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Beitrage
bayerischen Kirchengeschichte
herausffegeben
D. Theodor Kolde,
irii. Trot, (lor Kiitjuiiigpsthk^htc un dcr UJiivorsitat Erlftngnn.
Erlangen 1905.
V c !■ I ii g V o 11 F r. .1 II II g u.
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(1-12.
K, b. Hof- u. Uoiv.-Buchdmckerei von JuBge & Sohn, Erlangen-
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Inhaltsverzeiehnis des XI. Bandes.
Seite
Th. Kolde, Zum Beginn des zweiten Jahrzehnts der Beitrage .... 1
E. Schornbaum, LeuterehauseD bei BegiDn der BeformatioDszeit und
das Elide Eberlins von Gunzburg 5
J. Batteiger, Znr Geschichte des Pietismus in Bayreuth .... 34
H. Leffler, Eine Thuogensche Trau- UDd Taufverordnung .... 45
Zur Bibliographie 47
Th. Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach .... 49
E. Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Beformationszeit und
das Ende Eberleins von Gunzbui^ (Schlufi) 78
Zur Bibliographie 93
Th. Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach .... 97
P. Griebel, Das alteste Kirchenbuch Heroldsbergs 124
Wolff, Pfarrbesoldung in Schopfiohe aus dem Jahre 1522 .... 143
O. Bieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der historischen
Vereine in Bayem . . .• 144
Zur Bibliographie 145
Th. Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach (SchluB) . 149
J. Haufileiter, Zur Lutherbibliographie 188
Th. Kolde, Suddeutsche Katechismen von 1530—1600 191
Zur Bibliographie 198
Fr. Roth, Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg .... 201
K. Schornbaum, Zur Brandenburgisch-Niirnbergischen Kirchen-
visitation 1528 218
Th. Kolde, Ein Ablafibrief fiir die Kirche zu Leerstetten .... 222
Fr. Herrmann, Ein Brief des Dominikaners Gallus Kom an Wolfgang
Fabricius Capito 225
Th. Kolde, Zur Geschichte des Niirnberger Augustinerklosters . . 228
O. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der historischen
Vereine in Bayern 233
Zur Bibliographie 236
IV Inhaltsverzeichnis des XI. Bandes.
Seite
Th. Kolde, Ein kryptocalvinistischer Katechismus fur die Grafschaft
Ortenburg aus dem Jahre 1598 241
K. Schornbaum, Das Testament des Kanzlers Georg Vogler . . . 268
Th. Lauter, Der erste evangelische Pfarrer in Cadolzburg .... 274
O. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histo-
rischen Vereine in Bayern 281
Zur Bibliographie '."..... 283
Zum Beginn des zweiten Jahrzehnts der Beitrage.
Dem 1. Heft des 11. Jahrganges dieser Beitrage, das ich
mit Dank gegen Gott ausgehen lasse, sei es gestattet, ein Wort
der Begrtifiung and Erinnerung voranzuschicken.
Es war ein kuhnes Unternehmen, an dessen Durchftthrung
nicht wenige zweifelten, als ich vor nunmefir 10 Jahren mit
dem Plane eines neuen Organs fur bayerische Kirchengeschichte
hervortrat, und ich muC bekennen, daB ich mir die Sache nicht
ganz so schwierig gedacht habe, als sie sich schlieBlich herans-
gestellt hat; und manchmal woUte der Mut sinken und erhob
sich die Frage, ob es sittlich berechtigt ware, soviel Kraft,
Miihe nnd kostbare Zeit auf dieses Unternehmen zu verwenden.
Wie schwierig war es schon fur den erst nach Bayern ver-
pflanzten, sich so weit in die bayerischen Verhftltnisse und die
Spezialgeschichte hineinzuarbeiten; um halberwegs den An-
fordemngen, die man billig an den Herausgeber stellen muBte^
zu genugen! Welch eine nmfangreiche KorrespondenZ; nicht
immer beide Telle befriedigender Art, muCte, um nur dies eine
ZU erwahneU; im Laufe der Zeit bewaltigt werden! Indessen
der Erfolg hat die Miihe reichlich belohnt. Die zehn B^nde,
die jetzt vorliegen, sind doch, wie man ohne Ruhmredigkeit
sagen kann, wirklich das, was sie sein woUen, im wissenschaft-
lichen Sinne „ Beitrage zur bayerischen Kirchengeschichte" und
dtirfen sich anderen gleichartigen Unternehmungen, wie sie in
den letzten Jahren fast in alien Landes- und Provinzialkirchen
Deutschlands aafgekommen sind, getrost an die Seite stellen.
Das verdanke ich der treuen Mitarbeiterschaft so vieler
Krafts, die anfangs teilweise zogernd der Sache gegeniiber-
standen, oder auch dem Ganzen lieber einen mehr popularen
Charakter gegeben hatten, je langer je mehr aber immer bereit^
BeHrige snr bayer. Kircliengeseldcbte XI. 1. 1
2 Zum Beginn des zweiten Jahrzehnts der Beitrage.
williger waren mitzuschaffen and mitzuwerben, und mit mir darin
ubereinstimmten, daB etwas von bleibendem Wert nur erreicht
werden konne, wenn die neue Zeitschrift einen streng wissen-
schaftlichen Charakter erhielte. Auch ausw^rts ist es riihmend
hervorgehoben wordeii, wie viele bayerische Pfarrer, von den
jiingsten bia zu den altesten, neben hochgeschatzten Autoren
aus anderen Kreisen und anderen Gegenden nach und nach als
Mitarbeiter aufgetreten sind und zum Teil in raiihseliger, durch
ihren abseits von Bibliotheken und Archiven gelegenen Wohn-
ort und ihre personliche Lage gar oft erschwerter Forschungs-
arbeit nicht nur lokalgeschichtlich WertvoUes, sondern auch
solche Arbeiten geliefert haben, die als eine FOrderung der
deutschen Kirchengeschichte uberhaupt bezeichnet werden konnen.
Nicht ohne Freude glaubt der Fachvertreter an der evange-
lischen Landesfakultat darauf hinweisen zu diirfen, in welchem
Mafie das Tnteresse an geschichtlichen Fragen und uberhaupt
der geschichtliche Sinn innerhalb gerade der letzten 10 Jahre
in der bayerischen Geistlichkeit sich gehoben hat, wovon u. a.
eine nicht kleine Zahl neben unserer Zeitschrift selbstandig
erschienener Schriften, die zumeist in der Bibliographie be-
sprochen wurden, riihmliches Zeugnis ablegt. —
Ein fliichtiger Blick auf das Inhaltsverzeichnis der jetzt vor-
liegenden 10 Bande kann daruber belehren, daB so ziemlich alle Ge-
biete des bayerischen Landes, freilich nach Lage der Dinge das
eine Gebiet mehr das andere weniger berucksichtigt worden ist und
namentlich dank der rait so vielerMiihe von Herrn Reichsarchivrat
0. Rieder inMunchenzusammengestelltenNotizen altere Arbeiten
aus den Zeitschriften der historischen Vereine wieder in Erinnerung
gebracht wurden. Und das umfangreiche Ortsregister wird manchen
Leser erkennen lassen, daB auch sein Dorfchen, das ganzfern von
dem Strom der Geschichte zu liegen schien, doch in einem nachweis-
baren Zusammenhange mit der groBen Entwicklung steht, was
hoifentlich zu weiterem Nachforschen anregen wird. Denn wie weit
wir auch gekommen sein mogen in der Erhebung neuen Quellen-
materials und daraufhin im Verstandnis des geschichtlichen
Zusammenhangs, der Erkenntnis des Werdens der kirchlichen
Zustande in diesen oder jenen Landschaften und besonders des
Lebens hervorragender Personlichkeiten, so sind wir doch immer
Zum B6ginn des zweiten Jahrzehnts der Beitrage. 3
noch in den Anfangen begriffen. Je tiefer man grabt, um so
niehr findet man Neues, was das miihsam gewonnene Geschichts-
bild wieder zu verriicken droht, und das, was etwa als Resultat
bezeichnet werden kann, reicht z. B. langst noch nicht aus,
um eine wirklich wissenschaftlich fundierte Geschichte der
evangelischen Kirche in Bayern, geschweige denn eine Kirchen-
geschichte Bayerns iiberhaupt zu schreiben. Es ist verstandlich,
daC das Interesse der meist protestantischen Mitarbeiter sich
der Reformationszeit, neuerdings auch der Geschichte des Pietis-
mus zugewandt hat, aber diese Erkenntnisse erhalten doch erst
den richtigen Wert, wenn sie sich auf einer nicht minder ein-
gehenden Kenntnis der vorreformatorischen Zeit erbauen. In
diesem Punkte sind wir aber zuruckgeblieben, und die vor-
reformatorische Zeit in erheblich grofierem Umfange, als bisher
geschehen, in den Kreis der Untersuchung zu ziehen, mufi eine be-
sondere Aufgabe flir die Zukunft sein. Die mittelalterliche Ge-
schichte Bayerns ist eine so reiche und in ihren Wirkungen so weit
reichende, wie das von wenigen anderen Gebieten Deutschlands
gesagt werden kann. Wo gab es eine groBere Anzahl von
Stiftern und Klostern? Wo dank der vielen selbstandigen
Hen-niehen und Reichsstadte eine grofiere Zahl eigenartiger
kirchlicher Gebilde? Und wie vieles harrt da noch im einzelnen
der Erforschung, haben wir doch nicht einmal ein bayerisches
Klosterlexikon. Das dtirfen wir nicht alles den allgemeinen
Historikern tiberlassen oder den Nationalokonomen, die ira
Interesse der Wirtschaftsgeschichte neuerdings sich sehr eifrig
mit dem Klosterwesen zu beschaftigen anfangen. Und weiter,
die Kirchengeschichte des 17. Jahrhunderts ist im groBen und
ganzen, abgesehen von einigen Gebieten, die durch die Greuel
des SOjahrigen Krieges beleuchtet etwas mehr Beachtung ge-
funden haben, fast noch eine terra incognita. Wie viel auch
der FleiB des Veteranen unter den bayerischen Kirchenhisto-
rikern, Pf. Medicus, dessen Verdienste unvergessen bleiben
sollen, zusammen gebracht hat, so sind das doch nur Richt-
linien fttr spatere Forschung. AUein ich brauche die vielen noch
unbebauten Felder nicht aufzuzahlen, sie drangen sich jedera,
der sich eine Totalansicht verschafifen will, von selbst auf.
Freilich mit der Erkenntnis der Fulle der Aufgaben wachsen
1*
4 Zam Beginn des zweiten Jahrzehnts der BeitrsLge.
auch die auBerlichen Schwierigkeiten. Wie die Dinge bis jetzt
liegen, haben wir nur vermoge des groBen Entgegenkommens
der Verlagshandlung hier und da mehr als die vereinbarten
18 Bogen im Jahre bringen k5nnen, und mancher Autor ist
wohl dariiber verstimmt gewesen, daB sein Aufsatz, wie er
meint, ungebuhrlich lange ungedruckt geblieben ist. Das w^r
aber nicht anders zu machen sowohl des mangelnden Kaumes
wegen, als auch weil der Herausgeber doch auch nach MOg-
lichkeit fiir Abwechselung im Stoff zu sorgen hat. Es ist be-
kannt genug, wie der Anerkennung der „Beitrage", die sie sich
namentlich auch auBerhalb Bayems errangen haben, die Zahl
der Abonnenten nicht entspricht. Wir sind dankbar dafiir, daB
19 Dekanate durch eine kleine jahrliche Subvention, die hoifent-
lich noch weiter flieBen wird, die Fortfuhrung des Untemehmens
bisher ermoglicht haben. Wie lange diese Unterstutzung genftgen
wird, ist eine andere Frage, und jedenfalls ist zur Zeit an die
sehr wiinschenswerte Vergr5Berung der Zeitschrift nur zu
denken, wenn alle Interessenten auch fur grSBere Verbreitung
sorgen. Wenn es gelange, in jedem Kapitel zwei oder drei
neue Abonnenten zu gewinnen, k5nnte man der Sache naher
treten^). Vor allem aber mochte ich die Henen Mitarbeiter
bitten, dem Unternehmen weiter ibre treuen Dienste zu leisten
und neue frische Krafte dafiir zu werben, zur Ehre der Wissen-
schaft, und wie wir hoffen dlirfen, auch zu Frommen unserer
Landeskirche, in deren Dienst sich die BeitrSge in erster Linie
auch im neuen Jahrzehnt stellen wollen^).
Th. Kolde.
1) Siehe dazu die Anerbietnngeti der Verlagsbucbhandlnng auf dem
Umschlag.
2) In redaktioneller Beziehnng mag hier noch folgeodes bemerkt
werden: Mit dem 11. Bande soil auch in dieser Zeitschrift die neue
Orthographie eingeflihrt werden. Im Interesse der Druckerei liegt es,
daB alle fiir die Beitrage bestimmten Manuskripte nur auf einer Blattseite
beschrieben sind. Bel der Wiedergabe von Urkunden, Aktenstiicken etc.
nicht aber bei Darstellungeu sind die Personen und Ortsnamender
besseren Obersicht wegen zu unterstreichen. BeiZitaten von Schriften
ist der Name des Verfassers ebenfalls zu unterstreichen, auch nach Wdg-
lichkeit der Titel genau mit Ort und Jahr des Erscheinens anzugeben.
Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit und
das Ende Eberlins von Giinzburg.
Von Dr. Earl Schombaum.
Das Ansbachische Stadtlein Leutershausen ^) war am Aus-
gang des Mittelaltei's im Verhaltnis zu seiner Grofie reich mit
kirchlichen Pfriinden und Anstalten versehen. AuBer der
Pfarrei gab es 1528 eine Mittel-, Friih-, Kapell-, Bruder- und
Engelmesse^); auch finden wir eine Bruderschaft der Schuster
und Schneider, die ihren. Jahrestag am Tage Crispini und
1) Zur Yerfttgung standen mir aus dem kgl. Eonsistorialarchiy zu
Ansbach 2 Aktenvolnmina. N. 411. Acta die Pfarrei Leutershaugen be-
treffend. U61— 1678. (zitiert: Pf. L.) n. N. 416. Acta die Eaplaneien zu
Leutershausen betreffend. 1496 — 1656. (zitiert < K. L.). Aus dem Niim-
berger Ereisarcbiv Tomus V pars I der Ansbacher Religionsakten. Wie
Uber die itbrigen markgrSflicbeu Pfarreien ist auch liber Leutershausen
wenig Yorhanden; die Ansb. Rel. Acta sind vielmebr die offiziellen Akten,
welche die SteUung Braudenburgs in den religidsen Bewegungen des
16. Jhdt. zum Ausdrucke bringen*. Eine Reihe von Akten verwahrt auch
das kgl. preuB. Staatsarchiv zu Kdnigsberg i. Pr. Herzogliches Bnef-
archiv A 3. (alt: 3. 3. 46.) 6. Nov. 1532. Die im 11. Jahresbericht des
hist. Yereins fOr Mittelfranken 1841 (Ansbach 1842) S. 65 u. 73 erwShnten
Episcopalakta (1528—1726) u. Lateinische-Teutsche Schnlacta (1520—1736)
standen mir leider nicht zu Gebote. Die Oberamtsakten von Eolmberg
im Ereisarcbiv zu Niirnberg [Rep. 144] entbalten nichts sachdienliches.
Cber Leutershausen s. obigen Jahresbericht S. 43—89.
2) 1. Bericht des Amtmauns Wolf vonHefiberg an Markgraf Georg
tiber die Pfarreien und Gotteshauser im Amte Eolmberg. d. d. Matthaei.
ap. [21. 9] 1528. A. R. A. Tom. Y. p. 1. fol. 70 ff. und 2. Bericht des Amt-
manns Wolf v. Hefiberg an die Statthalter tiber die Pfrtinden. d. d.
Donnerstag Burkhardi [12. 10?] 1531. A. R. A. Tom. Y. p. 1. fol, 100 ff.
6 Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Bcformationszeit.
Crispiniani hielten ^). Neben der Gotteshauspflege ^) bestand
ein St. Wolfgangsaufheben *) and eine Stiftung „die elenden
Kerzen" genannt*). Wir diirfen dabei nicht vergessen, dafi
nicht weniger als 18 Dorfer in die Pfarrei gehorten^). Bei
einem derartigen Umfange der Pfarrei waren natiirlich auch
die Ertragnisse derselben nicht gering. Im Jahre 1529 schatzte
man dieselben auf 304 fl. Sort lOcJ^); nach einem Bericht
des Kastners Veit Gattenhofer aus dem Jahre 1531, nachdem
alle katbolischen Stiftungen und Einrichtungen schon langst
gef alien waren, belief en sich die Einnahmen doch immer noch
fast aaf dieselbe Hohe '^). Infolgedessen teilte sie auch, trotz
mancher auf ihr ruhenden Lasten®), das Scljicksal so manch
1) A. R. A. Tom. V. p. 1. fol. 84. cf. obiger Jahresbericbt S. 84.
Aus einem wohl 1555 entstandenen Verzeichnis der erledigten Pfriinden
ergibt sicb, dafi die Einnahmen 13 fl. 1 ort betrugen. 5 fl. wurden ver-
teilt unter arme Leute, 1 fl. bekamen sie fiir Brot, ^/, fl. fiir Wein.
IVs fl- die Armen im Siecbenhaus. 1 fl. Haasarme. 1 fl. der Stadtschreiber.
Vs fl* betrug die Stadtsteuer. Va fl* wurde zn einem Mahle bei der
Austeilung vcrwendet Ansb. Rel. Acta Tom. Ill f. 23.
2) cf. 11. Jahresbericbt. S. 82. A. Rel. Acta. Tom. V. p. 1. f. 83:
Aufbeben des Gotteshanses St. Peter za Leutershausen 1528.
3) cf. 11. Jahresbericbt. S. 66. A. Rel. Acta Tom. V. p. 1. f. 85:
S. Wolfgangs Aufbeben.
4) A. Rel. Acta Tom. V. p. 1. f. 86.
5) Nach Pf. L. foU 25 gehorten nach Leutershausen: Sachsen,
Btichelberg, Rottenbach, die Hof, Velbregt, Orttenberg, Binzenweiler,
Rotenweiler, Erlbach, Neunkirchen teilweise, Wisterbach, Reinsdorf,
Reifihart, Winden, 'Klonsbach, Emdorf, Fromnaetsfelden (teilweise), Hoch-
stetten, Bauzenweiler, Kressenhof.
6) Ansb. Rel. Acta. V, p. 1. f. 91: Einkommen der Pfarrei Leuters-
hausen 1529.
7) Ansb. Rel. Acta. V. p. 1. f. 99: Veit Gattenhofer, Kastner zu
Leutershausen an die Statthalter zu Ansbach. d. d. Di. n. Omn. Sanct«
(7. XI) 1531. Nach J. Looshorn, Die Geschichte des Bistums Bamberg IV.
Bamberg 1900. S. 738 im Jahre 1536: 284 fl. 2 ^ 1 Heller.
8) Joh. Nagel, Pfarrverweser zu Leutershausen zahlt auf folgende
Leistungen : An die Herrschaft Brandenburg jahrlich 2 fl. ; 15 Tage lang
voUkommene Kost fiir Schulmeister und Priester; Ostern, Kirchweih,
Pfingsten wurde der ganze Rat von Pfarrer bewirtet; der Schulmeister
erhielt vom Pfarrer 1 Malter Korn, 1 Schober Heu, 3 FuderHolz und 1 fl.;
der Pfarrer von Weinberg 1 Malter Korn. Bei Annahme eines neuen
^chulmeisters mufite 1 ort dem Rat zum Trunk gegeben werden; dem
SchornbaHm, Leutershaiisen bei Beginn der Rcformationszeit. 7
anderer eintragliclier Pfarrei des Markgraftums, daB der eigent>
liche Pfarrer sich wenig urn die Pfarrgeschafte bekummerte,
sondern dieselben gegen eine geringe Vergiitung durch einen
Kaplan versehen liefi, wahreud er selbst in der Feme die
reichen Einklinfte fiir sich verwendete ^) . Urn den Beginn der
Reformationszeit besaB die Pfarrei der Wurzburger Domherr
Dietrich von Thiingen; die Pfarrgeschafte besorgte jedoch der
Mittelmesser Mag. Konrad Beringer ^), der zugleich die Wlirde
eines Dechanten fiir das Kapitel Leutershausen bekleidete.
^ Eigentlich ware er verpflichtet gewesen, die Pfarrei Geslau zu
verwalten; er zog es jedoch vor, sie dnrch J. Meder versehen
zu lassen ^). Fruhmesser war Georg Reigel, Kapellmesser Mag.
Friedr- Engerer, Brudermesser Georg WeiCgerber *), der auch
die vom Markgraf Albrecht Achilles im Anftrag seines sterbenden
Bischof von W^iirzburg und dem Dompropst 6 Q 10 ^; der Frtthmesser
bekam ein siebenklafteriges Schober Heu von den PfrUndewiesen. Pf. L.
foU 25. cf. 28.
1) Fr. W. A. Layriz, de primae evangelicae lucis ortu in terris
Brandenburgico Baruthinis schedion historico epistolare. Baratbi 1795.
S. 24 zahlt eine Reihe von Beispielen auf: Bayreutb: 1420 Jakob von
Plafienburg; 1431 G. Kunsberg von Wernstoin, can. Wirzeb.; 1456 Job.
Kocbiam de Kochheim can. Eicbst. etBrix.; 1493 Ulrich von Lentersbeim.
Weidenberg: 1471 Andreas de Wirsperg; 1486 Franc, de Wirsperg.
Neankirchen: 1496 Jodocus a Reizenstein; Oberngesees: 1476 H.
Stiirmer; 1511 Fr. von Rusembach. Gesees: 1511 Chr. von Wicbsen-
atein. Kirchleus: 1505 Job. v. Schaumberg. Wonsees: 1452 G.
v. Aufsefi, can. Bamb. Wirsberg: 1456 Aug. v. Rabengtein. Drosen-
feld: 1513 Aug. v.Rabenstein. Trumsdorf: 1409 Oswald von Mengersdorf.
2) Seine Vorganger waren H. W^eiglin, M. Friedrich. Pf. Leut. f. 25.
3) Bericht des Amtmanns Wolf v. He^berg. Matthaei ap. 1528.
[21. 9.] A. Rel. Acta T. V. p. 1. f. 70 ff.; aHerdinga waren die Auf-
stellangen schon am Mo. u. Di. n. Egidi [7. u. 8. 9.] 1528 in Gegenwart
des Yogtes H. Scblund, des Kastners und des Predigers Job. Nagel gemacht
worden. — Am 20. Aug. 1528 hatte derselbe Amtmann als Kaplan an-
gegeben: Jobst Niederreut. Anab. Rel. Acta T. VIII. fol. 35 ff. d. d. Do.
n. Sebaldi 1528. cf. Blatter f. bayerische Kirchengeschichte. I. (Ro then-
burg 1887/1888) S. 112.
4) A. Rel. Acta Tom. V. p. 1. f.73ff. Die Brudermesse ertrug 30 fl.,
die Engelraesse 31 fl., ebenaoviel die Mittelmesse; die Friihmesse 40 fl.;
die KapeUmesse 21 fl. Fur das Jabr 1531: S. A. R. A. T. V. p. 1. f. 102,
1536: s. J. Looshorn S. 738.
8 Schornbaum, Leatei'Bhausen bei Beginn der Reformationszeit.
Vaters 1451 gestiftete SchloCmesse zu Kolmberg verwaltete ^).
Die Einkunfte der Engelmesse hatte man 1628 dazu verwendet,
als ihr Inhaber gestorben war, auch hier eine Praedikatur zu
errichten. Dieselbe war Job. Nagel ubertragen worden^).
Zum erstenmal griff die markgraf liche Regierung im Geiste
der Reformation in die kirchlichen Angelegenheiten im Jahre
1527 ein, als es gait, den nach manchen Verhandlungen erst
von Georg gebilligten Landtagsabschied vom Jahre 1526 zur
Durchfiihrung zu bringen^). Der alte Pfarrverweser Mag.
Konrad Beringer ftihlte sich durch denselben sehr beengt; es
war, wenn man nach einem Vermerk bei sp^teren Abmachungen
mit ihm schlieBen darf *), vor allem die Bestimmung, daB keine
Konkubinen mehr bei den Geistlichen geduldet werden soUten.
Er hatte deshalb dem Domherr Dietrich von Thlingen gekiindigt.
Da dem nunmehr gesandten Kaplan von der markgraflichen
Regierung die Verwaltung der Pfarrei trotz Fursprache des
Dompropsten Friedrich von Brandenburg verweigert wurde,
andrerseits auch der eigentliche Pfarrer nicht nachgeben wolUe^
schien es, als ob die Pfarrei langer unbesetzt bleiben sollte^).
1) Stiftungsbrief des Markgrafen Albrecht fiber eine Messe im
Schlosse zu Kolmberg zu Ehren der drei Konige, Hieronymi und Maria
Magdalena. d. d. Ansbach. Jnv. crucis [3. 5.] 1451. Orig. Perg. Kreis-
archiv Nttrnberg. I. Kasten- und Vogtamt Kolmberg. A. Schlofi im all-
gemeinen. S. XVI. 273/1 1 N. 14. BestatigungBbrief des Bischofs Gott-
fried von W^urzburg. d. d. W^iirzburg, 17. Mai 1451. ibidem N. 15. Claufi
Heinlein und seine Ehefrau Katharina von Frommetsfelden verkaufen
2 Tagwerk Wiesen zu Frommetsfelden an den Ansbacher Chormeister
und Singherrn Joh. Medlinger von Ansbach zu einer ewigen Fruhmesse
im Schlosse Kolmberg um 60 fl. Di. n. S. Walp. (4. 5.) 1451. ibidem
N. 13. 8. J. Looshorn IV. S. 939.
2) A. Rel. Acta Tom. V. p. I. f. 73 f.
3) K. Schornbaum, die Stellung des Markgrafen Kasimir von
Brandenburg etc. Nttrnberg 1900. S. 106.
4) Pf. L. fol. 21.
5) Pf. L. fol. 17. Dietrich von Thiingen an den Markgrafen Kasimir:
bittet seinen Kaplan auch ohne Verpflichtung auf den Landtagsabschied
die Pfarrstelle beziehen zu lassen. Er war aufgefordert worden, einen
frommen gelehrten Priester auf die durch Verzicht Beringers frei gewordene
Stelle zu senden. — Erneute Bitte Dietricbs von Thtingen unter Hinweis
auf die Verwendung Friedrichs. d. d. Mo. n. Rem. (18. 3.) 1527. Pf. L. fol. 19,
Schornbaum, Leutersbausen bei Beginn der ReformationBzeit. 9
Urn aber die vielen Schwierigkeiten, die die Einfiihrung des
oben erwahnten Landtagsabschiedes mit sich gebracht hatte^),
nicht noch zii vermehren, unterhandelte man mit dem alten
PfaiTverweser wiederum wegenFortfiihrungderPfarrgeschafte*).
Man uberlieB ihm gegen eine jahrliche Abgabe von 100 fl. an
den eigentlichen Pfarrer samtliche Pfarreinkttnfte und gab ihm
hinsichtlich seiner Magd beruhigende Versichernngen (1. Juli
1527)*). Doch soUten sich die Verhaltnisse bald andern; noch
im September starb Markgraf Kasimir zu Budapest. Mit der
Ubernahme der Regierung durch seinen Bruder Georg war der
Sieg der Reformation im Lande eigentlich schon entschieden.
Von alien Geistlichen in Leutersbausen hatte sich auBer
dem Kapellmesser Mag. Fr. Engerer allein der Prediger J. Nagel
der neuen Lehre zugewandt, wodurch er groBen EinfluB auf
das Volk gewann. Die andern hingen anfanglich um so hart-
nackiger am Papsttum. Noch 1530 '(10. Nov.) konnte man
samtliche Vikarier*) iauBer dem 1529 auf die Engelmesse ge-
setzten Endres Lauden von Dettelbach, einem friiheren M6nch;
als Papisten bezeichnen ^), Dem entsprach auch das Ergebnis
der ersten markgrjlflichen Kirchenvisitation. Wahrend der
Prediger das Exanien gut bestand, wurde der Pfarrverweser
Konrad Beringer und der Friihmesser G. Reigel „male" be-
funden ^). Durch das Festhalten derselben am alten Glauben
1) K. Schornbaum, 1. c. S. 106 ff.
2) Statthalter und Rate zu Ansbach an Co. Beringer, Mag. Pfarrherr
zu Leutersbausen. d. d. Mitw. n. Estomibi (6. 3.) 1527. Bitte, die S telle
nocb so lange zu verseben, bis ein neuer Verweser aufziehe. Pf. L. fol. 18.
3) Pf.L.fol.20.actumMo. n.PetrietPaulil527. aucbA.B. A.y.p.l.f.89.
4) Job. Eberlin an Alexius N. [Frauentraut], markgraflichen Sekretar,
d. d. Leutersbausen. auf Vigil. Martini. (9. XT.) 1530. Pf. L. f. 28.
5) Job. Eberlin an den Markgrafen. So. Estomibi (19.. 2.) 1531.
Pf. L. f. 46: „Vor 1^2 Jabren babe der Markgraf einen ebemaligen Moncb
auf die Engelmesse gesetzt." 1531 war Engelmesser A. Lauden v.
Dettelbacb, vorher wobl Pfarrverweser in Mainbernbeim s. Blatter fur
Eircbengescbicbte. L S. 11.
6) Das Visitationsergebnis v. Rurer gescbrieben. A. R. A. VIII. f.446.
Abg. 43. Jabresbericbt des bistoriscben Verelns von Mittelfranken. 1889;
Ansbacb S. 60. cf. H. Westermayer, Die Br. Nurnbergiscbe Kirchen-
visitation und Kircbenordnung 1528 — 1533. Erlangen. 1894. S. 35. tlber
den Termin: Beitrage X.-.S. 40.
10 Schornbaum, Leutershaasen bei Beginn der Befoimationszeit,
war naturlich die Einfiihrung der Neuerungen und die Durch-
fuhrung der Kirchenordnung in Leutershaasen ernstlich ge-
fahrdet, und man benutzte in Ansbach nicht ungem die Qe-
legenheit, als die Leutershauser Gemeinde' sich liber den
Pfarrverweser beschwerte, urn durch den Amtmann von Kolm-
berg, Wolf von HeBberg, diesem die Weisung zukommen zu
lassen, seine eigene Pfarrei baldigst zu bezielien lind an seiner
statt den Priester, „den die armen Leute so gern horen", als
Pfarrer zu verordnen^). Es war wohl niemand anders als der
Pradikant Job. Nagel.
Damit erlangte der Mann in der kirchlichen Geschichte
Leutershausens eine groBere Bedeutung, den man als den ersten
evangelischen Stadtpfarrer dieser Stadt bezeichnen darf. Leider
geben uns die bis jetzt zuganglichen Akten keinen AufschluB
daruber, woher er stammte und welches sein Bildungsgang
war. Sein Nachfolger teilt uns eimal . mit, daB er im Wiirz-
burger Bistum friiher also eineu Priester geschlagen hatte, daB
ihn nur die vergebenden Worte desselben auf dem Totenbette
vor einer argeren, als der Gefangnisstrafe bewahrten. Auch
in Wertheim soUte er sich zu Tatlichkeiten gegen einen Gfeist-
lichen in der Kirche haben hinreiBen lassen, daB ihn Graf Georg
von Wertheim aus dem Lande weisen muBte^). Er scheint
von nicht geringer Willenskraft gewesen zu sein, und es ver-
standen zu haben, mit dem kleinen Mann umzugehen. Vor
allem ging er energisch an die Durchfuhrung evangelischer
Grundsatze im Gottesdienst; er schaffte die lateinische Sprache
vollkommen ab^). Auch die beiden Visitatoren A. Althamer
und Joh. Rurer mlissen von ihm einen guten Eindruck be-
1) Georg an Wolf v. He6berg. d. d. Do. nach Exalt. Crucis. (17.9.)
1528. Pf. L. f. 22. Ko. BeriBger hatte gebeten (7. u. 8./9. 1528. befor-
dert 21./9.) ihn bis auf Cath. Petri 1529 auf seiner Stelle zu lassen und
mittlerzeit einen Prediger zu verordnen, der das Wort Gottes und Evan-
gelium 'verkiinde, angesehen sein Alter und Unwissenheit, bis ihn der
Geist Gottes erleuchte. Ansb. Rel. Acta. Tom. V. p. 1. fol. 89 f.
2) Johann Eberlein an den Kammersekretar Alexius N. d. d. Louters-
hausen. auf Vig. Mart. (9. XL) 1530. Pf. L. fol. 28.
3) A. Tetelbach, vicarius zu Leutershausen an den Kastner. KOnigs-
"berger Archiv. Beilage III ad A 3. (6. XL 1532) alt: 3. 3. 46. Unten
gedruckt. s. Beilage V.
Schornbaum, Lentershausen bei Beginn der Eeformationszeit. H
kommen haben. Zur Befestigung des neuen Kirchenwesens
schlugen sie dem Markgrafen vor allem die Aufstellung von
Superintendenten vor; fur das Amt Leutershausen-Kolmberg
wird sein Name genannt^).
Keine leichte Aufgabe wurde ihm damit ubertragen. Aber
Nagel machte sich mit allem Eifer daran. Gemeinsam mit dem
Pfarrer J. Reulein von Buch^) visitierte er zweimal samtliche
Pfarreien seines Bezirkes; er lieB sich die Muhe nicht ver-
drieBen, die widerstrebenden Geistlichen an der Hand der
heiligen Schrift von der Wahrheit der lutherischen Lehre zu
liberzeugen. Es gab zwar eine Eeihe von Pfarrern, die die
Neuerungen voUstandig durchgefuhrt hatten und keinen AnlaB
zur Klage boten: so Mag. Fr. Engerer, der Kapellmesser zu
Lentershausen, Petrus Eckstein Pf. von Auerbruch, H. Kutth,
Pf. V. Mitteldachstetten, M. Eiring, Pf. v. Obemdachstetten,
N. Braun, Pf. v. Kadolzhofen, Jod. Seuber, Pf. zu Frommets-
felden und der Pf. Veit Gall v. Brunst. Wenig Schwierig-
keiten machte auch der Pfarrer J. Beck von Windelsbach, fiber
den die Bauern nur das zu klagen hatten, daB er nichts vom
Sakrament gepredigt hatte. Der Pfarrer von Binzwang, Joh.
GriBbacher scheint ein alter zittemder Mann gewesen zu sein;
denn fiber ihn lief die Klage ein, daB er die Bauern mit Wein
zuviel flberschfitte. Viel widerspenstiger fand man den Pfarrer
Melchior Frei von Kolmberg; man fand ihn in alien Punkten
straflich. Nie hatte er die Gemeinde aufgefordert, in beiderlei
Gestalt das Abendmahl zu genieBen ; bei der Taufe gebrauchte
er Chrisam und andere Spezerei; fiberhaupt richtete er sich
1) A. Kel. Acta VIII. f. 445. (hier wm-de Nagel schon Pfarrverweser
genannt, noch im Sept. Praedicator), auch 470, ebenso 473: Nota: in
hemach benannten amten sollen noch Speculatorea angezeigt und be-
nannt werden. (von Rurer geschrieben). s. Blatter fiir bayerische
Kirchengeschichte I. (Rothenburg. 1887/88) S. 34. Th. Kolde,
Andreas Althamer der Humanist und Reformator in Brandenburg-Ansbach.
Erlangen 1895. S, 52.
2) Nach A. Rel. A. VIII. f. 445 stand Joh. Nagels . Wahl zum
Superintendenten fest. Rurer schlug nun, well das Amt viele Priester
habe, noch zwei vor: M. Eiring von Oberdachstetten und G. Rewlein zu
Buch. ibidem f. 473. SchlieBlich begntigte man sich docb mit zwei
Superintendenten, f. 470,
12 Scbornbaum, Leutershausen bei fieginn der Beformationszeit.
nach der Wiirzburger Agende. Die Aufforderung der Visi-
tatoren sich zu rechtfertigen, lieB er unbeachtet; doch zeigte
er sich bei der zweiten Visitation geftigiger. GroBe MiB-
stimmung herrschte in der Pfarrei Obersulzbach, wozu Hegenau,
Hohenaub, Grafenbuch, Untersulzbach und Berndorf gehSrten,
gegen den Pfarrer Konrad Hofmann, der nicht nur alle Ge-
brauche beibehalt, sondern auch die beiden Visitatoren von der
Kanzel herab Ketzer schalt. Der Dorfmeister H. Fiedle warf
ihm in Gegenwart derselben samt andern Bnrgern oflfen vor,
daB er sein zu Ansbach im Examen gegebenes Versprechen,
seine Pfarrstelle vertauschen zu woUen, noch nicht gehalten
habe^). Joh. Nagel gewann aus den Unterhandlungen mit
ihm den Eindruck, daB er besser zu einem Sauhirten als zu
einem Prediger tauge. Bei einem zweiten Besuche fand man
das Sakramentsh^uslein und andere Dinge noch vor, sodaB man
den Eindruck gewann, daB er sich in nichts hatte umstimmen
lassen. Miindliche Unterredungen, die Joh. Nagel und Ni. Braun
am 15. April 1529 mit ihm anstellten, hatten auch keinen Er-
folg, sodaB diese einen Stellentauch zwischen ihm und dem
zweiten Superintendenten vorschlugen. Doch gelang es, den
harten Sinn dieses Mannes zu beugen; bezeugt er doch 1530,
daB Joh. Nagel sich immer christlich und recht priesterlich ge-
halten habe und es nie an christlicher Ermahnung habe fehlen
lassen 2). Ganz unerquickliche Zustande herrschten auch in
Leutershausen selbst. Als man am Tage Purif. Mariae das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilen woUte, fand man
das Sakramentshauslein verschlossen. Erst dem Burgermeister
gelang es, von dem alten Dechanten Ko. Beringer den Schlussel
zu erlangen. Seinen Standpunkt verrSt es deutlich, wenn von
seiner Bereitwilligkeit, 5 fl. gern hergeben zu woUen zur Be-
leuchtung des Sakramentshausleins, berichtet wird. Georg
Reigel war sein Gesinnungsgenosse ; in Wissersbach (wohl
Wiedersbach) hielt er ganz nach altem Branch die Messe. Nur
den Mag. Friedrich Engerer fand man bereit, sich nach den
Anordnungen des Markgrafen zu richteti. Vor allem wurde
1) 8. Blatter zur bayerischen Kircbengeschichte I. S. 36.
2) Pf. L. f. 36.
Schombaum, Leatersbausen bei Beginn der Reformationszeit. 13
hier die Tatigkeit der Visitatoren erschwert durch den alteu
Pfarrverweser Ko, Beringer. Man fand namlich, daB in Geslau,
wohin dieser Job. Meder als Verweser gesetzt hatte, noch nie
deutsche Messe gehalten, nie eine Exhortation vor dem Abend-
mahl vorgenommen worden war; die Pfarrkinder wuBten nichts
liber den Unterschied zwischen Testament und Opfer, noch viel
weniger vom Katechismus. Da nun eine Aufforderung an
Beringer, seine Pfarrei doch selbst zu iibernehmen nichts
fruchtete, so nnternahm es Job. Nagel den Pfarrverweser in der
heil. Schrift zu unterweisen. Mit wenig Erfolg. Auf erneute
Klagen machte er sich am 14. April 1529 wieder nach Geslau
auf. Er fand, daB der Pfarrverweser viel Partikel im viatico
urn viele in einem Beutel hatte; 30 Partikel, die zu Ostem
ubrig geblieben waren, hatte er in ein besonderes corporate
getan, in das Sakramentshauslein gesteckt und ein Licht davor
angeziindet. Auch hier empfahlen es die Visitatoren, ihn zu
entfemen und daftir den Pfarrer von Buch an seine Stelle zu
setzen, da der eigentliche Pfarrer durjehaus nicht seine Pfarrei
versehen woUe^). Ihre Vorschlage hatten wenig Erfolg; man
beschloB zwar in Ansbach, binnen 14 Tagen habe Ko. Hofmann
seine Stelle zu raumen, und Ko. Beringer wurde angewiesen,
entweder selbst in einem Monat nach Geslau zu ziehen oder
durch einen von den Examinatoren gepriiften Kaplan dasselbe
verwalten zu lassen^), aber noch 1531 treffen wir beide auf
ihren alten Stellen^); doch waltete jetzt in Geslau ein neuer
Kaplan Endres N.*).
. Derartige Erfahrungen erschwerten natiirlich die Tatigkeit
der Visitatoren. Es war nur gut, daB der Amtmann Wolf von
HeBberg ihnen keine Schwierigkeiten in den VS^eg legte. Neue
VerdrieBlichkeiten erwuchsen Nagel von einer Seite, ' von der
man es zunachst nicht erwarten soUte. Schon in der Ver-
fiigung, die ihn zum Pfarrer in Leutershausen ernannte, war
1) Joh. Nagel an den Markgrafen. Wohl aus dem Jabre 1529.
Original. Ansb. Rel. Acta Tom. VIII. f. 542 (pars. II. Pr. N. 120).
2) Ansb. Rel. Acta Tom. II. fol. 23.
3) Ansb. Rel. Acta Tom. V. p. II. fol. 100 ff.
4) Wohl Andreas Scherpfig, der bis 1536 Pf. in Geslau war. Akt:
Pfarrei Geslau 1536—1736 fol.. 5. auf dem kgl. Konsistopium zu Ansbach.
14 Schornbaum, LeaterBhausen bei Beginn der Reformationszelt
bemerkt, dafi er dem armen Mann so sehr gefalle^). Wirklich
hat er auch, das geht aus den vielen Bittschriften bei seiner
Absetzung unzweifelhaft hervor, bei dem groBen Haufen den
meisten Einflufi sich erworben, aber dadurch auch sich den
Rat entfremdet. Zu einem friedlichen Zusammenwirken diente
es auch nicht, dafi Joh. Nagel ziemlich eigenmachtig verging
bei Annahme von KapUnen, den Stadtschreiber, ohne den Rat
zu fragen, entlieB, auch sich weigerte die biirgerlichen Lasten
auf sich zu nehmen^), was doch schon 1525 im Markgraftum
eingefiihrt worden war ^). Es verwuudert uns daher nicht, daB
der Rat gegen seinen Pfarrer sich beschwerdefiihrend 1529
nach Ansbach wandte. Nagel hatte seine Sache selbst ver-
schlechtert, indem er sich manche BlSBe gab. Es wird wohl
auf Wahrheit beruhen, wenn ihm ungestumes Predigen und
Schelten auf der Kanzel vorgeworfen wird, sowie sein Betragen
in Wirtshausern gerttgt wird*). Trotzdem hatte ihre Bitte
keinen Erfolg ^) ; vielleicht wurde E. Lauden ^) jetzt als Engel-
messer nach Leutershausen geschickt. Erst im nachsten Jahre,
als die Anzeige nach Ansbach gelangte, dafi man keinen Pfarrer
habe, erging die Mitteilung, daB bald ein neuer Pfarrer ein-
treffen werde (18. Oktober 1530)'^). In einem wenige Tage darnach
ergehenden Schreiben (22. Oktober 1530) ®) war der Verkehr Nagels
in den Wirtshausern und das eigenmachtige Verlassen seiner
Stelle als Grund der Amtsentsetzung angegeben. Man kann
billig bezweifeln, ob das wirklich der einzige Grund war. Es
war die Zeit, wo durchs Markgraftum die Wiedertaufer hin
und her wanderten; sogar in Ansbach kam es zu Verhandlung^n
1) Pf. L. f. 22.
2) Pf. L. f. 23 gedruckt in der Beilage N. 1.
3) K. Schornbaum, 1. c. S, 67.
4) Beilage I.
5) Das Gutachten Nagels fiir den Augsburger Reichstag in A. R. A.
T. Xllf. 289 ff.
6) gewohnlich nur Endres Tetelbach genannt.
7) Markgraf Georg an den Kastner Veit Gattenhofer, Vogt, Bttrger-
meister etc. zu Leutershausen. Ansbach Di. n. Galli (18. X.) 1530.
Pf. L. f. 33.
8) Georg an AmtmanD, Kastner, Vogt etc. von Leutershausen.
Ansbach. Sa. n. Ursale (22. X.) 1530. Pf. L. f. 34.
SchorDbaum, Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit. 15
mit denselben. Auch in Leutershausen scheinen sie Boden ge-
funden zu haben. Am 28. August 1530 leistete G. Nespizer
von Leutershausen „der bekannte Jorg vonPassau*' mit seiner
Hausfrau Brigitte offeutlichen Widerruf^). Vielleicht, daB man
in Ansbach das eigenmachtige Verschwinden von der Pfarrei mit
dieser Bewegung in Zusammenhang brachte uud deswegen
diese Strafe verfiigte. Der Markgraf wachte ja angstlich iiber
alle Regungen dieser, wegen ihrer pol. Ansichten h5chst unan-
genehmen Bewegung.
Bereits am 18. Oktober 1530 erschien als neuer Pfarrverweser
Joh. Eberlin von Giinzburg in Leutershausen^). Bis jetzt
nahm man an, daU dieser Mann, einer der bedeutendsten Volks-
schriftsteller der Reformationszeit, bald nach 1530 in Wertheim
1) Uber die umfangreiche Tauferbewegung werde ich spater noch
mehr zu berichten imstande sein, da das gesamte Material noch vorhanden
zu sein scheint. (A. Rel. A. Tom. 38. 39. Tom. Siippl. I.) Georg
Nespizer ist der bekannte J5rg v. P.assau. s. Fr. Roth, Augs-
burgs Reformationsgeschicbte 1517—1530. Munchen 1901. S. 244ff. Von
Augsburg ging er nach Strafiburg, wo er ins Gefangnis gelegt aber bald
des Landes verwiesen wurde. Aus dem Urphedbach der Stadt Strafiburg.
d. d. Di. n. Ostein.. (30. III.) 1529. A. R. A. 39 fol. 80. Er wandte sich
dann nach Leutershausen, wo er unerkannt blieb, dafi ihm 1530 der Rat
das beste Zeugnis ausstellte. Durch die Aussagen M. Meirs v. Erlangen
wurde auch er wieder erkannt und gefanglich angenommen. Der Mark-
graf erkundigte sich bei den Stafiburgern uber ihn (A. R. A. 39 f. 80)
und befahl, ihn als rUckfalligen zn behandeln. Georg an seine Statt-
halter, d. d. Mo. n. Marg. (18/7) und Mitw. n. Jacobi (27/7) 1530. A. R. A.
Tom. 39. fol. 81. 84. Da er sich bereit erklarte zur Widerrufung aller
Irrtiimer (Urgicht G. Nespizers von Lauingen, Biirgers von Leutershausen,
Jorg V. Passau genannt. Mitw. n. Marg. (20. VII.) 1530. A. R. A.
Tom. 39 f. 95 f.), auch Burgermeister und Rat von Leutershausen sich ffir
ihn verwandten (Bngitta Nespizerin an die Rate zu Ansbach; Btirger-
meister und Rat zu Leutershausen an die Statthalter zu Ansbach. d. d.
Fr. n. Ass. Mariae (19. 8) 1530. A. R. A. Tom. 39. f. 63 u. 68), wurde
er gegen Urphede und Kirchenbufie freigelassen. Urphede G. Nespizers
und seiner Hausfrau Brigitta. So. n. Ass. Mariae (21. 8) 1530. Grig.
Kreisarchiv Nttrnberg. Ob. Colmberg. (Vogtamt Leutershausen. A. Stadt
Leutershausen.) S. XVI. 273/2 N. 22 a, cf. auch 11. Jahresbericht etc.
S. 63. Auch der Pfarrer Hechtlein von Schalkhausen war rtickfallig ge-
worden. A. R. A. 39 f. 84.
2) Wolf V, Hefiberg an Markgraf Georg. d. d. Di. n. Mart. (15. XI.)
1530. Pf. L. f. 31.
16 Schornbaum, Lentershausen bei Beginn der Beformationszeit.
gestorben sei. Aber auch hier soUte der weit herumgewanderte
Mann sein miides Haupt nicht zur Ruhe legen durfen^). Nach
seinen eigenen Angabeu hatte er Wertheim verlassen, weil
Graf Michael n. und die Witwe des Grafen Georg ihm nicht
mehr den n5tigen Schutz vor den Verfolgungen der Katholiken
geben konnten. War doch Graf Georg selbst hart vor den
Toren seiner Hauptstadt von einem Mainzischen Reiter ttber-
fallen nnd beinahe erstochen worden^). Aber nach den von
dem ehemaligen Leutershausener Kastner Veit Gattenhofer dem
Markgrafen Albrecht, Herzog in PreuBen tibersandten Schrift-
stiicken scheint dies doch nicht der einzige Grand gewesen zn
sein^). Wenn sie zwar auch nicht anf voile Glaubwiirdigkeit
Anspruch erheben konnen, so ergibt sich doch soviel als sicher,
daB zwischen ihm nnd dem Amtmann Hundt Streitigkeiten
entstanden sind, vielleicht wegen der strengen Kirchenzucht,
die er in Wertheim hielt*). Altere Beziehungen zu dem mark-
graflichen Kanzler G. Vogler^) nnd dem Kammersekretar Alex.
Frauentraut®) bewogen ihn wohl, sich nach Ansbach zu wenden,
wo ihm bald die Verwesung der Pfatrei Leuterhausen liber-
tragen wurde.
1) s. den Artikel Kolde, Eberlin in Pr. R. E. » V, 122ff. daselbst
auch weitere Llteratur.
. 2) Verantwortung J. Eberlins. 28. VII. 1531. Pf. L. f. 57 ff. «aut
S. Marthae Tag".
3) cf. Beilage VIII und IX.
4) H. Neu, Geschichte der evangelischen Kirche in der Grafschaft
Wertheim. Heidelberg 1903. S. 17.
5) Beitrage z. bayer. KG. I. S. 266.
6) Eberlin schreibt Sfter an einen Alexius N. markgraf lichen Sekretar.
Pf. L. f. 28 u. 30. Dieser ist identisch mit dem bekannten Teilnehmer
an der Gesandschaft der protestierenden Stande nach Italien. Vgl.
Dobel, Memmingen III. T. S. 229. Alex. Frauentraut. 1515 Kais. Notar.
s. Oberamt Schwabach. Frauentrautsche Pflege. N. 1. (Kreisarchiv Nttrn-
berg. Rep. 151. S. XVII. 297/1. N. 1). Kammersekretar 1528. s. seinen
Revers. d. d. Di. n. Inv. (2.3.) 1528. Kreisarchiv Niirnberg. Rep. 117 a.
S. X. 170/1. N. 161. 1541. Kammermeister. s. K. H. Lang, Neuere Ge-
schichte des FUrstentums Baireuth. II. Gottingen 1801. S. 172. Teilung
des Alex. Frauentraut unter seine Kinder. CI. Tetelbachin, Joh. Florian,
Wilhelm, Alexius, Konrad. 1541. NUrnberger Kreisarchiv. S. 17. 297/1.
N. 6. Frauentrautsche Pflege.
Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit. 17
Ob die Wahl eine recht giinstige war? Job. Nagel und
sein Freund der Pfarrer von Kolmberg, Job. Beger^), friiber
Kaplan in Leutershausen^), mussen Eberlin von Wertbeim her
gekannt baben. Unliebsame Erinnerungen mufiten in aller
Herzen aufsteigen. Hatte doch Graf Georg von Wertbeim
Beger wegen seiner Unzucbt und seines argerlichen Lebens
entlassen; auch Nagels Vorleben war nicbt einwandfrei ge-
wesen^). Vielleicbt ist es Eberlin gewesen, der die notigen
Visitationen vorgenommen hatte. Andrerseits hatte es die
Klugheit erfordert, dem Nagel einen gleich tiicbtigen Nachfolger
zu geben. Durch seine Energie, Redegewandtheit und Leut-
seligkeit hatte er sich bis auf den Rat aller Herzen gewonnen;
die Kinder auf der Strafie freuten sich vor allem, wenn sie ihn
kommen horten *). Eberlin scheint damals schon krank gewesen
zu sein, sodafi die Verwaltung einer solchen Pfarrei ihm aufier-
ordentliche Muhe machen mufite. Die Bauem schildern ihn
als einen „schweren, verdrossenen, zerbrochenen Mann von einer
fast langsamen Rede, die sie libel verstehen*'^). Es nimmt
uns nicht wunder, dafi die Einfiihrung des neuen Pfarrers sich
nicht so leicht vbllzog.
Joh. Nagel horte wohl bald von dem Treiben des Rates;
er mu8 aufs hochste empSrt gewesen sein liber dieses hinter-
listige Benehmen und woUte nicht ohne weiteres auf seine
Pfarrei verzichten. So kebrte er denn nach Leutershausen
zuriick und blieb ruhig im Pfarrhof, bis Eberlin eintraf, um so
mehr, als sich seine Frau in anderen Umst^nden befand. In-
zwischen hatte er unter dem Volke dafiir Stimmung zu machen
gesucht, dafi es sich gegen seine Entfernung auflehnen soUte^).
1) A. Eel. Acta Tom. V. p. 1. fol. 102. Eid des Joh. Beger
Pfarrer von Kolmberg. d. d. Franeisci (4. X.) 1529. Eonsistorialakt Kolm-
berg. 1529-1769. fol. 9.
2) Pf. L. fol. 23. cf. Beilage I.
3) Pf. L. fol. 28 ff. Joh. Eberlin an Alexius N. (Frauentraut). Leu-
tershausen. auf Yigilia Mart. 1530 (9. XL) u. Mo. n. Mart. (14. XT.) 1530.
ib. fol. 30 ff.
4) Pf. L. fol. 42.
5) Pf. L. fol. 41 u. 42.
6) Joh. Eberlin an Alex. Frauentraut. auf Vigilia Martini (9. XL)
1530. Pf. L. fol. 28 ff.
Beitrilge ear bayer. KirchengescMclite XI. 1, 2
18 Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit.
Zum guten Gliicke war am 18. Oktober 1530, als Eberlin von
Gunzburg eintraf, der Amtmann Wolf v. Heflberg gerade in
Leutershausen, sodafi der argste Unwille des Volkes. hintan-
gehalten wurde. Auf seine Verraittlung bin nahm er auch
davon Abstand, den Pfarrhof sofort zu beziehen, sondern zog
zum Schulmeister, sodafi er seine Frau nebst 4 Kindern^) in
Ansbach lassen mufite*). Doch nicht gar lange liefi sich der
Zorn Nagels zuruckhalten. In seiner Hitze und Leidenschaft-
lichkeit schalt er Eberlin in Wirtshausern und auf oflfener
Strafie einen Bosewicht und warf ihm vor, daft er die Pfarrei
erschlichen habe, wobei ihm der Pfarrer von Kolmberg getreu-
lichBeistandleistete^), umsomehr, als sie von dem neuen Kastner
Veit Gattenhofer, der noch vor wenigen Wochen ihr erbittert-
ster Peind war*), oflfen unterstiitzt wurden. AUe Bitten des
neuen Pfarrers um Auszahlung eines Teiles der Pfarrbesoldung,
um Lieferung von Holz schlug er ab; er nahm den alten Pfarrer
in Schutz: ihm geschehe Kurn (wohl Unrecht) und ermahnte
ihn immer zur Geduld, sodafi er in die bittern Worte ausbrach,
der Teufel habe auch dem Kaiser Julian in den Sinn gegeben,
so bittre Reden gegen die armen Christen zu fiihren. Bei
der iibrigen Geistlichkeit fand Eberlin keine Unterstiitzung,
dehn abgesehen von dem Engelmesser A. Lauden waren alle
noch Papisten. Auf diesen war auch nicht viel zu bauen, denn
er safi gern in Wirtshausern und woUte sich im Pfarrdienst
nur gegen Bezahlung verwenden lassen*^). 3 Wochen ertrug
Eberlin alle Anfeindungen ; erst am 9. November 1530, als er
einsah, daft in Giite nichts auszurichten war, klagte er sein
Leid Alexius Frauentraut®). Inzwischen hatte Nagel nicht ge-
feiert. In Sachsen, Erlbach, Buchelberg hielt er Versamm-
1) Pf. L. fol. 111.
2) Wolf V. Hefiberg an Markgraf Georg. d. d. Di. n. Mart. (15. XI.)
1530. Pf. L. fol. 31.
3) Pf. L. fol. 28 f. Eberlin an Alexius Frauentraut. auf Vig. Mar-
tini 1530.
4) Nach Eberlins Bemerkung. Pf. L. fol. 29.
5) Pf. L. fol. 28 f. Eberlin an Alexius Frauentraut. auf Vig. Mar-
tini 1530.
6) Pf. L. fol. 28 f.
Sehornbanm, Leutershansen bei Beginn der Reformation szeit. 19
lungen^); seine Bemiihungen waren auch gar nicht erfolglos.
Am 20. Oktober verwendeten sich die Pfarrer G. Reulein zu
Buch, J. Gruber zu Prommetsfelden, J. Pistor zu Windelsbach,
A. Scherpfig, Verweser zu Geslau, Ko. Hofmann von Obersulz-
bach, J. Beger von Kolmberg, N. Praun von Stettberg und
Kadolzhofen, J. Griefibach von Binzwangen und P. Eckstein
von Auerbruch fiir ihn bei dem Markgrafen; sie gaben Nagel das
riihmenswerte Zeugnis, 4a8 er sich die 3 Jahre als Pradikant und
Pfarrverweser christlich und priesterlich allezeit gehalten habe^).
Auch Bauern von verschiedenen Dorfern wie Karger Zobel zu
Romesdorf^), H. Fischer und P. Fo6, Dorfmeistfer zu Sachsen,
H. Betz und.M. Hertle, Biirgermeister zu Biichelbferg, G. Raws-
hart und H. Usamer, Dorfmeister zu Erlbach, der Vogt zu
Clonsbach, die ganze Bauemschaft von Rottenbach*), C. Raw-
schatt, Vogt und Bauerschaft zu Jorgsheim, L. I^eller Vogt
und die Gemeinde zu Rauchenbuch*), Fritz Haspel, L. VoUet
und Marx von Sachsen, H. Falck und H. Eckart voh Leuters-
hausen®) baten, ihn auf seiner Stelle zu belassen. Er hatte
ihnen das Wort Gottes getreulich gelehrt, dafi sie keinen Man-
gel an ihm hatten, wahrend sie Eberlin nur schwer verstunden.
Fiir den 13. November hatte man eine grofie Versammlung in
Leutershansen geplant. Schon hatte der Amtmann die Erlaub-
nis gegeben auf die Bitte von 4 Biirgern hin, sich nach alter
Weise versammeln zu durfen, um wichtige Fragen zu besprechen,
da er ja von alien Seiten von Bauern in dieser Sache iiber-
laufen wurde, da verweigerte es der aufiere Burgermeister mit
dem Burgermeister des inneren Rates; die Antwort versprach
man zu geben vor dem Amtmann zu Kolmberg. Der Stadtrat
war erschrocken uber die entstandene Bewegung, um so mehr,
als auf sein Betreiben die Absetzung Nagels erfolgt war, lind
zeigte dem Amtmann die furstlichen Befehle vor, sodafi dieser
1) J. Eberlin an Markgraf Georg. d. d. Mo. n. Laet. (20. 3.) 1531.
Pf. L. fol. 48 ff.
2) d. d. Dom. Sim. et Jude (30. X.) 1530. Pf. L. fol. 36.
3) d. d. Mart. (11. XI.) 1530. Pf. L. fol. 27.
4) Pf. L. fol. 39 f.
5) Pf. L. fol. 41.
6) Pf. L. fol. 42f.
2*
20 Schornbaum, Lcutershausen bei Beginn der Reformationszeit.
beunruhigt sofort ein Entschuldigungsschreiben nach Ansbach
schickte, dafl er die Versammlung erlaubt hatte ^). Beobachtete man
doch im Hinblick auf den Banernkrieg und die Wiedertaufer
alle Versammlungen des Volkes argw5hnisch. Was die 2 Bitt-
schriften Eberlins vielleicht nicht erwirkt hgltten, erfolgte jetzt.
Am 25. November 1630 wurde der Ansbacher Kastner P. Bach-
mann nach Leutershausen geschickt, um den Pfarrer in den
Pfarrhof zu fiihren, ihm seine Besoldung zuznweisen nnd den
alten Pfarrverweser Joh. Nagel gefangen zu legen, wenn es
sich als wahr herausstellen soUte, dafi er seinen Nachfolger einen
Bosewicht genannt hatte 2). Zwar wurde er bald wieder aus
dem Gefangnis entlassen auf die Fursprache des Amtmann hin;
doch scheint er diese Gegend ganzlich verlassen zu haben^).
Dagegen h5rten seine beiden Preunde, der Pfarrer zu Kolmberg
und der Kastner zu Leutershausen, Veit Gattenhofer nicht auf,
zu wiihlen und zu hetzen gegen den neuen Pfarrer, was um
so leichter ging, als das Volk Joh. Nagel nicht so leicht ver-
gessen konnte und die Vikarier an den Messen sich auch
nicht mit Eberlin befreunden konnten.
Schon die nachsten Streitigkeiten, in die er verwickelt
wurde, sollten es zeigen. Wohl war die Pfarrei eine der ein-
traglichsten, aber der Pfarrverweser bekam das wenigste davon.
Abgesehen von den 100 fl., die an Dietrich von Thiingen abge-
liefert werden sollten, wahrend sie in Wirklichkeit der Amt-
mann einzog, weil ihm von seiten Wiirzburgs sein im Banern-
krieg erwachsener Schaden noch nicht vergiitet war*), zog die
1) Wolf V. Hefiberg an Markgraf Georg d. d. Di. n. Mart. (15. XI.)
1530. Pf. L. fol. 31. Die Schrift W^olf v. Hefibergs an Fritz Haspel,
L. VoHrath, Marx Walz zu Sachsen, H. Valck zu Leutershausen und
H. Eckart, worin er ihnen die Yersammlong erlaubt. ibidem fol. 35.
d. d. Di. n. Mart. 1530. cf. dazu den Brief Eberlins an Alexius N. (Frauen-
traut), d. d. auf Mo. n. Mart. (13. XL) 1530. ibidem fol 30 f.
2) Instruktion fur Peter Bachmann, Kastner zu Ansbach zur Hand-
lung mit Kastner, Rat und Gemeinde zu Leutershausen. d. d. Kath. (25. XL)
1530. Pf. L. fol. 44 f.
3) 8. Beilage IV.
4) Am 24. Juli 1532 wandte sich der Dompropst und Propst von
Neuenmiinster zu Wuizburg, Dietrich v. Thiingen an die Rate zu Ans-
bach, mit der Bitte, ihm ftlr die letzten 5 Jahre die durch M. Friedrich
Sohornbaiim, Leutershansen bei Beginn der Reformationszeit. 21
markgrafliche Eegierung wohl seit der Ernennung Job. Nagels
zum Pfarrer alle Pfarreftikunfte ein, dem Pfarrer iibeiiiefi man
nur 80 fl. jahrlich samt Pfarrholz sowie den Ertrag zweier
Gfiter zu Leutershansen, der sich auf 7 Malter Haber, 7 Metzen
Korn und etliche Pfennige belief^). Bei der grofien Ausdehnnng
der Pfarrei machte sich bald aber die Anfstellung eines Kap-
lans dringend notig; hatte doch Eberlin auch zu den 2 Sonn-
tagspredigten und der Mittwochspredigt nodi eine Ansprache
am Samstage eingefiihrt und bemuhte sich besonders urn die
Beichte der Kommunikanten^). Er hatte sich nun zunachst da-
durch geholfen, dafi er den Engelmesser Eudres Lauden gegen
besondere Belohnuug zur Ubernahme einiger Pfarrgeschafte
bewog. Doch bald geriet er mit ihm in Streit wegen der
Holzbezuge ^). Am 19. Februar 1631 weilte er in Ansbach,
wo die markgraflichen Juristen und Theologen liber den'Bei-
tritt zum schmalkaldischen Bund berieten, welchen der Mark-
graf Georg deswegen ablehnen zu mussen glaubte, weil die
Berechtigung des Widerstandes gegen den Kaiser aus der
bewirkte Absenz zu bezahlen (500 fl.). d. d. heil. Apostel Jacobiabend.
(24. VII.) 1532. Pf. L. fol. 78. Auf Befragen erklarte der Amtmann,
daO der Pfarrer nur drei Jahren keine Absenz bekommen babe laut bei-
liegender Quittung iiber 160 fl., erhalten von Ko. Beringer fUr das Jahr
1528/1529 (d. d. die Kuneg. 3. 3. 1529. beglaubigt durch Kastner Rain
und Stadtschreiber M. Kornperger. Mitw. n. Jac. Ap. (31. VII.) 1532.
Pf. L. fol. 84). Statthalter zu Ansbach an Wolf v. HeBberg d. d. Sa.
n. Jacobi (27. VII.) 1532. Pf. L, fol. 80. Antwort des Amtmannes d. d.
So. n. Jacobi (28. VII.) 1532. ibidem fol. 81. Auf Mitteilung der Statt-
halter (d. d. Mo. n. Jacobi (29. VII.) 1532 ib. fol. 82), bestand der Dom-
herr auf seinem Recht, zeigte daB die Quittung bloig ein an seinen Pfarr-
verweser iiberschicktes Formular war, da ja quittiert sei uber 160 fl.,
welche er bis 1528 bekommen habe, und bestritt entschieden das Recht
dem Amtmann, das Geld zur Bezahlung seiner im Bauernkrieg erlittenen
Schaden zu verwenden. (d. d. Di. n. Barth. (27. 8.) 1532. ib. fol. 87ff.).
Die Rate verwiesen ihn' an den Amtmann, der gerade auf dem Tiirken-
znge war und versprachen von nun an die 100 fl. ihm zukommen zu lassen.
Pf. L. fol. 89. d. d. Sa. n. Barth. (31. 8.) 1532.
1) Eberlin an Markgraf Georg. So. Estomihi (19. II.) 1531. Pf. L.
fol. 46.
2) Eberlin an Georg. Mo. n. Laet. (20. 3.) 1531. Pf. L. fol. 48.
cf. auch fol. 29.
3) Pf. L. fol. 48 ff.
22 Sehornbaum, Leutershausen bei Beginn der Beformationszeit.
Schrift niclit zu beweisen war^). Er benutzte die Gelegenheit,
um den Markgrafen seine Not zu schildeni nnd ihn zu bitten,
doch den Engelmesser A. Lauden oder den Frfihmesser Georg
Reigel zu veranlassen, weil sie in der Woche nur ein Kapitel
lasen, die Kaplaneistelle zu versehen mit Litaneien, Vespern,
taglichen Kirchengesangen und dem Austeilen des Abendmahls
in der Stadt und auf dem Lande^), weil er nicht imstande sei,
bei dem geringen Einkommen, selbst einen Kaplan zu halten.
Seine Bitte hatte Erfolg, war sie doch unterstutzt von den
versammelten Geistlichen^). Aber die beiden Kapl^ne lehnten
es ab sich der markgraflichen Anordnung zu fugen, bestritten
jede Verpflichtung dem Pfarrer helfen zu miissen und ver-
sprachen nur in Notfallen aushelfen zu wollen. Doch
schlugen sie wenigstens einen geziemenden Ton an*). Aber
der "Kastner, hinter den sie sich steckten, wufite seinen
Unwillen iiber die markgrafliche Anordnung nicht mehr
zuruckzuhalten. Als er mit Eberlin nach dessen Riickkehr
in Stefan Wolfs Wirtshaus zusammentraf, ' rief er ihm zu:
Du Bosewicht, du Schalatsbosewicht, dafi dich Gott Veltin,
Gottes Marter sch^nde; du bist ein Bosewicht und w^rest du
1) Einladungsschreiben Georgs Mittw. n. Purif. Mariae (8. II.) 1631
in Ansbach zn erscheinen. d. d. Ansbach 15. 1. 1531. Eingeladen wurden:
Brenz, Ad. Weifi, Meglin, H. Gast, J. Eberlin, A. Obermeier, alle Pfarrer
und Predjgev zu Ansbach samt dem Lektor B. Ziegler, H. L. LuCner,
Pf. zu Gunzenhausen. A. K. A. T. XVI. fol. 193. gedr. Th. Pressel,
anecdota Brentiana. Tubingen 1868. S. 104. N. 27. u. J. H. v. F ale ken -
stein, Chronicon Suabacense* Schwabach 1756. S. 200. Handlung des
Hans V. Planiz u. Werner von Wildenstein mit Markgraf Georg. d. d.
Ansbach. Fr. n. Val. (17. 2.) 1531. A. R. A. Tom. suppl. I (S. XII. R. Ve)
fol. 231 flf. u. S. I. L. 10. N. 6. im Nttrnberger Kreisarchiv. Bedenken
der markgraflichen Theologen iiber die Frage, ob dem Kaiser Wideratand
geleistet werden diirfe bei Hor tie der II, 1,8. Tiber diese Angelegenheit
hoffe ich mich in Balde auBern zu konnen in einer eingehenderen Unter-
suchung iiber die Politik des Markgrafen Georg 1528 — 1532. ^
2) Eberlin an Markgraf Georg. d. d. So. Estomihi (19. II.) 1531.
Pf. L. fol. 46.
3) A. R. A. VIII. fol. 123. Pr. N. IdVj: «der Markgraf m5ge Joh.
Eberlins und der beiden Eaplane allhie Armut bedenken", ist wohl in
diese Zeit zu verlegen.
4) Georg Reugell u. A. (Lauden von) Tetelbach, vicarii zu Leuters-
hausen an den Markgrafen. Pf. L. fol. 14.
Schornbaum, Leutersbausen bei Beginn der Beformationszeit. 23
fromm, du warest nicht hierher gekommen. Auf die bescheide-
nen Einwendungen des Pfarrers und seine Hinweise auf seine
guten Zeugnisse fuhr er mit der Faust ihm ins Angesicht und
schrie: Siehe, du Bosewicht, dein Leben soil nicht sicher sein
von meiner Hand* Er lehnte sich hinaus zum Fenster mit dem
Euf : Ich habe ein Amt versehen, da du noch ein Monch warest,
daft dich Gottes Marter schande ; du B5sewicht hast den Kastner
von Ansbach hierher gebracht und mich verklagt vor den
Eaten des Markgrafen ^). Seinem Bestreben ist es wohl zuzu-
schreiben, daB der Befehl wieder zuriickgenommen und dem
Pfarrer ein eigner Kaplan auf Kosten der Regierung beigegeben
wurde. Die Autoritat des Pfarrers aber wurde dadurch unter-
graben. Die Leute sangen offen auf der Strafie: Eberlin hat
ein Schwein geschlagen, ist ihm nicht wohl geraten. Obwohl
der neue Kaplan noch nicht erschienen war und Eberlin
durch Krankheit arg heimgesucht wurde, weigerten sich
die beiden Vikarier ganz entschieden Aushilfe zu leisten, sodafi
dieser an 2 Sonntagen die Messe ausfallen liefi. Auf Kriicken
schleppte er sich in die Kirche, um wenigstens eine Predigt
dem Volk zu halten. Am Sonntag Okuli (12. Marz) schickte
dann doch der Engelmesser zum Pfarrer und erklarte, Messe
halten zu wollen, doch nicht ihm zu Hebe. In der Kirche
schrie er nun laut: der Pfarrer hat das Zipperlein, hatte er
doch auch die Franzosen, sodafi dieser es nicht mehr langer
mit anhSren konnte und auf Kriicken in die Kirche humpelte,
um Messe und Predigt zu halten. Aber damit begnugte sich
der Kastner Veit Gattenhofer nicht; er warf ihm in einem
Schreiben an die Statthalter zu Ansbach allzugrofie Mildtatig-
keit und Nachlassigkeit im Bezahlen vor; auch beschuldigte
er ihn, er hatte sein Amt nicht fleifiig genug versehen. Eberlin
konnte bei dem alien ruhig bleiben; aber man merkt seiner
Beantwortung dieses Schreibens die innerliche Entrustung an
Uber diese ungerechtfertigten Behauptungen. Er fragt den
Kastner, ob er einen Biedermann auf Erden anfiihren konne,
dem er einen Pfennig schuldig geblieben sei, er weist darauf
1) Geht aus dem Schreiben Eberlins an Markgraf Georg d, d. Mo.
n. Laet. (20. 3.) 1531 hervor. Pf. L. fol. 48 ff.
24 Scbornbauin, Leutershansen bei Beginn der Reformationszeit.
bin, dafi er in der Woche 4 — 5 Predigten halte; er beruft sich
fiir sein Leben auf das Zeugnis seiner Pfarrkinder; endlich
deckt er den Raten einmal das Treiben und Wuhlen des
Kastners auf. Doch machten dera die Rate zu Ansbach kein
Ziel; sie liefien die Sache auf sich selbst beruhen^).
Eberlin bekam nun wie gesagt einen Kaplan auf Kosten der
Regierung. Er hatte nachweisen konnen, dafi ein fruherer Pfarr--
verweser Mag. H. Weiglein die Einkiinfte der Brudermesse zur
Besoldung eines Kaplans und Ko. Beringer die Mittelmesse dazu
hatte verwenden diirfen. Job. Miirlin wurde, obwohl er schon
40 Stellen bekleidet hatte, nach bestandenem Examen zu Ans-
bach von Althamer nach Leutershausen gesandt^). Am Anfang
kamen-beide auch ziemlich gut miteinander aus. Eberlin war
zufrieden, wenn er sich wenigstens einigermafien von dem Treiben
des Kastners und der Vikare freihielt. Ofifener Zank und Streit
ware diesen natlirlich lieber gewesen. Aber schon das geniigte?
den Versuch untemehmen zu lassen, den Kaplan zu beseitigen.
Hierzu leistete der Amtmann Wolf von Hefiberg hilfreiche
Hand. Man hatte dem Kaplan eine Besoldung von 40 fl. ver-
sprochen, bis sich eine Messe erledige. Nach dem Tode des
Kapellmefiers Fr. Engerer gab man nun die eine Halfte der
Stadt zur Besoldung des Schulmeisters, die andere durfte fur
den Stadtschreiber verwendet werden, sodafi es moglich wurde,
beide Stellen zu trennen. Nur die Wohnung raumte man dem
Kaplan ein^). Wohl auf Einfliisterungen der Vikarier hin,
schlug der Amtmann am 5. Juli 1531 dem Markgrafen vor,
durch die drei Vikarier die Kaplanstelle versehen zu lassen
gegen eine jahrliche Entschadigung von 15 fl., die markgraf-
liche Kasse hatte somit eine Einsparung von 25 fl. jahrlich
gehabt*). Da man in Ansbach unter einer grofien Schuldenlast
1) Pf. L. fol. 48 ff. Bescbeid : „8tebt diesmal auf ihm selbst".
2) Pf. L. fol. 66—70. Am Mittwoch vor dem Palmtag wurde er auf
ein Viertel- oder Halbjahr angenommen. (29. 3.) 1531.
3) Wof V. HeCberg an Markgraf Georg. d. d. Mittw. n. Vis. Mariae.
(5. VII.) 1531. Pf. L. fol. 52. cf. A. R. A. III. fol. 24 u. 385. u. V. p. 1.
fol. 102. Nach Loo shorn I. c. S. 738 wurden die Einkunfte von der
Kapellmesse (22 fl. 3*/, ort 18 ^) zur Schule verwendet,
4) Pf. L. fol. 52.
Schornbaum, Lentershaasen bei Beginn der Reformationszeitw 25
seafzte, begriifite man jedes Ersparnis mit Freaden; befahl aber
doch, den Pfarrer vorher urn ein Gutachten anzugehen. Dieser
hatte wohl manches an seinem Kaplan auszusetzen; aber er
arbeitete doch immer noch lieber mit ihm als mit den Vikariern;
so war es denn kein Eigensinn, wenn er sich gegen die durch
den Schlofikaplan von Kolmberg J. Bub*) iiberbrachten Vor-
schlage des Amtmanns ablehnend verhielt^). Aber er hatte
seinen Feinden eine Waffe in die Hand gegeben, die leicht zu
seinem Verderben ausschlagen konnte. Wir horen so und so oft,
dafi er krank war, daft er auf Kriicken z. B. in die Kirche
hinkte; schon wie er nach Leutershausen kam, war er so ge-
brechlich, dafi die Bauem es nicht fiir mSglieh hielten, dafi er
diese grofie Pfarrei versehen konnte. Daraus erklart es sich,
wenn er auf der Kanzel und sonst scharfer und barter im
Urteil war, als es selbst in jener Zeit, die ein grofies Mafi von
Derbheit vertrug, gang und gabe war. Als sich das Verhaltnis
zu den verschiedenen Vikariern immer unangenehmer gestaltete,
liefi er sich dazu hinreifien, auf der Kanzel gegen sie loszuziehen,
wobei wir allerdings nicht vergessen diirfen, dafi er der An-
gegriffene war. Auch sonst scheint er die Fehler der Gemeinde
so auf der Kanzel geriigt zu haben, dafi sich die einzelnen sehr
betroffen fiihlen mufiten. Auch fehlte es ihm an der Art des
Joh. Nagel, bes/bei dem Volk sich Zuneigung zu erwerben^).
Es miiflte denn sein, dafi die unten folgenden Schriftstticke des
A. Tetelbach- und des Rates von Leutershausen eine Erfindung
des Kastners Veit Gattenhofer seien, der seine in Preufien
auf Eberlin gemachten aber zuriickgewiesenen Angriffe dadurch
zu beschSnigen suchte. Doch erwahnt auch der Amtmann, dafi
Eberlin die Vikare Papisten und Antichristen heifie*). Vor allem
aber hatte er die Herzen dadurch sich entfremdet, dafi er wieder
lateinische Gesange im Gottesdienste einfiihrte, was man als
einen Rlickfall ins Papsttum ausah. Am 28. Juli 1531 erhielt
er nun ein Schreiben des Amtmanns durch die Statthalter zu
1) A. R. A. Tom. V. p. 1 fol. lOOf.
2) Wolf V. Hefiberg an die Statthalter zu Ansbach. d. d. auf den
Tag Jac. Apost. (24. VII.) 1531. Pf. L. fol. 53.
3) s. Beilage II u. III.
4) Pf. L. fol 53.
26 Schornbaum, Leatershausen bei Beginn der Reformationszeit.
Ansbach^), worin ihm Eigensinnigkeit, rucksichtsloses Vorgehen
gegen die Vikare, eigenmachtiges AbHndern der Kirchenordnung^)
vorgeworfen wurde. In Kiirze werde es so gehen in Leaters-
hausen, schrieb der Amtmann, dafi niemand mehr etwas za
seinem Lobe sagen werde wie in Wertheim. Man kann die
Entriistung des Pfarrers verstehen; hatte er doch bis jetzt in
Wolf von Hefiberg einen" unparteiischen Beamten gehabt und
mufite nun sehen, wie auch hier das Hetzen der Vikarier
und des Pfarrers von Kolmberg von Erfolg begleitet war. Schwer
gekrM,nkt zeigte er die Zweideutigkeit derselben, die sich zuerst
geweigert batten, ihm zu helfen und nunmehr den Kaplan zu
verdrangen suchten. Besonders erbittert war er iiber die Vor-
wiirfe wegen seiner Predigttatigkeit. Er berief sich auf das
Zeugnis des Amtmanns, seiner Frau und seiner Kinder, ob sie
je etwas an seinen Predigten zu tadeln gehabt hatten. Unbe-
greiflich war es ihm, wie man seine Kirchenordnung angreifen
konnte, war sie doch erst von Althamer, Brenz und anderen
gebilligt worden. Die ganze Landschaft von Wertheim rief er
zum Zeugen dafur auf, dafi man an seiner Tatigkeit sowie
seiner Kirchenordnung in Wertheim nichtszu tadeln gehabt habe;
von Luther sei sie vielmehr belobt worden. Als grundlose
Verdachtigung bezeichnete er es, wenn man ihm vorwarf, dafi
er sich habe aus Wertheim fluchten mussen; die Erkenntnis
allein, dafi es unmoglich sei, ihm dort den nStigen Schutz zu
verschaffen, habe ihn bewogen, seine Stelle aufzugeben. Furcht-
samkeit konne man ihm nicht vorwerfen, sei er doch 6 Wochen
auf dem Reichstag zu Augsburg mit seinem Grafen gewesen*).
Eberlin aber mochte fuhlen, dafi seine Verantwortung noch nicht
den notigen Dienst leisten wiirde und begab sich selbst nach
Ansbach, um miindlich mit den Raten iiber die Belassung des
Kaplanes zu verhandeln. Hier ubergab man ihm neue Klagen
des Amtmanns und der Vikarier und des Rates, vielleicht die
1) In diese Zeit fallt wohl Beilage IV.
2) Aufforderung der Statthalter an Eberlin zur Beantwortung des
Schreibens des Amtmanns Wolf v. Hefiberg (Pf. L. fol. 53). d. d. Do. n.
Jacob! (27. VII.) 1531. ibidem fol. 55.
3) Verantwortung Eberlins. d. d. auf S. Marthatag (28. VII.) 1531.
Pf. L. fol. 57 f.
Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Befonnationszeit. 27
obenerwahnten Schriftstucke ^). Nar auf die erste Klage scheint er.
schriftlich geantwortet zu haben; der Amtmann hatte vorge-
schlagen, wenn man den Kaplan nicht entfernen woUe, doch
wenigstens ihn im Pfarrhaus unterzubringen und das Pfrunde-
haus zu anderen Zwecken zu verwenden; auch warf er ihm vor,
daft er die Gemeinde zu wenig ermuntere, die Zehnten zu be-
zahlen, er sei ein Augendiener. Diese Vorwurfe zuruckzuweisen
war leicht. Die alten Pfarrer waren unverheiratet gewesen
und batten deswegen viel Platz im Pfarrhaus gehabt; wie
stimmte aber damit, dafi man ihn fruher eigensinnig gescholten
hatte, der Vorwurf der Augendienerei. Auf die anderen An-
klagen ging er wohl nur mundlich ein^); es gelang ihm auch,
die Belassung des Kaplans durchzusetzen ^), doch wurde ihm
das Pfriindehaus genommen; er mufite ins Pfarrhaus ziehen.
Die Rate batten allerdings vorgeschlagen, den Kaplan, der eine
ziemlich zweideutige RoUe spielte, trotz seiner Bitte zu entlassen
und wohl einen neuen aufzustellen. Da fuhlte Eberlin Erbarmen
mit ihm und erbot sich, es noch einmal mit ihm zu versuchen.
Aber es wurde ihm schlecht gelohnt*).
Der Kastner, erbittert; dafi dieser Vorstofi nicht gelungen
war, chikanierte den Pfarrer, wo er nur konnte. Den ge-
raumigen Pfarrhof benutzte man dazu, die Feldfriichte der
Pfarrgrundstucke und die Zehnten aufzubewahren. Seitdem die
Pfarreinkiinfte von dem markgraflichen Kastenamt eingenom-
men wurden, hatte natiirlich auch der Kastner darin etwas zu
sagen. Veit Gattenhofer gedachte aber den Pfarrer zu argern.
Er liefi in der Pfarrscheune einen Stall herrichten fiir seine
Ochsen. Mist und Unrat liefi er nun ruhig im Hofe liegen, bis
er giinstige Gelegenheit hatte, ihn zu verkaufen. Ellenhoch
lag er vor den Fenstern des Pfarrhauses. Mehr als 100 Fuder
wurden dann aus demselben fortgeschafft, wobei sich der Kastner
fiir 9—10 Fuder 1 fl. zahlen liefi. Uragekehrt wollte er dem
1) Beilage II a. III.
2) Eberlin an die Rate. d. d. Mitw. n. Vine. Petri (2. VIII.) 1531.
Pf. L. fol. 68 f.
3) Entscbeid auf Pf. L. fol. 14. Riickseite. Bitte des Joh. Murle,
Kaplans zu Leutershausen, auf der Stelle bleiben zu diirfen. K. L. fol. 6.
4) Geht aus Pf, L. fol. 66—70 hervor.
28 Schornbaum, Leutersbaasen bei Begiim der Reformationszeit.
Pfarrer nicht erlauben, seine Pfarrgiiter zu bestellen, damit sich
sein Gehalt nicht vermehre. Als nun dieser verhindern woUte,
dafi er wieder seine Ochsen in den Pfarrhof einstellte und des-
wegen Holz in den Stall legte, benutzte er die Klage eines
Bauern^), der seine Ochsen im Pfarrhofe nicht hatte unterbringen
k5nnen, um sich beschwerdefuhrend an die R^te zu Ansbach
zu wenden. Da wallte von neuem der Zorn des Pfarrers auf
und er entwarf ein Bild von dem herrischen und hinterlistigen
Treiben des Kastners (5. Okt. 1531.) Er wies darauf hin, daft
er genug Raum in den 2 Scheunen des Pfarrhofes habe, dafi
er zwar von dem Pfarrglitern grofien Nutzen ziehe, indem er
das Malter Getreide fur 3 fl. verkaufe, dagegeu den Pfarrhof
herunterkommen lasse. _ Unersattlich sei er in der Vermehrung
seiner Habe. Auch nahm sich Eberlin der Armen an und
zeigte; wie der Kastner eine arme Frau, „Bruckin" genannt,
ins Gefangnis geworfen habe, weil sie ihm seine Tuche nicht
gebleicht batte. Den.Erfolg erzielte wenigstens der Pfarrer,
dafi diese Qualereien abgestellt wurden^).
Aber noch vor seinem Abschied vermochte Gattenhofer
Eberlin einen neuen Schlag zu versetzen. Man verstand es,
den Kaplan Joh. Miirlin ganz auf seine Seite zu bringeu. Er
wurde immer ungeberdiger. Als man ihm nicht gestattete, auf
eine absonderliche Weise zu konsekrieren, schrieb er nach Ans-
bach, der Teufel regiere zu Leutershausen. Immer berief er
sich auf deji Kastner, der gebe ihm den Sold, der sei sein
Herr. Er verglich die aufriihrerischen Bauern mit dem Volke
Israel und die verbrannten Stadte mit den verbrannten Stadten
in Kanaan, sodafi der Pfarrer ihm verbieten mufite, wegen
seiner „Glossen" das Deuteronoraium weiter zu lesen. Warum
er so widerspenstig war, war klar. Denn taglich sah man
ihn im Verkehr mit dem Kastner und anderen Papisten; sie
iiberboten sich gegenseitig im Schmahen gegen den Pfarrer,
dafi auf dem Markte einer Miirlin zurief: „Herrlein, Herrlein,
ist's auch recht, dafi ihr euren Herrn also iibel ausschreit."
1) C. Metziger an den Rat zu Leutershausen. Pf. L. fol. 62. Veit
Gattenhofer an den Markgrafen. Sa. n. Mich. (30.9.) 1531. Pf. L. fol. 63 f.
2) J. Eberlin an die Rate zu Onolzbach. 5.10. 1531. Pf.L. fol. 71ff.
Schornbaam, Leaterafaansen bei Beginn der Refonnationszeit. 29
Urn Ordnung im Pfarrbofe kummerte er sich nicht; er kam and
ging, wann er wollte; besonders hatte auch die Pfarrfran unter
seinem Schelten zu leiden. Am Sonntag, den 22. Oktober 1531
batte er betnmken seinen Eircbendienst gehalten und war dann
gleich wieder ins Wirtshaus gelanfen. Hier suchte ibn der
Pfarrer aaf, weil es gait, einen Eranken in einem aoswartigen
Dorfe zu besacben and Mfirlin die Glocke uberhSrte. „Ihr
raacht rair also einen butzen," schrie ihm dieser zn; ;,ihr wollt
mich nnr vexieren vor der Gemeinde." Da der Eaplan keine
Anstalt macbte, sich zn erheben, kundigte ibm der Pfarrer auf
Petri. Am nachsten Tage benahm er sich also im Pfarrhause,
dafi ibn dieser sofort beurlaubte. Auch am Mittwoch wiedeiv
holte sich dieselbe Szene ; in ganz roher Weise beantwortete er
die definitive Beurlaubung mit den Worten: rja aufs Maul ge-
schissen, in der ars kei-ffen." Nachher reute es ihn doch, er
suchte dieselbe ruckg&ngig zu machen oder doch wenigstens
ein gutes Zengnis zn erlangen. Aber sowohl der Amtmann
als der Rat lehnte seine Bitte ab^); auch in Ansbach scheint er
keinen besseren Bescheid bekommen zu haben, trotzdem man noch
beide, Pfarrer und Eaplan, 28. XIL 1531 in Ansbach verh6rte^).
Von nun an herrschte in Leutershausen grofiere Ruhe. Veit
Gattenhofer merkte wohl, dafi auch manches gegen ihn vorlag
und zog es vor, nach Preufien ftberzusiedeln. Die Vikarier
waren jetzt auf einmal froh, gegen eine geriuge Entschadigung
die Kaplanstelle versehen zu durfen. Doch horen Elagen iiber
Eberlins scharfe Predigten nicht ganz auf. So beschwerte sich
der alte Eastner H. Rain iiber ihn; doch konnte der Amtmann
berichten, dafi sich die Angelegenheit doch etwas anders ver-
halte. (28. Jan. 1533 »).
1) Joh. Eberlin an die Statthaltcr. Zinstag n. Elis. (21. XL) 1531,
Pf. L. fol. 66 ff.
2) Statthalter an den Amtmann zu Kolmberg. d. d. Mo. n. Katli.
(27. XL) 1531. Pf. L. fol. 70.
3) Statthalter und Rate zu Ansbach an Wolf v. He(}berg. d. d. Sa.
n. Circumcis. Dom. (4. I.) 1533. Pf. L. fol. 98. Wolf v. HeOberg an
Regenten und Rate; d. d. Antoni (17. I.) 1533. Pf. L. fol. 99.
30 Schornbaum, Leutershausen bei Begixm der Keformationszeit.
Beilage I.
lustrnktion des Rates zn Leutershausen ftir 6. Hnckel
and Gregor Lack. 20. Augast 1529.
Yon meinem gnedigen herrn ist den burgermeistern vnd rathe
zu Leutershausen ein beuelh zukomen, in sich haltende; das seinen
f.gn. clagend furgebracht; wie Johan Nagel, pfaryerweserzuLeuters-
hausen, sich in seinem leren vnd lebenso vngesteme halte, des sein
f. gn. (Wo dem also) als ein cristlicher furste nit gedencke zu ge-
dulden. demnach sein f. gn. ernstlichen beuolhen, den pfarverweser
sampt zwaien glaubhafftigen menu em aus dem pfarvolck nach assnmp-
tionis marie [15. Aug.] fur seine f. gn. oder in abwesen derselbigen
rethe zubeschaiden vnd alda weiters benelhs zugewarten.
auf denselbigen beuelh habenmeineh. zw Leutershausen zuge-
horsam Jorgen Huckel vom rath vnd Gregorien Lacken, iren stat-
schreiber bemelten t4g zversuchen verordnet vnd^ was in alsdann von
seinen f. gn. oder derselbigen rethe des pfarverwesers ler vnd lebens
halben furgehalten wurdt, das. soUen sie gehorsamlich nach irem ver-
stand vnd nachvolgendem beuelh anzaigen, sovil in deshalb beuolhen^
kund vnd wissen ist.
Erstlich der lere halben.
so setzt Johan n N age 1 pfarverweser seine predigten den merer-
teil vf argument, frag vnd beschlusreden vnd furet sovil latein darein^
das sich das gemein volk beklagt; sie konden seine lere nit versteen.
vnd wann er vff der cantzeln oder sonst den bobst mit seinem
anhang, stifft; fegfeuer^ selmefi oder ander ding straffet; so erzurnt
er sich, ficht mit den henden vnd wirt so ungestume, darob sich
das einfeltig volck hoch stefit, ergert vnd sprechen: er predig aus
zorn, neid; es kond sich niemandts an seinem zirnen vnd schmehen
bessern; wann er vs dem geist redet, so thet er ander s vnd werden
ye longer ye irriger.
Item so hat er ytzund einen zupredigen aufgestelt^ Johann Begr
genant on ein rats wissen^ der er^rnt sich auch dermafien^ der
schlecht mit den henden vnd bachern vf den predigstul, dcht mit dem
haubt, maht sich so vngesteme, daran sich das einfeltig volck hoch
stefit vnd ergert.
Zum andern seins leben halben.
item er stelt vnd nembt priester auf zupredigen vnd gibt in
wider vrlaub one eins rats wissen wider das mandat.
item er hat sich vnderstanden dem statschreiber vrlaub zugeben^
des mein g. h. gantz ein vnbillich furnemen gedunckt, wie meniglich
abnemen mage, dann sie haben alweg vnd ye die freyheit gehabt
einen statschreiber, der auch schulmeister sein soil; aufzunemen
vnd vrlaub zugeben ; vnd ist einem pfarrer oder vicarier vnd
Schombaum, Leatershansen bei Beginn der ReformationsEeit 31
andern (in die kircheu gewidembten) priestern nit mer scbnldig, dann
was die kircben mit meflleiten vnd altardienen antrifPt rnd das
er nit zanck vndter inen anricbte laut des statbucbs.
item er allein yndem an dem priestern widersetzt sicb, bnrgerlich mit-
leiden zutragen wider das mandate des sicb die andeiii priestern
ergem vnd bescbweren.
item er hat etlich benrige abnutznng der engelmefl verkaufft^
des im nit zngebort, bat ein rat solcbs anf ytzigs engelmefiers be-
gem als ein glied der obrikbait nit wollen gestaten vnd dem engel-
mefier wollen verbelffen, das er seine pfrundabnntznng selbs auf
auf das hocbst verkauffe vnd ine bescbickt. bat er in seiner be-
bausnog geantwnrt, er bab nichts bei ineo zuscbaffen; ydoch bat
er sicb bedacbt vnd ist vor einem rat erschinen vnd knrtzlicb ge-
sagt, was er yerkaufft bab, mnefl verkanfft sein vnd also auf seinem
fnmemeu bis bieber verbart vnd dabej anzaigt, mein gnediger berr
sey sein berre \iid er sey pfarrer dagewesen^ ee sie darumb gewist
haben.
item er bat sicb im scbenckbans in der forstat vom tag so tief
in die nacb vu vrsach verbart, bis man die tbor verspert; bat er
etlich rats burger in der vorstat wollen getrangen^ sie soUen im
biuein belffen, baben sie geantwart, sie konden niemands binein laflen,
die Bchlofi sein inwendigs angeschlagen, vnd bat daruf zu inen gesagt^
ey ir seit ratsberrn, ir wert mir nit gut gnug (cum reverentia), den
hiodem an eucb zu wiscben.
item die andern artikel, so ime die ret furgebalten babeu, wie
er das sein in scbenckbeusern verzere etc. vnd sicb in seinem leben
inhalt seiner ler widerwertig balte etc. vnd sonderlicbeu dises arti-
kels von den bocbtzeiten vnd kindtztauffen bekenn^n meine berren,
das mein gnediger berr derselbigen recbt bericbt sey. denn es bat
sich wolgefngt, das in einem tag zwu bocbzeit gewesen seiu, ist er
apff die einen vnd sein weib auf die andern gangen vnd bede
nichts geben.
bey disem seine f. gn. aus cristlicbem furstlicben gemut leucbt-
lich zu vernemen baben, was vngestemigkeit vnd wider mefiigkait
des evangeli vnd mandats er sich in seiner lere vnd leben gepracht
md genbt bat.
indem geben meine h. solben bericbt; da sie well erkennen,
das sein £ gn. vnser gnediger berre ist, so sein sie doch des billi-
cben versebens, das sein f. gn. darumben kein gefallen haben, das
ymandts die glider fnrstlicber obrikait. das ist ambtleut burgermeister
vnd rathe verscbemebe solte, dann wer die glider vneert, der vuert
auch das haubt vnd entzeiht dem fursten sein eere.
vnd weil wir aus gutigen gotlichen gnaden aus dem evaugeli
erlemet haben (am Rande: laus deo, deo gratias) das die hailigen
wort vnd mandat gots allein vnser weg, warhait vnd ewigs leben
32 Schornbaum, Leutershanseu bei Beginn der Reformationszeit.
sein, vnd wie dasselbig wort des got selbs scherpfer ist, dann ein
zweischneidigs schwert, das durchdringt marck vnd gedancken, so solte
dasselbig wort nit ans zoren vnd vngesteme des predigers scbnei-
deu; sonder die prediger sollen dasselbig schwert, das wort^ lauter
vnd rain mit einfeltigen zuchtigen freantlichen worten vnd lieblichen
hertzen im munde furen vnd dasselbig im gemafltem leren vnd leben
mit ebnem claren senfften worten dem einfeltigen volk vortragen,
wie es Christus vnd seine apostel selbs dem volk vorgetragen vnd
darnacb gelebt haben vnd dasselbig ans seinen aigen hochangeadelten
crefften in den menschen schneiden wnrken und walden lafien, welchs
alsdann on alien zweifel den menschen zuchtig, frnchtbar vnd
zu cristen machet Esaj 55 vnd das vbel von vns auffhebet. Iheremie 23.
Doruf ist unser hochsts vertrawen, mein gnediger herr als ein
cristlicher gotlibender furst werde vns in diser geferlichen zeit mit
rainem einfeltigen cristlichen predigern gnedigklichen bedencken,
damit wir das hochst gat vnser seele das gewissen vnd wiirkung
zn gotlichen friden vnd wolgefallen ordnen vnd setzen moge.
dann aus misverstand des gemainen mans ist vil einzusehen
anf die clamanten vnd stturmer ; wo sie nit abgeschaffl vnd zuchtig
prediger eingesetzt, wurde zubesorgen^ das mit der zeit ergers erwach-
sen mechte. solchs haben mein h. ingehorsam meinem gn. h. auf den
beuelh zu vndericht sampt iren vnderthenigen willigen dinsten nit wol-
len verbal ten. actum am 20. tag August! Anno etc. 29.
Gregorius Lack statschreiber notarius scripsit.
presentatum dominica post Ass. Marie post vesperas 4. bora
22. Augusti.
Or. im Kgl. Konsistorialarcbiv zn Ansbach. Acta „die Pfarrei
Leutershausen betrefltend." Tom. I. (1461—1678) fol. 23f.
Bei lag e II.
A. Tettelbach an Statthalter und Rate zu Ansbach.
15311).
Volgt ein vnderricht Andres Tettelbachs an die stadthalter vnd
rethe zw Onoltzbach.
Oestrenge edlen vesten gnedigen gunstigeliebehern. Nachdem e. g.
ein schriftlich beuelh Laben geben dem edlen vnd vhesten Wolf fen
von Hespergk^ amptmann zu Kolmberck^ auf des pfarverwesers
zu Cjeuttershausen beschwernus von wegen ethlichen vicarien aldo
also, das der amptmann rechte vnd grundliche vnderricht geb^ so fuge
ich E. O. zn als einer aus den vicarien, nachdem der edel vnd vhest
1) Da6 dieses Schreiben aus dem Jahre 1531 stammt, zeigt der £in-
gang, der sich deutlich auf das Schreiben des Amtmanns Wolf von Hel^berg
an den Markgrafen (5. VII. 1531) bezieht. Pf. L. fol. 52.
Schornbaam, Lentershausen bei Beginn der Reforniationszeit 33
Wolff von Hesbergk angezaigt bat sein gutbeduncken, das wir
vicarii nit also mit vnser miifiig geben ergernus vortrugen dem ge-
nieioen volck vnd das almusen der kircben vergeblicb vorzerten, auch
das pfandt von got entpfangen nit begrtiben in die erdeu, sonder
dom pfarvorweser zu Lentersbansen bebulflicb weren am wort
gottes vnd darreicbung der sacrament, darumb das vnsere pfriindle
gering sein, mochten gebessert werden von der besoldung, die man
sonst einem caplan gibt, aucb der caplan staudt in der stadt vod landt
als der besser verseben werden, will icb solche gute meynung vnsers
amptmanns nit abscblageu, sonder das gern willig trenlich tbun, als ein
geborsamer, so mir ein scbwere sacb wurdt aufgeladen von meinem
g. berrn, geborsam sein. aber G. gimstige liebe berrn. das der
pfarvorweser Jo ban n Eberle anzeigt, wie icb als vff der engel-
mefi vor E. G. sey verclagt worden von burgermeister und ratb
zu Lentersbansen meins strefflicben lebens balben, also das
icb von E. G. sey genrlaubt worden, spart er die wabrbeit
vnd zeigt E. G. vnrecbt an, das dan nit seltzam bei im ist. 'icb
bin vor einem jar durcb berrn Johann Rurer mit vorwilliguug des
pfarrers zuScbalckbausen aucb einer gantzen gemeyn alda zu ei-
nem pfarrer verordent worden vnd nit anders dran war, dann das
icb solt aufziehen, in dem baben die von L enter sbaus en svplicirt,
das in gemelte engelmefi pfriindt zu gemeynem nutz wurd gestattet,
aber do mir mein g. b. marggraf Fridericb Thumbprost nit wolt
leyben, must icb also pleiben, derbalben zeucb icb micb vff dem
amptmann. weiter so zeigt der pfarvorweser an, wie wir uutuglicb
leut sein zu der seelsorg vnd sein gewissen nacb seine pfarrkioder
nit gern wolt mit vns beladen etc. in diesem anzeigen kan vnd mag
gespurt vnd erkant werden sein gemut vnd vnbestendigkait, dan
er bat vns vorbin darzu wollen treiben, aucb so bab icb im vorbin
xvj wocben die gantz pfarr verwesen in alien dingen vnd mein lid-
Ion scbwerlicb durcb vill verclagen von im bab mussen bringen; do
icb nit mehr sein diener wolt sein, hat er micb gescholten ein ver-
echter des evangelii, so icb vor im das evangelium predigt bab zu
Leutersbauseu aucb an vil enden in diesem loblicben furstentum.
aucb so ist sein leer groblich vermischt mit gift, dan er ist also grob
mit seinem scbenden vndschmeben, dafi sicb das gemein volck sebran im
ergert, dan dickermals auf der cantzel vns vicarii gescbmehet, daskeiner
mit vns kain gemeinscbaft soil baben, wie wir im bann seyn, do
creutz fur sich macben, wue wir geen, speyen an den wegk, do wir
seyn, ebr wolt vns gern aus dem chor treyben, so steen es der obrig-
keit zu ; auch mufibei vns steen vnd mit vns singen, ebr thuns nit gern, ehr
las sew vnd hundt bei im stehen, auch so lobt ehr sich allein, das
er zwifacher eer schuldig sey vnd mehr vmb das predigtampt verstee,
dann zweitausent priester. auch auf der cantzell itzund gesagt,
ehr mufi bei den hundert fl. einbufien, konn kein allmusen mehr
Beitrage Eur baycr. Kirchengescbichte XI. 1. 3
34 fiatteiger, Zur Geschichte des Pietismus^ m Bayreuth.
gebeD; auch wan ehr die comunicanten verhort, do ebr solt handeln
mit dem hell der seelen, so bandelt ehr, das im die paurcu soIIcd
holtz fhuren; auch so ist ehr ein vrsacher mit seiner selltzanier
form der verhor in den, das ehr ein itzlichen menschen anschreibt,
was standts ehr sey vnd von wegen seiner fragstuck, das vil men-
schen heur das sacrament nit h'aben entpfangen; auch so khan er sein
stolzen geist nit bergeu, dan ehr nymbt sein weib an sein seytten
vnd trit oifentlich an den feirt^eu auffs scherpfst zum thor hinans
vnd wann in ein paur ein wenig beschreit, so predigt ehr auff der
cantzel davon, auth so mufi man im vorklingen mit eincr schellen,
wann er will eineu berichten in der stadt; vnd weifi das volck nit,
ob er ein geweihte hostie bei im trSgt oder bei dem kranken conse-
crieren will, vnd geschicht doch eer vnd reverentz als wie vor alt-
her. solche stuck vnd andere mehr handelt ehr nauh seinem kopff.
sagt sein ordnung sey recht. das hab ich auch E. G. nit wollen
verhalten, diew«il ehr mich unbillicher each gegen E. G. verclagt
hat vnd mit der wahrheit nit beweisen, das er bat furhracht; begert
mich also vnverdienter sach mit meinem weibe vnd cleinen kindle
von dem pfrundle zu treiben, so ich mich doch lafi an ein gantz ge-
meyn leer vnd lebens halben. bit hierumb vmb gottes willen, E. G.
woUe kein vngnadt aufF des pfarrvorwesers gegen mir schSpffen vn
diese meine entschuldiguug mit gnaden aunehmen, dan ich vrbutig
bin, mich allzeit zu halten nach vnsers g. h. ordnung vnd refor-
mation, das will ich mit meinem gebet allzeit gegen gott vmb E.
G. laug leben geflifien sein zu bitten.
Endres Tetelbach E. G. vndertheniger caplan.
Copie im Kgl. Preufi. Staatsarchiv zu Konigsberg i. Pr. A 3.
Beilage IV ad 3. 3. 46.
(Schlufi folgt.)
Zur Geschichte des Pietismus in Bayreuth.
Nachtrage.
Von Dr, J. Batteiger in Germersheim.
I.
In meinem Buche „Der Pietismus in Bayreuth"^) babe
ich darauf hingewiesen, daB Paul Eugen Layriz seit 1731
an der gelehrten Schule in Neustadt a. d. Aisch in pietistischem
Sinne wirkte, zugleich mit Sarganeck^). Nach dem Weggang
des Superintendenten Steinmetz im Jahr 1732 traten diese
1) Berlin 1903 (E. Ebering).
2) A. a. 0. S. 86 f.
featteiger, Zur Geschichte des tietismus in Bayreuth. 55
beiden an die Spitze der verwaisten Pietistengemeinde ^), bis
1735 auch Sarganeck dieser Stadt den Riicken wandte, und
Layriz nur an Steinmetzens Nachfolger, dem neuen Super-
intendenten Lerche, einigerinaCen eine Stiitze fand^). Seit 1732
unterhielt Layriz eine lebhafte Korrespondenz mit Zinzendorf
und andern Gliedern der Briidergemeinde. Wahrscheinlich war
er 1732 bei der frankischen Reise des Grafen mit diesem bekannt
geworden. Wenigstens wird diese Annahme nahe gelegt durcli
die Tatsache, daB der Briefwechsel erst mit dem Jahre 1732
einsetzt^). In den Jahren nach dem Tode des Markgrafen
Georg Friedrich Karl, ^Is der Pietismus im Bayreuther Land
langsam aus seiner belierrschenden Stellung verdrangt wurde,
machte Layriz sich allmahlich mit dem Gedanken vertraut, sich
eine andere Wirkungsstatte zu suchen. Ohne daC Angaben in
seiner Korrespondenz sich finden, gehen *wir doch kaum irre,
wenn wir fiir seinen EntschluB die namlichen Griinde annehmen,
die einen Flessa nach Altona, einen SilchmuUer ins Exil nach
Kulmbach trieben. Eine innere Hinneigung znr Briidergemeinde
mag endlich den Ausschlag gegeben haben, daC Layriz 1742
als Seminardirektor nach Marienborn ging. Gerade fiber diesen
Abschied von Neustadt bieten seine Briefe im Herrnhuter Archiv
ziemlich genauen AufschluB.
Es lafit sich nicht sicher feststellen, wann der Gedanke,
Nenstadt a. A. zu verlassen, bei Layriz bestimmte Gestalt an-
genommen hat. Im Marz 1741 schreibt er an ein Mitglied der
Briidergemeinde, es sei ihm seit langer Zeit klar, dafi in Neu-
stadt nicht seines Bleibens sei. „Es war mir aber noch nicht
klar, wohin: bis der Antrag wegen Magdeburg vor fiinfviertel
Jahren kam. Da wurde ich dorthin geneigt und zu gehen
1) Vgl. die beiden von mir a. a. 0. S. 158 ff. mitgeteiiten Briefe •
Layriz, an Zinzd.
2) A. a. 0. S. 113. — Am 15. Juli 1733 schreibt dagegen Layriz
uber Lerche an Zinzd.: ^Bey uns sieht es doch recht betrtibt ans und
unsere Umstande beugen mich recht sehr. Unser Superintendent ist zwar
freundlich, liebreich und gut; aber es fehlt doch was.**
3) Die Originale im Herrnhuter Archiv. Allerdings ist nicht aus-
geschlossen, daB friihere Briefe Layrizens verloren sind. — Briefe von
Zinzd. und andern Herrnhutern an Layriz sind im Herrnhuter Archiv nicht
vorhanden.
3*
36 Batteigcr, Zur Geschichte des Pietismus in Bayreuth.
bereit gemacht. Icb antwortete aber auf den ersten Antrag
gar nichts." Er besprach sich dann dariiber mit Zinzendorf,
der ihm riet zu gehen. Weiter schreibt er in diesem Brief,
daU am letzten Tag des Jahres 1740 eine Vokation des Abtes
Steinmetz folgte, and in „voriger-* Woche habe er seine Dimission
gefordert^. Es lilCt sich nicht ergriinden, was mit dem ,, An-
trag wegen Magdeburg" der in den Anfang des Jahres 1740
fallen tnuB, and der „ Vokation des Abtes Steinmetz" am Ende
des Jahres 1740 gemeint ist. Lediglich der groBe zeitliche
Abstand legt die Vermutung nahe, dafi es sich um zwei ver-
schiedene Dinge ban del t. Soviel geht jeden falls daraus hervor,
daB Layriz im Jahr 1740 den Gedanken, aus Nenstadt zu
scheiden, energischer ins Auge faBte. Eine Reise nach Kloster
Bergen zu Steinmetz im Marz 1740^) und zu. Zinzendorf im
August dieses Jahres^) mogen das Ihre dazu beigetragen haben.
Wie es mit der im Marz 1741 erbetenen Dimission stebt, ob
sie durch Steinmetzens Vokation oder durch einen andern An-
trag veranlaBt war, ob Layriz selbst sein Gesuch um Ent-
lassung wieder zuriicknahm, oder ob der Markgraf es abschlag-
lich beschied, laBt sich nicht entscheiden. Jedenfalls blieb
Layriz noch wahrend des Jahres 1741 in Neustadt a. d. A.
Erst im folgenden Jahr 1742 horen wir aufs neue von einem
Plane, zu wandern. Dieses Mai war die Brudergemeinde sein
Ziel. Am 29. Mai 1742 schreibt er*): „Dem Herrn Superinten-
denten und meinen KoUegen habe ich declariret, daB ich von
hier weg und zur Gemeine gehen wiirde. Sie haben mir aber
sehr angelegen, es nicht jetzt und zu einer solchen Zeit zu
thun, da der Ruin der Schule augenscheinlich damit verkniipft
ist. Es sind von der Herrschaft den Praeceptoribus 350 fl. frk,
Besoldung eingezogen und von den Gotteshausern zu refundiren
1) P. E. Layriz an Jonas Paul Weifi in Herrenhag, Neustadt a. d.
Aisch, 19. Marz 1741.
2) Diese Reise beweist ein Brief Layriz' an Zinzd., datiert Kloster
Bergen, 16. Marz 1740.
3) Am 9. Aug. 1740 sciireibt Layriz im Auftrag Zinzendorfs an
,,Monsieur Deubler, Ministre de la parole de Dieu k Preiselbach''.
4) Der Brief tragt keine Adresse, ist aber an ein Mitglied der Brttder-
gemeinde, vielleicht an den Bischof Polykarp Mfiller in Marienborn, mit
dem Layriz damals lebhaft korrespondierte, gerichtet.
Batteiger, Zur Geschichte des Pietismus in Bayreutb. 37
angewiesen worden, daraus nicht 50 fl. zu nehmen. Man hoffet
aber mit Grund, daU die Herrschaft diese abgeschlichene Ver-
ordnung werde cassiren . . . Meiu Bruder, wenn Sie es doch
wollten in der Conferentz vortragen und mir Verhaltungs-
ordre schreiben. Denn mein Herz ist doch nicht mein, sondern
des lammes, und ich kan mich nicht anderst ansehen, als ein
Glied der Gemeine, davon der HeiT das Haupt ist, und also
erwarte und hofife auch darinnen Zurechtweisung wie ein
Kind . . ."
Bereits anfangs Juni ist er entschlossen, vielleicht auf
eine Anweisung von Herrnhut hin, ohne Riicksicht auf die
Verhaltnisse an der Neustadter Schule seine Entlassung zu
fordern. „Es ist einmal mein Herz nicht mehr mein sondern
des lammes und auch nicht mehr zu Neustadt sondern bey
seiner Gemeine. Daher ich ohne Reflexion auf die andern
Umstande alle meine Dimission fordern werde, sobald meinen
bevorstehenden actum oratorium, der auf den 19. Juli gesezt
ist^ werde gehalten habeu^)." Die Ausfiihrung seines Vor-
habens wurde jedoch noch verzogert^ wenn auch nicht durch
seine Schuld. Im Juli 1742 klagt er^): „Nun sollte ich meine
Dimission fordern. Der Markgraf aber reist herum, ist jetzt
in Stuttgart, wird, dem Vernehmen nach, von dort aus nach
Berlin gehen, und bey dem Geheimden-Raths-CoUegio, wo in
Serenissimi Abwesenheit alles mufi gesucht werden, besorge
viel mehr Schwiirigkeiten. Ich bitte mir also der theuern
Altesten ihren Rath aus, ob ich auf Serenissimi VViederkunfft
warten, oder in dieser Zeit meine Dimission fordern soil, in-
gleichen, ob ich in meinem memoriali bios meinen Abschied
fordere, oder zugleich mitgedencke, da6 ich im Namen des Herrn
entschlossen zur Gemeine zu gehen, und daselbst im Seminario
mit Hand anzulegen, nach dem Maas der Gnade, so mir ge-
schenckt wird? ... Es thun manchmal meine Collegen recht
jammerlich um mich herum, dafi ich noch gehen will." Offen-
bar gab der Bischof der Briidergemeinde, Polykarp Muller in
Marienborn ihm den Rat, sein Abschiedsgesuch sofort einzu-
1) Layriz an Polykarp Muller in Marienborn, Neustadt a. A., 13. Juni
1742. (Kopie im H. A.).
2) Layriz an Polyk. Miiller, Neustadt a. A., 20. Juli 1742.
38 Batteiger, Zur Geschichte des Pietismus in Bayreatfa.
reichen, denn am 8. August schreibt Layriz an MuUer: „Sonn-
abends empfing ich ihr Schreiben, Sonntags darauf verfertigte
ich mein Memorial um meine Dimission und sandte es unter
unsers Herm Superintendenten Couvert nach Bayreuth. Nun
erwarthe ich denn, wie mich das gute lamm aus alien Schwiirig-
keiten gar herausftihren wird. Vor Michaelis sehe ich nun doch
nicht wegzukommen, weil sich dort erst der cursus lectionum
schliefiet^)." Das Bayreuther Konsistorium sandte sein Memo-
rial an den Markgrafen Fried rich. Doch verging ein ganzer
Monat, ohne dafi irgend eine Entscheidung dartiber erfolgte.
Wohl aber fiirchtete man, wegen dieses Gesuches mochte die
Ungnade des Markgrafen auf die Neustadter Schule fallen^).
Uber seine weiteren Schritte in seiner Angelegenheit berichtet
Layriz am 25. September an ein ungenanntes Mitglied der Briider-
gemeinde, vielleicht an Miiller^): „Bis jetzt habe noch keine
Resolution vom Hofe . . . Vorgestern habe aufs neue an den
dermaligen Hofprediger Schmid*) in Bayreuth geschrieben, der
des Markgrafen Ohr hat, und ihn,. da wir ehehin in Leipzig
nach der Welt Art gute Freunde gewesen, sehr instandig er-
suchet, mir die Liebe zu thun und mir durch seine Cooperatio
meine Dimission zu verschaffen."
Da auch dieses Schreiben erfolglos blieb, wandte sich Layriz am
5. Oktober ^) in einer franzosischen Immediateingabe (franzosisch,
damit dieser es lesen moge) an den Markgrafen. Dieser las es
und gab es an Superville, bei dem es ohne Resolution liegen
blieb. Diese Verzogerung erklart Layriz sich damit, daC er
in seinem Memorial an den Markgrafen angegeben hatte, er
woUe sich nach Marienborn zur Briidergemeinde begeben. Nun
woUe man nicht „ durch eine rasche Dimission seinen Vorsatz
approbiren". Als er erfuhr, daC seine Eingabe bei Superville
liege, reiste er am 13. November zu diesem nach Erlangen.
Superville versprach ihm, mit dem Markgrafen von dieser An-
gelegenheit zu reden. Doch vergingen abermals acht Tage,
1) Layriz an Polyk. Miiller, Neustadt a. A., 8. August 1742.
2) Layriz* Brief, Neustadt a. A., 3. September 1742, ohne Adregse.
3) Neustadt, 25. September 1742.
4) Der Hofprediger 'Joh. Christ, Schmid.
5) Vgl. Beilage I.
Batteiger, Zur Geschichte des Pietismus in Bayreuth. 39
ohne daC eine Antwort erfolgte. Deshalb richtete er am
19. November ein zweites franzosisches Gesuch „durch einen
andern Canal" an den Markgrafen ^). Dieses Mai waren seine
Bemuhungen von Erfolg gekront. Bereits eine Woche spMer,
am 27. November 1742 berichtet er voUer Freude an Polykarp
MttUer, dafi er endlich (am 22. November) seinen Abschied er-
halten habe^). Er hat es sehr eilig, . von Neustadt a. Aisch
wegzukommen. Am 10. Dezember scbreibt er an Muller, er
woUe am kommenden Montag 16. Dezember von Neustadt ab-
reisen und denke Freitag 20. Dezember in Marienborn einzu-
treffen und dem Bischof „die Hand zu kiissen". Er wunscht,
daB zwei ,,Bruder", Hoger und Busch ihm bis Hanau ent-
gegenkamen ^). Es ist wohl anzunehmen, dafi Layriz, wenn es
ihm moglich war, diese Reisedisposition eingehalten hat. Ge-
naues lafit sich nicht sagen; sein Briefwechsel bricht hier ab.
n.
S. 45 meines Buches wird ein Traktat „Milch fiir die
Unmiindigen^^ erwahnt, der in dem Waisenhaus zu Bayreuth
als Lehrbuch fiir den Religionsunterricht bei den kleineren
Schiilern dient, und der in einfacher Form von den Vorteilen
einer fruhzeitigen Bekehrung handelt. In der Bibliothek des Herrn-
huter Archivs befindet sich ein kleines 48 Seiten starkes Biich-
lein in 12", das den Titel tragt:
„Milch fiir die Unmiindigen Kinder oder Kurtze und deut-
liche Anweisung zum Wahren Christenthum denen Einfaltigen
zum Besten aus hertzlicher Liebe herausgegeben Im Jahr 1729.
Zweyte verbesserte Auflage. Jena, bey Johann Friederich
Rittern." Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daC wir
darin den in Bayreuth gebrauchten Traktat vor uns haben.
Demselben ist folgende Vorrede vorangeschickt:
„Geneigter Leser. Auf Verlangen eines vornehmen und
1) Layriz an einen ungenannten „Bruder^, wohl Muller, Neustadt a. A.
20. November 1742. Das Gesuch findet sich in Abschrift auf der letzten
Seite dieses Briefes. (S. Beilage I.)
2) Layriz an P. MUller, Neustadt a. A., 27. November 1742. Auf der
3. Seite des Briefes eine Abschrift seiner Diraission. (S. Beilage II.)
3) Layriz an P. Muller, Neustadt a. A., 10. Dezember 1742.
40 Batteiger, Zur Gescbichte des Pietismns in Bayrenth.
angesehenen Mannes sind diese wenige Blatter den einfaltigeu
KindeiTi zura Besten aufgesetzt worden: Weil man wahrge-
nommen, daK die meisten Biicher, die uns von Christlicher Lehre
unterweisen, vor Kinder zu schwer und zu weitlauftig sind.
Daher man sich bemtthet, hlerin alles kurtz und deutlich vor-
zutragen, was einem Kinde insonderheit zu wissen niitzlich und
nothig ist. Die Spruche heiliger Schrifft, welche die kurtzen
Satze entweder erlautern, oder beweisen, sind deswegen dabey
angezeigt, daB Eltern oder Praceptores, die etwa dieses Biich-
lein bey ihren Kindern zu brauchen belieben, dieselben auf
Gottes Wort fuhren konten. Grott segne diese wenigen Blatter
iiberschwanglich und lasse sie zu seines Nahraens Ehre gereichen.
Jena, den 24. Februar 1729."
Das Biichlein ist nicht in Frage und Antwort abgefaCt,
sondern es werden kurze darlegende Satze aneinander gereiht,
zuweilen durch ein „Nun mercke, liebes Kind" (S. 6. 26),^Hore
weiter liebes Kind" (S. 7. 13), „Bedencke doch ferner liebes
Kind" (S. 12) und ahnliche Ausdriicke eingefuhrt. So zei'fallt
das Gauze in kleine Abschnitte von zwei, drei oder mehr
Satzen. ' Unter jedem derartigen Abschnitt werden zum Beweis
des Vorgetragenen einige Stellen der heiligen Schrift angegeben.
Die Darlegung beginnt mit dem Dasein Gottes: „Liebes Kind,
Wenn du den Himmel und die Erde auch deinen Leib ansiehest;
so dencke: es sey ein Gott. Hiob 12, 7. 8. 9. Rom. 1, 19. 20."
(S. 3). Von Gottes Eigenschaften und Wesen leitet sie iiber
zur Schopfung der Welt („Gott hat Himmel und Erde aus
Nichts gemacht durch seinen lieben Sohn". S. 6) und des
Menschen. Vom Urstande des Menschen heifit es (S. 8):
„Darum konnte Adam und Eva den lieben Gott und alles, was
Gott gemacht, und alles, was Gott befohlen, vollig erkennen.
Sie konnten alles Bose meiden, alles Gute thun und Gott liber
alles fiirchten, lieben und vertrauen. Sie hatten auch einen
schonen Leib, und wiirden nicht gestorben oder krank geworden
seyu, wenn sie nicht Slinde- gethan hatten." Der Siindenfall
ist eine Wirkung des in der Schlauge verborgenen Teufels
(S. 10). Infolgedessen „siDd nun alle Menschen und Kinder
von Natur bose und mussen sterben. Rom. 5, 12". Charakte-
ristisch flir den pietistischen Geist des Schriftchens heifit es
Batteiger, Zur Geschfchte des Pietismus in Bayreuth. i{
hier (S. 10 fi): „0 liebes Kind, wie b6se bist du in die Welt
gekommen!^ „Du freust dich mehr uber Zucker, Honig, und
andere Speisen, die dir wohl schmecken als liber den Herrn
Jesum." „Du haltst dich wohl vor frdmmer und besser als andere
Kinder." „Alle diese Sunden kommen vom Teufel." tJber-
haupt wird der Name des Teufels nicht allzn sparsam ge-
braucht.
„Aber hore doch, dn liebes Kind, und mercke auf" (S. 13)
leitet iiber zu den Satzen, die von Christi Person und Werk,
von BuBe und Bekehrung handeln. Die Forderung der Be-
kehrung wird damit begrlindet, daK „du das in der Taufe dem
lieben Gott abgelegte Versprechen nicht gehalten, sondern ihn
mit mutwilligen wissentlichen Sunden betriibt hast, darum rauBt
du deinen Sinn andern" (S. 20). Aber: „Ach liebes Kind, nie-
mand als der Herr Jesus, kan deinen bSsen Sinn andern und
dieses will er auch gerne tun" (S. 23). Darum folgt die Mahnung
(S- 24 f.): „Bitte den Herrn Jesum, und h6re ja nicht auf mit
Bethen, bis er dich ferhore und dir eiu neues Hertz feebe.
Matth. 7, 7. — Ach, liebes Kind, warum wilt du solches nicht
gleich heute noch thun? wilt du denn nicht bald selig seyn? —
O bedencke doch, daB Christum lieb haben tausend mal suBer
und lustiger sey, als dem Teufel zu gehorchen und sundliches
Spiel zu treiben. Ps. 34, 9. — Wenn ein Kind stindigt, hat
es nichts als Unruhe und Quahl davon: aber der Herr Jesus
erfreuet das Hertz frommer Kinder rait der siiBesten Lust.
Esa. 48, 22. 61, 10. Ps. 32, 11."
Den SchluB des Biichleins bildet eine lange Reihe von
Erraahnungen und VorschrifteD, wie das Kind sich verhalten
muB, ,,wenn du ein Schaflein Christi seyn und bleiben wilt."
Nahezu die Halfte des Buchleins, 20 Seiten (S. 26—46) ist
von diesen in kasuistischer Weise ausgeftihrten Mahnungen an-
gefuUt. Vom Gebet heifit es (S. 29 ff.): „Wenn du des Morgens
aufwachest, so dencke gleich an den Herrn Jesum und sprich:
Lieber Herr Jesu, ich dancke dir, daB ich gesund aufgewachet
bin, und daB du mich so gnadiglich und vaterlich bewahret."
„Wenu du aus deinera Bette aufgestandeii, so falle auf deiue
Knie, und sprich: Lieber Herr Jesu, gib mir heute deinen
heiligen Geist in mein Hertz, daC ich nichts Boses thun moge. ''
42 Batteiger, Ziir Geschichte des PietismnB in Bayreuth.
Beim Anlegen der Kleider soil das Kind beten, der Herr Jesus
moge sein Herz schmucken mit seiner Liebe, wahrem Glauben,
herzlicher Demut und rechtschaffener Aufrichtigkeit. Beim
Waschen soil es an Christi Blut denken, das uns von alien
Slinden reinigt. Den ganzen Tag soil es bestrebt sein, sein
Herz auf Christus zu richten, und imraerdar seufzen: „Gedencke
meiner, mein Gott, im Besten." (S. 30.) Beten soil das Kind
auch dann, wenn es keine Lust dazu hat. Wenn es keine
Worte hat, soil es doch seufzen im Herzen, da ja der Herr
ohnehin nicht will, daC man viele Worte mache. Nicht gerade
geschmackvoll, aber echt pietistisch heifit es (S. 51): „Wenn
dir das Essen gut schmeckt, so dencke: ach lieber Herr Jesu,
wie sttfi bist du doch : du bist noch tausendmahl suBer als diese
Speise und Tranck."
An die Mahnung zum Beten schlieCen sich (S. 33 ff.) Vor-
schriften iiber Sonntagsheiligung, Kirchengehen, Betragen in
der Kirche: „Habe keine fremde Gedancken, plaudere nicht,
spiele nicht und lache nicht in der Kirche; sondeni bethe, singe,
und hore fleifiig zu, und mercke insonderheit, was von dem
Herrn Jesu gepredigt wird." „Erzehle zu Hause, was du in
der Kirche gehort und behalten." Unter den kasuistischen
Vorschriften vom Verhalten gegen die Eltern findet sich der
padagogisch etwas bedenkliche Satz (S. 37): „Wenn deine
Eltern was Boses befehlen, so folge nicht, sondern sage: lieber
Vater, liebe Mutter, das hat Gott verbothen." Auch wird nicht
vergessen, wie das Kind sich in der Schule und auf dem Wege
zur Schule oder von der Schule, gegen andere Menschen, be-
sonders gegen andere Kinder verhalten soil (S. 39 ff.). Freilich
werden nicht allzuviele die Vorschrift beachtet haben (S. 41):
„Wenn du von andern Kindern ausgelacht, gescholten, oder
geschlagen wirst, so must du nicht bose werden, nicht zanckeu,
nicht schelten, nicht schlagen, nicht schmeissen, sondern den
Herrn Jesum bitten, dafi er das bose Kind bekehren und ihm
seine Stinden vergeben wolle." Dagegen mochte es manchem
zur Aiigeberei geneigten Kinde nicht unerwlinscht sein, zu
horen (S. 44): „Will ein andres Kind was hinwegnehmen, das
nicht sein ist; so sage ihm, es solle in den 1. Gott nicht betrilben.
Will sich aber das bose Kind nicht sagen lassen, sondern nimmt
Batteiger, Zur Gescbicfate des Pietismus in Bayreuth. 43
es doch hinweg: so gib solches an, aus hertzlicher Liebe und
nicht aus HaB."
Zum SchluB (S. 47 f.) wird geredet von dem ewigen Leben,
das dessen harrt, der ein „treues ScMflein Christi" bleibt bis
in den Tod. „Die Seele glaubiger Kinder wird von den 1. Engeln
in das Paradies getragen." „Der Herr Jesus wird sicli iiber
dir freuen." „Er wird dir eine schone Krone auf das Haupt
setzen." „Da wirst du dich dann ewig freuen, und dicli zu
den Fiissen des Herrn Jesu niederlegen und ewig mit den
heiligen Engeln singen: Amen. Lob und Ehre, und Weisheit,
Danck, und Preifi, und Krafft, und Starcke, sey unserm Gott
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Offb. Job. 7, 12."
Man ersieht aus dieser kurzen Inhaltsangabe deutlich den
pietistischen Charakter der „Milch". Auch hier zeigt sich wie
bei Silchmullers Katechismus das Streben, das Gewissen der
Kinder zu rtihren, den Willen zum Guten zu lenken. Das
Gelernte soil sich im Leben bewahren. Uber die Person des
Verfassers lafit sich weiter nichts sagen, als dafi er in Jena
lebte; wahrscheinlich war es einer der dortigen pietistischen
Theologen. Wann das Buch zuerst erschien, ist ungewifi, so-
lange nicht ein Exemplar der 1. Auflage gefunden wird. Darftber,
daB es in dem Bayreuther Waisenhaus eingefuhrt war, braucht
man sich nicht zu wundern, denn in der Lehrmethode war
man in der Bayreuther Anstalt abhangig von Jena^).
Beilage L
P. E. Layriz' Entlassungsgesuch an den Markgrafeu
Friedrich.
Neustadt a. A., 19. Nov. 1742.
Monseigneur, Qu^il plaise a Votre Altesse Serenissime de Se
souvenir tres-gracieusement de la tres bumble reqnete^ que j'ai eu
1) In dem Konferenzbuch des Waisenhauses (Bibl. des hist. Vereins
f. Oberfr.) beifit es unter dem 3. Oktober 1732: „Heute hat man den
Anfang gemacht diejenigen Erinnerungen zu lesen, welche von Jena aus
communizirt worden und die Erziehung und Unterweisung der Kinder
betreflfen. Und zwar ist zuerst vorkommen, was die in den Jenaischen
Scbulen arbeitenden Praeceptores fiir Anmerkungen iiberhaupt gemacht,
was bey der Information nStig und niitzlich sey." (Vgl. die ProtokoUe
derKonferenzen vom 8. und31. Oktober, 14. November 1732, 24. Januar 1733.)
44 Batteiger, Zar Geschichte des Pletismus in Bayreutb.
I'honneur de Lui presenter le 5"^® du mois pass^ dans laquelle j'ai
address^ a Votre Altesse Serenissime mes tres humbles prieres de
me donner gracieusement ma dimission. Me voiant jusqu'a cette
heure sans aiieune resolution, et trouvant en moi une veritable im-
possibility de veiller davantage aux affaires de la literature avec la
meme application, dont j'ai tach6 jusqu'a cette heure regenter Sa
petite ecole d'ici: je La supplie cette troisieme fois avec le plus pro-
fond respect, de m'accorder favorablement ma susdite dimission,
afinque je me puisse retirer au plutot et servir plus librement a notre
Bon Sauveur le reste de mes jours. Je ne manquerai jamais de lui
offrir mes voeux ardens pour I'heureux gouvernement de Votre Altesse
Serenissime et de con server pour cette la plus profonde veneration
comme
Monseignour
D. V. A. S.
a Neustadt ce 19"*® Nov. 1742.
Le tres humble, trfes obeissant et tr^s fid el Serviteur
et Sujet P. E. Layriz.
Beilage IL
Memor. Rect. Layrizens zu Neustadt sonderllich dessen
Dimision betr.
Erlangen, 22. Nov. 1742.
Ad Consistorium ^), uud finden Ihro hochfurstl. Durchl. kein
weiters Bedenken, Supplicireuden Rectori Layi'izio zu Neustadt an
der Aisch die bisher wiederholtermahls unterthanigst gesuchte Dimis-
sion zu ertheilen : defien demnach derselbe zu bedeuten : zugleich aber
auch von Consistorii wegeu der ohnzielsezliche Vorschlag zur Wieder-
besezung dieses Rectorats fordersamst zu erstatten ist, darbey jedoch
die vorlauffige gnadigste Resolution denhin eroffnet wird daft hochst-
ermeldte Ihro hochfurstl. Durchl. auf die fernere Beybehaltung der
seitherigen Verfassung des Neustadt. Schulwesens reflectirt, [und]^)
auf den bisherigen Conrectorem Dorflern daselbst, der vorzugliche
Bedacht genomen werden soUe.
Erlaug den 22*®^ Nov. 1742.
F. M. Z. B.
Beilage III.
Die Pietisten zu Erlangen an die Brtidergemeinde.
Erlangen, den 11. Juli 1741.
Wertheste Gemeine!
Wir erkennen euch vor eine Gemeine, die Jesus Christus ge-
sainlet und auf sein Blut und Todt gegriindet. Wir dancken euch
1) Den Anfang hat Layriz offenbar nicht mit abgeschrieben.
2) Lucke im Original. Das Wort ist nach meiner Vermutung erganzt.
Leffler, Eine Thiingensche Treu- und Taufverordnung. 45
hertzl. vor eure Liebe, die Ihr gegen una geliabt, da Ihv uns auch
eures Segens einige Zeit her habt genifieii lafien, u. euren Bruder
Lang nebst seiner Frau und Liebs Geschwisterten zu uns geschickt
habt. Wir mlifien uns als todte u. zweymahl erstorbene Leute er-
kennen, welche die erste Liebe verlafien ii. dujch viele eigne Wege
Zeit u. Krafte verzebret haben, nun aber die andere mit Schmerzen
suchen miifien, wir sehen uns vor die elendesten in dieser Gegend
an, batten dabero eurer Liebe u. Dienstes vor andern nothig, bittet
den lieben beyland, daft er euch erlaube eure Briider und Schwester
nocb auf einige Zeit bey uns zu lafien. theure Gemeine helfft uns
mit bin zum Lame, damit wir solcbes mit euch bier und dort preifien
Konnen.
Solches bitten wir unterschriebene
Balthasar Memmert.
Johann Diestler.
Nicolaus Blenckert. Johann PfeufFer.
Job. Heinrich LUdy Albrecht Behm
Johann Kornlender Gottfriedt Joscher
Heinrich Teutsch:
Eine Thiingensche Trau- und Taufverordnung.
Mitgeteilt von
Pf. H. Leffler in Bonnland (Unter frank en).
Im Kirchenbuch zu Bonnland, Dekanat Weizenbach, findet sich
folgender Eintrag, der, obwohl ahnliches schon aus anderen Gegen-
den bekannt, doch wegen gewisser Eigentiimlichkeiten allgemeineres
Interesse in Auspruch nehmen durfte:
Aus befelch und Ratification des Edlen und vhesten Hans
Albrechts von Thiingeu, unsers gbnstigen gepietenden Junckern,
von offener Cantzel einer Kirchen zu Bonnland am 24. Sontage nach
Trinitatis des (1610) Jars publicirt und abgelesen:
Demnach wir diirch so viel aergerliche Exempel erfahren und
Innen worden, das durch Vielfeltiges nachsehen so wenig befierung
bei unsern Unterthanen und eingepfarrten erfolgen wiel (?), das Je
laenger Je mehr Unordnung einreist, und dergleichen Faelle, sonder-
lich in Ehesachen, wider Unsere Zuversicht von Tagen zu
Tagen sich begeben, also haben wir es hochdringender uuvermeid-
licheu (?) Notturft nit umbgehen koennen, die vormals gegebene
ordnung mit hohem Ernst nit allein renovieren und verneuern zu
1) Das Original des Briefes mit den eigenhandigen Unterschriften
im Herrnhuter Archly; geschrieben ist er der Handschrift nach von
Memmert. Die Adresse auf der Ruckseite lautet: „Herrn Herrn Jonas
Paulus WeiB in Herrenhaag abzugeben bey Herrn Nicolauy in franckfort."
46 Leffler, Eine Thungensche Trail- und Taufverordnung.
lafien, sondern anch mit solcher Feen und straff zuverbinden^ obs(?)
each das hierdurch eins besserer obsequenz und geborsamb ufF solche
und desgleicben (?) wolgemeindte Ordnung dermal einst erfolgen wollte,
setzen demnacb, fordern und bevelen hierbei mit allem ernste
alss folgett, ,
1. wo khiinftig Irer Zwey nach gottlicher ordnung zusammen
heyrathen, oder Eltern Ire Kinder ehelicb zusammen versprechen,
8ie solche under Inen gemachte Ehe, nit ferner Irer bbsen gewohu-
heit nach mit ^o grofier gefahr und Ungelegenheit aufzihen, sondern
hiebey wissen sollen, das wir es in alle Wege von dato Tag und
Zeit Ires geloebniss in einem viertel Jar uffs lengste mit dem olFent-
lichen Kirchen gang vollzogen haben wollen,
Bei (?) der straff 10 fl.
2. Weren aber Perssonen, die einander bereit vor diesem ehe-
licb Verlobt und Versprochen, fur handen, sollen dieselben, wo sie
die von dem heutigen Tage an zugelassene Viertel Jars Zeit iiber-
sitzen und nit zur Kirchen gehen wiirden, mit doppeler straff,
nemlich 20 fl. angesehen werden.
3. Uff den wiederigen aber und Unverhofften fall^ Irer Zwey auch
von solcher vergoennten Zeit In Unehren sich zusammen fiigen wlirden,
sollen solche hernacher, wo es an den Tag kommen soUte, mit
15 fl. gestrafft werden;
4. Wo vielleicht Irer Zwey (: In meinung solcher determinirter
straff zu entgeheu : ) Ir geloebuis mit einander machen und diss
heimlich und gelegenheit verborgen tragen wollen, sollen
dieselben dieweil gemeiniglich allerhand Ungelegenheit dahero ent-
steht; wo es offenbar werden wird, gleicher straff
der 15 fl. hinngewiesen werden.
5. Tauff Kosten betreffende, soil es
In des Kindsvatters freien Willen stehen, nach erlangter Tauf
neben dem Gevatter, Jemandts ferner bey sich zubehalten, hier-
zwischen auch ferner nichts aufgewendet, sondern ueber 14 Tage
mit einem Hembdlein, Kuchen und Zech alles beschlofien werden.
Nach dem auch der Zeit eben schwind, .und wegen grosser
Kosten manchmal ein arm frommes Kind von dem christlichen
werk fast armut halben ausgeschlofien wirdt, ist (?) es(?) fur gut an-
gesehen worden, ueber einen halben Thaler nit einzubinden, und dem
Kuchen ueber einen halben gulden nit zu ersteigen (?)
bei der straff 1 fl.
6. Dieweil es auch gar aergerlich, das Kindbetterinnen, die
von der Sechs wochen Zahl den Namen haben, das sie Sechs-
wbchuerinnen genannt werden, vor Ausgang solcher Wochen sich
herfuer tun, — ? — sollen sie eutweder der sechsten Wochen uffs
wenigste erwarten (?) oder fur jede wochen so sie davon abkurzen,
1 fl. zur straff geben. —
Zur Bibliographie. 4^
Zur Bibliographie.'')
*Hbgl, Dr. Mathias, Prafekt am kgl. Studienseminar zu Amberg.
Die Bekehning der Oberpfalz durch Kurfiirst Maximilian I. Nach
Archiv-Akten bearbeitet. I. Bd. Gegenreformatioii. 11. Bd.
I. und II. Rezefi (i. J. 1629 und 1630). Regensbu.ig, Kom-
missionsverlag der Verlagsanstalt vorm. G. T. Manz. V und 182
und 220 S. I. Bd. 3 Mk. II. Bd. 4 Mk.
Da die Bearbeitnng des vorliegenden Themaa durch Wittmann
^katholischersei^js, die durch Lippert prostestantischerseitsnichtbefriedigte",
hat sich der Verf. entschlossen, „aus den Archivalien selbst die Gegen-
reformation zu studieren und zwar ohne Rlicksicht auf frtihere Bearbei-
tungen. Wenn ich mich hin und wieder auf diese berufe, so geschieht
es nur, soweit es unbedingt notwendig ist, oder um unnotige Wieder-
holungen zu vermeiden" (S. III). Die letztere Bemerkung ergibt schon,
daB er darauf verzichtet, frtihere Bearbeitungen zu ersetzen, und davon
kann auch bei seinem Buche nicht die Eede sein, da er manches nur sehr
kurz skizziert, wofiir bei Lippert reiches, die gauze Sachlage deutlich
illuBtrierendes Material sich findet, z. B. im Kapitel uber die Austreibung
der Pradikanten. l^ach Seite des Materials erganzen sich die beiden
Arbeiten infofern, als Lippert mehr die Unterdrtickung und Vernichtung
des Protestantismus, H5gl mehr die Wiederaufrichtung des Katholizismus
schildert, auch bringt der letztere sonst manche neue schatzenswerte
Mitteilungen, namentlich im II. Bd., aber auch hier und da schon im I. Bd.,
z. B. S. 63 uber die Stolgebiihren und die divergierenden Bestrebungen
der M6nche und des Weltklerus. DaB der Veif. sich bemiiht, „8ine ira
et studio die Tatsachen in ihrer Objektivitat darzustelfen" muB anerkannt
werden, ja seine Darstellung ist auch da, wo man nach seiner prinzipiellen
Stellungnahme zu den betreffenden Fragen wenigstens einen leisen Laut
der Entrtistung erwartet, gegentlber der sehr temperamentvoUen Lipperts
eine fast kalte za nennen. Er ist viel zu modern, um die Zwangsbekehrungen
Maximilians billigen zu k5nnen, und er hat gewi^ recht, daB es unhistorisch
ist, jene Zeiten nach dem MaBstabe unseres modernen Toleranzbegriffs
zu messen, aber wenn wir tiberhaupt urteilen wollen, dann haben wir
nicht nur das Recht sondernauch die Pflicht, das Yerhalten Maximilians nach
dem Mafistabe seiner Zeit zu beurteilen. Und danach steht der Zwangs-
bekehrer einzigartig da. Denn was Hdgl als Analogon tiber das Ver-
halten derprotestantischen FUrsten sehr kurz und dtirftig anzufUhrenjweiB, ist
ungentigend und irrefuhrend, und einen sehr bedenklichen Mangel an Ver-
standnis des Wesens und des Verlaufes der evangelischen Reformation
verrat es, wenn er S. 2 8chreiben kann: „Ein Hauptgrund des allgemeinen
Abfalls vom Katholizismus war der Verfall der Sitten und Bildung jener
Zeit.** Auch zugegeben, dag Maximilian nur von seinem Reformations-
rechte Gebrauch machte und ihm die zwangsweise Rckatholisierung als Ge-
wissenspflicht erschien, so bleibt doch der schwerste Vorwurf, die greu-
liche, die Beamtenwelt demoralisierende Heuchelei, mit der er wenigstens
zu Anfang die Sache betrieb. Obwohl die Rckatholisierung aller
Akatholiken beschlossene Sache war, werden die Beamten angewiesen,
darauf zu achten, „dafi es nicht einer yehlingen durchgehenden Refor-
mation der Oberpfalz im Religionswerk gleichsehe"; wo sich ihnen „nur
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
48 Zur Bibliographie.
ein wenig scheinbarer Pratext und Gelegenheit zur Amotion** der Geist-
lichen bietet, sollen sie eingreifen, „um ihrer Verbrechen willen oder unter
anderm praetextu politico, oder weil sie der ealvinischen, also einer im
heiligen rom. Beiche und dessen heiligen (I) Satzungen verbotenen unzu-
lassigen Sekte zngetan sind**, sollen die Geistlichen aiisgetrieben warden
(S. 16). Und es ist unveistandlicb, wie derVerf. sich den Satz des Frhrn.
V. Egkber aneignen kann: „diese Religionsveranderung war bei ihm
(Kurf. Max) nicht bloC eine religiose Laune, sondem eine politische
Wotwendigkeit**, und er damit die Eile, womit der Ftirst verfuhr, glaubt
entschuldigen zu k6nnen. Gegeniiber den Besch5nigungsverauchen ver-
schiedener katholischer Historiker stellt er fest, dafi die Dragonaden tat-
sachlich als Bekehrungsmittel gebraucht wurden (S. 141). Aber diese
anerkennenswerte Objektivitat leidet Einbu^e durch den *im Interesse der
Ehrenrettung des Kurftirsten gemaohten Versuch, nachzuweisen, daB die
Zwangseinquartierungen nicht zur Bekehrung ersonnen seinen, sondern
urn die Rebellion zu verhindern. Indessen der Nachweis ist nicht gelungen,
da der grofie hierftir angezogene Bericht der Amberger Regierung vom ^
23. Jan. 1629 (S. 159) deutlich sagt, „daB einzig und heilsamste Remedium,
die Leute vom alten unkatholischen Irrtnm abzubringen, sei die Einquar-
tiernng.** Man kann aus dem ganzen Aktenstiicke nur ersehen, daB die
Amberger noch nicht auf dieEinquartierung verzichten zu konnen glaubten
und daB sie von ihrem Herrn gelernt batten, ^Pratexte** aufzufinden. —
Und nun noch eine Bemerkung uber die Form der Geschichtsdarstellung.
Der Verf., der offenbar sehr HeiBig gearbeitet hat und von dem besten
Streben erfUllt ist, glaubt nach der besonders durch Janssen eingebtirgerten
Methode seine Objektivitat am besten dadurch zu erweisen, da^ er seine
Quellen oft seitenlang Wort ftir Wort in dem schrecklichen Kurialstil
jener Zeit einftihrt, auch wo der Inhalt recht unbedeutend ist, oder mit
ein paar kurzen Worten wiedergegeben werden konnte. Das ist keine ij
wirkliche Geschichtsschreibung, wenn auch diebequemste Form der Bericht-
erstattung, und wirkt ermiidend. Auch fehltjeder Versuch, die hier und da
genannten Personlichkeiten, die bei dem groBen Trauerspiel mitwirken, zu
charakterisieren. Lagen die Faden des Ganzen auch in der Hand desFUrsten,
so waren doch alle jene Leute, deren er sich bedient, nicht nur Mario-
netten, sondern waren, wie man zuweilen aus den mitgeteilten Schrift-
stUcken ersehen kann^ auch Personlichkeiten mit sehr bestimmten Mei-
nungen. Welchen Reiz mufite es haben, die einzelnen Bischofe, die
namentlich bei den Rezessen (im 11. Bd.) so lebhaft beteiligt waren,
naher kennen zu lernen ! Und von den Protestanten, die eineRolle spielten,
erfahren wir kaum ein paar Namen, die aber Namen bleiben. So haben
wir zwar jetzt durch Lippert und Hogl eine sich vielfach erganzende
Materialiensammlung, aber eine wirkliche Geschichte der Gegen- ^
reformation, die mit historischer Eunst den Gegenstand behandelte,
bleibt immer noch eine Aufgabe.
Hoffmann, W. Die Politik des Fiirstbischofs von Wurzbnrg und
Bamberg Adam Friedricli Grafen vou Seinsheim von 1766
bis 1763. Ein Beitrag zur Geschichte des siebenjahrigeu
Krieges. Nach archivalischen Quellen bearbeitet. Miinchen 1903.
M. Riegersche Universitatsbuchhandlung (G. Himmer). 102 S.
1,60 Mk,
Doberl, M. Bayern und Frankreich vornehmlich unter Kurfiirst
Ferdinand Maria 'II. Archivalische Beitrage. MUnchen E. Koch.
8. V. 166 S. 12- Mk.
wm
Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
Von D. Th. Kolde.
Kein deutsches Gebiet hat als solches wie bekannt sich
so entschieden und so lange der Reformation verschlossen, ala
das Herzogtura Bayern ; aber schon friih hat es auch dort
einige mutige Bekenner des Evangeliums gegeben, deren
Schicksale weit liber das engere Vaterland hinaus von sich
reden machten. Unter ihnen ragen Arsacius Seehofer und Ar-
gula V. Grumbach hervor, deren Andenken man hier und da
immer wieder erneuert hat, ohne daB bisher eine wissenschaft-
liche, quellenmaUige Darstelluug ihres Lebensganges versucht
worden ware. Die vielfach zerstreuten Nachrichten iiber sie
sind verhaltnismaCig diirftig, reichen doch aber aus, um ein
halbwegs klares Bild ihres Entwickelungsganges zeichnen zu
konnen. Es ist fraglich, ob sich die beiden jemals,gesehen
haben, gleichwohl berechtigt die zeitweilige enge Verkettung
ihfer Schicksale, sie gemeinsara zu behandeln.
Arsacius Seehofer^) wurde einige Jahre nach dem Be-
ginn des 16. Jahrhunderts in Miinchen geboren. Sein Vater,
Kaspar Seehofer, war ein wohlhabender, angesehener Burger.
Nach den Ratsprotokollen war er im Jahre 1503 einer der 36
der „Gemein'*, dann in deu Jahren 1505 — 1507 „Vierer" des
1) Eine sehr durftige Skizze uber ihn lieferte Th. Wiedemann
in Oberbayer. Archiv, Bd. 21, 61 ff. wesentlich auf Grund von V. A. Winter,
Gesch. d. Schicksale der evangelischen Lehre in und durch Bayern be-
wirkt. Munchen 1809 ff. Neues Material brachte C. Prantl, Gesch. d*
Ludwig-Maximiliansuniversitat MUnchen 1872, 2 Bde., das noch yermehrt
und verbessert wurde durch A. v. D ruff el, Die bayerische Politik im
Beginne der Reformationszeit. Abh. d. bayer. Akad. d. Wiss. III. Kl.
XVII. Bd. III. Abt. (1885).
Beitrage ztir bayer. Kirchengeschiolito XI. 2. 4
50 Kolde, Arsaciiis Seehofer und Argula von Grambach.
Handwerks der Schenken. In den ProtokoUen von 1617—1530
kommt er als Mitglied des auBeren Rats vor, von 1521 an audi
als einer der drei Hauptleute des Rindermarktviertels^).
In noch sehr jangen Jahren bezog er die Universitat
Ingolstadt, begab sich aber dann dem Zuge der Zeit folgend nach
Wittenberg. Die dortige Matrikel enthalt seinen Namen nicht,
aber er wird schwerlich vor Friihjahr 1521 dorthin gekoramen
sein, denn wohl deshalb, weil Luther fern war, wurde Melanch-
thon sein hauptsachlichster Lehrer. Bei ihm horte er die Vor-
lesungen tiber den Romerbrief und die Korintherbriefe^) und
war bald voUig fiir die evangelische Lehre gewonnen, voll
Freude, „von den Fallstricken des Teufels und den papistisehen
Dienern seiner Kunst" befreit zu sein.
Zeuge davon sind zwei von Wittenberg aus — „vel Beth-
lehem ubi Christus iterum erupit in lucem** — am 4. Januar
1522 geschriebene Briefe^) an unbekannte Freunde, von denen
der eine jedenfalls in Mlinchen zu suchen ist. Das erste
Schreiben enthalt einen durch Bibelstellen begriindeten Lobpreis
des Evangeliums, „ cuius tota praedicatio est, nobis remitti pec-
cata gratis sine ullo operum nostrorum respectu, oranemque
nostram salutem esse ex deo^, aber des Verfassers Auslassungen
enthalten zugleich scharfe Angriffe auf die Messe, die deutlich
erkenneu lassen, dafi Seehofer die ganze stiirmische Zeit seit
Luthers Abwesenheit in Wittenberg mit durchlebt hat, ja sich
teilweise vom Geiste Carlstadts hat anstecken lassen. Seine
Eltern drangten ihn, sich die Magisterwlirde zu erwerben.
1) Diese Notizen verdanke ich der Giite des Vorstands des MUuchner
Stadtarchivs, des kgl. Archivrats Herrn v. Destouches, wofUr ich auch
an dieser Stelle meinen Dank aussprechen mcJchte. — Ob dieser Easpar
Seehofer mit der als Patrizierfamilie bekannten Miinchner Familie See-
hofer, an deren Spitze damals Seb. Seehofer, Besitzer des Hauses Rosen-
str. 10, stand, verwandt war, lafit sich zur Zeit nicht feststellen. — Ein
Eochus Seehofer Monacencis wurde am 15. Okt. 1534 in Wittenberg in-
skribiert (Album Vitebergense ed. Forstemann S. 154).
2) Vgl. dazu Hartfelder, Phil. Melanchthon als Praeceptor Ger-
maniae. Berlin 1899, S. 46 und meine Mitteilungen in der Einleitung zu
Loci Communes Philipp Melanchthons in ihrer Urgestalt 3. Aufl. (Leipz.
1900, S. 45 ff.).
3) Teilweise abgedruckt bei WinteJ- I, 306; vervollstandigt unten
im Anhange Beilage I.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. .51
Davon will er nichts wissen. Er bittet den Freund, die
Eltern davon zu uberzeugen, um welche lacherliche Sache es
sich dabei handele, ja wie es gegen das Gewissen und das
Evangelium ware, wenn er ihrem Wunsche nachgebe. Ganz
wie Carlstadt beruft er sich auf das Herrenwort: Ihr soUt
euch nicht Meister nennen lassen, und daC, wer ihm nachfolgen
wolle, Vater und Mutter, Briider und Schwestern, wie. alles,
was ihm am Heile hinderlich sei, hassen solle. In einem zweiten
Briefe von demselben Datum, der wesentlich Melanchthons da-
maligen Standpunkt wiedergibt, sucht er den Empfanger von
der Richtigkeit der Lehre vom unfreien VVillen.in der schroffsteu
Fassung zu iiberzeugen: „Omniu quae eveniunt necessario iuxta
praedestinationem eveniunt" ^). Daneben erfahren wir von der
Abschaifung des unevangelischen Beiwerks bei der Feier der
Messe^), und was besonders interessant ist, Seehofer weiC von
Luthers heimlichen Besuch Wittenbergs am Anfang Dezember^),
ja er muB den Reformator wahrscheinlich weil er zum vertrauten
Kreise Melanchthons gehSrte, damals selbst gesehen haben.
Sonst konnte er kaum schreiben: „Lutherus nuper visitavit nos
tamquam pios Alios pater, denique iterum se recepit in locum
suum abditum."
Nicht lange darauf kehrte er fiber Nurnberg und Ingol-
stadt, an welchen beiden Orten er, wie man spater wissen
woUte, sich „hoch lutterisch merken" lieC, zuruck nach Munchen *).
Vielleicht gehorte er zu den vielen, die auf Carlstadts Rat die
Studien aufzugeben beschlossen. Aber die Eltern schickten ihn
wieder auf die hohe Schule nach Ingolstadt. Dort hatte man
langst nicht geringe Sorge wegen Eindringens lutherischer
Neigungen und suchte sich davor zu schutzen. Bereits im Jahre
1520 hatte der Jurist und spaterer Pfarrer an St. M^ria in
Ingolstadt, Georg Hauer aus Tirschenreuth, ein vielseitiger
1) Wortlich aus Melanchthons Loci communes entnommen, vg). die
Loci communes MelancLtlions in ihrer Urgestalt ed. Th. Kolde, 3. Aufl.
(Leipz. 1900) S. 67.
2) Missa(m) abolerunt apud nos non tota(m) sed solum additiones
papisticas.
3) Vgl. Th. Kolde, M. Luther T, 28.
4) Prantl II, 170.
4*
52 Kolde, Areacius Seehofer und ArguLa von Grumbach.
Mann^), einen SenatsbeschlnB erwirkt, dafi liber die „Acta
contra haeresin Lutheranam" genau Protokoll gefiihrt werden
soUte und er selbst damit beauftragt wurde^). Dann kara das
scharfe, gegen jede lutherische Reguug gerichtete Religion sman da t
der bayerischen Herzoge vom5. Marz 1522^). Es steht dahin,
ob es die Ingolstadter Professoren, wie sie sich riilimten, veran-
lafiten^ oder Herzog Wilhelm es aus freien Stucken erlieB *), um der
Kurie seinen gut katholisclien Eifer zu bezeugen, jedenfalls kam
das Edikt den Wiinschen der fiihrenden Manner an der Hoch-
schule entgegen. Denn soeben (am 13. M^rz) hatte man dariiber
Klage zu fiihren, dafi der Ingolstadter Franziskanerguardian
Caspar es als in derSchrift gegFiindet erklarte, das Sakrameut
unter beiderlei Gestalt zu nehnien, und dafi Papst und Kaiser
gegentiber Lutber nicht den richtigen Weg gegangen seien^).
Im April beschloB man, nicht nur den ErlaB feierlich zu ver-
oflfentlichen, sondern auch selbstandig vorzugehen. Die Buch-
handler soUten von Inquisitoren aufgesucht, die etwa aufgefun-
denen haretischen Bucher ihnen abgenommen und offentlich
verbrannt werden; zugleich wurde die Unterstiitzung des Vor-
gehens gegen die Haretiker jedem Universitatsraitgliede zur
Pflicht gemacht und im November wurde weiter beschlossen,
daB alle der lutherisch Ansteckung verdachtigen Studenten dem
Rektor angezeigt werden mliBten^). Wie begreiflich fiel dieser
Verdacht in erster Linie auf die von Wittenberg Kommenden.
Das lieB man Seehofer sehr bald merken. Als er wegen Be-
teiligung an einem Raufhandel zwischen den Bayern und
Schwaben') — angeblich hatte er sich „fur der Baiern Haupt-^
1) Uber seine Verdienste als Padagoge und Gramniatiker Einiges
bei Job. Miiller, Quellenschriften zur Gesch. des deutschsprachlichen
Uoterrichts. Gotha 1882, S. 198, 202 f., 243, 266, 301, 337.
2) Prantl I, 148.
3) Abgedruckt u. a. bei Winter I, 310 ff.
4) So V. Druffel S. 626 ff., der ausfuhrlich davon handelt, gegen
Prantl I, 148.
5) Druffel S. 626 ff.
6) Prantl I, 149.
7) Solche Handel zwischen d^n einzelnen Nationen waren nichts
Seltenes. Leider hat Prantl I, 216 die Sache nur gestreift.
I
^
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 53
mann aufgeworfen^^ — im Winter 1522 bestraft wurde, nahm
man auch Gelegenheit, ihn wegen der lutherischen Lehre zu
verwarnen, und als er urn Weihnachten 1522 doch noch Magister
werden wollte, ninUte er auf Veranlassung Joh. Ecks an Eides
statt geloben, „daB er sich der luthrischen Leer nit gebrauchen
woUe** . Unter dem Druck der Verbal tnisse tat er, was man wollte ^).
Bald darauf zeigte sich, daB die Sorge vor dem Ein-
schleichen des Luthertums nicht ungerechtfertigt war. Ein an-
geblich aus Wien zugezogener Priester Jakob Dachser wurde
wegen lutherischer Aufierungen verhaftet und nach eingehendem
Verhor auf Befehl des Herzogs, der fiber jeden einzelnen Fall
Berichterstattung angeordnet hatte, gefesselt dem Bischofe von
Eichstatt uberliefert ^). Verdachtig war auch der damalige
Professor der griechischen Sprache, der spater als Mediziner
hochgeschatzte Johann Peurle (Agricola) aus Gunzenhausen,
der, als er zum Vorstande der Drachenburse gewahlt wurde,
sich eidlich verpflichten muGte, von dem Verkehr mit seinem
Landsmanne, dem Nurnberger Prediger Andreas Osiander, abzu-
stehen*), der wahrscheinlich wahrend seines Ingolstadter Studi-
ums sein Schfiler gewesen war. ImJulil523 wurde es ruchbar,
daB in den Bursen die KoUoquien des Erasmus gelesen wfirden,
ja sogar die Briefe des Paulus von Leuten erklart wurden, die
von der heiligen Schrift zu wenig verstanden. Man beschloB
daher, rascher vorzugehen, damit aus solchen Vorlesungen das
lutherische Gift sich nicht weiter einschleiche *). Die Gelegen-
1) Prantl II, 170.
2) Prantl I, 140, Druffel S. 643. Er wurde nach einiger Zeit
unter uns unbekannten Umstanden frei, fand in Augsburg Zuflucht und
spielte dort anfangs in der wiedertauferischen Bewegung, dann als Geist-
licber und Liederdichter eine Rolle. Vgl. M. Radlkofor, Jakob Dachser
und Salminger. Beitr. z. bayer. KG. VI, S. Iff. und F. Roth, Augsburger
Reformationsgeschichte, II. Aufl. (Miinchen 1901 f.) passim.
3) Mederer, Annales Ingolstadiensis Academiae I. Bd. Ingolstadt
1782 S. 118. (Jber seine spatere Tatigkeit ebenda S. 323.
. 4) Prantl I, 149, Druffel 644: Super eo quod fama est de collo-
quiis Erasmi, quomodo iilud opuscuhim legatur in contuberniis, item etiam
epistolae Pauli, per illos qui de litteris sacris parum sentiant, inter-
pretentur, placuit dominis, quod celeriori cura provideatur, ne virus hoc
Lutheranam ex hniusmodi lectionibus in universitatem serpat.
56 Kolde, Arsacias Seehofer und Ai-gula von Grumbaph.
Abschliefiung angeordnet, damit niemand mit ihm verkehreu
Oder ihm Briefe bringen konnte.
Das machte groBes Aufsehen. In den Bursen fielen
mancherlei Reden zugunsten des Angeklagten, was zu weiteren
MaBregelungen fuhrte. . Seehofers 12 Zuhorer, es waren zur
Halfte Schweizer, wurdeu vernommen. Sie erhielten nur leichte
Karzerstrafe, rauBten die lutherische Lehre abschworen und
geloben, fortan alles zu halten, was die heiligen Vater und die
christlichen Konzilien gehalten haben u. s. w. ^). Die konfiszierten
Manuskripte des Magisters warden einer Theologenkoramission
.ubergeben und am 16. August beschlossen, seine Irrtiimer, die
man unter 17 Artikel gebracht hatte, dem Kanzler Leonhard
V. Eck vorzulegen. Noch ehe man dajs ausfiihren konnte, lief
ein Schreiben von Herzog Wilhelm ein, der durch eine Bittschrift
des alten Kaspar Seehofer veranlaBt, von der Universitat Bericht
Tiber ihr bisheriges Verfahren einforderte. Dieser erfolgte sofort
am 17. August, wobei die auch von dem Vater Seehofer vor-
gebrachte Behauptung, der junge Magister habe keine andere
Lehre vorgetragen als die des Athanasius^), sehr bestimmt
1) Vgl. D ruff el S. 646. Der Schwur bei P rant I II, 169 Nr. 51.
2) Interessant ist, dafi bei Untersiichung der Frage, wer eigentlich
an den Vater SeehSfer geschrieben und was ihm geschrieben worden sei,
was den Forsehern bisher entgangen ist, ein Mann sich bervortat, der
in der Reformationsgeschichte noch eine grofie Rolle spielen soUte,
Gereon Sayler, der spatere Stadtarzt von Augsburg. In dem von
Prantl II, 170 mitgeteilten Bericht wird zwar nur ein meyster Geryon
genannt, dafi dieser Mann aber tatsachlich identisch ist mit dem be-
kannten Gereon Sayler, geht aus dem bei Mederer, Annales I, 119 ab-
gedruckten Elegiacum des Job. Alex. Brassicanus uber die Ingolstadter
Gelehrten jener Zeit hervor, wo es heiBt (S. 121): His videas nostrum
licet adiunctum Geryonera/Nullo qui minor est artibus ingenuis, deiin
dazu bemerkt Mederer 125: Doctor Geryon Seyler, alias Wigiles,
alias Anthopedios vel Plomenthaler ex Aicha (i. e. Blumenthalenais
prope Aicham), primum valde addictus D. Joanni Eckio adeo ut Bibliopolae
Lutherani ab eo vapularent. Deinde insaniit in amore scriptorum haereti-
corum. Catholicos miro odio persecutus est. Augustanorum factus Mercurius
in conducendis Zwinglianis praedieatoribus. Hie egitModeratorem contu-
bernii Draconis, Augustae Physicum Medicum. — Damit fallt etwas mehr
Licht anf die Anfange Saylers. Uber seine spatere Zeit und den Beginn
seiner Tatigkeit in Augsburg F. Roth, Augsburger Reformationsgescb. '^I,
360 Anm.
Kolde, Arsacias Seehofer und Argula von Grambach. 57
zuriickgewiesen wurde: die mit der Untersuchung betrauten
Theologen hatten vielmehr gefunden, daC er „nichts Anderes
gelesen, denn der Melanchthon in ein eng oder kurtz gezogen"-
Zum Beweise wurden die betreifenden Artikel und die be-
lastenden Briefe mitgeschickt. SchlieBlich baten die Herren
unter Berufung auf ihre Privilegien, der Herzog m6ge ihnen
gestatten, „mit ziemlicher Strafe gegen maister Arsacien^^ vor-
zugehen.
DaB die 17 Artikel^), in denen der Satz von der Recht-
fertigung allein durch den Glauben und von der Schrift als
alleiniger Grundlage fiir Glauben und Leben obenan standen,
wirklich lutherisch waren, wenn auch mit einem Einschlag, der
hier und da den EinfluB Carlstadts bemerken laBt, war nicht
zu verkennen. So war denn auch der Herzog durchaus damit
einverstanden, daB der Magister im Gefangnis wohl verwahrt
werde, wollte jedoch die weitere Bestrafung den Ingolstadtern
keineswegs iiberlassen und begehrte erst zu wissen, was sie
eigentlich mit ihm vorhatten^). Das Interesse, die Einmischung
des Bischofs zu vermeiden, der ohne Zweifel in dieser Ketzer-
^.ngelegenheit zustandig war, was besonders Leonh. Eck betonte,
fiihrte dann zu einer Einigung zwischen Universitat und Re-
gierung, wonach Seehofer 6J0fentlich widerrufen und dann in ein
Kloster gesperrt werden soUte. Die IngolstJldter haben sich
spater dagegen verwahrt, Seehofer, wie man ihnen vorwarf,
mit dem Feuertode bedroht zu haben, aber daB man damit eben
den Jiingling weich machte, wird man kaum bezweifeln dttrfen,
wenn man sich der Predigt Hauers erinnert, und das bestatigt
auch der sogleich zu erwahuende Revers, indem Seehofer sich
dafiir bedanken muBte, daB man ihn nicht dem Bischof Gabriel
von Eichstatt liberantwortet habe, ^gegen ihn als ein Echter
zu handeln," worauf eben doch der Tod stand.
Gegen eine Kaution von 1000 Gulden, welche seine Ver-
wandten in der Stadt dafiir aufbringen muBten, daB der Gefangene
in Freiheit gesetzt „frdwillig" den Widerruf leisten oder ins Ge-
fangnis zuriickkehren werde, und einem Revers, in dem der
1) Siehe Beilage III.
2) Bei Prantl II, 171, Nr. 53.
58 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
Angeklagte seine Bestrafung als einen Akt der Gnade aner-
kannte, auch gelobte, sich nach des Herzogs Befehl uuverztiglich
Jns Kloster Ettal begeben und sich an niemandem rachen zn
wollen, wurde er einstweilen befreit. Am 7. September sollte
der feierliche Akt vor sich gehen. Die ganze Universitat,
darunter der damals in Ingolstadt studierende Matthias Held,
der spatere Vizekanzler Karls V. ^), versammelte sich im Saale
des alten KoUegiums. Seehofer wnrde hineingefiihrt und be-
stieg das untere Katheder. Ein Notar verlas die mkriminierten
17 Artikel. Hierauf leistete Seehofer, das Neue Testament in
den Handen haltend, unter Tranen den verlangten Widerruf,
indem er alles, was er in seinen Vorlesungen aus Melanchthons
Schriften gezogen oder sonst geredet habe, wie es jetzt durch
den Notar verlesen worden sei, als eine rechte Erzketzerei und
Biiberei bezeichnete, und weiter versprach, daC er sich sofort
in Ettal stellen, ohne besondern Befehl das Kloster nicht ver-
lassen, auch kein lutherisches Buch wieder lesen oder ausgeben
woUe^). Daran schloB der Dekan der Artisten Fakultat, An-
tonius Braun, noch eine Eede mit der ernsten Mahnung an
alle Universitatsangehorigen, sich ja vor den lutherischen Neue-
rungen zu huten.
Und Seehofer ging wirklich nach Ettal, wohin derHerzog
Befehl gegeben hatte, ihn vermoge seines Eides bis auf weiteren
Befehl zn verwahren, „ihm ziemliche Lieferung Essens und
Trinkens mitteilen zu lassen und Bericht zu erstatten, wenn
er weitere Spuren der lutherischen Lehre zeigen wiirde"^).
Indessen war damit die Sache nicht zu Ende. Obwohl
Georg Hauer am S. September in einer zweiten Marienpredigt
gegen die Lutheraner donnerte, zeigte es sich, daB es in der
Stadt nicht an Leuten fehlte, die das Verfahren gegen den
Magister nicht billigten, sich zu lutherischen Lehren bekannten,
ja katholische Gebrauche geradezu verhohnten. Die Schuldigen
1) Vgl. Mederer I, 118.
2) Der Eevers bei Prantl II, 171. Der Widerruf bei Lipowsky,
Argula V. Grumbacb, MUnchen 1801, Beilage XVIII. Uber den Akt
Mederer I, 118; Winter I, 111.
3) Winter I, 110.
Kolde, Aisacius Seehofer und Argula von Grumbach. 59
fanden sich zumelst unter den von auswSrts zugezogenen Buch-
ftihrern und Buchdruckern. Auch sie muBten, so weit man ihrer
habhaft wurde, widerrufen, Stadt und Land verlassen und Ur-
fehde schworen, niemals iiber die vier Wilder, Bohmer-, Thii-
ringer-, Schwarz- und Scharnitzerwald zuriickzukehren ^).
Aber noch schlimmere Verlegenheiten standen bevor. Als
niemand fiir den unerfahruen, jungen Magister oflfen einzutreten
wagte, ergriflf eine angesehene Frau das Wort. Es war Ar-
gula V. Grumbach^), unstreitig eine der interessantesten
Frauengestalten zur Zeit der beginnenden Reformation. Etwa
1492 geboren, entstammte sie dem Geschlechte der Reichsfrei-
herren von Stauff, das im Laufe des 15. Jahrhunderts zu hohem
Ansehen und reichem Besitz gekommen war. Freilich hatte
die Teiluahme an dem Lowlerbunde, jenem kiihnen Versuche
der Adelsgeschlechter, unter dem Schutze des Kaisers alte oder
vermeintliche Selbstandigkeitsrechte gegen die aufstrebende
Herzogsgewalt zu verfechten, einem Kampf, iudem Argulas Vater
Bernhardin und noch mehr ihr Oheim Hierouymus eine fiihrende
Rolle spielten, den Wohlstand der Familie schwer geschadigt,
und der bayerisclie Erbfolgekrieg hatte weitere Einbufie ge-
bracht. „Ihr wiCt", schrieb Argula spater, wohl iibertreibend,
ihrem Vetter, dem Herrn von Torring, „dalJ mein Vater unter
den Herren von Bayern verdorben und ihre Kinder zii Bettlern
geworden." Indessen hatte sich Herzog Albrecht mit seinem
Adel vertragen, . und die Treue Bernhardins im Erbfolgekriege
wurde dadurch belohnt, daB er im Jahre 1508 die Herrschaft
Schonberg erhielt, und weitere Aussichten fur ein Wiederempor-
kommen des Geschlechtes bot der Umstand, daB der schon ge-
nannte Oheim Hieronymus nach dem Tode Herzogs Albrechts in
1) Bei Prantl II, Nr. .55 und 56.
2) fiber sie handelte G. C. Rieger, Das Leben Argula von Grum-
bach etc., Stuttgart 1737. F. J. Lipowsky, Argula v. Grumbach etc.,
Mtinchen 1801, eine sehr viele Irrtumer enthaltende Akademierede, die
im Anhange wichtige Aktenstticke und, freilich in ungenaucr Wiedergabe,
auch Argulas Schriften zum Abdruck bringt. H. A. Pistorius, Frau
Argula von Grumbach und ihr Kampf mit der Universitat Ingolstadt,
Magdeburg 1843. E. Engelhardt, Argula von Grumbach, die bayerische
Tabea, Nlirnberg 1860 (beide popular und erbaulich).
60 .Kolde, Arsaoius Seehofer und Argula von Grumbach.
demselben Jahre 1608 einer der Vormiinder des jangen Herzogs
Wilhelm wurde.
Argula muC, wie ihre Schriften ergeben, eine fiir eine
junge adlige Dame von damals auffallend gute Erziehung ge-
nosseu haben, und mit Recbt hat man aus den ungewohnlichen
Vornamen ihrerBriider, Feirafis und Gramaflanz, geschlossen ^),
daU man sich in dem Hause an der alten Heldenpoesie erfreut
hat. Aber mehr noch scheint Gottesfurcht und fromme Sitte
darin geherrscht zu haben. Denn Fran Argula kann in ihrer
ersten Schrift berichten, daB ihr Vater ihr, als sie 10 Jahr alt
war, die deutsche Bibel in die Hand gab^) und ihr sehr em-
pfohlen habe, darin zu lesen, was sie leider nicht befolgt habe'*)
„aus Verfiihrung der Geistlichen, sonderlich der Observanten",
das ist der reformierten Bettelmonche, weil diese erklarten, die
Bibel wlirde sie zur Ketzerei verleiten. Schon in jungen Jahren,
jedenfalls noch zu Zeiten Albrechts*), kam sie an den herzog-
lichen Hof und dankbar riihmt sie, dort Zucht und gottliche
Furcht gelernt zu haben. Sie wurde „Frauenziramer" (Kammer-
frau Oder moderner, Hofdame) der energischen und kirchlich
frommen Herzogin Kunigunde, der im Jahre 1518 Johann von
Staupitz seine in Miinchen gehaltenen Predigten unter dera Titel
„Von der Liebe Gottes" widmete^). Wie sehr man sie am Hofe
1) So Ki ezl er, Geschichte Bayerns IV, 10. Feh'afis und Grammaflanz
sind Namen aus Wolframs Parzival.
2) Sie gibt im Jahre 1523 an, dafi ihre Bibel vor 41 Jahren gedruckt
worden sei, da es aber eine deutsche Bibel von 1482 nicht gibt, wird
man an die sogenannte 9. vorlutberische Bibel, die be! Koburger in
NUrnberg erBchieo, zu denken haben. Vgl. darUber W. Waltber, Die
deutsche Bibeliibersetzung des Mittelalters, Braunschweig 1889 ff.
3) D. h. nicht in dem Mafie, wie sie hatte tun sollen. Jedenfalls
gohort Argula von Grumbach neben Margareta Peutinger (vgl. dazu meine
Nachweise in den Gdtt. Gel. Anz. 1887, S. 66 ff.) zu den wenigen, von
denen wir feststellen konnen, dafi sie sich mit der vorlutberischen Bibel
wirklich beschaftigt haben.
4) Nicht erst spater nacb demTode ihrer Eltern, wie Engelhardt
S. 47 nnnimmt, denn sie dankt 1523 den Eltern der damaligen Herzoge.
5) In Staupitz Werke ed. Knaake S. 92. ttber d. Miinchner Ex.
mit vielleicht eigenhandiger Widmung des Staupitz s. Riezler IV, 64 Anm.
Cber den Inhalt dieser schonen Schrift vgl. Th. Kolde, Die deutsche
Augustinerkongregation und Johann von Staupitz, Gotha 1879, S. 297 ff.
mm.
Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 61
schatzte, durfte sie erfahren, als ihr binnen fiinf Tagen Vater
und Mutter wahrcheinlich durch die Pest entrissen warden^).
Da sagte der junge Herzog Wilhelm zu ihr, woran sie ihn spater
erinnerte, sie sollte nicht also weinen, er wolle nicht nur ihr
Landesfiirst, sondern auch ihr Vater sein^). Und sie muBte
dankbar sein, Schutz und Untei'kunft zu haben, denu das Erb-
gut stellte sich als so gering heraus, daB der Oheimim Interesse
der zahlreichen Kinder Bernhardins die neuerworbene Herrschaft
Sch6nberg im Jahre 1513 an die Baumgartner verpfandete.
Viel frohe Tage wird sie iibrigens schwerlich in Miinchen ge-
habt haben. Ihr Aufenthalt fiel in die Zeit des Zwistes der
beiden herzoglichen Briider Wilhelm und Ludwig und des er-
neuten Kampfes mit der Landschaft, aber sie tat, wie ihre
spateren Aussagen erkennen lassen, tiefe Blicke in das Leben
und Treiben der Grofien und erfuhr, was Fiirstengunst bedeutet,
muBte sie doch erleben, daB ihr Oheim Hieronymus, der zu
immer hoherem Ansehen bei seinem Fiirsten gekommen und end-
lich Oberhofmeister geworden war, nicht ohne personliches Zu-
tun ihrer Herrin, der verwitweten Herzogin Kunigunde, ein
Opfer der inneren Wirren wurde. Auf Grund einer jedenfalls
entstellten und durch die Folter erpreBten Urgicht ward er
am 8. April 1516 auf dem Salzmarkt zu Ingolstadt als Hoch-
verrater enthauptet^).
Bald darauf wird sie sich verheiratet haben. Ihr Gatte
war der aus Franken stammende und auch dort beguterte
Friedrich von Grumbach, der seit 1515 als Pfleger in Dietfurt
in Diensten Herzog Ludwigs stand. Dort und in der ihrem
1) Der Tod des Vaters erfolgte nicht wie Engelhard meint (S. 28),
erst 1510, sondern bald nach der Erwerbung der Herrschaft Schonb erg
und dem Tode Albrechts, spatestens 1509, denn er wird in einer Erb-
schaftsangelegenbeiten betreffenden Urkunde vom 12. November 1509
vorausgesetzt. Vgl. Sitzungsberichte der Miinchner Akademie. Hist-pbil.
Klasse 1890 3 Hft, S. 477.
2) In der Schrift an alle christlichen Stande etc. siehe unten.
3) Vgl. S. Riezler, Der HochverratsprozeB des herzoglich baye-
rischen Hofmeisters Hieronymus von Stauf. Sitzungsber. d. Miinchner
Akad. a. a. 0. S. 435. Wie das Volk die Sache auffafite, s. das Volks-
lied „Von dem Stauffer" beiR. v. Liliencron, Historische Volkslieder III, 206.
62 Kolde, Arsacius Seehofer iind Argula von Grumbach.
Manne gehorigen Hofmark Lenting bei Ingolstadt, hatte sie
Gelegenheit genag zu erfahren, was an der hohen Schule zu
Ingolstadt vorging, zuraal seit 1522, in welchem Jahre ihr
jiingerer' Bruder Marzellus dort seine Studien begaun^). Auch
Regensburg war nicht zn fern, nm die dortige Austreibung der
Jnden (1519) und die von Balthasar Hubmaier, dem Mheren
Ingolstadter Professor und Prediger inszenierte groCe Wall-
fahrtsbewegung „zur schonen Maria" und die damit verbundene
Abgotterei zu beobachteu^). Man kSnnte auch daran denken,
dafi jenes der Herzogin Kunigunde von Staupitz tibersandte
Buch „Von der Liebe Gottes" auf sie Eindruck gemacht hat?
fand sich darin doch dieKlage liber die zunehmende Abgotterei:
„Auf diesen Tag, o giitigster Gott, betet man in der Christen-
heit Kiihe, Pferde, Gold, Silber, Holz und dergleichen an, als
bei den Heiden vor tausend Jahren geschehen."^). Aber wir
wissen es nicht, nur das steht fest, was sie selbst bezeugt, daU
sie friih von Luthers Lehre ergriffen, nunmehr eifrig ihre Bibel
zur Hand nahm, um selbst zu forschen, wie es sich verhielte,
und durch Luthers Freund, Georg S|)alatin, mit dem sie in
Briefwechsel stand*), darin befestigt wurde. Auch zu andern
evangelisch gesinnten Miinnern hatte sie Beziehungen, so zu
dem friiheren Doraprediger von Wiirzburg Paul Speratus, der
nach seiner Exkommunikation durch die Wiener theologische
Fakultat im Sommer 1522 eine Zuflucht in Iglau in Mahren
gefunden hatte ^). Er iibermittelte bereits im Juni dieses Jahres
einen Brief von ihr an Luther, indem sie ihn von der Ver-
folgUDg des Evangeliums in den Niederlanden unterrichtete^).
1) Das ergibt sich aus Mederers Annalen I, 114 vgl. S. 122.
2) Vgl. J, Loserth, Doktor Balthasar Hubmaier, Briinn 1893 und
Th. Kolde, Dr. Job. Teuschlein und der erste Reformationsversuch in
Rothenburg o. d. T. Erlangen und Leipzig 1901, S. 11 if.
3) Bei Knaake a. a. 0. I, 95.
4) Leider ist dieser Briefwechsel, wie der mit Luther und mit Osiander,
wie es scheint, voUig verloren gegangen.
5) Vgl. P. Tschackert, P. Speratus, Halle 1891. (Schriften d.Ver.
f. Ref.-Gesch. Nr. 33) und die ErgSnzungen dazu fiir die WUrzburger
und Salzburger Tatigkeit, Th. Kolde, P. Speratus und J. Poliander
als Domprediger in VV^urzburg. Beitr. z. b. K.G. VI, S. 49 ff.
6) Luther an Speratus 13. Juni: Accepi literas tuas sum quaestiun-
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula 'Von Grumbach. 63
So beobachte sie weit fiber ihre nachste Umgebung hinaus den
Gang der Dinge nnd nicht am wenigsten die Stellungnahme
der offentlichen Gewalten zur religiosen Frage. Auch in der
Kirche zii Dietfurt, wo ihrer Angabe zufolge von lutherischen
Eiufliissen nichts zu spuren gewesen war, hatte der Pfarrer das
Edikt des Nurnberger Reichstags vom 6, Mslrz 1523 verkundigt.
Daraus schopfte sie neue Hoffnung, denn danach soUte nichts
gelehrt werden „als das rechte lautere Evangelium nach der
Lehre und Auslegung der bewahrten nnd von der christlichen
Kirche angenomraenen Schriften." Wie Luther, dessen Schrift
„ Wider die Verkehrer und Falscher kaiserlichen Mandats" sie
bald erhalten haben mu6, hoffte sie, daB man nun bis auf das kunf-
tige Konzil das „Schulgezank" werde ruhen lassen^). Statt dessen
begann gerade jetzt das ketzerriecherische Treiben in Ingolstadt.
Die AuBerungen des Georg Hauer fiber die Brfisseler Martyrer
waren auch ihr zu Ohren gekommen: „Ich hab lang gehort, wie
euer decretalischer prediger zu unser Frawen hat geschryen,
ketzer, ketzer, wie wol es schlecht latein ist, kfinds selbs wol,
bin auf keiner Hohenschnl gewest. Aber zu probirn, bedarffs
mer. Ich hab ymmer jm synn gehabt, jm zu schreiben, mir
die ketzerischen artikel anzuzaigen, die der getrew arbeiter
des Euangeliums Martinus Lutther gelert hat". Im Hin-
blick auf 1. Tim. 2, 12 (1. Kor. 14, 34) hatte sie es immer
wieder, wenn auch mit schwerem Herzen, unterlassen. Aber
culis, simul et literas Herae Juliae a Stauffen, in quibus legi, quae
placuerunt, esse scilicet eyangelium fractiferum in terra, quod Caesariani
sateUites, sophistae, incredibili furia persequuntur in partibns inferi-
oribus. Enders, Luthers Briefwechsel III, 397. Dafl Luther hier ver-
sehentlicb Jnlia statt Argula schreibt, wird keinem Zweifel unterliegen.
1) Luther schreibt in der obengenannten Schrift, W. A. 12, 64:
„Darumb hab ichs vnszerm volck also gedeuttet (vgl. W. A. 11, 126),
das K«y. Majestat mit diszem mandat schaffe die sache za rugen, das
sie sich nicht weyttere bis auffs Concilium, ynd gepiete unszerm widder-
part, das sie yhr schulgezenk und heydenisch kunst aus s. thomas und
hohen schulen gesogen, daheymen lassen''. Dazu ygl, Argula in ihrem
Schreiben an die Universitat Ingolstadt: „Teh het gemaint, ir het nach
laut keyserliche Mandats euer schul gezenck wol ruen lassen bis auff
beruffts zukunffigs Concilium, welches allhie auf offner Cantzell gelesen
ist worden."
64 Kolde, ArsaciuB Seqhofer nnd Argula von Grumbach.
als sie jetzt von ausw^rts, namentlich durch einen Burger von
Niiniberg, der dabei iiber das Rechtsverfahren in Bayern ge-
spottet hatte, von dem Handel mit Seehofer horte, dem acht-
zehnjahrigen Jiingling, wie sie ihn nennt, den man, ohne nur
den Versuch gemacht zu haben, ihn der Ketzerei zn uberfuhren,
unter Drohungen zur Verleugnung der offenbaren Wahrheit ge-
zwungen babe, da konnte sie sich nicht mehr zuriickhalten. Am
7. September war, wie berichtet, der Widerruf Seehofers erfolgt
Schnurstracks reiste Prau von Grumbach nach Niirnberg zum
Prediger von Sankt Lorenz, Andreas Osiander, der iiber ihre
Bibelfestigkeit nicht genug staunen konnte, um sich mit ihm
zu beraten^). Und schon am Sonntag den 20. September
schrieb sie von Dietfurt aus ihren Sendbrief an den Rektor
und die gesamte Universitat zu Ingolstadl^). Die verurteilten
Satze scheint sie noch nicht zu kennen, denn sie bezieht sich
nirgeuds darauf, aber sie weiB ganz genau, wie es bei der Ab-
schworung zugegangen ist, wie man dem Jiingling das
Evangelium in die Hand gegeben und ihn doch gezwungen
habe, das Evangelium zu verleugnen. Da niemand dagegen
auftrete, wahrend doch derHerr gesagt habe: „Siehst du deinen
Bruder siindigen, so strafe ihn", so miisse sie es tun. Denn
es heiUt im Evangelium : Wer mich bekennet vor den Menschen,
dem will ich wieder bekennen vor meinem hiramlischen Vater.
Da sind auch die Frauen nicht ausgeschlossen. Darin und in
1) Vgl. Berichte des Hans von der Planitz (Planitzbriefe) ed,
Virck, Leipzig 1890, S. 657.
2) Wie eyn Christliche/fraw des adels, in Beiern durch/jren jn
Gotlicher sohrift, wolgegrlind/ten Sendtbrieffe, die Hohenschul zulngold-
jstsitj vmb das sie einen Evangelischen Jiing-/ling, zu wydersprechung
des wort/Gottes, betrangt haben, /straffet./ 8 Bl. 4. Letztes Blatt leer
(Erlanger Univ.-Bibl., MOncbner Hof- u. Staatsbibl.) Eine andere Ausgabe
bei Weller, Kepert. Nr.2698 z. B. in NUrnberg, Stadtbibl. — Die Schrift
(ungenau) wiedergegeben bei Lipowsky Anbang Nr. 1.
3) Gewisse Einzelheiten, die sonst nicht iiberliefert sind, wird sie
ihrem Bruder Marzellus verdanken. So schreibt sie: Ich h3r nit das im
mit Bchriflft von euer kainem, kaiu artickel vm sey gestossen. Das hor
ich wol, das ayn gelerter Jurist zu jm sey tretten, gesagt. Wartimb
er wain? Ob er noch ayn ketzer sey, aber Juristerey dienet dahcr
gar nicht.
Kolde, Arsaoias Secbofer und Argula von Grumbach. 65
Stellen wie Jesaia 3, 4 u. 29, 4^), Joh. 6, 45, Ps. 8, 3 u. s. w.
sieht sie ihre Legitimation, um sicli mit Zeugenmut, unbe-
kiimmert um die Folgen, gegen das Treiben der Ketzerraeister
za wenden. „So ichs betracht, so erzittert meln Herz und alle
raeine Glieder. Was lehrt dich Luther oder Melanchthon anders
denn das Wort Gottes? Ihr verdammt sie uniiberwunden. Hat
euch das Christus gelehrt oder seine Apostel und Evangelisten?
Zeigt mir, wo es stehet, ihr hohen Meister, ich finde es an
keinem Ort der Bibel, daB Christus noch seine Apostel, Pro-
pheten oder Evangelisten gekerkert, gebrannt oder gemordet
haben". WohlsoU man derObrigkeit gehorsam sein, „aber iiber
das Wort Gottes haben sie nichts zu gebieten, weder Papst,
Kaiser noch Fiirsten. Ich bekenne aber bei Gott und meiner
Seelen Seligkeit, wo ich Luthers und Melanchtons Schriften
verleugnete, daU ich Gott und sein Wort verleugnet." Und
es wird ihnen nicht gelingen, „denbrennenderi Hafen" (Jes. 7, 13)
zu verloschen, „des Papstes Dekretal noch Aristo teles, der nie
ein Christ geworden, vermogens mitsamt euch nicht*'. Gott
wird sein heiliges gebenedeites Wort wohl erhalten, wie er es
bisher nach dem alten und neuen Testament getan hat, und
er wird jene strafen, wie er Hos. 13, 7f. den Gotzendienern
in Israel droht. Der Geiz hat euch besessen, ihr mochtet
sonst Gottes Wort besser leiden, aber freilich das Evangelium
tragt nicht soviel Pfennige als des Papstes Dekretalen. Unser
Glaube soil nach Paulus 1. Kor. 2 nicht in menschlicher Weisheit
stehen. „Ihr werdetjins mit euren papstlichen Gesetzen, die
ohne Gottes Befehl gemacht . sind, lang nicht dazu dringen."
Und in der Tat, die Uberzeugung von der alleinigen Autori-
tat der Schrift und ihrer alleinigen Grundlage fiir alle Heils-
erkenntnis hatte diese Frau in sich aufgenommen, wie das
damals bei nicht vielen der Fall gewesen sein mag. . Wohl
tritt sie fur die Wahrheit von Luthers Lehre ein, aber eben
nur, weil sie seine Lehre in der Schrift gegrundet findet. An
die Bibel, den Befehl Gottes, an sein Wort soUen wir uns
1) Sie las Jes. 3, 4: Ich scbick jn kinder zu fUrsten vnd weiber,
oder weibisch weren sie beberschen und Jes. 29,24: Die irrenden werden
wissen die Yernunft im geist, vn die murmler lemen dz gesatz.
Beitrilge znr bayer. KirchengcBchlchto XI. 2. 5
66 Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
allein halten. „Ach wie fein lehret und gibt der Geist Gottes
den Verstand und spaziert von einem in das andere. Gott sei
Lob, dafi ich das rechte wahre Licht scheinen sehe", „braucli
raich der Bibel, als auch all sein (Lutbers) Arbeit dermaBen
gewest, daC man die soil lesen." „Und wo es gleich dazu
kame, davor Gott sei, dafi Luther widerrufet, soil es mir nichts
zu schaffen geben. Ich baue nicht auf mein oder eines Menschen
Verstand, sondeni auf den wahren Felsen Christum selbst,
welchen die Baumeister verworfen haben". Zu diesen geh5ren
die Ingolstadter Gelehrten ; . sie fallen unter das Gericht welches
der Herr liber die Pharisaer ausgesprochen hat. „Wie haltet
ihr das kaiserliche Mandat, das geboten hat, das Evangelium
zu predigen, wie es Gott geboten hat und die Lehrer, so von
der christlichen Kirche approbiert sind, nicht von der romischen
Kirche, von der in der Bibel kein Wort steht"? Mit der Ver-
urteilung Seehofers haben sie der Universitat schlechten Ruhm
eingebracht und sich undankbar erwiesen gegen ihre Stifter
und ihre Fiirsten, die sie jamraerlich verfiihren und betriigen.
„Schamt Ihr Euch nicht, daB er alle Schriften Luthers hat
verleugnen mussen, also auch das lediglich nach dera Text ver-
deutschte Neue Testament? Damit ist das heilige Evangelium,
die Epistel und die Apostelgeschichte auch bei euch Ketzerei
gescholten." Das ist alles ohne Beweis geschehen. Darum bittet
sie, ihr die Artikel Luthers und Melanchthons, die ketzerisch
seien, schriftlich anzuzeigen. „Wollt Gott, ich sollt in Gegen-
wjirtigkeit unser dreier Fiirsten und ganzen Gemein mit euch
reden. Ich begehr von jedermann belehrt zu werden. Philo-
sophic die soil nichts, als Paulus zu den Kol. 2 sagt: Htitet
euch von der Philosophic und Hoch reden der weltweisen
Menschen. — Juristerei schadet mir nicht, denn sie gar nicht
daher dienet, gottliche Theologie spiir ich nicht. . . . Darum
ftirchte ich mich nicht, so ihr anders schriftlich und nit ge-
waltiglich mit Gefangnis oder dem Feuer unterweisen wollt. —
Ich kenn kein Latein, aber ihr konnt deutsch, in dieser Zunge
geboren und erzogen. Ich habe euch nicht Weiberteidinge ge-
schrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christ-
lichen Kirche, vor welcher die Pforten der HoUe nicht be-
stehen mogen. Aber vor der romischen Kirche bestehet sie
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 67
wohl. Besehet nur dieselbige Kirche, wie sie vor den Pforten
der Holle bestehen moge. Gott gebe uns seine Gnade, daB wij-
alle selig warden". —
Das war die Strafrede gegen die Dniversitat und zugleich
angesichts des bayerischen Religionsmandats ein evangelisches
Bekenntnis von iiberraschender Kiihnheit. Aber damit nicht
genug. An demselben Tage lieB Argula noch ein zweites Schreiben
an Herzog Wilhelm abgehen. Auch hierin erhebt sie schwere
Klage gegen, die Universitat, die da vorgibt, im Namen des
Fiirsten zu handeln, und damit in Gottes Gewalt eingreift,.
was jener gewifi nicht woUe, da kein Mensch Gewalt hat, Gottes
Wort zu verbieten, oder darein zu regieren. Sie hieBen es
lutherisches Wort, es sei aber nicht lutherisches, sondern Gottes
Wort. Sie dankt dem Fiirsten, daB Seehofer auf seinen Befehl
den blutdiirstigen Hslnden entrissen sei, und hofft, daB der Jiing-
ling wie Petrus nach seiner Verleugnung sich bekehren werde,
bittet aber zugleich den Herzog, nicht allezeit den Worten der
Ingolstadter Gelehrten zu glauben, sondern die Geister zu
priifen, denn der ist aus Gott, der Christum bekennt. Es ist
nicht genug, so wir sagen woUten, ich glaub, was raeine Eltern
geglaubt haben, wir mussen in Gott und nicht in unsere Eltern
glauben. Wenn das Alter eineu rechten Glauben machte, w£lre
der jiidische der beste. Den Glauben an Christum soil man
bekennen und sich dessen nicht schamen, und sich nicht fiirchten
und schweigen, ob es tausend Halse koste. Der Fiirst soil
daran nicht zweifeln: wer das Wort Gottes annimmt, gibt einem
jeden, was ihm gebiihrt, leistet Gehorsam aller Obrigkeit, auch
der bosen. Diese darf aber ihre Gewalt nicht miBbrauchen.
Das Wort Gottes zu verbieten lehrt das Evangeliura nicht,
Oder solchem Befehl gehorsam zu sein, vielmehr eher Leib und
Leben verloren. Wenn aber der Furst iiber dem Worte Gottes
halt, so wird Glaub und Heil Land und Leuten, wo nicht,
wird es Gott nicht ungerochen lassen. Gott hats geredet, wie
sie durch viele Beispiele- aus dem alten und neuen Testament
beweist, nicht Luther, und das Wort Gottes ist ja ohne alles
Nein, Mochte es doch der Fiirst zu Herzen nehmen und das
teuer erkaufte Volk nicht ewiglich verderben lassen. Niemand
ist wiirdiger zu halten, als ein guter Prediger, der im Gottes-
5*
()8 Kolde, Arsacius Seehofer nnd Argula von Grurobach.
geist und nicht im Buchstaben gelelirt ist, denn all unser Heil
liegt am Horen des Wortes Gottes. Aber wo sind diese Pre-
diger? Dagegen triiFt Gottes Gericht die falsclien Propheten,
die Rauber, Pfaffen, Monche, Nonuen. Der Herr heifit sie
Rauber Jes. 3: Sie haben beraubt mein Volk und Weiberhaben
sie beherrscht. „Das redet Gott, so ichs redete, so wUrs
liitherisch." „ Ach Gott der sodoraitischen Reinigkeit und geizigen
Armut! Sie haben den Kitzel des Fleischer gleich sowohl als
wir, ob sie es schon mit dem Schanddeckel der Kutten befarben,
.bilft vor Gott nicht; hlilfe es, woUten wir alle Kutten an-
legen." Paulus sagt: Ein jeder Mann soil ein Weib haben,
eine jede Frau einen Mann. Und ganz wie Luther sagt Argula:
So ich Keuschheit gelobte, ist gleich, als ob ich gelobte, mit
einem Finger an den Himmel zu riihren oder zu fliegen. Das
steht nicht in der Menschheit Gewalt. — Die Arniut der Bar-
fiifier sieht man an ihren Gebauden, vollen Kasten, an Kiiche
und Keller. „Ich urteile nicht, aber Christus tuts Matth. 23,14.
Ich kann nichts anderes sehen in der Stiftung so vieler Dom-
herren und Priester samt dem andern Geschwiirm als Erhaltung
von Buben und Biibinnen, wie es unverschamt am Tage liegt.
Der Papst hat dem Rate des Teufels gefolgt, Eheweiber ver-
boten und um Geld Biibinnen (Konkubinen) erlaubt. 0 wenn
die Fiirsten darein sehen wollten!** Ihnen gehort das Schwert:
„Wollt Gott, dafi eure Augen aufgetan wiirden und ihr selbst
das Schwert, das euch Gott gegeben hat, in die Hand nehmet."
Die sogenannten geisUichen Fiirsten und Pralaten haben das
Geld, die weltlichen den Sackel. Schon droht der Zorn Gottes
und ist zu besorgen, daB der Tiirke der Herr unseres Vater-
landes wird. An alien Orten erhebt sich Emporung; die Sache
kann in die Lange nicht Bestand haben. WoUte Gott, die
Fiirsten lieCen sich von den sogenannten geistlichen Herren
nicht langer am Affenseil ftihren. Leicht konnte der Herzog
eine Tiirkensteuer finden, er brauchte nur das Vermogen der
Geistlichen aufnehmen lassen. Hatten sie zu viel, konnte es zu
gemeinem Nutzen verwandt werden, auch dazu, dafi der arme
Mann nicht allzusehr beschwert wiirde. Auch auf den Unfug
des „Absenz" kommt sie zu sprechen und beklagt es, daB die
reichen Pfriindeninhaber nur den SchweiB der Armen verzehren
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 69
und urn geringen Lohn Geistliche, und zwar selten geschickte,
dingen. Dafiir verweist sie auf zwei drastische Beispiele. „Der
Pfarrer von Voburg, Ifreiberger^), hat mehr als 800 Gulden
von Pfriinden und tut das ganze Jabr keine Predigt. Und
was hat HeiT Bernhard Arzt zu Eichstett?"^). Und doch liegt
alles an der Predigt des Evangeliums. — Als ilirem Bruder,
der sie nach ihrer Eltern Tode so freundlich getrdstet und in
dessen Dienste sie mit ihrem Manne lebe, babe sie ihm ge-
schrieben, um ihre Dankbarkeit zu bezeugen. „Mir ist wie
Sankt Peter. Silber und Gold babe icfi nicbt, sondern die Lieb
gegen Gott und E. F. G. als meinem Nachsten", von dessen
Handen Gott die Seelen seiner Untertanen fordern wird. Moehte
er docb nicht allewege den Pfennigschluckern glauben und
ibnen Gewalt geben, namentlicb nicht den Juristen, die selbst
reicb werden, aber das Land arm machen. Und so schliefit
sie: „Ich hab E. F. G. die grofien Artikel meines kleinen Ver-
stands, damit das Volk Christi beschwert, angezeigt. E. F. G.
bedenke es baU, denn ich es schreibe. Denn es betrifft nicht
ein Zeitliches, sondern ein Ewiges."
Dieses Vorgehen der adeligen Dame machte ganz unge-
wohnliches Aufsehen. DaB eine Frau zur Feder griflf und nun
sogar in Sachen des Glaubens und der Kirche, war in deutschen
Landen, wie der Schreiber der Vorrede zu ihrer ersten Schrift
sehr richtig bemerkt, ,,vom weiblichen Geschlecht gar wenig
1) Man konnte daran denken, daB dieser Freiberger, von dem ich
sonst nichts mitzuteilen weiB, derselbe ist, gegen den in demselben Jahre
der unten nocb mehr zu erwahnende Martin Reckcnhofer schrieb: ^Ein
Urteyl Martin/Reckenbofers iiber ein Sermon gepredigt/am anffertag dess.
1523 iars zu Frey singe/ wider die Euangelische Christlichen/leer, durch
Joanne Freyberger/vnsers Hergots priindner/im Thumbstifft daselbst./
M.D.Xiij. Vgl. 0. Clemen, Beitriige zur Reformationsgeschichte I, 49.
Die Bezeichnung „Hergotspfrundner" im Titel, und in der Abhandlung
selbst nGottes, Maria vnd Sanct Corbinian prebendarij vnd pfriindner
daselbs**, wurde auf ihn passen, nicht aber die Behauptung Argulas, daiJ
er gar nicht predigte.
2) Uber diesen beruchtigten Pfriindenjager aus Augsburg, eincn ge-
lehrten Juristen, Domscholast in Eichstadt f 21. August 1525, vgl.
Sax, Bischofe von Eicbstadt, S. 348, 3GI, 369, 398 und Al. Schulte,
Die Fugger in Rom. Leipzig 1904 I, 281, 287.
70 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
and bei unsern Zeiten nie gehort", und erst ein Jahr darauf
fand ihr Beispiel Nachahmung^). Namentlich Argulas izweiter
Brief war ein Reformationsmanifest in groBem Stil. Er war,
wie gesagt, an Herzog Wilhelra gerichtet, aber der Heraus-
geber bezeichnet ihn mit richtigem Verstandnis auf dem Titel-
blatt als eine Ermahnung an „alle Christliche Stande und
Obrigkeiten bei der Wahrheit und dem Worte Gottes zu bleiben,
und solches aus christlicher Pflicht zum ernstlichsten zu Hand
haben"^). Beide Schriften kamen zunachst handschriftlich in
Umlauf, die an die Universitat ubrigens von vornherein mit
einer Vorrede, die das Ereignis, daB eine Prau die Schrift-
gelehrten mit unuberwindlichen gottlichen Schriften „mehr als
1) Zuerst, soweit meine Keontnis reicht, durch Ursala Weidin, die
SchSsserin von Eisenberg, in ihrer Schrift: „Wyder das vnchristlich
schreiben vn/Lesterbuch, des Apts Simon zu Pegaw vnnd seyner/Bruder.
Durch Ursula Weydin Schosserin zu/Eyssenbergk , Eyn gegriindt Ohrist-
lich/schrifft Gottlieb wort vnnd Ehe-/lich leben belangende" .-./Darunter
Johelis 2. (Es soil geschehen* in den letzten Zeiten etc.) Anno Domini:
Tansent fUnffhundert vnd/Vier vnd Zweyntzg./ (In meiner Bibl.). Vgl.
0. Clemen, Die Schosserin von Eisenberg in Mitteilungen des Geschichts-
und Altertumsforschenden Vereins zu Eisenberg im Herzogtum Sachsen-
Altenburg, Heft 13 (1898, S. 73 ff.)- Ihr reiht sich an eine mir sonst
unbekannte K.Schtitzin, den leydenddn Christglaubigen weybern der gemain
zu Eentzingen meinen mitschwestern in Christo Jhesu zu handen. 0.
0. 1524.4. 6.B1. bei Kuczinsky, Thesaurus, Leipzig 1879, Nr. 2421.
Es ware eine nicht uninteressante Aufgabe, den AnfSngen der weib-
lichen Schriftstellerei in der Reformationszeit weiter nachzugehen.
2) Ein Christenliche schriflFt/ainer Erbarn frawen, vom (!) Adel/
darjn sy alle Christenliche stendt/vn obrikeyten ermant, bey der warheyt,
vnnd dem wort /gottes zu bleiben /vn sol/lichs ausz Christlicher/pflicht
zum ernast-/lich8te zu hande/haben/ Argula Staufferin./ M.D.XXiij/ Ac-
tuum 4./ Richtent jr selbs, obs got recht/ sey, das wir ewch meer gehor-
eam/sein sollen den Gott./ 0. 0. u. J. Titelbordtire, 8 Bl. letzte S.
(MUnchen. Hof- u. St.-Bibl. Ntirnberg, Germ. Mus.). Eine andere Ausgabe
vom Jahre 1524: Ein Christeliche schrifft / einer Erbaren frawen, vom
adel/daryn sie alle Christenliche stendt/vnd obrigkeyten ermant. Bey
derjwarheit, vnd dem wort Gottes zu / bleibe, vnd solchs-ausz Christlich-/
er pflicht zum ernstlichsten zu hand/haben./ Argula Staufferin/M.D.XXiiij.
/Actuum. 4./ Richtet jr selbs, obs vor got recht/sey, das wir euch mehr
gehorsam/sein sollen, den got./ Titelbordtire, 6 Bl. Am Schlufi Datum
Sonntag nach der heiligen Crenzerhebung. Anno domini. 1523. Darau^
die Unterschrift (Erlangen, Univ.-Bibl.).
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 71
glaublich" straft, in den hochsten Tonen feiert und die Argula
mit Judith und Esther vergleicht und sich die grofiten Erfolge
verspricht: „0 Herr, es wird ein groBes Gedachtnis deines
Namens, so sie die Hand des Weibes iiberwindet" ^). Der
sachsische BevoUmachtigte beim Reichsregiment in Nurnberg,
Hans von der Planitz, war bereits am 15. Oktober darliber
unterrichtet^). Am 27. konnte er Friedrich dem Weisen eine
Abschrift des Briefes an die Universitat mit der Vorrede
schicken, wobei er meldete, dafi der Brief demnachst gedruckt
werden soUte, und daB er eine Kopie des Briefes an Herzog
Wilhelm noch nicht habe erhalten konnen^). Das war auch
am 13. November noch nicht der Fall, an dem er ein gedrucktes
Exemplar der Schrift an die Universitat an den Kurfiirsten
tibersenden konnte*). (Schlufi folgt.)
Beilage la.
Arsacius Seehofer an ?
Wittenberg 1522. 4. Jan. 5).
Zsvg ikeog'. Ad aliquod tempus mutuis Uteris certavimus, qiiibus
satis superque declaratum • est (ni fallor) quantas radices egerit
1) Da diese intercssante Vorrede, deren Verfasser man in Nurnberg
(Osiander?) wird suchen mtissen, bei Rieger und Lipowsky nicht mit ab-
gedruckt ist, und sich nur bei Rabus, Martyrerhistorie 1556. V. Bd., S. 38
findet, gebe ich sie im Anhange Beilage III.
2) Planitzbriefe S. 557.
3) E. cfl. G. habe ich hiervor geschriben von einer frauen im lande
zu Beyern, wie dieselbige der universitett zu Ihngelstett geschriben und
auch den Herzogen von Beyern etc. mit undertheniger erpitung, wue
ich der schrift copia bekomen mocht, E. cfl. G. dieselben zuzuschigken.
Demnach ubersende E. cfl. G. ich hiebei dieselbige abschrift des briffs,
den gnante frau der universittet geschriben. Aber wie sie den fursten
geschriben, hab ich noch nicht. Zu diszer schrift, an die universitett
beschen, ist ein kurze vorrede begriffen, der copia E. cfl. G. ich
himit auch undertheniglich ubersende; vorsehe mich, es werde alzso der-
massen in kurz gedrugkt werden; wie es aber den hern von Beyern ge-
felt und gefallen wirt, weisz ich nicht; gleub nicht sehr wohl. Ebenda S.573.
4) Ibid. S. 582. Am 11. November wuBte man in Ingolstadt, dafi
der Brief an die Universitat in Nurnberg gedruckt sei. Vgl. v. Druflfel
S. 651 Anm.
' 5) Die beiden z. Z. im Miinchner Universitatsarchiv nicht aufzufin-
denden Briefe (Kopien) sind hier nach einer mir von A. v. Druffel im
Jahre 1888 tiberlassenen Abschrift wiedergegeben.
72 Kolde, Arsacius Seehofer nnd Argula von Gi-umbach.
amicitia nostra^ qnae a puero mihi tecum intercessit. Idcirco hac de
re amplius scriptis te obtuudere in auirao non est. Est qnidem
excellentius quoddam prioribus quod tibi scribam. Nempe quod ad
salutem auimaram nostrarum expedit atque non parum dignosces ex
his, quantis vinculis illaqueati estis a diabolo per subministratores
artis suae papisticos. Et quam longe aberrastis a scopo verae institiae
proh dolor! utinam verbis consequi possem, scd pauca explicabo tibi,
quantum captu meo assequi possum quam brevissime. Luther us euim
omnia copiosissime pertractat, quapropter nolo IJiadas post homerum
depingere primum, Cauponantes verbum divinum volunt suis operibus,
suorum operum hyprocrisi iustificatiouem asserero, o scelesti ho-
mines, qui tam aperte audent variare a Evangelio, cuius tota praedi-
catio est nobis remitti peccata gratis, sine ullo operum nostrorum
respectu, omnemque nostram salutem esse ex deo, id quoque . passim
attestatur tota scriptura, psalmus 32. da nobis auxilium domine,
Quoniam vana salus homiuis, hoc idem dicit paulus. Justus ex fide
vivit. Item Roma 3. Justitia dei per (idem Jesu Christi, revelata est
non operum hypocrisis, quam homines pro iustitia reputent, sed
talis iustitia revelata est, quam deus pro iustitia reputat, nempe
ea quae per fidem constat, paulus Roma 4. credenti reputatur fides
ad iustitiam. Accedit huic locus Gene. 15. credidit Abraham deo
et reputatum est ei ad iustitiam, Christus luce 7. erexit mulierem
peccatricem dicens mulier fides tua salvam te fecit. Tum Mathei. 7.
quid cogitatis vos modicae fidei etc., porro si iustitia ex operibus
nostris constat, quis tum misericoi*diae locus est, quam in tota scrip-
tura ventitat Christus? Verum quid multa connumerem, quum in
aprico sit, iustitiam hominis nullam esse: qui enim fieri potest, cum
nobis filium suum dilectum tradidit pro nobis dens, ut non omnia
simul cum eo donaret? Idcirco id pro thesi habeas fidem esse iustitiam
nostram, adstipulatur Paulus 2. Corinth. 3. omnis sufficientia nostra
ex deo est, Christus quoque acriter coarguit hjporritas, qui se suis
operibus (Math. 21.) iustificari ratum habebant. Dein^) videant illi
nefarii homines, quam foeliciter doceant se suis bonis, ut aiunt operi-
bus salutem assequi, cum omnia hominum opera citra cordis puri-
tatem peccata sint, atque omnes hominum conatus. Sed cor hominis
abominabile est, dum non agitationibus epiritns Dei gubernatur, at-
que dummodo non penitus mortificatus fuerit vetus Adam et omnes
affectus sopiti et extincti fuerint. Hoc comprobat Salomon dicens...^).
Jam licet videre, quid boni in nobis reperiri possit, praeterea non
difficile est perspicere, quam belle arguunt papistae technis suis
nobiscum in missa, quam usurpaut pro sacrificio, atque aiunt efferri
Christum Deo — quam egregii uugatores! — pro vivis et defunctis
et instituerunt missam de S. Katharina, de beata Maria virgine et
1) Das Folgende bis zum SchluCabsatz : Jam etc. fehlt bei Winter.
2) Die bier folgenden Bibelstellen fehlen in der Druffel»cben Abschrift.
Kolde, Arsacins Seehofer und Argula von Grumbach. 73
id genus reliqua. Sed obsecro papisticos helluones producite unum
Jota quo confisi auderent tali a in medium afferre, sed hoc comperis
quod scriptura adimit eis facultatera coudendi aliquid novi in hunc
modum neque quidquam addatur vel detrahatur legi Dei. Et nihil
aequo abhorret divinum atque constitutiones humanas. dicit enim
Christus in vanum me colunt qui praecepta Dei negligtint et hominum
institutiones inculcant. Irapie ergo errant qui missas faciant tamquam
bouum aliquid opus exequantur et Christum Deo offerant. Obtulit
enim filius Dei se semel, nee potest denuo offerri pro delictis nostris
et exhibuit nobis Christus hoc eucharisticum, quod missam appellitant,
ad erigendara fidcm uostram, ut hoc pignore quomodo capimus, certi
nos essemus Deum esse nobiscum praesentem propicium. Ea vero
omnia invertit papa in suum fiscum, probeque usurpat sibi nomen
piscatoris. Expiscatur ut homini non constat omnium crumenas, ut
ne nummus nobis supersit. Paulus aliam praescri&it formulam epi-
scopi docere populum suum et consolari affiictos, non opprimere suis
decretis; is esset dignus mercede sua. Dicit enim qui altari servit
de altari vivat. Altare id ne est quod est extructum in lapidea aede,
non sic impii! nullum aliud altare est nisi cor nostrumi Ergo ille
qui plantat verbum Dei in cordibus nostris de altari vivat et a populo
subministrentur omnia necessaria. Ergo illis qui non decent populum,
qui totam substautiam miser[or]um hominum devorant^). omnibus ius
est interpellandi apud Deum, missas celebraudi; nos ipsos oiFerimus
Deo, Petrus ait omnes reges in Christo et sacerdotes. Sed quid
multis moror. Consule scripta Lutheri divinitus demissi, imprimis
evangelium, in quo annuo ti ant, tibi remissa peccata tua per Christum.
Demum non ignoras quibus modis parentes mei effiictim cupiant
me ad gradum magisterii, sed hoc aequum esse non possum persuaderi.
Christiani non est deelinare in sua consilia et alta afflare, exigit
enim Christus ut vivamus in humilitate et simplicitate cordis, ait enim
Mathei 23 ubi mere Pharisaeos adarguit superbiae: Nolite vocari
Rabbi, imus est enim magister vester, nempe Christus, omnes autem
vos fratres estis, item qui maior est vestrum erit minister vester,
et qui se exaltavit, humiliabitur, et qui se humiliavit, exaltatui*.
Item dicit: qui vult me sequi, abneget se ipsum et tollat crucem suam
Math. 16. Quod dicit abnegat se ipsum, satis indicat, nihil in huma-
nis viribus sani et boni et quod quidem virium naturae repugnare
Deo. Natura omnes eflFerimur animo. Filius Dei praebuit nobis quo-
que exemplum, vixit enim omni humilitate et paupertate, sancti
quoque eius fuerunt omnium despectissimi et omnibus ludibrio habiti.
Quapropter doce eos quam ridicula res sit, non enim possumus sequi
vestigia eius nisi per crucem et afflictiones. Propterea dicit: Beati qui
persecutionem patiuntur in nomine meo. Non enim possumus eis
obsecundare in hoc, si scripta evangelica observavero. Quapropter
1) Hier fehit der Nachsatz.
74 Kolde, Arsacius S^ehofer und Argula von Grumbach.
petit, qui mea vestigia capessere voliierit odio habebit patrem et
matrem, fratres et sorores et omne id quod sibi obstaculo erit. Quid
multis moror. Nihil aliud volo quam ut parentes et omues amicos
imbuas sacris scripturis ne diutius immorentur in caligine tenebrarum,
Quapropter delego tibi hoc munus atque solum in hoc innitere, ut
ostendas eis viam veritatis. Interim mittet vobis spiritum suum Deus
et sanabit vos. Jam non pluribus agam tecum, sed deus avertat
iram et mittat verbum suum. His vale bono omine ex Witten-
berga vel Bethlehem, ubi Christus iterum erupit in lucem. Vale
iterum felioiter, die 4. Januarii Anno 1522.
Arsatius Seehofer
tibi deditus.
B e il age I**.
Arsacius Seehofer an einen Geistlichen.
Wittenberg 1522. 4. Jan.
Miraris fortasse, cur litteras ad te do, certe mirari desines, si
animo consequi velis benevolentiam meam praecipuam in te, quam ex
tuis compositis (qui in te singulariter siti sunt) moribus coucepi. Es
enim homo facilis omnium horarum, omnes sine taedio perfers ac
pateris, cum quibus es. Ideo non est, ut temeritati meae ascribas sed
amori meo immodico, cui temperare non possum. Hoc quo in re
est, cur ad te scribo, quum enim vobiscum degerem, viderem te in
aliquibus lutheri coelitus demissi^) dictis haerere. Videbaturque
tibi variare a veritate quod^) homini liberjjm arbitrium abnegaret.
Idcirco statui paucis ad te scribere ac eius sententiam explicare,
quantum mihi licet. Quandoquidem omnia, quae eveniunt necessario
iuxta divinam praedestinationem eveniunt. Testatur id pau. Eo. 11,
quoniam ex illo et per ilium et in illo omnia, quis ergo liberi (ut
sophistae nostri vocant) arbitrii locus. Item ad Ephe. 1. qui operatiir
omnia secundum consilium voluntatis suae. Hoc idem agit Cristus
math. 10. Nonne duo passeres asse veniunt. Et unus ex illis non
cadit super terram sine patre vestro. proverb. 16. Uni versa propter
semetipsum operatus est dominus. Impium quoque ad diem malum.
Et rursus prover. 20 a domino diriguntur gressus viri. Quis autem
hominum potest intelligere vias suas etc. Sed quid multa conger o,
facile enim lectione assidua observabis in sacris literis, quae sit
libertas abitrii nostri. Et quod paulo asperior nobis sententia
scripturae videatur, debemus imputare impiis illis sophistis, qui' nobis
adeo inculcaverunt rerum contingentiam et libertatem voluntatis
nostrae, quae prorsus nulla est. Et ^) quid erroris in ecclesia exortum
1) Bei Winter: — dimisse. Coelitus fehlt.
2) Winter: quum.
3) Das Folgende fehlt bei Winter.
Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 75
«
est, sophisticis nebulonibus attribiiendum , impii illi homines suis
operibus iustificari hominem asserunt^). Vides quanam parte discre-
pant a Cristi dogmate. Docet enim totam nostram salutem pendere
ex Deo. Item Paul us Eoma. 3 Justus ex fide vivit. Justitia Dei
per fidem Jesu Cristi, Item Eoma 4. Credenti reputatur fides ad
iustitiam. Cristus praescripsit nobis unicum opus Job. 6. Sed fides
habetur ei quod ipse sit salbator (sic) noster dicens: hoc est opus
Dei ut credatis in eum quem misit ille. Sed de his satis. Paucis
enim tecum agere volui, Hoc novi et certe scio quod titi scribo :
Lutherus nuper visitavit nos tamquam pios filios pater, denique iterum
se recepit in locum suum abditum, ubi iam latere propter verbum
divinum, quod ipse promulgavit omnibus, cogitur, sed evangelium
non potest fieri efficax nisi afflictionibus. Missa (!) quoque abole-
verunt apud nos non tota (!) sed solam additiones papisticas. est enim
ius eis ademptum a scriptura condendi aliquid novi neque quidquam
addatur vel detrahatur legi Dei. instituta est a Cristo ad certificandam
fidem nostram, ut is qui participat, de ea certus sit hoc pignore
Deum sibi bene velle. Haec ex scriptis Martini nostri qui omnia
pcrtractat ut res postulat. His vale atque populum in tuam curam
commissum imbue evangelio^), non doctrinas humanas. Dicit enim
Christus in vanum me colunt qui doctrinas dominum docent et
praecepta Dei negligunt. Haec^) scipsi tibi non ut te doceam, solum-
modo ut commonefaciam. Vale iterum felici auspitio ex Witten-
berga, ubi Cristus iterum in lucem erupit.
Die 4, Januarii anno 1522.
Arsatius Seehofer
tibi deditus.
Beilage 11.
Die als ketzerisch verurteilten, von Seehofer am 7. Sept*
1523 widerrufenen Artikel.
1. Sola fides ad hominis iustificationem est sufficieus.
2. Justicia dei eiusmodi est, quam deus imputat. nullorum
operum respectu.
3. Justificationem nullo operum merito consequi potest homo.
4. Solus deus iustificat, in nos transfundens spiritum suum sine
nostra actione.
5. In nullo opere spes ulla est ponenda.
6. Impossibile est fidem esse sine bonis fructibus*).
1) So wohl statt der von Druflfel zweifelhaft gelassenen Lesung ^asse-
verunt".
2) Hlernach war der Empfanger ein Geistlicher und Prediger.
3) Von hier an den SchluB wieder bei Winter.
4) Bei Stratus Engedinus (s. u.): operibus.
76 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbacb.
-7. Cum scriptura usnrpat praemium pro operibus dari, sic in-
telligendnm est, id est fide salvari.
8. Hi Dou in petram sed in harenam aedificant, qui operibus
iustificari contendunt.
9. In ecclesia nemiui est credendum, nisi certo afferat divinum
verbum.
10. In ecclesia nihil agendum aut docenduifi est homini^ nisi
quod dominus tradidit ac demandavit.
11. Episcopo non licet nisi verbum docere.
12. Episcopum esse, est verbum dei profiteri.
13. Yiro dimittenti uxorem suam faoultas est, aliam ducere^
similiter mulieri viro alteri nubere, nisi ille arceatur, qui in culpa
fuit; cur prius solutum sit matrimonium.
14. Non licet iurare nisi^) propter gloriam dei aut necessitatem
proximi, propter bona autem temporalia nequaquam licitum est iurare.
15. Necesse est, ut ille qui ab aliis extorquet iuramentum
animo sit suspicioso, diffidenti^), malicioso et levi, non reverenti di-
vinae veritatis^).
16. Lex per Moysen data exegit ab homine, quod non poterat
assequi.
17. Evangelium Christi non est spiritus sed litera, contra doc-
trinam B. Pauli 2. Corinth. 3 dicentis: Litera occidit, spiritus autem
viviticat per spiritum intelligeus legem evangelicam*).
Beilage III.
Vorrede zur Schrift A. v. Grumbachs an die Universitat
zu Ingolstadt^).
Briider: es ist zeit vom schlaff aufzusten. Wann vnser heyl ist
neher, weder wir glauben. Darumb, 0 Christlicher leser, vnd auch
ir verplenten, plinden, wutenden Phariseier, die ir allewegen dem
heyligen geist widerstanden habt, wolt ir den worten Christi nit
glauben, so glaubt doch den wercken, die er dodurch thut. Legt
ab den decksal euer grofien hoohfart, geytz vnd fleyschlichen wollust.
1) Nisi im Nachdruck ausgefallen.
2) So fur diffendenti ira Ingolstadter Text bei Stratus Engedinus
verbessert.
3) Artikel 14 und 15 lauten in der von einem Freunde Seehofers
herausgegebenen deutschen F.issung, worauf die Eiiiladung der Ingolstadter
zur Disputation hinweist, wescntlich anders: Art. 14. Das man nit schweren
soil, den umb gottes ere vnd des nechsten not willen. Art. 15. Das gar
nit zimlich sey, vmb zeitlicher gutter willen zu schweren.
4) Vollig ivrofUhrend ist bier die deutsche (offizielle) Wicdergabe
des Ingolst jitter Zettels, der als Art. 17 nur auffiihrt: Das evangelium
Christi, ist nit der Gayst, sonder der buchstab.
5) S. oben S. 70 f.
Kolde, Arsaoius Seehofer und Argula von Grambach. 77
Mercket vnd greuffet; wie gnediglich, vetterlich, mannigfeltig vnd
wiinderberlich Christus vnser seligmacher, in diesen letzsteu tagen
(als im anfang seiner Kircheu auch beschach) vns nit allein gelerte
der schrift Sunder auch durch ander vil junger vnd alter, manfi vnd
weibsbilder grosseu bestcndigkeyt, pein, marter vnd tod zum seinem
gbtlichen seligmachenten wort locket vnd stercket, vnd die veruolger
desselben so scheynlich; eutlich schendet. Damit euer hertzen nit
als Pharaonis (Exodi am iiij) verstockt vnd verhertet beleibe. So
ir doch nichts gewiesers spuret, dan so die kinder (Luce am xix)
schwigen, dz die steyn reden wurden. Vnd (Johel am ij) nach dieser
zejt, wurd ich giessen meinen Geyst auff alles fleysch, vnd werden
Propheceyen oder warsagen euer Siine, vnd euer dochter. Auch"
euer knecht vnd euer meyde, vnd ich wurd wunder wUrcken jm
Himel, vnd auff erden, ehe der grofi vnd erschrockenlich tag gottes
kumbt. Welcher spruch ytzo mancherley weyfi und sunderlich ytz
in gemeltem weib offentlich erscheynet, die weyl aufi irem nach ge-
schriben Sendbrieff funden wirt, das sie darinnen die schrifftgelerteu
der Hohenschul zu Ingoldstat (als Judith am viij. die irrenden
Priester) mil vil eingefdrten vniiberwindtlichen Gottlichen schrifflteu,
von wegen irer veruolgung des heiligen Euangeliums^ mer weder
glauplich (vnd vormals von weiplichem geschlecht dergleichen gar
wenig, vnd bei vnsern zeyten nie gehbrt) straffet, ermanet vnd vnder-
weiset. Vnd das noch mer ist, sich in gemelten irem sendtbrieff
erbeut, deshalb fiir gedachte schrifftgelerte zu uerhSr zu kummen.
Daraufi zu versteen ist, dz sie sblch ir gethanes schreiben nit durch
anderer vnderweysung, sunder allein vom geist Gottes hat. Sie lest
sich auch vil ueulicher exempel greuslicher straff (wider etliche ver-
fechter des Gotlichen worts gebraucht) an sblchem irem Christlichen
werck nit verhindern, sunder sich, gleych der heyligen Hester, vmb
beils willen des volcks (Hester am iiij) dem tode vnd der ver-
defbung ergeben hat. Vnd will mit der heiligen Susanna (Danielis
am xiij) lieber on werck in die heand der menschen fallen, dann
mit verschweiguug der warheit vor Got slindigen. Darumb wir, von
wegen siglicher uberwindung der aller hochfertigsten grbfiten feind
Christi (als Judith am ix) zu Got betten vnd sprecheu mbgen. 0
herr es wirt ein grosse godechtnus deines namens, so ine die handt
des weibs Uberwindet, Vnd soUen billich mit dem heylichen
zacharia in Got iubiliren vud singen. Gebenedeyet sey der her
Got Israhel, der heimsuchung vnd erlosung gethan hat seinem volck.
78 Schornbaum, Lentershausen bei Beginn der Reformationszeit.
Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit und
das Ende Eberlins von Giinzburg.
Von Dr. Earl Schornbaam.
(SchluG.)
Eberlin hatte nun Zeit, mit manchen Mifibrauchen aufzu-
raumen. Wii* b6ren ihn klagen, dafi an einem Tage liber 20
Fuhrwerke iiber den Priedhof fahren, dafi die Graber ganz
jruiniert warden; die Totenkapelle diene zur Aufbewahrung von
Hen und Stroh; in die frisch aufgeworfenen Kindergraber sanken
die Pferde bis an die Knochel hinein. Audi beklagt er sich,
dafi man mit Schlitten um die Kirche fahre wie bei einer Hoch-
zeit Oder Fastnacht^).
Noch einmal soUte er im Jahre 1532 mit seinem alten
Widersacher Veit Gattenhofer zu tun haben. Was wohl diesen
bewog, so gar unversohnlich zu sein? Er teilte Herzog Albrecht
mit, dafi in Franken ein Priester die papistische Ohrenbeichte
und andere gottlose Gebrauche wieder eingefiihrt habe. Der
Plan war nicht iibel ausgedacht. Albrecht schaute mit banger
Sorge auf seinen Bruder Georg; er fiirchtete immer, dafi dieser
infolge seiner bedrangten Lage nur allzusehr seinen evangeli-
schen Standpunkt verleugne^); er bat deshalb Georg um Auf-
schlufi^). Gattenhofer^ Arglist wurde bald entdeckt. Eberliii
konnte sich glanzend rechtfertigen und scheute sich nun nicht,
offen den zu nennen, der auch in der Feme noch Pfeile nach
ihm absende *). Dieser erntete den Lohn fiir seine Verlftumdungen ;
1) Pf. L. fol. 76; fol. 75 beschaftigt sich mit der Beerdigung eines
Wahrsagers.
2) cf. die Handlung Albrechts und Georgs zuKosten 18. — 21. Marz
1532. Ntirnberger Kreisarchiv. S. X. R. ^4- N. 986. (A. A. Akten. Rep. 137).
3) Georg an seine Statthalter und Rate. d. d. Jagerndorf So. n.
Ass. Marie (18. 8.) 1532. Pf. L. fol. 85. bittet um Auskunft tiber diesen
Priester.
4) Joh. Eberlin an Rate und Statthalter zu Ansbach. d. d. Mittw.
n. Mauricii (25. 9.) 1532. Pf. L. fol. 91ff. Staatsarchiv Konigsberg. A. 3
ad 6. XI. 1532. Gedruckt Beilage VI. Statthalter und Rate zu Feucht-
wangen an Markgraf Georg. d. d. Feuchtwangen. Dienstag n. Franc.
(8. X.) 1532. Pf. L. fol. 95. Kdnigsb. Archiv. Beilage VI. Georg an seinen
Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Beformationszeit. 79
denn Eberlin enthiillte sein Betragen, bes. seine Abendmahls-
verachtmig, dafi Georg seinem Bruder Albrecht bitter mitteilte,
dafi er einen solchen Mann nicht in seinem Lande gedaldet
hatte. Gattenhofer snchte nun wohl den Zorn des Herzogs
durch die Ubersendung der unten abgedruckten Briefe etwas
abzuschwachen ^).
Bald darauf mufi Eberlin in schwere Krankheit gefallen
sein, Von der er sich nicht mehr erholen sollte. Es wurde ihm
bald immer weniger moglich, seinen amtlichen Verpflichtungen
naehzukommen. Jorg Reygel und E. Lauden mufiten nun all-
inahlich das ganze Amt auf sich nehmen, da der dritte Vikarier
J. Weifigerber inzwischen gestorben zu sein scheiut^). Sie taten
es nicht besonders gern, bekamen sie doch nur 5 fl. vom Kastner^).
Zuerst mufiten sie die Messe tibernehmen, dann wurde ihnen
das Taufen sowie die Wochenpredigten libertragen, zum Schlufi
auch das Beichthoren. Nur eine Predigt hielt Eberlin noch am
Sonntag, dabei ging er direkt von der Sakristei auf die Kanzel.
Die Unlust der Vikare scheint ihn nicht wenig gereizt zu haben,
so dafi er ihnen am AUerKeiligentag von der Kanzel zurief:
ich sch . . . auf euren Kirchendienst, einem anderen warf er das
Barett vor die Ftifie*). Der Amtmann sollte darauf die ganze
Angelegenheit untersucheu ; aber die Krankheit Eberlins scheint
Bruder Albrecht. d. d. Jagemdorf. Mittw. n. Omn. Sanct. (6. XI.) 1532.
Konigsb. Staatsarchiv u. Pf. L. fol. 96 f. gedr. Beilage V.
1) s. Beilage VII, VIII, IX.
2) A. R. A. IIL fol. 25: G. Weifigerbers selig pfrtinde: 38 fl. 21 ^
Einnahmen. Man gibt 10 fl. dem Schulmeister als Addition aus Befehl
M. Georgs. 8 fl. dem Kaplan Job. Mecklern. 1 ort an arme Leute, ver-
triebene Pfarrer nnd Studenten. (ca. 1555). — Bericht des Kastners zu
Kolmberg an den Markgraf G. Friedrich. d. d, Mitw. n. heil. Christtag
(30. XII.) 1562. H. Friedrich (Engerer) seligen Pfrund: 2 fl. 2 ort Ein-
kommen; gibt man einem Stadtschreiber. Georg WeiBgerbers Pfrund:
40 fl. 2^2 ort I6V2 '4> Einnahmen •, 26 fl. 3^2 ort 21^2 -4 Ausgaben,
namlich: 8fl. dem Kaplan, 28^ den Armen, 28^ einem armen Madchen
fiir ein Paar Schuhe, 2 Batzen an arme Menschen, 28 ^ einem Armen
aus Dinkelsbiihl, 2 Batzen einem Studenten, 1 fl. vertdebenen evang.
Pfarrern. A. R. A. T. III. fol. 384 ff.
3) Wolf V. HeCberg an die Rate. Osterabend (12.4.) 1533. Kapl.L.
fol. 17. cf. 18.
4) E. Tetelbach u. Georius Reygel an den Amtmann. Pf. L. fol. 100,
80 Schombaum, Leutershausen bei Beginn der Reformations^eit.
dies unmOglich gemacht zu haben; er selbst hatte schon andere
Urteile gehort (28. Jan. 1533)^).
E. Laudeu und J. Reygel mufiten weiter die Pfarrei ver-
sehen; die Vergutung von 5 fl. wurde ihnen trotz ihrer Bitte
nicht gebessert; der Amtmann scheint dagegen gewesen zu sein.
Da versuchte es E. Lauden allein, eine liohere Bezahlung zu
erlangen; er stellte es so bin, als ob alle Last auf ihm ruhte;
er bat urn 16 fl. Zulage^); J. Reygel bestritt nun seinerseits
auch wieder diese Behauptungen ^), sodafi wohl keiner etwas
bekam*). Der Rat von Leutershausen wandte sich vielmehr,
da die Krankheit Eberlins sich als unheilbar erwies, an die
Stadthalter zu Ansbach, mit der Bitte, einen Prediger ihnen zu
senden, der das Wort Gottes lauter und rein lehre und das
Volk nicht so unbillig schmahe wie Eberlin. (20. XIL 1532) «).
Konrad Prunner, der markgr^fliche Hofprediger^), ging nun nach
Leutershausen, um die Pfarrstelle einstweilen zu verwesen.
Bereits im Oktober war Eberlin von seinem Leiden erlost').
Man wird ihn nicht von Schuld freisprechen durfen, wenn
1) Statthalter und Regenten an W^olf v. Hefiberg. d. d. Do. n. Seb.
(23. 1.) 1533. Pf. L. fol. 101. Wolf v. Hefiberg an die Regenten u. Rate,
d. d. Di. Pauli Bekehrung (28. I.) 1533. ibidem f. 102.
2) Pf. L. fol. 15. Andreas Lauden v. Dettelbach an Statthalter u. Rate,
3) K. L. fol. 19.
4) Wolf V. Hefiberg an Statthalter und Rate zu Ansbach. d. d. Mo.
n. Alexi (21. VII.) 1533^ die Eaplane sollten sich zafrieden geben. E. L.
fol. 18.
5) Biirgermeister und Rat zu Leutershausen an Statthalter und Re-
genten zu Ansbach. d. d. So. n. Alexi (20. VII.) 1533. Pf. L. fol. 105.
Bescheid am Rande.
6) Bereits 9. Mai 1529 kommt Konrad Prunner und Sim. Schnee-
weifi als Prediger zu Ansbach bei einer Verhandlung wegen Wiedertaufer
vor. Staatsarchiv zu KcJnigsberg i. Pr. Ostpreufi. Foliant 84 fol. 48.
Markgraf Georg hatte ihm, well er seine Bereitwilligkeit erklarte, wieder
nach Sclilesien zu Ziehen, 16 fl. von der Schlofipfriinde zu Kolmberg und
10 fl. von erledigten Pfrunden als Addition reichen lassen. d. d. Jagern-
dorf. Mitw. n. Lucie- (20. XIL) 1531. A. Rel. Acta VIIL fol. 395. Doch
lehnte er es im nachsten Jahre ab, nach Schlesien zu ziehen. d. d. Mo.
n. Mis. Dom. (15. IV.) 1532. ibidem fol. 393.
7) Andreas Lauden gibt als sein Leiden: „epylentya" an. Pf. L.
fol. 15. Nach Pf. L. fol. 107 war er bereits 13. Oktober tot. Abfertigung
seiner Witwe, um die sich Alex. Frauentrant annahm. Pf. L. fol. 111.
Schorhbaum, Leutershausen bei Beginn der Beformationszeit. 81
es wahrend seiner Amtstatigkeit so viel Streit und Zank gab;
aber die Hauptursache scheint gewesen zu sein der Kastner
Veit Gattenhofer, der Kaplane und Vikare in ilirem Trotze
gegen den Pfarrer immer zu bestarken suchte. Es ware Pflicht
der Regierung gewesen, von Anfang an die Schaden mit der
Wurzel auszurotten.
Fortan scheint die kirchliche Entwickelung Leutershausens
ruhig verlaufen zu sein. Konrad Prunner setzte es durch, gegen
Aufgabe seiner Vikarei nicht nur die Pfarrei von Leutershausen
yerliehen zu bekommen, sondern auch noch seine Ertragnisse
ans der Schlofikaplanei Kolmberg fortbeziehen zu diirfen^).
Allerdings hatte ihn der Markgraf am liebsten nach Schlesien mit-
genommen. In spateren Zeiten such ten Poppo von Henneberg^)
und Ambrosius von Gumppenberg^), die vom Wtirzburger Bischof
zu Pfarrern in Leuterhausen ernannt worden waren, ihre Eechte
durchzusetzen, allerdings ohne jeglichen Erfolg.
1) Ko. Frunner an den Markgrafen. d. d. Mo. vor Burkh. (13. X.) 1533.
Pf. L. fol. 107. £r bittet entweder ihm 20 fl. zu geben, da er mit seiner
Besoldung von 56 fl. nicht auskomme, oder die Pfarrei Leutershausen.
^ Der Markgraf erklarte sich zu letzterem bereit, wenn er die Vikarei zu
Ansbach abtrete und auf die 12 fl. von der SchloBpfrunde zu Kolmberg
verzicbte. d. d. Plassenburg. Fr. n. Ursule (24. X.) 1533. ibidem fol. 109.
Georg begniigte sich dann mit der ersten Forderung. d. d. Plassenburg.
Mittwoch nach Otmari (19. XI.) 1533. ibidem fol. 112. of. J. Looshorn
IV. S. 738.
2) Poppo V. Henneberg bat 1540, die von dem Bischof von Wtirzburg
verliehene Pfarrei durch einen Verweser versehen lassen zu diirfen.
d. d. Wtirzburg. Mitwoch n. St. Veit (16. 6) 1540. Pf. L. fol. 114. Die
Rate zu Ansbach teilten ihm dann mit, da^ der Markgraf nicht anwesend
sei nnd ohne seinen Willen nichts beschlossen werden dtirfte. d. d. 22. 6.
1540. ibid. fol. 117. Nachdem die gauze Angelegenheit vom Markgrafen
nicht beachtet worden war (fol. 117), und Poppo eine erneute Petition
eingereicht hatte (fol. 118. 13. VII. 1540), teilten sie mit, dafi eine per-
sOnliche Verwaltung unbedingt no tig ware (Georg an Seb. Heller, d. d.
Horneck. Fr. n. Vine. Petri (6.8.) 1540. u. Georgs Rate an Poppo. Sa. n.
Sixti (7. 8.) 1540. ibidem fol. 120 u. 121); eine weitere Bitte des Poppo
V. Henneberg blieb dann wohl unberticksichtigt. (Poppo v. Henneberg an
Georg. d. d. Mo. n. Ass. Mariae (16. 8.) 1540. fol. 122.)
3) Ambrosius v. Gumppenberg scheint das Recht auf die Pfarrei zu
Leutershausen noch von Dietrich v. Thtingen ftir 55 Goldgulden gekauft
zu haben. Pf. L. fol. 136. Seine Forderungen lehnten die Rate zu Ans-
bach ab 1549. 8. Pf. L. fol. 128—135.
Beitrage Eur bayer. Kirchengeschichte XI. 2. (J
82 Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit.
So waren die letzten Jahre des hervorragenden Mannes,
dessen Name eine Zeitlang in aller Munde gewesen war, fiber-
aus traurig.
Bell age III.
Burgenneister und Rat zu Leutershauseu an den
Amtmann W. v. Hefiberg. ca. 1531.
Edler vnd vliester gunstiger lieber junckher. es tragen vnd
schicken sich die sacben zwischen vns vnd vnserm pfarvorweser
teglich vnd ye lenger ye mehr besorglich vnd vns zu bescbwerden
zw, das wir solhs aus guten vrsachen, wie nacb stebt, euer vhest an-"
zuzeigen oder die zu dulden lenger nit konnen. damit aber solichs
abgescbnitten mocbt werden vnd niemandt sich zubeclagen hab yne
sey nie nichs angezaigt oder vudtersagt worden, so haben wir die
bescbwerden vffs kurzs, so wir vnsers pfarrvorwesers balben in pre-
digon vnd andern wie folgt vfgeschrieben, bitten die gunstig zu verlesen.
Erstlich
das die gotslesterung vf offner cantzel andererweis angezogen vnd
gestrafft werde vnd nit wie bishere als nemblich, doch hiemit gotlich
meyestat vneutert, das dich gotswunden, sacrament, leiden, ohnmacht,
frantzhossen, kures leiden vnd pestilentz etc. vrsacb, ob scbon solche
scbwure der gotslesterung, wie es der pfarrer mit seinem anzaigeu
oder straff bisher im gebrauch gebabt, vns als den alten nit ergerlicb
were, so ist es doch der vnschuldigen jugend gantz ergerlicb; dan
die bos natur allweg ehe das bos dann das gut vecht, wie wol es
vnder den alten auch nit ler abgeht, zugeschweigen der frembden,
so zuzeiten in vnser predig sein, die offentlich sagen, wenn ir von
Leutershausen nit schweren kunth, so sollt irs von euerm pfarrer
leren, wollen aber hiemit in keinen weg wider das, als solt man
wider die gotslesterung nit predigen, geschrieben haben, sondern
allein aus gehorter vrsacb.
ist beizubringen mit dem amptmann vnd ganzer gemein.
Zum andern.
so werden wir vom rath von dem pfarrer vnd in seinen predigen
gantz leicht vns zu schmach oftmals angezogen, wie zuvor am negst
vorgangen sanct thomastag bescheen, als sollten wir sauffeu, das die
gleser schwitzen vnd trinken, das die kraussen (krug) vff dem tisch
wagten (sich) bewegen zugeschweigen, das ehr vns dem teufel gar
zuaigent.
Ist zubeweiseu mit etlicher der gemein
vrsacb, daraus dan ein sprichwort erwachsen vnd zuvor zu Onoltzbach,
wen vnser einer solicher art oder anders wo kumpt, das man sagt,
es gilt dir eins das fenster schwitzen vnd krausen wagen^ wie der
Schornbaum, Leutersbausen bei Beginn der Reformationszeit. 83
♦
pfarrer von Leutershausen sagt; ob vns vbm radt oder gemeiner
stadt solichs ein eere sey, khan ein clein verstendiger ermessen.
Zum dritten. .
derbeicht halben, der pfarrer will ein yglicber solle ime allein beicb-
ten oder anzaigen vnd keinem caplon, ist vns bescbwerlicb.
Ursacb.
wann sicb pfarrer mit ethlicben darnacb belt, das sie ime nicht
beicbten wollen oder sonst in ir naygung zu eim andtern mebr
stundt, wo aber den capalanen beichte zuhoren wie vor alter vnd an
andern orten der gebrauch ist, auch vergunt wurde, so beicbten vnd
giengen vil mer lent zum sacrament, dan also gescbicbt, zuge-
scbweigen, was es mit der Zeit frids oder ander ainigbkeit der kirchen
geberen mocbte.
leyt offenlich am tag vnd mit den vicarii zu beweisen.
Zum vierdten.
so lest der pfarrer sicb allein an einem gantzen ratb oder gemein nit
beniigen die spotlicb vff oifner cantzel auzugreifen, sondern nembt
ime etlicbe besonder person, daran ebr sein sin erkbule fiir. wie wol
ehr sie mit namen nit nent so redt er docb so deutlicb darvon, das
mans vorsteen mnfi, welcbs aucb ergerlich.
Ursacb.
im beiligen evangelium wurdt clerlicb gemelt, so dein bruder wider
dicb sundigt, so straff in zwiscben dir \uid ime allein etc sagt nit,
scbrey in erstlicb offenlich vff alter weiber redt zum ergsten aus,
vnd dannocht oft in weltlichen sachen, die man billich ingegen des
widerthajls vor aim amptmann, vogt oder burger meister beclagen,
soldt, was mit der zeit vngeschickts wesen daraus erwachsen mocht,
ist gut abzunemeii.
der alt^), neu castner*), alter decbant^), ainer vicarii vnd bans
Best. An solichem allem sicb aucb pfarrer nit will settigen, sender
sicb horen vnd vemebmen laflen, so ehr aus seiner krankheit kome,
wol ehr vns erst recht abpreunen vnd sagen, was zu sagen sey zuvor
denyhenigen, so seins vermeinens jme vrsach zw solicher krankheit
geben sollen haben. damit aber ainicberlay vngescbickter handlung,
so daraus erwachsen mocht sampt ergernus neidt vnd baft abgeschnitten
werde, dazu gedencken wir sampt oder sonderlich dermaffien bindter
keinem pfarrer zu sytzen, der vns seins gefallens vnvervrsacht
schmehen zu geschweigen anderer sachen, so vns zu nachteil oder
spot an vnsern burgerlicben eeren gerichten vnd handlungen daraus
vnd mit der Zeit ye lenger ye mebr gedeien wolt leiden, sonder ge-
dachten solchs bei stadthaltern vnd rethen anzuzaigen vnd vmb bes-
serung zusuchen.
1) H.Rain. — 2) Veit Gattenhofer. — 3) Co. Beringer.
6*
84 Schornbaum, Lentershausen bei Beginn der Reformationszeit.
vnd bitten eur vest derhalb zum vleifiigsten als vDserm gun-
stigeu lieben junckherrn vnd amptmann, zu dem wir vns eem vnd
guts vertrosten, wie wir dan in erfarung erkant, vns in solchem allem
euern getreucn rath vnd hilff mittheilen, wes vns zethun vnd ze-
lafien sey oder mittel vnd wege gegeu gemelten vnserm pfarrer fur-
wenden, damit gedacbte vnsere beschwerdten wi obsteht durch ine
abgelegt werden^ alsdaun woUen wir aucb than als die geborsamen^
vnd das dem satan gewebrt werde, verer vnfrydt nit anznrichten:
solichs wolleu wir vmb eur vest in aller gehorsam vnd mit vleifi
verdienen; bitten gunstig antwort.
Burgermeister vnd rath zu Lentershausen sampt vnd sonderlich.
Zum FunfPten.
Ist vns beschwerlich, so ein biirger oder anderer aus vorhenckuus
gottes des almechtigen mit todt abgangen vnd vor solichem seinem
abschiedt das heilig sacrament (doch aus keiner verachtung des
vnterlafien vnd nit empfangen vnd aucb nit in offentlicher ban vnd
acht sein.) das ime gemeine cristliche vnd burgerlicbe begrebnus
abgeschnitten oder abgeschlageu soil werden.
vrsach :
das soliche nie vnd vormals bei vns erhort oder im gebrauch gewest,
aucb im furstenthumb Brandenburgk aufterhalb gemelter vrsach,
dermafi wie sich vnser pfarrvorweser aus eigenem fnrnehmen vndter-
standen gehalten worden vnd noch nit wurdt gezogen vflf erkuu-
diguug etc.
zu beweisen mit dem rath vnd amptmanu.
Copie im Kgl. Preufi. Staatsarchiv zu Konigsberg i. Pr. Bei-
lage V. ad 3. 3. 46. A 3.
Beilage IV.
Endres Tetelbach, vicarius zu Leutershausen an den
Kastner.
Lieber herr castner. Als ir mir am nechsten beuolhen, das
ich in euerm abwesen gut acht auf des Eberleyns jtzigen pftir-
vorwesers ceremouien vnd predig, wie ers in der kirchen zu Leuters-
hausen belt, haben soil, dioweil ehr nit gesandt, ist auch von der
gemeyn nit beruffen, vnd hat ein bose zeugnus bei demjhenigen^ wo
er vormals fur ain prediger hat gedienet: vnd dweil er sich mit
gewalt in diese pfarre gedrungen vnd dem christlichen prediger
herr Johann Nageln bei der obrigkeit mit der vnwarlieit zum
ofternmal verungliempft vnd verclagt, das man ine den Johann
Nageln one alle verhor auf des Eberleius jtzigen pfarvorwesers
zu Leutershausen anbringen geurlaubt vnd mit sampt seinem weib
vnd kleinen kindlein hinwegk geschafft vnd den Johann Nageln
gefencklich auf des Eberleins anbringen bei der obrigkeit anzu-
Schornbauii), Leutershausen bei Beginn dei* Beformationszeit. 85
nemen beuolhen. hat Wolff von Hefiberk, der amptmann zv
Colmbergk des Joban Nageln vnscbiildt, wie yne derEberleyn
mit der vnwarheit beclagt, wol gewufit vnd dem Jobanu Nagell
solicber gefenncknus abgescbafft vnd vndterkommen.
Lieber herr castner. dieweil J oh an n Nagel voriger pfarvor-
weser bie zu Leutersbansen alle ceremonieu vnd geseng oacb
meius g. w. b. ordnung teutzsch in der kircben gebalten, bat es der
Eberlein, itziger pfarvorweser alles wider lateiniscb angericbt vnd
alle teutscbe geseng auf einen tag vmbgestofieu vnangeseben die cr-
gernus bei dem gemeynen volck, das aucb etblicb frawenvolgk licbt
bei seiner lateiniscben mefi aufzunten vnd sagten, got sey gelobt^
das es wider auf die alten weis ist kommen. vnd dieweil icb eucb
bericbten soil, wie es der Eberlein jtziger pfarvorweser zu Leuters-
bansen in der kircben belt, babt ir, wie folgt, zuvornebmen.
bie volgendt die Ceremonien^ die der Jobann Eberle braucbt
in der kircben zu Leutershausen in der mefi vnd sonst:
zum ersten zeucbt der priester, wan ehr mefi will balten^ alle
diese stuck an, die ein papist braucbt, so ebr mefi belt, vnd kniebet
vor dem altar nider vnd spricht die offene beicbt, wie binden
vorzeichent ist; darnach singt man den introytum lateiniscb, darauf
kirieleyson et in terra lateiniscb; nacbdem kert sicb der priester,
spricht etblicb stuck oder gebet aus der teutscben letanei> da-
rauf die epistel teutsch, darnacb alleluia oder ein tractum
als itzundt lateyuiscb; nacbdem volgt das evangelium teutscb
bei dem altar, darnach das teutscb patrem, nacb welbem wendt
sicb der priester nacb dem volck vnd verkundt die heiligentag
oder die eeleut, die begem zu greiffen zum eelichen standt. dar-
nacb list der priester dem volck vor die zeben gebot, Glauben, vater
vnser, die wort des tawffs nacbtmals christi, darnach gebet der
Eberle vff den predigstul aus der sacristen oder seiner stuben.
nacb der predig bebt der priester an die prefation zum ersten,
dominus vobiscum, sursum corda, gratias agimus, vere dignum et
justum etc. ganz aus wie die papisten alles lateiniscb. darnach Conse-
criert der priester teutscb, nacbdem comuniciert er das volck, da-
rvndter singt man im chor das sanctum vnd agnum dei teutscb, dar-
nacb kert sicb der priester gegen dem volgk vnd singt dominus
vobiscum. darauff volgt die compledt, wider dominus vobiscum,
benedicamus domino alles lateiniscb, wie es in mefibuch steet der
papisten, darnacb gibt der priester den segen teutscb gegen dem volck
also, der berre gesegne dich vnd bebiit etc.
Volgt nun die vesper an einem feyrabent:
bebt der eberle an: dens in adjutorio aber kein antiffen oder
psalmen; wan die spalmen (!) aus seiu, geht der eberle zum altar
vnd sagt ein wenig dem volgk vom sacrament oder sonst, was im
eynkumpt. nacbdem volgt das magnificat, darnacb antiffen, darauf
86 Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Beformationszeit.
listder eberle die collect lateinisch; ist es ein apostel, so belt er das
comane von den ap ostein aucb collect alswie er getban bat an Sant
Matbias abent; sung er also: deus qui apostolis psam [ipsum?] Mattbiam
associasti concede quesumus vt eique intercessionem etc. danacb yer-
hort.der eberle die comunicanten vnd scbreibt sie an. wie ein
iglicber beyst, was standts oder von wan ebr sey vnd fragt die nacb-
folgende artickel : zum ersten, ob er beten kann : vater vnser, zeben gebot,
glauben. zum andern : was er bait vom sacrament, was er im kelcb nem,
was undter dem brot; zum dritten: wie cbristus gesagt babe, do ebr dis
sacrament bat auffgesetzt; zum vierdten: warumb ebr das sacrament woU
nemen. zum funften : was standt ebr sey vnd ob ebr yemand beleidigt
bab am leib, gut, eer, das ebr sicb mit yme versone, etlicben spricbt
er die absolution etlicben nicbt, vnd wban die comunicantes wollen
berzu geben, tbut er kein erbortatiou (!), spricbt in das vater vnser
vor. item so bat er aucb itzund an unser lieben frawen tag vil
comunicantes gebabt vnd bat sij gespeist auff der liiicken seiten bei
dem altar, auff der recbten bat der scbulmeister mussen trencken mit
dem bluet vnd der scbulmeister bat sein aigen scbiiler mussen beicbt
boren aucb sein gesindt, so er will, vnd sein nit von dem priester ver-
bort worden vnd baben docb das sacrament entpfangen. aucb so bat
ebr den scbulmeister verordent^ darzu als einen briester den andern
zu scbandt vnd scbmacbeyt, das ebr das blut aus dem kelcb bat
geben vnd vnser keiner wer gewest, er bets gern getban. item so
will er nit baben, das eym das sacrament soil gereicbt werden in
der kircben, der starck oder gesuntb ist an einem scblecbten tag, so
einer nit kumpt frue, sunder das man dieselbigen soil bericbteu in
den beusern als krank lent, als er dann getban bat mit einem man
von Lentzesdorff vnd mit der scbeffere von Ramsdorff. item
so belt er den tauf auf deutscb, aber' wie die papisten tewfen,
allein das er den speigel vnd crisma nit braucbt, ebr tauft aber vor
der kircben balb, macbt creutzt an die stirn, mundt. brust, bescbwerdt
das kindt, daruacb teufft ers bei dem tauffsteyn, beizeiten begeust ers
mit wasser, bei zeiten stSfit ers gantz bineyn als des byrten kindt
zu Clausbacb. item so postulirt er kein euangelium nit, pleibt
aucb auff keiner materii vnd seine predig sein allein dabin gewendt
zu neydt vnd baft, die menscben scbendt vnd scbmebet; wann ebr
frey gesagt bat an vnser frawen tag in der predig zu der vesper,
das man auf die papistiscben pfaffen sol ausspeien, sie flieben vnd
meyden den wegk, do sie sein, mebr^ wie ir einer ein aug darumb geb,
das der evangeliscben prediger keinem nicbts gescbee; weytter so ricbten
die papistiscben pfaffen gerue an, da das arm volck im blut scbwum;
mit im kein gemeinscbaft zu baben, dan sie baben vns bracbt^vmb
er vnd gut, leyb vnd seel etc. vnd dergleicben will mit an-
reytzung des gemeynen volcks wider die priester sein predig ge-
spickt sein
Schornbaam^ Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit. 87
aiich wann ein reycher in der stadt stirbt, so geht er zu der
begrebnus aber zu keinem armen kumpt er nit. etc.
Endres Tettelbach vicari zu Leuttershausen.
Copie im kgl. pr. Staatsarchiv zu Konigsberg i. Pr. A 3.
BeUage HI ad 3. 3. 46.
Beilage V.
Markgraf Georg an Albrecht v. Preufien.
JUgerndorf, 6. Nov. 1532.
Was wir in briiderlichen treuen liebs vnd guts vermogen alzeit
zuvor. hochgeborner furst, freuntlicher lieber bruder. Als vns eur
lieb davorgeschrieben vnd angezeigt, das ein priester, wie eur lieb
bericht, zu .Leutershausen vnser land zu Francken sein, der die
orenpeicht vnd anders wider gottes wort vnd also bebstlicher ordnung
nach noch halten soil, haben wir solchs vnsern statthaltern vnd rethen
(nachdem vns gar nichts davon wissenhaft gewest) zugeschrieben vnd
jetzt derhalb wider antwort von inen empfangen, wieE.L. ab inliegenden
abschriften vernemen. vnd insouderheit werden E. Lieb aus der
pfarrverwesers verautwortung versteen, welcher gestalt er es in
seiner pfarrkirchen halten soil; das vns, wo dem also ist, nit vntzim-
blich vnd gottes wort nit vugemefi sein bedunckt; leret oder hiellt ers
aber anderst, oder hets bishere gethan, tragen wir darob kein ge-
fallen, vnd vnsere verordente superattendenten sollten in dem billichs
einsehen gethan vnd vns solchs nit vuangezeigt gelaften haben. Aber
vns ist dises pfaffen halben nichts furbracht worden. Nachdem aber
er der pfarrverweser meldet, wie sich Veit Gattenhofen, dauor
vnser castner zu Leutershausen vnd jetzt widerumb eur lieb
diener gegen ime so vngeburlich mit verachtliqjien reden des heilligen
sacraments vnd anders gehalten hab, vff maynung, das er jetzt in
weiten landen vor ime nit ruhe haben moge, vnd, das er der Gatten-
hofen eur lieb solch anzeigen von ime dem pfarrverweser, wie ers
dermas dem alten bebstlichen wesen nach noch hall ten, gethon haben
soil, davon tragen wir auch kein wissen; vnd wo der Gattenhofen
E. L. diener die bemelteu verechtlichen wort des sacraments halben
gegen dem priester, wie er angezeigt, geubt, vnd man vns solchs zur
zeit, als wir noch draufien zuland oder gleich hie innen in der
Schlesien gewest sind, angetzeigt, vnd er sich desselben mit der
warheit nit hett entschlitten mogen, sollen eur lieb vngezueivelt
sein^ wir wollten ine darumb nit vngestraft gelafien haben. es hette
auch vns imselben billichs einsehen zethon geburt; aber wir haben
von dem, alls vorberurt, gar nichts gewiftt, dann was wir jetzt durch den
pfarrverweser bericht werden. darumb so mogen E. L. derselben diener
den Gattenhofen deshalb besprechen, ob er dem pfarrverweser
seins furgebens gestendig sei, vnd wo ers gethan, hett er, wie eur
88 Schornbauin, Leutershausen bei Beginn der Reform atioiiszeit.
lieb acbten mogen, nit ein vnbilligbe straf verschuHet. das wollten
wir E. L. vff derselben schreiben freuntlicher maynung nit verhalten vnd
than hiemit E. L. derselbeu freundlichen lieben gemahel, junge Tochter
sambt alien den iren gottes ewigen gnaden^ scbuz vnd scbirm vnd
vns E. L. alls vnserm freundlichen lieben bruder beuelben. datum
Jegerdorff, am Mitwoch nach Omnium sanctorum. Anno etc. XXXII. to.
Von gottes gnaden Georg marggraf zu Brandenburg, etc. manu
proppria scrit.
. Inscriptio: dem hochgebornen fursten vnsern freundlichen lieben
bruder Herrn Albrechten etc.
Or. im Kgl. Preufi. Staatsarchiv zu Konigsberg i. Pr. A. 3. 6.
XI. 1532. 3. 3. 46. Concept im Kgl. Konsistorialarchiv zu Ansbach.
^Pfarrei Leutershausen betreff.*' Tom I. 1467 — 1678. (Schlegel re-
petorium411) fol. 96 f.
Beilage VI.
Joh. Eberlein, Pfarrer zu Leutershausen an die Statt-
halter und Rate zu Ansbach^). 25. Sept. 1532.
Gestrengen hochgelerten edeln vnd vesten gnedige herrn. in
nechstverschinen tagen hab ich empfangen von eurn gnaden ain
geschrift, als sollt ich bobstische oren.beicht vnd andere stuck im
kirchendienst noch bobstisch halten. daraiif solle ich gruntlichen ge-
schriftlichen vndepricht E. G. widerumb zuschicken. dieweil ich dann
vormals durch geschwinde aufsetzige pratick des Veyt Gattenhofers,
etwan hie castner gewesen, auch des vnd mehers bin beschuldigt
worden vor vnserm gnedigen herrn marggraf George n, vor seiner
E. gn. statthalter vnd rethen auch vor dem edeln vesten Wolff
von Hefiberg, amptmann zu Colmberg vnd Leutershausen,
ich aber mich deshalb mundtlich gegenwertig, auch geschrifftlich ab-
wesend genugsam entschuldigt auch aller kirchenambter vnd diensten
ordnungen geschriftlich dargeboteu vnd vil genugsam zeugnus hab
meins wol herbrachteu lebens on rhum zu reden; darzu hats gott al-
so geordnet, das gemelter ambtmann sich mit aller haushaltung ge-
fUgt gein Leutershausen vom SchloB Colmberg;- haben er, seine
erbare hausfrau vnd gesind sampt andern edeln frauen vnd junk-
frauen (in die pfarr gehorig) vleifiig gehoi't mein bredig schier ain
ganz jar lang, auch gesehen alle ordnungen im tanffen, nachtmal
des herrn, ehe einleythen, krank versehen, begrebuus etc. haben auch
selb mich oft vmb verhor vnd absolution gebeten vor der comunion
vnd erlernet auch bezeuget, das ich vnbillich bin beschuldigt
1) Von den Statthaltern und Raten zu Feucbtwangen an Georg ge-
sandt am 8. Okt. 1532. Orig. im Konsistorialarchiv zu Ansbach. Pf. L.
I. fol. 95. Copie im Kgl. pr. Staatsarchiv zu Konigsberg i. Pr. A. 3.
Beilage I. ad 6. Nov. 1532 (3. 3. 46.) d. d. Feuchtwang. Di. n. Franc. 1532.
Schornbaum, Leatershausen bei Beginn der Reform ationszeit 89
worden. so hat kain verstendiger gutherziger mensch ain beschwerd
an meinem vnd meins weibs vnd kinds wandel. dieweil aber veit
Gjattenhofer sambt seinep mitgesellen zu spott seiu worden vnd
nicht mehr muetwillens mochten wider micL hie ausrichten, dann
vil fromer lent auch der amptmann selbs mich verthaidingten^ hat
der Satban seinen werkzeug, den Gattenhofer, in die feme ge-
saut, mich ziivervnglimpfen, da ich mich nit mochte verantworten.
aber ich hofiPe zu got, er solle zu spot an mir werden auch in
preufien. darumb hat got geordeut^ das der christliche hertzog
in preufien, mein gnediger herr, solchs mir zu wissen fugen last
vnd zwr antwort lesst kommen, welchs ich mich vndertheniglich
gegen seiner F. gn. bedaucke. ich bin mir von gottes gnaden kainer
babstischen lere noch ceremonieu wissen t, sofern sich mein selb
arbeit vnd dienst strecken kan, ich fuchts auch teglich wider das
recht babsthumb, welchs ist ein gotlos vnd vnchristlich wesen, in
vngestraften aigen willen vnd bosheit in gotlichen auch burgerlicheu
sachen vnd der satthan wais solchs wol von mir. darumb lestert vnd
hindert er mich, woe er kann, yetzt im lutheriscben schein, dann im bobsti-
schen. aber Got soil in vndter meins fues tretten, alsich hoffe, ich halt
warlich die, so mich babstisch schelten, etlich mich nit kienen ; etlich
wollen mich nit kennen ; bin ich babstisch^ warumb verfolgen mich dann
die papisten so fast yetzt zwelff jar lang mit geschriften^ worten vnd
thaten, ich leide auch noch teglich vil vom babstischen pfaffen vnd
layen vnd von denen, so gem wollten ir babstumb furdern, auch in
guten verstolen schein . bin ich bobstisch, so hab ich vergeblich
sovil wider das babsthumb gehandelt. kan mich der babst seiner
part halten, so kan er wol schimpf versteen etc. Ich hab auch mit
laid miifien hbren, das veyt Gattenhofer mit grofiem geschrei vor
vilen personen mir vnter augen sagt diese wort, ich schifi dir in
dein sacrament; du kanst mir kain sacrament geben. solche red ist
kundliche worden in der gantzen pfarr, das der amptmann sagt:
er wolt nit hundert gulden nemen vnd ain solche red sagen. vnd
wie oft vnd seher er gelestert hab hailsame bredigt von gehorsam
gegen der oberkeit, wider anfrur vnd wider andere laschter, so ich
mich geflissen dem volck zu predigen, ist zu beweisen, vnd ich P].
G. vorhin von ime auch schriftlich hab augetzaigt sambt andern
stucken mehr hie von kurz wegen vnderlafien. ich will kurtzlich
E. G. antzaigen die form, so bei der verhor der commuuicanten
gehalten wurdt von mir: ich halts also: dieweil die christlichen
flirsten in irer bekantnus vor kay. mt. auf dem reichstag^ zu
Augspurg verlesen antzaigen ir ordnung der beicht vnd communion
halb mit disen worthen; „die beicht ist durch die prediger distheils
nit abgethan; dan dise gewonheit wurdt bei vns gehalten, das
sacrament nit zeraichen dencn, so nit zuvor verhort vnd absoluirt
seind etc." auf dise bekantnus verhor ich alle commuuicanten selb.
90 Schornbaam, Leutershausen bei Beginn der Reformationszeit.
jegliches allein besonders still, netnlich was es halt, das dis sacrament
sei, ob er glaub, das ime werdt geben der war leib vnd blut
Christi, vnd ob er glaub, das baide gestalt entphahen christlich sey,
item warzu die entphabung dits sacraments ime nutz sey, ich sag
yeglicbem seins stands regel aus heiliger geschrift, den isltern, kindern,
eeleuten, gesinde etc.
ich warn yeglichs vor den greulichen lastern diser zeit, als
gotsschwur, auffrur, sauffen, hurerei, verachtung gottes worts, boser
gesellschaft etc. vnd das ist der verhor halb, deren stuckken halb
rede ich mit jegcklichem, sovil mich not gedunkt, und es selten oder
offt zum sacrament geet, mir vbel oder wol bekandt ist, aber der
absolution halb frag ich, was trost es hoffe von der absolution etc.
vnd ob es deren beger^ antwort [er]: ja, mir sind all mein sund laid, ich
will mit gottes hilf mein leben bessern, ich bit got vmb gnad und euch
umb ain absolution, ich will jedermaun vergeben vnd mich nach got mit
den beschedigten von mir vertragen etc., dann absolvir ichs im namen
des herrn. ich dring aber nit hart das einfaltig volck avf eben solche
wort, ich lafi mich an der meinung benUgen. solchs thu ich darumb^
das weder furstlich gnad noch ich schuldig werden an den grofien
sund en des haufens, der one alle fragen vnd absolution das sacrament
braucht, darumb zu besorgen ist gottes zorn etc. wie doctor Mart:
Luth: im buchlein von z way en gestalten in der mefiordntmg an den
pfarhern von Zwickau etc. vnd herr Johann Pomern im sendtbrieff
an die prediger in 1 i f f 1 a n d volliger schreiben auch in andern buchern
mer, aach gibt gott gnad, das die pfarrleut hie offt zum sacrament
geen fleyfiig.
gnedige herrn. das ist kurtzlich mein vndterricht auf difimal.
ich bitt E. G. wollen mich entschuldigen, auch bevelhen vor beiden
fuersten meinen gn. lieben herrn vnd gewis dafur hallten, das ich
jerlich wolt etlich gulden gebeij von mein em sold, das baide fiirsten
mein gnedig herrn vnd derselben weyse rethe solten aller meine predig
horen vnd kirchendienst sehen, wie das gesehen haben der edel
Wolff von Hefiberg, sein weib vnd gesind. ich hoffte, es solt
mir zu mererm friede, danck vnd narung furderlich sein, zeitlich vnd
vilen menschen besserlich, gaistlich. der will des herrn geschehe
allwegk, der wolle euch alle bewahreu. datum auff Mitwoch nach
Mauricii anno etc. 32.
E. G.
vnndtertheniger
Johann Eberlin pfarrherr zw Leutershausen.
Copie im Kgl. Preufi. Staatsarchiv zu Kbnigsberg i. 0. Pr.
A 3. (6. XI. 1532) Beilage II ad 3. 3. 46. u. im Kgl. Konsistorial-
archiv zu Ansbach. „Pfarrei Leutershausen 1467 — 1678," Schlegel-
rep. 411 fol. 91 ff.
Schornbaum, Leutershausen bei Beginn der Reform ationszeit. 91
Beilage VII.
Veit Gattenhofer an Herzog Albrecht von Preufien.
ca. 1582.
Durchleuchtigster bochgeborner gnedi^er furst vnd berr. E. F.
G. sindt mein vndertbenig geborsam vnd willig dienst alle zeit zu-
vor. gnediger berr. es haben mir e. f. g. in kurtzverscbinen tagen
ein scbrifft von dem durchleucbtigen bocbgebornen fursten vnd berrn
berrn Georgen marggraffen zu Brandenburg etc. meinem gnedigen
berrn vberantwurt, darin ein clagscbrifft mit eingescblofien gewest,
die eberlein von giensburg, jtziger pfarrverweser zu leutershau-
sen wider micb gestelt vnd etlich artickel in solicber clagscbrift
anzeigt, die icb wider ine solt gebandelt baben. auf solicb Eber-
leins clagscbrifft gib icb e. f. g. gantz vndertbeniglicb zuvernemen,
das der eberlein, jtziger pfbarverweser zu leutersbausen meinen
gnedigen berrn marggraf Georgen aucb seiner f. gn. statbalter vnd retbe
die vnwarbeit wider micb bericbt bat, wie er sicb dan, wo er vor-
mals gewest, solicber vnwarbaftiger clagen gebraucbt vnd sunderlicb,
do er bei graff Jorgen zu Wertbeim ist gewest, bat er sicb do-
selbst also gebalten, wie dan e. f. g. in beigelegten copeien zu
steur der warbeit gnugsam vnderricbt baben. aucb gnediger furst
vnd berr! wie sicb der Eberlein itzt zu leutersbausen so cristlicb,
wie er sicb selb rumet vnd lobt, balten that, ist bei einem rodt vnd
einer ganzen gemein doselbst zu erkundigen, ob es seinem selb lob
die warbeit sei vnd sunderlicb, wan er mit den armen leutten mit
dem beil der sele solt baudeln, so bandelt er. in der beicbt mit ine,
das sie ime boltz mufien furen etc. aucb gnediger furst vnd berr,
dieweil solicber scbwindelgaist die vnwarbeit unvei'scbambt wider
micb scbreiben tbut, so gedenk icb micb nichts mit ime einzulafien,
sofern er verantwurt sicb diser beigelegten copeien genugsam; kan
er micb darnacb sprucb nit erlafien, wil icb ime vor E. F. G. aucb
vor meinem gnedigen berrn marggraff Georgen aucb vor seiner
furstlicben gnaden statbaltern vnd rethen gnugsam antwurt geben vnd
bit darauf e. f. g. mit vndertbenigem vleis, die wollen micb gegen
E. F. G. berrn vnd bruder gnediglicb verantwurtten, das will icb
vmb E. F. G. gantz vndertbeniglicb geflissen sein zuverdinen.
E. F. G. vndertbeniger Veit Gattenbofen.
Or. im Kgl. Preufi. Staatsarcbiv zu Konigsberg. A 3. Beilage
IV ad 3. 3. 46.
Beilage VIII.
Eberbard Hundt, Amtmann zu Wertbeim an Veit Gatten-
bofen, Kastner zu Leutersbausen. 14. XII. 1531.
Mein willige dienst zuvor, lieber berr castner. icb bab euer
92 Schornbaum, Leutershausen bei Begion der ReformatioDszeit.
schreiben vnd ansucben den boswicht Johan Eberleyn von Guntz-
bergk belangendt alles inhalts vorlesen. demnach gib ich each
hiemit zuvornebmen, das gemelter Eberlein sich der evangelischen
Lere weuig geflifieu auch sich selber nit darnach gehaldeu. dan
war ist, das er vff ein zeit den schultheis vnd ein gantzen rath auch
etlicbe ans der geraeynde daselbst zu Wertheim vuverschulter sachen
vor irem gnedigen herrn, Graf Georgen seiliger (!) gedechtmis
verclagt, der meynunge, den gedachten schiiltheifien, burgermeystern
vnd eym rath ein vngnedigen herrn durch sein falsche erdichte vnd
erlogene wort zu erwecken vnd alle seine sachen zu barter straffe
vnd vffrur zuprengen gestellt vnd vff der cantzel zu vilnjalen manchem
frommen, erlichen bydermann vnd frawen mit seinem verlieptem
bosem maule geschraeht vnd geschent, vnd were solicher bbsen hand-
lung, so ehr getrieben, vyll davon zu schreiben vnd wo von noten
weys ich in solchs alles mit der warheit zu beweisen etc. was ehr
aber boswicht stuck gegen mir gehandelt, bin ich gut hoffnung, der
allmechtige werde mir zeit vnd gliick mich an ime zu rechen ver-
leyhen. datum mein handtschrifft uff Donnerstag nach Lucie im
XXXj t. jahre.
Eberhart Hundt etc, Amptmaun zu Werthem.
Insc: dem erbaren Veiten Gattenhofen castner zu Leuttershausen
meinem guten treundt zu handen.
Copie im Kgl. preufi, Staatsarchiv zu Konigsberg. A 3. Bei-
lage VI zu 3. 3. 46.
Beilage IX.
Schultheifi, Burgermeister und Rat der Stadt Wertheim
an Veit Gattenhofen, Kastner zu Leutershausen.
14. Dezember 1531.
Unser freuntlich grus vnd willig dienst zuvor. lieber her cast-
ner. Eur schreiben vns im rathe gethan, haben wir seinem inhalt
wolvernomen. dweil in anzeige eur schrift meldend burger in Leutters-
hausen, ist vns nicht wifien, von wem sie solchfen bericht haben.
aber Eberlein hat vns burgern nicht sonder lieb gethan. das haben
wir euch uff eur schreiben nicht bergen wollen. Donnerstag nach
Lucie anno etc. Tricesimo primo.
Schultheis, burgermeister vnd rathe der stadt wertheim.
Insc. dem achtbaren vnd furnemen veyt Gattenhofen castner zw
Leutershausen vnserm in sondern guten freunde.
Copie im Kgl. preufi. Statsarchiv zu Konigsberg i. Pr. A 3.
6. XL 1532. Beilage VI ad 3. 3. 46.
Zur Bibliographie. 93
Zur Bibliographie.
*Archiv fi\r Reformation sgeschichte. Texte und Untersuchungen. In
Verbindung mit dem Verein fur Reformationsgeschichte heraus-
gegeben von Walter Friedensburg. 1. jahrgang. (4 Hefte.)
Berlin, C. A. Schwetschke und Sohn 1901/1904. 416 8. Prei8
bei Subskription (jedoch nur fur den ganzeu Band rabgiich):
I. Hft. 2,80 (Einzelpr. 4,40), 11. 2,70 (4,20), III. 3,00 (4,60),
IV 3,10 (4,80) Mk.
Trotz der Ftille der historischen Zeitschriften, die namentlich im
letzten Jabrzehnt im Interesse der Provinzial- und Lokalforschung ent-
standen sind, fehlte una ein spezielles Organ fiir die Reformationsgeschichte,
die aus allgemeinen Griinden und nicht zuletzt dank dem konfessionellen
Kampfe, der nicht zur Ruhe kommen will, in weiten Kreisen im Vorder-
grunde des Interesees steht. Hat auch der Verein fiir Reformationsge-
schichte in nunmehr 21jahrigem Bestehen in einer langen Reihe von
mehr als achtzig Veroll'entlichungen die verschiedensten Gebiete der
Reformation behandelt, so mu6te er sich nach den Zielen, die er sich
steckte, doch auf l)arstellung beschranken, and man vermiBte eine Zeit-
schrift, in der die imraer wachsende Quellenforschung ihre reichen Funde,
fiir die die iibrigen Zeitschriften bei ihren besonderen Zwecken keinen
Raum batten, niederlegen konnte. Archivdirektor Professor Dr. Walter
Friedensburg , einer der geschatztesten Quellenforscher und Kenner
des Reformationszeitalters, langjahriger Vorstand des preuj^ischen histo-
rischen Institnts in Rom, jetzt Leiter des Staatsarchiv^ in Stettin,
den unsere Leser auch aus seinen wertvollen Arbeiten in diesen Beitragen
kenneo, hat es unternommen, diese LUcke auszufiillen. Als Hauptzweck
des in zwanglosen Heften erscheinenden Archive, das jedes Jahr etwa
20—25 Druckbogen bringen will, bezeichnet"der Herausgeber „in streng
wissenschaftlicher Weise und dem Stande der modernen Editionstechnik
entsprecbend anveroffentlichtes Quellenmaterial zu bringen, dem im allge-
meinen auch solche Texte gleichgeachtet werden sollen, die lediglich in
unzulanglichen oder schwer erreichbaren, insbesondere etwa nur in zeit-
genOssischen Drucken vorliegen. Ferner sollen auch kritische Unter-
suchungen, zumal solche, die der Erlauternng von Quellenmaterial dienen,
hier zur VerOflfentlichung kommen, und endlich wird darauf Bedacht ge-
nommen werden, neue Erscheinungen auf unserem Gebiet, namentlich Zeit-
Bchriftenartikel, zu verzeichnen, sowie kleinere Mitteilungen, I^otizen
Uber Funde und einzelne Beobachtungen zu bringen, die fur den Forscher
Oder den Freund der Geschichte des Reformationszeitalters von Interesse
sein mogen." Bis jetzt liegen 4 Hefte oder der erste Band vor. Aus
dem reichen Inhalt kann hier nur das Wichtigste und das, was die
Kirchen- und Keforraationsgeschichte Bayerns speziell betrifft, hervor-
gehoben werden. So bringt das erste Heft u. a. von P. Tschackert in
Gottingen einen ungedruckten Bericht des Antonius Corvinus vom Kollo-
qium in Regensburg 1541 (S.84ff.). Der denLesern der ^Beitrage" wohl-
bekannte Prof. Dr. Roth in Augaburg ist beteiligt durch eine sehr wert-
volle Publikation: „Au8 demBriefwechsel desGereon Sailers mit dem Angs-
burger Burgermeistern Georg Herwart und Simprecht Hoser** (April bis Juni
1541) S. 102 if. und durch einen anderen „zur Kirchongiiterfrage in der Zeit
von 1538 — 1540. Die Gutachten Martin Bucers und der Augsburger
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. AUe einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbnchhandlung Fr. JungeinErlangen.
94 Zur Bibliographie.
Pradikanten Wolfgang Musculus und Bonifazius Wolfart tiber die Ver-
wendung derKirchengttter" S. 299 flp. Prof. G. Mentz in Jena nimmt zu meiner
Freude einen frtiher von mir gehegten Plan, die Briefwechsel uDseres
Landsmanns Spalatin (Georg Burkhardt aus Spalt) herauszngeben, in
etwas auf, iudem er die Briefe Spalatins an V. Warbeck von 1517 bis
1526(107 Nummern) nebst erganzendeh Aktenstiickten ver^ffentlicht, wobei
bemerkt sein mag, daB Spalatin aus Briefen des Wenzeslaus Link in
seiner Korrespondenz nicht Weniges auch tiber Ntirnberger und frankische
VerhSltnisse bericbtet. Mochte bald eitie Fortsetzung des Spalatiniana aus
dem Weimater Archive folgen ! In die bayerische Geschichte schlagt dann
noch direkt ein einAufsatz von Ad.Hasenclever in Bonn „ Zur Geschichte
Ottheinrichs von Pfalz-Nenbnrg (1544) S. 396. Aus dem ubrigen Inhalt
mochte ich noch erwahnen als von allgemeinstem Interesse den Aufsatz
von 0. Albrecht in Naumburg. „Zur Bibliographie und Textkritik des
kleinen lutherischen Katechismus**. S. 247 und den des Herausgeber
n Giovanni Morone und der Brief Sadolets an Melanchthon vom 17. Juns
1537". S. 372ff. .Ganz besonders dankenswertist aber dieObersicht tibei
die in anderen Zeitschriften erschienenen einschlagigen Arbeiten nnr
die Bucherschau, wodiirch die neue Zeitschrift, die hiermit aufs warmstd
empfoblen sein mag, zu einem Repertorium fiir die Literatnr der Refore
mationsgeschichte wird. Endlich mochte ich noch zwei WUnsche auj^ern-
einmal beim Abdruck von Aktenstiicken, Briefen etc. die Personen und,
Ortsnamen gesperrt wiederzugeben, wodurch die Benutzung erheblioh
erleichtert wird, und zweitens nicht zulange mit einem Orts- und Namen-
register zu warten.
*G5tz, Job. B., Expositus in Roth. Die versuchte Umwandlung
des Zisterzienserklosters Qeilsbronn iu ein weltliches Chor-
herrenstift. Urkundliche Beitrage zur frUnkischen Reformations-
geschichte. Beilagezur AugsburgerPostzeitung 1904 Nr. 14 — 16.
DerVerf., der fur nachstes Jahr sine ^Geschichte der Kirchenspaltung
im Gebiete der Markgrafschaft Ansbach-Eulmbach" in Aussicht stellt,
bebandelt hier auf Grund eines bisher nicht ausgenutzten Aktenfaszikels
im Ntirnberger Kreisarchiv, Aufschreibungen des Abts Wenck und —
tibrigens Dr. Schornbaums auch inzwischen bekannt gewordene — Aufzeich-
nungen des Eanzlers Georg Vogler im Ulmer Archiv, in lichtvoUer Weise,
eine Episode der Klosterpolitik des Markgrafen Kasimir (1525 if.), tiber
deren Verlauf wir, obwohl einige Dokumente bei Hocker darauf hinwiesen,
nichts Genaueres wuBteu. Daneben werden die einzelnen Pers^ulichkeiten
im Heilsbronner Eloster, freilich etwas einseitig charakterisiert und manches
Wertvolle tiber sie beigebracht. Dem Pfarrer Hocker (Heilsbronnscher
Antiquitatenschatz) dtirfte tibrigens unrecht geschehen, wenn ihm der
Verfasser Unterdrtickung des spater bei Muck und Stillfried mitgeteilten
Berichtes tiber das schandliche Treiben des Ftirsten im Kloster im Jahre
1504 unterschiebt oder von ihm schreibt: „er durfte aber diese curieuse
Particularia nicht publizieren.'* Woher weifi das der Verf.? Welcher
Autor, der in Archiven gearbeitet hat, darf sich rtihmen, dafi ihm wirk-
lich alles einschlagige Material vorgelegen hat? Das wird der Verf. weder
bei dieser dankenswerten Studie noch bei dem versprochenen grofieren
Werke von sich sagen konnen, — um wieviel weniger war das frtiher
der Fall!
*Flemming, P., Beitrage zum Briefwechsel Melanchthons aus der
Briefsammlung Jakob Monaus in der St. Genvi^vebibliothek
zu Paris. Progr. von Schulpforta 1904. 76 S. 4^
Eine eingehende Besprechung dieser reich erlauterten, wichtigen
V
Zur Bibliographie. 95
Briefsammlung ist hier nicht am Platze, aber drei Stiicke sollen bier als
in die bayerische KircheDgeBchichte einschlagend erwahnt werden. 1. Ein
Zeugnis der Universitat Wittenberg flir den von Naumburg nach Nord-
lingen berufenen Caspar Loener vom 25. Jan. 1544 (S. 20). 2. Ein Brief
Melanchtbons an Hans Heinrich Herwarth in Augsburg vom 12. Okt.
1546 (S. 25): Empfehlung des Job. Crato von Breslau. 3. Ein an Me-w
lanchtbon von Schwabach aus gerichteter Brief des Erasmus v. Minkwitz
(vom 14. Juli 1547), der den Kurftirsten Job. Friedrich in die Gefangen-
Bchaft begleitete. Der Brief und die beigegebene ausfiihrliche Erlaute-
rung epthalten wichtige Notizen tiber den spateren Lebensgang des ersten
evangelischen Predigers Kitzingens, des Christopb Hoflfmann von Ansbacb,
der spater Hofprediger des Kurflirsten wurde, ihn ebenfalls in die Ge-
fangenscbaft begleitete und auf den FUrsten einen grojgen, blsher noch
nicht geniigend gewtirdigten EinfluB gebabt zu haben scbeint (S. 29fif.).
Sander, Paul. Die reichsstadtiscbe Haushaltung Nurubergs dargestellt
auf Grund ihres Zustandes von 1431-^1440. Mit zahlreicben
Tabellen sowie 5 Kartenskizzen im Text und auf drei Tafeln.
Leipzig 1902. B. G. Teubner. XXX u. 938 8.
Streiter, Kich. Die ScblSsser zu Schleifiheim und Nymphenburg.
Berlin u. Stuttgart 1902. 18 S. Fol.
Schrepfer Rud. Pfalzbayerns Politik im Revolutionszeitalter von
1780 bis 1793. Auf Grund archivalischen Materials be-
arbeitet, Munchen 1903 J. F. Lehmapn. VIII u. 137 S.
Sepp, Job. Nep. Ludwig Augustus, Konig von Bayern, und das
Zeitalter der Wiedergeburt der Kiinste. Zweite vermehrte
und verbesserte Auflage. Mit zwei Bildnissen. Regensburg
(G. J. Manz). XIY u. 965 S. 10 Mk.
Schleglmann, Dr. Alfons Maria. Geschichte der Sakularisation
im rechtsrheinischen Bayern. I. Bd. Vorgeschichte der Sakulari-
sation. Regensburg. J. Habbel. XVI u. 297. (Vgl. dazu Forsch-
ungen zur Gescbichte Bayerns Bd. XI. S. 20.)
Kruscb, B. Der hi. Florian und s. Stift. Ein Beitrag zur Passauer
Bistumsgeschichte. Neues Archiv der Gesellschaft fiir altere
deutsche Geschichtskunde 1903. F. XXVIII p. 337 ff.
Riezler, S. Die Vita Kiliani. Ebendas. p. 232f.
Kruscb B. Die Gesta Hrodberti. Ebendas. 601 ff.
Levis on, W. Die Hlteste Lebensbeschreibung Ruperts von Salz-
burg ebendas. S. 283 ff.
Zur Erziehungsgeschichte.
Brand, Eugeu. Uber Vorbilder und Prlifung der Lehrer an deu
bayerischen Mittelschulen seit 1773. Beibeft der Mitt, der
Ges. fiir deutsche Erziehungs- und Schulgeschichte, herausgeg.
von der Gruppe Bayern. Berlin 1901. (1. Heft.)
Gebele, Jos. Die Ausbildung der Aufsicht liber die Volksschule
in Bayern im tJbergange vom 18. und 19» Jabrh. Ebenda.
(A, u, d. Tit. Texte und Forschungen zur Gescbichte des Unter-
ricbts in den Landern deutscher Zunge (Heft IV).
96 Zur Bibliographic.
Heigenmoser, Jos. Pfarrer Bartholomaus Bacher, em Schulmann
des Chiemgaues aus dem Anfange des 19. Jahrhunderts. 1901.
Ebenda. Heft 2.
Thalhofer, Franz Xav. Zur Geschichte des Volksscliulwesens in
Dillingen vom Ende des 16. bis zum Ende des 18. Jahr-
hunderts. Ebenda.
Flemisch, Mich. Die pSdagogischen Str5mungen des 19. Jahr-
hunderts in den pSdagogischen Programmen des Kgl. Wilhelms-
gymnasiums in MUnchen. Ebenda 1901.
Hartl, Joh. Zur Geschichte der oberpfalzischen Volksschulen im
Jahre 1643. Ebenda 1903. Beiheft 1.
HSrneSj Jos, Beitrage zur Geschichte der Volksschule in Franken
(Hochstift Wttrzburg) vom Anfange des 15. Jahrhunderts bis
in das 18. Jahrhandert. Ebenda.
Schmidt, Fr. Zur Geschichte des Volksschulwesens im Hochstifte
Wurzburg 1772—1795. Ebenda.
Kiickert, Georg. Geschichte des Schulwesens der Stadt Lauingen
vom Ausgange des Mittelalters bis zum Anfange des 19. Jahr-
hunderts. Ebenda 1904. Beiheft 5.
*Heuser, Emil. Die Protestation von Speier. Geschichte der
Protestation und des Reichstags 1529 nebst Veroffentlichung
bisher unbekannter Nachrichten iiber diesen Reichstag. Mit
2 Schriftabbildu^gen. Herausgegeben zur feierlichen Einweihung
der Gedachtniskirche in Speier am 31. August 1904. Verlag von
Ludwig Witter. Neustadt a. d. Hdt. (1904). 64 S. 1,20 M.
Diese Festschrift bietet zumeist auf Key (Gesch. des Reichstags zu
Speier ira Jahre 1529. Hamb. 1879) fufiend eine zweckentsprechende, ge-
drangte, aber klare Darstellung des Speierer Reichstags, die denen, die
sich in aller Kiirze ttber die Vorgange auf dem denkwiirdigen Tage
orientieren wollen, nur erapfohlen werden kann. Als besonders wertyoU
mufi aber der zweite Teil bezeichnet werden, der mit Kommentar ver-
sehene Wiederabdruck eines bisher unbeachteten zeitgenossischen Be-
richtes, den Hans Lutz, der Herold des schwa bischen Bundes, noch im
Jahre 1529 in Durlach erscheinen lieB. Beschrankt sich auch der Bericht-
erstatter leider nur auf AuBerliches, das Leben und Treiben der Fiirsten
und Stande, so fehlt es doch nicht an kleinen, interessanten Zugen, die
das bisher bekannte Bild in dankenswerter Weise erganzen. Beacbtens-
wert ist u. a., wie man im Volke die Nichtachtung des Landgrafen durch
Konig Ferdinand bei seinem Einreiten sehr wohl bemerkte (S. 34), auch
das Urteil tiber die Predigten Fabers. Leider erfahren wir nichts Naheres
tlber den Herold Hans Lutz, tiber dessen Personlichkeit sich wohl uoch
Naheres feststellen liefie. Auf das wohlgelungene Faksimile der letzten
Seite der Protestationsschrift mit den Unterschriften der Fiirsten soil
noch besonders aufmerksam gemacht werden.
Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
Von D. Th. Kolde.
(Fortsetzung statt Sohlufi,)
Die Ingolstadter fiihlten sich offenbar in ihrer Gelehrtenehre
tief verletzt, dachten aber nicht daran, ein^r Frau eine Ant-
wort zu geben. Als sie am 26. September znm ersten Male
daruber berieten, beschloB man, den Brief an den Herzog zu
schicken, damit dieser ,,die Vettel zahme** (earn vetulam com-
pescat)^). Auf Herzog Wilhelm machte jedoch weder diese
Aufforderung noch das an ihn gerichtete Schreiben der Argula
irgend welchen tieferen Eindruck. Wenige Tage spater war
er mit seinem Bruder Ludwig zusammen und verhandelte dabei
aucb iiber das in Religionssachen einzuschlagende Yerfahren,
bei welcher Gelegenheit Herzog Ludwig aufierte, man durfe
darin weder zu viel noch zu wenig tun. Aber von dem NUchst-
liegenden, dem Schreiben der Argula v. Grumbach war nicht
die Rede^). Da schtirte der Kanzler Leonhard v. Eck, der
noch gar nicht einmal den Brief an den Herzog kannte, sondern
nur den an die Universitat, indem er dem Ftirsten brieflich
auseinandersetzte, daC die Pflegerin zu Dietfurt die Hand-
lung der Universitat verunglimpfe, sich zu Luther und Melanch-
thon bekenne, das alles wider das herzogliche Mandat und den
christlichen gemeinen Gebrauch, daC Weiber in christlichen Sachen
nicht lehren sollen. Und wie wohl sie ein Weib und flir ein
Weib „streitig" geachtet werden moge, so falle ihr doch zur Last,
die lutherische Lehre ausgeschrieen zu haben, ja er will wissen,
daB Argula auch vor dem gemeinen Volk in Dietfurt predige,
was wahrscheinlich Erfindung ist. Nichts dagegen zu handeln,
1) Druffel S. 65X u. Prantl I, 154.
.2) Vgl. den Brlefurechsel. zwischen Wilhelm und Ludwig bei Li-
powsky Beil. VII u. VIII.
Bei^Uge snr bayer. Kirchengeschichte XI. 8. 7
98 Eolde, Arsacius Seehofer and Argula von Grombach.
hieBe die Sache Luthers mit erhebeo, ware fur den Herzog
scliimpflich und wider sein Gebot. Freilich konne man gegeri
ein Weib nicht handein wie gegen eine Mannsperson. Sein Rat
ware daher, auf Herzog Ludwig einzuwirken, daB dieser den
Friedrich v. Grumbach, der sein LandsaBe sei, weil er solches
Schreiben, Schreien und *Ausstreuen der Lutherschen Lehre ge-
stattet habe^ von Stund an seines Amies entsetze und ihn und
sein Weib weit von Dietfurt verbanne, damit das gemeine Volk
nicht verfiihrt wurde^). Dem entsprach der Ftirst in einem
Schreiben vom 11. Oktober, in dem er den Bruder aufforderte,
den Pfleger abzusetzen und die Strafe gegen die Frau sich vor-
zubehalten, und ihn zugleich ermahnte, sich ja nicht erbitten
zu lassen und Grumbach langer im Amte zu behalten. Ludwig
antwortete kurz, daB er noch jetzt bei seiner frtiheren Meinung,
man durfe weder zu viel noch zu wenig tun, beharre, nichts-
destoweniger den Grumbacher vorfordern und, wie sichs gebtihre,
mit ihm handein wolle^).
Dazu ist es sicher gekommen, und wie Hans von der Planitz
am 13. November berichtet, erzahlte man sich in Nurnberg, die
beiden Herzoge hatten „bei dem von Grumbach gesucht, daB er
daran sein wolde, das der brieflf nicht gedrugkt werde, und das
er sein hausfrau darumb strafien solde, ir zwene linger abhauen
und ob er sie gleich ganz erwiirget, so solde er daran nicht ge-
frevelt haben"^). Das war ohne Zweifel ein stark ubertreibendes
Geriicht, das auf Grund der Forderungen Herzog Wilhelms und
der Verhandlung seines Bruders mit Friedrich v. Grumbach ent-
standen sein wird. Aber daB dieser wirklich, obwohl es ihm
leicht gewesen sein diirfte, zu erweisen, daB er an dem Vor-
gehen Argulas unschuldig und er dieser Frau gegentiber macht-
los war, seine Stelle verlor, ist kaum zu bezweifeln. Auf Grund
einer eigenen Mitteilung Argulas berichtet Luther im Februar
1} Lipowsky, Beilage II. Gegen die Richdgkeit des Datnms
(11. Nov.) hat bereitB Druffel 652 Anm. 1 wichtige Bedenken geltendge-
macht. Ich ftige hinzu, dafi der Brief schon um de^wiUen nicht aus dem
November sein kaun, weil, wie ich bereits im Text bemerkt habe, der
Eanzler noch nichts von dem Briefe der Argula an den Herzog wei0.
Lipowskys Vorlage hatte vielleicht Freitag p. Rem. (od. Freitag Die.)
2) VgL die Briefe bei Lipowsky Beil. VII u. VIII.
3) Planitzbriefe S. 682.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 99
1524 seine Absetzung auf das Bestimmteste ^), und das Jahr
darauf wird nicht F. v. Grumbach sondern Hans v. Hohenburg
als Pfleger von Dietfurt erwahnt^).
Aber was geschah mit Argula selbstP Die gewohnliche
Annahme, daU sie daraals^) oder erst spater*) ausBayern ver-
bannt worden ware, muC als unhistorisch bezeichnet werden.
Wohl ist sie, wahrscheinlich aus Sorge, daU auch sie verfolgt
werden konne, alsbald nach ihren ersten Briefen nach Grumbach
gegangen, von wo die nachsten Sendschreiben erlassen sind,
aber schon im Sommer 1524 war sie wieder in Lenting^), und
auch in der Folge durfte sie ungehindert in Bayern verweilen®).
Man handelte also nach dem Bate des Eanzlers L. v. Eck,
indem man 'den Mann bestrafte und ihn fflr das Verhalten seiner
Frau verantwortlich machte, aber von der tJbeltaterin selbst in
mittelalterlicher Geringschatzung des Weibes amtlich keine
weitere Notiz nahm.
Gleichwohl war die Absetzung fur die nicht mehr wohl-
habende Familie ein barter Schlag. Die noch vorhandenen Korre-
spondenzen mit den Juden wegen nicht eingeloster Pfander
und den Bitten um neue Darlehen z. B. an den „bescheiden mosse
1) Luther an Joh. Brismann : Mai'itus per sese illi tyrannus, nunc ob
ipsam praefectnra deiectus, quid sit factnrus cogita ; ilia sola inter haec
monstra versatur forti qnidem fide, sed ut scribit, non sine pavore cordis
interdum etc. Enders IV, 292. Dafi der Brief nicht, wie Enders an-
nimmt, in den Jan. zu setzen ist, sondern erst in den Febr., und zwar
wahrscheinlich erst in die zweite HSlfte, ergibt slch daraus, dafi Joh.
Eck, der (nach Druffel S. 659) etwa Mitte Febr. nach seiner Romreise wieder
in Ittgolstadt eintraf, als znrtickgekehrt bezeichnet wird.
2) BeiJdrg, Deutschland in der Revolutionsperiode. Freiburg 1851,
S. 332 u. 391. Obwohl die betrefi'enden, von Jorg bentitzten Schreiben
z. Z. im Reichsarchiv in Munchen nicht aufgefnnden werden konnten,
andere an den „Pfleger zn Dietfurt** in den nachsten Jahren gerichtete
Mandate nach frenndlicher Mitteilung des Beicbsarchivs vom 27. Okt. 1904
den Namen nicht nennen, dtirften die Bedenken Riezlers (Gesch. Bayerns
IV, 90 Anm.) damit erledigt sein.
3) Riezler IV, 90: Argula mufite nach Franken Ziehen.
4) V. Druffel S. 652.
5) (Gemeiner) Reformationegeschichte ron Regensburg 1792, S. 33.
6) Nach Aktenstttcken und Briefen im Reichsarchiv in Mlinchen lebte
sie in der Folgezeit fiir gewohnlich in Lenting, aber auch zeitweise, wovon
noch zu sprechen sein wird, in Grumbach und Zeilitzheim.
7*
100 Kolde, ArsaciuB Seebofer und Argula von Grumbacb.
iuden zu aurbach ytzt am hoff zu regenspurg" (Lenting Dins-
tag nach Jacoby d. i. 26. Julj 1524), die Mahnbriefe der Dom-
herren zu Wlirzburg und Eichstadt wegen Zahlung der auf den
Gutern lastenden Reichnisse zeigen genugsam den wachsenden
Vermogensverfall. Aber weder dies noch die fortwahrenden Be-
feindungen^) konnten sie veranlassen, zuriickhaltender zu sein.
Als die Universitat ihr nicht antwortete, aber man um so
mehr von ihrem Schreiben sprach, und ihr allerlei bedrohlicbe
Geruchte zu Ohren kamen, schrieb sie, es war schon am 27. Ok-
tober 1523, von Grurabach aus einen bald auch in Druck aus-
gegangenen Brief an den Rat der Stadt Ingolstadt, dem
sie eine Kopie des Schreibens an die Universitat beilegte^).
Sie weifi, dafi es dort manche heimlich mit dem Evangelium
halten, aber das geniigt nicht: wir miissen bekennen. Dazu,
das betont sie auch bier wieder und leitet daraus ihr Recht ab,
mitzusprechen, sind wir durch die Taufe verpflichtet. Jene
Nikodemusseelen will sie aufriitteln, dafi sie sich nicht mitschuldig
machen. Man solle sich an der Verfolgung, die sie leide, nicht
argern. So sei es Christus auch gegangen. Sie sagen auch,
„wie die Juden zu Pilato sagten, wir haben ein Gesetz, nach dem
mufi er sterben. Ich wollt gern wissen, was Gewinnes sie batten,
wenn sie mich gleich ermordeten. Sie trosten sich vielleicht
der Freiheit des heimlichen Richtens, das ihnen nit iibel dazu
dient. Nun in dem Namen Gottes! So denn das die Stadt ware,
darin man die Christen mart'ert, als Jerusalem auch war, so
geschehe mir auch wie Gott will. Aber ich bitte Gott, daC er
nicht auch iiber Euch durch sie zu Mitschuldigen geworden, die-
1) Dartiber an Adam v. Torring s. u» VoUig unrichtig ist tibrigens,
was En der 8 Luthers Briefwechsel III, 401 Anm. 2 wohl nach Engel-
hardt wiederbolt, daO Argula „wahi'scheinlicb, am ihren katholisch
gebliebenen Mann nicht zu verletzen, sich in ibren Scbriften Argula von
St auf fen nannte". Das tat sie nie, sie unterschreibt vielmehr Argula
V. Grumbacb (eine) Geborne von Stauff, und nur in den jedenfalls nicht
von ihr berriibrenden T i t e 1 n von zweien ihrer Sendbriefe (an Herzog Wil-
helm u. Kurf. Friedrich von Sacbsen) wird die Verfasserin als Argula
StauiTerin bezeicbnet.
2) An ain Ersamen/Weysen Radt der stat/Ingolstat, ain sandt/brieff,
von Frau/Argula vo grun/bacb geborne/von Stauf/fen./ Titelbord. o. 0. a.
J. 4: Bl., letztes Blatt leer. (Erl. Numb. Germ. Mus.)
Kolde, Arsacius Seehofer und Argala von Grumbacb. 101
selbe Straf verhange ... So ich schon 'gestorben bin, so ist
das Wort Gottes nicbt vertilgt, denn es bleibt ewig. Ich achte
auch dafur, so ich die Gnade hatte, den Tod urn seines Namens
willen zu leiden, wtirden zwar viele Herzen dadurch erweckt,
ja wenn ich allein stiirbe^), warden hundert Weiber wider sie
schreiben, denn ihrer sind viele, die belesener und geschickter
sind denn ich u. s. w.* Darum soUen jene sich vorsehen, daU sie
nicht von den falschen Lehrern und Propheten ins Verderben
gefuhrt werden.
Ob dieser Appell irgend welchen Eindruck gemacht hat,
wissen wir nicht. Die Universitatsbehorden werden jeden Ver-
such einer Parteinahme fiir'Argula oder Seehofer alsbald unter-
driickt haben. Aber einen Nachklarig jener Schrift kann man
in einer dritten am 8. Dezember gehaltenen Marienpredigt Georg
Hauers finden, in der er gegen die hochmlitigen Evakinder „die
ketzerischen Hiindinnen und verzweifelt Schalkinnen" donnert,
die da behaupten, daC wie in Maria, so in jedem Glaubigen
Christns wohne, „wie denn auch Lathers geist jetzden weybern
einplast vnd narrin daraus macht, wie Montanus mit Prisca and
Maximilla" -).
1) Im Druck steht „8crib".
2) A. a. 0. Fiij. Nach dieser Predigt mufi es auch in Ingolstadt
Bchon Verachterinnen des Salve Regina gegeben haben, und ffir die weit-
gehende MiGachtung romischer £inrichtungen spricht die in jene Zeit faHende
Behaaptang Ecks in seinem Gutacbten fiii die Curie: Scio antem mulieres
in Germania, quae colo suffigunt ilia confessionalia: tantum honoris im-
pendunt tantis concessionibus. Beitr. z. bayr. K.-G. II, 223. Hauer er-
zahlt auch von einem ketzerischen Monche „in der grossen stat, der am
licbtmesstag offenlich auf der kantzl gesagt hatt, es sei khain wunder
das maria hab Jesum getragen, trag doch ain kue ain kalb**, eine Ge-
schichte, von der man sonst nichts weifi. Dafi diese rohe Aufierung von
einem Lutheraner gefallen sein sollte, ist wenig glaublich, aber der be-
stimmte Hinweis auf den 2. Februar macht es doch wahrscheinlich, daC
es damals wegen einer AuBerung eines Monches zu einem KetzerprozeB
gekommen ist und zwar gegen einen Aiigustinerprediger in Mtinchen.
Denn in der weiter unten zu besprechenden Satire „Acta Concilii Doc-
torum Universitatis Ingolstadiensis celebrati"* riihmt der Verf. ironisch
das Vorgehen des MUnchner Augustincrpriors Cappelmaier, der seinen
ketzerischen Prediger dem weltlichen Arm Uberliefert hat und setzthinzu :
Ideo bene fecit quia iam est martyr, et ordo suus potest faqere unam
novam historiam, et festum eius tenere in Februnrio, quando propte^r
102 Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grambach.
Inzwischen versammelten sich die deutschen ReichsstRnde
zu einem neuen Reichstage in Niirnberg, um neben anderem vor
allem wieder iiber die Religionsfrage zu beraten. Da beschloB
die kiihne Frau, ganz erfullt von dem BewuBtsein ihrer Be-
kennerpflicht, ebenfalls dahin zu gehen, um an ihrem Teile fiir
die Sache des Evangeliums zu wirken und womoglich einige
der GroBen der Erde zu entschiedenem Eintreten dafiir zu be-
wegen. Ende November war sie in Niirnberg. Es war wohl
mehr die Absicht, die schnell bekannt gewordene Schriftstellerin
kennen zu lernen, als inneres Tnteresse an der von ihr ver-
fochtenen Sache, das ihr am 30. November^) von dem Pfalzgrafen
Johann v. Simmern und Sponheim, der seit dem 13. August* 1523
den pfalzischen Kurfiirsten im Reichsregiment vertrat^), eine
Einladung eiutrug. Vor ihm und ,,anderen des Regiments"
durfte sie ihre tJberzeugung frei und offen aussprechen: — rg^rn
hatte ich vielmehr geredet, wer Volk gewesen zu horen;" sie
wurde sie, ob Gott will, nicht fiirchten^). — Und aus den
Reden des Pfalzgrafen glaubte sie entnehmen zu durfen, daB
er angefangen habe, das Wort Gottes zu lesen und das Licht
scheinen zu sehen. Schreibselig, wie sie inzwischen geworden,
meinte sie, in einem dann auch der Offentlichkeit libergebenen
Schreiben an den Pfalzgrafen*) der Hoffnung Ausdruck geben
zu soUen, daB Gott das in ihm angefangene Wort voUenden
und ihn vollkommen erleuchten werde. Mochte der Furst den
himmlischen Vater nur auf dem Reichstag frei und unerschrocken
testimonium Christ! et verbi eius occisas est. An Leonhard Beyer, dessen
damalige Gefangenschaft in Miinchen noch immer nicht aufgeklart ist
(Vgl. iiber ihn G. Bossert zur Biographie des Reformators von Guben.
Jahrb. f. brandenb. Kirchengesch. 1904 S. 504), ist wohl nicht zu denken.
1) Planitzbriefe S. 522.
2) Das Datum ergibt sich aus den beiden sogleich zu besprechenden
Briefen an den Pfalzgrafen Johann u. Friedrich den Weisen (vom 1. Dez.)
wo sie von der nnachten** stattgehabten Unterredung schreibt. An den
Pfalzgrafen: ,,Als ich nachten zu Nacht von E.F.G. auch andern meinen
Herren zur Wirtschaft geladen und beruffen". (Lipowsky, Beilage XI.)
3) In der Schrift an den Kurfiirsten bei Lipowsky, Beilage X.
4) Dem Durchleiichtigen Hochge/bornen Fiirsten vnd herren, Herrn
Jo/hansen, Pfaltzgrauen bey Reyn/Hertzoge zu Beyern, Grafen/zu Span-
haym etc. Mey/nem Gnedigisten /Herren./ .'.Argula Staufferin o. 0. u. J.
3 Bl. (Germ. Mus.). Ein anderer Druck bei Weller Nr, 2696 u. 3196.
Kolde, AreaeiiiB Seehofer and Argula tod Grumbach. 103
bekenBeB uBd „helfen nnd raten, damit das Reich Gottpes den
Armen nicht versperrt wird, nnd ihr samt nns nicht ver-
derbef An demselben Tage (i. Dezember) richtete sie anch noch
einSchreibenanKurfurstFriedrich den Weisen^), der vor knrzem
(28. November) zum Reichstag eingetroffen war'). Eben das
habe sie mit hoher Freude erfallt nnd ihre HoffnnDg belebt, dafi
das Evangeliom wieder den Armen gepredigt nnd nicht nach
dem Willen etlicher heidnischer Fiirsten mit Gewalt verboten
werden wurde, halte doch der Knrtiii-st hart nber dem Worte
Gottes: „Ich wnnsche nnd bitte von Gott solches Gemnt, als
bisher bei E. Ch. Gnaden gespiirt Gott zn Ehren. — Wir sehen
das Heil, Gott sei Lob nnd haben alle Gewalt anf unserer Seite,
la&t sie toben nnd wtiten, ist doch ohne Kraft. Der Fels wird
sie zerknirschen nnd zn Grnnd sttirzen." Der Kurfurst m5ge nicht
achten, daB „gryBgrammen nber Christnm". Alle Gewalt ist
ihnen genommen nach dem 139. Ps. nnd ibre Ratschl^ge werden
zertrennt (Jes. 8.), trotzig solle er mit Gottes Wort in seiner
Kraft den Gegnern nnter die Augen treten, voll Dankbarfceit
dafar, ^dafi nns seine Ordnung ans seinem Land und dnrch seine
Schntznng unser Heil verkiindet und Christns wieder gelehret
wird."
Dieser Brief mit seinem Hinweis anf den bisherigen Schntz
der eyangelischer Bewegung dnrch den Kurfiirsten wird den vor-
sichtigen und zuruckhaltenden alten Herrn schwerlich angenehm
beriihrt haben, noch weniger, dafi auch dieser Brief ver5ffentlicht
wurde ^). Ihr Auftreten in Ntirnberg hatte keinerlei Erfolg, und
Argula nahm auch schlieBlich den Eindruck mit fort, daB es
1) Dem Durchleuehtigiaten Hoch/gebornen Fttrsten vnd herren, Herrn
Frie-/derichen, Hertzogen zu Sachsen, Des/hayligen Romischen Reychs
ErtZ'/oiarschalck ynnd ChurfUrsten, fLandtgrauen in DUringen,/ vnnd
Marggraaen zii/Meyssen, meynem/Gnedigisten/herren./ Argula Stanfferin./
4 Bl. 1. Bl. leer. Am Schluss: Actum am Afftermontag nach Andree.
Anno domini. MDXXiij. K E G. Diemiittige Argula von Grumbach ain
geborne von Stauff. (Erlangen.)
2) Nach Spalatin, Annales bei Mencken, Scriptores II, 631.
3) Es ist auch auffallend, dafi Spalatin, der doch sonst dergleichen
gem mitteilt, tiber Argulus Erscheinen in Niirnberg und ihren Brief an
den EarfUrsten kein Wort sagt, wahrend er liber den angeblichon Bauern-
prediger von Word soviel zu sagen weifi.
104 Kolde, Arsaeins Seehofer und Argula von Grumbach.
den Ftirsten wenig ernst sei, denn anstatt auf Gottes Wort legen
sie ihren PleiB auf Trinken, BankethalteD, Spielen, Mummen-
schanz and anderes. „Wie vielmal hnnderttausend Gulden i8t
in Reichstagen, Landschaften bei meinem Gedachtnis verzehrt
worden. Was kann man ratschlagen, so sie Tag und Nacht die
Kdpf „krumm*' tragen vor Voile. Ich habs selbst zuNfirnberg
gesehen, ein solches kindisch Wesen der Fiirsten, das mir, dieweil
ich leb, vor Augen ist."
Ihre persOnliche Lage wurde immer gedrflckter. Niemand
schien auf sie zu horen. Und es ist ein deutlicher Beweis da-
von, wie fremdartig den Zeitgenossen das schriftstelleriscbe Auf-
treten einer Frau in Glaubenssachen war, dafi trotz der weiten
Verbreitung ihrer Sendbriefe auch von seiten der Evangelischen
niemand das Wort zu ihren Gunsten ergreifen wollte. In der
groBen Flugschriftenlitteratur jener Zeit wird sie, soweit ich
sehe, nur einmal ruhmend erwahnt und das von einem Manne
aus dem Volke, der wie sie um sein Recht, mitreden zu
durfen, kampfen muBte, dem Memminger Ktirschnermeister Se-
bastian Lotzer, der sie als ein „recht adelich, tugentsam vnd
cristlich gemiit" preist und in ihrem unerschrockenen Auftreten
das wunderbare Wirken des Geistes Gottes sieht^).
Sonst hatte sie nur Spott und Schande zu erfahren und
namentlich den Unwillen ihrer Verwandtschaft. Das gab ihr
AnlaB zu einem Schreiben an ihren Vetter Adam v. Torring*),
1) Id seinem Widmungsscbreiben an Christoph Schappler zu seiner
Auslegang des Evangeliums vom 20. Sonntag nach Trinitatis bei Alfred
GStze, Sebastian Lotzers Schriften, Leipzig 1902, S. 76 (auf S. 75 der
genaue Titel der Schrift): Ich kann each nitt gnugsam anzai^en den
groszen trost vnd frewd, den ich enpfachvnd hab durch das hailig wort
Gots, So nit allain ir vnd ewers gleichen S61chs so tapffer vnd vner-
schrocken verkiinden, Sunder auch die weiber gantz Ghrietenlich vnd
ernstlich sich in dem wort Gots yeben nach dem spruch des propheten
Johelisij. capi. Wie dann yetz die Edel vnd wolgeborn fraw Argula
geporen von Stauffen sich beweiszt vnnd den schulgeleertten schreibt,
Sich erbeutt mit in zu disputieren, wie die haylig junckfraw Entherina
thatt, So die f tinfftzig gelerten vberwand : das hiesz (mayn ich) ayn recht
adelich, tugentsam vnd cristlich gemut. Hie wirckt der gaist Gottes
wunderparlich.
2) An den Edlcn/vnd gestrengen her/ren Adam vo Thering/der
Pfalzgrauen stat/halter zu Neuburg/etc. Ain sandtbrieff yo fraw Argula/
Koide, AnaeiiiB Seehofer usd Argfila you Grumbach. 105
der als Statthalter des Pfalzgrafen zu Neabaig besoDderen An-
stofi an ihrem Treiben genommen haben mocbte. Wie sie er-
fdhr, sollte er die Aafierang getaD haben, wenn ihr Haaswirt
nicht daza late, mnfite es die Freundschaft tan nnd sie ^ver-
maaem^. Was ihren Mann betrifft, so konnte sie den Vetter
bernhigen, er tate, schreibt sie, nur zuviel dazo, am Chi'istnm
in ihr zn yerfolgen^), and dieses eine Wort lafit einen tiefen
Blick in das darch die Verschiedenheit der religiosen Stellnng
gestorte Familienleben tnn. Sie weifi, daS maD dem Gatten
das Amt nehmen will: „kann ja Dit dafnr, hab yor alles wol
bet3*achtet. Das soil mich nicht hindem an meinem Heil, hab
mich darein gesetzt, alles za verlieren, ja Leib and Leben.
6ott stehe mir bei!*' „Das 6nt, das man mir nehmen kann, ist
nicht viel,^ and das ihres Manaes hatten bereits die Pfaffen za
Wnrzbarg verzehrt. Auch die Sorge am ihre vier Kindlein soil
sie nicht irre machen: Gott wird sie wohl versorgen wie die
Vogel in der Laft and die Blamen anf dem Felde. Er hats
gesagt and er kann nicht lagen. Dafi ihr allenthalben Ver-
folgang, Schimpf and Schande znteil wird, sieht sie als gates
Zeichen an, daS ihr Tan aas Gott ist, denn wenn es die Welt lobte,
ware es nicht aas Gott. So ist sie mehr als je iiberzeagt, recht
gehandelt za haben, and von neaem begrandet sie ihr Aaftreten mit
der Taafe. Da habe sie gelobt za glaaben, ^hn za bekennen
and za widersagen dem Teafel and allem seinem Gespenst.
Das haben alle, die getaoft sind, gleichmafiig gelobt, kein Doktor,
Papst, Eaiser and Ftirst hat mehr gelobt. Darum gilt es far
alle za glaaben and dem Teafel abzasagen, aaf daB das Ge-
lobnis, das der Tot (der Taafpate) fiir sie gegeben, erfiillt werde.
Deshalb soil der Vetter sich nicht verwandern, daB sie Gott
bekenne, denn wer Gott nicht bekenne, sei kein Christ, ob er
taasendmal getaaft werde. Jeder maB far sich selbst beim
.letzten Urteil Rechenschaft abgeben. „Man heiBt mich latherisch.
▼o Grumbach/geborne vo/Stauf-/feii/ Titelbordure, o. 0. u. J. AmSchlufi:
Datum sn Grumbach. Argula you Grumbach geborne von Staaffen.
(Erl. Bibl.) •
1) Ebenso mu6 sie an Luther geschrieben haben, denn dieser be-
ricbtet Anfang 1524 an Joh. Brismann iiber ihren Gatten: Maritus per
Bese illityramus. Enders, Luthers Briefwechsel IV, 293.
106 Eolde, Arsacius Seehofer und Argnla von Grambach.
Ich bin es aber iiicht. Ich bin auf den Namen Christu^getauft.
Den bekenne ich und nicht Luther. Aber ich bekenne, daB ihn
Martinus auch als ein getreuer Christ bekennt. Gott helfe, das
wir solches nimmermehr verleugnen."
Wer Gott um seinen Geist bittet, dem wird er ihn ver-
leihen. Aber es ist zum Erbarmen, daB die Obrigkeiten das so
gar nicht zu Herzen nehmen. Wo ist einer unter den geistlichen
und weltlichen Herren zu finden, der zur Bibel greife, um Ge-
wiBheit dariiber zu erlangen, was Gottes Befehl sei! Solche
Mahnung gilt ihnen als eine Narrheit. Sie sind davon so gut
berichtet wie die Kuh vom Brettspiel, und ihre gewohnliche
Antwort ist: ich glaub, was meine Eltern geglaubt haben. Wie
die Fiirsten sind die meisten vom Adel: ,,Ich habs von vielen
geh5rt, die sagen, so mein Vater und meine Mutter in der HoUe
waren, woUt ich ungern im Himmel sein." Das kommt daher,
daB die Eltern die Kinder in der Schule nur solche Bucher wie
den Ovid und Terenz haben lernen lassen, aus denen man Buhlen
lernen kann, und wie man zum Buben und zur Biibin wird.
Das kSnnen sie auch wohl, ja man riihmt sich dessen mehr,
als daB man sich dessen schame, in der Ehe und auBer ihr.
Klagt mans den Freunden, ist ein Gelachter. Sie diirfens auch
nicht strafen, ebensowenig als die Obrigkeit, weil sie „gemeinig-
lich des Holzes selber ein Geigen haben". „Ihr habt lange den
Fiirsten Rat gegeben," ruft sie dem Statthalter zu, „nun ist es
Zeit, daB ihr eure Seele, die ewig ist, beratschlaget." Konne
er vor seinem Ende nicht mehr die ganze Bibel lesen, so doch
wenigstens die vier Evangelisten. „Es ist auch nie Luthers
Meinung gewesen, daB man seinen Biichlein glauben soil, sie soUen
allein Leitbtichlein zum Worte Gottes sein." Wieviel Gutes k5nnte
T5rring in seinem Regiment schaffen, sonderlich wenn er dazu
helfen wollte, daB die Pfarreien und Pradikaturen mit gelehrten
Mannern beetzt wiirden, denn alles Heil wirket das Wort Gottes.
In dieser kraftigen Weise redete die unerschrockene Frau, in-
dem sie jede Aussage mit Bibelstellen begrundete. Aber ihr
Wort verhallte, es soUte noch lange wahren, ehe die evangelische
Lehre auch in Pfalz-Neuburg eine Statte fand. —
Die Universitat, die offenbar in groBer Verlegenheit war,
schwieg noch immer. Am 11. November 1523 beschloB man zu
Eolde, Arsacins Seehofer und Argula yon Grumbaoh. 107
warteuv bis der Kanzler Leonb. v. Eck nacb Ingolstadt kame, und
als dies wahrscheinlicb nicbt gescbab^ einigte man sicb am
21. Februar, als die Sacbe von neuem zur Spracbe kara, dabin,
an den Farsten eine Bittscbrift zu ricbten, dergleicben Scbmah-
scbriften, wie sie von Argula v. Stauffen ausgegangen, zu ver-
bindern^).
Aber eine Antwort sollte sie docb erbalten, wenn aucb
nicbt von Rektor und Senat, so docb von einem Mitgliede der
Hocbscbule:
„So bin ich Johannes genennt
Zu Ingolstadt ein frey Student
Eiu Burger ssohn von Landshut^
Dieser junge Mann sab sicb gemufiigt, in einem „Sprucb
von der Staufferin ibres Disputierens balben" die Ver-
teidigerin Seebofers in groben Knittelversen zu verbobnen*):
Fraw argel ist ewer nam
Vil ergcr das ir ane scham
Vnd alle weiplich zucht vergesssen
So freuel seit vnnd so vermessen
Das Ir euer FUrsten vnd herren
Erst wolt ein en neuen glauben lenien
Vnd euch daneben vnderstet
Ein gantze Vniversitet
Z& straffen vnd zu verschnmpfieren —
wabrend sie docb nacb dem Apostel Paulus, weil Eva nicbt
Adam zuerst Gottes Gebot libertreten bat, scbweigen, nicbt
lebren, sondern das Haus regieren soil
Vnd in der kirchen schweigen still.
Sehet nun mein liebe Sibill
Wie ein frech vnd wilt thier ir seit.
Ibr Abgott ist der „Martan luder, der abtrunnig und los
Bruder", der mit sicb selbst im Streite ist,
Vnd was im heut gar wol gefelt
Morgen so baldt wider abstelt
Noch sprichstu blinde kobel, fort
Als das er schreib sey gottes wort
1) V. D ruff el a. a. 0. S. 57 Anm.
2) Ein Spruch Von/der Staufferin lines disputie/rens halben./ Tjtel-
bordtire, o. 0. u. J., 4 BL, letzte Seite leer. (Munchen. Universitatsbibl.)
108 Kolde, Arsacius Seehofer und Argala voo Grambach.
Er vnd Philippus melanthon
Die zween stern in septendriou
Die da leuchten wie schwartze kohlen
Felschen die schrift gantz vnuerholen.
Daiui spottet er liber den „inaister Palatein" (Spalatin),
der ihr solches eingegeben, den groBen Helden, der ihr das
Maul mit Liigen schmiere. Aber das Kind habe einen andern
Namen.
Ich merck erst was dich wol behagt
An Lathers leer und seinen worten
Das er eucb weibern offt^) die pforten
Der vnzucht vnd der buberey
Die Ee zerbrechen frisch vnd frey
Vnd vmb ein bosz wort oder rauffen
So baldt von aim zum andern lauffen
Ich sag bei meiner trew vnd ayt
Das ich von der weyber keuscbayt
Die Luthers schrifften hangen an
Gar nichtz guetes halten kan.
Ja er geht in seiner bubenhaften Frechheit noch weiter
und schiebt dem Eintreten flir Seehofer geradezu unzuchtige
Motive unter:
Daher kumpt auch dein grosz mitleiden
Vnd gefelt dir filleycht an der schneiden
Arsacius im krausen har
Ain jungling von achtzehen iar
Derhalb du im sein sach thuest gelimpfen
Snnst wiirdest dich wol darab rlimpfen
Merck nun mein liebe argel traut
Wie bistu sogar ein arge haut
Das du vns mit der schrifft wilst schrecken
Dein schaudt vnd boszheit mit zudecken. — —
Wiltu aber mit eren bestan
So stell ab dein muet vnd gut dunckel
Vnd spin dafur an einer kunckel^)
1) OfTnet.
2) Hierauf beruht wohl die bei Spateren sich findende Erzablung,
daB Joh. Eck auf Argulas Herausforderung zur Disputation ihr einen
Spinnrocken geschickt habe. Eck war aber wahrend des ganzen Handels
in Rom, und mit Unrecht lafit die Fhigschrift „die luterisch Strebhatz"
(bei Schade, Satiien und Pasquille, Hann. 1863, III, 121) ihn bei der Yer-
nrteihing Seehofers eine Rolle spielen.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 109
Oder strick haubeD vnd wirck borten
Ein weyb solt nit mit gottes worten
StoltziereD vnd die maoner leren
Sender mit Madaleu zu boren — — —
Vnd kummet mit diser sacb nit wider
Ir ligt mit alien ewern ketzern nider. —
DerTon warroh, aber was „ Johannes" vorbrachte, wirdsicher
die Auffassung der durch Argulas Eingreifen in ihrem akademischen
SelbstbewuIJtsein schwer gekrankten Ingolstadter Gelehrtenwelt
entsprochen haben\). Indessen der Dichterling kam libel an.
Frau V. Grumbach war ebenso gewandt in Versen wie in Prosa.
Flags schrieb sieeineherzhafte,,Antwortin GedichtsweiC"^).
Nicht ohne Grand wirft sie dem Dichter Feigheit vor, da er
seinen Nanien nicht nenne, und erklart sich bereit, ihre Sache
auf einem Tage zu Ingolstadt oftentlich zu vertreten:
In gottes namen heb ich an
Zu antworten dem kiinen man
Der sich Joanuem nennen th&t
Zaygt mir an er sey von Lantzb&t^
Dasz ich wissz zuerkennen in
Acht wol, es hab ain andern syn
1) Der Unwille iiber sie klang in Ingolstadt noeh lange nach. Der
Jesait Jakob Gretser, f 1625, nannte sie eine lutherische Medea odor Furie,
ein von wiedertauferischem Gift angestecktes Weib (in Defensio Bellar-
mini T. I, L. II c. 2, nach Rieger, Argula S. 22), der Universitats-
annalist Mederer bezeichnet sie noch 1782 als mulier nasutula. — Risn a
nonnullis, ab aliis commiseratione excepta cpistola; Argula vero pro fatua
muliere ab omnibus passim in urbe traducta est (Annales p. 118). In-
teressant ist auch das Urteil Prantls aus dem Jahre 1872 I, 154 Anm.:
,,Da6 Argula in ihrer Weise wirklich bibelfest war, zeigt sie durch die
vielen StUcke des alten und neuen Testaments, welche sie in voUen
Handen ausgiefit. GewiB auch hatte sie wie jeder Mensch die Befngnis,
ftir ihre innerste Gemiitsangelegenheit begeistert zu sein, aber durch ihre
Cberreiztheit liefi sie sich zu einem Vorgehen hinreifien, welches ihr als
Weib nicht znstand."
2) Eyn Antwort in/gedichtB weisz, ainem ausz d'/hohen Schul zu
Ingol/stat auff ainen sprucb,/newlich vo jm ausz/gagen, welcher/hynde
dabey/getruckt/steet./Anno. M.D.XXiiij./ Rom, x / So mann von hertzen
glawbt, wirt/man rechtuertig, so man aber mit de/mundt bekennet, wirt
mann selig./Argula von Grumbach,/geboren von Stauff./ Rlicks. d. Titelbl.
bedruckt. 14 Bl. 4^ Letzte Seite leer. (Muncheu H. u. St.-Bibl. Ntirn-
berg. Germ. Mus.)
110 Eolde, Arsacias Seehofer und Argala von Grnmbach.
An das liecht nit recht furher gat
Der selb Student zu Ingelstat
Nit gar so frey als jr etich rumpt
Het sonst ewerri nam nit so yerplumbt. —
Mit dysem nam seind ^il getaufft
Ey lieber doch herfiir recht lanfft
Seyt jr ain redlich Ohristlich man
Zu Ingolstatt trett auff den plan
Auff eynen tag der euch gefelt
Hab ich geirrt, das selb erzelt.
So ir mir gottes wort berbringt
Volg ich, wie ain gehorsam kyndt
Zaygt mir mein irrsall redlich an
Wie sich gepurt ayra Christenman
Darvor drey wochen oder vier
Denselben tag em en net mir
Damit auch ander khommen her
Zu horen was mein sach da wer.
Gar fr5lich will ich zu euch gan
Seyt dass trifft Got mein herren an.
Von dem Herrn selbst aus der Schrift weifi sie, dafi sie sich
nicht zu fiirchten braucht, und er ist es, der den Seinen seinen
Geist gibt, die Bauern und die Weiber nicht ausgeschlossen,
denn es ist nicht so, wie jene behaupten,
dasz er st5ll
Sein gayst so in ain engen stall
So ainer nur ain blatten mal — —
Wer seind doch die Aposteln gewesen
Wo hands in hohenschulen gelesen.
Darauf kommt es an, wie sie mit vielen Schriftstellen be-
legt, dafi wir von Gott gelehrt werden und seinen Geist in uns
wirken lassen, nicht auf ihre Dekretalien, die nur vermaledeien
und verbannen, oder „Skotus mit seiner subtilitet, da weniggott-
lichs Wortinsteet," oder dem „maister von hohen synnen". Und von
der Abwehr geht sie zum Angriff tiber gegen die Gelehrten, die
das Wort Gottes verdunkeln und gegen ihr ungeistlich Leben:
Dieweiyl jr gottes wortt vertruckt
Schendt got, die seel zum Teiiffel zuckt
Will ich es gar nit vndterlassen
Zureden im hausz vnd aufP der strassen
Sovil mir Got gnad drin gibt
Will ichs taylen meym nachsten mit
Rolde, Arsacius Seehofer und Argula von GroiDbacb. HI
Paulas mirs nit verspotten hatt
Wo go ties wort im schwaDuk nit gat
Wie es dann layder bey vos steet
Ey liber Hans spart ewer redt
Nempt euch ein exempel darvon
^ Wie Balaamd Eszlin hat gethan etc.
Welter beruft sie sich auf Judith und Deborah.
Darumb so zUrnet nit so hart
Ob Got noch yetzt wurde weiber schaffen
Die euer hoffart musten strafeu.
Wie frliher tritt sie fiir die Gottesmanner Luther und Me-
lanchton ein, die sie doch nie gesehen habe. Sie glaube nicht
an Menschen, wie man ihr vorwirft:
Auf gottes wort will mich verlassen
An dysem felsz werdt jr euch stossen.
Wiird mich nach kaynen sehen vmb
Wo er mit seinem glawben hyn khum
Ob er fall ja hyn oder her
Will mich nur halten an Gotsz leer.
DaU sie Verfolgung leiden muC, bringt ihr keine Bitterkeit,
auch wurde sie schweigen, wenn man nur sie allein angetastet
hatte, wie sie denn auch den schnoden Angriff auf ihre weib-
liche Ehre mit Verachtung straft und ihn nicht beruhrt, aber
So ir wolt gottes wort verletzen
Will ich mich starck darwidersetzeu.
Wir erfahrein hier auch, dafi sie ihre Gegner hier und da
persSnlich zur Rede gestellt hat:
Gar offt hatt sich vor ainer vermessen
Er woll mich auff der Cantzel fressen
So ich jm vndter angen kam
Gar wenig schrifFt von jm yernam
Ir prob ist, ich verstee es nicht.
Sag ich, taylt mir ewer weyszhait mit
So khommens mit der gunckel her
Das ist gar fast in (ir) aller leer
Dyser mayster von hohen synnen
Will mich lern hauszhaben vnd spinnen
Th& doch taglichs darmit vmbgan
Dasz ichs nit wol vergessen kan
Auch Christus mir dabey erzelt
Sein wort zShorn seysz best erwelt. —
112 Kolde, Arsaciag Seehofer und Argula von Grumbach. '
So gebt YDS auch noch ayn beschaydt
Zu dienen iu gehorsamkayt
Vnd unset mann halten in eern
Es wer mir layd solt ichs verkern
Mein hertz vnd gmut darz& gnaygt ist
Z& dienen jm z& aller frist
Geborsamlich mit gantzer frewdt
That ich es nit es wer mir laydt
Acht auch darfiir es sey am tag
Dasz er fur vber mich kayn klag
Hoff gott wer mich auch lernen wol
Wie ich mich gegen jm halten soil
Wo er aber mich wollte driiigen
Von gottes wort treyben vnd zwingen
Dasz ich daruon uichts halten solt
Welches jr auch gar gem wolt
Findt ich Mat the! gschriebn stan
Am zehenden da lest daruon
Ja dasz wir miesten tretten ab
Yon kindt; hausz, hoff; vnd was ich hab
Wers vber jn liebt steet gar frey
Derselbig sein nit wirdig sey
So ich gotszwort verlaugnen solt
Ee ich das alles verlassen wolt
Ja leyb vnd leben ergeben frey
Da mir mein seel nit lieber sey
Dann mir ist auch mein herr vnd got.
Und mit groBem Ernst warnt sie die Lasterer Gottes vor
dein schweren Gerichte, das sie treffen wird, wie sehr sie auch
jetzt alle Menschen loben.
Darumb last ab vnd seyt besindt
Auff dysz mal nym gnSg daruon
Bisz er herfiir dritt auff den plan
Von Balaams Eszlin nempt zSgSt
Mein lieber Joannem von LantzhBt
Wills Got, nachdem ain anders.
Aber der studentische Gegner trat nicht auf den Plan und
Frau Argula hatte nicht notig, ihrem „ersten Gedicht** ein zweites
folgen zu lassen.
Als diese Schriften erschienen ^), war die Frage nach der
1) Will man eine Bemerkung in Argulas Gedicht, wonach sich der
Ingolstadter Student „ain gantz jar bedacht" genau nehmen, waren die
Spottverse erst nach Mitte 1524 erschienen.
Eolde, Arsacins Seehofer und Argula von Grambach. 113
Berechtignng der Verurteilung Seehofers bereits in weiteren
Kreisen in FluB gekoramen. Gute Freunde des Verurteilten
sorgten dafiir, seine Satze in deutscher Sprache zusammen mit
der ihm abgezwungenen Abschworungsformel bekannt zu machen.
Ein kurzes Nachwort machte den christlichen Leser noch be-
sonders auf die Verleugnung des Apostels Paulas durch Ver-
werfung der letzten Artikel aufmerksam^). Offenbar eine Ent-
gegnang hierauf war eine zweite Veroffentlichung, gleichfalls in
deutscher Sprache, die jedem der sehr ungenau und ungelenk
tibersetzten Artikel eine kurze Rechtfertigung seiner Verwerfung
beifiigt^). Dafi sie zum mindesten rait Vorwissen der UniversitUt
ausgegangen ist, wird trotz der spateren Ableugnung kaum zu
bezweifeln sein. Sie macht durchaus den Eindruck einer offi-
ziellen Kundgebung. Gleich zu Anfang werden samtliche bei
dem Verfahren gegen Seehofer beteiligten Personen aufgefiihrt,
und am SchluB riihmt sich der ungenannte Verfasser, den Beweis
erbracht zu haben, dafi Seehofers Satze „aus angezeigten in der
heiligen Schrift gegriindeten Ursachen" als ketzerisch anzusehen
sein, und ihr Urheber rait Eecht „von uns bezwungen worden",
1) Diss seint die artickel, so ma/gyster Arsacius sehoffer von/MUnchen
durch die hohen-/schul za Ingelstat beredt am/abent vnser frawen ge-
burt/nechst verschinen wider-/ruflfen vnnd ver-/worffen hat/MDXXiij./
Actum./Ingelstat./ Mit Titeleinfassung, 4 Bl. (Vorh. z. B. MUnchen. H.-
n. St.-Bibl. Universitatsbibl.) Andere Drucke bei Waller, Bepertorium
Nr. 2343 ff. Wenn Planitz, was allerdings nicht genau ersichtllch ist, am
31. Okt. dem KiirfUrsten die gedruckten Artikel ttberschickte, miiOten
sie in der zweiten Halfte des Ok^ober ausgegangen sein. Planitzbriefe
S. 49.
2) Sybentzehen Artickel/so die Doctorn, der Wolberumbte/Vniver-
sitet Ingolstatt, fUr ketze-/ri8ch verdammet, vnd Mayster/Arsacij Seehofer
von Mtin-/chen ofFenntlich an Ynnser/frawen gepurdt abendt/ widerruefft
hat. jnn Idem 1523 jar./ AmSchlufi: Finis/. Mit Titeleinfassung, Titeh-tlck-
seite bedruckt. 4 Bl. in 4^ Nach Albrechts Mitteilung in Luthers Werken
Weim. A. 15, 98 vrh. z. B. St. Gallen Stiftsbibl. MUnchen, H.- u, St.-Bibl. Gegen
Albrechts Meinung (ebda. S. 97), daB diese Veroffentlichung nur in einer
Ausgabe bekannt geworden sei, bemerke ich, dafi die Miinchener H.- u.
St.-Bibl. noch eine zweite Ausgabe besitzt: „Sibentzehen Artickel so die
po-/ctorn, der Wolberuembten Unfversitet/Ingolstatt, fiir Ketzerisch ver-
dammet, vnd/Mayster Arsacij Seehofer vo Miinchen/offentlich an vnser
Frawen geburt/Abent widerrufft hatt, in/dem 1523 Jar./ Am SchluB/Finis/.
Ohne Titeleinfassung, Titelruckseite bedraokt. 4 Bl. 4^
Beitrage ssur bayer. Kirchengeschichte XT. 3. 3
114 Eolde, Arsacias Seehofer and Argala von Grumbacb.
die zu widerrufen, und er zu einen abschreckenden Beispiel
„nach Ausweisung der geistlichen Rechte, in einem iiarten Kloster
furder beschlossen sein soil."
Nun hielt auch Luther es an der Zeit, in die Sache einzu-
greifen. AnfangJanuar 1524 hatte Argula an ihn geschrieben,
und voll Freude dariiber schickte Luther den leider nicht er-
haltenen Brief, in dem sie ihm auch intime Mitteilungen uber
ihre innere Entwicklung und ihre schweren Sorgen gemacht haben
muB, an den damals in Nlimberg weilenden Spalatin mit der
Bitte, sie einstweilen inseinem und Christi Namen zu trosten^).
Wie hochersieschatzte, spracher etwaEnde Februar auch in einem
Briefe an Joh. Brismann aus. Sie, die den grofieu Kampf mit
hohem Geiste, erfiillt vom Worte und der Erkenntnis Christi im
Bayerlande fiihrt, gilt ihm wert, daC alle fiir sie beten, daC
Christus in ihr triumphiere, denn sie ist sein besonderes Werk-
zeug^). Vielleicht hatte er durch sie jene kummerliche Ver-
teidigungsschrift, den „ZeddeI", wie er sie nennt, erhalten und
alsbald setzte er sich daran und schrieb seine Schrift: „Wider
das blind und toll VerdammniB der siebenzehn Artikel
von der elenden schandlichen Universitat zu Ingol-
stadt ausgangen"^).
Ihm kam es offenbar weniger darauf an, die Christlichkeit
.der dem Seehofer vorgeworfenen Artikel darzutun, — denn mit
dem 15. und 16., diezum mindesten misverstHndlich sind, ist er
selbst nicht zufrieden und von dem letzteren sagt er: „Dieser ist
wol ein wenig zu hui, aber doch nicht ganz falsch" — , als viel-
mehr zu zeigen, wie iiber alle MaBen toll und ungeschickt der
..Versuch der Ingolstadter Gelehrten ist, Seehofers Aussagen aus
der Schrift zu widerlegen, wie jene sich selbst widersprechen, nicht
zu belehren, sondern nur zu bannen verstehen. So gieBt er denn
1) Mitto ad te optime Spalatine, litteras Argulae, Christi discipulae,
ut vldeas et gaudeas cum angelis super una peccatrice iilia Adam con-
versa et facta filia Dei. Tu quaeso, si potes earn attingere, nomine meo
salutes, et in nomine Christi consoleris. Nam et ego quaere qua ad
earn pertingam, scripsissem jam, si certus fuissem per te posse litteras
ad illam venire. Enders, IV, 274. Vgl. S. 295.
2) Ebenda IV, 293.
3) Weim. Ausg. XV, 95 ff. DaB Luther iibrigens auch den latei-
nischen Urtext der Seehoferschen Artikel kennt, ergibt S. 121, 20.
Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbacb. 115
mit derben Worten die ganze Schale seines Zornes fiber sie aus,
indem er bei jedem Pankte den betreffenden Satz Seehofers
mitteilt, darauf die Ingolstadter Beweisfuhrung und dann seine
Glosse dazu folgen laCt. „Man hat, so schliefit er, bisher der
. Bayern mit den Sauen gespottet^). Nun hoffe ich, wird es besser
mit ihnen werden. Denn dieser Zettel truge mich denn, so
dunkt mich, alle Saue in Bayerland sind in die beruhmte Schule
gen Ingolstadt gelaufen, und Doktorn, Magistri und eitel be-
ruhmte Universitat worden, das hinfort eines besseren Ver-
stands im Bayerland zu hoffen ist. Erlose und behute Gott
Bayerland vor diesen elenden blinden Sophisten."
Wie diese Anfang April 1524 erschienene Schrift^), in der
auffallenderweise Argula v. Grumbach mit keiner Silbe erwahnt
wird, in Ingolstadt aufgenommen worden ist, wissen wir nicht,
wohl aber wissen wir, daB eirie andere wahrscheinlich schon Anfang
des Jahres bekannt gewordene Schrift zugunsten Seehofers^),
die ubrigens nicht durch die Ingolstadter Verteidigung, sondem
nur durch den ersten Druck seiner Satze hervorgerufen ist, die
Gelehrten beunruhigte.
Der uns wenig bekannte Verfasser*) nennt sich „Martinus
1) Scbon Heinrich Bebel scbreibt (Adagia Germanica Argentor. 1508):
Bavaros enim sues vulgns vocat ob maximum eorum in Bavaria proventum.
Andere Beispiele bei M. Plant, Deutsches Land und Volk im Volks-
mund. Breslau 1897. S. 79.
2) Ygl. Ha rtf elder, Melancbtboniana Faedagogica. Leipzig 1892.
S. 135.
3) Die Artickel warumb der rector/ vnd Bethe der Hohenschul zu
Ingolstatt zwungen vnd genottigt haben zum wi-/derspruch Mayster
Arsacium See-/hofer von Miincben, mit sampt/dcs lauts der widerruffung/
vnd seyner erklerung./Die erklerung der Sibenzehen Artickel, durch/
Mayster Arsacij von Mtlncben Christlich gelert, vn/wie vnbillich, vnd
wider Gott eer gezwungen/ist. zu widerspruch durch den Rectorn vnd/
Bathe der hohenschul zu Ingolstatt/mit sampt dem lauti seyner wi-/der-
ruflfung, aynem yetlichen wol zu behertze./. 24 Bl. 4<> Bl. 23 b u. 24 weiB.
4) Was bisher fiber ihn bekannt ist, hat 0. Clemen, Beitrage zur
Beformationsgesch. I, 41 u. 49, u. Nachtrag III, 109 zusammengestellt.
Dazu bemerke ich, da6 die betreffende Predigt Freybergers unter dem
Titel „£in bruderlich ermanung^ 1523 zu Landsbut erschien, und dai3 er,
wie ich inzwischen durch Herrn D.N. Paulus in Miinchen erfahren habe und
wodnrch Argulas Angabe (s. oben S. 69) bestatigt wird, in einer andern
Schrift Ad Curam animarum . . . collecta (Landshut s. a.) sich nennt
8*
116 Kolde, Arsaoins Seebofer and Argula von Grumbach.
Reckenhofer zu Clausen", worunter jedenfalls Clausen in Tirol
zu verstehen ist. Da er davon spricht, „in dreiCig Jahren" viel
Doktoren und Schriften gehOrt und gelesen zu haben, war er
kein junger Mann mehr, gleichwohl mufi er am Ende des zweiten
Jahrzehnts sich noch einmal in Wittenberg aufgehalten haben *)i.
Denn er hat bei Luther gehort und weiB in einer seiner Schriften
davon zu erzahlen, wie dieser sonderlich „ein predigblichlein
der Tawler genannt im deutschen, uns tzu erkaufen ermandt yhnn
der schul," auch daU er oft gesagt, „das seyn kunsfc mer yhm
gebenn sey auss erfahren denn lesen." .Er spricht es als seine
Uberzeugung aus, „das keiner raag kumen tzum rechten ver-
standt des warenn glaubens, Er less den dye bucher tzu Witten-
berg geschriben oder sey eyn zeyt lang daselb gewesen. Do
ist der rechtt chrichlich glaub uff gangen, den keyn schul yn
vyll hundert jaren gewiss noch erkennt hat 2)." Dieser Mann, der
das Bayerland sehr genau kennt und auch schon im Jahre 1623
„ alien christlichen briidern liebhabern der Euangelischen leer,
wonhafft hin vn her zerstreyt im Bayerland, Nemlich [nament-
lich] zu Freysing" eineSchrift gewidmet hatte, die sich gegen
eine von dem Domherrn Joh. Freiberger gehaltene Predigt
richtete^), will auch jetzt in erster Linie diejenigen trSsten,
deren Herzen durch den Widerruf „der laut erschoUenen christ-
J. Freyberger ex Vohbiirg . . . canon. Frisengen. et pastor plebis S. Petri
in Vohbtirgk — quondam Pataviensis ecclesie praedicator. ~ Wenn Winter,
I, 148 unter Berufang auf Gem einer, Reformationsgesch. von Regens-
burg 1792, S. 15 Reckenhofer alsPrediger in Freising bezeichnet, so be-
niht das offenbar anf einem Mi^verstandnis, das dnrch seine Schrift gegen
die von Freiberger in Freising gehaltene Predigt hervorgerufen ist.
Falls Reckenhofer in Clausen eine Anstellung gehabt hat, so kann er
hochstens Prediger oder Vikar gewesen sein, denn die Pfarrei besafi da-
mals Doktor IphofFer, Kustos und Domherr zu Brixen. Vgl. Sc hell-
horn, Ergotzlichkeiten aus der Kirchengesch., II. Bd., 5. H., S. 247.
1) In der Wittenberger Matrikel findet er sich nicht, ebensowenig
habe ich ihn in Erfurt, Leipzig und Tubingen gefunden. Wahrscheinlich
hat er in Ingolstadt studiert, dessen Matrikel leider noch immer nicht
herausgegeben worden ist.
2) Vgl.. Clemen, a. a. 0. I, 50f.
3) Ebenda S. 49. Ebendas. S. 41, iiber die aus demselben Jahre
stammende Cbersetzung der Historic von dem Martyrertode der Augustiner
in Brtissel.
Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 117
lichen Lehre" erschreckt sein. Sie soUten sich vielmehr freuen,
daU des Teufels Grobheit und Arglist an den Tag gekommen
sei, denn was die Magistri nostri beschlossen, sei fiir gut und
heilig gehalten worden. Dawider durfte man nicht husten bei des
Endchrists Ungnad und Bann. Aber die Sophisterei hat ein Ende.
Der barmherzige Gott hat woUen das Licht seines heiligen
Glaubens aufstecken im Bayerland. Aber das Nachtgefleder mag
nicht dulden den hellen Schein, fliegt gewohnlich bei Nacht.
Dem Arsacius Seehofer ist der Fall geschehen, vor dem Christus
warnt, Matth. 7, 6: „Gebt nicht die Heiligkeit den Hunden,
werft nicht die Margarithen vor die Saue, daB sie*s nicht zer-
treten und fahren herura und zerzerren euch. Wir wollen aber
aufl5sen die Margarithen und mit Gottes Hilfe und Gunst wiederum
auspolieren, und befehlen den Kindern, den Schweinen aber ihre
Treber und Eicheln lassen".
Es handelt sich dabei nicht nur um Seehofer, sondern um
alle Pfaffen und Monche, die grausam und schmahlich das ein-
faltige arbeitsame Volk bei ihrem Irrsal und Unglauben behalten,
gibt es doch kaum mehr Abgotterei und Wallfahrten als in
Bayern, wohin auch Fremde gelockt werden, „als ist Sannt Wolf-
gang im Gebii'ge und in der Schwindau/), zu Sant Leonhart, auf
den heiligen Berg Andechs, zu Sant Ruprecht zu Salzburg, zu
unserer Frauen zu Bayrotting, zu Wozeii (Bozen), zu Tunten-
hausen und yetzo zu der schonen Marien. Dahin lauft das un-
verstandige Volk und opfert Gold und Silber, das alles kommt
aus Unwissen des wahrenEvangelii". Deshalb will er zeigen,
wieviel Gift die Widerrufung Seehofers enthalte. Satz fiir Satz
nimmt er vor und geiBelt mit scharfen Worten das unchristliche
Verfahren der Ingolstadter, wobei sich der Verfasser auch mit
der Geschichte des bisherigen Verfahrens gegen Luther sehr
vertraut zeigt und sich gelegentlich, so fiir die Behauptung, dafi
man sich der Siinde nirgends weniger schame als in Rom, auf die
Schriften Karlstad ts beruft. Mit der Verurteilung der Satze
Seehofers haben die Ingolstadter so grob und ungeschickt sich
benommen wie die Vater auf dem Konzil zu Kostntiz (und Basel),
die Johannes HuC und die andern verdammten, „als klar aus
1) Winidau im Isarwinkel?
118 Kolde, Arsacius Seehofer imd Argula von Grambach.
dem Buch ihrer Handlung durch Eneum Silvium beschrieben und
kttrzlich gedrucktist/ Dann sncht der Verfasser unter ausflihr-
licher Begriindung aus der Schrift die Christlichkeit der einzel-
nen Artikel darzulegen, oder wie sie christlich zu deuteu sind.
Besonderen AnstoB nimmt er wie der erste Herausgeber der
Satze Seehofers an der Verwerfung des wunderlichen, wahrschein-
lich auf einem Mifiverstandnis Melanchthons^) in seiner Vorlesung
iiber den IL Korintherbrief beruhenden 17. Artikels, den Luther
.wie erwahnt als „zu Hui-* gemacht bezeichnet hatte: „Das
Evangelion Christi nicht ein Geist sei, sondern Buchstaben."
Auch hier sucht der Verfasser die SchriftgemaCheit der Aussage
festzuhalten. AUe Qebote und Verbote Gottes im alten und
neuen Testament, auch die Christus im Evangelium gebeut, sind
totender Buchstabe, weil wir sie ob der in uns befindlichen Be-
gierde und Widerspenstigkeit nicht halten, solange der Geist Gottes
uns nicht zu Hilfe kommt, und alle VerheiCungen die Abrahams und
seine Nachfolger erhalten haben, sind Evangelium, denn sie deuten
alle auf Christum und sind in ihm voUbracht. Und das Evan-
gelium ist nicht das geschriebene Buch, „die Stimmen in den
Ohren, oder Wissen der Vernunft, sondern das Wesen und Geist
im Herzen." Um dies noch klarer zu machen^ stellt Reckenhofer
Satze aus dem Neuen Testament zusammen, die nach ihm „Buch-
stabe" sind, wie: „Nit ziirn mit deynem bruder. Fluch nitracha
oder narr dein bruder. Beger nit ains andern eeweybs im sehen.
Brichs auge ausz, die handt schlahe ab die ergert, haue den
fuesz ab." etc.
Wer das tue der ist selig, wer nicht, der ist verdammt
Diese Gebote Christi sind aber der menschlichen Natur zuwider,
folglich mufi sie verdammt werden, „also ist klar, daB das Neue
Testament auch Buchstabe ist, der tote ..."
Dem stellt er nun den Geist Gottes oder lebendig machende
Sprlichedes.Evangeliums gegenfiber: Ich erkenne mich als einen
Siinder und untlichtig. Ich kreuch zum Kreuz, rufe um Hilfe zu
Gott. Ich glaube und vertraue Christo allein und verhoffe in
sein Verdienst. Ich hore nicht auf zu schreien zu Gott, so lange
11
^ 1) Wie Melaachthon II. Eor. 3, 6 in den locis behandelte, siehe
meine Ausgabe, 3. Aufl., S. 153,
Eolde, Arsaeins Seebofer und Argula von Grumbacfa. 119
ich einen schnelleren Willen meines Gemiites empfinde zu Gottes
Geboten. Ich nehrae auf raich das Joch und Krenz und lerne
und trage, so lange es mir gering und siiC wird. Gott will nicht
den Tod des Sunders. Gott will, dafi alle Menschen selig werden.
Wer glaubt und getauft wird, wird selig.
„Also macht der Geist den Siinder rufen mit unaussprech-
lichem Seufzen. Also treibt er und geistet in den Kindern Gottes
und macht ihnen verdrieBlich dies sterblich leben, das die Natur
liebt und belustigt und macht ihn begierlich bei Christ zu sein.
Also meine ich, sei verstandlich, daC nicht allein Moses Gesetz,
sondern auch das Evangelium Buchstabe sei."
Dieser scharfe Angriff Reckenhofers, der am SchluB noch
einmal liber die Aussaugung gerade der Bayern durch die Pfaffen
klagt, so daU Witwen und Waisen Mangel leiden, „deren Blut
auch Tag und Nacht Rache schreit uber die voUen Pfaffen,
Monche und Nonnen," hat in Ingolstadt oiFenbar, wie schon be-
merkt, sehr peinlich beriihrt ^). Zudem war Joh. Eck inzwischen
aus Rom zuriickgekehrt und mit ihm, dem gefeierten Bekampfer
der lutherischen Haresie, auch neuer Eifer. Jetzt sollte mittelst
einer grofiartigen Disputation die Haresie der Seehoferschen Satze
vor aller Welt kundgetan werden. Die Professoren 'Eck, Hauer
und Burckhardt erhielten Vollmacht, nach Gutdiinken zum From-
men der Universitat alles einzuleiten. Einen Augenblick dachte
man an einen groBen Zulauf von Fremden, scheint sich aber
bald davon iiberzeugt zu haben, daB dieser, wie die Dinge lagen,
schwerlich eintreten wiirde^); und wenn man spater in dem offi-
ziellen Bericht in den Universitatsakten die Sache so hinstellte,
daB keiner von den Ketzern den Fiirsten um Geleit angegangen
habe, was ihnen ohne Zweifel gewahrt worden ware, so wider-
spricht dem schon eine andere in demselben Akte sich findende
Notiz, wonach die Universitat den Fiirsten um freies Geleit fiir
die Teilnehmer ersucht, dieser dem Ansuchen aber nicht ent-
sprochen habe^).
1) Das ergibt sich daraus, daB in der Ingolstadter Disputationsein-
ladung (s. w. unten S. 121 Anm.) deutlich gegen ihn polemisiert wird.
2) Druffel, S. 653.
3) Prantl, II, Nr. ^7. Dafi die Disputation, wie Mederer 1,127
behauptet and auch Prantl annimmt, eine Antwort auf Luthers Scbrift
120 Kolde, Arsacias Seehofer and Argala you Grumbach.
SpatesteBS in der ersten Halfte des Marz lieUen die Ingol-
stadter, speziell die Theologen Dr. Leonhard Marstaller aus
Niirnberg und Dr. Nikolaus Apell .aus Egweil ihre Einladungs-
schrift ausgehen^). Sie war merkwlirdig genug.
Nach einer hochtrabenden Aufforderung an die Gegner, an
der Disputation, in der die rechtmaUige Verurteilung der hare-
tischen Satze Seehofers erwiesen werden soUe, teilzunehmen^),
und der Behauptung, dafi diese durch einen Schurken in deutscher
Sprache unvollstandig und nicht getreu wiedergegeben seien,
werden die widerrufenen Artikel in lateinischer Sprache abge-
druckt. Da ihre friiher erschienene deutsche Widerlegung, die in-
zwischen unbequem geworden war, am Schlufi durch eine deutsch
geschriebene Kundgebung nunmehr abgeleugnet und als eine Er-
gewesen ist, ist cbronologisch unmdglich, da die Ingolstadter Einladaugs-
schrift in der ersten Halfte des Marz ansgegangen sein mu6, weil das
Vorwort der Gegenschriften von Stratus und Billicanus (s. u.) vom
31. Marz bezw. 1. April datiert sind.
1) Ingolstadii XI. A/prilis anni praesentis vicesimiquarti, pu/blica
disputatione per Sacre theologie / professores axaminabuntur./Septendecim
articuli per M. Ar-/satiuni Seebouer nuper reuocati./Centum Conclusiones
per D. Leo-/nardum Marstaller Nurnbergen8em,/de vera Libertate Christi-
ana./Septuaginta quinque Assertiones/per D. Nicolaum Apell Aeguelum
de/Fide, Spe, Charitate, ac legis Veteris/cum Euangelica collatione./
Super omnia vincit veritas./3 Esdrae. 3, et desyderinm pec/catoriim peribit.
ps.111./ Titeleinfassung, Titelrtickseite bedruckt, 16 Bl. iui^. Letztes Blatt
leer. (Mtinchen. H.- u. St.-Bibl.) Ein Nachdruck unter dem Titel: Ingol-
stadij/XI. Aprilis anni pre|sentis vicesimi quarti publica dispu/tatione
per Sacre tbeologie. pro/feesores examniabuntur (!)/etc. 16 Bl. 4^ Letztes
Blatt leer, in der Mtinchner Universitatsbibl. Davon erschien eine scblechte
tibersetzung: Zu Ingelstadt auff den/aylfften tag des Aprils des gegen-/
wertigen vier vnd zwayntzigstn/jars werdenn durch der haili/gen schrifft
Doctores exam/miniert vn bewerdt./Sybentzehen Arttickel durcb/maister
Arsatiii Seehoifer/jUngst wyderruflft./Hundertt schluszredenn durch Doctor
Leon- /hart Marstaller Niiernberger, von/der waren Christenliche frey-
hait./Ftinff vnd sibentzig maynung vn proposition /durch D. Nicolau Apel
Aeguelum vom/glauben, hoflfnung, liebe, vnnd ver-/gleychung des altenn
gsatz mitt/dem Evvangelischen./Vber alle ding vberwyndt die warhaitt/
3. Esdre. 3. Vnnd die begird der slln-/der wiirt verderben. Psalm 111./
1624./ 20 Bl. 4«. Letztes Blatt leer. (Universitatsbibl. Mtinchen.)
2) Adsint ergo insani vitiligatores, adsint indocti rerum theologi-
carum censores atque palam (quod honestas suadet) congrediantur*
Kolde, Arsacias Seehofer and Argala von Grambach. 121
dichtnng eines ^MiBgonners der Hohenschule" bezeichnet wurde,
konnte man jetzt eine ausgiebige Bestreitung erwarten. Aber
nichts von alledem. Marstallers 100 Satze von der christlichen
Freiheit galten nnr dem Nachweis, dafi die wabre christliche
Freiheit, wie sie die Schrift lebre, entgegen der angeblichen
Lebre Lnthers — Jener bestialischen Freiheit, welche die
Lutheraner, die Epikuraer unter den Christen erdichten" — den
Christen nicht von der schnldigen Unterwerfang unter ihre Oberen
and den Gehorsam gegen sie befreit. Daraus wird die Unter-
ordnung unter die weltliche Obrigkeit, vor allem aber unter die
in Petrus gesetzte geistliche Gewalt abgeleitet. Unter sehr loser
Bezugnahme auf Seehofers Satze, die niemals direkt herangezogen
werden, lauft das Ganze darauf hinaus, in den kiihnsten Be-
hauptungen den Nachweis zu fuhren, dafi alles und jedes, was
die romische Kirche lehrt und tut — bis auf das alleinige Vor-
recht der Bischofe, die Weihen der Priester und Kirchen und
die Firmelung vorzunehmen — auf gottlicher Anordnung beruht
und zu befolgen ist. Nicht viel anders* ist es mit den darauf-
folgenden Thesen des Nikolaus Appell De fide, Spe et Charitate,
wenn dieser auch bei seiner scharfen Zuriickweisung von Luthers
Lebre vom Glauben und der Glaubensgerechtigkeit mittelst der
hergebrachten scholastischen Definitionen etwas mehr auf See-
hofers Satze eingeht^).
Am angesetzten Tage des 11. April begann der feierliche
Akt mit einer Messe in der Marienkirche. Dann zog man in
1) Den Schlufi macben Collationes legis Mosaicae et Evangelicae,
ex Bcripturis sacris desumptae contra Blateronem quendam, qui erroneo
Bpiritu ductus omnem legem indiscriminatim, etiam Chrieti sacrosanctam
Evangelicam, litteram dici posteriore Pauli epistola ad Corinthios per-
peram intellecta, contendit. Diese AusfUhrungen richten sich offenbar
gegen Reckenbofer, wollen aber aucb Melaucbtbon treffen, so inTbese 12:
coDtra blateronem qui Paulum iion nisi grammatice interpietari novit
(Th. 12). Den Melancbthon bezeicbnet aucb Marstaller ob seiner Lebre
vom freien Willen (Tbese 74) rerum tbeologicarum prorsus iguarus. Sonst
werden nocb aufier Lutber mit Namennennung bekampft Carlstadt mit
seiner Scbrift de coelibatu, monacbatu et viduitate 1521 (bei Marstaller
Tbese 51) und Job. Lonicer, letzterer wie von Georg Hauer in seinen
Predigten wegen seiner Scbrift: Catecbesis. De bona Dei voluntate erga
quemvis Cbristianum. Deque sanctorum cultu et invocatlone. c. 152B.
122 Eolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
die Aula des altea KoUegiengebaudes, -wo der Magister Georg
Stenglein von Augsburg^) die Disputation mit einer Rede ein-
leitete. Hieruf verteidigte D. Leonhard Marstaller seine SM,tze, in-
dem der Magister Antonius Praun respondierte. Dazu brauchte
man noch den folgenden Tag. Erst am dritten Tage trat man
in die Verhandlung fiber die Satze des Apell, was wiederum
zwei Tage in Anspruch nahm. Da, wie die Universitatsakten
sagen, nur „einige Fremde, die jedoch sehr wenig von der luthe-
rischen HUresie befleckt waren" ^), erschienen waren, die Gegner,
,,die die Universitat wegen ihrer Verdammung der Artikel See-
hofers tagtaglich durch ihre Schriften und ubelwollenden Reden
h^rabsetzten," fehlten, so war man v5llig unter sich und war
das Ganze ein bedeutungsloses Schauspiel. Aber wenn auch
Luther und die Wittenberger sich nicht darum kummerten, so
blieben die neuen Ingolstadter Satze keineswegs unbeachtet.
Der erste, der sich mit einem schon am 31. Marz beendeten
Schriftchen dagegen wandte, nennt sich Hulderich Stratus Enge-
dinus und datiert seine' Schrift aus Rorach im Engadin^). Es
lag nahe, an einen von Seehofers schweizerischen ZuhOrern zu
denken, der fur ihn eintrat. Aber der Name Stratus ist Pseudo-
nym, und der Verfasser war kein anderer als der bekannte
Urban Rhegius*), der damals in Augsburg wohnte, und der
mehrfach pseudonyme Flugschriften ausgehen lieB^). Er mochte
1) tjber ihn, der spater Pfarrer in Mtinchen wurde, Mederer,
Annales 124.
2} Ad fuerunt . . . nonnulli advenae ab Lutberana tamen haeresi
minus contaminati. Prantl II, 175.
3) Adser/tiones arti-/cvlorum Ar/sacij Seehofer, con-/tra Ingol-
stadien/ses Damna/tores. Per Hvlderi-/chiim Stratum En-/gedinum./
M.D.XXIII./ Titelbordiire. Am Schlufi; Rorachio in Engedinis/ultimo
Marcij/Anno M.D.XXIIII. (Erlaugen. NUrnberg. Stadtbibl.)
4) Den Beweis dafiir erbringt die von mir schon frtiher bei meinen
Arbeiten iiber Billicanus gefundene Tatsache, dafi auf dem Titel-
blatt des Niirnberger Exemplars (Th. 557«) die' handschriftliche Wid-
mung zii leden ist : Theobaldo Billicano/Nordlingensis Ecclesiae Episcopo/
Ex dono V. Regij harum nugarum/, wozu autoris oder scriptoria zu er-
ganzen scin wird. Jedenfalls wird an des Rhegius Selbstbezeichnung als
Autor nicht zu zweifeln sein und ware damit eine neue ihm zugehorige
Schrift gefunden.
5) Vgl. iiber ihn als Simon Hessus 0. Clemen, Zentralblatt fiir
Bibliothekswesen Bd. XVII, S. 566 flf.
EoldOr Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 123
an der ganzen Sache noch ein besonderes Interesse haben, als
er in Ingolstadt studiert und dort wie Seehofer sich die Magister-
wiirde geholt hatte^) und die einzelnen Personlichkeiten, die
dabei eine RoUe spielten, sehr wohl kannte. Der christliche
Glaube und die christliche Liebe, so schreibt er am SchluB, ver-
anlaUten ihn, ftir die Sache Seehofers einzutreten, denn das sei
keine Privatarigelegenheit, ginge vielmehr alle an, die Chris#um
bekennen. Nur wenig geht er auf die Satze Marstallers und
Apells ein, denn die, deren Anker allein die kanonische heilige
Schrift ist, miissen die Schulmeinungen, wie scharfsinnig sie auch
vorgebrachtwerden, als somnia carnis verachten. Und mit scharfen
Worten schilt er den Hochmut der Ingolstadter Gelehrten und
ifire AnmaBung, rait der sie auf ihre Gegner schon in der Auf-
fordening zur Disputation als indocti rerum theologicarum cen-
sores und grammatisti herabsehen. Im librigen begniigt er
sich, die wahre Meinung der Seehoferschen Artikel, ihre
Schriftgemafiheit und Christlichkeit in kurzen Erlauterungen
darzutun. Feiert nur Triumphe, ruft er Jen en zu, schreibt
tiber euer KoUegium „venimus, vidimus, viciraus, vicistis enim
imberbem iuvenem, sed carcere potius quam scripturis". Da-
mit ist es aber nicht getan, er fordert vielmehr von ihnen,
daU sie sobald als moglich lediglich auf^Grund der Schrift
Rechenschaft ablegen sollen tiber ihr Tun, sonst wtirde er sie
mit Wort und Schrift des ruchlosen Schweigens liberfuhren.
Hatte man in Ingolstadt gewuBt, daB dieser scharfe An-
griff von dem frtiheren Parteig^nger Joh. Ecks ausging, so
hatte man ihm vielleicht in irgendeiner Weise geantwortet.
Aber so lieB man die Sache gehen. Indessen noch ein anderer
Theologe, der Nordlinger Prediger TheobaldBillicanus, nahm
AnlaB, seinen Widerspruch zu bezeugen. Er schrieb eine nicht
1) Sein Ingolstadter Aufeothalt ist aUgemein bekannt (vgl. Uhl-
horn, Urb. Rhegins, Elberf. 1861, S. 89 ders. P.R.E.* Bd. 13 S. 148,
nicht so, daB er dort Magister wurde, aach scheint man tiberseben zu
baben, daB er, ira Sommer 1519, eine zeitlang in Ttibingen war, wo er
am 20. August als ^Vrbanus Rogius ex Lindau Magister vnin. Ingelst/
eingetragen wurde. Vgl. (Rotb) Urkunden zur Gesch. d. Univers. Ttibingen
(Ttibingen 1877), S. 616. Rogius, Druckfehler fur Regius, cf. Index.
2) Vgl. tiber ihn meinen Art. Billicanus, Prot R. E.« III, 232 u.
Beitr. 3. B. K. X, 28 ff.
124 Griebel, Das illteste Kirchenbuch Heroldsbergs.
ungeschickte und sehr scharfe Widerlegung der Satze Mar-
stallers^). Ihr wollte er eine Bekampfung der Aufstellungeu
Apells folgen lassen. Da aber Marstaller nicht antwortete
und sich darauf beschrankte, mittelst eines offenen Briefes an
Leonhard vob Eck in einem, den Gegner verachtlich be-
handelnden Tone die Griinde seines Schweigens anzugeben^),
schrieb Billikan Ende September 1524 eine „ Apologia"^) seiner
Confutatio, in der er den Vorwurf der Haresie entschieden
zuriickwies und sich auf den ReichtagsbeschluB beruft, der
das Evangelium frei zu predigen gestatte. Der Schrift war
noch eine ebenfalls gegen die Ingolstadter gericlitete Ab-
handlung De libero arbitrio und der Brief Marstellers an
L. V. Eck beigefiigt.
(SchluB folgt.)
Das aiteste Kirchenbuch Heroldsbergs.
«
Von Pfarrer P. Griebel in Heroldsberg.
Erst in den beiden letzten Jahrzehnten ist die Frage nach der
Entstehung und Anlage der altesten KirchenbUcher in Flufi gekommen.
Vor allem war es der Gesamtverein der deutschen Geschichts- und
Altertumsvereine, der dazu beitrug, indem er im Jahre 1891 auf
seiner Generalversammlung in Sigmaringen der III. und IV. Sektion
die Fragen stellte:
Fr. 13: Zu welcher Zeit entstanden die Kirchenbiicher in
Deutschland?
1) Adver-/vn8 propositiones Leo-/nardi Marstalleri IngolBtadiensis./
Confutatio Theobaldi Bil-/licaDi, Ecclesiastae./s. 1. e. a. — Vorwort Nor-
lingae. Kalendis Aprilib. Anno Domini M.D.XXIIII. (MUnchen. H.- u. St.-
Bibl.)
2) Cur Billicano cuidam, Lutherana perfidia infecto, non respon'derit,
Epistola excusatoria ad nobilem D. Leonard, de Eck. s. I. 1524. Vgl.
dazu noch v. Druffel, Kaspar Schatzger, Sitz.-Ber. d. Miinch. Akad.
philos. u. hJ8t. Klasse, II. Bd. (1891), S. 413 u. 433.
3) Apolo/gia Theobaldi Bil/licani, ad excueato/riam Epistolam
Leonardi Marstal/leri ad Leonald. Eccium./Equi. Germa./De libero arbi-/
trio quaedam./Epifitola/Marstalleri ad finem ex-cnsa./ (s. 1. e. a.) Miinchen.
H.- u. St.-Bibl. Eine spatere Ausgabe Impressum Vitebergae 1530. Jo8,
Clug. (Gymnas.-Bibl. Rothenburg o. d. T.) Dieser* ganze Streit zwischen
Billican und Marstaller ist Prantl unbekannt. tlber spatere Schriften
Marstaliers ygl. Waldau, Neue Beitrage 1, 122.
Griebel, Das alteste Kirchenbuch Heroldsbergs. 125
Fr. 14: Wo befinden sich in Deutschland die 15 altesten
Kirchenbiicher?
Fr. 15: Welcher besonderenVdi'anlassungverdaDken die Kirchen-
biicher ihre Entstehung, bezw. sind sie durch kirchliche
oder weltliche Anordimng eingefuhrt word en?
Fr. 16: Auf welche Weise wurden vor der Einfiihrung der
Kirchenbiicher die Geburten, Taufen, Hochzeiten und
Todesfalle aufgezeichnetV
Pfarrer Reinwald von Lindau berichtet nun im Korrespondenz-
blatt fiir die evang. luth. Geistlichen in Bayern, Jahrgang 1894
Nr. 37, indem er bemerkt, dafi die Fragen 1893 wieder auf der
Tagesordnung des genannten Vereins standen, als Resultat der dies-
beziiglichen Verhandlungen, dafi die Kircheubiicher im heutigen Sinn
erst nach der Reformation und im Zusammenhang mit ihr aufge-
kommen, ebenso dafi zu den Sltesten Matrikeln die Nlirn bergs zu
rechnen sind. Hierzu hat dann Kirchenrai Heller im gleichen Blatte
desselben Jahrgangs p. 372 die ErklHrung abgegeben, dafi die Ehe-
bucher der Pfarreien St. Sebald und St. Lorenz mit dem J. 1524,
die Taufbticher aber erst 1533 beginnen; das Totenbuch von St. Loreuz
beginnt 1547, das von St. Sebald 1557. Uber diese Biicher von
Niirnberg aber hat Pfarrer Jordan in Haundorf eiue Abhandlung im
dritten Bande dieser Zeitschrift (p. 151 — 170) veroffentlicht. Dabei
bemerkt er, dafi die Fragen des obengenannten Vereins noch nicht
endgUltig gelost werden konnten, sofern das dargebotene Material
noch zu gering sei. Die neueste Bearbeituug der Fragen finden sich,
wenigstens soweit mir bekannt, in der III. Auflage von Herzogs
Real-Enzyklopadie ad vocem Kirchenbiicher von E. Jakobs. Danach
ist das Resultat bis jetzt folgendes: In Hinwyl bei Zurich wurden
Kirchenbiicher angelegt 1525, im nachsten Jahre in Ziirich selbst;
in den zwanziger Jahren im Elsafi, das alteste Taufbuch von Strafi-
biwg ist aus dem Jahre 1525. In Koustanz findet sich ein Tauf-
buch aus dem J. 1531, in Lindau aus dem J. 1533, das Traubuch
aus dem J. 1534, in Frankfurt das alteste Tauf- und Traubuch vom
J. 1533, das alteste Begrabnisbuch vom J. 1565. In Zwickau ist
ein Traubuch aus dem J. 1522, ein Tauf buch von 1535 vorhanden.
In Henfenfeld, Hersbruck und Alton sitten bach setzen die Register
1533 ein. Zahlen wir die Biicher von St. Sebald und St. Lorenz
in Niirnberg gesondert, so haben wir nach dieser Zusammenstellung 12,
sonach ware die oben zitierte Frage 14, wo sich die 15 altesten
Kirchenbiicher in Deutschland befinden, noch nicht gelSst. Cbrigens
lafit sich die Zahl 12 leicht erganzen durch eine Tabelle, welche sich
im genannten Korrespondenzblatt Jahrgang 1895 p. 126 findet, die
die altesten Pfarrmatrikeln des Dekanats Hersbruck enthalt, und wo
wir aus dem 16. Jahrhundert noch Matrikeln finden in Affalter und
Artelshofen das Tauf- und Traubuch aus dem J. 1564, Engelthal
126 Griebely Das Slteste Kirchenbuch Heroldebergs.
1586, Eschenbach 1566, Forrenbacb 1568^ Kirchsittenbach Taufbuch
1554, Traubucb 1585, Lauf Taufbuch 1565, Traubuch 1579, Ober-
krumbach Taufbuch 1586, Pommelsbruun Taufbuch 1559, Traubuch
1597, Sch5nberg .Tauf- und Traubuch 1563, Velden Tauf-, Trau-
und BegrSbnisbuch 1537. P. 328 im gleichen Jahrgang des bayer.
Korrespoudenzblattes findet sich weiter die Notiz, dafi in Grofihabers-
dorf das Taufregister 1535, das Trauregister 1537, das Sterbe-
register 1583 anfangt. Es sind dies alleiu uoch 12 Pfarreien, deren
Kirchenbucher in eiue so fruhe Zeit zurtickgehen. Wenn es ohne
Frage auch sonst noch KirchenbUcher aus jener Zeit gibt, uber die
nur noch keine VerQffentlichung stattgefunden hat, so gehbrt gewifi
auch das Kirchenbuch hierher, auf das dieser Artikel aufmerksam
machen mochte, das Slteste Kirchenbuch der Pfarrei Heroldsberg.
Dieses Buch, in Quartformat, in Schweinsleder gebuuden, um-
fafit 99 Seiten. Das erste Blatt, das hundertste, ist herausgerissen.
Es trSgt als Aufschrift auf der Aufienseite des Einbandes die Worte:
Heroltzberger Taufbuch. Von A® 1532 bifi A** 1551. Nicht nur
das hohe Alter des Buches; sondern auch die Art der Aulage und
sein Inhalt ist es gewifi wert, dafi dariiber auch weiteren Kreisen
etwas bekannt werde.
Werfen wir zunHchst einen Blick auf das Jahr seiner Ent-
stehung, so ist, wie soeben augegeben, dies das Jahr 1532. Danach
ntlhme es unter den aufgezahlten die achte Stelle ein. Nur das von
Zwickau 1522, Nurnberg (St. Sebald und St. Lorenz) 1534, Schweiz
(Zurich) 1525 und 1526, Strafiburg 1525 und Konstanz 1531 sind
alter. Jedoch ist dabei zu beach ten, dafi, wahrend in all diesen
Orten die Biicher entweder nur Ehebiicher oder Ehe- und Taufbiicher
sind, das Heroldsberger Ehe-, Tauf- und Beerdigungsbuch ist.
Aus dem Jahre 1532 enthsllt es 5 EintrSge im Eheregister
und 24. im Taufregister. Merkwiirdig sind die EintrSge im Be-
erdigungsregister. Dieselben beginnen namlich mit dem Jahre 1528,
sind also zunachst Nachtrage aus frliheren Jahren, namlich 2 aus
dem J, 1528, 1 aus dem J. 1529, 2 aus dem J. 1531, ebensoviel
aus dem J. 1532. Und wer sind die eingetragenen Personen? Nicht
solche, die in Heroldsberg gestorben oder beerdigt worden waren..
Nur bei einer Person aus dem J. 1532 ist dies der Fall. Es ist
dies der NUrnberger Losunger Martin Geuder gewesen. Die Uber-
flihrung von Nurnberg nach Heroldsberg und die Art und Weise der
Beerdigung ist genau im Buche beschrieben. Wir werden spater auf
diesen sehr iuteressanten Bericht zuruckkommen. Alle ubrigen Per-
sonen sind in Nurnberg gestorben und beerdigt; namlich aus dem
Jahre 1528 ein Martin Tucher. Der Eintrag lautet:
Item am 7. July do gieng Herr Merthen Tucher | der was eben
altter Burgermaister zu Nurmberg [ zu avents haim. Und leget sich
zu nachts gesunt nider. Und wart zii morgens tot im pet ^nd.
jGfriebel, Das Slteste Eirchenbuoh Heroldfibergs. 127
Er was ein dappfrer langer man. Und recht giit Erangelisch zu
alien dappfern Hendln weis und gepreuchlich ^).
Der zweite Eintrag von 1528 besagt: Item am 21. Octobr in.
d nacht ist verschieden zum guld kreiitz zu Nurmberg Her Hanns
von Schwartzberg. MargraflF Jorgen Hoffmaister ein vast weiser. streit-
bar ernsthaffter man. Ein seer grofier.liebhaber des heilligen worts
gott. Hat vil guts geschriben. Nemlich wider die widertauffer ein
pnchlein. Und ein seer kostlich puch in welchem er antzeigt alle
loci coes [communes] dem Babst und seinem anhang seer schedlich
und sein tjtl haist die beschwerung d altten schlangen sambt andern
puchlein. Ist verschieden in dem Herrn Christo am viertegigen fieber.
Und dornach am 27 tag Octobr hat man in in das klein capelle zu
S. Johans begraben. hat in also in einer verpichten. verschlossen
truhen behalten pis sein son friderich zur begrebnus kommeii ist^).
Und nun kommen wir zu dem gewifi wichtigsten Eintrag des
ganzen Buches aus dem Jahre 1529: Item am 6. Januarij ist ver-
schieden Maister peter vischer | ein Rotschmidt | ein seer unaussprech-
licher giefier in alien ertzen. welcher auch S. Sebalts sarg gemacht
und gegossen hat. — Zu beachten durfte bei diesem Einti-ag der
Anklang an Gen. 4, 22 sein, wo es nach Luther heifit: Zilla gebar
auch den Thubalkain, den Meister in allerlei Ertz und Eisenwerk^).
Aus dem J. 1530 findet sich kein Eintrag im Buche.
Die beiden EintrSge aus dem J. 1531 haben folgenden Wortlaut:
Item am 12. tag Octobr ist d. alt grunther. gestorben^).
1) Martin Tucher ist geboren zu Niirnberg am 12. Nov. 1460. 1524
kam er in den Eat und wurde bald alter Biirgermeister. £r verhandelte
zugleich mit Hans £bner im Namen des Rats mit den aufrnhrerischen
Bauern, d,ie am 13. Mai 1525 von ihrem Lager bei Heidingsfeld eine Ab-
ordnung nach Niirnberg sandten. Auch bei dem Aufstand im Bamberger
Gebiet im Juni 1525 wurde er vom Rat nebst Bernhard Paumgartner zur
Vermittelung gebraucht. Er war ein wohltatiger Mann. Zum Bau des
Sebastianspitales in Niirnberg gab er 1500 fl. Ftir die Armen des Spitals
errichtete er eine Stiftung. Diesen sollte aus dem Ertrag seiner Wiese
beim Steinbtihl jahrlich am Martinsabend zwei Pfennige „in die Hande
nebst anderem mehr** ausgeteilt werden. (Vgl. bes. Ernst Biedermanu,
Geschlecbtsregister des hocbadeligen Patriziates zu Niirnberg 1748 Ta-
bula CCCCXCVII.)
2) Des Joh. V. Schwarzenberg wird in dieser Zeitschrift an verschie-
denen Orten Erwahnung getan. Vgl. das Register zum X. Band a. v.
Jobann v. Schwarzenberg, bes. Bd. VII. p. 98 f.
3) Am Peter Vischer-Haus in Niirnberg gibt die Gedenktafel als
Todestag den 7. Januar an. Worauf diese Angabe basiert, ist mir nicht
bekannt. Immerhin mochte zu bedenken sein, daJ3 der 6. Januar als Epi-
pbanienfesttHg sich dem Gedachtnis des Schreibers lelcht eingepragt hat,
weshalb ich den 6. Januar als richtiges Datum anzunehmen geneigt bin.
4) Leonhard Grundherr kam in den Rat 1486, wurde 1490 alter Ge-
nannter, 1502 erster Biirgerherr, 1503 Obrister Kriegshauptmann im Lands-
huter Erbfolgekrieg, 1526 Pfleger des Klosters von' St. Katharina (Ge-
8chl.-Reg. d. hochadel. Patr. Tab. CLIII).
128 Griebel, Das silteste Kircbenbuch Heroldsbergs.
Item am tag Clement [23. November] ist hr. Eudres TUcher
am milcbmark verschieden ^).
Der erste Eintrag vom J. 1532 lautet:
Item am 26. Augstmons ist im Christo verschioden ber Hierony-
mus ebner am Obstmark zu Nurmberg Losanger eiu seer senfft-
mutiger { demtitiger fromer und weiser man. Dem Evangelio seer
forderlich. als beillig als woll hundert pebst uud BiscbSff. Seines
altters im 55 Jar 7 monat 21 tag^).
Hernach am 8 tag ist d. alt br. Merthen Geud. zu Losunger
an sein slat erwelt word^). Mors optima rapit. deterrima relinqnit.
Vom zweiten Eintrag dieses Jahres wird spSter zu reden sein.
Weitere EintrSge finden sicb im Beerdigungsbucb aus den ge-
nannten Jabren nicbt. Aus den spSteren Jahren sind vorbanden:
Ein Eintrag aus dem J. 1541, zwei EintrSge aus dem J. 1545,
zwei aus dem J. 1549 und einer aus dem J. 1551. WShreud im
Taufbuch vom J. 1540 und im Ebebucb vom J. 1541 Eintrsige von
gleicber Hand sicb finden, wie die im Beerdigungsbucb bis 1532,
sind die Eiutrage im Beerdigungsbucb von anderen H&nden, und
zwar sind die Eintrage von 1541 — 1545 wieder von anderer Hand
als die von 1549 und 1551. Spater werden wir seben, von wem
sie stammen. Die Scbrift ist scbwer leserlich. Es sind lediglicb
Glieder der Familie Geuder, die jetzt eingetragen sind, nllmlicb 1541,
Freytag, den 14. Oktober: Frau Gertraut Geuderin geb. Holzschuberin*);
am 27. Juny 1545, Affra Geuderin, geb. Welserin^); am 8. July:
Jungfrau Sophia Geuderin®): am 6. July 1549 Juliana, Hausfrau des
Martin Gender, eine geborene Birkheimerin''); am 13. November 1549
1) Diesen Andreas Tncher konnte ich in dem Gescblechtsregister
nicbt nnden. Sollte damit der nacb diesem Register als am 21. Nov. 1521
verstorbene Andreas Tucher gemeint sein? Derselbe war geboren am
22. Marz 1453. Er war ebenfalls im Landshuter Erbfolgekrieg Kriegs-
oberster, nahm an der Schlacht von Regensburg (11. Sept. 1504) teil.
Wegen seiner Tapferkeit wurde er vom Kaiser Maximilian zum Ritter
geschlagen. Er ging 40 Jabre in den Rat. Geschl.-Reg. Tab. DVIII A.
2) ^Hieronymus Ebner ist der bekannte Nurnberger Ratsherr, der
Freund des Job. v. Staupitz, geb. 1477, der von Anfang an das leb-
hafteste Interesse an Luther nahm**. D. Kolde, Beitrage Bd. Ill p. 82.
Weitere Notizen liber Ebner vgl. das Register vom Bd. X a. v. Hierony-
mus Ebner.
3) Martin Geuder, geb. 1455; 1486 rannte er mit Markgraf Friedrieb
von Brandenburg in einem Turnier; 50 Jabre lang safi er im Rat, wurde
endlich Losunger und KeicbschultheiB. 1. Gemahlin eine Niitzel; 2. Ge-
mahlin: Julianna Pirkheimer (Geschl.-Reg. Tab. L).
4) Gertraut Geuder, Gemahlin des Andreas (III.) Geuder, Tochter
des Lazarus Holzschuher (Gen. Reg. Tab. XLIX).
5) Affra Geuder, Gemahlin des Sebald Geuder, Tochter desBartho-
lomaus Weiser), Rats des Kaisers Earl V., dann Senators von Augsburg
(Gen. Reg. DLVIII).
6) Eine Tochter des Sebald und der Affra Geuder.
7) Diese Julianna Pirkheimer ist eine der drei Schwestern des be-
Griebel, Das lilteste Kirchenbnch HeroldsbeVgs. 129
herr Georg Gender^) uud am 30. Dezeniber 1551 her Georg Gender
am heumarkt^).
Aus alledem aber ergibt sich, dafi sowohl der Verfasser des
Baebes als auch seine Nachfolger bis znm Jabre 1541^ soweit es
sicb nm die Gemeinde Heroldsberg handelt^ keine EintrSge ins Be-
erdigungsbncb gemacbt haben. Es fand^n vielmebr nur die wichtigsten
Sterbefalle Aufzeichnnng, die^ in den Patrizierfamilien NiirAbergs
Yorkamen und entweder in irgend einem Zusammenbang mit der
Heroldsberger Familie Gender standen, oder mit deneu der jeweilige
Geistlicbe von Heroldsberg vielleicht nSher bekannt war. Der Tod
Vischers war dem Pfarrer von Heroldsberg an und fur sicb schon
wicbtig genug^ um ibn in sein neu angelegtes Totenbucb aufzunebmen.
Die Frage, warum der Pfarrer sicb auf diese bescbrankte und Todes-
f&We aus der Gemeinde Heroldsberg nicbt verzeichnetC; soil spliter
bebandelt werden.
Jetzt fragen . wir vielmebr nacb dem Verfasser des Buches. Da
lesen wir im Eingang desselben folgendes:
„In dem Namen unsrers lieben berren Jbesn Christ! 1532.
In diesem gegenwerttigen Registerpuch sein eigenttlicb verzeignet
vnd angescbriben | dnrch mich Veitten Eyfiler dieser Zeit von einem
Erbarn weysen rath meiner Herren von Nurmberg verorddentem
kircbendiener hie zum Herelsperg. Erstlich alle die so sicb nacb
' Ghristlicbem gebrllucb vnd ordnng in den beilligen gottlicbe stand
der ebe begeben babe vnd also eingelait worden sein in obgemeltter
pfar hie zum Herelsperg | Ztim anderen all die kinder so in ytz ge-
dacbter pfar nacb befelb des Herren Christi Geht bin vnd leret alle
volker vnd taufft sie fc: getaufPt worden sein | Zum dritten sollen
angezeigt vnd bescbrieben werden alle die so in dem Herren ent-
schlaffen sein. das ist wie wir sprechen | verstorben sein". — Wer ist
nun dieser Veit Eyfiler?
Im Taufregister der Pfarrei Heroldsberg vom J. 1788 — 1835
finden sich auf der Euckseite des ersten Blattes die Pfarrer von
Heroldsberg von 1528 bis jetzt, also sSmtlicbe evangeliscbe Pfarrer
verzeichnet. Bei den 5 ersten finden sich folgende Bemerkungen:
rlihmten Hnmanisten Wilibald Pirkheimer. Die zweite Schwester Gfiaritas,
iLbtissin des Elaraklosters, war entschiedene Gegnerin der reformato-
riscben Bewegung, f 1532 ; ihre Nachfolgerin wnrde die dritte Schwester
Klara. Die Tochter Pirkheimers, Eatharina (f 1563), schlojQ die Reihe
der Abtissinnen (Gen. Eeg. Tab. L).
1) Georg Gender war 16 Jabre im Rat, Burgpfleger von der Reichs-
veste; er quittierte dann die Ratsstelle und nahm das Amt Lauf dafUr
an (Gen. Reg. XLIX B).
2) Georg Geuder, ein Neffe des vorigen, Sohn des Martin Gender,
diente Karl V. in den Niederlanden und in Italien; er wurde 1530 zu
Bologna zum Ritter geschlagen, kam 1551 in den Rat und starb nocb in
diesem Jabre [nicht 1552 wie es in dem Gen.-Reg. heifit] (Gen. Beg. L).
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichte XI. 3. 9
130
Giiebely Bas alteste Kirchenbuch Heroldsbergs.
1. 1528 Konrad Erkel, dim.
2. 1531 Blasius StQckel, ward Prediger im Kloster Pillenreatb.
3. 1544 Wolfgang KalmUntzer; kam nach Hersbruck.
4. 1546 Veit Holder, nid. don. (?)
5. 1544 Jobann Walker starb.
Die Dipt^cba ecclesiaruifi in oppidis et purgis Norimbergensibns
von Andreas Wlirfel (1759) weisen die gleichen Namen in gleicber
Reihenfolge auf. Die beigefUgten Beroerkuugen sind ausfUbrlicher.
Ebenso lanten die Yerzeicbnisse der Pfarrer in den Pfarrbescbreibungen
vom J. 1834 und 1864/65; die offenbar Abscbriften der Diptycba sind.
BezUglich der beiden ersten Pfarrer lesen wir daselbst:
1. Konrad Erkel. Dieser war bei der 1528 vorgenommenen
Kirchen visitation scblecht bestanden; desbalb wurde ibm das Predigen
und Messehalten untersagt and dem bisherigen FrUhmesser Blasius
StSckel ttbertragen. Im Dezember 1531 wurde er ganz seines Dienstes
entlassen und kam 2,, Blasius Stockel 1531 an seine Stelle, welche
er bis 1537 versah, wo er als Prediger fiir das Kloster Pillenreuth
ernannt wurde und spater als Diakon nach St. Jakob kam.
Endlich findet sieb in dem BUchlein: Der Kalcbreutber Kirch-
turmban in den Jahren 1750 — 1790 von Dr. Eehlen^ aus dem J.
1840 ein Verzeichnis der Pfarrer und Friihmesser za Heroldsberg
und Kalcbreuth bis 1569.
Da lesen wir:
Jahr
Namen der
Pfarrer
Namen der
FrUhmesser
SonstigeLebens-
verhaltnisse
Quellen
1523
1528
1531
1546
Konrad Erkel
Wird 1531 ab-
geschafft
Georg Bub
Konrad Frickel
Blasias Stockel
Blasius Stockel
Veit E61er
Kommt 1531
nach Pillenreuth
[hm wird aufge-
tragen, das Kir-
chenvermogen
zu ordnen.
K. Gotteshaus-
recfanung
Ntirnberger
Kirchen-
beschreibung
ditto
Auszug aus
einer K. Gottes-
hausrechnung
Ein Vergleich dieser Verzeichnisse nun ergibt, dafi in sSmtlichen
von 1531 bis 1537 Blasius Stockel als Pfarrer von Heroldsberg
aufgefiihrt ist. Dieses ist aber unrichtig. Nach dem Kircbenbuch
vom J. 1532 ist unzweifelhaft Veit Eifiler Kirchen diener, wie er
sieh nennt, in Heroldsberg gewesen, und zwar zugleich mit Konrad
Erkel: denn in der schon erwShnten Beschreibung der Beerdigung
des Martin Gender aus dem J. 1532, dessen Leiche von Niirnberg
nach Heroldsberg verbracht wurde, heifit es: „Nach singens hub man
Griebel, Das alteste Kirchenbach Heroldsbergs. 131
an zu lentten { mit der grSffern glocken. Das wehret pei vier pis
in die 5. stundt. Do warttend ich mitsambt Conrad Erkell in peter
laimans Hans pei der stros^. Und dann: ^Do giengen. wir tzwen
priester vor dem wagen her in unssem Gorrocken. pettetn miteinander
septe psalmos^. 1532 hat sich also St5ckel nicht als Ffarrer in Herolds-
berg befunden. Derselbe verliefl vielmehr Heroldsberg im September
1531. t)ber seinen Aufenthalt nnd Wirksamkeit in Heroldsberg ISfit
sich im allgemeinen folgendes konstatioren^). Wie die Augustiner am
13. Dezember 1524 an den Rat das Anerbieten stellten, alle ihre
Guter dem grofien Almosenkasten zu iibergeben nnd anf alle ihre
Einkunfte zu verzichten, sich dagegen erboten, in nnd aufierhalb der
Stadt nach des Eats Befehl der Gemeinde durch Verkiindigung des
gbttlichen Wortes zu dienen, so ahmten diesem Beispiel die Kar-
th£luser alsbald nach d. h. ein Teil derselben^ an ihrer Spitze der
Prior des Klosters, Blasius St5ckel. Daraufhin entsetzten die VSter
zu den KarthSusern ihren Prior seines Amtes und Standes (an Weih-
nachten). Das Haupt der Gegen parte! war Pater Martin. Es kam
zu Verhandlungen zwischen dem Konvent und dem Rat, die damit
endigten^ dafl am 9. November 1525 das Kloster dem Rate iibef-
geben wurde. Pater Martin hatte bereits zu An fang des Jahres die
Stadt verlassen miissen. StSekel aber bat den Rat um ,,ein weltlich
Kleid". Im Juli 1527 finden wir StSckel, wi6 Soden sagt (a. a. 0.
p. 210) als Pfarrer von Heroldsberg. Man gab ihm um diese Zeit
eine Zulage von 12 fl. Diese Stelle bekleidete er bis zum September
1531. Am 22. d. M. erhielt er vom Rat die Erlaubnis, Herrn
Friedrich von Thun^) zu dienen und mit dessen S5hnen auf eine
UniversitSt zu ziehen. Der Rat verehrte StSckel fiir seine treuen,
der Pradikatur zu Heroldsberg geleisteten Diensto 10 fl. und versah
ibn mit einem guten Enipfehlungsschreiben. Im September 1536
1) Die folgenden Angaben sind entnommen F. von Soden, Beitrage
zur Geschicbte der Reformation in Klimberg 1855. Aufierdem sei ver-
wiesen auf den Literaturnachweis bei Heinrich Heerwagen, die Karthause
in Nttmberg 1380—1525, in; Festgabe des Vereins ftir Gescbichte der
Stadt Nilrnberg zur Feier des 50j£ihrigen Bestehens des Germaniscben
Nationalmuseams in Ntirnberg 1902, p. 117 ff.
2) tiber Friedrich von Thun konnte ich nichts Sicheres eruieren.
In den Beitragen Bd. VIII, p. 120 u. (J. wird wohl ein Friedrich v. Thum
erwahnt, ein Wiirttemberger Edelmann und Sch wager Schwenkfelds.
Dieser ist aber gewig nicht zu StOckel in Beziehung getretcn. Dagegen
findet sich bei Biedermann, Geschiechtsregister der reichsfreien unmittel-
baren Ritterschaft in Franken 1748 ein Friedrich von Thiina, auf den
mich Dr. Reicke in Niirnberg aufmerksam machte. Dieser Friedrich von
Thiina war sSchsischer Minister, wurde viel in Religionssachen gebraucht,
ging mit dem Kurfiirsten Johann nach Augsburg, hielt vor dem Kaiser
Earl V. eine Oration drei Stnnden lan^. Er war geboren 1464 und starb
1549. Er liegt in der Eircbe zu Leimbach begraben. Er hatte sieben
Sobne. Es ist sehr wahrscheinlich, dafi wir in diesem den hier genannten
Friedrich von Thun zu sehen haben (Tab. CCLXXY).
9*
132 Griebel, Das lilteste Eirchenbuch Heroldsbergs.
kamen die Herren von Thun wieder nacb Niirnberg zuruck, und nun
tritt anch St^ckel in den Akteu wieder anf. Er wnrde nnnmehr zum
Prediger von Pillenreuth ernannt. Die Klosterfrauen waren aber
nicbt zn bewegen, seine Predigten zn h<5ren. Am 8. September 1538
predigte St5ckel in der Kircbe zu St. Sebald an Stelle des ^schwachen^
Predigera Veit Dietricb. Hatte sein Gehalt bisber aus lOOfl. be-
standen; so bewilligte ibm jetzt der Bat anf seine Bitte eine Znlage
von 50 fl. wegen seiner Fr^mmigkeit und Eedlicbkeit, „weil er sicb auch
allentbalben bin gutwillig gebraucben lasse^ wobin man ibn rufe^^
Am 9. September 1541 wurde er zum Prediger von Hersbruck er-
nannt. Bei dieser Ubersiedelang liefi ibm der Eat das von einem
FUficben . Wein bereits erlegte Dmgeld zuriickerstatten. (Soden a. a. 0.
p. 495.) Nacb Medicus^ Gescbicbte der evangel. Kircbe im Konig-
reicb Bayern diesseits des Rbeins p. 26 wurde dann Stockel 1542
bei der Reformat i on seinfiibrung in Regensburg mitverwendet, 1546
kommt er bei der EinfUbrung der Reformation in Ravensburg ^), seit
1547 als Mittagsprediger bei St. Jakob und Friibprediger bei St. CSlara
in Niirnberg vor (f 1556 am 8. April). — Gewifi ein Beweis fur
das Urteil des Ntirnberger Rats tiber ibn, „dafi er sicb allentbalben
bin gutwillig gebraucben lasse^ wobin man ibn rufe^^
Was aber nun seine Stellung in Heroldsberg angebt, so ist er
nicbt, wie es in ded verscbiedenen, oben angefiibrten Yerzeichnissen
der Pfarrer von Heroldsberg beifit, nocb nacb 1531 daselbst Pfarrer
gewesen. Er war Uberhaupt nicbt Pfarrer von Heroldsberg (aucb
gegen von Soden und Heerwagen), sondern nur Friibmesser oder, wie
Eyftler sicb nennt, „Kirchendienor". Pfarrer war Konrad Erkel,
und zwar bis 1537. Erst aus diesem Jabre stammt die Resignations-
urkunde ^). Zudem gebt ja aucb aus dem Bericbt Ey filers^ den wir
oben zitierten, hervor, daB Erckel nocb im Cborrock an der Be-
erdigung Martin Genders gemeinsam mit Eyfiler Psalmen betend teil-
nahm. Die Notiz, dafi Erkel bei der Visitation 1528 scblecbt be-
«tanden babe und desbalb ibm das Predigen und Messehalten untersagt
wbrden sei, erfiibrt schon dadurcb eine Korrektur, dafi Stockel bereits
1527 in Heroldsberg fungierte. Gewifi mag es rait dom Predigen
scblecbt gestellt gewesen sein, so dafi dadurcb die Cbertragung der
Predigt an den Friibmesser veranlafit war. Allein es kamen andere
Griinde bierzu. Erckel scbeint sicb in die neue Ordnung der Dinge
nicbt gefunden zu baben. So lesen wir bei Soden (a. a. 0. p. 357):
Der Pfarrer von Heroldsberg hatte vom Biscbof von Bamberg ein
Mandat mit der Weisung angenommen, es zu verkUnden ^). Der bieriiber
1) Vielleicht nur eine Verwechslung mit Regensburg, wie schon E.
Waldan meint. (Vermischt. Beitr. z. Gesch. der Stadt Niirnbeg, Bd. Ill p. 70.)
2) Dieselbe findet sich im Kreisarchiv zu Niirnberg S. I Nr. 248.
3) Das Pfarrvolk soil verwarnt werden „vor gotteslesterung, schworen
und dem zutrinken^ davon uff berurtem zu Augspnrg gehaltenen Reichs-
tag auch gehandelt.** K. A. S. I L. 30 Nr. 11.
Griebel, Das alteste Kirchenbueh Heroldsbergs, 133
aufgebrachte Rat verbot ihm nicht nur die Verkiindigung ^dieses
Bambergiscfaen Dings ^^, sondern er miifite sogar wegen'ungeschickten
Benehmens im Dezember 1531 sein Predigtamt niederlegen ^) . Nacb-
dem aber Blasius Stock el bereits im September 1531 Heroldsberg
yerlasseu hatte, so wird man Erkel bis zum Dezember allein habeu
fangieren lasseu, und von 1532 an wurde ihm Eyfiler beigegeben,
der bis 1537 Fruhmesser war, von da an der eigentlicbe Pfarrer
wurde und es bis 1541 blieb. Die Bemerkung Hehlens/ dafi Veit
Eyftler 1546 als Pfarrer von Heroldsberg das Kirchenvermbgen zu
orduen hatte, wobei sich Rehlen auf einen Auszug einer Heroldsberger
Gotteshausrechnung bertift, vermag ich nicht auf ihre Richtigkeit zn
priifeii; da dieser Rechnungsauszug nicht mohr vorliegt. 1546 war
hier Veit Holler oder Holder. Es ist moglich^ dafi infolge des
gleichen Vornamens Veit daraus eine Verwechslung der beiden Mslnner
entstand,
Veit Eyfiler aber ist zu Heroldsberg von 1532 — 1541 als
OeistUcher tatig geweseu. Bis dahin nUmlich gehen die EintrUge
des Ehe- und Taufbuches von der Hand Eyfilers. Im Ehebuch findet
sich als letzter Eintrag Eyfilers die Jahreszahl 1541. Der leizte
Eintrag im Taufbuch stammt vom 15. Dezember 1540. Daun finden
wir in beiden F^lllen die Bemerkung: hier mangeln 4 Jar und ein
halb; das niemand eingeschrieben worden. Im Taufbuch ist noch
hinzugefugt: ^vnd hat das ansehen^ als ob sie heri^us gerifien worden.^
Dieser letzter en Bemerkung kanu ich nicht beipflichten. Mir scheint
das Buch v5llig intakt bis aUf das Fehlen der ersten Seite, wie be-
reits bemerkt. Diese Angaben machte, wie sich aus einem Vergleich
der Haudschriften mit den EintrSgen in die Kirchenbiicher durch die
spateren Pfarrer ergibt, Pfarrer Heinlein, der vom Jahre 1587 — 1625
in Heroldsberg Geistlicher war. Die weiteren Eintrage von 1545
an im Ehe- und Taufbuch, gleich denen im Begrsibnisbuch von 1546
an sind von Veit Holler, der von 1545 — 1553 die Pfarrei Herolds-
berg inne hatte. Seine EintrSge brechen mit dem Jahre 1552 (April)
ab. Nach dem letzten Eintrag vom 22. April 1552 im Taufbuch
fugt Heinlein wieder die Bemerkung an: Von dieser Zeit ist d. Marg-
grMvische Krieg angegaugen, unnd ist von der Zeit an nichts vfge-
zeichnet worden, bifi Anno 1555 mense februario. Zwischen 1541
und 1545 ist Koburger, genannt Kalmiinzer, Pfarrer in Heroldsberg
gewesen, von dem sich die oben erwShnten drei Eintrage, namlich
einer aus dem J. 1541 und zwei aus dem J. 1545 im Sterberegister
finden*). tJbrigens, wenn es in der Pfarrbeschreibung von Herolds-
1) Ntirnberger Kreisarchiv S. I L. 30 Nr. 11.
2) Wolf Koburger s. Kalmiinzer kam, nachdem er in den genannten
Jahren zu Heroldsberg Pfarrer war, als Diakon nach Hersbruck, wurde
1558 daselbst Pfarrer und starb 1. Mai 1561. Ernst Waidau a. a. 0. Bd. Ill
p. 104.
134 Qriebel) Das alteste Eii'chenbucb Heroldsber^s.
berg heifit, dafi Yeit Holler wegen Alters im Jahre 1558 in eine
Zelle iu der Kartliause eingewiesen wnrde, so erklart dies auch die
schwer zu lesenden EintrUge von 1549 — 1552, die eine zitternde
Hand bei der Niederschrift erkennen lassen. iJber Veit Eyfiler aber
konnte bis jetzt nichts Naheres in Erfahrung gebracbt werden, weder
wober er stammt, nocb wo er sicb aufhielt, bevor er nach Herolds-
berg kam, nocb . wohin er von da aus versetzt wnrde, oder ob er
daselbst starb. Vielleicht, dafi eine weitere Nacbforscbung im Kreis-
archiv zu Nurnberg nocb Licbt ius Dankel bringt.
Fassen wir aber nun zusammen, so ergeben sicb fur uns jetzt
biusicbtlicb der ersten evangeliscben Pfarrer, resp. Prediger von
Heroldsberg folgende Daten:
1. Konrad Erkol. Er soil seit 1523 Ffarrer daselbst geweseu
sein. 1527 tritt ibm Blasius Stockel zur Seite als Kircbendiener bis
September 1531, wo dieser die UniversitSt mit den Sohnen des
Herrn von Tbun beziebt.
Bis Dezember 1531 versiebt Erkel allein das Amt. Dann wird
ibm das Predigen untersagt und Veit Eyfiler an die Seite gegeben.
1537 resigniert Erkel.
2. Veit Eyfiler 1537—1541.
3. Wolf Kobarger 1541—1545.
4^ Veit Holler 1545— 1553 1).
5. Jobann WSlcker 1554—15792). —
Was war aber die Veranlassung zur Verabfassung unseres Kirchen-
bucbesp Diese Frage wird uns weiter 2u bescbaftigen baben. Eine
dabingebende Verordnung von seiten des Ntirnberger Rates gab es
im Jahre 1532 bierzu nocb nicht. Diese findet sicb erst in der
Brandenburg-Nlirnberger Kirchenordnung vom J. 1533^ in der es
nach Bicbter, Die Kirchenordnungen des XVI. Jabrhimderts Bd. I
p. 210 heifit: Es soUen auch die Pfarrher oder Kircbendiener yedes
orts in ein sunder Register fleyfiig einscbreybeu die namen und zu-
namen der Kinder | die sie tauffen unnd der personen | die sie
eelicb einleiten unnd auf wellicben Tag unnd in wellicben Jar
solliches gescbeben sey. Jetzt verstehen wir's, wenn wir lesen, dafi
in Nurnberg selbst im gleicben Jabr (1533) TaufbUcber angelegt
wurdeu (EbebUcber waren ja scbon seit 1524 vorhanden) und aucb
1) Veit Holder war zu Heroldsberg Pfarrer bis 1553; dann wnrde
er Altershalber mit Beibehaltung eines jahrlichen Gehaltes eutlassen und
in eine Celle in der Karthause eingewiesen (Heroldsberger Pfarrbeschrei-
bung 1843).
2) Johann WOlker stammte aus einem alten Gescblechte der von
Wolkersdorf; er wurde 1530 geboren, kam in dasKloster Heilsbionn, wo
er 1549 Profefi tat, trat 1553 aus, verb eir ate te sicb zu Bo^stall, nahm
das Diakonat von Eatzwang an, wurde dann Vlkar von M(5geIdorf und
St. Jobst, 1555 Pfarrer von Heroldsberg. Er starb zu Heroldsberg am
18. Mai 1579 (Heroldsberger Pfarrbeschreibung 1843).
(jriebel, Das. alteste Eirchenbuch Heroldsbergs. 135
in Henfenfeld; Hersbruck und Altensittenbacb die Begister mit diesen)
Jabre beginnen. Andere Orte sind nacbgefolgt, wenngleich aucb
vom Rat zu Niirnberg nicbt sofort mit der Strenge auf ibre Anla^e
gedraugen worde^ wie spater. wo wir in der Brandenburger Visitations-
ordnung vom Jabre 1573 lesen^ dafi die PfaiTer ein Verzeicbnis fUr
Traunngen, Taufen und Beerdigungen, desgleicben ein Inventarium
Uber.Mefi- und andere Biicber anznlegen baben bei 10 Taler Strafe.
Es bestand eben allentbalben das Bedurfuis, vor allem urn die
Familien zu wissen, welcbe sicb der neuen Lebre anscblossen, um
dieselben seelsorgerlicb bedieneu zu konnen, wesbalb meines Eracbteus
der Anfang mit der Anlegung von Ebebucbern gemacbt wurde, und
dann erst die der Taufbiicber, spater der Beerdigungsbucber folgte.
„Der allgemeinen Befriedigung dieses Bediirfnisses balf man allm&blicb
mit Verordnungen nacb. Die . einsicbtigen unter den Oeistlicben,
denen es vor allem ai^cli um die Seelsorge zu tun sein mocfate^
legten aus eigenem Antrieb solcbe Begister an. Dabei wirkten
einzelne VorgSnge in dieser Bichtung ermuuternd. Es ist docb merk-
wUrdig, wenn man beobacbtet, wie solcbe BUcber. alsbald mit der
Durcbfiibrung der Kircbenerneuerung eingefUhrt wurden von den
Alpen bis zum Harz, von den Yogesen bis nacb Scblesien^ (so Jakobs
a. a. O.). Cbrigens wenn man solcbe BUcber, vor allem also Trau-
und Taufbiicber, anlegte, um die der evangel ischen Kircbe zugeb(5rigen
Glieder zu fixieren^ so batte man dabei in Deutscbland nicbt etwa
den Gegensatz der am alteu Glauben Festbaltenden im Auge — von
diesen bofifte man, daft sie sicb allmablicb fiirs Evangelium gewinneu
lassen wurden — sonderu die Wiedert&ufer, die sicb ja gerade aucb
in Nurnberg und Umgebung Einflufl zu verschaffen suchten. DaS
gerade diese wiedertSuferische Opposition wenigstens mitbestimmend
war bei der Anlegung der Kirehenbiicber, speziell des Heroldsberger,
das gebt aus der Einleitung hervor, die dem Ebebuch vorange-
scbickt ist.
Nacb den bereits (s. o. S. 129) zitierten Worten, mit denen
Eyfiler ein Inbaltsverzeichnis des Bucbes in grofien Ziigen als Ebe-;i
Tanf- und Beerdigungsbucb gibt, f^brt er nSmlicb fort: ;,Und solcbes
acbt ich fur nutz und gut aus volgenden vrsacben. {
Erstlicb dariimb | dweil itzt ein Zeitlang vnd nocb vil Schwer-
merei vorbanden sein. die solcbe gottlicbe ordnung der beilligen ehe
Vnd das wirdig heillig Sacrament der tauff { sunderlicb der iungen
kindlein lestern vnd vernicbten. Vnd mit vil unnutzen worten die
beilligen scbrifft besudeln und felschen. Bereden die armen ein-
feltligen in dorflFern | einSden | vnd aufF dem felde | die ebe zu ver-
acbten | die erste tauff so sie in der kintbait entpfange baben zu
v^laugne welcbes alles des teuff-elspil { wutten od. | prulle solcbe arme
einfeltige in Zweifflung bringt. Solcbes aber ein fleissiger, trewer
pfarrer oder kircbendieuer zu v'kummen sol er solcbe arme einfeltige
136 Griebel, Das silteste Kirchenbuch Heroldsbergs.
vnd v'furte wider anfirichten | mit trostlichen wortten heilliger scbrifft
trosten | vnd inen anzeigen das sie solchen gottlichen Christlichen
ynd ehrlichen stand der beilligen ebe | nit sollen verachten { Od ein
gemabel das ander nit verlassen | od wie die Scbwermer sagen ver-
wecbselen | es sei w3der got | wider gottlicbe Cbristliche ordnung |
Got wird es ungestrafft nit lassen. Dan also straffet er den Abimelecb
welcber dem Abrabam sein weib vorbielt | wie im ersten pnch Mose
am 20. ca.
Desgleichen mit der tauff der inngen kindlein | welcbe die Scbwermer
wie obgemelt veracbteu | mag man anzeigen das man nacb Christ-
licher ordnung vnd gebraucb getaufft worde sey vnd das solcbe einigk.
der tauff genug sei den befelb des Herre Christi zu erfallen { vnd
weitter keinr andern tauff mer bed<)rff Wie dan aucb Paulus ad Epbe 4
sagt Ein ber | ein glaub | ein tauff { ein got | fc Das aber der arme'|
einfeltige v'furtbe { mog solches des stattlicb^r glauben | so mag ein
Pfarrer od kircbendiener ^olcbes anzeigen od. beweisen das iar | den
tag fc daran er getaufft worden ist anzeigen | darzu dient diesies buchj.
Zn andern Es begibt sich offt | das ein kindt in frembden laud en
sicb v'ehlicbt | vnd von wegen der lent desfielbigen orts vnd gepraucbs
wirt erfordert das er einen purtb brieff aus seinem vatterlande bringe |
das er eines frnmmen mans sun | vnd ehelich geporn sei re :
Dweil dan solcbes offt groffe muhe mit zusamme bringung ett-
licber menner die seine elttem kent baben { vnd des Zeugnus geben
erfordert | Oder offt ein solcber lange Zeit aufpliben | vnd in ver-
geffung feiner eltern pei den nacbbaurn kUmmen ist { derbalben ein
purt brieff scbwerlicb gegeben | od gar abgescblagen wirt | welcbes
ein frummer gesel vnpillicb gedulde vnd entgelten muft | Und also
an seine vertraute gemabel etwa gebindert wurd | Solches zu v'kumme
mag man solcbem angezeigtem Register | treulicb vnd gerecht von
mir bescbriben glauben geben | welcbes solches warhafftig anzeigt |
on alle kost vnd mlihe oder Zeugnus anderer mensche. Also aucb
wo einem solcbe seine elttem vater vnd mutter in dem berren ent-
schlafen od gestorben seindt | vnd solches in vergefiung pei den
mensche od nachbaurn kummen wSr | Mag man suchen hernach in
disem Register puch vnd in ware kuutschafft kumme | das also einem
geholffen und er gefurdert wurd { Und wo in solcbem allem nur einem
gutten frummen goselle geholffen wUrd | so soil al mein beschreibung
nicht vergeblicb und unnutz geacht werden'^
Was fUr ein edlos, von warmer seelsorgerlicber Liebe getragenes
Herz, in das uns diese Ausfiihrungeu hiueinblicken lassen! Ohne
alle Kosten soil von nun an ein frommer Gesell sicb Aufschlufi in
den beregten FSllen erholen konnen, die Muhe, die ihm aus der
Eruierung der nStigen Daten erwachsen konnte, sollen ihm abge-
nommen werden. Das Dnbequeme, das durch Erbitten von andern
Leuten als Zeugen sich ergibt, soil beseitigt werden. Uubillig miiflte
Griebel, Das alteste Kiiebenbuch Heroldsbergs. 137
&r es erdnlden, wenn ihin die £rla]ig;iuig eines Grelmitszeugnisses
schwer fiele oder ein solches gar abgeschlagen wuide. Und bei aller
Mube^ die dagegen der Verfasser anf sicfa nehmeii will, ist er za-
friedeu und sieht seine Arbeit nicht als nnnutz an, wenn auch nnr
einem guten fironunen Gesellen damit gebolfen wird. So haben nnsere
Vater gedacbt! Solcben Inteutionen ist die Anlegnng der Register*
bucher entspmngen! In welchem Kontrast stebt dazn die Gegenwart!
Jetzt wird die Ansfertignng jedes Zengnisses anf Grnnd der Register-
bdcher mit Mk. 1.60 berecbnet! Der Idealismns der Alteu hat fur
uns etwas BeschSmendes !
Doch sehen wir sn, welches nach den Erlautemogen Eyfllexs
der Zweck der Kircbenbucher sein soil! Es ist ein doppelter. Sie
sollen 1. einmal dazu dienen, dem Umsichgreifen des Wiedertaufer-
tums entgegenzutreten und sodann sollen sie den Gremeindegliedern
zn den zn irgend welchem Zwecke notwendigen Fersonalien ihrer
eigenen Person oder ihrer Angehorigen roSglichst leieht Terhelfen.
Beznglich des ersten Pnnktes ists ein rein seelsorgerlicher Zweck,
dem die Kircbenbucher dienen sollen. Die Eheschlieflungen sollen
aufgezeichnet werden. Kommt namlich ein Glied der Gremeinde in
Gefahr, den Wiedertaufem das Ohr zu leihen, wagt er es, sein ehe-
liches Gemahl zu verlassen oder gar es mit dem eines andem zu ver-
tauschen, so soil ihm aus dem Rirchenbuch nachgewiesen und zu
Gemiite gefnhrt werden : Siehe, du hast die Ehe geschlossen, was du
jetzt zu tun yorhast, resp. getan hast, ist wider Gott und sein Gebot
Er wird dich richten. Den gleichen Zweck haben die Taufregister.
Damit wird nachgewiesen, die Taufe ist an dem und dem Tage, in
dem und dem Jahre vollzogen, das genngt, der Befehl des Herrn
ist erfdllt. Also lasse dich nicht von den WiedertSufem irre machen !
Es bedarf keiner weiteren ' Taafe.
Auch die diesbeztiglichen Ausfiihrungen kann man nicht lesen,
ohne zu empfinden, welche Serge um das geistliche Wohl seiner 6e-
meindeglieder den Verfasser erfdllt hat. Es erhellt aber auch daraus,
dafi die Gefahr, welche der Gemeinde drohte, nicht gering gewesen
sein kann. In der Tat wisseii wir ja, wie gerade in und um Niirn-
berg im Reformation szeitalter das Wiedert&ufertum sicli gelteud zu
machen snchte. Es wSre gewii^ intcressant, naher darauf einzugehen.
Doch besitzen wir daruber manche Abhandlung, worauf hiermit ver-
wiesen warden soil, in dieser Zeitschrift. Man vergleiche wieder das
Register, besonders Th. Kolde, Hans Denk und die gottlosen Maler
von Nlirnberg, Jahrgang 1902 p. Iff. Auch auf Roth, Die Eiu-
fiihrung der Reformation in Nurnberg 1517 — 28, Kapitel VI, das
den Abendmahlsstreit und die Wiedertaufer bebandelt, sei hiuge-
wiesen.
Der andere Zweck, den Eyfiler mit der Aniegung seines Kirchen-
buches erreichen wollte, war der, den Gemeindegliedern daheim und
138 Griebel, Das alteste Kirchenbucb HeroldBbergs,
in der Feme eventuell leicht die nStigen Angaben der Personalien
YOQ sich oder ihren Angehorigen zu verschaffeD. Datnit nslhern sich
die Biicher Linsichtlich ihres Zweckes unseren Matrikeln. Allein es
bleiht doch auch hier der Unterschied bestehen, dafi man sicb damals
bei der Anlage und Fortflihrung derselben von kircblichen Gesicbts-
punkten leiten liefi^ besonders eben wiederum von dem der Seelsorge.
Mbcbten nnsere Matrikeln^ nachdem der Staat die Personenstands-
fiibrung davon getrennt bat, ibrem urspriinglicbcn Zweck wieder mebr
und mebr zuriickgegeben werden!
Es eriibrigt uns bier nocb, einige Worte speziell uber die so
friihe Anlage des Beerdigungsbucbes anzufugen^ dessen Zweck uns
Ey filer aucb angibt. Vergleicben wir die Register biicher anderer Orte,
so iindon wir eine solcbe Anlegung durcbweg spSter. Auch die altesten
Kirchenordnungen verlangen nocb keine. Die Niirnberg-Branden-
burgiscbe (1533) ordnet nur Tauf- und Traubiicher an. Erst in einer
Bran den burgischen Visitationsordnung vom J. 1573 beifit es, es sollen
auch die Namen derer, so zu ihren Zeiten verstorben, mit Fleifl ver-
zeichnet werden. Nicht als ob man nicbt auch friiher Verzeichnisse
von Verstorbenen angelegt bStte. lu der alten Kirche und im Mittel-
alter finden wir dieselben in den Diptycha. Hier haben sie aber einen
ganz anderen Zweck als in den Kirchenbucheru. Hier sind sie fur
die Messe aufgezeichnet. In Niiruberg finden sich im Mittelalter sog.
Totengelautbucber fur St. Sebald und St. Lorenz. Dr. Bauch hat
bieruber in der Archivalischen Zeitschrift Bd. VIII, 119 — 148 aus-
fiihrlicb und sehr interessant gescbrieben. Da wurden die Namen
der verstorbenen Patrizier verzeichnet, bei deren Transfer ierung zum
Gottesacker mit den Glocken gelSutet wurde. Dabei ist besonders
auch angegeben, was jedesraal fiir ein solches GelSute an Gebiibren
entricbtet wurde. Dafi die Kirchenbiicher zunSchst die Totenregister
nicht anfweisen, erklart sich aus dem seelsorgerlichen Interesse, dafi
die Anlegung derselben veranlafite. Da gait es, sich an die Lebenden
zu halten. Wenn nun Eyfiler trotzdem ein Totenregister bereits 1532
anlegte, so haben wir ja gesehen, dafi der Gedanke, ein Personen-
standsverzeichuis zu geben, auch bei den andern Registern sicb schon
geltend machte. Seinen eigenen Worten ist zu entnehmen, dafi er
mit diesem Verzeichnis den Hinterbliebenen einen Liebesdienst er-
weisen wollte, sofern sie nun leicht das Sterbedatum erfahren konnten,
falls es von ihnen vergessen wordeu war. Daraus erklSrt es sich
auch, dafi nur die wichtigsten TodesftHJe von ihm aufgezeichnet'
wurden,
Es eriibrigt uns noch, auf die Art, wie die Eintrage in unser
Kirchenbucb gemacht wurden, einen kurzen Blick zu werfen. Auch
dafiir wurden schon, was das Beerdigungsregister angeht, Belege ge-
bracht. Die Eintrage von 1528 — 32 wurden in extenso mitgeteilt.
Wir ersehen daraus, wie Eyfiler sich nicht damit begniigte, nur Per-
Griebely, Das alteste Kircbenbucb Heroldsbergs. 139
sonal- und Zeitaugabeo zu machen, sondern er hat 5fters die Todes-
ursache oKber beschriebeD, bat eine CharakterisieruDg der betreffendon
Person angefiigt, bat auf ibren Stand bingewiesen, deu Wobn- und
BegrSbnisort teilweise bezeicbnet, iiberbaupt sicb nicbt an ein be-
stimmtes Scbema gebunden, sondern eben das aufgescbrieben, was
ibm in dem bestimmten Fall wissens- und beachtenswert erscbien.
Im Ebe- und Taufbucb sind die Angaben gleichmSfiiger und kiirzer
gebalten, was sicb ans der Natur der Sache erklSrt. Nur einige Bei-
spiele mSgen das beweisen. So beiflt es im Ehebncb 15B2: Item
— es ist das der erste Eintrag im Buche — am 5. tag des Hornungs
sein eingelait worde zur ebe fritz des fritz boffmanns sun vom Neun-
boff mit margared purtig von der glasbutten ^).
Item am 7. tag Hornungs sein eingelait worden zur ebe Hans
des Haintz mulners sun { mit Ursula des peter laimanns dochter zum
Herelsperg.
Item am 3. Gbristmons (1533) sein eingelait word zur ebe Merthe
mayr mit ellsen die pierels genant.
Item am 12. Heumon (1538) sein eingelait worden zur ebe
Endres pader von gontzenbausen | mit anna des banssen mertzen
seliger vo rolhofen dochter | Discs sein arme sieche lent, vuntten im
kobell vnd habeu an mir ires ehestands halber schrifftliches Zeugnus
begert { habe ich iuen solches nach irem begeren mit meinem auff-
gedruckten sigill willig gern mitgethailt.
Der erste Eintrag im Taufbucb hat folgenden Wortlaut:
Item am 23. Hornimgs (153^) ist getaufft worden dem Hanssen
kar klein Kernlein genat ein kiudt ist genant worden kontz { gefatter
ist gewest Contz niissel.
Item am V. Augustmons (1553) ist getauflPt worden mir Veitten
Eyfiler diser Zeit hie zum Herlsperg prediger | meiu sun^) | ist ge-
nent worden Caspar. Mein gefatter ist gewest Caspar Koburger von
Nurmberg.
Item am 5. berbstmons (1533) ist getaufft worden ein kindt dem
heyntz mulner ist genent worden els Gefatter ist word els die pierels
genant.
Item am 9. Aprilis (1536) ist gettauft worden ein kind N einem
armen frembden siechen welchem sein weib hie gelag im siechbaus ^).
1) nGlasdfen, die wegen ihres bedeuteuden Holzverbrauches dem
Waldbestand nachteilig waren, kommen noch verhaltnismaUig spat vor.
So wird ein Glasofen zu Gescheid und Schollenbach in einer Urkunde
vom 27. Juni 1569 genannt.* Mummenhof, Mitteilungen des Vereins flir
Gescbichte der Stadt Niirnberg, Heft 16, p. 239. Ohne Zweifel ist das
die ^glasbutten'*, aus der Margareta Purtig stammte.
2) Ist also der erste evangelische Pfarrerssohn zu fleroldsberg.
3) Vgl. den Eintrag vom 5. Sept. 1533 p. 34 und die Beschreibung
der Beerdigung Martin Geuders s. u. S. 141.
140 Griebel, Das alteste Kirchenbnch Heroldsbergs.
1st das kindt worden genent bans. Oefatter ist worden Hans Lorentz
forster pei hiindsmull^).
Diese Eintrllgo mogen geniigen.
Wenn dem Ehebuch die bereits mitgeteilte Einleitung vorangebt,
die deu Verfasser und Zweck des Bucbes enthHlt^ so baben das Tauf-
und Beerdigungsbncb folgende Uberscbriften :
Das erstere (wie das Ebebucb):
In dem Namen unsseres lieben barren Jesu Cbristi 1532.
Das letztere:
Johannis XI. Icfa pin die aufferstehung (spricht Jhesus der berr
zn der Martha) und das leben. Wer an micb glaabt { der wirt lebe
ob er gleicb stUrbe | Und wer do lebt und glaubt an micb | der
wird nimmer sterbe.
Ca. XYII Vater das ist das ewig leben» das sie dicb | das du
alleine warer got pist und den du gesaut bast Jbesu Cbrist erkeuncn
Pretiosa in conspectu dni [domioi] mors sctor. ej. [sanotorum
eius Ps. 116, 15 Vulgata]
Beati mortui qui in dno [domino] moriuntur [OfiFenb. St. Job.
14 V. 13]
Justus si morte praeoccupatus fnerit in refrigerio erit [Spr.
Sal. 14. 32P).
Nacb dieser tiberscbrift folgt der bereits ang«fubrte Eintrag von
Martin Tucber.
Nun aber mocbte icb nocb die Aufzeicbnung iiber den Tod und
das Begrabnis des Losungers Martin Gender, des Scbwagers von
Willibald Pirkbeimer, mitteilen^ dessen Heimgang dem Verfasser des
Bucbes selbst sebr nabe gegangen ist, wie das aus der ganzen Art
der Darstellung, sowie aus der Ausfiibrlicbkeit des Eintrags, im Be-
erdigungsbncb (p. 86 flP.) hervorgebt. Eyfiler scbreibt: „1532 Item am
21 tag Decembr. ist verscbiden vnd in Obristo entschlaffen { mein
altber her. Der Erbar vnd vest: ber Mertbe Gender ein Losunger
zu Nurmberg. P]in seer fromer gotsforcbtiger man vnd liebbaber der
warheit vn gerechtigkeit. Ward ser eerlicb auff einem wagen | mit
4 starken pferd des closters S. Clara | aus seinem Haus (am Ileumark
das cck) mit einem ser grossen leicbtucb vmb dem wagen bebengt |
gefiirt.
Neben dem wagen giengen statknecht | mit prennenden kertzen.
Nacb dem wagen ein Erbarer rath in schwartz geclaidt. Und seer
vill volks aus der gemain (dweill es eben aucb ein feiertag, als S.
Thomas tag ward) volget hiuten nach pis zum eiifiern laiffer thorj
doselbst kereten die Herren vnd yder man wider umb. •
1) ^/4 Stunde von Heroldsberg entfernt.
2) Die Yuglata tibersetzt: Sperat iustus in morte sua. Luther: Der
Gerechte ist in seinem Tode getrost. Sollte obiger Spruch eine freie
fjbersetzung hiervon sein?
Griebel, Das alteste Kirchenbuch Heroldsbergs.* 141
Also riten seine sun Junker Jorg Sebald vud Merthen { Auch
die Erbarn iunkhern Endres vnd Jorg gebruder | vnd obgemeltter
Geiid. vettern {. Es riten auch mit sonste ettliche reutter und knecht.
Vor vn nach dem wagen dur^jh den wald von. Nurmberg | pis gem
Heroltsperg,
Als aber erstlich die potschafft kam | gem '^Heroltsperg { stund
icb Veit Eifiler eben aufFm predigstull vn prediget | vnd wie ich eben
darvor gepeten het zu got | mit dem volck fur sein leben. wurd mir
so paid angezaigt { er war entsehlaffen. icb solts dem volck antzeigen.
yderman oder der maist tbail so da verband vom volck. das weinet
vn trauret.
Nacb singeus bub man an zuleutten | mit der grosseren glocken.
Das webret pei vier pis in die 5. stundt. Da warttend ich mitsambt
Conrad Erkell in peter laimans haus pei der stros. das volck aulF
der gassen { die pubeu mit kreutz vnd kertzen | pei dem siecbhaus.
vnd also kam der wagen { mit der leich in eiuer truhe vermacht
seine sun | vorgemeltte vettern fc.
do giegeu wir tzween priester vor dem wagen her in vnssern
Gorrocken, petteten miteinander septe psalmos. die man nent peni-
tentiales. in fine psalm or [um]. Gla [gloria] patrj. vnd nit Requiem
eternam | d. boffnung. Er sei scbon vorbin in der ewigen rube,
vnd seligkeit dweill er in recbtem warem Christlicbem glauben von
hinne auch abgescbieden ist. Amen.
Als aber der wagen dorauff die leich den perg pei d. kircben
hinauff kam. ward er gefurt zu der kircbbo£P thur | als man vom
pfarhoff herab geet. alspald warn do ettliche aus dem gericht hie
schopffen. die namen die truhen vom wagen, legtens aufF die por.
truges in die kirchen. wir tzwen priester sangen Media vita in morte
sum[us] fc pis in die kirche zu seiner begrebnus.
Also do nun yderman zu kircben verband was I befalh icb man
soil stille sein. So paid hub icb an steend vor dem grab neben
seinen sonen vorgemelt | bub an vnd thet ein Admonicion aus den
wortten paulj : Nolum[u]s vos ignor' de domientib[u]8. aufF ein viertel
einer stund. Dorinnen icb auch meldet. wie das unsser lieber alttcr
herr vn vater nit gstorben war | wie andere | die der seligkeit kein
boffnung nit haben. sond. er war entsehlaffen mit Cbristo | vnd ytzt
pej im I im ewigen leben. des war kein tzweiffel nit. vnd anders
mer. Und als mich doch zuletzt das wainen anderer auch beweget
wurd icb auch mit waineuden wainendr.
Als solcbe admonicion aus wardt | befalh ich man sollte inen
bineinlegen. do sprach ich : Memento homo q[uijcinis es . . . in cine-
rem reverter[i8] | lateinisch.
do ward er gelegt in ein grab | dorinne vormals sein schwester \
mit namen Cecilia gelegen ward, ein Junkfraw | als man hat zelt
1. 4. 62 iar | aber nun erfault. Seine son vorgemeltte. vnd sonder-
142 Griebel, Das alteste Kircbenbnch Heroldsbergs.
lich der Erbar her bans Geuder seiu eltster son | haben im ein eer-
lichs begrebnus (welche er im vor im leben erwelt hat) mit einem
koBtlichen grabstein (wie vor augen) lassen zurichten.
Vnd kost solcher grabsteiu den E. hanssen Geuder nit minder
dan pej 28 fl. zu graben furen pallirn vnd zu legen.
Solcher stain mitsambt schilt vnd helm ist zur linken so man
erstlich in Ghor der Kirche zum horlsperg geet. dorzu schreib ich im
zu eeren dises Epithaphm hieher.
Vive deo felix anima. hie regesce [requiesce] corp[u]s
Mox aderit q[ui] vos suscitet atq[u]e beet^).
Nach der begrebnus gieng ydermau zu haus haim (das ward
ongeverlich anderthalb stunde vor nachts.
Des andern tags gab man yderman (wer nur wolt weins vn
proths genug zu essen do ward ein grosse antzall von altten lenttcn
vn kindern pey der pierelssen.
Man saget auch das do zu mall Juliana des altten herren ver-
lassene hausfraw sich so kleinmiitig vn bekummert gewesen sei von
ires herren wegen | das von not | wegen ir son der E. bans Geuder
pei der begrebnus seines vaters nit hat konnen entgegen sein. Er
war sonst on zweifell nit auspliben^.
Der Eindruck, den man von diesem Bericht gewinnt, ist gewifi
der, daft man in ihm ein sebr wertvolles AktenstUck aus jener Zeit
besitzt, wertvoll in kirchen- wie in kulturhistorischer Beziehung.
Wir ersehen daraus genau; wie damals, also in der ersten Zeit der
Reformation, eine Beerdigungsfeier gehalten wurde, wenigstens wenn
es sich um Standespersonen handelte^ und, um auch Nebensachliches
zu bemerken, dafl man damals schon den Thomastag in Niirnberg
sehr frequent! ertO; dafi eine Art Leichenschmaus stattfand u. dergl. m.
Doch es sei genug. Eine ausfUhrlichere Behandlung dieses Stoffes
liegt aui^er dem Eahmen unserer Aufgabe.
Das aber wird man wohl zugeben mussen, dafi es ein sehr in-
teressantes und wichtiges Buch aus der FrUhlingszeit der Reformation
ist; jenes alte Kirchenbuch Eyfilers, und dafi wir nicht nur uns
freuen diirfen, dafi es durch die Stiirme der Jahrhunderte bis auf
unsere Zeit hindurch gerettet wurde, sondern auch heute noch dem
Verfasser danken miissen^ dafi er sich an seine Anlegung gemacht hat.
Oben wurde gesagt, bis jetzt babe man nichts N^heres Uber das
Leben des Mannes erfahren konnen, der gesorgt hat, dafi es uber
andere an Notizen bezuglich ihrer Person nicht fehle. Vielleicht
dafi es weiteren Nachforschungen uber ihn gelingt, wie bereits be-
merkt, Aufschliisse iiber ihn zu geben. Doch dem sei wie ihm wolle.
Sein Buch selber lafit durch die Zeilen sein Bild hindurchblicken.
Er war eine fromme, von Liebe zu seineu Mitmenschen erfiillte, fur
deren geistliches und leibliches Wohl besorgte Seele; dabei imeigen-
1) von beare (beseligen).
Wolff, Pfarrbesoldnng in Schopflohe auB dem Jahre 1522. 143
niitzig iind gefUllig* Er besafioffenbar ein weiches Gemiit, und nach
allem, was wir von ihjn gehbrt, scheint er auch in geistiger Beziehung
nicbt einer der Letzten gewesen zu sein. Wir griifien ibn iiber die
Jabrhunderte hinweg und sagen:
Have pia et Candida anima!
Pfarrbesoldung in Schopflohe aus dem Jahre 1522.
Miszelle.
Von Pfarrer Wolff, Scbopflohe,
Die alteste geschriebeue Pfarrbesoldung fUr Schopflohe a. Ries
findet sich in einer Urkunde^) ans dem Jahre 1522, welche der
Magistrat und die Spitalpfleger zu Dinkelsbuhl, nachdem ,.Babstlich
jjHailligkayt die Pfarr Sanct Sixti vnd Benedicti zu Schopfloch Tm
^Kiefi gelegeu; Augspurger Bisththnmbs, vnserm Spittal hie zu
^Dinckelspuheln Incorporieret", ausgefertigt haben behufs Festsetzung
des Pfarreinkommens, sowie Verteilung der Lasten am Pfarrhaus und
der Verbindlichkeit gegen den bischoflichen Stuhl zu Augsburg.
Nach dieser Urkunde sollen „dem yetzigen vnd ainem yeden
^uacbkommendejn Stetten vnd ewigen vicar werden . vnd aigentlich
^veruolgen wie hernachuolgt, Nemlich
vfi dem widenhofe zu gedachtem Schopfloch
vier guldin wifigelts,
vier malter Dinckels^
vier malter Haberns, alles Dinckelspuheler mefi,
der Hewzehend der gross Zehend Aller clainer Zehendt,
zway Horbtsthonner,
aiu vasnachthennen^
Hundert ayr.
sechs dinst mit wagen vnd pferden,
In Ettern Alles von demselben Widenhofe,
vfi ainera Gutte zu Segloch
dritthalben Guldin gelt;
Ain malter Haberns,
Hewzehenden daselbs,
zu Segloch der clain Zehend zu Segloch die vier Opffer
die gestifften JarttUg,
die behawftung vnd Gartten zu Schopfloch.
Item vnd zway malter korns vom casten oder grossen Zcheuden.
Welches alles vff anzaigen vnd darlegen des obgemelten Herrn
Johann Hellers (d. i. der erste von Dinkelsbiihl prUsentierte Pfarrer)
durch den Babstlichen Comissarius auf das negst vnd geringst 1st
angeslageu, funfftzig guldiu vnd darob One all Zufall ertragen
1) Dlnkelsbtthler Archiv, Mappe 235 (alte Nr. 415. 309).
144 0. Rieder, Aub historiBcbeD Zeitschrifteh.
mag, Von welchen ain Stetter vicarixis die Kathedratus Archidiaco-
nalia^ den dritten tail der ersten Frucht fruntlich hilflP vnd Stewer
Auch all auder Bischoflich genant vnd vngenant gerechtigkait
tragen mag." — — Aiifierdem wird in dieser Urkunde nocb be-
stimmt: „So offt an dem Ffarrbawss zu gemeltem Scbopfloch not-
turftige gebew vnd Besserung Sich erbayschen wurden, daran sollen
vnd wbllen wir , . . vnd all vnser nacbkomen Auch an den ersten
friicbten zwien tail, vnd ain yeder pfarrer oder vicar den dritten
tail geben vnd bezalen. — — Montag nach AUerhaylligen tag.
Nach vnsers lieben Herrn geburt funffzebenhundert zwantzigst vnnd
zway Jare."
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammengesteHt von
0. Bieder,
Kgl. Reichsarchivrat in Mtinchen.
(Fortsetzung.)
XYll. Landsberger Geschichtsblatter fiir Bezirk und Stadt,
herausgegeben von J. Job. Scbober, k. Reallehrer und Stadarcbivar
in Landsberg. ^)
Jabrgang 1 und 2:
1902.
Merkwiirdige Glocken (mit Abbildungen von Inscbriften etc., in
Epfenbausen S. 2 — 4, Ummendorf S. 13 — 15, Schwifting
S. 33 f.).
Eine Wallfahrt vor 400 Jahreu (eines Landsbergers nach S. Jago
de Compostella 1499) S. 21 f.
Das Wallfabrtsbild in Obermeitingen (mit Abbildung desselben und
der Ortscbaft) S. 25 f.
Stiftung des Ursulinnenklosters zu Landsberg S. 53 — 55.
1903.
Das Bauernjabr am Lecbrain in seinen Festen und GebrSuchen (nach
Leoprecbting u. a. gescbildert) S. 1 f., 7 — 10, 13—15, 17 — 19,
26 f., 34 f., 41—43, 46 f., 50—52, 58 f., 62—65.
Die Blasiuskapelle in Egling (mit einer merkwiirdigen Glocke) 8. 5 — 7.
1) Im Januar 1903 verwandelte sich der bisherige Museumsverein
in einen historischen Yerein fiir Stadt und Bezirk Landsberg, welcher
sich zur Aufgabe setzt, aufier der Erweiterung und Vervollstandigung
des historischen Museums in Schrift und Wort zur Hebung der heimat-
lichen Geschicbtsknnde beizutragen. Von obiger Publikation erscheint
jeden Monat eine Nummer.
Zur BibliograpMe. 145
Aus den Pfarrmatrikeln der Stadt Landsberg S. 11, 23 f.^ 27 f., 89 f.,
52 f, 59 f.
Bitten und GebrsKuche: Das HaselnufilSuton S. 12.
Jesniten- und Jobanneskirche zu Xjandsberg S. 66.
Die St. Ulrichskapelle bei Eresing S. 67.
Zur Bibliographie.
*^
*Kadner, S., Jahrbucb fiir die evangeliscb-lutbcriscbe Landeskircbe
Bajerns. 6. Jabrgang 1905. Nordlingen. C. H. Beckscbe
Buchbandlung. 154 S. geb. 1;20 Mk.
Eadners Jabrbucb bedarf keiner Empfehlung mehr. Sein Bedtirfnis
ist ISngst anerkannt und sein Erscheinen wird iiberali in der Landes-
kircbe mit Frenden begrttfit, und wer die einzelnen Jahrgange mit ein-
ander vergleicht, kann leicht bemerken^ dafi der Herausgeber mit Erfolg
bemUbt ist, nach Inhalt und Form immer Besseres zu bieten. Soharfer
als friiher bestimmt er sein Programm: „Au8 dem Jahr, aus der Gegen-
wartsarbeit herans das Jahrbucb !" Damit soil das, was die evangelische
Kirche in Bayern z. Z. besonders bewegt — oder aucb bewegen sollte,
scharf ins Ange gefaBt und aucb fiir spatere Zeiten als Marksteine ihrer
inneren und auGeren Entwieklung festgehalten werden. So verbreiten
sicb denn aucb mehrere Aufsatze fiber allgemeine religiose und theo-
logische Tagesfragen, die jetzt mehr als friiher anch fUr die Laien zu
Fragen geworden sind, z. B.: F. Braun, nOffenbarung oder Evolution**,
S. Iff. W. Lotz, „Der Sonntag der Cbristenheit, der Sabbat Israels
und der monatliobe BuBtag der Babylonier^, S. 9ff. S. Kadner, „Der
konfessionelle Streit und Jesus**, S. 46ff. etc. Andere greifen speziell in
das Leben der bayeriscben Landeskircbe ein, so der Art. von Scboller,
„C^ber die innere Mission in Bayern", der wiederum sehr reichbaltige und
belehrende Aufsatz von Stein lein „t}ber die kirchenpolitische Lage*,
undHaufileiter, nMitteilungen aus dem Pfarrverein^ der iibrigens wobl
in der Meinung, daB die meisten, was bei den Laien doch eben nicht
zutrifft, die Arbeit des Pfarrvereins scbon kennen, weniger bringt, als
man wiinschen m6cbte; ferner der scbbne^ im Anhang sicb findende Auf-
satz von Emma Seifert: „t)ber das Jubilaum der Neuendettelsaner
Anstalten" nnd nicbt zuletzt H. Schott, „Gedanken eines Laien znr der-
zeitigen Praxis des Praparanden- und Konfirmandenunterricbts**. Die
Anslassungen des letztgenannten Yerfassers werden kaum in alien Punkten
Zustimmungfindenj und ich kann den Yorscblag, die Gymnasiasten soUtenden
Konfirmandennnterricbt durch ibre Beligionslebrer erhalten, nicht glUck-
licb finden. M. E. sollte dieser Unterricht immer von denen gegeben
werden, die die Kinder konfirmieren und, wennm()glieh» immer von ander en,
als deren Unterricht sie bisher genossen baben , denn er soil etwas Be-
sonderes sein. Der von mir durcbaus geteilte Wunsch des Verf., Ab-
sehaffnng des vcSliig unnotigen, nicht selten znr religi5sen Erschlaffung
fiibrenden, von Eindem, Eltem und Lebrern als Last empfnndenen Prapa-
randennnterrichts , wird wohl nocb lange ein frommer Wunsch bleiben,
weil dabei, was der Verf. nicht in Betracht gezogen hat, in den Stadten
wenigstens auch dieleidigeGeldfrage wiedermitspielt. Aberwie man aucb im
■ ti» ■■ ■ ■ — . —
*) Die mit * versebenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Scbriften werden erbeten behufa Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. JungeinErlangen.
Beitrage zur bayer. Kirohengeschichte XI. 3. 10
146 Zur Bibiiographie.
einzelnen darUber denken mag, so ist es doch hocberfreulich , daB die
sog. Laien mit ihren kircblichen Sorgen und Wttnscben, deren sie mebr
baben, als viele Geistlicbe abnen, etwas bervortretcu, und es ware sehr
wilnscbenswert gewesen, wennsie gerade in diesem Jabrbuch angesichts
der kommenden Generalsynode in besonderen Artikcln ihre daranf be-
zUglichen WUnscbe recht deutlicb ausgesprocben biitten. — Yon den
anderen Artikeln^ die alle aufznzliblen zu weit fUbren wUrde, mocbte ich
noch besonders den schSnen Aufsatz von S. Gttntber, iiber Pbilipp
Appian erwabnen. Und solcbe Aufsatze, die der Gegenwart die Yer-
gangenbeit als Spiegel yorbaiten, mOchten wir ancb ferner nicht ent-
bebren. —
*Har tm an n , Dr. Karl, Der Prozefi gegen die protestantischen Landes*
stSndein Bayern nnter Herzog Albrecht V., 1564. Mtiucben 1904. '
Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz. 270 S. 3 Mk..
Der fraglicheGegenstand ist schon baufig eingebend untersucbt worden.
Gleicbwohl bat der Yerf. mit Recbt eine nene Durcbforscbung des reicben
Aktenmaterials vorgenommen und bat mit groBem FleiB nicbt unwicbtige
neue Quellenstucke ans Tageslicbt gebracbt, was gerne anerkannt werden
soil. Namentlicb ist es ibm zu danken, daB er aus der inkriminierten,
in Mattigkofen aufgefundenen Briefliteratur reicbe AuszUge mitteilt und
das ist nm so mebr zn begrilBen, als wir, obwohl oder vielleicbt gerade
well der Yerf. nur die von ibm als fur die angeklagten Adligen belastend
angesebenen Brucbstttcke mitteilt, jetzt einen klareren Einblick in die Yer-
baltoisse erbalten, besonders aber die evangclischen Adligen, denen ibr
evaugeliscbes Bekenntnis liber alles gebt, in der Tat nacb meiner Auf-
fassung in viel besserem Licbte crscheinen, als man nacb den bisber be-
kannten Quellen annebmen durfte. AUerdings der Yerf. urteilt anders.
Fttr ihn ist der Hocbverrat, eine wirklicbe VerschwSrung, die Majestats-
beleidigung, ja isogar der Plan, mit Eilfe Wilhelms von Grumbacb zum
Ziele zu kommen, nunmebr erwifsen. Das ist freilicb nur moglicb, weil
ibm die gerade fiir die Darstellung und Beurteilung dieser, fiir die ge-
samte iiinere Entwicklung Bayerns so wicbtigen Episode besonders not-
wendige ObjekHvitat und Rube feblt. Ein bier und da fast leidenscbaft-
lieber Konfessionalismus, der in den evangelischen Standen als Bekennern
einer andern Religion als der vom Landesfiirsten vorgescbriebenen sebon
an und fiir sicb Aufriibrer und Rebellen siebt, laBt ibn zu einer vor-
urteilsfreien Ausntttzung seiner Quellen nicbt kommen. FUr den Gewissens-
standpnnkt der inkriminierten Stande feblt ibm jedes Yerstandnis, und
man gewinnt scbon auf den ersten Seiten den bis zum SchluB sicb steigern-
den Eindruck, d&Q sein Resnltat^ daB man es wirklicb mit Hocbverratern
zu tun bat, ibm von vornherein feststeht. Nun ist das Yerfabren der
A. C. Yerwandten, obwobl abnliches auf der andern Seite oft genug aucb
geUbt worden ist, mittelst des Steuerbewilligungsrecbts wpmoglich nicbt
nur flir sicb, sondern aucb fiir andere die freie Austibung der evan-
geliscben Konfession zu erreicben, nacb unsern heutigen sittlicben An-
scbanungen gewiB nicbt einwandfrei, aucb fanden sicb in der bescblag-
nabmten Korrespondenz einige recbt scbarfe Ausdrllcke iiber den Herzog
und Seine Rate, die freilicb aus der bibliscben, Spracbe beurteilt sein
w.ollen, aber dem Yerf. ist der Yorwurf nicht zu ersparen, daB er sicb
aucb nirgends bemiibt bat, das ganze Auftreten zu versteben oder nacb
der Zeit zu beurteilen. Das bezieht sicb' nicht nur auf die religiose
Fragei hinsiehtlicb deren der Yerf., was ich von seinem Standpunkte aus
begreife, nie zugeben wird, daB es Gewissenspfiicht sein konnte, wider
das.Reformationsrecbt desFUrsten sicb aufznlebueD, obwohl das tatsacblich
nicht gescbab, sondern nicbt minder auf die politische Seite der ganzen.
Zur Bibliographie. 147
Angelegenbeit. Dem Verf. steht vod vornherein fest, dafi die betn
Stande aacb der Graf von Ortenburg und der Herr von Maxelrain einfach
als Untertanen des Herzogs anzusehen sind. Er vergiBt ferner in Rech->
nnng zu Ziehen, da6 die beiden Parteien iiber die Frage nach den Grenzen
der Landeshoheit des Herzogs und des Kechtes der Stande, sich znr Er-
reichnng ihrer Zwecke zusammenzuschlieBeny piinzipiell auseinander gingen
(ygl. S. 222). Man soUte es auch nicht mehr betonen miissen, dafi noch
wabrend des ganzen Jahrhunderts das Verbaltnis der Stande zum FUrsten
vice versa vor alien iiber die Grenzen der Selbstandigkeit der innerhalb
des bayerischen Gebietes angesessenen Reich sritterschaft ein unklares,
von beiden Seiten sehr verschieden aufgefaBtes war. M. E» ist der ganze
ReligionsprozeiB nnr richtig zu wUrdigen, wenn man ihn auch unter dem
Gesichtspunkte eines neuen YorstoBes der Filrstengewalt gegeniiber der
standischen Freiheiten und des erneuten Versnehes, die reichsstandsichen
Enkiaven unter die herzogliche Gewalt zu bringen, auffafit. Davon ist
der ganze Handel mit Ortenburg, aber auch mit Maxelrain ein deutlicher
Beweis. Und nun die Quellenbebandlung! Was der Herzog und seine
Rate behaupten, was der Kronzeuge Hager, der frUhere Sekretar des
Ortenburgers an Anklagen vorbringt, entspricht immer den Tatsachen
(S. 47 etc.), was die Angeklagten aussagen, ist im besten Falle der Ver-
such sich herauszureden. Mehrfach wird be tout, dafi der Graf von Orten-
burg, obwohl er am 5. Juni 1551 vom Kaiser belehnt war (S. 31), well
seine Reichsunmittelbarkeit von Bayern angefochten worden, nichts dafiir
Prajudizierliches wie die Einftihrung der Augsburgischen Konfession vor
Austrag des Prozesses hStte vornehmen dtirfen. Wepn das damals schon
allgemein geltendes Recht war, dann hatte aber doch fur Albrecbt die-
selbe Verpflichtung gegolten, was aber, well es gilt, den Grafen ins Un-
recht zu setzen, nicht behauptet wird. Die angeblichen Aufierungen der
Protestanten wahrend des Landtags von 1563 werden einfach als erwiesen
angenommen. Es fehlt jede Untcrsuchung iiber ihre Entstehung, anBer
der kurzen Bemerknng auf S. 16, aus der gar nicht hervorgeht, daB
die vorher mitgeteilten Reden auf einer Denunziation beruhen, und Riez-
ler IV, S. 525 spricht von einem „geheimen Bericht**, wahrend Freyberg,
Gesch. d. bair. Landstande H, 352 den Herzog Eundschaft einzieben lafit.
Erst hinterdrein (im Anhang) bei Gelegenheit der Invektiven gegen
K. Pregers Schrift iiber Pankraz von Freyberg, welcher Autor die Anklagen
als iibelwoUenden Elatsch bezeichnet hatte, wird gesagt, d&Q „die meisten
derselben durch Zeugen, so durch den Yitztum Haslang, durch den Depu-
tierten Georg Schober von Ingolstadt und durch andere bekundet sind".
(S. 257.) Aber gerade hier als dem offiziellen Ausgangspunkte des Pro-
zesses, wenn auch nicht seiner eigentlichen Ursache, ware eine genaue
Untersuchung sehr notwendig. Wie kam man denn dazu, Uberhaupt die
Nachforschungen nach den Reden der protestantischen Stande anstellen
zu lassen? Wie mir scheint, weil man absolut, um die unbequemen Stande
unterdriicken zu konnen, einKomplott babenwollte. !Nur so erklart sich,
daB der Bericht nach Riezler S. 525 „zugab, daB ein Einverstandnis der
Opposition mit Auswartigen nicht nachgewiesen werden konne*'. Man
hat also von vornherein diese Anklage erhoben, noch ehe ttberhaupt
Material zu einer Anklage vorlag. Doch das Einzelne kann hier nicht
erQrtert werden. Nur ist noch hervorzuheben, daO mit der schwachste
Punkt der Beweisfuhrung der Versuch ist, aus den Fluchtversuchen der
Angeklagten auf ihre Schuld zu schlie^en. In der Tat bei der damaligen
Jnstiz, in die der Herzog, der angebjich Beleidigte, fortwahrend selbst
eingriff, muBte jeder das Schlimmste fiirchten, wenn er ttberhaupt mit
ihr in Beriihrung kam. Mit welcher Brutalitat schleppte man den Maxel-
rainer nachMunchen! „Ichbin wohl begrundet, schrieb der edle Freyberg,
10*
148 ^u^ Bibliogmphie.
wo eioe Gewalt nicbt vor dem Eechte wirkt^, (8. 123), aber sehr bald
mufite er wie die anderen einseben, dafi bier allerdings Gewalt vor Recbt
ging und der Herzog, dessen Bild gegen die Meinung des Yerf.s Dicbt
gerade gewinnt, sebr bestimmte Zwecke verfolgte, nicbt biofi sein Land
vor dem Latbertum zii bewabren, sondern die OppoBition gegeii die zu-
neb'mende Steoerlast mundtot zu macben und durcb scbarfere LehenB-
verpflicbtungen, das ist sb ziemlicb bei alien das greifbare Resultat, seine
Macht zu stiirken. Und was die angeblicb auf alien Punkten eiwiesene
Schuld der evangeliscben Stande angebt, fUr die sogar eine brief Hebe
Aussage des Jesuiten Canisius ins Feld geftihrt wird, so wird es nach
den neoen Qaellen erst recbt bei dem Uiteil bleiben miissen, welches
Biezler, Gescbicbte Bayerns lY. 530 zum Bedauem des Yerf.s (S. 228 f.)
festgelegt bat. Endlicb muQ das SelbstbewnOtsein, mit dem der jugend->
licbe Yerf. uber die friiheren Bearbeitungen, namentlich tiber K. Pregers
Studie fiber. Pankraz von Freiburg (Scbriften des Yer. f. Ref. Geecb.
Nr. 40) herfallt, zum mindesten als nicbt gerecbtfertigt bezeicbnet werden.
*Clemen, O. Ein Brief des Urbamis Rhegius. Ztscbr. d, hist.
Ver. f. Niedersachsen. Jahrg. 1904. S. 371.
Entbalt einen kommentierten, bisher unbekannten Brief des Urban
Rhegius an Job. Lang in Erfurt, d.d. Celle. 14. Jul! 1538.
*Clemen, 0. Hieronymus Schencks von Sumawe „Kinderzucht".
Mitteilungen der Gesellschaft fur deutsche Erziehungs- und
Schulgeschichte XIY. (1904.) 4. Heft. S. 218ff.
Eingehender Bericht fiber die bisher unbekannte Schrift des frltnkischen
Humanisten H. Schenck von Sumawe : „Ein newes vnd hubscbes bucblein
kinderzttcbte genant, darjnne ein itzlicber vntterricht wird, wie er jm einen
elichen gemahel sucben, wie er in der ee leben vnd wie er sein kinder
zu guten tugend ziben solle. Wirtzburg 1602*^,
Wrede, A. Urbanns Rhegius zu Hall im Inntal. Ztschr. d. hist.
Yer. f. Niedersachsen 1904. 1. Heft.
Ley, Hans. Die literarische Tatigkeit der Lady Craven, der letzten
Markgriifin von Ansbach und Bayreuth. Erlangen 1904. Diss.
Diir rwHchter, A. Christoph Gewold [geb. 10. Okt. 1556 in Am-
berg, f 17. Juni 1621 in Ingolstadt]. Ein Beitrag zur Ge-
lebrtengeschichte der Gegenreformatiou und zur Gescbicbte des
Kampfes um die pfUlzische Kur. Freiburg in Breisgau 1904.
A. Schonbach. Das Wirken Bertholds von Regensburg gegen die
Ketzer. (Studien zur Gescbicbte der altdeutscben Predigt.
Drittes Stuck.) Sitzungsber. d. Wiener Akademie der Wissen
sehaften. Bd. 147. (1904).
•Krebs, Rich. Die Weislumer des Gotteshauses und der Gotteshaus-
leute von Amorbach. Alemannia. Neue Folge Bd. 3 S. 106ff.
und Bd. 4 S. 193ff.
Schott, Th. Die evangelische Kirche zum hi. Kreuz, ein Gedenk-
blatt. (51 S. m. Abbilduugen u. 1 Tafel.) gr. 8. Augsburg.
S. A. Schlosser. 1803. M. —,75.
Meyer, Dr. Chr. Chronik der Stadt WeiSenburg i. B. MUnchen
1904. gr. 8. 58 S.
Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
Von D. Th. Kolde.
(Scblufi.)
Aber auch die Satire hatte sich des Falles bemachtigt,
Etwa 14 Tage nach der Ingolstadter Disputation erschien mit
dem angeblichen Druckort Miinchen ui)ter dem Titel Acta con-
cilii etc. ^) im Latein und Ton der epistolae obscurorum virorum
eine bittei'b5se Spottschrift gegen die Ingolstadter Gelehrten.
Der Verfasser, der oflfenbar mit den Verhaltnissen an der
Universitat und im ganzen Lande sehr vertraut ist^ giebt sich
den Namen C. Emilius Landspergius, und da er ziemlich un-
vermittelt den Miinchener Minoritenguardian Kaspar Schatzgeyer
mit hineinzieht, wjrd man ihn vielleicht unter dessen literari-
schen Gegnem suchen miissen. Doch laCt sich, da jede weitere
Spur fehlt, zurzeit etwas Bestimmtes nicht feststellen ^). In
1) Acta Goncilij Doctorum Uniuer-/sitati8 Ingolstadien. celebrati,
super de-/cem septem Articulos hereticales Lu/theranos, quos tenuit ma-
gister/Arsathis Sehofer cum no-/mine de Monaco. An-/no dni. 1523./ Cum
gratia et priuilegio Uniuersitatis/Ingolstadieusis, quod nemo debet illam
materiam impri/mere in eorum ciuitate diu, et nisi post decern annos/
et qui Yult legere istam materiam, debet cum matu-/ritate facere, quia
de misticis fid.ei, que conclusemnt/magistri nostri in Concilio predicto,
tractat./ M. D. xiiij./ Am SchlnO : Impressum Monaci per industrium virum
Johannem Schob-/ser, ciue illic. Expensis Ingolstadien. pro honore alme
Dni/versitatis'^t magistrorum nostrorum. Correctore doctissimo viro pa/tre,
domino fratre Casparo Schatzgeyro, ordinis sanctissimorti / fratrum Mino-
rum discalciatorum. Dictatore ter. Imperatore qua/ter. Censore semel.
Anno M. D. xiiij. i Marcij Indictione. XL ho/ra xij. in nocte post Galli
cantnm, minuto primo./ 18 Bl. Kgl. Bibl. in Berlin.
^ Meine friiher (G6tt. Gel. Anz. 1902 S. 760) ausgesprochene Ver-
mutnng, der Verfasser k5nnte, zumal er von Augsburg geschrieben liaben
will, trotz des Yornamens Emilius, den er sich gibt, identiscb sein mit
demEarmeliter JohannLandsperger in Augsburg (vgl. M. Martin, Johann
150 Eolde, Arsacius Seehofer and Argula von Grumbach.
seinem von Augsburg am 29. Sept. 1523 (zuruck)datierten
Widmungsbriefe an Wolfgang Cappelmeyer^), den Miinchner
Landtsperger, Augsburg 1902, S. 23 ff.), scheint mir nach eingehenderer Be-
schaftiguDg mit der Satire jetzt selbst auwahrscheinlich^ da der Karmeliter
schon 1487 in Ingolstadt stndierte, darnm kaum mit den damaligen Ver-
hlkltuissen so vertraut sein konnte, wie der Verfasser offenbar ist. Will
man ihn In Augsburg suchen, so k5nnte man an Jakob Dachser oder
Rhegius denken. Fiir den ersteren sprache nur, dafi er vor kurzem in
Ingolstadt gemafiregelt worden war, und gegen Rhegius, dem man die
Satire wohl zutrauen kSnnte, scheint zu sprechen, dafi er Eiemlich zu
gleicher Zeit als Stratus Engedinus auftrat and seine Verteidigung der
17 Art. da eine andere ist, als in den Acta concilii. Nicht nnmoglich
ware, d&Q Osiander dahinter steckte, aber mehr als eine Yermutung soil
das nicht sein.
1) C. Emilius Landspergius R. patri, fratri, viro domino Vuolff-
gangiolo, Oapellamayorolo, Augustiniolo, heremitatolo sacre theologiae
dootorculo suo Gharitatissimo amiculo. — W. Ostermeyer yulgo Cappel-
meyer bezog, damals schon Augnstiner, die Universitat Wittenberg als-
bald bei ihrer Grundung im Jahre 1502 (Alb. Viteb. ed. Forstemann S. 2),
erwarb sich dort die akademischen Grade und las als Inhaber des einen
der auf das AugustinBrkloster gestifteten Lehrstuhle im Jabre 1507 in morali
philosophia (vgl. Strobel, Neue Beitr. zur Literatur, 2. St. S. 59 ff.) und
woi'de am 20. Aug. 1509 Dr. theol. (Forstemann lib. Dec. S. 5). Im
Dekanatsbuch der theol. Fakultat wird er im Jahre 1510 zum letztenmal
als einer der Galli bei der Promotion Garlstadts erwabnt. Obwohl er
alter als Luther und diesem in den akademischen Graden voraus war>
wird es doch zuviel gesagt sein, wenn Easpar Bruschius (bei J. Wolf,
lectionum memorabilium. Lauingen 1600, S. 576) ihn praeceptor M. Lutheri
nennt. Wann er wieder nach Miinchen gekommen ist, kann ich nicht an-
geben. Doch ist er zweifellos identisch mit dem von Geisz (DieReihen-
folge der Pfarr- and Ordensvorstande MUnchens, Oberbayr. Arch. Bd. XXI,
S. 17) fUr 1623 nachgewieseneu Dr. Wolfgang August! (sc. Augustinensis)
und mit dem Prior, an den die Einladungen des Wenceslaus Link zu dem an
Pfingsten abzuhaltenden Ordenskapitel erging (vgl. M. Martin, Zur
Gesch. des Mttnchner Augustinerklosters, Beitrage Bd. VIII, 215. Joh.
Eck gab nach seinem Tode (f 28. Jan. 1531) von ihm heraus: «An-
zeigung was set das war christenlich und lebendig Evangelium unsers
Herrn Jesu Christi. Durch D. Wolfgang Coppelmair, weyland Prior und
Predikant im Augustinerkloster zu Miinchen 1538*' und bemerkte spater
zam Art. IX (de auctoritate ecclesiae) des Regensburger Buches vom
Jahre 1541: De quo egregie prae ceteris Yuolfgangas Calpelmair, Bava-
rus, olim condiscipulus Luteri, qui solus sufficeret ad expugnandum
errorem adversariorum literae mortaae incumbentium. Bei Hergang d.
Religionsgesprach su Regensburg. Eassel 1858, S. 116 Anm.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argnla von Grumbacb. 151
m
Augustinerprior, spricht der Verfasser sein lebhaftes Bedauern
dariiber aus, daB jener nicht bei dem Prozefi gegen Seehofer
zugegen gewesen sei. Die Ingolstadter batten n^mlich den
Magister nicht iiberwinden kdnnen, da er die Bibel auswendig
gewuCt habe. Wie anders wftre das verlaufen, wenn Cappel-
raeyer zur Stelle gewesen, der doch erst im Februar seinen
ketzerischen Prediger besiegt und ihn dem weltlichen Arm zur
Totung uberliefert habe^). Dann wird in phantasievoUer Weise
als Neuigkeit liber Seehofers Abschworung berichtet, der der
Verfasser als Augen- und Ohrenzeuge beigewohnt haben will.
Um nun zu zeigen, wie die Verurteilung zustande ge-
kommen ist, gibt der Verfasser von den einzelnen Akten und
Vorberatungen eine Beschreibung, die an Verh5hnung und
drastischer Zeichnung der Unwissenheit und des sittlichen
Schmutzes, so wie des niedrigen. Kulturzustandes der Ingolstadter
Wiirdentrager nichts zu wiinschen librig laUt. Da die Schrift
auCerst selten und so gut wie unbekannt ist^), soil hier der
Inhalt kurz zusammengefafit werden.
Zuerst erlaCt der Universitatsnotar Calixtus Katzenbirn
zur Vorsicht ein Mandat, in dem jede StOrung der Verhandlungen
durch Husten und nnanstandige Gerausche mit Strafe bedroht,
auch ein „lupus" aufgestellt wird, der jedes deutsch gespro-
chene Wort aufschreiben soil sub poena trium solidorum cum
pritschina recipiendorum, denn besser ist schlechtes Latein als
gutes Deutsch. Am 14. August findet dann in templo Bachi
circa domum Leonardi Dumer eine erste Besprechung statt, an
der neben dem Notar der Kektor Apell und die beiden Pedelle
Eonrad Feygenesel und Petrus Backstock teilnehmen. In be-
weglichen Worten schildert der Rektor die schwierige Lage.
Kein Mensch woUe mehr seine Vorlesungen horen, wahrend zu
Seehofer die Schuster und sonstige Handwerker stromten. Letzt-
hin habe er liber des Scotus Quodlibeta iiber Matthaus lesen
woUen, aber trotz langen Lautens sei niemand gekommen. Da
1) Vgl. hierzu oben S. 101 Anna. 2.
2) Sie fehlt in MUnchen und ist vielleicht nur noch in Berlin vor-
handen. Nachdem die Unsch. Nachrichten (Fortges. Sammlungen etc.)
1732, S. 20f. kurz daraufhingcwiesen haben, hat zueist wieder 0. Albrecht
in d. Weim. Lutherausgabe 15, 99 darauf aufmerksam gemacht.
152 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
habe er sich einen Laienbruder von den Franziskaneni als
Zahorer geholt. Der habe aber von Anfang bis zu Ende ge-
schlafen und geschnarcht und sei nicht einmal aufgewacht, als
er aufgehort habe: „Also mit den Monchen ist es auch jiichts''.
Und so wie ihm ginge es alien andern auch: „Wir konnen
uns nicht mehr ernahren''. Der Notar bestatigt dies. Das
Neue zieht an, und die neoterici theologi verkiinden, wie sie
sagen, das Evangelium. Da fuhrt Apell auf: Diese Magister
in philosophia haben gar kein Recht, theologische Vorlesungen
zu halten. Sie vexieren uns mit dera Evangelium. Was heiBt
Evangelium? Das verstehen die Dorfpfarrer auch. Deshalb
ist es nichts damit, wenn nicht die Theologie dazu kommt. Und
diese durfen nur die magistri nostri in theologia lesen. Hierauf
wird eine allgemeine Universitatssynode beschlossen.
Auf Ladung erscheinen am 22. August abends 9 Uhr alle
Wurdentrager der Universitat in der Prauenkirche, aber der
Rektor laCt sie, weil es schon Nacht geworden ist, in die
Weinkneipe des Hans Schober^) holen und gibt dem Pedell
den Auftrag, bei dem Wirte einen „guten Schluck" (bonum
haustum) und kalte Kliche (frigidam assaturam) zu bestellen.
Da man hier in Sachen des Glaubens und der Universitat tage,
soUe die Zeche aus dem allgemeinen Fiskus bezahlt werden.
Nun berichtet der Rektor von neuem iiber die Not, in die sie
alle gekommen seien, hat er doch inzwischen von dem Kalfakter
gehort, daB der Magister Seehofer sogar deutsch gelesen habe
und daC die Leute schon sagten, er sei gelehrter als alle
andere Menschen in der Stadt und die Magistri nostri. Hier
galte es „Principiis obsta", deshalb woUe er den Rat der Kol-
legen horen. Er selbst beweist die Tatsache, daB es mit dem
Evangelium nichts sei, und daB die Behauptung, man diirfe in
der Kirche nichts predigen als das Evangelium, falsch ware, mit
einem drastischen Beispiel. Wenn die Franziskaner oder gar der
1) Das wird kein fingierter Name sein. Auf dem verhangnisyollen
Ingolstadter Landtag von 1563 war ein Georg Schober Deputierter von
Ingolstadt und geh^rte zu den Denunzlanten gegen die evangelisch ge-
sinnten Adligen. Vgl. K. Hartmann, Der ProzeB gegen die protestan-
tischen Landstande in Bayera unter Herzog Albrecbt von 1564, Mtinchen
1904, S. 257.
Kolde, Arsaoius Seehofer und Argula von Grumbacb. 153
f romme Kaspar Schatzgeyer ^) am Kftse betteln gehen und dabei
subtile Fragen aus Skotus oder Metfret^) vorbringen, dann
staunen die Bauern liber ihre tiefe Gelebrsamkeit und geben
ihnen gern Ease und Wurste, bringt aber jemand das Evan-
gelium, dann gibt niemand etwas: „Also sind diealten Doktoren
besser als das Evangelium".
Leonhard Marstaller, die Zierde der Universitat, soil als
erster sein Urteil abgeben. Aber er kann vor Trftnen tiber
die MiCachtung seiner Vorlesungen kaum sprechen. Der Eektor
ermahnt ihn, einen guten Schluck zu tun^). Nun flndet er,
daU Seehofer ein Haretiker ist, weil er nach der Mitteilung
eines Busenfreundes gesagt haben soil, dafi aucli Laien und
Frauen Theologen sein k5nnten. Das ist aber falsch und
haretisch, denn ein Theologe mufi geweiht sein, was bei einer '
Frau nicht moglich ist*), auBerdem ist eine Frau weiblicheu,
ein Theologe aber mannlichen Geschlechts. Entziickt von
dieser Beweistuhrung ermahnt der Rektor den Notar, alles
sorgfaltig aufzuschreiben. Dann wendet er sich an Franziskus
Burkhardt, der eigentlich als Jurista und Theologus ein Herma-
phrodit sei. Dieser will nicht viele Worte machen, da doch
dabei nicht viel zu verdienen sei, weifi aber zu berichten, dafi
er im Schlafe jemanden habe sagen horen, daC die Heiligen
und Reliquien nicht angebetet werden diirfen. Seine Kochin
habe ihm darauf gesagt: „Herr Doktor, ein Engel hat mit euch
gesprochen, weil Seehofer dies vorgetragen hat, und ich glaube,
dafi es ein Orakel war, weil ich im Bette sehr fromm bin".
Jene Eede ist aber haretisch, weil daraus folgen wiirde, daB
1) tlber diesen eifrigen BekSmpfer der lutherischen Bewegung
(t 18. Sept. 1527) vgl. A. v. D ruff el, Der bayr. Minorlt der Observanz
Kaspar Schatzgeyer and seine Schriften. Sitzungsber. d. phil. u. hist. Elasse
d. bayr. Ak. d. Wiss. 1890, Bd. II 3. Heft und N. Paul us , Kaspar Schatz-
geyer, Freib. 1898.
2) Ygi. tiber dessen umfangreiches, viel gebrauchtes Predigtrepertorium
Hortulus reginae mit seiner Fttlle von gelehrtem Material etc. Cruel,
Geschichte der deutschen Predigt im Mittelalter, Detmold 1878, S. 486 ff.
3) Aufierdem gibt er dem Pedell den Auftrag: Dicite Coce in
coquina, quod det magistro mappam ex indusio interiori vel qua oUas
mundat, ut magister noster tergat oculos post fletum.
4) nisi inferiuB esset clausa.
154 Eolde» Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
der Esel, auf dem der Herr geritten sei, nicht angebetet werden
dilrfe, wfthrend doch die Juden ihm grofie Verelining erwiesen
und Palmzweige auf selnen Weg gebreitet . batten, weil er den
Herrn trug, damit der Esel mit Vergntigen dartiber hinschreiten
konnte. Deshalb ist er wie ein Heiliger zu adorieren. Apell
bewundert den Geist des KoUegen, macht aber noch die Gegen-
bemerkung^): Wie denn, wenn der Esel die Kleider besudelt
hatte? Aber Burkhardt erwidert, das schadet nichts, es sind
doch Reliquien — und erhait zur Belohnung einen besseren
Wein vorgesetzt.
Der n^chste, der hochgelehrte Georg Hauer, der beriihmte
Casuist, zu dem die Leute von auswarts pilgern, um sich von
ihm scbwierige Falle losen zu lassen, legt zunachst den KoUegen,
um die Schwierigkeit und Tiefsinnigkeit seiner Studien vor
Augen zu fiihren, einen hochst verzwickten Fall (perplexus
caseus (!)) vor: Ein Schiffer band seinen Nachen an eine Muhle.
Der Esel des MuUers bestieg den Nachen, dieser 15ste sich los,
und beide gingen zugrunde. Die Rechtsfrage ist nun die, ob
der Esel das Schiff ertrankt hat, oder das Schiff den Esel.
AUes staunt Man begreift nicht, wie ein Mann, der sich mit
solchen schwierigen Problemen beschaftigen mu6, iiberhaupt
noch schlafen kann. Eine Antwort weiB keiner. Man verschiebt
deshalb die Beratschlagung fiber den schweren Fall auf spatere
Zeit. Hauer soil einen Becher Weins zu sich nehmen, um sein
schwaches Augenlicht scharfsichtiger zu machen, und vorerst
seine Meinung fiber den Ketzer sagen. In Form einer Zote
bringt er dann auch eine ketzerische Auslegung des allgemeinen
Beichtgebotes Innozenz III.^) vor, die Seehofer nach der Mit-
teilung einer der Herzensfreunde Hauers, eines Schusters, „der
selten Iftgt", vorgebracht haben solP):
1) Ego etiam interim profunde speculavi, et in incidit mihi magnum
dubium, et est talc. Quid si asinus merdasset super vestimenta? quid
tunc est? Franciscus: Nihil non nocent, quia sunt reliquie etc.
2) Es ist das Dekret: Omnis utriusque sexus fidelis etc. beiMirbt,
Quellen zur Geschichte des Papsttums. 2. A. Feb. 1901, Nr. 223.
8) Quod omnes homines debent deo tantum confiteri coram crucifixo,
praeter illas (!) qui habent duo membra circa genitalia, quia dicit papa,
quod omnes utriusque sexus debent confiteri presbytero alii non. Sed
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 155
Nun kommt die Reihe an die Mediziner. Auch sie haben
in dieser Glaubensfrage zu Ehren der Universitat mitzusprechen,
weil die Haresie den ganzen Korper inflziert, und der Rektor
ermachtigt sie ausdriicklich dazu im Namen Gottes u. s. w. und
trinkt ihnen einen guten Schluck vor ob der alten guten Freund-
schaft mit ihrer Fakultat. Dr. Wolfgang Peiser^) findet See-
hofers Haresie darin, dafi er unter Berufung auf Paulus die
Unterscheidung von Tag und Tag, Nacht und Nacht geleugnet
habe. Das ist ketzerisch, denn der Tag ist im Sommer langer,
heller und warmer als im Winter, namentlich wenn in der
Nacht kein Schnee da ist. Und wenn wir alle jedes Fleisch
essen diirften, dann dlirften die Juden auch Schweinefleisch
genielJen, was wider das alte Gesetz ware. Endlich hatte,
wenn wir jeden Tag Fleisch essen diirften, Gott eine Kreatur
ganz umsonst geschaffen, namlich die Fische. Gott schafft aber
nichts umsonst, und wie soUten sich die Fischer ernahren?
Folglich ist Seehofer ein Haresiarch, der die ganze Welt um-
stiirzen will.
Vol! Bewunderung erklart Apell, das sei beim heiligeu
Gott ein Argument, das allein gentige, den Angeklagten zu
verbrennen. Er ermuntert den Kollegen, der bisher nur einen
kleinenund,,jumpferlichen Zug" (virgineumhaustum) getan, tiichtig
zu trinken, denn er habe es verdient. Noch mehr verspricht
er sich von Petrus Burkhardt, der selbst in Wittenberg ge-
wesen sei und alle Geheimnisse der Ketzer kenne*). Wahr-
hoc est hereticum et erroneum. Probatur, quia quando quia confitetur deo
vel crucifixo et babet caseos reservatos, tunc conscientia sua non est
quietus, quia nescit utrum deus habet auctoritatem absolvendi tales caseos,
et nescit etiam, quid debet habere pro poenitentia) quia deus nihil dicit
nee imago, sicut ego nuper probavi in die Pasce apud fratres minores,
quando volui communicare iuxta antiquam consaetudinem. Hi. — Sollte eine
solche alte Sitte, vor dem Kruzifix zu beichten, damals noch vorhanden
gewesen sein? Uber die kath. Beichtpraxis bei Beginn der Reformation
vgl. E. Fischer, Zur Geschichte der ev. Beicbte, Leipzig 1902, I. Bd.
1) Peiser war damals schon ein alter Mann, denn er war seit Okt.
1483 Mitglied der Fakultat, gait ubrigens als tuchtiger Arzt. Er starb 1526.
Prantl I, 76 f., 196.
2) Peter Burkhardt aus Ingolstadt war 1497 Prof, der Medizin in
semer Vaterstadt geworden, gab jedoch 1504 diese Stellung auf, nicht,
156 Kolde, Arsacias Seehofer und Argula von Grumbach.
scheinlich war es nicht unbekannt, dafi Burkhardt eine Zeit
lang ganz auf Luthers Seite gewesen war ^). Denn das Pamphlet
laBt ihn zogeni; weil er Glied der Wittenberger Universitat
gewesen sei, darum ihre Ehre suchen miisse, wie er auf Szepter
und Matrikel geschworen habe. Aber der Rektor sucht ihn
zu beschwichtigen. Jener Schwur verbindet nicht, weil es
gegen die Ketzer geht, „und wenn Ihr eine kleine Liige tut,
so ist es eine Pflichtliige und eine lafiliche Sunde, die mlissen
wir tun aus Liebe zu unserer Universitat- Und wenn Ihr
morgen zur Frauenkirche geht und Euch mit geweihtem Wasser
besprengt, ist die Siinde vergeben". AUein Burkhardt will von
den Leuten Jenseits des Flusses" schweigen. Aber gegen den
Haretiker hier in Ingolstadt selbst will auch er auftreten, hat
jener doch neulich gegen die Verbindlichkeit der kirchlichen
Fastengebote gesprochen und das Fasten in jedes Belieben ge-
stellt. Aber das ist gegen die Mediziner, die den Kranken ge-
bieten zu fasten, und gegen die Schrift Sap. 20(!) Plenus
venter non studet lib enter etc. Deshalb ad patibulum cumillo!
Der dritte Arzt, Panthaleon Brunner, betreibt als Spezialitat
die Krauterkunde und beschreibt mit zynischen Worten seinen
Verkehr mit den Krauterweibern und Hexen*). Seehofers un-
wie Prantl I, 120. 197 angibt, am nach Wittenberg uberzusiedein, sondern
urn in Niiinberg, dann in Ulm, Begensburg und anderen Stadten zu prak-
tizieren, wie Christoph Scheurl in seinem Empfehlungsbriefe am 17. Sept.
1518 an Rektor und Senat in V^ittenberg berichtet (Scheurls Briefbuch
ed. Soden u. Enaake II, 49 f.), und feam erst um diese Zeit nach Witten-
berg, wo er bis Anfang 1521 blieb, um dann nach Ingolstadt zurtickzu-
kehren. Dort ist er am 30. Marz 1526 gestorben, was anch Spalatin in
seinem Chronicon (bei Mencken, scriptores II, 656) notiert hat.
1) Luther bezeichnete ihn 1519 als „frommen Mann** (De Wette I,
321. Vgl. Scheurls firiefb. II, 96). Zu einem ZusammenstoB kam es dann
.wegen der Stellung, die Burkhardt als Rektor im Jahre 1520 bei einem
Stndentenauflauf eingenommen hatte. Vgl. Enders, Luthers Brief wechsel
II, 440.
2) Ego resume discipulis meis et suppositis vnam special^m etsub-
tilem materiam in medicinis, scilicet Herbarum in materna lingua, et habeo
etiam seorsira lectiones pro precio suppositis quibusdam et pre omnibus
illis honesti's matronis, que de nocte equitant super vnctum baculum, et
qnando dicunt superius ex,.et nullibi ad, tunc equitant multa miliaria in
vna nocte. Et tales matrone veniunt de remotis partibus ad me, et audiunt
resumptionem meam, et discunt naturam herbarum et lapidnm, vt, quando
Eolde, Arsacius Seehofer and Argula von Grumbacb. 157
erhorte Reden, meint er, wiirden wohl mit Verdauungsbeschwerden
zusammenhangen, er mttsse daher erst sein Wasser untersuchen,
urn festzustellen, ob er ein Ketzer sei oder nicht. Ohne das
Ergebnis abzuwarten ^), — Brunner erhalt einstweilen ein Glas
Marsala vorgesetzt — fragt der Rektor nunmehr die Artisten
um ihren Rat. Sie sind es, von denen es heiBt, die ^ersten
veerden die letzten sein, und die letzten die ersten. Denn die
Philosophie ist die Wurzel aller Wissenschaft von der Physik
bis zur Theologie; deshalb, sagt Apell, seid Ihr gewissermaUen
Gott, Ihr seid Anfang und Ende, das A und das 0. Ihr
Fiihrer, Anton Braun, ist inzwischen sehr mftde geworden und
mochte lieber schlafen, aber man laCt ihm keine Ruhe und er er-
klart endlich auch seinen Unwillen iiber Seehofer, weil dieser
die Scheidung als erlaubt bezeichnet babe, was die alten Vetteln
begehrlich mache, wie er schon bei seiner zahnlosen Hausfrau,
die ihn gern zum Manne haben mochte, erfahren habe. Der
letzte endlich, Johann Schrotinger, kann kaum mehr sprechen
und flndet selbst, daB er ziemlich betrunken sei. Der Rektor
trostet ihn aber, daC das keine Todsunde sei, wenn man sich
nicht erbricht, und nun weiB auch er eine Anklage gegen den
Magister, namlich daB er gelehrt habe, daB Monche und Nonnen
heiraten diirften, was doch unmoglich sei, da sich ja die Monche
um des Himmelreichs willen verschnitten haben ^). Nun ist der
Rektor befriedigt, hat er doch acht Anklagepunkte gegen See-
hofer. Es wird beschlossen, an einem andern Tage weiter zu
verhandeln, und rait einer gemeinen Bemerkung entlaBt das
Haupt der Universitat die KoUegen und befiehlt den Pedellen,
ihnen heimzuleuchten^).
Am 27. August versammeln sich die Gelehrten von neuem
est necessitas, sciant applicare activa passivis et adducere amasium et
amisiam (!) ad inuicem super liircum.
1) An einer spateren Stelle wird als der von ihm vorgebrachte hareti-
scheSatz SeehofersbezeiiehnetiNemo tenetur ex praecepto divino ieiunare.
2) Sed hoc est impossibile, quia monacbi non habent testicnlos, quia
castraverunt se propter regnum celorum etc.
, 3) Domine pedelie recipite laternam et praecedite magistros nostros
et doctores praecellentes. Si aliquis vellet forsitan sacrifieium affere Deae
Cloacinae, vel pro devotione contemplare in templo Veneris, tunc accen-
.dite lumeo, nt sciat videre quid ibi est.
158 Kolde, Arsaoins Seehofer und Argula von Grambach.
in der oberen Stube Hans Schobers hinter dem Ofen zur end-
gttltigen Verurteilung. Da alles ordentlich zugehen soil, wird
beschlossen, Seehofer kommen zu lassen, damit er die ihm vor-
geworfenen Artikel anerkenne. Wahrend der eine Pedell ihn
abholt, muB der andere ein gates Friihstuck besorgen. Der
Magiater erscheint nnd der Rektor halt ihm vor haereticalia,
scandala, frivola et piarum aurium offensiva gelehrt zu haben.
Wenn er sich begnfigt hatte, den Petrus Hispanus u. s. w. zu
erklftren, wlirde man mit ihm zufrieden sein, aber so habe er
fremden Acker abgemaht und sich mit den Geheimnissen des
Glaubens beschaftigt, die fiir ihij als Magister zu hoch seien.
Vergebens sucht Seehofer sein Recht, in Dingen des Glaubens
auch mitsprechen zu durfen, wie Argula aus der Schrift zu
erweisen. Der Rektor IftBt die acht Vorwiirfe seiner Kollegen
verlesen. Seehofer erwidert, daU die inkriminierten Satze alle
wahr und katholisch seien, und erbietet sich, den Beweis dafilr
aus der Schrift zu bringen. Das erklart der Rektor ftir un-
moglich, wenn er nicht den Teufel bei sich habe, da sie mit
Skotus und den anderen Autoritaten im Widerspruch standen.
Nun beginnt Seehofer seinen Beweis mit einer Menge von
Bibelstellen. Aber Apell unterbricht ihn: „Ich kann eure ver-
fluchte Rede nicht hSren, weil ihr die alten Doktoren und
Heiligen verachtet, die das Evangelium besser kannten als ihr.
Geht hinaus, daB wir Zeit haben, uns zu besprechen**, Ebenso
miissen alle Nichtstimmberechtigten das Zimmer verlassen, und
die Pedelle haben aufzumerken, daB niemand in der Kuche oder
im Kamin borcht.
Als man unter sich ist, beginnt Apell mit dem Bekenntnis:
„Ihr seht, daB die Lutheraner alles aus der Bibel beweisen
und unter uns gesagt (sub rosa loquendo), wir konnen ihm
nicht widersprechen, denn es gibt Vieles bei Skotus und den
heiligen Doktoren, was nicht aus der Bibel erwiesen werden
kann. Das durfen wir aber die Bauern nicht wissen lassen,
die schon von der Argula von Stauff, die die Bibel auswendig
kann, gesagt haben, daB sie gelehrter ist als wir, was aber
nicht wahr ist, denn sie ist nicht auf der Universitat gewesen^)".
1) Ego tamen timeo quod scribit contra nos, tunc permerdaret nosdiabolus.
Eolde, ArsaoiuB Seehofer und ArgulA von Grumbach. 159
Aber was ist zu tun ? Der Rektor ist ratios. Der Mensch, sagt
er, spricht viel von fides, aber ich weiB nicht, was fides ist.
Gestern und heute habe ich im Vocabularius ex quo^) und im
Mamatrectus^) danach gesucht, kann aber nichts finden. Auch
der Suffragan von Regensburg . weiB nicht, was fides ist und
sagt, daC man das den groBen Hansen fiberlassen muB, wie er
neulich in der Stadt Weiden gepredigt hat^). Ich woUte, ich
hatte die fides (den Kredit) der Fugger in Augsburg statt der
theologischen fides, denn ich weiB nicht, was ich sagen soil.
Marstaller weiB auch keinen Rat: „Mit dem Evangelium ist
dieser Mensch nicht zu besiegen, und eine Bibel habe ich nie-
mals gesehen. Ja wenn noch unser Eck da wUre, der schriebe
gleich ein Buch gegen ihn „de toto et totaliter" und disputierte
mit ihm in Leipzig und lieBe uns in Frieden. Vielleicht konnte
Brunner den Magister durch seine Schiilerinnen (die Hexen)
auf einem gesalbten Stecken oder auf einem Bock abflihren
lassen, oder man konnte den Franziskanerpater Kaspar Schatz-
geyer holen lassen, den geistvoUen Mann, der schon Rat wissen
1) Vocabularius ex quo eio viel gebrauchtes lateiniscbes Vokabular,
das zuerst 1467 in Eltville erschien. Ygl. F. A. Eckstein, Lateinischer
und griechischer Untemcht. Leipzig 1887, S. 54.
2) Gemeint ist der im 14. Jahrhundert von dem Franziskaner Gio-
vanni Marchesini aus Keggio verfaftte Mammotrectus, „eine Sammlung yon
grammatischen, orthograpbischen, exegetischen und anderen Glossen znm
Yerstandnis der bibliscben Sohriften." Ebd. S. 58.
3) Nee suffraganius Ratispo. scit quid est iides sed dicit, quod
magnis Johannibus est committendum scire, quid est fides, sicut nuper
praedicavit in opido Weyden. Gemeint ist der Regensburger Weihbischof
oder GeneraWikar Peter Erafft (Deutsche Stadtechroniken 15, 62), von
dem wir wissen, dafi er Ende April 1524 die Hilfe der Ingolstadter gegen
den lutherisch gesinnten Prediger zu Weiden, Joh. Freiesleben, anrief.
Vgl. Winter I, 166, Prantl I, 159. Dieser sehrieb unter dem Pseudo-
nym Garitonimus Eleutherobius eine Scbrift gegen das Salve Regina unter
dem Titel: „Das Salve re/gina, nacb dem richtscbeyt, das da heyst,
Graphitheopneu/stos, ermessen vnnd abgericht"/, die, wie bereits Tb.
Ficker, DieEonfutation des Augsburger Bekenntnisses etc., Leipzig 1891,
S. 54 erkannt hat, in der zweiten Marienpredigt Hauers (s. o. S. 58) be-
kampft wird, also schon 1523 evschienen sein mufi. Nach der vorliegenden
' Satire dUrfte der Regensburger Generalvikar schon damals gegen Freyes-
leben in Weiden, aber mit wenig Gltick, gepredigt haben. Mehr liber
Fr. bei Clemen, Beitr. z. Reformationsgesch. Ill, S. 34 ff.
160 Kolde, Arsacins Seehofer und Argula von Grnmbach.
wtirde. Das leuchtet dem Rektor ein. Der gerade im Kloster
der unbeschuhten Minoriten anwesende Pater soil gerufen werden.
Aber der Pedell macht Einwendungen: es scheint ihm be-
denklich, einen Fremden Einblick in die Geheiranisse der
Fakultat zu gewfthren, auch stehe Schatzgeyer^) als Verfalscher
der heiligen Schrift und ob seiner AuBerungen fiber die Ehe,
die er in seiner Schrift fiber die Verehrung der Heiligen getan
habe, bei vielen in fiblem Geruche ^). So laBt denn der Rektor
den Gedanken fallen und wendet sich an die juristischen
KoUegen. Georg Hauer halt die ganze Frage, was eigentlich
Glaube sei, ffir unnotig. Man soUe es so machen wie die
Bischofe, die auch nichts davon wissen oder wissen wollen,
sondern schlechtweg (sine medio) alle, die vom Glauben sprechen,
toten Oder einsperren. So haben es auch die Magistri nostri
in Lowen gemacht, so machen es die Bischofe, weil sie mit
anderem genug zu tun haben, der eine mit der Jagd, der andere
mit dem Gelde, der dritte mit seiner Hurenherde. Da der
Pfarrer, wenn er ein Kind tauft, fragt: Glaubst du an Gott, so
ist das genfigend. Man soUe den Haretiker einfach bei Wasser
und Brot im tiefsten Kerker verwahren. Das erscheint auch
1) Schatzgeyram, qui apud quosdam male audit, non secus atque
sacrarum adulter. In eo euim, quemL de veneratione sanctorum edidit
tractatUy cum virginitatis decus admodum immoderatius efferet, dixit
matrimonio iunctos inexplebili libidiuis siti ardere ceu ydropicum potu
et tali nota divinum matrimonium incefisit, quod potissimum dictum plures
male habet, atque veritati pepercit. Darauf an twortet der Rektor: Domine
pedelle. Nolite scandalizare, quia ipse habet omnia in quotidiana ex-
perientia et practica. — Die betreffende Stelle findet sich wirklich in
Sehatzgeyers Schrift: „De sanctorum imploratione et eorum sufifragiis''
etc. 1524 (im Schriftenverzeichnis bei N. Paul us a. a. 0. Nr.7) F. 5. Unter
den nenn Motiven, die angeblich der Apostel Paulus zum Rat der VirginitSt
yeraulaBt haben, ist der zweite : Ob tribulationem carnis quam conjugati habent,
cui satisfacere nequeunt sicut hydropicus nunquam plene siti potest satis-
facere, sed quanto magis bibit tanto amplius sitit. Unde plerisque facilius
est omnino continere, quam aliis in matrimonio honestatem matrimonii
oum timore domini et thorum immaculatnm custodire. Ne fiant ut equus
et mulns, quibus non est intellectus Ps. 3K Dies und die ganze sich an-
schliel^ende Darlegung ein neuer Beleg fiir die mittelalterliche Gering-
schatzung der Ehe. Ygl. dazuTh. Eolde, P. Denifle, seine Beschitnpfung
Luthers etc. 2. A. Leipzig 1904, S. 58ff.
Rolde, Arsacius Seebofer imd Argula von Grumbach. JGl
dera Mediziner Peisser das Richtlge : wenn der Gefangene kein
Licht hat und nichts zu essen erhalt, wird auch sein Gedachtnis
schwach werden und er wird alles vergessen. Daftir ist jetzt
auch Marstaller: „Konnen wir ihn mit der Wissenschaft nicht
uberwinden, so dttrfen wir doch gegen den Haretiker List an-
wenden. Deshalb wollen wir nur sagen, er ist ein Haretiker.
Und wenn er im Kerker ist, wollen wir aus seinen Buchern
seine H^resien feststellen." Die Pedelle erhalten den Auf-
trag, den Angeklagten ins Gefangnis zu fiihren und seine Bficher
zu bringen, aber sie haben Mitleid mit dem Armen, der nle
gegen sie schlecht gehandelt habe und, obwohl nicht iiberfiihrt,
verurteilt worden ^sei. .Sie finden es hart, an dera jungen
Menschen Henkerdienste verrichten zu sollen. Doch A pell sucht
sie zu beruhigen, man wolle ihn gar nicht toten, soudern nur
ein wenig demutigen.
Dann kommt die vierte Sitzung. Der Rektor berichtet,
was inzwischen geschehen. In den Buchern. Seehofers haben sich
wunderliche Zeichen gefunden. Er selbst glaubt, dafi der Ma-
gister die schwarze Kunst versteht, und Marstaller habe den
Inhalt als b5hraische Sprache bezeichnet. SchlieBlich habe der
in solchen Dingen sehr bewanderte und belesene Kalfaktor fest-
gestellt, die Sprache sei griechisch und hebr^isch. „Da habe
ich gesagt, seht, da ist es kein Wunder, daC dieser Mensch ein
Ketzer ist, da er die Griechen und Hebraer liest, die keine
Christen sind**. In den Buchern hat man nun 17 Artikel ent-
deckt, die nach Haresie schmecken. Da wir sie nicht verstehen,
erklart der Rektor, haben wir sie den beiden Pralaten der
Ingolstadter Kirche, naralich „Episcopo vulcani de nigro foramine
(Schlotfeger?) et sacerdoti Cloacine de podistis (Kloakenreiniger?)
gezeigt, die sie fiir ketzerisch erklart und versprochen haben,
einen Komraentar dazu und eine Glossa ordinaria und interlinearis
in einem Deutsch zu schreiben, daU jeder, der auch nur eine
Fibel zu lesen versteht, weifi, was daran ist. Sein Vorschlao:
geht nun dahin, diese ganze Materie drucken zu lasseu und
Seehofer als Ketzer zu verdamraen. Zeigen dtirfe man ihm aller-
dings die Artikel nicht, weil er sie sonst beweisen wurde; viel-
mehr miisse man einfach von ihm Widerruf fordern, oder er
vei*fiele der Strafe bis zum Feuertode (vel ire ad ignem inclusive),
BeltragG ziir baycp. Kircbcngeschiclite XI. 3. 11
162 Kolde, Arsacius Seohofer uiid Argula von Grumbach.
wisse doch jedermann: „Ware dieser nicht ein Ubeltater, wir
hatten ihn nicht iiberantwortet."
Aber nun wird die Sache dramatisch. Die Juristen ent-
decken ihr RechtsbewuCtsein und erklaren sich dagegen, je-
manden in seiner Abwesenheit und ohne Verhor zu verurteilen.
Auch die Mediziner ziehen zuriick. Sie hatten in der zweiten
Sitzung angegeben, was ihnen an dem Magister nicht geflele,
geniige das nicht zu seiner Verurteilung und handle es sich urn
theologische Satze, so ginge sie das nichts an. Apell findet die
Sache nicht so gefahrlich: ^Fiirchtet euch nicht, auch nicht vor
Gott, um der guten Sache willen. Wenn wir ihn verurteilt
haben, obwohl er unschuldig ist, so soil er zur BuBe in ein
Kloster gehen und zu seinem Heile dort im Kerker bleiben bis
zum Tode". Dann kann er nicht gegen uns disputieren. Wutend
ruft Marstaller: „Da soil der Teufel Abt sein, wenn die Dok-
toren von uns abfallen." Aber auch die Artisten bereuen, friiher
im Rausche ihre Sentenz gegen Seehofer abgegeben zu haben,
und wiinschen ein milderes Verfahren, zumal zu furchten sei,
man werde den Rat anderer Fakultaten einholen und ihnen
nachsageu, sie hatten aus Neid gegen Gott und sein Wort ge-
urteilt. Der Rektor versteht ihr Mitleiden mit dem friiheren
Spezialkollegen, aber das sei mit Unterschied anzuwenden. Die
Glaubenssache gehe vor. Noch einmal beruft er sich auf das
Gutachten der beiden versoffenen (ebriosi) sachverstandigen
Priester Vulcani et Cloacine, die mit ihrer Devotion schon viel-
fach andere erwarmt haben, besonders wenn es kalt ist. Den
etwaigen Vorwurf, sich in fremde Dinge eingemischt zu haben,
konnten die KoUegen leicht damit zuriickweisen, daC sie Ordi-
narien seien und deshalb alles wissen muBten, was in der Welt ist,
auch der Rektor ihnen die Gewalt gegeben hatte, mitzusprechen,
und einer den andern zur Ehre aller B'akultaten unterstiitzen
miiBte.
Damit ist die Sache erledigt. Der Rektor fertigt eine Ver-
dammungsbulle aus, in der er wiederum unter Berufung auf jene
sachverstandigen Autoritaten Seehofers Satze verurteilt und kund
gibt, daB dieser, durch Einkerkerung bei Wasser und Brot halb
dumm geworden, seine Artikel widerrufen habe. Darauf hin sei
er in die Hande Schatzgeyers iiberantwortet worden, auf daB
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grurabacb. 163
er ihn mit seinem Stricke geiBele und aufreibe bis zum Tode,
Oder ihn sogleich nach seiner Weise opfere, auf dafi seine Brflder
den unter die Gotter versetzten als Heiligen verehren, zur Ab-
schreckung anderer, damit sie dem Evangelium nicht so leicht
glauben, sondern mit Frieden in der Kirche der Boshaftigen
und Gottlosen bleiben und die Magistri nostri nicht argern^).
Endlich werden gegen -jeden, der da widersprechen oder den
Bauem die Dumraheit der Richter Seehofers offenbaren sollte,
die unflatigsten Drohungen ausgesprochen ^).
Mit dieser von dem Notar Katzenhirn beglaubigten BuUe
hatte die Satire einen passenden AbschluB gefunden. Aber
der Verfasser bringt noch die 17 Artikel Seehofers cum magi-
strorum reprobatione, d. h. Beweisfuhrung der als Redner auf-
tretenden Ingolstadter Sachverstandigen Vulcanus und Cloacinus,
et Arascii restitutione. Wahrend jene nur ihr Verdammungs-
urteil unter deutlicher Anlehnung an den Ingolstadter Zettel
und oft mit denselben Worten vorbringen, widerlegt sie Arsacius
mit iiberlegener Kenntnis der Bibel und Vater, aber doch in
einer Breite, die das Interesse an dem Schlusse der Satire er-
heblich abschwachen muBte. —
Wieweit das hier gezeichnete Zerrbild der Ingolstadter 6e-
lehrten irgendwie richtige Zuge enthalt, laBt sich nicht sagen,
weil wir zu wenig von den Personlichkeiten wissen ; auch fehlt
uns jedes zeitgenossische Urteil daruber. Das einzige, was sich
feststellen laBt, ist, daB das Pamphlet im April 1524 in Ingol-
stadt bekannt wurde und die Universitatsbehorden beschaftigte.
Man beschloB, auf Drucker und Autor zu fahnden und bei dem
1) Etpost reuocationem adiudicamns eum ad mantis zelosipatrls Cas.
schatzgeiri urdinis sanctorum minoriim, ut eum disciplinet cum fune suo,
et maceret usque quo est mors vel statim sacrificet more suo, ut inter
deos relatum pro sancto colant fratres sui in terrorem aliorum, ne sic
facile credant evangelio, convertantur et vivant, sed maneant cum pace in
ecclesia malignantium et impiorum et non scandallzant magistros nostros.
Die freie Erfindung, da8 Seehofer dem Schatzgeier iibergeben worden,sei,
ist ein neuer Beweis daftir, dafi der Verfasser ein personlichcr Gegner
desselben gewesen sein mnfi.
2) Et diabolus et mater eius debent eum permerdare et volumus ei
facere, sicut fecimus magistro Arsacio.
11*
164 Kolde, Arsacius Seeliofer und Argula von Grumbacfa.
Kanzler L. von Eck und dem Herzog anzufragen, was in der
Sache geschehen soUe^. Die Nathforschungen werden wohl
erfolglos gewesen sein und man wird sich begniigt haben, die
Exemplare, von denen zur Zeit nur ein einziges noch vorhanden
zn sein scheint, nach M5glichkeit zu vernichten.
Die besprochene Satire dtirfte die letzte Druckschrift ge-
wesen sein, die durch den Fall Seehofer hervorgerufen wurde.
Aber noch einmal griff Frau Argula in die Sffentlichen Ange-
legenheiten ein. Auf die Kunde, dafi der Eat zu Regensburg
das auf Grund des Reichstagsabschieds von 1524 ausgegangene
kaiserliche Edikt^) bekanntgegeben hMte^), schrieb sie am
29. Mai 1524 von Lenting aus an den Regensburger Rat: Lieben
Herren, Freunde und Brttder in Christo. Ich Lab vernummen,
wie bey euch neulich ein Mandat wider die Wort Gottes sey
ausgerufen worden, wahrlich aus Anrichtung des Satans . . .
Mich jammert nicht wenig, daC ihr euch laBt bereden vor alien
Reichsstadten wider Gott zu streiten; furwahr es wird kein
Kraft haben . . . Nun seh ich euch irren, darum kann ichs
auf Befehl Gottes nicht unterlassen, euch zu verraahnen, wie
wohl ichs gar wohl bedenke, mein werde gelacht u. s. w.
Leider sind uns von diesem wohl nicht gedruckten Schreiben
nur diese wenigen Worte erhalten*).
1) Der von Prantll, 150 nur kurz zitierte Eintrag lautet w5rtlich:
De Hbcllo famoao contra nniyersitatem super evocationem Arsatii Sehofers
edito placuit dnis m. ab offerentibus libellulum inquiratur an Veritas in-
vestigari possit et impresaorps] seuautorfis]; deinde fiant litterae ad dnm
D. Leo Egkium et illnstrissimum principem an contra illos debent per
universitatem a re institui (Arch. d. Univ. Mtinclien D. Ill, Nr. 4 S. 167 f.
GUtige Mitteilung des Herrn Privatdozenten Dr. Bitterauf in Miinchen).
Prantl wufite mit der Notiz nichts anzufangen, da auch Mttnchcn kein
Exemplar des Pamphlets besitzt. Dafi es sich urn die „ Acta concilii"* han-
delt, hat bereits 0. Albrecht in Luthers Werkcn, Weim. Ausg. XV, S. 99
vermutet.
2) Vgl. darUber Th. Kolde, M. Luther II, 97 f.
3) Vgl. Gemeiner, Chronik der Stadt Regensburg IV, 612.
4) Ebenda S. 521 u. ders. Reformation von Regensburg. 1792 S. 33.
Prantl I, 155 hat also Recht (gegen Druffel S. 650), wenn er von einem
Briefe an den Regensburger Magistrat spricht, allerdings ohne etwas
Naheres davon zu wissen. Gemeiner berichtet : „Das Schreiben ist datiert
Lentting am Tag Petrus und Paulus ira Jahre 1524, aber spracli- und
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 165
Aber obwohl Balthasar Hubmaier, der friihere Prediger an
der Kapelle der schonen Maria zu Regensburg, den man damals
von Waldshut zuriickbegehrte, kurze Zeit vorher den Rat noch
besonders auf Argula aufmerksam machte, indem er schrieb:
„Sie (die Gegner des Evangeliums) wissen wohl, daC eine einzige
Frau, vnd soil es schon die fromrae christliche Fran Argiila
von Stauff sein, mehr weiB des gottlichen Wortes, denn solche
rote Hanbler (Kardinale) je sehen und greifen", wird man sie
auch hier keiner Antwort gewttrdigt haben^). Und mehr als
je wurde nach dem Regensburger Konvent vom Juni 1524 2) und
dem zweiten bayerischen Religionsmandat vom 2. Oktober 1524*)
auf jede evangelische AuBerung inquiriert, was zu zahlreichen
Religionsprozessen fuhrte*).
wortreich und aus dieser Ursache zu weitlaufig, als daB ich es abdrucken
lassen kdnnte/ Nach demselbcn Autor war es zu seiner Zeit bei den
Regensburger Kirchenakten, ist aber heute nicht mehr da yorhanden und
konnte anch im Miinchener ang. Reichsarchiv, wohin ich vom Regens-
burger Stadtarchiv gewiesen wurde, nicht aufgefunden werden.
1) Das Schreiben s. d. bei Gemeiner, Chronik der Stadt Regens-
burg IV, 519 f. Vg]. dazu Loserth, Doktor Balthasar Hubmaier, Brilnn
1893, S. 41 f.
2) Vgl. Fried ens burg, Der Regensburger Konvent von 1524 (Hist.
Aufs., G. Waitz gewidmet), 1886, S. 503 flF.
3) Bei Winter I, 315.
4) Fur das einzelne vgl. Winter I, 165ff. Riezler 108ff. Ders.
meint, dafi aufier der Hinrichtung des MUnchner Backergesellen (ttbrigens
nicht 1524, sondern 1523, vgl. DruffelS. 657 u. oben S. 55) sonst nichts
von Todesurteilen und Hinrichtungen verlaute, es auch wenig wahrschein-
lich sei, dafi solche Vorgange keine Spur hinterlassen hatten. Dligegen
ist zu beachten, dafi Joh. £ck in seinen Denkschriften ftir die Kurie
(Beitr. z. Bayr. KG. II 251) berichtet: nam etsi aliquos occiderit, plures
tenet captives dux Bavariae", obwohl wir im einzelnen nichts davon
wissen. Und dafi Hinrichtungen in jener Zeit vorkamen, diirfte auch
Osiander bezeugen in seiner Schrift: Wider Caspar Schatzgeyer,/ Barf user
Munchs, vnchristlichs/schreybe, damit- er, dasz/die Messz eyn opffer/sey,
zu be-/weysen ver/maint./ Andreas Osiander./Nttrnberg./Anno M. D. XXv./
(Meine Bibl.) Bj schreibt er: 0 du vnseliges Bayerlandt, dasz dn solich
jewt nicht alleyn leyden, sonnder auch ftir gottlich lerer halten vn horen
must. Vnd wee den Ftirsten, die sich soliche buben wider gottes wort
zu fechten vnnd das vnschuldig blut jrer vnderthanen, die sy beschiitzen
vnd beschirmen vnd jve vater sein solten, zu vergiessen lassen erwecken.
Got wirts on Zweifel nicht lang. vngerochen lassen.
160 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
Dafttr Uatte Argula wenigstens die Genugtuung, daB der
aiifangliclie UDmut ihrer Verwandten uber ihr Auftreten ffir die
evaugelische Sache sehr bald verstummte. Eine Kousine Sidonie
(t 1569), die Tocliter ihres Oheims Hieronymus, eine Kloster-
frau in Obermftnster in Regensburg, legte das Ordensgewand
ab und heiratete 1525 den evangelisch gesinnten Georg von
Parsberg auf Luppurg bei Regensburg ^). Und ihr altester
Bruder Bernliardin, der Herr von Ehrenfels (f 1541), und seine
Gemahlin waren schon 1524 eifrige Anhanger der evangelischen
Lehre und hatten in ihrem Wohnsitz Beratzhausen einen weithin
geschatzten evangelischen Prediger Doktor Johann. Als dieser
sich iiber die Herrschaft hinauswagte, wurde er am 5. Sep-
tember 1524 vom Gerichtsdiener in Laber ergriffen, mit Ketten
und Stricken gebunden und unter Verletzung der reichsfreiherr-
lichen Gerechtsame nach Regensburg an dasbischofliche Gericht
ausgeliefert. Vergebens war es, daC die zufallig in der Stadt in
dem alten Staufferhof^) anwesende Freifrau auf dem Rathaus
fiir ihn eintrat und die Unschuld des Mannes beteuerte, an dessen
Predigten sie und ihr Gemahl und jedermann, der jemals sein
Zuhorer gewesen, groBes Wohlgefallen gehabt hatten. Vergebens
war es, daB Bernhardin mit anderen aus der Sippe und mehreren
benachbarten pfalzischen LandsaBen nach der Stadt kam und
vom Administrator die Freilassung erbat: als entsprungener
Ordensmann, der ihre Verwendung nicht verdiene, wurde er
festgehalten, ohne daB man erfiihre, was aud ihm geworden ist^).
Dieses Vorkomranis mag den Freiherrn in seinem evangelischen
Eifer noch bestarkt haben. Beratzhausen wurde der Sammel-
punkt der Evangelischen der Umgegend. Auch von Regensburg
stromten Manner und Prauen hinaus, um dort das Abendmahl
unter beiderlei Gestalt zu erhalten*), und dem kiihnen Reichs-
freiherrn, der auf seine Reichsunmittelbarkeit trotzte, ubrigens
mit seinem Wandel seinem evangelischen Bekenntnis wenig Ehre
1) Widmanns Chronik von Regensburg. Deutsche Stadtechroniken
Bd. XV, 150.
2) £r stand da, wo sich jetzt das Gasthaus zum griinen Eranz be-
findet.
3) Gemeiner, Chronik IV, 506.
4) Deutsche Stadtechroniken 15, 70.
Kolcie, Arsacius Seehofer iind Argula von Grumbach. 167
raachte^), konnte weder der Administrator von Regensburg noch
die "bayerischen HerzSge etwas anhaben. Er wagte es auch, in
seiner Behausung in Regensburg selbst, dem schon erwahnten
Staufferhof, am 18. April 1542 das Abendmahl durch seinen
Prediger Leopold Moser reichen zu lassen^).
Auch mit anderen katholisch gebliebeneu Verwandten stand
Argula bald wieder in gutem Einvernehmen, so mit ihrem Vetter,
dem Eichstatter Domherrn Priedrich von Leonrodt, einem offen-
bar nicht sehr kirchlich gerichteten, behaglichen Herrn^), der
die Pfrunde von Zeilitzheim in Unterfranken, eines ihrem Gatten
gehorigen Gutes, inne hatte. Freilich ihre mehrfachen Versuche,
von ihm einen evangelisch gesinnten Vikar fiir Zeilitzheim zu
erhalten, waren von keinem Erfolg gekront*).
1) Der strengkatholische Widmann bezeichnet den von ihm besonders
gefaafiten Eitter, den „6ernhard Unkrauf*, wie er ihn nennt (ebenda 55,
124, wie freilich so ziemlich jeden Lutheraner, ^.Is Ehebrecher (ebenda
S. 182), und wie es scheint, in diesem FaUe nicht mit Unrecht. Denn in
einem Briefe eines offenbar frommen Mannes Eolmar Grasser (d. peretz-
hausen des audern Suntags nach dem obresten 1531 Jar) an Argula wird
auch liber den> ehelichen Unfrieden im Hause geklagt und berichtet:
„Frau Otilie ist aus dem Haus^ (Allg. Reichsarchiv in Miinchen). .
2) (Gemeiner), Geschichte der Kirchenreformation in Regensburg.
Regensburg 1792, S. 118ff.
3) Auf den Vorwurf, ihr lange nicht geschrieben zu haben, ant-
wortet er Montag nach Johannis Baptisten (27. Juni) 1530 sehr charak-
teristiscb: „so bin ich sanberlich faull vud drege, wie das meins hant-
wergks prauch ist.** Die Grumbachs hatten ihm den Zehnten ftlr Zeilitzheim
zu zahlen, und er besoldete, wie aus demselben Briefe zu ersehen ist,
einen Vikar um 20 Gulden.
4) Zur Pfarrgeschichte von Zeilitzheim notiere ich, daB im Jahre
1527 Jakob Pfeffer die Vikarei aufgab, und Argula mit dem Domherrn
Beys (?) V. Hesperg in Wiirzburg wegen Berufung eines andern Vikars
verhandelte, Hesperg aber die Vikarie oder wenigstens die Pension selbst in
Anspruch nahm. (Arg. an v. Hesperg, Grumbach Freitag nach ursule 1527.)
Als im Jahre 1536 Leonrodt die Pfrunde zu resignieren gedachte, wollte
Argula unter gewissen, von Leonrodt zu bestatigenden Bedingungen den
evangelischen Prediger Oswald Ruland als Pfarrer von Zeilitzheim ange-
stellt wissen, aber der Eichstatter Domherr HeB sich auf nichts ein,
wollte die Pfriiude nach Wiirzburg resignieren und erklarte, er woUe
seine »ayde hoher bcdenken, weder yetzunder von vill. vnd sonderlich
etlichen des newen evangelii und secten beschicht.** Eystet am tag
siluestri A^ 36*0 (Allg. Reichsarchiv in Munchen). Ruland, den wir spater
168 Kolde, Arsacius Seehofer und Argulii von Grumbach.
Jeiier Brief an den Eat von Regensburg vom Jahre 1524
dttrfte der letzte gewesen sein, mit dem Fran Argula in die
offeutlichen Verhaltnisse eingriff. DaB man ihr durch die Obrig-
keit Scliweigen anferlegt haben soUte, ist nicht wohl anzunehmen,
da ihre letzten Veroflfentlichungen schon in die Zeit nach der
Absetzung ihres Mannes fallen mlissen. Sie mochte sich sagen,
ihre Pflicht getan zu haben, und die Aufgabe, das wenige, was
die Familie besaU, zusammenzuhalten und die Verwaltung der ver-
schuldeten Gftter in Lenting, Zeilitzheim und Grumbach in
Franken wird schwer genug auf ihr gelastet haben, da ihr Gemahl
wie ihre noch erhaltene, meist wirtschaftliche Korrespondenz^)
ergibt, ihr alles und jedes iiherlieU. Gleichwohl verfolgte sie alles,
was auf religiosem Gebiete verging, und blieb mit Spalatin und
den Wittenbergern in Briefwechsel. Wir erinnern uns, daB sie
in ihren Schriften auch fur das Eecht der Priesterehe einge-
treten war, un^ als ihr im Herbst 1524 das Geriicht zu Ohren
gekoramen, daB nun -auch Luther selbst heiraten woUe, schrieb
sie ihm, wohl mit der Mahnung, den Gedanken auch wirklich
auszufuhren. Luther lieB ihr dafiir durch Spalatin am 30. No-
vember 1524 herzlich danken, aber auch mitteilen, daB er zur
Zeit nicht daran dachte, da er taglich den Tod und die wohl-
verdiente Strafe des Ketzers erwarte^). Anderthalb Jahre spater,
am 23. Mai. 1526, berichtete sie an Spalatin von dem Martyrertod
eines Evangelischen mit den Worten: Gott sey lob wir haben
in Deggendorf als Prediger finden, und nach seiner Vertreibung von dort
im Jahre 1546 in Rotenburg a. d. Tauber (Beitr. Bayer. KG. Ill, 184ff.) und
noch spater in Regensburg, scheint die Zeilitzheimer Stelle nicht erhalten
zu haben.
1) Im AUgem. Reichsarchiv in Munchen. Ich habc davon tiber 80
I^ummern einsehen konnen. Zu ihren Korrespondenten geh5rte auch seit
1521 Martin Cr on thai, der Stadtschreiber von Wurzburg, dessen Chronik
„Die Stadt Wurzburg im Bauernkriege" etc. ed. M. W^ieland (V^^tirzburg
1887) wir kennen. Ob Cronthal ein so gutglaubiger Katholik war, wie
Wieland S. IX annimmt, wird zweifelhaft, wenn wir aus einem Briefe an
Argula vom Dienstag nach Katharina (29. Nov.) 1524 ersehen, dafi er
Argula Biicher besorgt, auch aus dem Kloster Himmelpforten, und er selbst
mit Luther Briefe wechselt: „ Schick euch hiemit ein abschrift von Mar-
tin us brieff mir geschrieben und dabey etlich missine etc.
2) Enders V, 77: animus alienus est a coniugio cum expectem quotidie
mortem, et meritum haeretici supplicium.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 169
mer eiu neuen Mertrer, itz Freitag acht Tagen vergaDgen in
unserra land zu Wasserburg enthaubt on alle anclagen und
weyel. Kurtz gesagt: Er ist ein Ketzer, drum sol er sterben-
Also beschach auch Christo u. s. w. ^) DaC sie auch in diesen
Jahren manches Schwere durchzumachen hatte, ohne daC wir
erfiihren, worum es sich handelte, ergibt ein Schreiben Luthers
an Spalatin vom 11. November 1528, mit welchem er diesem
eiuen Brief Argulas ubersandte, damit er daraus entnehmen
konne, was diese so fromme Frau zu tragen und zu dulden
liabe^).
Die regsten Beziehungen unterhielt sie zu den Nurnberger
Predigern, denn in Niirnberg lieB sie ihre Kinder zeitweise erziehen.
Ihren altesten Sohn hatte sie, was bisher unbekannt war, bei
keinem Geringeren untergebracht als dem gelehrten Schulmeister
von St. Sebald Johann Denck^), und der Knabe gehorte, als sein
Magister am 21. Januar 1525 „von wegen eines yrsaraen fur-
nemens und schwiirmes geurlaubt ist worden und vertrieben,
mit molern und andem mer, den er anhangig war," zu den da-
durch verwaisten Kostgangern desselben. Da war es Osiander,
der ihn, nachdem „dieFurerin"*) sich ein paar Tage seiner an-*
genommen hatte, um dasselbe Kostgeld von 18 fl. bei dem Schul-
meister von St. Lorenz Johann Ketzmann unterbrachte^). Dort
blieb er fiber vier Jahre, bis ihn die Mutter im Dezember 1529
auf die Universitat nach Wittenberg schickte®). Er scheint
wenigstens zuletzt bei Melanchthon gewohnt zu haben, denn an
1) Spalatins Chronikon bei Mencke, Scriptores II, 657: Berthansen
(zu lesen ist Beratzhausen) Feria IV p. Pentecosten.
2) De Wette III, 400. Enders VII, 24.
3) Vgl. liber ihnTh. Kolde, Hans Denck uDd die gottlosen Maler von
Nurnberg. Beitr. Bayer. KG. VIII. Bd.
4) Jedenfalls eine Frau aus der bekannten Patrizierfamilie.
5) Ich lasse den schonen Schtilerbrief, in dem Georg dies merk-
wiirdigerweise erst zu Pfingsten den Eltern mitteilte, unten als Beilage
Nr, IV abdrucken.
6) Ketzmann beschwerte sich liber ihn am Aschermittwoch 1529,
dafi er unter dem EinfluiJ seines Onkels, des Bernhardin v. Stauif, der
damals langere Zeit in Nurnberg weilte, sich gewohnt habe, mehr im
V^irtshause zu sein als bei ihm, und wollte ihn gerne los werden. (Allg.
Reichsarchiv in Miinchen.) — In W^ittenberg: Forstemann, Album
Viteb. S. 137: Georgius a Grunpach Bavarus 24, Pezembris,
170 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
diesen scbickte Osiander noch ira Jahre 1534 in Argulas Auf-
trag eine Summe Geldes fur das, was ihr Sohn ihm schuldete,
verkebrte aber auch in Luthers Hause und war auch Prau
Kathe wobl bekannt^).
Ibren zweiten Sohn Hans Georg vertraute sie der Erziebung
des Andreas Altbamer in Ansbacb an, bei dem er vom 2, No-
vember 1529 bis zum 14. November 1532, an welchem Tage
eir von Altbamer der ausgebrochenen Pest wegen nach Hause
geschickt wurde, verblieb. Aus der wabrscheinlich reichen
Korrespondenz scheint auCer den kulturhistoriscb wertvollen
Abrechnungen mit der Freifrau leider nur ein Brief Althamers
erhalten zu sein, aus dem man ersehen kann, wie der frankische
Reformator sie auf dem Laufenden erhielt. Darin berichtet Alt-
bamer am 26. Mai 1530 von der einige Tage vorher erfolgten
Abreise des Markgrafen und seines Gefolges zum Reichstage
nach x^ugsburg und von seinem Vertrauen auf die Starke und
Macht Gottes, dem man die Sache befehlen mlisse^). —
Auf die Kunde, daC Luther nunmehr in der Nahe sei, konnte
Argula es nicht lassen, ihn aufzusuchen. Am 2. Juni 1530 war sie
auf der Koburg. Und Luther, dem gerade damals die „Wall-
fahrt" fast zu groB wurde, nahm sie freundlich auf, lud sie zu
Tisch ein und freute sich, wie seine Brief e ergeben, des Zu-
sammenseins mit ihr. Von Argula, deren gute Ratschlage fur
die Entwohnung des jtingsten Kindes er an seine Kathe weiter
gab, erfuhr Luther u. a. auch von den grofien Festlichkeiten,
die man in Miinchen fur den Empfang des Kaisers planted).
Neu gestarkt in ihrem alten Bekennermut schrieb sie dann am
17. Juli 1530 an Spalatin nach Augsburg: ^Furchtet euch nicht,
die Sache ist Gottes; der sie in uns angefangen hat, der weiB
und wird uns wohl beschiitzen ; er schlaft nicht, der da behiitet
1) S. d. Brief des Andreas Osiander an Melanchthon in den Beilagen
Nr. v. — Luther an Kathe Enders VII, 362. Ferner an Peter Weller:
Saluta Georgium a Grumpach. Enders YIII, 8.
2) Die betreffenden Briefe in den Beilagen VI bis VIII. Die Ab-
rechnungen, die ganz genau ergeben, was damals ein Schuler in Ansbach
fiir BUcher, Kost und Kleider brauchte, sind meines Erachtens kultur-
historiscb so wichtig, dafi ich glaubte, sie mit abdrucken zu sollen.
3) De Wette IV, 30, 32f. Enders VII, 3611, 365, 367.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 171
Israel. Die Sache ist sein und er wird den Streit wolil stillen
und hiuausfuhren" ^),
Unraittelbar darauf muB ihr Gatte gestorben sein*). Darauf-
liin kam der alteste Sohn im Pruhjahr 1532 yon Wittenberg
zurttck, um die Lehen seines Vaters in Besitz zu nehmen. Aus
der Tatsacfae, dafi er sich ungehindert sogar in Ingolstadt be-
wegen durfte, ersieht man, daC man trotz des dritten bayeri-
schen Religionsmandates von 1531*) nachlassiger geworden war
und jedenfalls die scharfeu Bestimmungen des Regensburger
Konvents gegen den Besuch der Universitat Wittenberg nicht
in Anwendung kamen. Am Sonntag nach St. Viti 1532 (16. Juni)
konnte er der Mutter von Burggrumbach aus melden, daC er
mit Hilfe seines Vetters, des spater als Parteig^nger des Mark-
grafen Albrecht Alcibiades und durch die „Grumbacliischen
Handel" bekannt gewordenen Wilhelm von Grumbach (geboren
1503) die Lehen zu Wtirzburg erhalten habe und es mit deuen
zu Zeilitzheim auch keine Scbwierigkeiten haben werde*).
Dann ging Georg eine Zeit lang nach Ingolstadt®) und wohnte,
1) Dieses Brieffragment bei Salig, Vollst. Historie der Aiigsb.
KoDfession Halle 1730, I, 265.
2) Der Brief Althamers an Argula yom 26. Mai und ein Schreiben
des Eichstatter Friedrich von Leonrodt vom 27. Juni 1530 setzen ihn noch
als lebend vorans. Am Tag Johannis Evangelistae 1531 (d. i. wohl
27. Dez. 1530) unterschreibt sie sich „Wittib**.
3) £r scfareibt am Freitag nach Letare 1532 an seine Mutter von
Ingolstadt ans.
4) Bei Winter II, 280 flf.
5) Wieaus der bei Wi el and, Die Stadt Wtirzburg im Bauernkriege
etc. S. 122 abgedruckten „Ritterlichen Anlage" im Jahre 1526 hervorgeht,
hatte Friedrich v. Grumbach im Bistum Wtirzburg Lehen zu Zeilitzheim
(bier konkurrierten die Fuchs zu Bimbach), Niederblechfeld and Grumbach,
wo sein Anteil neben Wilhelm, Hans und Adam von Grumbach ein sehr
geringer gewesen zu sein scheint. — Da3 Argulas Sohne sich in erster
Linie als ihre SOhue ftihlten, zeigt eine Bemerkung Georgs tiber seinen
Vetter Hans, den Sohn des Adam von Grumbach : „er ist awer ein bauer
nach der grumbacher art.**
6) D&Q gut evangelisch gesinnte Adlige damals noch in Ingolstadt
studierten, weil die dortige Juristeufakultat in besonders gutem Rufe
stand, war etwas ganz gewohnliches. Auch Luther empfiehit 1541 einen
seiner Tischgenossen, den pommerschen Adligen Martin Weigher, auf
seiner Durchreise durch Nurnberg an V, Dietrich mit der Bemerkung:
172 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbacb.
ein deutliches Zeichen davon, daB man dort Argulas Ketzereien
langst vergessen hatte, sogar bei dem Schaffner des alten
KoUegs, dessen Frau eine Gevatterin Dr. Job. Ecks war, und
eigentttralicherweise berichtet uns fiber die vielleicht einzige
personliche Beziehung, die Eck mit Argula gehabt, eine Bitte
des letzteren, seiner Gevatterin die noch uubeglichene Schuld
ihres Sohnes zu bezahlen^). Wahrend Georg bald nach Leip-
zig ubersiedelte, in der dortigen Matrikel aber nicht zu finden
ist, waren seine jungeren Bruder Hans Georg und Gottfried in
diesen Jahren auch in Ingolstadt und zwar bei dem Organisten
„mayster Wolfgang laydtmayer in kost und lernung"^). Von
da kam Gottfried 1538 nach Nttrnberg^).
Inzwischen hatte sich Frau Argula im Jahre 1533 wieder
verheiratet und zwar mit einem Grafen Schlick. Nur diese
Tatsache laCt sich fesstellen, nicht aber der Name des Grafen
mit dessen Sippe die Freiherrn von Stauff mehrfach verwandt
waren. Da ein Brief an Argula in der Zeit, in der die Wieder-
vermahlung stattfand, im Herbst 1533, nach Prag gerichtet
ist, so gehorte ihr Gatte vielleicht zu einer der Linien, die im
EUenbogener Kreise in Bohmen angesessen waren*). Welche
Ingolstadiiim missus est a suis, isthic iuribns, at puto, datnrus operam,
postquam rumor inorebruit, iurium studia flovere potissimum logolstadii.
De Wette V, 390. Vgl. 391.
1) Da dringend zu wttnschen ist, daR die Briefe Ecks endlich einmal
gesammelt werden, lasse ich das sonst uubedeutende, nur um der beider-
seitigen Personlicbkeiten bemerkeDswerte Briefcben Yom 18. Dez. 1535
unten in den Beilagen Nr. IX folgen.
2) Laut Abrechnung vom Mittwoch nach Jacoby 1535. — Von der
einzigen Tochter Apollonia welfi ich nur zu berichten, daB sie 1532 lange
krank in Niirnberg war. Auf einen Trostbrief an sie vom ^mitboch nach
dem ostertag ao 1532" hat Argula spater geschrieben ^ist 51 wochen
am artztet gelegen that fur kost all wochn 1 11. und 20 fl. fur artzetlon.
3) Nach einem Briefe Job. Ketzmanns Mittwoch nach Letare (3. April)
1538 konnte ihn dieser wegen Mangel an Platz nicht aufnehmen, brachte
ihn aber ftir 26 Gulden „aufierhalb Kleider und Getrank" bei seinem
frilheren-Dlener untor. Danach war der Pensionspreis in Niirnberg seit
1525 (s. Beilage IV) von 18 auf 26 Gulden gestiegen.
4) Ein von dem Wirt ihres Sohnes von Leipzig aus geschriebener Brief
vom „Dienstag nach nativitatis Marie" (9. Sept.) 1533 hat die Aufschrift
^Argula geborne von Stauff itzund zu Prag". Zwei Monate spater unter-
Kolde, Arsacius Seehofer iind Argiila von Grambach. 173
Veranderung ihrer Verhaltnisse das mit sich gebracbt, laBt
sich nicht angeben, auch war sie nacb kaum 1^2 Jahren wieder
Witwe ^).
tJber ihre letzten Jahre ist wenig zu berichten. Manche
schwere Sorge machten ihr ihre Kinder, namentlicb der etwas
leichtsinnige Hans Georg, von dem Althamer schon 1532 geurteilt
hatte, dafi er „fleifiiger Zucht bedarf, soil er anderst geraten".
Im Jahre 1538 mu6 er in Burggrumbach etwas sehr Schweres
begangeu haben. Als er dann reuig die Mutter um Verzeihung
bat, schrieb sie ihm einen Brief, aus dem wir noch einmal die
fromrae charakterfeste Frau erkennen konnen. Sie will ihm,
wenn er sich wirklich bessern und ihr von nun an gehorsam
sein will, noch einmal verzeihen, aber er soil sofort heimkommen,
jedoch nicht eher, als er zu Nurnberg das Sakrament erapfangen
hat. Er soUe zu Osiander gehen, dem sie inzwischen alles ge-
schrieben, ihm all sein Anliegen klagen, der werde ihm raten
konnen. Aber sie traut dem Sohne nicht: „HeiB dir Dr. Osian-
der einen Zettel geben, sonst glaube ich dir nicht." Auch an
den noch in Nurnberg lebenden jlingeren Bruder Gottfried gibt
sie ihm eine strenge Mahnung mit: „sag dem Gottfried, dasz er
fleissig studir und bey der lernung beleib und nicht in der stat
Oder in wirtshSusern hin und her laufe, dasz er auch fleissig
die predigt merk und warhaft ziichtig getreu und from bleib"^).
Ihr altester Sohn Georg scheint schon 1539 gestorben zu
sein*). Im Jahre 1542 starben auch ihre Bruder Bernhardin
schreibt sie ^Ingolstadt Mittwoch nach Andree ao 1533 argula schlickin
und greffin eine geborne von Stauff** — tibrigens eiu neuer Beweis dattir,
daO dievon Adlzreiter annal. gent. Boic. II lib. p. 250 in Umlauf ge-
brachte Behauptnng, daB sie aus alien Gebieten Bayerns verbannt worden
sei, unhistorisch ist. Nach Wiguleus Hundt, Bayerisches Stammbuch
III, 308 waren die Ehefraucn ihrer Brlider Bernhardin und Gramaflanz zwei
Schwestem, Grafinnen Schlick, und war cine ihrer Schwestern die Ge-
mahlin des Grafen Victorius Schlickh. tJber die bohmischen Schlicks
vgl. Matthesius, Luthers Leben ed. Losche, Prag 1898, S. 475ff.
1) Mittwoch nach Jacoby (28. Juli) 1535 wird sie als Argula
schlickh greffin wittib bezeichnet.
2) S. den Brief Beilage Nr. X.
3) In dem Briefe eines Leipziger Blirgers vom 25. Juli 1539 wird er
als in Gott vcrschieden bezeichnet.
174 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
und Gramaflanz, und bald darauf (wahrscheiulich Anfang 1543)
auch der zweite Sohn Hans Georg. Auf die Kunde davon kehrte
Gottfried, der unter Leitung eines frankischen Landsmanns
GroB von Trockau eine Zeit lang am Hofe des Herzogs von
Pommem in Wolgast gelebt hatte, in die Heimat zurlick, urn nun-
raehrseinerseits dieLehen seines Vaterszu ubernehmen 2). Wahrend
sie friiher in der Kegel in Lenting lebte, soli Argula die letzten
Jahre ihres Lebens in Zeilitzheim ihren Wohnsitz gehabt haben.
Daselbst ist sie 1554 gestorbeu. Die dortige Tradition laBt sie
in der Kirche begraben sein, aber kein Denkstein eriunert die
Nachwelt an die mutige Bekennerin evangelischen Christen-
tums und die erste Schriftstellerin des deutschen Protestantis-
mus, die dort ihre Ruhestatte gefunden hat.
Aber was war aus Arsacius Seehofer geworden? Dar-
iiber wissen wir bis jetzt sehr wenig. Seine Gefangenschaft
in Ettal scheint nicht allzu lange gedauert zu haben ^). Es
gelang ihm zu entfliehen, aber wann und unter welchen Um-
standen dies geschah, ist vollig unbekannt. Die Tradition*)
laBt ihn unmittelbar nach seiner Befreiung nach Wittenberg
1) Dies alles ans Briefen resp. Aufschriften, die Argula macht, im
Allg, Reichsarchiv in Miinchen. Danach reiste Gottfried Freitag nach
Jubilate 1543 yon Wolgast ab. Davon, dafi Hans Georg in bayerische
Dienste getreten, dann aber daraus entlassen worden ware (Lipowky
S. 24), findet sich keine Spur.
2),Dasist spezieU fur die Eichstatter Lehen (Lenting?) bezeugt, in-
dem der Bischof Moritz durch einen Brief Tom 15. Dczember 1544 an
Argula flUnser lieben besundern Freundin Argula gebornen Freyin von
Stauff ZU Lennting", anzeigen lie6, daB die von ihrem seligen Gatten
Friedrich innegehabten Lehen nunmehr durch ihren Sohn Gottfried von
Grumbach empfangen werden kSnnten. Vgl. 0. Rieder, Beitrage znr
Kulturgeschichte des Hochstifts Eichstatt (Sep. Abdr. aus dem Neuburger
Kollektaneenbl. 56 Jahi:g. 1892), S. 29.
3) Alle seinen ProzeO betreffenden Schriften setzen seine Gefangen-
schaft noch voraus.
4) Sie beruht auf einer sehr allgemein gehaltenen Notiz bei S c c k en -
d 0 r f , Comment. Lutheranismi I,p, 270 : Arsacius Seehofer ... in monasterium
detrusus et eo se abduxit et Wittembergam venit inde in Borussiam
missus sed postea in Sueviam rediens Augustae et Wynidae Scholis et
ecclesiis .praefuit.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grambach. 175
kommen^). Das ist sehr wahrscheinlich, aber bisher durch
kein gleichzeitiges Zeugnis belegt. Dasselbe gilt von der viel-
leicht auf einer Verwechselung mit einer Tatsache aus
spaterer Zeit beruhenden Behauptung, daB Luther ihn alsbald
mit einer Sendung an den Hoch- und Deutschmeister betraut
hatte^). Urkundlich taucht er erst im Jahre 1528 wieder auf,
als Melanchthon ihn seinem Freunde, dem Pastor Nikolaus Kind
in Eisfeld unter rlihmender Anerkennung seiner Gelehrsamkeit
und unter Hinweis auf sein friiheres Martyrium als Schulmeister
empfahl. Und diese Empfehlung hatte Erfolg. Melanchthon
dankte fiir die freundliche Aufnahme, die sein Schlitzling in
Eisfeld gefunden hatte ^). Aber sein Aufenthalt in Thiiringen
war nur von kurzer Dauer. Im Sommer 1530 war er in PreuBen,
vermutlich um eine Stellung zu suchen*). Wenn ihm dieses
gelungen ist, so hat er sicher nicht lange ausgehalten. Denn
im Jahre 1532 begegnen wir ihm wieder im Siiden, und zwar
in Augsburg^). Das war die Zeit, In der die antiwittenbergische
Partei daselbst die Oberhand gewonnen hatte, die Lutheraner
Johann Frosch und Stephan Agricola hatten weichen miissen,
aber man doch den direkten Bruch mit Luther angesichts der
Zerkliiftung der Gemeinde und des sichtlichen Rlickganges des
Protestantismus in der Stadt vermeiden woUte. So kam es, daB
man unter dem Vorgeben mit Luther eins zu sein, Seehofer,
1) Riozler IV, 88 berichtet, daB ,,Luther ihn mit offeDen Armen
aufnahm/ Davon wissen wir gar nichts. In Luthers Briefwechsel ans
den nachsten Jahren wird er Uberhaapt nicht erwahnt.
2) Riezler a. a. 0., u. Reusch schreibt in der Allg. deutschen Bio-
graphic sub voce ohne Beleg: „er wurde von Lather nach Preufien ge-
schickt, kam aber von dort nach 18 Monaten wieder zuriick."
3) Corpus Ref. I, 366f. Zu Nic. Kind vgl.S char old, Dr. M. Luthers
Reformation in nachster Beziehung auf das Bistum Wiirzburg. Wtirzburg
1824 S. 185. Beitr. Bayer. KG. VI, 51.
4) VgL Cosack, Speratus, Braunschweig 1861, S. 27 u. 415 u.
S. Speratus an Apel*. Novarum rerum nihil est apud me. Quae habui ad
Arsacium dedi, si libet istum roga bei Tschackert (der die Personlich-
keit nicht diagnostiziert hat), Urkundenbuch der Reformationsgeschichte
von PreuBen Bd. I Nr. 737 S. 246. Danach ist die Bemerkung von Ger-
man n, Joh. Forster (1894), S. 55 Anm.: „Von 1528 bis wenigstens 1532
war Seehofer Rektor in Eisfeld** zu berichtigen.
5) F. Roth, Augsburgs Reformationsgeschichte II, 209 Anm. 84.
17(5 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
eben well er aus Wittenberg gekommen war, als Diakonus ge-
winnen wollte. Der Stellenlose war dazu bereit, woUte nur
nach Wittenberg zuruckgehen, um seine Sachen zu ordnen,
schrieb aber dann, „nachdem man ihn dort offenbar eines Besseren
belehrt hatte", wieder ab, ,,da er betrogen sei und ihm der
Handel nicht recht ware vorgehalten worden"^). So gait es
fur ihn wiederum zu warten und zu wandern. Und die Not
wird ihn gezwungen haben, im Jahre 1534 von neuem sich nach
Siiddeutschland zu wenden, wo er, wie es scheint, jetzt von
Bucer empfohlen, bei Frecht in Ulm Hilfe suchte. Dieser gab
sich, auch von Wolfgang Musculus in Augsburg darum angegangen,
die groBte Miihe, durch Empfehlungen bei Blarer und anderen
den „gelehr-ten frommen, durch das Kreuz geiibten jungen Mann",
— man nennt ihn noch immer juvenis, irgendwo unterzubringen.
Aber es war schwierig, denn er war kranklich, hatte ein FuB-
leiden, auBerdem eine entstellte Nase, Mangel, die, wie
Frecht hofft, durch seine Frommigkeit, FleiB und Gelehrsam-
keit ausgeglichen werden wiirden^). Da damals durch Bucers
Bemlihungen eine Konkordie der Augsburger mit den Witten-
bergern in Aussicht stand, bewarb er sich um eine Pr^dikanten-
stelle, aber er muBte erfahren, daB die Prediger Michael Keller
und Wolfhardt — so berichtet freilich der schroffe Wittenberger
1) Roth S. 53. Germann S. 55. Dazu Roth II, 209 Anm. 89,
welche Notiz sich wohl auf dieselbe Sache bezieht.
2) Er kam im Januar 1534 von Bucer zu Frecht in Ulm (Frecht an
Bucer 26. Jan. 1534). Am 27. Sept. 1534 ders. an Frecht: Habent nostri .
in ditione Heidenbeimensi tria opulenta monasteria, quae si reciperent
verbum aut saltern praedagogum, possit hie Arsacius praestare praecep-
torem. Sed isthic apud te certiora sunt loca quam apud nos. Ea propter
Arsacii memor sis. Non dubito quod illi ob nasi et pe'dis morbum deest, pia
eruditaque diligentia sarciet. (G. Veesenmeyers handschriftliche Kollek-
tanen III, 51, die mir vor Jahren von seinem inzwischen verstorbenen
Sohne zur Einsicht iiberlassen wurden und die sich wohl jetzt in der
Stadtbibliothek oder dem Archiv in Ulm befinden werden). Dazu in einer
Nachschrift von dems. Tage: Arsacio . . . quid statuendnm. Musculus
nuper et nunc hominem commendat atque ipse Arsacius saepe me nunc
soUicitavit, ut se tibi commendarem, Doctus pius et cruce exercitatns
est iuvenis. Quaeso huius quoque rationem, etiam si sit postremus, quern
tibi commando.
Kolde, Arsacius Seehofer and Argula von Gnimbach. 177
ParteigaDger Kaspar Huberinus^), die sich ihm gegenuber auBer-
lich freundlich stellten, seiner Bewerbung heimlich entgegen-
wirkten^). Nicht minder war sein alter Bekannter von Ingol-
stadt her, Dr. Gereon Seyler, ihm entgegen nnd schwarzte ihn
wie Precht meinte, bei Bucer an, der diesem gegenuber See-
hofers Unbesonnenheit und seiner Fran taktloses Benehmen
beklagte. So muBte er sich begniigen, im Marz 1535 bei der Neu-
ordnnng der Schnle von St. Anna als Lehrer der dritten Klasse
angestellt zn werden. Aber die Verhaltnisse in dem vom Partei-
treiben zerkliifteten Augsburg waren unerfreuliche, zudem er-
hielt Seehofer nur den karglichen Gehalt von 40 Gulden 2).
Kein Wunder, daB er sich fortsehnte.
Da tat sich ihm in Wiirttemberg eine Tur auf Wahr-
scheinlich schon im Oktober desselben Jahres wurde er, auf
Freeh ts Empfehluhg als Lektor an das Kloster St. Georgen an
der Bregach*) berufen, aber bald darauf von Erhard Schnepf,
den Herzog Ulrich mit der Durchfuhrung der Reformation be-
traute, in den unmittelbaren Kirchendienst gezogen, und wirkte
an mehreren Orten als Prediger, u. a. wenn wir recht berichtet
sind, eine Zeit lang in Leonberg*), und kam schlieBlich
1) Germann, Job. Forster S. 55 Anm.
2) Bereits am 1. Febr. 1535 berichtet Frecbt an Blarer, dem
Arsacius sei in Augsbnrg oblatam legendi conditioncm . . . Praedicare
quandoqae simul posset, sed nasi morbus forte obstulit. Veosenmeyer
CoH. IV, 13. Ders. am -7. MSrz: De Arsacio nudius tertius Bucerus ab
Augusta Bcripsit. Arsacium hie retinnimus quia et ipse non esset his
locis idoneus cum propter suam imprudentiam tum costae. £r wolle Bucer
beschworen, ob er Arsaeius nicht ftir tauglich halte, und bittet Blarer,
ihm die Rektorstelle in St Georgen offenzuhalten. Ebd. p. 14. Ders. am
3. April 1537 : Miror Arsatium tum subito factum esse malum. Multa,
crede mihi Arjsatinm enecant Augustae, was er auf Anschwarzung Seyler
bei Bacer zuriickfiihrt. Ebd. p. 26. — tlbcr seine Anstellung in St. Anna
Roth 11, 192 u. 209 Anm.
3) Vgl. Wlirttemb. Kirohengesch. Calvu. Stuttgart 1893, S. 339 u.
Kon r. Bothcnhaji8ler,DieAbteicnund Stifte de'sHerzogtums Wiirttem-
berg, Stuttg. 1886, S. 259 Nr. 19.
4) Dies berichtet Salig, Historie d. Augsb. Koufession III, 46 (und
nach ihm die Spateren) unter Hinweis auf die Vorrede zu dem sogleicli
zu erwahnenden Werke Seehofers, worin aber davon nichts zu leson ist.
Dieselbe Angabe bei Binder, Kirchen- und Lehramter S. 93 Anm., wo-
nach er 1535/36 in Leonberg gewesen ware, was damit stimmcn wlirde,
Buitrage zur bayer. KiivheuKesi-hichte XT. 3. 22
178 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
nach WinnendeD, wo er seit Frulijahr 1538 nachweisbar ist.
Hier lieB er 1539 seine einzige Druckschrift ausgehen, seine
Enarrationes Evangeliorum dominicalium ^), eine Art Houailetik
in praktischen Beispielen. Das dem Herzog Ulrich in Dank-
barkeit gewidmete Werk entsprang den Bedttrfnissen der neu
entstehenden Wurttembergischen evangelischen Kirche. Wie
anderwarts war es auch hier. Die wenigsten unter den fruheren
Me£priestern waren imstande, selbst^ndig zn predigen. Man
griff zu Luthers Postille, oder zn der ktirzeren, die Antonius
Corvinus vor kurzem heransgegeben hatte*), ^ut, wie Seehofer
sagt, tarditati plebanorum consnleret. Das mochte gnt nnd
richtig sein, aber viele begnngten sich damit, solche fremde
Predigten wortlich auswendig zu lernen nnd velut simiae vor-
zntragen, wodurch sie natlirlich niemals dazn kommen wfirden,
eine regelrechte Predigt proprio Marte ausarbeiten zu kSnnen.
Melanchthon habe in seiner Dialektik gute Anleitnng in expli-
candis sacris Thematibus gegeben. Und dem Verfasser ist nicht
unbekannt, daU daraufhin vor kurzem ein junger Mann von scharfem
Urteil, P. Artopoeus, acuti iudicii adulescens, die Kunst, wie die
Evangelien zu behandeln seien, kurz und gelehrt dargetan habe.
daB Anfang 1537 Pf. Budolf Helm nach Leonberg kommt. (Glitige Mlt-
teilung von D. G. Boseert.)
1) EDarrationes evangeliorum dominicalium, ad dialecticam Methodnm,
& Rbetoricam dispositionem accommodatae. Anthore Arsatio Seehofer.
Adjecti sunt loci Theologici, quorum cognitionem omnis Ecclesiastes in
promptu habere debet, subnexis aliquot propositionibus non contemnendis.
Accessit quoque index locorum memorabilium in toto opere, omnibus piis
admodnm utilis & necessarius. Roman. 10. Quam spetiosi pedes annun-
tiantium pacem, annuntiantium bona. M. D. XXXIX. 307 Bl., wozu noch
eine Tabelle de Contentione legfs et Evangelio kommt. Am Schlufi
Excudebat Henricus Steynerns, Augustae Yindelicorum^ AnnoM. D. XXXIX
mense Novembri, die YI. Die Widmung ist datiert: Datae in oppidnlo
Winiden, Mense Aprili. An. a nato Christo M. D. XXXIX (Erl. Bibl.).
Obwohl G. Bossert in seinem Art. „ Arsacius Seehofer, der erste Homi-
letiker der evangelischen Kirche WUrttembergs" in der Ztschr, „Halte
was du hast^ YIII (1885), S. 59 auf die Bedeutung hingewlesen hatte,
scheinen auch die neuesten Homiletiker und Geschichtsschreiber der Pre-
digt davon keine Notiz genommen zu haben.
2) Siehe dariiber P. Tschackert, Antonius Corvius Leben und
Schriften. Hannover u. Leipzig 1900, S. 33 ff.
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 179
Aber dieses nicht ungeschickte Buch^), das er offenbar selbst
fleiUig studiert hat, mit seiner reichen methodiscben Anleitung,
erschien ihm offenbar ffir die voUig nngeiibten, die ob. ingenii
h'ebetudinem aiich mit der besten Methode nichts anzufangen
wissen, nicht einfach genng. So beschloB er, denn methodische
Anleitung und Predigtbeispiele zn liefern, unter Wiedergabe
von einfachen Predigten, wie er sie in den letzten Jahren ge-
halten hatte.
Um die Leser von vornherein mit seiner Methode bekannt
zu machen, stellt er in Form einer Tabelle einen Typus tractan-
darum sacrarum concionium zusammen. Danach unterscheidet er
1. ein genus didascalicum, 2. deliberativura und 3. demonstra-
tivum, zeigt aber nur die Behandlung der beiden ersten, um
die Ungeiibten nicht mit einem Zuviel von Arten zu tiber-
schutten, und verweist fur das in der Predigt selten zur An-
1) Der Titel des wie scheint heute ganzlich vergessenen Werkes — ich
habe es nirgends erwabnt gefunden und anch Bossert weiO a. a. 0. nichts
daruber zu berichteD, lautet: Evangelicae condones dominicarum totins
anni, per Dialectic/i & Rhetorica artificia breviter tractatae. Subnexis Epi-
stolarum argumentis. Autore. Petro Artopoeo. Psal. 67. Dominus dabit
verbum evangelizantibus, virtute multa. Vitel?ergae. Anno 1537. Voran-
steLt eine undatierte Vorrede Bugenhagens, dann eine ans Stettin vom
Jannar 1537 datierte Widmung an Paulo von Rhode, den Superintendenten
von Stettin. Das von mir benutzte Exemplar der Erlauger Bibliothek,
284 BL umfassend, scheint unvollstandig zu seiu, denn es schlieBt mit der
Bemerkung: Sequitur compendiaria formula de sacris concionibus for-
mandis. Wahrscheinlich gehort dazu noch eine ahnliche, auf einer Seite
abgedruckte Tabelle, wie sie unter der Uberschrift : Typus tractandarum
sacrarum concionum bei Seehofer vorliegt. — Dieser Petrus Artopoeus,
eig. Becker aus Coslin, ein gelehrter Mann, kam, nachdem er in seiner
Vaterstadt im evangelischen Sinne gewirkt hatte, aber von dort vertrieben
war, bald nach Ausgabe des genannten Werkes als Nachfolger des nach
LUneburg gekommenen Paul v. Rhode als Hauptpastor an die Marien-
stiftskirche in Stettin, kampfte eifrig gegen das Interim, wurde dann aber
als Verfechter des Osiandrismus 1556 abgesetzt und starb in Coslin am
29. Marz 1563. Vgl. Cramer, Das grofie pommersche Kirchenchronikon
1628, 11, 23 und Salig, Historic d. Augsb. Konfession II, 1045 fT. F.L: von
Me dam, Gesehichte der Einflihrung der Reformation in Pommern, Greifs-
wald 1837, wo wahrscheinlich mehr uber ihn zu finden ist, war mir nicht
zuganglich. Eine Spezialarbeit iiber Artopoeus, der eine ganze Reihe
Schriften geschrieben hat, ist mir nicht bekannt geworden.
180 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
wendung kommende genus demonstrativum in quo laudamus
rem ut iustitiam temperantiam etc. personam ut regem David,
Paulum Apostolum etc., Factum ut victoriam Davidis, officium
Pauli, auf Melanchthons Rhetorik ^). Bei den darauffolgendeh,
das ganze Kirchenjahr umfassenden Predigten schickte er in
der Regel eine kurze Anweisung voran, wie das Thema zu
linden, und nach welchen Richtungen es zu behandeln sei, und
lafit dann die Predigt selbst folgen, bei der durch Rand-
bemerkungen auf die einzelne Teile, Ubergange etc. liingewiesen
wird. So war das Werk gewifi dazu angetan, denkende Benutzer
allmahlich zu eigener Predigtarbeit anzuleiten. Auf die Zeit-
verhaltnisse nimmt er wenigRticksicht, wenn auch die Sch warmer
mehrfach bekSmpft werden; nur einmal am 15. Sonntag p. Trin.
spricht er sich mit einer gewissen Leidenschaft gegen die Monopol-
wirtschaft aus (p. 223 b). In einer nach dem Palmsonntag ein-
geschobenen Abendmahlspredigt tragt er unter Berufung Ire-
naeus 4, 34 die Lehre vom Nutzen des Abendmahls flir den
Auferstehungsleib vor. Darauf folgen zwei von ihm aus dem
Deutschen ubersetzte Predigten des Matthaus Alberus in Reut-
lingen, eine Predigt de meditatione Passionis Christi, und eine
Auferstehungspredigt, beide in genere didascalico geschrieben.
Nach alteren Vorbilderri wahlt er fur den 25. Sonntag p. Trin.
die Verklarungsgeschichte, um de autoritate Christi unici eccle-
siae doctoris zu predigen. Anhangsweise gibt er eine Kirchweih-
festpredigt und eine wohl fur das Michaelisfest gedachte Predigt
Melanchthons iiber die Engel, die er aus der deutschen tTbertragung
Spalatins zuriickubersetzt hat 2), und endlich eine Leichenrede
iiber 1. Thess. 4, 13. Damit aber die jungen Prediger klare Ein-
1) Ebenso schweigt er aus denselben Griinden, wie er spater Bl. 294
erwahnt, von dem 4. durch die Rhetorik an die Hand gegebenen genus
iudiciale, stellt aber eine Beschreibung desselben, wenn seine bisherige
Arbeit Peifall finden sollte, ftir spater in Aussicht.
2) Sacra Philippi MeKanchthonis concio de Angelis, in genere didas-
calico scripta, e Teutonica (jreorgij Spalatini translatione, per Arsatinm
Latine reddita. Bl. 287. Vgl. Sc hi eg el, Historia vitae G. Spalatini.
Jenfte 1693, S. 197 Nr. 26. M. P. Melanchthons Christliche Erinnerung
von den lieben Engeln, an S. Michaels Tage zu Jena an die Studenten
getan, durch G. S. cum praefatione eiusd. & dedic. Henrico e Abrahamo
ab Einsiedel in Guandslein & Sch arffeii stein, Witteb. 1536, 4.
Eolde, AisaciuB Seehofer und Argula von Grumbacb. 181
sicht in die dogmatischen Hauptbegriffe erhielteo;. fiigt er unter
dem Titel Loci theologici, quorum cognitiones onines ministri
ecclesiae in promptu habere debent, dem Beispiele des Artopoeus
folgend, kurze dogmatisehe Begriffsbestimmungen bei. Sie sind
seinem Freunde, dem um die Reformation wohl verdienten Martin
Cless von Uhingen, damals Pfarrer von Goppingen, gewidmet,
dessen Gastfreundschaft der Verfasser oft genossen und der ihn
bei der Herausgabe dieses Teils vielfach unterstiitzt hat^).
Daran schlieBen sich nocli Thesen fiber konfessionelle Streit-
fragen, mit denen die Prediger Wurttembergs es damals oft
genug siu tun haben mocbten, fiber Messe, Fegefeuer, AblaB
und eine Tabelle de contentione legis et evangelii. So hatte
das Buch einen sehr reiclien Inhalt, und da es mehrfach wie-
der abgedruckt wurde, muB es groBe Verbreitung gefunden
haben. Wenige Jahre spater ist Arsacius Seehofer im Jahre
1542^) in Winnenden gestorben.
Nachtrag.
Zu Seehofers Artikeln S. 76 f. ist nachzutragen, daB Art. 15
aus Melanchtons Annotationes in Evangelium Matthaei 1523
(cf» C. Ref. XIV, 529), die ohne sein Wissen herauskamen,
entnommen ist. Da heiBt es Bogen C: si ab aliis extorqueas
1) Die Widmung ist schon vom 24. Juni 1638 daticrt. tJber Cless
eine Heihe von Notizen in der „Wurttemberg|8chen Kirchengesch.** S.
Index s. voce.
2) Th. Wiedemann (Ob. bayer. Arch. 21, 70 erwahnt einen Neu-
druck von 1541, s. 1. 8, 16 u. 304 Bl. Nach E. Hoebstetter, Zur Gesch.
der Predigt in Wtirttemberg «eit der Reformation, Blatter fiir Wfirtt.
Kirchengesch. 1894, S. 42, wo einige spatere Urteile iiber Seehofers Buch
mitgeteiit werden, miifite auch eine (mir gleichfalls unbekannt gebliebene)
Ausgabe von 1544 vorhanden sein. Dagegen fand ich (in Schwabach) eine von
Wiedemann a.a.O. erwahnte, aberganzfalschbeschriebene Ausgabe, die sich
ohne Grund bloO zu Reklamezweoken Nunc denuo summa cura ac diligentia
castigata bezeichnet: Ursellis excudebat Nicolaus Henricus Anno 1562.
Ihr fehlt die Engelpredigt Melanchthons und am Schlui) die Tabula de
contentione.
3) Nach anderen erst 1545. DaO das Jahr 1542 das richtige ist, er-
gibt sich daraus, daO in den Listen fiir Anlage der Ttirkensteuer im
Jahre 1542 bereits Job. Gro6 (Magnus) als Pfarrer in Winnenden ver-
zeichnet ist (Mitt, von D. G. Bossert).
182 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
iuramentiira, vel ipse facile praestes, aiiimo sis necesse est suspi-
tioso diffidente, malitioso et levi non reverenti veritatis divinae
(Erl. Bibl. Theol. V, 200). — Betreffs Georg Hauer oben S. 52
Anm. ist noch zu beiuerken, daC seine padagogischen Ver-
dienste neuerdings gewiirdigt sind durch J. Knepper, Der
bayrische Humanist Georg Hauer als Padagoge und Graramatiker.
Mitteilungen der Gesellschaft fur deutsche Erziehungs- und Schul-
geschichte. 1904, 4. Heft, S. 2531f.
Beilage IV.
Georg YOU Grumbach au seine Mutter Argula.
NUrnberg d. 5. Juni 1525.
Gnad und fried in christo. Mein allerlibste frau mutter und her
vater. euch ist on zweyffel woll wisseu, wie das mein magister zu
sant SebaHt^) von wegen seines yrsamen furnemens und schwtirmes
geurlaubt ist worden und vertrieben mit molern und andern mer, den
er anhengig was, des ich und auder vil, ein grosz mit leyden trag,
dwcyl aber die sach nit anderst mucht sein, musten wirs lassen
gott walten, bin ich derhalben nach seinem abschied etliche tag bey
der furerin ausz und eyngangen, szolang bisz das mich osiander
einem andern leermayster befollen hat. nemblich dem magister bey
sant Laurencium^) do ich itzunt bey bin, verhoff mich da selbt nit
weniger nutz zu schafPen dan bey dem voringeu; bin zu im durch
osiander verdingt allermassen und gestalt wie zu dem von sant
sebaldt^ des was umb 18 fl., und den nechsten mitwoch nach dem
andern sontag in der fasten, den man Eeminiscere benent, bin ich
zu im in sein hausz angenumen, kein fel an uichte nit hab, got sey
lob, er hat grossen fleysz mit unsz, ist ein frum erber man, hat atich
ein frumbs eeweib^), hoff, ich wolle mich dermassen halten gegen
in und euch, das yn sein mile und arbeit, und euch die kost an mir
nit reue, wille mich in all weg euros und seines will ens fleyssen da
mit ich etwas lern, got zu eren und mir und dem nechsten zu gut, dan ich
waysz woll, das nemant im selbs allein geporen ist^ darumb bit ich euch
libe frau mutter und her vatter, woUet euch nit reuen lassen, was ir auff
leget, hoff zu got es soil nit ubell angelegt sein, mitt der zeit hundert-
1) Job. Denck. s. o. S.
2) D. 1. Job. Ketzmann f 23. Aug. 1542. Vgl. Zeltner Gel. Send-
schreiben an Scbwindel von dem merkwiirdigen Leben Joh. Ketzmanns
Frkf. u. Leipz. 1734. 4°.. Siebenkas, Materialien zur Nurnbergischen
Gesch. NUrnberg 1792 I, 102, Heerwagen, Zur Gescb. der Ntirnberger
Gelehrtenschulen im Zeitraume von 1526—1535. NUrnberg (Progr.) 1864
S. 23.
3) Demnach muC die Ursula Saltzerin, die er Exaudi 1528 beiratete
(Beitr. X, 83), seine zweite Frau gewesen sein.
Kolde, Arsacius Seehofer uud Argula von Gnimbach. 183
feltige frucht bringen, ueue zeittuug wolt ich euch gern schreiben; szo
findt der so vill, das mir papirs vnd dyntten zu run, wen ich nur den
wenigsten teyl wollt schreiben, bit euch aber beyde fireuntlich, wollet
in disen unrnigen sachen ein gut gemut mit aller gedult gegen got
und den nechsten tragen, got bitten das ers auf beyden seyten went
nach seinem gotlichen willen, unser seel seligkait zu gut, es ist hie
noch styll vnd gut, got geb lang, itzunt nit mer dan got alzet
befollen und grust mir meine geschwisterhait mit sambt alien gutten
freuntten fleyssiglich, und schreibt mir bider. Datum zu numb erg
am andern pfingstag 1525. ich hab itzund seer geeilt und vor nit
triben darumb nembt verguedt am nechsten will ichs bessern
georg von grumbach
ewer williger sun
Aufschr: Der irbern und tugenthaftigen frauen argula von
grumbach gebornen von Stauff meiner liben mutter.
(Or. im AUg. Reichsarchiv zu Mlinchen.)
Beilage V.
Andreas Osiander an Melanchthon.
Ntirnberg, 15. Febr. 1534.
8. Misit hisce diebus Joannes Carolus procurator A rgulae a
Stauff pecuuiam ad me, quae tibi nomine 6 eorgii a grumpach filii
eius debetur, scz 13 Jochimstaler & 8 fl. tamen (?) 20 gr. pro uno
fl. numeratis, rogans ut quam possem celerrime ad te mitterem. ego
vero quamvis alioquin eiusmodi negociis libenter careo, tamen tua
caussa libentissime recepi, quam pecuniam quia nondum fuit, cui tuto
committerem, interim hoc tamen te scire volebam esse scz. depositam
apud me, cum potero commode et absque periculo mittam, interim
si quid est, quod aliter fieri velis, scribe. Apud nos nil novi, nisi
quod federe Suevico dissolute nemo non et latrocinia et intestina
germanie bella ominatur. Georgius wicelius suis mendaciis et
blasphemiis tarn multos seducit et mihi necesarie fiierit, eum publico
in concionibus confatare. non credidissem tarn caecos adhuc esse
plerosque, qui sibi multum sapere videntur. Vale bene et si per
negocia licet nonnihil rescribe. Dat. 15. Febr. anno 1534.
Andreas Osiander.
Clarissimo doctissimo viro D. Philippe Melanchtoni amico
candidissimo Wittenbergae.
(Or. in der von Wallenbergischen Kirchenbibliothek zu Landes-
hut in Schlesien I, 367 1)).
1) Leider konnte ich den im Jahre 1880 an Ort und Stelle abge-
Bchriebeuen Brief nicht mehr vergleichen.
iy4 Kolde, Arsacius Seehofer und Avgula von Griimbacb.
Beilage VI.
Andreas Althamer an Argula von Grumbach.
Ansbach, d. 26. Mai 1530.
Gnad frid und barmhertzikait von gott nnserm himelischen vater
durch seiuen geliebten sun unsern herrn Jesum wunsch ich euch
zuvor. Edle und tugendhaffte frau, ich thu euch zewisseu, das wir
alle in unserm hause frisch und gesuud seyen am leib. Got gebe auch
gesundtheit der selen. So wissend auch das unser fiirst yetz am
nechst verschinen son tag hinweck auf Augspurg ist geriten, der
Cautzler mit sein gnaden. Und hat mein g. h. den Brent zen
prediger zu Hall, den prediger von hinnen herrn Johann Rurer
den pfarher von Kitzingen^)^ den pfarher von Chreulszheim^)
mit sich genommen. Gott gebe Kay. Mt. und alien fursten seinen
heiligen gaist Amen^ und uns armen eiu besteudigen festen glauben,
das wir in zeit der Anfechtung mligen bestehen und selig werden.
Ich spur noch ein behertzhafftiges gemlit bey unserem Landsfursten^
Gott wolle in gnediglich erhalten. Die bischoff mit yhrem anhang
bochen wol ser und verhoffen Gottes reichs undergang, aber der Herr
lebt, er kaan yr radtschlag wol zertrennen, wie er vor mermals getan
hat und yetz auch neulich zu Minchen yr gedancken zerstreuet.
Wir wollen die sach got bevelhen, der wils wol hinaus fiiren. denn
er ist stark und mechtig genug, und der handel ist sein er hat in
yn uns angefangen darum wirt er yn hinausz fiihren. Wir sollen im
wol vertrauen. So stadt die sach bey uns in dem gantzen fiirsteu-
tliumb, wie auch zu der zeit als yhr selbs erfaren habt; ist kein
andere endernng fur gefallen. Die hoffmeysterin ligt noch kranck.
Ich lasse auch euren sun nit vil hinein^ dann man liesz yn nicht
zu yhr, so sorge ich, er mbcht anderst wa hin lauffen. Die leutt zu
Hoff achten vielleicht der frembden nit ser als ich besorg. So laszt
im mein haus&aw, die den kuaben besunderlich lieb hat keinen
mangel. So behSr ich in al abent selbe und hab in mer der lernung
halben gestrichen dan anders dings halben. Er hette nicht ein b5ses
ingenium, wan ers selbs tray ben wolt und fleis ankeren. Ich gib
seiner iugent die schuld, wirt villeicITt noch anders werden. So wirt
er weder von mir noch anderstwo in der schule hort gehalten, das
yr solichs nit dorft fiirchten, man halte in zu hart. Dann wir wissen
auch wie man die iugent halten soil, es lernets uns auch Salomon in
seinen spruchworten. Der gutig got wolle uns alle bewaren und er-
halten bey sein em wort Amen. Bitten d got flir mich. Es gruszet
euch mein hausfrau. Griessend mir auch euer Junckorn. Geben zu
Onoltzbach am anffertags abents Im 1530 Jar
And. Althamer.
1) D. i. Martin Meglin.
2) D. i. Adam Weisz. Vgh hierzu des Ad. Weisz Acta in comitiis
Augustaiiis in Georgii Uffenheimer Nebenstanden 673 flf.
Der Edkn T»d tt^gndkaflRtiw fbuuni Ar^ala von Gminb^ick
gebom Ton Stamffen serner gviislig«n £nMieii»
(Or. MsiidNB. Al%. RadisttrehiT. AiadEBcliriJft t«hi Ai^gulms H«it4:
Als mein snn HaiiSK Geai;^ m juni^ach za sdral isl g«xig<»ii.^
Bdlage YIL
RechnuDg Althamers fur Hans Georg voii 6riimp;ftieh.
Item Hams Joig Ton GrompaM^ ist bej mir aiugstMideii axn
aller seleotag Anno 1529.
Item 4 creatser fur Grammatica Pliilippi
6 ^ fGr den Tentschen Catechismum
30 ^ liir ^n latejnischen Catechismum
16 creotzer for das rot SchlSplein
16 ^ fur ein gsangbuchlin ^)
15 ^ dem Schneider Ton deu bosen za madieu
56 ^ for 2 bar schacb
5 crentzer for den Donat
9 ^ for Erasmum de civil itate
2\ ^ fur ein bar sch&cb
12 ^ dem caIe£actori
12 ^ bad gelt
Facit 10 @ minus 2 ^
Item 5 crentzer nmb sch&ch
Item 1 fl. 21 ^
(Andere Seite:)
Nota die Iran Argula hat die alten schiild des 30 jar gar
bezalt und auff das 31 jar geschickt h%j einem boten vou Kitziug
VI fl. das ich emfangen hab den 18 Marcij am sambstag uach Ociili
Im 1631 iar.
(Or. V. Althamers Hand. Reichsarchiv MUnchen.)
Rechnung Althamers
Item die frau Argula sol mir ze thun auff aller soleii tag dos
31 iar von irhes sons hans Jorgen wegen VI fl. fur kost
Item V. bacen umb ein lateinisch testament
Item 1 bar schfich fur 28 ^^
Item 1 bacen umb stimpf an dfe hoseo
Item 32 -^ fur 1 bar schuch
Item dem Schneider 60 ^
Item 23 ^ fur die fabulas Aesopi
Item 12 ^ Calefactorj
Item 3 fl. umb cost gelt von aller selen
tag bis au£f Sant Brigitta
1) Was mag das wol ftir ein Gesangbucb gewesen sein?
186 Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach.
Macht alls zusamen 10 fl. 3 ^
Actum am mitwuch vor Lichtmes Im 1532 jar
(Or. Allg. Reicharch. z. MUnchen.)
Beilage VIII.
Andreas Althamer an Argula von Grumbach
(Ansbach) d. 15. Nov. 1532.
Gnad und Md von gott sey mit euch. Edle und tugenthaffte
frau; hiemit schicke ich euch euern son Hansen Jorgen, da mit ich
und ir der sorgen uberhaben seyendt, wolt ir yn nach dem sterben,
so wir and erst frisch und gesundt bleyben, wyderher thun, das steht
zu euch. Ich hette gemeynt. ir solt ein karren geschickt haben, so
hette er seine kleyder und geret alles mit f&ren konnen^ weil das
aber nit geschehen, wil ich das ander sein geretlein bey mir lassen
bleiben, biss ir mir weiter schreibt, wa ichs hin thon soil etc. Fur
das ander so hette ich mich euer selber verseheU; so hett ich mit
euch kunden rechnen und alle sach schlichten, also kan es nit wol
sein^ dann ich weiss nit, wie ir mir den wein habt angeschlagen,
was ich flir yhn hab auszgeben und bezalt; das gib ich euch hir mit
verzeichent.
Item 5 fl. hah ich empfangen den letztcn Januarij des 32 iares
Hansen Jorgen da mit ze kleyden. Davon auszgeben
10 ^ for paedalogia Mosellani
3 fl. umb thuch zum rock
52 ^ fur satin
6 ^ fur den grauen rock z& waschen
4 ^ fur getrenck
1 ^ fur flick leder
25 ^ fur ein watschgerlein
4 fur ein gurtel
Item mer 18 ^ fur Satin und seyden
Item dem Schneider von dem griinen rock z8 machen 84 ^
Item von dem grauen neuen rock 84 ^ zfi machen
Item von . dem alteu grauen rock und von ein em neuen
wammas 84 ^ ze machen
Item 22 -^ fur Leinwat under den grauen rock
Item 4 @ 9 ^ fur barchet um einen underzug
Item 22 ^ von den roten hosen mit den leinin stympfen
Item fur ein blau filter und den stimpfen 67 ^
Item 12 -^ dem Schneider trincks gelt
Item 6 -^ fur nestel
Item 40 -^ fur ein bar schuch
Item 24 -^ fur ein bar schuch
Item 12 ^ fur ein schlilssel
Item 36 ^ fur schuch
Kolde, Arsacius Seehofer und Argula von Grumbach. 187
Summa 5 fl. 9 ffi 1 ^
Item ich hab empfaugeu 2 feszlin mit wein, fasset das groser bey
6 aymer das ander 4 aymer 4 mass hieyger eych: Vnd schrib mir
euer schultheisS; das sie bayde da undeu bey ime hielteu Xj aymer vnd
XXiij mass
Ferner so stelit mir noch eiu 2 aymerige feszlin ansS; das bat
der Scbultbes zii Zewletzbeim etc. welcbes alles yhr biemit eiu
copey brieff babt, wie mir der Schultbeis geschriben hat. Die ander
schuld macht 41 wuchen kost gelt, kund ir selbs wol recbnen, was
es mache, So vil bab ich euch in eyl wollen schreibeu. Ich hett es
alles lieber muntlich mit euch austragen. Des knaben wolt sorge
haben^ und on Zucht yn nit lassen, das wil ich euch in sonderheit
bevolhen haben^ denn er bedarf fleisiger Zucht, soil er anderst ge-
raten. Mein weib griiszt euch seer. Da mit bewar euch und uns
Gott unser vater. Datum in eyl am dornstag nach Martini im 1532 iar.
Andreas Althamer
Der edeln und tugenthafften frauen, frau Argula von Grum-
pach gebornen von Stauffen, meiuer gnedigen frauen z& handen.
Dazu von Argulas Hand die Notiz: Andresz althamer als er
mir mein sun hansz georgen ausz dem sterben hergeschickt. 1532.
(Or. Allg. Reichsarch. in Miinchen.)
Beilage IX.
Job. Eck an Frau Argula von Stauff
Ingolstadt, 18. Dez. 1533
Gnadige frau. Es ist meiner gvatterin der mann gestorben der
schaffiier: hat ihr verlassen ain jungen unerzogen waiszen vnd vil
schuld en: thun die glaubiger streng gegen dem armen weib: musz
sie auch das gelt auftreiben bey ihren schuldnern. Zaigt sye aber
mir an, wie etwas lutzelsz vnd kleines, euer gnad, ir ze thun sey:
hat mich deshalb gebetten, ain fiirgschrifft an e. g. ze geben : deshalb
ist mein fleissig bitt, in ansehung der notturft und auch der billichkait
wollen sye der schuld ^) guetlich und und un verzogenlich entrichten . . . ^)
mir zu sampt der billichkait zu beschtilden. Datum Ingolstat. wunne-
baldi et. Anno 33
E. g. williger
Johann Eck doctor.
Der wol gebornen frauen Argula Schlickin geborn von
Stauff, meiner gnedigen franen.
(Or. Allg. Reichsarchiv in Miinchen.)
1) Nach der Aufsobrift Argulas handelte es sich um Schulden fur
ihren Sohn Georg bei dem Schaffner Vogl im alten CoUegio in Ingolstadt.
2) Vielleicbt „8U8t«.
188 HauSleiter, Ziir Lutherbibliographie.
Beilage X.
Argula V. Grumbach an ihren Sohn Hans Georg.
Leuting d. 24. April 1538.
Genad und frid mit dir lyeber sun. ich hab ausz deinem schrey wen
uud vormals von den leutten die bandlung^ so zu burckgrumbach
geschehen ^ mit grossem erschrecken vernumen und micli ser darum
bekumert vnd noch klags got dasz ich so uogehorsame kinder getragen
und an meiner prust erneret uud mit grosser sorg kostung und angst
aufferzogen, got well dasz du bekert und dich hinfiir an pesserst,
amen, dieweil du mir aber ytzt schreibst dir zuverzeihen und dich
erpeuttest, wellest dich hinfiir an gehorsam halten, will ich dich noch
diszmal; so du dich anderst meines bevelchs und zucht haltest, an-
nemen^ und besehen^ damit die sach vertragen werd^ darum so mach
dich von stund an her haym, doch wolst nicht kumen dan du nemest
vor davor zu nurmberg dasz sacrament und ge vor zu doctor
osyander, klag ym dein anligen imd sach warhafftig, der waysz
dir in deyner conscienz wol ein radt zu gewen, darum so verschweig
ym nichtZ; er waisz voraus umb die sach und hiit dich bey leib, dasz
du kainem menschen nichtz sagest, vertrau niembt und behaltz aufs
gehaymest. So du dan das sacrament empfangen hast^ so haysz dir
osiander ein zetl gewen^ sunst glaubt ich dir nit. rechen auch alle
sach wasz du v^erzeret hast zu nurmberg und wasz man vormals
bey ym auffgeschlagen mit dem wurt ab, und dasz der wiird alles
unterschidlich aufschreyb, das bring mit dir her. sag dem got frid
das er fleissig studir und bey der lernung beleib und nicht in der
Stat oder in wiirtzheussern hin und her lauff^ das er auch fleissig die
predig merck und warhaft zucktig getreu und frum beleib. Damit
sey got in seine genad bevolhen. Datum zu lennting mitboch nach
dem ostertag ao 1538
Argula schlickin greffin witib
geporne freyn vn stauffen.
Aufschr. Dem Edeln vnd vesten H a n s georgen von grumbach
zu burck grumbach meinem lyewen sun etc.
SpStere Aufschrift von Argulas Hand: Clausz manger sun
belangent ao 1538.
(Or. Allg. Reichsarchiv in Miinchen.)
Zur Lutherbibliographie.
An twort
von Prof. Johannes Hanlsleiter.
Das Interesse an meiner Nordlinger Heimat mag es entschuldigen,
wenn ich der Beantwortung der auf Bd. X S. 217 — 223 entwickelten
Frage unter freundlicher Begrlifiungihres Verfassers einige Zeilen widme.
Haufileiter, Zur Lutherbibliogrnphie. 189
Die Nachschrift des Sixtus Schmid vom 2. Dezember 1522
redet von zwei neuen Biichlein. WSre nur von einem die Kede^
hatte der Ausdmck ,,eth1ich nenen bichlich auff das neust bey uns
getruckt" keinen Sinn. Der Nordlinger Bote bekommt eingebSndigt
1. dye misbrauchung der mes vortheutschett^ 2. auch (d. h. dazu)
von einem leyen vrsach des irren bis hieher in der Christenhaitt
geschehen. Sollte es sich um eine neue, von einem Laien ver-
fertigte Verdeutschung der Scbrift Luthers vom Mifibraach der Messe
bandeln, so wllre das docb dentlicher ausgedrtickt.
Dem immerhin m5glichen Streit liber die Beziehung der Worte
.,vou einem Laien ^ macbt die einfache Tatsache ein Ende, dafi
Bicb das unter 2. genannte Bucblein nachweisen lUfit. Es ist die
Scbrift gemeint: Die baubt || artickel durch || welche gemeyne Chri |
stenbeyt byfibere \\ verfuret wor- || den ist. || Daneben auch grunc.
vnnd [I antzeygen eyns gantzen [| rechten Christelichen || wefiens. || Wit-
temberg. || M.D.XXij. || 7 Bogen in Quart, Signaturen Aij — Giij.
Auf der Vorderseite von G 4 scbliefit der Druck: Gedruckt zu
Wittemberg durch Nickel || Schirlentz Anno. M.D.XXij || (Exemplar
der Kirchenbibliothek von St. J^kobi in Stettin). Es iHfit sich aber
die Zeit des Druckes noch genauer angeben.
Auf der Rnckseite des Titelblattes beginnt der Widmungsbrief
des Herausgebers (nicht Verfassers) der Scbrift Nikolaus Amsdorf
an Ott von Ebenleben. „Es hat ein verstSndiger Lai gar ein
hUbsch BUchlein gemacht". Amsdorf gib t es heraus, „dieweil, der
es meinem gnUdigsten Herrn^ dem Ghurfiirsten zu Sachseu, zuge-
schrieben hat, seiuen Namen aus bewegenden Drsachen bergen will".
Der Widmungsbrief umfafit den ersten Bogen und noch das erste
Blatt des Bogens B und ist datiert „ Wittemberg freytag nach aller
heyligen Anno M.D.XXij" d. h. den 7. November 1522. Wie das
Ubergreifen in den Bogen B beweist, ist der Widmungsbrief nicht
erst nach Vollendung des Druckes vorgesetzt worden, sondern mit
ihm hatte der Druck begonnen. Wenn er in den nachsten Wochen
fortgesetzt und vollendet wurde, so hatte am 2. Dezember die Scbrift
(mit einer Nachrede Amsdorfs) eben die Presse verlassen und konnte
als „auf das neust bei uns gedruckt" die Reise von Wittenberg nach
Nordlingen antreten.
Wer war der Verfasser? In der Zuschrift an den ChurfUrsten
Friedrich (Bij u. iij), in der er von den Stricken der alten, lange
eingewurzelten Irrungen redet und die Gnade Gottes preist, der
man die wunderbare Befreiuug zu danken hat, Ubersendet er
die Scbrift „ewrn Churf. Gnaden als einem beriihmten Christen-
lichen Fursten und sonderlichen Liebhaber gfittlicher Wahrheit,
unterthSnigs Fleift bittend, ewr Churf. Gnad geruhen solchs von
mir gnSdiglich und andern Gestalt nit, dann wie in gleichem Fall
ein jeder Christenmensch gegen dem andern aus brtiderlicher Lieb
190 HauBleiter, Zur Lutherbibliographie.
zu thua verpflicht ist^ annehmeii und mich ak Ihren Diener gnadig-
lich befohlen haben. Dann ich bin geneigt^ ewrn Churf. Gnaden
als meinem guadigsten Herra und Fursten unterthanig willig Dienst-
barkeit meins Vermogens zu erzeigeu^. Redet so ein Landeskind
oder ein Fremder?
Die yortreffliche Schrift hat spSter Aufnahme in Luthers Werke
gefunden. Johannes Aurifaber machte damit den Anfang in seinem'
ersten Eislebener Supplementband 1564 (Bl. 119^). Er urteilte von dem
BUchlein: „Man hiilts aber gewifi dafur^ dafi es M. Luther gemacht
hab^ wie dieses M. Joachimus Westphalus auch in einer gedruckten
Schrift zeuget. Zudem lasset sichs ansehen, als sei es in Latein
gestellet und von einem gelehrten Mann nachmals transferirt^.
Es folgten mit der Aufnahme die Altenburger Ausgabe der Werke
Luthers (II, 224), dann die Leipziger (XVIII, 295), endlich die
Hallesche oder Walchsche (XIX, 740—782, vgl. auch S. 67 u. 68).
Inz'wischen war die Schrift des Laien mit Recht einem andern
Verfasser zugeschrieben worden. Joh. Albert Fabricius redet in
seinem Oentifolium Lutheranum (Hamburg 1728, I. Teil, S. 321)
von „Laz. Spe'nglers Hauptartikel, durch welche gemeine Christen -
heit bisher verfUhret worden ist, Wittenberg 1522"; er gibt keinen
Grund an, als versttinde sich diese Verfasserangabe von selber.
Der treffliche Joh. B. feiederer folgte dieser Angabe (Beitrag zu
den Reformationsurkunden u. s. w., Altdorf 1762, S. 49) und be-
miihte sich nun um Griinde. Dafur, dafi der fromme Nurnberger
Ratsschreiber der Verfasser sei, spricht nach Riederer der Dmstand,
dafi, „wie Herr Haufidorf (der Biograph Spenglers, Niirnberg 1740,
S. 108f.) meldet, Spengler zu Aenx grofien und weisen Churfursten
von Sachsen freieu Zutritt gehabt und mit seinem Vertrauen beehret
worden, auch von Religionssachen sich mit ihm zu Nurnberg uuter-
redet, welches vermutlich auf dem Reichstag 1522 und 1523 ge-
schehen. Der Name eines verstandigen Laien schickt sich vor-
trefflich auf Spenglern. Die Schreibart ist auch derjenigen, so er
in seineu andern Schriften gebraucht, vollig Shnlich." Die Grunde,
aus denen Spengler seinen Namen verbarg, liegen auf der Hand,
wenn man sich an seine AbhHngigkeit vom Nurnberger Rat erinnert,
wie sie in seiner Bannangelegenheit hervorgetreten war (vgl. Bd. II
dieser BeitrHge S. 1 — 8),
Theodor Pressel hat in seiner Schrift uber Lazarus Spengler
(Elberfeld 1862) die „ Hauptartikel" ohne weiteres dem NUruberger
Ratsschreiber zugeschrieben und auf S. 46 — 50 einen kurzen Auszug
mitgeteilt. In dem Artikel der Realenzyklopadie (2, Aufl., 14. Bd.,
1884, S. 516 — 518) urteilt Prof. Kolde vorsichtig, aller Wahrscheia-
lichkeit nach riihre von Spengler auch die Schrift „ Hauptartikel u. s. w."
her. Vielleicht regt die gegenwartige Mitteilmig zu einer abschliefien-
den Untersuchiing der Frage an.
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Kolde, Silddeutsche Katechisraen von 1530—1600. 191
Wie Sixtus Schmid den Titel der Spenglerschen Schrift nicbt
genau aDgegeben, sondem ihren Inhalt kurz umschrieben hat^ so
werden auch die Worte ri^J^ misbrauchung der mes vortheutschett"
uicbt eine uns unbekannte tJbersetzung der Schrift Lutbers de abro-
ganda missa privata im Auge baben, soDdern von einem Anfang
Dezember 1522 eben in Wittenberg voUendeteu neaen Drnck der
iJbersetziiug Lutbers reden* Ob das der Druck D (S. 221, vgl.
Weimarer Ausgabe VIII 480) oder ein anderer des Jabres 1522
war^ mag dabingestellt bleiben.
Silddeutsche Katechismen von 1530—1600^).
Von
e D. Th. Kolde,
Die einen gr5fieren Umfang verlangende Besprecbiing des vor
knrzem erscbienenen Baches von J. M. Eeu gereicht mir zu hoher
Freude. Der Verf., der aus der bayerischen Landeskirche hervor-
gegangen ist, ein frtiherer Zogling des Neiiendettelsauer Seminars^
hat die theologiscbe, speziell die katechetische Literatur durch ein
wirklicbes Standardwork bereichert, dessen Wert freilich nur der
vollstSndig ermessen kann, der auf diesen Gebieten gearbeitet und^
^ie es mir oft gegangen ist^ unter grofien Miiben und nicht selten
ohne Erfolg nacb den spSteren Katechismen geforscht hat. Die aller-
ersten AnfUnge der deutscben evangeliscben Katechismusliteratur sind
seit lange der Gegenstand vielseitiger Forschung gewesen und neuer-
dings liegen die ersten Katecbismusarbeiten bis 1530 in der aus-
gezeichneten, frliber besprocbenen Sammlung von Cobrs (die evang.
Katechismusversuche von Lutbers Enchiridion, Berlin 1900 ff.) vor.
Dagegen bat man sich in den letzten Jabrzehnten um die spatere
Katechismusliteratur des 16. Jabrhunderts verh^ltnismafiig weuig ge-
kUmmert. Und doch baben gerade die spateren Katechismen historisch
betrachtet eine besondere Bedeutung, einmal im allgemeinen^ weil
sio erkennen lassen, wie vielseitig das Bedtirfhis nach immer ueuen
Fassungen war, und in wie individueller, oft auch recht subjektiv
abbiegender Weise man Lutbers und der anderen Eeformatoren Ge-
dankeu verarbeitete^ zum andern aber und hauptsachlicb deshalb^ weil
die Katechismen der spateren Zeit, namentlich die aus der zweiten
1) "^Johann Michael Ren, Professor der Theologie am luthenschen
Wartburgseminar zu Dubuque, Ja., Quellen zur Geschichte des Katecbismus-
^i\- unterrichts. I. Bd. Silddeutsche Katechismen (a. u. d. Titel Quellen zur
ein-
Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangeliscben Kirche Deutsch-
lands zwischen 1530 und 1600. Eingeleitet, herausgegeben und znsammen-
fassend dargestellt. Erster Teil.) Giitersloh. 'C. Bertelsmann 1904. XIV u.
Jf" 847 S. 16 Mk., geb. 18 Mk.
192 Kolde, Stiddeutsche Katechismen von 1530—1600.
HUlfte des 16. Jahrhunderts, den katecbetischen Lehrstoff der seit
dem Augsburger Religionsfrieden stabil werdenden Landeskircben ziim
Ausdruck bringen und una zeigen^ was in Scbule und Kircbe nun-
mebr zumeist kircbenregimentlidb autorisiert bis tief in die Zeit des
Pietismus, teilweise aucb nocb in der Zeit des Bationalismus bis zum
Anfang des 18. Jahrbunderts gelehrt wurde.
Der Kaum gestattet es nicbt; bier davon zu sprecben, was der
Verf. fUr die folgenden Bande verspricbt, wir balten uns vielmehr
an das, was jetzt vorliegt, nnter begreiflicber Hervorbebung der
bayeriscben Katecbismen. Aus wobl zu borenden Grtinden gibt Eeu
die katecbetiscbe Literatur SUddeiitscblands gesondert, wobei man
freilicb dartiber streiten kaun, ob die Ausscbliefiang Hessens mit der
Begriindung; „dafl das Scbwergewicbt der bessiscben Kircbe inner-
balb des bebandelten Zeitraumes nordlicb der Mainliuie lag^, ganz
berecbtigt ist, da die buceriscb-oberlslndiscbe Eicbtung docb das ganze
Jabrbundert nocb uacbwirkt. Aber das ist eine untergeordnete Sacbe.
Befremdender konnte sein, wenn sie aucb fUr die Gegenwart bequem
isty die Einteilung nacb den beutigen landeskircblicben Grenzen, da
wir innerbalb derselben, man vergleicbe allein Bajern, sebr ver-
scbiedenartige bistoriscbe Entwicklungen vor uns baben, und f\ir
Preufien soUte der Verf. in den spMteren Banden wenigstens Provinzial-
einteilung eintreten lassen.
Der gewaltige Stoff wird in vier grofie Abscbnitte geteilt: 1. El-
sassiscbe Katecbismen S. 123 — 187, 2. Pfalziscbe und badiscbe Katecbis-
men S. 187—283, 3. WUrttembergiscbe Katecbismen S. 284—417, und
4. Bayeriscbe Katecbismen S. 417 — 841. Das Verfabren ist dann
dies, dafi der Verfasser jedem Abscbnitt eine gedrangte bistoriscbe
Einleitung voranscbickt, die eine Darstellung der katecbetiscben Ent-
wicklung in den betreffenden Landesteilen gibt, und dann, soweit
sie wirklicb Originelles bieten, die alten Katecbismustexte unter mog-
licbst genauer Reproduktion meist vollstandig folgen ISfit. tlberall
ist die wicbtigste Literatur verzeicbnet, aucb bringt der Verf. Lebens-
skizzen der Autoren, die freilicb nacb Lage der Dinge sebr kurz
ausfallen mufiten, nnd bespricbt, was nocb besonders erwabnt sein
mag, in der Einleitung aucb diejenigeu Arbeiten, dereu Abdruck un-
n<5tig oder des Umfangs wegen uicbt moglicb war, in ausgiebiger
Weise, so dafi man sicb ein klares Bild davon macben kann. Freilicb
wSre gerade um der vielen in diesem Rabmeu bebandelten Person en
und Arbeiten willen ein Namenregister sebr angebracbt gewesen.
Sebr dankenswert ist,' dafi der Verf. bei Besprecbung der einzelnen
von ibm benutzten Exemplare der Katecbismusscbriften nicbt blofi
die betr. Bibliotbeken, sondern auch deii Standort angibt.
Den Lowenanteil nebmen die bayeriscben Katecbismen nach
Zahl und Umfang in Ansprucb. Die sebr geschickt gescbriebene,
von Gebiet zu Gebiet gebende Einleitung wird aucb dem Kundigen
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Rotb» Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg. 209
Doch nun war auch schon der durch die „Furstenr evolution"
veranlafite Umschwung der Dinge im Anzuge*. Am Morgen
des 1. April 1552 stand die Reiterei der Verbundeten „l\ber jeder-
manns Versehen" vor den Toren der Stadt, und das FulJvolk
riickte rasch nach. Wichtige Ereignisse liberstiirzten sich nun,
jeder Tag brachte eine neue groKe Aktion. Schon am 4. April
zogen die Fiirsten, von der evangelischen Bevolkerung als Be-
freier aus anertraglichen Verhaltnissen angesehen, in die Stadt
ein; am nachsten Tage begann man mit der Restitution der vom
Kaiser, vor vier Jahren abgeschafften Regimentsform, am 8.,
Freitag vor Palmarum, predigte der Pradikant des Landgrafen
von Hessen bei St. Anna^), am 9. warde einer Ratskom mission
aufgetragen, nach den verbannten Predigern zu sehen und ihnen
zu schreiben^), am 11. gestattete man den Schullehrern, die
wegen ihrer Weigerung, das Interim anzunehmen, hatten „still
stehen" miissen, die Wiedereroffnung ihrer Schulen und lielJ an
die Interimisten die Weisung ergehen, den Krisam weiter nicht
zu gebrauchen, „sondern sich in alien Sachen, die Religion be-
langend, der augsburgischen Konfession gemS,fi zu erzeigen und
zu halten"*).
Damit hatte die Tatigkeit der „ Interimisten" als solcher,
nachdem sie nur wenig mehr als ein Vierteljahr gedauert, ihr
Ende erreicht. Die frtiheren Pradikanten, die, dem an sie er-
gangenen Rufe folgend, zuriickkehrten, wurden am 12. Juni
1) Aus der iiber diese JDinge erwachsenen Augsburger Literatur sei
bier genannt die Arbeit Heckers, ^Der Augsburger Bttrgermeister
Jakob Herbrot und der Sturz der ziinftischen- Regimentes in Augsburg^
in der Zeitschrift des hist. Ver. f. Schw. u. Nbg., Jahrg. 1874 S. 82 ff. und die
von Radlkofer, „Der Zug des ssLchsischen Eurfursten Moritz und seiner
VerbUndeten durch SchwabenimFrtthjahre 1552", ebenda, Jahrg. 1890S.153ff.
2) Aus der oben erwahnten Relation iiber das Interim. Die Predigt
begann urn 7 Uhr morgens und endete um 8^2 Uhr. „Der inhalt der
predig ist gewest: erstlich, dafi man pillich kriegen soil wider die tiran-
nen, die das wort gottes nmbstiirtzen wellen. darnach, warumb die
fiirsten diesen krieg fierten, als namlich das wort gottes za heschutzen,
auch fiir ire alte freihaiten; zuletzt hat er das volck ermant, daB siegott
treulich bitten fttr die zwen gefangen fiirsten, daB sie got einmal erl5sen
wolle.**
3) Ratsdekret Bl. 43b.
4) Ratsdekret Bl. 44 ».
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichte XI. 6. 14
210 Koth, Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg.
wieder angesteUt und die Interirasgeistlichen gleichzeitig ent-
lassen.
Huberinus — seine beiden Genossen kommen fiir uns
nicht mehr in betracht — begab sich nach Ohringen zuriick^);
aber auch dahin verfolgten ihn die Schraahungen seiner Feinde,
und einer von ihnen sandte das oben mitgeteilte Pasquill samt
ahnlichen Machwerken an den Grafen Ludwig Kasimir und
dessen Rate, urn ihn bei diesen in der Achtung herabzusetzen.
Tief gekrankt und emport wandte sich nun Huberinus am
5. November 1552 — also zu einer Zeit, in der die Reaktion
auf die durch die Kriegsfttrsten in der Stadt vorgenommenen
Anderungen bereits erfolgt war — an den „Statthalter" Heinrich
Rehlinger und erbat von dieseni die Ausstellung eines Zeug-
nisses uber seinen Wandel und seiner Amtstatigkeit wahrend
des letzten Aufenthaltes in der Stadt, um damit bei seinem
Herrn und den iibrigen seine „Unscbuld" zu retten^Beilage V].
Er erhielt auch ein solches, in welchem ihra bezeugt wurde,
dalJ er sich ,,in seinen Lehren und Leben bescheidenlich" und
in der Beforderung christlichen Wesens wie auch „in schuldiger
Gehorsam gegen die Obrigkeit und in ander Weg" dermalJen
gehalten, daU man ihn, wenn es „die furgefallen beschwerliche
Anderung" erlaubt haben wlirde, „wohl langer hatte leiden
mogen." Was sollte dieses Zeugnis dem Gekrankten niitzen?
Gegen seinen Wandel war nie und von niemand Einwand er-
1) NachBossert, Das Interim inW. S. 171, waren Huber und seine
Genossen schon im April 1552 zurtickgekehrt, batten also die ^-^h-
schaffung'*, die erst am 11. Juni erfolgte, nicht abgewartet. Beziiglich
Hubers scheint sich dies in folgendem zu best££tigen: Als er im Jahre
1544 Augsburg verliefi, wurde „uff Lerrn Gasparn Hubers supplication er-
kant, daB seine kinder, so er in zeit seines anwesens alhie im eelichen
stand ertzeugt, das burgerrecht haben und behalten sollen, unangeschen
da6 er yetzt aus der stat an andere ort zeucht. doch soil er aitem branch
nach jerlich hereinsteuren" (Ratsdekret, 3. Juli, Bl. 117*). Darauf grtindet
sich die Ftirsorge des Rates fiir Hubers Kinder, yon der ein Eintrag in
den Ratsdekreten des Jahres 1552 unter dem 23. April (Bl. 49*) berichtet:
„Casparn Hubers eltist kind soil verdingt (d. h. in Kost gegeben) und
die zwei jtingsten in das Findelhaus genomen werden/ Ich wiifite dies
nicht anders zu deuten, als daB Huber, vielleicht unter dem Drucke neuer
Beschimpfungen, die Stadt schleunig verlieO und der Eile halber die Kinder
in Augsburg zurUcklassen mu^te, bis sie abgeholt werden konnten.
Roth, Kaspar Huberinus and das Interim in Augsburg. 211
hoben worden, und beziiglich seiner Lehre und seines Verhaltens
gegen die Obrigkeit wird ihm ja gerade das bestatigt, was man
ihm zum Vorwurf machte, namlich, dafi er sich als williges
Werkzeug zur Durchfiihrung des Interims babe gebrauchen
lassen. Interim und Papsttum aber gal ten als dasselbe. Und
was hatte er sich auch, sollte man meinen, vor seinem Herrn,
der ihn doch zur „Anrichtung'* des Interims nach Augsburg
entsandt und als so gut katholisch empfohlen hatte, viel zu
rechtfertigen? Aber freilich wehte jetzt, nach AbschluB des
Passauer Vertrags, ein anderer Wind; der Graf schickte sich
an, nun endlich zu reformieren^), und Huberinus selbst ist es
wahrscheinlich gewesen, der den Grund zu der evangelischen
Landeskirchenordnung legte^).
Huberinus starb schon am 6. Oktober 1553^), hat also den
Zusammenbruch des Interims nicht lange iiberlebt. Imraerhin
aber war der inzwischen liegende Zeitraum lang und ereignis-
voll genug, um ihn zur Erkenntnis zu bringen, daB die RoUe,
die er dabei gespielt, eine Verirrung gewesen, wenn er dies
auch nach auBen hin nicht eingestehen wollte. Eines aber ist
gewiB, nS^mlich daB er alles, was er tat, in bester Meinung
getan hat, und daB insbesondere der Vorwurf der Bestechlich-
keit durch Geld als schnode Verleumdung bezeichnet werden
muB*). Er war nur nicht immer fest genug gegen das Zureden vor-
nehmer Herren, die seine Schw^che ausnutzten, im Grund seines
Wesens aber war er ein Ehrenmann.
1) Bossert (Th. St.) S. 259ff.
2) Ebenda S. 259 ff. u. S. 261 mit Anm. 1.
3) Seine Grabschrift be! Wibel, I S. 38h
4) Er kam fast mittellos in Augsburg an, wie sich aus dem Um-
stande ergibt, dajQ er bald darauf, am 12. Januar 1552, von seinem G()nner
Bartholomaus Welser ein Darlehen von 40 Gulden aufnehmen muBte.
(S. Roth, 1. c. I S. 107 Nr. 14). Man darf ihm sicher glauben, wenn er
aagt (s. Beil. V), daB er in Ohringen, wo er ja im Genusse eines Stifts-
kanonikats war, melir zurttckgelassen, als er in Augsburg zu erhoffen
hatte. Auch was oben (S. 210 Anm. 1) beztiglich der (vorttbergehenden) Ver-
sorgung seiner Kinder durch den Rat gesagt ist, deutet auf armliche Ver-
haltnisse hin.
14*
212 Both, Kaspar Hnberinas and das Interim in Augsburg.
Beilagen.
I. Tenor eines Schreibens des Rates der Stadt Augsburg
an den Grafen Ludwig Kasimir von Hobenloh^; dd.
5. Oktober 1551.
Und geben e. gu. dienstlicb zu erkenneu; dafi die rom. kais.
mt., unser allerguedigter berr^ uns uff das ausschaffen der praedi-
canten albie, darcb ir kais. mt. bescbeben, aufgeladen und mit allem
ernst eingebunden bat nach andern zetrachten, die sicb mit dieser
irer mt. deklaration, so man das interim nennt^ gemes erzaigen.
wiewol wir uns nun seitber muglicber weis bemuet und allerbalb
nacbfrage zetbun verordnet, »o baben wir docb uber alien furgewendten
vleis bisber kbainen solben aufierbalb des Huberinus^ so euer
gnaden mit diensten verwant, erfaren mogen, und ist demselben nach
an e. gn. unser besunder bocb vleifiig und dienstlicb bitt, e. gn. woll
der sachen zu guetem und uns in disem bescbwerlicben obligeu zu
sundern gnaden jetzgemelten Hub er in us diser zeit begeben und
zuelafien, in zue ainem praedicanten uffzenemen und zum wenigsten
so lang zu entbalten, bis wir in ander weg zur notturft verseben
sein. damit werden e. gn. sunder zweifels bocbgedacbter kais. mt.
ain sunder angenembs gefallen erzaigen. so sein wir urbietig es in
ainem vil mercerm uqib e. gn, guetwilliklicb zu verdienen. und wie-
wol wir uns kaines abscblags besorgen^), so begem wir docb nicbts
minder bieriiber e. gn. scbriflPtlicbe gewerlicbe antwurt, uns darnacb
zu ricbten. Augsburg am 5. octobris. a. 51. (Fragmentariscbes Kon-
zept von der Hand des Stadtscbreibers Sebastian Bemler, Eef.-Akta.)
II. Scbreiben des Grafen Ludwig Kasimir von Hobenlobe
an den Biscbof Antonius von Arras, dd. Neuenstein,
22. Oktober 1551.
Hocbwirdiger in got vatter fiirst und berr ! E. gn. seind mein willig
dienst zuvor.
Das scbreiben e. gn., wie jetzo getbon von wegen meines predi-
canten (der Huberinus genannt), welcben icb umb anricbtung der
von r5m. kais. mt., unserm allergnedigsten berrn^ in religionsacben
publicirten declaration den statpflegern, burgermaistern und rat be der
stat Augspurg ein zeitlang begunstigt, babe icb seines inbalts lengs
vernomen samt dem gnedigen gesinnen, dafi aus ursacben, in e. gn.
scbreiben angeregt, vorderst aber bocbgedacbter kais. mt. zu under-
tbenigen eeren und gefallen, dem vorhabenden cbristenlicben werk
zu steur, aucb gemelter stat zu gfittem uff e. gn. furscbrifft icb be-
1) Diese Worte lassen auf voransgegangene milndlicbe Verhandlungen
zwischen den Augsburgern and dem Grafen schlieBen.
Roth, Easpar Huberinus und das Interim in Augsburg. 2L3
willigen solt, dafi gedacht statpflegere, burgermaister und rath ge-
melten Huberinum bei inen behalten mochten, mit gnedigem er-
bieten, dafi e. gn. mein willige gehorsam bei hbchstgemelter rom.
kais^ mt. ruemen und bezeugen, was auch e. gn. hierinnen gewilfaret,
dessen fur sich in gnadeu nit vergessen wolten. gib denselben
hierauff aller dienstlicher mainung zu erkeunen, dafi weiland die
wolgebornen herrn Albrecht und Georg, graven von Hoenloe,
gebrudere, meiue herrn vetter und vatter gotseliger und loblicher
gedechtnus, gemelten predicanten Huberinum nun etlich jare zfi
abwendung ettlicher verderblicher secten und schwermerei und z8
pflantzung unser alten, wahren, catholischen religion in
irer liebden herrschaflPt erhaJten haben, als dero beder liebdeu jeder
zeit sich zS hochgedachter rbm. kais. mt. und in irer mt. gehorsam
gehalten, sich auch von unser allgemeinen, catholischen kirchen nie
gesundert haben, daraus dann und mit gottis gnaden gevolgt, dafi in
irer liebden landtschaften bifiheer die ergerlichen,- bosen secten, dero
in neulichen jaren vil entstanden, vermitten bliben und, sovil an
ettlichen wenigen orten von nbtten gewesen, der kais, mt. declaration
one befelch in iren' landen und gebieten ist angericht worden; got
welle das furan also erhalten; zu welcher erhaltung ich mich dann
dises Huberini nit wenig zu getrbsten gehabt; nit allein dafi durch
seinen christenlichen, guthertzigen vleifi er bifiheer, onbewegt aller
widersacher, bestendig pliben, sender auch dafi ich in nieiner an-
geenden regierung, dareiu mich got verordnet, sonderlichen der-
jhenigen mich zu getrbsten und zu gebrauchen haben sollte, welch
wolgemelte mein herr vetter und vatter in irer liebden lebzeit zu
irer rechten und guten regierung irer landt und lent gebraucht und
fur nutzlich; auch tugenlich erfaren haben. wiewoll nun dann den
gemelten Huberinum gentzlichen z& lassen mir desto beschwerlicher
fallen will, desgleich jetzo^ im eingang meiner regierung, sonder-
lichen in religion sachen, andere sollent gebraucht und erfaren werden,
welchs mir doch hbchst zu bedenckhen steet, damit diejhenige^ so in
der alten, wahren, catholischen religion bei meinen lieben eltern und
mit gotis gnaden bifiheer erhalten, darinnen nit geschwecht, auch die
weltliche police! doher in desto besser ruhe bei inen besteen mbge:
noch dennocht, dieweil aus e. gu. schreiben ich zu vernemen, dafi
hbchstgedachter kais. mt. in dem ein under thenigstes gefallen ertzaigt
und es e. gn. z5 gnedigem willen gelangen thet, so der gedacht
Huberinus e. gn. begerens von mir erlassen [wUrd], so stelle ich
die verordnung desselbigen meines predicanten Huberini in e. gn,
hand, gnedigsten willen und gefallen, zu beschaiden, ob der bei ge-
melter stat Augspurg beharrlichen pleiben oder zu mir khomen
soil, in undertheniger zuversicht, e. gn. werden dero gnedigem er-
bieten nach disen meinen gehorsamen willen bei hbchstgemelter rbm.
kais. mt. gnedigclichen vermelden und dessen fiir sich selbs mit mir
214 Both, Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg.
zufrideD und mit gnaden ingedenck sein, dann one e« gn. so an-
sehenlicher erzelung und besonder gnediger gesinuen hett ich den
vilgedacbten Huberinum gar nit wissen zu begeben, als der sicb
gegen wolgedachten meinen lieben eltern lenger zeit verpflicht und
versprocben und von inen mit gnaden und wol tractirt worden, dessen
icb gegen ime nit weniger genaigt,
Bitt derbalben mit besonderm vleifi, wofern e. gn. uflP obberurts
mein baimbstellen bescbaiden wurden, dafi er, Huberinus, zu
Augspurg beharren und pleiben sollt, e. gn. gnedigo befurderung
tbuen wolten, damit er, Huberinus, gutlicben tractirt und durcb
gemelte statpfleger, burgermaister und rat mit den seinen woll under-
balten werde. und babe seiches alles e. gn., denen ich zu under-
thenigen diensten gantz wilferig, uff berurt schreiben und gesinuen
zu begerter wilferiger antwurt nit wellen verhalten. Datum Neuen-
stein^), uff donerstag nacb Ursule (22. Oktober) anno 51 etc. (Kopie
in den Eef.-Akten.)
m. Antwort auf das vorbergehende Schreiben, dd. Inns-
bruck, 15. November 1551.
Dnser freundschaft und alles guts bevor, Wolgeborner, in senders
lieber herr und freundt. Wir haben euer schriftliche antwurt, deS
datum steht Ne wen stein, uf donnerstag nach Ursulae 1 22. Oktober]
empfangen und daraus insonderbait gem und mit gantz freuntlichem
angenemen gefallen vernumen: wiewol ir in angeender euer regierung
und bei disen leuffeu, audi allerlai sorglichen, beschwerlichen an-
gehenden und regierenden secten euers predicahten Huberini nicht
allain zu erhaltung unser alten. waren, catholischen religion, so bis-
heer mit sonderm vleifi under euere uuderthanen gepflantzt worden,
auch mit zimblicher frucht erwachseu, sender auch zu wider-
stehung der gefarlichen, bofien und verfuerischen secten insonderbait
notturftig und euch denselbeu dergestalt gantz und gar von euch zu
lassen insonderbait schwer und bedencklich fallen werde: dafi ir
dennocht uf unser freundlich furschrift, auch in bedenckung, dafi der
kais. mt., unserm allergnedigsten herrn, ain sonder underthenigs,
angenems gefallen daran beschehen werde, und ander mehr ursachen
bedacht seit, die gantze handlung, damit unserm guten bedunck«n
nach haben zu schaffen, uus haimbzustellen, wie ir auch dasselb in
solichem eueren schreiben thuet und uns gantzlich haimbsetzen in-
halts solches euers schreibens. wollen euch darauf freuntlicher mai-
nung nicht verhalten, dafi wir solchs euer gutwilligen erpietens und
gehorsamer und undertheniger erzaiguug gegen ir kais. mt. mit son-
derm threueu fleis gedacht und furgetragen.
1) Neuenstein, Stadtchen und SchloB nahe bei Ohringen.
Roth, Easpar Huberinus and das Interim in Augsbarg. 215
Und wiewol wir entlich dafiir halten, wie wir auch deshalben
YOU ander leuthen^ so dessen ain guts wissen tragen, satten und ge-
Dugsamen bericht empfangen haben, daft euere underthanen
alberait dermassen in uuser wahren, alten^ catholischen,
christlichen religion fandiert, underricbt und bestiCttet
sindt; dafi nicht zu zweifeln, sie werden in derselben be-
stendigclich verharren und kain andere, uachtailige, bofie, schad-
liche sect bei inen lassen einreissen oder denselben in aiuig weg
stat geben, inmassen ir und sie gemelts Huberini desto ehr und
leichter endratlien und ander an sein stat, ob sie gleichwol in allem
nit gemefi, verorduen mogen, dieweil sie allain ditz recht und
ordenlichen zu laiten und zu furen haben, so er, Huberinus, mit
grosser arbait und vleiS in den gang gebracht hat; und aber,
wie ir selbst wisset, die Yon Augspurg ains solcheu christ-
lichen, gotsforchtigen , gelerten mans als die schwachen und kran-
cken, den man mit linder, angenemer artznei helfen mufi, auch
durch dessen geschicklichait, erbarn wandel und wesen das gmain
volk desto ehr von irem irthumb, in dem sie so lang erwachsen und
verstockt sindt, abgewisen und auf den rechten weg gefuert werde,
hoch von nothen haben, auch ir uns, wie obsteht, die gantze hand-
lung haimbgestelt : so ersuchen wir euch nochmals hiemit gantz
freuntlich, ir wollet ime, Huberino, gantz und gar bei inen, denen
von Augspurg, zu pleiben gonnen und gestatten, dann wir gar nicht
zweifeln, er werde daselbst nicht mit weniger frucht sein, als bei
euch beschehen.
So erzaigt ir auch der kais. mt. und uns ain sender angeuembs
und freuntlichs gefallen, in gnaden und allem gutten wider zu er-
kennen und zu beschulden, zu deme, dafi solches gemelte von Augs-
purg umb euch zu verdieneu die tag ires lebens werden beflissen
sein und ir ain sender gotlichs und christlichs werk daran erzaigen,
so euch und aiuer solchen grossen, ansehenlichen stat in vil weg zu
nutzen komen mag. daneben aber wollen wir darob sein wie wir
auch achten, sie fur sich selbst thun werden, dafi er, Huberinus,
mit den seinen eerlich und wol, wie billich, underhalten werde, in-
massen er kain klag haben solle. versehen uns also gantz freunt-
lich, ir werdet solcher unser furbit stat geben und euch euerm erpieten
gemefi erzaigen. das wollen wir in anderm mit allem freuntlichen
willen beschulden, dann euch alle freuntliche, gute furderung und
naigung zu erzaigen sind wir willig und urbiittig, das wir euch
freuntlicher mainung nicht wollten verhalten. Datum Insprugck,
den 15. novembris anno 51 etc. (Kopie in den Ref.-Akten).
216 Roth, Kaapar Haberiuus und das Interim in Augsburg.
IV. Caspar Hub eriuns an Leon hard Sah en peck inRegensburg,
dd. Augsburg, 2 0. Febr. 15521).
Gnad und frid von got dem vatter, durch Jesum Christum,
unsern hail and.
Achtbarer, filrnemer, ersamer, gUnstiger herr Sahenpeck.
Nachdem und ir von hinnen verruckt, haben wir erst den angriff
mit der tauff fiirgenommen und die alten ceremouien, welche die
heiligen vStter, lerer und bischoff, bald nach der apostel zeit, dar-
bei gebraucht haben, als in Clemen te^ Basil io magno, Augustino etc.
zu sehen ist, nemlich das chrisma, den exorccismum sambt den alten
gebetten, doch alles in teutscher sprach. dieweil sich aber die
schwermer^) etwas darob gestossen und eiu abscheuhen zum teil
entpfangen haben, haben wir, die predicanten, solche kirchenbreuch
verklert und iren rechten branch anzeigt, daft solche unser gewissen
nicht sollen tangen noch binden, darob vil frommer hertzen ersettigt
sind worden. warumb wir aber den, chrisma brauchen, und wie er
recht und nutzlich sei zu gebrauchen, hab ich solches in den truck
verfertigt, will euch das selb buchlin, so es ufitruckt ist, zu-
schicken ^) ; dieweil aber die fassnacht ietzt vorhanden, haben wir die
sach lassen beruen mit dem sacrament des altars bis uff die fasten,
da man sich zuvor wirdt mlissen anzeigen in der beicht, die absolution
entpfahen mit dem examen, was ein jeder vom sacrament halte,
darauff das sacrament gehalten soil werden mit den lateinischen, alten,
guten gesaugen, in dem ornat und etlichen teutschen psalmen, orglen
etc., uflP das wir keinen actum mutum halten. so viel dissmals in
eil. euer pot hat sich erboten zuwarten hie etliche tag uflF bescheid.
aber solches kan ich vor mitterfasten [27. Marz] nicht verrichten,
dann gmach geet man auch weit. hiemit got befolhen! in grosser
eil in Augspurg am 20. Febr. anno 1552.
Caspar Huberinus*).
1) Dieser Brief (Orig. Stadtarch. in Regensburg) wurde mir freund-
lichst von Herrn Prof. Kolde zur Verwendung an dieser Stelle ilber-
mittelt.
2) Als „Schwarmer" bezeichnet Huberinus in seinen Schriften alle seine
Gegner — Sektierer, Zwinglianer etc' — Hier meint er demgemafi ein-
fach die Gegner des Interims.
3) Da yon ihm keine Spur zu finden, ist wohl anzunehmen, dafi es
nicht in die Offentlicbkeit gelangte.
4) Original mit Siegel, (ein Tviangel liber der oberen Seite ein herab-
hangendes Kreuz, links und rechts davon die Buchstaben H. u. C.) im
Stadtarchiv zu Regensburg (Eccl. I, 12, 13). — Aufschrift: „Dem acht-
baren, ftimemen und ersaraen herrn Leonhardt Sahenpeck, wonhafft zu
Regenspurg". — Es ist dies eine sonst nicht bekannte Personlichkeit, die
sich jedenfalls, weil damals auch die Stadt Regensburg hart zur Annahme
des Interims gedrangt wurde, iiber das, was man hierin in Augsburg
tue, unterrichten wollte.
Roth, Kaspar Huberinas iind das Interim in AngBborg. 217
V. Kaspar Huberinns an Heinrich Rehlinger, Statthalter
der Stadt Augsburg, dd. Ohriugen, 5. November 1551.
Gnad und frid von got, dem vatter in Cristo, unserm herren.
Hochachtbarer, ernvester herr atathalter!
Ich hab hertzlich gem vernomen, das got, der almechtig, euer ernfest
unschuld, trew, fleifi^ mue, sorg, last, geferlichkeit und diemut hat ange-
sebeu und e. e. wiederumb in das ampt gesetzt, nachdem and die frautzo-
sische auflPrur gestilt ist worden ^). dieweil ich auch durch die kriegsfUrsten
meines ampts in Augspurg eutsetzt bin worden und mich got, der
herr, hat auch widerumb in mein vorig befolben ampt gefordert, da
hat sich der satan durch seine lesterer freyelich wider mich mit
allerlei lUgen gelegt und durch ein grosseu schwermer etlich schmach-
und lesterschriften, reimweifi gedichtet wider mich, herab geschickt^),
als babe ich Augspurg mit meiner leer wbllen verfureu und mich
geitz und gelt lassen ubergeen, sambt audern vilen schmachworten
mer, welche meiner mifiginner einer meinem gnedigen herren
und seiner gnaden rhSten zugeschickt hat, mich damit zu verhindern,
zu verkleinern und zu schmehen. got verzeihe solches disem sacra-
men tierer!
Dieweil dann, ernvester herr, von diesem augspurgerischem
schwermer etliclie schmachzetel sambt dem beruff, welchen der vorigo
gewesene rath wider uns hat lassen beruffen in absolvieruug vom
eid und uffuemung irer vorigen predicanten, in welcher copei wir.
angetastet worden seind als verfirerische, wanckelmlitige predicanten^)
und derohalb geurlaubt worden, so bitt ich e. e. in aller uuter-
thenigkeit, wbllen mir meiner leer und lebens halh, welche ich got
lob gefttrt hab mit gutem gwissen und zu frid und einigkeit geleert und
gepredigt, nit zu .uffrur und spaltung, solcher meiner leer und lebens
ein zeugknufi und schriftliche urkundt und abschied geben, wie es
denn e. e. fur gut ansehen, von den herren des geheimen raths oder
von einem gantzen rhat; durch den herren statschreiber gestellt, mit
1) Heinrich Rehlinger war bei der im Jahre 1548 vom Kaiser vor-
genommenen neuen Regimentsordnung in den Rat berufen worden, wurde
1549 (neben Leo Ravenspurger) Stadtpfleger oder Statthalter, verier dieses
Amt im April J 552, als auf Befehl der KriegsfUrsten der vom Kaiser
eingesetzte Rat gesturzt wurde, und erhielt es zurtick bei der am
25. August dieses Jahres erfolgten Restituierung des Rates von 1548.
2) Offenbar das Pasquill auf S. 208.
3) Gemeint ist der von den KriegsfUrsten erlassene und vom Kate
angeschlagene „Bei'uf" vom 7. Juni 1552, der bei Hortleder, Hand-
lungen und Ausschreiben etc. von RechtmaBigkeit etc. des teutschen
Krieges (1645) S. 1313 gedruckt ist. Darin wurden die vertriebenen
Prediger von dem ihnen bei ihrer Verbannung auferlegten Eid entbunden
und die stadtischen Behbrden aufgefordert, sie und die ^abgeschafften"
Schulmeister zu restituieren. Die Interimsprediger wurden als „arckwbnig,
wanckelmtttig und ergerlich** bezeichnet.
218 Schornbauni) Zur Brandenb.-Niirnbergischen Kirchenvibitation 1528.
angehencktem sigil^ wie dann der branch ist^ eiu abschid zu geben.
was dann in der cantzlei davon zu schreiben zu bezalen ist, solle
zeiger difi prieffs, her J org Vise her, welcher sein leibgeding droben
holet^), von meinetwegen verrichten. bitte also e. e, wie vor in
aller unterthenigkeit, wQllen mir treulichen beistandt thun und die
sachen affs beldest fudern und verschaffen, dann herr Jorg wirt ein
tag oder drei droben bleiben und wider herkomen; so woUe ich
solchen abschid meinem gnedigen herrn und den rhUten zeigen und
mein unschuld retten, dann ich je in grosser treuen in grosser kelte
ferritten, bin hinauff gezogen mit weib und kindern und mich von
dereu von Augspurg wegen .in grofi unru, last und ferligkeit be-
geben hab. da ich mer hie verlassen hab, dann ich droben hab
gehabt, noch schmehet man mich^ als habe ich umb gelts willen sei-
ches getan und ein eid geschworen in das interim, welches doch nit
geschehen ist.
Hiemit befelhe ich e. e. und die edlen und ernfesten herren,
die geheimen rath, in den gnedigen schutz des allerhohesten. Datum
Ohringen, am 5. novembris anno 1552.
E. E.
undertheniger, gehorsamer
Caspar Hub er inns, prediger daselbst.
(Ogl. in der Autographensammlung.)
ZurBrandenburgisch-Niirnbergischen Kirchenvisitation
1528.
Von Dr. K. Schornbanm in NUrnberg.
Es ist bekannt, dafl die Akten Uber die erste gemeinsame
Kirchenvisitation der Eeichsstadt Niiruberg und der Markgrafschafit
Ansbach verloren gegangen sind. Zuletzt hat sie wohl der Altdorfer
Professor Will gesehen, der in dem historisch-diplomatischen Magazin
fiir das Vaterland und aogrenzende Gegeuden (NUrnberg 1783. 2. Bd.
S. 375 ff.) wenigstens die Visitationsberichte uber die Kaplane von
St. Sebald, St. Lorenz nnd dem neuen Spital abdrucken lie© und
damit vor dem Untergang rettete. Nun befinden sich im Nurnberger
Kreisarchiv unter der Bezeichnung S. I L. 296 Nr. 1 — 25 (Kep. 11)
eine Anzahl Akten uber die spateren Visitationen von 1560 — 1659,
am meisten noch uber die grofie Visitation von 1560. Den spar-
lichen Eesten liber die Visitation von 1652 verdanken wir noch et-
liche Nachrichten uber die erste Visitation der Pfarreien Ottensoos
1) Dieser Jdrg Viscber (Piscatoris) ist der letzte Prior des Augs-
burger Karmeliterklosters (1527—1544). Das Leibgeding, das Huber er-
wahnt, ist die Pension (40 fl.), die ihm bei Ubergabe des Klosters (15. Okt.
1534) vom Rate ausgeworfen wurde.
Schorabaam, Zar Brandenb.-Ntirnbergischen Kirchenylsitation 1528. 219
und Kornbnrg. Da die Rechtsverhaltnisse dieser Pfarreieu sebr an-
gefochten waren, so beschlofi man, zunachst Erknndigungen einzn-
ziehen, in welcher Weise dieselben frliher visitiert wordeu waren.
Aus dem damals noch vorhandenen Visitationsbuch vom Jahre 1528
wnrden nnn die unten folgenden Anszuge uber beide Pfarreien
Ottensoos und Kornbnrg gemacht.
I.
OttensooB.
Herr Cunradns Kempf, pfarrer zue Ottensoes sagt, er sej
yon meinen herreu dahin yerordent, hab weib ynd kind.
dieser pfarrer ist yerbort. bat wobl geantwortet; findet sich
bej ihm ein gnter cbristlicber yerstandt
Hainz Pirkmann, Herman Teurlein, Jorg Stain ynd
Hans Loser, gesandte yon der gemain zn Ottensoes, die baben an-
gesagt, daft sie yon ibrem pfarrer seines lebens, wesens ynd wandels
balb kein clag zn tbnn baben; er bait sicb eins ebrlicben redlicben
wesenS; fubre ein priesterlicb leben.
so wifien sie seiner lehr halben aucb kain clag anznezaigen;
er lebre ynd predige i]inen das wort gottes ibres yerstands trenlicb
yor, ynd wo er ibnen das wort gottes gar ins berz k3nnt giefien
oder stofien, tbet er das gem.
ynd seyen allein in dem bcscbwert, das etliche jartag^ yer-
kUndungen der todten ynd salye regiua in der pfarr znhalten ge-
stiftet, die halt aber ihr pfarrer nit mebr, zaigt an, es sej nit nntz
ynd nemen doch nicbts dester weniger die gottshauspfleger die
guldten ynd zins, die daramb an das gottsbaus gegeben werden sin,
geben dem pfarrer dayon sein gebtirnus, zehen gulden, ynd bebalten
das uberig znm gottsbaas, yermainten, dafi man billicb solcbe zins
ynd guldt, die fbr solcbe gestifte jartag ynd audres an das gottsbaus
geben werden, nachdem das alles nit mebr gebalten wurdet, denen,
die berlirte guldt an das gottsbaus geben baben, widerumb zugestelt
oder an steg ynd weg oder aber Lausarmen leuten gegeben wiirde;
yn bett dennocbt ihr pfarrer ibres achtens on das genug, dann er
sonst hey siebenzig gulden einkummens hab.
item so baben sie sonst noch ein fruemefier, derselb sey auch
ein gut frum Mann, er mog yielleicht so yiel nit konnen: er hab
sicb aber ein zeit hero sehr gebefiert, wissen darum kain sender clag
zu tbun.
die gelehrten baben obgemeldts pfarrers halben geratschlagt, dafi
der zu einem pfarrer wobl zu halten sey : ynd ist diesem pfarrer gesagt
worden, dafi er als ein seelsorger seinem pfarryolck im wort Gottes
treulich yorgehen ynd ynterweisen woll, auch fleifiig lesen yndt stu-
diren ynd sich im selben solcber gestalt halten, daraus man sein
fleifi spfiren mSg.
220 Schornbaum, Zur BraDdenb.-NUrnbergisohen Eirchenvisitation 1528.
darzu hat der gedacht pfarrer angezaigt; daft er dem lesen vnd
studieren nit sowohl, wie er billig thun sollt anhaugen konnt. er
hab ein grofie haussorg; woll er viel haben, miifi er darnach trachtea
vnd arbeiten vnd ehebalten balten.
so mufi er allemabl Uber den dritteu feyertag das gottshaus ziie
Scbonberg in aigner person mit predig vnd mefi versehen, von
welchem er danu das maist einkummen hab; hab zu Ottensos ein
cleins zehendlein vnd etliche claine wislein vnd eckerlein, item er
mnfi gein Rottenberg jabrlich drey gulden jaggeldts geben; so
gesteben ihne die diener vom Rottenberg, die er vff denen klir-
tagen zu Ottensos mit essen vnd trinken versehen mufi, des jahrs
nicht wenig, also dafi er deshalb zehen gulden wol haben mufi.
der stiftung halb hab er bisher das geldt, so ihm die gotts-
hauspfleger geraicht, genommen, achte darflir, dieweil das gottshaus
des jahrs liber 100 gulden einkumens hab, dafi sie sich des ge-
legenheit aller sachen vnd dafi sein ander einkumen nit so grofi, nit
zn beschwern haben.
dafi er aber dise jartSg, verklindung der toden vnd salve regina
bisher nit gehalten, acht er nit vnrecht sein, dieweil er in der schrift
vnd in sein em gewifien ein anders finde.
vnd hat der pfarrer gemeldt, wo ihm diese sein cura mit der
versehung der pfarr zu Scbonberg vnd sein grofie haushaltung in
zimblich vnd leidentlicher weg mbcht gewendet werden, vnd dafi er
etwo ein ruiger wesen haben kondt, wer er vngezweifelt, er-wolt sich
im studiren vnd in der kirchendieust dermafien befleifien, darob man
ein gut gefallen haben sollt.
Extrakt aus einem Kirchenvisitationsbuch de a. 1528. •
II.
Komburg.
Mittwoch den 16. September 1528.
Herr Paulus Lbffler, Pfarrer zue Kornburg, sagt er sey
von meinen herrn dahin verordent, bey zweyen jahren daselbst ge-
west; hab ein eheweib.
der gedacht pfarrer ist verhort^ der hat zimblich wol geant-
wortet, vnd findet sich bey ihme ein christlicher verstandt.
Linhardt Schmidt, Augustin J'eurstain vnd CuntzMayr,
gesandte von der gemein zue Kornburg, die sagen erstlich des
pfarrers halb, dafi sie an ihres pfarrers leben vnd wesen ein guet
gefallen haben, wifien derhalb nichts zu clagen.
so hftben sie an seiner lehre aufierhalb nachfolgender mengel
auch kein clag. allein vermainten sie, dafi ihr pfarrer je bisweilen
an feyrabendten vndertag vesper sing vnd in demselben hielt, wie
man es hie vnd zu Schwabach belt; wo ers also hielt, wolten sie
Schornbaum, Zur Brandenb.-Ntirnbergischen EirchenviBitation 1528. 221
wol zu&ieden sein; dann er sonst in der wochen nichts thue, wann
daft er an feyrtagen mefi bait vnd predig.
item der pfarrer fordere vnd predig stets in seiner predig den
zehenden, bielten dafUr^ dafi er solchs billicb in der predig vnterliefi
vnd wo ihme jemandt den nicbt reebt gebe, dafi er das der oberkait
anzaiget vnd nit in der predig so oft meldet.
item der pfarrer tauf die kinder in den bSusern^ vermainteu
sie, dieweil die tauf so ein grofi treffenlicb ding sey, es wor dan-
nocbt viel ebrlicber vnd befier, dafi man die zu kirchen trag vnd
daselbst taufte.
item so ihr pfarrer jemandt ein kindt tauft oder dafi er ebe-
leutb, so bocbzeit miteinander baben wollen, vff der cantzel verkundt,
ist ibm von solcbem hievor ye ein mafi weins gegeben worden, aber
jzt vermaint er, man soil ibne zu solcbem es sey bocbzeit oder kindt-
scbenk laden, wo er dann je geladen wirdt, bleibt er da, ess ond
trink, woll aber nicbts zablen.
item der pfarrer lafie im gebet vff der cantzel das ave maria
aufien, vermaint die gemain, das er dennocbt das von wegen der
jungen kinder billicb aucb bete vnd lernte.
item das sacrament consecrire ir pfarrer gar teutscb, wifien sie
als arme vnverstendige pauersleut nit, ob es so gar gut sey oder nit,
wolleu solcbes, wie es derbalb soil gebalten werden, zu den ver-
ordenten herrn gestellt baben.
item als bievor ihrem pfarrer etlicbe klaider entwendet worden,
bab er bey einem warsager zue Gunzenbausen darumb forscbung
gebabt; nacbmals viel davon geredt vff meinung, er wlifite nun wobl
wcr ibme seine klaider gestoblen mit betrobung, ibme die wieder zu
geben, oder er wolt den anzaigen, das er dem benker werden miifit.
acbten sie in der gemein dafur, dafi er als ein pfarrer vnd seelsorger
billicb nit mit solcb^r zauberey vmbgehen, vnd wo er von yemandt
das in der gemein borte, das er solcbs zum b5chsten webren vnd sie
davon als von teuffeliscben diugen weisen sollt.
vnd wo in diesen fallen enderung getban werde, seyen .sie sonst
an andern ibres pfarrers leben vnd wesen aucb seiner lebre balben
wobl zufrieden, er sey sonst ein gut from mann.
von scbwurmern oder tauffern wifien sie nicbts zu sagen.
als nun der pfarrer von wegen der gebrechen von der gemein
angezaigt gefragt worden, bat der zu alien beschwerden aufierbalb
der letzten gut richtig antwort geben, darob die gesaudten zufriden
gewest.
vnd zur letzten die gestoblnen klaider belangeudt bat er waiuendt
angezaigt, ibm seyen bievor zween gut rock, bembdt vnd anders ge-
stoblen worden. nun seyndt ibm aber etlicbe geringe stlick, so ibm
aucb eutpfrembdt, bey seiner naclxbaurn einem zunecbst .nidergelegt
worden, darauf er mog gesagt baben, er bette vermutung uf etlicbe
222 Kolde> Ein Ablafibrief fur die Kirche zu Leerstetten.
etc. ob yemandt mit ihme gescherzt, bete er zum hochsten ihme das
wider zii geben.
den warsager betreffend^ sagt er bey hochstem glauben, dafi er
fUr sich selbst bey keiuem warsager gewest noch ans seinem befelh
yemandt dahin geschickt; wol sey nit on, er hab eiu schwager der
mag flir sich selbst ohu sein befelh beim warsager gewest sein vnd
darumb nachfrag gehabt haben ; derselb hab ihme aber uichts senders
anzaigen konnen. er halt vnd glaub desselben anzaigen nit, k5nue
sich auch y(m den gnaden gottes selbs aus der schrift wohl erlernen,
das solcheii ansagen nit zn glauben vnd nichts anders dann teuffels
werk seye etc.
dises pfarrers halb raten die verordenten, dafi er zu einem
pfarrer als der zimblichen vnd guteu verstandt hat, wol ^u halten
und nit zu endern sey.
doch ist ihm angezaigt, hinfiiro im studirn guten vleifi zuthun
vnd sich dermafien christlich zu halteU; damit seinerhalb nit clagens
noth seye.
sonderlich dafi er sich obgeschribens artickels des warsagers halb
bey der gemain bei ainigen vnd ihneu anzaigen well, dafi er vf das
gar nichts halten vnd dafi es nichts anders dan teuffels lugen seyen.
der hat das alles zuthun zugesagt.
Extrakt aus einem Kirchenvisitationsbuch de a. 1528 Fol. 43.
NUrnberger Kreisarchiv. S. I L. 296. Nr. 7.
Ein Ablarsbrief fiir die Kirche zu Leerstetten.
Mitgeteilt von D. Th. Kolde.
Die Kirchenbibliothek zu Schwabach besitzt neben nicht un-
wichtigeu scholastischen Manuskripten und reichen, wohlgeordneten
BUcherschatzen, zumeist aus der Reformationszeit, einen wie es scheint,
bisher noch nicht bekannt gegebeuen Ablafibrief ^) aus dem Jahre 1486
flir die Kirche zu Leerstetten. Diese den Aposteln Petrus und
Paulus geweihte Kirche der Pfarrei Leerstetten, die zu dem De-
kanate Eschenbach in der Dibzese Eichstatt gehbrte, und fur die
dem Abte des Klosters Ebrach das Prasentations- oder KoUations-
recht zustand^), bedurfte der Eeparatur. Es fehlte auch an Mefi-
1) Derselbe wurde mir von Herrn Dekan B6ckh in Schwabach^ der
ihn aufgefunden hat, freundlichst zur VerSffentlichung uberlassen.
2) Dartiber belehrt uns das sehr wevtvolle Programm von J. G.
Suttner, Schematismus der Geistlichkeit des Bistums Eichstatt aus dem
Jahre 1480, Eichst. 1879, wo es S. 60 heifit: Leerstetten eccles.
paroch. SS. Petri & Pauli: De praesentatione Abbatis in Ebrach. Ple-
banus': Petrus Engenlandt ex diocesi Bamberg, ordinatua in Czitz ad
titulum monasterii in Munchaurach. Fuerat 1475 vicarius in Graven-
steinberg.
Kolde, Ein AblaBbrief flir die Kirche zu Leerstetten. 223
biichern, Eelcheu und sonstigeu kirchlichen Ausstattungsstticken. Da
griff man zu der allgemein Ublichen Auskiinft, die notigen Mittel
durch einen Ablafi zu verschaffen. Der damalige Inhaber der Pfarrei
war der Magister Petrus Engenlanit oder Engellant, iiber desseu Ent-
wicklung sich weuigstens einiges feststellen ISfit. Er stammte aus
Nlirnberg, studierte in Leipzig und erwarb daselbst den Grad eines
Baccalaureus und setzte im Sommer 1476 seine Studien in Erfnil
fort*), wo er auch die WUrde eines Magisters erlangt haben wird.
Auf Veranlassung des Klosters zu MUnchaurach wurde er in Zeitz
zum Priester geweiht und kam dann als Yikar auf die dem Bischof
von Eichstatt zustehende Pfarrei Grafensteinberg ^). Der Aufenthalt
daselbst wird uicht lange gewahrt haben, denu schon 1480 finden
wir ihn in Leerstetten. Dieser Mann, der sich entweder brieflich
nach Horn wandte oder auch zu diesem Zwecke eine Pilgerreise da-
hin unternahm, war es, dem es gelang^ zu gunsten seiner Kirche von
zehn KardinSlen einen freilich nur sparlichen Ablafi zu erhalten.
Den Glaubigen wurde flir ewige Zeiten versprochen, sie sollten,
wenn sie am Tage des Apostels Petrus, am Palmsonntage^ zu
Ostern, zu Pfingsten und am Kirchweihfeste von der ersten bis
znr zweiten Vesper die betreffende Kirche frommen Sinnes besuchen
und zu besagten Zwecke hilfreiche Hande darreichen wurden —
dies eine oft wiederkehrende allgemeine Formel — , alljahrlich an
jedem einzelnen der genannten Festtage je 100 Tage Ablafi erhalten.
Die Urkunde ist vom 28. September 1486 datiert, aber erst andert-
halb Jahre spater erhielt sie die bischofliche Anerkeunung und zwar am
1. April 1488 durch den bischoflichen General vikar Christoph Mendel
de Stainfels, eine Zierde des Eichstatter Kapitels^ deun der gelehrte
Mann war der erste Rektor der neugegrUndeten Universitat Ingol-
stadt gewesen und hatte gegen die Statuteu unmittelbar auf An-
ordnung des Herzogs Ludwig diese Wurde das ganze Jahr hindurch
bekleidet und fungierte im Jahre 1476 noch ein zweites Mai. Auch
findet sich sein Bild in der Ingolstadter Matrikel^). Der schon er-
wahnte Schematismus von 1480 fiihrt ihn, der spater (1502 — 1508]
Bischof von Chiemsee wurde, in folgender Weise auf: R. Pater
Christophorus Mendel de Stainfels, artium et LL. doctor, 1472
Professor Institution um in Universitate Ingolstadiaua, 1476 Rector
1) Petrus Engei'land de Nornberga baccal. Lipczensis dedit totum.
Akten der Erfurter Universitat I (Halle 1881) S. 364. In der Leipziger
Matrikel findet sich auffallenderweise sein Name nicht.
2) Das dafiir bei Suttner angegebene Jahr 1475 stcht im Wider-
spruch mit dem Eintrag^ der Erfurter Matrikel, er miiOte denn zwischen
dem Besuch von Leipzig und Erfurt kurze Zeit in Grafensteinberg ge-
wesen sein.
3) G. Prantl, Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universitat I,
21, 38.
224 Eolde, £in AblaBbrief fttr die Kirche zu Leerstetten.
ejusdem Scholae secundo, 1479 Rmi Episcopi in Comitialibus
Imperialibns Norimbergae Orator, Canonicus eccles. cathedr. et Vica-
rius general! s.
Der Ablafibrief bat folgenden Wortlaut:
Roderi^us Portueasis Oliuerins Sabinensis Johannes / Albanensis
Julian us Ostieusis Episcopi Johannes michael tituli sancti Marcelli
Johannes tituli sancte Praxedis Johannes iacobus tituli sancti / Ste-
phani in Celio monte Paulus tituli sancti Sixti Presbyteri Franciscus
sancti Eustachii Raphael sancti Georgii diaconi sancte Romane ecclesie
Cardinales / Uniuersis et singulis christifidelibus praesentes litteras
inspecturis salutem in domino sempiterna[m] Quanto frequentius
christifideles ad opera caritatis inducimus tanto salubrius / eorum
animarum saluti consulimus Cupientes igitur ut ecclesia parrochialis
sancti Petri in villa Lerstetten Eystetensis diocesis congruis frequen-
tetur honoribus et / a christifidelibus iugiter ueneretur ac in suis
structuris et edificiis debite reparettir conseruetur et manuteneatur
libris quoque calicibus ornamentis aliisque ibidem / necessariis decenter
muniatur ornetur et decoretur utque christifideles eo libentius deuotionis
causa ad huiusmodi ecclesiam et ad premissa manns promptius
porrigant / adiutrices^ quo ex hoc ibidem done celestis gratie uberius
conspexerint se refectos Omnibus et singulis utriusqne sexus christi-
fidelibus uere penitentibus et confessis / qui in sancti Petri Apostoli
dominice palmarum Pasche Penthecoste ac dicte ecclesie dedicationis
festkutatibus ac celebritatibus a primis uesperis usque ad secundas /
uesperas singularum festiuitum (!) ac celel^ritatum dictam ecclesiam
honorando(?) inclusiue denote uisitaueri[n]t annuatim et ad premissa
manus porrexerint adiutrices ut prefertur / Nos Cardinales prefati
humilibus dilecti nobis in Christo Petri Engellaut artium magistri et
dicte ecclesie plebani suplicationibus (sic) inclinati de omnipotentis
dei / misericordia ac beatorum Petri et Pauli apostolorum eius auc-
toritate confisi pro qualibet dictarum festiuitatum ac celebritatum
quibus id fecerint Centum dies de iniunctis eis / penitentiis uerum (?)
in domino relaxamus et quilibet nostrum relaxat presentibus perpetuis
futuris teraporibus duraturis. In quorum omnium et singulorum fidem
et testimo / nium premissoram preseutes litteras fieri mandauimus
sigillorumque nostrorum iussimus et fecimus appensionibus muniri
Datum Rome in domibus solitarum residentiarum / sub Anno a Natiui-
tate domini Millesimo quadringentesimo octuagesimo sexto Indictione
Quarta die vero Vicesima octava mensis Septembris / poutificatus
sanctissimi in Christo patris et domini nostri domini lunocentii
diuina prouidentia pape Octavi Anno Tertio
Eat Gerona^).
1) In der Beglaublgung findet sich dieselbe Formel „Eat" als Zu-
lassungserklarung. Gerona ist vielleicht der Name des ausfertigenden Be-
am ten.
Herrmann, EinBriefd.Dominik. GallusKorn an Wolfg. Fabrioius Capito. 225
Die Siegel fehlen, doch hSugen an drei der noch vorhandenen
Siegelschnuren die leeren, blecheruen Siegelkapseln. Auf der umge-
bogeueu Siegelfalte des Pergaments, das einen Umfang von 73X^2 cm
hat, findet sich folgende Beglaubigung:
Christofforus Mendel de stainfels legum doctor cauonicus et in
spiritualibus generalis vicarius Eisteteusis vidimus has litteras sanas
illesas nee in aliqua parte suspectas easque admittimus. Eat. Eisteti
Kal. Aprilis anno octuagesimo octavo
vicarius generalis motu proprio
1).
Ein Brief des Dominikaners Callus Korn an Wolfgang
Fabricius Capito.
Mitgeteilt von Fritz Uerrmann in Darmstadt.
Fiir die Kenntnis des Lebens von Gall us K or n ist man immer noch
auf die diirftigen Nachrichten seines Biographen Held^) angewiesen,
iiber die hinaus auch Roth^) nichts Neues beizubringeu vermochte.
Einiges Licht auf die Lage und die Plane des wegen seiner evange-
lischen Predigten von seinem Konvent gemafiregelten und am
9. Juni 1522 aus dem Kloster entwichenen Niimberger Domini-
kaners wirft der bis jetzt unbeachtet gebliebene, nachstehend abge-
drucktc Brief, den er zugleich mit seiner bekannten Verteidigungs-
schrift*) an den kurmainzischen, mit Erzbischof Albrecht, der am
10. April seinen Sitz im Reichsregiment eingenommeu hatte, in
1) Unleserlich und zum Tell radiert. tlber den Siegelschnuren
scheinen die Namen der Kardinalstitel gestanden zu haben. Auf der
Rtickseite findet sich die Aufschrift: Genesis, in diesem Falle wohl nach
Du Cange s. v. = decretum.
2) J. G. F. Held, Nachrichten von GallusKorn, eines Dominikaner
MSnchs zu Niirnberg und standhaften Vertheidigers der evangelischen
Wahrheit, Leben und Schriften. Niirnberg 1802.
3) F. Roth, Die Einfiihrung der Reformation in Ntirnberg. Wiirz-
burg 1885.
4) Eyn handlung wie es eynem Prediger Munch tzu Nurmberg mit
seynen Ordens brudern von wegen der Euangeliechen warheyt gangen ist.
0. 0. 1522. Wieder abgedruckt bei L. Rabus, Historien der Martyrer,
2. Tl. Strafiburg 1572, f. 220 ff. und bei Held a. a. 0. p. 46 ff. Die Capito
Uberreichte Originalhandschrift -ist lateinisch. Der Abfassungsort — ex
gurgustalo =:: ynn vnszer elenden herberg — ist nicht das Kloster, wie
Held will, sondern Korns vaterliche Behausung, in der er unmittelbar
naeh seiner Flucht — die Verteidigungsschrift ist vora 12. Juni datiert —
sich verborgen hielt, bis ihm die unten zu erwahnende Haltung des Stadt-
rates sich freier zu bewegen gestattete.
Beitrage zur bayer. Kirchengeflchicbte XI. 5. 15
226 Herrmano, Ein Brief d. Dominik. Gallus Korn an Wolfg. Fabricius Gapito.
Niirnberg anwesenden Rat Capito gerichtet hat^). Der undatierte
Brief ist zwischen dem 12. Jnni — welches Datum die Verteidigungs-
sohrift trSigt — und dem 1. Juli, dem Tage der Abreise Albrechts*),
geschriebeu, and zwar wohl an einem Montag, woranf die Er-
wKhnung der sonst nicht bekanuten eindrucksvollen Predigt Capites
hiudeutet.
Oallus Korn versuchte durch sein Schreiben, den Mainzer
Staatsmann, dessen Stellung zur religiSsen Frage er wohl langst
kannte tmd zu dem er auf Grand der erwUhnten Predigt besonderes
Vertrauen gefaftt hatte, fUr seine Sache za interessieren, und
hat sich vielleicht auf eine Verwendung im Mainzer geistlichen
Dienste Hoffnung gemacht. YorlSufig hielt er sich bei sein em Yater
Hand Korn aaf; in dessen Haase das Hofgesinde Albrechts Herberge
genommen hattO; and betrieb von da aus seine Entlassung aus dem
Ordeu; daB ihm diese von Rom aus gewahrt wurde^ ist um so unwahr-
scheinlicfaer, als der am 25. September in Niirnberg eingetro£Fene
papstliche Nuntius Chieregati^ dessen scharfes Auftreten gegen die
evangdlifichen Prediger bekannt ist, gerade bei den Dominikanem
abstieg'). Gegen deren Nachstellungen war Gallus von dem Rate
der Staat geschiitzt worden^), ihn veirlangte aber nach ungehinderter
5ffentlicher PredigttStigkeit. Sein Brief an Capito hat diesen viel-
leicht zu einer Empfehlung des Predigers an den evangelisch ge-
sinnten Freiherrn Joh. von Schwarzenberg veranlafit^ in dessen
Dienst wir Gallus 1524 finden.
In der Unterschrift nennt er sich, wie auch in seiner 1524
in Schwarzenberg verfaftten Schrift Warum die Kirch vier Evange-
listen hat angenommen etc., Gallus Gallaeus. Die zugleich mit
dem Brie^ an Capito eingereichte, durch den deutschen Druck be-
kannt gewordene lateinische Yerteidigungsschrift zeigt auf der HUck-
seite den Titel: Apologema Galli Gallaei in eius abitum a coenobitis
praedicatotiis, anno domini 1522 Junii 12. Am Schlusse derselben
hat er did folgeude Notiz beigefiigt:
Sequentia post me reliqui verba die quo abii, altera vigilia
pentecostes Junii nona:
spiritus domini
ecce ille iste instabilis, inquietus, praesumtuosus, superbus, ignavus
et fatuus Vester^ quern et haeresi (nescitis ante quot annos damnata)
dicitis maoulatum, excommunication e papali et ordinis carcere (ut
iudicatis) dignissimus a vobis recessit.
1) In GapitoB Nachlafi, Univers.-Bibl. zu Basel, Bd. K. A. G. IV
5, f. 21 ff.
2) Vgl. Des kursachsischen Rates Hans von der Planitz Berichte
aus dem Beicharegiment in Niirnberg 1521—1523, ed. Virck, p. 135. 188*
3) Deutsche Reichstagsakten, Jiing. Reihe, Bd. 3 p. 824. 924.
4) Held a. a. 0. p. 25.
Herrmann, Ein Brief d. Dominik. Gallus Eorn an Wolfg. Fabric! us Capito. 227
vos fratres gaudete et letamini^ qui translati estls de morte in
vitam, quoniam diligitis fratres in Christ o.
pro vestra sunt haec scripta pace, vestrum erit. non suscitare
donnientem, alioquin primum probabitis^ quod falso obiicitis.
Salve in servatore nostro, candidissime doctor veritatis etc. mihi
non servitutiS; non necessitudinis, non d^nique familiaritatis suppetit ratio^
quo te litterulis meis obruerem. et enim una horum omnium potentior
accedit occasio, qua me audaculum et tuam praestantiam non gravem
efficiet spero exauditorem. vera sunt; quae assero. aput senatum
populumque nostrum ex tua concione summum nactus es favorem^
nactus est et gloriam immortal em ille tuus, immo et noster princeps
et praesul beatissimns^ qui praeter omnem spem talem evangelicae
veritatis doctorem in sua curia alet. dispeream^ si beri non omnium
erat clamor: ecce quid nunc in Maguutiuum nostrum pontificem et
principem hunc effutire habeut, qui ipsum iam dudum evangelii
suppressorem cavillarunt. certe contrarium nos hodie audivimus auri-
bus nostris, gloria deo et pax principi nostro. verum quia nunquam
sine querela aegra tanguntur, simul te incidisse noti dubitare in fer-
mentum phariseorum malitiae, sed autem non curandum^ quia genus
est hjpocriticum^ peribit parimodo atque nix et tum parebit nuditas
et confusio borum. ex his puto mihi suppetias affatim administratas
te ineptiis meis adoriri. sum (novit dominus) ab illo genere iam
ferme decennio persecutus, nee uuquam invenientes, quo me con-
funderent, nunc illis diebus ex duabus concionibus in me suum virus
confiavenint; veritatem negocii in adiuncta his habes schednla, quam
legas oro et per Christum tuum te obtestor. sum modo apud geni-
torem meum^ qui hospitem agit aulicorum reverendissimi atque illu-
strissimi principis nostri Moguntini etc. sum nutu senatorum securus
at publicum frequentare; divina item celebrare extra domum et
praedicare per ingeniperdarum et christianicidarnm horum tyranni-
dem non est mihi integrum, misimus ad Romanam curiam, nee
sum nee volo amodo et usque in aeternum sub horum esse iuris-
dictione. nunc ergo, mi candidissime simul et colendissime in
Christo pater et doctor veritatis, per Christum et christianam te ad-
inro pietatem: da consilium ignaro, fer auxilium misero, fac omnibus
modis efficias, ut princeps ille noster beniguissimus, qui haereditario
iure adeptus est banc insignitatem, ut quanto sit in cunctos oppres-
sores et violentos stomachosior, tanto consuerit benignius audire et
iuvare lacessitos iniuria, cura, inquam, aput tantum et talem princi-
pem, ut in sua abitione sua benedictione relever, ut ubicumque non
oporteat a publico abstinere, sed secure possim sacerdotis of&cia
exequi, ubi ubi opportunum videbitur, quo usque super hac I'e
Romanum venerit indicium, facies, crede, pro veritate, deo vero
Optimo maximo rem gratam omnique populo nostro acceptissi-
15*
228 Kolde, Zur Geschichte des Niirnberger Augustinerkiosters.
mam. accedet item praeclarum hoc facinus iu illustrissimi principis
uostri gloriam immortalem. vale in Christo.
Galhis Gallaeus sacerdos,
servulas tuus in Christo.
legat tua liiimauitas tantum
duodecim axtomata et iudicet,
legat et meorum sententianfi ta-
li signo^) exaratam.
i
Adresse: Evangelicae veritatis prestantissimo interpret! atqiie
doctor), domino ludico(!) suo preceptori.
Zur Geschichte des Niirnberger Augustinerkiosters.
Von D. Th. Kolde.
,,Im Bereiche der jetzigen ErzdiSzese Bamberg gab es einst drei
Augustinerkloster — Kulmbach, NUrnberg, Windsheim," von denen
sicher nicht nur das bedeutendste, sondern auch fiir die Geschichte
des Gesamtordens wichtigste das zu Nilrnberg war. Mit Recht be-
tont Dr. Joh. Baier in einer kleinen Studie^), die die Veranlassung
zu diesen Zeilen gibt, wie ich es schon ofter, wenn auch bisher. ohne
Erfolg, getan babe, dafi eine „Klo8tergeschichte Nurnbergs" eine
lohnende Aufgabe wUre, und ich m5chte bei dieser Gelegenheit darauf
aufmerksam machen, dafi wie fur alle Niirnberger Verhaltnisse gerade
auch dafiir die mir erst vor kurzem bekannt gewordene Merkelsche
Handschriftensammlung, die jetzt in der Bibliothek des Germanischen
Museums in Ntirnberg aufbewahrt wird, reiches Material enthalt, was
d^n Benutzer weiterzufiihren imstande ist. Namentlich ware aber
eine eingehende Geschichte des Augustinerkiosters sehr wunschenswert.
Was Baier liefert, ist eine fleifiige Skizze auf Grund des bekannten
Materials^ macht aber das Fehlen einer wirklichen Geschichte um so
fiihlbarer und veranlafit mich zu mancheu Fragezeichen, deuen ich
fiir eine spatere Bearbeitung einige Notizen aus meinen Sammlungen
beifUgen will.
Unklar ist zunachst die Entstehuug des Klosters. Wie allent-
halben kann man auch hier beobachten^ dafi die Briider die Neigung
batten, die Entstehung ihres Kon vents in moglichst friihe Zeiten zu
1) Dasselbe Zeichen kehrt bei den in der Verteidigungsschrift an-
geflihrten Schimpfreden der Monche wieder.
2) *Prof. Dr. Baier in Wtirzburg, Das ehemalige Augustiner-
kloster in Niirnberg S. A. (aus dem Kalender fiir katholische Christen.
Sulzbach 1905?)
Kolde, Zur Geschichte des Nflrnberger Augustinerklosters. 229
verlegen. Das im Stadtarchiv in Nurnberg aufbewahrte Salbucb des
dortigen Augustinerklosters, das iinter dem Priorat des Priors Eukarius
Karl 1503 angefangen wiirde, meldet, dafi ein Kloster des Ordens
seit undenklichen Zeiten in der Stadt bestandon habe, aber abgebrannt
sei; darauf aber „mit wissen und mit will en des Stuls zu Eom auch
mit willen und gunst eines erbarn Eats von neuen gepaut hieher an
die Stat, da man gezehlt zweihundert und funfundfUnfzig jar".
Die von Ussermann, Episcopatus Bambergensis., St. Blasien
1801, S. 421 festgelegte Tradition lafit Angus tin ereremi ten schon
1218 oder 1224 aufierhalb der Stadt wohnen und zwar in einem
ihuen von dem Grafen Heinrich von Nassau geschenkten Hause. Da
der Orden selbst erst 1256 durch Papst Alexander IV. gestiftet
wurde, nimmt Baier an, dafi die friiher in Niirnberg lebenden
Augustiner nicht Ordensleute im vollen Wortsinne, sonderu eben nur
Eremiten = Einsiedler gewesen seien, und erst im Jahre 1266, dem
eigentlichen Jahre der Ordensgrlindung (in Nurnberg) als geschlossener
Orden das Hans in der Stadt bezogen haben, und findet es nur
sonderbar, dafi das eigentliche Ordensgriindungsjahr mit einem Brande
des alten Hauses, von dem Ussermann a. a. 0. berichtet, zusammen-
falle. Der Sacbverhalt ISfit sich nach den NUrnberger Chroniken
noch einigermafien feststelleu. Die fruhere Anwesenheit von Ere-
miten vor Grundung des Gesaratordens ist nirgends bezeugt, und das
Jabr 1218 und die Behauptung, dafi sie ihre erste Statte durcb eine
Scbenkung des Grafen von Nassau erhalten batten, berubt auf einer
Verwechselung oder fliichtigen Lesung der Meisterlinschen Chronik,
die Ussermann vielleicbt gekannt hat, denn in dieser Chronik^) lesen
wir, dafi im Jahre 1218 Dominikus seinen Orden begann, inner-
halb dreifiig Jahren der dortige Konvent gebaut wiirde, wozu ein
Burger, Winkler geuannt, „den flecken des ertrichs geben". Darauf
heifit es weiter: „Ein klein weil darnach gabent die von Nassau,
grafen und burger [die] stat zu sant Franziscen convent." Der Graf
von Nassau war also der Stifter des Grund und Bodens fiir das
Franziskanerkloster. Auf der nSchsten Seite berichtet der Chronist
iiber die AnfSnge des Augustinerklosters: „Es waren auch die Here-
mitaner, die wir nennen Augustiner, in die stat gesetzt unter Ale-
xander dem vierten des namens, anno domini 1255, vnd in werd
ein stat gegeben, da nun stet das newe thor, darnach auf den wein-
mark gesetzt und seind geistlicb, abgeschaiden, andechtig ruwig veter."
Hieraus ist zu schliefien — denn das Jahr 1255 ist, da Alexander IV.,
der den Orden 1256 griindete, nicht zu pressen — , dafi die Augustiner
sehr bald nach Entstehung des Ordens in die Stadt kamen, erst sich
da niederliessen, wo dann das neue Tor zu stehen kam, und dann
auf dem Weinmarkt eine neue Niederlassung erhielten. Die Zer-
1) Jetzt in Chroniken der deutschen Stadte. 3. Bd. S, 100,
230 Kolde, Zur Geschichte des Nilrnberger ADgustinerklosters.
storung des ersten GebSudes durcli eine Feuersbrunst ist nicht nur
Tradition^ sonderu urkundlich bezeugt durcb einen Ablafi von 40 Tagen,
den der Biscbof Albrecbt von Regensburg im Jahre 1265 den Au-
gustineru in Nurnberg zugunsten dea Neubaues des durch eine Feuers-
brunst zerstbrten KlostergebUudes erteilte^). ZweiJahrhunderte spelter
begannen die Angustiner mit dem Neubau ihrer Kirche. Auf Grund
einer von Murr (Denkwiirdigkeiten in der Reichsstadt Nurnberg.
2. A., Nlirnb. 1801, S. 82) abged ruck ten Inschrift, die sich an der
jetzt nicht mehr vorhandenen Kirche befaud, gibt Baier wiederum an,
dafi der Bau im Jahre 1485 seinen Anfang genommen habe. Allein
schon Th. v. Kern hat (NUrnberger Chroniken IV. Bd. S. 359) nach-
gewiesen, dafi Murr seine Yorlage falsch gelesen hat, indem daselbst
zu lesen war, dafi 1479 am Abend St. Yeits (14. Juni) der erste
Stein zum Bau gelegt worden ist. Der NUrnberger Chronist be-
halt also recht, wenn er zum Jahre 1479 schreibt (ebenda): ,,Item
in dem jar haben die augustiner zu Ntirmberg ir kirch on den kor
von grund auf an zu pauen, sctzten im herbst die vier seul.^ An
derselbeu Stelle wird auf Grund der Niirnberger Ratsprotokolle be-
richtet, dafi die Augustiner „den steinmetzen von Nordlingen, der
den paw zu hails'prunn gepauet hat", — nach Murr a. a. 0. S. 85,
der die Kirche ausfuhrlich beschreibt, hiefi er Hans Beer — zu ihrem
Baumeister angenommen haben.
Es liegt in der Natur der Sache, dafi die Geschichte des innereu
Lebens eines Konventes zu den schwierigsten Dingen gehort, da wir
nur selten dariiber urkundliche Nachrichten haben. Aber gerade fur
das Nurnberger Kloster ist nach dieser Richtung einiges vorhanden,
einmal, weil dieser Konveut, wie ich friiher dargetan, eine sehr be-
deutende Rolle bei der Entstehung uud den Kampfen der deutschen
Augustinerkongregation gespielt hat, sodann, weil die Prediger des
Augustinerklosters eine grofie Tatigkeit entfalteten, ja zeitweise als
die Prediger xai i^ox^jv galten, wofiir die Niirnberger Chroniken
fiir die Zeit des ausgehenden Mittelalters Belege genug geben^); end-
lich weil im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts das Augustiner-
kloster, iiber welches damals Hieronymus Ebner das Pflegeramt hatte
(Nurnberger Chroniken V, 800), den Mittelpunkt des geistigen Lebens
bildete. Das alles, das von mir und daun von Fr. Roth, Die Ein-
fuhrung der Reformation in Nlirnberg^ Nurnberg 1885, behandelt
worden ist, ist natUrlich nur von Baier gestreift worden, sollte aber
einmal gesondert dargestellt werden, zumal wir iiber die dabei in
Betracht kommenden Personlichkeiton gut unterrichtet sind. Auch
den Beziehungen Luther s zum Nurnberger Augustinerkloster hat
1) Ebendaselbst S. 101 Anm. 4.
2) Vgl. Th. Kolde, Job. v. Stanpitz und die deutsche Augustiner-
kongregation, Gotha 1879, S. 203 f.
Kolde, Znr Gescliichte dea NUrnberger Aogiifitinerklosters. 231
Baier einen eigeDen Abschnitt gewidmet. Aber gerade dariu findeD
sicb manche Uorichtigkeiteii; auf die aber bier im einzelnen eioza-
gehen nicht notwendig ist. Die von ibm fur Luthers Reise nacb Augsburg
im Herbst 1518 angenommene Reiseroute Wittenberg, Leipzig,
Kulmbacb, Bayreuth, Pegnitz, Heroldsberg, NQrnberg ist scbou des-
balb ausgeschlossen, well Lutber, wie wir wissen, aaf der Reise am
29. September in Weimar predigte (Tb. Kolde, M. Lutber I, 171
u. Anm. auf 8. 378) und der gewohnlicbe Weg von Wittenberg oder
Torgau fiibrte, wie wir das aus der Reiseroute des Kurfiirsten zum
Augsburger Reichstag wissen, immer uber Koburg. UnverstSudlicb
ist mir, wie der Verf. auch nocb nacb Zuckers Albrecbt DUrer, Halle
1900, von Dtirer scbreiben kann, daft er sicb anfangs flir die Be-
wegung begeisterte, ,.jedoch katbolisch starb^.
Am Scblnfi gibt Baier obne Quellenangabe, aber aus Ussermann
bezw. dessen Quelle, Wtirfels Diptjcha entnommen, ein Verzeichnis
der Numberger Prioreu, soweit sie ibm bekannt gewordeu sind.
Wir besitzen bereits ein ricbtigeres und viel reicberes, das
Locbner als Erganzung zu Wtirfels Diptycba S. 13 im Anzeiger fur
Kunde der deutscben Vorzeit 1875, S. 152 f. und 180 mitgeteilt.
Im folgenden gebe icb ein aus meinen eigenen Notizen vervoll-
stSndigtes Register unter Hinznfugung anderer Beamtennamen^ soweit
sicb solcfae in den Urkunden vorfinden. Die Zableu bedeuten das
Jahr^ in dem sie vorkommen.
1276. Conradus.
1336. Heinricbus.
1354. Hermannus von Stein.
1358. Derselbe.
1361, Heinricus Gostenbofer.
1379. Conradus Tobenecker.
1401. Conradus von Murr.
1412. Conradus Weift Prior; Heinrich Rusembacb, Scbaffer.
1413. Derselbe.
1422. Nicolaus Becber al. Kacbener, prior; Heinrich Rusembacb,
Scbaffer.
1426. Johannes Renner.
1429. Derselbe.
1430. Johannes Wagner.
1435. Oswald Reinlein.
1436. Derselbe.
1438. Johannes Molshin.
1439. Derselbe.
1441. Adamus.
1446, Conrad von Zenn.
1450. Job. Rupp (Prior?), Lesemeister.
1451. Conrad von Zenn.
1
232 Kolde, Zur Geschicbte des Nttrnbergor Augustinerkiosters.
1453. Derselbe.
1457. Adam Butz von Schwobacb.
1459. Conrad von Zenn, Lesumeister, Prior; Eberbard, Subprior;
Hans Kreglinger. Prediger.
1460. Nikolaiis Schnitzer.
1464. Simon Lindner von Leyssenock.
1467. Derselbe. Ulrich Schreiner, Subprior.
1468. Simon Lindner^ Vicarius; Ulrich Schreiner, Prior ; Hans Gross-
mann, Subprior.
1481. Simon (Lindner).
1486. Johann Hauenreuter, Prior; Ulrich Schreiner, Subprior.
1488. Conrad Heyden, Prior; Johann Hauenreuter, Subprior; Johannes
Vogt, Prediger^).
1489. Johannes Comentaler, Prior; Ulrich Schreiner, Subprior.
1492. Johannes Comentaler.
1493. Johannes Comentaler, Prior; Ulrich Schreiner, Subprior.
1494. Dieselben.
1495. Niclas Pesler, Prior; Ulrich Schreiner, Subprior.
1496. Dieselben.
1498. Niclas Pesler.
1499. Derselbe; Johann Hauenreiter, Subprior.
1500. (Andreas Proles, Vicarius), Johannes Mantel, Prior; Friedrich,
Subprior, alle drei Lesemeister der heiligen Geschrift.
1502. Johann Mantel, Prior; Johannes Rucker, Subprior.
1503. Eukarius Carl.
1504. Derselbe.
1505. Steffau Weynachter^), Prior; Johann Peutinger, Subprior.
1507. Augustin Lupf (nach Wiirfel)?
1508. Steffan Weinachter, Prior; Joh. Peutinger, Subprior.
1509. Augustin Lupff der heiligen Geschrift Baccalaureus, Prior;
Johann Pouting, Subprior.
1510—1512. Joh. Rucker.
1513. (20. Juli) Johannes Rucker, Prior; Johannes Pouting, Sub-
prior. Dann am 16. September Niclaus Pesler, Prior; Johannes
Peutinger, Subprior.
1517—1525. Wolfgang Volprecht.
1) Vgl. dazu Th. Kolde, Innere Bewcgung^en unter den deutschen
Augustinern und Luthers Komreise, Ztschr. f. Kirchengesch. II, 465.
2) Wiirfel, und nach ihm Ussermann fiihren 1405 einen Stephan
Weinacber auf, was wohl ein Versehen ist.
Rieder, Ans historischen Zeitschriften. 233
Kirchengeschichtliches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammeDgestellt von
0. Bleder^
Egl. Beichsarchivrat in Mtinchon.
(Fortsetzung.)
XVIII. Mitteilungen des Vereins fiir Geschichte der Stadt Niirnberg.
Heft 1—16, Niirnberg 1879—19041).
Kr efi, Frhr. Georg v. (bei kleineren Mitteilungen regelmafiig -ss
gezeichnet), Die Statue des heiligen Paulus in der Lorenz-
kirche in Nurnberg (gestiftet 1513 von dem Propst Dr. Anton
Krefi daselbst mit Kostenbereclinung): H. 1, 1879, S. 98.
St(egmann), Das Kaiserfenster ftir die Lorenzkirche in N.: S. 102.
Mummenhoff, Ernst (vielfach blofi Mff. gezeichnet), Ubersicht liber
die aiif N. bezUgliche historische Literatur seit 1870 (alpha-
betisch geordnet und nicht uur die selbstandigen Schriften,
sondern auch die zahlreichen in Zeitscbriften zerstreuten, gr66e-
ren und kleineren Aufsatze beriicksichtigend) : S. 127.
Kamann, J(ohanne8), Die Pilgerfahrten Nurnberger Burger nach
Jerusalem im 15. Jahrhundert, namentlich die Reiseberichte
des Dr. med. Hans Lochner und des J5rg Pfiuzing (mit dem
Text des Pfinzingischen Berichts): H. 2, 1880, S. 78.
Imhof, G. Frh. v., Hans Sebald Lautensacks Ansicliten von Nurnberg
(6 Blatter in Atzdruck von 1552, welche, je 3 zusammengefligt,
den perspektiviscben Aufrifi der Stadt von Osten und Westen
zeigen, mit Kirchen imd Klostern etc.): S. 164.
1) Der Verein wurde im Jahre 1878 gegriindet. Naheres hierttber
in Heft 16, 1904, S. 16 ff. („Zum 25jahrigen Vereinsjubilaum" von Justiz-
rat Georg Frhr. v. KreB, I. Vorstaud); wegen des unregelmafiigen Er-
scheinens der Publikationen s. ebd. 8. 33 f. Jedes Heft enthalt regel-
mafiig mehrere „Abhandlungen und Quellenpublikationen", danach
„Kleinere Mitteilungen" und zum Schlufi eine ausgedehnte Literaturschau
mit fachmannischen Besprechungen. Vom 12. Heft, 1898, an „heraus-
gegeben im Auftrag des Vereins von Ernst Mummenhoff, Stadtarchivar
und Archivrat", II. Vereins vorstand. Dem Heft 14 ist ein Verzeichnis der
Publikationen in Heft 1 — 12 beigeftigt, welches jedoch nur die Abhand-
lungen und Quellenpublikationen, nicht den sonstigen reichen Inhalt auf-
zahlt. Einerschopfendes alphabetischesPersonen-, Orts- und Sachregister
zu samtliclien fleften fehlt noch, ware aber, um die vielen darin stecken-
den Einzelheiten rasch und sicher nutzbar machen zu k6nnen, auBerst
erwiinscht. — Die ersten beiden Hefte enthalten zugleich die Jahres-
berichte des Vereins und zwar vor den quellenmaBigen Mitteilungen; vom
dritten Vereinsjahr ab (1880) erschienen die Jahresberichte unabhangig
davon.
234 Bieder, Ans historischen Zeitschriften.
K(amanD, Job.), Bestrafnng von Bigamie im Jahre 1466 (Er-
trSDkung in eiuem Sack): S. 195.
Krefi^ Frhr. Georg v., Wert und Ertrag eines ehemaligen KloBter-
guts im NUrnberger Gebiet im Jabre 1543: 8. 198.
Grtindlacb (Pfarrdorf, 2 Stun den nordlich von NUrnberg)
und seine Besitzer: H. 3, 1881, S. 175 (S. 201 Abscbu. IT,
Kloster Himmeltbron, nacb Gr. verlegt und 1525 aufgel5st);
Heft 5, 1884, S. 97 (Abscbn. Ill, Gr. im Besitze des Grofien
Almosens, dann des Rates zu N. etc.); H. 6, 1886, S. 175
(Abscbn. IV, Gr. und die Pfinzing von Henfenfeld); H. 8,
1889, S. 201 (Abscbn. V, Gr. und die Haller von Haller-
stein). Aucb vollstSndig in einer Separatausgabe zu baben.
Der PaumgSrtneriscbe Altar von DUrer: H. 3, 8. 249.
Vogt, Dr. Wilh., Die Korrespondenz des NUrnberger Rates mit
seinen zum Augsburger Reicbstag von 1530 abgeordneten Ge-
sandten („eine unentbebrlicbe ErgSnzung zu den von C. G.
Bretscbneider im Corpus reformatorum ver5ffentlicbten Bericbten
der Gesandten an den Rat"): H. 4, 1882, S. 1.
Ha gen, Dr. Rud.>, Wilibald Pirkbeimer in seinem VerbSltnis zum
Hnmanismus und zur Reformation: S. 61 (in den S. 153 be-
ginnenden Anmerkungen u. a. eiu Auszug aus einer Ordnung
der lateiniscben Schule zu N. im Beginn des 16. Jabrbunderts:
Anm. 70 auf S. 158 — 163, dann eine vollstSndige tJber-
setzung des Eccius dedolatus oder * des „gebobelten Eck^,
einer Satire aiif Jobann Eck, welcbes Erzeugnis seiner Mnfte
P. selbst stets verleugnet bat: S. 108 f. und Anm. 149 auf
S. 175—206).
Mummenhoff, E., Georg Wolfgang Karl Locbner (quiesz. Rektor
und Stadtarcbivar, Ehreumitglied des Vereins, f 1882, Nekro-
log — aucb Verfasser verscbiedener kirchen- und kloster-
gescbicbtlicber Arbeiten): H. 5, 1884, S. 1.
Lbffelholz von Kolberg, Eugen Frb., Ein Beitrag zur Gescbichte
des alten NUrnberger Knnstgewerbes (11 Kircbenglocken im
Gebiete des wurttembergiscben Oberamts Mergentheim aus Werk-
statten NUrnberger Meister): S. 216. — Vgl. Bossert, (H. 6).
Krefi, Frb. Georg v., Urkunden Uber Cbristoff Rosenbard den Glocken-
giefier (1598—1626): H. 5, S. 218.
Kamann, J., Aus Hans Olbafens Reisetagebucb (Reise nacb Witten-
berg 1555): S. 224.
Scbreiben des NUrnberger Kriegsbauptmanns und Diplomaten
Cbristopb Krefi vom Speierer Reicbstag 1529 an Cbristoph
FUrer: 226.
Hartmann, Bernbard ^), Kulturbilder aus Altdorfs akademiscber Ver-
gangenheit: H. 6, 1886, S, 1,
1) Nekrolog ttber ihn (f 1891): H. 9, S. 211.
Rieder, Aus hiBtorischen Zeitschriften. 235
Kama nil; J.^ Aus Nurnberger Hausbaltungs- and Rechnungsbiichern
des 15. nnd 16. Jabrhunderts: H. 6, S. 57 (Anbang: Ver-
zeicbnis der Ansgaben beim Eintrltt der Dorotbea Holzscbuber
ins Kloster St. Klara zu Niimberg 1494, S. 105; RecbnuDg
fiber Abbaltung des Schopperscben Jabrtages 1494, 8. 106;
Ansgaben beim Eiutritt der Brigitta H. ins Elloster zu Pillen-
reut nnd bei ibrerEinkleidnng daselbst 1499—1503, S. 107) ; H. 7,
1888, 8.89: II. Aus Paulus Bebaims I. HansbaltungsbUcbern
1548 — 1568, bezw. 1576 (darnnter interessante Mitteilungeu
aus dem Jahre 1602 Uber TStigkeit nnd Stnndenplan eines
^ Deutsch nnd Latein lernenden ScbUlers 8. 124 Anm. 2).
PetZ; Dr. (Jobann)^ Urkuudlicbe Beitr%e znr Gescbicbte der
BQcberei des Nurnberger Rates 1429 — 1538 (darnnter manche
geistlicbe Werke) : H. 6, 8. 123.
Bossert, Gustav, Die Glocken Nurnberger Meister im nSrdlichen
Wiirttemberg: 8. 259.
P(etz, Jobann), Wie Sigmnnd Meisterlin Pfarrer in Grundlach wurde
(1481): 8. 266.
Krefi, Frbr. v., Die Berufimg des Jobannes CocblSns an die 8cbnle
bei 8t. Lorenz in N^ im Jabre 1510 (Briefe des Humanisteu
» an den Propst Dr. Anton Krefi bei St. Lorenz, seine Bewerbung
urn die Rektorstelle betr.): H. 7, 1888, 8. 19.
^ M(ummenbo)ff, Die Anbringung des Viertelscblagwerks an der
Turmubr bei St. Sebald (1493/4): 8. 271.
Kaiser Rudolpb II. begehrt vom Rat die Lautensackschen
Tafeln in der Katharinenkircbe (1597): 8. 272.
Beitrag zur Hoflfabrtsordnung (1599): 8. 274.
Weinmarkt nnd St. Sebaldskirchbof (RatsverlKsse von 1526,
1527 und 36): S. 276.
Hartmann, Bernhard, Konrad Celtis in Niirnberg: H. 8, 1889, 8. 1
(insbes. 8. 2 Iff.: Sebald Scbreyer, dessen beriihrnte Tittigkeit vor-
nehmlich alsKircbenmeister bei St. Sebald), Aucb separat erscbienen.
Lier, Leonhard, Studien zur Gescbicbte des Ntirnberger Fastnaebt-
^ spieles: 8. 87 (II. von Hans Sacbs bis zu J. Ayrer 8. 123 ff.,
insbesondere AusbeutuDg bibliscber Stoffe 8. 125).
Heide, Dr. Gustav, Niirnberg und die Mission des Vizekanzlers
Held (1537; mit Beilagen — viel Kircbengescbicbtlicbes dar-
bietend): 8. 161.
(Kre)6, Dr. H. W. Heerwagen f (1888, Nekrolog) : 8. 235 (u. a.
Bearbeiter wertvoUer Aktenstucke zur Scbnlgeschicbte.
Altmann, Dr. Wilh., Ein fur die Beziebungen des Ntirnberger
Kaufberrn Georg Fugger zu dem pSpstlicben Hofe und zu
Scblesien wicbtiger Brief (vom 2. Oktober 1487, betr. Abfuhrung
in Scblesien zusammengefiossener Ablafigelder an die pSpstlicbe
Rechenkammer, lateiniscb): 8. 238.
236 Zur Bibliographie.
M(ummenho)ff, Die 1561 abgebrochene Galerie an der St. Sebalds-
kirche: S. 246.
Soltau, Dr. Wilhelm, Zur Genealogie der Grafen von Abenberg (mit
Geschichtlichem aus Kloster Heilsbronn etc.): H. 9, 1892, S. 1.
JSger, Dr. Carl, Markgraf Casimir und der Bauernkrieg in den
sUdlichen GrenzHmtern des FUrstentums unterhalb des Gebirgs
(vom 26. April bis 21. Mai 1525): S. 17 (PlUnderung von
KlSstern, insbesondere der Benediktinerabtei Aubausen, S. 68,
94, 111; Haodlung von den zwblf Artikeln, Pfarrferwahl durch
die Gemeinden S. 131).
DSbner, A. W., Peter Vischer-Studien: S. 165 (III. Zwei Gedenk-
tafeln in der Stiftskircbe zu Ellwangen S. 184; Epitaph des
Deutschmeisters von Cronberg in der Marienkirche zu Mergent-
heim S. 190).
Krefi, Georg Frhr. v., Die Seyfried Pfinzingische Kleiderstiftung
(1617), ein Beitrag zur Geschichte des Stiftungsweseus in
Nurnberg: S. 196.
Das Missale des Propstes Dr. Anton Krefi (1513 der Lorenz-
kirche, der er vorstand, geschenkt, spater an die Familie zu-
ruckgelangt) : S. 213.
Donaubauer, Dr. Stefan, NUrnberg in der Mitte des dreifiigjahrigen
Krieges (1631/32): H. 10, 1893, S. 69 (auch die Gegen-
reformation etc. beriihrend).
Zur Bibliographie.
*\
* *Systematische Zusammenstelluug der Verhandlungen des bayerischen
Episkopates mit der koniglichen bayerischen Staatsregierung
von 1850 — 1889 liber den Vollzug des Konkordates. Freiburg
im Breisgau. Herdersche Verlagshandlung. 1905. 121 S.
grofi 4^ — 5 M.
Der Titel der vorliegenden Sammlun^ verspricht sehr vielmehr, als
der Inhalt wirklich bietet. Es handelt sich, wenn man von den beiden
nur indirekt dazu gehorigen Schreiben Pius' IX. an die bayerischen Bisch9fe
vom 20. Februar 1851 und Laos XIII. vom 29. April 1889 absieht, nur
um acht teilweise freilich sehr urafangreiche SchriftstUcke, die aber langst
nicht alias bringen, was man erwarten durfte, z. B. nicht die S. 109
zitierten Eingaben vom Jahre 1873 und 1875 tiber die Angelegenheit der
gemischten Sehulen und die Mifistande in der Volksschule, aber auch nicht
alle einschlagigen Ministerialentschliefiungen. Der Grund filr diese Be-
schraiikung ist nicht recht einzusehen. l)enn die naheliegende Meinung,
man liabe nur die vom „bayerischen Episkopat" als solchem — ein Be-
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
Zur Bibliographie. 237
griff, der zum Erstaunen and MiiBvergnugen des Ministeriums znerst im Jahre
1850 anftritt — aasgegangenen Schriftstucke mitteilen wollen, tiifft nicht
za, da jene oben vermi^ten Aktenstiieke in die gleiche Eategorie gehoren.
Auch bricht die Aktenmitteilung da ab, wo sie ganz besonders interessant
werden dlirfte, and wo der Herausgeber wahrscheinlich aach bisherUnbe-
kanntes mitzuteilen in der Lage gewesen ware, im Jahre 1889. Die seit deni
Rticktritt des Ministers Lutz beginnende neue kirchenpolitische Ava mit alle-
dem, was der bayerischeEpir^kopat mitHilfe der Zentrumspartei in den letzten
sechzehn Jahren erreicht hat, wird nicht beriihrt. Auch glaube man
nicht, wesentlich Neues za erfahren. Die einschlagigen AktenstUcke sind
samtlich schon frtther gedruckt worden, aber sie sind in der Tat, wie es
im Vorberieht heifit, „trotz ihres hochst wichtigen und interessanten In-
halts in Vergessenheit gekommen", weniger allerdings bei den Historikern,
als bei denen, welchen es obliegt, praktische Politik zu treiben und fUr
das Staatswohl zu sorgen. — Den Grundstock, um den sich alles schlingt,
das Ergebnis des ersten Zusammenschlusses des bayerischen Episkopats
zu Freising — eines Pendants zur Zusammenkunft des deutschen Epi-
skopats in Wiirzburg im Jahre 1848, ist die groBe Denkschrift des Epi-
skopats vom 20. Oktober 1850, Uber deren Vorgeschichte wir durch
J. Fried rich, J. v. Dollinger II, 87 ff. unterrichtet sind. Der Bischof
Peter Richarz hatte zu seiner Dnterschrift die Worte hinzugefugt „fur
das Konkordat — - das ganze Konkordat — nichts als das Konkordat,"
Und will man die vielseitigen Forderungen der Denkschrift mit einem
Worte zusammenfassen, so handelt es sich unter dem Yorgeben, im In-
teresse der „Freiheit der Kirche" das Konkordat endlich durchgeftihrt zu
sehen, um das Yerlangen, unter Aufhebung des Religionsedikts das nach
der Auffassung der Bischofe zu deutende Konkordat zur alleinigen Norm
fjir die staatskirchenrechtliche Verhaltnisse zu erheben, und u. a. das
gesamte Erziehungs- und Unterrichtswesen von der Volksschule bis zur
UnivefsitatdenBischofenauszuliefern. Dieministerielle Antwort vom 8. April
1852 halt zwar im Prinzip an der Staatsaufsicht fest, zeigt aber bereits
iu sehr wichtigen Punkten ein weitgebendes Nachgeben und bestimmt
namentlich als das fiir die Folgezeit wichtigste: „Bei Anslegung und An-
wendung mehrdeutiger und zweifelhafter Stellen der II. Yerfassungsbeilage
ist jene Interpretation anzunehmen, welche mit den Bestimmungen des
Konkordates iibereinstimmend ist, oder sich denselben annahert" (S. 36). Die
natiirliche Folge waren die verscharfteren Forderungen in der Gegen-
erklarung vom 15. Mai 1853, worauf die Regierung unter dem 9. Oktober
1854 rescribierte. Die Einschrankung der Bestimmungen iiber das Plazet
(S. 47), das Nachgeben bei der Frage der PfrUndenverleihung (S. 58) und
der Schulaufsicht (S. 99), vielleicht auch der Umstand, das dafi Ministe-
rium, wie man bei den Landtagsverhandlungen uber die Altkatholiken
Frtihjahr 1890 erfuhr, bei der Proklamierung des Dogmas der Immaculata
conceptio die Plazetrechte geltend zu machen vergaB, scheinen damals be-
friedigt zu haben. Eine neue Phase trat erst ein, als man sich unter Umstanden,
fiber die man aus den vorliegenden Akten nichts entnehmen und auf die hier
nicht eingegangen werden kann, unter dem Ministerium Lutz daran zu erinnerri
anfing, daO es Sache des Staates ist, die Grenzen seines Rechtes selbst
festzustellen, und am 20. November 1873 den Erlafi vom 8. April 1852 zu-
zttckzog, d. h.im wesentlichen die Bestimmung, die II. Yerfassungsbeilage
uach dem Konkordat auszulegen, aufier Wirksamkeit setzte. Die darauf
sicher erfolgten Beschwerden sind nicht mitgeteilt. Erst das bischofliche
Memorandum vom 14. Juni 1888 (S. 121) zeigt, wie die Forderungen in-
zwischen, wohl nicht unbeeinflufit von den Siegen der preufiischen Ultra-
montanen, gewachsen sind, namentlich in bezug auf das Einspruchsrecht
bei Besetzung der Lehramtsstellen — an den Universitaten auch in bezug
238 Zur Bibliographie.
auf die Professnren der Profan- und Literaturgeschichte — , der Beaaf-
Bichtigang der Mittelschulen and ihrer Disziplin bis zar bisch5flichen Eon-
troUe der Lesebibliotheken. Eben deshalb dQrfte diese Denkschrift, obwohl
Oder vielleicht gerade, weil man von ihren Ansprttchen neuerdingg mancbes
erreicht hat, auf lange Zeit das Programm bleiben and verdient besondere
Beachtung. Den SchlulS macht das malSvoUe, in einigen Pankten auch
nacbgebende, aberdoch dieBechte der Krone wahrende Antwortschreiben
des Ministeriams vom 28. Marz 1889, welches noch einmal die Aafrecht-
erhaltang des Plazets auch gegenttber dem vatikanischen Dogma (S. 99)
betont and die Aufgabe des kQniglichen Aufsichtsrechts fiber die Eirche
als gegen die Yerfassung znriickweist. — Billig darf man die Frage
aufwerfen, welchen Zwecken diese anonym, aber offenbar sehr ofBzielle
Ver^ffentlichung gerade jetzt dienen soil. Der etwas naiven Bemerkung
im Vorbericht, sie sei zum Zwecke historischen Stadiums erfolgt, stehe
ich sehr skeptisch gegeniiber, denn dazu ist die gegebene Aaswahl zu
dlirftig. Aber in eine kirchenpolitische Er3rterung daiUber einzntreten,
ist nicht Sache dieser rein historischen Zeitschrift. Nnr soviel m5chte
ich bemerken, dafi es wirklich an der Zeit ware, endlich einmal eine Ge-
'scbichte der bayerischen Kirchenpolitik im 19. Jahrhundert zu versuchen.
Voraussetzung daflir ist allerdings, dajB endlich einmal aach bei uns, wie
das in anderen Staaten langst der Fall ist, die Staatsarchive fQr diesen
Zweck riickhaltslos ge5ffnet werden. Soviel ich weiB, hat sogar fttr die
genug entfernt liegende Zeit der Entstehung der Verfassang and des
Konkordats nur Sicherer einmal einen, wie mir scheint, in vielen
Pankten nicht allzutief eindringenden Blick in die einschlagigen Akten
tun d^rfen.
*Meisinger, Job., Pfarrer der evangelisch-lutherischen Freikirche
in Bayern^ Staatskirche und Freikirche, Union und Separation
mit besonderer EUcksicht auf Bayern biblisch und geschichtlich
beleuchtet. 0. J. (1905) im Selbstverlage des Herausgebers,
wohnhaft in Westheim bei Augsburg. In Kommission bei
Johanna Alt in Frankfurt a. M. Ill S. 1 M.
Als ich die Anfrage, ob ich die fragliche Schrift zur Besprechung
haben woUte, bejahte, babe ich es getan in der Meinung, eine dokumen-
tierte Geschichte der lutherischen Freikirche in Bayern und eine Dar-
stellung ihres jetzigen Bestandes etc. zu erhalten. Leider ist davon in dem
Schriftchen nichts eu finden. Die zu Propagandazwecken geschriebene
Schrift ist nur eine selbstbewuBte Anklage ^der Staatskirche" und zwar
von einem Manne, der offenbar die bayerischen Verhaltnisse noch sehr
wenig kennt. Und der zur Gentige bekannte Standpunkt dieser Leate —-
bei ihnen allein die reine echte lutherische Kirche, alles andere ein
„ Babel** — , bietet dem Historiker auch nichts Neues. Bemerkt sei noch,
dafi der Verf. die von 1878—1894 erschienene Zeitschrift: „Suddeutsche
ev.-luth. Freikirche* hat wieder aufleben lassen.
*Kraus, Ph., K. Rektor, Pirminius und Pirmasens. Eine ge-
schichtlich-sprachliche Untersuchung. Progr. des Progymnasiums
Pirmasens. 1904.
Veranlafit durch die vulgare Annahme, daO Pirmasens eine Grtindung
des heiligen Pirminius sei, untersucht der Verf. erstens von neuem die
alteste Vita desselben und kommt im Gegensatz za Brand! (Qaellen and
Forschungen zur Gesch. der Abtei Beichenau I S. 891, und Hauck, s. d.
Art. d. prot. Realenz. Bd. XV, S. 410) zu dem Resultate, dafi sie nicht im
Zar Bibliographie. 239
Eloster Hornbach abgefaBt worden ist und da6 die Person des Alemannen
Sintlaz^ auf dessen Grund und Boden Sintlazesoaua, Beichenau 724 ge-
grttndet wnrde, nicht eine Fiktion des Biographen sei, worin ioh ihm nicht
beistimmen kann. Zweitens sucht er aus geschichtlichen und, sprachlichen
Grilnden nachzuweisen, dafi Pirmasens mit Pirminins niehts zu tun hat,
vielmehr ^^Bermesens** alter als Pirminius sei und eher aaf einen Eigen-
namen B^rmann =: Ebermann znrtickzufiihren, und aas Bermanshausen
nach und nach Bermesen oder Bdrmesens, wie man den Ort heute im Yolk
spricht, entstanden sein dtirfte, was sehr viel Wahrscheinlichkeit ftir
sich hat.
*G. Bossert, Die alte Frau Hofapothekerin. Ein Lebensbild aus
dem 16. Jahrhundert. Besondere Beilage des Staatsanzeigers
fur Wurttemberg Nr. 3 u. 4. Stuttgart 28. MSrz 1905.
Unter diesem Titel verbirgt sioh das Lebensbild einer interessanten
Tbeologenfrau. Denn es handelt sich nm Helene, die Tochter des ange-
sebenen NQmberger Arztes Joh. Magenbuch, der zweiten Frau des An-
dreas Osiander, roit der dieser sich am 2B. August 1545 vermahlte. Nach
dem Tode ihres Gatten (17. Oktober 1552) zog sie dem schon 1553 nach
Tubingen gegangenen Stiefsohne Lukas Osiander nach Wtirttemberg nach,
heiratete ihren Landsmann, den als Pfarrer nach Pfaffenhofen (in W.) be-
rufenen, ihr gleichalterigen Joh. Rucker, der frUher eine Art Amanuensis
des Andreas Osiander gewesen zu sein scheiut, und spater Superintendent
in Eirchheim u. Tcck und endlich Propst zu Denkendorf wurde, aber
scfion 1579 starb. Nachdem sie eine Zeit lang mit ihren Kiodern in
Tubingen gelebt, gelang es ihrem zu hohen kirchlichen Wiirden gekom-
menen Stiefsohn Lukas Osiander, ihr 1583 die Leitung der Hofapotheke
zu Stuttgart zu verschaffen. Da sie darin einem angesehenen, wissen-
schaftlich gebildeten Manne Sebastian Volmar folgte, wird die Yermutung
Bosserts richtig sein, dafi sie wohl schon unter Anleitung ihres Yaters
sich die dazu n5tigen Eenntnisse angeeignet hat. ^Jedenfalls stand sie
bis zu ihrer Pensionierung im FrUhjahr 1597 der Hofapotheke vor, und
hat diese Tbeologenfrau so als die erste den Beruf ausgeUbt, den man
heutigen Tages fttr die Frauenwelt zu erobern strebt. Am 16. September
1597 ist sie gestorben.
K. Wild, Lothar Franz von Schbnborn, Biscbof von Bamberg und
Erzbischof von Mainz 1683 — 1729. Eiu Beitrag zur Staats-
und Wirtschaftsgeschicbte des 18. Jahrhunderts. Heidelberg
(K. Winter) 1904 (A. u. d. T. Heidelberger Abbandlungen zur
mittleren und neueren Geschicbte. 8. H.). 5,40 M.
F. LandmanU; Das Ingolstadter Predigtbuch des Franziskaners
Heinrich Kastner, in Festgabe, enthaltend vornehmlich vor-
reformatlonsgescbichtliche Forschungen, H. Finke gewidmet.
Munster 1904. S. 423—480.
0. PfUlf, S. J., Savigny und die Dinge in Bayern. Stimmen aus
Maria-Laach 1904. t. LXVH.
^A. v. Steichele, Das Bistum Augsburg historisch und statistisch
beschrieben, fortgesetzt von Dr. Alfred Schroeder, Professor am
kgl. Ljzeum in Dillingen. Sechster Band. Das Landkapitel
Kaufbeuren. Augsburg (B. Schmidsche Verlagsbuchhandlung)
1896—1904. 679 S.
240 Znr Bibliographie.
Nachdembei Gelegenheit der BeBprechung (Vgl. Beitr. X, S. 45 fF.) eines
groBen Ausschnittes aas dem vorliegeuden Bande, der iinter dem Titel : ^Ge-
Bchichte der Stadt und katholischen Pfarrei Kanfbeuren 1903'' erschien, die
groiSen Vorztige der Fortsetzung des in mancher Beziehung einzigartigen
Werkes durch den jetzigen Bearbeiter hervorgehobeD worden sind, kann ich
micli hier daraaf beschranken, meine Freude ttber dieVollendung des ganzen
Bandes anszasprechen. Welcher miibseligen Kleinarbeit dieses Resultat ver-
dankt wird, welche Fiille von archivalischen Forscbungen, die sich bis auf die
kleinste Dorfgemeinde erstreeken, dazu notig war, davon empfangt jeder
Leser alsbald einen Eindruck, kann aber nnr der ermessen, der naehza-
arbeiten versucbt, was er bald aufgeben mu6. In den meisten Fallen mnB
man dankbar hinnehmen, was der Verf. bietet, weil man es nicht zu
kontrollieren vermag, und beiderbekannten Sorgfalt und Grtindlichkeit dess.
hat man anch alles Recht dazu. Besonders mag noch hingewiesen werden
auf die vielen genealogischen Notizen, denen der Verf. grofie Aufmerk-
samkeit zugewendet bat. Dem Bande ist ein sorgfaltiges Register bei-
gegeben.
In der Realenzyklopadie fur protestantische Theologie und Kirebe
sind inzwischen (vgl. Beitrage X, 96 folgende in die bayerische
Kirchengeschichte einschlagige Artikel erschienen:
Bd. XIV. Niirnberger Religionsfriede 1532 von Tb. Kolde. — Wil-
helm von Occam f 1349 von R. Seeberg. — Kaspar Olevianus f 1587 von
Ney. — Hermann Olshausen f (a' 8 Professor in Erlangen) 1839 von Pe)t.
— Andreas Osiander f 1552 von (W. Moller f) P. Tschackert. — Otto von
Bamberg f 11^9 von A. Hauck. — Otto von Freising f 1158 von
0. Holder-Egger. — David Pareus f 1622 von Ney. — Passau, BIstum
von A. Hauck.
Bd. XV. Job. Pfeffinger (geb. zu Wasserburg a. Inn) f 1573 von
G. MUller. — Piligrim von Passau f 991. — Wilibald Pirkheimer f 1530
von List. — Pirminius f 753 von (A. Kohler) A. Hauck. — G. Plitt
t 1880 von F. Frank. — J. Poliander f 1541 von D. Erdmann.
*Fr. Roth, Die Spaltung des Konventes der Monche von St. Ulrich
im Jahre 1537 und deren Folgen. Ztschr. d. hist. Vereins
fur Schwaben und Neuburg. 1903.
Die hier vorliegende Studie bietet eine sehr wesentlicbe Erganzung
zu dem Enpitel ttber die Durchftthrung der Reformation in Augsburg, die
der Verf. in seinem Buche Augsburgs Reformationsgeschichte II, 309
naturlich nur in grofien Zugen vorfiihren konnte. Da in dem wichtigsten
und reichsten Kloster, dem von St. Ulrich und St. Afra, die Benediktiner-
monche sich nur zum Teil unterwarfen und das Bttrgerrecht annahmen,
und es dem Abt, der nach Schlofi Unterwittelsbach bei Aichach gezogen
war, gelang, alle Monche bis auf einen hertiberzuziehen, der im Kloster
zuvuckgeblieben,dieser nun Abt und Kon vent war, sokameszusehr schwieri-
gen Verhaltnissen. Der Verf. schildert nun auf Grund der Aktenstucke
die von Erfolg gekronten Bemttbungen des Abts, mit Hilfe auswartiger
Machte, seine Anspruche auf das Einkommen des Klosters aufrecht zu
erbalten, und die sehr geringe „Tapferkeit" des Augsburger Rates bei
dem Bestreben, seinen ursprtinglichen Standpnnkt zu wahren, und endlich
die Neubegrundung des Klosters und Wiedereinftihrung des katholischen
Gottesdienstes in seiner Kirche im Jahre 1548.
Kolde, Siiddeutsche Katechismue von 1530—1600. 193
raauchcs Neue bieten^ denn Reu hat sich nicht darauf bescbraokt,
die bisherigen EiDzelforscbungen zusammenzustelleii , sonderu hat;
80 weit ich urteileu kaun, den grofien Stoff allcnthalben neu durch-
gearbeitet. An erster Stelle stehen die oft behandelten Nurnberger
Katechismuspredigten, die uns, was der Verf. mit Recht betont, in
ihrer Anlage und praktischen Verwertung erst durch das von Knoke
wieder entdeckte Textbuchlein (vgl. S. 424), clas den Kindern in die
Hand gegeben wurde^ nm sich auf die Predigten vorzubereiten, ver-
standlich werden. An 2. Stelle wird zum erstenmal wieder abgedruckt
angeblich nach dem von Riederer (Nachrichten zur Kirfehen-, BUcher-
und Gelehrtengesch. Ill, 114) benutzten Exemplar eine eigenartig
redigierte lateinische Wiedergabe von Luthers Katechismen fiir die
Nurnberger Trivialschulen von 1532 (S. 664). Dazu babe ich zu
bemerken, dafi das benutzte Exemplar falls es nicht etwa Riederers
Namen tragt, schwerlich dessen Exemplar ist, denn Riederers Exemplar
war vollstandig, und es ist auffallend, dafi Reu den im Nurnberger
Exemplar fehlenden Text (ein ganzes Blatt) nicht nach Riederer, der
gerade diesen Abschnitt de coena dominica (a. a. 0. S. 117) wieder-
gibt, einfach erganzt hat, sondern auf S. 572 eine Liicke lafit, und
es sei deshalb ausdriicklich darauf hingewiesen, dafi die bei Reu
fehlende Stelle bei Riederer sich findet. Ferner ist hiuzuzuftigen,
dafi ich wahreud des Druckes dieser Zeilen auf der von denForschern
bisher unbeachteten^ wohlgeordneten Kirchenbibliothek in Schwabach
eine noch friihere Ausgabe gefunden habe : Catechis- / mvs minor. D. M. /
Lutheri pro triuialibus scho- / lis latinitate douatus, & ad / formam puerilis
collo- / quij redactus, / Ad Catuchemeuos. / Parue puer, paruum tu
ne contemne libellum, / Continet hie summi dogmata summa dei. / D. M,
XXXI. / 24 Bl. letztes Blatt leer. Am Schlufi. Nurembergae Excude- /
bat Friderichus Artemisius. Anno / M. D. XXXI. Meuse Julio. / Die
von Reu nur erwahnte Vermutung Riederers, dafi der Verfasser der
Nurnberger Prediger Thomas Venatorius sein kbnnte, weil sich auf
der Ruckseite des Titelblattes eine Ode Sapphica Thomae Venatorii ad
spiritum sanctum findet, ist belanglos, da Venatorius nach Humanisten-
weise viele Schriften anderer mit Versen begleitet hat. Anders stellt
das mit einer von Reu nicht gekannten, und wie mir scheint bisher
uberhaupt unbekannten, wohl sicher nicht nur in Nurnberg gedruckten
sondern auch aus NUrnberg stammenden Katechismusarbeit, die ich
ebenfalls in Schwabaeh gefunden habe: Catechis / mvs minor. /Hoc
est de instituenda in fide Christiana. Dialogi VI. / Titelbild: Geist-
licher auf der Kanzel, davor die sitzende ZuhSrerschaft, darunter:
Norimbergae. 32 Bl. kl. 8. das letzte Bl. leer. Am Schlufi unter
dem Druckerzeicheu : Excudebatur apud Jo. Petreium, / Anno D. XXXV. /.
Diesor in ganz humanistischer Einkleidung abgefafite, mit gelehrten,
aus den Klassikern entnommenen Zitaten versehene Katechismus zer-
lallt, wie schon der Titel sagt, in sechs Dialoge, und zwar so, dafi
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichte XI. 4. 23
194 Kolde, Stiddeutsche Katechismen von 1530—1600.
jedesmal andere Kolloquenten auftreten. Fiinf handeln von den fiinf
Hauptstucken, dagegen das sechste auffalleuderweise De speciebuB
Eeipublicae Deque Eemissioue peccatorum, quae est in ecclesia Cbristi.
Zur Cbarakteristik des selir gektinstelten Verfahrens mag die Ein-
fuhrung des ersten and des sechsten Dialogs dienen : Dialogue primus.
Vigilius et Paulinus. Vig. Jam inde ab adolescentia sedulo quidem
stndui; ut quidnam ipse a nobis requireret Deus, scire possem, quo
potissimum voluntatis suae uos faceret certiores. Video enim, nisi
certum aliquem divinae voluntatis teneamus scopum^ nuoquam cum
Deo in gratiam redire posse mortales homines. Paul. Laudo studium
tuum. Atqui facile coguoscere queas, quid velit, quidve detestetur
DeuS; ubi illorum apud Mosen, decem verborum te nulla adbuc
coeperit oblivio. V i g. Sentio quid dicas, nimirum de decem praeceptis
loqueris? Paul. Ita est. Sive igitur praecepta voces, sive decem
verba, sive more graecorum Decalogon, nihil nioror, dummodo de rebus
inter nos probe conveniat. Sed prestat hie Mosi verba abs te audire.
Darauf folgt der Wortlaut der Gebote und dann die Besprechung
der einzelnen. — Dialogus sextus. Hilarius et Sophronius. Hil.
Hodie cum forte negotiorum uostrorum caussa in forum deambulaturus
coDcessissem, ultro se nobis obtulit, ut £ere fieri solet hoc loci, homo
peregrinuS; baud facie omnino illiberali, sed qui ingenua aliqua pro-
sapia editus videri possit. Quem cum percuutaremur, qui simul ad
novi hospitis adveutum confluxeramus, rogantes : undo nam se reciperet,
aut quonam se referrent pedes? E Galliis sese adventare respondit.
Esse eniip in Galliis homines hand ignobiles, qui singula privatim
Christianae pietatis rimarent mysteria, non utique personatos crucis
Christi confessores. Ideoque nisi regnum nollet amittere Rex, nisi
mature cordata consilia admitterent hi, qui rerum tenent gubernacula,
brevi futuinim, ut divisam in se ipsam ruituram aspiceremus Galliam,
tam omnia nutarent Marte ancipite. Sophron. Gallia in sua ut
conversa fuerit viscera, hand exiguam toti simul Europae allatura est
mutationem. Solent enim statim ad primum canentis verbi Dei classi-
cum, simul omnia commoveri regna mundi. Hilar. Scilicet verum
est quod cecinit regius psaltes : Tange, inquit, montes, et fumigabunt.
Sophron. Verum et illud, quod Christus ait: Non veni ut mitterem
pacem, sed gladium. Et alia, quae ex propheta Michea, in banc
sententiam adduxit Christus. Hilar. Periculosius seditione in regno
accedere potest nihil. Sophron. Variantia atque pugnantia in
Ecclesia si d ocean t Magistri Nostri, periculosum non dicemus? Hilar.
Omnino. Nisi enim quaeque rerum publicarum species nomini suo
revera respondeat, cur Respublica dici debeat, non video etc. Hierauf
wird vom Staatswesen und sehr oberflachlich von seinem Verbaltnis
zur Kirche gehandelt, woran sich sehr unvermittelt einige Auslassungen
liber die der Kirche zukommende Vergebung der Sunden anschliefien.
Auf der Ruckseite des Titelblattes dieses Katechismus findet sich
Kolde, SUddeutsche Katechismen von 1530—1600. 195
nun eine Ode des Thomas Venatorius ad Deum optimum maximum,
und am Schlufi des Werkes in Versen eine Oratio ad Christum
Servatorem nostrum Tho. Venat. Hierauf Lectori gewidmet das Distichon :
Magna dabunt alii dedimus nos parva, sed ut sint / Parva tamen
magnis iuncta, iuvare queant. /, und dafi bei diesem Katechismus wirk-
lich an Venatorius als Verfasser zu deuken ist, wird abgesehen
vom Inhalt in hohem Grade wahrscheinlich, als die Schrift auf der
Innenseite des Einbanddeckels des Schwabacher Sammelbandes oflPen-
bar von der Hand des ersten gleichzeitigen Besitzers als „catechismus
venatorii" bezeichnet wird.
Es folgt bei Reu 3. die Catechistiea Summula religion is von
Sebald Heyden und 4.vder wohl fiir Frank en wichtigste Kate-
chismus, der von GeorgKarg. Zu den etwas kurzen Bemerkungen
dartiber hat der Verf. leider noch nicht die Arbeit von Georg
Wilke, soin Katechismus und sein doppelter Lehrstreit Erl. Licen-
tiatendiss. 1904 benutzen kSnnen, aus der man u. a. erfUhrt, dafi
dieser Katechismus eine auch inhaltlich / nicht unwichtige Vor-
geschichte gehabt, im Mscr. vielfach anders gelautet hat, eine Reihe
von Jahren handschriftlich (die Bezeichnung editio princeps bei Wilke
S. 47 ist irrefiihrend, da es sich um keine Druckausgabe handelte)
kursierte und trotz Wider ratens von Brenz und Eber gedruokt
wurde. Auf einem Mifiverstandnis beruht Reus Beschreibung des
Rosenthalschen Exemplars (S. 429), da die Schrift „Kurtzer sum-
marischer Bericht" keine and ere Schrift Kargs ist, sondern nur
eine von Laelius unternommene Bearbeitung des 3. Toils des Karg-
schen Katechismus (vgl. Wilke, S. 47), der zuerst ohne Wissen
Kargs im Druck erschien. Daran schliefien sich 5. u. 6. zwei Nord-
linger Katechismen von Caspar Kanz imd Caspar Loner, liber
welche beide Manner wir jetzt durch die Arbeiten von W. Geyer
(in Nurnberg) trefflich unterrichtet sind. Der von Hans Zeitschr.
f. prakt. Theol. Bd, 14, S. 106 f. benutzte Katechismus fUr Donau-
wbrth von Wolfgang Musculus, den doch noch vor kurzem erst
(vgl. Beitr. B. K. G. X, 159) auch Fr. Roth eingesehen zu haben
scheint, und der an diese Stelle gehbrt, hat leider nicht mit abgedruckt
werden konnen^ weil er angeblich nicht in der Miinchner Hof- und
Staatsbibl. vorhanden ist. Von hier aus geht Reu nach Pfalz-
Neuburg, und lediglich dem Umstaude, dafi der Wiirttemberger Jacob
Andrea e seine Katechismuspredigten den Evangelischen zu Lauingen,
wo sie gehalten wurden, widmete, wird es verdankt, dafi wenigstens
eine dieser Predigten als Nr. 7 abgedruckt ist. Hierauf folgt
der sehr selteue, von Reu in Zweibrucken wieder aufgefundene
Katechismus des Streittheologeu Tilemann Hesshusius (Nr. 8),
gedruckt zu Lauingen 1568, Wie weit er wirklich in Gebrauch
kam, lafit sich schwerlich feststellen. Eines der wertvoUsten Stlicke,
jedenfalls das, was die Fachmanner nach Inhalt und Form immer
13*
196 Kolde, SUddeutsche Katechismen von 1530—1600.
am hocbsten geschStzt haben, obwohl es bisber recbt UDbekannt war^
ist Nr. 9 Das goldene Kleinod von Job. Tetelbacb, Pfarrer
und Superiutendenten in Burglengenfeld (S. 667). Der Lebensgang
und die Entwicklung des ohne Zweifel bervorragenden Mannes bietet
nocb mancbe Unklarbeiten, die durcb seine eigeneu Angaben in der
Vorrede nicht sonderlicb erhellt werden. Docb konnen Reus Mit-
teilungen Uber ihn (S. 442) etwas ergauzt werden. Er ist allerdings
in seiner Jugend in Wittenberg gewesen, denn er ist offeubar der-
selbe^ der am 16. Juni 1533 sicb als Jobannes Dettelbacb de
Dinckelspnbel Suevus in der Wittenberger Matrikel (ed. Foerstemaun
S. 149) findet> 1535 Baccalaureus und am 5. Februar 1540 Magister
wurde (vgl. J. Koestlin Die Baccalaurei und Magistri. Halle 1888,
S. 15 und 1890, S. 10). Wann er als Kirch endiener nacb Dinkels-
blihl gekommen ist — im Wittenberger Ordiuiertenbucb findet sicb
niclits uber seine Ordination — , ist unbekannt. Wir wissen uur, dafi
er wegen Nichtanerkennung des Interims durcb Beschlufi des Rats
vom 3. Jan. 1549 von dort weicheu mufite (Plirckbauer, Gesch. d.
ev. Kircbe in Dinkelsbubl, Dinkelsblihl 1831 S. 30). Aus dem Um-
stande, daft er 1568 in der Vorrede zum ,,goldenen Kleinod"
(S. 670) schreibt, dafi, er aus dem Lande (Sachsen), in dem er vier-
unddreifiig Jahre (also ganz ricbtig seit 1533) gewesen sei, vertrieben
worden wSre, wird man scbliefien durfen, dafi der Dinkelsbiihler
Aufentbalt nur kurz war und desbalb von ibm nicbt mitgorecbnet
wird. Noch 1549 wurde er Konrektor an der Kreuzscbule in Dresden,
dann Diakonus und spHter (nach Kreyssig, Alb. der ev.-lutb. Geist-
licben in Sacbsen, 2. A., 1898, S. 125) im Jabre 1551 Pfarrer von
St. Afra in Meifien und 1554 Pfarrer und Superintendent in Chemnitz,
wo er 13 Jahre verblieb. Von hier aus beteiligte er sicb an der
Reufiischen Koufessionsscbrift von 1567 (vgl. 0. Meusel, Die Reufiiscbe
oder Reufiisch-schbnburgische Konfession von 1567. Beitr. zur sachs.
Kirchengesch. XIV, S. 689 und Berth. Auerbach, Die Reuflische
Konfession. Thuringer kirchliches Jahrbuch X. Jahrg., 1905, S. 36).
Wohl eben desbalb des Flacianismus beschuldigt, wurde er noch in dem-
sel ben Jahre vertrieben, kam sehr bald in Schwandorf ^) in der Ober-
pfalz als Pfarrer unter (von 1567 — 70), imd wirkte seit 1570 als
Superintendent in Burglengenfeld (so nach G. Hubmann, Chronik
der Oberpfalz. Amberg 1865, S. 65 ff.). Dafi er 1601 nicht mehr am
Lebeu war, wird man daraus scbliefien konnen, dafi er nicht am
Regensburger Kolloquium teilnahm, dagegeu ein Dr. Heinrich Tettel-
bach, vielleicht sein Sohn (vgl. Brock, Die evangelisch-lutheriscbo
1) Be! Pesserl, Chronik und Topographic von Schwandorf. Jahres-
bericht d. hist. Vereins von Regensburg und Oberpfalz 24, 285 soil sicb
ein Verzeichnis der Pfarrer von Schwandorf finden, das mir aber nicht
zuganglich war.
Kolde, SUddeutsche Katechismen von 1530—1600. 197
Kirche der ehemaligen Pfalzgrafschaft Neuburg. Nordlingen 1847, S. 65).
Leider ist die erste Aiiflage des „Kleinods" nicht aufzufinden ge-
wesen, so dafi wir nur die „aiifs neue korrigierte" von 1577 erhalten.
Aber trotz der griindlichen Bucherverbrennung in der Oberpfalz im
Jahre 1628 (vgl. Lippert Beitr. VI, 173) mochte ich die Hoffnung
nicht aufgeben, dafi sie sich noch irgendwo findet, und vielleicbt
dienen diese Zeilen dazu, zu ernenten Nachforscbiiugen anzusporuen.
Eine Ansgabe vom Jahre 1571, auch schon als „auffs neue korri-
giert" bezeichnet, fiudet sich auf der Erlanger Bibliothek. Sehr
merkwiirdig ist der Amberger (luth.) Katechismus aus dem Jahre
1595 von Jakob Schopper (Nr. 10), den Eeu der Vergessenheit
entrissen hat, dessen Verf., der eine ganze Eeihe Traktate geschrieben
hat, einmal besonders behandelt werden soUte (ein paar Bemerkungen
Uber ihn bei Lippert, Reformation etc. d. Kurpfalz S. 176 fF., 183,
uber die Verbreitung seines Katechismus S. 197). — Von Amberg weiidet
sich der Verf. nach Regensbnrg, dessen erster, von dem spater in
Konigsberg hingerichteten Funck verfafiter Katechismus 1542 oder
1543 nicht aufgefundeu werden konnte^). Dafiir erhalten wir (Nr. 11)
den von Nik. Gallus empfohlenen eines nnbekannten Layen, „Ein
kurtze Ordenliche summa der rechten Waren Lehre vnsers heyligen
Christlichen glaubens" (S. 720), der, eine wichtige Beobachtung Reus,
(JS. 198 und S. 201), in seiner Heidelberger Ausgabe von 1558 die
Anlage des Heidelberger Katechismus entnomraen ist.
Von den sehr umfauglichen Katechismuspredigten desNik. Gallus
aus dem Jahre 1554 wird- wenigstens (Nr. 12) ein charakteristisches
Bruchstiick mitgeteilt (S. 735). Ein weiterer Regensburger Katechismus
sind (Nr. 13) die „Kurtzen Fragen und Autworten uber die sechs
Hauptstucke" 1580 von dem vielseitigen und gelehrten Bartholomaus
Rosinus^), der die sechs Hauptstticke auf die sechs Wochentage ver-
teilt (S. 743) und indirekt auch in Norddeutschland auf weite Kirchen-
gebiete eingewirkt hat (S. 449 f.). Den Schlufi machen die Augs-
burger Katechismen, erstens. (Nr. 14) der von Wolfhart verfafite
^Katechismus, das ist ain anfengklicher Bericht der Christlichen
Religion" vom Jahre 1533 (S. 756), bei dessen Abdruck doch hatte
uutersucht werden solleu, ob die nach Luthers Tadel herausgekommenen
Ausgaben, wie sehr wahrscheinlicli ist, Anderungen aufweisen, zweitens
(Nr. 15) der kleine Katechismus des Caspar Huberinus (so schreibt
er sich immer, nicht ETuber) von 1544, mit einem Bruchstiick aus
1) SoUte er sich nicht in der Regensburger Kreisbibliothek fiDden?
2) Ich besitze das ihm einst gehorige Exemplar von Job. Sleidan,
De statu rel. etc. 1555, 8^ in das er neben Lobgedichten auf Sleidan von
Job. Sapidus, Joh. Sturm, Martin Crusius auch ein eigenes eintrug. Das
ganze Bach ist mit zahlreicben Marginalbemeikungen von seiner Hand
versehen und am SchluB durch einen "handschriftlichen Index Memorabilium
cuiusque anni bereichert.
198 Zur Bibliograpbie.
dem grofien dess. Verf. vom Jahre 1543, danu drittens der von
Meckhart (Nr. 16), der vielleicht schon 1551 erschieuen ist (S. 819),
eodlicb Uber den Zeitraum binausreichend eine der Scbule von St. Anna
gebraucbte Bearbeitung des lutberiscben Katecbismus von 1628^ die
aber vielleicbt scbon 1559 (?) daselbst in Ubung war (Nr. 17,
S. 834). Nimmt man nocb hinzu, dafi der Verf^ wie icb wiederbole,
uber minder originelle Arbeiten, wie z. B. ein en Lindauer Katecbismus
von 1586 sebr genaue Mitteilungen in seiner Einleitung (vgl. S. 460)
briugt, und vergegenwSrtigt man sicb, dafi in dieser Besprecbung
nur auf die bayeriscben Arbeiten eingegangen werden kounte, so
kann man die bohe Bedeutung dieser Veroffentlicbung, deren baldige
Weiterfubrung dringend zu wUnscben ist, einigermafien beurteilen.
Sicber bat Eeu das grofie Verdieust, nicbt nur das bekannte Material
in bisber nicbt erreicbter Weise zusammengetragen und in sorgfaltiger
Wiedergabe nutzbar gemacbt, sondern nicbt Weniges, was vergessen
war, wieder ans Tageslicbt gebracbt und gewttrdigt zu baben, und
dieses Verdienst ist um so grofier, als der Verf., in Amerika lebend,
naturlicb gerade bei dieser besonderen Aufgabe unter den scbwersten
Verhaltnissen gearbeitet bat. Wie weit es ibm gelungen ist, Voll-
standigkeit zu erreicben, die freilicb bei solchen Arbeiten in absoluter
Weise niemals z\\ erzielen ist, Vd&t sicb mit Bestimmtbeit nicbt sagen.
Icb vermute aber, dafi es zumal in den ganz kleinen Landeskircben
nocb mancben Katecbismus gegeben bat, der heute vergessen ist. Zu
dieser Annabme veranlafit micb u. a. die Tatsacbe, dafi dem Verf.,
wofiir ibn keine Scbuld trifft, ein kleiner Katecbismus iur die Graf-
scbaft Ortenburg aus dem Jabre 1598 entgangen ist. Diesen von
demPfarrer Adam Hertzog verfafiten, bocbst interessan ten Katecbis-
mus mit stark pbilippistischer Farbung, dessen in meinem Besitz be-
findlicbes Exemplar ein Unikum zu sein scbeint, da icb ibn auf
verschiedenen grofien Bibliotbeken nicbt gefunden babe, gedonke icb
in einem der nacbsten Hefte dieser Beitrage bekannt zu geben.
Zur Bibliographie.'')
*(Dr. Karl Hartmann gegen Dr. Kolde.) Der Prozefi gegen die
protestantiscben Laudstande in Bayern unter Herzogs AlbrecbtV.
1564. Bayeriscber Kourier 1905, Nr. 78 und 79 (19. und
20. Marz 1905).
Gegen meine Besprecbung seiner Sehrift auf S. 146 f. richtet der
gekraukte Verf. eine von Schmahungen und Verdachtigungen strotzende,
iiber fUnf groBe Spalten sicb erstreckende Erwiderung, auf die icb nattir-
lich nicht antworten werde, deren LektUre unter Berticksichtigung meiner
*) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprecbung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Scbriften werden erbeten behufs Besprecbung
von der Verlagsbuchbandlung Fr. Junge in Erlaugen.
Zur Bibliographic. 199
Besprechung and Hartmanns Schrift ich aber alien denen, die cinen Ein-
blick darein gewinnen wolleu, wie herrlich welt wir 63 schon gebracht
haben, dringend empfehlen mochte, namentlich aucb zur Warnung fur
alle, die etwa, obwohl sie Beamte sind, sich mit bayerischer Geschichte
befassen. Denn wenn sie anderer Meinung sind als Herr Dr. Hartmann,
konnte das die schlimmsten Folgen baben. Ich hatte zu schreiben ge-
wagt, dafi durch die.vom Verf. neu beigebrachten Quellen das „Bild des
Herzogs (Albrecht) nicht gerade gewinne" (S. 143). Darauf schreibt der
Verf. : ^Meines Erachtens aber soUten sich doch Leute, die an den beaten
FleischtSpfen Bayerns sitzen, nicht entbloden, Verleumdungen fiber einen
Ahnherrn des Herrschers, aus dessen Hand das Brot sie essen, in die
Welt zu lancieren, wie dies Preger tut, und es soUten sich auch nicht
berufene Historiker wie Riezler und Kolde dazu herbeilassen, die un-
wiirdige RoUe von Kolporteuren der Irrtilmer zu spielen, deren Natur
als solche durch aktenmaiQige Diagnose erkannt wurde. Schon das Ge-
fiihl der Dankbarkeit und der Liebe zum Vaterlande soUte sie davon
abhalten, das Andenken des erlauchten Sprossen aus dem Hause Wittels-
bach, Herzog Albrechts V., bei der Mit- und Nachwelt durch ktinstliche
Yerdunklung zu triiben.** Um wie viel sittlich hoher steht doch Herr
Dr. Hartmann, wenn er im Gegensatz zu K. Preger, S. Riezler und mir
von sich selbst schreibt: ,,Mich aber werden alle Anfeindungen und ge-
heimen Machinationen meiner einfluBreichen Gegner^ gegen die esin
Bayern hoffentlich noch eine Prophylaxe geben wird (vom
Verf. selbst unterstrichen), nicht davon zurilckhalten, weiterzuforschen
in den goldenen Annalen der Geschichte bayerischer Ftirsten und zu
schreiben zum Ruhme des wittelbachischen Hauses." — Offenbar hat der
Mann alle Anlage zu einer glanzenden Karriere. —
*Specht, Dr. Thomas, Geschichte des Kgl. Lyzeums Dillingen
(1804 — 1904). Festschrift zur Feier des lOQjShrigeuBestehens.
Regensburg 1904. Verlagsanstalt vormals G. J. Manz, Buch- u.
Kunstdruckerei, Akt.-Ges. Miinchen -Regensburg. 311 S. 6 M.
Bd. IX dieser Beitrage S. 92 ff. konnte ich desselben Verfassers Ge-
schichte der Universitat Dillingen besprechen. Die jetzt vorliegende
Geschichte des dortigen Lyzeums, das im Jahre 1904 sein hundertjahriges
Bestehen gefeiert hat, kann gewissermaiBen als Fortsetzu'ng betrachtet
werden. Besonders ftir Dillingen allein Charakteristisches bietet sie nicht,
und die Verhaltnisse scheinen sich in alien bayerlschen Lyzeen ziemlich
gleichmafiig entwickelt zu haben; aber die ruhige objektive Art des Ver-
fassers, die ich schon frtiher zu riihrnen hatte, bietet einen dankenswerten
Einblick in den daselbst herrschenden Studienbetrieb, und darein, wie diese
Bayern allein eigentumlichen Anstalten, die anfangs als Vorbereitung
ftir den Universitatsunterricht gedacht, bei Gelegenheit der Organisation
des Sffentlichen Unterrichtes durch Niethammer im Jahre 1808 als „aka-
demische Lehranstalten" zu einer hoheren Stufe emporgehoben und endlich
fur gewisse Facher zugnnsten der katholischen Theologiestudierenden,
„welche eine Universitat nicht besuchen", den Dniversitaten beinahe
gleichgestellt wurden, wie denn auch unter dem Ministerium Muller 1892
ihren Professoren der gleiche Bang wie den Universitatsprofessoren ge-
wahrt wurde. Der groBe Unterschied bleibt freilich immer der, da6 es
Fachschulen sind, eine Lernfreiheit ftir die Studierenden nicht existiert,
sondern die zu horenden Vorlesungen vorgeschrieben sind. Es liegt in der
Natur der Sache, dafi den Hauptinhalt des Werkes statistisches Material —
im weiteren Sinne des Wortes ausmacht. Aber sollte von der inneren Ent-
wicklung wirklich so wenig zu berichten sein, als der Verf. mitteilt?
Wer in den ersten Kapiteln von der zu Anfang auch in Dillingen herr-
200 Zur Bibliographie.
•
schenden Anfklarung Kenntnis genommcn, erffihre doch auch gem etwas
mehr, wie das allmShlich anders geworden. Sollte die allmahliche Ver-
drangung des Rationalismns and das Aufkommen der neaeren kirch-
liclien Ricbtung so ganz oboe Kainpfe vor sich gegangen sein ? In eine
Geschichte des Lyzeuois geh5rte doch eigentlich auch der Yersuch,
im Zusaminenbange darzatun, in welchcr Weise die dortigen Gelehrten
an der Entwicklung von Theologie und Kircbo fordernd Anteil genoromen
haben. Die blofie Aufzahlung der Schriften der einzelnen Professoren
kann da nicbt genugen. So weit ich sehe, geht der Verf. nur ein ein-
zigesmal auf die angeregten Fragen ein, im Falle Uhrig nacb dem Vati-
kanum, aber ancb da erfahrt der Leser nicbt genau, woriim es sicb
eigentlich gebandelt bat. In dieser Zuriickbaltung sehe ich einen Mangel,
den der gescbatzte Yerf., obne indiskret zu sein and ohne sein Bucb
nnn(3tig anschwellen zn lassen, bei seiner Beherrscbang des Materials
leicbt hatte vermeiden kSnnen. Den SchluB macht eine 36 Seiten lange
Antwort auf eine Besprechung seiner Geschichte der Universitat Dillingen
durcb Knopfler (Hist. pol. Blotter Bd. 131 S. 476 ff.), auf die hier einzu-
geben, der Raum fehlt.
*W. Stolze, Zur Gesch. der 12 Artikel von 1525. Hist. Viertel-
jahrsschrift 1905, 1. Heft.
Der Yerf. tritt hier von neuem gegen die Einwendungen von Alfred
Gotze (Hist. Vierteljahrsschrift 1904) fiir seine bereits friiher (BeitrageX,
195) besprochene These ein, daB die 12 Artikel nicht in Oberschwaben
und nicht von Seb. Lotzer in Memmingen, sondern im sudlichen Schwarz-
wald durcb Baltbasar Hubmaier verfaBt seien.
*Zietz, Martha, Wie urteilen Theologen Uber das kirchlicbe Stimm-
recht der Frauen? Gesammelte Umfragen des deutschen Ver-
bandes fur Frauenstimmrecht. Hamburg 1905. Otto Meifiners
Verlag. 97 S. 1 M.
Wird, obwohl in diese Zeitscbrift nicht gehorig, nur erwabnt, weil
auch mehrere Geistliche der bayerischen Landeskircbe uber diese m. E.
nicht ohne weiteres von der Hand zu weisende Frage sich geauBert
haben.
Koch, A._, Austriaca aus Regensburg. (Korrespoudenz des Nikolaus
Gallus in Regensburg.) Jahrb. d. Ges. fur Gesch. d. Protest,
in Osterreich. 1903. T. XXIV. p. 14.
Eingesandt wurden ferner, konnen aber hier nur erwabnt werden;
*August Strindberg^ Die Nachtigall von Wittenberg. 2. A. 1904.
Berlin-Leipzig. Herra. Seemann Nacbfolger. 1 M.
*P. Ch. Martens, Das deutsche Konsular- und Kolonialrecht.
Leipzig 0. J. Verlag von Dr. jur. Ludw. Huberti. 2,70 M.
*Helmling, L., 0. S. B. Hagiographischer Jabresbericbt fUr die
Jahre 1901 und 1903. Zusaminenstellung aller im Jabre 1901/02
in deutscher Sprache erschienenen Werke, Ubersetzungen und
grbfierer uud wichtiger Artikel Uber Heilige, Selige und Ehr-
wurdigc. Kempten 1903 (Verlag der Job. Koselscben Buch-
bandlung). 204 S.
Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg.
Von Dr. Friedrich Both.
Nicht nur die Zeitgenossen Kaspar Huberinus'^), sondern
auch die meisten Historiker, die sich mit seiner Personlichkeit
befaBten, haben ihre Verwunderung iiber die von ihm dem In-
terim g^geniiber eingenommene Haltuns ausgesprochen. Und
diese Haltung schrfnt auch merkwurdig genug bei einem Manne^
der sich allzeit als flberzeugten Anhanger der Wittenberger
bekannt and bei diesen in einem gewissen Ansehen gestanden,
der fast ein Vierteljahrhundert in einer Menge polemischer und
erbaulicher Schriften fur das Evangelium eingetreten war,
der in Augsburg zuerst als Heifer des Musculus, dann als
Pfarrer von St. Georg*) eine segensreiche Wirksamkeit in der
1) S. ttber Haberinns : W i b e 1 , Hohenlohlsche Kyrchen- nnd Ref.-Historie,
Bd. I (Onolzbaoh 1752) S.344fif., 379ff., Bd. Ill S. 308 ff. : Bossert, Beitr.
zm* Gesch. der Ref. in Franken in den Theol. Studien aus .Wiirttemberg,
Bd. I S. 201 ff., 253 ff.; Bossert, Das Interim in Wurttemberg (in den
Schriften des Verf. fUr Ref.-Gescb.), Halle 1895 S. 15, 171; den Cod.
chart, fol. nr. 91 in der herz. Bibiiothek za Gotha, eine wichtige Relation
Hubers uber seine Erlebnisse in Augsburg enthaltend, von der viele StUcke
bei Germann, Dr. Job. Forster (1894) mitgeteilt sind. Koldes Art. in
der Realenzykl. fiir prot. Tbeol. u. Kirche, III. Aufl. (mit Literaturangabe) ;
Roth, Augsburgs Ref. -Gesch., Bd. I (Miinchen 1901) u. Bd. II (Mttnchen
1904), Register.
2) S. zu Hubers Anstellnng als Heifer des Musculus seinen eigenen
Bericht bei Germann S. 260 und Luthers Sohreiben an Huber, dd.
5. Oktober, ebenda S. 261. Die fttr die Angsborger Geistlichen bestehende
Bestallungsformel (gedrackt bei Germann S. 312 ff.) ist von Huber am
11. Dezember 1535 unterschrieben und hat sich in der Autographensamm-
lung des Augsburger Stadtarchives erhalten. Sie beginnt mit den Worten :
„Ich, Caspar Huber aus Stotzhart" (bei Aichach). Sein Gehalt betrug
pro Qnatember „dritthalben und zweinzig gulden reinisch**, pro Jahr also
202 Roth, Kaspar Haberinus and das Interim in Augsburg.
Seelsorge entfaltet hatte und zuletzt bemuht gewesen war, in
dem hohenlohiscben 8t§.dtchen Ohringen dem Evangeliam den
Boden zu bereiten. Aber das Auffallende verliert sich, wenn
man aus seinen Schriften, vor alien aus der von ihm uber seine
Augsburger Erlebnisse verfaBten Relation, ersieht, wie sehr er
in bezug auf Kirchenbrauche noch am Alten klebt, wie er weit
weniger Anstofi nimmt an den Papisten als an den Zwing-
lischen und anderen ^Rottengeistern", wie er Sfter in tausend
Angsten schwebt, man mochte die Altgiaubigen mit zu rauher
und derber Hand anfassen, wie er sich an den auf die Ver-
dr^ngung des „Papsttums^ gerichteten Eampfen seiner Augs-
burger Amtsgenossen nicht nur nicht beteiligt, sondern murrend
beiseite stebt. Es verkniipfte ihn eben, wohl ohne daB er sich
dessen bewuBt war, noch manches starke Band mit dem Eatholi-
zismus, und er geh5rte zu jenen, die immer noch Hoffnnngen
auf das Eonzil setzten und es fur moglich hielten, dafi die
Kluft zwischen den neuen Kirchen und der alten doch noch
flberbrttckt werden wttrde.
Bei solchen Anschauungen konnte ihm das „gleiBende^
Interim nicht allzu schreckhaft erscheinen, zumal er und seine
Gemeinde, bei der kaum die allerersten Anfange einer Refor-
mation zur Durchfiihrung gekommen^), wenig davon beriihrt
wurden. Die evangelische Predigt soUte ja nach wie vor, wenn
auch unter bestimmten Beschr^nkungen, gestattet sein, und was
das Abendmahl unter beiden Gestalten betrifft, das vom Interim
ebenfalls zugestanden worden war, so machte man damit in
Ohringen, wo es vorher wohl kaum Eingang gefanden*), sogar
neunzig Gulden. Pfarrer von St. Georg wurde er im Jahre 1542 (Roth,
1. c, II S. 455). Als solcher bezog er eine Besoidung von 150 Gulden,
zu welchen noch 50 Gulden Nebeneinkommen kamen.
1) S. hierzu Wibel, I S. 344flF. Bossert (Theol. St.) S. 197;
die Wtirttemb. Kirchengesch., ed. Calwer Verlagsverein, 1893, S. 349.
Ygl. auch unten Bell. II.
2) In sine m Schreiben Hubers an den hohenlohischen Rat Stembler,
dd. IS.April 1546 (gedruckt bei Wibel, HIS. 345 ff.)heifit es, dafi „dieGlaubi-
gen ohn UnterlaB nach dem Sacrament (sc. unter beiderlei Gestalt)
schreien." Bevor es hierin zu der erbetenen Anderung kam, brach der
schmalkaldische Krieg aus, der alle Reformationsbestrebungen im Hohen-
lohischen znm Stillstand brachte.
Both, Caspar Huberinus und das Interim in Augsburg. 203
einen Fortschritt. Diese und andere Elrwagungen ^) sowie ein
gewisser Mangel an Klarheit, der ihn hinderte, die im Interim
enthaltene Verschleierung der Rechtfertigungslehre zu durch-
schauen, brachten ihn dahin, daU er enipfahl, sich demselben
zu fiigen, und sich dazu verstand, den darin befohlenen Gottes-
dienst ins Werk zu setzen.
Dieses ^Umfallen" Huberinus' wurde weithin bekannt, und
so ist es leicht erklarlich, daU der vom Kaiser in Augsburg
neu eingesetzte Rat nach der am 26. August 1551 erfolgten
Austreibung der evangelischen Pradikanten sich in seiner Ver-
legenheit, Interimsgeistliche aufzutreiben, rait ihm in Verbindung
setzte, um ihn fiir die Stadt zu gewinnen. Er veranlaBte ihn,
Ende September nach Augsburg zu kommen^), um mit ihm
mundlich deshalb zu unterhandeln, und Huberinus zeigte sich
schlieBlich bereit, dort wieder eine Stelle anzunehmen, voraus-
gesetzt, daC es ihm gelinge, sich aus seinem bisherigen Dienst-
verhaltnisse los zu machen. Daraufhin ersuchte der Rat dessen
Herrschaft schriftlich [Beil. I], ihn frei zu geben, zum minde-
sten auf so lange, bis fur ihn Ersatz beschafft werden konnte,
war aber gleichzeitig bemiiht, von dem Bischof von Arras, der
seit dem Tode seines Vaters Perrenot Granvella am kaiserlichen
Hofe die laufenden Geschafte leitete, eine „Furschrift" zu er-
halten, in der der Graf von Hohenlohe um Huberinus' dauernde
Uberlassung an die Augsburger angegangen werden soUte. Der
Bischof, dem darum zu tun war, daB das Interim in Augsburg
endlich in alien Stucken vorschriftsmaBig zur Durchftihrung
kame, lieB sich zu einer solchen nPurschrift** herbei^). Sein
Schreiben hat sich im Augsburger Stadtarchiv nicht erhalten,
wohl aber die Antwort des jugendlichen Grafen Ludwig Kasimir,
des Nachfolgers des Grafen Georg, welch letzterer am 16. Marz
1) S. die Thesen, siuf Grund deren Huber das Interim ftir annehm-
bar erklarte (lateinisch), bei Wibel, III S. 343 ff.
2) BaurechDUng 1651, Bl. 69^, 26. Sept.: 27 fl. 12 kr. mintz herrn
Caspar Huberino fur zerung von Eringen alher laat seins zetels betzalt.
3) Der Vermittler zwischen den Augsburgern und dem Bischof wird
wohl Huberinus' Schwager, der Vizekanzler Sigmund Seld, bekanntlich
der Sobn eines Augsburger Goldschmiedes, gewesen sein , doch batten
die Haupter des Augsburger Rates auch manche direkte Beziehungen zu
dem Bischof.
204 Roth, Kaspar Huberinus und das Interim io Augsburg.
1551 gestorben war. In diesem Briefe, datiert vom 22. Oktober
1551 [Beil. n], bemerkt der Graf, daC sein Vater und dessen
Brader Albrecht (f am 19. August dess. Jahres) den Pradikanten
Huberinus „etliche Jahre zur Abwendung etlicher verderblicher
Sekten und Schw&rmer und zur Pflanzung der alten, katho-
lischen Religion erhalten" batten, wie auch das Interim „so
viel an etlichen Orten von N6ten gewesen . . . ohne Befehl" in
den hohenlohischen Gebieten sofort „angerichtet" worden ware.
Ungern nur lasse er, der Graf, der, am Anfang seiner Regierung
stehend, auf die bewahrten Diener seines Vaters und Onkels
angewiesen sei, einen Mann wie Huberinus Ziehen, da zu be-
flircbten stehe, daC damit diejenigen, die bisher in der aiten,
wahren, katholischen Religion erhalten worden seien, geschwacht
wttrden" etc. Doch wolle er sich dem Bischof und dem Kaiser
zuliebe, wenn es sein mtisse, zu dem verlangten Opfer entschlieBen
und liberlasse es ersterem, die Sache nach seinem Ermessen zu
regeln.
Wenn naturlich auch anzunehmen ist, daB der Graf den
Sachverhalt, den Zeitverhaitnissen entsprechend, stark gefarbt,
urn vor dem Kaiser in mSglichst giinstigem Lichte — als Herr
eines von der ketzerischen Lehre voUig unbefleckten Landchens
— dazustehen, so kann man sich angesichts des hier Huberinus
gespendeten Lobes doch des Eindruckes nicht erwehren, daB
dieser in seinen Konzessionen an das Papsttum noch viel weiter
gegangen sein muB, als bisher bekannt war; wird er ja doch
fast als ein Hort des Katholizismus gepriesen! Und dieser Ein-
druck wird verstarkt durch die auf Huberinus bezilglichen
Stellen in dem Antwortschreiben des Bischofs, (datiert vom
15. November 1551 [Beil. IIIJ), der sich ttber die Religions-
verhaltnisse im Hohenlohischen auch bei „andern Leuten, so
dessen ein guts Wissen tragen", erkundigt hatte.
Wie Huberinus vor mehr als sieben Jahren von Augsburg
ausgezogen war, um in der Grafschaft Hohenlohe fiir das Evan-
gelium Raum zu gewinnen^), so machte er sich jetzt, nachdem
1) S. den zwischen dem hohenlohischen Bat Stembler und Hnber
damals (vom 12. Jan. bis 22. Juni 1544) wegen Hubeis Berufang
nach Ohringen entstandenen Briefwechsel bei Wibel, HI S. 308 ff.; vgl.
Roth, J. c. II S. 474 Nr. 133. — Der bei Wibel S. 320 von Ruber er-
Both, Kaspar Haberinus and das Interim in Augsburg. 205
ihm sein Graf „Urlaub*' gegeben, mitten im Winter mit Weib
iind Kind auf den Weg, um die Augsburger von ihrem „Irr-
tum, in dem sie so lang erwachsen und verstockt gewesen,"
abzubringen und ihnen, wie der Bischof sich ausdrtickt, „als
den Schwachen und Kranken" mit „gelinder, angenehmer Arznei**
zu helfen.
Er kam in der Woche vor Weihnachten in derStadt an^)
und tibernahm nun mit zwei anderen aus dem Hohenlohischen
herbeigerufenen Gfeistlichen, die er ftir seine Anschauungen zu
gewinnen gewuBt hatte — zwei Augsburgern — samtliche
Funktionen des interimistischen Gottesdienstes*). Er selbst
wurde bei St. Anna angestellt, wilhrend Thomas Widmann,
fruher Pfarrer von Miinkheim*), beini hi. Kreuz, Hieronymus
Hertl*), Pfarrer in Neuenstein, an der BarfliBei-kirche wirkte.
Sie gaben sich wohl der HoflEhung hin, daC die nun schon
seit Jahren voii den empflndlichsten Schlagen heijngesuchte
evangelische Bevolkerung der Stadt endlich die Fahigkeit und
den Mut zu weiterem Widerstande verloren hatte, um so mehr,
als sie, seit dem Verlust der Pradikanten fiihrerlos geworden,
wabnte Pradikant,. der am 1. Marz von den Angsburgern ^etlicher Ursach''
wegen eritlassen wurde, ist der im Okt. 1543 als Heifer aufgenommene
Job. Herold (s. uber ihn das Archiv fur Ref.-Gescb., Bd. I S. 115), der
S. 330 erwahnte „Wittenberger Pradikant**, der durch einc Augsburger
Ratsgefiandtscbaft von dem Eurflirsten von Sachsen erbeten werdcn sollte,
ist Thomas Naogeorgius (1. c. S. 170 mit Anm. 3).
1) Am 14. D.ez, war er noch nicht in Augsburg^ doch wurde uin
diese Zeit sein £intreffen jeden Tag erwartet.
2) Aus der von einem der vertriebenen PrSdikanten herriilirendeii
Aufzeicbming Uber das Interim in Augsburg, die sich in einem Cod. des
Augsburger Stadtarchivs, „Schatze" Nr. 10^ erhnlten hat und auch sonst
ziemlich haufig (z. B. in den derMiinchencr Hof- und Staatsbibl. angeborenden
Cod. germ. 2037, 2038) zu finden ist. Das von Gasser, Stetten und
anderen fiber das Interim in Augsburg Mitgeteilte ist groBtenteils aus
dieser Quelle.
3) Thomas Widmann aus Augsburg war BUrger dieser Stadt. Er
hatte im Jahre 1544 bereits neun Jahre auswarts gewohnt, und ersuchte
am 25. Jan. 1544 um Verlangerung der Erlaubnis hierzu. Er war damals
Pfarrer in Bermaringen im Ulmer Land,
4) Hieronymus Hertl war nach Bossert (Th. St.) S. 255 der Sohn
6ines Augsburger Zimmermanns.
206 Roth, Kaspar Huberinus und das iDterim in Augsburg.
umherging, wie eine „Herde phne Hirten". Aber gerade diese
letzte Grewalttat, die Austreibung der Geistlichen, die einen
Teil der Stadt in ein groBes „Trauerhaus" verwandelt, hatte
die Erbitterung der Leute aufs hochste gesteigert und ihre Ab-
neigung gegen das Interim wom5glich noch vermehrt; das
muBte gerade Huberinus sehr bald erkennen.
Er begann seine neue Wirksamkeit am Weihnachtsabend
1551 an der Stelle, von wo aus vor mehr als dritthalb Jahr-
zehnten sich zuerst die neue Lehre in der Stadt verbreitet
h|itte, und von den alteren der Anwesenden, die zumeist durch
die Neugierde angelockt waren, mochte mancher mit Wehmut
der damals von dem mutigen Karmeliterprior Dr. Johann Frosch
gehaltenen Predigten gedacht haben. Welche Anderung der
Dinge!
Langsam und vorsichtig soUte Schritt fttr Schiitt vorwarts
gegangen werden, „denn gemach gehet man auch weit". Am
Sonntag, den 24. Januar, berichtet uns ein Chronist^), ^haben
die neuen Pradikanten zu morgens, wie die Predigt aus ist
gewest, auf der Kanzel angefangen und anzeigt, wie sie, uns
zu gefallen, den Krisam haben angenommen, damit uns das
Wort Gottes nit genommen werd, sondern [sie] uns dasselbe
noch langer und lauter predigen konnten. Und haben das Volk
um Gottes Willen gebeten, sie sollen sich doch nit argern,
denn die Seligkeit liege nicht daran, sondern es sei nur ein
auCerlich Zeichen; so wolle es auch der Kaiser und die Obrig-
keit also haben. Und man hat am selben Tag nach zwolf Uhr
angefangen mit dem Krisam und Salz, wie dann die Pfaffen
taufen, auch wie sie den Teufel beschworen, und wie sie das
Kreuz machen. In Summa: Wie es die Pfaffen in Latein
machten in alien ihrem Wesen, also machten sie es auf deutsch."
Das „Abscheuchen", das dadurch erregt wurde (s. Bejl. IV),
suchten die Pradikanten zu uberwinden, indem sie die erwahnten
Taufzeremonien, „welche schon die heiligen Viiter, Lehrer und
Bischofe bald nach der Apostel Zeit" angewendet batten, „ver-
klarten und ihren rechten Branch anzeigten", und Huberinus
gab sogar ein Buchlein liber die Bedeutung des Krisma in den
1) Der Verfasser der oben S. 205 Anm. 2 erwahnten Aufzeichnungen*
Both, Kaspar Huberinus und das Interim in Augsburg. 207
Druck, Mit der Neuordnung des Abendmahles woUte er warten
bis nach der Fastnacht; erst am 27. Marz verkundigten er und
seine Amtsgenossen auf den Kanzeln, daC „ fiber acht Tagen zu
St. Anna, fiber vierzehn in der BarffiCerkirche das Nachtmahl
gespendet werden wfirde ,,wie von den vorigen Pradikanten";
doch soUte sich ,jeder zuvor anzeigen in der Beicht, die Ab-
solution empfangen" und sich einem ,,Examen", was er von dem
Sakrament halte, unterziehen ^). Der Hauptakt selbst sollte von
dem Geistlichen im Ornat gehalten werden unter Orgelklang
,,mit den lateinischen alten, guten Gesangen und etlichen deut-
sChen Psalmen".
Wenn Huberinus meinte, daU durch seine beschwichtigen-
den Auslegungen ,,viel fromme Herzen ersattigt worden"*), so
trifift dies vielleicht bei dem einen oder dem andern seiner
Preunde zu, die er noch von frfiher her in der Stadt besaC;
der „gemeine Mann" aber wollte nichts davon wissen und machte
daraus auch kein Hehl. Nur mit Hohn und Spott sprach man von
den Interimisten und ihren Qottesdiensten. Insbesondere von
Huberinus, und mancher konnte sich dessen Verhalten nicht
andera erklaren, als daC er alles des lieben Geldes wegen tue.
Wie klaglich erschien er solchen, wenn sie ihn mit dem ent-
schlossenen Masculus verglichen, der sofort, nachdem der Rat
das Interim angenommen, die Stadt verlieB^), oder mit dessen
Heifer Johann Karg*), der lieber sein Amt aufgab, als daC er
1) Ebenda.
2) Beilage IV.
3) S. die am 28. Juni 1548 von Musculus deshalb an den Rat ge-
ricfatete Erklarung in den Augsburger Ratsdekreten ad. a. 1548 Bi. 14&.
— Vgl. Tro6, des Grafen Wolrad von Waldeck Tagebucli wahrend des
Reichstages zu Angsburg (Stuttg. 1861) S. 195.
4) Johann Karg, ein Augsburger Stipendiat, war nach Beschlufi des
Rates am 22. Jnli 1546 dem Musculas als Heifer beigegeben worden.
Ratsdekret ad. a. 1546, Bl. 14» — Am 28. Juli 1848 waren die Augs-
burger Pradikanten ersucht worden, den Chorrock anzunehmen. „Auff
Bolche begern und furhalten haben sich alle predicanten bewilligt den
Korrock anzQtziehcn ausserhalb h. Hanns Karg, hat sich dessen verwiderf* ;
es wurde ihm deshalb sofort „eins ersamen rats schutz, schirm und dienst-
gelt auffgeeagt**. Ebenda Bl. 34» Am 30. Sept. wurde dann beschlossen,
ihm sein ,verfallen quatembergelt vollig zu geben**, womit er „abgefertigt"
sein solle. Ebenda Bl. 73^.
208 Itoth, Kadpar Huberinua nnd das Interim in Augsburg.
in den verhaBten Chorrock schlupfte, oder mit den vertriebenen
Prftdikanten, die sich zwar unter dem auf sie geiibten Druck
dem Interim aufierlich gefiigt, aber sich auf der Eanzel und
sonst freimutig genng uber dasselbe geanUert batten.
In der Nacht vor dem 4. Febraar wurde an die Kirchen-
tur. von St Anna ein gegen Hnberinus gerichtetes Pasquill an-
geheftet, das von seinen vielen Gegnern mit lebhafter Schaden-
freude begruBt und verbreitet wurde und * groBe Erregung
hervorrief. Es hatte folgenden Wortlaut:
Christus wort hat er bekandt lauter und clar
Anno 1529 nach und vor;
Sein buechle vom zorn und guethe gottes^) zeuget das. —
Pfew dich, du ellender madensack! was
Aber hebstu jetzund an zu reden?
Redest offenlich, als solten wir nach .dem bapstum leben.
Hast allweg darwider geredt nach Chri&tu& leer,
Und vons gelts wegen kumbstu wider her!
Bit got, daB er dirs vergeben woU.
Ei pfew dich, du phariseischer und Lucifers gesoll,
Recht reden voni tauf und nachtmal [sich] gehorn,
Ja nicht von mentschensatzung und pfaflfenraern.
Nit friB wider, das gespihen ist!
Und wer wissen will, wer diser ist,
Sein namen hiebei neben liB!^)
Natiirlich wurde die „aufruhrerische Schrift" sofort weg-
genommen, und die „Statthalter" lieBen noch am gleichen Tage
in einem vom Rate genehmigten ,,Berufe", der an alien Qffent-
lichen Platzen angeschlagen wurde*), nach dem Verfasser der
Beime forschen und die Bevolkerung vor derartigem Unfuge
warnen, waren aber nicht imstande, den „gemeinen Mann" zu
hindern, daB er auch weiterhin bei jeder Gelegenheit seinen
Unwillen gegen Huberinus und dessen Genossen zu er-
kennen gab.
1) S. hierzu Beck, Die Erbauungsliteratur der ev. Kirche Deatsch-
lands, Bd. I, Erlangen 1883, S. 173.
2) Aus Nr. 118 (Bl. 375a) der „Schatze" des Augsburger Stadt-
archiva.
3) Raisdekrete ad. a. 1552, Bl. 13>.
Ein kryptocaivinistischer Katechismus fur die
Grafschaft Ortenburg aus dem Jahre 1598.
Mitgeteilt von D. Theodor Eolde.
Die wertvolle Ver5ifentlichung von J. M. Reu, Quellen
zur Geschichte des Katechismusunterrichts 1. Bd. Suddeutsche
Katechismen (Giitersloh 1904), liber die oben (S. 191 f.) aus-
fiihrlich berichtet worden ist, erinnerte mich an einen dort
fehlend^n Katechismus fur die Gemeinde Ortenburg in Nieder-
bayern aus dem Jahre 1598, den ich vor einigen Jahren in
einem Sammelbande erworben habe. Da das Schriftchen v5llig
unbekannt zu sein scheint, und mein Exemplar vielleicht das
einzig erhaltene ist^), wurde schon darum ein Wiederabdruck
gerechtfertigt sein, eine nahere Beschaftigung mit seinem In-
halt macht dies sogar zur Pflicht, da das Schriftchen auf nichts
Geringeres ausgeht, als auf dem Wege einer Kinderlehre in
eine lutherische Gemeinde den Calvinismus einzuschmuggeln.
Als Verfasser nennt sich Adam Hertzog, Pfarrer zu
Ortenburg. Aber wer war das, und wie ist der Mann zu seinem
eigentiimlichen Verfahren gekommen?
Die einzige Schrift, die uns liber die damaligen kirchlichen
Verhaltnisse der kleinen Grafschaft Ortenburg berichten kann,
die dtirftige Arbeit von C. Mehrmann^), kennt zwar Adam
Hertzog als Pfarrer von Ortenburg, weiC aber nichts iiber seine
Herkunft und seine dortige Wirksamkeit. Gliicklicherweise gibt
er selbst in der Vorrede seines Katechismus das Kurfiirstentum
1) Abgesehen von der Pfarrbibliothek in Ortenburg und der Er-
langer Universitatsbibliothek habe icb bisber vergebens danach forschen
lassen in Miinchen, Berlin, Halle, Zwickau, Regensburg, Neustadt a. Aisch,
Schwabach, Nfirnberg (Germ. Museum, Stadtbibl.), Leipzig Stadtbibh
2) C. Mehrmann, Geschichte der evangeliscben lutherischen Gemeinde
Ortenburg. Landshut 1863. S. 110.
Beitrage znr bayer. Eirchengeschichte XI. 6. 15
242 Kolde, Ein kryptocalvinist. Eatechismus f. Ortenburg a, d. J. 1598.
Sachsen als seine Heimat an, und weitere Nachforschungen,
die sich leider nur auf zum Teil widerspruchsvolles gedrncktes
Material erstrecken konnten^), gaben wenigstens einigen Auf-
schluB fiber liertzogs Vorleben.
Danach stammte Adam Hertzog aus Leipzig, scheint aber
seine Studien nicht in seiner Vaterstadt gemacht zu haben, da
sich sein Name in der Leipziger Matrikel nicht flndet. Im
Jahre 1677 wurde er Diakonus in der Epliorie Oschatz*), als
welcher er die Konkordienformel unterschrieb, nnd folgte im
Jahre 1682 einer Berufung als Pfarrer nach Markkleeberg bei
Leipzig^). In der Folge zeigte er sich als entschiedenen Partei-
ganger der philippistischen Richtung, die unter dem EinfluB
des Kanzlers Nikolaus Krell *) in Kursachsen wahrend der Re-
gierung des Kurfursten Christian von neuem um sich griff.
Wahrend sehr viele Geistliche in der Meinnng, damit ein Palla-
dium des Lnthertums aufzugeben, in die Abschaffung des
Exorzismus zu willigen, sich weigerten und lieber auf ihr Amt
verzichteten, andere, nur dem Zwange folgend, nachgaben, unter-
schrieb Adam Hertzog die alien kursachsischen Theologen vor-
gelegten darauf bezuglichen Fragen am 22. Juni 1591 mit den
Worten: „Adamus Hertzogk, verbi divini minister in Klebergk,
manu et corde subscripsit^ ^). Das taten zwar andere auch,
aber wilhrend die meisten seiner Gesinhungsgenossen sich vor-
1) Eine Anfrage beim HauptBtaatsarchiv in Dresden brachte die
Antwort (vom 1. Mai 1905), daB der Name des Pfarrers Adam Hertzog
in den Begistranden nicht vorkomme, and eine per8()nliche Durchforschnng
der umflinglichen Akten gegen die Eryptocalvinisten, die wahrscheinlich
noch einiges historisch WertvoUe iiber ihn enthalten werden, war mir zur-
zeit nicht moglich.
2) Ygl. Kreyssig, Album der eyangelisch-lutherischen Geistlich-
keit im KSnigreich Sachsen. 2. A. Krimmitschau 1898, S. 618.
3) Ebenda S. 397.
4) Aus der reichen Literatur hebe ioh hervor A»V. Richard, Der
kurfurstlich-sachsische Kanzler Dr. Nikolaus Krell. Ein Beitrag zur
Sachsischen Geschichte des 16. Jahrhunderts, Dresden 1859. Die neueste
Arbeit von B. Bohnerstadt, der ProzeB des Kanzlers Krell. Halle
(Diss.) 1905 ist unvollendet geblieben und bietet nicbts zur Sache dien-
liches.
5) Mitteilung des Sachs. Hauptstaatsarchivs in Dresden. Zur Sache
vgl. Richard a. a. 0. I, 280f.
Kolde, Ein kryptocalvinist. Eatechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598. 243
sichtig zuriickhielten, scheinen er und ein anderer Geistlicher
«
aus der Leipziger Inspektion, Wittich in Hohenheyda es ftir
Pflicht gehalten zu haben, offeii ftir weitere Reformen einzu-
treten. Liefi Wittich es dabei be wen den, in der Predigt fur
calvinische Auffassung zu werben, so ging Hertzog auch praktisch
vor. Weuigstens woUte man wissen, er habe die Bilder aus
seiner Kirche gerissen und das „nackende mit einem Schurz um-
gurtete Bild des Gekreuzigten unter dem Vorwande, daB es
einem Badeknecht ahnlich sehe, mit anderen in der Kirche be-
flndlichen Bildsaulen zu Brennholz bearbeitet"^).
1) Die einfache Tatsache berichtet zuerst Sleidani continuatio
T. Ill, Strafiburg 1625, S. 1427. Dann weiter ausgefuhrt E. H. A 1 b r e c h t ,
Sachsische evaDgelisch-liitherischc Kirchen- und Predigergeschichte I. Bd.
II. Forts, ed. J. F. Kohler, Leipzig 1802, S. 889:
„Adam Hertzog aus Leipzig, war 1577 Diac, in Strebla, wo er die
Concordienformel unterschrieb, und 1582 Pfarrer aHbier. Er und Pastor
Wittich in Hohenheyda waren die einzigen Landprediger der Leipz. In-
spection, die nach dem Wunsche des Kanzlers Nic. Krell fur die Aus-
breitung des Kryptocalvinismus in Sachsen sehr geschaftig waren. Wittich
liefi es bey den Vortragen auf der Kanzel bewenden. Hertzog ging noch
weiter. Er empfahl nicht nur die beabsichtigte Reformation in offent-
lichen Predigten, sondern begann auch einen fSrmlichen Bildersturm : Das
nackende and mit einem Schurz umgUrtete Bild des Gekreuzigten warf
er, unter dem Vorwande, dalS es einem Badeknecht ahnlich sehe, aus der
Kirche und bearbeitete es mit anderen in der Kirche vorhandenen Bild-
saulen zu Brennholz. Zur Bestrafung dieses Mutwillens flihrte man ihn
nach dem Tode des Churfursten, da sich die Scene in Sachsen anderte,
im Oct. 1591 auf die Pleisenburg nach Leipzig, und im Nov. 1592 nach
Dresden gefanglich ab. Seine Entlassung erfolgte erst dann, als er feierlich
widerrufen hatte. Von der Zeit an lebte er in. Leipzig und starb da-
selbst d. 27. Juni 1613." Ohne dafi Hertzogs Name genannt wUrde, wird
wohl auf sein Vorgehen angespielt in einer der vielen damals ausge-
gangenen Spottschriften „dem Gesprach von der calvlnischen Schule", wo
der Bauer Hans spricht:
Sie dichten und trachten mit ganzem FieiB,
Dafi sie die Altar aus der Kirchen reifion,
Die Crucifix und Taufsteindecken
Wollen sie in Ofen stecken,
Das gottlos calvinisch Geschlecht
HeiCt das Crucifix ein Baderknecht,
Diirfen auch wohl noch Fisch mit sieden u. s. w.
Freundliche Mitteilung von Herm Dr. Wustmann in Leipzig.
16*
244 Kolde, Ein kryptocalvinist. Katecbismus f. Ortenbnrg a. d. J. 1598.
Da trat mit dem Tode des Kurfttrsten Christian (25. Sept
1591) die Reaktion ein. Unmittelbar nach der Verhaftung des
Leipziger Geistlichen Dr. Christoph Gundermann, der als Fflhrer
der dortigen Calvinisten gait, wurde auch Adam Hertzog ge-
fangen gesetzt^) und auf die PleiBenburg nach Leipzig gebracht,
von dort aber spater nach Dresden zur Aburteilung geschafft*).
Ober den Verlanf seines Prozesses ist bis jetzt nichts Naheres
bekannt, nur wird berichtet: ,, Seine Entlassung erfolgte erst
dann, als er feierlich widerrufen hatte"^). Das wird richtig
sein. Aber wenn dieselbe Quelle weiter erzahlt: „Von da an
lebte er in Leipzig und starb daselbst den 27. Juni 1613," so
beruht das auf einem Irrtum, denn derselbe Mann fand viel-
mehr unmittelbar nach seiner Freilassung eine Wirksamkeit in
Siiddeutschland. Unter v5llig unbekannten Verhaltnissen er-
hielt er die Pfarrei zu Ortenbnrg, wo der edle und tatkraftige
Reichsgraf Joachim (1530—1600) schon im Jahre 1563 luthe-
rischen Qottesdienst eingeftihrt und unter den schwersten
Kampfen, an denen das ganze evangelische Deutschland Anteil
nahm, aufrecht erhalten hatte*).
Nach Hertzogs Angabe in der Vorrede zu seinem Kate-
chismus ware er „noch bei Lebzeiten Kurfursten Christiani zu
1) Nach SI e id an B Continuatio a. a. 0. und diinach bei anderen
ware Hertzog einen Tag nach Gundermann am 16. des Weinmonats (Okt.)
verhaftet worden. Nach G. Wustmann, Geschicbte der heimlichen
Calvinisten in Leipzig in Neujahrsblatter der Bibliothek und des Archivs
der Stadt Leipzig I, 1905, S. 49, wo leider liber Hertzog nichts zu finden
ist, ware Gundermann erst am 15. Dez. 1591 auf die PleiBenburg gebracht
worden.
2) Nach KQhler ware das erst im Nov. 1592 geschehen, was aber ein
Irrtum sein wird, da er schon im April 1592 als in Ortenbnrg anwesend
bezeugt wird. S. 11.
3) Albrecht-KOhler s. ob. S. 243 Anm.
4) Vgl. J. F. Huschberg, Geschichte des Gesamthauses Ortenbnrg,
Sulzbach 1828. KonradPreger, Pankraz von Freyberg auf Hohenaschau
(Schriften des Vereins fiir Reformationsgeschichte Nr. 40), Halle 1893.
Jul. Denk, Die EinfUbrung des Exercitium Augustanae Gonfessionis in
der Grafschaft Ortenburg und die daraus entstandene Irrung, Landshut
1894. S. Riezler, Geschichte Bayerns IV.Bd.(1899) S. 525flF. K. Hart-
mann, Der ProzeB gegen die protestantischen Landstande in Bayem
unter Herzog Albrecht V., Mtinchen 1904 (zu diesem Buche zu vgL meine
Auslassungen ob. S. 146 und S. 198).
Kolde, £in kryptocalvinist. Katechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598. 245
Sachsen etc." dorthin berufen worden. Nach dem, was soeben
liber seine Vergangenheit festgestellt worden ist, ist das ent-
weder eine wissentlich falsche Aussage, oder sie kann, obwohl
in dieser Form darauf berechnet, die Leser irre zu fiihren, da-
hin gedeutet werden, daC Graf Joachim ihn schon vor dem
Ausbruch der kryptocalvinistischen Wirren in Leipzig und Um-
gegend berufen nnd ihn ohne Kunde von seinem Eeligionsprozefi,
nachdem er frei geworden war, wirklich als Pfarrer angenommen
hat. Sind wir recht beriehtet, so ware er im April 1592 in
die Grafschaft gekommen^). Wie er selbst mitteilt, wnrde er
bei seiner Bestallung auf das Exerzitium Angsburgischer Kon-
fession verpflichtet, aber trotz seines Dresdener Widerrufes
blieb er nicht nur Kryptocalvinist, sondern suchte anch hier in
dem ganz latheiischen Landchen calvinistische Lehren einzu-
fiihren. DaB sie nicht ganz unbemerkt blieben, kSnnte man
vielleicht daraus schlieBen, daB er fiirchtet, die juuge Grafin
Johanna von Ortenburg, der er sein Schriftchen widmet, mochte
an fremden Orten, wohin sie zn reisen gedachte, ihrer christ-
lichen Religion halber zu Rede gesetzt werden. Und eben um
sie in den Stand zu setzen, zu bezeugen, „daB keine andere
als die wahre christliche Religion, wie dieselb in den Haupt-
stacken der christlichen Lehr begriffen in dieser loblichen Reichs-
grafschaft, ihrem Vaterlande, gelehrt werde," auch damit seine
Pfarrkinder „nicht wieder in vorigen Irrthum und Abgotterey
geraten", entschloB er sich, seinen Kinderkatechismus zu
schreiben. Und dieser Katechismus diirfte in mancher Beziehung
seinesgleichen suchen. Wir haben zwar manches krypto-
calvinistische Bekenntnis, wir wissen, wie man damals an vielen
Orten besonders durch Eifern gegen lutherische Gebrauche dem
Kirchentum unter der Hand ein anderes Geprage aufzudrucken
suchte, es ist auch bekannt, daB eine von den Parteigangern
Krells herriihrende Textausgabe des kleinen Katechismus Luthers
1) Mehrmann schreibt S. 110: Von ihm ist beriehtet, dafi er vom
27. April 1592, als wie lang er sich in Altortenburg aufhielte, bis er in
den Pfarrhof ziebe, 26 Kandel Wein vom Hofwirt zu beziehen habe."
Mehrmanns Schrift beruht tibrigens auger auf Huschbergs Buch (s. ob.)
lediglich auf den sehr unklaren Materialien zur Geschichte Ortcnburgs,
die F. Loschge, ein frUherer Pfarrer von Ortenburg, handschriftlich im
Germanischen Museum (Bibliothek) in Nurnberg niedergelegt hat.
246 Kolde, Ein kryptocalvinist. Eatecfaismus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
darch die beigefiigten Schriftstellen in den Verdacht kam, zu
calvinisieren, aber meines Wissens kennt man bisher keinen
exponierten Katecbismus, an dem das Verfahren der Krypto-
calvinisten, die doch nicht blofi in der Vorstellung lutherischer
Eiferer existierten, so dentlich beobachten kann, als an diesem
kleinen Ortenbnrger Katecbismus. Unter der Maske des Lnther-
tums nnd unter dem Vorgeben, seine christliche Unterweisung
nur aus der Ortenbnrger Kirchenordnung (die leider nicht auf-
zufinden war) zn wiederholen, gibt der Verfasser eine nicht
nngeschickte Zusammenstellung von Satzen aus Luthers und aus
dem Heidelberger Katecbismus, doch so, daB bei den zwischen
Lutheranern und Calvinisten streitigen Fragen die calvinische
Auffassung vorgetragen wird.
Das konnte unmoglich verborgen bleiben, denn die nicht
nur philippistische, sondern direkt calvinische Abendmahlslehre
war zu deutlich ausgesprochen. Auch hatte die Abneigung
gegen die Konkordienformel, die er friiher, wie gesagt, unter-
zeichnet hatte, den Verfasser verfiihrt, am SchluC noch eine
besondere Bekampfung der Dbiquitatslehre anzufugen. Es ist
deshalb kaum anzunehmen, daB sein Katecbismus langer als
ganz voriibergehend zur Einflihrung kam. Der gut lutherisch
gesinnte Ortenbnrger Graf, der mit den Nurnberger Theologen
engste Fiihlung hatte und eben damals in Niirnberg lebte, wird
wahrscheinlich das Biichlein bald unterdriickt und Adam Hertzog
entfernt haben. Wir haben ein von Niirnberg aus an seine
Rate gerichtetes Schreiben des Grafen mit der Mahnung, sie
sollten neben den Sonntagsgottesdiensten „auch in der Woche
eine oder mehr christliche Zusammenkiinfte anstellen und gleich-
falls ein Kapitel aiis der Bibel lassen lesen und das gemeine Gebet
verrichten, bis daB wir einen Pfarrer hinunterordnen,
wie wir denn allbereit mit der St ad t Nurnbergum einen
gelehrten frommen und gottesftirchtigenMann im Werke
sind". Das Schreiben ist datiert: Niirnberg den letzten Dezember
1596 ^). Aber dieses Datum kann nicht richtig sein, da Adam Hertzog,
als er seinen 1595 geschriebenen Katecbismus im Jahre 1598
druckeu lieB, noch im Amte war. Ich vermute, daB im Original
1) Abgedfuckt bei Mehrmann a. a. 0. S. 63if. £s ist dcrLoschge-
Materialiensammlung entnommeD, wo gleichfalls 1596 als Datum zu lesen ist*
Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechismas f. Ortenburg a. d. J. 1598. 247
entweder 1598 oder 1599 gestanden hat, und daS es sich in
dem Briefe um die Vakanz handelt, die nach dem Weggang
Oder der Vertreibung Hertzogs eintrat. Sein Nachfolger, dessen
Amtsantritt aber nicht bekannt ist, Andreas Anwandter, wirkte
in Ortenburg bis 1616. Hertzog wird sich nunmehr in seine
Vaterstadt zuriickgezogen haben. Dort ist er, darin hat die
Tradition Recht, im Juni 1613 gestorben; allerdings ist der
27. Juni nicht sein Todestag, sondern nach freundlicher Mit-
teilung des Herrn Stadtarchivars Dr. Wustmann in Leipzig
der Tag seines Begrabnisses.
Ich lasse nunmehr den Abdruck des Katechismus folgen,
der 68 bedruckte Seiten und 2 leere Blatter in 32® umfaBt,
mmifm^ in tcin'^iU
Otcftgton:
^6x tie ^inUt / mnb
• Adamum^crtiog/^farrmiju
Oxtitibntit
I" k^ nxn euc^ W Surest fccfj J?(Encii
: U^xm*
©ctmcfr(m2f4^«f98.
248 Kolde, Ein kiyptocalvinist. EatecblBmus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
Der^) Wolgebor-
nen GrSvin Freulein
J o h a D n a^), des elteren Gescblecbts
GrSvin zu Ortenbnrgk etc. mei-
nem gnSdigen Freu-
lein.
Gottes gnad und barmhertzigkeit, dnrch das erkantnufi Ohristi,
und was zum Leben riiid Gottseligkeit dienet zuvorn; Wolgeborne
Grevin, gnadigs Freulein, dafi ich diese Christliche unterweysung
aus der Ortenburgischen Kirchenordnung wiederholet, und auf diese
kurze form und HaudbUchlein endlich zum truck befordert, baben
uicht allein £. gn. und viel gutherziger personen mebr, an micb
zum oftern begeret: sonder hab micb dessen auch umb vieler ur-
sachen wegen zu tbun schuldig erkeunet.
Denn erstlicb ist Gottes wille, dafi alle Christen, nrsach und
bekanntuufi ibres Glaubens, denen, so es begeren, anzeigen sollen:
sonderlich aber will es aucb deuen Kircben von noten sejn, welchen
von wiederwertigen Leuten scbuld gegeben wird, als ob sie falsche
Lehr vnd irrthumb angenommen hetten.
Nachdem dann diese unsere Evangeliscbe Kirche der Eeichs-
Grafsphaft Ortenburgk bey etlicben aufs hochst bescbweret, und
durcb falsche Bericht ahngegeben worden, hat es woUen eine noturft
seyn, die summa der Hauptstiicke Christlicher Lehr aufs einfSltigst
zu wiederholen, und damit zu bezeugen, dafi unsere wahre Christliche
Religion, auf keinen anderen grund, als auf das einige seligmachende
Wort Gottes gebauet und keine neue oder Menschenlehr eingefuhret
sey. Wie dann auch mit diesem Handbiichlein bezeuget wird, worauf
die Predigten in dieser Evangelischen Kirchen flirnemblich gerichtet,
so bin ich von dem Hoch und Wohlgebornen Graven vnd Herrn,
Herrn Joachim en ^ der Eitern Graven, Graven zu Ortenburg etc. E.
gn. geliebten Herrn Vettern. meinem gnSnigen (!) Herren, noch bey
lebzeiten Churfursten Christiani zu Sachsen^ etc. hochloblichster
gedSchtnufi aus irer Churf. gn. Land zu Meissen^ als meinem Vatter-
land anhero ordentlich beruffen, und mir in meiner ahnnehmung diese
. austriickliche bestallung gegeben worden, dafi ich in ihrer gn. Graf-
Fchaft das exercitium Augspurgischer Confession aus reiner Gottlicher
Lehr, wie dieselb in den Schriften der Propheten und Aposteln ge-
griiudet, nach anleitung der drey Hauptsymbolen, etc. pflanzen, und
die heylige Sacrament nach des Herrn Christi ordnung bedienen
solle. Dber dieses hat sich auch befunden, dafi noch viel Lent im
1) Die Scbreibweise ist nach den Stieveschen Grundsatzen leise
modernisiert, indem die Doppelkonsonanten fortgebssen sind und statt
des vokalischen v und w immer u eingesetzt ist.
2) Tochter Ulrichs VL von Ortenburg geb. 11. Juli 1575, f 2. Okt.
1626. S. Huschberg, Gesch. d. herzogl. u. grafl. Gesamthauses Orten-
burg, Sulzbach 1828. Tab. IX.
Kolde, Ein kryptocalyinist. Eatechismiis f. Ortenburg a. d. J. 1598. 249
rechten verstand des Gatechismi wenig unterrichtet seyii; und durch
allerley irrigen gedancken ihnen eine besonder Keligion einbilden,
oder von andern eiubilden lassen. Denen kan nicht bessor gerathen
werdeD; dann daft ihneu der Catecbismus aufs einfeltigst erklart; und
griindlicb fiirgelegt werde. Wie wol nun von gelebrten Leuten
volkommenere uud ausfubrlichere unterweisnng fur ibre Kircben an tag
gegeben seynt, so ist docb dieser anserer Kircben gelegenbeit nocb
fiir gut abngeseben worden^ dafi die Kinderlebr auf diese form,
welcbe unsem Zub5rern mehr bekant ist, - auf difimabl abm nutz-
licbsten gescbeben moge, ebe sie zum grossen Catecbismo, und
reicberem oder weiterem verstand gefiibret wUrden. Endlicb, so
maun aucb bedenket, wie es mit diesem gescbwacbten Reicbsstand,
und bedrangten Kircben allbie bescbaffen: so ist von nStben, dafi wir
aucb der nacbkommenden in acbt nemen, darmit sie nit wieder in
vorigen irrtbumb und abgotterey geratben, auf dafi wir in en ein o£fentlicbes
Zeugnufi nacb uns lassen, daraus sie erkennen mogen, dafi diese
Lebr, so man in dieser uralten Reicbsgrafscbaft angenommen, und
darbey so viel zugesetzet, die recbte Cbristlicbe, Catboliscbe, Aposto-
liscbe, und allein seligmacbende Lebre sey, dariiber wir unbillicber-
weise verbasset vnd bescbweret werden, Auf dafi aucb sie, die nacb-
kommenden im selben grund der Cbristlicben Lebre^ der warbeit weiter
nacbzuforscben, und darbey zu verbarren gesterckt werden: Bin derwegen
guter zuversicbt, es werden fromme und friedliebende Herzen weniger
nicbt als E. gn. und andere Gottselige, und fiirneme personen, die micb zu
diesem summariscben Aufizug und HandbUcblein beweget, und ver-
mabnet baben, ibnen dasjenige, was zur erbauung und fortpflanzung
Gottlicber Warbeit den einfSltigen und unwissenden zum besten ge-
meinet, nit mififallen lassen, Weil dann Wolgeborne Grevin, E. gn.
sicb vielleicbt bald auf die vorstebende reifi begeben mScbten, bab
E. gn. icb dieses Handbucblein zum Cbristlicben valet mitgeben
wollen, ob vielleicbt dieselb an frembden orten ibrer Cbristlicben
Religion balben mocbten zur rede gesetzt werden, dafi sie biemit
bezeugen konne, dafi keine andre als die ware Cbristlicbe Religion
wie dieselb in den Hauptstucken Cbristlicber Lebr begrieffen in dieser
loblicben Reicbsgraffschaft, ibrem Vatterland gelebrt werde. Der
barmberzige Gott wolle umb Cbristi seines lieben Sobns willen
durcb seine genad und segen uns in erkantnufi' seiner G<5ttlicber
warbeit erbalten, wieder den Satban, und seiner Kircben feiude
scbutzen, und dem Graflicben Hause Orttenburgk nacb der lang-
wierigen triibsal wiederumb freud und woblfabrt verleiben. Amen.
Geben am tage Petri und Pauli, Anno 1595.
E. gn.
undertbeniger
Adamus Hertzog
Pfarrer.
250 Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechismus f. Ortenburg a. d. J, 3598.
Christliche Unterweysung fiir die Kinder und einfftltigen.
Welches Glaubens oder Religion bistu?
Antwort: Aus Gottes gnadeu bia ich eiD Christ, und bekenne
mich zu dem alien Catholischen Allgemeinen christlichen Glauben^
daranf ich in den Tod Christi getauft bin^).
Worauf ist dein Religion und Glauben begrtindetV
Antwort: AUein auf das unfelbare wort Gottes, durch den
Heiligen Geist, von den Propheten und Aposteln in der heiligen
Bibel beschrieben, und von Gott selbst mit Gottlichen wunderwerken
bestettigt.
Was ist dein und aller Christen einiger trost im
Leben und sterben?
Antwort: Dafi ich mit Leib und Seel, beide im Leben and
sterben, nicht mein sondem meines getreuen Heylands Jesu Christi
eigen bin, der mit seinem theuren Blut fiir alle meine sunden voU-
kommlich bezahlt, und mich aus allem gewalt des Teufels erloset
hat, und also bewahrt, dafi ohne den willen meines Vatters im
Himmcl kein Haar von meiuem Haupt kann fallen, ja auch mir alles
zu meiner seligkeit dienen mufi, darumb er mich auch durch seinen
Heiligen Geist des ewigen Leben s versichert, und ihme forthin zu-
leben von Herzen willig vnd bereyt macht^).
Wieviel seynd Hauptstuck der Christlichen Reli-
gion, welche einem Christen zu wissen von nothen
sein, dafi er in diesem Trost Christlich leben und
seliglich sterben moge?
Antwort: Sechs. Das erste, die zehen Gebotte Gottes. Das
andere, die Artikel des Christlichen Apostolischen Glaubens. Das
dritte, das Gebet. Das vierte, das Ampt der SchlUssel. Das fiinfte,
das Sacrament der Heiligen Tauff. Das sechst, das Sacrament des
Leibs vnd Bluts, oder Nachtmahls des Herren Christi.
Das Erste Hauptstuck^)
von den Heiligen Zehen Gebotten Gottes, wie dieselben im
2. Buch Mosi ahm 20. und im 5. Buch Mosi am 5. Capit. be-
schriebeu stehen, und darin die summa des Gesetzes Gottes be-
grieffen ist.
1) Hierzu vgl. den Anfang des Zweibriickener Katechismus von 1588
bei Reu I, S. 216.
2) Wortlich aus dem Heidelberger Katechismus vgl. Reu I^ 242.
3) Vgl. den Heidelberger Katechismus, an den sich Hertzog im ganzen
Abschnitt anschlieBt.
Kolde, £in kryptocalvinist. Katecbisniofi f. Ortenbnrg a. d. J. 1598. 251
Was erfordert das Gesetz Gottes von uns in einer
snmma?
Autwort: Difi lehret uns Christus Matt, am 22. Da solt
lieben Gott deinen Herren von ganzem Herzen, von ganzer Seelen,
yon ganzem Gemut, and alien kraften^ difi ist das fUrnembste und
groste Gebott : Das ander aber ist dem gleich, da suit deinen nabesten
lieben als dich selbest. In diesen zwejen Gebotten bauget das
gauze Gesetz and die Propheten.
Konnen wir dann die Zeben Gebott vollkommlich
balten?
Ant wort : Neiu. Denn das ticbten vnud tracbten des Menscben
Ilerzeus ist b5fi von seiner j agent an, and wir seynd von natur
geneigt Gott and unsere nabesten za bassen.
Wober kompt dann solcbe verderbte anart des
Menscben?
Antwort: Aas dem fall and angeborsam anserer ersten Eltern
Adam vnnd Even im Paradifi, da nnsere natur also verderbt ist,
da$ wir alle in sUndeu empfangeu and geboren werden.
Weil aber uiemaud die Zeben Gebott balteu kau,
warum lafit uns denn Gott dieselben so scbarff
predigen?
Antwort: Erstlicb darumb: auf dafi wir daraus unsere sUnd er-
kennen und so viel desto begiriger vergebung der sUuden und ge-
recbtigkeit in Ohristo suchen, darnach, dafi wir daraus lernen, was
Gott will vou uns gethan und gelassen baben, uud also durcb die
gnad des H. Geistes je lenger je mebr zu dem Ebenbild Gottes er-
neueret werden, bis wir das ziel der vollkommenbeit nacb diesem
Leben erreichen.
Konnen wir dann mit unseron guten Werken die
Seligkeit verdienen?
Antwort: Mit nichten: dann auch imsere besten Werk seind
noch in diesem Leben unvollkommen, und mit siinden befieckt, sender
allein Cbristus hat uns die seligkeit verdient.
So dann unsere gute Werk nichts verdiienen, warumb
verhoisset dann Gott, dafi er sie belohnen willV
Autwort: Solche belohnung geschicbt nit aus verdienst, sondorn
aus genaden.
Warumb sollen wir aber gute Werke tbunV
Antwort: Erstlicb darumb^ dafi wir mit uuserem ganzon Leben
uns gegen Gott unserm Scbopfer, Erlbser, und Seligmacber daukbar,
252 Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
und als die Kinder Gottes gehorsam erzeygen, dafi er durch uus
gepriesen werde: darnach dafi wir bey iins selbst nnseres Glaubens
au8 seinen friichten gewifi seynd und mit unserem Gottseligen wandel
unseren nShesten auch Christo gewinnen^).
Welches seynd dann gute Werke?
Antwort : Allein die aus wahrem Glauben nach dem Gesetz und
Gebotten Gottes ihm zu ehren, und dem nSbesten zu uutz gescbehen,
and nicbt die auf nnser gutdtincken^ oder Menscbensatzung ge-
griindet sein.
Wie werden die Zeben Gebot Gottes getheilt?*).
Antwort: In zwo Tafeln: deren die erste in vier Gebotten leret,
wie wir uns gegen Gott sollen halten : die ander in secbs gebotten,
was wir unserm nSbesten schuldig seyn.
Wie lautet das erste Gebot?
Antwort: Gott redet alle diese wort: Ich bin der Herr dein
Gott, der Ich dicb aus Egyptenlandt aus dem Diensthause gefiibret
habO; du solt keine andre Gotter ftir mir baben.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott uber alle ding fiircbten, lieben, und
vertranen, darneben alien falschen Gottesdienst, Abgotterey, Aber-
glauben, anruffung der Heiligen oder andre Creaturen flihen und
meiden. •
Welchs ist das ander Gebot?
Antwort: Du solt dir kein Bildnufi nocb irgend ein glecbnufi (?)
machen, weder defi, das oben im Himmel, nocb defi, das unten auf
Erden, oder defi, das im Wasser unter der Erden ist. Du solt sie
nicht anbetten, noch ihnen dienen, denn Ich bin der Herr dein Gott,
ein eyfferiger Gott, der die missethat der Vatter heimsucht an den
Kindern bis ins dritte und vierte glied deren, die mich hassen,
und thu barmhertzigkeit an viel tausenden, die mich lieben und
meiue gebott halten.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott fiircbten vud lieben, dafi wir ihn in
keiiien weg verbilden, noch auf irgeiit ein andre weise dann Er in
seinem wort befohlen liat, vorehren sollen : dann Gott will seine
Christen nit durch stumme Gotzen, sondern durch die lebendige Predigt
seines Worts unterwieseu baben.
1) Dies aus dem 3. Teil des Heldelb. Kat. Von der Dankbarkeit
genommen. Vgl. Reu S. 256.
2) Vgl. Heidelb. Kat. bei Reu I, 256, im tibrigen ist es interessant
zu beobachten, wie die lutherische Erklarung hineingearbeitet wird.
Eolde, Ein kryptocalvinist. Katechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598. 253
Welches ist das dritte Gebot?
Antwort: Du solt den Namen des Herrn deines Gottes nicht
mifibrauclieD, deim der Herr wird den nit ungestraflFet lassen, der
seineu Namen mifibrauchet.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott fiirchten und lieben, dafi wir bei
seinem Namen nicht fiuchen, falschlich schweren, zaiiberen, segnen,
liegen oder triegen, sondern denselben' in alien nothen ahnruffen,
beten, loben nnd danken.
Welches ist das vierte Gebot?
Antwort: Gedenk des Sabbathtages^ dafi du ihn heiligest.
Sechs tage soltu arbeiten, nnd alle deine werk beschicken, aber am
siebenden tage ist der Sabat des Herrn deines Gottes, da soltu kein
werk tun, noch dein Sohn, noch deine Tochter, noch dein Knecht,
noch deine Magd, noch dein Vieh, noch der frembdlinger, der in
deinen thoren ist. Denn in sechs tagen hat der Herr Himmel und
Erden gemacht, und das Meer, und alles was darinnen ist, und
ruhete am siebenden Tag, darumb segnete der Herr den Sabathtag,
und heiligte ihn.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott fiirchten und lieben, dafi wir die
Predigt, sein Wort, nit verachten, sondern dasselbig heilig halten,
gem hSren, lernen, und unser Leben darnach richten.
Welches ist das flinfte Gebot?
Antwort: Du solt deinen Vatter, und deine Mutter ehreu, auf
dafi du laug lebest im Laud, das dir der Herr dein Gott gibt.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott fiirchten und lieben, dafi wir unsere
Eltern vnd Herrn nicht verachten, noch erzurnen, sondern sie in
ehren halt«n, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und werth haben.
Welchs ist das sechste Gebot?
Antwort: Du sollst nicht todten.
Was ist das?
Antwort: Wir s5llen Gott fiirchten und lieben^ dafi wir unserem
nahesten an seinem Leib kein schaden noch leyd thun, vil weniger
in hassen, neyden, oder mit ihm zurnen, sender ihn lieben, helfen,
und fordern in alien Leibs nothen,
Welches ist das siebend Gebott?
Antwort: Du solt nit Ehebrecheu.
254 Kolde, Ein kryptocalvinist. Katecbismas f. Ortenburg a. d. J. 1598.
Was ist das?
Antwort-: Wir sollen Gott fUrchten und liebeu, dafi wir keuscb
und ziichtig leben in gedanken, worten uud werken, und ein jeg-
licher sein gemahl liebe und ehre, und alle unkeuscbe lust und
anreizung fliben und meiden.
Welcbes ist das acbte Gebot?
Antwort: Du solt nit stelen.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott flircbten und lieben, dafi wir unsers
nSbesten gelt oder gutt nit nemen nocb mit falscber wabr, wucber^
geiz, list odej bSsen Handel an uns bringen, sondern ibm sein gutt
und nabrung belffen bessern und behuten.
_ Welcbes ist das neunte Gebot?
Antwort: Du solt kein falscb zeugnufi reden wider deinen
nHbesten.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott furchten, und lieben, dafi wir unseren
nabesten nit fsLlscblicb beliegen, verratben, afterreden, Ifistern, ver-
dammen, oder bosen leumund macbeu, sondern sollen in entscbuldigen,
gutes von ibm reden und alles zum besten kebren.
Welcbes ist das zehnte Gebot?
Antwort : Lafi dicb nit gelUsten deines nabesten Haufi^ lafi dicb
nit geliisten deines nabesten Weibs, nocb seines Knecbts, nocb seiner
Magd, nocb seines Ocbsens, nocb seines Esels, nocb alles was dein
nSbester bat.
Was ist das?
Antwort: Wir sollen Gott fiircbten und lieben, dafi wir unserem
nabesten nit mit list oder begierde nach seinem weibe, Erbe oder
Hause steben nocb mit einem scbcin des recbten an uns bringen,
etc. Sondern ibm dasselbig zu bebalten fdrderlich und dienstlicb
seyn, und dafi auch die geriugste Lust oder gedanken wieder irgent
ein Gebott Gottes in unser Hertz nimmer mebr kommen sollen.
Was dreuet Gott den ungehorsamen und uber-
trettern seiner Gebott?
Antwort: Er dreuet seinen zorn und ungnad, den zeitlicben
Tod uud ewiges verdammnufi, wie er gesprocben bat: Verflucbt sey
jederman, der nit bleibt in allendem, das gescbrieben stebet im Bucb
des Gesetzes, dafi ers tue.
Kolde, Ein kryp local vinist. Katechismns f. Ortenburg a. d. J. 1598. 255
Das ander Hauptstiick
von deD Artikeln des Christlichen und Apostolischen
Glaubens, dariDnendie sum ma defi Euangelii begrieffen ist.
Welches ist der rechte alte uDgezweifelte Christ-
liche Glaube?
Autwort: Es ist das kurze bekendtnufi^ welches man das
Apostolische Symbolum oder Artikel des Glaubens nennt, und ist
ein kurze snmma des Evangelii; oder alles dessen^ was wir glaubeu
sollen, so unsere seligkeit botrifft.
Woraus kann aber ein einfSltiger Christ wissen,
welche Lehr und Religion recht oder unrecht sey.
Antwort: Aus der einigen Kegel, und richtschnur des Christ-
lichen Glaubens in Gottes Wort gegriindet: Was nun demselben in einem
oder mehr artikeln zuwieder ist. das ist unrecht, wer aber einfaltig
bey den artikeln des Glaubens bleibt, der kan nicht irren noch ver-
flihrt werden.
Viel Lent fuhren das wort, Glauben, im Muude,
ohn verstand, sage mir derwegen, was heist dan
Glauben, oder was ist der seligmachende Glaube?
Antwort: Der Glaube ist ein gewisse zuversicht des Herzens
auf die barmhertzigkeit Gottes, daft . er uns umb Christi willen
gnadig sey.
Woher kompt aber solcher Glaube?
Antwort: Er kompt nit her aus eygener vernunft noch kraft,
denn wir konnen nicht von uns selbst, ahn Christum glauben, oder
zu ihm kommen, sondern der Heil. Geist wirket ihn in uns durchs
Evangelium, und fiihret uns also zu Christo, dafi wir ihn fiir unsern
einigen Mittler, vud Seligmacher erkennen, und mit Gott in Christo
vereiniget, und Gottes Kinder werden.
Kann man dann auf keinen anderen weg zu Gott
kommeu, oder Christum ahnnehmen, und aller
seiner wolthaten theilhaftig werden, vergebung
der sundeu, gerechtigkeit undseligkeitempfahen,
denn nur allein durch den Glauben an die gnaden-
verheissung des Evangelii?
Aytwort: Nein : Dann wie nur ein einiger Grund und Weg zur
Seligkeit ist nemblich Christus, der mit einem opfer und genugthuung
hat in ewigkeit voUkommen gemacht, die da geheiliget werden : Also
ist auch nur eine lehr von der Seligkeit : Nemblich, das Evangelium,
das Wort des Heils von Christo, die Kraft Gottes zur Seligkeit,
desseu verheissungen und guter nit anders, dann allein durch den
Glaubeu, konnen ergrieffen werden.
256 Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechigmus f. Ortenburg a. d. J. 1698.
Wie werden die Artikel des Christlichen Glaabens
abgetheilt?
Antwort^): In drey theil: Der erste ist von Gott dem Vatter,
und unser erschSpfung. Der ander von Oott dem Sohn^ und unser
Erlbsung. Der dritte von Gott dem Heiligen Geist, und unser Heiligung.
Warumb nennestu dann drey Personen, den Vatter,
den Sohn, und heiligen Geist, und nennst doch
im Glauben nur einen Gott?
Antwort: Darumb^ dafl nur ein einiger Gott und drey under-
scfaiedlicbe Personen seyn, wie dessen ein berzlicbes Bilde bey der
Tauf Christi gezeygt wird. Al da der Vatter vom Himmel ruffet,
der Son im Jordan stehet; tmd d^r H. Geist in gestalt einer Taubeu
Uber dem Herm Christo scbwebet.
Wie lautet der erste Articul?
Antwort: Icb glaub in Gott Vatter den AllmSchtigen^ Scbopfer
Himmels und der Erden.
Wie verstehstu das?
Antwort: Icb glaub, dafi micb Gott geschaffen bat, samt alien
Creaturen, mir Leib und Seel, Augen, Obrn uud alle Glieder,
Vernunft und alle Sinne gegeben hat, und noch erhelt, darzu Kleider,
und Schuh, Essen und Trinken, Haufi uud HoflF, Weib und Kind,
Acker, Vieb, und alle Gutter, mit aller notthurft und nabrqng des
Leibs und Lebens reich und taglich versorget, wieder alle f^hrlich-
keit bescbirmet, und fur allem XJhel behlitet und bewabret,
und das alles aus lauter Vatterlicber gutte und barmhert^igkeit, obn
alle mein verdienst und wlirdigkeit. Defi alles icb ihm zu danken,
und zu loben, und dafiir zu dienen, und gehorsam zu seyn, scbuldig
bin, das ist gewifilich wahr.
Was trostestu dich des Articuls von der SchSpfung?
Antwort*): Dafi der AUmachtige Gott durch seine gegenwertige
kraft und Vatterlicbe fursorge, alles erhelt, und regirt, also daft
nicbts obn seinen Willen gescbehen kan, well er alles in seiner
Hand hat, und derwegen urab Christi willen mein getreuer Vatter sey,
dafi mich keine Creatur von seiner Liebe scheiden konne, sonder
mir alles zu meiner Seligkeit wenden wolle.
Wie laut der ander Articul?
Antwort: Und in Jesum Christum, seinen eingebornen Sohn,
unseren Herren, der empfangen ist vom H. Geist, geboren aus Maria
der Juugfrauen, gelitten unter Pontio Pilato, gekreutziget, gestorben
1) Dies und das Folgende wieder ganz naoh dem Heidelberger
Katechismus bei Eeu I, 245.
2) Vgl. Heidelb. Kat. Reu I, 246.
Kolde, Ein kryptocalvinist, Katechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598. 257
und begraben, niedergefabren zur Hellen, abm dritten tag wieder
auferstanden von den Todten, aufgefahren gen Himmel, sitzet zu
der Recbten Gottes des Allmacbtigen Vatters, von dannen er kommen
wird zu ricbten die Lebendigen und die Todten.
Wie verstebstu das?
Ant wort: Icb glaub, dafi Jesus Cbristus, wabrbaftiger Gott vom
Vatter in ewigkeit geboren, und aucb wabrbaftiger Menscb von
der JuDgfrauen Maria geboren, sey mein Herr, der micb verlornen
und verdampten Menscben erloset bat, erworben, gewonnen, \ind
von alien sunden, vom Tod, und von der Gewalt des Teufels,
nicbt mit Gold oder Silber, sondern mit seinem beiligen tbeuren Blut und
mit seinem uuscbtildigen Leyden und sterben, auf dafi icb sein eigen sey,
und in fieinem Reicbe uuter ibm lebe, und ibm diene, in ewiger ge-
recbtigkeit, unscbuld und seligkeit, gleicb wie er ist auferstanden
vom Tod, lebet und regieret in ewigkeit, das ist gewifilicb wabr.
Was trostestu dicb des Articuls von der Erl5sung?
Antwort: Dafi Jesus Cbristus wabrer Gott und Mens^cb in
eiuer unzertrennlicben Person mein Seligmacber und Erloser sey,
welcber micb mit dem einigen Opfer seines Leibes vollkommlicb er-
loset bat, und dafi icb durcb den Glauben an ibn ein Glied seines
Leibs, und aller seiner Wobltbat tbeilbaftig bin, also dafi icb von
ibm nimmermebr kann nocb sol gescbeiden seyn.
Hette dann nicbt eine Creatur fiir uns bezablen k6n-
nen, damit der Sobn Gottes nit bat sterben diirfen?
Antwort: Nein: dann es war keine Creatur, weder im Himmel
nocb auf Erden, die solches bette verricbten konnen, sondern es
mufite der Mittler und Erloser, so zwiscben Gott und Menscben
tretten solte zugleicb ein wabrer Gott, und gerecbter Menscb seyn.
Warumb mufite er ein wabrer und gerecbter Menscb
seynr
Antwort: Darumb dafi er konnte leyden und sterben, dann
wenn er nur allein Gott gewesen were, bett er nie kbnnen leyden,
sterben und begraben werden.
Warumb mufite er zugleicb wabrer Gott seyn?
Antwort: Dafi er aus kraft seiner Gottbeit den last des Zorns
Gottes an seiner Menscbbeit tragen, den Tod uberwinden, aufersteben,
uns in Himmel fUbren und die seligkeit geben mocbte, welcbes sonst
kein blosse Creatur bette tbun konnen.
Wie lautet der dritte Articul?
Antwort: Icb glaub in den H. Geist, ein beylige, AUgemeine
Cbristlicbe Kircben, die Gemeynscbaft der Heyligen, Vergebung der
siinden, Auferstebung des Fleiscbes, und ein ewiges Leben. Amen.
Beitrage zur bayer. Kirchengoschichte XI. 1. X7
258 Kolde, Ein kryptocalvinist. Eateehismus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
Wie verstehstn das?
Antwort: Ich glaub dafi ich nit aus eigener verunft noch kraft
^hn Jesum Christa meinem Herrn glanben, oder zn iin kommen kan,
sondem der heilige Geist hat mich durchs Evangelinm beruffen^ mit
seinen gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiliget and erhalten,
gleicb wie er die ganze Christenheit auf Erden berufft, samlet, er-
leuchtet heiliget und bei Jesn Christo erhelt im recbten einigen
Glauben, in welcher Christenheit^ er mir und alien glaubigen, taglich
alle sUnden reichlicli vergibt und am Jiingsten tage^ mich und alle
Todten auferwecken wird und mir sampt alien Glaubigen in Christo
ein ewiges Leben geben wird, das ist gewifilich war.
Was trostestu dich des Articuls von der Hey-
ligung.
Antwort : Dafi der Heilige . Geist, welcher gleich ewiger Gott
mit dem Vatter, und dem Sohn ist, mir yon Christo, als meinem
Haupt, geschenkt sey, dafi ich im durch waren Glauben eingeleibet,
und also Christum durch seinen Geist in meinem Herzeu wohnend,
und mit Gott selbsten gemeinschaft babe, welcher als der rechte
TrSster und Pfaud meiner seligkeit ewiglich bey mir bleiben wird.
Was verstehestu durch die Gemeinschaft der
Heiligen?
Antwort: Dafi ich und alle Glaubigen, als Glieder an dem
Leib des Herren Christ!, miterben und mitgenossen seyn, aller gutter
und wohlthaten Christi.
Haben dann alle Menschen solche Gemeinschaft?
Antwort: Nein: dann die Gottlosen und Unglaubigen, weil sie
den Geist Christi nit haben, konuen sie keinen theil oder gemeyn-
schaft an Christo haben^ noch Glidtmassen seines Leibes seyn.
Das dritte Hauptstuck vom Gebet.
Was heyfit beten?
Antwort: Es heisset sein Herz in wahrem Glauben zu Gott
im Himmel erheben und im namen Christi alles, was uns an Leib
und Seel vonnoten, allein bey Gott suchen und ihm fur seine wol-
that danken.
Wie lautet das Gebet, welches uns der Herr
Christus selbst gelehrt hat?
Antwort: Uuser Vater, der du hist im Himmel.
Was ist das?
Antwort: Gott will uns darmit locken, dafi wir glauben sollen,
Er sey unser rechter Vatter, und wir seine rechte Kinder, auf dafi
Kolde, £in kryptocalyioist. Katecbismus f. Ortenborg a. d. J. 1598. 259
wir getrost und mit aller zuversicht ibn bitten soUen, wie die lieben
Kinder ihren lieben Vatter.
Wie lantet die erste Bitt?
Antwort: Gebeiliget werde dein Name.
i
Wie verstehstn das? !
Antwort: Gottes Name ist zwar an ihm selbst heilig, aber wir
bitten in diesem Gebet, dafi er bey uns auch heylig werde.
Wie geschieht das?
Antwort: Wo das Wort Gottes lauter und rein gelehrt wird,
und wir aucb heilig als die Kinder Gottes darnacL leben, das helf
uns lieber Vatter im Himmel. Wer aber anders lehret, und lebet, i
dann das Wort Gottes lehrt, der entbeiligt uuter uns den Namen '
Gottes, da behUt uns fUr Himmlischer Vatter. I
' I
Wie lautet die auder Bitt? |
Antwort: Dein Reicb komme. j
Wie verstehstu das?
Antwort: Gottes Reich koippt wohl ohn unser gebet^ von ihm
selbs, aber wir bitten in diesem gebet^ dafi es auch zu uns komme.
Wie geschieht das?
Antwort: Weun der Himmlische Vatter uns seinen H. Geist gibt,
dafi wir seinem heyligen Wort, durch seine gnad glauben, und
Gottlich leben, hie zeitlich und dort ewiglich.
Wie laut die dritte Bitt?
Antwort: Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
Wie verstehestu das?
Antwort: Gottes guter gnSdiger Will geschieht wohl ohn unser
gebet, aber wir bitten in diesem gebet, dafi er auch bey uns geschehe.
Wie geschieht das?
Antwort: Wenn Gott alien bosen raht und willen bricht, und
hindert; so uns den namen Gottes nit heyligen, und sein Keich
nicht kommen lassen w^Uen, als da ist des Teufels, der welt, und
unsers Fleisches willen, sondern starket und behelt uns fest in
seinem Wort und Glauben, bis an unser ende, das ist sein guadiger
guter wille.
Wie lautet die vierte Bitt?
Antwort: Unser taglich Brot gib nns heut.
Wie verstehestu das?
Antwort: Gott gibt das taglich Brot auch wol ohn unser ge-
bet alien b5sen Menschen, Aber wir bitten in diesem gebet, dafi er
17*
260 Kolde, Bin kryptocalvinist. Katechismus f. Ortcnbarg a. d. J. 1598.
*
nns erkeunen lasse^ und mit dancksagung empfahen unser tSglich
Brot.
Was heifit dann taglich Brot?
Antwort: AUes was zur Leibes nahrung und uotthurft gehort,
als EsseU; Trinken, Kleider, Schuh, Haiifl, Hoff, Acker, Vieb, Gelt,
Gutt froram Gemahl, fromme Kinder, fromm Gesiud, from me und treue
Oberherren, gutt Regiment, gutt Wetter, Fried, gesundheit, zucbt,
ehre, gute freund, getreue Nachbarn und defigleicben.
Wie laut die funfte Bitt?
Antwort: Und vergib uns unser scbuld, als aucb wir vergeben
unsern schuldigern.
Wie verstehestu das?
Antwort: Wir bitten in diesem gebet, daft der Vatter im Uimmel
nit ansehen wolle unsere sUnde, und umb der selbigen willen, solche
bitt nit versagen, denn wir seyud der keines werth, das wir bitten,
habens auch nicht verdienet, sondern er wolts uns alles aus gnadeu
geben, dann wir ttCglich viel stindigen und wol eitel straff verdienen, so
wollen wir zwar wiederumb auch herzlich vergeben und gern woltliun
denen, die sich an uns versiindigen.
Wie laut die sechste Bitt?
Antwort: Und fUhre uns nicht in versuchung.
Wie verstehestu das?
Antwort: Gott versucht zwar niemand, aber wir bitten in diesem
gebet, dafi uns Gott woU behuten, und erhalten, auf dafi uns der
Teufel, die Welt, und unser Fleisch nit betriege, und verfuhre in ^
mifiglauben, verzweiflung, und and ere grosse schand uud laster, und
ob wir darmit angefochten wurden, dafi wir doch endlich gewinnen
und den sieg behalten.
Wie laut die siebende Bitt?
Antwort: Sondern erl3se uns vom bosen.
Wie verstehestu das?
Antwort: Wir bitten in diesem gebet, als in der summa, dafi
uns der Vatter im Himmel vom bosen feiud dem Teufel, und von
allerley iibel Leibs und Seele, guts und ehre erlbsen: und zuletzt
wen unser stiindlein kompt, ein seligs end bescheren und mit gnaden
von diesem Jammerthal zu sich in den Himmel nemen wolle.
Wie laut der beschlufi des Gebets?
Antwort: Dann dein ist das Reich, und die Kraft und die
Herri ichkeit in ewigkeit, Amen.
Kolde, Ein kryptocalvinist. Eatechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598. 261
Was ist das gesagt?
Autwort: Seiches alles bitten wir darumb von dir, dafi du als
unser K5nig, und aller ding mechtig, uus alles gutes geben wilst
und kaust, und dafi dadurch niebt wir, sondern dein heiliger Name
ewig soil gepreiset werden.
Was bedeutet das Wortlein, Amen?
Antwort: Dafi ich soil gewifi seyn, solch bitte seynd dem Vatter
im Himmel angenem und erhort, dann er selbst hat uns gebotten^
also zu beten und verheissen, dafi er uns wolle erhoren^ Amen Amen,
das heifit Ja, Ja^ es soil also gescheheu.
Das vierte Hauptstiick vom Ampt der Schlussel.
Was ist das Ampt der Schlussel?
Antwort: Es ist die Predigt, oder verkiindigung des heyligen
Evangelii, von vergebung der sunden, dadurch das Himmelreich alien
Glaubigen und bufifertigen siindern, allein umb des verdiensts Christi
willeu; aus gnadeu aufgeschlossen, und alien unglaubigen und un-
bufifertigen zugeschlossen wird.
Wo sjtehet das geschrieben?
Antwort: Joan, am 20. v. 22. Jesus bliese seine Jlinger ahn,
und sprach zu ihnen: Nemet hin den H. Geist, welchen ihr die
sunde erlasset, den en seynd sie erlassen, und welchen ihr sie be-
haltet^ den en seynd sie behalten. Item Matth. am 16. v. 9. und am
18. V. 18. Ich will dir des Himmelreichs Schlussel geben, alles
was du auf Erden binden wirst, soil auch im Himmel gebunden seyn,
und alles was du auf Erden Ibsen wirst, soil auch im Himmel
lofi seyn.
Wie kan dann ein Mensch die sUude vergeben, weil
solches allein Gottes werk ist?
Antwort: Solchs kann kein Mensch thun aus eygener kraft oder
wirkung, sonder der diener Christi verkiindiget solche verheissung
des Evaugclii an Christi stadt, welche alien denen, so der verheissung
Gottes glauben eine vergebung der siinde, und Gottes absolution ist,
welche aber nit glauben, deuen ists keine absolution, oder vergebung,
sondern der zorn und uugnad Gottes bleibet uber ihnen, und seyn
schon gerichtet, denn sie glauben nit ahn den namen des eingeborneu
Sohn Gottes.
Das Fiinfte Hauptstuck vom Sacrament der Heiligen Taufe.
Was seynd die Sacrament?
Antwort : Es seynd sichtbare warzeichen und siegel von Gott
darzu eingesetzt, dafi er uns durch den branch derselbigen die ver-
heissung des Evangelious desto besser zu verstehen gebe und ver-
262 Kolde, Ein kryptocalyinist. Katechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
siegle: Nemblich^ dafi er uns von wegen des einigen Opfers Christi
am Oreaz vollbraclit, vergebung der sUnden, und ein ewiges Leben
auB gnaden schenke.
Was gehSrt zu rechtem branch des Sacraments.
Antwort: Der wahre Glaub, welcher in herzlicher Zuversicht,
die verheissung von der ganzen ErlQsung nnd Opfer dnrch Christum
geschehen ergreift^ nnd ihm dieselben im rechten branch zuejgnet.
Wozn dienen die Sacrament?
Antwort: Znr sterkung unseres Glaubens^ zur versicherung der
gnadenverheissung Gottes nnd dafi die Christen sich dadurch yon
anderen unglaubigen absondern.
Wie viel Sacrament hat Christus im Neuen Testa-
ment eingesetzet?
Antwort: Zwey: den H. Tauf nnd das H. Nachtmahl.
Was ist die Tauf?
Antwort: Die Tauf ist nit schlecht Wasser, sondern sie ist ein
Wasser, in Gottes Gebot gefasset und mit Gottes verheissung ver-
bunden, Nemblich^ dafi das Blut Jesn Christi des Sohns Gottes uns
reiniget von alien unsern siinden, und dafi er uns durch den H. Geist
erneuern woUe zum ewigen Leben.
Was heifit dann wiederumb geboren werden?
Antwort: Wiederumb geboren werden, heifit nicht wiederumb in
Mutterleib kommen, und also leiblich noch einmahl geboren werden^
wie Nicodemus mejnete, sondern es heifit durch das Blut Christi in
Kraft des H. Geistes von unserer stindlichen geburt erlediget, neu-
geboren, und zu Kiudern Gottes angenommen und geheiliget werden.
Welches ist dann solch Wort und Gebott Gottes
von der einsatzung der H. Tauf?
Antwort : * Da unser Herr Christus spricht Matth. am letzten :
Mir ist gegeben alle gewalt im Himmel und anf Erd|^n, drumb
gehet hin in alle Welt, lehret alle VSlker, un taufet sie im Nahmen
des Vaters^ und des Sohns, und des H. Geistes, und lehret sie balten
was Ich euch befohlen hab.
Was gibt oder wirkt Gott durch die Tauf?
Antwort: Der H. Geist wirket dadurch in uns die versicherung,
dafi wir also gewifi durch das Blut Christi innerlich von alien unsern
siinden abgewaschen^ und zu Kindern Gottes wiedergeboren, gleich
wie wir mit dem Wassertauf eusserlich bespreuget werden, und dafi
wir in Christo haben vergebung der sUnden, Erlosung vom Tod und
Teufel, und dafi Gott die ewige seligkeit geben wcJlle alien, die
solches glauben, wie die wort und verheissung Gottes lauten.
Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechismus f. Ortenbarg a. d. J. 1598. 263
Welches seyud dann solche wort und verheissung
Gottes?
Antwort: Da nnser Herr Christus spricht Marci am letzten, Wer
da glaubt und getauft wird, der wird selig, wer aber nit glaubt, der
wird verdampt.
Wie kann wasser solche grosse ding thun?
Antwort: Wasser thuts freylich nit, sondem der H. Geist durch die
verheissung des Worts Gottes, so mit und bey dem Wasser ist, und
der Glaube, so solchem Wort Gottes trauet, dann ohne das Wort
der verheissung ist das Wasser schlecht wasser und keine TaufO;
aber mit der verheissung Gottes ists eine Tanf des Lebens, und ein
Bad der Wiedergeburt im H. Geist, wie S. Paulus sagt zu Tito am
3. Cap.: Nach seiner barmhertzigkeit hat er uns selig gemacht, durch
das Bad der Wiedergeburt und erneuernng des H. Geists, welchen
er ausgegossen hat uber uns reichlich durch Jesum Christum unsern
Heyland, auf dafi wir durch desselbigeu gnad gerecht, und Erben
seyu des ewigen Lebens^ nach der Hoffnung^ das ist gewifilich wahr.
Was bedeutet dann solche Wassertauf?
Antwort: Es bedeutet dafi der alte Adam in uns durch tSgliche
reu und bufi, durch Kraft des H. Geistes im Blut und Tod Christi
soil ersenffet werden^ und sterben mit alien siinden und bosen lusteu^
und wiederumb taglich herauskommen, und auferstehen ein neuer
Mensch durch die kraft der Auferstehung Christi, der in gerechtig-
keit und reynigkeit fUr Gott ewiglich lebe.
Wo stehet das geschrieben?
Antwort: St. Paulus zun Romem am 6. spricht: Wir seynd
sampt Christo durch die Tauf begraben in den Tod, dafi, gleich
wie Christus ist von den Todten auferweckt durch die Herrligkeit
des Vatters, also soil en auch wir in ein em neuen Leben wandlen.
Das Sechste Hauptstiick vom Sacrament des wahren Leibs und
Bluts, Oder I^achtmahls des Herren Christi.
Was ist des Herren Abendmahl?
Antwort: Es ist ein Sacrament oder Gottlieb pfand des wahren
Leibs und Bluts unsers Herren Jesu Christi, mit Brot und Wein
uns Christen in wahrem Glauben zn essen und zu trinken von Christo
selbst zu seinem gedSchtnus eingesetzt.
Oder,
Es ist nicht schlecht Brot und Wein sondem solch Brot und
Wein, welches in Gottes Gebott gefasset, und mit Gottes verheissung
verbundeu, dafi wir an seinem Fleisch eine speifi und trank fur
unsere Seelen haben, und durch seinen Geist mit ihme vereiniget
werden soUen.
264 Eolde, Ein kryptocalvinist. Eatechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
Welches ist dan solch Wort und Verheissung Gottes?
Antwort: Da unser. Hen* Christus spricht: Das ist meiu Leib,
der fur Euch gegeben wird: Dieser Kelcb ist das Neue Testament
in meinem Blut, das fur Eiich und fiir viel vergossen wird zur ver-
gebung der sunden, darinneu die summa aller Evangeliscben ver-
beissnngen gefasset ist. Nemblicb dafi Christus sich nns selbst
schenkt, dafi er als das Haupt in uns^ und wir als seine Glieder
in im, ein Fleisch und Bein von seinem Fleisch und also allein in
seinem Bint und Tod Vergebung der stinden, Gemeinschaft mit
Gott, und das ewige Leben haben sollen.
Wo stehet das geschrieben?
Antwort: So schreiben die heiligen Evangelisten Matth. am 26.,
Marc, am 14., Luc. am 22. und der Apostel Paulus in der I. an
die Cor. am 11. Capitel: Unser Herr Jesus Christus in der nacht,
da er verratou ward, nam er das Brot, danket und brachs, und
gabs seinen Jiiugern und sprach: Nemet bin und esset, das ist mein
Leib, der fiir Euch gegeben wirt^ solches tliut zu meinem gedScht-
nufi. Desselbigen gleichen nam er auch den Kelch, uach dem Abent-
mahl, dankt und gab ihn den, und sprach: Nemet bin, und trinkt
alle daraus, dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut,
das ftir Euch und fUr viel vergossen wird, zur vergebung der sUnden,
solches thut, so oft ihr es trinket, zu meinem gedachtnufi: dann so
oft ihr von diesem Brot esset, und von diesem Kelch trinket, solt
ihr den Tod des Herrn verkiindigen, bis dafi er kompt.
Was nutzt dann solch Essen und Trincken?
Antwort: Das bezeugen uns diese Wort der verheissung, das ist
mein Leib der fUr Euch gegeben wird, das ist mein Blut, das fiir
Euch vergossen wird zur vergebung der sunden. Nemblieh dafi uns
durch rechten Branch des Sacraments nicht allein vergebung der
siiuden, leben und seligkeit in solcher verheissung gegeben, sondern
auch Christus selbst als unser Haupt mit uns vereiniget wird. Dann
in ihm ist die vergebung der siinden, und leo vergebung der sunden
ist, da ist auch leben und. seligkeit.
Wie kann leiblich Essen und Trinken solche
grosse Dinge thun?
Antwort: Essen und Trinken des Brot und Weins thuts frey-
lich nicht, sondern der heilige Geist durch den Glauben an die Ver-
heissung der wort, so da stehen, fiir mich gegeben und vergossen
zur vergebung der sunden, Welche wort seynd ueben dem Leiblichen
Essen und Trinken des Brots und Weins des Herren, als das Haupt-
stiick im Sacrament, und wer denselbigen wort glaubt, der hat was
sie sagen, und wie sie lauten, nemblieh vereinigung mit dem Leib
und Blut Christi, vergebung der sunden, leben und seligkeit.
Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechismiis f. Ortenburg a. d. J. 1598. 265
Wer empfehet dan solch Sacrament wurdiglich?
Antwort: Fasten und leiblich sich zubereiten ist wohl eine
feine eusserliche zucht, aber der ist rechtwUrdig, und wolgeschickt,
wer den glauben hat an diese wort der verheissung, Fur Euch ge-
geben und vergossen zur vergebung der sunden. Wer aber dieser
verheissung nicht glaubt oder zweifelt, der ist unwurdig und unge-
schickt, denn das wort (fiir euch) fordert eitel glaubige und bufi-
fertige herzen, und sterkt unsern glauben.
Was ist flir ein unterscheid zwischen dem Abend-
mahl des Herren und der Mefi?
Antwort: Das Abentmahl bezeuget, dafi wir vollkommene ver-
gebung aller unser sunden haben, durch das einige Opfer Jesu Christi,
so Er selbst einmal am Creuz volbracht hat, und daft wir durch
den heiligen Geist in wahrem Glauben, Christo werden eingeleibt,
der mit seinem Leib im Himmel zur rechten des Vatters ist, und
daselbst will angebetet werden: Die Mefi aber leret, daft die Leben-
digen und die Toten nicht durch durch das leyden Christi vergebuog
der sunden haben, Es sey daun, dafi Christus noch taglich fiir sie
in der Mefi geopfert werde, und dafi Christus leiblich unter der ge-
stalt Brots und Weins sey, und derhalben darinnen soil ange-
betet werden.
Wird daun aus Brot und Wein der wesentliche
Leib und Blut Christi?
Antwort: Nein: Sondern wie das wasser im Tanf nicht in das
Blut Christi verwandelt, oder die abwaschung der sunden selbst wird,
Also wird auch das Brot im Abentmahl nit der Leib Christi selbs
oder darein verwandelt.
Warumb nennet daun Christus das Brot seinen
Leib, und den Kelch sein Blut, oder das Neue
Testament in seinem Blut, und St.Paulus die gemein-
s^haft des Leibs und Bluts Christi?
Antwort: Er will uns nicht allein damit lehren, dafi, gleich wie
das Brot und Wein das zeitliche Leben erhalten, also sey auch
sein gecreuzigter Leib und vergossen Blut, die wahre speifi und
trank unserer Seeleu zura ewigen Leben, sondern , vielmehr dafi er
uns dadurch wil versichern, dafi wir so wahrhaftig seines wahren
Leibs uiid Bluts, durch die wirkung des H. Geists, in wahrem
Glauben teilhaftig werden, als wir dieses heilige Sacrament mit dem
Munde seiner gedachtnufi- empfaheu, und dafi alle sein leyden und
verdienst so gewifi unser eygen sey, als hetten wir selbst in unser
eigenen Person alles gelitten und genug gethan.
266 Kolde, Ein kryptocalvinist. Eatechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598.
Was heisset den gecrenzigten Leib Christ! essen?
und sein vergossen Blut trinken?
Autwort: Es heifit iiicht einen unsichtbaren Leib und unsicht-
bares Blut im Brot und Wein verborgen, unempfindlicher weise in
Mund nemen^ und hinein schlucken : dann Ckristi Leib und Blut
gehen nicht zum Mund ein, wie auch in der Tauf keine leibliche
wiedergeburt geschicht, wie Nicodemus aus blinder vernunft meynete,
sondem es lieifit den gecrenzigten Leib Christi, und sein vergossenes
Blut mit dem Mund des Herzens ergreifen, das ist mit wahrem
Glauben ins Herz fassen, dafi wir an Christo das Leben und die
rechte speifi und erquickung unserer Seelen baben sollen.
Wo stehet das geschrieben, dafi den Leib Christi
essen, und sein Blut trinken^ so viel heisse, als
ahn Christum glauben?
Antwort: In den worten Christi, Solches thut zu meinem gedachtnufi,
welche gedachtnufi so nichts anders ist dann eine erfrischung, und ver-
neuerung des Todes Christi, welchen der glaubige Mensch in kraft des
H. Geistes ihm in sein Herz drucket, und zu eigen macht, also dafi er
nicht alleine wahre gemeinschafft mit Christo soiidern Christum selbst,
durch den glauben, in seinem Herzen wohnend hat, und lebendig
empiindet, wie Christus solch essen und trinken seines Leibs und
Bluts Jo. am 6. Cap. erklaret.
Wo ist aber jetzo Christus mit seinem Leibe oder
seiner Menschlichen Natur?
Antwort: Solches zeygen uns die Articul des Christlichen
Glaubens, Aufgefahren gen Himmel^ von dannen Er auch kommen
wird zu richten die Lebendigen und die Toten. Item die Engel
am Himmelfarttage sagen zu den Jungern : Ihr Menner von Galilea
was stehet ihr da, und sehet hinauf, gen himmel, dieser Jesus, wel-
cher von euch hinauf genommen ist gen Himmel, wird kommen,- wie
ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. Und in der Einsatzung
des heiligen Nachtmahls, da Christus befohlen, dafi wir dasselbige
halten sollen zu seinem gedachtnufi, setzet der Apostel Paulus darzu
und spricht: So oft ihr von diesem Brot esset, und von diesem
Kelch trinket, sollt ir den Tod des Herren verkundigen, bis dafi
er kommet.
Ist dann Christus ganz und garnicht mehr bey uns
auf Erden?
Antwort: Das wer uns ein kleiner Trost, wan Christus also
von uns gewichen wer, dafi er ganz und gar nie mehr bey uns wer:
dann er ist und bleibet bey uns bis ans Ende der Welt, aber sol-
ches nicht nach seiner McDschlichen Natur, sondern nach seiner
Gottheit, Maiestet, Geist, imd gnad.
Kolde, Ein kryptocalvinist. Katechismus f. Ortenburg a. d. J. 1598. 267
Werden aber die zwo naturn in Christo nicbt ge-
trennet, so der Leib Christ im Himmel bleibet,
und seine Gottliche Natur allenthalben ist?
Antwort: Mit nichten, dan die Menschliche Natur, weil sie
endlich und begreiflich ist, hat sie ihr gewifi ort und raum, und
bedarf nicht, daft sie allenthalben sey, wo die Gottheit ist. Aber
die Gottheit, weil sie unendlich und unbegreiflich ist, und also
Himmel und Erden erfullet, so ist sie von der Menschlichen natur,
welche droben im Himmel ist, keinswegs getrennet, sender ist und
bleibet in und mit derselben persQnlich vereiniget. Dann so Wenig
die Gottheit von dem Leib abgesondert war, als der Leib in der
Erden begraben lag, und Christus dennoch nach seiner Gottheit im
Paradifi war, wie er zum SchScher saget: Also wenig wird die
Menschheit von der Gottheit getrennet, ob der Leib gleich jetzo im
Himmel, die Gottheit aber allenthalben ist, sonst mUste folgen, dafi
die Menschheit der Gottheit gleich worden wer, dardurch dann Chri-
stus nicht mehr wahrer Gott_ und
Mensch seyn, und alle articul
des Glaubens zersto-
ret wurdeu.
(Das Folgende fiir sich auf der letzten Druckseite.)
Augustinus.
Es mbchten und konten wohl ihr viel zur erkanntnufi der Warheit
kommen, wo sie nicht in dem wahn stiinden, dafi sie fiir lengst
albereit darzu kommen weren.
S SR D ffi.
Nachtrag.
Nachtraglich ist mir zweifelhaft geworden, ob die wenigen
Daten, die uns liber den Aufenthalt des Adam Hertzog in Orten-
burg erhalten sind, nicht vielleicht anders gedeutet werden
konnen, als dies oben S. 246 geschehen ist. Da es jedenfalls
auffallend ist, daC die Vorrede des Katechismus schon am Tage
Petri und Pauli 1595 datiert ist, der Katechismus selbst aber
auf dem Titelblatt als Druckjahr 1598 verzeichnet, ware es
nicht ganz ausgeschlossen, dafi, obwohl inhaltlich nichts dafiir
spricht, mein Exemplar nicht die Urausgabe sondern ein spa-
terer Druck ware. In diesem Falle konnte dann das von mir
268 SchornbauiD, Das Testament de8 Kanzlers Georg Vogler.
beanstandete Datum in dem Briefe des Grafen von Ortenburg
„Nurnberg, den letzten Dezember 1595" richtig sein, und ware
weiter zu folgern, daC Adam Hertzog seinen Katechismus schon
1595 herausgegeben hat und bald darauf entlassen worden ist,
u^d im Jahre 1598 zu uns unbekannten Zwecken ein Neudruck,
der vorliegende, veranstaltet wurde, bei dem, obwohl Hertzog
langst nicht mehr Pfarrer von Ortenburg war, die Autorbezeich-
nung der ersten Ausgabe „durch Adamum Hertzog l^farrer zu
Ortenburgk" einfach stehen blieb. Doch ist das alles unsicher,
aber vielleicht ist es noch raoglich, durch weitere biblio-
graphische und archivalische Forschungen der Sache auf den
Grund zu kommen.
Das Testament des Kanzlers Georg Vogler.
Von Dr. K. Schombanin.
Die Bibliothek des kgl. Progymnasiums zu Rothenburg o. T.
verwahrt, wie schon J. D. W. von Winterbach in seiner Geschichte
der Stadt Rothenburg an der Tauber (Rothenburg 1826. I. S. 223 f.)
bemerkt hatte, eine stattliche Anzahl von wertvoUen Bucherbestanden.
Nicht zum mindesten erweckt das Interesse eine Serie von 59 in
Leder gleichformig gebundenen Quartbanden, welche ca. 500 Schriften
aus der Re formation szeit enthalten^). Eine genaue bibliographische
Beschreibung wurde unsere Kenntnis dieser Literatur gewifi nicht
unbetrachtlich erweitern. Fur die frankische Kirchen geschichte hat
aber diese Sammlung vor allem dadurch Bedeutung, weil sie auf
niemand anders als auf den markgraf lichen Kanzler G. Vogler, den
eifrigen Forderer der Reformation in Brandenburg^), zurlickgeht.
1) Zuerst hat wieder Dr. Eolde darauf aafmerksam gemacht s. B e i -
trage III S. 174, A. 2.
2) S. die kleinen Aniialen Kilian Leibs, eines Zeitgenossen :
1526. Georgius Vogler, Casimiri marchionis iHustris scribahomo versuto
satis ingenio, ob nescio quod qualeque facinus in arce Neuenmur, quae
tunc erat Viti a Lentersheim aurati militis, in custodiam medio Octobri
traditus ibique detentus, donee Casimirus iUustris moreretur. Tunc enim a
Georgio marchione, Casimiri fratre, solutus apud ilium potens admodum,
ne dicam omnipotens factus est. Vulgata certe opinulo erat, omnia illius
apud marchionem tractari tunc gerique consilio. Cum enim Vogler ipse
Lutherano felle asset infectissimus et propterea his, qui Bomanae ecclesiae
obediebant, infestissimus hostis, egit, ut marchio suus nihil non adversus
divinum cultum a majoribus nostris observatum auderet et faceret, ob
quod et alia quaedam cum sciret se exosum illustribus Friderico ac Joanni
Alberto marchionis germanis fratribus se Windsheim transtulit ibique
mauet hodie. Sammelblatt des historischen Vereins Eichstatt. II.
1887. Eichstatt S. 59 f.
Schornbaum, Das Testament des Kanzlers Georg Vogler. 269
Die Dedikationen Osianders (Bd. 9) u. V. Dietrichs (Bd. 9 u. 30) be-
weisen das zur Geniige.
Nach seiner Flucht ans Ansbach (1533) hatte sich G. Vogler
nach Windsheim gewandt^), wo er auch nach dem Tode seiner Frau
Cleopha^) eine neue Ebe schlofi mit Helena Bernbeckin^). In die
Gescbicke der Stadt besonders ilire Beziebungen zu den Schmalkaldiscben
Bundesverwandten scheint er auch hier tatkrKftig eingegriffen zu
haben*). Wir wissen nicht, was ihm hier nun den Aufenthalt un-
moglich machte. 1545 kniipfte er mit Rothenburg o. T., das kurz
vorher der Reformation sich zugewandt hatte ^), Unterhandlungen an
wegen seiner Niederlassung. Er wollte gestutzt auf seinen kais.
Freibrief der Verpflichtung enthoben sein, Burger werden zu miisseu.
Trotz anfanglicheu Straubens ging der Rat auf seine Vorschlage ein,
nachdem er sich anheischig gemacht hatte, ein theologisches Stipen-
dium zu stiften ®). Noch im gleichen Jahre gab er dem Rate die
notigen Garantien durch Aufnahme eines diesbezUglichen Artikels in
sein Testament. Zugleich aber stellte er die Uberlassung seiner
Bibliothek an ihn in Aussicht'^). Nachdem er in einem Kodizill
diese Bestimmung von neuem bestatigt hatte®), ubergaben Wilhelm
Ferger und Hans Weickersreuther^) 4 Jahre nach seinem 1550 er-
folgten Abscheiden ^^) seine sSmtlichen Biicherschatze ausgenommen
1) Beitrage X S. 190 cf. M. M. Mayer, Spengleriana. Niirnberg
1830, S. 154; cf. Ulmer Stadtbibliothek Manuskr. Vogler. f. 2092. 2090. 2042.
2) Trostgedicht Melanchthons nach dem Tode seiner Fran Cleopha.
Corpus Reformatorum 10 (Halle 1842) N. 201 Sp. 582. 1543.
3) Eine Tochter des Burgermeisters und Stadtricbters Michael Bern-
beck. S. Chr. W. Schlrmer, Geschichte Windsheims und seiner Nach-
barorte« Ntlmberg 1848. S. 62. G. Muck, Geschichte von Kloster Heils-
bronn von der Urzeit bis zur Neuzeit. I. Nordlingen 1879, S. 377. Zur
Familie Bernbeck: B. Bachmann, Kitzinger Chronik des Friedrich
Bernbeck 745. 1565—1899. Kitzingen S. Vff. [Das Zeit- und Hand-
btichlein d. H. Beringer, aus dem dieser schopfte, befindet sich im Original
im Ntirnb. Kreisarchiv. A A acta N. 868. Unter Nr. 874 tindet sich ein
Eonzept P. Riickleins betr. historische Notizen liber Kitzingen.]
4) Die Akten des Windsheimer Stadtarchivs, welcbe sich jetzt im
Germ. Museum zu Niirnberg befinden, gedenke ich baldigst darauf hin zu
nntersuchen.
5) Winterbach II (Rothenburg 1827) S.47ff. Beitrage HI S. 174.
6) Manuscr. Vogleriana f. 2059 Vorschlage Voglers an den Rat zu
Rothenburg bez. seines Aufenthalts daselbst d, d. Mo. n. Judica 23. 3. 1545.
f. 2062 Antwort des Rates, f. 2060 neue Vorschlage Voglers, nachdem
er seinen Aufenthalt in R. genommen hatte. In den Biirgevbuchern im
Stadtarchiv zu Rothenburg findet sich sein Name nicht.
7) S. Bellage I.
8) S. Beilage II.
9) Richter zu Kloster Heilsbronn s. G. Muck I S. 468.
10) t 30. 4, 1550. J P. Reinhard, Beytrage zu der Historic des
Frankenlandes. II. 1761. Bayreuth. Titelkupfer. K. Schornbaum, Die
Stellung des Markgrafen Kasimir von Brandenburg zur reformatorischen
Bewegung. Niirnberg 1900, S. 152. — Bemerkt sei, dafi der Rektor des
270 Schornbaam, Das Testament des Eanzlers Georg Vogler.
die Cautional, welche sein Schwager Bernbeck bekommen hatte, dem
Rat^). Dieser Uberliefi sie zunachst dem Konsistorinm. Nach dessen
AufhebuDg (1804)^) wanderten sie dann wohl in das Gymnasium.
Beilagen.
I. Das Testament Georg Voglers.
1545.
Nach etlichen einleitenden Bemerkungen allgemeiner Art erkl^rt
er zunachst; dafi er alle friiheren Bestimmungen hiemit aufhebe.
Dann fahrt er fort: „zum andern bekenne ich mich zu dem rechteu
alten wareu christlichen glauben, der jetzt durch sonderliche gnade
Gottes zu Wittenberg und an andern dergleichen christlichen orten
aus heiliger gottlicher und biblischer schrift rain und lauter geleret
wurdet und zu derselben religion^ wie etliche der christlichen chur-
fursten und fursten auch vil andere st£lnde des heiligen reichs fur
sich und ire untertanen ire christliche confefiion uf dem reichstage
zu augspurg anno 30. ubergeben und dieselben durch ire apologi
auch andere folgende christliche handlung bishero beschirmet und
vertaidigt haben mit herzlicher bitte und trostlicher hoffnung zu gott,
das ich dabei in ewigkait bestendig sein und bleiben moge und wolle
zja ewiger seligkait durch den herrn christum unsern ainigen ewigen
und vollkomnen in hochsten gnaden getreuen und angenemen mittler^
fursprecher, gnadenstul^ herrn, maistern^ heylaud, k5nig und briester
in ewigkait. Amen."
Zum dritten bestimmt er, dafi nian ihn ohne ^ainig besondere
toten gepreuge" begraben solle. Zur Zeit seines Begrabnisses oder
innerhalb 30 Tage darnach soil an hausarme Leute und fremde
diirftige SchUler fiir 12 fl. Brot verteilt oder ihnen Tuchrocke ge-
kauft werden.
Nachdem er zum vierten die Bezahlung etwaiger Schulden an-
geordnet hat, gibt er weiter (5.) seinen Willen kund^ etliche 100 fl.
Ansb. Gymnasiums J. S. Strebel (ca. 1759) eine Biographic Voglers ins
Auge gefafit hatte. L. Schiller, Das Carole- Alexandrinum Programm.
Ansbach 1880, S. 19. Die von ihm erwahnten Akten habe ich in meiner
Arbeit fiber die Politik des Markgrafen Georg 1528-- 1532 eingehend ver-
wertet.
1) S. Beilage III.
2) W i n t e r b a c h 2 S. 61. 15. Die Rothenburger Konsistorialakten be-
finden sich jetzt im Kgl. Kreisarchiv Niimberg. Wo sind die Akten der
Konsistorien der kieineren Bestandteile der jetzigen bayerischen Landes-
kirche? Die der Grafschaft Pappenheim sind heute noch in Pappenheim;
die der Herrscbaft Eastell in Kastell. Ihre Sammlung und Durcharbeitung
ware sehr zu empfehlen. — Die bei Winterbach I S. 227 erwahnte Rats-
bibliothek ist jetzt auch wieder im Ratbause aufgestellt und damit dem
drohenden Untergaug entrissen.
Schornbaum, Das Testament des Kanzlers Georg Vogler. 271
zu einem Stipendium fiir eiuen „jungen geschickten Gesellen" zum
Studium der Theologie zu verordnen. 400 fl. bestimmt er dazu, doch
behalt er sich alle nUheren Anordnungen noch vor.
Seinem Bruder „nach dem Fleisch" Georg Vogler, der Zeit
Pfarrer zu Stadelschwarzach vermacht er 5 fl. ; an seinem Ubrigen
VermSgen hat er keinen Anteil (6).
Sibylle, die hinterlassene Tochter seines Bruders zu Grub im
Amt Burgthann erhalt die Zusicherung, dafi seine Gemahlin ihr oder
ihren Kindern jahrlich 30 fl. reichen wird (7). .
600 fl., die von der Markgrafschaft Brandenburg mit 30 fl. vor-
zinst wurden (Verschreibung dd. Ansbach 28. 2. 164:2), sollen seinem
Bruder Georg Vogler zu Kulmbach (20 fl.) und dessen Tochter
Appolonia Huzelmannin gehbren (10 fl.). Nach dem Tode seines
Bruders sollte alles an seine Kinder fallen; letztere aber dabei den
Hauptanteil bekommen; gUnzlich ausgeschlossen wird jedoch dessen
ungeratener Sohn Heinz (8).
Andere 600 bei der Markgrafschaft stehende Gulden bestimmt
er der Margarethe Claufiin, der Tochter seines Schwagers Hans
Claufi^), ilie gebrechlicheu Leibes ist, aus seiner ersten Ehe sowie
seiuen ubrigen Kindern (9). Falls diese alle ohne eheliche Leibes-
erben sterben wurden, werden als nlichste Erben die Kinder seines
Bruders in Kulmbach bezeichnet.
Seine Magd Margarethe Dornin bedenkt er mit 10 fl. fiir den
Fall, dafi sie noch zur Zeit seines Todes bei ihm ist (10).
Seiner Frau Helen e gibt er fiir ihr Heiratsgut von 1000 fl. eine
AnWeisung auf die ihm zustehende Forderung auf das Umgeld des
Amtes Emskirchen (22. 2. 1543).
Alle ihre Kleider, Schmuck etc. fallen ihr zu. Ebenso verspricht
er ihr fiir den Fall seines kinderlosen Todes alle Ketten und Ge-
schmeide, welche seine erste Hausfrau getragen hat (11. 12). Doch
werden dadurch nicht beriihrt fruhere Anordnungen liber seine eigene
Kleinodien, Harnische, Wehr etc.
„zum dreizehenden so ist mein letzter will und mainung, dass
alle meine bticher nach willen und gutbedunken meiner testamen-
tarier an ein christlich ort zu gemainem christlicheu nutz bei einander
zu pleiben verordent werden sollen uf das getreulichst unsern nach-
1) H. Claus war 1518—1532 Lf^ndschreiber auf dem Gebirg; dann
Kanzleisekretar in Ansbach. J. Beyschlag, sylloge variorum opus-
culorum. T. I. Hallae Suevorum 1729, S. 536 ff. 545. Chr. Meyer,
Hohenzollerische Forschungen. Mtinchen II. 1892 S. 174. 192. K.H.Lang,
Neuere Geschichte des FUrstentums Beireuth. II. Gottingen 1801, S. 2. 63 f,
78. 84. Bemerkenswert ist, dafi er 1527 auch gefangen genommen wurde.
Urfehde desselben dd. Mittw. n. Inv. (4. 3) 1528. Kreisarchiv Bamberg.
Brandenb. Urkunden I, S. 602 Nr. 154 a. Sein Vater war wohl der Kanzlei-
verwalter Chr. Claufi, der noch 1518 als Besitzer eines Hauses in Ansbach
erwahnt wird. Seine Tochter Cleopha war Voglers Gemahlin. S. Kreis-
archiv Numberg, Rep. 151, Frauentrantsche Pflege Nr. 2 u. 4.
272 Schornbaum, Das Testament des Eanzlers Georg Vogler.
komenden and posteris zu behalten. doch soil iind mag meyn yetzige
eliche liebe hausfrau under meinen dreien deutschen biblien aine,
welche sie will, darzu alle klaine postillen, bethe- und gesangbuchlein
far sich behalteu und sicb darinnen christlicher weise ueben. in dem
alien ich mir ander verordnung die zeit zneins lebens vorbehalte wie
icli dan wol one ein testament thuen und verordnen mag.^
Zur Haupterbin ernennt er seine Gemahlin Helena: ^und das
zu ainer ergezung irer lieb und treu, so sie mir vielfeltigklichen
erzaicht auch zu erstattung ires herzlichen laides und mitleidens,
so sie in meinen widerwertigkeiten getragen und erduldet gehabt
und zum tail noch heutigs tags tregt und erduldet.^ Falls sie nach
seinem Tode kinderlos stirbt, so hat sie den Erben seines Bruders
zu Kulmbach noch 400 fl. zu vermachen und dann das oben er-
wahnte Stipendium um 200 fl. zu vergrofiern. Falls sie vor ihm
stirbt, ist naturlich dieser Punkt ganz hinfallig (14).
Wer von seinen Erben einen Punkt anfechtet, dem soil sein
Erbteil entzogen und die auf ihn fallende Summe ad pias causas ^)
verweudet werden. Zu Testamentsvollstreckern bestimmt er den
markgraflichen Bentmeister Hi. Hartung und Michael uud Floriau
Bernbeck, so wie Markgraf Albrecht Alcibiades. Etwaige Anderungen
und ZusUtze behMlt er sich vor.
(Konzept im Rothenburger Stadtarchiv, Tom. Nr. 1602 Testa-
menta betr. (1474—1563) f. 324ff.)
II. Kodizille zu obigem Testament.
1549.
ex codicillo.
Furs ander als im funften articl meins hieobon angetzogeneu
testaments meldung gescheen ist von ainer stiftung aines jerlichen
stipend iums zu eins jungen geschickten gesellens oder knabens studium
uf ainer christlichen universitet in theologia vermoge solches
fanften articls demnach so thue ich desselben funften articls halben
1) Bei dieser Gelegenheit sei noch auf etliche andere Stiftungen
Voglers aafmerksam gemacht. Mart. 1524 stiftete er mit seiner Frau
13 fl., damit jahrlich V* ^' gereicht werden kOnnte zur Bezahlung des
Mefiners, der jeden Morgen und Abend (vor and nach dem Lauten des
Engl. Grufies und des Ave Maria)' in der Pfarrkirohe zu Ansbach solange
die Glocke lauten solle, als man ein andachtiges Vater Unser sprechen
konne. Denn kein Mensch konne etwas besseres beten, denn solch heil-
sam andacbtig Gebet: und alien Christenmenscben gebtihre, allezeit hie
im Leben den allmachtigen ewigen Gott ftir einander zu bitten and
sonderlich in diesen gefahrlichen letzten Zeiten ftir alle Anliegen der
Christenheit, daB die in rechter Erkenntnis Gottes stehen, gemehrt und
erhalten werde. Dann hatte er fur die Armen in Ansbach gemeiusam
mit seiner Frau 2 Schiisseln gestiftet (s. Stadtarchiv Ansbach. Tom.
Stiftungen and Legate betr. 1486—1740 f. 88. 92flF.).
Schombaum, Das Testament des Kanzlers Georg Vogler. 273
dise ercleruDg und will and schaffe: wann die erbarn vnd vesten,
fursichtigen und weisen herrn burgermaister vnd rate zu Rottenburg
uf der Tauber bei vorgemelter christlicher lere und religion be-
stendigklich bleiben als icli zu Got hoffe, das inen in zwaien jaren
den nechsten nach meinem totlichen abgang von meinen verlafien
hab und guetern \rierhundert gulden haubtguets zugestellt werden
soil en, davon einem geschickten jungen gesellen oder knaben jerlicb
zwaintzig gulden ad studium zuraichen wie sonst angeregter funfter
articl in meinem obbemelten testament mit sich bringet. wo sich
aber zutruge, das ein er barer rat zu Rottenburg uff der Tauber
von der rechten rainen christlichen ler gedrungen wurde (das Gott
genediglich verhUten woUe), so sollen meine veror3ente testameutarier
hierinnen etlichermafi von neuem benennt oder ire nachgesetzte
solch vierhundert gulden haubtguts sambt jerlicher abnutzung mit
rat oder wifien meiner lieben frommen ehelichen haus&awen helene
Vogleriu, well ich mich alles gueten bei ir versihe, an ein ander
ort, do mergemelte cbristliche leer vnd religion bleibt angezeigter
mafien ordnen^ stiften und aufrichten auch jedesmals an dem ort^ do
die stiftung geschicht, notturftig reversbrief mit allem notwendigen
bedingungen nemen^ bestimte stiftung zuhalten und allerdings vol-
komenlicb zuvolziehen bei peen der widerlegung bestimbter vierhundert
gulden hauptsumme, auch alles hinderstelligenlnteresses, costen vnd
schaden zu der stifter handen^ sonst wie hernach volget, anzulegen.
Ob sie aber an keinem ort diese stiftung des stipendiums ad studium
wie oben gesetzt tun mochten, darah sie doch kainen moglichen vleifi
sparen, so sollen sie die vierhundert gulden hauptguts sonst ad pias
causas anlegen uf genugsame versicherung, das jerlicb die abnutzung
davon frommen christlichen hausarmen leuteu, die das irig nit ver-
spilt, vertrnnken, verwarlost oder sonst unnutzlich verthan haben,
ausgetailt werde oder jerlicb ein jar umb das ander die zwaintzig
gulden abnutzung ainen &omen redlichen handwerksgesellen oder
fromen redlichen maide zu iren ehrlichen verheiraten ain jar umb
das ander als erstlich einem fromen redlichen gesellen zu einer ehr-
lichen redlichen maide und das ander jar dergleichen maid zu einem
redlichen gesellen auch also ain jar umb das ander gegeben werden,
darinnen ich dann der testameutarier vnd annemer solcher stiftung
gewissen beladen haben wilP).
den dreitzehenden articl in dem angetzogeneu meinem testament
begriffen den leuter vnd erclere ich also, das mein hausfran und
testamentarii meine bucher an ein christlich ort zu gemainen christ-
lichen nutz verordnen uf das getreulichst unsern nachkommenden
posteris zubehalteu; sonderlich alle tomos D. Martini Lutheri,
1) Die Stiftung besteht wohl heutzntage nocb. S. Winterbach
I S. 235.
Beltr'ftgo jBtir bayer. Kirchengesehichte XI. 6. Ig
274 Lauter, Der erste evangelische Pfarrer in Cadolzburg.
docb das meiner hausfrauen die bncher in solchem articl vernieldet
uud ir insonderheit legirt und^ was ich ir weiter die Zeit meins
lebeuB zustellen werde, bleiben. das auch meinem schwager Michel
Berupeckcheu dem juDgeru alle meine getruckte und geschriebeue
partes der Music vud was ich ime mer fur buecher mit aigner handt
yertzaichne, zugestellt werden sollen fur sich zu haben und mein
dabei im besten zugedenken, sovern er mich uberlebt und bei der
musica bleibt. wo aber nit, wolle alle solcbe Cantional auch zu
den audern meinen buchern gethan werden vnd sonst uiemand volgen.
Kopie im Kothenburger Stadtarchiv. Tom. Testament betr*
Nr, II (1474—1663) f. 290.
III.
Burgermeister und Rat der Stadt Rothenburg o. T. bestatigen
am 10. 12. 1554 (Mo. u. Conv. Mariae), daft Wilhelm Frey und
Hans Weickersreuter als Exekutoren des Testaments G. Voglers ge-
mSfi dessen Bestimmungen vom J. 1545 nebst dessen Erlanterungen
vom J. 1549 ihnen 400 fl. Ubergeben haben „und dartzu die bucher
alles nach vermog und aus weisung zweier sondern gleichlautenden
verzaichnussen, dero aine sie die testamentarier bei handeu behalteu
und uns die andern uberantwortet haben. ^
Hans Weickersreuter, Richter in Kloster Heilsbronn, hat am
11. 9. 1557 den Stadtschreiber Joh. Baumann, einen gleichlautenden
Revers seinem Schwager Barth. Freyen^) einzuhandigen.
Rothenburger Stadtarchiv. Testamente II (1474—1563) f. 286.
Der erste evangelische Pfarrer in Cadolzburg.
Von Theodor Lanter, Pfarrer in Grofihabersdorf.
Wer war es? Wie hieft er? Wie ward ers? Diese Fragen
legen sich nahe, wenn man die verschiedenen Angaben dariiber liest.
Zwar der von H. Westermayer (Brandenb. NUrnb. Kirchen visitation en etc.
1894, S. 29) genannte Hans Ollenstich scheidet von vornherein aus,
da er nur Verweser war und eigentlich Friihmesser an der Schlofi-
kapelle, dem die Verwesung von Februar bis Herbst 1528 ubertragen
war. Hiob Gast, welchen Pf. G. Bossert in den WUrtemb. Viertel-
jahrsheften VIII S. 207 noch im Jahre 1528 von Markgraf Georg
von Brandenburg-Ansbach nach Cadolzburg berufeu sein lafit und
zwar als Pfarrer, hat nach dem Aktenbaud im Kgl. Konsistorium
Ansbach „Pfarr Kadolzburg 1488 bis 1751" die Pfarrei erst am
Freitag nach Ottilien 1535 ubertragen erhalten und war bis dahin
nicht Pfarrer, wohl aber Pfarrverweser gewesen. Wer war nun Pfarrei^
1) Ein Frey starb 1577 als BUrgermeister von Rothenburg. S. Wi nt er-
bach I S. 240
Lauter, Der erste evangelische Pfarrer in Cadolssburg. 275
in Cadolzburg in den Jabren 1528 bis 1535; sollte es sein und —
war es docb nicbt?
Scbauen wir iins die kircblichen Verbaltnisse in Cadolzburg sbu
jener Zeit etwas an !
Folge der Einfdhrung der evangeliscben Lelire und KultusUbung
in der Markgrafschaft Ansbach war^ daft der bisberige Pfarrer
Mel<hbior von Sparneck, Tbumbherr und Scbolastikus in Regensburg
auf sein seit ungef&br 1515 innegebabtes Pfarrlehen in Cadolzburg
frei libere verzicbtete und die Pfarrei (wabrscbeinlich mit cathedra
Petri 1528) verlassen mufite.
Am Dienstag nacb crucis exaltationis (14. September) 1528 wurde
dem H. Eucbarius von FronbofPen, Dechant des Stifts Comburg bei
Scbwiibiseb-Hall, die Pfarr Cadolzburg verlieben, nacbdem sie seit des
Pfarrers Melcbior von Sparneck Abzug durch den Friibmesser^ dessen
Name nicbt genannt ist; verwest worden war, welcher daftir seine
ganze 5 fl. Entlohnung zugesprochen erbielt, dagegen, was er ein-
genommen batte fiir Jabrtage und an anderen Pfarrzngeborungen, ab-
zugeben batte. Da der pension ierte Vorfahr des Pf. Melcbior von
Sparnecky sein Vetter Veit von Sparneck (von November 1485 bis
um 1515) noch lebte, wurde zugleicb dessen Pension neu geregelt
mit jSbrlicben 70 fl., welche von Fronboffen von seinen auf 222 fl.
20 kr. angesetzten PfarreinkUnften an den Emeritus abzugeben batte,
so dafi ihm, dem neuen Pfarrer 152 fl. 20 kr.. verblieben, woven er
auch den Pfarrbof im ziemlichen, d. b. geziemenden baulichen Weseu
erhalten sollte. Dem Herrn Decbant des reicben Kollegiatstifts
Comburg mag die Emeritusabgabe (fast ^j^ des fassionsmafiigen Ein-
kommens) nicbt recbt gepafit baben, wenigstens pressierte ibm der
Antritt der Stelle gar nicbt. Vielmebr scheint er, der „rechte"
Pfarrer, d. i. deutscb fur ^pastor verus", einstweilen einen Vikarius
bestellt zu baben; vom recbten Pfarrer oder seinem vicarius Tst
wenigstens die Rede, die von dem t)berschuffi der Einkunfte sicb und
ihr notdiirftig Gesinde (und den Pfarrbof) „enthalten" sollten. Dieser vica-
rius^ dessen Name in den Jabren 1528 — 1584 nie genannt wird, diirfte
wobl Hiob Gast gewesen sein, womit Bosserts Angabe, dafi er, Gast,
nocb im Jahre 1528 vom Markgrafen nacb Cadolzburg freilich nicbt
als Pfarrer berafen, sondern als Pfarrverweser angenommen wurde,
sicb vereinigen lafit. Wie der Fruhmesser oben auf der Burg^) und
der Pfarrverweser unten im Markt zueinander standen, lafit der
Konsistorialakt nicbt erkennen, wSbrend Bossert aus den Akten des
Kreisarchivs Niirnberg konstatiert, dafi ersterer nocb Papist, Gast
dagegen eifriger Lutheraner war.
1) Diese diente nicbt bloB zum vortibergehenden Aufenthalt der
Markgrafen, sondern war lange Zeit ihre eigentliche Residenz im Unter-
lande, wie die Plassenbarg bei Knlmbacb im Oberlande. Dort wurden
auch Landtage, so 1. J. 1529 gehalten, der Besuch Kaiser Earl V. Diens-
tag nacb Yalentini 1541 empfangen.
18*
276 Lanter, Der erste e^angelische Pfarrer in Gadolzburg.
Der Amtmanu von Hefiberg in Cadolzburg mufi nach seinem
Bericht d. d. Palmarnm 1528 (soil unbedingt .1529 heifien) an die
Hofr&te uud Statthalter in Ouolzbach von der Verleihung des Pfarr-
lehen an Eacharius von Fronhoffen nicht besonders entzUckt gewesen
seiu — er war nach Bossert noch AnhSnger der alien Ordnung —
denn er beklagt sich, dafi der, dem mein guSdiger Herr etc. die Pfarr
zu Gadolzbnrg wiederum verliehen nnd zu dem er, Amtmann, sich
versehen hat, er wttrde selbs oder aber an seiner Statt einen anderen
Priester uff die beilige Zeit hieher dem itzigeu Pfarrverweser zu
Hilfe geschickt haben, dies nicht getan babe. Des Pfarrvolks^ das
die pfarrlichen Rechte geben mufi, sei viel, die Arbeit dem itzigen
Pfarrverweser allein^ obwohl er fiir seine Person genugsam geschickt,
zu viel; die Hofrfite sollen mit dem, so die Pfarr verliehen ist, ver-
fUgen, dafi er jemand dem Pfarrverweser zu Hilfe schicke. Hieraus
erhellt, da nach Bossert (a. a. 0. S. 208) der Friihmesser noch da
war, das Verhiiltnis der beiden Geistlichen zu einander und ihr Am-
tieren von selbst.
Anfang des Jahres 1530 schrieb von Fronhoffen an den Mark-
grafen, er habe dessen Schreiben (d. d.?) erst am Ohristabend erhalten,
habe auf vergangene cath. Petri die Pfarr Cadolzburg beziehen sollen,
sich selbst in eigener Person nach Gadolzburg begeben, dort aber,
wo gerade Landtag gehalten wurde, keinen Bescheid erhalten, des-
halb die Sache seinerseits beruhen lassen, seitdem kein Votum er-
halten. Er erwartet Bescheid; „zur Zeit ist Cadolzburg im besteu
mit dem Pfarrverweser versehen". Er selbst stehe dem Stift Comburg
vor und wolle dies nicht unversorgt lassen. (Kons. Akt fol. 49.)
Dafi die Sache den Herren auf beiden Seiten nicht besonders
auflag, geht daraus hervor, dafi der Markgraf erst am Sonntag nach
BartholomSi (27. August) 1531 den Dechant auffordern liefi, sein
Jurament zu tun und die Pfarre zu beziehen; am Freitag nach
MariM Conceptionis 1533 (12. Dezember) ging ein Monitorium an
von Fronhoffen ab, an Petri cathedra (22. Februar 1584) anzutreten:
er wolle die Pfarr nicht weiter durch einen Pfarrverweser verwalten
lassen, sondern werde wegen Cadolzburg anderweitig verfugen.
Da nunmehr entscheidende Erklarung abgegebeii, der entscheidende
Schritt getan werden mufite, der Herr Dechant aber sichtlich keine
rechte Lust hatte, sein schSnes Stift und Amt an diesem Stifte gegen
die in ihren Einktinften stark beschnittene Pfarrei Cadolzburg zu ver-
tauschen, mufite sich Johann Brentz in Schwabisch-Hall als Herr
Nachbar ins Mittel legen und tat das in zwei Briefen, einem an den
Markgrafen und einem an den Kanzler Heller (Holler geschrieben),
damals jedenfalls auf der Plasseuburg, in welchen er an Stelle des
Dechants von Fronhoffen, der aus triftigen Griindeu nicht von seinem
Stift weggehen konne, den Verweser Gast fiir die Pfarrei Cadolzburg
empfahl. Da die Briefe als Anlageu zum Abdruck kommen^ ist hier
Lauter, Der erste evangelische Pfarrer in Cadolzbarg. 277
nicht weiter auf sie einzugehen. Pem Pfarrverweser Hiob Gast
wnrde denn auch wirklich die Pfarrei Cadolzbtirg iibertragen am
Freitag nach OttilieD 1535, also am 17. Dezember. (Brentz Briefe
Bind vom 12. und 13. Januar 1534 datiert!) So war wirklich Hiob Gast
der erste evangelische Pfarrer in Oadolzburg, freilich nicht schon
seit Ende des Jahres 1528, sondern nachdem er erst 7 Jahre lang
als Pfarrverweser amtiert hatte.
Sein Geburtsjahr ist nicht bekannt. Da er im Jahre 1517 die
Universitat Erfurt bezog, durfte er etwa 1500 — 1502 geboren,
am 9. Mai (Hiob) getauft worden sein. Sein Geburtsort war KUnzelsau
a. Kocher (Bossert a. a. 0. S. 200).
Am Freitag nach S. Sebald (19. August) 1544 zeigte der Kastner
von Oadolzburg an, dafi Pfarrer Hiob Gast selbige Nacht gestorben
sei. (Kons. A. f. 62.) Sonst ist darin iiber ihn nichts zu finden,
auch nicht, dafi er Superattendent des Kapitels Zeun gewesen sei,
welche Funktion ihm bald, nachdem er als Pfarrverweser nach
Oadolzburg gekommen war, iibertragen wurde. (Bossert a. a 0. S. 207.)
Anno 1*544 bei seiuem Ableben waren die Superattendenturen wohl
wieder aufgehoben. Was noch weiter von Pfarrer Gast zu sagen ist,
is£ in dem angezogenen Lebensbild von Pf. Bossert in den Wtirttemb,
Vierteljahrsheften B. VIII (1885) zu ersehen. Wenn da angemerkt
ist, ganz falsch sei es, wienn Pf. Walther in seinem Oadolzburgischen
Denkmal der Einweihung der neuen Pfarrkirche dortselbst 1751 be-
hauptet, Gast sei Frlihmesser des Pfarrers Veit von Sparneck (1490 bis
1513) gewesen, so ist das ja richtig angemerkt, aber Pf. Walther,
der freilich hatte wissen konnen und sollen, daii^ der Frlihmesser
den Pfarrer und umgekehrt dieser jenen gar nichts anging zur
selbigen Zeit — erst im Jahre 1535 wurde bestimmt, dafi „unser
Kaplan im Schlofi des Pfarrers Kaplan sein und sich gegen unsern
Pfarrer, wie sich geburt, als ein Kaplan halten soUe" — ist un-
schuldig insofern, als im Pfarrbuch (Pfarrregistratur 0.) zu lesen ist:
Als Veit von Sparneck 1512 hier in Oadolzburg Pfarrer gewesen,
ist seinem Substituten (!) QiobGast 150 fl. (frk.) von den konsiderablen
Pfarreinkiinften gereicht worden. — Von wem und wann dies ver-
kehrte Zeug geschrieben worden, ist mir unbekannt.
Nur einmal wird in dem Kons. Akt des Pfarrers Gast noch ge-
dacht, ohne dafi sein Name genannt wird, und zwar vom Kastner
Eyselein in seinem Bericht vom 27. ^ai 1654 (fol. 282): Vor und
zur Zeit der Reformation hat der Pfarrer nicht allein den kleinen
(und) lebendigen Zehent, sondern auch den grofien Zehent samt
28 Morgen Widdumsfeld (nach der Fassion von 1528 waren nur
2 Morgen bei der Pfarr) genossen; und ist um selbige Zeit hier
gewesen Veit von Sparneck : dieser hat einen vicarium gehalten und
ihm jShrlich 150 fl. gereichet, welcher auch der erste evangelische
Pfarrer hier gewesen. Als gedachter von Sparneck mit Tod abging,
278 Laater, Der erste evangelische Pfarrer iD Oadolzbnrg.
siDd die Pfarreinktinfte samt (!) grofien nod kleinen und lebendigen
Zehent zum Kastenamt eingezogen und von da dem Pfarrer nicht
mehr denn 180 fl. zur Besoldang gereicht worden und ist solcLe Ver-
ftnderang in anno 1533 gescheben.
Dafi hier Wabres und Falscbes durcheinander geworfen ist,
liegt anf der Hand; dies nacbzuweisen, gebSrt kaum bierher. Aucb
uicbt, daS der Pfarrer im Gegenbalt zu den wirklicben Pfarrein-
kiinften mit seinem Fixum scbou 1535 auf Halbsold, spSterbin bei
den steigenden Oetreidepreisen auf Drittels-; Yiertelssold gesetzt wurde
und nocb weniger! 1528 kostete das Simra Eorn 1^/2 fl., 1G93 = 13
und 1694 17 fl. Der Pfarrer blieb bei seinem Fixum von 150 fl.,
und dem Holzbezug; was wollte die Addition von 30 fl. im Jahre 1606,
die jeder neuer Pfarrer lange Zeit erbetteln mufite^ dagegen besagen?
Beilagen.
I. Juramentum des Cadolzburger Pfarrers Melcbior v.
Sparneek v. Jabr 1515.
Ich Melcbior von Sparneek, Thumbber vnd Scholasticus zw Regeus-
purgk pbarer zw Oarelspurgk Gelob. vnd Scbwer den durchleucbtigen
bochgepornen Fursteu vnd Hern Hern Casimir vnd Hern Georgen
als den Eltesten regirenden gebrudern margrauen zw Brandenburg
zw Stettin Pomern der Gassuben vnd wenden bertzogen Burggraffen
zw Nurmberg vnd Fursten zw Rugen nieinen guedigen Hern Irer
genaden erben vnd furstentbumb des Burggrafstbumb zw Nurmberg
getrw vnd gewer zesein Irer genaden frummen zw werben vnd Irer
genaden schaden zuwarnen fur ire furstlicbe genaden vnd derselben
berscbafft lebendig vnd tod getreulicb zw bitten der pbarr Carelspurgk
nicbtfi entzieben zw lassen aucb im genaden kein newerung zu-
macben oder furzunemen vnd ob icb mit irer genaden leuten icht
irrig oder strittig wurde So baben ire furstlich genaden gewalt dar
Inn leuterung zetbun damit die geistlichkeit bey wirden bleyb vnd
irer genaden lent mit geistlicben gericbten nit vmbgetriben oder
verderbt werden bey solcber leuterung sol vnd wil icb es zw ider
Zeit bleiben lassen Desgleichen baben die gen an ten mein gnedig
Herren fur sicb vnd irer genaden Erben In vorbebalten alle werntlkeit
do soil vnd wil icb Irn gnaden nicbtfi vertragen oder entragen
lassen vnd Iren genaden Ire berbrachte Vbung vnd gebraucb Inn
der werntlichkeit Inn Irren Erfordern vnwidersprechenlich vnd von
nyemandt aynicb newerung gedulden on vergunst meiner gnedigen
Hern. Icb sol vnd wil aucb fur mich nocb meiner pbar Carelspurgk
ai*mleut kein andern scbutz vnd scbirmb bitten vnd gebraucben denn
mit vergunst meiner gnedigen hern obemelt vnd Ir gnadt virmal
defi Jarfi Inn der Bruderscbaff*t ^) helfien begeen vnd gar getrewlicb
1) Dies bezieht sich auf die Verpflichtung der ^PfafTheit", die unter
der Herrschaft um Langenzenn heram eaiS, zur Begehung zweier Jabrtage
Lauter, Der erste evangelische Pfarrer in Gadolzbnrg. 279
fur ir gnaden langkleben ancli yrer genaden vnd derselben voreltern
seel heil bitten waft aber die . . . oder ketzerey angieng dafi sol vnd
wil ich Irn furstlichen gnaden vnd der herrschafft vrspruugklich
anbringen ob Ir gnaden dafi mochten beylegen wo dafi nit sein wil
Ist mir vergent solch der kirchen furzubriugen vnd ich sol vnd
will personlich auf der phar Carelspurgk residiren Efi wer dan sach
dafi ich mit Irn furstlichen gnaden gunst absentz erlangen mocht
alfidan vnd sonst nit sol vnd will ich die vormelten phar Carels-
purgk mit einem anndern geschickten redlichen briester statlich be-
setzen, domit dafi volck vnuersaumt bleybt vnd nit ergerzung neme.
Ich sol vnd wil auch meiner phar hoff vnd haufi Inu gattem beulichen
wessen halten vnd ob ich Inn aynem oder mer stuckeu verbrech vnd
nit thet vnd hielt wie obengeschriben steet So sol vnd wil ich als-
bald on ferner erklerung Sendentz oder leuterung mayuaydig In-
famafi vnd der obgemelten vnd aller meiner pfnindt die ich itzund
hab oder hernach vberkumme beraubt entsetzt vnd sol solch phrundt
vnwidersprechenlich geledigt vnd den lehenhern haimgefallen sein
die auch solch pfrundt andern verleyhen mugen von mir vnd menigk-
lich von meinetwegen vnangefochten vngeengt vnd vugelrrt dawider
sol vnd wil ich noch iemand von meinetwegen Inn oder ausserhalb
rechth keinerley behelff haben noch gebrauchen dafi aufi gemeinen
rechten oder sunderlichen freyhaiten von der oberhandt oder sonst
aufgesetzt oder gegeben wie dafi erdacht were oder wurd In kein
weifi vnd nichtfi des minder maynaydig vnd infamifi sein vnd bley-
ben Also helff mir gott vnd die heyligen Euangelia. Amen.
(Akt des Konsistoriiims Ansbach, Pfarrvolumen I)*),
am Montag abend und Dienstag frilh nach Misericordias Domini und
ebenso nach St. Veit (Monuro. Boica, Neue Folge Bd* I S. 574, Salbuch des
Burggrafentunis Nurnberg v. J. 1414). Es waren zur Teilnahme ver-
pflichtet die Pfarrer von „Ro8tal, Cadolzburg, Zyrendorf, Ammerdorf,
Viczentzenprun, Pyrgleins, Hadmannsdorf (seit 1450 Grofihabersdorf),
Grofienhaslach, Evelbach, Burckfarmbacb, Emskirchen, Frawenawrach,
Kegelsbach, Lawbendorf, der Kaplan in Frawenawrach (im Kloster) und
zu Putendorf" (jetzt blankweg, ein Filial von Rofistall mit jahrlich
5 Gottesdiensten I). Am Abend war eine Vigilie zu singen mit neun
Leczen (Lektionen), mit erbern (ehrbaren) Leichzeichen und vier
kerczen, des anderen Morgens in der Frfih mil Messen, besunder mit drei
gesungenen Messen und Amptern, die erste von Unseren Frawen, die anderee
von dem h. Leichnam Christi und die dritte von den Seelen, darunter
man auch der Herrschaft gedenken soil, und die andern Priester sollen
Mefi darunter sprechen und lesen, d. i. zu gleicber Zeit sollen die Priester,
welche Messe nicht singen, an den andern Altaren eine stille Messe
lesen.
1) An derselben Stelle findet sich auch das feria quarta ante festum
sancti Martini episcopi (9. Nov.) anno 1485 datierte, aber teilweise nicht
mehr leserliche Juramentum des Cadozburger Pfarrers Vitus von
Sparneck.
280 Lauter, Der erste evangeliscbe Pfarrer in Gadolzburg.
II. JohannBrentz, Prediger zuHall an denMarkgrafenGeorg.
12. Januar 1534.
Durchlauchtigster hochgeborener FUrst. Gottes gnad durch Jesum
Christum, sampt meinem alzeit ynderthenigeu vnd gehorsamen Dienst
zuvor. Gnediger Herr, Der ErwUrdig Herr Eucharins von
Fronhoff Dechan zn Camberg, hat mir als seinem willigen angezeigt,
das £. F. G. Inen zu der besetzung vnd oignen residentz der pfar
zu Kadolspurg laut der verschreibung von E. F. G. In der selben
pfarr halb gnediglich gegeben erfunden, hatt auch darueben mich
verstendigt, wiewoll Er gantz willig, E. F. G. hier In scbnldigen
gehorsam zu erzeigen, yedoch seye Im spUichs zu diser Zeit zn thun
viler vrsach halb hoch beschwerlich Vn vnbequemlich. Nachdem Ich
nun E. F. G. allwegen als ein sonder Christlichen Fursten erkant,
so aufi Christlichen fUrstlichen griinden das heilig, Euangelion bey
meniglich zu fiirdern gnediglich gesinnet sey. Vn aber Ich befunden^
so der eegenant Her Dechan yetz von dem Stifft sollt abziehen,
das es des StifTts vnderthanen, denen zu dieser Zeit das heilig
Euangelion vn der Christlich Branch der Sacramenten &ey zu be-
suchen zugelassen^ zur Beraubung des Euangelions vn zu merklichem
nachtheill Irer Seelen geradten werde, In dem, das on Zweiffell die
von WUrtzburg ein solchen Dechan nach dessen abzug verorduen
werden, der Ir liedlein In alien stUcken singen, vn die Underthan
zur falschen, vnchristlichen Leer vn mifibrauch der Sacrament zwingen
miist. So weifi Ich, das der yotzig verweser der pfar zu Kadols-
purg ein sonderlicher feiner, vn fUr vill ander gelerter man, der
auch vndter den pfarherren In E. F. G. land seiner geschicklichkeit
halben nicht eine geringe Zierd Ist^ vn hore darbey, er halite sich
beid, mitt Leer vn leben In der pfar Cadolspurg vnstrUfflich.
Hierauff bitt Ich E. F . G. furnehmlich wegen der armen vnderthan
des Stiffts Camberg gantz gehorsamlich, E. F. G. w(5lle des oftgenanten
Herrn Dechan, auch den yetzigen verweser der pfar zu Kadolspurg
bey E. F. G. vorigen erlaubnufi gnediglich bleiben lassen^ Das werden
sonder Zweyflfell sie bayd, Dechan vn sein verweser, sondern auch
die armen vnderthan des Stiffts Camberg vn Ich mit vnserm ge-
horsam Dienst vn steter furbittung fiir E. F. G. wolfart vn langwirig
^idlich regierung allwegen zu verdienen bereit sein. Vnser Herr
gott w5lle E. F. G. alien gottlichen Segen verleyhen. Amen. t)atum
zu schwebischen Hall Dienstags nach Erhardi Anno XXXIIIJ.
E. F. G. vndertheniger vfl gehorsamer
Johan BrentZ; prediger zu hall.
A d r e s s e : Dem Durchleuchtigen hochgeborenen
Fiirsten vn Herrn, Herrn Georgen
Marggrauen zu Brandenburg etc.
In Schlesieu; zu Rattibor hertzogen,
meinem gnedigen Herrn.
Rieder, Aus historischen Zeitschriften. 281
III. Johanu Brenz an den markgrafl. Kanzler Seb. Heller.
13. Januar 1534.
S. in Christo. Significavit mihi, vir clarissime, venerabilis vir
D. Eucharius a Fronhoffen, decanus Camburgensis, quod
priuceps noster illustrissimus vocauerit eum ad praesidendum parrochiae
suae Kadolspurgensi; cuius munus ecclesiasticum minister agit
Hiob gast. Hoc autem nuneium mihi multis nominibus iugratum
fuit, primum quod timebam saluti eorum, qui subjecti sunt dominio
collegii Gamburgensis, quibus hoc opere liberum est, Evangelio operam
dare, idque pietate D. Eucharij decani, qui si abiret, baud vanis
conjecturis futurum esse video, ut Herbipolitani ei collegio praeficiant
hominem quendam impium, qui non solum ipse impietati studeret,
vero eciam subditos suos ad sectandam impietatem cogeret. Deinde,
dolebam virum Hiobem Gast, quod cum sit vir pins ac doctus,
et ecclesiam Kadolspurgensem bactenus fidelissime administraverit,
expellatur (?) tamen et (?) ejiciatur, perinde, ac si nullis ingenii dotibus
praeditus sit, et reipublicae christianae nihil prorsus contulerit.
Quare, vir animo meo carissime, obsecro claritudinem tuam, ut si
qua in re potueris opera tua D. Decano et Hiobi Gast aliquid
prodesse, id pro tua humanitate eis praestes. Ambo enim digni
sunt bonorum virorum favore. Commendo quoque tibi causam
D. Vogleri amici tui, nostri vero patroni. Optarim quidem ipsi
Don tarn meticulosum esse, vt principem nihil ei succensentem,
quantum e litteris tuis ad D. Adam iutelligere potui, fugiat, sed
nosti vetus dictum, Amici mores noveris, non oderis. Vale ex
Hala 13. Januar ij Anno XXXIIII.
Tuus Jo. Brentius.
Inscriptio.
Amplissimo viro D. Sebastiano Hollero Jureconsulto et
Caucellario Brandenburgensi Domino et amico suo obseruaudo.
Kirchengeschichtiiches
in den Zeitschriften der historischen Vereine in Bayern,
zusammeDgestellt von
0. Bieder,
Kgl. Reichsarchivrat in Miinchen.
(Fortsetzung.)
XVIII. Mitteilungen des Vereins fiir Geschichte der Stadt Niirnberg.
Heft 1—16, Niirnberg 1879—1904.
Miiller, Dr. Nikolaus, Beitrage zum Briefwechsel des altern Hiero-
nymus Baumgartuer und seiner Familie (10 Briefe aiis den
Jahren 1541 — 63): S. 241 („einzigartig und epochemachend
282 Rieder» Aus historischen Zeitschriften.
war seine Wirksamkeit anf dem Gebiete des nUrnbergischen
Kirchen- iind Schulwesens^; er hatte am meisten zur Ein-
fUhrung der Reformation in der Reichsstadt beigetragen).
Joacbimsohn^ Dr. Paul, Hans Tuchers Bacb von den Kaiser-
angesichten: H. 11, 1895^ S. 1 (die Einleitung erwllhnt eine
interessante Bescbreibung seiner Jerusalemsfabrt von 1479).
Vgl. H. 16, S. 66.
Miltenberge-r, F(ranz), Ausztige aus den pSpstlichen Recbnungs-
bucbern des 15. Jabrhunderts ftir Ntirnberger Gescbicbte (Zab-
lung von Annaten seitens der Erwerber kircblicber Pfiiinden
1444_1509): H. 11, S. 87.
Krefi, Goorg Frbr. v., Briefe eines NUrnberger Studenten (Cbristof
Krefi) aus Leipzig und Bologna (55 Nummern von 1556 bis
1560): S. 97.
Hampe, Dr. Tbeodor, Lienbard Nunnenbeck (ein NUrnberger Lein-
weber und Hans Sachsens Lebrer in der Kunst des Meister-
gesangs — nacb einem Vortrage): S. 173 (Nunnenbecks Ge-
dichte liber die Passion, die Jungfrau Maria, Weibnacbtslieder etc.
S. 178 ft).
Krefi, Georg Frbr. v., Dr. Adolf Frbr. von Scheurl f (24. Januar 1893,
„weiland Professor der Rechte an der UniversitSt Erlangen,
ein bervorragender Romanist und Kircbenrecbtslehrer, ein alle-
zeit rat- und bilfbereiter Patron der lutberiscben Kirche in
ganz Deutscbland"): S. 191.
Die Stiftung der NUrnberger Kaufleute fiir den Skt. Sebalds-
altar in der Skt. Bartbolomauskirche zu Venedig (1434): S. 201.
Ein NUrnberger Stammbuch aus dem 16. Jahrhundert (im
Besitze der NUrnberger Patrizierfamilie von Olbafen mit nahe-
zu 100 Eiutragen aus den Jahren 1596 — 1601; dabei Er-
wabnung Luthers und Melancbthons) : S. 211.
Tucber, Christopb Frbr. v., Krypten und GeschlechtergrUfte bei St.
Sebald: S. 213.
Scbaefer, Dr. Karl^ Des Hieronymus Braun (Stadtkanzlisten) Pro-
spekt der Stadt NUruberg vom Jabre 1608^) und seine Vor-
laufer: H. 12, 1898, S. 3 (mit Abbildungen einiger alterer
Stadtansichteu ; das Altargemalde des Jodocus Krell in St. Loreuz
S. 10). Vgl. H. 13, S. 28.
Hampe, Dr. Theodor, Die Entwicklung des Tbeaterwosens in NUrn-
berg von der zweiteu Halfte des 15. Jabrhunderts bis 1806:
H. 12, S. 87 (Kap. 1. Geistliches Drama und Fastnacbtspiel
im 15. Jahrbuudert S. 91 ; Kap. 2. Schuler- und Handwerker-
auffuhrungen des 16. Jabrhunderts, aucb geistlicben Inhalts
1) Wiedergabe des Originals auf 16 Blattern in Grofifoliofoi'mat durch
Lichtdruck in ^^ Grofie; beigegeben ist auf einem besonderen Blatt eine
tibersicht in verkleinortem MaCstab.
Zur Bibliographic. 283
S. 121); H. 13, 1899, 8. 98 (AuszUge aus den Ratsprotokollen :
941 Nummern von 1449 — 1806).
Grupp, Dr. Georg, Maihinger Brigittinerinnen aus NUrnberg: H. 13,
S. 79.
Zur Bibliographie.
*Bi8le, Dr. Max, kgl. Gymnasialprofessor. Die bffentliche Armen-
pflege der Reichsstadt Augsburg mit Beriicksichtigung der ein-
scbl^igen VerbSltoisse in anderen Reichsstadten SUddeutscb-
lands. Ein Beitrag zur cbristlicben Kulturgescbicbte. Paderborn
(Druck und Verlag von Ferdinand ScbSningh) 1904. XIV u.
192 S. 8«. — 4 M.
Den mancberlei neuen historischen Arbeiten iiber die bffeDtliche
Armenpilege, die toils dem sozialen Znge der Zeit toils dem modernen
Interesse an der Wirtschaftsgeschichte ihre Entstehung verdanken, reibt
sich das vorliegende Werk wiirdig an. Der Verf., der mir bisher nur aus
einem Programin ttber den Benediktiner P.Placidus Brauu (Augsb. 1897)
bekannt war, hat nicht die Absicht, eine Gesamtgeschichte der Armen-
pflege in Augsburg zu liefern, und das wSlre auch augesichts der aus-
gedehnten Stiftangen und WohltHtigkeitsanstalten, die gerade dort eine
so grofie Tatigkeit entfaltet haben, ein sehr grofies Untei'nehmen, sondern
„jene Ftirsorge fttr die Armen, wie sie von der gemeindlichen oder offent-
lichen Behi)rde geUbt wurde, im Gegensatz znr kirchlichen vereinsmafiigen
und privaten Annenunterstiitzung" darzustellen und zwar nur in der
reichsstadtischen Zeit. Diese Beschrankung ist jedenfalls richtig, nnd
was der Verf. auf Grund sehr weit ausgedehnter Detailarbeit bietet, ist ein
sehr empfehlenswerter und namentlich in der Darstellung der vielen Fehl-
griffe sehr lehrreicher Beitrag zur cbristlicben Kulturgescbicbte. Aber
das Werk als historische Arbeit wiirde sicher bei einer anderen Methode
und anderer Einteilung sehr gewonnen haben. Zunachst vermisse ich
eine klare Feststellung des Terminus a quo. Bei scinem Begriff der
offentlichen Armenpflege mufite man erwarten, daB der Verf. den ersten
Anfangen der offentlichen Armenpflege nachgehen wiirde, wie sie nnabbangig
von der kirchlichen und Privatarmenpflege im stadtischenGemeinwesen eine
Statte fand. Und eine solche setzt er auch schon vor der Reformation
voraus, er spricht auch von einer ,,Reform der Armenpflege" und der
^Nenorganisation der Armenpflege** seit 1522, aber von der mittelalter-
lichen Armenpflege in Augsburg, die nns jene ncue Organisation (vgl.
den Abdruck Beilage Nr. 5) erst wUrdigen laQt, erfahren wir, abgeseheu
von ein paar kurzen allgemeinen Bemerkungen und den in deu Beilagon
abgedruckten Bettelordnungen, so gut wie nichts. Ferner beginnt Bislc
mit einem Kapitel ttber die „ Organisation der Armenpflege", das in sehr
gedrangter Form die verschiedeuen Versuche bis 1806 aufzablt. Ich bielt
das znerst fiir einen kurzen AbriC dessen, was dann die nachsten Ab-
schnitte in ausfuhrlicher Darstellung und Begriindung bringen sollten.
1) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
284 Zur Bibliographie.
Dem ist aber nicht so. Ohne tlberleitung folgt 2. Ursachen der Ver-
armung. 3. Mittel gegen die Verarmung. 4. Almosenkassa. 5. Ein-
heimische Arme. 6. Fremde Battler. 7. Almosenhauser, und endlich
8. Kirchliche Beteiligung an der Sffentlichen Armenpflege. Nach und nach
ist inir klar gewordeD, daig der ganze Aufrifi wohl durch einen S. 7 zu
lesenden sehr richtigeu Satz bedingt ist: „Die Gcschiehte des Armen-
wesens gestaltete slch zu einer Geschichte des Bettelwesens.'' Aber alles,
was dariiber zu berichten ist, ware klarer und durchsichtiger und natur-
gemaC freier von Wiederholuugen geworden, wenn der Verf. es nicht
unter die genannten, immer bis 1806 durchgefUhrten Bubriken gebracht
batte, sondern rein historiscb verfabren ware, wenn er gezeigt hatte, wie
die allmahlich entstandene und immer weitergehendeVerarmung je und je neue
Versuche, des Bettlerwesens Herr zu werden und eine geordnete Armen-
pflege einzurichten, veranlaOte. Bci seiner Methode hinkt namentlich auch
das sehr inhaltsreiche und dankenswerte Schlufikapitel etwas nach, wah-
rend es doch zelgt, nicht nur welchen reichen Anteil die Geistlichkeit beider
EonfessioDen an der Gewinnung der grofien Mittel ftir die Armenpflege
hatte, sondern auch, dafi sie bei dem Ftir und Wider der einzelnen Ein-
richtungen nicht selten ein gewichtiges Wort mitzureden hatte. Dabei
ist gem zuzageben, dafi andere vielleicht die von dem Yerf. beliebte
Methode vorziehen. Jedenfalls soil das auch sehr preiswUrdige Werk,
das eine FUlle von interessanten Einzelmitteilungen enthalt und, was be-
sonders schatzenswert ist, auch vielfach Streiflichter auf andere Stadte
wirft, so dafi niemand, der sich mit einschlagigen Untersuchungen ftir
andere Stadtgebiete beschaftigt, daran voriibergehen darf, noch einmal
als sehr belehrend empfohlen werden. — Als kleine Erganzung mochte
ich eine Notiz beiftigen, die erkennen laBt, wie man schon im Jahre 1530
die gro^artige Armenpflege Augsburgs bewunderte. AdamWeiB, der im
Gefolge des Markgrafen Georg von Brandenbarg auf dem Reichstage zu
Augsburg befindliche Pfarrer von Creilsheim notiert in seinem Diarium
bei J. F. Georgii, Uffenheimische Nebenstunden VII St. Schwabach 1743
S. 680 auf Grund der Mitteilung seines Hauswirts, des Senators Hans
Lauginger: „Zu Augsburg gibt man alle Wochen den gemeinen Biirgern,
elm yeden nach seinem Uausgesind Brot um 11 Creuzer, das sunst beim
Becken gilt 1 Batzen, und roacht jede Woche in der Snmraa XII. tausend
Leib.^ Unmittelbar vorher notiert er auf eine Mitteilung des Eanzlers
Vogler hin: '„Der gmainLast zuNtirnberg hat jehrlich tiber XV III tausend
Gulden Einkommens.'*
*G. Braun, lutherischer Pfarrer in Burk, Bechhofen in Mittel-
franken. Ein lokalgeschichtlicher Versuch. Ansbach (C. Briigel
& Sohn) 1905. 78 S. und 3 S, Beilagen. 80 Pf.
Welche reiche historische Vergangenheit selbst eine kleine Dorf-
gemeinde haben kann, wenn eine kundige Hand sie aufzufinden und dar-
zustellen vermag, hat uns O.Erhard in seiner Geschichte von Hohenaltheim
(Erl. 1904) gezeigt, und ich habe bei ihrer Besprechung (Beitr. X, 145 f.)
auf den hohen Wert solcher lokalgeschichtlicher Arbeiten hingewiesen.
Mit der jetzt vorliegenden Schrift von Pfarrer Braun tiber Bechhofen, die
der Verf. bescheiden einen „lokalgeschichtlichen Versuch** nennt, haben
wir nach kurzer Zeit eine zweite solche Arbeit erhalten. Was der Verf.
bietet, ist eine sehr gediegene Leistung, das miihevolle Resultat rast-
losen Forschereifers, das die hochste Anerkennung verdient, denn das
Geschichtsbild, welches er in knappem Rahmen zeichnet, war nur auf
Grund sehr eingehender, oft auch recht langweiliger IJrkunden- und
Aktenforschung zustande zu bringen, weifi doch jeder, der sich mit ahn-
lichen Dingen beschaftigt hat, daB man oft tagelang dickleibige Akten^
Znr Bibliographie. 285
faazlkel mit breiten Auflfahmagen dorcliaTbeiten kann, ohne eine einzige
far das GesamtbUd brauchbare Notiz zn findeo. Wie es die Natur des
Gegenstandes mit sich bringt, mul^te bei Braun der AnfriG ein ganz
anderer werdea als bei Erhard. Der Markt Becbhofen in Mittelfranken,
der nacb der Mitte des 14. Jahrbunderts sogar als Stadt erscbeint (S. 13),
wnrde nnter der Landeshoheit der Eichstatter Biscbofe Jabrhnnderte lang
beberrscht von einem Adelsgescblecbte, den Seckendorfs, ais Lehns-
manneo der Braodenburger, bis nach dem Aussterben der dortigen Linie
der Seckendorfer (ihre Stammtafel in Beilage I) das Lehen an die M ark-
grafen von Ansbach fiel. Deshalb zerfallt die Geschicbte Bechhofens in
die zwei Abschnitte, die Zeit der Herren von Seckendorf and die Zeit
der Markgrafen. Daza kommt eine iibrigens mehr als auffallende Tat-
sache, dafi dieses Becbhofen auch zn der Zeit, als es als Stadt fignrierte,
weder Kirche nocb Pfarrer hatte, sondern kirchlich za dem nahen Konigs-
hofen geborte and eben die Seckendorfs lange Zeit das Patronat fiber die
Kirche za Kdnigsbofen, Beyerberg, Wieseth and Bark ausobten. Daraas
ergibt sieb zweierlei von selbst, erstens, dafi die Geschicbte der Familie
Seckendorf einen groOen Banm einnimmt, and zweitens, da6, weil Becb-
hofen bis anf die neaeste Zeit keine eigene kircblicbc Geschicbte bat, die
Darstellnng, soweit sie Kirchengescbicbtlicbes bereinziebt, tiber Becbhofen
weit hinans ^reift, and die kirchlicben Yerbaltnisse nicht nar in KQnigs-
hofen, sondern aach in Beyerberg, Wieseth and Bark beleacbtet, Iibrigens
anch wertvolle Mitteilongen uber andere Kirchengemeinden enthalt, z. B.
Fenchtwangen, Merkendorf, Weidenbach, Sommersdorf (vgl. S. 26—33).
Dabei soil die sebr dankenswerte Notiz hervorgeboben werden, daQ der
bekannte Bitter yon Lang als Konsistorialdirektor 1807 yon samtlicben
Pfarreien des damaligen Ansbacber Eonsistorialbezirkes Pfarrbescbrei-
bungen einforderte, die in der Regierangsbibliothek za Ansbach aafbe-
wahrt, eine wicbtige Quelle fUr die Geschicbte der einzelnen Gemeinden
bilden. — Die begreiflicherweise ausfiibrlich gescbilderten, immer wieder
sich erhebenden Kampfe der Geistlicben mit den meist uu kirchlich ge-
sinnten Patronen bieten ein iiberaus traoriges Bild friiberer Zastande.
Aber ob der Yerf. recht bat zu sageo, dafi aus dem Treiben dieser Pa-
trone deatlich zu seben ist, ,,wie das Wort „Patron** zu der despektier-
lichen Nebenbedeutung kam, die es beute hat," ist mir sebr zweifelhaft.
Die Seckendorfs sind keine allgemeiDgUltigen Typen, and das Patronat
hat zu alien Zeiten sein Gates gehabt, und bat es nocb beute, wenn auch
wie bei alien Institutionen es immer auf die Personlicbkeiteu als Trager des-
selben ankommt. Bei seinen Mitteilungen liber die Durchftihrung der
Beformation in Eonigshofen bemerkt der Verf. (S. 32): ^Wie zu dem alien
die Gemeinde sich stellte, darttber schweigen die vorhandenen Akten."
Das ist gewifi richtig, und von dem kirchlicben und religi&sen Leben er-
fahren wir tiberhaupt verhaltnismafiig wenig (doch vgl. Uber die Ein-
fiihrung des Beicbtpfennigs und des Klingelbeutels S. 61), weil der Verf.
dariiber eben nicbts gefunden bat. Aber in einem Falle hatte der Verf.
uns' wabrscheinlich etwas mehr mitteilen konnen, namlicb Uber die pieti-
stische Bewegung, woriiber wir nur die Bemerkung lesen: ^dafi einem
Pfarrer wie DOderlein (Abraham Dcfderlein 1697—1724) die zu seiner Zeit
in Becbhofen stattfindenden Konventikel nicht gefielen, ist erklarlicb*
(S. 70 f.), und wenn der Verf. fortfahrt, „die8elben entsprachen so ziemlich
den ZusammenkUnften der Gemeinschaftsleute in unsererZeit", so ist das
kaum richtig, weil die pietistiscben Konventikel im Ansbachischen um
diese Zeit fast alle separatistische Neigungen hatten, also auch emster
gesinnter Geistlicben, als A. D(5derlein es vielleicht war, zum Anstofi
gereichen konnten. Und wenn wir im ubrigen, um nocb einmal darauf
zurHckzukommen, von der Stellung der Gemeinden zu den kirchlicben
286 Znr Bibliographie.
Fragen nichts wissen, weilman siiBiiicht darnm be frag that, noddies
fttr die Vergangenheit beklagen, so soil nns das eine ernste Mahnnng sein,
dafUr zu sorgen, daB man nicht einmal spater von unserer Zeit dasselbe
sagen muQ. oder etwa gar das bittere Wort Goethes fin den zahmen
Xenien) auch anf die Rirchengeschichte unserer Zeit nocn pafit.
^Mit Kircbengeschichte was hab ich zn schaffen?
Ich sehe weiter nichts als Pfaffen.
Wies um die Christen steht, die gemeinen
Davon will mir gar nichts erscheinen.
Ich hatt' auch k6nnen Gemeinde sagen,
Ebensowenig ware zu erfragen. —
M5chte die sch6ne Arbeit Brauus dazn anregen, auch anf diesem
Gebiete weiter zn arbeiteu.
*C. Schornbaum, Zur Gescbichte des Reichstags von Augsburg im
Jahre 1530. Ztschr. f. K.G. XXVI, S. 142f.
Dem schoD oft erprobten Sptirsinn Dr. Schorubaums ist es gelungen,
auf dem. NUmberger Krei&archiv eine Reihe bisher vermifiter AktenstUcke
aufzufinden, die unsere RenntDis der Einzelvorgange auf dem Angsbnrger
Reichstage von 1530 wesentlich bereichern duiiten. Da ist zuerst ein
Schriftsttick hervorznheben, das Schornbaum fUr das Niimberger Glanbens-
bekenntnis znm Angsbnrger Reichstag halt (S. 146), was sich hoffentiich
bestatigen wird. Indessen mochte ich dabei auf etwas aufmerksam machen,
was bisher, wie mir scheint, zu wenig beachtet worden ist. Die Niirnberger
haben sich namlich z w e im al mit einer Apologie fttr den Angsbnrger Reichs-
tag beschaftigt. Die erste schickten sie spatestens Mitte Mai nach Augsburg
und legten sie Melanchthon vor, dessen Urteil die Nttmberger Gesaudten
am 20. Mai nach Hause (C. R. II S. 96) berichten konnten. Merkwttrdiger-
weise schreibt nun Osiander an Luther am 21. Juni d. h. zu einer Zeit,
wo die Niirnberger (nachdem bereits am 9. Mai dartiber beraten worden
war. Siehe das bei Schornbaum S. 146 unter Nr. 3 aufgefUhrte Schrift-
stUck) schon sich den Sachsen in der Bekenntnisfrage angeschlossen hatten
(vgl. 0. R. II 112) und Osiander Melanchthons Arbeit, so weit sie fertig
war, in Handen hatte, dafi er gezwungen sei, eine Apologie zu schreiben.
M(5glicherweise handelt es sich bei dem neuaufgefundenen auch um dieses
Schriftsttick. Der Beweis wttrde sich leicht nihren lassen, da Osiander
voraussichtlich in dieser Apologie auf eine S telle in den pseudoisidorischen
Dekretalien den Finger g^legt hat. Denn er schreibt — um den ganzen
Abschnitt seines Briefes hier wiederzugeben — Ego hisce diebus scribere
ceactus sum apologiam sive consilium, quomodo nostri agere debeant,
eo animo nt me quoque illuc profecturum putarem ; quit futurum sit, adhuc
nescio, nihil certe dignum efficere possum post Philippum, cuius Apologiam
vidi ac valde probo. Dura obiter acta Conciliorum oberrans perlustro,
incidi in locum Apostolicae fictitiae Clementis, in qua aperte suadetur
imo praecipitur communio uxorum etc. (Enders VIII 17). Hat nun i^si-
ander damals eine Apologie schreiben miissen, dann dtirfte er wahrschein-
lich an der, welche Mitte Mai in Augsburg vorlag, nicht beteiligt gewesen
sein, in der zweiten milBte also seine Rechtfertigungslehre enthalten sein,
iiber die er spater behauptet, bereits in Augsburg mit Melanchthon ver-
handelt zu haben (vgl. Moller, A. Osiander Elberfeld S. 130 f.). Ferner
fand Sch. u. a. das Original des Gutachtens Osianders iiber die Confutatio
Pontificia, das wir bisher nur in schlechten Abschriften kannten, z. B.
bei Schirrmacher, Briefe und Akten etc. Gotha 1876, S.279. Dabei'
mochte ich die Frage aufwerfen, ob nicht die Aufzeichnung des Camerarius
iiber die Confutatio, auf Grund deren Osiander sein Gutachteo abgab
(vgl. Vogt, Die Korrespondenz des Niirnberger Rates etc., MitteUuogen
Zur Bibliographie. 287
des Ver. f, d. Gesch. NOrnbiargs IV 30) und die auch Melanchthon haupt-
Bachlich bei seinem ersten Entwarf der Apologie benutzte, nicht noch
in Niirnberg zu finden sein sollteD. Die iibrigen von Schoinbaum aufge-
fundenen Schriftstticke beziehen sich zumeist auf die traurigen Ausgleichs-
verhandlangen mit der romischen Partei. Schornbaum beschrankt sich
einstweilen darauf, die fraglichen Aktenstiicke zu registrieren. Nur ein
bisber vermiBtes Gntachten Melanchthons Yom 24. August, welches flir
seine damalige Haltung sehr charakteristisch ist, und ein Sciireiben
der NUrnberger Gesandten an den Rat vom 18. Sept. wird abgedruckt,
das uns tiber ihn und des Herzogs von Ltineburg Vorgehen gegen die
von Melanckbthon begiinstigten Sonderverhandlungen der markgraflichen
Gelehrten berichtet. Weiteres dttrfen wir in einer gr5fieren Monographic
Schombaums tiber die Politik des Markgrafen Georg erwarten.
*P. Mitzschke in Weimar, Job. Horner.
Im 50. Bande der deutschen allgemeinen Biographie (wieder abge-
druckt im Frankischen Landboten 1905 Nr. 61) bringt P. Mietzsche eine
karze Darstellung des Lebens und Wirkens des frankischen Geistlichen
Joh. HQrners, aufdieich hier urn so lieber aufmerksam mache, als dieser
8. Z. wohibekannte Schriftsteller, obwohl erst vor 30 Jahren verstorben,
schon der Vergessenheit anbeim gefallen zu sein scheint. J. Horner, geb.
am 22. Dez. 1795 in Thurnau, wurde nach beendigten Erl anger Studium
und mehreren Yikariatsstellen 1825 Pfarrer in Burggrub bei Kronach,
1834 in Schnabelwaid, 1840 in Wachstein bei Gunzenbausen, 1846 in
Konigshofen bei WassertrUdingen, 1858 in Berolzheim. Seit 1869 emeri-
tiert starb er am 20. Juli 1874 in Ansbach. Im Jahre 1830 begann er in
Form einer fortlaufenden Schrifterklarung ein ,,Neues biblisches Er-
banungsbuch fCir die hausliche und offentliche Andacht", das im ersten
Teile, dem Leben Jesu nach Matthaus, eine Evangelienanslegung von dem
bekannten KatioDalisten. Dekan Dr. Stephani brachte, wahrend der zweite
und letzte Teil (Magdeburg 1834), das Markusevangelium von Prof. Dr.
Heydenreich in Herborn bearbeitet wurde. In einem in Magdeburg
1830—40 erschienenen homiletischen wRepertorium ftir die sonn- und fest-
taglichen Evangelien, mit Predigtentwurfen ans groGtenteils noch unge-
drnckter Predigt**, kamen Manner aller Richtungen von R5hr bis Clans
Harms und Fr. Delitzsch zum Worte, denn es soUte ^in die Parteikampfe
der evangelischen Eirche mehr MaBigung, Yerstandigung und womoglich
endliche Stthnung bringen." Ohne sich als Herausgeber zu nennen, leitete
H5mer zu derselben Zeit ^Annalen der gesamten theol. Literatur** (Koburg
und Leipzig 1831—32 und Bayreuth 1833—35), die womoglich die Kluft
zwischen Protestantismus und Katholizismus ttberbrucken helfen sollte. Unter
den Mitarbeitern fanden sich evangelische Gelehrte verschiedener Richtung,
und solche von hohem literarischero Rufe, aber kein Katholik, und neben
der Irenikgegeniiber der romischen Eirche blieb die scharfe Bekampfung der
Hengstenbergischen und neulutherischen Richtung bestehen. Eein Wunder,
da6 sich die Sache nicht halten konnte. Es kamen andere Stromungen
auf and brachten den nicht ungelebrten Mann friih zum Schweigen. Seine
Schriften, die mir selbst nicht bekannt geworden sind, durften fur die Ge-
schichte des literarischen Lebens in der bayerischen Geistlichkeit in der
ersten Halfte des 19. Jahrhunderts nicht ohne Wert sein.
*Schmidt, Ernst, Zur Geschichte des Gottesdienstes und der
Kirchenmusik in Rothenburg o. d. T. Rotheuburg, S. P. Peter
1905, 229 S.
Die Tagung des deutsch- evangelischen Eirchengesangvereins in
Rothenburg vom 17. n. 18. Juli 1905 hat dem urn das musikalische Leben
288 Zur Bibliographie.
Rothenburgs hoohverdienten Verf, die Veranlassung ge^eben, der Ge-
schichte der Kirchenmusik and des Gottesdienstes in der kleinen alten
Beichsstadt bis auf die neueste Zeit nachzugehen and alles, was etwa von
AktenstOcken und Druckwerken dafiir Wert hat, zu sammeln und dem Leser
TorzttfUhren. Das gibt eine reiche Sammlang, und aucb wer gr5Bere Kenntnis
der Musikgescbichte besitzt als der Referent, wird voraussichtlich erstaunt
sein, wie viele bedeutende Manner, unter denen namentlich Erasmus
Widman gest. 1634 bervorzuheben ist, dortgewirkt und wie vieles sie, zum
Tell unter sehr schwierigen Verhaltnissen, geleistet baben. Rotbenbnrg
muB lange Zeit eine besondere Pflegstatte der kirchlichen Musik gewesen
sein, und nicht bloB dieser. Aber mit der Aufklarung und der Ver-
flachung des Gottesdienstes trat auch hier der Verfall ein, und 1811 lag
die Sache bereits so, daO eine „allerhocbste Entschlie^ung** vom 31. Jan.
desselben Jahres auf Grund der Schilderung des Dekans und der-Rothen-
burger Geistlichkeit erklarte, daB die Kirchenmusik dermalen in einer
solchen Verfassung sei, d&Q dieselbe fUr jetzt eingestellt werden solle;
und es hat lange gewahrt, bis sich wieder neues Leben entwickelte, wie
wir es jetzt dort bltthen sehen. DaQ es iibrigens in Rotbenbnrg schwerer
war als anderwSrts, in neuerer Zeit die Kirchenmusik wieder im Gottes-
dienst zn Ehren bringen, lag freilich, was der Verf. klipp und klar hatte
anssprechen sollen, nicht zum wenigsten daran, daB, als die neue baye-
rische Agende vom Jahre 1856 eingefiihrt wurde, Rothenburg gemeinsam
(soviel ich weiB) mit alien friiheren Reichssadten entsprechend der da-
mals in den bUrgerlichen Kreisen herrschenden Oppositionslust die an-
geblich katholisierendeLiturgie, an die allein sich doch wirklich kirch-
liche Musik anlehnen kann, nicht annahm. Umso interessanter ist es zu
erfahren, was mir neu war, daj3 nach dieser Beziehung sich in letzter Zeit
ein Umschwung geltend macht, indem (vgl. S. 30) wenigstens an fiinf
Festtagen „die Gottesdienste mit voller Liturgie ausgestaltef gefeiert
werden. Und aus der ftir „Pfingsten** mitgeteilten Probe ergiebt sich,
daB die Rothenburger sich an die Agende anschlieBend doch fiir ihre
Festgottesdienste eine eigene Liturgie geschaffen haben, was man be-
sonders begriiBen muB, denn gerade hier ist, und das entspicht echt
lutherischen Grundsatzen, wie immer im gottesdienstlichen Leben starre
Uniformitat nur vom tJbel. — Hiermit sei alien Interessenten die gut aus-
gestattete and auch mit einigen guten Illustrationen versehene Schrift
bestens empfohlen.
Fellner, Dr. Rob., Die frankische Ritterschaft von 1495 — 1524.
Mit einer Einleitung. Hauptsachlich nach Quellen aus dem
Hochstift WUrzburg. Berlin 1905. E. Ebering. — 8 M.
Conrad, Frz., Gesch. der Wallfahrt und des Klosters Mariabuchen.
3. Aufl. Wurzbnrg 1905. 96 S,
Albert, Jos. Fr., Praktikant am Kgl. allgemeinen Reichsarcbiv in
MUnchen, Die Wahlkapitulationen der WUrzburger BischSfe bis
zum Ende des XVII. Jahrhunderts. 1225—1698. Eine histo-
risch-diplomatische Studie. (S. A. aus d. Arch. d. hist. Vereins
von Unterfranken und Aschaffenburg. Bd. XL VI.) WUrzburg
1905. 160 8.
Beitrage
bayerischen Kirchengeschichte
D. Theodor Kolde,
ord. Prof, der KircheDgeschichte an der Univereitat Eilangen,
Erlangen igo6.
Verlag von Fr. Jung
1
tL t. Hof- nod UolTersltlUsbnohdruckeral von Janf • * fiohn In BrUngea.
iDhaltsyerzeichnis des XII. Bandes.
Seite
Chr, Geyer, Das kirchliche Leben in Nuraberg vor uod Dach dem
Cbergang der Reichsstadt an Bayern 1
K. Schornbaum, Das erste Ansbacher Proklamationsbuch' 21
V. Wirth, Kirchenguter und Ornate zu Hersbruck im Jahre 1593 38
O. Rieder, Kirchengeschichtliches in den Zeitschriften der histo-
rischen Vereine in Bayern 44
Zur Bibliographie 46
Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Erlangen . . 49
Chr. Geyer, Das kirchliche -Leben in Niimberg vor und nach dem
Ubergang der Reichsstadt an Bayern (SchluB) ,100
O. Clemen, Noricus Philadelphus z= Caspar Niitzel 131
Zur Bibliographie 134
K. Schornbaum, Zur Geschichte der Reformation und Gegen-
reformatioQ im Amte Hoheneck und der Kommende Virnsberg 141
O. Clemen, Noch etwas von D. Joh. Teuschlein 181
Zur Bibliographie 187
R, Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim 193
G. Bossert, Ein Brief von Jakob Schopper. Ein Beitrag zur Ge-
schichte der Schule in Hornbach 207
K. Schornbaum, Die Sakularisation des Klosters Solnhofen . . . 212
G. Bossert, Ein Dankschreiben von Pfalz-Neuburger Exulanten an
Konr. Dietrich, Superintendent, und das Ministerium in Ulm
von Ende 1616 oder Anfang 1617 226
Th. Kolde, Die Gesellschaft fiir frankische Geschichte und die
Kirchengeschichte 229
Zur Bibliographie 234
Chr. Geyer, Niirnberg und die Gegen reformation 241
V. KreB, Die Kirchenordnung fiir eine Landgemeinde (Kraftshof) aus
der ersten Halfte des 15. Jahrhimderts 258
K. Schornbaum, Zur Stellung der brandenburgisch-ansbachischen
Regierung zum Konzil von Trient 1551—52 271
Zur Bibliographie 284
\
Das kirchliche Leben inNiirnberg vor und nach dem
Ubergang der Reichsstadt an Bayern.
Von Hauptprediger Dr. Geyer.
In die Klage, daB allzuviel Jubilaen gefeiert werden, ein-
zustimmen, haben wohl die Freunde der Geschichte am wenigsten
AiilaB; denn die Gedachtnisfeiern bringen es mit sich, daB die
Frage nach den Ereignissen und Zustanden der Vergangenheit
laut wird, und der Forscher, der sich in die Akten und Biicher
vergraben hat, in denen die Vorzeit schlummert, darf bei solchen
Grelegenheiten darauf rechnen, daB mancher seiner Erzahlung
ein freundliches Gehor schenkt, der sonst mit der schnelllebigen
Zeit leichten Mutes liber der Gegenwart die vorigen Zeiten ver-
gaB. So hoffen wir, daB diese Blatter nicht nur von denen,
die sich selbst mit der Erforschung der Geschichte abgeben,
sondern auch von solchen gelesen werden mochten, die sich fiir
das kirchliche Leben und seine Wandlungen zu interessieren
durch das herannahende Jubilaum Ntirnbergs veranlaBt werden.
Der Zustand Ntirnbergs am Ende des 18. Jahrhunderts
zeigte sehr wenig mehr von dem Glanz der Vergangenheit.
Nachdem der B^bergang des Flirstentums Ansbach an PreuBen
bei den neuen Herren die Erinnerung an die^ beinahe ver-
gessenen Ansprliche der alten Markgrafen erneuert und die
ehemals iiber ein groBes Landgebiet herrschende Reichsstadt
wesentlich eingeschrankt hatte (1796), war die Finanznot der
schon vorher nicht glanzend gebetteten Stadtvervvaltung aufs
auBerste gestiegen^). Weder die 1792 eingesetzte Okonomie-
1) Als im Jahre 1796 die Strafienbeleuchtung «ingerichtet wurde,
fand folgendes Pasquill Yerbreitung:
„Als Niirnberg noch im Wohl stand war,
So war es finster ganz und gar,
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichto XII. 1. 1
2 Geyer, Das kirchl. Leben in Ntimberg vor u. nach d. Cberg. an Bayern.
verbesserungsdeputation, noch die 1797 von Hofrat Gemming
ins Leben gernfene kaiserliche Lokalkommission brachte die
erwunschte Besserung. Die ganze Finanzwirtschaft litt bei dem
Fehlen einer einheitlichen Zentralbeh5rde an einer entsetzlichen
Zersplitternng und Verwirrnng and es zengt von dem guten
Blick des bayerischen Landesdirektionsrats von Lochner, dessen
Bericht von 1807 die beste nnd zaverlassigste Quelle ftir die
Zust^nde Niirnbergs vor 100 Jahren bildet^), daB er sogleich
dieses eigentliche Grundgebrechen erkannte. Die bestandige
Finanznot bewirkte in. den unrnhigen Zeitlauften der Napo-
leonischen Ara eine so voUige Machtlosigkeit, daB die Stadt
einfach mit sich geschehen lassen mufite, was iiber sie verfugt
wurde. J. Baader hat auf Grund „bisher nnbenutzter archivali-
scher Aktenstlicke" den drohenden Verlust der Reichsfreiheit
nnd die Bestrebungen zur Erhaltung der Selbst^ndigkeit und
Unmittelbarkeit geschildert. Wenn wir unter seiner Fuhrung
die Nlirnberger Eatsdeputation nach Munchen und an das kgl.
Hoflager begleiten, sehen wir, daB dem Rat gar keine andere
Wahl blieb, als die Zivilbesitzergreifung Niirnbergs durch die
Krone Bayern willig oder unwillig zu dulden^). Der bayerische
Minister Graf Montgelas und der Franzose Fririon, inspecteur
aux revues, als Generalkommiss^r Napoleons vollzogen die
iJbergabe am 8. September 1806; die formelle Aktion in Niirn-
berg fand am 15, September statt. An diesem Tage iibergab
Fririon Niirnberg in aller Form und Feierlichkeit an den
bayerischen General-Landeskommissar in Franken, Graf Thlir-
heim. Der bayerische K5nig erhielt mit der Souver^nitat die
voile Befugnis, die Stadt nach bayerischen Gesetzen zu regieren
und einzurichten ^). Das konigliche Besitzergreifungspatent ver-
Jetzt, da der Staat zugrund gegangen,
Hat man Laternen aufgehangen,
Damit der arme Bilrgersroann,
Des Nachts zum Betteln sehen kann.**
Manuskr. in der Stadtbibliothek. Will VIII, 426 b.
1) Entwurf des Berichtes an S. Majestat den Konig iiber die kiinftige
Organisation der vormaligen Reichsstadt Niirnberg. 1807. Kgl. Kreis-
archiv in Ntirnberg 4348.
2) J. Baader, Der Heichsstadt Mrnberg letztes Scbicksal and ihr
lib er gang an Bayern. Niirnberg 1863.
3) Vbergabsprotokoll bei Baader, a. a. 0. S. 38.
Geyer, Das kirchl. Leben in Nurnberg vor u. nach cl. Uberg. an Bayern. 3
langte auch von den geistlichen Behorden Gehorsam, und
alsbald wurden nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem
Lande alle geistlichen und weltlichenDiener verpflichtet^). Am
21. September wurde ein Dankfest bei St. Sebald gefeiert, bei
dem der Prediger bei St. Sebald D. Christian Junge in Gegen-
wart des Grafen Thurheim und des ganzen Eats mit seinen
Konsulenten und Assessoren der Gerichte liber Ps. 118, V, 23
bis 25 sprach. Nicht nur die frostigen Poesien, mit denen der
Tag verherrlicht wurde 2), sondern auch die Predigt laBt er-
kennen^ daB — und wie hatte das anders sein konnen und
durfen ? — mehr die Stimmung der Ergebung in ein unabwend-
bares Geschick als der innerlichen freudigen Zustimmung zu ihm
vorherrschte. Junge hat sich ubrigens seiner schwierigen Auf-
gabe in recht taktvoUer Weise erledigt^).
Sein Thema lautete „Die Denkungsart des Christen bei
wichtigen Staatsveranderungen*' und er fiihrte aus, daB der
Christ solche Veranderungen auf Gott beziehen und als seine
Ftigungen betrachten und daraus Griinde zu seiner Beruhigung
und Erweckung ableiten werde. „Ihr seid es," so redete er
die Nurnberger an, „schon seit Jahrhunderten gewohnt, euren
Vorgesetzten Treue und Gehorsam zu leisten. Nur einmal, vor
mehr als vier Jahrhunderten, entstanden Parteien, die, irre ge-
fiihrt, gegen ihre Oberen gewaltsam verfuhren, aber dennoch
blieb ein angesehener Teil auch damals seinen Pflich ten getreu;
auBerdem aber, weder vorher oder nachher, befleckt in dieser
langen Reihe von Jahi-en, irgend eine offenbare Gewalttat
hiesiger Burger gegen ihre Oberen die Annalen Niirnbergs.
Dies moge unserm AUergnadigsten Konig ein Beweis der treuen
und patriotischen Gesiunungen Seiner neuen Untergebenen sein
1) A. a. 0. S. 42 u. 44.
2) A. a. 0. S. 52—55.
3) Predigt am 16. Sonntag Dach dem Feste der Dreieinigkeit als an
dem verordneten Dankfest wegen der feierlichen Besitznehmung der Stadt
Ntirnberg und ihres Gebietes von Seiten S. Majestat des durchlauchtigsten
K6nig8 Maximilian Josephs unsers AUergnadigsten Herrns gehalten von
D. Christian Gottfried Junge, vorderstem Antistes, Prediger an der
Sebalder Kirche und Bibliothekar. Im Jahr Christi 1806. den 21. Sep-
tember. Ntirnberg, bei G. P. J. Bieling, Buchdrucker in der Juden-
gasse.
1*
4 Geyer, Das kirch). Leben in NUrnberg vor u. nach d. t)berg. an Bayern.
uud Ihn in Seiner Liebe zu ihnen kraftigst befestigen"^). Auch
die Art, wie er der bisherigen Regierung gedenkt, ist sehr
wohituend. „Mit diesem Geflihl der Dankbarkeit gegen unsem
Vater im Himmel woUen wir noch einen herzlichen Dank gegen
nnsere vorigen Regenten verbinden, unter deren Schutz und
Leitung wir so lange ruhig und gliicklich lebten und auch
selbst in den neuern unglticklichen Zeiten, unter manchen Leiden,
die auch ihnen selbst schmerzlich waren, noch manches Gute,
Angenehme und Erfreuliche genossen. Ihnen wolle der allgtitige
Gott, was sie aus Liebe des Vaterlands und ihrer Mitbiirger,
aiis Achtung gegen ihre heilige Pflicht zu dem allgemeinen
Besten Gutes taten und beforderten, reichlich belohnen und sie
und Ihre B^amilien mit mannigfachem Segen erfreuen"*).
So war also Ntirnberg bayerisch geworden. Wie sah es
daraals aus? Der oben bereits genannte Freiherr von Lochner
hat seinen Organisationsbericht an die Krone erstattet, nachdem
er ein voiles halbes Jahr in Nurnberg geweilt hatte^). Er
hatte — abgesehen von der Organisation der Polizei — ab-
sichtlich alles zunachst beim Alten gelassen urn die Geschafte
moglichst griindlich kennen zu lernen und seinen Vorschlagen
eine gute Grundlage zu sichern. Im Berichte gibt er zunachst
historische und statistische Notizen uber die Stadt und die
Pflegamter, dann stellt er die bisherige Geschaftsbehandlung
und Verfassung dar und endlich macht er Vorschlage zur Neu-
organisation. Wir erfahren da, daU Nurnberg 25176 Seelen
zahlte (11764 mannl , 13709 weibl. Geschlechts), 2712 Hans-
besitzer, 4005 Mietsleute, 5297 Manner, 6079 Weiber, 3963 Knaben,
4537 Madchen, 2207 mannliche Dienstboten und Verwandte,
3057 desgl. weiblich^. Diese alle wohnten in 3284 Hausern,
die auf der Lorenzer- und Sebalderseite in je 4 Viertel ein-
geteilt waren*). Dazu kamen 198 offentliche Gebaude, darunter
16 Kirchen. Die Salvatorskirche und die BarfuBerkirche dienten
1) A. a. 0. S. 16.
2) A. a. 0. S. 15 f.
3) Lochner bat den Bericht laut Postbescheinigung am 5. April 1807
an den Grafen Thurheim gescbickt.
4) Barfufier-, Kornmarkter-, Karthauser- und Elisabetber-Viertel ;
Weinmarkter-, Milchmarkter-, Egidier- und Salzmarkter-Viertel.
Geyer, Das kirchl. I.eben in KOmberg Yor u. nach d. Oberg. an Bayern. 5
als Magazine. Die Karthause ist der katholischen Qemeinde
iiberlassen — die Eiisabethkirche wurde umgebaut, die Refor-
mierten haben die Marthakirche inne^) (seit 1800). Die Nttrn-
berger Bevolkenmg erscheint dem bayerischen aufgeklarten
Beamten kleinlich und alien Neuerungen gegeniiber miUtrauisch.
Die in alien Standen herrschende Armut wirkt nach seiner
Meinung nachteilig anf das ganze geistige Leben ein.
Bei der Darstellung der kirchlichen Verhaltnisse bezieht
sich Lochner auf einen erst jiingsthin iiber die evangelischen
Pfarreien erstatteten Bericht. Die Zahl der Geistlichen erscheint
ihm sehr grofi, die gottesdienstlichen tJbungen seien zahlreicher
als in anderen protestantischen StMten. Das Eitual bei den-
selben unterscheide sich wesentlich von dem an anderen prote-
stantischen Orten. AUe Tage konne man entweder eine Priih-
oder Nachmittagpredigt horen, „aber die Predigten entsprechen
demZweck, welcher Volksbelehrung sein soil, bei weitem nicht;
der Vortrag derselben ist so wenig anziehend, dafi solche von
den Einwohnern wenig besucht werden, so daB man oft in einer
Kirche nur zwei Personen wahreud der Wochenpredigten als
ZuhQrer finden kann". Eine genauere Untersuchung der kirch-
lichen Verfassung, eine andere Einrichtung der gottesdienst-
lichen Verrichtungen nnd selbst anch manche AbRnderungen in
den Personen, denen die pfarrlichen Verrichtnngen obliegen,
seien notwendig.
Die katholische und reformierte Konfession sei nur geduldet;
die Katholiken konnten weder das Burger- noch das Meister-
recht erlangen. Dies verstoBe gegen das Religionsedikt. Die
katholischen Gottesdienste wurden von drei Geistlichen, einem
Prases und zwei Kapljinen in der vormaligen Deutschordens-
kommende besorgt, die Geistlichen werden auch nach auswarts
(Feucht, Katzwang, Rostall, Schwabach, Fiirth, Zirndorf, Wen-
delstein u. s. w.) gerufen; denn den 500 Katholiken in der
Stadt sttinden 2000 auf dem Lande gegeniiber. Ftir die Aus-
lagen komme seit der Reformation diir deutsche Orden auf. Der
1) Man vgl. zu Lochners Bericbt, Georg Wolfgang Karl Lochner,
Die Stadt Ntirnberg im Ausgang ihrer Reichsfreiheit. Zeitscbrift f. deutsche
Eulturgeschichte) herausgegeb. von Muller u. Falke, 3. Jahrgang (1858)
S. 255-293.
6 Geyer, Das klrchl.Leben in Nlirnberg vox u.nach d.Cberg. an Bayern.
Gottesdienst fande jetzt in der Kai'thauserkirche statt. Ob eine.
Pfarrei^) errichtet werden soUe, lasse sich noch nicht entscheiden.
Vor allem miisse man den Katholiken eine andere Kirche an-
weisen, und zwar die Marienkirche auf dem Markt, deren Lage,
innere Einrichtung und GroBe entspreche und deren Abtretung,
da sie keine eigentliche protestantische Pfarrkirche sei, wenig
Widerspruch erregen diirfte.
Die reformierte Gemeiude bestehe. aus sieben Familien,
unselbstandigen Fremden, Handiungsdienern, Gesellen u. s. w.
Von hier aus wlirden auch vier reformierte Familien in Fiirth,
desgleichen einige Seelen in Farnbach und an einigen anderen
Orten pastoriert. Die Kommunikantenzahl betrage 60. Nach-
dem die Eeformierten von 1660 bis 1703 ihre Gottesdienste in
Stein gehalten, batten sie in diesem Jahr einen Garten mit
Saal bei Wohrd gekauft, nach der preuBischen Okkupation 1796
hatte die Gemeinde ein im Stadtgebiet liegendes Gotteshaus
erbeten und 1800 die Martkakirche erhalten. Die Eeformierten
seien biirgerlich den Lutheranern gleichberechtigt, nur mtiBten
sie fiir ihr Kirchenwesen selber sorgen. KoIIekten, die bei den
Glaubensgenossen in Holland und in der Sphweiz erhoben worden
seien, batten von 1775 bis 1790 8400 fl. ergeben, die bei den
Stadtamtern verzinslich angelegt worden seien. Obwohl diese
seit 1804- nur mehr 2^/^ statt 4^/^ bezahlten, seien 420 fl. Zinsen
im Riickstande, weshalb sich die Gemeinde in grofier Verlegen-
heit beflnde^).
Die Juden ^eien seit 1499 in Nlirnberg nicht geduldet; sie
durften nur durch zwei Tore, das Spittler- und das Tiergartner-
tor die Stadt betreten, immer von einer Polizeiwache begleitet.
Die ehemals bestehende Judensteuer sei zwar seit 1800 in ein
Eintritts- oder Passiergeld umgewandelt; allein auch dies ver-
trage sich nicht mit dem Geist einer „liberalen Eegierung".
1) Die Katholiken durften keine Umgange auBerhalb der Kirche und
keine „ProzeC" zu Kranken halten. Die Leichen bezahlten der (protestant.)
Pfarrkirche iura stolae. Junge, Bericht iiber das evang. Kirchenwesen
vom 1. Dez. 1807. Abschnitt III. Ms. der Dekanatsregistratur.
2) Die Reformierten Ubten ungehindert ihren Gottesdienst aus, hatten
aber keine Parochialrechte, d. h. sie muBten die Stolgebiihren an die
protestant. Pfarrkirchen zahlen. Junge, a. a. 0,
Geyer, Das kirchl. Leben in Niirnberg vor u. nach d. t^berg. an Bayern. ^
Was fiber die offentlichen Schulen, die 4 lateinischen Schulen,
die 18 deutschen Schulen und die 5 Armenkinderschulen be-
richtet wird, mussen wir ubergehen. Nur das sei bemerkt, daU
Lochner meint, den lateinischen Schulen musse eine grofie Ver-
anderung bevorstehen, wenn sie zu hoheren Studien vorbereiten
soUen. Die deutschen Schulen, denen der Stempel des Zunft-
zwanges aufgedruckt sei, so zwar daB die neuen Schulmeister
die Stellen der Alten einnehmen oder in sie einheiraten wie
in ein anderes Geschaft, das die Witwe nach dem Tode ihres
Mannes weiterfuhrt, ohne daB der Staat irgendwie die lediglich
auf das Schulgeld angewiesenen Lehrer bezahle, seien noch
schlechter als die lateinischen und sehr reformbedurftig. „Grafieste
Unwissenheit, ganzlicher Mangel an richtigen Begriffen, Aber-
glaube sind hier leider zuhause." Eine veraltete Lehrmethode
gebrauche fast nur Bibel und Gesangbuch; „kein neues zweck-
mafiiges Lehrbuch der Eeligion" sei vorhanden. Die SchuUehrer
seien meistens alt und ganzlich unbrauchbar^). Auch bei den
Armenkinderschulen kommt er trotz mancher Anerkennung im Ein-
zelnen — so wird von dem Diakon Seyfried, dem die Aufsicht
fiber die Lodelsche Kinderschule ubertragen war, gesagt, er be-
mfihe sich, in seinem Unterrichte mit dem Geist der Zeit fort-
zuschreiten — zu dem Ergebnis, daB diese Schulen entweder zu
reorganisieren oder aufzuheben seien. Aufrichtiges Lob spendet
er dagegen den von der Gesellschaft zur Beforderung der vater-
landischen Industrie gegrfindeten Industrieschulen ffir Madchen
(1793) und fur Knaben (1803) sowie der von eben dieser Gesell-
schaft ins Leben gerufenen Rumfordschen Suppenanstalt.
Die Bibliothek des Predigers Solger sei 1766 uml5000fl.
zur Stadtbibliothek erkauft worden. Dem gegenwartigen
Bibliothekar Dr. Junge — der im Predigerkloster wohnende
Prediger bei St. Sebald war immer zugleich auch Bibliothekar —
soUe zur notigen Katalogisierung Professor Penzenkofer und
Registrator Kief haber (der Verwalter der Bibliotheca Williana)
beigegeben werden, da er sein Amt gegen 60 fl. Besoldung nur
im Nebendienst verwalte.
1) Vgl. Geyer, NUrnberger Tochterschulen vor hundert Jahren im
Jahresbei'icht des Lohmannschen Instituts von 1904/5, S. 3 und namentlich
Schultheifi, Gesch. der Schulen in Ntimberg 1857.- .
8 Geyer, Das kircbl. Leben in Nilrnberg vor u. naeh d. Oberg. an Bayero.
Aus der eingehenden und instruktiven Be8chreibung des
stadtischen Verwaltungsapparates woUen wir nur hervorheben, dafi
das Vormundamt, dem die geistlichen Angelegetiheiten zugeteilt
waren, eine der 16 in Nurnberg vorhandenen Gerichtsstellen war.
Der von Lochner genannte Bericht fiber die evangelischen
Pfarreien ist mir nicht znganglich gewesen; dafur habe ich
unter den reponierten Akten des Dekanats Nurnberg ein ein-
gehendes Eeferat des Predigers Dr. Junge gefnnden, das diesem
am 1. Dezember 1807 abgefordert wurde uiid einen vollstandigen
Uberblick fiber das gesamte Nfirnberger Kirchenwesen gestattet^).
Auf Grund eines kgl. Eeskripts vom 4. Sept. hatte Lochner
am 11. Oktober Junge unter tJbersendung von ausffihrlichen
Fragebogen zu genauer Berichterstattung aufgefordert. Den
groBten Teil des Schriftstuckes nimmt die Beschreibung des
offentlichen Kultus ein; darnach istnoch vonliturgischen
Formularen, Religions- und Andachtsbuchern, von kirch-
licher Disziplin und Polizei, von Amts- und Standes-
pfjichten, endlich von Kircheninspektion und Kirchen-
regierung die Rede. Die im Folgenden gegebenen Nachrichten
gehen stets, wenn nicht andere Literatur ausdrficklich angezogen
wird, auf dieses nur allzulange vergraben und ungenutzt ge-
bliebene Schriftsttick zurfick.
Wir woUen zunachst eine Vorstellung von der kirchen-
regimentlichen Organisation Altnurnbergs gewinnen. Esist
begreif lich, daB der Rat, dem als Summus episcopus die Ver-
waltung aller Kirchenangelegenheiten gebfihrte, nicht alles in
seinen Sitzungen beraten konnte. Nur Sachen von besonderer
Wichtigkeit, wie etwa die Einftthrung eines neuen Gesangbuchs,
eiuer neuen Agende und neuer Lehrbficher muBten ihmvorgelegt
werden. Fur alle minder bedeutende und gelaufige Angelegenheiten
waren in der Stadt das Kirchen- und Vormundamt, auf dem
Lande teilweise die Landpflegearater zustandig, deren Inhaber
zu einem Kollegium der Landpfleger unter dem Oberlandpfleger
als ihrem Chef zusammentraten. Finer der Herren des Rats
war in der Stadt als Kirchenpfleger aufgestellt, der mit seinen
Kollegen vom Kirchen- und Vormundamt, namentlich den drei
1) Bericht iiber das evangeliscbe Kirchenwesen zu Ntiraberg. An
das Egl. B. General-Land-Kommissariat (Konzept).
Geyer, Das kirchL Leben in Ntirnberg vor u. nach d. tJberg. an Bayern. 9
Herren ^Scholarchen*' das Meiste selbst besorgte. Bei Erledigung
von Pfarrstell^en legte er die Bewerbungen nebst daraus ge-
fertigten Auszttgen vor — bei Landstellen tat der betreflfende
Landpfleger das gleiche — und suchte durch seine damit ver-
bundenen Bemerkungen die Wahl zu ieiten. Schullehrer auf
dem Lande wurden ohne Genehmigung des Rates angestellt,
ftir die Pfarrer in Stadt und Land, desgleichen fiir die stadtischen
Rektoren war dieselbe jedoch erforderlich. Uber die Arten der
Leichen oder Hochzeiten und fiber die Dispensationen entschied
das Kirchenamt. Dasselbe ffihrte auch die Rechnung.
Unter dem Kirchenamt stand das Kollegium- der Prediger,
deren frfiher sechs, nunmehr aber nur noch vier — Sebald,
Lorenz, Egidien und heil. Geist — waren. Die Prediger batten
die Aufsicht fiber die Geistlichen und stellten als geistliche
Rate in den Sachen, die sich auf die Lehre, Sitte, Gebrauche
und gottesdienstliche Einrichtuugen bezogen, ihre „Bedenken",
wie sie denn auch bei Pfarr- und Rektoratsbesetzungen auf
Grund der ihnen mitgeteilten Bewerbungen taten. AUein der
Kirchenpfleger wandte sich nicht immer an das ganze Kollegium
der Prediger, sondern bisweilen nur an die beiden ersten —
die Prediger von Sebald und Lorenz — oder auch nur an den
ersteren, den Prediger von Sebald, der die Aufsicht fiber das
ganze „Ministeriura" fuhren soUte, d. h. fiber die gesamte Geist-
lichkeit. Eine eigentliche Konsistorialverfassung war also kaum
ffir die Stadt, noch weniger aber ffir das Land durchgeffihrt^)
und die Befugnisse des Predigers von St Sebald ermangelten
einer genauen .Abgrenzung. Eine eigentfimliche Einrichtung ffir
die Stadt war der jahrliche Konvent, zu dem sich der Kirchen-
pfleger und die Scholarchen mit den Predigern und Schaflfern
(den ersten Pfarrern) und je einem Diakon (2., 3., u. s. w.
Pfarrer) aus jeder Pfarrkirche versammelten, wobei die. Geist-
lichen ihre Wunsche und Vorschlage vortragen konnten, fiber
die das Kirchenamt alsdann , weiter beriet^).
1) Bei Unordnungen auf dem Lande wurde eine Visitation mit Hin-
zuziehung eines Predigers angeordnet- oder der Beklagte vor die Sitzung
des Kirchenamtes, der alsdann auch ein Prediger beiwohnte, berufen und
seine Sache aUda abgehandelt.
2) Die Ordnung des Konvents ist aus folgendem Schriftstuck der
Stadtbibliothek (Nor. H. 410) zu ersehen:
10 Geyer, Das kirchl. Leben in NUmberg vor u. nach d. Cberg. an Bayern.
Das Kirchen- und Vormundsamt war naturlich auch die
Instanz, die allenfallsige grobere Verfehlungen der Geistlichen
^Directoriam
den jahrliohen Eirchen Convent betreffend.
Der jahrliche Kirchen Convent /: welchem zuvorderst der Herr Eircben
Pfleger neben denen anderen Herren Scholarchis, und nechst denenselben
die 6 Herren Prediger, als zn St. Sebald, St. Laurentzen, St. Egidien,
St. Jacob, Zn unser Frauen und im Neuen Spittal, deBgleichen die beeden
Schaffer in denen beeden Pfarr Eirchen, und derPfarrer zu Wohrd, dann auch
aus jeder der 4 Nebenkirchen, als St. Egidien, Unser Frauen, St. Jacob u.
Spittal, wie nicht weniger aus jeder PfaiT Kirchen noch ein Diaconus wexels-
weifi beywohneri :/ wird in denen beeden PfarrhcJfen denen Herren Schaffern,
in denen iibrigen Eirchen aber denen Senioribus, durch den Vormundbieter
angesagt, solchen umwexelsweig zu halten, in denen Convent-Stuben bey
St. Sebald und St. Laurentzen; Allwo an elner langen Tafel /: mit Auf-
legung Papier, Dinte, Federn und Gestiipp :/ zu Oberst der Herr Kirchen-
pfleger allein praesidiret, Zu defien linken Hand so wohl die iibrige drey
Herren Scholarchae, als auch nachst denenselben die Herren Predigere
ihre Sitzstellen nehmen. Welche anfangs allein eingelassen, und nach
beschehenen kurtzen miindlichen Vortrag von dem Herren Eirohenpfleger
um ihre Erinnernng allein vernommen werden.
Zur rechten Hand sitzt der Vormundschreiber als Protokollist und
nechst demselben nehmen auf Vorfordern alsdann die andere anwesende
Herren Geistliche ordentlich nacheinander Platz.
Denen alien insgesamt wird von dem Herrn Kirchen-Pfleger ein
nocbmaliger mtindlicher Vortrag gethan, mit Anfilhrung der Ursachen,
• warum solche Conventns angestellet worden.
Darauf wird von dem jiingsten der Herren Predigere das gewohnliche
Gebet in Lateinischer Sprach gesprochen, und nach solchen die Umfrag
vorgenommen.
Mit der Umfrag aber fangt der Herr Kirchen- Pfleger an, bey dem
vordersten Prediger, so neben dem letzten vor denen Herren Scholarchen
sitzt, biB zu dem letzten Prediger;
Alsdann wird gefragt der Herr Schaffer bey St. Sebald, so auf der
rechten Seiten neben dem Protocollisten sitzt, bifi an den letzten von
denen Herren Geistlichen.
Nach diesem fragt der Herr Kirchenpfleger den nechsten von denen
Herren Scholarchen nach Ihme, welcher demselben die erste Stimme wieder
zurtickgibt.
Darauf der Herr Kirchenpfleger, nach abgelegtem Voto die iibrigen
Herrn Scholarchen jeden insonderheit um dessen Votum = und so dann
die Herren Predigere um deren fernere Erinnerung befraget. Welches
alles von dem Vormundschreiber fleiBig protocolliret und in eine Relation,
solche bey Rath vorzulegen, verfafiet wird.
Geyer, Das kirchl. Leben in NUrnberg vor u. naoh d. Oberg. an Bayern. H
zu behandeln hatte und Suspension oder I{,emotion beantragen
konnte. Zu solchen Verhandlungen wurden gleichfalls die
flAntistiten oder Prediger" beigezogen. Besondere gesetzliche
Bestimmungen liber die Kleidung der Geistlichen waren nicht
vorhanden. AuBer deij Amtsverrichtungen war ihnen „jede
modeste Kleidung" erlaubt.
Fur die Rube und Ordnung im Innern der Kirchen sorgte
der Mefiner^), zur Erhaltung der auBeren Ruhe wurden Sauve-
garden und aite Soldaten, seit der bayerischen Okkupation au<;h
Polizeidiener gebraucht. Klagen iiber StOrung des Gottesdienstes
gingen an den Kirchenpfleger, der sie dem Kriegsamt (uach der
Okkupation der Polizei) vortrug.
Die Pfarramter fiihrten Tauf-, Toten- und Trauungsmatrikeln.
Das vollstandige Totenbuch hatte das Vormundamt; denn da
im Pfarrhof viele Leichen zur Ersparung der Gebiihren nicht
angezeigt, sondern einfach auf den Friedhof getragen und ein-
gegraben wurden (sogen, Freiheitsleichen), muBte die Pfarr-
matrikel luckenhaft bleiben. Die Konfirmanden-, Beicht- und
Kommunionregister fiihrten die einzelnen Geistlichen.
Wervor hundert Jahren einen Nurnbergischen Gottes-
dienst besuchte, muBte erstaunt sein iiber zahlreiche auf
protestantischem Boden fremd anmutende AuBerlichkeiten, die
aus der katholischen Vergangenheit stammten^), namentlich
hatte sich sowohl bei den Kommunionen, als auch bei den
Kanzelvortragen und anderen geistlichen Funktionen der Ge-
Und hierauf thut der Herr Kirchenpfleger die Erinnerung, in welcher
der zweyen Pfarrkirchen, auch von welchem Diacono der Passion und der
Catecbismns in denen kiinftigen Fasten-Vesperpredigten wechselsweiB
erklaret werden soUe. Endlich wird von dem jiingsten Caplan, init Ab-
lesung einer Lection aus denen Libris Normalibus, wo man das Jahr Yor-
herr aufgehoret, continuirt;
Und darauf von dem jiingsten Prediger die Preces abermals lateinisch
gesprochen, and hiemit solcher Conventus nach genommenem Abscbied
beschlossen.'*
1) Es sei zum Oberflu^ daran erinnert, daB dieser Name nichts mit
der Messe zu tnn hat, sondern eine Yerstiimmelung des lateinischen
Wortes mansionarius = Hausaufseher ist.
2) H. V. Schubert, Der Streit iiber die Lauterkeit der Niirnb. Zere-
monien i. d. Mitte des 18. Jahrh. in dies. Zeitschr. Bd. Ill, S. 197-226.
Herold, Alt-Nttrnberg in seinen Gottesdiensten, Giltersloh 1890.
12 Geyer, Das kirchl. Leben in NUrnberg yor u. nach d. Oberg. anBayero^
*
brauch der MeUgewtoder, Chorhemden und Kragen erhalten.
Erst am 11. November 1810 wurde diese alteTracht von alien
Pfarrern abgelegt^). Es war dies der letzte Uberrest aua einem
ganzen machtigen Apparat von lateinischen und halblateinischen
Gottesdiensten, die zusammen mit dem alten Institut der Privat-
beichte dem Nurnberger Kirchenwesen ein wunderlich-altertiim-
liches Aussehen gaben. Nachdem dem Ansturm von Geist-
lichen und Laien — es seien hier nur der Kirchenpfleger Paul
Karl Welser von Neunhof*), der uberaus fleifiige Schriftsteller
Waldau^), damals Sudenprediger, der anonyme Verfasser einer
viel gelesenen Schrift*), namentlich aber der trotz des an-
genommenen Inkognito alsbald als der Verfasser einer recht
boshaften Schrift erkannte Dlakonus bei St. Jacob Johann
Ferdinand Roth ^) genannt — eine der veralteten Einrichtungen
1) Amberger, Ntirnbergs Geschichte oder Niirnberger Chronik
Nachrichten S. 45 f. Ms. in der Stadtbibliothek.
2) Waldau, Nurnbergisches Zion 1787, S. Iff. Derselbe, Die
Abschaffung der WochenfrUbmessen in NUrnberg durch den Kirchenpfleger
von Welser (1783) in „Vermisehte Beitrage zur Gesch. der Stadt Niirn-
berg Bd. II (1787) S. 397 ff.
3) Waldau, Historische Bemerkungen iiber das Belch twesen in
NUrnberg in „Vermischte Beitrage zur Gesch. der Stadt Nurnberg** Bd. I
(1786) S. 11—30.
4) Uiber den Evangeliscben offentlichen Gottesdienst in Franken oder
eines Patrioten wohlgemeynte Vorschlage den Offentlichen Gottesdienst
der Evangeliscben Gemeinden besonders in Franken Zweckmafiiger ein-
zurichten. Erlang und Schwabach 1779. — Vgl. dazu D. Joh. Augustin
Dietelmeyers Bedenken ttber einige vorgeschlagene Yerbesserungen des
evangeliscben Gottesdienstes in Franken. Altdorf 1780.
5) Beschreibung des Religionswesens in der Reichsstadt
Nurnberg, welche vielleicht auf mehrere Stadte pafit. Aus einer Reise-
beschreibung. Nonquis? Sedquid? 1789. Im Exemplar der Stadtbibliothek
findet sich auf der Innenseite des Einbandcs die handschriftliche Bemerkung:
„Eine Schandsaule erbaut sich der selber, der sein Vaterland (Jffentlich
schandet". — Rothbekampft die Beichtanstalt als eine Folge des Interims,
Tagamter, Fruhchore, VesperchSre, Fruhmessen, Mefigewande, . Chorhemde,
Kirchenornat, Lampen die bestandig brennen, die Lichter bei dem Gottes-
dienst am hellen Tage und den lateinischen Gesang als Uberbieibsel des
Papsttums. Schon seien manche Verbesserungen erfolgt, so Abschaffung
des Exorzismus bei der Taufe (Dez. 1783), der Fruhmessen, des Gewitter-
lautens und des lateinischen Magnificat vor der Nochmittagspredigt. Der
Rat woUe in Verbessernng des Religionswesens fortfahren, weshalb zwei
Geyer, Da9 kirchl. Leben in Ntiriiberg vor u. nach d. Oberg. an Bayern. 13
nach der anderen zum Opfer gefallen war, am 24. April 1783
die Wochenfruhmessen, am 25. November 1789 die Ch6re, Tag-
Parteien in der Biirgerschaft besttlnden, die sich durch Schriften nnd
Pasquille befehden. Er wendet sich besonders gegen den Gebrauch der
Dietrichschen Snmmarien, gegen die ttblichen Kir'chengebete,
namentlich die Litaney, gegen das Agendbtichlein, den Gesang
yon Kollekten, Einsetznngsw.orten und Vaterunser, gegen die 1359 Seiten
starken Normalbticher, gegen die in den Betstunden benutzten
Summarien und ^Historia des Leidens und Sterbens un seres Herm
Jesu Ghristi'^, gegen das Stadt- and das ebenso ^erbarmliche'* Land-
Gesangbuch, mit besonderer Scharfe geifielt er das Kinderlehrbtich-
lein „yon der jammerlichsten Bescliaffenheit", das nnr den Aberglauben
befordere. IJber die Beichte und das in KHrnberg bis heute herrschende
Beichtvatersystem spricht er sich also aus (S. 54): „Schon Islngst waren
mir in unserer evangelischen Kirche die Worte Beichtvater, Beicht-
kinder, Beichtstuhl, Beichtgeld vom Groscben bis zum Pfennig
herab — ekelhafte Worte. Wann r— wann werden alle diese Worte zu
den veralteten gerecbnet werden k(5nnen? Wann — wird das bisherige
Beichtwesen, das ein Werk des Fanatismus, des Geldgeizes, der Bank-
sncbt, des Pfaffenbetruges ist, aus der evangelischen Kirche verbannt
werden? Wer kennt nicht den Unfug, der hie und da — von diesen und
jenen — mit dem Beichtwesen getrieben wird ? Wem sind die schadlichen,
niedrigen, eigenniitzigen und habsiichtigen Handlungen, welche das Beicht-
wesen veranlaBten, ganz unbeka.nnt geblieben? Wer hSrte nicht, daJB
Religionslehrer sich herabwurdigten, Beichtkinder zu werben oder durch
andere werben zu lassen, wie man Soldaten anzuwerbeti pflegt? Und
— wer bemerkt nicht die nachteiligen Folgen, welche fUr- den Stand der
Religionslehrer, ja selbst fUr die Religion daraus erwachsen?" Er spricht
sich.flir vollige Abschaffung des Beichtvaterverhaltnisses
aus. — Die „kostbaren und lumpenreichen" alten MeBgewande moge
man ablegen. Der Predigten seien zu viel, wochentlich 42, am Sonntag
22, wozu noch FrUhmessen, Betstunden, Ch{)re und das Salve Regina in
der Marienkirche kamen. Der Gottesdienst am Sonntag sei zu lang.
Eingeleitet mit dem Gesang Vaterunser im Himmelreich, Epistel, All-
gemeine Furbitte, Eatechismus, Verktindigungen und langem — die Lieder
wtirden immer ganz gesungen — Hauptlied vor der Predigt, beendigtmit
Beichte, Absolution, Gebet, Notifikationen, Mandaten Furbittenzettel, Unser
Vater u. s. w. nach der Predigt, dauere er 2—3 Stunden, bei St. Jakob, wo
sich das Abendmahl an den Hauptgottesdienst anschlieBe, gelegentlich
von Vs9 bis Vjl Uhr. Das Vaterunser werde zu oft gebraucht; er
rechnet nach, daB manche Leute an ein em Sonntag 27 Vaterunser beten.
Die Perikopen seien abzuschaffen. Bei Sebald, Lorenz und Egidien
wiirden nach der Friihpredigt noch tiberfllissige Tagamter gehalten.
Die Kinderlehren seien zu sehr predigtartig. In den Nachmittags-
14 Geyer, Das kirchl. Leben in Niirnberg vor a. nach d. Uberg. an Bayern.
«lmter^) u. a.; bald darauf die Privatbeicht^), die etwas
spMer auch aaf dem Lande durcb die Allgemeine Beicht ersetzt
wurde^), war die Bahn zu einer tief einschneideiiden Umgestaltung
des gesamten Kirchenwesens erSffnet, die beim tibergang der
Stadt an Bayern noch nicht voUig abgeschlossen war. Als
nach der Abschaffung der Privatbeicht im Jahr 1790 die Zahl
der Kommunikanten von 28147 desVorjahres auf 22223 herab-
gesunken war, konnte sich freilich auch Waldau, der Fubi^er
gerade dieser Bewegung, nicht enthalten iiber die Verdiisterung
so vieler Kopfe und Herzen durch die mifiv^rstandene Auf klarung
zu klagen*). Wenn man iiberhaupt die Teilnahme an Beicht
und Abendmahl als einen Gradmesser der kirchlichen Sitte gelten
lassen will, so reden hierwie anderwarts gerade dieKommuni-
kantenzahlen eine lauteSprache von der zuEnde des 18. Jahr-
hunderts eingetretenen Verander ung. Eine voUstandige Zusammen-
gottesdiensten, in denen stets entweder tiber die Epistel oder den
Eatechismns geprediget werde, werde za anfang ein lateinischer Introitus
gesungen. Am Mittwoch Nachmittag sei bei St. Jakob noch ein lateinisches
»Geplerre und Geheule** von 3 Schul- und 2 Eirchendienern, die eine Art
Mannleinlaufen vomPult zu den Sttihlen u. 8. w. ansteilen. Die Wochen-
predigten kSnnten wegen des geringen Besuches uberhaupt eingestellt
werden; es sei doch zu viel, wenn jahrlich in Niirnberg 2766 Predigten
gehalten wtlrden. Von den lateiniBcben Horis sei die Fru]m>efi (Prim) an
den Werktagen jetzt aufgehoben, aUein Tagamt (Terz) bestebe noch am
Sonntag, desgleichen die Non oder der Vesperchor, bei dem doch nur
Kirchendiener und SchUIerchor anwesend seien. Auch der Feiertage seien
zu Yiel: ^Man gehe an Feyertagen in die dasigen Eirchen, und man wird
sehen, wie wenig sie besuchet werden. Yornehme und beguterte machen
Spazierfahrten oder bereiten sich zu nachmittagigen Gastmalen Yor; der
Handwerksmann arbeitet vormittags und nachmittags besucht er das Land.
£s wird also nur sehr wehigen Zuhorern, desto mehreren leere'n Eirchen-
stuhlen geprediget."
1) Batsdekret wegen Abschaffung der Chore, Tagamter u. a. bei
Waldau, Neue Beitrage zur Gesch. der Stadt Ntirnberg 1. Bd. (1790)
S. 74. Herold, a. a. 0. S. 315ff.
2) 18. Marz 1790. Me die us, Geschichte der evang. Eirche imEgr.
Bayern diess. d. Rh. Erlangen 1863, S. 274 ff.
3) Waldau, Neue Beitrage II, 39 ff. Oberherrliche Verordnung wegen
Einfuhrung der allgemeinen Beicht in den Niirnbergischen Eirchen auf
dem Lande. Vom 4. Januar 1791.
4) Neue Beitrage II, S, 49. Anm.
Geyer, Das kirchl. Leben in Ntirnberg vor u. nach d. ©berg, an Bayern. 15
stellung der Kommunikanten bei St. Jakob von 1632 (in welchem
Jahr zuerst Abendmahle in dieser Kirche gefeiert wurden) bis
1806 zeigt folgende lehrreiche Schwankungen^):
1632: 2525 Kommunikanten, 1640: 4649, 1650: 4441, und
dann weiter von Jahrzehnt za Jahrzehnt 5400, 5539, 6140,
7603 (1698 wnrde die hochste Zahl mit 8207 erreicht!) 7454,
7633, 7037, 6947, 5929, 5936, 5782, 4339. Wahrend 1780 die
Zahl noch 3823 betrug, waren es 1790 nur mehr 2601 und 1800
nur noch 939 Abendmahlsgaste. Aber die Zahlen sinken von
1801 bis 1806 noch weiter: 901, 913, 901, 830, 597, 577.
Wenn wir nunmehr wieder dem Berichte Junges in der
Schilderung des gottesdienstlichen Lebens folgen, lernen wir das
gegen den fruheren Zustand stark veranderte Kirchenwesen
kennen.
„An Sonn- und Festtagen", so beginnt er seine Schilderung
des „Offentlichen Kultus", ist ein besonderer Gottesdienst zu
der Kommunion veranstaltet, welches wir ftir vorziiglicher halten,
als wenn selbige nur der sonntaglichen Predigt angehangt wird,
weil die Teilnahme durch die Lange der Dauer vermindert und
besonders alteren Persouen beschwerlich gemacht wird. Kom-
munion wird alle Sonntage in den beiden Hauptkirchen und in
den Nebenkirchen beiEgydien, Jakob und Spital geliialten, bei
Jakob und in der Sude nach der Predigt. Dann ist eine Frtih-
kirche in der Margarethakirche auf der Pestung, die mit einem
Kandidaten besetzt ist und sich dann enden soil, wenn die
ubrigen Kirchen anfangen. Die Einrichtung war deswegen, daU
in einem auBersten Notfall, wo schnell ein Prediger krank wiirde,
dieser die Vormittagspredigt noch versehen konute.** Darauf
folgte der Hauptgottesdienst bei Sebald, Lorenz, Egidien, im
Spital, bei Jakob, in der Prauenkirche, in der Walpurgiskapelle
auf der Burg und in der Suden. Mittagspredigten wurden
zwischen 12 und 2 Uhr von einem Kandidaten und dem Senior
(1. Diakon) in der Prauenkirche und in der Spitalkirche ge-
halten. Urn 2 Uhr fanden bei Sebald, Lorenz, Egidien, im
Spital, bei Jakob, in der Augustinerkirche und in der Karthauser-
kapelle Vesperpredigten statt. Diese Gottesdienste wurden alle
1) Kommunikanten bei St. Jakob. Maniiskript in der Stadtbibliotbek,
Nor. H. 395.
16 Geyer, Das kirchl. Leben in Niirnberg yor a. nach d. t^berg. an Bayern.
in der schlichten, um nicht zu sagen niichtenien Form gefeiert,
die aus der von Junge selbst verfaBten Neuen Agende von 1801
bekannt und im wesentlichen unter entschiedener Ablehnung
der spateren liturgiefrohen Bestrebungen der bayerischen Kirchen-
behorden bis heute beibebalten worden ist. Der Hauptgottes-
dienst begann im Sommer um 8 im Winter um 9 Uhr. Das
Hauptlied wurde etwa '/^ Stunden nach dem Beginn gesungen^).
Dem Prediger stand es frei, sich an die Perikopen zu halten
Oder nicht. „Da die Perikopen nicht alle gut gewahit sind, so
sind solche in der Neuen Agende mit anderen ansgetauscht, auch
iiberhaupt dem Zusammenhange gemafier angeordnet worden.
Die nftmliche Freiheit herrscht anch in ADsehung der anfier-
ordentlichen Predigten, weil wir uberzeugt sind, daU vor-
geschriebene Texte dem Geistlichen oft zu viel Zwang auf legen,
und da ihm das wichtigere, der Vortrag der Materien und die
moralische Behandlung seiner Beichtkinder tiberlassen werden
muB, ihm wohl auch die Wahl eines Textes zugestanden
werden kann."
Als besondere Feiertage wurden eben noch die Aposteltage,
das Dreikonigsfest, der Griindonnerstag gefeiert, doch trug. man
sich bereits mit dem Gedanken ihrer Beseitigung. Der BuBtag
wurde am'Aschermittwoch, das Erntefest am 15. Sonntag nach
Trinitatis, das Reformationsfest als Gedenktag der Ubergabe
der Augsburgischen Konfession am Sonntag nach Johannis, die
1) Man vgl. die oben mitg^eilte Scbilderung Roths (S, 13). Der
Anonymus, der tiber den evangel. Gottesdienst in Franken scbrieb (1779),
sagt, da6 der Hauptgottesdienst um 8 Uhr eingelautet wurde, 10 Minuten
spater begann das Orgelspiel, worauf drei bis vier Anfangslieder gesangen
wurden. Unterdem kam erst die Gemeinde zusammen, der P5bel um ^/^O,
die Burger um Va^, JRate undBeamte um '/^O und die Noblesse um 9 Uhr.
Die Predigt, der ein Exordium voranging, nach dem noch einmal ge-
sungen wurde, worauf nach der Textesverlesung ein zweites Exordium
kam, dauerte in der Kegel IV2 Stunden. „Aber diefi darf ich bemerken,
dafi hier ihr Werth, besonders der vormittagigen Amtspredigten am meifiten
nach der Uhr bestimmt wird. Und wenn Mosheim, Saurin, Spalding oder
ein jeder anderer vortrefflicher Prediger auftrate, und bliebe nicht
wenigstens 6 Viertelstunden auf der Kanzel, so ware sein Ruf in N. dahin.
Doch la6t man diese ^lligkeit Statt find en, daB dem Bedner vergdnnt
ist, sich mit langsamer Aussprache und Sfterem langen Schweigen zu
helfen«. S. 15.
Geyer, Das kirohl. Leben in Ntirnberg vor u. naoh d. Uberg. an Bayeru. 17
Kirchweih am Sonntag vor oder nach dem Tag der Kirchen-
heiligen begangen.
Filnf Wochenpredigten, zu denen Stiftungs- und Fasten-
predigten kameu, waren der Rest des friiheren noch groCeren
Predigtsegens. Am Neujahrsabend, dem Lieblingsfest des Zeit-
alters, fand natlirlich auch in Nurnberg in all^ Kirchen Predigt-
gottesdienst statt, in der Frauenkirche wurde sogar die Vesper
durch Musik und Gesang des Te Deum ausgeaseichnet.
„Der unnatiirliche Gebrauch, das Evangelium, den Glauben
Oder den Segen zu singen" bestand nicht. Das ,,Liturgische"
beschrankte sicli auf den Schlufi des Gottesdienstes; da sang
der Geistliche „DerHerr sei mit uns alien**, eine KoUekte und
das Benedicamus. Bei der Kommnnion wurden Einsetzungs-
worte und Vaterunser nach den in der neuen Agende S. 105
gegebenen Noten gesungen, „ welches, wenn der Geistliche eine
ertragliche Stimme hat, uberaus feierlich klingt und riihrender
als das blofie Sprechen ist". Nur bei der Abendmahlsfeier
fungierte der Geistliche „auf" dem Altar, bei alien anderen gottes-
dienstlichen Verrichtungen blieb er „vor" dem Altar. Lichter
brannten nur wahrend der Vormittagspredigt und beim heiL Abend-
mahl. Besondere Fiirbitten wurden gesprochen fiir die Pruchte,
fur die Kommunikanten. Danksagungen fiir die Ernte waren in
der Agende (S. 20) vorgesehen. „Dann aber ist auch hier die be-
sondere Gewohnheit, daC nach dem Gebet und vor dem Vater-
unser Fiirbitten fur Schwangere, Kranke, Verreiste, auch Dank-
sagungen fiir Geburten, Genesung oder Tod der Kranken und
gliickliche Nachhausekunft in einzelnen Zetteln auf die Kanzel
geschickt und dann von dem Prediger verlesen und mit einem
Segenswunsch begleitet werden." An den Pesttagen fiihrte der
Kantor nach dem SchluB der Predigt eine Kirchenmusik (Vokal-
und Instrumentalmusik) auf. Auch bei einigen Stiftungspredigten
war die Begleitung des Gesangs durch Instrumente bestimmt.
An die in den letzten Jahrzehnten abgeschafften Gottes-
dienste erinnerte noch das Gelaute, das als „Zeichen der Zeit"
beibehalten wurde, obgleich in den Kirchen nichts dabei vor-
ging. So wurde z. B. das Fruhmefilauten um 8 oder 9 Uhr,
das Vesperlauten um 2 Uhr noch an alien Tagen fortgesetzt,
obgleich keine Priihmesse und kein Chor und nicht jeden Nach-
Beitrage zur bayer. Kirchcngeschichto XII. 1. 2
18 Geyer, Das kirchl. Leben in Ntirnberg vor u, nach d. Cberg. an Baycrn .
mittag eine Predigt gehalten wurde. Auf das Erntefest, das
Konfessionsfest and den Bufitag wurde mit ausfiihrlicheren in
der Agende vorgeschriebenen Anktindigungen aufmerksam ge-
macht. Sonst durfte nur die Verkiindnng der zahlreichen
Stiftungen fur Arrae, die von der Kanzel aus geschah, erwahnens-
wert sein. Der Klingelbeutel ging in den meisten Kirchen nur
bei der Kommunion herum. Bei den Vormittagskirchen wurden
die Becken an den Tfiren ausgestellt, bei denen ein Handwerks-
mann saB, der auf das Geld acht hatte^).
Die am Montag friih je nach der Tageslange zwischen
6 und 8 Uhr in alien Kirchen eingerichteten Betstnnden, bei
denen aus den Veit Dietrichschen Summarien vorgelesen wurde
— Junge weist darauf hin, daC die Ausarbeitung eines neuen
besseren Betstundenbuches nur durch die noch vordringlichere
BeschaflFung eines neuen Lehrbuchs fur die Schulen aufgehalten
worden sei — i wareu schlecht besucht, weil bei den Vornehmeren
die Lebensweise und bei den tJbrigen die Notwendigkeit mehr
zu arbeiten als sonst, deren Abwartung hinderte. Gottesftirchtige
Familien beteten ihren Morgensegen gemeinschaftlich in ihren
HSusern, und die das nicht taten, gingen auch in keine Bet-
stunden. AUe Feiertage wurde zum Andenken des Todes Christi
um 8 Oder 9 Uhr, niimlich zur Chorzeit, eine Lektion aus der
Leidensgeschichte mit Erklarung nach Seiler vorgelesen und
ein Lied gesungen.
Die sonntaglichen offentlichen Katechisationen in der Egidien-,
Frauen-, Jakobs- und Marthakirche, von. den Geistlichen ab-
wechslungsweise zwischen 1 und 2 Uhr gehalten, waren schlecht
besucht, weil die Honoratioren ihre Kinder nicht schickten, und
die iibrigen Burger diesem Beispiel folgten. Beliebter waren
die von den Beichtvatern in den Pfarrhausern gehaltenen Wochen-
kinderlehren. Gleichfalls in den Pfarrhausern, die alle mit ge-
raumigen Lehrzimmern versehen sind, wurde der Konfirmanden-
unterricht zwischen LichtmeB und Ostern in taglich zwei Stunden
erteilt. Hierzu wurden die Kinder mit dem 14. Lebensjahr
angenommen, wenn sie die erforderlichen Vorkenntnisse hatten,
woriiber die Beichtv^lter von den wochentlichen Kinderlehren her
1) An diese Einrichtung erinnern die noch in den Nurnberger Kirchen
vorhandenen „ZunftstuhIe**.
Geyer, Das kirchl, Leben in Ntirnberg vor u. nach d. Oberg. an Bayern. 19
wohl Bescheid wuBten. Nur in NotfeUen wurden auch jungere
Kinder zugelassen. Da sich in der Neuen Agende (S. 121) ein
Konfirmationsformular findet, konnte man meinen, die Kon-
firmation sei allgeniein iiblich gewesen. Dies war jedoch nur
auf dem Lande der Fall, wo eine solche in der Osterzeit oder
am Himmelfahrtsfest gefeiert wurde, worauf alsdann am folgenden
Sonntage die Kinder gemeinschaftlich kommunizierten. In der
Stadt war eine offentliche Konfirmation, „so erbaulich und
riihrend auch eine solche Anstalt ist", nicht eingefiihrt, weil
sich die h9heren StSnde wegen ihres Ranges und audere wegen
ihrer Armut weigern wurden. So wurden die Kinder einfach
in der letzten Unterrichtsstunde im Pfarrhause konflrmiert.
Jeder Beichtvater machte das „so feierlich und so erweckend,
als es in seinem Vermogen stand".
Obwohl die Privatbeicht abgeschafft war, blieben die Nach-
mittage am Sonnabend dazu bestimmt, dafi an ihnen die Beicht-
vater von 1 bis 2 Uhr „Beicht sitzen" soUten. An diese von den
Beichtvatern nur fur ihre Beichtkinder gehaltene Beicht schloC
sich jedoch noch von 2 bis 3 Uhr ein gemeinsamer Beichtgottes-
dienst an, bei dem der jungste Diakon eine Vorbereitungsrede
Melt. Zweimal im Jahr wurde in der Augustinerkirche besondere
Beicht fiir die Armen gehalten. Die Kommunion fand immer
am folgenden Sonn- oder Festtag statt. Die Kommunikanten
meldeten sich Freitags oder Sonnabend morgens an, die gemeinen
Stande kamen selbst, die hSheren schickten ihre Dienstboten.
Es war allgemeine Sitte, die Kinder innerhalb acht Tagen
und zwar immer im Hause taufen zu lassen. Da in Niirnberg
die Gevatterschaft manche Kosten mit sich brachte, war
der Vater immer froh, wenn er nur einen Gevatter hatte, doch
kam es bei Angesehenen auch vor, daC mehrere Taufzeugen
gewonnen wurden. Der Exorzismus war langst abgeschafft.
Die Jungesche Agende bot verschiedene Taufformulare dar, die
sich teils an die Sprache der Alten anlehnten, teils dem Ge-
schmacke der Zeit Rechnung trugen.
In der Kirche „vor dem Altar" lieBen sich nur zuweilen
noch Bauern trauen. Die vornehmeren Stande lieCen den Geist-
lichen ins Haus kommen, die anderen Brautleute aber wurden
in den Pfarrhofen, wo die Schaffer als die einzigen Copulatores
20 Geyer, Das kirchl. Leben in Ntirnberg vor u. nach d. Oberg. an Bayern.
ein dazu eingerichtetes Zimraer batten, im Beisein ihrer Ver-
wandten oder des MeBners und Hochzeitladers getraut. „Hocli-
zeitreden sind hier nieraals gew5hiilich gewesen, aacli wohl
iiberflussig, da die Kopulationsformel schon die Ermahnuiigen
enthalt, die den Neuvermahlten notig sind, und die Gemiiter
bei Hochzeiten gemeiniglich nicht zu Anh5rung langer Predigten
gestimmt sind." In der Tat erinnere ich micli nicht unter den
vielen gedruckten Predigten und Gelegenheitsreden jener Zeit einer
geistlichen Hochzeitsrede begegnet zu sein. Personen, die sich
miteinander fleischlich vergangen batten, wurden in der Regel
nicbt proklamiert; wurde die Proklamation aber ausdriicklicb
verlangt, so fiel der Ebrentitel Jungfer weg, denn es konne
dem proklamierenden Pfarrer nicbt aufgegeben werden, eine
faktiscbe Unwahrbeit von der Kanzel vorzutragen und durcb
Gleicbstellung der Keuscben und Unkeuscben die Unkeuscbbeit
zu unterstutzen. Fur die Trauung solcber Personen entbielt
die Agende drei Formulare, ein gelinderes, scbarferes und
scbarfes, unter denen der Pfarrer die Wabl batte. Da diese
Trauungen meist im Gefangnis oder in der Kircbe nacb einer
Betstunde oder zu anderer Zeit vorgenommen wurden, nicbt
aber vor versammelter Geraeinde, lag in ibrer Anwendung nicbts
Bescbimpfendes.
Bei den Leicbenbestattungen unterscbied man „besungene"
und „unbesungene" Leicben. Die ersteren waren naturlicb
die vornebmeren und zerflelen wieder in drei Klassen. Die
Funfherrnleicben wurden von fiinf Geistlicben begleitet und
fanden urn ^/gl Ubr statt; die Acbtberrnleicben paradierten urn
^/^ nacb 1 Ubr mit 8 Geistlicben und die Dreierleichen wurden,
ebenfalls von 8 Geistlichen begleitet, um 2 Ubr fortgetragen.
Die Scbiiler^) und Geistlichen versammelten sich in der Kircbe,
gingenvor das Trauerbaus, wo ein kurzes Lied gesungen wurde;
von bier bracbte man die Leicbe unter Vortragen von 4 Kerzen
1) Professor Penzenknffer beklagt sich in der Schrift „Ver-
teidigung der in dem obersten Staatszwecke begriindeten Rechte und
Anspriiche der gelehrten Schnllehrer meines Vaterlandes. La justice est
le point d'appui de I'autorit^. Ntirnberg 1805** liber die Zuriicksetzung der
Lehrer bei den Beerdigungen. Nur die Geistlichen wurden als „Herren**
bezeichnet. Aiich erhielten sie am Trauerhause groBe Zitronen, die Lehrer
kleinere und schlechtere.
Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch. 21
mit GesaDg in die Johanniskirche auf dem Friedhof. Ein eigens
dazu verfertigter Sermon mit einem Lebenslauf wurde hier ab-
gelesen^). Nacli Gesang einiger Verse trug man die Leiche
zum Grab, wo sie unter dem Wechselgesang des Liedes: „Be-
grabt den Leib" eingesenkt wurde. Nur Personen von den
ersten Standen batten das Recht einer Leichenpredigt von der
Kanzel, die dann meist von den Predigern gehalten wurde.
Diese Leicben waren aber schon damals sehr ins Abnehmen ge-
kommen.
Meistens^ begniigten sich die Leidtragenden mit einer un-
besungenen Leiche. Bei einer solchen wurde der Verstorbene vor-
mittags auf dem Leichenwagen oder Peuntwagen mit oder ohne
Begleitung hinausgefahren oder auch getragen und unter dem
Gesang „Begrabt den Leib" eingescharrt. Vorher wurde in der
Kirche auf Wunsch ein Sermon oder auch eine gedruckte Ver-
mahnung (Leseleiche) gelesen. Arme wurden in der Friihe
hinausgetragen. Als Unfug bezeichnet es Junge, daB manche,
ohne etwas zur Kirche und Schule zu bezahlen, ihre Leichen
hinaustragen liessen, die dann auch nicht in die Pfarregister
eingetragen wurden. Es sind das die schon oben erw^hnten
„Freiheitsleichen"2). (Forts, folgt.)
Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch.
1528—1552.
Von Dr. K. Schornbaum-NUrnberg.
Zn den altesten Kircbenbuch^ru^) gehort das Erste Ansbacher
Proklamationsbuch y welches beutzutage bei der Pfarrei St. Jobannis
1) Nocb jetzt ist es iii Niirnberg vorherrschende Sitte, daB die Grab-
reden gelesen werdeo.
2) Im ehemals NUmberger Landgebiet hat sich bis in die Gegenwart
herein eine tlbergroBe Mannigfaltigkeit der Beerdigungsklassen erhalten. So
hatteich in Altdorf Einsegnungcn, halbe Leichen (kurze Leseleiche), Drei-
viertelsleichen (langere Leseleiche), ganze Leichen (mit Predigt), Orgel-
leichen (Grabrede und Predigt), Florleichen und Standesleichen (nur Grab-
rede am Vormittag) zu halten. Auch eine ^Universitatsleiche**, bei der
der Sarg in der Stadtkirche aufgebahrt wird, ist dort noch bekannt.
3) Schon 1805 hat man sich mit der Frage nach den altesten Kirchen-
bttchernbeschaftigt; s. literarische Blatter V. Niirnberg 1805. Nr. 10
Sp. 156.
A
22 Schornbanm, Da8 Erste Ansbacher ProklamatioDsbucb,
in Ansbach auf bewahrt wird. Ja es ist wohl das alteste Kirchenbncli
der Markgrafschaft; Brandenburg- Ansbach uberhaupt. Ein kleines
schmales Quartbllndlein 8^/2 cm breit nnd 22 cm hoch. Den Umschlag
bildet ein Pergamentblatt aus einem ebemaligen Kalender. Darauf
steht: I. Angefhangen 1528 vielleicht Althamers Hand; ein anderer
schrieb dazu — 1552. Auf 8. 1 a befinden sich von Monningers
Hand folgende Notizen: Jorg Mair Pfaff Hansen Knecht gewesen
Scbmiderbansen tochter barbara. — Hans Krebet zu bintzwaug, dem
ist sein weyb im baurenkrieg entlaufen mit einem andern zugehalten,
ist hie im bad; haist Els actum 5. feria post Fentec. 44. — Ein
geschehen frag on alien spot, warumb so vil teuffel seind vnd nur
ain Got. Schwaig hab ein claine gedult — es ist der munchen vnd
pfaffen schult — daun hetten sie in iren mefien — so vil teufel
als iter hergott gefrefien — sie hettens alle aufgriben — das nit ein
teufel wer uberbliben. — zu Wirtzburg im thumb — angeschlagen
anno 1537. Blatt 1 b ist leer. Auf Seite 2 steht von Althamers Hand:
nuptiarum catalogus. Von Blatt 3 — 97 reichtdas Register; die wenigen
folgenden Blatter (2) sind wiederum unbeschrieben.
Begonnen hat dieses Register A. Althamer. Auf Blatt 3 steht
von seiner Hand: Nuptiae a nobis proclamatae et confirmatae a mense
Augusto anni 1528. Der erste Eintrag lautet: Peter Vogmiillers sun
von Onoltzbach Margareta Conrat schmids dochter von wasserzell sunt
proclamati quarta feria post Bartholomei (26. 8). Er selbst hat mit
einer einzigen Ausnahme im Jahre 1533, wo vier Paare von andrer Hand
eingetragen sind, die Aufzeichnuugen bis 1536 auf f. 41a besorgtM.
Nur noch wenige Notizen finden sich fiir dieses Jahr. Von 1537
bis 1552 fUhrte Monninger das Buch. Seiu letzter Eintrag stammt
aus dem August*). Es folgen nur noch 9 EintrUge von andrer Hand.
Eben in diesem Jahre starb ja Monninger^).
1) Letzter Eintrag von seiner Hand: Fritz Feler von Erlenbach
Eatharina Erlenbach KatharinaAnthoni Hansen von Feuchtwangen dochter
Dom. p. Job. Bapt. (25. 6) 1536. "
2) Eintrag: Michel neher von gnotzheim Margretha Gamprechtz nachg,
tochter. cop den ... f. 96 a.
3) SeineGrabschriftbehauptetain 26.10.1552. NachMag.S.Priester,
Onoldum in requie lautet sie (Rep. 141. St. Onolzb. J. Nr. 46):
Terra crucis sanctae Monigeri contegit artus,
qui fuit Anspachiae pastor et urbis lionos,
ingenio praestans, doctrina clarus et usu
rerum percelibris consiliisque bonus,
salvificum Christi multos sinceriter annos
verbum constanti mente fideque docens.
non hostes ilium, non ulla pericula mortis
terrebant, veri semper amator erat.
Lustra suae numerans vix sex et quinque senectae
ad coelum ex misera morte vocatur humo,
illic cum sancto coelestia gaudia coetu
carpit cum Christo perpetua haec fruens.
Scbornbaum, Das Erste Ansbachel* ProklamatioDsbuch. 23
Die Eintrage sind, wie die unten angefUhrten Beispiele zeigen,
ziemlich genau erfolgt Im Unterschied von den Niirnberger Ehe-
buehern ist oft der Stand des Brautigams, der Name des Vaters der
Braut samt dem Wolinort angegeben. Wahrend nun Althamer sich
damit begniigte, den Proklamationstermin anzugeben, setzte Monninger
an dessen statt immer den Kopulationstag hinzu.
Wie Althamer dazu kam, ein derartiges Buch anzulegen, wissen
wir nicht. Eine amtliche Veranlassung war es wohl uicht. Viel-
mehr scheinen es ihm praktischen Eucksichten nahe gelegt zu
haben, die Namen der zu proklamierenden in ein Buch zusaramen-
zutragen. Denn ein Proklamationsbuch haben wir vor uns, was schon
daraus hervorgeht, dafi die Kopulationstermine von Monninger nicht
in chronologischer Reihenfolge aufeinanderfolgen. Aucb das Format
des Buchleins mbchte darauf hinweisen. Die Pfarrei St. Lorenz zu
Nurnberg bewahrt ebenfalls noch aus dieser Zeit ein Proklamations-
buch, das sogenannte 1. Ehebuch; und das Sebalder 1. Ehebuch
scheint aus einem Proklamationsregister erst spater zusammengestelU
worden zu sein^).
Da in Ansbach der markgrafliche Hof residierte, so verwundert
es nicht, eine grofie Anzahl von markgr, Bediensteten aufgezeichnet
zu finden. Doch ist es immer nur uiedriges Personal. Adelige
kommen fast gar nicht vor. Dagegen tauchen bfters Soldaten auf, die
in Ansbach bei voriibergehendem Aufenthalt ihre Ehe schlossen^).
Was die Zahl der Proklamationen betrifft, so sei bemerkt, dafi im
Jahre 1528 noch 25 Falle verzeichnet sind. Am meisten waren es
1538: G5 Falle; am wenigsten 1586: 37 Falle.
1) Beitrage zur bayerischen Kirchengeschichte X, S. 82 ff.
2) Auffallt vielleicht folg. Eintrag: f. 11a: Eberhart von Mulfingen
Cordula Lingkin celebraverunVnuptias dominica quarta post oct. Epiph,
(19. I) 1530 citra proclamationem iubente principe. f. 14a: Hans Eber
Schneider vnd burger zu Kitzingen Anna des Wilhelms offenlochs seligen
verlafine witwe meiner g. frawen fraw Margret (Schwester Georg d. Fr.)
kbchin sunt proclamati Dom. sec. adv. (4. 12) 1530. Wohl der Vater P. Ebers.
— Zu den Soldaten s. f. 60 a: Thoma von Beurreyt landtknecht Appolonia
eins landsknechts weyb, der zw ungarn gestorben; sein copuliert alhie den
dienstag nach quasimodogeniti in beysein lorenz von lauf, Jacob von
ladenburg, bans heOen von cassel, bans Oswald von Winsheim 18. 4. 1532.
— Lorentz von lauf ein landsknecht hat katharina Contz teckers nach-
gelaBene wittib, welcher tecker erst den 30 Martii tods verschinent zur ee
genomen vnd den 19 aprilis eingelait desselben tags mit ime getzogen.
1542. — 69 b: Michel Hofraann von Karstet Margretha Jorg Lorers nach-
gelasne witbe; sagt man, er hab ziivor viel weyber; sey zw Rottenburg
mit ruten ausgehauen 1544. — f. 76b: Gorg Wild in daxbach marggraf
albrechts fufiknecht hauptmann barbara Valten'gronstetters tochter. 1546.
f. 94b: bans Richtcr von Culmbach Katharina Michel Werners seligen
tochter zu Mainbernhaim ein kriegsmann ist mit seiner schwiger bei mir
gewesen, erbetten, das ich sie auf dinstag den ersten Junii wolt ein laitten,
welches also gescbehen. 1552.
24 Schornbanm, Das Erste Ansbacher Proklamationsbach.
Im folgenden sind nun eiue Anzahl von Geistlichen und mark-
grSf lichen Beam ten anfgefuhrt; welche in diesem Buche aufgezeichnet sind.
Andreas Althamer Maria Cleophae Lenhart Brands schreiners dochter^)
Procl. Dom. Prim. p. Octavas Pentecostes [IB. 6] 1536 f. 40^
Clans Bachmann cantzleyschreiber Margretha Six Kornbergers tochter
cop. 16. octobris 1548. f. 83 ^
Johan Ber pfarher zu ipsheym*) Agatha Weifiin p. dom. p. Circ. Dom.
altera Jan. 1530 f. 9^.
Mag. Georg Berchtold m. g. h, secretari^) Anna Sebaldin Prenners
burgers zu Nurenberg dochter pr. Dom. quarta, quae fuit
festum Purif. Mariae (2. 2) 1533 f. 26*.
Georgius BeSolt pfarrer zu Egeuhausen Madlena bans Plaichen seligen
zu Wassertruhendingen nachgelafine tochter verkundt alhie vnd
zu Egenhausen hochzeyt gehalten in der letsten wochen augusti
1544 f. 69 ».
Christophorus Betz pfarrer zu Dnterickeltzhaim*) Helena Peter Nuphers
tochter c. den 1. Juli 1550 f. 88.
Johanues Buchner cantor ^) anna Anthoni Grabers nachgelafine wittib
cop. 3. feria p. Quasimodog. (26. 2) 1541 f. 57*.
Sebastian Burkel camermaister^) Eufemia Jorgen Berlers alten burger-
maisters zu Rottenburg an der Thauber tochter cop. den 30. Ok-
tobris 1545 f. 72^.
Sebastian Burkel camermaister Anna Casparn von Roth nachgelafine
tochter, cop. 24. februarii 1549 f. 85*.
1) Althamers zweite Frau. Sie verheiratete sich spater wiederum.
s. f. 51 »: Thoma Wild von Schnaitach Maria Cleophe hern Andre Alt-
hamers pfarrers seligen nachgelafine wittib proclamati 25. Septembris 1539.
Seine erste Frau wird erwahnt Beitrage z. bayr. KG. VII, 206. X, 31.
85. Th. Kolde, A. Althaoaer. Erl. 1895. 8. 75. 138.
2) Dieser fehlt bei der Aufzahlung ^er Pfarrer v. Ipsheim in M. J.
M. Grofien historischem Lexikon ev. Jubelpriester I. Ntirnberg 1727 S. 15.
3) S. K. H. Lang, neuere Geschichte des Furstentums Bayreuth II.
Gottingen 1801, S. 84, 115. Beitrage etc. Vlf, 259; X, 190.
4) G. Stieber, historische und topograpliische Nachricht von dem
Ftirstentum Brandenburg-Onolzbach. Schwabach 1761. 8. 509.
5) Erwahnt J. Fr. Georgii Uffenheimischer Nebenstunden II. Band.
Schwabach 1754, S. 746. L. Schiller, die Ansbacher gelehrten Schulen
unter Markgraf Georg von Brandenburg. Ansbach 1875, S. 20..
6) Sein Revere als Karamerschreiber und Rat. d. d. So. u. Barth.
(28. 8.) 1541. NUrnberger Kreisarchiv. Rep. 117 a. N. 187^: Akta die Bei-
behaltung des alten Kamraerraeisters Seb. Burkel betreftend. 1580 ibidem
f. 168. N. 289 d d. Er starb im Alter von 78 Jahren am 28. 9. 1583.
s. Mag. S. Priester, Onoldum in Requie 1742. Rep. 141. J. (Kasten- und
Almosenamt) N. 46. 1534"verlieh ihm Georg die St. Gilgenmesse zu Ips-
heim zum Studiura fiir seine beiden Sohne Wilhelm und Kaspar, Sle
sollten beide sich der Theologie widmen. d. d. Ansbach Me. n. Gnntate
(4. 5.) 1654. Markgr. Gemeinbuch 7 f. 271. Rep. 157 Tit. 13 N. 37a. _
Lang III, S. 22. 25. Eufemia war seine 2. Frau. Die erste Elis. starb
am 30. 5. 1545. Eufemia f 29. 4. 1546. Priester, Onoldum in requie.
Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbucb. 25
~\
Thomas Butz*) caplan zu Onoltzbach Veronica Beckin von Gnotzen
sunt procl. dom. LX (20. 2) 1530 f. 11*.
Blasius Dachflbach^) Elizabeth Gumprecht becken nachgelafine wittib
cop. sec. fer. Inv. (7. 3) 1541 f. 56 ».
her Georgius Eckstayn^) vicari im styft Walpurg Gullerin sunt
proclamati Dominica infra octavas Nativitatis christi (27. 12)
1528 f. 5b.
her Caspar Ezel*) licentiat Barbara Sprengin zu Kytzingen. cop. zu
Kyctzingen. 1544 f. 69 ^
Johannes Fetzer auf der schul Ursula Dietrich Jossen tochter c.
16. Februarii 1546 f. 74^.
Peter Flaming schnlmaister Dorothea Rotten bncherin zu Nurnberg
cop. den 11. . . . (1551) Nurnberg f. 91 b.
Hans Frauentraut cantzleischreiber*) barbara Sixen Kolben seligen
1) Auf die Bitte der KaplSne Butz u. Job. FuxthUber ersuchten die
Statthalter am 6. 5. 1581 ^ das Stift zn Ansbach, ihnen ihren Gehalt zu
erhOhen. Da dieses es ablehnte (7.5.1531), ordneten jene auf eine erneute
Beschwerde an, daB ihnen pro Woche je 1 fl. gereicht werden solle 18. 20. 5.
1531. Rep. 157. Tit. 29. N. 4. f. 251, 250, 248. Butz kam 1533 nach
Uffenheim als Pfarrer. S. Eid des Pf. Th. Butz von Miinsterhausen z. Z.
Pfarrers zn Uifenheim. Kgl. Konsistorialarchiv. Akt Uffenheim Dekanat
1491—1743 f. 23. Georgii Uffenheimische Nebenstnnden I S. 1278ff. Ein
Brief von ihm an Althamer s. Bamberger Kreisarehiv. Manuskr. VI N. 31.
— Die Ehe wurde in Ntirnberg geschlossen. Beitrage X, 84.
2) Er trat mehrmals unter den evangelisch gesinnten Burgern Ans-
bachs hervor. Beitrage VII 155, 198. Sein Sohn hiefiHans. Hans Dachs-
pach Blasi Dachsbachs son Margaretha Hansen Kaltenbrunners dochter
von feuchtwangen p. Dom. p. Oswaldi (9. 8.) 1534, S. 33 ».
3) Vikarius St. Hieronymi am Oumbertusstift f 26. 4. 1541. Rep. 157.
Tit. 29. N. 5. f. 43, 41. Er gehorte zu denen, welche die Vorlesungen des
Obsopoeus nur ungern besuchten. N. 4 f. 218. S. L. Schiller S. 18 cf.
f. 74*. Egidi Stethamer Schneider Margretha her jorg Eckstains seligen
nachg. tochter. cop. 8. 2. 1546. — 1538/9 studierte in Wittenberg ein
Andreas Eckstein aus Ansbach. C.E.Forstemann, album academiaeVite-
bergensio. Leipzig 1841. S 174.
4) S. S. 1532 in Wittenberg. C.E.FcJrstemann, a. a. 0. Leipzig 1841.
S. 145. K.H.Lang III. NUrnberg 1811. S. 5, 44, 49, 56, 59, 62, G. Muck,
Geschichte des Klosters Heilsbronn I. Nordlingen 1879. S. 503. 43. Jahres-
bericht d. hist. Ver. f. Mittelfrankon. 1889 S. 120 f. Beitrage VI, S. 119.
Sein Vater J. 0. Etzel war ein entschiedener Protestant. 1. c. VII, 198.
— cf. J. J. Spiefi, Brandenburgische historische Miinzbelustigungen III.
Ansbach 1770. S. 286.
5) Ein Sohn des Kammerschreibers Alexius Frauentraut, der 1529 die
Protestation dem Kaiser zu liberbringen hatte. Seine Geschwister liieUen
Florian, Wilhelm, Alexius, Koniad und Cleopha verb. Tetellbachin. Rep. 151,
Frauentrautsche Pflege Nr. 6. Ein Revers von ihm als Rat und Diener
findet sich d. d. Ansbach 22.2. 1573. Rep. 117a. S. 161. Nr. 274. Gestorben
ist er wohl 14. 12. 1587. S. Rep. 151. Frauentr. Pflege Nr. 11. cf. J. H. v.
Falckensteins Chronicon Suabacense^ Schwabach 1756. S. 181 if. — 1534
studierten in Wittenberg Florianus und Johannes Frauentraut aus Ansbach.
C. E. Forstemann I.e. S. 152. — cf. noch Chr. Fr. Jacobi, Geschichte
der Stadt und des ehemaligen Stifts Feuchtwangen. Ntirnberg 1833. S. 70,
26 Schornbanm^ Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch.
nachgelafiene dochter. procl. dom. quarta post octavas Pentecostes
(2. 7.) 1531 f. 17».
Antoni Graber rat und alter kamerschreyber zu hof^) Anna Form-
kellerin c. sec. f. Mis. Dom. (6. 5.) 1538 f. 45^.
Colomannus Grafier caplon in der pfar zu OnoUzbach ^) Anna Renzin
des pfarhers von Uffenheym seligen^) verlafine wittib Dom. p.
Elis. (21. 11.) 1535 f. 38\
Colomannus Grafier pfarrer Uffenhaim missus proclamatus est tertio
in nostra ecclesia Onoltzpacbiana cum Anna Osterreycberin
filia editui nostri MelcUioris dominica Reminiscere (22. 2.) 1540
f. 62b.
Jacob Gofi chorher im stift*) Anna des JSrg Mendlins dochter pr.
Dom. p. Mich. (4. 10.) 1534 f. 33^.
her Jorg Grunenwald Caplon zu Creulzheim Margretha Claufi Spindler
nachgelafine tochter cop. 18. Januarii 1547 f. 77*.
Hieronymus Hartung marggrefischer rendtmayster ^) Margaretha des
Brandts schreiners dochter sunt procl. Dom. p. Asc. Dom. (29. 5.)
1530 f. 12t>.
Hieronymus Hartung der junger rentmaister®) Anna Plefiin Philipsen
Plafien rentmaister zu aystet eliche dochter. p. Sim. et. Jude
(28. 10.) 1535 f. 37 ^
Barth. Hartung*^) Marg. Herwartin pr. Dom. p. Egidii (6. 9.) 1534
f. 33 ^
75, 214 u. Rep. 159. Tit. 10 Nr. 36*. Tit. 11. Nr. 115, 116 (Cautionen v.
Joh. u. Wilbelm Frauentraut 1540) T. 17. Feuchtwangen Nr. 26.
1) Revers A. Grabers tiber seine Bestallung als Rat und Diener. Do.
n.Rem. (12.3.) 1528. Rep. 117*. Nr. 162. f. 112. Lang II S. 2. EinHaupt-
gegner Voglers : Bamberger Kreisarchiv Rep. 192. B. N. 39. T. I f. 39. —
Fol. 53 b: Hans Neusteter von Culmbach Katharina Antoni Grabers tochter
copulati 3. f. Exaudi (11. 5.) 1540.
2) Eid Col. Grafiers aus Steireckh als Pf. v. Uffenheim 1539. Kgl.
Konsistorialarchiv. Akt Uffenheim Defcanat 1491— 1743. f. 27. Georgii I
S. 1284 f. II, 192 f.
3) Eid des Mag. Chr. Rentz als Pf. v. Uffenheim. d. d. Di. n. Mich.
(4. 10.) 1524. Kgl. Konsistorialarchiv. Uffenheimer Dekanat I. 1491—1743
f. 4. Georgii 1. c. I S. 1278.
4) t 19. 8. 1540. NUrnb. Kreisarchiv. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 21.
cf. C. Ferd. Jung ens Miscellaneorum Tom. II, Frankfurt und Leipzig
1740. S. 79. Sein Nachfolger war Chr. Polmann.
5) Bestallung Hi. Ilartungs als Gegenschreiber 8.1496. Rep. 117*. S. 62.
Nr. 88. 1508. Rentmeister. S. 94. Nr. 132. cf. 43. Jahresber. d. hist. Ver.
von Mittelfranken. 1889. S. 72. (aus Herrschaftl. Buch 25 im Ntirnberger
Krei?archiv.) K. H. Lang II S. 2. 1514 wuide ihm ein Kanonikat fiir
seine Sohne versprochen. Gemeinbuch 6 f. 105 (Niirnb. Kreisarchiv) cf.
f. 87 1>: Kylian Ruppert Margaretha Jheronymus Hartung alten rentmaisters
nachg. witbe, cop. 21. 1. 1550.
6) Sohn des vorigen cf. Lang II S. 172, 227, 259, 285.
7) Ebenfalls ein Sohn des alten Rentmeisters. 1541 Leibschreiber
Albrecht Ale. Lang II S. 170ff., 285. Dann pfalzgrafischer Kammerrat zu
Amberg. 1537 — 1563 besafi er ein Kanonikat zu Ansbach. Eep. 157.
Schombanm, Das Erste Ansbacher Proklamationsbnch. 27
Georg Haft bruder zu dem heiligen kreutz Kanignnd Simon Meckin
gnant wittib sunt procl. Dom. 70 (28. 1.) 1532 f. 20».
Doctor Hippolitus HasenzagP) barbara Sebastian Vueismair seligen
dochter. p. dom. paschae (5. 4.) 1534 f. dlK
Stephan Henfi cantzlejschreiber^) Margretba Gotzin Peter Gotzen
gegenschreiber dochter^) pr. Dom. p. Circ. Dom. altera Janaarii
1530 f. 9^
Stephan Henfi cantzleyschreiber Barbara Wirbsyn von Nnrenberg.
p. Trin. (23. 5.) 1535.
Johan Hoffmann vicarier im styfit*) Ursula Mulichin von Nnrenberg
sunt proclamati dom. prima post octavas Trinitatis (6. 6.) 1529 f. 7*.
her Lorenz Ho^ann Canonicus im stift ^) Kunigundis bansen Bruners
burgers zn Oeultzheim tocbter copulati 8. Tag Februarii 1552
f. 94 ».
Bernhart Jeger von Weinberg Gertruden herrn Hansen Besolts vi-
cariers^) tocbter. cop. 11. Maii 1546 f. 75*.
Michael Kaltenhofer vicari im styft'') Margret Steydin von Spalt sunt
proclamati dominica post Leonhardi (8. 11.) 1528 f. 4^.
Tit. 29. Nr. 5. f. 55, 189. Am 10. JuDi 1531 stellte der Rat zu Ansbach
einen Geburtsbrief aus fur Valentin, Hans, Hieronymus, Bartholomaeus
Hartung. d. d. Sa. n. Coi-p. Chr. (10. 6.) 1531. Tit. 9. Nr. 78. Die Stadt
Kulmbach am 9. 9. 1549 fUr Albrecht Hartung. Tit. 9. Nr. 90. Das waren
wohl alle Brtider, Sohne des alten Rentmeisters. Friedrich war 1544 — 1563,
Albrecht 1548 — 1563, Bartholomaeus von 1537 ab Chorherr des Gumbertus-
stifts. S. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 206. f. 55, 189, 197. [Jurament B. Hartungs
als Chorherrn d. d. Mittw. n. Vine. Petri (8. 8.) 1537 Tit. 10 Nr. 101].
Val. Hartung war 1547—1560 Dekan des Stifts zu Feuchtwangen. S. Jakob i
S. 212, 214. Ein Hans Hartung kommt als Amtmann auf der Wulzburg
vor (1556). W. Korte, Altes und neues uber Wiilzburg. Ansbach 1869.
S. 53. — S. S. 1530 studierte ein Val. Hartung aus Ansbach in Witten-
berg. Forstemann, alb. ac. Vit. S. 139. s. Muck I S. 269.
1) Oft nur her Has genannt. Leibarzt des jungen Albrecht, s. z. B.
Rep. 103 a. S. 247. 3e f. 48 (Numb. Kreisarchiv S. X, 2/6. Nr. 11). Ge-
burtsbrief der Stadt St. Polten fiir Hipp. Hasenzagl, Leibarzt. 4. 9. 1534.
Rep. 157. Tit. 9 Nr. 79.
2) Erwahnt z. B. S. X, 2/6, Nr. 11, f. 48.
3) 1497 Registrator, 1508 Gegenschreiber. Rep. 117*. S. 63. Nr. 91.
S. 94. Nr. 132. 43. Jahresbericht. S. 72. 1528 noch im Dienst. Niirnb.
Kreisarchiv. Ansb. Landtagsakten Fasc. 15 (Hofordnung 1528).
4) Geburtsbrief der Stadt Niirnberg fiir Job. Hofmann. 7. 1. 1528.
Rep. 157. Tit. 9. Nr. 76. Vicarins St. Michaelis. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 4.
f. 202. Wollte auch die Vorlesungen des Obsopoens nicht gem besuchen.
Nr. 4. f. 218.
5) Canonicus 1543—1563. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5. f. 21. 206.
6) Primissarius in Chore. Obwohl er zweifachen Diebstahl begangen
hatte, bat man doch, ihm Ecksteins Ffriinde zu verleihen. Rep. 157.
Tit. 29. Nr. 5f. 35.
7) Durch die FUrbitte der Kaiserin Maria Blanca erlangte er die
Vicarei S. Sebastiani. Rep. 157. Tit. 8. Nr. 43. (1494.) Tit. 9. Nr. 55
(Geburtsbrief der Stadt Windsheim d. d. Fr. n. Exaudi (9. 5.) 1516 ge-
druckt bei C, Ferd.. Jung ens Miscellaneorum Tom. Ill, Onolzbach 1740
28 Schornbaum, Das Erste Ansbacber Proklamationsbncb.
Christoph Kayser canzleyschreiber ^) Anna Knollin copulati qnarta
f. hoc est 3. Julii 1538 f. 46».
Leiibart Keller pfarrer ira stift^) Margretha bern Lorenzen Biscbofs
pfarrers seligen zn Egenbausen nacbg. witbe cop. den 10. Mail
1546 f. 76».
Micbael Keller korber hie zu Onolzbacb^) Ursula Zwickin berrii
Hans von Seckendorfs magt sunt proclamati dominica quae fuit
dies om. Sanct. (1. 11.) 1528. f. 4^
Thoma Kern von Blawfelden katherin Michel Vuackers cantors im
stift seligen verlasne wittib sunt proclamati Dom. Bem. (9. 3.)
1533 f. 27 a.
Sebastian Doctor Valtin Kyfers*) sone margretha K6ler in von Main-
bernbaim copulati 4fer. Cantate (18. 5.) 1541 f. 57*.
(Vorrede) cf. Tit. 29. Nr. 4f. 192, 196, 202, 218. Nr. 5f. 43. Ansb. Rel.
Acta II f, 75, aucb Pfarrer von Flacbslanden ARA. Ill, .224. Nach seinem
Tode wiirde seine .Pfrtinde dem Pfarrer v. Eyb W. Brunner tibergeben
unter der Bedingung, dafi er der Witwe des Kuchenmeisters Oswald Dorscblin
30 fl. jahrlich zum Stadium fur ihre Kinder abtrete. Rep. 157. Tit. 29.
Nr. 5f. 35. Tit. 8. Nr. 68 f. 22—26. — cf. Literarische Blatter V. Niirn-
berg 1805. Nr. X. Sp. 156.
1) Lang III S. 25. Er war wohl verwandt mit Chr. Kayser, der als
Rat und Kammerscbreiber am 10. 7. 1588 Pflicht tat. Rep. 117 a. Nr. 295.
J* S. 173.
2) Vicarins in Choro. Kep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 35. 1561 bat er, seiner
Hansfrau nach seinem Tode ein kleines StUblein als Wohnung in seinem
Hause anweisen zu wollen. ibidem Nr. 4 f. 369. Nicht zu verwecbseln
mit dem Dechanten L. Keller (1524 — 1536), der nach langerem Aufentbalt
in der Mark Brandenburg 1540 — 1548 Propst und Kammermeister zu Ans-
bachwar. Rep. 157. Tit. 10. Nr. 103, 104. Tit. 13. Nr. 43, 45. Tit. 29 Nr. 7.
Gemeinbnch 9 f. 25 b. Rep. 117 ». Nr. 183 f. 120.
3) GehSrte zur evangelischen Partei des Stifts. Rep. 157. Tit. 29.
Nr. 4. f. 152. g. J. L. Hocker, supplem. zu dem Hailsbr. Antiquitaten-
schatz. Nurnberg. 1739. S. 184 f. Nr. 27. cf. Tit. 29. Nr. 4 f. 218. Sein
Bruder war der Dechant L, Keller. Bamb. Kreisarchiv. Rep. 192. B Nr. 39.
I f. 46. Er selbst starb 6. 7. 1533. Rep. 157. Tit. 8. Nr. 68. Pr. 5. Sein
Sohn M. Keller besa8 spater die Vikarei Joh. Evangeliste als 14— 15jahriger
Knabe. Tit. 29. Nr. 5 f. ^5.
4) Sein Vater Joh. Kieter war Leibarzt Friedrichs d. a. u. Sigmunds.
Revers d. d. Laur. 1489. Rep. 117a'. Nr. 65a s. 44 u. 1508 s. Nr. 133
S. 94. Er verscbaflFte seinem Sohne schon 1502 eine Pfrtinde im Gurabertus-
stift. Geburtsbiief der Stadt Ulm d. d. Mittw. n. Elis. (21, 11.) 1502.
Rep. 157. Tit. 9. "Nr. 27. Kaution desselben d. d. Mittw. n. Luc, Ev.
(19. 10.) 1502. Tit. 10. Nr. 65. Er bekam spater die Kustorei (Tit. 29.
Nr. 5. f. 21), auch die Propstei zu Feuchtwangen (Rep. 159. Tit. 13.
Nr. 24) und starb am 2, Jan. 1551. C. F. Jungens Misc. II S. 79. Er
wurde von dem Miwkgrafen bes. zu rechtlichen Dingen benutzt; so war
er Mitglied des kais Landgeriebts u. jur. Beirat bei der 2. Marker. Kirchen-
visitation 1536. Lang II S. 83. Jakobi S. 65, 69. Rep. 117*. S. 113.
Nr. 167» S. 121. Nr. 187^. Rop. 157. Tit. 22. (Archidiakonat im Rangau
Nn 6). Th, Kolde S. 52. A. R A. II a (d. d. 3. 2. 1536). Bemerkens-
wert ist, dafi er wegen seiner Verheiratung manches vom Stift zu Ansbacb
auszustehen hatte. S. Rep. 157. Tit. 29 Nr.4. f. 197. S. nochfolg. Eintrage:
Schornbanm, D&8 Erste Anebacher Pi-oklamationabnch. 29
Johan KiDcUein ^) castner zu Caclotzbiirg Beuigna doctor Johan Weiu-
manns') techier copulati 6. Febraarii 1545 f. 70^.
Johannes Krafft vicarius vnd pfarher im Stifi') Katherina Mullerin
sunt procl, dom. p. Lucae (20. 10.) 1532 f. 23«.
Leonhardus Krieg cantor in der schal *) Barbara Hansen Uaunemans
statnmllers zu Wassertruhendingen tochter cop. Mo. n. 'Jubilate
(5. 5.) zu Truhendingen 1544 £ 67»
Michel Koberer tentsch schulmaister Els Conradt Echslings zu Wasser-
truhendingen dochter cop. den 18. Septembris 1548 f. 83 ^
her Johan Kulmer vicarier^) Margretha herrn Mathiasen Pauren
pfarrers zu Markendorf nachgelassene wittib*) copulati den
28. Nov. 1541 f. 58b.
Ulrlch hennicke von Leutershaueen Regina herrn D. Valtin Kyfers toehter.
Cop. Job. Ev. (27. 12.) 1541. f. bbK Michael Krieger von arnswald Susanna
des erwirdigen hern doctor Valtin Ky ferns tochter, cop. 24. 1. 1547. f, 77».
— Ein Sohn von ihm, Chr. Kifer, war 1544—1557 Pf. in Kadolzbarg. Sein
Eid d. d. 22. 10. 1544. Kgl. Konsistorialarchiv Ansbaoh. Pf. Kadolzburg
1488—1751 f. 65. f 24. 7. 1557 ibidem S. 71. cf. M. Walther, Cadolzburgischea
Denkmal. Onolzbach 1751. S.35, 83. BeitrageVI S.119. G. Buchwald,
Wittenberger OrdinierteDbuch 1537—1560. Leipzig 1894. I. S. 18. Nr. 277.
FSrst^mann S. 153. —Rep. 157. Tit. 8. Nr.68. Pr. 5. 6. — A. Steiehele,
das Bisthiim Augsburg III. Augsburg 1872. S. 388, 390.
1) S. M. Walther, Cadolzburgisches Denkmal. Onolzbach 1751. S.20.
2) Markgraflicber Rat; von Georg auch in Ungarischen Sachen ver-
wendet. Lang II S. 77, 84.
3) Zuerst Zisterzien sermon ch zuEbrach. cf. Dr. J. Jager, Verzeich-
nis der Abte und Religiosen der Cisterzienserabtei Ebrach 1126—1803.
Bregend 1903. S. 51. 1527 entzweite er sich mit dem Abte wegen Ent-
ziehuDg seiner Kongrualportion. S. Beitrage VII S. 208. cf. Rep. 151.
Pfarrsachen Nr. 14. Er bekam dann .die Pfarrei im Stift zu Ansbach
(= vicaria Chori). Er gehorte zur evang. Partei im Stift. S. Rep. 157.
Tit. 29. Nr. 4 f. 150, 152. (J. L. Hocker, suppl. S. 184. Nr, 27.) Trotz-
dem war er keiner der eifrigsten Besucher der Vorlesungen des Vine.
Obsopoeus. f. 217. 1535 hatte er einen Streit mit dem Stift wegen Er-
hohung seines Gehaltes. f. 307—319. Ein Geburtsbrief dor StadtKarlstadt
fur ihn d. d. Di. n. Luce. (20. 10.) 1528. Tit. 9. N. 77. Er bat spater um
eine Zuiage von den Einktinften der Pfarrei Brodswinden oder um eine
Stelle an der lateinischen Scbule. Der Frau Hellers hatte er ein samtnes
Biret geschenkt. Der Kanzler eiwiderte hierauf, wer samtne Barette ver-
schenken konne, diirfte iiber seine Armut nicht kla^en. Kgl. Konsistorinl-
archiv. Brodswinden 1528—1773. f. 33 ff. cf. f. 65b. Hans Fuchs bogner
Katharina hern Hansen Krafts pfarrers im stift nachgelafine witbe. Cop.
28. Aug. 1543.
4) Studierte in Wittenberg 1540/41. Forstemann album. S. 187.
Dann Kantor am Gymnasium zu Ansbach. Schiller S. 26. 1548—52
Wallenrodische'r Vikar in Schwabach. Fa 1 eke n stein 1. c. S. 214.
5) Vikarius S. Magdalenae. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5. f. 43. Nr. 4.
f. 142, 150, 152 (J. L. Hocker, supplement etc. S. 184f.). 202, 218 (He-
such der Vorlesungen des Obsopoeus) 243, 246, 258, 259. Geburtsbrief
der Stadt Schwabach fur ihn. d d. Eritag. n. Barth. (29,8.) 1525. ibidem
Tit. 9. Nr. 71.
6) Eid des Pfarrers Matthias Bauer zu Merkendorf, z* Z. Easimirs
u. Georgs. Kgl. Konsistorialarchiv Ansbach. MerkendorfPf. 1427— 1749f. 2,
30 Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch.
Caspar Loer Schumacher^) Margareth Berin von Eschenbach witwin
sunt proel. dom. p. Octavas Pentecostes (19. 6.) 1630 f. 12^
Johan Leffelad doctor*) Margretha Jorgeu Schiderlins zu Nurnberg
naehgelafine toehter copulati Di. n. Letare (25. 3.) 1544 f, 67*.
Hartung ,Limpacher vicarier im styft^) Appolonia senfftin von Hall.
p. dom. LXX. (5. 2.) 1531. f. 15^.
Jorg Maler Margretha Pauls Karpfen seligen camerschreibers *) nachg.
toehter cop. den 21. Aprilis 1545 f. 71**.
Michel von Wertheym cantor im styft^) Katharina der pleyin dochter
sunt proclamati dominica Palmarum (21. 3.) 1529 f. 6».
Johan Michel von lUesheim Sara hern Wolfgangs Salingers hof-
predigers^) toehter cop. 12 Julii 1552 f. 95 ^
her Caspar Merklin vicarier im stift '^) Ursala StoUin von dinckelspuhel.
Copulati 2f. p. Sim. et J. (29. 10.) 1537 f. 44*
Caspar Merklin vicarier margretha hern Johan Kulmer nachg. witbe,
copulati dom. quarta adventus (23. 12.) 1543 f. 66*.
Hans Metzler schulmeysters sun von Kungshofen Ursula Wolf Michels
dochter von Herrieden sunt proclamati dominica 13. post Trin.
(22. 8.) 1529 f. 8^
Magister Martians Moninger pfarrer zu Onolzbach ®) vnd Mafgretha
1) Ein eifriger ev. Burger Ansbachs. Beit rage VII S. 155, 198.
2) Kommt 1541 mit Val. Kiefer, Etzel, Dr. Val. Hartung als Assessor
des Hofgerichts vor. Rep. in». Nr. 187 ». S. 121. Er war der Nachfolger
Val. Kiefers auf der Chorherrnpfrtinde des Stiffs St. Gumbertus. 1556
wurde sein Kanonikat Felix Hornungverliehen. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 73,
3) Vicarius S. Stephani. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 43. Nr. 4 f. 202.
144, 150, 152, 154, 265. Er wurdo dann als Gehilfe an der lat. Schule
verwendet. 1 240. L. Schiller S. 25 (der Bericht ist eine Vorarbeit zur
zweiten niarkgr. Kirchenvisitation 1536).
4) Eid P. Karpfen als Rat 1511. Rep. 117a Nr. 137. S. 98. LangIIS.2.
5) Wohl Michel Vuacker. s. v. Kern.
6) W. Salinger aus Ostreich, zuerst in Weifienburg a/S. Stadtpfarrer
1535—48. S. M. J. A. D ((5 der I ein), Wei6enburgische Jubelfreude 1730.
S. 43, 51, dann Pf. in Alfershauseu — 1550, dann Hofprediger Georg
Friedrichs. f 1560. S. Muck I S.496. Ill S. 241. Konsistorialakt. Ansbach
Hof- u. Stiftspraedikatur 1 1431—1747. d. d. 22. 9. 1555. Nach den Wochent-
lichen Onolzbachischen Nachrichten 1741. Nr. 24 (14. 6.) war er von 1558
bis 1560 Hofprediger u. Beichtvater. Gemeinsam mit Karg u. Eschinger
arbeitete er bes. an der Abschaffung des Auctnariums in Brandenburg.
A. R A. 25.
7) Vicarius St Katharinae in Ansbach. f 1545. S. Muck II 8. 154.
Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 43, 85. Nr. 4 f. 144, 150, 152, 162 (Beschwerde
liber das Stift, das die Entfernung seiner Frau u. Kinder angeordnet
hatte), 202, 218 (besuchte sehr selten die Vorlesungen des Obsopoeus),
Tit. 29 Nr. 3
8) Beitrage I. 222. V. S. 208. VII. 260. Dr. G. Wi Ike, Georg Karg
(Parsimonius), sein Katechismus u. sein doppelter Lehrstreit. Erl. Diss.
Scheinfeld 1904. S. 21, 33. 35. Briefe des Obsopoeus, J. Schnabel (8. 7.
1535), SchneeweiB (6. 8. 1546 u. 6. 7. 44. 30. 7. 1537), Karg (1541),
Nicolaus Weifi aus Weifienburg (1541), Reischenbeck Pf. in Roth (30. 10.
Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch. 31
weylandt Stephan Hagenbuchers nachgelafine wittib, copulati
16. Novembris in die Othmari 1542 f. 61**.
Andres Mufiman^) Kimigundt weilandt des hochgelerten vnd erbarn
hern Sebastian hellers^) doctors vnd cauzlers seligen nach-
gelassene tochter copulati den 5. Novembris 1548 f. 83 ^
Johan Newkam vicarier im stift^) Elisabeth Sexin von Onoltzbach
sunt proclamati dom. p. Ascensionis (9, 4.) 1529 f. 7*.
Hans von Neunstetten m. g. h. marschalk*) Ursula Kornin der
marstallerin dochter sunt proclamati in die S. Michaelis (29. 9.)
1528 sed postea rejecti, quod impie contraxerint f. 4*.
Vincentius Obsopoeus ordinarius professor litterarum^) Ursula Wenzel
1542), J. Saltzer (Idus Marti! 1544), Conr. Praetorius (16. 8. 1544. "9. 6.
1545. 1546), G. Schagk V. Wassertrudingen (20.8.1546), Lusnerv. Gunzen-
hausen (1544), Jo. Vueccus v. Uffenheim (6. 8. 1545), Pithenius (1549),
Seb. Theodorieus (1549), S. Lazarus, Pf. v. Rosstall (30. 3. 1546) an ihn
im Bamberger Kreisarchiv. Manuskr. Alth. VI, 31, die von Prof. Kolde
zur Heransgabe vorbereitet werden. — Vielleicht zuerst tritt er als Pfarrer
auf in einem Scbreiben an Dechant v. Kapitel zu Feuchtwang, worin er
nach dem Tode Vogtherrs mit Rurer als Naehfolger J. Feel, Kaplan zu
Ansbach empfiehlt. d. d.. Ansbach Conv. Pauli. (25. 1.) 1539. Rep. 159.
Tit. 22. Nr. 1. f. 268.
1) S. Lang III S. 26, 32, 87fif., 44, 62. Einer der bedeutendsten Rat-
geber Georg Friedrichs, Stieber S. 334. 1556 zum Kammerschreiber
bestellt, GemeinbuchX f. 7*, Rep. 117a Nr. 213. f. 132. Ein neuerRevers
d. d. Di. n. Laet. (23. 3.) 1563. f. 147. Nr. 244. Akta das Absterben des
fiirstl. geheimen br. Rats MuBmann 1589. S. 173. Nr.295. Kd. J. A. Vocke,
Geburts- und Todtenalmanach Ansbachischer Gelehrten, Schriftsteller u.
Kunstler. II. Augsburg 1797. S. 322. Kunigunda f 25.9. 1562. Priester,
Onoldum in Requie 1742.
2) Aus Schwabach. 1517 in Leipzig. G. Erler, die Matrikel der
Universitat Leipzig. Leipzig 1895. Annahme als Rat u. Diener v. Georg,
nachdem" er schon etliche Jabre gedient hat. Ansbach Mart. 1530. Rep. 117.
Nr. 161c. AAAktaNr.779. 1533Kanzler. Wiederholt sollte er nach Witten-
berg berufen werden. t29. X. 1542. S.VoigtjMarkgrafAlbrechtAlcibiades
von Brandenburg-Kulmbach. I. Berlin 1852. S. 67. J. H. v. F ale kens t ein s,
Urkunden u. Zeugnisse. Neustadt 1789. S. 543. Nr. 449. Corpus Refor-
ms torn m IIL p. 526, 576. IV, 478, 662, 714, 1022, 1025, 1055. VI, 760.
G. Veesenmeyer, kleine Beytrage zur Geschichte des Reichstags zu
Augsburg 1530. Niirnberg 1830. S. 14flf. K.E. Forstemanii, Urkunden-
buch zur Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530. Halle
1835. I, 371. II, 12, 219, 290f., 300, 420, 432, 455, 466, 601. Lang II
S. 25 f., 29, 63, 75, 77, 58, 64, 73, 129, 156. L. Bachmann S. 130.
3) Vikarius S. Bonifacii. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 43. Geburtsbrief
der Stadt Ansbach fur ihn d. d. Sa. n. Barth. (25. 8.) 1520. Tit. 9. Nr. 61.
1528 besafi er die Vicarei S. Georgii Tit. 29. Nr. 4 f. 202. Urfehde der
beiden Priester Wolfg. Kepner u. II. Neukam. Viti. (15. 6.) 1528. Gemein-
buch VII f. 111b. — f. 44b. Hans Neukam tuchscherer els sixin bans
Neukams vicariers im stift verlassene wittib copulatisunt 2. f. p. fest. Dom.
Epiph. hoc est 25. Januarii 1538.
4) Kolde, Althamer S. 52. C. Ferd. Jungens Miscell. Ill S. 259.
C. Ref: I, 1011. J. Chr. v, Aretin, Beytrage . . . 1807. IX, 1021 f.
5) S. L. Schiller S. 3ff. Beitrage VII, 77, 206f. Neustadt,
Markgraf Georg als Erzieher am Ungarischen Hofe. S. 40 Anm. J. A. V o c k e I
32 Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch.
HenniDger seligen nacbgelafiene witwe^). pr. dom. p» Epipb.
(9. 1.) 1530 f. 10 »,
Yincentius Obsopoeus Margret des Hanson Hertzogen docbter von
Nurenberg. p. dom, Cantate (28. 4.) 1532 f. 21 ».
Jobannes Oel Canonicus auf dem styft^) Margret Waltorin von Danbacb
sunt proclamati Dominica infra nativitatem et circumcisionem
Domini (31. 12.) 1531 f. 19 b.
Joan. Oel cborber im stift cristina berbstin stepban vneigels magt
pr. 4. adv. (22. 12.) 1532 f. 24».
Her Jobann Oel canonicus celebravit nuptias Weiflenburgi cum
Margretba relicta vidua ipsius andree Munderlins^) pastoris
olim ibidem Galli (16. 10.) 1537 f. 44 ».
Lorenz Paur canzleyscbreyber Kunigund Kropfbeuserin weylandt
Jorgen Kropfbeuserin zu Leyttersbausen verlafiene tocbter ein-
geleyt quarta feria p. Cantate (2. 5.) 1537 f. 42 ^
S. 63 ff. Einzelne Briefe aucb im Bamberger Kreisarchiv Ms. VI Nr. 31.
Cber seine Bibliothek s. Rep. 159. Tit. 21. Nr. 14 acta betrefifend die
von dem Markgrafen zu Brandenburg dem Decbanten u. Kapitel zu Feucht-
wangen anbefoblene Ankaufung vom Stift der von Obs. hintcrlassenen
Bticber. 1548. 9. Gemeinbncb9 f. 46b d.d. Mittw. n. Os tern 1549. Muck I
S. 417. — Beilage zur Augsburger Postzeitung Nr. 57 (25. 12. 1904)
Sp. 453. Anm. 87. — 1531 hatte er ftir Georg eine ungarische Chronik zu
iibersetzen, Cbarlottenburger Hausarchiv I K 42. A. 3 f. 60. (Georg an
die Statthalter d. d. Jagerndorf. Fr. n. Om. S. (3. 11.) 1531.) cf. Ansb.
Rel. Acta 13. Pr. 21^2. XI, 54 ff. Regierungsakt Nr. 6091. (Rektorat zu
Ansbacb: Besoldungsverbaltnisse) Instruktion zur 2. Kirebenvisitation.
ARA II a (1535). 43. Jahresbericht des hist. Ver. von Mittelfranken.
Ansbacb 1889. S. 119. Gestorben ist er zwischen 1537 u. 1539. Rep. 157.
Tit. 29. Nr.4f. 329. K. Simonsfeld, Eim*ge kunst- und kulturgeschichtl.
Funde, Sitzber. d. pbilos.-philol. u. hist. Klasse d. MUncbn. Akad. d.
Wiss. 1902. 541 ff. Ein Sohn von ihm soil in Kadolzburg Pfarrer gewesen
sein. Walther S. 36. Ein Vetter von ihm G. Leutner aus Bayern besaB
1544 die Vicarei S. Bonifacii, dann wobl Hofprediger G. Friedrichs.
G. Schnizer, Anzeige von der Kirchenbibliothek zuNeustadt a. A. 1782.
S. 13. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5 f. 35. — f. 53^ miche Diner vnsers g. h.
cemcrling margretha hern vincentius Obsopoeussen nachgelassene wittib
copulati feria tertia p. Jubilate (20. 4.) 1540. Diner = Michael Denis.
Gemeinb. 7 f. 232 ». Rep. 117 a. S. 120. Nr. 186.
1) Mitglied des Rates von Ansbacb. H. Westermayer, die branden-
burgisch-niimbergische Kirchenordnuiig .u. Kirebenvisitation 1528 — 1533.
Erlangen 1894. S. 22.
2) Cborberr. Geburtsbrief v. Klestatt fur ihn d. d. Sa. n. Lucie
(14. 12.) 1527. Rep. 157. Tir. 9. Nr. 75. Caution et juramentum d. d. Di.
n. Andreas (3. 12.) 1527. Tit. 10. Nr. 93. f 1547. Seine Pfrtinde wurde
J. Gotz, dem Sohne desLeibarztes G. Gotz verliehen. Tit. 29. Nr. 5. f. 61.
3) t 1535. E. Engelhardt, Ehrengedacbtnis der Reformation in
Franken. Nurnberg 1869. S. 64, 68 f. W. V o g t , Antheil der Stadt WeiBen-
burg a. N. an der reformatoriscben Bewcgung. Erlangen 1874. S. 10, 12.
M.J. M. GrojQ, des hist. Lexikon. . . . 2. Toil. Niirnberg 1732. suppl. S.43.
M. J. A. DSderlein 1. c. S. 43. Im allgemeinen zur Geschicbte der
Reformation daselbst v. Pastoralblatt des Bistums Eicbstadt. 1870.
S. 146.
Schornbanm, Das Erste Ansbaoher Proklamationsbuch. 33
Christianus Polmaun von Gladpach ^) hofprediger Barbara Sebald
Fulckers tochter von Geylesheim copulati 23. Februarii auno 1541
(steht unter 1540) f. 54a.
Jacob Braun statschreyber Margrethe Hansen Sprengen seligen tochter
burgers zu Kytzing cop. quarta f, Pasc. (24. 4.) 1538 f. 45^.
Herr ConradtPreufi vicarius im stift'*) Anna Wernlerin weilandt des
erwirdigen hern Sebastian Wagners abts zu Hailbronn ^) nachg.
witbe. Cop. 10. Mali 1547 f. 78 ^
Herr Conradt Preufi vicarier im stift Margretha herrn Hans Lazarus
Pfarers zuRostall*) nachg. witbe cop. 30 Januarii 1548 f. 81*.
Laurentius Putrich caplon Els Jacob Hagenbuchers zu Wassertruhen-
diugen tochter cop. 13. 7. 1545 f. 72*.
Christof Raiser von harburg^) auf der schul Dorothea Peter Bach-
manns nachgelafine tochter copulati in die Viti (15. 6.) 1540
f. 54 ».
Hans Riedel einspeniger Barbara weiland hern Lienhart Lusners
pfarers zu Guntzenhausen ®) nachg. witbe. Cop. 2 die Decembris
1544 f. 69 b.
1) Jurament Chr. Polmanns von Gladbach, Hofpredigers im Schlofi
zu Ansbach, wegen eines Kanonikates. Mo. Om. Sanct. (1. 11.) 1540.
Rep. 157. Tit. 10. Nr. 102. Geburtsbrief der Stadt M.-Gladbach. Fr. n.
Vis. Mariae (8. 7.) 1541. Tit. 9. Nr. 85. f ca. 1559. S. Rep. 157. Tit. 29.
Nr. 4 f. 368. Nach den W5chentlichen Onolzbachischen Nachrichten 1741
(14. 6. 1741) S. 185. 1550—1558 Hofprediger und Beichtvater.#
2) Seit 1545 Vikarius St. Katharinae im Stift. Muck II, S. 156. Im
Jahre 1562 wurde er zum Spitalmeister des neuerrichteten Hospitals er-
nannt; seine Ffrunde wurde zu demselben geschlagen. Gemeinbuch 10
(1555 — 71) f. 156. J. B. Fischer, Geschichte u. ausf iihrliche Beschreibung
der . . . Ansbach. Ansbach 1786. S. 114 f. G. Muck I S. 493. Stieber
S. 223. S. Rep. 141. Hospitalpflege^Nr. 2. 3.
3) Muck I S. 397 flf., 408.
4) Zuerst Kaplan in Ansbach. E. Schornbaum, die Stellung d.
Markgrafen Kasimir v. Brandenburg, Nurnberg 1900, S. 242, dann in Niim-
berg. 1533 Pf. v. Rosstall. S. Bid des J. Lazarus aus Wassertriidingen als
Pfarrverwesers zu Kosstall. Der eigentliche Pfarrer war G. Ferber, ehemals
Dechant zu Ansbach, ab 1534 Theod. v. Reden. Markgraf Georg genehmigte
die Cbertragung der Pfarrei an ihn unter der Bedingung, daB er den
jetzigen Pfarrverweser ruhig auf derselben bleiben lasse. d. d. Kadplzburg.
Mo. n. Conv. Pauli (27. 1.) 1534. Kgl. Konsistorialarchiv. Rosstall. Pf.
1462—1652. f. 67—72. f 20. 10. 1546. f. 80. S. auch Ansbach er
WOchentliche Nachrichten 1741. S. 324. Stieber S. 676.
5) S. L. Schiller S. 26. Vielleicht aber mufi Chr. Kaiser gelesen
werden. S. Beitrage VII S. 260.
6) Pfarrer zu Gunzenhausen schon 1528. f 1544. J. P. Riedel,
Yersuch eines Beitrags zur Landesgeschichte des hochf. Hauses Br.-Onolz-
bach. Niirnberg 1780 S. 93 f. Der freyen Reichsstadt Nurnberg vest-
gegrlindete Landes- vnd Oberherrlichkeit . . . Wittenberg 1797. S. 22.
Blatter fUr bayerische Kirchengeschichte I. 1887, Rothenburg S. 34. Erster
Superintendent v. Gunzenhausen. 1529 bezeichnet ihn Georg als einen
der Theologen, die man in schwierigen Fallen um Rat fragen solle. Rep.
103 ». S. 247. Nr. 3©. f. 37.
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichte XII. 1. 3
34 Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbucb.
Her Hainrich Eoracber vicarier im stift^) Madlena Wainherdin hern
Jorgen Denderlins Pfarrers zu Obernmichelbacb ^) nachg. witbe.
cop. dritten tag Julii 1548 f. 82 *.
Wolf Ruff der jung^) zu Wassertruhendingen Margretba Hansen
Blaichers auch zu Wassertruhendingen nacbg. tocbter seind von
mir 3mal verkaudt Mattbie aber nit eingelait. zu Weyltingen
bocbzeit gehalten in der wocben nacb Trin. 1545 f. 71**.
Wolfgangus Rust auf der scbul*) Veronica Melcbior Lebsanften seligen
nacbg. tocbter. cop. den 13. Augusti 1549 f. 86**.
Joban Sawrman vicarier im styft®) Sabina des Platners docbter uxor,
sunt proclamati Dominica Paschae (28. 3.) 1529 f. 6*.
Pangratz Saltzmann m. g. b, cammersecretari ®) Anna Zotscbin weylandt
Sixen Zoltscben von Aufkircben seligen nacbgelafine docbter
sunt proclamati d. LX. (19. 2.) 1531 f. 16^.
Jacob Scblairer caplon zu Flacbslanden '^) Elizabeth Herrn Hansen
Besolts vicariers tocbter copulati den 5. Novembris 1544 f. 69*.
Sixtus Scblosser vicarier im stift^) Margret des Claus Hansen von
Leutershausen docbter. p. Dom. p. Mart. (14. 11.) 1535 f. 38*.
Hans Scholl todtengraber Margretba Fritz Barts nacbgelafine tocbter
von Weyenzell Copulati 4 f . p. Purif. (5. 2.) 1539 f. 49^
1) Nach Akta Onolzbach Hof- u. Stiftkaplanei 1470—1791 (kgl.
Konsistorium zu Ansbach) besaB er die Primissaria in choro Praep. im
Stift St. Gumbertus. Nachfolger Job. Besolts. Aucb besafi er eine Pfrunde
im Kloster Heidenheim, auf die er 1537 gegen eine jabrliche Entschadigung
von40fi.verzichtete. Kep. 160. Tit. 14. Nr. 4. Tit. 3. N. 9b. Gemeinb. 8.
f. 93» •
2) Stieber S. 591. f 1548 Ostern. S. kgl. Konsistorium zu Ansbacb.
Obermichelbach Pf. 1535—1663. f. 18.
3) Sobn des markgraflichen Kastners Ruff v. Wassertriidingen. Cf.
aucb Scbornbaum 1. c. S. 200. Besonders mit Auhansen hatte er viel
zu tun, als der Abt TruchseB nach Eicbstadt gefloben war. Rep. 165.
Tit. 15. Nr. 1. Rep. 158 Tit. 8. Nr. 3, 4.
4) Kam als Schulmeister nacb Uffenheim und dann als Pfarrer nach
Uttenhofen. Eid d. d. 8. 2. 1555. f 8. 9. 1561. KgK Konsistorialarchiv
Ansbacb. Uttenhofen Pf. 1536-1704. f. 39—50.
5) Vicarius Primissariae in Chore Praepositi. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5
f. 43. Geburtsbrief der Stadt Herrieden fur ibn. d. d. Mo. n. Appol.
<13. 2.) 1520. Tit. 9. Nr. 59. Er wurde wohl auch als Kanzleischreiber
verwendet. Rep. 103 ». S. 247. Nr. 3e. S. 48. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 4.
f. 144. 150. 152. 218.
6) Zuerst Hofgerichtsscbreiber, dann Kammermeister, Landschreiber
t 1563. S. Lang II S. 84, 129, 172, 231, 242, III 6, 77, 113, 152 f. 192.
7) Spater Pf. zu Absberg, dann zu Neunkirchen. Eid alsPf. v.
Neunkirehen d. d. 19. 1. 1548. Kgl. Konsistorialarchiv Nurnberg. Pf.
Neunkirchen 1484-^1795. f 39.
8) Pf. zu ThalmaBing 1528. Blatter fur bayerische Kircbengeschichte I,
S. 142. Als Vikarius vom Stift (Viti) bekam er m'it dem Kapitel Streit,
weil er mbglichst die neuen Zeremonien einfUhren woUte. Rep.'157. Tit. 29.
Nr. 4. f. 237, 239, 245, 271. 1541 nahm er auch noch die Pfarrei Forst
an f. 334. cf. Tit. 22. Pf. Forst Nr. 16. — S. f. 73*. Stephanus Neuckham
weber margaretha herrn six Schlossers seligen nachg. witbe. cop. 12. 12. 1545.
Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch. 35
Haus Schmidt Hauck genant canzleyschreyber Anna weylandt Clausen
Herwarts seligen gewesen castners alhie verlafine tochter copu-
lati 26. Jan. 1540 f. 52^.
Georgius Schuman auf der schnl Barbara Hardung Teufels tochter
cop. den 6 Tag Octobris 1551 f. 93*.
her Johan Seger caplon zu Onoltzbach in der pfarr^) Anna Hans
Ortolphs candelgiefiers zu Chulmbach dochter s. procl. Dom. p.
Purif. (7. 2.) 1535 f. 39^
Kochus Sehehofer korher im stift^) Ursula Hans Greylers seligen ver-
lafine wittib Procl. Dom. sec. adv. Dom. (8. 12.) 1532 f. 24».
Kochus Sehehofer khorherr im styft Barbara Stephan Keuters gold-
schmids dochter^) p. Dom. 14. p. Trin. (17. 9.) 1533 f. 29^
Jorg Sefiel auf der schul coadjutor*) margretha hertzogin von Nurn-
berg Obsopei geschwey copulati altera Matthie 25.Febr. 1539 f. 49^.
Lenhart Stark von dinkelspuhel Margretha Rurerin ^) cop.^en 30. Junii
1544- f. 68 b.
her cristof Strafi Licentiat®) Elisabeth Zotzin p. Dom. p. Jacob!
(26. 7.) 1534 f. 33^
1) AusKempten. S. S. 1520 in Leipzig. Erler I S. 571. 1527 unter-
sttitzte er den ev. Prediger Mag. Jac. Heistung in Kerapten. 1533 stimmte
er fur Beibehaltung der Bilder in den Kirchen. Wohl weil die Mehrzahl
der Burger dagegen war, begab er sich nach Ansbach. J. B. Haggen-
m tiller, Geschichte der Stadt und gefursteten Grafschaft Kempten II.
Kempten 1847. S. 2, 6. Als am 28. 6. 1536 Job. v. Wald (Pfarrverweser zu
Lehrberg) gestorbenwar (Pfarrer war Georg von Wolmershausen f 1. 2. 1542),
baton Althamer, Rurer u* Monninger, ihm diese Stelle .zu geben. Georg
genehmigte es am 29. 6. 1536. Da er mit den Bauern wegen der Pension
an den wirklichen Pfarrer (50 fl.) irrig wurde, verfugte Georg, dafi
er mit dem Hofkaplan G. Burraann, der von der Pfarrei Rofifeld 150 fl.
neben seinem Eanonikat zu Ansbach bezog, tauschen sollte. Kgl. Kon-
sistorialarchiv Ansbach. Lehrberg Pf. I 1536—1689 f. 2, 3, 9, 19. 1543
bis 1552 war er dann in Rofifeld Pfarrer. Schiller 1. c. S. 21. 43.Jahres-
bericht des hist, Vereins von Mittelfranken S. 117 f. Beirage I, 125. —
Zu B u r m a n n : G. A. W i 1 1 , narratio d'e M. Gregorio Purmanno Decano Lehr-
bergensi. Altdorfl774. BeitrageVI, S. 114£f. Auf Fiirbitte seiner Gemahlin
u. B, Zieglers befahl Georg, ihm pro Jahr 20 fl.. zum Studium zu geben. 1532.
Herrschaftl. Buch Nr. 2 f. 54i> (Nurnberger Archiv). Uber ihn manches
in den Akta: Pf. Lehrberg u. Kaplanei Lehrberg. (1534—1634) Nurn-
berger Kreisarchiv. Rep. 141. Vogtamt Lehrberg. Nr. 15, 16. Rep. 157.
Tit. 8. Nr. 68.
2) t 1554. Seine Pfrtinde wurde dann dem Rochius Etzel, dem Sohne
des 0. Etzel, zum Studium uberlassen. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5. f. 69.
3) Verheiratete sich dann mit C. Ezel. f 14. 2. 1590 im Alter von
80 Jahren. Priester, Onoldum in requie.
4) Schiller S. 20f. 1537—1539 an der lateinischen Schule tatig.
Vorher war er in Ochsenfurt. Wohl wegen geringer Besoldung ging er
nach Nurnberg. Rep. 157 f. Tit. 29. Nr. 4. f. 324 ff.
5) Eine Tochter J. Rurers?
6) Markgraf licher Kanzler. Lang II S. 129, 133, 139, 172, 186, 209.
238, 247, 284 f. Ill S. 9, 22, 47. 1539 als Rat angenommen. Rep. 117 a
Nr. 219. S. 135.
•> +
36 Schornbaum, Das Erste Ansbacber Proklamationsbuch.
Jacobus Stradner von Grsttz prediger zu hof *) im Schlofi Anna
Spindlerin Clausen Spindlers weyland muntzmaisters zn franckeu-
husen dochter. Pr. Dom. prima p. Octavas Peutecostes (18. 6.)
1536 f. 40b.
Sebastianus Styler prediger zu Hailsprun^) Ursula Jorgen Batzen nach-
gelassene tochter Bastlin Bnrklins magt. in Hailsprun copulati
Jnventionis crncis (3. 5.) 1541 f. 57".
Doctor Christof Tetelbach^) Maria Cleophe Alexius Frauentraut Camer-
schreybers tocbter c. 15. Septembris 1539 f. 51*.
1) Zuerst markgraflicher Hofprediger, dann 1543—1550 Stiftsprediger.
Beitrage V, S. 204 ff. Re vers J. Stratners als Hofpredigers d. d. Ansbach
Catb. Petri 153a. Rep. 117°. Nr. 178. S. 117. Cf. Rep. 157. Tit. 8. Nr. 71.
(Seine Kinder betr.) Beitrage VI, S. 110. Akt ,,Hof- und StiftsprSdikatur
zu Ansbach betr." I 1431—1747 im Konsistorium zu Ansbach. Nr. 14. cf.
f. 67 b Andreas von Gretz Els Clans Spindlers weylundt muntzmaister zu
franckenhausen nachgelassene tochter copulati Di, p. Quaeimodog. 1544.
— Vocke I S. 21.
2) Kam 1544 nach Gunzenhausen bis 1567. S. Muck II S. 109 f.
Riedel S. 94. Das Kloster Hailsbronn entlieB ihn geme, da er manchen
Unwillen durch sein eigenmachtiges Verhalten erregt hatte. Nurnberger
Ereisarchiv. Regierungsakt Nr. 6163. (Pradikatur zu Hailsbronn 1530 bis
1716.) Er war gegen die Abschaffung des Auctuariums ARA. 25. W. Lohe,
Erinnerungen aus der Reformationsgeschichte von Franken. NUrnberg 1847.
S. 145.
3) Im Nurnberger Kreisarchiv AA-Akten Nr. 797 fiiidet sich folg.
Genealogie dieser Familie:
Job. Tetelbach
t)T. Chrlstoph Tetelbach I Ewald Tetelbach Wilhelm l^etelbacli
Job. Bapt. Tetelbach Job. W. Tetelbach I Chr. Tetelbach II
I I
Maria Tetelbach Job. W. Tetelbach II
verm, mit D. Job. Strebel
Euphrosyne cop. Anna Maria cop.
1619 mit Tob. Knobloch f 1634 mit Laur. Laelius 1622
1639 mit Ph. J. Christmann t 1645
1647 mit H. Rauchbarn.
Job. Tetelbach war 1486 Registrator u. 1505Landschreiber. Rep. 117*.
Nr. 52. S. 34. Nr. 128. S. 90. 43. Jahresbericht etc. S. 71, 84. Seine
Geraahlin hieB Katharina. — Chr. Tetelbach I war 1534 — 1541 Assessor
am Hofgericht. 7.9. 1541. 28. 12. 1555 stellte er einen Revers als Rat und
Diener aus. 1560 Kanzler. Rep. 117a. Nr. 167 a. S. 113, 189. S. 121, 196*
S. 126. S. 128. Nr. 204. Gemeinbuch 9 f. 159 a. Lang III S. 6, 8, 21, 23,
26, 47, 49, 56, 59, 97. Seine erste Frau Barbara war die Tochter des
Hi. Scburf. f 8. 4. 1538. S. Priester, Onoldura in requie. — J. B. Tetel-
bach 1567; Rat u. Landschreiber an stelle seines verstorbenen Vaters.
Rep. 117a Nr. 257a. S. 150. 28. 4. 1553 in Wittenberg (Torgau) immatri-
kuliert. Forsteraann S. 279. Seine Frau Helena Hartungin f 26.8. 1568.
S. Priester, Onoldum in requie. — J. W. Tetelbach I auf Dtirren-
mungenau verheiratet mit Kath. Elis. D. Andreas Mufimanns Tochter.
t 1598. — Chr. Tetelbach II. Er bekam 11. 6. 1555 die Chorherrn-
pfriinde des J. Frays verliehen. d. d. Ansbach Di. n. Trin. 1555. Rep. 157.
Schornbaum, Das Erste Ansbacher Proklamationsbuch. 37
doctor Christopliorus Tetelbacb Anna doctor Sebastian Hellers cantzlers
nachgelassene tochter^). cop den. 8. Sept. 1544 f. 68^.
Joannes Baptista Tetelbach des landtschreibers sun zu Onoltzbach
Magdalena hern sigmunden kebitz^) Licentiaten zu Bamberg
dochter. pr. dom. tert. p. oct. Epiph. (18. 1.) 1530 f. 10 ^
Wilhelmus Tetelbach decanus Martha weylandt des erbarn Christopheu
Sparmairs burgern und des raths zu arnstein nachgelafine tochter
cop. 30. August! 1546 f. 76 ^
Wilhelmus Tittelbach Anna Lienharts Dachspachers ^) tochter cop.
14. Noverabris 1552 f. 96*.
Martin Thauer von Altenbernau Clara Anna Pratzlerin auch von
Altenbernau des pfarrers tochter. cop. 26. Februarii 1548 f. 81\
Jacob Vischer von Munchen ein reutter Margretha herrn Conradt
Werlins weylandt Pfarrers zu Wernspach nachgelassene witbe
cop. den . . . 1544 f. 67.^
Johan Week weylandt pfarrer zu Lengkersheim mit Anna N. seiner
vertrauten eingelayt den 25. tag Junii 1543 f. 65^
Tit. 29. Nr. 5 f. 70. Gemeinbuch 9 f. IbSK Als das Stift 1563 sakularisiert
wurde, bekam er zur Vollendung seiner Studien 100 fl. jahrlich. Rep. 157.
Tit. 29. Nr. 5. f. 212. — Ewald Tetelbach 1516 Chorherr. Jiirament
d. d. Mittw. n. Sim. et Jude (29. 10.) 1516. Rep. 157. Tit. 10. Nr. 88. Ge-
burtsbrief der Stadt Ansbacb fiir ihn d. d. Do. n. Sim. et Jude (30. 10.)
1516. Tit. 9. Nr. 56. 3. 6. 1557 in Wittenberg immatrikuliert. Forste-
mann S. 330. — Wilhelm Tetelbach 1522 Canonicus. Geburtsbrief
der Stadt Ansbach ftir ihn d. d. Do. n. Lucie (18. 12.) .1522. Rep. 157.
Tit. 9. Nr. 67. An der lat. Schiile dann verwendet. Schiller S. 15. Wegen
seiner Verheiratung (1528) hatte er Differenzen mit dem Stift S. Rep. 157.
Tit. 29. Nr. 2. Tit. 8. Nr. 41. f. 13, 14. Tit. 29. Nr. 4. f. 162. Er war
der letzte Dechant des Stifts St. Gumbertus. Der Sakularisation wider-
setzte er sich vergebens. Man machte ihn zum Aufseher und Gegen-
schreiber des Klosteramtes und gab ihm neben einer reichlichen Getreide-
besoldung jahrlich 200 fl. Tit. 29. Nr. 5. f. 212. Die Einkiinfte des Stifts
St. Gumbertus und'Feuchtwangens wurden dazu verwendet, um dem Vor-
schlage Kargs gemaB ein Konsistorium aufzurichten. Jacobi S. 74.
Rep. 161. Tit. 17. Nr. 8. Ansb. Rel. Akta F. supph V. Fasc. V. Rep. 159.
Tit. 22. Nr.l, 9. — Georgiil S.1191. Sein Streit mit Karg : s.G.Wilke,
Georg Karg etc. S. 55 ff. — Interim s. A. Rel. A. 24. Pr. 10. EinfUhrung
des Auctuariums im Stift St. Gumbertus. Rep. 157. Tit. 29. Nr. 4. f. 337 ff.
cf. Lobe S. 145 if. aus L. J. J. Lang, oratio historica de turbis in burg-
graf. Norici provinciis ex libro interim ortis Bayreuth 1781. — Rep. 157.
Tit. 29. Nr. 4. f. 144, 150. — Ein Wilhelm Tetelbach aus Ansbach 10. 9.
1550 in Wittenberg immatrikuliert. FcJrstemann S. 261. — Maria Tetel-
bach geb. 14. 11. 1572 f 9. 11. 1634. S. Priester, Onoldum in reqnie.
1) Eine dritte Tochter Hellers hiefi Beatrix ; sie war mit dem markgr.
Rat G. Adelmann verheiratet (7. 9. 60.). S. Priester, Onoldum in
requie. f 2. 5. 1581.
2) 1533 wollte man ihn fiir den markgraf lichen Dienst gewinnen.
Herrschaftl. Buch Nr. 34. f. 419.
3) S. f. 90 1» Helias Rautenkrantz appolonia lonhart Dachsbachg
tochter c. 2. Dezembris 1550.
38 Wirth, Eirchenguter und Ornate zn Hersbmck im Jahre 1593.
her Stephan Weinmann canonicus^) Marie Cleophe Michel Schmids
Hang genannt nachg. tochter den 17. octobris 1552 f. 96 ^
M. Georgius Widman^) Anna Buchnerin zwayntal verkundt haben
hochzeyt zu Wetelsbaym gehalten den 19. 6. 1543 f. 64 ^
Petrus Zeiszmann^) von Wasserburg Wiltzburgers orden Margreth
Schreyber beckeu dochter von Onoltzbach p. 1528 f. 3^.
KirchengOter und Ornate zu Hersbruck im Jahre 1593.
Von Pfarrer V, Wirth in Hersbruck.
Wie sorgsam ehemals mit den aus der katholischen Zeit stammenden
Klein odien verfahren wurde, mbge aus den nachstehend abgedruckten
SchriftstUcken aus dem K. Kreisarchiv in Nurnberg ersehen werden.
Von den da aufgezfihlten StUcken ist jetzt freilich nicht mehr eines
hier zn finden. Vielleicht war dies das Schicksal der Kleinodien
anderer Kirchen auch: sie sind einfach verschwuuden.
Mit der Aufbewahrung der Bucher aus der Zeit Luthers uahm
man es ebenso genau. Dieselben sind bis heute in der Kirchen-
bibliothek dahier aufbewahrt. Nur sollte letztere einen anderen Eaum
zur Aufbewahrung und Benutzung erhalten. Ihr Zweck, einem grbfieren
Kreise zum Studium zu dienen, ware dann besser erfiillt.
I.
Ein versiegelt gewesenes Schreiben mit der Adresse:
Den Ehrnvesten, Fursichtigen Erbarn
vnnd weisen eines Erbarn Rats der Stadt NUrnberg
verordennten Landtpflegern
vnsern gepietenndt gonnstigen Herrn.
Das Schreiben lautet:
Ehrnueste, Fiirsichtig, Ehrbar vnnd Weise, derselben sinnd
Vnnsere gehorsambe Vnnd vnderthenige willige Diennst zuuor, ge-
pietennd gonnstige Herrn,
1) Sohn des J. Weinmann. 1532 besaB or das Kanonikat G. Huters.
Rep. 157. Tit. 29. Nr. 5. f. 21. 1563 wurde er mit einer Pension von
100 fl. und Naturalien entschadigt f. 212. Jurament d. d. Di. n. Oculi (5. 3.)
1532. Rep. 157. Tit. 10. Nr. 95. S. S. 1545 in Wittenberg. S. Forste-
mann S. 223.
2) Prediger zu Langenzenn 1544. — Akt Langenzenn Pf. 1538—1653
im kgl. Konsistorialarchiv Ansbach.
3) Verzichtete auf eine Pfriinde zu Wilzburg gegen eiue andere in
Ansbach. 1537 Rep. 165. Tit. 15. Nr. 10. 1539 sicherte der Markgraf seine
Pfrunde (St. Georgs Altar) seinem Sohne zu. Rep. 157. Tit. 22. Nr. 17.
Rep. 141. Hospitalpflege Nr. 43*. Gemeinbuch 8 f. 173b. 9 f. 103^. cf.
f. 75 b. Hans D5ner Miltenberger margretha weiland herr peter Zeismans
nachgelassene witbe. 17. Mail 1546.
Wirth, Kirchengiiter und Ornate zu Hersbrnck im Jahre 1593. 39
Vff E. E. vnnd htl. Zuschreiben vnnd beuelch, thue denselben,
wir hiebey eine Abschrifft, des hieuor, vfgerichten Inuentarj, was
fiir Kirchengutter, und Kleinoter so ziim Kirchen- vnnd Gotthauss
alhie gehorig vorhannden seyen/ vberschicken, Denen wir vniis hie-
mit inn geborsamb, vnnderthenig beuehlennd,
Datum Herspruckb den 27. Septembris Ao. 1596.
E. E. vnnd bh.
Gehorsambr vnnd
vnndertbenigr
Alexander Gender
Pfleger, aucb Burgermeister
vnnd Raths daselbst.
(Alexander Gender war zuerst Pfleger in Grafenberg, dann 1587
bis 1599 Pfleger in Hersbrnck, kam 1599 in den Rat nacb Nurn-
berg, und starb daselbst 1601.)
II.
In dem zweiten SchriftstUcke sind nacb einem vorberstehenden
Aufnabme-Protokoll die einzelnen Klein odien aufgezUblt. Das Scbrift-
stuck lautet:
Kirchengutter
vnnd Ornat zu Herss-Prucks.
Beschrieben den Neundten Pebmarj
Anno
159 3.
Nacbdem kurtzuerscbienener tagen Hanns Niebler, gewessner
Kircbuer zu Herspruckb todtes verscbieden, an dessen statt Veit
Guttmann, Burger aldo vffgenommen, Sinthemal aber die Kircben-
gUtter vnnd Ornaten, Inn langer Zeit nicbt Inuentirt worden, Also
bat man dieselben zuuor, vnnd ee ermelter Guttmann an gedacbten
diennst getretten, Durch Hannseu Hauslaib^) dieser Zeit Statt-
scbreibern zu Herspruckb beschreiben, vnnd beriirte Ornata vnnd
Kircbengutter, Durcb vorernants Niblers Sobne Wolff genannt,
Ibme Guttmann fiirzaigen, vnnd ihme uberanthwortben lassen, Wie
Von einem zum andern vnnderschiedlicb bernacb volgtt.
Gescheben Inn Persounlicher gegenwart, der Ersamen Weisen,
vnnd Bescbaidnen, Jobst Seinzen des Ratbs, vnnd Jorg Maiern
bede Burger vnnd geordente Kirchen- vnnd Gottsshaus-Pflegere alhie,
Vff" Freitag den Neundten des Monats Februarj, Vonn der geburth
Christi Im Funff*zehenhunndert vnd dreyundneunzigsten Jare!
Erstlich in einer verspertenn Truhenn.
Eiu grofie Silberne Monstranzen.
Mehr ein Silberne Monstranzen.
1) Hanns Haufilaib war Nurnbergischer Stadtschreiber in Hersbruck
1588—1598, dem Jahre seines Todes.
40 Wirth, KirchengUter und Ornate zu Hersbruck im Jahre 1593;
Eiu Silberns Vergult Sacramentgefess.
Ein Silbern Vergult Creutzlein.
Drey Silberne PUchslein zu Particuln^),
Sachs Silberne Vergnlte Kelch, mit Sechs Silberen Vergulten
Patenen.
Mehr drey Silbere Vergnlte Kelch, welche der Kirchner In
seiner gewaltt bat.
Dann haben die beede Herrn Capeleine^ ein Jeder ein Clein
Silbere Vergult Kelchlein, bey Thnnen Inn Iren Heusern.
Ein Weifi Silbere Paten e, mit vier Perlein, Vnnd Vier steinen.
Mehr ein Silbere Vergult Patene, mit sechs Perlein, vnnd sechs
steinlein.
Ein silbere Vergult Patene mit etlichen Turckislein Vnnd steinlein.
Ein Silbere Weifi Patene, mit steinlein.
Ein zweyfachs silberes Puchslein zu oel.
Ein Rot eiserne Puchsen.
Ein Kupfere Vergulte Monstrannzen.
Inn einem Versperten Behalter an Mefigewennternn.
1 Eots Mefigewanndt von einnem gulden stuckh, mit aller Zu-
gehSrung.
1 Blaw Damascirts Mefigewandt, mit einem gulden Creuz.
1 Weifi Atlafi Mefigewanndt, mit einem gulden Marienbildt.
Vnnd einnem leibfarben Vnnterfutter,
1 Weifi damascirts Mefigewanndt, auch mit einem gulden Marien-
bildt.
1 Praun Sammets^) Mefigewanndt, gleichfalls mit einem gulden
Marienbildt.
1 Schwartz Sammets Mefigewandt, mit einem guld. stuckh, Vnnd
gulden Creutz.
1 Goldfarben Damascirtes Mefigewanndt, mit einem Crucifix,
Vnnd seiner Zugehorung.
1) Teilchen der Gebeine Heiliger, oder uberhaupt Gegenstande, die
mit dem Leibe Heiliger im Leben oder im Tode, oder mit seinem Grabe
in Beriihrung gekommen waren.
2) Samt (frz. velours, engl. velvet, ital. sciamito), unser heutiger
Samt? Oder e^diJUTogl Vgl. Otte, Handb. d. kirchl. Kunstarchaologie d.
deutsch. Mittelalt. 5. Aufl. 1883. I, S.273; und Alwin Schul tz,da8 hOfische
Leben z. Z. d. M. 2. Aufl. 1889, I, S. 332 u. 343. Samt, samit nannteman
namlich in friiherer Zeit einen kostbaren Seidenstoff, der auch pfeller,
pfellel, phellel genannt wurde (aus mlat. palliolum, lat. pallium). Es war
der 'E^df^aog, von dem Stoffe, den wir heute Sanimetnennen, wohl zu unter-
scheiden. Derselbe war aus sechsfadenstarkem Aufzuge gewebt, ein sehr
starkes, festes Seidengewebe, das gewohnlich mit Gold- oder Silberfaden
brochiert war, also dem spater Brocat genanntcn Stoffe entspricht. (Vgl.
auch Bock, Gesch. d. litiirg. Gewander, 1859, I, S. 329. Dessen Zurtick-
fiihrung der e^dfiira auf hebr, Scheseh ist nicht haltbar.)
Wirthy Kirchengiiter und Ornate zn Hersbriick im Jahre 1593. 41
1 Roth Atlafi Mefigewanndt, mit einem gnldenen Sanct Wolf-
gang ^)bildt.
1 Grun atlafi Mefigewanndt, mit einem gulden Creutz.
1 Weifi damascirts Mefigewanndt, auch mit einem gulden Creutz.
1 Goldfarb seides mefigewanndt, mit seiner Zugehoer.
2 Praune Wullene Mefigewenndter, mit Crucifixen.
1 Griin damascirts Mefigewanndt.
1 Rot Scharlach mefigewannd.
1 Weifi damascirts Mefigewanndt.
1 Gelb harlasts^) Mefigewanndt.
2 Schwartz Schamlots^) Mefigewanndt.
1 Schwartz Borschats*) Mefigewanndt, mit einem Crucifix.
1 Schamlots Mefigewanndt, mit S. Christophori Bildtnufi^).
2 Goldfarb Atlafi Diacon, oder Leuiten Rockh®), mit Irer Zu-
gehor.
2 Schwartz Sametine diacon Rockh, mit goltfarben Podnen, vnnd
Irrer Zugehbr.
2 Praun Sammete Diakou R5ckh.
2 Weifi damascirte Diacon, oder Leuiten Rockh.
2 Roth seiden Leuiten RSckh.
1 Praun Sammaten Chormantel.
1 Schwartz Wiillen Chormantel.
1 Roth schamloten Chormantel.
23 Aim'').
Nota. An jUngster Inuentur sinnd derselben 24 gewest, 1st die
eine zerschnitten, vnnd die anndern damit gebessert worden.
1) Die Stifterin des Spitals und der Elisabethenkirche am Spital zu
Hersbruck, Cath. Alhart, war aus Regensburg. Wolfgang, der Patron von
Regensburg, bat darum an dem prachtigen Schnitzaltar dieser Kirche ein
Feld, auf welchem seine Gestalt mit Bell und Kirchenmodell, seinen
Attributen, dargestellt ist.
2) Harlasten, arlasten ist pannus arelatensis, ein zu Aries in Burgund
gewebtes Zeug. Aries war die Hauptstadt des Konigreichs Arelat oder
Burgund, und war Residenz der Burgundischen Eonige. Nach dieser Stadt
sind auch die Arelatischen Synoden genannt 314; 354; 452; 475.
3) Schamlot ist ein dichtes und festes Seidengewebe von grobkomigem,
nicht glanzenden Aussehen. (Harapc, Eatalog des Germ. Nationalmus.,
1896, I, S. 134 Nr. 842.)
4) Borschat, Bursat ist halbseidener Zeug. Er wurde zuerst ver-
fertigt in Worstead in England, einer jetzt wenig bedeutenden Stadt in
Norfolk. (MaxCulloch, Handelslexikon, Art. Wollenmanufaktur ; Miiller,
etym. Wbch. d. engl. Spr. II, 559: Bursat, vestis subserica, hyposerica,
tramoserica).
5) In der Stadtkirche zu H. war ein Altar dem hi. Christophorus
geweiht.
6) Levitenrock ist das Mei)gewand des Diakonus und Subdiakonus.
(Otte a. a. 0. I, 268.)
7) Aim = Alben. Gemeint sind weiUe Chorhemden. Vgl. Otte, I, 270,
42 Wirthy KirchesgUter und Ornate zu Hersbruck im Jahre 1593.
15 Sammete, Vnnd Von anderm Zeug gemachte Humeral Penter,
Ymb die hSlss, oberhalb die Mefigewenndter gehdrig.
23 Kurtze binndten.
14 Weifie Altar thucher.
1 Grun damascirts Sacraments ddcklein, mit einem gulden Poden.
3 Sammatine docklein, Von Roth grlin, ynnd blauen sammat.
1 Plane damascirts d5cklein.
9 Corporal^) thucher.
1 Roth Sammate Corporal taschen^).
4 Roth Lehr Corporal Taschen.
1 Grtin Sammatine Corporal Taschen, mit einem gulden Poden.
2 Grtin Lehr Corporal taschen.
1 Prann Sammate Corporal taschen, mit einem Crucifix.
3 Schwartz Lehr Corporal taschen.
2 Plane Corporal taschen.
6 Von allerley farben Corporal taschen.
2 Messingene Leuchter ante obern Altar.
2 Messingne Leuchter VflPm Vnntern Altar.
2 Messingne Leuchter aufm neben Altar.
4 Messingne Leuchter Ihnn die Sacristey.
4 Messingne Leuchter in die Liberey^).
7 Cleine Zinnere KSnndelein.
Nota! Die anndern KSnndelein Vnnd Zinnern Leuchter, so
hieuor Juuentiert worden, hat man, als man die Orgel renovirt; an
Zinnerne Pfeiffen gedauscht!
2 Allte eiserne Pfannen zu Kollen.
^ucher Jnn der Sacristey!
Der erste theil der Bibel*).
Der annder thail der Bibel teutsch, bedes zweyfach, Vnnd Weifi-
bundten.
Mehr der erste theil der Bibel, Vnnd das Neue Testament, auch
die Propheten, schwarz bunden.
Die Summarien Vber die Bibel®).
Thomus primus operum Lutheri.
Enarrationes in primum librum Moyse.
1) Corporal-Tucb, womit Kelch und Hostie auf dem Altar zugedeckt
warden. Vgl. Otte a. a. 0. I, 235.
2) Corporaltaschen vgl. ibid. I, 235.
3) Liberei = Biichersammlnng, aus dem lat. libraua, liberaria iiber-
nommen. Die gelehrte und sorg^ltige Form ist Libarei, libraria, biblio-
theca, Buchkammer. (Vgl. Grimm, Dentsches WOrterbuch, VJ, 1885,
Sp. 853). Es ist die jetzt noch bestehende Kircbenbibliothek gemeint. s. u.
4) Biblia, Wittenberg, 2 Teile, Hans Lufft, 1555.
5) Hrsg. von Veit Dieterich, 1578. Der Herausgeber kann der be-
kannte Yeit Dietrich nieht gewesen sein, da derselbe schon 24. Marz 1549
gestorben iat.
Wirth, Eirclieiigiiter and Ornate zu Hersbmek im Jahre 1593. 43
Thomas secnndaB operam Lather! .
Thomas tertias operam Latheri.
Enarrationes Jn Genesim thomas tertins.
Thomas qaartas omniam operam.
Thomas qaintas Luther i.
Thomas septimas Latheri.
Die teatschen Bucher.
Der erste thail der Biicher Latheri.
Der annder thaiL
Der drite thail.
Der Vierte thail.
Der fuiinffte thail.
Der Sechste thail.
Der siebente thail.
Der Achte thaill.
Der Neandte thaill.
Der ZwSlffte thaill.
Die hier augefuhrten Werke Lathers sind die Wittenberger
Aasgabe dieser Werke, 12 Bde. deatsche and 7 Bde. lat. Schriften,
die deatschen 1539 — 1559 (Bd. 10 a, 11 sind in hiesiger Kirchen-
bibliothek v. J. 1593), die Jateinischen 1561 — 1568.
Aufier dieser Ausgabe besitzt die K.-B. noch Lathers Werke in
der Altenbnrger Aasgabe (10 Bde. 1661—1664; Suppl. 1717);
in der Jenaer (8 deutsche a. 4 lateiuische Bde. 1555 — 58, dazu
2 Erganzangsbande 1564 — 65); and in der Leipziger Aasgabe
(23 Bde. 1729—1740; ein Geschenk des Pflegers Holtzschuher in
prachtvollen Einbanden). Zu der Leipziger and den anderen Aus-
gabeu schrieb Greiff 1740 ein vollstandiges Register, welches auch
hier vorhanden ist.
Manch wertvolle]; Schatz ist in der K.-B. zu finden. Leider
sind die Biicher oft in schadhaftem Zustande. Drei geschriebene
Bucher liegen auf dem Tische, welcher in der Bibliothek steht; eines
davon hat eine starke Kette am Einbande. Mehrere sehr alte
lateinische Drucke sind vorhanden, welche auf sehr frlihe Zeiten der
Buchdruckerkunst zuriickzufuhren sind. All diese Biicher haben keinen
Titel. Bei ein em lat. Werke kann man auf der Riickseite des Ein-
bandes lesen: PA . . . S. . . . LIMINAE Antoniui archiepiscopi
Florentini Ordinis praedicatorum.
Die geschriebenen deutschen Biicher haben oft prachtige Initialen.
Manche dieser alt en Biicher sind in Holz gebunden.
Ein sehr alter Druck der Vulgata (2 Bde. mit einigen llolz-
schnitten o. J.), ein solcher des Missale Romanum (o. J., doch sehr
alt) u. a. m. stehen hier. Ein sehr grofi uud schou gedrucktes Ge-
sangbuch mit viereckigeu Noten ist in der Bibliothek. Das Titel-
46 Znr Bibliographie.
Mummeahoff; Ernst^ Erneueruug der Adam Kraftschen Leidens-
Btationen (anf dem Wege zum JohaDnesfriedhof) im Jahre 1662:
S. 205.
Hampe, Dr. Th.^ Kuustfreunde im alten Ntirnberg und ihre Samm-
lungen (nebst BeitrSgen zar NUrnberger Handelsgeschichte —
nach zwei im Vereine gehaltenen Vortragen): H. 16, 1904,
S. 57 (NUrnberger KircbenscbStze u. dgl. 8. 61).
6 Umbel, Albert, Sebaid Schreyer und die Sebalduskapelle zn
ScbwSbisch-GmUnd : S. 125.
Bredt; Dr. E. W., Das Glockendonsche Missale der NUrnberger
Stadtbibliothek, ein kUustlerisches Kopialwerk: S. 179.
Mummenhoff, E., Ein merkwUrdiger Ziegel vom nordlichen Turm
der St. Lorenzkirche: S. 258 (mit Nacbrichten Uber mebrfache
Bescbadignng von Kircbe und Turm durch den Blitz).
Zur Bibliographie.')
*Rott, Hans, Friedrich 11. von der Pfalz und die Reformation
(Heidelberger Abbandluugen zur mittleren und neueren Ge-
scbicbte 4. Heft), Heidelberg, Carl Winters Universitatsbuch-
handlung 1904, 156 S. 8. — 4. Mk.
FUr eine eiogeheudere, fiber die allgemeinsten Ziige hinausstrebende
Erforschung der Reformationsgeschicbte der badisch-pfalzischen Lande
war bislang wenig gescbehen, nicht am wenigsten deshalb, weil die ein-
schlagigen Urkunden und AktenstUcke tells unterg'egangen, tells in ver-
schiedenen Arcbiven Deutschlands zerstreut sind. Der rastlosen Tatigkeit
G. BoBserts verdankeu wir jetzt in seinen an Einzelforschungen uberans
reichen „Beitragen zur badisch-pfalzischen Reformationsgeschichte" (Ztschr.
f. d. Gesch. d. Oberrheins Bd. XVII bis XX), die eine mit einem Register
versehene Separatausgabe verdienten, die erste wissenschaftliche Grund-
lage. Noch ehe Bosserts Arbeit vollstandig vorlag, hat H. Rett, da jener
seine Untersuchungen nur bis zur EinfUhrung der Reformation durch
Kurftirst Friedrich II. fortftihren wollte, eben diese darzustellen unter-
nommen. Hatte er Bosserts Arbeit ganz abwarten konnen, so ware dies
ohne Zweifel seinem Werke von Vorteil gewesen. Die kurzen Bemerkungen
uber Ludwigs V. Verhaltnis zur Reformation S. 41 f. waren vielleicht
etwas weniger diirftig ausgefallen. Zum mindesten durfte man aber er-
warten, da6 der Leser einen Einblick in die jeweilige frUhere Stellung
des spateren Kurf. Friedrich zur reformatorischen Frage erhalten wiirde.
Liest man z.B. die Instruktion, die dieser als Statthalter derOberpfalz seinen
Raten ftir den nicht zu stande gekommeoen Reichstag zu Augsburg 1525
mitgab (vgl. Friedensburg, der Reichstag zu Speier, Berlin 1887 , S. 504 ff.),
die der Verf. mit keinem Worte erwahnt, so gewinnt man den Eindruck,
daB dieser FUrst damals wenigstens klarer als mancher andere die Sach-
lage erkannte und weitgehende Reformationen fiir notwendig erklarte.
1) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Yerlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
Zur Bibliographie. 47
Dafiir, daB uns von seiner religiosen und kirchlichen Entwicklung nichts
berichtet wird, konnen uns solche allgemeine Bemerkungen, wie sie auf
S. 4 zu lesen sind, nicht entschadigen. Doch wir miissen uns daran halten,
was der Verf. wirklich bietet, und in den einscblagigen Abschnitten : Fried-
richs reformatorische Handlungen in seinem Lande etc. bietet er allerdings
manches Neue, da er auBer den Karlsruher Akten noch die bayerischen Archive
und den Thesaurus Baumianus (vgl. jetzt Job, Ficker, Thessaurus Bau-
mianus. Verzeichnis der Briefe und Aktenstucke, Strafiburg 1905) durch-
forschen konnte, namentlich aber dankenswerte Verbesserungen alter Irr-
tiimer, die sich in den frtiheren Darstellungen ungepriift von eineni Buch in
das andere gerettet haben. Die einzelnen Vorgange, welche den Ubergang
zar Annahme der Augsburgischen Konfession vorbereiteten, wie die all-
mahliche Einfuhrung der Reformation einleiteten, sind klar gezeichuet.
Leider lassen die Quellen in den wichtigsten Punkten im Stick. So erfahrt
man z. B. nicht, wie die Proposition fiir denHeidelbergerTag vom7. April
1546 (S. 37), die sich durch unzweideutiges Bekenntnis zur evangelischen
Lehre von der bei den Vorberatungen eingenommenen Haltung der Rate unter-
scheidet, zustande kam, namentlich nicht, ob da personliche religiose Motive
desFtirsten, der bereits Ostern 1545 das Abendmahlunter beiderlei Gestalt
genommen hatte, mitwirkten. Erst nachtraglich (S. 64)/ was methodisch
zu beanstanden ist, handelt der Verf. tiberhaupt von der damaligen
Stellung des Hofes. Der 18. April 1546 (nicht wie man bei der Jubilaums-
feier im Jahre 1846 annahm, der 3. Januar) ist, wie jetzt festgestellt ist,
der Tag der Einftthning der Reformation in Heidelberg, auch ist es Rott
gelungen ein Mskr. der Ende April 1546 erlassenen kurf. Kirchenordnung
wieder aufzufinden (abgedr. im Anhang). Wer der Verf. dieser ad interim
einzufuhrenden, auf die Niirnberger und Neuburger zuriickgehenden Ord-
nung war, hat sich nicht feststellen lassen (S. 61), da wir leider nicht
wissen, wer der eigentliche theologische Berater des Kurftirsten war. An
StraQburger Einflusse ist nicht zu denken, denn.wenn es auch richtig ist, da6 sie
wie Erb an Bullinger schreibt, ad simplicissimam for mam hergestellt ist, so
ist sie doch olfenbar lutherisch gestaltet, und es ist sehr fraglich, ob die
weitere Nachricht Erbs, daO der Flirst damit die deutsche Messe, quam
cum omni cultu instituerat hisce hibernis mensibus — wovon wir sonst
nichts wiijsen — abrogavit, den tatsachlichen Verhaltnissen entspricht. —
Ist die'Aufklarung dieser bisher kaum in den allgemeinsten Umrissen be-
kannten erstenReformationsperiode schon sehr dankenswert,so gilt das nicht
minder von den weiteren Kapiteln, in denen zum ersten Male die traurigen
Zeiten von Beginn des Krieges bis zum Interim wissenschaftlich behandelt
werden, wobei man freilich hier und da wiinschen mdchte, dafi der Verf.
Baum genug gehabt hatte, manches, was er nur andeutet, etwas weiter
auszufiihren. Sehr vielesLokaJgeschichtliche, das noch weitererVerarbeitung
harrt, findet sich in den Anmerkungen, besonders sei auf die verschiedenen,
dort erwahnten Korrespondenzen hingewiesen, unter denen die leider noch
immer nicht gesammelten Briefe von Frecht und der Briefwechsel Bucers
mit Ottheinrich (vgl. S. 105), aus dem der Verf. in den Beilagen drei
Nummern mitteilt, die erste Stelle einnehmen werden.
^•*M. Weigel, Rothenburger Chronik. Gedruckt und verlegt bei Ge-
brlider Schneider, Rothenburg o. Tauber o. J. (1904).
Ein in seiner Art vortreff liches Buch, das nicht nur denen, die Rothen-
burg kennen, viele Freunde machen, sondern auch der sch5nen Tauberstadt
manche neue Freunde werben wird und das alien Lesern dieser Blatter
aufs warmste empfohlen sein mag. Was der Verfasser bietet, ist keine
trockene Chronik im gewohnlichen Sinne, sondern eine mit hervorragendem
Erzahlertalent geschriebene Darstellung des Rothenburger Lebens in
48 Zm Bibliographie.
Vergangenheit und Gegenwart. Bei der reichen historischen VergaDgen-
heit der alien Reichsstadt auf politischem, kirchlichen, wirtschaftlichen
und kUnstlerischem Gebiete nimmt natUrlich die Geschichte den gr5fiten
Baum eio, und der Verf. hat es verstanden, aus den reichen Quellen zu
schopfen, aber auch sein Material kritisch zu verwerten. Mit grofiem
Geschick ist der reiche Bilderschmuck ausgewahlt, und der Yerlagsbuch-
handlung gebiihrt besondere Anerkennung fur die trefFliche Wiedergabe
der Bilder und die einfache, aber ungew5hnlich geschmackvolle Aus-
stattung des ganzen Bandes. — Sehr dankbar bin ich fttr den Nachweis
(8. 275), des mir seinerzeit entgangenen Schriftchens des Job. Teuschlein.
Dasselbe ist so selten, dafi auch dieRepertorien tiber die Inkunabelliteratur es
nicht zu kenneu scheinen. Unklar ist mir in der dann enthaltenen Widmung:
Baccalaureus Johannes Teuschleins Heroldensis de Frickenhausen der Aus-
druck Heroldensis. -Auch mehrere Spezialarbeiten tiber Rothenburg habe ich
erst darch ihre Aufzahlang im Anhange, die, was ich fiir eine zweite
Auflage empfehle, durch alphabetische oder sachliche Orientierung ge-
winnen wttrde, kennen gelernt, was zum Tell daher kommen dtirfte, daB
mancbe in Rothenburg verlegte Arbeiten infolge unangebrachter Spar-
samkeit der Yerleger nicht in den offizielien Bticherkatalog des Buch-
handlerborsenvereins Aufnahme gefunden haben. Zum Schlufi kann ich
mir die Bemerkung nicht versagen, dafi das vorliegende Werk den Wunsch
nach einer rein wissenschaftlich, aber fiir jedermann les^bar (etwa nach
dem Vorbilde von Fr. Roths Augsburger Reformationsgeschichte) ge-
schriebenen Geschichte Rothenburgs oder wenigstens seiner kirchlichen
Geschichte, die uns beide noch feblen, von neuen in mir erweckt hat.
Sie kann uur in Rothenburg mit seinem wohlgeordneten Archiv geschrieben
werden und von jemandem, der ganz mit der Sache vertraut ist wie der
Verf. Auch eine solche markante Theologengestalt wie die von J. L. Hart-
mann waren eigener Bearbeitung wert.
*Geyer, Chr. Dr., Hauptprediger in Niirnberg. Niirnbcrger Tochter-
schulen vor 100 Jahren. Jahresbericht des Instituts Lohmann
in Niirnberg 1904/5.
Dr. Geyer gibt als Vorstudie zu dem oben S. 1 begonnenen Auf-
satz auf Grund archivalischer Forschungen auf wenig Blattern eine sehr
interessante Geschichte der ersten Versuche, die man in Niirnberg, nach-
dem die alte Reichsstadt bayerisch geworden war, mit Griindung von
h()heren Tochterschulen gemacht hat. Die kleine Studie bietet nicht nur
einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Schulwesens, sondern ist auch
nach der kulturgeschichtlichen Seite sehr beachtenswert.
Bach; Jos., Jakob Balde Interpretatio Somnii de cursu Historiae
Bavaricae. Mit Einleitung herausgegeben. Strafiburg (Progr.
d. bisch. Gymnasiums St. Stephan) 1904.
Buttmann, Rud. Die Matrikel des Horn bac her Gymnasiums 1559
bis 1630. Verzeichnis der Professoren und Stipendiaten. Zwei-
briicken (Progr. d. Gymn.) 1904.
Denk, Jul. Zwei ehemalige Lehr- und Erziehungsanstalten Ambergs.
Amberg (Progr. v. Gymn.) 1904.
Fries-, Siegm. Beitrag zur Gesch. der Verhandlungen des schwabischen
Kreises mit Fraakreich im Jahre 1796. Augsburg (Progr. d.
Gymn. von St. Anna) 1904.
Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Eriangen ^).
Eine archivalische Studie von D. Th. Kolde.
Bis zum Elide des 17. Jahrhnnderts war Eriangen ein rein
lutherischer Ort. Weder Reformierte noch Katholiken, geschweige
denn Juden durften sich daselbst niederlassen. Mit der Auf-
nahme erst der franzosischen evangelischen Fluchtlinge, dann
der deutsch-reformierten^) wurde das anders. Bald linden wir
in der neuerstehenden Stadt anch romisch-katholische Einwohner,
und zwar nicht nnr solche, die aus der katholischen Umgegend
1) Vorbemerkung. Anffallenderweise scheint bis jetzt noch niemand
den An^ngen der katholischen Gemeinde in Eriangen nachgegangen zn
sein. An gedrucktem Material sind nur einige sehr diirftige Notizen ia
den popular gehaltenen Erlanger Stadtgeschichten vorhanden. Infolge-
dessen erbaut sich dieser erste Versnch, der wahrscheinlich darch manche
mir nicht zugangliche Quellen wird verbessert werdcn k5nnen, fast aus-
schliefilich auf Archivalien. Znerst stieJB ich auf die wichtigen, bis zum
Jahre 1770 zurlickreichenden Verhandlungen der Universitat iiber Zu-
lasBung katholischen Gottesdienstes, Weiteres wertvolles Material lieferten
die Akten des Erlanger protestantischen Dekanats und diejenigen der
hiesigen franz^eisch-reforroierten Gemeinde, einiges auch das stadtische
Archiv. Es wurde erganzt durch Aktenstucke und Briefe aus den Bam-
berger und Kiirnberger Kreisarchiv. Allen denjenigen, die meine muhe-
voUen Forschungen unterstiitzt haben, besonders Herrn Dekan Bohrer,
Herrn Pfarrer Fehl und Herrn Rechtsrat Schmidt dahier eei auch an dieser
Stelle verbindlicher Dank gesagt.
2) Hierliber vor allem G. Schanz, Zur Geschichte der Kolonisation
und Industrie in Franken. Eriangen 1884. Dann A. Ebrard, Christian
Ernst von Brandenburg- Baireuth. Die Aufnahme reformierter Flucht-
lingsgeraeinden in ein lutherisches Land. 1686 — 1712. GUtersloh 1885. Eine
wirkliche Geschichte der franzbsisch-reforniierten Gemeinde haben
wirleider noch nicht, denn die sehr dankenswerte Arbeit von W. Dennler,
Die reformierten Gemeinden in Eriangen. Erl. 1893, behandelt nur ihre
rechtliche Stellung. Vgl. ferner Haenchen, Kurze Gesch. d. deutsch.-
reform. Gemeinde in Eriangen. Erl. 1893.
Beitrago zur baycv. Kirchengeschicbte XII. 2. A
50 Koldc, Die Anfangc elner kathoUsclien Gemeinde in Erlaugen.
hereihgezogen waren, sondern auch katholische Franzosen, die
oflfenbar ihren evangelischen Landsleuten anf die Kunde von
ihrem Wohlergehen in die Fremde nachgereist waren ^).
Bereits ira Jahre 1711 sah sich der Markgraf Christian Ernst
veranlaUt, ihre Verh^ltnisse zu regeln. In seiner grofien, alle
Privilegien Erlangens zusammenfassenden Deklaration vom
4. Mai des genaunten Jahres, jenem Fundamentalgesetz, welches
der Fiirst aus Anlafi seines funfzigjahrigen Regierungsjubilaums
erlieB, bestimmte er in § 4 ganz im Sinne seiner Zeit:
„Die der Pabstischen Religion Zugethanen, welche ent-
weder dermahlen schon in Christian-Erlang wohnen Oder kunftig
an eine der Evangelisch-Lutherischen oder Reformierten Religion
anhangigen Manns- oder Weibs-Person sich dahin verheurathen,
und sofort sich alida festsetzen, die soUen zwar fur sich bey ihrer
Religion und Gewissens-Freiheit verbleiben, und ihren Gottes-
dienst aufierhalb der Stadt in Catholischen Kirchen ungehindert
besuchen, dabei aber schuldig und gehalten seyn, nicht allein
alle Actus, als Taufen, Copulieren und Begrabnisse bey der
Evangelisch-Lutherischen Kirche und Gemeine in Christian-
Erlang verrichten, sondern auch ihre Kinder beyderlei Geschlechts
alstets bey der Evangelischen Religion allda erziehen und unter-
richten zu lassen, sie zur Kirchen und Schulen fleifiig zu halten,
und daran im Geringsten nicht zu hindern, oder auf ein oder
andern Weise noch Wege abzuhalten, oder zu storen, sie die
Eltern auch fiir sich selbst und deren Gesinde gegen die beyden
Evangelischen Religionen, wie sichs gebiihret, sitsam und be-
scheiden aufzufiihren und zu bezeigen^)".
Diese Bestimmungen fafite man, und das war auch wirklieh
die Meinung der damaligen Regierung, so auf, daB ein katholischer
Kultus in Erlangen selbst niemals zu dulden sei, und daB die
Kinder auch rein katholischer Ehen katholisch erzogen werden,
1) Im Jahre 1720 wird in den Erlanger Dekanatsakten ein Capitao
Claude Fournet, („ein Franzos, hat ein eigen Hans aUhier in der Neuen Gafi")
und 1725 ein katholischer Enopfmacher Jean Marlieau erwahnt, und die
Akten der franzosisch-reformierten Gemeinde ergeben mehrfach das Vor-
kommen von Ubertritten franzdsischer Katholiken.
2) Corpus Constitutionum Brandenburgico-Culmbacensium II, 2 (Bay-
reuth 1748), S. 668 f.
Kolde, Die Anfange einer katholischon Gemeinde in ErlangeD. 51
die lutherische Schule besuchen miiBten, uiid „bei reifen Jahren
lutherisches Abendmahl empfangen soUten'*; and bei Mischehen
muBten die Nupturienten, ehe sie von der RegieruDg die Er-
laubnis zur Verehelichung erhielten, sich durch einen Revers
eidlich verpflichten, nach der erwahnten Deklaration zu leben.
Dafiir war man aber in anderer Beziehung toleranter als anderswo
und namentlich, als dies damals in katholischen Gegenden gegen-
iiber den Protestanten der Fall zu sein pflegte, indem auch die
Katholiken mit alien kirchlichen Ehren, Leichenprozession, Ser-
mon etc. vom evangelischen Pfarrer auf dera Kirch hof be-
erdigt warden, wahrend es etwa 1718 vorkam, daB ein in
Porchheim verstorbener evangelischer Burger Erlangens „mit
groBen Unkosten auf einem anderen Platze verscharrt wurde" ^).
Der Notigung, die Kinder lutherisch werden zu lassen, such ten
strengere Katholiken natiirlich u. a» dadurch zu entgehen, daB
sie die Kinder nach auswarts in die Lehre schickten, von wo
sie katholisch geworden zuriickkehrten, und ira Jahre 1720
hatte man schon von eingeborenen Erlanger Protestanten zu
berichten, die sich zum Katholizismus gewandt hatten^j.
Eine offizielle Untersuchung, die* in dem gleichen Jahre im
Auftrage der Regierung vorgenommen wurde, ergab, daB in der
Altstadt Erlangen damals 21 Katholiken vorhanden waren, dazu
kamen noch gleichviele in den dort eingepfarrten Orten'^), so
daB man in Stadt und nachster Umgegend, „die vorhandenen
Handwerksburschen und Dienstboten nicht eingerechnet," 42
zahlte.
Hiernach war die Zahl der Katholiken in Erlangen nicht
gerade groB. Gleichwohl begannen schon in den dreiBiger
Jahren ihre Versuche, sich zu emanzipieren. Es war, wie be-
greiflich, nicht unbemerkt geblieben, daB in Bayreuth ein pri-
1) Bericht des Erlanger Pfarrers Stark vom 8. Febr. 1720 an den
Superintendenten Barth in Baiersdorf (Erlanger Dekanateakten).
2) Genannt wird ein Tuchhandler Wolf Megerlein.
3) I^ach den Bericht des Superintendenten Christoph Gottfried Barth
in Baiersdorf vom 7. Februar 1720 waren in Bubenreuth 9, Rathsberg 6,
Atzelsberg 1, Spardorf 2, Sieglitzhof 1, am Wald 2 Katholiken. In der
Neustadt scheint es 'damals* noch keine Katholiken gegeben zu habcn.
Wenigstens wird in den einschlagigen Erlanger Dekanatsakten davon
nichta erwahnt.
52 Kolde, Die Anfangc einer katholischen Gemeinde in Erlangen.
vatum exercitium genehmigt worden war^). Wenn man dies
in der Hauptstadt des Landes, vor den Augen des Hofes ge-
stattete, warura soUte dies nicht in Erlangen moglich sein?
Freilich hatte man da weitergehende Plane, man daclite an den
Ban einer katholischen Kirch e. Obwohl Erlangen in der
Bamberger Diozese lag, hatte man es verstanden, den Bischof
von Eichstatt daftir zu interessieren. Dieser, es steht dahin,
ob es schon der Bischof Franz Ludwig, Frh. Schenk v. Kastell
(1725-— 1736) war, oder erst Johann Anton, Frh. v. Freyberg
(1736—1757), lieC in seinem Bistum eine KoUekte ftir den Ban
einer katholischen Kirche in Erlangen sarameln. Das lieC man
sich in Bamberg zwar gefallen, machte aber in EichstMt darauf
aufmerksam, daB es sich um keine oflfentliche Kirche, sondern
nur um einen blofien Hausbau zur Ausiibnng des Privatexer-
zitiums der romischen Religion wie in Bayreuth handeln konne,
aufierdem um eine Gnadensache, die der Fiirst oder einer seiner
Nachfolger willkiirlich widerrufen konne. Da man nun in
Bamberg, wohin Erlangen gehore, den Fortgang des Werkes
besser beaufsichtigen konne, und es gef^hrlich sei, so viel Geld
Privatpersonen zu ubergel)en, wunschte man den Ertrag der
KoUekte nach Bamberg geschickt zu sehen. Und nachdem bereits
150 Gulden nach Erlangen abgegangen waren, schickte man
deii Rest von 574 Guldeu 50 Kreuzer wirklich nach Bamberg,
1) FUr die kircbliche Geschichte Bayrenths ist rocb sehr wenig ge-
schehei), und iiber dleEntstehung der katholischen Gemeinde in Bayreuth
kenne ich nur die kleinc Notiz hel Eranssold, Gesch. der evangelischen
Kirche im ehemaligen Fiirstentum Bayreuth, Erl. 1860, S. 277, wonach der
Katholizismus dadurch dort Eingang gefunden hatte, dafi der Fiirst von
Ilohenzollern-IIecliingen, der sich in Bayreuth auf hielt, sich mit der mark-
graf lichen Prinzessin (Eleonore Magdalene) im Jahre 1704 vermahlte.
Zunachst habe er sich nur eine Hauskapelle einrichten durfen, aber unter
Georg Wilhelm sei den Katholiken 1722 die offentliche Austibung
ihres Kultus gestattet worden. Das letztere ist sicher unrichtig. Die
bischOfliche Regierung in Bamberg weifi im Jabre 1737 nur von einem
privatum exercitium in Bayreuth; und wenn G. HoUe, der von der ganzen
Vorgeschichte gar nichts weiO, in seinem vollig ungeniigenden Buche
^Geschicht der Stadt Beyrouth", 2.^., Bayreuth 1901, S. 142 echreibt:
„Im Jahre 1745 wurde der Bau der katholischen Kirche begonnen," bo
wird es sich dabei auch nur um den Bau eines Bethauses znm Privat-
gottesdienst gehandelt haben.
I
1
Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemcinde. in Erlangen. 53
woruber die bischofliche Regierung unter dem 27. Marz 1738
quittierte ^).
Inzwischen war man in Erlangen nicht miifiig gewesen.
DieFiihrer der dortigenKatholiken, ein Kaufmann Franz Bulla
and der Hofwagner Nikola us Gafi boten alles auf, urn ihr
Ziel zu erreichen, und scheinen in ihren Mitteln nicht sonderlich
wahlerisch gewesen zu sein. Es gelang ihnen, in Bayreuth
einflufireiche Conner zu gewinnen, vor allem einen Baron von
Reitzenstein ; aber auch auf den Geli. Referendar Philipp An-
dreas EUrod setzten sie ihr Vertrauen ^). Und am markgraf lichen
Hofe hatte sich in der letzten Zeit vieles verandert. Auf den
pietistisch gesinnten Markgrafen Georg Friedrich Karl (f 17. Mai
1735), der freilich zeitweilig unter Festlichkeiten, Ballen und
anderen ^Divertissements" seinen Pietismus vergessen konnte^),
war Markgraf Friedrich gefolgt und mit ihm und seiner Ge-
mahlin, Wilhelmine, der Schwester Friedrichs des GroBen, war
ein anderer Geist in Bayreuth eingezogen. Zwar konnte man
in den ersten Jahren bei aller Abneigung gegen die im Lande
groB gewordene pietistische Richtung nicht gerade von auf-
klarerischen Tendenzen sprechen, aber wenn die Katholiken
um Zulassung ihres Kultus baten, so waren konfessionelle Be-
denken bei Friedrich wohl am wenigsten zu liberwinden. Indessen
wir wissen nicht, welche Motive den Fiirsten und seine Re-
gierung bestimnrten, den Wiinschen der Erlanger Katholiken
entgegenzukommen, wir kennen nur die zeitweiligen Resultate
ihrer Bemuhungen. Mit Hilfe hochmSgender Freunde und unter
1) Nach zwei Schreiben der boschoflichen Eegierung vom 19. Dez.
1737 und 7. Marz 1738 ira Kreisarchiv zu Bamberg.
2) Dies und das Fo]gende ergibt sich aus den in den Beilagen mit-
geteilten Akten der franz.-ref. Gemeinde im Zusammenhalt mit einem
Schreiben des Nikolaus G&Q und Franz Bulla an den Bischof von
Bamberg d. d. Erlangen 19. Febr. 1739, in dem sie unter BeifUgung
weiterer Briefe tiber den Gang der Dinge berichten (Katholicher Kirchen-
bau zu Erlangen: Bayreuther Pfarrakten Nr. 19 Kreisarchiv in Bam-
berg).
3) Vgl. ttber diese Verhaltnisse die ausgezeichnete Darstellung von
Batteiger, Der Pietismus in Bayreuth. Berlin 1903 und ders. in Beitr. z.
bayer. KG. IX, 153 ff. Ferner Richard Fester, Die Bayreuther Schwester
Friedrichs des GroBen, Berlin 1902.
54 Kolde, Die ADfange einer katkolificlien Gemeindc in El'laitgen.
„considerabeln Kosten"^) war es ihnen im Somraer 1737 ge-
lungeD, von dem Markgrafen die (vorlaufige) Erlaubnis zur Ein-
richtung eines katholischen Gottesdienstes und zum Bau eines
Bethauses zu erhalten. Sie war noch iiicht publiziert, aber
der Amtshauptmann Frh. v. Hefiberg war beauftragt worden,
das weitere zu regeln.
• Auf die Kunde liiervon regte sich die franzosische Gemeinde.
Montag, den 15. Juli, trat das Konsistorium zu einer aufier-
ordentlichen Sitzung zusammen, um dariiber zu beraten. Ein-
stimmig wurde beschlossen, der Pastor O'Bern ein ,,gentil-
homme Irlandois", der 1733 berufen worden war, solle ein
Schriftstiick aufsetzen, um in den „scharfsten, aber immer unter-
tanigsten Ausdriicken" gegen die Zulassung der Katholiken vor-
stellig zu werden. Seine Arbeit wurde in einer zweiten Sitzung
vom 18. JuU vorgelesen und gebilligt, und zugleich wurde ihr
Verfasser beauftragt, in Gemeinschaft mit dem Altesten Sabatier
die Vorstellung dem Markgrafen personlich in Bayreuth zu fiber-
reichen^)..
Diese Vorstellung ist ein interessantes Schriftstiick •"*)» Sie
atmet noch ganz den Geist des echten Calvinismus und lafit
die fast leidenschaftliche Erregung erkennen, welche die Re-
formierten bei der Nachricht ergriff, daB ihre alten Bedranger,
um derentwillen sie die Heimat verlassen hatten, ihnen von
neuem auf dem Nacken sitzen sollten.
Nur schwer haben sie sich davon ilberzeugen konnen, daB
die schreckliche Nachricht auf Wahrheit beruhe. In ihrem Schmerz,
in ihrem Arger, um nicht zu sagen in ihrer Verzweiflung ist
1) D. h. BestechuDgen. So mu6 man urteilen, wenn Bulla und Gafi
zu einer Zeit, in der vom Bau eines Bethauses u. s. w. noch gar keine
Rede sein konnte, behaupten, etliche tausend Gulden laufende Unkosten
aufgewendet zu haben. Dafi Ellrodt Geschenken jederzeit zuganglich war,
gibt auch an R. Riithnick, Die Politik des Bayreuther Hofes wahrend
des siebenjahrigen Krieges, Bayreuth 1905, S. 20, und man braucht nur
den Brief des „dien8twilligen'* Reitzenstein an den Hofwagner GaB zu
lesen (Beil. Nr. Ill), um von diesem Manne den gleichen Eindruck zu
gewinnen.
2) Vgl. nnten Beilage Nr. la u. b.
3) Es ist unten Beilage Nr. II in seinem franzosischen Wortlaut ab-
gedruckt.
Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemcinde in Erlangen. 55
ihre einzige Hoffnung die Giite des Fursten. Ihm woUen sie
daher die traurigen Ubel, die fiirchterlichen Unzutraglichkeiten,
die Untergrabung ihrer glticklichen Verhaltnisse, das unsagbare
Unheil vorlegen, die, wie der Flirst selbst urteilen raiifite, die
notwendige Folge der den Katholiken gewahrteo Duldung sein
wiirden.
Die R5mischeu KatholikeD, die man ihnen jetzt zu -Mit-
biirgern geben will, sind die geschwornen Feinde des prote-
stantischen Namens. Der HaB der Juden gegeu die Samaritaner
gibt nur eine schwache Idee von dem gegen die Protestanten,
den die Katholiken mit der Muttermilch einsaugen, und der von
ihren Monchen und Pralaten genahrt wird, .die nicht aufhoren,
die Protestanten als Ungeheuer zu malen, die die H5lle her-
vorgebracht hat, und die man mit Feuer und Schwert verfolgen
muB. Sie k5nnen es nicht verzeihen, daB die Protestanten ihren
Aberglauben und die Abgotterei ihres Kultus und ihre profane
Verachtung des gSttlichen Wortes an den Tag gebracht haben.
Sie konnen es nicht verzeihen, daB man die Gefahren auf-
gedeckt hat, die in der Lehre von der Unfehlbarkeit der Papste und
der Konzilien liegen, und die ganze Ungerechtigkeit und Tyrannei
ihres kirchlichen Regimentes. Der aus diesen Ursachen hervor-
gangeneHaB gereiche den Protestanten zwar zurEhre, abersei
nicht minder ein AnlaB zu ernsten Befiirchtungen. Sie hatten
die Massakre, die Tausende ihrer Briider in Frankreich, Italien,
Spanien, England, Irland und in Deutschland selbst zu dulden
hatten, nicht vergessen. Noch lebe die Erinnerung an die
blutigen Komplotte gegen die Protestanten, bei denen man auch
die Qesalbten des Herrn nicht verschont habe, — man denke
an Heinrich IV. von Frankreich, der auf Veranlassung der Jesuiten
erdolcht worden sei! Sie erinnern ferner an die erstvor kurzem
unternommenen AnschUge der Katholiken gegen Wiirttemberg,
die zur Ausflihrung gekommen waren, wenn nicht die weise Vor-
sehung sie zum Scheitern gebracht hatte. Diese Vorkommnisse
zeigen klar, daB die Absichten der Katholiken immer dieselben
sind, und was zu beflirchten ist, wenn S. Fiirstl. Hoheit auf
ihrer Absicht beharre, ihnen ein Asyl in Erlangen zu ge-
wahren.
Aber das sei das geringste, und gern waren die Reformierten
56 Kolde, Die Anfange einer katholischeii Gemeinde in Erlangen.
bereit, wenn es notig ware, urn den Ftirsten zufriedenzustelleii;
ihre Ruhe, ihre Sicherheit, ja ihr Leben zu opfern ; aber es
handele sich um mehr, denn durch die Niederlassung der
Katholiken in Erlaogen sei ihre Religion in Gefahr, an den
Rand des Abgrnnds zu koramen. Die Erfahrung ergibt ja, wie
der tagliclie Verkehr mit Personen einer falsclien und irrigen
Religion nach und nach auch das verniinftige und pflichtmaUige
Fernhalten von ihren Prinzipien verringert. Unmerklich werden
sich Evangelische wie Reformierte den Irrtiimern des Papismus
naheru, die heilige Abscheu, der von den Reformatoren iiber-
koramene Widerwille gegen die Abgotterei und den Aberglauben
der Katholiken wird verblassen und wird dem Eifer, Proselyten
zu machen, Raum geben, und dieser Eifer wird um so mehr
Erfolg haben in einer Stadt, wo so viel Arme und Bediirftige
wohnen, und man ihnen angesichts des Reichtums, den diB
Katholiken aufzuwenden vermogen, das gleiche Anerbieten machen
wird wie einst der Satan demHerrn: Wenn du vor mir nieder-
fallst, will ich dir geben alle Reichtiimer und alle Herrlichkeit
der Welt.
Dazu nehme man die unausbleiblichen Mischehen! Alle,
auch die scharfsten Gesetze, die da etwa bestimmten, die
Kinder solcher Ehen in der evangelischen Religion erziehen zu .
lassen, vermogen es nicht zu verhindern, daB ein katholischer
Vater oder eine katholische Mutter den Samen ihrer fiir die
allein wahre gehaltenen Religion in die Herzen ihrer Kinder
streuten.
Wohl werde die Richtigkeit dieser Befiirchtungen sich nicht
sofort zeigen, vielmehr wtirden die Katholiken nach der An-
weisung ihrer Pralaten und Monche mit Lammereinfalt beginnen,
nur von Frieden und Eintracht sprechen, aber davon wiirden die
Reformierten sich nicht tauschen lassen, denn auf Grund tausend-
facher Erfahrung seien sie uberzeugt, daB jene doch immer reifiende
Wolfe seien, und wenn sie sich erst festgesetzt hatten, suchen
wiirden, sie zu verschlingen. Und alle etwa von der Weisheit
der Regierung zugunsten der Protestanten festgestellten Schutz-
maBregeln miiBten wirkungslos sein, da die neuen Untertanen
S. Fiirstl. Hoheit bei Strafe des Bannes das schreckliche Dekret
des Konstanzer Konzils anzunehmen verpflichtet sind, daB man .
Kolde, Die Anfange einer katholiscLen Gemeinde in Erlangcn. 57
den Ketzern nicht die Treue zu halten branch t. „Wozn sind
dann die Katholiken nicht fahigV Welches Vertranen kann man
auf ihre Trene setzen? Folgt darans nicht klar, daB E. Fiirstl.
Hoheit, wenn sie durch dieses Mittel nene Untertanen gewinnt,
ihre Leiber nnd nicht ihre Herzen (des Corps et non pas des
Coeurs) gewinnen wird? Folgt daraus nicht anch, daB die Sicher-
heit, die Ruhe E. Fiirstl. Hoheit nicht weniger gefahrdet sind,
als die Sicherheit und die Ruhe Eurer guten und treuen prote-
stantischen Untertanen". „Mochten doch so schreckliche Wahr-
sagungen ftlr immer von den Staaten E. Hoheit abgewandt sein,
und Ew. Hoheit den Sturm beschworen, der nur unser Ver-
derben und unseren ganzlichen Untergang verursachen konnte".
Man sieht, der Pastor O'Bern war seiner Aufgabe, die
scharfsten Ausdriicke zu gebrauchen, sehr wohl nachgekommen.
Der geschickteste Kunstgriff war wohl der Hinweis auf die Vor-
gRnge in Wiirttemberg, die sich eben erst abgespielt hatten und
noch in aller Munde waren. lu Herzog Karl Alexander, der
wider Erwarten 1733 auf den Thron gekommen war, hatte das
Land einen katliolischen Fiirsten erhalten. Die Einfuhrung eines
katholischen Hofgottesdienstes, des Fiirsten engen Beziehungen
zu dem Bischof von Wiirzburg und Bamberg, dem er in seinem
Testamente unter Betonung der Gleichberechtigung der drei
Bekenntnisse sogar eine Teilnahme an der vormundschaftlichen
Regierung zugesichert haben wollte, die Aufnahme schweizerischer
Kapuziner, die Bestellung katholischer Feldprediger und anderes
mehr, was den Plan einer Verfassungsveranderung zugunsten der
Katholiken und zwar mit Wiirzburger Hilfe zu olfenbaren schien,
erregte im Lande so ernste Befurchtungen, man wolle das Land
mit Gewalt katholisch raachen, daB die evangelische Kirchen-
behorde zur Abwehr des Unheils allgemeine BuB- und Bettage
anordnete. Da wurde der Herzog unmittelbar vor einer Reise
nach Wiirzburg plotzlich ira Marz 1737 durch einen SchlagfluB
dahingerafft*). Die Erinnerung hieran war in der Tat geeignet,
bedenklich zu machen":'
Mit dieser Bittschrift reisten die Deputierten unverziiglich
nach Bayreuth. Schon am 24. Juli konnten sie in der Sitzung
1) Vgl. WUrttembergische Kirchengeschichte. Calw, 1893, S. 517 f.
58 Kolde, Die Anfange einer katholischon Gemeinde in Erlangen.
des Presbyteriums von ihren Erfolgen berichten. Sie waren
aufs huldvoUste empfangen worden, und ihre Voi'stellungen
batten auf den Fiirsten den frhoffteu Eindruck gemacht. Mehr-
fach hatte er ihnen das Versprechen gegeben, daiB die Nieder-
lassung der Katholiken nicht statthaben sollte, und sie ans-
driicklich beauftragt, alle Mitglieder der franzosischen Kolonie
dessen zu versichern ^).
Man hatte meinen sollen, daB mit dieser furstlichen Er-
klarung die Sache erledigt gewesen ware. Das war aber durch-
aus nicht der Pall. Wohl nicht ohne Grand batten die Franzosen,
anders als spater die Lutheraner, sich mit keinem Worte auf
ihre Privilegien berufen, denn der neue Markgraf hatte sie noch
nicht bestfttigt Und eben darauf bauten die Katholiken ihre
Plane^). Und Markgraf Friedrich war unbestandig und von seiner
jeweiligen Umgebung abh^ngig. Die Hoffnung der Katholiken,
das Werk werde zwar „einigermalJen accrochiret, jedoch aber
keineswegs redressiert werden", schien sich zn erfiillen. Der
katholikenfreundlichen Partei am Bayreuther Hofe muB es nach
ein paar Monaten gelungen sein, den Fursten wieder v5llig
umzustimmen. Denn am 16. Dezember^) 1738 publizierte der
1) Siehe Beilage Nr. Ic.
2) Wenn sie in dem sehr Bummarischen Berfcht fiber die Verhand-
iungen an den Bamberger Bischof angeben, da|i die Reformierten sich
auf die noch nicht bestatigten Privilegien berufen hatten, so wird das
durch die Bittschrift selbst widerlegt.
3) Franz Bulla und Nikolaus GslQ sagen in ibrem Schreiben an den
Bischof vom 19. Febr. 1739: „den 16 passati mensis" also Januar. Das
inu6 aber ein Irrtum sein, denn echon am 16. Dez. 1738 beriet das
franz6sische Konsistorium dariiber und wufite von den Mafinahmen des
Stadtamts und der Kaufmannschaft (s. Beilage Nr. Id). Die Eeinhardsche
Chronikvon Erlangen^ die sonst von der ganzen Entwicklung der Katholiken-
frage nichts weifi, berichtet nach Erwahnung der Deklaration von 1711 Bd. I
f. 461: In dem benachbarten bambergischen Dorfe Bficbenbach, sonnr eine
Stunde von hier liegt, wie auch im teutschen Hause zu Niirnerg, haben sie
liberfliissig Gelegenheit, ihren Gottesdienst abzuwarten. Gleichwohl ver-
suchten sie nnter der Regierung des Markgraf Friedrichs ein Oratorium in
der Stadt zu bekommen. Urn dieses zu verhtithen, wnrde oine Deputation
von beyden Magistraten der Alt- und Neustadt und von der Kaufmann-
schaft den 8. Januar 1739 nach Bareuth geschickt und durch die gemachte
Vorstellung hintertrieben (Archiv in Bamberg).
Kolde, Die AnfaDge einer katholischen Gemeinde in Erlaugen. 59
Amtshauptmann Baron von Hefiberg das uns leider nicht er-
haltene „h5chst laudierte hochfiirstliche gnMigste Dekret",
welches die Errichtung eines katholischen Privatgottesdienstes
and den Ban eines Bethauses gestattete. Eine kleine Nach-
wirkung der franzosischen Deputation wird darin zu sehen sein,
daB der Amtshauptmann zugleich den Stadtrat, die Kaufmann-
schaft (Conseilliers de Commerce) und die Reformierten ^) auf-
forderte, ihre etwaigen Bedenken dagegen schriftlich einzureichen.
Und wie sehr die Katholiken der Hilfe des Amtshauptmaniis sicher
zu sein glaubten, geht daraus hervor, dafi sie . dem Bischofe
meldeten, er habe das getan „zu seiner besonderen Information
und um etwan die vermeintlichen obstacula removiren zu kQnnen".
Aber „da ging ein neues Feuer auf". Stadtrat und Kaufmann-
schaft^), die wohl wissen raochten, wie der Baron von Hefiberg
dazu stand, begnugten sich nicht damit, ihre Einwendungen
schriftlich niederzulegen, sondern schickten ihren Protest mit
einer Deputation nach Bayreuth, in der der Conseillier de
commerce und Stadtsyndikus Matthieu Verdier, ein noch junger
Mann, der auch bei Hofe Zutritt hatte, eine fiihreude Rolle
spielte, und die Reformierten beschlossen, sich der Erklarung
der genannten KoUegien anzuschliefien, dabei aber von neuem
auf ihre friihere Vorstellung zu verweisen^).
Das beunruhigte die Erlanger Katholiken um so mehr, als
sie dariiber in finanzielle Schwierigkeiten gerieten, indem ein
gewisser Gabriel Castelli in Furth, von dem sie 2000 Gulden
auf Wechsel entliehen hatten, bei der wieder erueuten Ver-
z5gerung nicht mehr prolongiereh woUte, sondern nunmehr
dringend Kapital und Zinsen zuriickverlangte, weshalb sie den
Bischof flehentlich um seine Hilfe und um Ausfolgung der an-
gesammelten Eichstatter Kollektengelder ersuchten.
Natiirlich unterlieCen sie es auch nicht, in Bayreuth selbst
durch ihre Gonner eutgegenzuarbeiten, und der Baron Reitzen-
1) Von den Lutheranern ist keine Rede, und auch in den Erlanger
Dekanatsakten findet sich keine Spur davon, daO man sie gefragt hatte.
2) Die Namen des damaligen Conseilliers de Commerce im „Hoch-
fiirstlich-Brandenburgischen Adrefi- und Sehreibkalender auf das Jahr 1739
(Erl. Bibliothek) S. 102.
3) Siehe Beilage Nr. Id.
60 Kolde, Die Anfange einer katliolischen Gemeindc in Erlangen.
stein suchte den Hofwagner Gafi in einera Briefe vom 18. Jan. 1739
zu beruhigen, indem er ihm mitteilte, die Deputierten hatten
„bei ihrer gehabten Audienz von Se. Hochfiirstl. Durchlaucht
nicht nur einen ziemlich derben Verweis bekomraen, sondeni
seien noch dazu ab- und daB sie nimmer wiederkehren sollten,
angewiesen** worden. Der junge Verdier befande sich zwar
noch in Bayreuth, es konne aucU sein, dafi er alle Tage „nach-
Hoff" komme, er werde aber gleichwohl „in dieser Sache so
wenig als ein Mezgers Hund in Eriang ausrichten konnen"^).
Damit noch nicht befriedigt, sandte der Kaufmann Bulla einen
expressen Boten an den damals in Bayreuth sich aufhaltenden
Baron von HeBberg und den Geh. Referendar Ellrodt, um sich
nach dem Stand der Sache zu erkundigen und die endgiiltige
Eegelung zu erbitten. HeBberg lieB ihm darauf bedeuten, ,,nach
dem Serenissimo alles mit Umstanden iibergeben, so beruhe
denn auch der Ausgang der Sache lediglich auf dem gnadigsten
BeschluB, welcher nicht impetuose zu erlangen, sondern in ge-
horsamster Geduld zu erwarten stehe*)". Und man hatte ziemlich
lange zu warten. Die Entscheidung erfolgte wahrscheinlich
liberhaupt nur mittelbar, indem Markgraf Friedrich endlich am
2jO. April 1740 die Erlanger Privilegien von 1711 und aus-
driicklich auch den Artikel 4 bestatigte, der die Katholiken-
verhaltnisse regelte^).
War auf diese Weise der erste Versuch, katholischen Gottes-
dienst in Erlangen einzufiihren, abgeschlagen worden, so wurde
der Gedanke daran von den Beteiligten doch nicht aufgegeben,
und es gelang ihnen, von neuem einfluBreiche Leute fiir ihre
Plane zu gewinnen, so den Grafen Cobenzl, den osterreichischen
Gesandten beim frankischen Kreise. Da dieser im Jahre 1742
sich mehrere Monate lang in Erlangen auf hielt und dort keinen
katholischen Gottesdienst haben konnte, wird es leicht gewesen
1) Dieser charakteristische Brief, der dem Schreiben der Katholiken
an den Bischof beigeschlossen war, in den Beilagen Nr. III. Welcher von
den verschiedenen, damals am Bayreutber Hofe lebenden Reitzensteins
der Briefschreiber war, vermag ich nicht anzugeben.
2) Schreiben des Barons HeBberg an den Sekretar der Amtshaupt-
mannschaft, lustitienrat Gemeinhart in Erlangen, d. d. Bayreuth 11. Febr.
1739, als Beilage zum Schreiben an den Bischof (Kreisarchiv in Bamberg).
3) Corpus Constitutionum II, 2, S. 695.
Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Erlangen. 61
sein, ihn fur die Erlanger Katholikenfrage zu interessieren ^).
Noch mehr mochte man erwarten von der Hilfe eines Mannes,
der damals zu deneinfluBreichstenPersonlichkeitenamBayreuther
Hofe gehorte. Das war Daniel von Superville, der 1739 Leib-
arzt der Markgrafin Wilhelmine, dann Geh. Rat und Direktor
der Bergwerke geworden war. Es kann kaum ein Zweifel sein,
daC er zu derselben Zeit, als er mit den Vorbereitungen zur Er-
richtung der Erlanger Universitat, deren erster Karizler er
werden sollte, beschaftigt war, sich in weitgehender Weise in
Verbindung mit Cobenzl und dem Bischof von Eichstatt fur die
Erlanger Katl^oliken engagierte. Das ergibt die einzige Notiz,
die wir liber diese Dinge liaben, ein aus Erlangen am 26. Marz
1743 an Cobenzl gerichteter Brief, in dem Superville schreibt:
J'ai pris en attendant des arrengemens pour Tetablissement de
la chapelle catholique, et j'espfere que demain avec Taide du
St. Esprit on celebrera ici la premiere messe, et j'espSre que
V[otre] P][xcellence] se souviendra de ce que Teveque d'Eichstadt
a promis et qu'elle voudra bien preter son intercession pour les
coUectes, que le troupeau d'ici sera oblige de faire . . . Erlang
ce 26. Mars lliS^).
1) Dafi dies auf diesem Wege geschehen ist, ist bislang lediglich
Vermutung. Der Aufenthalt in Erlangen von Oktober bis Dezember 1742
la^t sich aus den Briefen Kobenzis feststellen. Vgl. dariiberR. Riithnick,
Die Politik des Bayreuther Hofes S. 16.
2) Ich verdanke diese aus dem Wiener H. H. und Staatsarchiv Grofie
Corr. 269 fol. 405 stammende Notiz der Giite des Herrn Dr. Riithnick in
MUochen, der mit einer Monographic tiber Superville beschaftigt ist. Da6
nicht etwa Bayreuth gemeint und Erlangen ein Schreibfehler ist, ergibt
sich aus dem Hinweis auf die uns schon bekannte Eollekte des Bischofs
von Eichstatt und sein Interesse an den Erlanger Katholiken. Es fragt
sich nur, wie weit der Brief Tatsachliches berichtet. Da sich sonst in den
Akten keine Spur findet, und die damals noch sehr sensibeln Franzosen
sicherlich Larm geschlagen hatten, bin ich zunachst der Uberzeugung,
daO Superville, was die Einrichtung oder Errichtung einer katholischen
Kapelle anlangt, die in dem kleinen Erlangen nicht unbemerkt hatte
bleiben kOnnen, denMund etwas voll genommen hat, und was er Cobenzl
in Aussicht gestellt hatte, schon als fait accompli hinstellte. Die An-
kiindigung der am 27. Marz zu haltenden Messe lautet allerdings sehr
bestimmt, so dafi man glauben mochte, er konnte nicht so schreiben, wenn
die Sache nicht in der Tat so vorbereitet war, wie er angibt. AUein,
wenn man den Brief naher ansieht und nach den Motiven fragt, wird das
62 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Erlangen.
Diese Nachricht ist uberraschend. Der reformierte Super-
ville, der sich soeben um die Grtindung der spezifisch prote-
stantischen Universitftt Erlangen bemliht hat, soil eine katholische
Kapelle eingerichtet habeD, and stellt in Aussicht, dafi am
27. Marz, eiuen Tag spater als der Brief geschrieben ist, die
erste Messe in Erlangen gelesen werden soil! AUein in dieser
Form ist die Sache unglaub wiirdig. Mag Superville den Katholiken
grofie Hoffnnngen gemacht and seine Grunde gehabt haben, das,
was der 5sterreichische Gesandte und der Bischof von Eichstatt
wiinschteu, schon als Tatsache hinzustellen, davon, daB man
damals in Erlangen an die Erriclitung einer katholischen Kapelle
gegangen ware, kann nicht die Rede sein, und wenn er etwa
wirklich an jenem 27. Marz 1743, um eingegangene Ver-
sprechungen zu erfuUen, eine Messe halten lieB, so mufi das so
heimlich geschehen sein, dafi man in der Stadt davon nichts
erfuhr. Fur die Zulassung des katholischen Kultus war Erlangen
noch nicht reif.
Wenige Monate spater, am L November 1743, wurde die
Universitat Erlangen eroffnet, die, obwohl neben Reformierten
auch Katholiken daselbst studieren und sogar promovieren konnten,
alles doch wieder fraglich. Obne Zweifel hat Superville mit diesen Mit-
teilungen bei dem katbolischen Osterreichei* etwas Bestimintes erreicben
woUen und batte seine guten Grunde, sein energiscbes Eintreten fUr die
katboliscbe Sacbe in moglicbst belles Licbt zu setzen. Und einem Manne,
der soeben eine wesentlicb lutberiscbe Universitat einricbtet und der als
Reformierter es fertig bringt zu sebreiben, er bofi'e „mit Hilfe des
Heiligen Geistes die erste Messe celebrieren zu lassen" wird man, mUd
ausgedruckt, eine groBe Flunkerei scbon zumnten dtirfen. Wenn sicb diese
dann herausstellte/ konnte er immer mit Recht bebaupten, daO sich un-
iiberwindbare Hindernisse ergeben batten. Infolgedessen glaube icb, daO
Superville sich zwar mit der Sacbe beschaftigt bat — - er weiB von Be-
ziehungen der Erianger Katholiken zum Eichstattcr Biscbofe — wahr-
scbeinlich auch groBe Hoffnungen gemacht bat, aber daj3 es zum Lesen
einer Messe ebensowenig gekommen ist, wie .zur Einrichtung einer
Kapelle. Sollte aber wirklich damals am 27. Marz eine Messe gelesen
worden sein, so war dies lediglich eine Episode, die, well sie gar nicht
bekannt wurde, ftir die weiteie Entwicklung bedeutungslos war. Wicbtig
ist die ganze Nachricht aber darum, weil sie deutlich erkennen la^t, da($
auch (3sterreichi8cher EinfluQ bei der Erianger Katholikenfrage eine Rolle
gespielt bat, und weil sie neues Licbt wirft auf die etwas protensartige
PersQnlicbkeit des vielgenannten Superville.
Kolde, Die Anfange eiBer katholischen Gemeinde in Erlangen. 63
eineu wesentlich lutheriscben Charakter trug, mid sicherlich
wurde auch in der Stadt das protestantische Bewufitsein durch
das Vorhandensein einer lutheriscben theologischeu Fakultat von
neuem gestarkt. Doch kam es vor, freilich nur ganz ausnahms-
weise, „ hauptsachlicli nur bei Militairpersonen oder sonst auf
besondere bocbste Erlaubnis", daB einem katholischen Geistlichen
gestattet wurde, nachdem er einen Revers ausgestellt hatte,
seine Kranken zu versehen, woraus der Pfarrer von Buchenbach,
wohin die Erlanger Katholiken sich zumeist hielten, sehr bald
aber ein observanzmafiiges Eecht abzuleiten suchte.
Das fiihrte Anfang 1750 zu einem Konflikt. Auf eine beim
Bayreuther Konsistorium^eingelaufene Denunziation, nach der
der Buchenbacher Pfarrer sich unterstanden, „nicht nur einigen
in der Stadt Erlang wohnhaflften Romisch-katholischen Glaubens-
genossen die Sakramenta zu reichen, sondern auch erst jiingsthin
zweien in dem (1749) neuerrichteten ArmenhauB befindlichen
Personen von gedachter Religion die sacra zu administrieren,"
erhielt der Superintendent Prof. Dr. Pfeiffer von seiner Behorde
unter dem 21. Jan. ein sehr entrlistetes Schreiben^) mit der
Aufforderung, der Sache nachzugehen. Die Denunziation war im
allgeraeinen richtig, und die Folge war, daB der Markgraf am
3. Febr. sein allerhochstes MiBfallen dariiber aussprach, und
dem Amtshauptmann den Anftrag erteilte, dariiber zu wachen,
daB nur Erlanger ins Armenhaus kamen, katholischen Geist-
lichen „die Verrichtung einiger actuum Ministerialium durchaus
nicht mehr gestattet werden soUe**, auch der Rat ohne sein
Vorwissen keine katholischen Burger mehr aufnehmen durfe.
Die groBe SchsLrfe dieses Erlasses erklart sich zum Teil
daraus, daB gerade in jenen Jahren die Spannung zwischen
den Protestanten und den in der Nahe Erlangens wohnenden
Katholiken eine sehr groBe geworden war, und nicht am wenig-
1) „Nun k^nnen wir gar nicht begreifen, wienach diese unleidentliche
und hOchst prajudizirlicUe Eingriffe von gedachten Pfarrer vorgenommen
seyn, zumahl in einer der Haupt-StSdte dieses Fiirstenthums, wollen auch
zu desselben bekannten Religions Eyffer das Zutrauen haben, dafi der
Herr Superintendens dergleichen strafliches Unteinehmen nicht mit
gleicbgUltigen Augen werde angesehen, sondern viel mehr behorigen
Orts die ungesaiimt Anzeige gethan haben (Erlanger Dekanatsakten).
64 Eolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Eilangen.
sten deshalb, well in den umliegenden evangelischen Ortschaften
der Katholizismus derartig zunahm, dafi der Markgraf in einem
Erlafi vom 22. Juui 1750 den ^nachdrticklichen Befehl gab,
sothenem Anwuchs der Papisten kraftig zu steuern"^). Marloff-
stein und Alterlangen, die beide, obwobl bambergisch, nach
Erlangen-Altstadt eingepfarrt waren, seien, wie der Super-
intendent Dr. Pfeiffer berichtet: „von der Parochie gar ab-
gerissen". Dasselbe sei von Bubenreuth zu flircliten, wo noch
vor dreifiig Jahren kein einziger Katholik gewesen ^), nun aber
„der groBte Teil papstlicher Religion zugetan sei, ja in der Alt-
stadt selbst sei bereits der dritte Sohn eines Burgers katholisch
geworden". Und davon, dafi man auf der Gegenseite nicht etwa
toleranter ware, woUte man viele Beispiele wissen; so hiitte
vor einiger Zeit eine kranke evangelische Person (wahr-
scheinlich aus Alterlangen) „bei dera ungesttimsten Winterwetter
auf der Alterlangischen kleinen Brucken unter freiem Himmel
communiciert werden miissen", well man dem Pfarrer ins Dorf
zu kommen nicht gestatte. Kranke Personen mufite man aus
den umliegenden papstlichen Ortschaften wegnehmen, weil man
sie lieber umkommen lasse, ehe man ihnen einen evangelischen
Geistlichen vergonnte, „und noch ganz neuerlich soil zu
Buchenbach eine evangelische Christin durch ganzliche Ent-
ziehung aller Pflege auch bis auf einen Trunk Wassers ge-
zwungisn sein, von der wahren Religion sterbend abzutreten.
Ja, der Unfug gehet soweit, dafi wie vor etlichen Tagen der
bilchenbachische Pfarrer einen hiesigen, aus Buchenbach ge-
burtigen Schutzverwandten den Taufschein versaget hat mit
der Bedeutung, daC er ihn gern bekommen sollte, wenn er sich
in ein katholisches Ort begeben wiirde, so aber nicht be-
kommen werde, weil er sich unter denen Evangelischen zu
wohnen setze, wie wohl es nachderhand, da man sich der Sache
angenommen hat, mit einem vorgegangenen Mifiverstandnisse,
ob hatte man nur der Religion halber Erinnerungen getan, hat
wollen beschonigt werden."
1) Dies nach einem sogleich zu besprechenden Gutachten des Super-
jntendenten Dr. Pfeiffer vofh 23. Jan. 1751 (Erl. Dekanatsakten).
2) Das war allerdings nicht ganz richtig, da man 1720 daselbst
Bchon 9 zahlte. S. oben S. 51, Anm. 3.
Kolde, Die Anfange einer katholiechen Gemeinde in Erlangen. 65
Was an diesen Aufierungen richtig ist, oder ob sie etwa auch
tJbertreibungen enthalten, laBt sich nicht mehr feststellen, jeden-
falls charakterisieren sie das gespannte Verhaltnis und man
begreift, daB die Evangelischen Erlangens nicht sehr erbaut
waren, als die Katholiken den Versuch machten, den mark-
graflichen Erlafi vom 3. Pebr. 1750 rllckgangig zu machen.
Die uns schon als Fiihrer bekannten Franz Bnlla and Nikolaus
G-afi batten sich wieder mit dem Bischof von Wiirzburg und
Bamberg in Verbindung gesetzt und richteten daraufhin am
2. Jan. 1751 eine „fufifallige Bitte" an den Markgrafen, daB
ihnen „im Fall einer todtlichen Krankheit der Zutritt eines
katholischen Geistlichen von Biichenbach zu ihrem Seelen-
trost gestattet werde". Die Begrtindung war etwas eigen-
tumlich, aber geschickt. Jene frtiher erwahnten Ausnahmefalle
wurden als eine von altersher bestehende Observanz, somit der
ErlaB des Markgrafen vom Jahre vorher als eine neue, ihr
Gewissen schwer bedruckende Last hiugestellt, durch die ihnen, und
das war sicher richtig, „am letzten Sterbestiindlein der not-
wendige Seelentrost ganzlich untersagt wird". Die Gewahrung
ihrer Bitte werde den Gerechtsamen des Fttrsten keinen Nach-
teil bringen, da sie eine Gegenleistung zu bieten batten. Der
Pfarrer von Biichenbach war namlich auf sein Ansuchen vom
Bischof ermachtigt worden, „den furstlich-brandenburg-bay-
reuthischen Herrn Pfarrern zu erlauben, daB dieselben ihre
etwa in Buchenbach oder anderen eingepfarrten Ortschaften,
als Alterlangen, Kosbach, Staudig, HeuBling, Neumiihl er-
krankenden Glaubensgenossen in Zukunft ungehindert besuchen
und providieren diirften, sofern einem katholischen Pfarrer zu
Buchenbach die Besuche und Providierung der katholischen
Kranken in den brandenburgischen Orten Erlangen, Bruck,
Mohrendorf, Frauenaurach, Kiiegenbrnnn, Hiittendorf, Eltersdorf,
Tennenlohe, Griindlach, wie auch in Bubenreuth, gleich-
maBig verstattet und zugelassen werde". Dariiber sei der
Pfarrer aus Buchenbach erbotig, einen schriftlicheu Revers aus-
zustellen.
Das von dem Superintendenten Pfeiffer uber diesen Antrag
eingeforderte Gutachten vom 23. Jan. 1751 erklarte sich sehr
entschieden gegen die Gewahrung der Bitte. In nicht weniger
Beitriige zuv biiycr. Kirchengescliichte XII. 2. P^
66 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Eriangen.
als 14 Punkten fafite er alles zusammen, was auf damaligem
evangelischem Standpunkte dagegeu gesagt werden konnte.
In dem ganzen Vorgehen sieht er eine groCe Gefahr: „Da biB-
hero das Papstum bei aller moglichsten Glimpflichkeit und
Nachsicht protestantisclier hoher Obrigkeiten nicht gelinder,
sondern nur einriBiger geworden, so will endlich die Christen-
pflicht erforderu, demselben, daB es nicht weiter urn sich greife,
vielmehr mit allem Ernste vorzubeugen, als durch fernere
Herablassung zur Bestarkung in seinen weit aussehenden Ab-
sichten AnlaB zu geben." Die jetzt gewiinscbte Erlaubnis
werde man bald als ein Recht betrachten, und es sei ohne Frage,
im Widerspruch zu den bisherigen fiirstlichen Konzessionen,
der Anfang eines freien Exercitii papstlicher Religion, wenn
die katholischen Geistlichen zumal ohne An frage und jedes-
malige Spezialkonzession ihre Kranken providieren diirften*
Die Erfahrung habe zur Geniige gezeigt, daB die Papisten, wo
ihnen ein Fingerbreit eingeraumt wurde, mehr als die Hand-
breit zu . nehmen pflegen, so wtirden sie bald in Betreff der
Kindererziehung neue Forderungen stellen. „Sie lassen ohne
Bevers unseres Geistlichen niemand ein, machen es aber so,
daB sie die unsrigen miBbrauchen und wir nicht viele Reverse
ausstellen diirfen. In Alterlangen haben sie nicht geruht, bis
alles fortgeschafft ist, was Evangelisch hieB, und zu Marlofi-
stein das gleiche." Mag die angeboteiie Gegenseitigkeit,
wenn sie richtig eingehalten wird, auch ganz gut sein, untl
auch sonst vorkommen, so gehe es doch nicht an, Eriangen als
eine Hauptstadt des Landes und den Sitz einer evangelischen
Universitat mit den sehr geringen Ortschaften Buchenbach,
Alterlangen, Kosbach, Staudig, HeuBling, Neumuhl u. dgl. in
Vergleich zu bringen, und vollends offenbarten sich „ die nach-
teiligen Maximen des Papstums aufs deutlichste an der Herein-
ziehung von Alterlangen, das erstlich zur altstadtischen Pfarrei
gehorte, so daB es vora Markgrafen abhinge, ob diesen katho-
lischen Geistlichen erlaubt sein soUte, die Kranken dieser
Religion zu providieren; jetzt sollen es unsere Geistlichen von
der Altstadt fiir eine Gnade von Wlirzburgischer Seite ansehen,
wenn sie hinein diirfen, und man rechnet die Erlaubnis dazu
Ew. Durchlaucht als etwas GroBes an. So kehrt man im
Eolde, Die Anfange einer katbolischen Gemeiude in Etiangen.. 67
Papstum allgemach die Sachen urn und windet der evangelischen
Qbrigkeit die iura episcopalia aus den Handen, dafi sie am
Ende bittlich suchen inuB, woruber sie anfangs zu befehlen
hatte". .Feriier wird auf das.schon oben erwahnte Vordringen
des Katholizismus, die unfreundliche Haltung der Katholiken
gegen die Evangeliscben in ihren Dorfern, die vollige Ver-
anderung der kirchlichen Verhaltnisse, die dadurch eintreten
miisse, hingewiesen und nicht am wenigsten auf die groBe
Verstimmung der Protestanten iiber die schon bisher vor-
gekommenen Eingriffe der Katholiken, und endlich darauf, dafi
die Ehre Christi leide, so oft sein heiliges Abendmahl
den klaren Einsetznngsworten zuwider nicht unter beiderlei Ge-
stalt gereicht werde. Deshalb konne man es keiner evan-
gelischen Obrigkeit verdenken, „wenn sie in Gestattung der
Administration desselben nach dem papstlichen hier eine Ver-
stiimmelung einfiihrenden Gebrauch keinen Schritt liber die
einmal festgestellten Grenzen hinaus zu tun sich bewegen laBt".
Was der Markgraf darauf entschieden hat, scheint leider
nicht erhalten zn sein. Wahrscheinlich hat der ebenfalls zu
einem Gutachten aufgeforderte Amtshauptmann sich anders zu
der Sache .yerhalten, denn tatsachlich erlangten die Katholiken
um diese Zeit, wenn auch in etwas anderer Form, das, was
sie zunachst erstrebten. Die Sache wurde neu geregelt, wie man
es 25 Jahre spater als von altersher bestehend bezeichnete: Wenn
ein Kranker die Sterbesakramente begehrte, so hatte der Pfarrer
von Biichenbach vorerst den Herrn Superintendenten oder den
betreffenden Geistlichen,' in dessen Bezirk der Kranke wohnte,
„darum zu begriiBen" uud einen Revers auszustellen. Es be-
durfte also gegeniiber der urspriinglichen Absicht fur jeden
eihzelnen Fall der besonderen Erlaubnis, und der Revers
bestand in der Erklarung, daB aus der betreffenden Erlaubnis
kein Recht oder sonstige Konsequenz gezogen werden, sondern
daB sie „in alien Riicksichten ganz unprajudizierlich sein soUe" ^).
1) In den Dekanatsakten hdbe ich nur eine Abschrift eines soicben
Reverses gefunden, der aus dem Jahre 1783 stammt und sich auf die
besondere, schon unter anderen Verhaltnisse gegebene Erlaubnis des
Fiirsten bezieht, eine Haustaufe yornehmen zu dUrfcn, aber doch das Wesen
des gewQhnlichen Reverses deutlich erkennen ViQU ^Nach dem Ihro des
5*
68 Kolde, Die AnfliDge einer katholischen Gemeinde in Erlangen.
Dabeiblieb doch sonst offiziell alles sO; wie es die Deklaration
von 1711 bestimmte: alle kirchlichen Akte, Taufen, Trauungen,
Begrabnisse muBten von dem evangelischen Pfarrer erbeten
werden, und die Kinder waren evangelisch zu erziehen. Allein
es kamen auch Ansnahmen vor, welche die katholischen Ad-
ligen, die sich nach und nach in Erlangen angesiedelt batten,
darchzasetzen wn£ten. Die Akten haben uns einen eklatanten
Fall aufbewahrt. Als im Jahre 1757 die Tochter des Kammer-
herrn Baron Tubeuf gestorben war, wiinschten die Eltern, sie
in der katholischen Kirche zu Bflchenbach beigesetzt zu sehen.
Vergebens berief sich der Superintendent auf die Deklaration
von 1711, vergebens erinnerte er den Markgi-afen daran, daU
er selbst bei der evangelischen Taufe „als Taufzeuge erbeten
gewesen". Der Fiirst resolvierte, dafi, nachdem der Kammer-
herr von Tubeuf eher als ein Fremder als ein einheimischer
anzusehen sei, dessen verstorbene Tochter salvis tamen stolae
iuribus nach Biichenbach begraben werde^). Und so geschali
es. In der Kirche zu Biichenbach findet sich noch jetzt, rechts
vom Hauptaltar, groBtenteils durch die Stationsbilder verdeckt,
der Leichenstein des Frl. von Tubeuf.
Regierenden Herrn Marggrafens zu Ansbach Bayreuth Hochffirsth Durch-
laucht mir die Yerrichtung der Haufitaufe der neagebohmeo Comtefisen
von Ahlefeld gegen Ansstellnng der gewOhnlichen Reversalien gnSdigst
zu erlanben geruhct haben, Als gebe ich solcbe hierdnrcb in der Maase
von mir, dajQ jene gpiadigste Concession von diesseits zu keinem Recht
Oder zu einiger Consequenz gezogen werden — sondern vielmebr in alien
RUcksichten ganz unprajudizierlich seyn sol). Urkundlicb meiner eigen-
handigenUnterscbrift und beigedrucktenPettscbafts. Erlang d. 18. Jan. 1783.
Ernst Wilbelm Baner, Pfarrer
zu Biicbenbacb.
1) Entscbliefiung vom 4. Jan. 1757. Erlanger Dekanatsakten. Als
derselbe Tubeuf spater seinen Sohn, der als Page in die Dienste der
verwitweten Markgrafin aufgenommen werden war, vom Besuch der
Katecbisationen abbielt, verlangte das Konsistorium vom Superintendenten,
ihn ernstlich dazu anzubalten nnd dariiber bocbsten Ortes zn bericbten.
7. Marz 1764. Ebenda. TJbrigens fungierte Tubeuf schon 1750 als Patron
der Katholiken. Vgl. Beil. le. Es war wohl derselbe, den L. Freyes-
leben, das jetzt lebenden Erlangen Erl. 1775 S. 5 nnter den „Hoch-
adelichen** Bewohnern Erlangens aufftibrt: „Monsieur le Bar. de Du Boeuf,
Hr. zu Beerbach, Hocbfiirstl. Bened. Onolzb. u. Culmb. Geb. Ratb bat sein'
eigenes Hau6 in der Friedrichsstrasse," (Nach dein Wappen Haus Nr. 28.)
Kolde, Die Asfange einer katholischen Gemeinde m Erlangen. 69
So lagen die Dinge, bis bald nach dem Beginn der Re-
gierung des "Markgrafen Christian Friedrich Carl, dem nach
dem Tode des kinderlosen Markgrafen Friedrich Christian
(t 20. Jan. 1769) das Bayreuther Gebiet zuflel, die Katholiken-
frage in Erlangen von neuem in FluB kam. Das geschah im
innigsten Zusammenhange mit den Bestrebungen des Fiirsten,
die dem TJntergang nahe Universitat zur Bliite zn bringen.
Unter den zu diesem Zweck gemachten Vorschlagen befand
sich auch der, katholischen Gottesdienst in Erlangen einzurichten.
Das wiirde, wie der Markgraf meinte, katholische Studierende
in groBer Anzahl in die Stadt ziehen.
Gegen diesen Gedanken erhob jedoch die bei der Regierung
eingerichtete Universitatsdisputation nnter dem 9. Juli 1770
Gegenvorstellungen. So rnhte die Sache, aber nach vier Jahren
kam der Markgraf darauf zurlick. In einem Schreiben an die
Universitat vom 4. Juni 1774 erklarte er, daB er trotz jener
Gegenvorstellungen fiir seine Person, „noch immer des wohl
erwogenen Davorhaltens sei, daB durch Concedirung eines
catholischen Privatgottesdienstes zu Erlang, viele der catho-
lischen Religion zugethane Studiosis beygezogen, mithin auch
hierdurch Unsere Friedrich- Alexandrinische Universitat in be-
sondere Aufnahme gebr^cht werden k5nne". Zugleich erhielt
die Universitat den Auftrag, gutachtlich daruber zu berichten,
„ob dergleichen Gestattung wirklich vertraglich sei, und wie
die Einrichtung eines Cultus privati Religionis Catholicae am
schicklichsten zu machen sein mochte^)".
Der Prorektor, der Philosoph Ph. Ludw. Statins MuUer,
verwies mit dem Bemerken, daB er „von serieusen Absichten,
nach welchen diese Sache in Vorschlag kommt, informiert sei",
die wichtige Angelegenheit zur Sitzung, so daB wir die Stellung
der einzelnen Senatsmitglieder nicht erfahren, nur der Jurist
Rudolph lieB seine Abneigung sogleich in der Missive in
charakteristischer Weise erkennen, indem er binzufiigte: „die
Catholischen Auditores, welche ich bisher gehabt, baben noch
1) GegeDgezeichnet: Friedrich Heinrich von Wechmar, Karl Frh.
V. GemmiDgen, Jac. Carl Schegk: Erlangische Universitats-Akta die Er-
richtung eines Catholischen Privat Gottesdienstes dahier betreffend. Th.
I. Pfl. 8, Nr. 119. . .
70 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeiude in Erlangen.
allemal Schulden genug gemacht, und sind alsdann durchgegangen.
Ich bin noch von keinera, auBex' einem einzigeir, von dessen
Vater man Wagen und Pferde arretiert, 1?ezahlt worden. Das
ist der Vorteil, welclien die Stadt zu erwarten hat, Mir scheint
es, als bedienten sich vornehme Katholiken der Neigung Ihrer
Durchl., der Universitat aufzuhelfen mit Arglist, .und gebenvor,
daB nach verwilligtem Gottesdienst viele Katholiken hierher
kommen wurden^ und nachher werden doch keine kommen. Sie
dlirfen nur erst kommen ; dannwiirde sich weiter redenlassen".
Am 17. Juui wurde in feierlicher Sitzung dariiber beraten.
Man besehloB „des gnadigst anbefohlene ratliche Gutachteu
negative zu erstatten".
Das offenbar mit groBer Sorgfalt und weiser Zuruckhalturig
ausgearbeitete Schriftstuck^) verwahrt sichvor allem gegen den
etwaigen Schein, der Intoleranz das Wort zu reden, wozu der
Senat niemals Veranlassung gegeben habe, erkennt auch die
wohlmeinende Absicht des Fursten, mit der von ihm in Aussicht
geriommenen MaBregel, der Universitat forderlich zu sein, dank-
bar an, muB aber doch davon dringend abraten. Ein Bedurfnis
riach einem katholischen Gottesdienst ist nicht vorhanden; die
katholischen Studierenden sind mit den bestehenden Verhjlltr
nissen ganz zufrieden. Eine betrachtliche Zunahme der Studenteii-
zahl ist nicht zu erwarten, denn die Studierenden pflegen
in der Kegel Universitaten ihrer Eonfession vorzuziehen, und
das werde jetzt noch mehr der Fall sein, als nach Auf-
hebung des Jesuitenordens in den Bistiimern Bamberg und
Wurzburg sehr viel fiir die Verbesserung der Universitaten und
Schulen geschehe. Auch hatten die Privilegien der Reformierten
picht den Erfolg gehabt, daB reformierte Studenten in groBerer
Zahl nach Erlangen gekommen waren, und es konnte auch ein-
treten, daB manche, die an der Einrichtung des katholischen
Kultas AnstoB nehmen, jetzt ihre Sohne nicht mehr hierher
schicken wurden.
Aber auch fur den Fall, daB wirklich dadurch mehr Studenten
herbeigezogen wurden, diirften nach der Meinung des Senats
die zu befiirchtenden Nachteile iiberwiegen. Nachdem die Burger-
schaft bisher zu wiederholten Malen ihre Privilegien, welche den
1) Beilage Nr. IV. ....
Kolde, Die Anfauge einer kalholischen Gemeinde in Erlangen. 71
katholischen Gottesdienst ausschlieBen, kraftig zu wahren gewuCt
babe, wlirde sich ihr HaB und ihre Erbitterung gegen die
Universitat, mit der man fortwahrend zu kampfen habe und die
schon raehrfacb zu Tumulten und Unruhen gefiihrt batten, nocb
vergrOfiern, denn man werde der Universitat vorwerfen, daB
die stadtiscben Privilegien nur zu ibren Gunsten eingescbrankt
w&rden, und dies um so mehr, als der kathdliscbe Gottesdienst,
weil die Universitat daflir keinen Raum babe, docb in einem
Biirgerbause stattfinden miiBte.
Aucb ware zu befiircbten, dafi in der Studentenschaft Un-
ruben vorkamen, denn „bei jungen munteren Kopfen" konnten
Spottereien liber die katboliscben Kircbengebraucbe nicbt immer
verbiitet werden, und aucb die katboliscben Studenten konnten
leicbt, wenn einmal katboliscber Gottesdienst erlaubt ware,
„bigotter und unleidlicber" werden, und aucb aus diesen Griinden
konnten evangeliscbe Eltern ibre Sobne von Erlangen fern-
balten. Zudem sei docb bekannt, daB der katboliscbe Klerus
es nicbt unterlassen k5nne, Proselyten zu macben, und seine
Freibeit miBbraucbe und namentlicb mit den Reformierten in
scblecbtem Einvernebmen zu leben pflege. Aus alien diesen
Grunden erklart der Senat am ScbluB es als seine Oberzeugung,
daB die Einricbtung eines katboliscben Privatgottesdienstes
weder notwendig nocb zutraglicb, sondem im Gegenteil dem
Besten und der Rube der Universitat binderlicb sein wlirde.
Diese Eingabe scbeint Erfolg gebabt zu baben. Es scbwieg
alles still. Indessen zeigte der Umstand, daB der Markgraf
genau ein Jabr spater, am 11. Juli 1775 den Katboliken in
Ansbacb — wenn aucb mit sebr rigorosen Einscbrankungen, von
denen nocb zu sprecben sein wird — einen Privatgottesdienst
gestattete ^), daB in der Regierung ein anderer Wind webte, und
man die Lage der Katboliken im Lande allentbalben zu er-
leicbtem gedacbte. Und einen kleinen Anfang macbte man
einige Jabre spater damit aucb in Erlangen. Im Jahre 1781 nam- .
licb wurde die Kanzlei des frankiscben Ritterkantons Steigerwald
nacb Erlangen verlegt, und man wird mit Recbt vermuten
dttrfen, daB dies nicbt ganz obne die Absicbt, die dortigen
Katboliken zu stiitzen, gescbeben ist, denn Bamberg und Forcb-
1) Siehe d&rttber Beilage Nr. VII.
72 Kolde, Die Anfange eiuer katbolischen Gemeindc in Erlangen.
heim waren gewifi nfther und bequemer gelegen, und der Chef
des Kantons war der Mann, dem die Katholiken fur die spater
erlangte Konzession ganz besonders verpflichtet zu sein glaubten,
der Geheime Minister Frh» von Seckendorf. Jedenfalls richtete
die Ritterschaft an den Markgrafen alsbald eine Immediat-
eingabe, „den der R5misch-katholischen Religion zugethanen
Mitgliedern ersagten Cantons wslhrend ihres jeweiligen Aufent-
halts dort^elbst die Haltung eines Privat Gottesdienstes in ihren
Quartieren durch einen benachbarten katholischen Geistlichen
gegen einen jedesmalen auszustellenden Revers in Gnaden zu con-
cediren". Und das wurde genehmigt und der protestantischen
Geistlichkeit einfach mitgeteilt, mit dem Auftrag, darauf zu
„vigiliren", dafi dabei die gehorigen Schranken inne gehalten
warden" (29. Mai 1781).^^
Damit war der katholische Gottesdienst wirklich eingezogen,
wenn er auch nur zeitweise gestattet war, und die Teilnahme
daran gesetzlich nur der katholischen Ritterschaft zustand. Und
es begreift sich, dafi die eingesessenen Katholiken, vor allem
wohl die teilweise katholische Dienerschaft der in Erlangen
residierenden Markgraflu, Sophie Karoline, der Witwe des Mark-
grafen Friedrich, mehr als je den Wunsch laut werden liefien,
dieselben Freiheiten zu genieBen, und nach dem Interesse,
welches die Markgraflu spater an dem Zustandekommen des
katholischen Bethauses zeigte, zu schliefien, wird sie ihre Bitten
gewifi unterstiitzt haben. Und ein welthistorisches Ereignis kam
ihnen zu Hilfe. Wenige Monate nach jener Konzession fiir die
katholische Ritterschaft, am 13. Okt. 1781, erliefi der Kaiser
Joseph 11. fiir seine Staaten das beriihmte Toleranzedikt, und
es ist von allgemeingeschichtlicher Bedeutung, dafi dieses in
erster Linie zugunsten der Protestanten erlassene Edikt bis
nach Franken seine Wirkung ausubte und in deutlich erkenn-
barer Weise den letzten Ausschlag zur Befreiung der Erlanger
Katholiken gab.
Am 16. Jan. 1783 beschlofi der Markgraf in Rticksicht
„auf den fiir Unsere Universitat und Stadt Erlang hieraus
ohnfehlbar entspringenden Vortheil, vornehmlich aber auch um
Unser Seits zu zeigen, w^ie sehr wir die dem dermaligen Jahr-
hundert so viele Ehre machendeu principia der Toleranz zu
Kolde, Die Anfange eincr katholischen Gemeinde in Erlangen. .73
fordern gemeint sein", die Einrichtung eines katholischen Privat-
gottesdienstes zu gestatten. Der Minister Frh. von Seckendorf
erhielt den Auftrag, bei einer pers5nlichen Anwesenheit . in
Erlangen iiber die Zahl und Leistnngsfahigkeit der katholischen
Einwohner Erkundigungen einzuziehen nnd auf Grand von Ver-
handlungen mit Universitat und Amtshauptmannschaft iiber das
„Qaomodo" der Konzession „ein standhaftes Gutacbten" ab-
zugeben. Von vornherein war in Aussicht genommen, die Ans-
bacher Konzession mit ihren Beschrankungen , die zu diesem
Zweck der Universitat inAbschrift mitgeteilt wurde, zugrunde
zu legen. Am 10. Februar 1783 trat der akademische Senat daruber
in Beratung. Da die Sache an sich bereits entschieden war, ver-
wies man zwar in dem ah dem gleichen Tage an den Minister
abgelassenen Schreiben auf „die unterthanigste Vorstellung" vom
Jahre 1774, war aber klug genug, anzuerkennen, daB haupt-
sachlich durch die den Catholiken in Anspach vorgeschriebene
Norm, welche auch hier eingefiihrt werden soUe, ,.jene damals
vorgerufene Bedenklichkeit beseitigt werde". Im iibrigen be-
gnttgte man sich, den Wunsch auszusprechen, erstens daB der
Privatgottesdienst aufier der Stadt in einer Vorstadt exerziert,
zweitens ein Weltpriester und zwar ein solcher, der nicht nur
iiberhaupt friedfertig gesinnt sei, sondern insbesondere mit der
Akademie ein gutes Einvernehmen zu unterhalten habe, berufen
werde, und daB drittens, was die Krankenkommunionen an-
belange, der katholische Geistliche wie bisher den betreffenden
evangelischen Geistlichen, in dessen Bezirk er amtieren wolle,
darum begrUBen und einen Severs ausstellen soUe^).
Ganz anders urteilte der Professor Pfeiffer, der in seiner
Eigenschaft als Superintendent der Erlanger Diozese auch zu
einem Gutachten aufgefordert war. Der alte Herr, er war
schon 1709 geboren und starb 1787, war der letzte konfessionelle
Lutheraner alten Schlages, den Erlangen noch besafi. Es war
einsam um ihn gewoi'den, vergeblich kampfte er in zahlreichen
Schriften gegen die beginnende Aufklarung und konfessionelle
Gieichgftltigkeit. Die Studenten batten ihn schon verlassen*),
aber er behauptete seinen Standpunkt. Bei ihm horen wir zum
1) S. Beilage Nr. V.
2) Vgl. Fiken8cher,Voll8t.ak.GelehrteiiGesch. Niirnb.1806. S.16f.
74 Kolde, Die Anfltnge einer katbolischen Geir.elnde in Erlangen.
letzten Male recht scharfe Worte gegen den Katholizismus.
Sein Gutachten war durchaus ablehnend. Die hochfiirstliche '
Versicherung von 1711, „daB in Erlangen nur die Protestanten,
die Evangelischen und die Reforraierten das freie Religions-
exerzitium nnd den 5ffentlichen Gottesdienst haben sollten,"
wird nur vorubergehend erwafint. Wichtiger konnten seine
andern Argumente erscheinen. Er erinnert daran, und es ist
bezeichnend, daU all-in der Theologe die politische Tragweite
des beabsichtigten Schrittes betont, dafi mit der Zulassung
r5mischen Gottesdienstes und eines Priesters, wo diese bisher
nicht waren, „einer neuen geistlichen Obrigkeit auch zugleicli
eine Gewalt in dem Staat eingerRumt werde, wo vorher das
summum ius circa sacra dem Landesherrn allein zustande" ^).
Es sei auch bekannt, wie das Papsttum, wenn ihm etwas ein-
geraumt sei, immer weiter greife und sich mehr anmafie, und
es dann sehr schwer halte, der geistlichen Gewalt Schranken
zu setzen und die eigenen hochsten Rechte aufrecht zu erhalten.
Es fehle auch nicht an Beispielen, dafi, wo die Gnade des
Landesherrn den Katholiken einen Ort zu ihrem Gottesdienst,
jedoch auf Widerruf eingeraumt hatte, ,,nachnialen, wenns zum
Widerruf hat kommen soUen, daraus bei dem Reichstage zu
Regensburg ein gravamen religionis gemacht worden". Schon
sei die Anhanglichkeit an das Papsttum so weit gediehen, dafi
man die evangelische Taufe verabscheue, wahreud doch sonst
die drei im deutschen Reiche berechtigten Religionen unter-
einander ihre Taufe anerkennen und bei tJbertritten keine
Wiedertaufe vornehmen — , „so steht leicht zu ermessen, was
nachmalen erst gescheben werde, wenn sie vollends ihren
eigenen Gottesdienst und Priester haben durfen". Dadurch
wiirde auch die Gleichgliltigkeit in der Religion bei den Er-
langern befordert werden, und Gott habe bei seinem Volke des
Eigentums im alten Testamente dergleichen Vermischung sehr
ernstlich verboten und gestraft. Zum wenigsten sei die Messe
nach Sinn und Gebrauch des Papsttums eine solche Entehrung
und schn5der Mifibrauch des heiligen Abendmahls, dafi sie in
1) Etwas iiberraschend ist es, wenn der Verf., urn dies zu exempli-
fizieren, fortfahrt: „wie dann sogar in den koniglich preu^isclien Landen
des Papstes Befehl bei Abschaffung des Jesnitenordens darchgegriffen hat**.
Kolde, Die Anfange einer katholiscben Gemeinde in Erlangen. 75
(leii evangelischen Glaubensbuchern langst verworfen sei. „Sollte
es also wohl ratsam sein, dergleichen einzufiiliren, woes bisher
Bicht war ? Welches jedoch bei Einrauinung eines Papistiscben
Gottesdienstes nicht unterbleiben wird noch kann".
Gerade diese letzten Ausflihrungen ^) werden in Bayreuth
am wenigsten Eindruck gemacht haben. Denn dort, wo der
Pietismus langst durch die Aafklarung verdrangt war, war
man entschlossen, sich die Kirchenpdlitik Joseph ll. zum Muster
zu nehmen, und die nachste Folge war, daB „Serenissimas zur
oflfentlichen Bewahrang hochst dero auf die verniinftigen Grund-
satze gebauteii Neigung, die wohltatige Duldung in puren
Glaubenssachen auf alle mogliche Art zu befordern," unter dem
13. April 1783 verordnete, daB die den Dispensen zu Ehen
zwischen evangelischen und katholiscben Glaubensverwandten an-
gehangte Bedingung, alle Kinder miiBten evangelisch werden,
aufgehoben sei und fortan bei Mischehen nach Anleitung
des kaiserlichen Toleranzediktes, da wo der Vater
evangelisch ware, alle Kinder mannlichen und weiblichen Ge-
schlechtes in der evangelischen Religion „zum besonderen Vorzug
der in hochst dero beyden Fiirstenttimern herrschenden evangeli-
schen Religion erzogen werden, wenn aber die Mutter evangelisch,
der Vater hingegen katholisch w^re, die Kinder in Ansehung
der Religion, in welcher sie zu erziehen waren, dem Geschlechte
ihrer Eltern folgen soUten". Daraufhin bestiramte das Bay-
reuther Konsistorium unter dem 18. Juni 1783, daB bei Kindern
katholischer Eltern bei dem nach der Taufe zu sprechenden
Dankgebete statt der Worte: „in reiner evangelischer
Lehre" etc. nur der Ausdruck „in der christlichen Lehre"
gebraucht werden soUe^).
Nachdem so die katholische Kindererziehung freigegeben
1) Es fehlt in dem am 14. Febr. 1783 dem Frh. v. Seckendorff zu-
gegangenem Gutachten natiirlich auch nicht an dem Hinweis auf den zu
erwartenden Ausfall an den der protestantischen Geistlichkeit bisher
rechtlich zustehenden Stolgebtihren, „wenn aUe in der Erlanger Diozese
lebenden Eatboliken sich nunmehr zum katholiscben Geistlicben balten
wUrden," und wir erfahren dabei u. a., dafi „der Syndiaconus ohne alle
Besoldung blo6 auf die Accidentia verwiesen . ist und allermeist davon
mit den Seinigen leben muB**. (Erl. Dekanatsakten.)
2) £rl. Dekanatsakten.
76 Kolde, Die An^nge einer katholischen Gemeinde in Erlangen.
war, muBte jetzt auch den katholischen Einwohnern die Moglich-
keit gewahrt werden, eigenen Kultus zu haben, und wenn man
dies nicht sogleich tat, geschah es wohl deshalb, weil man nicht
zu viel auf einmal gewahren und zuerst beobachten wollte,
welche Wirknng die genannte groBe Konzession auf die evan-
gelische Bev5lkerung haben wiirde. Leider ist uns dariiber
gar nichts erhalten. Aber ich vermute, dafi die lutherische
Gemeinde, wie die Reformierten, unter denen der ursprttngliche
schroffe Calvinismus langst erweicht, und deren Zahl sehr
zusammengeschmolzen war, so dafi die Obrigkeit aufihreStim-
mung gar keine Riicksicht mehr genommen zu haben scheint ^),
jetzt die Sache ohne jede Erregung aufgenommen wird. Urn so
groBere Anstrengungen werden die Katholiken jetzt gemacht
haben, das seit Jahrzehnten erstrebte Ziel, das mehr als einmal
ganz nahe geruckt schien, nun wirklich zu erreichen.
Aber erst am 31. Marz 1784 erhielten sie provisorisch
bis zur Ausfertigung einer formlichen Konzessionsurkunde in
widerruflicher Weise die Erlaubnis, in einem in der Altstadt
Erlang zu mietenden Privathause oder Gemach in der Stille
zusammen zu kommen daselbst bei „eingefallten" (verschlossenen)
Tiiren mit Singen, Beten, Lesen, Me6 und Predigthoren, wie
auch mit Haltung der Kommunion ihren Privatgottesdienst zu
tiben und hierzu einstweilen auf ihre Kosten einen benach-
barten Weltpriester anzunehmen, der jedoch schriftlich vorher
die Erlaubnis des Piirsten nachzusuchen habe, und wenn er einen
Kranken v6rsehen woUe, jedesmal unter Namhaftmachung des-
selben die Genehmigung der Amtshauptmannschaft erbitten miisse.
Zugleich wurden die Katholiken aufgefordert, „sich ausdrlicklich
zu reversieren," aus dieser Gnade keinerlei Recht abzuleiten ^).
Inzwischen war schon alles vorbereitet worden, so daB
bereits am 11. April 1784 die erste Messe in Erlangen
1) In den Protokollen der PresbyterialsitzuDgen der franzOsisch-
reformierten Gemeinde findet sich keine Spnr davon, dafi eie urn ihr Gnt-
achten angegangen warden, und als dem Consistoire endlich am 19*Dez.
1785 eine Abschrlft der Konzessionsurkunde mitgeteilt worden war, wurde
sie in der Sitzung vom 5. Jan. 1786 einfach verlesen und zu den Akten
genommen. Siehe Beilage Nr. If. .
2) Beilage VI.
Rolde, Die Anf^nge einer katholischen Gemeinde in Erlangen. 77
gelesen werden konnte, und zwar, und das zeigt das
. Entgegenkomraen der Erlanger Burgerschaft, nicht in einem
gemieteten Raume, sondern im grofien Saale des AltstMter
Rathanses.
Nach weiteren Verhandlungen wurde dann den Katholiken
am 30. Jan. 1785 endlich die offizielle Konzessionsurkunde
erteilt^), worauf ibre Deputierten, Joseph ThaddaiLeiderer,
katholischer Geistlicher, Louis Abeille, Johann Michael
Strobel, Franz Rohrbach, Kammerlaquai^), am 26. August
den geforderten Revers unterschrieben und darin gelobten, allem
unverbrfichlich nachzukommen und diesen Revers alle funf Jahre
zu erneuem.
Der dadurch geschaffene Rechtszustand, der in vielen Be-
stimmungen mit denen des 5sterreiehischen Toleranzediktes zu-
sammenklingt, aber, weil das gleiche schon 1775 flir Ansbach
festgesetzt war, von ihm unabhangig ist, war nun dieser. Es
war den Katholiken nur ein Privatexerzitium ihrer Religion
gestattet, und jeder Versuch, dieses zu offentlicher Religions-
iibung weiter auszubilden, sollte ausgeschlossen sQin. Sie durften
zwar zu gottesdienstlichen Zwecken ein Privathaus errichten,
das aber nicht die Form einer Kirche Oder Kapelle haben diirfe.
Im Innern war nur die Aufstellungeines Altars gestattet. Der
Gebrauch einer Glocke war untersagt, ebenso die Aufstellung
einer Orgel, eines „sogenannten Krippeleins" oder des Grabes
Christi, und der Gottesdienst, zu dem das Zusammenlaufen des
katholischen Landvolkes aus der Umgegend zu verhindern ist,
hat „bei zugemachten Ttiren" stattzuflnden.
Nur die katholischen Beisafien (also nicht der Bischof)
, durfen unter Vorschlag von zwei oder drei Weltpriestern nm die
1) Siehe den Wortlaut der Urkunde Beilage Vll.
2) Es ist interessant, dafi zwei der Deputierten und spateren Kirchen-
Yorsteher zur markgraf lichen Dienerschaft gehorten, denn auch Louis
Abeille, dessen Frau ,, WeiBzeugfrau** der Markgrafin war, fnngierte als
Eammerdiener. (Vgl. L. Freyesleben, Das jetzt lebende Erlangen.
Erl. 1775, S. 2.) Strobel war Seifensieder. Mit ihm, der aus Neumarkt
in der Oberpfalz stammte, hatte der Magistrat am 23. Jan. 1778 zu
verhandeln, weil er, urn von seinen Eltem nicht enterbt zu werden,
sein Kind nicht evangelisch erziehen, sondern in seine Heimat schicken
wollte.
78 Kolde, Die Anfangc einer katholischen Gemeindc in Erlan^en*
Einsetzung eines Geistlichen bitten, den der Fiirst beruft und Veiv
pflichten lafit. Seine Tatigkeit beschrankt sich auf den Gottes*
dienst im Bethause mit Messe, Beichthoren und Abendmahls-
verwaltung. AUe Kasualien, Taufen, Trauungen und Begrab-
nisse mit Ausnahme einer etwaigen Uberfiihrung einer Leiche
nach auswarts, in welchem Falle er die Leiche ohne alle Pro-
zession in einer Chaise begleiten mag, sind nach wie vor vt)n
der evangelischen Geistlichkeit zu voUziehen. SoUen Kranke
in ihren Hausern mit den Sakris versehen werden, so hat
jedesmal die Amtshauptraannschaft (also nicht wie friiher die
evangelische Geistlichkeit) die Erlaubnis dazu zu erteilen/ „das
sogenannte Venerabile wie auch die Rosenkranze, dtirfen
niemals 5ffentlich iiber die StraBe getragen werden, auch darf
weder aufierhalb noch innerhalb des Bethauses eine Pro-
zessiongehalten werden, Dem Geistlichen, dersich jeder-
zeit einer weltlichen Kleidung zu bedienen hat und
wie alle anderen Untertanen der Polizei-, Zivil- und Kriminal-
landes unterworfen ist, und sich auf keine sonstige Subjektion
und Dependenz berufen darf, ist es gestattet, mit einem zu
diesem Zweck anzustellenden Kantor den katholischen Kindern
Religionsunterricht zu erteilen, nicht aber eine offentliche Schule
zu halten oder halten zu lassen, und der Furst behalt sich fiir
sich und seine Nachfolger ausdriicklich das Recht vor, den
ganzen katholischen Gottesdienst eventuell wieder aufzuheben, in,
welchem Falle es den Katholiken erlaubt sein soUe, das selbst-
gebaute Bethaus zu verkaufen.
Das waren nach uuserer heutigen Auffassung sehr rigorose
Bestimmungen, aber im Vergleich zu dem Verbal ten gegen die
Protestanten von seiten der katholischen Regierungen in den
Nachbarlandern, namentlichin Bayern^), waren sie relativ weit-
herzig, und sie wurden sicher von den Katholiken Erlangens
als groBe Errungenschaft angesehen. Sie waren indes, wie das
so haufig bei staatlichen Bestimmnngen gegeniiber der katholischen
Kirche zu beobachten ist, ohne jedes Verstandnis fiir das Wesen
des Katholizismus aufgestellt. Es war unmoglich, sie genau
inne zu halten.
1) Vgl. Th. Kolde, Dasbayerische.Religionsedikt. 2. A. Erlangen
1903.
Kolde, Die Aofange eincr katholischen Gcmeinde in Erlangen. 79
Die evangelische Geistlichkeit, die den wenig erfreulichen
Auftrag erhalten hatte, auf etwaige Uberschreitangen „zu
vigilieren", und sich dieser Aufgabe pflichtraafiig unterzog, hatte
nach kurzer Zeit aaf Verschiedenes aufmerksam za machen.
Nicht nur, daB man alsbald, noch im Altstadter Rathause eine
Orgel aufgestellt und, wie man wissen woUte, auch am Kar-
freitage gegen das ausdriickliche Verbot ein „Grab Christi" ge-
zeigt hatte ^), die Gottesdienste wurden nicht bei zugemachten
Tiiren gehalten, das Zusammenstomen der Katholiken auch aus
dem Bambergischen, wurde nicht gehindert, und der katholische
Geistliche sprach auch von den Katholiken in den zur Altstadter
Pfarrei gehorigen Ortschaften Bubenreuth, Rathsberg, Atzelsberg
als von seinen Eingepfarrten und zog ihre Kinder zu seinem
Unterricht heran^). DaB dies untersagt worden ware, horen wir
nicht, und als ein mit einer Evangelischen verheirateter Katholik
unter Berufung auf die Tolerierung des katholischen Gottes-
dienstes seinen Sohn aus der evangelischen Schule nahm, und
die evangelische Geistlichkeit anfragte, ob nicht, da eine Be-
stimmung daruber in der Konzessionsurkunde fehle, die Frage
der Kindererziehung nach der Deklaration von 1711 zu ent-
scheiden sei, resolvierte Sereni^simus unter dem 25. Jan. 1787,
der evangelisch-lutherischen Geistlichkeit ibren „Irrwahn" zu
nehmen, und bestimmte am 3. April, daB die einschlagigen
Festsetzungen der Deklaration d.urch die Konzession an die
Katholiken aufgeboben seien, und es hinsichtlich der Kinder-
erziehung bei der friiher besprochenen Verordnung vom Jahre 1783
sein Bewenden haben solle^).
Auch die alleinige Oberherrlichkeit des Markgrafen uber
das katholische Kirchenwesen lieB sich nicht aufrecht erhalten,
denn schon bei der ersten ordentlichen Anstellung eines Kuratus
im Jahre 1786 — es war der uns schon bekannte Joseph
Thaddaeus Leiderer — zeigte sich, daB nach Lage der Dinge
1) Das Btellte sich als nicht ganz richtig heraus. Man hatte nur
auf ein am Boden ausgebreitetes Tuch ein Kruzifix gelegt.
2) Entwurf eines Schreibens der evangelischen Geistlichkeit vom
14. Marz 1787 an den Amtshauptmann Geh. K. Baron von Pollnitz. (Erl.
Dekanatsakten.)
3) Erl. Dekanatsakten.
80 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemoinde in Erlangen.
die Mitwirkung des Bischofs nicht zu vermeiden wer. Man
einigte sich dahin, daB der Bischof von Bamberg dem Mark-
grafen drei Kleriker zur Auswahl vorschlug, dafiir aber zu
seiner Besoldang 200 Gulden zu zahlen hatte, w^^hrend von
seiten des Markgrafen 300 Gulden zugeschossen wurden. Von
Bamberg aus wurde auch, und zwar im Jahre 1787, der erste
katholische Schullehrer nach Erlangen geschickt, den der Bischof
allein mit 200 Gulden besoldete, wozu die Regierung noch
2 Klafter Holz bewilligte^).
So war der Fortbestand der katholischen Seelsorge ge-
sichert. Und unmittelbar nach Empfang der Konzession begann
man auch mit der Vorbereitung zum Bau eines Bethauses und
eines Schulhauses, denn auch dieses war von vornherein beab-
sichtigt, obwohl in der Konzession davon nichts zu lesen war.
Natariich muBte dazu die Beihilfe der auswartigen Glaubens-
genossen erbeten werden, und die Kirchenvorsteher entfalteten
in dieser Beziehung eine sehr energische Tatigkeit und wandten
sich bis an den Kaiser, der ihnen auch wirklich eine Beisteuer
sandte und Kollekten bewilligte. Der Reichsritterkanton Steiger-
wald, dem sie u. a. auseinandersetzten, daB „die gnadigen
Herrn Mitglieder und die kunftig hier studierenden jungen
Herrn Cavaliers durch Ersparung der Reisekosten an entfernte
Orte ihren Beitfag wieder erhalten wurden", gewahrte mehr
als 400 Gulden 2). Der Bischof von Wlirzburg und Bamberg
lieB unter dem 22. Febr. 1787 in seinem ganzen Gebiete eine
Kollekte ftir den Kirchbau ausschreiben. Und obwohl man
1) AuBerdem erhielt er von der Markgrafiichen Begierung noch
4 Schock Wellen, und von der Kirchenadministration 90 Gulden nnd
GO Gulden zur Hausmlete. Der Kirchner erhielt 7 Gulden Besoldung,
hatte aber das Recht, „am neuen Jahre bei den Mitgliedern der Ge-
meinde ura eine milde Gabe zu sollicitieren'*. Diese Angaben beruhen
lediglich auf Notizen des Kuratus Rebhahn aus dem Jahre 1812, aaf
Grund deren das Polizeikommissariat zu Erlangen am 24. Nov. 1812 an
das Generalkommissariat des Rezatkreises nach Ansbach berichtete. (Acta
des kgl. Poiizeikommissariats Erlangen die katholische Pfarrei allhier
betr. 1812/47 im Stadtarchiv in Erlangen.)
2) Erwahnt zu werden verdient, daC die Ritter vom Steigerwald,
woran der Frh. v. AufseB in einem Zirkular erinnert, auch an die Aug's-
burger Religionsverwandten in Wien seiner Zeit einen namhaften Beitrag*
geschickt hatten.
Kolde, Die 'Anfaiige einor katholischen Gemeibde in Erlangem Si
damals fast alien thalben iibef schwere Zeiten kla^e und'des-
halb nicht mehr geben zu konnen bedauerte, sind die aus der
Bamberger Diozese groBtenteils noch erhaltenen Listen ivber
die abgefiihrten Beitrage ein scliones Zeichen groBer Opfer-
willigkeit. Aus der Umgegend zelchnete sich besonders die
Gemeinde Eggolsheim aus, dessen Kuratus J. V. Felsecker
unter Hinweis auf „die gegenwartige Geldklemme" 36. Gulden
56 Kreuzer ablieferte, aber zugleich dem Bischof berichten konnte,
dafi seine Gemeinde auf dringendes Ansuchen der Erlanger audi
noch Eiehstamme zur Herstellung der Kirchenstuhle liefern urid
sogar auf eigene Kosten in die vom Baumeister anzuweisende
Sagemiihle abfiihren woUe ^). Auch die in der Wiirzburger Diozese
aasgeschriebenen KoUekte fiel so reichlich aus, dafi die geistliche
Regierung den Vorschlag machte, einige 100 Mark fur eine in-
landische Kirche, z. B. die sehr bediirftige zu Neuses zurtick-
zubehalten, aber der Bischof entschied, daB der ganze Ertrag von
871 Gulden 9 Kreuzer rb. nach Erlangen geschickt werden soUte*).
Am 23. April 1787 wurde der Grundstein zum Bethause
gelegt und am 29. Juni 1790 konnte es in Gegenwart der ver-
witweten Markgrafin Sophie Karoline, die die vier Eingangs-
tliren gestiftet hatte, bezogen werden. Dem Festakte, bei dem
der Kuratus-Jph. Georg Saner, der am 3. April 1787 an
Leiderers Stelle getreten war, fungierte, wohnten auch aus-
wartige Geistliche bei, so der Propst von Neunkirchen, der
Prases des Deutschordenshauses in Niirnberg und die Pfarref
von Hochstadt a. d. Aisch und Herzogenaurach ^). Wie die Vor-
1) Kreisarch. in Bamberg. 2) Ereisarch. in Ntirnberg. S. R*, Nr. 1655 f,
3) DieseAngaben entnehme ich Lammers Gesch. d. Stadt Erlangen
3. Ausg. Erlangen 1843, S. 140 und Stein und Milller, Geschichte von
Erlangen. Erl. 189B, S. 148 f, die beide keine QneUen angeben. Die
Erlanger „Real Zeitung"" vom 25. Juni 1790 (der betreffende, wie es scheint
einzig erLaltene Jahrgang im Besitz des Herrn Hof- und Universitats-
buchdrucker Junge dabier) enthalt folgendes Inserat: ,,Erlangen, den
21. Junius 1790: Durcb die Hilfe und denB)Bistand Gottes und durch die
UnterstQtzung hdchst iin8er0 Durchlauchtigsten gnsidigsten Landesfiirsten
Bowohl, als anderer allerh()chsten, hiichsten, hohen und niedern Gonner
und Wohlthater, ist es mit dem biesigen neuerbauten katholischen Gotteis*
bause so weit gekommen^ daB den 29. dieses, als am Tage Petri und
Pauli der erste Gottesdienst darin wird gehalten werden.^ Es ist demnach
fraglich, ob eine richtige kanonische Weihe damals vorgenommen wurde<
Beitrage sur bayer. Kircheugcsckichte XII. 3. g
82 Kolde, Die AnfSnge einer katholischen Gemeinde in Erlangen.
schrift gebot, erinnerte auBer der Inschrift Soli Deo Gloria,
die an dem Giebelaafsatz iiber der Haapttiir zn lesen war, in
der Tat nichts an eine Kirche, sonst war es ein einfacher,
aber nicht unwiirdiger, im Stil der ausgehenden Markgrafenzeit
errichteter Saalbau, an dem nnr eines stOrend anffallt, namlich
daU die nnteren Fenster vermanert oder richtiger nur markiert
waren^). Ubrigens hatte man, obwohl einer der Kollektenre, der
Kammerlakai Franz Eohrbach, den wir 1785 unter den Kirchen-
vorstehern antreffen, mit dem von ihm gesammelten Gelde durch-
ging*), so viel znsammengebracht, dafi man bereits 1787 ein
Kii'chenararium mit 2685 Gulden bilden konnte^).
Schon 1786 erschien wahrscheinlich noch von Kuratns
Leiderer zusammengestellt, das erste ftir den katholischen Kaltas
in Erlangen bestimmte Schriftchen: „Gesange znm Amte der
heiligen Messe sammt dem Gesange vor der Predigt"*). Im
Jahre 1798 gab der damalige „Seelsorger bey der katholischen
Gemeinde", wie er sich nannte, Ludwig Busch, der 1793 die
Kuratie ubernommen hatte, ein eigenes Gesangbuch mit316Liedern
heraus, die er mit riihrender Unbefangenheit von iiberall her
gesammelt hatte, so daU sich nicht weniger als 30 Lieder von
protestantischen Liederdichtern darin vorfanden^). Die zehn-
jahrige Wirksamkeit dieses friedliebenden Mannes, der besonders
fftr die Einftihrung der dentschen Sprache im Gottesdienst ein-
1) Vor mir liegt eine hiibsche farbige Zeichnung des GebaudeS|
deren Einsicht ich der Gtite des Herrn Stadtpfarrers Galster verdauke^
Yon dem ich anch die Liste der Erlanger Kuraten erhalten babe.
2) Das berichtet ohne Quellenangabe Lammers a. a. 0.
3) Stadtarcbiv in Erlangen.
4) Erlangen bei J. M. St. (wohl der Seifensieder und Eirchen-
Yorsteher Johann Michael Strobe!) 1786. Das sehr selten gewordene, nur
8 Blatter nmfassende Schriftchen in meiner Bibliothek.
5) Christliche Religionsgesange zur Bef5rdernng wahrer Tugend nud
GottesYerehrung znm Gebrauche bey dem 5fifentlichen Gottesdienste der
Eatholiken Erlangens zum Beaten der katholischen Gemeinde daselbst
and in Kommission bei Johann Jakob Palm 1798. Aus dem Jahre 1801
stammt seine „Dankpredigt nach dem Erntefest den 4. Okt. 1801 im
ersten Jahre des allgemeinen Reichsfriedens, gehalten und herausgegeben
Yon Ludw. Bnsch, Prediger und Seelsorger bei der katholischen Gemeinde
dahier. Znm Besten einer neuen Orgel". 12 Kreuzer. — Diese
Schrift kenne ich nur aus dem Inserat im Erlanger Intelligenzblatt Yom
12. Okt. 1801.
Koldo, Die AnVinge einer katholischen Gemeinde in Erlangen. 83
trat^), und dem seine Preunde „besondere Anlage fur acht
religiose PrSmmigkeit" nachriihmten, und der ein typischei*
Vertreter der damaligen katholischen Aufklarung war, durfte
das meiste dazu beigetragen haben, den Eatholizismus in Er-
langen einzubiirgern. Und da auf der andem Seite jetzt die-"
selbe Stimmung herrschte, so lebten die beiden Konfessionen
Medlich nebeneinander, und wenn auch die von der Duldung des
katholischen Gottesdienstes erwartete Hebung der Studentenzahl
niemals eintrat, so war doch die Zahl der Katholiken in Er-
langen durch Zuzug von auBen in langsamem Steigen begriffen.
Aber die politischen Ereignisse brachten die Gemeinde zeit-
weise in schwere flnanzielle Bedrangnis. Nachdem Bamberg
schon 1802 Bayern einverleibt worden war, erklarte . die Re-
gierung im Jahrel807, „daB man nicht mehr gesonnen sei, ftir
im Auslande angestellte Subjekte zu zahlen". Der Kuratus Joh.
Baptist Rudelt, der 1803 auf Busch gefolgt war, und der Schul-
lehrer verloren dadurch den Bamberger ZuschuB von je 200 Mark,
gaben den Dienst auf und gingen ins Bambergische zuruck.
Die Vakanz scheint jedoch nicht lange gewahrt zu haben und
die Besoldung des neuen, vom Bischof gesandten Kuratus Reb-
han, wie die des neuen Schullehrers wurde nach kurzer Zeit
ganz von der Bayreuther, d. h. jetzt preufiischen Regierung
ubemommen, und eine neue Zeit begann mit dem iJbergang
des Fiirstentums Bayreuth an die Krone Bayern im JahrelSlO.
Nun wurden auch die Erlanger Katholiken der Segnungen des
bayerischen Religionsedikts vom Jahre 1803 teilhaftig, und die
erste Polge war, daB ihnen jetzt das ausdrticklich gewahrt
wurde, was sie am moisten begehren muBten, namlich ihre
kirchlichen Handlungen als Taufen, Trauungen und Begr^bnisse
von dem eigenen Geistlichen und nicht mehr dem protestantischen
voUziehen zu lassen. Und endlich am 14. Marz 1812 fiel die
1) Er Bchrieb auch: Liturgischer Versuch oder deuteches Ritualbuch
far katholische Kircben. Erlangen 1803. 2. Aufl. 1810. Vgl. W.Baumker,
Das katholische deutsche Kirchenlied IIT. Bd., S. lllff. und H. Weber,
Der Eirchengesang im Flirstbistum Bamberg. K6ln 1893, S. 57 f. Busch
wurde nach der Allg. deutsch. Biogr. am 23. April 1765 zu Bamberg geboren,
wurde 1793 Seelsorger in Erlangen, 1803 Pfarrer in Weismain; spater
auch Dechant des Kapitels Lichtenfels und 1818 Pfarrer in Schefilitz, wo
er am 30. Jul! 1822 starb.
6*
64 Koldc, Die Anfange einer katholiscben Qemeinde in Erlangen.
letzte Abhaugigkeit von den Protestanten, indem durch kgl.
Verordnung die noch bestehende Verbindlichkeit, die Stolgebfihren
an die evangelische Geistlichkeit zii zahlen, aufgehoben wurde.
Da diese gegen die Verkiirzung ihres Einkommens Vorstellung
erhob, sah sich die Ansbacher Regierung Ende des Jahres ver-
anlaUt, der deflnitiven Regelung der Verhaltnisse naher zu treten.
Es wnrde festgestellt, dafi die Zahl der zum Knratus in
Erlangen sich baltenden Katholiken 500—510 betrug — „nebst
einigen Staatsdienern, Honoratioren und Studierenden, groBten-
teils Handwerksleute, Bauern und Taglohner** — , woven 294 in
der Stadt, die tibrigen „in 3 zur Altstadt eingepfarrten DSrfern"
wohnteu. Die Zahl der Schulkinder, die in einem von der
Stadt umsonst zur Verfiigung gestellten Eaume des Militar-
hospitals unterrichtet wurden, belief sich auf 72. Weitere Er-
hebungen lieBen die Forderung der protestantischen Geistlich-
keit, tiir den Entgang der Stolgeblihren entschadigt zu werden,
als berechtigt erscheinen. Eine konigliche Verfugung vom
24. Febr. 1813 bestimmte, indem die Katholiken von neuem
als von jeder Verbindung mit den protestantischen Pfarramtern
befreit erklart wurden, daU dem Stadtpfarrer der Neustadt
Dr. Ammon 18 Gulden 26 Kreuzer und dem der Altstadt
Dr. Vogel 24 Gulden 7^2 Kreuzer jahrlich auf ihre Dienetzeit als
Entschadigung aus der allgemeinen geistlichen Unterstiitzungs-
anstalt zu Ntirnberg zu zahlen sei, ,,die tibrigen Geistlichen
und das niedere Kirchenpersonal aber," so heiCt es weiter, und
das ist ein bewunderungswiirdiges Auskunftsmittel bureau-
kratischer Weisheit, „haben ihren Ersatz auf dem Wege der
Beforderung zu suchen". Wenige Wochen spater, am 3. Mai 1813,
wurde endlich die bisherige Kuratie Erlangen zu einer selb-
standigen Pfarrei erhoben und das Bethaus zur Pfarrkirche
erklart. Der Umfang der Parochie erstreckte sich anfangs ledig-
lich aUf die Stadt Erlangen und die kirchlich in die Altstadt
gehorenden Dorfer, und erst im Jahre 1847 wurden die katho-
lischen Einwohner zu Kleinseebach, Mohrendorf und Oberndorf
aus dem Verbande der protestantischen Pfarrei Mohrendorf ge-
lost und nach Erlangen eingepfarrt. Allein die weitere Ent-
wickluDg der katholiscben Gemeinde liegt auBerhalb des Eahmens
dieser ihre Anfange behandelnden Skizze.
Kolde, Die Anfaage einer katholischen Gemeinde in Erlangen. 85
Beilagen.
I.
Aus den Sitzungsprotokollen des Presby teriums der
franzbsich-reformierten Gemeinde in Erlangen^).
a.
Du Lundi, 15. Juillet 1737.
La compagnie du ConsistoirQ s'^tant assemble extraordinaire-
ment; pour deliberer a faire de representations a S. A. S. au sujet
du bruit qui court de la permission que les Catboliques Romains ont
de batir une maison pour y faire leur exercice ou lire messe, apres
I'in vocation du saint nom de Dieu, M' le Pasteur O'Bern moderant
Taction; presents les S" Sabatier, Barde^ Margerie, Fabre,
Caubet; Fraisse, Astruc et Dutent, anciens, La compagnie a
cbargS unanimemeut M^ le moderateur O'Bern de faire une minute
d'une tres bumble requette en termes les plus fortS; toute fois tres
soumis, pour en faire la lecture Jeudy procbain.
(Unterzeichnet : die obengenannten) .
Astruc^ ancien et secretaire.
b.
Du Jeudy, 18. Juillet 1737.
La compagnie du consistoire s'6taut assembl6e apres Tinvocation
du 8^ nom de Dieu, mons^ le Pasteur O'Bern moderant Taction^
presents les s*"^ Dutent, Aldebert, Sabatier, Barde, Margerie,
FraissO; Caubet, Fabre^ Astruc, anciens. La minute des Re-
quettes, qui doivent etre presentees a S. A. S. ayant ete lues, et
approuv6es, doivent etre mises au net, et presentees par M^ O'Bern
et le 8^ Sabatier a S. A. S. Monseigneur.
O'Bern pasteur.
Astruc, pour tous et avec charge.
c.
Du Jeudy, 24. Juillet 1737.
La compagnie du^ consistoire s'^tant assembl6e apres I'invocation
du s* nom de Dieu mons' le Pasteur O'Bern moderant Taction,
Presents Mess^^ Dutent, Sabatier, Aldebert, Fraisse, Barde
et Nicolas Fabre, anciens,
Selon le rapport que Mons^ le Pasteur O'Bern et M^ Sabatier
ont fait de la deputation dont ils avaient ete charges par la com-
1) Die zum Teil fehlerhafte Schreibweise des Originals ist be!-
bebalten wordeu.
86 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in £rlangen.
pagnie aupres de S. A. S. au sujet du rescript accord^ aux Catho-
liques Romains et dous avons appris avec satisfaction que les dits
deputes avaient et6 favorablement recUs de S. A. S. et que leurs
representations avaient produit un effet si favorable que S. A. S.
leurs avait proxnis expressSment plusieurs fois que I'etablissement des
Catholiques Romains dans cette ville n'aurait aucun lieu, jusque la
meme que Monseigneur le Margrave les avait charges d'en assurer
tous les membres de la Colonie francaise etc.
d.
Du Jeudy, 16. Dez. 1738.
La compagnie du Consistoire s'etant assembl^e apres Tinvocation
du s* nom de Dieu, Mon^ le Pasteur O'Bern moderant Taction,
Presents Messieurs le Pasteur Malvieux, Dutent, Pelegrin,
Aldebert, Barde, Navelot, Puy, Lautier, Cobet, Andres et
Fabre anciens.
La compagnie ayant murement delibere [bier findet sich eine
ausgestricbene Stelle : Sur les ordresque Son Exelence Monsieur le Baron
D'Esperg] toucbant les raisons solides que nous avion s a alegu6
[er] contre la concession d'un oratoire aux Catboliques Roi^ains dans
cette ville nous avons jug6 apropos selon teneur d'un Ecrit que
Monsieur le Pasteur Malvieux nous a comuniqu6; de nous referrer
aux Representation qiii ont ^t6 faittes par la Police et par les
Con®^^ de Commerce^), mais nous avons ajoutt6 qu'il faillait faire
aussi mention des Representations, qiie notre dit Consistoire avait
fait et qui tendaient a representer a S. A. S. le domage que cause-
rait une pareille concession a la Religion Protestante. Toutte la
Compagnie a aprouv6 unanimement cette deliberation a Texception de
Mons^ le Pasteur Malvieux qui ^'est retir6 de Consistoire, prote-
stant qu'il presenterait son avis particulier.
e.
Aus dem Jabre 1750 findet sicb eine Verbandlung Uber die
Beerdigung eines Katholiken, der auf dem reformierten Friedhof be-
graben werden soil. Der Superintendent Pfeiffer ist damit einver-
staudon, verlangt jedoch einen Revers, in welcbem das franz.-reform.
Presbyterium die Parochialrechte der Intberischen Geistlichkeit aner-
kennen soil. Der 1. Pfarrer der franz.-reform. Gemeinde, Le Maitre,
spricbt sicb dahin aus: ,,Quoique je sois per8uad6 que Mess^^ les Lutbe-
riens ne devraient pas se pr^valoir, comme ils font, de ce que les decla-
rations de S. A. S. leur accordent, et que le cas du defunt Collignon
fut disputable pour diverses raisons conniies, je ne ferai point de
1) Unter diesen conseillers de Commerce befand sich (vgl. oben S. 59
Anm. 2) auch das Glied der Gemeinde „con8eiller Verdier** ^syndic de
la ville-.
Kolde, Die Anfange einer katholiscben Gemeinde in Erlangen. 87
difficult^s, en accordant a M^ le Surintendant le Revers qu'il deinande
en ajontant qne par le present acte on De pretend prdjudicier ni a
BOS droits ni a ceux de I'Eglise Lutberienne/' Der 2. Pfarrer^
Hollard; ist der Ansicht: ^Messieurs les Lutheriens ont tonjoiirs
pretendu enterrer les franco is cathol iques qui leur ont pil payer
leurs jure stole; et nous ne devons faire ensevelir que les miserables^
et cela donnant encore un Hevers. II me semble que ce serai t ass^z^
si nous le faisions enterrer a la pri^re des parties (der Baron de
Tubeuf hatte mit dem Super! ntenden ten verbandelt und an das
Presbjterium die Bitte fur die pauvre famille gerichtet), en leur
laissant le soin de prevenir des oppositions de M^^ les Lutheriens
qui pourraient reserver leurs droits par uue protestation. Cependant
la chose ne soufrant pas du delai, je ne m'oppose pas a ce que Ton
donne un Revers comme il est dit cj-dessus."
f.
Du Jeudy, le 5® Janvier 1786.
, La compagnie du Consitoire s'6tant assembl^C; M^ le Pasteur
Hollard moderant Taction^ present M^ le Pasteur Agassiz; M^
Gilly, Tribon, Perrin et Fabre anciens,
Le lonable Gouvernement de cette ville, ayant sous le 19® Decern bre
1785 communique au Consitoire francois Reform^ une copie de la
Cbartre ou du Decret de Concession accord^e par S. A. S. le 20®
Janvier 1785 aux Catboliques Romains, couceruant Torratoire quails
peuvent b^tir pour y celebrer leur culte Divin avec les conditions
sous lesquelles cette Permission leurs est accord^, avec ordre d'y tenir
la main afin qu'elle ne soit point par eux trausgress^e; et en ce cas
en donner notice au Louable Gouvernement, il en a ^t^ fait Lecture
dans la Compagnie et les dittes pieces seront conserv6es aux actes.
n.
Bittschrift der franzosisch-reformierten Gemeinde von
dem Markgrafen Friedrich^).
19. Juli 1737.
Monseigneur.
Un Prince dont la Bont6 et TEquit^^ sout les Vertus favorites,
est proprement le Pere de ses sujets, c'est sous cette id6e infioiment
douce que nous envisageons Votre Altesse Serenissime que la Divine
Providence nous a donn^ pour Souverain. —
Ainsi pleins d'une Confiance egalement Respectueuse et filiale
nous prenons la liberty de faire a V. A. S. nostres humbles repre-
1) Fait par Mods. D'Obern pastenr de la colonie.
88 Kolde, Die Anfltnge eioer katholischen Gemeinde in Erlsngen.
sdntations, au siijet de la Permission que V. A. 6. a accpfd^e aiix
Catholiques romains de s'etablir dans cette Ville et d'y avoir meme
jusqnes a un certain point le libre excercice de lenr Religion.
Nous ne pouvons dissimuler a Y. A. S. que notro Douleur a
et£ extreme a I'ouie de cette nouvelle^ elle nous a paru meme si
facheuse, que nous avons fait tout ce qui etait en notre pouvoir
pour nous persuader qu'elle etait destitute de realit6, mais a present
qu'elie nous est verifi^ de tontte part, rien n'egalerait notre chagrin
pour ne pas dire notre desespoir, n'etait la sure ressource que nous
esperons de trouver dans la Bont^ de V. A. 8.
Permettez done, Monseigneur; que nous fassions a Y. A. S. un
triste mais naturel Expos^ des maux funesteS; des terribles iucon-
veniens qui nous menacent, si la Grace que Y. A. 8. accorde aux
Catholiques romains a son execution. L'avenir; qui nous promettait
depuis I'heureux aveuement de Y. A. 8. a la Regeuce la Pro-
sperity plus douce et la plus parfaite, ne nous laisse plus entrevoir
depuis cette concession que des malbeurs sans nombre^ nous supplions
Y. A. 8. d'en juger elle meme.
Les Catholiques romains que Y. A. 8. veut nous donner pour
Compatriotes et concitoyens, sont des ennemis jur^s du nom prote-
stant; la haine implacable que Ton remarquait autrefois entre les
Juifs et les 8amaritainSy ne donne qu'ime faible id^e de celle que
les Catholiques romains ont contre nous, Haine autant plus forte
quHls la suceent avec le lait et qu'elle est comme exig^e en Yertu
par leurs Moines et leurs Prelats, qui ne cessent de nous peindre a
leur yeux comme des monstres que I'Enfer a enfante pour la mine
de I'Eglise de J. C. et que Ton doit poursuivre avec le fer et le
feu. lis ne peuvent nous pardonner d'avoir expos^ au grand jour
la 8uperstition et Tldolatrie de leur culte, le mepris prophane qu'ils
font de la Parole de Dieu^ en lui substituant en quelque maniere
la tradition^ ils ne peuvent nous pardonner d'avoir fait connoitre
tout ce qu'il y a de faux et de rUineux dans le sisteme de I'infailli-
bilit6 de leurs papes et de leurs conciles, tout ce qu'il y a d'injuste
et de tirranique dans leur Gouveurnement Ecclesiastique Nous
avouons, Monseigneur, que la haine que les Catholiques romains
ont contre nous, n'ayaut point d'autres causes que celles que nous
venous d'indiquer, nous fait infiuiment d'honneur, mais il n'est pas
moins vrai, qu'elle nous donne tout a craindre, une triste experience
ne nous laisse aucun lieu de douter des fuuestes effets dont leur
Zele aussi amer que fiirieux est capable, nous n'avons pas encore
oublie le Massacre quails ont fait de taut de milliers de nos freres
en France, en Italic, en Espagne, en Angleterre, en Irlande et en
Allemagne meme; nous n'avons pas encore perdu le 8ouvenir de
touttes les trames funestes; de tons les complots sanguinaires qu'ils
ont machine contre nous^ Complots dans lesquels les Dints memos
Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in firlangen. 89
du Seigneur n'ont pas et6 epargn6 — temoin Henry quatre Roy
de France de Glorieuse Memoire qui fut poignard^ a T instigation
des Jesuites. Les affreux projets que 3es Catboliques romains viennent
de former tout recemment sur le Wirtemberg et qu'ils auraient execute
si la sage Providence qui veille toujours a la conservation de. son
Eglise ne les avait fait echouer, nous prouvent clairement que
leurs Dispositions a notre egard sont toujours les memes et que nous
avons tout a craindre si V. A. S. ne se laissant point toucher par
nos representations ; persiste dans le Dessein de leurs ouvrir un
asyle dant cette ville et de nous les donner pour Compatriotes et
Concitoyens.
Mais oserions nous le dire, Monseigneur, les inconvenients que
nous venous d'exposer a V. A. S. sont les moindres que nous ayons
a aprebender, car enfin, s'il n'etait necessaire pour contenter V. A. B.
que de lui immoler notre repos, notre suret6, notre vie meme, ce
seraient autant de sacrifices que nous ne balancerions pas un instant
de lui fairo; mais nous avons la douleur de voir que notre Religion
est ici vivement interess6e et que Tetablissement des Catboliques
romains dans cette ville va la mettre sur le pencbant de sa mine.
Gar enfin Mon seigneur, c'est une verity d'experience que le
Commerce et la frequentation perpetuelle des Personnes qui sont
d'une Religion fausse et erron^e, affaiblit pen a pen Teloignement
raisonable que I'on doit avoir pour leurs principes. Cet inconvenient
est surtout inevitable a Tegard du Peuple dont les Inmieres moins
solides et moins etendues, le rendent plus susceptible d'erreurs et
d'illusions; ainsi nous aurons la Douleur de voir nos freres les
Evangeliques aussi bien que les Reform^s, s^apprivoiser iusensiblement
avec les erreurs du Papisme, ct cette sainte borreur^ cette juste
indignation contre Tldolatrie et la Superstition des Catboliques ro-
mains que nous avons receu de nos reformateurs^ s^eteignant iusensi-
blement parmi nous, donnera plus de prise a ces Convertisseurs dont
VEglise romaine est remplie et leurs procurera la facility de deployer
le Zele egalement outr^ et aveugle qui les porte a cbercber des
Proselites par terre et par mer, Zele qu'ils ne pourront deployer
qu'avec succes dans un Siecle vendu comme le notre aux plus sordides
interets et dans une ville ou il y a tant de pauvres et d'indigens,
vu que par leur opulence ils sont en etat de faire a ceux qu'ils
veulent seduire les memes offres que Satan fit autrefois a J. Cb.
Si Tu Te prosterues devant moi, je te douneray touttes les ricbesses
et la gloire du monde.
Joignez a cela, Monseigneur, les Mariages que Tuniou des
Protestant avec les Catboliques, dans cette ville rendra inevitables
entre les uns et les autres a la suite des temps, mariages que l^on
doit regarder comme la Perte de la Religion. Nous savons bien
que les loix de TEtat semblent remedier a cet inconvenient en or-
J
90 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde In Eriangen.
donnant que les Enfants qui naissent de ces Mariages mixtes; doivent
etre elev^s dans la Religion Protestante, mais les loix les plus severes
et les plus positives peuvent elles empecher, qu^un pere ou une
mere Catholique ne fassent tons leiirs efforts pour jetter dans le
coBur de leurs enfants les semences d'une Religion qu'ils croyent la
seule veritable.
Telles sont, Monseignetir, les justes allarmes que jette dans nos
coeurs la grace que V. A. S. veut accorder aux Catboliques Remains,
nous n'ignorons point que ces craintes et ces allarmes he seront
pent -etre pas d'abord realis^es^ nous sommes persuades que les
Catboliques par le Gonseil meme de leurs Prelats et de leurs Moines;
aborderont dans cette ville avec la simplicity et la douceur des brebis
et qu'ils ne nous parleront que de paix et de Concorde^ mais de
si specieux dehors ne nous tromperont jamais; Mille raisons egalle-
ment Solides touttes fondles sur VExperience nous portent a croiro
que ce seront interieurement autant de loups ravissant qui n'aurons
pas plutot assur^ leur Domicile parmi nous, qu'ils ne chercberous
qu'a nous devorer. Nous somme pleinement persuades que V. A. S.
prendra touttes les Precautions que la prudence la plus consomm6e
pent suggerer pour nous garantir de tons les inconvenients que
nous craignons; mais de fortes presomptions nous font appreheuder
que ces Precautions n'ayent pas tous le succes desire: puisque les
nouveaux Sujets dbnt V. A. S. veut faire Taquisition sont obliges
d 'adopter sous peine d^Anatheme Todieux Decret du Concile de
Constance qui porte que Tout ne doit point garder la foi aux
Heretiques. Imbus de pareils principes, de quoi les Catboliques
remains ne sont ils pas capables, quel fond pent on faire sur leur
fidelity; ne s'en suit il pas clairement qu'en acquerant par ce moyen
de nouveaux sujets, V. A. S. acquera des Corps et non pas des
CoBurs; ne s'en suit il pas meme, que la suret6; le repos de Y. A. S.
ne sont pas moins impliqu^es ici que la surety et le repos de vos
bons et fideles Sujets protestans. Pnisse de si funestes augures etre
a jamais detourn^s des Etats de Y. A. S., puisse surtout Y. A. S.
prendre la resolution de conjurer un orage qui ne pourrait que causer
notre perte et notre mine entiere^ ce sont les voeux qu'adressent
ardemment au ciel les membres de la Colonie Fran^aise, en suppliant
celui qui dispose de la destin^e des Rois et des Princes et qui tient
Leurs coeurs dans sa Main, de repandre ses plus abondantes Benedic-
tions sur Y. A. S. et sur toute Son Auguste Maison, etant comme
nous le sommes avec un profond respect un zele entier et inviolable
pour Son Service
Monseigneur
de Yotre Altesse Serenissime
Les tres humbles, les tres obeissants et tres obliges sujets et
serviteurs.
Eolde, Die AnfaDge einer katbolischen Gemeinde in Erlangen. 91
ni.
Baron von Reitzeustein an den Hofwagner Nicolaue Gafl
in Erlangen.
Bayreuth, 18. Jannar 1739.
Vielgeehrter Herr Hofwagner!
Dessen beede Schreiben vom 13. und 16. diefi. babe wobler-
halten und melde bierauf^ dafi derselbe, wie bereits in meinen vorigen
Schreiben gedacht^ den Math fallen za lassen gar nicht Ursacb
baben^ indem dasjenige, was von der Verrichtung derer Deputirten
in Erlang ansgesprenget wird, grundfalsch, aller mafien mir sehr
wohl bekannt, dafi gen. Deputirten bey ihrer gehabten Audienz von
Sr. hochfiirstl. Durchl. nicht nur einen ziemlich derben Verweifi be-
kommen, sondern auch noch dazu ab- und dafi sie nimmer wieder-
kehren solten, angewiesen worden, dafi sie. also auf all ihr Anbringen
nicht die mindeste Eesolution erhalten.
Der junge Verdier befindet sich zwar noch hier und kann es
auch sein, dafi Er alle Tage nach HoflP kommt : Er wird aber gleich-
wohlen in dieser Sache so wenig als ein Metzgers Hund in Erlang
ausrichten k5nnen.
Diese Sache mufi ganz auf andere Art, als sich derselbe ein-
bildet, tractirt werden und mufi man also nur Gedult haben, dann
ich vorjeczo wegen andern vielen Verrichtungen ohnmoglich in dieser
Affaire etwas vornehmen kan. Sobald nun hierinnen etwas effectuiren
werde, soil demselben Nachricht gegeben werden, damit Er anhero
kommen m5ge. Ich verharre inzwischen Bayreuth den 18. Jan. 1739
Meines vielgeehrten Herrn Hoffwagners
dienstwilliger
E. E, v.^) Reitzeustein.
Or. Kreis-Archiv in Bamberg. Akten der kath. Kirchenbau
in Erl. betr.
IV.
Der akademische Senat zu Erlangen an den Markgrafen.
Erlangen d. 13. Jnli 1774.
Ew. Hochfiirstl. Durchlaucht haben per Rescr: clem d. d. 4 et
pr. 9. Jun. a. c. uns gnSdigst zu erkennen gegeben, wie HUchst-
dieselben noch immer des wohl erwogenen Davorhaltens wSren, dafi
durch Concedirung eines catholischen Privat Gottesdienstes zu Erlang^
viele der catholischen Religion zugethane Studiosi beygezogen, mithin
auch hierdurch Hochstderoselben treu devoteste UniversitSt in be-
sondere Aufnahme gebracht werden kSnne, und derohalben darUber,
ob eine dergleichen Gestattung wUrklich vertraglich sey? und wie
1) Die Bucbstaben sind, well ineinander gescblungen, nicht ganz
genau zn lesen.
92 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Erlangen.
die Errichtung eines Cultus privati religionis catbolicae zu machen
seya m5chte? uuser rathliches Gatachten erfordert.
Zuforderst nun mussen Eu. HochfUrstl, Durchlaucht wir fur
dieses abermahlige Zeichen der ganz ausnehmenden Gnade nnd Vor-
sorge, deren HQchstdieselben ans jederzeit zu wiirdigen geruhen,
den unterthSnigsten Dank in tiefster Ehrfurcht abstatten^ und werden
uns umsomehr beeifern, diejenigen Pflichten auf das genaueste zu
erfUlleU; welcbe uns durch so wiederholte Beweise landesfiirstlicber
Gnade und Zufriedenheit auferleget werden. In diesen reinsten Ge-
sinnungen wagen wir es Eu, Hocbfiirstl. Durchlaucbt^ Hochstdero-
s.elben gnSdigen Begehren gemSfi diejenige Gedenken nacb unseru
besten Wissen und Gewissen untertbSnigst vorzulegen, welcbe wir
nacb reifer t)berlegung und genauer Ermefiung aller UmstSnde uber
die intentirte Anlegung eines exercitii privati der catholiscben
Religion allbie zu Erlang begen.
Wir setzeu voraus, dafi wir uns niemals den Verdacbt einer
Intoleranz oder eines unfreundlicben Betragens gegen andere Glaubens-
genossen im geringsten zugezogen, sondern uns vielmebr jederzeit
nacb nnsern Sufiersten KrSften bestrebet, den Pfiicbten der Menscblicb-
keit ohne einigen Unterscbeid des Gottesdienstes gegen jedermann
ein Gentige zu leisteu, und mit andern Religions Verwandten ein
gutes nacbbarlicbes Vernebmen zu unterbalten^ in der gewissen
"Cberzeugung, dafi Lebrer der Wissenscbaften die ibrer Unterweisung
anvertraute Jugend aucb bierinne durcb Beispiele zu unterricbten
und zu desto braucbbarern Dienern der Kircbe und des Staats auf
kunftige Zeiten zu bilden verbunden sind.
Nicbtsdestoweniger aber kSnnen wir, nacbdem annjetzo Eu. Hocb-
furstl. Durcbl. unser rStblicbes Gutacbten Uber die Eiufubrung eines
catboliscben Privat Gottesdienstes allbie erfordern, nacb unsern ob-
habenden scbweren Pflicbten nicbt umbin, Eu. Hocbfiirstl. Durcb-
laucbt darwider folgendes in scbuldigster Untertbgnigkeit vorzustellen.
Eine Notwendigkeit dieser Einricbtung ist bei der bekannten
Situation des biesigen Orts nicbt vorbanden, da in einer geringeu
Entfernung von kaum einer kleinen Stunde, wie bereits in dem vor
einigen Jabren auf Befebl edierten Scbreiben von dem Zustande der
allbiesigen Universitat oflFentlicb gemeldet worden, die bequemste
Gelegenbeit zu Besucbuog des catboliscben Gottesdienstes befindlich
ist, deren sicb bisber alle und jede catboliscbe Studiosi, welcbe sich
bey uns eingefunden, jederzeit und obne einigen Anstand bedienet,
indem wir dieses bald anfangs untertbSnigst bemerken mlissen, daB bis
daber obne der catboliscben Promotionum in facultate iuridica, medica
et pbilosopbica zu gedenken, scbon gar viele der catboliscben Religion
zugetbaue Studiosi die allbiesige Universitat besucbet, aucb sich
gegenwSrtig nocb actu dergleicben dabier befinden, obne dafi jemahls
nur die geringste Klage uber Mangel zur Gelegenbeit des catbolischen
Kolde^ Die AnfSnge eiuer katholischen Gemeihde in ErlaDgen. 93
GottesdienBtes von ihnea zu vernehmen gewesen, indem sie vielmehr
im Gegenteil jederzeit die grbfite Zufriedenheit tiber die allhiesige
Eiorichtung bezeiget. Es kann auch in der That die Sache um so
weniger AustoB habeD, da reicbe und wohlbabende Studiosi dieseh
Weg mit gar geriDgen Kosten im Wagen, dUrftige aber ohne die
geringste Bescbwerung zu Fufi zuriickzulegen im Stande siud, und sich
verschiedene andere evangeliscbe Universitaten, unter deueu wir nur
Jena Damhaft macben wollen, in Teutscbland finden^ welche wcder
in ihren Kiugmanern, noch auch sogar in ibrer Nacbbarscbaft einige
Gelegenbeit zum catbolischen Gottesdienste babeu, und gleichwobl
von catbolischen Studiosis fleifiig besuchet werden.
[Das Beispiel der Universitat Gottingen^), woselbst zum Behuf
der catbolischen Studiosorum dergleicben Privatgottesdienst angerichtet
worden, kann bierunter nicbts sLndern, da es mit deren LokaU
bescbaffenbeit eine gauz andere Bewandnis^ als mit der unsrigen^
bat, und die Catholici aufierdem daselbst viele Meilen weit umbei*
keine Gelegenbeit zu ibrer Religion subung antreffen.] Zudem ist es
noch sebr ungewifi, ob dieselbe durch dieses Institut einen wirklicben
Vorteil erbalten, da es sogar eine ganz bekannte Sache ist, dafi diese
und andere abnliche Anstalten derselbeu bier und da allerhand offent-
licbe VorwiJrfe, zugezogen und mebrere junge Leute aus diesem
Grunde dabin nicht geschicket worden.
Ohno UDS indessen dabey aufzubalten^ so diirfte doch bey uns
durch Anlegung eines solcben catbolischen Privat Gottesdienstes gewifi
kein besonderer Nutzen^ oder ein betracbtlicher Zuwachs der Studio-?
sorum zu erzielen seyn^ da noch immer die Studiosi denenjenigeu
Universitclten^ welche ibrer Religions Parthei zugetban sind, baupt-
sachlich nachzuzieben pflegen, und sogar die Reformatio welche doch
allhie die voUige unbeschrankte Ausubung ibrer Religion finden^
auch in ibrer Maafie nach denen uns gnSdigst verliebenen Statutis
zu academischen Lebratntern gelangen konnen^ nicht eben in all-'
zugrofier Ansabl anherkommen. Bei denen catholicis erlauben
Eu. Hocbfurstl. Durcblaucbt uns gn^digst^ noch hinzuzusetzen, dafi
diese sogar vormalsj wie gar leichtlich in sonderheit aus einem'
Protocollo Concilii Decaualis d. d. 11. Juni 1748^) zu verificieren
1) Dieser (vom Prorektor?) dem Eonzept beigeftigte Hinweis auf
GSttingen, wnrde wohl durch Harlesz, den Philologen veranlaBt, der bereits
In der Missive bemerkt hatte: „In Gottingen haben die Cathol. in eincm
Privat Haus ihren Gottesdienst erlaubt. tibrigens ace. majoribus". Er
blieb aber bei der Reinschrift aller Wahrscheinlichkeit weg, denn in dein
ISenatsprotokoU vom 24. Juni 1874 ad 6 hei^t es; Ist der Bericht wegep
des katholischen privat Gottesdienstes verlesen worden. Wurde derselbe
approbiert, ausser daB darinn das Dubium wegen der Universitat Gottingen
I'emovirt werden solle.
2) Daselbst heiBt es: ^l^^m Oath, studioso Reit wollte man ein
attestat universi. weggeben, daB bereits verschiedene Eatholiken bier
stndiert noch auch studierten, damit sich derselbe zu Hause legitimieren
.94 Kolde, Die Anfange einer kathoHschen Gemeinde iu Erlangen*
stUnde; ihren Glaubensgenossen Uber die Besuchung der hiesigen
UniversitSt, als einer protestantischen verschiedentlich VorwUrfe ge-
macht, und daher gegenwSrtig, nachdem insbesondere in den bey
den benachbarten Hochstiftern Bamberg und Wtirzburg insonderbeit
nach Aufbebung des Jesuitenordens so grofie Kosten auf die Yer-
besserung der Scbnleu und UniversitSten verwendet werden, desto
weniger glaublich fallen will, dafi sie aucb bey noch mehrerer Be-
quemlicbkeit des Gottesdienstes eine evangeliscbe und solcbe Uni-
versitSt zahlreich besuchen sollten^ welche doch in facultate iuridica
ibren Meinungen allemabl zuwider lehren mufi^ da sie in ihrem
Vaterlande Gelegenbeit finden, die evangeliscben LebrsEtze zugleicb
mit der vorgeblicben Widerlegung zu erlernen^^ wenigstens gegen-
wSrtig in WUrzburg und Bamberg verschiedene Professores bestellet
worden, welche hiebevor auf evangeliscben Universitaten studieret.
Allein, wenn aucb alleufalls einige mehrere Studiosi durcb eine
dergleicben neue Anricbtung des catboliscben Privat Gottesdienstes
beygezogen werden sollten^ so kQnnen wir doch dagegen, unsere
grofie und gegriindete Furcht in keiner Weise bergen, dafi nicht
dadurch auf der andern Seite Eu. HochfUrstl. treu geborsamsten
UniversitUt mancherlei grofier Nachtheil zugehen werde. Bey einer
solchen Einrichtung ist es nicht anders mbglich, als dafi der Hafi
und die Erbitterung der Stadt und Burgerschaft, mit der wir ohnebin
unaufhSrlich zu kampfen haben^ noch mehr vergrbfiert werde, da die
derselben gnadigst verliehene Privilegia mit sich bringen^ dafi kein
cultus religionis catholicae darinnen angeleget werde, und selbige
sich in den vorigen Zeiten zu verschiedenen malen durcb ihre bey
gn^igster Landesherrschaft gethane Vorstellungen bey diesem Vor-
rechte krUftigst zu erhalten gewufit hat, mithin aber dergleicben
Anstalt flir eine blofi zu unserm Vorteil geschehene Einschrankung
ihrer Privilegien desto mehr ansehen wtirde, als doch wegen er-
mangelnden Platzes in den academischen Gebauden ein dergleicben
Privat Gottesdienst in der Stadt und ein em Burger Hause anzurichten
sein wtirde. Was aber die Erbitterung der Blirgerschaft flir schSd-
liche Folgen babe, zeigen die vorigen Zeiten mit mehrerm, wo es
verschiedentlich dartiber zu grofien Tumulten und Unruhen gekommen,
welche die mehrer Aufnahme und Wachsthum HSchstderoselben ge-
treusten Universitat gar sehr gehindert.
Aufierdem ist es sogar leicht moglich^ dafi durcb einen solchea
catboliscben Privat Gottesdienst aller unserer Sorgfalt ohneracbtet
Unordnungen unter denen Studiosis selbor entstehen, wenn etwa,
wie bei jungen muntern Kbpfen nicht allemal zu verhiiten, liber
die dabei gewShnlichen Kirchengebrauche Spottereyen gebraucbet
werden sollten, indem doch bey einem cultu et exercitio privato
kbnnte, weil es seinem Vorgeben nach Anfsehen machte, daB er auf einer
protestantischen Universitat stadiere**.
Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in Erlangen. 95
religionis fremden Eeligionsverwandten der Zntritt nicht wohl zu
yerwehren und von denenjenigeu catholischen Studiosis, welche sich
etwa noch dutch diese Anrichtung ihres Gottesdienstes besonders
anhero ziehen lassen sollten, uotweudig zu befurchten ist, dafi sie
bigotter und unleidlicber als andere ihresgleichen seiu durften. Dem-
DUchst k5nnte dieses aber auch gar leicht eine Ursache werden,
warum wir auf der andere' Seite eine starke Einbufie an Studiosis
erleiden kSnnten und viele evangelische Eltern ihre SShne nicht
anherO; soudern an andern Orte schickten, wo nur eine gleichformige
Religions Ubung hergebracht, indem es doch gar zu bekannt^ und
wir ohue jemand zu nahe zu treten, wohl behaupten konnen, dafi
der catholische Clerus zu keiner Zeit unterlassen k5nne, Neubekehrte
zu macheu; uud es daher leicht geschehen durfte^ dafi man auch
dann und wann auf Studiosos dergleichen Versuche inachte. tJber-
haupt bestattiget die tEgliche Erfahrung nur gar zu sehr und zeigen
es die traurigen Beyspiele vom Simultaneo augenscheinlich, dafi die
catholische Geistlichkeit ihre Freyheit und erhaltene Erlaubnifi ins-
gemein mifibrauche und insonderheit mit denen Reformirten, deren
allhier doch eine betrachtliche Anzahl vorhanden, in gar schlechtem
Vernehmen zu leben pflegen^ welches am Ende 5fters zu Unruhen
uud Unordnungen ausartet^ die an Uuiversitats Orten mit desto
gr5fierm Nachtheil verbunden sind.
Aus alien diesen Orunden nun, durchlauchtigster Marggraf und
Herr, k5nnen wir nach unserer besten Cberzeugung nicht anders^
als dergleichen Anlegung eines catholischen Privat Gottesdienstes
weder fur notwendig noch fdr zutraglich, vielmehr im Gegenteil dem
besten und der Ruhe h5chst deroselben treu gehorsamsten UniversitSt
auf viele Weise fur hinderlich erachten^ und hegen die unterthUnigste
HofFnung, Eu. H. D. werden diese unsere auf so vielen Griinden
beruhende Meinung, nicht in Ungnade vermerken, die wir uns ub-
rigens zn ferneren landesvUterl. Gnaden und Hulden unterthSnigst
empfehlen und mit tiefstem Respect verharren
E. H. D.
Erlang d. 13. Juli 1774. P.
(Concept.)
V.
Der akademische Senat an den Minister Frh. v. Seckendorf*
Erlang, 10. Febr. 1783.
Ew. Hochfreyherrl. Excellenz haben uns durch den gegen-
wartigeu Pro Rectorem gnUdig eroffnen lassen, welch gnUdigsten Auf-
trag Ihro Hochfiirstl. Durchlaucht, unser gnSdigster Furst und Herr
Hochdeuenselben wegen eines dabier zu verwilligenden Romisch
Katholischen privat Gottesdienstes gemacht und dabey tiber die
Quaest. Quomodo? unser unterthllniges Gutachten abverlangt, welches
wir mit devotem Dank erkennen.
96 Kolde, Die Anfange einer katholischen Gemeinde in ErlaDgen.
Nun haben wir zwar Anno 1774 anf die Quaest. An? unter-
thSnigste Vorstellung gemacht, allein da diese von Ihro HochfQrstl.
Durchlaucht bereits gnSdigst entschieden worden : hiernach nicht nur
wegen der inzwischen verSnderten UmstUnde sondern auch haupt-
sacfalich dnrch die den Catholiken in Anspach yorgeschriebenen
Norm, welche auch hier eingefiihrt werden soUe, jene damals vor-*
gewesene Bedenklichkeit beseitigt worden, so verehren wir Ihro
Hochfiirstl. Durchl. gnadigsten Befehl in tiefster UnterthSnigkeit und
wiiuschen quoad quaest. Quomodo nur dieses^ dafi es dabei bleibe, dafi
1. dieser privat Gottesdienst aufier der Stadt in einer Vor-
stadt exerciert und
2. zu dem anzunehmenden Oeistlichen ein solcher Weltpriester
genommeu werden moge^ der nicht nur Uberhaupt friedfertig, sondern
auch insbesopdere mit der Academie ein gutes Vernehmen unter-
hKlt und dazu gesehHrftest angewiesen werden m5ge.
3. da in hiesiger Stadt seithero gewohnlich gewesen, dafi wenn
der catholische Geistliche zu Btichenbach hier jemand communicieren
wolleu; er jederzeit den Herrn Superintendenten oder den Herrn
Pastorem academicum oder den Herrn Stadtpfarrer in hiesiger Alt-
stadt, in defsen Dioeces n^mlich der Kranke sich befunden, darum
begrtifien und alsdann einen Kevers ausstellen miissen; so wUnschten
wir, dafi diese Einrichtung in Ansehung des hier aufgestellt werden
sollenden catholischen Geistlichen ebenfalls beybehalten werden mochte,
die wir Ubrigens mit vollkommensten Respekt yerharren
Ew.
unterth. gehorsamster
Prorector Procanc.
Erlang d. 10. Febr. 1783.
(Concept).
VI.
VorlSufige Konzessionsurkunde fiir die Erlanger
Katholiken.
Bayreuth, 31. Marz 1784.
Auf Ihro Hochfiirstl. Durchlaucht gnadigsten Special Befehl,
wird deuen Romisch Catholischen Religions- Verwauden zu Erlang
auf deren uuterthanigstes Ansuchen und bis zu Ausfertigung ^er
fbrmlichen Concessioos-Urkunde, iedoch ohne Consequenz und unter
Vorbehalt das in Hbcbstdero gnadigsten Gefallen stehenden Wiederrufs
hierdurch die Erlaubuis ertheilet, in einem in der Altstadt Erlang
zu mietheuden priuat Haufi oder Gemach in der Stille zusammen
zu kommeu, und daselbst bey eingef^llten Thiiren mit singen, beten,
lesen, Mefi und Predigt horen, wie auch mit Haltung der Communion
ihren prinat Gottesdienst zu uben, und hierzu einstweilen auf ihre
Kosten einen benachbarten weltlichen Priester, der sich iedoch vorher
Kolde, Die Anfange einer katholischcn Gemeinde in Erlangen. 97
schriftlich um die HochfUrstl. Erlaubnis zn melden hat, zu adhibireu.
Es sollen iedoch anforderst ersagte Catholische Beligions-Yerwande
nebst dem Geistlicheii sich ausdriicklich reuersiren, aus dieser Hoch-
fiirstl. Goade uuter keinerley Vorwand einiges Reclit zu folgern,
hieralUshst vor gnadigste Landesherrschaft getreulich zu beten^ sich
allerseits friedlich und einigezogen zu verhalteu, nirgendwo anzu-
hangen und iu einige HSudel einzumengen, die Protestantische und
reformirte Religion weder pro concione nach priuatim zu prestringiren
oder sich zu unterfangen iemand davon abzuzieheu; in fallen, da
Krauke in ihren Wohnungen mit denen Sacris zu yersehen wSren,
seiches zu thun vorher um iedesmalige Erlaubnis bey der Amts-
hauptmannschaft unter Nahmhaftmachung des zu providireuden Kranken
schriftlich nachzusuchen, das sogenannte Veuerabile Sffentlich nicht
Uber die Gasse zu tragen, auch aller Actaum parochialium ^ als
Copulationes , Tanfen, Leich-Bestattungen und minder nicht der
Sffeutlichen Tragang der Eosen-Kranze Uber- etc. auf den Gassen
sich gSnzlich zu enthalten. Urkundlich unter des HochfUrstl. Regie-
rungs-CoUegii hier vorgedruckten Insiegel.
Bayreuth, den 31. Mart. 1784. I. L. G. Wanderer.
(Copie in Erl. Dekanatsakten.)
vn.
Concession fiir die Erlanger Katholiken.
Bayreuth 30. Jan. 1785 ^)i
Ihro Hochfiirstliche Durchlaucht unser gnadigster Fiirst und Herr
haben auf anderweites anterthanigstes Ansuchen der in Hochstdero
obergebtirgischen Haupt-Stadt Erlang sich enthaltenden RSmisch catho-
lischen Religious Verwanden, Sich bewegen lafien, das ihnen wegen
des Exercitii Religionis prinati sub dato Bayreuth, den 31. Mart.
1784 bereits ertheilte Consessions Decret dahin zu bestSttigeu und
zu declariren :
I.
Soil erwehnten Catholicis aus bloser landesfdrstl. Gnade nach*
gelassen seyn, in gedachter Stadt Erlang an einem schicklichen ihnen
angewiesen werdenden Plaz, nach einem zur Approbation vorzu-
legenden Rifi, auf ihre Kosten ein eigenes prinat Haufi zu erbauen,
welches sie sodann als ein feudum perpetuo reuocabile, von dasigem
Casten Amt, durch einen der evaDgelischen Religion zugetlianen an-
1) Diese Konzession ist mutatis mutandis mit der Konzession ftir
Ansbach in der Sache und auch fast wirtlich gleichlautend, doch so, dnfi
sie sich dort schon auf den Bau an einen bestlmmten Platze ,in der neuen
Aniage allhie ohnfern der Getrayd-Schranne" bezieht. Der Revers vom
20. Dez. 1777 ist unterschrieben von Johann Valentin Erb, Joseph Siccard,
Lieutenant, Joban Georg Walther, Musicus, Jacob Lamberti, Franz Sig-
mund, Musicus. Als erstmaliger Lehenstrager f ungierte der Bausecretarius
Georg Fricdrich Knoll.
Beitrage zur bayor. Kircbeneeschicbto XII. 3. H
98 Kolde, Die Anfange einer katbolischen Gemeinde in Erlangen.
itSndigen LeheiitrSger yod Fallen zu Fallen mittelst Ablegnng gewShn-
lieher Lehcns iind Unterthans Pflicht zu recognosciren haben.
In diesem Hauiile soil Ihnen
II.
die Ausubung ibres prinat Gottesdienstes unter Adhibirung eines
catbolischen Welt Geistlicben unter nachfolgenden auedrticklicben
Bddingungen gestattet seyn^ dafi ersagtes prinat Haufi zu einer Capelle
oder Kircbe immermehr aptirt — darinnen ein sogenanutes Krippelein
und Grab Christi keineswegs erbaut, mehr ale ein Altar darinnen
nicht angeordnet, weder eine Glocke aufgebangen noch ein
Orjgel Werk aufgericbtet, oder soust eine Solennitaet^ wie die be-
schaffen seyn mag^ in oder aufierhalb defielben flirgenommen werde,
Bondern sie sicb in einem Gemacb (wobei gleichwohl der allzugrofie
ZiiBAmmenlauf des benachbarten catboliscben Land Volkes, das sonst
in Erlang nichts zu verrichten bat^ abgebalten und sonderlicb nicht
gestattet werden solle, sich zu Haufen — oder Processions weise
einznfinden, weswegen bierauf eine besondere Inspection ernannt
werden wird) in der Stille zu vereammeln, und mit Singen, Beten,
Les^n, Mefilesen^ PredigtbtJren^ Beicbten und communiciren, bey zu-
gemftcbten Thtiren ibre Andacbt zu verricbten haben.
So oft sich hiernUchst
III.
die Btelle des Geistlicben durch Tod odersoustiges Abkommen erlediget,
soil deren Wiederbesetzung bey Ihro Hochfiirstl. Durchl. von denen
catboliscben Beysafien und sonst Niemand supplicando gesucbet,
zugleich zwey oder drey Clerici seculares zu denen sie ihr Vertrauen
haben, in unterthSnigst unzielsezlichen Vorschlng gebracht, von hochst-
Ihrdselben sonach aus denen vorgeschlagenen Subjectis eines pro
arbitrio clementissimo denominiret heruffen und bestattiget — von ihm
durch die obergebllrgische Regierung oder wem dieselbe hierunter
den Auftrag thun wird^ das Handgelubd abgonommen und er zu
Festhaltung des von denen catboliscben Beysafien und ihrem iedes-
maligen Geistlicben auszustellenden dann von 5 zu 5 Jahren zu er-
neuernden Reuerses angewiesen werden.
Insonderheit liegt einem iedesmaligen R($misch catboliscben Geist-
licben ob, in denen Versammlungen vor gnlldigste Landesherrschaft
getreulich zu beten, sich aller Controuersien und AnzUglichkeiten
gegeu die protestautische und reformirte Religion und deren Religions-
Verwanden, so pro concione als sonsten zu enthalten, von jenen
Niemand sich auf einigerloy Weise abzuziehen, catholischer Personen
Copulationes, Taufen, und Leichbestattungen (es ware denn^ dafi
Leicben von Erlang abzufiihren, gegen Erstattung der Stol Gebiihren,
specialiter bewilligt wiirde, welche er sodanu in der Stille ohne alle
Procession in einer Chaise wohl begleiten mag) zu verrichten dem
Erlangischeu geistlicben Ministerio zu Uberlafieu^ in Fallen, da
Kolde, Die Anfange einer katholischcn Gemeinde in Erlangen. 99
Kraoke yon seiner Religion* in ihren HSufiern, oder Quatieren mit
denen Sacris zu versehen wSren, bey der Amtsbauptmannschaft nnter
Erbittung der diesfallsigen Erlaubnis, iedesmal die Anzeige zu than,
das sogenannte Venerabile hingegen, wie aucb die Rosen KrSuze
niemalen 5ffent1icb iiber die Gafie zu tragen, keine ofiPentlicbe Schule
zu balteu, oder halten zu lafien, sondern sicb an dem ihm und dem
adhibirendem Cantori lediglich q[uoad priucipia Religionis Romano
Catholicae hiedurch verg5nnet werdenden prinat Unterricht der Kinder
und Catechumen orum zu begnUgen, weder in- noch aufierhalb des
Oratorii einige Procession anzustellen, keinen andern catholischen
Geistlichen, aufier in KrankbeitsfSllen und auf vorgSngige Auzeige
und Erlaubnis vor sich vicariren zu lafien, sich iederzeit einer welt-
lichen Kleidung zu bedienen, und daferne defien UmstHnde langer
die Stelle zu begleiten nicht zugeben wollten, davon zeitlich unter
thanigste Anzeige zu erstatten, und sich, bevor er darauf mit gnadigster
Resolution versehen worden^ nicht yon dannen zu begeben. Uber-
haupt aber, wie in der reception und Aufnahme, so auch in seiner
Dimission alleine yon Ihro Hochfdrstl. Durchl. als seinem Landes-
ftirsten und Heren zu dependiren, wobey iedoch die ErlSuterung
beygefugt wird, dafi soyiel die geistliche Function es und Ritus quoad
priucipia Religionis Romano- Catholicae concerniret, H(5chstdieselbe
Sich darein zu meliren nicht gemeint seyen.
Demnslchst haben
IV.
•
alle in Erlaug befindliche R5misch catholische Verwandte denen
dasigen Ciuil-Policey- und Criminal Landes Gesezen und Verord-
uuugen, gleieh einem jedeu gehuldigten und treu gehorsamsten Landes
Unterthan zu . thun gebtihret, (ohne einige Exemtions Anmafiang,
oder unstatthafte Beziehung auf irgend eine sonstige Subiection oder
Dependenz) bey denen darauf gesetzten Strafen zu geleben, besonders
auch die in Ihro Hochfurstl. Durchlaucht obergebUrgl. Landen ein-
gefiihrte, oder fiirterhin ausschreibende allgemeine Fast- Bufi- und
Bet T^ge mit zu begehen.
Minder nicht
V.
Das unter obigen Conditionen yerstattete priuat Exercitium auf
keinerley Weifi und Wege weder directe noch per indireetum zu exten-
diren, vielmebr alles dasienige, was auch nur den mindesteu Scbein
einer affectirteh Extension, oder offentlichen Exercitii Religionis
Roman o-Catholicae , erwecken kbnnte, aufierst zu vermeiden, oder zu
gewartigeu, dafi aller RSmisch catholischer Gottesdienst mit eiumal
aufgehoben und denen Catholicis lediglich die Verkaufung des ihnen
zu erbauen yergSnnten eigenen Haufies, so gut sie konnen^ yer-
stattet bleiben siolle.
Gestalten sich denn ohnedem Ihro Hochfurstl. Durchl. yor sich-
100 Geyer, Das kircbl. Leben in Nfirnberg vor a. nach d. Dberg. an Bayern.
und H^chstdero Nacbfolger am Eegiment hierdurch ansdrucklich yor-
bekalten, dieso GnadeD BewilligUDg nach Erfordernis der Umstande
uadaus bewcgenden die Woblfahrt des Staats betreficnden Ursacben,
zu anderD, zu mindern, oder gSuzlicb zu ronociren und ersagtea
Cultnm Iq Erlang nicht mebr statt finden zu lafien.
Zu dea allem Urkund baben obbbchstgedacbt Ibro Hocbfurstl.
Darcblancbt gegenwHrtiges Concessions Decret uuter dero Hocbfiirstl.
lunsiegel und eigener boben Hand Uiiterscbrift ana- und denen
Komiscb catboliscben Insafien zu Erlang znfertigen lafien. Bayreutb
den 30. Januarii 1785
Alexander M. z. B.
(L. S.) ,
Das Original wurde den catboliscben Insafien ausgeantwartet.
Erlang den 26. Aug. 1785.
J. A. Greyer.
(Erl. UniversitUtsakten. Die Erricbtung eines katboliscben
Privatgottesdienstes betr.)
Das kirchliche Leben inNiirnberg vor und nach dem
Ubergang der Reichsstadt an Bayern.
Von Hauptprediger Dr. Geyer.
(Fortsetzung und SchluB.)
Eine neue Agende^) war in Nurnberg 1801 eingefuhrt
worden, die Junge auf obrigkeitlichen Befehl geschrieben hatte.
Per Geist dieses sehr vorsicbtig abgefaUten Buches wird am
besten durcb die Worte des Vorberichts cbarakterisiert: „Bey
den Eeligionshandlungen babe ich mehrere Formeln entworfen,
unter denen sich immer eine den alteren mebr nahert, um so
wol denen, die nocb mit Vorliebe fiir das Alte eingenommen,
als die schon an eine freyere Darstellung gewohnt sind, Be-
friedigung zu verschaflfen." Der erste Teil enthalt Gebete und
KoUekten, der andere die ITormulare fiir die gottesdienstlichen
Handlungen. DaB bei den letzteren die Beerdiguugen fehlen,
kann uns nach dem, was wir dariiber horten, nicht wundern.
Eine kirchliche Feier am Grabe mit Einsegnung u. s. wi gab
1) Neues Agend-Buch fiir die Nurnbergiscbe Kircbendiener in
der Stadt und auf dem Lande. Niirnberg. 1801. gedruckt bey dem Raths-
und Canzley-Buchdrucker Georg Friedricb Six. Der Vorberiebt ist vom
10. Oktober 1800 datiert.
Geyer, Das kirchl. Lebcn in Niirnberg vor u. nach d. Uberg. an Bayern. 101
es nicht, so geniigten die dem ersten Teil einverleibten^) zehn
Leichenkollekten. Am Ende des zweiten Teiles flndet sich eine
„Verbesserte Einrichtung der evangelischen und epistolischen
Pericopen"^) und eine „Kurze Pastoralanweisung" ^). Wer das
Buch aus seiner Zeit heraus zu verstehen und zu wurdigen
sucht und nicht von vorneherein den Erzeugnissen des rationali-
stischen Geistes die Existenzberechtigung abspricht, wird an
vielem, was darin steht, seine Freude haben konnen. In den
Gebeten ist in der Kegel das ausgesprochen, was in der Tat
die Gemuter der Gemeindeglieder jener Zeit bewegte und was
vor Gottes Angesicht zu bringen sie sich gedrungen liihlen
mochten.
Zehn Jahre vor der Agendo, namlich ira Jahre 1791,. war
das neue Gesangbuch*) eingefuhrt, an dem gleiehfalls Junge in
hervorragender Weise mitgearbeitet hatte. AUein die un-
parteiische Wiirdigung des guten Willens der Verfasser und
ihrer Uberzeugung, bei ihren Liedverbesserungen auf dem rechten
Wege zu sein, wird hier zu keinem anderen Ergebnis fiihren
konnen, als daB sich die Redaktoren in der griindlichsten Weise
geirrt haben. IJns geniigt das Lesen eines einzigen Verses
eines Kernliedes — und wir sind mit diesem Gesangbuch fiir
alleZeiten fertig'^). AUein da auch dielrrtiimer der Vergangen-
heit lehrreich sind, wollen wir eine kurze Geschichte dieses
Gesangbuches den Lesern nicht vorenthalten. In der Stadt-
bibliothek befindet sich des Geheimrats und Kurators der Uni-
versitat Altdorf Herm von Haller, der als Kirchenpfleger die
Leitung des Ganzen hatte, Manuskript zura Gesangbuch mit
allerlei interessanten Briefen und Aktenstucken^). Mitwelchem
1) I. S. 171 ff.
2) n, 136 flf.
a) II, 141 If.
4) Nenes Gesangbuch zur 5ffentlichen Erbauung und
Privatandacht aaf Befehl Eines hochlobl. Raths unter der Aufsicht und
Prttfung der vordersten Theologen Niirnbergs den Reichsstadt Nttrn-
bergischen Gemeinden in der Stadt und auf dem Lande gewidmet. Niirn-
berg, Endter 1791.
5) Z. B. Nr. 39: „Nun ruhet in den Waldern, in Stadten, auf den
Feldern ein Theil der mUden Welt! ihr aber, meine Sinnen, ihr sollt das
Lob beginnen defi, der die Welt schuf und erhalt".
6) Nor. 290.
102 CIcyer, Das kirchl. Leben in NUrnberg vor a. nach d. fi^berg. an Baj^ern.
Stolz sahen doch die Mitarbeiter auf ihre Leistungen! Juiige
schreibt das einemaU) an Haller: „So gut als die Schriften der
Eomer and Griechen noch itzt Muster des Geschmacks sind«
eben so werden auch die guten geschmackvoUen Lieder, davon
eine reiche Anzahl in dieser Sammlung ist, zu alien Zeiten ge-
fallen und alle Anderungen des Geschmacks iiberleben^, und
ein andermal*) verspricht er sein Bestes tun zu woUen urn das
Gesangbuch so einzurichten, „daB es wegen seiner Gute so lange
brauchbar bleiben kann, als Wahrheit und guter Geschmack
gelten". Als die Arbeit des Sammelns und unverdrossenen
Umdichtens, an der sich neben Junge, der damals Professor
in Altdorf war, namentlich Professor Sattler beteiligte, wahrend
Prof. Sixt wegen seiner unbegreiflichen Vorliebe fiir das eine
Oder andre der geschmacklosen alten Lieder etwas scheel an-
gesehen wurde, so viel wie abgeschlossen war, erlebte Junge
einen groBen Schmerz. Die Nfirnberger Pfarrer, die bisher von
der Mitarbeit geflissentlich ausgeschlossen waren, batten endlich
auch Einsicht in die Druckbogen erhalten und auf Beifiigung
eines Anhangs bestanden, der wenigstens einige der alten
Lieder enthielt. Junge war mit diesem Anhang so wenig ein-
verstanden, daB er das ganze Gesangbuch desavouieren wollte
und von Haller besSnftigt werden muBte^). DaB dies gelang,
zeigt die von Junge bei der Ankundigung des inzwischen fertig
gestellten Gesangbuchs gehaltene Predigt*). In Anlehnung an
R6m. 15, 4 — 14 spricht er da von der rechten Beschaffenheit
gottesdienstlicher- Gesange zum Lobe Gottes und meint, die-
selbe sei da vorhanden, wo die Gesange in Gedanken und
Ausdruck richtig und zur Erweckung und Unterhaltung gottes-
wiirdiger Gesinnungen dienlich seien. „Ihr ganzer Inhalt muB
dem Unterricht gemaB sein, den uns Gott selbst in seinem Wort
daruber gegeben hat und den die aufgeklarte Vernunft billigt
und bestatigt." Diese Richtigkeit des Inhaltes komme in der
Sprache der Lieder zum Ausdruck: „Gottesdienstliche Lieder
1) Brief vom 18. Juni 178D.
2) Brief vom 7. August 1789.
S) Undatiertes Briefkonzept von HaHers in Nor. 290.
4) Predigt am zweiten Adventsonntag 1790 bei Ankiiudigung des
einzuftiiirenden neuen Gesangbuches,
Geyer, Das kirchl. Leben in NUrnberg vor u. nach d. Cbcrg. an Bayern. 103
miissen liberall wahre und richtige Begriffe darbieten, und zu-
gleich in solchen Ausdriicken abgefasset sein, daC der Unauf-
geklarte mit leichter Miihe den wahren Sinn fassen kann, und
daB auch der verstandigere Christ fiir seinen Verstand und
sein Herz Nahrung darinnen findet, und nicht durch eine un-
gewohnte Sprache, durch iibel gewahlte Bilder und unverstand-
liche Redensarten in seiner Andacht gestoret wird." Als Bei-
spiele rtihrender Gesftnge aus der Vorzeit wird auf Psalm 91
und 73 hingewiesen und dann als ahnliche zur Erweckung
gotteswurdiger Gesinnungen geeignete Lieder genannt: „Was
Gott fiir mich beschlossen" — „Ja ich bin Gottes, Gott ist
mein und ewig, ewig wird ers sein, von ihm kann mich nichts
scheiden" — „Ich hab in guten Stunden des Lebens Gliick
empfunden und Freuden ohne Zahl" — „Gib mir, o Gott, eiu
Herz, das alle Menschen liebet** — „ Allen, welche nicht ver-
geben, wirst du Richter nicht verzeihn, trostlos werden sie im
Leben, trostlos einst im Tode sein** — „Ich will dich noch im
Tod erheben, am Grabe noch, Gott, dank ich dir" — und „0
wer soUte sich nicht sehnen, aufgelost und da zu sein, wo nach
ausgeweinten Thranen ew'ge Freuden uns erfreun". Die guten
alten Lieder, meint der Prediger, werde die Gemeinde ver-
bessert im neuen Gesangbuch flnden. Dagegen sei es nur billig,
daB Lieder mit unwurdigen und unrichtigen Schilderungen
fehlten, z. B. „Ich steh an deiner Krippe hier" — „ Christum
wir soUen loten schon'' — „beiner tiefen Wunden Bluten" —
„Ein Lammlein geht und tr^gt die Schuld" — rjWie schon
leuchtet der Morgenstern" — „Schmiicke dich, o liebe Seele".
Die Vater hatten freilich solche Lieder gesungen, obwohl sie
auch aus den bekannten Gesangen die besten zum offentlichen
Gebrauch auswahlten, „der guten Gesange waren aber noch sehr
wenige". So habe sich das Verlangen nach Gesangbiichern regen
miissen, „in denen die alten unbrauchbaren Lieder ausgelassen
und die Arbeiten neuerer Dichter aufgenommen waren". Ein
solches Gesangbuch sei nun da: „t}bersehet den reichen Vorrat
neuer kraftiger Lieder, die unsere besten geistlichen Dichter
verfertiget haben!**
Die Einfiihrung des Neuen Gesangbuches in den Stadten
ging leicht von statten, aber auf dem Lande gab es da und
104 Geyer, Das kirehl. Leben in Niirnberg vor u. nach d. Oberg, an Bayern, '
r
dort Schwierigkeiten. Das beweist ein Flugblatt^), das eben
zur Berahigung der Aufgeregten bestimmt war. Darin ist von
Unruhen auf dem Lande die Eede. Der Verfasser hofft, daB
eine gedruekte Vorstellung, die ruhig and ofters gelesen werden
kOnne, mehr nutze als eine Predigt. Die Ein wan de, die gegen
das Gesangbuch erhoben wurden, daC es eine neue Lehre ent-
halte, daC den Lenten dadurch die alte Religion genommen
werde nnd daB das alte Gesangbuch besser gewesen sei, sucht
er zu widerlegen. Er hofft, daB sich auch die Gegner von der
Vortrefflichkeit des Bnches selbst uberzengen werden: „Leset
diejenigen alten Lieder durch, die im neuen Gesangbuch etwas
abgeandert worden sind. Ich weiB gewiB, wenn Ihr diese Ver-
anderungen gegen das Alte haltet, so werdet Ihr von dem
meisten schon selbst einsehen, daB sie so besser klingen nnd
oft auch kraftiger sind, als im alten Gesangbuch, nnd wo Ihrs
nicht einsehet, da muBt Ihr eben Eure Herren Geistlichen um
Rath fragen . . . Leset besonders diejenigen Lieder durch, die
von einem gewissen, der sich Gellert schrieb, herstammen."
Von einer kleinen Gesangbuchsrevolution haben wir einen aus-
fiihrlichen Bericht^). In sieben nach Igensdorf eingepfarrten
Ortschaften antworteten die Bauern auf die Einfiihrung des
Gesangbuches mit einem nun schon 11 Wochen wahrenden geist-
lichen Streik; sie kamen nicht mehr zum Gottesdienst, meldeten
sich nicht mehr zu Beichte und Abendmahl an nnd — was das
Schlimmste war — sie versagten ihrem Pfarrer Christoph
Albrecht Vogel den Canonem, d. h. die einen Teil seiner Ein-
kfinfte bildenden Naturalabgaben. Kein Wunder, daB dieser
die Conventicula, durch die sie sich selber den Gottesdienst
ersetzten und bei denen sie die alten Lieder sangen, hochst
ungiinstig beurteilte!
Das muB man Junge lassen, daB er mit rastlosem Eifer
fur die Reform des Niirnbergischen Kirchenwesens tatig war.
1) Sendscbreiben an diejenigen meinerLandsleute auf dem Lande,
die an dem neuen Gesangbuch AnstoB nehmen, oder damit ganz un-
zufrieden. Von einem Lehrer des Christentums (Am Ende unterscbrieben :
„Euer wahrer Freund"). Verfasser ist nach einem Briefe Franks an
Haller vom 8. April 1791 der Mittagsprediger Solger.
2) Bericht des Pfarrers Vogel in Igensdorf vom 22. September 1791.
Geyer, Das kirchl. Leben in Ntirnberg vor u. nach d. tJberg. an Bayern. 105
Das Gesangbuch und die Agende waren sein Werk gewesen,
und noch vor dem tJbergang Niirnbergs an Bayern war er mit
einer dritten Scbrift fertig geworden, dem neuen Katechismus.
Neben dem kleinen Katechismus Luthers war in Schule und
Kirche das 1628 verfaBte und oft aufgelegte Kinderlehrbiichlein
in Gebranch^). Dieser von Roth, wie wir oben gehort haben,
als jammerlich bezeichnete exponierte Katechismus hatte bald
nachher durch Dillinger 2)eine durchaus ablehnende Kritik erfahren.
Er berief sich dabei auf Dilherr, der schon 1652 das Buchlein
„fiir die Jugend sehr dunkel, schwer und weitlaufig" genannt
habe^)". In den auf die Kirchenkonvente zu Anfang der neun-
ziger Jahre erlassenen Ratsbeschlussen*) ist von einer neuen
Kinderlehre mehrfach die Rede, deren Abfassung Panzer^) auf-
getragen war. Der Konvent vom 20. Nov. 1795 spricht den
Wunsch aus. Panzer moge sein Lehrbuch bald voUenden^),
aber er kam nicht mehr dazu. Da wurde Juiige mit der
Angelegenheit betraut. Im Jahre 1805 voUendet, wurde der
neue Katechismus nicht nur von den Geistlichen, sondern auch
1) Kinderlebr-Buchlein, / darinneo der kleine / Catechismus : / P'ur
die gemeine Pfarrherren / und Prediger, / Nach dem alten Exemplar / D.
Martini Lutheri, / Samt / Angehengten Fragstucken, / Mit FleiQ tiber-
sehen / und einem nutzli-/chen Register vermeiirt. / (Verlegervignette) /
Nurnberg, / In Verlegung Michael Endters. / Anno MDCLVIII.
Nttrnbergisches / Kinderlehr-Biichlein, / darinnen / nicht allein der
kleine / Catechismus / nach dem alten Exemplar / Doctor Martin Lathers
/ in Fragen und Antwortcn / zu finden ; / sondern auch der zarten Jugend
zum Besten / in zwey und funfzig Lectionen / weiter erklaret und vor-
getragen wird. / Deme annoch / ein verbesserter und zum Theil / Neuer
Anhang / von schonen Schul- und Fest-Gebeten, / kurzen Reim-Spruchen, /
auch / einigen angezeigten biblischen Capiteln und Spruchen / auf die
heilige Zeiten, durchs ganze Jahr, / samt einer Anzahl gebiauchlicher
Gesange, / mit / Oberherrlicher Authoritat / beygefuget worden ist. /
Ntirnberg, / In Verlegung der Job. Andr. Endterischen Handlung. / 1800. /
(255 S. + 5 Seiten Register + 101 S. Anhang + 3 Seiten Register hiezn.
Sa. 364 S.) — Vgl. Medicus a. a. 0. S. 172f.
2) Dillinger. Georg Adam, Diak. bey St. Sebald. tJber die Niirn-
bergische Kinderlehre. Ntirnberg 1791.
3) Waldau, Beitrage IV, 526 if.
4) Bibliotheca Williana VII, 1X51.
5) Ober ihn vgl. Allg. deutsche Biographic 25, 132 ff.
6) Bibl. W^ill. VII, 1151. Dem namlichen Konvent legte Junge den
Entwurf der Neuen Agende vor.
106 Gcyer, Das kirchl. Leben in NUrnberg vor u. nach d. (jberg. an Bayern.
von der theologischen FakuMt Altdorf gepriift utid vom Rat
approbiert. Noch vor der Dru<5klegung voUzog sich die Staats-
ver^nderung. Das Gesuch Junges an die bayerische Regierung,
den Katechismus mit Approbation der nenen Regierung drncken
lassen zn dfirfen vom 10. Pebraar 1807^), wurde am 17. Juli
von Thiirheim abschlagig beschieden, da ^da^ Bestehen eines
besonderen Katechismus flir einzelnen Gebietsteile der Mnkischen
Provinz den Grunds^tzen der Einheit nnd Ubereinstimmung
entgegen" sei, woven jedoch Junge selbst, der nacli seinem
Bericht mit dem hiesigen Ministerium sehnslichtig auf eine
Resolution wartete, erst spater verstandigt wurde. Erst am
19. April 1809 erhielt er sein Manuskript zurttck.
Der in der bisherigen Erzahlung so vielfach beniitzte Be-
richt Junges ist nunmehr erschopfj;, und wir raiissen uns fttr
allerlei Pragen, deren Beantwortung erst das Bild des kirch-
lichen Lebens vervollstandigt, nach anderen Quellen umsehen.
Waldau, der gleich im ersten Bande seiner „Beitrage" von
1787 Erganzungen und Berichtigungen zu Hirschens bekannten
Diptycha gebracht hatte'^), gab im folgenden Jahre eine sehr
dankenswerte historisch-statistische Schrift fiber das Nurn-
bergische Kirchenwesen unter dem Titel „Nurnbergisches Zion"
heraus*). Wenn wir darin blattern, erstaunen wir am aller-
meisten fiber die groBe Zahl von Geistlichen, die damals in der
Reichsstadt wirkten. Bei Sebald und Lorenz flnden wir je neben
dem Prediger oder Antistes, der zu predigen, Bedenken zu
stellen, Kandidaten und Stipendiaten zu examinieren, Stipendien
und andere Stiftungen zu verwalten hatte, acht Diakone, von
denen der erste Schafter, der zweite Senior genannt wurde, so
daB also allein an den beiden Hauptkirchen 18 Geistliche an-
gestellt waren. Bei heilig Geist und Egidien flnden wir je
einen Prediger, einen Senior und ffinf Diakone, wozu bei der
1) Akt betr. den Katechismus des Predigers Junge. Egl. Ereisarchiv
NUrnberg Rep. 232, 2280. Junge nennt irrtiimlich in seinem Bericiit den
14. Marz.
2) A. a. 0. S. 30—43.
3) Waldau, Niirnbergisches Zion oder Nachricht von alien Ntirn-
bergisclien Kirchen, Kapellen, Klostern und lateinischen Schulen in und
auBer der Stadt, und den daran bediensteten Personen. Mrnberg 1787.
J
Gcyer, Das kirchl Leben in Ntirnberg vor u. nach d. Cberg. an Bayern. 107
ersteren Stelle noch die zwei Sudenprediger kamen^). St. Jakob
war mit einem Prediger, einem Senior und zwei Diakonen, die
Prauenkirche mit einem Prediger und zwei Diakonen besetzt.
Im ganzen zahlen wir 42 standige Geistliche und 9 als Vikare
und Friih-, Mittags- und Abendprediger verwendete altere
Kandidaten, also zusaramen 51 Geistliclie. In diese Zahl sind
die znr Aushilfe verwendeten jiingeren Kandidaten und die an
den gelebrten Schulen angestellten Theologen nicht eingerechnet.
Wenn wir freilich die zahlreichen Gottesdienste und die Sitte,
zu den moisten kirchlichen Handlungen immer gleich eine grofiere
Anzahl Geistlicher aufzubieten, bedenken, so finden wir, daB sie
alle ziemlich ausgiebig beschaftigt waren. Mit der Beschrankung
der Gottesdienste und den anderen Veranderungen im kirch-
lichen Leben am Ausgang des Jahrhunderts konnten zur Lin-
derung der Finanznot manche Stelleu eingezogen werden. Als
das Kgl. Reskript vora 24. Dezember 1808 aufGrund der damals
bestehenden Verhaltnisse die Grundsatze der kirchlichen Neu-
ordnung aufstellte ^), rechnete man statt mit 42 standigen Geist-
lichen nur mehr mit 26 2), die zusammen ein fixes Einkommen
von 13410 fl. batten, und das Kgl. Reskript voml.Oktober 1809,
das die 1810 zur Durchfiihrung gelangte Neuorganisation an-
ordnete, lieB nur mehr 16 Geistliche an den Kirchen der Innern
Stadt bestehen, wobei es bis heute sein Bewenden gehabt hat.
Erst in der allerneuesten Zeit ist der Gedanke einer noch
weiteren Verringerung der Pfarrstellen der imieren Stadt und
zwar zu gunsten der anwachsenden Vorstadte aufgetaucht.
Die Zeit des grofien Reichtums an Geistlichen konnte gleich-
wolil als solche des Mangels — namlich an guten Predigern —
empfunden werden. Ein Konvolut der Stadtbibliothek^) enthalt
viele Gedichte und Pasquilla auf die Niirnberger Geistlichkeit.
Eines tragt die Aufschrift: „Das dermahlige fast durchgehends
1) Die nSuden" ist das nach seiner Anlage am Wasser so benannte
Spital.
2) Fnchs, Annalen der protestant. Kirche im KOnigieich Bayern,
von dem Anfange der Kegierung EcJnigs Maximilian Joseph I. im Jahre
1799 bis zum Schhisse des Jahres 1822. Ntirnberg 1823, S. 106—112.
3) Vgl. den Akt ^Gehaltsliquidationsverhandlungen** 1808/9 im Kgl.
Kreisarchiv. Rep. 216°.
4) Nor. H. 556. Ahnliches Material in Nor. H. 442.
108 Geyer, Das kirchl. Leben in Nttrnberg vor u. nach d. Cberg. an Bayern.
Geist-, Leib- and LebloBe Niirnberg. Stadt Ministerium, occasione
der Infamen KrauBer-Promotion mit lebendigen Farben ab-
geraahlet und kiirzlich beschrieben, von Einen orthodoxen in
Piihrt." Ein anderes, mehrfach vorhandenes, also seinerzeit
viel verbreitetes, hechelt samtliche Pfarrer in ebenso witzloser
als boshafter Weise durch. Es beginnt mit St. Sebald:
„Der M(5rl schwazt methodice, docb fehit ilim Gelst und Leben,
Er ist dem leidigen Geiz und Hochnmt g.ir ergeben;
Herr Dittelmeyer kan nichts, als Complimenten schneiden,
Und gibt nebst seiner Frau viel schmeichel Wortt den Leuthen.*
u. 8. w.
Ob ein ebenso schaales Gegengedicht, das sehr nach be-
stellter Arbeit aussieht, etwas nlitzte, wissen wir ebensowenig
als wir den moralischen Erfolg einzuschatzen vermSgen, den
die samtlichen Geistlichen von Sebald, Lorenz, Wohrd, Geist,
Suden, Egidien, Jakob und Marien, 33 an der Zahl mit ihrer
(gnM,dig beschiedenen) Bitte an den Rat vom 30. Juli 1792^)
erzielten, beiden Schaflfern und dem Pfarrer von WShrd „das
Pradikat Hochwohlgelehrt, ihren Gattinen aber den Titel Wohl-
edel, Viel-, Ehr- und Tugendreich, den iibrigen Geistlichen in der
Stadt aber das Pradikat Wohlerwiirdig, Vorachtbar undWohl-
gelehrt und ihren Gattinen den Titel Edel, Viel- Ehr und
Tugendreich" beilegen zu lassen, denn gerade damals besprach
man sogar im Rath die Griinde des schlechten Gottesdienst-
besuches und fand dieselben darin, daC die meist alten Prediger
ihre Ansprachen ^roBenteils ablasen^)". Um in dieser Hinsicht
eine Besserung zu schaffen, wurde am 21. Juli 1793 Professor
Junge von Altdorf als Prediger nach Lorenzen berufen. Dieses
Mittel half Junge hatte einen „so auBerordentlichen Zugang",
daB wegen der vielen Wagen, in denen die Vornehmen zur
Kirche fuhren, Ungliick fiir die PuBganger zu besorgen war,
weshalb ein noch vorhandenes Plakat „ Ausfuhr der Herrschafts-
1) Bibl. Will. VII. 1467 b. Weniger glinstig wurde der Versuch der
Geistlichen aufgenommen, die Wahlfahigkeit fUr das.Kollegium der Ge-
nannten zu erhalten. Vgl. „Das den Nurnbergischen Kirchenlehrern als
Burgern unstreitig zukommende Recht der Wahlfahigkeit und Aufnahme
in das Kollegium der Genannten des gr56eren Raths, bewiesen und dar-
gelegt von dem gesammten Eirchen-Ministeiium zu Niirnberg 1794.
2) Bibl. Will. VII, 1151.
99
Geyer^ Das kirchl. Leben in Ntirnberg vor a. nach d. Uberg. an Bayern. 109
Wagen" gedruckt und an den geeigneten Stellen angeheftet
wurde^). Es war nicht nur der Unterschied des Alters und
der Begabung, der so sehr zugnnsten des neuen, damals auch
schou 45jahrigen Predigers den Ausschlag gab, sondern ebenso
seine rationalistische Rich tang; denn keineswegs zn alien Zeiten
batten die Orthodoxen die vollen and die Bationalisten die
leeren Kirchen, sondern die jeweils aufstrebende Geistesart iibte
die grofiere Anziebungskraft aus. Dem anfsteigenden Batio-
nalismns und der sich erhebenden Orthodoxie war ebenso wie
amgekehrt der alternden Orthodoxie und dem abwirtschaftenden
Rationalismus das gleiche Schicksal bereitet.
Junge*) war am 21. Oktober 1748 als derSohn einesFarb-
handlers in Nlirnberg geboren. Unter dem ^geschickten Bektor
Munker** erwarb er sich in der ersten Klasse der Sebalder Ge-
lehrtenschule so viele Vorkenntnisse, daU er 1766 die Universitat
Altdorf aufsuchen konnte. Dort horte er bei Will Philosophie,
bei Maier Dogmatik, Moral und Kirch engeschichte, bei Biederer
und Nagel Hebraisch, daneben trieb er Griechisch, Geometric
und Naturlehre und wohnte auch unler Adolphen verschiedenen
Sektionen bei. Als er 1769 wegen mangelnder Untersttttzung
die Universitat verlassen muCte, wurde er nach vorher-
gegangener Prufung durch den Inspektor der Kandidaten
Joh. Konr. Sporl in den Niirnberger Kandidatenzirkel auf-
genommen. Seinen Unterhalt verdiente er sich durch Unterricht
in mehreren angesehenen Hausern, daneben Iibte er sich im
Predigen und Katechisieren. 1772 erhielt er die Tuchersche
Patronatspfarrei St. Helena, nachdem er vorher von den Predigern
Stiefel und Degen in der Stube des Landpflegamts examiniert
worden war und die iibliche Probepredigt bei St. Egidien ge-
halten hatte. Am Pfingstfest wurde er zu Altdorf ordiniert,
nachdem er auch dort noch einmal von den Doktoren der Theologie
gepriift worden war. Nach seiner Rttckkehr unterschrieb er in
Nurnberg die Normalbiicher. Nach zehnjahriger Pfarrtatigkeit
berief ihn das Scholarchat am 5. Oktober 1782 als Nachfolger
des nach Jena berufenen Johann Christoph Doderlein auf die
1) 30. Dezember 1793. Bibl. Will. VII. 1426b.
2) Deiu Bericht Jun^es vom 1. Dez. 1807 ist ein LebensjibriB bei-
gegeben unter der tlberschrift „Persdnliche Verhaltnisse".
110 Geyer, Das kirchl. Leben in Niimberg vor u. nach d. Oberg. an Bayern.
dritte Altdorfer theologische Professur, mit der die Verwaltung
des Diakonats an der dortigen Pfarrkirche verbunden war. Die
beim Amtswechsel gehaltenen Predigten erschienen imDruck*).
Noch im n^mlichen Jahr hielt er sein Inaugural und schrieb
das dazu gehorige Programm. Im Jahre 1783 disputierte er
offentlich und wurde am Peter- und Paulstag Doktor der
Theologie. In der am Trinitatisfest nach der bestehenden 6e-
wohnheit, „die bey dem Gesuch der Doctorwiirde zu einem
5ffentlichen Vortrag verpflichtete", abgehaltenen Predigt*) er-
wahnt er das Pest und seine dogmatische Bedeutung mit keiner
Silbe, sondern spricht tiber die Wichtigkeit der Untersuchung,
ob wir wiedergeboren seien, und die Art, wie sie angestellt
werden mufi. Nach dem Tode seines friiheren Lehrers Maier
rtickte er 1785 auf die zweite Professur vor, die wegen des
gr()6eren Beichtstuhles und anderer Geschafte mit vielen An-
strengungen verbunden war. Beim Dankfest nach der Wahl
Kaisers Leopold II. hielt er fiber Prov. 20, 28 die Predigt*),
die etwas spater gehaltene Gesangbuchspredigt baben wir oben
schon kennen gelernt. Als er am 21. Juli 1793 vom Nurnberger
Magistrat „weil damals wegen des Alters verschiedener Prediger
der Sesuch des Gottesdienstes in Abnahme geraten war", nach
St. Lorenz berufen worden war, verabschiedete er sich in einer
Predigt*), in der er sehr zutreffend seine Predigtwei«e charak-
terisierte. Er habe ,j0hne unnotigen Auf wand von Gelehrsamkeit
1) Zwey Predigten bey seinem Abzug von St. Helena und An-
tritt zu Altdoi'f nebst einer Einfuhrungsrede 1782.
2) Pre dig t am Fest Trinitatis iiber das ordentliche Evangelium
gebalten von Chr. Gottfr. Junge, der Theologie Licentiaten nnd ordentl.
Offentl. Lehrer u, Diakonus zu Altdorf 1783.
3) Predigt am 19. Sonntag Trinitatis als dem Ob^rherrlich be-
stimmten Dankfest wegen der HochstbeglUckten Wahl Seiner E. K. Majestat
Kaiser Leopolds des Zweiten. 1790.
4) Abschiedspredigt in Altdorf, an dem 21. Sonntag nach Trinitatis
iiber 1. Thess. 4, 1 von D. Chr. Gottfr. Junge Prediger an der Haupt-
kirche zu St. Lorenz und Inspektor der Eandidaten des Predigtamts. Alt-
dorf, Hessel 1793. — Auch die gleich am darauffolgenden Sonntag ge-
haltene ^Antritts-Predigt an der Haupt-Pfarrkirche zu St. Lorenz in
Niimberg iiber das Ev. am 22. Sonntag nach Trinitatis" ist im Druck
erschienen und wie die vorher angefUhrteu in der Stadtbibliothek vor-
handen.
Geyer, Das kirchl. Leben in Nlirnberg vor u. nach d. Cberg. an Bayern. HI
un4 eitlen Schmuck erktinstelter Beredsamkeit, sondern mit aller
der Einfalt und Kunstlosigkeit" gepredigt, „die er so wol der
Wiirde der Wahrheit als auch der Passungskraft einer so ge-
mischten Gemeine angemessen glaubte". Wer da etwa noch
der Meinnng w^re^ dafi die alien Rationalisten nur Albernheiten
und Alltaglichkeiten gepredigt batten lind von ihrer Predigt-
kunst nichts weiC, als daC irgendwo und irgendwann einer an
AVeihnachten liber den Nutzen der Stallfiitterung und ein anderer
an Ostern tiber den Segen des Frlihaufstehens gesprochen babe,
der m5ge Junges Predigt von der Kinderzucht ^) lesen, von
der wir auch heute noch begreifen, daC sie mit ihrer leb-
haften Schilderung der verwahrlosten Jugend, die auf den
StraGen lungerte, die Voriibergehenden verspottete und alien
Unfug trieb, mit der emsten Prage: „Was soil einst aus dieser
nichtswiirdigen Brut werden?" und ihren an das Gewissen der
Zuhorer gerichteten Ermahnungen auf die Zeitgenossen, denen
die etwas nuchternen und verstandesmafiigen Begrundungen
freilich mehr zusagten als uns, einen tiefen Eindruck hervor-
bringen muBte. Die Kinderzuchtpredigt hielt er bereits in der
Sebalduskirche, an die er am 11. Juni 1795 versetzt worden
war. Als Antistes oder wie es in der bayerischen Ara spater
hieC, als Dekan starb er in der Predigerwohnung an der Burg-
^trafie am 28. Marz 1814.
Der wurdigste Vertreter des vom Rationalisraus unbeeinflufiten
Christentums war damals Johann Gottfried Schoner^) der Dichter
des Liedes „Sei stille, mlidgequaltes Herz", von 1776 an Diakon
an eben der Marienkirche, an der friiher Magister Martin
Schalling, der Sanger des unvergleichlichen „Herzlich lieb hab
ich dich, o Herr" als Prediger gewirkt hatte, dessen Gedachtnis
auch im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht erloschen war^).
Kaum etwas zeigt die Schranke Junges deutlicher, als da6 er
bei der Bearbeitung des neuen Gesangbuchs an den Liedern
1) Predigt von der Kinderzucht am Sonntag Cantate liber Spr.
Sal. 19, 18. NUrnberg 1796.
2) Vgl. Thomasinsi Wiedererwacben des ev. Lebens, Erlapgen 1876,
S. 89 ff.
3) Vgl. Bezzel , Fragmente zur Lebensgeschichte M. Martin Schallings
(eine M5rl gewidmete Jubilaumsschrift) 1785.
1 12 (^eyer, Das kirchl. Leben in NUrnberg vor u. nach d. tlberg. an Bayern.
Sch5ners^ yon deneu schon mehrere Sammlungen erscbienen
waren, achtlos vorfiberging^). Im Jahre 1783 wurde er an die
Lorenzkirche versetzt, woselbst er 1809 erster Pfarrer wurde.
In Erinnerung an sein amtliches Wirken hat er nacbmals ge-
schrieben „Ach mit welchen Schwierigkeiten hat die Seelsorge
in Niirnberg zu kampfen"^). Am 28. Juni 1818 beschloB er
sein an schweren Prlifungen reiches Leben. Bei der Beerdigung
am 1. Juli wurde die von ihm bei Lebzeiten verfaBte Leichen-
rede vorgelesen. Die Standrede hielt ihm Junges Nachfolger,
Valentin Karl Veillodter. —
Als Niirnberg bayrisch geworden war, arbeitete der ganze
bisherige Verwaltungsapparat zun^chst weiter, nur mit dem
grofien Unterschied, dafi sich tiber der vorher freien Stadt-
behSrde das kgl. bayr. Generallandkommissariat in Niirnberg,
das wir der Kiirze halber einfach Kommissariat nennen woUen,
erhob. Das Kommissariat bedeutete aber, wie jedermann wuKte,
das Ende der Selbstverwaltung , und so glich die Tatig-
keit des Rats und der vielen stadtischen Amter dem Gang
einer Maschine, unter deren Kessel das Feuer erloschen ist.
Im September 1806 hatte das Kommissariat seine Tatigkeit
begonnen und am 28. November wurde noch einmal, wie seit
dem Jahre 1633 stets gegen das Ende des Jahres Kirchenkonvent,
diesesmal im Lorenzer Pfarrhof, gehalten^), Wiegewohnt, hatte
das Kirchen- und Vormundamt iiber diesen Konvent referiert
und das Protokoll mit einem Gutachten dem Magistral ^zur
Dekretur" vorgelegt. Da aber dieser sehr rait Recht meinte,
1) Einige / vermischte / geietliche / Gedichte / von / Johann Gott-
fried Schoner. / Niirnberg, / bei George Peter Monath, / 1775. /.
Einige Lieder / zur / Erbanung / von / Johann Gottfried Schoner /
Diac. bey der Set. Marien-Kirche. / NUrnberg, 1777 /.
2) Leichenrede des Herrn J. G. Schoners, Stadtpfarrers bey St. Lorenz
in Niirnberg nebst einem Theil seiner Lebensgeschichte von ihm selbst
noch bei Lebzeiten verabfaBf, aus seinem vorgefundenen eigenhandigen
Concept unverandert abgeschrieben und mit dem letzten Theil seiner
Lebensgeschichte erganzt nebst einigen seinem Andenken geweihten Auf-
satzen. NUrnberg, Raw, 1818, S. 29. Dort findet man auch Bemerkungen
tiber seine reiche literarische Tatigkeit.
3) Bericht des Stadtmagistrats an das General-Land-Kommissariat
V. 17. Juni 1807 betr. den am 28. Nov. 1806 gehaltenen Kirchenkonvent.
Kgl. Kreisarchiv Rep. 232, 2472.
Geyer, Das kirchl. Leben in Ntirnberg vor u. nach d. Oberg. an Bayern. 113
daU manches von dem im Konvent Verhandelten fiber seinen
Wirkungskreis hinausgehe, schickte er in einem Tempo, dais
spjlterhin allerdings in Bayern bei kirchlichen Angelegehheiten
an Langsamkeit von den Staatsbehorden noch weit nberboten
werden sollte, nach reichlich einem halben Jahr einen Bericht
an das Eommissariat und erbat h5chste Entschliefiung. Es
handelte sich um vier Punkte. 1. Die Pfarrer mOchten zu der
geplanten Neuorganisation gehort werden. Die Kgl. Rentkammer
habe die Organisation zu entwerfen, aber noch nichts an deti
Magistrat berichtet. Darum fragt dieser an, ob er einen Or-
ganisationsentwurf ansarbeiten und vorlegen solle. 2. Der von
Junge verfafite Katechismus moge gedruckt und eingefnhrt werden.
3. Die Geistlichen erbitten fiir die kirchlichen Angelegenheiten
die Gunst des Kommissariats. 4. Das seit dem Frnhjahr im
Sebalder Pfarrhof eingerichtete Militargefangnis mOge verlegt
werden. Unterzeichnet ist das Schriftstuck : v. Gender. Der
Bericht der Mitratsfreunde, d. h. der verordneten Kirchenpfleger
und Scholarchen, vom 20. April 1807 datiert, liegt bei den Akten.
Daraus erfahren wir Genaueres fiber die Verbandlungen im
letzten Konvent. Zun^chst ffihrte Junge im engeren Konvent aus,
daJJ die jetzige Lage der Dinge zur groBten Sorgfalt auffordere,
damit in Religionssachen eine allzn starke Einmischung (der
Behorden des katholischen Bayern) vermieden und die Rechte
der evangelischen Religion dadurch nicht gekrankt werden
mochten. Im allgemeinen Konvent klagte er fiber die Belastung
der Geistlichkeit auf dem Lande mit allerhand Geschaften. Bald
wolle mp-n, daB erMedizin, bald, daB er die Rechte oderNatur-
geschichte verstehe. Am ertraglichsten sei noch die Forderung,
daB er die Aufsicht fiber die Schule fibernehmen solle, da die
Bildung der Nachwelt ohnehin zu seinem Amte gehore, nur
solle er nicht selbst „den Schulmeister abgeben", vielmehr „be-
gonders die gute Art zu katechisieren durch sein eigenes Bei-
spiel darstellen". Die Geistlichen seien zwar Volkslehrer, „aber
nicht in dem Verstand, in dem man es gewohnlich zu nehmen
pflegt, daB sie namlich alles Wissenswtirdige, alles, was etwa
in besonderen Fallen zum Nutzen anderer gereichen k5nne,
wissen und verstehen", sondern Verkfindiger soldier WahVheiten,
„die mit der Besserung des Menscheft durch Religion mittelbar
Beitrage zur bayer. Kirchengcscbichte XII. 3. Q
114 Geyer, Das kirchl. Leben in Nurnberg vor u. nach d. Oberg. an Bayern.
Oder unmittelbar zusanimenhaiigen. " Er fttgte die Wunsche an,
in alien Heligionssachen nnd namentlich bei Aafstellung eines
Organisation splans m5chte den Geistlichen Mitteilung gemacht
werden und sie, die es zunachst angehe, m5chten aach von der
Prlifling nicht ausgeschlossen werden.
Am 9. eJuli antwortete das Kommissariat, daB der Kon-
vent nicht ohne h5here Genehmigung hatte abgehalten werden
sollen, da die Verbescheidung der Wunsche anfier dem Wir-
kungskreis des Magistrals liege, daB manche der vorgetra-
genen Wunsche im Gegensatz zu der eingetretenen^Regierungs-
veranderung stiinden und daB die Organisation nicht Sache der
Rentkammer sei. Die weiteren allerh. Bestimmungen iiber die
Verhaltnisse der hiesigen Geistlichkeit wftrden dem Magistrat
seinerzeit erofifnet werden.
Es dauerte einige Zeit, bis man nur recht wuBte, welche
BehOrde in den geistlichen Angelegenheiten zustandig sei. Als
sich der Magistrate) am 24. Dezember 1807 auf Anregung
des nunmehr als kgl. bayrisch bezeichneten „Kirchen- und
Yormundsamts", — die Seele desselben war ein sehr feder-
gewandter und auf die Rechte seiner Behorde erfolgreich be-
dachter Beamter namens Sorgel, dessen Name spater in den
Akten der Kgl: bayr. Stiftungsadministration des Kultus nnd
Unterrichts oft begegnet, welche Behorde an die Stelle des
Kirchen- und Vormundsamts trat — an das Kommissariat
wegen Wiederbesetzung des mit 71 fl. dotierten Stadtvika-
riats wandte, erhielt er die Antwort, dafi sich der Antrag
fur die Kgl. Kammer in Ansbach als Konsistorium eigne. In
der Tat zeigte die Ansbacher Regierung groBe Lust, die Lei-
tung des Numberger Kirchenwesens an sich zu Ziehen* Als
der Magistrat am 5. April 1808 dem Kommissariat mitteilte,
daB ftinf Kandidaten gepruft sein woUten (unter ihnen war ein
Sohn des Jenenser Professors Gabler), erklarte am 14. Juni
das Ansbacher Konsistorium, es werde sein^rseits die Prufung an-
Ordnen. Es sah aus, als ob der sehnliche Wunsch des Magistrats,
daB die Stadt Nurnberg mit ihrem Gebiete als ein eigenes;
abgesondertes Land unter bayrischer Verwaltung erhalten
1) Kgl. Kreisarchiv. Rep. 232, 2476.
^eyer, Das kirchl. Leben in Ktirnberg vor u. nach d* flberg. an Bayern. 115
bleibe^), ein Wunsch, dessen GewShrung dadnrch wahrschetalicher
geworden war, daB dem fruheren Proteste gegen die Behandlung
der Stadt und ihres Gebietes dnrch das Konsistorium, als ob es
dem Fiirstentum Ansbach inkorporiert ware, Recht gegeben
worden war, auf die Dauer unerfuUt bleiben mtisse. Das Kom-
missariat hielt sich zwar fur kompetent, solche kirchliche An-
ordnungen zu treffen, die eine politische Seite batten, in rein
geistlichen Sachen aber erkaniite es die Zustandigkeit der Ans-
bacher Regierung als Konsistorium an, weil es keinen geist-
lichen Referenten besafi.
Erst mit der Bildung des „Pegnitzkreises" (1808) und der
volligen Beseitigung der alten Verwaltung kani groCere Ordnung
auch in die kirchlichen Angelegenheiten. Gegen Ende des Etats-
jahres 1808/9 wurde der bekannte Theologe Paulus zum Kreis-
kirchen- und Schulrat ernannt und das Generalkommissariat
lieB nun als Generaldekanat des Pegnitzkreises durch ihn die
laufenden Geschafte fiihren^). Nun wurde die Etradition der
kirchlichen Akten durch den Rezatkreis nach und nach voU-
zogen, doch war schon manches nach Bayreuth und ans General-
kpnsistorium gegangen und nicht mehr zu haben, Verzeichnisse
der, Predigtamtskandidaten, Pfarreiverzeichnisse wurden ange-
legt, uber Mittel fur Pfarrwitwenpensionen wurden Vorschlage
gemacht, die Fassionen wurden eingefordert und die Bau-
konkurrenzpflicht soUte festgestellt werden. „Die wegen ihres
verwickelten Details weitlaufigen und mtihsamen Vorarbeiten
uber die Organisation des Kirchenwesens in der Stadt Niirn-
berg — so wird am 20. April 1810 berichtet — haben seit
kurzem ihre definitive Entscheidung erhalten, deren Ausfiihrung
so eben betrieben wird." Die Organisation des Kirchenwesens
auf dem Lande sei erst m5glich, wenn die Dekanate angeordnet
seien, wofiir zugleich die notigen Vorschlage gemacht werden.
Der Grundgedanke der Organisation des stadtischen Kirchen-
wesens war die Errichtung von fiinf^) selbstandigen Pfarr-
1) Scbreiben des Stadtmagistrats an das Kommissariat v. 12. Jan. 1807.
KgU Kreisarchiv. Rep* 232, 2468.
2) Bericht des Generalkommissariats an das Ministerium d. J. v.
20. April 1810. Kgl. Kreisarchiv. Rep. 232, 4487.
3) Der bereits 1812 abgelehnte Vorschlag, die Pfarrei zum hell. Geist
8*
116 Geyer, Das kird)]. Leben ifi Kfiiriibbei'g vor u. nach d. fi^b6r||^; ao Baytern.
ftmteni fiir die innere Stadt, wUhrend es bisher nuf zwei,
Sebald nnd Larenz, gegeben hatte. An jieder der flinf PfaTreien
soUten drei Geistliche wirken, fein Stadtpfarrer^), eiii Diakon
und ein Subdiakon. Die beiden Hanptkirchen dachte man da-
durch auszuzeichnen, daB man ihnen die Predig6r lieB^ die fortan
als Hauptprediger bezeichnet und mit den Dekanatsgeschaften ^)
betraut werden soUten. St. Johannis und St. Leonhard soUten
Pfarreien werden^). Von St. Leonhard aus sollte St. Peter
durch einen besonderen Diakon pastoriert werden. Bei alle-
dem handelte es sich natiirlich vor allem um die Festsetzung
der Einkiinfte. Da beabsichtigt war, die Beschrftnkung auf
17 geistliche Stellen sofort durchzufuhren und die tiberzahligen
Geistlichen einfach zu <iuieszieren *), konnten die Einkiinfte d^r
ubrigen etwas erhoht werden. Die beiden Hauptprediger — von
denen aber nach dem Tdde Waldaus, dies Antistes bei Lorenz
(27. April 1817), nur einer besoldet wurde — soUten 800 fl.," die
ffinf Stadtpfarrer 700 fl., die fflnf Diakonen * 600 fl. und die f&nf
Kondiakone 500 fl. erhalten. Als Eiitschadigung fiir den Etit-
gang von Accidenzien sollte der Hauptprediger noch 400 fl.
und ebensoviel als Dekanatsfunktionsgehalt erhalten. Da je-
doch seine Wohnung fiir 150 fl., ein Gartchen auf der Bucjier-
einznzieben (KreisarcMv Rep. 2.S2, 4626) wurde 181G erneuert. Aber auch
dieser epaterePlan, durch dieAufhebung der Spitalpfarrei eine Besserung
der Pfarrgehalter herbeizuftihren, wurde wieder aufgegeben. Eingabe v.
12. Febr. 1816 im Kgl. Kreisarchiv. Rep. 232, 4626.
1) Der anderwarts nur per abnsum gebranchte Titel ist in Ntirn-
herg rechtlich begrilndet.
2) Die in der juugsten Zeit erwogene Erricbtnng you zwei DekauateU
war auch vor hundert Jahren scbon beschlossene (aber uicbt ausgefUfarte)
Sacbe.
8) Es brauebt wobl kaum gesagt zu werden, daB natiirlich das Be-
setzungsrecht der Pfarreien auf den bayr. Staat Uberging. Erst mit der
Einftthrung der stadtiscben Selbstverwaltung im Jahr 1818 erbielt die
Stadt das Prasentationsrecht fllr die Pfarreien der inneren Stadt.
4) Extract Allerh. Hof-Reskripts v, 1. Oktober 1809. Kgh Krets-
archiy. Rep. 232, 4625. Hiernach soUten qui^sziert werden : S chaffer Wagner
bei Lorenz, Diakon Ledermiiller bei Egidien, Sudenprediger EaufmanA,
Diakon Dietelmaier bei heil. Geist und Antistes Ranner bei Egidibn. Die
entbehrlichen Diakonen Bezzel, Wifirialiller und Meyer sbllten auf damals
vakante Landstellen versetzt werden. .
Geyer, Das kirchl. Leben iii Niirnberg vor a. nach d. iiberg, aa Bayeru. 1 17
strftBe VLXXk 48 fl. und 12Mafi Holz.um 78 fl. angeschlagen waren,
QrhiQlt er nur 524 fl. und 400 fl., ateo im gaDzen 924 fl. bar.
Man kaOT, sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob der
Staat die kircbliche Organisation als eine nicht za verachtende
Gelegenheit betrachtet babe urn die traurigen FiuanzvQrhalt-
nis38 etwas zu yerbessern ^).
So lang^ das Generalkommissajiat des Pegnitzkreises ber
stand, ftibrte es zngleich als Generaldekanat (Konsistorinm) die
geistlichen Ang^^tegenheiten*). Mit der Verschmelzung des
Pegnizt- und Bezatkreises gingen alsdann seine Eompetenzen
an das Konsistorinm Ansbach fiber. Die ganze Pfarrorganisa-
tiQtt in Numberg trat am 1. Mai 1810 in Kraft, Ein Auszng
ans der im . Intelligenzblatt ') veroffentlichten Bekanntgabe zu
fertigen, wiirde in der flauptsache auf eine Besehreibung der
noch bestehenden kirchlichen Ordnungen binauskommen.. Da
aufierhalb dea ehemals Nurnbergischen Gebiets das amtliche
Organ des Pegnizkreises von 1810 schwer zugftnglich seift
d!irfte> bringen wir das Organisationsstatut, das die Grnndlage
1) Da der Staat den Mher von der Stadtverwaltung geleisteten
Beitrag zu deu Eosten des protestantischen Eultns einfacb einzog, hatte
im 'Jabre 1814 die StiftUDgsadministration mit einem Defizit von etwa
4000 fl. zu kampfen. Der Administrator Sorgel scbrieb mit verblUffender
£brlichkeit an daa Generalkommissariat, da^ dieses Defizit von Eechts-
wegen.dprch einen Staatsbeiti:ag, nwelober auf die widerrechtlicbste, bos-
haft^ate Weise dem protestantischen Eultusvermogen entzogen worden^
sei, gedeckt werden musse. ^Oberhaupt — so sagt er w5rtlich — scfaeint
ein gaiiz besonderes Verdienst in die Willkfir gelegt zu werden, womit der-
jenige, welcher zahlen soil und mufi, seine Zahlungeu zu spenden geruht**.
Da Sdrgel kein Geld in der Kasse hatte, konnte er die Gehalter der
GeiB^liGheU) die er darum „die diirftigsten, hUlflosesten Menschen*^ nennt,
nicht rechtzeitig auszahlen. 7- Schreiben vom 28. Sept. 1814. Egl. Ereis-
ai-ohiv. Rep. 232, 4626.
2) Da nach Einrichtung des Pegnizkreises unter dem General-
kommissariat dieses Ereises ein Stadtkommissariat als Ober-Orts-Polizei-
behorde stand, gab es zwischen den b^eiden Behorden anfanglich wegen
Befaattdlnng der gelfitlichen AngelegenheitenEompetenzstreitigkeiten, die
durch Ministerialerlafi y. 28. Jan. 1812 dahin entschieden wurden, dafi
das .Generalkommissariat ftir alle an das Generaikonsistorium gehenden
Kirchensachen zustandig sein solle.
. 3) Intelligenzblatt des Pegnizkreises und Nurnbergsches Anzeigblatt
1810. Nr. 45 vom 16. April, S. 410-418.
118 Geyer, Das kirobl. Leben in NUrnberg vor u. nach d. tJberg. an Baydrn.
des Niirnbergischen Kirchenweseus mit seinen Vorzngen nnd
M^ngeln bildet, im Anhang zum Abdruck. Demselben^ war
ein Regnlativ^) iiber Verteilung der Kirchsprengel beigegeben,
das unverHndert bis heute in Gfiltigkeit geblieben ist.
Der neue Kirchen- und Schulrat D. Paulus war ein ber-
vorragender VorkSmpfer des Rationalismus. Als der Dekan
von Zirndorf, Dr. Papst, zu dessen Bezirk auch Mogeldorf,
St. Johannis und St. Leonhardt gehorten, in seinem Jahrea-
bericht vom 30. Januar 1810^) nicht nur die alteren orthodoxen
Pfarrer sehr ungiinstig charakterisierte*), sondern auch eine
weiter gehende Eationalisierung des Gesangbuchs, dem bei seinem
sonst sehr groCen Werte noch vieles Unschickliche benommen
werden musse, und einen anderen als den Seilerschen Katechis-
mus „mit seinem unnutzen Wust" forderte*), lautetedie vonPaulas
gefertigte und von Freiherrn von Lerchenfeld unterzeichnetc
Antwort dahin, daB aus dem Jahresbericht die liberale Amts-
tatigkeit des Dr. Papst n^it Vergntigen ersehen worden sei,
auch werde von den gemachten Bemerkungen bei der allerh.
Stelle zweckmafiiger Gebrauch gemacht werden. Das Werk
Paulus' war auch ein „Provisorisches Regulativ fur protestan-
tisiche Pfarr-Einsetzuugen ira Pegniz und Naab Kreise", das
vom Generalkommissariat des Pegnitzkreises als dem protest.
Generaldekanat vom 2. Juni 1810 erlassen und gleiohfalls vom
Preih. von Lerchenfeld gezeichnet ist. Dabei wird auf das Amt
der Lokalschuliiispektion ziemlich ebensoviel Gewicht gelegt als
auf das Pfarramtund der abzulegende Amtseid atmete jenenOeist
der Nutzlicbkeit, gegen den sich noch Junge im letzten Niirn-
berger Pfarrkonvent so wacker ausgesprochenhatte^). Allein der
1) Ebenda, S. 419 flf.
2) Kgl. Kreisarchiv. Rep. 232, 4487.
3) Z. B. Andreas Georg Luft, Pfarrer za St. Leonhardt, 76 Jahre
alt. „Sein lateiniscber Ausdruck ist klassisch, aber seine Dagmatik noch
die des Buddeus. Heilig ist ihm alles, was vom alten Ntirnberg Btammt^
bis auf seinen runden Halskragen. Seiner Pfarrkirche ware mebr Frequeofis
zu wunschen. Er predigt nocb im alten Styl".
4) „Weg mit einem Lehrgebaude, in welchem kein Kind srch ^nden
kann."
5) Der Amtseid lautet (Kgl. Kreisarchiv. Rep. 232, 4619): „Ich ge-
lobe und schwore dnrch diesen feierlicben Eid, der Konstitutiqn and den
(Jeyer, Das kirehl. LebeD in Niirnbergvar u. nach d. Cberg. an Bayern. 1^19
Geist des radikalen Rationalismus fand weder in der fiiirgerT
schaft noch bei der Nurnberger Geistlichkeit dauernd Anklang.
Wie flii; die Endzeit der stadtischen Selbstandigkeit die Per-
s5nlichkeit Junges, so sind fiir den Anfang der bayrischen
Ara zwei durch ruhrende Freundschaft verbundene Mftnner
charakteristisch, die einander in der Leitung des Dekanats abr
listen: Valentin Karl Veillodter und Gotthold Emanuel
Friedrich Seidel.
Veillodter^), i«ssen Gedachtnis durch eine nach ihm be-
nannte Strafie erhalten wird, war am 10. Marz 1769 als, Sqhn
eines Niirnberger Kaufmanns geboren. In Altdorf (1787—89)
war er namentlich Schliler Gablers, der sich spSter so tatkraftig
seiner annabm, in Jena (1789—91) horte er u. a. Reinhold utid
Schiller. Schon als Kandidat hatte er in seiner Vaterstadt als
Prediger einen so grpBen Zulauf ^j, daB seine Neider behaup-
teten, er habe eine am SonnlStg Jubilate 1792 in Niirnberg ge-
haltene Pfedigt wortlich aus Bahrdts Prediger-Mjigazin abger
schrieben. Urn jedermann von der Unwahrheit diesas Vorwurfs
Gesetzen des Konigreichd Baiern gehorsam, Seiner Majestat unirem allei-
gnadigsten E()nig aUezeit getreu und gewartig, dem Eonigl. Hanse zugetan
— und gegen die mir allerhochst vorgesetzten Bebordeo nach Amtapflicht
folgsam zu Bein, besonders aber als Pfan'or und Lokal-Schulinspektor zu-
nach den allerhochsten Verordnungen Uber das protest&ntiscbe Kirchen-
wesen, den Grundsatzen des protestantiscben Eirobenrechts und dem Geiat
der Symbole dieser Eirchen-KonfeBion gemaB, auch nacb der .Instruktiou
fiir Lokal-Schulinspektoren und anderen das Schulwesen betreffenden Ver-
fiigungen das mir anvertraute gedoppelte Amt redlich und gewissenbaft
zu besorgen, die Erziebung und Fortbildung der Jungen und Alten fiir
christUche Religiositat tind Erbauung, aucb fiir ntitzliebe Eennthisse und
biirgerliche Tugenden nach Eraften bei jeder Gelegenheit zu fSrdem, und
durohgangig micb so zu verhalten, wie es einem getreuen Diener des
Eonigs und des Staats obliegt und geburt.
So wabr mir Gott helfe, nach seinem heiligen Evangelium!"
1) Go z, Job. Adam, tiber Vaienrin Earl Veillodter. Nurnberg 1829.
Seidel, Rede znm Andenken an E. V. Veillodter. Nurnberg 1828. Doktor
Yal. Eaii Veillodters Begrabnifi-Feyer am 14. Aprill828. Mit einem
Abdrucke der letzten am Osterfeste gehaltenen Predigt desselben, sowie
der an Seinem Grabe gesprochenen Worte und Seinem Andenken ge-
weibten Beden und Gedicbte. Nurnberg 1828.
2) Wir erinnern uns, daB damals in Niirnberg diLrre Zeit war. S.
oben S. 107ff. .
130 (jtey^x, Das kirchl. Leben in NOrnberg vov u. nacb d. 6b«rg. an Bayem.
zn ttberzeugeDyTerSffentlichte er seine Predigtnnd den Bahrdtschen
Entwurf, den er angeblich sollte bentitzt haben. Prof. Gabler
sohrieb die fur den jungen Theologen aufiierst ehrenvoUe Vor-
red6 dazu^). Im Jabr 1793 wurde er Mittagprediger bei hell.
Kreuz, 1801 erhielt er die Pfarrei Walker gbrunn*). Dort er-
regte er alsbald Aufmerksamkeit durch eine Flugschrift iiber
die Schutzpokenimpfnng ^). Ende 1809 wurde er als Stadtpfarrer
nach St. Egidien berufen*), und 1814 trat er als Dekan und
Hauptprediger an die Stelle <ies verstorbenen Junge®). Man
kann an der HAnd der von ihm veroffentlichten Predigten die
wichtigsten Zeitereignisse verfolgen, das Siegesfest 1814, das
Eeformationsjubilaum 1817, die Einsetzung des Magistrats 1818,
den die Gemtiter der Nurnberger schwer beunruhigenden Plan,
Kirchenaiteste einzufiihren (1822), bier lernt man ihn besonders
als ruhigen und berubigenden, seinen Stoff beherrschenden und
seinen IKrern tiberlegenen Rednef kennen — das Regierungs-
jubiiaum von 1824 und die Qedachtnisfeier ftir Max I. 1825*).
3) Veillodter, Zwey Predigten tiber die kraftigsten Bertthrungs-
grttnde des Christen bey dem Tode. Mit einer Vorrede von D. Job.
Ph. Gabler, ord. Prof, der Theol. zu Altdorf. NUmberg 1792.
2) Abschiedspredigt in der Kirche zum heil Kreuze gehalten von V.,
emanntem Pfarrer in Walkersbritnn 1801.
5) An die lieben Landleute iiber die Ausrottnng der schrecklichen
Blattemkrankheit. Von einem Landprediger. Nfirnberg 1801. Dort.lesen
wir (S. 8): „Lieben Freunde, merketwohl auf den grofien heilsamesSatz,'
den Gott uns hat erkennen lassen: Wer sich die Knhblattern inoculiren
la^t, ist fdr seln ganz'es Leben vor jeder Ansteckung durch die bisherigen
abscheulichen Blattern sicher".
4) Antrittspredigt am Weihnachtsfeste in der Stadtpfarrkirch^ za
St. Aegydien. Niirnberg 1810.
6) Antrittspredigt in der Kirche zu St. Sebald am 30. Oktober 1814.
Den SchluB bildet ein packender Hinweis auf den Brand von Tirschen^.
reuth mit der Aufforderung, Gaben fiir die Unglucklichen zu spenden.
6) Rede am Siegesfeste gehalten am Sonntage nach Ostern. 1814.
— Zwei Predigten am Beformationsfeste im Jahre 1817 gehalten und zur
Vorbereitung auf die dritte Sacularfeier herausgegeben von Veillodter
und Seidel. 1817. t- Erinnerungen an die zweite Jubelfeier der Re-
formation im Jahre 1717. Nurnberg 1817. — Eanzelrede am Tage der-
feierlichen VerpHichtung und Einsetzung des Magistrats der Stadt Niirnberg
am 23. November 1818. — tJber KirchenaUeste. Eine Predigt, gehalten
am 14. Sonntag nach Trinitat. 1822. — Rede am, Regierungs-Jubilaum
Geyer, Das kirchl. Lcben in Ntirnbergvor n. nachdi Cberg. an bayern. 121
Die bish^r mit der Predigerstelle vereinte Bibliothekver\*^al-
tung hatte er nicht mehr fibernommen urid am liebfeten hatte
er auch. die mit der Bibliothek verbtmdene damals ^dustere
kalte Klosterbewohnung" gar nicht bezogen, aber die BehSrden
gingen auf die „fur sein heiteres Leben and Wirken** wichftige
Bitte, ibm statt der Wohnnng den Wdhnuugsansatz d» h. 150 fl.
zu uberlassen, nicht ein^). Die innigste Freundschaft Verband
ihn mit sein em KoUegen Seidel, mit dem and Diakonas Meyer
zasammen er eine bllihende Tochterschale ins Leben gerafen
hatte'*). Elf Jahre vor seinem Tode hatte er diesem an seinem
Geburtstag (10. Marz) einen Brief ubergeben, den er der^inst-
an seinem Todestage 5ffiien sollte. Als Veillodter von einem
Eitt nach Muggenhof anwohl heimgekehrt and bald darauf, ge-
storben war (9. April 1828), 5ffnete Seidel den Brief and las-
folgende Worte: „ Hatte die ewige Liebe beschlossen, mich nach
ihrer Gnade schnell hinliberzttfiihren ins stille Land des FriedBns,
da& ich nicht mehr miindlich Dich segnen konnte, dann des
heifiesten Segens flammende Worte in diesen Zeilen. Indem
Du sie liesest preise ich dort den Unendlichen, dafi er Dich anf
meitier Bahn mich finden lieC, und freae mich der Wonne, die
ich Dir dort bereitet erblicke, des Aagenblicks, wo ich Dir ent-
gegenjauchze: nan bist Du ewig mein!"
Seidel, ein vielseitig begabter Mann ^), ein tiichtiger Lehrer,
ein beliebter Dichter and gefeierter Prediger*), warde sein
Nachfolger. Als ein Denkmal nicht nar seiner Geistesart,
sondern des religi(5sen Lebens und Fiihlens seiner Zeit sei
Sr. Maj. des ROnigs von Baierti am 16. Febr. 1824. — Rede am Tage der
kirchl. GedachtDiBfeier des Konigs Maximilian I. 1825. — Eiuige Worte
am 19. Oktober 1825 als am Begrabnistage Sr. Majestat des ESnigs
Maximilian I. gesprochen. — Bin vollstandiges Verzeichnis seiner Schriften
ist der Siedelschen Gedachtnisrede beigegeben.
1) Kgl. Kreisarchiv. Rep. 232, 4626.
2) Geyer, Niirnberger T5chterschalen vor 100 Jahren. Ini Jahres-
bericht des Institnt Lohmann 1905.
8) Von ihm stammt ein hUbscher Eiipferstich, Altdorf darstellend,
von 1798. In der Stadtbibliothek ist eine Serie von Newjahrwunschkarten
(1816—1838), die er fast alle selbst gestochen hat.
; 4) In der Stadtbibliothek findet man eine ganzeReihe von gedruekten
Silvesterpredigten und u. a. eine 1812 gehaltene Synodalpredigt.
122 Geyer, Das kircbl. Leben in Nlirnberg vor u. iiach d. Cberg. an Bayein.
zum SchluB mitgeteilt, wie er in Niirnberg eine — vorher wie
wir wissen nicht iibliche — 5ffentliche Konfirmation hielt. Nach
der Konfirmationsrede, die ebenso wie alle mir bekannt ge-
wordenen Predigten von ihm von einer Hohe der geistlichen
Beredsamkeit zeugt, wie sie nicht immer wieder erreicht worden
ist, sprach er zu den Kindern^): „So erhebet each denn, und
in tiefer Andacht vernehmet, wozu wir uns bekennen:
Wir glauben an Gott den Allerhabenen, der unser Vater
und einst unser Richter ist, der uns mit Weisheit und Gute
durch dieses Leben leitet, und unter seinem Walten zum Ziel
der seligen Ewigkeit leiten will.
AVir glauben an Jesum Christum, Gottes Sohn und der
Menschen Heiland, der auf der Erde wandelt und fiir uns starb,
ein heiligendes Beispiel uns zu geben, der hinging, uns im
Himmel eine Statte zu bereiten, wenn unser Herz wie seines
auf der Erde die Wohnung der Tugend war.
Wir glauben an den heiligen Gottesgeist un(J daC die,
welche er ergreift, Gottes Kinder sind im Glauben, in der
Liebe und in der Hoffnung.
Wir freuen uns des Glaubens, den Jesus Christus verkundigt,
den der Sternenhimmel und das Gewissen ausspricht: Wir sind
unsterblich !
Ist das, Geliebteste, auch euer Glaube? so antwortet mir
mit einera lauten Ja.
Versprechet ihr feierlich vor dem AUwissenden, der euer
Geliibde hort, nach Jesu Lehre und Beispiel zu leben bis an
euer Ende? so antwortet mit einem lauten Ja.
So ist es denn also ausgesprochen das feierliche Geliibde!
Der Ewige hat es gehort, und diese Stunde wird euch richten.
So nehrae ich denn hiemit im Naraen der Gemeine Jesu, kraft
meines Amtes. euch auf in die Gemeinschaft der erwachsenen
Verehrer Jesu, und erteile euch die Erlaubnis, des Herrn heiliges
Mahl zu feiern. So ubergebe ich euch nun der christlichen
Tugend, dem Glauben und der Hoffnung. Gehet hin und ehret
durch frommen Wandel die heilige Lehre, der ihr euch geweihet
habt. Ihr habt ein grofies Versprechen gegeben : seyd ihm ge-
1) ConfirmationsbandluDg am Palmsonntage 1813 in derKirche
zu Aegidien gebalten. NilrDberg, den 11. April. S. 12 f.
Geyer, Das kirchl. Lebeir in Niirnberg vor n. nach d. Uberg. an Bayern. 123
treu bis in den Tod! Dies Auge, mit dem ihr itzt so mntig
ins Leben vorwarts schaiiet, wird einst brechen, auf eurer Stirn,
der wir itzt segnend unsere Hand auflegen, steht einst der kalte
SchweiB des letzten schwersten Kampfes; wie euer Herz itzt
voUer schlagt in Ernst and Andacht, so bebt es einst im Vor-
geftihl der nahen Ewigkeit, Um jener ktinftigen Stunde, nra
eures Todes willen, vergefit im ganzen Leben nie, was ihr in
dieser Stunde itzt gehort und versprochen habt. Gott sey mit
euch im Leben und ira Tode! Amen^)."
In die Amtstatigkeit Seidels fiel das Auftreten Wilhelm
L5hes, der als Verweser an der Agidienkirche unter der be-
geisterten Zustiramung der einen und dem lauten GroUen der
anderen derAnbruch eines neuen Morgens des religiosen Lebens
verkundigte, eines Morgens, aus dem bereits wieder ein Abend
geworden ist. Ich konnte die Akten, die den Kandidaten LChe
betreffen, nur mit dem Wunsche lesen, es mochte bei zukiinftigen
Veranderungen in den geistigen und religi5sen Str5mungen
niemals an so ehrenfesten, wahrheitsliebenden, verstandnisvollen
Mannern fehlen, wie damals der Magister Gotthold Emanuel
Friedrich Seidel einer gewesen ist.
Soil zum SchluB die Frage beantwortet werden, ob der
tJbergang Niirnbergs an Bayern, der fiir die Entwickelung der
Stadt bekanntlich von der segensreichsten Wirkung war, auch
fur das kirchliche Leben einen Gewinn bedeutete, so lafit sich
eigentlich nur zweierlei mit einiger Bestimmtheit beliaupten. Der
AnschluB an eine groBere kirchliche Organisation muBte be-
freiend und erweiternd wirken, namentlich war die — allerdings
nicht immer genutzte — Moglichkeit gegeben, auf die Ntirn-
berger viel begehrten Pfarrstellen geeignete Leute aus einem viel
weiteren Gebiet zu berufen, als es das reichsstadtische, an tiichtigen
Kr&ften allerdings nicht arme Territorium gewesen war. Zum
andern aber laBt sich uicht verkennen, daB die kirchlichen
Angelegenheiten, seitdem sie in eine weit liber die Stadtgrenzen
hinausgehende Organisation eiugegliedert waren, viel, sehr
viel von dem Interesse einbiiBten, das ihnen vorher von selbst
entgegengebracht wurde. AVahrend auf politischem Gebiete
.1) Darauf folgte die Beichte mit Absolution, die Eonsekration, die
£in8egnung der Kinder und die Kommunion.
124 Oeyer, Das kirchl. Leben in Niirnberg vor u; Dsich d. Ob.erg. an Bayern
mit dei* EinfiihrtiDg der stadtischen Selbstverwaltung die lalte
reichsstadtiscbe Gesinnnng in neuen Fonnen wieder auftebte,
wird die protestantische Gemeindeverfassung erst ganaj anders
ausgebaut werden miissen, wenn auf kirchlichem Gebiete Ahri-
liches geschehen soIL
Anhang.
Intelligenzblatt des Pegnizkreises and NtirnbergscheA Anzeigblatt 1810
Nr. 45 vom 16. April. S. 410—418.
Extra-Beilnge zu Nr. XLV des Anzeigbljitts. ,
Im Namen Seiner Majestslt des K5nig8 von Baiern.
Durch allerhochste Eescripte Miinchen vom 1. Okt. 1809 und Paris
vom 25.Februar 1810 sind die wesentlichstenPunkte von der Organisation
der PfarrSmter in der Stadt Nurnberg definitiv bestimmt worden.
Ausdenselben werden deswegendiejenigenVerfiigungen, vonwelchen eine
allgemeine Kenntnis fiir samtliche Mitglieder der hiesigen Kircben-
gesellscbaften nbtig seyn kann, hiermit zur Nacbachtung bekannt
gemacbt :
1. Die Sebalder, Laurenzer, Aegidier, Jacober und Spitaler
Kircben sind als Pfarr-Kirchen fiir den lutberiscben Kultus
bestimmt. Mit der Spitaler Kirche wird die Hospital- Gemeinde ver-
einigt.
2. Der katholischen Gemeinde in der Stadt Numberg ist
die Frauenkirche am Markte zura gottesdienstlichen Geb^aucb gegen
den Scbatzungswert liberlasseu.
3. Der reformierten Gemeinde in der Stadt Niirnberg ist
die Martba-Kirche zu ihrem offentlichen Gottesdieust als Pfarr-Kirche
angewiesen und die reformierte Gemeinde, als eine Pfarrgem'einde
bestatigt.
4. Jede dieser Pfarreien hat das Recht, bei denen^ welche zu
ihrem Sprengel gehbren, alle matrikelm^fiige Pfarr-Handlungen, Taufen,
Trauungeu und Leichen betreffend, ausschliefiend auszuuben ui^d die
Matrikel- oder Stolgebiihren dafur zu beziehen.
5. Jedoch wird nach dem Sinn des Religions-Edikts vom 10. Ja^
nuar 1803 auch bei matrikelmafiigen Pfarrhaodlungen den einzelnen
Bewohnern der ausgeschjedeneu Pfarr-Sprengel gestattet, nach Ent-
richtung der Stolgebuhren an die Pfarrey des Sprengels und nach
einem dadurch bewirkten Atteste iiber die geschehene Einregistrierung
in die Pfarr-Matrikel, die liturgische Funktion selbst durch einen
Geistlichen eines der andern Stadtpfarrey-Sprengel, welcheu jenes
Attest vorzuzeigen ist, verrichten zu lasses.
6. In Hinsicht auf die besondere Beicht- und Seelsorge-Ver-
Gejer, Dss Icircfal. Leben in KUrnberg vor n^ n^ebd. Cberg. an-Bay ern. 125
bUltnisde tsrird jedem Gemehideglied &ete Wabl imter d^O: Geistiichen
d«r 3^t gelassen.
7. Da die Anordnung einer reformierteji Pfarr-Gemeinde in jeder
Hinsicht vielmebr ein Einverstandnia, als. eine Entgegensetzung der
verwandten Gemeiuden beabsichtigt, so erstreckt sicb audi dort das
bindende Pfarr-Recht in Beziebung auf alle reformierte ' Einwohner
der Stadt nur auf matrikelmafiige FfarrbandluDgeu ; die Beicbt-Ver-
haltnisse bingegeu sind dadurch wecbselseitig nicbt eingescbrankt.
Die gottesdieDstlicben allgemeinen Funktionen in der reformierten
Kircbe bestehen an den Sonnr nnd Feiertagen in einer Morgen-
predigt und einer Katecbisation; wabrend der Wocbe in einer Wocben-
predigt und Katecbisation, aufier den gew5bnlicben Beicbtandacbten
nnd Kommuniohen.
8. Es wird ein Stadt-Dekanat errichtet werden^ dessen Inspektion
aucb die reformierte Pfarrey untergeordnet ist.
9. Der Umfang eines jeden der neu geordneten funf Pfarr-
Sprengel wird, durcb den biemacb folgendeu Abdruck des Regnlativs,
nacb der — bei der B'egutacbtung stattgefundenen Eintbeilung der
Gassenbanptmanuscbaften,. Strafien und Halisnummern bekannt ge-
macbt^ nm fur jedes Haus zu bestimmen, zu welcher Kircbe es sicb
in Hinsicbt der matrikelmafiigen Pfarrbandluugen zu balten babe.
10. Die aufier den Ringmauern der Stadt zerstreuten Vorstadte,
Ortscbaften und Wobnungen, welche sicb bisber zur Stadtgemeinde
bielten, gehoren in pfarreylichen Verbaltnissen kunftig zu den neu-
angeordneteh Pfarr-Amtern Jobannis und Leonhard, welcbe deswegen
alle Taufeu, Trauungen und Leicben, die in dem Umfang ibres
Pfarr-Sprengels vorkommen, in ibre Pfarr-Register eiuzutragen, gleich
anderen Landpfarreien sie zu besorgen und dafUr die StolgebUbren
zu beziehen baben.
11. L^ Ansebung der Garten, welcbe in diesen Tbeiden Pfarreien
liegen, werden nur diejenigeu Bewohner derselben zu dem Pfarr-
Sprengel gezablt, die dort einen bleibenden Aufentbalt und in der
Stadt keine Wobnung baben; nicbt aber diejenige, welcbe nur den
Sommei: liber in den Gslrten wobnen und durcb eine eigene Wobnung
oder Miete der Stadt angebdren.
12. Erwacbsene unter den Bewobnern dieser beiden Pfarr-
sprengel, wenn sie bisber einen Stadtgeistlicben zum Beicbtvater
batten, baben Erlaubnis, deoselben beizubebalten. Kinder, welcbe
jetzt nocb nicbt konfirmirt sind, treten durcb die Konfirmation in
das gewohnlicbe Beicbt-Verbaltnis mit dem Orts-Pfarrer aucb in
diesen beiden zum Land gerecbneten Pfarreien.
13» In Ansebung der benacbbarten Baireutbiscben DSrfer, iindet
bierUber fur jetzt weder eine Bescbrankung, nocb eine Vorschrift
statt.
14. Wegen der grofien Ausdebnung der Leonbarder. Pfarrey
126 Geyer, Das kirchl. Leben in Nttrnberg vor u. nach d. Cberg. an Bayei^.
wird in Verbindnng mit derselbeu nicht nnr der Goitesdienst in der
Peters-Kapellefortgesetzt; sonderu anch auf Parocbialhandlungen fur
die uSber liegenden Ortscbaften nnd Wobnungen ausgedebnt werden.
15. Bei den Kircben^ welcbe mebrere Geistlicbe baben, sind die
Pfarr-Matrikeln in der Verwaltung des Stadtpfarrers, welcber allein
Pfarr-Scbeine daruber auszustellenund die bestimmten Gebiibren dafiir zu
bezieben bat. Aucb wo nur Ein Pfarrgeistlicber ist, soUen die Pfarr- •
bticber von ibm selbst, und nicbt von einem Kircbner oder Mefiner
gefUbrt und verwabrt werden.
16. Die Vormittagspredigten an den Bonn- und Feiertagen
werden in der Aegidier uml Jacober Kircben um 8 Uhr, in den
beiden Hauptkircben zu Sebald und Lorenz um 9 Uhr; in der
Spitaler Kircbe um balb 11 Ubr angefangen. Die sogenannten Vor-
gottesdienste sind gSnzlicb aufgeboben.
17. Der Gottesdienst beginnt prSzis zur bestimmten Zeit mit
dem Hauptgesang. Wabrend desselben tritt der Prediger vor den
Altar, um ein Gebet zu sprecben; Hierauf werden nocb einige Verse
des Gesangs gesungen, wSbrend welcber der Prediger die Kanzel
betritt. Anf die Predlgt folgt unmittelbar ein Gebet. Alsdann
kSnnen die Proklamationen und andere Verkiindigungen, jedocb nur
solcbe, welcbe fUr die Kanzel geeignet und durch Vorschriften der
allerbocbsten Stellen oder des General-Dekanats aufgegeben sind,
bekannt gemacht werden. Besonders verlangte Flirbitten, die aber
nur Kranke und Sterbende betreflFen sollen, werden mit dem Scblufi-
votum scbicklicb verbunden. Hierauf folgt der Gesang der Gemeinde
und ein stilles kurzes Gebet.
Nacb diesem stimmen die Cborsinger unter Leitung des Kantors
vor dem Altar vierstimmig ein geistlicbes Lied oder eine Hymne an.
Die KircbentUren, welcbe der Mefiner mit. dem Auftreten des Geist-
licben auf die Kanzel zu scbliefien hat^ werden wieder geSffnet und
die Gemeinde wird entlassen.
18. Die Kommunionen werden durchgangig als ein besonderer
Gottesdienst vor der Predigt gebalten.
Weil jede Feierlicbkeit durcb allzu bSufige Wiederbolung leidet^
so werden sie in der Kegel nur alle 14 Tage und an den bohen
Festtagen zelebriert werden. Da man jedocb biervon auf die Jabres-
zeiten gerne Rucksicbt nimmt; so wird jedesraal die bevorstebende
Kommunion 8 Tage zuvor von der Kanzel angezeigt. Nacb dem
Begriff von Kommunionen nebmen aucb die Aermsten, obne
fernere Absonderung, an diesen offentlichen Obristenvereinigungen
Anteil.
19. Sonnabends zuvor werden in alien Pfarr-Kircben nacbmit-
tags 1 Uhr die Beicbtreden gebalten und bierauf die besonderen
Beicbten und Absolutionen gegeben.
20. Die Kirch en-Op fer werden, bis auf weiters, wie bisher
Geyer, Das kircbl. Leben in Niirnberg vor u. nach d. Cberg. an Bayeni. 127
gesammelt. Auch bei Taufen, Trauungen, Kommunionen werden
Becken aufgestellt; deren Ertrag unmittelbar ztir Erhaltung der
KirchenbedUrfnisse allerhochst bestimmt ist^ und daber in die pfarr-
amtlicbe Berechnung kommt.
(Vergl. Kreis-Intelligenzblatt Nr. 38. S. 334). Das lastige An-
bieten der BlumenstrSufie iinterbleibt durcbgslngig.
21. Der Religionsanterricht der Jugend soil mit er-
neuertem Eifer durcb Katechisationen in jeder Pfarr-Kircbe befbrdert
werden. Die Schiilkinder, auch die von den Progymnasial-Schulen
und den parallelen Realscbulen^ werden vom En^e des 9. bis zum
Ende des 14. Jabres bei demselben erscheineu.
22. Die Schuler von der Sebalder und Lorenzer Studienscbule
und von den Real-Scbulen gehen einmal in der Woe he und am
Sonntag in die dem Gymnasium zunachst gelegene Aegidien-Kirche;
abwechslungsweise von einem der Lehrer begleitet.
23. Samtliche Volksschulen werden unter die Pfarr-Kirchen in
gleicher Absicht ausgeteilt. Alle Schullehrer sind allerhochst an-
gewieseu, ihre Schuler selbst dahin zu begleiten^ damit sie jede Un-
brdnuug verhuteu; auch den katechetischen Beligions-Unterricht um
so leichter in der Schule vorbereiten und wiederholeu konnen, wozu
sie von den Diakonen, welchen die Katechisationen obliegen, Rat
und Anweisung anzunehmen haben.
24. Die sonntSgigen Katechisationen- werden in alien
Pfarr-Kirchen um halb 2 Uhr gehalten. Damit auch Erwachsene sie
beniitzen konnen, wird in denselben die Lehrordnung ununterbrochen
fortgesetzt, so, dafi sie alljahrlich uber die christliche Glaubens- und
Pflichtenlehre ein znsammenhsLngendes Gauzes bilden.
25. In jeder Pfarr-Kirche werden zweimal in der Woche' von
10 bis 11 Ubr besondere Katechisationen gehalten^ welche, weil sie
von den Erwachsenen nicht so hSufig besucht werden^ zunachst der
Vorbereitung der Kinder angepafit werden und die sogenannten Haus-
Kinderlehren ersetzen konnen.
26. Die Woch en -Katechisationen werden in der Sebalder
Kirche Dienstags und Donnertags, in der Lorenzer Kirche Montags
und Mittwochs, in der Jacober Kirche Montags und Donnerstags, in
der Aegidier Kirche Montags und Freitags, in der Spitaler Kirche
Mittwochs und Freitags regelmafiig von demjenigen der Diakonen
gehalten, welcher am nachstfolgenden Sonntag nicht zii predigen und
daber die allgemeine Katechisation zu halten hat, die durcb die
Wochen-Katechisationen vorbereitet werden soil.
27. Die Vormittagspredigten an Sonn- und Feier-
tagen werden in der Regel in den beiden Hauptkifchen von den
Hauptpredigeru^ in den drey ubrigen Stadtpfarr-Kircheu von den
Stadtpfarrern gehalten.
28. In den Nachmittagspredigten, welche um 3 Ubr an-
128 Geyer, Daa kirchl. Leben in Nfirnberg vor n. nacb d. ttberg. an Bayern.
fangen, wech^ela in den Haupt-Kircben die Stadtpforrer und Dia-
konen derselben. Bei den drey librigen Stadtpfarr-Kirchen wechseln
die Diakonen.
29. Die zerstreuten Stiftungspredigten und Betstunden werden
dadurcb ersetzt, dafi regelmSfiig in jeder Woche, in welcbe nicbt ein
Feiertag fSllt, Sommers iim 7, Winters um 8 Uhr eine Wocben-
pre dig t nnd ;swar Montags in der Sebalder^ Dienstags in der
Jaoober, Mittwochs in der Aegidier, Donnerstags in der Spitalei* und
Freitags in der ^aurenzer Kircbe gehalten wird; welcbe entweder
die bomiletiscb belehrende ErklUrung eines 'Bibelahscbnittes oder
einer cbristlicben Lebre umfafit, wogegen die Sonntagspredigten mebr
als feierlicbe Andacbtsreden bebandelt werden. Wo Stiftungspredigten
mit besonderen Zwecken eingefiihrt waren, werden gewisse Wocben-
predigten besonders ftir diese bestimmt, und die Absicbt des Stifters
moglicbst erfuUt.
30. In der Passionszeit in den nScbsten vier Wocben vor Ostern
ist nachmittags von 3 Ubr an, in jeder Pfarr-Kircbe, ebenfalls ab-
wecbselnd, eine Passionspredigt vorgeschrieben, welcbe in der
Sebalder Kircbe am Mittwocb^ in der Laurenzer am Dienstag, in der
Jacober am Freitag, in der Aegidier am Donnerstag und in der
Spitaler am Montag gebalten werden.
31. In den Wocben- und P^issionspredigten wecbselu die Stadt-
pfarrer und Diakonen mit einander. Da letztere die Katecbisationen
allein zu ubernebmen babeu ; so wird, soviel moglicb darauf g^seben,
dafi derjenige, welcbem die Katecbisationen in der Wocbe zufallen^
nicbt zugleich in der nSmlicben Wocbe zu predigen babe.
32. In Hinsicbt der Taufen und Trauungen ist es der
allerbocbste Willens Entscblufi, die Offentlicbkeit dieser kircblicben
Handlungen als Kegel geltend zu macben. Ein iedes cbristlicbe
Gemeinde-Glied wird es fUr zweckmafiig erkennen^ dafi seltene Re-
ligionsbandlungon durcb ein andacbtiges Erscbeinen in dem Gottes-
bause feierlicher gemacbt werden. Die wobltlitigen EindrUcke des
Cbristentums auf das GemUt erbobeu sicb bei den meisten dadurcb,
dafi die Teilnebmenden ibre Geliibde gegen Gott, fur sicb selbst,
oder fur die in die Gemeinde aufzunehmende Kinder, an einem von
dem gewbbulichen Gebrauch ausgesonderten Orte unter angemessenen
Feierlicbkeiten, QiUssprecben. Aucb werden Vornebme, wie Geringere,
wenn sie die beilsamen Folgen des kircblicben Vereins fiir die
sittlicbe und blirgerlicbe Ordnung erwSgen, das Band der ReligiositUt
gerne durcb sicbtbare Beweise ibrer Teilnabme zu verstarken, sicb
zur Pflicbt macben.
33. Das Taufen, als eine matrikelmafiige Pfarrbandlung ge-
bort zu der Pfarrkircbe des Sprengels. Die observanzmSfiigen Ma-
trikel- und Stolgebuhren sind deswegen jederzeit an das Pfarramt
des Sprengels nacb irej Abstufungen von 30 kr. 1 fl. und. .1 fl.
Geyer, Das kirchl.Leben in Niiiiiberg vot u. Dach d. Oberg. an Bayern. 129
30 kr. zu bezablen, indem die Einzeichnung des Tauf lings in die
Pfarr-Registei' binnen 24 Stunden nach der Geburt unfehlbar durch
umstandlicbe, der Hebamme obliegende Anzeigen bei dem Pfarr-Amt
bewirkt werdea soil. Zur Vollziebung der 'raufe selbst wird den
Eltern ein laogerer Aufschub, mit KUcbsicht anf die Gesundheit des
Kinds und der Mutter gerne zugegebeu.
34. Die Taufe in der Kirche wird in der Kegel nicht be-^
senders gebalten^ sondern mit einem anderu offentlichen Gottesdienst
in Verbindjing gesetzt und von dem Pfarr-Geistlichen, welchen die
Reihe trifft, verriclitet, da die Parocbial-Handlungen dem Stadtpfarrer
sowobl, als den Diakonen zukoramen. Dem Mefiner der Pfarr-Kirche
kommen nacb den drei Klassen zu; entweder 12 kr. oder 40 kr*
oder 48 kr.
35.'Wollen die Eltern eine Haustaufe veranstalten ; so konnen
sie dieselbe einem der Stadt-Geistlicben, welchen sie dafiir nebst
dem begleitenden Kirchendiener besonders remunerieren werden, iiber-
tragen. Es mufi aber dieses dem Pfarr-Amte des Sprengel bei der
Tmmatrikulation des Tauflings iunerhalb der ersteh 24 Stunden an-
gezeigt und zugleich nicbt nur die Stolgebiihr, welche den Pfarr-
geistliclien zukommt, erlegt, — sondern auch noch das doppelte der
gewbhnlichen Stolgebiihr als Taxe fur das besondere Aerar der
Sprengel-Kirche mit beigelegt werden. Der Geistliche, welcher die
Taufhandlung verrichtet, ist jedesmal im Pfarr- Register ausdrlicklich
zu bemerken.
36. Die Proklamationen geschehen verordnungsmafiig sowohl
in der Pfarr-Kircbe des Brautigams, als der Braut. Die Proklama-
tions^-Gebuhren werden bei den beiden Kirchen nach dreierlei Klassen
mit 3 fl. oder 1 fl. 30- kr. oder 45 kr. entrichtet.
37. Die Trauungen gehoren, nach der nunmehr erfolgten aller-
h5chsten Bestimmung, zu der Pfarrey desjenigen Spreugels, welchem
die Braut bis zu ihrer Verheyratung angehort hat. Bei der Pfarrei
dieses Sprengels geschieht daber jederzeit die Einregistrierung, auch
in der Regel die Trauung selbst; die Trauungsgebiihren sind dahin
in jedem Falle zu entrichten. Diese sind, gleichfalls zu Folge aller-
hochster Verfiigung nach 3 Klassen eingeteilt, so, dafi an die Pfarrey
5 fl. oder 3 fl. oder 2 fl, bezahlt werden.
38. Geschieht die Trauung in der Kirche, so ist sie durch
den Pfarr-Geistlichen, den die Reihe triff't, zu verrichten. Die Ge-
wohnheit, Privattrauungen gegen eine erhohte Stolgebiihr in den
Pfarrwohnuugen vorzunehmen, ist allerhochst aufgehoben. Die Zeit
der in der Kirche zu verrichtenden Trauung wird durch den Pfarr-
geistlichen, nach genommener Rilcksprache mit den Brautleuten, be-
stimmt. Dem Kantor, dem Organisten und den Chorschiilern kommen
je 1 fl. oder 40 kr. oder 20 kr. als Gebuhren zu. Fiir jeden
Kirchner oder Mefiner bleibt die Geblihr von 1 fl. oder 45 kr. oder 24 kr.
Beifcrage ssur bayer. Kirchengescliichte XII. 3. Q
130 Geyex, Das kfrchl, Leben in Nflrnberg vor u. naob d. Dberg. an Bayern.
89. Zn Haus-Trannngen wird die Erlanbnis nur dadurch
erreiclit^ dafi nicht nur die festgesetzte TrauungsgcbUhr an die
Ffarrey des Sprengels, sondern anch eben dieser Betrag nach der
betreffenden Rlasse verdoppelt, flir das besondere Aerar der Sprengel-
Kirche^ als l^axe bezahlt wird.
40. Zu Haus-Trauuugen kann sodann der Beicbtvater oder
ein anderer Geistlicber in oder auSer der Stadt von den Brautleuten,
welche ibn und den begleitenden Kirchendiener dafiir bcsonders zu
remunerieren baben, gewShlt werden.
41. Kein Geistlicber aber darf bei scbwerer Verantwortung die
Trauung frtther verrichten, als ibm der Bedingungs-Schein oder die
Bescbeinigting der bei der Sprengelpfarrey geschehenen Immatriculation
und Hebung aller Hindernisse eingebfindigt ist, welchen er sorgfaltig
aufzubewabreu hat. Der Name des Geistlichen, welcher die Trauung
verrichtet; und des Mefiners als Zeugen^ wird in der Pfarrmatrikel
bemerkt.
42. Alle Sterb- und Beer'digungsfSlle mlissen dem Pfarr-
amte der Pfarrkircbe durch die Leichenfrauen niifehlbar binnen
24 Stunden zur Einzoichuung in die Ffarr-Registor umBtSndlich an-
gezeigt und dabei die Gebtibr entrichtet werden. Weder Leichen vom
Biirger-MilitHr, nocb von Kindern macben bierin eino Ausnabme.
Die nur willkUrllcb eingefiihrten^ sogenannten Freiheitsleicben, in
sofern sie den Pfarr-Aemtern nicht zur Einregistrierung angezeigt
und die Pfarrgebuhren davou nicht bezahlt wurden, sind durch das
allerhochste Reskript aufs strengste untersagt. Als PfaiTgebiihren
sind bei Erwachseueu, vom Ende der Schulpflichtigkeit an, nach den
bemerkten 3 Abstufungen 6 fl. oder 4 fl. oder 2 fl. 15 kr. zu be-
zahlen.
43. Werden Leichpredigten, Grabredeu oder Parentationen von
einem der Pfarr oder Stadt-Geistlichen begehrt, so werden sie be-
sonders honorirt. FUr Kinderleichen betrageu die Pfarr- oder Ma-
trikel-Gebtibreu 3 fl. oder 1 fl. 30 kr. oder 24 kr., fur den Kantor
wird bei den Leichen der Erwachsenen entweder 3 fl. oder 2 fl. oder
1 fl., fur die Chorschiller ebenso viel bezalt. Fiir den Kirchuer
ist, da er den Leichenapparat erhSlt, bei Erwachsenen 3 fl. 30 kr.
oder 2 fl. 45 kr. oder 1 fl., bei Kiuderleicben 1 fl. 30 kr. oder
1 fl. oder 15 kr., fiir die Mefiuer bei Erwachsenen 1 fl. 30 kr. oder
45 kr. oder 20 kr., bei Kinderleichen 40, 20 oder 10 kr. zu be-
zahlen.
44. Die drei Abstufungen, nach welchen die GebUhren bestimmt
werden, richten sich dem allerhochsten Befehl gemSs nicht mehr
nach irgend einer Verschiedenheit von Zeremonien, sondern nach dem
Vermogensstande. Diejenigen, welche das Familien Schutzgeld,
nach der ersten und zweiten Classe bezahlen, entrichten nur die
niedrigsten Stolgebiihren, die dritte, vierte und fUnfte Klasse nach
Clemen, Norlcus Philadelpfaus =z Easpar Ntttzel? 131
dem Familien Schutzgeld^ bezahlt die mittlere Taxe, die sechstd,
siebente und achte Klasse nach der bochsteii. Bei Auswartigen wird
auf daS; was von ibrem YermogeDSstand bekannt ist, RUcksicbt ge-
uommoD.
45. Von notorisch armen Personen ist nicbts zu bezalen, der
in die Pfarr-Register einzutragende Vorfeill aber dennocb mit gleicht'ir
Genanigkeit anzusseigen uud aufznzeichnen.
46. Fnr musikaliscben Kircbengesang Bowobl in den Kircfaen
als bei Leichenbestattungen auf dem Kircbhof wird durcb bessere Ein-
ricbtung der Kantoreien und Cborscbulen gesorgt werden. Das Um-
singen anf den Strafien h(5rt durcbgangig mit dem letzten April auf.
47. Die ganze Pfarr organisation mit ihren Folgen wird mit dem
1. May in AusUbnng gesezt, so, daiil Gegenwartiges alien ein-
scblagigen Beborden und Personen, aucb der Konigl. Polizei-Direktion,
dariiber als Vorscbrift gilt.
N Urn berg den 10. April 1810:
K5niglicbes General-Kommissariat des Pegniz-Kreises als General-
Dekanat.
Frbr, v. Lercbenfeld
Lippmann.
Noricus Philadelphus = Kaspar NQtzel?
Von Otto Clemen (Zwickau i. S.)
Das Pseudonym Noricus Philadelphus, das Weller, Lexicon
pseudonymorum S. 426 nicht zu deuten gewufit hat, findet sich
auf folgender, in Panzers Annalen unter Nr. 2430 angeflihrten
und in der Zwickauer Eatsschulbibliothek (XVI. IX, 1, 17) vor-
handenen Scbrift:
Wie alle Closter / und sonderlich Jnnck- / frawen Closter
in ain Christ / lichs wesen mochten / durch gottes gna / den ge-
bracht / werden. / Noricus Philadelphus. / M. D. xxiiii. / Titel-
bordiire: ein Nachschnitt der bei A. v. Doramer, Luther-
drucke auf der Hamburger Stadtbibliothek S. 240 f. Nr. 81
beschriebenen. 12 ff. 4®. P u. 12 weifi.
In der „allen Eptissin, Priorin, Closter frawen vnd Junck-
frawen samlungen" gewidmeten Vorrede vom 10. April 1524
wendet s^ich der Verfasser zun^chst an die ,,Eptyssin, priorin vnd
andre obern vnd Regenten in sollichem orden^ mit der Bitte,
Gott uud seinem ewigen Worte die Ehre zu geben, ihre Jung-
frauen treulich auf das lautere und reine Wort Gottes hinzu-
9*
132 Clemen, Noricus Philadelpbus = Kaspar Niitzel?
weiseu, wer nicht bleiben woUe, „in guttem" zu entlassen, auf
Christum, den starken, lebendigen Fels, nicht auf Menschen-
tand, -gesetz und -regel zu bauen und sich an die einige christ-
liche Regel, den wahren Glauben und die christliche Liebe, zu
halten und ihre Untergebenen allein auf diese zu weisen, und
sodann an die andern Jungfrauen nnd Klosterpersonen mit der
Bitte, in alien ehrlichen, christlichen und gottseligen Sachen
ihrer Abtistin und Priorin Gehorsam zu leisten und sich in
christlicher Neuerung, Verbesserung und Reformation „in kein
weg" diesen zu widersetzen.
In der Abhandlung selbst lafit er auf 21 Reformvorschlage
3 Sonderabschnitte folgen : Wie sich die Klosterjungfrauen
gegen tyraniiische Gewalt der Pralaten schiitzen
soil en (Sie sollen sich auf das gottlich Wort berufen, glimpf-
lich bitten, sie unbeschwert zu lassen und demiitiglich sich er-
bieten, dafi sie nichts anders mit Gottes Hilfe vornehmen werden,
als was sie Gottes Wort, das nicht fehlen mag, weise; „Wo
aber ye die Probsteu die sach weytter woUten treyben, so achts
man nu nicht, sondern halts fiirs Teuffels Bann, der gar kain
grand inn der geschrifft Gottes hatt"), ob man auff der
Concilien Erkantnus warten sol („da sey gott vor, das wir
seynem ewigen wort sollten weniger eere vnnd glauben denn
armen, ellenden, siindtlichen menschen geben"; auf den Konzilien
herrscht wie auf den Reichstagen Kirchtumpolitik und rlicksichts-
loser Egoismus: „ain yeder suchtdas seyn, wer den andern vermag,
stocktjn insack''), vom Eelichen stand (die sich ausden Klostern
in den ehelichen Stand begeben wollen, miissen fiir sich pehmen die
Schrift Gottes und ihr Gewissen damit starken: Gen. 1, 28; 2,
18; Matth. 19, 6; 1. Kor. 7, 9; Eph. 5, 32; 1. Tim. 4, 3).
Aus den Reformvorschlagen, die der Verfasser macht, hebe ich
nur die wichtigsten heraus: 2. Man soil einen christlichen
Prediger berufen, der das Wort Gottes treulich, rein und lauter
predige, und das taglich tue, vor und nach Mittag, an Werk-
tagen eine halbe, an heiligen Tagen eine ganze Stunde. 3. Die
Abtissin soil die Schrift beider Testaments selbst fleifiig lesen,
auch von ihren Jungfrauen stetigs, wenn sie nicht zu arbeiten
haben, lesen lassen. 4. Man soil sonderlich Doctor Martinus
Buchlein ,; wider die menschen leere" (= Von Menschenlehx-e
Clemen, Noricns Philadelphus = Easpar Niitzel? 133
•
zu meiden, 1522) mit hohem FleiC lesen, lernen und sich ein-
prSgen. 5. Desgleichen andere Biicher Luthers, Melancbthons
und Bugenhagens, so viel man derselben deutsch und lateinisch
bekommen mag. 6. Mit den 7 Zeiten mag eiue Abtissin oder
Priorin eine solche Ordnung machen, daB man „zur Metten
drey Respons vnd drey Lection aufi beyden Testamenten alles
teutsch neme ... die Prim, Tertz, Sext, Non laB man auch
bleyben ... die Vesper bleyben auch wol zu sampt der Com-
plet, aber als teutsch vnd mit Christlichen Antififen, CoUecten
vnd Capiteln, allein auB der schrifft Gottes genommen".
7. „wolt Gott, das die armen Nonnen die teutsch^n MeB auch an-
nemen, auch kain liessen halten, dennwenn etlicheCommunicanten
vorhanden weren, auB vil ursachen, sonderlich in Doctor Mar-
tinus buch, das man die winckel MeB abthun soil (= Vom MiB-
brauch der Messe, 1522), genugsam begriffen..." 8. Cora-
munio sub utraque! 9. Die Abtissinuen und Priorinnen soUen „mit
den Capiteln vnd Disciplinen darinn . . . seuberlich faren vnd
bey leyb nit tirannisiren damit, wie laider biBher geschehen ..."
10. Keine Fasten verpflichtung! 11. Freiheit, „das man die
weyhel, schlayer vnd kappen vnd andere Closter klayder . . .
mug tragen oder nicht . . .^* 12. Keine Unterscheidung von Fest-
und Werktagen! 13. Keine lebenslanglich bindenden Geliibde
zu Keuschheit, Armut und Gehorsam! 14. Die Abtissinuen
und Priorinnen soUen keine Jungfrau wider ihren Willen halten,
„sondern wenn sy nicht bleyben wollen, mit wissen, willen vnd
gunst jrer oltern oder freiindtschafft in guttem von jn koramen,
solten sy in gleych zu meerern tayl jres eingebrachten geldts
wider mitt geben ..." 21. „Also mochten endlich auB den
Clostern Christlich schulen werden, Junge kinder darinn in
Christlicher zucht, leer vnd eere, zuerziehen; inn des mtiste
man die allten Junckfrawen, die nicht herauB wollten oder
taugten, gedultigklichen leyden, erdulden, hallten vnd ernoren
vnd die Jungen, die auB verstandt Gottlicher gescbrifft herauB
trachten, mit der freundtschafft wissen vnd willen, frey vnd
vnuerhindert herauB kommen lassen . , .
Noricus Philadelphus — der Verfasser bezeichnet sich da-
mit als einen Nurnberger, der sich von christlicher Bruderliebe
getrieben fublt. Er muB sich besonders fiir die Reformierung
134 Zur Bibliographie.
und Aufhebung der Nonnenkl5ster interessiert haben. Das laBt
uns an den Pfleger des Klarissinnenklosters Kasp.ar NtitzeU)
denken. Vergegenwartigt man sich das Vorgelien des Nttrn-
berger Rats gegen Charitas Pirkheimer und ihre Nonnen in den
Jahren 1524 und 1525^) und erinnert man sich dabei des In-
halts unserer Schrift, so will es einem vorkommen, als ob der
Rat dabei die Grundsatze und Desiderien befolgte, die Noricus
Philadelphus = Kaspar Niitzel geauBert hat.
Zur Bibliographie.')
Weifi, Th., Pirmasens in der Franzosenzeit. Pirmasens (Progr.
d. Progymn.) 1901.
Guckel, Martin, BeitrSge ^ur Geschichte der Stadt Forchheim im
17. Jahrh. 1618—1624 DilHugen (Progr, d. Gymn.) 1904.
Wucherer, Fr., Mittelschulwesen im Hoclistift Bamberg 1773 — 1802.
Bamberg (Progr. d, Alt. Gymn.) 1904.
Joachims en, Paul., Marx Welser als bayerischer Geschichtsschreiber.
Muncheu (Progr. d. Wilhelmsgymn.) 1905.
Joetze, Frz., Die Chroniken der Stadt Lindan. MUnchen (Progr.
d. Maximilian sgymn.) 1905.
Schreibmiiller, H., Die Landvogtei im Speiergau. Kaiserslautern
(Progr. d. Gymn.) 1905.
*Bernhardt, E., Professoi*. Bruder Berthold von Regensburg. Ein
Beitrag zur Kirchen-, Sitten- uud Literaturgeschichte Deutsch-
lands im XIII. Jahrbundert. Erfurt. Hugo Guther 1905.
70 S. — 1,50 Mk.
Ein neuer Beitrag zur Literatur ttber Berthold von Regensburg, der
insofern zu begruBen ist, als m. W. seine Predigten gerade fiir die Kirchen-,
Sitten- und Kulturgeschichte langst nicht so ausgebeutet sind, als dies
wiinschenswert ware. Nach einer Bemerkung in der Einleitung, daB der
Verf. fur einen grofieren Leserkreis schreibe, durfte man erwarten, daB
er ein Bild der Bedeutung Bertholds fiir die Kenntnis der Zeitgeschichte
im weitesten Worte in zusammenhangender Darstellung liefern
wollte. Aber seine ofFenbar auf sehr flelBigen Studien beruhende Arbeit
ist mehr eine Art Einfuhrung in das Studium Bertholds und eine ge-
drangte tJbersicht ttber das, was in der angedenteten Richtung bei ihm
vor allem zu beachten ist. Denn nach einer knapp gehaltenen, aber durch-
sichtigen Darlegung tiber Bertholds Leben, schriftstellerische Tatigkeit,
1) Vgl. uber ihn den ausgezeichneten Artikel von Mummenhoff
ADB 24, 66—70.
2) Roth, Die Einfuhrung der Reformation in Nurnberg, WUrzburg
1885, S.183flf.
3) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Erlangen.
Zur Bibliographie. 135
Verhaltnis der deutschen zu den lateinischen Predigten etc. teilt der Verl
auf Grund vielfach selbstandiger Forschung in einer groBen Zahl von
Rubriken mit mannigfachen Unterabteiluiigen (z. B. die BUcher der Natur,
Astronomisches, der Mensch, Medizinisches, das Tierreich, das Pflanzen-
reich, das Mineralreich) die wichtigsten einschlagigen Auslassungen Ber-
tholda mit, was sicher zur Orientierung sehr wertvoll und als schatzbarer
Beitrag zur Bertholdforschung zu bezeichnen ist; aber, wer Berthold
nieht selbst kennt, wird, weil es an der Zusammenfassung des Einzelnen
felilt, daraus kauoi einen Eindruck von seiner Personlichkeit und dem
EindrucksvoUen seiner Bede gewinnen. Es lage nahe, u. a. auf die vom
Verf. selbstandig gewurdigte Frage des Verhaltnisses des deutschen
und lateinischen Textes der uns uberlieferten Predigten einzugehen, aber
ich vcrzichte darauf, weil meme germanistischen Kenntnisse daftir nicht
ausreichen, kann aber doch nicht verschweigen, dafi es mir etwas gewagt
erscheint, wenn der Verf,, der nach seiner eigenen Angabe von den latei-
nischen Predigten nur einen kleinen Teil kennt, wahrend wir nach der
Angabe Steinmeyers (Pr. Realenzyklopadie II, 651) nahezu 400 besitzen,
hier mit einer eigelien Hypothese hervortritt. AuBerdem mochte ich mir eine
Bemerkung inbezug auf die „Doppelpredigten" erlauben. Wenn da der Verf.
unter Hinweis auf Beispiele von sehr starken Abweichungon in der Behand-
lung desselben Themas sagt: ,|Es ist nicht daran zu denken, daB in diesen
Fallen zwei Bearbeitungen einer lateinischen Rede vorliegen** (S. 14), so
mu6 ich daran erinnern, daB die neuere Lutherforschung dahinter. ge-
kommen ist, was zwei verschiedene Nachschreiber bezw. Bearbeiter aus
einer Predigt Luthers^ zu der uns auch noch Luthers Konzept erhalten
ist, machen konnten. Hinsichtlich der gelehrten Kenntnisse Bertholds
gilt, was von der Mehrzahl der mittelalterlichen Autor<en gilt, daB die
Anftihrung derWerke der Kirchenvater, oder inhaltliche Zitate aus den-
selben, nochkeinerlei Beweis dafUr ist, jdlaB sie die betreffenden Werke selbst
gelesen haben, noch weniger ist dies aus Klassikerzitaten zu schlieBen.
Der Ausdruck „extravagantes" S. 6 in dem Titel Sermones speciales sive
extravagantea wird in demselben Sinne zu verstehen sein, wie er fur die
auBerhalb der urspriinglichen papstlichen Dekretaliensammlung nach und
nach in Gebrauch gekommenen papstlichen Erlasse gebraucht wurde,
er bezeichnet also das, was nach dem AbschluB der Saromlung noch
hinzugekommen und zunachst unverbunden kursierte. Auf Weiteres, was
der Besprechung wert ware, einzugehen, gestattet leider der Raum nicht.
*Kadner, Siegfried, Jabrbucb fUr die eyangelische Landeskirche
Bayerns. 1906. 6. Jahrgaiig. Nordlingen, C. H. Becksche
BuchUanHlung. 172 S. Geb. 1,50 Mk.
Zum sechsten Male darf ich Eadners Jabrbuch begriiBen. Durch
die Vorrede klingt eine leise Klage hindurch, daB das Buch doch noch
nicht diejenige Verbreitung gefunden hat, die man erwarten miiBte, und
die namentlich derjenige wiinschen muB, der sich mit diesem neuen Jahr-
gang eingehend beschaftigt hat. Nur wer selbst mit Redaktionsarbeiten
zu tnn hat, kann ahnen, welche groBe Arbeit notig ist bis zur Fertig-
stellung eines solcher Bandes, der alien etwas bringen und den kirchlichen
Zeitfragen gerecht werden und das Interes^e an dem, was die Kirche
heute bewegt, anregen oder auch klaren will, und die bayerische Landes-
kirche hat alien Grund, dem Herausgeber fiir diese neue Gabe dankbar
zu sein und ihn nach KrSften in seinen Bestrebungen zu unterstiitzen.
Zu den alten Mitarbeitern z. B. Koberle (Die Verbreitung des Missions-
interesses im evangelischen Bayern), Steinlein (Zur kirchenpolitischen
Lage in Bayern), denen man wieder zu begegnen sich freut, sind neue
gekommen, z. B. Professor W. Caspar! mit dem Aufsatze: Taufpaten
und Taufnamen, dem wir recht viele Leser wUnschen mochten, kann man
136 Zur Bibliographie.
es doch immer beobachten, dafi unsere BOgeDannten Laien sicb'fur kirch-
liche Dinge und Branche vielmebr interessieren, wenn sie etwas von
ihrer Gesohichte erfabren, und auch der Theologe wird manches darans
lernen konnen. In die groBen, schweren kirchlichen Fragen der Gegen-
wart fflhrt Dekan Seeberger (Laienmobilisierung und Arbeitsteilung),
Pf. Nagelsbach (Ftirth) (Der Massenunterricht in Konfirmandenstunde und
Chrifltenlehre), Pf. Heller (Die Christenlehre), H. Fuchs (Scbule und
El tern baas). Historlscbes bring t Schornbaum (PfrUnderecbnungen der
Markgrafschat't Ansbach), Dorn mit einer Wiedergabe einer alten Druck-
Bcbrift Uber das Martyrium des Mllnchner Taufers G. Wagner (die aller-
dings der Beitrage V,298 gesucbte erweiterte Druck sein wird), und der
Herausgeber reiiektiert anlaClicb des Jubilaums des Konigreichs Bayern
liber lS)6 — 1906 und bericbtet aucb im Anhange von seiner Eomreise,
ferner Geyer in seiner Gedachtnisrede zu Scbillers Todestag. Nattirlich
durfte diesroal auch ein Bericht Uber die letzte Generalsynode nicht fehlen.
Man muB dem Yerf., Dekan Ensam, nachriihmen, dalS er sehr objektiv
bericbtet, auch sich nicht gescheut hat, auf die Tatsache hinzuweisen,
daO der Generalsynodalausschufi fast zur Untatigkeit verurteilt ist, da6
die Mangelhaftigkeit der Geschaftsordnung fortbesteht, aber er moge ent-
schuldigen, wenn ich mir die Bemerkung erlaube, daB diejenigen, die
nicht in Bayreuth waren, namentlich die Laien daraiis noch nicht ein
klares Bild von Wesen und Bedeutung dieser Synode gewinnen werden.
Ich verstehe die weise Zurilckhaltung, wenn erbemerkt: „£inabschlieBendes
Urteil uber die Generalsynode von 1905 wird erst die Zukunft bringen,"
Und war woUte die Richtigkeit dieses Satzes bezweifein? Aber da seiche
Berichte doch mit dazu dienen soilen, ein richtiges Urteil anzubahnen,so
ware es empfehlfenswert ge wesen, wenn nicht gerade daher den Maflstab
zu nehmen, was eine Generalsynode in anderen Landeskirchen bedeutet,
so doch darauf hinzuweisen, was weite Kreise, freilich in unberechtigtem
Idealismus, nach allem, was dariiber in den letzten Jahren laut geworden,
von der letzten Generalsynode erwarteten, und was sie nicht gebracht
hat. — Eine interessante Sammlung von Aphorismen aus Haucks Kirchen-
geschichte Deutschlands bietet Pf. Riedel, und sehr erfreulich ist es ztt
h5ren, daJ3 uns fiir nachstes Jahr ein Lebensbild von Harlefi in Aussicht
gestellt wird.
*G6tz, Walter, Die angebliche Adelsverschwbrung gegen Herzog
Albrecht V. von Bayern (1563/64). S. aus Forschungen zur
Geschicbte Bayerns XIII. Bd. 3. Heft. S. 211—229. (XI,
146f. u. 198.)
Bereits zweimal hat in den Beitragen von der bedauerlichen Arbeit
von Dr. Karl Hartmann, DerProzefi gegen die protestantischen LandstKnde
in Bayern, Munchen 1904 und dem unqualifizierbaren Treiben dieses Autors
die Rede sein mtissen. DaB er auch dann noch die ultramontane Presse
gegen unliebsame Kritiken zu Hilfe rief (Bayr. Kourier Nr. 127 u. 128)
konnte keinen AnlaB geben, noch einmal auf ihn zurtickzukommen, wohl
aber die vorliegende Studie von Walter Gotz. Der Verf., der beste Kenner
jener Zeit, hat sich der Mtihe unterzogen, die umfangreichen Quellen-
studien, auf die Hartmann so stolz ist, und seine Qiiellenausziige nachzu-
prttfen. Ich hatte geglaubt, H. fehle es yor -allem an der Fahigkeit, die
Quellen zu werten; das wird nun freilich mehr als bestatigt, aber be-
lastender fiir ihn ist doch der Nachweis, in welcher Weise er seine Quellen,
die er teilweise gar nicht verstanden hat, wiedergegeben und zugestutzt
hat. Man muQ das bei Gotz nachlesen, um sich einen Begriff zu machen
von der Leichtfertigkeit, mit der der selbstbewufite Autor gearbeitet hat.
Aber damit ist der Wert der neuen Studie von Gotz, der, was besonders
Znr Bibliographie. 137
begtiiBt werden muB, die inkrinQinlerten BriefErcbaften des evangeliscbeii
Adels Yollstftndig herauszugeben beabsichtigt, diirchaus nicbt erschQpft.
In knrzen aber klaren AuBfahrungen werden die Hauptpunkte, urn die ea
sich bei der ganzen Frnge bandelt, belenchtet, aacb dargetan, wie weit
das Recht tind das Unrecht aaf beiden Parteien ging, namentlicb aber yon
nenem, fiir jeden, dem das Gegenteil nicht von vomherein feststeht,
schlagend nachgewiesen, daB yon einer Adelsversohwdrnng gegen Al^
brecbt Y. nicht die Kede sein kann, nnd wie das Ganze, was ich meiner*
seits (Beitr. XI, 147) aueh hervorgehoben babe, nur zu verstehen nnd za
wtirdigen ist als eine Phase im Kampf zwischen der landesherrlichen
nnd standischen Gewalt.
*Enchiridion. Der kleine Catechism us fur die gemeine' pfarher
vnd Prediger, D. Mart. Lutb. Wittemberg gedruckt Nick. Scbir.
1536. Faksimile-Neudrack berausgegeben yon Pastor Liz.
0. Albrecht. A. u. d. Titel : Der kleine Katecbismus D. Mart.
Luthers nach der Ausgabe v. J. 1536 berausgegeben und im
Zusammenhang mit den andern von Nickel Schirbentz ge-
drackten Ausgaben untersucbt von Liz. Otto Albrecht^ Pastor
in Naumburg a. S. Mit der Pbotograpfaie einer Katecbismus-
tafel. Halle a. S. Yerlag der Buchbandlung des Waisen-
hauses 1905.
Mit Freuden komme icb dem Wnnsche des Verf.s naeb, die vor-
liegende Arbeit anch in diesen, spezieil der Bayeriscben Eirchengeschichte
gewidmeten Beitragen zur Anzeige zu bringen, bandelt es sicb docb dabei
um die Geschicbte von Luthers kieinem Katecbismus, ffir die man uberall
Interesse voraussetzen darf, und ich kann die HofEnnng noch nicbt auf-
geben, daB vielleicht gerade in Bayern mit seinen immer noch yiel zu
wenig durchforschten Kirchen- und Stadtbibiiotbeken, in denen in den
letzten . Jabrzehnten ungeahnte Schatze, ja Unica wieder zum Vorschein
gekommen sind, sich die immer nnd immer wieder yergeblich gesuchte
erste Ausgabe von Luthers kieinem Katecbismus noch finden k&nnte.
Allerdings bandelt es sich in dem vorliegenden Werke des in der Kate*
chismusliteratur und -Geschicbte wie wenige bewanderten Lntherforschers,
dem wir schon verschiedene einschlagige Arbeiten verdanken, und der
anch die Bearbeitung der Katecbismen fiir die Weimarer Lutherausgabe
ubemommen hat, nicht eigentlich um die Entstebung von Luthers
kieinem Katecbismus, sondern um die Veroffentlichung und Wiirdigang
einer spateren, von Albrecht in der Gymnasialbibliothek zu Thorn aufge-
fundenen Ausgabe von 1536, die uns in einem auch der Verlagshandlung
alle Ebre macbenden, prachtigen Faksimiledruck dargeboten wird; aber
dieser Dmck war nicht einzuieiten, ohne die ganze Frage nach der Ge-
schicbte Yon Luthers Katechismus von neuem aufzurollen. Und wer sich
in Ktirze iiber den jetzigen Stand der Frage und dariiber belehren will,
welcbe Ausgaben wir jetzt kennen, wie sie zu werten und zu klassiiizieren
sindy dem ist nur zu raten — ev. unter Hinzunahme der frttheren Ar-
beiten des Verf.s (im Arcbiv ftir Reformationageschichte I, 247ff., II,209ff.
und Luthers kleiner Katechismus nach der Wittenberger Ausgabe vom
Jahre 1540. Erfurt 1904 -— Albrechts ausfUhrliche Einleitung zu der
vorliegenden Ausgabe zu Kate zu ziehen. Leider ist es bier nicht mog-
lich, auf das Neue, was der Verf. teils als wirkliches Resultat seiner
Untersuchnng, tells als wahrscheinliche Vermutung hinstellt, naher einzu-
geheh, wie sehr ich auch dazu geneigt ware, docb mochte ich aus den
Resultaten hervorheben, daB nach Albrecht der blither als zweiter Erfurter
Druck (E^) gezahltc der einzige unmittelbar aus dem vorauszusetzenden
138 Znr Bibliographie.
Wiitenberger Original geflossene Abdruck ist (S. 28). Der Ventiataog
(S. 65), daft die Aaswahl der im Katechismus von 1536 sich findenden
Bilder nicht von Luther, sondern von dem Drucker herrlihrt, und Lather
flie nur zugelassen hat, mOchte ich beistimmen. Denn dafi im ersten
Hauptstfick nar die t^bertretungen abgebildet sind, ist in der Tat sehr
befremdlich, auch sind die den anderen Hanptstttcken beigegebenen Bilder
offenbar nicht ad hoc gezeichnet, sondern solehe, zu denen man die Holz-
Btocke schon hatte, and es wUrde wahrseheinlich nicht »shwer fallen, sie
anch in anderen Druckwerken wieder zn finden. Wenn Albrecht S, 99
Anm. die Frage aufwirft, ob nach Lathers orsprUnglichem Plan nicbt der
Katechismas mit der Hanstafel und ihrem kraftigen Schlafireim hatte ab^
schlieBen sollen, and ob nicht der Bachdraoker Schirlentz, der die Ur*
drucke vom Taaf- und Traubiicblein besorgt hatte, zunEchst von sich
aus, dann mit Luthers Billigung diese (nicht etwa durch den Titel
Enchiridion u. s. w. angedeuteten) Anhiinge zugefUgt hat, so m5chte ich
dazu bemerken, daB das allerdings meine positive Meinung ist. Nicht
zustimmen kann ich, wenn der Yerf. Luthers Bemerkung in der Vorrede :
^alsdann nimm den groBen Katechismus" zunskchst nicht auf Lathers
.groBer Katechismas" genanntes Bach beziehen will, sondern auf die
ausf iihrlichere Christenlehre tlberhaupt. Der Gegensatz zam „knrtzen Kate-
chismas", mit dem der Leser sich vorher beschaftigt hat („nimm abermal
fttr dich dieser Taffeln weise^), awingt zu der hergebrachten Auffassung,
wenn Luther daneben auch daraiir huiweist', daB Anleitung, die einzelnen
StUcke Mherauszustreichen", «afich in soviel Bttchlein davon gemacht"
vorhanden ist. Zur Frage nach dem verschiedenen Sinne des Wortes
Katechismus, auf die der Yerf. S. 95 auch za sprechen kommt, um von
neuem festzustellen, daB das Wort zunUchst nicht ein Bach bezeichnete,
ist an die' Erklarung des Thomas von Aquino za erinnern : Catechismas
non est sacramentum sed sacramentale, id est instructio credendorum
praecedens baptismum ad sacerdotes pertinens. Summa theol. Ill, 9.
LXXL 2^ (conclusio) et tertiam. Der erste, der die Darsteliung des
christlichen Unterrichtes in Frage und Antwort „ Katechismus' bez«ichnet,
ist m. W. Andreas Althamer gewesen (vgl. seine gelehrten Ausfuhrangen
fiber das Wort in seinem Katechismus in melner Ansgabe (Andr. Althamer
Erl. 1895 S. 86 f.). Im Sinne von „Unterrlcht" braucht das Wort aach
Melanchthon in seiner eben wieder aufgefundenen Einleitung zur Augs-
burgischen Konfession (vgl. Th. Kolde, Die alteste Redaktion des Augs-
burger Bekenntnisses etc. Giitersloh 1906, S. 9). — Aach sonst wirft
der Yerf. verschiedene neue Fragen auf, darunter auch solche, in denen
•neben dem Gelehrten der praktische Geistliche zum Worte kommt, wie
liber Katechismasbehandlung u. dgl., deren Beachtung nur empfohlen
werden kann. — Zu den interessantesten Partien der Einleitung diirften
Ubrigens fur viele Leser noch die geh^ren, in denen Albrecht iiber den
Sammelband, aus dem der hier abgedrackte Katechismus stammt, and die
vielen dort zu findenden, auch inhaltlich wertvollen bandschriftlichen Ein-
trage berichtet. Ich weifi die Grtlnde zu wiirdigen, die den Herausgeber
bestimmten, diese Eintrslge und Randbemerkungen bei der Faksimilierung
wegzulassen oder richtiger verschwinden zu lassen (S. 53), aber ich be-
daure doch, daB er uns nicht eine signifikante Probe im Faksimile mit-
geteilt hat, weii man daraus vielleicht den frilheren Besitzer feststellen
kdnnte. Sehr dankbar muB man aber dafUr sein, daB als Beilage das
Faksimile des einzigen bisher (fragmentarisch) bekannten Tafeldrucks
von Luthers kleinem Katechismus in niederdeutscher Sprache beigegeben
worden ist. Das wird hoffentlich den Erfolg haben, daB man weiter
danach sucht und auch die sicherlich zuerst hochdeutsch geschriebenen
Tafeln auffindet. DaB man schon vor Luther solche Tafeln gehabt hat,
ist bekannt, aber fur die Geschichte derselben, die iibrigens nicht direkt
Zur Bibliographie. 139
als erster religi5ser Lebretoff gedacht waren, sondern urn daran das Biich-
atabieren zu lernen (vgl. Die Ntlrnberger Schuldordnung vom Anfang des
16. Jahrhunderts bei Siebenkees, Materialien zur Niirnberger Ge-
schichte 11. Bd., 1792, S. 721: Erstlich sollen die jungsten schtiller die dann
in derTafel Benedicite Confiteor and dergleicben bachstabenn and lesen
lernen) ist noch vieles zu erforschen. Bemerkt zu werden verdient, daB
der soeben erschienene koBtbare antiquarische Katalog von Martin Bres-
lauer in Berlin nnter Nr. 413 einen aas Speier lier^Ubirenden (1493) Ein-
blattdruck einer solchen Tafel mit gemischtspf achliehem Text verzeiehnet,
der die zehn Gebote, den Glauben, das Paternoster, Ave Maria, die sieben
Todstinden and die fiinf Sinne enthalt. Hier batten wir auch die im
M.A. seltene Ordnung, zehn Gebote, Glauben, Vaterunser, die
man in der Kegel Luther zuschreibt (vgl. S. 118f.). Noch will ich er-
wahnen, dafi Cochleus in seinem Bnche ^An expediat laicis, legere novi
testamenti libros lingua vernacula 1533, Bl. 05*** schreibt: Eraserunt itaque
latherani iam pridem ex tabulis puerorom salutationem angelicam ne ad-
discant antiqua pietate dicere Ave Maria.
*Haller, J., Stadtpfarrer in Tattlingen. Die Ulmer Katechismus-
literatur vom 16. — 18. Jabrbundert. Blatter flir wiirttcm-
bergische Kircbengeschichte. N. F. IX. Jahrg. 1905. S. 42ff.
Das vorliegende Heft des laufenden Jahrganges der Blatter fiir
wiirttembergische Kircbengeschichte bringt den Beginn einer sehr wert-
voUen kritischen Studie iiber die Ulmer, unter dem EinfloB der sehr ver-
schiedenen, in der Ulmer Kirche sich geltend machenden theologischen
Stromungen auch sehr verschieden gearteten Katechismen und behandelt
zuerst den altesten, in der Kegel dem Ulmer Prediger Konrad Sam zu-
gescbriebenen Katechismus. In sorgfaltiger Untersuchung der Abhangig-
keitsverhaltnisse weist der Verf. nach, dafi das Schriftchen nicht, wie ich
in meiner Schrift Uber Andreas Althamer S. 59 im AnschluB an Yeesen-
meyer geurteilt hatte, lediglich eine etwas ausfuhrlicher geratene Bear-
beitung des Althamerscben Katechismus ist, sondern der Verf. auch andere
katechetischen Arbeiten wie die von W. Capito und Joh. Agrikola aus-
geschrieben hat (vgl. dazu Cohrs, Die evangelischen Katechismusversuche
vor Luther III. Bd. (Berlin 1901) S. 80f. Er wird vielleicht auch damit Recht
haben, dafi Konrad Sam — wenigstens bis zu einem gewissen Grade —
der Yerfasser ist, aber so siclier, wie er meint, geht das ans der Bemer-
kuDg des Schulmeisters Brothag in der Yorrede, daj& Sam „diesen
Catechismum (wies die alten genannt haben) fiirgenommen zu predigen",
und „daB er es auch in truck lassen kommon*^, noch nicht hervor. Auch
Cohrs hat geurteilt, daB Brothag, der, wie die Yorrede ergibt, an der
Herausgabe sehr interessiert war, sei es als Katgeber, sei es als Mit-
arbeiter beteiligt gewesen ist, und es ist noch nicht ausgeschlossen, daB
er, der Schulmann, es war, der das, was Sam tiber den Katechismus ge-
predigt, in die katechetische Form gebracht hat.
*Forschungen zur Geschichte Baye-rns. Yierteljabrsschrift.
Heransgegeben von Michael Doberl und Karl von Rein-
hardstottner. XII. Bd. Munchen 1904 u. XIIL Bd. 1905
Heft 1 — 2. Druck u. Verlag von R. Oldenbourg. Preis per
Band 8 Mk.
Spater, als mir lieb ist, komrae ich dazu, Uber die vorliegenden Hefte
der „Forschungen zur bayerischen Geschichte** zu referieren, die mit dem
XII. Bd. innenem Gewande erscheinen. Dem verdienten bisherigen Heraus-
geber, Karl von Reinhardstottner ist Michael Doberl zur Seite getreten,
und eineKeihe der angesehensten bayerischen Geschichtsforscher hat ihre
Mitwirkung zugesagt. Der Kreis des Forschungsgebietes soil, wenn auch
140 ^^^ Bibliographie.
•
die lokalgeBchicbtliche Forscbung den LokalgeBcbichtsvereinen Uberlassen
bleibt, gegen friiher erweitert werden und sich mebr als bieber aaf die
.Geschicbte des ganzen beutigen Bayern erstrecken, and was nicht un-
wesentlicb ist, der Verlag, der niebrfach wecl^seln mufite, ist nunmebr
an eine Firma Ubergegangeu, die als Verlegerin histoiiscber Werke einon
in der ganzen Welt anerkannten Namen bat und eine gute Gewahr far
die Aufrecbterhaltong des so wicbtigen Unternebmens ist. Und schon
die ersten mir vorliegenden Hefte der neuen Serie, deren Inbalt leider
bier nicbt besprocben, sondern nar kurz angegeben werden kann, zeigt,
wie man das Ziel zu erstreben sucbt, damit ein Zentralorgan filr die
bayeriscbe Gescbicbtsforscbung zn scbaifen. £inen vielversprecbenden
Anfang macbt die von Mori tz Ritter gezeicbnete prsicbtige Lebensskizze
von Karl Adolf Cornelius. Es folgen Tb. Bitterauf, Mtincben und Ver-
sailles; M. D5berly Innere Regiernng Bayerns naeh dem dreiBigjabrigen
Kriege. Walter Gotz, Die Kriegskosten Bayerns und der Ligastande
im dreiBigjabrigen Kriege; M. Doberl, Die Grundherrscbaft in Bayern
Yom 10. bis 13. Jabrbundert. Als speziell fiir die Kircbengescbicbte
wichtig bebe icb bervor den kleinen Aufsatz von Georg Leidinger,
Herzog Wilbelm von Bayern und die Jesuitenmissionen in Cbina (XII, 171 ff.).
Daran reiht sicb die hochst interessante kulturgescbicbtliche Arbeit von
Hans Scborer, Das Bettlertum in Kurbayern in der zweiteo Halfte des
18. Jabrbunderts (XII, 176 ff.), ferner MaxFastlinger karolingiscbe Pfalzen
in Altbayero.
Den XIIL Band eroffnet H. Simonsfeld mit einer Untersucbung
fiber Aventin und des privilegium minus. Darauf folgt A. Wideraann,
Konig Otto von Ungam aus dem Hause Wittelsbacb (1305—1307);
P. Darmstsidter, Studien zur bayeriscben Wirtscbaftsgescbichte in der
Rbeinbundszeit. Der bayeriscb-italienische fiandelsvertrag vom 2. Ja-
nuar 1808; Ferdinand Lorenz, Das Geistesleben in Bayern um die
Wendo des 18. und 19. Jabrbunderts, ein Aufsatz, der iibrigens zu meinem
Bedaueiii der groBen Aufgabe keineswegs gerecbt wird, sicb auf einige
Ausblicke bescbrankt und durch seinen apboristiscben Stil nicbt an Klar-
beit gewinnt', J. Heldwein, Reliquienverebrung in bayeriscben Klcistem
am Ausgange des Mittelaiters; J. Wei 6, Die geplante Heirat des
pfalziscben Kurprinzen Karl mit Benedikta, Tocbter der Princesse Palatine
1B67 ; ders., Jobann Kaspar Thiirriegel und die bayeriscbe Kolonie an der
Sierra Morena. J. J. K. Schmitt, Die drei pfalziscben Gescbiobtsscbreiber
Frey (11854), Lehmann (f 1876) und Remling (t 1873); Ad. Hilsenbeck,
Jobann Willi elm, Knrfilrst von derPfalz; Al. Mitterwieser, Gescbichte
der Stiftungen und des Stiftungsrecbtes in Bayern; Walter G5tz, Die an-
geblicbe Adelsverscbworung gegen Herzog Albrecbt V. (Siehe dariiber
meine Bemerkungen oben S. 136); Georg Leidinger, Scbicksale der
Bibliothek Andreas Felix Oefeles. Nimmt man binzu, daC die Zeitschrift
auGerdem nocb teilweise sehr eingebende Schriftenbesprechungen bringt,
ferner eine literarische Bundscbau iiber die in den historiscben Zeit-
Bcbriften Bayerns erscheinenden Artikel, sowie in treff licher ohronologiscber
Ordnung alle sonatigen, die bayeriscbe Gescbicbte betreffenden Arbeiten
verzeichnet und uber Versamraiungen bistoriscber Vereine, Publikationen
und Personalien bericbtet, so kann man allerdings sagen, dafi die „baye-
riscben Forscbnngen^ in ihrer nouen Gestalt nunmebr zum unentbebrlicben
Hilfsmittel fiir jeden geworden sind, der auf dem Gebiete der bayeriscben
Gescbichte arbeiten will. Nur einen Wunscb m^chte icb nocb aossprecben,
namlicb daB die Redaktion aucb wirklicb dafUr sorgen mocbte, daB
der bisber mit (Jnrecht sehr vernacblassigter Geschichte Frankens eine
groBere Beacbtung zuteil wUrde, deun mit wenigcn Ausnahmen dienen
die Forschungen bis jetzt fast ausschlieBlich der Gescbicbte Altbayerns.
-*/,
Zur Geschichte der Reformation und Gegenreformation
im Amte Hoheneck und der Kommende Virnsberg.
Yon Dr. K. Schombanm in Nlirnberg.
tJber die kirchlichen Zustande ira «hemaligen Bayreuther
Unterland ist bis jetzt recht wenig bekannt geworden. So
dlirfte insbesondere keine Arbeit nachzuweisen sein, welche sich
eingehender mit dem Eindringen der Reformation daselbst be-
faUt hatte, obwohl doch in diesem Gebiete zu Nesselbach schon
1520 von Kaspar L5ner das Evangelium gepredigt wurde ^).
Es wird deshalb nicht unangebracht sein, wenn im folgenden
der Versuch gemacht wird, wenigstens einigermaUen das Ein-
dringen der Reformation in diesem Gebiete aufzuhellen. Auf
Grnnd des vorliegenden Materials muB sich diese Untersuchung
allerdings auf das Amt Hoheneck beschranken, weil andere auf
die Pfarreien um Nenstadt bezngliche, bis ins 15. Jahrhnndert
reichende Akten, die nachweisbar 1828 von der kgl. Regiernng
von Oberfranken an die von Mittelfranken extradiert wurden,
heute daselbst sich nicht mehr anffinden lassen. Dagegen
empflehlt es sich, bei dieser Darlegung auch die benachbarten
Pfarreien der Deutsch-Ordenskommende Virnsberg bezw. die im
Gebiete der Herren von Seckendorf gelegenen Pfarreien Obem-
zenn, Unternzenn und Egenhausen wenigstens einigermaCen zu
berficksichtigen.
Das Amt Hoheneck zahlte eine stattliche Anzahl von
Pfarreien: Westheira, Urfersheim, lUesheira, Rudisbronn, Burg-
bernheim, Markt-Bergel, Niederhofen (heutzutage mit Bergel
vereinigt) 2), Altheim, Dottenheim, Ottenhofen, Kaubenheim,
1) Pr. RealenzyklopSdie* XI, 590.
2) Chr. W. Schirmer, Geschichte W^indsheimB und seiner Nachbar-
orte. NUrnberg 1848, S. 275. J. Looshorn, Die Geschichte des Bistums
Bamberg. Munohen-Bamberg IV, 1900, S. 739.
Beitrage zup bayer. Kircliengeschiclite. XII. 4. JO
142 Scbornbaum, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hobeneck.
Schwebheim, Lenkersheim und Ipsheim. 'Es warden deshalb
1528 drei Tage zur Visitation dieses Amtes bestimmt^). Un-
bekannt ist es, warum man nicht auch Fr&hmesser, Mittelmesser
und den Inhaber der St. Gilgenpfriinde von Ipsheim, Fruh-
messer und die Inhaber der Pfrunden St. Katharinae, U. L. Franen
und St. Kunigund zu Burgbernheim zitierte*). Die Pfarrer
erschienen samtlich in Ansbach (26., 27., 29. Okt.). Aber nur
drei JobstDerer, Pfarrer von Urfersheim^), Joh. Fabri, Pfarrer
von Ottenhofen*) und der Pfarrer von M. BergePj waren An-
hanger der neuen Lehre. Drei andere, Mich. Ftirst, Pfarrer
von Westheim^), K. -Liebler, Pfarrer von Burgbernheim''),
1) Ntimberger Ereisarchiv. Ansb. Rel. Acta YUIf. 434 f.
2)Loosborn S. 739. — Die Friibmesse zuM. Bergel war von dem
Fandator, der Gemeinde, wieder zu Handen genommen worden, oacbdem
der zweite und letzte Inbaber im Bauernkrieg erscblagen worden war.
Georg und Kasimir batten dies genebmigt. £inkommen 2'/, fl. 1 Pfnnd
12^3 Pfennig an Geld; 6 Metzen Korn, 8 Eimer Wein, 28 Malter Getreide.
Ansb. Rel. Acta Illf. 171.
3) Der Name ergibt sicb aus Ansb. Bel. Acta VIII, 470. 473. Blatter
fUr bayeriscbe Kircbengescbicbte. I. Rotbenburg o. T. 1887/8, S. 34.
4) Im Mrnberger Kreisarcbiv Rep. 157. Tit. 23. Amt Ottenbofen.
S. 715, Nr. 3 befindet sicb ein Verzeicbnis der Einkiinfte der Kircbe von
Ottenbofen mit folg. Aufscbrift: index censuum et reditunm sacre edis
sancti Gnmperti in Ottenbofen compositus per loannem Fabri tunc temporis
ibidem plebeiarius anno virginei partus 1528. cf. M. J. M. GroBen,
Historiscbes Lexikon Evangeliscber Jubelpriester. Nurnberg 1727, S. 213.
Nacb Rep. 157 Tit. 23 S. 715 N. 3 a war 1514 Benedikt Wagner Pfarrer
von Ottenbofen. Sollte Job. Fabri identiscb sein mit Job. Fabri, der
1526 die Friibmesse zu Trautskircben resignierte? Heilsbronner JabirbUcber,
1526, f. 86.
5) Der Name des Pfarrers findet sicb nicbt in den Akten. Ober
seine ev. Haltung weiter unten. Die Bemerkung Scbirmers S. 227,
daB 1528 die Reformation gesetzlicb eingeftibrt wurde, ist nur teilweise
ricbtig. 1537 war bier Job. Fabri Pfarrer. GroB 1. c. 213.
6) Loosborn IV, 893. Ein Deutsch-Ordensbericbt vom 30. Mai
1598 bebauptet, daB FUrst nocb katboliscb geweibt worden sei. Kreis-
arcbiv NUrnberg, Kommende Virnsberg 54 f. 139.
7) Loosborn IV, 893. Kgl. Konsistorium Ansbacb: Pfarrei Obem-
zenn, Unternzenn, Egenbausen 1499—1654, f. 3. — Im 11. Jabresbericbt des
bist. Vereins in Mittelfranken (Ansbacb 1842) S. 108 wird bebauptet, daB
Pfarrer Fr. Meister von 1520 an die alten papstlichen Zeremonien babe
eingehen lassen. Nacb GroB S. 80 batte Meister von 1600—1530 die
ScbombanBQ, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hobeneck. 143
sowie der Pftirrer von Lenkersheim^) liefien sich wenigstens
examinieren. Die ubrigen weigerten sich aber ganz entschieden,
aaf die Fragen der Examinatoren za antworten. Althamer be-
merkt vom Pfarrer St. Harauer za Hlesheim: hat seiner Herr-
schaft geschworen, nicht za respondieren^); vom Pfarrer za
Badisbronn : ware wider sein Gewissen ; vom Pfarrer za Dotten-
heim: ein angelehrter Papist*); vom Pfarrer za Altheim: will
nicht ehrlos werden an seinem Bischof, dem er geschworen
batte; vom Pfarrer za Eanbenheim: will warten bis ein Kon-
ziliam wird; von P. Hamann, Pfarrer zu Ipsheim: will warten
auf ein Konzilium*). Nar der Pfarrer von Schwebheim scheint
seinen Protest nicht naher begriindet za haben^).
Dafi die Einfuhrnng der neaen Lehre in diesem Amte die
groBten Schwierigkeiten bieten wiirde, blieb den Visitatoren
wohl nicht verborgen. Es handelte sich deswegen darnm, einen
tnchtigen Sapeiintendenten far dieses Gebiet aufzustellen. In
Jobst Derer, Pfarrer von Urfersheim, glanbte man den richtigen
Mann gefnnden za haben*). Dieser soUte bald die Last za
spuren bekommen, die ihm damit aaferlegt war. Seine Anfgabe
war aber dadarch noch schwieriger, weil die Pfarrer an dem
eifrig kath. Amtmanne von Hoheneck^ Albrecht Geiling, einen
Pfarrei besessen. Nach LooshornlV, 893 hieB er Fr. Morstatt, of. anch
P. G. Norr, Chronik des Marktfleckens Bmgbernbeim. Wfirzburg 1844, S. 84f.
1) Name nicht genannt. Diese drei Pfarrer fehlen in der Liste derer,
welche zwar erschienen, aber die Antwort verweigerten. Ansb. Rel.
Acta Vlllf. 490.
2) Name in Ansb. Bel. Acta VIII f. 562. Chr. W. S chirm er, Ge-
schichte des Bittersitzes and Pfarrdorfes niesheim. Niimberg 1842, S. 48
erwahnt dayon nichts.
3) G. L. Lehnes, Geschicbtliche Nacbricbten von den Orten und
ehemaligen ElQstem Riedfeld, Mflnchsteinacb und Birkenfeld. Neustadt
a. A. 1834, S. 272 nennt erst fUr 1530 einen Pfarrer Wolfgang N.
4) Zugleich Frtihmesser in Creglingen. Ansb. Bel. Acta 5, II, 136.
G. Bossert, Die Reformation in Creglingen (S.A. aus Zeitsohrift flir
Wurtt. FrankenVm, 1903) S.8,20 liest Jppesheim"; cf. J. F. Georgii,
Uffenheimiscbe Nebenstunden. II. Schwabacb 1754, S. 168 f. Lehnes
S. 278 and GroB S. 15 erwahnen bei Aufzablung der Pfarrer von Ips-
heim fUr dieses Jabr niemand.
5) Bericht Althamers Ansb. Rel. Acta Ylllf. 490.
6) Ansb. Rel. Acta Vni, 473 (Rurers Handscbrift) 470. Blotter fiir
bayer. K.G. I, 34.
144 Schombaum, Z. Gescli. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
festen Euckhalt batten*). Auch waren die meisten Pfarreien
Patronate des Kapitels in Wurzburg oder anderer geistlichen
Herren*). Dazu hatte gerade in diesem Amte der alteGlaube
nnter den Banern einen starken Rfickhalt^}. Es muBte ihm
daber als das ratsamste erscheinen, sich mit seinem Nacbbar
Pbil. Getreu, Pfarrer von Obernzenn, tiber ein gemeinsames
Vorgehen zu einigen. Da dieser mit den gleicheu Schwierig-
keiten za kampfeu hatte, ging er bereitwillig darauf ein.
Die Deutsch-Ordensgeistlichen von Ickellieim und Unter-
altenbernheim*) waren mitsamt den Seckendorfscben Geistlichen
von Egenbausen, Unternzenn und Obernzenn, — fiir beide
letztere war der Komtur von Virnsberg ebenfalls Patron —*)
1) Befehl Georgs an Albr. Gelling, sicb genau nach dem Mandat
za riohten, d. d. Plassenburg. Mo. n. Exaudi (25. Mai) 1528. Ansb. Rel.
Acta VIII f. 117, of. 126.
2) Nacb Loosborn IV, 739 verlieb das Domkapitel in Wiirzburg:
Scbwebheim, Ottenbofen, Dottenbeim, Eaubenbeim, Ipsbeim; der Papst:
Bnrgbernbeim ; Mtincbauracb : Altbeim u. Riidisbronn; Stift Spalt: Markt
Bergel; Virnsberg: Niederbofen; Job. Kempacb, Vikar in Wiirzburg:
Westheim und Urfersbeim; Ritierschaftlicb war nur Illesbeim.
3) Ulmer Stadtarchiv. Man. Vogl. 2157. 2118. s. unten.
4) Im Verzeicbnis Ansb. Bel. Acta Vlllf. 437 stebt nur ganz all-
gemein : die von dem Komtur zu Virnsberg belehnten Pfarreien. £s kann
also auch Sondemobe dabei gewesen sein. Docb kommt in spateren Be-
ricbten nie der Pfarrer von Virnsberg- Sondernobe vor. S. H. Wester-
may er, DieBrandenburgiscb-Nilrnbergiscbe Kircbenvisitation und Rircben-
ordnung 1528—33. Eriangen 1894 S. 33.
5) Mit Zustimmung des Landkomturs von Franken, Wolfgang von
Eisenbofenf des ebemaligen Komturs von Virnsberg und gegenwartigen
Komturs von Mergentbeim Bark bard von Seckendorf sowie des Komturs
zu Virnsberg Wolfgang von Bibra (Patrons von Obernzenn und lekelheim)
auch mit Zustimmung des Hans Proschel, Pfarrers zu Obernzenn erricbtete
Moritz von Seckendorf eine eigene Pfarrei zu Unternzenn, fiir die er dem
Komtur zu Virnsberg das Prasentationsrecht einraumte. Dafiir verspracb
er dem Pfarrer von Obernzenn eine jabrlicbe Abgabe von 8 Mut Dinkel.
Die Pfarrei lekelheim (Pfarrer Jakob Proscbel oder Beuschel?) ent-
scbadigte er ftir das zu Unternzenn gezogene Filial Breitenau mit 53 fl.
d. d. St. Acbatientag (22. Juli) 1518. Kommende Virnsberg N. 128
(Pfarrei Sondernobe— Unteraltenbernbeim 1505—1745) f. 227 g. J. H.
V. Falckenstein, Urkunden und Zeugnisse ... II. Neustadt a. A. 1789,
S. 466 N. 408. cf. Virnsberg. N. 128 f.l03. cf. G. L. Lehnes, Gescbicbte
des Aurach-, Fembacb-, Seebacb- und Zenngrirodes. Neustadt a. A. 1841,
S. 38 f. — BurggrafKonrad batte24. August 1260 mit Einwilligung seiner
Schornbaumi Z. Gesch. d. Heform. u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 145
auf den 3. Oktober 1528 nach Ansbach beschieden. Georg von
Knoringen, der |damalige Korathur von Virnsberg, wurde am
14. September 1528 ebenfalls davon verstandigt mit dem Bei-
fiigen, daB diese Visitation „ihm an seinen Rechten unschadlich"
sein soUe^). Da die rechtliche Stellnng der Ordenskommende
zu der Markgrafschaft noch keineswegs geklart war, wagte er
es nicht, seinen Geistlichen das Erscheinen in Ansbach zu ver-
bieten. Andererseits fiirclitete er, daB ein etwaiger Protest
derselben nnwirksam sein nnd den Markgrafen nicht im ge-
ringsten an der Verfolgung seiner Plane hindern wiirde. Es
diinkte ihm deshalb am besten, zunsLchst seinen Geistlichen nur '
Kenntnis von diesen zu geben nnd die weiteren Schritte ihnen
selbst zu tiberlassen ; im iibrigen woUte er die Entwicklung der
Verhaltnisse ruhig abwarten.
Als nun samtliche Deutsch-Ordensgeistliche vor ihm er-
schienen, trug er ihnen ohne jede weitere Bemerkung den Inhalt
des markgraflichen Schreibens vor und stellte es in ihr Be-
lieben, ob sie der Aufforderung Folge leisten wollten oder nicht.
Offenbar hatten die Altglaubigen vielinehr VerhaltungsraaB-
regeln vom Komtur erwartet und konnten sich naturlich im
Augenblick noch nicht uber ihr Verhalten schliissig machen; .
w^hrend die evangelisch gesinnten, wie der Pfarrer von Unter-
altenbernheim, mit diesem Ergebnis wohl zufrieden^) waren.
Nur Hans Heberlein, Pfarrer zu Ickelheim, erklarte geraeinsam
mit seinem Frlihmesser Georg Buschler, daB sie gar keine
Scheu trugen ins Ansbach zu erscheinen^); sie waren wohl im-
Sohne Friedrich und Eonrad die Eirche zu Obernzenn dem deutschen
Orden geschenkt. Dr. J. GroBmann und M. Scheins, Monumenta
ZoUerana. VIII. Berlin 1890, N.155 S.95. cf.Eommende Virnsberg 128 f. 103.
1) Georg an G. v. En(5ringen. d. d. Eadolzburg. Ex. Crucis 1528.
Eom. Virnsberg N. 54 (Pfarrei und Frtihmesse Ickelheim 1530—1649) f. 5.
2) Adam von Elingelbach, Eomtur zu Virnsberg, schreibt am 8. Ok-
tober 1580 nach Mergentheim, daB Unteraltenbernheim seit dem Bauern-
krieg luth. Pfarrer gehabt babe. Wenn die Eomture kath. Geistlicbe
eingesetzt hatten, hatte sich der Markgraf immer wieder eingemischt.
Virnsberg 128 f, 72.
3) Die Namen aus Eomm. Virnsberg 54 f. 138^. Ickelheim war 1306
durch Trennung von Windsheim znr selbstandigen Pfarrei erhoben worden
f. 285. Die Frtihmesse zu Ickelheim war 1428 von Dietrich Putzberger
geatiftet worden. Eomm. Virnsberg 54 f. 153.
146 Schornbauiii) Z. Gesch. d. Reform, u. OegeDreform. im Amte Hoheneok.
stande, ihrenGlauben mit der heiligeu Schrift zu rechtfertigen.
Aber dies wurde ihnen doch nichts helfen. Man wiirde ihnen
einfach die Alternative stellen, die markgrftfliche Ordnung an-
zunehmen oder ihre Stellen aafzageben. Dem glaubten sie da-
durch entgehen zu kSnnen, wenn der Komtur sie einfach eine
Zeitlaug beurlauben wfirde; falls er sie aber vor der drohenden
Vertreibung beschiUzen k5nnte, woUten sie ruhig auf ihrem
Platze ausharren. Qeorg von KnSriugen waBte auch auf diese
Anfrage keine Antwort zu geben. Falls er ihrer Bitte statt-
geben wUrde, so wurden ja sofort, wie zu beflirchten war,
evangelische Priester auf ihre Pfrlinden gesetzt; andererseits
fiihlte er sich aber auch viel zu schwach, um ihnen den er-
betenen Schutz vor einer ev. Vertreibung in Aussicht stellen
zu kdnnen. Er erklarte deswegen beiden, daC er ohne Unter-
stlitzung des Wiirzburger Bischofs tiberhaupt in der ganzen
Sache nichts tun k5nne^).
In seiner Ratlosigkeit wandte er sich nun sofort nach
Mergentheim an den Administrator des deutschen Ordens W.
von Kronberg. Dieser war innicht geringerer Verlegenheit.
Er wandte sich zuerst nach Wiirzburg, um den Bischof Konrad
von Thtingen zu veranlassen, alien Geistlichen das Erscheinen
vor der Visitationskommission zu verbieten. Falls inzwischen
der Markgraf von neuera die Priester zitieren wiirde, sollte der
Komtur erklaren, daB der deutsche Orden sie belehne, investiere
uud exarainiere. Sie batten sich bisher untadelig gehalten,
daB ein Verhor nutzlos' sei und. nur Schwierigkeiten mit dem
Bischofe bringen wiirde. Etwaige Klagen wurden vom Deutsch-
raeister sofort abgestellt. Die beiden Priester von Ickelheim
soUten unter keinen Umstanden die Erlaubnis zum Verlassen
ihrer Stellen bekommen; falls sie es aber doch taten, woUte
er es ihnen nicht libel nehmen; man konnte sich ja um so eher
vor dem Markgrafen rechtfertigen^).
Konrad von Thiingen verbot wirklich am 28. September 1528
1) G. V. Kn9ringen an W. v. Kronberg. Do. n, Matthaei (24. Sep-
tember) 1528. Komm. Virnsberg 54, 1 nebst ced. 3.
2) W. von Kronberg an den Komtur zu Virasberg. e. 1. et d, Komm.
Virnsberg 54, 7.
Schombaam, Z. Gesch, d. Keform. a. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 147
seinen Geistlichen, in Ansbach zu erscheinen ^). Dem ist aber
wohl Hur der Pfarrer von Ickelheim nebst seinem Frtihmesser
gefolgt^). Die beiden anderen kath. Geistlichen Paulus Leuter-
mann von Egenhanseu und Fruhmesser Jakob N. von Obern-
zenn stellten sich vielmehr in Ansbach; ersterer willigte sogar
in die markgrafliche Ordnnng ein^). Selbstversttodlich taten
dies anch die drei evang. gesinnten Pfarrer, Philipp Getreu von
Obernzenn, sowie die nicht mit Namen bekannten von Unter-
altenbernheim und Unternzenn *). In diesem Gebiete erwarteten
deshalb wohl die Visitatoren keine besonderen Schwierigkeiten.
Aber bald soUte Ph. Getreu, der Superintendent fur den
Bezirk um Obernzenn, auch genugsam die Miihsale seines Amtes
kosten. Es war ihm gar nicht moglich, zu alien kath. Pfarrem
zu gehen, um sie zu belehren; denn nicht nur Injurien oder
Beschimpfungen, sondern auch Gewalttaten hatte er bald iiberall
zu furchten, weswegen er sich genotigt sah, den Markgrafen
um seinen Schutz anzurufen. Man kann es verstehen, wenn
er ebenfalls nahere Fuhlung mit benachbarten Kollegen suchte^).
Am meisten Schwierigkeiten machte wohl den Visitatoren
Paulus Leutermann in Egenhausen. Nach seiner Heimkehr von
Ansbach zeigte er seine wirklichen Ansichten. Als ihm Philipp
Getreu. seine Irrungen vorhielt, erwiderte er: „er woUe von
ihm kein Schrift annehmen; was ihn sein Wasser segnen und
andere Zeremonien angingen?; er hoflfe, es soUe bald wieder
alles auf die alte Meinnng kommen**. Beauftragt, fur seine
Hoflfnung Grunde anzufuhren, erklarte er: „seine Hoflfnung sei
wie ein Dieb, so man an den Galgen wolle henken." Auf Grund
1) Westermayer 1. c. S. 42. K. Schornbaum, Zur Politik des
Markgrafen Georg , . . 1528—32. Mtinchen 1906, S. 335.
2) Bemerkang von Althamer auf f. 3 des Konsistorialaktes : Egen-
hausen, Unternzenn, Obernzenn 1499—1654.
3) 1.0. f. 3 Rarer bemerkt: und dieser ist hier erschienen; Althamer:
yerwilligt in mein go. Herrn Ordnnng.
4) 1. c. f. 3. Nach Lehnes, Geschichte des Aurach etc. S.39 ware
die Reformation erst 1539 in Unternzenn eingefUhrt worden. Zur Friih-
messe von Obernzenn: ebendort. 1499 war Nik. Clobell Vikar zu Obern-
zenn. Eons. Ansbach. Akt Egenhansen ... I, f. 1.
5) Ph. Getreu an Markgraf Georg. Ansb. Rek Acta Ylllf. 561. cf.
Blatter fiir bayerische Kirchengeschichte I, S. 34,
148 Schornbauis, Z. Gescfa. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
der Schrift von der Irrtumlichkeit seiner Hoffnung ftberwiesen
rief er: „was ihm diese scartecken angeben; es 8ei das alte
Testament.** Philipp Getreu suchte ihm darauf „die Art und
Eigenschaft der Hoffnung aus Paulus und Petrus" nachzuweisen,
worauf er nur erwiderte: „was geht mich Paulus oder Petrus
an.^ In Summa auf alle Fragen: „wer lutherisch ware, ware
ihm zu End geschoren" (9. Februar 1529)^). Gleich am folgenden
Tage lief der Pfarrer von Egenhausen zum Komtur nach
Virnsberg, um den Superintendenten zu verklagen. Dieser gab
den Bescheid, daU es der Obernzenner Pfarrer in seiner Kirche
halten soUe, wie er woUe, aber auch den EgenhauBer in Ruhe
lassen soUe. Auch an Arnold von Seckendorf, markgrsLflichen
Amtmann zu Dachsbach, wandte sich Paulus Leutermann, wo-
rauf in barscher Weise Ph. Getreu aufgefordert wurde, sein
Beginnen zu unterlassen, wenn er sich nicht Schlimmerem aus-
setzen wolle. Der Pfarrer hatte sich allein vor dem Mark-
grafen zu verantworten (12. Februar 1529)^).
Der Pfarrer von Ickelheim liefi sich uberhaupt in keine
Unterrednng mit den Superintendenten ein. „Wenn der Mark-
graf etwas wider ihn habe, so soUe er andere Boten schicken;
er solle seine Nachbarn fragen, wenn er wissen wolle, wie er
sich halte." Spater hSrte Ph. Getreu von Georg Hautlein folgende
AuBeruug des Pfarrers: ^seitdem dieser ketzerische oder lu-
therische Bube und Tyrann ins Land ist kommen, hats nie
kein gut getan." „Wenn der Frtihling daherkomme, wolle er
sich iiber den Eamp scheren lassen und iein Mutzen kaufen und
die Stumpf voUends an die luth. Buben henken". (Bericht des
H. Heinlein.) Der Friihraesser war, mit ihm gleichen Sinnea.
Er antwortete den Superintendenten: wenn dieser Markgraf
noch 4 Markgrafeu zusammentate, soUten sie ihn nimmer auf
die lutherische Weise bringen.
Michael Fiirst, Pfarrer von Westheim, auBerte: Der Super-
intendent solle ihn unverworren lassen; der Amtmann von
Hoheneck sei sein Herr und nicht der Markgraf und des Rats
1) Bericht Ph. Getreus an die Yisitatoren. Eons. Ansbach. Akt
Egenhausen ... 1, fol. 3.
2) Arnold von Seckendorf an den Pfarrer zu Obemzenn. d, d. Fr,
n. Schol. 1529. ibidem f, 5,
Schornbaum, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 149
woU er sich halten: er woUe nicht ein paar Gulden nehmeD,
daB ein Priester vom Amtmann ergriffen wurde.
Kilian Lieb hielt sich nach Anzeige des Schultheifien und
des gr5Bten Teils der Gemeinde von Burgbernheim so, daC ihm
jedermann feind war. „Er wollte sich," so erzahlte H. Rempler
von ihm gehort zu haben, „lieber mit den Bauern schlagen,
als ihnen predigen." Er trug Messer; Wurfbarten und eine
Buchse unter dem Rock. Zu Windsheim sollte er sich gemeinsam
rait Anton Simon mit gemeinen Weibern eingelassen haben.
Auch Michael N., Pfarrer zu Untembibert, der in Ansbach
schon zur Visitation nicht erschienen war, wurde der Inspektion
Ph-Getreus unterstellt. Er erklarte: wenn der Markgraf einen
Fehl an ihm habe, solle er ihn samt Zweien aus der Gemeinde
beschicken. Besonders erregt war der Superintendent liber die
AuCerung: j,Das Evangelium sei nicht das Wort Gottes; Christus
habe nicht genug fur unsere Siinde getan."
Als den Mittelpunkt des ganzen Treibens konnte man bald
Ickelheim erkennen. Bei Hans Heberlein kamen taglich die
Pfarrer von .Westheim, Lenkersheim, Buchel (Buchheira)*),
Egenhausen und Burgbernheim zusammen, um sich gegenseitig
zu starken und zu t)eraten^).
Eine Erganzung bietet ein fast gleichzeitiger Bericht an
den Markgrafen selbst.
Auch hier wird vor allem iiber den Pfarrer P. Leuter-
maun von Egenhausen geklagt; seit dem Examen hatte er kein
gemeines Gebet mehr getan ; im Bade von Unternzenn erklarte
er; er wolle diese lutherische Weise nicht, eher moge ihm das
Leben darauf gehn; die offene Beichte verktindigte er nicht,
ebensowenig legte er die Schrift durch die Schrift aus. Den
Bauern fluchte er in der Kirche die Pestilenz: es solle ihn keiner
auf lutherische Weise dringen. Das Abendraahl teilte er selbst-
verstandlich unter einer Gestalt aus und zwang die Leute zur
Ohrenbeichte; als anstoBig fand es der Superintendent, daB er
die Kindbetterinnen gegen Geld einsegnete; lutherische Tauf-
1) Der Pfarrer hieS P. Nobis, s. Uber ihn J. F. Georgii, Uffen-
heimische Nebenstunden. I. Schwabach 1740, S. 262 f.
2) Bericht Ph. Getreas im Eonsistorialakt 1. c. f. 3.
150 Schornbaam, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
paten wies er zurlick. „Der Kaiser wiirde kommen und die
Ordnung, welche die luth. Buben zunichte machen, wieder auf-
richteH.^
Von Hans Heberlein, Pfarrer in Tckelbeim, bemerkt Ph.
Getren, dafi er an alien alten Gebrauchen festhalte, Wasser,
Licht und Salz weihe. 'Er hatte ein b5ses Weib bei sich, das
ganz groBe Gotteslasternng Uglich triebe. Seelgerate, Tanf-
nnd Beichtgelder zog er wie von altersher ein und zwang jeden
zur Zahlung der vier Opfer. Die Ohrenbeichte hielt er hoch.
Ganz merkwiirdig waren auch seine Predigten: An Himmelfahrt
erklarte er, daB von einem Himmel zum andern 80000 Meilen
seien; der alte Wisenmer antwortete: so kann ich mit meinem
alten Earren in einem ganzen Jahr nicht hinaufkommen; es
gezieme keinem Laien, ebenso keinem Priester, iiber 80 Jahre
das Sakrament in beiderlei Gestalt zu nehmen. Andreas Semen
bekam auf seine Bitte urn deutsche Taufe die Antwort: Er
woUte, daB ihn St. Veltin mit seiner Tauf durchstieB. Wenn
die Leute in Todesnot lagen, muBten sie erst die Heiligen an-
rufen, wenn sie das Sakrament empfangen wollten. Von seinem
Frtihmesser horen wir die AuBerung: Der Markgraf soil mich
nimraer auf die lutherische Weise bringen; daB die Priester
Weiber haben soUen, stehe nicht in der heiligen Schrift^).
M. Fiirst, Pfarrer von Westheim, verachtete alle Ermah-
nungen; er hatte eine alte Base bei sich, die er zwar zu
heiraten versprach; nach Jobst Derers Erklarung lieB er sie
aber allein deswegen bei sich, weil sie ihm vergonnte, mit den
Baueni nach seinem Gefallen zu leben. Mit Ko. Beringer, dem
Dechant von Leutiershausen, hatte er zu Windsheim die registra
capitularia wie vor alters gehalten^). Stefan Harauer, Pfarrer
von lUesheim und der zu Schwebheim hingen noch fest am
Alten. Michael N. kam oft gen Mitteldachstetten; „ist iiberaus
gottlos". Jakob N., Friihmesser zu Obernzenn, hatte auch ein
boses Weib bei sich, das sich von ihrem Manne getrennt hatte.
Taglich sagte sie: Der Teufel schlag zu diesem Evangelium,
„item so ist er Tag und Nacht voU und wo der Teufel nichts
1) Blatter etc. I, 35f.
2) Zu K. Beringer b. Beitrage zur bayr. E.G. XI, S. 7 if.
Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 151
znwege mag bringen; geschiehts in seinem Hause, da hilft
und rat er dem zu^)".
Die markgrafliche Regierang zeigte diesmal einen regen
Eifer, die Bemuhungen der Superiutendenten zu unterstiitzen.
Der Amtmann von Hoheneck wurde beauftragt, den Pfarrern
za Ickelheim, Westheini; Lenkersheim, Bnchheini, Egenhansen
und Burgbemheim zu befehlen, die markgrafliche Ordnung
sofort in ihren Kirchen einzufiihren (19. M^rz 1529)^). An
Asmus und Christoph von Seckendorf zu Obernzenn erging die
Weisung, bei ihrem Frtthmesser zu verfugen, sich der mark-
graflichen Ordnung gemaU zu halten^). Dem Amtmann von
Dachsbach wurde sein „gehassiges" Schreiben an Ph. Getreu
verwiesen und der gleiche Befehl wie seinen Verwandten er-
teilt*). Paulus Leutermann, H. Heberlein und Georg Buschler
wurde in scharfen Worten die Ungnade des Markgrafen gedroht
mit der Weisung, das alte Treiben ganzlich abzustellen*). Auch
der Komtur zu Vimsberg wurde aufgefordert, dafur zu sorgen,
daB diese argerliche Reden unterblieben®).
Allzuviele Beachtung fanden aber diese Befehle nicht. Der
Pfarrer von Egenhansen kiimmerte sich nicht im geringsten
darum und blieb bis zu seinem Tode dem alten Glauben treu
(1536). Noch kurz vorher hatte er geRuBert: er woUe den
lutherischen Ketzem noch einen Pfeil schieBen, ehe er selbst
vom Glauben falle''). Man wagte hier oflfenbar mit Rticksicht
auf den Patron dieser Pfarrei, das Stift Spalt, und die streitige
1) Bericht Ph. Getreus an den Markgrafen. Ansb. Eel. Acta YIII, 562.
cf. Blatter ftir bayer. K.G. I, 35 f.
2) Statthalter an Amtmann von Hoheneck d. d. Fr. n. So. Jadica
(19. Marz) 1529. Vgl. Eons. Ansbach, Pfarrei Egenhansen etc. I, f. 9.
3) 8. e. 1. et. d. ibidem f. 10.
4) 8. e. 1. et d. ibidem f. 8, 11.
5) Statthalter an Paulus Leutermann. d. d, Fr. n. So. Judica, 1529.
ibidem f. 11*, an den Pfarrer und Friihmesser zu Ickelheim* s. e. d. et 1.
Ansb. Rel. Acta VIII, 566.
6) d, d. Fr. n. So. Judica. Ansb. Rel. Acta VIII f. 506i>.* Eine Ver-
warnung erhielt auch der Pfarrer Michael N. zu Unternbibert. s. e. d.
Ansb. Rel. Acta VIII, 506.
7) (P. Paumann?) Kaplan zu Windsbach an G. Vogler. s. 1. et d.
Kgl. Kons. Ansbach. Pfarrei Egenhausen I, f. 17.
152 Schornbaum, Z. Gescb. d. Keform. u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
Landeshoheit mit Seckendorf und Virnsberg, nicht einzugreifen.
Auch jetzt nach dem Tode des alten Pfarrers woUte man in
Ansbach trotz Voglers entschiedener Befurwortung nicht
gleich zugreifen. Kanzler Heller schlug vielmehr vor, zuerst Er-
knndigangen einzuziehen, ob die Markgrafschaft dort Untertanen
habe; fremden Leuten woUte man keineswegs die markgrafliche
Kirchenordnung aufdringen^). Wie diese Sache erledigt wurde,
ist nicht aus den Akten za ersehen, doch ist 1544 sicher ein
ev. Pfarrer dort gewesen; denn nach dem 1. Ansbacher Prokla-
mationsbuche ist Geofgius Besolt, Pfarrer zu Egenhansen, mit
Madlene Hans Pleichen nachgelassener Tochter im August in
Ansbach proklamiert und zu Egenhansen getraut worden^).
Man befolgte, wie es scheint, auch hier den Grundsatz,
nur dann bei domkapitelischen oder bischoflichen Pfarreien
einzugreifen, wenn die Bitten der Gemeinden oder sonstige
Anlasse eine Handhabe boten. Nur bei den Stellen, wo der
Markgraf das Patronat hatte, ging man sofort entschieden vor.
So wurde dem Kioster Munchaurach der Befehl erteilt, in seinen
Pfarreien Altheim und Rudisbronn die kath. Geistlichen abzu-
schaffen^). Die Namen der ersten ev. Pfarrer sind uns aller-
dings bis jetzt noch nicht bekannt geworden. 1534 wird als
Pfarrer von Rudisbronn Erhard Fridmanu von Dettenheim, dar-
nach Georg Schleicher von Reichenhall, 26. Mai 1536 Jak.
Schmucker, 1539 Heiniich GeyUler von Bamberg, 1548 P. Pfentner
erwahnt*). Doch auch in den domkapitelischen Pfarreien gelang
es nach und nach ev. Geistliche einzusetzen. 1530 erscheint
als Pfarrer von Burgbernheim J. L. v. Troppau^), in Ipsheim
Joh. Ber^); der kath. Geistliche von Kaubenhaim wurde noch
1) G. Vogler an Markgraf Georg. d. d. Pfingstabend (3. Juni) 1536,
ibidem f. 14; Seb. Heller an Georg. Schwabach, 2. Pfingstfeiertag (5, Juni)
1536, f. 12.
2) Beitrage zur bayer. K.G. XII, S. 24.
3) Ansb. Rel. Acta II, 23.
4) Looshorn IV, 990f. GroB 1. c. S. 50 beginnt erst mit dem
Jahre 1557 die Pfarrei v. Biidisbronn aufzuzahlen.
5) K. Schornbaum, Zur Politik des Markgrafen Georg . ♦ .
Miinchen 1906, S. 420 (Ansb. Rel. Acta XII f. 101). cf. J. M. GroB 1. c.
S. 80.
6) Beitrage zur bayer. K.G. XII, 24. Nicht bei J. M. GroB 1, c.
Schornbanmy Z. Gesoh. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 153
einmal zur Visitation beschieden and, als er ausblieb^ abgesetzt^).
Nach den Ansbacher Rel. Akten wurde zu seinem Nachfolger
Blasius Hofmann ernannt; Looshorn erwahnt als Pfarrer von
Kaubenhaim im Jahre 1529 Job. Georgi aus Hof^). 1530 er-
scheint auch in Unternbibert ein ev. Pfarrer Seb, Faber^).
Schnell scheint man mit den vielen Kaplanen im Amte Hohen-
eck aufgeraumt zn haben. Die Fruhmesse zu Ipsheim war
schon 1536 eingezogen *) ; die Gilgenmesse wurde 1534 nach
dem Tode des Kaplans Joh. Morder dem Seb. Burkel, Kammer-
meister zu Ansbach, zumStudium fur seine beiden Sohne Wilhelm
und Kaspar verliehen unter der Bedingung, dafi einer von ihnen
Theologie studierte^). Nur die Mittelmesse bestand alsKaplanei
noch einige Zeit (bis 1563)®). In Burgbernheim erlaubte ca. 1530
MarkgrafGeorg, daJB man mit der Eatharinenpfriinde armeLeute
untersttitzen, auch Wege und Stege ausbessern durfte; ebenso
durften 24 fl. vom Einkommen der Frauenpfrlinde zur Besoldung
eines Schulmeisters verwendet werden''). Auch hier bestand
nur die Kunigundenpfriinde fort, die wohl schon 1531 einen
evangelischen Kaplan Peter Arnold hatte®).
Nur von einer Pfarrei horen wir genaueres fiber das Vor-
gehen det^ markgraflichen Regierung. Die SchmSrhungen des
Pfarrers von Ickelheim H. Heberlein waren doch so stark
gewesen, dafi man auch in Ansbach sie nicht unbeachtet lassen
S. 15 und G. L. LehneSy Gesch. Nachrichten. • . Riedfeld, Mtinchstelnach,
Birkenfeld S. 273.
1) Ansb. Rel. Acta ir, 23. XI, 413.
2) Ansb. Rel. Acta XI, 413. Looshorn IV, 896.
3) G. S tieber, Historische und topographischeNachricht vomFiirsten-
tum Brandenburg-Onolzbach. Schwabach 1761, S. 870.
4) Looshorn IV, 739. cf. Ansb. Rel. Acta III, 167.
5) Gemeinbuch VII (Arcbiv Niirnberg) f. 271. Rep. 157, Tit. 13.
Nr. 37a. Looshorn IV, 930. Beitrage zur bayer. K.G. XII, 24.
6) Lehnes 1. c. S. 230, 273.
7) Ansb. Rel. Acta III, 168 ff. Looshorn IV, 739. NSrr erwahnt
nur drei PfrUnden: St. Wolfgang, U. L. Frau und Kunigund (S. 100).
Zur Pfarrei 8. Wolfgang s. S. 27, 61, 86, 96, 99. Nach S. 104 kam diese
PfrUnde 1568 an die Pfarrer. Zur Schule: s. S. 66, 74, 84 (1336!) 100.
S. 100 muB es wohl heifien bei ihm U. L. Frau und Katharina (nicht
Kunigunda).
8) Norr 1. c. S. 73, 85flF., 97, 105 f. Grofl 1. c. S. 147.
154 Sohornbaum, Z. Gesch. d. Reform, a. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
konnte. Aber erst als der Markgraf Georg 1530 von Schlesien
nach Franken heimgekehrt war, wagte man gegen ihn vorzu-
gehen. Zunftchst wnrde der Komtur von Virnsberg, Georg von
Kn5ringen, nach Ansbach beschieden. Schon deswegen war die
markgraf liche Regierung auf ihn erztirnt, well er in Oberdach-
stetten und Unteraltenbernheim alle Kirchengeraie hatte mit
Beschlag belegen lassen nnd dadurch der markgraflichen
Sequestrierung zuvorgekommen war. Der Komtur glaubte um
so mehr Recht dazu gehabt za haben, weil er Lehensherr beider
Pfarreien war und auch die Zustimraung der beiden Dorfsherren
Apel von Seckendorf und Arnold von Seckendorf erlangt hatte.
Die markgraflichen Rate, Hans v. Seckendorf, G. Vogler und
Georg Berchtold sahen wie der Markgraf, der selbst in die
Verhandlung eingriflf, darin eine Beeintrglchtigung der brandenb.
Landeshoheit, obwohl der Komtur erklarte, in Unteraltembern-
heim hohe und niedere Gerichtsbarkeit zu haben. Man be-
ruhigte sich erst dann, als er erklarte, keinen Kelch mitfort-
genommen zu haben, da er doch nach dem Verlust aller iibrigen
im Bauernkriege den Gemeinden den letzten habe lassen mlissen.
Daneben wurde er auch gefragt, wartlm er die Priester zu
Ickelheira nicht dazu zwinge, die neue markgrafliche Ordnung
anzunehmen. Er erklarte, daC er hier hohe und niedere Gerichts-
barkeit habe und dem Pfarrer wider sein Gewissen keine Ord-
nung aufdringen konne. Allmahlich scheint man ihn doch aber
so weit gebracht zu haben, da£ er dem Markgraf en das Recht
zugestand, einen anderen Priester in Ickelheim einsetzen zu
durfen. Daraufhin wurde der Pfarrer samt seinem Fruhmesser
nach Ansbach beschieden; als sie sich weigerten, die neue
OrdnuDg anzunehmen, wurde ihnen er5flfnet, daU sie Petri Cath.
ihre Stellen zu raumen hatten. Der Komtur, sofort davon in
Kenntnis gesetzt, wandte sich unverzuglich nach Mergentheim ^).
Walther von Kronberg ersuchte hierauf am 10. Februar 1530
den Markgrafen, von seinem Vornehmen abzustehen, da Ickel-
heim zum Gebiete des deutschen Ordens gehore^). Dieser be-
1) Komtur von Virnsberg an W. von Kronberg. d. d. Mo. n. Dor.
(7. Februar) 1530. Vhnsberg 54 f. 9. Georg an W. v. Kronberg. Do, n.
Val. (17. Februar) 1530. f. 182. cf. Ansb. Rel. Acta VIII f. 344.
2) d. d. Do. n. Dor. (10. Februar) 1530. Virnsberg 54 f. 13. cf. W.
V. Kronberg an Komtur zu Virnsberg s, 1. et d. f. 25.
Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 155
^tritt dies aufs entschiedenste; betonte aber auch, dafi beide
Priester nicht nur wegen ihrer Stellung zum Evangelium, son-
dern auch wegen ihrer Verunglimpfungen ihre Stelle raumen
mufiten. Ganz abgesehen, daB der Reichstagsabschied 1526 ihn
voUkommen dazu berechtige, habe doch auch der Komtur zu
Virnsberg die Entlassung der beiden gebilligt^) (17. Pebruar
1530). 6 Tage spater sandte man den Pfarrverweser von Adel-
hofen, Matthias Kaufmann^), nach Virnsberg zum Komtur mit
der Bitte, ihm die Pfarrei Ickelheim zu verleihen. Er mufite
unverrichteter Sache nach Ansbach zuriickkehren, seine Bitte
wurde rundweg abgelehnt^). Inzwischen hatte sich ja auch der
Administrator des deutschen Ordeus W. von Kronberg auf Be-
1) d. d. Do. n. Val. (17. Februar) 1530. Virnsberg 54 f. 182.
2) M. Kaufmann war zuerst Pfarrer zu Stettberg gewesen; nachdem
ihm bier seine ELabe verbrannt war, wandte er sich nach Unterickelsheim,
wo er von der Gemeinde als Pfarrverweser angenommen wurde. Als er
sich Yor den Visitatoren steUte, kam ein Gesandter des wirklichen Pfarrers
Wolfg. Schmidt, der sich bereit erklarte, die Pfarrei zu beziehen. Kauf-
mann mu0te infolgedessen trotz der Fursprache des Amtmanns weichen
und bat, ihn bis P. Cath. auf seiner SteHe zu belassen, daroit er nicht
mit Weib und Kind ins Elend komroe. Die Markgrafliche Regiernng be-
stimmte zunachst, dafi ihm der ganze Anteil des Pfarrgehaltes gegeben
werden soUte, konnte aber an dem Gebote des sofortigen Abzuges nichts
andern. M. Kaufmann an Statthalter. Niirnberger Kreisarchiv. B. A.Uffen-
heim N. 58 f. 165. Statthalter an Eberhard Geyer, Amtmann von Uffen-
heim d. d. Di. n. Ursule (27. Oktober) 1528, f. 164. Er wurde dann von
N. Boxmann, Pfarrer von Ochsenfurt und Adelhofen, als Pfarrverweser
fUr letzteres gegen 8 fl. Absenz angenommen. 1530 bat er nun um Ersatz
ftir 2 fl. und 5 Malter Korn, welche die Gemeinde nicht mehr zahlen wollte,
weil die daflir frilher gehaltenen Jahrtage unterblieben. Der Markgraf
wiUfahrte dieser Bitte. Matthias Kaufmann, Pfarrverweser von Adelhofen,
an Georg. Georg an Eberhard Geyer. d. d. Ansbach. Di. n. Neujahr
(3. Januar) 1530. B. A. Uffenheim N. 59 S. 15, 16. cf. Blatter flir bayer.
K.G. I, S. 76.
3) Bericht des Matthias Kaufmann an Georg. Virnsberg 54, 26.
Credenz der Statthalter und Bate an Georg von Kjioringen f Ur Kaufmann.
Matthie ap. Abend. (23. Februar) 1530, f. 28. Die Statthalter sandten ihn
dann mit einem neuen Empfehlungsschreiben wiederum ab, ohne allerdings
mehr zu erreichen. Der Komtur tiberlieB nur die Antwort W. v. Kronberg.
Statthalter und Rate an Komtur zu Virnsberg. Fr. n. Matthie ap.
(25. Februar) 1530. Komtur an Walter von Kronberg. d. e. d.; an Statt-
halter und Kate zu Ansbach. s. 1. et d. Virnsberg 54 f. 42. 44. 40.
i
156 Schonibanm, Z. Gescb. d. Reform, u. GegoDreform. im Amte Hoheneck.
treiben Georgs von Knoringen*) mit Zustimmung des Land-
komturs der Ballei Franken, Wilhelm von Neuhausen*), klagend
an den schwab. Bund gewandt^). Da der Markgraf nacb Polen
abgereist war, dagegen das Kommen des Kaisers immer sicherer
zu erwarten war, hoffte man, einen Erfolg hier erzielen zu
konnen. Auch baute man darauf, dafi Wiirzburg, Bamberg and
Eichstsltt bei der eben za Aagsburg tagenden Bandesversamm-
lung ahnliche Klagen vorbringen warden. Aber der schwab.
Band erklarte sich fur inkompetent, well keine „oflfentliche Ent-
setzung" vorliege*). Dennoch gelang es dem deutschen Orden
seiuen Willen durchzusetzen, H. Heberlein raumte zwar fiir
einige Zeit seine Pfarrei, um sie dann gewaltsam wieder in
Besitz zu nehmen and die markgrafliche Begierang begnugte
sich mit seinem Versprechen, die neue Ordnung annehmen zu
wollen^). Obwohl man bald merkte, dafi es ihm damit nicht
Ernst war, liefi man ihn, wie den Pfarrer von Egenhansen,
1) Georg von Kndriogen an W. v. Kronberg. d. d. Montag, Petri
Stuhlfeier (21. Februar) 1630. Vimsberg 54 f. 16. 19 (er wehrte sich be-
Bonders dagegen, daO er dem Markgrafen erlaubt hatte, den Pfarrer zn
Ickelheim zu entlassen). Am 26. Februar 1530 schickte Georg v. En5ringen
obiges Empfehlungssclireiben nach Mergentheim und bat mit Rucksicht
auf die Abreise dea Markgrafen nach Polen um eine Klage vor dem
schw. Bund. d. d. Sa. n. Matthias (26. Februar) 1530, f. 45.
2) Wilhelm von Neuhausen woUte anfangs ab war ten. S. sein
Schreiben an Georg von Enoringen. d. d. Eschenbach. Vig. Petri
(21, Februar) 1530. Virnsberg 54f. 18. Auch der Komtur zu Blumenthal
(d. d. Mo. n. des Herrn FaBnacht [ 28. Februar] 1530), der Komtur zu
Winnenden (d. d. 5. Marz 1530), sowie der Komtur zu Heilsbronn (d. d.
Inv. (6. Marz) 1530) rieten dazu. Virnsberg 54 f. 47, 48, 49.
3) W. V. Kronberg an V7ilhelm von Neuhausen d. d. Mergentheim.
Matthie ap. (24. Februar) 1530. Vimsberg 54 f. 30. 34; an Markgraf Georg
f. 14; an Christoph Gugel, Kastner zu Nordlingen. d. d. Sa. n. Matthie
ap. (26. Februar) f. 41.
4) Georg Scheub, Kastner zu NSrdlingen, an W. v. Kronberg. Mo.
n. Juv. (7. Marz) 1530. Virnsberg 54 f. 50. Walter v. Kronberg an den
Komtur zu Virnsberg. d. d. Do. n. Jnv. (10. Marz) 1530, f. 52. Wilhelm
V. Neuhausen meinte, man hatte beim Kammergericht oder dem Reichs-
regiment klagen sollen f. 54.
5) Vogler an Georg. d. d. Sa. n. Cantate (9. Mai) 1534. Bamberger
Kreisarchiv. Rep. 192. B. N. 39. Tom. II f. 269. Nach Unteraltenbernheim
mufi also inzwischen ein kath. Pfarrer gekommen sein.
Sobornbaum, Z. Gescb. d. Reform. a..Gegenrefoni). im Amte Hobeneck. 157
ruhig bis zu seinem Tode auf seiner Stelle. Und neben ihm
hing fest am alten Glauben Stephan Harauer, Pfarrer von Illes-
heim, dem, wie es scheint, iiberhaupt niemand nahe zu treten
wagte^). Ebenso der Pfarrer von Unteraltenbernheim und der
Fruhmesser von Obenizenn*). Hatten sie doch auch einen
starken Ruckhalt in ihren Gemeinden. So klagte Laur. Hiller,
Pfarrer zu Nesselbach — wohl vorher in Kleinhaslach ^) — 1534
liber eine Reihe von markgraflichen Pfarreien, welche noch am
alten Glauben hingen. Am Karfreitag hatten die Bauern zu
Dottenheim einander geboten, bei 5 Pfund Strafe die Hagelfeier
zu lialten; am Vorabend des Fronleichnamsfestes entrissen sie
dem Mefiner die Schliissel zur Kirche und lauteten dasselbe
trotz seines Widerstrebens ein. Das Fest selbst feierten sie wie
vor alters; dem Pfarrer „gaben sie viel bose Worte". Ebenso
ers«hienen zu Kaubenheim am Abend die Bauern vor der Pfarr-
wohnUng und verlangten unter Berufung auf den Amtmann zu
Hoheneck das Einlaaten des Fronleichnamsfestes. „Dafi dich
Gottes Marter schande! Ihr PfaflFen seid alle geheime Bose-
wichte, man sollte euch alle erschlagen und keinen am Leben
lassen" schfieen die Leute in ihrer Aufregung*). Am argsten
1) Manuscripta Vogleriana (Stadtbibliotbek Ulm), f. 2118.
2) Bamberger Kreisarcbiv. Rep. 192. B. N.39. Tom. II f. 269. Nacb
Unteraltenbernbeim muJ3 also inzwiscben ein katb. Pfarrer gekoromen sein.
3) J. M. Grofi, Des hist. Lexici evangeliscber Jubelpilester 2. Teil.
Niimberg 1732, S. 77 f. K. Scbornbaum, Die Stellung des Markgrafen
Easimir von Brandenburg . . . Ntirnberg 1900, S. 191. In der Visitation
1528 erbielt er von Rurer dasPradikat ,,bene". Ansb. Rel. Acta VIII, 463
(v. Rnrers Hand), 43. Jabresbericbt des bist. Vereins von Mittelfranken.
Ansbach 1889, S. 60 („Keller"). H. Westermayer, Die Biandenbnrgiscb-
NiirnbergiscbeKircben visitation iind Kircbenordnung 1528—1633. Erlangen
1894, S. 35 („Heller"). Von Nesselbacb kam Hiller nacb Seinsbeim. cf.
J. M. Grofi, Hist. Lexikon . . . 8.356. Lebnes I. c. S. 276. Der Frub-
messer von Unternesselbacb erscbien zwar 1528 zur Visitation, straubte
sicb aber gegen jede Examination. Ansb. Rel. Acta VIII, 490. Er wurde
deswegen wieder nacb Ansbacb zitiert. Ansb. Rel. Acta II, 23.
4) L. Hiller erwahnt, dafi aucb die Bauern zu Gutenstetten den
Hagelfeiertag und das Fronleicbnamsfest unter Beibilfe des Pfarrers ge-
feiert batten. Auf Befragen des Vogtes von Mtincbsteinach gab letzterer
an, die Bauern hatten ibn dazu gezwungen. Sie wurden dann mit Strafe
belegt. In Birkenfeld erscbienen Fr. n. Viti 1534 zwei papistiscbe Pfarrer
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichte XII. 4. 1 j
158 Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, a. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
ging es in Ipsheim zu, wo seit 1538 Philipp Getreu wirkte,
nachdem er von Obernzenn wohl wegen seiner evangelischen
Haltung ^abgeechaflft" worden war^J. Ob wohl er sich erboten
hatte, an Mittwoch and Freitag jede Woche zu predigen, be-
standen die Baueru auf der Feier des Fronleichnamfestes. Er
woUte ihnen entgegenkommen und versprach, eine Litanei zu
halten; aber sie waren damit nicht zufrieden und zwangen den
Kirchner, abends um 4 Dhr Vesper und am Donnerstag zum
Amt zu lauten. Als der Pfarrer nicht erschien, lauteten sie
Sturm und versammelten sich alle auf dem Marktplatze. Einige
woUten sein Haus stnrmen, ihn in Stiicke hauen und in den
Grabeil werfen. Vier erkiarten sich sogleich dazu bereit: B^orst
Cuntz, der schon ein Jahr vorher solches gedroht hatte, und Schaf
Pauls, beide die geheimsten Rate des Amtmanns von Hoheneck,
Gilg Bamtel und Georg Veldner; andere wollten ihn sofort beur-
lauben. Nur dem Eingreifen einiger „frommer" Leute hatte er
es zu verdanken, daB er mit dem Leben davon kam. Bitter klagt
der Pfarrer fiber seine Gemeinde, dafi er oft mit seinem Kaplan
allein die Litanei halten mUsse, dafi man zum Abendmahl uberhaupt
nicht komme. An den Feiertagen sMen die Bauern in Wirts-
Andreas N. yon Herbolzheim und Stephan N., Pfarrer za Unterleimbach,
und gingen anf den EHenberg, um Messe zu halten. Auf Befragen des
Pfarrers von Schauerheim erklarte Stephan N., dafiVogt undAbtissin zu
Birkenfeld ihm versprocben hatten, ihn vor aUen Nachstellungen von seiten
des Markgrafen zu beschiitzen. Am Pfingstraontag 1534 war eine Kirch-
weihe bei einer Wallfahrtskirche zu Gerolzhofen. Etliche Adelige brachten
einen kath. Priester mit, der Messe las, wahrend der evang. Pfarrer auf die
Kanzel stieg, um dagegen zu predigen. Sigmund von HeBberg erklarte,
als er yon den dort stattgefundenen tumultnarischen Szenen horte,
wenn er dabei gewesen, hatte er den Pfarrer erstochen. Manuscripta
Voglcriana f. 2157. Ansb.Rel. Acta VIII, 344: Der Pfarrer Wolfgang zu
Gutenstetten hat Chrysem yon Wurzburg geholt, halt sich auf papistische
Art, geht alle Woche nach Birkenfeld, liest Messe und Predigt. NB.: Die
Pfarrei mit einem anderen Priester zu yersehen. 1530 war hier Georg
Ziegler Pfarrer. Kgl. Rons. Ansbach. Pf. Gutenstetten 1530—1558 f. 1.
1) Am 16. Mai 1533 schickten die Statthalter und Rate zu Ansbach
einen neuen Priester (wohl Petrus Paumann) nach Virnsberg, mit der
Bitte, ihm die Pfarrei Obernzenn zu verleihen, well Ph. Getreu abgeschafft
worden war. d. d. Fr. n. Cantate 1533. Virnsberg (Sondernohe und Unter-
altenbernheim 1505—1745) 127, 3.
Schornbaaiu, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegeoreform. im Amte Hoheneck. 159
hausern, urn zu saufen, spielen, Gotteslasterung und unzuchtige
Dinge zu treiben. AUerdings hatte auch der Amtmann zu
Hoheneck am Pfingstfeiertag Kiichengeschirr vom Wildbad
Burgbernheim nacli Hause fiihren lassen. Dringend bat er um
Bestrafung der Radelsfiihrer, wenn nicht die Regierung in ihrem
Ansehen groflen Schaden erleiden wolle ^). In Ottenhofen stellten
die Bauern die Zahlungen fiir Jahrtage und sonstige Abgaben
ein, weil diese nicht mehr gehalten wurden, obwohl sich der
Pfarrer Job. Fabri erbot, ihnen anstatt der Messe Gottes Wort
zupredigen. Er bekam keine Zuhorer zu diesen Gottesdiensten;
vielmehr wuCten sie ihn noch mehr zu argern, indem sie ver-
langten, dafl er Graben fege und andere Las ten auf sich nehme^).
Der einzige, der sich dieser Verhaltnisse annahm, war
G. Vogler. Gerade die iible Lage der Geistlichen im Amte
Hoheneck stellte er dem Markgrafen wiederholt vor Augen, um
ihn von der Notwendigkeit einer neuen Kirchenvisitation zu
uberzeugen^). Ob diese wirklich den Widerstand der kath.
Geistlichen brach, und wie iiberhaupt die Reformation in diesem
Teile der Markgrafschaft sich ganzlich durchsetzte, ist bis jetzt
bei dem Mangel jeglichen urkundlichen Materials noch nicht
zu beantworten.
Nur liber die Pfarreien der Kommende Virnsberg bieten die
Akten noch einiges Material. Vor allem tritt Ickelheim hervor,
da hier die Besitz- und Patronatsverhaltnisse zwischen Branden-
1) Man. Vogl. f. 2118. cf. 2157.
2) Job. Fabri, Pfarrer zu Ottenhofen, an Markgraf Georg ; H. Pfister
und H. Steinmetz an Georg; Antwort Fabris ; Erneute Bitte an die Statt-
halter; Statthalter an Senior und Kapitel St. Gumbertus. d. d. Ansbach.
Mittw. n. Trin. (3. Jnni) 1534. Endliche Vereinbarung zwischen Pfarrer
und Gemeinde. d. d. Di. n. Vis. Mariae (7. Juli) 1534. Rep. 157. S. 715.
Pfarrei Ottenhofen 3 a. f. 4. 6. 8. 10. 12. 13.
3) G. Vogler an Georg. d. d. Sa. n. Cantate (9. Mai) 1534. Bam-
berger Kreisarchiv Rep. 192. B. N. 39. T. II, f. 269. cf. auch Ansb. Rei^
Acta VIII, 456. Am 31. Januar 1535 bat er fiir den Pfarrer von Ipsheim;
wenn der Markgraf sich nicht der armen Pfarrer und Schuliehrer an-
nehmen wtirde, waren sie ganz verlassen. Bei Hofe sei niemand verachteter
als Pfarrer und SchuUehrer. f. 137. Am 26. Mai 1535 bat er, den Pfarrer
von Btidisbronn doch nicht verhungern zu lassen. f. 155. cf. auch das
Schreiben vom 3. Juni 1535. f.l59. (Man. Vogl 2102). cf. auch Bamb. Kreis-
archiv. Rep. 192. B. N. 39 T. I f. 275.
11*
1()0 Schornbaum, Z. Gesch. d. Eeform. a. Gegenreform. im Amte Hobeneck.
burg and dem deutschen Orden strittig waren. Hier sollte es
noch 100 Jahre dauern, bis die evang. Lehre zum Siege gelangte.
Big 1536 blieb Hans Heberlein hier • Pfarrer. Sein Fruh-
messer Georg Buschler erhielt vom Komtur von Virnsberg,
Georg von Kn5ringen, jetzt auch die Pfarrei tibertragen und
versah beideStellen bis zu seinem Tode (1542)*). Der dazumal
in Virnsberg wohnende Koratur Alex. Diener berief nun einen
wurzburgischen Priester Namens Job. Tuchscherer. Als dieser
nach Wurzburg zuriickkehrte, iibernahm die Pfarrei Job. Volker,
der im 2. markgraflichen Krieg nach Unteraltenbernheim vom
Komtur Job. Groroth versetzt wurde^). Schon unter ihm mufi
die evang. Lehre immer mehr eingedrungen sein; denn nach seinem
Abzug wagte der Komtur dem Drangen der Bauern nicht langer
zu widerstehen, sondern beauftragte Michael Flirst von Westheim
mit der Versehung der Pfan^ei. Es ist irrelevant, ob er die
Kanzel bestieg, wie die markgraflichen Rate 1597 behaupteten,
Oder aber nur vom Altar aus redete, wie der deutsche Orden
dazumal erklarte; in Wirklichkeit hat er mit Bewilligung des
deutschen Ordenskomturs etliche Jahre hier die evang. Lehre ver-
kiindigt^). Waren doch auch in der Umgegend die Pfarreien
fast samtlich der neuen Lehre zugefallen. DaB in Egenhausen
1545 ein evangelischer Pfarrer wirkte, ist schon oben erw^lhnt.
Nach Obernzenn hatte 1533 die markgraf liche Regierung den
evang. Pfarrer von Groflhabersdorf, P. Paumann, gesandt*). Aber
bereits 1535 verzichtete er auf seine Stelle wegen Gefahrlich-
keit, d. h. wegen Gefahren, die ihm infolge seiner evang. Ge-
sinnung drohten^). Auch sein Nachfolger wird evangelisch ge-
1) Virnsberg 2 (Ober- und Mitteldachsteben), f. 33.
2) Aus dem Bericht des deutschen Or dens vom 30. Mai 1598. Eomm.
Virnsberg 54 f. 138bflf,
3) Brandenb. Antwort vom 8. Mai 1602. ibidem 54 f. 191. Replik
des deutschen Ordeus, f. 212.
4) P. Paumann 1527 Pfarrverweser zu Flaohslanden. K. Schorn-
baum, Zur Stellung des Markgrafen Kasimir . . . S. 239. 1528—1581
Pfarrer in Grofihabersdorf. Blatter ftir bayer. E.G. I, 91. Ansb. Rel.
Acta V, I, 40. Jahrbuch ftir die evang.-luth. Landeskirche Bayerns. 1906.
Nordlingen, S. 102.
5) Petrus Paumann an G. v. Enoringen. d. d. Joh. Ev. (27. Dezember)
1535. Eomm. Virnsberg 98 (Pfarrei Obernzenn), f. 3.
SchorDbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hobeneck. J 61
wesen sein. Als Damlich 1541 der (unbenannte) Pfarrer von
Obernzenn gestorben war, teilte der Komtur zu Virnsberg,
Wolf von Rosenberg, Walter von Kronberg mit, dafi das ganze
Dorf sich mit der evang. Lehre eingelassen und ihn nicht einmal
mehr zura Abhoren der Kirchenrechnung beigezogen habe. Auch
die Herren von Seckendorf batten sich dem neuen Glauben
angeschlossen ^). Ein recht merkwurdiger Priester bot sich nun
dem Komtur an: Christoph Hagk, Friihmesser zu Trautskirchen.
Mit gewissem Stolz erzahlte er, dafi er zu Dillingen zum
acolitus, diaconus und Priester geweiht worden sei; Trautskirchen
habe er nur deswegen schon versehen durfen, weil die Herren
von Heilsbronn nur geweihte Priester nahmen. Dabei aber war
er verheiratet nnd predigte evangelisch^). Immerhin schien er
Wolf von Rosenberg noch am tauglichsten. Aber schon im
nachsten Jahre bat er selbst um Entlassung. Die Herren von
Seckendorf batten doch kein Gefallen an seiner schwankenden
Haltung und erklarten ihm, „er sei ihr Pfarrer und mlisse ihnen
predigen". Er wollte lieber sterben, als drei vom Adel zum Feinde
haben^). Komtur Alex. Diener stellte nunmehr Wolfg. Schaller,
einen Priester aus dem Eichstatter Bistum, als Pfarrverweser
auf. Als er aber erfuhr, dafi ihm „die priesterliche Formaten
und Ordinierung" fehlte und er fruher Schulmeister in Leuters-
hausen gewesen war, entliefi er ihn und ernannte 1544 Erhard
Fuchs zu seinem Nachfolger*). Auch dieser wird nicht lange
dort geblieben sein; ihm folgte Alb. Hapachius^). Dieser haufige
Wechsel erklUrt sich allein daraus, dafi die Geistlichen immer
1) Wolf von Eosenberg an W. v. Kronberg. Job. Bapt. (24. Juli)
1541. ibidem 127, 5. 7.
2) Cbr. Hagk, Fruhmesser zu Trautskirchen an W. v. Bosenberg.
ibidem 127, 8.
3) Chr. Hagk, Pfarrherr zu Zenn an Komtur Wolf von Rosenberg.
Mittw. n. Paschalis 1542. Virnsberg 98f. 1. Eid des Wolfg. Schaller.
d. d. Mo. n. Cone. Mariae (10. Dezember) 1543, f. 3 und 4.
4) Alex. Diener an Asmus und Georg v. Seckendorf. d. d. Di. n.
Rem. 1544 (11. Marz), f. 6.
5) Komm. Virnsberg 98 f., 5. Am 18. Juni 1567 berichtet Back von
B5men nach Mergentheim, dafi er dem Pfarrer zu Obernzenn wegen un-
gebtihrlichen Betragens aufgekUndigt habe ; jetzt lasse er Frau und Kinder
im Elend sitzen und treibe sich im Lande herum. Virnsberg 128 f, 10.
162 Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
in Konflikt gerieten entweder mit dem Patron, dem kath.
Komtur von Virnsberg, oder den Dorfherren, den lutherischen
Herren von Seckendorf. Aber bald mussen letztere die Ober-
hand erlangt haben.
Nachdem Michael Fiirst eine Zeitlang Ickelheim versehen
hatte, wurde Paulus, Pfarrer von Herbolzlieira, die Pfarrei
ubertragen. Wenn ihu auch die spateren Berichte fiir einen
katb. Geistlichen erklarten, so bezeugten andererseits Bauern
des Ortes, daB er verheiratet gewesen war und das Abendmahl
in beiderlei Gestalt ausgeteilt hatte. Auf dem Heimweg von
der Kir'chweih zu Obernzenn sttirzte er sich zu Tode (1557).
In der ganzen Kommende mufi urn diese Zeit das Evangelium
durchgedrungen sein, selbst der damalige Komtur Philipp von
Altdorf, genannt WoUenschlager, war nach dem Zugestandnis
des Ordens evangelisch. Dieser liefi zunachst bis P. Catlr. 1558
die Pfarrei Ickelheim durch den evang. Pfarrer Wolfgang N. von
Obernzenn mit versehen und berief dann den derzeitigen Pfarrer
von Dnteraltenbernheim Joh. Volker, der schon einmal hier
gewirkt hatte, auf die erledigte Stelle. Er muB sich dem
Evangelium sehr genahert haben; das Abendmahl teilte er sub
utraque aus, doch behielt er noch die lat. Sprache in der
Messe und die Elevation bei^). Auch die tJberlassung der
Friihmesse zur Schule zeigt, wie sehr das Evangelium hier
eingedrungen war 2). Der deutsche Orden muBte das wohl oder
libel zulassen. Es hielt ja iiberaus schwer, kath. Geistliche
zu bekommen. So berichtete 1558 Philipp von Altdorf nach
Mergentheim, daB er seit 2 Jahren keinen Priester fiir Virnsberg
habe erlangen konnen. Erst vor einem Monat habe ihm endlich
der Komtur zu Ulm, Seb. von Aw, einen gelehrten Priester ver-
schafft, dem er 50 fl. nebst der Kost gebe. Aber auch Unter-
altenbernheim habe keinen Pfarrer; weil es nur 60 fl. ertrage,
wiirde kein katholischer zu bekommen sein ; diese wtirden 200 fl.
verlangen. Er schlug nun vor, einen evangelischen Geistlichen
dahin zu senden, weil auch der andere Dorfherr Arnold von
Seckendorf seinen Untertanen geboten habe, ihre Kinder in den
umliegenden markgraflichen Pfarreien evangelisch taufen zu
1) ibidem 54, f. 140. 199.
2) ibidem 54, f. 137.
Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 163
lassen. „Man solle aus der Not eine Tugend machen." AUe
anderen Pfarreien in der Uragebung seien schon evaDgelisch^).
Wenn auch widerstrebend willigte man in Mergentheim ein.
So kam 1559 A. Brenner als evang. Pfarrer nach Unteralten-
bernheim^).
Aber nunmehr setzte bald die Reaktion ein. Nach Job.
Volkers Tod 1569 setzte der Komtur Back von Bomen Georg
Harscher, Pfarrer von Virnsberg und Sondernohe, nach
Ickelheim^), der am 29. April 1569 ausdrttcklich dazu ver-
pflichtet wlirde^ gemaU der kath. Religion zu leben*). Mit
steigendem Unwillen nahm man jedoch wahr, wie er sich ver-
heiratete und das Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeilte,
wenn er auch sonst noch auCerlich an den kath. Gebrauchen
festhielt. Der Komtur Philipp von Mauchenheim genannt
Bechtolsheim gab sich besonders alle Miihe, um dieGemeinden
in der Kommende zum kath. Glauben zuriickzufuhren. Nach einer
Unterredung mit dem Landkomtur der Ballei Franken kundigte
er 1574 den Pfarrern von Ickelheim, Virnsberg-Sondernohe und
Unteraltenbernheim. Er hatte eine geringe Meinung von ihnen.
So erklarte er, A. Brenner, Pfarrer von Unteraltenbernheim, sei
mit seinem Latein so ungeschickt, daU er nicht einen Hund
hinterm Ofen hervorlocken k6nne. Er schmahe nur Papst und
Feiertage; Palm- und Krauterweihe rede er tibles nach. Als
Weihnachten der Kiichenmeister von Frauenberg, Andreas
Jager, begraben wurde, habeman auf den Gedankenkommenkonnen,
es handle sich um ein Tier, ^eien doch gar keine Zeremonien
dabei gewesen. Ihn hielt er offenbar noch fiir den bedeutendsten
unter den evang. Geistliclien; denn ihn woUte er ganzlich entfernt
1) Ph. V. Altdorf genannt WoUenschlager an den Administrator des
deutschen Ordens. Virnsberg. 2. August 1558, f. 241. Nach f. 246 war
Michael Oswald. 1535—1554 Pfarrer zu Virnsberg ; dieser kam zwei Jahre
alsDiakon nach Weiblingen und dann nach Brackenheim, wo er 1561 starb.
2) Befehl d. d. 3. August 1558. Virnsberg 128. (Pfarrei Sondemohe-
Unteraltenbernheim 1505 — 1745), f. 9. Nach Joh. Volkers Abzug war ein
kath. Priester in Unteraltenbernheim eingesetzt worden, der sich aber
nur ein Jahr halten konnte, f. 28. Die Seckendorfe erlaabten ihren
Leuten nicht, seine Eirche zu besuchen, fol. 49.
3) Komm. Virnsberg 54 f, 140.
4) Bid des Georg Harscher. d. d. Virnsberg. 29. April 1569, f. 243.
164 Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegeoreform. im Amte Hoheneck.
sehen; Georg Harscher woUte er dagegen zur besseren Be-
obachtung nach Virnsberg versetzen und den hief wirkenden
Geistlichen, dem er anscheinend am meisten traute, nach Unter-
altenbernheim (6. Juni 1574). E'iir Ickelheim hatte er bereits
Ersatz in einem Priester von Walmershofen *). Der Deutsch-
meister aber samt dem Landkomtur Volprecht von Schwalbach
wagten es doch noch nicht, in so entschiedener Weise vorzugehen 2).
Die Pfarrer von Unteraltenbernheim and Ickelheim blieben ruhig
auf ihren Stellen bis zu ihrem Tode (1580 bezw. 1584)^).
Kaum aber war A. Brenner gestorben, so regte Volprecht
von Schwalbach bei dem Administrator des deutschen Ordens
Heinrich an, einen kath. Geistlichen nach Unteraltenbernheim
ZU setzen. Zwar verhehlte er sich nicht, dafi die Bauern
evangelisch gesinnt waren, auch die Seckendorfsche Dorfherr-
schaft Widerspruch erheben wtirde; trotzdem hielt er die Zeit
jetzt fur gekommen, um den kath. Glaubeu wieder einzufuhi'en*).
Der Deutschmeister ging auf diese Anregung ein und beauftragte
den Landkomtur, einen kath. Kaplan als Pfarrer nach dorthin
zu senden^). Die Bitten der Bauern und des H. Ludwig von
Seckendorf zu Sugenheim und Unternzenn um einen evangelischen
Geistlichen ^) blieben unberucksichtigt. In Virnsberg machte nun
1) Philipp von MaucheDheim genannt Bechtolsheim an den Land-
komtur. d. d. 6. Juni 1574. Komm. Virnsberg. 128 f. 35. cf 39.
2) A. Brenner bittet den Deutschmeister Heinrich, wenigstens bis
Petri Cath. 1575 auf seiner Stelle bleiben zu dUrfen. ibidem f. 26. Deutsch-
meister bittet am 28. Mai 1574 Volprecht von Schwalbach um Bericht.
f. 28. Mitteilung des Deutschmeisters Heinrich an den Komtur zu Virns-
berg, mit der Absetzung des Pfarrers zu Unteraltenbernheim inne zuhalten.
3. Juni 1574, f. 32. Volprecht von Schwalbach, Landkomtur zu Franken
an den Deutschmeister; auBert wie dieser Besorguisse iiber dasVorgehen
des Komturs und will auch nichts geandert haben. Ellingen 7. Juni 1574, f. 42.
3) Komm. Virnsberg, 54f. 141. 128 f. 49.
4) Volpert von Schwalbach an Administrator Heinrich. Ellingen,
28. Juni 1580. Komm. Virnsberg 128 f., 49.
5) Heinrich an Landkomtur. d. d. Mergentheim. 8. Juli 1580, f. 52.
6) Bitte der Gemeinde (sie wUnschte Wolfg. Leutemeier von Wttsten-
riiglein, Schulmeister zu Obernzenn), f. 56. Hans Ludwig von Seckendorf
an Volprecht von Schwalbach, Landkomtur, 6. Juli 1580. f. 50. Dieser
an Heinrich, Ellingen 26. Juli 1580. f. 54. Antwort des letzteren 2. August
1580, f, 58. Erneute Bitte H. L. v. Seckendorfs, der denWeinzehnten dem
Schornbanm, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 1G5
Volprecht von Schwalbach rait zwei Ordensraten Dr. Ciriacus
und Job. Stor aus, den Pfarrer zu Virnsberg nach Unteralten-
bernheim und einen Kaplan- von Eschenbach nach Virnsberg-
Sondernohe zu senden, Aber bald horte der Landkomtur, dafi
der alte Pfarrer von Virnsberg weder lutherisch noch katholisch
ware und sich nach jedem richte, der ihm zu gebieten habe.
So glaubte er sich denn auf diesen nicht mehr verlassen zu
sollen und schlug vor, einem EUingischen Priester Georg Trisler
Virnsberg-Sondernohe, d.em Kaplan von Eschenbach jedoch
Dnteraltenbernbeim zu verleihen, den alten Pfarrer aber zu
entfernen. Darauf ging aber der Administrator nicht ein, weil
er Trisler fiir einen bloden Menschen hielt, der doch bald
lutherisch werden wlirde. In welcher Weise sich endlich der
Deutschmeister mit dem Landkoratur einigte, wissen wir nicht;
jedenfalls aber wachte man dariiber, daB diesmal nur kath.
Geistliche angestellt wurden^).
Auch in Ickelheim wufite man nach dem Tode des Pfarrers
Pfarrer geben wollte, faUs ein evang. angesteUt wiirde, f. 68. Auch schlug
er vor, dem Priester zwar Messe halten za lassen, aber auch die communio
sub utraque anzubefehlen.
1) Heinrich an Landkomtur. 26. September 1580. Er schlug vor
Trisler Virnsberg, dem alten Pfarrer Sondemohe, dem Kaplan von Eschen-
bach Unteraltenbernheim zu geben. Virnsberg 128 f. 59. Volpert von
Schwalbach schlug am 2. Oktober 1580 dann vor: G. Trisler Virnsberg
zu geben, dem Kaplan zu Eschenbach Unteraltenbernheim-Sond'ernohe.
f. 61. Adam vonKlingelbach erklarte auf Befragen, daJ3 Sondemohe immer
eine eigene Pfarrei gewesen sei. Der jetzige Pfarrer zu Sondemohe set
in der lat. Sprache nicht erfahren ; er versehe jedoch die Kirche priester-
lich, wenn er auch das Abendmahl unter beiderlei Gestalt austeile. Vor
ihm sei es auch schon so gewesen; er warnte vor Trisler, der mitBlodig-
keit beladen sei und schon an Ketten gelegen ware ; der Markgraf wUrde
jede Gelegenheit beniitzen, um sich einzumischen. 8. Oktober 1580. An-
frage des Deutschmeisters. d. d. 6. 10. 1580, f. 66. Antwort des Komturs
9. und 8. Oktober 1580, f. 70. 72. Der Deutschmeister befahl dann am
21. Oktober 1580 Sondernohe-Virnsberg durch einen geschickten Priester
versehen zu lassen; den a.lten Pfarrer zu Virnsberg mit einem Zehr-
pfennig zu entlassen und G. Trisler in Ellingen zu lassen. f. 76. Der
Pfarrer von Sondemohe beschwerte sich nun uber die ihm drohende Ab-
setznng; der Administrator schlug nun vor, ihm eine Friihmesse zu geben,
damit man nicht sagen konnte, im Ordensgebiet vertreibe man alle alten
Priester. 5. November 1580 f. 83,
166 Schornbanm, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Uoheneck.
Georg Harscher einen kath. Geistlichen einzusetzen. Zunachst
versah bis LichtmeB 1585 der Pfarrer von Unteraltenbernheim,
Seb. Hocheisen, dasselbe. Dann ernaunte der Komtur Adam von
KUngelbach Michael DoUmann, alumnus des Stifts zu Spalt,
zum Pfarrer; 1589 folgte ihm Chr. Gulmann, der wie sein Vor-
ganger ganz im katholischen Sinne wirkte^).
Dem deutschen Orden war der Mut sehr gewachsen. 1591
regte der Landkomtur Volpert von Schwalbach bei dem Komtur
zu Virnsberg Job. Hordt an, auch in Obernzenn einen kath.
Geistlichen aufzustellen 2). Diesmal riet aber letzterer selbst ab.
Seit 70 Jahren sei hier die evang. Religion eingefiihrt; niemand
wisse sich etwas anderes zu entsinnen; Brandenburg wiirde nur
die Gelegenheit benutzen, um seine Rechte auch iiber Obernzenn
auszudehnen^).
In Ansbach woUte man aber wirklich nicht langer dem
Vordringen des deutschen Ordens zusehen. Hatte sich doch
derselbe nicht damit begniigt, kath. Geistliche einzusetzen, er
suchte auch auf alle Weise die Untertanen zum kath. Glauben
zuruckzufiihren. So heftete man in Ickelheim auf Betreiben
Ernsts von Buseck, Komturs von Virnsberg, ein Mandat des Erz-
herzogs Maximilian an, wonach den Leuten der Besuch von
auswartigen Predigten verboten und die Teilnahme an den
Gottesdiensten zu Ickelheim vom Anfang bis zum Schlufi zur
Pliicht gemacht wurde (1595). Zweimal vvurde dasselbe abgerissen,
obwohl es von neuem angeheftet wurde, hatte es keinen groCen
Erfolg. Die evang. Lehre wollten die Baueru nicht aufgeben *).
Deswegen entlieU man auch im folgenden Jahre den evang.
Schulmeister Kilian Stor; sein Nachfolger wurde sarat dem
Deutsch-OrdensschultheiC ein fester Halt fur die katholische
Gegenreformation^). Im Jahre 1596 suchte man nun zuerst in
1) Komm. Virnsberg 54 f. 141.
2) d. d. Ellingen 16. Oktober 1591. Virnsberg 98.
3) d. d. 18. Oktober 1591. ibidem.
4) Ernst von Buseck an Erzberzog Maximilian 5. Juni 1595. Mandat
desselben 20. Juni 1595. Ernst von Buseck an Statthalter und Rate zu
Mergentheim 22. November 1595. Virnsberg 54 f. 251. 253. 255. of. 258.
5) Bericht des Stiftsvei waiters Job. Weidenbacher. d. d. 10. August
1597. Rep. 157. Amt Ottenhofen. Tom. Ill (Akten); 1605 kam Kil. St5r
als Schulmeister nach Obernzenn.
Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u, Gegenreform. im Amte Holieneck. 167
Ansbach dem Vordringen des deutschen Ordens entgegenzutreten.
In Unteraltenbernheim war trotz des festen Vorsatzes des Land-
komturs Volpert von Schwalbach doch nacli einiger Zeit wieder
ein evang. Geistlicher eingesetzt worden. Als nun 1595 Ulr.
Preiherr, ein kath. Priester, dorthin gesandt wurde, wandte sich
Gottfried von Seckendorf zu Ober- und Unterzenn an den Mafk-
grafen Georg Friedrich, urn die Absetzung desselben zu be-
treiben (1596)^). Er berief sich darauf, dafi seit 50 Jahren hier
nur evangelisch gepredigt worden sei. Der Orden lehnte alle
Bitten um Beseitigung des kath. Priesters ab, weil er Patron
und E>eischherr allein sei^). Die Erwiderung des Gottfried
V. Seckendorf, daB letzteres mit der Religion nichts zu tun habe
und nach dem Passauischen Vertrag auf das exercitium oder
quasi possessio des exercitii religionis hier zu achten sei, war
natiirlich so wenig stichhaltig, dafi es nicht gelang, den evang.
Gottesdienst dem Dorfe zu erhalten^). Besseren Erfolg soUte
man in Ickelheim haben.
Am20.(oder 30.) September 1597 starb Chr. GuUmanu. Kom-
tur Joh. Konrad Schutzbar beauftragte sofort Ulr. Freiherr,
Pfarrer von Unteraltenbernheim, mit der Verwesung der Pfarrei.
Aber noch am Tage, da der alte Pfarrer begraben wurde,
1. Oktober (21. September) 1597, erschienen 40 bewaffnete
markgrafliche Reisige mit 8 Reitern unter Fuhrung des Amt-
manns von Hoheneck, nahmen dem Scbulmeister die Schliissel
zur Kirche und besetzten, ohne viel sich um den Deutsch-
OrdensschultheiB zu kiimmern, den Pfarrhof. Der Pfarrer von
Unteraltenbernheim wurde kurzerhand hinausgeworfen und
jeder Protest seinerseits unbeachtet gelassen. Von Seite der
Ortsbewohner wurde kein Widerstand geleistet, vielmehr be-
1) Gottfried von Seckendorf von Ober- und Unterzenn an Georg
Friedrich 16. Januar 1596. Georg Fr. an den Komtur zu Virnsberg.
11. Marz 1596. Virnsberg 128 f. 85. 87.
2) £. V. Buseck genannt MUncb an Maximilian 5. April 1596. Statt-
halter zu Mergentheim an Georg Friedrich 7. April 1596. f. 89. 91.
3) Gottfried von Seckendorf an Georg Friedrich. d. d. 27. Mai 1597.
Dieser an Statthalter und Kanzler zu Mergentheim. 28. Mai 1597, f. 93.
97. — Bis 1611 war Pfarrer in Unteraltenbernheim Adam Kun. Vi. 128f.
102. — 1711 behauptete Philipp Albrecht v. Seckendorf, bis 1604 hatten
seine Vorfabren immer evang. Geistliche hier aufgestellt 132, 25.
1G8 SchorBbaura, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
grufite alles freudig das Einrlicken der Markgraflichen. Am
Sonntag darauf (2. Oktober) erschienen viele benachbarte mark-
grafliche Pfarrer; unter dem Schutz von 100 Reisigen wurde
die Kirche eroflfnet und Balthasar Schneider als Pfarrer ein-
gesetzt^). Die Protestation des Komturs verhallte in den Wind^).
Er war sichtlich in Verlegenheit, was er denn eigentlich
gegen dieses iiberraschende Vorgehen tun sollte. Dafi seine
Bitte an den Markgrafen, doch wieder den kath. Kultus in
Ickelheim znzulassen, vergebens sein wurde, sagte er sich
selbst^). Er tat es nur, urn alle Formalitaten zu erfiillen. Zu-
nitchst wiederholte er dann noch einmal seine Protestation, ver-
bot seinen Untertanen bei einer Strafe von 50 fl. den Besuch
des evangelischen Gottesdienstes, befahl seinem SchultheiB an die
Kirchentiire ein Schlofi zu legen und gebot dem luth. PrMi-
kanten sofort abzuziehen*). Selbstverstilndlich setzte er auch
die Deutsch-Ordensregierung in Mergentheim ^) und den Land-
komtur Volpert von Schwalbach in Kenntnis^). Wahrend nun
letzterer zu einem bewaffneten Einfall riet'), stimmte der
Deutschmeister Maximilian dafiir, die ganze Angelegenheit an
das Kammergericht zu bringen®). Auch der Komtur zu Virnsberg
war dafiir, weil das Dorf Ickelheim von markgraf li€hen Soldaten
so gut bewacht wurde, dafi jeder tJberfall von vornherein als
1) Der Name bei M. GroB, Histor. Lexikon . . . S. 261. Komm.
Virnsberg 54, 65.
2) Bericht des J. K; Schutzbar an Vizestatthalter zu Mergentheim
1. und 2. Oktober 1597. Komm. Virnsberg 54, 86. 88. 80.
3) Komtur zu Virnsberg an Georg Friedrich 9. Oktober (oder 29. Sep-
tember) 1597. Virnsberg 97, 10.
4) Kanzler und Bate zu Mergentheim an Komtur zu Virnsberg
4. Oktober 1597. Vi. 54, 96.
5) Job. Ko. Schutzbar an Vizestatthalter zu Mergentheim. Virnsberg
1. 2. Oktober 1597. Vi. 54, 86. 80.
6) Joh. Ko. Schutzbar an Landkomtur. d. d. 2. Oktober 1597. Vi. 57, 1^).
7) Volpert von Schwalbach an Amtsverweser Maximilian zu Mergent-
heim 10. Oktober 1597. Vi. 54, 229. 57, 4. Auch der Komtur von Wiirz-
burg, Philipp von Mauchenheim genannt Bechtolsheim stimmte ihm zu.
(Vi. 57, 5. Antwort Philipps von Mauchenheim. d. d. 16. Oktober 1597.
Vi. 54, 106.)
8) Kanzler nnd Rate zu Mergentheim an Ko. v. Schwalbach. d. d.
Mergentheim 5. Oktober 1597. Vi. 54, 101. 57, 3.
Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 169
nutzlos erscbien^). Sogar den luth. Pfarrer lieB man auf den
Rat der Regierung des deutschen Ordens ruhig daselbst weiter
amtieren*). Auf Bitten des Komturs setzte nun Dr. Herolt in
Niimberg eine supplicatio pro mandate fiir das Kammergericht
auf^); aber dieses. lieU nur ein mandat cum clausula an den
Markgrafen ausgeben, d. h. es bekam zwar der Orden in der
Hauptsache Recht, aber dem Markgj-afen wurde ausdrticklich
das Recht vorbehalten, seine Ansprliche auf gerichtlichem Wege
zu erweisen*). Damit war also der Anfang zu einera kammer-
gerichtlichen Prozesse gegeben, dessen Dauer niemand absehen
konnte.
Am 4. Marz 1598 wurde das kammergerichtliche Mandat
der markgraflichen Regierung tibergeben. Bis jetzt hatte man
sich wenig urn die Proteste des Komturs von Virnsberg ge-
kummert; man hatte ihm nur mitgeteilt, dafi seit 60 Jahren in
• Ickelheim evangelisch gepredigt worden ware, erst 1582 nach
dem Tode Harschers sei ein kath. Geistlicher widerrechtlicher-
weise eiugesetzt worden. Man hatte deshalb alles Recht dazu
gehabt, den alten Zustand wiederherzustellen ^). Jetzt gait es
aber genauer seine Rechtsgriinde darzulegen. Man suchte nun
am markgraflichen Hofe auf Grund der geschichtlichen Ent-
wicklungzubeweisen, dafi man zu seinem Vorgehen voUctandig
1) Komtur zu Virnsberg an Vizestatthalter zu Mergentheim. Virns-
berg 11. Oktober 1597. Vi. 54, 99. 57 ad 7. Am 22. Oktober 1597 schrieb
er an Kanzler und Rate zu Mergentheim, daB eben seine Vorganger
bei Anstellung der Pfarrer hatten mehr auipassen und nicht gestatten
solien, da6 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ausgeteilt werde. Vi.57/7.
2) Am 4. Okt. 1597 hatten die Rate zu Mergentheim fiir Abschaffung
des Pradikanten gestimmt; am 5. Oktober 1597 machten sie dieses riick-
ganglg. Vi. 54, 96. 101.
3) Jo. Ko. Schutzbar an Dr. Herolt 6. Oktober 1597. Vi. 54, 92. 104.
Supplicatio an das Kammergericht um ein Mandat sine clausula f. 109. 57,
ad 9. Die Regierung zu Mergentheim hatte durch Dr. Vomelius Stadtpert
denselben Schritt schon getan. Vi. 57, 10.
- 4) Mandat d. d. 12. Oktober 1597. Vi. 54, 113. 57 ad 10. Statthalter
an Dr. Vomelius: Trotz des teilweisen MiBerfolges soUe man das Mandat
an G. Friedrich senden. 4. November 1597. Vi. 54, 157. cf. 165.
5) G. Friedrich an Ko. Schutzbar 8. Oktober 1597. Vi. 54, 76flf.,
159 if., 57 ad 8. Am 20. Oktober 1597 vom Komtur nach Mergentheim
gesandt, f. 8.
170 Schornbaum, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
berechtigt gewesen ware. Aber die Kenntnis fiber die Vorgange
im letzten Jabrhundert war eine aufierordentiich geringe. Man
wufite nur, daB 1540 Mich. Furst aus Krailsheim, evang. Pfarrer
von Westheim, nach Ickelheim gekommen war; seine Nachfolger
waren Job. Volker, Paulas und dann wieder Volker (f 1565)
gewesen. G. Harscher hatte 18 Jahre im evangelischen Sinne
gepredigt; der Deatscb-Ordensvogt batte jeden in seinem Glauben
damals nnbedrangt gelassen. An dem Nacbfolger G. Harscbers
babe man zaerst etlicbes aasznsetzen gebabt; dieser batte nun
seine Stelle mit einem katb. Priester obne Wissen des Mark-
grafen vertauscbt und dann die Augsb. Eonfession abgescbafft,
den lutb. Scbulmeister vertrieben und die Leute zu seinem
Glauben gezwungen. Gerade als der Markgraf eingreifen woUte,
sei er gestorben; deswegen sei sofort die Einsetzung eines
evang. Geistlicben erfolgt*) (26. April 1598). Die katb. Keplik
zeigte sicb weit besser unterricbtet. Man konnte darauf bin-
weisen, dafi scbon 1528 und 1530 ein abnlicbes BeginneU; in
dieser Pfarrei die evang. Lebre einzufiibren, an dem Wider-
sprucbe des Ordens gescbeitert sei. Aucb sonst bemubte man
sicb, alle nur einigermafien fur die eigene Anscbauung
sprecbenden Tatsacben moglicbst vollzablig aufzufubren, wobei
die bessere Kenntnis der Verbaltnisse, die scbon oben auf Grund
dieses Bericbtes gescbildert wurden, niebt wenig zu statten kam.
So legte man Nacbdruck darauf, daB Heberlein, Buscbler und
Tucbscberer katb. Geistlicbe gewesen seien; Micb. Furst sei
nicbt als Pferrer zu betracbten, da er nie die Kanzel be-
stiegen batte; Paulus sei in Herbolzbeim katboliscb gewesen.
Von Job. Volker und G. Harscber konnte man nicbt umbin
zuzugesteben, daB sie das Abendmabl sub utraque gereicht
batten, aucb dafi letzterer verbeiratet gewesen sei; aber. man
fubrte als Entkraftung an, daB der Orden dies nie zugelassen
batte; der lutb. Komtur Pb. v. Altdorf sei daran scbuld ge-
wesen, daB man es stillschweigend geduldet batte. Vor allem
betonte man, daB immer die Komture das Becbt der Besetzung
gebabt batten (30. Mai 1598)^).
1) Markgr. Scbrift d. d. 26. April 1598. Vi. 54, 119fif.
2) Gegenbericht des deutschen Ordens. 30. Mai 1598. Komm. Virns-
berg 54, 133 fF.
Schornbaubi, Z. Gesch. d. Keform. u. Gegen reform, im Amte Hoheneck. 171
Das Kammergericht beeilte sich natiiiiich nicht, diesen
Streit zu entscheiden, und so blieb zunachst etliche Jahre alles
auf dem status quo. Der Markgraf G. Friedrich schlug nun
dem Komtur vor, den Untertanen die Wahl ihres Glaubens frei
zu lassen; Dorfmeister, Gotteshaus- und FruhraeCpfleger baten
dringend, das Verbot, die Kirche zu besuchen, aufzuheben;
dieser aber verwies alle Bitten an den Deutschmeister^). Branden-
burg nun sowohl wie der Komtur suchten beide recht festen
FuC in Ickelheim zu fassen. Dem markgraflichen Geistlichen
wurde von seiner Regierung befohlen, fiir die Kinder der brandenb.
Untertanen Schule zu halten. Da das Schulhaus ganz von der
Gemeinde erbaut worden war, hielt man sich fiir berechtigt,
ein Zimmer desselben zu diesem Zwecke zu verwenden ; so kam
es, dali der eifrig kath. Ordensschulmeister ueben sich evang.
Unterricht dulden muBte. Das sah er wie der Schultheifi Jakob
StoB mit steigendem Unwillen. Da audi das Verbot die Kirche
zu besuchen, von den Ordensuntertanen recht wenig beachtet
wurde, suchten sie den Komtur zu scharferen Mafiregeln zu
bewegen. Am 22. Dezember 1599 war nun Pauding in VirnvS-
berg. Man verbot ihnen bei Androhung von Gefangnis, die
evang. Kirche in Ickelheim zu besuchen; als die Bauern aber
sich bereit erklarten, ihre Kinder zum Ordensschulmeister zu
schicken, erlaubte man ihnen, nach Obernzenn zum Gottesdienst
zu gehen. Weil nun die markgraflichen Untertanen sich vor
jedem Gewaltstreich sichern wollten und deshalb den untern
Teil des Schulhauses versperrten, lieB der SchultheiB am
17. Januar 1600 gewaltsam denselben aufbrechen. Der evang.
Pfarrer muBte mit einem kleinen Zimmer fiir die Schule vorlieb
nehmen. Die Bitten des Markgrafen, doch nicht die Gewissen
der Leute zu beunruhigen, lieB der Orden anscheinend un-
beachtet^). Der Komtur Ko. Schutzbar suchte auch auf andere
Weise dem luth. Pfarrer das Bleiben in Ickelheim unmoglich
zu machen. So horte er, daB B. Schneider P. Cath. 1601 ab-
1) G. Fr. an Komtur 6. Mai 1598. Vi. 54, 177. Bitte der Dorfmeister,
Gotteshaus- und FrtthmeBpfleger an Komtur 29. Mai 1598 f. 181. 70. Ant-
wort desselben 18. oder 28. Mai 1598 f. 179.
2) Georg Fr. an Komtur zu Virnsberg 9. Februar 1600. Virnsberg54,
184. 183. Gegenbericht des deutschen Ordens, f. 225.
172 Schombaum, Z. Gescb. d. Reform, ii. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
Ziehen wiirde; er regte an, von nun an kein Handlohn mehr
an den Pfarrer von Ickelheim entrichten zu lassen. Eberhard
von Eltershofen, Amtmann von Hoheneck, wuBte aber diesen
Plan zu durchkreuzen. Als ein Bauer von Lentersheim nach
Ickelheim Ziehen woUte, legte er einfach auf dessen Gftter
Beschlag und woUte sie nicht eher herausgeben und ihm den
Abzug gestatten, als bis er das Handlohn hinterlegt hatte^).
Die Statthalter zu Mergentheim erklarten zuerst, man kSnne
in dieser Sache nichts weiteres vornehmen; dann wollten sie
erst weiter sich die Angelegenheit tiberlegen (27.Februarl601)2).
1602 machte der kammergerichtliche ProzeB einen kleinen
Schritt vorwarts. Brandenburg sandte endlich eine Antwort
(reprobationes sen reclusivi) auf die Deutsch-Ordischen respon-
siones eventuales cum annexis replicatoriis. Seit unvordenklichen
Zeiten sei Ickelheim „mit Wissen und Willen der Komture**
von evang. Pfarrern verwaltet worden. Erst 1584 habe sich
eine Anderung ergeben, woriiber man sich in Mergentheim am
meisten gewundert habe; man habe vielmehr denKomtur selbst
ermahnt, an dem status quo kein e Anderungen vorzunehmen.
Michael Ftirst habe auf der Kanzel das Evangelium gepredigt;
ebenso Harscher; das Abendmahl sei auch von Paulus in beiderlei
Gestalt gereicht worden. Ulr. Freiherr habe die Pfarrei nie
inne gehabt; er sei nur gekommen, um mit dem Schulmeister
die Seele des gestorbenen Mefipriesters zu vertrinken. Von
eiuem gewaltsamen Einfall von Seite Brandenburgs konne nicht
geredet werden, da nur 8 Reiter am hellen Tage unter Frohlocken
der Bewohner mit dem Amtmanne von Hoheneck eingezogen
seien ; dem Schulmeister sei kein Schlussel gewaltsam genommen
worden, man habe ihn nur nicht aufwecken woUen, als er auf
seinem Lotterbett lag, und deshalb ihn nicht weiter in Kennt-
nis gesetzt. Zur Bewachung seien nur 6 Mann zuruckgeblieben
(8. Mai 1602)3).
1) Schutzbar genannt Milchling an Statthalter und Rate zu Mergent-
heim. Virnsberg 7. Jan. 1601.' Joh. Konrad Schutzbar an Eberhard von
Eltershofen 15. oder 5. Febr. 1601. Eberhards Antwort 19. oder 9. Febr.
1601. Virnsberg 54 f. 259. 262. 263.
2) Komm. Virnsberg 54, 267.
3) Am 25. Juni 1602 durch den Vogt zu Virnsberg dem Eanzler zu
Mergentheim Ubergeben 54, 191 ff.
Schornbaum, Z. Gesch. d. fieform. n. Gegeoreform. im Amte Hoheneck. l73
Der deutsche Orden lieB zun^chst durch die altesten Ordens-
UDtertanen liber die fruheren Pfarrer Erkundigungen einziehen.
Nur einer war liber 80 Jahre ah, Hans Schwab; er wuBte noch,
dafi H. Heberlein gut katholisch gewesen w^ar; nach ihm set dann
Hans Rupp gekommen, der weder evangelisch noch katholisch
gewesen sei, doch sei er verheiratet gewesen. Von weiteren
Nachfolgern ftihrte er nur „einen von Zenn auf". Oder sollte
man ihn nicht weiter ausgefragt haben, nachdem gleich bei den
ersten Fragen sich ein Widerspruch mit der bisherigen offlziellen
Darstellung des Ordens ergeben hatte. Aus den andern Zeugen-
aussagen ergab sich nun, dafi Pfarrer Paulus sich inlckelheim
verheiratet hatte; die Messe hielt er in lat. Sprache, reichte
aber das Abendraahl sub utraque. Nach seinem Tode versah
die Pfarrstelle der luth. Pfarrer von Obernzenn (Kilian Pfeufer).
Joh. Volker hatte lat. Messe gehalten, aber ebenfalls das
Abendmahl sub utraque gespendet. (Bezold, Pfeufer, Mich.
Kraufi.) Dasselbe wurde von Harscher bezeugt (Hans Stigler,
Mich. Bezold, G. Koch, Kil. Pfeufer und Mich. KrauB). Seine
Frau Agatha gab an, daB sie vier Kinder gehabt hatten und
ihr Mann weder katholisch noch evangelisch gewesen sei. Von
Dollmann und Gulmann wurde von alien bekannt, daB sie kath.
Geistliche gewesen seien. Hans Pfeffer wuBte noch, daB Mich.
Piirst zwar vier Jahre die Pfarrei versehen, aber nie die Kanzel
bestiegen hatte ^).
Auch der Komtur von Heilbronn, Adam von Klingelbach,
der friiher in Vimsberg gewesen war, wurde um sein Gut-
dunken angegangen. Er erklarte, Georg Harscher aus dem Kon-
stanzer Bistum, vorher Kaplan zu Virnsberg, habe auf Bitten
Philipps von Altdorf dem SchultheiBen Ph. Neidlinger und
den Untertanen das Abendmahl in beiderlei Weise gespendet.
Back von Bomen habe dies sofort inhibiert; G. Harscher sei
nun ganz wieder zum kath. Glauben zuriickgekehrt*).
Auf Grund dieser Aussagen sandte nun der deutsche Orden
seine responsiones eventuales ad praetensas reprobatorias cum
annexa petitioner Jederzeit sei ein kath. Priester in Ickelheim
1) d. d. 3. Dezember 1602. 54, 199 ff.
2) VI. 54 f. 205.
Beitrage zur bayer. ELirchengeschiehte XII. 4. j[2
174 Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u, Gegenreform. im Amte Hoheneck.
gewesen; nur mit Zulassung einiger iricht kath. AmtmaDner sei
von Paulus und Harscher das Abendmahl aach sub utraque
ausgeteilt worden ; dafi Pfarrer Frauen gehabt batten, sei auch sonst
vielfach im Ordensgebiet vorgekommen. Die Einsetzung der
Pfarrer sei imnier vom Komtur erfolgt; Mich. Ftirst sei nicht
wirklicher Pfarrer gewesen. Die Mitteilungen Brandenburgs
iiber Vorgange im Rate zu Mergentheira seien falsch. Harscher
habe lat. Messe und lat. Zeremonien gehalten. Dlr. Freiherr
habe schon langst Ickelheim zugesichert erhalten; den markgr.
Beamten habe er von seiner Berufung sofort Kenntnis gegeben ;
beim Trunk seien sie nicht iiberrascht wordeu, derselbe ware
schon vorbei gewesen. Dem Schulmeister habe man gesagt, als
er gegen die Wegnahme der Schlussel protestieren wollte:
Schweig', sonst schlagen wir dir die Schlussel ins Gesicht.
Dafi die Ortsbewohner nicht den geringsten Widerstand geleistet
hatten, gestand man zu^).
Damit aber scheinen die Verhandlungeu vor dem Kammer-
gericht auf lange Zeit geruht zu haben. Jahrzehnte vergingen,
ohne dafi ein Entscheid erging; Brandenburg und der deutsche
Orden setzten sich friedlich auseinander.
Im Jahre 1603 suchte der Komtur den Tod des Markgrafen
G. Friedrich zu benutzen, um den luth. Pfarrer Joh. Landesius*)
zu entfernen. Aber die Rate zu Mergentheim rieten ab^).
Andererseits horte man aber auch, wie in Ipsheim Beratungen
gepflogen wurden, um in Unteraltenbernheim wieder die evang.
Religion einzufiihren. Bei dem Empfang der Lehen sollten sich
die Untertanen der Adeligen uber ihren Pfarrer beschweren;
dann wollte man auch acht haben auf die Predigten desselben.
Der Komtur fand es selbst fiir geraten, diesem zu gebieten,
auf der Kanzel „alles Lasterns" sich zu enthalten*).
Erst nach 25 Jahren versuchte der Markgraf Christian die
Sache giitlich beizulegen. Auf Joh. Landesius war inzwischen
1) Vi. 54 f. 210. 212. cf. 216—219.
2) Grofi I.e. S. 261. G. Muck, Geschichte von Kloster Heilsbronn.
Nordlingen 1879. II. S. 39.
3) Komtur zu Vi. an Rate zu Mergentheim. d. d. 7. Mai 1603 5 deren
Antwort 8. Mai 1603. Vi. 57, 11.
4) Komtur an Administrator Maximilian 28. Juni 1603. Vi. 128f. 100.
Schornbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. itn Attite Hoheneck. 175
Joh. Weifi 1613 gefolgt^). Er schlug dera Deutschmeister am
25. Juni 1628 vor, in miindlicher Verhandlnng alles zu regeln ^).
Dieser ging jedocli nicht darauf ein, sondern erklarte nach An-
weisung des Wiirzb. Weihbischofs, daU er binnen sechs Wochen
alle Priester nach Wiirzburg zum Examen zu schicken habe,
widrigenfalls der Bischof einen neuen ernennen wiirde^). Der
Markgraf wies darauf bin, daB schon 1545—1584 inlckelheim
evang. Geistliche gewesen wilren, daC es in seinem Territprium
liege und er deshalb von dem Vertrag mit Wiirzburg nicht be-
rfthi't werde. Diesmal setzt er es noch durcb, daB sich der Orden
mit dem bloBeu Gebot, den evang. Pfarrer von Ickelheim zu
entfernen, begnugte; aber man war in den Ordenskreisen
bereit, tiberall vorzugehen, wo man nur ein wenig Keclit fiir
48ich hatte*). Joh. Melchior S5llner, ein Deutsch-Ordensrat, gab
z. B. im gleichen Jahre die Auregung eines P. Remigius an
J. Eust. Stoll weiter, wonach man in Dietenhofen einen kath.
Geistlichen einzusetzen versuchen sollte (5. September 1628).
Die Heiligenrechnung wurde namlich hier von einem Deutsch-
Ordensuntertan und einem Leonrodischen Bevollmachtigten ab-
gehort. Obwohl groBe Schwierigkeiten im Wege standen, sandte
man 1630 einen kath. Priester nach Dietenhofen^). DaB aber
das Werk der Gegenreformation hier gelungen ist, ist kaum zu
glauben. Jedoch h5ren wir, daB Mag. Jod. Frei P/^ Jahr in
Obernzenn kath. Gottesdienst hielt, bis er vertrieben wurde®).
1) J. M. GroB S. 261.
2) Vi. 57, ad. 13.
3) Deutschmeister an Christian 24. Juli 1628. Memorial fur den
Wfirzburger Weihbischof 11. Juli 1628. Vi. 57, ad 13.
4) Christian an Deutschmeister 23. Jul! 1628. Joh. Konrad an Land-
komtur zn Franken 12. August 1628. Vi.57,14. Am 26. Juli 1628 befahl
Eomtur Joh. Theobald Hundtpis den Pfarrern zu Obernzenn und Ickelheim,
binnen 6 Wochen ihre Stellen zu raumen da diese dem nicht nachkamen,
sistierte er einen Gutsverkauf und bestimmte; da^ das Handlohn (113 11.)
zur Bestreitung der Anfzugskosten eines neuen kath. Pfarrers aufbewahrt
werden sollte. Doch ordnete der Kanzler zu Mcrgentheim die Auszahlung
an den Pfarrer an (4. Januar 1629). Virnsberg 54, 274. 277.
5) Komm. Virnsberg. N. 6 (Dietenhofen).
6) Befehl Job. Raspers ftir J. Frei, Pfarrer zu Sondernohe, nach
Obernzenn zu ziehen 4. November 1630. M. Jod. Frei an den Deutsch-
12*
J
176 Schornbaum, Z. Gesch. d. ReforiQ. u. Gegenreform. im Amte Heheneck;
Wegen Ickelheim lieB der Erzherzog Maximilian sogar ein
Ponalmandat ausgehen und 9? Juni 1628 hatte sich der Admini-
strator in einem eigenhandigen Schreiben an Markgraf Christian
gewandt. Da nnn die markgraflichen Dorfer iiberall vor etwaigen
Einfalien des deutschen Ordens gewarnt warden, regte 1630
der Administrator Joh. Kaspar das Eingreifen des frankischen
Kreises an, weil alle protestantische Stande das Kammergericht
rekusiert batten^). Doch lieB das Auftreten Gustav Adolphs
auch diese Plane des Ordens scheitern.
Erst nach dem Tode des Schwedenkonigs und der Nord-
linger Schlacht, als Brandenburg ganzlich von kaiserlichenTrnppen
iiberschwemmt wurde, gelang es dem deutschen Ordeu, einen
kath. Priester nach Ickelheim zu setzen. Joh. Wei B starb 1633.
Adam Staudiegel, der in Gutenstetten genug die Kriegsnote zu
kosten bekommen hatte, wurde sein Nachfolger. „Weil aber
allhier (Gutenstetten) kein Bleibens mehr war, wandte er sich
nach Windsheim und wiirde 1633 Pfarrer in Ickelheim in patria,
von daraus er nach Vii'nsberg gefiihret, wodurch ihm ein
Revers zugemutet worden, die Pfarr zu meiden, wurde an einem
Tage, da er es nicht tat, wieder losgelassen. Er starb nebst
seinem Weib und ftinf Kindern 1634 zu Windsheim an der
Pest" schreibt die Chronik von Gutenstetten. In Gutenstetten
ward sein Nachfolger Andreas Zinier, der sich in Kairlindach
nicht langer halten konnte; er fand aber alles so ode, dafi er
Hangers halben nicht langer hier bleiben konnte, sondem nach
Ickelheim zog*). Am 24. Januar 1635 erhielt nun der Vogt
von Virnsberg Burkhard Seifried den Befehl, darauf bedacht
meister 4. Dezember 1631 (bittet um die Pfarrei Kopfenburg, weil er von
Obernzenn vertrieben war). Virnsberg 128 f. 120. 121. 223.
1) Administrator Joh. Kaspar an den Kaiser 7. Marz 1530. Wlirz-
burg hatte gegen ihn ein Ponalmandat erlangt, weil er den Pfarrer zu
Ickelheim nicht abgesetzt hatte. Virnsberg 59 (Ref. der Pfarrei Ickel-
heim 1635 — 49), 2. — Das Ponalmandat Maximilians war auf Betreiben
des Ordens erfolgt. s. Vi. 54, 269 (d. d. 11. September 1628).
2) Grofi, Hist. Lexikon, S. 261; Das hist. Lexikon, 3. Teil.
Schwabach 1746, S. 229. G. L. Lehnes, Geschichtliche Nachrichten von
den Orten und ehemaligen Klostern Eiedfeld, Munchsteinach und Birken-
feld, Neustadt a. A. 1834, S. 142. A. Deininger, Geschichtliche Nach-
richten von Gutenstetten. Neustadt a. A., 1895. S. 15.
Schoiiibaum, Z. Gescb. d. Reform, u. Gegenreforra. ira Amte Hoheneck. 177
zu sein, den Pradikanten abzaschaffen und einen kath. Priester
einzusetzen, sofern ein taugliches Subjekt vorhanden ware^).
Dieser war nun nicht sehr geneigt, dieser Weisung nachzu-
kommen. Er glaubte, daU bei Ausflihrung dieses Befehls alle
protestantischen Bauern fortwandern wfirden in die umliegenden
markgr. Orte, wo sie mit Freuden aufgenommen warden, da
sie noch leidlich mit Vieh, Getreide etc. versehen waren. Fiir
die kaum 100 Katholiken woUte er einen Priester in Virnsberg
unterhalten^). Aber Statthalter und Kanzler befahlen ihm, mit
Hilfe des Kommandanten von Windsheim, eines eifrig katholischen
Mannes, einen katholischen Priester einzusetzen^). Man merkte
auch nicht darauf, dafi das Kragsche Regiment in Ickelheim
alles zerschlagen und trotz des salve guardia das Vieh der Leute-
total ruiniert hatte. Die Kirchenornate waren ganzlich abhanden
gekommen*). Gerade die Flucht des evang. Pradikanten erschien
als geeigneter Zeitpunkt, Magister Leonhard Schech zu
der ihm zugedachten Pfarrei zu verhelfen^). Aber nunmehr
floh zum zweiten Male alles Volk und zwar zum Komtur nach
Virnsberg, weil Niirnberg zur Wiedervergeltung Virnsberg auf-
heben woUte. Die evang. Bauern kehrten bald wieder zuriick,
sie hatten nicht viel zu befiirchten; der Vogt liefi aber seine
Kommende in Stich und floh nach Windsbach®). Auf die Ein-
1) VirDsberg 59, 6.
2) Burkhard Seifried an Deutschmeister 10. Marz 1635^ f. 12.
3) Kanzler und Rate zu Mergentheim an Vogt zu Virnsberg
5. Marz 1635, f. 8. 15. Marz 1635, f. 9, 27. Marz 1635, f. 13 (Anfrage, ob
Kirchengerate vorhanden seien). Burkbard Seifried an Statthalter, Kanzler
und Rate. d. d. Virnsberg 21. Marz 1635, f. 10.
4) Burkhard Seifried an Vizestatthalter zu Mergentheim. d. d.
13. April 1635, f. 14.
5) Hauskomtur, Kanzler und Rate an Vogt zu Virnsberg 17. April
1635, f. 16. Aufforderung der Wttrzburger geistlichen Rate an die Ge-
meinde zu Ickelheim, von nun an Mag. Leonh. Schech als PfaiTer zu be-
trachten, f. 7, 24. April 1635; er war Mher in Dorndorf, Grafschaft
Kirchberg.
6) Burkhard Seifried, Vogt zu Virnsberg an Vizestatthalter, Haus-
komtur und Rate zu Mergentheim 5. Mai 1635, f. 19. Letztere befahlen
nun, den Pfarrer Schech inzwischen zu unterhalten 10. Mai 1635, f. 22.
Hauskomtur erklart sich dazu bereilf 13. Mai 1635, f, 24.
178 Schornbauni) Z. Gesch. d. Reform, a. Gegenreform. im Amte Hoheneck.
setzung des L. Schech verzichtete er. Dieser merkte, daB er
nicht so leicht zu seiner Pfarrei kommen konnte und tauschte
zunachst mit Hi. Reichenbach, der nach Dinkelsbtibl bestimmt
war, Dahm aber dann mit Sondernohe-Unteraltenbernheim vor-
lieb. Letzterer aber muBte im August unverrichteter Dinge
wieder heimkehren ^) ; die Ausfiihrung der Ordensbeschlusse er-
wies sich als unmoglich^).
Aber 1637 gelang es dem Ordeu, seinen Willen zu er-
reichen. Pfarrer Zirner war in den rauhen Kriegszeiten auch
von der allgemeinen Verrohung ergriffen worden. Am 10. Mai
1637 traf er einen Deutsch-Ordensuntertanen Simon Niiberlein
in der Kirche, dem er sofort — der Grund ist unbekannt —
zurief: „Woher du ehrlicher Vogel und leichtfertiger Schelm
und Barenhauter, du bist wert, daC man dich an den Galgen
henkte; was hast du meinem gn. Herrn ein Stiick von der
Kirchenraauer zu verkaufen. Nach der Kirche schrie er in sein
Haus: Du, horst du es, du raufit aus dem Hans hinaus; heute
noch will ich dich mit Musketieren holen lassen"^). - Deswegen
belegte ihn der deutsche Orden mit 6 fl. Strafe und kassierte
1) Burkhard Seifried an den Deutsch-Ordenskanzler Eustachius von
Sal. 6. Juli 1535, f. 26. Neue Prasentation des Wiirzbiirger geistl. Gerichts
fur Hi. Reichenbach 27. Juni 1535 f. 31. Bestatigung des Zach. Stumpf
fiir Mag. L. Schech als pfarrer zu Sondernohe und Unteraltenbernheim
27. Juni 1535. Virnsberg 128f. 126. — 1641 kam nach Unteraltenbernheim
Hans HUll; ihm wurde vom deutschen Orden die Wiedergewinnung seiner
Untertanen zum kath. Glauben zugeschrieben ; man lieiS ihn deswegen
nicht nach Weidelbach odev ins Seminar. (Nach einem Bericht von 1628
war noch der Seckeudorfsche Teil des Dorfes lutherisch. Vi. 128, 111.)
Vi. 128 f. 129—133. Noch 1655 war HUH Pfarrer zu Sondernohe-Unter-
altenbernheim f. Ul. — 1665 Eberh. Kranenberger, 1666—68 G. Meek,
— 86 Ph NeuB, dann J. G. Fischer, J. Chr. Hornberger (1713), Job."
Beyer, f. 161—163. — 1711 entstand ein groBer Streit zwischen Philipp
Albrecht von Seckendorf und dem deutschen Orden, weil er in seinem
Schlosse zu Unteraltenbernheim von einem Kaudidaten uuter Anwesenheit
der Seckendorfschen Untertanen evang. Hausgottesdienst halten lieB. Virns-
berg 132.
2) Hauskomtur und Eanzler zu Mergentheira an Burkhard Seifried:
er solle mit der Reformation in Ruhe stehen und Schech wieder nach
Mergentheim schicken 24. August 1635, f. 38.
3) Virnsberg 59 f. 63.
SchorDbaum, Z. Gesch. d. Reform, u. Gegenreform. im Amte Hoheneck. 179
ihm, well er allein Brandenburg als Herrscbaft anerkennen
woUte, einen Giltbauern, Georg Hillebrand. Diesen traf er
vor den Toren Windsheims; er forderte ihn nun (30. August)
sogleich auf, seine Gilt zu entricbten. Auf dessen Weigerung
lieB er sich zu Drohungen hiureiBen; als derselbe sicb auf den
deutschen Orden berief, schrie er ihm zu, ich scb. . . auf deine
Herrscbaft. Wenn die katb. Pfaffen kommen, die machen es
dir arger. Er wisse eine Zwickmtihle. Am 5. September 1637
fragte er ibn wiederura, ob er denn jetzt bereit ware, seine
Sacbe feu zahlen und drobte ibm, sein Vieh wegnehmen zu
laasen. Dann kam es zu eiuer Rauferei; der.Pfarrer schlug den
Bauern mit einem Stock zu Boden, dieser gab ihm dafiir etlicbe
„Streiche". Am nachsten Tage lief der Bauer zu seinem Komtur
J. C. von Lichtenstein, der sofort beim deutschen Orden die
Absetzung Zirners und die Anstellung eines neuen evangelischen
Pradikanten beantragte (7. September 1637)^).
Noch am 5. September 1637 war Zirner zu seinem Kollegen
nach Ipsheim gegangen, um dorten Rats sich zu erholen. Er
fuhlte, daU er zu weit gegangen war. Er traf diesen aber erst
zu Windsheim, wohin er sich wegen der drohenden Gefahren
gefllichtet hatte. Man scheint nun dem Zirner geraten zu haben,
sich nicht mehr nach Ickelheim zu begeben, weil der Vogt zn
Ickelheim sehon genug Drohworte hatte laut werden lassen und
beschloB, Chrisfoph Zeemann, Pfarrer zu Burgbernheim^), die
Verwesung der Pfarrei zu iibertragen. Einstweilen aber soUte
der Pfarrer von Lenkersheim sich um die verwaiste S telle an-
nehmen. Am 6. September hielt dieser auch bereits Gottes-
dienst in Ickelheim. Trotz des Protestes von Virnsberg blieb
er da. Am Sonntag, den 10. September sollte nun der Burg-
bernheimer Pfarrer auch in Ickelheim' eingesetzt werden; der
Komtur lieB dies durch seinen Vogt verhindern. Als noch am
gleichen Tage der Befehl eintraf, H. Reichenbach, Pfarrer zu
1) Bericht des G. HiHebrand 6. September 1637 f. 66. J. K. v. Lichten-
stein, Komtur zu Virnsberg an Deutschmeister. Virnsberg 7. September
1637 f. 41.
2) GroB, 1. Ten S. 80. J. G. Has'enest, Zuflucht deier, so mit
Gliedergebvechen geplagt sind . . . Das zwar uralt . . . Marktburgbern-
heimer Wildbad. Niirnberg 1729, S. 6.
180 Schorobaum, Z^-Gescb. d./Beform. u. Gegenreforiu. im Amte Hoheneek.
Sondernohe in Ickelheira als Pfarrer einzufuhren, lieB er durch
Virnsbergische Musketiere diesen sofort dabin fiihren und nach
gewaltsamer Wegnahme der Kirchenschlussel installieren. Der
Pfarrer von Lenkersheim mufite sich an dem bloBen Protest
geniigen lassen und zog nach Windsheim sich zuruck^). Als
Reichenbach bald darauf krank wurde, machte der Komtnr Ad.
Brenz zu seinem Nachfolger, bestellte einen kath. Schulmeister
und viereinigte die Fruhraesse wieder mit der Pfarrei*). 13 Jahre
sollte nun in Ickelheira kath. Kultus herrschen; die markgraf-
liche Regierung mufite ohnmachtigzusehen^). Die Ordensregierung
suchte auch auf alle AVeise die Untertanen wieder zum kath.
Glauben zuriickzufuhren. Seb. Marquard wurde mit 10 Talern
bestraft, well seine Kinder nicht die katholische Schule be-
suchten; widrigenfalls sollte er binnen V* J^br das Dorf raumen.
Ebenso wurde aus dem gleichen Grunde Jobst Seitz mit 30 fl.
bestraft. Wer am Sonntage nicht in die Kirche ging, sollte mit
1 ort bestraft werden; wer seine Kinder in die luth. Schule
schickte oder zur luth. Taufe brachte, rait 10 Talern. Die
Altesten sollten mit gutem Beispiel vorangehen, das Kreuz in
der Messe bei 5 fl. Strafe machen*).
Erst nach dem FriedensschluB erlangte die brandenburgische
Herrschaft ihre Pfarrei zuriick. 24. November 1648 verlangte
Christian von Bayreuth, gestiitzt auf den Frieden zu Miinster
und Osnabruck, die Absetzung des kath. Priesters^). Der
1) Markgraf Christian an Deutschmeister. Plassenbiirg 11. September
1637. Vi. 59 f. 51. Bericht des Vogtes Seifried v. 7. Oktober und 5. Ok-
tober 1637. Vi. 59 f. 61. 59.
2) Der Deutschmeister hatte befohlen^ den Pfarrer gefangen zu
nehmen und den kath. Pfarrer von Unterau in Ickelheim einzusetzen.
Vi. 59 f. 44. — J. Easpar von Licbtenstein an Komtur zu Virnsberg.
Mergentheim 23. November 1637, f. 68. Bericht des Brenz, Pfarrers zu
Kirchausen 5. November 1649 f. 72.
3) Proteste des Mag. Seb. Arzberger, Vizedekans und Pfarrers von
Burgbernheim, Friedrich Stiitzners, Kastners zu Hobeneck 14./4. und
16./6. September 1637 f. 47. 57. Am 25. September 1637 vom Komtur zu
Virnsberg an die Statthalter zu Mergentheim gesandt f. 46. Am 12. Ok-
tober 1637 ersuchte man den Markgrafen Christian, ea bei dem jetzigen
status quo zu bclassen. Vi. 57 f. 16.
4) Vi. 57 N. 17.
5) Yi. 54 f. 231.
Clemen, Noch etwas von D. Joh. Teuschlein. 181
deutsche Orden ging sofort darauf ein, nur bat er, den Pfarrer
bis zu seinem Tode doch auf seiner Stelle zu belassen^). 1649
aber trat der Orden die Pfarrei ganz an Brandenburg ab*).
Nikolaus Mendelius wurde von der brandenburgischen Regierung
als evang. Pfarrer aufgestellt^). Der Ordenskomtur lieB aber
1650 ein Oratorium in seinem Amthause errichten; 30. Marz
1650 wurde die erste Messe darin von Sondernohe aus ge-
lesen. Trotz der Beschwerde der m arkgraf lichen Regierung gab
der Orden erst 1667 nach. Ein neuer Vorschlag tauchte nun
auf: Die Kirche sollte in Ickelheim den Protestanten verbleiben,
dieKapelle den katholischen: doch soUten die stolae dem Pfarrer
znstehen; umgekehrt sollte in Sondernohe den Protestanten das
entsprechende Recht eingeraumt werden. Ob dieses Projekt
durchging, ist mehr als fraglich, doch lassen uns daruber die
Akten vollstandig im Stiche*). Auch laBt sich nicht ersehen,
ob nicht noch im 18. Jahrh. Reibungen zwischen beiden Kon-
fessionen vorgekommen sind. Jedenfalls aber war mit dem Jahre
1649 Ickelheim ftir immer dem evangelischen Kultus gewonnen.
Noch etwas von D. Joh. Teuschlein ').
Von Otto Clemen in Zwickau.
D. Joh. Teuschlein begegnet 1511 als Prediger in Winds-
heim®). Nachdem er dann fUr die erledigte Predigerstelle in Bruchsal
1) Vi. 54f. 230. Statthalter und Rate an Markgraf Christian
18. Dezember 1648. Anweisung des Deutschmeisters an den Komtur zu
Virnsberg 21. Dezember 1648. Vi. 57. ad 18.
2) Vi. 57, 18. Bericht des Hans Joseph Frh. von Reinach an den
Deutschmeister 2. Marz 1696.
3) J. M. GroB, Hist. Lexikon . . . S. 260.
4) Bericht des deutschen Ordens. Vi. 57, 20. — Der Pfarrer von
Unteraltenbernheim rauCte alle luth. Feiertage nach Ickelheim, nm Messe
zu lesen; dafUr bekam er 35 fl. Vi. 128, 112. 150^. Joh. Fr. von Knoringen
berichtet am 5. November 1662 an Komtur zu Ellingen H. Humprecht
TruchseB, daB man wegen Ickelheim jetzt nicht mehr erlangen konne,
vveil man sonst ganzlich ausgeschlossen wUrde. Vi. 128 f. 147.
5) Vgl. IX, 231—233.
6) Zum folg. Th. Kolde, D. Joh. Teuschlein und der erste Refor-
mationsversuch in Rothenburg o. T. Sonderabdruck aus der Festschrift
der Universitat Erlangen zur Feier des 80. Geburtstages Sr. kgl. Hoheit
des Prinzregenten Luitpold von Bayern. Erlangen und Leipzig 1901,
S. 7ff.
182 Clemen, Noch etwas von D. Joli. TeuBchlein.
in Baden *) in Betracht gekommen war, trat er im Dezember 1512
das Predigeramt in Rothenburg o. T. an. Bei der Judenhetze in den
Jahreu 1519 nnd 1520 spielte er die Fuhrerrolle. Am T.November
1519 setzte der Rat deu Jiiden eine Frist bis Lichtmefi 1520.
„Inzwischen sollten die Schuldverhaltnisse in der Weise gelbst werden,
dafi von den Schiildforderungen, welche die Juden an Burger und
Untertanen in der Stadt und auf demLande batten, nur das Kapital,
nicbt auch die Zinsen gezablt zu werden brauchten und jedermaun
das ReCbt hatte, das den Juden liberlassene Pfandobjekt obne An-
recbnuug von Zinsen einzulosen. Dafiir sollten dann die Juden bis
zu ihrem Abzug unbebelligt bleiben, und wurde jeder AngriflP gegen
sie niit scbwerer Strafe bedrobt". Mit diesen Mafiregeln waren jedoch
die christlicben Schuldner nicbt zufrieden. Sie beansprucbten aucb
das Recbt, bei Ruckzablung der geliebenen Kapitalien die bereits
gezablten Zinsen abzuzieben. Der kousultierte Wiirzburger Jurist
Dr. Eucbarius Steinmetz erklSrte sicb nieht dagegen. Und so wird
man in der Tat den Juden das geliebene Geld nur mit reicblicben
Abziigen . zuriickgezablt baben — soweit man das uberbanpt tat.
Am 8. Jan liar 1520 wurde den Juden ibre Synagoge gestUrmt und
ausgeplundert ; spater wurde sie in eine Marienkapelle umgewandelt.
Schon gleicb nach dem Synagogensturm verliefien die meisten Juden
die aufgewUblte Stadt, der Rest folgte am 2. Februar. In diesen
Tagen scbrieb Teuscblein eine fanatiscb-judenfeindliche Scbrift, die
bisber, weil sicb der Verfasser auf dem Titel nur mit den Anfangs-
bucbstaben seines Namens: D[octor] J[obann] T[euscblein] F[ricken-
hausen] bezeichnet ^), den Forscbern entzogen ist. Am 26. Januar
verliefi sie die Presse des Friedrich Peypus^) in Nurnberg:
Auflosung ettli- | cber Fragen zu lob vnd ere ] cbristi Jesu,
aucb seiner lieben mutter | Marie, wider die verstockte plin- | te
Juden, vnd alle die jbe- | uen so sie in jren Ian- | den vnd stet | ten
wi- I der recbt ent- | halten furen vnd ge
Largire clarum vespere. | D. J. T. ] F.
Dommer, Lutherdrucke auf der Hamburger Stadtbibliothek S. 263
Nr. 143 beschrieben. 14ff. 4^ 1^ u. 14 weifi. 13^: Getruckt jn der
keiserlichen Statt Nurmberg durch | Frydericben Peypus, Vnd seligk-
lich voleudt | am 26. tag Jauuarij, des jars do man | zalt nach
cbristi vnsers lieben her- | ren gepurt. M. D. XX. | Darunter
Peypus' Druckerzeichen und darunter wieder: P. C. M | Reuidebat.
Panzer, Annalen ^Nr. 980. Zwickauer Ratsschulbibliothek XVII.
VIII. 16, 23.
1) Nicbt Brtissel, wie Kolde S. 8 will (N. Paulus im Histor. Jahr-
buch der Gorresgesellschaft 22, 462 f.).
2) Zur Irrefubrung wurden dann obendrein noch diese vier Buch-
staben in der Schrift selbst in andern Zusammenstellungen wiederholt
(Bija und Ci>: D. F., Biijb; D. J. F./T.
3) ADB 25, 569.
dulden neulich gescheben.
Titelbordure wie bei A. v.
Clemen, Noch etwas von D. Joh. Teuschlein. 183
lu der Einleitung gibt Teuschlein als Veranlassung zur Ab-
fassung der vorliegenden Schrift dasselbe an, was er in seinem
spateren Schreiben an die Kirchenpfleger der neuen Marienkapelle
als Grund seines Eifers nennt. Denu wenn er dort auf eine J^Z\l-
schreibung eines besoudereu Freundes und Bruders, der dann ist ein
besonderer Liebhaber Maria und ein Sucher der Seligkeit der Men-
schen" sich beruft^) und hier an „etliche Fragen" ankniipft, die ihm
einer seiner Freunde und Verwandte „am tag des heiligen hymmel-
fursten und apostels Matthei [21. September] der mindern zal des
neuuzebenten jars'^ zugeschickt babe, so meint er hochst wahrschein-
lich beide Male ein Zuschreiben des Regensburger Predigers und
Judenhetzers Balthasar Hubmaier ^).
Nur ein en kurzen Auszug kSnnen wir aus der iiiteressanten
Schrift gebeu.
1. Frage: Wie kommt es, dafi jetzt Maria in so viel Stadten-
des Reichs und der Fiirsten, wo ihr grofier Dienst nicht allein durch
Geistliche, sondern atfch durch Weltliche mit Singen und Lesen und
VoUbringung der sieben Tagzeiten bewiesen wird, wenig Wunder-
zeicheu gesehehen, an andereu Orten dagegen, wo ihr nicht so viel
Dienst bewiesen wird, dieselben Uberfltissig erscheinen lafit, weshalb
auch die Menscheu solcher Art auderswohin, um 6nad und Hilfe
zu erlangen, laufen mussen, wShrend es doch besser ware, sie blieben
bei dem Ihren, horten das gottliche Wort, schaflFten ihren und ihrer
Kinder Nutz u. s. w.? Antwort: Die Schuld sollen wir nicht
Maria, sondern uns selbst zuschreiben: die kleine Andacht solcher
Menschen ist das Hindernis. Aber auch die Juden sind daran schuld.
Sobald diese das Ave-Maria-Lauten horen, sprechen sie: „Man lent
yetzundt der Thlua glocken**. Thlua aber heifit so viel wi^ Hure ^).
Will auf dies Mai geschweigen viel anderer LSsterung, die sie
auf Maria legen. ,,Darumb das etliche fiirsten und stette solche
losterer und plutsauger gedulden, schutzen, beschirmen und beweilen
meher vertrags geben dan den christen, vergUnnen auch jnen on
sunderlich offens zeichen vnder den christen zu geen *), So will sie
1) Kolde S. U.
2) Cber ihnRE» VIII, 418— 424 und dazu noch Pijper, Polemische
geschriften der Hervormingsgezinden (= Bibliotheca reformatoria Neer-
landica I [1903]), 109—116.
3) Vgl. dazu Ciijb: 0 wie grosse lesterer seind die juden, wie sie
geschmehet haben den herren, do er bey jn wonet auff erden, also
vnd vil meher lestern sie jn yetzt regierenden mit dem vatter vnd dem
heiligen geist in den bymmeln. Dann christum nennen sie IscheynoBern,
Mariam Tluam. Tlua ist souil bey jn gesagt als ein hure. IscheynoBer
ein verfttrer des volcks, oder auch ein hurenkind. — Dieselben Laster-
worte zitiert Abraham a S. Clara (0. Frank 1, Der Jude in den deut-
schen Dichtungen des 15., 16. und 17. Jahrhunderts, Mahr.-Ostrau und
Leipzig 1905, S. 131 ff.)-
4) In Rothenburg hatte der Rat 1511 den Juden aufgelegt, durch
184 Clemen, Noch etwas von D. Joh. Teuschlein.
die menscben solches orts nit erhSren noch iron dienst zn der selig-
keit annemen, dann die Jiiden verwiisten jne ire gute werck gegen
got und seiner lieben mutter Marie* Volgt herauB, das sie nit ewige
freud noch frucht nemen werden ... 0 wie vil frtrsteu vnd herren,
aach Katsfreundt sein jn hellischer pein, bleyben on ende von wegeu
solcher geduldung . . .^*
2. Frag e: In etlichen Stildten auch des Reichs ist etwa der
Brunnen gSttlicher Gnaden des Blntes Christi reichlich und wunder-
barlich geflossen; wodurch ist doch jetzund derselbig gnadenreichlicb
Flufi versiegt? Ant wort: Weil sie aus Goldliebe bei sich dulden
^.die wucherischen bund, die das blut christi also vubarmhertziglich
etwa aus seinem leib gezogen baben durch geifilung, schlahung^
creutziguug und krSnigung, und nachmals oft Ziehen als wir den
baben durch vil erfarung, vnder andern dise, wie es dann beschehen
ist mit den merckischen juden, so in kurtzen jaren das hochwirdig
l<5blich sacrament vnser aller trost und speifie also zerstochen und
zerhawen haben, wie dann in truck zu der selbigen zeit yetzo ix
jar ist aufigangen ^), welche verstockte plinde bund in der gefenck-
nufi bekauten, wie sie einander die partickel zugesendet hetten, auch
wie sie in kurtzen jaren syben christen kinder mit nadeln und mefiern
gestochen, gemartert und getbdt. Es haben auch etwa die juden am
karfreytag gemacht ein yrdenes bild, dasseibig am tag, daran jn ver-
botten ist; geisselt, krSnt, an ein creutz genagelt, mit einer lantzen
seyn seyten gebffnet. 0 Maria mocht das nit longer dulden, er-
schine einer geistlichen person desselbigen orts, beklagt sich wider
die juden, die sie da selbst auch halten, und schaffet souil bey diser
person, das die christen eylends die juden vberfielen, und fanden
das bild angenagelt an ein creutz mit blutferbigen wunden, do be-
kereten sich vil juden, doch ein yetlicher seinen Ion name."
3. Frage: Wenn Wucher nicht allein den Christen, sondern
auch den Juden verboten ist zu nehmen und eiue so grofie Siinde
ist, dafi Gott etwa ein gauze Kommune darum straft, wie thun dann
Fursten und Stadte, die von Juden und andern Lenten Geld, auch
Tribut nehmen und lassen sie in ihren Landen, Stadten und Dorfern
Wucher treiben? Ant wort: Solche tun Unrecht und sind in dem
ewigen Bann, so sie es nicht abstellen und die Siinde beichten, auch
blifien. In gleicher Verdammnis sind Fursten und SWlte, welche ver-
hindern, dafi man den gegebenen Wucher von Christen und Juden
gewisse Abzeichen an der Kleidung sich kenntlich zu machen (Kolde
S. 12).
1) Panzer, Annalen Nr. 696, ZusStze Nr. 696 b; Weller, Reper-
torium typographicura Nr. 563—565. Frankl S. 119 ff. (Kap. IV: Der
Jude als Hostienschander und Kindermorder. Judenvertreibung) und be-
sonders: A. Ackermann, Der markische Hostienschandungsprozefi im
Jahre 1510, Monatsschrift fur Geschichte und Wissecschaft des Judentums
49. Jhrg., N. F. 13. Jhrg., 3. u. 4. Heft.
Clemen, Noch etwas von D. Joh. Teuschlein. 185
nicht wiedererlangen mag. (Also steht Teuschlein ganz auf Seite
derjenigen Rotenburger, die bei Riickzahlung der gel iehenen Kapi-
talien an die Juden die bereits gezahlten Zinsen abziehen wollteu.)
In einem Exkurs bezeichnet hier Teuschlein die Juden als unniitze
und sittengefahrliche Schmarotzer : „Sie seind auch wenig nutz der ge-
mein ju beschiitzung der stett, verfechtung des vatter lands^ waclien
and audern stucken, «ein auch nit in der arbeit roit den menschen.
Sie wircken auch yetzund nichtzit dicnstlich, weder weltlichen noch
geistlichen nutz, fressen dannoch nach lust. Item sich verlefit auch
mancher hautwercks man auff die juden, wartet so uil weniger seines
gewerbs, ligt tag und nach t bey dem wein vnd jm luder, vertoppelt
bofilich das gut jme und seinen kindeu. So aber der jud nit so
bald mit seinem wucher entgegen wer, wartet er eher seines Han-
dels, seiner haufifrawen und kinder, wurden auch souil armer in der
gemein nit werden, dan wir augenscheinlich sehen, das die ort und
stett, da solche wucher ische juden nit wonen, zunemen an gut und eeren."
4. Frage: Dieweil ausgegebener Wucher von Juden und Christen
wiederum durch Recht.erfordert und erlangt werden mag, welcher
Richter ist solches zu verhelfen schuldig und hat den Gerichtszwang,
der geistlich oder weltlich? Ant wort: Wenn die weltlichen Richter
saumig sind, so soil der geistliche Richter procedieren und mit dem
schweren Bann alien Christen verbieten, Gemein schaft mit den Juden
zu haben, bis sie den empfangeuen Wucher wiedergegeben haben.
6. Frage: So nun die Juden sehen ihre grofie Verachtung,
haben auch vielmals Verweisung erfahren, welche augefangen haben
Titus und Vespasianus, auch noch viele Fiirsteu und StSdte der-
mafien getan „und auff das nechst thun werden die Herren
von RSttenburgk auff der thauber jetzundt vnser frawen
liechtmefi", warum vermischen sie sich nicht unter die Heiden,
sondcrn unter die Christen? Ant wort: Die Juden haben bei keinem
Volke solche Gutigkeit und Liebe erfahren als bei den Christen.
Zu der Zeit, als . der Geiz noch nicht so grofi war in Geistlichen
und Weltlichen, sondern in ihneu Verachtung der zeitlichen Guter
regierte, wurden die Juden nicht so unter den Christen gelitten wie
jetzt, sie mufiten arbeiten und durften keiuen Wucher treiben. „Als
es aber jetzo in der welt steet, das gemeinlich alle stend beladen
seind mit dem teufflischen geytz, so wil vns nlitzer sein, das wir
sie von vns weysen dan gedulden. Die glock ist nun gossen, das
fleisch seudt, lafit vns abwerflFen dan fayme-[8chaum], der new wein ist
worden lauter, thu die heffen dauon . . . Darumb mogen wir uitt baft
schaffen, dann wir werffen sie von vns. Einer, der mitt rufi oder
schwertz vmbgat, beschwertzt sich. Der mit einem alten Kessel be-
romet sich u. s. w. (Die Stelle diene zugleich als Probe dafiir, wie
Teuschlein in Sprichwortern und sprichwortlichen Redensarten zu
Hause ist und wie trefflich er iiberhaupt den Volkston triflFt.)
186 Clemen, Noch etwas von D. Joh. Teuschlein.
»
In der 6. Frage und Ant wort warden Rechtfertigungsgrunde
fur die Vertreibung der Juden angefiihrt aus dem Buch der Natur^
dem weltliefaen und Lehenbuch, dem alten Testament (an erster Stelle
wird zitiert 1. Mos. 1, 4^1), dem Bucbe der Sitten, dem Bucbe der
Exempel. Die frommen und christlicben Herren von Nttrnberg,
Augsburg^ Regensburg, ^Wynftbaym vnd newlich die von Rotten-
burgk auff der Tauber" seien mit gutem Beispiel vorangegangen.
7. Frage: 1st dem nun also, daiil die Juden so ganz ein-
gewurzelt sein bei Fursten und Stadten, Geistlichen und Weltlichen,
durch welcbe Mittel mScbte man doch dieselben ausrotten? Ant-
wort: Mark. 19, 29: ^^dises teufflisch gescblecbt wirdet anderst von
eucb schwerlicb vertriben, dan durcb das fasten vnd gebet". Durcb
Fasten, d. h. durch Enthaltung von judischem Gelde, und* durch
Gebet, zu Maria nSmlich, dafi sie ihre und ihres lieben Sohnes und
unsern Feind austreiben wolle.
Der Herr Herausgeber hatte die Freundlichkeit, anf Grund von
M.Wei gel, Rothenburger Chronik (1904), S. 275 (vgl. schon diese
Beitrage XIT, 48) mich noch auf eine andere Publikation Teusch-
leins hinzuweisen. £s handelt sich um ein sehr seltenes Schrift-
chen, das in Panzers Annales typographici nicht verzeichnet steht,
aber in der Zwickauer Ratsschulbibliothek (VII. V. 2, 5) vorhanden
ist: DIffinitoes editio | uis douati minoris | viri clarissimi: et auctoris
modorusi- | gnificadi cuexpoibus eorunde et no | tatis pulcerrimis. |
24 ff. 4^. 24 weifi. 23^ unten : Impressum Liptzk perJacobuTan | ner
Herbipolensez anno salutis { millesimo quingentesimo quiuto (darunter
Thanners Druckerzeichen). Auf der Titelriickseite liest man eine
Widmung unter folgender Cberschrift: Humanissimo viro Joauni
Stuntzel Melberensi de Kitzingen affini suo peramando: Baccalarius
Joannes Teuschlein Heroltensis de Frickenhausen S. P. D.
Diesem Schreiben zufolg^ hatte Stuntzel sein SShnchen bei
Teuschlein in die Lehre gegeben. Dieser will ihn („iuxta diui
Thomae doctrinam per riuulos et non statim in mare eundum et per
faciliora in difficiliora deueniendum esse**) zunilchst in die Gramma-
tik einfuhren. „Vt igitur tue voluntati raorem gererem et mee lec-
tionis completioni satisfacerem, familiarem istam Donati iutroductionem
pro mej ingenij tenuitate non quidem a me nouiter confictam, sed a
praeceptoribus meis studiose coUectam et acceptam comportaui ac in
vnam collecturaro redegi". Datiert ist diese Zuschrift: „ liptzk. 16. k.
iunij [17. Mai] 1505".
Die Uberschrift lafit uns den urspriinglichen Familiennamen
Teuschleins erkennen und nun auch seinen Nameu in der Leipziger
Universitatsmatrikel finden. Im Winter 1501 wurde ,, Johannes Hern-
lort (die andere Hs. der Matrikel hat: Hoenlon) de Frickenhawften"
Zur Bibliographie. 187
inskribiert, am 11. September' 1503 ,.Johaiiues Heroldt de Frigken-
hawsen" baccalarius und am 29. Dezember 1505 „ Joannes Herolt
de Frickenhawsen '^ magister artiinn (Matrikel der Univ. Leipzig T,
444. TI, 396. 420). Am 28. Juui 1506 wurde dann „mgr. Joannes
Teiischling de Frickenbausen" cursor und am 16. Juli 1507 sen-
tentiarius (^Kolde S. 7). Wie sicb jedocb die Namen Herold und
Teuschlein zueinauder verbalten, ist mir uuklar.
Zur Bibliographie/)
*Schornbaum, Karl, Zur Politik des Markgrafen Georg von
Brandenburg vom Beginne seiner selbstandigen Regieruug bis
zum Nurnberger Anstand 1528 — 1532. AufGrund archival iscber
Forschungen. Miinchen, Tbeodor Ackermann 1906. VIII und
559 8. — 10 Mk.
Man hat verhaltnismaBig friih angefangen, den Markgrafen Georg
von Brandenburg literarisch zu wtirdigen. Bechnet man die Spezial-
arbeiten iiber einzelne Partieo seines Lebensmithinzu, so gibt es uber ihn
schon eine nicht kleine Literatur. Aber daB wir gleichwohl verhaltnlsmaBig
wenig tiber ihn und seine allgemeine Bedeutung gewuJBt haben, ergibt
das jetzt vorllegende ausgezeichnete Buch Schornbaums. Und das ko^nte
nicht anders sein. Denn zum ersten Male erhalten wir unter ansgiebigster
BenutzuDg des bisLer bekannten Einzelmaterials eine Darstellung auf
Grund derAkten, die in diesem Urn fang von keinem bisher, der sich mit
den einschlagigen Fragen beschaftigt hat, vorgenommen worden ist. —
Der Verf. nennt sein Werk bescheidentlich „Zur Politik des Markgrkfen
Georg**. Das soil wobl andeuten, daiB er nur einen Teil der vielseitigen
Politik zu geben versprechen will. Soweit ich urteilen kann, umfafit seine
Arbeit alles das, was in dem ^betreffenden Zeitabschnitt iiberhaupt aus
der Politik des Markgrafen Georg geschiehtlich bedeutsam ist. Aber es
ware falsch zu meinen, dafi wir es hier nur mit der Politik des kleinenMark-
grafentums im engeren Sinne zu tun batten. Jeder Kenner der Verhalt-
nisse weiB, dafi eine solche Isolierung unmoglich ist, und sie auch nur
versuchen zu wollen, ein stUmpcrhaftes Unternehmen ware. Das nachst-
liegende, was vor allem ins Auge zu fassen war, war die Politik Niirn
bergs im gleichen Zeitraum. Trotz der durch die territorialen Verhalt-
nisse gegebenen, teilweise sehr scbarfen Gegensatzlichkeit, oder gerade
deshalb waren die beiden Nachbaren Brandenburg und Nurnberg immer
darauf angewiesen, aufeinander zu achten, und zu den wichtigsten Partien
des Buches gehSrt der Nachweis des Verfassers, wie die kirchliche Frage,
freilieh auch die driickende Finanznot Georgs (S 39 u. ofter) unter jahre-
langen Verhandlungen die friiheren Gegensatze ttberbriicken hilft und die
beiden Nachbaren in ibrer Stellung zam Kaiser, zum schmalkaldischen
Bunde und in der gemeinsamen Eirchenordnung fortan geschlossen zu-
sammengehen. Und nach Schornbaums sorgfaltigem Eingehen auf die von
so vielen Faktoren bestimmte Politik des Nurnberger Rats wird man
fortan nicht liber die Stellung Nurnbergs in der grofien Frage des
16. Jahrbunderts handeln konnen, ohne sich durch ihn belehren zu lassen.
1) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbucbhandlung Fr. Junge in Erlangen.
188 Zur Bibliographie.
Urn nnr dieses eine zu erwahnen, so gewinnt man jetzt noch mebr als
man dies frtiher EDnehmen konnte, die Gewifiheit, daB der fromme, aber
staatskluge nnd vor allem aber immer sehr vorsichtige Lazarus Spengler,
obwohl er nach aufien nicht so bervortritt, da die Baumgartner and Kress
die Reprasentanten sind, recht eigentlich die Seele der Ntirnberger Politik
ist, namentiich mit seinem Gegeneatz gegen die Zwinglianer und Ober-
lander und in der Frage nach der i^erechtigung des Widerstandes gegen
den Kaiser. Aber das Erwahnte ist nur ein kleiner Teil der branden-
burgischen Politik. Dazn kommt das Verhaltnis zn den benachbarten
Bischofen, dem scbwabischen Bunde, und neben den Kampfen um die
Bchlesiscben und ungavischen Besitztiimer, die Stellnng zu den Bftndnis-
bestrebungen der Stadte und mit Hessen und Sachseu. Und tibersiebt
man das Ganze, so darf man'sagen: Scbornbaums Bucb ist eine Dar-
stellung der Politik der stiddentscben evangelisch gesinnten
Stande in der kirchlichen Frage, be! der nicht ohne Grand der
Markgraf Georg Grund in den Mittelpunkt gestellt wird, denn seine bei
allem Lavieren zahe Hal tang war von bei weitem grofierer Bedentung
fiir die Reformation, als man frtiber angenommen bat, freilich bei seiner
mIt Nlirnberg gegen iiber dem schmalkaldiscben Bunde festgehaltenen
Sonderstellang auch in mancher Beziehung hemmend fUr die politische
Machtentwicklung des Protestantismus. Das lehren uns von neuem die
wichtigen Kapitel Uber den Tag von Schmalkalden S. 158 ff., Markgraf
Georg und der schmalkaldische Bund S. 174 ff., der Tag von Schweinfurt
S. 199 if. und der Ntirnberger Anstand S. 219 ff., in welcben Absebnitten
der Verf. zu dem aus dem trefflicben Buche von 0. Winkelmann (der
schmalkaldische Bund 1530—1532 and der Ntirnberger Religionsfriedei
Strassburg 1892) Bekannten sehr viel Neues beizabringen bat. — Bei dieser not-
wendig in den Vordergrund gerUckten au^eren Politik kommt doch die
innere Politik nicht zu kurz: allerdings hat da der Verf. seiner Hauptaufgabe
entsprechend viele, namentlich kirchengeschichtlich interessante Einzel-
heiten in seine umfangreichen Anmerkungen am Schlufi verwiesen, aber
ich glaube kaum, daB wir Uber die Finanzlage, das Beamtenwesen, die
Stellnng der Landstande, die inneren Gegensatze etc. irgend eines Landes
(auBer etwa Bayern) so gut unterrichtet sind, wie das nunmehr
iiber das Markgrafentum Brandenburg der Fail ist; und eben diese tranrigen
Yerhaltnisse, namentlich die fast erdrCickende Schuldenlast, dieses Schwer-
gewicht, das sich an alle Plane Georgs hangte, lassen uns vieles erst
richtig verstehen. Soweit mir bekannt, erhalten wir auch erst durch
ISchombaum einen klaren Einblick in die kirchlichen Parteigegensatze im
Lande und in den Beamtenkreisen und den letztlicb dadurch bedingten
Sturz des Kanzlers Vogler (S. 182 f.), und L. von Gendorf, der bei alledem
eine so hervorragende Bolle spielte, war bisher eine fast nnbekannte
Personlichkeit. Die auf CTrund der spater, erst im Jahre 1534 gemachten
Aussage Spenglers (vgl. M. M. Mayer, Spengleriana 154 f.) von Veesenmeyer
(kleinere Beitrage zur Gesch. des Reichstags zu Augsburg S. 34) und
anderen verfochtene Behauptung der wesentlichen Schuld Seb. Hellers an
dem Sturze Voglers schrankt Schornbaum vielfach ein, gibt aber zu,
daB das Verbalten Hellers „noch sehr der Aufklarung" bedarf. Dazn
m($chte ich bemerken, daB Spengler oifenbar seine Kunde in erster Linie
von Vogler selbst hatte, und daB dieser, der kaum genaue Nachricht von
den Intrignen der bei Georg in Schlesien sich aufhaltenden Rate haben
mochte, sehr wohl dazn kommen konnte, in Heller seinen Feind zu sehen,
als dieser sich von der ursprUnglichen Solidaritat der Ansbacher Rate
(vgl. S. 193) trennte und ihn damit im Stich liefi, dann sein Nachfolger
wurde und vielfach andere Wege einschlug.
Und nun zur Hauptsache. Schornbaum hat die Politik Georg des
Frommen geschrieben, and er hat sie, was kein Tadel sein soil; nicht als
Ziu- Bibliographie. 189
Kirchenhistoriker, sondern vom Standpnnkte des allgemeinen Histprikers
behandelt; er ist nirgends darauf ausgegangen, den Vielgeschmahten zu
retten oder die Berechtigung des Beinamens dee nFrommen** zu erweisen,
aber wer das Kesultat zu ziehen versteht, der wird den Eindruck ge-
winnen, dafi speziell auch die PersOnlichkeit des Markgrafen durch diese
rein historische Darstellung unendlich viel gewonnen hat. Markgraf Georg
war kein bedentender Mann, seine Politik hat nichts Groi^ziigiges und
kann sich mit der eines Philipp von Hessen nicht vergleichen, aber als
religiOser Charakter steht er in der vordersten Reihe der Fiirstengestalten
der Reformation. Das lafit sein Briefwechsel, wie er hier in erschcJpfender
Weise verwertet worden ist, allenthalben erkennen. Die so oft an ihn
herangetretenen Lockungen, sich durch Nachgiebigkeit in der religi()sen
Frage von der Schuldenlast zu befreien und seine Macht und sein Besitz-
turn zu yergrt)fiern, hat er immer durch den Hinweis auf die Pflicht, an
der erkannten evangelischen Wahrheit festzuhalten, zurtickgewiesen.
Endlich ist noch eines zu erwabnen. Neben dem darstellenden Teil,
den jeder mit Genufi lesen wird, hat der Verf. in seinen 200 Seiten um-
fassenden Anmerkungen und Nachweisen eine grofie Fiille neuen Materials
zusammengetragen und abgedruckt. Man konnte vielleicht dariiber streiten,
ob da nicht des Guten zu viel geschehen ist, aber der gewohnliche Leser,
das m6chte ich ausdriicklich bemerken, — hat nicht nOtig, sich darein
zu vertiefen, denn die Darstellung ist .tiberall auch ohne die Belegstellen
verstandlich, und der Forscher wird sehr dankbar daflir sein, denn er
findet hier so vieles, worauf der Verf. nicht vorher eingehen konnte, und
was doch ftir die weitere Forschung von grol^er Wichtigkeit ist,
und schwerlich wird sobald wieder jemand in der Lage sein, in diesem
Umfang die Akten jener Zeit zu durchforschen, wie das Schornbaum mit
unermlldlichen Fleifi getan hat; und was da in Anmerkungen gesammelt
ist, wird fur lange Zeit eine sehr ergiebige Fundgrube sein, an der ohne
Schaden kein spaterer Forscher voriibergehen darf. So sei denn das
sch(jne Buch alien Freunden der Geschichte Frankens und der Reformation
aufs wannste empfohlen.
*Barge, Hermann. Andreas Bodenstein von Karlstadt. I. Teil^):
Karlstadt und die Anfange der Reformation. Lisipzig (Friedrich
Brandstetter). 1905. XII und 500 S. 10 Mk.
Im Jahre 1856 erschien die letzte, viel benutzte Monographic iiber
Karlstadt von C. F.Jaeger (Stuttgart, Rudolf Besser). Dafi dieses Werk,
das kaum zur Zeit seines Erscheinens geniigen konnte, heute vollig ver-
altet ist, war langst allgemein anerkannt. Wir fassen die Probleme jetzt
anders auf, und die ganze reforuiationsgeschichtliche Forschung ist eine
andere geworden. Jaeger waren langst nicht alle, fveilich zum Teil sehr
schwer erreichbaren Schriften Karlstadts bekannt geworden; archivalische
Forschungen, ohne welche wir uns derartige Arbeiten heute nicht denken
konnen, hat er nicht unternehmen kdnnen (wobei Ubrigens bemerkt sein
mag, dafi auch noch Kostlin seine Lutherbiograpbie ohne solche unter-
nommen hat, und auch in den spateren Auflagen nnr die archivalischen
Ergebnisse anderer verarbeitet sind). Da man um die Mitte des 19. Jahr-
hunderts den Ubergangen von der Scholastik zur Reformation noch wenig
nachgegangen war, auch die literarischen und kirchlichen Zustande beim
Beginn des 16. Jahrhundeits noch zu wenig erforscht hatte, blieb der
Entwickluugsgang Karlstadts unklar und muBte unklar sein. Zudem
waren die langen Jahre seit der Vertreibung Karlstadts aus Sachsen bis
zu seinem Tode auf wenigen Seiten erledigt worden, well der Verfasser
^) Inzwischeu ist auch der zweite (SchluBband) erschienen, der mir
aber nicht zur Besprechung zugegangen ist.
Beitrage aur bayer. Kirchengeschichte XII, 4. 1 Q
190 Zur Bibliographie.
dariiber nichts wu6te. Eben deshalb babe ich selbst lange, lange Zeit
zu einer neuen Biographie Karlstadts eeine Scbriften nnd sonstiges nrkund-
liches nnd Briefmaterial gesammelt und babe die Arbeit erst endgttltig
aufgegeben, als ich von dem Plane Barges erfahr, von dem man das
beste erwarten dnrfte. Und mit bewnndemngswttrdiger Energie ist der
Verf. an seine Anfgabe gegangen. Was una jetzt vorliegt, ist das £r-
gebnis langer, sehr mtihsamer Forschangen nnd Vorarbciten, unter denen
die Yon Barge in Verbindnng mit E.Freys im Zentralblatt ftir Bibliotheks-
wesen 1904 hergestellte Bibliograpbie der Scbriften Karlstadts als
glanzendes Zengnis deutscben Gelehrtenfleifies in ersterLinie hervorzuheben
ist. Und anch sonst hat der Verf. zur Anfklarung des Lebens Karlstadts
und der Beformationsgeschichte Uberhanpt, namentlich aber der Ent-
stehung der Scbriften Karlstadts aus alten, fast vergessenen Scbriften,
besonders aber aus dem nnerschdpflichen Archive zn Weimar eine solche
Fttlle neuen, wertvollen Materials zusammengebracht) daB man dafiir
nicht dankbar genug sein kann, nnd sein Werk nach der literarhistorischen
Seite ein ausgezeichnetes genannt werden mufi.
Zu meinem Bedauern kann ich das gleiohe Urteil tlber das Gesamt-
werk nicht fallen. Der Verf. verwahrt sich in dem Vorwort dagegen, sich
bemlibt zu baben, „eine persQnIicbe Ehrenrettung seines Helden zu unter-
nehmen**. Das hat er gewiB nicht gewoUt, aber in dem Bestreben, seinem
Helden gegen die Darstellung Jaegers, gegen den er, was sich nicht gut
macht, fortwahrend polemlsiert, zu seinem Becbte zu verhelfen und seine
SelbsUindigkeii und vielfach unterschatzte Bedeutung zu zeigen, ist er
tatsachlich doch zu einem Better Karlstadts geworden. Das zeigt sich
sogleich in den ersten Kapiteln, wo m. E. der EinfluB Karlstadts auf
die Wittenberger Gemeinde und das kirchliche Leben in Orlamtinde nnd
den umliegenden DSrfern sehr tiberschatzt wird. Sein Eingreifen in
die Orlamiinder Yerhaltnisse erstreckt sich doch zumeist auf Geldfragen,
derentwegen er sogar seinen Yikar exkommanizieren kann (S. 58), und
bei der Sorge des Kurfttrsten, die Domherren konnten als Professoren
es so ansehen, daO sie nvogelfrei und aller Burden in den Kirchen uberig
sein** {II, 527) ist es sehr fraglich, ob K., da wir von seiner Predigttatig-
keit vor Luthers Auftreten meines Wissens gar nichts boren, itberhaupt
seiner Predigtverpflichtung ernstlich nachgekommen ist. In seinem unbe-
woBten Streben, Karlstadts Handeln zu idealisieren, oder wie man heute
80 gem zu sagen pflegt, auf psychologischem Wege zu analysieren, weiB
der Verf. haufig mehr, als wir wissen konnen. Seine Beiichterstattung
iiber die Schrift „De scripturis eanonicis" leitet er ein mit der ganzen
unvermittelten Bemerkung: „Ein Gegengewicht gegen starke innere Auf-
regungen fand Karlstadt in gelebrten Studien tiber den Kanon der heiligen
Schrift" S. 185. Woher weiB das der Verfasser? Wenn K. einmal eine Zeitlang
nichts schreibf, daun bat „er der ernsten Vertiefung seiner Anschanung
gelebt" S. 180, oder um .,in stiller Sammlung Kraft zu TatBn finden*
S. 225. „Wahrend der grofien Wormser Tage hielt er sich Still e. Gerade
sein Schweigeri in der langen Zeit vom November 1520 bis Ende Juni
1.521 lafit auf eine hochgradige Anspannung aller seelischen Krafte schlicBen**,
so lesen wir S. 244, wahrend wir auf S. 246—248 erfuhren, daB Karlstadt
sehr wichtige Thesen im Marz 1521 ansgehen lieB, und seine relative
Zuriickhaltung sich wohl eher daraus erklaren wird, daB er den Gang
der Ereignisse abwarten wollte. Aber auf S. 349 werden wir wieder be-
lehrt, daB die Tage (von^Ende Oktober bis Ende November 1521), in denen
Karlstadt nicht in die Offentlichkeit trat, Tage der Sammlung waren, in
denen er unablassig beschaftigt war, sich ein festes Urteil Uber die tSg-
lich hoher schwellende religiose Erregiing der GemUter zu bilden etc.
S. 349. Das und ahnliches sind alles baltlose Vermutungen. Sie
waren gleichgiiltig, wenn sie nicht im engsten Zusammenhange stilnden
Zur Bibliographie. 191
rait der Vorstellung von Karlstadts Charakter und Bedeutung. Obwohl B.
noeh neues wertvolles Material dafUr beibringt, dafiE. erst durch Lather
zum Augudtinismus, zum Abfall von der Scholastik und znm Biblizismas
gekommen ist, i8t K. nach ihm doch immer vorangegangen in der Elar-
heit und folgeriehtigen Erfassung der reforihatoriscben Prinzipien. So in
der Bekampfung des Aristoteles (S. 86), in dem Proteste gegen die
berrschende Praxis des Heiligendienstes S. 103, der Verwerfung des
Augustinischen Eanons etc., was der Verf. nicht hatte schreiben kOnnen,
wenn er sicb erinnert hatte, dafi Luther schon in seinen Predigten von
1516 (vgl. Th. Eolde, M. Luther I, 100) so dartiber gepredigt hat, dafi
Earlstadts Auslassungen direkt darauf zurUckzufubren sein werden, oder
da6 Luther bereits in Leipzig beim Eampf um das Fegefeuer mft direkter
ZurUckweisung Augnstins die Bticher der Makkabaer als unkanonisch
zurUckgewiesen hatte (Luthers Werke, Weimarer Ausg. II, 324 u, 329.
Und vieles andere wiirde der Verf. nicht auf E. zuriickgefUhrt haben^
wenn er in gleicher Weise wie dessen Werke Luthers Werke studiert
hatte, dann wiirde ihm z. B. anch nicht die Forderung, die Bruderschaf ten
abzusohaffen, Uberraschend vorkommen S. 355; denn Lather hatte schon
1516 dagegen gepredigt (Th. Eolde I, 100) und im Sermon von dem hoch-
wiirdigen Sakrament des heiligen wahren Leicbnams Christ! und ^von
den Bruderschaften'* (vgl. ebenda S. 219). Und wie viel es in den
Fordernngen der Wittenberger und Earlstadts ist direkt Luther ent-
nommen, oder hat Earlstadt seine Schriften nicht gelesen? — VSUig nn-
richtig erscheint mir die Behandlung der wichtigen Frage nach dem
Werden der allmahlichen Spannang in dem VerhUltnis mit Lather. Wenn
B. S. 180 schreibt, Earlstadt spreche bis in das Jahr 1522 von Luther
in Ausdrflcken der Hochachtung, so ist mir das angesichts der Schrift
De Canonicis scripturis unverstandlich, Barge muBte sich denn' darauf
zurUckziehen wollen, daO bei den Angriffen auf Lather sein Name nicht
genannt wurde. Dab E. scbon damals theologisch und dogmatisch ganz
anders stand als Luther, zeigt jede Seite der genannten Schrift, aber
die selbstbewufite, auf Luther als ,,den guten Priester** herabblickende,
die ganze Abhandlung durchziehende Polemik, lai3t deutlich erkennen,
da6 es ihm nicht nnr um die Wahrnng seiner eigenen Position zn tun ist,
sondern darum, Luther herabzusetzen und seinen EinfluB herabzumindern ;
und der Vorwurf , dafi Luther wohl deahalb so abachiitzig uber den
Jakobusbrief urteile, am ihm die Zuhorer zu entziehen, war trotz der
Milderungsversaehe Barges wohl aach schon damals das schnodeste, was
etn Fakultatsgenosse gcgenUber dem andern behaupten konnte. Und es
zeigt Luthers Gr5i)e, dafi er, soweit mir bekannt ist, auf diesen plnmpen
Angriff gar nicht antwortete. Freilich, und darin vermute ich ein weiteres
Moment der Entfremdung, konnte Earlstadt dies auch wieder als Gering-
schatzung aaslegen. — Barge erklart, die bisherigen Darsteller waren
bei der Zeichnung der Vorgange des Jahres 1521, soweit E. in Betracht
kommt, gencitigt geweseo, Jagers tendenzi58e Darstellung zugrunde zu
legen S. 295. Daraufbin habe ich das, was ich auf Grand sehr eingehenden,
selbstandigen Quellenstudiums iiber Earlstadt und seinen ElnflujQ auf die
ganze Entwicklung in meinem Luther Bd. II, S. 13 ff. niedergeschrieben
habe, noch einmal ernstlich geprtift, kann aber aufier dem bedauerlichen
lapsus calami, da6 ich Earlstadts Fraii (S. 34) nhtibsch** genannt habe,
wahrend die Quelle sie als „nit fast hUbsch'^ bezeichnet, nichts davon
zuriicknehmen and ich mufi mich zn meinem Bedauern da gegen die Gesamt-
anffassang Barges erklaren. S. 351 wird die lutherische Lehre von der
Sftndenvergebung, der Earlstadtschen von der alleinigen Wirksam-
keit der Gnade gegeniibergestellt. Diese Formulierung balte ich fUr
vSllig verkehrt, ebenso die Ausfiihrungen ilber den durch Earlstadt ver-
mitteiten, der „luth6ri8chen Theologie korrespondierenden Typus volks-
192 Zur Bibliographie.
tiimlicher Frommigkeit" des tt^aienchristlicheu PuritaniBiDTis". Dieses fUr
jene Zeit gar nicbt passende, aber sehr beqneme Schlagwort wird, wie
ich ftlrchte, dieselbe Verwirrung anrichten wie L.Kellers n<evaogeliscfae
Gemeinden'*. Soweit ich ui'teilen kann, handeli es sich nicbt so sehr daram,
^dafi der von der Wahrheit des Evangeliums durchdrungenen Masse sich
die Heiligung des Wandels — als wesentliches Ergebnis de6 refer-
matorischen Glaubenslehre darstellte'^ S. 351, sondern die schon vor
Karlstadts praktisch-reformatorischem Eingreifen mit dem Abwerfen des
Colibats begianende Entwicklung ist nor zu wUrdigen unter dem Gesichts-
pnnkty dafi man endlich einmal, nacbdem soviel von der christiicben Frei-
heit geschrieben und gepredlgt worden war, von der christiicben Freiheit
Gebrauch macben wollte (vgl. Tb. Kolde, M. Luther II, 12 ff.)* ^^ iBt
unberecbtigt, in den Artikein der Wittenberger Gemeinde vom Dezeniber
1521 ndem Produkt der 5ffentlicben Meinung^, eine neneEpoche anbrecben
zu lassen. Das Keue, was .aber nach dem bisberigon Entwicklungsgange
selbstverstandlicbwar, ist,dafi, nacbdem da sStift, dieUniver8itat,<^eMoncbs-
orden zu der ganzen Frage Stellung genommen batten, dies nun aucb
der Bat der Stadt tat. Anders Barge. Ibm sind jene secbs Forderungen,
die tatsachlicb Wiederholung von Forderungen sind, die Luther langst
als notwendig oder wunschenswert bingestellt hatte, „die Geburtsstuude
des evangeliscben Pnritanismus'*. Und „die Wogen der jnng erstarkenden
Massenstimmung* — Wittenberg zablte damals etwa 2000 Einwobner —
flSehlugen in dleEreise der Gebildeten zurtick*'. ^Vor allem iiben sie anf
Karlstadt die starkste Wirkung aus'', der sie als „aus gottlicbem Geiste
geboren** erkennt und „8ich nunmebr freudig in ibren Dienst stellt'' S. 353,
wabrend, so wird spater S. 435 gesagt, „Luthers Freunde nicbt in innigem
Eontakt mit dem Volksempiinden standen". „Nacbdem die Laien ibrTun
ausschliefilicb durcb die g6ttlichen Gebote bestimraen liefien, durfte er
nicbt zarilcksteben<* S. 353. Das schreibt' ders.Verf., der S. 173 berichtet,
daB K. schon am Anfang des Jahres 1520 mit „dem religi&sen Appell
an die Masse" begonnen bat, der mit Becht auf den berUhmten Eintrag
Karlstadts ins Dekanatsbuch (Forstemann, Liber Deoanorum S. 26) vom
Oktoberl521binweist, und ansdessen eigenerDarstellung jedermann beraus-
lesen mufi, dal3 es eben Karlstadts Auftreten und Predigtweise war, der
das offizielle Miteintreteu des Hats in die Bewegung gezeitigt hat. Und
bat K. nicbt bei der Disputation vom 17. Oktober gerade zu den Witten-
berger Rat dazu aufgerufen (S. 354)? Bichtig ist freilich, da6 derselbe
K., der soeben noch selbst binter einem Melanebtbon an Tatenfrendigkeit
zuriickstand, nunmebr, als er seine Gedanken vom Magistrat oder „der
5ffentlicben Meinung'' angenommen sieht, die Ftihrung tibernimmt, denn
er hatte erreicht, was er wollte. Die Tendenz des Verf. liegt bier offen
zutage: Karlstadt soil entlastet werden^ Nur um die Menge zu be-
ruhigen, soil er vorgegangen sein. Dagegen vgl. man das Urteil Magen-
buchs K.G. XXII, 127. Allein ich mu0 abbrechen, und mufi es mir ver-
sagen, an dieser Stelle mich mit den bedauerlicben, am Ende des Bandes sieh
haufenden Ausfallen gegen Luther, der mit „ einem Ochsenfart an einem
Strange ziebf", „der fast als Mandatar des Reichsregiments auftritf*
(S. 438) und die Genossen vergewaltigt", auseinanderzusetzen. Vielleicht
finde icb Zeit und Gelegenbeit, das Kapitel „Karlstadt und Luther**,
das mehr als je der Neubearbeitung bedarf, anderswo im Zusammen-
hange zu bebandeln. Fur jetzt kann icb nur noch einmal bedauern, dafi
der von mir hocbgeschatzte Verf., dessen Buch in vieler Beziehung eine
wesentlicbe Forderung der reformationsgeschichtlichen Einzelforscbung
bedeutet, gerade ftir Luthers Bedeutung und das Wesen seiner Reformation
ein so geringes Verstandnis zeigt, wie es namentlicb aucb die zusammen-
' fassenden ScbluBbemerknngen des ersten Bandes erkennen lassen.
Das Kirchenpatronat in Windsheim.
Yon Badolf Herold,
Dekan in Windsbeim.
Die mittelfrankische Stadt Windsheim ist eine kleine Stadt
und hat doch sowohl in allgemeiner als in kirchlicher Be-
ziehung eine sehr beach ten swerte geschichtliche Entwicklung
hinter sich. Ursprtinglich eine villa regia, welche zum 1. Male
urkundlich schon in dem Stiftungsbriefe des Bisturas Wlirzburg
a. 740 erwahnt wird, wurde Windsheim bereits unter Kaiser
Heinrich I. (a. 919— 936) znr Stadt erhoben. Unter geschickter
Beniitznng der Verhaltnisse und der Gunst der deutschen Kaiser
erwarb sich Windsheim sehr bald reichsstadtische Freiheiten
und wahrte sich dieselben unter manchmal schweren Kampfen
und Opfern, bis die Staatsumw^lzung des 19. Jahrhunderts auch
fur Windsheim eine neue Ordnung der Dinge brachte, durch
welche die Stadt dem Konigreiche Bayern einverleibt wurde.
Dieser aufieren Entwicklung der Stadt entspricht ihre Be-
deutung in kirchlicher Beziehung. Schon im 14. Jahrhundert
gehorten zum Ruralkapitel Windsheim 74 Pfarreien mit 108 Geist-
lichen; es waren im wesentlichen Pfarreien, welche jetzt zu
den Dekanaten Windsheim, Neustadt a. A., Leutershausen und
Rothenburg o. T. gehoren^). Diese Ordnung der Dinge blieb,
bis die Reformation mit ihren Umwalzungen kam. Die Refor-
mation fand in Windsheim sofort die regste Teilnahme. Schon
a. 1521 machte der Rat Versuche, einen evangelischen Pfarrer
zu gewinnen. A. 1524 fand in Sacheh der Reformation einvom
1) Vgl. die Aufzahlung der am Beginn der Beformationszeit zam
Kapitel Windsheim geb(5rigen Kapitel, Pfarreien und Kuratien bei
K. G. Scharold, Dr. Martin Luthers Reformation in nachster Beziehnng
auf das damalige Bistnm Wiirzborg, WUrzbnrg 1824, Beilagen S. VII.
(Anm. d. Bed.)
Beitrage zur bayer. Kircbengeschichte XII. 5. ^Q
194 Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim.
Markgrafen Kasimir in Ansbach veranlaBter Konvent ver-
schiedenerFiirsten, Grafen undHerrn der Umgegend und mebrerer
Reichsstadte in Windsheim statt. Das Augustinerkloster wurde
schon a. 1525 dem Rate iibergeben. Die Confessio Aagustana
unter25eichnete der Blirgermeister Hagelstein a. 1530 mit zwei-
tagiger Verspatung, welche durch die Umstande seiner Reise
veranlaBt war. Der markgr^fliche Kanzler Georg Vogler,
welcher ffir die Einflihrung der Reformation in der Markgraf-
schaft Ansbach so uberaus tatig war, suchte und fand in Winds-
heim Zuflucht, als er bei seinem Herrn in Ungnade fiel; seine
deutsche Bibel mit einer eigenhandigen Widmung Lathers und
mit einem farbigen Lutherbilde von der Hand Kranachs liegt
noch auf der stadtischen Bibliothek. Im SOjahrigen Kriege
sah die Stadt so ziemlich alle geschichtlichen GroUen jener Zeit
mit Ansnahme Wallensteins in ihren Mauern und hat Furcht-
bares flir die evangelische Sache gelitten. Das ist eine kirch-
liche Vergangenheit, welche beachtenswert ist, und deren Ge-
dachtnis das in der Protestationskirche zu Speyer angebrachte
Windsheimer Stadtwappen mit Recht festhalt.
Von besonderem Einflusse auf diese kirchengeschichtliche
Entwicklung waren selbstverstandlich die jeweiligen Kirchen-
patronatsverhaltnisse, welche im Laufe der Zeiten mancherlei
Wechsel erfuhren. Eine Baupflichtsrecherche in Sachen der
prot. Stadtkirche zu Windsheim gab Veranlassung, den Kirchen-
patronatsverhaltnissen naher nachzuforschen und zu erkunden,
ob das Patronat des hiesigen Rates ein landesherrliches oder
ein erstprivatim mitLasten erworbenes war; letzteres hat sich
herausgestellt und kann urkundlich belegt werden. Zu den sehr
sumraarischen und nicht ganz richtigen Aufstellungen, welche
Pfarrer Christ. Wilh. Schirmer in seiner „Geschichte Winds-
heims und seiner Nachbarorte", erschienen 1848, fiber diese
Sache macht, wurden Erganzungen gefunden teils in einer Ur-
kunde vom Jahre 1420, welche im Besitze der prot. Kirchen-
verwaltung Windsheim ist, teils in einem Aktenbande von den
Jahren 1524/25, welcher sich im kgl. Reichsarchive zu Wurz-
burg befindet und dem Verfasser freundlichst zur Verfugung
gestellt wurde. Derselbe liegt dort bei den „Geistlichen Sachen
2154 f. 81" und fuhrt die tJberschrift: „Die vom Teutsch-Orden
Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim. 195
verlangten Bestatigen der Cession des juris patronatus uff der
Pfarre und 9 Kaplaneyen zu Winsheim an den dortigen Burge-
meister UDd Rath. 1524 u. 1525." AuBerdem warden bei der
nachfolgenden Darstellung beniitzt die „Beitrage znr Kirchen-
geschichte von Windsheim", welche der Rektor des damaligen
Gymnasiums J. Georg Nehr von a. 1800 an eine Reihe von
Jahren hindurch als „Einladungsschriften zur Priifung der
Jugend in dera Windsheimischen Gymnasium" erscheinen lieU
und welche ein eingehendes geschichtliches Studium verraten.
Nach Rektor Nehr ist das Christentum nach Windsheim
und Dmgegend durch Kilian oder Bonifazius gebracht worden;
die Stadtkirche in Windsheim tragt heute noch den Namen
Sankt Kilians. Ein Kirchengebaude (basilica) in dem Dorfe
(villa) Windsheim wird, wie oben gesagt, schon in der Urkunde
erwahnt, welche Karlmann, Furst von Austrasien, Pipin des
Kleinen Bruder, bei Errichtuug des Bistums Wurzburg Burch-
arden, dem ersten Bischofe desselben, a. 740 ubergab. Ludwig
der Fromme, welcher diese Urkunde a 843 erneuerte, wieder-
holte aus jener unter vielen andern Kirchen, die er dem Bischofe
ubergibt, auch die Kirche des heiligen Martin (NB.! zu Anfang
des 13. Jahrhunderts zur Kilianskirche geworden) in dem Dorfe
Windsheim in Gau Ranigewe (cf. Eckharti commentarii de rebus
Franciae orientalis et episcopatus Wirceburgensis I pag. 391).
Das Kirchenpatronat ftir Windsheim und Umgegend stand also
ursprunglich als ein von den weltlichen Herrschern verliehenes
dem Bischofe von Wurzburg zu, der es von a. 740 ab ca.
6 Jahrhunderte hindurch austibte. In Kraft dieses Rechtes hat
der Bischof von Wurzburg z. B. a. 1318 laut Bestatigungs-
briefes das Verhaltnis der Windsheimer Hospitalkirche zur
dortigen Mutterkirche geordnet und verfugt, wie es mit Gehalt,
Sakramentsverwaltung, Jurisdiktion des Archidiakonus etc. zu
halten sei. A. 1327 hat er die Tochterkirche Ickelheim von
der Muttergemeinde Windsheim losgemacht. Niemand weiter
war bei diesen MaBnahmen des Kirchenfiirsten und Patrons be-
teiligt Oder hatte ein Recht, sich dreinzumischen.
Anders erscheinen die Patronatsverhaltnisse von Anfang des
15. Jahrhunderts an. Im Jahre 1400 wurde in Windsheim
die Marienkapelle gestiftet. Die Verwilligung zu dieser kirch-
13*
196 Herold, Das Eirchenpatronat in WindBfaeim.
lichen Stiftung erteilte aber nicht bloB Johann I. von Wiirzburg,
sondern mit ihm zugleich auch der Teutschmeister Konrad von
Egloflfstein. Die bischSf liche Befugnis hat eine Einschrankung
erfahren und ist nicht mehr die allein maUgebende. Dasselbe
gibt eine Urkunde vom Jahre 1403, datiert am Sankt Merteus-
Abend, zu erkennen. In derselben „leihet der Tentschmeister
Konrad von Egloffstein die Mefi der Kapelle zn Allerheiligen
(in Windsheim) an Herrn Heinrich Hagen" mit dem Beisatze
„nach Absterben desselben soil der hiesige Rat einen andern
Priester nach Virnsberg senden, dem diese Pfriindt wiirde
geliehen und derselbe zur Konflrmation nach Wurtzburg prasen-
tiret werden^. Der Bischof hat ofifenbar dem Teutschorden das
Jus praesentandi eingeraumt, wie seinerseits der Teutschorden dem
Rate in Windsheim eine Art juris nominandi gestattet.
Ein klares Licht auf die nunmehrige Rechtslage wirft die
oben erwahnte Urkunde vom Jahre 1420, datiert „vom nachsten
Dienstag vor Sankt Gregorien Tag" (6. Marz). Dieselbe lautet ira
wesentlichen auszugsweise also: „Ich, Franz von Wildenstein,
Comenteier zu Ellingen und zu diesen Zeiten Statthalter des
Landcomenteieramtes der Baley Jnn Franckhen teutsches Ordens
bekenne oflfentlich mit diesem Briefe . . . . als der ehrsame . . .
Mann Kunrat Schilher, Burger zu WindBheim, Gott und allem
himmlischen Heer zu Lob ... ein ewig Messe fiber und zu
Sankt Nikolaus — Altar und aller Zweliff Poten Jnn der Pfarr-
kirchen unseres Ordens zu WindBheim Jnn der Stat gemacht
und ein wenig Pfriindt mit einem werntlichen Priester zu halten,
dorzue mit ihren Quten gewidempt und gestifft hat; wann nu
die Verleihung desselben Altars und der Pfrundt von gottlichen
Rechten von der obgemelten Pfarre wegen unserem Orden zu-
gehort und ewigklich zu gehoren soil, so hat doch der ehr-
wirdige geistliche Herr Dietrich von WinderBhauBen Meister
unseres Ordens in teutschenund welschenLanden mit Rate und
Wissen sein Gebietiger unseres Ordens . . . des Rates der Stat
ze WindBheim fleiBig Gebet und Freundlichkeit besunder ange-
sehen . . . und hat guten Willen und Urlaub dorzue geben . . .
daB ein jeglicher Comenteier zu Vimsperg . . . soil haben voile
Gewalt und gauze Macht, den obgemelten Altar mit der
Pfrundt . . . einem ehrbaren werntlichen Priester zu ver-
Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim. . 197
leihen; . . . fiir wellen dann der Rat der Stat WindBheim flir-
bafi einigklich bitt oder schreibet, dera soil sie der Comenteier . . .
ohne alle Widerred verleihen . . , ohne alles Verziehen." (Hier
folgt noch die spezifizierte Amtsanweisung iiber die zu halten-
den Messen und die Verfiigung, daC der Rat von Windsheim
Altar und Pfrlindte selbst verleihen und dem Bischof prasen-
tieren diirfe, falls der Comentur von Virnsberg sie nicht nach dem
Vorschlag des Rates im Monate nach der Erledigung verleihe
und prasentiere, und umgekehrt, weun der Rat saumselig sein
soUte.) — Fiir den Sankt Nikolausaltar und seine Pfriinde hatte
also nunmehr der Rat das Recht vorzuschlagen, der Comentur
des Teutschordens verlieh die Stelle und prasentierte dem Bi-
schofe die betreflfende Personlichkeit und der Bischof gab dazu
seine Verwilligung.
DaB diese Ordnung aber nicht bloB fur den neugestifteten
Altar und seine Pfrunde zu gelten hatte, sondern auch fiir
andere und jedenfalls allgemein, ergibtsich aus einem Schreiben,
welches der Rat a. 1476 an den Commentur in Virnsberg richtete.
Darinnen schreibt er: „ . . . Nachdem wir und unser Nach-
kommen im Rate von eueren Ordens und Vorfahren — Comen-
turen als begnadet und gefreit sein, so je zu Zeiten die Vikarey
des Altars Sankt Martins in unserer Pfarrkirche erledigt werde,
daB wir eine tiigliche und geschickte Person dazu zu ernennen
haben, und welche Person wir also zu solcher Pfriindt ernennen
und an Comentur zu Virnsberg die iibersenden und fiir sie
schreiben, derselben Person solle alsdann der Comentur solche
Pfriindt verleihen und die Person unserem gnedigen Herru
Bischoven zu Wiirtzburg prasentiren und iiberantwurtten als und
wie die Konfirmation und Verwilligung ervolge etc." — Wie
allgemein dieses Vorschlagsrecht des Rates war, beweist ferner
die Tatsache, daB beziiglich der Wahl des Priors und der Briider
im Augustinerkloster das gleiche Recht dem Rate zustand wie
verschiedene Briefe vom Jahre 1438 und 1603 ausweisen (vergl.
Nehr, Beitrage. ErstesStiick S. 11). Und was sonst die kirch-
liche Befugnis des Bischofs betriift, so war sie auch in anderer
Weise um diese Zeit eine beschrankte. Im Jahre 1455 machte
Bischof Johann III. von Grumbach den Versuch, das Einkommen
des Windsheimer Oberpfarrers zu besteuern, was gemaB der
198 - Herold, Das Kircbenpatronat in Windsheim.
bischoflichen Konflrmation der Pfarrkirche nicht anging. Rat und
BUrgermeister wiesen die Forderung zuriick und der Bischof
stand davon ab.
Wahrend also der Bischof vom Jahre 740 bis ums Jahr 1400
die kirchliche Machtbefugnis allein austtbte, trat ihm von da
an der Teutschorden zur Seite und dieser gestattete beziiglicli
der Verleihung der Pfrunden dem Eate wenigstens ein Vor-
schlagsrecht. Wie es kam, daB die bischofliche Befugnis Be-
schrankungen erlitt, ist nicht mehr mit Sicherheit aufzuklaren.
Es scheint, daU finanzielle Verlegenheiten des Bischofs Johann
von Egloffstein die Ursache waren. Der Bruder dieses fiuanziell
bedrangten Bischofs war der Hochmeister des reichbegiiterten
Teutschordens Konrad von Egloffstein. Wahrscheinlich werden
seitens des Bischofs Verpfandungen und Abtretungen kirch-
licher Giiter und Rechte an den Teutschorden stattgefunden
haben und darunter auch der Anteil an dem Patronatsrechte
in Windsheim.
Eine ganzliche Ausscheidung des Bischofs und des Teutsch-
ordens aus dem Kirchenpatronate brachte das Jahr 1525. Wie
schon oben erwahnt, fand die Reformation in Windsheim von
Anfang an die regste Teilnahme, und man kann sich leicht
denken, daC das Patronat des Bischofs und des Teutschordens
den reformatorischen Bestrebungen hinderlich im Wege stauden.
Rat und Burgerschaft suchten daher die Hand frei zu bekommen
und das Patronat an sich zu bringen. Mit llbernahme der
finanziellen Lasten und Pflichten, welche daran hingen, gelang
es auch.
Ehe der Rat bei dem Teutschorden die notigen Schritte
tat, suchte er sich erst dariiber zu vergewissern, ob er als ein
weltliches Regiment Recht und Moglichkeit besitze, ein kirch-
liches Patronat zu ubernehmen. Es war wohl in der Refor-
mationszeit der erste Fall, dafi ein weltliches Regiment geist-
liche und kirchliche Machtbefugnis an sich zu bringen suchte.
Der Rat holte sich zu diesem Zwecke ein gelehrtes Gutachten.
Rektor Nehr hat dasselbe vorgelegen, er bezeichnet es als ein
Universitatsgutachten und druckt es in seinen „Beitragen zur
Kirchengeschichte von Windsheim, Stiick IV S. 6 — 8" in ex-
tenso ab. Es beginnt mit den Worten: „Uff der gesandten
Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim. 199
eines Erbarn Raths zu Windshaim Begern gerathschlaget",
und schlieBt mit der Datierung: „ Actum Altdorfii, 21. Julii 1521"
oline Beifiigung der Unterschriften. Wenn diese Ojtsangabe
„ Altdorfii" rich tig ist und von Rektor Nehr in dem ihm vor-
liegenden Gutachten wirklich so zu lesen war, dann i^t das-
selbe kein Universitatsgutachten, sondern stammt moglicher-
weise von irgend welchen Gelehrten in Altdorf. Diese letztere
Annahme bat aber allerdings ihre Bedenken; denn nacb „Will,
Geschichte der Universitat Altdorf," befand sich vor dem Jahre
1573 in Altdorf uberhaupt keine hohere Schule und wurde erst
in diesem Jahre das Nlirnberger Gymnasium dorthin verlegt.
Letzteres wurde a. 1580 in eine Ritterakademie verwandelt
und diese erst a. 1623 zu einer Universitat erhoben. Es wird
also a. 1521 in Altdorf kaum ein KoUegium von Gelehrten ge-
geben haben, welches ein Gutachten wie das erwahnte hMte
liefern konnen, und ein Universitatsgutachten war erst recht
nicht moglich. Es steht zu vermuten, daC dem Rektor Nehr
bei dem Abdruck des Gutachtens ein historischer Irrtum unter-
gelaufen ist und daU dasselbe von einer andern Universitat
stammt, vielleicht von Heidelberg, wohin man sich in jener
Zeit haufig aus Franken wandte. Alle bisherigen Nachfor-
schnngen ha^en dieses Gutachten oder eine Abschrift desselben
nicht zutage fordern konnen. Weder im Germanischen
Museum in Ntirnberg, wohin seinerzeit Windsheimer Akten
verbracht wurden, noch in dem k. Kreisarchive in Wiirzburg,
welches sonst Akten iiber das Kirchenpatronat in Windsheim
besitzt, noch in dem Archive des dortigen bischoflichen Ordi-
nariates, wo man es am meisten erwarten soUte, noch in dem
k. Wurtt. Staats-Filialarchive in Ludwigsburg, welches die
Reste des ehemaligen Teutschordensarchiv verwahrt, noch in
dem k. bayer. allgemeinen Reichsarchive in Miinchen, wo die
Akten des Teutschordens, soweit es das jetzt bayerische Ge-
biet betrifft, sich befinden sollen, ist das Gutachten oder eine
Abschrift davon aufzutreiben, obwohl man in den genannten
Archiven mit dankenswertestem Entgegenkommen die notigen
Nachforschungen augestellt hat. Es ist das zu bedauern; denn
dieses Gutachten ist nicht bloB lokalgeschichtlich wichtig, son-
dern um des friihen Jahres willen, in welchem es in der Re-
200 Herold, Dfts Eirchenpatronat in Wiodsheim.
formatioDSzeit erholt wurde, und urn der Bechtsfrage willen,
am die es sich baudelt, von allgemeiner kirchengescliicbtlicher
Bedeutuag.^ Vielleicht geben die gemachten Mitteilungen einem
Historiker AnlalS, bei seinen Stadien and Nacbforscbangen dieses
Gutacbten im Auge za behalten and etwaige Nachricbten dar-
iiber bierber gelangen za lassen.
Das Gutacbten, welcbes bei der Neaheit des Falles den
Tbeologen and Jaristen jener Zeit sicberlicb einiges Kopfzer-
brecben verursacbte, laatet folgendermaBen :
„Uff der gesandten eines Erbarn Eatbs
za Windsbaim Begern geratbscblaget."
„0b der Comentbar za Virnsperg, seinen getbauen erpieten
nacb, macbt babe, das Jus and Gerecbtigkait, So der teutsch
ordenn, biBbeer an der pfar za Windsbaim, die sie verleiben,
za einen erbarn Ratb za Windsbaim zu wendenn.
Ob aacb ein Ratb zu Windsbaim, als weltlicb personenn,
Annemeun mdgen and vebig sind.
Und dann, dieweil dui'cb solcbe permutation verenderang
Oder vertrag, ein Zebenden der vormaln za der pfarr gebort,
davon kbumen, and der orden daraus zieben wurde, Ob dann
ein Ratb za Windsbaim, mit der zeit nit macbt betten, ein
pfriindt, der sie etlicb za Windsbaim za verleiben baben, ab-
gebenn za, lassenn, nnnd Ir supplimentum In der pfarr zu ver-
gleicbnus za wendenn?
Haben die gelertenn, einbellig also darvon geredt. Wann
die tentscben Herren, die and andere des ordens gueter, zu
verendern, oder Im fall za verkauffenn Anmassen, so babenn
sie davor gesprecb and Rath, gleicb einem Capitel, Wann dan
der Comentbar za Virnsperg, einem Erbarn Rath das Jus and
gerecbtigkeit gentzlicbenn zustellenn, unnd sich des verpflichtenn
wolte, das er deBhalbenn vom Hochmaister unnd oberstenn des
ordenns, einem Rath nottfirfftige Bewiiligung erlangenn, nnnd
Inen die zustellen, Aucb der ordenn derhalben bey der Bebst-
lichen Heiligkeit ein Confirmation wolten auspringen, auif Iren
Costenn, welchs sie gar geringlicb vor einem Ratb erlangen
m5gen.
Darait sie, die von Windsbaim, hinfiibro die pfarr In aller
gestalt zu verleiben babenn, wie der ordenn die gebabt batt.
Herold, Das Kirchenpatrooat in Windsheim. 201
So hab der ordenn des wol macht, Und seien ein Rath zu
Windshaim, als weltlich, gleich als In fellenn, do sie jus pre-
sentandi unnd Norainandi habenn, gantz wol vheig, doch so
sie ein Rath zu Windshaim allemal verpflicht, einera Bischoff zu
Wiirtzburg, wann sie einen pfarher Annemen 24 fl. zu gebenn,
Es seie aiich in diesem Fall nit, das der Babst ein Monat hab.
Wann die pfarr darinne fellig wtirde, das er die zu verleihen
hett, dan die teutschen Herren seien dafiir gefreiet, so wachs
einem Rathe zu Windshaim, durch diese verwechslung alle
gerechtigkeit zu, wie der ordenn die gehabt,
Aber von wegen des, das ein Rath zu Windshaim ein
pfriindt widermals In die Pfarr wenden mogen, des haben ein
Rath Irenthalben zu thun gar nit macht, Sie die gelerten
zweifeln aber nit, wann bey Bebstlicher Heiligkeit, derhalben
Suppliciert und Angetzaigt wtirde, das sie darmit das Corpus
die pfarr pessern und erhaltenn, unnd dieselbenn pfrtindt also
aus gueten ursachen, In die pfarr wendenn, unnd abgehenn
lassenn wolten, es mochte gar wol erlangt werdenn, es wurde
aber one gelt nit zu gehen,
Es mochte auch ein Rath zu Windshaim, Jetzo versuchen
lassen, ob man es in die Confirmation, so die teutschen Herren
auBpringenn sollenn, bringen mochte, oder das sich der orden,
das zu erlangen unterstunden. Actum Altdorfli, 21 Julii 1521."
Der Weg zu weiteren MaCnahmen war mit diesem Gut-
achten dem Rate gezeigt; indes scheint seine Aktion zuniichst
fur einige Jahre geruht zu haben. Erst mit dem Jahre 1524
beginnen die Verhandlungen, welche den Inhalt des oben er-
wahnten Aktenbandes im Kreisarchive Wurzburg ausmachen
und zu dem erwtinschten Ziele fuhrten. Vielleicht war es das
Drangen der reformatorischen Elemente in der Stadt, welches
ziemlich slurmisch gewesen zu sein scheint, dafi der Rat vor-
warts getrieben wurde. Vielleicht hat auch der Windsheimer
Konvent vom Ja,hre 1524, auf welchem schon hohe und maC-
gebende Personlichkeiten fiir die Reformation eintraten, den
Rat ermutigt, einen Versnch in Sachen des Kirchenpatronats
zu machen. Eine Urkunde vom Jahre 1524, datiert am „Dienstag
nach Sankt Jakob des lieiligen 12 Potentag" (26. Juli), bringt die
erste Vereinbarung des Teutschordens und des Rates uber die
202 Herold, Das Kirchenpatronat ia Windsheim.
AbtretUDg des Patronates an den Rat and die Stadt Winds-
heim (pag. 2 — 5 des Aktenbandes)^). Sie ist ausgestellt von
Dietrich von Ebern, Meister des Tentschordens, Wolfgang von
Eysseuhoven, Landescomentur der Bailey zu Franckhen, und
Wolfgang von Bibra, Comentur zu Virnsberg. Es werden darin
zunachst die bisherigen Patronatsverhaltnisse dahin konstatiert,
.daB der Teutschorden das Patronat habe und dann fortgefahren
. . . „dafi uns, unsern Ordenshausern und Nachkommen die
Gerechtigkeit des jus patronatus und Lehenschaft, so wir Inn
und uff der Pfarrkirchen Sankt Kiliani, in des heiligen Reiches
Statt Winsheim gelegen, samt etlichen Pfriindten und Vikareyen
bis anher zu haben und zu versehen mehr beschwerlicher denn
friiher und ersprieBlich geworden sind und, was nach Gestalt
und Gelegenheit des Pfarrhof, auch aller Sachen und ereigneter
Laufe halben zu besorgen, kunftighin noch beschwerlicher auch
nachteilig mocht werden; daB auch solche beriihrte Gerechtig-
keit und jus patronatus obbemelten Burgermeistern und Rat,
ganzer Biirgerschaft und gemeiner Statt Winsheim, wo wir
ihnen die zustellen, in vielerlei Weg Fruchtbarkeit und Nutzen
gewahren mocht; demnach und in Willen und Meinung, unsern
. . . Nutz zu schaffen, zu furdern und vor groBerem Nachteil
zu bewabren, auch Bemelter von Winsheim . . . Wohlfahrt zu
furdern" . . . soil „alles und jedes Recht und Gerechtigkeit,
so wir und der Orden daran gehabt . . ., gedachtem Burger-
meister und Rat der Statt Winsheim auf und tibergeben werden
. . . dermaBen, daB Gedachte yon Winsheim nu hinfliro ge-
melter Pfarr, Pfriindten und Kaplaneien wahre und rechte
Herren und Patroni sollen sein . . . und jeglicher Zeit, als oft
die Notturft erfordert, gemelte Pfarr, Pfriindten und Kaplaneien
zu verleihen . . .". Zugleich wurde vereinbart, daB Bischof
Konrad als „Ordinarius der Statt Winsheim" um Genehmigung
angegangen werden soUe.
Diese Vereinbarung fand die bischof liche Zustimmung nicht
und zwar teils aus prinzipiellen, teils aus zeitlichen Ursachen:
die Abtretung ware Ubertragung von den Geistlichen auf die
1) Vgl Scharold a. a. 0. S. 207. Denmach ist das Original im
Domst. Archiv in Wtirzburg. (Anm. d. Red.)
Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim. 203
Weltlichen ; es sei keine genugsame, rechtmaUige Ursache vor-
bandeu; dem Bischof sei bisher verborgen geblieben, warum
die Abtretung „umsonst und vergebens" geschehen solle; das
lutherisch Wesen werde im Fall der Abtretung zunehmen
(pag. 6—7 des Aktenbandes). Die letztere Riicksicbt war wohl
fiir den bischoflichen Bescheid der durchschlagende Grund und
ist ja auch vom bischoflichen Standpunkte aus begreiflich.
Indes machtiger als des Bischofs Wille und Macht war
der Drang und Zwang der Zeitverhaltnisse. Man fiihlte im
Teutschorden, dafi die Position in Windsheim, dieser der luthe-
rischen Lehre so zugeneigten Stadt, nicht mehr zu halten sei,
und gab sich alle Miihe, den Wtinschen der Stadt Windsheim
entgegenzukommen. Der Rechtsbeistand des Ordens, Dr. jur. utr.
Siglin, hatte schon in eineni Schreiben an den Bischof (datiert 1524
„am Abend Agathae**, das ist 4. Februar), in welchem er hervor-
hob, „daB der lutherischen Lehre halben seinem Herrn mehr Kosten
draufgingen (nslmlich auf das Patronatsrecht), als er Nutzen da-
von hatte", dazu sei der Pfarrhof baufallig und die lutherische
Irrung sei nicht abzuwenden, auch wenn sein Herr das Patronat
behalten wttrde (pag. 9—14 des Aktenbandes). Urn der schrift-
lichen Darstellung noch besonderen Nachdruck zu geben, wurden
mit Vollmacht von „Montags nach Andreas appostolitag" (5. Dez.)
der Comentur von Virnsberg Wolfgang von Bibra und Dr. Siglin
selbst an den Bischof abgeordnet. Sie konnten mitteilen, „der
Pfarrhof sei in Unbaue kommen, der nicht denn rait schweren
Kosten zu erholen und wiederzubringen, hat unser Herr der
Teutschmeister . . . Schaden wohl bis in 200000 Gulden ge-
numen, also dafi Seiner Gnaden hochbeschwerlich, einem Pfarr-
herr jahrlich eine solche Kompetenz zu reichen und auch das
Pfarrhaus mit schweren Kosten in baulich Wesen zu pringen;
die aber von Winsheim wollten diese Last allein auf sich
laden . . .". Der Pfarrer in Windsheim sei seines Lebens nicht
sicher; er werde von den Leuten bedroht, „wo er nicht ihres
Gefallens predige, wollten sie ihn von der Borkirchen mit Steinen
zu tot werfen", man habe auch Steine mit in die Kirche ge-
nommen (pag. 20—23 des Aktenbandes).
Alle diese Bemuhungen des Ordens, das Patronatsrecht mit
seinen Lasten loszubekommen, waren bei dem Bischofe ver-
204 Herold, Das Kirch enpatronat in Windsheim.
geblich. Am ^Mittwoch nach circamcisionis dnj anno XXV" (2. Jan.)
erging an den Teutschmeister ein bischof licher ErlaB, in welchem
behauptet wird: „Bei unsern Gelehrten ist Zweifel, ob wir das
za tan Fug und Macht haben", and dann wird die tJbeilragung des
Patmnates an die Stadt Windsheim wegen der lutherischen Lehre
und Sekten rundweg verweigert (pag. 28—29 des Aktenbandes).
Das war anfangs Januar des Jahres 1525 und vom Sonn-
tag Reminiscere den 12. M3,rz 1525, also nngefahr 2 Monate
spater, ist eine Urkunde datiert, die im Archive des Magistrals
Windsheim liegt, und in welcher in aller Form Rechtens mit
Siegeln und Unterschriften der Tentschorden das Kirchenpatronat
fiir alle Zeiten an Rat und Stadt Windsheim abtritt. Vor dem
kaiserlich und papstlich beglaubigten Notar Johannes Grefinger
in Windsheim erschienen der Comentnr des Teutschordens zu
Virnsberg Georg von Knoring, der Windsheimer Pfarrer Petrus
Wursdorffer, Angehoriger desselben Ordens, Gregorius Spies,
Sekretar des damaligen Hofmeisters Dietrich von Kleen, Georg
Konigsperger und Michel Bernpeck beide Burgermeister der
Stadt Windsheim. Pfarrer Wursdorffer libergab auf Befehl des
Teutschordens „unter Ihrer furstlichen Gnaden Meisteramts
groBem und der Bailey zu Franckhen, auch des HauCes Virns-
berg Insiegeln" den bemelden Biirgermeistern der Stadt Winds-
heim ,,alle seine Jura, Recht und Gerechtigkeit, die er . . . ge-
habt und hinfiiro haben hett mugen . . . verzigt sich alsbald
derselben gar und ganzlich in der allerhochsten Form als er
das immer tun sollt kunnt und mocht, gelobt, geredt und ver-
sprecht . . . mit hingebenden Treuen mit seinen priesterlichen
Ehren, Wirden und wahren Treuen, weder jetzo uoch hinfiiro
in ewig Zeit zu einem ehrbaren Rat der Stadt Windszheim . . .
gar kein Rechtsanspruch noch Forderung mehr zu haben noch zu
gewinnen . . . denn er hett aus freier Willkur, auch aus schuldiger
Pflicht gut und freiwillig getan . . .". Damit ging denn nun
das Kirchenpatronat trotz der bischof lichen Weigerung mit alien
Rechten und Lasten auf die Stadt Windsheim iiber. Der Rat
machte von seinem neuerworbenen Rechte auch sofort aus-
giebigen Gebrauch, indem er die Pfarrstellen mit evangelischen
Geistlichen besetzte und das ganze Kirchenwesen im Sinne der
reformatorischen Grundsatze ordnete.
Herold, Das Kirchenpatronat in Windsheim 205
Was die Motive anlangt, aus welchen der Teutschorden
die Abtretung des Patronates so energisch und zahe betrieb,
so waren es offenbar andere, als Schirmer in seiner Geschichte
Windsheims und seiner Nachbarorte S. 108 angibt. Er sagt:
„der' damalige Hoch- und Teutschraeister Dietrich von Geleen
(vielmehr Kleen!) hatte sich im Jahre 1525 aus Furcht vor
den aufruhrerischen Bauern nach Windsheim geflnchtet. Seine
Anwesenheit beniitzte der hiesige Rat, um ihn um Abtretung
des Prasentationsrechtes anzugehen, was dieser in seinem ersten
Schrecken bewilligte." Das ist eine kaum haltbare Kombination.
Der Teutschorden selbst hatte ja schon im Jahre 1524, wie die
oben dargestellten Verhandlungen beweisen, die Abtretung be-
trieben und zwar mit allem Nachdruck und in Berlicksichtigung
des eigenenlnteresses; es kam ihm darauf an, zugleich mit dem
Eechte auch die auf dem Patronate ruhenden Lasten los zu
bekommen. Taxierte fiian doch selbst die Hohe der bisher er-
wacbsenen Kosten auf „wohl 200000 Gulden" und hatte von
der Herstellung des „in Unbaue gekommenen*^ Pfarrhofes in
den allernSchsten Zeiten wieder groUe Leistungen und Auf-
wendungen zu erwarten. „Die aber von Winsheim woUten diese
Last allein auf sich laden" (s. S. 203). Also nicht „im ersten
Schrecken" uber die Bauernunruhen, sondern in seinem eigenen
wohlberechneten Interesse hat der Hochmeister des Teutsch-
ordens Dietrich von Kleen die Abtretung des Patronates be-
trieben und bewilligt.
Vom Jahre 1525 — 1792 blieben die PatronatsVerhaltnisse
unverandert und zwar iibte der Rat das Patronatsrecht aus
nicht bloB uber die Pfarrstellen der Stadt Windsheim selbst,
sondern auch iiber die Windsheimischen Landpfarreien Illesheim,
Wiebelsheim, Oberntief und Klilsheim. Im Jahre 1792 kam
die Umgegend mit der Markgrafechaft Ansbach an die Krone
PreuBen. Die genannten Pfarreien wurden sofort vom Kapitel
Windsheim getrennt und der preuBischen Superintendur Burg-
bernheim einverleibt, auch den Pfarrern befohlen, den Eat von
Windsheim nicht mehr als ihren Patron zu erkennen und in
das Kirchengebet anstatt dieses Rates die preuBische Konigs-
familie einzuschlieBen. Der Rat besaB nun das Patronat nur
noch iiber die 3 Pfarrstellen der Stadt Windsheim.
206 Herold, Das Kirch enpatronat in Windsheim.
Aucli dieses Recht ging verloren, als im Jahre 1802 die
Reichsunmittelbarkeit verloren ging. Bis zum Jahre 1832 warden
die 3 Pfarrstellen in Windsheim von der allerhochsten Stelle
besetzt; mit der weltlichen Hoheit hatte der Rat anch die
kirchenregimentliche eingebiiBt. Erst im Jahre 1832 wurde auf
Bitte des Magistrats an den Konig das Prasentationsrecht zu
den Pfarr- und Schulstellen in der Stadt mit Dekret vom 7. De-
zember wieder verliehen und zwar mit folgenden Bestimmungen
ffir die Pfarrstellen: 1. Die erste Pfarrstelle in Windsheim be-
halten Wir Uns wegen des damit jeweils zu verbindenden
landesftirstlichen Dekanats zu unmittelbarer Besetzung vor.
2. Die Wahl zu den librigen geistlichen Stellen daselbst hat
von den protestantischen Mitgliedern des Magistrats, der Ge-
raeindebevollmaehtigten und, sobald das Institut der Kirchen-
vorstande in Windsheim ins Leben getreten sein wird, mit
Zuziehung dieser in gemeinschaftlicher Sitzung durch einfache
Stiramenmehrheit zu geschehen etc. Die beiden ersten Geist-
lichen, welche nach dieser neuen Ordnung der Dinge in Winds-
heim angestellt wurden, waren a. 1833 der von der Stadt pra-
sentierte bisherige Pfarrer von RoCstall Grofimanu und der
durch allerhochste EntschlieBung zum Dekan und ersten Pfarrer
ernannte bisherige 3. Pfarrer Hochstetter.
Im engen Zusammenhange mit den Zeitereignissen hat das
Patronat sich entwickelt, im Zusammenhange mit der Grundung
des Bistums Wiirzburg, mit dem Emporkommen des Teutsch-
ordens, mit den reformatorischen Bewegungen und mit den
groBen Staatsumw^lzungen zu Ende des 18. und Anfang des
19. Jahrhunderts. . Mit alien Rechten und Lasten wurde es vom
Rat und Stadt Windsheim vom Teutschorden tibernommen. Die
Rechte sind bis auf den kleinen Rest des Prasentationsrechtes
an den 2 Windsheimer Pfarrstellen abgenommen worden; die
Lasten sind geblieben. Die Last der Baupflicht an den Kultus-
gebauden in Windsheim ruht auf der Kirchenstiftung daselbst
und zu den Besoldungen der friiheren Windsheimischen Land-
pfarreien und Schulstellen mnB die Kirchenstiftung groBe Bei-
trage hinauszahlen, wozu die Verpflichtung aus dem ehemaligen
Patronatsverhaltnisse herriihrt. Die oben erwahnte Baupflichts-
recherche wurde angestellt, um nachzuweisen, daB das Kirchen-
Bossert, Ein Brief von Jakob Schopper. 207
patronat in Windsheim nicht eo ipso landesherrlich war, sondern
mit Lasten und Pflichten erworben wurde, und daB mit der
Abnahme der Rechte, wenigstens ihrem allergroBten Telle nach,
auch die Pflichten und Lasten ihrem groBeren Telle nach auf
den Rechtsnachfolger, den baj^erischen Staat, hatten uber-
gehen sollen.
Ein Brief von Jakob Schopper. Ein Beitrag zur
Geschichte der Schule in Hornbach.
Von Gustay Bossert.
Im Jahre 1558 hatte Pfalzgraf Wolfgang von Job. Mar bach in
Strafiburg sich einen Rat wegen Errichtung einer Partikularschule
— wir wurden sagen: eines Gymnasiums — in dem ehemaligeu Bene-
diktmerkloster Hornbach erbeten. Dieser stellte ihra „ein Bedenken
von den Schulen, wie die im Fiirstentum Zwaienbriicken anznrichten
seien," und insbesondere von der Partrikularschule zu Hornbach^).
Die Schule in Hornbach wurde nach dem Muster der von Job. Sturm
geleiteten Strafiburger Schule eiugerichtet und mit Mitteln der Klbster
Hornbach, Wbrschweiler, Disibodenberg und Offenbach ausgestattet.
Im Jahr 1559 wurc(e sie eroffnet. Nach Marbachs Studienplan sollten
die Schiiler zum Studium der Theologie vorbereitet und das rechte
Fundament dazu mit den vera principia der christlichen Religion gelegt
werden. Zu diesem Zweck sollten am Samstag vormittag die Pra-
zeptoren, jeder in seiner Klasse, in der ersten Stunde iiber den Ka-
techismus Luthers examinieren und in der folgenden Stunde den
Katechismus des David Chytraus lateinisch exponieren lassen. Am
Sonntagmorgen vor der Amtpredigt sollte in der ersten halben Stunde
das sonotHgliche Evangelium griechisch interpretiert und den Schlilern
die kurze Summa derselben angegeben, in der zweiten halben Stunde
aber der ChytrSus Katechismus rait ihnen repetiert werden^).
Das urspriingliche religiose Lehrziel war aber bedeutend hoher
gestellt und die Lehraufgabe viel schwerer geworden, als Jakob Schopper
1) Heintz Gas. Le college de Deux-Ponts depuis sa fondatiou jusqu'a
DOS jours. 1 ; L'histoire de cet ^tabissement pendant son s^jour k Horn-
bach 1815. Finger, Herm., Lie. th., kgl. Gymnasialprofessor in Zwei-
briicken, Altes und Neues aus der dreihundertjahrigen Geschichte des
Zweibrttcker Gymnasiums. Keiper, Dr. phil, k. Gymnasialprofessor, Neue
urkundliche Beitrage zur Geschichte des gelehrten ISchulwesens im friiheren
Herzogtum ZweibrUcken, insbesondere des Gymnasiums. Drei Programme
der k. Studienanstalt in Zweibrucken I. 1891/92. II. 1892/93. III. 1893/94.
Matricnla des Hornbacher Gymnasiums 1559—1630. Verzeichnis der Pro-
fessoren und Stipendiaten, herausgegeben von Rud. Buttmann. Programm
des k. humanistischen Gymnasiums in Zweibriicken 1903/04. Die Kenntnis
der Programme verdanke ich Herm Konsi«torialrat Dr. Ney in Speyer,
2) Keiper, Neue urkundliche Beitrage II, 9, 10.
208 Bossert, Ein Brief von Jakob Schopper.
1576 sein Amt antrat. Dieser begabte^ lleifiige, aber etwas unruhige
Mann^), der viel wandern mufite, war am 1. November 1545 in
der Reichsfltadt Biberach a. d. Kifi in Oberschwaben geboren. Sein
gleichnamiger Vater, ein Schuler Lutbers, hatte in einera Religions-
gesprach in Gegenwart des kaiserlichen Oberst die Wahrbeit der evan-
gelischen Lebre mit Nachdruck verteidigt, starb aber schon am 29. MSrz
1547. Die Sage ging, dafl er von den Spaniern vergiftet worden sei, aber
sie bat keinen genUgenden Ornnd. Die Matter schickte den Knaben
auf die Schule nach Memmingen, wo Job. Kleber als Schulmeister
in hobem Anseben stand. 1559 kam er nacb Tubingen, wo er am
12. Mai immatriknliert wnrde. 1561 wurde er ins Martinsstift auf-
genommeu und magistrierte am 17. Februar 1563. Nacbdem er
7 Jabre unter Jak. AndreS, Hcerbrand und Dietricb Scbnepf studiert
batte, berief ihn seine Vaterstadt 1566 zum Mittagprediger. Als ein
streitbarer Tbeologe geriet er mit der in Biberacb sicb stark er-
hebenden rSmiscben Partei zusammen und wurde 1575 entlassen.
Nunmebr ging er nach Tubingen und wurde wohl auf Empfeblung
seiner TUbinger Lehrer nacb Hornbacb berufen. Am 9. Januar 1576
trat er sein Amt an. Die Matricula sagt von ibm: „eruditione et
eloquentia vir clarus tbeologiam publico in hac schola profiteri magna
cum dexteritate coepit^. Scbon am 4. MKrz wurde. er nebeu dem
Lehrer der Medizin, Physik und Mathematik, Georg Fabricius von
Bergzabern, zum Scholarchen bestimmt^). Mit grofier Hingebuug ging
Schopper an sein neues Amt, gait es doch dem Luthertum in Hornbach
und ZweibrUcken gegenuber dem Einflufi des Pantaloon Weifi und
des Kanzlers Schwebel einen festen Halt zu geben. Wirklicb war
esgeluugen, Pfalzgraf Hans 1577 zur Unterschrift der Konkordienformel
zu bewegen^ aber 1578 nahm er seine Unterschrift wieder zuruck,
da weder Dr. Jak. Heilbronner, der seit 1575 Hofprediger in Zwei*
brUcken war, noch Schopper imstande waren, dem von dem Pfalz-
grafen Job. Kasimir stark geftJrderten Calvinismus, der auch auf den
ZweibrUcker Hof und die dortigen MSnner der Regierung grofieu
Eindrnck machte, die Spitze zu bicten.
Aber Schopper tat, was er koiiute. In einera Brief vom 11. No
vember 1579^) schildert er uns seine TStigkeit. Er erklSrte Heer-
bands Compendium tbeologiae, eines der yerbreitetsten Lehrblicher
jener Zeit, ebenso die Sonntagsevangelien und stellte ihren Gehalt
flir die Predigt kurz heraus, liefi dann von den SchUlern eine Dis-
position ausarbeiten, die er verbesserte, und legte die paulinischen
Briefe aus. Jeden Monat veranstaltete er eine Disputation uber das
in Heerbauds Kompendium behandelte LehrstUck, wozu die Theologen
von ZweibrUcken, die benachbarten Pfarrer und die Lehrer in Horn-
1) Vgl. Allg. Deutsche Biographic 37, 373. (Tschackert).
2) Buttmann a. a. 0. S. 5.
3) S. den Abdruck unten.
k
Bossert, Ein Brief von Jakob Scboppcr. 209
bach zn erscheinen pflegteD, um zu opponieren, wabrend Schopper
die YerteidigUDg nbernabm und am Scblufi die Yerbandlungen in
einer volkstumlichen Ansprache zusammenfaffite. Daneben batte er
an Sonntagen und Freitagen zu predigen und auf der furstlicben
Kanzlei Uber die kircblicbeu Angelegenbeiten mitzuberaten.
So ansebniich die Stall ung Schoppcrs in Hornbach war^ so reicb
seine Wirksamkeit sein mocbte, er fiibUe sich nicht befriedigt von
den kircblicben Verbal tuissen und folgte in it Frendeu dem Kuf des
strengen Lutberaners Kurfiirsten Ludwig von der Pfalz^ der ibm erst
die Leitung des Sapienzhauses in Heidelberg Ubertrug und ibm 1581
eine tbeologische Professur gab. Am 6. April 1580 scbied er von
Horubacb ^). Aber kaum war er mit Kurfurst Ludwig in Unterhand-
lung wegen seiner Berufung getreten und des Erfolges gewifi; be-
scbaftigte ibn die Sorge, einen geeigneten Nacbfolger zn gewinnen.
Er schrieb deshalb am 11. November in aller Priibe an die hervor-
ragendsten Mitglieder des Konsistorinms, den Propst der Stiftskirche
zu Stuttgart^ Job. Magirus; imd den Ho^rediger Lukas Osiander,
aber aucb an Job. Marbaeh in Strafiburg; der Bote soUte erst nacb
Strafibnrg gehen und; wenn er dort keine Zusage erbalte^ nacb Stutt*
gart reiseu; um dort zn werben. Da Marbacb damals in Frankfurt
weilte, so mufite der Bote von Strafiburg dortbin reiten und gelangte
erst am 21. November nacb Stuttgart^). In seiuem Brief setzt er
die Bekanntscbaft des wUrttembergischen Konsistoriums mit der kircb-
licben Lage in Pfalz-Zweibrlicken voraus, da er im Mai personlicb
in Stuttgart iiber seine Lage und im Zusammenbang damit uber die
kircblicben Verhftltnisse seiner Umgebung bericlitet batte. Er bat
um sofortige Absenduug eines geeigneten Nachfolgers^ um ibn dem
Pfalzgrafen Hans zu prHsentieren und bescbrieb dessen ki^nftige Auf-
gabe. Das Amt fordere einen erfabrenen Mann^ der des tbeologiscbeh
Doktorbutes wtirdig sei, wie man einen solcben aucb in Laningen
braucbe. Offenbar batte Scbopper bier Phil. Heilbronner im Auge^
der im Jabre 1574 als Professor und Scbolarch von Wtirttemberg
nacb Laningen geschickt und 1577 zugleich mit sein em Bruder Jakob
und dem Ulmer Prediger Job. Yesenbeck in Tubingen zum Doctor
theol. kreiert worden war. (Fischlin, Memoria theoL, Wttrttemberg,
S. 210). Zugleich hob Scbopper hervor, sein Amt fordere einen
cbarakterfesten^ streng lutheriscben Mann, der angesichts der am Zwei-
brucker Hof webenden Luft weder Hafi noch Gunst achte und den
Mnt habc; fest auf dem lutheriscben Bekenntnis zu besteben, und
Uber den Yerdacht des Zwinglianismus oder andern Irrtums erbaben
1) Die Allg. Deutsche Biographic a. a. 0. kennt Schoppers Berufung
zur Leitung des Sapienzhauses nicht, die dureb die Hornbacber Matrikel
S. 5 sicher gestellt ist, und laBt Schopper von Hornbach nacb TObingen
und erst 1581 naeh Heidelberg gehen.
2) Das ergibt sich aua dem Beibericht von Luk. Osiander zn Schoppers
Brief.
Beitrage zur bayer. Kirchengeflchichte XII. 6. 14
210 Bossert, £in Brief von Jakob Schopper.
sei. Aber sehr bezeichuend ist^ dafi Schopper doch der Charakter-
festigkeit der Theologen nicht allzuviel zutraute, well er zu yiele Ent-
tauschungen erlebt hatte. Er wUnschte nSmlich einen wUrttembergischen
Stipendiaten^ der dem Herzog zuin Dienst verpflichtet sei imd jeder-
zeit wieder nach WUrttemberg zuriickgerufen werden konne, falls er
in Gofabr komme, voq dem eindringenden Galviiiisinas aDgesteckt zu
werden. Offen spricbt er aus, sein Nacbfolger miisse in Furcht gebalten
werden; wenn er dem lutherischen Bekenntnis treu bleiben soli. Ein
ManU; der seiner Heimatkircbe und ihrem Bekenntnis nicht ver-
pflichtet wfLre, k(5nnte von einigen im Herzogtnm Zweibrucken sich
einnehmen lassen und den Irrtumern zufallen. Das hier ausgesprochene
Mifitrauen gogen die lutherischen Theologen, selbst gegen die von
ihm hochgeschfttzten Wurttemberger^ die damals doch im ganzen fest
in ihrem Bekenntnis standen, ist uberaus bezeichnend fur Schopper,
welcher die darin liegende Schmach, die er seinen Standes- und
Glaubensgenossen antut, kaum zu empfinden scheint.
Das Schreibeu wurde von Magirus und Luk. Osiander kuhl auf-
genommen und an des Herzogs SekretEr Melch. JUger mit einem von
Osiander verfafiten Beibericht gesandt. Allerdings erkennen beide die
Bedeutung der Schule in Hombach an und sagen mit Stolz, dafi
Gottlob solche Personen, die einer solchen Vokation ftirstehen kSnnten,
in WUrttemberg zu finden seien. Auch verbergen sie sich die Gefahr
nicht; die der Abgang Schoppers fiir das lutherische Bekenntnis auch
der Schule zu Hornbach briugen k^nnte^ da „der Pfarrherr zu Zwei-
briickeU; so ein schlupfriger und falscher ManU; der die Ohren stark
zu den Zwinglianern hliugC; iiber vielfliltige Warnung geduldet werde.**
Aber sie betonen zuerst, dafi Schopper keine fi>rmliche Vollmacht
seines Fiirsten babe, um in WUrttemberg einen Theologen zu werben.
Auch kSnne ein wiirttembergischer Theologe dort nicht angenehm sein,
sonderlich weil der Hofprediger selbst, Dr. Jak Heilbronner; vor dieser
Zeit „leins gestanden^ und die formula concordiae den dortigen Theo-
logen und Schulen noch nicht Uberschickt sei. Es sei zu gewagt,
auf Wunsch einer Privatperson einen geeigneten Theologen einen so
weiten Weg machen zu lassen, ohne dafi er versichert sei, dafi mit
seinem Erscheinen dem FUrsten in ZweibrUcken ein Gefallen geschehe.
Magirus und Osiander schlugen daher Jciger vor, Schopper solle ge-
antwortet werden, Herzog Hans mSge bei Herzog Ludwig um einen
geeigneten Theologen, an dem es nicht fehle, anhalten. Jager war
damit einverstanden. So schrieb denn Osiander im Namen des Propstes
am 26. November an Schopper, er moge die Berufung eines Theo-
logen aus WUrttemberg beim Herzog Hans betreiben. Dieser aber
machte keine Miene, einen lutherischen Theologen aus WUrttemberg
zu beriifen. Ja 1680 wurde auch Heilbronner entlassen, nachdem
eine Gesandtschaft der lutherischen Fursten und StKdte noch vergeb-
lich den Herzog umzustimmen versucht hatte. Zweibrilcken war dem
Bossert, Ein Brief vou Jakob Schopper. 211
LuthertuiD verloren (vgl. den Art, Candidas von "Ney RE, 3,^ 704 flF).
Schoppers wechselvolle fernere Laufbahii beriihrt una bier nicbt. Sie
ware aber einer weiteren Untersucbung in deu Beitragen fur bayeriscbe
Kircbengescbicbte wert, da Scbopper nach der Entlassung aus seiner
tbeologischen Professur in Heidelberg 1584 bis an sein Lebensende
12. September 1616 dem recbtsrheiniscben Bayern angebbrte, indem
er erst Superintendent in Ueideck in der Pfalz Neuburg, 1588 aber
Hofprediger des Markgrafen Georg Friedrieb uud dann Superintendent
in Lebrberg wnrde, 1593 als Superintendent uacb Amberg kam. Es
wSre docb sebr der MUbe wert, sein en Ubergang von der Hofpradi-
katur in Ansbacb auf das Amt in Lebrberg und ebenso seiuen Ab-
gang von Amberg nacb Zeit und Ursacbe nocb naber zu untersucben,
auch seine Tatigkeit in Altdorf von 1598 — 1616 als Prediger und
Professor genauer zu beleuchten. Mit der Wiirdigung als „lutbe-
riscber Streittheologe im Sinn der Konkordienformel", AUg. Deutsche
Biograpbie 37, 373 ist docb wenig gesagt.
Jak. Scbopper an Propst Job. Magirus und Hofprediger
Luk. Osiander in Stuttgart.
Horn bach, den 11. November 1579.
S(alutem) in Cbristo Jesu servatore nostro unico.
Eeverendi et clarissimi viri et colendi, norunt vestrae reveren-
tiae, quid cum ipsis do rerum mcarum statu Stutgardiae praeterito
Maio contulerim. Gum igttur iam divina providenti'a et dispositione
mibi contingat vocatio et a mea praesenti functione sim abi turns,
mihi autem ab illustrissimo et demon tissimo meo principe sit iniunc-
tum, ut aliam idoneam personam in meum locum substituam, rogo
obnixe, ut alium idoneum virum ex vestro ducatu statim cum commen-
daticiis vestris hue mittatis, qui illustrissimo principi pr^iesentari
possit. Rogo autem per Christum: Quia mea praesens functio satis
peritum tbeologum requirit, ut nobis talem virum mittatis, qui in
studio s. tbeologiae compleverit et bactenus bona specimina concio-
nando et disputando reddiderit. Nam in nostra scbola ipsius muneris
erit; explicare compendium tbeologiae D. Herbrandi, item evangelia
dominicalia et ex iis materiam concionandi exponere et earn a dis-
cipulis compositam emendare, item epistolas Paulinas enarrare nee
non singulis mensibus locum in compendio explicatum publica dis-
putatione, ad quam theologi Bipontini, vicini pastores et nostri pro-
fessores comparere ac opponere solent, defendere, locum dispntatum
in sermonem popularem redigere. Item in ecclesia die dominica et
die Veneris concionabitnr. Adhibebitur etiam saepius in Cancellaria
illustrissimi principis in negociis ecclesiasticis. Nam eadem est ratio
nostrao scholao, quae est Lauinganae. Sicut ibi ergo oportuit mitti
talem virum, qui fuit dignus doctoratu^ sic similem personam hue
mitti opportobit. Et certe huic meo successori, sicut et mihi facien-
14*
212 Schornbaum, Die SakalarisalioD des Klosters Solnhofen.
dum fuit, pugnandnm erit strenue contra sacramentarios, quibus
haec terra magis qnam vestra affligitur. Et ibi non respicienda gratia
vel odium quorundam magnoram viroram^ sicuti ex proximo meo
colloquio intellexistis. Ideo mittetis etiam talem yirum, qui sit con-
stautissimus in syncera doctrina, et de quo ne minima quidem sit
suspicio Ginglianismi yel alterius erroris. Vellem etiam^ ut talem
mitteretis, qui illustrissimo vestro principi est obligatus, id ea de
causa, ut sic a vobis theologis in timore contineri posset, ne ad
errores delaberetur, et qui a vobis demum revocari posset, si se si-
nistrum praeberet. Nam si liber nm aliquem mittitis, posset is a qui-
bnsdam in hoc ducatu occupari et errores recipere et sic vos deinde
ilium non possetis revoeare. De facto pericula ecclesiae sunt prae-
venienda. Testatur enim experientia, quod saepius multi, do quibus
melior spes fuerat, a veritate ad errores deficiant, quod ego multorum
exemplis vidi. Ut etiam talis vir plus ac probus sit, id ante omnia
per se necessarium erit.
Talem virum, ut iam mittatis, obnixe rogo, qui tempestive
illustrissimo ac clementissimo principi praesentari queat. Valeant
vestrae reverentiae in Christo Jesu op optim6(!); ac domiuis vestris
collegis meam of^ciosam salutem impertiri ne gravemini. Scriptum
ad lucem XI Novembris Anno 79
Vestrarura reverentiarum observantissimus
M. Jac. Schopperus, pastor et s. theologiae professor Horbaci
in ducatu Bipontino.
(praes. 21. Novembris 79.)
Dem ehrwurdigen und hochgelehrten Herrn M. Jobanni
Magiro der loblichen Kirchen zn Stuttgart Propst und
Herr Doctor Luccae ( ! ) Osiandri fiirstlichem Wurttembergi-
schen Hofprediger, meinen insunders gunstigen Herren
sampt und senders zu eroffnen.
Kegistratur des Konsistoriums in Stuttgart.
Die Sakularisation des Klosters Solnhofen
von Dr. K. Schornbanm.
Die Benediktinerpropstei Solnhofen gehorte zu den weniger be-
deutenden Klostern cler Markgrafschaft Brandenburg. Das Einkommen
betrug 1532 nur 7 — 800 fl.3). Infolgedessen zablte^ der Konvent
wohl immer auch nur wenige Mitglieder. 1507 waren nach dem
Tode des Propstes Job. Kastner nur 5 MSnche vorhanden^): 1525
1) Bericht des Bichters Yeit Jager. Kreisarchiv Nurnberg. Rep. 162.
Kloster Solnhofen Tit. 14. Nr. 1 f. .51.
2) -In einerUrkunde vom Do. n. Oculi (11. 3.) 1507 werden samtliche
Schornbaam, Die Sakularisation des Klosters Solnhofen. 213
war ihre Zahl aut zwei herabgesunken, sodafi Markgraf Kasimir
Ohristoph, Abt zu Heidenheim; nacb Solnhofen sandte, damit
uberhaupt die Wabl eines neuen Propstes vorgenommen werden
konnte^). Sie fiel auf den einen der beiden noch vorbandenen
M5nche Jakob Jsiger, der nun aucb der letzte wirkliche Propst des
alten Benediktinerklosters werden sollte^).
Von der Reformation blieb Solnhofen ziemlich lange verschont.
Die 1525 durch Kasimir erfolgte S&kularisation war nur voriiber-
gehend^). Bereits am 14. September 1525 Ubergab er die Ver-
waltnng desselben dem Propste^), wenn auch die Untertanen des
Klosters erst im nilchsten Jahre davon in Kenutnis gesetzt wurden ^),
imd am 1. Eebruar 1527 ordneto er dessen v5llige Zuriickgabe an
ihn an^). Urn das Mandat, welches die EinfUhrung des Landtags-
abschiedes von 1526 anordnete, kummerte dieser sicli nun uicht mehr
viel; er glaubte wohl ungestSrt bis an sein Lebensende seinem
Glauben in seiner Propstei treu bleiben zu k5nnen'^). AUerdiugs
hatte man zu seiner tJberwachung 1530 Veit JSger als Yogt und
Richter aufgestellt*).
Im Jahre 1532 gab nun dieser den Anstofi zur Einziehung
des Klosters. Er scheint mit dem Propst in Streit gerateu zu sein ;
aus Rachsucht iibersandte er dem markgrllflichen Kanzler Georg
Vogler eine Reihe von Besch werden liber ihn und seine Verwaltung
Mitglieder der Ron vents aufgezahlt: Herr Stephan, Jakob, Zacharias,
Georius und Jodokus. Rep. 162. Tit. 6. Nr. 29. Jakob ist der letzte
Propst : Jakob Jager; Zacharias wird wohl identisch sein mit dem noch 1532
im Kloster befindlichen Zach. Wagner.
1) Cbristopb, Abt von Heidenheim an Kasimir. d.d. Fr. n. Petri et
Paul! (30. 6.) 1525 Befehl Kasimirs an das Kloster. d.d. Ansbach Kiliani
(8. 7.) 1525. Rep. 162. Tit. 6. Nr. 13 f. 78. 80 (99).
2) Christoph, Abt. von Heidenheim an Georg d.a. 1529. Darnach
wurde Jakob Jagcr mit Umgehung des Abtes von Fulda direkt vo|i Rom
bestatigt. Tit. 6. Nr. 13 f. 84. 86. Sein Vorganger Georg Gutmann 1517—1525.
8. Tit. 6 Nr. 13. gegen A. Hirschmann, der heilige Sola S. 75.
3) Bericht der Statthalter zu Heidenheim u. Auhausen W. Ruff u.
N. Himler an Kasimir. d. d. Mittw. n. Voc. Juc. (24. 5.) 1525. Rep. 162.
Tit. 14. Nr. 1. f. 1. Klosterverwalter war dainach: H. Strobel. "s. K.
Schornbaum, Die Stellung des Markgrafen Kasimir von Brandenburg
zur reformatoriscfaen Bewegung. Niirnberg. 1900 S. 200. A. Hirschmann,
Der heilige Sola. S. 64 schreibt diese Klostereinziehnng Georg zu. Mit
welchem Recht?
4) Kasimir und Georg an Jakob, Propst zu Solnhofen. d.d. Ansbach
Di. n. Ex. Crucis (14. 9.) 1525. Rep. 162. Tit. 14. Nr. 1 f. 3.
5) Kasimir an die Untersassen des Klosters Solnhofen d.d. Ansbach.
Eritag n. Exaudi (15. 5.) 1526 ibidem f. 5.
6) K. Schornbaum 1. c. S. 236.
7) d.d. Wien: 20. 1. 1527. Grig. Ansb. Rel. Acta II. f. 246 g.
W. V. d, Lith, ErlauteruDg derReformationshistorie . . . Schwabach 1733.
S. 195 § 2. cf. Schornbaum S. 234.
8) Rep. 162. Tit 8. Nr. 1. f. 28. Georg an Jakob, Propst von Solnhofen
d.d. Ansbach Di. n, Antoni (18. l.)l 530.
214 Schornbaum, Die Sakiilarisatiun des Klosters Solnhofen.
in der Iloffmiug, ein Einscbroiten der Regieruug zii erzieleo ^). Zu-
iiMclist gab er ihm Scbuld, dafi er sich urn die Befehle des Mark-
grafen beziiglich des Gottesdieustes gar nicht kUmmerte, soDdern seinen
alten GebrSuchen treu geblieben sei. An seiner Verwaltung wufite
er ebenfalls manches zu tadeln. So teilte er mit, dafi der Propst
die Jagd aaf den Feldern des Klosters nicht an markgrafliche^ sondern
au pi^lziscbo; eicbstattiscbe und pappenbeimische Untertanen vergebe
uud ibuen viel entgegenkomme^ wenn sie mit ihren Hunden im
Kloster liber Nacbt blieben. Von ricbtiger Hausbaltuug verstiinde
er iiberhaupt nicbts. Er lasse die Gebftude des Klosters zcrfallen^
Gliter wurden ibm entfremdct. Sein Bestreben sei eben nur das,
fur seine Familie zu sorgen. Habe er docb ^zum Argernis aller
Frommen eine Hure an sicb benken und Kinder mit ibr^^ die er aiicb
zum Teil scbon verbeiratet babe. Alle diese unterbalte er auf Kosten
des Klosters. Diese Frau babe eiast durcb ihren Leicbtsinn eiuen
Brand im Kloster verscbuldet, der grofien Scbadeu angericbtet babe.
Der Propst babe ibr dann ein Haus zu Solubofen gekauftr als sie
aber durcb markgrHflicbes Gebot ausgewiesen wurde, babe er ibr
wiederum aus den Mitteln der Propstei eine Wobnung zu Morolz-
beim (Morusbeim ?) erworben : das Haus zu Solnbofen babe er da-
gegen seineu Tochtermann iiberwiesen. Aucb sonst babe er genugsam
flir seine Verwaudte gesorgt; den Klostermuller von MSrnsbeim babe
er vertrieben, um seinen Scb wager dabin zu bringen. Einen andern
Scbwager babe er zum Baumeister des Klosters gemacbt; einmal
babe er ibn nacb Franken zum Weinkauf gescbickt. Nacb seiner
Heimkebr gab er an, man batte ibn unterwegs alles Geldes beranbt,
wabrend cr in Wirklicbkeit dasselbe fur sicb bebielt. Dagegen sei
nicbt eingescbritten worden. Der Propst sei viel zu alt, um ricbtig
Haus balten zu k(5nuen; er benke alles an seine Hure; man solle
ibn absetzen, sonst gebe das Kloster zugrunde^). Vogler ubersandte
dies Scbreiben dem Markgrafen ^), welcber am 18. Februar 1632 die
Stattbalter und KSte beauftragte, die ganze Sacbe zu untersucben.
Falls sicb berausstellen wurde, dafi der Propst scbuldig ware, kSnue
ibm die Verwaltung nicbt mebr gelassen werden. Dann soUten sie
ibm eine Pension aussetzen und weitere Vorscblage uber die Ver-
waltung des Klosters ibm unterbreiten. Falls sie es fur notig finden
wurden, einen geistlicben und weltlicben Verwalter aufzustellen oder
falls sie es ftir besser bielten, nocb einmal einen Propst zu wablen,
in jedem Falle sollten sie geeignete Vorscblage unterbreiten*).
Die Stattbalter beriefen zunacbst den Propst zur Verantwortung
1) Wolf RueflP, Kastner zu Wassertriidingen, an Stattbalter u. Rate
zu Ansbach. d.d. Job. Bapt. (24. 6.) 1532. Rep. 162. Tit. 14. Nr. 1. f. 33.
2) f. 13. 39.
3) Georg an Vogler d.d. So. Jnv. (18. 2.) 1532. f. 19.
4) Georg an Stattbalter u. Rate zu Ansbach, d.d. Jagerndorf s, e, d,
f. 10 u. 17.
Schornbaum, Die Sakularisation des Klostors Solnbofen. 215
nach ADsbach. Die Klagen schieneii ibnen uicbt uubegruiidet, mau
war mit seiner RechnuDgsfubruDg noch nie zufrieden gewesen^).
Als ihm nun die Klagepunkte des Ricbters yorgehalten wurden^
erklarte er sie rundweg fUr erlogen^ erbot sich jedoch, falls es der
Markgraf wuDSche, auf seine Propstei zu verzicbten *^). Nur ver-
langte or danu als Pension: die Bebausung des Klosters zu Pappen-
beim, 8 Hennen, 15 HUbner^ 3 Klibe, 3 Tagwerk Wieseu, 6 Scbober
Stroh, 2 Stock Holz, 6 Simra Korn, 6 Sra Habern, 3 Metzen
Dinkel, 1 Stricb Erbsen, 1 Stricb Tattel (Bucbweizen), Tiscbe,
Hausrat und 1 fl. Geld^) (1. Juni 1532). Darin saben die Statt-
balter docb ein teilweises Zugest^lndnis und beauftragten W. Kueff,
den Kastner zu Wassertriidingen, an Ort und Stelle die notigen
Untersucbungen zu veranstalten, um der Sacbe auf den Grund zu
kommen (2. Juni 1532)*). Unverziiglicb ging dieser daran, diesen
Befebl auszufubren, aber wie erstaunte er^ als er zu Solnbofen vom
Liicbter borte^ dafi uberbaupt nocb niemand vorgeladen sei. Offenbar
war diesem die ganzo Sacbe jetzt sebr unangenebm; er scblug vor^
eiue besondere Untersucbungskommission von Ansbacb aus abzuordnen
und scbon vorber alle Beteiligten von Amtswegen dann laden zu
lassen* Er wollte selbst sebr wenig damit zu tun baben^). Nocb
bevor die Mitteilung des Kastners in Ansbacb eintraf, batten die
Stattbalter ein ISngeres Scbreiben vom Propste erbalten. Er fiiblte
es, dafii eiue kurze Ablebnung aller Klagen des Ricbters ibm nicbts
belfen konne; er versucbte desbalb in langerer Ausfubrung die
einzelnen Punkte zu entkrSften. Fraglicb ist es, ob er selbst alles
verfafit bat; der Ricbter bebauptete, ein biscbbflicber Priester batte
ibm bilfreicbe Hand dabei geleistet. Er gab zunacbst zu, dafi er
sicb um die Mandate des Markgrafen bez. des Gottesdienstes nicbts
gekummert babe; er batte aber aucb keines empfangen. Darin batte
er sicb allerdings getSuscbt; denn das Mandat vom Februar 1527
ist ibm sicber zu Gesicbt gekommen ^). Besser konnte er sicb gegen
die andern Vorwurfe verteidigen. Er gab wirklicb zu, dafi er die
Jagd an fremde Untertanen verpacbtet babe ; aber er sei dazu eigent-
1) Zum ersterimal war Jakob Jager wobl 1526 von Easimir zur
RechnuDgsablage nach Ansbacb berufen worden d.d. Ansbacb So. Rem.
(25. 2.) 1526. f. 4. Da er aber ausblieb, wurde er 1528 dringend aufge-
fordert, am 12. Marz 1529 in Ansbacb zu erscheinen. d.d. Ansbacb. Thome
ap. 1529 (29. 12. 1528) f. 8. 9. 3. 1532 wurde er wiederum aufgefordert
zur RechnungsstelluDg zu erscheinen, nachdem die Recbnung von 1580 u.
1531 nicbts tauge. d.d. Sa. n. Oculi (9. 3.) 1532 Ansb. Rel. Acta Tom, suppl.
IV. Ease. 16. Nr. 11.
2) Tit 14. Nr. 1. f. 20.
3) f. 21.
4) d.d. So. n. Corp Cbr. 1532 f. 22.
5) d.d. Di. n. Bonif. (11. 6.) 1532 f. 29.
6) Kasimir und Georg an Jakob, Propst zu Solnbofen. d.d, Purif.
Mariae Abend (1. 2.) 1527. Rep. 162 Tit. 14. Nr. 2. f. 5.
216 Sohorubaam, Die Sak uiarisation des KloBtera Solnhofen.
lich gezwuugeD; da das KloBter viel Eiuklinfte an Gil ten uud Zehnten
eben in andern Gebieteu hatte, zu deren Einbringung man auf die
Hilfe solcher Leute angewieBeu sei. Da im ganzen Dorf kein Wirts-
haus sei, kSnne er sich docli nicht dagegen strSubeu, ihnen zu Zeiten
einen Trunk oder eiue Suppe vom Kloster zu verabreicheo. Mit
aller Entschiedenbeit wandte er sich gegen die Anschuldignng, dafi
er in unerlaubten Beziehungen zu einer Klostermagd stehe und ihr
und ihren Yerwandten zuliebe die Einkiinfte des Klosters verschleudere.
Als der Brand im Kloster ausgebrochen sei, wfire er gar nicht zu-
hause gewesen. Ein Hans hStte er ihr zu Solnhofen nie gekauft^
sonderu nur ihren Lohn ausbezahlt. Allerdings habe ihr Tochter-
manu sich hier ansassig gemacht; aber dabei sei er nicht beteiligt
geweseu; denn dessen Hans stehe dem markgraflichen Vogt zu.
In Mornsheim habe er ihr zu gar keinem Gute verhelfen konneu,
denn da sei er weder Lehens- noch Yogtherr, sic habe es aus ihrem
eigeuen Yermogen sich erwerben miissen, Auch die Yertreibung des
Klostermlillers wufite er aufzuklSren. Dem alten Miiller sei seino
Frau entfuhrt worden, so dafi er immer mehr in Schulden geriet.
Er habe ihm deswegen geraten, seine MUble zu verkaufen. Dieser
hatte auch seinen Rat befolgt. Weiter habe er nichts ihm einreden
k(5nnen^ da die Herrschaft liber die Muhle dem Bistum Eichstatt
zustehe, Dafi das Kloster noch nicht zu seinem Gelde gekommen
sei; das dem Baumeister angeblich entwendet worden sei, habe nur
der Amtsverweser zu Hohentriidingen, Wolf Graven s tetter, verschuldet.
Dem habe er die ganze Sache ubergeben. Zum Zeugnis, dafi es mit
seiner Yerwaltung doch nicht so schlimm bestellt sein konne, berief
er sich auf seine 40jahrige Tatigkeit im Kloster: wenn mancher
Schaden ihn getroffen habe, so trage auch der markgrafliche Yogt
einen Teil der Schuld, der seinen Rat und Hilfe oft genug versagt
habe^). Die Statthalter waren wohl jetzt um so begieriger das Re-
sultat der Untersuchung des Eastners RufP zu horen. Sie meinten,
er sei noch vollauf damit beschaftigt und sandten ihm deswegen zur
besseren Informierung die Schrift des Propstes zu*). Aber bereits
wenige Stunden spater traf dessen Schreibeu, worin er meldete, wie
wenig er ausgerichtet hatte, ein. Die Statthalter ubertrugeu darauf ihm
weiterhin die Untersuchung^) und beauftragten den Yogt, nicht nur
selbst bei dem YerhSr zu erscheinen sondern auch alle Zeugen vor-
zuladen (14. Juni 1532)*). Yeit Jager aber weigerte sich wiederum,
dem Kastner Rede zu stehen; er erklarte schon genug Yogler mit-
geteilt zu haben und Uber dies nicht hinausgehen zu durfen. Schon
1) Tit. 14. N. 1. f. 24.
2) Statthalter an den Kastner von WaasertrUdingen. d.d. Do. n.
Medardi (13. 6.) 1532 f. 28.
3) d.d. Fr. n. Medardi (14. 6.) 1532. f. 31.
4) s. e. d. f. 32,
Schornbaum, Die Sakiilarisation des Klosters Solnhofeo, 217
wollte Buff wieder heimreiseD, da schickte der Propst seiuen Kon-
ventual Zacharias Wagner zu ihm und erbot sicb zu gutlicben Unter-
haDdluDgen. In der Nacbt anderte er dann wiederum seinen Vorsatz
und teilte am Morgan dem Kastner mit, dafi er bald sclbst in Ans-
bach erscheinen wlirde^), Jetzt griffen die Statthalter energisch ein.
Veit Jager wurde beauftragt^ seine Aussagen auch vor Ruff un-
weigerlich zu wiederholen und alle Zeugen sofort vorzuladen
(25. Juni 1532)2).
Jetzt erst^ Ende Juni 1532, konnte er an seine Aufgabe heran-
treten* 14 Zeugen neben dem Bichter Veit J^ger werden eingehend
von ihm verh5rt. Darin stimmten nun alle, auch Jorg Vogel, der
sich nur um seine Sachen kiimmerte, und L. Bupp, der erst 3 Jahre
zu Solnhofen war, iiberein, dafi der Propst noch ganz dem alten
Glauben treu geblieben sei und sich um die Befehle des Markgrafeu
wenig gekliinmert habe. Ausgenommen L. Funk, Erkinger Gumpler,
H. Franck und L. Bupp bestatigten alle die Verpachtung der Jagd
an fremde Untertanen sowie den tibermafiigen Aufwand, falls sie im
Kloster Uber Nacht blieben. Seine Bezieliungen zur Magd waren nicht
einwandfrei. Von verschiedenen wird sie einfach „die Hure" ge-
nanut. Dagegen wurde von 2 Seiten ausdriicklich bestritten, dafi er
auch eine Tochter habe. Dariiber ob der Propst zugunsten seines
„Anhangs" die Klostereinklinfte friiher verwendet habe, aufierten sich
nur 2 Zeugen in bejahender Weise. Ein Zeuge erklarte zwar, die .
Hauser der Magd, die beim Brand zugrunde gegangen wSren, seien
vom Propst wieder aufgebaut worden, der ihn selbst dazumal ent-
lohnt habe, aber die meisten sagten : ,,das gemeine Geschrei sei so."
Verschiedene suchten die Behauptung, dafi er der Frau die beiden
Hauser zu Solnhofen und Mornsheim gekauft habe, durch den Hia-
weis auf ihre Armut wahrscheinlich zu machen. Ebensowenig liefi
sich etwas gewisses erfahren uber die Ursache des Klosterbrandes,
iiber die Vertreibuug des KlostermUUers (bejaht von J8rg u.H. Franck).
Jorg Franck, H. Kopp; Erk. Gumpler, Jorg Drieser bezeugten, dafi
der Propst die Frau und ihre Verwandten von dem Kloster unter-
halte. Mich. Deutner und Jakob Hamermeister gaben zu, dafi roan
allgemein davon rede. [Fast alle stimmten darin Uberein, dafi er
den Baumcister des Klosters viel zu mild behandelt habe.l Hans
Lenther bezeugte, dafi man an ihm kein „plobs mayP^ gesehen habe,
als er zu ihm ins Bad gekommen sei. Verschiedene klagten dariiber,
dafi er nichts zu Eeparaturen des Klosters verwende, den armen
Leu ten kein Getreide verkaufeu wolle; zu einem armen Hirten, der
um Getreide bat, sollte er gesagt haben : er wolle ihm keinen Metzen
Koru verkaufen oder einen Leib Brot leiheu, ehe solle er mit seinen
1) W. Rueff an Statthalter und Rate zu Ansbach. d.d. Joh. Bapt.
(24. 6.) 1532. f. 33.
2) d.d. Di. n. Joh. Bapt, 1532. f. 35.
2L8 Schornbaum, Die SakQiarisation des Klosters Solnhofeo.
Kinderu des Hungers sterben; ilber die Verweudung des Kloster-
eigentums wufiten Dattirlich die wenigsteu etwas; doch erzShlten
manche, daft er einen Klosterwald ^Kessel^ sich habe eutfremden
lassen. Auch Veit Jager mufite jetzt Rede stehen ; er blieb dabei,
dafi er Georg Vogler wohlgegriindete Angaben gemacht habe^).
KSte uud Statthalter beguiigten sich mit diesen Zeugenanssageu
uuch nicht; sie beriefen Ko. Reisenleuter, Kastner zu Schwabach, der oft
wegei) seines Eisenhaudels nach Solnhofen kam, und den Richter
Veit Jliger zu sich. Letzterer blieb bei seinen vorigen Angaben,
nur gab er jetzt zu, dafi der Propst keiue Tochter habe. Ko. Reisea-
leuter stimmte ihm in den meisten Pnnkten zu, wufite er doch das
meiste eben von diesem. Von Bedeutung ist nur die Aussage, dafi
der Propst ihm selbst bekannt habe, „dafi er mit der alten Hure
also zugehalten habe, aber es nimmer tue^^).
Ob die Statthalter noch weitere Untersuchungeu anstellton, wissen
wir nicht. Man kann wohl verstehen, warum sie es noch nicht fiir
gerateu hielten, auf Grund der Zeugenaussagen vorzugehen. Dazu
waren sie doch viel zu uubestimmt. Der Versuch des Richters Veit
Jager, den alten Propst zu stUrzen, war somit mifilungen. Erst
die EinfUhrung der Kirchenordnung 1533 sollte der Verwaltung des
letzten katholischen Propstes ein Ende bereiten.
Der Vogt zu Heidenheim iibergab am 4. April 1533 die Nurnb.
Brandenb. Kirchenordnung dem Propste zur Einfuhrung. Jakob
Jager hatte aber eben so wie der alte, schon 40 Jahre in Solnhofeu
wirkende Pfarrer Job. Roth^), der zugleich Dechant des Kapitels
Monheim war, wenig Lust dazu. Aber offen wollte man das doch
nicht zugestehen; der Propst wufite, dafi ein geringer Anlafi seine
Absetzung herbeifiihren konnte. So erklSrten sie denn am 18. April
1533 sich im allgemeinen dazu bereit, dem Wunsche des Markgrafen
nachzukommen. Aber da die Angehorigen der Pfarrei verschiedenen
llerrschaftcn untertan waren, drohe ihnen bei Annahme der neueu
Lehre die Beschlagnahme aller Renten, Zinsen, Gilten in diesen Ge-
bieten; zudem liege Solnhofen am Ende des Markgraftums, rings
umber seien lauter altglSubige Gebiete, dafi man nicht immer ent-
sprechenden Schutzes sich getr5sten dUrfte. Dazu wisse das Yolk
noch gar nichts von der Kirchenordnung ; eine Belehrung erfordere
langere Zeit; da sie selbst alte Leute waren, wlirde es ihnen auch
schwer fallen, sich darnach zu richten ; man mochte also von der
EinfuhruDg bei ihnen wie bei andern Klostern absehen oder wenigstens
bis zur Heimkehr des Markgrafen warten*). Die Statthalter durch-
1) f. 41. am 3. 7. 1582 vonW. RueflF an die Statthalter und Rate in
Ansbach gesandt f. 37.
2) f. 51.
3) Tit. 14. Nr. 2. f. 28.
4) d.d. Freitag in der Osterwoche 1533. f. 7.
Schornbaum, Die Sakularisation dee Rlosters Solnhofeu. 219
schauten die ganze Sache UDd befahleu umgehend am 19. April 1533
die unverzliglicbe Annabme der KircbcDordnung. Aucb in Langen-
zenn und St. Gumbertus werde sie gehalten. GemSfi dem Niiruberger
Keligionsfrieden braucbe der Props! keine BeschlagDabme der
Zebnten etc. zu befurcbten; er btltte docb selbst schon in Ansbach
ziir Einfiibrung sicb bereit erklSrt ^). 10 Tage spater sandte man
Job. Kretscbmair nacb Solnhofen, um an ibrer Stelle dieser gemafi
Gottesdienst zu balten; das Kloster wurde angewiesen, ihm nebst
Frau und Kind Unterbalt zu gewabren *). Aber bereits am 6. Mai
1533 trat an dessen Stelle^ der nacb Langenzenn kam^'^), Job. Bern
ah Prediger in das Kloster^). Der Propst merkte, dafi die
Stattbalter ernstlicb gewillt waren, die Einfiibrung der Kircben-
orduung zu erzwingen und ersann einen neuen Grund, um die Sacbe
zu vcrzogeru. Er bat, einen jiingen Konventsbruder, der sicb gut
in der Ordnung auskenne, mit der Versorgung des Pfarrvolkes zu
betrauen. Da der alte Pfarrer nicbt da sei, konne man mit Bern
uicbts weiter verbandeln. Man hUtte aucb scbon dem Volke ver-
kiindet, dafi jeder auf seine Bitte an Pfiugsten das Abendmabl unter
beiderlei Gestalt empfangen konne (9. Mai 1533)^). Man kam in
Ansbacb dem Propste entgegen; der junge MSncb wurde zur Exa-
mination bescbieden ^). Man fand aber, dafi er ganz unbelesen war,
-weil ihm der Propst nie Bucher gekauft hatte. Die Examinatoren
rieten desbalb, diesem zu befeblen, ibn mit Biichern zu verseben, be-
sonders mit der Bibelj Lutbers Postille etc.; nacb eiuem balben Jabre
sollte er von neuem erscbeinen; iuzwiscben sollte das Kloster einen
Prediger auf seine Kosten aufstellen ®). Am 24. Mai 1533 wurde
in diesem Sinne dem Kloster gescbriebeu; flir den Prediger sollten
sie eine jSbrlicbe Besoldung von 60 fl. leisten''). Nocb eiumal
sucbte der Propst die Anordnuugen der Stattbalter zu durchkreuzen.
Er teilte mit, dafi das Pfarreinkommen ' zu gering sei, um nocb einen
Geistlicken besolden zu konnen; man babe deswegeu Heidenheim
um Abordnung eines Kloster brnders ersucbt, der die Kircben ordnung
bei ibnen einfiibre und die Leute unterweise ^). Das war das letzte
1) d.d. Sa. n. Ostern. 1533 f. 9.
2) d.d. Di, n. Mis. Dora. 1533 f. 11.
2a) £r wurde 1536 pensioniert und starb 1541. Seine Eompctenz im
Akt des Kons. Ansbacb Langenzenn 1538—1653 f. 12. d.d. So. Mis. Dom.
(14. 4. 1532.)
3) d.d. Di. n. Jubilate (6. 5.) 1533 f. 12. 14.
4) d.d. Freitag n. Jubilate 1533 f. 16. 17.
5) d.d. Mo. n. Cantate. (12. 5.) 1533. f. 18. Der Propst erklarte sicb
am 15. 5. 1533 dazu bereit f. 19.
6) Urteil der £xaminatoren von der Hand Althamers f. 20.
1) Stattbalter und Rate an Propst und Eon vent zu Solnhofen. d.d.
Sa. n. Asc. Dom. (24. 5.) 1533. f. 21.
8) f. 22.
220 Schornbaum, Die Sakularisation des Klosters Solohofen.
Schreiben des Propstes in diescr Angelegenheit; inzwischen war
bereits seine Absetzung verfugt worden.
Wilibald Zeller, ein ehemaliger Konventual des Klosters WUlz-
burg, hatte bei der Umwandlung desselben in ein Chorherrnstift dem
Markgrafen gute Dieuste geleistet nnd war deswegen mit der Kustorei
bedacbt worden. Diese hatte er anfgegeben^ weil er nicht personlicb
residieren woUte, und sich mit einem Deputat begniigt (2. Mai
1532)^). Inzwischen hatte er auch eine neue Stelle in Ellwangen
gefunden ; da er aber nicht lebenslanglich dort bleiben konnte; bat
er den Markgrafen Georg um Versorgung^); er brachte die tlbergabe
der Propstei zu Anhausen oder Solnhofen oder die Oberlassung der
Pfriinde des Andr. Funck in Feuchtwangen in Vorschlag. Der Mark-
graf^ der auf ihn Rucksicht zu nehmen hatte^ befah] den Statthaltern,
ihm eine von den beiden Propsteien zu Ubergeben, falls die PrSpste
nicht mehr imstande witren, ihr Amt zu verwalten (13. April 1533)^).
Die RSte zu Ansbach benlitzten nun die giinstige Gelegenheit, als
J. JUger auf alle Weise die Aufnahme eines neuen Predigers zu
hintertreiben suchte, and verhandelten mit Zeller wegen ti^bernahme
der Propstei. Bald hatte man sich mit ihm geeinigt. Man versprach
ihm^ das gauze Kloster ihm zur Verwaltung anstatt des Markgrafen
zu libergeben. Alle Renten, Zinsen, Gilten hatte er einzunehmen
und jahrlich vor der Regierung Rechnuug abzulegen. Neue Bau-
lichkeiten sollte er ohne Genehmigung nicht ausfiihren. Er mufite
geloben, alle Mandate wegen des Gottesdienstes^ des ZutrinkenS;
Fluchens etc. zu halten: auch der Uerrschaft in schwierigen FSllen
zu raten. Dafur versprach man ihm neben voUstandiger Unterhaltung
jahrlich 100 fl. Dagegen erklslrte er sich bereit, von seinem WUlz-
burger Deputat 40 fl. dem alten Propst zu geben, dazu 5 Sra Ge-
treide^ 8 Klafter Brennholz und die ihm zusteheude Wohnung im
Klosterlein zu Weifienburg diesem einzurSumen. Etliche Leilacher,
Tischtucher, und 2 Kuhe stellte man dem alten Propst «uch in
Aussicht. Zeller machte nur noch aus^ dafi im Falle seines Rlick-
trittes von der Propstei der Markgraf die fernere Versorgung seines
Vorgangers auf sich nehmen miisse*). Damit war die SSkularisation
des Klosters entschieden; denn Wilibald Zeller war in gewissem
Mafie nur mehr markgraflicher Verwalter, wenn er auch noch den
Titel Propst fuhrte (18. Juni 1533).
Mit dem Kammerschreiber Alexius Frauentraut ritt Zeller nach
1) Kreisarchiv Ntirnberg. Rep. 165. Tit. 15. N. 5.
2) d.d. Ellwangen. Do. n. Val. (20. 2.) 1533. Rep. 162. Tit. 14. Nr. 1.
f. 57.
3) d.d. Jagerndorf, Ostern. 1533 f. 55.
4) f. 63. 65. (Anweisung an Alex. Frauentraut, wie er Zeller das
Kloster zu libergeben habe) 68 endgiiltige Verfiigung Georgs d.d. Mittwoch
n. Viti (18. 6.) 1.533. (cf. Vertrag zwischen dem Markgrafen und dem alten
Propst d.d. Ansbach. Do n. Viti (19. 6.) 1533 Herschaftl. Buch 2 f. 67.)
Sohornbanin, Die Saknlarisation des Klosters Solnhofen. 221
SolDhofoD. Jakob Jager wurde wohl ohne weiteres seine Absetznng
verkdndigt; es blieb ihm nichts ubrig als zu resign iereD. Die Propstei
wurde dann Zeller ubergeben und alle Untertanen an ibn gewiesen;
hierauf wurde er in der Kirche von dem Abte von Heidenheim feier-
lich eingesetzt; die drei noch vorbandenen Konventualen Jakob
Jager, Zacbarias Wagner and Job. Stumegker gelobten ibm Geborsani;
wslbrend er ibnen paternam caritatem zusicherte. Daraufbin inven-
tarisierte der Kammermeister mit den beiden Propsten, dem Abte
von Heidenbeim und dem Ricbter Yeit JSger das ganze Kloster und
libergab es dem neuen Propste (21. Juni 1533). Etliche Tage spater
kam der Meierbof des Klosters zu Alerbeim an die Keibe ^). Jakob
J%er hatte sicb der Gewalt beugen miissen; es wird ibm scbwer
genug geworden sein. Zeller reiste nocb einmal nacb Ellwangen^ um
seine Sacbe zu ordnen. Am 12. August und 1. Oktober 1533sowie
12. Jannar 1534 kam scin Hausrat in Solnbofen an^). So war
der letzte katboliscbe Propst seines Amtes entsetzt; er blieb nocb
im Kloster; ein Yersucb, im nacbsten Jabre seine Recbte wieder zu
erlangen^ mifilang^).
Wilibald Zeller batte versprocben, evang. Gottesdienst einsufUhren ;
er befabl deswegen dem alten Pfarrer Job. Rotb, unverzUglicb die
alten Zeremonien abzuschaffen, widrigenfalls er seine Pfarrei verlieren
wurde. Dieser erklHrte sich dazu aucb bereit, da er glaubte durcb
die Uuterweisung des Hofkaplans K. Brunner^) soviel gelernt zu
baben, daft er zur Zufriedenbeit der Stattbalter weiter seines Amtes
walten k<5nnte (1. Juli 1533)*^). Er hatte sicb aber doch zu viel
zugetraut; er war zu alt^ um sich gUnzlicb in die Neuerungen ein-
leben zu konnen; so kam es, dafi er weder die papistische noch die
evangelische Ordnung beacbtete. Der Propst macbte ihm deswegen
den Vorschlag; die Pfarrei samt den 50 fl. Absenz^ die er von der
Pfarrei Kossiug bezog, zugunsten des Klosters gegen voUstsindige
Unterhaltung zu resignieren. Da. er dies ablehnte^ beantragte Zeller
in Ansbach ibn abzusetzen^ das Pfarrgut einzuziehen und auf des
Klosters Kosten ein en evang. Pfarrer zu unterhalten (23. August
1533) ®). Obwohl die Stattbalter dem zustimmten, gelangte der Be-
1) Bericht des Alex. Frauentrant S. 72. Jnventarium des Klosters
S. 74 ff. d.d. Sa. n. Viti (21. 6.) 1533.
2) Inventarinm tiber die Sachen Zeller d.d. Fr. n. Exaudi (22. 5.)
1534. f. 88 fF. Sein ganzer Hausrat wurde geschatzt anf 175 fl. Viele Bttcher
werden aucb erwahnt.
3) f. 60.
4) B. Beitrage 11 S. 80 f. Nacb Kreisarchiv Bamberg Rep. 192 B.
Nr. 39. T. n. f. 165 blieb er nur bis 1535 in Leutersbausen u. ging dann
wieder an den Hof.
5) Job. Roth an Stattbalter u. Rate zu Ansbach. d,d. Panthaleonis
1533. Tit. 14. Nr. 2. f. 23.
6) Konsistorialarchiv Ansbach. Pfarrei Solnhofen. I. (1533—1618)
Wil. Zeller, Propst an die Stattbalter d.d. Ab. Barthol. 1533 f. 7.
222 Schornbaum, Die Sakularisation des Klosters Solnhofen.
fehl dazu doch nicht zur Vollziehung ^). Die Sache wurde noch.
schwieriger, als der alte Pfarrer von EichstKtt aus abgesetzt wurde.
Da aiich das Pfarreinkommen nur 36 ft. betrug, das Kloster eiDen
weitereu Geistlichen auch nicht unterhalten konnte^ so half maD sich
zun^hst damit, dafi eiu junger Konventual, der vou K. BruDoer
gentigend Uuterricht empfangen hatte^ den Gottesdienst hielt^). Am
12. Augusj; 1534 ubergab endlich der alte Pfarrer seine ganze
Pfarrei dem Kloster; er hatte wobl selbst gefUhlt; dafi er nicht mehr
imstande sei^ sein Amt weiter zu versehen^). Am 16. August 1535
starb er*). Am 15, Juni 1635 versah als erster evang. Pfarr-
verweser Martin Schmid die Pfarrei*).
Die Verwaltnng des Klosters machte Zeller mehr MUhe, als er
gedacht hatte. Alex. Frauentraut berichtete 1533, dafi der Haus-
halt des alten Propstes ungeschickt, alles verfault, gar keiu Stroh
vorhanden sei. Das ganze Kloster stehe hinten und vorn offen:
es sei nicht gut gebaut und babe etliche heimliche TUren, die zum
Hinausschaffen sehr geeignet wSren*). Der neue Propst versuchte
auf manche Weise, die EinkUufte des Klosters zu heben. So schlug
er vor, die vielen unbewohnten HSuser im Dorfe wieder zu verleihen,
damit man wieder TaglShner bekommen konnte ; auch suchte er den
Aufenthalt der Fremden im Kloster moglichst einzuschrSnken, um
Einnahmen und Ausgabeu in das rechte YerhSltuis zu bringen'^).
Doch scheinen diese Versuche wenig geholfen zu haben. Er schlug
deswegen 1537 eine vollstSndige ymwandlung der Klosterverwaltung
vor. Er regte an, alle Felder gegen Getreideabgaben zu verpachten,
und ihm nebst den 2 noch vorhandenen Konventualeu ein Deputat
zu geben, davon sie im Kloster leben sollten. Hit andern Worten
1) d.d. Mo. n. Bartb. (25. 8.) 1533 f. 9. Die Geraeinde weigerte sich
ausser MeBpfennig und Seelgeraten etwas zum Pfarreinkommen zu geben.
Der Markgraf bestimmte, das man das annehmen sollte, doch nicht als
rSm. Mefipf. sondern als Addition. Rep. 162. Tit 14. Nr. 1 f. 104. 106. (d.d.
15. 10. 1533). Doch scheint das alles noch nicht gelangt zu haben zur
Besoldung des Pfarrers. *
2) Wil. Zeller an Georg d.d. Aftermontag nach Oculi (10. 3.) 1534
Tit. 14. Nr. 2 f. 28.
3) Resignation des Pfarrers J. Both d.d. 12. 8. 1534. Er bedang sich
Unterhaltung 16 fl. u. einen Bock aus f..42 Mitteilung Wil. Zellers an
die Statthalter f. 30.
4) Wilibald Zeller an Georg d.d. Sa. n. Cantate (17. 5.) 1536. Rep. 162
Tit, 13. a. Nr. 1. (S. 17 joo^ 1.)
1
5) Dieser blieb bis 1542. Dann kam Marcus Zentgraf. Sein Eid
datiert vom 28. Sept. 1542. Dieser zog 1545 nach Donauwdrth. Sein Nach-
folger war Joh. Eilmair vonWemding; vor dem Bauernkrieg Schulmeister
zu Ansbach. 1572 emeritiert. f 1575. Ph. Val. Tilgeners Eid vom 27.
5, 1572. Joh. Nurnbergers Eid vom 23. 4. 1577. Rons. Ansbacli. Soln-
hofen I. f. 11. 18. 39. 44. 55. 59. 61.
6) Tit. 14. Nr. 1 f. 72.
?) W. Zeller an Georg. s. d. et 1. Statthalter an den Propst zn Soln-
hofen d.d. Mittw. w. Dion. (15. 10.) 1533 f. 104. 106.
Schornbaum, Die Sakulaiisation des Klosters Solnhofen. 223
beantragte er die Einziehung desselben durch die Regierung gegen
Unterhaltnug der letzten Monche ^). Der Ricbter Veit Jager stimmte
dem im wesentlicben bei; er bielt es fiir das bestc, die Felder des
Klosters zu Solnhofen als Halbbauernhof durch den Propst bewirt-
schaften zu lassen ; ebenso den Meierhof von Efilingen ; oder aber
die einzelnen Fdlder gegen eioe jfihrliche Gilt unter die einzelnen
Soldengiiter im porfe zu verteilen. Von den 60 Tagwerk Wiesen
sollten 20 dem Fropst uberlassen werden; die ubrigen soUten an die
armen Leute verkauft werdien^).
Die Statthalter sandten Georg Grofier, K. Reisenleuter, Kastner
zu Schwabach, und H. Hartung, Kastner zu WUlzburg, nach Soln-
hofen, um dem Kloster den letzten Rest der Selbstandigkeit zu
nehmen und es gSnzlich unter markgrilfliche Ver^altung zu stellen^).
Wilibald Zeller war damit einverstanden. ZuuSchst inventarisierte
man das Kloster^). Dann verpachtete man auf 3 Jahre an die Bauern
zu Solnhofen 78 Morgen von den Klosterfeldern gegen eine jahrliche
Abgabe von 78 Metzen Korn und 78 Metzen Haber; ebenso 51 Tag-
werk Wiesen gegen einen Pacht jvon 82 fl. 20 ort^). Statt ihrer bis-
herigen Naturalleistungen wurde den Fischern zu Solnhofen und
Efilingen eine jahrliche Abgabe von 6^/2 bezw. 6 fl. auferlegt®).
Von dem Vieh werde ein Teil an die Bauern''), das andere dem
Propst uberlassen^). Im Kloster befanden sich aufier ihm noch
folgende Personeu : Herr Jakob Jager, 1 Schreiber und Botenknecht,
1 Keller, Pfister und Kastenknecht, 1 Hausknecht; 1 Kochin, 1 Bau-
meister^ sein Lanne (?) Laufer, 2 Fuhrknechte mit seinem Lanne-
laufer, Wunbold, dem sein Lebenlang eine PfrUnde zugesagt war,
1 Saubube, 1 Kiichenbube, 1 Torwart, 1 Milchfrau samt 2 MSgden^).
Willibald Zeller, der als markgrSflicher Verwalter im Kloster blieb,
ubernahm nur den Schreiber, die Kochin, den Kastenknecht, Torwart
1) Die Pfarreien Alerheim u. Kossing wurden von Pfarrverwesern
versehen (Matthis Licbtenfelser u. B. Heys.) Die eigentlichen Pfarrer
lieiSen sich Absenz geben. Zeller regte an, diese Summon an das Kloster
zu bringen. Ebenso brachte er die Errichtung eines Brau- u. Gasthauses
in Vorschlag f. 98. cf. 100.
2) f. 102. Veit Jager stimmte auch darin zu, da6 man die Absenzen
der Pfarreien Alerheim und Rdssing erlangen sollte. Auch die Um wand-
lung der n52 Fischdienste" der 7 Fischer in jahrliche Abgaben regte er an.
3) Instruktion fiir die Gesandten f, 110.
4) Inventarium d.d. Lichtmefi (2. 2.) 1537 f. 118 ff. (A)
5) f. 148 (E) Im Bericht steht allerdings nur 68«/4 Morgen Acker (f. Ill)
6) f. 111.
7) f. 153. Eine Kuh kostete gewohnlich 2 fl. 2 ort.
8) f. 151. Der Propst kaufte 5 Kflhe, 2 Farren, 4 Kalber, 1 grofier bern
(Eber), 2 Mntter^chweine, 11 junge Schweine, 1 Mastschwein um 41 fl.
1 ort; 51 EimerWein um51fl. 3^, rz. 13V2IZ.2 Pferde um 21 fl.; 2 Zieh-
pferde um 16fl., um 11 fl. Grummet, 1 Wagen, Pflug, Egge um 6^2^-
9) f. 136. Aufgektindigt wurde ihnen alien bis Lichtmefi 1538. Fur
ihre Unterhaltung kaufte der Propst um 10 fl. Kuchenspeise.
224 Scbornbaam, Die SMkalarisation des EloBters Solnhofen.
samt Wunbold. Nicht so leicht einigte man sich mit ihm liber seine
Besoldung. Die Statthalter bewilligteu ihm anf Yorscfalag der beiden
BSte Grofier und Reisenleiiter 50 fl. an Geld, 7 Tagwerk Wiesen
(14 fl. Wert), 9 Morgen Acker (a 2^2 fl-)» c^en Klostergarten (1 fl.),
Brennholz, 30 fl. zu seiner Bekostigung; znr Unterhaltnng seines
Dienstpersonals 80 fl. Da das Kloster am Grtindonuerstag an
100 Kinder eine Spende (1 Herrenbrot, 2 Eier, 1 Essen) reicben
mnflte, wies man ihm noch 1 fl. nnd 1 Sra Kom an. Zur Be-
kostigung der Giltbauern wurden 1 Sra Korn, 1 Sra Gerste und
2 Sra Haber angewiesen ; zur Unterhaltung des Gemeiudefarren
2 Sra Korn^). Das Pfarrgehalt wurde nm 16 fl. auf 52 fl. erh5ht;
dafiu* mufite er sich neben dem Propst als Gegenschreiber gebrauchen
lasseu. Der alte Propst, der jetzt endgiiltig seine Wttrdo nieder-
legte, woUte auch nicht mehr langer im Kloster bleiben. Man setzte
ihm folgendes aus : 60 fl. an Geld, 2 Sra Korn, 2 Sra Haber, 1 Sra
Dinkel, Y2 ^^^ Gerste, Brennholz, 2 KUhe; das Haus des Klosters
zu Pappenheim. Bettgewand etc. sollte ihm ebenfalls Uberlassen
werden. Die beiden Rate rechneten aus, dafi dann bei einer jShr-
lichen Ausgabe von 236 fl. aufierhalb der Zehrung, immer noch
547 fl. Ubrig blieben*). 80 war im JFebruar 1537 das Kloster
ganzlich in die Hande des Markgrafen gekommen^).
Bereits im folgenden Jahre legte Willibald Zeller das Amt des
Klosterver waiters nieder. Er war zum Propst des Klosters WUlz-
burg ernannt word en ; die gemeinsame Yerwaltung erwies sich wohl
1) Wil. Zeller berechnete das Einkomroen auf 783 fl. 1 ort. 22 pf: er be-
gehrte 100 fl., 1 Sra Korn u. Wein fUr sich; fiir seinen Schreiber: 6fl.,
1 Bock um 1 fl. u. 1^2 Sra Korn ; ffir den Hausknecht : 5 fl. IV2 Sra Korn,
1 Rock um Ifl.; far dieKochin: 5fl., ffir Tticher u. Schuhe l^j A., 1 Sra
Korn; Viehmagd 3fl., fur Tflcher u. Schuhe 1^2^-; ^^r den Torwart: 3fl.
u. IV2 Sra Korn; ftir Wunbold. 3fl. fiir Schuhe u. Kleidung, IV2 Sra Korn;
fur GEhalten pro Tag 12 pf i. S. lOOfl; fur dieKinderspende: Ifl.; 1. Sra.
Korn; fiir Gilltbauern 1 Sra Korn, 1 Sra Gerste, 2 Sra Haber; fiir die
Pferde zum Einbringen des Getreides, Herbeischaffung von Wein u. Bier
22 Sra Haber ; 12 Tagwerk Wiesen, 9 Morgen Acker, den neuen Garten ;
Brennholz i.. S. 242fl. (I Sra Kern, 11 Sra Korn, 24 Sra Haber, 1 Sra
Gerste an Getreide allein). Zur Unterhaltung des alten Propsten hielt er
40fl., 1 Sra Korn, 1 Sra Kern, 1 Sra Dinkel, 1 Sra Haber u. 1 Sra Gerste fiir
notig. Ftir den FCrster, der Zinsen u. Gilten mit einzutreiben hatte,
wiinschte er 6fl. Besoldung; den SchuIfheiBen zu Heidingsfeld, der den
Klosterwein einzutreiben hatte, 2fl. ; dem Vogt zu Alerheim 2fl., V2 Sra
Korn ; dem AmtsknechtzuKurzedelnaltheim 1 fl. V2 SraGetreide \ 1 fl. lort.21tz.
fiir 4 Pfd. Pfeflfer, die dem Bischof zu EichstStt geliefert werden mufiten
i. S. 326 fl. 1 ort. 21 pf. Dann blieben noch Ubrig 447 fl. 1 pf. f.- 140 (C).
Vorschlag des G. GrolSer u. Reisenlenter: f. 144 (D). Bestatigung: f. 157.
2) f. 144 (D); 157; 111. Die beiden Rate schlugen anch vor, den
Zehnten zu Alerheim wo mOglich jedes Jahr gegen Geld zu verleihen ;
derForster sollte gegen 6fl auch das Bichteramt versehen. Fiir den Vogt
zu Alerheim, Amtsknecht zu Kurzenaltheim, die 4 Pfd. Pfeifer, eignete man
aich die Vorschiage des Propstes an.
3) Bericht der beiden Gesandten G. GrolSer u. K. Reisenlenter
Schornbaum, Die Sakularisation des Klosters Solnhofen. 22^i
als nndurcbfuhrbar ^). K. Reiseuleuter nnd L. Thanner reisten im
April 1538 nach Solnhofen^). Zunachst siichten sie alles zusammen,
was des Wegschaffens wert erschien, und verglichen alles genau mit
den friiheren Inventaren^). Da man liber den Verbleib mancher
frliher vorhandeuen Dinge genau nachforschte, wurde Zeller ziemlich
argerlich. Er konnte auch imraer die gewunschte Aufklariing gebeu ;
so forschten sie nach 2 alien BettUchern ; die hatte er nun vier alteu
im Kloster verstorbenen Leuten als Leichentiicher gegeben*). Eiuen
grofien Teil der noch Ubrigen Gerate und Gegenstande des^ Klosters
verkaufte man an Ort und Stelle am 13. April 1538. Der ErlSs
betrug nur 20 fl, l^/gQ ort l^/g pf ^). Etliche Betten, ziunerne Ge-
fafie und eine kleine silberne Monstranz wurden gegen das Ver-
sprechen der Kuckgabe bis zu seinem Tode dem Propste uberlassen ®).
Zum Klosterverwalter wurde Asmus Gugel bestimmt; Zeller blieb
nur noch bis zu seinem Erscheinen im Kloster, um alles Getreide
ihm zu ubergeben. 2 Klostersiegel wurden von Reiseuleuter und
Thanner mit nach Ansbach gebracht (13. April 1538)'').
So war das Kloster gauzlich in markgrafliche Hande gekommen;
Asmus Gugel war der erste in der Reibe der markgraflichen welt-
lichen Klosteramtmauner ^). Das Beste vom Hausrat im Kloster
wanderte am 25. Juni 1538 uach Roth a. S., um dort zur Aus-
stattuDg des neuen markgrSflichen Scblosses zu dienen^). Das
waren die letzten Schicksale der alten Benediktinerpropstei Solnhofen.
f. 111. Am Fr. n. Inv. (23. 2.) 1537 wurde das Getreide u. sonstiges zu
Alerheim ira Klosterliof inventarisiert. f. 188.
1) Bestalhmg Zellers als Propst zu Wulzburg. d.d. Ansbach. Di. n.
Rem. (19. 3.) 1528. Kreisarchiv Kiirnberg. Markgrafl. (lemeinbuch 8 f. 139.
2) A. V. V. Wolfstein, Hans v. Schwabsbcrg.. Alex. Frauentraut an
K. Reiseuleuter u. L. Thanner. d.d. Do. n. Judica (11. 4.) 1538. Rep.
162 Tit. 14. Nr. 1 f. 159.
3) Inventarium d.d. Sa. n. Judica (13. 4.) 1538 f. 163 if. (zu Alerheim,
f. 171).
4) f. 177. Mangel der Rate (C) 179. Zellers Erklarnng (D).
5) f. 173 flf. (B) d.d. Sa. n. Judica 1538. Etliches Ubergab man noch
dem Propst um ihm die Bekosti^rung im Kloster zu vergiiten. f. 176.
6) f. 169b 181. d.d. Sa. n. Judica 1538. (E)
7) Bericht der Rate. d.d. Sa. n. Judica 1538. f. 161.
8) 1544 trat an seine Stelle Wolf Ruff. Ansb. ReU Acta. T. snppl.
VI. f. Fasc 20. (cf. Gemeinbuch 8 f. 382 a) 1560 wird Melch. Bender
genannt; 1564— 77 G. Gabler; 1579—1607. Dav. Grotsch; 1608—1617.
Ph. U. Grotsch; 1618-1625 Octav. Heller; 1630 H. G. Gabler; 1662 J.
Alex. CleuBl; 1683 J. Knebel. Rep. 162. Tit. XI Nr. 7. f. 15 b
9) Verzeichnis Tit. 14. Nr. 1 f. 182. d.d. Do. n. Corp. Chr. (25. 6.)
1538. Bei der Teilung des Landes unter Albrccht u. Georg wurde auch
wieder dieses alles unter beide verteilt. s. Georg Friedrichs Ratte an den
Kastner zu Wulzburg d.d. Mo. n. Alexi (20. 7.) 1545 f. 199. Dennoch war
noch 1545 eine Masse von Gegenstanden des Klosters in Solnhofen. s. das
Inventarium f. 194ff. Zum Ban des Schlosaes in Roth: Fr. H. Hofmann,
Die Kunst am Hofe der Markgrafen von Brandenburg. Strafiburg 1901 S. 5.
Beitrage zur bayer. Kirchengcsciliichte XII. 5 ^5
236 Bossert, Bin D^rnkschreiben von Pfalz-Neubnrger Exulanten etc.
Ein Dankschreiben von Pfalz-Neuburger Exulanten an
Konr. Dieterich, Superintendent, und das Ministerium
in Ulm von Ende 1616 oder Anfang 1617.
Von G. Bossert.
Eines der dunkelsten Blatter der deutschen Geschichte bildet
die Konversion des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm und die Gegen-
reformation von Pfalz-Neuburg. Beide hat erst Pfarrer G. W. H. Brock
1847 in der kleineu Schrift „Die evangolisch-lutherische Kirclie der
ehemaligen Pfalzgrafschaft" und 1895 Angust Sperl in der vom Verein
fiir Reformationsgescbichte herausgegebenen Schrift „Pfalzgraf Philipp
Lndwig von Neubnrg, sein Sohn Wolfgang Wilhelm und die Jesuiten.
Ein Bild aus dem Zeitalter der Gegen reformation " behandelt. Brock
nennt seine Arbeit bescheiden einen Versuch, aber seine kleine
Schrift ist fur ihre Zeit der Anerkennnng wert, da er sich bcmUhte, aus
den Quellen zu schopfen, die ihm aber nur in beschrSnkter Weise
zu Gebote standen, so dafi er doch vielfach auf seknndare Dar-
stellungen sich stlitzen mufite. Ein viol reicheres Material an Quellen
und eine Reihe trefflicher Darstellungen der Zeitgeschichte konnte
Sperl fur seine schone, ergreifende Geschichte der Katastrophe in
der Pfalz-Neuburg benlitzen. Aber Uber einen Puukt geben beide,
Brock und Sperl, nicht geniigende Auskuuft, namlich liber das Schick-
sal der Exulanten und die durch ihr Elend angeregte Liebestatigkeit
der evangelischen Glaubengenossen. Hior ist noch ein weites Feld
fiir die Forschung, Was in WUrttemberg von Seiten der Regierung
fUr die Opfer der Gegenreformation in Pfalz-Neuburg geschah, habe
ich aus den Rechnungen des Kirch enkastens erhoben und in der Ab-
handlung ,,DieLiebestatigkeit der evangelischen Kirch e Wiirttembergs bis
1650 (JahrbUcher des stat. Landesamts 1905, Heft 2) dargestellt.
Aber was in Wlirttemberg von Seiten der Gemeinden fur diese Un-
glllcklichen getan wurde, lafit sich nur mit Hilfe der ortlichen Armen-
kastenrechnungen feststellen, die sparlich erhalten zu sein scheinen
und recht muhsara zu bekommen sind.
Es wSre aber sehr wlinschenswert, dafi ahnliche Forschungen
auch in den anderen evangelischen Nachbargebieten von Pfalz-Nfiu-
burg, Brandenburg- An sbach, NUrnberg, Regensburg, Augsburg, Ulm
angestellt wUrden, handelt es sich doch hier um ein noch vielfach
unangebautes Gebiet der Geschichte des Protestantismus. Denn das,
was wir uber die Liebestatigkeit der jungen evangelischen Kirche
in ihren verschiedeneu Gebieten wissen, beschrankt sich vielfach auf
die allgemeinen Umrisse in den Kirchen- und Kastenordnungen und
einige mehr oder weniger zufallig gefundene Einzelheiten. Fiir die
niederrheiuischen Gemeinden hat Ed. Simons verschiedene schone
Arbeiten geliefert, wie z. B. Eine altkblnische Seelsorgegemeinde 1894.
Die altesteGemeindearmenpflege amNiederrhein 1894. Niederrheinisches
Bossert, Ein Dankschreiaen von Pfalz-Neuburger Exulanten etc. 227
Synodal- und Gemeindeleben unter dem Kreuz 1897. Es ware sehr zu
wunschen, dafi diese Arbeiteu melir Nacbahmung fslndeu. Die Arbeit
von Bisle liber Augsburg gibt kein klares Bild der evangeliscben
Liebestatigkeit.
Einen kleinen Beitrag zur Geschichte der Neuburger Exulanteu
bildet das im folgendeu mitgeteilto Danksagungsschreiben von 10 ver-
triebenen Pfarreru aus Pfalz-Neuburg, die sich nach Ulm gefliichtet
batten. Hicr batte der trefflicbe Superintendent Konr. Dieterich ^) mit
der Ulmer Geistlicbkeit sicb um diese Armen angenommen und ihnen
eine Unterstiitzuug durcb den Rat verschafFt. Dieterich stebt in jener
Zeit wie eine hohe Saule und eine zentrale Personlicbkeit da, die
fiirdie unterdrlicktenGlaubensbriider amNiederrhein, inOsterreich, in der
Pfalz, in ganz Oberschwaben sammelt und fiir die zahlreicben Glaubens-
fluchtlinge wie fiir die grofie^Zahl hilfsbediirf tiger Konvertiten ein
warmes Herz und eine gewandte Feder bat, die in zahlreicben Briefen
fiir sie wirbt und die Hilfeleistungen ordnet. Sein Briefwechsel,
welcher Eigentum der Stadtbibliothek in Ulm ist, befindet sich heute
in 4 starkcn FoliobSnden in Miinchen, da die Bayern beim Abzug
von Ulm und dem Ubergang der Stadt an Wurttemberg 1810 diese
Bande mitnahmen und bis jetzt noch niemand in WUrttemberg die
KUckgabe zu bewirken suchte, die sicher keine Schwierigkeit bsltte, da
das Eigentumsrecht nicht zweifelhaft ist und es sich nicht etwa um eine
Kriegsbeute handelt, wie bei der Heidelberger und Tubinger Bibliothek,
liber deren Schatze die Bayern im Dreifiigjahrigen Krieg verfiigten.
Dieser Briefwechsel ist eine hervorragende Qnelle fuf die Geschichte
des geistigen Lebens der evangeliscben Kirche uod verdiente wohl
eine, wenn auch nicht vollstandige, so doch teilweise VeroflFentlichung. Die
im nachstehenden mitgetcilte Probe daraus verd'anke ich dem Nach-
kommen Dieterichs, Herrn Pfarrer Dieterich in Pflngfelden, der ein
Lebensbild seines Ahnen in den Ulmer Mlinsterblattern 1885 verSftent-
licht hat. Der Brief ist ein hlibsches specimen eruditionis der
Neuburger Pfarrer, deren fernere Schicksale zu verfolgen, mir die
Hilfsmittel fehlen. Der Brief ist in Ulm gescbriebeu, wobin die
Pfarrer wohl Ende Dezember 1616 oder Anfang 1617 gekommeu
waren, nachdem Anfang Dezember 1616 der ihnen gewlihrte viertel-
jahrliche Termin zur Raumung der Pfarrhauser abgelaufen war. Die
Orte, in welchen die Pfarrer bedieustet waren, sind im Amtsgericht
Hochstadt: Blindheim, Morslingen, Oberliezheim, Tapfheim, im Amts-
gericht Lauingen: Bachhagel, Hansen, Unterbechingen Ziertheim, im
Amtsgericht Neuburg: Bergheim, im Amtsgericht Neuulm: Finningen.
Salutem ab XJnigenito Patris.
Ingratitudinem esse ventum exiccantem divinae misericordiae
fontem, Reverend issime et Clarissime Dn. Doctor, Vir Eruditissime et
*) Dieterich geboren zu Gemunden an der Wohra in Hessen 9. Jan. 1575,
gebildet in Marburg und auf weiten Reisen 1599 Archadierkonus in Mar-
15*
228 Bossert, Ein Dankschreiben von Pfalz-Neuburger Exulauten etc.
Humanissime, SuperiDteudens digntssime; MecoeDas snspicieDde: nee
noD viri plnrimum Beverendi et Doctissimt, Pastores et Ministri
-Ecclesiae Ulmensis fidelissimi, Patroni nostri debita reverentia colen-
dissimi, vcre scripsit D. Augustinns. Deo itaque immortali, nutritio
et pareuti Dostro Clementissimo, pro beueficiis ipsius immensis, quibus
DOS afflictissimos in exilic, sic nimirnm permittente, inio volente
Diviua Majestate (Quis enim est, qui dicat fieri aliquid Domino iion
Jubente? ex ore Altissimi non egredientiir nee bona nee malaV^)
misere degentes benignissime affecit^ TiQCOxcog actis gratiis, ad
Excellentiam Vestram Reverendissimam et Reverendas Vestras digni-
tates convertimur. Cum enim Reverendiss. V. Excell. et dign. V. R.
intercessionibus suis apud Incljtum et Prudeutissiraum Urbis hujus
Imperial is Senatum, cui humilime (!) supplicavimus eidemque gratias
debemus immortales, id effecerint, ut Honorario Amplissimo nos, qui
ad extremam paupertatem sumus redacti, liberal issime donarit, est
sane, quod Reverendiss. V. Excell. et Dignit. V. R. hoc nomine
gratias agamus et habeamus quam maximas: nee enim bene^cia pul-
veri, sed marmori inscribere decet, ut eleganter apud Stobaeum Dio-
genes, si recte adhnc meminisse possumus, loquitur; cum de dome
ingrati maliim, ut Solomon, Regum sapientissimus, testatur, non sit
recessurum.
Quod igitur Reverendissima Vestr. Excel leutia, Reverendae item
Yestrae dignitates nostri misertae, intercessionibus suis, ut modo dixi-
mus, apud Nobiliss. et Laudatiss. Senatum rem eo direxerunt, ut de
munificentia ejusdem meritissime laetemur, gratias cum Reverendiss.
V. Excell., tum Rev. V. dignit. immortales et, quas animo nostro
concipere possumus, agimus et Labemus maximas. Et licet nihil
magis in votis habeamus, quam ut gratias quoque meritissimas Reve-
rendiss. V. Excell. nee. non Rev. V. dignit. referre possemus, id tamen
praeseuti rerum nostrarum statu, certe miserrimo, obstante, praestitu
nobis impossibile est. Officiola vero nostra qualiacumqiie Reverendiss.
V. Excell. et dignit. V. Rev. sine omni temporum exceptione prom-
ptissime offerimus: inprimis autem piis gemitibus pro incolumitate
vestra temporali et aeterna Deum et Patrem Domini nostri Jesu Christi
ardentissime deprecabimur : efflictim etiam atquo etiam rogantes, ut
Reverendiss. V. Excell. et Dignit. V. Rev. nos exules raiseros nun-
quam non veliut habere commendatissimos.
Reverendiss. Vestr. Excell.
et Dignit. Vestr. Rev.
Observantiss. et humilimi (!)
burg, 1605 vertrieben in Folge der Einftibrnng des Calvinismus durcb
die Verbesserun^spunkte aber sogleich von Landgiaf Ludwig fiir die neue
Universitat Giefien boriifen, ging aber 1616 nach Ulm, f 1^39 Nov. 22.
In der RE. u. ADB. fehlt er.
1) Klagelieder 3. 37, 38.
Kolde, Die Gesellschaft fiir frankische Geschichte. 229
Pastores Palatino-Neoburgici
M. Paulus Dlricus PenningeDsium pastor.
Tobias Ulrich, pastor in Zuttheim.
Jacobus OswalduS; pastor in Bachagel.
Georgias Stengelius^ Daphemensium pastor.
Joannes Yoltzius, pastor in Plentheim.
M. Paulus Christian us Spiegelius, pastor Morslingensis.
Daniel Hochstetter, pastor in Hansen.
David Degeler, Ecclae Under bachingensis pastor.
Joann. Jacobus Natzius^ Oberlietzheimensium pastor.
Fridericus Albertus, pastor in Bergkheim.
Reverends dignitate, insigni Eruditione et Humanitate
Clarissirao Viro Dn. Cunrado Dieterico S. S. Theologiae
Doctori celeberrimo, Theologorum Lnmini et Columini Ec-
clesiarum Ulmensium Superattendenti vigil ant issi mo: nee non
Viris plurimum Reverend is, Doctissimis et Human issimis^
Pastoribus et Ministris Ecclesiae Christi, quae Ulmae est^
fidelissimis: Dn. et Promotoribus nostris suspiciendis et
colendissimis.
Correspondenz des Conr. Dieterich 1,665.
Die Gesellschaft fiir frankische Geschichte und die
Kirchengeschichte.
Von D. Th. Kolde.
Es gehort zu den erfreulichen Zeichen der Zeit^ dafi allenthalben,
namentlich in den letzten zwanzig bis dreifiig Jahren der historische
Sinn rege geworden ist. Eine grofie Zabl liistorischer Vereine, teils
provinzieller teils lokaler Natur^ macht sicb die Erforschung der
heimischen Geschichte zur Aufgabe; in nicht wenigen deutschen
Kirchengebieten hat man zum Teil nach dem Vorbilde der Beitrage
zur bayerischen Kirchengeschichte Publikationsorgane geschaffen^
um die Spezialkirchengeschichte zu pfiegen. Umfassende historische
Gesellschaften, unter denen die Gesellschaft fur rheinische Geschichts-
kunde obenansteht, gehen in erster Linie darauf aus; das Quellen-
material zu sammelu^ zu vero£Pentlichen und nutzbar zu machen.
Auch in Bayern hat es an solchen Bestrebungen nicht gefehlt. Es
sei an die Monumcnta Boica erinnert^ an die grofie Sammlung der
bayerischen Landtagsverhandlungen von Krenner(Munchen 1807, 18Bde.)
und Uhuliches, ferner an die allerdings sich weitereZiele stockenden Ar-
beiten der Historischen Kommission bei der kgl. Akademie der Wissen-
230 Kolde, Die Gesellschaft fiir frankische Geschichte.
scbaften in Miinclieo. Aber weun audi ii. a. die Mouuinenta boica die
Niirnberger Urbare bracbten und init den Monuinenta Wirceburgeusia
(bisber neun Bande) einen Anfang macbten, in den von derMlincbener
bistoriscben KommissionberausgegebenenStadtecbroniken die von Nlirn-
berg nicbt feblten, anderes wie einige Quellen zur Gescbicbte desBaueru-
krieges in Franken in den Publikationen des Stuttgarter literariscben
bekannt gegeben wurde, so ist es docb eine nicbt 'zu bestreiteude
Tatsacbe, dafi das beutige Franken, oder konkreter, die Provinzen
Unter-, Mittel- und Oberfranken, jener grofie Landstricb, auf dem
sicb ein so inbaltreicbes Stllck deutscber Gescbicbte und deutscben
Kulturlebens abgespielt bat, bisber^ was die Erscbliefiung seiner Ge-
scbicbtsquelleu anbetrifft, straflicb vernacblassigt wurde. Ja man
darf bebaupten, dafi trotz allem, was von jeber, mebr freilicb im
18. Jabrbundert als im 19., von der Lokalgescbicbtsforscbung dafur
gescbebeu ist, es in Deutscbland kaum ein anderes Gebiet von gleich
grofier Bedeutung gibt, fiir welcbes, obwobl das arcbivaliscbe Material
uberreicb ist, so wenig gedruckte Quellensammlungen vorbanden sind,.
als das fiir Franken der Fall ist. Dieser Maugel undr- dieses
Zurucksteben gegen andere Landscbaften mufite um so fiiblbarer
werden, je gi'oBer beute der Eifer ist, auf alien Gebieten der bisto-
riscben Forscbung, der politiscben, der Wirtscbafts-, der Kuust- und
Kircbengescbicbte die Vergangenbeit zu ergriinden und den Wurzeln
unserer beutigen Verbaltnisse nacbzugeben.
Diesen ErwSgungen entsprang der von Wiirzburger Gelebrten
ausgegangene Gedanke, eine, die drei Franken bezw. den alten
frankiscben Kreis umscbliefiende „Gesellscbaft fiir frSnkiscbe Gescbicbte"
ins Leben zu rufen. Auf einer am 17- Dezember 1904 von den
Herren UniversitUtsprofessor Dr. Chroust und Reicbsarcbivrat S. Gobi in
Wiirzburg nacb Niirnberg einberufenen Versammlung von Interessenten
wurde sie bescblossen. Eine Deukscbrift Uber die Ziele der beabsicb-
tigten Gesellscbaft suchte weitere Kreise daflir zu erwSrmen und nacb
Analogie der „Gesellscbaft fiir rbeiniscbe Gescbicbtskunde" Stifter
und Patrone zu werben. Und der Aufruf der Freunde der franbiscben
Gescbicbte fand freudigen Widerhall. Am 6. Mai 1905 konnte
man in einer Versammlung in Bamberg an die Konstituierung
der neuen Gesellscbaft geben. Sie gab sicb eine Organisation,
die im wesentlicben der mebrgenannten Gesellscbaft fiir rbeiniscbe
Gescbicbtskunde nacbgebildet ist. Sie unterscbeidet Stifter, die
durcb einmaligen Beitrag von wenigstens 1000 Mark lebenslaog-
licb der Gesellscbaft angeboren, Patrone (uatiirlicbe oder juristiscbe
Personen), die sicb zu eiuem jahrlicben Beitrag von mindestens
50 Mark verpflicbten, und endlicb Wablmitglieder, d. b. diejenigen,
die sicb an der Griinduug der Gesellscbaft beteiligt baben, oder aus
dem Kreise der Gescbicbtsforscher und Gescbicbtsfreunde in Franken
auf Vorscblag des Ausscbusses durcb die jabrlicb stattfindende Haupt-
Kolde, Die Gesellschaft fiir frankische Geschichte. 231
versammlung gewShlt werdeu und die die wissenschaftlichen Auf-
gaben der Gesellschaft UDmittelbar fordern sollen. Sie setzt sicb als
Zweck, „die ForschuDgen iiber die Geschichte der Gebiete des alten
frankischen Kreises bayerischeu Anteils einschliefilich des FUrsten-
tums Aschaffenburg dadurch zu fordern, dafi sie die Que lien der
politischen Geschichte wie der Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte
der Stadte und des flachen Landes in diesen Gebietsteilen nvit Ein-
schlufi der Kirchen-, Kunst- und Kulturgeschichte, der Muuzkunde;
der Genealogie und Heraldik in einer den Anforderungen der Wissen-
schaft entsprechenden Weise bearbeiteu lUfit und herausgibt und
zur Verwertung derForschungsergebnisse in abgerundetenDarstellungeu
anregt." Dank der unermudlichen Tatigkeit ihres ersten Vorsitzen-
den, S. Exzellenz Frh. v. Welser, Prasidenten der kgl. Eegierung
yon Mittelfranken, gelang es^ innerhalb des ersten Jahres eine schon
verhaltnismSfiig stattliche Anzahl von Stiftern, vor allem S. kgl.
Hoheit den Prinzregenten, und die Prinzen Ludwig, Rupprecht.
Leopold und Arnulf von Bayeru und Erzherzog Eugen von Osterreich,
und nicht wenige Patrone zu gewinnen^ und namhafto BeitrUge von
den Landraten der drei frankischen Kreise zu erhalten, so dafi die
Gesellschaft in das zweite Jahr ihres Bestehens mit einem Etat von
ca. 9000 Mark eintreten konnte, eine Summe, die, wie relativ hoch
sie auch erfjcheiot (d. Ges. f. rheinische Geschichtskunde verfUgt z. Z.
bei einem Verniogen von ca. 114 000 Mark iiber einen Etat von
ca. 34000 Mark), doch noch erheblich wachsen mufi, um den Anforde-
rungen einigermafien zu geniigen, zumal wenu es zur Drucklegung
der jetzt uud fiir langere Zeit erst in Vorbereitung begriflFenen Ar-
beiten kommen wird.
Gleichwohl hat man sich nicht abhalten lassen^ alsbald, wenn auch
zunachst in beschranktem Umfange, die gestellten Aufgaben in An-
griff zu nehmeu. Als erste Pnblikation wird wahrscheinlich und
zwar als Anfang einer Eeihe frSnkischer StUdtechroniken eine Bam-
berger Chronik erscheinen. Ferner ist die Bearbeitung der frUn-
kischen Kr.eistagsakten beschlossen und eingeleitet, ebenso die fiir
die Gelehrten- und Universitatsgeschichto so wichtige Herausgabe der
Altdorfer UniversitStsmatrikel, die Prof. Dr. Steinmeyer in Erlangen,
und der Wiirzburger UniversitUtsmatrikel, die Prof. Dr. S. Merkle
in Wurzburg libernommen hat; weiter der Urkunden des Benediktiner-
klosters St. Stephan in Wurzburg (Prof. Dr. Chroust), der frankischen
Weistumer (Dr. Al. Mitterwieser), uud einer Bibliographie der
frankischen Geschichte, mit der ein Verzeichnis der bereits ge-
druckten Quellen zur Geschichte Frankens zu verbinden ist. Es
braucht kaum erwahnt zu werden, welches wichtige Hilfsmittel fiir
die gesamte Forschung wir erhalten werden, wenn diese Biblio-
graphie, freilich eine Riesenaufgabe, der sich Herr Prof. Dr. Henner
in Wurzburg unterzieht, fertig vorliegen wird.
232 Kolde, Die Gesellschaft fur frankische GeBchichte.
MUsseu schou diese bereits in Angriff geuommenen Arbeiten das
Interesse jedes Freiindes der beiDiischen Kircbengeschicbte erwecken,
so nocb mebr eine spezifiscb kircheDbistoriscbe Forscbuiigsaufgabe,
die die Gesellscbaft mir iinter Beihilfe des Herrn Dr. Schornbaum
in Nurnberg ubertragen hat, deren vollige Erlediguug allerdings viele
Jabre in Aasprucb nebmen wird. Denu es bandelt sicb um nicbts
Geriugeres als eine Inventarisierung des gescbicbtlicb wertvollen
Materials in den evangeliscben Pfarrarcbiven, oder, wie der offizielle
Name ist, Pfarrregistraturen. Je mebr es der Gesellscbaft daran
liegen mufi, dafiir die freundlicbe Unterstutzung der Pfarrer zu er-
balten, um so mebr erscbeint es als Pfiicbt, aucb an dieser Stelle im
voraus darUber zu bericbten, was damit gemeint ist, und welcben
Zweck das ganze Unteruebmen bat.
Der Leser dieser BeitrUge wird aus mancbem Artikel erfahren
baben, wie viele wicbtige Notizen den Pfarrregistraturen entnommen
werden kann, und es diirfte keinem Zweifel unter liegen, wie vieles
da nocb unerforscbt ist, weil Zeit und Gelegenbeit dazu feblte. Der
Zweck der beabsicbtigten Inventarisierung ist nun, um es nocb einmal
zu wiederbolen, lediglicb der, im Interesse der Wissenscbaft festzustellen,
was an fiir die Gescbicbtsforscbung wertvollem Material nocli vorbanden
ist, und dies kurz verzeichnet, ebenso, wie das in den Rbeinlanden
gescbeben ist, nacb und nacb zu veroffentlichen, damit jeder Forscber
in der Lage ist, sicb daruber zu vergewissern, wo etwa fur seine
wissenscbaftlichen Zwecke nocb etwas zu erfabren ist, und die Pfarrer
selbst darauf aufmerksam zu macben, welcbe wissenscbaftlicb wert-
vollen Scbatze sie zu bliten und die sie ibren Gemeindeu zu erbalten
baben. Und es ist dringend zu wunscben, dafi man sicb seitens
der Gemeinden im Gegensatz zu friiberen Zeiten, in denen vielfach
anders verfabren ist, mit Entscbiedenbeit dagegen webrt, irgend etwas
von ibren Arcbivalien, die als Kircbenbesitz aufzufassen sind, zu ver-
aufiern oder an audere Stellen berauszugeben. Sie geboren dabin,
wo sie entstanden sind, in die betreffende Pfarrei, liber deren bisto-
riscbe Entwicklung sie autbentiscben Aufscblufi geben. Auf der andern
Seite ist von dem wissenscbaftlicben und dem bistoriscben Sinn der
beutigen Geistlieben zu boffen, dafi sie Mannern der Wissenscbaft,
die nur wissenscbaftlicbe Zwecke verfolgen, gern die Einsicbt in ibre
Scbatze gewShren, denn die Arcbivalien sind nicbt dazu da, um auf-
geboben, sondern um verwertet zu werden, und es wird wobl nicbt
bezweifelt werden, dafi oft eine kkine Notiz, die demjeuigen, der
den einscblagigen Fragen und Untersucbungen feruer stebt, ganz
belanglos erscbeiiien kann, dem gescbulten Historiker, der sie ricbtig
zu deuten und mit weiteren Anhaltspuukten in die ricbtige Verbin-
dung zu setzen verstebt, ungeabnte Aufschlusse liber ganze Ent-
wicklungsreihen zu geben vermag.
Der von mir entworfene und von der Gesellscbaft fur frankiscbe
Kolde, Die Gesellschaft fUr frankische Geschichte. 233
Geschichte gebilligte Plan ist mm folgender. DurcL persbnliche Ein-
sichtDahme, die von mir oder Herrn Dr. Schornbaum in Niirnberg bei
den PfarrSmtern erbeten werden wird, soil etwa folgendes festgestellt
werden :
1. Der Name des Kirchenheiligen der Pfarrkircbe oder
gegebenenfalls von Nebenkirchen, Kapellen etc., ein Puukt,
der auch fur die Grundung des Kirchensystems, ja der
ganzen Kolonisation des Ortes von grofier Bedeutung sein
kann.
2. Sofern das moglicb ist; die Entstehnngszeit der Kirche
oder Kirchgemeinde, ev. etwa vorbandene Spezialliteratur
uber Kircbe und Ort.
3. Sind Urkunden vorhanden?
4. Haben sich Salbiicher, Grnndblicber, Urbarien, in
denen die an die Kircbe gemachten Scbeuknngen und die
daraus fliefienden Eenten (auch Tradition sbiicber) verzeicbuet
sind, erbalten?
5. Finden sich in der Pfarrregistratur oder Kirchenbibliothek
Pfarr- oder Ortschroniken? oder
6. Sogeuannte Heiligenrechnungen?
7. Einzelne historisch wertvolle Aktenstucke und Brief-
schaften bekannterer Persbnlichkciten, — und zwar ist zu-
nachst die Zeit bis c. 1800 in Aussicht genommen.
8. Welche Matrikelbucher (Tauf-, Sterbe-, Trauungssegister)
sind vorhanden?
Dazu ist zu bemerken, dafi, wie man schon jetzt wei6 (vgl.
die Arbeit von Griebel, Das Hlteste Kirchenbuch Heroldsbergs in
BeitrUgeXI, S. 124 ff.), die Kirchenbiicher in Franken zu den sLltesten
gehoren, die man uberhanpt. kennt, sie aber ISugst noch nicht alio
festgestellt sind. Dabei wiirde es nicht geniigen^ uur die Zeit ihres
Beginns zu konstatieren, sondern auch die sehr verschiedeno Art
ihrer Anlage; die Geistlichen festzustellen, die damit begonnen
haben, und ob die Kirchenbiicher^ wie das haufig der Fall ist, zumal in
der Zeit der Gegenreformation, des 30jShrigen Krieges, ja bis in die
Zeit des sp^teren Pietisraus, chronikalische Eintr^ge enthalten. End-
lich sei noch erw^hnt, dafi auch die Akten der Kirchenverwaltung,
in die nach deren Einrichtung vielfach die Kirchenstiftungsakten
Ubergegangen sind, mit in Betracht zu zieheu sein warden.
Es liegt auf der Hand, welche F5rderung der Wissenschaft
durch solche Feststellungen erzielt werden kann, aber auch welchen
Wert es fUr den Pfarrer selbst haben diirfte, einmal einen klaren Einblick
in den wissenschaftlichen Wert seiner Akten zu erbalten, denn ohne
jemandem zu nahe treten zu woUcd, diirfte es doch manchen geben,
der bei den immer wachseuden Aufgabeu, die das A m t hente an
ihn stellt; kaum dazu gekommen ist; mit den alteren Bestanden
234 Zur Bibliographie.
seiner Pfarrregistratiir sich zu bescbliftigeu. Aiif der auderri Seite
ist klar, dafi wir auf die freuudliche UuterstUtzimg der Herren Pfarrer
aDgewiesen siud, und imi diese mbchten wir scbon jetzt fllr unsere
muhevolle Arbeit; die etwa im Juli oder August in deu einzelneo
Pfarreien Mittelfraukens beginnen soil, sich aber wabrscbeinlich, weil
jedes Jabr nur einzelne Bezirke werden in Angriff genommeu werden
konnen, lange binzieheu wird, freundlichst gebeten baben. Die
Zeit des Pfarrers oder sein Haus soil in keiner Weise in Anspruch
genommen werden. Wir bitten nur darum, was die kirchlicbe Ober-
bebbrde, die speziell 'darum von der Gesellschaft fur frankische Ge-
schichte angegaugen werden soil, gowifi gern gestatten wird, uns
selbst — und das ist allerdiugs notwendig, von dem Bestaude Ein-
sicht nehmen und unsere Notizen macben zu lassen ; und es soil, um
etwaigem Mifitrauen von vornherein entgegenzutreten, noch einmal
hervorgeboben werden, dafi es sich nur um die angegebenen wissen-
scbaftlichen Zwecke bandelt. In jedem Einzelfalle wird natlirlich im
voraus um die Eriaubnis, an einem bestimmten Tage eintreffen zu
durfeu, gebeten werden.
Zur Bibliographie.
1^
*
Scbulte, Dr. Alois, ord. Prof, der Gescbichte an der Universitat
Bonn. Kaiser Maximilian I. als Kandidat fur den papstlicben
Stnbl 1511. Leipzig (Duncker & Humblot) 1906. 86 S. 2,20 Mk.
Die Nachricht, dafi Kaiser Max I. alien Ernstes im Jahre 1511 Schritte
getan hat, um auf den papstlicben Stubl zu kommen, ist oft und vielmal
auf ihre GlaubwUrdigkeit untersucht worden, und wenn man nicbt die ein-
schlagigen, bisher bekannten Briefe und AktenstUcke fur gefalscht
erklarte, hat man in neuerer Zeit ihre Aussagen, letztlich, weil der ganze
Gedanke zu phantastisch und abenteuerhaft erschicn, umgedeutet, so
H. Ulmann, Kaiser Maximilians Absichten auf das Papsttum Stuttgart
1888; ders.y Kaiser Maximilian, Stuttg. 1891, 2, 430 ff., der im wesentlichen
nur das gelten lassen will, daB der Kaiser das papstliche Dominium
temporale erstrebt habe. Allein die Frage, ob etwas im Bereich des
Mbglicben und Erreichbaren lag, ist fiir die andere, ob ein Maximilian
es geplant habeu kann, einfach auszuscbalten, und in peinlich genauer
Untersuchung hat Al. Scbulte nachgewiesen 1. dafi die bisher bekannten
darauf beziiglichen Briefe und AktenstUcke zweifellos ©cht sind, 2. nnter
Beibringung nener wichtiger Notizen, dafi der Kaiser wirklich geplant
hat, mittclst einer groBartigen Bestechung der Kardinale das Papsttum
unterBeibehaltung desKaisertums sich zu erwerben, und dann der Kbnig von
Arragonien ihm den Gedanken einer Koadjutorie des Papstes suggeriert
bat, 3. daB die politischen Konstellationen fiir ihn wenigstens die
Ausfiihrung des Gedankens als mbglich erscheinen lieBen, und der Plan
selbst auf der LiDie seiner sonstigen damaligen Praktiken lag. Dagegen
1) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten behufs Besprechung
von der Verlagsbuchhandlung Fr. Junge in Brian gen.
Zur Bibliographic. 235
glaube ich, dafi der Verf. zuweit geht und Unerweisbares annimmt, wenn
er den skrupelloBen Augsburger EmporkommliDg, Matthaus Lang, den
Bisehof von Gnrk als Vater des Planes ansieht (S. 31. 50. 85), Dieser Beal-
politiker sollte ja freilich die Hauptrolle bei AusfUhrung des abenteuer-
lichen Gedankens spielen, und er iibernahm sie als treuer Diener seines
HeiTn, weil dabei fur ihn zum mindcsten die lang erstrebte Kardinals-
wiirde herausspringen muBte; aber gerade bei ihm, dem in alle Ver-
hKltnisse der papstlicben Kurie und der damaligen Weltpolitik ein-
geweihten Diplomaten, ist, so will es mir wenigstens scheinen, schwerlich
anzunehmen, dafi er das Unmogliche und darum politisch wie finanziell
uberaus gefahrliche Wagestuck ausgedacht haben sollte. Doch werden
wir vielleicht in einer Monographie (iber Matthaus Lang, die ein Schiller
Schultes, Ohmann, unter der Feder hat, daruber Naheres erfahren.
*Beitrage zur Gescbichte, Topographie und Statistik des Erzbistums
Miinchen und Freising von Dr. Martin von Deutinger.
Fortgesetzt von Dr. Franz Auton Sp edit , Domkapitular. Neunter
Baud. Neue Folge 3. Bd. Miinchen, J. Lindauer'sche Buchband-
hing (Schopping) 1905. 321 S. 4 Mk.
Der neue Jahrgang unterscheidet sich zunachst auBerlich von den
friiheren dadurch, daB er nicbt eine Sammlung einzelner Aufsatze bringt,
sondern eine einzige groBe Monographie von Dr. Hi chard Hoffmann,
Kurat bei St. Johann Nepomuk in Munchen, Der Altarbau im Erz-
b is turn Miinchen und Freising in s einer stilistischen £ntwick-
lung vom Ende des 15. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts
Mit 59 Abbildungen. Die Anregung, so berichtet der Verf. selbst, gab
eine Bemerknng Jakob Burkhardts in seinen Vortragen zur Eunst-
geschichte von Italien, Basel 1898, das Altarbild S. 3.: „E8 ware eine sehr
wichtige und lohnende Aufgabe, die samtlichen Kunstformen des christ-
lichen Altares in alien Landern, wenigstens nach den zeitlich und ortlich
herrschenden Typen zu verfolgen, und zwar nicht in Worten, sondern in
parallelen Abbildungen, welche wenigstens den einzelnen Typus als
solchen kenntlich machen." Daraufhin unternimmt der Verf. den Versuch,
„den Altar in seinem architektonischcn Aufbau, seiner figiirlichen und
ornamentalen Plastik sowie in seinem malerischen Scbmucke innerhalb
der heutzutage bestehenden Grenzen des Erzbistums Mtinchen und Frei-
sing zu schildern und darzulegen, auf welche Weise die Kunstformen des
Altars im 16., 17. und 18. Jahrhundert, also in den Perioden der
Renaissance, des Barok und Rokoko sich gcstaltet haben** S. 2, und er
verteilt seinen Stoff in 6 Abschnitte: 1. der Altarbau der spateren Gotik,
2. der Renaissance, 3. des Barock, 4. des Rokoko, 5. des Klassizismus,
6. Marmoraltare. In den einzelnen Abschnitten bespricht er dann in der
Regel zuerst die Eigenart, das Werden und das zumeist von Mtinchen
Oder Umgegend ausgehende Umsichgreifen der einzelnen Stilarten und
zwar mit einer Einzelsachkenntnis, aus der auch der Kcnner der kirch-
lichen Kunst Oberbayerns vieles Neue und sehr Beachtenswerte entnehmen
wird, nm dann die hervorragenderen Altarbauten des betreflfcnden Typus
eingehend zu behandeln. Was er bietet, wird hoffentlich den Erfolg haben,
daB man auch in anderen Gegenden Bayerns diesom bei uns viel zu sehr in
den Hindergrund gedrSrgten Zweige der Kunsgeschichte seine Auf-
merksamkeit zuwenden und mit gleicher Sorgfalt und Sachlichkeit ahnliche
Untersuchuogenfiir andere Landschaften unternehmen wird, — ich sageL a n d-
schaften, denn die wohl lediglich aus auBeren Grunden auf die hcutige
Erzdiozese Milne hen -Freising beschrankte Untersuchung hat in der Sache
selbst keine Berechtigung. Dabei kann ich jedoch eine Bemerkung nicht
236 ^ur Bibliographie.
unterdriicken. Wer die kunstgeschiohtliche Eutwicklung der letzten 20
Jahre aufmerksamen Auges mit durcblebt hat, deii wivd es nicht raehr
iiberr.'isclien, dafi ein bo kunstverstandigcr und feinsinniger Beurteiler
wie der Verfasser gegen die laiige Zeit hergebrachte Beurteilung, der
Barock- und Rokokoaltare (wie Kirchen) <nl8 Werke des „Ungesc)imacks''
alB ^Zopfaltare" auftritt und ijjnen ihr Recht zuriick zu erorbern versuebt,
und es ist zu hoffen, daB seine Arbeit aucb nacb dieser Ricbtung auf-
klarend wirkt. Aber mir will docb scbeinen, dafi des Verfassers Be-
geistei'ung, fiir den bestrickenden Eeiz des kircblicben Rokoko** leicbt in
das andere Extrem treiben kSnnte. „Die Altare mit ibrer pracbtigen
Ausstattung und ibren bimmliscben Gnippen zieben gleicbsam die Glorie
des Himmels auf die Erde berab in vollem Gegensatz zu den fast korper-
losen Altaranlagen der Gotik, ans denen ein „sur8um corda" spricbt.
Jene lasisen die Herrlichkeiten des Jenseits den Kircbenbesucbcr scbon
bier auf Erden scbauen, wahrend diese mit ibren reinen in feinem Glieder-
bau nacb oben strebenden Spitzen dcm Cbnsten ein Fingerzeig zum H5cbsten
sein sollen" S. 242. Dns klingt fast so, als ware der Rokokoaltar der
adaquateste Altarbau liberbaupt, und dafi man nirbts Eiligeres zu tun
batte, als zu jener Kunstform wieder zuriickzulenken. Und nocb weuiger
kann icb dem Verf. beipflicbten, wenn er auf ders. Seite scbreibt: „Nie wird
klarer, was das Rokoko gewollt, als wenn man einen Rnndgang durch
jene Kircben (Dietramszell, Schaftlarn, Neustift bei Freising, Rott am
Inn etc.) unternimmt. Die Schonbeit der Form soil unter alleu Urn-
standen Siegerin bleiben. selbst auf die Gefahr bin, daB die feste Scbranke
der kircblicben Tradition unterbrocben wird.** An der Scbonbeit der Form
wird man im einzelnen oft recbten Zweifel baben diirfen, und die Frage,
ob die Scbranken der kircblicben Tradition unterbrocben wird, diirften
sicb die gro($en Baumeister jener Zeit in ibrer, in dieser Beziebung nicbt
geringen Naivitat, scbwerlicb vorgelegt baben. Worauf es allein an-
kommen kann, ist es, jene Bauten aus ibrer Zeit zu versteben und danach
zu wurdigen. Und aucb mit der Bemerkung iiber das Wesen der Spa-
gotbik, in der Verf. (S. 10) nicbt einen Verfall der Gotik, sondern nur
deren Ausleben siebt, scbeint mir zuviel gesagt zu sein, denn das bieBe
letztlicb, alles in der Kunst wirklicb gewordene scbon als ktinstleriscb
zurecbt bestebend zu werten. Zum ScbluB soil nocb bemerkt werden,
daB die Verlagsbandlung fiir den niedrigen Preis von 4 Mark,,, der bei
den vielen (59) trefiflicben Abbildungen ein sehr geringer ist, das AuBerste
geleistet ba.t
*Geyer, Dr. Cbristian in NUmberg. Zur Geschichte der Adam
Krafftscben Stationen, Repertorium fiir Kunstwissenscbaft.
Bd. 28, S. 351—364 und 495—511.
Die landlanfi^e „Ketzel8age**, die erst neuerdings wieder durch
Daun, P. Viscber und A. Krafft (Kiinstlermonograpbien Bd. XXV) Biele-
feld 1905, S. 85 f. wiederholt wurde, wonacb der aus Augsburg stammende,
NUrnberger BUrger Martin Ketzel nacb zweimaliger Reise ins beilige
Land unter Fixierung der jeweiligen Entfernung der Statten, wo Cbristus
beim Kreuztragen niedergesunken war, die bekannten Adam Krafftscben
Stationen in Ntirnberg oder „Die sieben Falle" babe erricbten lassen,
wird in der vorlicgenden Arbeit zum ersten Male bistoriscb-kritiscb unter-
sucbt. Mit bewunderungswiirdiger Findigkeit bat dor Verf. eine Menge
neuen, wicbtigen Materials zusammengebracht, das er im Zusammenbange
mit den bisber bekannten Nacbricbten mit groBem Scharfsinn und treff-
licher Methode zu wiirdigen verstebt. Sein m. E. unanfecbtbares
Resultat ist dies : Die Entstebung der Krafftscben Stationen bat mit
Martin Ketzel, dessen zweimalige Pilgerreise — er reiste 1476 — der
Zur Bibliographie. 237
Sage angehort, gar nichts zu tun. Der Stifter der Stationen und der
Grablegung in der sog. Holzschuherkapelle ist Heinrich Marschalk von
Rauheneck. Da die Stationen 1505 in Arbeit waren, werden sie etwa
150G vollendct gewesen sein. Derselbe Mar8chalk ist der Stifter der
Bamberger Stationen, die bereits ini Jahre 1500 aufgestellt waren. Die
letzteren sind also entgegen der bisherigen Annahme eine friihere Arbeit
Kraffts Oder aus seiner Werkstatt. Ein weiteres Resultat ist, dafi die
Holzschuher urspriinglich nichts mit der Kapelle zu tun batten, sondern
der genanntc Marschalk iiber der Krafiftschen Grablegung die Kapelle baute,
aber noch vor ihrer VoUendung starb, woraf die Imhoffs die Fertig-
fiihriing des Baues iibernahmen. In der Tat, es ware wtinschenswert,
wenn die Kunsthistoriker, wie der Verf. S. 504 mit Kecht betont, etwas
mehr auf das nHistoriker" Wert Icgten, als dies in verschiedenen der
modernen Kiinstlermonographien beobachtct werden kann.
*Dorn, E., Pfarrer in Nordlingen, Der bayerische Pfarrer Wilhelm
Redenbacher. Ein deutscli-evangelisches Charakterbild aus der
Zeit des ultramontanen Ministeriums Abel. Vortrag, gehalten
auf dem VI. Landesfest des Evangeliscben Bundes in Schwa-
bacb am 12. September 1905. 2. Aufl.
Pfarrer E. Dorn, der in diesen Beitragen Bd.V unterdemTitel „Zur
Geschichte der Kniebeugungsfrage und der ProzeB des Pfarrers Volkert
in Ingolstadt*" zum ersten Male aktenmafiig das kirchliche Regiment des
Ministeriums Abel und die Kniebeugungstiage dargestellt hat, entwirft
in diesem Vortrag ein warm gezeichnetes Bild des um seines freimiitigen
Auftretens gemaBregelten trelflicheu Pf. Wilhelm Redenbacher. Wie es
der Zweck mit sich brachte, konnte auf Redenbacher als Yolksschiift-
steller hier nicht naher eingegangen werden, aber es ware wiinschens-
wert, cinmal den ganzen Mann und speziell auch nacb diescr Seite zu
wiirdigen.
*Die Chroniken der deutscben StSdte vom 14. — -'16. Jahrbundert.
29. Bd. Die Chroniken der schwSbischeu StSdte Augsburg.
6. Bd. Leipzig 1906. VI u. 110 S.
Als der Herausgeber der deutscben Stadtechroniken, Karl v. Hegel,
im Jahre 1896 den von Friedrich Roth bearbeiteten 5. Bd. der Augs-
burger Chroniken ausgehen WeQ, bezeichnete er die Reihe dieser Chroniken
als vollendet. Nun erfahrt sie eine unvermutete Fortsetzung durch cine
erst vor einigen Jahren bekannt gewordene kleine Chronik, deren Hand-
schrift friiher im Besitz des Andreas Felix Oefele, des Herausgebers der
Rerum boicarum Scriptores war und jetzt unter der Sign. Cod. (pap.)
Oef. 214 in der kgl. Staatsbibliothek in MUnchen auf bewahrt wird. Fried-
rich Roth, der \erdiente Bearbeiter der letzten Bande der Augsburger
Chronik hat auch diesen Nachtrag bearbeitet und fiir die Wissenschaft
auf Grund seiner wohl einzigartigen Spezialkenntnisse der Augsburger
Geschichte durch ausfUhrliche kritische und erlanternde Anmerkungen und
ein Glossar nutzbar gemacht. Der Verfasser ist der Augsbui'ger Maler
Georg Preu, ,.zur Unterscheidung von seinem aucb als Maler bekanntcn
Sohne, der Altere genannt, der ca. 1480 geboren sein wird und gegen
die bisherige Annahme, wie Roth nachweist, nicht schon 1536, sondern
erst 1537 gcstorben ist und dessen bisher nur wenig bekannte Person-
lichkeit durch diese Chronik und die daran gekniipften umsichtigen Unter-
suchungen des Herausgebers erheblich deutlicher wird. Preus Aufzeich-
nungen beginnen mit dem Jahre 1512 und reichen bis ins Friihjahr 1537.
Man kann nicht sagen, dafi sie sachlich viel Neues bieten. Zu den moisten.
238 Zur Bibliographie.
nach Umfang und Weit sehr ungleichen Notizen vermag der Herausgeber
Parallelen, auch BerichtigaQgen und £rganznngen aus andern Berichten
beizubringen, aber sie sind trotzdem sehr wertyol], eiumal, well sie als
von einem entschieden evangelischen Mann, einem Anhanger des Zwing-
lianers Michael Keller gcschrieben, ein SeitenstUck zu dein Berichte des
katholischen Klemens Sender bieten, zum andern deshalb, well sie van
einem Mann aus dem Volke herrtihreny der mit der ganzen Derbheit und
Unmittelbarkeit seines Standes seine Beobachtungen mit seinem scharfen
Urteil verbramt. Mit Recht sagt der Herausgeber von seinen Glossen
(S. 11): nSie spiegeln die mafilose Erbitterung des ^gemeinen Mannes**
gegen die Reichen und Macbtigen, and nun erkennen wir aucb die Mo-
tive, von denen sich Preu in der Zusamraenstellung seiner Aufzeichnungen
leiten lie6: Siesollten in ihrer Gesamtbeit einBild geben von der schreck-
lichen Faulnis, die nach seiner Anschauung den nach aufien so glanzend
dastehenden Bau des Augsburger Staatswesens ergriffen hatte.*" Und
wie ungerecht der Berichterstatter auch in manchen Fallen sein mag,
so wird er mit seinem Urteil iiber die Bedrlickung der Armen und
Schwachen nicht allein gestanden haben. Er laBt uns tiefe Blicke tun in
die grofie Zerkluftung der Augsburger Biirgerschaft jener Jahre. Be-
sonders scharf isjt auch sein Urteil iiber das achseltragerische Verhalten
der Machtigen und Reichen gegeii iiber dem Evangelium, die es immer im
Munde ftihren und bei jeder Gefahr sich zu beugen bereit sind und in
ihrem Leben dem Evangelium Hohn sprcchen. Hier erhalten die vielen
bei Germann Job. Forster 1894 aufbewahrten Ziige sehr wertvolle Er-
ganzungen. — Der Herausgeber wirft die Frage auf, ob wir es nicht mit
einer Art Auszug aus einem groBeren von Preu verfaBten Chronikwerk
zu tun haben, und meint, fUr letzteres sprache der Charakter des Springen-
den und Zufalligen, der den Eintragen anhaftet, und der Umstand, daB
an ein paar Stellen auf etwas Bezug genommen wird, wovon in unserer
Handscbrift nichts zu linden ist (S. 11). Allein letzteres beweist nur die
UnvoUstandigkeit dessen, was uns vorliegt. Die Form der Mitteilungen
scheint mir die Aunahme eines Auszugcs auszuschlieBen. Dagegen halte
ich f{ir sicher, daB urspriinglich viel mehr da war, als dem Abschreiber
vorgelegen hat. Es ist z. B. undenkbar, daB der Verf., der ein so leb-
hafies Interesse an dem Speierer Reichstag von 1529 (S. 45ff.) und an der
Schmalkaldener Tagung vom Febraar 1537 zeigt, daB er sogar samtlicbe
dort versammelte Fiirsten und Stande aufzahlt (S. 80 f.), tlber den in Augs-
burg selbst 1530 abgehaltenen Reichstag gar keine Aufzeichnung gemacht
haben sollte. Hier und anderwarts sind Liicken, die sich nur dadurch
erklaren lassen, daB, wie Fr. Roth (S. 15) auch vermutet, Preus Aufzeich-
nungen urspriinglich auf einzelne Blattchen niedergeschrieben waren, die
dem, der sie zuerst zusammenschrieb (der Schreiber der vorliegenden
Handscbrift?) schon nicht mehr vollstandig vorlagen.
J oh a nil Schmid, Kooperator in Loitzendorf. Gescliichte der
Hofmark Sattelborgen (Cham, Oberpf.) in Bibliothek fnr
Volks- und Heimatkuude. Herausgegeben vom Vereiii „Heiniat",
(G. Frank) Kaufbeuren 1904.
Eine lokalgeschichtliche Studio, die auch nicht weniges, was kirchen-
geschichtlich wertvoll ist, enthalt, so aus den Visitationsprotokollen von
1582 und 1615.
J. Hablitzel, Pfarrer in Leader. Die Gegenreformatiou in Leeder.
In ,, Deutsche Gaue", Zeitschrift fiir , Heimatforschung und
Heimatkunde (Herausgeber: C. Frank, Kaufbeuren), Bd. Ill,
S. 105 ff.)
Zur Bibliographic. 239
Enthalt eine kleine Skizze liber die, seitdem Gut und Dorf Leeder
bei Kaufbeuren (zura Kapitel Schongau geh5rig), durch Kauf aus dem
Besitze der Augsburger Patrizier Rehlinger im Jahre 1595 an die Fugger
gekommen war, durch letztere vorgenommene Gegenreformation imd die
alsbald eingeleitete Aufsuchung und Verbrennung evangelischer Biicher,
woriiber auf Grund eines Verzeichnisses (im Kreisarchiv zu Neuburg,
Hochst. Augsburg, Leeder Nr.30) interessante Mitteilungen gemacht werden.
*K. Schornbaum, Pfrunderechnungen der Markgrafschaf t Ansbach
aus den ersteu Zeiten der evangelischen Landeskirche (Kadners
Jahrbuch fr die evang.-lutherische Kirche Bay ems. Nord-
liugen 1806. S. 90.)
Nachweis der in den Ansbacher Eeligionsakten Tom. Ill — V enthal-
tenen Pfrunderechnungen der einzelnen Pfarreien unter ev. Hinzufiigung der
zur Zeit der Aufnahme im Dienste befindlichcn Inhaber der Pfarreien,
Beuefiziaten etc., sowie, was besonders hervorzuheben ist, der kirchlichen
Bruderschaften, die in den einzelnen Pfarrorten bestanden, wodurch unsere
Kenntnis von der groCen Verbreitung dieser fur das kirchliche Leben
des Mittelalters so charakteristischen Genossenschaften in dankenswerter
Weise erweitert wird.
Lauchert^ Friedrich. Der Freisinger Weihbischof Sebastian Hayd-
lauf und seine Schriften. Hist. Jahrbuch d. Gorresges. XXVI
(1905), H. 18f.
Haidlauf, geb. 5. April 1539, spater in Ingolstadt, 1570 Weihbischof,
ist ein scharfer Gegner Jakob Andreas, und seine Schriften sind ftir den da-
maligen Kampf und namentlich, wie man Andreas Eonkordienbestrebungen
kath'olischerseits beobachtete, nicht unwichtig.
Handworker, 0., Geschichte der WUrzburger Universitatsbibliothek
bis zur Sslkularisation. Wurzburg 1904. Diss.
Zierler, P. B., Das Kapuzinerkloster in Lindau und die konfessio-
nellen Wirren zu seiner Zeit 1630 — 49. Freiburger Diozesan-
Archiv. 1904. 5. Bd. S. 168—231.
*A. E. Schoenbach, Studi en zur Geschichte der altdeutschcn Predigt.
Zeugnisse Bertholds von Regensburg zur Volkskunde. Sitzungs-
berichte d. philos.-histor. Klasse der Wiener Akademie , der
Wissenschaften 1900. Bd. 142.
*Ludwig, A. Fr., Weihbischof Zirkel von Wiirzburg in seiner
Sfcellung zur theologischen AufklSrung und zur kirchlichen
Restauration. Ein Beitrag zur Geschichte der katholischen
Kirche in Deutschland um die Wende des 18. Jahrhunderts.
I. Bd. Mit einem Bildnisse des Weihbischofs Zirkel. Pader-
born. Druck und Verlag von Ferdinand Schoningh. 1904.
577 S. — 8 Mk. (Besprechung im naclisten Heft.)
*Riezler, Siegmund, Nachtselden und JSgergeld in Bayern. Im An-
hange: JUgerblicher des Herzogs Ludwig im Bart von Bayern.
Ingolstadt (1418 u. folgd. J.) (Aus den Abh. der k. bayer.
Akademie der Wsisenschaften. III. Tl., XXIII. Bd., 3. Abt.)
MUnchen 1905. Verlag der k. bayer. Akademie der Wissensch.
In Kommission des G. Franzschen Verlag (J. Roth).
240 Zur Bibliographie.
Diese der Rirchengeschichte anscheinend sehr fernliegende Unter-
suchung nimmt ihren Ausgangspunkt von der Klage, erst des Klosters
Kaisheim, dann der K15ster Scheiern, M^nchsmiinster, Ftirstenfeld, Inders-
dorf, Geisenfeld und am Anger in MUnchen iiber die furchtbare Be-
drttckung, die sie dnrch die Jagdfreade des gcwalttatigen Herzog Lud-
wigs itn Barte zii erieiden hntten, und die eine zeitweiligu Exkomnumikation
des Herzogs zur Folge hatte, enthalt aber auch sonst fUr die kirchliche
Knlturgeschichte sehr wichtigc Nachrichten. Namentlicb soil aufmerksam
gemacbt werden auf die statistischen Aufzeichnangen iiber die im
baycrischen Gebiet liegenden Kirchen und ^Znkircben'', Patronatsverfaait-
nisse etc. 60 ff.
Hofmann , Wilb., Die Politik des FiVrstbischofs von Wiirzburg Adam
Friedrich Grafen von Seinsheim von 1756 — 1763. MUncben
1903. Rieger. 102 S.
Unzer, Ad., Der Friede von Tescheu. Ein Beitrag zur Geschichte
des bayeriscben Erbfolgestreits. Kiel 1903. Muhlau. LVIi u.
424 S.
Scbrepfer, Rud., Pfalzbayerns Politik im Revolutionszeitalter. Auf
Grund arcbivalischeu Materials bearb. MUncben 1903. Leh-
mann. VIIl u. 637 S.
Damrich, Job., Ein Kiinstlerdreiblatt des 13. Jabrbunderts aus
Kloster Scbeiern. Mit 22 Abbildungen. Strafiburg (Heitz) 1904.
Preufi, G., Wilhelm III. und das Haus Wittelsbacb im spaniscbeu
Erbfolgekriege. I. Halbband. Breslau (Alfr. Preufi) 1904.
Bitter auf, Tb., Gescbicbte des Rbeinbundes. I. Bd. Die Griiu-
dung des Rbeinbundes und der Untergang des alten Reiches.
Miincben (Bock) 1904.
Salchow, G., Bayern und die Griindung des Deutscben Reicbes im
Jabr 1870. Progr. des Stadtgymnasiums in Halle. 1904.
*Beyscblag, „Der Bauer von WSlird in Schweinf urt, " Scbwein-
furter Tageblatt vom 6. Mai 1905.
Aus Stein, Monumenta Suinf. historica S. 488 stellt Beyschlag fest,
daB der bekannte, sich als Bauer gerierende Prediger Diepold Beringer,
iiber welchen zu vgl. Th. Kolde, Beitrage b. K.G. VIII, S. 2ff. und
0. C I em en , Beitrage zur Reformationsgeschichte II, 85 ff., urn Weihnacbten
1524 auch in Schweinfurt predigle und dann ausgewiesen wurde.
Ders., Die alteste Gescbicbte der lateiniscben Scbule in Schweinfurt
(bis 1554). Ebendas.Nr. 13— 17 (15.— IS.Mai). Eine wertvolle
kleine Studie zur frUnkiscben Schulgeschicbte, von der man
bedauern mufi, dafi sie nicht an einer allgemeinen zugstng-
lichen Stelle erschienen ist.
S. A. Endres, Die Confessio des beil. Emmeram zu Regensburg.
Romiscbe Quartschrift XVH (1903) S. 27 ff.
Ders., Das St. Jakobsportal in Regensburg und Honorius Augusto-
dunensis. Beitrag zur Ikonographie und Literaturgescbichte
des 12. Jabrbunderts. Kempten, Koselsche Bucbbandlung 1903.
Niirnberg und die Gegenreformation.
Von Hauptprediger Dr. Geyer.
Soviel mir bekannt ist, hat sich noch niemand mit der Frage
beschaftigt, welche Ruckwirkungen die seit der Mitte des 16. Jahr-
hunderts einsetzende Gegenwirkung gegen die Reformation auf
die protestantische Reichsstadt Niirnberg ausiiben muBte. Fiir
den Historiker ist es immer verlockend, iiber ein bisher noch
ganzlich unbebautes Land den Pflug zu fuhren. Wenn er sich
dabei dessen bewuBt bleibt, daB die erste Bearbeitung eines
umfassenden Themas immer den Charakter des Vorlaufigen tragt,
wird er zufrieden sein, wenn es ihm nnr gelingt, die Richtungs-
liuien anzngeben, in denen sich die genauere Erforschung der
Vergangenheit zu bewegen haben wird, und er wird auf nach-
sichtige Beurteilung rechnen dlirfen, wenn er aus dem ihm zu-
ganglichen Aktenraaterial Mitteilungen macht, auch wenn sie auf
VoUstandigkeit keinen Anspruch erheben konnen.
Man hat verschiedene Grunde fiir die unbestreitbare Tatsache
angegeben, daB der Handel Niirnbergs, der in der Reformationszeit
seinen Hohepunkt erreicht hatte, allraahlich auf eine immer tiefere
Stufe der Bedeutung herabsank. Als der wichtigste wird noch
immer jener Wechsel in der Anschauung der patrizischen Kreise
angesehen, als ob sich die Arbeit der Vater, die den Wohlstand
Nurnbergs begrttndet hatte, nicht mehr fiir die Nachkommen
zieme. DaB der stadtische Adel den Standesvorurteilen des
Landadels Zugang gewahrte und es fiir vornehmer hielt, die ge-
winnbringenden Beschaftiguugen der Vorfahren aufzugeben und
sein VermSgen zum Ankauf von Landgiitern zu verwenden, ist
eine Tatsache. AUein es erhebt sich die Frage, ob er nicht
dabei aus der Not eine Tugend machte, ob nicht die veranderten
Verhaitnisse zuvor die Austtbung des GroBhandels erschwert
Oder gar unmoglich gemacht hatten. Wir werden sehen, daB
Beiti^ge sBur bayer. Eirchengeschiohte XII. 6. 1 g
242 Geyer, Ntirnberg und die Gegenreformation.
die Gegenreformation Lander, die vorher dem Ntirnberger Kauf-
mann offen standen, mit einem Wall umzog, der wenigstens auf
ehrenvolle Weise nicht so leicht uberstiegen werden konnte.
So hat unser Thema nicht nnr eine kirchengeschichtliche, sondem
auch eine kulturgeschiclitlicheSeite, auf die wir gleich vom Anfang
an aufmerksam machen mSchten.
Nurnberg ist in vierfacher Hinsicht dutch die Gegen-
reformation in Mitleidenschaft gezogen worden. Zunachst in-
teressierte sich die protestantische Stadt fur das Schicksal der
EVangelischen im Ausland. Alsdann bekundete Nurnberg mehrfach
seine Teilnahme fur die in anderen Reichsgebieten, namentlich in
katholischen freien Stadten bedrangten GlaubensgenosseUi
Drittens hatten die eigenen Biirger und Untertanen im katho-
lischen Ausland mit mancherlei Schwierigkeiten zu kSmpfen.
Endlich bekam die Stadt die Gegenreformation am eigenen
Leibe zu sptiren, indem ihre in den katholischen Nachbarlandern,
namentlich in Pfalz-Neuburg vorhandenen Untertanen mit Gewalt
katholisch gemacht wurden^).
1. Nurnbergs Interesse fur die Evangelischen im Auslande.
Am 2. November 1572 richteten die geheimen Rate der
Stadt Strafiburg, genannt die. Dreizehn, folgendes Schreiben an
den Rat in Nurnberg, das uns bekundet, wie sich die Reichs-
stadte um die religionspolitischen Vorgange bekiimmerten.
„Unser freundlich willig Dienst zuvor fursichtig,' ersam,
weis, insonders liebe und gute Freund. Nachdem uns abermals
Zeitungen aus Italia, darinnen unter anderm zu sehen, in was
fernere Gedanken der wahren christlicher Religion Gegenteil
zu ganzlicher Austilgung derselben und ihrer Bekenner stehn,
dergleichen Abschriften von zweien Schreiben, so beide unsere
gnadigste Kurfiirsten Mainz und Pfalz an ejnander ausgehen
lassen, so dann ein Copey von einem Schreiben, so die R5m.
Kais. Majest. unser allergnadigster Herr, an ein ehrbaren Rat
zu Bisantz in causa religionis ausgehen lassen, vertraulich
communiciert worden, so haben wir kraft unser beiderseits
habenden vertraulichen Correspondenz nicht umgehn soUen
noch wollen E. Ft. dessen im Vertrauen auch teilhaftig zu
1) Die im nachfolgenden zitierten Akfen finden sich samtlich im
Kgl. Kreisarchiv in NUrnberg und sind im Repertoriiim 70 verzeiclm^t.
Geyer, Ntirnberg und die GegenreformatiQn. * % 243
ihachen, tun also E. Ft. von dem alien, so dann was uns vom
Stand in Frankreich fiir Bericht inkommen, gleichlautende
copias tibersenden, und sein desselben audi sonst in andere
Weg angenehme freundliche und ersprieBliche Dienst zu beweisen
ganz willig und wohl gewogen."
Die ubersandten Schriftstlicke sind folgende.
a) „1572. Vertrautes Schreiben des Strafiburgischen Ma-
gistrals, worinnen sie einiger k^tholischer Potentaten
wider die Evangelischen zielende gefahrliche Anschlage
in geheim berichten".
Die Konige von Spanien und Frankreich setzten alles daran,
das Papsttum wieder zum Sieg zu bringen. ^Der Babst, die
Cardinale samt dem ganzen h5llischen Haufen" hofften, „es
werde durch diesen neueren stattlichen Abbruch, so den Ketzern
auf der vergangenen franzosischen Hochzeit begegnet, alle gefaBte
Freud dupliert werden und manniglich solches zu erlangen Gott
ernstlich aiirufen und bitten, wie denn deshalb ein Jubeljahr all-
bereit ausgeschrieben, so werden zu Rom taglich Prozessiones
gehalten und nichts unterlassen, dardurch manniglich durch diese
ergsten Ketzern moge aufgebracht werden". In Rom traktiere
man sogar die gefangenen Turken freundlich, um an ihnen einmal
Bundesgenossen zu haben. Kurz, sie hoffen, „in der Lauther-
ischen Blut zu triumphieren".
Eine Ausnahme machen die Venezianer, die Hilfe gegen
die Turken brauchen und sich darum der Feindschaft in der
Heimat nicht freuen konnen.
„Die Guisianer begehren nichts mehr denn alle Hugenothen
in Frankreich mogen kundbar gemacht und die Kais. Majest
samt alien katholischen Fiirsten dahin bewegt werden, dafi sie
mit beiden Konigen Hispanien und Frankreich die Lutheraner
zu verderben sich vereinigen und verbtinden."
b) „Der romischen Kais. Majest. Schreiben an den Rat zu
Bisantz. 18. Augusti 1572."
Die von dem nach Besancon gesandten Rat Dr. iur. Andres
Bayl gepflogene Handlung sei ohne Frucht abgangen, ja es
werde „mit dieser Stadt von Tag zu Tag je langer je boser,
dieweil etliche der alten katholischen Religion, so hievor in
dieser Stadt unverfalscht erhalten worden, widerw^rtige Klrchen-
16*
244 * Geyer, Niirnberg und die GegenreformatioD.
diener und Prediger daselbst heimlich zugeschlichen, und weil
sie allbereit das gemein Volk oder doch den mehrern Teil daraus
auf ihre Seiten gezogen, sich nicht scheuen, auch groBere Sachen
zu prakticieren und dahin zu gedenken, wie sie ein fremd Volk
in die Stadt bringen und etwa genachburte, so ohne das den
gemeinen Frieden zu verstoren und Neuerung anzurichten be-
gierig, Platz geben, sich mit Macht gefaBt machen und den
Katholischen zu Nachteil ihres Lebens, Hab und Guter ihren
Widerwartigen einsetzen mochten, wie wir aus dergleicben
Anfangen hievor anderswa beschehen sein, genugsam Wissen
haben". Ebendarum schicke der Kaiser nun seine Comraissarios
Johann Freih. zu Pollweyler, Ulrich Oranien zu Montfort und
Rotenfels und Hans Werner von Raitnau zu Rangenstein,
„unsere Rate". Er gebiete ihnen zugleich, daB sie „ohne alien
Verzug seiche Argernisse abschaffen und verbessern, die Ver-
fiihrer aber und schadliche aufruhrische Lent alsbald . . . aus
dieser Stadt hinwegschaffen, und ihnen hernach kein Unterschleif
. . . geben". Wie der Gehorsam gegen den Kaiser, so soil sie
die Rucksicht auf „unsers geliebten Vetters und Bruders, des
katholischen Konigs zu Hispanien guten Willen" bestimmeu, der
als Graf zu Burgund die Schirmsgerechtigkeit beanspruche.
Der Religionsfriede komme nicht in Betracht, „als der allein von
diesen Reichsstadten Meldung tut, in denen zu Zeit solchs auf-
gerichteten Friedens beide Religionen in Gebrauch und tJbung
gewesen. Diejenigen aber, so bisher allein die alte katholische
Religion gehapt, seind darinnen gar nicht begriffen, dessen wir
euch dannocht auch gnedigst erinnern wollen. Datum Wien
den 18. Augusti Anno d. 1572**.
c) Fernere Beilagen sind ein Brief des !Kurfursten Daniel
zu Mainz vom 16. Oktober 1572 an Knrfurst Friedrich
von der Pfalz liber den Durchzug des braunschweigischen
Kriegsvolks durch das Stift Fulda und des letzeren
Antwort vom 21. Oktober 1572.
2. Nurnberg und die bedr&ngten evangelisclien Glaubens-
genossen in Gmund^).
Am 29. Januar 1575 schrieben die zu „schwabischen
Gemiindt" der Ausgsburgischen Confession halben ausgeschafften
^) Repert. 70 Nr. 153. „Religionssachen und darauf erfolgter parti-
Geyer, Ntlmberg and die Gegenrefonuation. 24:5
Burger Sebastian Haug, Bernhard Meyllen, Mathis Bebel,
Ghristopli BeumliDy Bartholome Zolcher, Marx Bockh and Cou*
sorten an die ^Eltem, Burgermeister nnd Rat der Stadt
Nurnberg". Denselben ist „pldtzlich anferlegt, aintwender in
einem gar engen Terrain sich allerdings von obgedachter ihrer
christlichen Bekanntnus zu der romischen Kirchen zu bekennen,
Oder mit Verinst aller ihrer ererbten nnd wohl hergebrachten
burgerlichen Rechten nnd Freiheiten mit samt Weib nnd Kind
ans der Stadt zu begeben nnd Hab und Gnt zn verandem nnd
zu verkaufen." Sie haben sich wiederholt an die Herren und
Obem supplicando gewendet, hoffend, ^es soUte, wa nit will-
fahrige Antwort, zum wenigsten vaterliche Gednld erfolgt sein".
Die Resolution darauf aber wurde verschoben bis nach dem
jnngst in Speier gehaltenen Reichsstadtetag. Gleich darauf
ist ihnen ^geboten und anferlegt, nocli diese harte Winterszeit
obgesetzter mafien mit Weib und Kindern, ancb alien Hab und
Gutem in das Elend zn weichen".
Benachbarte Fursten haben auf „nachster hochfiirstlichen
Pfalzischen Hochzeit proprio motu^ sich fur die Evangelischen
verwendet. Ihren „auBersten Trost und Hofl&inng auf den
auBersten Notfall tragen sie jedoch allein zn der erbaren Stadt
loblichem friedsamen Wesen". Es ist ihnen zum Verkauf
ihres Eigentums Fiist bis Latare gesteckt, auch haben sie ^die
beschwerliche, ihres VerhoflFens nicht schuldige Nachsteuer zu
bezahlen nnd mit Weib und Eindlen ins Elend zu Ziehen. So
kunnten sie nunmehr ihre unschuldig Weib und Kind langer
nit zu unwiederbringlichem Jammer und Hertzenleid verkurzen
lassen", deshalb wenden sie sich an Numberg und andere
Reichsstadte um Hilfe. ^Bezeugen und beteuem aber zuvorderst
bei dem AUmachtigen, daB wir in diesem hochwichtigen Handel,
cular Stettabschid so den 5. Martij A® 1575 zn Ulm gefaalten worden
von wegen etlicher ehrlicher alter BQrger der Stadt Schwebischen Gmiind,
welchen darch einen Rathe daselbst allein darumb, dafi sie sich zu der
wabren Angsbnrg^schen christlichen Religion bekennt, ausgeboten nnd
mit Weib and Kindern zu einer kurz bestimmten Zeit ans bemelter Stadt
zu Ziehen ernstlich anferlegt worden and was durch etiiche Fursten des
Reichs und hemach durch eins Teils der £rb. Frey und Reichstet Ab-
gesandte bei obgenieltem Rate zu Gmund gehandelt auch welchergestalt
Bie Abschied gegeben.**
24G Geyer, Ntiniberg and die Gegenreformation.
dariiber wir diese Zeit her schier allerdings zu Grund gangen,
kein ander Affekt oder Intention weder wissen, suchen noch
tragen, denn unserm lieben Erschaffer und Erloser, dem Herrn
Jesu Christo ein rein unverfalscht Gewissen und gegen unserer
Obrigkeit alien burgerlichen und gebuhrenden Gehorsam zu
leisten und zu verhalten. Das iibrig alles, so uns wie fast
alien Christen ungtitiglich wurd und will zugemessen werden,
das widersprechen wir in aller Bescheidenheit und rufen des
allmachtigen gerechten Richters ewigen Urtel dariiber an^ der
welle zu seiner selbst Ehr und zu unserm ewigen Heil hierinnen
Urtel geben und sprecheu und uns samt alien Christen gn&diglich
schiitzen und bewahren.**
Durch das Eingreifen und Vermitteln der Reichsstadte
hoffen sie, das die Herren in Gmund „solch ihr unmild und
unverursacht, auch sonst bei keiner erbam Reichsstadt in
ganz deutscher Nation nie gebraucht oder unterstanden Vorhaben
vieler christlichen hochbewegenden und redlichen Ursachen
halber gegen sie einzustellen".
Die im Schriftstiick angeftihrte Intervention der Pursten
hatte keinen Prfolg gehabt. Am 1. September 1574: hatten
Biirgermeister und Rat der Stadt Gmtind an Philipp Ludwig
und Georg Hans, Pfalzgrafen bei Rhein, Gevattern Ludwigs,
Herzogen za Wurttemberg und Wilhelm Landgrafen zu Hessen
ein Schreiben gerichtet, das nunmehr den Niirnbergeni in Ab-
schrift mitgeteilt wird. Darnach hatten die Ftirsten dem Rat
zu Gmiind nahegelegt, er moge seinen der Augsburgischen
Confession zugetanen Biirgern eine eigene Kirche einraumen
Oder doch sie zum wenigsten bei sich unvertrieben bleiben und
ihre Religion in des Herzogs von Wurttemberg Oberkeit, oder
wo es ihnen sonst gelegen, besuchen lassen. AUein die Gmunder
machten dagegen ihre Treue gegen die „uhralte katholische
Religion" geltend. Sie woUen nicht „aus der lieben Voreltern
FuCtapfen treten", da wolle es sich aber „mit nichten ge-
bflhren, andere Religiones bei sich einreiCen zu lassen". Der
Religionsfriede sage aus, „daC ein jeder Stand des heiligen
Reichs in seinen Obrigkeiten aintweder bei der alten katholischen
Religion bleiben oder die Augsburgischen Confession anstellen
mog, derowegen sie dann obangezogenen geliebten Continuation
Goyer, Ntirnberg und die Gegenreformation. 247
nach nit allein, sondern auch aus dem, daU ihre viel der Augs-
burgischen Confession verwandte geschickte und gelehrte Lent
von solcher ihrer Religion fallen und sich boser verffirischer
Sekten anhangig machen und annehmen, hochlich verursacht
auf Mittel und Weg zu trachten, damit die schadlichen Spaltungen,
so albereit bei ihnen mehr denn gut eingewurzelt, abgescbnitten
und dagegen ein einhellige nit allein katholisehe, sonder auch
eine solche Religion, die der Religionsfrid zulafit, bei ihnen
handhaben."
Die Burger — machen sie geltend — wttrden nicht ^precise",
sondern nur „condicionaliter" ausgeschafft. Das ist „niit solcher
guten Bescheidenheit zugangen, daB wir sie fur uns erfordert,
fiirnehmlich ermahnet und erinnert, demnach ihre liebe fromnie
Voreltern jederzeit bei der katholischen Religion bestandig
verharret und dieselbe in unserer Stadt nach ihrem besten
Vermttgen handhaben helfen, wie dann auBerhalb ihrer der an-
gemafiten Confessionisten ein ganzer Rat und Gemeind nochmaln
anderst nit gesinnet, und aber leider der Augenschein nun zu
viel an Tag gebe, was etwa fiir Unrat, verderblicher Sehaden
und Not aus zwiespaltiger Religion bevorab da dieselben inter
parietes ununique communitatis corpus exercieret, erfolge, nam
ubi dissentio, ibi dissidium non solum sed et desolatio et inte-
ritus non deest, dafi sie solches alles beherzigen und zu Gemiit
fuhren, demselben nach in die FuCtapfen ihrer Eltern wiederumb
treten und sich ihrer Religion gemaB erweisen. Da sie aber
je darfiir hielten, sie kunnten bei der katholischen Religion die
Seligkeit (welches fern sei) nit erlangen, daB sie auf diesen
Fall in dem Namen Gottes ihr Bttrgerrecht aufgeben^ ihr Nach-
steuer richten und ihr Gelegenheit an andern Orten, da die
Religion ihrs Gefallens exerciert, wohl suchen mogen, mit dem
Anhang, daB wir nit desto weniger gute Freund mit ihnen sein
woUten, wie wir dann jemand von der Augsburgischen Confession
wegen in ungutem zu verdenken nie gesinnet gewesen, auch
noch nit seien". Die so ermahnten „beruhmten sich mit sonderer
Unbescheidenheit gleichwohl bei der Augsburgischen Confession
zu bleiben" und lieBen sich in einem Gesprach mit dem Pfarrer
nicht nur in einige ^Caphanaitische Argumenten" ein, sondern
ierregten auch sonst den Argwohn bei der Examination, als ob
248 Geyer, Niirnberg und die Gegenrefonuatioo,
ihnen „auch calvinische, schwenckfeldische und wiedertauferische
Irrtiimer unter den Weg laufen warden". Sehr ungnadig nahm
der Rat das Vorhabeu der Burger auf, sich-an andre Potentaten
zu wenden^ da nach dem Religionsfrieden die Religion Sache
der betreffenden Reicbsstande sei und das Vorhaben zeige,
„dafi sie zur Rebellion und Unruh gegen ibrer Obrigkeit ge-
neigt" seien, wahrend ihnen, da sie gute Christen sein woUen,
das zeitlich Gut, das sie allhie besser als anderer Ort zusuchen
wissen, niht so lieb sein diirfte. Aus alledem mSgen die Fiirsten
sehen, dafi sie zu den Burgern „gar kein Unwillen, Neid, HaU
Oder Verbitterung tragen, sondern hierunter anderst nicht als
Gottes Ehr und dann gemeiner Stadt Fried und Wohlfahrt
suchen" und sich genau nach dem Religionsfrieden halten.
Gleichzeitig legten in einer undatierten Supplikation sechzehn
Niirnberger Burger, Jobst Tetzel, Jorg Tetzel, Endres Ortel
d. A., Niclas von Wimpffen u. a. m. fiir ihre geliebten Freunde,
Schwager und Mitbiirger Ftirbitte beim Nurnberger Rat ein.
Sie weisen auf die falsche Auffassung des Religionsfriedens hin,
der nicht die Abschaffung der anderen Religion erlaube, „dann
sonsten batten sich andere mehr Stand auch Frei und Stadt
des Reichs soliches unterwunden, da doch der Augenschein vor-
handen, darin bede Religionen ein Teil dem andern, auch wohl
fiir Ratsfreund, giitlieh zu lassen und sonsten sich allenthalben
burgerlich friedlich und einig gegen einander verhalten". DaC
die ausgeschafften Burger Schutz bei Potentaten und dem Reich
suchen, sei keine Rebellion, sondern sei aus natiirlicher Affektion,
bei Weib, Kindern, Freundeu und Vaterland zu bleiben, hervor-
gegangen. DaB sie keine Sektierer seien, werde sofort eine
Examination beweisen. Die AusstpBung konne man nicht billigen :
„Wann dann bei keinen verniinftigen, woUen geschweigen christ-
lichen Gemiitern, recht und iloblich geachtet noch gehalten-
werden kann, dafi jeraand umb Sachen, die Gottes Ehre, der
Seelen Heil und Seligkeit belangen, darinnen ein jeglicher fiir
sich selbs vor Gott stehen und Rechenschaft geben muB, also
daB sich dies Orts keiner auf andere minder oder mehrer sebeu
Oder entschuldigen kann, alhie zeitliche Straf verdienen lund
auf sich laden konne".
Am 10, Februai' wandte sich die Stadt StraBburg in der
Geyer, I^Urnberg und die Gegenreformation. 249
Gmiinder Angelegenheit gleichzeitig an Niirnberg und Ulm. Bei
der zwischen den Reichsstadten geiibten Vertraulichkeit konne
wohl etwas zu Verhiitung von Unfreundschaft geschehen, zumal
bisher eine solche Ausschaffung der Religion halben bei den
freieu Stadten unerhort sei. Zunachat sollten StraBburg, Ulm
und Nurnberg noch einige Tage vor Latare ansehnliche Bot-
schaften nach Gmiind schicken.
Ein Mrnberger Ratsverlafi vom 21. Februar 1575 iiberweist
die Sache dem Dr. Loscher zum Ratschlagen. Dieser schlagt
nun ein gemeinsames Schreiben der drei Stadte an den Rat
der Stadt Gmiind vor folgenden Inhalts. ?Jacli Darlegung des
Sachverhalts und Entschuldigung der Evangelischen, die vor
allem ihrer Frauen und Kinder halb die Stadte angegangen,
machen sie geltend, daB das Beispiel der Stadt Gmiind frieden-
storend wirken konnte, „so doch kundbar, daB in denselben
unterschiedner Religion Stadten die Oberkeiten und Verwandten
in ruhiger friedlicher christenlicher Einigkeit bis anher gesessen
und kein Teil, so gewaltig der immer gewesen, den andern
schweehern Teil auszutreiben oder derwegen Zerrtitung in der
Polizei zu iiben nit unterstanden, und wir uns derwegen nit
versehen, daB bei E. W. und derselben Biirgerschaft . . . solche
schadliche Spaltung eingerissen sein sollt". Ob wohl nun die
drei Stadte entschlossen waren, „ein fiirbittlich Ansuchen zu
tun", so woUten sie doch nur mit Wissen der anderen, wenigstens
der vorderen Stadte „in solchem wichtigen Handel, daraus noch
eine groBe Weiterung entstehen mocht" vorgehen. Damit nun
dazu Zeit sei, mOge den Ausgebotenen ein langerer Termin
gegeben werden; sie- werden sich des „rechten eigentlichen
Verstandes des publizierten Religion friedens halben mit ihnen
unterreden".
Unterschrift: „Maister und der Rath zu StraBburg
Burgermaister und Rath beeder Stet Ntirmberg
und Ulm".
Allein inzwisch6n hatten sich die Gmiinder eine neue Ge-
walttat zuschulden kommen lassen, iiber die sich der Rat zu
Hellbronn am 22. Februar beim Stadtetag beschwerte. Eine
der ausgebotenen Frauen hatte den Heilbronner Burger Jorg
Schreckh geheiratet. Die Gmiinder aber hatten um der Nach-
250 Gjeyer, Ntirnberg und die GegenreformatioD.
steuer willen nicht allein dieser Prau Hab und Giiter mit
Beschlag belegt, sonderu auch sie 86lbst schon 8eit einigeo
Monaten in Arrest gelegt. Die in Dim versammelten Abgeordneten
der' Stadte des schwabisehen Kreises — es waren Strafiburg,
Ulm, Nordlingen und Dinkelsbiihl vertreten — beschlossen nun
am 1. Marz 1575 „zu Ab wen dung oder etwas Milderung dieser
groBen Beschwerd ein stattliche Schickung aus ihrem Mittel
zu einem E. Rathe der Stadt Gmund" vorzunebmen. Nicht
nur die 20 Folioseiten starke Instruktion. fiiv die Abgesandten,
sondern auch die „Summaria Relatio, was die Gesandten der
Stadte StraBburg, Dlmy Nordlingen und Dinkelsbiihl flirbracht
und gehandelt haben" , warde alsbald (8. Marz 1575) den
Nurnbergern mitgeteilt. Am 2. Marz sind die Abgesandten
in Graund angekommen. In der Audienz am 3. Marz wird
ihnen erklart, daB der Rat von Gmlind, zumal da mehrere
Mitglieder abwesend seien, nicht sogleich Antwort geben konne.
DaB die Gmtinder die Libertat der Reichsstadte gefahrdet hatten,
sei unrichtig. Im iibrigen gab sich der Biirgermeister Gold-
steiner den Anschein, als ob er personlich angegriffen werden
soUe, und der Rat zog sich auf die Antwort zuriick, „8ie seien
nicht bedacht, sich von andern Erbarn Stadten zu entauBern,
sondern vielmehr bei den^elben Blut und Gut zuzusetzen". Sie
wiirden eilie Antwort, daran die Stadte „ein freundlich Gefallen
haben werden" schriftlich geben und bis dahin sollten die
evangelischen Biirger ungefahrdet sein.* Darauf erklarten die
Gesandten, sie wollten diese Antwort abwarten. Aber die
Gmunder wollten von nichts Weiterem horen.
Nachmittags brachten sie Schreckhs Angelegenheit vor ; „aber
es hat solches alles und was sonst vorbracht, bei denen von
Gmiind nichts erschieBen mogen, sonder sein allerdings auf ihrer
voriger Warnung beharrt."
Erst am 1. Mai erfolgte die „ Antwort derer von Gmiind".
Sie bezeichnen selbst die Streitsache mit den Worten: „Nachdem
wir etliche unsere der Augsburgischen Konfession verwandte
Biirgel' umb der Religion willen uBzuschaflfen dieselben von
ihrem alten ererbten Btirgerrechten und Giitteren samt Weib
uud Kinderu zu verstoBen entschlossen, ungea'cht daB sich die-
selben Burger in politiscben Sachen zu aller schuldigen Gehor-
Geyer, Niirnbeig und die Gegenreformntion. 251
same anerbieten thaten." Dagegen sei ihnen von den Stadten
vorgehalten wordeu, dafi sie die Freiheit der Stftdte 'durcji dies
Vorgehen beeintrachtigten, die Ge.werbe schadigten, Repressalien
der evangelischen Stadte hervorriefen und die Reichsstadte ver-
uneinigten.
AUein in Gmund sei imraer nur die katholische Religion
pradiciert und gehalten worden und „bevorab bei diesen leidigen
widerwartigen und mehr als zuviel mancherlei Lehreji und
Predigen des angebnen Wort Gottes" , gedenken sie dabei zu
bleiben. Sie nehraen ihre Ordnung nur mit ihren Bttrgern, nicht
mit Fremden vor, bleiben auch in den Schranken des Religions-
friedens. Da die Katholiken bisher an anderen Orten geduldet,
brauchen sie nicht zu besorgen, dafi sie nun nach ihrem Exempel
ausgeschafft wurden. Die Gmtinder ordnen nichts Neues an,
ebendarum hoffen sie auch ferner in der Korrespondenz mit den
freien Stadten zu bleiben. „Ist uns auch. leid, dafi vielgedachte
unsere widersassige Burger nit allein E. F. und W. also viel-
faltig beunruhigen, sonder auch andere Stand also anlaufen,
indem sie uns und ihr selben dieser Unruhe verschonen kiinnten,
dafi sie sich wie ihre Voreltern seliger Gedachtnis verhielten,
so waren wir und sie dieser Unordnung liberhebt gewesen."
Noch liegt ein Pergamentbrief Strafiburgs an Nttrnberg vom
2. Juli 1575 in dieser Sache vor, der ausfiihrt, dafi dies keiu
„partikular Werk" sei, „wie es etwan angesehen werden mochte."
Allein bei den Bestimmungen des Religion sfriedens war nicht
yiel zu machen und die Gmunder hatten gar nicht so unrecht,
wenn sie sich auf Grund eben dieses Friedens nicht vor Re-
pressalien fiirchteten. So konnte Gmiind fernerhin, ungestort
durch die anderen Reichsstadte, seine bekannte Kirchenpolitik
treiben.
Anhangsweise sei hier erwahnt, dafi Nurnberg einige Jahre
spater (1577) seinen vielfach begehrten Rat der Schwesterstadt
Augsburg in einer schwierigen Religionssache zukoramen liefi.
Des Erzherzogs Ferdinand Amtsleute in der Markgrafschaft
Burgau hatten den Pfarrer des Spitals zu Augsburg in Ltltzel-
berg hinweggeschleppt. Dies veranlafite die Augsburger „Pfleger
und geheimen Rate" Nurnberg urn Rat anzugehen (6. August).
252 Geyer, NUrnberg und die Gegenreformation,
Diese empfahlen, sich an den obersten Hauptmann, den Herzog
in Bayern zu wenden (17. August). Dieser verhandelte auch
wirklich mit Erzherzog Ferdinand, aber Ferdinand woUte keines-
falls die evangelische Predigt in Liitzelberg fernerhin dulden
und den Pfarrer nur unter der Bedingung freilassen, daB er bis
Austrag des Streites „muBig" sei. Am 31. Oktober schicken
ihnen die Nurnberger wieder ein Gutachten, far das sich die
Augsburger am 12. November hoflich bedanken. Die Niirn-
berger rieten neben giitlicher Verhandluug zur Erwirkung eines
Kammergerichtsmandats (mandatum poenale de relaxando, auch
de non offendendo oder inhibition); die Augsburger erbitten sich
jedoch die Unterstiitzung Nurnbergs beim Bundesobersten, da
sie besorgen, „mit dem Mandat werde es sich das Hans Oster-
reichs pratendierter Preiheit halben lang verweilen."
3. Niirnberger Untertanen im katholischen Ausland').
Am 2. Juni 1574 'wenden sich Albrecht Scheurl und Eber-
hardt Khiirn an den Rat. Sie haben in Lucca in Italien
„Handelsleger und verordnete Diener". Den Italienern ist es
darum zu tun, Hantierung und Gewerbe „uns Teutschen und
sonderlich dieser Stadt" zu entziehen. So haben die Lnccheser
ihren Bischof „an sich gehenkt". Derselbe verfiigte, „daB ein
jedes erwachsenes Mensch bei Straf hundert Kronen** zur Oster-
zeit beichten und comniunizieren soUte, lieB auch von Hans zu
Haus gehen und jeden Inwohner aufschreiben. Besonders solle
man auf die Deutschen Achtung geben.
Der Bittsteller „Freund und Diener Balthasar Baumgartner
der Jungere" wurde auf diese Art auch beschickt. „Darauf
Baumgartner aus Furcht und Klein miitigkeit der Beicht halben
seinen Zusagen nachkummen," bat aber wegen der Kommuni-
kation urn einige Tage Dilation, weil er sich mit einigen Italienern
verfeindet hatte. Darauf sagte der Bischof von Lucca: ^Non
sono que lustri falsi: advertite lo et ammonite lo que faccia il
debito suo." Es handelt sich nun nicht nur um die Verge waltigung
Baumgartners, sondern es ist Gefahr fur alle Deutschen, „daB man
uns alle unsere Hab und Gtiter deren Ort darob arrestieren mochte" ;
auch konnte das Beispiel der Lucchesen anderwarts Nachahmung
1) Repert. 70 Nr. 154 u. 179.
Geyer, Niirnberg und die Gegenreformation. 253
linden. Die Stadt Niirnberg habe ein Interesse an der unge-
hinderten Hantierung ihrer Burger, „dieweil dieselben und nicht
die Premden, die sich so haufenweis eindrangen, die Losung
und andere blirgerlichQ Beschwerden tragen mtissen." Man
konne die Lucchesen darauf hinweisen, dafi sie „als Antriifler
dieser Beschwerung ihre Leut und Hantierung auch hier haben."
Wenn sie bei ihrem Bischof der unzeitigen Inquisition nicht
vorkommen wollten, so wiirden die Herren in Niirnberg verur-
sacht, an den hier Geschaite treibenden Lucchesen auch ihre
^Notdurft fiirzunehmen und das zu handeln, das man ohne das
viel lieber umgehen woUt. Mit fernerer Ausfiihrung, dafi man
ihr und anderer Italiener halben im heiligen Eeich deutscher
Nation bisher auch Geduld gehabt und wider sie weder in dem
noch andern dergleichen Inquisition fiirgenommen, wie es dann
hiergegen zu Lucca und anderswo auch nicht also herkommen,
dafi man der Keligion halben und wo und welchermaCen ein
jeder beichten und kommunizieren sollte, fremde Auslandische
wider ihr Gewissen bedrangt und benotigt hatte. Zu dem, dafi
im heiligen Reich auf gehaltenen Tagen lautere Vergleichung
geschehen und Abschied darauf erfolgt wilren, dafi bede die
Romische und der Augsburgischen Konfession verwandten Reli-*
gion neben einander geduldet werden und kein Teil den anderen
belastigen oder beschweren und zu-seiner Religion dringen sollte."
Man moge lieber an die Herrschaft als an den Bischof schreiben,
denn letzterer wiirde sich „gar bald auf des Pabsts Gebot refe-
rieren", dagegen die Luccheser, wenn sie vermerken, dafi sie
„der Ihrigen halben etwas daranzusetzen haben, wohl werden
wissen einzuhalten und ihr bisher getrieben Patticirn einzu-
stellen."
In diesem Sinne schrieb der Rat wirklich am 9. Oktober
an die „ Herren Confalonieri und Antiani zu Luca." Er wies
auf die Verhaltnisse in Deutschland hin, wo Vorsorge getroifen
sei, dafi die verschiedenen Konfessionsverwandten „einander nicht
betriiben oder beleidigen, sonder ein Teil den anderen bei seiner
Lehr und Gottesdienst bleiben und ihn darwider nicht beschweren
soil." Sollten die Lucchesen die' Ubelstande nicht abstellen,
so miifiten sie sich auch bederiken, „und den Eurigen Platz und
Raum nach allem ihrem Gefallen zu leben und zu handeln, auch
254 Geyer, Niirnberg and die Gegenreformation.
nit geben und lassen, da wir doch viel lieber alte Verwandtnus
nod langen Herkommens Vertraalichkeit erhalten nnd anch gaten
und angenehmen Willen erweisen wollten."
Erst am 6. Januar 1575 antworten die ^Antiani et Ve*
xilliferi Justitiae populi et comunis Lucensis^ in lateinischer
Sprache. Sie sind betrfibt (maerore qaodam affecti) quod ea
postularentur a nobis, qaae essent contra cattolicum morem,
contra Leges et instituta nostra, quae ut servaretur, nee nostris
civibus parcendum duximus, cumque ilia nobis nihil omnino vio-
landa videatur, ignoscent nobis DD. VV. si minus earum postu-
lationi obsequamur.^ Damit konnten sich die Nlirnberger Kauf-
leute natlirlich nicht zufrieden geben. Am 23. Februar 1575 wenden
sich daher Albrecht Scheurl und Eberhardt Khtirn wieder an
den Rat. Derselbe wolle dem Paulin Neri als Bringer des
Schreibens samt den andern hier wohnenden Lucchesen anzeigen
und yorhalten lassen, dafi die Herren „ob solchen stumpfen und
unschlfissigen Schreiben nicht wenig Befremden triigen." Wenn
die Lucchesen in Zukunft ahnliches wiederholen wurden, dann
mlisse man die Folgen den Lucchesen in Niirnberg spttren lassen,
Dementsprechend beschliefit der Rat am 25. Februar 1576. Er
weist darauf bin, daS man sich zu den fierren von Lucca „soyiel
weniger das versehen, als ein erbar Rat allhier den Biirgern,
so ihre Gewerb und Hantierung allhie haben, jeder Zeit alien
vaterlichen geneigten Willen erzeigt und ihnen in vielen Dingen
nachgesehen haben, das man billig zu Abbruch und Nachteil
andrer Burger nicht dermassen sollen." Wenn sich die Lucchesen,
was nicht gehofft wird, gegen des heiligen r5mischen Reichs
Religionsfrieden verhalten werden, da indessen die Lucchesen
„allhie ihres Gefallens handeln und wandeln und eines erbam
Rats ihnen erzeigten Guttatigkeit gleich undankbarlich mifi-
brauchen", so musse sich der Rat an ihnen schadlos halten. Sie
mogen das den Herren Antiani und Vexilliferi zu Lucca be-
richten.
Neuerlich wird am 28. Mai 1575 im Rat vorgebracht, dafi
die Lucchesen keine Leger und keine Wohnung von Nurnberger
Kaufleuten dulden wollten. Die Kaufleute selber stecken dahinter.
Der Bischof von Lucca flirchte sich vor dem Papst, wolle aber
zugeben, dafi die Scheurlschen Leute ab- und zureisen und etwa
Geyer, Ntirnberg und die Gejgen reformation. 255
14 Tag da wohnen mochten. „Aber die Wohnung wie bisher
geschehen konnte er ihnen nit zulassen, sie unterwurfen sich
denn der rSmischen Keligion," Der Rat beschliefit: „Weil
Paulin'Nirij jetzt hineinreisen will, ihm zu erofihen, dafi man
nun ernstlich gegen die L. die namlichen Mafiregeln ergreifen
werde („wiewol sie nit gern daran kamen) wie die L. gegen die
Nurnberger „und ihnen auch alle Hantierung allhie zu
verbieten'*.
Ahnliche Erfahrungen wie in Lucca machten die Nurnberger
auch in Verona. Des Kardinals von Verona Agostino Valiero
oberste Doctores, Canonici und Kommissare" haben auf Befehl
des Kardinals alien Priestern der Stadt befohlen, die Namen
derer, die an Pfingsten und Fronleichnam nicht gebeichtet und
komniiuniziert hatten, aufzuzeichnen. Dabei hat man gemerkt,
daB viele seit Jahren nicht gebeichtet hatten. Daraufhin er-
hielten die Geistlichen „ernstliche gedruckte Mandate", die an
die Kirchentiiren angeschlagen und nach der Messe vorgelesen
wurden, dafi die unterlassene Beichte nachgeholt werde „zwischen
jetzt des Mandats des 12. Juni und unser Frauen Himmelfahrt
des Monats August** bei Straf der gr5fieren Exkommunikation.
Die Beichtvater soUten seinerzeit von Haus zu Haus gehen und
die Lassigen melden, „damit man mit jedem k5nne der Ver-
wirkung nach handeln und nach Notdurft dem heiligen Officio
der Inquisition ubergeben."
Dieses Vorgehen des Veroneser Bischofs veranlafite den
Nurnberger Kaufmann Wolf Furl eger^) und seine Mitverwandten
sich am 20. November 1574 beim Rat zu beschweren. Im ver-
schienen 69 Jahr — so ftihren sie aus — haben wir „untertanig
zu erkennen geben, was groBer Beschwerung, Molestation und
Bedrangnis unseren befreundten Leuten und Dienern, so wir
zu Bern in Welschland haben und das leger darin halten
miissen, von dem Bischof und Geistlichkeit desselben Orts an-
getan wurde, indem daB man sie benotigen und dringen woUen,
sich zur papstlichen Religion und Kirche zu halten, zu ge-
wohulichen Zeiten im Jahr zu beichten und unter einerlei
Gestalt zu kommunizieren, welches sie doch ihres Gewissens
1) Vgl. Roth, Geschichte des Ntirnberger Handels I, 320.
256 Geyer, Niirnberg und die GegeDreformation.
und christlicher Unterweisung halben solcher gestalt keineswegs
tun konnen". Der Rat hatte sich deswegen an den Herzog
und Herrschaft zu Venedig, zu deren Gebiet Verona gehSrt,
gewendet und von da an lieB man die Niirnberger in Frieden.
„Aber jetzt hebt das PfaffengeschmeiC wiederumb an und geben
uns unsere Lent und Diener flehlich zu erkennen, wie der Bischof
zu Bern kurzverruckter Zeit ernstliche Mandata durch offnen
Druck ausgehen und alien Bftrgern und Inwohnern in der Stadt,
die seien wer sie woUen, bei hochster Commiuation gebieten
lassen, sich in einer bestimmten Zeit bei den Geistlichen zu
erzeigen, ihre Slind zu beichten und das Sakrament des Altars
zu empfangen.** Das sei eine groUe Ungleichheit „daC die
Berner und andere Italianer der Religion halben in dieser
Stadt frei und doch die unsern bei ihnen solcher Freiheit . . .
nicht auch genieUen sollen, und da darin nicht Rat gefunden,
endlich daraus erfolgen wttrde, daB zuletzt die Teutschen der
Handlung in Italia sich gar entauBem miissen." Der Rat wolle
sich deshalb wieder nach Venedig wenden, damit die Niirnberger
nicht zur papstischen Religion gezwungen und des Bischofs
vorhabende Inquisition gegen sie abgeschafft werde.
Da die Venetianer, wie wir oben gehort haben, aus
politischen Grunden die Uneinigkeit des christlichen Abend-
landes bedauerten, ist es zwar nicht unmoglich, daB sie den
Fanatismus des restaurierten Katholizismus noch einmal ein-
zudammen sich bemlihten, allein die Akten geben iiber den
weitereii Verlauf der Angelegeuheit keine Auskunft.
Eines gewissen tragikomischen Anstrichs entbehrt eine
Streitsache nicht, die uns in die Zeit nach dem eben beendeten
DreiBigjahrigen Krieg versetzt und in den Akten also bezeichnet
wird: „Religion-Sach, Johann Frorentaig burger alhie welcher
als ein Handelsmaun auff dem Marckt zu Hall im Indthal in
der Herrschaft Insprukh gelegen, gewest, und daselbt am
Heyl. Auffahrtstag in der Kirchen, anwesend vieler Herren
und hohen personen, den Pfaffen, als Er in der Predigt wider
H. Lutherus groblich gelastert, offentlich liigen gestrafft, ist
auff meiner Herren unterschiedlich widerholte Intercessionales
nach hart auBgestandener gefangnus derselben endlich mit spoth
wider erlaBen worden. 1649."
Oeyer, Niirnberg uiid die Gegenreformation. 257
Aus dem RatsverlaB vom 15. Marz 1649 erfahren wir,
das Sara Frorentaigin die fiir ihren in Innsbruck eingesperrten
Gemahl Yom Rat erbetene Interzession gewahrt erliielt. Dabei
wird ihr geraten, die ilirem Manne auferlegte GeldbuBe sofort
zu bezahlen, „weil soldier Fehler, zumalen diesem orth fiir
nicht gering zu achten auch hingegen einem Pabstischen, wenn
er dergleichen in einer Evangelischen Kirchen thun wolte,
solches ebenmafiig nicht ungestraft wiirde hingehen". Da iiber
den Gang der Angelegenheit ein vom 23. Jnli 1649 datierter
anschaulicher Bericht Frorentaichs an den Rat vorliegt, geben
wir diesen in der Hauptsache wortlich wieder.
„Nachdem ich zu Hall im Innthal an dem H* Auffartstag
in die sogenannte Konigl. Stiifts-Kirchen gegangen, aldar den
Pater Prediger Jesuitter ordens namens Ruprecht BShmer an-
gehort, welcher unter andern diese wort ausgestofien die
Neuen Ketzer die Lutheraner und sonderlich Luther der aus-
gesprungene Mlinch, thuet seine aus dem Closter entflihrte Nonn
die Kattel, die verfluchte und vermaledeyte (quod cum venia
dictum sit.) Schandpestiam etc. wie auch Ihre Predicanten thuen
Ihre Badmagd, der H. Mutter Gottes vorziehen und dem auf-
gefahrnen Herrn Christo Zustellen, sind mir umb solcher un-
wahrhafter red willen aus einem eyfer diese wort laut heraus-
gefahren, daB ist nicht zuerweiBen. Worauf ich dann nach
geendter Predigt von Richter und Rath aldort in arrest ge-
nommen, an Ketten und. Banden geschlossen, und nicht anderst
alB eine Person, so das Leben verwiirckt, Sieben wochen und fiinf
Tag gefanglich gehalten worden. Obwoln Zwar ich der gentzlichen
Hoffnung gelebet, ich wiirde E. Herri, eingewandter Inter-
cefiionales, darfur ich unterthanigen danck sage, in etwas ge-
niessen, so seind doch solche in keine consideration gezogen,
sondern mir endlich dieser Bescheid publicirt worden, dafi ich
ein Vierthl stund lang vor dem RathhauB auf einer Bruckhen
4n Ketten und Banden stehen und des Lands ewiglich verwiesen
sein soil, welches dann alles an mir verbracht, und ich vielen
Tausent menschen Zu eim spectecul und Schandspiel vorgezeigt,
und alBdann auB der Statt in Ketten und Banden bin gefiihrt
worden. Vorher aber ist mir ein schreckliche Vrvhede vor-
gehalten, und alB ich solche keines wegs eingehen wollen, mit
Beitrage zur bayer. Kirchengeschichte VII. 6. 17
258 Geyer, Niiruberg und die Gegenreformation.
grofier B.etrohung der langern gefaDgnus und hartern straff,
zur subscription bin gezwungen, und mir noch darzu iiber die
atzung, Ein und Neuntzig gulden Gerichts und Sporr Uncosten,
und dairfur biB auf dato alle meine wahren in arrest behalten
worden .
Welches alles ich dem gerechten Gott in Himmel anbefehl,
und Ewer Herri, den gantzen Verlaiiff zu gehorsamer Volg
hiemit habe berichten soUen."
Prorentaich wurden (RatsverlaB vom 23. Oktober 1649)
seine Kaufgiiter endlich frei gegeben. Da ihm die Landesver-
weisung deshalb sehr miBlicli war, weil sich seine Schuldner
dieselbe zunutze machten, bemiihte er sich 1652, sie riick-
gangig zu machen. Allein seine darauf gerichteten Bemuhungeii
waren vergeblich. Die endgultige Ablehnung Ferdinand Karls,
Erzherzogs zu Osterreich, wurde am 9. Januar 1654 in seiner
Abwesenheit seinem Stiefvater Wolf Ortlauff zugestellt.
Es ertibrigt mir noch fiber die Vergewaltigung Nurnberger
Untertanen, die in Pfalz-Neuburgischem Gebiete wohnten, zu
berichten. Ich werde auf diese Angelegenheit zurtickkommen,
wenn meine Studien hieriiber zum AbschluC gekommen sind.
Die Kirchenordnung fiir eine Landgemeinde (Kraftshof)
aus der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts.
Von Justizrat Frhr. Y. Krefs.
Kirchen ordnungen fiir Landgemeindeii — wenn man sie so
nennen darf — aus der ersten Halfte des 15. Jahrhunderts werden
nicht alllzuvfele auf uns gekommen sein. Im Frhr. v. Kiefischen
Familienarchiv zu Kraftshof, dem alten Stammsitz der genaunten
Nurnberger Patrizierfamilie, ist eine solche Kirchenordnung fiir die
Landgemeinde Kraftshof erhalten. Sie beansprucht unser Interesse
schon um deswillen, weil die dnrch sie getroffenen oder bestatigten
Einrichtungen zum Teil die Jahrhunderte iiberdauert haben und un-
beriibrt durch die moderne Gesetzgebung noch heute in Kraft be-
stehen. Es gibt in Kraftshof keine Kirchenyerwaltung im Sinne
der bayerischen Verordnuug, vielmehr wird das Kirchenvermbgen
noch heutigen Tages von der Gutsherrschaft in Gemeinschaft mit
vier Gotteshauspflegern verwaltet. Diese Einrichtung wurde zuerst
durch unsere Kirchenordnung geregelt. Die Kirche zu Kraftshof
war eine Filiale der Pfarrkirche zu Poppenreuth. Zwischen dem
V. KreB, Die Kirchenordnung fiir eine Landgemeinde aus d, 15. Jahrh. 259
Pfarrer von Poppenreuth und den zu Kjraftshof gehorigen Gemeinden
waren DiflPerenzen entstanden und der Pfarrer von St. Sebald in
Nurnberg, Meister Albrecht^), der sich selbst als den Lehensherrn der
Pfarrei St. Peter in Poppenreuth bezeichnet, hatte durch etliche Ar-
tikel und SStze mit Willen und Wissen des Pfarrers Peter zu Poppen*
reuth und mit Hilfe des erbaren Mannes Konrad Krefi des Elteren,
Frauen Walburgen, seiner Eheft*aU; uud ihrer Sobne, sowie der ganzen
Gemeinde der Dorfer, die zu Kraftphof gehoren, das Kircbenwesen
daselbst neugeregelt. Dabei soUte es zu ewigen Tagen verbleiben.
Das Manuskript dieser Kirchenordnung ist in einem schmalen
Quartband von ca. 30 cm Hohe und 22 cm Breite enthalten, der in
zwei Starke Holztafeln mit Lederrttcken gebuuden und vorne mit
einer Messingschliefie versehen ist. Wiewohl es keine amtliche
Fertigung anfweist, diirfen wir es der Handschrift nach als Original
betrachten. Der Holzdeckel tragt auf der Aufienseite die Aufschrift:
,,1421. Kyrcheuordnwng zwm KraflPtshoff." Die Aufschrift und der
Einband stamraen wohl aus spHterer Zeit; die erstere verrSt die,
Handschrift des bekannten Ratsherrn Ohristoph Krefi, der im Jahre 1535
starb. Die Jahreszahl 1421 stimmt nicht zu dem Inhalte des
Textes. Denn nach der Einleitung hat Meister Albrecht von St.
Sebald nach Konrad Kressens . seligem Ableben dessen Witwe Wal-
burg Kjessen, eine geborene Waldstromer, und ihre SShne zu Ober-
gotteshauspflegern eiugesetzt; Herr Konrad Krefi aber ist nach
anderweiten verbtirgteu Nachrichten erst 1430 verstorben. Die
Kirchenordnung wird deshalb etwa in das Jahr 1431 zu setzen sein.
Ein Nachkomme des Konrad Kre6, der Losunger Johann Wilhelm
Krefi; ein sehr schreibseliger Herr, der einen ausgepragten Familien-
sinn besafi und nicht wenige Biicher uud Schriften jdes Familieu-
archivs mit Notizen von seiner Hand bereicherte, fUllte einen Teil
der leeren Blatter des Bandes mit Abschriften und Bemerkungen aus^
die sich auf Kraftshof und audere Krefische Stiftungen beziehen.
Er liefi auf die Innenseite des Deckels einen Kupferstich des Konrad
Krefi einkleben, der die Umschrift tragt „Herr Conrad Krefi von
Kressenstein vff Crafftshoff vnd Mayach, des Innern Raths der Stadt
Nlirnberg, Starb im Jahre Christi 1430" und wie schon der Beisatz
„von Kressenstein" zeigt, der erst 1530 durch Kaiser Karl V. dem
Ghristoph Krefi verlieheu wurde, gleichfalls aus spaterer Zeit stammt.
Auf die Titelseite, welche urspriinglich nur ein gemaltes Krefisches
Wappen im gotischen Stil aufwies, liefi er eine Abbildung von
Kraftshof mit der St. Georgenkirche und dem sogen. Kressenstein,
sowie den Wappen der Besitzer von Kraftshof und ihrer Frauen bis
1) Albrecht Fleischmann, Pfarrer von St. Sebald von 1397—1440.
Vgl. tiber ihn Diptycha Ecclesiae Sebaldinae, das ist VerzeichnuB der
Herren Prediger etc. angefangen von Herrn Carl Christian Hirschen, fort-
gesetzt von Andreas Wiirfel. Ntirnberg 1756, S. 47.
17*
260 V. Kre6, Die KirchenordnuDg fllr eine Landgemcinde aus d. 15. Jabrh.
1597, in Kupfer gestocben, einkleben. Auf der EUckseite dieses
Blattes siud die Nameu der Herreu Kressen^ „so des Ratbs zu
Ntirnberg und zugleicb auch Oberpfleger ibrer Stiftskircben zu St.
Georgen zu Craftzbof gewesen," eingescbrieben. Dann erst folgt auf
nur yier, vorne und binten bescbriebenen, aber immer durch ein leeres
Blatt getrennten BlStteru die iu tadelloser, letternartiger Scbrift von
einer krSftigen Hand geschriebene Kircbenordnung in secbzebn Satzen,
zwiscben deuen allemal ein Eaam leer gelassen ist. Unmittelbar
binter der Kircbenordnung ist von der Hand des Jobaun Wilbelm
Krefi der „Stift- und Weybbrief liber St. Georgen Kirch zu Crafftsbof
A® 1315" eingescbrieben. Die Uberscbrift ist aucb bier nicbt korrekt;
die abgeschriebene Urkunde ist nicbt der Stifts- und Weihbrief der
Kircbe, sondern die Urkunde iiber die Wiedereinweibung der Altare
durcb den Biscbof Peter von Mitrocomanien, Geaeralvikar des Biscbofs
Anton von Bamberg^ d. d. feria secunda post testum S» Viti A° Do-
mini 1440. Sie besagt aber, daft der Weibbiscbof im Hauptaltar
im Cbor der Kircbe neben den Reliquien den Weihbrief der Kirch e
gefunden babe, und gibt den letzteren zum Teil im Wortlaut wieder.
Wir bringen die interessante Urkunde im Anbang zur Kircbenordnung
zum Abdruck. Weiter sind in den Quartband noch einige Bogen
anderen Papiers mit Notizen des Johann Wilbelm Krefi iiber das
von Hilpolt Krefi A® 1427 ge^tiftete Jungfrauenalraosen, dann iiber
Krefische Begrabnisse und Mannerstiible und endlich die Abschrift
eines Gedicbts des Nurnberger Spruchsprechers Wilbelm Weber
,,Kurzweilige Beschreibung der Kirchweih zu Crafftsbof und des
dabei nach altem Gebrauch gehaltenen Buchsenschiefiens'^ eingeklebt,
die uns bier nicbt weiter interessieren.
Wicbtiger ist fiir iins die Frage, wie kommt der Pfarrer von St.
Bebald in Ntirnberg dazu, eine Kircbenordnung fUr Kraftsbof zu erlassen ?
Was hat ibu veranlafit, die Kressen als Obergotteshauspfleger ein-
zusetzen? Kraftshof, ein ansehnlicbes Dorf, auderthalb Stunden von
NUrnberg gegen Norden zu am Kande des Reichswalds gelegen, wird
unseres Wissens in der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts zuerst
genaunt. In einer Urkunde vom Jahre 1277 bekennen die Gebriider
Friedrich und Herdegen, die Holzscbuber, Burger zu NUrnberg, dafi
Burggraf Friedrich von Ntirnberg sie zu seinen Burgmannen in seiner
Burg zu Krafteshove gemacht und ihnen die Halfte des genannten
Dorfes und den Zehnten daselbst samt alien seinen Rechten und
Zugehorungeu als Burglehen verliehen babe ^). Er bestimmte auch
zwei Hofstatten (areas) in dem besagten castrum, wo sie ibre per-
sonliche Residenz nehmen und ihm als Burgmannen treu dienen
sollten. Es findet sich aber keine weiter e Spur davon, dafi die
1) J. Chr. Gatterer in der Historia genealogica Dominorum Hol^-
schnheriorum ab Aspach et Harlach in Thalbeim etc. Norimbergae,
MDCCLV. Praefatio in fine.
V. EreB, Die Kirch enordnung fiir eine Landgemeinde aus d. 15. Jahrh. 261
Holzscbuher wirklich in Kraftshof sich niedergelasseu hatten; wir
finden sie spater in dein benachbarten Almoshof. Dagegeu erscheinen
bald darnach die Herren von Berg, jenes in der Gegend reich be-
gttterte und angesehene, auf dem Altenberg bei Zirndorf sefihafte
Dynastengeschlecht, im Besitz eines Burgstalls und verschiedener
SoldnergUter zu Kraftshof als Reichsleben. Diesen Burgstall ver-
liehen sie an Fritz Srefi, der aus dem Vogtlande, wo seine Vor-
fahren gehaust batten^ hergekommen war und die Tochter eines
frankiscben Hitters, des Herrn Konrad Strobel von Atzelsberg, namens
Margaretba^ geheiratet hatte. Er ist der Stammvater des noch jetzt
bluhenden Geschlechts der Krefi von Kressenstein. In dem noch
heute der Familie Krefi gehorigen Besitztum in Kraftshof steht in
einer tief gelegenen Wiese, die friiher Weiher war, ein nur liber
eine Briicke zugSngliches^ einfaches Sommerhaus, der sogen. Kressen-
stein, an dessen Stelle nach der zweifellos richtigen Tradition der
alte Burgstall gestanden hatte. Man darf sich ebeu unter Burg-
stallen nicht Burgen vorstellen, sondern nur hochst bescheidene Stein-
hauser, , die sich von den iibrigen Wohnstatten zumeist nur durch
ihre festere Bauart und dadurch unterschieden, dafi sie mit Mauern
und Graben befestigt waren. In die Sockelmauer des Kressenstein
ist ein uralter Stein eingemauert, in welchem ein Krefisches und
und Strobelsches Allianzwappen und die Jahreszahl W'tt'V't't'
eingemeifielt ist^). Jm Jahre 1291 hat also Fritz Krefi diesen Burg-
stall besessen und vielleicht neu erbaut. Fritz Krefi und seine Frau
Margaretha haben aber aucb die Kirche in Kraftshof gebaut. Der
Weihbrief von 1315, der in der obenerwahnten Urkunde von 1440
nur zum Teil wiedergegeben, in anderen Abschriften aber vollstSndig
erbalten ist^), besagte: Anno Incarnationis Dominica Millesimo
Trecentesimo quindecimo consecrata est hec Ecclesia Dominica die, qua
cantatur Jubilate in honorem Sti Georgii et S. Marie et S. Crucis a
Reverendo Dn. Dom. Wolfframo Sabensi Episcopo, cousentiente Du.
Ulgingo Bambergensi Episcopo, hoc procurante Honorabili et Devoto
Viro, videlicet Friderico Kressen una cum Margaretha uxore qui sunt
fundatores hujns Ecclesie. Nach Anfiihrung der Reliquien, welche
in den Altar eingelegt worden sind, schliefit daan die Urkunde mit
den Worten: Acta sunt hec tempore Magistri Hermanni Plebani S.
Sebaldi dicti de Lapide^). Das Kirchlein zu Kraftshof war aber
nicht^ wie man nach diesem Schlufisatz vermuten mochte, der Kirche
1) Seine Existenz wird schon in dem 1530 angelegten Geschlechts-
buch des Christoph Krefi bezeugt (Krefisches Archiv).
2) Abschriften des Weihbriefs finden sich bei Job. Wilb. Krefi,
Documenta, 1640, Bd. I und bei Marx Christ. Krefi, Beschrdbung derKrefi-
schen Kirche zu Kraftshof 1876, im Krefischen Archiv.
3) Hermann von Stein, Pfarrer bei St. Sebald seit 1313, giug spater
ins Kloster der Augustiner und starb als Prior desselben 1359. Vgl.
Diptycha Ecclesiae Sebaldinae S. 46.
262 V. KreB, Die Kirchenordniing ftir eine Landgemeinde ans d. 15. Jabrb.
zu St. Scbald in Ntirnberg zugeteilt, sondern es war eine Filiale der
Pfarrkircbe zu Poppenreuth, deren Sprengel danials ein weites Ge-
biet im Westen, Norden und Osten von NUrnberg umfafite. Poppen-
reuth war alter als NUrnberg und die Kirche von St. Sebald damals
selbst noch eine Filiale von Poppenreuth, ein Verhfiltnis, das offiziell
erst im Jahre 1387 geSndert und noch spater in das Gegenteil ver>
kehrt wurde. Im Jahre 1886 war namlich zwischen dem Eektor
der Kirche zu Poppenreuth, Konrad Sauer, und dem Rektor der Kirche
zu St. Sebald in NUrnberg,- Wolfram DUrr^), ein Streit entstanden,
weil letzterer die Eigenschaft seiner Kirche als einer Filiale von
Poppenreuth nicht mehr gelten lassen wollte. Die Sache kam vor den
papstlichen Stuhl und Papst Urban VI. entschied im Jahre 1387
auf Vorstellung dee NUrnberger Rats, dafi jede der beiden Kirchen
eine gesonderte Pfarrei sein sollte, doch dergestalt, dafi, wenn einer
von den beiden obengenannten Pfarrern abginge, der verbleibende
Pfarrer beiden Pfarreien vorstehen, demnach kiinftig der Pfarrer von
St. Sebald auch Pfarrer zu Poppenreuth sein und diese Pfarrei durch
eiuen von ihm zu unterhaltenden Vikar versehen lass^n sollte.
Die beiden Pfarrer schlossen eineu Vertrag miteinander ab, wie es
mit dem Zehnten in Zukunft gehalten werden solle, und Pfarrer
Sauer verpflichtete sich dem Rat zu NUrnberg gegenuber, dafi er,
wenn Pfarrer Wolfram DUrr sturbe, die Pfarrei St. Sebald Uber-
nehmen und nicht gestatten wolle, dafi ohne des Rats Yorwissen in
und um Wbhrd und allenthalben im Sprengel der Sebalder Kirche
eine Kirche oder Kapelle errichtct wUrde. Papst Bonifazius IX., der
im Jahre 1390 die Vereinigung der beiden Kirchen bestStigt hatte,
sah sich indessen im Jahre 1402 veranlafit, diese Personalunion
wieder aufzuheben und anzuordnen, dafi jeder Pfarrer personlich auf
seiner Pfarrei wohnen solle. Magister Albrecht Fleischmann aber,
der 1397 auf die Pfarrei St. Sebald kam, nannte sich schon 1431
den Lehensherrn der Kirche von Poppenreuth.
Bei diesen VerhUltnissen und der Grofie des Poppenreuther
Pfarrsprengels war ein Filialkirchlein wie das Kraftshbfer libel ver-
sorgt. Eine PfrUnde war mit ihr nicht gestiftet worden. Das Be-
dUrfnis nach einem eigenen Geistlicheu wurde aber immer schreiender.
Die Gemeinde wurde immer grofier. Im Umkreise von Kraftshof
lagen funf Dorfer^ deren Bewohner lieber die nahegelegene Filial-
kirche in Kraftshof als die entfernter liegende Mutterkirche in
Poppenreuth besuchten. Gegeu Norden auf den Reichswald zu
lag das stattliche Dorf Neuhof. Im Osten waren die burggraf-
lichen Besitzungen Almoshof oder Malmeshof und Lohe, die an
1) Oder Dorrer, wie er in den Diptychen genannt wird. Vgl. Diptycba
Eocl. Seb. S. 46, dann D. Paulus Ewald, Geschichte der Pfarrei Poppen-
reuth. Ntirnberg 1831, S, 15, ferner Historia Diplom. Norimb, II,
p. 466.
Y. KreB, Die Kirchenordnang fiir eine Landgemeinde aus d, 15. Jahrb. 263
NUmberger Burger, die Holzschuher, Imhof, Tucher und andere
verliehen waren, zu ansebnlichen Ortscbaften berangewacbseu. Im
SUden auf die Stadt zu lag das burggraflicbe Dorf Bucb, das erst
im Jabre 1427 zugleicb mit der Burg und den Reicbswaldern au
die Reicbsstadt Niirnberg abgetreten wurde, und im Westen gegen
Kloster GriindJacb zu kam noch Boxdorf in Betracbt. Die Bewobner
dieser secbs Dorfer entscblossen sicb, aus ibrem Vermogen zusammea-
zusteuern, um ein Frubtnefibenefizium zu dotieren^). Scbon im Jabre
1402 waren die Heiligenpfleger imstande, ein Anwesen mit Garteu
zu kaufen, in welcbem sicli ein Wobnbaus fiir den kUnftigen Friib-
messer erbauen liefi^); durcb Ankauf von Gilten und Kenten, wie
durcb Stiftungen verscbiedener Art wurden in den nacbsten Jabren
die EinkUnfte des Friibmessers sicbergestellt. Mit der Zustimmung
und dem Beistand ibres Seelsorgers, des Pfarrers Peter von Poppen-
reutb, erbaten sicb die Gemeinden von Biscbof Albrecbt von Bam-
berg die Bestatigung der Friibmefistiftung. Sie stellten ibm vor,
dafi die Kapelle des bl. Georg zu Kraftsbof keinen dort bestSndig
verweilenden Priester babe, sondern uur zu Zeiten durcb den Pfarrer
von Poppenreutb besucbt werde, der selbst oder dureb einen anderen
an bestimmten Tagen Gottesdienst balte, dafi aber scbon ibre Vor-
fabren aus ibrem Vermogen zu dem Zweck zusammengesteuert batten,
dafi an der Kapelle ein einfacbes Benefizium obne Seelsorge fUr einen
dort immer und bestandig persbnlicb residierenden Priester eingericbtet
werde, welcber den dem Ackerbau und anderen landlicben Gewerben
fronenden Dorfgenossen taglicb oder docb recbt baufig Frlibmessen
zelebrieren konnte^ damit sie^ gestarkt mit geistlicber Nabrung, an
ihr Tagewerk gebeu konnten, und dafi sie nun in den Stand gesetzt
wSreuy aus nnbeweglichen, fiir eine solcbe Stiftung sicb eignenden
Giitern jabrlicbe Einkunfte in der Hobe von 30 fl. rbeiu. und dariiber
als ewige PrUbende zu stiften. Sie baton instandig, die Stiftung
dieser ewigen Frlibmesse unter den festzusetzenden Bedingungen und
Vorscbriften zuzulassen und zu bestatigen. Der Friibmesser sollte
an den Parocbialrecbten und der Seelsorge keinen Teil baben, sie
nur ausUben, wenn er im einzelnen Falle vom Pfarrer darum ge-
beten wUrde und sie von ibm tibertragen erbielt. Nur ein wirk-
lieber Priester, der in Kraftsbof personlicb residieren musse und
1) Es heiBt in der spater erwahnten Bestatigungsnrkunde: Qualiter
praedecessores sui in villis praedictis pia devotione moti . . . de suis
facultatibus plurima tradiderunt ...
2) Laut Gerichtsbrief vom St. Kunigundentag in der Fasten 1402
erkauften Kunz Kraftshofer und Jorg^Neubauer, Pfleger des Gottes-
hauses zu Kraftsbof, von Hermann Hogel und seiner ehelichen Wirtin
Gred deren Haus zum Kraftsbof gelegen, des weiland des Gern-
groBen gewesen ist, fiir das Gottcshaus. Abschrift in Marx Christ.
Krefi, Bescbreibung der KreBschen Kircben zu Kraftsbof, 1676, im
KreBscben Archiv.
264 V. Krefi, Die Kirohenordnung fiir eine Landgeineinde aus d. 15. Jahrh.
keinexn anderen Dienst vorsteben, auch niemanden aDderen sich ver-
pflichten dlirfe, Bolle mit der Pfrlinde belehnt werden^).
Y)et Biscliof bewilligte das Gesuch und bestt&tigte in einer iim-
fangreichen Urkunde vom Jahre 1420, quiuta feria proxima ante
festum Beati Johannis 'Baptistae, die Frtihmefistiftung. Dabei wurde
vor allem festgesetzt, dafi der Pfarrer und die Mutterkirche in
Poppenreuth in ihren Ehren, Prarogativen; Bechten, Gerechtigkeiten,
Beziigen, FrUcbten, EinkUnften und Akzidentien nicbt verkUrzt und
beeintracbtigt werdeu durften. Der Friihmesser diirfe Messen lesen^
so viele er lesen konne, nacb eigencm besten Wissen und Gewissen,
docb so, dafi er sicb an Sonu- und Festtagen nach den Wiinscben
des Pfarrers ricbte, an den iibrigen Tagen aber in der Frtihe nacb
der Bequemlichkeit der Bev5lkerung lese. Er hatte nacb Auordnung
des Pfarrers am Gottesdienste in Poppenreutb mitzuwirken und dem-
selben, wenn er in Kraftsbof Gottesdienst hielt, auf Wunscb zu
assistieren. Das Recht; einen Friibmesser zu prSsentieren, solle den
Gottesbauspflegern zu Kraftsbof zusteben, welcbe einen Kaplan oder
Kooperator des Pfarrers von Poppenreutb oder einen solcben des
Pfarrers von St- Sebald in Nlirnberg, wen sie wollten, dem erst-
genannten Pfarrer in Yorscblag bringen sollten, damit ibn dieser dem
Biscbof zur Bestatigung und Einsetzuug prllsentieren k5nne. WSre
aber unter den Vorgenannten kein Priester geneigt^ die Stelle an-
zunebmen, so sollten die Gottesbauspfleger einen anderen bewllbrten
Mann aus dem Priesterstande von gutem Euf und passenden Eigen*
scbaften auswSblen und dem Pfarrer von Poppenreutb in Vorscblag
bringen. Die Opfer, welcbe gelegentlicb der Messen dargebracbt
wtirden^ batte der Friibmesser zu sammeln und obne Abzug an den
Pfarrer abzuliefern ; von allem, was ibm selbst aus Testamenten, Ver-
mScbtnissen oder fur Seelmessen anfiel; batte er den dritten Teil
an den Pfarrer abzugeben. Aucb die Gottesbauspfleger sollten von dem,
was an ge wissen Festtagen auf die Scbiissel gelegt wiirde, den dritten
Pfennig diesem Uberlassen. Endlicb fUbrte der Bestsltigungsbrief die
Guter im einzelnen auf, mit welcben die Frlibmesse dotiert worden war.
Wiewobl nun Konrad Feicbter in dieser Urkunde als erster
PrSbendarius scbon genannt wird und das Verbaltnis zwiscbeu Pfarrer,
Friibmesser und Gemeinde auf das Sorgsamste geordnet zU sein
scbien, mufi es docb bald wieder zu Differenzen und Reibungen ge?
kommen sein. Die Gemeinden klagten, dafi der Pfarrer aller-
band Neuerungen einzufUbren sucbe^), und bescbwerten sicb dartiber
1) Dies alles VdQt sicb der Bestatigungsurkunde des Biscbofs Albrecbt
von Bamberg entnehmeD. Ausfertigung dieser Urkunde Ist im Frhr.
V. KreBschen Archiv erhalten.
2) Im Abs. 3 der Kirohenordnung heifit es: Als Herr Peter, pfarrer
zu poppenreut vil newikeit sich vnderstin vnd anvahen wollt wider das
gotzhawB sant Jorgen zu Kratftzhoflf vnd wider die Kressen vnd die
GotzhawBgemeinen vnd die gantzen gemein ...
V. Kvefi, Die Kirchenordnung ftir eine Landgemeinde aus d. 15. Jahrb. 265
bei dem Pfarrer von St. Sebald, Magister Albrecht, als deto Lehens-
berru der Kirche zu Poppenreuth. Pfarrer Albrecbt Fleischmann, der
ein riihriger und tatkraftiger Geistlicher aucb nacb aDderen Nach-
riehten gewesen zu sein Bcbeint, nahm sicb der Gemeinden energiscb
an und bemiihte sicb eifrig, der Kraftsbbfer Kircbe, die noch immer
arm, klein und obne Scbmuck und Zierde war, WohltSter und
Freunde zu gewiunen, die geneigt wKren, sicb ibrer anzunebmeu. Er
suebte vor allem das Interesse der Nacbkommen des Stifters fur sie
zu erwecken, indem er sie zu Obergotteshauspflegern bestellte. Der
Stifter, Fritz Krefi, war im Jabre 1340 gestorben und in der von
ibm gegrundeten Kircbe begraben worden. Von seinen Sobnen batte
Brecbtel Krefi, auf clen der Burgstall in Kraftsbof gekommen war,
seine Besitzungeu in Kraftsbof im Jabre 1357 an seinen Scbwager
Konrad Ebinger verkauft "^). Von den Ebingern waren sie an die Ebner
gekpmmen. Hermann Ebner zulieb verzicbtete Heinricb von Berg auf
seine Anrecbte auf das Steinbaus zu Kraftsbof samt Zugeborungeu als
Lebensberr, so dafi dasselbe nunmebr nur nocb vom Eeicb zu Leben
ging^). Im Jabre 1400 verkaufte Hermann Ebner sein Besitztum
in Kraftsbof an Hermann Volland und von diesem ging es durcb
Kauf laut Urkunde vom Pfintztag nacb St. Bonifaziustag 1403
an die Urenkel des Kircben stifters Fritz Krefi, die Briider Konrad
und Ulricb, iiber ^). Letzter'er starb im Jabre 1410, obne Sobne zu
binterlassen. Konrad Krefi war ein woblhabender Kauf m an n/ der
mit Venedig Handel trieb und im Kat der Reicbsstadt safi *). In
seinem Testament vom Freitag nacb St. Katbreinstag 1429 bestimmte
er, dafi die Behausung und das Gesafi zu Kraftsbof mitsamt der
Hofrait, dem Weiber und Garten, wie das alles umfangen und be-
grifPen ist, alle seine Sobne bei und miteinander baben, balten und
geniefien sollten, also dafi es bei seinem Stamm und Namen furbafi
bleibe. Es ist begreiflicb, dafi Pfarrer Albrecbt Fleiscbroann in ibm
den Mann gefunden zu baben glaubte, dem er die Obsorge fur die
Kirche in Kraftsbof ubertragen konnte. Herr Konrad Krefi war in
zweiter Ebe mit Walburg, einer geborenen Waldstromer, vermablt:
wir kennen sie aus eignen Aufzeicbnungen, die von ibr erbalten
sind, als praktiscbe tatkraftige Frau ^). So wandte sicb Pfarrer
Fleischmann, als Konrad Krefi im Jabre 1430 verstorben war, an
sie und ihre Sobne und setzte sie zur Verweserin ein, damit sie
1) Grig. Perg. Urk. im Krefischen Archiv, IV* A-Nr. 1^.
2) Grig. Perg. Urk. vom Samstag nacb St. Gertrudentag 1379 im
Krefischen Archiv 1V» A-No. 4* dann 5 und 6.
3) Grig. Perg. Urk. im Krefischen Archiv Va A-No. 7 and 8.
4) Vgl. iiber ihn meinen Aufsatz: Beitrage zur NUrnberger Haudels-
geschichte aus den Jahren 1370—1430 in Mitteilungen des Vereins fiir
Geschichte der Stadt Nurnberg, Heft 2, S. 188ff.
5) Vgl. das Schenkbuch einer Nurnberger Patriziersfrau von 1416 bis
^ 1438, im „Anzeiger fur deiitsche Vorzeit" Band 23, Sp. 37 ff. 70 if.
266 V. Krcfi, Die KirchenordnuDg fUr eine Landgemeinde aus d. 15. Jahrh.
ihre SohoTe untor seiuem Beistand zu obersten Piiegern der Kirche
heranziehe. Daraus erklllren sich die Bestimmungen der Kirchen-
ordnung Uber die Einsetzung der Kreseen als oberste Gotteshaus-
pfleger. In der Tat hat dann bald danach ein Sohn des Konrad
Krefi, Friedrich, die Kirche bett'Schtlich erweitern . und verschonern
lassen.
Auffallend ist, dafi die Kircheaordnung nicht weiter des zehn
Jahre vorher gestifteten Friihmefibenefiziums und des Friihinessers Er-
wlibnung tut. Nnr an einer Stelle^ in Abs. 11 ist gesagt, daft am
St. Georg-Tag in der Frtlhe dem Pfarrer, dem Kaplan und dem
Mefiner von Poppenreutb, sowie dem Friihmesser und dem Mefiner
von Kraftshof ein scblechts (schlichtes) Mabl gegeben werden soil.
Im ubrigen beschrankt sich der Pfarrer von St. Sebald darauf, die
Verpflichtungen des Pfarrers von Poppenreutb hinsichtlich der Kirche
zu Kraftshof genau zu normieren, Vorschriften uber die Wahl der
Gotteshauspfleger und ihre Rechnungslegung zu geben und ' einige
Bestimmungen Uber die Gottesdieuste imd das, was dem Pfarrer von
Poppenreutb dafur gebtihrt, zu trefiPen, sowie auch das Recht der
Kressen festzustellen, mit den Gotteshauspflegern ohne Einmischuug
des Pfarrers einen Mefiner anzustellen. Augenscheinlich lag dem
Verfasser der Kirchenordnuug nur daran, die Punkte, Uber welche
in letzter Zeit Streit entstanden war^ neu zu regeln. Im Ubrigen
verblieb es eben bei dem bisberigen Herkommen. Immerhin ge-
wabrt aber die Kircheuordnung im Zasammenhalt mit dem, was wir
Uber die Gescbichte der Kirche wissen, einen interessanten Einblick
in die Entstehung und Eutwicklung einer Kirchengemeinde in der
nacjisten NShe der Reich sstadt NUrnberg und tragt vielleicht dazu
bei, manche noch unaufgeklslrte kirchliche Einrichtnng Shnlicher Art
an anderen Orteu aufzuklHren.
Wir bringen sie deshalb im Nachstehenden zum Abdruck und
bemerken dazu, dafi wir die Orthographic und Interpnnktion des
Originals unver^ndert beibehalten haben.
Kyrchenordnwng zwm KrafPtzhoff.
„Di6e hernoch geschriben Artickel hat gemacht der / Erwirdig
herr Maister Albrecht pfarrer zu- sant / Sebolt, der oin lehenherr ist
der pfarr zu sant / Peter zu poppenrewt vnd hat das getan mit
wiUen / vnd wissen des pfarrers herrn peters zu poppenrewt^ / vnd
mit hilff des Erbergen manns Conrad Kressen des / eltern frawen
Walpurgen seiner elichen wirtin vnd alle ir uachkomeu vnd / auch
der gantzen gemein der / DSrffer die zu dem Krafftzhof gehoreu, vnd
pey den / hernach geschriben artickeln vnd plinden sol es peleiben /
zu ewigen tagen.
Got zu lob vnd zu eren Maria der Hymelkunigin / vnd hilflF
dem hochwirdigen Martrer Sant Jorgen sey / nem heiligen gotzhawB
V. KreJg, Die Eirchenordnung fur eine Landgemeinde aus d. 15. Jahrh. 267
zu dem Krafftzhof, als dieselbig / Kirch von alter in grofier elender
armut gewesen ist, / vnd nicht getziert noch czirhait gehabt hot
noch / notturfftigkeit als sich das zu dem gotlichen Dinst zu / gepUrt,
Das hat angesehen der Erber weifi man / Conrad Krefi der elter,
Got zu lob vnd dem heiligen Ritter / sant Jorgen vnd von pet wegen
der ganczen gemein zum / Krafftzhof vnd aller DSrffer, die vmb den
Krafftzhof ligen / vnd (in) dieselbigen Kirchen gen Sant JSrgen ge-
hbrn, vnd / hat sich des vnterwnnden von pete wegen des Erwir /
digen Herrn maister Albrechts pfarrers zu Sant Sebolt / vnd nach
Couraden Kressen tode, so hat er darzu / gesetzt Walpurgen des jetz-
genanten Conradeu Kressen / seligen Haufifrawen, das die ein ver-
weseryn sol sein / vnd all ir nachkomen die Kressen vnd sunder-
lichen ire / kint, darzu sullen in allweg ein yglicher pfarrer zu /
sant Sebolt fiirderlichen vnd beholffen sein das es pay / disen alten
herkumen artickeln vnd gesetzen beleiben / sull ongeuerlich. Also
hat sich fraw Walpurg Kressin / des Gotzhawfi sant Jorgen zum
Krafftzhofe vnderwun / den von pete wegen des vorgenanteu Erwir-
digen Herrn maister Albrechts pfarrers zu sant Sebolt der grofi froh-
locken hat gehabt das sich Fraw Walpurg s5licher gotzdinst vnter-
fing vnd sprach, Er wolt ir zu solichem ratten / vnd helflFen, vnd
pat sie das sie ir Sune auch darauff zug^ / das sie die obersten
pfleger furpas wern, Also hat sie das / getan vnd sullen es ir nach-
kumen auch tun mit namen ir / Sun Fritz Sebolt Jeronymus vnd
Kaspar die Kressen vnd / sullen das Gotzhawfi pehalten pey seiuem
alten herkumen / mitsampt den Gotzhawfigemeinern vnd der gantzen /
gemeiu als von alter herkumen ist; Auch hat sie Herr / Peter
Pfarrer zu Poppenrewt auch gepeten, das sie sich / des Gotzhawfi
vnderwinde, das es in ein Recht wesen / kum vnd die gemein mit-
sampt im, das es furpaffi me / nigclich wiffi, wie es pesten sull
zwischen eynem pfar / rer vnd Sant Jorgen vnd den Herren den
Kressen vnd / den Gotzhawfigemeinern vnd mitsampt der gemein.
Als Herr Peter pfarrer zu poppenrewt vil uewikeit sich / vnderstin
vnd anvahen wolt wider das gotzhawfi sant / Jorgen zum Krafiftzhoff
vnd wider die Kressen vnd die / Gotzhawfigemeiner vnd die gantzen
gemein sbliche / newikeit hat klagt fraw Walpurg Conrad Kressyn /
vnd die gemeiner der Kirchen vnd die gantz gemein / der Dorffer
doselbst vmb, dem Erbirgen Erwirdigen / Herrn Maister Albrecht
pfarrers zu sant Sebolt / der selbig pfarrer hat fUr sich gefordert
Frawn Wal / purgen Conrad Kressin vnd die Gotzhawfi gemeiner /
sant Jorgen vnd von alien Dorffern die filtsten vnd / auch die ge-
mein vnd auch den pfarrer zu poppenrewt /vnd verhort do alle klag
vnd ant wort vnd musten / im die gemein geloben wie er es machet
das sie es allweg / dopey wolteu lassen beleiben furpas ewigclich,
das / haben die alten getan, darnach hat sich maister Albrecht / ge-
mtit in solchen Dingen vnd hat es aufigesprochen, als hernach ge-
schriben stet.
2()8 V. KrelS, Die Kirchenordnung fiir eine Landgemeinde aaa d. 15. Jahrb.
Zum ersteu so sol eyn yder pfarrer zu poppenrewt / einen
kaplan halteu der redlich sey vnd wol prediug / kUnn vnd peicht
hbren vnd mit alleu Sacrameuten / klinn vmbgin als einem priester
zustet. Vnd es sol auch / eyn pfarrer oder seiu kaplan alle Suntag
vnd alle feyr / tag zu sant Jorgen mefl halten vnd predigen aufige- /
numen an der kyrchweyhe zu poppenrewt und am palm / tag vnd
am antlafitag vnd am karfreytag vnd an / vnsers Herren leich-
namstag.
Item darnach sol eyn jeder pfarrer zu poppenrewt / ein pferde
halteu, wann des not geschiclit, das es / den lewten not geschicht,
es sey mit der peicht / oder mit Gotesleichnam oder mit der hei-
ligen oluug / oder mit der tauffe, also das der pfarrer oder sein /
kaplan allweg sullen bereidt sein^ wenn sein not / ist oder sie des
ermant werden.
Item es schol auch kein pfarrer kein gewalt noch kein Schlussel /
haben iiber das, das Sant Jorgen zustet oder ist, weder zu / gelt
noch zu truhen noQh zu klainet noch zu kaynerley / aufigenommen
zu den heyligen Sacramenten.
Item so schullen die Gotzhawfipfleger alle Jar ein / Eechnung
thun vnd sie schullen alleweg der Kressen / ein oder zwen zu in
fordern vnd sie schiillens der / gemein vor zu wissen thun, wenn sie
die Rechnung / thun woUen vnd wo sie es thun wolleu, das / stet
zu den Obersten Gotzhawfipflegeru, den Kressen^ / vnd den vier
Gotzhawfigemeinern^ wo sie des eins / werden, das stet zu in. Auch
wOllen sie einen pfarrer / dopey haben, das stet zu in. Es ist
aber von alter / her nit kumen. Von der Rechnung ist man auch
uyemand nichtz schuldig.
Item wenn die vier Gotzhawfigemeiner ein rechnung / haben
getun, so schullen sie die Schlussel den Kressen / antwortten. So
schullen die Kressen mit der gemein zu / rat werden, ob man die-
selbigen vier gemeyner leqger / wbll lassen oder nit. Sein sie zu
verkeren so sol man / es thun. Sein sie aber wider zu bestellen
das mag man / auch thun vnd die kressen schullen eygentlichen
frogen / vmb alle sach^ was die vier sieder ein haben genumen /
sieder der nechsten rechnung vnd aufigeben das sUllen / die Kressen
ordenlichen an lassen schreiben.
Item wenn man Gotzhawfipfleger setzt, so schullen / sie vor der
gemein den Kressen geloben ir trew an / ayns ayds stat, das sie
Sant Jorgen wbllen trewe / sein seinem Gotzhawfi vnd was dem
Gotzhawfi zu / stet, dasselbig zu fiirdern, wo sie das ktinnen oder /
mligeu, so sol man in denn die schlussel befelhen.
Item darnach so sol ein yder pfarrer kumen zu vesper / gen
Sant Jorgen oder seiu kaplan am Sambfitag nach / vnsers Herren
leichnamstag vnd darvor am freytag / sol er vnsern Herren conse-
cryren in ein manstrantzen / oder am Sambfitag frw, also das man
in wirdigclich zu der bester zeit vmbtrag / in der Kirchen vom Kalter /
V. KreB, Die Kirchenordnung ftir cine Landgemeinde aus d. 15. Jahrh. 269
herab vmb den tauffstain pifi auflF sant JSrgen altar / vnd vesper
do singen vnd nacli der vesper ober ein / halbe zeit metton lewt
vnd das man die auch singe / von Gottesleiclmam als lang es die
Kressen begen wbl / len vnd als lang in das eben ist.
Item darnacli so sol ein pfarrer oder seiu kaplan an / Sant
Jorgen abent vesper singen mit . einem mefiner / von poppenrewt
vnd er sol wider haim gin darUmb / ist man im nichts schuldig
za geben.
Item an sant Jorgen tag schol ein yder pfarrer vnd sein / kaplan
vnd der mefiner von poppenrewt mefi singen / zu sant Jorgen vnd
dorumb schol man in ein schlechtz / mal geben frw vnd nichtz auff
die nacht dem pfar / rer vnd seinem kaplan vnd auch seinem mefiner
von poppenrewt vnd dem frUmesser vom Krafftz / hofe vnd dem
mefiner vom Krafftzhofe.
Item darnach so schol einem pfarrer werden an / sant J5rgen
tag der dritt pfennig der aufp die / schiissel gefelt vor der kirchen
vnd sust nichtz / gevil aber sust ychtzit, das schol werden Sant /
Jorgen, nichts aufigenomen.
Item desgleichen schol auch eynem pfarrer wer / den an der
Kirchweihe zu Sant Jorgen in aller / mafi als an Sant Jorgen tag
als vorgeschriben stet.
Item es haben auch auch die Kressen gewalt mit sampt / der
gemein oder halt mit den vier Gotzhawfige / raeyneru einen mefiner
2U setzen, doriimb dUrf / fen sie keynen Pfarren fragen.
Item wenn man einen mefiner setzt so schol man / trachten,
das er gewifi lewt habe die fiir in ver / sprechen, wenn man die-
selbigen hat, so schol man / ein ydeu vber das mefinerampt schweren
lasseni.
Anhang.
StiflFt- und Weyhbrief Vber St. Georgenkirch zu Craflftshof.
Ao 1315.
Petrus Dei et Apostolice sedis gratia Episcopus Mitrocomanus
vicegeneralis in Pontifical ibus Domini AnthoniiEpiscopi Bambergen sis:
universi Ghristi fidelibus, ad quos presentes littere perveniunt, noti-
ficavimus, quod dedicavimus tria altaria in KrafftshofiPen : Majus sci-
licet altare in choro in honorem S. Georii Martyris, in quo inveni-
mus cnm reliquiis cartam cum sigillo appensam his verbis: Anno
iucaruationis Dominice millesimo trecentesimo qnindecimo consecreta
est Ecclesia dominica die qua can tat ur Jubilate in honorem S. Georii
et S. Marie et S. Crucis a Reverendo Domino Domino Wolframo
Sabensi Episcopo consentiente Domino Ulgingo Bambergen si Episcopo
et reliquia[e] quarum hie nomina subscripta sunt, in hoc altari recon-
dite sunt, scilicet de vestitu S. Marie virginis, Bartholomei Apostoli,
Petri Apostoli, Matthei Apostoli, Steffani protomartyris, Laurentii,
270 V. Krefi, Die KirchenordDung fiir eine Landgemeinde aus d. 15. Jahrh.
Pancracjij Vincentii, Blasii; Viti, Ypolitl Gereonis^ Egydii, Martini,
Wilibaldi, Galli, Agathe, Cecilie, Barbare, Ottilie, uudecim milliiim
virginum, de crinibus S. Marie Virginis; Pauli Apostoli; Agnete,
Petri Episcopi, Petri Martyrum [?] ordinis predicatorum, acta sunt hec
tempore Magistri Herjnanni plebani S. Sebaldi dicti de Lapide: et
reliquie de novo recondite sunt in dicto altari videlicet S. Georii
Martyris, S. Steffani protomartyris, Laurentii, Viti, Dionysi cum
sociis; Panthaleonis, Sixti, Eustachii cum sociis; dementis pape^
Erasmi, Christophori^ Sebastian!^ Ignacii, decern millia martyrum^
Mauritii cum sociis, Blasii,. Pangracii, Yaleutini. Introitu vero ad
Ecclesiam ad partem dexteram altare Apostolorum invenimus cartam
cum reliquiis sigillatam his verbis scriptam : Eurinous Dei et Aposto-
lice sedis gratia Archiepiscopus Ananarsensis vicegeneralis in Ponti-
ficalibus Domini Lamberti (Episcopi) Bambergensis consecravimus hoc
altare sub Anno Domini millesimo trecentesimo nonagesimo quinto
feria tertia ante Michaelis festum, in honorem Beat! Leonhardi et
Brigite, Bartholomei, Anthonii, continens has reliquias Christophori,
Sebaldi, Egidii, Leonhardi et Brigite, in cujus rei testimonium
sigillum nostrum est appensum et he reliquie de novo recondite sunt
ad jam dictum altare, videlicet S. Petri Apostoli, Bartholomei
Apostoli, Leonhardi,, Anthoniij Nicolai, Augustini, Gereonis, Sebaldi,
Egidii, Gotthardii, Deocari, Erhardi, Ulrici, Materni. In Introitu
ad Ecclesiam ad partem sinistram locatum est altare gloriose
Virginis Marie, quae est consecrata Anno Domini millesimo
quadringentesimo tricesimo octavo, in die S. Pangracii a Keverendo
Domino Domino Ounrado Episcopo de Syrin et in dicto altari in-
venimus crusibulum cum plurimis reliquiis, quorum nomina non
sciuntur propter diuturnitatem temporis ac cousecrationis ejusdem et
he reliquie cum crusibulo de novo recondite sunt in illo altari, primo
videlicet pars pepli Beatae Virginis Mariae, S. Katharine, Marie,
Magdalene, Barbare cum sodalibus, Margarethe, Kunigundis,
Christine, Agnetis, Walburgis, Apolonie, Brigite, Ottilie, Dorothee,
et dedicatio hujus Ecclesie et altare cum coemiterio debet peragi
proxima Dominica ante festum Michaelis. Acta et reconsecrata sunt
haec tria altar ia in honorem summi Dei et Salvatoris et Beate Vir-
ginis Marie et S. Georii Martyris et dictorum Sanctorum et Sanc-
tarum^ quorum et qiiarum reliquie hie recondite sunt, Anno Domini
millesimo quadringentesimo quadragesimo feria secunda post festum
S. Viti et hoc procurante Honorabili viro et civi Nuermbergensi
Friderico Kressen una cum suis antecessoribus, qui fuerunt fundatores
hujus Ecclesie, in cujus rei testimonium sigillum nostrum est appensum.
Schornbaum, Zur Stellung der brandenb.-ansb. Regierung etc. 271
Zur Stellung der brandenburgisch-ansbachischen
Regierung zum Konzll von Trient 1551|52.
Yon Dr. K. SGhornbanm.
Der Augsburger Eeichstagsabschied vom 14. Februar 1551 rich-
tete an die evangelischen Stslnde des Keiches die driugende Auf-
forderung, sich doch an den Beratungen des auf den 1. Mai von
nenem einberufenen Konzils von Trient zu beteiligen ^). Die Re-
genten und R^te zu Ansbach, welcbe an Stelle des minderjahrigen
Georg Friedrich die Regierung fiihrten*), waren bald entschlossen^
dem kaiserlichen Befehl zu entsprecbeu, wjenn aucb der Kanzler
Christoph Tetelbach ^) nicht verka'nnte, daft die kaiserlichen Zu-
sicherungeu bezuglich des Geleites und der Beschluftfadsung wahrend
des Konzils ungeniigende waren *). Aber dies entspracb ja ihrer
Politik, wie man sie die ganze Zeit des Interims hindurch befolgt
halte. Durcb schein bares Nach'geben und Eingehen auf die kaiser-
lichen Wunsche hatte man immer die schlimmsten Wirkungen der
einzelnen Edikte abzulenken gewuftt. Doch wollte man am Ans-
bacher Hofe auch die Stimmung der andern evangelischen Stande
kennen lernen.
Man setzte deswegen am 16. Marz 1551 die Kurfursten von
Sachsen und Brandenburg als Obervormiinder sowie Markgraf Hans
von Kustriu von diesem Entschluft in Kenntnis. Der Kaiser hatte
ja den evangelischen StSnden freies Geleite zugesichert; eine Aufier-
achtlassuDg seiner WUnsche wurde sein hochstes Mififallen erregen;
man wurde den Anschein erwecken^ als ob man sich scheute^ seine
Lehre zu verteidigen, und doch hatte Georg in seinem Testament
ihnen ausdrticklich zur Pflicbt gemacht^ bei der Kirchenordnung von
1533 unweigerlich zu beharren ^). Auch mit Nttrnberg, mit dem man
seit 1528 in religiosen Dingen stets zusammengegangen war^ suchte
man FUhlungzu gewinneu. Dr. Christoph Grofier hatte schon zu Winds-
heim gelegentlich eines l^reistages in Miinzangelegenheiteu Jobst
Tezel und Gabriel NUzel von den Absichten der Regenten und Rate
in Kenntnis gesetzt. Der Rat von Niirnberg hielt es aber fiir das
beste, noch zuzuwarten ®); er war in dieser schweren Zeit doppelt
1) Neue und voUstandigere Sammlung der Reichsabschiede,
Frankfurt a. M. 1747, I, S. 611, § 8.
2) J. Voigt, Markgraf AlbrechtAlcibiades von Brandenburg-Kulm-
bach, Berlin 1852, I, 73 ff. K. H.Lang, Neuere Geschichte des Fursten-
turns Baireuth, GOttingen 1801, II, 184 f.
3) S. Beitrage XII, S. 36.
4) Ratschlag s.Ansb.Rel.Akta 24fol. 420 flF. (NUmbergerKreisarchiv).
5) d. d. Ansbach, Mo. n. Judica 1551. A.R.A. 20, f. 235.
6) Rat an Regenten und Rate d.d. 23. Marz 1551. A.R.A. 20, f. 227.
Briefb. 144 f. 244. Jahresregister 1551: 25 fl. 8 scb. 6 h. zerung und reit-
gelt Jobst Tezels und Gabriel Nuzels gein Windsheim auf den kreis-
tag der muntz halben angesetzt und 4 tag (17.— 20. M^z) anOen gewesen.
272 Schornbaum, Zur Stcllung der brandenb.-aneb. Regieraog etc.
vorsichtig und wollte erst dann znm Konzil Stellung nehmen, wenn
andere Stande sich schlussig gemacht batten ^). Offenbar wollte man
abwarten, was Moritz von Sachsen nnternehmen wiirde. So muflte
man in Ansbach vorlanfig von einem gemeinsamen Vorgeben mit
Niirnberg absohen. Doch wollte man die Zeit bis znm Eintreffen der
Antworten auf die Anfragen an die drei Fiirsten nicbt unbenutzt
verstreichen lasseii imd berief am 31. MUrz Job. Feuerlein, Pf. von
Kitzingen ^), G. Karg, Pfarrer von Schwabacb ^), Job. Soger, Pf. von
Rofifeld, und Gregor Burmann, Pf. von Lehrberg *) ftir den 2. April
nach Ansbacb^ um aucb ibre Zu^timmung zum Besacbe des Konzils
zu erlangen ^). Hatte .man ja aucb gehbrt, dajB Moritz von Sacbsen
wie Joacbim von Brandenburg Ihre Theologen nacb Trient abordnen
wiirden ®). n
Am 3. April 1551 erofifneten nun zunacbst die Eegeuten und
Bate den Tbeologen, denen aucb Monninger sicb angescblosseu batte,
dafi sie es fiir gut angesehen batten, sicb an den Beratungen des
Konzils von Trient zu beteiligen scbon deswegen, dafi sie spater
von dem Vorwurf verscbout blieben, als ob sie die Hand zur Ver-
einigung nicbt batten bieten wollen. Sie bielten dies fiir um so not-
wendiger, weil aucb Sacbsen und andere Reicbsstande sicber ibre
1) Am Anfang Febrnar hatte Christoph von Carlowitz eine gemein-
same Beratung der ev. Stande bez. des Konzils angeregt. Der Rat be-
schlofi darauf 6. Febr. 1551 : „herrn E r a s m u s e n £ b n e r auf sein scbreiben,
was der von Earlwitz des conciliums halben mit ime gehandclt etc.
wider schveiben, man bet sollich sein anzaigen zu danck vernumen, es
weren aber meine herm sorgkfeltig, es mcicht dergleichen handlung, wo
es an kays. myt. gelangen sollt, allerlay ungnad gepern. darumb sy fnrs
nutziichist erwegen, wann es ye dahin gelangen solt, das roan das con-
cilium besuchen und die confessionsverwandte stende sich zuvor derhalb
mit einander bereden und entschlieiSen mtiesten, wie es dann auf denselben
fabl wol hoch von noten sein wtirde, den handel dahin zu richten, das es
alles mit kys. myt. bewilligung bescheben mocht, aber wie dem, weil
der seer wichtig und gvoQ und wol fleifiigs nachdenkens von nQten,
wol ten im meine hern weiter nachdencken und in dann irs gemiiets wo
von nSten weiter berichten.'* Kreisarchiv Niirnberg, Ratsverlasse der
Hen-en Eltern. Cf. Herrn El tern an Er. Ebner 6. Febr. 1551. Brief buch
144 f. 179. Auf eine Anfrage Nordhausens in dieser Sache (S. I, L. 58, Nr. 1
d.d. Annunc. Mariae [25. Marz] 1551) beschlofi der Rat am G. April 1551 :
„denen von Northauaen wider schreiben. das beschicken des conciliums
belangend bab wol von verrens an meine herrn gelangt, wie etlich stende,
so dem evangelio nocb anhengig des vorhabens gewest sein, yemand auf
dafiselbig concilium zu schicken; obsaber sein furgang gewynnen, werde
die zeit zu erkennen geben", Ratsverlasse der Herrn Eltern, cf. Ratsbrief-
buch 144f. 254: Rat an Nordhausen, 6. April 1551.
2) Siehe G. Buchwald, Geschichte der ev. Gemeinde zu Kitzingen,
J^eipzig 1898, S. 80 f. 95.
3) G. Wilke, Georg Karg sein Katechismus und sein doppelter
I.ehrstreit,.Erl. Diss. Scheinfeld 1904.
■ 4) Beitra^e XII 35.
5) d.d. Ansbach Mo. n. Ostern (30. Marz) 1551, A.R.A* 20, f. 249.
6) A.R.A. 20^ 1 250.
Schornbanm, Zur Stellung der- brandenb.-anab. Regierung etc. 273
Theologen abordnen wiirden. Weil Brandenburg nnter den ersten
gewesen sei; welche sich der evang. Lehre angeschlossen batten,
dUrften sie auch jetzt nicht zuriickbleiben. Die Theologen waren
uber diese ErSffnnngen nicht gerade erfreut; das Konzilium erschien
ihnen uutzlos; sie wiesen darauf bin, dafi schon das Erscheiuen auf
demselben vielen zum Avgernis gereichen wlirde, weil es den An-
schein hatte^ als ob man den Beschlussen sich gerne unterwerfen
wurde. Nur flir den Fall; dafi auch andere Stande das gleiche taten,
wollten sie nicht gegen den Plan der Begenten sein. Doch ver-
langten sie, dafi dann ein weltlichcr Rat sie begleiten sollte sowohl
zum Schutze als zur Vermittlung zwischen ihnen, falls sie zwiespslltig
waren. Auch wunschten sie die Abhaltung einer Synode, um rait
den Geistlichen des Landes nShere Richtpunkte zu vereinbareu. Die
Ernennnng der abzuordnenden Theologen uberliefieu sie den Regenten.
Es mag manchen Kampf gekostet haben, bis sie auf die Plane der
Rate eingingen ; den Charakter eiues Kompromisses zeigen ihre Be-
schlUsse deutlich genug. Die Regeuten waren froh, wenigstens in
der Hauptsache Entgegenkommen gefunden zu haben; sie erklSrten
jetzt selbst, nnr dann ihren Plan verwirklichen zu wollen, falls
andere Stilnde das gleiche tUten. Beziiglich des Geleites suchten sie
zu beruhigen; die anderen FUrsten wurden jedenfalls das Notige be-
sorgeU; imNotfall konnte man -sich mit diesen beraten. Unaiigenehm
war ihnen der Wunsch, dafi eine Synode einberufen werden sollte;
sie flirchteten, bier auf heftigen Widerstand zu stofien und das bis
jetzt Erreichte wieder fahren lassen zu miissen. Doch lehnte mau
den Antrag der Theologen nicht ruudweg ab, sondern erklarte sich
damit einverstanden, dafi auf Kosten der Regierung die bedeutend-
sten Theologen nach Ansbach zu einer vertraulichen Besprechung
berufen wurden. Job. Feurelius, G. Karg und Job. Soger wurden
ersucht, Brandenburg auf dem Konzil vertreten zu wollen. Die Theo-
logen erklarten sich in ihrem Schlufiwort noch einmal bereit, unter
der bekannten Voraussetzung das Konzil zu besuchen. Doch hielten
sie es fiir wiinschenswert, dafi schon vorher samtliche Theologen sich
Uber ein etwaiges Nachgeben schliissig machten. Sie bestanden darauf,
dafi ihnen eine stattliche „ Legation^ mitgegeben wurdo; damit man
saho; dafi ihre Lehre auch der Obrigkeit angeuehm sei; ebenso
blieben sie bei der Forderung, dafi Beratungen mit andern Geist-
lichen stattfinden sollten, wieweit sie auf dem Konzil der Gegen-
partei entgegenkommen konnten; doch nahmen sie das vermittelnde
Anerbieten der Regierung an ^). Die Regenten waren damit zu-
frieden; vielleicht batten sie nicht die Hoffnung gehegt, soviel zu er-
reichen.
1) Kurzes Verzeichnis der miindlichen Handlung mit etlichen Pfarr-
herrn das Konzilium betreflfend. 3. April 1551. A.R.A. 20, f.250f. Vgl.die
Ausfiihruogen MoDningers f. 276.
Beitrage zur bayer. Eirchengescbichte XII. <>. j^Q
274 Schornbaum, Zur StelluDg der brandeub.-ansb. Kegierung etc.
Bald darauf trafeu auch die Antworten der boiden Kurfiirsten
auf die Anfragen vom 16. Miirz ein. Man hatte sehnsuchtig darauf
gewartet^); die GerUchte vou der Abordnung Melanchthons nach
Trient hatte die Rate so in Aufregung gebracht, dafi man Bernhard
Ziegler, der dazumal Professor in Leipzig war, um sofortigen Auf-
schlufi dariiber ersucht hatte, ob an dieseu Mitteilnugen etwas Wahres
sei (31. Marz 1551) ^). Moritz you Sachsen war es sichtlich'
nnangenehm, auf die Frage der Regenten Antwort geben zu
mUssen; er liebte es nicht, seine PJSne zu enthlillen ^). Er
schrieb ihuen deshalb, er hatte gehofft, sie wiifiten selbst am
besteu, was in dieser Sache zu tun sei; doch sei er willens; etliche
Theologen nach Trient zu seuden, um dasjenige, was sie der Reli-
gion halben schon viele Jahre gelehrt batten, auch ofifentlich zu be-
kennen und zu verteidigen. Im Ubrigen verwies er sie an die dem-
nachst in Niirnberg eintreflFenden sachsischen Rate (30.Ma'rz 1551)*).
Joachim vou Brandenburg stimmte den Planen der Regenten ohne
weiteres zu. ,,Es sei ihuen zu raten, sie schickten vornehme Theo-
logen zum Kouzil und liefien sie zu den Sachen christlich und aus'
dem Inhalt der heiligen Schrift reden" (2. April 1551)^). Nur
Johann von Kustrin wiiuschte, dafi ein Tag anberaumt wUrde, auf
dem die gauze Sache beraten werden konnte (4. April 1551)^). So-
gleich nach dem Eiutreffen des sachsischen Schreibens batten die
Regenten uud Rate einen ueuen Versuch gemacht, auch Niirnberg
fiir ihre Plane zu gewjunen ''). Aber die Herren Eltern zeigten
noch keine Neigung, offen Stellung zu uehmeu ®). Man hatte die
besten Theologen verloreu, dafi man gar nicht wlifite, wen man nach
Trient seuden solle; doch wollte man sich an den Kosten einer gemein-
samen Gesandtschaft samtlicher evaug. StUnde beteiligen. Man glaubte
in Niirnberg ja gar noch nicht notig zu haben, auf diese Fragen ein-
zugeheu. Wohl durch Joachim Camerarius horte man, dafi derKurfiirst
1) Auch war eine neue Aufforderung des Kaisers^ das Eonzil zu be-
suchen, eingetroflfen. d.d. 23. Marz 1551. Augsburg, A.R.A. 20, f. 226.
2) d.d. Di, n. Ostern 1551. A.R.A. 20, f.245. Er teilte am 11. April
1551 mit, daB die geheimsteu Rate Ihm erklart hatten, daB ein Schreiben
nach Ausbach bereits unterwegs sei; im Ubrigen hatten sie auf die in
Niirnberg bald eintretfeDden sachsischen Gesandten verwiesen, f. 247.
3) Zu den Planen Sachsens s. A. v. D ruff el, Briefe und Akten
zur Geschichte des 16. Jahrh. I, Mtinchen 1873, S. 835 if. III. Munchen
1882, S. 228ff. V.Ernst, Briefwechsel des Herzogs Christoph von Wirtem-
berg I, Stuttgart 1899, S. XVII f. C. Schmidt, Philipp MelanchthoB,
Elberfeld 1861, S. 534ff.
4) d.d. Dresden, A.R.A. 20, f. 238.
5) d.d. Koln a. d. Spree. Do. in der Ostern 1551, pr. 15. April 1551,
f. 241.
6) d.d. Krofien. Sa. n. Ostern 1551, pr. 15, April 1551, A*R.A. 20^
f. 243* .
7) d.d. Ansbach. Mo. n.Mis. Dom. (13. April) 1551. R.A.R. 20, f.232.
8) d.d. 16. April 1551. A.R.A. 20, f. 231. Briefb. 145 f. &>.
Schornbaum, Zur Stellung der brandenb.-ansb. Regierung etc, 275
von Sachsen ein „Verzeichnis" durch seine Theologen stellen lassen
wolle, das auf dem Konzil Ubergeben werden solle, nachdem es
vorher den bedeutendsten evangelischen Standen zur Kenntuis ge-
bracht worden war ^). Auch die Werbungen Job. Marbachs liefieu
es angezeigt erscbeinen, vorlaufig die Entwicklung der Dinge ruhig
abziiwarten ^).
Der Eifer der Kegenten und Rate war jedoch verfriiht. Zwar
wurde am 1. Mai 1551 wirklich das Konzil wieder eroffnet; aber
nacb etlichen SitzuDgen wurde es von neuem auf den I.September ver-
tagt. Die Regeuten liefien es nicht aus dem Auge. Am 15. August
1551 ricbtete nun der Stadtpfarrer Monninger zu Ansbacb die
dringende Aufforderung an die Rate, doch den Besuch des Konzils
aucb auszufuhren. Man solle ja dem Kaiser und Papst keine Hand-
babe bieten, liber sie als Ungeborsame berzufallen und nimmermehr
zulasseU; dafi beide allein im Konzil bescbliefien k^nnten; sie
wurden sich ja wenig daruni kiimmern, wenn man dasselbe unbesucht
liefie und ruhig ihre Abmachungen treffen, welcbe dann verbindlicb
fiir alle sein sollten. Es ware aber hochst notwendig der Abordnung
mitzuteilen, auf welchen Artikeln sie besteben bleiben solle. Es
k(5nnte da, nacb seiner Meinung, nichts anders fur sie geben, als
eben die Punkte, die in der Augsburger Konfession und brandenb.
Kirchenordnung niedergelegt waren, festzuhalten. Vor allem sollten sie
keine Vollmacbt bekommen, vor Scblufi des Konzils in dessen Be-
schlusse zu willigen. Dann erst sollte eine gemeinsame Beratung
der evangelischen Stande eutscheiden, was man von den einzelnen
Dekreten annehmen konnte. Andererseits wunscfate er gleich bei
Beginn der Beratungen eine Protestation gegeu die friiheren Beschlusse.
Zwar glaubte er selbst nicht, dafi man viel darauf achten wlirde;
deshalb sollte man dann darauf besteben, dafi unparteiische Mslnner
1) Zu der Mission des Camerarius s. Corpus Reformat orum
(Halle 1840), VII, N. 4851—4853. V. Ernst, I, S. 160f. Th. PreBel,
anecdota Brentiana, Ttibingen 1868. S. 303. 311. 331. Dali Camerarius in
Nttrnberg war, ergibt Prefiel S. 311. Corpus Ref. VII, Sp. 766.
2) Zu J. Marbachs Sendung s. Ernst I, S. 185. Von Nurnberg er-
sahlt er: abbatem s. Egidii magister civium (magistratum ?) nem sich der
religion nit vil an; Jeromius Besoldus recnsavit retn et nomeu dare (?);
magister Jeromius Baumgarter pius. Nierenberg uf das Philippi consilium
zu warten und sich mit herzog Morizen zu vergleichen; dlirfen die pre-
diger nit zusamenkomen. Vgl. auch den Ratsverlafi 20. April 1551:'80vil
dann die zugeschickten mandata uDd verglaytung angestelts conciliums
belangt, der ains an die gaistlichen und das ander an dieselben meine
herrn gestelt ist und aber meine henn weder stymm noch seOion darauf
haben, sy auch das ^n die gaistlichen gestelt, nichts belangen tut, sol
mans also ruhen laBen und allain ingedenck sein, im fal das andere stende
dem evangelio verwandt zum selben concilium schicken und meine herrn
denselben auch anhangen wurden, als dan dieser verglaitung auch zu-
geprauchen. H. Burgermeister sen. Ratschreiber. R. V, 1551, Ileft 1,
f. 39 a. b.
276 Schoinbaum, Zur Stellung der brandenb.-aoBb. Regierung etc.
in strittigen Fallen ScliieclBrichter seiu soil ten. Wobl wufite er^ dafi
man wenig Neignng baben wurde, diese Forderung zu erMllen, aber
er glaubte, alle Mittel zur Einigkeit suchen zu mUssen ^). Diese Bitte
war durcb die Ereignisse Uberbolt. Am 24. Juli hatte Christopb
Tetelbacb zu NUrnberg vom Eat die Mitteilnng erbalteu, daB in
Sachsen vor kurzem Beratungen der Tbeologen uber daa Konzil
stattgefunden bUtten^), und am 8. August 1551 setzte Bernhard
Ziegler den markgraf lichen Regenteu Balthasar von Rechenberg davon
in Kenntnis, dafi am 5. Juli Melanchthon den Theologen zu Witten-
berg eine Schrift, die confessio Saxonica, vorgelegt hStte ^), welche
allgemeine Billigung gefunden hatte ^). Sofort fragten die Regenten
und Rflte bei Moritz von Sachsen an, was es denn fiir eine Be-
wandtnis mit dem GerUcht habe, dafi er seine vornehmsten Theologen
versammeln wolle^ welche sich Uber das Konzil berate n sollten, und
dafi er dann das Ergebnis sSmtlichen cvaug. Stftuden zur Kenntnis
bringen wolle. Auch regte man an, ob nicht die beidcrseitigen
Theologen geraeinsam nach IVient reisen konnten^). Der Kurfilrst er-
klarte sich bereit, den markgraflichen Theologen das auf dem Konzil
wohl zur Verlesung gelangende Bekenntnis vorzulegen *). Infolge-
dessen wurden Job. Seger, G. Karg und Job. Feurelius auf den
31, August 1551 nach Ansbach berufen und gebeten^ ihre Vor-
bereitungen zum Konzil mitzubringen ; zugleich wurde ihnen ange-
kiiudigt^ dafi etliche nach Sachsen zu reisen hStteu '^). Die beiden
ersteren wurden nun von den Regenten dazu bestimmt ^). Sie be-
gaben sich uach Wittenberg, wo ihneu von Melanchthon und andern
sachsischen Theologen die confessio Saxonica vorgelesen wurde ^),
1) A.R.A. 20, 276 flF.
2) RatsverlaO 24. Juli 1551: ime dem gesandten auch daneben an-
zaigen, wie meine herrn von weitens angelangt, das Denlicher zeit etliche
sachsische Theologen beyeinander gewest und geratschlagt haben sollen,
was auf yetzigem concilio zu handeln sein m3cht, das dann inen den
raten onzweiCel unverhalten pleiben wurde. Im fal nun das inen ehe dann
meinen herrn etwas davon zukomen wurde, were ir bit, inen dasselb auch
mitzutaylen. das w.olten sy gegen inen auch tun. B. V. 1551, Heft 5, f. 5»>.
Nurnberg hatte wohl durch Hier. Baumgartner, der fortgesetzt mit Me-
lanchthon in Briefwechsel stand, Kenntnis davon.
3) Corpus Ref. VII, Sp. 791. 796. 807. 809. 813. Druffel I, 653.
Schmidt 540.
4) B. Ziegler an B. v. Rechenberg. A.R.A. 24, 442.
5) dd. Ansbach. Do. n. Laur. (13. Aug.) 1551. A.R.A. 20, 286.
6) d.d. 22. Aug. 1551. A.R.A. 29, f. 288. 290. prasentlert 28. Aug.
1551. Vgl. Ernst I, 262.
7) d.d. Ansbach Sa. n. Barth. (29. Aug.) 1551. A.R.A. 20, 254.
8) Credenz der Regenten und Rate ftir beide d.d. Egidi (1. Sept.)
1551. A.R.A. 20, 252, gedr. Beil. I. Vgl. Unsohuldige Nachrlcbten
von Alten und Neuen theologischen Sachen, Leipzig 1719, S. 768.
9) Antwort der Wittenberger Theologen d.d. 13. Sept. 1551. A.R.A.
20, 255 geschrieben von Paul Eber, gedruckt als Beilage II.
SohornbaaiD, Zur Stellnng der brandenb.-ansb. Begierang etc. 277
welche sie anch beide durch ihre Unterscbrift billigten ^). Doch
brauchten die eyangeliscben StShde nocb keine weiteren Scbritte zu
unternehmen, denn das Konzil wurde zuerst auf den 11. Oktober ^)
und dann auf den 25. Januar 1552 vertagt ^).
Die beiden Tbeologen scheinen in Wittenberg doch auch manches
tiber die PlSne und WUnsche Melanchthons *) erfahren zu baben. Be-
sonders erwunscht war den Raten die Mitteilung, dafi die evang.
Stande auf Yeranlassung Sacbsens wobl bald ihre Tbeologen zu-
sammenscbioken wurden, um eine gemeinsame Stellungnahme zu ver-
abredeu. Aber von einer Ausfuhrung dieser Plane borten sie nicbts
mebr; nur das eine vernahm man, dafi der Kurfiirst mit dem vom
Konzil zugesicherten Geleite nicbt zufrieden ware und deshalb sich
beim Kaiser beschwert hStte ^). Am 20. November 1551 regte man
deswegen bei den beiden Kurfursten Moritz und Joachim sowie dem
Markgraf Hans eine Versammlung der evang. Stslnde an ®). Ersterer
erwiderte, dafi er einer gemeinsamen Beratung der Tbeologen nicht
mehr das Wort reden k5nne; er habe vielmehr etliche bereits ange-
wiesen, nach Trient zu reisen. Doch kSnnte das bis jetzt zugestan-
dene Geleite nicht angenommen werden ; er habe deshalb etliche RSte
nach Trient geschickt, um dasselbe Geleite zu erwirken, welches das
1) S. Chr. Salig, Vollstandige Historic der Augsburg. Konfession
I, Halle 1730, S. 666.
2) Decretum sessionis Cal. Sept. Trid. habitae, A.R.A. 20, 293 if,
3) Decretum prorogationis ... 11. Okt. 1551. f. 298ff.
4) S. Druffel I, 841.
5) S. Druffel I, 721. 754.
6) d.d. AnsbachPr. n. Elisabeth 1551. A.R.A. 20, f. 281 f. Auch mit
Ntirnberg suchte man wieder Fiihlung zu gewinnen: s. Ratsverlafi der Herren
Eltern, 20. Nov. 1551: als herr christoph GroBer der rechten doctor
von der marggrafischen regenten und rate zu Onoltzpach wegen auftiber-
antwnrte credenzschrift nebon anzaig ires nachtpaurlichen guten willens
bey meinen herrn den eltern mflndlich anpringen und werben lalien . . .
zum andern weil auch. die kay. mjt. den stenden diser religion genug-
same vertrQstung zngesagt, sy aufs concilium not turf tigklich zuverglayten,
derhalb inen aber gleichwol ungeacht, das sy derwegen umb bericht an
hertzog Moritzen von Sachsen churfUrsten geschi-yben, noch nichts zu-
komen, ob dan meine herren auch nichts davon empfangen und, was sy
mit besuchung des conciliums gesynt, inen auch bericht davon zutun, sol
im . . . zum andern wer in wo] von kay. mjt. noch kains glaits halben
nichts zukomen, wie sy aber ad partem bericht worden, sols dem chur-
fursten zugeschickt worden sein mit beger, wann sy derwegen bericht
und antwort auf ir schreyben, wie es der churfUst mit schicknng des
conciliums und in ander weg zuhalten gesynnet znkome, das sy dasselbig
meinen herrn auch anzaigen, das wollten sy hinwider gleichfals auch
tun. und ob sy wol bedacht weren, wann sies an leuten haben konnten,
das concilium auch zubeschicken, heten sy doch nichts entlichs darin ent-
sehloj)en, sonder bishere auf andere und hohere oder merere stende ge-
sehen, das mocht vielleicht noch geschehen und also warten, was sich
wetter darin zutragen wurde. und soil im daneben der weyn geschenkt
werden. per. H. J. Paumgartner.
278 Schornbaum, Zur Stellung dor brandenb.-anBb. KegieruDg etc.
Konzil zn Basel den B(5hmen erteilt hStte ^), Unterdessen sollten
sich atich die Theologen gescbickt machen, um so fort abreisen zu
konnen; eiDem Anschlufi der brandenb. TheologoD war er nicbt ab-
geneigt (4. Dez. 1551) ^), Im Unterscbied davon erkliirte sicb
Joacbim II. zum sofortigen Besucb des Konzils bereit (7.Dez. 1551)^).
Infolgedesseu wies die Regierung zu Ansbacb Jobann Soger und
Georg Karg an^ sich fiir eine sofortige Abreise nach Trient bereit
zu machen *).
Den Regent en und RSten aber stiegen bald Zweifel auf,
ob der Besucb des Konzils noch erfolgen wUrde; die Kunde von
den Kriegsrustungen Sacbsens war doch auch bis nacb Ansbacb ge-
drungen; aucb hatte es gar nicbt den Anschein, als ob die sach-
sischen Theologen wirklich zum Konzil reisen wurden ^). Man schickte
deswegeu Christoph Tetelbach nach NUrnberg, um vom Rat^ beson-
ders aber auch von Hier. BaumgSrtner Ntlheres zu erfahren. Unver-
richteter Dinge mufite er nach Hause zuriickkehren ; der Rat hatte
ihm auch keine naheren Mitteilungen machen kSnnen oder vielleicht
woUen ; nur das eine hatte man versprochen, Brandenburg von der
Ankunft der ssichsischen Theologen in Kenntnis zu setzen ^).
Am 22. Januar 1552 kamen nun endlich Ph. Melanchthon,
Erasmus Sarcerius und N. Paceus in Nurnberg auf der Reise nach
Trient an. Sofort wurden davon durch die Herren Eltern die Re-
genten und Rate zu Ansbacb verstSndigt ''). Chr. Tetelbach setzte
1) Die Rate hiefieu Wolf Roller und Dr. L. Badhorn. Vgl.Druffel
I, S. 830. 845 ff. 859 ff.
2) A.R.A. 20, f. 306, gedruckt bet J. B. Riederer, NUtzliche und
angenehme Abhandlungen aus der Kirchen-, BUcher- und Gelehrten-
Geschichte, Altdorf 1768, S. 246 f.
8) d.d. Coin. Mo. n. Nic. (7. Dez.) 1551. A.R.A. 20, 310, gedr. bei
Riederer, 247 flf. Die Rate antworteten am 12. Jan. 1552, dafi sieeben-
falls 2 Theologen beauftragt batten, sich zur Abreise bereit zu halten.
d.d. Ansbacb Di. n. Erhardi 1552. A.R.A. 20, 291. Am 21. Jan. erklarte
sich Joachim noch einmal dazu bereit, seine Theologen gemeinsam mit
den ihrigen nach Trient zu senden; sollten diese aber zu spat kommen,
so sollten sie mit den sachsischen weiter reisen. d.d. G51n, So. n. Gonv.
Pauli 1552, f. 317.
4) d.d. Ansbacb, Mo. n. Lucie (14. Dez.) 1551. A.R.A, 20, 305.
5) S. Druffel I, S. 849.
6) Chr. Tetelbach an Hier. Baumgartner d.d. Ansbach, Mo. n. Erh.
(11. Jan.) 1552; die Antwort des letzteren d.d. 13. Jan. 1552; s. Riederer
S 249 &
7) d.d. 23. Jan. 1552. A.R.A. 20, f. 316. Brief b. 146, 160b; g. Rats-
manuale 1551, Heft 11, f. 26. d.d. 23. Jan. 1552: dieweil herr phi-
lippus Melanchthon mit seinen zugebnen personen und zwayen theo-
logen Oder predigern vonLeiptzigk gester hieher kumen, ist bevolhen,
den marggrefischen regenten und raten zu Onoltzbach, well man sy
des hievor auf ir begem vertrost, solichs also zuzuschreiben. daneben
soil man ime herrn Melanchthon und den andern zwayen in 12 Ean-
deln den weyn schenken und dabey ansprechen, ob sy der berberg oder
Schornbaum, Zur Stellung der brandenb.-ansb. Regierung etc. 279
sich nun mit Ph. Melanclithon ins Benehmen. Die Eegeuten hegten
immer noch starken Zweifel, ob je noch eiu Besuch des Konzils er-
folgen kSnate. Doch wurde ihnen am 10, Febriiar 1552 mitgeteilt,
dafi eine neue Form des Geleites ^) von Trient eingetroffen sei, und
daran die Aufforderung gekniipft, binnen 6 Tagen die brandenb.
Theologen nach Nurnberg zn senden, wenn anders sie mit den
sachsischen gemeinsam reisen woUten ^). Noch am gleicheu Tage
wurde Joh. Seger und Georg Karg davon in Kenntnis gesetzt. dafi
sie am 14. Februar 1552 sich in Ansbach einzufinden hStten, um
nShere Anweisungen fur die Reise nach Trient, die sie gemeinsam
mit den sSchsischen Theologen unteruehmen sollten, zu empfangen ^).
Da ersterer wegen Krankheit zuHause bleiben mufite*), erging an
Joh. Feuerlein zu Kitzingen die Weisung, direkt nach Nurnberg
sich zu begeben und dort mit Karg zusammenzutreiFen *). Letzterer
kam wohl am 14. Febrnar nach Ansbach, erhielt hier eine Kredenz
an die beiden sachsischen Rate zu Trient ^) und die Theologen zu
Nurnberg') und traf am 16. Februar hier ein, wo er, wie Melanch-
thon, im Egidienkloster abstieg. Nach 2 Tagen sandte er eine Ab-
schrift des Vortrags der sachsischen Rate auf dem Konzil ®) samt
dem neuen Geleite ®) nach Hause. Schon in diesem ersten Briefe
gibt er der Vermutung Ausdruck, dafi aus der ganzen Reise nichts
werden wiirde. Er war damit gar nicht so sehr unzufrieden. Me-
lanchthon hatto ihn angeredet, „sich zu bedenken^ ob er wollte
reiten". „Darauf ich ihm nichts konnen antworten, denn dafi es
meinem Gesellen, der hernach kommen sollte, nicht mochte gelegen
sein und dafi ich nicht dazu gerlistet" ^®). Nicht viel wahrschein-
licher wurde es ihm, als er am gleichen Tage von einem Schreiben
anders halben mangel hetten, dasselbig anzuzaigen mit erpietung inen
darin sovil muglich rat zuschaffen. herr S. Gro6, Ratschreiber. — f. 28.
Ratsvei'laB vom 25. Jan. 1552: der marggrevischen regenten und rate
danckbrief angezaigter hieherkunft halb herrn Philippo Melanch-
thons und seiner zugeordneten ruhen lassen. H. Burgermeister senlores.
Vgl. Corpus Ref. VII, Sp. 931.
1) Salvus conductus ipsius Cone. Trident. 25. Jan. 1552. A.R.A.
20, 313.
2) Melanchthon an Chr. Tetelbach. d.d. 10. Febr. 1552. Corp. Ref.
VII, 941 f. Andere Verhandlungen betrafen die Versorgung der Witwe
B. Ziegler; s. Sp. 929.
3) d.d. Ansbach. Do. n. Dor. 1552. A.R.A. 20, 321,
4) Joh. Seger an die Regenten und Rate s. d. e. 1. f. 324. Er sandte
aber seine Vorbereitungen fiir das Konzil nach Ansbach.
5) d.d. Ansbach. Mo. n. App. (15. Febr.) 1552 f. 319; vgl. den Brief
der Regenten und Rate an Karg, d.d. 17. Febr. 1555, f. 320.
6) d.d. Ansbach. Mo. n. App. (15. Febr.) 1552, f. 343.
7) S. Beilage III.
8) A.R.A. 20, 258 (266 und 270).
9) A.R.A. 20, 313; vgl. Druffel II, S. 78ff. Ernst I, 367 ff.
10) A.R.A. 20, 329 flf.
280 Schornbaam, Zar Stellang der brandenb.-ansb. Regiernng' etc.
des Kaisers an die Erzbischofe von Mainz, Koln und Trier horte,
darin sie zum ISngeren Yerweilen anf dem Konzil mit dem Hinweis
auf die Zasicherung des Knrfursten Moritz, dafi er selbst beim Kaiser
erscbeinen und keineu Tumult im Eeiche zulassen wtirde, ermabnt
wurden ^). Hieronymus Baumgartuer hatte es Melancbthon zukommen
lassen. Bereits in seiuem nachsten Briefe vom 22. Februar ist ibm
klar, dafi Moritz den Besucb des Konzils gar nicht emstlich vor-
hatte, sondern nur beniitzte, um seine Plane urn so ungehinderter
durchfuhren zu kounen ; „und will micb schier ansehen^ als babe
man mit dieser Reise kais. Majestat eine Nase wollen dreben, als
sei grofier Ernst, das Konzilium zu besucben und zu f5rdern im
Herzen, dafi dieses Gewerb desto weniger gemerkt und verbindert
werden soUte. Denn es^ wie ich vernimm^ sebr beimlicb gehalten,
also dafi auch die innersten Rate der Sacbe kein grundlich Wissen
gebabt, sondern allein die FUrsten eigner Person alle gebandelt und
vielleicht noch nicht viel offenbar, wiewohl in wenigen Tagen namlich
auf Invocavit der Auzug und Angriff gescbehen soll"^). Er hatte
Recht; am 10. Marz kehrte Melancbthon nach Sachsen zuruck ^);
ebenso verliefien Karg und Feuerlein in BMlde die Reichstadt, der
Besucb des Konzils war damit fur die Regenteii abgetan ^). Die
sUchsische Politik, der man sich in Ansbach immer anzuscbliefien
geneigt war, liefi bald erkennen^ dafi davon keiue Rede mehr sein
konnte.
1) d.d. Nurnberg 19. Febr. 1552. A.R.A. 20, 323. Der Pfarrer von
Kitzingen war am 18. Febr. in Ntirnberg eingetroflfen. Am 22. Febr. 1552
konnte Earg auch eine Abschrift des im Texte angegebenen Schreibeiis
(A.R.A. 20, 325), die er mit emsiger, demiltiger Bitte von Melancbthon
erlangt hatte, nach Ansbach schicken. A.R.A. 20, 334. Zum Schreiben des
Kaisers s. Druffel II (Munchen 1880) S. 7, N. 871.
2) A.R.A. 20, 334. Am 23. Febr. meldeten dann Job. Feuerlein und
Karg nach Ansbacb, daB Matthie in MeiBen eine Fiirstenznsammenkanft
stattfinden wiirde, England, Schweden, Danemark und Polen sollten mit
ihnen in einem Bund sein. A.R.A. 20, 331.
3) Jahresregister 1551 (13. Frage): 12 fl. 7 sch. 6 h. kost das mal
auf dem rathans als Philippus Melancbthon und andere seine mitgeferten
als frembde prediger sambt den eltern herrn und die hiehigen prediger
heroben geefien haben. 515 fl. 1 Pfu. n. 19 sch. 2 h. hat Philippus Melancb-
thon und seine mitverwandten, als sie auf das concilium zu Trient ab-
gefertigt und hie 6 wochen und 5 tag im closter egidi gelegen, verzert
und ausgeben. inhalt herrn Hieronymi Paumbgartners rechnung in der
jarschachtel tutzerung 382fl. 5 Pfu. 21 Pfennig ; dem herrn philippo sonder-
licb verehrt von wegen der hiehigen knaben, so zu Wittemberg studirn,
damit zu commendirn, des er sich zu tun erboten 100 fl. gold; und dem
herrn abt des gedachten closters fUr sein mtihe, arbeit und anderer ge-
babter beschwernus ein trinkgeschirr verert cost 33 fl. 2 Pfund 4 Pfennig.
4) L. Bachmann, Kitzinger Chronik des Fr. Bernbeck 745—1565.
Kitzingen 1899, S, 149.
Schornbaum, Zur Stellung der brandenb.-ansb. Regierung etc. 281
Beilage I.
Begenten und Bftte zu Ansbach an Melanchthon und andere
Theologen zu Wittenberg.
1. September 1551.
Unsere freuntliche dienst alzeit zuvor. erwirdige, achtbare und
hochgelerte insonder lieben herrn und freund. was von des durcli-
leuclitigsten hochgebornen fursteu und hern hern morizen herzogen
zu sachsen churfursten unsers gnedigsten herrn statthalter und rate
in sachen das vorsteend und gein Trient angesetzt concilium be-
treffend uf unser anlangen uns diese tage fur ant wort zukomen,
senden wir euch inliegend zuvernemen ^). darauf geben wir auch
freuntlicher mainung zuerkennen, das wir des durchleuchtigen hoch-
gebornen fursten unsers gn. h. marggrafs Georg Friedrich zu
Brandenburg pfarherrn zu Schwabach und Ro fife Id die erwir-
digen herrn magistrum Georgium Kargen und Johannem
Seeger gegenwertige briefszeiger mit bevel zu euch abgefertigt, hochst-
gedachts unsers gn. h. des churfursten zu Sachsen statthalter und
rete schreiben gemes handlung und werbung bei euch zupflegen, wie
ir von inen ferner vernemen werdet; und anstat hochgenants unsers
gn. h. ersuchen wir euch gutlich fur uns selbst freuntlich bittend, ir
wollet gedachte pfarhern in irem anbringen gutlich hbren, inen auch
dismals gleich uns selbst gentzlichen glauben geben und euch darauf
gegen inen unbeschwert wilferig erzeigen, wie zu euch unser sonder
freuntlich vertrauen steet. das sein wir hinwider freuntlich zube-
schulden urbuttig und euch freundliche angeneme dienst zu erzeigen
wohl gewilt.
datum Onolzbach am tag Egidii ao 51
regenten und rete.
Inscriptio: dem erwirdigen achtbarn und hochgelerten herrn
philippo Melanthoni und andern der hayligen schriften doctorn
imd profefiorn zu Wittenbergk unsern insondern lieben herrn
und freunden.
Kopie im Niirnberger Kreisarchiv. Ansb. Rel. Acta T. XX^ 252.
Beilage II.
Bugenhagen, Porster, Major und Melanchthon an Regenten
und R£lte zu Ansbach.
13. September 1551.
Gottes gnad durch seinen eingebornen son Jhesum christum
unsern heiland und warhaftigen heifer zuvor. edle, ernveste, ge-
streuge, hochgelarte, giinstige herrn. die erwirdigen herrn predicanten,
so anher gesaut sind^ werden ewer ernvest gruntlich berichten^ wie
1) d. d. 22. August 1551 A.B.A. 20, 288.
282 SchornbauiSf Zur Stellang der brandenb.-ansb. Regierung etc.
die schrift, so im concilio zu uberantworten sein solt^ gestelt ist,
und ist warlich uuser gemtit^ nicht unnbtige furwitze fragen oder ge-
zenck zu erregeu^ sondern allein die einige^ warhaftige, christliche,
ewige, n5tige lar^ die in ewern und unsern kirchen durch gottes
gnad bisanher treulich und reyn gepredigt, zu erholen und uf die
uachkomen zu erben. und nachdem wir wifien^ das der son gottes,
Jhesus Christus, selb der erhalter ist seiner kirchen und nicht mensch-
liche macht oder weisheit, bitten wir denselbigen warhaftigen heifer
Jhesum Christum^ ehr wolle uns alien seine gnad verleihen und seine
warheit gnediglich erhalden. von den sachen, die in consistoriis ge-
handelt werden, nemlicli von den heimlichen ehegeliibden und von
der ehe der unschuldigen person uach den divortiis haben uns ewere
gesandten euern branch angezeigt. clavon kann man weiter reden, so
man entlich etwas semptlich uberantworten wirt. Uuser heiland
Jhesus Christus wolle sein kirchen bey euch und in andern landen
gnediglich erhalden und wolle nicht grofier verwiistung und difiipa-
tiones geschehen lafien. er wolle auch euer herrschaft und e. ernvest
gnediglich allzeit bewaren.
datum Witeberg 13. September anno etc. 1551.
euer ernvest und gunsten diener
Johannes Bugenhagen Pomer d.
Johannes Forsterus D.
Georgius Major D.
Philippus Melanthon.
ced. wir bitten auch ewer ernvest und gunsten gantz vleifiig,
ewer ernvesten woUen inen gunstiglich laBen bevolen sein Magistrum
Georgium Grenner von Feuchtwangen ^), welcher unterteniglich
bitt umb hilf, das er longer in der universitet sein mocht, in theo-
logia und sprachen die legenten zu horen, damit ehr der kirchen
ernach nutzlicher dienen kbut. nu wifien wir, das er mit ingenio,
verstand und geschikligkeit zu reden von Gott wolgezieret ist, auch
ist er gottfurchtig, ztichtig und sittig; hoffen durch gottes gnaden die
hilfe werd an im wol angewant sein ; bitten wir derwegen euer ernveste
wollen ihne gott zu lobe gunstige furderung tun, dagegen erbeut er
sich den kirchen im vaterland vor andern zu dienen.
luscriptio : den edlen^ ernvesten, gestrengen, hochgelarten herrn
regenten und raten in der furstlichen regirung zu Onoltzbach unsern
gUnstigen herren.
Niirnberger Kreisarchiv. A.R.A. XX, 255 ff.
1) 15. Marz 1545 in Wittenberg immatrikuliert s. E. C. Forstemann,
Album academ. Vitebergeiisis. Leipzig 1841. S. 218. Sein Bruder Mag.
Joh. Grenner war Rektor in Feuchtwangen. Kreisarchiv Ntirnberg. Rep.
159. Tit. XXII. N. If. 476 ff. Er selbst war noch 1563 in Ansbach wohl
als Kaplan, f. 117 flf.
Schornbaam, Zur Stellung der brandenb.-ansb. KegieruDg etc. 283
Bellage III.
Begenten und B&te zu Ansbach an Ph. Melanchthon, Erasmus
SarceriUB und N. Paceus.
15. Februar 1552.
Erwirdigeo; hochgelorten^ lieben herrn und freund. uf das wie
uus dev durchleuchtigst Bochgeborn fiirst unser gnedigster herr, hertzog
moritz churfUrst etc. hievorn gnedig gescbriebn und zugelafien und
unser gnedigster herr der churfurst zu brandenburg uns auferlegt, das
wir des auch durchleuchtigen bochgebornen fursten unsers gnedigen
berrn marggraf George n Friedrichs zu Brandenburg Teologen, die
anstat deren uf das vorsteend concilii gein Trient geschickt werden
sollen, nebeu encb und andern, die von seiner cburf. gnaden daselbst-
hin zuverraiseu verordnet seien, vortzieben lafien sollen, baben wir
gegenwertige bocbernannts unsers gn. h. pfarrere zu Scbwabach
und Kitzingen^) die er wirdigen herrn magistrum JohannemFeyer-
1 e i n und magistrum ^) G e o r g i u m Ka r g e n abgefertigt und inen uferlegt,
neben eucb und den andern eurn zugegeben teologen nacb Trient
zuverreissen und daselbstn mit alien der augspurgischen confession
verwandten gesandten nit allain die bekantnus unserer warn,
beiligen, cristlichen religion zutun^ sondern darzu auch die, sovil
moglich, helfen zuvertaidingen und also an inen, was zu disem guet
und bochnotwendigen wergk dienstlich^ nichts erwindeu oder abgeen
zu lafien. ersucben eucb demnach anstat bochernants unsers gn. h.
marggraf George n Friedrichs guetlich, unseruhalben freuntlicbs vleis
bittend, ir wollet bemelte beede pfarrern in getreuem und guustigem
bevel baben auch fur eure person, die ainiche warhafte cristliche
ewige und notige lere, die in eurn und unsern kirchen bishero
durch gottes gnad treulich und rain gepredigt worden, erhalten helfen,
wie wir eucb dann one das sonderlich genaigt und. bereit wifien.
tun eucb hiemit gottes gnad und vaterlichen schutz und schirm be-
velhen. der wolle auch eucb in eurm christlichen gemuet stercken
und ewiglich erhalten.
Datum Mo. n. Apolonie ao. 52.
regenten und rete^).
Inscr: dem erwirdigen hochgelerten herrn philippo Melanch-
thoni der hailigen schrift und freyen kunst profefioren und andern
unsers gn. h. des churfursten zu sachsen etc. uf das concilium gein
Trient verordneten teologen unsern lieben heren und freunden.
Konzept Ansb. Rel. Acta XX/350.
1) UrspruDglich: RoBfeld.
2) Urspriinglich : Johannem Seger.
3) Fehlt.
284 Znr Bibliographie.
Zur Bibliographie/)
*Dyroff, Aut. Dr. uud Prof, in M^nclien. Die Entwicklung des
bayeriflchen Staatskirchenrecbts bezuglicb des Ortskirchenver-
mogens bis zum Koukordat von 1817. Gescbicbtliche Mate-
rialien zum Eotwurfe eioer bayeriscben KircheDgemeindeordnung
in ^Annalen des Deutschen Reichs" berausgeg. von Dr. K. Tb.
E be berg und Dr. A. Dyroff 1905. 9. Heft.
Mit Spannang sieht roan in kirchlicb interessierten Kreisen der seit
Jabren angekiindigten Kircbengemeindeordnung fiir das Eonigreich Bayern
entgegen, namentlich in der protestantischen Eircbe, in der Hoffnung,
dafi die evangelische Landeskirche dadurch von jenen Fesseln befreit
werden konnte, die seit Jahrzebnten ilire organische, den Anforderungen
der Gegenwart sich anpassende Fortentwicklung gebindert baben. Und
die Spannung wird urn so grofier, je geheimnisvoller der Entwurf behan-
delt wird, so da6 man ibn nicbt einmal der Generalsynode, sondern nur
dem protestantischen Eircbenregiment zar BegutachtuDg vorgelegt bat.
Urn so dankenswerter ist die vorliegende Arbeit des Hanptverfassers des
in Frage stehenden Entwurfs, well sie, obwobl es sich nur urn Bei-
bringung bistorischen Materials bandelt, fiir den, der zwiscben denZeilen
zu lesen verstebt, doch schon die Riehilinien der zukiinftigen Vorlage
erkennen lafit. Aber die Beitrage zur bayeriscben Eircbengeschichte ver-
folgen rein wissenscbaftliche und nicbt kirchenpolitiscbe Zwecke. Desbalb
soil auch nur auf das wicbtige Urkundenmaterial hingewiesen werden,
dessen Hebung und Gruppierung wir Dr. Dyroff verdanken. Nachdem er
in einem LAbscbnitt „Laienrechte und staatlicheOesetzgebung in bezng
auf Eirchengut in der Zeit des Frankenreicbs'* und in einem II. ^Die
Yerdrangung der Laien aus ihrer Gewalt iiber Eirchengut und ihr bal-
diges Wiedervordringen'* das allmablicbe Entsteben eines von demBene-
fizium des Pfarrers, der Pfriinde, verschiedenen, dem Gotteshause oder
dem Heiligen zugeschriebenenVermogens, des Fabrikgutes (spater Eircben-
stiftnug genannt) gehandelt hat, kommt er zu dem, was ihm natUrlicb
die Hauptsacbe ist, dem Eingreifen der landesberrlichen Gewalt in die
Verwaltung des Ortskirchenvennogens. Mit Recht bezeichnet der Verf.
den Erlafi des Landgebotes Albrechts IV. vom Jahre 1488 iiber die Ver-
waltung des Ortskirchenverm^gens als einen Markstein in der Gescbicbte
der landesberrlichen Regelung der Aufsicht iiber das Eirchengut, aber
um ihn historisch richtig zu wtirdigen, muB man ibn nicbt in seiner Ver-
einzelung betrachton, und er stand, obwobl ich das zurzeit nicbt belegen
kann, sicher nicht vereinzelt da. Wenn wir z. B. eine Klostergescbichte
Bayeins batten, oder auch nur eine gentigend archivaliscb fundierte Ge^
schichte der einzelnen Orden und Eongregationen in Bayern, wurde
sich herausstellen, daB er sich einreiht in manche andere MaiBnahmen^
und nichts weiter ist als ein Ausflufi des mit dem Erstarken der Terri-
torialmacht damals allentbalben zu beobacbtenden Strebens des Landes-
fUrsten, ein allgemeines Aufsicbtsrecht uber das gesamte Eirchen- und
Elosterwcsen auszuiiben. Und nebenbei gesagt^ ware es wirklich an
der Zeit, endlich einmal das Landeskirchentum vor der Refor-
mation zu untersuchen. Schon vor 25 Jabren babe ich gelegentlich
(Friedricb der Weise und die Anfange der Reformation, Erlangen 1881,
1) Die mit * versehenen Schriften sind zur Besprechung eingesandt
worden. Alle einschlagigen Schriften werden erbeten bebufs Besprechung
von der Verlagsbucbhandlung F r. Junge in Erlangen.
. Zur Bibliographie. 285
S. 7ff.) aaf diese Lticke anfmerksam geroacht, aber so weit ich sehe, hat
J. S. Reinhard, Meditationes de iare Principnm Germaniae circa sacra
ante temporis Reformationis exercito, Halae 1717 noch keinen ernstbaften
Nachfolger gefunden, und doch gestattet das in neuerer Zeit fur einzelne
Gebiete — freilich nicbt.fUr Bayern — , namentlicb Sachsen (vgl. neuer-
dings Fel. Gefi, Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs
von Sachsen, I. Bd. 1905 und dazu: G. Wolf in Neue Jahrbb. f. d. klass.
Altertumskunde etc. 1906, S. 413) gebobene Material, ein klares Bild der
Entwicklung zu zeichnen. — Sieht man genauer zu, so war der vorhin er-
wahnte ErlaO von 1488 ein Yersuch des Landesherrn, sich die vollige
Oberaufsicht tiber die Verwaltung des Kirchenvermogens anzueignen, aber
er mufite, nachdem er wahrscheinlich kaum irgendwo Erfolg gehabt batte,
schon 1493 aufgegeben werden, well, so ist die Sache aufzufassen, die
Bischofe durch den Beschlulit der Miihldorfer Provinzialsynode von 1490
(Dyroff S. 650) ihrerseits das Kirchengut auf Grund det bisherigen Ent-
wicklung stronger gegen Verschleuderung zu sichern snchten und damit
dem Landesherrn den in Absatz 1 des Landgebotes fttr sein Eingreifen
vorgebracbten Grund entwunden batten. Es ist daher m. E. nicht so,
wie Dyroff urteylt: ^Neben die Regelung der Verwaltung des Fabrik-
vermogens durch das Landgebot von 1488 hatte sicb zwei Jabre spater
— in der Hauptsache jene untersttttzend — eine Regelung durch die
kirchliche Provinzialgesetzgebung gestellf, sondern die Beschlusse jener
Synode waren ein GegenstoB des Episkopats, der das Eingreifen des
Landesherren erfolgreich parierte, so dafi die Landesordnong von 1516
von der Anordnung des Landgebotes von 1488 bekennen mnOte, dafi sie
„etlich zeit her weniger vollzogen" worden. Inzwischen war aber die
iandesherrliche Eirchenhoheit unter der Saumseligkeit des Episkopats er-
heblich erstarkt, und unter dem EiniluO der reformatorischen Bewegung
— man denke an das durch Job. Eck vom Papsta ttber die BischQfe -er-
langte allgemeine Aufsichtsrecht — wuchs sie immer mebr, und bei dem
Interesse an der Erhaltnng des Kirchenguts, das die Herzoge nach der
Znweisung eines erheblichen Zehnten durch die Kurie, haben mufiten,
befestigte sich vor allem die Oberkuratel liber das Eirchenvermogen. So
kam es, daB das Tridentinum bereits auf die Consuetude Rucksicht nehmen
mujgte. — Sehr interessant und lehrreich sind dann die Mitteilungen Dy-
roffs tiber die Neuordnung der ganzen Angel egenheit durch das Eonkordat
von 1583 und die weitere Entwicklung bis zur verfassungsmafiigen Fest-
legung, wobei der Historiker freilich bedauern muB, daO der Verf. seinem
ganzen Zwecke nach darauf verzichtet, uber die Feststellnng der einzelnen
gesetzlicben Bestimmungen hiuaus danach zu fragen, ob und wie sie
durchgeftihrt wurden und welche Wirkung sie auf das kirchliche Leben
im ganzen und das gemeindliche Leben ira besonderen gehabt' haben.
Und fiir die Geschichte der protestantischen Eircho oder derjenigen evan-
gelischen Landesteile, die am Beginn des 19. Jahrhunderts mit Bayern
verschmolzen wurden, bietet er gar nichts. Zum mindesten hatte man
etwas erfahren sollen, wie es denn in den schon zum ^katholischen
Bayern" gehorenden evangelischen Gebieten, der 1740 einverleibten Herr-
schaft Sulzbiirg und Pyrbaam und dem 1777 angefallenen Herzogtum
Sulzbacb, das freilich nur wenig Protestanten batte, gehalten wurde.
Ganz kurz heiBt es am SchluB &. 676*. „Die Verwaltung protestantischen
LokalkirchenvermSgens und die Befriedigung der lokalen protestantischen
EirchenbedUrfnisse wurde scbon in den ersteu Jahrzehnten des 19. Jahr-
hunderts, so bald sie fUr Bayern in Betracht kam, seitens des Staates im
wesentlichen nach den gleichen Grundsatzen, wie beiderkatholischenEirche
behandelf*. Das ist allerdings richtig, aber die Frageist, ob man dadnrch,
daB man den evangelischen Gemeinden dieselbe staatliche Oberkuratel, wie
sie sich im katholischen Bayern berausgebUdet hatte, auferlegte, anch
286 Zur Bibliographie.
nur die historische Kontinuitat wahrte, oder ob dadurch nicht gegenliber
der yon der evangelischen Rirche immer als selbstverstandlich anerkann-
ten Btaatlichen Aufsicht, ein Neues eingefiihrt wnrde, and angesichts der
prinzipiell anderen Stellung, die die Reformationskirchen gegcntiber dem
Staate einnehmen, und des vollig andern Eirchen- und Gemeindebegriffs,
eine voDstandige ParitUt der Behandlung tatsachlich eine Ungleichheit
war. Freilich ware die von miv gewtinschte historische Untersuchung
der einschlagigen Frage in den zahlreichen protestantischen Gebieten
wegen ihrer sehr verschiedenartigen Entwicklung eine ungleich schwie-
rigere, uber sie mOBte einmal gemacht werden. —
*Ludwig, Dr. A. Fr., Professor der Theologie am Kgl. Lyzenm
in Dillingen, Weihbischof Zirkel von Wlirzburg in seiner
Stellung zur theolpgischen AufklSrung und zur kirchlichen
Restauratiou. Ein Boitrag zur Geschichte der katholischen
Kirche Deutschlands um die Wende des achtzehnten Jahr^
hunderts. Erster Band. Mit dem Bildnisso des Weihbiscbofs
Zirkel. Paderborn, Druck ^nd Verlag von 'Ferdinand Scho-
niugh 1904. . VIII und 377 S. — 8 Mk.
Der Yerf. fiihrt uns in „die schlimmste und gefShrlichste Periode
der Eirche^, die theologische Aufklarung, und zwar speziell in der Wiirz-
burger Dii)ze8e. Es ist jedoch nicht das erstemal, da^ die Aufklarung in
Wiirzburg wissenschaftlich beleuchtet wird, bereits J. B. Schwab hat
dies in seinem trefflichen Werke „Franz Berg, geistlicher Rat and Pro-
fessor der Eirchengeschichte an der Universitat Wttrzburg**, Wtirzb. 1869,
getan, and Franz Berg (geb. 1753), um dessen Leben und Denken er das
kirchenhistorische Bild des Zeitalters sich ranken lafit, ist der nur um 8 Jahre
altere Zeitgenosse Zirkels (geb. 1762). Beide haben zuerst niiteinander,
dann nebeneinander in Wiirzburg gewirkt. Freilich Berg ist wesentlich
Professor und Gelehrter, der andere mehr Eirchen mann. Dies allein
k5nnte Anlai) genug sein, dieselbe Zeit unter anderem Gesichtspankt
von neuem zu behandeln. Aber anderes kommt hinzu. Franz Berg btieb
eigentlich immer der alte Rationalist, wuide wenigstens nie ein liber-
zeugter Vertreter des restaurierten Eatholizismus. Anders Zirkel. Aas
dem Aafklarer, der ttbrigens an Wissenschaftlichkeit und Tiefe hinter
Berg zuriicksteht, wurde allmahlich der Fiihrer, ja Vater der neuen Periode
im Bistum Wiirzburg und zwar in dem MaBe, da0 darttber die Erinnernng
an seine aufklarerische Periode vollig erlosch und der Verf. der vor-
liegenden Monographie, als er im Jahre 1899 unbefangen genug war, in
der Passauer praktisch-theologischen Monatsschrift auf diese Zeit von
Zirkels Leben hinzuweisen, wie er selbst berichtet, den Vorwurf horen
muBte, da6 er das Bild Zirkels, „das noch immer im Yerklarungsschein
der frankischen Tradition fortlebt, trtibe**. ^ Ihm kommt es aber offenbar
darauf an, gestUtzt auf reiches handschriftliches Material, Tagebuch-
blsttter etc., einesteils „die Psychologic der Aufklarung" klarzustellen oder
sie begreifiich zu machen, andern teils und vor allem den Cbergang
aus jener ersten Periode zur zweiten zu verstehen und verstandlich zu
machen. Und diese Entwicklung ist merkwiirdig genug. Auf der Bam-
berger Hochachule wurde Zirkel durch Professor Daum zu Kant gefiihi-t,
was bleibenden Einflufi aaf ihn hatte. Auf dem Priesterseminar ttnter
Onymus, Oberthflr, Berg entwickelt sich sein Rationalismus, und d6r junge
Priester, der 1789 Subregens des Seminars, jdann Professor und Leitdr
derselben Anstalt wird, vertrittihn, mit alien Bildungselementen des Zeit-
alters erfiillt, in gewandter Weise unter dem Beifall namentlich auch an-
gesehener Protestanten (vgl. H. Ph. G. Henke in seinem Archiv f&r die
Znr Bibliographie. 287
neueste Kirchengeschichte, I. Bd. Weimar 1795, 1, 122 ff.) als Schriftsteller
und auf der Kanzel in seinen Predigten „uber die Pflichten der hoheren
Stande" (F. Berg und G. Zirkel, Predigten iiber die Pflichten der hoheren
nnd aufgeklarten Stande bey den biirgerlichen Unruhen unserer Zeit,
WUrzburg 1793J, in denen er direkt mit dem „kategorischen Imperativ"
operiert, und hilft nicht am wenig3ten dazu, den Wurzburger Klerus im
aufklarerischen Sinne zu erziehen. Nun wird aber der ratioualiatische
Seminarregens sehr gegen seinen Willen zum Weihbischof ersehen und
am 28. Oktober 1802 konsekriert. Seine neue Wirksamkeit fallt zusammen
mit der beginnenden Sakularisation und der brutalen, bureaukratischen
Reglementierung der katholischen Kirche durch die bayerische Regierung,
von deren in jene Zeit fallenden Kirchenerlassen der Verf. in den Bei-
lagen S. 334 eine sehr lehrreiche und dankenswerte tJbersieht giebt. Das
bahnt einen Umschwung in seiner Entwicklung an. Aus dem aufgeklarten
Theoretiker wird der praktische Kirchenmann. Der Minister Montgelas,
der in dem bekannten Aufklarer ein gefugiges Werkzeug seiner Be-
^trebungen zu findea hoffte, sieht sich getauscht. Zirkel wird „die festeste
Stutze seines Herrn in Verteidigung der unveraufierlidien bischoflichen
Rechte** und tritt daftir in Wort und Tat ein. Und die nicht ganz un-
gerechtfertigte Befurchtung, daB es sich um den Plan handle, Katholizis-
mus und Protestantismus zu einer Staatsreligion zu verschmelzen, muBte
ihn, wenn auch sehr allmahlich (vgl. die noch wenig klerikal gefaBten,
mit manchen aufklarerischen Reminiscenzen untermischten Aphorismen
Uber das Verhaltnis des Staates zur Kirche 1803 im Anhang S. 347 ff.)
zum bewuBten Katholiken und Vertreter des Elerikalismus machen, der
in fast moderner Weise fiir die Freiheit der Kirche und ihre Jurisdiktion
eintritt, direkte Verbiudung mit Rom sucht und als der erste darauf aus-
geht, durch gemeiusame Aktion der deutschen Bischofe das Selbstbewufit-
sein und die Kraft des Episkopats gegeniiber dem Staate zu stSrken. Diese
Entwicklung zeichnet der Verf. bis zu den Verhandlungen des Wttrz-
burger Bischofs mit Consalvi iiber die Ehefrage (1805), wahrend ein
zweiter Band die letzte und fiir die Restauration des Katholizismus im
Bistum entscheidende Wirksamkeit Zirkels bringen soil. Dabei kann
freilich nicht geleugnet werden, dafi wie wertvoll und dankenswert die
groBe Arbeit ist, eine etwas geringere Ausftthrlichkeit den Wert wahr-
seheinlich erhoht hatte. Auch scheint mir der Verf. bei seinen sehr
ausgiebigen, wdrtlichen Wiedergaben von Auslassungen Zirkels nicht
immer genligend gewiirdigt zu haben, wie vieles darin doch nicht origi-
nell ist. Auf der andern Seite finde ich, daQ er zumal gegen Ende all-
zuwenig auf die allgemeine Zeitgeschichte Rilcksicht genommen und Zirkel
und die Bewegung in Wiirzburg allzusehr isoliert hat. — Endlich kann
ich eine allgemeine Anmerkung nicht unterlassen. Auf S. 249 bedauert
der Verf. in sehr zurUckhaltender Form, daB ihm ein Faszikel, der die
groBte Ausbeute versprach und die Aufscbrift tragt: „Akten, die Saku-
larisation betreffend. Wichtig", ^gewisser Umstande halber noch nicht
zur Einsicht Hberiassen werden konate**. Daraus ist zu entnehmen, daB
trotz aller Verhandlungen dariiber gewisse Akten aus dem Anfang des
,1-8. Jahrhunderta noch immer sekvet behandelt werden, wogegen im Namen
der Wissenschaft von neuem protestiert werden mu6. Wenn die Archiv-
verwaltung einen Akt als „wichtig" bezeichnet, so ist er heute vor allem
fiir die Wissenschaft wichtig und miiBte deshalb freigpgeben werden.
Und die zustandigen Stellen sollten sich doch sagen, daB ale mit dem
bisher Ublichen Verfahren, nur immer wieder den Verdacht bestarken,
daB in jener schlimmen und von, Ungerechtigkeiten wimmeloden Zeit viel
Schlimmeres vorgekommen ist, als bei einer objektiven, die Zeitverhalt-
nisse berlicksichtigenden Ausnutzung der Akten wahrecheinlich herans-
kommen wiirde.