlichkeileu  bekannt,  wo  die  Art  regelmäßig 
vorgekommen  ist  und  wahrscheinlich  in  alten  Zeiten  auch  gebrütet  hat,  z.  B.  Kattegat, 
Irische  See,  Ostgrönland,  Neu-Fundland  und  das  Küstengebiet  der  Vereinigten  Staaten. 
Nach  Knochen-  und  andern  fossilen  Funden  zu  schließen,  scheint  der  Ricsenalk  in 
Amerika  südwärts  bis  Florida,  nordwärts  bis  etwa  zum  Polarkreise  in  Grönland  ver- 
breitet gewesen  zu  sein,  in  Europa  ebensoweit  nördlich  bei  Island,  südlich  bis  in  die 
Breite  von  Irland.  Sein  Auftreten  im  Meerbusen  von  Biscaya,  im  Kanal,  auf  den 
Lofoten,  auf  Grimsey  und  Mevenklint,  sowie  auf  den  Inseln  der  Diskobucht  an  der 
grönländischen  Küste  erscheint  als  fraglich.   . 

Island  stellt  dasjeiiioe  euvopHische  Gebiet  dai",  wo  der  Riesenalk  nicht 
uur  zahlreich,  sondern  auch  bis  in  die  letzte  Zeit  seines  Vorhandenseins 
überhaupt  (1844)  vorgekommen  ist.  Die  meisten  der  in  Museen  existierenden 
Bälge  sind  in  den  Jahren  1830 — 44  auf  Eldey .gesammelt  worden.  Nähere 
Angaben  über  die  Ausrottung  der  Art  in  Island  habe  ich  im  5.  Abschnitte 
des  I.  Teils  dieser  Arbeit  gegeben  (S.  S.  75). 

Das  sehr  wohlerhaltene,  gutgestopfte  Exemplar  von  Alca  impennis  im  Zoologischen 
Museum  in  Dresden,  wahrscheinlich  von  Island  stammend,  Sommerkleid.  Geschlecht 
nicht  bestimmbar,  zeigt  nach  meiner  sorgfältigen  Untersuchung  folgende  mit  Zirkel 
genommene  Maße.  Gesamtlänge:  c.  780  mm  (Miclialielles  maß  183.'i  an  Vögeln  im 
Fleisch  758— 8l2j.  Flügel:  158.  Schwanz:  91.  Schnabellänge :  82.  Größte  Schnabel- 
höhe :  39.  Tarsen:  48  (vielleicht  etwas  zusammengeschoben).  Mittelzehe  inkl.  der  13  mm 
langen  Kralle:  81  mm. 

Es  ist  nicht  anzunehmen,  daß  sich  Alm  impennis  in  Island  oder  anderwärts 
noch  lebend  erhalten  hat.  Bälge  oder  Eier  des  Vogels  scheinen  auch  nicht 
mehr  auf  der  Insel  vorhanden  zu  sein.  Das  Ei,  welches  Konsul  J.  V.  Havsteen 
in  Oddeyri  besitzt  und  für  ein  solches  unsrer  Art  hält,  ist  ein  besonders 
großes  l^lxemplar  einer  Uria.  Die  ]\Iaße  wirklicher  Aha  imjx'nnls-VÄQX 
schwanken  nach  den  Angaben  von  R.  Blasius  zwischen  111  bis  140X'>9,4 
bis  83,26  mm,  ihr  Gewicht  zwischen  44 — 50  g.  Knochenüberreste  dagegen 
können  zweifellos  an  den  erwähnten  Ortlichkeiten  Islands  noch  gefunden 
werden,  am  leichtesten  in  Abfallsliaul'en  der  Vestmannaeyjar  und  auf  Reykjanes. 
Von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  würde  es  sein,  diejenigen  Klijipeu 
nochmals  aufzusuclicn,  wo  Alca  iinjieinns  gebrütet  hat,  und  sie  einer  ein- 
gehenderen Untersuchung  zu  würdigen,  als  dies  bei  verschiedenen  bis  jetzt 
geschehen  ist. 

11.  Alle  alle  (L.j. 

Kral)bentaucher. 

Uria  alle  (Temm.):  Faber,  Prodromus,  S.  44  (1822).  —  Mergulus  alle  Ray:  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  424  (1862).  —  Mergulus  alle  (Linn.):  Newton,  in  Baring- 


Alle  alle.  123 

Goiilds  Iceland,  p.  419  (186;i).  —  Merguhis  alle  Ray:  Gröndal,  Islenzkt  fughital,  bis.  öl 
<1895).  —    Merguhis  alle  (Lina.):  Slater,  Birds  of  Ic-elaiul,  p.  180  (1901). 

Arctlca  alle  (L.):  Colliii.  Skandinaviens  Fugle,  S.  738  (1877).  --  Alle  alle  (Linn.): 
Ogilvie-Grant,  Cat.  Birds  Hrit.  ]\Ius.  XXVI,  p.  5t>9  (1898).  —  Merguhis  alle  (L.):  Winge, 
Grönlands  Fugle,  S.  228  (1898).    —    Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  149  (1903). 

Isländisch:  Haftirdill,  Haf'tyrdill  (haf  =  Meer,  tyrdill  =  ein  wenig,  kleiner 
Klumpen),  seltner,  nach  Mohr  nnd  Fabor  im  Südwesthmde,  Hälkion,  Halki^on  (keltischen 
Ursprungs,  Etymologie  unklar). 

Alle  alle  ist  einerein  arktische  Vogelart,  die  ostwärts  bis  Nowaja  Semlja,  west- 
wärts bis  zu  den  Parry-Inseln  brütend  gefunden  wurde.  Aus  den  asiatischen  und 
nordwestamerikanischen  Ciebieten  des  Eismeers  kennt  man  sie  dagegen  nicht.  In 
Europa  brütet  Alle  alle  auf  Franz-Joseph-Land,  Spitzbergen,  der  Bären-Insel,  Jan  Mayen, 
3Ievenklint  und  Grimsey;  auch  im  nördlichen  Grönland  ist  die  Art  häufiger  Brutvogel. 
Im  Winter  streichen  die  Vögel  südwärts,  ausnahmsweise  bis  Virginia,  zu  den  Azoren 
und  Kanarischen  Inseln. 

In  Isbind  kennt  man  den  Krabbentaucher  als  Brutvogel,  wie  schon 
bemerkt,  nur  auf  Grimsey,  das  er  in  etwa  150 — 200  Paaren  bewohnt.  Doch 
ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  er  noch  an  einigen  anderen  Punkten  der  Nord- 
und  Nordwestküste  gefunden  wird,  zumal  kleinere'  Kolonien  von  Alle  alle 
sehr  wenig  auffällig  sind.  Grimsey  stellt  zugleich  den  südlichsten  überhaupt 
bekannten  Brutphttz  des  Vogels  dar.  Helms  vermutet  zwar  ein  noch  bedeutend 
südlicheres  Brüten  am  Sermilikfjord  in  Grönland,  doch  fehlen  hierfür  zunächst 
sichere  Beweise.  Im  Winter  zeigt  sich  unsere  Art,  besonders  bei  viel  Treibeis, 
gelegentlich  an  allen  Küsten  lylands,  bis  hinal)   zu  den  Vestmanuaeyjarn. 

Geographische  Formen  von  Alle  alle  kennt  man  nicht,  doch  variieren -sogar 
Vögel  derselben  Brutgebiete  beträchtlich  in  der  Größe.  Ein  von  mir  am  27.  Juni  1903 
auf  (xrimsey  gesammeltes  $ ,  sichrer  Brutvogel  (großer  Brutfleck),  hatte  ein  Gewicht 
von  1Ö8  g  und  eine  Gesamtlänge  von  210  mm.  Flügel:  117.  Flugbreite:  c.  390. 
Schwanz:  41.  Schwanz  -|-  Flügel:  5.  Schnabellänge:  19.  Schnabelhöhe:  10.  Größte 
Schnabelbreite:  9,5.  Tarsen :  20.  3littelzehe  inkl.  der  6.5  mm  langen  Kralle:  30  mm. — 
Schnabel:  schwarz.  Gaumen  und  die  dicke  Zunge:  weißlich-fleischfarben.  Iris:  dunkel- 
braun. Füße:  einfarbig  schwarzbraun,  Hinterseite  der  Tarsen  nnd  Schwimmhäute  fast 
schwarz.  (Dagegen  zeigen  2  andere  in  jmeiner  Sanmilung  befindliche  isländische  Winter- 
bälgo  gelblichbraune  Zehen  und  Tarsen.)  Magenwand:  schön  dunkelmeergrün.  Magen- 
inhalt: Krustaceen. 

Der  Krabbentaucher  ist  im  allgemeinen  Standvogel  auf  Grimsey. 
Zwnr  sollen  einzelne  Scharen  die  Insel  außerhalb  der  Brutzeit  gelegentlich 
verlassen,  doch  scheinen  sie  sich  nicht  weit  zu  entfernen.  Auch  im  Sommer 
fliegen  die  Vögel  gern  hinaus  auf  das  freie  Meer.  Ihr  Flug  ist  viel  leichter 
als  der  ihrer  gi-oßen  Verwandten,  beinah  schwirrend,  schnell  fördernd  und 
ziemlich  geschickter  Wendungen  fähig.  Fast  immer  fliegen  die  Vögel  in 
Scharen  zusammen,  reihen  sich  aber  nicht  in  Linien  hintereinander.  Kommen 
sie  vom  Meere  nach  dem  Lande,  so  lassen  sie  sich  auf  Klippen  und  Fels- 
trümmern nieder,  verhalten  sich  jedoch  selten  lange  still,  sondern  laufen 
ein  paar  Schritte  umher,  flattern  auch  zu  einem  benachbarten  Sitze,  putzen 
sich  und  lassen  bei  jeder  Gelegenheit  ihre  Stimmlaute  hören,  die  ziemlich 
mannigfach  sind.  Ich  notierte  besonders  ein  kurzsilbiges,  etwas  gepreßtes 
Gägägä...,  das  oft  lange  fortgesetzt  wird  und  an  das  Locken  gewisser 
junger  Raubvögel  erinnert.     Diese  Töne  sind  wenig   hell   und  werden  ohne 


124  ^'l*'  'il'ß- 

erlicbliclies  Öffnon  dos  Schimbcls  licrvorgoliraclit.  Mitunter  liört  man  an 
Stolle  des  Ä  ein  Ü  oder  s  durcliklingon,  besonders  wenn  die  Vögel  in  ihrer 
lebhaften  Weise  sich  gegenseitig  zu  überbieten  suchen.  Am  Schlüsse  des 
Vortrags  verbinden  sie  oft  die  Silben  zu  einem  rasch  sclinarrenden  Rrrr..., 
dem  ein  Ä  vorklingt.  Dieses  Geräusch  könnte  man  fast  ebensogut  mit  einem 
schnarrenden  Llll...  wiedergeben,  und  Scottus  behauptet  (S.  Okens  Isis  1827, 
S.  648),  daß  der  Vogel  seinen  lateinischen  Namen  darnacii  erhalten  habe, 
was  niciit  unwahrscheinlich  ist,  wenn  man  an  den  Zusammenklang  vieler 
Stimmen  denkt.  Alle  auch  noch  in  anderer  Weise  variierenden  Laute  ver- 
nimmt man  nur  selten  von  einem  einzelnen  Vogel.  Meist  stimmt  der  ganze 
Schwärm  in  das  Zetern  ein,  was  ein  gar  nicht  unangenehmes  und  äußerst 
charakteristisches  Geräuscii  ergibt.  HäuHg  antworten  sogar  die  versteckt 
brütenden  Vögel  den  ankommenden  (matten,  jeder  Teil  ist  bemüht,  seine 
Stimme  so  energisch  wie  möglich  zur  Geltung  zu  bringen,  die  freilich 
trotz  aller  Anstrengung  der  kleinen  Vögel  oft  von  dem  durchdringenden 
Geschrei  der  Seescliwalben  und  Möven  fast  übertönt  wird. 

Obwohl  die  Krabbentaucher  während  des  ganzen  Jahres  gesellig  leben, 
sind  sie  doch,  wenigstens  zur  Fortpflanzungszeit,  ziemlich  zänkisch  unter- 
einander, meist  freilich  auch  so  wenig  widerstandslustig,  daß  tätliche  Angriffe 
des  einen  gewöhnlich  die  Flucht  des  andern  bedeuten.  Unter  die  übrigen 
Felsenvögel  mischt  sich  unsere  Art  nur  zufällig,  lebt  fast  immer  gesondert 
von  diesen  und  bekümmert  sich  kaum  um  sie.  Dem  Menschen  gegenüber 
sind  die  lebhaften  Tierchen  auf  Grinisey  ziemlich  scheu,  selbst  während  der 
Brutzeit,  was  schon  Faber  und  Thienemann  hervorheben.  Ohne  Deckung 
gelingt  es  selten,  sich  ihnen  auf  Schußweite  zu  nähern.  Auch  wenn  sie  auf 
den  Steinbrockeu  ausruhen,  merken  sie  rechtzeitig  den  Kommenden  und 
erheben  sich  scheltend  zum  Bogenfluge  über  das  Meer.  In  unbewohnten 
Gegenden,  wo  die  Vögel  nicht  von  Menschen  belästigt  werden,  scheinen  sie 
freilich,  nach  den  Literaturberichten  zu  schließen,  ebenso  furchtlos  wie  ihre 
Verwandten  zu  sein.  Auch  erzählte  mir  der  Schiffseigner  Jon  Antonsson 
aus  Hjalteyri,  daß  sich  kaum  40  Sm.  nördlich  von  Grimsey,  bei  der  von  unsrer 
Art  gleichfalls  bewohnton  Klippe  Meveiiklint  (isl.  Kolbeinsey).  einmal  im 
Sommer  ein  Krabbentaucher  auf  sein  Schiff  niedergelassen  und  durchaus  keine 
Scheu  gezeigt  habe.     Erst   nacii  längerer  Zeit  sei  der  Vogel  davongeflogen. 

Alle  alle  brütet  an  verschiedenen  Stellen  in  Grimsey.  Die  Haupt- 
kolonie befindet  sich  seit  undenklichen  Zeiten  bei  einem  vorspringenden 
Felsen  an  der  Westküste  (Fig.  20).  Sie  mag  etwa  GO  — 70  Paare  zählen. 
Es  ist  dieselbe,  die  schon  Faber  und  Thienemann  besuchten  und  beschrieben. 
Doch  irrt  Faber,  wahrscheinlich  damaliger  Kartenfehler  zufolge,  wenn 
er  diesen  Brutplatz  an  die  Nordspitze  Grimseys  verlegt  (s.  z.  B.  Okens 
Isis  1827,  S.  652).  Naumann,  der  in  bezug  auf  die  Brutverhältnisse  der 
nordischen  Vögel  meist  Faber  wortgetreu  nachscljreibt,  und  andere  Schrift- 
steller begehen  denselben  Fehler.  Ich  habe  die  wild  zerklüftete  Nordspitze 
der  Insel,  die  unsern  Vögeln  wenige  günstige  Brutstelleu  bieten  würde,  mehrmals 
besucht  und  keine  Krabbeutaucher  dort  angetroffen.     Auch   den  Bewohnern 


Alle  alle. 


125 


ist  eine  bedeutendere  Kolonie  daselbst  unbekannt.  Dagegen  hat  man  wieder- 
holt Eier  der  Art  au  der  südlichen  Ostküste  gesammelt,  wie  mir  Pastor 
Matthias  Eggertsson  mitteilte.  Verschiedene  Jjokalitäten,  die  man  für  Brut- 
plätze hält,  sind  indes  ihrer  kaum  zugänglichen  Lage  und  der  sonstigen 
bedeutenden  Schwierigkeiten  halber  niemals  untersucht  worden. 

Der  Krabbentaucher  wählt  als  Niststätte  herabgestürzte  Felstrümmer 
größereu  Umfangs,  welche  in  ihren  Zwischenräumen  höhlenartige  Bildungen 
besitzen,  die  durch  Gänge  und  Spalten  mit  der  Außenwelt  in  Verbindung 
stehen.  Auf  Grimsey  werden  nur  Örtlichkeiten  in  unmittelbarer  Nähe  des 
Meeres    gewählt,    die    zugleich    nicht    höher    liegen,    als    zum    Schutze    vor 


Fig.  20.     Brutplatz  von  Alle  alle  auf  Grfmsey.  (Mitte.) 


Springfluten  und  Brandungswellen  nötig  ist.  Im  äußersten  Ende  der  finsteren 
und  zugleich  vor  Wind  und  Wetter  geschützten  Gänge,  die  sich  seitlich 
oft  mehrere  Meter  tief  inmitten  des  Felsgewirres  hinziehen,  befindet  sich  die 
Bruthöhle.  Sie  dient  den  Vögeln  nicht  selten  auch  außerhalb  der  Fortpflanzungs- 
zeit zum  Aufenthaltsorte.  Derartige  Plätze  zu  suchen  ist  schwierig.  Erst 
wenn  man  die  Hauptmenge  der  Steine  zur  Seite  gewälzt  hat,  erkennt  man 
die  befahrenen  Röhren  oder  erblickt  die  Nisthöhle.  Viele  derselben  sind 
jedoch  unter  mächtigen  Felsblöcken  vor  allen  Nachstellungen  gesichert.  Da 
die  Eier  unsres  Vogels  in  Akureyri  gut  bezahlt  werden,  suchen  die  Leute 
oft  tagelang  nach  solchen,  welcher  Tätigkeit  ich  natürlich  zuschaute.  Das 
Sammelergebnis  von  1903  bestand  etwa  aus  70—80  Stück;  in  manchen 
Jahren  hat  man  auch  gegen  100  gefunden.  Jedes  Paar  legt  bloß  ein  Ei, 
gewöhnlich  auf  kleine  flache  Steine  oder  in  eine  grubenartige  Vertiefung. 
Die  Ablage  erfolgt  mitunter  von  Ende  Mai,  regelmäßig  von  Anfang  Juni 
an.     Die  Exemplare,  welche  mir  die  Bewohner  Ende  Juni  brachten,  waren 


126  ^^^'^  '!"<'• 

fast  fertig  bebrütet.     Zwar   erhielt   ich    noch    am   2,  Juli  ein  ganz   frisches 
Ei,  clücli  handelte  es  sich  dabei  zweifellos  um  ein  verspätetes  Nachgelege. 

Die  Färbung  der  Eier  ist  frisch  immer  grünlich,  mitunter  sogar  ziemUch  lebhaft 
grün.  Das  zinnoberrote  Dotter  gibt  dem  vollen  Ei  ein  wesentlich  dunkleres  Aussehen 
als  dem  leeren.  Bräunliche  Fleckenzeichnung,  besonders  am  stumpfen  Ende,  findet 
sich  sehr  häufig.  Die  Maße  einiger  präparierter  Grimseyer  Gelege  meiner  Sammlung 
sind  folgende:  51,2x33  mm  (3,3  g).  49,2x33,5  (2,1).  48,5x34  (3,3).  48,5x34  (2,1). 
47.8x32,2  (1,95).  46,2x33,2  (2,2).  46,2x32  (2,05).  Vollgewicht  frischer  und  ziem- 
lich frischer  Exemplare  24 — 31  g. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd,  das  Weibchen  ziemlieh 
regelmäßig  am  Tage,  das  Männchen  in  der  Nacht.  Gewöhnlich  sitzen  sie 
so  fest,  daß  man  sie  mit  raschem  Griffe  auf  dem  Ei  erfassen  kann.  Sie 
klemmen  dieses  selbst  zwischen  die  Federn  und  drücken  es  an  den  Brutfleck 
(ich  fand  nur  einen  solchen,  Faber  zwei).  Treibt  man  sie  rasch  auf.  so 
reißen  sie  das  Ei  gewöhnlich  mit  fort.  Die  Brutdauer  von  24  Tagen, 
wie  sie  schon  Faber  angibt,  scheint  nach  meinen  weiteren  Erkundigungen 
an  Ort  und  Stelle  das  richtige  Durchschnittsmaß  zu  sein.  Genauere  Unter- 
suchungen können  natürlich  nur  bei  längerem  Aufenthalte  an  einem  Brutplatze 
der  Vögel  vorgenommen  werden. 

Die  Dunenjuugen,  die  mau  in  ungestörten  Verhältnissen  Anfang  bis 
Mitte  Juli  findet,  sehen  fast  einfarbig  dunkelgrau,  auf  der  Unterseite  nur 
etwas  heller  aus.  Ich  untersuchte  ein  solches  am  2.  Juli  in  einem  fast  zum 
Ausfallen  reifen  Ei.  Etwa  20  Tage  hindurch  werden  sie  von  beiden  Alten 
mit  Amphipoden  und  anderen  kleinen  Seetieren  gefüttert,  welche  diese  in  einem 
merkwürdigen  Kehlsacke  herbeibringen.  Dann  herrscht  ein  geschäftiges  Treiben 
an  den  Brutplätzen  der  Vögel,  und  die  Stimme  der  Alten  mischt  sich  bei 
Tag  und  Nacht  in  das  bettelnde  Piepen  der  Jungen.  Allmählich  kriechen 
diese  aus  der  dunkeln  Höhle  hervor,  klettern  zuletzt,  ziemlich  befiedert,  aber 
noch  nicht  flugbar,  unter  Anleitung  der  Eltern  ins  Meer  und  suchen  sich 
nun  selbst  Nahrung.  Sie  bleiben  in  Gesellschaft  andrer  ihresgleichen  zunächst 
in  der  Umgebung  unsrer  Insel,  verlassen  diese  später  kürzere  oder  längere 
Zeit,  viele  Exemplare  werden  aber,  wie  schon  berichtet,  den  ganzen  Winter 
über  daselbst  beobachtet.  Die  mitunter  bedeutenden  Scharen  von  A/le  olle, 
die  in  harten  Wintern  an  die  isländischen  Küsten  kommen,  scheinen  aus 
anderen,  hocharktischen  Gebieten  zu  stammen. 

12.  Megalestris  skua  (Brunn.). 
Große  Raubmöue. 

LestriscntarractesiTQmm.) :  Faber.Prodromus,  S.  102 (1822).  —  Lestris  cattirrhades : 
Preyer  (&  Zirkel),  ßeise  nach  Island,  S.  417  (1862).  —  Stercorarius  catarrhades  (Linn.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  418(1863).  —  Lestris  catarrhades  lUig.:  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  45  (1895).  —  Stercwarius  catarrhades  (Linn).:  Slater,  Birds  of 
Iceland,  p.  118  (1901). 

Stercorarius  catarrhades  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  621  (1877).  —  Mega- 
lestris catarrhades  (L.):  Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  315  (1896).  — 
Lestris  catarrhactes  (L.):  AVinge,  Grönlands  Fugle,  S.  213  1898).  —  Stercorarius  skua 
(Brünu.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  303  (1903). 


Megalestris  skua.  227 

Isländisch:  Skümur  (wahrsclieinlich  von  skümi  oder  sküm  =  Dunkelheit, 
also  der  dunkel  gefärbte,  düstere  Vogel),  Hafskümur  (haf  =  Meer),  Häkallaskümur, 
Häkarlaskümur,  (häkall,  häkarl  =  Haifisch),  selten  Sküa. 

Auch  dän. :  Skue,  Havskummer.     Fär. :  Sküir,  Sküggvur. 

Die  große  Raubmöve  hat  ein  geringes  Verbreitungsgebiet.  Als  sichrer  Brut- 
vogel ist  sie  nur  in  Island,  den  Färöern  und  der  westlichsten  und  nördlichsten  Shetlands- 
Insel  (Foula  und  Unst)  bekannt.  Ihr  Brüten  im  oberen  Norwegen,  sowie  an  der 
Hudson-Straße  ist  zweil'elhart.  Im  AVinter  zieht  sie  ein  wenig  südwärts,  besucht  dann 
die  Britischen  Inseln,  Holland,  Nordfrankreich  usw.,  selten  auch  die  Küstengebiete 
abwärts  bis  Gibraltar  und  J^Iadeira.  Ausnahmsweise  ist  sie  auf  Spitzbergen,  etwas 
häufiger  in  Grönland   beobachtet  worden. 

In  Island  besitzt  unsre  Art  ihr  Hauptbrutgebiet,  da  sie  anderwärts 
diircli  fortgesetzte  Verfolgung"  recht  selten  geworden  ist.  Freilich  macht 
sich  auch  auf  unsrer  Insel  eine  Verminderung  bemerkbar,  zumal  der  Vogel 
hier  ebenfalls  nur  in  einer  beschränkten  Zahl  von  Kolonien  nistet.  Trotzdem 
die  große  Raubmöve  eigentlich  Meeresbewohuerin  ist  und  oft  weit  abseits 
von  jedem  Lande  beobachtet  wird,  brütet  sie,  wie  auch  ihre  Verwandten, 
in  der  Nähe  von  Landgewässern.  Grasige  und  sandige  Ebenen,  Uferpartien 
und  Inseln  im  Unterlaufe  oder  Mündungsgebiete  breiter  Ströme,  die  nicht 
allzuweit  von  der  Küste  entfernt  sind,  bilden  geeignete  Ortlichkeiten  für 
ihren  Sommeraufenthalt.  Vom  Ausflusse  der  Hvitä  an,  wenige  Stunden 
nordwärts  von  Eyrarbakki,  bis  zum  Lönsfjördr  im  Ostlande  (64"  25')  kennt 
man  fast  in  allen  größeren  Stromgebieten  Brutkolouien  dos  Vogels,  die 
bedeutendsten  überhaupt  wohl  auf  dem  Skeidarärsandr  (SQ.).  im  Küdafljöt 
(63'/,  ")  und  im  Delta  des  Markarfljöts,  inbegriffen  die  anders  benannten 
Arme  dieses  Stromes  (gegenüber  den  Vestmannaeyjarn).  An  der  eigentlichen 
Ostküste,  sowie  im  Delta  der  Jökulsä  im  Nordlande  sollen  sich  noch  einige 
kleine  Kolonien  befinden;  die  übrigen  bergigen  Küstengebiete  besitzen  keine 
solchen.  Ein  Brutplatz  im  Küdafljöt  mag,  wie  mir  Herr  Alf  Bachmann  erzählte, 
im  Sommer  1904  von  etwa  300  Paaren  bewohnt  gewesen  sein.  Die  Bauern 
der  Gegend  sammelten  über  600  Eier  der  Vögel,  die  sie  zum  Teil  ver- 
zehrten, zum  Teil  ausbliesen  und  verkauften. 

Ich  selbst  hatte  nicht  Gelegenheit,  eine  Brutkolonie  der  großen  Raub- 
möve zu  besuchen  und  beobachtete  die  Vögel  nur  auf  dem  Meere.  Da 
unsre  Art  erst  im  dritten  und  vierten  Lebensjahre  fortpflanzungsfähig  wird 
und  die  Alten  auch  von  den  Brutplätzeu  aus  bedeutende  Strecken  zurück- 
legen, so  sieht  man  sie  an  allen  Punkten  der  Südküste  gar  nicht  selten. 
Die  Vestmannaeyjar  werden  z.  B.  den  ganzen  Sommer  über  von  zahlreichen 
Exemplaren  besucht.  Doch  beobachtete  ich  einzelne  auch  an  der  W^est-  und 
Nordküste.  Außerhalb  der  Fortpflanzungszeit  bemerkt  man  die  Vögel  noch 
häufiger  in  den  verschiedenen  isländischen  Meeresteilen.  Viele  der  Tiere 
scheinen  freilich  das  I>and  tage-  und  wochenlang  gänzlich  zu  meiden,  nähern 
sich  aber  auf  hoher  See  gern  fischenden  Fahrzeugen. 

Im  April,  gewölmlich  nicht  vor  Ende  des  Monats,  kommen  die  Raub- 
möven  nach  ihren  Brutplätzen,  paaren  sich  Anfang  Mai,  legen  aber  nur 
bei  besonders  günstiger  Witterung,  wie  sie  z.  B.  im  Frühjahre  1904  herrschte, 


128 


Megalestris  skua. 


schon  Mitte  Mai,  in  der  Regel  erst  Ende  dieses  Monats  oder  Anfang  Juni. 
Verspätete  oder  Nacbgelege  finden  sich  friscli  bis  weit  in  den  Juni  hinein. 
VAn  eigentliclies  Nest  bauen  unsre  Vögel  nicht;  gewöhnlich  aber  scliarren 
und  drücken  sie  eine  flache  Mulde,  die  in  Gebieten  mit  Pflanzenwuchs  oft 
mit  einigen  Halmen  ausgelegt  wird,  was  an  sandigen  Plätzen  unterbleibt. 
Mitunter  finden  die  I']icr  einen  natürlichen  Schutz  in  dem  Grase  der  l'mgebunor. 


Alf  ßachraanii,  München.    Phot. 

Fig.  21. 


Nest  von  Megalestris  skua. 


(Fig.  21).     Das  normale  Gelege  besteht  immer  aus  2  Eiern,  die  meist  durch 
ihre  feine  Poruug  charakteristisoli  sind. 

Einige  isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  73x51  mm 
(6,6  g).  71x50,2(6,5).  70x48,8(6).  69x49  (6,2).  67x46,5  (5,3).  66x49,5  (5,2).  Weitere 
Gelege  der  Sammlung  Ottoßon  (Lenhofdaj:  72,8x50,8  und  71,2x51.  68,1x48,5  und 
68,6x49.  68,5x49,5  und  68,6x48,1.  70,8x50,6  (6,6j  und  68,5x49,1  (5,9).  67,6x48,8 
(5,7)  und  70,6x48,2  (6,3). 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  etwa  28 — 30  Tage  laug, 
Gewöhnlich  findet  man  die  grauflaumigen  Jungen  Anfang  Juli  (Fig.  22). 
Die  Alten  würgen  diesen  das  Futter  vor  und  verteidigen  sie  unter  Außer- 
achtlassung eigner  Sicherheit  auf  das  mutigste  (s.  Fig.  3).  Alf  Bachmann, 
dessen  Güte  ich  die  Photographien  vom  Neste  der  Vögel  verdanke,  fand 
merkwürdigerweise  auf  einer  kleinen  Insel  in  der  Hvitä  neben  einigen  Paaren 
unsrer  Art  noch  verschiedene  andere  Vögel  brüten,  die  scheinbar  nicht  von 
den  Raubmöven  belästigt  wurden.     Sonst  sind  diese  ja  als  gefährliche  Nest- 


Meoalestris  skua. 


129 


räuber  bekannt.  Nach  Fabers  Beobachtungen  beträgt  die.  Dunenperiode  etwa 
50  Tage.  Ende  August  sind  die  Jungen  in  ungestörten  Verhältnissen  völlig 
befiedert  und  verlassen  spätestens  Ende  September  das  Land.  Sie  streifen 
nun  samt  den  Alten  auf  den  benachbarten  Meeren  umher,  folgen  den  Dorsch-, 
Haifisch-  und  Walfängern,  gegen  die  sie  wenig  Scheu  zeigen,  und  nähren 
sich  dann  sehr  gern  von  Abfällen  und  tranigen  Hautfetzen. 


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\  FRISCH 

Alf  Baclimann,  München.    Phot, 

Fig.  22.     Dunenjunge  von  Megalestris  skua  im  Neste. 

Der  Flug  von  Megalestris  skua  ist  vortrefflich,  durchaus  mövenartig 
und  seltner  schwankend  wie  bei  ihren  kleineren  Verwandten.  Ihre  Stimme 
hört  man  abseits  der  Brutplätze  wenig;  ich  vernahm  nur  ein  tiefes  Ga  ga. 
Doch  sollen  die  Vögel  im  Sitzen  öfters  ein  rauhes  la  und  beim  Neste  ein 
schallendes  Hoo  ausstoßen.  Auch  im  Winter  wird  unsere  Art  an  den 
isländischen  Küsten  gesehen. 


13.  Stercorarius  pomarinus  (Temm.). 
Mittlere  Raubmöve. 

Lestris pomarlna  (Temm.):  Faber,  Prodromus,  S.  104  (1822).  —  Lestris pomarina 
Temm.:  Proyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  417  (1862).  —  Stercorarms  x>omatorhinus 
(Temm.) :  Newton,  in  Baring-Goulds  Iccland,  p.  418  (1863).  —  Lestris  pomarhinu  Tem. : 
Grröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  45  (1895).  —  Stercorarius pomatorhinus  (Hemm.):  Slater, 
Birds  of  Iceland,  p.  119  (1901). 

Stercorarius  pomarinus  (Temm.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  623  (1877).  — 
Stercorarius pomatorhinus  (Temm.):  Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  322  (1896). 

Hantzsch,  Vogel  weit  Islands.  ^ 


230  Stercorariiis  i)Oiuarinus. 

—  Lestris  pomatorhina  (Temm.):  Winge.  CJraiilands  Fiigle,  S.  212  (1898).  —  Stercorarius 
pomarinus  (Temm.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  310  (190B). 

Isländisch:  Kjöi  (partim),  niidlungs  (=  mittlerer)  Kjöi  (wahrscheinlich  nach 
dem  Rufe). 

Auch  dän.:  Kjove,  Middelkjove,  Mellemkjove.  Norw. :  Jo,  1'yvjo.  Fär.  :  Tjöi, 
Tjöggvi,  Tjegvi. 

Die  mittlere  ßaubmöve  brütet  zirkumpolar  wahrscheinlich  nur  in  sehr  hohen 
Breiten.  Im  arktischen  Amerika  hat  man  ihre  Brutplätze  an  der  Westküste  der  Davis- 
Straße  und  in  AVestgrönland  gefunden,  wo  sie  nach  Winge  zwischen  Holstenborg  und 
Upernivik  ziemlich  häufig  ist.  In  beträchlicher  Zahl  bewohnt  sie  stellenweise  auch 
das  nördliche  Sibirien  und  die  vorgelagerten  Inselgruppen,  z.  B.  AVrangel-Land.  Auf 
Nowaja  Semlja,  Waigatsch,  Franz-Joseph-Land,  Spitzbergen,  Jan  Mayen,  auch  im  Norden 
Norwegens  hat  man  die  Vögel  wohl  im  Sommer  erlegt,  ihr  Brüten  daselbst  aber  nicht 
feststellen  können.  Jüngere,  noch  nicht  zur  Fortpflanzung  schreitende  Individuen  uusrer 
Art,  sowie  die  Alten  außerhalb  der  Brutperiode,  streifen  weit  umher  und  wurden  süd- 
wärts bis  Peru,  Nordaustralien  und  Südafrika  erlegt.  Auf  den  Britischen  Inseln  zeigen 
sich  unsere  Vögel  besonders  im  Herbste,  ebenso  auch  bei  den  nördlich  davon  liegenden 
Inselgruppen  bis  zu  den  Färöern. 

Nach  Island  kommt  die  mittlere  Raubmöve  wabi-scheinlich  ebenfalls  nur 
als  gelegentlicher  Gast,  mag  jedoch  häufig  genug  mit  den  verwandten 
Arten  verwechselt  werden.  Der  Bericht  Fabers,  daß  unser  Vogel  in  der 
Nähe  von  Eyrarbakki  bei  seinem  Neste  angetroffen  worden  sei,  erscheint 
zweifelhaft.  Spätere  Schriftsteller  vermuten  wohl  das  Brüten  von  Stercoranns 
jwmarinus  in  Island,  bringen  aber  keine  Beweise  dafür.  Auch  P.  Nielsen 
u.  a.  haben  nie  etwas  darüber  gehört  (in  litt.). 

Newton  sah  am  27.  April  1858  ein  Exemplar  der  mittleren  Raubmöve 
bei  Reykjavik  (1.  c),  Kolthoff  auf  der  Fahrt  zwischen  den  Färöern  und  Island 
im  Juli  1872  täglich  deren  mehrere  (Naumann  XI,  S.  314),  ich  selbst  einen 
einzelnen  Vogel  am  8.  August  1903  bei  Hjalteyri  im  Eyjafjördr.  Dies 
war  ein  dunkles  Exemplar  ohne  weiße  Abzeichen  und  nach  den  Schwanz- 
federn zu  urteilen,  ein  älteres  Individuum.  Es  hielt  sich  mehrere  Stunden 
in  der  Nähe  des  kleinen  Ortes  auf,  wo  gerade  bedeutende  Mengen  von 
Heringen  gefangen  und  am  Strande  verpackt  wurden,  deren  Abfälle  auch 
zahlreiche  andere  Vögel  herbeilockten.  Meist  flog  die  Raubmöve  Aveit  draußen 
über  den  Fjord,  sodaß  sie  den  Blicken  völlig  entschwand,  kehrte  aber  regel- 
mäßig nach  einiger  Zeit  zurück.  Raben  und  Seeschwalben  verfolgten  sie 
wiederholt.  Eine  Stimme  ließ  sie  nicht  hören.  Ihr  Flug  war  durchaus  ruhig 
und  mövenartig;  nur  einige  Male  stürzte  sie  sich  nach  Art  der  Schmarotzer- 
raubmöve  zum  Wasser  nieder,  um  Teile  der  umherschwimmenden  Abfälle 
aufzunehmen  und  diese  weiterfliegend  zu  verzehren. 

Wahrscheinlich  besucht  unsere  Spezies  die  Küsten  Islands  während 
des  ganzen  Jahres. 

14.  Stercorarius  parasiticus  (L.). 
Schmarotzerraubmöve. 

Lestris parasitica  (Temm.):  Faber,  Prodromus,  S.  105  (1822).  —  Lestris  parasitica 
&  Lestris  thuliaca  n.  spec:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  417  und  418  (1862).  — 
Stercorarius  parasiticus  (Linn.):  Newton,  in  Baring-- Gonlds  Iceland,  p.  419  (1863).  — 


8tercorarius  parasiticus.  X31 

Lestris parasiticallVig. :  Gröndal,isleuzkt  fuglatal,bls.45(1895).  —  Stercorarius  crejndatus 
(Gmel.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  121  (1901). 

Stercorarius  parasiticus  (L.):  CoUin.  Skandinaviens  Fiigle,  S.  625  (1877).  — 
Stercorarius  crepidatus  (Banks):  Saunders,  Cat.  Birtis  Brit.  Mus.  XXV,  p.  327  (1896).  — 
Lestris  parasitica  auctorum:  AVinge.  Grönlands  Fugle,  S.  207  (1898).  —  Stercorari^is 
parasiticus  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  317  (190ü). 

Isländisch:  Kjöi  (partim,  nach  dem  Rufe),  almennur  (=  gemeiner)  Kjöi;  in 
alter  Literatur  gjödr,  was  in  der  Skaldensprache  von  räuberischen  Vögeln  im  all- 
gemeinen gebraucht  wurde  (Gröndal). 

Auch dän. :  Kjove. Norw.:  Jo,Tyvjo,  Maagkjev.  Shetl. :  Shooi. Fär. :  Tj6i,Tjoggvi,Tjegvi. 

Die  Schmarotzerraubmöve  brütet  als  die  häufigste  Art  der  Gattung  Stercorarius 
fast  überall  im  Norden  der  Alten  und  Neuen  Welt.  Im  Winter,  jüngere  Exemplare 
während  des  ganzen  Jahres,  wandern  die  Vögel  weit  umher,  südwärts  bis  Australien, 
Neuseeland,  Brasilien  und  Südafrika.  In  Europa  fand  man  ihre  Brutplätze  in  den 
nördlichen  Gegenden  von  Rußland,  Skandinavien  (südwärts  bis  zu  55*^  45'  im  Bottnischen 
Meerbusen),  auf  den  Lofoten,  auf  Spitzbergen,  der  Bären-Insel  und  Jan  Maj-en,  in 
Nordschottland,  auf  den  Hebriden,  Orkaden.  Shetlands-Iuseln  und  Färöern.  Auch 
Grönland  wird  von  unsrer  Art  bewohnt;  man  fand  sie  hier  bis  zum  Thank-God-Hafen  (82°). 

In  Island  ist  die  Schmarotzerraubmöve  verbreiteter  Brutvogel  in  allen 
Wasser-  und  vegetationsreichen  Gebieten,  besonders  in  fruchtbaren  Tälern  und 
Ebenen  des  Tieflandes,  aber  nicht  in  Gebirgen,  Geröll-  und  Sandlandschaften. 
Sie  lebt  zur  Fortpflanzungszeit  in  einzelnen,  selten  in  einigen  wenigen  Paaren  bei- 
sammen, ist  aber  ti'otzdem  nicht  nur  Charaktervogel,  sondern  auch  eine  der 
merkwürdigsten  und  auffallendsten  Erscheinungen  der  isländischen  Sumpf- 
landschaften.    Vor  und  nach  der  Brutzeit  trifft  mau  sie  an  den  Küsten. 

Unterarten  der  Spezies  hat  man  bis  jetzt  nicht  gefunden.  Das  mehr  oder 
weniger  ausgebreitete  Weiß  im  Gefieder,  das  mit  zunehmendem  Alter  immer  reiner 
wird,  scheint  individuelle  Variation  zu  sein.  Weißgefleekte  und  einfarbig  nußbraune 
Exemplare  paaren  sich  ohne  weiteres  miteinander. 

Preyers  Lestris  thuliaca  (1.  c.)  ist  weiter  nichts  als  ein  etwas  auffällig  gefärbter 
Vogel  unsrer  Art.  Ich  gebe  zum  Vergleiche  die  Maße  des  Typus,  sowie  die  zweier 
Brutvögel  von  St.  parasiticus  aus  meiner  Sammlung. 

Lestris  thuliaca  Preyer.  Pr.  erhielt  den  Balg  im  Juni  1860  in  Reykjavik. 
Geschlecht:  unbestimmt.  Gesamtlänge  (am  Balge  gem.):  448  mm.  Schnabel:  29. 
Tarsen:  42.     3Iittelzehe  inkl.  Kralle:  41. 

Stercorarius  parasiticus  (L.):  a.  Fast  genau  so  gefäxbt  wie  das  von  Preyer  aus- 
führlich beschriebene  Exemplar.  $  ad.,  Mödruvellir  im  Hörgätale,  17.  Juni  1903. 
Gesamtlänge  (im  Fleisch  gem.):  490  mm.  Schnabel:  29.  Tarsen:  42.  Mittelzehe: 
41.  _  b.  Ohne  jedes  Weiß,  d  ad.,  Hvammstangi,  20.  Mai  1903.  Gesamtlänge  (i,  FL): 
485mm.    Schnabel:  28,5.     Tarsen:  42,5.     Mittelzehe:  42. 

Einige  weitere  Angaben  über  die  beiden  vorstehend  erwähnten  Exemplare  seien 
hinzugefügt,  a.  Gewichtim  Fleisch :  625  g.  Flügel:  335  mm.  Flugbreite:  e.  1060. 
Schwanz:  237.  Schwanz -|- Flügel :  50.  Mittelste  Schwanzfedern -}- die  nächstkürzeren: 
74. —  b.  Gewicht:  600g.  Flügel:  325.  Schwanz:  230.  Schwanz  +  Flügel:  38.  Mittel- 
federn-|- i^ächstkürzere  :  72.  —  Iris:  dunkelbraun.  Schnabel:  grau  mit  schwärzlicher 
Spitze.     Füße:  schwarz,  nur  die  vorderen  großen  Schilder  der  Tarsen  etwas  grau. 

Im  allgemeinen  kommt  unsere  Raubmöve  Mitte  bis  Ende  April  nach 
dem  Lande,  in  den  nördlichen  Gegenden  auch  noch  später.  Man  trifft  sie  dann 
paarweise  oder  in  kleinen  Scharen,  die  an  schneefreien  Stellen  umherlaufen 
und  in  der  Ferne  an  Dohlen  oder  Tauben  erinnern.  Mitte  Mai  beziehen  sie  die 
Brutgebiete,  die  ebensowohl  in  der  Nähe  der  Küste  als  im  Innern  der  Insel 

9* 


132  Stercorarius  parasiticus. 

liegen.  Flache  Täler  mit  einzelnen  Teichen  oder  weite  versumpfte  Graslaudschaften 
beherbergen  gewöhnlich  ein  Paar  der  Vögel.  Mitunter  halten  sich  kleine  Gesell- 
schaften oder  einzelne  noch  nicht  fortpflanzungsfähige  Tiere  in  der  Nähe  der 
Brutvögel  auf,  während  mehrere  alte  Paare  selten  dicht  beieinander  wohnen. 

Ende  Mai  kann  man  am  besten  den  wunderlichen  Balzflug  unsrer 
Art  beobachten.  Langsam  und  nicht  allzu  hoch  über  der  Erde  streichen 
die  Vögel  anfänglich  dahin,  stürzen  plötzlich  in  die  Nähe  des  Bodens  herab, 
um  alsbald  wieder  in  wuchtigem  Schwünge  emporzusteigen.  Oft  schleudern 
sie  sich  blitzschnell  in  den  kaum  glaubliclisten  Schwenkungen  und  taumelnden 
Drehungen  durch  die  Luft,  wobei  sie  gewöhnlich  ihr  katzenartiges,  klägliches 
Kiau  ausstoßen.  Dann  fliegen  sie  minutenlang  auch  wieder  ruhig  dahin. 
Dem  Menschen  gegenüber  sind  sie  in  dieser  Zeit  nicht  besonders  scheu. 
Läßt  sich  unser  Vogel  auf  die  Erde  nieder,  so  hält  er,  besonders  bei  windigem 
Wetter,  noch  lange  die  Flügel  in  die  Höhe  und  schwankt  hin  und  her,  ehe 
es  ihm  gelingt,  die  langen  Schwingen  auf  den  Rücken  zu  legen.  Merk- 
würdige Flügel-  und  Körperbewegungen  gehen  auch  der  Begattung  voraus, 
die  am  Boden  erfolgt,  wie  ich  am  20.  Mai  1903  bei  Hvammstangi  beobachtete. 
Das  Männchen  tänzelte  hochaufgerichtet  und  mit  emporgehaltenen,  mehrmals 
flatternd  bewegten  Flügeln  um  sein  Weibchen,  das  niedergeduckt  am  Boden 
saß.  Dabei  öffnete  es  den  Schnabel  und  ließ  eine  Art  Zischen  hören.  Im 
Augenblicke  der  Begattung  schoß  ich,  um  beide  Exemplare  zu  erhalten, 
doch  entkam  leider  das  Weibchen,  zumal  die  Vögel  sehr  zählebig  sind. 

Ein  eigentliches  Nest  bauen  unsre  Raubmöven  nur  ausnahmsweise, 
doch  wird  durch  Scharren  und  Drehen  des  Körpers  eine  Nestmulde  gebildet 
und  diese  nicht  selten  mit  einigen  Halmen  ausgelegt.  Sie  befindet  sich  fast 
immer  auf  einem  Hügelchen  in  sumpfigem  Terrain,  oft  von  üppigem  Grase 
schützend  verdeckt.  In  Gegenden,  wo  die  Vögel  häufigen  Verfolgungen 
ausgesetzt  sind,  wählen  sie  meist  schwer  zugängliche  Nistplätze.  So  fand 
ich  solche  in  der  Umgebung  von  Hjalteyri,  die  auf  kleinen  Inseln  inmitten 
tiefer,  schilfumwachsener  Tümpel  errichtet  waren.  An  derartigen  Stellen 
verlassen  die  Jungen  das  Nest  zweifellos  schwimmend,  was  ich  freilich  nicht 
selbst  beobachtete.  Das  Gelege  besteht  aus  2,  sehr  selten  3  Eiern.  Besonders 
in  Nachgelegen  findet  man  häufig  nur  ein  Stück.  Sie  werden  im  Nordlande 
meist  Anfang  Juni,  mitunter  aber  auch  erst  Ende  dieses  Monats,  im  Südlaude 
gewöhnlich  etwas  früher  abgelegt.  Krüper  fand  solche  am  31.  Mai  im 
Nordlande  (Naumanuia  1857,  S.  10).  Die  Exemplare  meiner  Sammlung 
stammen  aus  der  Zeit  vom  9.  bis  24.  Juni.  Das  Gelege  vom  9.  -Juni  war 
bereits  schwach  bebrütet. 

Einige  Maße  mögen  folgen:  60.2x39  mm  (2,6  g)  und  59,1x39.8  (2,7).  57x42,2 
(2,9)  und  55,1x39,9  (2,3).  57,5x41  (2,8)  und  57x41,2  (2,7).  57,5x39  (2,7).  56,5x39,2 
(3,1).  55,5x41  (3).  55x41  (2,7.)  —  Ihr  Vollgewicht  beträgt  ungefähr  46  g.  —  Abnorme 
Eier  erhielt  P.  Nielsen  5  Jahre  hintereinander  von  einem  erst  für  Ste)-corarius  cep])hus 
gehaltenen,  später  sicher  als  St.  parasiticus  bestimmten  Paare  aus  der  Nähe  von 
Eyrarbakki.  Sie  zeigen  statt  der  mattbraunen  eine  blaugrünliche  Grundfarbe  und 
wenige  kleine  Punkte.  —  Ihre  Maße  betragen  48x44  und  52x42,5.  —  52,8x43  und 
52,2x42,8.  —  51,5x44  und  52x43.-50x43,5  und  50x42.  —   50x43  (in  litt.). 


Stercorarius  parasiticus.  133 

Die  Brutdauer  beträgt  nach  Faber  24,  nach  andern  nicht  isländischen 
Beobachtern  bis  28  Tage.  In  der  Hauptsache  brütet  das  Weibchen,  wird 
jedoch  einige  Stunden  täglich  vom  Männchen  abgelöst.  Rechtzeitig  entfernt 
sich  der  Vogel  vom  Neste,  wenn  eine  Gefahr  droht,  setzt  sich  auf  ein  Gras- 
hügelchen  und  wartet,  ob  man  ihm  oder  seiner  Brut  nachstellt.  Ist  dies 
wirklich  der  Fall,  so  umfliegen  beide  Gatten  den  Nestbezirk.  Große  Besorgnis 
legt  vor  allem  das  Weibchen  an  den  Tag.  Oft  vergißt  es  völlig  die  eigene 
Sicherheit  und  stößt  zornig  auf  den  Menschen  herab.  Dabei  läßt  es  seine 
klagenden  Stimmlaute  hören,  die  ziemlich  modulieren  und  nicht  genau 
wiederzugeben  sind.  Ich  zeichnete  sie  auf  als  kiau,  gäau,  gel  (meist  die 
1.  Silbe  betont).  Manchmal  werden  sie  rasch  hintereinander  wiederholt, 
andermal  wieder  einzeln  und  gedehnt  ausgestoßen.  Fliegen  die  Vögel  höher 
in  der  Luft,  rufen  sie  auch  unmutige  rabenartige  Gau  Gau.  Wenn  die 
Jungen  ausgeschlüpft  sind,  werden  die  Alten  noch  besorgter  und  suchen 
oft  durch  sonderbares  Flattern  und  Hinrutschen  auf  dem  Boden  den  Ver- 
folger abzulenken.  Je  auffälliger  sie  dies  tun,  desto  näher  ist  man  den 
Jungen.  Vielfach  müssen  auch  die  bedauernswerten,  nicht  durch  gesetzliche 
Bestimmungen  geschützten  Vögel  ihre  opfervolle  Liebe  zur  Nachkommenschaft 
mit  dem  Tode  oder  schwerer  Verwundung  besiegeln.  Einige  von  mir  unter- 
suchte Magen  solcher  Exemplare  enthielten  von  bestimmbaren  Stoffen  außer 
kleinen  Steinen  nur  Insektenüberreste,  besonders  Flügeldecken  von  Käfern, 
sowie  in  einem  Falle  mehrere  überwinterte  Beeren  von  Vaccinium  oxycoccos. 
Thienemann  fand  die  Magen  etlicher  junger  Individuen  mit  Beeren  von 
V.  uliginosum  vollgestopft  (Reise,  S.  300).  Freilich  bemerkte  ich  im  Brut- 
gebiete unsrer  Raubmöve  auch  wiederholt  ausgeleerte  Eischalen  und  beobachtete 
oft,  wie  die  in  der  Nähe  wohnenden  Vögel,  besonders  Sterna  macrura,  Nu- 
laenms  j^haeopus  und  Totanus  totamcs,  ihre  Feinde  mit  Heftigkeit  und  leb- 
haftem Geschrei  verfolgten.  An  Eiderbrutplätzen  und  andern  I]ntenkolonien 
richten  die  Schmarotzerraubmöven  durch  Wegfressen  von  Eiern  oft  beträcht- 
lichen Schaden  an,  zumal  derartige  Schwimmvögel  geringen  Widerstand 
leisten.  Am  Myvatn  jagen  sie  auch  den  Seeschwalben  die  gefangenen 
Fischchen  ab,  erhaschen  sogar  Nestjuuge  verschiedener  Vogelarten,  verzehren 
freilich  nebenbei  alle  möglichen  tierischen  und  selbst  pflanzlichen  Stoffe.  So 
scheuchte  ich  Ende  Juli  bei  Grimstadir  am  Myvatn  ein  Exemplar  auf,  das  eins  der 
zahlreich  am  Boden  liegenden  toten  Dunenjungen  des  mittleren  Sägers  fast 
verzehrt  hatte;  nur  Kopf,  Rücken  und  Füße  waren  übrig. 

Die  jungen  Raubmöven  verlassen  bald  das  Nest,  um  sich  ins  Gras  zu 
drücken  und  geschickt  zu  verstecken,  wenn  Gefahr  droht,  brauchen  aber 
lange  Zeit  zum  Flüggew  erden.  Faber  glaubt,  daß  dies  nach  etwa  40  Tagen 
geschehe.  Vor  Mitte  August  trifft  man  allerdings  kaum  flugbare  Junge. 
Ich  sah  die  ersten  am  19.  dieses  Monats  nicht  weit  vom  Geysir.  Sie  wurden 
noch  von  den  Alten  geführt  und  gefüttert,  waren  recht  unbeholfen  und  wenig 
scheu.  Bedürfen  sie  endlich  keiner  Fürsorge  mehr,  so  entfernt  sich  das  alte 
Paar  aus  dem  Brutgebiete,  was  freilich  selten  vor  Anfang  September 
geschieht.     Die   Jungen   sollen  dagegen  meist    später  fortziehen   und   oft 


134  Stercorarius  cepphiis. 

bis  Ende  September  an  ihrer  Geburtsstätte  bleiben.  Dann  suchen  sie  das 
Meer  auf,  doch  verschwinden  die  meisten  Individuen  bald  ganz  aus  Island. 
Nur  einzelne  Exemplare  werden  gelegentlicli  aucli  im  Winter  an  den 
Küsten  gesehen. 

15.  Stercorarius  cepphus  (Brunn.). 
Kleine  Raubmöve. 

Lestris  Buffoni :  Faber,  Prodromus,  S.  105  (1822).  — Preyer  (&  Zirkelj,  Heise  nach 
Island,  8.417(1862).  —  Stercordrins  huffoni  (Boie) :  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland, 
p.  419  (1863).  —  Lestris  Buffoni  Boie:  Gröndal,  Islenzkt  l'uglatal,  bis.  45  (1895).  — 
Stercorarius  parasiticus  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  123  (1901). 

Stercorarius  cepphus  (Brunn.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  627  (1877).  — 
Stercorarius  parasiticus  (L.):  .Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  334  (1896).  — 
Lestris  longicauda  (Vieill.):  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  209  (1898).  —  Stercorarius 
longicaudus  WxeiW.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  329  (1903). 

Isländisch:  Kjöi  (partim,  nach  dem  Rufe),    litli    oder   litill  (=  kleiner)  Kjöi. 

Auch  dän. :  Lille  Kjove.     Fär. :  Tjoi,  Tjoggvi,  Tjegvi  (part.). 

Die  kleine  ßaubmöve  ist  ebenfalls  eine  zirkumpolare  Spezies  der  arktischen 
Region  und  scheint  in  größerer  Menge  als  St.  pomarinus  vorhanden  zu  sein.  3Ian 
kennt  ihre  Brutplätze  von  verschiedenen  Inselgebieten  der  nordamerikanischen  Küsten. 
Inwieweit  sie  aber  in  Nordasien  mit  St.  parasiticus  gemeinsam  auftritt,  ist  bei  der 
Ähnlichkeit  beider  Arten  noch  ungenügend  festgestellt.  Sicher  bewohnt  St.  cepphus 
ziemlich  häufig  Nowaja  Semlja,  seltner  Franz- Joseph -Land  und  Spitzbergen  (von  wo 
Malmgren  sie  als  besondere,  vielfach  noch  bezweifelte  Spezies,  St.  tephras.  beschrieb), 
ferner  die  L^mgebung  des  Varanger- Fjordes,  in  geringer  Menge  auch  die  Bären -Insel 
und  Jan  Mayen.  Nach  CoUett  soll  sie  in  Norwegen  und  Schweden  sogar  südlich  des 
Polarkreises,  jedoch  nur  in  höheren  Gebirgslagen  und  auch  nur  sporadisch  und  unregel- 
mäßig gebrütet  haben.  In  Grönland  liegen  nach  "VVinge  ihre  Wohnplätze  etwa  vom 
68.  Grade  an  nordwärts.  Noch  nicht  fortpflanzungsfähige  jüngere  Individuen  und  die 
alten  außerhalb  der  Brutperiode  streichen  weit  umher  und  sind  südwärts  bei  Gibraltar, 
den  Sandwich-Inseln,  Philippinen,  in  Florida  und  Californien  beobachtet  und  erlegt 
worden.  Auf  den  Britischen  und  den  nördlich  davon  liegenden  kleinei-en  Inseln  hat 
man  unsere  Art  scheinbar  nur  selten  angetroffen. 

In  Island  kennt  man  die  kleine  Eaubmöve  vorläufig  nur  als  gelegent- 
lichen Gast,  der  wahrscheinlich  die  Küstengebiete  zu  allen  Jahreszeiten 
besucht.  Bei  der  für  den  Nichtornithologen  schwierigen  Unterscheidung  von 
dem  häufigen  Stercoranus  parasiticus  und  zufolge  ihrer  vorstehend  erwähnten 
allgemeinen  Verbreitung  ist  es  recht  wohl  möglich,  daß  man  sie  noch  als 
Brutvogel  für  unsere  Insel  wird  feststellen  können.  Die  bis  jetzt  hierüber 
vorliegenden  Angaben  sind  sehr  unsicher. 

Faber  berichtet  (1.  c),  daß  er  am  17.  Juni  1819  ein  altes  Männchen  einer  Raub- 
möve beim  M^'vatn  erbeutete  und  dieses  Exemplar  später  in  Kopenhagen  wegen  seiner 
langen  Schwanzspieße  als  Lestris  Buffoni  bestimmt  wurde.  Er  bestreitet  aber  das  Vor- 
handensein dieser  ihm  überhaupt  zweifelhaften  Art  in  Island  und  versichert,  der  betreffende 
Vogel  wäre  mit  einem  Weibchen  der  gewöhnlichen  Lestris  parasitica  gepaart  gewesen. 

F.  A.  L.  Thienemann  sclu-eibt  dagegen  ausdrücklich  —  Fortpflanzung  der  Vögel 
Europas,  V.  Heft,  S.  24  (1838)  —  er  habe  Lestris  Buffoni  Boie  nebst  deren  Eiern  aus 
Island  erhalten.  Leider  läßt  sich  über  den  fraglichen  Balg,  der  allem  Anscheine  nach 
seinerzeit  ins  Zoologische  Museum  zu  Dresden  gekommen  ist,  nichts  mehr  ermitteln. 
Von  einem  der  Eier  bringt  Thienemann  eine  Abbildung  auf  Taf.  XXI,  Nr.  6  des  genannten 
AVerkes.     Als  Maße  ergeben  sich  für  dieses  Exemplar  51x36,5  mm;  die  Grundfarbung 


Pagophila  eburnea.  135 

ist  auffällig  hellgrün.  4  der  zweifelhaften  Eier  finden  sich  noch  im  Dresdener  Museum. 
Sie  zeigen  folgende  Maße:  56,5  x  39  mm  (2,4  g),  51,8x38,2  (2,3).  51.2x37,5  (2,3), 
54  X  35  (1,9).  Alle  4  sind  hellfarbig  und  verhältnismäßig  zart,  besonders  das  zuletzt 
angeführte  kennzeichnet  sich  auffällig  als  verkümmertos  Stück.  Sie  gleichen  weder 
in  CTröße  noch  Beschaffenheit  einigermaßen  typischen  Eiern  von  St.  cepphus  und  sind 
wahrscheinlich  nur  als  kleine  Exemplare  von  St.  parasiticus  anzusehen. 

P.  Nielsen  und  andere  isländische  Beobachter  haben  nichts  von  einem 
Brüten  der  kleinen  Raubmöve  auf  der  Insel  gehört.  Doch  Hegen  einige 
sichere  Nachrichten  über  ihr  gelegentliches  Auftreten  daselbst  vor.  Newton 
und  Wolley  beobachteten  unsere  Art  im  Jahre  1858  bei  Kirkjuvogr  (SW.) 
und  erhielten  einen  getöteten  Vogel  in  Keflavik.  Preyer  sah  1860  einen 
wohlerhaltenen  Balg  in  Reykjavik.  Gröndal  berichtet  von  einem  Exemplar 
in  der  Sammlung  der  Lateinschule,  und  Slater  versichert,  in  der  Nähe  von 
Kap  Länganes  im  August  1894  zwei  kleine  Raubmöven  beobachtet  zu  haben. 
Mir  selbst  ist  die  Art  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Weitere  Literaturangaben 
sind  unklar  oder  zweifelhaft. 

16.  Pagophila  eburnea  (Phipps). 
Elfenbeinmöve. 

Pagophila  eburnea:  Newton,  Ibis,  p.  132  (1864).  —  Larus  ehurneus  Gm.:  (xrön- 
dal.  isleuzkt  fuglatal.  bis.  44  (1895).  —  Pagophila  eburtiea  (Phipps):  Slater,  Birds  of 
Iceland,  p.  117  (1901).  — Larus  ehurneus  Phipps:  Stemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra 
Island,  S.  18  (1905). 

Pagophila  ehurnea  (Phipps) :  Sauuders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXY,  p.  301  (1896). 
—  Larus  eftitraeits  Phipps :  AVinge,  Grönlands  Fugle,  S.  200  (1898).  —  Pagophila  eburnea 
(Phipps) :  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  280  (1903). 

Isländisch:  Hvitmäfur  (=  Weißmöve),  Ismäfur,  Ismär  (=  Eismöve),    partim. 

Auch  deutsch:  "Weiße  Möve.  Dan.:  Ismaage.  Norw. :  Hvidmaage,  Ismaage. 
Schwed.:  Hvitmäs,  Ismäs. 

Die  Elfenbeinmöve  bewohnt^  zirkumpolar  den  höchsten  Xorden.  Man  kennt 
ihre  Brutplätze  von  Spitzbergen.  Franz-Joseph-Land,  Nowaja  Semlja,  den  Xordsibirischen 
Inseln  und  einigen  anderen  Gebieten  im  nördlichsten  Asien,  in  Amerika  auf  den  Parry- 
Inseln  und  in  Xordgrönland.  Sverdrup  beobachtete  die  Art  auf  der  Rückreise  der 
Pram  bei  85 '^  n.  Br.  Im  Winter  zieht  die  Elfenbeinmöve  ein  wenig  südwärts  und  wird 
dann  in  allen  Teilen  des  Eismeeres  beobachtet,  gehört  aber  schon  im  mittleren  Skandi- 
navien und  auf  den  Britischen  Inseln  zu  den  seltnen  Erscheinungen.  Ganz  ausnahms- 
weise ist  sie  in  Nordamerika  bis  zu  47o  (Neu  -  Braunschweig),  in  Europa  bis  zu  46V2*' 
(Genfer  See)  südwärts  vorgedrungen. 

Island  besucht  die  Elfenbeinmöve  als  gelegentlicher  Wintergast. 
Die  erste  Mitteilung  von  ihrem  Vorkommen  gab  Newton  nach  Exemplaren, 
die  Proctor  zweimal  aus  Nordisland,  wahrscheinlich  von  Grimsey,  erhalten 
hatte.  Auf  dieser  Insel  soll  sich  unser  Vogel  nicht  selten  im  Winter  zeigen, 
wie  mir  Yngvar  Gudmundsson  versicherte.  J.  V.  Havsteen  erzählte  mir 
gleichfalls  von  dem  Auftreten  der  Elfenbeinmöve  bei  Akureyri,  und  Slater 
erhielt  tatsächlich  einen  Balg  unserer  Art  vom  Eyjafjördr  aus  dem  Anfange 
des  Jahres  1894.  Gröndal  sah  im  April  1879  ein  p]xemplar  bei  einem 
Kaufraanne  (Ornis  XI,  S.  454).  Aus  demselben  Jahre  stammen  auch  die 
zwei  isländischen  Bälge  des  Kopenhagener  Museums.  Die  Sammlung  in 
Reykjavik  besitzt  zwei  Präparate  im  Alterskleide;  der  eine  Vogel  wurde  im 


136  K 


issa  rissa  rissa. 


November  1897  auf  einer  "Wiese  im  Südlande  gefaugeu  (Ornis  XI,  S.  454), 
den  andern  schoß  man  am  5.  Juni  1903  bei  dem  Hofe  Reykholt  in  der 
Borgafjardar  S^sla,  nachdem  man  ihn  mehrere  Tage  daselbst  beobachtet 
hatte.  Auch  am  2.  Dezember  1903  will  man  ein  angeblich  jüngeres  Exemplar 
unserer  Art  in  der  Nähe  des  Hofes  Kaldaclarnes  (Ölfusa)  gesehen  haben 
(Saemundsson). 

17.  Rissa  rissa  rissa  (L.). 
Dreizehenmöve. 

Larus  tridacti/lus  (Lath..):  Faber,  Prodromus,  S.  90  (1822).  — Lariis  rissa:  Preyer 
(^&  Zirkel),  Keise  nach  Island,  S.  416  (1862).  —  Rissa  tridactyla  (Linii.):  Newton,  in 
Baring-Goidds  Iceland,  p.  418  (1863).  —  Larus  triäactyluslj.:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal, 
1)13.44  (1895).  —  Rissa  tridactyla  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iccland,  p.  116  (1901). 

Larus  tridactyliis,  L.:  CoUiu,  Skandinaviens  Fugle,  S.  607  (1877).  —  Rissa 
fri(Zac^2/?rt(L.):  Saundcrs,  Cat.  Birds  Brit.  Mus. XXV,  p.  305  (1896).  —  Larus  tridactylus 
L.:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  190(1898).  —  Rissa  tridactyla  (L.):  Naumann,  Vögel 
Mitteleuropas  XI,  S.  286  (1903). 

Isländisch:  Rita,  Ritsa  (davon  Rissa),  alte  Formen  Ritr,  Rytr  oder  auch 
geschrieben  Ritur,  Rytur;  im  Nord-  und  Westlande  vielfach  Skegla  (Etjonologie  unklar, 
die  Namen  sind  wahrscheinlich  Nachbildungen  der  Stimme). 

Auch  norw.:  Krykje.    Schwed.:  Ringtjäe.    Fär.:  Rita,  Rida,  Ritupisa. 

Die  Dreizehenmöve  hat  eine  weite  zirkumpolare  Verbreitung.  Sie  bewohnt, 
meist  in  bedeutenden  Kolonien,  das  nördliche  Eismeer,  sowie  die  benachbarten  Gebiete 
des  Atlantischen  Ozeans.  Im  westlichen  Teile  des  arktischen  Nordamerikas,  etwa 
zwischen  110  und  160^*  w.  L.,  kennt  mau  sie  dagegen,  nach  Schalow,  nicht.  Nord- 
wärts hat  sie  Sverdrup  bis  84°  52'  angetroffen.  Südwärts  bewohnt  sie  Amerika  bis 
etwa  45",  Norwegen  bis  60,  Großbritannien  bis  50.  Irland  bis  52 ".  Im  Nord- 
pazifischen Ozean,  wenigstens  im  Berings-Meer,  sollen  R.  r.  pollicaris  Stejn.  und  R. 
r.  brevirostris  Bruch  unsere  Form  vertreten.  Im  AVinter  streicht  R.  r.  rissa  südwärts 
bis  zum  Kaspischen  Meere,  Madeira,  dem  mittleren  Teile  der  Vereinigten  Staaten  und 
den  Bernmda-Inseln. 

Auch  in  Island  ist  die  Dreizehenmöve  an  allen  Küsten  ein  weit- 
verbreiteter Brutvogel  und  vielleicht  die  individuenreichste  Vogelart 
überhaupt.  Sie  bildet  große  Kolonien  für  sich  allein  oder  bewohnt  mit  andern 
Arten  gemeinsam  die  bedeutenderen  Vogelberge.  In  ungeheurer  Menge  brütet 
sie  auf  den  Vcstmannaeyjarn  und  auf  Grimsey  und  nimmt  hier  auch  mit 
niedrigeren  Felspartien  fürlieb,  wenn  sie  nur  steil  ins  Meer  abfallen.  Wie 
Schneeflocken  wirbeln  oft  die  unabsehbaren  Scharen  der  Vögel  über  den 
Süßwasserteichen  Grimscys,  in  denen  sie  sehr  gern  baden  und  trinken,  oder 
bedecken,  dicht  neben  einander  sitzend,  zu  Tausenden  die  Klippen.  Dazu 
immer  lebhaft,  äußerst  fluggewandt  und  unablässig  schreiend,  stellen  diese 
gaukelnden  Gestalten  wohl  die  auffälligsten  Erscheinungen  der  Vogelberge 
dar,  die  zugleich  auch  mit  ihren  zarten  Farbtönen  und  ihren  graziösen 
Bewegungen  die  Blicke  beständig  fesseln.  Und  selbst  draußen  auf  dem 
weiten  Meere  sind  unsere  Möven  die  treuesten,  oft  tagelangen  Begleiterinnen 
der  Schiffe,  denen  sie  auch  bei  heftigem  Sturm  mit  den  geschicktesten 
Flugkünsten  folgen.  Mitunter  halten  sich  die  Vögel  kaum  2 — 3  m  von  dem 
fahrenden  Menschen  entfernt  und  blicken,  treuherzig  den  Kopf  bewegend, 
mit  ihren  dunkeln  Augen  nach  ihm  hin. 


Rissa  rissa  rissa. 


137 


Rissa  rissa  variiert  auch  an  denselben  Lokalitäten  individuell  sehr  in  der  Größe. 
Ein  typisches  (J  ad.,  von  mir  am  28.  Juni  1903  auf  Grimsey  gesammelt,  sichrer  Brut- 
vogel (3  Brutflecken),  zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  FL:  c.  600  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.  : 
460  mm.  Flugbreite:  c.  1000.  Flügel:  315.  Schwanz:  155.  Schwanz  +  Flügel :  14. 
Schnabellänge:  35.  Schnabelhöhe  (am  Grunde):  15.  Tarsen:  36.  Mittelzehe  inkl.  der 
11  mm  langen  Kralle:  51  mm.  Stummel:  2.  —  Iris:  dunkelgrauschwarz.  Schmales 
Augenlidrändchen:  zinnoberrot.  Schnabel:  lebhaft  citronengelb  (dunkelt  am  Grunde 
bedeutend  grünlich  nach).  Schnabehvinkel,  Gaumen  und  Zunge:  leuchtend  hellzinnober- 
rot. Füße:  dunkelschwarzbraun,  Sohlen  heller.  —  Das  Kleingefieder  beginnt  bereits 
zu  mausern. 

Die  Dreizebeumöven  nähern  sich  im  allgemeinen  Anfang  März  ihren 
Briitgebieten ,  in  günstigen  Gegenden  wohl  auch  schon  eher.  p.  Jönsson 
nennt  mir  als  Ankunftstermiu  für  die  Vestmannaeyjar  sogar  die  Zeit  vom  20. 
bis    30.  Januar.     Unsere  Vögel   haben   dann    die    Sommertracht   noch   nicht 


Alf  Bachmanii,  Jlüiirlieii.    Phot. 
Fig.  23.    Kolonie  von  Rissa  rissa  im  Patreksfjördr.    (Nordwestisland.) 


angelegt.  Ist  dies  etwa  im  April  der  Fall,  so  beginnen  sie  mit  der  Aus- 
besserung oder  dem  Neubau  ihres  festen  und  tiefen  Nestes,  das  aus  allen 
möglichen  Land-  und  Wasserpflanzen  der  Umgebung,  sowie  der  fetten,  vom 
Frühjahrsschnee  noch  weichen  Erde  des  Vogelberges  errichtet  wird.  Vielfach 
sah  ich  freilieh  auf  Grimsey  auch  überflüssige  Niststofie  unordentlich  herab- 
hängen. Später  wird  der  Nestrand  mit  der  Losung  der  Vögel  bedeckt, 
dadurch  doppelt  haltbar  und  oft  wie  mit  dem  Felsen  vermauert.  Alte  Nester 
sind  manchmal  sehr  dick  und  ragen  über  die  schmalen  Felsenvorsprüuge 
bedeutend  heraus.  An  einigen  Örtlichkeiten,  wie  auf  den  Vestmannaeyjarn, 
stehen  freilich  den  Vögeln  auch  breite,  mit  Erde  bedeckte  Flächen  auf  nicht 
besonders  steil  emporragenden  Bergen  zur  Grundlage  ihres  Nestes  zur  Ver- 


]^38  Rissa  rissa  rissa. 

fügung  (Fig.  23).  Als  ich  ;ira  20.  April  die  Vestraannaeyjav  besuchte,  waren 
die  Droizehenmöven  überall  paarweise  bei  ihren  Brutstätten  und  trugen 
Baumaterial  lierzu,  verhielten  sich  aber  ziemlich  still.  Die  Eier  werden 
selten  vor  Mitte  ^lai,  auf  Grimsey  gewöhnlich  erst  Ende  dieses  Monats  oder 
Anfang  Juni  abgelegt.  Ende  Juni  findet  man  dagegen  auch  dort,  wo  die 
Eier  fortgenommen  werden,  nur  ausnahmsweise  noch  frische  Exemplare.  Das 
Normalgelege  besteht  auf  Grimsey  stets  aus  2  Stück,  in  Nachgelegen  findet 
man  häufig  nur  eiu  Ei,  3  Stück  sind  selten,  rühren  vielleiclit  auch  mitunter 
von  verschiedenen  Weibchen  her. 

Einige  von  mir  auf  Grimsey  präparierte  Eier  meiner  Sammlung  haben  folgende 
Maße :  57,5  x  39,8  mm  (2,7  g)  und  57  x  39,2  (2,8).  —  57  X  41,5  (3,1).  —  56,5  x  40  (3) 
und  53,8x38,5  (2,7).  —  55,5x40,5  (2,9)  und  53x40,2  (2,7).  —  53,5  x  41,2  (2,8)  und 
53  x:  41,8  (3,2).  —  53,5  x  40,8  (3,1).  —  Das  Vollgewicht  von  9  nicht  ganz  frischen  Eiern 
betrug  ziemlich  gleichmäßig  42 — 46  g. 

Beide  Teile  des  Paares  brüten  abwechselnd,  das  Weibchen,  wie 
scheinbar  bei  den  meisten  dieser  Felsenvögel,  mehr  am  Tage,  das  Männchen 
in  der  ja  ebenfalls  hellen  Nacht.  Gegen  9  Uhr  abends  —  nach  Grimseyer 
Zeit  etwa  11  Uhr  —  lösen  die  Tiere  einander  ab.  Die  Männchen  kommen 
mit  durchdringendem  Gägägä  . . .  gäa  geflogen,  lassen  sich  neben  dem  gleich- 
falls schreienden  Weibchen  nieder,  begatten  dieses  sehr-  häufig,  vielleicht 
nur  scheinbar,  drängen  sich  nun  mit  zitternden  Flügeln  in  die  Nestmulde, 
worauf  der  andere  Vogel  laut  kreischend  absti-eicht.  Die  vereinigten  Stimmen 
der  ganzen  Kolonie  wii-keu  besonders  zu  dieser  Stunde  geradezu  nerven- 
aufregend. Hat  man  längere  Zeit  inmitten  der  Vögel  auf  seinem  Beobachter- 
posten ausgeharrt,  so  wird  man  hinterher  selbst  im  Schlafe  den  Nachklang 
des  Stimmengewirrs  stundenlaug  nicht  los.  Die  Dreizehenmöven  ändern 
natürlich  ihren  Ruf  je  nach  der  Situation  ganz  bedeutend.  Seltner  hört  man 
auch  eiu  rauhes  Hör,  ein  ziemlich  hohes  Gag  usw.  Das  feine  Ti  Titi.  das 
unsere  Vögel  ausstoßen,  wenn  sie  neben  einem  Schiffe  fliegen,  hörte  ich  am 
Brutplatze  nicht. 

Die  Brutdauer  mag  mit  21 — 24  Tagen  richtig  angegeben  sein.  Am 
31.  Juni  sah  ich  auf  Grimsey  die  ersten  Dunenjuugen,  in  den  nächsten 
Tagen  sehr  zahlreiche,  merkwürdigerweise  fast  überall  nur  eins  in  jedem 
Neste.  Die  Bewohner  berichteten  mir  auf  meine  diesbezügliche  Aufrage, 
daß  angeblich  sehr  häufig  nur  eins  der  Eier  zur  Entwicklung  gelange. 
Fände  man  2  Junge  im  Neste,  rührten  diese  oft  nur  von  einem  Dreier- 
gelege her.  Ich  kann  die  von  mir  beobachtete  Tatsache  vorläufig  nur  auf 
die  ganz  besonders  ungünstige,  rauhe  und  feuclite  Witterung  zurückführen, 
die  während  meines  Aufenthaltes  auf  Grimsey  herrschte.  Wenigstens  einen 
Monat,  oft  auch  noch  eine  Woche  länger,  werden  die  Jungen  von  beiden 
Eltern  fleißig  gefüttert.  2  zu  dieser  Zeit  vom  Neste  weggefangene  alte 
Vögel,  die  ich  untersuchte,  hatten  im  Schlünde  kleine  Krebstiere.  Doch 
sah  ich  auch,  wie  den  Jungen  Fischchen  vorgewürgt  wurden.  Das  Leben  und 
Treiben  am  Mövenbrutplatze  ist  nun  am  interessantesten.  In  die  Stimmen  der 
Alten  mischt  sich  auch  das  bettelnde  Locken  der  immer  beoehrlichen  Jungen. 


Larus  marinus.  139 

Ungefähr  Mitte,  spätestens  Ende  Angust  sind  diese  fhigbar,  doch 
sah  ich  einzelne  schon  am  6.  August  über  dem  Eyjafjördr  tiiegen.  Nun- 
mehr verlassen  die  Vögel  die  unmittelbare  Nähe  der  Brutfelsen  und  schwärmen 
auf  das  Meer  hinaus,  folgen  den  Schiffen  und  Fischzügen,  erscheinen  in 
allen  Fjorden  und  an  den  Küsten,  verschwinden  aber  in  der  Hauptsache 
Ende  September  vollständig  aus  Island,  um  sich  milderen  Gegenden  zuzu- 
wenden oder  auf  offenem  Ozean  zu  überwintern.  ]).  Jönsson  bezeichnete 
mir  als  Abzugstermin  für  die  Vestmannaeyjar  den  20, — 30,  September. 
Einzelne  Individuen  werden  freilich  den  ganzen  Winter  über  an  den  isländischen 
Küsten  beobachtet, 

18.  Larus  marinus  L. 

Mantelmöve. 

Larus  marinus  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  99  (1822).  —  Larus  marinus  L. : 
I  'reyer  (&  Zirkel) :  Reise  nach  Island,  S.  416  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Icelaiid. 
p.418  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  44  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland. 
[•.  112  (1901).  —  Stemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  17  (1905). 

Larus  marinus,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  617  (1877).  —  Saunders, 
(  at.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  241  (1896).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  179  (1898).  — 
Xauuiaun,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  258  (190b). 

Isländisch:  Svartbakur  (svart  =  schwarz,  hak  =  Rücken),  etwas  seltner  Veidi- 
bjalla  (veidi  =  Jagd,  Weidwerk,  bjalla  =  Schelle,  Glocke,  weil  der  Vogel  bei  der  Nahrungs- 
suche häufig  seine  Stimme  hören  läßt),  im  gefleckten  Jugendkleide  Kaflabringur  (kafli 
=  Teil.  Fleck,  bringa  =  Brust). 

Auch  deutsch:  Schwarzmantel.  Dan.  &  norw. :  Svartbag.  Schwed.:  Svartbak. 
Für. :  Svartbakur. 

Larus  marinus  scheint  in  seiner  Verbreitung  auf  den  Nordatlantischen  Ozean  und 
einige  Teile  des  anschließenden  Eismeers  beschi'änkt  zu  sein.  Im  Pazifischen  Ozeane 
ist  sein  Vertreter  vielleicht  L.  schistisagus  Stejn.  In  Amerika  brütet  unsre  Art  von 
Labrador  bis  zu  den  Canadischon  Seen,  sowie  in  Westgrönland,  besonders  zwischen  63 
und  66^,  doch  auch  nordwärts  bis  72";  in  Ostgrönland  hat  man  sie  dagegen  nur  aus- 
nahmsweise beobachtet  (1.  11.  1900,  Helms).  In  Xordeuropa  kennt  man  ihre  Brutplätze 
von  der  Petschoramünduug  an  in  Rußland  und  Skandinavien,  ferner  an  den  Küsten 
Großbritanniens  und  auf  allen  nördlich  davon  liegenden  kleinen  Inselgruppen  bis  zu 
den  Färöern.  Im  Winter  streicht  L.  marinus  südwärts  bis  Florida,  den  Bermuda-Inseln, 
Xiirdafrika  und  den  Kanarischen  Inseln. 

In  Island  ist  die  Mantelmöve  ein  nicht  seltner  Brutvogel,  der 
in  geringerer  Individuenzahl  die  oberen  Teile  verschiedener  Vogelberge,  in 
gröLk'rer  Menge  aber  selbständige  Kolonien  bewohnt.  Sie  legt  diese  nicht 
nur  am  Meere,  sondern  aucli  auf  Inseln  von  Landgewässern  an.  Einer  der 
bedeutendsten,  schon  uralten  Brutplätze  findet  sich  auf  einer  Lavainsel  des 
|)ingvallavatns;  Bj.  Ssemundssou  schätzte  diese  Kolonie  auf  c,  400  Paare, 
Auch  im  Fiskavatn  (W.,  Hnappadals  Sysla),  auf  einem  See  in  der  Nähe 
der  Baula  (W.),  im  Unterlaufe  verschiedener  südisländischer  Ströme  usw. 
brüten  die  Vögel  am  Süßwasser.  Die  übrigen  Kolonien  sind  an  allen  Küsten 
verstreut,  im  Norden  aber  scheinbar  in  geringerer  Menge  vorhanden.  Sie 
befinden  sich  am  häufigsten  auf  grasbewachsenen  Klippen.  Die  Vögel  streifen 
auch  während  der  Brutzeit  weit  umher  und  werden  das  ganze  Jahr  hindurch 
au  den  Küsten  beobachtet. 


140 


Laras  marinus. 


Besoudors  im  Süden  Islauds,  z.  B.  auf  den  Vestniannaeyjarn,  sind  die 
Mantehuüveu  oroUtenteils  wahre  Standvögel.  Die  Binnengewässer  ver- 
lassen sie  freilich  nach  beendeter  Brutzeit  oder  besuchen  sie  höchstens 
gelegentlich  noch  einmal.  Nach  den  Angaben  Sicmundssons  und  meinen 
eigenen  Erkundigungen  an  Ort  und  Stelle  kommen  unsere  Möven  schon 
Anfang  März  nach  dem  ])ingvallavatn,  fliegen  indes  häufig  noch  zwischen 
den  Brutplätzen  und  der  Küste  hin  und  her.  Au  den  Forellen  im  See 
richten  sie  wenig  Schaden  au,  da  sie  auch  während  der  Brutzeit  ihre  Nahrung 
besonders  vom  Mündungsgebiete  der  Hvitä  holen.  Ende  April  beginnt  der 
Nestbau  oder  die  Ausbesserung  des  alten  Nestes.  Dieses  befindet  sich 
meist  auf  breiter   Unterlage    oder   ebener  Erde,  ist   rundlich   und   ziemlich 


Alf  Bachmann,  Miiiiclien.    l'liüt. 

Fio.  24.    Nest  von  Larus  marinus. 


flach  und  hat  nach  Saemundsson  eine  Mulde  vOn  20  cm  im  Durchmesser. 
Es  wird  aus  Wasser-  und  Landpflanzen  der  Umgebung  hergestellt  und  mit 
Erde  befestigt  (Fig.  24).  Die  Ablage  der  Eier  beginnt  im  Mai.  Mau 
nimmt  diese  vielerorts,  so  auch  am  ])ingvallavatu,  zu  Nahrungszwecken 
mehrmals  fort",  worauf  sich  die  Vögel  zu  Nachgelegeu  verstehen,  weshalb 
man  noch  Ende  Juni  frische  Eier  flndeu  kann  (3.  Juli  1894,  Pearsou  in 
the  Ibis  1895,  p.  248).  In  ungestörten  Verhältnissen  ist  jedoch  auch  im 
Nordlande  das  Legegeschäft  Anfang  Juni  bereits  beendet.  Am  15.  Mai  fuhr 
ich  in  der  Nähe  von  Stadarfell  im  Hvammsfjördr  dicht  an  einer  kleinen 
Brutkülonie  vou  etwa  50  Paaren  vorbei,  die  sich  auf  einer  wenig  hohen,  oben 


Lara 


s  marinus. 


141 


flacheu  und  gnisbewachsenen  Klippe  befand.  Die  meisten  Vögel  hielten  sich 
in  ziemlichen  Abständen  voneinander  zu  Paaren  gesondert.  Mit  dem  Glase 
konnte  ich  deutlich  die  Nester  erkennen,  die  in  Vertiefungen  der  welligen 
Rasenfläche  angebracht  waren.  Einige  der  Möven  trugen  noch  mit  be- 
dächtigen Schritten  Baumaterial  herbei,  andere  hatten  schon  Eier.  Die 
meisten  saßen  wenigstens  im  Neste.  Ein  derartiges  Weibchen  wurde  unter 
starken  Flügelschlägen  begattet.  Das  erste  Gelege  besteht  oft  aus  3  Eiern; 
die  Nachgelege  weisen  selten  mehr  als  2  Stück  auf. 

Einige  isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  3Iaße:  80  x  53  mm 
(7.7  g)  und  79.8  x  55  (8,2)  und  79,5  x  53,5  (8,2).  79  x  56  (8,7).  77  x  54  (8,5)  und 
77  X  53,5  (8,6).  76,8  x  51,2  (7,2).  76  x  51  (7,1). 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd,  nach  Faber  etwa  28  Tage 
lang.  Ssemundsson  fand  auf  dem  |5ingvallavatn  am  16.  .Juli  halbbefiederte, 
am  4.  August  fast  völlig  erwachsene  Junge.  Die  Alten  versorgen  diese 
etwa  50  Tage  hindurch  mit  Nahrung,  die  sie  oft  weit  herbeiholen  und  auf 
dem  Neste  vorwürgen.  Sie  besteht  aus  Fischen  und  allen  möglichen  andern 
tierischen  Stoifen.  Selten  verteidigen  die  Vögel  ihre  Brut  dem  Menschen 
gegenüber  energisch,  umfliegen  aber  den  Nestplatz  mit  lebhaftem  Geschrei. 
Ihre  Stimme  ist  ein  starkes,  rabenartiges  Gagagagak  oder  Gogogogok,  welchen 
Lauten  sie  mitunter  ein  gezogenes  Gä  anhängen.  Weiter  vernahm  ich  sehr 
häufig  ein  krähenartiges  Kraa,  auch  von  demselben  Individuum  in  ver- 
schiedener Tonhöhe  ausgestoßen,  ferner  ein  merkwürdiges  wieherndes  Brummen, 
ungefähr  wie  hmmm  klingend,  ein  kurzes  tiefes  Gok  usw.,  alle  diese  Rufe 
im  Fluge  hervorgebracht.  Vom  Boden  aus  läßt  der  Vogel  besonders  ein 
lautes  Ok  hören,  wobei  er  die  charakteristische  vorgestreckte  Körperhaltung 
annimmt  und  den  Schnabel  weit  öffnet.  Im  Sommer  sind  die  Mantelmöven 
auch  abseits  der  Brutplätze  immer  schreilustig.  Wenn  mehi'ere  miteinander 
hoch  über  das  Land. ziehen,  vernimmt  man  ihre  starken  Stimmen  oft  eher,  als 
man  die  Tiere  selbst  zu  Gesiebt  bekommt,  hört  sie  auch  dann  noch,  wenn  die  rasch 
Dahineilenden  für  das  bloße  Auge  längst  wieder  in  der  Ferne  verschwunden  sind. 

Die  halbwüchsigen  Jungen  verlassen  bei  Gefahr  das  Nest,  laufen  geduckt 
davon  und  suchen  sich  durch  Schwimmen  zu  retten.  Mitte  August  sind  sie 
in  der  Regel  flugbar  und  streifen  nun  mit  andern  ihrer  Art  zu  kleineu 
Scharen  vereinigt  an  den  Küsten  umher.  Ich  sah  die  ersten  jungen  Mantel- 
möven am  21.  August  bei  Selfos  am  Ausflusse  der  Hvitä.  Besonders  gern 
besuchen  die  Tiere  nun  belebte  Hafenorte  in  geschützten  Buchten,  werden 
aber  selbst  auf  Grimsey  im  Winter  beobachtet.  Andere  sollen  den  freien 
Ozean  zum  Aufenthalte  wählen  oder  im  Spätjahre  südlicheren  Gestaden 
zuwandern.  Noch  nicht  fortpflanzungsfähige  jüngere  Vögel  bemerkt  man  auch 
im  Sommer  weit  abseits  von  jedem  Lande.  Viele  suchen  sich  indes  futter- 
reiche Wohnplätze,  besonders  Vogelberge,  zum  längeren  Aufenthalte  aus 
und  lassen  hier  Gewalt  vor  Recht  gehen.  Auf  der  grasigen  Nordspitze  von 
Grimsey  sah  ich  z.  B.  Ende  Juni  mehrere  solcher  unausgefärbter  Mantel- 
möven, die  sich  äußerst  wenig  scheu  benahmen  und  die  ich  zweimal  beim 
Ausfressen  stark  bebrüteter  Rissa-Eier  betraf. 


][^2  Liinis  arfrentatus  argeiitatus. 

Larus  argentatus  argentatus  Brümi. 
Silbermöve. 

Lants  argentatus:  Faber,  l'rodromus,  S.  101  (1822).  —  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  113(1901).  —  Kicmschncidcr,  Oruithol.  Monatsst-hr.  XXI.  S.  244  (1896). 

Lartcs  argentatus,  Briinn.-.Saaiulers,  Cat.  Birds  Brit.  31us.  XXV,  p.  260  (1896).— 
Larus  argeyitafns  Brunn,  typicns:  AVinge,  Grönlands  Fugle,  S.  176  (1898).  —  Larus 
argentatus  Brunn.:  KeichenQw,  Kennzeichen  der  Vögel  Deutschlands,  S.  26  (1902).  — 
Naumann.   Viigel  .Mitteleuropas  XI,  8.  240  (1903). 

Isländisch:  Silfurinäfur,  Silfurmär  (=  Silbermöve). 

Larus  argentatus  argentatus  brütet  im  europäischen  Gebiete  des  Atlantischen 
Ozeans,  an  den  Küsten  Skandinaviens  auch  bis  ins  Eismeer  hinauf,  in  Schweden,  Nor- 
wegen, Norddeutschland  und  Dänemark,  auf  den  Britischen  Inseln  und  nordwärts  bis 
zu  den  Färöern.  Von  Spitzbergen  und  der  Bären-Insel  kennt  man  ihn  dagegen  nicht. 
Auf  Jan  Mayen  wurde  ein  ?  im  Jugendkleide  erlegt,  von  dem  jedoch  fraglich  ist, 
ob  es  sich  um  unsre  Form  handelte.  Die  2  von  WestgTÖnland  vorhandenen  Bälge  im 
Alterskleide,  befindlich  im  Kopenhagener  Museum,  gehören  nach  Winge  ebenfalls 
nicht  zu  L.  a.  argentatus,  sondern  zu  L.  a.  affinis  Beinh.  und  L.  a.  sinith  sonianus 
Coues,  den  amerikanischen  Formen  unsrer  Silbermöve. 

In  Island  ist  das  Vorkommen  der  Silbermöve  meines  Wissens  durch 
kein  Belegexemplar  verbürgt.  Die  Angabe  Saimders  und  Reichenows,  der 
Vogel  brüte  auf  unsrer  Insel,  muß  als  unrichtig  bezeichnet  werden.  Schon 
Faber  und  andere  Beobachter  leugnen  sein  Vorhandensein  daselbst  entschieden. 
Der  einzige  oruithologische  Reisende,  der  Lai-iis  o.rgentatns  im  Hafen  von 
Reykjavik  Mitte  Juni  1895  gesehen  haben  will,  sogar  ziemlich  häufig  und 
zu  jeder  Tageszeit,  ist  Dr.  Riemschneider.  Doch  muß  ich  diese  Angabe 
zunächst  für  einen  Irrtum  halten,  zumal  der  Berichterstatter  durch  nichts 
andeutet,  daß  ihm  die  Auffälligkeit  einer  derartigen  p]rscheinung  bekannt 
gewesen  und  infolgedessen  die  Art  der  fraglichen  Vögel  besonders  sorgfältig 
von  ihm  geprüft  worden  sei.  Freilich  glaube  ich  selbst,  am  19.  April  1903, 
etwa  20  km  südlich  von  Portland  (S.),  eine  Silbermöve  über  dem  Meere 
gesehen  zu  haben.  Höchstwalirscheinlich  besucht  unsere  Art  die  Insel  nur 
ausnahmsweise. 

19.  Larus  glaucus  Brunn. 
Eismüve. 

Larus  glaucus  (Brunn.):  Faber,  Prodromus,  S.  98  (1822).  —  Larus  glaucus 
Brünnich:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  416  (1862).  —  Larus  glaucus 
Fabricius:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland.  p.  418  (1863).  —  Larus  glaucus  Brüan. : 
Gröudal,  islenzkt  fuglatal,  bis.  44  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  113  (1901). 

Larus  glaucus,  Brunn.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  615  (1877).  —  Saunders, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  289  (1896).  -^  AVinge,  Grönlands  Fugle,  S.  186  (1898). 
—  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  267  (1903). 

Isländisch:  Hvitmäfur,  Hvitmär  (=  Weißmöve),  Hvitfugl  (=  Weißvogel),  im 
Jugendkleide  Grämäfur  (=  Graumöve),  alle  Namen  partim.    Genauer:  Störi  Hvitmäfur. 

Auch  deutsch :  Große  weiße  Möve.  Dan.  &  norw. :  Stör  hvidvinget  Maage.  Schwed. : 
Stör  Hvittrut,  hvitvingad  Trut.    Engl. :  Large  white  winged  Gull. 

Larus  glaucus  ist  zirkumpolar  über  die  ganze  arktische  Region  verbreitet,  soweit 
offenes  Land  sich  findet.  Nansen  traf  eine  kleine  Kolonie  auf  Franz-Joseph-Land 
noch   unter   81^'  33'.     Südwärts    geht   unsere  Art    brütend    nur    in    wenigen    Gebieten 


Larus  glaucus.  243 

wesentlich  über  den  Polarkreis  hinaus,  besonders  in  Labrador,  Grönland  und  Island. 
Im  "VVinter  besucht  sie  u.  a.  auch  die  Färöer,  Großbritannien  und  den  atlantischen 
Teil  Skandinaviens  und  streicht  gelegentlich  bis  zum  Mittelmeer,  dem  Ivaspischen  See. 
Baikal-See,  Japan,  Californien  und  Florida. 

In  Island  gehört  die  Eismöve  zu  den  nicht  seltenen  Brutvögeln, 
die  aber  nur  in  unmittelbarer  Nähe  des  Meeres,  auf  kleinen  Schären  oder 
auch  im  oberu  Teile  hoher  Felswände  brütet.  Landgewässer  scheint  sie 
nirgends  zum  Sommeraufeuthalte  zu  wählen,  wie  dies  JMms  marinns  tut. 
Sie  bildet  an  den  verschiedenen  Küsten  Islands  eigene  Kolonien,  besonders 
häufig  im  Westen,  wo  der  klippenreiche  Faxafjördr  und  Breidifjördr  ihr 
sehr  zusagen.  Hier  ist  sie  schon  seit  alten  Zeiten  ansässig  und  wie  ich 
mich  selbst  bei  meiner  langsamen  Fahrt  um  die  Küste  überzeugte,  auch 
heutzutage  noch  ziemlich  häufig.  Gern  siedelt  sich  die  Eismöve  ferner  in 
einigen  Paaren  bei  den  größeren  Vogelbergen  an,  die  ihr  willkommene 
Beute  versprechen.  Auf  Grimsey  brütet  sie  jedoch  jetzt  nicht  mehr  regel- 
mäßig, obwohl  dies  zu  Thienemanns  Zeit  der  Fall  war  (Reise,  S.  216).  Ich 
besitze  selbst  noch  ein  von  diesem  dort  gesammeltes  Gelege  (die  2  zuletzt 
angeführten  Eier).  Alle  verkehrsreichen  Küstenorte  und  Fischerplätze,  z.  B. 
Reykjavik  und  Isafjördr,  werden  zu  allen  Jahreszeiten  in  Menge  von  Eis- 
möven  besucht,  die  auf  dem  Wasser  das  darstellen,  was  die  Raben  auf  dem 
Lande  sind. 

Biologisch  ist  unser  Vogel  so  außerordentlich  der  Mantelmöve  ähnlich, 
daß  ich  hier  auf  deren  Behandlung  verweisen  kann.  Ich  beobachtete  beide 
Arten  oft  halbestundenlang  beisammen ,  z.  B.  in  der  Umgegend  von  Reyk- 
javik, konnte  indes  weder  in  den  Bewegungen  noch  in  der  Stimme 
feststehende  unterschiede  entdecken.  Im  allgemeinen  erschien  mir  die  Eis- 
möve etwas  langsamer  als  Larus  maiinas,  ihr  Ruf  etwas  matter  und  ein- 
silbiger. Doch  vernahm  ich  auch  von  ihr  den  tiefen  starken  Rabenschrei, 
sowie  das  merkwürdige  wiehernde  Brummen.  Die  Ähnlichkeit  der  Stimm- 
laute von  hoch  in  der  Luft  fliegenden  Vögeln  mit  fernem  Hundegebell,  auf 
die  Heuglin  hinweist,  fand  ich  gerade  bei  dieser  Art  wiederholt  in  auffälliger 
Weise  bestätigt.     Die  jungen  Vögel  lassen  ein  helles  Geschrei  hören. 

Isländische  Eier  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße.  80  X  57  mm  (9,5  g). 
75x52(8,1).  73,5x53,5  (8).  72,5x53  (6,7).  71,5x51,5  (6).  —  76x55  (9),  74x55,5 
(8,5).  —  Sie  sind  von  Larus  marinus-^iern  nicht  auseinanderzuhalten. 

Inwieweit  die  im  Winter  zahlreich  an  den  isländischen  Küsten  umher- 
Bchwärmenden  Eismöven  wirkliche  Standvögel  oder  nordische  Gäste  sind,  ist 
schwer  zu  entscheiden. 

20.  Larus  leucopterus  Faber. 

Polarmöve. 

Larus  leucopterus  (mihi) :  Faber,  Prodromus,  S.  9  1(1822).  —  Larus  leucopterus 
Faber:  Preyer  (&  Zirkel),  ßeise  nach  Island,  S.  416  (1862).  —  Xewton,  in  Baring- 
Goulds  Iceland,  p.  418  (1863).  —  Gröudal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  44  (1895).  —  Slater, 
Birds  of  Iceland,  p.  115  (1901). 


244  Lanis  Icucoptcrus. 

Larus  leucopterus,  Faber:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  H13  (1877).  —  Saunders, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  295  (1896).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  182  (1898).  — 
Naumann,  Vögel  Mitteleuro])as  XI,  S.  275  (1903). 

Isländisch:  Hvitraäfur,  Hvitmär  (=  "NVeißniöve),  Hvitfugl  (=  Weißvogel),  im 
Jugendkleide  Grämäfur  (=  Graumöve),  alle  Namen  partim.  Richtiger:  Litli  Hvitraäfur. 

Auch  deutsch:  Kleine  weißschwingige  Möve.  Dan.  &  norw.:  Hvidvinget  Maage. 
Schwed. :  Hvidvingad  Mäse,  Uten  Hvittrut.    Engl.:  Lesser  white-winged  Gull. 

Die  Polarmöve  hat  nur  eine  beschränkte  Verbreitung.  Zahlreich  pflanzt  sie  sich 
fort  an  der  Westküste  Grönlands,  seltner  im  Norden  und  Osten  dieses  Gebietes.  Ferner 
hat  man  sie  auf  Jan  Mayen,  an  der  Westküste  der  Davis-Straße  und  in  einigen  anderen 
Gegenden  des  arktischen  Amerikas  brütend  angetroffen.  Im  Winter  ziehen  besonders 
die  jüngeren  Individuen  ein  wenig  südwärts;  doch  ist  unsere  Art  schon  an  den  Küsten 
Deutschlands,  Dänemarks  und  Norwegens  eine  seltene  Erscheinung.  Etwas  häutiger 
zeigt  sie  sich  in  den  Meeren  Großbritaimiens  und  im  Nordosten  Amerikas.  Ziemlich 
regelmäßig  besucht  sie  die  Färöer. 

In  Island  ist  die  Polarmöve  ein  alljährlicher  Wiutergast,  der  sich 
vor  allem  zahlreich  in  den  Fjorden  der  Nordküste  einstellt  und  oft  monate- 
lang- daselbst  aufliält.  Werden  diese  Gebiete  von  Treibeis  erfüllt  oder  locken 
große  Fischzüge  die  Vögel  fort,  so  erscheinen  sie  in  bedeutenden  Scharen 
auch  im  Süd-  und  Ostlande. 

Zufolge  Fabers  eingehender  Beobachtungen  kommen  die  ersten  Exemplare 
wenige  Tage  nach  Mitte  September  und  verschwinden  die  letzten  Ende  April 
bis  spätestens  Ende  Mai.  Ich  sah  am  25.  April  neben  einigen  Lams  glaucus 
auch  zwei  jüngere  Vögel  unserer  Art,  die  ein  Fischer  im  Hafen  von  Reyk- 
javik geschossen  hatte.  Am  27.  d.  M.  beobachtete  ich  an  einer  Bucht  daselbst 
ein  altes  Individuum.  Sein  Flug  war  ruhig  und  leicht  und  führte  den  fast 
zutraulichen  Vogel  mehrmals  dicht  an  mir  vorbei.  Nachdem  er  wiederholt 
seine  Stimme  ausgestoßen  hatte,  die  ich  als  gi  gi  gi  grrrr  notierte,  ließ  er 
sich  bei  einer  Schar  Eiderenten  nieder,  hielt  die  Flügel  noch  längere  Zeit 
in  die  Höhe  und  schwamm  endlich  in  angemessener  Entfernung  den  Vögeln 
nach.  Am  30.  April  bemerkte  ich  neben  zahlreichen  Eismöven  wieder  einige 
Polarmöven  in  der  Nähe  der  Insel  Videy.  Mehrere  kreisten  in  der  Luft, 
andere  saßen  auf  den  mächtigen  Steintrümmern  am  Lande.  Sie  ließen 
diesmal  das  Boot  nicht  in  Schußnähe  herankommen,  flogen  vielmehr,  nachdem 
ihre  Gestalt  immer  schlanker  und  hochbeiniger  geworden  war,  lautlos  davon. 
Die  hoch  am  Himmel  kreisenden  Exemplare  riefen  wiederholt,  zwar  wesentlich 
sanfter  als  die  gleichzeitig  umherfliegenden  Eismöven,  aber  doch  ähnlich  gag 
gagag,  gogogogog,  gigigigig. 

Von  einem  Brüten  der  Polarmöve  in  Island  hat  man  nie  etwas  gehört. 
Es  könnte  dies  höchstens  auf  der  stellenweise  ornithologisch  fast  unbekannten 
nordwestlichen  Halbinsel  der  Fall  sein,  wo  ich  etwa  18  Sm.  südöstlich  von 
Cap  Nord  noch  am  19.  Mai  einige  alte  Vögel  unserer  Art  erblickte.  Wahr- 
scheinlich handelt  es  sich  jedoch  um  verspätete  Gäste,  zumal  das  Treibeis 
in  der  Nähe  lagerte.  Im  Kopenhagener  Museum  beflnden  sich  2  Bälge  aus 
Island  vom  4.  und  5.  August  1840,  wobei  es  sich  vielleicht  um  noch  nicht 
fortpflanzungsfähige  Vögel  gehandelt  hat. 


Larus  caniis  canus.  245 

21.  Larus  canus  canus  L. 

Sturmmöve. 

Lartis  canus:  Faber,  Prodromus,  S.  101  (1822).  —  Larus  canus  L.:  Preyer  (& 
Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  431  (1862).  —  Newton,  in  Earing-Goulds  Iceland,  p.  418 
(1863).  —  Gröndal.  Islenzkt  fiiglatal,  bis.  44  (1895).  —  Winge,  Fuglene  ved  de  danske 
Fyr  i  1894,  S.  62  (1895).    -  Slater,  Birds  of  Icelaud,  p.  111  (1901). 

Larus  canus,  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  8.610(1877).  —  Larus  canus  Brnnn.: 
Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  277  (1896).  —  Larus  canus  L. :  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  223  (1903). 

Isländisch:  Stormmäfur,  Stormmär. 

Auch  dän. :  Stormmaage. 

Larus  canus  canus  ist  im  allgemeinen  über  die  Gebiete  der  Nord-  und  Ostsee 
verbreitet.  Er  liebt  weniger  den  offenen  Ozean,  brütet  sogar  vielerorts  an  Land- 
gewässerii.  In  Rußland  geht  er  hinauf  bis  zum  Eismeere,  ebenso  in  Skandinavien  bis  zum 
Varanger-Fjord.  Er  bewohnt  ferner  Schottland,  die  Hebriden,  Orkney-  und  Shetland- 
Inseln.  Die  Färöer  besucht  er  im  wesentlichen  nur  als  Gast,  doch  soll  ein  einzelnes 
Paar  regelmäßig  auf  Strömö  brüten  (Andersen).  In  Grönland  ist  unsere  Art  noch 
nicht  beobachtet  worden,  doch  will  man  ein  jüngeres  Exemplar  in  Labrador  erlegt 
haben.  —  In  Sibirien  wird  L.  c.  canus  durch  den  größeren  L.  c.  niveus  Fall.,  im 
pazifischen  Nordamerika  durch  den  kleineren  L.  c.  brachyrhynchus  Rieh,  vertreten.  — 
Im  Winter  wandert  L.  c.  canus  südwärts  bis  zum  Wendekreise. 

Die  Sturmmöve  besucht  Island  nur  als  seltner  Gast,  wahrscheinlich 
besonders  zur  Herbst-  und  Winterszeit.  Sichere  Nachweise  ihres  Vorkommens 
sind  wenige  veröffentlicht.  Newton  erhielt  1858  in  Reykjavik  einen  Balg 
unseres  Vogels,  der  im  vorhergehenden  Winter  in  der  Nähe  der  Stadt 
geschossen  worden  war.  Im  Winter  1878  erlegte  man  ein  weiteres  Indi- 
viduum bei  Reykjavik,  das  der  Lateinschule  daselbst  geschenkt  wurde,  und 
auch  Gröndal  erhielt  später  eine  Sturmmöve  für  seine  Sammlung  (Ornis  XI, 
S.  454).  Vier  der  Vögel  zeigten  sich  endlich  im  Winter  1892  bei  Oddeyri  im 
Eyjafjördr,  von  denen  man  ein  Stück  schoß.  Dieses  kam  durch  J.  V.  Havsteen 
an  das  zoologische  Museum  in  Kopenhagen.  Weitere  einwandfreie  Beob- 
achtungen sind  mir  nicht  bekannt,  obwohl  Baring-Gould,  Slater,  Bachmann  u.  a. 
glauben,  die  Art  ebenfalls  bei  Island  gesehen  zu  haben.  Vielleicht  ist  der 
Vogel  oft  mit  der  Dreizeheuraöve  verwechselt  worden. 

22.  Xema  sabinii  (Sab.). 
Schwalbenmöve. 

Xema  sabinii  (Sabine) :  Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  162  (1896).  — 
Larus  sabini  Sab.:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  197  (1898).  —  Xema  Sabinii  Sab.: 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  295  (1903). 

Isländisch:  Svölumäfur,  Svölumär  (=  Schwalbenmöve). 

Xema  Sabinii  hat  ihren  Sommeraufenthalt  in  den  höchsten  Breiten  der  Alten 
und  Neuen  Welt,  doch  ist  ihre  Verbreitung  scheinbar  ziemlich  lückenhaft.  Die  Haupt- 
brutgebiete liegen  im  nördlichsten  Teile  Amerikas.  Auch  die  Westküste  und  den 
Norden  Grönlands  bewohnt  unsere  Art,  aber  nicht  südlicher  als  75°.  Auf  Jan  Mayen 
wurde  sie  nur  einzeln  beobachtet.  Ob  sie  auf  Spitzbergen  und  Franz- Joseph- Land 
brütet,  ist  noch  sein-  fraglich.  Auf  der  Taimyr-Halbinsel  und  wahrscheinlich  auch  au 
andern  Punkten    der   sibirischen  Küste   tut   sie    dies   in  ziemlicher  Menge.     Im  Winter 

Hantzsrh,  Voselwelt  Islauds.  ^^ 


j^ß  Xeina  sabinii. 

verlassen  die  Vögel  die  unwirtlichsten  Gebiete,  um  sich  ein  wenig  südwärts  zu  wenden. 
Sie  kommen  dann  auch  nach  den  Färöern,  Großbritannien  usw.,  ja  einzelne  Exemplare 
sollen  bis  Südamerika  gewandert  sein. 

Island  besucht  die  Schwalbenraöve  nur  als  seltner  Gast,  ist  aber 
bisher  scheinbar  unbeachtet  geblieben  oder  mit  Stema  macrura  verwechselt 
worden.  Ich  sali  einen  schlechten  Balg  bei  Konsul  J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri. 
Der  Vogel  stammte  angeblich  aus  dem  zeitigen  Frülijahr  1901,  wo  man  ihn 
als  unbekannte  „Seeschwalbe"  am  Eyjafjördr  erlegte.  Leider  konnte  ich  den 
Balg  nicht  erwerl)en.  Es  handelt  sich  um  einen  alten  Vogel  in  Winter- 
traclit.  Flügellänge  fast  300,  Schnabel  28  mm.  Nach  nicht  ganz  sicheren 
Beschreibungen  von  Pastor  Matthias  Eggertsson  und  Yngvar  Gudmundsson 
scheint  die  Art  im  AVinter  auch  auf  Grimsey  vorgekommen  zu  sein. 

23.  Sterna  macrura  macrura  Naum. 
Küstenseeschwalbe. 

Sterna  hirundo  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  88  (1822).  —  Sterna  arctica  Temm.: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  420  (1862).  —  Sterna  macrura  Naum. :  Newton, 
in  Bariug-Goulds  Iceland,  p.  417  (1863).  —  Sterna  arctica  Temm.:  Gröndal,  Islenzkt 
fuglutal,  bis.  44  (1895).  —  Sterna  macrura,  Naum. :  Slater,  Birds  of  Iceland.  p.  109  (1901). 

Sterna  macroura.  Naum.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  592  (1877).  —  Sterna 
macrura,  Naum.:  Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  62  (1896).  —  Winge,  Grön- 
lands Fugle,  S.  204  (1898).  —  Naumann,  Vögel  3litteleuropas  XI,  S.  137  (1903). 

Isländisch:  Kria  (nach  dem  Geschrei),  l'erna  (älteren  Ursprungs,  wahr- 
scheinlich mit  dem  deutschen  ^,Dirne"  etymologisch  zusammenhängend.  Gattungsname 
Sterna  davon  abgeleitet). 

Auch  dän.  &  norw.:  Kirre,  Terne.    Schwed.:  Tärna.    Engl.:  Tern.    Fär. :  Tema. 

Sterna  macrura  macrura  hat  eine  bedeutende  zirkumpolare  Verbreitung.  Sie 
bewohnt  die  ganze  arktische  Region  nebst  den  anschließenden  Gebieten:  den  Norden 
Asiens,  Europa  bis  etwa  zum  50.,  Amerika  bis  zum  42.  Grade  südwärts.  Nach  dem 
Pole  zu  fand  sie  Sverdrup  noch  uuter  84**  24'.  Sehr  häufig  brütet  sie  u.  a.  auf  Spitz- 
bergen, seltner  auf  der  Bären-Insel.  Für  Jan  Mayen  konnte  sie  als  Brutvogel  noch 
nicht  festgestellt  werden.  Doch  ist  sie  an  allen  Küsten  Grönlands  zu  Hause.  Im 
Winter  wandert  unsere  Art  sehr  weit  südwärts  bis  Chile,  Brasilien,  Südafrika  und  Süd- 
asien. —  In  der  antarktischen  Region  wird  St.  m.  macrura  von  der  1904  aufgestellten 
sehr  ähnlichen  St.  m.  antistropha  Rchw.  vertreten. 

In  Island  gehört  die  Küstenseeschwalbe  zu  den  gemeinen  Brut- 
vögeln. Sie  bewohnt  am  liebsten  grasige  Tiefländereien  in  der  Nähe  des 
Meeres,  findet  sich  aber  in  zahlreichen  Kolonien  auch  an  den  größeren 
fließenden  und  stehenden  Gewässern  des  Innern.  Einzelne  Individuen  und 
kleine  Scharen  nicht  zur  Portpflanzung  schreitender,  wahrscheinlich  im 
2.  Lebensjahre  stehender  Vögel  streichen  den  ganzen  Sommer  über  im 
Lande  umher.  Man  begegnet  solchen  tief  und  langsam  dahinfliegenden 
Exemplaren  sogar  in  ausgedehnten  Lavafeldern,  Heiden,  Hochmooren  und 
Gebirgstälern.  In  ganz  bedeutender  Menge  brütet  Sterna  macrura  auf  Grimsey. 
Man  findet  hier  wenig  Plätze  im  Innern,  wo  man  zur  Brutzeit  nicht  fort- 
gesetzt von  den  angriffslustigen  Vögeln  belästigt  wird.  Dagegen  bewohnt 
unsere  Art  die  Vestmannaeyjar  überhaupt  nicht,  besucht  diese  höchstens  zur 
Zugzeit. 


Sterua  macrura  macrura.  J^47 

Isländische  Exemplare  von  Sterna  macrura  nnterscheidcn  sich  nicht  von  solchen 
benachbarter  Gebiete.  Folgendes  sei  über  einige  selbst  von  \n\v  gesammelte  Vögel 
meiner  Kollektion  bemerkt.  (5  ad.,  $  ad.,  Hjalteyri,  26.  Mai  1903.  Gewicht  i.  Fl. :  110, 111  g. 
Gesamtlänge  (bis  zur  Spitze  der  längsten  Schwanzfeder)  i.  Fl.:  c.  370,370  mm.  Flügel: 
265,  266.  Schwanz  (bis  zum  Ende  der  etwas  längeren  der  beiden  äußersten  Federn): 
197,192.  Schwanz  4- Flügel:  38,  25.  Schnabel:  36,  31.  Tarsen:  16,  16.  3Iittelzehe 
inkl.  der  7  und  7  mm  langen  Kralle:  24  und  24.5  mm.  — •  Iris:  dunkelbraun.  Schnabel 
und  Füße:  hochkarminrot,  ersterer  etwas  dunkler,  Zehen  und  überschnabelspitze  mit 
schwärzlichem  Anfluge.  —  $  juv.,  M^vatn,  27.  Juli  1903,  eben  selbst  fliegend ;  auf  den 
Federn,  besonders  denen  der  Oberbrust  und  des  Schnabelgrundes  noch  Dunen.  Gewicht 
i.  Fl. :112  g.  Gesamtlänge  i.  FL:  c.  290  mm.  Flügel:  208.  Schwanz:  102.  Flügel + 
Schwanz:  10.  Schnabel:  24.  Tarsen:  14,5.  Mittelzehe  inkl. der  5,5  mm  langen  Kralle: 
21,5mm.  —  Iris:  schwarzgrau.  Schnabel:  schwärzlich,  helle  Stellen  am  Grunde  orange- 
gelb.    Füße:  blaßgelblich-fleischfarben. 

Die  Küstenseeschwalbe  ist  in  Island  ein  Zugvogel,  der  im  Süden 
Mitte  Mai,  im  Norden  noch  etwas  später  erscheint.  Thieneraann  beobachtete 
ihre  Ankunft  bei  Eeykjavik  allerdings  schon  am  5.  Mai  (Reise,  S.  193).  1903 
war  am  13.  d,  M.  noch  kein  Exemphir  daselbst  zu  bemerken.  Im  Eyjafjördr 
zeigten  sich  die  ersten  am  22.  Mai.  Ich  sah  am  25.  d.  M.  und  an  den 
folgenden  Tagen  Hunderte  der  Vögel  über  einem  Teiche  bei  Hjalteyri,  wo 
es  von  großen  Stechmücken  wimmelte.  Die  Seeschwalben  fingen  diese  in 
der  Luft  und  am  Boden,  wie  ich  nicht  nur  aus  nächster  Nähe  beobachtete, 
sondern  auch  am  Mageninhalte  getöteter  Exemplare  erkannte.  Bis  Anfang 
Juni  trifft  man  unsere  Vögel  tagsüber  gewöhnlich  abseits  von  den  zukünftigen 
Nistplätzen.  Sie  schwärmen  stundenweit  in  der  Gegend  umher,  halten  sich 
meist  in  großen  Scharen  beieinander,  fliegen  jedoch  des  Abends  nach  dem 
Brutgebiete  hin,  um  daselbst  zu  übernachten.  Auf  trocknen  Hügeln  oder 
Kiesflächen  fallen  sie  ein,  lassen  den  Menschen  dann  oft  bis  auf  wenige 
Schritte  herankommen  und  wirbeln  endlich  mit  lautem  Geschrei  in  die  Luft. 
Ihre  Flugbewegungen  sind  ebenso  gewandt  wie  abwechslungsvolL  Jetzt 
jagen  die  Vögel  blitzschnell  dahin,  nun  steigen  sie  gemächlich  auf  und 
nieder,  rütteln  au  derselben  Stelle,  spreizen  dabei  die  langen  äußeren  Schwanz- 
federn, die  sich  zierlich  im  Winde  biegen,  stürzen  mit  angezogenen  Flügeln 
auf  das  Wasser  herab,  um  für  Augenblicke  völlig  darin  zu  verschwinden. 
Meist  haben  sie  beim  Emportauchen  ein  Fischchen  im  Schnabel;  denn 
schwimmt  die  Beute  davon,  so  schnellen  sich  die  Vögel  kurz  vor  dem  Ein- 
tauchen bereits  wieder  in  die  Luft. 

Von  Anfang  Juni  au  halten  sich  unsere  Seeschwalbeu  in  der  Nähe 
ihrer  Brutplätze,  zu  denen  sie  grasbewachsene  oder  sandige  Inseln,  trockne 
Flußufer  oder  sonstige  freiliegende  örtlichkeiten  wählen.  Am  M;fvatn  brüten 
sie  allerdings  auch  inmitten  üppigen  Pflanzenwuchses,  in  Grimsey  auf  dem 
ganzen  kurzgrasigeu,  weichmoosigen  Plateau  im  Innern.  Häufig-  trifft  mau 
Kolonien  iu  der  Nachbarschaft  von  Eiderbrutplätzen,  woselbst  die  Vögel 
gern  gesehen  sind,  weil  sie  nicht  nur  durch  ihre  Eier  nützen,  sondern  auch 
durch  ihre  Angriffslust  oft  genug  Raubmöven,  Raben  und  Falken  zu  ver- 
treiben imstande  sind.  Ein  eigentliches  Nest  wird  nicht  gebaut,  doch  faud 
ich   unter   den  Hunderten  von   oft   recht   hübsch  ausgedrehten  Nestmulden, 

10* 


14H 


Sterna  macrura  inacrura. 


die  ii'li  auf  Gn'msey  besichtigte,  einen  gi'oßen  Teil  mit  einigen  dürren 
Blättchen  ausgelegt.  Die  Grube  hat  10—11  cm  im  Durchmesser;  die  ein- 
zelnen Nistplätze  sind  gewöhnlich  einige  Meter  von  einander  entfernt.  Die 
Zahl  der  Kier  beträgt  unter  normalen  Verhältnissen  immer  2;  Gelege  zu 
3  Stück  sind  äußerst  selten,  rühren  vielleicht  auch  nur  von  verschiedenen 
Vögeln  her.  Die  Ablage  beginnt  in  günstigen  Gebieten,  z.  B.  am  M^vatn, 
schon  Anfang  Juni.  Krüper  erhielt  daselbt  die  ersten  Eier  am  3.  Juni 
(Naumannia  1857,8.55).  Ich  besuchte  am  8.  d.M.  eine  Kolonie  an  der  Mündung 
der  Fnj(')ska  in  den  Eyjafjördr,  konnte  aber  samt  meinen  Begleitern  noch  kein 
Gelege  entdecken.  Auf  Gn'msey  findet  man  die  Eier  stets  erst  von  Mitte 
Juni  an;  am  26.  d.  M.  hatten  viele  Vögel  noch  nicht  gelegt..  Man  nimmt 
fast  überall  die  ersten  p]ier  weg  und  zwingt  so  die  Tiere  zu  Nachgelegen. 
Diese  bestehen  nicht  selten  nur  aus  einem  Stück.  Ich  fand  am  12.  Juli 
auf  Grimsey  noch  Eier  in  frischem  Zustande. 

Bedeutende  Verschiedenheit  der  Eier  eines  Geleges,  wie  ich  sie  wiederholt 
bemerkte,  scheint  meist  auf  verschiedene  Erzeuger  derselben  schließen  zu  lassen.  Ich 
beobachtete  in  selbst  gesammelten  Gelegen  auch  verschiedene  Bebrütungsgrade.  Einige 
der  vielen  auf  Grimsey  präparierten  Eier  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße: 
46  X  28  mm  (1  g)  und  43,5  x  29  (1,05).  42,2  x  28,6  (1)  und  40.2  x  30  (1).  41  x  31  (1,15) 
und  40,8x31,2(1,2).  40,5x29,5  (1,1)  und  40x28,8  (0,95).  39,5x29.5  (0,95)  und 
38,5x28.8  (0,95).  37,5x29,2  (0,9)  und  36,2x29,2  (0,85).  —  Selbst  gesammelt:  43x29,8 
(1,05)  und  36,5  x  26,5  (0,95).  Hellblau  mit  wenigen  braunen  Punkten:  36,2  x  28  (0.95) 
und  35,8  X  28  (1).  Unnormal  klein,  aber  mit  Dotter:  34  x  26,2  (0,9).  26,5  x  22  (voll  6,5, 
leer  0,6  g)  und  24x19  (voll  5,  leer  0,45  g).  —  Vollgewicht  normaler  Eier  16  —  21g. 
Gekocht  sehr  wohlschmeckend.     Preis  je  nach  Zeit  und  Lokalität  1 — 3  Ore. 

Am  Brutplatze  zeigen  sich  unsere  Vögel  äußerst  angriffslustig, 
besonders  wenn  die  Jungen  bald  auskommen  oder  noch  klein  sind.  Auf 
Grimsey  ist  ein  Gang  durchs  Innere  zu  Anfang  des  Juli  stellenweise  nicht 
angenehm.  Fortgesetzt  stoßen  die  erbosten  Tiere  kreischend  auf  den  Menschen 
herab,  treffen  ganz  empfindlich  den  Hinterkopf,  wagen  aber  selten,  das 
Gesicht  zu  berühren,  sondern  sausen  in  blitzschneller  Wendung  wenige 
Dezimeter  davon  vorbei.  Oft  wird  man  von  einem  halben  Dutzend  der 
Vögel  hart  verfolgt,  au  deren  Stelle  bei  Verlassen  des  Platzes  sofort  andere 
treten.  Man  ist  genötigt,  unausgesetzt  ein  Tuch  oder  einen  Stock  über  sich 
zu  schwingen,  was  auf  die  Dauer  recht  unangenehm  wird.  Selbst  als  ich 
mich  einige  Male  in  den  kleineu  lauschigen  Talkesseln  Grimseys  zum  Schlafe 
niederlegte,  entdeckten  mich  die  Vögel  nacli  kurzer  Zeit  und  stießen  zorn- 
erfüllt nach  mir,  ol)wohl  ihre  Nester  ziemlich  entfernt  waren.  Ebenso  wütend 
greifen  sie  die  Schafe  an,  die  ihnen  wahrscheinlich  manches  Gelege  zertreten. 
Oft  sieht  man  die  kleinen  Herden,  die  sich  auf  der  Insel  umhertreiben,  arg 
verfolgt.  Doch  schütteln  die  Tiere,  so  gut  als  möglich,  die  Störenfriede  von 
sich  ab  und  gehen,  indem  sie  mit  Gleichmut  die  dürftigen  Pflanzen  abrupfen, 
langsam  ihrer  Wege.  Bei  diesen  Angi-iffen  lassen  die  Seeschwalben  unaus- 
gesetzt ihre  Stimme  hören,  die,  von  mehreren  Hunderten  zu  gleicher  Zeit 
ausgestoßen,  einen  wilden  Lärm  ergibt. 

Der  häufigste  und  den  ganzen  Sommer  über  vernehmbare  Stimm  laut 
ist  ein  durchdringendes  Kria,   dem    der  Vogel   seinen   isländischen   Namen 


Sterna  macrura  macrura.  149 

verdankt.  Oft  wird  das  an  und  für  sich  kurze  A  völlig  unterdrückt  und 
der  Ruf  zu  einem  Kri.  Bei  der  Nahrungssuche  wechselt  damit  ein  scharfes, 
hohes  Gik  ab,  das  sich  bei  alleiufliegenden  Vögeln  mitunter  in  ein  breiteres, 
behagliches  Gäg  verwandelt.  Am  Brutplatze  vernimmt  man  vielfach  auch 
ein  lautes  schnurrendes  Am-...,  vor  das  sich  manchmal  noch  ein  gestoßenes, 
kurzes  I  setzt,  also  etwa  Kriarrr . . .,  der  Ton  bleibt  hierbei  auf  der  2.  Silbe. 
Ferner  notierte  ich  ein  fortgesetztes,  meist  ein-  oder  zweisilbig  gesondertes 
Dr  drdr  dr  drdr,  ein  ärgerliches  Räh,  in  hoher  Luft  ein  kurzes,  möveuartiges 
Wa  und  miauendes  Wawaa  au.  Wenn  ein  Vogel  sich  auf  ein  falsches  Nest 
setzt,  treibt  ihn  der  rechtmäßige  Eigentümer  mit  einem  beleidigten  Zckzck 
davon,  worauf  er  sich  beschämt  mit  hohem  Pitpit  entfernt,  usw.  Die  kleinen 
Dunenjungen  rufen,  wenn  man  sie  in  die  Hand  nimmt,  ein  feines  Piep, 
etwas  größere  ein  leises,  rauhes  Kr,  sobald  sie  flugbar  sind,  nehmen  sie  die 
Stimme  der  Alten  an. 

Das  Brutgeschäft  besorgen  beide  Vögel  des  Paares.  Doch  fand  ich 
sie  niemals  besonders  fest  auf  den  Eiern  sitzen.  Schon  aus  beträchtlicher 
Entfernung  erheben  sie  sich,  falls  man  der  Niststätte  näher  kommt,  lassen 
sich  allerdings  bald  wieder  auf  die  Eier  herab.  Nicht  selten  sah  ich  die 
Vögel  beim  Neste  ein  wenig  umherlaufen,  besonders  den  nicht  brütenden 
Teil,  der  in  der  Nacht  auch  fast  immer  in  der  Nähe  des  andern  sitzt.  Noch 
häuflger  beobachtete  ich  das  schrittweise  Gehen  am  Rande  der  Süßwasser- 
teiche Grimseys,  wo  Hunderte  von  Seeschwalben  gemeinsam  mit  Dreizehen- 
möven  sich  niederließen,  nachdem  sie  gebadet  und  getrunken  hatten.  Die 
Brutdauer  beträgt  in  der  Regel  16  Tage,  soll  sich  aber  nacli  Faber  bis  auf 
18  Tage  ausdehnen.  Dieser  Forscher  fand  Junge  am  Myvatn  schon  Mitte 
Juni,  Krüper  ebendaselbst  am  19.  d.  M.  (Naumanuia  1857,  S.  56).  Ich  sah 
die  ersten  auf  Grimsey  am  4.  Juli,  doch  hatten  am  12.  d.  M.  die  meisten 
Seeschwalben  immer  noch  Eier.  Kaum  einige  Stunden  alt,  kriechen  die 
Tierchen  schon  aus  der  Nestmulde,  entfernen  sich  aber  nicht  weit.  Sie 
drücken  sich  bei  Annäherung  einer  vermeintlichen  Gefahr  fest  auf  die 
Erde  und  verhalten  sich  regungslos  still.  Die  Alten  füttern  die  zarten 
Vögelchen  besonders  mit  Insekten,  später  mit  kleinen  Fischen,  die  sie  im 
Schnabel  bringen.  Ein  von  mir  erlegtes  eben  flügge  gewordenes  Weibchen 
hatte  3  etwa  6  cm  lange  Forellen  im  Magen,  zweien  davon  fehlte  der 
Kopf.  Die  Dunenjungen  gehen  bei  Verfolgung  häufig  aufs  Wasser  und 
schwimmen  ziemlich  hurtig,  was  die  erwachsenen  Vögel  viel  seltner  tun. 
Sie  sind  im  allgemeinen  wenig  scheu.  Nach  uugefiihr  einem  Monat  werden 
sie  flügge,  worauf  die  Fürsorge  der  Alten  bald  nachläßt.  Freilich  bringen 
diese  merkwürdigerweise  selten  mehr  als  ein  Junges  groß.  Ich  sah  die 
ersten  flüggen  Seeschwalben  den  20.  Juli  am  Myvatn,  Krüper  ebendaselbst 
am  17.  d.  M.  (1.  c,  S.  57).  Der  Flug  derartiger  Vögel  ist  noch  langsam  und 
nicht  anhaltend,  doch  beobachtete  ich,  wie  sie  unter  Anleitung  der  Alten 
schon  ins  Wasser  stürzten  und  kleine  Fische  herausholten. 

Von  Mitte  August  an  verschwinden  die  Seeschwalben  aus  dem  Innern 
Islands  und  begeben  sich  an  die  Küsten,  verlassen  aber  auch  diese  schon  Ende 


250  Tlialassogoron  chlororhynchos. 

August  oder  Anfang  September,  um  sich  milderen  Gegenden  zuzuwenden. 
Doch  werden  bis  Ende  September  noch  viele,  nach  Faber  besonders  junge 
Tiere,  die  angeblich  später  als  die  alten  fortziehen,  beobachtet.  Von  einem 
Überwintern  der  Vögel  an  den  isländischen  Küsten  habe  ich  nichts  gehört. 
Unter  der  großen  Menge  der  Seeschwalben  auf  Grimsey  bemerkte  ich 
Ende  .Tuni  2  oder  3  Exemplare  in  reiner  Wiutertracht. 

Sterna  hirundo  L. 

Flußseeschwalbe. 

Sterna  hirundo  L.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  420  (1862).  —  Sterna 
ftuviatilis  Xaum.:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  417  (1863).  —  Sterna  hmindo: 
Riemschueider,  Ornithol.  Monatsschrift  XXI,  S.  244  und  340  (1896). 

Sterna  hirundo,  h.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  591  (1877).  —  Sterna  ftuviatilis, 
Naum.:  Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  54  (1896).  —  Sterna  hirundo  L.: 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  128  (1903). 

Isländisch:  Arkria  (ä  —  Fluß). 

Das  Vorkommen  von  Sterna  hirundo  in  Island  ist  durch  kein  Belegexemplar 
verbürgt.  Diese  Art  meidet  auch  im  allgemeinen  den  offenen  Ozean  und  hält  sich 
lieber  an  Landgewässern  auf.  Sie  ist  eine  atlantische  Spezies,  die  in  Amerika  bis 
Labrador,  auf  dem  Festlande  Europas  höchstens  bis  zum  Polarkreise  nordwärts  brütet. 
Großbritannien  bewohnt  sie  stellenweise  ziemlich  häufig,  nördlich  davon  aber  konnte 
sie  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt  werden.  Ebenso  beruhen  die  Angaben  über  ihr 
Auftreten  im  südlichen  Grönland,  im  Gebiete  der  Franklin-  und  Liverpool-Bai  wahr- 
scheinlich auf  Verwechslung  mit  St.  niacrura. 

Faber  betont,  daß  in  Island  nur  eine  Seeschwalbenart  vorkäme,  die  er  freilich 
St.  hirundo  L.  nennt,  jedoch  ausdrücklich  mit  Naumanns  St.  macrura  identifiziert. 
Baring-Gould  glaubt,  den  Vogel  im  Sommer  1858  am  l'ingvallavatn  angetroffen  zu  haben, 
doch  bezweifelt  dies  der  Berichterstatter  Newton  selbst.  Riemschueider  und  andere 
bringen  ebensowenig  Beweismaterial  für  ihre  Vermutung.  Ich  habe  trotz  besonderer 
Aufmerksamkeit  keine  Flußseeschwalbe  in  Island  entdecken  können,  halte  freilich  ihr 
gelegentliches  Vorkommen  daselbst  nicht  für  ausgeschlossen. 

Sterna  dougalli  Mont. 

Paradiesseeschwalbe. 

Sterna  dougalli:  Pearson,  Ibis,  p.  248  (1895). 

Sterna  dougalli,  Mont.:  Saunders,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  70  (1806).  — 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  S.  164  (1903). 

Sterna  dougalli  ist  eine  atlantische  Spezies,  die  kaum  nördlich  des  56.  Grades 
brütend  angetroffen  wurde.  Pearson  schreibt,  P.  Nielsen  habe  ein  Exemplar  der  Art 
in  der  Nähe  von  Reykjavik  erlegt.  Auf  meine  diesbezügliche  Anfrage  teilte  mir  Herr 
Nielsen  mit,  daß  dies  nicht  der  Wirklichkeit  entspräche,  er  niemals  den  Vogel  gesehen, 
noch  weniger  aljcr  geschossen  habe.  Ich  muß  deshalb  die  in  Frage  kommende  Mit- 
teilung für  einen  Irrtum  halten. 

24.  Thalassogeron  chlororhynchos  (Gm.). 

Buntschuäbliger  Albatros. 

Diomedea  chlororhynchos,  Temm. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  582  (1877).  — 
Diouiedea  culmhiata  Gould:  Gröndal,  islenzkt  fuglatal,  bis.  45  (1895),  berichtigt  in 
Diomedea  chlororhynchns :  Ornis  XI,  p.  455(1901).  —  Diomedea  {melanophrys,  Boie): 
Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  145  (1901). 


Fulmarus  glacialis  glacialis.  251 

Thalassogeron  chlororhynchos  (Gniel.):  Salvin,  Cat.  ßirds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  451 
(1896).  —  Naumann,  Vügel  JVIittelcuropas  XII,  S.  7  (1903). 

Isländisch:  (Seinerzeit)  Fuglköngur,  Siilaköngur  (=  Sulakönig). 

Diese  Art  ist  eine  Bewohnerin  der  südlichen  Hemisphäve.  Ihr  Vor- 
kommen in  p]iiropa  wird  nur  durch  unsern  isländischen  Fall  belegt.  In  den 
vierziger  Jahren  des  vorigen  Jahrliunderts  nämlich  siedelte  sich  auf  dem 
Sülasker  (Vestmanuaeyjar)  ein  einzelnes  Exemplar  unserer  Albatrosart  an 
und  zeigte  sich  mehrere  Sommer  hindurch,  den  Bewohnern  als  „Yogelkönig" 
bekannt.  1846  wurde  es  erlegt  und  nach  Kopenhagen  gesandt,  wo  sich 
nur  das  Ökelett  aufbewahren  ließ.  Dieses  befindet  sich  noch  jetzt  im 
Zoologischen  Museum  daselbst.  Herluf  Winge  hat  es  nochmals  genau  unter- 
sucht und  war  so  liebenswürdig  mir  mitzuteilen,  daß  ein  Zweifel  bezüglich 
der  Artzugehörigkeit  nicht  bestehen  könnte. 

25.  Fulmarus  glacialis  glacialis  L. 

Eissturmvogel. 

Frocellaria  glacialis  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  107  (1822).  —  Procellaria 
glacialis  L.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  415  (1862).  ■ —  Newton,  in  Baring- 
Goulds  Iceland,  p.  419  (1863).  —  Fulmarus  glacialis  (L.):  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis. 
45  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  140  (1901). 

Fulmarus  glacialis  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  579  (1877).  —  Salvin, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  425  (1896).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  141  (1898).  — 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  12  (1903). 

Isländisch:  Fylüngur,  F^lungi,  Fylingur  (auch  mit  11  geschrieben),  F^''!!  (fyl, 
füll  =  faul,  übelriechend,  nach  dem  auffälligen  Trangeruche  des  Vogels;  ungur  etc. 
etymologisch  verwandt  mit  Junges  in  der  Bedeutung  von  Nachkomme),  nach  der  Hallfreds 
Saga  Fülmär  (mär  =  Möve),  auch  jetzt  noch  gebräuchlich. 

Deutsch,  engl.,  franz.  gleichfalls:  Fulmar. 

Fulmarus  glacialis  glacialis  bewohnt  das  Eismeer  und  einige  benachbarte  Gebiete 
im  Nordatlantischen  Ozean,  etwa  von  der  Baffins-Bai  bis  Nowaja  Semlja.  Doch  ist 
nicht  entschieden,  wo  seine  Verbreitungsgrenzen  mit  denen  des  pazifisch  -  arktischen 
F.  g.  rodgersii  Cass.  zusammenstoßen.  Im  Atlantischen  Ozean  brütet  unser  Vogel  auf 
St.  Kilda,  seit  1878  auf  den  Shetland- Inseln,  seit  1839  auf  den  Färöern  (Hartert  & 
Rothschild).  Den  nördlichen  Teil  Westgrönlands,  etwa  vom  69.  Grade  an,  bewohnt 
er  recht  häufig,  doch  kennt  man  auf  der  Ostseite  noch  keine  sicheren  Brutplätze. 
Solche  liegen  aber  auf  Mevenklint,  Jan  Mayen,  der  Bären -Insel,  Spitzbergen,  Franz- 
Joseph-Land  und  Nowaja  Semlja.  Schalow  vermutet,  daß  diese  Art  möglicherweise 
bis  zu  den  Neusibirischen  Inseln  ostwärts  reiche.  Nordwärts  sah  Nansen  ein  Exemplar 
noch  unter  85<*  5'  n.  Br.,  südlich  scheint  sich  der  Vogel  auch  im  Winter  wenig  von  den 
Brutgebieten  zu  entfernen. 

In  Island  gehört  Fnhnarxis  glacialis  zu  den  häufigen  BrutvÖgeln. 
Er  bewohnt  die  oberen  Teile  der  meisten  bedeutenden  Vogelberge,  besonders 
wenn  diese  auf  isolierten  Klippen  weit  draußen  im  Meere  liegen.  Seine 
Verbreitung  erstreckt  sich  auf  alle  isländischen  Küsten,  wenngleich  die  Zahl 
seiner  Brutkolonien  eine  beschränkte  ist.  In  größter  Menge  bewohnt  er  die 
Vestmanuaeyjar,  in  geringerer  Anzahl  den  Vogelberg  bei  Krisuvik,  den 
Hafnirbjarg  (SW.),  Ldtrabjarg  (W.)  und  Hornbjarg  (NW.),  Grimsey  und  die 
Mänäreyjar  (N.),  Klippen  bei  Djüpivogr  (0.)  usw.  Auch  trifft  man  zu  allen 
Jahreszeiten  nicht  brütende  Eissturmvögel  auf  den  isländischen  Meeren.    Ich 


252  Fulmarus  glacialis  glacialis. 

fuhr  am  18.  Mai  nicht  weit  von  Cap  Nord  bei  einem  Wal  Schlepper  vorbei, 
der  3  Beutetiere  nach  sich  zog.  die  von  Hunderten  von  Vögeln,  ganz 
besonders  unsrer  Art.  umgeben  und  besetzt  waren.  Der  Eissturmvogel  ist 
neben  der  Dreizehenmöve  der  häufigste  Begleiter  des  isländischen  Seefahrers. 

Unsere  Art  zeigt  eine  hellere  und  eine  dunklere  Färbungsphasc,  zwischen  denen 
sich  aber  Übergänge  finden.  Inwieweit  diese  individuell  oder  nach  Alter  und  Jahres- 
zeit wechseln,  muß  noch  genauer  untersucht  werden.  Zweifellos  geht  die  Mauser  der 
Vögel  sehr  langsam  vor  sich.  Ich  fand  nicht  nur  beim  Abbalgen  im  Juni  überall 
verstreut  einzelne  frische  Kiele,  sondern  auch  äußerlich  teilweise  unsymmetrische  braune, 
helle  oder  selbst  weiße  Flecken  der  Oberseite,  die  durch  verschieden  alte  Federn  hervor- 
gerufen wurden.  Auf  Grimsey  sieht  man  recht  dunkelfliiglige  Exemplare.  Doch  stimmen 
meine  Beobachtungen  an  vielen  Hunderten  von  Eissturmvögeln,  die  ich  besonders  an 
der  Westküste,  am  Hornbjarg  und  auf  Grimsey  aus  nächster  Nähe  betrachtete,  nicht 
mit  den  Angaben  von  Hartert  und  Rothschild  (Naumann  XII,  S.  14,  Anm.)  überein, 
daß  in  Island  Vögel  mit  dunkler  Unterseite  vorwiegend  gefunden  würden.  Ich  muß 
im  Gegenteil  versichern,  daß  fast  alle  der  von  mir  beobachteten  Brutexemplare  rein 
weiße  Unterseite  besaßen,  die  höchstens  an  den  Seiten  ein  wenig  in  Grau  überging. 
Freilich  verunreinigt  unsre  Art  ihr  Gefieder  sehr  häufig  mit  Tran,  ja  bei  gefangenen 
Vögeln,  die,  sobald  die  Schlinge  ihren  Hals  einschnürt  und  der  Fänger  sie  erfaßt,  die 
gelbe  Flüssigkeit  herauswürgen,  sieht  man  unter  Dutzenden  kaum  ein  tadellos  sauberes 
Exemplar.  Dieses  Ol  läßt  sich  auch  frisch  schwer  entfernen.  —  Die  Färbung  des 
Schnabels  variiert  bei  Grimseyer  Vögeln  sehr,  vielfach  ist  nur  die  Spitze  gelb,  oft  aber 
auch  der  übrige  Teil  samt  den  Nasenröhren  wenigstens  hell  und  dunkel  marmoriert. 
Exemplare  mit  rein  gelbem  Schnabel  sah  ich  allerdings  nicht.  —  Die  Größe  der  ^'ögel 
variiert  gleichfalls  so  bedeutend,  daß  einem  dies  selbst  im  Leben  bei  dicht  zusammen- 
fliegenden Individuen  mitunter  auffällt. 

Ein  von  mir  auf  Grimsey  präpariertes  (5  ad.,  sichrer  Brutvogel  (Brutfleck),  zeigt 
folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  c.  1  kg.  Gesamtlänge  i.  FL:  c.  480  mm.  Flügel:  321. 
Schwanz:  153.  Flügel -(- Schwanz :  c.  20.  Sehnabel:  40.  Tarsen:  55.  Mittelzehe  inkl. 
der  13  mm  langen  Kralle:  74  mm.  —  Iris:  dunkelgrauschwarz.  Füße:  äußere  Seite 
graubräunlich,  silberweiß  übeiflogen  (bei  jüngeren  Vögeln  oft  nur  braun),  innere  Hälfte 
mehr  gelblich. 

Der  Eissturmvogel  ist  unter  normalen  Witterungsverhältnissen  auch  in 
Nordisland  Standvogel,  der  freilich  außerhalb  der  Brutzeit  weiter  als  .sonst 
in  der  Nachbarschaft  umherstreift,  wobei  er  aber  selten  in  die  Buchten 
kommt.  Inwieweit  die  im  Winter  vielleicht  südwärts  wandernden  Vögel 
durch  nordische  Gäste  ersetzt  werden,  ist  schwer  zu  ermitteln.  Sobald  im 
Frühjahr  die  Sonne  wärmer  zu  scheinen  beginnt  und  der  Schnee  verschwindet, 
nähern  sich  die  Eissturmvögel  den  Brut  fei  sen.  Dies  geschieht  im  Südlande 
meist  Mitte  März,  im  Norden  Anfang  April.  Sie  wählen  als  Niststätte 
möglichst  geschützte  Nischen  und  höhlenartige  Längsspalten,  was  bei  dem. 
frühen  Anfang  des  Fortpflanzuugsgeschäftes  unbedingt  nötig  ist,  Da  ihnen 
aber  zu  dieser  Zeit  die  Dreizehenmöven  und  andere  Felsenvögel,  mit  denen 
sie  das  Wohngebiet  häufig  teilen,  noch  nicht  im  Wege  sind,  können  sie  in 
Ruhe  die  besten  Plätze  für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Auf  Grimsey  brüten 
viele  im  obersten  Teile  der  Felsen,  stellenweise  nur  wenige  Meter  unterhalb 
des  Plateaus.  In  Reihen  zu  10—20  Stück  sieht  man  sie  später  auf  ihrem 
Neste  sitzen,  jedoch  selten  eng  beieinander.  Als  Unterlage  für  ihr  Ei  finden 
sie  liier  weiche,  feine  Erde,  in  welcher  zur  Sommerzeit  am  Außenrande  der 


Fulmarus  glacialis  glacialis.  153 

schattigen  Höhlen  Cocblearia  groenlandica  und  andere  Pflanzen  wuchern,  die 
den  brütenden  Vögeln  gelegentlich  auch  als  Nahrung  dienen. 

Faber  und  andere  Beobachter  versichern,  der  Eissturmvogel  lege  sein 
Ei  stets  auf  den  nackten  Stein  oder  die  bloße  Erde.  Auf  Grimsey  ist  dies 
durchaus  nicht  immer  der  Fall,  sondern  viele  Paare  bauen  hier  ein  wirkliches 
Nest,  das  breit  und  flach  ist  und  sich  von  dem  weit  höheren  der  Dreizehen- 
möve  vorteilhaft  durch  seine  Sauberkeit  uutersclieidet.  Ob  das  reichliche 
Vorhandensein  von  Pflanzen  in  unmittelbarer  Nähe  des  Nistplatzes  Veranlassung 
hierzu  gibt,  ist  nicht  ausgeschlossen.  Die  Ablage  des  einen  weißen  Eies, 
das  zwar  sehr  bald  von  Tran  und  sonstigen  Fremdstoff"en  Flecken  bekommt, 
an  dem  jedoch  natürliche  Punkte  äußerst  selten  sein  mögen,  erfolgt  mitunter 
Mitte  April  (Prodromus,  S.  108),  gewöhnlich  aber  erst  Anfang  bis  Mitte  Mai. 
Ausnahmsweise  findet  mau  frische  Eier  auch  noch  im  Juni. 

Die  Maße  einiger  Ende  Juni  von  mir  auf  Grimsey  präparierter  stark  bebrüteter 
Exemplare  stellen  sich  wie  folgt:  78x51,5  mm  (8,4  g).  77x50  (9,5).  75,5x53 
(9.7).  75x50,5  (8,7).  74x53  (9,1).  74x51,5  (7,8).  73x50,5  (7,8).  72,5x52 
(7,4).  71,5  X  51  (8).  71  x  52  (8,6).  69,5  x  53  (8).  66  x  51,5  (6,9).  Ein  Zwergei  ohne 
Dotter  vom  15.  Juni:  35,8x32,2  mm  (Gewicht  voll  20  g,  leer  2,5  g).  —  Normale  Eier 
wiegen  voll  88 — 117  g.  Dotter  blaßgelb.  Des  eigentümlichen  Moschusgeruchs  halber 
werden  die  Eier  nicht  gegessen. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  außerordentlich  fest,  das 
Männchen  besonders  in  der  Nacht,  das  Weibchen  am  Tage.  Trotzdem  das  Ei 
fast  nie  verlassen  wird  und  an  dem  Brutflecke  liegend  vor  allen  Schädigungen 
des  Wetters  wohl  geborgen  ist,  entwickelt  sich  der  Embryo  doch  außer- 
ordentlich langsam,  wozu  vielleicht  die  geringe  Wärmeabgabe  der  fetten 
Bruttiere  den  Grund  bildet.  Mit  6  Wochen  ist  die  Brutdauer  gewiß  nicht 
zu  lange  angegeben,  doch  behaupten  die  Bewohner  Grimseys,  daß  sie  sich 
auch  auf  7  Wochen  ausdehne.  Übereinstimmenden  Angaben  zufolge  findet 
man  die  langflaumigen  Duneujungeu  selten  vor  Anfang  Juli,  trotzdem  die 
alten  Vögel  kaum  beim  Brüten  gestört  werden.  Ich  sah  die  ersten  auf 
Grimsey  am  10.  Juli.  Sie  lassen  in  ihrer  Färbung  schon  das  Alterskleid 
erkennen.  Beide  Vögel  des  Paares  füttern  sie  anfänglich  scheinbar  nur  mit 
Tran,  den  sie  ihnen  ziemlich  selten  am  Tage  nach  Art  der  Tauben  in  den 
Schlund  würgen.  Später  bringen  sie  auch  fette  Fleischabfälle,  Medusen  und 
andere  Seetiere. 

Das  Familienleben  der  Eissturmvögel  geht  ziemlich  still  vor  sich.  Mit 
ihrem  ruhigen,  aber  bewunderungswürdig  sicheren  Fluge  umschweben  die 
Alten  die  Nistgegeud  und  zeigen  sich  auch  bei  stürmischem  Wetter  als 
vollkommene  BeluMTScher  der  'Lüfte.  Sie  setzen  sich  außerhalb  des  Nestes 
selten  auf  die  Erde,  docli  schwimmen  sie  häufig.  Eine  Stimme  hört  man 
von  den  wenig  lebhaften,  gleichmütigen  Vögeln  nicht  allzu  oft,  am  meisten 
noch  ein  schwaches  Gägä  gäk,  am  Neste  auch  ein  schnarrendes  Grrr..., 
in  der  Luft  ein  erregtes  Grab,  Gra. 

Bekannt  ist  die  Eigentümlichkeit  der  größeren  Jungen,  wie  auch  der 
gefangenen  Alten,  dem  nahenden  Feinde  ein  hellgelbes,  klares  Öl  aus  dem 
Schnabel  entgegenzuspritzen,  was  sie  mehrmals  hinter  einander  tun  können. 


ig4  Puffiniis  piiffinus. 

Werden  die  fetten,  wohlschmeckenden  Tiere  nicht  vorher  ausgenommen  und 
getötet,  sind  sie  nach  etwa  2  Monaten  flugbar.  Sie  verlassen  nun  in 
Begleitung  der  Alten  den  Nistplatz  und  suchen  selbst  ihre  Nahrung,  was 
in  der  Regel  Anfang  bis  Mitte  September  geschieht.  Zuerst  schwimmen 
sie  viel  auf  dem  Meere,  später  wird  die  Luft  ihr  Hauptaufenthalt.  In 
Scharen  folgen  sie  den  Wal-,  Haifisch-  und  Dorschfängern,  gegen  die  sie 
geringe  Scheu  zeigen. 

Der  eigentümliche  Moschusgeruch  des  Eissturmvogels,  der  ihm  den 
Namen  Fulmar  eingebracht  hat.  haftet  Eiern,  Fleisch  und  Federn  fast  unver- 
gänglich an.  Letztere  stehen  deshalb  trotz  ihrer  Güte  nicht  hoch  im  Preise. 
Ich  hatte  auf  Grimsey  das  Vergnügen,  ein  damit  ausgestopftes  Bett  zur 
Benutzung  zu  erhalten  und  konnte  so  den  sonderbaren  Geruch  zur  Genüge 
studieren.  Die  sagcnliafte  Verwendung  der  überaus  fetten  Jungen,  nach 
Einstecken  eines  Dochtes  in  den  Schlund,  als  Beleuchtungsraaterial  wird 
von  Benedikt  Gröndal  als  allgemein  isländische  Sitte  auch  für  die  alten 
Zeiten  entschieden  zurückgewiesen. 

26.  Puffinus  pufflnus  (Brunn.). 
Arktischer  Sturnitaucher. 

Puffinus  arcticus  (mihi) :  Faber,  Prodromus,  S.  56  (1822).  —  Puffinus  anglorum 
Raj-:  Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  415  (1862).  —  Puffinus  anglorum  (Temm.) : 
Newton,  in  Baring-Goulds  Icciand,  p.  419  (1863).  —  Puffinus  arcticus  Fabr. :  Gröndal, 
islenzkt  fufrlatal,  bis.  46  (1895).  —  Puffinus  anglorum  (Ray):  Slater.  Birds  of  Iceland, 
p.  143  (1901).  —  Puffinus  puffinus  (Brunn.):  ßachmann,  ürnithol.  Monatsschrift  XXVII, 
S.  26  (1902). 

Puffinus  anglorum,  Ray:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  577  (1877).  —  Puffinus 
anglorum  (Ray):  Salvin,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  377  (1896).  —  Puffinus  anglorum 
(Temm.):  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  139  (1898).  —  Puffinus  puffinus  {ßrmin.):  Nau- 
mann, Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  26  (1903). 

Isländisch:  Skrofa,  litla  (=  kleine)  Skrofa  (wahrscheinlich  vom  altisländischen 
skrapa  =  ueuisländisch  grafa  =  dänisch  skrabc  =  schaben,  graben). 

Auch  dän. :  Skrofe,  Skraape.     Norw. :    Skrape,   Skraap.     Fär. :    Skräpur,  Skrabe. 

Puffinus  puffinus  scheint  nur  in  einem  kleinen  Teile  des  Nordatlantischen  Ozeans 
zu  brüten,  außerhalb  Islands  auf  den  Färöern  und  Orkney-Inseln,  St.  Kilda  und  einigen 
andern  Hebriden,  sowie  auf  verschiedenen  Gestadeinseln  an  der  schottischen,  englischen 
und  irischen  Küste.  Wie  weit  er  südwärts  noch  als  Brutvogel  vorkommt,  ist  ungewiß, 
zumal  sich  ältere  Angaben  vielfach  auf  verwandte  Spezies  beziehen.  Von  den  Brut- 
plätzen aus  streichen  die  noch  nicht  fortpflanzungsfähigen  jüngeren  Vögel  während  des 
ganzen  .lahres,  die  älteren  außerhalb  des  Sommers  weit  umher,  wie  dies  scheinbar  alle 
Puffinus-Xrtcn  tun.  Sie  zeigen  sich  dann  nach  Dresser  an  den  Küsten  von  Norwegen, 
Schweden,  Däuemark,  Deutschland  und  Holland,  selbst  von  Nordwestafrika,  den 
Kanarischen  Inseln  und  Madeira,  auch  an  den  atlantischen  Küsten  Amerikas  bis  hinab 
nach  Brasilien.  Doch  werden  von  diesen  Örtlichkeiten  keine  Brutplätze  angegeben. 
In  Südgrönland  ist  unsere  Art  nach  Winge  nur  einmal  erlegt  worden. 

In  Island  brütet  der  Sturmtaucher,  soweit  bekannt,  nur  in  einigen 
Kolonien  auf  den  Vestmannaeyjarn,  besonders  auf  Ystaklett  im  Norden  von 
Heimaey.  An  den  übrigen  Küsten  wird  er  bloß  gelegentlich  beobachtet, 
zumal  er  als  vollkommener  Meerbewohner  sich  diesen  selten  nähert.  Herr 
P.  Nielsen  schrieb  mir  freilich,   daß   ihm   erzählt  worden  sei,    eine  Kolonie 


Puf'finus  puffinus.  155 

des  Vogels  befände  sich  bei  Cap  Nord.  Icli  sali  auch  wirklich  nicht  weit 
vom  Hornbjarg  eiu  einzelnes  Exemplar  unsrer  Art,  das  ich  allerdings  nur 
für  einen  zufälligen  Besucher  der  Gegend  hielt,  zumal  gerade  zahlreiche 
Walfänger,  denen  die  Vögel  gern  folgen,  in  der  Nähe  kreuzten.  Immerhin 
ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  die  ornithologische  Untersuchung  dieses  vielleicht 
größten  Vogelbcrges  Islands  auch  für  Puffmus  pufßnns  eine  ganz  auffällige 
Erweiterung  seines  uns  jetzt  ])ekimnten  Verbreitungsgebietes  nach  Norden 
liedeutet.  Gröndal  schreibt  zwar  ebenfalls  (Ornis  II,  S.  369)  und  ihm  nach 
wahrscheinlich  Slater  (1.  c),  unsere  Art  brüte  hin  und  wieder  an  der  Nord- 
und  Westküste  Islands,  doch  scheint  er  dies  nur  zu  vermuten. 

Da  ich  leider  nicht  Zeit  fand,  die  Brutplätze  der  Sturmtaucher  auf 
den  Vestmannaeyjarn  zu  besuchen,  berichte  ich  in  Kürze  die  Beobachtungen 
anderer,  unser  Vogel  erscheint,  wie  mir  )).  Jönsson  schrieb,  in  der  ßegel 
zwischen  dem  15.  und  25.  März  bei  den  Inseln,  also  in  derselben  Zeit  wie 
Fnhiuirus  glacialis.  Im  April  beginnt  er  mit  dem  Nestbaue.  Er  gräbt 
mit  Krallen  und  Schnabel  über  metertiefe,  wagerechte  Gänge  in  das  Erd- 
reich, dicht  unter  der  grasbewachsenen  Oberfläche  oder  an  Abhängen.  Diese 
Bohren  unterscheiden  sich  nach  Alf  Bachmann,  der  eine  Nacht  auf  Ystaklett 
zubrachte  (Ornithol.  Monatsschrift  1902,  S.  27).  in  ihrer  Beschaffenheit  nicht 
von  denen  der  Papageitaucher,  kennzeichnen  sich  jedoch  durch  den  eigen- 
tümlichen Moschusgeruch  unsrer  Art.  Das  erweiterte  Ende  des  Ganges 
wird  mit  Halmen  und  andern  Pflanzenstoffen,  wohl  auch  mit  einigen  Federn 
ausgefüttert.  Die  Ablage  des  einen  Eies  scheint  zu  recht  verschiedener 
Zeit  zu  erfolgen.  Faber  nennt  als  Regel  Anfang  Mai  (Okens  Isis  1824,  S.  783), 
Bachmaun  fand  am  30.  Juli  noch  ein  frisches  Ei,  auf  dem  der  alte  Vogel 
saß,  dann  eiu  im  Ei  zerdrücktes  Junges  (in  diesem  Neste  2  alte  Vögel) 
und  zweimal  ein  etwa  dreiwöchiges  Junges  mit  je  einem  Alten.  Dr.  Ottoßon 
(Lenhofda)  bezeichnete  mir  als  Sammeltermin  für  6  seiner  isländischen  Eier 
den  8. — 24.  Mai,  P.  Nielsen  als  Eegel  für  die  Ablage  Ende  Mai.  Jeden- 
falls benutzen  manche  Vögel  die  vorjährige,  ausgebesserte  Nisthöhle  und 
legen  in  solchen  Fällen  schon  zeitig  im  Frühjahre,  andere  graben  eine 
neue,  was  Wochen  in  Anspruch  nimmt  und  das  Brutgeschäft  erheblich  ver- 
zögert. Die  Eier  variieren  nach  Nielsen  etwa  zwischen  56x38  und  68x45  mm. 
Wahrscheinlich  brüten  beide  Vögel  des  Paares.  Faber  ergriff  aber  nur 
Männchen  auf  dem  Neste  (Prodromus,  S.  56),  und  Kolthoff  und  Jägerskjöld 
heben  sogar  ausdrücklich  hervor  (Nordens  Fäglar,  S.  299),  daß  sie  nur  bei 
männlichen  Individuen  Brutflecken  gefunden  hätten.  Die  Brutdauer  beträgt 
etwa  einen  Monat.  Nielsen  bezeichnet  als  Haupttermiu  des  Auskommens 
der  Jungen  Ende  Juni.  Die  schiefergrauen  Dunen  derselben  sind  lang 
und  ül)eraus  weich.  Die  Tierchen  benehmen  sich  nach  Bachmann  äußerst 
unbeholfen,  scheuen  das  Licht  und  wühlen  sich  sofort  mit  dem  Kopfe  in  die 
Erde,  wenn  man  sie  im  Freien  hinsetzt.  Sie  werden  6—7  Wochen  hindurch 
von  beiden  Alten  gefüttert,  zunächst  wahrscheinlich  mit  grauem  Tran,  den 
die  Jungen  mitunter  auch  einem  nahenden  Feinde  eutgegenspritzen.  Diesen 
bekommen  sie  in  den  geöffneten  Schnabel  gewürgt.     Später  bringen  die  Alten 


156  ruthnus  gravis. 

kleine  Fische  und  andere  Seetiere.  Holen  die  Bewolmcr  die  fetten  und 
zarten  Jungen  nicht  Anfang  August  mit  Haken  aus  den  Höhlen  und  töten 
sie,  so  verlassen  die  Vögel  Ende  August  bis  Mitte  September  das  dunkle 
Erdinnere  in  völlig  befiedertem  Zustande.  Nacli  den  Angaben  Jönssons 
werden  aber  einzelne  Junge  erst  Ende  September  flügge.  Sie  begeben  sich 
nun  in  Begleitung  der  Alten,  spätestens  Mitte  Oktober,  auf  das  Meer,  ent- 
fernen sich  von  den  Küsten,  sollen  jedoch  gelegentlich  auch  im  Winter  in 
der  Nähe  von  Island  gesehen  werden. 

Unsere  Sturmtaucher  sind  weit  melir  Nacht-  als  Tagvögel,  wenigstens 
in  der  nie  wirklich  tinstern  Fortpflanzungszeit.  Mit  beginnender  Dämmerung 
werden  sie  lebendig,  sitzen  dagegen  am  Tage  oft  still  vor  oder  in  ihren 
Höhlen.  Bachmann  bericlitet  (1.  c,  S.  26),  daß  die  Vögel  in  der  Nacht  einen 
auffälligen  Balzflug  ausführen,  wobei  sie  fortgesetzt  vom  Boden  senkrecht 
bis  zu  einer  Höhe  von  etwa  20  Metern  auf-  und  absteigen.  Dabei  rufen 
sie  in  Kehltönen  ein  lebhaftes  Kekkekuäu.  Doch  scheinen  diese  lärmenden 
Laute  nach  andern  Beobachtern  ziemlich  zu  modulieren,  besonders,  wenn  sie 
viele  Vögel  zu  gleicher  Zeit  anstimmen.  Ich  vernahm  sie  niemals,  bewunderte 
aber  wiederholt  den  sonderbaren  Flug,  mit  dem  der  Sturmtaucher  dicht  über 
die  Wogen  hingleitet  und  sich  taumelnd  von  einer  Seite  auf  die  andere  legt. 
Auch  im  Schwimmen  und  Tauchen  ist  unser  Vogel  vollendeter  Meister. 

27.  Puffinus  gravis  (O'Reilly). 
Großer  Sturmtaucher. 

Puffinas  major  (mihi):  Faber,  Prodromus,  8.56(1822). —  Puffinus  m(iior¥ aber : 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nacli  Island,  S.  415  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Ic-elaud, 
p.  419  (1863).  ^  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  46  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  141  (1901). 

Puffinus  major,  Faber:  CoUiii,  Skandinaviens  Fugle,  S.  578  (1877).  —  Puffinus 
gravis  (O'Reilly):  Salvin,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  373  (1896).  —  Puffinus  major 
Faber:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  140  (1898).  —  Puffinus  gravis  (O'Reilly):  Nau- 
mann, Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  34  (1903). 

Isländisch:  Störa  (=  große)  Skrofa. 

Auch  dän.:  Stör  Skraape.     Norw.:  Stör  Skrui'e.     Für.:  Skrüpur. 

Die  Brutplätze  von  Puffinus  gravis  sind  zur  Zeit  noch  unbekannt,  die  Angaben 
über  sein  Brüten  im  Nordatlantik  wahrscheinlich  auf  Irrtum  beruhend.  Sclialow  (Die 
Vögel  der  Arktis,  S.  154)  und  andere  glauben,  man  habe  Eier  unserer  Art  in  AVest- 
grönland  gefunden,  doch  weiß  weder  Winge  noch  irgend  ein  anderer  Spezialkenner 
Grönlands  etwas  hiervon.  Kapt.  Johannes  Hansen  aus  Thorshavn  will  unsere  Art  1887 
auf  der  kleinen,  westlich  von  den  Hebriden  im  Ozean  gelegenen  Klippe  Rockall  brütend 
gefunden  haben  (Harvie-Brown ,  Proc.  Roy.  Phys.  Soc.  Edinburgh  XIII,  p.  69.  1895), 
doch  scheint  dies  auch  ein  Irrtum  gewesen  zu  sein.  Die  Untersuchungen  der  Genitalien 
verschiedener  Vögel,  die  in  nördlichen  Breiten  erlegt  wurden,  ergaben,  daß  die  Tiere 
außerhalb  der  Fortpflanzungsperiode  standen  (Hartert  &  Rothschild,  in  Naumann  XII, 
S.  34).  wobei  nur  zu  hoffen  ist,  daß  es  sich  nicht  um  jüngere  Individuen  handelte. 
Man  muß  wohl  annehmen,  wie  dies  Saunders,  Hartert  und  andere  tun,  daß  die  Brut- 
plätze von  Puffinus  gravis  im  südlichen  Teile  des  Atlantischen  Ozeans  liegen,  von  wo 
aus  er  nicht  nur  die  Südspitze  von  Afrika  uud  Südamerika  besucht,  sondern  auch 
außerhalb  der  FortpHanzungszeit,  also  im  nördlichen  Sommer,  weit  nach  Norden  streift. 
Unser  Vogel,  ein  vorzüglicher  Flieger,  Schwimmer  und  Taucher,  folgt  gern  den  Fischern 


Piiffinus  griseus.  j[57 

und  verzehrt  gierig  die  über  Bord  geworfenen  Abfälle.  Häufig  triift  man  ihn  an  den 
atlantischen  Küsten  Nordamerikas  bis  hinauf  nach  Westgrönland,  wo  er  besonders 
zwischen  63  und  eS'/a"  als  gewöhnlicher  Sommergast  bekannt  ist.  Gelegentlich  besucht 
er  auch  die  Färöer,  ausnahmsweise  nur  die  Küsten  Norwegens,  ziemlich  häufig  die 
Britischen  Inseln,  wo  z.  B.  Newton  70—100  Exemplare  gleichzeitig  beobachtete  (in  litt.). 

An  den  Küsten  Islands  ist  der  große  Sturmtaucher  gelegentlicher 
Sommer-  und  Herbstgast,  doch  sind  nur  dürftige  Nachrichten  über  sein 
Erscheinen  veröffentlicht.  Faber  beobachtete  ihn  nicht  selbst,  wohl  aber 
erzählten  ihm  mehrmals  Fischer  von  seinem  Vorkommen.  Außerdem  erhielt 
er  einen  Balg  aus  dem  Südlande  (Okens  Isis  1824,  S.  785),  nach  welchem 
er  1822  seineu  Fuffinus  major  aufstellte,  der  zweifellos  mit  der  schon  1818 
nach  einem  grönländischen  Exemplare  von  O'Reilly  (Greenl.  and  NW  Passage, 
p.  140)  beschriebenen  Frocellaria  gravis  identisch  ist.  Einen  weiteren  Balg 
aus  Island  sah  Faber  im  Berliner  Museum  (1.  c).  Mir  wm-de  auf  Grimsey 
von  der  Beobachtung  einer  Skrofa  erzählt,  die  nur  unsere  Art  gewesen 
sein  kann. 

Pufflnus  griseus  (Gm.). 
Dunkler  Sturmtaucher. 

Puffinus  griseus  (Gmel.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  142  (1901). 

Fuffinus  griseus  (Gmel.):  Salvin,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  386  (1896).  — 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  32  (1903). 

Isländisch:  Dökka  (=  dunkle)  Skrofa. 

Fuffinus  griseus  brütet  an  den  Küsten  Neuseelands,  der  Chatham-Inseln,  Snares 
und  anderer  benachbarter  Eilande.  Außerhalb  der  Fortpflanzungsperiode  (Brutzeit 
bes.  Februar),  jüngere  Individuen  vielleicht  auch  während  des  ganzen  Jahres,  schweift 
er  überaus  weit  umher  und  scheint  alle  nicht  arktischen  Meere  zu  besuchen,  da  man 
ihn  auf  beiden  Hemisphären  des  Atlantischen  und  Pazifischen  Ozeans  angetroffen  hat. 
Gelegentlich  kommt  er  bis  in  unsere  Gegenden  und  wurde  an  den  Küsten  Portugals, 
Frankreichs,  der  Britischen  Inseln  und  auch  bei  Helgoland  erlegt.  Ebenso  beobachtete 
man  ihn  bei  den  Färöern,  in  Grönland  aber  bis  jetzt  noch  nicht. 

Island  besucht  der  dunkle  Sturmtaucher  wahrscheinlich  auch  als 
seltner  Sommer- oder  Herbstgast,  doch  ist  zunächst  kein  Belegexemplar 
aus  jenen  Meeresteilen  bekannt.  Slater  glaubt  bestimmt,  unsere  Art  bei 
Island  gesehen  zu  haben,  zuerst  am  25.  Juli  1894  südlich  vom  Eskifjördr  (0.), 
dann  wenige  Tage  später  im  Axarfjördr  (NO.),  vielleicht  dasselbe  Exemplar, 

28.  Oceanodroma  leucorrlioa  (Vieill.). 
Gabelschwänzige  Sturmschwalbe. 

Frocellaria  Leachii  Temm. :  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  46  (1895).  —  Cymo- 
chorea  leucorrlioa  (Vieill.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  144  (1901).  —  Oceanodroma 
leucorrlioa  (Vieill.):  Bachmann,  Ornithol.  Monatsschrift  XXVII,  S.  26  (1902). 

Frocellaria  Leachii,  Temm. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  575  (1877).  — 
Oceanodroma  leucorrlioa  (Vieill.):  Salvin,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  348  (1896).  — 
Frocellaria  leucorrlioa  Vieill.:  Wiuge,  Grönlands  Fugle,  S.  138(1898).  —  Oceanodroma 
le^icorrhoa  (Vieillot):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XII,  S.  47  (1903). 

Isländisch:  Sjösvala  (=  Seeschwalbe),  Stora  (=  große)  Sjosvala, 


158  Occanodroina  leucorrhoa. 

Oceanodroma  leucorrhoa  bewohnt  sowohl  den  Nordatlantischen  als  auch  den 
Nordpazifischen  Ozean.  In  letzterem  brütet  sie  u.  a.  auf  Alaska,  den  Aleuten,  Kom- 
mandeur-Inseln  und  Kurilen,  an  der  amerikanischen  Küste  bis  Kalifornien  hinab, 
im  Atlantik  höchstwahrscheinlich  an  der  Westküste  Grönlands,  sicher  an  verschiedenen 
Stellen  von  Nurdamerika.  In  Europa  kennt  man  Brutplätze  unsrer  Art  auf  einigen 
Hebriden,  besonders  auf  Hona  und  St.  Ivilda,  sowie  auf  Tearaght,  einer  der  Blasket- 
Inseln  (Hartert  &  Rothschild).  Dagegen  besucht  sie  die  Färöer,  Britischen  Inseln, 
Holland  usw.  nur  gelegentlieh  außerhalb  der  Brutzeit;  im  Winter  scheint  sie  bis  zu 
den  Kanarischen  Inseln  südwärts  zu   wandern. 

In  Island  brütet  die  gabelscbwäuzige  Sturmscbwalbe  nacb  imseni 
heutigen  Kenntnissen  nur  auf  den  Vestmannaeyjaru  und  zwar  in  einigen 
hundert  Paaren,  teilweise  inmitten  einer  Kolonie  von  Fufjlnus  jyiijßiius,  auf 
der  Halbinsel  Ystaklett,  sowie  auf  einer  nördlich  davon  gelegeneu  Klippe. 
Dieser  IJrutplatz  scheint,  wenigstens  in  seiner  jetzigen  Größe,  erst  einige 
Jahrzehnte  vorhanden  zu  sein.  Der  vortreffliche  Faber,  der  im  Sommer  1821 
sechs  Wochen  lang  auf  Heimaey  wohnte  und  die  erwähnte  Kolonie  von 
Puf/inus  imffmus  auf  Ystaklett  genau  beschreibt  (Okens  Isis  1824,  S.  783), 
berichtet  nichts  von  unserm  Vogel,  ja  sagt  an  anderer  Stelle  ausdrücklich, 
es  sei  ihm  auf  seiner  ganzen  isländischen  Reise  Procellaria  Learkii  Temminck 
nie  vorgekommen  (1.  c,  S.  792).  Der  erste,  der  den  Brutplatz  in  der  Literatur 
anführt,  ist  Alf  ßachmann.  p]r  besuchte  ihn  im  Sommer  1900  und  beschriel) 
ihn  ausführlich  (1.  c).  Sonst  ist  auch  der  Vogel  selten  an  den  isländischen 
Küsten  gesehen  worden  —  Gröndal  erwähnt  ihn  nur  einmal  — ,  da  er  außer- 
halb der  Brutzeit  zum  vollkommenen  Meeresbewohner  wird. 

(5'  und  $  ad.  meiner  Sammlung,  Brutvögel  von  Ystaklett,  die  mir  Herr  Kreisarzt 
.Tönsson  nebst  andern  freundlichst  im  Fleisch  nach  Reykjavik  sandte,  zeigen  folgende 
Maße.  Gesamtlänge  i.  Fl. :  c.  213,  210  mm.  Flügel:  159,  157.  Schwanz:  98,95.  Flügel 
-j-  Schwanz:  18,  15.  Schnabellänge;  16,  16.  Schnabelhöhe  bei  den  Naseuröhren : 
6,5,  6,2.  Tarsen:  24,5,  23.  31ittelzehe  inkl.  der  5,5  und  5,2  mm  langen  Kralle:  26, 
25  mm.  —  Schnabel:  schwarz.     Füße:  dunkel  schwarzbraun. 

Unsere  Sturmschwalben  sind  auf  den  Vestmannaej-jarn  Zugvögel. 
Sie  nähern  sich  ihren  Brutplätzen  meist  zwischen  dem  20.  April  und  5.  Mai 
(Jönsson)  und  beginnen  alsbald  mit  dem  Baue  ihrer  Niströhre.  Diese 
unterscheidet  sich  nicht  wesentlich  von  solchen  des  Sturmtauchers,  ist  höchstens 
etwas  schmaler,  besitzt  aber  gleichfalls  den  charakteristischen  Moschusgeruch, 
der  ja  auch  Fleisch,  Federn  und  Eiern  des  Vogels  anhaftet.  Manche  Sturm- 
schwalben reinigen  nur  die  vorjährigen  Röhren  und  legen  dann  oft  schon 
Ende  Mai,  andere  graben  eine  neue,  was  Wochen  in  Anspruch  nimmt  und 
das  Brutgeschäft  außerordentlich  verzögert.  Die  Röhren  werden  nach  Bach- 
mauns  Untersuchungen  fast  immer  in  weichem  Boden  angelegt,  entweder 
am  grasigen  Plateau  oder  an  Abhängen,  führen  1 — Vj.^  m  tief  wagerecht  in 
die  Erde  und  erweitern  sich  am  Ende  höhlenartig.  Hierhin  bringen  beide 
Vögel  des  Paares,  die  auch  das  Graben  abwechselnd  vornehmen  sollen,  Gras- 
halme, Wurzelfasern  und  andere  Pfianzenstoffe,  legen  sie  lose  zu  einem 
Neste  zusammen  und  darauf  das  eine  Ei.  Dieses  wird  nach  verschiedenen 
mir  zugegangenen  Mitteilungen  gar  nicht  selten  erst  Mitte  bis  Ende  Juli 
erzeugt.     0.  Ottoßon   erhielt   z.  B.  Eier   seiner   Sammluno-  am   25.  7.  1892. 


Oceanodronia  leucorrboa.  159 

22.  7.  1894,  22.  7.  1895  und  25.  7.  1898.  Beim  Aumudeu  derartig  später 
Exemplare  darf  man  mitunter  wohl  un  Nachgelege,  nicht  aber,  selbst  wenn 
sie  frisch  sind,  an  eine  2.  Brut  denken. 

Die  anfäng-lich  fast  weißen,  später  rahnigelben  Eier  haben  sehr  oft  am  stumpfen 
Ende  einen  feinen  rötlichbraunen  Fleckenkranz.  '6  isländische  Exemplare  meiner  Samm- 
lung von  Anfang  Juni  1903  zeigen  folgende  Maße:  33,5  x  25  mm  (0,6  g).  31,5x24.2 
(0,5).  30,5x23  (0,5).  Von  Bachnuinn  gesammelte  Eier  messen  34x26  und  33x24  mm 
(Vollgewicht  5  g).     Nielsen  gibt  mir  als  Extreme  an  35x25,2  und  30x22,5  mm. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  und  so  fest,  daß  sie,  wenn 
man  ihre  Röhren  aufgräbt,  ohne  weiteres  erfaßt  werden  können.  Sie  drücken 
den  Brutfleck  auf  das  querliegeude  p]i  und  umschließen  es  darauf  mit  den 
Bauchfedern,  daß  man  oft  Vogel  und  Ei  zugleich  abhebt.  Die  Brutdauer 
scheint  ungefähr  5  Wochen  zu  betragen.  Das  graubraune  Dunen  junge 
wird  noch  länger,  etwa  6 — 8  Wochen,  von  den  Alten  gefüttert.  Diese 
würgen  ihm  anfänglich  grauen  Tran  in  den  Schlund,  wie  solchen  das  Tierchen, 
wenn  es  einige  Wochen  alt  ist,  auch  einem  etwaigen  Angreifer  entgegen- 
pustet. Später  bringen  die  Alten  kleine,  weiche  Seetiere  und  tranige  Fisch- 
abfälle. Das  Füttern  geschieht  nach  Jönssons  Angaben  niemals  bei  hellem 
Tage,  sondern  beginnt  erst  mit  Sinken  der  Sonne.  Unsere  Sturmschwalben 
zeigen  sich  ja,  wie  auch  die  Sturmtaucher,  nur  in  der  Dämmerung  wirklich 
lebhaft.  Das  Junge  scheut  ebenfalls  das  ungewohnte  Tageslicht  und  zieht 
eine  Nickhaut  über  die  Augen,  wenn  mau  es  ins  Freie  bringt.  Während 
der  Nacht  schnurren  die  alten  Vögel  wie  Katzen,  am  Tage  rufen  sie  ein 
lebhaftes  Uib.  Die  Dunenjuugeu  piepen,  wenn  man  sie  in  die  Hand  nimmt 
(Bachmann). 

Kaum  vor  Ende  August,  mitunter  auch  erst  im  Oktober,  verlassen 
die  nun  völlig  befiederten  Tiere  die  Nisthöhle,  begeben  sich  in  Begleitung 
der  Alten  auf  das  Meer  und  wählen  dieses  hinfort  zu  ihrem  Aufenthalte. 
Anfänglich  schwimmen  sie  viel,  später  aber  werden  sie  die  vorzüglichen 
Flieger,  die  scheinbar  auf  den  Wogen  hinschreitend  auch  im  Sturme  den 
entfesselten  Elementen  zu  widerstehen  vermögen.  Die  Mehrzahl  der  Vögel 
verschwindet,  wie  mir  Herr  Jöusson  schrieb,  zwischen  dem  15.  und  30.  September 
von  den  Vestmannaeyjarn,  einzelne,  wie  bemerkt,  erst  später.  Die  kälteren 
Monate  des  Jahres  verbringen  die  Sturmschwalben  auf  dem  freien  Ozean, 
in  der  Hauptsache  in  südlicheren  Breiten. 

29.  Procellaria  pelagica  L. 

Kleine  Sturmschwalbe. 

Procellaria  pelagica  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  110  (1822).  —  Thalassidroma 
pelagica  Vigors:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  415  (1862).  —  Thalassidroma 
pelagica  (Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  419  (1863).  —  Procellaria  pelagica 
(L.):  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  45  (1895).  —  Procellaria  pelagica,  Linn.:  Slater, 
Birds  of  Iceland,  p.  144  (1901). 

Procellaria  pelagica,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fuglo,  S.  573  (1877).  —  Salvin, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXV,  p.  343  (1896).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XU, 
S.  39  (1903). 


2(^Q  Procpllaria  pelagica. 

Isländisch:  Drudi  (nach  Gröndal  vielleicht  etymologisch  verwandt  mit  dem 
deutschen  Drude,  Druide,  d.  i.  ein  geisterhaftes  Wesen),  Litla  Sjosvala  (=  Kleine 
Seeschwalbe). 

Procdlaria  2>elagica  brütet  im  Gebiete  des  Nordatlantischen  Ozeans,  ziemlich 
selten  an  der  amerikanischen  Küste,  wo  sie  nur  bis  Ncu-Fundland  südwärts  vorkommt 
und  in  Grönland  ganz  unbekannt  ist,  häufiger  auf  Inseln  Westeuropas,  besonders  den 
Färöern,  Shetland-  und  Orkney- Inseln,  Hebriden,  au  den  westlichen  Küsten  von 
Schottland,  England  und  Irland,  auf  den  Normannischen  Inseln  und  an  der  Bretagne, 
nach  Hartert  &  Rothschild  sogar  im  westlichsten  Mittelmeer.  Außerhalb  der  Brutzeit 
hat  man  die  Vögel  südwärts  bis  zu  den  Bermuda-Inseln  und  Südafrika,  nordwärts  bis 
zu  den  Lofoten  angetrofifen. 

Ebenso  stellt  Island  wohl  eine  Nordorenze  für  das  Wandergebiet  der 
kleinen  Sturm  schwalbe  dar;  denn  bis  jetzt  kennt  man  sie  hier  nur  als 
gelegentlichen  Gast.  Freilich  glaubt  P.  Nielsen  (in  litt.),  der  Vogel  brüte 
in  geringer  Anzahl  auf  den  Vestmannaeyjarn,  weil  er  im  Sommer  1890  zwei 
Sturmschwalbeneier  von  dort  bekam,  die  nur  28x21  und  27x20  mm  Größe 
besitzen  und  hierin  denen  unsrer  Art  gleichen.  Ob  es  sich  jedoch  wirklich 
um  Eier  von  Procellana  pelagica  oder  nur  um  ausnahmsweise  kleine  Gelege 
von  Oceanodroma  lemorrhoa  handelt,  ist  mir  zweifelhaft.  Ausgeschlossen 
erscheint  allerdings  nicht,  daß  sich  gelegentlich  einzelne  Paare  der  kleinen 
Sturmschwalbe  unter  die  größereu  Verwandten  mischen  oder  wie  mir  Herr 
IJachmanu  als  seine  Vermutung  äußerte,  daß  auf  einer  schwer  zugänglichen 
Klippe  nördlich  von  Heimaey  sich  wirklich  eine  bisher  übersehene  Kolonie 
der  Vögel  befindet.  Herr  Kreisarzt  Jöusson,  der  auf  meine  Bitte  hin  noch- 
mals Umfrage  gehalten  hat,  teilte  mir  mit,  daß  ihm  und  den  Bewohnern 
nur  eine  Art  Sjosvala,  nämlich   Oceanodroma  leucoirhoa,  bekannt  sei. 

Die  wenigen  in  der  Literatur  verzeichneten  Beobachtungen  unsers 
Vogels  beziehen  sich  allerdings  auf  die  Umgebung  der  Vestraannaeyjar,  doch 
ist  dieses  Vorkommen  durch  die  Lage  der  bekannten  Brutplätze  zur  Genüge 
begründet.  Im  Kopenhagener  Museum  befindet  sich  ein  Balg,  der  am 
2.  Februar  1831  bei  den  Inseln  gesammelt  sein  soll.  Preyer  berichtet 
gleichfalls  von  seiner  Beobachtung  eines  Vogels  daselbst;  da  er  jedoch  in 
seinem  Verzeichnisse  Oceanodroma  leucoirhoa  gänzlich  unerwähnt  läßt,  ist 
eine  Verwechslung  der  Arten  nicht  ausgeschlossou.  Ich  sah  am  21.  April 
wenige  Seemeilen  östlich  von  Heimaey  eine  Sturmschwalbe,  deren  Schwanz 
mir  bei  wiederholter  Besichtigung  mit  dem  Glase  durchaus  gerade  erschien, 
doch  hielt  sich  der  Vogel  in  ziemlicher  Entfernung  vom  Schiffe.  Verschiedene 
sehr  zweifelliafte  Literaturangaben  (z.  B.  Ornith.  Monatsschr.  1902,  S.  13)  lasse 
ich  unerwähnt.  Von  einer  sicheren,  allerdings  auffälligen  Erbeutung  berichtet 
Gröndal  (1.  c).  Im  Juni  1885  wurde  nämlich  ein  verflogenes  Exemplar  von 
J'rocellaiia  pelagica  auf  einer  Wiese  bei  Uthlid  (in  der  Nähe  des  Geysirs), 
etwa  60  km  von  der  Küste  entfernt,  gefangen  und  dem  Berichterstatter 
gebracht,  der  es  seiner  Sammlung  einverleibte.  —  Zweifellos  darf  man  bei 
der  Nähe  der  bekannten  Brutplätze  unsrer  Art  ein  etwas  häufigeres  Erscheinen 
derselben,  als  vorstehende  Angaben  es  schließen  lassen,  wenigstens  in  Süd- 
und  Ost-Island,  vermuten. 


Siila  bassana. 


]G1 


30.  Sula  bassana  (L.)- 
Baßtölpel. 

Said  alba  (^reyci-;):  Faber,  Prodrouuis,  S.  84  (1822).  —  Sula  bassana:  Preyer  (& 
Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  414  (1862).  —  Sula  bassana  (Linnö):  Newton,  in  Baring- 
Goulds  Iceland.  p.  417  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  44  (1895).  —  Slater. 
Birds  of  Iceland.  p.  37  (1901). 

Sula  bassana  (L.) :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  703  (1877).  —  Ogilvie-Grant, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  425  (1898).  —  AVinge,  Grönlands  Fugle,  S.  245  (1898). 
—  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  XI,  8.  35  (1903). 

Isländisch:  Si'da  (wahrscheinlich  zusammenhängend  mit  Svala  =  Schwalbe), 
liafsüla  (=  Meersule). 

Anch  deutscii:  Sule.  Dan.:  Sule,  Havsule.  Norw. :  Sula,  Havsula.  Schwad.: 
Hafsula.    Finn.:  Suula.    Engl.:  Souler.    Auf  St.  Kilda:  Sulais.    Gäl.:  Sulaire.  Fär.:Sula. 

Suhl  bassana  bewohnt  den  Nordatlautischen  Ozean.  An  der  amerikanischen 
Küste  brütet  sie  nordwärts  kaum  über  den  50.  Breitengrad  hinaus,  ist  in  Grönland 
nur  als  seltener  Gast  in  der  Davis-Straße  beobachtet  worden  und  geht  im  Winter  bis 
zum  Golf  von  Mexiko  hinab.  In  Europa  liegen  ihre  Brutplätze  auf  einer  Anzahl  kleiner 
Inseln  in  der  Nähe  von  Schottland  und  Irland,  ferner  auf  St.  Kilda  und  den  Färöern 
(Myggenäsholm).  Von  hier  aus  streifen  besonders  die  jüngeren  Vögel  weit  umher, 
nordwärts  bis  zur  russischen  und  norwegischen  Eismeerküste,  südwärts  bis  Westafrika. 

In  Island  besitzt  der  Baßtölpel  seine  nördlichsten  Brutplätze,  von  denen 
aber  nur  drei  schon  seit  Fabers  Zeiten  größeren  Umfang  haben  mögen. 
Diese  liegen  im  Süden  auf  dem  Sülasker  (Vestmannaeyjar),  im  Südwesten 
auf  Eldey  und  im  Norden  auf  der  Hafsiilastapa  und  dem  gegenüberliegenden 
Teile  von  Grimsey.  Die  letztgenannte  Kolonie,  die  etwa  50 — 70  Paare  zählt 
uud  schon  im  Eismeere  liegt,  stellt  den  nördlichsten  bekannten  Brutplatz 
unsers  Vogels  dar  (Fig.  25).  Im  übrigen  wird  der  Baßtölpel  häufig  an  allen 
isländischen  Küsten  gesehen. 

Ein  von  mir  am  27.  Juni  1903  auf  Grimsey  präpariertos  (5  ad.,  sichrer  Brutvogel, 
zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  FL:  c.  3i/i  kg.  Gesamtlänge  i.  FL:  c.  980  mm.  Flug- 
breite: c.  1700.  Flügel:  510.  Schwanz:  350.  Schwanz  +  Flügel:  60.  Schnabel:  101. 
Tarsen:  64.  Mittelzehe  inkl.  der  19  mm  langen  Kralle:  112  mm.  —  Schnabel:  weißlich 
mit  durchschimmerndem  Schwarzgrau,  nach  der  Spitze  zu  hornfarben,  diese  selbst  durch- 
scheinend horngelblich.  Nackte  Stellen  am  Kopfe:  lebhaft  dunkel-schwarzblau.  Hing 
um  die  Augen:  himmelblau.  Iris:  gelblichweiß.  Füße:  dunkel  schwarzbraun,  auf  der 
Oberseite  jeder  Zehe  ein  erhabener  Streifen  hellgrüner  Schilder,  die  sich  in  der  Mitte 
<ier  Tarsen  vereinigen.  —  Haut  dick  und  weich,  vollständig  besetzt  mit  neuen  Feder- 
kielen, die  1 — 3  cm  aus  der  Unterseite  dos  Balges  hervorragen,  Zwischenräume  mit 
schwammigem  Fett  ausgekleidet.  Mageninhalt:  Außer  halbverdauten  2  guterhaltene 
Fische  von   16  und   18  cm  Länge. 

Der  Baßtölpel  ist  im  Südeu  Islands  in  der  Hauptsache  Standvogel, 
Grimsey  dagegen  wird  von  den  meisten  Individuen  wälirend  des  Winters 
verlassen.  Zeitig  im  Frühjahre  aber,  bei  günstiger  Witterung  schon  im 
März,  erscheinen  die  Vögel  wieder  bei  ihrem  Brutplatze  und  beginnen  im 
April  oder  Anfang  Mai  mit  der  Herstellung,  beziehentlich  der  Ausbesserung 
des  Nestes.  Dieses  wird  aus  Seetangen  und  Felsenkräutern  errichtet,  ist 
groß  und  flach,  erhält  jedoch  mitunter  eine  ziemliche  Dicke.  Die  Ablage 
des  einen  Eies  erfolgt  auf  den  Vestmannaeyjarn  oft  schon  im  Mai,  auf 
Grimsey  selten  vor  Ende  des  Monats  oder  im  Juni.     Auch  ist  der  Termin 

Hantzsch,  Vogel  weit  Islands.  H 


\Q2  ^\\\i\  bassana. 

bei  doii  verscliiodciu'ii  liulividiicii  der  Kidmiit'  diiicliiiiis  iiiclit  derselbe.  Die 
jilteii  Vögel,  die  ihr  vorjähriges  Nest  bald  in  Ordnung  gebracht  haben, 
beginnen  zeitig,  andere  aber,  wahrscheinlich  die  jüngeren,  die  sich  einen 
Nistplatz  erst  erstreiten  müssen,  werden  oft  :J--4  Wochen  zurückgehalten. 
Die  eng  uebeneinander  horsteiuh'ii  Tiere,  die  sich  auch  gern  das  Nistmaterial 
gegenseitig  wegziehen,  lassen  zu  dieser  Zeit  lebhaft  ihre  Rufe  liören.  die 
freilich  in  dem  Gewirr  der  unzähligen  andern  Stimmen  und  unter  dem  Rollen 


Fiii.  2').     Hafsülastapa  und  gegenüberliegender  Teil  von  Giimsey. 

des  brandenden  :Meeres  oft  verhallen.  Sie  bestellen  aus  laut  schnarrenden 
Lauten,  in  denen  ein  A  oder  0  durchklingt;  ich  notierte  rorrr,  rarrr  und  gra. 
Mau  hört  dies  seltner  auch  von  fliegenden  Exemplaren.  Mitunter  legen 
Vögel,  denen  vielleicht  das  Nestmaterial  immer  wieder  geraubt  oder  durch 
den  Sturm  entführt  wurde,  ihr  Ei  auf  die  bloße  Erde,  die  sicli  alleuthalbeti 
in  den  breiten  Felsvorsprüugen  und  Vertiefungen  augesammelt  hat.  Von 
den  Menschen  werden  die  wenig  schmackhaften  Eier  nicht  zu  Nahrungs- 
zwecken genommen,  da  später  die  Jungen  ungleich  wertvoller  sind.     Doch 


Silin  bassana.  \Q^ 

solleu  genug  durch  Stiinu,  lierabrollende  Steine  und  sonstige  elementare 
Ereignisse  Acrderben.  In  solchen  Fällen  schreiten  die  Vögel  oftmals  zu 
einem  Nachgelege.  Ich  erhielt  ein  völlig  frisches  Exemplar  noch  am  27.  Juni, 
zu  welcher  Zeit  die  übrigen  schon  stark  bebrütet  waren. 

Die  Eier  des  JBaßtölpels  zeigen  den  charakteristischen  niilchhuutartigen  Über- 
zug, der  frisch  ziemlich  weich  ist  und  durch  stärkere  Berührung  des  Vogels  Eindrücke 
bekommt  oder  stellenweise  auch  bis  zur  eigentlicher,  grünlichen  Eischale  zurückgeschoben 
wird.  Erst  nach  1 — 2  Tagen  orhäi-tet  diese  Oberhaut  völlig.  Legt  man  ein  recht 
Irisches  und  dann  noch  fast  weißes  Ei  in  laues  Wasser,  so  fühlt  man  überdies  eine 
farblose  animalische  Schleimschicht,  die  später  in  die  weiche  Oberhaut  einzudringen 
scheint.  Sie  dürfte  erst  nach  ziemlicher  Vollendung  des  Eies  von  den  Epithelzellen 
des  Uterus  abgesondert  werden,  enthält  den  auffälligen  Moschus  -  Trangeruch  und  ruft 
beim  bebrüteten  Eie,  infolge  Einwirkung  der  Brutwärrae  und  faulender  Pflanzenstoffe 
des  immer  feuchten  Nestes  chemisch  verändert,  die  lebhaft  rostbräunliche  Färbung  der 
Schale  hervor.  Eier  von  Grirasey  zeigen  folgende  Maße :  81  x  50.5  mm  (voll  108,  leer 
12,9  g).   81x48  (104—12,3).  75x49,5(102—10,7).   76,8x47  (10,5).  —  Dotter  blaßgelb. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  wenigstens  6,  wohl  aucli 
bis  7  "Wochen  hindurch.  Die  Entwicklung  des  Embryos  geht  anfänglich  äußerst 
laugsam  vor  sich.  Nach  2 — Swöchiger  Bebrütung  kann  man  das  Innere 
des  Eies  noch  bequem  ausblasen.  Gar  nicht  selten  ist  aber  das  Kesultat 
all  des  laugen  Sitzeus  der  Vögel  ein  faules,  jedenfalls  meist  unbefruchtet 
gewesenes  Ei. 

Bei  meiner  letzten  Beobachtung  des  Brutplatzes  der  Baßtölpel  auf 
Grimsey,  am  10.  Juli,  konnte  ich  noch  kein  Dunenjunges  erblicken.  Faber 
fand  indes  solche  auf  den  Vestmannaeyjarn  schon  Anfang  Juli.  Die  Tiere 
sind  zunächst  recht  klein  und  fast  nackt,  erhalten  aber  rasch  ein  dichtes 
weißes  Dunenkleid.  Beide  Eltern  tragen  in  der  »Speiseröhre  besonders  Fische 
zum  Futter  herbei.  Während  der  4,  und  8.  Leoenswoche  entwickelt  sich 
das  erste  Federkleid.  Dieses  ist  oberseits  düsterbräunlich  gefärbt  und  weiß 
betropft,  unterseits  gi-auweiß  und  bräunlich  gefleckt.  Im  Süden  Islands 
werden  die  jungen  Baßtölpel  selten  vor  Ende  August,  auf  Grimsey  oft  erst 
Ende  September  flügge,  falls  man  sie  nicht  vorher  zu  Nahrungszwecken 
ausnimmt.  Erst  im  5,  Jahre  soll  unsre  Art  nach  W.  Rothschilds  Unter- 
suchungen ihr  Alterskleid  anlegen  und  fortpflanzungsfähig  werden.  Die  Mauser 
erfolgt  jährlich  nur  einmal,  dauert  jedoch  oft  ein  halbes  Jahr.  Bei  den 
Brutplätzen  sieht  man  fost  immer  bloß  alte  Vögel,  die  jüngeren  häufiger 
auf  freiem  Meere. 

31.  Phalacrocorax  carbo  (L,). 
Kormoranscharbe. 

Carlo  cormora?ms  (Meyer) :  Faber,  Prodromus,  S.  53  (1822).  —  Halieus  carbo 
Illig. :  Preyer  («&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  414  (1862).  —  Phalacrocorax  carbo 
(Linn.):  Newton,  in  Baring  -  Goulds  Iceland,  p.  417  (1863).  —  Halieus  carbo  lUig.: 
Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  43  (1895).  —  Phalacrocorax  carbo  (Linn.):  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.  35  (1901), 

Graculus  carbo  (L.) :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  707  (1877).  —  Phalacrocorax 
Carlo  (Linn.):  Ogilvie - Grant ,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  340  (1898).  —  Winge, 
Grenlands   Fugle,  S.  243   (1898).  —  Naumann.  Vögel   Mitteleuropas  XI,   S.  51    (1903). 

11* 


jg^  Phnlacrocnrax  carbo. 

Isländisch:  Sknrfiir  (nach  der  Stinime).  Dilaskarfur  (von  dili  =  Tüpfel), 
Hnupliingur  (von  hnnplu  =  schnappen,  rauben,  also  etwa  Fischräuber),  Utileguskarfiir 
(von  ütilcga  =  Aufenthalt  im  Freien,  von  Räubern  und  (geächteten  gebraucht,  also 
etwa  Räuberscharbe),  selten  auch  Hraukur,  Hrökur  (=  etwas  aufrecht  Stehendes,  der 
K.'irperhaltung  der  Vögel   wegen). 

Auch  deutsch:  Skarv,  Scharbe.  Dan.  <!tnorw.:  Skarv.  Schwed.:  Skarf.  Lappl. : 
SkarfTa.     Engl.:  Scarf.     (.Tai.:  Sgarbh.     Fär. :  Skarvur. 

Phalacrocornx  carbo  hat  eine  weite,  aber  nicht  überall  zusammenhängende  Ver- 
breitung. Kr  bewohnt  die  meisten  Länder  Europas,  ferner  Zentralasien,  einige  Gebiete 
in  Afrika,  sowie  die  (3stküste  des  nördlichen  Amerikas.  Zur  Zugzeit  trifft  man  ihn 
bis  Ost-  und  Südasien,  Australien,  Neuseeland,  Südafrika,  der  Delaware-Bai  usw.  Im 
nördlichen  Europa  brütet  er  u.  a.  an  vielen  Stellen  der  Britischen  Inseln  und  auf  den 
kleinen  nördlich  davon  liegenden  Gruppen,  einschließlich  der  Färöer,  ebenso  auch 
ziemlich  häufig  im  südlicheren  Teile  (rrönlands. 

In  Island  besitzt  der  Kormoran  eine  Menge  kleine  Brutkolonien, 
von  denen  die  meisten  an  den  Steilküsten  im  Norden  liegen  sollen.  Den 
Süden  besucht  er  mehr  im  Winter,  horstet  freilich  auch  hier  an  einigen 
Stellen,  z.  ß.  auf  den  Vestraannaeyjarn.  Gewöhnlich  sind  seine  Kolonien 
für  sich  abgeschlossen,  oft  in  der  Nähe  der  Vogelberge,  immer  aber  an  der 
Meeresküste. 

Im  südlichen  Teile  Islands  ist  der  Kormoran  in  der  Hauptsache  Stand-, 
im  Norden  mehr  Strichvogel.  Zeitig  im  Frühjahre  nähert  er  sich  den 
Brutplätzen  und  beginnt  im  April -mit  der  Ausbesserung  des  vorjährigen 
Horstes.  Ich  hatte  bei  Grenivik  im  Eyjafjördr  Gelegenheit,  eine  kleine 
Kolonie  von  6  oder  7  Paaren  zu  beobachten,  auf  die  ich  folgende  Angaben 
teilweise  gründe.  Dort  befinden  sich  die  Brutplätze  der  Vögel  auf  Vor- 
gprüngen  im  oberen  Teile  eines  etwa  30  m  hohen,  fast  senkrechten  Felsens. 
Die  Nester  sind  aus  Zweigen,  Gras  und  Tangen  hergestellt  und  zumeist 
groß  und  fest.  Man  muß  sich  wundern,  wo  das  Paar  die  vielen  Ruten  und 
Reiser  aufsammelt,  da  man  die  Tiere  außerlialb  des  Wassers  kaum  anderswo 
als  auf  großen,  höchstens  mit  Tang  bewachsenen  Steinen  am  Meeresstrande 
trifift.  Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  nicht  selten  schon  im  April.  Im 
Dresdener  Zoologischen  Museum  befindet  sich  sogar  ein  isländisches  Gelege 
vom  9.  d.  M.  Im  Nordlande  kommen  die  Vögel  freilich  oft  nicht  vor  Mitte 
Mai  zum  Brüten.  Das  Normalgelege  enthält  3  oder  4  Eier,  selten  nur  findet 
man  eins  mehr  oder  eins  weniger. 

Das  erwähnte  Gelege  zeigt  folgende  Maße:  70.8  x  42  mm  (6,3  g),  69  x  43,2  (6,8), 
65,8x41,2  (6,2),  65,2x41  (6,4). 

Die  Brutdauer  mag  4  Wochen,  manchmal  auch  etwas  kürzere  Zeit 
betragen.  Taube  Eier  sind  häufig.  Meist  brütet  das  Weibchen,  wird  aber 
gelegentlicli  vom  Männchen  abgelöst.  Dieses  sitzt  gegen  Ende  der  Brutzeit 
viele  Stunden  täglich  neben  ihm.  Der  Horstfelsen  erscheint  bald  vom 
rnnite  der  Vögel  weiß  übertüncht  und  läßt  hierdurch  schon  auf  weite 
Entfernung  hin  seine  Benutzung  erkennen.  Die  brütenden  Tiere  sind  nicht 
scheu  und  bleiben  ruhig  auf  dem  Neste  sitzen,  wenn  man  sich  auf  Schuß- 
weite nähert.  Sie  verdrehen  aber  dann  oft  in  sonderbarer  Weise  Kopf  und 
Hals  und  äugen  mißtrauisch  nach  unten.     Trifft  man  die  Vögel  abseits  vom 


Phalacroconix  earbo.  2(35 

liriitpliitze  auf  ihren  Lieblingssteineu  am  Mcoresufer,  so  lialten  sie,  auch 
wenn  sie  keinen  Verfolgungen  ausgesetzt  waren,  kaum  auf  100  m  aus,  gleiten 
vielmehr  schlangenartig  ins  Wasser,  tauchen  unter  und  kommen  erst  weit 
ah  vom  Lande  wieder  zum  Vorsclieine.  Sie  schwimmen  dann  oft  so  tief, 
daß  nur  Kopf  und  Hals  sichtbar  wird.  Wollen  sie  das  Wasser  verlassen, 
so  klettern  sie  nicht  ungeschickt,  manchmal  mit  Benutzung  der  Flügel,  an 
den  glatten  Steinen  empor,  setzen  sich  auf  die  Tarsen,  richten  den  Körper 
auf,  breiten  die  Flügel  aus  und  beginnen  nun  oft,  jedoch  durchaus  nicht 
immer,  mit  ihrem  merkwürdigen  Fächeln,  das  mitunter  halbe  Stunden 
ohne  Unterbrechung  fortgesetzt  wird.  Sicher  hat  diese  eigentümliche  Be- 
wegung ihren  Grund  nicht  nur  in  der  Absicht,  die  Federn  zu  trocknen. 
Ich  beobachtete  wiederholt,  auch  außerhalb  Islands,  Vögel,  die  bei  warmem 
Sonnenscheine  mit  dem  Wedeln  begannen,  nachdem  sie  stundenlang  am 
Strande  gesessen  hatten  und  zweifellos  nicht  naß  waren.  Ich  halte  diese 
Tätigkeit  für  ein  Zeichen  ülierschüssiger  Kraft  der  stattlichen  und  doch  so 
wenig  benutzten  Schwingen,  zur  Fortpflanzungszeit,  wo  mau  die  Männchen 
liesonders  anhaltend  wedeln  sieht,  auch  für  eine  Art  Balzbewegung.  In  der 
Nähe  des  Horstplatzes  besclireiben  unsere  Vögel  bei  schönem  Wetter  mit- 
unter mächtige  Bogen,  wobei  sie  auch  große  Strecken  schweben.  Für 
gewöhnlich  aber  ist  ihr  Flug  geradeaus  gerichtet  und  ziemlich  schwer; 
Kopf  und  Hals  werden  vorgestreckt  und  die  Flügel  tief  und  gleichmäßig 
gebeugt.  Vollendete  Meister  sind  die  Kormorane  im  Schwimmen  und  Tauchen. 

Die  Jungen  werden  von  beiden  Eltern  mit  Fischen  gefüttert,  die 
ihnen  diese  in  Schnabel  und  Speiseröhre  bringen.  Sie  sind  immer  hungrig, 
macheu  viel  Lärm  und  verraten  dadurch  leicht  den  Nistplatz,  wachsen  aber 
schnell  heran  und  sind  nach  reichlich  einem  Monate  schon  flügge.  Dies 
mag  in  der  Regel  erst  im  Juli  eintreten.  Faber  sagt  Ende  Juni,  was  wohl 
nur  in  günstigen  Jahren  und  Örtlichkeiteu  zutrifl't.  Die  Vögel  bei  Grenivik 
hatten  am  25.  Juni  noch  Eier  oder  erst  kleine  Junge.  Nähert  mau  sich 
dem  Brutfelsen,  wenn  die  Tiere  bald  flügge  sind,  so  umfliegen  die  futter- 
bringenden Alten  mit  lautem  krächzenden  Grab,  das  sich  auch  mitunter 
wie  Skarf  anhört,  den  Platz,  wagen  sich  aber  nicht  immer  auf  den  Horst. 
Die  Jungen  haben  eine  zeternde  Stimme. 

Einige  Wochen  noch  bleiben  die  Familien  in  der  Nähe.  Im  September 
langen  sie  an,  lebhafter  umherzustreicheu,  verlassen  aber  die  Küste  nicht 
lange  und  weit.  Einzelne  Individuen  mögen  im  Herbste  nach  südlicheren 
Breiten  fortziehen,  die  meisten  überwintern  jedoch  in  geschützten  Meeres- 
buchten Islands. 

;52.  Phalacrocorax  graculus  graculus  (L). 

Krähenscharbe. 

Carlo  graculus  (Meyer):  Faber,  Prodromus,  S.  53  (1822).  —  Halieus  graculus 
Illig.:  Preyer  (&  Zirkel),  Eeise  nach  Island,  S.  414  (1862).  —  Phalacrocorax  graculus 
(Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  leelaud,  p.  417  (1863).  —  Halieus  graculus  lUig.: 
Oröndal.  Isleuzkt  lugiatal-  bis.  43  (1895).  —  Fhalacrocorax  graculus  (Linn.):  Slater. 
Eirds  of  Iceknd.  p.  36  (1901). 


H]Q  PhalucTocorax  j,M-ac'ulus  graculus. 

Gracnh(S  cristuhis  (Gunn.):  (-'oUiii,  Skandinaviens  Fiiglo.  S.  71U  (lb77).  — 
rhalacrocorax graculus  (Liim.):  Ügilvie-Crrant,  OeX.  Bircls  Brit.  31  us.  XX\'I,  p.  ;i64  (18i)8j. 
—  Naumann,   N'ögel  Mitteleuropas  XI,  S.  67  (1903;. 

Isländisch:  Skarfur  (part.),  Toppskarfur  (von  toppr  =  Haube),  llraukiir, 
Hrükur  (part). 

Auch  deutsch:  Haubenscharbo.  ])än.  »fc  uorw.:  Topskaiv.  Schwed.:  Toppskarl'. 
Eng!.:  Shag.     Gäl.:  8garl)h,  Scarbh.     Für.:  Skarvur. 

Fhalacrocorax  yracnbis  graculus  findet  sich  als  Erutvogel  nur  an  einigen  Küsten 
Westeuropas,  l)esonders  in  Norwegen,  Frankreich  und  Portugal,  sowie  auf  den  Britischen 
und  etlichen  m'irdlich  davon  liegenden  kleinen  Inseln,  besonders  auf  Shetland.  Auf 
den  Färciern  brütete  er  früher  nicht  selten,  ist  aber  heutzutage  verschwunden  und 
besucht  die  Inseln  nur  während  dos  AVinters  (Andersen).  Von  (irönland  kennt  man 
unsere  Art  überhaupt  nicht.  Zur  Zugzeit  wandern  einige  Exemplare  südwärts.  —  Im 
Mittehueergebiete  wird  Ph.  g.  graculus  durch  den  langschnäbligen  Ph.  g.  desmaresiii 
Payr,  vertreten,  in  den  übrigen  Erdteilen  durch  weitere  Formen. 

lu  Island  gehört  die  Krälienscharbe  zu  den  nicht  seltnen  IJrut- 
vögeln.  Sie  scheint  nur  im  Osten  und  Südosten  der  Insel  zu  fehlen,  wo 
der  teilweise  Mangel  ausgedehnter  Steilküsten  ihr  die  Anlage  von  Brut- 
kolonieu  erschwert.  Nach  P.  Nielsen  (in  litt.)  horstet  unsere  Art  an  Felsen  auf 
den  Vestiuaniuieyjarn  (vou  ]:>.  Jönsson  bestätigt),  in  der  Nähe  von  "[^orläkshöfn 
( Arness Sysla),  Krisuvik (SW.),  Alftanes(n. V.Reykjavik),  Eyrarsveit,  Ncshreppur, 
Stykkisholnu-  (Sna-fellsnes  S.),  Mosvallahreppur,  Reykjarfjördr,  Slettuhreppur 
(Isafjördr  S.),  Ripurhreppur  (Skagafjardar  S.),  Raudagnüpr  (Melrakka  Slctta) 
und  Kelduhverfi  ())ingeyrar  S.).  Außerhalb  der  Brutzeit  sieht  man  die  Vögel 
gelegentlich  an  allen  Küstengebieten,  auch  im  Osten,  von  wo  sie  Nielsen 
z.  B.  aus  dem  Lodmundarfjördr  kennt. 

Die  Krähenscharbe  ähnelt  in  ihrer  Lebensweise  außerordentlich  dem 
Kiirniorane,  sodaß  ich  an  dieser  Stelle  eine  nochmalige  Besclireibuug  unter- 
lasse, da  ich  selbst  keinen  Brutplatz  der  Vögel  besucht  habe.  Nestbau,  l'jier 
und  Brutgeschäft  untersclieiden  sich  höchstens  entsprechend  der  verschiedenen 
<irößp  beider  Arten  um  ein  Geringes,  ohne  jedoch  für  eine  dersel)>en 
charakteristisch  zu  werden. 

Isländische  Eier  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße :  64,5  x  39  mm  (5.2  g). 
62x42,5  (6.9).  62x37  (4,8).  61,8x39,5  (5,5).  59x39  (5,2).  59x37  (3.8).  Nielsen 
gibt   mir  als  Größe  extremer  Exemplare  an:  67x41  und  62x37  mm. 

Die  Krähenscharbe  verläßt  Island  noch  weniger  als  die  vorige  Art. 
Altere  Individuen  sind  oft  wahre  Standvögel,  die  jüngeren  überAviutern 
besonders  im  Südwesten  der  Insel. 

33.  MergTis  merganser  L. 

(! roßer  Säger. 

MtrgHs  invrgdiiiifr  (\Ani\.):  Faber,  l'rodromus,  S.  64(1822).  —  Mergus  merganser 
L.r  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  413  (1862).  —  Mergus  castor  Linn.:  Newton, 
in  Uaring-Goulds  Iceland.  p.  417  (1863).  —  Mergus  merganser  L.:  Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal.  l)ls.  51  (1895).  —  Mergus  merganser  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  75  (1901). 

Mergus  merganser.  L. :  GoUin.  Skandinaviens  Fuglo,  S.  696  (1877).  —  Merganser 
rasfor  (Linn.):  Salvadori,  C"at.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII.  ]\  472  (1895).  —  Mergus  merganser 
L.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  290  (1902). 


IMergus  incrgaiiser.  ]^Qj 

Isländisch:  Stüra  Toppönd  (=  Große  Schopfeute),  Toppiind  Cpart.),  Gulönd  (von 
guW  =  gelb),  soltiu'i-  Yatnsönd  (von  vatn  ==  Wasser). 

Auch  dän.:  Gulskra-p.     Schwed.:  Gulskräcka.     Fär. :  Topändt,  Topondt. 

Mergus  merganser  ist  ein  Bewohner  der  paläarktischen  und  einiger  benachbarter 
Oohiete  der  arktischen  Region.  Er  brütet  von  Island  bis  Kamtschatka,  u.  a.  in  Xord- 
rußland,  Finnland.  Skandinavien,  Dänemark  und  Norddeutschland.  Auf  den  Britischen 
Inseln  ist  er  niu-  in  Schottland  Brutvogel,  auf  den  Färöern  seltner  Gast.  Nordwärts 
wurde  Mergus  merganser  auf  Kolguew.  Nowaja  Semlja  und  AVaigatsch  nachgewiesen 
(Schalow),  in  Gn'inlaiul  aber  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt.  Im  Innern  Europas 
brütet  der  Vogel  stellenweise  bis  Bosnien  hinab,  doch  trifft  man  ihn  im  "Winter  bis  zu 
ilen  Küsten  des  Mittelländischen  und  Schwarzen  Meeres,  sowie  den  nordindischen  Gewässern 
bis  zum  22.  Grade  südwärt.s  (Hartert). 

In  Island  gehört  der  große  Säger  zu  den  verbreiteten  Brutvögelu, 
diM-h  sclieint  er  nirgends  zahlreich  vorhanden  zu  sein.  Er  bewohnt  fisch- 
reiche Gewässer  in  tieferen  Lagen,  aber  weniger  die  großen  Binnenseen,  als 
violiuehr  Gebiete  mit  kleineren  Teichen,  sowie  Inseln  und  Ufer  von  Flüssen 
und  Strömen.  Die  Nähe  des  Meeres  ist  ihm  angenehm.  P.  Nielsen  bezeichnet 
mir  (in  litt.)  folgende  Gegenden  als  ilim  bekannte  Brutplätze  der  Art: 
Landeyjar  (Kangarvalla  Sysla),  Ulfljotsvatn  (Arnes  S.),  ])verärhlydahreppur 
(Myra  S.).  Stadarsyeit,  Neshreppur  (Sna?fellsues  S.),  Middalahreppnr  (Dala  S.). 
]\Iosvallahreppur  (Isafjardar  S.).  Kirkjuhvelshreppnr  (Strandar  S.),  Eipur-, 
Hvels-  und  Vidvikurhreppur  (Skagafjardar  S.),  JHiroddstada-,  Presthdlahreppur, 
Myvatn  (Sudr  )">ingevjar  S.),  Lodmundarfjördr  (Nordr  Müla  S.). 

Ein  ?  ad.  ^meiner  Sammlung  aus  dem  Frühjahre  1902  von  Saudarkrökr  (N.  Island) 
ziigt  folgende  3Iaße.  (-iesamtläugo:  c.  590  mm.  Flügel  (mit  Zirkel  gem.):  238.  Schwanz: 
llH.  Schnabellänge:  49,2.  Schuabelinihe  (am  Grunde):  15.  Tarsen:  44.  Innenzehe  inkl. 
der  8  mm  langen  Kralle:  52,  Mittelzeho:  62  mm. 

Im  Frühjahre  sieht  man  unsern  Säger  meist  an  den  Meeresküsten, 
dneli  fliegt  er  von  hier  aus  gern  die  Ströme  aufwärts,  um  sie  dann  langsam 
wieder  hinabzuschwimmen,  wie  ich  dies  in  der  zweiten  Hälfte  des  Mai  ganz 
auffällig  bei  Hvammr  und  Blönduös  beobachtete.  Auch  besucht  er  häufig 
Süßwasserteiche  in  der  Nähe  des  Meeres,  Mitte  bis  f]ude  Mai  kommen  die 
Vögel  nach  den  Brut  orten,  paaren  sich  und  beginnen  mit  dem  Baue  des 
Nestes.  Mir  wurde  ein  solches  erst  später  auf  einer  Insel  in  der  Laxä 
(beim  M;fvatn)  gezeigt,  das  von  den  Jungen  ))ereits  verlassen  war.  Es 
befand  sich  gut  verborgen  unter  einem  Weidengebüsche,  bestand  aus  Halmen 
und  Reisern  und  einer  Auskleidung  von  bräunliclien  Dunen.  Eigentliche  Hohl- 
räume als  Brutstätte  sind  unsrer  Art  in  Island  nicht  unbedingtes  Bedürfnis, 
doc-h  sucht  sie  sich  geschützte  Ortlichkeiten  in  Erdnischen  und  zwischen 
Steinen  oder  inmitten  hölierer  I*flanzen  aus.  die  sich  meist  dicht  am  Wasser 
betinden.  Anfang  ]»is  Mitte  Juni  beginnt  das  Weibchen  mit  der  Ablage 
der  Eier,  sodaß  vollzählige  Gelege  gewöhnlich  Ende  des  Monats  vorhanden 
sind.  Diese  bestehen  aus  7 — 12  Eiern.  Pearson  fand  freilich  am  21.  Juni 
auch  ein  Nest  mit  15  Stück,  die  vielleicht  von  2  Weibchen  herrührten 
(Ibis  1895,  p.  245).  Durch  regelmäßige  Wegnahme  der  Eier  soll  sich  die 
Produktion  derselben  auf  25 — 30  steigern  lassen. 

Isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  von  der  Laxä  haben  folgende  Größe: 
70.5x45,5  mm  (Gew.  6,4  g).  69x46  (6,2).  65x45,5  (6).  64,5x46,5  (6,4).  64x45,5  (5,8). 


1/«^  Morgiis  iiierganser. 

Kier  vom  Myvatn  und  von  Laxamyri  im  Zoolog.  Museum  in  Dresden:  70x47,2  (?). 
6i»,r.  X  44,5  (5,9).  68,5  x  46,5  (6,5).  67  X  45,8  ("O-  66,5  x  45  (5,7).  65,5  x  45  (5,8).  — 
Niois.-n  bezeichnete  mir  als  extreme  Maße  eines  Geleges  (7  St.)  vom  31yvatn:  71  x  4!> 
und  65,5x47,5  mm.  —  Sie  unterscheiden  sich  durch  den  mehr  gelblichen  Ton  der 
Schale  von  den   Kiern  von   Mcrgus  serrator. 

Die  IJrutdauer  mag  für  Island  mit  iiiiucfiihi-  4  Wochen  richtig- 
angegeben  sein.  Das  Weibchen  brütet  allein,  das  Männchen  aber  hält  sich 
wenigstens  dort,  wo  nur  einzelne  Paare  nisten,  in  der  Nähe  auf  und  sucht 
eine  Verfolgung  durch  scheinbares  Vertrautsein  auf  sich  zu  lenken.  ^Mitunter 
vereinigen  sich  auch  die  Erpel  zu  kleineu  Trupps.  Doch  sah  ich  als  Höchst- 
zahl  nur  einmal  5  der  Vögel  auf  dem  M^-vatn  beisammen. 

Die  zarten  und  ziemlich  hinfälligen  Dunen  jungen  werden  von  der 
Mutter  allein  geführt,  die  mit  ängstlichem  Krrr  große  Besorgnis  für  ihre 
Nachkommenschaft  au  den  Tag  legt.  Fabers  Beobachtungen  zufolge  sind 
die  Vögel  nach  etwa  5  Wochen  flugbar.  Die  alten  Männchen  ziehen  sich 
daweilc  in  geschützte  Buchten  zurück,  um  hier  die  .Sommermauser  abzu- 
warten. Sie  nähren  sich  in  dieser  Zeit  nicht  nur  von  Fischen,  sondern 
häufig  auch  von  Wasserpflanzen,  sind  äußerst  vorsichtig  und  suchen  einer 
nalienden  Gefahr  durcli  Tauchen  und  Schwimmen  zu  entgehen.  In  der  Nähe 
der  Seeküsten  halten  sich  die  Vögel  gern  au  den  Mündungen  der  Flüsse,  an 
stillen  Buchten  oder  iu  Lagunen  auf,  die  bei  der  Flut  mit  dem  Meere  in 
Verbindung  stehen.  Nach  solchen  Örtlichkeiten  führt,  spätestens  im  September, 
das  alte  AVeibclien  zunächst  auch  scliwimmend  oder  fliegend  die  erwachseneu 
•lungen.  Scharenweise  streichen  die  Vögel  von  liier  aus  au  allen  zusagenden 
Küstengebieten  umher  und  kommen  z.  B.  auch  nach  den  Ve.stmannaeyjarn. 
Besonders  die  jüngeren  Individuen  verlassen  endlich  im  Oktober  die  Insel 
und  wandern  südwärts.  Ältere  Tiere  aber  wählen  geschützte  ^Meeresbuchten 
oder  die  Gebiete  warmer  Gewässer  im  Innern  Islands  zum  Wiuteraufenthalte. 
Nach  P'abers  Untersuchungen  scheint  die  größere  Zahl  unsrer  Taucher  im 
Lande  zu  bleiben.  Doch  sind  sie  für  gewöhnlich  nicht  eigentliche  Stand- 
vögel, sondern  ziehen  scharenweise  von  Gewässer  zu  Gewässer.  In  sonuen- 
glänzender  weißer  Winterlandschaft  bieten  dann  die  zart  lachsfarbenen  Vögel 
die  mit  hohem,  klingendem  Fluge  rasch  dahineilen,  dem  untenstehenden 
Beobaclitcr  ein   präciitiges  Bild. 

:54.  Mergus  serrator  L. 

Mittlerer  Säger. 

Mergns  serrator  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  64  (1822).  —  Mergus  serrator  L.: 
J'reyer  (&  Zirkel),  Ki'isi-  nach  Island,  S.  413  (1862).  —  Xewton.  in  Bariug-Goulds 
Iccland.  ]..  417  (1863).  —  (InMulal.  Islenzkt  fuglatal,  bis.  .')1  (]895j.  —  Slater,  Birds  of 
Jccland,  1».  76  (lltOl). 

Mergus  serrator,  L. :  (^oUin,  Skandinaviens  Kugle.  S.  61)8  (1877).  —  Merganser 
serrator  (Linn.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  j).  479  (1895).  —  Mergus 
serrator  L.:  Wingo,  (ironlands  Fuglc,  S.  113(1898).  -  -  Nauuiaun.  Vögel  3Iittelonropas  X, 
S.  281  (1902). 

Isländisch:  Litla  Toppönd  (=  Kleine  Schopfentc),  Topprmd  (part.). 

Auch  dän.:  Topskr;«'kko.     Fär.:  Topändt,  Topondt. 


31ergiis  serrator.  169 

Mergns  serrator  bowolint  die  Küstenländer  im  Norden  des  paläarktischen  und 
nearktischen  Faunengebietes,  dringt  aber  nicht  allzuweit  in  der  arktischen  Kegiou  vur. 
Nach  Schalow  ist  er  kaum  nördlicher  als  74  °  gefunden  worden.  Er  brütet  von  Kolguew 
und  Waigatsch  an  im  nördlichen  Sibirien  und  geht  im  Winter  bis  Nordindien  und 
.Japan  südwärts,  in  Amerika  etwa  vom  45.  Grade  an  bis  Alaska  und  Grönland.  In 
letzterem  Gebiete  bewohnt  er,  wenn  auch  nicht  gerade  zahlreich,  die  Ost-  utid  ^^^'st- 
küste,  woselbst  er  sich  bis  Upernivik  Hndet.  Im  Winter  kommt  er  bis  zu  dem  südlichen 
Teile  der  Vereinigten  Staaten  und  den  Bermuda -Inseln  hinab.  In  Europa  brütet 
Mergus  serrator  etwa  vom  50.  Grade  an  in  Nordrußland,  in  Skandinavien  bis  zum 
Nordkap  hinauf,  in  Dänemark  und  Norddeutschland,  Irland  und  Schottland,  sowie  auf 
den  nördlich  davon  liegenden  kleinen  Inselgruppen  einschließlich  den  Färöern.  Im 
Winter  zieht  er  südwärts  bis  zum  Kaspischen,  Schwarzen  und  Mittelländischen  Meere. 

Island  bewohnt  der  mittlere  Säger  gleichfalls  als  häufiger  Brutvogel 
und  in  weit  größerer  Anzalil  als  die  vorige  Art.  Er  brütet  fast  imnaer  an 
stehenden  Gewässern,  ebensowohl  an  großen  Seen  im  Innern  des  Landes, 
wie  dem  Myvatn  und  jn'ugvallavatn,  als  au  kleineren  Strandseen.  Bei 
Hjalteyri  fand  ich  das  Nest  eines  einzelnen  Paares  auch  an  einer  Salz- 
wasserlagune, die  bei  der  Flut  mit  dem  Meere  in  Verbindung  stand.  Viel 
seltner  trifft  man  die  Vögel  auf  buschbewachsenen  Inseln  inmitten  von 
Strömen.  Außerhalb  der  Brutzeit  besuchen  sie  solche  indes  recht  gern  und 
halten  sich  dann  auch  in  Meeresbuchten  auf.  Größere  freie  Wasserflächen 
sind  ihnen  jedoch  immer  Bedürfnis. 

Ein  ?  ad.,  Brutvogel,  am  31.  Juli  1903  von  mir  auf  dem  Myvatn  gesammelt, 
zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  FL:  fast  1  kg.  Gesamtlänge  i.  FL:  c.  530  mm.  Flug- 
breite: c.  780.  Flügel  (m.  Zirkel  gem.):  218.  Schwanz:  102.  Schwanz -)- Flügel:  48. 
Schnabellänge:  55.  Schnabelhöhe  am  Grunde:  18,5.  Tarsen:  42.  Innenzehe  inkl.  der 
10  mm  langen  Kralle:  54,  Mittelzehe:  63,5  mm.  —  Iris:  gelbbraun,  nach  außen  rötlich. 
Obi'rschnabel  (bes.  auf  der  Firste  dunkel):  schwarzrot.  Unterschnabel:  gelbrot.  Füße: 
lebhaft  schmutzig  hochrot.  Hinter-  und  Unterseite  grau  angeflogen.  —  Beginnt  zu 
mausern,  alte  Federn  sehr  locker. 

Im  Mai,  in  der  Nähe  des  Meeres  auch  schon  Ende  April,  kommen 
unsere  Säger  nach  ihren  Brutplätzen.  Doch  trifft  mau  sie  bereits  vorher 
paarweise  am  Strande.  Die  Vögel  begeben  sich  häufig  laufend  ans  Land, 
verlassen  dieses  allerdings  bei  einer  Verfolgung  meist  fliegend.  Sie  sind 
auch  schon  zu  dieser  Zeit  nicht  sehr  scheu,  sodaß  man  sich  ihnen  ohne 
große  Schwierigkeit  auf  Schrotschußentfernung  nähern  kann.  Beim  Neste 
verhalten  sie  sich  später  oft  außerordentlich  zutraulich,  wenigstens  in  Gegenden, 
wo  mau  ihre  Eier  nicht  sammelt.  Selten  brüten  einzelne  Paare  allein,  meist 
6 — 10  in  enger  Umgebung  beisammen.  Gewöhnlich  bilden  aber  auch  diese 
nicht  eine  selbständige  Kolonie,  sondern  finden  sich  in  Gesellschaft  von  Enten. 
Am  Myvatn  ist  uuser  Säger  sehr  zahlreich  vorhanden. 

Das  Nest  findet  sich  in  Lavahöhlen.  Fels-  und  Erdspalten  oder  in 
Hodeuvertiefungeu  unter  schützenden  Büschen.  Es  besteht  aus  Avenigen 
weichen  Halmen  und  wird  dick  mit  aschgrauen  Dunen  ausgekleidet.  l-iS 
luit  einen  äußeren  Durchmesser  von  etwa  27,  einen  inneren  von  ungefähr 
17  cm.  Die  Ablage  der  Eier  beginnt  gewöhnlich  Anfang  Juni,  oft  auch 
erst  etwas  später.  In  Gegenden,  wo  diese  planmäßig  weggenommen  werden, 
findet   man   bis   Anfimg   Juli   frische    Exemplare.     Die   Zahl   beträgt   selten 


JYQ  Mergus  Senator. 

inolir   als  .s — 10.    in    Narligolcgeii    audi    nur    5 — 6  Stück.     Mitunter    sollen 
•J  Wc'ihchnx  dasselbe,  dann  besonders  große  Nest  benutzen. 

Einige  von  mir  selbst  präparicrtL-  Eier  meiner  Sammlung  vom  3IyvatM  zeigen 
folgende  Maße:  70  X  45,2  mm  (6,")  g).  68  X  45,8  (5,7).  65,5  X  45  (5,7).  65,2  x  44,5  (5,8). 
65  X  45,2  (5.5).  Ein  Gelege  (8)  von  HjaUeyri  (14.  Juni,  frisch):  67  X  45,2(5,7),  66  x  45.8 
(5,8),  6.5,5x45,5(5,8),  65,5x45(5,7),  64,8x45(5,4),  64,5x46,5(5,8),  64x45.5(5,7) 
und  64,2x47  (5,9).  —  J)as  Yollgewicht  schwankt  zwischen  69  und  75  g. 

Das  Weibchen  brütet  etwa  4  Wochen  allein,  sitzt  jedoch  nicht  besonders 
fest.  Die  Männchen  vereinigen  sich  daweile  zu  kleinen  Scharen,  halten  sich 
meist  an  bestimmten  Liebliugsplätzen  auf,  wo  man  sie  leicht  überraschen 
kann,  und  überstehen  hier  die  Sommermauser.  Krüper  beobachtete  auf  dem 
Myvatn  die  ersten  Duneujungeu  am  11.  Juli  (Naumannia  1857,  S.  51),  ich 
ebendaselbst  erst  am  22.  d.  M.-  Sie  sind  äußerst  zierliche,  aber  sehr  zarte 
und  hinfällige  Geschöpfe,  die  ich  Ende  Juli  zu  Dutzenden  tot  oder  halbtot 
am  Ufer  des  Myvatn  fand.  Die  noch  lebenden  fülilten  sich  kalt  an,  bei 
vielen  war  die  Nasenhöhle  mit  kleinen  Blutegeln  angefüllt,  die  sicli  schwarz- 
rot vollgesogeu  hatten.  Der  Grund  des  auffälligen  Sterbens,  das  nach  Angabe 
der  Bewohner  alljährlich  fast  das  gleiche  ist,  scheint  in  der  geringen  Für- 
sorge der  Alten  zu  bestehen.  Vielfach  scharen  sich  die  Weibchen  nach 
kaum  vollendeter  Brut  zusammen,  kümmern  sich  nur  gelegentlich  oder  über- 
haupt niclit  mehr  um  ihre  Nachkommenschaft  und  überlassen  deren  Führung 
einigen  wenigen  Vögeln,  die  sich  ihrer  mütterlichen  Pflicht  noch  bewußt 
.sind.  Diese  werden  aber  nun  oft  von  den  Jungen  geradezu  verfolgt;  mehr- 
mals l)eobachtete  ich  40— oU  Stück  bei  einer  Alten.  Doch  bleiben  die 
Tierchen  nicht  immer  bei  demselben  Vogel,  sondern  verteilen  sich  wieder 
oder  ziehen  sich  trauernd  und  fröstelnd  ans  Land  zurück,  um  ins  Gras  geduckt 
verlassen  dem  Tode  entgegenzugehen.  Dieses  sonderbare  Verhalten  habe  ich 
bei  keinem  andern  entenartigen  Vogel  in  so  auffälliger  Weise  beobachtet, 
einigermaßen  ähnlich  nur  noch  bei  den  Eiderenten. 

Eins  der  kleinsten  aufgefundenen  IJuneujungen  besaß  ein  Gewicht  von  27  g  und 
eine  Gesamtlänge  von  170  mm.  Schnabellänge:  17  mm.  Schnabelhöhe:  6.  Tarsen:  19. 
Mittclzehe  inkl.  der  4,5  mm  laugen  Kralle:  26  mm.  —  Iris:  hell  grünlichgrau,  nach  innen 
dunkler.  Oberschnabcl:  dunkelbraun.  Unterschnabel:  heller  rötlichbraun.  Xagel  an 
beiden:  weißlich  bis  bräunlich.  Füße:  rötlichbraun,  an  den  äußeren  Seiten  und  unten 
mit  schwärzlichem  Anfluge.  Innenzehe,  sowie  ein  Streifen  neben  jeder  Zehe:  gelbbraun.  — 
In  der  SjK  iseröhre  eine  kleine  Gastcrosteus-Art  mit  2  scharfen  Spitzen  auf  dem  Kücken. 

J'ä-faßt  man  die  Jungen,  so  lassen  sie  ein  feines  Piepen  hören;  die 
Alten  dagegen  haben  verschiedenartige  schnarrende  Rufe.  Im  Fluge  ver- 
nimmt mau  gewöhnlich  ein  kurzes  tiefes  Rä,  bei  größerer  Erregung  ein 
ziemlich  schnell  wiederholtes  Rap  rap  oder  ein  rauhes,  zorniges  Raup.  Führt 
das  Weibchen  Junge,  läßt  es  einzelne  Raa  hören,  in  der  Angst  schneller 
hintereinander,  kürzer  und  lauter,  andermal  auch  wieder  tiefe  Grrr,  Gut  usw. 
Mitte  September  verlassen  die  Vögel  ihre  Brutgebiete.  Männchen, 
Weibchen  und  Junge  vereinigen  sich,  oft  zu  größeren  Scharen,  und  sti-eiclien 
an  Binnengewässern,  noch  häufiger  aber  au  den  Küsten  umher.  Die  jVIehr- 
zahl  scheint  Island  im  Oktober,  nach  Faber  auch  erst  im  November,  zu  ver- 


Anas  boschas.  17J 

ksseu,  etliche  jedoch  überwintern,  besonders  im  südlichen  Teile  der  Insel. 

—  Wenn  Gröudal  sagt  (Ornis  ü,  S.  366),  es  sei  ihm  nie  ein  Mergus  sm-ator 
vorgekommen,  so  beruht  dies  wohl  auf  Verwechslung  oder  Zufall.  Ich  habe 
den  Vogel  in  allen  von  mir  besuchten  Gegenden,  wiederholt  auch  in  der 
Umgebung  von  Reykjavik  angetroÖen. 

35.  Anas  boschas  L. 

Stockente. 
A}MS  hoscas  (Liun.):  FalnT,  Prodromus,  S.  76  (1822).  —  Anas  boschas  f'era  L.: 
Pivyor  (&  Zirkel).    Reise  nach  Island,  S.  406  (1862).    —   Anas  boschas  Linn.:    Newton, 
in  Bai-ing-Goukls  Icelaud,  p.  415  (1863).  —  Gröndal,   Islenzkt  fuglatal,   bis.  48  (1895). 

—  Anas  boscas,  Linn.:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  51  (1901). 

Anas  boschas,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  656  (1877).  —  Anas  boscas, 
Linn.:  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  189  (1895).  —  Winge,  Grönlands 
Fugle,  S.  78  (1898).  —  Anas  boschas  L.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  16  (1902). 

Isländisch:  Stokkönd  (von  stokkr  =  Wassergraben).  Myröud  (von  myr  =  Sun)pfj, 
.St«'ira  (=  große)  Stokkiind,  Gnenhöfda  (=  grünhauptige)  Und  und  Groenhöfda  Gräöud 
(für  das  c5j'  Gräönd  (von  grur  ^  grau)  und  Störa  Gräönd  (für  das  ? ),  Grasönd,  Kilönd 
(von  kil,  kill  =  AVasserrinne)  und  Bh'ikoUsünd  (von  blär  =  blau,  kollr  =  Kopf)  im  Nord- 
laiide,  fälschlich  Hi'isönd  (von  hüs  =  Haus).  • —  Diese  und  noch  andere  Namen  werden 
auch,  teilweise  richtiger,  für  andere  Enten  gebraucht. 

Auch  deutsch:  Große  Ente,  Storente,  Grasente,  Blaukopf.  Däu.  &  norw.:  Stock- 
anil.  Gru'sand.  Graaand.     Schwed.:  Stockand,  Gräsand,  Blähais. 

Anas  boschas  ist  eine  der  verbreitetsten  und  zugleich  individuenreichsten  Vogel- 
arteii.  Sie  bewohut  den  grüßten  Teil  der  paläarktischen  und  nearktischen  Region, 
kommt  aber  nur  in  Westgrönland  jenseits  des  Polarkreises  als  Brutvogel  vor.  Die 
größeren  grönländischen  Vögel  sind  neuerdings  von  Lehn  Schioler  mit  vollem  Hechte 
als  A.  b.  spilogaster  abgesondert  worden  (Vidensk.  Meddel.  Kbhvn.  1905);  isländische 
Exemplare  müssen  daraufhin  nochmals  genau  untersucht  werden.  Südwärts  geht  die 
Art  bis  Nordafrika,  Kaschmir  und  dem  mittleren  Teile  der  \'ereinigten  Staaten  hinab, 
im  Winter  sogar  bis  nach  Abessinien.  Zentraliudien,  China  und  Mittelamerika.  In  Europa 
i.st  sie  mit  Ausnahme  der  kältesten  Gebiete  überall  wohlbekannt,  auch  auf  den  Färöern 
lind  im  südlichen  Teile  Ostgrönlands  nicht  seltner  Brutvogel. 

In  Island  gehört  die  Stockente  gleichfalls  zu  den  häufigen  Brut- 
vögeln. ZAvar  findet  sie  sich  nirgends  in  so  großer  Menge  beisammen 
wie  einige  verwandte  Arten,  ist  aber  dafür  über  die  ganze  Insel  ziemlich 
gleichmäßig  verteilt.  Sie  brütet  in  allen  wasserreichen  Gebieteu,  im  Innern 
sowohl  als  in  unmittelbarer  Nähe  des  Meeres. 

Sobald  es  die  Witterung  im  Frühjahre  gestattet,  begeben  sich  die 
Stockenten  paarweise  nach  ihren  Brut  platzen,  die  sie  an  geeigneten  Ört- 
lichkeiten mitunter  auch  während  des  AVinters  gar  nicht  verlassen  haben. 
Sie  lieben  sumpfige,  abwechslungsvolle  Graslandschaften,  feuchte  Wiesen- 
gründe und  aui-li  Hochmoore,  in  denen  sich  Wasserriesel,  Gräben  und  kleine 
Teiche  fiude)i.  In  solchen  meist  einsamen  Gegenden  sind  die  Vögel  oft 
sehr  vertraut.  .Mehrmals  konnte  ich  selbst  vor  der  Brutzeit  mich  ihnen  auf 
15—20  m  ungedeckt  nähern,  ehe  sie  laugsam  fortliefen  oder  davonflogen. 
Im  Abstreichen  lassen  sie  häufiger  als  andere  Enten  ihr  unmutiges  Waak- 
waak  hören.  Meist  trifft  man  nur  einzelne  oder  wenige  Paare  in  einem 
Gebiete,  und  auch  an  den  hervorragend  entenreicheu  Seen,  wie  dem  ]\I;fvatn, 
gehört  die  Stockente  nicht  zu  den  häufigen  Arten. 


U2  Anas  hosfhiis. 

Das  Nest  wird  auf  trockneu  Hügcklicn  iiiinittcii  suiuiifiucr  Wiesen, 
gern  auch  zwischeu  Heidegesträuch  oder  unter  lUischeu  augehracht.  Es 
besteht  aus  Reisern,  Halmen,  Blättern  der  Umgehung  und  nur  wenigen 
Federn  und  Dunen.  Seine  Größe  ist  verschiedenartig.  Die  Ablage  der 
8 — 10  Eier  richtet  sich  nach  der  Witterung,  scheint  aber  in  der  Regel 
nicht  vor  Mitte  Mai,  im  allgemeinen  erst  Ende  des  Monats,  zu  beginnen. 
Ich  entdeckte  am  15.  Mai  bei  Hvamnir  ein  Nest  mit  -2  fi-ischen  Eiern,  fand 
aber  noch  ein  schwach  )»ebrütetes  Gelege  am  18.  Juni  bei  Hjalteyri.  Krüper 
sah  am  Myvatn  bereits  am  19.  Juni  (?)  fast  fiugbare  Junge  (Naumannia  1857. 
8.  48),  was  als  seltne  Ausnahme  betrachtet  werden  mul.').  An  diesem  See 
gibt  es  bis  Ende  Juni  frische  Nachgelege. 

Isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  3Ialäe:  58,.5x40,5  mm 
(4,4  g).  58,5x40,5(4,3).  58x40(4,1).  57,5x41,2(4,5).  57,2x42(4,4).  57x42 
(4,4).  57x40,5(4,5).  56,5x39.2(4,3).  54,5  x  42,2  (4,3).  —  60  x  45,2  (5,5),  59  x  45 
(5,2),  59  X  43,2  (4,9),  58,5  x  44,2  (5,1),  58  x  45.2  (5,1),  58  x  45  (5.2).  57.5  x  44  (5.1). 
56,2  X  42,5  (4,7),  56  x  42,5  (5).  In  diesem  (relege  sehwankte  das  Yollgewieht  der  Eier 
zwischen  55  und  67  g. 

Die  Brutdauer  beträgt  etwa  -t  Woclien,  Das  Weibchen  brütet  allein, 
doch  hält  sich  das  Männchen  wenigstens  in  solchen  Gegenden,  wo  nur  ein- 
zelne Paare  nisten,  in  der  Nähe  auf.  Nachdem  die  Dunenjungen  aus- 
geschlüpft sind,  was  am  M;fvatn  in  der  Regel  erst  Anfang  bis  Mitte  Juli 
geschieht,  vereinigen  sich  die  Erpel  oder  ziehen  sich  au  verborgene  Plätze 
zurück.  Selten  bleiben  einzelne  auch  in  dieser  Zeit  bei  ihrer  Familie,  Die 
alte  Ente  aber  führt  die  Jungen  mit  dersell)eu  Fürsorge,  List  und  Vorsicht 
wie  bei  uns  zulande.  Die  lebhaften,  äußerst  beweglichen  und  widerstands- 
fähigen Tierchen  färben  sich  mitunter  von  eisenhaltigem  Brackwasser  unver- 
waschbar  schmutzig  rostbräuulich  —  ich  besitze  z,  B.  ein  solches  Dunen- 
junges vom  Myvatn  —  was  aucli  bei  andern  Arten  in  Ishiiid  ziemlich  häufig 
vorkommt. 

Nach  etwa  5  Wochen  sind  die  Jungen  befiedert  und  flugbar.  fangen 
an,  familienweise  oder  in  größeren  Scharen  umherzustreifen.  vereinigen  sich 
auch  gelegentlich  mit  andern  verwandten  Arten  und  werden  nun  von  den 
Isländern  in  Menge  geschossen.  Sie  verhalten  sicli  deswegen  bald  ebenso 
scheu  wie  bei  uns.  Der  größere  Teil  der  Vögel  überwintert  an  warmen 
Quellen  und  offenen  Wasserstellen  im  Innern  des  Landes  oder  auch  am 
Meeresstraude.  Einzelne  Individuen  werden  zu  wahren  Standvögeln,  andere 
streichen  in  Ketten  von  Gewässer  zu  Gewässer  und  besuchen  dabei  Gegenden, 
wo  sie  niemals  brüten,  auch  die  Vestmannaeyjar  und  Grimsey.  Nur  wenige 
scheinen  über  das  i\Ieer  nach  südliclioren  Ländenr  zu  zielien. 

3G.  Chaulelasmus  streperus    (L.). 

:\littelente. 

Anas  strepera  (Linu.):  Eaber,  Prodromus,  S.  75  (1822).  —  Anas  strcpera  L.: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  408  (1862).  —  NeAvton.  in  Haring-lroulds 
Iceland,  p.  415  (1863).  —  GW.ndal.  Islenzkt  fuirlatal.  bis.  49  (1895).  -  Slater.  Birds 
of  Iceland,  p.  52  (1901). 


Chaulelasmus  streperiis.  j^yg 

Anas  strepera,  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  660  (1877).  —  ChauMasmus 
streperus  (L.):  Saivadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XX VII,  p.  221  {IViS^b).  —  Anas  strepera 
L. :  ISTaumann.  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  68  (1902). 

Isländisch:  Litla  Uräond  (=  kleine  Grraueute),  Grräönd  (part.). 

CfuudelasDiua  streperus  brütet  im  mittleren  Teile  von  Nordamerika.  Asien  und 
Europa.  Im  Amerika  bewohnt  unsere  Art  die  Vereinigten  Staaten  und  einige  Nachbar- 
gebiete, in  Asien  das  südlichere  Sibirien  bis  etwa  zum  60.  Grade  nordwärts,  ferner 
Nordturkestan  und  die  weitere  Umgebung  des  Kaspischen  Meeres.  In  Europa  kennt 
man  ihre  Brutplätze  im  südlichen  und  mittleren  Rußland,  in  Südostschweden,  Däne- 
mark, Nord-  und  3Iitteldeutschland  und  England.  Dagegen  nistet  sie  in  Frankreich 
iiml  Spanien  nur  selten.  Schottland,  die  Hebriden  und  Orkney-Inseln  besucht  unsere 
Art  ziemlich  regelmäßig  auf  dem  Zuge,  von  den  Färöern  und  Grönland  ist  sie  aber 
nicht  bekannt.  Im  AVinter  streift  sie  südwärts  bis  Westindien,  Mexiko,  China,  Indien, 
Ahes.sinien  und  Nubien,  ja  bis  zum  Kap  der  guten  Hofifnung. 

In  Islaud  ist  die  Mittelente  ein  seltner  Brutvog-el,  geht  aber  hier 
docli  weiter  als  sonst  in  Europa  nordwärts.  Dies  ist  höchstwahrscheinlich 
nur  dem  großen  Reichtume  der  Insel  an  andern  Enten  zuzuschreiben,  mit 
denen  unser  Vogel  kommen  mag.  Von  seiner  Verbreitung  im  einzelnen 
kann  zur  Zeit  keiu  Bild  gegeben  werden.  Vielleicht  ist  der  entenbraune 
Erpel  häufig  auch  als  Weibchen  irgend  einer  andern  Art  angesehen  worden. 

Faber  bereits  glaubt,  ein  Paar  der  Vögel  auf  einem  Inselchen  im 
Myvatn  beim  Neste  getroffen  zu  haben.  Die  Eier  waren  weiß,  was  bei 
unserer  Ente  auch  häufig  der- Fall  ist.  W.  Proctor  erhielt  1837  nicht  nur 
Eier  (Slater,  1.  c.  p.  52),  sondern  später  auch  ein-  oder  zweimal  Bälge  der 
Art  aus  Island  (Newton,  Ibis  18(M,  p.  132).  Krüper  nennt  die  Mittelente 
gleichfalls  einen  seltnen  Brutvogel  am  Myvatn,  hat  sie  aber  nicht  mit  eignen 
Augen  gesehen  (Naumannia  1857,  S.  48).  Newton  berichtet,  daß  Fowler 
ein  Weibchen  im  Sommer  1862  schoß  und  ihm  die  Eier  der  Art  gebracht 
wurden  (1.  c).  Slater  teilt  mit,  daß  in  demselben  Jahre  Shepherd  und  Upcher 
nicht  nur  Eier  fanden,  sondern  auch  Weibchen  und  Männchen  der  Mittelente 
schössen.  Der  Berichterstatter  erhielt  1885  selbst  ein  Gelege  und  sah  den 
Vogel  in  nächster  Nähe  des  Nestes.  Auch  Riemschneider  beschreibt  Nest 
und  Eier  unsrer  Art  (Ornith.  Monatsschr.  1896,  S.  307)  und  sagt,  beides 
gliche  dem  von  Anas  boschas,  nur  wären  die  Eier  von  geringerer  Größe. 
Da  er  aber  nicht  hervorhebt,  die  Vögel  selbst  gesehen  zu  haben,  das  an- 
gegebene Merkmal  auch  das  am  wenigsten  zuverlässige  ist,  muß  man  seine 
(auch  im  Naumann  kritiklos  zitierte)  Mitteilung  für  zweifelhaft  erklären. 

Gerade  diese  beiden  Arten  ähneln  in  ^est  und  Eiern  sehr  wenig,  wie  ich  hier 
in  Sachsen  genug  verglichen  habe  und  in  der  Literatur  bestätigt  finde.  Ch.  streperus 
benutzt  reichlich  Dunen,  A.  boschas  ganz  wenig  oder  gar  nicht,  sondern  deckt  die  Eier 
mit  Laub  und  Halmen  zu;  Struktur  und  Färbung  derselben  sind  —  bei  Ch.  str.  mehr 
gelblichweiß,  bei  A.  b.  grünlich  —  ebenfalls  charakteristisch  verschieden. 

Gröndal  berichtet  von  dem  Balge  eines  weiblichen  Individuums  (Ornis  XI, 
S.  455j.  P.  Nielsen  (in  litt.)  hält  Chaulelasmus  streperus  für  nicht  allzu  selten 
am  Mf  vatn,  l)ekara  auch  Eier  von  dort  (?).  Die  Maße  zweier  extremer  p]xemplare 
gibt  er  mit  55,5  x  39,5  und  49  x  36  mm  an,  was  zutreffend  für  die  Art 
ist.  Ich  selbst  fand  am  30.  Juli  einen  verdorbenen,  höchstwahrscheinlich  von 
einem  Jagdfalken  längere  Zeit  vorher  gekröpften  Kadaver  einer  männlichen 


U^  Miucfa  pfiiolopc. 

Mittelentp  nicht  woit  von  Reykjalid  uud  beobachtete  wenige  Tage  später  einen 
weiblichen  Vogel  mit  Dunonjnngen  bei  der  Insel  Slutnes.  Doch  konnte  ich 
;in  die  vorsichtigen  Vögel  nicht  zum  Schusse  kommen,  da  der  "Wind  unser 
Boot  schlecht  voi-wärts  ließ. 

Vorstehende  Fälle  beziehen  sirh  auf  den  Myvatii.  Müglic-h  ht  daher, 
daß  einige  der  erwähnten  Eier  auf  Verwechslungen  mit  Mar<'r<i  j>eiiel<qyi'  oder 
einer  andern  Art  berulien.  Über  die  sonstige  Verbreitung  der  Mittelente  in 
Island  liegen  keine  sicheren  Berichte  vor,  doch  teilte  mir  Herr  Nielsen 
mit,  daß  Jon  Stefönsson  aus  Sj'drineslönd  am  14.  August  1880  zwei  Exemplare 
unsrer  Art  im  Ursprungsgebiete  der  Kreppa  —  d.  i.  ein  vom  Vatuajökull  nacli 
Norden  zu  abfließender  Gletschcrfluß  —  beobachtete,  nachdem  er  schon  vorher 
ein  Nest  der  Vögel  etwas  nördlich  von  der  bezeichneten  Stelle  im  Hvauualindir 
gefunden  hatte.  Außerdem  erhielt  Nielsen  am  12.  Juni  1887  ein  Gelege  der 
Mittelente  aus  der  Gegend  von  Eyrarbakki.  doch  hat  er  selbst  nie  den  Vogel 
dort  angetroffen.  Diese  Mitteilungen  erscheinen  mir  zunächst  nicht  einwand- 
frei. Immerhin  aber  ist  das  Vorkommen  imsrer  Art  auücrliallt  des  Myvatn- 
Gebietes  wohl  anzunehmen. 

Spatula  elypeata  (L.). 
Löffelente. 

Anas  elypeata  Linn.:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  416  (1863). 

Spatula  elypeata  (Linn.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVll,  p.  306  (18J»5). 
^  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X.,  S.  122  (1902). 

Isländisch:  Skeidönd  (==  Löffelente). 

Auch  dän.  &  norw. :  Skeaud.     Schwed.:  Skeand,  Letfeland. 

Spatula  elypeata  bewohnt  Amerika  von  Alaska  bis  Texas,  viele  Gebiete  von 
Asien,  Europa  und  Nordafrika  etwa  zwischen  dem  Polar-  und  Wendekreise,  um  im 
Winter  noch  weiter  südwärts  zu  wandern.  In  Europa  brütet  sie  u.  a.  an  der  südwest- 
lichen Küste  Norwegens,  auf  den  Hebriden  und  in  ziemlicher  Menge  auf  den  Britischen 
Inseln,  wo  sie  auch  häufig  übei-wintert.  Von  den  Fän'icrn  und  (Trönland  ist  sie  da- 
gegen unbekannt. 

Es  kann  wohl  sein,  daß  die  Löffelente  gelci;entlich  mit  verwandten  Arten  auch 
nach  Island  kommt,  wie  sie  z.  B.  in  Lappland  bis  69'^  hinauf  erlegt  wurde.  Eine  sichere 
Angabe  hierüber  fehlt  indes  noch.  Nur  Baring-Gould  glaubt,  unsern  Vogel  im  Sommer 
1808  tuif  dem  Eyjafjördr  gesehen  zu  haben. 

37.  Mareca  penelope  (L.). 
Pfeifeute. 

Anas  penelope  (Linn.):  Faber.  Prodromus,  S.  77  (1822).  —  Anas  penelope  L. : 
Preyer  {&  Zirkel),  Keise  nach  Island,  S.  408  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland, 
|).  415  (1863).  —  Gnindal,  islenzkt  fuglatal,  bis.  48  (1895).  —  Mareca  penelope  (Linw.w 
Slater,   Birds  of  Iceland,  p.  57  (1901). 

Anas  Penelope.  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  607  (1877).  —  Mareca  penelope 
(liinn.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVIl,  p.  227  (1895).  —  Anas  penelops  L.: 
Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  77  (1898).  —  Anas  penelope  L. :  Naumann.  Vögel  Mittel- 
europas X,  S.  55  (1902). 

Isländisch:  Kaudhöfdaönd,  Raudhöfda  Gräönd  (von  raudur  ==  rot  und  höfdi 
=   Haupt),  Rauddüfuönd  (von  düfa  =  Taube). 


Mareen  penelope.  175 

Mareca  penelope  ist  eine  paläarktische  Spezies,  die  sich  nur  iuisuahnisweisc  an 
den  Küsten  Amerikas  zeigt  und  aucli  die  eigentliche  arktische  Hegion  meidet.  In 
Asien  brütet  sie  etwa  zwischen  50  und  70"  n.  Br.,  in  Europa  besonders  im  nördlichen 
Rußland  (vom  57"  au),  in  Skandinavien  und  Schottland,  auch  auf  den  Orkney-  und 
Shelland-lnseln,  jedoch  nicht  auf  den  Färöern.  Hier  zeigt  sich  der  Vogel,  ebenso  wie 
im  südlicheren  Teile  Grönlands,  nur  als  seltner  Gast.  Im  Winter  streicht  Mareca 
penelope  südwärts  bis  zu  den  Marshall-Inseln,   nach   Nordindien,  Nubien  und  Madeira. 

lu  Island  gehört  die  Pfeifeute  zu  deu  uicht  seltnen  Brut  vögeln. 
Sie  scheint  eine  ziemlich  gleichmäßige  Verbreitung  auf  der  ganzen  Insel  zu 
besitzen,  soweit  es  sich  natürlich  um  wasserreiche  Gebiete  handelt.  -  Vielleicht 
ist  sie  im  Norden  etwas  häufiger  als  im  Süden.  Kaum  irgendwo  findet  man 
sie  in  größerer  Anzahl  beisammen,  auch  nicht  an  den  Sammelbrutplätzeu 
ihrer  Verwandten;  ja  nicht  selten  ziehen  sich  einzelne  Paare  in  entlegene 
Hochmoore  zurück.  Sie  ähnelt  hierin  sehr  Anas  boschas  und  Nettion  crecca. 
Im  Gebiete  des  Eyjafjördrs  traf  ich  unsern  Vogel  als  häufigste  Entenart. 

Ein  von  mir  am  14.  Juni  bei  Hjalteyri  gesammeltes  c5  ad.  zeigt  folgende  Maße. 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  485mm.  Flügel:  2H5.  Schwanz:  116.  Flügel  -(-  Schwanz:  5. 
Schnabellänge:  M.  Schnabelhöhe  am  Grunde:  16.  Tarsen:  39.  Mittelzehe  inkl.  der 
7,5  mm  langen  Kralle:  50  mm.  —  Iris:  dunkelbraun.  Oberschnabel:  dunkelbleigrau. 
IJnterschnabel:  fast  schwarz.  Füße:  bleigrau,  Schwimmhäute  dunkler.  —  Alle  Federn 
mit  Ausnahme  derer  im  obersten  Teile  des  Kopfes  (hintere  Stirn  weiß),  Rumpfes. 
Schwanzes  und  der  Flügel  sind  vom  Aufenthalte  des  Vogels  in  eisenhaltigem  Brack- 
wasser gleichmäßig  lebhaft  rostbräunlich  überfärbt,  dies  natürlich  unverwaschbar.  — 
Stark  in  beginnender  Sommermauser,  auf  dem  Unterrücken  schon  die  meisten,  auf  dem 
Oberrücken  eine  3Ienge  neuer  Federn;  der  innere  Balg  bedeckt  mit  neuen  Kielen. 

Die  Pfeifeute  scheint  in  der  Hauptsache  ein  Zugvogel  für  Island  zu 
sein.  Wenigstens  sind  keinerlei  Berichte  über  ihr  Vorkommen  daselbst  im 
Winter  veröffentlicht.  Nach  Fabers  Angabe  erscheint  der  Vogel  Anfang  Mai 
auf  der  Insel.  Ich  sah  die  ersten,  eine  Schar  von  4  Erpeln  und  2  Enten, 
den  4.  Mai  am  Strande  von  Reykjavik,  an  den  folgenden  Tagen  wiederholt 
einzelne  Paare  in  deu  moorigen  Wiesenflächen  hinter  dem  Kirchhofe  dieser 
Stadt.  Die  Vögel  suchten  au  Gräben  und  Tümpeln  Regenwürmer  und  andere 
kleine  Tiere.  Sie  zeigten  sich  ziemlich  vertraut,  liefen  große  Strecken  über 
die  Schlammflächen  dahin  und  benahmen  sich  in  ihren  Bewegungen  für 
Enten  zierlich  und  gewandt.  Die  am  Meerestrande  beobachteten  Exemplare 
verhielten  sich  dagegen  weit  scheuer.  Gewöhnlich  hatte  das  Weibchen  den 
Vortritt,  während  das  Männchen  erhobenen  Kopfes  nachfolgte.  Aufgetrieben 
schwingen  sich  die  Vögel  meist  sehr  rasch  und  leicht  in  die  Luft,  ihr  etwas 
stoßweiser  Flug  ist  gewandt  und  schnell.  Mitunter  lassen  sie  dabei  ein 
schnarrendes  Trrr  hören.  Das  charakteristische  pfeifende  Piw,  Piju  vernahm 
ich  viel  seltner.  Die  Vögel  scheinen  diese  Töne  mehr  zur  Zugzeit  auszustoßen. 
An  deu  Brutplätzen,  wo  ich  einzelne  Paare  auch  isoliert  antraf  und  deslialb 
nicht  wie  am  Myvatn,  Verwechslungen  mit  verwandten  Arten  befürchten 
mußte,  hörte  ich  in  der  Hauptsache  schnarrende  Stimmlaute,  die  etwa  wie 
grä  klangen.  Vielfach  geben  die  Vögel  indes  auch  bei  Beunruhigungen  keinen 
Ton  von  sich. 

Bald  nach  der  Ankunft  ziehen  sich  die  Paare  nach  ihren  Brutplätzen 
zurück,  die  sich  sowohl  tief  im  Innern  des  Landes,  als  in  unmittelbarer  Nähe 


J7H  .'Miircoa   penelope. 

des  Meeres,  jedoch  iinmoi-  hei  Süßwasser  befinden.  Gern  wühlen  sie  vegetations- 
roicbe  Inseln  in  langsam  liioßenden  Strömen  oder  deren  Ufer,  ferner  sumpfige 
"Wiesen,  in  denen  es  Wassergräben  und  Tümpel  gibt.  Auch  inmitten  der 
geschützten  Eiderbrutplätze  fand  ich  ihr  Nest.  Dieses  wird  Ende  Mai  besonders 
vom  Weibchen  erriclitet.  hat  einen  äußeren  Durchmesser  von  etwa  25—28. 
einen  innern  von  16 — 18  cm,  befindet  sich  in  einer  Bodenvertiefung  und 
Itestelit  meist  aus  einer  dicken  Schicht  von  Halmen  und  einigen  Reisern  und 
lihittern.  Später  erliält  es  auch  eine  Ausfütterung  von  nicht  allzuviel  großen 
grauen  Dunen.  Gewölmlich  wird  es  gut  versteckt,  auf  den  Inseln  des  Myvatn 
unter  Gesträuch,  anderwärts  zwischen  Heidekräuter.  Gräser  oder  sonstige 
höhere  Pflanzen.  Es  ist  deshalb  oft  scliwierig  zu  finden,  wenn  es  nicht  das 
Weibchen  durch  sein  spätes,  ängstliches  Abfliegen  verrät.  Ein  Nest  entdeckte 
ich  auf  diese  Weise  bald  100  m  abwärts  vom  Wasser  auf  völlig  trockner 
Heidefläche.  Die  Ablage  der  6 — 10  p]ier  beginnt  kaum  vor  Anfang  Juni. 
Icli  fand  und  erliielt  frische  Gelege  in  der  Zeit  vom  9. — 18.  d.  M.  Am 
]\ryvatn  gibt  es  bis  in  den  ,Iuli  hinein  unbel)rüteto  Eier,  die  von  Nach- 
gelegen herrühren. 

Zwei  der  von  mir  präparierten  isländischen  Gelege  meiner  Sammlung  zeigen 
folgende  ^laße:  53x31)  mm  (3,4  g),  55x39  (3,4),  55,5x39.5  (3,7).  56x37,2  (3,3). 
r.tix39  (3,5),  57,5x39  (3,6).  —  .53.5x38  (3,2),  54,2x38,2  (3,3),  54.5x38,2  (3,3), 
54.5x38,2(3,4),  54,5x38.5(3,2),  55x38,2(3,2),  55,5x38,5(3,3).  55.5x39(3,3), 
56x39  (3,5).  —  Das  Vollgewicht  frischer  Exemplare  schwankte  zwischen  41 — 47  g. 

Das  Weibchen  brütet  etwa  H'/^  Wochen  allein.  In  engbegi'enzten. 
einsamen  Gebieten  bleibt  das  Männchen  nicht  selten  in  der  Nälie,  stellt  sich 
auf  ein  Hügelchen  und  bewacht  die  Gegend.  Ja  ich  beobachtete  einen 
Vogel  an  verschiedenen  Tagen  unmittelbar  neben  seinem  brütenden  Weibchen. 
Er  war  allerdings  noch  vollkommen  in  Frühjahrstracht.  Doch  gibt  es  auch 
Fälle,  wo  man  weit  und  breit  nichts  von  dem  Erpel  sieht.  In  eutenreichen 
Gebieten  vereinigen  sich  nämlich  die  Vögel  während  der  Sommermauser, 
anderwärts  verstecken  sie  sich  oft  in  dieser  Zeit  an  stillen  Wassergräben  und 
Tümpeln.  Sind  die  Du  neujungen  ausgeschlüpft,  was  am  ^M^-vatn  kaum 
vor  Mitte  .luli  geschieht,  so  l)esucht  das  Männchen  höchstens  ab  und  zu  die 
Familie,  überläßt  jedoch  die  Führung  der  zierlichen,  lebhaften  Tierchen  der 
]\Iutter  allein.  Diese  suclit  geschützte  Plätze  auf,  zeigt  sich  und  ihre  Nach- 
kommenschaft selten"  längere  Zeit  ungedeckt  und  ist  sehr  besorgt  um  das 
AVohl  der  folgsamen  Jungen.  Nach  etwa  einem  Monat  fangen  diese  an  zu 
fliegen  und  streichen  zunächst  in  der  Brutgegend  umher.  Häufig  gesellt 
sich  nun  das  Mäimchen  wieder  zu  der  Familie,  übernimmt  aber  niclit  die 
Führung. 

Im  September  nähern  sicli  die  Vögel  dem  Meere  und  sollen  Ende 
des  Monats  oder  Anfang  Oktober  Island  verlassen,  um  südlichen  Gegenden 
zuzuwandern.  AVenn  auch  die  Geschicklichkeit  unsrer  Art  im  Fliegen  eine 
solche  Reise  erleichtert,  ist  trotzdem  anzunehmen,  daß  einzelne  Vögel, 
besonders  alte  Erpel.  ;iii  w:ir7iien  Gewässern  im  Innern  Islands  über- 
w  i  n  t  e  r  n. 


I 


Mareca  americana.  177 

38.  Mareca  americana  (Gm.). 
Anierikauischo  Pfeifente. 

Mareca  americana:  Coburn,  Brit.  Orn.  Club,  Bull.  XII,  p.  14  (1901). 

Mareca  americana  (Gm.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  233  (1895). 
—  [Anas  americana  Gm. :  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  p.  59  (1902).]  —  Mareca 
americana  (Gm.):  Dresser,  Manual  of  Palasarctic  Birds  II,  p.  616  (1903). 

Isländisch:  Ameriskur  und. 

Mareca  americana  ist  eine  nearktischc  Spezies,  die  nur  au  wenigen  Stellen  bis 
zum  Eismeere  nordwärts  geht.  Nach  Schalow  wurde  sie  auf  einigen  Inseln  des  Kotzebue- 
Siindes  und  au  der  alaskanischen  Küste  gefunden,  von  Grönland  dagegen  kennt  man  sie 
nicht.  Im  Winter  zieht  sie  südwärts  bis  Guatemala  und  Westindien.  In  Europa  ist 
sie  nur  wenige  Male  auf  den  Britischen  Inseln  erlegt  worden. 

Um  SO  auffälliger  erscheint  die  Mitteilung  Coburus,  er  habe  diese  Art 
im  Sommer  1899  an  zwei  Stellen  in  Nordisland  brütend  gefunden,  eine 
Serie  alter  und  junger  Vögel  sowie  Eier  davon  gesammelt  und  dem  Britischen 
Ornithologischen  Club  in  London  vorgelegt.  Leider  konnte  ich  keine  genauere 
Lokalitätsbezeichnuug  in  Erfahrung  bringen,  weil  sich  der  Berichterstatter, 
HeiT  Naturalienhäudler  J.  Coburn  in  Birmingham,  zur  Zeit  meiner  Anfrage 
auf  einer  längeren  Eeise  befand.  Da  aber  englische  Ornithologen  wie  Sharpe 
und  Dresser  den  Fundort  für  richtig  anerkennen  (in  litt.),  habe  ich  keinen 
Grund,  die  Angabe  zu  bezweifeln.  Immerhin  ist  es  wünschenswert,  daß  die 
auffällig  genug  charakterisierte  Art  auch  von  anderer  Seite  in  Island  beob- 
achtet wird. 

39.  Nettion  crecca  crecca  (L.). 
Krickente. 

Anas  crecca  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  77  (1822).  —  Anas  crecca  L.:  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  407  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  415 
(1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  48  (1895).  —  Querquedula  crecca  (Linn.): 
Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  55  (1901). 

Anas  crecca,  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  665  (1877).  —  Nettion  crecca 
(Linn.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  243  (1895).  —  Anas  crecca  L.: 
Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  77  (1898).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  96  (1902). 

Isländisch:  Urt,  Urtönd,  Ort  (Etymologie  unklar,  vielleicht  nach  dem  Rufe; 
Urt  =  Wurzel,  Pflanze),  Litla  Gräönd  ($,part.),  Krikönd  (nach  dem  Rufe,  Lehnwort). 

Auch  deutsch:  Uart.  Dan.  &norw. :  Krikand.  Schwed. :  Arrt,  Arte,  Ärta,  Krick- 
and.    Fäi-. :  Krikkändt,  Krikkondt. 

Nettion  crecca  crecca  ist  eine  paläarktische  Spezies,  die  zwar  bis  zum  äußersten 
Norden  Europas  als  Brutvogel  vorkommt,  die  eigentliche  arktische  Region  aber  meidet. 
Nur  ausnahmsweise  ist  sie  auf  Spitzbergen  und  an  der  Üstküste  Grönlands  erlegt 
worden.  Wie  weit  sie  ostwärts  als  Brutvogel  vorkommt,  ist  noch  nicht  genau  fest- 
gestellt. In  Amerika  findet  sich  die  sehr  ähnliche  N.  c.  carolinensis  (Gm.),  die  wahr- 
scheinlich auch  im  arktischen  Gebiete  brütet  und  wiederholt  in  Westgrönland  erlegt 
wurde.  In  Europa  ist  N.  c.  crecca  in  den  meisten  Ländern  Brutvogel,  im  Süden  nur 
vereinzelt,  nach  Norden  zu  immer  häufiger.  Auch  die  Britischen  Inseln  bewohnt  sie 
zahlreich,  die  Färöer  scheint  sie  indes  nur  auf  dem  Zuge  zu  berühren.  Im  Winter 
geht  sie  südwärts  bis  zu  den  Kanarischen  Inseln,  Nordafrika,  Abessinien,  Nordindien 
und  China.     Gelegentlich  besucht  sie  auch  das  östliche  Nordamerika. 

Auf  Island  ist  die  Krickente  ein  nicht  seltner  Brut vo gel,  der 
freilich  ebenso  wie  die  vorigen  Arten  nirgends  in  Menge  beisammen  wohnt, 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands.  12 


lyg  Nettioii  creoca  crecca. 

jedoch  in  allen  wasseiTeichon  Goliieten  gefunden  wird,  Sie  liebt  ähnliche 
Örtlirhkeiten  wie  Anas  Iwsc/ias  und  Marem  peueJope,  brütet  aber  noch  häufiger 
als  diese  in  einsamen  Heidehindschalten.  Audi  geni  sie  vielleicht  von  allen 
Kntenarten  am  weitesten  in  die  Gebirge  hinauf,  wie  sie  dies  bei  uns  gleich- 
falls tut.  i\Iehrmals  traf  ich  einzelne  Paare  an  kleineu  düstern  Moorteichen 
und  Gräben,  die  schon  in  der  Nähe  des  Sommerschnees  lagen.  Hier  führt 
die  Krickente  ein  verstecktes  Leben  und  entzieht  sich  meist  den  Blicken 
von  Menschen  und  Raubvögeln.  Kommt  man  zu  Pferde  an  ihren  Brutplätzen 
vorbei,  so  wartet  sie  die  Annäherung  oft  bis  auf  wenige  Schritte  ab,  wes- 
halb sie  häufig  übersehen  werden  mag.  Aber  auch  sonst  sind  die  Vögel 
nicht  scheu.  Auf  den  Inseln  des  Mj^vatn  brüten  nur  wenige,  mehr  nocli 
in  der  sumpfigen  Umgebung.  Zur  Zugzeit  werden  sie  an  allen  Gewässern 
Islands  und  auch  am  Meeresstrande  beobachtet  und  erlegt. 

Die  Mehrzahl  der  Krickenten  sind  Zugvögel  auf  uusrer  Insel,  die 
Ende  April  daselbst  ankommen.  Ich  sah  das  erste  Paar  am  24.  d.  Vi.  an 
Moorausstichen  bei  Reykjavik.  Im  Mai  erscheinen  sie  an  den  Brutplätzeu 
und  beginnen  bald  darauf  mit  dem  Baue  des  Nestes.  Beim  M^'vatn  mit 
seiner  für  isländische  Verhältnisse  bedeutenden  Vegetation  findet  sich  dieses 
unter  Stauden  und  Sträuchern,  in  andern  Gegenden  zwischen  Heidepflauzen 
und  Gräsern  in  der  Nähe  des  Wassers.  Die  von  mir  untersuchten  Nester 
bildeten  einen  ziemlich  dicken  Bau,  bestanden  äußerlich  aus  gröberen  Stengeln, 
nach  innen  zu  aus  heuartigen  weichen  Halmen  und  einigen  Federn.  Das 
Ganze  läßt  sich  recht  gut  im  Zusammenhange  vom  Boden  aufheben.  Der 
äußere  Durchmesser  eines  besonders  regelmäßig  gebauten  Nestes  betrug  24. 
der  innere  13  cm.  Die  Nestmulde  wird  reichlich  mit  grauschwärzlichen 
Dunen  ausgekleidet,  die  einen  hellen,  fast  weißen  Kern  haben.  Findet  man 
das  Nest,  so  rufen  die  Alten  fortgesetzt  ein  leises,  ängstliches  Wedd.  Dabei 
schwimmen  sie  wenn  möglich  auf  einem  benachbarten  Gewässer,  um  den 
Vorgang  gut  beobachten  zu  können.  Verfolgt  mau  sie  selbst,  so  läßt  besonders 
das  Männchen  ein  schnarrendes,  lautes  Quäk  hören.  Die  Vögel  erheben  sich 
leicht  und  rasch  aus  dem  Wasser,  ohne  dieses  noch  lange  mit  Flügeln  und 
Füßen  zu  berühren.     Doch  kehren  sie  in  derartigen  Fällen  bald  zurück. 

Die  Ablage  der  8 — 12  p]ier  erfolgt  zwischen  Mitte  Mai  und  Mitte 
Juni.  Frische  Nachgelege  gibt  es  kaum  über  den  Juni  hinaus,  Krüper 
entdeckte  am  M^vatn  ein  Nest  mit  9  schwachbebrüteten  Eiern  am  31.  Mai 
(Naumanuia  1857,  S.  50).  Meine  Gelege  stammen  aus  der  Zeit  vom  7.  bis 
18.  Juni. 

Die  Eier  sind  von  solchen  der  Knäkente  (Qucrquedula  circia)  weder  in  frischem, 
noch  ausgeblasenem  Zustande  mit  Sicherheit  zu  unterscheiden.  Die  Färbung  ist 
durchaus  nicht  maßgebend.  Obwohl  häufig  lebhaft  gelbliche  Exemplare  vorkommen, 
variiert  der  Ton  sogar  in  demselben,  sicher  von  einem  Weibchen  herrührenden  Gelege 
bis  zum  ausgesproclienen  Grünlich.  Solche  Exemplare  fand  ich  besonders  zart  und 
dünnschalig.  Ich  lasse  die  Maße  zweier  selbst  präparierter  Gelege  von  Hjalteyri  folgen: 
45,2x32,2  mm  (1,8  g),  45,2x32(1,9),  45x32,5  (1,8),  45x31,5  (1,7),  45x31  (1,7), 
44,5  X  32,5  (1,8).  44,5  x  32,2  (1,8),  44,3  x  32.5  (1,8),  43,5  x  31,8  (1,8) ;  42  x  32,8  (1,5), 
41,8x32  (1,6).    Die  2  letzten  grünlich,  die  andern  gelblich  gefärbt.  —  46,5x32,5  (1,7), 


Nettion  crecca  crecca.  J79 

46x32,5(1,8),  45,5x32,2(1,7),  45,2x32,5(1,7),  45x33,6(1,7),  45x32,8(1,7),  44,5x33 
(1,6),  44x33(1,6).  Färbung  bei  allen  grünlichgelb.  —  Das  Vollgewicht  von  mir  unter- 
suchter Exemplare  schwankte  zwischen  20  und  26  g. 

In  einem  sicher  mitgeteilten  Falle  betrug  die  Brutdauer  vom  letzten 
Eiean  gerechnet  20  Tage.  Doch  beginnt  ein  stundenweises  Bebrüten  schon  eher. 
Das  Weibchen  besorgt  dies  allein.  In  Gegenden  aber,  wo  nur  einzelne  Paare 
leben,  bleibt  das  Männchen  gewöhnlich  in  der  Nähe  des  Nestes.  Anderweit 
schlagen  sich  freilich  die  Vögel  auch  von  der  Zeit  ihrer  Sommermauser 
an  zusammen.  Ob  freilich  alle  Erpel,  die  nordische  Gegenden  bewohnen, 
Sommertracht  überhaupt  anlegen  oder  ob  diese  durch  den  späten  Eintritt  der 
Fortpflanzung  unterdrückt  oder  merkwürdig  verzögert  wird,  wage  ich  zunächst 
nicht  zu  entscheiden.  Doch  habe  ich  z.  B.  eben  von  Netüon  crecca  am 
6,  August  bei  Mödruvellir  im  Hörgärtale  und  am  13.  August  in  der  Nähe 
von  Sveinsstadir  bei  Blönduös  je  ein  altes  Männchen  gesehen,  das  das  volle, 
scheinbar  noch  alte  Prachtkleid  trug. 

Krüper  fand  die  ersten  Dunen  jungen  am  18.  Juni,  Faber  Ende  d.  M. 
Sie  sind  recht  lebhafte  Tierchen,  die  auch  freiwillig  und  ganz  geschickt  tauchen, 
was  sie  später  selten  tun.  Nach  ungefähr  4  Wochen  haben  sie  das  Feder- 
kleid erhalten  und  fangen  an  zu  fliegen.  Doch  wachsen  Geschwister  nicht 
immer  gleichmäßig  heran.  Am  4.  August  beobachtete  ich  völlig  flugbare 
Junge  bei  einer  Insel  in  der  Laxä,  zu  derselben  Zeit  freilich .  noch  recht 
unentwickelte  auf  dem  M;fvatn.  Diese  werden  von  der  Alten  geführt.  Auch 
das  Männchen  sieht  man  nicht  selten  bei  seiner  Familie.  Sind  die  Jimgen 
aber  groß,  so  werden  sie  oft  von  beiden  Eltern  verlassen  und  müssen  mm 
selbst  ihr  Fortkommen  suchen. 

Die  meisten  Krickenten  mögen  Ende  September  bis  Mitte  Oktober  aus 
Island  fortziehen,  nachdem  sie  sich  vorher  scharenweise  auf  großen  Gewässern 
in  der  Nähe  des  Meeres  oder  an  diesem  selbst  aufgehalten  haben.  Einige 
überwintern  indes  mit  anderen  Arten  an  geschützten  Wasserrieseln  und 
offnen  Teichrändern,  wohl  auch  an  milden  Meeresbuchten. 

Nettion  formosum  (Georgi). 
Prachtente. 

Anas  bimaculata,  Keys.  &  Blas.:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  416  (1863). 

Netüon  formosum  (Georgi):  Salvadori,  Cat.  ßirds  Brit.  Mus.  XX VII,  p.  240  (1895). 
—  Anas  formosa  Georgi:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  8.80(1902). 

Isländisch:  Austrsen  Urtönd  (=  Asiatische  Krickente). 

Nettion  formosum  bewohnt  das  nordöstliche  Sibirien  bis  hinauf  zum  Eismeere. 
Im  Winter  zieht  sie  südwärts  nach  China,  Japan  und  Indien.  Europa  scheint  sie  nur 
ausnahmsweise  zu  besuchen.     Man  kennt  Belegstücke  aus  Italien  und  Frankreich. 

Proctor  erklärt  nun  (Newton,  1.  c),  am  28.  Juli  1837  ein  Nest  der  Prachtente  am 
Myvatn  gefunden  zu  haben.  So  auffällig  diese  Mitteilung  ist,  weiß  man  wiederum 
auch,  daß  ab  und  zu  äußerst  weitführende  westliche  Wanderungen  östlicher  Vogel- 
arten vorkommen.  Degland  und  Gerbe  (Orn.  Eur.  IL  Ed.,  p.  523.  1867)  berichten 
außerdem,  daß  im  November  1836  fünf  Exemplare  der  Prachtente  am  Ufer  der  Saöne 
erlegt  und  eins  davon  präpariert  wurde.  Möglicherweise  sind  gleichzeitig  auch  ander- 
wärts Scharen  der  Vögel  erschienen,  jedoch  übersehen  worden,  einige  Individuen  davon 
nach  Island  gelangt,    auf  der  entenreichen  Insel,    die   lebhaft   an   die  Heimat  erinnert, 

12* 


2gQ  Querquedula  circia. 

zurückgeblieben  und  1837  zur  Brut  geschritten.  Newton  stellt  die  Wahrscheinlichkeit 
der  Proctorschen  Angabe  nicht  ohne  weiteres  in  Abrede,  läßt  freilich  die  Frage  ofifen. 
ob  es  sich  bei  der  angeblichen  Prachtente  vielleicht  nur  um  einen  ähnlichen  Bastard 
isländischer  Arten  gehandelt  habe.  Da  ein  Belegexemplar  nicht  vorhanden  zu  sein 
scheint,  muß  man  die   l{ichtif,d<oit  der  Bestimmung  bezweifeln. 

4<L  Querquedula  circia  (L.)- 
Knäkente. 

Anas  querquedula  L.:  Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island.  S.  407  (1862).  — 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iccland,  p.  415  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  48 
(1895).  —   Querquedula  circia  (Liun.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  56  (1901). 

Querquedula  circia  (L.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  293  (1895). 
—  Anas  querquedula  L.:  Naumann,  Yögel  3Iitteleuropas  X,  S.  83  (1902). 

Isländisch:  Taumönd  (von  tauniur  =  Strich,  Streifen,  Zügel  am  Kopfe  der 
Vögel:  nach  dem  auffälligen  weißen  Streifen  über  dem  Auge). 

Querquedula  circia  bewohnt  die  gemäßigteren  Gegenden  der  paläarktischen 
Kogion,  geht  zwar  vereinzelt  bis  zum  Polarkreise  hinauf,  brütet  aber  häufiger  nur  in 
Mittel-  und  Südeuropa,  Kaukasien  und  Turkestau,  Südsibirien  und  dem  Amurlande, 
sowie  auf  Kamtschatka.  Im  Winter  begibt  sie  sich  südwärts  bis  nach  den  Sunda-Inseln, 
Indien  und  Innerafrika.  Südostengland  bewohnt  sie  in  geringer  Anzahl.  Das  nördliche 
Britannien  und  die  Inselgruppen  bis  zu  den  Färöern  besucht  sie  nur  auf  dem  Zuge. 
Von  Grünland  ist  sie  ganz  unbekannt. 

Auf  Island  gehört  die  Knäkente  jedenfalls  zu  den  oelegentlicheu 
Brut  vögeln,  doch  muß  dahin  gestellt  bleiben,  ob  sie  regelmäßig  daselbst 
vorkommt.  Nach  Eiern  die  Art  zu  liestimmen.  ist  unmöglich,  wird  vielmehr 
an  unsrer  Lokalität  eine  Verwechslung  mit  Nettion  crecca  bedeuten.  Immerhin 
ist  die  Knäkente  für  Island  festgestellt,  wenn  auch  nur  sehr  dürftige  Nach- 
richten über  sie  vorliegen. 

Preyer  erbeutete  ein  Weibchen  am  16.  Juli  1860  auf  dem  Myvatn,  das  mit 
10  oder  12  Jungen  umherschwamm.  Vorher  schon,  am  10.  Juli,  erhielt  er 
9  Eier  aus  der  Nähe  von  Akureyri,  die  ihm  der  Finder  als  solche  der 
Taumönd  bezeichnete  und  den  Vogel  auch  annähernd  richtig  beschrieb.  Das 
Kopenhagener  Zoologische  Museum  besitzt  ein  Männchen  unsrer  Art,  das  1873 
gleichfalls  bei  Akureyri  gesammelt  wurde.  Ich  selbst  hatte  das  Glück,  am 
12.  Juni  einen  Erpel  der  Knäkente  zwischen  Hjalteyri  und  MödruveUir 
anzutreffen.  Leider  schoß  ich,  um  in  den  Besitz  des  seltnen  Vogels  zu  kommen, 
in  dem  äußerst  schwierigen  Sumpfterrain  auf  zu  gToße  Entfernung,  der 
scheinbar  leicht  Getroffene  strich  ab,  fiel  zwar  gleich  wieder  ein,  konnte  aber 
trotz  alles  Sucliens  nicht  gefunden  werden.  P.  Nielsen  endlich  glaubt,  4  Gelege 
unsrer  Art  vom  8.,  9.,  17.  und  20.  Juni  1889  vom  M}'^vatn  erhalten  zu  haben 
(in  litt),  deren  Echtheit  ich  noch  bezweifle. 

Vielleiclit  kommen  einzelne  Exemplare  oder  kleine  Schai'en  der  Knäk- 
ente nur  gelegentlich  in  Begleitung  anderer  Enten  nach  Island. 

41.  Dafila  acuta  (L.). 
Spießente. 

Anas  acuta  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  76  (1822).  —  Anas  acuta  L. :  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  408  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland, 
p.  415  (1863).  —  Gröndal,  islenzkt  fuglatal,  bis.  48  (1895).  —  Daßa  acuta  (Linn.): 
Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  54  (1901). 


Dartla  acuta.  181 

A7ias  acuta,  L.:  Collin,  Skaudinavicns  Fugle,  S.  658  (1877).  —  Dafila  acuta 
(Liiin.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Biit.  Mus.  XXVII,  p.  270  (1895).  —  Anas  acuta  L.:  Winge, 
(Troulands  Fuglo,  S.  78  (1898).  —  Dafila  acuta  (L.):  Nanmaim,  Vögel  Mitteleuropas  X, 
S.  109  (1902). 

Isländisch:  Graföud  (=  Grabeneiite),  Grasünd  (^  Grasente),  Läugviu  Gräönd 
(liuigviu  ist  Zusammenziehung  von  längnet'ja  =  Laugschnabel). 

Dafila  acuta  bewohnt  den  Norden  der  Alten  und  Neuen  Welt  bis  ungefähr 
70  ^*n.  Br.  In  Amerika  brütet  sie  von  etwa  45"  an  bis  Labrador;  auch  nördlich  der 
Beriugs-Straße  nennt  sie  Nelson  ostwärts  und  westwärts  die  häufigste  Brutente.  In 
Asien  findet  sie  sich  in  fast  allen  russischen  Gebieten,  stellenweise  hinauf  bis  zum 
Eismeere.  Europa  bewohnt  sie  im  Süden  und  in  der  Mitte  nur  vereinzelt,  häufiger 
vom  50.  Grade  an  bis  zum  Polarkreise.  Auf  den  Britischen  Inseln  ist  sie  ziemlich 
seltner  Brutvogel,  überwintert  aber  zahlreich.  Auf  den  Färöern  und  an  der  Westküste 
Grönlands  bis  hinauf  zu  73  <*  kennt  man  sie  nur  als  gelegentlichen  Gast.  Im  Winter 
begeben  sich  die  Vögel  südwärts  bis  zu  den  Antillen,  Südjapau,  den  Sunda-Inseln, 
Persien  und  Mittelafrika. 

In  Island  ist  die  Spießeute  ein  nicht  seltner  Brutvogel,  der  jedoch 
kaum  irgendwo  in  großer  Zahl  beisamraenwohnt.  Sie  liebt  als  Aufenthalt 
offene,  pflanzenreiche  Täler  und  Inseln,  gern  in  der  Nähe  des  Meeres,  besonders 
im  Mündungsgebiete  der  Ströme.  In  einsamen,  engbegreuzteu  Gebirgs- 
gegenden trifft  man  sie  kaum.  Auch  am  Myvatn,  ^lugvallavatu  und  andern 
großen  Binnenseen  gehört  unser  Vogel  zu  den  seltneren  Arten.  Zur  Zugzeit 
begegnet  man  der  Ente  in  allen  Küstengebieten.  Doch  ist  sie  dann  noch 
scheuer  als  sonst  und  wird  deshalb  nur  in  geringer  Zahl  erlegt. 

Die  Spießente  ist  ein  wahrer  Zugvogel  für  Island,  der  Mitte  bis  Ende 
April  im  Süden  der  Insel  erscheint.  Ich  sah  die  ersten  2  Paare  an  dem 
kalten,  aber  sonnigen  Morgen  des  23.  April  unter  Dutzenden  von  andern 
Enten  in  einer  Bucht  bei  Eeykjavik.  Die  Vögel,  die  ab  und  zu  von  einem 
Seeadler,  den  ich  wenigstens  eine  Stunde  lang  in  der  Gegend  beobachtete, 
in  Unruhe  versetzt  wurden,  zeigten  sich  äußerst  lebhaft,  schwammen  rasch 
und  mit  hocherhobenem  Halse,  tauchten  häufig,  wenn  auch  nicht  lange,  und 
flogen  mit  leichten  Schlägen  wiederholt  ein  Stück  über  das  Wasser  hin. 
Die  Erpel  schienen  zankend  ein  rauhes  Schnarren  hervorzubringen.  Am  5,  Mai 
sah  ich  nochmals  ein  einzelnes  Paar  am  Meeresstrande,  als  ich  hinter  Steinen 
gedeckt  mich  kriechend  einer  Schar  Arenana  interpres  näherte.  .Die  Enten, 
die  ich  vorher  gar  nicht  gesehen  hatte,  flogen  in  geringer  Entfernung  mit 
sausenden  Flügelschlägen  davon,  wobei  das  voraneilende  Männchen  2  oder  3 
rauhe  Quäk  ausstieß. 

Früher  oder  später  im  Mai  kommen  die  Paare  nach  ihren  Brutplätzen. 
Bald  darauf  beginnt  das  Weibchen  mit  dem  Baue  des  Nestes.  Dieses  wird 
ziemlich  dick  aus  Pflanzenstengeln,  nach  innen  zu  aus  Aveichen  Halmen 
errichtet  und  mit  einigen  Federn  und  braungrauen  Dunen  ausgefüttert.  Auf 
einem  Eiderbrutplatze  an  der  Mündung  der  Fnjöskä  war  das  Nest  zwischen 
Heidekräutern  gut  verborgen,  in  einem  Sumpfe  bei  Mödruvellir  auf  einer 
hochgrasigen  Kaupe.  Am  Mj'^vatn  wird  es  meist  unter  Gesträuch  angelegt. 
Das  Weibchen  verläßt  das  Nest  bei  langsamer  Annäherung  eines  Menschen 
vorsichtig  und  geduckt  und   fliegt   dann  erst  auf.     Eine  Stimme  hörte  ich 


iHi 


Jjiitila   jKMitii 


dabei  nicht.     Die    Ablage    der    6 — 9    Eier    erfolgt  zwischen    Ende    ]\Iai  und 
Mitte  Juni.     Bis  Ende  Juni  findet  man  am  M}'vatn  frische  Nacligelege. 

Die  Größe  isländischer  Exemplare  meiner  SainmUmo:  beträgt:  57,5  x  38,ö  mm 
(3.3  g).  57,5x35,5(2,0).  56.5x37,5(3,2.)  56,5x36(3,3).  55,5x38  (3,3).  53x38  (3). 
52.5x38  (3,2).  52x35,5  (3,1).  51x35,5  (3).  —  Sie  stehen  in  Größe,  Farbe  und  Struktur 
zwischen  den  Eiern  von  Anas  boschas  und  Clangula  hyemalis. 

Die  Brutdauer  mag  mit  SV,  Wochen  im  allgemeinen  richtig  angegeben 
sein;  Faber  sagt  freilich  4  Wochen,  was  aber  kaum  als  Normalzeit  gelten 
kann.  Auch  bei  dieser  Ente  findet  man  allerdings  ganz  frische,  sowie  deutlich 
in  Entwicklung  begriffene  Eier  in  demselben  Gelege.  Das  Weibchen  l)rütet 
allein,  das  Männchen  aber  bleibt  gewöhnlich  in  der  Umgebung  des  Nestes 
und  zeigt  bei  Annäherung  eines  Menschen  offenbare  Besorgnis.  Auch  wenn 
die  Duuenjungeu  Mitte  Juli  ausgeschlüpft  sind,  kümmert  sich  der  Erpel 
um  diese,  wie  ich  in  zwei  Fällen  deutlich  beobachtete.  Die  Hauptführung 
übernimmt  freilich  wie  bei  allen  verwandten  Arten  die  Mutter.  Ich  über- 
raschte am  15.  Juli  in  der  Nähe  des  Göda-Falles  (N.)  eine  Alte  mit  schein- 
bar kaum  ausgekommenen  Jungen.  Sie  flatterte  ängstlich  am  Boden  hin 
und  stieß  dabei  ein  besorgtes  Quäken  aus.  Da  ich  mich  aber  nicht  irre 
führen  ließ,  sondern  weiter  nach  dem  Neste  suchte,  erhob  sie  sich,  umflog 
den  Platz  mit  raschen  Flügelschlägen  und  lockte  die  gut  laufenden  Jungen 
in  das  Wasser  eines  benachbarten  Sumpfes.  Kaum  schwammen  die  7  oder 
8  Tierchen  eng  aneinander  gedrängt  von  meinem  Standorte  weg,  als  das 
Weibchen  bei  ihnen  einfiel.  Kurze  Zeit  darauf  erschien  auch  das  Männchen, 
um  sich  gleichfalls  auf  dem  Wasserspiegel  niederzulassen.  Beide  Vögel  lobten 
nun  durch  zufriedene  Rufe  das  glückliche  Gelingen  ihres  Eutführungsplaues. 
Die  Stimme  des  Erpels  war  erheblich  tiefer  als  die  der  Ente.  Von  dieser 
hörte  ich  auch  das  leise  warnende  Örrr,  das  verschiedene  Arten  beim  Führen 
der  Jungen  ausstoßen. 

Nach  4 — 5  Wochen  sind  diese  befiedert  und  flugbar.  Die  Familien 
streichen  nun  Ende  August,  spätestens  Anfang  September  nach  der  Küste, 
vereinigen  sich  auf  großen  Strandseen,  Lagunen  und  Meeresbuchten  mit 
ihresgleichen  und  verschwinden  IMitte  bis  l^^nde  September.  Von  einem  Über- 
wintern auf  uusrer  Insel  ist  nichts  bekannt. 

Aethya  ruflna  (Fall.). 
Kolbenente. 

Fuligula  rufina  L.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  -430  (1862).  — 
FuUynla  rufina  (Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  416  (1863). 

Xetta  rufina  (Fall.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVU,  p.  328  (1895).  — 
Fuligula  rufina  (Fall.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  193  (1902). 

Isländisch:  Kölfönd  (=  Kolbenente). 

Aethya  rufina  brütet  in  Südeuropa.  Nordafrika,  Transkaukasien,  dem  südlichen 
Kußland  und  Turkestan.  Nördlich  des  50.  Grades  ist  sie  bereits  selten  und  in  Dänemark 
und  Großbritannien  nur  ausnahmsweise  getroffen  worden.  Von  den  Färöeru  und  Grönland 
kennt  mau  sie  gar  nicht. 

Auch  ihr  Vorkommen  in  Island  ist  ungenügend  begründet.  Preyer  referiert  die 
zweifelhafte  Angabe  Pliny  3Iiles  (Eine  Nordfahrt,  Streifzüge  in  Island.  Deutsche  Ubers. 
Leipzig  1855.  S.  71),  der  diese  Ente  in  Island  gesehen  haben  will.  Höchstwahrscheinlich 
beruht  die  Angabe  auf  einem  Irrtum  des  Autors  oder  Übersetzers. 


Aethya  feriiia.  Jg3 

42.  Aethya  ferina  (L.). 
Tafelente. 

FuUyula  ferina  L. :  Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  430  (1862).  — 
Fnliyala  ferina  (L'vnn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  416  (1863).  —  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  58  (1901). 

Fulujula  ferina  (L.).:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  67-3  (1877).  —  Kyroca 
ferina  (Linn.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  335  (1895).  —  Fulignla  ferina 
(L.):  Naumann,  Vögel  31itteleuropas  X,  S.  174  (1902). 

Isländisch:  Skutulönd  (=  Tafelente). 

Auch  dän.  &norw. :  Taffeland.     Holl.:  Tafeleend. 

Aethya  ferina  brütet  in  Europa  und  denci  benachbarten  Asien,  von  England  bis 
zum  Baikal-See.  Sie  ist  in  den  südlichen  Gebieten  selten,  in  den  mittleren  Läufig 
und  geht  nonlwärts  bis  etwa  zujii  60.  Grade  hinauf.  In  der  kälteren  Jahreszeit  streift 
sie  ziemlich  weit  umher,  südwärts  bis  Nordafrika,  Persien,  China  und  Japan;  doch 
überwintern  zahlreiche  Scharen  bereits  in  Deutschland  und  auf  den  Britischen  Inseln. 
Mehrmals  wurde  unsere  Art  auf  den  Färöern,  in  Grönland  allerdings  noch  nicht  erbeutet. 

Von  Island  liegt  nur  eine  sichere  Beobachtung  der  Tafelente  vor.  Zwar 
sagt  schon  Mohr  (Islandsk  Naturhistorie,  S.  26,  1786),  daß  er  Anas  Ferina 
(Favn.  Svec.  127)  in  der  Eyjafjardarä  gesehen  habe,  doch  ist  diese  Mitteilung 
nicht  verbürgt.  Dagegen  schoß  ein  gewisser  Ernest  Gehin  am  20.  Juni  1860 
ein  Exemplar,  scheinbar  ein  Männchen,  am  jMngvallavatn,  das  Preyer  tags 
daraufsah  und  mit  Bestimmtheit  als  unsere  Art  erkannte.  Somit  muß  die  Tafel- 
ente als  seltner  Sommergast  für  Island  bezeichnet  werden,  der  wahr- 
scheinlich von  der  Wiuterherberge  aus  gelegentlich  mit  andern  Entenarten 
nach  unsrer  Insel  kommt. 

43.  Aethya  marila  marila  (L.). 

'  Bergente. 

A7ias  marila  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  72  (1822).  —  FuUyula  marila  L.: 
Preyer  (&  Zirkel).  Reise  nach  Island,  S.  408  (1862).  —  FuUyula  marila  (Linn.):  Newton, 
in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  416  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895).  — 
Slater.;  Birds  of  Iceland,  p.  60  (1901). 

Fulignla  marila  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  672  (1877).  —  Salvadori, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  355  (1895).  —  FuUyula  marila  (L.)  typica:  Winge, 
Grönlands  Fugle,  S.  83  (1898).  —  Fnliyula  marila  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas 
X.  S.  147  (1902). 

Isländisch:  Dükönd,  Duggönd  (=  Duckente,  Tauchente). 

Aethya  marila  marila  ist  eine  paläarktische  Spezies.  In  der  nearktischen  Region 
wird  sie  von  der  kleinereu  A.  m.  affinis  (Eyton),  im  angrenzenden  arktischen  Teile 
Nordamerikas  von  der  ihr  äußerst  ähnlichen  A.  m.  nearctica  Stejn.,  in  Ostsibirien  von 
A.  m.  mariloides  Yig.  vertreten.  A.  m.  marila  brütet  innerhalb  Asiens  und  Europas 
etwa  zwischen  70  und  55"  n.  Br.  Schalow  glaubt,  daß  sie  auf  Ivolguew  noch  vorkommt. 
In  3Ienge  bewohnt  sie  das  nördliche  Rußland  und  Skandinavien.  Südwärts  geht  sie 
brütend  selten  bis  zum  nördlichen  Deutschland  und  Schottland  hinab.  Auf  den  Färöern 
ist  sie  nur  regelmäßiger  Zugvogel.  Auch  in  Grönland  brütet  keine  Bergentenform, 
doch  haben  sich  alle  3,  unsere  freilich  am  seltensten,  an  der  Westküste  gezeigt.  Im 
Winter  besuchen  die  Vögel  in  großen  Scharen  die  Küsten  der  Nord-  und  Ostsee  und 
wandern  südwärts  bis  Abessinien,  Persien,  Indien  und  China. 

In  Island  gehört  die  Bergente  zu  den  häufigen  Brutvögeln,  die 
freilich    nicht    gleichmäßig    über    die    Insel    verbreitet    ist.     Sie    bevorzugt 


184 


Aethva 


vegetatioDsreiclie,  offene  Gelände  mit  größeren  freien  Wassertiiiclien.  Fast 
immer  brütet  sie  kolonienweise,  an  kleineren  Seen  in  einigen  Paaren,  au 
großen  in  bedeutender  Menge.  Den  Myvatu  bewohnt  sie  in  beträchtlicher 
Zahl;  vielleicht  ist  sie  hier  die  gemeinste  aller  l-hitenarten.  Häufig  brütet 
sie  auch  am  ])ingvallavatu,  au  verschiedenen  audern  größeren  Binnenseen  in 
der  Arnarvatnsheidi  (NW.)  usw.  Doch  traf  ich  kleine  Kolonien  in  allen  von 
mir  besuchten  Gebieten,  besonders  an  Strandseen  wie  dem  Miklavatn  und 
Höp  im  Norden.  Selbst  an  Nehrungen  und  Lagunen,  die  bei  der  Flut  von 
Salzwasser  überschwemmt  werden,  an  Eiderbrutplätzen  und  ganz  unbedeutenden 
Teichen  schlagen  die  Vögel,  z.  B.  in  der  Umgebung  von  Hjalteyri,  ihre 
Sommersitze  auf;  au  fließenden  Gewässern  findet  man  sie  aber  seltner.  Nach 
der  Brutzeit  werden  sie  fast  immer  am  Meere  angetroffen. 

Ol)  gelegentlich  auch  eine  andere  als  die  typische  Bergentenform  in  Island  vor- 
kommt, muß  zu  entscheiden  weiteren  Beobachtungen  überlassen  bleiben.  Äußerst 
interessant  und  verschiedenartig  sind  die  Kleider  von  (5  und  $  im  Sommer.  Unter 
den  Junge  führenden  Weibchen  findet  man  kaum  2  ganz  gleiche  Individuen.  Bei 
einigen  ist  das  AVeiß  am  Schnabelgrunde,  in  der  Ohrgegend  und  auf  der  Unterseite 
noch  rein  und  ausgedehnt,  bei  andern  gänzlich  verschwunden.  Teilweise  Umfärbung 
scheint  mir  dabei  nicht  ausgeschlossen.  —  Die  Maße  eines  von  mir  am  Myvatn  ge- 
sammelten ?  ad.,  Brutvogel  vom  31.  Juli  (Schnabelgrund  kaum  angedeutet  weiß,  Federn 
der  Unterseite  mit  glänzendweißen,  verschieden  stark  hervortretenden  Spitzen),  sind 
folgende.  Gewicht  i.  Fl. :  c.  750  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.:  405  mm.  Flugbreite:  c.  670. 
Flügel:  192.  Schwanz:  69.  Schwanz -f  Flügel :  27.  Schnabel:  39.  Tarsen:  33.  Mittel- 
zehe inkl.  der  8  mm  langen  Kralle:  57  mm.  —  Iris:  hellgelb  (bei  manchen  Vögeln  zu 
derselben  Zeit  auch  leuchtend  weißgran).  Schnabel  (sofort  nach  dem  Schießen  notiert): 
gleichmäßig  mattschwarz.  Unterschnabelhaut:  schwärzlich  fleischfarben.  Vordere  Tarsen, 
obere  Zehen  und  ein  Streifen  neben  diesen:  silbergrau.  Gelenke:  dunkler,  das  Übrige: 
schwarz.  —  Stark  in  Mauser,  neue  Brustfedern  braun. 

Die  Bergente  ist  ein  Zugvogel  in  Island.  Sie  erscheint  bereits  im 
März,  im  Nordlande  Anfang  April  bei  den  Küsten  und  begibt  sich  bald 
darauf  gepaart  zu  ihren  Brutplätzeu.  Nach  Faber  kommt  sie  schon  Mitte 
April,  nach  meinen  Erkundigungen  erst  in  den  letzten  Tagen  dieses  Monats 
oder  Anfang  Mai  an  den  Myvatn.  Die  Weibchen  wählen  als  Brutstätte 
strauchbewachsene  Inseln  oder  sonstige  vegetationsreiche  Örtlichkeiten  in  der 
Nähe  des  Wassers,  wo  sie  kolonienweise  inmitten  ihresgleichen  und  anderer 
Arten  das  Nest  errichten.  Sie  beuutzeu  eine  natürliche  Vertiefung  in  der 
Erde  oder  scharren  selbst  eine  flache  Mulde.  Riemschneider  sah  aucli  Nester 
in  armtiefen,  ziemlich  engen  Lavahöhlen  (Orn.  Monatschr.  1896,  S.  311).  Sie 
bestehen  äußerlich  aus  harten  Stengeln,  innerlich  aus  weichen  Halmen  und 
einigen  Federn  und  werden  bei  Ablage  der  Eier  mit  ziemlich  kleinen  dunkel- 
braunen Dunen  reichlicli  ausgefüttert.  Nach  Faber  beginnt  die  Legezeit 
schon  Ende  Mai,  im  allgemeinen  mag  dies  aber  erst  Anfang  Juni  der  Fall 
sein.  Da  am  ]\iy'vatn  die  wohlschmeckenden  Eier  in  Menge  gesammelt 
werden,  findet  man  frische  Nachgelege  bis  Ende  Juni,  ja  Anfang  Juli.  Die 
Normalzalil  schwankt  zwischen  8—11  Stück.  Häufig  legen  zwei  oder  mehr 
der  äußerst  geselligen  Tiere  absichtlich  oder  aus  Verseheu  in  ein  und  das- 
selbe Nest.     Krüper  fand  22  Stück  in  einem  solchen  (Naumannia  1857,  S.  44). 


Aethya  marila  inarila.  185 

Die  durch  ihre  Walzenform  meist  charakteristischen  düstergrünlichen  Eier 
variieren  bedeutend  in  Größe  und  Gewicht.  Die  kleinen  Stücke  gehören  besonders 
Nachgelegen  an.  Einige  Exemplare  meiner  Sammlung  vom  Myvatn  zeigen  folgende 
MaUe:  68x44  mm  (6,3  g).  67x43,5(6,4).  66,8x44(5,8).  65,5x45.2(5,8).  65,2x43,5 
(5,5).  65x45(5,9).  62,5x40(4,7).  62x42(4,8).  61,5x42,5(4,9).  58x39  (3,7).  — 
Von  mir  gewogene  Exemplare  hatten  voll  eine  Schwere  von  60 — 75  g. 

Das  Weibchen  brütet  etwa  4  Wochen  allein.  Anfänglich  bleiben  die 
Erpel  ständig  in  der  Nähe  des  Nestes,  später  vereinigen  sie  sich  tagsüber 
in  Scharen,  kehren  aber  während  der  Nacht  oft  zu  der  Ente  zurück.  Über- 
haupt sind  die  Paare  recht  anhänglich  und  halten  sich  scheinbar  das  ganze 
Jahr  in  losem  Verbände,  ohne  indes  eifersüchtig  zu  sein.  Mitte  Juli  ent- 
schlüpft am  Myvatn  die  Hauptmenge  der  Duuenjungen,  und  man  kann 
nun  in  stillen  Buchten  oft  ein  Dutzend  Mütter  ihre  Kinderschar  führen  sehen. 
Kommt  man  in  die  Nähe,  so  läßt  die  Alte  ein  besorgtes  Schnarren  hören, 
das  etwa  wie  brrr  brrr  oder  auch  hrrr  hrrr  klingt.  Bei  größerer  Gefahr 
flattert  sie  angsterfüllt  ein  Stück  davon,  wobei  sie  wiederholt  ein  rauheä 
Br  räh  ausstößt.  Von  den  Jungen  vernimmt  man  gleichfalls  in  verschiedener 
Tonhöhe  feine  Krkr.  Gelegentlich  besucht  für  kurze  Zeit  auch  das  Männchen 
die  Familie,  kehrt  aber  bald  wieder  zu  seinesgleichen  zurück.  Trotz  der 
Fürsorge  der  alten  Ente  gehen  viele  Junge  zu  Grunde.  Ich  fand  im  Laufe 
der  Wochen  Dutzende  tot  am  Ufer  oder  inmitten  der  Wasserpflanzen  im 
flachen  Teile  des  Myvatn  bei  Keykjalid.  Hunger  ist  nicht  die  Todesursache. 
Im  Gegenteil  war  der  Magen  von  mir  daraufhin  untersuchter  Exemplare 
mit  recht  ansehnlichen  Mengen  von  Pflanzenstoffen,  besonders  kleinen,  schmalen 
Blättern,  außerdem  auch  mit  vielen  Steincheu  angefüllt.  Kälte  und  Schmarotzer- 
tiere mögen  den  Tod  herbeifüiireu. 

Die  von  Prof.  R.  Blasius  im  Xaumann  (X,  S.  148)  mitgeteilten  Unterschiede  der 
männlichen  und  weiblichen  Dunenjnugen  finde  ich  nicht  bestätigt.  Ich  habe  wenigstens 
30  Stück  genau  besichtigt,  unter  diesen  aber,  besonders  in  der  Kopffärbuug,  alle  Über- 
gänge gefunden.  Unter  7  von  mir  präparierten  Exemplaren,  von  denen  ich  bei  6  Stück 
das  Geschlecht  sicher  erkennen  konnte  —  ich  lege  auf  diese  Untersuchung  sehr  viel 
Wert  —  sind  gerade  2  Weibchen  licht  und  gelb,  2  Männchen  aber  düster  und  grün- 
lich. Außerdem  verändert  sich  ja  die  Färbung  bedeutend  mit  zunehmendem  Alter; 
besonders  die  Unterseite  wird  bald  matt  und  graugelblich.  —  In  Färbung,  Größe  des 
Schnabels  usw.  variieren  gleichgroße  Individuen  außerordentlich.  Das  kleinste  meiner 
Präparate,  ein  S  pull,  vom  22.  Juli,  zeigte  ein  Gewicht  von  &9  g  und  eine  Gesamtlänge 
i.  Fl.  von  165  mm.  Schnabellänge:  20  (bei  andern  gleichgroßen  23).  Größte  Schnabel- 
breite: 8  (9,5j.  Tarsen:  17.  31ittelzehe  inkl.  der  3,5  mm  langen  Kralle:  26  mm.  — 
Iris:  gelblichbraun,  manchmal  gelblichgrün.  Oberschnabel:  dunkel  schwarzbraun,  an 
den  Seiten  olivenbraun,  Xagel  heller  braun.  Unterschnabel  samt  Kehlhaut:  ocker-, 
Witlich-  oder  braungelb,  auch  matt  gelblichfleischfarben;  Nagel  dunkler,  violett,  bräun- 
lich, grau.  Füße:  olivengrau  bis  mattschwärzlich;  Gelenke,  Hinterseite,  Unterseite  und 
Schwimmhäute  mit  Ausnahme  eines  helleren  Streifens  neben   den  Zehen:   schwärzlich. 

Nach  5 — 6  Wochen  sind  die  Jungen  befiedert  und  flugbar.  Anfang- 
September  verlassen  dann  die  Familien  einzeln  oder  in  größeren  Scharen 
vereinigt  die  Brutgebiete.  Die  Männchen  gesellen  sich  ihnen  nun  regelmäßig 
zu.  Sie  kommen  Ende  September  an  das  Meer,  bleiben  hier  noch  einige 
Wochen  und  verschwinden  nach  Faber  in  der  letzten  Hälfte  des  Oktobers 
aus  dem  Lande.     Von  einem  Überwintern  daselbst  ist  nichts  bekannt. 


2g(3  Aethya  fuligula.    —   Aothya  iiyroca. 

44.  Aethya  fuligula  (L.)- 
Roiherontc. 

Fuligula  cristata:  Riemschn eider,  Oniith.  31onatsschrift  XXL  8.311  (1896).  — 
FnUgula  cristata  Steph.:  Gröndal,  Ornis  XI,  p.  456  (1901).  —  Fuligula  cristata  Leach: 
Sii'inundsson.  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  18  (1905). 

Fuligula  fuligula  (Liiin.):  Salvador!,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  j).  363  (189;".). 
—  Naumann,  Vr.gel  Mitteleuropas  X,  S.  136  (1902). 

Island  i.sch:  Toppönd  (=  Schopfente),  Di'ikönd  (=  Duckente)  partim:  Hegraönd 
(=  Reiherente). 

Auch  deutsch:  Zopfente,  Schopfente.  Dan.  &  norw. :  Topand.  Schwed.:  Tofsand, 
Hägerand.     Engl.:  Tufted  Duck. 

Aethya  fuligula  brütet  innerhalb  der  paläarktischen  Kegion  vom  Atlantischen 
bis  zum  Stillen  Ozean,  südlich  noch  in  Xordafrika,  Abessinien  und  Südsibirien,  nördlich 
ffcht  sie  an  der  Küste  des  Stillen  Ozeans  etwa  bis  62",  im  Jenisseitale  bis  68  und  in 
Xonvegen  bis  70"  hinauf.  Im  allgemeinen  überschreitet  sie  aber  den  Polarkreis  nicht. 
In  England  brütet  sie  ziemlich  häufig.  In  Schottland  scheint  sie  sich  sogar  nach  den 
Angaben  Harvie-Erowns  mehr  und  mehr  auszubreiten.  Vielleicht  ist  hierin  die  Ursache 
zu  suchen,  daß  unsere  Art  neuerdings  auf  den  Färöern  mehrfach  beobachtet  und  auch 
in  Island  gefunden  wurde.     Ihr  Vorkommen  im  Süden  Grönlands  ist  fraglich. 

In  Island  ist  die  Reiherente  gelegentlicher  Sommergast,  möglicher- 
weise auch  ab  und  zu  Brutvogel.  Am  1.  Juli  1895  erhielt  Riemschneider 
am  M^vatn  ein  Milnnchen  im  Prachtkleide.  Die  Bewohner  erklärten,  den 
Vogel  bisher  nie  gesehen  zu  haben.  Auch  Charles  JeflFerys,  der  im  Juni 
desselben  Jahres  den  M^vatn  besuchte,  versicherte  P.  Nielsen,  man  habe 
ihm  ein  schönes  Männchen  von  Aethya  fuligula  gebracht;  höchstwahrscheinlich 
brüte  die  Art  auf  den  Inseln  des  Sees  (in  litt.).  Diese  beiden  Angaben 
scheinen  sich  auf  ein  und  dasselbe  Individuum  zu  beziehen.  Nielsen  bekam 
später  ein  Ei  von  60x41  mm,  das  unsrer  Art  angehören  soll  und  am 
20.  Juni  1896  am  Myvatn  gesammelt  wurde.  Einen  weiteren  Vogel,  gleich- 
falls einen  Erpel,  erhielt  A.  Jöusson  in  Skütustaclir  am  15.  Juni  1902  und 
zwar  von  derselben  Stelle,  wo  schon  das  Riemschueidersche  Exemplar  gefunden 
wurde  (Siemundsson,  1.  c).  —  Hoffentlich  gestattet  man  nun  der  Reiherente, 
sidi  in  Island  einzubürgern  und  tötet  nicht  jedes  sich  zeigende  Individuum. 

45.  Aethya  nyroca  (Güld.). 
i\Ioorente. 

Anas  leucophtalmos  (Bechst.):  Faber,  Prodromus,  S.  72  (1822).  — Fuligula  nyroca: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  411  (1862).  —  Fuligula  nyroca,  Steph.:  Newton, 
in  Haring-Goulds  Iceland,  p.  416  (1863).  —  Fuligula  ni/roca (Güldenst.):  Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  50  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  59  (1901). 

Fuligula  nyroca  (Güldenst.) :  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  675  (1877).  —  Nyroca 
nfricana  (Gm.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVIl,  p.  345  (1895).  —  FuUgtila 
nyroca  (Güldenst.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  182  (1902j. 

Isländisch:  Hviteyg  Önd  (=  Weißäugige  Ente). 

Auch  deutsch:  Weißäugige  Ente.  Dan.  &  norw. :  Hvidöiet  And.  Hol!.:  Witoof^. 
Engl. :  Whito-eyed  Duck. 

Aethya  nyroca  brütet  im  mittleren  und  südlichen  Europa  und  im  westlichen 
Asien,  «in  den  russischen  Ostseeprovinzen,  im  südlichen  Skandiuavien,  in  Dänemark 
und  England  kommt  sie  nur  noch  einzeln  vor;  auf  den  Färöern  gelangte  sie  nie  zur 
Beobachtung. 


Glaucionetta  claiioula  clanguhi.  137 

Island  scheint  die  Mooreute  gelegentlich  als  seltner  Sommergast 
zu  besuchen.  Vielleicht  hat  man  den  nicht  auffällig  gefärbten  Vogel  auch 
mitunter  übersehen.  Der  alte  Mohr  sclion  behauptet  (Islendsk  Naturhistorie, 
S.  26),  diese  Ente  1780  auf  einem  Flusse  in  Nordisland  beobachtet  zu  haben. 
Faber  erklärt  ihr  Vorkommen  mit  aller  Bestimmtheit.  Einmal  traf  er  eine 
Schar  der  Vögel  im  Innern  Teile  des  Eyjafjördrs  und  hebt  ausdrücklich 
hervor,  daß  er  die  Art  genau  erkannt  habe  (Prodromus,  S.  73),  wenn  ihm 
auch  ein  Erlegen  nicht  glückte.  In  der  Umgebung  fand  er  ein  Nest  mit 
ö  Eiern,  von  denen  er  vermutete,  daß  sie  den  Vögeln  gehörten.  Wie  weit 
diese  Annahme  richtig  ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Krüper  bemerkt 
hierzu  (Naumannia  1857,  II,  S.  6),  daß  ein  von  Faber  an  das  Greifswalder 
Museum  als  .l»a.<^  lencophtahnos  gesandtes  isländisches  Ei  sich  als  solclies 
von  Alias  histrionica  erwies.  Doch  erscheint  mir  diese  neue  Bestimmung 
ebenso  zweifelhaft,  zumal  Faber  die  fraglichen,  von  ihm  selbst  nicht  mit 
völliger  Sicherheit  angesprochenen  Eier  in  einem  Bruche  fand,  wo  Histrionicus 
Iiidrioniais  kaum  nisten  dürfte.  Am  10.  März  1821  sah  Faber  nochmals 
eine  Schar  Mooreuten  am  Meeresgestade  bei  Eyrarbakki  (S.j;  sie  waren 
scheinbar  eben  augekommen.  Weitere  Mitteilungen  über  das  Auftreten  unsrer 
Art  in  Island  sind  niclit  veröffentlicht. 

46.  Glaucionetta  clangula  clangula  (L.). 
Schellente. 

[Anas  clangula  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  71  (1822).]  —  Anas  dangula  L.: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  411  (1862).  —  ClangHla  glaucion  (Linn.):  Slatei', 
Zoologist,  i>.  l  (1886)  uudBirds  of  Iceland,  p.  62  (1901).  —  Glaucion  clangula  (L.):  Gröndal. 
islenzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895).  —  Clangula  glaucion  (L.) :  Stcphänsson,  Nordurland, 
Akureyri,  (-t.  Okt.  1902). 

Glaucion  clangula  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  682  (1877).  —  Clangula 
glaucion  (L.) :  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mns.  XXVII,  p.  376  (1895).  —  Fuligula  clangula 
(L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  156  (1902). 

Isländisch:  Skelliönd   (=  Schellente),   Erlend   Hüsönd  (=  fremde  Hausento). 

Glaucionetta  clangula  clangula  ist  eine  paläarktische  Spezies,  die  nordwärts  stellen- 
weise bis  zum  Eismeere,  südwärts  bis  Südenropa,  den  Kaukasusländern  und  Südsibirien 
vorgeht;  ostwärts  soll  sie  noch  Kamtschatka  bewohnen.  Im  südlichen  Europa  findet 
sie  sich  als  Bratvogel  nur  hier  und  dort  verstreut,  nach  Norden  zu  wird  sie  häufiger; 
besonders  zahlreich  brütet  sie  im  nördlicheren  Kußland  und  in  Skandinavien.  Zur 
Zugzeit  wandert  sie  südwärts  bis  Japan,  China,  Nordindien  und  Nordafrika,  überwintert 
auch  zahlreich  an  den  Küsten  der  Britischen  Insehi  und  Frankreichs.  Auf  den  Färöern 
vermutet  man  sie  als  seltnen  Gast.  —  In  Amerika  wird  Gl.  cl.  clangula  von  der  etwas 
größeren  Gl.  cl.  americana  Bp.  vertreten. 

Für  Island  kann  man  die  Schelleute  nur  als  Gast  bezeichnen,  der 
vielleicht  gelegentlich  auch  daselbst  brütet.  Möglicherweise  wird  sie  bei 
ihrer  Ähnliclikeit  mit  Glaucionetta  wlatulica  öfters  mit  dieser  verwechselt, 
wie  es  mit  dem  Exemplare  im  Reykjaviker  Museum  der  Fall  war,  das  von 
den  Vestmaunaeyjarn  stammt  und  erst  von  Slater  richtig  als  unsere  Art 
angesprochen  wurde.  Diesem  Oruithologen  gebührt  überhaupt  das  Verdienst. 
frlaucionetta  clangula   für   Island    festgestellt    zu   haben.     Am  23.  Juni  1885 


2QQ  (iliiucionetta  islaiulica. 

heubuclitete  ci-  ein  raur  der  Enten  im  Delta  des  Heradsvatu  (Skagafjörctr), 
das  vielleicht  auch  daselbst  geln-ütet  hat.  Im  folgenden  Winter  konnte  ihm 
St.  Stefäusson  zwei  Schellenten  —  ö  ad.  und  ö  juv.  —  aus  der  Gegend 
des  Eyjafjördrs  ül>ersenden.  P.  Nielsen  teilte  mir  ferner  mit,  daß  am 
20.  Januar  188i)  ein  jüngeres  und  ein  altes  Weibchen  der  Art  bei  Eyrarbakki 
geschossen  und  ihm  gebracht  wurden.  Er  beabsichtigte,  deren  Bälge  zu 
dem  damals  in  Aussicht  genommenen  Wiener  Ornithologen  -  Kongreß  zu 
schicken.  Da  dieser  aber  nicht  zu  stände  kam,  blieben  sie  in  Kopenhagen 
liegen,  wurden  ihm  nach  Jahren  zurückgesandt,  waren  jedoch  gänzlich  von 
Motten  zerfressen  und  nicht  mehr  zu  verwenden.  W^eitere  Angaben  über 
nnsefc-e  Art  scheinen  mir  auf  Irrtümern  zu  beruhen.  Ältere  Mitteilungen 
gründen  sich  zumeist  auf  die  Ansicht  Fabers,  daß  Anas  clangula  (L.)  mit 
.1.  borealis  und  isfandica  in  Gmelins  Syst.  nat.  identisch  sei,  weshalb  er  auch 
die  isländische  Hüsönd  fälschlich  als  Anas  clangula  (L.)  bezeichnete. 

47.  Glaucionetta  islandica  (Gm.). 
Spatelente. 

Anas  clangula  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  71  (1822).  —  Fnligula  Barrovi: 
Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  409  (1862).  —  Clangula  islandica  (Grnil.): 
Newton,  in  Haring-Goulds  Iceland,  S.  416  (1863).  —  Glauciou  islandicwn  J.  F.  Gin.: 
tTröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895).  —  Clangula  islandica  (Gmelin):  Slater.  Birds 
of  Iceland,  p.  64  (1901). 

Glaucion  Islandiciim  (J.  F.  Gm.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  684  (1877).  — 
Clangula  islandica  (Gm.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XX VU,  p.  383  (1895 1.  — 
"NVinge,  Grönlands  Fugle,  S.  90  (1898).  —  FuUguki  islandica  (Penn.):  Naumann.  \"i'n^e\ 
Mitteleuropas  X,  S.  168  (1902). 

Isländisch:  Hüsönd  (=  Hauseute,  weil  gelegentlich  in  Ställen  brütend). 

Claucionetta  islandica  brütet  außer  auf  Island  im  arktischen  Nordamerika,  wo 
ihre  Verbreitung  aber  noch  ungenügend  bekannt  ist.  Grönland  bewohnt  sie  in  ziemlich 
geringer  Menge,  findet  sich  als  Brutvogel  wohl  nur  in  den  Fjorden  zwischen  Nanortalik 
und  Godthaab  an  der  südliehen  Westküste  (Winge).  Im  Winter  zieht  ein  Teil  der 
V(";gel  südwärts  bis  nach  den  Vereinigten  Staaten.  Einzelne  Exemplare  kommen  aus- 
nahmsweise auch  nach  Norwegen,  Belgien,  den  Färöern  usw. 

In  Island  ist  die  Spatelente  ein  nicht  seltner  Brutvogel.  Sie  wählt 
zu  ihrem  Aufenthalte  klare,  tiefe  Gewässer,  am  liebsten  solche,  die  zerklüftete 
Lavainseln  besitzen.  Der  Myvatn  ist  ihr  Hauptbrutgebiet.  Zwar  bewohnt 
sie  noch  eine  Menge  andere  Örtlichkeiten,  findet  sich  aber  daselbst  nur  in 
geringer  Zahl.  Ich  traf  sie  auf  der  Laxä,  auf  großen  Teichen  bei  Sveinsstadir 
(Hünafjördr)  und  auf  dem  ]:)iugvallavatn.  Faber  sagt,  die  Spatelente  sei  im 
Norden  viel  häufiger  als  im  Süden  der  Insel.  Gröndal  meint  aber,  auch 
hier  könne  man  sie  nicht  selten  nennen  (Ornis  II.  S.  365).  Vielleicht  denkt 
er  dabei  mehr  an  die  Zug-  und  Winterzeit,  wo  die  Vögel  alle  geeigneten 
Küstengebiete,  auch  die  Vestmannaeyjar,  gelegentlich  besuchen.  Immerhin 
ist  die  Verbreitung  unsrer  Art  auf  Island  eine  ziemlich  beschränkte. 

Ein  von  mir  am  29.  Juli  gesammeltes  ?  ad.  vom  Myvatn.  sichrer  Brutvogel, 
zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  c.  900  g.  Gesamtlänge:  c.  400  mm.  Flugbreito: 
c.  700.   Flügel:  212.    Schwanz:  89.    Schnabellängc  (von  der  neben  der  Stirn  am  weites! en 


Glaucionetta  islandica.  ]^89 

zurückspringenden  Stelle  an):  38.  Schnabelhöhe  (am  Grunde):  23.  Tarsen:  36.  Mittel- 
zehe inkl.  der  9  mm  langen  Kralle:  60  mm.  —  Iris:  nach  außen  hellgelb,  nach  innen 
allmählich  glänzend  hellmeergrün,  mit  einem  schmalen  braunen  Ringe  gegen  die  Pupille 
abschließend.  Schnabel:  dunkel  braunschwarz,  Oberschnabel  nach  der  Spitze  zu,  Unter- 
schnabel neben  dem  Nagel  in  helleres  Braun  übergehend.  Kehlhaut  des  Unterschnabels: 
gelb  mit  etwas  Braun  gemischt.  Schnabelinneres:  weißlich  fleischfarben.  Oberseite  der 
Tarsen  und  Zehen,  sowie  ein  schmaler  Streif  neben  diesen:  lebhaft  orangegelb,  das 
übrige  der  Füße  schwarz.  —  Mageninhalt:  bedeutende  Mengen  Fischlaich. 

Die  Spatelente  ist  am  Myvatu  und  an  andern  nie  völlig  zufrierenden 
Gewässern  7A\m  Teil  Standvogel.  Auch  die  fortgezogenen  Tiere  kehren 
schon  zeitig  im  Frühjahre,  Fabers  Beobachtungen  zufolge  bereits  Mitte  März, 
nach  ihren  Brutplätzen  zurück.  Freilich  beginnt  das  Weibchen  trotzdem  erst 
im  Mai  mit  dem  Baue  des  Nestes.  Als  Ortlichkeit  hierfür  wählt  es  tiefe 
Nischen  und  wagerechte  Spalten  in  Kraterinseln  oder  sonstige  Höhlungen  in 
den  oft  außerordentlich  zerklüfteten  Lavafelsen  am  Ufer,  gern  in  der  Nähe 
des  Wassers.  Häufig  teilt  der  Vogel  solche  Brutgebiete  mit  Mergus  serrator. 
Mitunter  befindet  sich  das  Nest  tief  im  Hintergrunde  eines  Steinloches, 
andermal  wieder  ist  es  vollständig  sichtbar.  Gewöhnlich  wird  es  nur  wenig 
über  dem  Wasserspiegel  angelegt.  Doch  zeigte  man  mir  einen  sehr  regel- 
mäßigen Krater  an  der  Ostseite  des  Myvatn,  nicht  weit  von  der  Furt  beim 
Ausflusse  der  Laxä,  in  dessen  Innern  die  Vögel  6  — 10  m  über  dem  Wasser 
brüteten.  Nicht  allzu  selten  suchen  die  Spatelenten  auch  die  Ställe  und 
sonstigen  Gebäude  in  der  Nähe  des  Wassers  auf,  die  von  Lavastücken  und 
Torf  gebaut  sind  und  im  Sommer  teilweise  nicht  benutzt  werden.  Hier 
brüten  sie  in  Löchern  der  Wände,  ja  sogar  in  Futterraufen  oder  Ecken  in 
dem  halbdunkeln  Innern,  wobei  sie  die  offene  Tür  als  Eingang  benutzen. 
Dies  tut  kaum  eine  andere  isländische  Entenart,  weshalb  man  der  unsrigen 
den  Namen  Hüsöud  beigelegt  hat.  Nach  Fabers  Beobachtungen  brütet  der 
Vogel  auch  unter  Weidengebüsch,  was  aber  wohl  nur  selten  vorkommt. 
Mitte  bis  Ende  Mai  ist  das  Nest  vom  Weibchen  fertiggestellt.  Es  wird  aus 
Heu  und  andern  trocknen  Pflanzenstengeln  errichtet  und  hat  je  nach  seiner 
Lage  eine  sehr  verschiedene  Größe  und  Gestalt.  Später  füttert  es  der  Vogel 
reichlich  mit  Dunen  aus,  die  fast  weiß  aussehen,  was  bei  keiner  andern 
isländischen  Art  der  Fall  ist. 

Die  Ablage  der  Eier  beginnt  Ende  Mai  oder  auch  erst  Anfang  Juni. 
Sie  werden  wegen  ihres  Wohlgeschmackes  eifrig  gesammelt,  weshalb  man 
fiische  Nachgelege  bis  Ende  Juni  findet.  Die  Normalzahl  der  Eier  eines 
unberührten  Nestes  soll  10 — 1-1  Stück  betragen,  doch  läßt  sich  dies  selten 
richtig  ermitteln,  weil  eben  die  meisten  Gelege  mehrmals  geplündert  werden, 
mitunter  auch  2  Weibchen  ein  gemeinsames  Nest  benutzen  und  sogar  fried- 
fertig nebeneinander  brüten. 

Einige  isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  vom  Myvatn  zeigen  folgende 
Maße:  66,2x45  mm  (7,6  g).  65,5x45,2(7,7).  64,2x46(7,9).  64x48(7,9).  63,5x45,2 
(7,5).  62,5x45,8  (7,8).  62,5x45  (8,2).  62x44  (6,9).  62x43,5  (6,9).  61x47,5(8). 
61  X  42,2  (6,9).  60,2  x  47,5  (7,8).  56  x  45,8  (5,9).  —  Das  Vollgewicht  von  10  von  mir 
untersuchten  Exemplaren  schwankte  zwischen  61  und  79  g.  Die  Schale  ist  besonders 
dick  und  widerstandsfähig  und  deshalb  auch  so  schwer. 


J90  Glaueionetta  islandica. 

Das  Woihelicii  brütet  etwa  4  Woclien  allein.  Es  sitzt  dabei  selir  fest 
und  lälit  sich  audi  durcli  nahende  Mensehen  nicht  so  leicht  vom  Neste  ti-eiben. 
Erst  im  letzten  Augenblicke  flattert  oder  läuft  es  mit  einem  knarrenden  Rufe 
des  Unwillens  davon.  Mitunter  kann  man  es  sogar  anfassen,  ohne  daß  es 
die  Eier  verläßt.  Auch  das  Männclien  hält  sich  zu  Anfang  der  Brutzeit  in 
der  Nähe  der  Gattin  auf  und  benimmt  sich  gleichfalls  sehr  zutraulich. 
Später  vereinigen  sich  die  Erpel  zeitweise  oder  dauernd,  und  sind  erst  die 
Jungen  ausgekommen,  statten  sie  ihrer  Familie  selten  einen  Besuch  ab. 
Ende  Juli  sah  ich  an  der  Ostseite  des  M^vatn  langgedehnte  Ketten  von 
Spatelenterichen  auf  dem  Wasser  liegen,  die  aus  mehreren  hundert  Stück 
bestanden.  Freilich  sind  die  Arten  nie  ganz  rein,  sondern  immer  mit  einigen 
andern  gemischt.  Unsere  Vögel  werden  zu  dieser  Zeit  gesetzlich  geschützt 
und  auch  von  den  Einheimischen  nicht  verfolgt.  Trotzdem  sind  sie  durchaus 
nicht  mehr  so  zutraulich  als  am  Neste,  ja  es  hält  oft  schwer,  sich  ihnen 
überhaupt  zu  nähern.  Aufgetrieben  fliegen  sie  rasch  davon  und  lassen  mitunter 
dieselben  schwirrenden  Töne  der  Flügelspitzen  hören,  wie  unsere  Schellenten. 
Auch  rufen  sie  häufig  ein  lebhaftes  Gägägägärrr. 

Mitte  bis  Ende  Juli  verläßt  die  Hauptmeuge  der  Duneujuugen  das 
Ei.  Sie  sind  nicht  ganz  so  zart  wie  verschiedene  andere  Arten,  weshalb 
man  sie  nur  selten  tot  am  Ufer  findet.  Trotzdem  beobachtete  ich  innerhalb 
von  etwa  14  Tagen  in  einer  stillen  Bucht  bei  Eeykjalid,  wie  eine  Ente  von 
ihren  8  oder  9  Jungen  nur  ein  einziges  übrig  behielt.  Die  Alte  ist  sehr 
besorgt  um  ihre  Nachkommenschaft  und  nun  auch  recht  scheu.  Da  sie  samt 
den  Kleinen  vortrefflich  taucht,  kann  man  ihr  nur  beikommen,  wenn  man 
sie  in  eine  flache  Bucht  treibt  und  ihr  den  Eückweg  abschneidet.  Öfter 
läßt  sie  dann  ihr  besorgtes  Grrr  Gärrr  hören,  schwimmt  bis  zum  Halse  im 
Wasser,  flattert  seltner  auch  ein  Stück  darüber  hin  und  gibt  in  ihrer  ganzen 
Unruhe  und  Besorgnis  das  Bild  treuester  Mutterliebe.  Die  Jungen  sind 
äußerst  bewegliche  Tiere.  Selbst  am  Laude  können  sie  so  hurtig  laufen, 
daß  man  schnell  sein  muß,  um  sie  zu  ergreifen.  Dabei  vernimmt  man  ihre 
feine  piepende  Stimme.  Sie  werden  von  zahlreichen  großen,  raschlaufeuden 
Läusen  geplagt,  im  Wasser  von  Blutegeln. 

Ich  gebe,  weil  die  Dunenjungen  sehr  selten  in  europäischen  Museen  vorhanden 
sind,  eine  Beschreibung  nach  5  Bälgen  meiner  Sammlung.  Gleichaltrige  Exemplare, 
auch  (5  und  ?  ,  variieren  wenig.  Je  älter  die  Vögel,  desto  bleiche!-  die  Färbung.  Kinn, 
Kehle,  Halsseiteu  (selten  auch  Unterlials  und  Kropfgegend),  Unterseite  bis  zu  den 
Uiiterschwanzdecken,  sowie  8  rundliche  Flecken  auf  der  Oberseite  (Mitte  des  Obcrflügels. 
auch  der  größte  Teil  des  Unterfliigels,  je  2  symmetrische  Flecken  auf  dem  Oberrücken 
etwas  unterhalb  der  Flügelflecke,  am  Unterrücken  und  zwischen  diesen  an  den  Seiten): 
reiuweiß.  Die  in  der  Mitte  des  Unterschnabels  vorspringende  Kiunbefiederung,  Unter- 
hals und  Kropfgegend,  sowie  Seiten  des  Oberrückens:  mehr  oder  weniger  blaß  grau- 
brann.  Oberseite  vom  Schwänze  bis  zum  Oberhalse:  dunkel  rauchbraun,  nach  den 
Seiten  zu  etwas  lichter.  Oberkopf,  Stirn,  Zügel  und  Ohrgegend:  schwärzHch  rauch- 
braun, dunkelste  Färbung  des  Körpers.  —  Gewicht  etwa  2—4  Tage  alter  Vögel  vom 
22.  Juli  1903:  40—47  g.  Gesamtlänge  i.  FL:  165—170  mm.  Flügel  (von  der  Achsel  bis 
zum  Ende  der  Dunen):  c.  44.  Schwanz:  27.  Schnabellänge  (von  Stirnbefiederung  bis 
Spitze):  13— 14.  Schnabelhöhe  (am  Grunde):  7,5— 9.  Tarsen:  20.  Mittelzehe  inkl.  der 
5,5  mm  langen  Kralle:    28— 30  mm.  —  Iris:    dunkelgrau.     Schnabel:    mattschwarz   bis 


Glandula  hyeinalis.  \^l 

bleischwarz,  nach  der  Spitze  zu  schwärzlich  fleischfarben,  Nägel  rötlichgrau.  Inneres: 
weißlich  fleischfarben.  Kinnhaut  am  Unterschnabel:  dunkel  grünlichgelb.  Füße:  grüulich- 
gi-au  bis  schmutzig  grünlichgelb,  Hinterseite  der  Tarsen,  Schwimmhäute  (mit  Ausnahme 
eines  Streifens  neben  den  Zehen)  und  Sohlen:  schwarz.  —  Mageniidialt:  Sehr  kleine 
Teile  von  Wasserpflanzen,  Reste  winziger  Wassertierchen,  Steinchen.  —  Auch  bei  diesen 
Dunenjungen  bleiben  die  Reste  des  Dottersackes  noch  längere  Zeit  an  dem  Innern 
Balge,  c.  20  mm  über  dem  After,  als  häutiges  Säckchen,  in  dem  sich  ein  kleiner  grün- 
licher Knoten  befindet,  deutlich  sichtbar. 

Nach  5 — 6  Wochen  sind  die  Jungen  unter  der  Führung  der  Mutter 
völlig  herangewachsen  und  flugbar  geworden.  Mitte  September  beginnen 
sie,  in  Scharen  umherzuwandern,  besuchen  nun  den  Eyjafjördr  und  andere 
Buchten  im  Norden,  streichen  von  hier  aus  auch  nach  dem  Süden  und  über- 
wintern zumeist  auf  der  Insel.  Dann  sieht  mau  die  Spateleuten  an  warmen 
Gewässern  im  Innern  und  in  geschützten  offnen  Meeresteilen,  wo  sie  meist 
außerordentlich  scheu  sind.  Eine  geringe  Zahl  der  Vögel  soll  freilich  auch 
spät  im  November  südlicheren  Gegenden  zuwandern. 

48.  Clangula  hyemalis  (L.). 
Eiseute. 

Atias  glacialis  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  70  (1822).  —  Harelda  hiemalis: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  412  (1862).  —  Harelda  glacialis  (Linn.): 
Newton,  in  Baring  -  Groulds  Iceland,  p.  417  (1863).  —  Anas  glacialis  (L.):  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  51  (1895).  —  Harelda  glacialis  (Linn.):  Slater,  ßirds  of  Iceland, 
p.  66  (1901). 

Harelda  glacialis  (L.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  686  (1877).  —  Salvadori, 
(Jat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  389  (1895).  —  Fagonetta  glacialis  (L.):  Winge,  Gr0n- 
lands  Fugle,  S.  87  (1898).  —  Harelda  hyemalis  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X, 
S.  199  (1902). 

Isländisch:  Hävella,  Fövella,  Föella  (das  Verbum  vella  wird  nach  Gröndal 
vom  Rufe  des  Nicmenius  pliaeopus  gebraucht,  die  Namen  würden  also  bedeuten:  die 
Hochschreieude;  vielleicht  auch  abgeleitet  von  haf  ==  Meer  und  Erla  =  ein  lang- 
schwänziger  Vogel  (vergl.  Mariu-erla),  oder  nur  Nachbildung  der  Stimme). 

Auchdän.:  Havlit,  Havlyk.     Norw.:  Havelle.     Schwed.:  Haflut.     Fär.:  Egvedla. 

Clangula  hyemalis  bewohnt  zirkumpolar  die  arktische  Region  und  deren  benachbarte 
Gebiete,  südlich  ungefähr  bis  zur  Grenze  des  ßaumwuchses.  Sie  ist  verbreiteter  Brut- 
vogel an  den  nordasiatischen  Küsten,  ebenso  im  ganzen  arktischen  Amerika  bis  hinauf 
zu  den  Parry-Inseln,  wo  sie  Feilden  noch  unter  82  *•  27 '  antraf  (Schalow).  Auch  Grön- 
land bewohnt  sie  häufig  und  geht  hier  ebenfalls  bis  zum  Norden  vor.  In  Europa 
brütet  sie  außer  in  Island  selten  auf  Jan  Mayen  und  der  Bären-Insel,  häufiger  auf 
Spitzbergen.  Gemein  ist  sie  auf  Kolguew  und  Nowaja  Semlja.  Im  Winter  kommen 
die  Vögel  u.  a.  in  Menge  an  die  Küsten  der  Ost-  und  Nordsee,  südwärts  bis  zum 
Mittelländischen,  Schwarzen  und  Kaspischen  Meere,  dem  Baikal-See,  Nordchina  und 
dem  nördlichen  Japan,  in  Amerika  bis  zum  Golf  von  Mexiko. 

In  Island  gehört  die  Eisente  zu  den  häufigen  Brutvögeln.  Am 
Myvatn  ist  sie  nächst  der  Bergente  die  gemeinste  Art.  Doch  bewohnt  sie 
in  Menge  auch  viele  andre  tiefe  und  klare  Seen  im  Innern  der  Insel,  gelegent- 
lich selbst  reißende  breite  Ströme.  Flache  Teiche  und  träge  Flußläufe  im 
sumpfigen  Tieflande  besucht  sie  aber  höchstens  zur  Zugzeit.  Am  liebsten 
wählt  sie  zu  ihrem  Sommeraufenthalte  nicht  allzuhoch  gelegene  Bergseeu, 
wobei  sie  Örtlichkeiten,  in  denen  Eis  und  Schnee   erst  spät  im  Jahre  ver- 


■^C)2  Clangula  hyemalis. 

schwinden,  durchiiiis  nicht  scheut.  Mitunter  trifft  man  sie  auch  ziemlich 
hoch  im  Gcl)irge.  Außerhalb  der  Brutzeit  bewolmen  die  Vögel  fast  immer 
das  Meeresgestade. 

Eine  Anzahl  isländischfr  Exemplare  meiner  Sammlung,  (5  «d.,  nicht  selbst 
präpariert,  zeigen  folgende  Maße.  Flügel:  218— 222  mm.  Schwanz:  212— 228.  Schnabel: 
28—30.  Tarsen:  35 — 36.  Mittelzehe  inkl.  der  9  nmi  langen  Kralle:  54 — 56  mm.  — 
O  ad.,  ßrutvögel  vom  Myvatn,  Ende  Juli  1903.  Gewicht  i.  Fl. :  600 — 700  g.  Gesamt- 
länge'i.  FL:  31)0—395.  Flugbreite:  680—700.  Flügel:  205—208.  Schwanz:  95—97. 
Sch^wanz  +  Flügel:  20—40.  Schnabel:  26—28.  Tarsen:  32,5—34.  Mittolzehe  inkl. 
der  8,5—9,5  mm  langen  Kralle:  53—55,5  mm.  —  Iris:  dunkelgelbbraun.  Schnabel: 
schwärzlich,  an  den  Seiten  grünlich.  Kehlhaiit  am  Unterschnabel:  rötlichgrau.  Inneres: 
fleischfarben.  Füße:  hellbleigrau;  Gelenke  und  Hinterseite  der  Tarsen:  dunkler;  Sohlen 
und  Schwimmhäute:  schwärzlich.  —  Frisch  vermausert.  —  Mageninhalt:  Fischlaich  und 
zahlreiche  Steinchen. 

Im  Frühjahre  begegnet  man  der  Eisente  überall  an  den  Küsten.  Doch 
sah  ich  bis  Anfang  Mai  in  den  Buchten  bei  Reykjavik  kleine  Scharen,  in 
denen  sich  die  Geschlechter  getrennt  hielten.  Vielleicht  waren  dies  nordische 
Durchzügler  oder  nicht  zur  Fortpflanzung  schreitende  Individuen.  Im  all- 
gemeinen kommen  die  Vögel  schon  Ende  April  paarweise  zu  ihren  Brüteplätzen. 
Sie  entwickeln  dann  bald  eine  große  Lebhaftigkeit  und  streiten  sich  auch 
recht  heftig.  Dabei  richten  sie  oft  die  langen  Schwanzfedern  schräg  nach 
oben  und  verfolgen  sich  fliegend,  schwimmend  und  laufend.  Besonders  die 
Weibchen  werden  mitunter  geradezu  gemißhandelt.  Ich  beobachtete  noch  im 
Juli,  wie  ein  Erpel  ein  solches  derartig  quälte,  daß  es  zuletzt  mit  knapper 
Not  angsterfüllt  in  eine  Erdhöhle  flüchten  konnte,  wo  es  sich  ganz  erschöpft 
niederduckte  und  widerstandslos  von  mir  ergreifen  ließ.  Auch  die  Stimme 
der  Männchen  hörte  ich  bis  weit  in  die  Brutzeit  hinein  sehr  häufig.  Sie  ist 
nicht  unangenehm  und  besteht  in  verschiedener  Zusammensetzung  aus  kürzeren 
und  gezogeneu  A  und  Au,  etwa  a  au  a.  Nicht  selten  werden  diese  Töne 
auch  mit  einem  hohen  S-Laut  untermischt.  Von  den  Weibchen  vernahm  ich 
nur  leise  Wed,  Wad  oder  Wud.  Im  Sommer  hört  man  die  Rufe  der  Vögel 
nicht  bloß  am  Tage,  sondern  auch  fast  die  ganze  Nacht  hindurch.  Erst 
wenn  die  Jungen  ausgeschlüpft  sind,  werden  die  Alten  stiller. 

Das  Nest  wird  zwischen  hohen  Gräsern  und  schützenden  Pflanzen,  am 
M;f  vatn  sehr  gern  unter  Gesträuch  verborgen.  Das  Weibchen  scharrt  manchmal 
selbst  eine  Mulde,  andermal  benutzt  es  eine  natürliche  Vertiefung  oder  Gesteius- 
spalte.  In  diese  bringt  es  wenig  feine  Halme  oder  Blätter,  später  aber  einen 
dicken  hellbraunen  Dunenbeutel.  Die  Zahl  der  p]ier  beti-ägt  in  normalen 
Gelegen  5 — 8,  doch  sah  ich  auch  10  Dunenjunge  bei  einem  Weibchen.  Die 
Ablage  erfolgt  ziemlich  unregelmäßig,  beginnt  nicht  selten  schon  in  der 
2.  Hälfte  des  Mai  —  Faber  fand  Eier  im  Südlande  am  18.  d.  M.  —  dehnt 
sich  aber  durch  natürliche  Verhältnisse  und  Wegnahme  bis  Anfang  Juli  aus. 

Einige  Exemplare  meiner  Sammlung  vom  Myvatn  zeigen  folgende  Maße: 
56,2  X  37,5  mm  (3,4  g).  55,2  x  37,5  (3).  54,5  x  39,5  (3,3).  53,2  x  38  (3,4).  53  x  39 
(3,4).  53  X  37,5  (3,1).  52  x  39  (3,1).  52  x  37.5  (3).  51,2  x  40  (2,8).  51  x  36,5  (2,9). 
49,5  X  37  (3,2).  49,5  x  36,5  (2,7).  49  x  35,5  (2,6).  —  Das  Vollgewicht  von  mir  unter- 
suchter Eier  schwankte  zwischen  38  und  45  g. 


Clangula  hyemalis.  ]^93 

Das  Weibchen  brütet  etwa  3\!^  Wochen  allein.  Wohl  treiben  sich  die 
Männchen  vielfach  in  der  Nähe  der  Nester  umher,  doch  erkennt  man  dabei 
nicht,  ob  sie  wirklich  die  Sorge  um  Gattin  und  Nachkommenschaft  dahin 
führt.  Im  Juli  vereinigen  sich  die  meisten  Erpel  zu  großen  Scharen.  Ich 
sah  im  nordwestlichen  Teile  des  M^vatn  Haufen  von  3 — 400  auf  dem  Wasser 
liegen,  unter  die  sich  freilich  einzelne  Individuen  anderer  Arten  mischen. 
Auch  scheinen  zahlreiche  jüngere  Vögel  überhaupt  nicht  zur  Fortpflanzung 
zu  schreiten,  sondern  sich  den  ganzen  Sommer  über  auf  dem  See  umher- 
zutreiben. Die  alten  Weibchen  sitzen  unterdessen  auf  ihrem  Neste  und  ver- 
lassen dieses  gegen  Ende  der  Brutzeit  erst  dann  mit  raschen  Flügelschlägen, 
wenn  man  sich  bis  auf  wenige  Schritte  genähert  hat.  Doch  fallen  sie  sehr 
bald  wieder  ein  und  rufen  ängstlich  ihr  warnendes  Wetwet. 

Kiemschneider  traf  die  ersten  Dunenjungen  schon  am  22.  Juni  (Ornith. 
Monatsschr.  1896,  S.  315),  Krüper  am  28.  d.  M.  (Naumannia  1857,  S.  46). 
Auch  Faber  und  andere  berichten  ein  derartig  frühes  Auskommen.  Ich  sah 
am  Myvatn  noch  Mitte  bis  Ende  Juli  überall  kaum  ausgeschlüpfte  Junge. 
Viele  fand  ich  auch  auf  der  Nordwestseite  des  Sees  tot.  Die  Tierchen 
sind  recht  lebhaft  und  geschickt,  tauchen  gemeinsam  mit  ihrer  Mutter  und 
schwimmen  schnell  unter  und  auf  dem  Wasser.  Bei  Sturm  und  Regen  führt 
sie  die  sorgliche  Alte  aus  Land.  Hier  fallen  sie  in  dem  zerklüfteten  Ufer 
mitunter  in  Löcher,  aus  denen  sie  nicht  wieder  heraus  können.  Einmal  fand 
ich  3  der  Tierchen  in  einer  solchen  mit  Wasser  gefüllten  kesselartigen  Ver- 
tiefung und  die  lebhaft  rufende  Alte  mit  4  weiteren  auf  dem  See.  Ich 
holte  die  Gefangenen  heraus,  worauf  sie  eilig  zu  der  Mutter  schwammen. 
Ihre  Stimme  ist  ein  feines  Piepen. 

Das  Dunenjunge  der  Eisente  hat  Ähnlichkeit  mit  dem  der  Spatelente,  die 
Unterseite  ist  jedoch  nicht  so  rein  weiß,  die  Oberseite  mehr  dunkel  braungrau,  auch 
fehlen  die  weißen  Flecken.  (5  und  $  zeigen  keinerlei  auffälligen  Unterschied.  Das 
kleinste  Exemplar  meiner  Sammlung  (Eizahn  noch  auf  der  Schnabelspitze),  ein  cj  pull, 
vom  2.  August  1903,  zeigt  folgende  3Iaße.  Gewicht  i.  Fl.:  22  g.  Gesamtlänge  1.  Fl.: 
120  mm.  Schnabellänge:  10.  Schnabelhöhe:  5,5.  Tarsen:  16.  Mittelzehe :  21,5.  — 
Iris:  dunkelgelbbraun.  Oberschnabel:  schwärzlich.  Nagel:  braun.  Nasenlöcher:  länglich, 
dunkel.  Unterschuabel:  heller,  teilweise  lleischfarben.  Schnabelinneres:  weißlich  fleisch- 
farben. Füße:  schmutzig  olivengrün;  hintere  Tarsen,  Schwimmhäute  (mit  Ausnahme 
eines  Streifens  neben  den  Zehen)    und  Sohlen:  mattschwarz. 

Nach  ungefähr  5  Wochen  sind  die  Jungen  richtig  befiedert  und  flugbar. 
Die  Männchen  gesellen  sich  nun  wieder  zu  ihren  Familien,  einige  Zeit  noch 
sti-eifen  die  Vögel  scharenweise  an  günstigen  Stellen  der  Brutgewässer  umher 
und  verschwinden  endlich  aus  der  Gegend,  selten  später  als  Anfang  bis 
Mitte  September.  Sie  kommen  nun  an  das  Meer,  besuchen  oft  zu  Hunderten 
geschützte  Buchten,  verlassen  aber  zum  großen  Teil  unsere  Insel,  nach  Fabers 
Beobachtungen  spätestens  Mitte  Oktober.  Eine  Anzahl  überwintert  freilich 
an  der  Küste.  Ja  Gröndal  sagt,  die  Eisenten  wären  bei  Reykjavik  gerade 
im  Winter  häufig  und  würden  oft  daselbst  erlegt  (Oruis  II,  S.  366).  Ob 
es  sich  hierbei  aber  um  isländische  Brutvögel  oder  um  Wintergäste  und 
Durchzügier  aus  Spitzbergen  und  Grönland  handelt,  ist  schwer  zu  entscheiden. 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands.  13 


j^g^  Histrionicus  histrionicus. 

49.  Histrionicus  histrionicus  (L.)- 
Krageiiente. 

Anas  histrionica  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  73  (1822).  —  Harelda  histvionica: 
Prcyer  (&,  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  411  (1862).  —  Histrionicus  torqriatus  Bonap. : 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland.  p.  417  (1863).  —  Glaucion  histrionicuvi  (L.) :  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895).  —  Cosmonetta  histrionica  (Linn.):  Slater,  öirds  of 
Iceland,  p.  68  (1901). 

Glaucion  histrionicum  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  685  (1877).  —  Cosmo- 
netta histrionica  (Linn.):  Salvador!,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  395  (1895).  —  Winge, 
Grönlands  Fugle,  S.  84  (1898).  —  Histrionicus  kistrio7iiciis  {L.):^a.uma.uu,  Vögel  3Iittel- 
europas  X,  S.  212  (1902). 

Isländisch:  Straumöad  (vom  straumr  =  Strom,  Strömung),  seltner  Briraönd, 
Brimdüfa  (von  brim  =  Brandung,  düfa  =  Taube). 

Auch  deutsch:  Stromente.  Dan.:  Stremand.  Xorw.  &  schwed. :  Strömand. 
Fär. :  Brimondt. 

Histrionicris  histrionicus  bewohnt  die  nearktische  Kegion,  etwa  bis  45°  südwärts, 
und  einige  benachbarte  arktische  Gebiete.  In  Grönland  brütet  er  nicht  selten  an  der 
Westküste,  wenigstens  bis  Upernivik  nordwärts,  in  geringer  Zahl  auch  au  der  Ostküste. 
In  Europa  soll  er  außer  auf  Island  vereinzelt  im  Ural,  im  Gouvernement  Yaroslaw 
(Sabanäeff)  und  bei  Archangel  (Henke)  brütend  gefunden  worden  sein.  Sicher  bewohnt 
unsere  Art  Ostsibirien  von  Kamtschatka  bis  zum  Baikal-See.  "Wandernde  Exemplare 
haben  sich  selten  in  den  mittleren  Breiten  Europas,  u.  a.  auf  den  Britischen  Inseln 
und  Färöern,  gezeigt,  in  Asien  bis  Japan,  in  Amerika  bis  Kalifornien  hinab. 

In  Islaud  ist  die  Kragenente  ein  über  die  ganze  Insel  verbreiteter 
Brutvogel,  der  die  großen,  tiefen  und  rasch  sti-ömenden  Gewässer  zu 
seinem  Sommeraufenthalte  wählt.  Gibt  es  inmitten  solch  reißender  Ströme 
Pflanzenreiche  Inseln,  so  darf  man  sicher  damit  rechneu,  unsere  Art  daselbst 
zu  finden.  Mehr  als  12 — 15  Paare  brüten  aber  auch  an  den  günstigsten 
Örtlichkeiten  kaum  beisammen.  Weniger  gern  bewohnen  unsere  Vögel  die 
Ufer  der  Flüsse.  Außerhalb  der  Brutzeit  trifft  man  sie  meist  au  den 
Mündungen  der  Gewässer  oder  im  Meere  selbst. 

Eins  der  von  mir  präpaiierten  Exemplare  meiner  Sammlung,  (5  ad..  Brutvogel 
vom  17.  Juni  1903  (Hörgardal),  zeigt  folgende  3Iaße.  Gewicht  i.  FL:  c.  750  g.  Gesamt- 
länge i.  Fl.:  c.  445  mm.  Flügel:  200.  Schwanz:  115.  Schwanz  -j-  Flügel:  55.  Tarsen:  38. 
Mittelzehe  inkl.  der  7  mm  langen  Kralle:  56  mm.  —  Iris:  braun.  Schnabel:  bleigrau 
(bei  jüngeren  Individuen  dunkler).  Füße:  rötlichgrau  (bei  jüngeren  grünlichgrau), 
Hinterseite  der  Tarsen,  Schwimmhäute  und  Sohlen:  schwarz.  —  Mageninhalte:  Spindeln 
und  vollständige  E.xemplare  von  Littorinideu,  größere  Krustaceen,  zahlreiche  meist  un- 
versehrte und  vielfach  noch  durch  Kittsubstanz  an  einander  geheftete  kugelige  Eier 
eines  Knochenfisches,  2  mm  im  Durchmesser.  Außerdem  noch  viele  schwarze,  ver- 
hältnismäßig große  und  z.  T.  scharfkantige  Steinchen  bis  6  mm  Länge  und  0,16  g  Ge- 
wicht (W.  Baer). 

Die  Kragenente  ist  im  allgemeinen  Stand-  oder  Strichvogel  in 
Island.  Im  zeitigen  Frühjahre  begegnet  man  ihr  am  häufigsten  dort,  wo 
ein  reißender  Strom  ins  Meer  mündet.  Es  war  mir  ein  reizvoller  Anblick, 
als  icli  am  15.  ]\Iai  bei  Hvammr  etwa  ein  Dutzend  der  Vögel  beiderlei 
Geschlechts  an  einer  derartigen  Stelle  traf  und  hier  zum  ersten  Male  längere 
Zeit  beobachten  konnte.  Das  ganze  Mündungsgebiet  dos  Flusses  bot  ein 
Bild  wüster  Unordnung.  Mächtige  Eisschollen,  die  von  der  Strömung  mit- 
gebracht waren,  hatte  die  Dünung  des  Meeres  wieder  zurückgeworfen  und 


Histrionicus  histrionicus.  195 

wirr  durcheinander  aufgetürmt.  Zwischen  den  im  Sonnenscheine  blitzenden 
Massen  schäumte  rauschend  der  grünliche  Strom.  Wie  belebend  wirkten 
da  unsere  Enten,  die  behaglich  ihre  Federn  putzend  auf  den  Eisschollen 
saßen!  Eigentlich  scheu  fand  ich  die  Krageneute  nie.  Als  ich  mich  damals 
den  Vögeln  näherte,  glitten  sie  zwar  auch  ins  Wasser  und  schwammen  und 
flogen  sogar  ein  Stück  davon,  kaum  aber  weiter  als  auf  Schrotschußentfernung. 

Die  Fähigkeit  uusrer  Art,  gegen  starke  Strömung  zu  schwimmen,  ist 
mitunter  ganz  auffällig,  bereitet  aber  den  Vögeln  scheinbar  keine  besonderen 
Schwierigkeiten.  Deshalb  fliegen  sie  auch  außerhalb  der  Strichzeit  nur  selten 
größere  Strecken  und  erheben  sich  für  gewöhnlich  kaum  einige  Meter  über 
das  Wasser.  Deutlich  kann  man  oft  den  allmählichen  Übergang  vom 
Schwimmen  zum  Fluge  beobachten.  Zunächst  nehmen  die  Beinbewegungen 
an  Schnelligkeit  zu.  Die  Körperhaltung  nähert  sich  der  fliegenden,  indem 
Kopf  und  Hals  vorgestreckt  und  fast  auf  das  Wasser  gelegt  werden.  Die 
weit  nach  hinten  gehaltenen  Beine  bewegen  sich  nur  noch  wenig,  jedoch 
immer  rascher  und  gleichartig,  wodurch  das  Schwimmen  ein  stoßweises  wird. 
Einige  mit  den  Beinbewegungen  entstehende  Flügelzuckungen  verstärken 
sich  zu  Avirklichen  Flügelschlägen,  doch  berührt  der  hintere  Teil  des  Unter- 
körpers noch  auf  Augenblicke  das  Wasser.  Die  Bewegungen  der  Beine 
nehmen  in  derselben  Weise  ab,  wie  sich  die  der  Flügel  vermehren  und 
hören  endlich  ganz  auf.  Umgekehrt  geschehen  die  Wechselbewegungen  der 
Gliedmaßen  beim  Niederlassen  auf  dem  Wasser. 

In  der  zweiten  Hälfte  des  Mai  schwimmen  die  Vögel  die  Ströme  auf- 
wärts nach  ihren  Brutinseln.  Die  Paare  halten  getreulich  zusammen,  sind 
aber  auch  gegen  andere  ihresgleichen  verträglich.  Oft  umschwimmt  das 
Männchen  seine  Gattin  mit  lockendem  Giä,  wobei  es  den  kurzen  und  starken 
Hals  aufrichtet  und  die  Federn  des  ebenfalls  durch  harte  schwärzliche  Fleisch- 
wülste im  oberen  und  hinteren  Teile  bedeutend  verdickten  Kopfes  sträubt. 
Das  Weibchen  antwortet  etwas  leiser  mit  demselben  Eufe.  Dazu  nicken  die 
Vögel  beständig,  was  sie  weniger  auffällig  auch  sonst  beim  Schwimmen  tun. 
Naht  eine  Gefahr,  so  rufen  sie  warnende  feine  Dtt  oder  weiche  Da,  beim 
Abfliegen  mitunter  erschi'ockene  Gäg  gVig  gäg. 

Das  Nest  wird  am  liebsten  unter  Buschwerk  in  der  Nähe  des  stark 
strömenden  Wassers,  auf  kahlen,  felsigen  Inseln  auch  nur  in  geschützten 
Vertiefungen,  weniger  gern  am  grasigen  Ufer  errichtet.  Oft  brüteji  in 
unmittelbarer  Nachbarschaft  noch  andere  Entenarten;  auf  einer  gar  nicht 
großen,  mit  Sträucheru  und  Angelikastaudeu  bedeckten  Insel  in  der  Läxa  bei 
dem  Hofe  ]:>erä  beobachtete  ich  z.  B.  noch  Aethya  marila,  Mareca  pejielo2ye, 
Nettion  crecca  und  Men/us  serrator.  Das  Weibchen  begibt  sich  meist  laufend 
zu  dem  Nistplatze,  wobei  es  immerfort  sichernd  ziemlich  rasch  und  geschickt 
dahineilt.  Das  Nest  selbst  besteht  aus  Pflanzenstoffen  der  Umgebung,  gewöhnlich 
aus  einer  nicht  allzugroßen  Menge  von  Halmen  und  Blättern.  Später  wird 
es  reichlich  mit  grauen  Dunen  ausgekleidet,  die  sich  natürlich  mehr  oder 
weniger  stark  mit  den  Pflanzenstoöen  untermischen.  Es  enthält  im  Juni, 
häufig  erst  in  der  2.  Hälfte  des  Monats,  5—10  Eier.    Doch  bekam  Dr.  Ottoßou 

13* 


igg  Histriüiiicus  histrioiiicus. 

ein  Gelege  zu  8  Stück  aus  der  Gegend  des  Myvatn  vom  30.  Mai  1898  (in  litt.). 
Werden  die  Eier  weggenommen,  was  nicht  selten  geschiebt,  so  verlängert 
sicli  die  Zeit  der  Ablage  bis  Anfang  Juli.  Pearson  erhielt  ein  noch  frisches 
Gelege  am  18.  Juli  (Ibis  1895,  p.  244). 

Einige  isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  58x43  mm 
(3.7  g).  57,5x42,5  (3,6).  57,2x43,2  (3,4).  Weitere  im  Zoologischen  Museum  zu 
Dresden:  58,2x43  (3,G).    58x42,5  (3,8).    56,2x41,5  (3,3). 

Das  AVeibchen  brütet  etwa  S'/a  Wochen  allein.  In  Gegenden,  wo  nur 
einzelne  Paare  leben,  wie  z.  B.  im  Mündungsgebiete  der  Fnjdska,  bleibt  der 
Krpel  regelmäßig  in  der  Nähe  der  Gattin,  ja  er  legt  bei  Annäherung  eines 
Menschen  durcli  ängstliches  Gebaren  seine  Besorgnis  für  sie  au  den  Tag, 
sucht  sogar  durcli  besondere  Zutraulichkeit  die  Blicke  auf  sich  zu  lenken. 
Anderwärts  vereinigen  sicli  die  Männchen  zu  kleinen  Scharen,  verlassen  aber 
das  Brutgebiet  nicht.  Faber  fand  die  ersten  Dunenjungen  Anfang  Juli: 
icli  sah  kleinere  und  größere  am  16.  d.  M.  Das  Weibchen  führt  die  geschickt 
schwimmenden  und  tauchenden  Tierchen  an  die  ruhigeren  Stellen  im  Flusse. 
Zwar  benimmt  sich  die  Familie  nicht  besonders  scheu,  doch  ist  es  immerhin 
schwierig,  der  Jungen  habhaft  zu  werden,  da  man  im  Schwimmen  geschossene 
Exemplare  selten  aus  der  Strömung  herausbekommen  kann.  Das  Weibchen 
übernimmt  die  Führung  der  Jungen  allein,  doch  zeigt  sich  das  Männchen 
nicht  selten,  sobald  ernstliche  Gefahr  droht.  Faber  gibt  als  Zeit  für  die 
Dunenperiode  40  Tage  an,  was  meiner  Beurteilung  nach  zu  reichlich  bemessen 
ist.  Ich  sah  völlig  erwachsene,  scheinbar  flugfähige  Junge  neben  halb- 
wüclisigeu  bereits  am  5.  August  bei  ]5erä  au  der  Laxä,  konnte  auch  trotz 
der  Unterstützung  des  Hofbesitzers  in  der  Umgebung  der  ßrutinsel  keine 
Dunenjungen  mehr  finden,  obwohl  ich  am  16.  Juli  ebendaselbst  noch  ganz 
kleine  gesehen  hatte. 

Ende  August,  Anfang  September  füliren  die  Weibchen,  denen  sich  die 
Männchen  oft  wieder  anschließen,  ilire  Nachkommenschaft  allmählich  sti'om- 
abwärts  dem  Meere  zu.  Meist  verbringen  die  Vögel  hier  in  kleineren  Scharen 
den  Winter,  streichen  auch  gelegentlich  ein  Stück  die  Küsten  entlang,  wobei 
sie  besonders  die  milderen  südlicheren  Teile  der  Insel,  z.  B.  auch  die  Vest- 
mannaeyjar,  aufsuchen.  Nur  wenige  Exemplare  scheinen  Island  ganz  zu 
verlassen. 

50.  Somateria  spoctabilis  (L.). 
Prachteiderente. 

Anas  spedahilis  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  67  (1822).  —  Somateria  spectabiUs 
L.:  Preyer  (&  Zirkel).  Reise  nach  Island,  S.  431  (1862).  —  Somaferia  S2)ectabilis  (L.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  417(1863).  —  Somatheria  spcdabilis  (L.):  Grön- 
dal,  islenzkt  fuglatal,  bis.  49  (1895).  —  Sotnateria  spectabilis  (Linn.):  Slater,  Birds  of 
Icelaud,  p.  73  (1901).  —  Somateria  spectabilis  L.:  Ssemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra 
Island,  S.  19  (1905). 

Sotnateria  sjyectabilis  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle.  S.  693  (1877).  —  Salva- 
dori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXYII,  p.  432  (1895).  —  Winge,  Grenlands  Fugle,  S.  108 
(1898).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  X,  S.  236  (1902). 


Somateria  spectabilis.  197 

Isländisch:  -^darköngur  (=  Eiderkönig),  Elikaköngur  (von  bliki  =  Männchen 
des  Eidervogels). 

Auch  deutsch:  Eiderköuig,  Königseiderente.  Dan.:  Konge - Ederf ugl.  Norw.: 
Ekonge.  Erkonge.  Schwed.:  Aderkong.  Engl. :  King- Eider.  Fär.  :Eävekongur.  Aedukongur. 

Somateria  spectabilis  bewohnt  zirkumpolar  die  arktische  Region.  Als  ihre  Brut- 
gebiete kennt  man  Spitzbergen,  Kolguew,  Nowaja  Semlja,  Dolgoi,  Waigatsch,  die  Insel- 
gruppen längs  der  sibirischen  Küste  bis  Tschuktschen,  ebenso  auch  die  arktischen 
Gebiete  Amerikas  bis  etwa  zum  60.  Grade  hinab,  in  Grönland  besonders  vom  Polar- 
kreise an  nordwärts.  Feilden  traf  unsere  Art  auf  Grinnell-Land  noch  an  der  Floeberg- 
Eeach  unter  82°  27'  als  Brutvogel  (Schalow).  In  der  kälteren  Jahreszeit  zeigen  sich  die 
Vögel  vereinzelt  an  den  Küsten  Norwegens,  Dänemarks,  Deutschlands,  auf  den  Britischen 
Inseln,  Orkaden,  Färöern,  südwärts  bis  Italien,  Virginien,  Kalifornien  und  den  Kurilen. 

Für  Island  kann  die  Prachteiderente  nur  als  gelegentlicher  Gast 
und  wahrscheinlich  seltner  Brutvogel  bezeichnet  werden.  Doch  ist  sie 
vielerorts  bekannt,  weil  sie  zumeist  die  Gesellschaft  gewöhnlicher  Eiderenten 
aufsucht  und  deshalb,  wenigstens  in  männlichen  Individuen,  nicht  so  leicht 
übersehen  wird.  Mitunter  zeigen  sich  die  Vögel  im  Winter.  So  erzählt 
Faber,  daß  am  25.  Dezember  1820  ein  altes  Männchen  nach  heftigem  Sturme 
bei  Eyrarbakki  tot  ans  Land  gespült  wurde.  Auch  Gröndal  berichtet  von 
der  Erlegung  eines  Exemplars  am  2.  Februar  1887  bei  Reykjavik  (Ornis  IX, 
S.  89).  P.  Nielsen  schrieb  mir,  daß  man  am  21.  November  1888  ein  Weibchen 
lebendig  bei  Eyrarbakki  fing  und  ihm  brachte;  einige  Jahre  später  wurde 
in  derselben  Gegend  ein  toter  Vogel,  gleichfalls  ein  Weibchen,  ans  Land 
getrieben.  Ssemundsson  beobachtete  ein  einzelnes  Männchen,  das  später 
geschossen  wurde,  am  30.  Dezember  1903   auf  dem   Strande  bei  Reykjavik. 

Gelegentlich  kommt  unsere  Art  auch  während  des  Sommers  vor,  doch 
scheint  es  sich  in  den  meisten  Fällen  um  einzelne  Individuen  zu  handeln, 
die  nicht  zur  Fortpflanzung  schreiten.  Im  allgemeinen  werden  natürlich 
nur  die  auffälligen  Erpel  erkannt.  Nach  der  Ansicht  vieler  ungebildeter 
Isländer  ist  der  Vogel  überhaupt  nichts  anderes,  als  ein  sehr  altes  Männchen 
der  gewöhnlichen  Eiderente,  das,  nicht  mehr  fortpflanzungsfähig,  sein  Äußeres 
verändert  und  eine  herrschende  Stellung  in  der  Kolonie  gewinnt.  Bei  meinen 
Erkundigungen  wurde  mir  von  verschiedenen  Besitzern  von  Eiderbrutplätzeu 
im  Eyjafjördr  übereinstimmend  versichert,  daß  sich  in  manchen  Jahren  ein 
einzelner  Eiderköuig  bei  der  Kolonie  aufJiielte,  der  aber  nicht  gepaart  sei, 
was  sich  sehr  wohl  feststellen  läßt.  Dabei  scheint  es  sich  fiist  immer  um 
ausgefärbte  Männchen  zu  handeln.  Auch  sollen  derartige  Vögel  mitunter 
jahrelang  bei  derselben  Kolonie  bleiben,  sich  außerdem  herrschsüchtig  und 
selbstbewußt  zeigen,  was  auf  alte  Individuen  schließen  läßt.  P.  Nielsen  teilte 
mir  auch  mit,  daß  sich  bei  Kollafjördr  (Stranda-S^sla)  sowohl  im  Sommer  1884 
als  1885  eine  ganze  Anzahl  Prachteiderenteu  bei  der  gewöhnlichen  Art  ein- 
stellten. Sie  kamen  mitten  in  der  Brutzeit,  legten  aber  selbst  keine  Eier. 
Baring-Gould  sah  1858  einen  Balg  von  Somateria  spectabilis  in  Akureyri 
(Iceland,  p.  417).  Gröndal  erhielt  Nachricht  von  einem  Vorkommen  der  Art 
bei  Vigur  im  Westlande  (Ornis  II,  S.  306). 

Ich  selbst  beobachtete  ein  vollkommen  ausgefärbtes  Männchen  am 
18.  Mai  1903  in  dem  vereisten  Nordurfjörcli- (Stranda-S^sla)  und  ein  ebensolches 


j^gg  Somateria  spectabilis. 

am  25.  Mai  hoi  Hjalteyri.  Auch  dieses  trieb  sich  in  geringer  Entfernung 
vom  Laude  unter  etwa  30  Eidervögeln  umher.  Es  zeichnete  sich  nicht  allein 
durch  sein  Äußeres,  sondern  schon  durcli  Haltung  und  Bewegung  von  seinen 
Verwandten  aus.  Mit  aufrecht  getragenem,  zeitweise  sogar  hintenübergeneigiem 
Kopfe  und  gelüfteten  Flügeln  schwamm  es  unruhig  umlier,  verfolgte  sowohl 
die  Weibchen,  als  auch  die  alten  und  selbst  die  jüngeren  gescheckten  Männchen 
der  P]idervögel,  ohne  auf  Widerstand  zu  stoßen.  Seine  Stimme  ließ  das 
erregte  Tier  mehrmals  hören.  Sie  klang  ähnlich  dem  behaglichen  Uau  der 
Eiderenteriche,  aber  kürzer,  stürmischer  und  hölier  im  Tone,  etwa  ua.  loh 
beobachtete  den  Vogel  wenigstens  eine  Stunde  lang.  Ab  und  zu  wurde  er 
ruhiger  und  tauchte  nahrungsuchend  unter.  Ein  Weibchen  der  Art  konnte 
ich  auch  hier  nicht  entdecken.  AVeil  ich  vermutete,  der  Vogel  hielte  sich 
dauernd  an  einem  der  benachbarten  Eiderbrutplätze  auf,  versuchte  ich  nicht 
ihn  zu  schießen.  Leider  bekam  ich  das  Tier  nicht  wieder  zu  sehen.  Vielleicht 
war  es  dasselbe  Individuum,  das  Anfang  Juni  auf  Grimsey  erlegt  und  an 
J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri  verkauft  wurde. 

Ab  und  zu  werden  neben  den  Männchen  auch  Weibchen  der  Art  beob- 
achtet, die  gelegentlich  gebrütet  haben  sollen.  Dies  wurde  mir  im  Nord- 
lande mehrfach  versichert,  doch  liegen  nur  sehr  wenige  genauere  Notizen 
hierüber  vor.  Faber  berichtet,  daß  ein  Paar  unter  den  zahllosen  Eiderenten 
der  Insel  Videy  bei  Reykjavik  1819  und  1820  sich  fortpflanzte,  und  Thiene- 
mann  schreibt,  daß  ihm  Mitteilung  von  dem  Brüten  eines  Paares  im  Sommer 
1829  zugegangen  sei  (Fortpflanzung  der  Vögel  Europas,  V,  S.  37,  1838). 
P.  Nielsen  teilte  mir  ebenfalls  mit,  daß  er  ab  und  zu  von  einem  paarweisen 
Vorkommen  unsers  Vogels  gehört  habe.  Im  Juni  1887  z.  B.  hielt  sich  ein 
solches  bei  einer  kleinen  Eiderentenkolonie  östlich  von  Eyrarbakki  auf  und 
zog  wahrscheinlich  Nachkommenschaft  groß  (in  litt.).  Durch  Duuenjunge 
beglaubigte  Angaben  über  ein  Brüten  von  Somateria  spectabilis  auf  unserer 
Insel  fehlen  aber  bis  jetzt  noch  völlig. 

51.  Somateria  mollissima  mollissima  (L.). 
Eiderente. 

Anas  mollissima  (Linn.) :  Faber,  Pro3romus,  S.  68  (1822).  —  Somateria  mollissima 
Leach.:  Preyer  (&  Zirkel),  Eeise  nach  Island,  S.  -406  (1862).  —  Somateria  mollissima 
(Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  417  (1863).  —  Somatheria  mollissiina 
L.:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  49  (1895).  —  Somateria  mollissima  (Linn.):  Slater, 
Birds  of  Iceland,  p.  70  (1901). 

Somateria  mollissima  (L.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  G90  (1877).  —  Salvadori, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  425  (1895).  —  Somateria  mollissima  (L.)  typica :  Wmge, 
Grönlands  Fugle,  8.94(1898).  —  Somateria  mollissima  (L.):  Naumann,  Vögel  Mittel- 
europas X,  S.  223  (1902). 

Isländisch:  JVAur  (Etymologie  unklar),  alte  Formen  JEd,  iEdr,  (=  Ader, 
Wasserader),  Ji)darfugl,  -.Edifugl;  Bliki,  ^Edarbliki  (von  blika  =  blinken,  glänzen)  für 
das  5 ;  .^Edarkolla  (vcn  kollr  =  Koller,  Kopf)  für  das    ?  ;  ^Edaruugi  für  das  Junge. 

Auch  deutsch:  Eider,  Eidervogel.  Dan.:  Ederfugl,  J&rfugl.  Norw.:  Efugl,  Ar, 
Arfiigl.  Schwad.:  Ejder,  EJderfägel,  Ar.  Ädra.  Engl.:  Eider  Duck.  Fär.:Eäva.  ^da; 
Blikur  (cJ). 


Somateria  mollissima  inollissima.  J^99 

Somateria  mollissima  mollissima  bewohnt  die  Küsten  des  nordwestlichen  Atlan- 
tischen Ozeans  und  die  angrenzenden  arktischen  Gebiete.  Ihre  Verbreitung  scheint 
von  Island,  vielleicht  von  Ost^rönland,  ))is  zu  den  Küsten  des  Karischen  Meeres  zu 
reichen.  Die  Eiderenten  Spitzbergens  sollen  nach  Malmgren  eine  besondere  kleinere 
Rasse  bilden  (S.  m.  thulensis),  die  daselbst  Standvogel  ist  und  wahrscheinlich  auch 
auf  Franz- Joseph -Land  vorkommt.  Die  typische  Art  brütet  besonders  auf  Nowaja 
Semija,  Waigatsch,  Kolguew,  der  Bären-Insel,  Jan  3Iayen,  Mevenklint,  Nordrußland, 
Skandinavien,  Dänemark,  Sylt,  Schottland  samt  den  benachbarten  Inseln  bis  zu  den 
Färöern.  In  den  meisten  Gegenden  ist  sie  Stand-  oder  Strichvogel;  einzelne  Individuen 
wandern  südwärts  bis  Ungarn,  Italien  und  Südfrankreich.  — An  den  atlantischen  Küsten 
Nordamerikas,  etwa  von  Maine  bis  Neufundland  und  dem  südlichen  Labrador,  brütet 
S.  m.  dresseri  Sharpe,  im  benachbarten  arktischen  Gebiete,  wenigstens  von  Westgrönland 
bis  zur  ßepulse-Bai,  S.  m.  borealisBrehm.  Im  Nordpazifischen  Ozean  und  dem  benachbarten 
Eismeere,  vom  westlichen  Amerika  bis  weit  an  der  sibirischen  Küste  entlang,  findet  sich 
S.  m.  v-nigra  (Gray).  Die  genaueren  Verbreitungsgrenzen  der  nach  Bälgen  doppelt  schwer 
unterscheidbaren  geographischen  Formen  sind  noch  nicht  genügend  festgestellt. 

In  Island  gehört  die  Eiderente  zu  den  gemeinen  Brutvögeln,  die 
sich  an  allen  geeigneten  Küsten,  vorzugsweise  im  Westen  und  Norden,  in  zahl- 
reichen kleinereu  und  größeren  Kolonien  findet.  Zufolge  des  besonderen 
Schutzes,  den  man  ihr  überall  angedeihen  läßt,  scheint  ihre  Zahl  sich  langsam 
zu  vermehren.  Der  Export  von  Eiderdunen,  die  aus  der  Umgegend  gebracht 
wurden,  erstreckte  sich,  wie  mir  HeiT  Konsul  Thomsen  in  Eeykjavik  freund- 
lichst mitteilte,  im  Jahre  1902  auf  folgende  Küstenplätze  (die  dahinter- 
stehenden Ziffern  bedeuten  die  Pfundzahl  (1  Pfund  =  ^2  ^^S)  ^^^r  exportierten 
Dunen):  Reykjavik  (841),  Borgarnes  (177),  Ölafsvik  (8)",  Stykkisholmr  (964), 
Flatey  (721),  Isafjörclr  (328),  Reykjarfjördr  (220),  Halmavik  (700),  Bordeyri 
(100),  Hvammstangi  (38),  Blönduös  (40),  Skagaströud  (113),  Saudarkrökr 
(53),  Haganesvik  (81),  Akureyri  (35),  Svalbardseyri  (92),  Hüsavik  (218), 
Köpaskerva  (205),  Raufarhöfn  (34),  jMrshöfn  (253),  Vopnafjördr  (87),  Bakka- 
gerdi  (3),  Seydisfjördr  (126),  Eskifjördr  (75),  Faskrüdsfjördr  (63),  Berufjördr 
(232),  Hornafjördr  (99). 

Die  von  mir  aus  nächster  Nähe  lebendig,  sowie  die  tot  besichtigten  isländischen 
Eidervögel  mußte  ich  für  S.  m.  mollissima  bestimmen,  obwohl  je  nach  Jahreszeit  und 
Alter  die  Färbung  der  Brust  und  des  Schnabels  bei  den  Männchen  ein  wenig  wechselt. 
Vögel,  die  ich  als  gut  charakterisierte  S.  m.  horealis  hätte  ansprechen  müssen,  sind  mir 
niemals  vorgekommen.  2  ausgefärbte  Exemplare  meiner  Sammlung,  die  ich  am  7.  Mai  von 
einem  Fischer  bei  Reykjavik  frischgeschossen  kaufte,  kennzeichnen  sich  wie  folgt.  (5  ad. 
Gewicht  i.  Fl. :  fast  3  kg.  Gesamtlänge  i.  Fl. :  c.  600  mm.  Flugbreite  :  c.  920.  Flügel :  278. 
Schwanz:  113.  Schnabellänge:  a.  von  der  am  weitesten  auf  der  Stirn  vorspringenden  Be- 
fiederung an  bis  zur  Spitze:  49;  b.  von  der  bis  unter  die  Nasenlöcher  vorspringenden  Feder- 
schneppe  an:  34;  c.  von  der  neben  der  Stirn  am  weitesten  zurückspringenden  Stelle  des 
Oberschnabels  an:  67.  Tarsen:  52.  Mittelzehe  inkl.  der  12  mm  langen  Kralle:  90  mm.  — 
Iris:  graubräunlich.  Oberschnabel:  schmutzig  olivgrün,  am  Grunde  gelblichgrün.  Nägel 
und  Unterschnabel:  hornbräunlich.  Füße:  schmutzig  gelblichgrün.  Sohlen  und  Schwimm- 
häute :  schwärzlich.  —  ?  ad.  Gewicht!.  Fl. :  reichlich2i/2  kg.  Gesamtlänge  i.  FL:  c.  580mm. 
Flugbreite :  c.  900.  Flügel:  275.  Schwanz:  119.  Schwanz -f- Flügel :  55.  Schnabel:  a.  50; 
b.  32;  c.  65,5.  Tarsen:  49.  Mittelzeheinkl.der  11, 4  mm  langen  Kralle  :78  mm. —  Iris:  grau. 
Schnabel:  düster  olivgrün.  Füße:  gelblichbraun.  Sohlen  und  Schwimmhäute:  schwärzlich. 

Die  Eiderenten  sind  in  Küstengebieten,  die  während  des  Winters  nicht 
zufrieren,  oft  wahre  Standvögel,  anderwärts  Strichvögel,  die  aber  zeitig 
im  Frühjahre  nach  ihren  Brutplätzen  zurückkehren.     Als  solche  wählen  sie 


200 


Somateria  mollissima  mollissima. 


Inseln  und  Halbinseln  oder  auch  gewöhnliche  Uferpartien,  die  mit  Gräsern, 
Heidegesträuch  und  andern  Pflanzen  bedeckt  sind.  Selten  nur  brüten  sie 
auch  auf  kahlen  Klippen.  Besonders  häufig  findet  man  Brutkolonien  im 
Mündungsgebiete  der  Flüsse,  mitunter  auch  an  kleinen  Lagunen  und  Süß- 
wasserteichen in  der  Nähe  des  Meeres.  Die  Vögel  lieben  ()rtlichkciten,  die 
einen  freien  Ausblick  gestatten  und  bevorzugen  in  der  Regel  solche,  die 
nicht  erheblich  über  den  Wasserspiegel  ragen.  Auf  Grimsey  freilich  bewohnen 
sie  alle  Teile  des  grasigen  Plateaus,  das  ja  stellenweise  eine  Höhe  von  über 
100  m  erreicht.  Von  hier  aus  können  sie  sich  nur  fliegend  ins  ]\Ieer  begeben 
und  haben  zum  Teil  einen  recht  weiten  AVeg  dahin.  Sie  sind  aber,  wie  auch 
viele  andere  Vogelarten,  an  gewissen  seit  Jahrhunderten  schon  benutzten 
Brutplätzen  durchaus  nicht  wählerisch,  während  sie  zalilreiche  scheinbar 
günstige  Gebiete   nicht   besiedeln  wollen.     Vielfach    errichtet   man   inmitten 


Fig.  26.     Kolonie  von  Somateria  mollissima  in  Südwest-Island. 


der  Kolonien  Stangen,  an  die  bunte  Zeugstreifeu  geheftet  werden,  um   die 
Raubvögel  fernzuhalten  und  die  Enten  selbst  herbeizulocken  (Fig.  26). 

Im  zeitigen  Frühjahre  liegen  unsere  Vögel  in  der  Nähe  der  Brutplätze 
auf  dem  Meere,  schwimmen  in  langen  Ketten  den  leichten  Wellen  entgegen 
und  tauchen  ab  und  zu  unter,  um  kleine  Tiere  von  den  Seepflanzen  abzulesen 
oder  vom  Grunde  aufzunehmen.  Ich  fand  im  Magen  der  von  mir  präparierten 
Vögel  große  Mengen  Fisclilaicli,  kleine  Schneckenhäuser,  zumeist  Littoriniden, 
und  Stücken  von  Pfahlmuscheln.  Mitunter  richten  sich  einzelne  Vögel  flügel- 
schlagend im  Wasser  auf  Dann  kommt  die  schwarze  Färbung  der  schmucken 
Männchen  deutlich  zum  Vorscheine,  die  sonst  nur  wenig  an  den  Seiten 
sichtbar  ist.  Häufig  vernimmt  man  auch  die  Stimme  der  Erpel,  gähnend 
gezogene  Au,  AVau,  Won,  Ua,  üauu  und  ähnlich.  Diese  Rufe  gehen  häufig 
in  ein  behagliches  Brummen  über.  Von  vielen  Vögeln  gleichzeitig  halbe 
Stunden  lang  hervorgebracht,  geben  die  Laute  einen  äußerst  charakteristischen 
Zusammenklang,  der  an  stillen,  sonnigen  Frühlingstagen  oft  kilometerweit 
zu  hören  ist.     Untereinander  sind  die  Eiderenten  vei-ti'äglich,  selten,  daß  sich 


Somateria  niollissima  mollissiiiia.  201 

die  Ei-pel  ein  wenig  herumtreiben  oder  durch  besonders  lautes  Rufen  ihre 
Erregung  und  Eifersucht  zu  erkennen  geben.  Lieber  schwimmen  sie  stolz 
erhobenen  Hauptes  und  mit  leicht  gelüfteten  Flügeln  den  sanften  braunen 
Weibchen  nach,  stimmen  die  wunderliche  Musik  au  und  zeigen  eitel  die 
Schönheit  ihres  im  Sonueuscheine  leuchtenden  Gefieders,  um  freiwillig  zu 
erhalten,  was  ihnen  nach  dem  Rechte  des  Stärkeren  schon  zukommen  muß. 
Tritt  die  Ebbe  ein,  so  begeben  sich  alle  Vögel  zum  Sti-ande,  setzen  sich  bei 
ruhigem  Wetter  auf  die  nun  trocken  gelegten  Klippen  und  Steine,  bei  Sturm 
an  geschützte  Lieblingsplätze  weiter  hinauf  am  Lande,  putzen  das  Gefieder 
und  ruhen.  Überrascht  man  sie  dann,  vielleicht  in  einer  engen  Meeresbucht, 
so  flattert  die  Schar  erschrocken  ins  Wasser,  kehrt  aber  nach  kurzer  Zeit 
mit  beruhigtem  Brummen  wieder  ans  Land  zurück. 

Im  Mai  sieht  man  die  Vögel  regelmäßiger  und  längere  Zeit  an  ihren 
Brutplätzen.  Das  Weibchen  sucht  sich  eine  natürliche  Vertiefung,  die  es 
reiuigt  und  wenn  nötig  noch  erweitert.  In  diese  bringt  es,  gelegentlich 
unter  Mithilfe  des  Männchens,  nicht  allzuviele  trockene  Pflanzenstengel, 
Halme  und  Blätter.  Doch  füttert  es  später  die  Nestmulde  mit  einer 
bedeutenden  Menge  brauugrauer  Dunen  aus,  die  einen  etwas  helleren  Kern 
besitzen.  Manchmal  findet  man  das  Nest  im  Rasen,  andermal  zwischen 
Heidegesträuch,  auf  Grimsey  gern  auch  inmitten  kleiner  schützender  Stein- 
wälle, die  wohl  besonders  für  diesen  Zweck  hingebracht  sind.  Auf  Videy 
bei  Reykjavik  und  anderwärts  sollen  die  sehr  wenig  scheuen  Weibchen  ihr 
Nest  auch  in  unmittelbarer  Nähe  der  Häuser,  ja  gelegentlich  auf  dem  gras- 
bewachsenen Dache  derselben  errichten.  An  den  von  mir  besuchten  Eider- 
brutplätzen  waren  die  Nester  über  weite  Flächen  verstreut  und  nirgends 
unmittelbar  beieinander.  Doch  soll  dies  auf  engbegrenzten  Holmen  auch 
vorkommen. 

Im  Eyjafjördr  begann  1903  die  Ablage  der  Eier  im  allgemeinen  Mitte 
Mai.  Die  Hauptlegezeit  war  zu  Ende  des  Monats.  Mitte  Juni  brüteten 
auch  dort,  wo  einige  Eier  weggenommen  wurden,  die  meisten  Weibchen. 
Bedeutend  verzögert  sich  das  Brutgeschäft  auf  Grimsey.  Wohl  findet  man 
hier  die  ersten  Eier  auch  schon  Anfang  Juni,  doch  beobachtete  ich  noch 
T^jifang  Juli  legende  Vögel.  Diese  Verspätung  wird  nur  teilweise  durch 
Wegnahme  der  Eier  bedingt.  Normalgelege  bestehen  aus  5 — 7  Stück.  In 
Nachgelegen  brüten  die  Vögel  nicht  selten  auch  nur  3  oder  4  Eier  aus. 

Einige  Grimseyer  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße.  Gel.  4, 
frisch:  81,5  X  51,2  mm  (voll  121,  leer  9,7  g),  80x53  (119,  8,5),  79,5x52.5  (115,8,4), 
77,2x52(115,8,4).  —  80,5x53,5  (leer  10,8  g).  79,5x51,2  (9,4).  79x49  (7,8). 
78x48,5  (8,7).  76,5x47,5  (7,7).  76,2x50,2  (8,8).  76x52  (8,8).  75,2x51  (8,5). 
75  X  52  (8,7).  75x51,5  (8,5).  —  Das  Vollgewicht  von  mir  untersuchter  frischer  Exemplare 
schwankte  zwischen  95  und  124  g.  Ihr  Geschmack  ist  etwas  tranig  und  weniger  angenehm 
als  bei  Eiern  von  Süßwasserenten.  —  Zwergeier  kommen  nicht  selten  besonders  zu 
Anfang  der  Legezeit  vor.  Von  2  Exemplaren  meiner  Sammlung  von  der  Kolonie  bei 
dem  Hofe  Os  im  Eyjafjördr  zeigt  eins  einen  breiten  Hing  kleiner  bläschenartiger  Er- 
höhungen, das  andre  am  stumpfen  Ende  einen  angesetzten  länglichen  Knoten.  Maße: 
46,2x35(3,3).    40x28,5(2,6). 


202  Somateria  niollissima  mollissima. 

Das  Weibchen  brütet  etwa  4  Wochen  allein  und  sitzt  oft  so  fest,  daß 
man  sich  vielerorts,  z.  B.  auf  Grimsey,  in  unmittelbare  Nähe  hinstellen  kann. 
Mitunter  heben  die  Leute  den  Vogel  sogar  vom  Neste,  rohere  stoßen  ihn 
mit  dem  Fuße  hinweg,  um  nach  den  Eiern  zu  sehen.  Dann  läßt  die  Ente 
ein  unwillig  knurrendes  Krrr  oder  Korrr  hören,  bleibt  aber  gewöhnlich  in 
der  Nähe,  schüttelt  und  putzt  sich  und  watschelt  nach  Entfernung  des 
Menschen  bald  wieder  zum  Neste  zurück.  Besonders  während  der  Nacht 
stellt  sich  der  Erpel  bei  seiner  Gattin  ein,  stellt  geti-eulich  neben  ihr,  verhält 
sich  aber  etwas  scheuer.  Mitunter  ruft  er  l)eim  Neste,  wo  ich  auch  die 
Begattung  beo])achtete,  ein  lebhaftes  nasales  Ha  oder  auch  ein  lautes  Hauwa, 
Hahauwa,  in  behaglicher  Ruhe  ein  gezogenes  Gag.  Ungestört  verläßt  das 
AVeibchen  die  p]ier  täglich  nur  kurze  Zeit,  schwimmt  in  der  Nähe  umher, 
in  Grimsey  gern  auf  den  kleinen  Süßwasserteichen  im  Innern,  scheint  aber 
äußerst  wenig  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen.  Freilich  haben  die  Vögel  vor 
der  Brutperiode  dicke  Fettmassen  unter  der  Haut  und  zwischen  den  Ein- 
geweiden, sodaß  ihnen  ein  Fasten  nichts  schadet. 

Durchaus  nicht  alle  Eiderenten  schreiten  zur  Fortpflanzung.  Im  weiteren 
umkreise  der  Brutplätze  ti'ifft  man  den  ganzen  Sommer  über  Scharen  beiderlei 
Geschlechts,  die  augenscheinlich  aus  jüngeren  Individuen  bestehen.  Derartige 
Vögel  wandern  mitunter  auch  ein  Stück  die  Ströme  aufwärts.  So  beobachtete 
ich  am  2.  Juni  3  Ei-pel  und  1  Weibchen  an  einer  ruhigen  Stelle  der  Fnjöskä, 
wenigstens  5  km  vom  Meere  entfernt.  Selbst  den  Myvatn  sollen  sie  aus- 
nahmsweise besuchen.  In  Hjalteyri  sah  ich  von  Ende  Mai  bis  Mitte  Juni 
einzelne  nicht  gepaarte  Männchen,  die  stark  mauserten  und  ein  verschieden- 
artig dunkel  und  weiß  geschecktes  Gefieder  tingen.  Ich  vermutete  darin 
einjährige  Vögel,  die  erstmalig  das  Prachtkleid  anlegten,  sah  aber  Anfang 
August  an  derselben  Örtlichkeit  große  Scharen  von  Eiderenten  aus  nächster 
Nähe,  unter  denen  sich  nur  Männchen  im  ausgemauserten  Sommerkleide 
befanden,  die  höchstens  unter  den  Flügeln  noch  etwas  Weiß  zeigten.  Ich 
muß  deshalb  annehmen,  daß  die  im  Mai  so  auffällig  gefleckten  Vögel  bereits 
in  die  Sommertracht  ummauserten.  Da  das  isländische  Gesetz  betreffend 
den  Schutz  der  Eiderenten  von  den  Bewohnern  eifersüchtig  überwacht  wird, 
war  es  mir  leider  unmöglich,  die  verschiedenen  interessanten  Färbungen  an 
getöteten  Vögeln  zu  untersuchen.  Im  Sommerkleide  kennzeichnen  sich  übrigens 
die  Erpel  immer  noch  recht  gut.  Ihr  Gefieder  erscheint  weit  lebhafter 
gemustert,  die  Schulterfedern  sind  dunkler  und  die  Brustfederu  heller  als 
bei  den  mehr  einfarbigen,  abgeblaßten  Weibchen. 

Die  ersten  5  Dunen  jungen  sah  ich  am  10.  Juni  bei  Hjalteyri,  von 
der  Mitte  des  Älonats  an  allmählich  mehr,  auf  Grimsey  erst  am  6.  Juli,  zu 
welcher  Zeit  daselbst  noch  frische  Eier  vorhanden  waren.  Die  grauen,  unter- 
seits  helleren  Tierchen  werden  von  der  Mutter  nach  günstigen,  oft  ziemlich 
weit  entfernten  Küstenplätzen  geführt.  Nach  Hjalteyri  kommen  die  meisten 
Familien  von  Laufas,  wo  etwa  2000  Paare  brüten,  über  den  ganzen  Eyja- 
iQördi-  weggeschwommen,  eine  Entfernung,  die  etwa  10  km  Luftlinie  beträgt. 
Die   zutraulichen  Jungen   sind   auf  und  im  Wasser   vom    ersten  Tage  ihres 


I 


Somateria  mollissima  moUissima.  203 

Lebens  an  zu  Hause,  sterben  aber  doch  nicht  selten  bei  Sturm  und  feucht- 
kalter Witterung.  Ich  fand  auch  größere  Individuen  tot  in  der  Nähe  des 
Strandes.  Das  Weibchen  übernimmt  die  Führung  allein,  nachdem  sich  der 
Erpel  meist  schon  vorher  7Airückgezogen  hat.  Kommen  mehrere  Familien 
längere  Zeit  zusammen,  so  verwechseln  die  Jungen  häufig  ihre  eigentliche 
Mutter  und  schwimmen  irgend  einem  Weibchen  nach,  sobald  sie  das  lockende 
harte  Korrr  hören.  Deshalb  sieht  man  dieselben  Vögel  zeitweilig  gänzlich 
verlassen,  andermal  wieder  mit  20  und  noch  mehr  Dunenjungeu  im  Gefolge. 
Derartige  Szenen  spielten  sich  vor  meinem  Fenster  in  Hjalteyri,  wo  sich 
immer  zahlreiche  Eiderenten  aufhielten,  täglich  ab. 

Nach  6 — 7  Wochen  sind  die  Jungen  flugbar.  Sie  sehen  unscheinbar 
dunkelbraun  aus  und  haben  wenig  Musterzeichuung  auf  ihren  Federn.  Am 
6.  August  bemerkte  ich  im  Eyjafjördr  schon  sehr  viele  derartige  Tiere,  die 
freilich  noch  bedeutend  schmächtiger  waren  als  die  alten.  Um  diese  Zeit 
tragen  fast  alle  Eidervögel  ein  ähnliches  braunes  Kleid.  Die  verschiedenen 
Altersstufen  und  Geschlechter  scharen  sich  an  günstigen  Futterplätzen 
zusammen  und  sind  außerordentlich  gefräßig.  Sie  suchen  dicht  am  Wasser 
hinlaufend  oder  am  Rande  hinschwimmend  den  Strand  ab  und  prüfen  die 
unglaublichsten  Dinge  auf  ihre  Genießbarkeit  hin.  Die  Weichteile  der  von 
mir  abgebalgten  Vogelkadaver,  die  ich  ins  Meer  warf,  wurden  z.  B.  gern  von 
ihnen  verzehrt.  Als  aber  Anfang  August  bedeutende  Mengen  von  Heringen 
bei  Hjalteyri  gefangen  und  ganze  Haufen  der  herausgezogenen  Fischmagen 
ins  Wasser  geschüttet  wurden,  liefen  Dutzende  von  Eidervögeln  vor  den 
Füßen  der  Leute  umher,  lasen,  natürlich  unbehindert,  gierig  die  Abfälle  auf, 
würgten  sie  im  Ganzen  hinter  und  stopften  sich  bis  an  den  Hals  damit  voll. 
Diese  Nahrung  schien  den  Vögeln  so  zuzusagen,  daß  sie  alle  Scheu  auf- 
gaben und  den  Eindruck  gezähmter  Hausenten  machten. 

Je  nach  Örtlichkeit,  Witterung  und  Nahrungsmenge  scharen  sich  die 
Vögel  Mher  oder  später  im  Herbste  zusammen.  Etliche  sollen  Island  ver- 
lassen; die  meisten  aber  überwintern  daselbst,  halten  sich  bei  ruhigem 
Wetter  nicht  allzuweit  vom  Lande  auf  freiem  Meere,  bei  heftigem  Sturme 
in  geschützten,  offnen  Buchten,  sind  aber  nun  weit  scheuer  als  im  Sommer. 
Ihre  Stimme  hört  man  immer  noch  häufig,  und  Faber  sagt,  der  Zusammen- 
klang der  vielen  Eufe  ließe  in  der  Ferne  glauben,  es  rede  eine  große  Ver- 
sammlung von  Menschen.  Da  die  Eidervögel  äußerst  geschickte  Schwimmer 
und  Taucher,  in  bezug  auf  ihre  Nahrung  aber  keine  Kostverächter  sind, 
leiden  sie  auch  im  Winter  selten  Not. 


52.  Oidemia  nigra  nigra  (L.). 
Trauei-ente. 

Anas  nigra  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  67  (1822).  —  (Edemia  nigra:  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  412  (1862).  —  Oedemia  nigra  (Linn.):  Newton,  inBaring- 
Gonlds  Iceland,  p.  417  (1863).  —  Anas  nigra  L.:  Gröndal,  Islonzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895). 
—  (Edemia  nigra  (Linn.) :  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  74  (1901). 


204:  Oideniia  nigra  nigra. 

Oidemiu  nigra  (L.):  Collin.  Skandinaviens  Fugle,  S.  678  (1877).  —  Oedemia  nigra 
(Linn.):  Snlvadori,  Cat.  Birds  ßrit.  3Ius.  XXVII,  p.  401  (1895).  —  Oidemia  nigra  (L.): 
Naumann,  Vügel  Mitteleuropas  X,  S.  24-1  (1!»02). 

Isländisch:  Hrafiisönd  (=  Kabeiientej;  Di'iköud,  iJuggönd  (=  Duckente, 
Tauchente)  partim. 

Oidemia  nigra  nigra  bewohnt  die  uördliche  paläarktische  und  einige  angrenzende 
Teile  der  arktischen  Region,  von  Island  bis  etwa  zur  Taimyr- Halbinsel.  Sie  brütet 
ungefähr  vom  74.  Grade  an.  überschreitet  aber  südwärts  den  Polarkreis  nur  an  wenigen 
Stellen.  Sie  ist  Brutvogel  in  Nordwestsibirien,  auf  Nowaja  Semlja,  Waigatsch  und 
Kolguew.  in  Nordrußland,  Skandinavien  und  vereinzelt  auch  auf  den  Britischen  Inseln. 
Die  Färöer  besucht  sie  nur  als  seltner  Gast.  In  Grönland  ist  sie  noch  unbekannt. 
Im  Winter  streichen  die  Vögel  gelegentlich  bis  zu  den  Azoren  und  Nordafrika  hinab. 
—  Im  uearktischen  und  in  dem  angrenzenden  arktischen  Gebiete  wird  unsere  Form 
durch  die  sehr  ähnliche  0.  n.  amerieana  Sw.  vertreten. 

In  Island  ist  die  Trauereute  ein  nicht  seltner  Brutvogel.  Sie 
bewohnt  viele  stehende  Gewässer  im  nördlichen  Teile  der  Insel,  besonders 
den  Myvatn  und  einige  Seen  der  Umgebung.  Preyer,  Slater  u.  a.  trafen  sie 
in  dem  einsamen  und  wasserreichen  Gebiete  der  Arnarvatnsheidi.  Ich  selbst 
fand  ein  totes  Dunenjunges  am  Miklavatn  (Skagafjördr)  und  beo))achtete 
mehrere  Paare  der  Vögel  auf  Teichen  bei  Sveinsstadir  (Hünafjördr).  "Wegen 
ihrer  ziemlich  versteckten  und  scheuen  Lebensweise  und  ihrer  wenig  auf- 
fälligen Färbung  wird  unsere  Art  gewiß  vielfach  übersehen,  scheint  a)»er  im 
Südlande  tatsächlich  nur  eine  geringe  Verbreitung  zu  besitzen.  Bachmann 
fand  sie  zur  Brutzeit  auf  dem  j^invallavatn  (Ornith.  Monatsschr.  1902,  S.  17). 

Die  Trauerente  ist  im  wesentlichen  ein  Zugvogel  auf  Island.  Sie 
zeigt  sich  im  April  an  den  Küsten,  kommt  Anfaug  Mai  nach  dem  Myvatn 
und  den  andern  Brutgewässern,  beginnt  aber  erst  spät  mit  dem  Fort- 
pflanzungsgeschäfte. Größere,  tiefe  Seen,  die  versteckte  Buchten  und  in  der 
Umgebung  schützendes  Gesträuch  aufweisen,  sind  unsern  Vögeln  am  liebsten. 
Gelegentlich  bewohnen  sie  aber  auch  die  Ufer  und  Inseln  au  Strömen,  z.  B. 
die  Laxa  beim  Myvatn  und  den  Sog  beim  ]5ingvallavatn.  Am  Myvatn  selbst 
traf  ich  sie  nur  im  nordwestlichen  Teile,  von  Grimstadir  bis  zum  Ausflusse 
der  Laxä,  häufig  an.  Schon  Krüper  bezeichnete  1856  diese  Gegend  als  das 
Hauptbrutgebiet  unsrer  Art  (Naumanuia  1857,  S.  47).  Die  Inseln  sind  den 
immer  etwas  scheuen  Vögeln  weniger  zusagend  als  stille  Plätze  am  Ufer, 
wo  sie  nicht  so  leicht  belästigt  werden.  Das  Nest  befindet  sich  gewöhnlich 
unter  Gesträuch,  zwischen  Angelikastauden  oder  schützenden  Gräsern.  Riem- 
schneider  sah  freilich  auch  ein  solches  ganz  ungedeckt  auf  dem  Uferhange 
in  unmittelbarer  Nähe  des  Wassers.  Es  besteht  fast  immer  nur  aus  einer 
geringen  Menge  trockncr  Pflanzenstoffe,  wird  aber  später  reichlich  mit  großen 
dunkelgi-auen  Dunen  ausgekleidet.  Die  Zahl  der  Eier  schwankt  zwischen 
7  und  10  Stück.  Ihre  Ablage  beginnt  selten  Anfang  Juni,  gewöhnlich  erst  in 
der  Mitte  des  Monats.    Frische  Nachgelege  findet  man  bis  in  den  Juli  hinein. 

Etliche  Exemplare  meiner  Sammlung  vom  Myvatn  zeigen  folgende  Maße: 
67,8  X  45,5  mm  (6  g).  67  x  45  (6).  66  x  46  (5.8).  65.5  X  44  (5.3).  65,2  x  45  (5,5). 
65  X  45,5  (5,4).  64,2  x  46  (5,7).  64  x  44  (4,8).  63  x  46,5  (5.5).  62,2  x  45.2  (5,3). 
60.5x45,2  (5,2).  —  Das  Vollgewicht  einiger  von  mir  untersuchter  Eier  schwankte 
zwischen  74  und  63  g. 


üidemia  nigra  nigra.  205 

Das  Weibchen  brütet  4  AYochen  allein,  verläßt  aber  gewöhnlich  recht- 
zeitig das  Nest,  wenn  man  sich  diesem  nähert.  Es  begibt  sich  wenn  möglich 
unter  Deckung  auf  das  Wasser,  dreht  sich  hier  voller  Besorgnis  hin  und  her 
und  ruft  dabei  leise  warnende  Wak.  Wartet  man  in  schützendem  Verstecke, 
vielleicht  hinter  dichtem  Gestrüpp,  so  verharrt  der  Vogel  noch  lange  auf  dem 
Wasser  und  kehrt  endlich  vorsichtig  laufend  nach  dem  Neste  zurück.  Die 
Erpel  bleiben  anfänglich  in  der  Umgebung  der  brütenden  Weibchen,  ziehen 
sich  aber  bei  stärker  werdender  Sommermauser  auf  den  offnen  Myvatu 
zurück,  wo  ich  Ende  Juli  in  der  Nähe  des  Vindbelgjarfjall  Scharen  von 
50 — 100  Stück  beisammeutraf.  Diese  halten  sich  weit  ab  vom  Ufer  und 
lassen  auch  ein  Boot  kaum  auf  Schußentfernung  herankommen. 

Die  ersten  7  Dunenjungen  traf  ich  am  18.  Juli  in  dem  erwähnten 
Gebiete.  Am  23.  d.  M.  sah  ich  daselbst  wenigstens  ein  Dutzend  Mütter  ihre 
Nachkommenschaft  führen.  Doch  fand  ich  im  Grase  und  in  den  durch  die 
Pferde  getretenen  tiefen  Wegriunen  im  langsamen  Vorbeireiten  auch  8  tote 
Junge,  die  teilweise  schon  mehrere  Tage  gelegen  hatten,  außer  diesen  hier 
nur  noch  Exemplare  von  Clangula  hyemalis.  Nachdem  ich  mein  Pferd  mehr- 
mals angehalten  hatte  und  abgesprungen  war,  blieb  das  kluge  Tier  von 
selbst  stehen,  sobald  es  ein  Entchen  in  der  Wegrinne  liegen  sah. 

Einige  Dunenjunge  meiner  Sammlung  kennzeichnen  sich  wie  folgt.  Ganze  Ober- 
seite: düster  rauchschwärzlich,  Oberkopf  und  Unterrücken  am  dunkelsten.  Zügel,  hintere 
Halsseiten,  Kropfgegend,  Unterschwanz  und  Körperseiten:  matt  rauchbräunlich.  Unter- 
seite: noch  heller,  mit  durchschimmerndem  Weiß.  Kinn,  Mitte  der  Kehle  (bei  ver- 
schiedenen Individuen  mehr  oder  weniger  ausgeprägt),  Wangen  und  vorderste  Hals- 
seiten,  (manchmal  auch)  Brustmitte;  w^eißlich.  —  Ein  cj  pull.,  etwa  3  Tage  alt,  zeigt 
folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl. :  32  g.  Gesamtlänge  i.  Fl. :  c.  150  mm.  Schnabellänge:  17. 
Schnabelbreite  (nach  vorn  nur  wenig  schmäler):  9.  Schnabelhöhe  (am  Grunde):  8,5. 
Tarsen:  19.  Mittelzehe  inkl.  der  4  mm  langen  Kralle:  27  mm.  —  Iris:  duukelgrau. 
Oberschnabel:  schwarz.  (Die  länglichrunden)  Nasenlöcher:  gelblich.  Nagel:  schwarz- 
braun. Unterschnabel,  besonders  Kinnhaut:  grünlichbraun,  Xagel:  rötlichbraun.  Schnabel- 
inneres: gelb.  Füße:  glänzend  dunkel  moosgrün,  ein  Streifen  neben  den  Zehen:  heller  gelb- 
grün.   Hinterseite  der  Tarsen,  Mitte  der  Schwimmhäute  und  ganze  Sohlen:  mattschwarz. 

6 — 7  Wochen  hindurch  werden  die  Jungen  von  der  Mutter  geführt, 
bis  sie  befiedert  und  flugbar  sind.  Die  Kufe,  die  ich  in  dieser  Zeit  von 
den  Alten  hörte,  waren  helle  und  fast  glockenartige,  nicht  besonders  rasch 
hervorgebrachte  Wak  Wak,  manchmal  auch  taucherartige  kürzere  Gaga  Gaga, 
nicht  so  breit  schnarrend  wie  bei  andern  Enten.  Mitunter  führt  die  Alte 
ihre  Nachkommenschaft  ganz  allmählich  die  Flüsse  abwärts,  sonst  verlassen 
die  Familien  nach  Flugbarwerdeu  der  Jungen  das  Brutgebiet.  Meist  scharen 
sich  mehrere  zusammen,  denen  sich  nach  Fabers  Beobachtungen  auch  die 
Erpel  wieder  anschließen.  Spätestens  Anfang  September  verschwinden  die 
Trauerenten  vom  Myvatu.  Sie  streichen  nun  noch  einige  Wochen  an  den 
Küsten  umher,  kommen  allmählich  nach  dem  Südlande,  besuchen  regelmäßig 
auch  die  Vestmaunaeyjar  (Jönsson)  und  ziehen  im  Oktober  aus  Island  fort. 
Von  einem  Überwintern  daselbst  ist  nichts  bekannt,  doch  wäre  auch  möglich, 
daß  man  die  Vögel  ilirer  Scheuheit  wiegen  iu  der  kalten  Jahreszeit  bloß 
selten  beobachtet  und  erlegt. 


2Q(J  Casarca  casarca.  —  Tadorna  tadorna. 

53.  Casarca  casarca  (L.)- 
Rostente. 

Tadorna  casarca  (L.):  Wiiige,  Vidensk.  Meddel.  1893,  S.  77  og  1894,  S.  68.  — 
Anas  rufila  Fall.:  Gröiidal.  Islcnzkt  fuglatal,  bis.  50  (1895).  —  Tadorna  casarca  (Linn.): 
Slater,  Birds  of  Icelaiid,  p.  51  (1901). 

Casarca  rutila  (Fall.):  Salvador!,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XX VU,  p.  177  (1895).  — 
Tadorna  casarca  (L.):  ]Saumann.  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  394  (1902). 

Isländisch:   Rydönd  (=  liostente). 

Auch  däü.  &  norw. :  liustand.     Schwed.:  Rostand. 

Casarca  casarca  bewohnt  den  südlichen  Teil  der  paläarktischen  Region.  Sie 
brütet  von  Japan  und  China  durch  ganz  Mittelasien  bis  Südrußland  und  Rumänien, 
auch  in  Nordafrika  bis  31arokko  und  vereinzelt  in  Spanien.  Nordwärts  geht  sie  bis 
zum  Amurtalc,  dem  Baikal-See  und  Südwestsibirieu  vor.  Im  Winter  streicht  sie  nicht 
allzuweit  südwärts.  Mitteleuropa  besucht  sie  nur  selten.  —  Um  so  auffälliger  ist  eine 
nordwestliche  AVanderung  zahlreicher  Vögel  in  den  Jahren  1892 — 93,  die  u.a.  Däne- 
mark, Norwegen,  Großbritannien  und  Island  berührte  und  sogar  "Westgrönland  erreichte. 

Am  20.  Juli  1892  wurden  bei  Eyrarbakki  aus  einer  Schar  von  Rost- 
enten 3  Exemplare  geschossen  und  eins  davon  durch  P.  Nielsen  dem  Kopen- 
hagener Museum,  ein  anderes  der  Reykjaviker  Sammlung  übergeben.  Auch 
im  Eyjafjördr  zeigten  sich  Ende  Juli  4  Rostenten,  von  denen  eine  erlegt 
und  durch  J.  V.  Havsteen  gleichfalls  nach  Kopenhagen  gesandt  wurde.  Die 
andern  3  Vögel  blieben  noch  bis  Anfang  August  in  der  Gegend.  Weitere 
Mitteilungen   über  das  Aufti-eten  unserer  Art  in  Island  sind  nicht  bekannt. 

54.  Tadorna  tadorna  (L.). 

Brandgans. 

Anas  tadorna  L. :  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  49  (1895).  —  Tadorna  cornuta 
(S.  G.  Gml.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  50  (1901). 

Tadorna  vnlpanser,  Flm. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  652  (1877).  —  Tadorna 
cormita  (S.  G.  Gm.) :  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  171  (1895).  —  Tadorna 
tadorna  (L.) :  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  382  (1902). 

Isländisch:  Brandgäs. 

Auch  dän.:  Brandgaas.     Schwed.:  Brandgäs. 

Tadorna  tadorna  bewohnt  vorzugsweise  Meeresküsten  und  Salzseen  der  paläarktischen 
Region,  vom  Atlantischen  bis  zum  Pazifischen  Ozean.  Ihre  nördliche  Brutgrenze  reicht 
in  Norwegen  etwa  bis  69,  an  der  Ostsee  bis  60,  im  Ural  bis  56,  in  Sibirien  stellenweise 
bis  600n.  Br.  Südwärts  brütet  sie  bis  zur  Mongolei,  Turkestan,  dem  Kaspischen  und 
Schwarzen  Meere.  Im  Winter  besucht  sie  Japan,  Südchina,  Nordindien,  Nordafrika,  sowie 
das  südliche  und  westliche  Europa.  Auf  den  Britischen  Inseln  brütet  unsre  Art,  auf 
den  Färöern  ist  sie  einige  Male  beobachtet  worden,  von  Grönland  dagegen  unbekannt. 

Für  Island  kann  die  ßrandgans  auch  nur  als  seltner  Gast  bezeichnet 
werden.  Ein  verirrtes  einzelnes  Exemplar  wurde  am  27,  Januar  1894  nicht 
weit  von  Reykjavik,  bei  Öseyri  im  Hafnarfjördr,  erlegt  und  für  das  Reykjaviker 
]\Iuseum  präpariert.  Vorher  schon  hatte  sich  ein  gleicher  Vogel,  vielleicht 
dasselbe  Individuum,  etwas  weiter  nördlich,  in  der  M;fra-Sysla,  gezeigt  (Gröndal, 
Ornis  XI,  p.  455).  Au  anderer  Stelle  freilich  sagt  derselbe  Berichterstatter, 
diese  Beobachtung  habe  im  August  1894  stattgefunden  (Islenzkt  fuglatal,  bis.  49). 
Ältere  Angaben  über  das  Vorkommen  der  Brandgans  in  Island  (z.  B.  Brüunich, 
Ornith.  Bor.,  p.  12,  1764)  erscheinen  sehr  fraglich. 


Chen  hyperborea  hyperborea.  207 

55.  Chen  hyperborea  hyperborea  (Fall.). 
Sebüeegaus. 

Anser  hyperborcus  (Fall.):  Gröndal,  Ornis  XI.  S.  455  (1901). 

Chen  hypcrhoreus  (Fall.) :  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  82  (1895). 
—  Anser  hyperhoreus  Fall,  typicus:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  118  (1898).  —  Chen 
hyperboreus  (Fall.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX.  S.  270  (1902). 

Isländisch:  Snjögajs,  Snjögäs. 

Auch  dän. :  Snegaas.     Schwed. :  Snögas.     Engl. :  Snowgaase. 

Die  Verbreitungs-  und  ßrutgebiete  der  Schneegansfornien  sind  noch  ungenügend 
bekannt.  Die  größte  Rasse,  Chen  hyperborea  nivalis  (Forst.),  bewohnt  nach  Salvadori 
die  arktischen  Teile  des  östlichen  Nordamerilcas,  die  etwas  kleinere  Ch.  h.  hyperborea 
(Fall.)  die  Gebiete  des  Nordpazifischen  Ozeans  und  des  benachbarten  Eismeers  vom 
westlichen  Nordamerika  bis  Nordasien,  die  kleinste,  Ch.  h.  rossii  (Cass.),  wahrscheinlich 
nur  die  sich  an  Nordamerika  anschließenden  höchsten  Breiten  der  arktischen  üegion. 
Von  Asien  aus  erstreckt  sich  der  Herbstzug  der  Schneegänse  auf  bedeutende  Entfernung 
nach  Westen. 

Die  in  Europa  zur  Beobachtung  gelaugten  Vögel  scheinen,  vielleicht  mit  Aus- 
nahme einiger  atlantischer  Exemplare,  sämtlich  unserer  Form  anzugehören.  Man  hat 
solche  u.  a.  in  Norwegen,  Dänemark  und  Großbritannien  erlegt.  Winge  führt  aus,  daß  auch 
die  4  Bälge  des  Kopenhagener  Museums  von  Grönland  zu  unserer  ßasse  gezogen  werden 
müssen.    Diese   scheint   sogar  ab   und  zu  im  nordwestlichen  Teile  der  Insel  zu  brüten. 

Von  Island  kennt  man  nur  ein  einmaliges  Vorkommen  unsrer 
Art.  Ob  es  sich  dabei  um  einen  nordasiatisclien  oder  einen  grönländischen 
Vogel  handelt,  muß  zunächst  dahingestellt  bleiben.  Dieses  einzelne  Exemplar 
wurde  Ende  des  Jahres  1896  bei  Grindavik  im  Südlande  erlegt  und  befindet 
sich  nun  im  Kejkjaviker  Museum.  Es  ist  ein  älteres,  weißes  Individuum, 
das  nur  am  Kopfe  noch  ein  wenig  helles  Grau  zeigt.  Herr  Adjunkt 
Sa^mundsson  war  so  freundlich,  mir  folgende  Maße  des  Stückes  mitzuteilen. 
Schnabellänge:  57  mm.  Tarsen:  80.  Längste  Schwanzfeder  außerhalb  der 
Haut:  130.  Flügel:  420.  Hiernach  gehört  der  Vogel  zu  67/.  h.  hyperborea, 
wenn  er  auch  ein  wenig  größer  ist  als  die  Kopenhagener  Bälge  aus  Grönland. 

56.  Anser  albifrons  albifrons  (Gm.). 


Anser  albifrons  (ßechst.):  Faber,  Frodromus,  S.  79  (1822).  —  Anser  albifrons 
Bechst.:  Freyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  405  (1862).  —  Anser  albifrons  (Linn.): 
Newton,  in  Bariug-Goulds  Iceland,  p.  414  (1863).  —  Anser  albifrons  (Gm.):  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal.  bis.  46  (1895).  —  Anser  albifrons  (Scop.):  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  42  (1901). 

Anser  albifrons  (Gm.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  638  (1877).  —  A^iser 
albifrons  (Scop.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  92  (1895).  —  Winge, 
Grönlands  Fugle,  S.  116  (1898).  —  Anser  albifrons  (Scop.)  &  Anser  intermedius  Naum.: 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  309  und  S.  318  (1902). 

Isländisch:  Grägses,  Grägäs  (part.),  Helsingi  (fälschlich),  Blesugses,  Blesugäs, 
(=  Bläßgans). 

Auch  dän.  &  norw. :  Blisgaas.     Schwed. :  Bläsgäs. 

Ich  führe  die  isländische  Bläßgans  unter  obigem  Namen  auf,  wenngleich  ich  aus 
Mangel  an  Belegmaterial  von  der  Richtigkeit  der  Angabe  nicht  völlig  überzeugt  bin. 
Der  paläarktische  Anser  albifrons  albifrons  (Gm.)  wird  so  vielfach  mit  dem  nearktischen 
A.  a.  gambeli  (Hartl.),  sowie  dem  osteuropäisch-asiatischen  A.  erythropus  (L.)  zusammen- 


208  Anser  albifrons  albifrons. 

geworfen,  daß  man  nach  der  Literatur  seine  Verbreitimgsgrenzen  nicht  sicher  angeben 
kann.  Unsere  Form  soll  von  Grönland  oder  Island  an  bis  weit  in  das  nördliche  Sibirien 
hinein  brüten.  In  Wcstgröidand  ist  die  Bläßgans  häufiger  Sommcrvogel,  in  Ostgiönlaud 
dagegen  nur  wenige  Male  erlegt  worden.  Die  Färöer  besucht  sie  bloß  als  gelegent- 
licher Gast.  Auf  den  Britischen  Inseln  überwintert  sie  zahlreich.  In  Skandinavien 
kennt  man  sie  nur  als  Zugvogel,  doch  scheint  sie  im  nördlichen  Kußland,  auf  Xowaja 
Semlja  und  Kolguew  zu  brüten.  Im  nördlichen  Westasien,  bis  wenigstens  zur  Taimyr- 
Halbinsel  hin,  bewohnt  sie  stellenweise  dieselben  Gebiete  wie  der  kleinere  Anser 
erythropus;  nach  Osten  zu  wird  sie  immer  seltner,  dieser  aber  häufiger. 

Die  angedeutete  lückenhafte  Verbreitung,  die  zwischen  Island  und  dem  äußersten 
Rußland  kein  verbindendes  Brutgebiet  zu  haben  scheint,  legt  die  Möglichkeit  nahe, 
daß  die  Bläßgans  Islands  von  A.  a.  albifrons  getrennt  und  mit  der  Grönlands,  vielleicht 
sogar  Nordamerikas,  vereinigt  werden  muß.  Faber,  der  unsere  Art  in  der  Arness-  und 
Kangarvalla-Sysla  traf,  wo  sie  in  den  Niederungen,  besonders  im  Delta  der  Flüsse 
brütete,  erklärte  später  Naumann  gegenüber,  dessen  Anser  intermedius  sei  bestimmt 
identisch  mit  der  isländischen  Bläßgans. 

Naumann  aber  kennzeichnete  (1842)  seinen  Anser  intermedius,  von  dem  er  nun- 
mehr glaubte,  er  habe  seine  Heimat  nur  in  Island,  folgendermaßen:  Schon  der  junge 
Vogel  trägt  eine  kleine  weiße  Blässe,  der  alte  drei  große  weiße  Flecken  an  und  neben 
der  Stirn,  die  aber  nicht,  Avie  die  zusammenhängende  Blässe  bei  Anser  albifrons,  bis 
an  den  Scheitel  reichen.  Körper  größer  und  gedrungener,  Fußwurzeln  niedriger  als 
bei  dieser  Art.  Der  größere  Schnabel  wird  im  Alter  mehr  oder  weniger  mit  Schwarz 
bezeichnet,  wovon  sich  bei  A.  albifrons  nichts  findet.  Maße  für  ^-1.  intermedius  (dahinter 
für  A.  albifrons)  nach  Naumanns  Typus.  Länge:  683  mm  (659).  Flügel:  436  (436). 
Schnabellänge:  56  (50).  Schnabelhöhe:  31  (26).  Schnabelbreite:  23,9(23,5).  Tarsen: 
65  (71).     Mittelzehe  mit  Kralle:  73,6  (74,3). 

Ob  diese  Charakteristik  auch  für  Winges  grönländische  Vögel  einigermaßen  zu- 
treffend ist,  läßt  sich  nicht  ersehen,  doch  sind  die  Maße  der  Bälge  ziemlich  groß. 
Immerhin  darf  man  vermuten,  daß  die  isländische  Bläßgans  der  asiatischen  nicht  näher 
steht,  als  der  ostgrönländischen. 

Die  Blüßgaus  gehört  in  Island  clm-chaus  nicht  zu  den  häufigen 
Brutvögoln.  In  den  von  mir  besuchten  Gegenden  habe  ich  sie  nirgends 
angetroffen.  Faber  beobachtete  sie,  wie  erwähnt,  auch  nur  im  Mündungs- 
gebiete der  ))verd,  (Südland)  brütend.  Thieneniann  aber  erlegte  melirere 
Vögel,  sammelte  selbst  und  erhielt  später  noch  zahlreiche  Eier  aus  dem 
Nordlande,  wo  seinen  Angaben  zufolge  die  Bläßgans  an  Bergwässern  in  der 
Nähe  von  Teichen  ihr  Nest  baut. 

Derartige,  teilweise  von  Thienemann  selbst  beschriebene  Eier,  jetzt  in  meiner 
Sammlung  (Mai  1822),  zeigen  folgende  Maße:  92x54  mm  (14,4  g).  86x57,2  (15,5). 
84x57,5(16,5).  83,5x57,2(14).  83  x  56,5  (17,4).  81  x  58  (15,5).  81x55(14,5). 
79,5  X  52,5  (14,7).  —  Ein  weiteres  Gelege  aus  der  Sammlung  Thienemann,  gesammelt 
1855,  jetzt  im  Zoologischen  Museum  in  Dresden :  85  x  52,5  (9),  81  x  54  (10,5),  80  X  52,8 
(11,8),  75,5x57  (14).  —  P.  Nielsen  bezeichnete  mir  für  wahrscheinlich  echte  Eier  vom 
Myvatn:  83  x:  51,  81  x  51,5,  78  X  50  mm.  —  Eine  Nachprüfung,  ob  die  erwähnten  Eier 
wirklich  unserer  oder  einer  verwandten  Gänseart  angehört  haben,  ist  natürlich  unmöglich. 

Newton  sah  am  11.  Mai  1858  einige  geschossene  Bläßgäuse  in  Reykjavik, 
Slater  ein  frisch  erlegtes  Exemplar  am  30.  Juli  1885  beim  Skälfandafljöt 
im  Nordlaude.  Gröndal  kennt  die  Art  hingegen  nicht,  Nielsen  scheint  sie 
auch  nie  mit  Sicherheit  beobachtet  zu  haben.  J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri 
meint,  Anser  albifrons   sei   zwar   seltner   als   Anser  fabalis,  werde   aber  doch 


Ansor  fabalis. 


209 


in    den    tieferen    Lagen    des   Nordlaudes,    besonders    an    Flußmündungen, 
brütend  angetroffen. 

57.  Anser  fabalis  (Lath.). 
.Saatgans. 

Anser  segetum  (Meyer):  Faber,  Prodroraus,  S.  78  (1822).  —  Anser  segetum  ileyer: 
Freyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Islaud,  S.  405  (I8ö2).  —  Anser  segetum  (Gmelin):  Newton, 
in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  414  (1863).  —  GröndaK  Islenzkt  luglatal.  bis.  4«  (1895).  — 
Slater,  JBirds  of  Iceland,  p.  44  (1901). 

Anser  segetum  (Gm.):  Colliu,  Skandinaviens  Fugle,  S.  641  (1877).  —  Anser  fabalis 
(Latli.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  i^.  99  (1895).  —  Naumann,  Vöooj 
Mitteleuropas  IX,  S.  322  (1902). 

Isländisch:  Grägjes,  Grägäs  (partim);  Sadgtes. 

Auch  dän.  &nor\v.:  Sa^dgaas.     Schwed.:  Sädgäs. 

Anser  fabalis  bewohnt  den  Norden  der  paläarktischen  Kegion,  jedenfalls  von 
Island  bis  Kamtschatka.  Er  scheint  zwar  auch  feststehende  geographische  Rassen  zu 
bilden  —  A.  f.  arvensis  (Brehm)  in  Nordeuropa,  A.  f.  middendorffi  Sevortz.  in  Ostsibirien 
— •  da  mir  aber  nicht  genügendes  isländisches  Material  vorgelegen  hat,  unterlasse 
ich  die  Besprechung  der  Subspezies.  Die  Saatgans  brütet  in  den  Tundren  Nordasiens 
bis  hinauf  zur  Taimyr-Halbinsel  stellenweise  recht  häufig,  nicht  selten  auch  auf  Nowaja 
Seralja,  Kolguew  und  Waigatsch.  ferner  in  Nordrußland,  Lappland  und  dem  nördlichen 
Skandinavien.  Im  Winter  streicht  sie  bis  China,  Nordindien,  dem  Xaspischcn  See, 
Nordafrika,  Madeira  und  ganz  Süd-  und  Westeuropa.  Auf  den  Britischen  Inseln  samt 
Irland  überwintert  sie  in  beträchtlicher  Zahl.  Auf  den  Färöern  zeigt  sie  sich  als 
gelegentlicher  Gast.  V^on  üstgrönland  ist  dagegen  nur  Anser  brachyrhynclius  Baill. 
bekannt,  den  Winge  unsrer  Art  angliedert. 

In  Island  gehört  die  Saatgans  angeblicli  zu  den  nicht  seltnen  Brut- 
vögeln, doch  widersprechen  sich  die  Berichte  hierüber,  weil  die  Gänsearten 
mit  eineinander  verwechselt  werden.  Nach  Faber  brütet  unser  Vogel  vorzugs- 
weise im  nördlichen  Teile  der  Insel.  Tliienemann  sagt  dagegen,  die  ihm  in 
Gelegen  von  6 — 8  Stück  zugesandten  Eier  gehörten  einer  Variation,  Anser 
brevirostris,  an  (Fortpflanzung  der  Vögel  Europas  V,  S.  28.  1838).  Eine 
genauere  Diagnose  dieser  neu  aufgestellten  Form  finde  ich  nicht.  Eins  der 
Eier,  das  Thienemann  selbst  als  „Ansei-  brevir.  ?  Myvatn"  beschrieben  hat. 
vom  Mai  1821,  besitze  ich  in  meiner  Sammlung.  Es  zeigt  als  Maße  91  x  59  mm 
und  ein  Gewicht  von  c.  19,5  g,  was  für  den  typischen  Anser  fabalis  sehr  groß 
wäre.  Preyer  gibt  als  Maße  isländischer  Eier  der  Saatgans  88,3—88,5  x  63 — 
63,4  mm  an,  was  ebenfalls  auf  eine  große  Spezies  schließen  läßt.  Newton 
teilte  1864  in  der  Ibis  (p.  132)  mit,  daß  Proctor  3  oder  4  sichere  Bälge  von 
Anser  segetum  aus  Island  erhalten  habe.  Gröndal  unterscheidet  die  Gänsearten 
nicht  genau,  hält  aber  Anser  fabalis  für  die  häufigste  auf  der  Insel  (z.  B.  OrnisII, 
S.  3G3),  Dasselbe  behauptet  Nielsen,  Er  gibt  als  Maße  für  isländische  Eier 
der  Art  82x53,  84x58,  92x61,5  mm  (in  litt.),  wovon  wenigstens  das 
letzte  nicht  auf  den  typischen  Anser  fabalK  schließen  läßt.  Konsul  J.  V. 
Havsteen  hält  Anser  fabalis  und  Anser  albifrons  für  die  einzigen  Brutvögel 
der  Gattung  in  Island.  Nach  seinen  mir  mündlich  gemachten  ^Mitteilungen 
soll  die  Saatgans  an  verschiedenen  Orten  des  Nordlandes,  besonders  zahlreich 
am   Vikingavatn   (AxarQördr)   brüten.     Nach  isländischen  Eiern,   auch  wenn 

Hantzs(Mi,  Vosehvelt  I.slamls.  14: 


210  Anser  bracliyrhynchus. 

sie  sich  in  berühmten  Sammlungen  befinden  (z.  B.  Nehrkorns  Katalog  Nr.  3406, 
S.  242.  1899).  das  Vorhandensein  der  Art  anerkennen  zu  wollen,  ist  unbe- 
rechtigt. Mehrere  Keisende,  besonders  Slater  (1.  c),  Pearson  (Ibis  1895,  p.  247) 
und  Coburn  (Zoologist  1901,  p.  408)  leugnen  durchaus  das  regelmäßige  Vor- 
kommen von  Anser  fabalis  in  Island.  Ich  selbst  bekam  die  Art  auch  nicht 
zu  Gesicht,  erhielt  aber  von  Herrn  Snorri  Jonannsson  auf  Merkigili  bei 
Saudärkrökr  (Skagafjördr)  die  Köpfe  und  Füße  zweier  Gänse  gesandt,  die 
am  10.  Mai  1905  in  der  Gegend  erlegt  waren,  und  die  ich  nach  Gestalt, 
Größe  und  Färbung  als  Ansei-  fabalis  arvensis  (Brehm)  anspreche. 

Es  scheint  sich  um  ein  Brutpaar  zu  handeln.  Die  Schnäbel  zeigen  viel  Hot. 
nur  der  Spitzenteil  neben  dem  Nagel  und  die  Stirngegend  der  Firste  sind  schwärzlich. 
Schnabellänge:  60  mm,  vom  Schnabclwinkel  aus  last  dasselbe.  Höhe  am  Grunde:  B5, 
35,5.  Breite  am  Grunde:  30,  31,  am  Ansätze  des  Nagels:  14.  Länge  des  Nagels  am 
Oberschnabel:  15,  16,  Breite:  15,5,  15.  Breite  des  Unterschnabels  am  Grunde:  23,24, 
beim  Nagel:  14.  Zahl  der  deutlich  sichtbaren  Lamellen  des  Oberschnabels:  23.  Ent- 
fernung der  Nasenlöcher  von  einander:  II,  12,5,  ihr  äußerstes  Ende  von  der  Schnabel- 
spitze: 30,  31.  —  Tarsen:  81,  86.  3Iittelzehe  inkl.  der  c.  11  mm  langen  Kralle:  83, 
91  mm.  —  Es  ist  dringend  wünschenswert,  den  isländischen  Gänsen  besondere  Auf- 
merksamkeit zu  schenken. 

58.  Anser  brachyrliynclius  Baill. 
Kurzschnäblige  Gans. 

Anser  brachyrhynchus,  Baillon:  Newton,  in  Bariug-Goulds  Iceland,  p.  414  (1863) 
&  Ibis  VI,  p.  132  (l'864).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  48  (1895).  —  Slater,  Birds  of 
Iceland,  p.  44  (1901). 

Anser brachyi-liynchus, Baill.:  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  103  (1895). 

—  Anser segetum{Linie\.)var.  brachyrhynchus  Baill.-.'Wmge,  Grönlands  Fugle,  S.  1 15  (1898). 

—  Anser  brachyrhynchus  Baill.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  354  (1902). 

Isländisch:  Stuttnefja  Gas,  Stuttnefjud  Gas. 

Auch  dän.  &  norw. :  Kortnfebet  Gaas.     Schwed.:  Xortnäbbad  Gas. 

Anser  brachyrhynchus  brütet  in  größerer  Anzahl  wohl  nur  auf  Spitzbergen,  in 
geringer  Menge  vielleicht  auf  Franz-Joseph-Land  und  sicher  auch  an  der  Ostküste 
Grönlands,  wo  Helms  ihn  bis  hinab  in  die  Breiten  Islands  als  Brutvogel  bezeichnet. 
Im  Winter  streicht  unsere  Art  nach  gemäßigteren  Gegenden,  jedoch  nur  ausnahmsweise 
südlicher  als  Mitteleuropa. 

Für  Island  kann  die  kurzschnäblige  Gans  zunächst  nur  als  Durch- 
zügler betrachtet  werden,  obwohl  mau  ihr  Brüten  daselbst  vermutet.  Gerade 
die  der  Ostküste  Grönlands  gegenüberliegende  Halbinsel  ist  so  wenig  unter- 
sucht, daß  man  hier  z.  B.  noch  interessante  Vorkommnisse  erwarten  darf. 

Newton  sah  c.  1863  ein  Exemplar  von  Anser  hracltyrliynclmsim  Universitäts- 
museum von  Durham,  das  nebst  einigen  andern  gleichartigen  Bälgen  dem 
Ornithologen  Proctor  aus  Island  geschickt  worden  war.  Proctor  versicherte 
auch,  gemeinsam  mit  einem  am  Neste  geschossenen  alten  Weibchen  Eier  der 
Spezies  erhalten  zu  haben, 

Slater  sah  im  August  1894  drei  Exemplare  der  kurzschnäbligen  Gaus 
bei  dem  Farmer  von  ]5ingey,  am  Unterlaufe  des  Skälfandafljöt  (N.),  Diese 
Vögel  waren  in  halb  flugunfähigem  Zustande  geschossen  worden,  als  sie  sich 
scheinbar   auf  dem   Wege   nach    dem  Meere  befanden.     Leider   gibt   Slater 


Anser  fcrus  Ccnis. 


211 


keine  genauen  Maße  der  seltnen  Exemplare,  die  freilich  nicht  in  seinen  Besitz 
kamen.  Auch  ist  fraglich,  ob  es  sich  um  halbwüchsige  junge  oder  um  mausende 
ältere  Individuen  gehandelt  hat  In  Sommervögeln  immer  Brutvögel  sehen 
zu  wollen,  ist  natürlich  in  unserm  Falle  unrichtig,  da  freilebende  Gänse  sich 
im  2.  Lebensjahre  nicht  fortpflanzen. 

Eine  dritte  Beobachtung  koimte  ich  selbst  anstellen.  Am  15.  Mai  190:j 
unternahm  ich  vom  Schiffe  aus  eine  mehrstündige  Fußexkursion  ohne  Gewehr 
bei  Hvammr,  im  Innern  des  Hvammsfjördrs  (W.).  PJin  reißender  Strom 
nebst  dem  vorgelagerten  Meeresstrande  beherbergte  eine  ungewöhnliche  Menge 
von  Wasservögeln.  Als  ich  das  Flußtal  aufwärts  ging,  bemerkte  ich  hinter 
Eisschollen  am  Ufer  2  Gänse,  die  mit  langgestrecktem  Halse  schon  nach 
mir  äugten.  Ihr  kurzer  Schnabel,  die  lebhaft  rosenrot  gefärbten  Füße  und 
die  gedrungene  Gestalt  ließen  mir  keinen  Zweifel,  Anser  brachyrhymims  vor 
mir  zu  haben.  Ich  bückte  mich  sofort  und  konnte  die  Vögel  lange  Zeit  aus 
verhältnismäßig  geringer  Entfernung  mit  dem  Glase  beobachten.  Endlich 
kamen  2  Siugschwäne  stromaufwärts  geflogen,  denen  sich  die  Gänse  mit 
leichten  Flügelschlägen,  aber  ohne  ihre  Stimme  auszustoßen,  anschlössen. 
Ich  beabsichtigte  nun,  die  Fußspuren  zu  messen.  Das  Terrain  war  aber  so 
unterhöhlt  und  Schnee  und  Eis  daselbst  weich  und  locker,  daß  ich  mehrmals 
einbrach.  Weil  ich  niemand  bei  mir  hatte,  gab  ich  weitere  Versuche  auf. 
Diese  2  Exemplare  befanden  sich  möglicherweise  auf  dem  Zuge  nach  Grön- 
land oder  Spitzbergen. 

Grröiidals  Beschreibung  eines  fraglichen  Anser  hracliyrhynchus  (1.  c.)  hat  wenig 
\^'e^t,  weil  die  Angabe  von  Maßen  fehlt.  AVahrscheinlich  soll  sich  auch  Thienemanns 
Anser  brevirostris  (Fortpflanzung  der  Vögel  Europas  V,  S.  28.  1838)  —  auf  einer 
Üriginaletikette  von  Eiern  im  Zoologischen  Museum  in  Dresden  schreibt  Thienemanu 
A7iscr  segetum  var.  brevirostris  Th.  —  auf  unsere  Art  beziehen.  Ein  im  Dresdener 
Museum  befindliches  Ei  der  Thienemannschen  Sammlung  unter  der  Bezeichnung  „Anser 
brachyrhynchus  von  Island"  mißt  83  x  57  mm  (Gew.  18,9  g);  ein  zweifellos  echtes 
Exemplar  aus  dem  Berliner  Zoologischen  Garten  77  x  55,5  (13,5).  ein  solches  von 
Spitzbergen  85x56  (20.5). 

59.  Anser  ferus  ferus  Schaeff. 
Graugans. 

Anser  ferus  (Gmelin):  Newton,  in  Baring  -  Goulds  Iceland,  p.  414  (1863)  und 
Ibis  VI,  p.  132  (1864).  —  Anser  cinereus,  Meyer:  Slater,  Birds  of  Icelaud,  p.  40  (1901). 

Anser  ferus,  Steph. :  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  643  (1877).  —  Anser  ferus, 
Schaeff.:  Salvador).  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  89  (1895).  —  Anser  anser  (L.): 
Naumann,  Vögel  Mittoleuropas  IX,  S.  284  (1902). 

Isländisch:  Gräga-s,  ältere  Form  (irägäs  (ursprünglich  Einzahl,  ersteres  Mehrzahl). 

Auch  dän.  &  norw.:  Graagaas.  Schwed.:  Grägäs.  Holl.:  Grauwegans.  Engl.: 
Grey  lag  goose,  Grey  goose.     Fär. :  Grägäs. 

Anser  ferus  ferus  bewohnt  Europa  und  das  angrenzende  Asien.  Er  wird  in 
den  meisten  zusagenden  Gebieten,  z.  B.  auch  in  Nordrußland  (bis  etwa  zum  Polarkreise), 
in  Skandinavien  (bis  zum  Norden)  und  auf  den  Britischen  Inseln  brütend  gefunden. 
Die   Färöer   besucht   er   regelmäßig   auf   dem  Durchzuge.     In  Grönland  wurde  er  aber 

14* 


212  Anser  fonis  l'onis. 

noch  nicht  eripfjft.  Die  Hauptmenge  der  Vögel  überwintert  an  den  Küsten  der  Nordsee, 
des  nnschlieüenden  Atlantischen  Ozeans,  sowie  des  Mittelländischen,  Schwarzen  und 
Kaspischen  Meeres.  —  Im  paläarktischen  Asien  wird  unsere  Form  durch  den  größeren 
A.  /".  rubrirostris  Hodg.  vertreten.  Die  Grenzen  beider  Subspezies  sind  noch  ungenügend 
festgestellt. 

In  Island  gcliört  die  Onmj^^iins  /u  den  nicht  lifuilioen  Briitvöo(>ln. 
Newton  gab  die  erste  Mitteilung  ihres  Vorkonjinens  daselbst.  Kr  erhielt  von 
Fowler  den  Kopf  eines  im  Nurdlande  bei  seinen  Jungen  erlegten  Exemplars 
und  berichtete  ferner,  daß  rroctor  ebenfalls  3  oder  4  Bälge  unsver  Art  von 
Island  besitze  (Ibis  1864,  p.  IS^).  Späterhin  leugnete  man  wieder  das  Vor- 
kommen der  Graugans,  weil  Faber  sie  nicht  anführt.  xVuch  Gröndal  erwähnt 
sie  nicht.  Dagegen  sagen  die  beiden  Pearson  ausdrücklicli  (Ibis  189.5,  p.  247),  daß 
es  die  einzige  Ansej-Spezwn  sei,  die  sie  in  Island  beobi-.chtet  hätten.  Am 
3.  Juli  1894  erlegte  H.  .1.  Pearson  ein  Exemplar  beim  Neste,  das  sicli  auf 
einer  Insel  in  der  ])jörsä  (SW.)  befand.  In  dieser  Gegend  war  die  Art 
ziemlich  häutig.  Man  entdeckte  am  1.,  2.  und  3.  Juli  mehrere  Nester  mit 
stark  bebrüteten  oder  einzelnen  tauben  Eiern,  doch  sah  man  auch  schon 
junge  Vögel.  Slater  vertritt  gleichfalls  die  Ansicht,  daß  Amer  firus  die  ver- 
breitetste  Spezies  der  Gattung  in  Island  darstellt,  die  er  in  verschiedenen 
Gegenden  der  Insel  beobachtete.  P.  Nielsen  teilte  mir  mit,  daß  man  am 
13.  Mai  1895  eine  Gans  tot  bei  ihrem  Neste  auf  einer  kleinen  Insel  in  der 
]">jörsä  gefunden  und  ihm  gebracht  habe.  Das  Nest  enthielt  nur  ein  Ei  von 
88,5  X  58  mm  Größe.  Der  Vogel  war  äußerst  fett  und  augenscheinlich  au 
Legenot  eingegangen.  Er  zeigte  durchaus  die  Artkennzeichen  von  Amer 
ferns.  Die  mitgeteilten  sehr  kleineu  Maße  lassen  dies  freilich  nicht  erkennen. 
(Sclinabellänge:  52  mm,  vom  liintern  Ende  des  Nasenloclies  bis  zur  Spitze:  38, 
vom  vordem:  29,  Länge  des  Nagels  am  Oberschnabel:  14,  Breite:  15;  am 
Untcrschnabel:  11  bez.  10.  Tarsen:  58.  Mittelzehe  inkl.  der  7  mm  langen 
Kralle:  82  mm).  Diese  Gänseart  soll  nack  Nielseus  Angabe  nicht  selten  im 
Mündungsgebiete  der  erwähnten  ])jörsa  brüten  (in  litt.). 

Ich  selbst  beobachtete  vom  1.— 8.  Mai  wiederholt  kleinere  Gänsescharen 
auf  Moorwiesen  bei  Keykjavik,  die  sich  aber  außerordentlich  selten  zeigten. 
Es  gelang  mir  nicht,  ein  Exemplar  davon  zu  erlegen,  zumal  Vieh  und  Menschen 
in  der  Umgebung  mir  die  Benutzung  meiner  Mantelgeschosse  fast  unmöglich 
machten.  Meist  steckten  die  Gänse  hinter  den  zahlreichen  Erdhügeln  und 
flogen  auf  weite  Entfernung  hin  auf,  wenn  man  sich  der  Gegend  näherte. 
Die  4—9  Exemplare  ordneten  sich  gewöhnlich  rasch  in  "einer  geraden  Reilie 
hintereinander,  ließen  dabei  ein  lebhaftes,  ziemlich  gebundenes  Gagagak,  das 
sehr  an  die  Stimme  der  Hausgänse  erinnerte,  hören  oder  auch  ein  weicheres 
Dädüdü,  Dädüdüa,  lälülü.  Einige  Male  kamen  die  Vögel  an  mir  vorüber, 
daß  ich  sie  mit  dem  Glase  gut  sehen  und  mit  ziemlicher  Gewißheit  als 
unsere  Art  ansprechen  koniite.  Glaubten  sie  sich  unbeobachtet,  so  durcli- 
suchten  sie  die  schlammigen  Gänge  und  Wasseradern  zwischen  den  Erd- 
hügelchon  und  hinterließen  natürlich  zahlreiche  Fußspuren.  Die  Länge  des 
Abdruckes  der  j\Iittelzehe  ergab  nach  vielen  Messungen  87 — 90  mm  (ohne 
Nagel),  was  jedenfalls  auf  An-'^'V  ferns  am  besten  paßt. 


Kranta  borniola  boriiicla.  213 

]\Iit  yrölkrer  Sicherlieit  stellte  ich  unsere  Art  Anfany  Juni  bei  Laufiis 
an  der  Mündung  der  Fnjöska  in  den  Eyjafjördr  lest,  wo  sich  4  Exemplare, 
scheinbar  2  Paare,  aufhielten.  Sie  nisteten  irgendwo  inmitten  der  dortigen 
Eiderentenkolonie,  auf  einer  Insel  oder  am  Kandc  des  Flusses,  brüteten  a)>er 
am  8.  Juni  noch  keinesfalls  fest.  Leider  konnte  ich  hier  wieder  nicht  die 
Erlaubnis  zum  Abschießen  eines  l']xemplars  erhalten.  Die  Fußabdrücke  vou 
einem  der  Vögel  zeigten  als  Eänge  der  Mittelzehe  90  mm.  Ein  vom  Jahre 
vorher  stammeudes  großes  Ei  wurde  mir  vom  Pfarrer  in  Laufas  gezeigt. 
Anderwärts  ist  mir  unsere  Art  nirgends  vorgekommen. 

Die  Graugänse  scheinen,  vielleicht  mit  g«(ringcn  Ausnahmen,  Zug- 
vögel auf  Island  zu  sein.  Sie  kommen  gleichzeitig  mit  den  verwandten 
Arten  im  April  scharenweise  nach  der  Insel,  treiben  sich  noch  längere  Zeit 
in  der  Nähe  der  Küste  umher  und  ziehen  sich  im  Mai  nach  den  Hrutgebieten 
zurück.     Ende  September,  Anfang  Oktober  verlassen  sie  die  Insel  wieder. 

60.  Branta  bernicla  bernicla  ( E.). 
Riugelgans. 

Anser  torquatus  (Frisch):  Faber,  Prodronuis,  S.  80  (1822).  —  Anser  bernicla:  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  406  (ISüS).  —  Bernicla  brenta  (Linn.):  Xewton,  in 
Baring-Goulds  Iceland,  p.  415  (1863).  —  Anser  torquatus  Frisch:  Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  46  (1800).  —  Bernicla  brenta  (Fall.):  Slater,  Birds  of  Iceland.  p.  46  (1901). 
—  Anser  torquatus  Frisch:  Sasnumdsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  18  (lOOvö). 

Bernicla  brenta  (Fall.).:  Collin,  Skandinaviens  Fngle,  S.  647  (1877).  —  Branta 
hernicla  (L.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  j).  HO  (180;")).  -  Anser  torqvatus 
Frisch  typicus:  VVinge,  Grönlands  Fugle.  S.  120  (1808).  —  Branta  bernicla  (L.):  Nau- 
mann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  360  (1002). 

Isländisch:  Margäs,  Margaes  {=  J\leergans),  Hrotgäs,  Hrotgajs, Hrota,  ältere  Form 
Hrodgäs  (Etymologie  unklar,  vielleicht  \  on  hrjöta  =  schnarchen,  wegen  der  Stimme). 

Auch  deutsch:  3Icergans,  Roftgans,  Rottgoos,  Rotges,  Hrota.  l)än.:  Radgaas. 
Hol!.:  Rotgans. 

Branta  bernicla  hernicla  bewohnt  die  arktische  Region  nördlich  von  Europa 
und  Westasien.'  Häufig  brütet  sie  auf  Spitzborgen,  wahrscheinlich  auch  auf  Franz- 
Jüseph-Land,  ferner  auf  Nowaja  Semlja,  Waigatsch  und  im  Mordwesten  der  Taimyr- 
Halbinsel.  Ostlich  der  Lena  wird  sie  durch  die  ähnliche  B.  b.  nigricans  (Lawr.)  ver- 
treten, die  auch  das  westliche  arktische  Amerika  bewohnt,  zwischen  den  Parry-Inseln 
und  Westgrönland  aber  durch  B.  b.  glancogaster  (Brehm).  Schalow  hält  nicht  für 
ausgeschlossen  (Vögel  der  Arktis,  S.  178).  daß  die  Ringelgänse  von  Ostgrönland  und 
Jan  Mayen,  wenn  in  letzterem  (-iebiele  die  Art  überhaupt  brütet,  zu  B.  h.  glaucogaster 
gehören,  in  welchem  Falle  diese  Form  sich  zweifellos  auch  auf  Island  zeigen  würde. 
Die  2  Ringclgänse  im  Reykjaviker  Museum,  die  allerdings  jüngere  Tiere  sind,  mußte 
ich  als  zu  B.  b.  bernicla  gehörig  betrachten.  Im  Winter  ziehen  die  Vögel  gelegentlich 
bis  zu  den  Wendekreisen  südwärts  und  besuchen  auch  Skandinavien,  die  Britischen 
Inseln,  F'äröer  usw. 

Nach  Island  kommt  die  Pingelgans  nur  als  unbeständiger  und  nicht 
häufiger  Durchzugsvogel.  Gewöhnlich  trift't  man  sie  in  Gesellschaft  der 
viel  zahlreicher  auftretenden  Urania  Icacopsis.  Im  Frülijahre  erscheinen  die 
Vögel  etwa  Mitte  April  und  verschwinden  Mitte  J\lai.  Im  Herbste  zeigen 
sich  einzelne  schon  Anfang  September  und  bleiben  bei  günstiger  Witterung 
bis   zum   November  im   Lande.     Faber   nennt   die    Art   selten,    erfuhr   aber, 


214  liraiita  beriiicla  hornicla. 

daß  im  Oktober  1820  einige  I-iXeinplare  in  Siidisland  geschossen  wurden. 
P.  Nielsen  erlegte  einen  einzelnen  jungen  Vogel  am  20,  Oktober  1878.  der 
durchaus  nicht  scheu  war  und  den  Schützen  auf  20  Schritt  lierankommen 
lieB.  Hin  altes  Männchen  erhielt  Nielsen  am  28.  September  1880.  das  eben- 
falls bei  Kyrarbakki  geschossen  war  und  3.65  Pfund  wog.  Später  bekam 
er  noch  Exemplare  am  8.  Mai  1881  und  20,  Oktober  19o:?  aus  der  Gegend 
von  Selvog  (in  litt.).  Auch  St.  Stcfänsson,  .].  V.  Havsteen  u.  a.  versicliorten 
mir.  daß  im  Oktober  sich  fast  alljährlich  einige  der  Vögel  im  Eyjatjördr 
zeigen.  Sa3mundsson  kennt  unsere  Art  von  der  Halbinsel  Reykjanes.  Auch 
sah  er  2  Exemplare  in  Reykjavik,  die  Ende  November  1900  in  der  Nähe 
des  Hofes  Hvaleyri  im  Hafnarfjördr  erlegt  wurden.  12  Stück  schoß  man 
Mitte  November  1903  bei  Myrar  am  BorgarQördr  und  sandte  sie  zum  Ver- 
kaufe nach  Reykjavik  (Sferaundsson,  1.  c). 

Wiederholt  hat  man  die  Vermutung  ausgesprochen,  ßranta  bendda  brüte 
iu  Island.  Zur  Zeit  fehlen  aber  noch  sichere  Angaben  hierüber.  Die  beiden 
besten  Oologen  der  Insel,  P.  Nielsen  in  Eyrarbakki  und  J.  V.  Havsteen 
in  Oddeyri.  die  in  vielen  Teilen  des  Landes  Sammler  haben  und  alljährlich 
große  Mengen  von  Eiern  erhalten,  bezweifeln  das  Brüten  der  Ringelgans  in 
Island.  Dagegen  berichtet  schon  Eggert  Ölafsson,  daß  zweimal  ein  Individuum 
mit  vollkommen  legereifem  Ei  geschossen  worden  sei  (Reise  I,  S.  34)  und 
daß  die  Bauern  im  Ostlande  vermuteten,  der  Vogel  brüte  auf  unzugänglichen 
Klippen  in  der  Müla-S^-sla  (II.  S.  118).  Auch  Faber  erzählt,  man  habe  im 
Frühjahre  1821  eine  Riugelgaus  mit  großen  Eidottern  bei  Keflavik  (SW.) 
erlegt  und  außerdem  auf  einer  Wiese  im  Innern  des  Eyjafjördrs  Ende  Juni 
1819  das  Nest  einer  Gans  gefunden,  die  nach  der  Beschreibung  unserer 
Bratita  bernida  glich.  Die  6  Eier  des  Geleges  (4  ist  normal),  die  man  ihm 
In'achte,  waren  an  Größe  und  Gestalt  denen  von  Sonuiterla  tnolUmma  ähnlich. 
Das  betreffende  Weibchen  soll  zahm  um  das  Nest  gelaufen  seiu,  was  andere 
Gänse  kaum  tun  (1.  c).  Die  Bewohner  am  Myvatn  versiclierten  Bariug- 
Gould  1858,  daß  unsere  Margds,  wie  auch  noch  drei  andere  Gänsearten, 
gelegentlich  auf  den  Inseln  des  Sees  brüten.  Newton,  der  dies  mitteilt  (1.  c), 
bezweifelt  aber  mit  Recht  die  Angabe.  Immerhin  ist  nicht  ausgeschlossen, 
daß  unser  Vogel  noch  einmal  brütend  auf  Island  gefunden  wird.  Am  wahr- 
scheinlichsten dürfte  dies  auf  der  nordwestlichen  Halbinsel  der  Fall  sein. 

61.  Branta  leucopsis  (Bebst.). 

Weißwangengans. 

Auser  leitcopais  (Bechst.):  Kaber,  Prodromus,  S.  80  (1822).  —  A)iser  leucopsis 
Bechst.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  406  (1862).  •  Bernida  leucopsis 
(Teiiim.):  Newton,  in  Haring-lxoulds  Iceland,  p.  414  (1863).  — Anser  leucopsis  Be:c\\si.: 
(irröiidal,  islenzkt  fiighital,  bis.  46  (1895).  -  Bernida  leucopsis  (Bechst.):  81ater.  Birds 
of  Icelaud,  p.  46  (1901). 

Bernida  leucopsis  (Bechst.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  645  (1877).  --  Bratitu 
leucopsis  (Bechst.):  Salvadori,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  117  (1855).  —  Anser 
leucopsis  Bechst.:  Winge,  (ironlands  Fugle,  8.  122  (1898).  —  Branta  leucopsis  (Bechst.): 
Naumann.  Viigel  Mitteleuropas  TX,  S.  367  (1902). 


Branta  Toiicopsis.         .  yjK 

Isländisch:  Helsingi  (nachSt.  Steiänsson  von  Hals  =  Hals,  wegen  der  schwarzen 
Färbung  dieses  Teils  im  Gegensatze  zu  den  Graugänsen:  wahrscheinlich  nach  Gröndal 
von  helsi  =  Halsband.  Der  Name  entspräche  dann  dem  deutschen  „Ringelgans"  und 
würde  sich  ursprünglich  auf  die  vorige  Art  bezogen  haben,  wie  dies  auf  den  Färöern 
noch  jetzt  geschieht :  Helsingagaas).  ältere  Form  Helsingr. 

Auch  schwed. :  Helsing. 

Zur  Zeit  kennt  man  als  sichere  Brutplätze  von  Branta  leucopsis  nur  Spitzbergen 
und  Ostgröuland.  Einige  Vögel  sollen  auch  auf  Kolguew  brüten  (Battye)  und  aus- 
nahmsweise ein  Paar  auf  einer  der  Lofoten  sich  fortgepflanzt  haben  (CoUett).  Die 
Angaben  über  ihr  Vorkommen  auf  Nowaja  Semlja  (Nordenskiöld)  und  der  Taimyr- 
Halbinsel  (Westerlund)  sind  dagegen  zweifelhaft.  Doch  scheinen  die  Vögel  ziemlich 
unbeständig  in  ihren  Sonimerwohnsitzen  zu  sein.  Im  Herbste  wandern  sie  südwärts 
nach  den  Küsten  Jlittel-  und  Westeuropas,  wo  sie  mitunter  in  bedeutenden  Scharen 
auftreten.     Die  Färöer  besuchen  sie  ziemlich  regelmäßig. 

x\ucli  iu  Island  erscheint  die  Weißwangengaiis  als  regelmäßiger 
Durchzugsvügel.  Jedenfalls  stammt  die  Mehrzahl  solcher  AYanderer  aus 
Ostgröuland,  wo  unsere  Art "  in  den  Küstengebieten  am  Scoresby- Sunde 
(c,  70*^  n.  Br.)  nach  den  Angaben  Kolthoffs  u.  a.  sehr  zahlreich  brütet. 

Faber  sagt,  uuser  Vogel  zeige  sich  besonders  häufig  auf  der  südwest- 
lichen Seite  von  Island  und  nicht  selten  auch  im  Norden.  Doch  kennt  man 
ihn  heutzutage  von  allen  Küstengebieten.  Auf  den  Vestmaunaeyjarn  erscheint 
die  Weißwangengaus  fast  jeden  Herbst  (Jönsson).  Bei  Eyrarbakki  wird  sie  im 
April  und  September  in  Menge  gesehen  und  bleibt  beide  Male  2 — 3  Wochen 
in  der  Gegend  (Nielsen).  Bei  Reykjavik  ist  sie  nach  Gröndal  auch  nicht 
selten  (Ornis  II,  S.  362),  und  au  der  Westküste  Islands  tritt  sie  nach  meinen 
Erkundigungen  au  Ort  und  Stelle  mitunter  sehr  zahlreich  auf.  Noch 
am  15.  Mai  beobachtete  ich  selbst  4  Exemplare  bei  der  Insel  Flatey  im 
Breidifjördr,  die  in  schräger  Linie  nach  Norden  flogen.  In  den  Eyjafjördr 
kommt  unsere  Gans  jeden  Herbst  in  ansehnlichen  Scharen,  wird  häufig  erlegt 
und  in  Akureyri  auf  den  Markt  gebracht  (J.  V.  Havsteen,  St.  Stefdusson). 
Auch  in  Grimsey  ist  sie  wohlbekannt. 

Im  Frühjahre  zeigen  sich  die  Vögel  von  Mitte  April  an.  Sie  halten 
sieb  in  der  Nähe  des  Meeres  auf,  fressen  besonders  Seepflanzen  und  das 
Gras  der  Wiesen,  ferner  auch  kleine  Seetiere,  nach  denen  sie  den  Meeres- 
boden mit  untergetauchtem  Halse  absuchen,  bleiben  oft  bis  Ende  Mai  (23.  IVIai 
1889,  Gröndal)  im  Lande  und  verschwinden  dann  plötzlich.  Anfang  September 
erscheinen  sie  abermals,  gewöhnlich  noch  weit  zahlreicher,  werden  vielfach 
zu  Nahrungszwecken  erlegt,  zumal  sie  nicht  allzu  scheu  sind,  und  wenden  sich 
oft  erst  im  November  südlicheren  Gegenden  zu  (Gröndal,  Ornis  II,  S.  362). 

Vielleicht  ist  die  Weißwaugengans  auch  gelegentlicher  Brutvogel  auf 
Island,  obwohl  sichere  Angaben  hierüber  bis  jetzt  nicht  vorliegen.  Verschiedene 
Literaturberichte  entsprechen  nicht  den  Tatsachen,  z.  B.  Nehrkorns  Eierkatalog 
Nr.  3414,  S.  243  (1899).  Zeitschrift  für  Oologie  XI,  S.  28  (1901).  Die 
erwähnten  Eier,  als  deren  ürsprungsgebiet  die  Bezeiclmung  Island  willkürlich 
gewählt  wurde,  entstammen,  wie  ich  mich  genau  erkundigt  habe,  zoologischen 
Gärten.  Faber  erklärt  ausdrücklich,  man  sähe  unsern  Vogel  niemals  im 
Sommer   auf   der   Insel,   und    aucli   Nielsen  bezweifelt  sein  Brüten  daselbst 


21 G  Cygnus  cy^iius. 

(iu  litt).  Duili  eizäliltc  mir  Horr  Alf  Baclimauu  aus  Müufbeii,  ev  habe  am 
22.  Juni  19(»4  auf  einem  Schiil'e  bei  Blönduös  (N.)  4  tote  Weißwann^eugänse 
gesehen  und  auch  photographiert,  die  kurz  vorher  auf  einem  in  den  Skaga- 
fjördr  mündenden  Flusse  erlegt  worden  seien.  Die  Leute  behaupteten,  die 
Margies  würde  hier  alljährlich  im  Sommer  angetroffen  und  brüte  sicherlich 
auch  im  Gebiete.  Die  Wahrheit  dieser  Angabe  beruht  vielleicht  auch  nur 
darauf,  daß  ab  und  zu  jüngere,  noch  nicht  zur  Fortpflanzung  schreitende 
Individuen  in  der  Gegend  den  Sommer  zubringen.  Eine  Sektion  der 
betreffenden  Exemplare  hätte  Klarheit  schaffen  können.  Bei  der  Nähe  der 
ostgrönläudischen  Brutgebiete  ist  freilich  ein  gelegentliches  Brüten  der  Vögel 
im  gegenüberliegenden  Teile  Islands  keineswegs  ausgeschlossen. 

G'j.  Cygnus  cygnus  (L.). 
Singschwan. 

Cygnus  musicus  (Bechst.):  Faber,  Prodromus.  S.  81  (1822j.  —  Cyynns  miisicus 
Sechst,:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island.  S.  404  (1862).  —  Cygnus  f'erus  Leach; 
Newton,  in  ßariug-Goulds  Iceland,  p.  414  (1863).  —  Cygnus  musicus  Bechst.:  Gröndal, 
islenzkt  fuglata],  bis.  48  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  47  (1901). 

Cygnus  musicus,  Bechst.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  632  (1877).  —  Salvadori, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XX\' II,  p.  26  (1895).  —  Winge.  Grönlands  Fugle,  S.  81  (1898).  — 
Cygmis  cygnus  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  251  (1902j. 

Isländisch:  Alft,  Alpt  (nacli  Gröndal  entweder  von  Alp  =  Elbe.  Wa.ssergeist 
oder  von  albus  =  weiß),  Svanur  (poetisch). 

Auch  dän.  &  norvv. :  Svane.    Schwed.:  Svan.    Engl.:  Swan.    Fär. :  Sveänur,  Svanur. 

Cygnus  cygnus  bewohnt  die  nördliche  paläarktische  Region,  von  Island  bis  Ostasien. 
In  den  eigentlich  arktischen  Gebieten  brütet  er  aber  nicht  mehr,  besucht  diese  höchstens 
gelegentlich.  So  soll  er  z.  B.  auf  Spitzbergen  vorgekommen  sein  (Biaiichi).  In  Europa 
bewohnt  er  Nordrußland.  Finnland  (bis  zu  etwa  62'*  hinab),  Lappland  und  das  nörd- 
liche Skandinavien.  Im  südliehen  Grönland  hat  der  Singschwan  früher  wahrscheinlich 
regelmäßig  gebrütet,  ist  aber  später  durch  die  Eskimos  ausgerottet  worden  und  kommt 
heutzutage  nur  noch  gelegentlich  von  Island  herüber.  Es  handelt  sich  bestimmt  um 
unsere,  nicht  etwa  um  eine  ähnliche  amerikanische  Art,  wie  Winge  und  Helms  hervor- 
heben. Im  AVinter  streichen  die  Vögel  südwärts  bis  Japan,  China.  Zentralasien  und 
zum  Mittelmeere.  Auf  den  Britischen  Inseln  überwintern  viele,  nach  den  Färöern 
kommen  sie  besonders  auf  dem  Frühjahrszug«'. 

In  Island  ist  der  Singschwan  ein  im  Innern  weit  verbreiteter  Brut- 
vogel, der  freilich  an  /^ahl  zurückzugehen  scheint.  Er  bewohnt  im  Sommer 
die  zwischen  wilden  Berggipfeln  versteckten  klaren  Gebirgsseen,  tiudet  sich 
daselbst  meist  in  einzelnen  oder  nur  in  wenigen  Paaren  und  bildet  einen 
reizvollen  Schmuck  der  au  und  für  sicli  schon  landschaftlich  eigenartigen 
Gebiete.  Gewöhnlich  schwimmen  die  scharfsichtigen  Vögel  bei  Annäherung 
von  Menschen  in  die  Mitte  des  Gewässers  oder  auf  die  entgegengesetzte 
Seite,  und  nur  bei  nebligem,  kaltem  Wetter  oder  im  Grauen  der  Sommer- 
nacht gelingt  es,  sich  auf  Schußnähe  anzupirschen. 

Die  isländischen  Schwäne  gehören  meiner  Ansicht  nach  ans.schließlich  zu  Cygnus 
cygnus,  variieren  aber  individuell  nicht  unbedeutend  und  bilden  in  Ausnahmefällen 
sogar  scheinbare  Übergänge  zu  verwandten  Arten. 


Cygniis  cygiuis.  217 

Ein  (5  ad.  iiiciiier  Sammlung,  erlegt  am  12.  3lai  liiü3  im  Kollafjördr  bei  Keykjavik. 
in  Island  Überwintertor  Vogel,  charakterisiert  sieh  l'olgenderinaßen.  Oberseite  weiß  l)ei5. 
sehwaeh  gelblichweiß.  Unterseite  vom  Aufenthalte  in  eisenhaltigem  warmen  Brack- 
wasser schön  rostgelb,  welche  Färbung  an  der  Brust  und  noch  mehr  am  Halse  und 
Kopfe  intensiver  hervortritt.  Stirn  und  Oberkopf  gleicliuiäßig  glänzend  rostbraun. 
Gewicht  i.  Fl.:  S'/a  kg.  Gesamtlänge  i.  Fl. :  13r)0  mm.  Flugbreite:  c.  ii200.  Flügel:  ."jTO. 
Schwanz:  185.  Tarsen:  110.  Mittelzehe  inkl.  der  l(j  mm  langen  Xralle:  146  mm. 
Hinterzehe  inkl.  der  10  mm  langen  Kralle :  27  mm.  Schnabellänge:  95.  Schnabelhöhe 
am  Grunde:  35.  Schnabelbreite  am  Grunde:  3-i,5,  beim  Beginn  des  Nagels:  30.  --  Am. 
Grunde  der  Schnabelfirste  ein  schwarzer,  8  mm  breiter  Stirntleck,  der  teilweise  mit 
kurzen  Federstoppeln  besetzt  ist.  Die  eigentliche  schwarze  Färbung  des  Oberschnabels 
reicht  von  der  Spitze  c.  70  mm  die  Firste  hinauf,  nur  ein  c.  17  mm  breites  Stück  der- 
selben bleibt  rötlichgelb  gefärbt.  In  der  Nähe  der  Schnabelränder  geht  das  seitliche 
Gelbrot  in  ein  düsteres  Trübrot  über,  das  wahrscheinlich  ebenfalls  durch  mineralische 
Einwirkung  verdunkelt  ist.  Das  Gelbrot  springt  vom  Schnabelwinkcl  Hl  nun  am  Schnabel 
vor,  d.  i.  8  mm  weiter  als  das  Ende  der  Nasenlöcher.  Ein  ganz  schmaler  Streifen  am 
Spitzenende  der  Schnabelränder  zeigt  schwarze  Färbung.  Schnabelspalt  vom  Winkel 
bis  zur  Oberschnabelspitze:  97  mm.  Ünterschnabel  mit  Ausnahme  des  Grundes:  schwarz, 
Kehlhaut:  schmutzig  rotgelb.  Iris:  hellgrau.  Füße:  "schmutzig  braunschwarz,  an  den 
Gelenken  und  Schwinmihäuten  fast  schwärzlich. 

Brehms  Absonderung  des  isländischen  Singschwans  als  Cyijnus  islandicus  (1H81) 
entbehrt  der  Begründung. 

Am  Abend  des  15.  Mai  beobiicbtete  icb  auf  dem  Hvamiusfjördr  (W.) 
etwa  130  Siiigschwäne.  Zweifellos  bandelte  es  sieb  dabei  um  Vögel,  die 
unlängst  von  der  Reise  zurttckgekebrt  waren;  denn  icb  erblickte  kein  ein- 
ziges Exemplar  darunter,  das  jenes  cbarakteii-tiscbe  Rostbraun  überwinterter 
Stücke  aufwies.  Sie  schwammen  in  breiter  Reihe  parallel  zum  Ufer,  die 
Brust  dem  Winde  und  den  leichten  Wellen  zugewandt.  Kilometerweit 
leuchteten  die  weißen  Gestalten  und  ähnelten  in  der  Ferne  treibenden  Eis- 
schollen. Nachdem  ich  mich  durch  Schlamm  und  Schneeschlicker  den 
Schwänen  auf  60—100  m  genähert  hatte,  begannen  sie  lebhaft  ihre  Doppel- 
töne Ang-Hä  zu  rufen  und  setzten  dies  ohne  Unterbrechung  fort,  solange 
icb  am  Strande  weilte.  Mit  dem  Glase  konnte  ich  die  großen  Tiere  recht 
genau  beobachten.  Einige  waren  an  Kopf  und  Hals  mit  Grau  überflogen^ 
die  meisten  aber  rein  weiß  gefärbt.  Sie  trugen  die  Flügel  angelegt  oder 
schwach  gelüftet,  den  Hals  gerade  und  aufrecht.  Nur  vor  dem  Untertauchen 
beugten  sie  ihn.  Manche  Exemplare  schwammen  dicht  beieinander,  eine  streng 
paarweise  Absonderung  war  indes  nicht  zu  bemerken.  In  kleinen  Trupps 
kam  es  mitunter  zu  Reibereien,  indem  ein  Vogel  dem  andern  nach  Schwanz 
und  Füßen  biß.  Doch  schien  dies  mehr  aus  Spielerei  als  aus  Feindschaft 
zu  geschehen.  In  ihrer  Größe  variierten  die  Vögel  nur  unwesentlich,  bedeu- 
tender aber  in  bezug  auf  Schnabelfärbung.  Bei  manciien  Individuen,  augen- 
scheinlich bei  den  jüngeren,  war  das  Gelb  sehr  blaß,  bei  andern  leuchtend 
orange,  die  Ausdehnung  dieser  Färbung  ebenfalls  nicht  die  gleiche,  doch 
immerhin  ziemlich  weit  vorspringend.  Das  Schwarz  auf  der  Schnabelfirste 
ging  bei  einigen  Vögeln  bis  an  die  Stirn,  bei  andern  viel  weniger  weit. 
Eine  sichere  Übereinstimmung  zwischen  Größen-  und  Farbenverschiedenlieiten 
konnte  icb  nicht  bemerken.  Doch  scliien  es  mir,  als  zeigten  die  jüngeren 
Exemplare,   bei  denen   das   Gelb  blasser  und  Kopf  und  Hals  grauer  waren, 


•218  Cvgniis  cygiius. 

mehr  Schwarz  am  Schnabel.  Alle  Vögel  charakterisierten  sich  al^  wahre 
Cygum  ci/<jniis.  —  Am  andern  Vormittage  befanden  sich  die  Schwäne  noch 
an  derselben  Stelle  des  Fjordes. 

Die  Stimme  unsrer  Vögel  vornimmt  man  besonders  dann,  wenn 
mehrere  beisammen  sind.  Im  Schwimmen  lassen  sie  oft  stundenlang  ein- 
silbige Rufe  hören:  ein  tieferes  nasales  A  oder  Aug  und  ein  höheres  Hä. 
Beide  Töne  werden  ungefähr  gleich  häufig  ausgestoßen,  wodurch  ein  charakte- 
ristisches und  nicht  unmelodisches  Zusammenspiel  entsteht.  Der  Vogel  öffnet 
;i)eim  Rufe  ein  wenig  den  Schnabel,  geht  aber  im  übrigen  ruhig  seiner 
Beschäftigung  nach.  Beim  Fliegen  verstärkt  sich  die  Stimme  und  erinnert 
dann  aus  der  Ferne  vernommen  an  verworrene  Glockentöne.  Diese  mischen 
sich  mit  dem  Rauschen  der  mächtigen  Scliwingen  und  ergeben  so  den  in 
früherer  isländischer  Literatur  viel  genannten  Schwanengesang,  der  in  die 
Stimmung  der  stillen  Landschaften  vortrefflich  paßt,  besonders  wenn  die 
dämmernde  Frühsommernacbt  ihren  geheimnisvollen  Schleier  herabsenkt. 

Je  nach  Örtlichkeit  und  Witterung  kommen  die  Singschwäne  Finde 
April,  Anfang  Mai,  in  weniger  günstigen  Lagen  auch  erst  in  der  zweiten 
Hälfte  dieses  Monats,  nach  ihren  Brutplätzen.  Oft  liegt  dann  noch  im 
Tale  des  Gebirgssees  Eis  und  Schnee,  was  aber  die  wetterharten  Vögel  nicht 
abhält,  mit  der  Ausbesserung  oder  dem  Neubau  des  Nestes  zu  beginnen. 
In -einigen  Tagen  ist  die  Arbeit  gewöhnlich  ausgeführt.  Der  große  Horst 
befindet  sich  meist  auf  einer  kleinen  Insel  oder  auch  an  geschützter  Ufer- 
steile.  Er  hat  die  Gestalt  eines  flachen  Hügels,  wird  aus  Pflanzenstoffen. 
Erde  und  Steinen  kunstlos  aufgeschichtet  und  später  vom  Weibchen  mit 
weißen  Dunen  ausgekleidet.  Die  Ablage  der  4—7  Eier  erfolgt  gewöhnlich 
Ende  Mai,  Anfang  Juni.  Doch  habe  ich  Daten  für  vollständige  frische 
Gelege  vom  4.  Mai  bis  16.  Juni.  Später  gefundene  Eier  sind  in  der  Regel 
bebrütet  oder  gehören  Nachgelegen  an. 

Isländische  Exeraplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  ]ilaße:  126x75,5  mm 
(4«)  g).  116  X  74  (39,5).  113,5  x  72  (38).  111,5  x  73  (33,5).  111  x  72  (36,-5).  107  x  71,5 
(44).  —  36  isländische  Eier  der  Sammlung  Ottoßon  zeigen  im  Maximum  118,1  x:  73.6 
bez.  114,1x75,1,  im  Minimum  107,5x72,3  bez.  114,6  x;  69,8  mm,  im  Durchschnitt 
■etwa  112x73ram.     Ihr  Gewicht  schwankt  zwischen  37,15  und  43,60  g  (in  litt.). 

Das  Weibchen  brütet  35 — 40  Tage  allein.  Doch  hält  sich  das  Männchen 
beständig  in  der  Nähe  auf.  Beide  Vögel  vergessen  aber  auch  am  Neste 
selten  die  eigne  Sicherheit.  Die  grauflaumigen  Duuenjungeu  werden  von 
beiden  Alten  treulich  geführt  und  sind  nach  etwa  2  Monaten  völlig  befiedert 
und  flugbar.  Doch  bleibt  die  Familie  auch  dann  noch  häufig  beisammen. 
Tritt  im  August  bei  den  alten  Vögeln  die  Mauser  stärker  ein,  die  sie  oft 
auf  Wochen  flugunfähig  macht,  werden  sie  unruhig  und  verlassen  wenn 
möglich  das  engbegTenzte  Brutgewässer.  Laufend  und  die  Flüsse  abwärts 
schwimmend  begeben  sich  die  Familien  nach  größeren  Seen,  breiten  Strömen 
oder  dem  Meere.  Liegt  aber  ihr  Wohnplatz  allzutief  zwischen  den  Bergen 
und  ist  die  Nachkommenschaft  noch  klein,  so  harren  die  Alten  oft  bis  zum 
*September,aus.    Dain  können  die  Jungen  fliegen,  und  auch  ihnen   sind  die 


Cyguiis  cygniis.  219 

Schwungfedern  wieder  nachgewachsen.  Mitunter  werden  freilich  die  Schwäne 
auch  vorher  voiji  Menschen  überrascht,  mit  Booten  ans  Land  getrieben  und 
hier  in  flugunfähigem  Zustande  erschhigen.  Erreichen  sie  rechtzeitig  größere 
Gewässer,  so  können  sie  sicli  zufolge  ihrer  vorzüglichen  Schwimmfertigkeit 
weit  besser  schützen. 

Als  ich  ]Mitte  August  unterhalb  von  Skälholt  die  Hvitii  entlang  nach 
Ölafsvellir  ritt,  sah  ich  das  Ufer  des  Flusses  allenthalben  mit  kleinen  und 
großen  Federn  der  Vögel  bedeckt.  Eine  Menge  Schwäne  befanden  sich  auch 
wirklich  auf  dem  tiefen,  reißenden  Sti'ome.  und  es  war  bewunderungswürdig, 
daß  die  Tiere  der  äußerst  rasch  dahinfließenden  mächtigen  Wassermenge 
scheinbar  nicht  unschwer  zu  widerstehen  vermochten.  Vor  menschlichen 
Verfolgungen  waren  sie  freilich  auf  diesem  Strome  sicher. 

Viele  Individuen,  besonders  Junge  und  Weibchen,  ziehen  Ende  September 
oder  im  Oktober  von  Island  fort,  nachdem  sie  vorher  die  Küsten  und 
Oestadeiuseln,  z.  B.  auch  die  Vestmannaeyjar.  besucht  haben.  Andere  Exemplare, 
vornehmlich  die  alten  Männchen,  überwintern  im  Lande.  Sie  sind  Strich- 
vögel, die  selten  hyige  Zeit  an  einem  Gewässer  bleiben,  sondern  zwischen 
verschiedenen  hin  und  her  wechseln.  Sie  besuchen  die  offenen  Meeresbuchten, 
vor  allem  solche  der  Südküste,  sowie  nicht  völlig  zufrierende  Sumpfwiesen 
und  Wasserrinuen,  warme  Teiche  und  große  Binnenseen,  wo  sie  freilich  viel- 
fach auch  erlegt  werden.  Das  Fleisch  und  noch  mehr  die  Federn-  der 
Schwäne  sind  sehr  geschätzt.  Auf  dem  Myvatn,  der  ja  zum  Teil  niemals 
zufriert,  wird  die  winterliche  Schwanenjagd  mit  Vorliebe  ausgeübt,  doch  soll 
sie  früher  weit  ergiebiger  gewesen  sein  als  jetzt.  Unsere  Vögel  leben  zu 
dieser  Zeit  meist  von  Pflanzenstoften,  begnügen  sich  selbst  mit  halbverwelkten 
Orasspitzen  und  verschlucken  außerdem  viele  Steiuchen.  Im  Sommer  nähreu 
sie  sich  auch  von  Wasserinsekten,  Würmern,  Schnecken  u.  dgl. 

Die  jungen  Siugschwäne  schreiten  im  zweiten  und  wahrscheinlich 
auch  im  dritten  Lebensjahre  noch  nicht  zur  Fortpflanzung.  Scharenweise 
verbringen  sie  den  Sommer  ebenfalls  auf  Bergseen  im  Innern,  meiden 
bewohnte  Gegenden  nicht  ganz  so  ängstlich  wie  die  alten,  wechseln  aber  oft 
zwischen  benaclibarteu  Seen  hin  und  her,  um  bei  Beunruhigung  überhaupt 
nicht  zurückzukehren.  Wiederholt  beobachtete  ich  solche  Scharen,  die  immer 
wieder  von  neuem  das  Auge  entzücken. 

Cygnus  bewicki  Yarr. 
Zwergschwan. 

Cygnus  Bewicki  Yarrel:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  405  (18ß2).  — 
Cygnus  minor,  Pallas:  Newton,  in  Baring-Goiilds  Iceland,  p.  414  (1863).  —  Gröndal, 
Urnis  II,  S.  B64  (1886).  —  Cygnus  beivicki,  Yarrell:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  50  (1901). 

Cygnus  Bewickü,  Yarr.:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  636  (1877).  —  Cygnus 
bewicki,  Yarr. :  Salvadori,  Cat.  Pirds  Brit.  Mus.  XXVII,  p.  29  (1895).  —  Cygnus  Bewickü 
Yarrell:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  260  (1902). 

Isländisch:  Litla  Alft,  litil  Älft  (=  kleiner  Schwan). 

Auch  deutsch:  Kleiner  Schwan.  Dan.:  Lille  Svane.  Norw.:  Mindre  Svane. 
Schwed.:  Mindre  Svan.     Engl.:  Lesscr  Swan.     Hol!.:  Kleine  Zwaan. 


220 


Ardca  cinerea. 


C'yynus  bemcki  brütet  vom  AVeißen  Meere  an  bis  wenigstens  zur  Lenamiintlung, 
nämlich  im  äußersten  Norden  Rußlands,  auf  Nowaja  Semlja,  Koij^uew  und  Waijratsch, 
sowie  in  den  Tundren  des  nordwestlichen  Sibiriens.  Im  Winter  streichen  die  Vögel 
weit  umher,  kommen  nach  Oslsihirien,  .lapan,  China,  'J'urkestau.  der  Mongolei,  dem 
Kaspischen  und  selbst  dem  Jlittelländischen  Meere.  Sie  wandern  westwärts  ziendich 
regelmäßig  nach  Skandinavien  und  den  Jiritischen  Inseln.  Auch  auf  Spitzbergen  soll 
die  Art  vorgekommen  sein.  Auf  den  Färöern  und  in  Grönland  hat  man  sie  dagegen 
noch  nicht  beobachtet. 

Von  Island  ist  bis  jetzt  auch  kein  Belegexemplar  iles  Zwergschwans  bekannt, 
obschon  dieser  ausnahmsweise  rocht  wohl  nach  der  Insel  verschlagen  werden  könnte. 
Als  Brutvogel  daselbst  darf  man  ihn  aber  vollends  nicht  anführen;  alle  Angaben 
hierüber  sind  unbegründet. 

Wenn  Brehm  wirklich  mit  seinem  Cyynns  islaiulicus  unsere  Art  meinte  (Natur- 
gesch.  aller  Vögel  Deutschlands,  S.  8H2.  18B1),  was  Naumann  und  andere  Ornithologen 
annahmen,  so  wählte  er  die  Bezeichnung  irrtümlicherweise.  Faber  hatte  ausdrücklich 
erklärt,  es  gäbe  in  Island  nur  eine  Spezies  von  Schwänen  -  ('.  cyynus  — .  Man  glaubte 
nun.  diese  sei  C  hewicki.  Als  später  C.  cyynus  unzweifelhaft  von  neuem  auf  Island 
festgestellt  wurde,  vermutete  man  das  Vorkommen  beider  Arten  nebeneinander,  ohne 
tatsächliche  Begründung  hierfür  zu  besitzen.  Eier  können  natürlich  nichts  beweisen. 
Ich  habe  selbst  ein  als  Cyynus  minor  von  Island  beschriebenes  Exemplar  aus  der 
Thienemannschen  Sammlung  (111  x  71,5  mm,  29,5  g),  das  sicher  C.  cyymis  angehört. 
Der  wahre  C.  hewicki  ist   bis  jetzt  für  unsere  Insel   durchaus  unbekannt. 

63.  Ardea  cinerea  L. 

Fi-sclireiher. 

Ardea  cinerea  (Lath.):  Faber,  Prodroinus,  S.  23  (1822).  —  Ardea  cinerea  L.: 
Prejer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  429  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland, 
p.  iu  (1863).  —  (rröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  42.(1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  38  (1901).  —  Spemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  16  (1905). 

Ardea  cinerea,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle.  S.  475  (1877).  —  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  VII.  S.  203  (1897).  —  Sharpe,  (.'at.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI.  p.  74 
(1898).    —  Winge,   Grenlands  Fugle,  S.  242  (1898). 

Isländisch:   Hegri  (=  Reiher). 

Auch  dän.:   Hejre.  Norw. :  Hejre,  Hegre.  Scliwcd.:  Kägcr.  Fär. :  Hegri,  Heggri. 

Ardea  cinerea  bewohnt  mit  Ausnahme  von  Amerika  alle  Erdteile.  In  den  ge- 
mäßigten Breiten  ist  er  am  häufigsten,  findet  sich  aber  auch  in  Australien,  Südasien  und 
Afrika.  Nordwärts  überschreitet  er  den  Polarkreis  nur  ausnahmsweise,  brütet  aber 
doch  noch  im  mittleren  Teile  Rußlands  und  Skandinaviens.  Auf  den  Britischen  Inseln 
ist  er  weit  verbreitet.  Die  Färöer  besucht  er  als  häufiger  Gast  und  überwintert  sogar 
daselbst.     Im  südlichen  Grönland  wurde  er  ebenfalls  wiederholt  beobachtet. 

In  Island  ist  der  Fischreiher  ein  nicht  seltner  Gast,  der  sich  beinah 
alljährlich  zeigt  und  nach  Gröndal  (Ornis  II,  S.  360)  besonders  im  Südost- 
und  Westlande  gesehen  wird.  Auch  scheint  er  längere  Zeit  auf  der  Insel 
zu  verweilen  und  uraherzustreifen,  weil  er  in  vielen  Küstengegenden  bekannt 
ist.  Einige  Sonderangaben  mögen  folgen !  ]).  Jönsson  bezeichnet  ihn  als 
nicht  seltnen  Besucher  der  Vestmaunaeyjar,  P.  Nielsen  für  die  Gegend  von 
Kyrarbakki  (in  litt.).  St.  Stefänssou  teilt  mit,  daß  er  am  Strande  südöstlich 
vom  P]yjafjalla-Jökull  (S.)  am  23.  Juli  1894  einen  Fischreiher  beobachtet 
habe,  woselbst  der  Vogel  sich  öfters  zeigen  soll  (Nordurland,  Akureyri,  4.  Okt. 
1902).  Sairaundsson  berichtet  (1.  c),  daß  sich  nach  der  Mitteilung  M.  ])ordarsons 
ein   einzelnes   Individuum    1896 — 97    fast   ein  Jalir  lang   an    einem   kleineu 


Ardotta  niinuta  niimita.  221 

Biniipiisee  (ümdakotstjörn)  bei  Hafaarfjördr  aufgehalten  habe.  Kr  selbst  sah 
bei  Griudavik  (SAV.)  fast  alljährlicli  Fischreiher,  besoüders  im  Spät- 
lierbste.  Eiust  zeigten  sich  daselbst  9  Stück',  die  an  einem  Wasser- 
tümpel im  Grunde  eines  Lavakessels  regelmäßig  Nachtquartier  zu  halten 
pflegten  und  bei  Tage  am  Strande  fischten.  Den  20.  Septem])er  1897  beob- 
aclitete  Sa3muudsson  wieder  2  Reiher  bei  Akranes  (SW.),  den  2.  Oktober  darauf 
bei  Reykjavik.  Am  25.  Oktober  und  im  Dezember  1897  wurde  je  ein  Exemplar 
bei  Laugarnes,  in  der  Nähe  von  Reykjavik,  geschossen  und  für  die  zoologische 
Sammlung  ausgestopft.  Vielleicht  beziehen  sicli  die  zuletzt  erwähnten  Daten 
auf  dieselben  Individuen.  Auch  im  Nordosten  und  Nordwesten  Islands 
beobachtete  Slater  dreimal  Fischreiher,  und  die  Halbinsel  Hegranes  im  Sk:iga- 
fjördr  (65"  45')  hat  sicher  iliren  Namen  nach  einem  Vorkommen  unsres 
Vogels  daselbst.  Da  Faber  diesen  sogar  für  Grimsey  feststellte,  wo  er  heut- 
zutage auch  bekannt  ist.  darf  man  den  Fischreiher  als  gelegentliclien  Gast 
des  ganzen  isländischen  Küstengebietes  bezeichnen,  der  freilich  den  Süden 
am  häutigsten  zu  besuchen  scheint.  Tiefer  ins  Innere  des  Landes  dringt  er 
für  gewöhnlich  uiclit  ein. 

Als  Daten  für  die  Erlegung  oder  Beobachtung  unserer  Art  in  Island  seien 
nochmals  hervorgehoben :  23.  Juli  (Stefänsson),  20.  September  (Ssemundsson), 
Ende  September  (Faber),  2.  und  25.  Oktober  (Ssemundsson),  Oktober, 
17.  Dezember  (Gröndal),  Februar  (Saemundssou).  Wenn  auch  für  das  Früh- 
jahr keine  Daten  vorliegen,  scheint  es  sich  bei  unseru  Gästen  doch  vielfach 
um  jüngere,  noch  nicht  fortpflanzungsfähige  Individuen  zu  handeln,  die  nach 
späteren  Brutplätzeu  suchend  besonders  weit  umlierschweifen.  Dies  lassen 
die  beiden  Exemplare  des  Museums  in  Reykjavik  vermuten,  sowie  die  Angaben 
Wiuges,  5  in  Grönland  erlegte  Vögel  seien  sämtlich  junge  Tiere  gewesen 
(1.  c).  Ältere  Fischreiher  kommen  vielleicht  von  Schottland  aus  über  die 
Färöer  auch  regelmäßig  im  Herbste  nach  Island;  denn  es  ist  kaum  anzu- 
nehmen, daß  es  sich  bei  den  liier  b^obacliteten  Vögeln  nur  um  verschlagene 
Irrgäste  handeln  sollte. 

Brütend  hat  man  den  Fischreiher  nie  auf  Island  gefunden,  was  nicht 
verwunderlich  ist,  weil  er  im  übrigen  Europa  ebensowenig  den  Norden  liebt. 
Der  Mangel  au  Bäumen  dürfte  ihn  dagegen  kaum  abhalten,  sich,  auf  uusrer 
Insel  fortzupflanzen;  denn  anderwärts  errichtet  er  seinen  Horst  auch  auf 
Felsvorsjtrüngen  und  sogar  auf  ebenem  Boden. 

64.  Ardetta  minuta  minuta  (L.). 
Kleine  Rohrdommel. 

Arflea  minuta  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  48:-3  (1877).  --  Gröndal, 
Ornis  XI,  ]).  4r>3  (1901).  —  Stelan.s.son.  Nordnrland,  Akureyri  (4.  Okt.  1902). 

Ardetta  minuta  (L.):  Naumann,  Vögel  Jlittelenropas  VI,  S.  247  (1897).  —  Sharpe, 
Cat.  Birds  Brit.  31us.  XXVI,  p.  222  (1898). 

Isländisch:  Litli  Hegri  (=  kleiner  Reiher). 

Ardetta  minuta  minuta  bewohnt  das  wärmere  Europa  und  die  benachbarten 
Teile  von  Afrika  und  Asien.  Sie  ist  in  vielen  wasserreichen  Gegenden  Südeuropas 
häufig,  in  Deutschland  und  Holland  schon  weit  seltner  und  in  Livland,  dem  südlichen 


222  t'icoiiia  ciconia.  --  J'lpgadis  aiitunmalis. 

Schweden  und  in-  England  nur  noch  vereinzelter  Bnitvogel.  Gelegentlich  hat  sich 
unsre  Art  auch  nördlicher  gezeigt,  z.  B.  im  Petersburger  Gouvernement  und  auf  den 
Färöeni.  —  Weiter  südlich  in  Afrika  ^vird  sie  durch  A.  m.  pusilla   (Vieill.)   vertreten. 

Selbst  von  Island  ist  ein  einmaliges  Vorkommen  der  kleinen  Rohr- 
dommel bekannt,  das  freilich  weit  zurückliegt.  Am  20.  Mai  1821}  wurde  ein 
totes  Exemplar  bei  Keflavik  (SW.)  auf  den  Strand  gespült  und  gefunden. 
Mau  fertigte  einen  Balg  davon  und  sandte  diesen  an  das  Zoologische  Museum 
in  Kopenhagen,  wie  Collin  mitteilt. 

Ciconia  ciconia  (L.). 
Weißer  Storch. 

Ciconia  ciconia  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VI,  S.  '601  (18t<7j.  --  Sharpe, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  299  (1898). 

Isländisch:  Storkur. 

Auch  dän.,  norw.,  schwed.,  holl.,  engl.:  Stork. 

Ciconia  ciconia  bewohnt  die  wärmeren  Teile  der  westlichen  paläarktischen  Kegion 
einschließlich  der  31ittelmeergebiete,  geht  aber  im  Norden  nur  ausnahmsweise  bis  zum 
Polarkreise  vor.  In  Livland  brütet  unsro  Art  etwa  bis  zum  59.  Grade  hinauf.  Sie 
bewohnt  auch  das  südliche  Schweden  und  Dänemark,  weiter  im  Westen  jedoch  nur 
die  Länder,  des  Festlandes.  Vereinzelte  Wanderer  haben  sich  gelegentlich  im  Peters- 
burger Gouvei-nement.  in  Finnland,  in  Torneä  (HÖ")  usw.  gezeigt.  Auf  den  Britischen 
Inseln  gehört  der  Vogel  ebenfalls  zu  den  seltneren  Ersclieinungen.  Von  den  Färöern 
und  Grönland  ist  er  gar  nicht  bekannt. 

In  Island  soll  der  weiße  Storch  einmal  als  Irrgast  beobachtet  worden 
sein.  Ein  alter  Einwohner  Gri'mseys,  Yugvar  Gudmundsson,  der  mir  nicht  imr 
als  der  beste  Vogelkeuuer  der  Insel,  sondern  auch  als  durchaus  glaubwürdig 
hingestellt  wurde,  versicherte  mir,  im  Frühjahre  185G  ein  einzelnes  Exemplar 
unsrer  Art  auf  Grimsey  (66"  35'n.  Br.)  beobachtet  zuhaben,  das  allerdings 
bald  wieder  verschwunden  sei.  Eine  Verwechslung  mit  dem  Fischreiher 
scheint  nicht  vorzuliegen,  weshalb  ich  die  Mitteilung  wiedergebe.  Zweifellos 
lockt  die  weithin  sichtbare,  isolierte  Ipsel  als  ein  isländisches  Helgoland 
manclien  verschlagenen  Wanderer  heran. 

65.  Plegadis  antumnalis  (Hasselq.). 
Brauner  Sichler. 

Z6is/'aicmeK«s(Gm.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  491  (1877).  —  Gröndal.Islenzkt 
fuglatal,  bis.  42  (1895).  —  Plegadis  falcinellus  (Linn.j :  Slater,  Birds  of  Icelaud,  p.  39  (1901). 

Plegadis  falcinellus  (Linn.j:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXVI,  p.  29  (1898).  — 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VII,  S.  16  (1899). 

Isländisch:  Svartur  Ibis  (=  schwarzer,  dunkler  Ibis),  Svartur  Spöi. 

Auch  deutsch:  Dunkler  Ibis.  Dän.  &  norw.:  Sortibis.  Schwed.:  Svartibis.  Fär.: 
Svartm-  Spegvi. 

Plegadis  autumnalis  bewohnt  die  südliche  Hälfte  Europas,  besonders  in  ihren 
östlichen  Gebieten,  ferner  Nordafrika,  von  wo  aus  die  Vögel  bis  zum  Süden  dieses 
Erdteils  vordringen.  Häufig  brüten  sie  auch  in  Zentral-  und  Südasien  und  streifen 
bis  Ceylon,  zu  den  Sunda-Inseln,  Neu-Guinea  und  Australien  hinab.  Selbst  im  Osten 
der  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika,  südwärts  bis  zum  Golf  von  Mexiko,  wird 
die  Art  gefunden.  Nordwärts  gehört  sie  schon  in  Mittel-  und  Norddeutschland  zu  den 
seltnen  Gästen,  wandert  aber  gelegentlich  uach  dem  südlichen  Schweden,  Dänemark,  Holland 
und  England.     Auch  für  die  Färöer  ist  sie  nachgewiesen,  für  Grönland  allerdings  nicht. 


Rallus  aquaticus.  223^ 

Für  Island  keunt  man  nur  ein  ausuahmsweises  Vorkommen  des- 
braunen  Sichlers  1824,  in  welchem  Jahre  eine  vielerorts  beobachtete  nord- 
westliche Wanderung  der  Art  stattfand.  Von  den  Färöern  aus  gelang-te  eiE 
Schwärm  von  10  —  12  Stück  nach  Südisland.  5  hiervon  erlegte  Pkemplare^ 
darunter  ausgeßirbte  alte  Vögel,  wurden  als  Bälge  nach  dem  Kopenhagener 
Museum  gesandt,  wo  sich  jetzt  noch  einige  dersel))en  befinden. 

GH.  Rallus  aquaticus  L. 

"Wasserralle. 

Rallus  aquaticus  (Linn.):  Faber,  Proclromus.  S.  31  (18ii2).  —  Rallus  aquaticus  L. 
Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  396  (1862).  —  Rallus  aquaticus  (Linn.):  Newton, 
in  ISaring-Goulds  leeland,  p.  410  (1863).  —  Rallus  aquaticus  L.:  (iröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  42  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  79  (1901).  —  Sfeuuindsson,  Zoolog. 
Meddel.  fra  Island.  S.  16  (1905). 

Rallus  aquaticus,  L. :  CoUin,  Skandinaviens  Fnglo,  S.  547  (1877).  —  Sliarpe,. 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIJI,  p.  20  (1894).  -  Naumann,  Vögel  ]\litteleuroi)as  VII. 
S.  191  (1899). 

Isländisch:  Keldusvin  (von  kelda  =  Sun^pt'  und  svin  =  Schwein,  vielleicht 
nach  dem  Balzgeschrei);  nur  in  der  Literatur  gebraucht:  La-kjakräka  (von  Itekr  =  Bach 
und  kräka  =  Krähe),  Jardsmuga  (=  Erdloch)  und  Riiidilfvari  (Eytm.  unklar). 

Rallus  aquaticus  bewohnt  die  westliche  paläarktische  Hegion  von  Island  bia 
AVestsibirien,  Turkestan  und  Afghanistan.  Im  südlichen  und  mittleren  Europa  brütet 
unsre  Art  fast  in  allen  geeigneten  Gebieten,  kommt  aber  nordwärts  kaum  bis  zum 
Polarkreise  vor.  h\  Xurland  und  Livland  ist  sie  schon  selten,  in  Finnland  bloß  noch 
gelegentlicher  (iast.  In  Schweden  bewohnt  sie  nur  den  Süden,  geht  aber  in  Norwegen 
bis  zum  Trondhjem-Fjord  (64**).  Auf  den  Britischen  Inseln  findet  sie  sich  bis  Schott- 
land hinauf.  Die  Färöer  besucht  sie  von  Island  aus  als  Wiutergast.  Einmal  ist  ein 
Exemplar  auf  Jan  Mayen  gefangen  worden.  Im  Winter  ziehen  die  "\'ögcl  südwärts 
bis  Nordafrika  und  Nordindieu. 

In  Island  ist  die  AVasserralle  ein  nicht  häufiger  Brutvogel,  kommt 
aber  au  geeigneten  Ortlichkeiten  in  allen  Teilen  der  Insel  vor.  Am  zahl- 
reichsten scheint  sie  die  ßangarvalla-Sysla  (SW.)  zu  bewohnen,  von  wo 
Nielsen  ihre  Eier  aus  vielen  Gebieten  der  wasserreichen  und  fruchtbaren 
Wiesenlandschaften  zwischen  Markarfljöt  und  Hvitä  erhielt.  Nielsen  zählt 
aber  auch  Gegenden  im  West-,  Nord-  und  Ostlande  auf,  wo  der  Vogel  beob- 
achtet worden  ist  (Ornis  II,  S.  430).  J.  V.  Havsteeu  und  St.  Stefänsson 
(Nordurland,  Akureyri,  4.  Okt.  1902)  teilten  mir  mit,  daß  sie  wiederholt 
von  dem  Vorkommen  der  Wasserralle  im  Gebiete  des  Eyjafjördrs  Kenntnis 
erhalten  hätten.  In  verschiedenen  Gegenden  des  Westlandes  versicherten 
mir  die  Leute  gleichfalls,  unsern  Vogel  gesehen  zu  haben.  Ich  selbst  beob- 
achtete freilich  nur  zweimal  auf  Island  einzelne  Individuen:  am  24.  Juni  an 
einem  Tümpel  bei  üpsir  (Eyjafjördr)  und  am  20.  August  in  einer  Wasser- 
rinne bei  Ölafsvellir  (SW.). 

Die  Wasserralle  bewohnt  auch  auf  unsrer  Insel  sumpfiges  und  von 
Gräben  und  Tümpeln  durchsetztes  Flachland,  das  kräftigen  Pflanzenwuchs 
zeigt  und  reichliche  Schlupfwinkel  bietet.  Da  Island  solche  Örtlichkeiten 
in  gi'oßer  Ausdehnung  besitzt,  darf  man  wohl  annehmen,  daß  der  so  überaus 
versteckt  lebende  Voael  häufiger  ist,  als  es  den  Anschein  hat. 


224  (Tallinula  chlornpus. 

Nielsen  gibt  (1.  c.)  iDteressiiute  Notizen  über  die  Rrntzeit  unsrer 
Ralle,  von  der  er  allein  in  den  Jahren  1880—85  70  Gelege  erhalten  hat.  Die 
Kier  wurden,  soweit  Daten  bekannt  sind,  zwischen  dem  29,  Mai  und  10.  September 
gefunden  und  zwar  Ende  Mai  und  1.  Hälfte  Juni:  11  I3ruten:  2.  Hälfte 
Juni:  19;  1.  Hälfte  Juli:  18;  2.  Hälfte  Juli:  8;  August  und  September: 
8  Brüten.  —  Der  Vogel  legt  also  selbst  im  Siidhinde,  auf  das  sich  die  Angaben 
beziehen,  recht  spät.  Von  2  normalen  Brüten  eines  Sommers  kann  natürlich 
trotz  der  verschiedenen  Daten  keine  Rede  sein.  Bei  den  spätgefundenen 
Eiern  handelt  es  sich  um  Nachgelege'  von  Paaren,  denen  die  ersten  Eier 
durch  Raubmöven,  weidendes  Vieh.  Menschen  usw.  zerstört  wurden.  Die 
allerletzten  Brüten  sind  entweder  schon  verlassen  gewesen  oder  wären  doch 
kaum  zur  Entwicklung  gelangt.  Das  kunstlos  aus  Halmen  errichtete  Nest 
befindet  sich  in  dichten  Grasbüscheln,  am  liebsten  auf  kleinen,  von  Sumpf 
umgebenen  Kaupen.  Die  Zahl  der  Eier  soll "  7 — 13  betragen.  Bei  einer 
großen  Menge  von  Nielsen  untersuchter  Exemplare  schwankten  die  Maße 
zwischen  34 — 40,  ausnahmsweise  bis  45x25 — 27  mm.  —  Genaueres  über 
das  Brutgeschäft  unseres  Vogels  auf  Island  ist  von  niemand  mitgeteilt  worden. 

Die  Wasserrallen  sind  teilweise  Standvögel  auf  der  Insel,  die  sich 
im  Winter  an  warmen  Quellen  und  offenen  Gräben  aufhalten  und  dann  weit 
häufiger  als  im  Sommer  gesehen  und  wohl  auch  gefangen  oder  geschossen 
werden.  Bei  hohem  Schnee  und  großer  Kälte  nähern  sich  die  Vögel  mit- 
unter sogar  den  Wohnhäusern  und  Vichställeu  und  geben  ihre  Scheu  soweit 
auf,  daß  man  sie  gelegentlicli  schon  mit  Händen  ergriffen  hat.  Es  scheint 
sich  bei  solchen  überwinternden  Exemplaren  nicht  nur  um  junge  Tiere  später 
Brüten,  die  zur  Zugzeit  noch  nicht  völlig  flugbar  waren,  zu  handeln,  sondern 
auch  um  alte  Individuen,  die  freiwillig  an  den  zahlreichen  offenen  Wasser- 
stellen bleiben  und  bei  normaler  AVitterung  genügend  Nahrung  daselbst 
finden.  Das  aber  alle  isländischen  Wasserrallen  Stand-  oder  höchstens  Strich- 
Yögel  wären,  dürfte  kaum  den  Tatsachen  entsprechen.  Nicht  nur  daß  unsere 
Art  im  Spätherbste  auf  den  Vestmannaeyjaru  beobachtet  worden  ist  (Jönsson), 
zeigt  sie  sich  auch  im  Winter  auf  den  Färöern,  wo  sie  nicht  brütet  (Andersen), 
-sondern  zweifellos  von  Island  lierüberkoramt. 

67.  Gallinula  cliloropus  (L.). 
Teichliuhn. 

Gallinula  chloropus  {h.):  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  43  (1895).  --  Slater, 
Birds  oi  Iceland,  p.  80  (1901).  —  Gallinula  chloropiis  L.:  Sa>muiidsson.  Zoolog-.  SIeddel. 
fra  Island.  S.  16  (1905). 

Gallinula  cliloropus  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIII,  p.  109  (1894).  — 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VII,  S.  142  (1899). 

Isländisch:  Vatnsha?na  (=  Wasserhuhji)  partim,  Sjohaena  (=  Seehuhn). 

Auch  deutsch:  Wasserhuhn.  Dan.  &  norw. :  Vandhöne.  Schwed. :  Vasshöua. 
Hol).:   Waterhoeutje.     Engl.:  Watcrhen. 

Gallinula  cliloropus  bewohnt  die  gemäßigten  und  warmen  Gebiete  der  Alten 
Welt  bis  hinab  nach  Südafrika  und  Siidasien,  nordwärts  von  Japan  bis  zum  Baikal-See, 
•den    russischen  Ostseeprovinzen    und    dem   mittleren  Skandinavien.     Ausnahmsweise  ist 


Fiilica  atra.  225 

unser  Vogel  auch  in  Finnland  und  in  Norwegen  bis  zum  Nordkup  hinauf  vorgekommen. 
Auf  den  Britischen  Inseln  brütet  er  stellenweise  recht  häufig.  Die  Färöer  besucht  er 
wenigstens  ab  und  zu.     In  Grönland  wurde  er  dagegen  noch  nicht  beobachtet. 

In  Island  hat  sich  das  Teichhuhn  als  gelegentlicher  Gast  gezeigt. 
Am  3.  Apiil  1882  erhielt  P.  Nielsen  ein  lebendiges  Exemplar,  das  man  in 
einem  Heuschober  bei  Eyrarbakki  gefangen  hatte  (Ornis  III,  S.  157).  Zwei 
Tage  darauf  tiüeb  ein  totes  Individuum  auf  Heimaey  (Vestmannaeyjar)  aus 
Land,  das  wahrscheinlich  gemeinsam  mit  dem  ersten  nach  Island  gekommen 
w^ar.  Jetzt  befindet  sich  dieses  letztere  in  der  Sammlung  des  Gymnasiums 
zu  Reykjavik  (Gröudal,  Ornis  XI,  S.  455).  Auf  den  Vestmannaeyjarn  wurden 
im  Spätjahre  1903  wiederum  2  Vögel  unserer  Art  beobachtet,  aber  nicht  erlegt 
(Jönsson).  Das  Museum  in  Reykjavik  besitzt  gleichfalls  2  Präparate,  eins 
von  unbekannter  Herkunft,  das  andere  aus  dem  Jahre  1896  von  Laxamyri 
im  Nordlande  (Ssemundsson,  1.  c).  Endlich  sah  auch  Slater  den  Balg  eines 
Vogels,  der  im  Frülijahre  1898  in  halbtotem  Zustande  von  dem  Bauern  in 
Hnausir  (Hünavatus-Sysla)  gefaugen  worden  war. 

68.  Fulica  atra  L. 

Bläßhuhn. 

Fulica  atra  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  63  (1822).  —  Fulica  atra  L. :  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  429  (18H2).  —  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  411 
(1863).  — Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,bls.  43  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Jceland,  p.  81  (1901). 

Fulica  atra,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  556  (1877).  —  Sharpe,  Uat.  Birds 
Brit.  Mus.  XXIII,  p.  210  (1894).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  146  (1898).  —  Naumaim, 
Vögel  Mitteleuropas  VII,  S.  122  (1899). 

Isländisch:  Bhsönd,  Bleshsena,  Vatnshaena  (part.). 

Auch  deutsch:  Bläßente,  Wasserhuhn.  Dan.:  Blisand,  Blishune.  Norw.  :  Bliss- 
höne.     Sc'hwed.  &  finn.:  Yattenhöna,  Sothäna.     Fär. :  Sjohöna. 

Fulica  atra  bewohnt  den  größten  Teil  Europas  und  Asiens.  Im  Winter  geht 
sie  bis  Nordafrika,  Indien  und  zu  den  Sunda-Inseln  südwärts.  Doch  meidet  sie  die 
arktischen  Gebiete.  In  Sibirien  brütet  sie  stellenweise  bis  zum  Polarkreise,  im  europäischen 
Rußland  etwa  bis  ßöo,  in  Finnland  bis  61,  in  Skandinavien  bis  63».  Einzelne  Exemplare 
wurden  gelegentlich  auch  nördlicher  angetroffen.  Auf  den  Britischen  Inseln  ist  das 
Bläßhuhn  häufiger  Standvogel,  bewohnt  auch  die  äußeren  Hebriden  und  Orkney-Inseln^ 
während  es  die  Shetland-Inseln  und  Färöer  nur  zufällig,  besonders  im  Herbste  und 
Winter,  aufsucht.  Selbst  in  Westgrönland  wurde  es  einige  Male  beobachtet,  neben 
ihm  freilich  auch  Fulica  americana  Gm. 

In  Island  ist  das  Bläßhuhn  nicht  seltner  Gast  und  sogar  gelegent- 
licher Brutvogel.  Am  häutigsten  scheint  es  sich  in  den  Wintermonaten 
einzustellen  oder  wenigstens  zu  dieser  Zeit  beobachtet  zu  werden.  Man  hat 
es  ebensowohl  im  Nord-  als  im  Südlande  angetroffen. 

Faber  berichtet,  daß  ein  Paar  im  Spätjahre  1819  bei  Reykjavik  geschossen 
und  im  April  1821  ein  einzelnes  Exemplar  im  Meere  bei  Grindavik  (SW.) 
gefangen  wurde.  Krüper  hörte  von  einem  ebenfalls  bei  Reykjavik  zu  Anfang 
des  Jahres  1856  erlegten  Vogel,  der  in  den  Besitz  eines  Engländers  über- 
ging (Naumannia  1857,  S.  21).  Newton  erhielt  1858  einen  Balg  aus  Utskäla, 
und  Slater  sah  deren  mehrere  an  verschiedenen  Stellen  des  Nordlandes. 
Auch  J.  V.  Havsteen   in   Oddeyri   und  p.  Jönsson   auf  Heimaey  teilten  mir 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands.  ^^ 


226  C'ryniopliiliis  fulicarius. 

rait.  (hiß  man  die  Art  wiederholt  iu  der  Umgegend  des  EyjaQördrs  und  auf 
den  Vestmannaeyjarn  beobachtet  und  erlegt  hätte.  Verschiedene  andere 
Isländer,  die  ich  nach  dem  Vogel  fragte,  kannten  diesen  ebenfalls.  Im 
Reykjaviker  Museum  befinden  sich  2  Präparate,  darunter  ein  junges  Männchen 
vom  21.  Dezember  1882.  Gröudal  versichert,  das  Bläßhuhn  käme  jetzt  oft 
vor.  Mehrmals  seien  ihm  Exemplare  aus  der  Umgegend  von  Reykjavik  zum 
Kaufe  angeboten  worden  (Ornis  II,  S.  360),  doch  hätte  er  auch  von  dem 
Auftreten  des  Vogels  im  Ostlande  gehört  (Ornis  XI,  S.  453). 

Über  das  Brüten  des  Bläßhuhns  auf  Island  liegen  zwei  sichere  Mit- 
teilungen vor.  J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri  erhielt  nämlich  1889  nicht  nur 
den  Vogel,  sondern  auch  dessen  Eier  vom  Vikingavatn,  einem  Strandsee  in 
der  Nähe  des  Axarfjördrs  (c.  G6"  7' n.  Br.).  Von  derselben  Stelle  bekam 
auch  P.  Nielsen  ein  Gelege  von  7  Stück,  die  aus  einem  im  See  schwimmenden 
Neste  des  Vogels  genommen  wurden.  Es  sind  wahrsclieinlich  diesc-lben  Eier, 
die  sich  jetzt  im  Reykjaviker  Museum  befinden.  Man  darf  wohl  annehmen, 
daß  die  erwähnten  Gelege  nicht  die  einzigen  im  Lande  gewesen  sind. 

69.  Crymophilus  fulicarius  (E.). 
Breitschnäbliger  Wassertreter. 

l'halaropuH  platyrhincus  (Temm.):  Faber,  Prodrom us,  S.  38  (1822).  —  Fhalaropus 
platyrhynchus  Tern.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island.  S.  404  (1862).  —  Phalaropus 
fulicarius  (Linn.):  Newton,  in  Jiaring-Goulds  Iceland,  p.  411  (18(53).  —  Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal.  bis.  43  (1895).      -  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  89  (1901). 

Fhalaropus  fulicarius  (L.):Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  561  (1877).  —  Crymo- 
philus  fulicarius  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  693  (1896).  —  Fhalaropus 
fulicarius  (L.):  Winge,  Grenlands  Fugle,  S.  174  (1898).  —  Naumann,  Vögel  Mittel- 
europas VIII,  S.  167  (1902). 

Isländisch:  pörshani  (=  Thorshalin) ;  seltner  flatnefjadur  Sundhani  (=  flach- 
schnäbliger  Schwimnihahn),  Kaudbrystingur  (=  Rotbrüstiger)  partim. 

Auch  dän. :  Tliorshane. 

Crymophilus  fulicarius  bewohnt  zirkumpolar  die  arktische  Region.  31an  fand 
ihn  brütend  in  verschiedenen  Küstengebieten  Nordasiens,  besonders  auf  der  Herald- 
Insel,  auf  Wrangel-Land,  im  Lenadelta  und  auf  der  Taimyr-Halbinsel,  ferner  auf  Spitz- 
bergen, in  Grönland,  besonders  im  nördlichen  Teile  der  Westküste,  auf  Grinneli-Land, 
den  Parry -Inseln,  der  Melville- Halbinsel  und  in  verschiedenen  Gegenden  Nordwest- 
amerikas bis  Alaska.  In  Ostgrönland  und  auf  Jan  Mayen  hat  man  ihn  bis  jetzt  wahr- 
scheinlich nur  übersehen.  Nordwärts  fand  Svordrnp  die  Art  auf  Spitzbergen  bis  83**  l'; 
ihre  südlichsten  europäischen  Brutplätzo  liegen  auf  Island.  Im  Winter  besucht  sie 
unter  anderem  die  Britischen  Inseln  und  Skandinavien  und  geht  gelegentlich  bis  Südeuropa, 
Transkaspien,  Indien,  Neuseeland  und  in  Amerika  bis  wenigstens   zu  40"  n.  Br.  hinab. 

In  Island  gehört  der  breitschnäblige  Wassertreter  zu  den  seltnen 
Brut  vögeln.  Am  zahlreichsten  findet  er  sich  noch  in  den  Küstengel)ieten 
der  westlichen  Inselhälfte.  Da  er  jedoch  ein  stilles  und  wenig  auifälliges 
Leben  führt,  ist  es  möglich,  daß  er  mitunter  übersehen  oder  auch  mit  dem 
häufigen  P/talaropus  lobatns  verwechselt  worden  ist,  dem  er  in  seinem  Wesen 
außerordentlich  ähnelt. 

Faber  traf  unsere  Vögel  an  einigen  Stellen  der  südwestlichen  Halbinsel 
Islands,  besonders  bei  dem  Hofe  Sangjar  in  der  Nähe  von  Keflavik  und  an 


Crymophilns  fiilicarius.  227 

der  Südküste  bis  Eyvarbakki  liin.  Später  erhielt  er  auch  ein  Miinncheii  aus 
dem  Mündungsgebiete  der  j'jörsä,  das  er  Chr.  L.  Brehin  sandte.  Der  damalige 
Stiftsaratmann  Graf  Moltke  fand  unsere  Art  auf  kleinen  Inseln  bei  Reykjavik 
brütend.  Von  ihm  stammte  das  schöne  Paar,  das  Faber  im  Herliste  1823' 
im  Zoologischen  Museum  in  Berlin  sah  (Okens  Isis  1824,  S.  461).  Newton 
schreibt  (1.  c),  daß  1858  die  Fischer  im  Südwesten  Islands  den  Vogel  sehr 
gut  kannten  und  beobachtete  selbst  2  Paare  au  einem  dortigen  Teiche.  Diese 
waren  freilich  nach  einigen  Tagen  verschwunden  und  brüteten  jedenfalls 
anderswo.  I8H2  erhielt  Newton  ein  sicheres  Gelege  von  4  Eiern  aus  dieser 
Gegend.  Gröudal  kennt  unsere  Art  gleichfalls  als  seltnen  Brutvogel  in  der 
Nähe  von  Reykjavik  (Ornis  IX,  S.  93)  und  sagt  sogar,  er  habe  ihn  oft  an 
Wassergräben  in  den  Morästen  des  Südlandes  gesehen  und  erlegt  (Ornis  II, 
S.  362).  Nielsen  kennt  die  Brutplätze  des  breitschnäbligen  Wassertreters 
bei  Stakkseyri  (SW.),  Eyrarbakki,  auf  der  Insel  Akurey  bei  Reykjavik,  bei 
Blönduös  (NW.)  und  an  einigen  andern  Orten,  meint  aber,  daß  überall  nur 
wenige  Paare  vorhanden  wären  (in  litt.).  Bachmaun  beobaclitete  1904  eben- 
falls einige  Vögel  zur  Brutzeit  bei  Eyrarbakki  (mündl.  Mitteilung).  Ich  selbst 
sah  am  11.  Mai  3  Exemplare  im  Skerjafjörctr  bei  Reykjavik  und  am  21.  j\Iai 
2  Paare  bei  Blönduös.  Letztere  hielten  sich  inmitten  zahlreicher  Alpen- 
strandläufer und  Saudregeupfeifer.  In  der  Umgegend  dieses  Ortes  sollen 
alljährlich  etliche  Vögel  unsrer  Art  brüten,  und  ich  bekam  auch  ein  Gelege 
von  dort  gesandt,  in  dessen  Nähe  der  Sammler  uusern  Wassertreter  beob- 
aclitet  hatte.  Den  Maßen-  und  Größenverhältnisseu  zufolge  handelt  es  sich 
dabei  jedoch  um  Eier  von  l-'/ialai-opus  lohatns.  Übrigens  war  der  Vogel  auch 
an  der  Westküste  vielen  Leuten,  die  ich  darum  fragte,  wohl  bekannt,  ein 
Beweis,  daß  er  nicht  ganz  so  selten  ist,  als  man  oft  annimmt.  Stef.  Stefänsson 
berichtet  ebenfalls,  unsre  Art  1893  im  Westlande  gesehen  zu  haben  (Nordurland, 
Akureyri,  4.  Okt.  1902). 

Am  Mj'vatn  dagegen  dürfte  der  breitschnäblige  Wassertreter  kaum  vorkommen, 
wohingegen  die  schmalschnäblige  Art  daselbst  sehr  häufig  ist.  Das  in  Naumanns  V'ögeln 
Mitteleuropas  VIII,  S.  170,  Nr.  16  angeführte  und  auf  S.  168  beschriebene  Difnenjunge, 
das  im  Juli  18.56  von  Krüper  am  Myvatn  gesammelt  wurde  und  sich  jetzt  im  Braun- 
schweiger Museum  befindet,  gehört  wahrscheinlich  der  kleineren  Art  an.  Wenigsten  paßt 
die  Beschreibung  reclit  gut  auf  ein  Dunenjuuges  meiner  Sammlung  von  Pli.  lol/afns  (L.). 
Außerdem  sagt  Krüper  in  seiner  Publikation  über  die  Vögel  des  ^Myvatn  (Naumannia 
1857,  S.  60):  ,,Die  zweite  Wassertreter- Art,  der  flachschnäblige  Fhalaropus  lohatus, 
Brunn.,  s.  platyrhynchus,  Temm.,  findet  sich  nicht  am  Myvatn  und  ist  auf  Island 
überhaupt  sehr  selten." 

Unsere  Art  ist  ein  Zugvogel  in  Island,  der  ziemlich  spät  im  Jahre, 
gewöhnlich  erst  im  Mai,  nach  der  Insel  kommt.  Wenn  Gröndal  freilich 
sagt,  im  Juni  (Ornis  IX,  S.  93),  dürfte  diese  Angabe  kaum  jemals  der 
Wirklichkeit  entsprechen.  Anfänglich  leben  die  Vögel  paarweise  oder  in 
kleinen  Scharen  auf  dem  Meere,  halten  sich  zwar  oft  ziemlich  dicht  bei  der 
Küste,  gehen  aber  in  dieser  Zeit  selten  ans  Land.  Nur  wenn  sie  ruhen 
wollen,  lassen  sie  sich  bisweilen  auf  Steinen  nieder,  ducken  sich  zusammen 
und  ziehen  den  Hals  ein.  Trifft  man  sie  in  Gemeinschaft  mit  Strandläufern, 
so  schwimmen  sie  auch  fast  immer  in  unmittelbarer  Nähe  des  Ufers,  während 

15* 


228  Cryinopliiliis  fulicarius. 

jene  /u  FiiLki  die  Küste  ubsiuhen.  Doch  erheben  sie  sich  oft  gleichzeitig 
mit  den  andern  Vögeln  in  bedentender  Entfernung,  wohingegen  sie  für  sich 
allein  sehr  zutraulich  sind.  Ihr  Flug  ist  rasch,  aber  nicht  ganz  so  leicht 
als  der  des  schmalschnäbligen  Wassertreters.  Ich  sah  sie  auch  nur  kurze 
Strecken  fliegen  und  sicli  alsbald  von  neuem  auf  dem  Meere  niederlassen. 
Beim  Schwimmen  nicken  sie  ebenfalls.  Werden  sie  von  den  Wellen  ans 
Land  getragen,  so  erheben  sie  sich  und  fliegen  wieder  ein  Stück  auf  das 
Meer  hinaus.  Mitunter  trippeln  sie  auch  am  Ufer  hin,  benehmen  sich  aber 
dabei  nicht  ganz  so  rasch  und  geschickt  wie  die  kleinere  Art.  In  der 
Nähe  der  Hrutplätze  sieht  man  sie  später  viel  häufiger  umherlaufen  und  den 
Boden  absuchen.  Ihr  Ruf,  den  sie  besonders  im  Fluge  hervorbringen,  ist 
ein  gezogenes  Piep,  dem  sich  mitunter  auch  ein  kurzes  Ga  anscliließt.  Man 
vernimmt  diese  Laute  sehr  häutig. 

Ende  Mai,  Anfang  Juni  kommen  die  Vögel  nach  ihren  Brutplätzen. 
Diese  bettuden  sich  auf  grasigen  Inseln  am  Meeresstrande  oder  an  kleinen 
Süßwasserteichen,  nicht  allzuweit  von  der  Küste.  Gebirge  scheinen  sie  zu 
meiden.  Das  Meer  besuchen  sie  wenn  möglich  auch  während  der  Brut- 
periode. Das  Nest  wird  auf  einer  Kaupe  im  Sumpfe  oder  in  einer  Vertiefung 
des  grasigen  Ufers  errichtet,  besteht  aber  nur  aus  wenig  Halmen.  Nielsen 
erhielt  Eier  von  Stakkseyri,  die  an  folgenden  Daten  gesammelt  wurden: 
16.  Juni  1880,  4.  Juni  1881,  3.  Juli  1883,  10.  Juni  1886,  12.  Juni  1887, 
15.  Juni  1888,  16.  Juni  1889,  20.  Juni  1890,  17.  Juni  1891,  28.  Juni  1892, 
29.  Juni  1893  (in  litt.).    Das  Normalgelege  besteht  immer  aus  4  Stück. 

Die  Eier  ähneln  denen  von  Ph.  lohatus  außerordentlich,  sind  aber  etwas  größer 
und  vor  allem  schwerer  als  diese.  Sichere  grönländische  Exemplare  der  Sammlung 
Ottoßon  zeigen  folgende  Maße:  32,3x22.2  mm  (0,435  g),  32,1x22,3(0,44),  32x23,2 
(0,435),  31,6x22,8  (0,45).  -  32x23  (0,41),  32x22,5  (0,415),  32x22  (0,417), 
31x21,5  (0,375).  —  Nielsen  bezeichnet  mir  als  extreme  Maße  isländischer  Exemplare 
33x23  und  30,5x21,5  mm. 

Beide  Vögel  des  Paares  brüten  abwechselnd  14 — 16  Tage  lang,  obwohl 
nur  das  Männchen  zwei  deutlich  ausgeprägte  Brüteflecken  haben  soll.  Faber 
fand  kleine  Dunenjuuge  am  9.  Juli  1821.  Die  zarten  Tierchen  können 
sehr  schnell  laufen  und  drücken  sich  hinter  ein  Hügolchen  oder  in  eine 
Vertiefung,  wenn  ernstere  Gefahr  droht,  während  die  Alten  in  großer  Besorgnis 
den  Platz  umfliegen.  Nach  16 — 20  Tagen  sind  die  Jungen  flügge,  werden 
auf  das  Meer  geführt  und  wählen  dieses  von  nun  an  zum  ausschließlichen 
Aufenthalte.  Ende  September  verlassen  die  Vögel  in  kleineu  Scliaren,  die 
sich  nicht  selten  unter  die  häufigeren  schmalschnäbligen  Wassertreter  mischen, 
unsere  Insel,  um  südlichere  Winterquartiere  zu  beziehen.  Nordische  Durch- 
zügler  mögen  ihre  Stelle  bis  in  den  Oktober  hinein  ausfüllen. 

70.  Phalaropus  lobatus  (L.). 

Seh  m alsch n äbliger  W assertreter. 

Phalaropus  einereus  (Briss.):  Faber,  Prodromus,  S.  37  (1822).  —  Phalaropus 
cinerens   Briss.:    Preyer  (&  Zirkel),   Reise    nach   Island.   S.  403  (1862).   —   Phalarojms 


Phalai-opiis  lobatiis.  229 

Jtyperboreus  (Liiin.):  Newton,  in  Baring-Goulcls  Icelancl,  p.  412  (1863).  —  Phalarojnis 
hyperboreus  L. :  Grönclal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  4;5  (1895).  —  Fkalaropus  hyperhoreus 
(Linn.):  Slaler,  Birds  of  Icoland,  p.  92  (1901). 

Fhularopiis  hyperboreus  (L.) :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  'i'>{)  (1877).  — 
Sharpe.  Cat.  Biids  Brit.  Mus.  XXIV,  \).  (598  (1896).  —  Winge,  (irenlands  Fugle,  S.  171 
(1898).  —  Fhalaropus  lobatus  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VIII,  S.  161  (1902). 

Isländisch:  üditishani  (=  Odinshalin),  Sundhani  (von  sund  =  schwimmen);  im 
Volkshumore  Land)?ingisskril"ari  (von  landping  =  Landesversammlung  und  skrifari  = 
Schreiher,  weil  der  Vogel  beim  Schwimmen  fortgesetzt  nickt  und  dabei  gewissermaßen 
mit  dem  Schnabel  auf  dem  Wasser  schreibt),  Torfgrafar- .\lpt  (von  torf  =  Torf,  grafar 
von    grüf  =  Gräber,    Alpt  =  Schwan,    also    Schwan  der  Torfgräber). 

Auch  deutsch:  üdinshuhn.     Dan.:  Odinshane. 

Phalaropus  lobatus  ist  eine  zirkumpolare  Art,  die  aber  nordwärts  kaum  den 
74.  Grad  zu  überschreiten  scheint.  Sie  brütet  im  nördlichen  Asien  von  Tschuktschen 
und  Kamtschatka  bis  zum  südlichen  Nowaja  Semlja,  ferner  in  Nordrußland.  Lappland 
und  in  Skandinavien  etwa  bis  00**  hinab,  selten  auch  auf  einigen  Hebriden,  den  Ork- 
ney- und  Shetland-lnseln,  sowie  den  Färöern.  In  Amerika  ist  sie  Brutvogel  nordwärts 
etwa  bis  Upcrnivik  in  Westgrönland  und  dem  Kotzebue-Sunde,  südwärts  stellenweise 
bis  wenigstens  zum  5').  Grade.  Auch  in  Ostgrönland  hat  man  sie  gefunden.  Im  Winter 
begibt  sie  sich  regelmäßig  nach  Süden,  besucht  unter  andern)  die  Gebiete  der  Nord- 
und  Ostsee  und  wandert  südwärts  bis  Neuguinea,  zu  dem  Malayischen  Archipel.  Nord- 
indien, Persien,  Nordafrika,  den   Westindischen  Inseln   und  Mittelamcrika. 

lu  Island  gehört  der  schmalschuäblige  Wassertreter  zu  den  häufigen 
Brutvögeln,  der  während  des  Sommers  in  allen  geeigneten  Gebieten  im 
Innern,  außerhalb  der  Fortpflanzungsperiode  aber  an  den  Küsten  getroffen  wird. 

Das  Weibchen  dieser  Art  ist  ebenfalls  größer  als  das  Männchen  und  deutlich 
von  ihm  unterschieden.  Es  zeigt  auf  der  Oberseite  viel  mehr  einfarbiges  Aschgrau, 
als  gelbe  und  schwarze  ]\Iusterung.  (5  und  $  ad.  meiner  Sammlung,  Brutvögel,  am 
1.  Juni  1903  bei  Hjalteyri  erlegt,  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  34,  -41  g. 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  180,  192  mm.  Flügel:  107,  114.  Schwanz:  51.  62.  Schwanz -|- 
Flügel:  3.  Schnabel:  20,  22.  Tarsen:  19,5,  21.  Mittelzehe  inkl.  der  3  mm  langen  Kralle: 
22.  23  mm.  —  Iris:  dunkel  braungrau.  Schnabel:  schwarz.  Füße:  hell  bleigrau.  - 
Mageninhalt:  Krustaceeu. 

Der  schmalschnäblige  Wassertreter  ist  ein  Zugvogel  für  Island,  der 
erst  im  Mai  auf  der  Insel  erscheint.  Nacli  den  Vestmannaeyjarn  kommt  er 
zwischen  dem  20.  April  und  5.  Mai  (Jöusson),  hält  sich  wochenlang  auf, 
brütet  aber  nicht  daselbst.  Im  Nordlande  zeigt  er  sich  gewöhnlich  erst 
Ende  Mai.  In  kleinen  Scharen  sieht  man  nun  die  Vögel  in  der  Nähe  der 
Küste  auf  dem  Meere,  seltner  am  Ufer.  Ihr  zutrauliches,  liebenswürdiges 
Wesen  fesselt  den  Beobachter;  ihre  große  Gewandtheit  im  Fliegen  und 
Schwimmen  setzt  ihn  oftmals  geradezu  in  Erstaunen.  Mit  zierlichem  Kopf- 
nicken bewegen  sich  die  Tierchen  auf  dem  Wasser  dahin.  Meist  halten  sie 
eng  zusammen,  besonders  die  Paare;  in  ruhigen  Buchten  und  Lagunen  aber 
zerstreuen  sie  sich  auch,  locken  freilich  dann  fortwährend  mit  einem  feinen, 
kurzen,  etwas  grätschenden  Pit,  das  verschiedene  Klangfarbe  hat.  Häufig 
verbinden  sie  die  Rufe  als  Pitpit  oder  setzen  sie  unregelmäßig  fort:  pipitipit, 
pitpitipit.  Mitunter  schwimmt  das  Männchen  erhobenen  Kopfes  hinter  dem 
Weibchen  her,  indem  es  die  feinen  Stimmlaute  so  rasch  in  langer  Reihe 
verbindet,  daß  sie  wie  ein  zwitschernder  Gesang-  klingen,  den  die  Gefährtin  in 


230  riialaroj)us  lobatus. 

ähnliclier  Weise  beantwortet.  Verliält  man  sich  still,  kommen  die  zutraulichen 
Vögel  oft  auf  2 — :}  m  heran.  Gemeinsam  fliegt  endlich  die  ganze  Schar, 
zum  mindesten  jedes  einzelne  Paar,  vom  Wasser  auf;  blitzschnell  erheben 
sie  sich  und  eilen  mit  schvvalbenartigcm  Fluge  unter  raschen  Wendungen 
über  das  Meer,  wobei  sie  eifrig  ihren  Lockruf  hören  lassen,  der  nun  etwas 
hastiger  und  schärfer  wie  gät  gilt  klingt.  Plötzlich  sitzen  sie  wiederum  auf 
dem  Wasser,  nicken  und  picken  von  neuem  und  lesen  die  winzigen  See- 
tierchen von  der  Oberfläche  ab.     Tauchen  sieht  man  sie  aber  nicht. 

Je  nach  der  Lage  des  Brutplatzes  nähern  sich  die  Wassertreter 
diesem  Ende  Mai  bis  Mitte  Juni.  Am  M^vatn  erscheinen  sie  gewöhnlich 
in  der  letzten  Maiwoche.  Gröndal  bezeichnet  aber  als  Aukunftstermin  in 
der  Müla-Sysla  für  das  Jahr  1887  erst  den  24.  Juni  (Ornis  IX,  S.  9G).  Die 
Vögel  wählen  zum  Sommeraufeuthalte  sumpfige  Wieseiiflächen  und  Moore, 
die  Tümpel,  Teiche  und  Gräben  besitzen.  Sie  bevorzugen  wasserreiche  breite 
Täler,  sauftwelliges  Hügelland  oder  Hochmoore,  meiden  aber  eigentliche 
Gebirge.  Kräftiger  Pflauzenwuchs  ist  ihnen  sehr  willkommen,  obwohl  sie 
auch  mit  Heidelandschafteu  fürlieb  nehmen.  Auf  Grimsey  brüten  sie  an 
den  geschützten  kleinen  Süßwasserbecken  im  Iimern  und  sind  hier  ganz 
besonders  zutraulich. 

Das  Nest  wird  von  beiden  Gatten  hergestellt,  ist  nianclimal  dick, 
rund  und  künstlich  in  einer  durch  Pflanzen  verdeckten  Bodenvertiefung 
angelegt,  andermal  steckt  es  ziemlich  offen  am  moosigen  üferrande  und 
zeigt  als  Ausfütterung  nur  wenige  Halme  und  Blättchen.  Gelegentlich 
knicken  und  biegen  die  Vögel  auch  nur  das  Gras  der  Umgebung  nieder. 
In  günstigen  Lagen,  wie  am  Myvatu.  brüten  oft  7 — 12  Paare  kolonienweise 
dicht  bei  einander  auf  kleinen  Inseln,  doch  traf  ich  an  verschiedenen  Stellen 
des  Nordlaudes  auch  einzelne  Paare  für  sich  allein.  Die  Vögel  sind  zur 
Zeit  des  Nestbaues  besonders  lebhaft  und  treiben  sich  unter  blitzschnellen 
Wendungen  durch  die  Luft,  wobei  sie  gelegentlich  ziemlich  hoch  empor- 
steigen. Unablässig  hört  man  dann  das  kurze  Pit,  Pt  oder  ein  sclieltendes 
Trp.  Die  Begattung  erfolgt  in  der  Regel  auf  dem  Wasser,  doch  beobachtete 
ich  sie  bei  Hjalteyri  auch  auf  dem  Neste.  Die  Ablage  der  4  Eier  findet 
im  Juni  statt,  recht  häufig  erst  in  der  2.  Hälfte  des  Monats.  Bei  7  frischen 
Gelegen  aus  dem  Nordlande  schwankte  sie  zwischen  dem  6.  und  28.  Juni. 
Spätere  Funde  kommen  unter  besonders  ungünstigen  Verhältnissen  vor  oder 
sind  als  Nachgelege  zu  betrachten,  zumal  nicht  nur  räuberische  Vögel,  sondern, 
z.  B.  am  Myvatn,  auch  die  Menschen  die  Eier  wegnehmen.  Krüper  erhielt 
daselbst  ein  ziemlich  frisches  Gelege  noch  am  14.  Juli  (Naumannia  1857,  S.  59). 

Einige  typische  Gelege  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  31,2x20,6  mm 
(0,38  g),  30x20.9  (0,37),  30x20,5  (0,37),  29.9x20,2  (0,37).  —  30,9x21,4  (0.37), 
30.6x21,9  (0,36),  30,2x21  (0,87),  30x21  (0.35).  —  29,1x21  (0,35),  29x21,2 
(0,40),  28,3x21,1  (0,38),  28,2x21  (0,39).  —  Voll  wiegen  die  Eier  ungefähr  6  g. 

Das  Brutgeschäft  dauert  etwa  2  Wochen.  Beide  Vögel  des  Paares 
beteiligen  sich  daran,  sitzen  aber  nicht  allzu  fest  auf  den  Eiern.  Merk- 
würdigerweise hat  nur  das  Männchen  2  Brüteflecken.     Der  nicht  beschäftigte 


Phalaropus  lobutus.  231 

Teil  hält  getreulich  in  der  Nähe  des  Nestes  Wacht  und  umfliegt  sofort  den 
Eindringling  mit  surrendem  Trp  Trp  oder  scheltendem  Pit  Tit  oder  auch 
einem  ängstlich  gezogenen  Tone,  den  ich  als  püirt  und  züip  notierte.  Daweile 
schleicht  der  andere  Vogel  ein  Stück  vom  Neste  fort,  erhebt  sich  dann 
gleichfalls  in  die  Luft  und  stimmt  dieselben  Laute  an.  Mitunter  vernahm 
ich  in  solchen  Fällen  auch  noch  ein  kurzes  helles  Dili.  Ist  Wasser  in 
unmittelbarer  Nähe,  fallen  die  Vögel  für  Augenblicke  darauf  ein,  erheben 
sich  blitzsclmell  wieder,  durcheilen  hastig  die  Luft,  laufen  ein  Stück  am 
grasigen  Ufer  dahin,  fliegen  abermals  und  drücken  so  ihre  lebhafteste  Unruhe 
aus.  Nisten  mehrere  Paare  dicht  beieinander,  so  kann  man  den  äußerst 
gewandten  Flug  der  raschen  Vögel  besonders  gut  beobacliten. 

Sind  die  Jungen  ausgeschlüpft,  was  in  der  Kegel  Ende  Juni  bis  Anfang 
Juli  geschieht,  so  legen  die  Alten  fast  noch  größere  Besorgnis  an  den  Tag. 
Auf  Grimsey  hielten  sie  oft  auf  2  bis  3  m  vor  mir  aus  oder  flogen  ängstlich 
rufend  dicht  um  meinen  Kopf.  Die  zierlichen  Diineujungen  können  recht 
schnell  laufen,  schwimmen  aber  nicht  gern  in  kaltem  Wasser,  Will  man 
sie  fangen,  was  ich  mehrmals  tat,  um  das  Benehmen  der  Alten  dabei  zu 
studieren,  so  muß  mau  sie  ein  Stück  davoneilen  lassen.  Hochbeinig  und 
mit  vorgestrecktem  Körper  laufen  sie  dann  über  das  Moos  und  kurze  Gras, 
wobei  sie  immer  nach  dem  Verfolger  Umschau  halten.  Plötzlich  ducken  sie 
sich  in  eine  Vertiefung  oder  hinter  einen  Hügel  und  sind  nicht  so  leicht 
zu  entdecken.  Merkt  man  sich  aber  die  Stelle  genau  und  nähert  sich  ihr 
langsam  und  im  Bogen,  so  gelingt  es  gewöhnlich,  das  Tierchen  zu  ergreifen. 
Die  lel)hafte  Besorgnis  der  Alten  ist  dann  oft  rührend,  groß  aber  auch  die 
Freude,  weun  man  das  Vögelchen  wieder  frei  läßt.  Die  Dunenjungen  sind 
recht  zart  und  steiben  oft  bei  kalter  Witterung.  Auf  Grimsey  beobachtete 
ich  2  Familien  mit  je  4  Jungen,  von  denen  die  eine  alle  4,  die  andere  3 
im  zartesten  Alter  verlor.     Einige  davon  fand  ich  tot. 

Ein  präpariertes  derartiges  Exemplar  meiner  Sammlung  vom  4.  .luli.  cj  pull., 
c.  2  Tage  alt,  zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  ¥].:  ."ig.  Gesamtlänge  i.  Fl.:  (iO  mm. 
Schnabel:  8,2  mm.  Tarsen:  17.  Mittelzehe  inkl.  der  2  mm  langen  Kralle:  19  mm.  — 
Iris:  triibdunkelbraun.  Schnabel:  schwärzlich,  am  Grunde  fleischfarben.  Füße:  hell 
fleischfarben,  Hinterzehe  weißlich,  Außenseite  schwärzlich  angeflogen. 

Nach  18  —  20  Tagen  sind  die  Jungen  herangewachsen,  eine  Woche 
später  bereits  ebenso  geschickt  im  Pliegen,  Schwimmen  und  Laufen  wie  ihre 
Eltern,  aber  fast  noch  zutraulicher  als  diese.  Es  ist  ein  hübscher  Anblick, 
auf  den  kleinen  pflanzenreicheu  Inseln  des  M^vatn  Ende  Juli  die  Menge 
der  Vögelclien  zu  beobachten,  die  sich  zwar  aucli  gern  in  den  hohen  Angelika- 
stauden und  Gräsern  verstecken,  für  gewöhnlich  jedoch  Nahrung  suchend 
am  Rande  schwimmen.  Die  Wassertreter  leben  hier,  wie  ich  mich  wieder- 
holt überzeugte,  vorzugsweise  von  den  winzigen  Mücken,  die  in  zahlloser 
Menge  ans  Ufer  gespült  werden.  Übrigens  scheuen  unsere  Vögel  das  warme 
Wasser  gewisser  Quellengebiete  weniger,  als  die  meisten  andern  Arten, 
obwohl  sie  natürlich  unfähig  sind,  auf  kochendheißen  Flächen  zu  scliwimmen. 

Bald  nach  dem  Flugbarwerden  der  Jungen,  selten  später  als  Anfang, 
höchstens   Mitte    August,   verlassen    die  Vögel   scharenweise   das    Brutgebiet 


232  Gallinago  gallinago  gallinago. 

und  hogeben  sich  an  die  Meeresküste.  Hier  streifen  sie  geineinsani  umher, 
schlieLkMi  sich  gelegentlich  auch  verwandten  Arten  an  und  verlassen  endlich 
die  Insel,  um  südlichere  Gegenden  aufzusuchen.  Faber,  Gröndal  u.  a.  bezeichnen 
Ende  August  als  Abzugstermin,  ]).  Jönsson  schrieb  mir  jedoch,  daß  die 
Wassertreter  zwischen  dem  20.  September  und  10.  Oktober  von  den  Vest- 
mannaeyjarn  verschwänden,  was  wohl  das  Richtigere  ist.  Von  einem  Über- 
wintern der  Art  in  Island  hat  man  indes  nichts  gehört. 

71.  Gallinago  gallinago  gallinago  (L.). 
Gemeine  Bekassine. 

Scolopax  gallinago  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  30  (1822).  —  Scoloj)ax  gallinago 
L. :  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island.  S.  399  (1862).  —  Gallinago  media  (Leach) :  Newton, 
in  Baring-Goiilds  Iceland,  p.  413  (1863).  —  Scolopax  gallinago  L.:  (iröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  41  (1895).  --  Gallinago  ccelestis  (Frenzel):  Slater,  Birds  of  Iceland.  p.  94 
(1901).  —  Scolopax  gallinago  L. :    Sfenmndsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  14  (1905). 

Gallinago  media  (Leach):  Collin,  Skandinaviens  Fiigle,  S.  ü42  (1877).  —  Gallinago 
gallinago  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV'.  p.  633  (1896).  —  Gallinago  ^colo- 
pacina  Bonap.  typica:  Winge,  Grönlands  Fiigle,  S.  175  (1898).  —  Gallinago  gallinago 
(L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  177  (1902). 

Isländisch:  Hrossagaukur  (=  Roßkuckuck,  nach  dem  wiehernden  (leräusche), 
Myrisnipa  (=  Moorschnepfe),  davon  wahrscheinlich  mißverstanden  gebildet  und  selten 
angewendet  M^riskitur  (skitur  =  Nasenschleim),  My-rispita  (spita  =  Spieß,  Pfahl,  an- 
geblich des  Schnabels  halber). 

Auch  deutsch:  Moorschnepfe.  D&n.:  Horsegjog.  Norw. :  Rossegauk,  Myrsnipe. 
^chwed. :  Horsgök,  Russgauk,  Rösselgök,  Myrsnipa.  Schott.:  Miresnipe.  Fär. :  MjTusnipa. 
Mujresnujpa. 

Gallinago  gallinago  gallinago  brütet  im  größten  Teile  der  paläarktisclien  Region 
von  Island  bis  Kamtschatka  und  Japan.  Nordwärts  geht  sie  stellenweise  bis  etwa  zu 
69"  hinauf.  Im  Winter  bewohnt  sie  Südeuropa.  Nordafrika,  Südasien  bis  zu  den  Sunda- 
Inseln,  einzelne  dringen  noch  weiter  südwärts  vor.  Sie  ist  als  Brutvogel  unter  anderem 
häufig  in  Nordrußland,  Finnland,  dem  mittleren  Schweden  und  auf  den  Britischen 
Inseln,  nicht  selten  auch  auf  den  Hebriden,  Orkney-Inseln  und  J^äröcrn.  In  Grönland 
hat  sie  sich  nur  wenige  Male  als  Gast  gezeigt,  neben  ihr  auch  die  äußerst  ähnliche 
nordameriknnische  G.  g.  delicata  (Ord). 

In  Island  ist  die  Bekassine  ein  häufiger  Brutvogel.  Sie  findet  sich  in 
allen  wasserreichen  Gebieten,  besonders  in  den  stillen  Mooren,  die  abwechslungs- 
volle Bodenbeschaft'enheit,  genügenden  Pflanzenwuchs,  Gräben,  Wasserlachen 
und  versteckte  Schlammflächen  zeigen.  In  den  Gebirgen  geht  sie  regel- 
mäßig weit  hinauf.  Da  unser  Vogel  schwer  zu  schießen  ist,  wird  ihm  nicht 
allzusehr  nachgestellt,  zumal  der  Isländer  selten  Hunde  zur  Jagd  verwendet, 
die  in  solch  mühseligem  Terrain  sehr  nötig  sind. 

Im  allgemeinen  ist  die  Bekassine  ein  Zugvogel  für  Island,  der  Mitte 
bis  Ende  April  nach  der  Insel  zurückkehrt.  Am  23.  dieses  Monats  hörte 
ich  bei  Reykjavik  schon  mehrere  Männchen  lebhaft  balzen,  vom  Mai  an 
überall  auf  den  moorigen  Wiesen.  Sie  sind  Charaktervögel  derartiger  Land- 
schaften und  beleben  diese  unwegsamen  Gebiete  durch  ihre  weithin  hörbare, 
eigenartige  „Instrumentalmusik"'  auf  das  stimmungsvollste.  Zu  allen  Tages- 
zeiten vernimmt  man  bis  in  den  Juli   hinein   das   auffällise   Meckern,   das 


Gallinac^o  p;alliiu\go  gallitiago.  •  233 

nur  die  Männclien  hervorbringen,  während  die  eigentlichen  Stimmlaute  beiden 
Geschlechtern  geraein  sind  (zu  vergl.  mein  Artikel  in  den  Oruith.  Monats- 
berichten 1904,  S.  173),  Besonders  an  stillen,  trüben  Morgen  und  Abenden 
zeigen  sich  die  Vögel  recht  lebhaft.  Dann  jagen  sich  die  Paare  mit  sausendem 
Fluge  über  dem  Boden  dahin,  rufen  scharf  das  taktmäßige  Pitepitepit,  bis 
sie  am  heimlichen  Moorgraben  einfallen  und  nur  noch  ein  leises,  zärtliclies 
Geflüster  hören  lassen.  Bald  darauf  wieder  steigt  das  Männchen  hoch  in 
die  Luft  empor,  stürzt  sich  in  krampfhaft  steifer  Körperhaltung  ein  Stück 
abwärts,  um  sich  freilich  sofort  von  neuem  aufzuschwingen.  Daweile  lockt 
unten  im  Grase  das  Weibchen  sein  langsames  Pitepit,  das  oftmals  auch  nur 
als  abgebrochenes  Pi-pi-pi  zu  hören  ist.  Das  scharfe  ängstliche  Krätsch 
beim  Abfliegen  aufgetriebener  Exemplare  vernahm  ich  von  isländischen  Vögeln 
um  diese  Jahreszeit  nur  ausnahmsweise.  Meist  entfernen  sich  die  Tiere 
ganz  still,  manchmal  beginnen  sie  mit  dem  gleichmäßigen  Tacken,  mitunter 
bringen  sie  auch  einen  leise  schnurrenden  l'on  hervor,  der  nicht  weit  hörbar 
ist.  Im  allgemeinen  verhält  sich  die  Bekassine  in  Island  viel  weniger  scheu 
als  anderwärts.  Recht  liäufig  läßt  sie  den  Besucher  der  mit  zahllosen 
Hügelchen  besetzten  Graslandschaften  bis  auf  2  — 3  m  herankommen,  fliegt 
manchmal  tatsächlich  erst  unter  den  Füßen  heraus,  um  gleich  darauf  wieder 
einzufallen  und  sich  nun,  äußerst  geschickt  die  vortreffliche  Deckung  benutzend, 
durch  Laufen  zu  entfernen.  Im  übrigen  ähneln  aber  die  isländischen  Vögel 
denen  anderer  Länder,  weshalb  ich  bei  der  Häuttgkeit  unsrer  Art  mich  im 
folgenden  kurz  fasse. 

Bald  nach  ihrer  Ankunft  begeben  sich  unsere  Schnepfen  nach  den 
Brutplätzen.  Früher  oder  später  im  Mai  beginnen  sie  mit  der  Anlage  des 
kunstlosen  Nestes,  das  sieb  auf  einer  grasbewachsenen  Kaupe  inmitten  von 
Sumpfland  oder  zwischen  Heidesträuchern  der  Hochmoore  befindet.  Im 
gebirgigen  Teile  der  Müla-Sysla  kamen  die  Vögel  1887  freilich  erst  am 
7.  Juni  an  (Gröndal,  Ornis  IX,  S.  96).  Das  Nest  ist  gewöhnlich  gut  ver- 
steckt und  besteht  nur  aus  niedergedrückten  Halmen  oder  einigen  Stengeln 
und  Blättern.  Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  in  der  Regel  im  Juni.  Vom 
Nordlande  sind  mir  6  Daten  bekannt  aus  der  Zeit  zwischen  dem  4.  und 
21.  d.  M.  Krüper  fand  aber  in  der  Nähe  von  ])ingeyjar  (N.)  schon  am 
26.  Mai  ein  vollständiges  frisches  Gelege  (Naumaunia  1857,  II,  S.  13),  Pearson 
ein  ebensolches  noch  am  15.  Juli  (Ibis  1895,  p.  245),  wobei  es  sich  im 
letzteren  Falle  um  ein  verlassenes  oder  verspätetes  Nachgelege,  aber  kaum 
um  eine  2.  Brut  handeln  dürfte.  Die  Zahl  der  Eier  beträgt  immer  4,  in 
einem  2.  Gelege .  wohl  auch  nur  3  Stück. 

Einige  isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  41x26  mm 
(0,8  g),  40,5  X  28  (0,8.0),  40,5  x  27.5  (0.8),  40.2  x  27,5  (0,8).  —  41,2  x  27.2  (0,8), 
40x^7,5(0,82),  39,8x27.5(0,80),  39,5x27.5(0,82).  ~- 41,5x29  (0,72),  41,5x29(0,7), 
40  X  28  (0,67),  39,5  x  28,2  (0,69).  —  Das  Vollgewicht  der  Eier  eines  schwach  bebrütc-ten 
Geleges  vom  7.  Juni  1903  schwankte  zwischen  13,5  und  14,5  g. 

Das  Weibchen  brütet  18—20  Tage  auf  den  Feiern,  wird  aber  gelegentlich, 
wenn   auch    selten   und  unregelmäßig,   vom    Männchen   darin   abgelöst.     In 


234  Scolopax  riisticola. 

allen  Fällen  bleibt  dieses  wenigstens  in  der  Nähe  des  Nestes,  bewacht  die 
Umgebung  und  zeigt  eine  Gefahr  der  Gattin  rechtzeitig  an.  Diese  läuft 
nun  mit  vorgestrecktem  Kopfe  tiefniedergeducitt  ein  Stück  davon,  verbirgt 
sich  liinter  einem  Hügel  und  lugt  aus  sicherem  Verstecke  ungeselien  hervor, 
fliegt  aber  wenn  irgend  möglich  nicht  von  dort  heraus.  Auch  wenn  man 
die  Eier  findet  und  wegnimmt,  zeigen  sicli  die  Vögel  selten. 

Die  Jungen  verlassen  das  Nest  sehr  bald,  um  sich  bei  jeder  auf- 
fälligen Erscheinung  in  eine  Vertiefung  zu  drücken  und  regungslos  daselbst 
zu  verharren.  Ihre  großen  dunkeln  Augen  entdeckt  man  nocli  am  ehesten. 
Doch  kommt  man  nicht  häufig  zur  Beobaclitung  der  Tierchen.  Die  Eltern 
bleiben  bei  ihnen  und  führen  sie  an  Plätze,  wo  sie  im  weichen,  warmen 
Boden  AVürmer  und  Larven  finden.  Nach  3—4  Wochen  sind  sie  befiedert 
und  fangen  an  zu  fliegen.  Am  16.  .Tuli  bemerkte  ich  am  moorigen  Rande 
eines  Wasserrieseis  im  Birken walde  bei  Hals  (Fnjöskä-Tal)  auf  8 — 10  m 
Entfernung  vor  mir  3  halbwüchsige  Sumpfschnepfen,  die  mit  ihrem  noch 
kurzen  Schnäbelchen  schon  eifrig  nach  Würmern  staclien.  Ein  alter  Vogel 
war  nicht  zu  sehen.  Plötzlich  lockte  eine  wachsame  Rotdrossel,  um  derent- 
willen ich  micli  ins  Dickicht  begeben  hatte,  die  Tierchen  verschwanden  blitz- 
schnell im  schützenden  Strauchwerke  und  konnten,  trotzdem  ich  den  Anblick 
der  sich  fest  auf  die  Kvde  drückenden  Jungen  wohl  kenne,  nicht  gefunden 
werden.  Oben  in  der  Luft  aber  erklang  hastig  das  Tacken  und  jVIeckern 
der  besorgten  Alten.  Sind  die  Vögelchen  selbständig  geworden,  was  J^nde 
Juli,  Anfang  August  der  Fall  ist,  werden  sie  gewöhnlich  von  den  Alten 
verlassen,  bleiben  aber  oft  noch  in  losem  Verbände  untereinander.  Etliche 
Bekassinen  überwintern  auch  an  warmen  Wasserstellen  im  Innern  der 
Insel,  leben  allerdings  in  dieser  Zeit  so  still  und  verstet;kt,  daß  sie  nicht 
allzuhäufig  beobachtet  und  noch  seltner  erlegt  werden.  Faber  sah  am 
S.Februar  1821  auf  dem  Südlande  3  Exemplare  bei  starkem  Froste  fliegen. 
Auch  Sa?mundssou  berichtet  (L  c),  daß  er  am  21.  März  1897  eine  Sumpf- 
schuepfe  an  der  warmen  Quelle  bei  Reykjavik  erblickt  habe  und  daß  eine 
andere  im  Januar  1903  bei  einer  Wasserrinne  in  der  Stadt  beobachtet  wurde. 

72.  Scolopax  rasticola  L. 

Waldschiiejife. 

Scoloj}ax  rusticuki  L.:  Sa-inundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  13  (1905). 

Scolopax  rusiiciila,  L. ;  Sliarpo,  Cat.  Birds  Urit.  Mus.  XXIV,  p.  671  (1896).  — 
Naumanu,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  201  (1902). 

Isländisch:  Skögsnipa  (=  Waldschnepfe). 

Auch  Dan.:  Skovsncppe.     Hol!.:  Woudsnep. 

Scolopax  rasticola  bewohnt  die  jjaläarktische  Region,  soweit  sich  Wald  oder 
wenigstens  Buschgebicte  finden,  von  Großbritannien  bis  Japan.  Nordwärts  geht  sie  bis 
etwa  zum  Polarkreise  vor,  südwärts  brütet  sie  legelmäßig  nur  bis  zu  den  Pyrenäen, 
Alpen,  dem  Balkan,  Kaukasus  und  Himalaya  hinab.  Auch  bewot.nt  sie  die  nordwest- 
afrikanischen Inseln.  Im  Winter  besucht  sie  Südeuropa,  Nordafrika,  Indien,  China  und 
ganz  selten  auch  das  östliche  Nordamerika.  Auf  den  Färöern  hat  sie  sich  ausnahms- 
weise gezeigt,  von  Grönland  aber  ist  sie  noch  nicht  bekannt. 


Tringa  canutus. 


235 


In  Island  ist  die  Waldschnepfo  ein  seltner  Gast.  Nur  zwei  Mit- 
teilungen über  ihr  Auftreten  daselbst  liegen  zAir  Zeit  vor.  Im  Herbste  1897 
schoß  Fridrek  ]>orgrimsson  bei  Akureyri  (N.)  eine  ihm  unbekannte  Schnepfenart, 
die  er  als  Balg  zubereitete  und  die  später  von  dem  Botaniker  Stefan  Stefänsson 
in  Mödruvellir  zum  Ausstopfen  ans  Kopenhagener  Museum  gesandt  wurde. 
Als  ich  Herrn  Stefdnsson  des  Vogels  wegen  aufsuchte,  hatte  er  diesen  noch 
nicht  zurückerhalten.  Später  erfuhr  ich,  daß  es  sich  dabei  um  eine  Scolopa.v 
rust'n-ola  gehandelt  habe,  die  jetzt  präpariert  nach  Island  zurückgegangen  ist. 
B.  ScTmundsson  erhielt  ein  weiteres  Exemplar  der  Waldschnepfe  durch  Konsul 
Zimsen  in  Reykjavik.  Dieses  war  in  den  ersten  Tagen  des  Dezembers  1903  im 
Biskupstungur  (SW.)  tot,  aber  ganz  unbeschädigt  gefunden  worden  (1.  c,  S.  14). 

73.  Tringa  canutus  L. 

Isländischer  Strandläufer, 

Tringa  cinerea  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  '27  (1822).  —  Tringa  canuta  L.: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  8.402(1862).  —  Tringa  canutus  Linn.:  Newton, 
in  Barinof-Croulds  Iceland,  p.  412  (1863).  —  Tringa  islandica  L.:  Gröndal,  Islenzkt 
fLiglatal.  bis.  41  (1895).  —  Tringa  canuttis,  Linn.:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  100  (1901). 
—   ScTemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  14  (1905). 

Tringa  canutus,  L. :  CoWin,  Skandinaviens  Fiigle.  S.  499  (1877).  -  Sharpe,  Cat. 
Birds  lirit.  Mus.  XXIV,  p.  593  (1896).  —  Wingc,  Grenlands  Fugle.  S.  167  (1898).  — 
Naumann,   Vögel  31itteleuropas  VIII,  S.  239  (1902). 

Isländisch:  Kaudbrystingur  (=  Rotbrüstiger). 

Auch  deutsch:  Rotbrüstiger  Strandläufer.     Dan.:  Redbrystet  Ryle. 

Tringa  canutus  brütet  zirkurapolar  in  hohen  nördlichen  Breiten.  So  wohlbekannt 
aber  der  Vogel  zur  Zugzeit  ist,  so  wenig  weiß  man  bis  jetzt  über  sein  Brutgeschäft. 
Man  fand  Eier  oder  Dunenjunge  in  verschiedenen  l-Jegenden  des  arktischen  Amerikas, 
z.  B.  in  Nordgrönland,  Grinnell-Land,  an  der  Cambridge- Bai,  an  der  Hundson-Bai 
angeblich  bis  55°  hinab,  auf  der  Melville  -  Halbinsel  und  Melville -Insel,  auf  Alaska, 
in  Asien  mit  Sicherheit  nur  auf  der  Taimyr- Halbinsel.  Nehrkorii  besitzt  ein  Ei  aus 
Lappland,  das  unsrer  Art  angehören  soll  (Katalog  S.  217,  Nr.  3062.  1899),  aber  höchst- 
wahrsclieinlich  falsch  bestimmt  ist.  Auf  dem  Zuge  trifft  man  die  Vögel  unter  anderem 
an  den  Küsten  Norwegens  bis  zum  Nordkap  hinauf,  an  den  Britischen  Insolu  und  auf 
den  nördlich  davon  liegenden  kleineren  Gruppen  bis  zu  den  Färöern.  Auf  Spitzbei-gen 
dürften  sie  nur  seltene  Gäste  sein.  Südwärts  scheint  l'ringa  canutus  bis  in  die  antarktischen 
Gebiete  vorzudringen.  Plate  fand  ihn  im  Februar  1895  gemein  auf  Feuerland  (Schalow, 
Zool.  Jahrbücher,  Suppl.  IV,  3.  Heft,  S.  660.  1898).  Kuschel  erhielt  aus  Südpatagonien 
2  Eier,  die  er  zufolge  der  Mitteilungen  des  zuverlässigen  Sammlers  und  nach  Literalur- 
vergleichen  als  unserer  Art  angehörend  bestimmte.  Herr  Polizeirat  Kuschel  ordnete  sie 
deshalb  in  seiner  vortrefflichen  Sammlung,  die  sich  jetzt  im  Dresdener  Zoologischen 
Museum  befindet,  als  solche  von  T.  canutus  ein.  Ich  halte  dies  nicht  für  richtig,  schon 
da  die  3Iaße  —  35.1  x  24,6  mm  (0,65  g)  und  3  1,5^<  23,8  (0,^5)  —  für  unsere  Art  viel 
zu  gering  sind  und  zur  Zeit  keine  einzige  Vogelspezies  bekannt  ist,  die  gleichzeitig 
in  der  arktischen  und  antarktischen  Region  brütet,  ohne  subspezifisch  abzuändern. 

In  Island  gehört  uuser  Strandläufer  zu  den  nicht  häufigen  Durcli- 
zugsvögeln,  die  besonders  im  Mai  und  August-September  die  Insel  berühren. 
Newton  beobachtete  Ende  Mai  1858  eine  große  Schar  bei  Kirkjuvogr  (SW.), 
die  freilich  nach  einer  Woche  zum  Hauptteile  verschwunden  war,  Gröndal 
am  14;  Mai  1886  einen  Trupp  von  mehreren  hundert  Exemplaren  auf  einer 
nackten  Felseninsel  in  der  Nähe  von  Reykjavik  (Ornis  II,  S.  Gll).  ich  selbst 


236  Triiipa  camitiia. 

eine  Schar  von  etwa  30  Stück  am  8.  Mai  am  Strande  bei  Reykjavik,  die 
sich  ziemlich  scheu  zeif>ften.  Nach  J.  V.  Havsteen  und  anderen  soll  der  Vo^ifel 
am  häutigsten  die  Westküste  besuclien,  in  Nordisland  aber  nur  unbeständig 
auftreten  (Mündl.  Mitteilung),  Nielsen  kennt  ihn  als  Durchzügler  für  die 
Gegend  von  Eyi'iH'bakki  (in  litt.),  Thienemann  traf  ihn  auf  der  Insel  Papey 
(0.,  Reise  S.  299).  Immerliin  ist  die  Art  ziemlich  bekannt  und  deshalb  wahr- 
scheinlich nicht  allzu  selten. 

Gröndal  meint,  daß  der  isländische  Strandläufer  zum  Teil  Standvogel 
auf  unsrer  Insel  sei,  weil  man  ihn  auch  im  Winter  gelegentlich  an  den 
Küsten  beobachte  (Ornis  II,  S.  36).  S;emundsson  berichtet  tatsächlich,  daß  ein 
großer  Schwärm  der  Vögel  auf  einer  kleinen  Insel  bei  Reykjavik  gegen 
Neujahr  1902  bemerkt  wurde,  von  denen  er  eins  (tot  oder  lel)endig?)  zu. 
sehen  bekam  (1.  c).  Unseren  jetzigen  Kenfitnissen  zufolge  dürften  derartige 
Exemplare  freilich  hochnordische  Gäste  sein,  die  ihr  Winterquartier  schon 
in  Island  aufschlagen. 

Als  Brutvogel  scheint  die  Art  nur  in  geringer  Zahl  oder  überhaupt 
bloß  unregelmäßig  in  Island  zu  bleiben.  Faber  vermutet,  daß  sie  auf  den 
hohen  Bergebeuen  im  Innern  brüte,  fand  aber  niemals  selbst  ein  Nest. 
Thienemann  sagt,  daß  die  Vögel  während  des  Sommers  die  öden  Strecken 
des  Landes  bewohnen.  Er  will  ein  Gelege  der  Art  von  4  Stück  aus  dem 
Ostlaude  erhalten  haben,  das  man  in  einem  dünnen  Grasbusche  ohne  sonstige 
Nestunterlage  fand  (Reise,  S.  299).  Eins  dieser  Eier  dürfte  es  sein,  das^ 
sorgfältig  als  Tiinga  camitiis  beschrieben,  sich  jetzt  in  meiner  Sammlung 
befindet.  Es  zeigt  eine  Größe  von  42  x  29,8  mm  und  ein  Gewiciit  von  0,9  g 
und  scheint  richtig  bestimmt  zu  sein.  Doch  hat  kein  Ornitholog  selbst 
jemals  den  Vogel  in  Island  brütend  gefunden.  Auch  P.  Nielsens  Angaben 
sind  nicht  einwandfrei.  Er  glaubt  nämlich,  dreimal  die  Eier  des  isländischen 
Strandläufers  erhalten  zu  haben.  Der  1.  Fund  vom  26.  Juni  1884,  ein  Ei 
mit  vollständig  entwickeltem  Embryo  von  Kaldadarnes,  zeigt  eine  Größe 
von  nur  34x25  mm  und  dürfte  hiernacli  keinesfalls  unsrer  Art  augehören. 
Ferner  wurden  zwei  fragliche  Eier  am  21.  Juni  1888  bei  Hamar,  etwas 
östlich  von  Eyrarbakki,  gesammelt.  Sie  haben  eine  Größe  von  39.8  x  30 
und  39,2x29,2  mm  und  könnten  darnach  wirklich  von  unserm  Vogel  herrühren. 
3  weitere  Eier  bekam  Nielsen  am  20.  Juni  1889  wieder  aus  der  Gegend 
von  Kaldadarnes ;  ein  Exemplar  des  Vierergelcges  war  zerbrochen.  2  davon 
befinden  sich  in  Walter  Raines  Sammlung  (Toronto,  Canada)  und  wurden 
von  diesem  in  Bird-Nesting  in  Northwest  Canada.  p.  187  (Toronto  1892), 
beschrieben  und  abgebildet,  ferner  besprochen  in  The  Oölogist  XXII,  p.  37 
(Albiou,  N.  Y.,  1905).  In  letzterein  Artikel  erwähnt  Raine  auch  ein  weiteres 
wahrscheinlich  echtes  isländisches  Gelege  von  7'.  canutus.  das  am  13.  Juni  1901 
gesammelt  wurde  und  sich  jetzt  im  Besitze  von  Wallis  (Weymouth,  England) 
befindet.  Leider  fehlen  Angaben  über  Maß  und  Gewicht  der  immerhin 
zweifelhaften  Eier.  Ein  nach  gewissenhaftester  Prüfung  als  echt  befundenes 
Gelege  besitzt  endlich  0.  Ottoßon  von  der  Insel  Hri'sey  im  Eyjafjördi-, 
gesammelt  am   17.  Juni  1898  (Zeitschr.  für  Oologie  XIV,  S.  45).     Die  von 


Arquiitella  iiiaritiina  maritima.  237 

H.  Goehel  ausgesprochenen  Zweifel  über  die  Echtheit  der  I':ier  (1.  c,  S.  IG^) 
sind  nicht  zu  teilen,  da  der  Verfasser  die  näheren  Umstände,  insbesondere 
die  örtlichen  Veriiältnisse,  weder  kennt,  noch  berücksichtigt  (vergl.  1.  c. 
XV,  S.  4  f.). 

Herr  Dr.  med.  Ottoßon  teilte  mir  über  die  Eier  folgendes  mit  (S.  auch  Ornith. 
Jalirbucii  1905,  S.  72).  Der  Sammler,  E.  Möller  mit  Namen,  der  leider  jetzt  gestorben 
ist,  hat  12—15  .lahre  sehr  sorgfältig  für  ihn,  vorher  schon  ebensolange  für  Apotheker 
Benzon  in  Kopenhagen  Eier  geliefert.  Er  kannte  T.  c<niutns  ganz  genau,  schrieb  aber 
wiederliolt.  der  Vogel  scheine  nicht  in  der  Gegend  zu  brüten,  da  er  dessen  Nest  mehr 
als  20  Jahre  vergebens  gesucht  habe.  Das  zuletzt  doch  beobachtete  Paar  war  sehr 
wenig  scheu.  Der  brütende  Vogel  entfernte  sich  nur  ungern  vom  Neste  und  gab  dann 
durch  Sträuben  der  Federn  und  Emporrecken  der  Flügel  seinem  Mißbehagen  Au.sdruck. 
Der  Sammler  erbeutete  ihn  nicht,  weil  er  hofifte,  ein  Nachgelege  erhalten  zu  können, 
wurde  aber  krank  und  starb,  sodaß  weiteres  unterblieb.  Mitunter  worden  in  Samndungen 
die  Eier  von  Arquntelln  niaritiina  als  solche  unsrer  Art  angesprochen.  Die  zahlreichen 
Gelege  dieses  Vogels  aber,  darunter  Eier  bis  41  mm  Länge,  die  der  Eetrefifende  von 
Hrisey  sandte,  bezeichnete  er  niemals  als  solche  von  T.  canutus.  Herr  Dr.  Ottoßon 
selbst  hat  mehr  als  100  Gelege  von  A.  maritima  in  allen  Variationen  besessen,  sagt 
aber,  daß  T.  canutus  -  hl'xev  nicht  mit  diesen  verwechselt  werden  könnten.  Sie  haben 
einen  ganz  andern  Typus.  Das  betreffende  Gelege  zeigt  folgende  Maße:  41,4x29  mm 
<0,97  g),  41,4x28,5  (0,93),  41x29.1  (0,925),  41x29  (0,89).  Charakteristisch  für  die 
Eier  ist  -zunächst  das  hohe  Gewicht,  das  bei  einer  bedeutenden  Serie  untersuchter 
Exemplare  von  A.  maritima  0,72  g  nicht  überschreitet,  als  Mittelgewicht  nur  etwa 
0,ö3  g  zeigt.  Charakteristisch  ist  ferner  die  Breite  der  Eier,  die  bei  A.  maritima  kaum 
28  mm  erreicht,  für  gewöhnlich  aber  25.5 — 27  mm  beträgt.  Noch  leichter  möglich  ist 
eine  Verwechslung  der  Eier  von  T.  canutus  mit  gewissen,  A.  maritima  -  üiern  sehr 
ähnlichen  Exemplaren  von  Gallinago  gallinago,  die  freilich  immer  noch  ein  geringeres 
Gewicht  besitzen.     Weitere  Arten  kommen  für  Island  kaum  in  Betracht. 

Es  dürften  somit  die  Brutplätze  unsrer  Art,  ebenso  wie  die  von 
A.  mavithna,  nicht  uur  im  Innern  Islands,  sondern  auch  auf  den  gras- 
bewachsenen Gestadeinseln  zu  suchen  sein,  wenngleich  das  zuletzt  besprochene 
Vorkommen  bloß  als  ein  ausnahmsweises  zu  betrachten  ist. 

74.  Arquatella  maritima  maritima  (Hrünn.). 
Meeres-Strandläufer. 

Tririga  maritima  (Brunn.):  Faber,  Prodromus,  S.  28  (1822).  —  Tringa  maritima 
Brunn.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  -101  (18«2).  —  Tringa  maritima  Gmcl: 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  412  (1863).  —  Tringa  maritima  Brunn.:  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  41  (1895).  —  Tringa  striata,  Linn.:  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  98  (1901). 

Tringa  maritima,  Brunn.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  502  (1877).  —  Arqua- 
tella m,aritima  (Gm.) :  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  578  (1896).  —  Tringa 
maritima  Brunn,  typica:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  164  (1898).  —  Tringa  maritima 
Brunn.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas   VIII,  S.  230  (1902). 

Isländisch:  Sendlingur  (von  sandr  =  Sand,  also  Sandbewohner),  Zusammen- 
ziehung davon  Selningur;  im  Sommer  Fjallafaelur  (=  ein  vom  Gebirge  Vertreibender, 
wegen  der  Angst,  die  er  am  Neste  zeigt). 

Arquatella  maritima  maritima  bewohnt  die  nördlichen  Gebiete  zwischen  Nordost- 
amerika und  dem  mittleren  Teile  der  nordasiatischen  Küste.  Sie  brütet  an  der  west- 
lichen Davis-Straße,  in  allen  Teilen  Grönlands,  im  nördlichsten  Europa,  auf  der 
Bären-Insel,  auf  Spitzbergen,  Franz-Joseph-Land,  Waigatsch,  Nowaja  Semlja  und  in  den 


238  Arquatella  iiiuritinia  iiinritima. 

sibirischen  Küstengegenden  bis  zur  Taimyr-Halbinsel.  Auf  dem  Zuge  besucht  sie  den 
Nordatlantischen  Ozean,  unter  anderem  die  Färöer,  die  Britischen  Insehi  und  die  übrigen 
Nordseegebiete.  Südwärts  geht  sie  bis  zum  Mittelmeerc,  den  Azoren  und  Bennuda- 
Inseln  hinab,  soll  sogar  in  Südafrika  erlegt  worden  sein.  Im  Nordj)azifischon  Ozcau 
und  der  sich  anschließenden  arktischen  Hegion  wird  sie  durch  A.  m.  conesi  Ridgw.,  auf 
den  Prybilov-lnseln  im  Barings-Meere  durch  .4.  m.  ptilocnemis  (Coues)  vertreten.  Die 
genaueren  Verbreitungsgrenzeii  der  einzelnen  Subspezies  sind  noch  ungenügend  bekannt. 

In  Island  ist  der  Meeresstrandläufer  ein  verbreiteter  Brutvogel, 
der  im  Sommer  sowohl  die  Gestadeiiiseln,  von  Grimsey  bis  zu  den  Yest- 
mannaeyjarn,  als  aucli  einsame,  aber  reichlich  bewässerte  Bergebenen  im  Inn(M-n 
bewohnt.  Außerhalb  der  Fortpflanzungszeit  hält  er  sich  am  Meeresstrande  auf 
und  wird  dann  scharenweise  an  allen  Küsten,  besonders  im  südlichen  Teile 
der  Insel,  getroffen. 

4  (S  fid.  meiner  Sammlung,  in  der  Zeit  vom  30.  April  bis  5.  Mai  bei  Keykjavik 
erlegt,  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl. :  74— 80  g.  Uesamtlänge  i.  Fl. :  185 — 202  mm. 
Flugbreite :  380— 400.  Flügel:  127  — 129.  Schwanz  :  67— 72.  Schnabel:  29— '^2.  Tarsen: 
22 — 22,5.  JHIittelzehe  inkl.  der  4 — 5  mm  langen  Kralle:  25 — 27  mm.  —  5  ?  ad.,  ebenda. 
Gewicht  i.  FL:  80— 95  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.:  203—225  mm.  Flugbreite:  400—405. 
Flügel:  126— 131.  Schwanz:  67— 70.  Schnabel:  32— 34.  Tarsen  :  22— 23.5.  Mittelzehe 
inkl.  der  4—5  mm  langen  Kralle:  26 — 28.  — •  Iris:  dunkel  schwarzbraun.  Schnabel: 
rötlich-  oder  grünlichschwarz,  Oberschnabel  am  Grunde  ziemlich  lebhaft  rötlichgelb, 
Unterschnabel  mehr  grünlichgelb.  Tarsen:  rötlichgelb,  Gelenke  und  Zehen:  grünlich- 
gelb. —  Mageninhalte:  Bedeutende  Mengen  kleiner  iMiesmuscheln  {Mytilus  edulls)  bis 
zur  Länge  von  6  mm,  zumeist  von  etwa  3  mm  Länge,  ferner  sehr  feste  kleine  Spindeln 
von  Schnecken,  scheinbar  Littoriniden,  sowie  einige  vollständig  erhaltene  2  mm  lange 
Littoriniden  (W.  Baer). 

Die  Hauptmenge  der  isländischen  Meeresstrandläufer  scheiuen  Stand- 
vögel im  weiteren  Sinne  zu  sein.  Ich  traf  sie  als  häufigste  Art  der  Familie 
zur  Frühjahrszeit  an  allen  von  mir  besuchten  Küsten,  besonders  zahlreich  in 
der  Umgebung  von  Reykjavik.  Die  Vögel  sind  fast  immer  recht  zutraulich, 
sodaß  man  gewölmlich  ohne  Mühe  auf  bequeme  Schrotschußnähe  an  sie 
herankommt.  Selbst  wenn  man  einen  oder  einige  von  ihnen  erlegt  liat, 
fliegen  die  andern  kaum  weit  davon.  Wiederholt  konnte  ich  auch  beobachten, 
wie  etliche  Exemplare  von  Totanus  totanus,  Aeglaiitis  hiatinda  oder  Ilaematopns 
ostralegns,  die  sich  einem  Schwärme  von  Meeresstrandläufern  angeschlossen 
hatten,  bei  meiner  Annäherung  laut  rufend  davonflogen,  w^ährend  unsere 
Vögel  ruhig  sitzen  blieben.  Trifft  man  ein  Individuum  der  Art  ganz  allein 
für  sich,  so  läßt  es  den  Menschen  mitunter  bis  auf  wenige  Meter  heran- 
kommen. 

Wenn  das  Meer  zur  Zeit  der  Flut  steigt,  drängen  sich  die  geselligen 
Vögel  auf  großen  Felsblöcken  inmitten  des  Wassers  oder  auch  am  Strande 
zusammen,  zeigen  sich  dann  stundenlang  recht  träge  und  wenig  beweglich 
und  ordnen  höchstens  das  Gefieder.  Oft  verharren  sie  halbe  Tage  an  dem- 
selben Platze,  wobei  sie  nur  ab  und  zu  ein  leises  kurzes  Tut,  Tit  hören 
lassen.  Wenn  Ebbe  eintritt,  werden  die  Vögel  lebendig,  klettern  hurtig  auf 
dem  Strandgeröll  umher,  das  oft  mit  Tangen  dicht  bewachsen  ist,  hüpfen 
von  einem  Steine  zum  andern,  wobei  sie  die  Flügel  nur  wenig  benutzen, 
und  lesen  eifrig  die  kleinen  Seetierchen  ab,  die  ihnen   das  Meer  in  reicher 


Arquatella  maritima  maritima.  239 

Fülle  zurückgelassen  hat.  Da  unsere  Strandläufer  nicht  wählerisch  in  ihrer 
Nahrung  sind,  finden  sie  den  Tiscli  immer  gedeckt,  weshalb  sie  sogar  im 
Prühjalire  gewölmlich  eine  ansehnliche  Fettschicht  unter  der  Haut  tragen. 
Ist  der  größte  Hunger  gestillt,  fangen  sie  an,  sich  spielend  zu  zanken. 
Häufig  hört  man  dann  ihren  Lockruf,  der  mitunter  ganz  tinkenartig  klingt 
und  sicli  ab  und  zu  in  ein  schnurrendes,  nicht  besonders  lautes  Trillern 
verwandelt.  Kommt  man  den  Vögeln  nälier,  so  verstecken  sie  sich  hinter 
den  Steinen,  laufen  auch  zwischen  diesen  weiter  und  entziehen  sich  dadurch 
oft  genug  den  Blicken,  wobei  ihnen  das  unscheinbare  graue  Kleid  wohl 
zustatten  kommt.  In  größeren  Schwärmen  fliegen  sie  leichter  auf  und  lassen 
dabei  unwillige,  rauhe  Tschrididi  hören,  die,  von  einer  bedeutenden  .Menge 
hervorgebracht,  eine  Art  Gezwitscher  ergeben.  Helle,  laute  und  flötende 
Töne,  wie  sie  Totaims  totannn  z.  B.  hat,  hörte  ich  nie  von  unsrer  Art.  Meist 
fliegen  die  Vögel  in  dichtem  Schwärme  über  das  Meer,  schwenken  einige 
Male  in  der  Luft  umher  und  fiillen  endlich  am  Strande  wieder  ein.  Der 
Flug  ist  rasch  und  gewandt;  doch  sah  ich  die  Vögel  weit  seltner  freiwillig 
sich  in  der  Luft  bewegen,  als  andere  ihrer  Verwandten.  Von  allen  euro- 
päischen Strandläufern  halte  ich  AiqnateUa  inariüina  für  die  phlegmatischste 
Art.  Dieser  Liebe  zur  Bequemlichkeit  ist  es  wohl  auch  zuzuschreiben,  daß  man 
unsern  Vogel  nicht  selten  kurze  Zeit  schwimmen  sieht.  Wird  er  etwa  von  einer 
Welle  erfaßt,  so  läßt  er  sich  ruhig  vom  Wasser  tragen,  ohne  seine  Flügel 
zu  gebrauchen,  vielleicht  daß  die  nächste  Woge  ihn  ja  wieder  am  Lande 
absetzt.  Wenn  freilich  ein  Stein falke  sich  zeigt,  geht  Leben  durch  die 
Schar  unsrer  Straudläufer.  Unklugerweise  locken  sie  eifrig,  fliegen  und 
laufen  unruhig  umher  und  ducken  sich  bei  Annäherung  des  Vogels  zwischen 
den  Steinen.  Eins  oder  das  andere  fährt  aber  doch  angsterfüllt  heraus, 
wenn  der  Räuber  diclit  über  dem  Boden  hinstreicht,  ein  blitzschneller  Stoß 
und  darauf  gellendes  Siegesgeschrei. 

Im  Mai  begeben  sich  die  Paare  nach  ihren  Brutplätzen.  Diese  sollen 
sich  zumeist  auf  ödeu,  steinigen  Hochebenen  im  Innern  der  Insel  befinden, 
wo  freilich  Quellen  und  Tümpel  vorhanden  sein  müssen.  Nach  solchen 
Gegenden  kommt  man  nicht  allzu  oft.  Ich  selbst  traf  unsere  Vögel  nur 
einmal  an  derartigem  Platze  und  zwar  kaum  höher  als  2 — 300  ra  über  dem 
Meere  bei  Stserri  Ärskögi  im  Gebiete  des  Fyjafjördrs.  Doch  beobachtete 
ich  mehrere  Brutpaare  bei  Hjalteyri,  sowie  auf  Grimsey.  Ziemlicli  häufig 
brütet  der  Meeresstrandläufer  auch  auf  kleinen  grasigen  Küsteninseln.  Von 
Hrisey  im  p]yiafjördr  z.  B.  erhielt  Ottoßou  viele  Gelege,  in  einigen  Jahren 
über  10  (in  litt.),  und  mir  selbst  wurden  Eier  von  dort  gebracht.  Gewöhnlich 
benehmen  sich  unsere  Vögel  am  Neste  so  still  und  vorsichtig,  daß  diesem 
schwer  zu  finden  ist  und  wahrscheinlich  oft  übersehen  wird.  Meist  brüten 
etliche  Paare  in  weiterer  Nachbarschaft.  Eigentliche  Kolonien  bilden  sie 
indes  nicht.  Das  Nest  findet  sich  wohlvcrborgen  im  moosigen  Grase,  in 
einer  Erdvertiefung  oder  zwischen  Steiugeröll  und  besteht  gewöhnlich  nur 
aus  wenigen  Pflanzenstoflfen  und  einigen  Federn.  Es  wird  manchmal  bloß 
durch  Umknicken  und  Niederdrücken  der  umgebenden  Halme  gebildet,  mit- 


240  Arquati'lla  niaritinm  iiiarilima. 

unter  freilich  auch  dichter  ausgepolstert.  Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  in 
der  Regel  im  Juui.  In  den  Küsteugegenden  des  Nordlandes,  von  wo  sie 
OttoÜon  außer  von  Hrisey  auch  von  Akureyri,  Blönduös  und  Skagaströnd 
erhielt,  ebenso  auf  Grimsey,  findet  man  sie  gewöhnlich  in  der  ersten  Hälfte 
des  Monats,  in  den  höheren  Lagen  wohl  auv-h  noch  später.  7  Gelege  vom 
Norden  stammen  aus  der  Zeit  vom  6. — 22.  Juni;  das  letzte  war  freilich 
schon  mittel  bebrütet.  Faber  traf  am  22.  Juni  1821  ein  Männchen  mit 
seinen  schon  8  Tage  alten  Jungen,  woraus  hervorgeht,  daß  die  Eier  dieser 
Brut  bereits  Ende  Mai  gelegt  wurden.  Ja  Thienemann  gibt  als  Zeit  sogar 
Mitte  Mai  an  (Reise,  S.  9G),  was  vielleicht  für  die  geschützteren  Gebiete 
des  Südlandes  Regel  seiu  dürfte.  Das  Normalgelege  besteht  aus  4  Stück; 
nicht  selten  werden  aber  auch  bloß  3  Eier  gefunden. 

2  isländische  Gelege  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  42  x  27.2  mm 
(0,67  g),  41x27,2  (0,68),  39,8x27,2  (0,69),  39x27,5  (0,70).  —  38.5x27,5  (0,65), 
38x27  (0,62),  37,5x27  (0.62),  37.2x26.8  (0,60).  Einige  weitere  der  Sammlung 
Ottoßon:  39,1x26,5  (0.60),  38,6x26,9  (0,60),  38x26,9  (0,61),  37.7x27  (0,62).  — 
38,7  X  26,7  (0,68),  38,1  x  27,2  (0,70),  36,3  x  26,5  (0,60),  36  x  26,4  (0,59).  --  35,8  x  25,5 
(0,63),  35.4x25,6  (0,64),  35,1x26,2  (0,63),  35,1x26,2  (0,65).  —  39,3x27  (0.68), 
38,4x26,8  (0,68),  37,7x27,6  (0,72),  37,4x27,7  (0,71).  —  Jlittelgröße  von  mehr  als 
100  Eiern:  37,7x26,8;  Mittelgewicht  0,65  g.—  Sie  wiegen  voll  c.   14  g. 

Das  Weibchen  brütet  nach  Paber  etwa  16  Tage  auf  den  Eiern,  scheint 
aber  gelegentlich  vom  Männchen  dabei  abgelöst  zu  werden.  Die  Duuen- 
juugen  verlassen  das  Nest  sehr  bald  und  verstecken  sich  zwischen  Steine 
und  Pflanzen.  Wenigstens  anfänglich  liegen  sie  außerordentlich  fest  und 
sind  kaum  zum  Fortlaufen  zu  bewegen.  Die  Alten  benehmen  sich  nun  noch 
zutraulicher  als  im  Frühjahre.  Auf  Grimsey,  wo  freilich  nur  wenige  Paare 
brüten,  ließen  sie  mich  auf  3 — 4  m  herankommen,  stellten  sich  daun  auf 
einen  Stein,  sti-eckten  Hals  und  Kopf  in  die  Höhe  und  lockten  eifrig,  ver- 
schwanden aber  oft  flatternd  und  laufend  im  Felsgeröll,  um  sich  ebenfalls 
zu  verbergen.  Kommt  man  in  unmittelbare  Nähe  der  Jungen,  werden  die 
Alten  aufs  äußerste  besorgt,  sträuben  die  Federn,  trippeln  lockend  umher, 
bücken  sich  tief  zur  Erde  und  kriechen  sogar  flatternd  am  Boden  hin.  Beide 
Vögel  des  Paares  führen  die  Nachkommenschaft.  An  ihrem  ängstlichen 
Benehmen  unterscheidet  man  die  Brutvögel  leicht  von  denjenigen  Individuen, 
die  nicht  zur  Fortpflanzung  schreiten  und  sich  auch  im  Sommer  scharenweise 
an  der  Meeresküste  aufhalten.  Solche  Vögel  verhalten  sich  ruhig,  sorglos 
und  ziemlich  still. 

Nach  3—4  Wochen  sind  die  Jungen  befledert  und  fangen  an  zu  fliegen. 
Wurden  sie  abseits  vom  Meere  erbrütet,  so  begeben  sich  die  Familien  im 
August  nach  geschützten  Fjorden  und  an  sandige,  flache  Straudpartien.  Sie 
scharen  sich  allmählich  mit  anderen  Artgenosseu  zusammen  und  bilden  oft 
Schwärme  von  vielen  Hunderten,  die  an  den  Küsten  umherstreifen.  Es  ist 
anzunehmen,  daß  ein  Teil  der  Vögel  Island  im  Herbste  verläßt.  Doch  werden 
die  entstehenden  Lücken  durch  nordische  Zuzügler  ausgefüllt.  Von  allen 
Straudläufern  ist  unsere  Art  auch  im  Winter  am  zahh'eichsteu  an  den  Küsten 
Islands  anzuti'effen. 


Aiicylochcilus  fernigineiis.  Oj.i 

Ancylocheilus  ferrugineus  (Bnimi.). 
Bügeuschiulbliger  Stnmdläufer. 

Tringa  subarquata:  Newton,  Ibis  VI,  p.  132  (I864j.  —  Truiya  suburquatd  ((liild.j: 
JSlater,  Birds  of  Iceland,  p.  98 -(1901). 

Ancylochihis  mbarquatus  ((.TÜld.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Bv\i.  .Mus.  XXIV,  p.  ')SH 
(1896).  —  Tringa  subarcuata  (Güld.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VIII.  S.  2ü.'3  (1902). 

Isländisch:  Bognefjud  Tita  (tita  bedeutet  ursprünglich  einen  schmalen,  dünnen 
Gegenstand). 

Auch  dän.:  Krumnacbet  Strandlober.  Norw. :  Kruranfebbet  Strandvibc.  Schwed.: 
Bägnäbbad  Strandvipa.     Holl.:  Krombeck  Strandlooper. 

Ancylocheilus  ferrugineus  ist  eine  arktische  Spezies,  deren  sichci-e  IJrutpUitzo 
man  zur  Zeit  nur  in  einigen  Örtlichkeiten  des  nördlichsten  Sibiriens,  besonders  auf 
der  Taiuiyr-Halbinsel,  gefunden  hat.  Auf  dem  Zuge  dagegen  besucht  sie  die  Küsten- 
gebiete der  meisten  Länder  der  Erde  mit  Ausnahme  Amerikas,  wo  sie  nur  im  nörd- 
lichen Teile  beobachtet  wurde.  Ins  Innere  der  Kontinente  begibt  sie  sich  seltner. 
Regelmäßig  kommt  sie  unter  anderem  an  die  Küsten  der  Nordsee.  Auf  den  Färöern 
und  in  Grönland  hat  man  sie  aber  noch  nicht  erbeutet. 

Für  Ishmd  ist  das  gelegentliche  Vorkommeu  des  bogeuschnäbligen 
Strandläufers  zwar  nicht  unwahrscheinlich,  zunächst  aber  nicht  mit  völliger 
Sicherheit  bestätigt.  Die  einzige  Nachricht  brachte  Newton.  Er  teilte 
nämlich  mit  (1.  c),  daß  der  in  der  Ornithologie  Islands  wohlbekannte  Proctor 
mehrere  Bälge  von  Tringa  subarquata  aus  Island  erhalten  habe.  Herr  Professor 
Newton  ist  zwar,  wie  er  mir  auf  meine  diesbezügliche  Anfrage  hin  freundlichst 
schrieb,  von  der  Gewissenhaftigkeit  des  Verstorbenen  völlig  überzeugt,  hat 
aber  vor  langer  Zeit  bei  dem  betreffenden  Artikel  in  seinem  Handexemplare 
selbst  eine  Bemerkung  gemacht,  auf  deren  Bedeutung  er  sich  heute  nicht 
mehr  entsinnt,  die  ihm  aber  die  Richtigkeit  seiner  damaligen  Angabe  doch 
als  fraglich  erscheinen  läßt. 

75.  Palidna  alpina  schinzii  (Brehm). 
Kleiner  Alpenstrandläufer. 

Tringa  alpina  (Liun.):  Faber,  Prodromus,  S.  29  (1822).  —  Trinya  variabilia  &, 
Tringa  Schinzi:  Preyer  (&  Zirkel),  ßeise  nach  Island.  S.  401  und  402  (18(i2).  —  Trhiya 
alpina  Liun.  &  Tringa  sc-Am^i;  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  413  (18ö3).  —  Tringa 
alpina  L.  &  7Vm^rt  St7</nzJi  Brehm :  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  41  (1895).  —  Tringa 
alpina,  Linn.  &  Tringa  schinzii  Br. :  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  96  (1901). 

Tringa  cinclus,  L.:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  506  (1877).  —  Pelidna  alpina 
(L.)  &  Pelidna  schinzi  (Brehm) :  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  602  and  606 
(1896).  —  Tringa  alpina  L.:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  169  (1898).  —  Tringa  alpina  h. 
&  Tringa  alpina  Schinzi  (Brehm):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VIII.  S.  205  und 
217  (1902). 

Isländisch:  L6u}7raell.  ältere  Form  Löpr.-^U  (von  Loa  =  Charadrius  apricarius 
und  vra-ll  =  Knecht,  Diener,  weil  beide  Arten  vielfach  in  Gesellschaft  gesehen  werden), 
seltner  im  Nordosten  Heidarlnepa  (von  heidi  =  Heide  und  Isepa  =  laupa  =  laufen). 

Palidna  alpnna  besitzt  eine  bedeutende  zirkumpolare  Verbreitung.  Inwieweit 
aber  die  aufgestellten  Subspezies  als  geographische  Formen  Berechtigung  haben,  ist 
noch  ungenügend  gekläi-t,  zumal  der  Hauptteil  des  bisher  berücksichtigteu  Vergleich- 
materials aus  Zug-,  nicht  aus  Brutvögeln  besteht.  Das  nördliche  Amerika  und  Ost- 
sibirien,   bis   etwa   zu    den    Neusibirischen   Inseln   hin,   wird   von   P.  a.  pacifica  (Coues) 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands. 


24-2  J'alidiia  alpiii.a  schinzii. 

bewoliiif.  Dieser  großen  K«rni  scbiint  sich  tliucli  Asien  westwärts  F.  a.  alpina  (L.) 
anzuschließen,  endlich  als  Brutvogel  des  westlichen  Europas  P.  a.  schinz'd  (JBrehra). 
Leider  steht  mir  kein  genügendes  Material  von  europäischen  Brutvögeln  zur  Ver- 
fügung, um  die  Berechtigung  der  beiden  letzteren  Subspezies  zu  prüfen.  —  In  Europa 
finden  sich  Brutplätze  von  Falidna  alpina  besonders  in  Nordrußland,  in  den  Ostsee- 
gebieten, in  Skandinavien,  Dänemark,  an  den  deutschen  Küsten  der  Nordsee,  auf  den 
Britischen  Inseln,  den  Hebriden,  Shetland-,  Orkney-Inseln  und  Färöern,  sowie  auf  Jan 
31ayen.  Nordwärts  scheint  unsere  Art  den  75.  Grad  nur  ausnahmsweise  zu  überschreiten. 
Auf  Spitzborgen  ist  sie  nur  einmal  angetroffen  worden.  Üb  die  bes(jnders  im  östlichsten 
Ostgrönland,  seltner  auch  in  Westgrönland  brütenden  Alpcnstrandläufer  einer  europäischen 
oder  der  amerikanischen  Basse  angehören,  ist  noch  zweifelhaft.  —  Im  Winter  streift 
Palidna  alpina  südwärts  bis  zu  den  Sunda- Inseln,  Indien,  Deutsch- Ostafrika,  den 
Kanarischen  Inseln  —  die  amerikanische  Form  bis  Westindien. 

In  Island  gehört  der  Alpenstrandläufer  zu  den  häufigen  Brut  vögeln. 
Er  bewohnt  im  Sommer  die  grasbewachsenen  Hügellandschaften,  Hochmoore 
und  Heiden,  am  liebsten  solche,  die  Bäche,  Wassergräben,  Teiche  oder  auch 
das  Meer  in  der  Nähe  haben.  Außerhalb  dieser  Zeit  hält  er  sich  an  den 
Küsten  auf.  Er  ist  über  die  ganze  lusel  verbreitet  und  wegen  seiner  geringen 
Scheu   doppelt   gut  bekannt,  jedoch  nicht  überall   in  gleicher  Weise  häufig. 

Die  isländischen  Alpenstrandläufer  gehören  zu  Palidna  alpina  schinzii,  welche 
Form  ich  gerade  deshalb  anerkenne,  weil  ich  in  Island  niemals  eine  andere  sah.  Schon 
Slater  hebt  hervor,  daß  auf  unsrer  Insel  die  kleine  Rasse  brüte  (1.  c).  Ich  habe 
10  Stück  der  Vögel  tot  untersucht,  6  davon  vollständig  präpariert  in  meiner  Sammlung, 
eine  weit  größere  Anzahl  außerdem  in  Nordisland  und  Grimsey  wenige  Meter  vor  mir 
lebendig  beobachtet  und  als  völlig  übereinstimmend  mit  den  präparierten  Exemplaren 
erkannt.  Ob  allerdings  1'.  a.  schinzii  in  Stimme  und  Wesen  von  P.  a.  alpina  abweicht, 
wie  Naumann  u.  a.  behaupten,  konnte  ich  aus  Mangel  an  unmittelbarem  Vergleiche 
nicht  feststellen.  —  Auch  bei  unserer  Art  ist  das  Weibchen,  wie  bei  den  meisten  Strand- 
läufern, größer  und  etwas  blasser  gefärbt.  Das  Schwarz  der  l.^nterseite  im  Sommer- 
kleide hat  geringere  Ausdehnung;  die  Fleckung  der  Kropfgegend  ist  zarter.  Selbst  im 
Freien  vermag  man  das  Geschlecht  unschwer  zu  bestimmen.  Am  toten  Vogel  erkennt 
man  das  Weibchen  zur  Zeit  des  Eierlegens  natürlich  außerdem  noch  an  der  kahlen, 
angeschwollenen  und  bedeutend  erweiterten  Aftergegend.  Der  im  Leben  weiche,  glatte 
und  biegsame  Schnabel  ist  erheblich  nach  abwärts  gesenkt,  der  Oberschnabel  weit  mehr 
gebogen  als  der  Unterschnabel,  aber  so  elastisch,  daß  er  sich  diesem  beim  Schließen 
anlegt.  Der  Schnabel  des  lebenden  Vogels  zeigt  keinerlei  Längsfurchen  oder  höchstens 
von  den  Nasenlöchern  aus  eine  kurze  Andeutung  derselben.  Doch  ist  die  Wulst  am 
Schnabelgrunde  weit  auffälliger  als  am  getrockneten  Balge. 

5  (5  ad.  von  Hjalteyri,  davon  4  in  meiner  Sammlung,  sichere  Brutvögel  aus  der 
Zeit  vom  28.  Mai  bis  22.  Juni,  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  42 — 48  g. 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  174— 180  mm.  Flugbreite:  c.  360.  Flügel:  106—109.  Schwanz 
(bis  zur  Spitze  der  3Iittelfedern) :  52 — 57.  Mittelfedern  überragen  die  nächstkürzeren 
Schwanzfedern  um  3 — 5  mm.  Schwanz  +  Elügel  (i.  Fl.  gem.):  10 — 11.  Schnabel  (von 
den  Stirnfedern  an):  26—30.  Tarsen:  22—23.  3iittelzehe  inkl.  der  3  — 5,5  mm  langen 
Kralle:  21 — 22  mm.  —  5  $  ad.,  sichere  Brutvügel,  wie  oben,  nur  2  Exemplare  in 
meiner  Sammlung,  die  andern,  weil  durch  den  Schuß  erheblieh  verletzt,  nur  im  Fleische 
gemessen.  Gewicht  i.  Fl.:  47 — 73  g  (das  bedeutende  Gewicht  besonders  durch  Ent- 
wicklung des  Eierstockes  und  ein  fast  legereifes  Ei  hervorgerufen).  Gesamtlänge  i.  Fl.: 
180—200.  Flugbreite:  c.  360— 365.  Flügel:  107-^110.  Schwanz:  55— 57.  Schnabel: 
31,5—32.  Tarsen:  23—24.  Mittelzehe  inkl.  der  4— 4,5  mm  langen  Kralle:  21  —  22,5  mm.— 
Iris:  dunkelbraun.  Schnabel  und  Füße:  schwarz,  gelegentlich  mit  schwach  bräunlichem 
Schimmer,  —  Mageninhalte:   winzig  kleine  Insekten  und  andere  Tierchen,  Sandkörner. 


Palidiiii  alpinu  schinzii.  243 

Preyers  „Trinya  Sch'mzi''  (1.  c),  die  er  am  IH.  .luiii  18HU  bei  Kcykjavik  seholi, 
ist  zweifellos  unser  Vogel  und  darf  keinesfalls,  wie  dies  l'reycr  freilich  selbst  tut.  mit 
Bonapartes  Tringa  schinzii  (=  T.  fuscicoUis  Vieill.)  verwechselt  werden.  Preyer  sagt 
ausdrücklich,  daß  er  denselben  Vogel  meine,  den  Naumann  als  Trinya  Schinzii  in 
seiner  Naturgeschichte  der  Vögel  Deutschlands  VII,  S.  453,  1834,  beschriebe.  Gewiß 
ist  dies  das  einzige  Exemplar  der  Art,  das  Preyer  überhaupt  in  Island  erlegte,  weshalb 
er  das  Vorkommen  der  größeren   T.  alpina  (=  Tringa  variahilis)  nur  vermutete. 

Der  Alpeustrandläufer  ist  ein  Zugvogel  für  Island,  der  im  Süden  der 
Insel  Mitte  bis  FJnde  April  erscheinen  soll.  Ich  sah  eine  Schar  von  etwa 
30  Stück,  die  noch  nicht  lange  angekommen  sein  konnten,  freilich  erst  am 
ö.  Mai  bei  Reykjavik.  Die  Vögel  liefen  eifrig  suchend  am  Strande  umher. 
Sie  sind  nicht  nur  unter  einander  sehr  gesellig,  sondern  schließen  sich  gern 
auch  verwandten  Arten  an.  In  der  Nähe  des  Meeres  beobachtete  ich  sie  den 
ganzen  Sommer  hindurch,  am  häufigsten  in  Gemeinschaft  mit  Ae(jialitis 
hialicida,  seltner  mit  Totanns  totamis,  Ilueinatopus  oder  Phalarojms.  Dem 
Menschen  gegenüber  benehmen  sie  sich  im  Frühjahre  viel  weniger  zutraulich 
als  später  am  Brutplatze.  Kommt  man  ihnen  näher,  so  erheben  sie  sich 
mit  lebhaftem  Dili  Didli.  Oft  verbinden  sie  auch  diese  Silben  zu  einem 
hohen,  äußerst  raschen  Triller,  der  besonders  am  Boden  ziemlich  lange  aus- 
gehalten wird.  Im  Abfluge  klingt  er  etwas  rauher  und  '  schnarrender: 
Schriii...  .  Überhaupt  kann  man  schon  im  Frühjahre  eine  bedeutende  Ver- 
schiedenartigkeit der  Stimmlaute  kennen  lernen.  Nicht  selten  hört  man 
in  der  Luft  das  warnende  Tot  Tot  oder  das  unwillige  Tütütü....  Der  Flug 
unsrer  Vögel  ist  rasch,  mitunter  sogar  äußerst  schnell  dahinsausend.  Der 
ganze  Schwärm  läßt  sich  gemeinsam  nieder,  läuft  etwas  in  die  Breite,  erhebt 
sich  gleichzeitig  und  drängt  sich  beim  Fliegen  wieder  eng  zusammen. 

In  der  2.  Hälfte  des  Mai  kommen  die  Alten  nach  ihren  Brutplätzen. 
Die  weiten  Graslaudschaften,  die  hier  mit  Sümpfen  und  Wasserlachen,  dort 
mit  trocknen  Heidestriehen  und  Kiesflächen  abwecliseln  und  von  den  unzähligen 
kleinen  Hügeln  bedeckt  sind,  bieten  ihnen  zum  Sommeraufenthalte  will- 
kommene Nahrung  und  geschützte  Nistorte.  Die  Nähe  menschlicher  Wohnungen 
scheuen  sie  nicht.  Die  Vögel  bilden  zwar  kleine  Brutkolonien,  bevölkern 
aber  ein  geeignetes  Gebiet  gewöhnlich  in  einer  größeren  Anzahl  von  Paaren. 
Vom  23.  Mai  beobachtete  ich  im  Nordlande  die  Alpenstrandläufer  im  Nist- 
bezirke, den  sie  fast  stets  mit  Charadrlns  apricanus  teilen.  Da  beide  Arten 
gesellig  und  zugleich  verträglich  sind,  halten  sie  während  des  Sommers  sehr 
oft  zusammen,  wobei  der  größere  Goldregenpfeifer  durchaus  nicht  immer  die 
Führung  übernimmt.  Beide  Vögel  sind  sich  in  vieler  Hinsicht  überaus  ähnlich, 
der  Alpenstrandläufer  ist  jedoch  lebhafter,  geschäftiger  und  unruhiger.  Wenn 
Ende  Mai  die  Sonne  mild  herabscheint  und  die  ersten  kleinen  Blumen  aus 
dem  Rasen  hervorlockt,  beginnen  unsere  Vögel  mit  dem  Baue  des  Nestes. 
Nähert  man  sich  dann  dem  Paare,  so  schleicht  das  Weibchen  meist  recht- 
zeitig davon,  das  Männchen  aber  klettert  auf  einen  der  Grashügel  und  hält 
mutig  Umschau.  Zuletzt  freilich  flattert  oder  läuft  es  auch  fort,  bleibt  jedoch 
bald  in  einer  schützenden  Vertiefung  stehen,  rührt  sich  nicht  von  der  Stelle 
und  wartet  ab,  was  weiter  geschieht.     Wiederholt  benutzte  ich  einen  derartigen 

16* 


244  l'aliilna  alpina  scliitizii. 

Augpultlick,  um  micli  glcii-lifalls  in  oinoii  bciiarlihartcMi  Grahon  oder  ein  Krd- 
locli  niederzusetzen  und  hier  regungslos  zu  verharren.  Nach  wenigen  ^linuten 
steht  der  kleine  Vogel  jdötzlicli  wieder  auf  einer  Erhöhung  und  trijijielt 
unruhig  den  Abhang  hinab,  nähert  sieh  allmählich  und  fängt  endlich  an, 
sein  Tot  Tot  zu  schimpfen.  Dazu  macht  er  "Verbeugungen  und  Knickse, 
riclitet  sich  so  hoch  er  kann  in  die  Höhe,  duckt  sich  wieder  und  kommt 
zutraulich  bis  auf  wenige  Meter  an  den  Älenschen  heran.  Endlich  fliegt  er 
mit  rauh  schnurrendem  Schriririri...  davon  und  holt  das  Weibchen,  das  mit 
vorsichtigem  Tütütü...  sich  näliert.  Das  zierliche  Umherlaufen  der  beiden, 
die  neugierige  Wachsamkeit  und  das  lebhafte  Geschwätz  der  Tierchen  bieten 
dem  Beobachter  großes  Vergnügen.  Das  AVeibchen  baut  das  Nest  in  der 
Hauptsache  allein,  wird  al)er  vom  Männchen  dazu  angetrieben  und  ab  und 
zu  aucli  durch  Hcrbeiscliaft'ung  von  Material  unterstützt.  In  den  späteren 
Vormittagsstunden  ist  das  Paar  am  eifrigsten  bei  der  Arbeit.  Am  Nach- 
mittage dagegen  fliegt  es  mitunter  weit  davon,  und  die  Brutvögel  der  ganzen 
Gegend  treffen  sich  nun  am  Meeresstrande  oder  an  größeren  Binnengewässern. 
Kehren  die  Paare  am  Abende  nach  dem  Nistbezirke  zurück,  so  geht  es  ohne 
Streit  mit  der  Nachbarschaft  selten  ab.  Im  sausenden  Fluge  treiben  sich 
oft  ein  halbes  Dutzend  der  Vögel  unter  langanbaltendem  Schnurren  ül)er  dem 
Boden  dahin.  Selbst  die  Paare  verkehren  nicht  immer  still  und  sauft  unter 
sich,  fahren  im  Gegenteil  oft  tüchtig  mit  dem  Schnabel  zusammen.  Ich 
beobachtete  einmal  zwei  sich  heftig  streitende  Alpenstrandläufer,  die  ich  für 
eifersüchtige  Männchen  hielt.  Ich  näherte  mich  ihnen,  sie  flogen  ein  Stück 
davon,  fielen  aber  gleich  wieder  ein,  zausten  sich  von  neuem  auf  der  Erde 
und  zeterten  lebhaft  dazu.  Als  ich  beide  auf  einen  Schuß  erlegt  hatte,  war 
ich  nicht  wenig  erstaunt,  ein  Weibchen  und  ein  Männchen  in  der  Hand  zu 
halten.  Die  Begattung  erfolgt  häufig  am  Abende.  Das  Männchen  ist  vorher 
sehr  erregt,  wird  jedoch  von  dem  stilleren  Weibchen  nicht  sogleich  erhört. 
Im  letzten  Augenblicke  duckt  sich  dieses  aber  nieder,  beide  Vögel  sehen  sich 
unter  lispelndem  Gezwitscher  an,  sausen  freilich  nach  der  Begattung  sofort 
mit  rauhem  Gezeter  wieder  durch  die  Luft.  Am  frühen  Morgen  beobachtete 
ich  auch,  allerdings  nicht  sehr  häufig,  den  Balzflug  des  Männchens.  Mit 
zitternden  Flügelbewegungcn  kreist  der  Vogel  hoch  über  seinem  Nistbezirke 
in  der  Luft  und  ruft  unablässig  Tüb  Tüb  Tüb.  Endlich  schraubt  er  sich 
schwebend  abwärts,  wobei  er  ein  ziemlich  klares  Tili...  ausstößt.  Alle 
erwähnten  Stimmlaute  sind  beiden  Geschlechtern  eigen,  wenngleich  eich  das 
Weibchen  mit  den  einfacheren  Tönen  begnügt. 

Anfang  Juni  ist  das  Nest  in  der  Regel  fertig.  Es  l)efindet  sich  wohl 
verborgen  an  einer  trocknen  Stelle  im  Grase  und  wird  oft  durch  überhängende 
Halme  verdeckt.  Die  Mulde  hat  einen  Durchmesser  von  etwa  8  und  eine 
Tiefe  von  4 — 5  cm.  Das  Nest  selbst  besteht  aus  Grashalmen  und  Moos  und 
ist  mitunter  ziemlich  dick  aufgeschichtet.  Man  kann  es  wenigstens  oft  ohne 
Mühe  zusammenhängend  vom  Boden  heben.  Innerlich  wird  es  mit  vielen 
kurzen  Hälmchen  und  Blättern  ausgefüllt.  Die  Eier  bleiben  bei  der  Bebrütung 
an  demselben  Platze  liegen,  sodaß  man  nach  ihrer  Wesnahrae  tiefe  Eindrücke 


rjilicina   nljjiiia  si-hinzii.  ^j^r^ 

in  der  Nestuiulde  siebt.  Ihre  Ablage  erfolgt  gewöbnlitii  in  der  1.  Hallte 
des  Juni.  10  meiner  isländiscben  Gelege  vom  Nordlande,  friscb  oder  scbwacb 
bebrütet,  stammen  aus  der  Zeit  vom  5.— 15.  Juni.  Krüper  erhielt  ein  volles 
Gelege  allerdings  schon  am  30.  Mai  (Naumannia  1857,  II,  8.  16).  Wenn 
Gröndal  jedoch  für  den  gebirgigen  Teil  der  Müla-Sysla  (SO.)  als  Brutzeit 
die  1.  Hälfte  des  Juli  angibt  (Ornis  IX,  8.  96),  so  dürfte  dies  auch  dort  kaum 
die  Regel  sein.  Nachgelege  findet  mau  freilich  überall  bis  wenigstens  Knde 
Juni.  Diese  bestehen  oft  nur  aus  :J,  ja  selbst  2  Kiern,  während  das  Nonnal- 
gelege  immer  4  Stück  aufweist. 

Einige  isländische  Kxomplare  meiner  Sammlung  cliarakterisieren  sich  wie  folgt: 
il7x24,8mm  (U.51  g).  ;j«.2  X  20  (0,52'.  SH.2  x  24,",  (0,51).  H(ix2^  (0,50).  — 
^7x24,5  (0,53),  35.5x25  (0.53),  34,8x25  (0,52).  —  35,5x21  (0,40),  35x24.2 
(0,48),  35x24  (0.50).  34.2x23.8  {OMi).  —  35,5x23,8  (0,47),  35,2x23,5  (0,49), 
35  ;<24,5  (0,49),  34.5x24  (0,48).  —  35.2x24  (0.51).  35x24.2  (0,49),  35x23,8 
(0.47).  34.5x24.5  (0.49).  —  31,2x24  (0.51),  34,2x24(0,49),  .34x24(0,48).— 
Das  Vüllgewicht  von  18  frischen  oder  schwach  bebriileten  Eiern  schwankte  zwischen 
8,5  g  und  10,8  g:  Durchschnittsgewicht  10  g.  Dotter  hellgell),  durchscheinenti.  Eier 
deshalb  ausgeblasen  viel  griiiiliclier. 

Das  Weibchen  brütet  16—17  Tage  allein.  Nur  ein  einziges  Mal  sah 
icli  es  an  einem  regnerischen,  kühlen  Abende  nahrungsucliend  in  der  Nähe 
des  Nestes  umherlaufen  und  das  j\Iäunchen  von  den  Eiern  abfliegen.  Doch 
bleibt  dieses  gewöhnlich  im  Nistgebiete,  kommt  einem  nahenden  Feinde  ent- 
gegen und  sucht  durch  lebhaftes  Rufen  und  ängstliches  Gebaren  dessen 
Aufmerksamkeit  abzulenken.  Freilich  traf  ich  kleine  Scharen  der  Männchen 
auch  zur  Brutzeit  an  einer  Lagune  bei  Hjalteyri,  wo  sie  besonders  in  den 
Nachmittagsstunden  mit  AcgUdltis  ///'/^/fitAf-Männchen  umherliefen.  Ich  ver- 
mißte sie  dann  in  ihren  mir  wohlbekannten  Brutgebieten  und  überzeugte 
mich  auch  durch  Erlegung  solcher  Vögel,  daß  es  sich  um  Exemplare  handelte, 
die  in  Fortpflanzung  standen.  Das  Weibchen  verläßt  gewöhnlich  schon  in 
der  Ferne  das  Nest,  sclileicht  niedergeduckt  hinweg  und  fliegt  entweder 
gar  nicht  oder  erst  ein  Stück  abseits  davon.  Gegen  Ende  der  Brutzeit  sitzt 
es  fester.  Ich  ritt  an  einem  mir  bekannten,  nicht  allzuversteckten  Neste 
mehrmals  iu  einem  Abstände  von  2 — 3  m  langsam  vorüber.  Daweile  drückte 
sich  der  Vogel  tief  zwischen  die  Gräser.  Zu  Fuße  kommt  man  freilich  kauiu 
in  solche  Nähe,  Unerwartet  aufgetrieben  fliegt  das  Weibchen  mit  scharfem 
Pip  oder  Trib  vom  Neste,  manchmal  auch  mit  einem  gezogenen  Grätschen. 

Sind  die  Dunenjungen  ausgeschlüpft,  was  gewöhnlich  schon  Ende 
Juni  geschieht,  werden  die  Alten  viel  besorgter.  Auch  jetzt  noch  ist  das 
Männchen  der  angreifende  Teil,  läßt  warnend  sein  Tot  Tot  hören  oder  um- 
fliegt ängstlich  den  Feind.  Das  Weibchen  dagegen  spielt  lieber  die  Harm- 
lose. Besonders  wenn  man  zu  Pferde  über  die  Grasflächen  reitet,  tut  es, 
als  sähe  es  den  Menschen  gar  nicht,  bemüht  sich  aber  auffällig  genug,  ilin 
von  einem  bestimmten  Platze  fortzulocken.  Die  Jungen  verbergen  sich  von 
den  ersten  Tagen  ihres  Lebens  an  geschickt  im  Grase,  suchen  sich  mit  dem 
kleinen  weichen  Schnabel  selbst  winzige  Insekten  und  Würmchen,  drücken 
sich  aber  augeDblicklich  in  eine  Vertiefung,  sobald  die  Eltern  ihre  Warnrufe 


24()  C'alidris  arenaria. 

ausstoßen.  Deshalb  übcn-ascht  man  sie  nur  j^elegentlich  in  We<ifi'iiiuen, 
Gräben  oder  auf  freien  Plätzen,  besonders  wenn  man  schnell,  aber  doch 
aufmerksam,  dahinreitet.  Fabers  Beobachtungen  zufolge  sind  die  Tierchen 
nacli  etwa  24  Tagen  befiedert  und  flugbar.  Sie  besuchen  nun  mit  ihren 
Kitern  auch  die  weitere  Umgebung  des  Urutreviers,  wobei  sie  sich  mit  hellem 
Gitgit  zusammenlocken.  Die  einzelnen  Familien  der  Gegend  vereinigen  sich 
und  bilden  größere  Scliwärme,  die  dicht  gedrängt  in  raschen  Wendungen  über 
Seen  und  Ströme  eilen  und  gewöhnlich  Anfang  bis  Mitte  August  nach  der 
Meeresküste  kommen.  Hier  streichen  sie  nun  an  sandigen,  flachen  Straud- 
partien  umher,  lassen  seltner  als  im  Frühjahr  ihre  Stimme  hören,  verhalten 
sich  aber  dem  Menschen  gegenüber  immer  noch  recht  zutraulich.  Eifrig 
suchend  laufen  die  Vögel  am  Rande  des  AYassers  dahin,  weichen  auch  den 
Düiiungswelleu,  die  ihnen  willkommene  Nahrung  bringen,  wenig  aus,  sodaß 
sie  nicht  selten  von  diesen  in  die  Höhe  gehoben  werden.  Wenn  freilich  die 
Brandung  sich  zu  unangenehm  bemerkbar  macht,  fliegen  sie  mit  leisem 
Lockrufe  an  geschütztere  Plätze.  Bis  Ende  Septeml)er,  ja  selbst  Anfang 
Oktober,  sollen  sich  die  Alpenstrandläufer  an  den  isländischen  Küsten,  be- 
sonders im  Süden  der  Insel,  aufhalten,  dann  aber  spätestens  verschwinden. 
Von  einem  Überwintern  unsrer  Art  in  Island  ist  nichts  bekannt. 

7(i.  Calidris  arenaria  (L.)- 
Sauderling. 

Calidris  arenaria  (Illig.;:  Faber,  rrodroiuus,  S.  23  (1822).  —  Calidris  arenaria 
llliger:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nacJi  Island,  S.  403  (18ü2).  —  Calidris  arenaria  (Linn.): 
Newton,  in  Baring- Goulds  Iceland,  p.  413  (18t>3).  —  Calidris  arenaria  Ij.  :  Gröndal. 
isleuzkt  fiiglatal,  bis.  42  (1895).  —  Calidris  arenaria  (L.):  Slater.  Birds  of  Iceland, 
p.  101  (1901). 

Calidris  arenaria  (Ij.):  Collin.  Skandinaviens  Fiigle,  S.  513  (1877).  —  Sharpe, 
Cat.  Birds  Brit.  3Ius.  XXIV,  p.  526  (189«).  —  AVinge,  Grenlands  Fugle,  S.  170  (1898). 
—  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VllI,  S.  174  (1902). 

Isländisch:  Sanderia  (Lehnwort  aus  dem  Englisclien). 

Auch  dän.:  Selning,  Sandleber.  Norw.:  Sandlöber.  Schwed.:  Sandlöpare.  Engl. 
&  Iranz.:  Sanderling. 

Calidris  arenaria  brütet  in  den  arktischen  Gebieten  der  Neuen  und  der  Alten 
Welt,  ist  aber  außerhalb  der  Fortpflanzungszeit  beinahe  an  allen  Küsten  der  Erde  und 
auch  im  Innern  der  Kontinente  beobachtet  worden,  bis  hinab  zum  Süden  Afrikas  und 
Asiens,  auch  bis  Australien  und  Chile.  In  den  nördlicheren  Gegenden  Europas  tritt 
der  Vogel  zur  Zugzeit  mehr  oder  weniger  regelmäßig,  jedoch  niemals  in  größeren 
Scharen  auf.  Er  ist  unter  anderem  von  den  skandinavischen  Küsten,  sowie  von  den 
Britischen  und  den  mirdlich  davon  liegenden  Inseln  i)is  zu  den  Färöern  hin  bekannt. 
Sichere  Brutplätze  des  Vogels  sind  zur  Zeit  lestgestellt  auf  der  Taimyr-Halbinsel,  auf 
Alaska,  an  der  Franklin-Bai,  der  Repulse-Bai,  auf  den  Parry-Inseln,  auf  Grinnell-Land 
(bis  82"  33'  n.  i^r.)  und  an  den  verschiedenen  Küsten  Grönlands,  jedoch  kaum  südlicher 
als  ^8**.  Von  Nowaja  Semlja,  Franz-Joseph-Land,  Spitzbergen  und  Jan  Mayen  kennt 
man   Calidris  arenaria  aber  bis  jetzt  nur  als  gelegentlichen  Gast. 

Island  besucht  der  Sanderling  auch  nur  als  ziemlich  seltener  Durch- 
zügler.  Er  erscheint  hier  ebenfalls  nicht  regelmäßig  und  immer  nur  in 
geringer  Zaiil.    Der  erfalirene  Nielsen  sah  die  Art  niemals  (in  litt).   Andere 


Calidris  arenaria.  247 

Isländer  und  fremde  Reisende  glauben  wohl  oft  irrtüniliilierwcise,  den  Vogel 
beobachtet  zu  haben  (vergl.  z.  B.  Ornith.  :\Ionatsschiift  1902,  S.  19).  Faber 
traf  ihn  ein  einziges  Mal  in  wenigen  Exemplaren,  nämlich  im  Juni  1820, 
auf  Grimsey.  Kr  nahm  an,  daß  die  Vögel  dort  brüteten.  Thicnemann,  der 
1821  Grimsey  zu  ungefälir  derselben  Jahreszeit  besuchte,  versichert  im 
Gegensatze  ausdrücklich,  trotz  eifrigen  Nachforschens  keine  Spur  des  Sander- 
lings  entdeckt  zu  haben  (Fortpflanzung  der  Vögel  Furopns,  IV.  Heft,  S.  10.  1830). 
Proctor  beobachtete  ihn  jedoch  1837  wiederum  auf  der  Insel  und  hat  später 
sogar  angebliche  Eier  des  Vogels  erhalten,  deren  Echtheit  allerdings  höchst 
fraglich  erscheint  (Slater.  1.  c,  p.  103).  Ein  derartig  unbeständiges  Auftreten 
des  Sanderliugs,  selbst  als  IJrutvogel.  ist  freilich  auch  anderwärts  beobachtet. 
Krüper  betont  (Xaumauuia  1857.  II,  S.  18),  daß  die  Bewohner  Grimseys 
unsere  Art  nicht  kennten.  IMan  hätte  ihnen  seit  Jahren  eine  gute  Belohnung 
für  den  Vogel  versprochen,  doch  brächten  sie  nur  den  Sendlingur  (Arquatella 
maritima).  Wenn  l'reyer  wieder  behauptet  (1.  c),  es  sei  ihm  1860  in  Akureyri 
ein  Ei  der  Art  augeboten  worden,  so  darf  man  wohl  mit  Recht  an  der 
richtigen  Bestimmung  desselben  zweifeln.  Newton  sah  im  Frühjahre  1858 
einige  Sanderlinge  im  Südwesten  Islands  und  schoß  am  21.  Mai  ein  Weibchen 
mit  entwickeltem  Eierstocke  bei  Baejasker.  Fowler  beobachtete  1862  gleich- 
falls etliche  Vögel  auf  Akranes  (Newton,  1.  c).  Gröndal  hat  unsere  Art  nie 
zu  Gesicht  bekommen.  J.  V.  Havsteen  sagte  mir,  daß  mehrmals  einzelne 
Exemplare  im  Nordlande  erlegt,  Eier  ihm  jedoch  nie  gebracht  worden  seien. 
Ein  altes  Männchen  aus  Island,  im  April  gesammelt,  findet  sich  im  Äluseum 
Rothschild  in  Tring  (Naumann  VIII,  S.  177).  Howard  Saunders  meint  übrigens, 
unsere  Art  brüte  zweifellos  in  einigen  Distrikten  Islands  (Slater,  1.  c),  ebenso 
Dresser  (Manual,  p.  780.  1903).  Im  Britischen  Museum  existiert  ein  angeblich 
echtes  Ei  des  Vogels  von  Island,  dessen  Größe  34,8x25,4  mm  beträgt 
(Naumann  VIII,  S.  179).  Die  wertvollste  Beobachtung  über  das  Brüten  des 
Sanderliugs  auf  unsrer  Insel  machte  Slater,  indem  er  im  Juli  1885  selbst 
ein  Paar  im  Nordlande  antraf  und  das  zweifellos  diesen  zugehörige  Nest 
mit  schwer  bebrüteten  Eiern  fand,  deren  Echtheit  auch  durch  spätere  ein- 
gehende Prüfungen  erwiesen  wurde  (Ibis  1886,  p.  50).  Immerhin  dürfte 
Calidris  arenaria  nur  als  au  suah  ms  weiser  Brut  vogel  Islands  zu  bezeichnen 
sein.  Ich  selbst  habe  die  Art  weder  auf  Grimsey,  wo  sie  lieutzutage  gänzlich 
unbekannt  ist.  noch  anderswo  in  Island  getroffen. 


77.  Limosa  liniosa  (L.). 
Schwarzschwäuzige  Uferschnepfe. 

Limosa  mtlamira  (Leisl.):  Faber,  Prodrcuius,  8.25(1822).  —  Limosa  mdanura 
Leisl.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  8.398  (18H2).  —  Limosa  aegocephala 
(Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.412  (18(>3).  —  Limosa  vielanura:  Nielsen. 
Ornis  II,  S.  429  (188b).  —  Limosa  aegocephala,  L.:  (iröndal,  Islenzkt  t'uglatal.  bis.  40 
(1895).  —  Limosa  helgica  (Gmel.):  Slater,  ßirds  of  Iceland,  p.  105  (1901). 

Liniosa  aegocephala  (L.):  Collin.  Skandinaviens  Fugle,  8.532(1877).—  Limosa 
limosa  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  381  (1896).  —  Limosa  aegocephala 


248  LimosiX  liinosa. 

[L.):  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  1()0  (1898).  —  Limosa  limosa  (L.):  Nauraaim,  Vögel 
Mitteleuropas  IX,  S.  111  (1902). 

Isländisch:  .ladrakan.  Jardreka,  .ladrcki  (nach  Gröndal.  Ornis  111.  S.  599,  von 
dem  gälischen  Adharcon  =  ^'anellus  =  der  Gehörnte;  unrichtig  ist  die  Ableitung  von 
jörd  =  Erde  und  roka  =  Schaufel  oder  von  jact  =  Rand  und  reki  =  der  Treibende); 
altertümlich  Jadrakarn. 

Limosa  li))iosa  bewohnt  den  mittleren  Teil  der  paläarktischen  Kegion.  Nord- 
wärts geht  sie  in  Sibirien  bis  etwa  zum  60.  Breitengrade,  in  Europa  bis  zum  Polar- 
kreise hinauf.  Im  Winter  besucht  sie  Siideuropa,  Nordafrika  und  Südasien,  gelegentlich 
wohl  auch  Nordaustralien.  Sie  brütet  unter  anderem  im  nördlichen  Rußland  und  in 
Finnland,  nicht  besonders  häufig  in  Skandinavien,  wo  sie  bis  zu  HS''.:*^  beobachtet 
wurde.  Auf  den  Britischen  Inseln  ist  sie  zwar  früher  Brutvogel  gewesen,  besucht 
diese  aber  jetzt  nur  noch  als  Durchzügler  und  Wintergast.  Dasselbe  gilt  von  den 
Färöern,  wo  sie  keineswegs  häufig  gesehen  wird.  Die  Angaben  über  ihr  mehrmaliges 
Vorkommen  in  Südgrönland  sind  fraglich,  da  ßelcgmaterial  fehlt  und  eine  Verwechslung 
mit  der  amerikanischen  Limosa  haemastica  (L.)  vorliegen  könnte. 

In  Island  ist  die  schwafzschwänzige  Uferschnepfe  nur  Brutvogel  im 
grasigen  Teile  des  Südwestlaudes.  Nach  Nielsens  genauen  Angaben  (1.  c.) 
brütet  sie  in  der  Arness-  und  Rängärvalla-S;fshi  zwischen  den  Höhenrücken 
westlich  der  Hvittl  und  dem  Eyjafjalla- Jökull,  nordwärts  bis  hinauf  zum 
Gej'sir,  wo  ich  die  Art  selbst  antraf.  Sie  bevorzugt  die  tiefliegenden 
sumpfigen  Wiesenflächen,  die  teilweise  für  Menschen  kaum  zugänglich  sind, 
ist  aller  in  dem  bezeichneten  Gebiete  auch  nicht  tiberall  häufig. 

Ich  sah  Mitte  August  wiederholt  kleine  Scharen  unsrer  Vögel,  die  sich 
immer  ziemlich  scheu  benahmen.  Mit  einsilbigem  Flöten  beobachteten  sie 
schon  auf  weithin  den  Reiter  und  entfernten  sich  rechtzeitig.  Bei  Ölafsvellir 
umflogen  mich  am  20.  August  8 — 10  Uferschnepfen  mit  lebhaftem  Locken. 
Ein  höheres  Pit  wechselte  hierbei  mit  einem  weichen  Djod  ab,  was  recht 
angenehm  klingt.  In  ihrem  Wesen  hat  unsere  Art  große  Ähnlichkeit  mit 
Numenius  phaeopus,  dem  sie  auch  in  ihrer  Flugweise  nahekommt.  Die  Vögel 
sind  schöne  und  auffällige  Gestalten,  die  im  Frühliuge  viel  zur  Belebung 
der  einsamen  Landschaften  beitragen  mögen. 

Die  Uferschnepfen  gehören  zu  den  Zugvögeln  Islands.  Sie  kommen 
Ende  April  (Grimsnes,  20.  April  1885,  Nielsen)  oder  in  den  ersten  Tagen 
des  Mai  in  kleinen  Scharen  zu  ihren  Brutplätzen,  nachdem  sie  sich  vorher 
einige  Tage  an  der  Meeresküste  aufgehalten  haben.  Nun  verteilen  sicli  die 
einzelnen  Paare,  doch  wohnen  fast  immer  mehrere  in  der  Nachbarschaft. 
Das  Nest  wird  inmitten  der  Grasflächen  angelegt,  die  Nestmulde  selbst  nur 
dürftig  mit  Halmen  ausgekleidet.  Die  Ablage  der  4  Eier  erfolgt  Ende 
Mai  (27.  Mai  1885,  Nielsen)  oder  gewöhnlich  Anfang  Juni. 

Isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  H0,2  x  38,8  mm 
(2,35  g).  57  X  36,5  (2,2).  56,5  x  39  (2,6).  56,5  x  37,8  (1,95).  55,2  x  37,5  (2,3). 
54,5x39(2,6).  54,5x38(2,3).  54,5x36,2(1,9).  54x38.5(2,1).  54x38(2.2). 
53x39,2  (2,3).  52.5x36,2  (1,95).  —  Nielsen  bezeichnet  als  Größe  von  ihm  unter- 
suchter Eier:  50—60  X  35,5  x  40  mm. 

Das  Weibchen  scheint  allein,  nach  Faber  ungefähr  24  Tage,  zu  brüten. 
Doch  bleibt  das  Männchen  in  der  Umgebung  des  Nestes  und  legt  durch 
lebhaftes  Flöten  und  ängstliches  Umherfliegen  seine  Besorgnis  für  die  Brut 


J'avoncella  i)uq;nax.  24i> 

au  den  Tag.  Sind  die  Diiiienjungoii  ausgeschlüpft,  so  werden  sie  von 
l)eideu  Eltern  treulich  geführt  und  bewacht.  Sie  ducken  sich  ins  Gras, 
können  sich  freilich  wegen  ihrer  Größe  nicht  immer  genügend  verbergen. 
Am  20.  August  sah  ich  10  Schritt  vor  mir  einen  Steinfalken  abtiiegen  und 
erkannte,  als  ich  nach  der  Stelle  hinritt,  die  Überreste  einer  jun»>en,  von 
diesem  gekröpften  Uferschnepfe.  Sind  die  Vögel  flugbar,  was  selten  vor 
Anfang  August  eintreten  mag,  vereinigen  sich  die  Familien  zu  kleinen 
Scharen.  Alte  unij  Junge  bleiben  zweifellos  wenigstens  anfänglich  beisammen» 
was  ich  in  verscliiedenen  Fällen  sicher  beobachtete.  Nielsen  sah  l<]nde  August 
in  der  fruchtl)aren  Graslandschaft  Flöi  Schwärme  von  20 — 30  Uferschnepfen. 
Diese  streifen  zunächst  in  der  Gegend  umher,  verlassen  sie  Anfang  September, 
bleiben  mitunter  noch  einige  Tage  in  der  Nähe  des  Meeres  und  verschwinden 
Ende  des  Monats  von  der  Insel.  Von  einem  Überwintern  daselbst  ist  nichts 
])ekannt. 

78.  Pavoncella  pugnax  (L.). 
Kampfläufer. 

Tringa  puynax  [L'iun.]:  Faber,  Prodromus,  S.  30  (182i).  —  Machetes  [/ugnax  L. : 
Preyor  (&  Zirkel),  Reise  uucli  Island,  S.  429  (I862j.  —  Philomachus  pugnax  (Liun.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  412  (ISHü).  — Machetes  pugnax  Cuv. :  Gröndal,. 
islenzkt  fiiglatal.  bis.  40  (1895).  —  Machetes  pngnnx  (Linn.) :  Slater,  Birds  of  Iceland.  p.  103 
(1901).  —   Machetes  pugnax  L.:  Saemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  14  (1905). 

Philomachus  pugnax  (h.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle.  S.  516  (1877).  —  Favon- 
cella  pugnax  (L.):  Sharpe.  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  500  (1896).  —  Machetes 
pugnax  (L.):  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  161  (1898).  —  Philomachus  pugnax  (L.): 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas   VIII,  8.  250  (1902). 

Isländisch:  Kragi,  At'lngakragi  (von  ätiog  =  Kampf,  Streit,  und  Uragi  = 
Kragen,  Halsbedeckung). 

Pavoncella  pugnax  bewohnt  die  paläarktische  Kegion  von  England  bis  zum 
oberen  Amurgebiete.  Nordwärts  brütet  sie  noch  in  den  Küstengegenden  Nordeuropas 
und  Nordasiens,  z.  B.  in  Skandinavien  bis  zum  Nordkap,  auch  auf  Kolguew,  Dolgoi, 
Waigatsch,  sowie  auf  Taimyr-Land  Ihre  südliche  Brutgrenze  mag  sich  etwa  vom 
Donautale  nach  der  Kirgisensteppe  erstrecken.  Doch  streicht  sie  weit  undier,  südwärts 
bis  Südafrika,  Indien  und  zu  den  Sundu-Inseln ;  ausnahmsweise  wurde  sie  im  Osten 
Nordamerikas  und  einmal  in  Südgrönland  erlegt.  In  England  brütet  sie  nur  selten  im 
südlichen  Teile,  kommt  aber  gelegentlich  auch  nach  anderen  Gegenden  der  Briti-^chen 
Inseln  und  vereinzelt  sogar  nach  den  Färöern. 

Für  Island  kann  man  den  Kampfläufer  nur  als  seltnen  Gast  bezeichnen, 
der  die  Insel  ausnahmsweise  besucht.  Sollte  er  dies,  was  anzunehmen  ist, 
auf  dem  Herbstzuge  tun,  so  dürfte  er  nicht  so  leicht  erkannt  und  wohl 
eher  mit  verwandten  Arten,  besonders  mit  Totanas  totanus,  verwechselt  werden. 
Doch  berichtet  Faber,  daß  Anfang  September  1820  ein  Weibchen  des 
Kampfläufers  bei  Reykjavik  geschossen  worden  sei.  Die  weitere  Mitteilung 
Sai'muudssons  dagegen,  stud.  theol.  L.  )?orarensen  habe  im  November  1902 
ein  männliches  Individuum  bei  dem  Hofe  Störholt  im  Breidifjördr  (W.) 
gesehen,  scheint  auf  Irrtum  zu  beruhen.  Der  Vogel  soll  so  dicht  vorbei- 
gekommen sein  und  sich  dann  in  der  Nähe  des  Beobachters  niedergelassen 
haben,  daß  dieser  deutlich  den  Kragen  erkannte.     Nach  den  Untersuchungen 


250  Totaiius  totanus. 

Naumanns  (Vögel  Mitteleuropas  VIII,  S.  258  f.)  und  nach  iiioinen  eignen 
Beobachtungen  im  Dresdner  Zoologisclien  Garten  beginnen  aber  den  älteren 
Münuchen  die  Federn  des  Halskragens  schon  Knde  Juni  auszufallen,  den 
jüngeren  kaum  später  als  Ende  August.  Am  15.  September  1904  z.  B.  hatten 
von  etwa  12  Kampfhähnen  im  hiesigen  Garten  nur  zwei  noch  wenige  kurze 
Kragenfedern,  bei  den  andern  war  gar  nichts  mehr  davon  zu  sehen.  Ende 
September  tragen  die  Vögel  hierzulande  fast  immer  das  fertige  Winterkleid, 
und  es  ist  mir  höchst  unwahrscheinlich,  daß  sich  noch  im  November  ein 
Exemplar  mit  deutlich  sichtbarem  Halskragen  finden  sollte.  Vielleiclit  beruht 
aber  in  obiger  Mitteilung  imr  die  Monatsangabe  auf  einem  Versehen, 

79.  Totanus  totanus  (L.). 
Rotscheukliger  Wasserläufer. 

Totanus  calidris  (Bechst.):  Faber,  Prodroraus,  S.  25  (1822).  —  Totanus  calidris 
Beeilst. :  Preyei-  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  399  (1862).  —  Totanus  calidris  (Linn.) : 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  412  (18H3).  ■  Totanus  calidris  L.:  Gröndal. 
islenzkt  fuglatal,  bis.  '69  (189")).  --  Totanus  calidris  (Linn.):  Slater,  Birds  of  iceland,  p.  104 
(1901).  —    Totanus  calidris  L. :    Sfemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  14  (1905). 

Totanus  calidris  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  523  (1877).  —  Sharps, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  414  (1896).  —  Totamis  totanus  (L.):  Naumann,  Vögel 
Mitteleuropas  IX,  S.  55  (1902). 

Isländisch:  Stelkur  (P]tymologie  unklar,  wahrscheinlich  verwandt  mit  stilkur  = 
Stiel,  sowie  dem  deutschen  stellen,  stehen). 

Auch  dän.:   Tolk.     Norw.:    Stilk.     Sehwed.:    Tolk,  Stolk,  Stulk.     Fär. :   Stelkur. 

Totanus  totanus  ist  häufiger  Brutvogel  der  ganzen  paläarktischen  Region  ein- 
schließlich des  ]\Iittelmeergebietes.  Nordwärts  geht  er  stellenweise  bis  zum  Polarkreise 
hinan,  in  Europa  sogar  bis  zur  Kola-Halbinsel  und  zum  Nordkap.  Seine  südliche 
Brutgrenze  reicht  vom  mittleren  Asien  über  Persien  nach  Nordairika.  Auf  dem  Zuge 
kommt  er  bis  zu  den  Sunda-Inseln,  Ceylon,  Südafrika  und  den  Kanarischen  Inseln. 
Er  brütet  unter  anderem  zahlreich  in  den  Küstengebieten  Finnlands  und  in  Skandi- 
navien, auf  den  Britischen  Inseln,  den  llebriden  und  Orkney-Inseln.  Spärlich  bewohnt 
er  dagegen  Shetland,  noch  seltener  die  Färöer,  ist  al)er  zur  Zngzeit  häufiger.  In 
Grönland  hat  man  ihn  noch  nicht  beobachtet. 

In  Island  geliört  der  Rotscheukel  zu  den  liäufigen  Brutvögeln, 
der  zur  Zugzeit  überall  an  den  Küsten  getroffen  wird,  im  Sommer  aber  die 
wasserreichen,  fruchtbaren  Niederungen  bewohnt.  In  allen  Teilen  der  Insel 
findet  man  kleine  Kolonien  unserer  Art,  an  den  großen  Seen  tief  im  Innern 
ebensowohl,  als  dicht  am  Me'ere.  Doch  traf  ich  die  Vögel  niemals  in  den 
höheren,  pflanzenarmen  Gebirgslagen. 

Isländische  Brutvögel  meiner  Sammlung,  cj  und  $  ad.,  gepaartes  Paar,  am 
18.  Juni  1903  bei  Hjalteyri  erlegt,  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  146,  164  g. 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  275,  295  mm.  l'lugbreite:  495,  530.  Flügel:  160,  169.  Schwanz: 
81,  77  (abgestoßen).  Schwanz  +  Flügel:  5,  10.  Sclinabel:  38,  39.  Tarsen:  45,5,  50. 
Mittelzehe  inkl.  der  4.5  bezw.  5,5  mm  langen  Kralle:  32,  35  mm.  —  Iris  braun,  cj  ist 
nicht  nur  kleiner  als  $ ,  sondern  dunkler  gefärbt,  das  Weiß  des  Unterrückens  und 
Bauches  weniger  ausgedehnt,  Fleckung  der  Brust  und  Kropfgegend  dichter  und  gröber. 
(5:  Schnabelgruud  orangerot.  Schnabelspitzc  schwarz.  ?:  Schnabelgrund  rötlichschwarz, 
vordere  Schnabelhälfte  schwarz.  (5:  Füßo  lebhaft  orangerot.  $:  Füße  blaßorange.  — 
^lageninhalt  der  beiden  Vögel:   sehr  kleine  Insekten. 


Totanus  totanus. 


251 


Diese  weitverbreitete  und  auch  in  Mitteleuropa  häufige  Art  zeigt  in 
Island  ganz  dasselbe  Benehmen  wie  liierzulande.  weshalb  ich  mich  im  folgenden 
kurz  fasse.  Der  Kotscheukel  ist  im  allgemeinen  ein  Zugvogel  auf  der  Insel, 
der  in  der  2.  oder  3.  Woche  des  April  ankommt.  Sa-mundsson  hat  während 
der  letzten  10  Jahre  als  Ankunftstermiu  für  Keykjavik  die  Zeit  vom  8.  bis 
19.  April  festgestellt  (1.  c).  Schon  auf  meiner  ersten  Exkursion  am  22.  dieses 
Monats  traf  ich  ihn  allerorts  am  Meeresstrande,  wo  er  die  häutigste,  auf- 
fälligste und  unruhigste  Vogeiart  darstellte,  die  außerordentlich  zur  Belebung 
der  ziemlich  eintönigen  Landschaft  beitrug.  Er  ist  zugleich  der  scheueste 
Küstenbesucher,  der  nicht  nur  für  seine  eigne  Sicherlieit  unablässig  Sorge 
trägt  und  deshalb  bei  mangelnder  Deckung  kaum  erlegt  werden  kann,  sondern 
der  auch  andere  Vögel  warnt  und  rechtzeitig  zum  Abfliegen  bringt.  Die 
pfeifenden  Lockrufe  sind  sehr  charakteristisch,  weithin  hörbar  und  recht 
wohllautend.  Sie  lassen  sich  als  Tu,  Tütü,  Dili,  Dideli  wiedergeben.  Gegen 
Abend  versammeln  sich  die  zu  einem  Schwärme  gehörigen  Vögel,  laufen 
balzend  am  Strande  umher  und  unterhalten  sich  mit  weithin  hörbarem 
Geschrei,  in  dem  auLkr  den  Locktönen  auch  ein  schwirrender,  manchmal 
nicht  unmelodischer  Triller  vorklingt.  Es  ist  äußerst  anziehend,  den  beweg- 
lichen, lebhaften  Tieren  aus  einem  Verstecke  zuzuschauen  und  ihr  Hassen 
und  Lieben  zu  beobachten.  Hier  tänzeln  zwei  Nebenbuhler  laut  schreiend 
vor  einander  her  oder  jagen  sich  blitzschnell  über  dem  Wasser.  Dort  folgt 
ein  Freier  langsam  und  schrittweise  seiner  Auserwählten,  indem  er  die  Flügel 
über  dem  Rücken  zusammenhält  und  zitternd  ein  wenig  bewegt.  Dabei  läßt  er 
ein  leises,  zwitschermles  Trillern  unablässig  hören,  das  vom  Weibchen  mit 
kurzen  Tönen  eitlen  Wohlgefallens  beantwortet  wird.  Endlich  aber  bleibt 
die  Gefeierte  stehen,  dreht  sich  um,  zetert  einen  ähnlichen  Triller,  es  kommt 
zu  einigen  xlnseinandcrsetzungeu  mit  dem  Schnabel,  worauf  der  Liebhaber 
entweder  Erhörung  findet  oder  energisch  vom  Platze  getrieben  und  verfolgt 
wird.  Andere,  nüchteruere  Individuen  der  Gesellschaft  denken  daweile  an 
die  Abendmahlzeit.  Hochbeinig  waten  sie  bis  au  den  Leib  in  das  stille 
Wasser,  laufen  schnell  darin  umher  und  nehmen  mit  zierlichen  Bewegungen 
winzige  Seetiere  auf.  Bis  in  die  dunkelnde  Nacht  herrscht  Leben  und 
Tätigkeit,  und  am  frühen  Morgen  sind  unsere  Vögel  wieder  die  ersten. 

Vom  8.  Mai  an  beobachtete  ich,  daß  die  meisten  Paare  sich  zusaramen- 
gefuuden  hatten.  Die  ganze  Schar  zieht  nun  nach  dem  Brutgebiete,  besucht 
aber  das  Meer  noch  regelmäßig,  sobald  es  nicht  allzu  fern  liegt.  Als  Brut- 
plätze wählen  die  Vögel  sumpfige  Wiesen  und  Moore,  in  denen  sie  kolouien- 
weise  zu  etwa  6 — 20  Paaren  nicht  allzu  eng  bei  einander  wohnen.  Hier 
geht  es  nun  erst  recht  lebhaft  zu,  und  besonders  an  stillen  Morgen  und 
Abenden  machen  sich  die  Tiere  auf  eine  halbe  Stunde  weit  durch  ihr 
Trillern,  Schnarren  und  Flöten  bemerkbar.  Ich  fimd  auf  Island  nur  2  Nester 
des  Rotschenkels,  beide  auf  Kaupen  inmitten  sumpfiger  Wiesen.  Die  hohen 
Grashalme  der  Umgebung  waren  künstlich  zusammengebogen,  sodaß  die  Eier 
durchaus  nicht  gesehen  werden  konnten.  Die  Nestmulde  zeigte  eine  hübsche 
Rundung;  das  Nest  selbst  bestand  aus  wenigen  feinen  Halmen.     Die  Ablage 


252  Tf)taiuis  totanus. 

der  Eier  erfolgt  in  der  itegel  Ende  Mai,  nicht  selten  aber  auch  erst  Anfang 
Juni.  Das  Normalgelege  enthält  4  Stück.  Doch  fand  ich  am  18.  Juni  in 
einem  Neste  nur  3  zum  Ausfallen  fertig  behrütete  Eier.  Um  ein  Nach- 
gelege, iu  dem  die  Dreizahl  ))ei  allen  Totaniden  luiufig  vorkommt,  dürfte 
es  sich  hierbei  kaum  handeln. 

Die  Größe  zweier  isländischer  (ielege  meiner  Saiiiniiung  beträgt:  4H  x  jJÜ  mm, 
45,5  X  b0,5,  45,5  X  30,5  (besci)ädigt).  44,5  x  31,5  (1,14  g),  44  x  31,5  (1,11),  44  X  30,5 
(1,12),  44x30.5  (LH).     (Tewic-ht  aller  Eier  (bebrütet)  c.   17,5  g. 

Das  Weibchen  brütet  scheinbar  allein,  nach  Faber  etwa  18  Tage.  Einige 
Männchen  der  Kolonie  halten  aber  beständig  Wacht  und  verfolgen  lüsterne 
Raubmöven  und  Raben  auf  das  heftigste.  Mit  unablässigem  Tüh  Tüh  und 
erregtem  Tjüptjüp  umfliegen  sie  auch  den  Mensclien.  der  in  das  Gebiet  ein- 
dringt, wobei  sie  oft  auf  bequeme  Schußentfernung  näher  kommen.  Daweile 
verlassen  die  Weibchen  ihre  Eier,  biegen  die  Grashalme  rasch  über  diesen 
zusammen  oder  schlüpfen  so  geschickt  unter  der  Haube  hinweg,  daß  ich  an 
den  beiden  erwähnten  Nestern  keinerlei  Eingang  bemerkte,  während  ich 
hierzulande  die  Eier  auch  ganz  ofien  auf  kurzgrasigen  Wiesen  fand.  Nun 
fliegen  die  Weibchen  elienfalls  mit  umher.  Es  gibt  wenige  andere  Vogelarten, 
die  so  viel  ängstlichen  Lärm  anstimmen,  wenn  man  das  Brutgebiet  lietritt. 
Sind  die  Jungen  ausgekrochen,  so  laufen  sie  selir  bald  aus  dem  Neste, 
verstecken  sich  äußerst  geschickt  im  hohen  Grase  und  sind  schwer  zu  finden. 
Faber  sah  die  ersten  Duuenjungen  bereits  am  9.  Juni.  Beim  Myvatn  gibt 
es  solche  gewöhnlich  nicht  vor  der  zweiten  Hälfte  des  Monats.  Nach  etwa 
4  Wochen  sind  die  Tierchen  befiedert  und  fangen  an  zu  fliegen.  Die  ganze 
Gesellschaft  bleibt  nur  noch  kurze  Zeit  im  Brutgebiete,  verläßt  dieses  gegen 
F]nde  Juli  oder  Anfang  August  und  begibt  sicli  allmählicli  nach  dem  Meeres- 
strande. Hier  ti*eiben  sich  die  Vögel  in  losem  Verbände  umher  und  sind 
nach  wie  vor  scheu,  lebhaft  und  laut,  weshalb  sie  dem  Schützen  oft  durch 
Vertreibung  anderen  Federwildes  Ärger  bereiten. 

Ende  September,  Anfang  Oktober  verschwinden  die  meisten  Rotschenkel 
von  der  Insel.  H.  Jöusson  bezeichnet  mir  als  Zeit  ihres  Durchzuges  auf 
den  Vestmannaeyjarn  den  20.  September  bis  10.  Oktober  (in  litt.).  Etliche 
Vögel  überwintern  jedoch  an  geschützten  Küstenstrichen,  besonders  auf 
dem  Südlande.  Schon  Faber  berichtet,  daß  er  einige  Individuen  im  November 
und  Dezember  1820  beobaclitete,  und  Stemundsson  gibt  neuere  Mitteilungen 
für  die  Gegend  von  Reykjavik  (1.  c).  Er  bemerkte  am  28.  Oktober  1908 
ein  Exemplar  am  Strande;  ein  anderes  hatte  er  schon  am  24.  November  1902 
dicht  vor  der  Stadt  gesehen.  Ein  drittes  fand  er  halbtot  und  stark  ab- 
gemagert am  2.  Januar  1903  ebenfalls  an  der  Küste  bei  Reykjavik.  Höchst- 
wahrsclieinlicli  überwintert  aber  unsere  Art  viel  häufiger  auf  Island,  als  nach 
diesen  dürftigen  Berichten  zu  scliließen  ist. 

Totanus  oehropus  (L). 
Punktierter  \\'asserläufer. 

Tringa  oehropus  'ieni.:  Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  4Ul  (IHtiSi.  — 
Totanns  oehropus  (L.j:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  39  (1895). 


Niimenius  luulsoiiicus.  253 

Totanus  ochrojms  (L.):  C^ollin,  Skandinaviens  Fiigle,  S.  525  (1877).  Hehdromva 
ochropus  (Temm.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  3Ius.  XXIV.  p.  437  (1896).  —  Totanus  ochropus 
(L.):  Xaiimann,  Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  43  (1902). 

Isländisch:  Grät'a^tt  Snipa  (=  Graufuß-Sehnepfe),  Svöliisnipa  (=  Schwalbeii- 
schnepfe). 

Auch  deutsch:  Sohwalbenschuepfe.  J)iiu.:  Graabenet,  Svalesneppe.  Xorw.: 
Graabenet  Sneppe.     Schwed.:  Gräbeim. 

Totamis  ochropus  bewohnt  die  paläarktische  Region  bis  etwa  zum  Polarkreise 
hinauf,  im  Winter  auch  ganz  Afrika  und  Südasicu.  Unter  anderem  brütet  er  in  ^'ord- 
rußland,  Finnland  und  Norwegen.  Auf  den  Britischen  Inseln  hat  man  ihn  zwar  in 
den  verschiedensten  Monaten  beobachtet,  doch  ist  sein  Brüten  daselbst  fraglich.  Nord- 
schottland besucht  or  nur  ausnahmsweise,  und  von  den  kleinen  nördlich  gelegenen  Inseln, 
insbesondere  von  den  Färöern.  sind  mir  keine  Angaben  seines  Vorkommens  bekannt, 
ebensowenig  von  Grönland.     Doch  hat  sich  der  Vogel  auf  Neu-Schottland  gezeigt. 

Für  Island  ist  das  Auftreten  des  punktierten  Wasserläufers  durch  keinerlei 
Material  belegt.  Ich  führe  die  Art  nur  an,  weil  Treyer  behauptet,  Tutanus  ochropus 
wäre  zweifellos  der  Vogel,  den  Eggert  Olafsson  unter  dem  isländischen  Namen  hvkja- 
dudra  beschreibe,  was  ich  durchaus  nicht  annehmen  kann.  Zunächst  redet  Olafsson 
von  einem  Erutvogel,  was  Totanus  ochropus  kaum  jemals  in  Island  gewesen  sein  dürfte. 
Aus  der  folgenden  Beschreibung  geht  vielmehr  hervor,  daß  Olafsson  diese  auf  Rallus 
aquaticus  bezieht.  Er  erzählt  nämlich  (Reise,  deutsche  Ausg.,  II,  §  89ö  J,  S.  202): 
„Läkiadura,  ein  gleichfalls  noch  unbekannter  Vogel,  ist  Tringa,  tota  supra  fusca, 
maculis  albis.  Man  sieht  ihn  sehr  selten,  weil  er  sich  meistens  an  Bächen,  an  sumpfigen 
()rtern,  in  (jräben  und  in  Höhlen  aufhält,  wo  er  sich  von  Insekten  und  Würmern  nährt. 
Man  meint,  daß  er  auch  hier  überwintere.  Aus  dem,  was  wir  einmal  von  diesem  Vogel 
zu  sehen  kriegten,  schlössen  wir,  daß  er  mit  dem  Fu.  Su.  151  sehr  übereinkomme;  an 
Größe  kommt  er  dem  von  uns  §677b  beschriebenen  \ogel{--=  Änthus  pratensis,  d.  \.) 
sehr  nahe,  und  höchstens  ist  er  etwas  größer.  Der  Schnabel  ist  schwarz,  schmal  und 
gerade.  Die  Zehen  sind  etwas  länger  als  der  Schnabel,  mit  einer  schlichten  Haut 
eingefaßt  (Lobati),  oben  miteinander  verbunden,  und  haben  eine  dunkelgraue  Farbe. 
Der  obere  Teil  des  Vogels  ist  braunrot,  mit  weißen  und  schwarzen  Streifen,  unter 
dem  Bauche  aber  ist  er  weiß:irau  mit  denselben  Streifen.-' 

Numenius  budsonicus  liath. 
Am erikaiiischer  Regeul)nicb vogel. 

Numenius  borealis  Wils.:  Kjaerbelling,  Naumannia  IV,  S.  SOS  (ISöi).  —  Numenius 
hudsonicus  Jjath. :  Newton,  in  Baring-Goulds  Tceland,  p.  413(18H3).  -Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  40  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Icoland.  p.  109  (1901). 

Numenkis  borealis,  Lath.  &  Numenius  phacoptts  (L.):  ('ollin,  Skandinaviens  Fugle, 
S.  496  (1877).  —  Numenius  hudsouicus,  Lath.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV, 
p.364  (1896).  —   Winge,  Grönlands  F.igle,  S.  159  (1898). 

Isländisch:  Ameriskur  Spöi. 

Diese  Numenius  phaeopus  nahestehende  Art,  die  sich  bekanntermaßen  am  auf- 
fälligsten durch  die  rötlichen  Unterflügeldeckfedern  von  ihrem  europäischen  Verwandten 
unterscheidet,  bewohnt  einen  großen  Teil  Nordamerikas,  brütet  in  den  arktischen  Ge- 
bieten und  zieht  im  Winter  südwärts,  mitunter  bis  Südamerika.  Nach  Sharpes  Angabe 
ist  die  Art  in  Europa  nur  einmal,  nämlich  in  Spanien,  erlegt  worden. 

Von  Island  ist  das  Vovkoramen  des  amerikanischen  Regen bva ob vogels 
zweifelhaft.  Kja^rbolling  veröffentlichte  1854  (I.e.)  die  kurze  Mitteilung 
er  habe  einen  Balg  von  Xunienms  borealis  Wils.  aus  Island  erhalten,  wobei 
nicht  völlig  klar  ist,  welche  Art  er  hierunter  meinte,  zumal  jede  genauere. 
Angabe  fehlt  und  der  fragliche  Balg,  soweit  meine  Erkundigungen  reichten, 


254  Niiinonitis  phiioopiis  phaeopiis. 

nicht  mehr  vorhaudeu  zu  sein  scheint.  Wilson  selbst  (American  (»rnithology 
II,  p.  313.  1832)  bezeichnete  unter  Scolopax  boreuUx  allem  Anscheine  nach 
Lat/iaiiis  Xtiinetiiiis  hmlsoniciis  (nach  Anm.  p.  315:  Schnabellänge  4:\'^  inches 
=  114,3  mm;  bei  Lathaim  N.  borexdis  2  inches)  und  nicht  etwa  dessen  .V. 
horealis  =  N.  horeaUs  (Forst.).  Audi  die  auf  Blatt  56  des  Wilsonschen 
Atlasses  gegebene  Abbildung  entspricht  am  besten  A',  huhonicHs  Lath. 
Kja?rb0lling  redet  ferner  ausdrücklicli  von  einer  großen  Ähnlichkeit  des 
besagten  Vogels  mit  \.  jJtaeopns,  vermutet  freilich,  er  werde  in  Island  nur 
mit  diesem  verwechselt  und  deshalb  übersehen,  ja  brüte  möglicherweise  sogar 
neben  A'.  p/uK^opas  anf  der  Insel.  Trotzdem  glaube  ich,  ebenso  wie  Newton 
(1.  c),  daß  Kj?erb0lling  ein  Exemplar  von  A'.  Iiudsoidcus  Lath.  erhalten  hat; 
A'.  horealis  (Forst.)  kann  mit  A'.  phaeopiis  kaum  verwechselt  werden.  Collin 
(1.  c.)  und  mit  ihm  Winge  (in  litt.)  sind  jedoch  nach  Besichtigung  der  Ab- 
bildung, die  Kjserbolling  von  dem  Exemplare  im  2.  Supplement  zu  seinem 
Atlas  über  die  skandinavischen  Vögel  (1.  Aufl.)  gegeben  hat,  der  Überzeugung, 
daß  es  sich  überhaupt  bloß  um  einen  Xumeniiis  p>haeopus  handelt,  was  ich  nicht 
annehmen  möchte.  Da  nicht  nur  A'.  horealis  (Forst.),  sondern  auch  A'.  /ludsomnm 
Lath.  sich  mehrmals  in  Süd-  und  Nordgrönland  gezeigt  haben,  ist  das  Vorkommen 
der  einen  oder  der  anderen  Art  für  Island  nicht  ausgeschlossen. 

Anmerkung.  Die  Vermutung  Riemsclineiders,  er  habe  Numenius  tenuirostris 
Vieill.  in  Island  gesehen  (Ornith.  Monatsschrift  1896,  S.  'd'6\)  beruht  sicher  auf  Irrtum. 
Diese  Art  bewohnt  Xordafrika  und  Südeuropa  und  ist  schon  in  Mitteleuropa  eine 
seltene  Erscheinung. 

80.  Numenius  phaeopus  phaeopus  (L.). 
Regenbrachvogel. 

Numenius  phaeopus  (Lath.):  Fuber,  Prodromus,  S.  24  (1822).  —  Xumeuius  minor 
Brehm:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  400  (1862).  —  Xumenixis  phaeopus 
(Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  413  (1863).  —  Numenius  phaeopus  L.: 
Gröndal,  islenzkt  fuglatal,  bis.  39  (1895).  —  Numenius  phaeopus  {\A\\\\.):  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.  107  (1901). 

Numenius  phaeopus  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  8.496(1877).  —  Sharpe, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  355  (1896).  —  Ntimenius  phaeopus  (L.):  Winge,  Gren- 
lands  Fugle,  S.  158  (1898).  —  Numenius  phaeopus  (L.):  Naumann.  Vögel  3Iitteleuropas 
IX,  S.  151  (1902). 

Isländisch:  Spoi  (Etymologie  unklar),  litli  Spöi. 

Auch  dän.:  Lille  Spove.  Norw. :  Smaaspov.  Schwed. :  Smäspof.  F^inn.:  Kuovi. 
Fär. :    Spöi,  Spoggvi. 

Numenius  2)haeopus  phaeopus  bewohnt  den  Norden  der  westlichen  paläarktischen 
Region,  während  er  in  Ostasieu  durch  N.  ph.  variegatus  (Scop.)  vertreten  wird.  Nord- 
wärts geht  er  als  Brutvogel  bis  etwa  zum  Polarkreise  hinauf,  ist  häufig  in  den  Tundren 
des  mittleren  Sibiriens,  in  Zentral rußland,  Finnland,  Schweden  und  Norwegen  bis  zu 
den  Lofoten.  Auf  den  Britischen  Inseln  brütet  er  nur  vereinzelt  im  Norden,  dagegen 
bewohnt  er  häufiger  die  Orkney-Inseln.  Shetland  und  die  Färöer.  Von  Spitzbergen 
und  der  Bären-Insel  ist  er  als  ausnahmsweiser  Irrgast  bekannt,  auf  .Jan  3Iayen  wurde 
er  dagegen  auch  zur  Brutzeit  angetroffen.  Von  Grönland  liegen  zahlreiche  Nachrichten 
seines  Vorkommens  besonders  an  der  Südwestküste  vor.  und  es  ist  anzunehmen,  daß 
er  wenigstens  ab  und  zu  daselbst  brütet.  Im  Winter  besuchen  die  Vögel  Mittel-  und 
Südeuropa  und  wandern  südwärts  bis  zu  den  Kanarischen  Inseln.  Südafrika  und  Südasien. 


Niimenius  phacopiis  phaeopus.  255 

Für  Island  kann  der  Regenbracbvogel  als  ein  liünfiger  lirutvugel 
bezeichnet  werden.  Er  bewohnt  alle  grasbewachsenen  Niederungen,  die 
Heiden,  Buschgebiete  und  H(X'liraoore,  ohne  freilich  in  eigentlichen  Gebirgs- 
partien  zu  brüten.  Wegen  seiner  Größe  und  Lebhaftigkeit  ist  er  neben  dem 
Goldregenpfeifer  der  auffälligste  Vogel  derartiger  Landschaften,  zu  deren 
Belebung  er  außerordentlich  beiträgt. 

y  isländische  Unitvögel  meiner  Sammlung  von  Jüjalteyri.  ans  der  Zeit  vom 
28.  Mai  bis  20.  Juni,  2  (5  und  1  ?  ad.,  charakterisieren  sich  wie  folgt.  Gewicht  i.  Fl.:^ 
c.  500,  600  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.  (von  der  Kinubefiederung  bis  zum  Schwänzende): 
360—375,  390  mm.  Flügel:  249-251,  253.  Schwanz:  118—124,  117.  Schnabel: 
77—84,  94.  Tarsen:  57—59,  63.  Mittelzehe  inkl.  der  7  mm  langen  Kralle:  37—38, 
42,5  mm.  —  Iris:  dunkelbraun.  Oberschnabel:  schwarz.  Unterschnabel,  besonders  am 
Grunde:  grünlichgrau.  Füße:  grünlich  hellgrau  bis  gelblichgrau,  Zehen  dunkler  bis 
schwärzlich.  —  Entgegen  der  Ansicht  Naumanns  (Vögel  Mitteleuropas  IX,  S.  153)  muß 
bemerkt  werden,  daß  nicht  das  Männchen,  sondern  das  Weibchen  die  größeren 
3Iaße  zeigt;  besonders  der  Schnabel  ist  wesentlich  länger  und  stärker.  Auch  im  (tc- 
fieder  kennzeichnet  sich  das  Weibchen,  entsprechend  zahlreichen  verwandten  Arten, 
durch  geringere  und  schmalere  Fleckung  an  der  Brust  und  ausgedehnteres  fleckenloses 
Weiß  auf  den  Unterflügeln,  am  Bauche  und  Unterrücken.  Brutvögel  sind  auch  ohne 
anatomische  Untersuchung  ziemlich  sicher  nach  dem  Geschlcchte  zu  bestimmen.  • 
Mageninhalte:  Zahlreiche  etwa  3  mm  lange,  rundliche,  blauschwarze  Käfer,  Kaupen 
einer  Spannerart,  Fliegen,  Samenkörner  von  Beeren.  Sand  und  Steinchen  bis  zu  4  mm 
Durchmesser. 

Unsere  Art  ist  in  der  Hauptsache  Zugvogel  für  Island,  die  in  kleinen 
Scharen  Ende  April,  Anfang  Mai  auf  dein  Südlande  erscheint.  Jöusson  ))e- 
zeichnet  mir  als  Durchzugstermin  für  die  Vestmaunaeyjar  den  20.  April  bis 
5.  Mai  (in  litt.);  Gunulaugsson  beobachtete  1886  auf  Eeykjanes  die  ersten 
am  29.  April  (Ornis  VHI,  S.  344),  Gröndal  1888  bei  Reykjavik  am  2.  Mai 
(Oruis  IX,  S.  90).  Ich  selbst  sah  bis  zum  12.  d.  M.  kein  Exemplar  in  der 
Umgebung  der  Stadt;  erst  am  19.  Mai  traf  icli  solche  bei  Steiugrimsfjördr 
(N.).  Die  Vögel  besuchen  zunächst  die  schneefreien,  nassen  Wiesenflächen 
in  der  Nähe  des  Meeres,  sind  äußerst  vorsichtig  und  lebhaft,  laufen  und 
fliegen  unruhig  hin  und  her  und  beobachten  einen  nahenden  ]\Ienschen  auf 
bedeutende  Entfernung.  Gern  setzen  sie  sich  auf  erhöhte  Plätze,  Steine  und 
Grashügel,  wo  man  sie  von  weitem  kaum  entdeckt,  weil  ihre  Färbung  iius- 
gezeichuet  zu  dem  Gelblu'aun  des  Grases  paßt. 

Sobald  als  möglich  kommen  die  Brachvögel  nacli  ihren  Brutplätzen, 
wo  sie  sich  sofort  durch  ihre  auffälligen  Stimm  laute  bemerkbar  machen. 
Sie  fliegen  anfänglich  in  einem  großen  Reviere  umher  und  scheuen  trotz 
ihrer  Vorsicht  die  Nähe  von  Ortschaften  und  Bauernhöfen  durchaus  nicht. 
Wochenlang  hörte  ich  in  Hjalteyri  bis  spät  in  die  Nacht  hinein  ihre  Rufe, 
wenn  ich  in  der  Stube  präparierte.  Immer  wieder  interessant  aber  ist  es, 
an  sonnigen,  stillen  Morgen  die  Vögel  im  Nistbezirke  zu  beobachten.  Da 
sitzt  das  dünnschnäblige  Männchen  auf  seinem  Lieblingshügel,  öfluet  weit 
den  Schnabel  und  trillert  ein  rollendes  Dididi...,  das  in  der  Ferne  oft  wie 
Unkenschnurren  klingt.  Nun  fliegt  es  auf!  Die  langen  Füße  werden  zurück- 
genommen   und   bald    aneinandergelegt,   Kopf  und   Hals   vorgesti-eckt.     Mit 


256  Niunenius  phacopus  phaeopns. 

flatteruden,  sehr  schnellen  Flügelscliliigen  orhel)t  sich  der  Vogel  hocli  in  die 
klare  Luft,  so  hoch,  daß  man  ihn  bisweilen  kaum  mehr  sehen  kann.  Dabei 
läßt  er  tiefe,  gezogene  und  weiche  Flötentöue  (du  du  du)  oft  minutenlang 
hintereinander  gleichmüßig  vernehmen.  Dann  folgen  einige  wenige  höher 
aufsteigende  und  etwas  schneller  vorgetragene  Laute,  denen  sich  endlicli  ein 
scliöner,  perlender,  weicher  Triller  anschließt.  Kr  ist  kräftiger,  wohllautender 
und  auch  etwas  schneller  als  der  oft  zur  selben  Zeit  hörbare  Triller  des 
Goldregenpfeifers.  Mitunter  wird  er  sehr  lange  ausgehalten.  Der  Vogel  schwebt 
dabei  gewöhnlich  in  einer  Schraubenlinie  nach  dem  Nistorte  abwärts,  um 
dann  von  neuem  wieder  flatternd  emporzusteigen.  Dieser  Balzflug  ist  nur 
dem  Männchen  eigen,  auch  den  schönen  Triller  vermag  das  Weibchen  bloß 
in  einfacherer  Form  hervorzubringen.  Wenn  aber  die  Paare  sich  über 
dem  Nistplatze  umhertreiben,  ist  ihr  Pipipüpüpüpüüü . . .  nicht  von  einander 
zu  unterscheiden. 

Anfang  Juni  ist  das  kunstlose  Nest,  besonders  vom  Weibchen,  fertig 
gestellt.  Fs  befindet  sich  am  häufigsten  inmitten  ebener  Wiesen  oder  auch 
zwischen  Heidepflanzen.  Die  von  mir  gefundeneu  Nester  waren  wenig  ver- 
deckt oder  ganz  offen,  die  Eier  in  allen  Fällen  sofort  sichtbar.  Eine  aus- 
gescharrte Vertiefung  wird  nur  dünn  mit  Halmen  und  Blättcheu  belegt.  Die 
Nestmulde  zeigt  einen  Durchmesser  von  18 — 20  cm  und  eine  Tiefe  von 
etwa  3  cm.  Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  in  der  ersten  Hälfte  des  Juni. 
15  Gelege  meiner  Sammlung  vom  Nordlande  (1903  und  1904)  stammen 
aus  der  Zeit  vom  4.  bis  zum  2L  d.M..  die  letzten  waren  aber  schon  stark 
bebrütet.  Manchmal  gibt  es  bereits  Ende  Mai  Eier,  im  Südlande  wahrschein- 
lich nicht  selten.  Krüper  sah  die  ersten  am  30.  d.  M.  (Naumannia  1857,  II, 
S.  14).  Die  Zahl  beträgt  in  der  Regel  4,  in  Nachgelegen  auch  nur  3  Stück. 
Doch  erhielt  ich  als  Ausnahme  ein  sicher  zusammengehöriges,  charakteristisches 
Gelege  von  5  Eiern ;  leider  war  ein  Exemplar  durch  das  ungeschickte  Tragen 
des  Finders  stark  beschädigt. 

Einige  isländische  Gelege  meiner  Sammlung  kennzeichnen  sich  wie  folgt: 
63,5x41 ,2  mm  (3  g),  «'2x43(3,2),  61  x  42,2  (2,9).  —  61,5  x  43.2  (3,15),  60,5x42,8 
(3,1),  60,5x42,5  (3,1),  59,5x44  (3,2).  —  61,5x42,2  (3,1),  61,2x42,2  (3,2), 
60,5x41,2  (3),  60x42,2  (2,95).  ^-  59,5x44  (3),  59x41,5  (3),  57x43  (2.9), 
57  X  42  (2,8).  —  56,5  X  44,2  (2,7),  56,5x42,8(3),  56x43(2,8).  54,0x41(2,7). 
--  52x:40  (2,6).  —  Das  Vollgewiclit  einer  größeren  Zahl  von  mir  untersuchter 
frischer  Exemplare  schwankte   zwischen  46  und   57  g. 

Die  Brutdauer  beträgt  3  bis  3^2  Woche.  Für  gewöhnlich  brütet  das 
Weibchen,  wird  jedoch  gelegentlich,  besonders  am  Abende,  vom  Männchen 
darin  abgelöst.  Sonst  streift  dieses  in  dem  großen  Nistreviere  umher,  ver- 
einigt sich  aber  nur  vorübergehend  mit  Nachbarvögeln.  Naht  dem  Neste 
eine  Gefahr,  so  entdeckt  sie  das  Männchen  rechtzeitig  und  warnt  das  Weibchen 
mit  tiefem  Du  oder  höherem  Du.  Dann  erhebt  es  sich  und  fliegt  dem 
Eindringlinge  entgegen,  wobei  es  besorgt  einen  harten,  langsamen  Koller 
ausstößt :  pipipüpüpü . . . ,  titititütütü ....  Daweile  läuft  das  Weibchen  in  nieder- 
geduckter Haltung  rasch  vom  Neste,  zeigt  sich  erst  weit  davon  entfernt  und 
tut.  als  wäre  nichts  geschehen,  sodaß  man  leicht  glaubt,  die  Eier  befänden 


Xunienius  phaoopiis  pliaeo|)iis.  257 

sich  ;in  dieser  Stelle.  Verläßt  m;in  das  Brutgehiet  nicht,  so  tliei^en  dio 
besorgten  Tiere  mit  ängstlichem  Geschrei  umher,  kommen  aber  uiclit  immer 
auf  Schußnähe  au  den  j\Iensclien  heran,  ^lehrmals  überraschte  ich  freilicii 
auch  den  brütenden  Vogel  auf  dem  Neste.  Man  erkennt  dies  sofort  an 
seinem  ersclu-ockenen  Abfliegen  und  findet  natürlicli  die  Hier  nun  sehr  leicht. 
Sonst  wird  man  oft  von  den  klugen  Tieren  recht  irre  geführt.  Durchstreifen 
beutesucliende  Raubmöven,  Raben  oder  Falken  die  Gegend,  so  fliegen  unsre 
Brachvögel  erregt  hinter  ihneji  her  und  verfolgen  sie  mit  unablässigem  Rufen 
große  Strecken  weit,  ohne  freilich  immer  iliren  Zweck  zu  erreichen.  Ihre 
Fluggewandtheit  kann  man  bewundern,  wenn  sich  eine  ganzo  Schar  um 
einen  Jagdfalken  versammelt,  vor  dem  die  meisten  andern  Vögel  sich  angst- 
erfüllt verstecken.  Schon  Krüper  berichtet  ü[»er  zwei  derartige  Beobachtung«'!! 
(1.  c,  S.  15),  und  ich  selbst  hatte  das  unvergleichliche  Schauspiel  am  16.  August 
nördlich  von  Hiedarsteiun.  Langsam  flatternd  zog  der  Falke  dahin,  während 
etwa  20  Brachvögel  sich  hoch  in  der  Luft  über  ihm  hielten  und  mit  fort- 
währendem Geschrei  durcheinander  wogten.  Plötzlich  ein  gewaltiger  Schwung 
des  Räubers,  der  ihn  im  Augenblicke  zu  seinen  widerstandslosen  Verfolgern 
bringt,  die  wild  auseinanderstieben,  ein  kurzer  Flug,  ein  rascher  Stoß,  und 
der  nächste  Vogel  schreit  unter  den  Fängen  des  Siegers!  Von  den  ührii^en 
weiter  verfolgt,  entschwindet  der  Falke  meinen  Blicken. 

Sind  die  Dunenjungen  ausgeschlüptt,  so  wagen  sich  die  Alten  näher 
an  den  Menschen  heran.  Sie  breiten  den  Schwanz  etwas  fächerförmig  aus 
und  laufen  ängstlich  mit  geducktem  Kopfe  und  Oberkörper  umher,  wobei 
sie  eifrig  locken.  Reitet  mau  nicht  allzu  laugsam  vorüber,  so  bleiben  sie 
oft  in  einer  Entfernung  von  wenigen  Metern  stehen,  kommt  mau  zu  Fuße, 
verhalten  sie  sicli  nicht  ganz  so  zutraulich.  Die  Jungen  liegen  unterdessen 
festgedrückt  auf  der  Erde,  rühren  sich  nicht  von  der  Stelle,  solange  die 
Alten  ihre  Warnrufe  ausstoßen,  und  sind  deshalb  schwer  zu  entdecken.  Die 
Familien  verlassen  auch  bald  die  Wieseuflächen,  falls  solche  ihr  Brutgebiet 
darstellten,  und  ziehen  sich  nach  Gegenden  hin,  wo  niederes  Strauchwerk 
den  Boden  bedeckt.  Unter  den  Zwergbirken,  Heidekräutern  und  AVeidenbüschen 
flnden  nun  die  Jungen  viel  besseren  Schutz,  und  es  gelingt  dann  nur  zufällig, 
eins  der  vorsiclitigeu  Tierchen  habhaft  zu  werden.  In  den  buschbewaclisenen 
Hügellandschaften  am  Nordrande  des  Myvatn  z.  B.  sieht  man  im  Juli  zahl- 
reiche alte  Braclivögel,  während  die  jungen  äußerst  selten  zum  Vorscheine 
kommen.  Gelegentlich  überrascht  man  sie  noch  auf  freien  Plätzen,  wenn 
man  wachsamen  Auges  schnell  daliinreitet.  So  erblickte  ich  am  16.  Juli 
einen  halbwüchsigen  Vogel  auf  einer  Heidefläche  beim  Gödafalle.  Rasch 
sprang  ich  ab  vom  Pferde,  konnte  aber  das  hochbeinig  dahineilende  Tierchen 
erst  auf  20— -30  m  einholen.  Nachdem  ich  es  ergriffen  hatte,  umflogen  mich 
die  beiden  Alten  auf  wenige  Meter  Entfernung  und  stießen  kläglich  kreischende 
Töne  aus,  die  man  sonst  nicht  hört.  Es  versammelten  sich  bald  noch 
andere  Brachvögel  um  mich  und  meinen  Führer,  der  etwas  hinter  mir  geritten 
war.  Obwohl  ich  das  Junge  wieder  freiließ,  begleitete  uns  die  ganze  Schar 
noch  ein  großes  Stück  mit  erregtem  Schelten,  als  wir  unsere  Reise  fortsetzten. 

HantzscU,  Vogel  weit  Islands.  '■' 


258  Nurneiiius  arqiiatiis  ar(|iiatiis. 

Nach  spätestens  4  Wochen  sind  die  Jungen  flugbar.  Die  Familien 
vereinigen  sich  nun,  etwa  Anfang  August,  zu  Scharen,  die  sich  mit  leisem, 
wenig  anhaltendem  Bübübibibibi,  Bibibiibübüb  zusaniraenlocken.  Dann  ist 
der  Sommer  für  Island  vorüber,  und  ein  Gefühl  der  Trauer  erfaßt  den 
Reisenden,  wenn  er  die  Vögel,  die  seine  Gefährten  waren  vom  Frühlinge  her, 
hoch  über  sich  in  der  Luft  fliegen  sieht  und  ihre  Abschiedsrufe  vernimmt. 
Bald  vergrößern  sich  die  Scharen.  Ich  beobachtete  schon  in  der  2.  Hälfte 
des  August  mehr  als  hundert  Vögel  beieinander.  So  streifen  sie  im  Lande 
umher,  besuchen  alle  geeigneten  Gebiete  im  Innern  und  später  an  den  Küsten, 
kommen  gelegentlich  auch  nach  Grimsey,  fangen  aber  von  Mitte  September 
an,  Island  zu  verlassen.  Gunnlaugsson  sah  1886  die  letzten  auf  Reykjanes 
am  27.  September  (Ornis  VIII,  S.  344).  Die  Vestmannaoyjar  berühren  sie 
gewöhnlich  in  der  Zeit  vom  20.  d.  M.  bis  zum  10.  Oktober  (Jönsson,  in  litt.). 

Kleine  Scharen  sollen  jedoch  ausnahmsweise  in  Island  überwintern. 
Schon  Ölafsson  berichtet  dies  (Reise  I,  S.  308),  und  mir  wurde  von  mehreren 
Personen  in  Hjalteyri  erzählt,  daß  sich  im  AVintcr  1899  zu  1900  etliche 
Brachvögel  bei  der  Schule  im  benachbarten  Mödruvellir  zeigten,  die  von 
vielen  Schülern  gesehen  wurden. 

81.  Numenius  arquatus  arquatus  (L.). 
Großer  Brachvogel. 

Numenkis  arquata  (Lath.):  Faber,  Prodromus,  S.  24  (1822).  —  Numenius  arquatus 
L.:  Preyer  («&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  8.429(1862).  —  Numenius  arquahis  (Linn.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  413  (1863).  —  Numenius  arcuata  L.:  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  40  (1895).  —  Numeni^is  arquata  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Tceland, 
p.  106  (1901). 

Numenius  arquata  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  494  (1877).  —  Numenius 
arquatus  (L.):  Sharpe.  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIY,  p.  341  (1896).  —  Niimenius  arcuatus 
L.):  Nanraann,   Vögel   Mitteleuropas  IX,  S.  140  (1902). 

Isländisch:  Störi  Spöi (=  großer  Spöi ), nef  beginn  Spoi  (=  bogenschnäbliger Sp6i), 

Auch  dän.  &  norw. :  Storspove.     Schwed.:  Storspof.     Fär.:  Spöi,  Spoggvi. 

Numenius  arquatus  arquatus  ist  Brutvogel  in  der  westlichen  paläarktischen 
Kegion,  während  er  im  mittleren  Sibirien,  ostwärts  etwa  bis  Daurien  hin,  von  dem 
nahe  verwandten  N.  a.  lineatus  Cuv.  vertreten  wird.  Nordwärts  brütet  er  bis  gegen 
den  Polarkreis  hinauf,  unter  anderem  im  nördlichen  Ilußland,  in  Fiimland,  Schweden 
und  Norwegen;  auch  auf  den  Britischen  Inseln  ist  er  nicht  selten;  die  kleinen  Gruppen 
bis  zu  den  Färöern  berührt  er  aber  nur  auf  dem  Zuge.  Von  Grönland  und  dem 
arktischen  Europa  kennt  man  ihn  nicht.  Im  Winter  kommt  er  bis  nach  den  Azoren, 
dem  Kaplande  und  Madagaskar  hinab. 

In  Island  hat  sich  der  große  Brachvogel  auch  nur  als  gelegent- 
licher Gast,  besonders  im  Herbste,  gezeigt.  Schon  Faber  teilt  mit,  daß 
am  6.  September  1819  ein  Exemplar  bei  Reykjavik  erlegt  wurde,  und  auch 
Krüper  hörte  von  einem  Lehrer  au  der  Lateinschule,  daß  man  im  Herbste 
1855  seclis  getötete  Vögel  unsrer  Art  nach  Reykjavik  gebracht  habe  (Nau- 
mannia  1857,  II,  S,  15),  Gröndal  berichtet  ein  weiteres  Vorkommen  von 
mehreren  großen  Brachvögeln  im  Herbste  1876  auf  Alftaues  (W.);  ein 
Individiuum  wurde  erlegt  und  befindet  sich  jetzt  neben   einem   anderen  im 


Vaiielliis  vanelhis. 


259 


Keykjavikor  Museum.  1890  erschienen  wieder  etliche  Vögel  im  Südlande, 
von  denen  ebenfalls  2  oder  3  erbeutet  wurden  (Ornis  XI,  S.  453).  V.  Nielsen 
teilte  mir  mit  (auch  Ornis  III,  S.  157),  er  habe  vor  längeren  Jahren  10  Stück 
bei  Eyrarbakki  beobachtet,  und  J.  V.  Havstcen  erzälilte  mir  von  dem  Vor- 
kommen unsrer  Art  im  Kyjafjördr. 

82.  Vanellus  vanellus  (L.). 
Kiel)itz. 

Vanellus  ciistatus  (J\Ieyer):  Fabor,  Prodromus,  S.  2(i  (1822).  Vanellus  criistafus 
Temm.:  Prej-er  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  429  (1862).  —  Vanellus  cristatus 
(Meyer):  Newton,  in  ßaring-Goulds  Iceland,  p.  411  (1863).  —  Vanellus  cristatus  Mey, 
&  Wolf:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  39  (1895).  —  Vanellus  vulgaris,  Bechst.:  Slater, 
Birds  of  Iceland,  p.  8r>  (1901).  —  Vanellus  cristatus  Meyer:  Ssemundssoii,  Zoolog 
Meddel.  fra  Island,  S.  15  (1905). 

Vanellus  cristatus  Mey.  &  Wolf:  Collin.  Skandinaviens  Fugle,  S.  452  (1877).  — 
Vanellus  vaneUus  (L.):  Sharpo,  Cat.  Birds  Erit.  Jlhis.  XXIV,  p.  166  (1896).  —  Vanellus 
cristatus  Meyer:  Winge.  Grönlands  Fugle.  S.  147  (1898).  —  Vanellus  vanellus  (L.): 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VIII,  S.  3  (1902). 

Isländisch:  Vepja   (nach  Gröndal   neueres  Lehnwort),   Isakräka  (=  Eiskrähe). 

Auch  dän.  &  uorw.:   Vibe  (des  Rufes  wegen).    Schwed.:  Vipa.    Fär. :  Vipa,  Vujpa. 

Vanellus  vaiiellus  bewohnt  die  ganze  paläarktischc  Region  einschließlich  der 
Mittelraeergebiete.  In  Asien  mag  er  als  ßrutvogel  55  ^  nordwärts  nicht  wesentlich 
überschreiten,  in  Europa  jedoch  dringt  er  bis  an  den  Polarkreis  vor  und  in  Norwegen 
sogar  noch  höher.  Südwärts  brütet  er  bis  China,  Turkestan,  Nordpersien  und  ge- 
legentlich Nordafrika.  Während  des  Winters  ziehen  sich  die  Vögel  in  den  südlichen 
Gegenden  und  in  den  westeuropäischen  Küstenländern  zusammen.  Der  Kiebitz 
brütet  unter  anderem  häufig  im  nördlichen  Rußland,  Finnland  und  Skandinavien, 
sowie  auf  den  Britischen  Inseln,  wo  er  zahlreich  überwintert.  Von  hier  aus  besucht 
er  die  kleinen  Gruppen  nordwärts  bis  zu  den  Färöern  als  Gast.  Auch  von  Jan  Mayen 
und   dem  westlichen  Grönland  ist  er  als  solcher  bekannt. 

Ebenso  kommt  der  Kiebitz  als  gelegentlicher  Gast  nach  Island, 
am  häufigsten  wohl  im  Spätjahre.  Die  Wanderer  irren  oft  monatelang  an 
den  Küsten  der  Insel  umher,  verschwinden  aber  gewöhnlich  im  Frühjahre. 
Doch  versichert  Gröndal,  daß  man  ihm  zu  allen  Jahreszeiten,  aucli  im  Sommer, 
Kiebitze  zum  Kaufe  angeboten  hätte  (Ornis  XI,  S.  453).  Einige  genauere 
Notizen  über  das  Auftreten  der  Art  mögen  folgen! 

Schon  Faber  berichtet  (1.  c),  daß  je  ein  Exemplar  1818  bei  Hafnarfjörrtr 
und  1820  auf  den  Vestmannaeyjarn  gefangen  wurde.  Nach  Jönssou  beob- 
achtet man  den  Kiebitz  auf  diesen  Inseln  nicht  allzu  selten  (in  litt.).  Eine 
Reihe  weitere  Angaben  macht  S?emundsson  (1.  c).  Er  sagt,  daß  sich  die 
Vepja  wiederholt  an  den  Küsten  der  Skaptafells-Sysla  (SO.),  besonders  häufig 
im  Spätjahre  1902.  gezeigt  habe.  Um  dieselbe  Zeit  kamen  Scharen  der 
Vögel  nach  Grindavik  (SW.),  wo  Ssemundsson  bereits  früher  zu  wiederholten 
Malen  die  Art  feststellte,  ferner  nach  Akranes  (SW.)  und  am  12.  Dezember 
in  die  Nähe  von  Reykjavik.  Im  Januar  1903  erhielt  der  Berichterstatter 
ein  getötetes  Exemplar  von  Hafnarfjördr  und  ein  weiteres  von  Keflavik  (SW.). 
In  demselben  Winter  ti-af  man  einen  Kiebitz  bei  Kolsholt  in  der  Landschaft 

17* 


260  S(|iiatur()Ia  liclvetica. 

Flöi  (S.);  ein  anderer  wurde  tun  die  Neujahrs/.eit  in  der  Nähe  von  Hriiiiii 
bei  Reykjavik  erlegt.  Auch  von  den  übrigen  Küsten  Islands  hat  man  Naeli- 
ricliteu  über  das  Vorkommen  unserer  Art.  Im  Eyjafjördr  zeigte  sie  sich 
wiederholt  im  Winter.  Melirere  I^xemplare  wurden  daselbst  erlegt  und 
J.  V.  Havsteen  gebracht  (mündl.  Mitteilung).  Ein  Träparat  vom  Februar  1902 
z.  B.,  gesammelt  bei  Svalbardeyri,  befindet  sich  im  Museum  von  Kopenhagen, 
neben  diesem  auch  ein  anderes  vom  Februar  1879  ohne  genaue  Fundorts- 
angabe, l'jin  Exemplar  in  der  Reykjaviker  Sammlung  stammt  gleichfalls 
aus  dem  Eyjafjördr;  es  wurde  im  März  1901  bei  ])elamörk  erlegt  und  von 
Havsteen  eingesandt.  Ebenso  schreibt  St.  Stefiinsson,  daß  man  mehrere 
Kiebitze  im  Spätjahre  1900  am  Eyjafjördr  beobachtete,  die  bis  tief  in  den  Winter 
daselbst  blieben  (Nordurland.  Akureyri,  4.  Okt.  1902).  Im  September  und 
Oktober  1903  zeigte  sich  nach  Angabe  desselben  Berichterstatters  wiederum  eine 
Schar  der  Vögel.  Sogar  auf  Grimsey  hat  man  die  Art  einmal  im  Herbste  beob- 
achtet (Matthias  Eggertssou),  und  Gröndal  und  andere  verbürgen  ihr  Vorkommen 
im  Ostlande.  So  sah  man  1897  einExemplarbeiFlj6tsdalsht''rad(Sa3mundsson,l.c.). 
Tiefer  ins  Innere  des  Landes  scheint  sich  der  Kiebitz  nicht  zu  begeben, 
und  aucli  von  einem  Brüten  auf  der  Insel  liegen  keine  Berichte  vor. 

83.  Squatarola  helvetica  (L.). 
Kiebitzregenpfeifer. 

Squatarola  helvetica  L. :  Gröndal,  islenzkt  fiiolatal.  bis.  39  (1895).  — Squatarola 
helvetica  (Limi.):  Slater,  Birils  of  Iceland,  p.  85  (1901). 

Squatarola  Helvetica  (Ij.):  Collin,  Skandinaviens  Fiig:Ie,  S.  450  (1877).  —  Squata- 
rola helvetica  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  ]\Iiis.  XXIV,  p.  182  (1896).  —  Charadrius 
sqvatarola  L. :  Winge,  (Irenlands  Fiigle,  S.  148  (1898).  —  CJiaradrhis  squatarola  (L.) : 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VIII,  S.  35  (1902). 

Isländisch:  Strandlöa  (Loa  =  Charadrius  aj)ricariusj. 

Auch  dän.:  Strandlijejle.     Norw.:  Strandlo. 

Squatarola  helvetica  brütet  zirkumpolar  in  den  südlicheren  Teilen  der  arktischen 
Region,  besonders  in  den  Tundren  Sibiriens  bis  hinauf  zur  TaimjT-Halbinsel.  ferner 
auf  Kolguew,  Dolgoi  und  wahrscheinlich  auf  Nowaja  Semlja,  sowie  im  äußersten  Xord- 
rußland.  In  Amerika  fand  man  ihre  Brutplätze  im  Gebiete  der  Franklin-Bai  und  auf 
der  Melville-Halbinsel.  In  Westgrönland  hat  sich  unsere  Art  wiederholt  gezeigt, 
scheint  aber  nicht  daselbst  zu  brüten;  von  Jan  Mayen  und  Spitzbergen  keimt  man 
sie  noch  gar  nicht.  Zur  Zugzeit  kommen  die  Vögel,  besonders  an  den  Küsten,  nach 
den  meisten  Ländern  der  Erde,  bis  hinab  zum  Süden  der  Kontinente.  Alsdann  sind 
sie  unter  anderem  auch  nicht  selten  im  ganzen  Gebiete  der  Ost-  und  Nordsee. 

Island  besucht  der  Kiebitzregenpfeifer  ebenfalls  als  gelegentlicher 
Gast.  Freilich  Hegen  bis  jetzt  nur  wenige  sichere  Angaben  hierüber  vor, 
was  wohl  darauf  zurückzuführen  ist.  daß  unsere  Art  für  einen  etwas  ab- 
weichend gefärbten  Goldregenpfeifer  angesehen  wird.  Gröndal  erhielt  sie 
jedoch  mehrmals  (Ornis  XI,  S.  453).  Zwei  Belegexemplare  befinden  sich 
im  Reykjaviker  Museum,  von  denen  das  eine  aus  der  Umgegend  der  Stadt 
stammen  soll,  das  andere  aber  am  25.  September  1892  von  Nielsen  bei 
Eyrarbakki  gesammelt  wurde.  Auch  J.  V.  Havsteen  versicherte  mir.  daß  die 
Art    melirraals    im    Nordlande    beobachtet    und    ihm    gebracht    worden   sei. 


Cliaradriiis  ain-icaiiii.s.  261 

84.  Cliaradrius  apricarius  I.. 

Goldregenpfeifer. 

CharadriHS  pluvialis  (f.inn.):  Faber,  Prodroimis,  8.  22  (1822).  —  riuviulis 
apricarius  Bonap. :  Prcyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  JüMi  (18()2).  —  Cliaradrius 
pluvialis  Linu.:  Newton,  in  Baring-Üoiilds  Jceland.  p.  411  (18«y)  —  (Ti-Öndal,  Islcnzkt 
fuglatiil,  bis.  38  (1895).  —  Sluter,  liird.s  of  Iccland.  p.  83  (l!)Ol).  —  Sajnmndsson'.  Zuoldg. 
Meddel.  IVa  Island,  8.  15  (1905). 

Cliaradrius  jünvialis,  L. :  Collin.  8kandinaviens  Fn>-k',  8.441  (1877).  -  81iarpc, 
Cat  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  191  (189(3).  —  Cliaradrius  jüttvialis  L.  typicus:  \\ui(ro, 
Grönlands  Fugle,  S.  148  (1898).  —  Cliaradrius  plucinlis  L. :  Naumann.  Vögel  Mittel- 
europas VIII,  8.  21   (1902). 

Isländisch:  Heidlo  (von  heidi  =  Heide;  Etymologie  von  Lö.  Loa  ist  unklar, 
nach  (inindai,  Ornis  IX,  8.  88,  von  lö  =  Loden,  8pit2enhaare  zottigen  Wollgewebes, 
ursprünglich  KoUektivum  l'iir  einen  ganzen  8chwarni  die  Heide  bedeckender  Vögel), 
Heilö,  Heilöa  oder  Heylö,  Heylöa  (Zusanimenziehung  oder  wahrscheinlicher  abgeleitet 
von  hey  =  Heu,  weil  sich  die  Vögel  zur  Heuernte  in  ]\Ienge  auf  den  \\'iesen  umher- 
treiben), häufig  nur  Lö,  Loa. 

Auch  dän.:  Hjeile,  Hjejle,  Ilelungur,  Heilung.  Norw.:  Hejh»,  Ilelo,  Helun. 
Fär. :  Lego,  Logo,  Logo,  Lo,  La. 

Cliaradrius  apricarius  bewohnt  den  Norden  der  westlichen  paläarktischen  Hegion 
etwa  zwischen  53"  n.  Br.  und  dem  Polarkreise,  von  Island  bis  zum  Jenissei.  Er  brütet 
unter  anderem  in  Nordrußland.  Finnland,  Lappland  und  in  ganz  Skandinavien  bis  zum 
Nordkap,  auf  den  Britischen  Inseln  besonders  in  den  schottischen  Jlooreu.  endlich  auch 
auf  den  kleinen  Inselgruppen  nordwärts  bis  zu  den  FärÖern.  Sein  gelegentliches 
Brüten  in  Ostgrönland  und  vielleicht  sogar  auf  Jan  3Iayen  ist  nicht  ausgeschlossen. 
In  Westgrönland  hat  sich  unsere  Art  wiederholt  gezeigt,  neben  ihr  freilich  auch  der 
verwandte  Cliaradrius  dominicus  3Iüll.  —  Auf  dem  Zuge  kommt  Cli.  apricarius  bis 
hinab  nach  Madeira,  dem  Kaplando  und  Nordindien. 

Id  Island  ist  der  Goldregeupfeifer  ein  sehr  häufiger  Brutvogel 
auf  allen  mit  dürftigem  Pflanzenwuchse  bedeckten  Gebieten.  Am  zahlreiclistcu 
bewohnt  er  die  Heiden  und  die  trockneren  Graslandschaften,  sowohl  die  in 
der  Nähe  des  Meeres  als  auch  in  höheren  Gebirgslagen.  Völlig  kahles, 
felsiges  und  allzu  sumpfiges  Terrain  meidet  er  dagegen.  Kr  ist  einer  der 
auffälligsten,  charakteristischsten  und  deslialb  auch  bekanntesten  aller  islän- 
dischen Landvögel. 

4  (5  ad.  meiner  Sammlung,  Brutvögel  von  Hjalteyri  aus  der  Zeit  vom  27.  Mai 
bis  20.  Juni  1903,  zeigen  folgende  31aße.  Gewicht  i.  Fl.:  195— 218  g.  Gesamtlänge 
i.  Fl.:  252-267  mm.  Flugbreite  :  c.  570.  Flügel:  179— 185.  Schwanz:  79— 89.  Schwanz 
=  Flügel.  Schnabel:  21—22,5.  Tarsen  :  40—42.  i\littelzehc  inkl.  der  8—9.5  mm  langen 
Kralle:  32.5—35  mm.  —  ?  ad.,  Brutvogel  vom  28.  Jlai  1903,  Hjalteyri.  Gewicht  i.  Fl.: 
275  g  (mit  fast  legereifem  Ei).  Gesaratlänge  i.  Fl.:  282  mm.  Flügel:  191.  Schwanz:  84. 
Schnabel :  23.  Tarsen :  42.  Mittelzehe  inkl.  der  7  mm  langen  Kralle :  32.  -  -  Das  Weihchen 
unterscheidet  sich  vom  Männchen  im  Sonnnerkleide  am  auffälligsten  durch  gelbliche 
Mischung  der  Kopfseiten,  größeren  weißen  Kinnticck,  nuitteres,  unreineres  Schwarz  an 
der  Kehle,  schmaleren,  gelblichweißen  Augenstreifen.  Größenunterschied  bei  dieser  Art 
weniger  hervortretend.  -  Iris:  dunkelbraun.  Schnabel:  scJiwarz.  Füße:  grünlichgrau 
bis  schwarzgrau,  Zehen  ijumer  dunkler.  —  Mageninhalte:  sehr  kleine  Insekten,  liart- 
gchalige  kleine  Schnecken. 

Der  Goldregenpfeifer  ist  ein  Zugvogel  für  Island,  der  gewöhnlich 
gegen  Mitte  April  erscheint.  Nach  Scpraundssons  Ki jährigen  Beobachtungen 
zeigten  sich  die  ersten  Exemplare  bei  Reykjavik  zwischen  dem  7.  und  20.  April 


2f)2  Cliaradriiis  apricarius. 

(1.  c.)  Gröndal  neimt  als  zeitigsten  Termin  den  10.  d.  M.  (Ornis  IX,  S.  89), 
Jöusson  als  Hauptdurehzug  für  die  Vestinannaeyjar  den  20.  bis  30.  April 
(in  litt.).  Zu  dieser  letztgenannten  Zeit  mag  wolil  auf  Island  selbst  auch 
erst  die  Menge  der  Vögel  ankommen.  Ich  l)eobachtete  unsere  Art  nicht  vor 
dem  26.  April  bei  Reykjavik.  Anfänglich  sieht  man  die  Goldregenpfeifer  in 
größeren  Scharen  beieinander.  Schnell  laufen  die  Tiere  auf  schneeft-eien 
Grasflächen  umher,  untenielimen  gemeinsame  kleine  Umflüge,  wobei  sie  nur 
ganz  feine  Lockrufe  liören  lassen,  und  fallen  bald  wieder  an  benachbarter 
Stelle  ein.  Dann  scliauen  die  schönen,  nun  bereits  recht  sciiwarz))äuchigen 
Vögel  unverwandt  auf  den  Menschen  in  der  Nähe,  um  sich  bei  ernstlicher 
Gefahr  noch  weiter  fortzubegeben.  Es  ist  in  dieser  Jahreszeit  gar  nicht 
leiclit,  den  Tieren  scliußmäßig  anzukommen.  Bereits  einige  Tage  nach  ihrer 
Ankunft  zerstreuen  sich  die  Scharen.  Nun  vernimmt  man  zwar  in  den  ein- 
samen Heidon  häutig  genug  das  traurige  Du  oder  auch  schon  das  sommer- 
liche Didüli.  didüli.  bekommt  aber  den  Rufer  selbst  kaum  zu  Gesiclit.  Sehr 
rascli  eilt  dieser  zwischen  den  Erdhügelchen  dahin  und  hält  sich  immer  in 
angemessener  Entfernung  von  seinem  Verfolger.  Schon  Ende  April  beob- 
achtete ich  überall  bei  Reykjavik  das  Balzen  der  Männchen.  Besser  aber 
noch  kann  man  die  Flugspiele  der  Vögel  und  die  Mannigfaltigkeit  ihrer 
Stimmen  an  den  eigentlichen  Brutplätzeu  kennen  lernen. 

Ende  Mai  bei  Hjalteyri!  Die  Morgensouue  flimmert  in  der  klaren, 
leicht  vom  Winde  bewegten  Luft.  Neues  Leben  strömt  machtvoll  durch 
alle  Adern  der  Natur.  Da  steigt  frohbewegt  auch  unser  Goldregenpfeifer- 
männchen empor.  Seine  ganze  Seele  legt  er  hinein  in  das  hundertmal 
wiederholte  feierliche  Tü-tü-tüdiü-tfldiü-tidüi-tidtti,  das  ab  und  zu  in  einen 
langanhaltenden,  wolilklingenden  Roller  übergeht.  Dabei  beschreibt  der  Vogel 
oben  am  Himmel  schöne  Kreise,  bewegt  die  Flügel  meist  langsam  und 
gleichmäßig,  schwebt  aber  auch  zeitweilig,  fängt  plötzlich  schnell  zu  flattern 
an,  trillert  und  senkt  sich  zum  Schlüsse  steil  auf  den  Boden  herab.  Ermüdet 
von  der  Anstrengung  läuft  er  absatzweise  zu  dem  Weibchen,  das  ihn  mit 
einzelnen  lieimlichen  Tü-Lauten  willkommen  heißt.  Haben  mehrere  Paare 
dicht  beieinander  ihren  Nistbezirk.  so  suchen  sich  die  Männchen  oft  mit  Flug- 
künsten und  unablässigem  Flöten  und  Trillern  zu  überbieten.  Da  der 
Goldregenpfeifer  aber  im  allgemeinen  ein  sanftes,  verträgliches  Temperament 
besitzt,  kommt  es  selten  zu  Streitigkeiten.  Im  Gegenteil  sieht  man  die  Vögel  der 
Nachbarschaft  sogar  während  der  Brutzeit  liäuflg  beisammen,  und  auch  der 
kleine  Alpenstrandläufer  hält  gute  Freundschaft  mit  dem  größeren  Verwandten. 

Ende  Mai  ist  das  Nest  fertiggestellt.  Es  befindet  sich  auf  einem 
flachen  Hügel  oder  auch  inmitten  einer  trocknen  Berglehne,  oft  zwischen 
strauchartigen  Gewächsen,  manchmal  jedoch  ganz  frei  im  Grase.  Die 
"Unterlage  ist  zwar  nicht  dick,  aber  fest  und  sorgfältig  in  die  muldenartige 
Vertiefung  gebaut.  Sie  besteht  aus  Grashalmen  der  Umgebung,  einigen 
kleinen  Blättchen  und  seltner  auch  etlichen  Federn.  Der  Durchmesser  des 
Nestes  beträgt  ungefähr  14,  seine  Tiefe  5  cm.  Die  Ablage  der  Eier  beginnt 
im    Nordlande   kaum    vor   Ende   Mai.     Krüper   fand    ein    volles   Gelege    am 


(Jhiu-adi 


iCy'i 


28.  d.  M.  (Naiimiiimia  1857,  II,  S.  19),  auch  Faber  ueiiat  diesen  Termin, 
l^reyer  hingegen  sah  am  22.  Juni  bei  lUngvellir  schon  fast  erwachsene  Junge, 
was  er  indes  selbst  für  einen  Ausnahmefall  hält  (1.  c,  S.  397).  13  nord- 
isländisclie    Gelege   meiner   Sammlung   stammen    aus    der   Zeit   vom   2.  bis 

29.  Juni;  die  nach  dem  10.  gesammelten  waren  mehr  oder  weniger  bebrütet. 
Nur  ein  fast  frisches,  wahrscheinlich  ein  Nachgelege,  erhielt  ich  noch  am 
21.  Juni  in  der  Gegend  von  Hjalteyri,  sowie  ein  wenig  bebrütetes  am  26.  Juni 
auf  Grimsey.  Gröndal  sagt  freilich,  daß  unsere  Art  im  gebirgigen  Teile  der 
Müla-S.fsla  erst  im  Juli  brüte  (Ornis  IX,  S.  96).  Die  Zahl  der  Eier  beträgt 
fast  immer  4,  in  Nachgelegen  mitunter  3.  Als  Seltenheit  erhielt  ich  auf 
Grimsey  ein  Gelege  von  ö  sicher  zusammengehörigen  Eiern.  Auf  dieser 
Insel  brütet  der  Vogel  so  vereinzelt,  daß  ein  Zusammenlegen  aucli  ohne  die 
charakteristisclie  Ähnlichkeit  der  Eier  niclit  anzunehmen  ist. 

Einige  isländische  Gelege  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  3Iaße:  53,2x3,5  mm 
(1.65  g),  53x35,5  (1,75),  52x36  (1,7),  51,5x35,8  (1.7).  —  52,2x34,5  (1,55), 
51,5x35  (1,55),  51,5x3-1,5  (1,55),  51x34,2  (1,55).  —  52x34,8  (1,6),  51,5x35,2 
(1,6),  50  X  34.5  (1,5),  49  x  35,2  (1,55).  —  52,2  x  35.2  (1,6).  51,2  x  34,5  (1,6),  50,2  x  35 
(1.6),  49,5  X  35,2  (1,6).  —  49,2  x  34  (1,65),  48.2  x  36  (1.65).  48  x  33,2  (1.5),  47,8  x  34 
(1,65).  —  Das  VoUgewiflit  einer  größeren  Reihe  von  mir  untersiu-hter  Exemplare 
schwankte  zwischen  28  und  33  g.  —  Eidotter  hellgelb. 

Das  Brutgeschäft  dauert  etwa  3  Wocheu,  nach  Faber  20  Tage.  Ich 
fand  am  3.  Juni  dicht  bei  Hjalteyri  ein  Gelege  von  3  Eiern,  die  ich  zu 
beobachten  beschloß.  Am  14.,  20.,  22.  und  24.  Juni  fand  ich  4  Eier  vor. 
Am  25.  früh  war  ein  Junges  ausgeschlüpft,  ein  anderes  zerbrach  eben  die 
Schale.  Die  Alten  lockten  unablässig,  schienen  aber  meine  Ungefährlichkeit 
und  zugleich  meine  Bemühungen  zu  würdigen.  Weitere  Beobaclitungen 
an  dem  Neste  konnte  ich  leider  nicht  anstellen,  da  ich  nach  Grimsey  fuhr. 
Das  1.  Junge  war  also  nach  21  Tagen  ausgefallen.  Das  Weibchen  sclieint 
allein  zu  brüten.  Wenigstens  habe  ich,  soweit  sich  die  Geschlechter  mit 
Sicherheit  im  Leben  unterscheiden  lassen,  niemals  das  Männchen  auf  den 
Eiern  gefunden.  Dieses  bleibt  aber  in  der  Nähe  des  Nestes  und  bewacht 
die  Gegend.  Zeigt  sich  irgend  eine  verdächtige  Erscheinung,  etwa  ein  Reiter, 
so  läuft  der  Vogel  diesem  bis  über  die  Grenze  seines  Reviers  entgegen,  stellt 
sich  dort  auf  einen  Grashügel  und  ruft  eintönig  ti-ti,  tü-tü,  dilü-dilü.  Er 
begleitet  nun  den  Reiter  mit  traurigem  Rufen  sohmge,  bis  dieser  den  Nist- 
bezirk verlassen  hat.  Gewöhnlich  linden  sich  aber  alle  Grenznaclibarn  ein, 
sodaß  man  bei  langsamer  Durchquerung  der  Heiden  oft  stundenlang  von 
Goldregenpfeifern  umgeben  wird.  Kommt  man  zu  Fuß,  sind  die  Vögel  noch 
besorgter.  Doch  ist  es  schwer,  in  den  ausgedelinten  Gebieten  das  Nest 
eines  bestimmten  Paares  finden  zu  wollen.  Am  besten  reitet  man  langsam 
auf  gut  Glück  zu,  ohne  sich  viel  nach  den  begleitenden  Vögeln  umzuscimuen. 
Nähert  man  sich  einem  Neste,  so  werden  die  Lockrufe  lebhafter.  Das  bloße 
Du  geht  in  Didüli  Didiili  über,  was  in  der  Erregung  auch  ohne  Unterbrechung 
aneinandergereiht  wird,  etwa  so  schnell,  wie  man  mittelmäßig  spricht.  Läßt 
man  nun  seine  Blicke  aufmerksam  über  die  nähere  Umgebung  gleiten,  so 
sieht    man    im   günstigen   Falle   irgendwo    einen  Vogel    aufstehen    und    mit 


264  Cliarailriu.s  apriciiriiis. 

bilngendeii  Flügeln  tiefniedorgeduckt  fortlaufeu.  Au  dieser  Stelle  befindet 
sich  dann  das  Nest.  Erst  10 — 20  ni  abseits  fliegt  das  Weibchen  mit  einigen 
hohen,  scharfen  Ti  ti  ti  davon.  Nun  erliebt  sich  das  .Männchen,  das  wenige 
Meter  nebeuherläuft.  gewöhulicli  gleirlil'alls  in  die  Jjuft,  vereinigt  sich  mit 
dem  AYeibchen,  worauf  beide  gemeinsam  den  Störenfried  verfolgen.  Die 
Kier  werden  erst  dann  wieder  angenommen,  wenn  völlige  Ruhe  eingetreten 
ist.  In  einigen  Fällen  scheuchte  ich  in  zerrissenem  Heideterrain  die  Vögel 
auch  wenige  Meter  vor  mir  vom  Neste  auf,  einmal  selbst  von  ganz  frischen 
Eiern.  Dies  geschieht  besonders  bei  lieftigem  Sturme.  Dann  flattert  das 
Weibchen  mit  merkwürdigen  Flügelbewegungen  ein  großes  Stück  über  dem 
Boden  hin  und  kommt  nicht  gleich  wieder  zum  Vorscheine. 

Die  Dunenjungen  verlassen  nach  wenigen  Stunden  das  Nest  und 
verstecken  sich  zwischen  den  Heidepflanzen.  Trotzdem  sah  ich  sie  häuflger  als 
verwandte  Arten  umherlaufen  und  sich  nicht  immer  sogleich  in  eine  Ver- 
tiefung drücken.  Sie  machen  in  ihrem  goldiggelb  und  schwarz  gefleckten 
Kleide  einen  äußerst  schmucken  Eindruck  und  werden  von  beiden  Eltern 
mit  treuer  Sorge  geführt.  Ihre  Flügelfedern  wachsen  sehr  rasch,  sodaß  die 
Tierchen  schon  nach  10—14  Tagen  ein  wenig  flattern  können.  Bis  zur 
völligen  Befiederung  vergelien  etwa  4  Wochen.  Ende  Juli,  Anfang  August 
fangen  die  Familien  an,  die  weitere  Umgebung  des  Brutplatzes  zu  besuchen. 
Sie  bilden  zunächst  kleine  Scharen  von  10 — 20  Stück,  die  immer  noch 
zutraulich,  aber  viel  stiller  als  im '  Frülijahre  umherlaufen  oder  in  raschen 
Schwenkungen  die  Luft  durclieilen.  Sic  rüsten  sich  allmählich  zur  Herbst- 
reise und  führen,  von  sichtbarer  Unruhe  getrieben,  oft  halbe  Stunden  lang 
Flugproben  aus.  Gern  lassen  sie  sich  endlich  auf  einei-  abgemähten  Wiesen- 
fläche nieder,  wo  sie  der  Landbevölkerung  als  die  ,.Heuvögel''  wohlbekannte 
Erscheinungen  sind.  Von  Mitte  August  an  traf  ich  auch  auf  öden,  fast 
pflanzenlosen  Kiesflächen  viele  Hunderte  von  Goldregenpfeiferu.  Bei  den 
Alten  beginnt  nun  das  Schwarz  der  Unterseite  auch  allmähli(,-]i  zu  ver- 
schwinden. Um  diese  Zeit  werden  die  Vögel  wegen  ihres  schmackhaften 
Fleisches  in  Menge  geschossen.  Ende  September  bis  Anfang  Oktober  ver- 
lassen die  übriggebliebenen  unsere  Insel,  um  südlichere  Winterquartiere  zu 
beziehen.  Jönsson  gibt  als  Hauptdurchzugstermin  für  die  Vcstmannaeyjar 
die  Zeit  vom  20.  September  bis  10.  Oktober  (in  litt).  S?emundsson  sah  in 
10  Jahren  den  letzten  am  22.  Oktober  bei  Reykjavik  (1.  c),  Gunnlaugssou 
auf  Reykjanes  am  27.  d.  M.  (Ornis  VIII,  S.  344.)  Doch  versuchen  einige 
Vögel,  wenn  der  Herbst  warm  ist,  auf  Island  zu  überwintern.  Faber 
schoß  2  p]xemplare  in  den  letzten  Tagen  des  Dezembers  1820  (1,  c),  und 
Gröndal  berichtet  (Ornis  IX,  S.  88),  daß  in  dem  milden  Winter  von  1887 
zu  88  dauernd  eine  Anzahl  Goldregeupfeifer  auf  Reykjanes  beobachtet  wurden. 

85.  Aegialitis  hiaticula  (L.). 

Sandregenpfeifer. 

Charadriiis  hiaticula  (Linii.):  Faber,  Prodromiis,  S.  22  (1822).  —  CJiaradrins 
hiaticula  L. :  Prever  (&  Zirkel),  Keise  nach  Island,  S.  3J)7  (1862).  —  Aegialitis  hiaticuki 


Aegialitis  hiaticiila.  265 

(Linn.):  Newton,  in  iJaring-Goiilds  Iceland,  p.  411  (1863).  —  C'Äarw/rms  hiaücula  L. : 
Gröndal,  Islenzkt  fiiglatal,  bis.  38  (1895).  —  Mjialitis  hialicula  (Linn.):  Slater.  Kirds 
of  Iceland.  p.  81  (1901). 

Charadritts  hinikula^L.:  Collin,  Skandinaviens  Fngle,  8.445  0877).  —  M(jiaUtis 
hiaÜcola  (L.):  Sharpo.  Cat.  Birds  ßrit.  Mus.  XXIV,  p.  256  (1896).  -~  .Egialitis  hiaücula 
(L.):  Winge,  Grönlands  Fuglc,  S.  152  (1898).  —  Charadrius  hlat'mda  L.:  Naumann, 
Vögel  .Mitteleuropas  VIII,  8.  59  (1902). 

Isländisch:  Sandlöa  (von  sandr  =  Sand,  loa  =  Regenpfeifer),  verkürzt  Sandlü. 

Auch  dän.:  Sandborro.     Xorw. :  Sandmyla.     Schwed.:  Sandrulling. 

Aegkdiüs  hiaücula  bewohnt  die  westliche  paläarktische  und  die  benachbarte 
arktische  Kegion,  etwa  zwischen  Grönland  und  den  Neusibirischen  Inseln.  In  Siid- 
westeuropa  brütet  sie  nur  selten,  häufig  aber  auf  den  Britischen  und  den  nordwärts 
liegenden  kleinen  Inseln  bis  zu  den  Färöern,  von  Norddeutschland  an  durch  ganz 
Skandinavien,  Lappland,  Finnland  und  Nordrußland,  in  Sibirien  bis  Daurien.  Nord- 
wärts fand  man  sie  brütend  auf  TainijT,  Nowaja  Semlja,  Dolgoi  und  Waigatsch;  auf 
Spitzbergen  traf  sie  Nansen  noch  unter  82"  59'  n.  ßr.  Ferner  brütet  unsere  Art  auf 
.lan  Mayen  und  angeblich  im  ganzen  grönländischen  Gebiete  bis  zur  Nordküste,  wahr- 
scheinlich auch  auf  Grinnell-Land.  Selten  nur  haben  sich  etliche  Vögel  im  östlichen 
Nordamerika  und  an  der  Tschuktschen-Küste  gezeigt;  südwärts  wandern  sie  regebnäliig 
durch  ganz  Afrika  und  ausnahmsweise  bis  Australien. 

In  Island  ist  der  Sandregenpfeifer  ein  nicht  seltner  Brut vogel,  der 
unfruchtbare  oder  auch  völlig  pflanzenlose  Kiesflächen  und  steinige  Ebenen 
bewohnt,  am  häutigsten  solche,  die  von  einem  fließenden  Gewässer  durch- 
schnitten werden.  In  den  Gebirgen  des  Innern  geht  er  ziemlich  hoch  hinauf, 
brütet  aber  auch  in-  der  Nähe  des  Meeres  und  auf  Gestadeinseln,  z.  B.  den 
Vestmannaeyjarn  und  Grimsey. 

Zwei  isländische  Brutpaare  meiner  Sammlung  vom  7.  und  2U.  Mai,  sowie  ein  3. 
nicht  präpariertes,  vom  29.  Mai  1903,  zeigen  folgende  Maße.  (S'dd.  Gewicht  i.  Fl.: 
55— 68  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.:  170— 173  mm.  Flugbreite:  c.  375.  Flügel:  127—131. 
Schwanz:  65— 68.  Flügel -j- Schwanz:  0—10.  Schnabel:  13.  Tarsen :  24.  Mittelzche 
inkl.  der  4— 5  mm  langen  Kralle:  19 — 20  mm.  —  ?ad.  Gewicht  i.  Fl.:  55- 70  g. 
Gesamtlänge  i.  Fl  :  170-180.  Flugbreite:  c.  420.  Flügel:  127—133.  Schwanz:  64—68. 
Schnabel:  13-13,8.  Tarsen:  23,5—24.  Mittelzehe  inkl.  der  4— 5  mm  langen  Kralle: 
19  — 19.5  mm.  —  Iris:  dunkelbraun.  Schnabelgrund:  lebhaft  orangegelb  (cJ)  oder  trüb- 
orange ($).  Füße:  rötlichgelb,  mit  schwachem  Schimmer  ins  Graue,  was  an  den 
Gelenken  und  besonders  an  den  Spitzen  der  Zehen  dunkler  ist.  -  -  Bei  dem  Weibchen 
ist  die  schwarze  Hals-  und  Stirnbinde  nicht  so  breit  und  dunkel,  vor  allem  aber  die 
Ohrengegend  nie  schwarz,  sondern  heller  oder  dunkler  braun  —  2  Mageninhalte  (die 
Vögel  wurden  am  5.  und  7.  Mai  am  Strande  bei  Reykjavik  erlegt)  zeigten  außer  scharf- 
kantigen Steinchen  und  Resten  von  Käfern,  bes.  Rüsselkäfern,  zahllose  flach  sichel- 
förmige, 1—1,5  mm  lange  Chitinstückchen  mit  gczähnelten  Schneiden.  Diese  bilden 
offenbar  die  einzigen  unverdaulichen  Reste  sonst  leicht  verdaulicher  Nahrung  und 
stammen  zweifellos  von  kiefertragenden  Borstenwürmern  (l'olychaeUw).  Die  Vögel 
müssen  wochenlang  den  freilebenden  Raubannelidon  (Errunüa)  nachgegangen  sein,  da 
sich  deren  winzige  Kiefern  in  solcher  Menge  angesammelt  haben  (W.  ßaer). 

Der  Sandregenpfeifer  ist  ein  Zugvogel  für  Island.  Faber  bezeichnet 
als  Zeit  seiner  Ankunft  den  22.  bis  28.  April  (1.  c).  Jönsson  als  Hauptdurch- 
zugstermin für  die  Vestmannaeyjar  den  20.  bis  30.  d.  M.  (in  litt.).  Gröndal 
den  Mai  (Ornis  IX,  S.  92),  Ich  sah  die  ersten  am  26.  April  bei  Keykjavik. 
Anfänglich  halten  sich  die  schon  gepaarten  Vögel  an  den  Küsten  oder  in 
deren  Nähe  auf  und  vereinigen  sich  oft  mit  andern  iiiresgleichen  oder  ver- 


26(3  Aegialitis  hiaticiila. 

wandten  Arten.  Dom  Menschen  gegenüber  sind  sie  nicht  besonders  scheu, 
laufen  aber  bei  seiner  Annäherung  rasch  davon,  um  erst  in  angemessener 
Entfernung  Halt  zu  machen.  Sind  keine  Kiesflächen  am  Strande,  fliegen 
die  Vögel  eher  auf.  Ihr  Flug  ist  äußerst  schnell  und  leicht,  selten  grad- 
linig, mitunter  ganz  schwalben  artig  über  dem  Wasser  gaukelnd.  Dabei 
rufen  sie  kurze  D,  D,  Gik,  Gik.  im  Laufen  ein  wohlklingendes  Tüi,  das  dann 
und  wann  in  der  Erregung  zu  einem  langsamen  Triller:  tüitüi...  verbunden 
wird,  der  den  Balzgesaug  darstellt.  Diese  Töne  ähneln  oft  der  Stimme  von 
Totaniis  tolanus,  liegen  aber  meist  tiefer  und  sind  niclit  so  klangvoll.  Mit- 
unter hört  mau  auch  rauhe  Diub  uud  ein  unterhaltendes  Geckern. 

Mitte  bis  Ende  ]\Iai  begeben  sich  die  Sandiegenpfeifer  nach  ihren 
Brutplätzen.  Gewöhnlich  halten  sich  mehrere  Paare  dicht  beieinander 
auf,  gelegentlich  trifft  man  aber  auch  völlig  vereinzelte,  die  dann  doppelt 
zutraulich  sind.  An  stillen  Abenden  vernimmt  man  imn  häufig  ein  langsam 
trillerndes  Düledüledü.  mit  dem  sich  die  Gatten  antworten.  Betritt  man  die 
Steinhalde,  die  den  Nistbezirk  darstellt,  so  kann  man  die  Vögel  große  Strecken 
vor  sich  hertreiben,  wobei  man  häufig  auf  4  bis  5  Meter  an  sie  heran- 
kommt. Schießt  man  den  einen  Teil  des  Paares,  so  verläßt  der  andere 
selten  den  Platz,  sondern  klagt  so  lebhaft,  daß  man  sich  veranlaßt  sieht, 
ebenfalls  auf  ihn  anzulegen.  Ein  eigentliches  Nest  errichten  die  Vögel  nicht. 
Die  4,  selten  3  Eier  werden  in-  eine  unbedeutende  Vertiefung  inmitten  der 
Kies-  oder  Sandfläche  gelegt  und  sind  wegen  ihrer  vortrefflichen  Schutz- 
färbung schwer  zu  finden.  Die  Vögel  brüten  durchaus  nicht  blos  in  der 
Nähe  des  Meeres;  ich  traf  sie  auch  überall  im  Innern,  z.  B.  auf  dem  Hölasandr. 
in  der  Umgebung  des  Myvatn,  bei  Nordtunga  (W.),  beim  ]')ingvallavatn. 
Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  im  Juni,  nicht  selten  erst  in  der  2.  Hälfte  des 
Monats.  Ich  fand  nur  ein  einziges  Gelege  am  4.  Juli  auf  Grimsey,  in  dem 
die  Jungen  völlig  entwickelt  waren.  Von  der  gebirgigen  Müla-Sysla  hat 
Gröndal  Nachricht,  daß  unser  Vogel  hier  erst  in  der  letzten  Hälfte  des  Juli 
brüte  (Ornis  IX,  S.  96),  was  als  Regel  unwahrscheinlich  ist. 

Isländische  Eier  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  MalJe:  3<i  x  25,5  mm  (0,55  g). 
35,2  x2H  (0,7.5).  35x25  (0,55).  35x23,5  (0,55).  34,5x25,5  (0.70).  34,2x24,5 
(0,55).     33,5x24,5  (0,55).     32x23  (0,6).     30,5x23  (0,45). 

Faber  sagt,  daß  beide  Vögel  des  Paares  brüten,  docli  wird  zweifellos 
das  Weibchen  den  Hauptanteil  dabei  nehmen.  Die  wenigen  Male,  daß  ich 
einen  Vogel  vom  Neste  aufstehen  sah.  schien  es  sich  immer  um  das  Weibchen 
zu  handeln.  Die  Entwicklung  des  p]mbryos  geht  langsam  vor  sich;  die 
Brutzeit  dürfte  3  bis  S'/.,  Wochen  dauern.  Solange  unsere  Regenpfeifer 
Eier  haben,  verhalten  sie  sich  meist  sehr  still.  Schon  auf  weite  Entfernung 
hin  verläßt  der  brütende  Vogel  das  Nest,  um  in  entgegengesetzter  Richtung 
tief  niedergeduckt  davonzulaufen.  Ebenso  heimlich  uud  ohne  einen  Laut 
von  sich  zu  geben  entfernt  sich  das  Männchen,  das  in  der  Nähe  Wache 
hielt.  Fast  wie  Mäuse  trippeln  beide  Tiere  dahin,  sodaß  man  glauben  köimte, 
es  handle  sich  um  junge  Vögel.  Auch  beim  Stehenbleiben  wenden  sie  dem 
Menschen  den  mattbraunen  Rücken  zu,  weshalb  sie  leicht  übersehen  werden. 


Aegialitis  hiatieula.  OR? 

Keunt  mau  freilich  den  Nistplatz  und  uähevt  sich  ihm  hesouders  vorsichtig, 
so  überrascht  mau  wohl  gegen  Ende  der  Brutzeit  das  Weibcheu  auf  de^ii 
Eiern.  Ein  paar  Meter  läuft  es  tief  niedergeduckt  davon,  hebt  dann  die 
Flügel  in  die  Höhe  und  kriecht  schwankend  mit  ausgebreitetem  Scliwanze 
am  Boden  hin.  Dieses  Benehmen  wird  noch  auffälliger,  wenn  die  Jungen 
ausgekommen  sind,  was  selten  vor  Anfang  Juli  gesciiieht.  Als  ich  am  13. 
dieses  Monats  bei  Mödruvellir  eins  der  schnell  dahinlaufenden  Tierchen 
ergriff,  rutschten  die  Alten  in  gröütem  Entsetzen  wie  gelähmt  am  Boden, 
wobei  sie  kläglich  schrien.  Am  17.  Juli  trieb  ich  freilich  eine  Familie  von 
6  Köpfen  ein  ganzes  Stück  auf  dem  Hölasandr  vor  mir  her.  Die  Alten 
liefen  tüchtig,  sodaß  die  kleinen  Jungen  vor  Überhast  fortwährend  hinfielen. 
Ich  mußte  mein  stampfendes  Pferd  fest  im  Zügel  halten,  um  die  Gesell- 
schaft nicht  zu  überreiteu.  Sich  zu  drücken  versuchte  keins  davon,  was  in 
der  Regel  geschieht.  Verstehen  sie  es  ja  ausgezeichnet,  sich  zwischen  Steinen 
oder  Pflanzen  unsichtbar  zu  machen,  wobei  ihnen  das  unscheinbare  graue 
Kleid  sehr  zu  statten  kommt.  Daweile  laufen  die  Alten  in  ihrer  charakte- 
ristischen abgewendeten  Haltung  und  mit  eingezogenem  Kopfe  trippelnd 
dahin  und  rufen  eintönige  Düit,  Püit  oder  gedehnte  Püt.  So  begleiten  sie 
den  Menschen  bis  weit  über  die  Grenze  des  Nistbezirkes,  um  dann  zu  Fuße 
zu  ihren  Jungen  zurückzukehren.  Zum  Auffliegen  bequemen  sie  sich  meist 
nur  dann,  wenn  die  Gefahr  größer  wird.  Mitunter  verbergen  sich  aber  auch 
die  alten  Vögel  äußerst  geschickt  am  Boden,  nachdem  sie  den  verdächtigen 
Menschen  in  sicherer  Entfernung  von  ihrer  Nachkommenschaft  wissen.  So 
verschwanden  einst  beide  Vögel  fast  vor  meinen  Augen,  ohne  daß  es  mir 
gelungen  wäre,  sie  nochmals  in  dem  zerklüfteten  Grasterrain  zu  Gesicht  zu 
bekommen.  Ehe  ich  die  Stelle  abgesucht  hatte,  waren  sie  gewiß  längst 
unter  guter  Deckung  über  alle  Berge  gelaufen. 

In  den  ersten  Tagen  werden  die  Jungen  gefüttert,  lernen  aber  sehr 
bald  selbst  ihre  Nahrung  aufünden.  Nach  2  bis  3  Wochen  beginnen  sie 
etwas  zu  fliegen  und  sind  nach  ungefähr  4  Wochen  völlig  befiedert.  Familien- 
weise oder  in  kleinen  Scharen  streifen  die  Vögel  nun  umher,  kommen  Anfang 
bis  Mitte  August  nach  der  Küste,  wo  sie  größere  Schwärme  bilden  oder  sich 
verwandten  Arten  zugesellen.  Ende  September  verlassen  sie  gewöhnlich  die 
Insel,  um  wärmere  Gebiete  aufzusuchen.  Jönsson  bezeichnet  als  Zugzeit 
für  die  Vestmannaeyjar  den  20.  September  bis  10.  Oktober  (in  litt.).  Von 
einem  Überwintern  unsrer  Art  in  Island  ist  nichts  veröttentlicht. 


Aegialitis  curonica  (Gm.). 
Flußregenpfeifer. 

Charadrkts  minor  ^ley.  &  Wolf :  Gmndal,  Islenzkt  fuglatal.  bis.  39  (1895).  — 
.Egialltis  curonica  (Gmel):  Slater,  Birds  of  Icelaiid,  p.  82  (1901). 

Charadrius  curonicus  Besocke:  Collin,  Skandiiiavipns  Fugle,  S.  448  (1877).  — 
.Egialitis  dubia  (Soop.):  Sharpe,  (3at.  Birds  Brit.  Mns.  XXIV,  i».  263  (189G).  —  Cha- 
radriiis  dubius  Scop.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VIII,  S.  (j7  (1902). 

Isländisch:  Litla  Loa  (=  kleiner  Regenpfeifer). 


268  Aegialitis  curonica. 

Aeyialitis  curonica  bewohnt  die  paläarktische  Kegion,  brütot  im  ganzen  mittleren 
Sibiiifii  und  Rußland,  in  Schweden  bis  etwa  GO",  in  Norwegen  bis  64°  nordwärts. 
Die  i^ritischen  Inseln  besucht  unsere  Art  nur  als  seltner  (4ast,  noch  vereinzelter  wohl 
die  Färöer.  Von  Grönland  und  andern  arktischen  (Ti-bieten  kennt  man  sie  über- 
haupt nicht.  Auf  dem  Zuge  geht  sie  südwärts  bis  zum  mittleren  Alrika.  Indien  und 
Xeu-Guinea. 

Das  Vorkommen  des  Flußregeiipfeifers  in  Island  ist  bis  jetzt  fraglich, 
da  kein  Belegexemplar  vorliegt;.  Gröndal  glaubt  freilieh,  eine  Schar  am 
27.  Juli  1878  bei  Reykjavik  gesehen  zu  haben  (Ornis  XI,  S.  453)  und  schreibt 
an  anderer  Stelle  sogar  (Ornis  II,  S.  359),  die  Vögel  würden  nicht  allzu  selten 
in  Gemeinschaft  mit  Aagialitis  /daticnla  angetroffen.  .1.  V.  Havsteen  sagte 
mir  ebenfalls,  die  Art  käme  gelegentlich  nach  dem  Kyjafjördr.  P.  Nielsen 
dagegen  teilte  mir  mit  (in  litt.),  er  habe  Aecnalüis  curonica  niemals  in  Island 
gesehen.  Bei  der  Ähnlichkeit  mit  dem  liäufigen  Siindregenpfeifer  glaube  ich 
zunächst  an  eine  Verwechslung  mit  jungen  Vögeln  dieser  Art. 

8(i.  Arenaria  interpres  (L.). 
Steinwälzer. 

Strepsüus  collaris  (Temm.) :  Faber,  Prodromus,  S;  2ti  (1822).  —  Strepsilas  interpres : 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  400  (1862).  -  Strepjsilas  interpres  (Linn.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  411  (1863).  —  Strepsilas  inter])res  L. :  Gröndal, 
Islenzkt  fuglatal,  bis.  42  (1895).  —  Strepsilas  interpres  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  86  (1901).  —  Strepsilas  interpres  L. :  Spemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  15  (190.5). 

Strepsilas  interpres  (L.);  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  4')'>  (1877).  —  Arenaria 
interpres  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  p.  92  (1896).  —  Strepsilas  interpres 
(L.):  Winge,  Granlands  Fugle,  S.  155  (1898).  —  Arenaria  interpres  (L.):  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  VIII,  S.  82  (1902). 

Isländisch:  Tildra  (Etymologie  unklar;  Gröndal  hält  das  Wort  für  eine 
Femininform  von  Tjaldr  =  Haematopus:  Yorbum  tildra  =  aufeinanderlegen,  darnach 
ähnlicher  Sinn  wie  der  deutsche  Name). 

Auch  dän.:  Stenvender.  Norw.:  Stenva^lter.  Engl.:  'J'urnstone.  Fär. :  'jjaldurs- 
grälingur. 

Arenaria  interpres  brütet  zirkumpolar  in  den  Küstenländern  der  arktischen 
Region  und  einiger  benachbarter  Gebiete,  ist  aber  als  eine  der  verbreitetston  Vogel- 
arten an  fast  allen  Meeren  der  Erde,  bis  hinab  zum  Süden  der  Kontinente,  beobachtet 
worden.  Brütend  fand  man  sie  vielerorts  im  nördlichen  Nordamerika,  besonders  im 
Gebiete  der  Uavis-Straße,  nordwärts  bis  Nordgrönland  und  Grinnell-Land,  wo  sie 
Feilden  noch  unter  82'*  30'  antraf,  aber  auch  an  den  übrigen  Küsten  Grönlands,  ferner 
in  Nordsibirien  bis  hinauf  zu  den  Neusibirischen  Inseln,  Taimyr  und  dem  südlichen 
ßan-nts-Meer.  Auf  Nowaja  Semlja  brütet  sie  nicht  häufig,  und  von  Franz-Joseph- 
Land.  Spitzbergen,  der  Bären-Insel  und  Jan  Mayen  ist  dies  überhaupt  noch  nicht 
nachgewiesen.  Wohl  aber  kennt  man  ihre  Brutplätze  im  nördlichen  Rußland,  Finnland 
und  in  Skandinavien  bis  zum  Nordkap  hinauf,  südwärts  in  geringer  Zahl  bis  zur 
deutscheu  Ost-  und  Nordsee.  Die  Britischen  Inseln  scheint  sie  nur  auf  dem  Zuge  und 
im   Winter  zu  besuchen,  auf  den  Färöern  auch  nur  vereinzelt  zu  brüten. 

Für  Island  kann  man  den  Steinwälzer  als  einen  nicht  seltnen  Brnt-, 
Stand-  und  Winter vo gel  bezeichnen,  doch  scheint  nur  ein  kleiner  Teil 
der  an  den  Küsten  lebenden  Individuen  auf  der  Insel  zur  Fortpflanzung  zu 
schreiten.     Audi    dürfte   die  Häufigkeit  ilires  Vorkommens  in  verschiedenen 


Arenaria  interpres.  -tnu 

Jahren  eiiiehlichon  Voräiideninoen  uiitenvorCcn  sein.  Ktliclic  Boobiu-litor.  wie 
Preyer  und  Krüper,  trafen  die  Art  gar  nicht  oder  sehr  selten,  andere,  wie 
Faber,  Gröndal  und  icii  selbst,  recht  zahlreich  an. 

Einige  von  mir  präparierte  isländische  Bälge  meiner  Sammlung  zeigen  iolgende 
3Iaße.  3(5  ad.  vom  7.  31ai  1903,  Keykjavik,  die  2  letzten  fast  ausgefärbte  Exemplare. 
Oewicht  i.  Fl.:  112— 124  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.:  213— 228  mm.  Flugbreite:  405—487. 
Flügel:  149—153.  Schwanz:  70-78.  Schwanz -f  Flügel:  5.  überschnabel  (von  der 
Stirnbefiederung  an):  21,5.  Tarsen:  25,5—26.  Mittelzehe  inkl.  der  fj— 7  mm  langen 
Kralle:  26— 27  mm.  —  4$  ad.,  2  vom  5.  Mai,  Reykjavik,  2  vom  29.  Mai,  Hjalteyri. 
Gew.  i.  FL:  121— 158  g.  Gesamtlänge  i.  FL:  225—233.  Flugbroite:  480—495.  Flügel: 
150—157.  Schwanz:  73—74.  Schwanz -f- Flügel:  0—4.  Schnabel:  21  —  23.  Tarsen: 
24,5—26.  Mittelzehe  inkl.  der  5  mm  langen  Kralle:  25  26.  —  Iris:  dunkelbraun. 
Schnabel:  dunkel  grünlichschwarz.  Unterschnabel  oft  mit  helleren  rötlichgelben  Flecken. 
Füße:  hellorangegelb  bis  dunkel  zinnoberrot,  an  den  Gelenken,  beson^ders  an  den  Zehen, 
oft  starker  schwärzlicher  Anflug.  -  Das  alte  Männchen  ist  nicht  nur  ein  wenig  kleiner 
als  das  alte  Weibchen,  sondern  unterscheidet  sich  von  diesem  durch  das  Weiß  des 
Oberkopfes  und  das  ausgedehntere  Rostbraun  des  Kückens.  —  5  Mageninhalte: 
Yögel  erlegt  vom  5. — 7.  Mai  am  Strande  bei  Reykjavik,  zeigen  sämtlich,  teilweise  in 
bedeutender  Menge.  Schalenstücke  von  Balaniden  (Seepocken);  Skuta  und  Terga  vielfach 
wohlerhalten,  erstere  5  mm  lang;  ferner  Spindeln  von  Littoiiniden  (Strandschnecken). 
Nur  ein  Magen  lieferte  einige  Reste  von  Dipteren,  die  ihrem  wohlerhaltenen  Flügel- 
geäder  nach  zur  Unterfamilie  der  Scatophaginae  gehörten  und  zwar  wahrscheinlich  zur 
Gattung  Fucellia  (W.  Baer). 

Bei  der,  Melu-zahl  der  in  Island  zur  Beobachtuug  kommenden  Stein- 
wälzer dürfte  es  sich  um  Durchzügler  handeln,  die  gewöhnlich  Ende  April 
erscheinen.  Ich  sah  vom  1.  Mai  an  täglich  Scharen  zu  20 — 4<)  Stück  an 
den  Flachküsten  bei  Reykjavik,  denen  sich  nur  selten  einzelne  andere  Strand- 
läufer beigesellt  hatten.  Die  Vögel  verhielten  sich  nicht  besonders  scheu, 
sodaß  ich  mit  einiger  Vorsicht  fast  immer  auf  30— 40  m,  mehrmals  sogar 
auf  10 — 15  m  herankommen  konnte.  Zur  Zeit  der  Flut  sitzen  die  Scharen 
dicht  beisammen  auf  großen  Steinen  im  Wasser  oder  auch  am  üfer.  Gelegent- 
lich suchen  sich  die  Tiere  gegenseitig  zu  verdrängen,  wobei  sie  ein  eigen- 
tümliches schnarrendes  Brrrr  hören  lassen.  Der  wirkliche  Lockruf  ist  ein 
kurzes,  oft  vielmals  wiederholtes  Bri.  Beim  Abfliegen  verwandelt  sich  dieses 
häufig  in  ein  finkenartiges  Birui  oder  Dileri.  Der  Schwärm  fliegt  gemeinsam 
auf,  schwenkt  eilig  durch  die  Luft  und  läßt  sich  bald  au  benachbarter  Ufer- 
stelle von  neuem  nieder.  Schießt  man,  so  kehren  die  unverletzten  Vögel 
gewöhnlich  zu  den  getöteten  Genossen  zurück.  Flügellahm  suchen  sie  sich 
durch  langsames  Schwimmen  zu  retten.  Zur  Zeit  der  Ebbe  laufen  unsere 
Steinwälzer  emsig  zwischen  dem  Strandgeröll  dahin,  lesen  kleine  Muscheln 
und  andere  Seetierchen  auf  und  hacken  mit  dem  starken  Schnabel  die  See- 
pocken von  den  Steinen.  Da  sie  niemals  Mangel  an  solcher  Nahrung  haben, 
werden  sie  überaus  fett  und  setzen  mitunter  eine  dicke  weißliche  Schicht 
unter  der  Haut  an.  Im  allgemeinen  fand  icli  die  Tiere  auch  nicht  besonders 
lebhaft,  in  ihren  Bewegungen  mehr  kraftvoll  als  zierlich,  in  ihrem  Wesen 
ruhig  und  gesetzt.  Die  meisten  dieser  durchziehenden  Vögel  scheinen  Mitte 
bis  Ende  Mai  weiter  nach  Grönland  zu  wandern,  da  man  vom  Juni  an  nur 
selten  noch  Steinwälzer  erblickt. 


270  Haeinatopus  ostralegus. 

Über  das  Brüten  unsrer  Art  in  Island  liegen  nur  dürftige  Mitteilungen 
vor.  Faber  fand,  wie  er  im  Prodroraus  hervorhebt  (8.  27),  nie  ein  Nest  des 
Vogels,  scheint  aber  später  Eier  vom  Nordlande  erhalten  zu  haben  (Collin, 
1.  c,  S.  457).  Thieneraann  besaß  gleichfalls  Hxeiuplare  aus  Island,  hat  sie 
aber  wahrscheinlich  auch  nicht  selbst  mitgebracht;  4  davon  befinden  sich 
jetzt  in  meiner  Sammlung  und  zeigen  als  Maße:  43,8x29  mm  (1  g).  42,9x29 
(1),  42,2x29  (1,05),  42x28,2  (0,95).  Sie  sind  bekanntlich  für  die  Art  gut 
charakterisiert.  Proctor  erhielt  ebenfalls  sichere  Eier  aus  Nordisland  (Newton, 
1.  c.)  und  in  neuerer  Zeit  Slater  (1.  c).  Havsteen  bezeichnete  mir  den  Stein- 
wälzer nur  als  gelegentlichen  Brutvogel  im  Gebiete  des  Eyjafjördrs.  Ich 
selbst  habe  leider  unsere  Art  niemals  am  Neste  getroffen,  was  vielleicht 
auf  Zufall  beruht.  Das  Brutgeschäft  vollzieht  sich  äußerst  verborgen,  wenn 
auch  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  verwandten  Arten. 

Kleinere  Scharen  bleiben  während  des  Sommers  am  Sti'ande,  ohne 
sich  fortzupflanzen,  wie  dies  der  Steiuwälzer  in  allen  Teilen  der  Erde 
tut.  Am  29.  Mai  erlegte  ich  bei  Hjalteyri  2  derartige  Weibchen,  die  allein 
am  Ufer  umherliefen.  Der  Eierstock  des  einen  Vogels  war  gar  nicht,  der 
des  anderen  nur  schwach  entwickelt. 

Von  Ende  August  an  zeigen  sich  Scliareu  alter  und  junger  Individuen 
an  den  Küsten.  Ob  dies  freilich  isländische  Brutvögel  oder  grönländische 
Herbst  wander  er  sind,  ist  zweifelhaft.  Die  Mehrzahl  verschwindet  Ende 
September  wieder  von  Island.  Doch  trifft  man  auch  im  Winter  regelmäßig 
Steinwälzer  im  Süden  des  Landes.  Bei  diesen  ist  natürlich  ebenso  fraglich, 
ob  es  isländische  Standvögel  sind,  wie  Gröudal  vermutet  (Ornis  II,  S.  360), 
oder  bloß  nordische  Gäste,  beziehentlich  AVintervögel  aus  höheren  Breiten. 
Faber  schoß  ein  Exemplar  am  11.  Dezember  1820  bei  Reykjavik;  Gröndal 
sagt,  daß  unsere  Art  häufig  im  Winter  erlegt  würde  (l.  c),  und  Ssemundsson 
teilt  sogar  mit  (1.  c),  daß  die  Vögel  in  den  letzten  10  Jahren  regelmäßige 
Wintergäste  am  Strande  bei  Reykjavik  gewesen  seien,  fast  ebenso  zahlreich 
als  Arqnatdla  mantimu.  Er  hat  sie  im  Januar  und  Februar.  1899 — 1900 
den  ganzen  Winter  über  beobachtet. 

87.  Haematopus  ostralegus  L. 

Austernfischer. 

Hcematopus  ostralegus  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  21  (1822).  -  Hcematopus 
ostrealegus  h.  Preyer:  (&  Zirkel),  Keise  nach  Island,  S.  398  (1862).  —  Haematopus 
ostralegus  (Linn.):  Newton,  in  ßaring-Goulds  Iceland,  p.  411  (1863).  --  Haematopus 
ostralegus  L. :  Gröndal,  Jslenzkt  fuglatal,  bis.  39  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  88  (1901). 

Haematopus  ostralegus,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  458  (1877).  —  Sharpe, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XXIV,  j).  107  (1896).  —  Hmnatopus  ostreologus  L.:  Winge, 
Granlands  Fugle,  S.  157  (1898).  —  Haematopus  ostrilegus  L. :  Xaumanu,  Vögel  ilittel- 
europas  VIII,  S.  91  (1902). 

Isländisch:  Tjaldur  (Etymologie  unklar,  ursprünglich  wohl  vom  Kufe  abgeleitet). 

Auch  dän.  &  norw. :  Tjeld,  Kjeld.    Schwed. :  Tjäll.    Fär. :  Tjaldur,  Tjäldur,  Kjakdur. 

Haematopus  ostralegus  bewohnt  die  paläarktische  Region  von  Island  bis  Zentral- 
asien und  geht  auf  dem  Zuge  bis  Nordindien,  Südwestasien  und  in  den  Küstengebieten 


Haeiiiatopus  ostralepus.  271 

Afrikas  bis  Mozambique  und  SeneRambien  hiiial).  Er  brütet  nur  stellenweise  an  den 
südlichen  Gestaden  Europas,  häufig  im  mittleren  Teile,  besonders  an  der  Nord-  und 
Ostsee,  auf  den  Britischen  Jnseln,  den  Färöern  und  in  ganz  Sliandinavien  bis  zum 
Norden  des  Erdteils.  Von  den  arktischen  Gebieten  kennt  nnin  ihn  nicht;  nur  in 
Grönland  hat  er  sich  wiederholt  im  Südwesten  gezeigt. 

Island  bewohnt  der  Austernfischer  als  nicht  seltner  Brut-  und 
größtenteils  Standvogel.  Er  ist  im  Süden  der  Insel  weit  häufiger  als 
im  Norden,  wo  er  stellenweise  ganz  fehlt.  Für  gewöhnlich  trifft  man  ihn 
am  Meeresstrande.  Nach  Faber  und  l'reyer  brütet  er  aber  auch  hin  und 
wieder  am  Ufer  größerer  Flüsse  und  Seen,  die  eine  bequeme  Verbindung 
mit  dem  Meere  haben.     So  traf  ihn  Preyer   zur  Brutzeit  am  ))iogvallavatn. 

Ein  9  ad.  meiner  Sammhing,  Brutvogel,  erlegt  am  29.  Mai  1903  bei  Hjaltcyri. 
zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  FL:  c.  750  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.  (vom  Beginn  der 
Kinnbefiederung  an):  370  mm.  Flügel:  259.  Schwanz:  130.  Schnabel:  69.  Tarsen :  49. 
Mittelzehe  inkl.  der  6,5mm  langen  Kralle:  89.  —  Iris:  gelbrot.  Schnabel:  lebhaft 
orange,  nach  der  Spitze  zu  gelblich.  Füße:  schmutzig  rötlichgrau.  —  Mageninhalt: 
Zahlreiche  Spindeln  von  Littoriniden,  kleine  Krustaceen,  Steinchen  bis  zur  Größe 
von  2  mm. 

Der  x4usternfisclier  ist  ein  so  auffälliger  und  biologisch  gut  bekannter 
Küstenbewohuer,  daß  ich  mich  im  folgenden  kurz  fasse.  Nur  ein  geringer 
Teil  der  isländischen  Tiere  sind  Zugvögel.  Jönsson  beobaclitete  ihr  Er- 
scheinen auf  den  Vestraannaeyjarn  gewöhulicli  in  der  Zeit  vom  1. — 20.  April 
(in  litt.).  Vom  22.  d.  M.  an  sah  ich  sie  recht  häufig  und  überall  schon 
paarweise  am  Strande  von  Reykjavik.  Die  Vögel  benahmen  sich  fast  immer 
sehr  vorsichtig  und  flogen  auf  große  Entfernung  mit  kurzem  Ti  Titi  davon, 
wodurch  sie'  auch  andere  Vögel  warnten.  Anfang  Mai  fand  ich  sie  etwas 
abseits  vom  Meere  auf  kahlem,  steinigem  Terrain,  das  ihr  Brut  gebiet  dar- 
stellt. Sie  lassen  den  Menschen  hier  nun  schon  näher  kommen  und  um- 
fliegen ihn  oft  in  bequemer  Schußweite.  Vom  7.  Mai  an  verkündete  das 
klägliche  Geschrei  den  eigentlichen  Beginn  des  Brutgeschäftes.  Mit  gleich- 
mäßigen, nicht  besonders  schnellen  Flügelschlägen  nähern  sich  die  Vögel 
dem  Menschen,  wobei  sie  ein  sehr  hohes,  langgezogenes  Wiep,  dann  auch 
eiu  kurzes,  scharfes  Bib  oder  ein  erregtes  Bitwübit  ausstoßen.  Nun  hört 
man  auch  öfters  das  laute,  anhaltende  Trillern  des  Männchens:  Bikbikbikbrrr...  . 
Der  Vogel  steht  dabei  gern  auf  einem  freien  Platze,  streckt  Kopf  und  Hals 
weit  von  sich  und  öffnet  den  Schnabel.  Die  Ablage  der  meist  3  Eier 
erfolgt  im  allgemeinen  Mitte  Mai,  gelegentlich  schon  zu  Anfang  des  Monats, 
im  Nordlande  gewöhnlich  Ende  desselben  oder  seltner  auch  erst  Anfang 
Juni.  Die  Eier  werden  ohne  jede  Nestunterlage  auf  steinigen  Boden,  eine 
Kiesfläche  oder  inmitten  dürftigen  Graswuchses  gelegt  und  sind  nicht  immer 
leicht  zu  finden.  Doch  verraten  die  Vögel  den  Nistplatz  durch  besorgtes 
Umherfliegen  und  lebhaftes  Locken. 

Isländische  Eier  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  60  X  40  nun  (3,55  g"). 
59x40  (3,5).     58x40  (3,5).     58x39  (3,4).     57,5x39  (3). 

Die  Brutdauer  beträgt  nach  Faber  24  Tage.  In  der  Regel  sitzt  das 
Weibchen  auf  den  Eiern,  wird  aber  gelegentlich  von  dem  treue  Wacht 
haltenden   Männchen  abgelöst.     An  warmen,    sonnigen  Nachmittagsstunden 


272  Lagopus  rupestris  islan(l()riin\. 

siebt  man  mitunter  beide  Vögel  die  Eier  verlassen  und  in  der  Nähe  umher- 
laufen. Aber  auch  sonst  brütet  das  Weibchen  selten  fest.  Schon  auf  weite 
Entfernung  hin  erhebt  es  sich  vom  Neste,  um  absatzweise  fortzulaufen  oder 
scliwankenden  Fluges  davonzufliegen.  Die  unscheinl)aron  Dunenjungen 
werden  freilich  von  den  Alten  sehr  geliebt  und  nahende  Feinde  mit  lebhaftem 
Geschrei,  oft  in  großer  Nähe,  umflogen.  Die  Tierchen  verbergen  sich  anfangs 
zwischen  Steinen  und  sonstigen  Vertiefungen,  suchen  sich  späteren  Ver- 
folgungen durcli  Laufen  und  Schwimmen  zu  entzielien  und  sind  nach  etwa 
4  Wochen  beüedert  und  flugbar.  Von  Ende  Juli  an  scharen  sich  die  Familien 
am  Meeresufer  zusammen  und  bevorzugen  zum  Aufenthalte  sclilammige 
Sandflächen,  an  welchen  icli  sie  Mitte  August  zu  Dutzenden  im  Siklwestlande 
traf  Ihre  Hauptnal)rung  bilden  hier  die  in  Unmenge  vorhandenen  Sand- 
würmer (Areiiiroiidae),  die  sie  geschickt  mit  dem  langem  Schnabel  hervor- 
ziehen. Oft  waten  die  Vögel  auch  bis  an  den  Leib  im  Wasser  umlier  und 
schwimmen  sogar  gelegentlich. 

Anfang  September  sollen  die  nordisländischen  Brutvögel  allmählich 
nach  den  Küsten  des  Südlandes  streifen  und  hier  zum  größten  Teile  über- 
wintern. Nur  eine  kleinere  Zahl  verläßt  unsere  Insel  und  wendet  sich 
südlicheren  Gestaden  zu.  Jöussou  stellte  als  Häuptzeit  für  den  Herbstdurch- 
zug auf  den  Vestmannaeyjarn  den  20.  September  bis  10.  Oktober  fest  (in  litt.). 
Faber  sagt,  daß  man  die  Austernfischer  während  des  Winters  in  gToßeu 
Scharen  im  Südiande  anträfe,  was  Gröndal  bestätigt  (Ornis  II,  S.  360), 
Hierbei  dürfte  es  sich  ausschließlich  um  isländische  Brutvögel  handeln. 

88.  Lagopus  rupestris  islandoruni  (Faber). 
Isländisches  Schiieehulin. 

Tetrao  Islundorum  (mihi):  Faber,  Prodtomiis.  S.  6  (1822).  —  Lagopus  islandorutu : 
l'reyer  (&  Zirkel).  Reise  nach  Island,  S.  395  (18(i2).  —  Lagopus  islandoruni  (Faber): 
Newton,  in  Baring-Goiilds  Iceland,  j),  410  (1863).  —  Lagopus  alpinus  Nilss. :  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  38  (1895).  —  Lagopns  rupestris  (Gmelin):  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  77  (1901). 

Lagopus  alpina  Nilss.:  CoUin,  Skandinaviens  Fiigle,  S.  419  (1877).  —  Lagopus 
rupestris  (Gm.):  Ugilvie-(Jrant,  Cat.  Birds  Brit.  ]\Jus.  XXII.  ]).  48  (1893).  —  Lagopus 
rupestris  {=  Islandorum):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VI,  8.  58  (1897).  —  Lagopus 
mutus  (Mont.)  var.  rupjestris  (Gmel.):  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  124  (1898). 

Isländisch:  Rjüpa  (Etymologie  unsicher,  entweder  verwandt  mit  ropa  =  rülpsen, 
der  Stimme  wegen,  oder  mit  ripr  =  Felsen.  Berg),  Bjüpkarri,  ältere  Form  Rjüpkeri  (für 
das  (5,  des  Balzrufes  wegen). 

Auch  dän.:  Rype,  Fjeldrype.    Norw. :  Rjupa,  Fieldrype.    Schwed.:  Ripa,  Fjällripa. 

Lagopiis  rupestris  islandorum  dürfte  die  Island  eigentümliche  Lokalrasse  des 
Felseuschneehuhnes  darstellen.  In  Grönland  wird  sie  durch  den  sehr  ähnlichen  L.  r. 
reinhardti  (Brehm,  Lehrb.  Eur.  Vög.,  S.  440.  1823)  vertreten,  von  dem  sie  aber  doch 
wohl,  schon  einer  etwas  bedeutenderen  Größe  wegen,  subspezifisch  getrennt  werden 
muß.  Im  andern  Falle  hätte  wenigstens  unser  Name,  als  der  ältere,  den  A'orrang. 
Das  übrige  Nordamerika,  sowie  Nordsibirien,  bewohnt  L.  r.  rupestris  (Gm).  Zur  Zeit 
lassen  sich  sichere  Diagnosen  für  die  einzelnen  Subspezies  nicht  geben.  Der  schwarze 
Zügelstreif,  den  auch  das  Weibchen  vom  Januar  bis  Mai  trägt,  dürfte  das  sicherste 
Kennzeichen  der  Art  sein. 


Lagopus  rupestris  islandorum.  970 

Das  isländische  Schneebubu  ist  ein  häufiger  Brut-  und  Standvogel 
in  allen  Gegenden  der  Insel,  wo  niedriges  oder  höheres  Gesträuch  sich  findet, 
in  der  Nälie  des  Meeres  ebensowohl,  als  hoch  oben  im  Gebh-ge.  Es  bewohnt 
die  Heiden.  Hochmoore  und  Bruchgebicte,  aber  aueli  zerklüftete  Lavafelder 
und  Bergbänge,  die  nur  dürftige  Bedeckung  von  Betula  nana.  Kricaceen, 
Vaccinien  und  anderen  Arten  niederer  Sträucher  besitzen.  Stellenweise  ist 
es  überaus  häufig,  anderwärts  seltner,  vollständig  fehlen  dürfte  es  aber  in 
keinem  Teile  Islands,  wo  Gebiete  wie  die  bezeichneten  sich  finden. 

Unsere  Art  variiert  bedeutend  in  Färbung  und  Größe,  schon  nach  der  verschiedenen 
Entwicklung  des  Sommer-  und  Winterkleides,  weshalb  grolie  Serien  ausgefärbter  VJigel 
notwendig  sind,  um  sichere  Formenunterschiede  aufzustellen.  Faber  hat  im  Prodromus 
eine  ausfüiirliche  Besehreibung  der  einzelnen  Kleider  des  isländischen  Schneehuhns 
gegeben,  die  freilich  für  gewisse  Individuen  auch  nicht  ganz  zutreffend  ist.  Ich  besitze 
nur  7  alte  Vögel  in  meiner  Sammlung,  sah  noch  eine  Reihe  in  Museen  und  große 
Mengen  im  Winter  erlegter  Exemplare  in  Reykjavik.  Die  Mäimchen  sind  im  allgemeinen 
etwas  größer,  haben  einen  stärkeren  Kopf  und  einen  ausgeprägteren  schwarzen  Zügel 
als  die  Weibchen,  bei  denen  dieser  vom  Juni  bis  Dezember  oft  nur  angedeutet  ist. 
Das  Weibchen  erhält  die  Sommertracht  viel  eher,  sodaß  man  schon  Anfang  Juni  aus- 
gefärbte Exemplare  findet,  während  das  Männchen  überhaupt  selten  alles  Weiß  im 
Kleingefieder  verliert.  Im  April  fallen  die  langen,  schaufelföruiigen  Nägel  ab,  nachdem 
sich  darunter  die  neuen,  kurzen  und  dicken  Krallen  gebildet  haben.  —  Etwa  20  von 
mir  im  Fleische  untersuchte  Exemplare  zeigten  folgende  Maße.  Uewicht:  550— 700  g. 
Gesamtlänge:  335— 380  mm.  Flugbreite:  c.  600.  Flügel  (mit  Zirkel  gern):  181—200. 
Schwanz:  112 — 128.  Schwanz -|- Flügel :  50 — HO.  Schnabel  (von  der  bei  den  Nasen- 
löchern am  weitesten  vorspringenden  Befiederung  bis  zur  Spitze):  9 — 11.  Schnabel- 
höhe (an  der  entsprechenden  Stelle):  7 — 9.  Tarsen:  31 — 35.  Mittelzehe  inkl.  der 
7 — 18  mm  langen  Kralle:  30 — 40  mm.  —  Iris:  dunkelbraun.  Schnabel:  schwarz.  Füße 
(im  Soramerkleide):  grau,  Sohlen  mehr  gelblich.  Nackte  Augenwulst :  lebhaft  zinnober- 
rot {(S)  oder  blaßrot  (?).  —  Kropf  und  31agen  enthalten  c.  1  cm  lange  abgebissene 
Stengelstücke  von  Ericaceen,  Vaccinien,  Betula  nana,  Knospen  derselben,  harte  über- 
winterte Blätter  verschiedener  Pflanzen,  zarte  kleine  Blüten,  Beeren,  Steiuchen.  Ein 
Kropfinhalt  wog  30  g. 

Das  isländische  Schneehuhn  ist  ein  Standvogel  auf  unserer  Insel, 
verweilt  freilich  dauernd  nur  an  einigen  besonders  günstigen  Örtlichkeiten. 
Zeitig  im  Frühjahre,  gewöhnlich  im  April,  ziehen  sich  die  Paare  nach  ihren 
Brutplätzen  zurück,  die  nicht  selten  auch  in  geringer  Höhe  über  dem  Meere 
oder  sogar  ganz  in  dessen  Nähe  liegen.  Wenn  dann  im  Mai  der  Schnee 
mehr  und  mehr  schwindet  und  das  Gesträuch  neue  Knospen  und  Blätter 
treibt,  beginnt  das  Männchen  mit  Balzen.  Besonders  gegen  Abend  durch- 
eilt der  Vogel  in  ki-aftvollem,  fast  taubenartigem  Fluge  die  einsame  und 
schweigende  Heide.  Oft  20—30  ra  hoch  bewegt  er  sich  mit  gleichmäßigen 
Flügelschlägen  oder  auch  in  langem  schönen  Schweben  dahin,  senkt  sich 
dann  in  raschem  Schwünge  gegen  die  Erde  nieder,  wobei  er  ein  kurzes, 
stark  knarrendes,  lautes  und  tiefes  Korrr  (Zungen-R,  ganz  ähnlich  wie 
das  Knarren  eines  sog.  Waldteufels)  hervorbringt,  das  einen  Kilometer 
weit  hörbar  ist.  Sofort  erhebt  er  sich  aber  zur  vorigen  Höhe,  schwebt  dann 
abermals  mit  dem  rasselnden  Schnarren  ubwärts  und  so  fort,  bis  er  sich 
endlich  auf  dem  Boden  niederläßt.  Der  harte,  in  der  Nähe  oft  erschreckende 
Balzruf,  nach  dem  das  Männchen  seinen  isländischen  Namen  trägt,  ist  überaus 

18 

Hantzsch,  Vogel  weit  Islands. 


274  Lagopus  rupestris  islnndornm. 

charaktevistisch  und  mit  keiner  anderen  Vogelstimrae  zu  verwechseln.  Ende 
Mai  sieht  man  die  Paare  meist  dicht  beisammen.  Sie  benehmen  sicli  dem 
Menschen  gegenüber  so  zutraulich,  daß  man  sie  leicht  beobachten  kann. 
Wenn  man  in  ihre  Nähe  kommt,  stellt  sich  das  weiße  Männchen,  von  dem 
zu  dieser  Zeit  gewölnilich  erst  der  Kopf  braun  gefärbt  ist,  regungslos  auf 
einen  Grashiigel  oder  Stcinblock.  Lebhaft  leuchten  seine  roten  Kämme  über 
den  Augen.  Das  viel  braunere  AVeibchen  hält  sich  gewöhnlich  mehr  verborgen. 
Erst  auf  10  m  fliegen  oft  die  Schneehühner  mit  raschem  Fluge  davon,  wobei 
das  Männchen  nicht  selten  ein  kurzes,  scheltendes  Knarren  hören  läßt. 
Einmal  schoß  ich,  noch  ehe  die  Vögel  Eier  hatten,  ein  Männchen  tot,  worauf 
das  Weibchen  nur  ein  paar  Schritte  weiter  lief,  stehen  blieb  und  nun  in 
aller  Ruhe  gleichfalls  erlegt  werden  konnte. 

Anfang  Juni  scharrt  das  Weibchen  eine  flache  Nestgrube,  am  liebsten 
unter  Gesträuch  oder  zwischen  Felsbrocken  und  Erdhügelchen,  kleidet  sie 
dürftig  mit  harten  Blättern,  manchmal  auch  noch  mit  etwas  Moos  und  einigen 
Federn  aus  und  beginnt  mit  der  Ablage  der  Eier.  Volle  Gelege  findet 
man  gewöhnlich  Mitte  Juni.  Gröndal  sagt  freilich,  daß  in  der  gebirgigen 
Müla-S;fsla  unsere  Vögel  erst  spät  im  Juli  brüteten  (Ornis  IX,  S.  96),  was 
aber  kaum  die  Regel  sein  dürfte.  7  nordisländische  Gelege  meiner  Sammlung 
stammen  aus  der  Zeit  vom  11.  — 19.  Juni,  ein  Nachgelege  von  4  Stück  noch 
vom  30.  Juni.  Sie  enthalten  7,  9,  10,  10,  11,  11  und  12  Eier.  Doch  hat  Faber 
bis  14  Stück  in  einem  Neste  gefunden  (1.  c,  S.  12),  während  Thienemann 
die  Zahl  mit  6 — 10  angibt  (Portpflanzung,  S.  38). 

Zwei  Gelege  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  46  x  29,8  mm  (1,5  g), 
44x30,8  (1,4),  44xb0,5  (1,4),  44x28,5  (1,4),  43,2x30,8  (1,55),  43,2x29,5  (1,45), 
43  X  30,2  (1,52),  43  x  30,8  (1,45),  43  x  30,2  (1,45),  42,5  x  30,2  (1,45),  42  x  30,5  (1,45), 
42  X  29,5  (1,4).  —  43,2  x  30  (1,4),  43  x  29,5  (1,45),  42,5  x  30  (1,45),  42,5  x  29,5  (1,3), 
42,2x30  (1,4),  42,2x30  (1,35).  42x30  (1,45),  41x30  (1,45),  41x30  (1,4),  40,5  x 
30  (1,45). 

Das  Weibchen  brütet  3 7.3  Woche  allein,  sitzt  oft  außerordentlich  fest 
und  verläßt  das  Nest  gewöhnlich  erst  im  letzten  Augenblicke,  um  mit 
hängenden  Flügeln  ein  Stück  fortzulaufen.  Das  Männchen  hält  sich  in  der 
Nähe  auf,  zeigt  sich  bei  Gefahr  nicht  selten  auf  erhöhten  Plätzen  und  lenkt 
dadurch  die  Aufmerksamkeit  vom  Neste  ab.  Gelegentlich  fliegt  es  aber  auch, 
bisher  im  Gesträuche  verborgen,  plötzlich  in  die  Höhe,  wobei  es  laut  knarrt. 
Sind  die  Dunenjungen  Mitte  Juli  ausgeschlüpft,  so  verhalten  sich  die 
Eltern  noch  besorgter.  Während  die  Tierchen  zwischen  dem  niederen  Strauch- 
werke dahineilen  oder  sich  regungslos  still  verhalten,  läuft  das  Weibchen, 
jede  Deckung  verschmähend,  mit  niedergebeugtem  Körper  vor  dem  Menschen 
her,  wobei  es  Schwanz  und  Flügel  tief  hängen  läßt  und  angstvoll  warnend 
gok  gok  ruft.  Oft  kann  man  so  den  Vogel  auf  6 — 10  m  vor  sich  hertreiben. 
Nähert  man  sich  zufällig  den  verstecktliegenden  Jungen  oder  erfaßt  sogar 
eins  derselben,  so  wird  die  Alte  immer  ängstlicher,  schleift  mit  Flügeln 
und  Schwanz  auf  der  Erde,  rutscht  wie  gelähmt  am  Boden  hin  und  ruft 
klagend  Kur,  Kr.  Nun  fliegt  das  Männchen,  das  sich  in  der  Nähe  ver- 
borgen hielt,  mit  kurzem  Knarren  in  die  Höhe,  um  freilich  sogleich  wieder 


Lagopus  rupestris  isLandoriini.  275 

einzufallen.  Hat  das  Weibchen  aber  den  Feind  glücklich  fortgelockt,  so  erhebt 
es  sich  ebenfalls  mit  einem  dumpfen  Hahaha...  oder  Kokoko...  der  Be- 
friedigung-. Die  Dunenjungen  erlialten  schon  nach  wenigen  Tagen  richtig 
befiederte  Flügel,  mit  denen  sie  etwas  flattern  können.  Eine  Woche  alt 
fliegen  sie  bereits  rasch  und  hoch,  wie  ein  Schwärm  Drosseln,  durch  die  Luft. 

Ein  etwa  4—5  Tage  alter  Vogel  meiner  Sammlung,  (5,  vom  IH.  Juli  1903  aus  der 
Gegend  vom  Myvatn,  zeigt  folgende  ]\Iaßt>.  Gewicht  i.  Fl.:  39  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.: 
105mm.  J'lugbreite:  240.  Flügel:  69.  Schwanz:  14.  Flügel  =  Schwanz.  Schnabel 
(von  der  am  weitesten  vorspringenden  Befiederung  bis  zur  Spitze):  5,5.  Sehnabolhöhe:  5. 
Tarsen:  18.  Mittelzehe  inkl.  der  5  mm  langen  Kralle:  17  mm.  —  Iris:  dunkelbraun. 
Schnabel:  dunkel  schwarzgrau,  Unterschnabel  am  Grunde  schmutzig  fleischfarben. 
Sohlen:  gelblich.  —  Mageninhalt:  Blüten  von  Vaccinium  uliginosum  und  weiche,  zarte 
Blättchen.  Ein  etwa  12  Tage  altes  ?  pull,  meiner  Sammlung  hatte  mehrere  Rüssel- 
käfer und  Fliegen,  sowie  Blüten  einer  Polyijonum- Avi  in  Kropf  und  Magen.  Bei 
diesem  Individuum  zeigte  sich  schon  eine  schmale,  blaßrote  Ilautstelle  über  den  Augen. 

Werden  die  Jungen  älter,  so  kümmert  sich  das  Männchen  allmählich 
lebhafter  um  sie.  Mit  schnarrendem  Korrr,  manchmal  auch  mit  hartem 
RopropropkriT,  fliegt  es  der  Familie  voran,  die  ihm  mit  äußerst  raschen 
Flügelschlägen,  ohne  jedoch  ein  auffälliges  Geräusch  hervorzubringen,  folgt. 
Die  Flügel  tief  abwärtsgebogen  schwebt  der  Vogel  endlicli  als  erster  auf  die 
Erde  nieder,  läuft  zu  Fuße  weiter  und  knarrt  gelegentlich  noch.  Kommt 
einer  der  alten  Vögel  ums  Leben,  so  führt  der  andere  Teil  die  Nachkommen- 
schaft, verwaisen  die  Jungen  vollständig,  so  helfen  sie  sich  notdürftig  auch 
allein.  Etliche  Male  traf  ich  solche  führerlose  Scharen,  die  sehr  schnell 
über  die  Heide  liefen  und  sich  recht  gut  zu  verbergen  wußten.  Nach  3  bis 
spätestens  4  Wochen  sind  die  Vögel  vollständig  befiedert;  zuletzt  verlieren 
sie  den  Flaum  an  den  Kopfseiten  und  am  Halse.  Dem  Menschen  gegen- 
über sind  sie  nun  fast  noch  vertrauensseliger  und  törichter  als  die  Alten; 
auf  3 — 4  m  lassen  sie  ihn  zu  Pferde  oft  herankommen.  Daweile  warnen 
die  Eltern  mit  rauhem  Watwat,  Wutwut  zur  Vorsicht.  Sobald  die  Jungen 
halberwachsen  sind,  schlagen  sich  mehrere  Familien  zusammen.  Schon 
Anfang  August  sah  ich  Scharen  von  40—50  Stück  beieinander,  die  eilig 
dahinliefen.  Doch  fand  ich  zu  derselben  Zeit  auch  noch  sehr  kleine  Vögel 
beim  Myvatn.  Später  im  Jahre  vereinigen  sich  oft  Hunderte  von  Schnee- 
hübnern.  Diese  streifen  im  Lande  umher  und  kommen  besonders  nach 
solchen  Gegenden,  wo  kräftiger  Heidewuchs  oder  Buschwald  vorhanden  ist. 
Hier  finden  sie  während  des  Winters  njcht  nur  Nahrung  an  Beeren, 
Blättern,  Knospen  und  Stengelstücken,  sondern  auch  etwas  Schutz.  Kälte 
und  Schnee  scheuen  die  Vögel  im  allgemeinen  nicht,  überwintern  deshalb 
auch  häufig  hoch  oben  im  Gebirge,  wenn  sich  nur  reichlicher  Heidewuchs 
daselbst  findet.  Dann  graben  sie  Gänge  unter  dem  Schnee,  um  nach  den 
Pflanzen  zu  gelangen,  wobei  ihnen  die  spateiförmigen  Nägel  vortreft"licho 
Dienste  leisten.  Zu  Tausenden  erlegt  man  die  zutraulichen  Vögel  in  günstigen 
Eevieren,  da  ihr  bitteres,  mageres  Fleisch  gern  gegessen  wird  und  einen 
nicht  unwichtigen  Handelsartikel  darstellt.  Hunderte  müssen  auch  unter 
den  Fängen  von  Jagdfalken  und  Polarfüchsen  ihr  Leben  lassen.  Bei  allzu- 
großer Verfolgung  oder  besonders  ungünstigen  Witteruugsverhältnissen  kommea 

18* 


276  Columha  pülumbus. 

die  Schneehühner  an  die  Meeresküste  hinab,  besuchen  dann  sogar  ausnahms- 
weise die  Vestmannaeyjar  und  Grimsey,  dürften  aber  das  isländische  Gebiet 
im  weiteren  Sinne  Icaum  jemals  verlassen.  Es  ist  deshalb  wohl  erklärlich, 
daß  sich  im  Laufe  der  Zeit  eine  dem  Lande  eigentümliche  Lokalrasse  ge- 
bildet hat. 

89.  Columba  palumbus  L. 

Ringeltaube. 

Columha  palumbus,  Linn. :  Salvador!,  Oat.  JBirds  Brit.  Mus.  XXI,  |).  299  (1893). 
—  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  VI,  S.  17  (1897). 

Isländisch:  Hringdüfa. 

Auch  dän.  &  norw. :  Ringdue,  Schwed.:  liingdufva.  HoIL:  Kingduif.  Engl.: 
Ringdove. 

Columha  palumbus  bewohnt  das  paläarktische  Europa  und  einige  benachbarte 
Gebiete  im  südwestlichsten  Asien  und  in  Nordafrika.  In  Rußland  geht  sie  bis  zum 
Weißen  Meere  nordwärts,  brütet  auch  häufig  in  Süd-  und  Mittelfinnland,  in  Skandinavien 
bis  etwa  zum  65.  Grade  hinauf.  Gemein  ist  sie  in  allen  Teilen  der  Britischen  Inseln, 
wo  sie  sogar  zahlreich  überwintert.  Auf  den  Färöern  zeigte  sie  sich  als  gelegentlicher 
Gast,  in  Grönland  allerdings  noch  nicht. 

Von  Island  ist  mir  auch  nm-  ein  einmaliges  Vorkommen  der  Ringel- 
taube bekannt.  P.  Nielsen  erhielt  nämlich  FJnde  Dezember  1901  ein  bei 
Eyrarbakki  erlegtes  Exemplar  (in  litt.). 

90.  Haliaetus  albicilla  (L.). 

Seeadler. 

Falco  albicilla  (Lath.):  Faber,  Prodromus,  S.  1  (1822).  —  Haliaetos  albicilla 
Selby:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  ^84  (1862).  —  Haliaetus  albicilla  (Linn.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  407  (1863).  —  Haliaetus  albicilla  L.:  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  32  (1895).  —  Haliaetus  albicilla  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland, 
p.  28  (1901). 

Haliaetus  albicillus,  L.:  Sharpe,  ('at.  Birds  Brit.  Mus.  I,  p.  302  (1874).  —  Hali- 
aetus albicilla  (L.):  Collhi,  Skandinaviens  Fugle,  S.  13  (1877).  —  Winge,  Grönlands 
Fugle,  S.  259  (1898).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  V,  S.  162  (1899). 

Isländisch:  Orn  (=  Adler),  Sjöörn,  Sseörn  (^  Seeadler),  alter  Name  Ari,  davon 
■gebildet  Assa,  das  noch  gebraucht  wird.  In  einigen  Gegenden  des  Ostlandes  auch 
Lodbrök,  verkürzt  Lobba  (von  lodinn  =  zottig,  brök  =  Hose,  der  laugen  Schenkel- 
federn wegen). 

Auch  dän.:  Orn,  Havern.  Norw.:  Orn,  Söörn.  Schwed.:  Orn,  Hafsöru,  Arn. 
HoU.:  Zeearend.     Engl.:  Erne.     Fär. :  Orn. 

Haliaetus  albicilla  bewohnt  Europa,  besonders  im  südlichen  und  östlichen  Teile, 
ferner  das  untere  Ägypten,  Kleiuasien  und  Asien  südlich  bis  zum  Jangtsekiang,  östlich 
bis  Kamtschatka.  Hauptsächlich  die  jüngeren  Vögel  wandern  im  Winter  südwärts  bis 
zu  den  Kanarischen  Inseln,  Nordafrika,  Persien  und  wahrscheinlich  Nordindien,  Süd- 
china und  Japan.  In  Europa  brütet  Haliaetus  albicilla  bis  hinauf  nach  Nowaja  Semlja 
und  in  ganz  Skandinavien,  selten  in  Großbritannien,  auf  den  Färöern  heutzutage  über- 
haupt nicht  mehr,  dagegen  recht  häufig  in  Grönland.  —  Die  verwandte  weißköpfige 
amerikanische  Art  (H.  leucocepJialus)  hat  man  dagegen  weder  in  Grönland,  noch 
irgendwo  in  Europa  mit  Sicherheit  festgestellt. 

In  Island  gehört  der  Seeadler  heutigentags  nur  noch  zu  den  seltenen 
Brutvögeln,   wenn    auch    an   seine    Ausrottung   auf   der   Insel    ti'otz    aller 


Haliaetus  albicilla. 


277 


VerfolgiiDgeii  iiiclit  so  bald  zu  dciikcu  ist.  p]r  bewohnt  steile  Felsen  in  der 
Nähe  von  Vogelkolonien,  gewöhnlich  am  Meeresgestade,  weniger  oft  in  der 
Umgebung  größerer  Binnenseen  und  Ströme.  Früher  brütete  z.  IJ.  ein  Paar 
regelmäßig  beim  M^vatn,  ist  aber  jetzt  von  dort  verschwunden.  Allerdings 
besucht  der  Adler  diesen  See,  wie  auch  alle  andern  vogclreichen  Gebiete 
der  Insel,  von  Zeit  zu  Zeit. 

Ich  selbst  hatte  nur  dreimal  Gelegenheit,  den  Vogel  auf  Island  zu 
beobachten,  zuerst  am  23.  April  an  einer  Meeresbucht  dicht  bei  Reykjavik, 
wo  eine  Menge  Seevögel  sich  tummelten.  Der  Adler,  ein  jüngeres,  dunkel- 
schwänziges  Exemplar,  saß  anfangs  auf  einem  mit  Tang  bedeckten,  von  der 
Ebbe  bloßgelegten  Steine  und  war  so  wenig  scheu,  daß  ich  fast  ungedeckt 
auf  80 — 100  m  herankommen  konnte.  Leider  hatte  ich  gerade  an  diesem 
Tage  keine  Kugelpatronen  bei  mir.  Endlich  erhob  sich  der  Vogel  mit 
langsamen  Flügelschlägen,  überflog  mich  mehrmals  und  ließ  sich  dann  von 
neuem  schwebend  am  Wasser  nieder.  Er  schien  eben  reichliche  Mahlzeit 
gehalten  zu  haben.  Die  Enten,  Austernfischer  und  Rotschenkel  in  der  Nähe 
eilten  zwar  lockend  ein  Stück  davon,  kehrten  aber  recht  bald  zurück.  Auch 
einige  Schafe  zogen  bis  auf  wenige  Meter  au  den  Adler  heran,  ohne  daß 
sich  dieser  gerührt  hätte.  Zwei  Raben  jedoch,  die  zufällig  durch  die  Luft 
kamen,  umflogen  ihn  krächzend,  ließen  aber  auch  bald  wieder  von  ihm  ab, 
weil  sie  keine  Beute  bei  dem  Vogel  bemerkten.  Zwei  andere  Seeadler  beob- 
achtete ich  am  Abend  des  16.  Mai  IM  Cap  Nord.  Sie  zogen  wundervolle 
Kreise  über  dem  schimmernden  Meere  und  horsteten  sicher  in  der  Nähe. 
Endlich  sah  ich  Mitte  Juni  einen  Seeadler  am  Eyjafjördr,  der  die  Eider- 
kolonien  von  Laufäs  und  Umgegend  täglich  heimsuchte,  bis  er  angeschossen 
wurde  und  nun  ausblieb. 

Im  allgemeinen  sind  die  Seeadler,  wenigstens  die  älteren  Paare,  Stand- 
vögel auf  Island.  Zeitig  im  Frühlinge  beginnen  sie  mit  der  Ausbesserung 
oder  dem  Neubau  des  Horstes,  der  aus  festen  Tangwurzeln  und  Reisern 
hergestellt  wird  und  sich  meist  in  schwer  zugänglichen  Nischen,  breiten 
wagerechten  Spalten  oder  auf  Vorsprüngen  steiler  Felsen  befindet,  mitunter 
aber  auch  auf  dem  freien  Plateau  eines  Vogelberges  angebracht  ist.  Die 
Vögel  hängen,  selbst  ohne  ersichtlichen  Grund,  zäh  an  alten  Brutstätten. 
So  erzählt  Faber.  daß,  auf  einer  isolierten  Klippe  bei  Löndrängar  (südl.  vom 
Snsefells),  auf  der  schon  Eggert  Ölafsson  1750  einen  Seeadlerhorst  bemerkte, 
im  Jahre  1820  noch  immer  ein  solcher  vorhanden  war.  Als  ich  am 
14.  Mai  1903  nicht  weit  von  der  Stelle  vorüberfuhr,  konnte  ich  freilich 
nichts  von  Adlern  erblicken.  Unser  Vogel  legt  im  April,  spätestens  Anfang 
Mai,  2,  mitunter  auch  3  Eier. 

Ich  besitze  zwar  zahlreiche  Exemplare  ans  andern  Ländern,  konnte  aber  keins 
aus  Island  erhalten.  Solehe  scheinen  an  Größe,  wie  vielleicht  der  ganze  Vogel  über- 
haupt, die  südosteuropäischen  zu  übertreffen  und  den  grönländischen  zu  ähneln. 
12  Eier  meiner  Sammlung  aus  Südrußland  zeigen  als  Maximum  77x57.6  bez.  76  X 
59,1  mm,  ihr  Durchschnittsgewicht  beträgt  etwa  13  g.  Grönländische  Exemplare  messen 
nach  Rey  (Naumann  V,  S.  169)  im  Maximum  83,8  X  61  mm,  im  Gewicht  durchschnittlich 
14,8  g.     Preyer  bezeichnet  als  Maß  eines  isländischen  Stückes  81  X  60  mm. 


278  Ilierofali'o  gyrfalco  gyrfalco. 

Die  Brutzeit  beträgt  nach  Faber  35,  die  Dunenperiode  etwa  50  Tage. 
Selten  entwickelt  sich  mehr  als  ein  Junges,  das  die  Alten  zwar  reichlich  mit 
Futter  versorgen,  dem  Menschen  gegenüber  aber  kaum  jemals  verteidigen. 
Am  25.  Juni  1821  bestieg  Faber  einen  Horst  im  Südwestlande,  der  2  Junge 
im  FLiumgetieder  enthielt,  von  denen  das  kleinere  tot  war.  In  einem  anderen 
Horste  fand  er  am  5,  Juli  desselben  Jahres  neben  einem  tauben  Ei  ein  fast 
flügges  Junges.  In  beiden  Nestern  lagen  Gewölle  und  Überreste,  die  als 
Nahrung  der  Adler  Ca)ds  lotjopus,  Uria,  Cepphus,  liii^sa,  Fulmanis  und  See- 
fische erkennen  ließen.  Häufig  stellen  unsere  Vögel  auch  den  Lachsen  und 
größeren  Forellen  in  Flüssen  und  Seen  nach,  wobei  sie  freilich  mitunter 
selbst  zu  Schaden  kommen.  Mehrere  Berichte  liegen  z.  B.  vom  Myvatn 
vor,  daß  ein  ertrunkener  Seeadler  im  Fischnetze  gefunden  wurde,  in  das  er 
sich  beim  Stoßen  nacli  darin  gefangener  Beute  verwickelt  hatte.  Gelegentlich 
schlagen  die  Vögel  auch  junge  Schafe.  Ja  ich  sah  bei  Hjalteyri  ein  Mutter- 
schaf, das  jedenfalls  bei  der  Verteidigung  seines  ganz  unverletzten  Lammes 
von  dem  Adler  derart  am  Halse  gerissen  wurde,  daß  es  zwar  noch  in  die 
Nälie  des  Ortes  flüchten  konnte,  wohin  sich  der  Räuber  wahrscheinlich  nicht 
wagte,  kurze  Zeit  darauf  aber  verblutete. 


91.  Hierofalco  gyrfalco  gyrfalco  (L.). 
Kleiner  Jagdfalke. 

Falco  Lanarius  (Liiin.):  Faber,  Prodromus,  8.  3  (1822).  —  Falco  lanarius  Linn.: 
Faber,  Okens  Isis  XX,  S.  68  (1827).  —  IFalco  laniarius  L. :  Preyer  (&  Zirkel),  Reise 
nach  Island,  S.  427  (1862).  —  Falco  lanarius  (Linn.):  Newton,  in  Earing-Goulds  Iceland, 
p.  407  (1863).  —  Falco  lanarius:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  34  (1895).] 

Falco  lanarius  &  Falco  gyrfalco:  Linne,  Syst.  Nat.  Ed.  X,  n.  20  (? partim) 
und  n.  22  (1758).  —  Hierofalco  gyrfalco,  L. :  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  I,  p.  416 
(1874).  —  Falco  gyrfalco,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  32  (1877).  —  Falco 
gyrfalco  L.  typicus:  Winge,  Grrenlands  Fugle,  S.  249  (1898).  —  Falco  gyrfalco  L. : 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  V,  S.  81  (1899).  —  Hierofalco  rusticolus  gyrfalco  (Linn.): 
Schalow,  Vögel  der  Arktis,  S.  222  (1904). 

Isländisch:  Fälki,  Valur,  Haukur  (partim). 

Auch   dän.  &  norw. :  Falk,  Jagtf'alk.     Schwed. :  Falk.     Fiiui.:  Haukka.     Lappl.:- 
Falle,  Falli. 

Der  Mittelpunkt  des  Verbreitungsgebietes  von  Hierofalco  gyrfalco  Hegt  in  Skandi- 
navien und  Lappland.  Doch  kommt  unsere  Form  nach  Schalows  Aulfassung  (1.  c.) 
von  der  westlichen  Küste  Grönlands  und  den  gegenüberliegenden  Länderstrecken  der 
Davis-Straße,  Baifins-Bai  und  des  Smith-Sundes  östlich  bis  an  die  Gestade  der  Norden- 
skiöld-See  vor.  Das  Britische  Museum  besitzt  sogar  Bälge  von  Labrador  und  Kalifornien- 
Winge  betont  (1.  c,  S.  251),  daß  sich  unter  den  57  grönländischen  Jagdfalken  des 
Kopenhagener  Museums  2  alte  und  1  junger  Vogel  von  Falco  gyrfalco  typicus  befänden, 
die  sich  von  skandinavischen  Exemplaren  durchaus  nicht  unterscheiden  ließen.  Ob 
diese  Ähnlichkeit  bloß  eine  scheinbare  ist  und  ob  es  sich  bei  den  betreffenden  Bälgen 
um  Bratvögel  oder  gelegentliche  Gäste  gehandelt  hat,  muß  dahingestellt  bleiben.  Die 
auf  Spitzbergen  und  Franz-Joseph-Land  beobachteten  Falken  dürften  nach  Schalow 
ebenfalls  unserer  Form  angehöi-en,  wahrscheinlich  auch  die  von  Nowaja  Semlja  und 
vielleicht  die  von  Jan  Mayen.  —  Solange  mau  nicht  Serien  von  sicher  dem  Geschlechte 
nach  bestimmten  Brutvögeln  der  einzelnen  Gebiete  besitzt,  ist  die  Berechtigung  der 
Formen  und  damit  ihre  Verbreitung  noch  immer  zweifelhaft. 


Hierofalco  gyrfalco  gyrfalco.  279 

Für  Island  möchte  ich  den  kleinen  Jagdfalken  als  gelegentlichen 
Gast  bezeichnen,  der  sich  ab  und  zu  nach  unsrer  Insel  verfliegt.  Ich  nclimo 
ihn  auch  nur  mit  Vorbehalt  in  das  Verzeichnis  auf,  besonders  im  Hinblicke 
auf  Winges  Angaben  für  Grönland.  Unter  den  zahlreichen  in  Island  erlegten 
Jagdfalken,  die  ich  untersuchte,  befanden  sich  zwar  etliche,  die  in  der 
Färbung  außerordentlich  H.  g.  gyrfalco  gleicliknmen,  docli  maii  ich  als 
geringste  Flügellänge  370  mm,  während  Klcinschmidt  für  männliclie  Vögel 
unsrer  Form  ungefähr  360  mm  angibt  (Naumann  V,  S.  82).  Bei  einer  Reihe 
von  mir  untersuchter  skandinavisclier  Vögel  fand  ich  freilicli  als  geringstes 
Maß  auch  nur  ;566  mm  (Zool.  Mus.  in  Dresden).  Ich  bin  deshalb  bei  der 
bedeutenden  Färbungs Variation  der  Art  zweifelhaft  geblieben,  zu  welcher 
Subspezies  mau  die  fraglichen  Exemplare  rechnen  sollte,  zumal  diese  weder 
Geschlechtsbezeichnung,  noch  Datum  der  Erlegung  trugen. 

Höchstwahrscheinlich  ist  aber  Fabers  ^^Falco  lanarins  L.",  den  er 
am  18.  Sept.  1819  in  Akureyri  schoß,  als  der  Vogel  auf  Haustauben  stieß, 
zu  unserer  Form  zu  ziehen.  Leider  ging  der  Balg  des  fraglichen  Exemplars 
mit  derselben  Sendung,  in  der  sich  die  geheimnisvolle  „Fringi/la  idandicu'- 
befand,  verloren.  Doch  dürfte  kaum  anzunehmen  sein,  daß  es  sich  um 
einen  Falco  sacer  Gm.  (=  Falco  lanarius  L.,  partim)  handelte,  da  diese  Art 
dem  Südosten  Europas  und  Mittelasien  angehört.  Nach  der  Beschreibung, 
die  Faber  an  Ort  und  Stelle  von  dem  fraglichen  Vogel,  einem  jungen 
Weibchen,  entworfen  und  die  er  später  in  Okens  Isis  (1.  c.)  veröffentlicht 
hat,  läßt  sich  zwar  die  Artzugehörigkeit  nicht  mit  völliger  Sicherheit  fest- 
stellen, doch  passen  die  angegebenen  Maße  sehr  gut  auf  //.  g.  gyrfaU-o. 
Auch  hebt  Faber  hervor  (1.  c,  S.  69),  daß  er  mehrmals  Falken,  die  besagtem 
Exemplare  ähnlich  waren,  auf  Island  beobachtete,  was  von  Falco  mcer  Gm. 
ausgeschlossen  ist.  Auf  Falco  ■peregrinus  Tunst.  paßt  die  Beschreibung 
keinesfalls.  Faber  sagt  z.  B.  ausdrücklich,  daß  „die  Füße  des  Vogels  bis  unter 
den  mittleren  Teil  der  Fußwurzel"  befiedert  waren.  Eher  noch  könnte  es 
sich  um   ein  kleines  Exemplar  von  H.  g.  idandus  (Brunn.)  gehandelt  haben. 

92.  Hierofalco  gyrfalco  islandus  (Brunn.). 
Großer  Jagdfalke. 

Falco  islandicuH  (Lath.):  Faber,  Prodromus,  S.  2  (1822).  —  Falco  arcticus 
Holböll,  Blasiiis  &  Falco  candicans  Blasius:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island, 
S.  385  und  388  (1862).  —  Falco  islandicus  Gmel.  &  Falco  candicans  (rmel.:  Newton, 
in  Baring-Cxoulds  Iceland,  p.  407  (1863).  —  Falco  islandicus  L.:  Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  32  (1895).  —  Falco  candicans,  Gmel.  &  Falco  islandus,  Gmel.:  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.  29  and  30  (1901). 

Hierofalco  candicans,  Gm.  &  Hierofalco  islandus,  Gm.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit. 
Mus.  I,  p.  411  and  414  (1874).  —  Falco  gyrfalco,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  32 
(1877).  —  Falco  gyrfalco  var.  islandicus  Gmel.  ex  Briss.  &  var.  candicans  Gmel.:  AN'inge, 
Grönlands  Fugle,' 8.  249  (1898).  —  Falco  gyrfalco  islandus  (Brunn.):  Kleinschmidt,  in 
Naumanns  Vögel  Mitteleuropas  V,  S.  83  (1899). 

Isländisch:  Fälki;  eddisch  Valr,  noch  heutzutage  gebraucht,  dann  besser  Valur 
geschrieben  (wahrscheinlich  Abkürzung  von  Valfugl  =  Vogel  der  Walstati,  allgemeinere 
Bezeichnung  für  Raubvögel);  Haukur  (=  Habicht);  genauer  Veiditälki  (=  Jagdfalke) 
und  Hvitifälki  (=  Weißfalke). 


280  Hierofulco  gyrfalco  islandus. 

Auch  dän.  &  norw. :  Jagtfalk,  Hvidfalk.  Schwod.:  .lagtfalk,  Hvitfalk.  Engl.: 
White  Jerfalkon.     Fär. :  Falkur. 

U.  g.  islandus  ist  nach  meiner  Auffassung  der  Brutvogel  Islands  und  (iröidaiids. 
Daß  er  auch  im  nordöstlichen  Amerika,  südwärts  bis  Labrador,  brütend,  nicht  nur  als 
Gast  vorkommt,  möchte  ich  mit  Kleinschmidt  vermuten.  Wahrscheinlich  gehören  auch 
die  Jagdfalken  Nordgrönlands  und  ürinnell-Lands  zu  unsrer  und  nicht  zu  der  vorher- 
gehenden Rasse.  Gelegentlich  zeigt  sich  H.  g.  islandus  auf  den  Färöern,  den  Britischen 
Inseln  und  an  der  Küste  Nordfrankreichs. 

Island  bewohnt  der  große  Jagdfalke  zwar  niclit  als  liäufiger.  aber 
doch  weitverbreiteter  Brutvogel.  Zufolge  des  beträchtlichen  Schadens, 
den  er  an  Eiderenten,  Schneehühnern,  sogenannten  Felseuvögeln  und  anderen 
nützlichen  Arten  anrichtet,  wird  er  stellenweise  eifrig  verfolgt  und  wäre,  da 
er  wenigstens  zur  Winterszeit  nicht  sehr  scheu  ist,  wahrscheinlich  noch  viel 
seltner,  wenn  nicht  seine  Eier  zu  Sammlungszwecken  und  gelegentlich  auch 
die  lebendigen  Dunenjungen  teuer  bezahlt  würden.  Im  allgemeinen  bewohnt 
der  Falke  die  höheren,  wildzerklüfteten  Gebirgspartieu,  sowohl  in  der  Nähe 
des  Meeres,  als  tief  im  Innern  des  Landes.  Am  liebsten  siedelt  er  sich  in 
der  Nachbarschaft  von  Vogelkolouien  an,  die  er  dann  regelmäßig  brandschatzt. 
Anderwärts  bestreicht  er  auf  seinen  täglichen  Beutezügen  große  Gebiete, 
sodaß  man  ihn  gelegentlich  überall,  selbst  in  den  Städten,  zu  sehen  bekommt. 
Ich  begegnete  Jagdfalken  in  allen  von  mir  bereisten  Örtlichkeiten  mit  Aus- 
nahme von  Grimsey,  wo  unser  Vogel  nicht  brütet  und  nur  außerhalb  seiner 
Fortpflanzungszeit  häufiger  erscheint. 

Die  isländischen  Jagdfalken  variieren  in  der  Größe  nicht  allzusehr.  21  von 
mir  gemessene  Exemplare,  zum  Teil  in  den  Museen  von  Kopenhagen,  Reykjavik  und 
Dresden,  zeigen  eine  Flügellärige  von  370 — 420  mm,  die  scheinbaren  Männchen  durch- 
schnittlich '61ö,  die  Weibchen  410  mm,  was  völlig  mit  den  Angaben  Kleinschmidts 
übereinstimmt  (Naumann,  I.  c).  Schwanz:  205 — 2H0,  Tarsen:  57 — 67  mm.  —  Das 
kleinste  Exemplar  meiner  Sammlung,  (5  juv..  Akureyri,  Oktober  1902,  zeigt  folgende 
Maße.  Gesamtlänge:  c.  580  mm.  Flügel:  374.  Schwanz:  237.  Tarsen:  57.  Mittel- 
zehe inkl.  der  22  mm  langen  Kralle:  75  mm.  Schnabel  (von  der  Wachshaut  bis  zur 
Spitze):  24.  —  Schnabel  und  Fänge  bei  den  helleren  Exemplaren  oft  recht  hell,  erstere 
nach  der  Spitze  zu  matt  graublau,  am  Grunde,  besonders  am  Unterschnabel  gelblichgrau 
bis  gelblichweiß,  letztere  bei  alten  Exemplaren  sehr  hellgelb,  auch  die  Krallen  hell; 
bei  dunkel  gefärbten  Vögeln  weit  dunkler,  Krallen  mitunter  fast  schwarz.  —  In  der 
Befiederung  variieren  die  isländischen  Falken  bedeutend.  Man  trifft  alle  4  Phasen,  in 
denen  nach  Kleinschmidt  (1.  c,  S.  84)  unsere  Form  überhaupt  abändert.  Die  weiße 
Phase  ist  nicht  häufig,  ganz  ungefleckte  Exemplare  kommen  bloß  ausnahmsweise  vor. 
Ein  recht  helles,  nur  an  Rückeu  und  Flügeln  wenig  schwärzlich  geflecktes  Individuum 
findet  sich  z.  B.  im  Reykjaviker  Museum.  Daß  aber  auch  die  dunkelste  Labrador- 
Phase  in  Island  auftritt,  beweist  ein  derartiges  Exemplar  von  Öfjord  (Akureyri)  im 
Tring-Museum  (Kleinschmidt,  1.  c,  S.  85).  Die  mittelhellen  Phasen  werden  am  häufigsten 
gefunden.  Die  Mehrzahl  der  isländischen  Vögel  zeigt  hellere  Gesamtfärbung  als  skandi- 
navische. —  Die  Färbung  ist  individuell,  wird  aber  im  Alter  reiner  und  schärfer,  das 
Weiß  tritt  mehr  hervor.  Daß  die  jungen  Vögel  längsgestreift,  die  alten  mehr  quer- 
gebändert  und  mit  herzförmigen  Flecken  bedeckt  sind,  hat  schon  Faber  in  seinen 
genauen  Beschreibungen  (ükeiis  Isis  1827,  S.  62 — 64)  deutlich  genug  hervorgehoben. 
Auch  wußte  Horrebow  bereits,  daß  sich  mitunter  in  einem  Neste  weiße,  halbweiße  und 
graue  Junge  fänden  (Efterretninger  om  Island,  S.  147),  und  Faber  stimmt  dem  voll- 
kommen bei  (1.  c.,S.  65).  Mir  wurde  diese  Tatsache  ebenfalls  von  verschiedenen  glaubhaften 
Leuten  in  Island  mitgeteilt.    Auch  paaren  sich  helle  und  dunkle  Vögel  gar  nicht  selten. 


Hiorofidco  gyrfalco  islaiulus.  281 

Die  Diagnosen   für  die  Subspezies  candicans  (Gm.)  und    obsolctus  (Gm.)  nur   nach   der 
Färbung  dürften  unhaltbar  sein. 

Der  Jagdfalke  ist  in  der  Hauptsache  Standvogel  auf  Island.  Sobald 
die  Frühjahrswitteruug  es  erlaubt,  treffen  sich  die  alten  Paare  bei  ihrem 
vorjährigen  Nistplatze,  den  sie  mit  großer  Zäliigkeit  beibehalten  und  der, 
auch  wenn  mau  beide  Vögel  wegschießt,  immer  wieder  von  anderen  benutzt 
wird.  Der  flache,  breite  Horst  aus  wenig  Reisern  und  anderen  harten 
Pflanzenstengeln  befindet  sich  im  oberen  Teile  einer  schwer  zugänglichen, 
senkrechten  Felswand,  zumeist  in  höheren  Gebirgspartieu.  Später  im  Jahre 
wird  die  Felsnisclie  durch  den  weißen  Unrat  der  Vögel  oft  weithin  siclitbar 
und  deshalb  nicht  selten  gefunden.  Horrebow  behauptet,  daß  den  Falkeu- 
fängern  seiner  Zeit  fast  alle  Horste  im  Lande  bekannt  gewesen  wären. 
Die  Besteigung  des  Platzes  ist  freilich  immer  mit  Schwierigkeit  verbunden. 
Ende  April  beginnt  die  Ablage  der  Eier.  Alte  Paare  haben  unter  günstigen 
Verhältnissen  ab  und  zu  schon  im  letzten  Drittel  dieses  Monats  volle 
Gelege,  in  der  Regel  jedoch  werden  die  Eier  in  der  ersten  Hälfte  des  Mai 
gezeitigt.  6  nordisländische  Gelege  der  Sammlung  Ottoßon  stammen  aus 
der  Zeit  vom  3. — 15.  Mai  (in  litt.),  ein  wahrscheinlich  unfertiges  meiner 
Sammlung  aus  den  letzten  Tagen  des  April.  Werden  den  Vögeln  die  frischen 
Eier  genommen,  so  legen  sie  gewöhnlich  noch  einmal.  Derartige  Eier 
findet  man  unbebrütet  bis  Ende  Mai.  Das  Normalgelege  besteht  aus  4  Stück; 
5  Eier  kommen  nicht  allzu  selten,  3  noch  häufiger,  besonders  in  Nach- 
gelegen, vor. 

Ein  Gelege  meiner  »Saniiiilung  zeigt  folgende  Maße:  61,5x47  mm  (7,15  g), 
61,4x46,8  (7,1),  60,8x47,7  (7).  —  6  weitere  der  Sammlung  Ottoßon:  64,5x48,3 
(7,7),  64,5x48(7,0.5),  63,7x48,3(7,05),  63,7x47,8  (6,98).  -  64,1x46  (6,66), 
62,8x47.5(6,8),  61,6x46,5(7,35),  59,5  x  47,3  (6,6).  —  62,8  X  51  (7,96),  62,3x49 
(7,11),  62,3x49  (7,28),  62  x  50.5  (8,33).  —  60  x  46,4;  59,7x47,4;  59,4x46,3;  58,2 
X  46,6.  —  58,9  X  44,6  (6,07),  58,8  x  46,6  (7,25),  58,2  x  45,7  (6,51),  58  x  47,3  (6,9).  — 
57,2x45,5  (6,2),  57,1x46,6  (6,55),  57x46,4  (6,1),  56,7x46,4  (6,35). 

Im  allgemeinen  mag  das  Weibchen  brüten,  doch  wird  es  nach  Faber 
regelmäßig  vom  Männchen  dabei  abgelöst,  das  sich  auch  sonst  selten  weit 
vom  Horstplatze  entfernt.  Die  Brutdauer  dürfte  S'/o— 4  Wochen  währen. 
Anfänglich  verlassen  oft  beide  Vögel,  besonders  an  sonnigen  Vormittagen, 
die  Eier  auf  einige  Stunden  und  schweben  wie  zur  Paarungszeit  in  wunder- 
vollem Bogenfluge  himmelhoch  über  dem  Brutbezirke.  Wol)l  sieht  man  das 
Kreisen  auch  später  im  Jahre  von  dem  beutesuchenden  Vogel,  doch  ist  es 
dann  weniger  vollkommen  und  fast  immer  mit  langsamen  Flügelbewegungen 
oder  sogar  dem  hastigen,  raschen  Flattern  verbunden,  das  im  geradegehenden 
Fluge  zumeist  angewendet  wird.  Endlich  schrauben  sich  die  Falken  nach 
dem  Horste  hinab,  treiben  sich  häufig  und  jagen  wild  durcheinander,  was 
ich  am  23.  Mai  bei  Saudärkrökr  aus  ziemlicher  Nähe  beobachten  konnte. 
Dabei  riefen  beide  Vögel  fortgesetzt  ihr  durchdringendes  Kjak,  das  an  gewisse 
Rufe  des  Wanderfalken  und  auch  des  Hühncrhabiclits  erinnert,  seltner  ein 
höheres  Gik,  das  sich  etliche  Male  zu  einem  jauchzenden  Triller:  Giii... 
verband.    Ölafsson  und  Faber  erzählen  auch,  daß  unser  Falke  ein  gellendes 


282  Hierotalco  gyrfak-o  islaiidus. 

Geschrei  ausstößt,  wean  er  Beute  gemacht  hat.  Später  im  Jahre  verhalten 
sich  die  Vögel  abseits  vom  Horstplatze  meist  sehr  still.  Selbst  wenn  sie 
von  Raben  verfolgl;  werden,  was  recht  häutig  geschieht,  geben  sie  kaum 
einen  auf  gi'ößere  Entfernung  hin  hörbaren  Ton  von  sich.  Nur  am  Horst- 
platze sind  sie  lebhafter.  Gegen  Ende  der  Brutzeit  sitzt  das  Weibchen 
ziemlich  fest,  während  das  Männchen  bereits  Nahrung  herbeischleppt.  Diese 
dürfte  mit  seltnen  Ausnahmen  aus  größeren  Vögeln  bestehen.  Faber  hebt 
mit  Recht  hervor,  daß  der  Jagdfalke  in  der  Regel  weder  Säugetiere,  noch 
Fische,  noch  Aas  verzehre.  Seine  Lieblingsnahrung  bilden  die  Sclineehühner, 
die  ihren  Feind  auch  sehr  wohl  kennen,  aber  zu  ungcscliickt  sind,  sich 
gehörig  vor  ihm  zu  schützen.  Wiederholt  fand  ich  die  Überreste  solcher 
und  anderer  Beutevögel,  denen  fast  immer  der  Kopf  vollständig  fehlt.  Im 
übrigen  frißt  der  Falke,  nach  dürftiger  Entfernung  der  Federn,  nur  Ein- 
geweide und  Brustfleisch.  Unrichtig  ist  die  Ansicht,  daß  unser  Vogel  seine 
Beute  ausschließlich  in  der  Luft  erhasche.  Er  scheint  im  Gegenteil  recht 
häufig  solche  vom  Boden  aufzunehmen,  wie  ich  selbst  beobachtete.  Gerade 
den  wenig  fliegenden  Schneehühnern  dürfte  er  sonst  nicht  mit  so  gutem 
Erfolge  nachstellen.  Schon  die  alten  Falken fänger  befestigten  den  zum 
Anködern  dienenden  Vogel  auf  der  Erde  und  erzielten  die  besten  Resultate 
damit  (1.,  S.  12).  Mehrfach  erzählte  man  mir  in  Island,  daß  bei  den  winter- 
lichen Schneehuhnjagden  der  erlegte  Vogel  nicht  selten  von  einem  Falken 
vom  Bodeu  weggenommen  würde,  ehe  noch  der  Jäger  zur  Stelle  geeilt  sei. 
Oft  müßte  freilich  der  Räuber  seine  Dreistigkeit  auch  mit  dem  Tode  büßen. 
Der  Falke  stößt  in  solchen  Fällen  schräg  von  oben  und  durchaus  nicht  mit 
allzugroßer  Wucht  auf  das  Beutetier,  trägt  es  aber  nur  dann  hinweg,  wenn 
ihm  die  Gegend  unsicher  erscheint.  Gelegentlich  fertigt  man  in  Island, 
wie  auch  hierzulande,  hölzerne,  weißaugestrichene  Nachbildungen  von  Vögeln, 
besonders  Eiderentericheu,  aus  denen  man  ziemlich  lange,  scharfe  Eisen- 
spitzen vorragen  läßt,  wie  ich  dies  z.  B.  auf  dem  Dache  des  Pfarrhauses 
von  Laufds  (Eyjafjördr)  sah.  Ab  und  zu  sollen  Jagdfalken,  auch  Steiufalken 
und  selbst  Seeadler  auf  diese  Nachbildungen  herabstoßen  und  sich  dabei 
verletzen. 

Die  weißflaumigen  Dunenjungeu  schlüpfen  etwa  Anfang  Juni  aus. 
Riemschneider  traf  beim  Myvatn  3  halbwüchsige  Tiere  am  27.  d.  M.,  die 
am  17.  Juli  fast  völlig  befiedert  waren  (Ornithol.  Monatsschrift  1896.  S.  305). 
Krüper  erhielt  am  29.  Juni  schon  2  flugbare  Junge  (Naumannia  18.57,  S.  29). 
Faber  fand  am  6.  Juli  ein  Nest  mit  3  ebenfalls  flüggen  Falken.  Preyer  2 
fast  flügge  am  2.  Juli.  Ich  selbst  beobachtete  eine  Familie  mit  3  völlig  flug- 
baren Jungen  am  12.  Juli  bei  Ölafsfjördr.  Die  Tiere  werden  von  beiden 
Alten  mehr  als  nötig  mit  Nahrung  versorgt  und  ängstlich  bewacht.  Die 
Dunenperiode  dürfte,  wie  schon  Faber  meint,  etwa  einen  Monat  betragen. 
Selten  wachsen  aber  mehr  als  2  oder  3  der  Vögel  heran.  In  dieser  Zeit 
ist  der  Falkenhorst  nicht  schwer  zu  finden,  da  der  Unrat  der  Jungen  die 
Umgebung  überzieht  und  die  Tiere  selbst  mit  zeterndem  Locken  den  Platz 
verraten.     Nähert  man  sich,   so  fliegen  die   Alten   unter   ängstlichem  Kjak 


Hierofalco  gyrfalco  islandus.  283 

Kjak  Giü...  umher,  wobei  sie  nicht  selten  auf  20— 30  ni  an  den  Menschen 
herankommen.  Die  flugbaren  Jungen  sind  noch  viel  weniger  scheu  und 
haken,  wenn  man  sich  gedeckt  hält,  oft  in  geringer  Entfernung  auf.  Zunächst 
halten  sich  die  Familien  in  der  Nähe  des  Horstes;  die  Jungen  schhifeu 
anfänglich  auf  demselben,  die  Alten  pflegen  stundenlang  auf  ihren  Lieblings- 
felszacken der  Ruhe.  Im  August  wird  der  Verband  loser;  die  Vögel  zerstreuen 
sich  allmählich  und  streifen  beutesuchend  weiter  umher.  Finden  sie  geeignete 
Nahrung,  insbesondere  Schneehühner,  bleiben  sie  freilich  auch  während  des 
Winters  auf  ihren  heimatlichen  Bergen;  sonst  kommen  sie  zu  warmen  Quell- 
gebieten oder  an  das  Meer,  wo  sie  den  Wasservögeln  nachstellen.  Gar 
nicht  selten  besuchen  sie  auch  einzelne  Gehöfte  und  sogar  die  Städte  — 
ich  sah  zweimal  Jagdfalken  dicht  über  lleykjavik  fliegen  —  setzen  sich  auf 
Häuser  und  Stangen  und  verfolgen  die  Tauben.  Vor  allem  die  jüngeren 
Vögel  sind  bei  solcher  Gelegenheit  leicht  zu  schießen.  Nur  eine  geringe 
Zahl  isländischer  Jagdfalken  scheint  die  Insel  während  des  Winters  zu 
verlassen,  da  nur  wenige  in  südlicheren  Gebieten  beobachtet  werden.  Ebenso 
mag  der  Zuzug  von  Grönland  kein  allzu  starker  sein,  wenngleich  die  scharf- 
sichtigen, hoch  und  weit  fliegenden  Vögel  den  Weg  zwischen  Island  und 
Ostgrönland  bald  finden  dürften.  Ob  die  besonders  im  Winter  beobachteten 
sehr  hellen  Falken  immer  grönländische  Gäste  sind,  ist  bis  jetzt  nicht  erwiesen, 
wenn  auch  die  alten  Falkenfänger,  die  vortreffliche  Beobachter  unseres 
VoR-els  waren,  dies  annahmen. 


93.  Falco  merillus  (Gerini). 
Steinfalke. 

Falco  ccesius  (Meyer):  Faber,  Prodromus,  S.  3  (1822).  —  Falco  c(esius  Mey. : 
Preyer  (&  Zirkel),  Keise  nach  Island,  S.  388  (1862).  —  Falco  aesalon  Linn.:  Newton, 
in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  407  (1863).  —  Oröndal,  Islenzkt  l'uglatal,  bis.  34  (1895). 
—  Falco  aesalon.  Tunstall:  Slater,  ßirds  of  Iceland,  p.  33  (1901). 

Falco  reguhis,  Pall.:  Sharpe.  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  I,  p.  406  (1874).  —  Falco  aesa- 
lon L.:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  38  (1877).  —  Falco  wsalon  Tunst.  typicus: 
Wingc,  Grönlands  Fugle,  S.  246  (1898).  —  Falco  aesalon  Tunst.:  Naumann,  Vögel 
Mitteleuropas  V,  S.  111  (1899). 

Isländisch:  Sinirill  (Etyinologiscli  verwandt  mit  menila),  gekürzte  Form  Smirl ; 
auch  Dvergialki. 

Deutsch  gleichfalls:  Merlin,  Schmerl.  Dan.:  Dvergfalk.  Norw.:  Dvsergfalk. 
Schwed.:  Dvärgfalk.  HolL:  Smelleken.  Engl.:  Merlin.  Fär.:  Smiril.  Franz.:  Eme- 
rillon.     Span.:  Esmerejon.     Ital.:  Smeriglo,  Smerlo. 

Falco  merillus  brütet  im  Norden  der  paläarktischen  Kegion.  In  Sibirien  scheint 
er  stellenweise  bis  etwa  zum  70.  Grade,  vielleicht  noch  nördlicher  vorzukommen,  in 
Europa  ebenfalls  bis  in  die  höchsten  Breiten,  südwärts  ungefähr  bis  zum  55.  Grade. 
Er  bewohnt  unter  anderem  Nordrußland,  Finnland,  Lappland,  Schweden,  Norwegen, 
auch  Nordengland  und  Schottland.  Auf  den  Färöern  dürfte  er  heutzutage  nur  aus- 
nahmsweise noch  brüten,  besucht  die  Inseln  aber  regelmäßig  zur  Zugzeit.  In  Grön- 
land ist  er  mit  Sicherheit  bloß  einmal  im  Süden  erlegt  worden.  Im  Winter  streift 
unsere  Art  südwärts  bis  Nordafrika,  Nubien,  Nordindien  und  Südchina. 

In  Island  gehört  der  Steiufalke  zu  den  nicht  seltenen  Brutvögeln. 
Da  mau  ihm  verhältnismäßig  wenig  nachstellt,  ist  er  unter  den  Raubvogel- 


284  Falco  merillus. 

arten  noch  die  häufigste  und  verbreitetste.  Ich  traf  ihn  bei  Reykjavik  und 
Eyrarbakki,  wie  auch  in  allen  Teilen  des  Nordlaudes,  die  ich  eingehender 
untersuchte.  Man  begegnet  ihm  sowohl  in  unmittelbarer  Nähe  der  Ortschaften 
und  Gehöfte,  als  in  der  tiefen  flinsamkeit  wilder  Gebirge.  Mit  Hilfe  seines 
raschen  Fluges  vermag  er  täglich  große  Gebiete  nach  Reute  abzusuchen, 
weshalb  man  ihn  häufig  auch  in  vogelreichen  Buschwäldern,  Gras-  und  selbst 
Sumpilandschaften  antrifft. 

Der  Steiufi/lke  ist  ein  Zugvogel  für  Island,  der  Anfang  April  auf 
der  Insel  erscheint.  f]nde  des  Monats  kommen  die  Paare  nach  ihren  Brut- 
plätzen, die  sich  in  einsamen,  felsigen  Gebirgen  und  Lavafeldern  befinden. 
Bald  darauf  beginnen  die  Vögel  mit  der  Ausbesserung  oder  dem  Neubau 
des  Horstes,  der  aus  holzigen  Pflanzenstengeln  und  Reisern  hergestellt  und 
mit  Halmen  ausgepolstert  wird.  Er  befindet  sich  in  Nischen  oder  auf  Vor- 
sprüngen steiler,  jedoch  nicht  immer  hoher  Felsen,  recht  häufig  an  Fluß- 
tälern. Mit  prächtigen  Bogenlinien  kreisen  nun  die  Falken  an  soimigen 
Morgen  hoch  über  dem  Horste,  wie  ich  es  am  21.  Mai  bei  Blönduös  beob- 
achtete. Für  gewöhnlich  haben  sie  einen  dem  Turmfalken  sehr  ähnlichen, 
flatternden  Flug  oder  schweben  nur  auf  kürzere  Strecken.  Die  Ablage  der 
Eier  erfolgt  Ende  Mai  oder  Anfang  Juni.  4  nordisländische  Gelege  meiner 
Sammlung  wurden  in  der  Zeit  vom  24.  Mai  bis  15.  Juni  genommen;  das 
letzte  davon  war  bebrütet.  In  normalen  Fällen  beträgt  die  Anzahl  4,  nicht 
selten  auch  5,  ausnahmsweise  6.  in  Nachgelegen  häufig  nur  3  Stück. 

Isländische  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  42,8x31,1  mm 
(1,65  g),  42,8x31  (1,6),  41,2x31  (1,6),  40,2x81,1  (1,55).  —  41,8x31  (1,55), 
40,7x31,1  (1,6),  40,6x31,3  (1,55),  40,1x31,2  (1,65).  —  40,4x31  (1,9),  39,9  x 
30,5  (1,7),  39x30,5  (1,75).  —  40,1x30  (1,58),  39,6x30  (1,58),  39x30,1  (1,5), 
38x30,2  (1,5). 

Am  21.  Mai  bemerkte  ich  nicht  weit  von  Blönduös  ein  Paar  Stein- 
falken, deren  Horst  sich  auf  einer  unzugänglichen  steilen  Insel  in  der  Blauda 
befand.  Als  ich  mich  näherte,  entdeckte  mich  das  Männchen  sofort  und 
begann  lebhaft  zu  schreien.  Die  scharfen,  lauten  Rufe  unsrer  Vögel,  die  ich 
bis  in  den  August  hinein  öfters  hörte,  ähneln  denen  des  Turmfalken,  sind 
aber  etwas  weniger  hell  und  klirrend,  ungefähr  kikikiki  oder  klikliklikli,  je 
nach  Stimmung  höher  oder  tiefer.  Andere  Laute  vernahm  ich  nicht.  Im 
erwähnten  Falle  kam  das  Männchen,  ein  schön  ausgefärbtes  Exemplar,  auf 
mich  losgeflogen,  rüttelte  über  mir  und  umflatterte  mich  mit  fortwährendem 
Geschrei.  Endlich  stieß  es  sogar  mit  rasclien  Wendungen  bis  auf  wenige 
Meter  von  vorn  auf  mich  herab,  ohne  sich  durch  das  Schwingen  meines 
Stockes  beirren  zu  lassen.  Ein  Gewehr  hatte  ich  nicht  bei  mir.  Das  Weibchen 
saß  unterdessen  auf  einem  Felsen  und  rief  ab  und  zu  gleichfalls,  doch 
weniger  lebhaft  und  ziemlich  teilnahmlos.  Es  mochte  erst  frische  oder 
überhaupt  noch  keine  Eier  haben.  Nach  einigen  Minuten  wurden  die  An- 
griffe des  Männchens  seltner.  Beide  Vögel  setzten  sich  auf  die  Spitzen 
kleiner  Felsvorsprünge  oder  Grashügel,  die  sie  immer  wieder  benutzten. 
Auf  einer  kahlen  Steinplatte  in  unmittelbarer  Nähe  meines  Standortes  be- 
merkte ich  die  Überreste  einer  Arquatella  vutritima,  sowie  eine  ganz  frische 


Falco  uierillus.  285 

Maus  (Arvicola  oeronoiniis?),  die  zweifellos  von  der  Mahlzeit  der  Vögel 
herrührten.  Vielleicht  benahm  sich  gerade  deshalb  der  männliche  Falke  so 
angriffslustig  und  aufgeregt,  weil  ich  auf  diesem  Platze  stand.  Als  idi  mich 
nachmittags  mit  dem  Gewehre  an  die  Stelle  begab,  zeigten  sicli  die  Vögel 
recht  gleicligültig  und  näherten  sich  nicht  auf  Schußentfernung.  Wie  ich 
erfuhr,  hatte  das  Paar  schon  19(J2  in  dem  etwa  25  m  hohen  Horste  gelirütet 
und  glücklich  Junge  großgezogen. 

Die  Dauer  des  Brutgeschäftes  beträgt  nach  Faber  20  Tage.  Das 
Weibchen  scheint  in  der  Hauptsache  allein  zu  brüten,  doch  hält  sich  das 
Männchen  viel  in  der  Nähe  des  Horstplatzes  auf,  bringt  Futter  herbei  und  über- 
wacht die  Gegend.  Umherstreifende  Kaben  werden  von  dem  kleinen,  mutigen 
Vogel  heftig  angegriffen,  wobei  es  gelegentlich  zu  erbitterten  Kämpfen  kommt, 
wie  ich  einen  solchen  am  frühen  Morgen  des  9.  Juni  im  Fnjöskätale  beob- 
achtete. Es  war  ein  interessantes  Schauspiel  hoch  oben  in  der  Luft,  be- 
gleitet von  dem  zornigen  Korrr  des  Raben  und  dem  durchdringenden  Gezeter 
des  Steinfalkeu.  Leider  verschwanden  die  Streitenden  bald  hinter  einem 
Bergrücken.  Sind  endlicli  die  weißflaumigen  Jungen  ausgeschlüpft,  so  werden 
die  Alten  zu  einer  furchtbaren  Geißel  für  die  Kleinvögel  der  Umgegend, 
die  fast  ihre  ausschließliche  Nahrung  bilden.  Einige  Male  überrasclite  ich 
den  Steinfalken  beim  Kröpfen  seiner  Beute;  viel  öfter  noch  fand  ich  Kadaver, 
die  allem  Anscheine  nach  von  seiner  Mahlzeit  herrührten.  Besonders  stellt 
er  Steinschmätzern  und  Schneeammern  nach,  gern  auch  Wiesenpiepern  und 
Bachstelzen,  etwas  seltener  Leinfinken  und  Rotdrosseln,  um  derentwillen  er 
die  Buschwälder  besucht.  Weiter  fängt  er  Wassertreter,  Goldregenpfeifer, 
Rotschenkel  und  andere  kleine  Strandvögel,  ziemlich  häufig  sogar  die  streit- 
baren, gewandten  Seeschwalben.  Größeren  Arten,  wie  Brachvögeln,  Schnee- 
hühnern und  Enten  raubt  er  die  halbwüchsigen  Jungen.  Nach  kleineren 
Vögeln  stößt  er  meist  nur  in  der  Luft,  indem  er  solange  über  der  Gegend 
hin  und  her  fliegt  oder  auch  rüttelt,  bis  sie  endlich  ein  Stück  davonflattern. 
Größere  fängt  er  aucli  vom  Boden,  wie  ich  bei  einem  jungen  Brachvogel 
selbst  beobachtete,  mitunter  sogar  vom  Wasser  (Faber,  Okens  Isis  1827,  S.  72). 
Der  Steinfalke  ist  ein  wilder,  äußerst  lebhafter  Räuber,  der  seine  Beute  mit 
lautem  Preudengeschrei  wegträgt  und  beim  gierigen  Kröpfen  derselben  oft 
seine  sonstige  Vorsicht  vergißt.  Die  kleineren  Vögel  verbergen  sich,  sobald 
sie  ihren  Feind  rechtzeitig  erblicken,  die  größeren  lassen  erregt  ihre  Stimme 
hören  oder  verfolgen  ihn,  wobei  sie  versuchen,  sich  im  Fluge  über  ihm  zu  halten. 

Die  jungen  Steinfalken  verraten  das  Nest  durch  weithin  hörbares 
Zetern.  Flügge  Vögel  traf  ich  erst  am  9.  August  auf  der  Hjaltadalsheicti 
in  der  Skagafjardar-Sysla,  doch  mag  es  solche  oft  schon  früher  geben. 
Anfangs  halten  die  Familien  zusammen.  Spätestens  im  September  aber 
zerstreuen  sie  sich,  streifen  überall  im  Lande  umher  und  kommen  gelegentlich 
sogar  in  die  Ortschaften.  Ende  September  oder  Anfang  Oktober  verschwinden 
sie  jedoch  aus  Island.  Einzelne  scheinen  indes  im  Lande  zu  überwintern. 
So  berichtet  Gröndal  (1.  c),  daß  am  20.  Januar  1895  ein  Exemplar  auf  dem 
Kirkjusandr  (SW.)  erlegt  worden  sei. 


286  Cerchneis  tinnuncula. 

94.  Cerchneis  tinnuncula  (L.). 

Turmfalke. 

Falco  tinnunculus:  Grötuial,  Islenzkt  l'iiglatal,  bis.  34  (1895).  —  Falco  tinnwi- 
culus  Jj. :  Ssemundssoti,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  j).  13  (1905). 

Cerchneis  tinmmcida,  L. :  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  I,  p.  425  (1874).  —  Falco 
tinnunculus:  AVinge,  Grönlands  Fugle,  8.315(1898).  —  Tinnuncuhis  tiriminctdns  (L.): 
Naumann,  Vögel  31itteleuropas  V,  S.  116  (1899j. 

Isländisch:   Turnfälki. 

Auch  dän.  &  norw. :  'J'aarnfalk.     Schwed. :  Tärnfalk.     Finn. :  Tornihaukka. 

Cerchneis  tinnuncula  bewohnt  die  paläarktische  Region,  brütet  besonders  in  den 
mittleren  Teilen,  wurde  aber  auch  bis  Nordsibirien  und  Lappland  hinauf  angetroffen. 
In  Skandinavien  und  auf  den  Britischen  Inseln  ist  der  Vogel,  wenigstens  im  Süden, 
nicht  selten,  die  Färöer  besucht  er  nur  als  gelegentlicher  Gast,  bei  Grönland  zeigte 
er  sich  einmal  weit  ab  vom  Lande  südlich  von  Cap  Farvel.  Im  Winter  streift  er 
südwärts  bis  zu  den  Kanarischen  Inseln,  Abessinien,  Nordindien  und  China. 

Von  Island  könnt  man  den  Turmfalken  imr  als  seltenen  Gast.  Gröndal 
berichtet,  daß  ihm  der  Arzt  ]:)orv'ardur  Kjerülf,  ein  guter  Vogelkenuer,  Mit- 
teilung über  einen  kleinen  Raubvogel  machte,  den  er  auf  dem  Ostlande 
beobachtete  und  für  Cerchneis  tinnuncula  ansprechen  mußte.  Ein  sicheres 
Exemplar  zeigte  sich  Mitte  Oktober  1903  mehrere  Tage  hindurch  westlich 
von  Eyrarbakki  (S.),  verschwand  darauf,  wurde  jedoch  am  21.  Oktober  tot 
in  dem  Nebengebäude  eines  Hofes  gefunden  und  P.  Nielsen  gebracht.  Der 
Vogel  war  sehr  abgemagert  und  augenscheinlich  vor  Hunger  gestorben 
(Nielsen,  in  litt.).     Sein  Balg  soll  in  das  Reykjaviker  Museum  kommen. 

95.  Asio  otus  (L.). 
Waldohreule. 

Otus  vulgaris:  Newton,  Ibis  VI,  p.  132  (1864).  —  Otus  vulgaris  Flem.:  Gröndal, 
Ornis  XI,  p.  451  (1901).  —  Asio  otus  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  25(1901). — 
Asio  otus:  Stefänsson,  in  Nordurland  (4.  Okt.  1902). 

Asio  otus,  L.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  II,  p.  227  (1875).  —  Asio  otus  (L.): 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas   V,  S.  54  (1899). 

Isländisch:  Ugla,  Trjäugla  (=  Holzeule,  Waldeule),  Eyrugla  (=  (3hreule)  partim. 

Auch  deutsch:  Holzeule,  ühreule.  Dän.  &norw. :  Hornugle.  Schwed.:  Hornuggla. 

Asio  otus  ist  eine  paläarktische  Spezies,  die  freilich  den  Polarkreis  nirgends  zu 
erreichen  scheint.  In  Asien  geht  sie  bis  Südsibirien,  im  Ural  bis  etwa  zu  59  °,  in 
Finnland  und  Skandinavien  bis  6'6^  nordwärts.  Auf  den  Britischen  Inseln  brütet  sie 
bis  hinauf  nach  Schottland;  auf  den  Färöern  zeigte  sie  sich  nur  ausnahmsweise  als 
Gast;  in  Grönland  wurde  sie  noch  nicht  beobachtet.  Auf  dem  Zuge  geht  sie  süd- 
wärts bis  nach  Nordindien,  Nordafrika  und  den  Kanarischen  Inseln. 

Island  besucht  die  Waldohreule  als  seltner  Gast,  besonders  in  den 
kälteren  Monaten  des  Jahres.  Zufälligerweise  liegen  Berichte  über  ihr  Er- 
scheinen nur  aus  dem  Nordlande  vor.  Zuerst  veröffentlichte  Newton  die 
Mitteilung,  daß  W.  Proctor  ein  Exemplar  unsrer  Art  erhalten  habe.  Gröndal 
berichtet,  daß  1896  eine  Waldohreule  im  Eyjafjördr  erlegt  wurde  und  ver- 
mutet, derartige  Vögel  kämen  mit  Schiffen.  Ich  glaube  freilich,  daß  sie 
diese  nur  gelegentlich  zum  Ausruhen  benutzen,  wobei  sie  in  der  dunkeln 
Winterzeit  wenig   beobachtet   werden    dürften;    sonst   setzen   sie   sich   wohl 


Asio  otus. 


287 


auch  auf  Eisschollou  im  Meere.  Als  Nahrung  mögen  den  verirrten  Wanderern 
kleine  Seetiere  und  Fische  dienen,  die  unsere  Art  auch  sonst  fiingt.  Das 
erwähnte  Exemplar  befindet  sich  in  der  Reykjaviker  Sammlung.  Slaters 
Mitteilung,  daß  eine  Waldohreule  1897  im  Eyjaijördr  geschossen  wurde, 
dürfte  sich  auf  den  vorstehenden  Fall  beziehen.  Stefdn  Stefänsson  berichtet 
aber,  daß  ein  weiteres  Exemplar  im  Dezember  1899  bei  Kelduhverfi  erlegt 
worden  sei,  das  sich  jetzt  ebenfalls  im  Reykjaviker  Museum  befindet. 


96.  Asio  accipitrinus  (PalL). 
Sumpfohreule. 

Otus  brachyotus  Cuv. :  Preyer  (&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  427  (1862).  — 
Otus  brachyotus  (Gmel.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  408  (1863).  —  Otus 
brachyotus  Gm.:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  34  (1895).  —  Asio  accipitrinus  (Fall.): 
Slater,  ßirds  of  icelaiid.   p.  26  (1901). 

Asio  accipitrinus,  Pall.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Erit.  Mus.  II,  p.  234  (1875).  —  OtxiS 
brachyotus  (Forst.):  Winge,  Granlands  Fugle,  S.  263  (1898).  —  Asio  accipitrinus  (Pall.): 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  V,  S.  58  (1899). 

Isländisch:  Ugla,  Eyrugla  (=  Ohreule),  Trjäugla  (=  Holzcule,  Waideule), 
Myriugla  (=  Surapfeule),  ßrandugla. 

Auch  deutsch:  Mooreule,  ßrandeule.  Dan.  &  norw.:  Sumphornuglo.  Schwed.: 
Jorduggla. 

Asio  accipitrinus  hat  eine  bedeutende  zirkumpolare  Verbreitung,  nordwärts  im 
allgemeinen  bis  etwa  zum  70.  Grade.  In  Europa  trilTt  man  sie  fast  in  allen  Ländern, 
wenigstens  auf  dem  Zuge,  doch  meidet  sie  höhere  Gebirge  und  ausgedehnte  Waldungen. 
In  Skandinavien  und  auf  den  Britischen  Inseln  findet  sie  sich  stellenweise  recht  häufig. 
Die  Färöer  besucht  sie  nicht  selten  als  Gast.  Auch  in  Grönland  hat  man  sie  bis  hinauf 
nach  Sondre  Upernivik  (72®  11')  ei-legt  und  vermutet,  daß  sie  wenigstens  im  südlichen 
Teile  des  Gebietes  vereinzelt  brütet,  wie  sie  dies  auch  in  Labrador  und  an  der  AVest- 
küste  der  Davisstraße  (bis  72**),  sowie  im  übrigen  Nordamerika  tut.  Im  AVinter  geht 
sie  gelegentlich  südwärts  bis  zur  Magellan-Straße,  Natal,  Südasien  und  den  Sandwich- 
Inseln. 

Für  Island  kennt  man  die  Sumpfohreule  nur  als  gelegentlichen 
Gast,  der  etliche  Male  außerhalb  der  Fortpflanzungszeit  beobachtet  wurde. 
Zumeist  dürfte  es  sich  dabei  um  Vögel  handeln,  die  auf  dem  Zuge  von 
Schottland  über  die  Shetlands-Inselu  nach  Norwegen  oder  umgekehrt  durch 
Oststürme  abgelenkt  wurden,  wie  dies  augenscheinlich  am  1.  Mai  1898  auf 
Nolsö  (Färöer)  der  Fall  war,  wo  aus  demselben  Grunde  zahlreiche  Gäste, 
darunter  auch  mehrere  Sumpfohreuleu,  ans  Land  kamen  (Knud  Andersen, 
Videusk.  Meddel.  1899).  Derartige  Exemplare  würden  auf  Island  besonders 
an  der  Europa  zugewandten  Seite  erscheinen,  wo  man  nach  Gröndals  Angaben 
den  Vogel  tatsächlich  auch  schon   mehrmals  gesehen   hat  (Ornis  II,  S.  355). 

Faber  traf  die  Sumpfohreule  nicht  selbst  auf  Island,  hörte  aber  in 
verschiedenen  Gegenden  wahrscheinlich  von  unserer  Art,  die  er  ungenauer 
Beschreibungen  zufolge  anfangs  für  Symium  aluco  (L.)  ansprach  (Prodromus, 
S.  4),  später  mit  noch  größerer  Zuversicht  für  Glauddmm  passerimim.  (L.) 
(Okens  Isis  1827,  S.  73).  Beide  Vermutungen  beruhen  sicher  auf  IiTtum. 
Verhältnismäßig  häufig  scheint  sich  die  Sumpfohreule  am  Ende  der  siebziger 


288  Asio  accipitrinus. 

Jabre  des  vorigen  Jalirliunderts  nach  Island  verflogen  zu  haben.  Im 
Kopenhagener  Zoologisclien  Museum  befinden  sich  2  isländische  Bälge  vom 
14.  Dezember  1876  und  25.  März  1878.  P.  Nielsen  berichtet  (Ornis  III, 
S.  157),  daß  er  am  5.  Oktober  1877  ein  lebendes  Individuum  der  Art  erhielt, 
das  bei  Hraungerdi  (Ärnes-Sysla)  gefangen  worden  war,  ein  anderes  am 
30.  September  1879  aus  der  Nähe  von  Eyrarbakki.  In  beiden  Fällen  wurde 
die  Anwesenheit  der  Eule  durch  mehrere  Raben  verraten,  die  sie  heftig 
verfolgten.  Im  Februar  1892  erlegte  man  ein  weiteres  Exemplar  am 
]?ingvallavatn  (Gröndal,  Islenzkt  fugiatal,  bis.  34),  das  sich  jetzt  im  Reykjaviker 
Museum  befindet.  Slater  endlich  erhielt  einen  Balg  von  der  Melrakka  Sletta 
(66 Vo  °)  aus  dem  zeitigen  Frühlinge  1894  (1.  c).  —  Das  gelegentliche  Brüten 
der  Sumpfohreule  in  Island  ist  wahrscheinlich.  Das  Vorkommen  von  kleinen 
Nagetieren  dürfte  nicht  Lebensbedingung  für  unsere  Art  sein. 

Anmerkung:  Unbegründet  scheint  die  Angabe  in  Naumanns  Naturgeschichte 
der  Vögel  Mitteleuropas  V,  S.  18  (1899)  zu  sein,  Nydula  tenymalmi  (Gm.)  sei  in  Island 
vorgekommen.  Der  Verfasser  dieser  Notiz  selbst  konnte  mir  nicht  mitteilen,  worauf 
er  seine  Angabe  gegründet  habe.  Auf  Verwechslung  von  Iceland  mit  Ireland  dürfte 
sie  nicht  beruhen,  da  N,  t.  auch  von  dieser  Insel  unbekannt  ist  (Howard  Saunders, 
in  litt.).  Am  ehesten  könnte  sich  wohl  die  amerikanische  N.  t.  richardsoni  (Bp.)  nach 
Island  verirren,  doch  ist  diese  Art  nur  wenig  zu  weiteren  Flügen  geneigt  und  selbst 
für  Grönland  noch  unbekannt. 

97.  Nyctea  nyctea  (L.). 
Schneeeule. 

Strix  nyctea  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  4  (1822).  —  Nyctea  nivea  Tlinbg.: 
Preyer  (tSc  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  B88  (1862).  —  Surnia  nyctea  (Linn.):  Newton,  in 
ßaring-Goulds  Iceland,  p.408  (1863).  —  Nyctea  nivea  Thunb.:  Gröndal,  islenzkt  fugiatal, 
bis.  34  (1895).  —  Nyctea  scancliaca  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  26  (1901). 

Nyctea  scancliaca  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  II,  p.  125  (1875).  —  Nyctea 
nivea  (Thunb.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  62  (1877).  ■ — Winge,  Grenlands  Fugle, 
S.  263  (^1898).  —  Nyctea  scandiaca  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  V,  S.  28  (1899). 

Isländisch:  Ugla,  Snjöugla,  Snseugla  (von  snjör,  snajr  ^  Schnee),  Xattugla 
(=  Katzeneule),  Nättugla  (=  Nachteule). 

Auch  dän.  &  norw.:  Sueugle.  Schwed.:  Suöuggla.  Fär. :  Kattugla,  Kätula. 
Engl.:  Snowy  Owl.     Holl.:  Sneeuwuil. 

Nyctea  nyctea  bewohnt  zirkumpolar  die  arktisclie  Kegion;  nordwärts  fand  man 
sie  brütend  bis  hinauf  zu  82^8*^  auf  Grinnell-Land.  In  den  Tundren  Nordasiens  ist 
sie  vielerorts  recht  häufig,  etwas  seltener  in  Nordrußland,  Lappland  und  dem  mittleren 
und  nördlichen  Skandinavien.  Ob  sie  auf  Nowaja  Semlja,  Dolgoi  und  AVaigatsch 
regelmäßig  brütet,  ist  noch  ungewiß.  Auf  Franz- Joseph-Land,  Spitzbergen  und  Jan 
Mayen  wurde  sie  nur  vereinzelt  gesehen.  Dagegen  brütet  sie  ziemlich  häufig  in  den 
nördlicheren  Teilen  Grönlands,  stellenweise  auch  zahlreich  im  arktischen  Amerika. 
Während  des  Winters  wandern  viele  Vögel  südwärts,  besonders  jüngere  und  AVeibchen, 
kommen  dann  unter  anderem  nach  den  südlichen  Küstengebieten  der  Ost-  und  Nordsee, 
nach  den  Britischen  Inseln  und  Färöcrn,  südwärts  gelegentlich  bis  zum  Kaspischen 
Meere,  der  Mongolei,  Texas  und  den  Bermuda-Inseln. 

Für  Island  kennt  man  die  Schneeeule  zunächst  nur  als  nicht  seltnen 
Wintervogel  und  gelegentlichen  Sommergast.  Dir  Brüten  auf  der 
Insel   aber   ist   nicht   mit   Sicherheit   nachgewiesen.      Am   häufigsten   wurde 


Nyctea  nyctea.  289 

unsere  Art  wäbreud  der  kalteu  Jahreszeit  und  in  Nordisland  l>eol)aclitet, 
wobei  es  sich  um  Wanderer  aus  Grönland  handeln  dürfte.  Da  liekanuter- 
maßen  die  Lieblingsnahrung  der  Schneeeule  in  Lemmingen  besteht,  diese 
Nager  aber,  und  zwar  Mijodes  to7<piotus,  in  Grönland  sich  nur  im  östlichen 
Teile  der  Nordküste  und  dem  nördlichen  Teile  der  Ostküste  finden  (VVinge, 
Gr0nlands  Pattedyr,  S.  383.  1902),  ist  zu  vermuten,  daß  in  jenen  Gegenden 
auch  Nydeu  iiyetea  zahlreich  auftritt  und  von  hier  aus,  besonders  mit  dem 
Treibeise,  nach  Island  kommt.  Die  Nahrung  unserer  Eulen  besteht  dann 
vorzugsweise  in  Fischen  und  Seevögeln,  sonst  auch  sehr  gern  aus  Schnee- 
hühnern. Zwar  liegen  genauere  Daten  über  die  Beobachtung  unserer  Art 
während  der  kälteren  Monate  nicht  allzu  zahlreich  vor,  doch  steht  trotzdem 
fest,  daß  einzelne  Vögel  hauptsächlich  zu  Anfang  und  zu  Ende  des  Winters 
ziemlich  regelmäßig  in  Island  erscheinen.  Faber  nennt  für  das  Vorkommen 
eines  Exemplars  das  Spätjahr  1817,  Thienemann  den  20.  März  1821,  Gröndal 
Februar  und  März  1879.  In  den  Küstengegenden  des  Nordlandes  ist  der 
Vogel  vielen  Bewohnern  bekannt.  Nach  Grimsey  z.  B.  sollen  fast  alljährlich 
einzelne  Exemplare  kommen,  und  auch  Gröndal  sagt  (OrnisXI,  S.  451),  daß 
sich  die  Schneeeule  ziemlich  häufig  zeige.  Drei  Präparate,  darunter  ein  fast 
ganz  weißes,  befinden  sich  im  Museum  in  Reykjavik. 

Interessanter  sind  die  Fälle  des  Vorkommens  unserer  Art  während 
der  Sommermonate.  Im  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  behauptete  der  Isländer 
Björn  Jönsson  aus  Skardsä,  daß  ,.Hvid-Öruen"  nicht  nur  mit  dem  Grönlandeise 
nach  Island  kämen,  sondern  auch  ihr  Nest  daselbst  gebaut  hätten  (Th.  Torfaeus, 
Groulandia  Antiqua,  p.  87.  1715).  Hvidörn  oder  Kvitörn  ist  aber  der  noch 
heute  in  einigen  Gegenden  Norwegens  gebrauchte  Name  für  unsere  Art. 
Seit  diesen  Zeiten  hat  niemand  wieder  mitgeteilt,  daß  man  Eier  der  Schnee- 
eule in  Island  gefunden  hätte,  wenngleich  eine  Anzahl  Notizen  vorliegen, 
die  ihr  vereinzeltes  oder  auch  nur  ausnahmsweises  Brüten  im  Lande  als 
möglich  erscheinen  lassen.  Hat  man  ja  selbst  auf  Strömö  (Färöer)  am 
18.  Juni  1897  ein  Weibchen  unserer  Art  geschossen,  das  allen  Anzeichen 
nach  vor  nicht  langer  Zeit  Eier  gelegt  haben  mußte  (Ornithol.  Monats- 
berichte 1898,  S.  188).  Krüper  teilt  mit,  daß  ihm  ein  Kaufmann  in  Reykjavik 
versicherte,  im  Gebirge  bei  dem  benachbarten  Hafnarfjörcii-  wäre  etliche 
Jahre  vorher  eine  Schneeeule  im  Juni  gefangen  worden  (Naumannia  1857,  II, 
S.  28).  Preyer  zweifelt  nicht  daran,  daß  unsere  Art  sich  auf  Island  fort- 
pflanze, gibt  aber  keinerlei  Beweis  hierfür.  Newton  hält  ihr  Brüten  auf 
der  Insel  ebenfalls  für  wahrscheinlich.  Gröndal  läßt  die  Frage  offen.  Slater 
teilt  dagegen  mit,  daß  W.  E.  Clarke  von  dem  isländischen  Arzte  ]>.  Kjerülf 
die  Mitteilung  erhalten  habe,  eine  alte  Schneeeule  sei  im  Sommer  1882  bei 
Hallormstadir  (Sudur  Müla-Sysla)  geschossen  und  eine  andere  in  der  Nähe 
gesehen  worden.  Clarke  hält  diese  beiden  für  ein  in  Fortpflanzung  begriflenes 
Paar.  Slater  berichtet  ferner,  J.  G.  Millais  habe  ein  Exemplar  unseres  Vogels 
am  Sog,  dem  Ausflusse  des  J)iugvallavatn,  beobachtet,  wie  es  nach  Art  eines 
Seeadlers  Fischen  nachspürte  und  eine  wirklich  gemachte  Beute  davontrug, 
vielleicht   zum   Neste.     Da  aber   die   Schneeeule,   deren  Junge  in  Grönland 

19 

Hantzsch,  Vogelwelt  Islands. 


290  Ceryle  alcyon. 

selten  vor  Anfang  September  flügge  werden,  kaum  im  ersten  Jahre  ihres 
Lebens  fortpflanzungsfähig  sein  dürfte,  liegt  die  Vermutung  nahe,  es  habe 
sich  bei  den  erwähnten  Exemplaren  nicht  um  Brutvögel,  sondern  nur  um 
Sommergäste  gehandelt,  da  man  weder  Nest  nocli  Junge  wirklich  fand. 
Zweifellos  ist  dies  auch  bei  dem  einzelnen  Individuum  der  Fall  gewesen, 
das  Pastor  Jon  Jönsson  am  1.  Juni  1848  auf  Grimsey  erblickte  (Krüper, 
Naumannia  1857,  S.  437).  Der  Mangel  von  Lemmingeu  auf  Island  dürfte 
dagegen  kaum  als  Grund  des  Nichtbrütcns  unserer  Art  daselbst  angesehen 
werden,  da  sich  diese  auch  recht  gern  von  Schneehühnern  und  anderen 
Vögeln  nährt. 

98.  Ceryle  alcyon  (L.). 
Köuigsfischer. 

Ceryle  alcyon  L.:  Sajmundsson.  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  12  (190.")). 

Ceryle  alcyon  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XVII,  p.  125  (1892).  —  Nau- 
mann, Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  419  (1901). 

Isländisch:  Ameriskur  Isfugl. 

Ceryle  alcyon  bewohnt  ganz  Nordamerika  von  Panama  und  den  Westindischen 
Inseln  nordwärts  bis  wenigstens  zum  Polarkreise,  gelegentlich  geht  er  auch  über  diesen 
hinaus.  Einige  Male  wurde  er  als  Irrgast  in  Großbritannien,  einmal  sogar  (1899)  in 
Holland  erlegt.  Der  Vogel  wählt  zu  seinem  Aufenthalte  reißende  Ströme,  besucht 
aber  auch  die  Meeresküste. 

Für  Island  ist  ein  einmaliges  Vorkommen  des  Königsfischers  bekannt. 
Ende  September  1901  zeigte  sich  ein  Exemplar  mehrere  Tage  hindurch 
auf  Heimaey  (Vestmaunaeyjar).  Es  gelang,  den  seltnen  Gast  zu  schießen 
und  durch  ])orsteinn  Jönsson  für  die  Wissenschaft  zu  erhalten.  Der  Vogel 
erwies  sich  als  ein  jüngeres  Männchen,  wurde  im  Kopenhagener  Museum 
kunstvoll  präpariert  und  bildet  jetzt  eine  Zierde  des  kleinen  Museums  in 
Reykjavik. 

99.  Upupa  epops  L. 

Wiedehopf. 

Upupa  epops  L.:  Ssemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  10  (1905). 

Upupa  epops  Linn.:  Salvin,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XVI,  p.  4  (1892).  —  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  376  (1901). 

Isländisch:  Herfugl. 

Auch  deutsch:  Heervogel.    Dan.  &  norw.:  Herfugl,  Hserfugl.    Schwed. :  Härfägel. 

Upupa  epops  bewohnt  die  gemäßigten  und  wärmeren  Teile  der  paläarktischen 
Region  einschließlich  der  Mittelmeergebiete,  auf  dem  Zuge  geht  sie  bis  zum  mittleren 
Afrika,  Indien  und  Borneo  hinab.  In  Europa  überschreitet  sie  als  Brutvogel  nord- 
wärts kaum  den  62.  Grad,  findet  sich  aber  nicht  selten  im  mittleren  Rußland  und 
südlichfen  Schweden.  Einige  Jlale  ist  der  Vogel  noch  auf  der  Kola-Halbinsel  vor- 
gekommen. Im  August  1868  ließ  sich  sogar  ein  todmattes  Exemplar  unter  etwa  77^ 
auf  ein  von  Spitzbergen  nach  Hammerfest  segelndes  Schiff  nieder.  Auf  den  Britischen 
Inseln  ist  unsere  Art  selten,  als  Brutvogel  nur  ausnahmsweise  angetroffen  worden. 
Doch  hat  man.  sie  als  Gast  auch  für  die  Orkney-  und  Shetlands-Inseln,  sowie  die 
Eäröer  festgestellt,  für  Grönland  freilich  noch  nicht. 


Upupa  epops.  —  Apus  apus  apiis.  291 

Für  Island  wurde  bisbor  nur  ein  einniiiliges  Vorkommen  des 
Wiedehopfes  beobachtet.  Am  18.  September  1901  nämlich  erlegte  man  ein 
Exemplar  bei  dem  Hofe  Geiteyjarströnd  am  M^vatn  (c.  65' '„  ^  n.  Br.).  Dieses 
wurdo  durch  Pastor  Ärni  Jönsson  in  dem  benachbarten  Sitütustadir  als 
Balg  mit  unbestimmtem  Geschlechte  dem  Reykjaviker  Museum  übersandt 
und  befindet  sich  noch  jetzt  daselbst. 

100.  Apus  apus  apus  (L.). 
Mauersegler. 

Micropus  apus  (L.):  Hartert,  Cat.  Birds  Brit.  I\his.  XYI.  p.  442  (1892).  —  Apus 
apus  (L.):   Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  232  (1901). 

Isländisch:  Mürsvala. 

Auch  deutsch:   Mauerschwalbe.     Dan.  &  norw.:  Mursvale. 

Apus  apus  apus  bewohnt  die  meisten  Länder  Europas,  wird  aber  in  den  anderen 
Teilen  des  paläarktischen  und  mediterranen  Faunengebietes  durch  nahe  verwandte 
Formen  vertreten.  Auf  dem  Zuge  kommt  der  europäische  j\lauersegler  durch  ganz 
Afrika  vor.  Häufig  brütet  er  noch  in  Nordrußland  und  Skandinavien,  geht  hinauf 
bis  68,  in  Norwegen  sogar  bis  69^.  Auch  bei  Kolguew  wurde  ein  Exemplar  beobachtet. 
Zahlreich  findet  er  sich  auf  den  Britischen  Inseln.  Die  Färöer  besucht  er  gelegentlich 
als  Gast.     Von  Grönland  kennt  man  ihii  allerdings  nicht. 

Nach  Island  kommt  der  Mauersegler  bloß  als  seltner  Gast,  der 
wahrscheinlich  bisher  übersehen  oder  mit  einer  Schwalbeuart  verwechselt 
worden  ist.  Am  28.  Juni  1903  zeigte  sich  bei  Nebel  und  Nordwind  ein 
einzelnes  Exemplar  auf  Grimsey,  wo  ich  damals  gerade  weilte.  Der  Vogel 
umflog  besonders  die  Felsen  der  Siidwestküste,  kam  wiederholt  auch  in 
unmittelbare  Nähe  der  Häuser  und  hielt  sich  hier  ziemlich  tief  über  dem 
Boden.  Uns  Menschen  gegenüber  war  er  durchaus  nicht  scheu,  sondern 
jagte  oft  wenige  Meter  an  uns  vorüber.  Da  der  Eidervögel  wegen  auf 
Grimsey  nicht  geschossen  werden  soll,  versuchte  ich  zunächst,  den  seltnen 
Gast  zu  fangen,  jedoch  ohne  Erfolg.  Stundenlang  verschwand  dieser  auch, 
kehrte  aber  immer  wieder  zurück,  weil  ständiger  Nebel  herrschte,  der  die 
fernen  Berge  Islands  unsichtbar  machte.  Am  2.  Juli  fing  das  Wetter  an 
sich  aufzuklären,  und  ich  befürchtete  nun  das  baldige  Verschwinden  des  Vogels, 
zumal  sich  dieser  öfters  in  außerordentliclie  Höhe  emporschwang  und  weit 
über  das  Meer  hinausflog.  Durch  einen  glücklichen  Schuß  erlegte  ich  ihn 
deshalb. 

Der  Vogel  erwies  sich  als  ein  altes  Männchen  der  typischen  europäischen  Rasse. 
Seine  Färbung  ist  ziemlich  dunkel,  der  weiße  Kinnfleck  verhältnismäßig  groß  und  hell. 
Gewicht  i.  Fl.:  34  g  (bei  sächsischen  von  mir  untersuchten  Kxemplaren  40 — 44  g). 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  172  mm.  Flugbreite:  c.  380.  Flügel:  172.  Schwanz:  81.  Flügel -f 
Schwanz:  27.  —  Kropf  und  Magen  enthielten  außer  einer  mittelgroßen  Fliege  nur 
wenige  kleine  Mücken.  —  Der  Balg  befindet  sich  in  meiner  Sammlung,  da  Herr 
Gröndal  mein  Angebot,  ihn  aufgestellt  dem  Reykjaviker  Museum  zu  überweisen,  als 
unnötig  ablehnte. 

Der  alte  Tngvar  Gudmundsson  auf  Grimsey,  der  mir  als  der  beste 
Vogelkenner  der  Insel  gerühmt  wurde,  behauptete,  diese  Vogelart  schon 
früher    zweimal   gesehen   zu   haben,   und   HeiT   Pastor  Matthias   Eggertsson 

19* 


292  Corvus  corax  principalis. 

daselbst  schrieb  mir,  daU  sich  kurze  Zeit  nach  raeiner  Abreise  von  Grimsey, 
also  in  der  zweiten  Hälfte  Juli,  wiederum  ein  Mauersegler  zeigte.  Dieser 
ist  höchstwahrscheinlich  geraeinsam  mit  dem  von  mir  beol)acliteten  nach  der 
Gegend  gekommen.  Einige  der  Bewohner  Grimseys  hielten  jenes  zweite 
Exemplar  allen  Ernstes  für  das  Gespenst  des  von  mir  erlegten  Vogels.  Das 
Tier  verschwand  bald  wieder. 

101.  Corvus  corax  principalis  Ridgw. 
Kolkrabe. 

Corvus  corax  (Liiin.):  Fabor,  Prodroimis,  S.  4  (1822).  —  Corvus  corax  L.  &  Corvus 
leucophaens  Tem. :  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  389  (1862).  —  Corvus  corax 
Linn.  &  Corvus  leucophaeusY ieiü.:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  409  and  410 
(1863).  —  Corvus  corax  L.:  (iröndal,  Islenzkt  t'uglatal,  bis.  35  (1895).  —  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.  21  (1901). 

Corvus  corax,  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  156  (1877).  • —  Sharpe,  Cat. 
Birds  Brit.  Mus.  III,  p.  14  (1877).  —  Winge,  Granlands  Fugle,  S.  269  (1898).  —  Nau- 
mann, Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  85  (1901). 

Isländisch:  Hrafn  (nach  der  Stimme),  Krummi  (==  der  Diebische?).  In  der 
Skaldendichtung  sind  nach  Gröndal  für  den  Vogel  gegen  170  Bezeichnungen  gebraucht. 

Auch  dän.,  noi-w.  «&  schwed.:  Ravn.  IIolL:  Raaf.  Engl.:  Raven.  Fär. :  Ravn, 
Ravnur. 

Corvus  corax  bewohnt  mit  Ausnahme  von  Südamerika,  Neuseeland  und  den 
meisten  Südsee-Inseln  die  ganze  Erde,  variiert  aber  recht  bedeutend  und  vielfach  auch 
geographisch  feststehend.  Wahrscheinlich  wird  man  den  isländischen  Raben  gleichfalls 
als  selbständige  Lokalrasse  aufstellen  können,  doch  stand  mir  hierzu  nicht  genügend 
Vergleichsmaterial  zur  Verfügung.  Ich  ziehe  unsere  Form  vorläufig  zu  C  c.  principalis 
Ridgw.,  mit  dem  sie  am  meisten  verwandt  sein  dürfte.  Diese  Subspezies  bewohnt 
vielleicht  das  ganze  arktische  Amerika  von  Grönland  bis  Alaska,  südlich  bis  Hritisch- 
Columbia,  Canada  und  Neu-Braunschweig  (Hartert  &  Kieinschmidt,  Novitates  Zoolo- 
gicae,  Vol.  VIII,  p.  43.  1901).  Von  dem  färöischen  C.  c.  varius  Brunn.  (1.  c.  p.  44  und 
Hartert,  paläarktische  Vögel,  S.  4.  190-3)  scheint  der  isländische  Rabe  in  der  Feder- 
strahlung etwas  mehr  abzuweichen,  ferner  schwächere  Füße  und  stärkeren  Glanz  des 
Gefieders  zu  besitzen,  wenngleich  albinistische  Exemplare  mitunter  auch  auf  unserer 
Insel  vorkommen. 

Island  bewohnt  der  Rabe  im  allgemeinen  als  ziemlich  häufiger  Brut- 
vogel, der  auch  im  Winter  die  Insel  selten  verläßt.  Man  trifft  ihn  in  allen 
Teilen  der  Küstengebiete  und  des  Innern,  am  häufigsten  bei  Fischerplätzen, 
die  in  felsiger  Umgebung  liegen.  Wenn  er  auch  nirgends  ganz  fehlt,  ist  er 
doch  stellenweise  selten  und  besucht  abwechslungslose  Ebenen  nur  gelegentlich. 

In  der  Größe  variieren  isländische  Raben  ebenso  wie  solche  aus  andern  Gebieten. 
4  von  mir  untersuchte  Exemplare  zeigten  als  größte  Länge  der  Flügel  450  mm,  des 
Schwanzes  267,  der  Tarsen  73,  des  Schnabels  80  mm.  Davon  ein  $  ad.  meiner 
Sammlung,  Akureyri,  Sept.  1903.  Flügel:  423.  Schwanz:  254.  Sehnabellänge:  72. 
Schnabelhöhe  (am  Grunde):  29.  Tarsen:  72.  Mittelzehe  inkl.  der  20  mm  langen 
Kralle:  c.  57  mm.  —  Das  Vorkommen  albinistischer  Vögel  ist  auch  in  neuerer  Zeit 
wiederholt  nachgewiesen,  z.B.  Preyer,  S.  390;  Newton,  p.  410;  Slater,  p.  23. 

Der  Rabe  ist  ein  Standvogel  für  Island,  der  bis  zur  Paarungszeit 
gesellig  lebt.  Oft  kommen  aber  die  Tiere  schon  im  März  nach  ihren  Brut- 
plätzen, wenngleich  man  auch  den  ganzen  Sommer  hindurch  kleine  Trupps 


Corvus  corax  principalis.  293 

von  jüngeren,  nicht  zur  Fortpflanzung  schreitenden  Individuen  an  futterreichen 
Örtlichkeiten  trifft.  Bis  Anfang  Mai  sind  die  Vögel  besonders  lebhaft.  Mit 
mannigfachem  Geschrei,  dessen  Hauptbestandteil  das  starke  Korr  bildet, 
fliegen  sie  umher,  treiben  sich  oft  auch  recht  heftig,  wobei  sie  mitunter 
ein  lautes,  klappendes  Flügelschlagen  hervorbringen.  Am  27.  April  beob- 
achtete ich  in  der  Nähe  von  Reyjavik  8  Raben,  von  denen  2  einen  regel- 
rechten Kampf  ausfochten.  Durch  meine  Anwesenheit  (ohne  Gewehr)  ließen 
sie  sich  nicht  im  geringsten  stören.  Die  6  unbeteiligten  Vögel  sdiautcn 
den  beiden,  meist  dicht  über  dem  Boden  dahinjagenden  Streitern  mit  großem 
Interesse  zu,  saßen  selbst  ruhig  auf  Frdhügeln  und  stießen  nur  gelegentlich 
ein  aufmunterndes  Kr  aus.  Zuletzt  erhoben  sich  alle  8  gemeinsam,  flogen 
bunt  durcheinander  und  entfernten  sich  endlich  mit  lebhaftem  Krächzen. 
Im  allgemeinen  sind  die  isländischen  Raben  durchaus  nicht  scheu,  erkennen 
freilich  meist  mit  bewunderungswürdigem  Scharfsinne  das  Schießgewehr. 
Sehr  dreist  benehmen  sie  sich  in  den  Ortschaften.  Selbst  in  Reykjavik 
fliegen  sie  dicht  über  den  Häusern  hin  und  lassen  sich  auf  Dächern  und 
Straßen  nieder,  um  alles  nur  einigermaßen  Geuießbare  zu  untersuchen  und 
wenn  möglich  zu  verzehren.  Sehr  häufig  sieht  man  sie  auch  am  Strande, 
w^o  sie  vom  Meere  ausgeworfene  Seetiere  aufnehmen.  Besonders  schädlich 
werden  die  Raben  zur  Brutzeit  der  nützlichen  Vögel  durch  Wegfressen  von 
Eiern  und  Jungen  derselben;  gelegentlich  sollen  sie  freilich  auch  alte  Vögel 
fangen  und  sogar  neugeborene  Schafe  töten  und  verzehren. 

In  Spalten  und  Nischen  steiler  Felswände  errichtet  das  Paar  seinen 
Horst.  Wohl  sieht  man  die  Vögel  nun  an  sonnigen  Morgen  hoch  oben  in 
der  Luft  fliegen  und  oft  schwebend  prächtige  Bogen  beschreiben,  hört  auch 
das  zärtliche,  nicht  unangenehme  Klong,  mit  dem  sich  die  Gatten  locken, 
findet  aber  den  Nistplatz  selbst  nicht  so  leicht,  da  sich  die  klugen  Vögel  in 
dessen  unmittelbarer  Nähe  still  verhalten  und  sich  bei  Annäherung  eines 
Menschen  meist  rechtzeitig  entfernen.  Der  Horstplatz  ist  nicht  immer  be- 
sonders hoch  gelegen.  Ich  entdeckte  einen  solchen  in  dem  Lavagewirr  von 
Hafuarfjördr  bei  Reykjavik  kaum  4  m  über  dem  Boden  der  Schlucht,  aber 
ti'otzdem  für  bloßes  Klettern  unzugänglich.  Beide  Vögel  tragen  das  Bau- 
material oft  weit  herzu,  das  Weibchen  scheint  jedoch  in  der  Hauptsache  die 
Herstellung  des  Horstes  allein  zu  übernehmen.  Dieser  besteht  aus  einer 
ziemlich  dicken  Schicht  von  Zweigen  und  Heidekrautstengeln  und  wird  mit 
Halmen  und  Moosen  ausgefüttert.  Die  Ablage  der  Hier  erfolgt  im  April, 
nur  in  besonders  günstigen  Lagen  auch  schon  Ende  März.  Ihre  Zahl  betrügt 
gewöhnlich  4,  mitunter  auch  5  Stück,  3  nicht  selten  in  Nachgelegen. 

Ein  isländisches  Gelege  meiner  Sammlung  zeigt  folgende  Maße:  51,9x34,9  mm 
(1,95  g),  51,3x35  (1,97),  50,2x34,8  (1,92),  49,9x36  (2). 

Für  gewöhnlich  brütet  das  Weibchen,  mitunter,  besonders  bei  kalter 
Früh  Jahrswitterung,  wird  es  aber  auch  vom  Männchen  abgelöst,  wie  ich  selbst 
einmal  beobachtete.  Oft  steht  das  Männchen  mit  auf  dem  Horste  und  graut 
die  Gattin  am  Kopfe.  Die  Brutdauer  beträgt  nach  Faber  24  Tage.  Gegen 
Ende  dieser  Zeit  sitzt  das  Weibchen  sehr  fest,  das  Männchen  aber  schleppt 


294  Corvus  cornix  corriix. 

bereits  Nuhruiig  herbei.  Sind  Anfang  Mai  die  Jungen  ausgeschlüpft,  wird 
der  Horst  leichter  als  vorher  gefunden.  Eifrig  tragen  beide  Eltern  allö 
möglichen  Futterstoffe  lierbei  und  krächzen  lebhaft,  wenn  sich  ein  Mensch 
nähert,  wobei  sie  auf  Felsen  in  unmittelbarer  Nähe  des  Horstes  umherspringen 
oder  aufgeregt  umhei-fliegen.  Raubvögel  werden  zu  dieser  Zeit  besonders 
heftig  verfolgt.  Sind  die  Jungen  größer,  so  zetern  sie  anhaltend,  wenn  sie 
Hunger  haben,  verstummen  aber,  sobald  die  Alten  warnen.  Krüper  sah  im 
Nordlande  vom  20.  Mai  an  ziemlich  befiederte  Junge  (Naumannia  1857,  H, 
S.  27),  ich  selbst  am  7.  Juni  fast  flügge  Vögel  bei  Akureyri,  die  erste  umher- 
fliegende Familie  am  22.  Juni  in  derselben  Gegend.  Riemschneider  beob- 
achtete eine  solche  am  29.  d.  M.  (Ornithol.  Monatsschrift  189(3,  S.  307), 
Preyer  ebenfalls  Ende  Juni  (1.  c,  S.  160).  Kommt  man  zu  Pferde  des 
Wegs,  kann  man  sich  den  Vögeln  oft  bis  auf  wenige  Meter  nähern,  führt 
man  jedoch  ein  Gewehr,  verhalten  sich  die  Jungen  fast  ebenso  vorsichtig 
wie  die  Alten.  Anfänglich  bleiben  die  Familien  in  der  Umgebung  des 
Horstes,  die  Jungen  schlafen  noch  auf  diesem,  die  Alten  auf  ihrem  Lieblings- 
felsen in  der  Nähe.  Ist  die  Nachkommenschaft  aber  ganz  selbständig  geworden, 
wird  sie  von  dem  alten  Paare  gewöhnlich  w^eggeti-ieben.  Die  Tiere  kommen 
nun  nach  den  Küstenorten  oder  anderen  günstigen  Lokalitäten,  wo  sie  sich 
oft  zu  gTößeren  Schwärmen  vereinigen.  Von  einem  Fortziehen  ist  nichts 
bekannt.  Ebensowenig  bewiesen  dürfte  die  Annahme  sein,  daß  grönländische 
Raben  nach  Island  kämen.  Häufig  aber  streichen  unsere  Vögel  auf  der 
Insel  selbst  weit  umher,  bis  sie  ein  zusagendes  Winterquartier  gefunden 
halben.  Sie  wählen  hierfür  gern  die  Nähe  von  Gehöften  oder  Ortschaften 
und  werden  später  durch  die  Not  des  Winters  oft  recht  aufdringlich.  Gut- 
mütige Isländer  schütten  ihnen  aber  Abfälle  vor  die  Türen.  Freilich  wissen 
die  immer  regsamen,  klugen  Raben  auch  bei  ungünstigen  Verhältnissen 
Nahcuucj  zu  finden,  indem  sie  besonders  die  Meeresküsten  absuchen. 


102.  Corvus  cornix  cornix  L. 

Nebelkrähe. 

Corvus  cornix  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  5  (1822).  —  Corvus  cornix,  h.: 
Preyer  (&  Zirkel),  üeise  nach  Island,  S.  427  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds 
Iceland,  p.410  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal.  bis.  35  (1895).  —  Slater,  Birds  of 
Iceland,  p.  24  (1901).  —  Sffimundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  11  (1905). 

Corvus  cornix,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  8. 161  (1877).  —  Corone  cornix,  L.: 
Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  III,  p.  31  (1877)  —  Corvus  cornix  L.  typicus:  Winge, 
Grönlands  Fugle,  S.  268  (1898).  —  Corvus  cornix  L.:  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IV, 
8.  100  (1901). 

Isländisch:  Xräka  (partim). 

Auch  dän.:  Krage.     Norw. :  Kraake.     Schwed.:  Kräka.     Fär. :  Kräaka,  Kräka. 

Corvus  cornix  cornix  bewohnt  viele  Länder  Europas,  besonders  ganz  Rußland 
bis  etwa  zu  69"  nordwärts,  die  Balkan-Halbinsel.  Österreich-Ungara,  Italien,  das  öst- 
liche Deutschland  bis  zur  Elbe,  Dänemark,  Skandinavien  bis  zum  70.  Grade,  Irland, 
Schottland,  die  Hebriden  und  selb.st  die  Färöer;  auf  Gnlnland  wurde  die  Art  nur  einmal 


Corvus  coro 


ne  coroiie. 


295 


an  der  Ostküste  erlegt.  Im  Winter  kommen  die  Vögel  nach  dem  westlichen  Europa 
bis  an  die  atlantischen  Küsten.  —  In  den  angrenzenden  Gebieten  finden  sich  ver- 
wandte Formen. 

Island  besucht  dio  Nebolkrälie  nur  als  gelegentlicher  Gast,  besonders 
im  Winter.  Es  dürfte  sich  dabei  um  skandinavische  oder  von  noch  weiter 
ostwärts  stammende  Wanderer  handeln,  da  unsere  Art  auf  Schottland,  den 
Hebriden  und  Färöern  weit  mehr  Standvogel  ist.  Obwohl  kleine  Scharen 
der  Nebelkrähen  nicht  allzu  selten  nach  Island  zu  kommen  scheinen  und 
selbst  auf  Grimsey  gesehen  wurden  (Yngvar  Gudmundsson),  liegen  zunächst 
doch  nur  sehr  dürftige  Angaben  über  ihr  Auftreten  vor.  Faber  beobachtete 
im  Nordlande  einige  Exemplare  im  Juli  und  August,  die  freilich  bald  wieder 
verschwanden.  Steincke  sammelte  1823  bei  Akureyri  einen  Balg,  der  sich 
jetzt  im  Kopenhagener  Museum  befindet.  Gröndal  sagt  sogar,  daß  unsere 
Art  ziemlich  häufig  in  Island  gesehen  würde  (Oruis  XI.  p.  452),  gibt  aber 
keine  genaueren  Daten.  ]).  Jönsson  kennt  den  Vogel  von  den  Vestraannaey- 
jaru  (in  litt.).  2  Präparate  besitzt  die  Sammlung  in  Reykjavik,  eins  davon 
vom  Jahre  1894  aus  dem  Seydisfjördr.  Von  einem  Brüten  der  Nebelkrähe 
auf  Island  ist  bis  jetzt  nichts  bekannt. 


Corvus  corone  corone  L. 

Rabenkrähe. 

Corvus  corone  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  5  (1822).  —  Corvtcs  corone,  L. : 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  p.  427  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds 
Iceland,  p.410  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fiiglatai,  bis.  35  (1895).  —  Siater.  Birds  of 
Iceland,  p.  23  (1901).  —  Ssemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  U  (1905). 

Corvus  corone,  L.:  Colliu,  Skandinaviens  Fugle,  S.  164(1877).  —  Corone  corone,  L. : 
Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  III,  p.  36  (1877).  —  Corvus  corone  L. :  Naumann,  Vögel 
Mitteleuropas  IV,  S.  93  (1901). 

Isländisch:  Kräka,  fälschlich  Ffereyja-Hrafn  (=  Färöischer  Habe). 

Corvus  corone  corone  bewohnt  den  Westen  Europas,  vor  allem  die  Alpenläiider, 
Frankreich,  Spanien  besonders  im  Winter,  England,  Westdeutschland  bis  etwa  zur  Elbe, 
Böhmen  und  Mähren.  Weiter  östlich  tritt  unsere  Art  nur  vereinzelt  auf,  ist  in  Dänemark 
selten,  in  Skandinavien  fast  gar  nicht  anzutreffen.  Ihr  gelegentliches  Vorkommen  auf 
den  Färöern  ist  sehr  zweifelhaft,  im  ganzen  arktischen  Gebiete  unbekannt.  Sie  wandert 
in  viel  geringerem  Grade,  als  die  vor-  und  nachstehende  Art.  —  In  Asien  wird  sie 
durch  den  größeren  C.  c.  Orientalis  Eversm.  vertreten. 

Das  Vorkommen  der  Rabenkrähe  auf  Island  ist  fraglich,  (Ui  kein 
Balg  vorliegt.  Alle  Angaben  beruhen  wahrscheinlich  auf  Verwechslung  mit 
jüngeren  Individuen  von  Corvus  frxgilegns.  Faber  vermutet  das  gelegentliche 
Erscheinen  unsrer  Art  nur  auf  Grund  von  Mitteilungen  der  Bewohner. 
Spätere  Schi-iftsteller  schreiben  ihm  nach,  Gröndal  behauptet  allerdings,  es 
wäre  am  16.  Januar  1881  eine  Rabenkrähe  geschossen  und  1893  eine  ganze 
Schar  der  Vögel  beobachtet  worden  (1.  c),  weiß  aber  nichts  über  ein  Beleg- 
exemplar (in  litt.).  Schon  Newton  bezweifelt  das  Vorkommen  unsrer  Art 
auf  Island,  Siater  hält  die  Gröndalsche  Angabe  für  unsicher.  Siemuudssou 
führt  sie  auf  Verwechslung  mit  Corvus  frngilegus  zurück. 


296  Corviis  frugilegns  frugilegus. 


103.  Corvus  frugilegus  frugilegus  L. 

Corvus  frugilegus,  Linu.:  Newton,    in   Earing-Goulds   ]celaiid,  ]>.  410  (1863). 
Gröndal,  Islenzkt  iuglatal,  bis.  35  (1898).  —  Slater,   Birds    of  Iceland.    p.  24  (1901).  — 
Stefänsson.  Nordurland    (4.   Okt.   1902).   —  Sa^mundsson,    Zoolog.   Meddel.    fra    Island, 
S.  10  (1905). 

Corvus  frugilegus,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fuglc.  S.  165(1877).  —  Trypanocorax 
frugilegus  L. :  Sharps,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  III,  p.  9  (1877).  —  Corvus  frugilegus  L.: 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  109  (1901). 

Isländisch:  Kräka  (partim),  Bläkräka  (=  Blaukrähe),  Blährafn,  Fsereyjahrafn 
(=  färöischer  Rabe).  Diese  letzteren  Namen  dürfen  auf  keine  andere  Krähenart 
bezogen  werden. 

Auch  deutsch:  Blaukrähe.  Dan.:  Blaaraage.  Norw.:  Blaakrakc.  Für.:  Hjalt- 
landskräka. 

Corvus  frugilegus  frugilegus  bewohnt  im  allgemeinen  ganz  Europa;  Spanien  und 
das  südlichere  Italien  freilich  fast  nur  im  Winter,  dann  auch  gelegentlich  Xordafrika 
und  Palästina.  Nordwärts  brütet  unsere  Art  in  Nordrußland  bis  etwa  65,  in  Finnland 
bis  62'/2,  in  Schweden  bis  60**,  Schottland  bewohnt  sie  im  Sommer  ziemlich  selten, 
besucht  es  aber  regelmäßig  im  Winter,  wobei  sie  gelegentlich  auch  nach  den  Hebriden, 
Orkneys,  Shetlands-Inseln  und  Färöern  kommt.  In  Grönland  wurde  sie  einmal  an  der 
südlichen  Ostküste  erlegt.  —  Im  südwestlichen  Asien  wird  unsere  Form  durch  C.  f. 
tschusii  Hart.,  in  Ostasien  durch  C.  f.  pastinator  Gould  vertreten. 

Nach  Island  koramt  die  Saatkrähe  als  gelegentlicher  Wintergast. 
Besonders  jüngere  Exemplare  scheinen  auf  ihrer  Wanderung  soweit  westwärts 
vorzudringen,  was  doppelt  leicht  zu  Verwechslungen  mit  Coi-vus  corone  Ver- 
anlassung gab,  welche  Art,  wie  bemerkt,  zunächst'  weder  für  die  Färöer, 
noch  für  Island  mit  Sicherheit  festgestellt  ist.  Alle  dahinlautenden  Mit- 
teilungen dürften  sich  auf  (7. />m/7i'%».s  beziehen.  Die  Färöer  besuchen  unsere 
Vögel  fast  alljährlich, -was  durch  Collin,  Slater,  Andersen  u.  a.  hervorgehoben 
wird.  Von  dort  aus  streifen  sie  mitunter  nach  Island,  weshalb  ihr  Name 
Fsereyjahrafn  ganz  passend  gewählt  ist.  Einige  Belege  für  das  Vorkommen 
der  Saatkrähe  auf  Island  mögen  folgen.  Im  Kopenhagener  Museum  befindet 
sich  ein  junges  Exemplar  aus  dem  Jahre  1839.  ,T.  Hallgrimsson  hebt  aus- 
drücklich hervor  (Naumannia  1857,  II,  S.  28),  daß  manchmal  schwarze 
Krähen  mit  kahlem  Schnabclgrunde  nach  Island  kämen,  die  er  freilich  zu- 
folge Fabers  Vermutungen  fälschlich  als  Corvus  corone  bezeichnet.  P.  Nielsen 
hat  die  Art  wiederholt  bei  Eyrarbakki  beobachtet  und  geschossen;  namentlich 
Ende  November  1880  zeigten  sich  größere  Scharen  (Ornis  III,  S.  157).  In 
demselben  Spätherbste  erschienen  zahlreiche  Saatkrähen  auf  den  Vestmanna- 
eyjarn,  während  geringere  Mengen  auch  gelegentlich  vor-  und  nachher  auf 
diesen  Inseln  gesehen  wurden  ()>.  Jönssou,  in  litt.).  Sa3mundsson  beobachtete 
in  früheren  Jahren  unsere  Krähen  fast  alljährlich  bei  Grindavik  (SW.).  ein- 
mal 20  —  30  Stück  beisammen.  Die  Vögel  kamen  besonders  im  November 
und  Dezember  und  blieben  oft  längere  Zeit  in  der  Gegend.  Bei  starker 
und  anhaltender  Kälte  fand  man  nicht  selten  umgekommene  Exemplare. 
Auch  aus  anderen  Orten  des  Südlandes  hörte  Sa?mundsson  von  dem  Auf- 
ti-eten  unserer  Art  (1.  c).  Y.  Gudmundsson  beobachtete  diese  wiederholt  auf 
Grimsey.     J.  V.  Havsteen  bezeichnete  sie  mir  als  geleoentlichen  Wintcro-ast 


Coloeus  monedula  spcrmolo<^us.  QQ7 

im  Eyjafjördr.  2  in  dem  benachbarten  Ölafsfjördi-  Anfang  März  1900  ge- 
schossene Exemplare  befinden  sich,  neben  einem  anderen  vom  Jahre  1897 
aus  Kollafjardarnes  (NW.),  im  Museum  von  Reykjavik.  Shiter  sah  eine 
ganze  Anzahl  Bälge  von  Corcus fragilegns  in  Akureyri,  und  Stefänsson  schreibt, 
daß  die  Vögel  im  Winter  1900  zu  1901  im  ganzen  Nord-  und  Ostlande  in 
beträchtlichen  Scharen  auftraten,  wovon  einzelne  Exemplare  erlegt  wurden. 
Gröudal  berichtet  endlich,  daß  man  Corvus  friujikgua  auch  im  Innern  Islands, 
nämlich  beim  M^vatn,  erbeutet  habe  (Ornis  XI,  p.  452). 

104.  Coloeus  monedula  spermologus  (Vieill.). 
Dohle. 

Corv'us  monedula  L.:  Gröndal,  Jsleuzkt  fuglatal,  bis.  35  (1895).  —  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.  21   (1901).  —  Spemundssoii,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  12  (1905). 

Coloeus  monedula  Linn.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  III,  p.  26  (1877).  —  Lycus 
monedula  (L.):  Naumann,   Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  80  (1901). 

Isländisch:  (Trährafn  (=  Graurabe). 

Wenn  man  mit  Hartert  (Pal.  Vög.  I,  S.  15,  16)  die  westeuropäische  Dohle  (C.  m. 
spermologus)  von  der  skandinavischen  (C.  m.  monedula)  unterscheidet,  so  ist  anzunehmen, 
daß  die  in  Island  erlegten  Exemplare  der  ersteren  Form  angehören.  Diese  bewohnt 
Großbritannien  und  Irland,  das  übrige  West-,  sowie  ganz  Mitteleuropa  und  geht  süd- 
wärts bis  Italien  und  Österreich-Ungarn  hinab.  Gelegentlich  hat  sie  sich  auf  den 
Färöern,  jedoch  noch  nicht  in  Grönland  gezeigt.  Daß  die  skandinavischen  Dohlen 
westwärts  nach  den  Britischen  Inseln  wandern,  scheint  llartert  nicht  anzunehmen. 
Der  Vogel  im  Museum  in  Reykjavik  ist  ziemlich  dunkel  gefärbt  und  nicht  von  einem 
deutschen  zu  unterscheiden. 

Die  Dohle  besucht  Island  nur  als  seltener  Gast.  Ein  Exemplar 
wurde  1896  von  P.  Nielsen  bei  Eyrarbakki  geschossen  (Gröndal.  Ornis  XI, 
p.  452),  ein  anderes  im  April  1901  bei  dem  Hofe  Störatunga  im  Bdrdartale 
(N.)  lebendig  geümgeu,  zu  Konsul  J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri  gebracht  und 
von  diesem  später  an  die  Sammlung  nach  Reykjavik  geschenkt.  Wahi-scheinlich 
sind  weitere  Exemplare  mit  den  Kräheuarteu  verwechselt  worden. 

Nucifraga  caryocatactes  macrorhynchos  Brelim. 
Taunenhäher. 

Nucifraga  caryocatactes,  Linn.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  HI.  j).  513  (1877). 
—  Nucifraga  caryocatactes  (L.):  Naumann,  Vögel  Jlitteleuropas  IV,  S.  55  (IflOl). 

Isländisch:  Hnotkräka  (=  Nußkrähe). 

Auch  deutsch:  Nußkrähe.  Dan.:  Noddekrige.  Norw.:  Xöddekraake.  Schwed. : 
Nötkräka.     Engl.:  Nuteracker. 

Nucifraga  caryocatactes  bewohnt  die  paläarktische  Region;  N.  c.  maa-orhynchos 
brütet  in  den  Waldungen  Sibiriens,  ostwärts  bis  Xorea,  wandert  aber  im  Herbste  und 
Winter  westwärts  bis  Skandinavien  und  Frankreich.  Auch  in  England  sind  über 
BO  Fälle  des  Vorkommens  dieser  Form  bekannt  (Hartert,  Paliiarkt.  Vög.  I,  S.  27). 
Dagegen  ist  die  als  Brutvogel  in  Skandinavien  nicht  seltene  N.  c.  caryocatactes  (L.) 
Stand-  oder  höchstens  Strichvogel,  der  kaum  jemals  nach  Island  gelangen  möchte. 

Auf  unsrer  Insel  soll  der  Tannenhäher  einmal  vorgekommen  sein. 
Der  norweffische  Konsul.  Herr  J.  V.  Havsteen  in  Oddeyri,  versicherte  mir 


298  Nucifraga  caryocatactes  macrorhynchos. 

unter  Vorle.^iing  oinor  Abbildung,  in  den  80  er  Jahren  ein  Exemplar  aus  der 
Gegend  des  Eyjafjördrs  erhalten  zu  haben,  das  sich  aber  nicht  zur  Präparation 
eignete.  Möglicherweise  sind  bei  den  groLk'n  Häherwanderungen  im  Herbste  1883 
oder  1885  einzelne  Individuen  bis  Island  vorgedrungen. 

Oriolus  oriolus  (L). 
Pirol. 

Oriolus  yalbula,  L.:  CoUiii,  Skandinaviens  Kugle,  S.  148  (1877).  —  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  25  (1895).  —  Slater,  Eirds  of  Icelaiid,  p.  14  (1901). 

(Molns  galbnla,  L.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  111,  p.  191  (1877).—  Oriolus 
oriolus  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  29  (1901). 

Isländisch:  Gullfröstur  (=  Grolddrossel). 

Auch  deutsch:  Golddrossel.  Dan.:  Gulddrossel.  Norvv.:  Guidtrost.  Schwad.: 
Gultrast. 

Oriolus  oriolus  bewohnt  einen  großen  Teil  der  paläarktischen  Region  mit  Aus- 
nahme des  Ostens.  Im  Winter  zieht  er  bis  Südafrika  hinab.  In  Rußland  brütet  er 
bis  etwa  zu  60,  in  Schweden  sogar  bis  63"  nordwärts,  fehlt  aber  auf  den  Britischen 
Inseln  fast  ganz.     Ausnahmsweise  wurde  er  auf  den  Färöern  (Mai  1893)  erbeutet. 

Das  Vorkommen  des  Pirols  in  Island  ist  höchst  zweifelhaft.  CoUin  berichtet 
nur  (1.  c),  daß  der  isländische  Kaufmann  Gudmann  Mitte  Dezember  1843  an  der  Küste 
der  Skagafjardar-Sysla  (N.)  ein  erfrorenes  schönes  —  d.  h.  gewiß  gelbes  —  Jlännchen 
unsrer  Art  gefunden  habe,  doch  sah  Collin  keinen  Balg  des  Vogels,  der  Beweis  für 
dessen  richtige  Bestimmung  gewesen  wäre.  Dazu  ist  die  Jahreszeit  für  den  angeblichen 
Fund  eine  sehr  späte,  weshalb  man  der  Vermutung  Gröndals  (1.  c),  es  habe  sich  wohl 
nur  um  einen  ähnlich  gezeichneten,  entflogenen  Kanarienvogel  gehandelt,  zustimmen 
möchte.  Schade,  daß  eine  derartig  ungenügend  begründete  mündliche  Mitteilung  in 
die  Literatur  aufgenommen  wurde  und  nun  weitergeführt  werden  möchte. 

105.  Bombycilla  garrula  (L.). 
Seidenschwanz. 

Anipelis  garrula  L. :  Saemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  8  (1905). 

Ampelis  garrulus  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  180  (1877).  —  Sharpe, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  X,  p.  212  (1885).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  181  (1901). 

Isländisch:  Silkistel,  Silkistjelungur  (=  Seidenschwanz). 

Auch  dän.  &  norw.:  Silkihale,  Sidensvands.     Schwed.:  Sidensvans. 

Bombycilla  garrula  brütet  fast  zirkumpolar  an  den  Grenzen  der  arktischen 
Region,  soweit  Wald  vorhanden  ist,  besonders  in  Skandinavien,  Lappland,  Finnland, 
Nordrußland,  Sibirien,  Alaska  und  dem  übrigen  nordwestlichen  Amerika.  Außerhalb 
der  Fortpflanzungszeit  streifen  die  Vögel  weit  umher  und  gehen  südwärts  gelegentlich 
bis  nach  Südeuropa  und  selbst  Algier,  dem  mittleren  Teile  der  Vereinigten  Staaten 
von  Nordamerika  (bis  etwa  40 <>  hinab),  nach  Nordchina,  der  Mongolei  und  Turkestan. 
Die  Britischen  Inseln  besuchen  sie  gleichfalls  nur  auf  dem  Zuge,  von  den  Färöern 
kennt  man  sie  als  seltene  Gäste,  von  Grönland  dagegen  und  den  übrigen  rein  arktischen 
Gebieten  gar  nicht. 

Von  Island  wird  auch  nur  ein  ausnah  ms  weis  es  Vorkommen  des 
Seidenschwanzes  mitgeteilt.  Im  Oktober  1903  nämlich,  zu  welcher  Zeit  in 
ganz  Europa  zahlreiche  Schwärme  unserer  Vögel  erschienen,  zeigte  sich  eine 
Schar  derselben  auf  Heymaey  (Vestmannaeyjar).  Ein  Exemplar  davon  wurde 
am  18.  Oktober  von  einer  Katze  gefangen,  dieser  jedoch  weggenommen, 
von  j^orsteiim  Jönssou  nach  Reykjavik  gesandt  und  für  das  dortige  Museum 


Bombycilla  garrula.     -  Stunius  vulgaris  vulgaris.  299 

präpariert.  Die  übrigen  Vögel  ließ  mau  unbelästigt,  und  sie  verschwanden 
uacli  etlichen  Tagen  wieder  von  der  Insel.  In  Reykjavik  und  wahrscheinlich 
auch  anderwärts  zeigten  sich  ebenfalls  Seidenschwänze.  Doch  wurde  kein 
weiteres  l^^xemplar  erbeutet.  Swmundsson  l)erichtet,  daß  er  am  14.  Oktober  1903 
einen  einzelnen  Vogel  in  der  Stadt  beobachtete.  Dieser  hielt  sich  bereits 
seit  mehreren  Tagen  daselbst  auf  und  hatte  eifrig  die  wenigen  vorhandenen 
Vogelbeerbäumchen  eines  Gartens  nach  Früchten  al)gesucht.  Obwohl  er  nicht 
scheu  war,  glückte  es  doch  nicht,  ilm  zu  fangen.  Einige  Tage  später  ver- 
schwand er.    Weitere  Mitteilungen  über  die  seltenen  Gäste  liegen  nicht  vor. 

106.  Sturnus  vulgaris  vulgaris  L. 

Star. 

Stunms  yuttatus  Megllvr.:  l'reyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  428  (1862). 
—  Sturnus  vulgaris,  Linn.:  Newton,  in  Earing-dioulds  Tceland.  p.  421  (1863).  —  Gröndal, 
islenzkt  fuglatal,  bis.  3ö  (1895).  —  Slater,  Eirds  of  Iceland,  j).  20  (1901).  ~-  Sicuiundsson, 
Zoolog.   Meddel.  fra  Island,  S.  10  (1905). 

Sturnus  vulgaris,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fngle,  S.  146  (1877).  —  Sharpe,  Cat. 
Birds  ßrit.  Mus.  XIII,  j).  27  (1890).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  274  (1898).  — 
Naumann.  Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  7  (1901). 

Isländisch:  Stari.  Starri. 

Auch  dän.  &  uorw. :  Star,  Stger.     Schwad.:  Stare,     fär. :  Stari,  Steari. 

Sturnus  vulgaris  vulgaris  bewohnt  Europa  mit  Ausnahme  des  südöstlichen  Teiles, 
wo  er,  wie  auch  in  Asien,  von  andern  Formen  vertreten  wird.  Auf  dem  Zuge  kommt 
er  nach  Süd-  und  Westeuropa.  Nordafrika,  den  Kanaren  und  Madeira.  In  Rußland 
geht  er  stellenweise  bis  zu  64",  in  Norwegen  sogar  bis  71"  hinauf.  Häufig  ist  er 
Sommer  und  Winter  auf  den  Britischen  Inseln.  Die  Färöer  dagegen  besucht  er  nur 
gelegentlich  auf  dem  Zuge,  wird  aber  hier  von  dem  gut  gekennzeichneten  St.  v.  faroensis 
Feild.  vertreten,  der  völlig  Standvogel  auf  der  Insel  ist  und  trotz  der  Nachbarschaft 
kaum  jemals  in  Island  vorgekommen  zu  sein  scheint.  3  von  mir  untersuchte  isländische 
Bälge  (in  den  Museen  von  Kopenhagen  und  Reykjavik,  sowie  bei  Konsul  Havsteen  in 
Oddeyri),  ebenso  2  im  Besitze  von  Nielsen,  kennzeichneten  sich  als  solche  von  St.  v. 
vulgaris.  Dasselbe  gilt  von  den  vereinzelt  im  Süden  und  Südosten  Grönlands  gesammelten 
Staren  des  Kopenhagener  Museums. 

Nach  Island  kommt  der  Star  als  gelegentlicher  Gast,  wobei  es  sich 
in  der  Hauptsache  um  skandinavische  Zugvögel  handeln  dürfte.  Oft  erreichen 
die  von  Sturm  und  Nebel  verschlagenen  Wanderer  unsere  Insel  so  ermattet, 
daß  sie  sich  nur  langsam  wieder  erholen  und  mehrfacli  mit  Händen  ergritfen 
werden  konnten.  Über  das  Vorkommen  des  Stares  auf  Island  liegen  eine 
ganze  Anzahl  Notizen  vor.  Gröndal  erhielt  im  Dezember  1878  (Ornis  II, 
S.  356)  und  im  November  1896  (Ornis  XI,  S.  451)  je  ein  Exemplar  aus 
dem  Südlande.  Auch  in  Nordisland  wurden  2  weitere  Vögel  während  der 
neunziger  Jahre  im  Gebiete  des  Eyjafjördrs  erlegt  (Stefänsson,  Nordurland, 
4.  Oktober  1902),  eins  davon  durch  J.V.  Havsteen.  Nach  ]).  Jönsson  zeigen 
sich  Stare  nicht  allzu  selten  bei  den  Vestraannaeyjarn,  und  T.  Nielsen 
beobachtete  solche  etliche  Male  bei  Eyrarbakki,  so  zwei  Flüge  zu  je  4  Stück, 
vielleicht  dieselben  Vögel,  im  September  imd  Oktober  1903,  wovon  er 
2  Stück  erlegte  (in  litt.).  Saemundsson  berichtet,  daß  man  1896  ein  Exemplar 
bei  Hafnarfjördr  fing,  ein  weiteres  der  Sammlung  in  Reykjavik  1898   von 


300  Acanthis  linaria  islandica. 

Laxamj^ri  (N.)  oingoliofort  wurde;  im  Dezember  1903  schoß  man  endlich 
einen  Star  in  Reykjavik  selbst  (1.  c).  Nur  eine  einzige  Mitteilung  berichtet 
über  das  Vorkommen  unseres  Vogels  abseits  vom  Küstengebiete.  Slater 
erfuhr  nämlich,  daß  ein  Exemplar  am  3.  Dezember  1899  bei  Grimstadir  am 
M^vatn  erbeutet  wurde  (1.  c).  Wahrscheinlich  hatte  sich  dieser  Vogel  die 
Laxtl  aufwärts  begeben. 

107.  Acanthis  linaria  islandica  Hantzsch. 
Isländischer  Leinfiuk. 

Fringilla  linaria  (Liun.):  Faber,  Prodromus,  S.  16  (1822).  —  Fringilla  linaria  L.: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  394  (1862).  —  Linota  linaria  (Linn.):  Newton, 
in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  409  (1863).  —  Acanthis  linaria  L.:  Gröndal,  Islenzkt 
fuglatal,  bis.  37  (1895).  --Linola  linaria  (Linn.):  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  16  (1901). 

Acanthis  linaria  (L):  Sliarpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  Xll,  p.  245  (1888).  —  Cannahina 
linaria  (L.)  vor.  rostrata  Coues:  Winge,  Grönlands  Fiigle,  S.  289  (1898).  —  Acanthis 
linaria  (Linn.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  III,  S.  301   (1900). 

Isländisch:  Audnutitlingur  (entweder  von  audnu  =  AVüste,  Einsamkeit  der 
AViiste,  oder  von  audna  =  Glück;  titlingur  ist  Kollektivum  für  kleine  Singvögel,  wahr- 
scheinlich abgeleitet  von  tista,  norw.  tita  =  zwitschei-n). 

Acanthis  linaria  ist  in  verschiedenen  geographischen  Rassen  zirkumpolar  in  den 
nördlichen  Ländern  der  Erde  verbreitet,  soweit  etwas  höheres  Buschwerk  sich  findet. 
Im  Winter  streichen  die  Vögel  bis  zum  mittleren  Amerika  und  Asien,  sowie  zum 
südlichen  Europa,  scheinen  aber  in  gewissen  Gebieten  auch  Standvögel  im  weiteren 
Sinne  zu  sein.  In  der  Auffassung  der  einzelnen  Formen  gehen  die  Ansichten  sehr 
auseinander,  da  vorläufig  niemand  genügende  Serien  von  Brutvögeln  aller  Gebiete  zur 
vergleichenden  Untersuchung  besitzt. 

Island  beherbergt  scheinbar  nur  eine  brütende  AcanthisSitezxes.  Diese  stellt 
meines  Erachtens  eine  gut  gekennzeichnete,  selbständige  Rasse  dar,  die  ich  in  den 
Ornithologischen  Monatsberichten  1904,  S.  32-33  beschrieben  habe.  Reichenow,  Klein- 
schmidt u.  a.  halten  die  Abtrennung  gleichfalls  für  nötig.  Acanthis  linaria  islandica 
hat,  wie  schon  Slater  betont  (1.  c  )  durchaus  nichts  mit  A.  hornemannii  zu  tun,  steht 
vielmehr  nicht  nur  geographisch,  sondern  auch  in  Größe  und  Färbung  zwischen  der 
grönländischen  A.  l.  rostrata  (Coues)  und  der  skandinavischen  A.  l.  linaria  (L.)  = 
A.  fiammea  flammea  (L.),  ohne  etwa  mit  A.  l.  holhocllii  (Brehm)  identisch  zu  sein. 
Sommervögel  kennzeichnen  sich  besonders  durch  die  dunkle,  fast  grauschwärzliche 
Oberseite  und  das  selbst  bei  männlichen  Brutvögeln  blasse  Rosa  der  Brust.  Die 
Norraalraaße  von  12  untersuchten  Exemplaren  stellen  sich  wie  folgt.  Gewicht  i.  Fl.: 
12,5— 17  g.  Gesaratlänge  i.  Fl  :  130— 135  mm.  Flugbreite:  210— 230.  Flügel:  76 -82. 
Schwanz:  55—65.  Schwanz  +  Flügel:  24— 32.  Tarsen:  14— 16.  Schnabelläuge:  8,2— 9,5. 
Schnabelhöhe:  6,3—7.  Gelegentlich  kommen  auch  kleinere  Maße  vor.  Die  größten 
Exemplare  sind  Männchen.  Doch  fand  ich  gepaarte  Vögel,  bei  denen  das  Weibchen 
größer  als  das  Männchen  war.  —  Schnabel  (Juni,  Juli):  schwärzlich,  an  den  Seiten 
gelblich,  bei  den  dunkelsten  Exemplaren  letzteres  fast  ganz  verschwindend.  Schnabel- 
winkel und  Inneres:  gelb.  Füße :  braunschwarz,  Zehen  und  Sohlen  fast  schwarz.  Iris: 
dunkelbraun. 

Der  Leinfink  oder  Birkeuzeisig  bewohnt  die  Buschwälder  Islands  als 
nicht  häufiger  Brutvogel.  Während  er  auch  nach  den  neueren  Mit- 
teilungen Gröndals  und  Nielsens  im  Südlande  nur  ausnahmsweise  beobachtet 
werden  soll,  kann  man  ihn  im  Nordlande  keineswegs  selten  nennen.  Ich 
traf  ihn  hier  in  allen  ausgedehnteren  Buschgebieten;  im  Fnjöskätale  bis  fast 
zur   Mündung    des   Flusses,    wie   auch   in    der   Gegend    des   M^vatn,    sogar 


Acaiithis  linaria  islandioj 


301 


ziemlieh  liäufig.  In  der  weiteren  Umgebung  des  jn'ngvallavatn  begegnete 
ich  den  Vögeln  zwar  gleichfalls,  doch  könnte  es  sicii  tlahei  schon  um 
streichende  Scharen  gehandelt  ha))en,  da  ich  nach  diesen  IJuscliwäldern  erst 
Mitte  August  gelangte.  Freilich  entzieht  sich  der  l.einfink  abseits  vom 
Neste  recht  oft  den  Blicken,  verhält  sich  still  und  versteckt,  sodali  mau 
allein,  möglichst  geräuschlos  und  natürlich  zu  Fuße,  dazu  an  die  Heo))achtung 
kleiner  Vögel  gewöhnt,  die  Gebüsche  durchsuchen  muß,  um  seiner  ansichtig 
zu  werden.  Älitunter  vernahm  ich  minutenlang  die  charakteristischen,  wenn 
auch  feinen  l^ockrufe,  ehe  es  mir  glückte,  den  Urheber  selbst  in  dem  Gewirr 
der  Birkeusträucher  umherhüpfen  zu  sehen.  Scheinbar  ist  aber  unsere  Art 
mit  der  Zunahme  des  isländisclien  Buschwaldes  in  neuerer  Zeit  häutiger 
geworden. 

Die  Leintinken  sind  in  der  Hauptsache  Standvögel  auf  Island,  die 
sich  für  gewöhnlich  nicht  allzu  weit  von  strauchbewachsenen  Gegenden  ent- 
fernen. Sobald  die  Frühlingssonne  im  Mai  etwas  wärmer  zu  scheinen  beginnt, 
paaren  sich  die  Vögel  und  bleiben  von  nun  an  im  Brutgebiete.  Anfänglich 
durchsti-eifen  sie  ein  ziemlich  großes  Revier  des  Buschwaldes,  mehi'ere  Paare 
vereinigen  sich  auch  vorübergehend  wieder,  sind  aber,  besonders  bei  schönem 
Wetter,  ziemlich  streitsüchtig  und  treiben  und  jagen  sich  oft  hitzig  durchs 
Gebüsch.  Mit  dem  Baue  des  Nestes  beginnen  sie  nicht  eher,  als  die 
Knospen  der  Sträucher  zum  Aufbrechen  bereit  sind,  was  in  den  einzelnen 
Gebieten,  selbst  in  benachbarten  Örtlichkeiten,  je  nach  Lage  und  Frülilings- 
witterung  zu  recht  verschiedener  Zeit  eintritt.  Im  Nordlande  beginnen  die 
Birken  sich  kaum  vor  Anfang  Juni  mit  dem  ersten  Grün  zu  färben,  und  es 
wäre  ganz  aufßillig,  wenn  eine  Vogelart,  die  ihr  Nest  in  das  lichte  Gezweig 
baut,  nicht  solange  damit  warten  würde,  bis  Schutz  und  Deckung  vorhanden- 
ist.  Wenn  auch  nach  den  jeweiligen  Naturverhältnissen  die  Fortpflanzungszeit 
unserer  Leintinken  beträchtlich  schwanken  mag,  kann  man  doch  als  Regal 
annehmen,  daß  wenigstens  im  Nordlande  das  Nest  selten  vor  Ende  Mai 
fertig  gestellt  ist.  Krüper  berichtet  zwar  (Naumannia  1857,  S.  63),  am 
12.  Juni  neben  einem  Neste  mit  2  frischen  Eiern  ein  solches  mit  fast  flüggen 
Jungen,  ja  sogar  ein  weiteres,  aus  dem  diese  schon  ausgeflogen  waren,  am 
Myvatn  gefunden  zu  haben,  doch  dürfte  dies  auf  die  günstigen  klimatischen 
Verhältnisse  der  Gegend  im  allgemeinen,  wie  auf  die  milde  Witterung  des 
Sommers  1856  im  besonderen  zurückzuführen  sein,  die  es  ermöglichte,  daß 
Krüper  von  verschiedenen  Vogelarten  ganz  ausnahmsweise  zeitige  Bruttermine 
beobachten  konnte.  In  derartig  günstigen  Fällen  mag  es  bisweilen  vorkommen, 
daß  einzelne  Paare  unserer  Vögel  zu  einer  zweiten  Brut  schreiten,  dies  als 
Regel  zu  betrachten  ist  aber  falsch. 

Beide  Gatten  bauen  an  dem  Neste,  doch  ti-ägt  das  Männchen  mehr 
das  Material  herbei.  Verhält  man  sich  still,  kann  man  sehr  gut  der  Tätigkeit 
der  zutraulichen,  niedlichen  Vögel  zuschauen.  Emsig  klettern  sie  im  Gebüsche 
umher,  wobei  sie  sich  häufig  verkehrt  an  die  Zweige  hängen,  kommen 
freilich  in  dieser  Zeit  selten  auf  den  Boden.  Sie  halten  das  Gefieder  gern 
locker    und    aufgebläht,    sodaß    die    helle    Unterseite    sie    schon    auf    weite 


302  Acanthis  linaria  islandica. 

Entfernung  hin  kenntlich  macht.  Nun  schlüpft  das  Weibchen  lautlos  zum  halb- 
fertigen Neste,  während  das  Männchen  von  einem  benachbarten  Strauche  aus 
sein  kauarienvogelartigcs,  weiches  Diii  hören  läßt.  Das  Nest  befindet  sich 
meist  in  einem  einzelstehenden  Strauche  oder  am  Rande  eines  Gebüsches, 
etwa  V2~~2  ^  "^^^  '^^^  Boden.  Es  ist  anfänglich,  wenn  die  Birken  noch 
unbclaubt  sind,  reclit  leicht  zu  entdecken.  Gewöhnlich  sitzt  es  nur  lose  in 
einer  stärkeren  Astgabel,  nicht  selten  etwas  schief.  Seine  Beschaffenheit  ist 
sehr  cliarakteristisch  für  die  Yogelart  und  mitunter  ziemlich  kunstvoll.  Es 
besteht  aus  mehr  oder  woniger  zahlreichen  dünnen  Ruten,  Heidekrautstengeln, 
geknickten  Halmen  und  Grasrispon,  die  gewöhnlich,  besonders  im  Innern, 
reichlich  mit  Schaf-,  seltener  PfianzenwoUe  und  einigen  Federn  vermengt 
werden.  Damit  deckt  auch  der  Vogel  die  Eier  zu,  wenn  er  diese  längere 
Zeit  verläßt.  Die  lichte  Breite  der  Nestmulde  beträgt  etwa  5,  die  Tiefe  2  cm. 
Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  gewöhnlich  in  der  ersten  Hälfte  des 
Juni.  Am  2.  d.  M.  fand  ich  im  Fnjöskätale  ein  Nest,  an  dem  die  Vögel 
noch  bauten,  sowie  2  andere  mit  je  2  frischen  Eiern,  am  9.  Juni  nochmals 
ein  solches  mit  2,  ein  anderes  mit  4  Eiern,  am  13.  Juni  2  Fünfergelege, 
die  ziemlich  stark  bebrütet  waren.  Größere  Junge  hatte  zu  dieser  Zeit 
sicher  noch  keius  der  zahlreichen  von  mir  beobachteten  l^aare.  Slater  fand 
Eier  am  27.  Juni,  Krüper,  wie  bemerkt,  2  frische  am  12.  Juni,  Thienemann 
Ende  Juni  (Reise,  S.  403).     Das  Normalgelege  besteht  aus  5 — 6  Stück. 

Einige  Exemplare  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße:  18.4x13  mm 
(0,065  g).  18,3x12,8(0,068).  18.3x12,4(0,068).  18,1x13(0,068).  17,7x12,5 
(0,065).  17,6  X  12  (0,065).  17,1  x  12,6  (0,065).  17,1  x  12,4  (0,06).  17  x  12.6  (0,06). 
Sie  wiegen  voll  1,5 — 1,6  g.     Das  Dotter  ist  ziemlich  dunkel. 

Das  Weibchen  brütet  12—13  Tage,  wird  aber  täglich  vom  Männchen 
darin  abgelöst.  Zu  dieser  Zeit  lassen  sich  die  Vögel  am  besten  beobachten, 
da  sich  auch  der  nichtbrütende  Teil  ständig  in  der  Umgebung  aufhält. 
Kommt  man  leise  und  langsam  in  die  Nähe,  so  bleibt  der  eine  Vogel  ruhig 
auf  dem  Neste,  wälirend  der  andere  sich  auch  bald  zeigt  und  lockt.  Scheinbar 
wenig  besorgt  aber  sitzt  er  auf  einem  höheren  Zweige  und  benimmt  sich  so 
zutraulich  und  liebenswürdig,  als  wäre  ihm  der  Anblick  des  Menschen  etwas 
Alltägliches.  Schießt  man  einen  der  Vögel,  so  verläßt  der  andere  die  Gegend 
nicht,  sondern  sucht  lockend  nach  dem  felilendcn  Gatten.  Trotzdem  ist  die 
Erlegung  nicht  immer  so  leicht,  da  sich  die  Vögel  manchmal  gar  nicht  auf 
richtige  Schußweite  zeigen  wollen  oder  in  dem  dichten  Gesträuche  nur  für 
Augenblicke  sichtbar  werden.  Plötzlich  hüpfen  sie  2 — 3  m  vor  dem  Menschen 
umher,  wenn  man  sich  aber  rasch  auf  größere  Entfernung  zurückzieht, 
verschwinden  sie. 

Die  Stimmlaute  des  Leiufinken  sind  recht  verschieden.  Als  auffälligste 
Rufe  hört  man  ein  angenehmes,  bittendes  Düi  oder  noch  weicher  dilüi, 
bilui,  in  der  Erregung  ein  etwas  rauhes  Titititüüü  oder  auch  Düdüdüdü. 
Nähert  man  sich  dem  Neste,  ruft  das  Männchen  kurz  und  ängstlich  tütü, 
tütüt,  während  das  Weibchen  ein  höheres,  durchaus  finkenartiges  Dili,  Dili 
ausstößt.  Manchmal  hängen  beide  Geschlechter  an  diese  Rufe  einen  schnurrenden, 


Acanthis  linaria  islandica. 


303 


harten  Triller:  dlll  ....  Ziemlich  selten  nur  singt  das  Männchen.  Dabei 
sitzt  es  gern  auf  einem  freien  Zweige  und  verbindet  die  angedeuteten  Kufe 
zu  einem  einfachen  Gezwitscher,  das  zwar  nicht  laut,  aber  recht  fröhlich 
klingt.  Mitunter  wird  dieses  Geplauder  minutenlang  fortgesetzt.  Ausnahms- 
weise fliegt  der  Vogel  dabei  auch  zitternd  ein  Stück  in  die  Höhe,  um  sidi 
aber  sofort  wieder  ins  Gebüsch  zu  werfen. 

Die  Jungen  werden  von  beiden  Eltern  fleißig  gefüttert,  soweit  die 
von  mir  untersuchten  Magen-  und  Kropfinhalte  erkennen  ließen,  besonders 
mit  kleinen  Insekten,  am  häuflgsteu  mit  den  grünen  Spannerraupen,  die  in 
Menge  an  den  Birken  sitzen,  sowie  mit  grünen  Blattläusen.  Von  dem 
eifrigen  Umhersuchen  in  den  dichten  Gebüschen,  deren  Zweige  und  Blätter 
harzigen  Saft  absondern,  wird  das  lockere,  weiche  Gefieder  der  alten  Vögel, 
vor  allem  au  Kopf  und  Unterseite,  oft  sehr  beschmutzt  und  zusammen- 
geklebt, wodurch  sie  sich  nach  der  Brutzeit  erheblich  von  den  sauberen 
Jungen,  denen  freilich  auch  das  Rot  an  der  Brust  vollständig  fehlt,  an  der 
Stirn  nur  als  trübes  Orange  augedeutet  ist,  unterscheiden.  Nach  1 V2  Ws 
2  Wochen  verlassen  die  jungen  Vögel  das  Nest,  halten  sich  zunächst  ziemlich 
versteckt,  machen  sich  aber  durch  ihr  eifriges  Locken,  ein  scharfes  Ti  Titi 
oder  Tu  Tütü,  bemerkbar.  Die  Familien  bleiben  anfänglich  beisammen, 
verlassen  jedoch  häufig  den  engeren  Nistbezirk  und  streifen  in  der  Nach- 
barschaft umher.  Am  16.  Juli  beobachtete  ich  in  der  Nähe  von  Hals  nur 
alte  Paare,  die  erste  Familie  am  18.  Juli  beim  M^vatn.  Von  dieser  Zeit 
an  sah  und  hörte  ich  kleine  Scharen  junger  und  alter  Vögel  fast  täglich. 
Sie  setzten  sich  oft  viertelstundenlang  auf  die  abgeschnittenen  Birken,  die 
man  in  Reykjalid  unmittelbar  vor  meinen  Fenstern  aufgestellt  hatte,  besuchten 
auch  häufig,  besonders  in  den  Mittagsstunden,  den  von  Unkraut  überwucherten 
Kartoffel-  und  Gemüsegarten  am  Hause.  Hier  huschten  die  jetzt  recht 
lebhaften  Tierchen  hurtig  am  Boden  umher  und  lasen  die  herausgefallenen 
kleinen  Samen  von  Stellaria  media,  Rumex  und  Polygonum  auf,  mit  denen 
sie  Kropf  und  Magen  vollstopften.  Bei  der  Ankunft  und  vor  dem  Weg- 
fliegen riefen  sie  jedesmal  sehr  eifrig,  gewölmlich  das  kurze  Tütü,  seltener 
siwibttb  siwibüb  sibibibübübübü.  Um  diese  Zeit  sah  ich  einzelne  Vögel 
wiederholt  auch  auf  den  Lavamauern  in  der  Nähe  der  Häuser  sitzen,  ja 
traf  sie  selbst  auf  völlig  kahlen  Lavafelseu.  Der  engere  Zusammenhang 
der  Familie  hört  aber  etwas  auf;  besonders  alte  Männchen  fand  ich  einige 
Male  ganz  allein  in  abgeschlossenen  Bezirken.  Die  jüngeren  Vögel  streichen 
weit  im  Lande  umher,  werden  freilich  nicht  immer  richtig  erkannt  und  liäufig 
wohl  für  Wiesenpieper  gehalten.  Am  4.  August  beobachtete  ich  eine  Schar 
Leinfinken  auf  dem  Kirchhofe  von  Einarstadir,  obwohl  sich  in  dieser 
Gegend  kein  Buschwald  findet.  Die  Vögel  benahmen  sich  außerordentlich 
unruhig,  hüpften  und  liefen  fortwährend  umher,  zeigten  sich  einen  Augenblick, 
verschwanden  aber  sofort  wieder  zwischen  den  Pflanzen,  flogen  blitzschnell 
ein  wenig  in  die  Höhe,  warfen  sich  von  neuem  zur  P]rde,  trieben  sich 
in  geschickten  Wendungen  durch  die  Luft,  wobei  sie  hastig  gigigigig  riefen, 
blieben  aber  stundenlang  an  demselben  Orte. 


304  Acanthis  linaria  islandica. 

Später  im  Herbste  versammeln  sieh  die  Leinfinkeu  in  den  Buschgebieten, 
vereinigen  sich  durch  eifriges  Locken  und  bilden,  wie  mir  z.  B.  der  junge 
Bauer  in  Skard  (Fnjöskätal)  versicherte,  der  die  Vögel  sehr  gut  kannte  und 
sie  im  Winter  aucli  aus  Interesse  schon  geschossen  hatte,  oft  Schwärme  von 
mehr  als  hundert  Stück.  Sie  scheinen  in  der  Regel  auf  Island  zu  über- 
wintern, streichen  freilich  von  Wald  zu  W^ald.  Durch  lebhaftes  Flattern 
schütteln  sie  den  Schnee  von  den  Büschen,  die  ihnen  immer  noch  als  liebste 
Ruheplätze  dienen,  suchen  aber  ihre  Nahrung,  kleine  Sämereien,  vielfach  auf 
wenig  beschneiten  Flächen,  besonders  in  der  Nähe  offener  Gewässer.  Ab 
und  zu  kommen  sie  auch  zu  Gehöften  und  Ortschaften.  Daß  es  sich  bei 
diesen  Wintervögeln  um  isländische  Leinfinken  liandelt,  wird  dadurch  bestätigt, 
daß  unsere  Art  im  Südlande  nur  ausnahmsweise,  auf  den  Vestmannaej^arn 
noch  garnicht  beobachtet  wurde,  wohin  die  Vögel  sicher  regelmäßig  kämen, 
wenn  sie  die  Insel  im  Herbste  verließen.  Genauere  Untersuchungen  nach 
dieser  Richtung  hin  sind  sehr  wünschenswert. 

Acanthis  linaria  rostrata  (Coues). 
Gröuliindischer  Leinfink. 

Camiahina  linaria  (L.)  var.  rostrata  Coues:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  289 
(1898).  —  Acanthis  linaria  gr'önlandica  Bp.:  Kleinschuiidt,  in  Naumanns  Vögeln 
Mitteleuropas  III,  S.  311  (1900).  —  Acanthis  flammea  rostratus  (Coues):  Hartert,  die 
Vögel  der  paläarktischen  ßegion,  S.  80  (1903).  —  Acanthis  flammea  rostrata  (Coues): 
Schalow,  die  Vögel  der  Arktis,  ö.  250  (1904). 

Isländisch:  Audnutitliugur  (partim). 

Acanthis  linaria  rostrata  brütet  wahrscheinlich  nur  in  Grönland  und  zwar  im 
südlichen  und  mittleren  Teile  beider  Küsten.  Sie  ist,  wie  schon  bemerkt,  größer  und 
besonders  im  Schnabelbau  wesentlich  stärker  als  A.  l.  islandica.  Wie  ich  mich  an 
Exemplaren  im  Kopenhagener  Museum  überzeugte  und  auch  Hartert  und  Schalow 
hervorheben,  scheint  das  Rot  an  der  Brust  selbst  bei  männlichen  Sommervögeln  ge- 
wöhnlich recht  blaß  zu  sein.  Ivleinschmidt,  der  nur  wenige  Exemplare  dieser  Kasse 
untersuchte,  gibt  freilich  gerade  als  Kennzeichen  an:  ,.Brust  und  Bürzel  des  Männchens 
im  Sommer  intensiv  karminrot." 

A.  l.  rostrata,  die  nach  Helms  in  den  Island  gegenüberliegenden  Küstengebieten 
Ostgrönlands  häufig  brütet  (Ornithol.  Monatsberichte  1904,  S.  70),  ist  nun  regelmäßiger 
Zugvogel,  weshalb  ich  vermute,  daß  sie  auch  Island  gelegentlich  oder  alljährlich  als 
Winter  gast  besucht  und  sich  hier  wahrscheinlich  schon  durch  etwas  andere  Lebens- 
weise und  Stimme  von  A.  l.  ialundica  unterscheiden  läßt. 

Acanthis  hornemannii  hornemannii  (Holb.). 
Großer  Leinfink. 

Linota  hornemanni,  Holböll:  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  17  (1901). 

Acanthis  hornemanni  (Holboell):  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XII,  p.256  (1888). 
—  Cannabina  linaria  (L.)  var.  canescens  auctorum:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  289 
(1898).  —  Acanthis  linaria  Hornemanni  (Holb.):  Kleinschmidt,  in  Naumanns  Vögeln 
Mitteleuropas  III,  S.  310  (1900).  —  Acanthis  hornemannii  hornemannii  (Holb.):  Hartert, 
die  Vögel  der  paläarktischen  Eegion,  S.  81  (1903).  —  Schalow,  die  Vögel  der  Arktis, 
S.  246  (1904). 

Isländisch:  Audnutitlingur  (partim),  groenlenzkur  Audnutitlingur. 

Diese  von  Acanthis  linaria  rostrata  sich  deutlich  unterscheidende  Art  trenne 
ich  trotz  aller  Ähnlichkeit  spezifisch  von  jener,  weil  beide  stellenweise  scheinbar  die- 


Fringilla  coelebs  coelebs.  qqk 

selben  Lokalitäten  bewohnen.  A.  h.  hornemannii  brütet  im  nördlicheren  Grünland,  an 
der  Westküste  kaum  südlicher  als  69o.  Andere  Brutgebiete  sind  unbekannt.  Wie 
Schalow  sehr  richtig  nachweist,  handelte  es  sich  bei  den  von  Fischer  auf  Jan  Mayen 
beobachteten  Vögeln,  die  als  unsere  Rasse  bestimmt  wurden,  wahrscheinlich  nur  um 
Gäste.  Ebensowenig  konnte  das  Brüten  einer  Acanthis-Art,  geschweige  denn  unserer 
Form,  auf  Spitzbergen  oder  gar  auf  Frauz-Joseph-Land  nachgewiesen  werden.  Wohl 
aber  besucht  A.  h.  hornemannii  im  Winter  gelegentlich  den  Osten  des  arktischen  Amerikas. 
Ihr  vereinzeltes  Vorkommen  in  England  und  Frankreich  dagegen  dürfte,  falls  nicht 
irrtümliche  Bestimmung  vorliegt,  zu  den  seltenen  Ausnahmen  gehören. 

Winge,  der  über  die  Verbreitung  uusrer  Art  in  Grönland  ausführlich  berichtet, 
hebt  besonders  hervor,  daß  A.  h.  hornemannii,  im  Gegensatze  zu  A.  l.  rostrata,  wesentlich 
Standvogel  ist,  der  in  der  Regel  in  Nordgrönland  überwintert  und  sich  nur  selten  in 
Südgrönlaud  zeigt.  Kolthoff,  Helms  u.  a.  stimmen  dem  bei.  Gerade  deshalb  dürfte 
A.  h.  hornemannii  nur  ausnahmsweise  als  Wintergast  nach  Island  kommen, 
wenigstens  viel  seltener  als  A.  l.  rostrata.  Ich  bezweifle  zunächst  auch  noch,  wie  dies 
Slater  teilweise  ebenfalls  tut,  die  richtige  Bestimmung  der  isländischen  Bälge,  die  für 
A.  hornemannii  ausgegeben  wurden  (S.  Slater,  l.  c;  Coburn,  Bull.  Brit.  Orn.  Club  XII, 
p.  15.  1901).  Unsere  Art  aber  für  den  Brutvogel  Islands  zu  bezeichnen,  wie  dies  von 
vielen  Autoren  geschieht,  ist  ganz  gewiß  falsch. 


108.  Fringilla  coelebs  coelebs  L. 

Buchfink. 

Fringilla  coelebs  L.:  Saemundsson,  Zoolog.  31eddel.  fra  Island,  S.  9  (1905). 

Fringilla  coelebs,  L.:  Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XII,  p.  171  (1888).  —  Fringilla 
coelebs  L. :  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  lU,  S.  331  (1900). 

Isländisch:  Bökfinki. 

Auch  dän.  &  norw.:  Bogfinke.     Schwed. :  Bofink. 

Fringilla  coelebs  coelebs  bewohnt  den  größten  Teil  Europas,  sowie  Westsibirien 
bis  zum  Irtisch,  das  westliche  Turkestan,  Fersien,  Kleinasicn  und  Palästina.  Nordwärts 
geht  unsere  Art  im  Ural  bis  etwa  zum  62.  Grade,  weiter  westwärts  bis  zum  Polar- 
kreise, vereinzelt  sogar  bis  zum  Nordkap  hinauf.  Auf  den  Britischen  Inseln  brütet 
sie  zahlreich;  die  Färöer  besucht  sie  als  Gast;  von  Grönland  und  anderen  arktischen 
Gebieten  ist  sie  dagegen  unbekannt.  Im  AVinter  streichen  die  Vögel  bis  Nordafrika, 
wo  sie,  besonders  auf  den  westlichen  Inseln,    durch  verwandte  Formen  vertreten  sind. 

Der  Buchfink  besucht  Ishmd  als  seltner  Wintergast,  scheint  aber 
bis  in  neuere  Zeit  übersehen  oder  mit  der  Schneeammer  verwecliselt  worden 
zu  sein.  Nur  wenige  Mitteilungen  liegen  vor.  B.  Saemundsson  lieobaclitete 
von  November  1901  bis  Mitte  April  1902  wiederholt  kleine,  ihm  vorläufig 
unbekannte  Vögel  bis  zu  10  Stück  beisammen  in  Gärten  von  Reykjavik,  die 
er  später  als  Buchfinken  feststellte.  Leider  glückte  es  nicht,  ein  Exemplar 
davon  einzufangeu,  und  mit  Beginn  milderer  Witterung  verschwanden  alle. 
Am  14.  Dezember  1902  sah  er  abermals  ein  einzelnes  Individuum  in  Rey- 
kjavik (1.  c).  P.  Nielsen  besitzt  dagegen  den  Balg  eines  männlichen  Buch- 
finken, der  am  10.  Januar  1902  tot  bei  Eyrarbakki  gefunden  wurde.  Einige 
Tage  später  beobachtete  er  selbst  ein  anderes  Exemplar  in  Gemeinschaft  mit 
Schneeammern.  Dieses  zeigte  sich  noch  am  24.  d.  M.,  war  aber  bei  —  lö'^  C 
und  viel  Schnee  sehr  herabgekommen.  Man  fütterte  den  Vogel  von  nun  an 
mit  Korn,  worauf  er  allmählich  munter  wurde  und  lustig  umhersprang  (in  litt.). 

20 
Hantzsch,  Vogelwelt  Islands. 


306  Passerina  nivalis  nivalis. 


Serinus  islandicus  Brehm. 


Loxin  serinus  (Scopnli):  Faber,  Prodromus,  S.  14  (1822)  und  Okens  Isis  XVII, 
S.  792  (1824).  —  Fringilla  islandica:  Faber,  Okens  Isis  XX,  S.  69  (1827).  —  Loxia 
serinus:  Krüper.  Namnannia  VII,  S.  64  (1857).  —  Loxia  serinus  Bechst.:  Preyer 
(&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  428  (1862).  —  Loxin  serinus  Scop.:  Newton,  in 
Baring-Goulds  Iceland,  p.  409  (1863).  —  Gröndal,  Tslcnzkt  fuglatal,  bis.  37  (1895). 

Serinus  islnndicus:  Chr.  L.  Brehm,  Vögel  Deutschlands,  S.  255  (1831).  —  Dryo- 
spiza  serinus  (L.):  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  371  (1877).  —  Serinus  serinus  (L.): 
Sharpe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  XII,  p.  368  (1888).  —  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  lU 
S.  273  (1900). 

Isländisch:  Gulur  (=  gelber)  Audnntitlingur. 

[Serinus  serinus  (L.)  ist  Brutvogel  von  den  Atlasländorn  und  Palästina  an  durch 
ganz  Siideuropa  bis  Norddeutschland.  In  Fabers  Zeiten  dürfte  er  freilich  regelmäßig 
nur  bis  Südwestdeutschland  gebrütet  haben.  England  besucht  er  auch  heutzutage 
recht  selten  als  Gast.  Doch  soll  er  ausnahmsweise  auf  den  Färöern  vorgekommen 
sein  (CoUin,  1.  c.).] 

Faber  erlegte  am  12.  September  1819  bei  Hüsavik  (66**  n.  Br.)  ein  junges  Weibchen 
einer  Vog^art,  die  er  zunächst  für  ,.Loxia  serinus^^  ansprach,  welche  Spezies  er  aber 
zu  dieser  Zeit  noch  nie  gesehen  hatte.  Er  beobachtete  außer  dem  erbeuteten  Stücke 
noch  mehrere  gleichartige  Individuen,  die  allen  Anzeichen  nach  im  Lande  erbrütet 
waren  und  sich  nun  zum  AVegzuge  anschickten.  Aus  Fabers  Schilderung  der  Vögel 
geht  deutlich  hervor,  daß  es  sich  nicht  um  „ein  verirrtes  Stück"  gehandelt  hat,  wie 
Hartert  z.  B.  angibt  (Paläarkt.  Vögel,  S.  83).  Leider  ist  die  Sendung  an  das  Kopen- 
hagener  Museum,  die  den  Balg  des  fraglichen  Vogels  enthielt,  wie  Faber  hervorhebt, 
verloren  gegangen.  CoUin  sagt  dagegen  nur  (1.  c),  daß  in  der  Sendung,  die  Faber 
im  Oktober  1819  von  Island  an  das  Museum  abgeschickt  hätte  und  bei  der  sich  nach 
Angabe  seiner  Liste  unser  Vogel  befunden  haben  sollte,  kein  Serinus-Balg  gewesen 
sei.  Nun  gibt  Faber  zwar  in  Okens  Isis  eine  genaue  Beschreibung  des  fraglichen 
Stückes,  die  er  sofort  nach  Erlegung  des  Vogels  anfertigte  und  die  auch  in  gewissen 
Punkten  auf  Serinus  serinus  paßt,  doch  schreibt  er  weiterhin  selbst,  daß  er  nach  Be- 
sichtigung von  Exemplaren  dieser  Art  gefunden  habe,  sein  isländischer  Vogel  sei 
größer,  wenn  auch  „kürzer  und  dicker  als  Loxin  chloris,  der  Schnabel  stark  und  in 
der  Form  wie  bei  Loxin  cJiloris"  gewesen.  Nach  diesen  Angaben  Fabers  stellte  Brehm 
seinen  Seri7ms  islnndicus  auf,  der  durchaus  nicht  mit  Serinus  serinus  (L.)  identifiziert 
werden  darf.  Ob  Faber  seinerzeit  ein  junges  Exemplar  der  ihm  ebenfalls  ungenügend 
bekannten  Äcnnthis  linaria  islnndicn  erlegt  hat,  was  noch  das  wahrscheinlichste  ist, 
da  die  Beschreibung  des  Benehmens  der  betreffenden  Vögel  vortrefflich  auf  diese  Art 
paßt,  oder  einen  verirrten  Gast  irgend  einer  anderen  Spezies,  dürfte  zu  entscheiden 
kaum  mehr  möglich  sein.  Auf  alle  Fälle  steht  lest,  daß  das  Vorkommen  von  Serinus 
serinus  in  Island  durch  nichts  bewiesen,  ja  von  Faber,  dem  einzigen  Urheber  dieser 
Mitteilung,  später  selbst  für  zweifelhaft  hingestellt  worden  ist. 

109.  Passerina  nivalis  nivalis  (L.)- 
Schneeammer. 

Emberizn  nivalis  (Linn.):  Faber,'  Prodromus,  S.  15  (1822).  —  Plectrophanes 
nivalis  Mey.:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  393  (1862).  —  Emberiza  nivalis 
Linn.:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  409  (1863).  —  Plectrophanes  nivalis  L.: 
Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  37  (1895).  —  Plectrophenax  nivalis  (Linn.):  Slater,  Birds 
of  Iceland,  p.  18  (1901). 

Plectrophanes  nivalis  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  346  (1877).  —  Plectro- 
phenax nivalis  (L.):  Sharpe,  Cat.  l^irds  Brit.  Mus.  XII,  p.  572  (1888).  —  Emberiza  nivalis 
L.:  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  301  (1898).  —  Plectrophenax  nivalis  (Linn.):  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  III,  S.  157  (1900). 


Passerina  Divalis  nivalis. 


307 


Isländisch:  Snjötitlingur  (von  snjm- =  Schnoe),  SOlskrikja  (von  sül  =  Sonno 
und  skrikja  =  schreien). 

Auch  deutsch:  Schneesperling.  Dan.:  Snespurv,  Sncvcrling.  Xorw.:  Snetitling. 
Schwed.:  Snösparf.     Fär.:  Snjöfuglur,  Snjötitlingur. 

Passerina  nivalis  nivalis  bewohnt  zirkumpolar  die  arktischen  und  subarktischen 
Gebirgsländer  der  Erde,  südwärts  bis  in  die  nördlichen  Küstengebiete  der  Kontinente 
vereinzelt  bis  zu  den  Shetland-Inscln  und  Schottland.  Nordwärts  fand  Foilden  sie 
unter  82*^33'  auf  Grinnell-Land  brütend;  Sverdrup  beobachtete  sie  noch  unter  84"  4;")' 
nordöstlich  von  Franz-Joseph-Land.  Sie  bewohnt  alle  Inselgebiete  im  Norden  von 
Asien,  anch  Nowaja  Semlja,  Franz-Joseph-Land,  Spitzbergen,  die  Eären-Insel,  das 
nördlichste  ßußland,  Lappland  und  Norwegen,  Jan  Mayen,  die  Färöcr,  alle  Küsten 
Grönlands,  wo  sie  noch  unter  83*^  14'  beobachtet  wurde,  sowie  das  ganze  arktische 
Amerika.  Im  Winter  streichen  einzelne  Scharen  gelegentlich  südwärts  bis  Nordafrika, 
den  Kanaren,  Japan  und  Nordchina,  sowie  über  einen  großen  Teil  der  Vereinigten 
Staaten.  —  Auf  der  Hall-  und  St.  Matthews-Insel  im  nördlichen  Berings-31ecre  wird 
unsere  Form  durch  die  weißere  P,  n.  hyperboreiis  (Ridgw.),  auf  den  Aleuten  und 
bonachbartcn  Inseln  bis  zur  sibirischen  Küste  durch  die  größere  P.  n.  townsendi  (Ridgw.) 
vertreten. 

Iii  Island  gehört  die  Schneeammer  zu  den  häufigen  Brut  vögeln. 
Sie  meidet  in  der  Regel  nur  die  tiefliegenden,  ebenen  Gras-  und  Sumpf- 
landschafteu,  brütet  aber  bis  zu  den  Meeresküsten  hinab,  wenn  diese  nur 
etwas  felsiges  Terrain  aufweisen.  In  den  Gebirgen  geht  sie  bis  an  die  Schnee- 
grenze hinauf. 

Isländische  Brutvögel  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.: 
32— 38  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.:  155  -165  mm.  Flugbreite:  290  310.  Flügel:  103— 109. 
Schwanz:  66—75.  Schwanz  +  Flügel:  18—19.  Schnabel:  10-12.  Tarsen:  20,5-22. 
Die  kleineren  Maße  beziehen  sich  im  allgemeinen  auf  Weibchen.  —  Iris:  schwarzbraun. 
Augenlid:  schwarz.  Schnabel:  schwarz  (bei  ausgefärbten  Sommervögeln).  Seitliche 
Wülste  am  Schnabelgrunde:  ockergelb.  Inneres  des  Schnabels,  besonders  nach  den 
Winkeln  zu:  lebhaft  gelb,  bei  Weibchen  blasser.  Füße:  schwarz.  Sohlen:  bleigrau. 
Nägel :  kurz,  kräftig,  gekrümmt,  schwarz  mit  hellerer  Untei-seite. 

Die  Schneeammer  ist  gi-ößtenteils  Standvogel  auf  Island.  Sie  wählt 
zum  Aufenthalte  alle  möglichen  felsigen  Gebiete,  wilde  Lavafelder  und  ein- 
same Gebirgspartien,  die  mit  Geröllbroeken  überstreut  sind  und  oft  nur  eine 
dürftige  Pflanzenwelt  besitzen.  Ortlichkeiten,  wo  harter  Sommerschnee  an 
Hängen  und  in  Tälern  lagert,  sind  ihr  besonders  angenehm.  Auch  liebt  sie 
die  Nähe  rauschender  Gebii-gsbäche,  sowie  jene  versteckten  Täler,  die  in 
ihrem  Grunde  einen  kalten,  klaren  See  bergen.  Doch  ist  sie  nicht  aus- 
schließlich Gebij-gsbcwohnerin.  Ich  traf  sie  brütend  auch  im  Lavagel>iete 
beim  M^vatn  und  ])ingvallavatn,  wiederholt  an  felsigen  Äleeresgestaden, 
nü-gends  freilich  so  zahlreich,  wie  auf  Grimsey.  Hier  erinnern  die  Schneo- 
ammern  sehi-  an  unsere  Haussperlinge,  sind  aber  noch  zutraulicher  und 
schmucker  im  Gefieder.  Oft  lassen  sie  den  Menschen  bis  auf  2—3  m  henin- 
kommen,  bevor  sie  entweichen.  Freilich  werden  sie  auch  kaum  verfolcft, 
zumal  Katzen  und  Hunde  auf  der  Insel  fehlen  und  Raubvögel  sich  nur  als 
seltne  Besucher  einstellen.  Gern  sitzen  die  Schneeammern  auf  den  gras- 
bewachsenen Dächern  der  Häuser,  auf  Steinmauern  oder  Mooshfigeln  und 
lassen  die  Sonnenstrahlen  in  das  aufgeblähte  Gefieder  scheinen.  Behaglich 
ducken  sie  sich  dabei  nieder  und  schließen  fast  die  Augen,  sodaß   ich    l)ei 

20* 


3()3  Passeriiia  nivalis  nivalis. 

meiner  Ankunft  auf  Grimsey  einen  solchen  Vogel  für  ein  totes  Exemplar 
hielt  und  ergreifen  wollte.  Doch  flatterte  dieser  noch  rechtzeitig  davon. 
Auch  anderwärts  sind  die  Schneeammern  in  der  Regel  zuti-aulicli,  beim  Neste 
mitunter  fast  dummdreist.  Ab  und  zu,  besonders  außerhalb  der  Brutzeit, 
trifft  man  freilich  auch  Vögel,  die  jeder  Annäherung  auf  Schußweite  ängst- 
lich ausweichen  und  sich  geschickt  zu  verstecken  wissen.  Wahrscheinlich 
liandelt  es  sich  dabei  um  ziehende  Exemplare  oder  um  eingeschüchterte  In- 
dividuen, die  vielleicht  dem  Steinfalken,  ihrem  argen  Verfolger,  noch  glücklich 
entrojmen  sind.  Dieser  erspäht  sie  leicht  genug,  weil  sie  gern  auf  freien 
Fclszacken  sitzen  und  sich  von  da  aus  langsam  flatternd  fortbegeben.  In 
mehi-eren  Fällen  konnte  ich  an  den  Überresten  der  Mahlzeit  dieses  Räubers 
unsere  Vogelart  als  seine  Beute  erkennen. 

Größere  Sti-ecken  sieht  man  die  Schneeammer  selten  durchfliegen.  Be- 
sonders im  Brutgebiete  könnte  mau  sie  für  recht  scliwerfällig  lialten.  Treiben 
sich  aber  zwei  Vögel,  so  staunt  man  über  die  blitzschnelle  Vorwärtsbewegung 
und  die  leichten  Schwenkungen  der  sonst  etwas  ti'ägen  Tiere.  Die  Männchen 
haben  auch  einen  Balzflug,  den  ich  auf  Grirasoy  während  der  ganzen  Zeit 
meines  Aufenthaltes  täglich  beobachtete.  Flatternd  und  gewöhnlich  dabei 
singend  erhebt  sich  der  Vogel  einige  Meter  hoch,  manchmal  fast  senkrecht, 
in  die  Luft,  worauf  er  lebhaft  rüttelnd  an  derselben  Stelle  verharrt  und 
endlich  ohne  Plügelbewegung  schräg  abwärts  schwebt.  Besser  als  in  der 
Luft  ist  die  Schueeammer  jedoch  am  Boden  zu  Hause,  wo  sie  den  größten 
Teil  ihres  Lebens  zubringt.  Sie  versteht  es  meisterhaft,  sich  zwischen  den 
Felsblöckeu  zu  verbergen,  obwohl  sie  im  Gefühle  der  Sicherheit  gern  auf 
erhöhten  Plätzen  ruht.  Recht  schnell  kann  sie  laufen  und  auch  mit  gleichen 
Füßen  rasch  umherhüpfen,  was  besonders  die  jungen  Vögel  gern  tun.  Bei 
der  Nahrungssuche  klettert  die  Schneeammer  in  Erd-  und  Steinlöchern  um- 
her, schläft  auch,  besonders  bei  ungünstiger  Witterung,  an  solchen  Plätzen. 
Wenn  sie  Junge  hat,  begibt  sie  sich  sogar  in  feuchte  Höhlen,  wo  sie  weiche 
Insekten,  Würmer  und  andere  kleine  Tiere  findet,  mit  denen  sie  ihi-e  Nach- 
kommenschaft vorzugsweise  füttert,  wie  ich  wiederholt  aus  nächster  Nähe 
beobachtete.  Sonst  fand  ich  in  den  von  mir  untersuchten  Magen  nur  kleine 
Sämereien.  Einmal  sah  ich  auch  ein  altes  Männchen  eifrig  in  dürftigen 
Gräsern  zupfen  und  kräftig  mit  den  Füßen  scharren.  Die  starken,  gebogenen 
Nägel  sind  für  eine  solche  Tätigkeit  wohl  geeignet. 

Die  Fortpflanzungszeit  der  Sclmeeammer  ist  bedeutenden  Schwan- 
kungen unterworfen.  Mitunter  mögen  alte  Vögel  schon  sehr  zeitig  im  Jalu-e 
mit  dem  Nestbaue  l>eginnen.  Ich  fand  ti-otz  ungünstiger  Witterung  bereits  am 
9.  Mai  ein  fast  fertiges  Nest  bei  Reykjavik.  Nach  Fabers  (1.  c.)  und  Thiene- 
manns  Angaben  (Fortpfl.  d.  ges.  Vögel,  S.  374)  beginnt  die  Legezeit  ge- 
wöhnlich Anfang  Juni,  was  für  die  Gebirgsvögel  als  Regel  gelten  mag. 
Faber  fand  jedoch  im  Südlande  auch  schon  am  18.  Juni  Mgge  Junge. 
Krüper  erhielt  in  Nordisland  am  25.  Mai  ein  stark  bebrütetes  Gelege  und 
fimd  ein  ebensolches  am  28.  Mai  auf  Drangey,  am  4.  und  12.  Juni  fi-eilicli 
wieder  ziemlich  frische  (Naumanuia  1857,  S.  65).    Andere  Reisende  erwähnen 


rasseriiia  nivalis  nivalis 


309 


gleichfalls  die  verschiodono  Legezeit,  ohne  eine  Erklärung  liierliir  zu  gehen. 
So  berichtet  Pearson,  daB  er  frische  Eier  vom  18.  bis  29.  Juni  gefunden 
habe,  jedoch  am  16.  desselben  Monats  schon  ein  Nest  mit  Jungen  (Ibis 
1895,  p.  242).  Auch  Slater  bemerkt  (1.  c,  p.  19),  daß  manchmfd  bereits 
Ende  Juni  befiederte  Vögel  angetroffen  würden,  obwohl  es  zu  dieser  Zeit 
noch  frische  Eier  gäbe.  Riemschneider  beobachtete  am  24.  Juni  flügge  und 
halbflügge  Tiere  im  Gebiete  des  M^vatn  (Ornithol.  Monatsschrift  1890,  S.  280). 
Ich  selbst  war  erstaunt,  während  der  ganzen  Zeit  meines  Aufenthaltes  in 
Grimsey  halbfertige  Nester,  frische  Gelege,  eben  ausgeschlüpfte  und  völlig 
befiederte  Junge  anzutreffen.  Dies  wäre  nicht  auffällig,  wenn  es  sich  um  , 
klimatisch  verschiedene  Lokalitäten  handelte  oder  um  Gegenden,  in  denen 
die  Vögel  unter  Verfolgungen  leiden  müßten;  hier  auf  Grimsey  aber  ist  die 
Schneeammer  deutlich  erkennbaren  widernatürlichen  Beeinflussungen  nicht 
ausgesetzt.  Vielmehr  scheint  unsere  Art  bei  ihrer  Verbreitung  in  arktischen 
Gebieten,  in  denen  sie  von  alters  her  lokal  und  temporär  erheblichen  klima- 
tischen Schwankungen  ausgesetzt  war,  die  Eigenschaft  entwickelt  zu  halben, 
keinen  bestimmten  Termin  für  das  Fortpflanzungsgeschäft  innezuhalten;  denn 
durch  Nahrungsmangel,  Kälte  und  Schnee  würden  die  zarten  Jungen  leicht 
getötet  werden.  Ältere  Paare,  die  als  Standvögel  unbeschädigt  über  den 
Winter  gekommen  sind,  die  Nahrungsquellen  der  Gegend  genau  kennen  und 
vom  Vorjahre  bereits  eine  wohlgeschtttzte  Niststätte  besitzen,  beginnen  zuerst 
mit  dem  Brutgeschäfte.  Jüngere,  ungepaarte  Tiere  dagegen  und  solche, 
denen  der  andere  Teil  während  des  Winters  durch  Wegzug  oder  Tod  ver- 
loren ging,  oder  die  selbst  davongezogen  waren,  verspäten  sich  mit  der  Fort- 
pflanzung aus  leicht  ersichtlichen  Gründen.  Auf  Grimsey  scliienen  einzelne 
Männchen  überhaupt  ledig  zu  bleiben,  vielleicht  aus  Mangel  an  weiblichen 
Tieren.  Solche  Verhältnisse  würden  aber  die  Paarung  der  übrigen  Vögel 
gleichfalls  aufhalten.  Unterdessen  haben  die  zuerst  zur  Brut  geschrittenen 
Paare  bei  günstiger  Witterung  schon  Junge  gezeitigt  und  beginnen  mit  einem 
zweiten  Gelege.  Icli  erhielt  auf  Grimsey  noch  am  8.  Juli  ein  Nest  mit 
2  frischen  Eiern,  was  ich  weder  als  verspätete  erste  Brut,  noch  als  Nach- 
gelege einer  zerstörten  halten  mochte.  Außerdem  wurde  mir  in  den  ersten 
Tagen  des  Juli  ein  Nest  gezeigt,  au  dem  die  Vögel  noch  bauten.  Um  diese 
Tätigkeit  zu  beobachten,  setzte  ich  mich  in  geschützte  Nähe.  Das  aus- 
gefärbte, alte  Männchen  des  Paares  war  sehr  unruhig  und  flog  l)eständig  ab 
und  zu.  Auf  einmal  bemerkte  ich  in  dem  benachbarten  Wiesengrunde  eine 
junge  Schneeammer.  Zu  dieser  flog  nun  der  alte  Vogel  mehrere  ^lale 
hin  nud  fütterte  das  ihm  entgegenlaufende  Tier  mit  Fliegen,  die  er  vorher 
nach  Bach  Stelzenart  fing.  Ferner  sah  icli  Anfang  Juli  an  verschiedenen 
Orten  Grimseys  junge  Schneeammern,  die  ohne  die  Alten  umherliüpften, 
wälu-end  mir  zu  gleicher  Zeit  fi-ische  Gelege  gebracht  wurden.  Freilich 
dürfte  immerhin  nur  ein  geringer  Prozentsatz  der  Vögel  und  auch  l)loß 
unter  günstigen  Verhältnissen  zweimal  im  Jalu-e  Junge  großziehen,  diese 
zweite  Brut  aber  im  folgenden  Frülilinge  doppelt  spät  ov<f  zur  Fnitiinnn/iing 
schi-eiten. 


310  J'assorina  nivalis  nivalis. 

Als  Nistplatz  wählen  die  Schnccammern  Steiuhöhlen  oder  Erdlöcher 
au  Abhängeu.  Oft  steht  das  Nest  20 — 40  cm  tief  im  Hintergründe  und 
ist  von  außen  gar  nicht  zu  bemerken.  Auf  Grimsey  brüten  die  Vögel  viel- 
fach in  den  Zwischenräumen  der  Basaltsteine,  aus  denen  die  Umzäunungs- 
wälle und  die  Grundmauern  der  Häuser  gebaut  sind.  Sie  scheuen  hier  die 
Nähe  der  Menschen  sehr  wenig,  weshalb  man  ihre  Nistplätze  vielfach  kennt, 
jedoch  fast  immer  unberührt  läßt,  weil  man  nicht  versteht,  derartig  kleine 
Eier  auszublasen.  Andere  Paare  brüten  in  den  Felsbildungen  im  Inneni  der 
Insel,  eine  weitere  Zahl  in  allen  möglichen  kleinen,  trocknen  Erdhöhlen, 
sowie  aufMligerweise  inmitten  der  Brutkolouien  der  Seevögel.  Die  Schnee- 
ammern lassen  sich  hier  dm-ch  den  fortwälirendeu  Lärm  solcher  Vogelberge 
nicht  stören,  obgleich  sie  anderwärts  die  tiefste  Einsamkeit  unwegsamer  Ge- 
birge aufsuchen.  Doch  finden  sie  an  solchen  Örtlichkeiten  schon  im  zeitigen 
Frühjahi'e  eine  Unmenge  zur  Nahrung  dienender  Schmarotzeriusekten,  von 
denen  die  Felsenvögel  arg  heimgesucht  werden.  Beide  Teile  des  Paares 
tragen  das  Nistmatcrial  herbei,  das  Weibchen  aber  verarbeitet  dieses.  Es 
verschwindet  oft  minutenlang  im  Innern  der  Höhle,  während  das  Männchen 
sogleich  wieder  zum  Vorschein  kommt.  Die  Größe  des  Nestes  richtet  sich 
ganz  nach  der  xlusdehuuug  des  Hohlraumes.  Die  Mulde  ist  oft  ein  wenig 
länger  als  breit,  im  Durchmesser  etwa  8 — 11,  in  der  Tiefe  1 — 3  cm.  Das 
meist  reichliche  Material  wird  nur  lose  zusammengelegt.  Äußerlich  besteht 
das  Nest  aus  Halmen  und  andern  feinen  Pflanzenstoffen,  innerlich  aus  einer 
Schicht  Haaren,  Wolle  und  Federn.  Gewöhnlich  beti-ägt  die  Zahl  der  Eier  5, 
ziemlich  häufig  auch  6,  seltner  7  oder  4  Stück.  Doch  fand  ich  auf  Grimsey 
sogar  bebrütete  Gelege  von  3  Stück.  Ein  im  Unterbaue  der  Kirche  dasel))st 
befindliches  Gelege  von  5  Eiern  wurde  in  14  Tagen  gezeitigt. 

Einige  Grimseyer  Gelege  meiner  Sammlung  besitzen  folgende  Maße:  24,8  x  15,9  mm 
(0.19  g),  24,6x16  (0,195),  24.2x15,9  (0,19),  23,7x16,2  (.0.19).  23,4x16  (0.19).  — 
22,2x15,8  (0,15),  21,6x16,5  (0,15),  21,5x15,8  (0,15),  21,2x16.3  (0,15).  —  19,9  x 
15,5  (0,15),  19,9x15,5  (0.145),  19,9x15,4  (0,145).  19,7x15,3  (0,145),  19,5x15.8 
(0,14).  —  19,9  X  15,5  (0,145),  19,6  x  15,3  (0,145),  19,6  x  15,2  (0,145),  19,4  x  15,2  (0,15), 
19,3  X  15,2  (0,145),    19,2  x  15,2  (0,14).  —   Voll  wiegen   die  Eier  durchschnittlich  4  g. 

In  der  Nacht  sitzt  das  Weibchen  oft  schon  vor  der  Vollendung  des 
Geleges  auf  dem  Neste.  Die  wü-kliche  Brutdauer  beträgt  etwa  14  Tage. 
Das  Weibchen  übernimmt  den  Hauptanteil  am  Brutgeschäfte  und  läßt 
sich  täglich  nur  kurze  Zeit  vom  Männchen  darin  ablösen.  Aber  auch  dann 
läuft  es  in  unmittelbarer  Nähe  vom  Nistorte  umher  und  pickt  eifrig  im 
Grase.  Das  Männchen  hält  sich  ebenfalls  ständig  in  dem  engbegrenzten 
Brutbezirke  auf  und  singt  mit  Ausnahme  einiger  Stunden  um  Mitternacht 
sehr  fleißig.  Dabei  sitzt  es  auf  einem  erhöhten  Felsblocke,  auf  der  Spitze 
einer  Steinpyramide  am  Wege  oder  auf  dem  Dache  eines  Hauses.  Wie  be- 
merkt, singen  die  Vögel  auch  häufig  im  kurzen  Bogenfluge.  Obwohl  die 
Leistungen  der  einzelnen  Männchen  recht  vei-scMeden  sind,  gibt  es  doch 
unter  ihnen  vortreffliche  Sänger,  deren  Stimme  in  Bezug  auf  Klangfarbe 
überaus  ansprechend  genannt  werden  muß.  Schon  Ende  April  vernalim  ich 
einfache  Strophen,  und  noch  am  10.  Juli  ließen  sich  die  Vögel  auf  Grimsey 


Passeriiia  nivalis  nivalis. 


311 


fleißig  hören.  Wenn  ich  in  der  Obevstube  des  Pfarrhofes  Midgardar  präpa- 
rierte, saß  oft  stundenlang  ein  altes  Schneearamennännc'hcn  auf  dem  Kreuze 
der  nahen  kleinen  Holzkirche  und  sang  zu  Hunderten  von  Malen  seine  wohl- 
lautende Strophe,  die  mich  ein  wenig  unterhielt.  Bei  den  einzelnen  In- 
dividuen variiert  der  Gesang,  ist  aber  bei  ruhiger  Gemütsverfassung  des 
Vogels  ziemlich  stereotyp.  Er  besteht  aus  weichen,  flötenden  Tönen,  die  an 
Stärke  und  Klangfarbe  an  die  Stimme  des  Hänflings  erinnern.  Ein  höheres, 
besonders  angenehmes  Wi  wechselt  ab  mit  einem  tieferen,  manchmal  etwas 
rauhen  Du  oder  Du.  Beide  Töne  werden  verschiedenartig  verlmndcn  und 
so  schnell  vorgeti-agen,  wie  man  sie  mäßig  spricht,  etwa:  wididu  widididu 
widiwidididu  widjidju  wididu,  uiduidör  widiuwid,  widüwidüwidüdiidü  widu. 
Zum  Schlüsse  folgen  oft  noch  eine  Menge  rasche  und  ungeordnete  Silben, 
ebenso  auch  während  des  Balzfluges,  wobei  sie  häufig  in  ein  lebhaftes  Ge- 
zwitscher übergehen.  Als  Lockruf  hört  man  während  der  Brutzeit  zumeist 
ein  feines  Titi,  Titli  (daher  vielleicht  der  isländische  Name  Titlm<jw),  seltner 
ein  schärferes,  lebhaftes  Tititi,  dami  und  wann  auch,  besonders  vom  Männchen, 
ein  weiches  Du,  das  an  den  Gesangston  erinnert.  Im  zeitigen  Frühjaln-c  vernahm 
ich  häufig  ein  leises  Trillern,  etwa  Triii,  manchmal  ein  warnend  gezogenes  Dil. 

Sind  die  Jungen  ausgeschlüpft,  so  werden  sie  in  den  ersten  Tagen 
noch  von  dem  Weibchen  bedeckt  und  vorzugsweise  von  dem  Männchen  ge- 
füttert. Unermüdlich  ti-ägt  dieses  auch  später  Insekten  herbei,  während  sich 
das  Weibchen  nun  etwas  von  den  Unannehmlichkeiten  des  Brutgeschäftes 
erholt.  Nach  12 — 14  Tagen  verlassen  die  Jungen  das  Nest,  bleiben  aber 
noch  einige  Zeit  mit  den  Alten  zusammen.  Dann  lockern  sich  die  Familien- 
bande, auch  unter  den  Geschwistern.  Die  ersten  selbständigen  Jimgen  beob- 
achtete ich  am  29.  Juni  auf  Grimsey.  Viele  derselben  begeben  sich  auf  die 
Wanderschaft,  ziehen  im  Lande  umher  und  verlassen  Island  wohl  auch  im 
Spätherbste.  Die  älteren  Individuen  aber  bleiben,  oft  als  wahi-e  Standvögel, 
während  des  Winters  auf  unsrer  Insel,  scharen  sich  mitunter  zu  bedeutenden 
Schwärmen  zusammen  und  streichen  uahi-ungsuchend  umher,  wobei  sie  bis 
in  die  Städte  kommen.  Gröndal  berichtet,  daß  sie  hier  gern  Körner  und 
Brotkrumen  aufnähmen,  die  man  ihnen  vor  die  Häuser  würfe.  Höchstwahr- 
scheinlich befinden  sich  unter  diesen  winterlichen  Scharen  auch  Gäste  aus 
Grönland  und  andern  arktischen  Gebieten. 

Anmerkung:  Die  irrtümlicherweise  unter  dem  Namen  Montifringilla  nivalis 
Linn.,  Schneefiuk,  an  verschiedenen  Stellen  (z.  B.  Ornis  II,  S.  358)  von  Gröndal 
gemachten  Angaben  sollen  sich  auf  Fasserina  nivalis  beziehen.  Montifringilla  nivalis 
ist  für  Island  unbekannt. 

110.  Calcarius  lapponicns  lapponicns  (L.). 

Lerchensporuammer. 

Emheriza  calearata  (Temm.):  Faber,  Prodromus,  S.  15  (1822).  —  Fledrophanes 
calcarata  Meyer:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  428  (1862).  —  Embcriza 
lapponica  Linn.:  Newton,  in  Baring-Goulds  Icelaud,  p.  409  (18Ü3).  —  Fledrophanes 
lapponica  Jj.:  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  37  (1895).  —  Calcarius  lapponicns  {Unu.): 
Slater,  Birds  of  Icelaud,  p.  20  (1901). 


312  Calcarius  lapponicus  lapponicus. 

Plectrophanes  Lnpponica  (L.):  Collin,  Skaiidinnviens  Fugle,  S.  348  (1877).  — 
Calcarius  lapjwnicus  (L.):  Sharpe,  Cat.  Birds  lirit.  Mus.  Xll,  ]).  570  (1888).  —  Emberiza 
lapponica  (L):  Winf,'e,  Grönlands  Fugle,  S.  297  (18U8j.  —  Calcarius  lapponicus  (L.): 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  III,  S.  151  (1900). 

Isländisch:  Snjötitliugur  (partim),  Sportitlingur. 

Calcarius  lapponicus  lapponicus  ist  Brutvogel  der  arktischen  Region,  sowie  der 
angrenzenden  Gebiete,  meidet  aber  den  höchsten  Norden.  Häufig  bewohnt  unser  Vogel 
die  Tundren  Nordamerikas  und  Nordsibiriens,  auch  das  nördlichste  Eurüi)a,  besonders 
Lappland.  In  geringer  Zahl  scheint  er  auf  Nowaja  Semlja  zu  brüten,  auf  Franz-Joseph- 
Land  und  Jan  Mayen  wurde  er  vereinzelt  beobachtet,  auf  Spitzbergen  und  der  Bären- 
Insel  dagegen  noch  nicht.  Grönland  bewohnt  er  nicht  selten,  an  der  Westküste  bis 
■wenigstens  zu  73".  Im  Winter  kommt  er  nach  südlicheren  Gebieten,  gelegentlich  bis 
Nordchina,  Norditalien  und  dem  mittleren  Teile  der  Vereinigten  Staaten.  —  In  Alaska 
■wird  unsere  Form  durch  C.  l.  alascensis  Eidgw.,  in  Nordostasien,  besonders  auf  Kamt- 
schatka, durch  C.  l.  coloratus  Kidgw.  vertreten. 

Für  Island  kennt  man  die  Lerchenspornammer  nur  als  seltnen  Winter- 
gast. Höchstwahrscheinlicli  ist  sie  aber  vielfach  mit  der  Scbieeammer  ver- 
wechselt worden,  deren  Gesellschaft  sie  gern  aufsucht.  Sehr  wenige  Daten 
über  ihr  Vorkommen  sind  mitgeteilt.  Faber  beobachtete  einige  der  Vögel 
im  Frühlinge  1821  auf  dem  Südlande.  Gröudal  meldet  die  Erlegung  und 
Präparation  eines  Exemplars  aus  dem  Winter  1877  (Ornis  IL  S.  358).  Im 
Britischen  Museum  befindet  sich  ein  altes  Männchen  aus  der  Gouldschen 
Kollektion  (Cat.  XII,  p.  583). 

111.  Hirundo  rustica  rustica  L. 

Rauchschwalbe. 

Hirundo  rustica  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  20  (1822).  —  Cecropsis  rustica 
Boje:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  428  (1862).  —  Hirundo  rustica  Linn.: 
Newton,  in  Bariug-Goulds  Iceland,  p.  408  (1868).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  37 
(1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  14  (1901). 

Hirundo  rustica,  L. :  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  190  (1877).  —  Shai-pe,  Cat. 
Birds  Brit.  Mus.  X,  p.  128  (1885).  —  Hirundo  rustica  IL.  typica:  Winge,  Gnmlands 
Fugle,  S.  273  (1898).  —Hirundo  rustica  L. :  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas IV,  S.  191  (1901). 

Isländisch:  Svala,  Landsvala;  Bpejarsvala  (partim). 

Auch  dän.  &  norw. :  Svale.    Schwed. :  Svala.    Engl. :  Swallow.    Fär. :  Svali,  Sveala. 

Hirundo  rustica  rustica  bewohnt  Europa  und  das  angrenzende  Asien  bis  zum 
Jeuissei;  Aveiter  im  Osten  wird  sie  durch  H.  r.  gutturalis  Scop.  vertreten.  Im  Winter 
wandert  unsere  Form  südwärts  bis  Indien  und  Südafrika,  wo  als  Brutvögel  gleichfalls 
verwandte  Subspezies  leben.  H.  r.  rustica  brütet  noch  im  nördlichen  Rußland.  Finn- 
land und  Skandinavien,  ist  aber  jenseit  des  Polarkreises  eine  seltene  Erscheinung.  Auf 
Nowaja  Semlja  wurde  sie  einige  Male  als  Gast  beobachtet;  bei  Spitzbergen  und  Jan 
Mayen  soll  sie  ausnahmsweise  gesehen  worden  sein;  die  Färöor  besucht  sie  gelegentlich 
auf  dem  Frühjahrszuge.  Für  Grönland  ist  sie  wiederholt  festgestellt,  obwohl  sich  hier 
öfter  noch  die  amerikanische  H.  r.  erythrogastra  Bodd.  gezeigt  hat. 

Nach  Island  kommt  die  Rauchschwalbe  nur  als  gelegentlicher 
Sommergast,  besonders  zu  Anfang  dieser  Jahreszeit.  Daß  unter  den 
Vögeln  ausnalmisweise  auch  die  amerikanische  Rasse  verti-eten  sein  kann, 
ist  nicht  ausgeschlossen.  Über  das  Erscheinen  der  europäischen  Form  liegen 
zahlreiche  Angaben  vor.  Schon  Faber  teilt  mit,  daß  sich  im  Sommer  1820 
in  dem  Handelsplatze  Hafnarfjördr  bei  Reykjavik  ein  Paar  Rauchschwalben 


Hiniiido  rustica  nistica. 


313 


einstellte,  anfing  zu  nisten,  aber  plötzlich  wieder  verschwand.  Im  Nordlaudo 
sah  er  den  Balg  eines  andern,  im  Sommer  1818  daselbst  gefangenen  Exemplars. 
Gröndal  bericlitet,  daß  1875  ein  Paar  der  Vögel  nach  Reykjavik  kam  und 
ebenfalls  ein  Nest  zu  bauen  begann,  kurze  Zeit  darauf  aber  nicht  mehr 
gesehen  wurde.  Ein  einzelnes  Individuum  fing  man  am  12.  Mai  1881  in 
dem  schon  erwähnten  Hafnarfjörclr  (Ornis  II,  S.  356).  Den  12.  Mai  1887 
wurde  eine  Schwalbe  —  allem  Anscheine  nach  unsere  //.  rustica  —  auf 
Alptanes  (W.)  geschossen.  Am  15.  und  16.  Juni  desselben  Jahres  sah 
Gröndal  eine  solche  bei  Reykjavik  (Ornis  IX,  S.  89).  J.  V.  Havsteen  beob- 
achtete melirere  Male  Rauchschwalben  in  Akureyri  (N.),  woselbst  auch  ein- 
mal ein  Paar  erfolgTeich  gebrütet  haben  soll  (Müudl.  Mitteiluug).  St.  Ste- 
fänsson  sah  an  derselben  Örtlichkeit  ebenfalls  Rauclischwalben,  so  z.  B.  im 
Frühjahr  1893  (Nordurland,  4.  Okt.  1902).  Auf  den  Vestmannaeyjarn  wurde  die 
Ai't  nicht  selten  von  ]).  Jönsson  beobachtet;  einmal  hat  sie  dort  Eier  gelegt. 
Im  Frülijahre  1904  kamen  viele  Rauchschwalben  gleichzeitig  nach  Heimaey, 
hielten  sich  einige  TVochen  daselbst  auf.  verschwanden  alier  doch  wieder, 
ohne  Brutversuche  gemacht  zu  haben  (in  litt.).  In  Stykkisliolmr  (W.)  zeigten 
sich  2  I]xemplare  im  Sommer  1885  (Thorlacius).  Außerdem  gibt  Nielsen 
folgende  Orte  an,  wo  unsere  Art  beobachtet  wurde:  Baejarhreppur  (Stranda- 
S;fsla),  Loctmundarfjördr  (Sudr-]\Iiila-S.),  Seydisfjörch*  und  Dyrhölar  (Skapta- 
fells-S.),  Landeyjar  (Rdugilrvalla-S.).  Nielsen  selbst  konnte  bei  Eyrarbakki 
wiederholt  ihr  Vorkommen  feststellen.  Ein  Weibchen  wurde  hier  am  25.  Mai 
1879  tot  aufgefunden,  worauf  ein  anderer  Vogel,  wahrscheinlich  das  Männchen, 
die  Gegend  noch  mehrere  Tage  umflog.  Späterhin  sah  er  die  Art  am  30.  Juni 
1880,  9.  und  26.  Mai.  sowie  22.  August  1881,  3.  Mai  1882,  6.  Mai  1883, 
29.  Juni  1885,  23.  Mai  1890,  27.  April  1894,  1.  Juni  1895,  14.  Mai  und 
5.  Juni  1899,  2.  Mai  1901  und  1.  Mai  1902  bei  Eyrarbakki  (in  litt.). 

Tiefer  im  Innern  des  Landes  haben  sich  die  Vögel  scheinbar  nicht 
gezeigt.  Ein  völlig  sicherer  Nachweis  über  erfolgreiches  Brüten  liegt  eben- 
falls nicht  vor.  6  zusammengehörige  Vögel,  die  Nielsen  am  5.  Juni  1899 
beobachtete,  waren  zweifellos  alte  Tiere  und  nicht  etwa,  wie  vermutet,  eine 
Familie  mit  Jungen.  Zu  dieser  Zeit  sind  Mgge  Schwalben  für  Island 
unmöslich.     Ausnahmsweise   dürften  aber  doch  oinzeliie  Brüten  aufkommen. 


112.  Chelidonaria  urbica  urbica  (L.). 
Hausschwalbe. 

Hirundo  urbica  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  20  (1822).  —  Chdidon  urbica 
Boje:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  luuli  Jsland,  S.  429  (1862).  —  Chdidon  urbica  (Linn.): 
Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  408  (1863).  —  Hirundo  urbica  L.:  Gröndal, 
Islenzkt  fuglatal,  bis.  37  (1895).  —  Chelidon  urbica  (Linn.):  Slater,  Binis  of  Iceland, 
p.  15  (1901). 

Hirundo  urbica,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  194  (1877).  —  Chdidon 
urbica  (L.):  Shai-pe,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  X.  p.  87  (1885).  —  Chelidonaria  urbica  (L.): 
Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  IV,  S.  204  (1901). 

Isländisch:  Svala,  Bfejarsvala  (bsejar  ist  Genetiv  von  bter  =  Stadt,  Gehöfte)  partim. 


314  Chelidoiiaria  iirbica  urbica. 

Chelidonaria  urbica  urbica  bewohnt  Europa  und  geht  ostwärts  über  den  Ural 
nur  wenig  hinaus;  in  Sibirien  wird  sie  von  Ch.  u.  Zrt^q/;orfa  (Fall.)  vertreten.  Nordwärts 
brütet  unsere  Form  noch  in  Noidrußland  bis  ziemlich  zum  Polarkreise  hinauf,  sowie 
in  geringer  Zahl  auf  der  Kola-Halbinsel,  in  LaiJplaiul  und  in  Norwegen  bis  zum 
70.  Grade.  Bei  Kolguew  ließ  sich  ein  Exemplar  auf  ein  Schiff  nieder;  vom  Serrailikfjord 
in  Ostgröuland  erhielt  Helms  einen  Balg.  Auf  den  Britischen  Inseln  ist  Ch.  urbica 
bis  zum  Norden  hin  Brutvogel;  die  Eäröer  scheint  sie  aber  weit  seltner  als  H.  rustica 
zu  besuchen.  Im  Winter  ziehen  die  Vögel  südwärts  bis  Nordwestindien.  Zentralafrika 
und  zu  den  Kanarischen  Inseln. 

Auch  für  Island  kennt  man  die  Hausschwalbe  nur  als  recht  seltuen 
Sommergast,  der  freilich  möglicherweise  nicht  immer  richtig  von  der  vorigen 
Art  unterschieden  wurde,  wie  schon  die  Übereinstimmung  der  isländischen 
Namen  vermuten  läßt.  Gröndal  sagt  zwar,  die  Hausschwalbe  würde  ziem- 
lich oft  im  Lande  gesehen,  obgleich  sie  bald  wieder  verschwände  (Ornis  XI, 
S.  452),  scheint  aber  Daten  für  ihr  Vorkommen  auch  nicht  zu  kennen  (Vgl. 
Ornis  U,  S.  356).  Mit  Ausnahme  der  Notiz  Fabers,  daß  Anfang  Juni  1819 
ein  Paar  der  Vögel  nach  Hüsavik  (66"  n.  Br.)  gekommen  sei,  ein  Nest 
zu  bauen  begonnen  hätte,  bald  aber  wieder  verschwunden  wäre  (1.  c),  liegen 
bestimmte  Angaben  nicht  vor.  Doch  versiclierte  mir  Konsul  Havsteen,  daß 
sich  unsere  Art  ausnahmsweise  in  Akureyri  gezeigt  habe,  uud  p.  Jönsson 
behauptet  dasselbe  für  die  Vestmannaeyjar  (in  litt.). 

113.  Motacilla  alba  alba  (L.). 
Weiße  Bachstelze. 

Motacilla  alba  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  17  (1822).  —  Motacilla  alba  L.: 
Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  392  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds 
Iceland,  p.  409  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  36  (1895).  —  Slater,  Birds  of 
Iceland,  p.  12  (1901). 

Motacilla  alba,  L.:  CoUin,  Skandinaviens  Fuglo,  S.  235  (1877).  —  Sharpe,  Cat. 
Birds  Brit.  Mus.  X,  p.  464  (1885).  —  Motacilla  alba  L.  typica:  Winge,  Grönlands  Fugle, 
S.  278  (1898).  —  Motacilla  alba  (L.):  Naumann,  Vögel  Mitteleuropas  III,  S.  98  (1900). 

Isländisch:  Märiatla,  Zusammenziehung  von  Mariuerla  (=  Erla  der  Maria;  erla 
von  erill,  bezeichnet  nach  Gröndal  ein  geschäftiges  Hin-  und  Herlaufen). 

Auch  norw.:  Erle.     Schwed. :  Arla.     Fär. :  Erla. 

Motacilla  alba  alba  bewohnt  Europa  und  das  benachbarte  Asien  bis  etwa  zum 
Jenissei;  weiter  ost-  und  südwärts  wird  sie  durch  zahlreiche  verwandte  Formen  und 
Arten  vertreten.  Das  südwestliche  Asien  und  nördliche  Afrika  besucht  sie  auf  dem 
Zuge.  Nordwärts  brütet  sie  bis  zum  nördlichen  Rußland  und  Skandinavien,  wahr- 
scheinlich auch  noch  auf  Kolguew.  Für  Jan  Mayen  und  das  südliche  Grönland  ist  sie 
als  Sommergast  nachgewiesen.  Die  Färöer  besucht  sie  besonders  während  des  Zuges, 
brütet  aber  nur  gelegentlich  auf  den  Inseln.  Dasselbe  gilt  von  Großbritannien,  wo  sie 
als  Brutvogel  bloß  im  nördlichsten  Teile  regelmäßiger  vorkommt,  sonst  aber  durch 
M.  a.  lugubris  (Temm.)  vertreten  wird,  die  auch  Südwestnorwegen,  Holland  und  Nord- 
westfrankreich bewohnt  und  gelegentlich  nach  Island  gelangen  könnte. 

Die  weiße  Bachstelze  findet  sich  in  Island  als  nicht  seltner  Brut- 
vogel. Sie  ist  über  das  ganze  Gebiet  verbreitet,  von  den  Vestmannaeyjarn 
an  bis  Grimsey,  tritt  aber  nirgends  in  größerer  Anzahl  auf.  Sie  l)evorzugt 
als  AVohuplatz  tiefergelegene  Landschaften  an  stehenden  oder  fließenden 
Gewässern  oder  die  Nähe  des  Meeres.    Zumeist  trifft  man  sie  bei  Ortschaften 


Motaeilla  alba  alba 


315 


und  Gehöfteu,  wo  sie  freilich  oft  den  räuberischen  Katzen  zum  Opfer  fällt. 
Gern  hält  sie  sich  in  der  Nähe  des  weidenden  Viehes  auf.  Während  der 
Zugzeit  kommt  sie  auch  nach  völlig  unbewohnten  üfer-  und  Küstengegenden, 
meidet  aber  in  der  Regel  die  höhereu  Gebirge. 

Unter  den  zahlreichen  von  mir  beobachteten  Vögeln  konnte  ich  nur  die  gruii- 
rückige  M.  alba  antreffen.  Isländische  Exemplare  scheinen  sich  nicht  von  mittel- 
europäischen zu  unterscheiden.  Ein  ?ad.  meiner  Sammlung  vom  21.  Mai  1903  aus  der 
Gegend  von  Blönduös  (N.)  zeigt  folgende  Maße.  Gesamtlänge  i.  Fl. :  175  mm.  Flügel:  85. 
Schwanz:  93.     Schnabel:  11.     Tarsen:  21. 

Dieser  bekannte  Vogel,  der  in  Island  streng  geschützt  wird,  weshalb 
es  Schwierigkeiten  verursacht,  PJxemplare  zu  erbeuten,  zeigt  auf  unserer 
Insel  ganz  dasselbe  Benehmen,  als  anderwärts.  Er  ist  meist  recht  zutraulich 
und  setzt  sieh  gern  auf  die  Dächer  der  Häuser,  um  dort  sein  zwitscherndes 
Liedchen  anzustimmen.  Neugierig  läßt  er  sich  zur  Zugzeit  auch  auf  Seilen 
und  Stangen  der  Schifte  nieder,  selbst  wenn  sich  das  Land  in  deutlirh 
sichtbarer  Nähe  befindet. 

Die  Bachstelzen  sind,  wie  schon  bemerkt,  zumeist  Zugvögel  auf 
Island.  Ihre  Ankunft  erfolgt  in  den  südlicheren  Küstengegenden  gewöhnlich 
Ende  April.  Ich  erblickte  ein  einzelnes  Exemplar  am  28.  d.  M.  bei  Reykjavik, 
weitere  kleine  Scharen  erst  vom  5.  Mai  an.  Faber  nennt  als  Zeit  ihres 
Kommens  den  24.  April  (1.  c),  Gröndal  Anfang  Mai  (Ornis  II,  S.  609); 
Gunulaugsson  sah  1886  auf  Reykjanes  die  ersten  Bachstelzen  am  24.  April, 
häufiger  vom  9.  Mai  an  (Ornis  VIII,  S.  344).  p.  Jönsson  bezeichnete  mir 
als  Termin  ihrer  Ankunft  auf  den  Vestmannaeyjarn  den  15. — 30.  April  (in 
litt.).  In  Nordislaud  und  auch  im  Innern  mögen  sie  aber  im  allgemeinen 
später  erscheinen.  Sobald  die  Paare  ihr  Brutgebiet  in  der  Nähe  eines  Gewässers, 
am  liebsten  eines  klaren  Baches,  gewählt  liaben,  beginnt  der  Bau  des  Nestes. 
Dieses  wird  an  Häusern,  in  Mauer-  oder  Erdlöchern  oder  Felsspalten  errichtet 
und  besteht  äußerlich  aus  Würzelchen,  Moos  und  Halmen,  innerlich  aber  ist 
es  dicht  mit  Haaren,  Schafwolle  und  Federn  ausgekleidet.  Die  Ablage  der 
5,  seltener  4  oder  6  Eier  erfolgt  mitunter  schon  Ende  Mai,  gewöhnlich  erst 
Anfang  bis  Mitte  Jimi. 

Ein- isländisches  Gelege  meiner  Sammlung  zeigt  folgende  Maße:  20,2x15,3  mm 
(0,13  g),  20,2x15,2  (0,12),   20,1x15,2  (0,125),   20,1x15,1  (0,12),  20x15,2  (0.125). 

Slater  fand  MggQ  Junge  ausnahmsweise  schon  am  11.  Juni,  Riem- 
schneider  ebensolche  am  24.  d.  M.,  ich  selbst  erst  am  6.  Juli  und  von  der 
Mitte  des  Monats  an  häufiger.  Zunächst  liegen  Berichte  über  ein  zweimaliges 
Brüten  in  besonders  günstigen  Jahren  nicht  vor.  Bis  zum  Wegzuge  bleiben 
die  Bachstelzen  in  Familien  beisammen  und  wandern  die  Flußläufe  abwärts 
dem  Meere  zu.  Ihre  Abreise  von  Island  soll  nach  Gröndal  oft  schon  im 
August  erfolgen  (Ornis  IX,  S.  92),  doch  sah  dieser  Berichterstatter  unsere 
Vögel  bis  zum  7.  September  bei  Reykjavik  (Ornis  II,  S.  609).  Faber  nennt 
als  Zeit  des  Wegzuges  Mitte  bis  Ende  September,  p.  Jönsson  (in  litt.)  als 
Hauptdurchzugstermin  für  die  Vestmannaeyjar  den  20.  September  bis  10.  Oktober. 
Ein  gelegentliches  Überwintern   uusrer  Art  in  Island  ist  besonders  in  der 


316  Anthus  pratensis. 

Nähe  offener  warmer  Gewässer  wohl  zu  erwarten.  Merkwürdigerweise  wurde 
mir  nur  auf  Grimsey  versichert,  daß  dies  hier  etliche  Male  beobachtet 
worden  sei. 

114.  Anthus  pratensis  (L). 
"Wicsenpiepev. 

Anthus  pratensis  (Bechst.):  Faber,  Prodronius,  S.  19  (1822).  —  Anthus  pratensis 
ßechst. :  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  394  (1862).  —  Anthus  pratensis 
(Linn.):  Newton,  in  ßaring-Goulds  Iceland,  p.  409  (1863).  —  Anthus  pratensis  L.: 
Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  36  (1895).  —  Anthus  pratensis  (Linn.):  Slater.  Birds  of 
Iceland,  p.  13  (1901). 

Anthus  pratensis  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  446  (1877).  —  Sharpe. 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  X.  p.  580  (1885).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  275  (1898).  — 
Naumann,  Vr.gel  Mitteleuropas  III,  S.  56  (lOOOj. 

Isländisch:  Grätitlingur  (von  grär  =  grau),  JJiifutitlingur  (püfa  ist  ein  kleiner 
Erdhügel,  wie  solche  der  Vogel  als  Versteck  liebt). 

Auch  fär. :  Gräatitling,  Grätitlingur. 

Anthus  pratensis  bewohnt  Europa,  die  südlichen  Länder  dieses  Erdteils  und 
ebenso  Nordafrika  jedoch  mehr  im  Winter.  Ostwärts  überschreitet  er  den  Ural  nur 
wenig;  auf  dem  Zuge  kommt  er  aber  nach  Turkestan,  Pcrsien  und  Kleiuasien.  Nord- 
wärts brütet  er  bis  Nordrußland,  wahrscheinlich  auch  auf  Kolguew,  in  Lappland  und 
dem  nördlichen  Skandinavien.  Auf  den  Britischen  Inseln  ist  er  ziemlich  häufig,  über- 
wintert auch  zahlreich  daselbst.  Die  Färöer  bewohnt  er  gleichfalls.  In  Grönland  soll 
er  dagegen  nur  einmal  an  der  Westküste  vorgekommen  sein. 

In  Island  ist  der  Wiesenpieper  ein  häufig- er  Brutvogel,  den  man  in 
allen  Teilen  der  Insel,  stellenweise  sogar  überaus  zahlreich,  antrifft.  Er 
bewohnt  in  Menge  die  Buschgebiete.  Charakteristisch  aber  ist  er  für  die 
hügligen  Graslandschaften  (isl.  I'üfulönd,  daher  j^üfutitlingur),  Hochmoore 
und  Heiden.  In  den  Gebirgen  geht  er  soweit  hinauf,  als  zusammenhängender 
Pflanzenwuchs  sich  findet.  Er  liebt  Abwechslung  im  Terrain,  braucht  aber 
die  unmittelbare  Nähe  des  "Wassers  nicht  unbedingt. 

Isländische  Exemplare  weichen  in  geringem  Grade,  aber  feststehend,  von  mittel- 
europäischen Wiesenpiepern  ab,  doch  habe  ich  nicht  genügend  Älaterial  aus  den 
dazwischenliegenden  Gebieten  zur  Verfügung,  um  eine  subspezifische  Absonderung  für 
berechtigt  zu  halten.  Bei  isländischen  Vögeln  erscheinen  die  ocker-  und  braungelben 
Töne  des  Gefieders  nur  angedeutet  oder  fehlen  gänzlich;  Kehle  und  Unterseite  sind 
weißlichgrau,  die  Weichen  mehr  oliven-  als  gelbbrännlich  überflogen,  die  Flecken  an 
der  Brust  groß  und  schwärzlich.  Die  Grundfärbung  des  Rückens  ist  nicht  gelblich- 
braun,  sondern  olivengrau,  mitunter  auffällig  ins  Graue  ziehend,  die  Fleckung  dunkel 
braunschwarz.  Vielleicht  ergibt  sich  für  Anthus  pratensis  Ahnliches,  wie  dies  neuerdings 
durch  Hartert  und  Kleinschmidt  für  Anthus  obscurus  (Lath.)  festgestellt  wurde.  Diese 
Art,  die  in  Skandinavien  lebhaft  weinfarbenen  Anflug  der  Unterseite  zeigt  (A.  rH2)estris 
Nils.),  läßt  solchen  bei  britischen  Exemplaren  vermissen  (A.  obscurus);  Eleinschmidt 
hält  sogar  für  möglich,  daß  die  Vögel  der  Färöer  noch  weiter  selbständig  verschieden 
sind.  Ebenso  vermute  ich  bei  Anthus  pratensis,  daß  die  gelblichen  und  bräunlichen 
Farbtöne  des  Gefieders  nach  Nordwesten  zu  blasser  werden  und  wenigstens  bei 
isländischen  Exemplaren  in  Weißgrau  und  Olive  übergehen.  —  Faber  glaubte  mit 
Brehm  (Okens  Isis  1827,  S.  46),  daß  isländische  Vögel  etwas  kürzer,  aber  möglicher- 
weise kräftiger  gebaut  seien,  als  mitteleuropäische,  was  ich  nicht  finden  kann.  Vielmehr 
stimmen  die  von  mir  untersuchten  Exemplare,  davon  4  in  meiner  Sammlung,  in  den 
Maßen  mit  hiesigen  Stücken  überein.  Sie  zeigen  als  Gewicht!.  Fl.:  16 — 18g.  Gesamt- 
Fl.:  137— 148  mm.     Flügel:  78— 81.      Schwanz :   60— 65.     Schwanz -f  Flügel : 


Anthus  pratensis.  ßj^y 

25—33.  Schnabel:  10,5—11,5.  Tarsen:  19,5—21.  Nagel  der  Hinterzehe:  8,2—13.— 
Iris:  braunschwarz.  Oberschnabel  und  Spitze  des  Unterschnabels:  dunkel  schwarabraun. 
die  übrigen  Teile  des  Unterschnabels  und  schmaler  Seitenstreif  am  Überschnabel:  hell- 
gelblich. Tarsen  und  Sohlen:  rötlichbraun  bis  lebhaft  gelblich.  Zehen,  besonders  an 
den  Gelenken:  dunkler  bräunlich.  Nägel:  bräunlich  bis  schwärzlich,  Unterseite  heller. 
—  Die  Magen  vuu  5  im  Frühsommer  geschossenen  Vögeln  enthielten  von  deutlich 
erkennbaren  StotTen:  Glücken,  Käferüberreste,  zweimal  sehr  kloine  grüne  Spannerraupen, 
andere.  Larvenhäute. 

Der  Wiesenpieper  ist  im  allgemeinen  ein  Zugvogel  für  Island,  der 
wenigstens  im  Süden  der  Insel  Ende  April  erscheint.  Faber  bezeichnet  als 
gewöhnlichen  Ankunftstermin  den  26.-28.  d.  M.,  was  auffällig  mit  meiner 
Beobachtung  übereinstimmt.  Ich  erblickte  die  ersten  Exemplare,  eine  Schar 
von  etwa  20  Stück,  am  27.  April  auf  dem  Kirchhofe  von  Reykjavik  und 
auf  benachbarten  Wiesenflächen.  Von  dieser  Zeit  an  sah  und  hörte  ich  die 
Yögel  täglich.  Tiefer  im  Innern  des  Landes  mögen  sie  freilich  je  nach  der 
Witterung  auch  später  erscheinen.  Gröndal  gibt  als  Ankunftstermin  für  die 
MiUa-Sysla  sogar  den  24.  Mai  au  (Ornis  IX,  S.  95).  Schon  in  den  ersten 
Tagen  lassen  die  Männchen  ihren  Gesang  hören  und  treiben  sich  hitzig 
umher,  wobei  sie  eifrig  locken.  Anfänglich  halten  sich  die  Vögel  noch 
scharenweise  zusammen  und  suchen  in  mehr  oder  weniger  losem  Verbände 
auf  schneefreien  Grasflächen  Nahrung.  Sobald  aber  die  Witterung  erlaubt, 
sondern  sich  die  Paare  ab  und  beziehen  ihre  Brutreviere,  was  im  allgemeinen 
in  der  zweiten  Hälfte  des  Maies  geschieht.  Zu  dieser  Zeit  ertönt  der  fröhliche 
Gesang  des  Männchens  am  anhaltendsten  und  belebt  die  einsamen  isländischen 
Landschaften  auf  das  angenehmste.  Kin-z  nach  der  Ankunft  tragen  sie  ihre 
Strophen  meist  von  einem  erhöhten  Platze,  besonders  von  einem  I]rdhügelchen 
oder  einem  Strauche  aus  vor.  Später  werden  sie  lebhafter  und  erheben  sich 
beim  Singen  gewöhnlich  über  dem  Nestbezirke  in  die  Luft.  Dieser  Balzflug 
ist  nicht  immer  gleich.  Manchmal  flattert  der  Vogel  nur  wenige  Meter  in 
die  Höhe,  beginnt  darauf  mit  seiner  Strophe,  läßt  sich  wieder  zur  Erde 
nieder  und  beendigt  sie  hier  im  Sitzen  oder  im  aufrechten  Laufe.  Andermal 
steigt  er  singend  zwanzig  und  noch  mehr  Meter  in  die  Luft,  flattert,  nur 
als  Punkt  sichtbar,  minutenlang  dahin  und  läßt  mit  kurzen  Pausen  seine 
liebliche,  lerchenartige  Stimme  erschallen.  In  der  nächtlichen  Dämmerung 
beobachtete  ich  wiederholt  AViesenpieper,  die  —  ganz  nach  der  Art  der 
Feldlerche  —  leise  aber  anhaltend  vom  Boden  aus  sangen,  wobei  sie  in  der 
Nähe  des  Nestes  niedergeduckt  und  halb  im  Schlafe  dasaßen.  Die  Stropher 
sind  nicht  immer  gleichartig,  bleiben  aber  stets  charakteristisch.  In  zusammen- 
hängenden Bezirken  ähneln  häufig  die  Lieder  der  einzelnen  Vögel,  doch  gibt 
es  ausgezeichnete,  mittelgute  und  recht  geringe  Sänger.  Der  Vortrag  beginnt 
mit  einzelnen  ziemlich  weichen  Tönen,  ungefähr  witewitewit.  Manchmal 
kommt  der  Vogel  über  diese  Stellen  gar  nicht  hinaus,  sondern  wiederholt  sie 
zu  Dutzenden  von  Malen.  Meist  aber  folgt  den  immer  rascher  werdenden 
Anfangstönen  ein  verschiedenartiges  Schmettern  und  Trillern,  das  wieder 
mit  langsam  gezogenen  Rufen  abwechselt.  Der  ganze  Gesang  ist  oft  über- 
aus melodisch  und  steht  zwar  an  Stärke  dem  von  Aut/ms  trivialis  nach, 
keineswegs  aber  an  Klangschönheit.     Die  Töne  sind,  entgegen  der  ziemlich 


318  Authus  pratensis. 

scharfen  Lockstinirae  des  Vogels,  durchgängig  weich  und  angenehm,  die 
Strophen  oft  so  abwechshiugsvoll,  daß,  wenn  man  an  sonnigen  Frühsoramer- 
tagcn  mehrere  Männchen  zu  gleicher  Zeit  aulialtend  singen  hört,  man  glauben 
könnte,  deutsche  Feldlerchen  zu  vernehmen.  Anfang  Juli  verstummt  allmäiilich 
der  Gesang.  Die  Locki'ufe  hört  man  indes  während  des  ganzen  Sommers 
hindurch  sehr  häufig.  Wenn  sich  die  Vögel  unter  blitzschnellen  Wendungen 
fliegend  umhertreiben,  vernimmt  mau  ein  hastiges  Ssss,  sonst  gewöhnlich 
ein  scharfes  Histhist  oder  ein  weicheres  Sitsit.  Diese  Rufe  werden  ein- 
oder  zweisilbig,  mitunter  auch  viele  Male  rasch  hintereinander  ausgestoßen. 
Beim  Neste  lassen  die  Vögel  meist  ein  ängstliches  Ti,  Titi  hören, 

Mitte  bis  Ende  Mai  beginnen  die  Paare  mit  dem  Baue  des  Nestes. 
Als  Platz  hierfür  wird  eine  trockne  Vertiefung  im  gTasigen  oder  busch- 
bewachsenen Boden  gewählt,  die  in  den  meisten  Fällen  einen  überhängenden 
Schutz  aufweist.  Manchmal  steckt  das  Nest  sogar  ziemlich  tief  in  einer 
seitlichen  Erdhöhle  und  ist  von  oben  gar  nicht  sichtbar.  Auch;  fand  ich  ein 
solches  in  einer  kleinen  Erduische,  die  glatt  und  gleichmäßig  von  den  Vögeln 
ausgerundet  war.  Im  übrigen  erkennt  man  die  fürsorgliche  Tätigkeit  der 
Alten  an  den  geschickt  zusammengebogenen  Grashalmen  und  sonstigen 
Pflanzen  Stengeln,  die  den  Eingang  verdecken.  Meist  findet  man  das  wohl- 
verborgene Nest  nur  durch  das  Abfliegen  des  brütenden  Vogels.  Nähert 
man  sich  freilich  auffällig  oder  geräuschvoll,  so  huscht  das  Weibchen  recht- 
zeitig- davon,  das  wachsame  Männchen  aber  schnellt  sich  ängstlich  in  die 
Luft  empor  und  beginnt  einen  wirbelnden,  sonderbaren  und  uur  allzu  ver- 
räterischen Flug,  wobei  es  lockt  und  hastig  singt.  Mitunter  läuft  auch  das 
Weibchen  wenige  Schi-itte  vor  dem  Menschen  in  ängstlicher  Sorge  lautlos 
dahin,  wodurch  mau  sich  nicht  ableiten  lassen  darf.  Das  Nest  selbst  wird 
so  gToß  hergestellt,  daß  es  den  Boden  der  kleineu  Erdnische  ausfüllt;  seiue 
innere  Mulde  hat  einen  Durchmesser  von  etwa  6  und  eine  Tiefe  von  2  cm. 
Es  ist  ordentlich  gebaut  und  zierlich  gerundet,  verliert  aber  durch  das 
Herausnehmen.  10  von  mir  untersuchte  Nester  bestanden  ziemlich  überein- 
stimmend äußerlich  von  Moos  und  gröberen  Pflanzenstengeln,  innerlich  aus 
feinen  Halmen  und  mitunter  einzelnen  Pferdehaaren.  Brütet  der  Vogel,  so 
schlingt  er  manchmal  noch  weiche  Halme  um  die  Eier,  in  welchem  Falle 
mau  nach  Wegnahme  derselben  deutlich  die  Lagerstelle  jedes  einzelnen 
bemerkt;  auf  dem  Grunde  der  Nestmulde  befindet  sich  dann  ein  wirkliches, 
wenn  auch  nur  undeutlich  aufgeflochtenes  Muster.  Die  Ablage  der  Eier 
erfolgt  selten  schon  Ende  Mai,  gewöhnlich  erst  im  Juni.  Doch  erhielt 
Krüper  ein  Nest  mit  4  frischen  Exemplaren  am  31.  Mai  im  Nordlaude 
(Naumannia  1857,  H,  S.  23).  Ich  selbst  fand  und  bekam  etwa  12  frische 
Gelege  in  der  Zeit  vom  5. — 14.  d.  M.,  Slater  noch  vom  25.  Juni  bis  15.  Juli, 
wobei  es  sich  teilweise  wohl  um  Nachgelege  gehandelt  hat.  AVenigstens 
kann  die  angegebene  Zahl  von  4—5  Stück  (1.  c,  p.  14)  kaum  als  Regel 
angesehen  werden.  Ich  fand  kein  volles  Gelege  uuter  5  Eiern,  melirere 
Nester  entliielten  aber  6,  eins  sogar  7  Stück.  Auch  Faber  bezeichnet  als 
Normalzahl  6,  als  Zeit  der  Ablage  im  Nordlande  Ende  Juni. 


Aiitlius  pratensis.  3^^ 

Isländische  Gelege  meiner  Sammluncr  zeigen  folgende  Maße:  19,4  x  14.")  mm 
(0,131  g),  19,3  X  14,2  (0.13),  19,2  x  14,2  (0,13),  19,1  x  14,2  (0,128),  18,8  x  14,5  (0,128).  - 
18,3x13,7  (0,124),  18.2x13,6  (0,124),  18,2x13,5  (0,124),  18x13,9  (0,125),  17,8  x 
13,8  (0.124),  17,6x13,7  (0,123).  —  18,2  x  14,2  (0,128),  18,1x13.6  (0,125),  18x14,1 
(0,127),  17,9x14,1  (0,127),  17,7x14  (0,126).  —  Das  Vollgewic-ht  von  mir  gewogener 
Exemplare  schwankte  zwischen  1,9  x  2,1  g. 

Die  Eier  werden  13—14  Tage  ))esouders  vom  Weibchen  bebrütet. 
Wenigstens  benimmt  sich  der  vom  Neste  abfliegende  Vogel  immer  still  und 
heimlich,  während  sich  der  andere  Teil  durcli  lebhaftes  Flattern  und  Singen 
bemerkbar  macht.  Wahrscheinlich  löst  aber  das  Männchen  doch  das  Weibchen 
gelegentlich  ab,  vor  allem  bei  ungünstiger  Witterung.  Sonst  wacht  es  in 
der  Nähe  des  Nestes,  singt  den  ganzen  Tag  über  sehr  fleißig  und  trägt  dem 
Weibchen  Insekten  herbei.  Sind  die  Jungen  ausgeschlüptt,  so  übernimmt 
es  den  Hauptteil  der  Fütterung,  ist  aber  recht  vorsichtig  und  wartet,  dabei 
eifrig  titi  rufend,  oft  lange  mit  dem  AVürmcheu  im  Schnabel,  bis  es  sich 
schnell  und  nur  für  einen  Augenblick  zum  Neste  begibt.  Krüper  fand  eben 
ausgekommene  Junge  bereits  am  12.  Juni  im  Fnjöskätale  (1.  c),  ich  sah  die 
ersten  am  22.  d.  M.  bei  Hjalteyri.  Doch  wurde  mir  auch  auf  Grimsey 
schon  am  1.  Juli  eine  Brut  von  4 — 5  Tage  alten  Vögeln  gezeigt.  Nach 
1  '/g  t)is  2  Wochen  sind  diese  flügge,  verlassen  aber  das  Nest  mitunter  schon 
eher  und  verbergen  sich  unter  Gestrüpp  und  Heidekraut.  Die  Familien 
halten  anfänglich  zusammen.  Die  Jungen  werden  sogar  noch  längere  Zeit 
nach  dem  Ausfliegen  von  den  Alten  gefüttert.  Später  vereinigen  sich  die 
AA^iesenpieper  einer  Gegend  zu  größereu  Scharen,  halten  aber  nicht  besonders 
eng  zusammen.  Man  sieht  sie  nun  weitverstreut  auf  sonnigen  Grasflächen 
umherlaufen,  wo  sie  geschäftig  Nahrung  suchen.  Oft  begegnet  man  ihnen 
auch  in  der  Nähe  der  Gehöfte,  besonders  auf  den  gemähten  Wiesen.  Doch 
sind  die  Vögel  ziemlich  scheu,  warnen  sich  gegenseitig  durch  eifrige  Lockrufe 
und  verstehen  es  ausgezeichnet  sich  zu  verstecken.  Langsam  weiterflatternd 
und  nur  ab  und  zu  ein  größeres  Stück  in  raschem  Fluge  dahineilend, 
streichen  die  Scharen  allmählich  die  Flußtäler  abwärts.  Oft  folgt  ilmen 
ein  beutegieriger  Steinfalke.  Ende  August  bis  Anfang  September  kommen 
sie  spätestens  in  die  Nähe  des  Meeres.  Mitte  bis  Ende  des  Monats  verlassen 
die  meisten  Vögel  unsere  Insel.  Nur  gelegentlich  sollen  sie  sich  bis  Anfang 
Oktober  auf  dem  Südlande  zeigen.  Höchstwahrscheinlich  überwintern 
jedoch  einzelne  Exemplare  an  warmen  Gewässern  im  Innern  Islands,  wie 
mii-  dies  beim  Laugarvatn  (Arness-S.),  in  dem  sich  heiße  Quellen  befinden, 
versichert  wurde. 

Anmerkung:  Am  5.  Mai  beobachtete  ich  bei  Reykjavik  einen  einzelnen  Pieper, 
den  ich  seiner  Größe  und  Färbung  nach  für  Anthus  obscurus  (Lath.)  ansprechen  mußte. 
Er  benahm  sich  ganz  anders  als  A.  pratensis,  lief  zwischen  den  tangbewachsenen  grüßen 
Steinen  am  Strande  umher,  verbarg  sich  oft  hinter  diesen  und  hielt  sich,  zumal  heftiger 
Wind  mein  Anpirschen  erschwerte,  beständig  in  größerem  Abstände  vor  mir.  Endhch 
schoß  ich,  glaubte  auch  gut  abgekommen  zu  sein,  konnte  aber  trotz  eifrigsten  Suchens 
nichts  von  dem  Vogel  finden.  Ich  muß  es  deshalb  leider  dahingestellt  sein  lassen,  ob 
es  sich  wirklicli  um  unsere  Art,  die  für  Island  neu  wäre,  gehandelt  hat.  A.  obscurus 
bewohnt  unter  anderem  Schottland,  die  Hcbriden,  St.  Kilda,  die  Orkneys  und  Färöer. 


320  Anorthura  troglodytes  borealis. 

Parus  salicarius  borealis  Selys. 
Xordiscbo   WeidenimMse. 

Parus  borealis:  Selys-Longchamps,  Bull,  de  l'Acad.  Roy.  de  Bruxelles  X,  Nr.  7, 
p.  28  et  Revue  Zoologique,  p.  213  (1843).  —  Parus  borealis,  Selys-Longchamps:  CoUin, 
Skandinaviens  Fugle,  S.  312  (1877).  —  Gadow,  Cat.  ßiids  Brit.  Mus.  VIII,  p.  51  (1883). 

—  Kleiuschmidt,  Ürnithol.  Jahrbuch  VIII,  S.  89  (1897).  —  Parus  salicarius  borealis 
(Selys-Longchamps):  Präzak,  in  Naumanns  VJlgeln  31itteleuropas  II,  S.  292  (1897). 

Isländisch:  Igda,  Keldigda  (==  Sumpi'nioise). 

Baron  Edm.  de  Selys-Longchamps  erhielt  durch  eine  französische  Expedition 
Surapfmeisenbälge,  die  angeblich  von  Island  stammen  sollten  und  die  er  1843  als 
Parus  borealis  beschrieb.  Diese  Typen  befinden  sich  noch  jetzt  in  der  Selysscheu 
Sammlung  zu  Longchamps-Waremme  (Belgien),  die  nach  dem  Tode  des  berühmten 
Ornithologen  in  den  Besitz  seines  Sohnes  Raphael  überging.  Herr  Baron  Raph.  de 
Selys-Longchamps  hatte  die  Güte,  mich  an  den  Verwalter  der  Sammlung,  Herrn 
Universitätsprofessor  .Julien  Fraipont  in  Lüttich  zu  empfehlen,  der  mir  freundlichst 
mitteilte,  daß  die  betreffenden  Bälge  nicht  aus  Island,  sondern  aus  Nonvegen  stammen, 
wie  Seh's  ja  selbst  auch  berichtigend  publiziert  und  auf  den  Etiketten  bemerkt  hat  (1885). 

Parus  atrieapillus  septentrionalis  Harr. 

Amerikanische  Weidenmeise. 

Parus  friyoris:  Selys-Longchanjps,  Bull,  de  l'Acad.  Roy.  de  Bruxelles  X,  Nr.  7, 
p.  28  (1843)  und  Naumannia  VI,  S.  393  (1856).  —  Parus  frigoris  Selys-Longchamps: 
Krüper,    Naumannia  VII,    S.  64  (1857).  —  Collin,    Skandinaviens  Fugle,   S.  312  (1877). 

—  Parus  septentrionalis,  Harris:  Gadow,  Cat.  Birds  Bi-it.  Mus.  VIII,  p.  45  (1883).  — 
Parus  atrieapillus,  race  scjdentrionalis  (Harris):  Selys-Longchamps,  Bull,  de  la  Soc. 
Zoolog,  de  France  IX,  p.  54  (1884).  — •  Parus  atrieapillus  Gmel. :  Präzak,  in  Naumanns 
Vögeln  Mitteleuropas  U,  S.  294  (1897). 

Isländisch:  Keldigda,  partim. 

Auch  diese  Art  wurde  von  Sel)'s  nach  einem  Exemplar  aufgestellt,  das  aus 
Island  stammen  sollte.  Der  Typus  befindet  sich  noch  jetzt  in  Longchamps  und  ist 
bezeichnet  mit  der  Bemerkung:  race  septentrionalis,  du  Nord  des  Etats  Unis  (Fraipont, 
in  litt.).  Baron  de  Selys  schrieb  1884  in  seinen  Considerations  sur  le  genre  mesange 
(1.  c):  »J'ai  decrit  en  1843,  sous  le  nom  de  Parus  frigoris,  un  exemplaire,  qui  m'avait 
ete  donue  ä  tort  comme  provenant  de  l'Islande,  oü  il  n'existe  aucune  mesange.  II 
venait  certainement  des  Etats-Uuis  et  ressemble  ä  la  race  septentrionalis  par  sa  queue 
longue  .  .  .  «.  Professor  Fraipont  teilte  mir  nochmals  mit,  daß  sich  in  der  Selysschen 
Sammlung  bestimmt  keine  Meise  aus  Island  befände.  Weitere  Angaben  über  das 
Vorkommen  einer  solchen  auf  unsrer  Insel  fehlen  aber  durchaus.  Die  Vermutung 
gewisser  Autoren,  die  Selysschen  Meisen  existierten  doch  auf  Island,  seien  nach  ihrer 
Entdeckung  nur  übersehen  worden,  beziehentlich  Irrgäste  gewesen,  entbehrt  jeder 
Begründung. 

115.  Anorthura  troglodytes  borealis  (Fisch.). 
Zaunkönig, 

Sylvia  troglodytes:  Faber,  Prodromus,  S.  19  (1822).  —  Troglodytes  inircxdus 
Koch:  Preyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island,  S.  393  (1862).  —  Troglodytes  borealis 
Fischer:  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  408  (1863).  —  Gröndal,  Islenzkt  fuglatal, 
bis.  36  (1895).  —  Slater,  Birds  of  Iceland,  p.  5  (1901).  —  Troglodytes  parv^üus  Koch: 
Ssemundsson,  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  7  (1905). 

Troglodytes  2)arvidus,  Koch  =  T.  borealis,  Fischer:  Collin,  Skandinaviens  Fugle, 
S.  302  (1877).  —  Anorthura  borealis,  Fischer:  Sharpe,  Cat.  Birds  Bi-it.  Mus.  VI,  p.  272 
(1881).  —  Anorthura  troglodytes  borealis  (J.  C.  Fischer):  Naumann,  Vögel  Mittel- 
europas U,  S.  196  (1897). 


Annrtliura  trotfloilytos  boroalis.  ;{21 

Isländisch:  Miisarbrodir  (=  Mäusebiuiler),  Kindill,  Kiiidil  (vielluii-ht  von  rindi 
=  ein  kleines  Stück  Erde),  Müsarriiulill. 

Auch  für.:  Miisabroiiir,  Musabrodir. 

Die  Gattunpf  Anorthura  Kennie  bewoiiiit  in  zahh-oiclien  Arten  und  Intcrarten 
die  nördliche  Hemisphäre.  Südwärts  geht  sie  bis  zum  Hiniaiaya,  bis  l'ersien,  Nord- 
afrika und  Mittclanierika,  nordwärts  bis  etwa  ztini  Tohirkreise.  Als  Standv(if,'el  nt-i^cn 
die  Vertreter  der  (xattung  in  abgegrenzten  riokabtäten,  besonders  auf  Inseln,  zur 
Bildung  von  abweichenden  Formen. 

Wenn  Fischer  18H1  (Journal  für  Ornithologie,  S.  14)  den  Zaunk(inig  iler  Färöer, 
zunächst  nur  nach  einem,  nicht  einmal  ganz  vollständigen  Exemplare,  als  Troglodytfs 
■borealis  von  dem  mitteleuropäischen  Vogol  unterschied,  so  hatte  er  Kocht,  ihn  als  ein»; 
größere  üasse  hervorzuheben.  Dali  die  Gefiederzeichnung  nordwesteurDpäischer  Vögel 
indes  eine  kräftigere  sei,  wie  Fischer  angibt,  kann  ich  nicht  linden.  Die  Flirl.ung  ist 
düsterer,  braune  und  graue  Töne  herrschen  an  Stelle  rotbrauner  und  j^elbiiciiiT  vor. 
Will  man  nun  unter  Anorthura  troglodytes  borealis  (Fisch.)  das  nordwestliche  Kxtrem 
des  europäischen  Zaunkönigs  verstehen  —  wie  ich  es  zunächst  tue  —  so  hat  der  Name 
Berechtigung,  will  man  jedoch  streng  geographisch  eine  Sjiezios  A.  borealis  (Fisch.) 
unterscheiden,  so  darf  man  diese  Bezeichnung  der  typischen  Jjokalität  zufolge  nur  auf 
die  laröische  Form  beziehen.  Die  isländische  jedoch  muß  einen  neuen  Namen  erhalten 
da  sie  zweifellos  eine  dem  färöischen  Vogel  zwar  ähnliche,  keineswegs  aber  diesem 
völlig  identische  Form  darstellt.  Knud  Andersen  sagt  sehr  richtig  (Vidensk.  Meddel. 
1898),  daß  norwegische  Exemplare  des  Zaunkönigs  in  der  Größe  ein  wenig  die  dänischen 
zu  überragen  scheinen  und  shetländische  in  mehrfacher  Beziehung  einen  T'bergang  der 
schottischen  zu  den  färöischen  bilden,  eine  Abgrenzung  dieser  beiden  letzteren  Insel- 
formen aber  in  hohem  Grade  unsicher  sei.  Slater  bemerkt  in  demselben  Sinne,  daß 
der  Zaunkönig  von  St.  Kilda  sich  dem  färöischen  nähere  (1.  c.).  Der  isländische  Vogel 
dürfte  die  größte  der  in  Frage  kommenden  Formen  sein.  Ev  zeigt  insbesondere  einen 
stärkeren  Schnabel  und  kräftigere  Füße  als  mitteleuropäische  Exemplare,  was  ebenso 
von  dem  übrigen  Knochengerüst  und  damit  vom  Gewichte  des  Vogels  gelten  mag. 
Slater  hebt  auch  die  größere  Gesamtlänge  isländischer  Vögel  färöischen  gegenüber 
hervor.  Die  Maße  eines  von  ihm  gesammelten  Männchens  freilich  dürften  besonders 
große  sein  (Gesamtlänge:  123  mm.  Flügel:  57.  Schwanz:  45.  Tarsen:  20.  Schnabel: 
13,8).  4  von  mir  untersuchte  isländische  Vögel  (2  im  Museum  in  Kopenhagen,  2  in 
Reykjavik)  stimmen  in  ihrer  Größe  ziemlich  überein  (Flügel:  54 — 55.  Schwanz:  ca. 
36 — 38.  Tarsen:  ca.  17.  Schnabel:  14 — 15).  Leider  gelang  es  mir  nicht,  auch  nur 
einen  Vogel  im  Fleische  zu  erhalten,  da  ich  die  wenigen  Exemplare  gerade  dann 
beobachtete,  wenn  ich  kein  Gewehr  bei  mir  hatte. 

Der  Zaimkönig  ist  ein  seltener  Brut-  und  Stundvogel  auf  Island. 
Doch  scheint  er  sich  in  allen  Teilen  der  Insel  spärlicli  aufzuhalten.  Kv  liebt 
besonders  die  wasserreichen  Gebiete,  z.  B.  die  Gegenden  des  jii'ngvalla-  und 
M^vatn,  sowie  die  steinigen  Ufer  der  Gebirgsbäche.  Auch  hält  er  sich 
nach  Saemuudssous  Angaben  in  unmittelbarer  Nähe  des  Meeres  auf,  wo  er 
zwischen  den  Steinblöcken  uraherschlüpft.  Ebenso  ist  er  auf  Grinisey  und 
den  Vestmannaeyjarn  beobachtet  worden  und  scheint  gelegentlich  daselbst 
zu  brüten.  Im  Winter  kommen  die  Vögel  öfters  zu  den  Gehöften,  wo  sie 
mitunter  auch  von  den  Katzen  gefangen  werden. 

Ich  beobachtete  eine  Familie  von  4  Jungen  und  2  Alten  am  lo.  August 
iu  gebirgigem  Terrain  bei  Silfrastadir,  sowie  ein  einzelnes  Individuum  am 
18.  d.  M.  im  Flußtale  bei  dem  Hofe  Störa  Botna  (Hvalfjördr).  In  ihrem 
Benehmen  glichen  die  Vögel  vollkommen  deutschen  Zaunkönigen.  Sie  ver- 
standen es  ausgezeichnet,  sich  hinter  den  Steinen  zu  verbergen,  waren  auch 
ziemlich  still,  sodaß  ich  selbst  die  ganze  Familie  raehn  als  aus  den  Augen 

21 

Hautzseli,  Vogel  weit  Ishmils. 


322  Aiiorthura  troijkidytcs  borealis. 

verlor.  Nur  ab  und  zu  hörte  icli  das  eifrige  Tscliicktsehick  und  das  warnende 
Zrrr.  Krüper  l)eliauptet  freilich  nach  einer  einmaligen  Beobachtung,  daß  der 
Gesang  des  isländischen  Zaunkönigs  von  dem  des  deutschen  V^erwandten 
abwiche  und  leiser  sei  (Naumannia  1857,  S.  2H),  Faber  fand  jedoch  hierin 
keinerlei  Unterschied  zwischen  dänischen  und  isländischen  ^xeniplaren  (Okens 
Isis  1827,  S.  44).  Nach  der  Mitteilung  dieses  Beobachters  singt  unser  Vogel 
auch  mit  lauter  Stimme  im  Winter  auf  dem  Schnee  (l'rodromus). 

Über  das  Fortpflanzungsgeschäft  des  isländischen  Zaunkönigs  ist 
wenig  bekannt,  doch  wird  unser  Vogel  darin  den  nahestelienden  Formen 
gewiß  sehr  äiineln.  Das  dichte,  künstliche  Nest  befindet  sich  in  Felsspalten, 
Erdhöhlen  oder  im  Wurzelwerke  von  Sträuclieru.  Die  Zahl  der  Hier  beträgt 
nach  Faber  6 — 8  Stück.  Sie  sollen  um  ein  geringes  größer  sein,  als  die 
des  mitteleuropäischen  Zaunkönigs.  Ihre  Ablage  erfolgt  nach  Nielsen  (in  litt.) 
im  Laufe  des  Juni.  Damit  stimmt  die  Mitteilung  Sa.'raundssons  überein, 
der  am  14.  Juli  1902  bei  jMugvellir  ein  Nest  mit  kleinen  .Jungen  entdeckte, 
die  sich  am  6.  August  flügge  in  der  Nähe  umhertrieben.  Auch  die  von 
mir  am  10.  August  beobachteten  jungen  Vögel  wurden  noch  von  den  Alten 
geführt.  Wenn  Faber  in  der  2.  Woche  dieses  Monats  Zaunkönigen  zuschaute, 
die  ihren  Jungen  Larven  brachten,  so  beweist  dieser  etwas  späte  Zeitpunkt 
noch  nicht,  daß  unsere  Art  zweimal  jährlich  brüte,  was  unter  besonders 
günstigen  Verhältnissen  wohl  ausnahmsweise  vorkommen  mag.  Gegen  den 
Herbst  hin  trennen  sich  die  Familien  und  streifen  einzeln  im  Lande  umher. 
Sie  besuchen  nun  auch  Gegenden,  die  sie  niemals  bewohnen,  und  zeigen 
sich  gelegentlich  an  allen  geeigneten  Örtlichkeiten.  Der  lange  isländische 
Winter  mag  unseren  kleinen  Insektenfi*essern  viele  Beschwerden  verursachen 
und  vielleicht  auch  alle  nicht  besonders  widerstandsfähigen  Individuen  ver- 
nichten. Hierdurch  ließe  sich  der  verhältnismäßig  kräftige  Körperbau  unserer 
Lokalrasse  erklären. 

110.  Turdus  iliacus  coburni  Sliarpe. 
Rotdrossel. 

Tnrdus  iliacus  (Linn.):  Faber,  Prodromus,  S.  17  (1822).  —  Tiirdtis  iliacus  L.: 
Prcyer  (&  Zirkel),  Reise  nach  Island.  S.  391  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Goulds 
Iceland,  p.  408  (1863).  —  Gröndal,  tsleuzkt  fuglatal,  bis.  36  (1895).  —  Slater,  ßirds  of 
Iceland,  p.  1  (1901).  —  Sfemundsson,  Zoolog.  Jleddel.  fra  Island,  S.  6  (1905). 

Turdus  iliacus,  L.:  Collin,  Skandinaviens  Fiigle.  S.  221  (1877).  —  Seebohm,  Cat. 
Birds  Brit.  31us.  V,  p.  189  (1881).  —  Winge,  Grönlands  Fugle,  S.  283  (1898).  —  Naumann, 
Vögel  Mitteleuropas  I,  S.  218  (1905). 

Isländisch:  Skögarpröstur  (skögur  =  Wald,  J>röstur  ==  Drossel). 

Deutsch:  Rotdröstle.  Waldtrostl.  Norw.:  Bögtrast.  Rödvingtrost.  Schwed.: 
Rödvingetrast.     Engl.:  Redwingthrush. 

Turdus  iliacus  bewohnt  Nordeuropa  und  Nordwestsibirien  bis  etwa  zum  Jenissei 
ostwärts,  wurde  einmal  auch  auf  Spitzbergen  gefangen.  T.  i.  coburni  dürfte  indes  die 
Island  eigentümliche  Form  sein,  die  von  hier  aus  mitunter  das  südliche  Grönland 
besucht  und  wahrscheinlich  auch  der  regelmäßige  Durchzugsvogel  der  Färöer  ist,  der 
gelegentlich  sogar  in  einzelnen  zurückbleibenden  Paaren  daselbst  brütet.  Wie  weit 
unsere  Form  im  AVinter  südwärts  streicht,  ist  zunächst  nicht  festgestellt;  die  Spezies 
Turdus  iliacus  wandert  bis  zu  den  Kanarischen  Inseln,  Nordafrika  und  Nordpersien  hinab. 


Turdiis  iliiu'iis  i-dbiirni.  ;{.>3 

Die  Rotdrossel  gehört  in  Island  zu  den  nicht  seltenen  Hrufvögoln 
der  Biischwülder,  ;iu  die  sie  während  ihres  Sonimeniufentlialtcs  gelmnden 
ist.  Ich  vermißte  sie  iu  keinem  derartigen  Gehiete.  wo  nnr  etwas  dichteres, 
wenigstens  mannshohes  Gebüsch  zu  finden  war.  Die  Mitteilungen  anderer 
Beobachter  lassen  erkennen,  daß  sie  auch  in  den  nicht  von  mir  besuchten 
Teilen  der  Insel  brütet. 

Unsere  von  Shaipe  1901  als  Turdus  coburni  beschriebene  isländische  Koldrossel 
(Bull.  Brit.  Oin.  (Jlub  XII,  p.  28)  ist  eine  genügend  charakterisierte  Subsiiezies  von 
Turdus  iliacus.  Freilich  paßt  die  nach  8  von  Cobiirn  gesammelten  Bälgen  aufgestellte 
Diagnose  Sharpes  nicht  für  alle  isländischen  Pjxeniplare.  Ich  habe  zwar  auch  nur 
6  Brutvögel  präpariert  und  einige  Exemplare  in  den  Museen  von  Kopenhagen  und 
Reykjavik  untersucht,  eine  weit  größere  Anzahl  aber  von  frischverniauserteii  und  ab- 
geblaßten Vögeln  auf  wenige  Meter  Entfernung  hin  genau  beobachtet  und  alle  Individuen 
in  den  wesentlichen  l'unkten  übereinstimmend  gefunden.  Als  auffälligster  Färbimgs- 
unterschied  der  isländischen  Kotdrossel  gegenüber  andern  Nordeuropäern  ist  —  in 
Übereinstimmung  mit  Acanthis  linaria  und  Anthus  pratensis  —  das  Vorherrschen  grauer 
statt  gelblichbrauner  Töne  anzusehen.  Oberseite  im  frischvennauserten  Gefieder,  besonders 
au  Kopf  und  Oberkörper,  mitunter  fast  schwärzlich  braungrau,  zur  Brutzeit  blasser 
olivengrau:  Arnischwingeu  mit  grauem  Anfinge,  große  Flügeldecken  grauweiß  umsäumt; 
die  Fleckung  der  Unterseite  im  frischen  Federkleide  scharf  begrenzt  graubraun,  mitutiter 
fast  schwarz,  besonders  in  der  Kropfgegend  und  am  Halse,  im  abgeblaßten  Hrutgefieder 
dagegen  undeutlich  und  verwaschen  grau;  das  Weiß  der  Unterseite  ist,  vor  allem  beim 
Männchen,  reiner  als  bei  T.  i.  iliacus,  der  gelbliche  Anflug  auch  im  frischen  Herbst- 
kleide  weniger  ausgeprägt,  insbesondere  zeigt  der  Streifen  über  den  Augen,  sowie  das 
Kinn,  fast  immer  scharf  abgegrenztes,  am  lebenden  Vogel  leuchtend  hervortretendes 
Weiß.  Im  Rotbraun  der  AVeichen  und  Unterffügeldeckfedern  finde  ich  keinen  wesent- 
lichen Unterschied  zwischen  beiden  Formen,  vielleicht,  daß  auch  diese  Färbung  bei 
T.  i.  coburni  etwas  düsterer  ist  und  weniger  ins  Kotgelbe  zieht.  —  Die  Maße  von 
T.  i.  coburni  scheinen  im  allgemeinen  größer,  Schnabel  und  Füße  stärker  als  bei  T.  i. , 
iliacus  zu  sein.  c5  und  ?  unterscheiden  sich  nicht  auffällig.  Isländische  Brutvögel 
meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  eü— 70  g.  Gesamtlänge  i.  Fl.: 
220  -265  mm.  Flugbreite:  c.  355.  Flügel:  117—122,5.  Schwanz:  88— 9().  Schwanz -f 
Flügel:  35—45.  Schnabel:  17,5—18.  Tarsen:  30—30.5.  Mittelzehe  inkl.  der  7- 8  mm 
langen  Kralle:  28— 30  mm.  —  Iris:  sehr  dunkelbraun,  fast  schwarz.  Schnabel  (Juni, 
Juli):  schwarz,  am  Grunde  des  Unterschnabels  und  besonders  im  Innern:  gelb.  Füße: 
schmutzig  fleischfarben,  Sohlen  weißlichgelb,  Gelenke,  besonders  der  Zehen,  mit 
bräunlichschwarzem  Anfluge.  —  Die  Mauser  beginnt  bei  alten  Vögeln  bereits  im 
Juni  und  nimmt  am  Halse  ihren  Anfang.  —  Die  Vögel  haben  eine  merkwürdige,  feine, 
langhaarige  Flaumfeder-Unterbcdeckung.  -Mageninhalte:  Überreste  harter,  rundlicher 
Käfer  (3.5  x  2.5  mm),  Kaupenhäute  und  andere  Insektenteile,  Kegcnwürmer,  zahlreiche 
Kerne  und  Häute  verschiedener,  z.  T.  überwiuterter  Beeren.  Das  Fleisch  bekomTut 
besonders  durch  den  Genuß  der  Wachholderbeeren  den  bittern  Geruch  und  Geschmack. 

Die  Kotdrossel  ist  ein  Zugvogel  für  Island  und  erscheint  iu  kleinen 
Scharen  Ende  März  oder  Anfang  April.  S;emundsson  stellte  in  den  letzten 
10  Jahren  ihr  frühestes  Eintreffen  in  Reykjavik  vom  20.  März  bis  10.  April 
fest  (1.  c);  Jönssou  bezeichnet  als  Hauptdurchzugstermin  für  die  Vestmannaevjar 
den  1.  bis  15.  April  (in  litt.);  Gröndal  sah  unseren  Vogel  im  Nordlande  auch 
bereits  am  6.  April  (Ornis  II,  S.  357).  Ich  selbst  beobachtete  vom  22.  bis  29.  dM. 
täglich  einzelne  üaare  und  kleine  Gesellschaften  bis  etwa  20  St.ick  in  den 
Gärten  von  Reykjavik,  hauptsächlich  auf  dem  mit  einigen  Büschen  bepflanzten 
Kirchhofe.  Die  Vögel  waren  flüchtig  und  unruhig,  aber  nicht  eigentlich 
scheu;  besonders   zu  Pferde  konnte  man  auf  wenige  Schritt  an   sie  heran- 


324  'J'unlus  iliiUMis  cnhurni. 

kuninuMi.  t'bcr  freie  Fläclien  fliegen  sie  dicht  zusaniinen  und  zienilieh  hoch, 
wobei  sie  einen  feinen,  starartigen  Lockruf  hören  hissen,  der  einsilbig  und 
gezogen  kling-t.  Am  Boden  huschen  sie  eilig  uraher  und  verstecken  sich 
oft.  Solange  sie  in  Scliaren  leben,  singen  die  Männchen  vom  zeitigen  Morgen 
an  bis  in  die  dunkelnde  Nacht  hinein  sehr  fleißig,  niclit  selten  sogar  nach 
Art  von  Tanlns  pilaris  im  Fluge.  Gewöhnlich  aber  setzen  sie  sich  dazu 
an  irgend  ehien  erhöhten  Ort,  auf  einen  Zweig,  einen  Zaunpfahl,  ein  Kreuz 
oder  auch  auf  den  First  eines  Daches.  Der  Gesang  besteht  aus  einer 
flötenden  Strophe  und  einem  verscliiedeuartigen  Gezwitscher.  Die  erstere 
variiert  wenig,  erinnert  am  meisten  an  die  Stimme  der  Amsel,  wird  aber 
schneller  vorgetragen,  ist  leiser,  nicht  ganz  so  weich  und  etwa  fünfsilbig: 
didididüu,  dididüdiu.  Man  hört  diese  angenehmen  Töne  jedoch  nur  selten. 
Der  gewölmliche  Gesang  beginnt  mit  einigen  lauten,  deutlichen  Silben,  die 
wie  ein  hastiges  Didiledidile  oder  wie  ein  rasch  gezogenes  Titititi.  mitunter 
auch  wie  ein  schwacher  Huclitinkensclilag  klingen.  Nach  diesen  Tönen  folgt  sofort 
ein  plauderndes  Gezwitscher,  das  manchmal  minutenlang  ununterbrochen  aus- 
gehalten wird.  Die  einzelnen  Männchen  suchen  sich  darin  zu  überbieten,  doch 
däuchte  es  mir  ein  liebliches  Frühlingskouzert,  4 — 6  der  Vögel  auf  dem  verlassenen 
Kirchhofe  zu  Reykjavik  gleichzeitig  singen  zu  hören.  Dieses  flüsternde  Gezwitscher 
ähnelt  der  Stimme  von  'J 'im Ins  pilaris^  ist  aber  meist  lauter  und  deutlicher.  In  der 
Ferne  erinnert  es  oft  an  den  Gesang  der  Feldlerche,  in  der  Nähe  mehr  an  ^ylria 
si/lcia  oder  an  einen  geringen  Acrocepludu^  palustris.  Es  ist  ein  Gemisch  von 
einem  tieferen  und  einem  höhereu,  oft  sehr  hoch  quietschenden  Tone,  der  die 
Stimme  besonders  charakteristisch  macht.  Auch  starartig  gepreßte  Laute  fügen 
sich  ein.  Der  Gesang  erschien  mir  besser,  als  der  hierzulande  im  Frühjahre  durch- 
ziehender Kotdrosseln.  Endlich  schweigt  ein  Vogel  nach  dem  andern,  und  alle 
huschen  wieder  nahrungsuchend  am  Boden  umher,  wo  sie  ja  den  größten  Teil 
ihres  Lebens  zubringen.  Beginnt  jedoch  ein  Männchen  von  neuem  mit  Singen, 
so  stimmen  die  andern  gewöhnlich  sehr  bald  ein.  Die  Lockrufe  ähneln  denen 
verwandter  Drosseln.  Man  vernimmt  ein  feines,  manchmal  etwas  gezogenes  S, 
von  umherhüpfenden  oder  fliegenden  Vögeln  ein  starartiges  Bü.  Büt,  mitunter 
auch  ein  sperlingsartiges  Schelten;  wenn  man  sich  nähert,  ein  warnendes, 
schnalzendes  T,  an  das  sich  häuflg  das  gezogene  S  ansclilieüt. 

Ende  April,  Anfang  Mai  begeben  sich  die  Rotdrosseln  nach  den  Busch- 
wäldern,  und  jedes  l*aar  wählt  ein  ziemlich  großes  Brutrevier,  in  dem  es 
sich  nun  ständig  aufhält.  Hier  entfaltet  das  Männchen  seine  Stimmmittel  in 
angenehmer  Weise,  indem  es  anstelle  des  hastig  zwitschernden  Gesanges 
häufiger  die  wohllautende  Flötenstrophe  treten  läßt.  Li  dämmernden  milden 
Mai-  und  Juninächten  singt  es  selbst  um  Mitternacht,  wenn  alle  andern 
Stimmen  schweigen.  Dann  klingen  die  Töne  zwar  leise  und  halb  verschlafen, 
aber  doch  lauscht  ihnen  der  einsame  Wanderer  mit  freudiger  Andacht. 
Untereinander  werden  nun  die  sonst  so  geselligen  Vögel  oft  zänkisch  und 
streitsüchtig.  Blitzsi-hnell  jagen  sich  die  Männchen  benachbarter  Brutreviere 
durcli  die  Gebüsche  und  stellen  sich  sogar  am  Boden  kampflustig  gegenüber. 
Hat  der  eine  Votrel   den   andern    vertrieben,   so   schwingt   er  sich  auf  einen 


Tu 


niiis  uiaciis 


325 


freien  Ast  und  singt  ein  hastiges  Siegeslied.  Anliing  Mai  beginnt  der  Hau 
des  Nestes.  Dieses  wird  von  den  Vögeln  am  lielisten  in  die  unteren  Stamni- 
gabelungen  starker,  dichter  Wirken  eingebaut  und  ist  groU  und  dickwandig. 
Selten  steht  es  höher  über  dem  Hoden,  häutig  aber  unmittelbar  auf  demselben. 
Pearson  fand  es  auch  zwischen  großen  Steinen,  die  von  (Jesträuch  verdeckt 
waren  (Ibis  1895,  p.  242),  Thienemann  im  Hirkengestrüpp  zwischen  hohen, 
vorjährigen  Grasbüschen  (Reise,  S.  270).  Nur  das  dichte,  widerstrebende 
Astwerk  macht  es  oft  schwierig,  zum  Neste  zu  gelangen;  hat  man  sich  aber 
durchgearbeitet,  so  erblickt  man  es  ziemlich  leicht.  Kin  gutgebautes  Kxemplar 
meiner  Sammlung  wiegt  über  150  g.  Im  unteren  und  äußeren  Teile  besteht 
es  im  wesentlichen  aus  Grasiialmen,  die  mit  einigen  Hirken-  und  Heidekraut- 
reisern, sowie  etwas  lehmiger  Krde  gemischt  sind.  Außen  ist  noch  ein  wenig 
Moos  eingeflochten.  Inwendig  zeigt  es  nur  feine,  weiche  Halme,  jede  sonstige 
Ausfütterung  fehlt.  Die  etwas  lockere,  aber  ordentliche  Nestmuldc  besitzt 
einen  lichten  Durchmesser  von  8  —  9  und  eine  Tiefe  von  etwa  H  cm,  das 
ganze  Bauwerk  eine  Höhe  von  12  cm.  Thienemann  fand  auch  ein  so  Haches 
Nest,  daß  darin  die  Eier  dem  Rande  gleich  lagen.  Als  Haumaterial  bezeichnet 
dieser  Beobachter  noch  Blätter,  Flechten,  ganze  Gras.stöcke,  AVoJle,  Kuh-  und 
Schneefuchshaare  (1.  c,  S.  271). 

Die  Ablage  der  Eier  erfolgt  unter  günstigen  Bedingungen  schon 
Mitte  Mai.  Fowler  fand  eben  ausgekommene  Junge  bereits  am  2<;.  d.  M. 
(Newton,  1.  c,  p.  409),  ich  selbst  fast  zum  Ausfallen  bebrütete  Eier  am 
2.  Juni,  kleine  Junge  vom  9.  Juni  an.  Derartig  zeitige  Brüten  dürften  von 
alten  Vögeln  lierrühren,  die  ihren  Nistbezirk  schon  jahrelang  besitzen.  Ka  ist 
aber  höchstwahrscheinlich,  daß  solche  l'aare  nach  Flugbarwerden  der  Jungen 
zu  einer  zweiten  Brut  schreiten,  da  man  sehr  spät  im  Sommer  noch  frische 
Eier  gefunden  hat.  Junigelege  sind  häufig,  müssen  jedoch,  besonders  zu 
Anfang  des  Monats,  als  durchaus  normal  bezeichnet  werden.  Krüper  sah 
aber  auch  am  22.  Juli  ein  Nest  mit  nicht  ganz  flüggen  Jungen  (Naumannia 
1857,  S.  62),  Bearson  am  19.  Juli  frisciie  Eier  (Ibis  1H95,  p.  242),  ich  sell)st 
kaum  flugbare  Junge  am  5.  August,  Proctor  ebensolche  am  7.  (Newton.  I.e.), 
Slater  sogar  noch  am  27,  d.  M.  Bei  diesen  Funden  dürfte  es  sich  um  zweite 
Brüten  gehandelt  haben.  Die  Zahl  der  Eier  beträgt  in  der  Regel  5  oder 
6  Stück,  Thienemann  sagt,  daß  auch  7  vorkämen  (1.  c),  Slater  fand  Nester 
mit  nur  4,  ja  sogar  3  Eiern,  was  wohl  bloß  bei  jungen  Weibchen  oder  in 
zweiten  und  Nachgelegen  vorkommen  mag. 

Ein  isländisches  Gelege  meiner  Sammlung  zeigt  lolgende  3Ialic:  27,1  x  19,2  mm 
(0,24  g),  26,6x19,4  (0.25),  26,1x19,2  (0.24).  26x19.)?  (0.24).  2-1.2x19,1  (0.21^ 
Das  Vollgewicht  betrug  4,75- S.öO  g. 

Das  Weibchen  brütet  14—15  Tage,  wird  aber.  bes(»nders  zu  Anfang 
der  Brutzeit,  einige  Stunden  am  Mittage  vom  .Männchen  darin  abgelöst 
Später  sitzt  das  Weibchen  so  fest  auf  den  Eiern,  daß  ich  mich  ihm  trotz 
der  Warnrufe  von  selten  des  männlichen  Vogels  bis  auf  wenige  Meter  nähern 
konnte.  Zu  dieser  Zeit  trägt  aber  das  Männchen  dem  Weibchen  l'^itter  zu. 
Im  übrjoen  hält  es  sich  auch  in  der  Nähe  des  Nestes  auf  und  singt,  liaupt- 


32G  'liirdiis  iliaciis  coburni. 

sädilieh  am  Abende,  sehr  fleißig  und  angenehm.  Doch  leben  die  Vögel 
jetzt  viel  versteckter  als  früher,  sind  äußerst  wachsam  und  zeigen  sicli  dem 
Mensclien  gewöhnlich  nur  auf  Augenblicke.  Verfolgt  man  sie,  so  bleiben 
sie  ruhig  im  dichten  Gebüsche  und  huschen  erst  dann  in  raschem  Fluge  ein 
Stück  davon,  wenn  mau  auf  geringe  p]ntfernung  herangekommen  ist.  Nähert 
man  sich  dem  Neste,  fangt  das  Männclien  zu  singen  an,  doch  hört  man 
aus  den  hastigen,  kurzen  Strophen  sofort  seine  Absicht  heraus,  den  Verfolger 
wegzulocken.  Auch  wenn  man  so  weiß,  wo  sich  der  Vogel  befindet,  ist  es 
doch,  ähnlicli  wie  bei  Turdus  viscivorns,  recht  schwierig,  ihn  auf  Schußweite 
zu  Gesicht  zu  bekommen.  Er  befindet  sich  auf  der  entgegengesetzten  Seite 
eines  dichten  Gebüsches,  fliegt  dann  ungesehen  ein  Stück  weiter,  singt  aber- 
mals und  wird  bei  längerer  Verfolgung  immer  scheuer.  Das  Weibchen  zeigt 
sich  noch  eher  in  der  Nähe  des  Nestes.  Sind  die  Jungen  ausgeschlüpft, 
so  vergessen  die  Vögel  mitunter  die  eigne  Sicherheit.  Dann  passierte  es 
mir,  daß  das  Weibchen  dicht  au  mir  vorbei  durchs  Gesträuch  flatterte  und 
selbst  das  hastig  singende  Männchen  zwischen  den  Wüschen  sichtltar  wurde. 
Einmal  setzten  sicli  sogar  beide  Vögel  eines  Paares  dicht  beim  Neste  auf 
den  Boden  und  liüpften  und  liefen  stoßweise  ganz  ungedeckt  vor  mir  her. 
Will  man  sie  erlegen,  so  muß  mau  einen  sofort  tötenden  Schuß  anbringen, 
da  sie  sonst  in  den  dichten  Birkeugebüschen  äußerst  scliwer  zu  finden  sind. 
Ehe  sich  die  Alten  zum  Neste  l)egeben,  um  die  Jungen  mit  Raupen,  Regen- 
würmern, kleineu  Schmetterlingen,  Käferu  u.  dgl.  zu  füttern,  setzen  sie  sich 
kurze  Zeit  auf  einen  höheren  Busch,  halten  Umschau  und  lauschen,  fliegen 
aber  selten  über  größere  freie  Strecken,  sondern  wenn  möglich  durchs  Gebüsch, 
so  daß  sie  auch  dem  Steinfalken,  der  immerhin  ihren  ärgsten  Verfolger  dar- 
stellt, nicht  so  leicht  in  die  Fänge  geraten.  Oft  durchlaufen  sie  auch  größere 
Strecken;  geflügelte  Exemplare  gehen  dadurch  gewöhnlich  verloren.  Die 
Jungen  verlassen  das  Nest  nach  1  \o  bis  2  Wochen,  bevor  sie  noch  voll- 
ständig befiedert  sind.  Sie  zeigen  sich  nicht  ganz  so  scheu  wie  die  Alten, 
verbergen  sich  aber  gleichftills  im  dichten  Gesträuch,  laufen  sehr  rasch  und 
jede  Deckung  geschickt  lienutzend  am  Boden  hin,  flattern  jedoch  nur  in 
höchster  Gefalir  davon. 

Ein  von  mir  am  18.  .Juli  erlegtes  Üngbares,  aber  auch  nicht  vöUiof  ausgemausertes 
cjjuv.  zeigt  folgende  Maße.  Gewicht  i.  Fl.:  61  g.  Cresanitlänge :  190  mm.  Flugbreite: 
c.  830.  Flügel:  107.  Schwanz:  75,5.  Schwanz -|- Flügel:  25.  Schnabel:  15,5.  Tar.sen:30. 
—  (jesamtlarbung  ähnlich  wie  bei  den  Alten.  Fleckung  der  Unterseite  undeutlich 
schwarzgrau,  liückenfedern  mit  schmalem  gelblichen  3littelHecke,  Schulterl'edern  mit 
gelblichem  Spitzenfiecke.  Schwanz  düster  olivengrünlichgrau,  nicht  bräunlich,  l'nter- 
ffügeldeckfedern  in  der  Nähe  des  Flügelbuges  ockergelb,  in  der  Achselgegend,  sowie 
ein  schwacher  Anflug  der  Weichen  matt  zimtfarben.  —  Iris:  dunkelbraun.  Schnabel: 
grauschwärzlich,  im  Innern  und  Schnabelwinkel  lebhaft  gelb.  Füße:  gelblichgrau,  an 
den  Gelenken,  besonders  an  den  Zehen,  dunkler.  —  3Iageninhalt:  Kerne  von  Beeren 
(Wacidiolderbccren)  und  wenige  Fnsektenüberreste.    Im  Unterleibe  zahlreiche  Bandwürmer. 

Die  FaniiJicn  bleil»eu  anfangs  im  Brutreviere  beisammen,  halten  sich 
meist  am  ßoden  auf,  laufen  zwischen  Beerensträuchern  und  Zwergbirken  hin, 
kommen  aucli  gern  zum  Wasser,  um  sich  im  Bade  tüclitig  zu  durchnässen, 
begeben  sich  aber  ])ei  Gefalir.  wenn  möglicli.  in  li()]ieres.  schwer  durchdring- 


Tiirdus  iliaciis  cobiiriii. 


:?27 


bares  Gebüsch  und  entziehen  sicli  gescliickt  den  Blicken  eines  Verfolj,'ers. 
Durcli  den  Aufenthalt  inmitten  des  harzigen  liirkengesti-äuchs  wird  das  Hrust- 
gefieder  der  Vögel  mitunter  recht  bescli mutzt  und  an  den  feinen  Spitzen 
zusammengeklebt:  Schwanz  und  Stjliwungfedern  stoßen  sich  stark  ab.  Von 
Mitte  Juli  an  hört  mau  den  Gesang  des  Männchens  nur  noch  selten  und 
abgebrochen,  wohl  al)er  locken  die  Alten  eifrig,  wenn  nnm  sich  den  flüggen 
Jungen  nähert.  Krregt  lassen  sie  ein  schnarrendes  Tschirptschrp  hören,  das 
meist  zweisilbig  ausgestoßen,  mitunter  aber  auch  zu  einem  schnalzenden 
Schackern  verbunden  wird.  Treibt  man  die  Vögel  aus  dem  Gebüsclie,  so 
rufen  sie  beim  Abfliegen  ein  einmaliges  ängstliches  Kätsch.  8ind  die  .Fungen 
völlig  herangewachsen,  so  beginnen  sie  in  kleinen  Gesellschaften  umlier- 
zustrcifen.  Sie  kommen  dabei  auch  nacli  Gegenden,  wo  sich  keinerlei  höheres 
Gesträuch  findet,  selbst  nach  Grimsey  und  andern  kahlen  Inseln.  Man  gewahrt 
sie  nun  leichter,  da  ihnen  oft  die  Deckung  fehlt.  Auch  sind  sie  weniger 
scheu,  als  zur  Brutzeit,  freilich  immer  noch  lebhaft  und  unruhig.  Gern 
besuchen  sie  einsame  Gehöfte  und  die  Gärten  der  Küstenortschaften,  ja  beim 
Laugärvatn.  wo  ich  die  Rotdrossel  in  beträchtlicher  Zahl  antraf,  kamen  sie 
durch  die  offene  Tür  in  die  Ställe  liiuein.  um  hier  nach  Insekten  zu  suchen. 
Überhaupt  zeigten  unsere  Vögel  in  dieser  Gegend  recht  geringe  Sclieu,  blieben 
wenige  Meter  ungedeckt  vor  pair  sitzen  und  liefen  ein  großes  Stück  auf  dem 
Wege  vor  mir  her.  als  ich  langsam  dahinritt.  Um  diese  Zeit  fliegen  die 
Drosseln  häufiger  als  sonst  über  freie  Flächen,  wobei  sie  sich  durch  ihr 
kurzes  Püt  zusammenlockeu.  Allmählich  bilden  sie  größere  Scharen,  streifen 
immer  unruhiger  im  Lande  umher  und  verschwinden  endlich  Anfang  Oktober 
ganz  aus  Island.  Jönsson  bezeichnet  als  Hauptdurchzugstermin  für  die  Vest- 
mannaeyjar  die  Zeit  vom  15.  bis  25.  Oktober  (in  litt.).  Gelegentlich  werden 
auch  noch  später  Rotdrosseln  beobachtet.  Schon  Faber  berichtet,  daß  er  am 
9,  November  ein  Exemplar  im  Sttdlande  geschossen  habe,  und  S;emundsson 
sah  einzelne  Vögel  noch  am  7.  und  12.  Dezember.  Wahrsclieinlich  über- 
wintert sogar  eine  geringe  Anzahl  derselben  auf  Island,  besonders  im 
Gebiete  der  Mj'-vatn,  ]Mngvallavatu  und  bei  andern  warmen  Seen,  die  in 
unmittelbarer  Nähe  höhere  Gebüsche  aufweisen.  Beim  Laugärvatn.  der  mehrere 
heiße  Quellen  besitzt  und  von  ausgedeimten  Birkenbuschwäldern  umgeben 
ist,  wurde  mir  versichert,  daß  sich  einzelne  Individuen  gelegentlich  ;iu(  li  im 
Winter  zeigten. 

117.  Turdus  pilaris  L. 

Krammetsvogel. 

Turdus  pilaris:  Faber,  Okens  Isis,  S.  793  (1824).  —  Tnrdiis  pihms  h.:  I'reyer 
<&  Zirkel).  Keise  nach  Island,  S.  427  (1862).  —  Newton,  in  Baring-Uoulds  leeland. 
p.421  (1863).  —  Gröndal,  Isienzkt  fuglatal,  bis.  36  (1895).  —  Slater.  Birds  of  lot-land, 
p.3  (1901).  —  Sfemundsson.  Zoolog.  Meddel.  fra  Island,  S.  6  (1905). 

Turdus  pilaris,  L.:  Collin.  Skandinaviens  Fugle,  S.  216  (1877».  —  Seebobni,  Cat. 
Birds  Brit.  Mus.  V,  p.  205  (1881).  —  Naumann.  Vögel  .Mitteleuropas  I,   8.209   (1905). 

Isländisch:  Gräpröstur  (=  Crraudrossel). 

Auch  norwegisch:  Graatrost. 


328  Turdus  pilaris. 

Turdus  pilaris  bewohnt  das  nördliclie  und  mittlere  Europa  und  das  benachbarte 
Asien  bis  wenigstens  zum  .Jenissei  hin  ostwärts.  Im  Winter  zielit  er  bis  zu  den 
Kanarischen  Inseln,  bis  Nordafrika,  Turkestan,  Kaschmir  und  Nordwestiiulien  hinab. 
In  Nordrußland  und  Skandinavien  brütet  der  Krammetsvogel  in  bedeutenden  Kolonien. 
Großbritannien  besucht  er  dagegen  nur  in  der  kälteren  .Jahreszeit.  Alsdann  zeigt  er 
sich  gelegentlich  auch  auf  den  Färöern.  Auf  Jan  Mayen  wurden  einige  verirrte 
Exemplare  von  Fischer  erbeutet;  aus  andern  arktischen  Gebieten  ist  die  Art  unbekannt. 

lu  Island  erscheint  der  Krammetsvogol  nur  als  gelegentlicher  Gast, 
wenn  er  durch  östliche  Winde  von  seiner  Zugrichtung  Norwegen-Schotthmd 
oder  umgekehrt  abgelenkt  wird.  Die  wenigen  beobachteten  Exeraiihire  traf 
man  ermattet  und  halb  verhungert  in  der  Nähe  der  Küste.  Im  Frühjahre 
1823  wurde  ein  Krammetsvogel  von  dem  Stiftsamtmanne  Graf  Moltke  im 
Südlande  geschossen  und  abgezeichnet  (Faber,  1.  c).  Gröndal  sah  ein  anderes, 
fast  flugunfähiges  Exemplar,  das  am  6.  Dezember  1885  bei  einem  zugefrorenen 
Teiche  in  der  Nähe  von  Reykjavik  gefangen  wurde,  während  der  Vogel  Gras- 
spitzen abzupfte  (Ornis  II,  S.  357).  Em  weiteres  Belegstück  erhielt  derselbe 
Berichterstatter  am  15,  Dezember  1894  gleichfalls  aus  der  Gegend  von 
Reykjavik.  Endlich  ist  unsere  Art  auch  im  Eyjafjördr  beobachtet  und  ein 
Exemplar  aus  dem  Spätjahre  1900  durch  J.  V.  Havsteen  au  das  Museum  in. 
Reykjavik  geschenkt  worden. 


118.  Merula  merula  merula  (L.). 
Amsel. 

Turdus  merula:  Faber,  Okeus  Isis,  S.  793  (1824).  —  Turdus  merula  L. :  Preyer 
(&  Zirkel),  Heise  nach  Island,  S.  427  (1862).  —  Newton,  in  Haring-Goulds  Iceland, 
p.  408  (1863).  —  Gröndal.  Islenzkt  fnglatal,  bis.  36  (1895).  —  Siater,  Eirds  of  Iceland, 
p.  3  (1901).  —  Stefänsson,  Nordurland  II  (4.  Okt.  1902).  —  Sfemundsson.  Zoolog.  Meddel. 
fra  Island.  S.  6  (1905). 

Turdus  merula.  L.:  CoUin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  227  (1877).  —  Merula  merula, 
Linn.:  Seebohui,  Cat.  Birds  Brit.  Mus.  V,  p.  235  (1881).  —  Turdus  merula  L. :  Naumann,. 
Vögel  Mitteleuropas  I,  S.  153  (1905). 

Isländisch:  Svartpröstur. 

Auch  deutsch:  Schwarzdrossel.  Dan.:  Sortdrossel.  Norw. :  Sorttro^it.  Schwed.: 
Svarttrast.     Engl  :  Black  Thrush. 

Merula  merula  merula  bewohnt  Europa  mit  Ausnahme  der  nördlichsten  wald- 
losen Gebiete;  weiter  ost-  und  südwärts  wird  sie  durch  zahlreiche  nahe  verwandte 
Formen  vertreten.  Die  unsrige  brütet  unter  anderem  in  Skandinavien  und  auf  den 
Britischen  Inseln.  Bei  ihren  Herbstwanderungen  zwischen  diesen  Ländern  besucht  sie 
fast  alljährlich  die  Shetlands-  und  Orkney-Inseln,  sowie  die  Färöer.  Selbst  auf  .lau 
Mayen  ist  ein  Exemplar  Ende  Dezember  erlegt  worden:  von  andern  arktischen  Gebieten 
kennt  man  die  Art  dagegen  nicht. 

Nach  Island  kommt  die  Amsel  als  gelegentlicher  Gast.  Besonders 
auf  dem  Herbst-,  seltner  auf  dem  Frühjahrszuge  stellen  sich  einzelne  Exemplare 
ein,  die  bisweilen  sogar  ein  Stück  ins  Innere  des  Landes  fliegen.  Aus  dem 
Süd-  und  Nordlande  liegen  Mitteilungen  über  das  Auftreten  unsrer  Art  vor. 
Schon  Faber  berichtet,  daß  der  Stiftsamtmann  Graf  Moltke  im  Frühjahre  1823 
ein  Exemplar  von  Merula  merula  —  neben  einem  solchen  von  Turdus  jiilaris 
—  im  Südlande  erlegte  und  abzeichnete.     ( 'ollin  teilt  mit,  daß  er  ein  altes 


Merula  meriila  niorula. 


329' 


Weibchen  suis  dem  Spätjalire  1853  von  unsier  Insel  erhielt  und  daß  auch 
1860  ein  Engländer  eine  Amsel  in  Island  erlegte  (1.  c,  S.  228).  Letztere 
ist  wahrscheinlich  dieselbe,  aus  dem  ^lärz  1860  stammend,  die  Newton 
erwähnt  (Cit.  n.  Fr.  Metcalfe,  The  Oxouian  in  Iceland.  p.  191.  London  1861). 
Gröndal  sagt,  daß  er  öfters  Schwarzamseln  erhalten  habe,  so  z.  li.  aus  der 
Rängclrvalla-Sysla   (SW.)   gegen  Weihnachten   des  Jahres  1877    (1.  c.   oder 

1876  nach  Ornis  IL  8.  357).  Im  Juli  1893  will  er  ein  völlig  weißes 
Individuum  bekommen  haben,  über  dessen  Verbleib  er  leider  nichts  mitteilt. 
Vielleicht  liegt  eine  Verweclislung  mit  Tunhis  iliacm  vor.    Am  22.  Dezember 

1877  wurde  auch  P.  Nielsen  eine  Amsel  gebracht.  Gleichzeitig  hörte  dieser 
von  ihrem  Auftreten  in  der  Landschaft  Fljötshlid  (SW.),  ein  Stück  im  Innern 
der  Insel  (Ornis  III,  S.  157).  Weiterhin  besitzt  die  Sammlung  in  Reykjavik 
einen  männlichen  Vogel,  der  am  15.  Dezember  1894  in  der  Stadt  selbst 
geschossen  wurde.  B.  Ssemundsson  erhielt  am  25.  November  1899  ein  Exemplar 
von  dem  Hofe  Hraun  auf  Reykjanes  (SW.).  St.  Stefäusson  schrieb  1903 
an  Sa?raundsson,  daß  er  in  den  letzten  Jahren  jeden  Herbst  von  dem  Vor- 
kommen unsrer  Art  im  Gebiete  des  Eyjafjördrs  gehört  habe  (Sjemundsson, 
1.  c).  J.  V.  Havsteen  und  Fr.  jiorgrimsson  in  Akureyri  kannten  den  Vogel 
daselbst  auch  sclion  von  früher  her.  Ein  Belegexemplar  erhielt  Stef<lnsson 
vom  Hofe  Sydri  Bakka.  Endlich  schreibt  mir  \>.  Jönsson.  daß  sich  wieder- 
holt Schwarzamseln  auf  den  Vestmannaeyjarn  gezeigt  hätten. 

119.  Saxicola  oenanthe  leucorrhoa  (Gm.). 
Grauer  Steinschmätzer. 

Saxicola  oenanthe  (Bechst.):  Faber,  Prodromus,  S.  18  (1822).  —  Saxicola 
oenanthe  L.:  Preyer  (&  Zirkel),  Eeise  nach  Island,  S.  B91  (1862).-  Saxicola  oenanthe 
(Linn.):  Newton,  in  Baring-Goulds  Iceland,  p.  409  (18H3).  —  Saxicola  oenanthe  L.  : 
Gröndal,  Islenzkt  fuglatal,  bis.  3«  (1895).  —  Saxicola  oencmthe  (lAim.):  Slater.  Birds  of 
Iceland,  p.  4  (1901). 

Saxicola  oenanthe  (L.):  Collin,  Skandinaviens  Fugle,  S.  255  (1877).  —  Seebohiu, 
Cat.  Birds  Brit.  Mus.  V,  i).  391  (1881).  —  Winge,  (Grönlands  Fugle,  S.  284  (1898).  — 
Saxicola  oenanthe  leucorrhoa  (Gm.):  Schalow,  Vögel  der  Arktis,  S.  271  (1904).  — 
Saxicola  oenanthe  (L.):  Naumann,  Vögel  .Mitteleuropas   F,  S.  84  (1905). 

Isländisch:  Steindepill  (depill  =  Tüplel,  etwas  Kleines),  Steinklappa  (klappa 
=  klappen,  klopfen),  Griutitlingnr  (G6u  von  Göa  =  die  Zeit  von  Mitte  Februar  bis 
Mitte  März),  Grädiladur  (von  grär  =  grau  und  dili  =  Fleck). 

Auch  dän.:  Stendalp,  Stendylp.  Norw.:  Stendalp.  Stendidp.  Schw.-d.:  Stenjulpa, 
Stenkvätta.     Fär.:  Stajnstölpa. 

Saxicola  oenanthe  bewohnt  fast  zirkumpolar  die  nördlicheren  Gebiete  der  Erde. 
Sie  brütet  in  ganz  Europa,  Nordasien  und  wahrscheinlich  im  größten  Teile  des  arktischen 
Amerikas.  Im  Winter  zieht  sie  südwärts  bis  zu  den  Bermuda-Inseln,  dem  ä([uatorialen 
Afrika  und  Indien,  ^'on  Nowaja  Semlja,  Franz-.loseph-Land  und  Spitzbergen  ist  sie 
dagegen  unbekannt.  S.  oe.  leucorrhoa  stellt  das  westliche  Extrem  unsrer  Art  dar;  sie 
brütet  im  nordöstlichen  Amerika,  insbesondere  in  (Grönland,  wo  sie  an  der  Westküste 
bis  730,  an  der  Ostküste  bis  75»  hinauf  zahlreich  vorkommt,  einmal  auch  an  der  Nord- 
küste  gesehen  wurde.  Wahrscheinlich  gehören  die  auf  Jan  Mayen  beobachteten  Stein- 
schmätzer gleichfalls  zu  unserer  Form.  Im  Herbste  wandert  S.  oe.  leucorrhoa  südwärts 
über  die  Färöer,  wo  sie  vielleicht  noch  brütet,  Shetland,  (^mUhritannien.  Frankreich  und 
Portugal-Spanien  bis  Westafrika. 


330  Saxicola  oenanthe  leiicorrhoa. 

Die  Steinschmätzer  Islands  ffehören  sclieinbar  nicht  nur  als  Durchzügler,  sondern 
auch  als  ßriitvögel  der  größeren  Form  leiicorrhoa  an.  Freilieh  ist  eine  sichere  'l'rennung 
dieser  Rasse  von  der  äußerst  ähnlichen  S.  oe.  oenanthe  (L.)  im  einzelnen  Falle  schwierig, 
eine  Diagnose  beider  Formen  nur  nach  der  Flügellänge  unhaltbar.  Wie  mir  Herr 
Pastor  0.  Kleinschniidt  nach  genauestem  Vergleiche  eines  großen  Materials  mitteilt, 
gibt  es  typische  oenanthe,  die  über  100  mm  Flügellänge  besitzen,  umgekehrt  recht 
häufig  Exemplare  typischer  leucorrhoa  von  unter  100  mm  Flügellänge.  Als  feststehend 
darf  aber  trotzdem  gelten,  daß  gleichaltrige  Vögel  von  gleichem  Geschlechte  bei 
leucorrhod  größer,  Schnabel  und  Füße  ein  wenig  stärker  sind,  als  bei  oenanthe.  Weiter 
hält  Kleinschniidt  für  ein  wesentliches  Kennzeichen  von  leiicorrhoa,  daß  der  Unterhals 
dieser  Form  eine  besonders  lebhaft  rostbräunliche  Färbung  besitzt,  was  mir  selbst  auch 
bei  grönländischen  Exemplaren  im  Kopenhagener  Museum  auffiel,  obgleich  hierzulande 
ebenfalls  sehr  dunkle  Individuen  vorkommen.  Kleinschmidt,  der  weit  mehr  Material 
als  ich  in  den  Händen  hatte,  bestimmte  meine  isländischen  Brutvögel,  die  unter  100  mm 
Flügellänge  zeigen,  als  gut  charakterisierte  S.  oe.  leucorrhoa  (in  litt.),  sodaß  ich  nur 
diese  Form  für  Island  aufzähle,  da  ich  das  Vorhandensein  zweier  Subspezies  als  ßrut- 
vögel  derselben  (jrtlichkeiten  nicht  annehme. 

Drei  Brutvögel  meiner  Sammlung  zeigen  folgende  Maße.  Gewicht  i.  FL:  28—30  g. 
Gesamtlänge  i.  Fl.:  143— 104  mm.  Plugbreite:  280-290.  Flügel:  95,5—98.  Schwanz: 
■57—62.  Schnabel:  12— IB.  Tarsen:  28-29.  Mittelzehe  inkl.  der  5—6  mm  langen 
Kralle:  19 — 20,8  mm.  —  Iris:  dunkelbraun.  Augenlidrand,  Schnabel  und  Füße:  schwarz. 
Sohlen:  grau.  —  Bei  andern  von  mir  in  Kopenhagen  und  Reykjavik  untersuchten 
Exemplaren  aus  Island  ist  unbestimmt,  ob  es  sich  um  Brutvögel  oder  Durchzügler 
handelt.  —  Mageninhalte:  t^berreste  von  Käfern,  Fliegen  und  Spinnen. 

Der  Steinschmätzer  gehört  in  Island  zu  den  stellenweise  liäufigen 
Brut  vögeln.  Er  findet  sich  in  allen  Teilen  der  Insel,  am  regelmäßigsten 
in  abwechslungsvollen  Berglandschaften,  in  denen  steile  Felsen  und  Geröll- 
felder von  rauschenden  Bächen  und  Grasstreifen  unterbrochen  werden.  Doch 
trifft  man  unsern  Vogel  auch  an  den  ödesten  Gebirgsgipfeln  in  der  Nähe 
der  Schneegrenze,  wie  dicht  am  Meere  und  sogar  im  fruclitbaren.  ebenen 
Tieflande. 

Die  isländischen  Steinschmätzer  sind  ausgeprägte  Zugvögel.  Auch 
scheint  die  Mehrzahl  der  grönländischen  Artgenossen  im  Herbste  nicht  nach  dem 
amerikanischen  Kontinente,  sondern  nach  Westeuropa  zu  wandern,  w^obei  sie 
als  Durchzügler  Island  berühren  dürften.  Im  Frühjahre  kehren  die  Vögel 
wiederum  über  den  Atlantischen  Ozean  nach  Grönland  und  dem  nordöstlichen 
Amerika  zurück  (S.  z.  B.  Winge,  Gr0nlands  Fugle,  S.  288)  und  besuchen 
dabei  Island  nochmals  als  willkommene  Raststätte.  Sie  reisen  dann  zumeist 
einzeln,  im  Herbste  dagegen  häufiger  in  Familien  oder  in  losen,  vielfach 
nach  den  Geschlechtern  gesonderten  Scharen,  in  welchem  Falle  die  alten 
Männchen  den  Weibchen  voranziehen.  Ihre  Ankunft  auf  Island  erfolgt  in 
der  Regel  Ende  April  oder  Anfang  Mai,  auf  den  Vestmannaeyjarn  zwischen 
dem  15.  und  30.  April  (Jönsson,  in  litt.).  Gunnlangsson  sah  die  ersten 
Exemplare  auf  Reykjanes  (SW.)  am  23.  d.  M.  (Ornis  VIII,  S.  344).  Faber 
bezeichnet  als  Ankunftstermin  den  30.  April  bis  4,  Mai.  Ich  sah  in  dem 
rauhen  Frühjahre  1903  den  ersten  Steinschmätzer  bei  Reykjavik  am  5.  Mai. 
Im  Nordlaude  erscheinen  die  Vögel  nicht  wesentlich  später.  Slaters  .\iigabe. 
sie  kämen  erst  Mitte  Mai,  dürfte  nur  für  besonders  ungünstige  Gebiete 
richtig    sein.      Die    Tiere    machen    sich    sofort    durch    ihr    lebhaftes  Wesen 


Saxicola  oeiiantho  leucorrhoa.  331 

bemerkbar,  besuchen  auch  geru  die  Ortschaften  und  Gehöfte,  setzen  sich  häufig 
sogar  auf  die  Häuser,  sind  über  immer  vorsichtig.  Schwanzwippend  und 
knicksend  schauen  sie  aufmerksam  umher  und  rufen  eifrig  ihr  Slp.  Siip. 
Bei  hellem  Sonnenscheine  zwitschern  die  Männchen  auch  schon  ihren  ein- 
fachen Gesang,  der  aber  anfänglich  noch  leise  und  abgerissen  klingt. 

Mitte,  spätestens  Ende  Älai  begeben  sich  die  Paare  nach  ihrem  Brut- 
gebiete. Sie  bewohnen  ein  ziemlich  kleines  Revier,  und  nur  ihre  große 
Behendigkeit  macht  es  möglich,  selbst  in  öden  Geröllfeldern  genügend 
Nahrung  zu  tindeu.  Blitzschnell  huschen  sie  zwischen  den  Felstrümmrrn 
hin,  lesen  mit  hastigem  Picken  jedes  kleine  Insekt  auf,  das  sie  finden,  und 
verstehen  auch  recht  gut,  solche  im  Fluge  zu  fangen.  Als  Nistplatz 
wählen  sie  natürliche  Steinritzen  und  kleine  Felshölilen.  am  liebsten  aber 
die  Zwischenräume  in  künstlichen  Wällen  und  AVegpyramiden.  wie  man  sie 
in  allen  bewohnten  Gegenden  Islands  errichtet.  Die  Nähe  menschlicher 
Gehöfte  ist  den  Vögeln  keineswegs  unangenehm,  weil  sie  hier  nicht  nur  die 
erwähnten  Bauwerke  in  Menge  antreffen,  sondern  auch  Viehherden,  in  deren 
Nachbarschaft  es  niemals  an  Insekten  mangelt.  Mehrmals  fand  ich  die 
Brutstätte  auch  in  der  Wand  von  Viehställen,  die  in  Island  etwas  abseits 
vom  Bauernhause  selbst  liegen,  sowie  in  verfallenen  Gehöften.  Die  Umgebung 
von  fruchtbaren,  ja  sogar  sumpfigen  Wiesenflächen  wird  von  den  Stein- 
schmätzern durchaus  nicht  gemieden.  Das  Nest  der  Vögel  befindet  sich  meist 
tief  in  wohlgescliützten  Zwischenräumen,  ist  wenig  kunstvoll,  aber  häufig 
dick  aufgeschichtet,  besteht  äußerlich  aus  Wurzeln  und  starken  Gräsern, 
innerlich  aus  weichen  Halmen  und  wird  manchmal  mit  Haaren,  Wolle  und 
einzelneu  Federn  ausgelegt.  Selten  ist  das  Nest  von  außen  zu  erblicken, 
doch  verraten  es  die  Vögel  durch  häufiges  Piin-  und  Ausschlüpfen.  Die 
Ablage  der  Eier  erfolgt  nur  ausnahmsweise  schon  Ende  Mai,  gewöhnlich 
erst  gegen  Mitte  Juni,  ja  in  unwirtlichen  Gebirgen  oft  noch  später.  So 
berichtet  Gröndal,  daß  man  in  der  Müla-Sysla  (0.)  am  11.  Juli  Eier  fand 
(Ornis  IX,  S.  95),  die  durchaus  nicht  als  Nachgelege  angesehen  zu  werden 
brauchen.  Die  Durchschnittszahl  eines  Geleges  ])esteht  aus  5  Eiern,  nicht 
selten  auch  aus  4  oder  H  Stück.  Ob  das  Achtergelege  im  Kopenhagener 
Museum,  vom  18.  Juni  189H  aus  dem  Eyjafjördr-Gebiete.  wirklich  ein 
zusammengehöriges  ist,  erscheint  mir  zweifelhaft  oder  als  Ausnahmefall. 

Eiü  isländisches  Gelege  meiner  Sammlung  vom  2.  Juni  1904  aus  der  Gegend 
von  Blönduös  (N.)  zeigt  folgende  Maße:  21,2x16.1  mm  (0,14  g),  21.2x16  (0,14), 
21,1x15,9  (0,13),  21,1x15,9  (0,13),  21,1x15,8  (0,12). 

Die  Eier  werden  13—14  Tage  in  der  Hauptsache  vom  AN'cibchen 
bebrütet.  Das  Männchen  löst  dieses  wohl  gelegentlich  einige  Stunden 
dabei  ab,  ist  aber  im  übrigen  darauf  bedaclit,  die  Umgebung  zu  Itewachen. 
Besonders  in  unbewohnten  Gebieten  fliegt  es  oft  dem  nahenden  ^lenschen 
ein  Stück  entgegen.  Dann  zeigt  es  sich  plötzlich  in  angemessener  lOntfernung 
auf  einem  erhöhten  Standorte  und  gibt  seine  Besorgnis  durch  anhaltendes 
Locken  zu  erkennen,  wobei  es  jedesmal  niederknickst  und  mit  dem  Schwänze 
wippt.    Der  Ruf  ist  gewöhnlich  ein  scharfes,  schmatzendes  T,  mitunter  auch 


332  JSaxicola  oeüantlie  leiicorrhoa. 

ein  hohes  Tip  oder  Sip.  Seltener  vernahm  ich  das  warnende  kurze  Schnarren^ 
ein  nicht  lautes  TriT.  Verfolgt  man  die  Vögel,  so  fliegen  sie  schnell  eine 
gi-oße  Strecke  davon  und  beobachten  aus  der  Ferne,  was  geschieht.  Dieses 
Abfliegen  bei  Gefahr  wird  ihnen  dem  Steinfiilken  gegenüber  oft  verderblich. 
Sie  verraten  sich  diesem  auch  leicht  durch  ihre  große  Beweglichkeit  und 
durch  die  Vorliebe,  auf  erhöhten  Steinen,  Felszacken  oder  der  Spitze  der 
Wegpyramideu  zu  sitzen.  Sie  haben  einige  Lieblingsi)lätze,  die  man  an  den 
zahlreiclien  weißen  Flecken  ihres  Unrates  als  solche  erkennt.  Hier  ruht  das 
IVIännchen  bei  schönem  Wetter,  bläht  behaglich  das  Gefieder  auf  und  duckt 
sich  nieder.  Mitunter  beginnt  es  auch  mit  seinem  einfachen  Gesänge,  der 
im  wesentlichen  aus  rauhen  und  gepreßten  Tönen  besteht.  Diese  werden 
in  mannigfacher  Zusammenstellung  und  meist  in  eiliger  Aufeinanderfolge 
verbunden  und  gelegentlich  minutenlang  ausgehalten.  Dann  und  wann  aber, 
besonders  am  Schlüsse,  bringen  die  Vögel  auch  volle  und  weiche  Töne  hervor. 
Ja  ausnahmsweise  traf  ich  Sänger,  die  nur  solche  anstimmten,  und  zwar  in 
so  langen  Strophen,  wie  ich  es  bei  deutschen  Steinschmätzern  nie  gehört 
habe.    Bis  weit  in  den  August  hinein  vernahm  ich  beide  Teile  des  Gesanges. 

Sind  die  Jungen  ausgeschlüpft,  zeigen  sich  die  Alten  eher  in  unmittel- 
barer Nähe  des  Nestes,  lassen  den  Menschen  dichter  an  sich  herankommen 
und  umfliegen  ihn  sogar  mit  ängstlichem  Tacken.  Beide  Vögel  des  Paares 
füttern,  gehen  aber  nicht  so  leicht  in  die  Nesthöhle,  wenn  man  sie  beob- 
achtet. Minutenlang  sitzen  sie  schmatzend  auf  einem  benachbarten  Steine, 
bis  sie  endlich  für  einen  Augenblick  bei  den  Jungen  verschwinden.  Je  nach 
der  Witterung  verlassen  diese  das  Nest  nach  l'/o  bis  2  Wochen,  oft  ehe 
sie  völlig  befiedert  sind.  Ich  sah  die  ersten  flüggen  Vögel  am  12.  Juli  im 
Gebiete  des  Ölafsfjördrs.  vom  16.  d.  M.  an  zahlreiche  Familien.  Doch  gibt 
es  in  günstigen  Jahren  auch  schon  Ende  Juni  flugbare  Junge.  Diese  werden 
von  der  Mutter  geführt.  Das  Männchen  aber  trennt  sicli  zunächst  vorüber- 
gehend und  bald  dauernd  von  der  Familie.  Es  beginnt  nun,  allein  oder 
mit  andern  seines  Geschlechtes,  umherzustreifeu,  ist  äußerst  vorsichtig  und 
deshalb  schwierig  zu  schießen.  Das  Weibchen  dagegen  läßt  aus  Sorge  für 
seine  Jungen  den  Menschen  oft  in  große  Nähe  kommen ;  diese  selbst  sind 
noch  weniger  scheu.  Sie  zeigen  aber  schon  vollständig  das  Benehmen  der 
Alten.  Auch  ihre  schmatzende  Stimme,  mit  der  sie  sich  unablässig  zusammen- 
locken, ist  ganz  dieselbe ;  vielleicht,  daß  man  von  ihnen  etwas  liäufiger  das 
hohe  Tip  vernimmt.  Nachdem  sich  die  Familien  bis  zum  völligen  Selb- 
ständigwerden der  Jungen  im  Brutgebiete  aufgehalten  haben,  fangen  sie 
ebenfalls  an,  umherzustreifeu.  Aus  dem  Innern  verschwinden  sie  spätestens 
Mitte  August,  kommen  nach  der  Küste  des  Meeres  und  ziehen  im  September 
ganz  von  Island  fort,  die  Männchen  im  allgemeinen  eher  als  AVeibchen  und 
Junge.  Nach  Fabers  Beobachtungen  verschwinden  die  Vögel  in  der  2.  Sep- 
temberwoche. Jönsson  aber  bezeichnet  mir  als  Hauptdurchzugstermin  für 
die  Vestmannaeyjar  die  Zeit  vom  20.  September  bis  10.  Oktober  (in  litt.), 
wobei  es  sich  vielleicht  nur  noch  um  rastende  Gäste  aus  Grönland  handelt. 
Von  einem  Überwintern  der  Art  auf  Island  ist  niclits  bekannt. 


Krithai'us  tifys.  333 

120.  Erithacus  titys  (I..). 
Hausrotschwan/. 

Riiticilla  tithys  L.:  Preyer  {&  Zirkel),  Reise  nat-h  Islai\d.  S.  429  (18H2).  -- 
Buticilla  tithys  (Sco|).):  Newton,  in  Baring-Goulds  IceJand.  p.  409  (186;i).  -  Riiticilla 
tithys  L.:  Gröndal,  Islenzkt  luoflatal,  bis.  87  (189r.).  --  Ruticilla  titys  (Scopoli):  Slater, 
Binls  Ol'  Iceland,  p.  5  (1901). 

Ruticilla  tithys  (Scop.):  Sceboiim.  Cat.  Uirds  lirit.  Mus.  \'.  p.  339  (iHHl).  — 
Riiticilla  titys  (L.):  Naumann,   Vögel  Mitteleuropas  1,  S.  50  (I90r>j. 

Isländisch:  Svartur  Raudstjelungur  (=  schwarzer  Kotschwanz). 

Auch  dän.:  Sort  Redstjert.  Norw.:  Sort  Rödstjärt.  Schwed.:  Svart  R(idsfjärt. 
Hol!.:  Zwaarte  Roodstaart.     Engl.:   Black  Redstart. 

Erithacus  titys  bewohnt  Mittel-  und  Südeuropa,  im  Winter  auch  die  bunachbarten 
Oebiete  Kleinasiens  und  NordatVikas.  In  den  andern  Ländern  der  Alten  Welt  wird 
er  durch  verwandte  Arten  vertreten,  doch  variiert  Erithacus  titys  selbst  ganz  erheblich, 
sodaß  man  verschiedene  Formen  unterscheiden  möchte.  Das  südliche  Skandinavien 
besucht  unser  Vogel  nur  als  Gast;  ebensowenig  brütet  er  auf  den  Britischen  Inseln, 
wo  er  jedoch  alljährlich,  besonders  im  Herbste  und  Winter,  erscheint.  Auch  auf  den 
Färöern  ist  er  gesehen  worden,  in  arktischen  Gebieten  aber  niemals. 

Von  Island  wird  nur  ein  einziges  Vorkommen  des  Hausrotscliwanzes 
gemeldet.  Preyer  versichert  nämlich,  unsern  Vogel  am  17,  Juni  1860  auf 
der  Insel  Videy  bei  Reykjavik  beobachtet  zu  haben.  „Er  schien  in  einem 
Mauerloche  der  kleinen  Kapelle  daselbst  zu  nisten.  Da  mir  aber  weder 
gestattet  wurde,  das  Nest  aufzutinden,  was  ohne  teilweise  Zerstörung  des 
Mauerwerkes  unmöglich  war.  noch  auch  irgend  jemand  der  Kidergänse  wegen 
Videy  mit  einem  Gewehre  betreten  darf,  so  konnte  ich  weder  feststellen, 
ob  er  wirklich  da  brütete,  noch  den  Vogel  selbst  erhalten;  nichtsdestoweniger 
steht  fest,  daß  ich  diese  Art  auf  Videy  gesehen  habe"  (1.  c).  Einer  der- 
artig bestimmten  Angabe  des  glaubwürdigen  Beobachters  möchte  ich  nicht 
widersprechen,  zumal  eine  Verwechslung  mit  der  bekannten  Saxirola  oenoidhe 
kaum  anzunehmen  ist.  Übrigens  redet  Preyer  nur  von  einem  Individuum, 
und  selbst  wenn  er  von  seiner  Absicht  erzählt,  das  Nest  zu  suchen,  läßt 
dies  immerhin  bloß  seine  Vermutung  erkennen,  ein  Paar  der  Vögel  anzutreffen. 
Es  dürfte  sich  in  unserm  Falle  um  ein  einzelnes,  auf  dem  Frühjahrszuge 
verirrtes  fJxemplar  gehandelt  haben,  das  mögliclierweise  einen  Teil  des  Weges 
auf  Schiffen  zurücklegte. 

Newton  vermutet  (1.  c),  der  von  Oiafsson  im  September  17H3  gesehene  und 
S.  586,  §  679b  beschriebene  Vogel  könnte  ein  Hausrotschwanz  gewesen  sein.  Ich 
vermag  in  der  mir  zur  Verfügung  stehenden  deutschen  Ausgabe  kein  entsprechendes 
Citat  aufzufinden,  nur  eine  benachbarte  Notiz  (Olafsens  und  Povelsens  Reise  durch 
Island  I,  S.  312,  §  678.  1774),  in  der  Oiafsson  berichtet,  er  habe  in  dem  harten  Winter 
1753—54  auf  der  Insel  Videy  einen  Vogel  gesehen,  der  hellgrau  und  etwas  bläulich 
gefärbt  gewesen  und  unter  den  Schneeammern  nach  einem  Heuhaufen  gezogen  sei. 
Bei  diesem  letzteren  fraglichen  \'ogel  dürfte  es  sich  keinesfalls  um  Erithacui^  titys 
gehandelt  haben. 


Anhang. 


Die  wichtigsten  Buchstaben,  die  im  Isländischen  anders  als  im  Deutschen 

zu  lesen  sind. 

ä  =  au.  I  au  ==  äu. 

e  =  ä.  I  ei,  ey  =  ei. 


i  =  kurzes  i,   in  Endsilben  fast  wie 

f  =  w  vor  g,  j  und  zwischen  Vokalen 

kurzes  iL 

=  b  vor  1,  m,  n  (und  d). 

i  =  langes  i. 

h  =  k  vor  V. 

ö  =  langes  o. 

rl,  11  meist  =  dl. 

u  ==  langes,  tiefes  ö,  in  Endsilben  fast 

rn,  nn  meist  =  dn. 

wie  kurzes  e. 

p  =  f  vor  s  und  t. 

ü  =  langes  u. 

V  =  w. 

y  :=  kurzes  i. 

d  (ed)  =  weiches  englisches  th. 

y  =  langes  i. 

p,  ]7  (J'orn)  =  scharfes  englisches  th. 

jp,  iE  =  ai. 

Übersichts-Karte  von  Island. 


Register. 


Die  Ziffern   bedeuten  die  SeitenzaliliM 


Acanthis  flaniraoa  flanimea   300. 

Acanthis  flainniea   rostrata  304. 

Acanthis  hornemaimii  liornemannii  304. 

Acanthis  linaria  grünhindica  304. 

Acanthis  linaria  holboellii  300. 

Acanthis  linaria  horneniaiinii  304. 

Acanthis  linaria  islandica  300,  304. 

Acanthis  linaria  rostrata  300,  304. 

Aegialitis  curoiiica  267. 

Aegialitis  dubia  267. 

Aegialitis  hiaticula  264. 

Aethj'a  ferina  183. 

Aethya  fuligula  186. 

Aethya  marila  affinis   183. 

Aethya  marila  marila  183. 

Aethya  marila  mariloides  183. 

Aethya  marila  nearctiea  183. 

Aethya  nyroca  186. 

Aethya  rufiiia  182. 

Alca  impennis  75,  121. 

Alca  torda  74.  88.  119. 

Alle  alle  81,  88,  122. 

Ampelis  garriilus  298. 

Anas  acuta  180. 

Anas  americana  177. 

Anas  bimaculata  179. 

Anas  boscas  171. 

Anas  boschas  171. 

Anas  boschas  t'era   171. 

Anas  boschas  spilogaster  171. 

Anas  clangula  187,  188. 

Anas  clypeata  174. 

Anas  crecca  177. 

Anas  formo.sa  179. 

Anas  glacialis   191. 

Anas  histrionica  194. 

Anas  leucophtalmos   186, 

Anas  marila  183. 

Anas  moUissima    198. 

Anas  nigra  203. 

Anas  penelope  174. 

Anas  querqucdula   180. 

Anas  rutila  206. 

llaiitzsnli,  Voselwelt  Islamis. 


Anas  spcctabilis  196. 

Anas  strepera  172. 

Anas  tadorna  206. 

Ancylocheilus  ferrugineus  241. 

Ancylochilus  subarqiiatus  241. 

Anorthura  troglodytes  19,  320. 

Anorthura  troglodytes  borealis  320. 

Anser  albifrons  albifrons  207. 

Anser  albifrons  gambeli  207. 

Anser  anser  211. 

Anser  bernicla  213. 

Anser  brachyrhynchus  Nl,  20!,»,  210. 

Anser  brevirostris  209,  211. 

Anser  cinereus  211. 

Anser  erythropus  207. 

Anser  iabalis  209. 

Anser  fabalis  arvcnsis  209,  210. 

Anser  fabalis  middendorffi  209. 

Anser  ferus  lerus  211. 

Anser  ferus  nibrirostris  212. 

Anser  hyperboreus  207. 

Anser  hyperboreus  typicus  207. 

Anser  intermedius  207. 

Anser  leucopsis  214. 

Anser  segetum  209. 

Anser  segetum  var.  brachyrhynchus    210. 

Anser  torquatus  213. 

Anser  torquatus  tj-picus  213. 

Anthus  obscurus  319. 

Anthus  pratensis  316. 

Apus  apus  apus  80,  291. 

Arctica  alle  123. 

Ardea  cinerea  80,  220. 

Ardea  minuta  80,  221. 

Ardetta  minuta  ujinuta  80.  221. 

Ardetta  minuta  pusilla  222. 

Arenaria  interpres  83,  268. 

Arquatella  maritima  couesi  238. 

Arquatella  maritinui  maritima  83,  237. 

Arquatella  maritima  ptilocnerais  238. 

Asio  accipitrinus  287- 

Asio  otus  286. 


338 


Register. 


Beriiicla  brenta  213. 

Beniii'ln  leucopsis  214.  ' 

ßürabycilla  garnila  298. 

Branta  bernicla  beriiicla  213. 

Branta  bernicla  glaucogaster  213. 

Branta  bernicla  nigricans  213. 

Rraiita  Icucopsis  81,  214. 

Calcarius  lapponicus  alascensis  312. 

Calcarius  lapponicus  coloratus  312. 

Calcarius  lapponicus  lapponicus  311. 

Calidris  arenaria  81,  246. 

Cannabina  linaria  var.  canescens  304. 

Cannaliina   linaria  var.  rostrata  300.  304. 

Carbo  corraoranus  163. 

Carbo  graculus  165. 

Casarca  casarca  206. 

Casarca  rutila  206. 

Cecropsis  rustica  312. 

Cepplius  columba  109. 

Cepphus  grylle  grylle  90,   109. 

Cepphus  grylle  maudtii  109. 

Cerchneis  tinnuncula  80,  286. 

Ceryle  alcyon  80,  290. 

Charadrius  apricarius  82,  261. 

Charadrius  curonicus  267. 

Charadrius  dorainicus  261. 

Charadrius  dubius  267. 

Charadrius  hiaticula  264. 

Charadrius  minor  267. 

Charadrius  pluvialis  261. 

Charadrius  pluvialis  typicus  261. 

Charadrius  squatarola  260. 

Chaulelasmus  streperus  172. 

Chelidon  urbica  313. 

Chelidonaria  urbica  lagopoda  314. 

Chelidonaria  urbica  urbica  313. 

Chen  hyperborea  hyperborea  207. 

Chen  hyperborea  nivalis  207. 

Chen  hyperborea  rossii  207. 

Ciconia  ciconia  222. 

Clangula  glaucion  187. 

Clangula  hyemalis  191. 

Clangula  islandica  188. 

Coloeus  uionedula  spenuologus  297. 

Columba  palumbus  276. 

Colymbus  arcticus  102. 

Colymbus  auritus  96. 

Colymbus  glacialis  99. 

Colymbus  glacialis  typicus  99. 

Colymbus  griseigena  griseigena  95. 

Colymbus  griseigena  holboellii  96. 

Colymbus  immer  99. 

Colymbus  lumme  102. 

Colymbus  rufogularis  102. 

Colymbus  septentrionalis   103. 


Corone  cornix  294. 

Corone  corone  295. 

Corvus  corax  principalis  292. 

Corvus  corax  varius  73,  292. 

Corvus  cornix  cornix  80,  294. 

Corvus  cornix  typicus  294. 

Corvus  corone  corone  295. 

Corvus  corone  orientalis  295. 

Corvus  i'rugilegus  fiugilegus  80,  83,  296. 

Corvus  frugilegus  pastinator  296. 

Corvus  frugilegus  tschusii  296. 

Corvus  leucophaeus  292. 

Corvus  monedula  297. 

Cosmonetta  histrionica  194. 

Crymophilus  fulicariu.s  226. 

Cygnus  bewicki  219. 

Cygnus  cygnus  216. 

Cygnus  ferus  216. 

Cygnus  islandicus  217.  220. 

Cygnus  minor  219. 

Cygnus  musicus  216» 

Cymochorea  leucorrhoa  157. 

Dafila  acuta  180. 
Diomedea  clilororbynchos  150. 
Diomedea  culniinata  1.50. 
Diomedea  melanophrys   150. 
Dryospiza  serin us  306. 

Emberiza  calcarata  311. 
Emberiza  lapponica  311. 
Emberiza  nivalis  306. 
Erithacns  titys  333. 

Falcü  aesabm  283. 
Falco  aesalon  tvpicus  283. 
Falco  albicilla  276. 
Falco  arcticus  279. 
Falco  csesius  283. 
Falco  candicans  279. 
Falco  gyrialco  278,  279. 
Falco  gyrfalco  typicus  278. 
Falco  islandicus  279. 
Falco  lanarius  278.  279. 
Falco  merillus  74.  283. 
Falco  peregrinus  279. 
Falco  regulus  283. 
Falco  sacer  279. 
Falco  tinnunculus  286. 
Fratercula  arctica  74.  90.  105. 
Fratercula  arctica  glacialis  105. 
\   Fratercula  glacialis  105. 
Fringilla  coelebs  coelebs  305. 
Fringilla  islandica  306. 
Fringilla  linaria  300. 
Fulica  araericana  225. 


Register. 


ssg- 


Fiilica  atia  80,  225. 

Fuligula   Marrovi   188. 

Fuligula  claiigiila   187. 

Fuligula  fi-istata  186. 

Fuligula  fenua   183. 

Fuligula  fuligula   186. 

Fuligula  islandica   188. 

Fuligula  inarila  183. 

Fuligula  niarila  typioa   183. 

Fuligula  uyroca  186. 

Fuligula  rufiua  182. 

Fulniarus  glaeialis  glacialis  9U.  151. 

Fnlmarus  glacialis  mdgersii   151. 

Gallinago  cffilestis  232. 
Gallinagu  gallinago  delieata  232. 
Gallinago  gallinago  gallinago  4,  232. 
Gallinago  media  232. 
Gallinago  scolopacina  typica  232. 
Gallinula  cbloropus  80,  224. 
Gavia  ai-ctica  102. 
Gavia  luiiime  103. 
Gavia  torquata  99. 
Glaucidium  pas.seriuinu  287. 
Glaucion  clangula  187. 
Glaucion  histrionicuni  194. 
Glaucion  islandicuni    188. 
(rlaucionetta  clangula  araericana   187. 
Glaucionetta  clangula  clangula   187. 
Glaucionetta  islandica  188. 
Graculus  carbo  163. 
Graeulus  cri.statu.s  166. 

Haematopus  ostralegus  270. 
Haliaetus  albicilla  73,  85,  276. 
Haliaetus  leucocephalus  27H. 
Halieus  carbo  163. 
Halieus  graculus  165. 
Harelda  glacialis  191. 
Harelda  hiemalis  191. 
Harelda  histrionica  194. 
Harelda  hyenialis  191. 
Helodroraus  ochropus  253. 
Hierofalco  candicans  279. 

Hierofalco  gyrfalco  gyriaico  278. 

Hierofalco  gyrfalcu  islandus  11,  14,  T6.  81, 
85,  279.' 

Hierofalco  rusticolus  gyrfalco  278. 

Hirundo  rustica  erythrogastra  312. 

Hirundo  rustica  gutturalis  312. 

Hirundo  rustica  rustica  80.  312. 

Hirundo  rustica  tYi)ica  312. 

Hirundo  urbica  313. 

Histrionicus  histrionicus  194. 

Histrionicus  torquatus  194. 


Ibis  falcinelius  222. 

Lagopus  alpinus  272. 

Lagopus  islandoruni  272. 

Lagopus  mutus  var.  rupestrisl272. 

Lagopus  rupestris  272. 

Lagopus  rupestris  islan(l()rum[84. 89, 9 1 ,  272. 

Lagopus  rupestris  reinhardti  272. 

Larus  argentatus  affinis  142. 

Larus  argentatus  argentatus  142. 

Larus  argentatus  sniithsonianus  1-12. 

Larus  canus  l)racliyrliyncluis    145. 

Larus  canus  canus  145. 

Larus  cauus  nivcus  145. 

Larus  eburneus   135. 

Larus  glaucus   142. 

Larus  leucoptcrus  81.   143. 

Larus  raarinus  139. 

Larus  rissa   136. 

Larus  sabini   145. 

Larus  schistisagus  139. 
'  Larus  tridactylus  136. 
'■    Lestris  Buffoni  134. 

Lestris  catarrhactes  126. 

Lestris  longicauda   134. 
1    Lestris  parasitica  130. 

Lestris  ponuiriua  129. 
I    Lestris  pomatorhina  130. 

Lestris  thuliaca  130,  131. 

Limosa  aegocepliala  247. 

Limosa  belgica  247. 

Limosa  haemastica  248. 

Limosa  limosa  247. 
'    Limosa  melanura  247. 

Linota  hornemannii   304. 

Linota  linaria  300. 

Loxia  serinus  306. 

Lycus  monedula  297. 

Maclietes  pugnax  249. 
Mareca  americana  80,  177. 
Mareca  penelope  174. 
Megalestris  catarrhactes  126. 
Megalestris  skua  126. 
Merganser  castor  166. 
Mergaiiäer  serrator  168. 
Mergulus  alle  122. 
Mei-gus  castor  166. 
]\lergus  merganser  8(5,  166. 
Mergus  serrator  86,  168. 
Merula  merula  merula  80.  328. 
Micropus  apus  291. 
Montifringilla  nivalis  311. 
lilormon  fratercula  105. 
Motacilla  alba  alba  314. 
Motacilla  alba  lugubris  314. 
Motacilla  alba  tvpica  314. 

22* 


340 


Register. 


Netta  nifina  182. 

Nettion  c-recca  caroliiiensis  177. 

Nettion  crecoa  crecca  177. 

Nettion  formosuni  179. 

Nucifraga  caryocatactes  caryoeatactes   297. 

Nucifragacaryocataetesmacrorhynchos297. 

Numenius  arcuatus  258.  V« 

Numeuius  arquatiis  arquatus  258. 

Numenius  arquatus  liueatus  258. 

Xumenius  borealis  253. 

Numenius  hudsonicus  253. 

Numenius  minor  254. 

Numenius  phaeopus  phaeopus  82,  254. 

Numenius  phaeopus  variegatus  254. 

Numenius  tenuirostris  254. 

Nyctala  tengmalmi  288. 

Nyctala  tengmalmi  riehardsoni  288. 

Nyctea  nivea  288. 

Nyctea  nyctea  81.  288. 

Nyctea  scandiat-a  288. 

Nyroca  africana  186. 

Nyroca  ferina  183. 

Oceanodroma  leucorrhoa  157. 
CEdemia  nigra  203. 
Oidemia  nigra  americana  204. 
Oidemia  nigra  nigra  203. 
Oriolus  galbuhi  298. 
Oriolus  oriolus  298. 
Otus  brachyotus  287. 
Otus  vulgaris  286. 

Pagonetta  glacialis  191. 

Pagophila  eburneu  81,  135. 

Palidna  alpina  82.  241. 

Palidna  alpina  pacifica  241. 

Palidna  alpina  scliinzii  241. 

Parus  atricapillus  septentrionalis  320. 

Parus  borealis  320. 

Parus  frigoris  320. 

Parus  salicarius  borealis  320. 

Passerina  nivalis  byperboreus  307. 

Passerina  nivalis  nivalis  91,  306. 

Passerina  nivalis  townsendi  307. 

Pavoncella  pugnax  249. 

Pelidna  alpina  241. 

Pelidna  schinzi  241. 

Phalacrocorax  carbo  86,  163. 

Phalacrocorax  graculus  desmarestii  166. 

Phalaci-ocorax  graculus  graculus  86,  165. 

Phalaropus  cinereus  228. 

Phalaropus  fulicarius  226. 

Phalaropus  hyperboreus  229. 

Phalaropus  lobatus  228. 

l'halaropus  platyrhynchus  226. 

Philomachus  pugnax  249. 


Plautus  imptsnuis   121. 
Plectrophanes  calcarata  311. 
Plectrophanes  lapponica  311. 
Plectrophanes  nivalis  306. 
Plectrophcnax  nivalis  306. 
Plegadis  autunuialis  222. 
Plegadis  falciu.'llus  222. 
Pluvialis  apricarius  261. 
Podiceps  auritns  96. 
Podiceps  cornutus  96. 
Podiceps  grisegena  95. 
Podiceps  rubricoUis  95. 
Podicipes  auritus  96. 
Podicipes  griseigena  95. 
Procellaria  glacnaüs  151. 
Procellaria  Leachii   157. 
Procellaria  leucorrhoa   157. 
Procellaria  pelagica   159. 
Puffinus  angloruin   154. 
Puffinus  arcticus  154. 
Puffinus  gravis  80,  156. 
Puffinus  griseus  157. 
Puffinus  major  156. 
Puffinus  puffinus  90,  154. 


Querquedula 
Querquedula 


:ia  180. 
x-a   177. 


Ballus  aquaticus  13,  83,  223. 
Kissa  rissa  brevirostris  136. 
Rissa  rissa  poUicaris  136. 
Rissa  rissa  rissa  88,  90.  136. 
Rissa  tridactyla  136. 
Ruticilla  tithys  333. 

Saxicola  oenanthe  82,  329. 
Saxicola  oenanthe  leucorrhoa  329. 
Scolopax  gallinago  232. 
Scolopax  rusticola  234. 
Serinus  islandicus  306. 
Serinus  serinus  306. 
Squatarola  helvetica  260. 
Somateria  mollissima  borealis  199. 
Somateria  mollissima  dresseri  199. 
Somateria    mollissima   mollissima    2 

88,  198. 
Somateria  mollissima  thulensis  199. 
Somateria  mollissima  typica  198. 
Somateria  mollissima  v- nigra  199. 
Somateria  spectabilis  196. 
Spatvila  clypeata  174. 
Stercorarius  buft'oni   134. 
Stercorarius  catarrliactrs   126. 
Stercorarius  cepphus  80.  134. 
Stercorarius  crepidatus  131. 
Stercorarius  longicaudus  134. 


ßegister. 


341 


Stercorariiis  parasitieus  130,  134. 

Steivorarius  poinarinus  80,  129. 

Stercorarius  pomatoihimis  129. 

Stercorarius  skiia  126. 

Sterc'Oiariiis  tephras   l:U. 

Sterna  arctica   146. 

Steriia  dougalli   150. 

Sterna  tluviatilis  150. 

Sterna  hirundo    14<i.  150. 

Sterna  niacroura   146. 

Sterna  macrura  antistropha  146. 

Sterna  macrura  macrura  146. 

Strepsilas  collaris  268. 

Strepsilas  interpres  268. 

Strix  nyctea  288. 

Sturnus  guttatus  299. 

Sturnus  vulgaris  farnonsis  299. 

Sturnus  vulgaris  vulgaris  80.  83,  299. 

Sula  alba  161. 

Sula  bassana  90,  161. 

Surnia  nyctea  288. 

Sylvia  troglodytes  320. 

Syrnium  aluco  287. 

Tadorna  casarca  206. 

Tadorna  cornuta  206. 

Tadorna  tadorna  206. 

Tadorna  vulpanser  206. 

Tetrao  Islandorum  272. 

Thalassidroma  pelagica   159. 

Thalassogeron  chlororhynchos  150. 

Tinnunculus  tinnunculus  286. 

Tötanus  calidi-is  250. 

Totanus  totanus   250. 

Totanus  ochropus  252. 

Tringa  alpina  241. 

Tringa  canutus  81,  235. 

Tringa  cinclus  241. 

Tringa  cinerea  235. 

Tringa  islandica  235. 

Tringa  maritima  237. 


Tringa  maritima  typica  237. 
Tringa  ochropus  252. 
Tringa  pugnax  249. 
Tringa  Schinzi  241. 
Tringa  striata  237. 
Tringa  subanjuata  241. 
Tringa  variabilis  241. 
Troglodytes  l)orealis  320. 
Troglodytes  parvulus  320. 
Trypanocorax  i'rugilegtis  296. 
Turdus  iliacus  82.  83,  322. 
Turdus  iliacus  coburni  322. 
Turdus  merula  328. 
Turdus  pilaris  327. 

TJpupa  cpops  80,  290. 
Uria  alle  122. 
Uria  arra   115. 
Uria  Brünnicliü  115. 
Uria  grylle  109. 
Uria  leucüphthalnius  114. 
Uria  lomvia  arra  11  ö. 
Uria  lomvia  lomvia  74.  88,  112,  115. 
Uria  rhingvia  114. 
Uria  ringvia  114. 
Uria  troile  califoriiica  112,  114. 
Uria  troile  leucophtalmos  114. 
Uria  troile  troile  74,  88.  112,  114. 
Uria  troile  troile  var.  rhingvia  114. 
Urinator  adamsii  99,  100. 
Urinator  arcticus  102. 
Urinator  imber  8H,  99. 
Urinator  lumme  8H,  102. 
j    Urinator  pacificus   102. 

Vanellus  cristatus  259. 
Vanellus  vanellus  80,  83.  259. 
Vanellus  vulgaris  259. 

Xema  sabinii  81,  145. 


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