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Full text of "Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte;"

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Beitrage 

bayerischen  Kirchengeschichte 


herausffegeben 


D.  Theodor  Kolde, 

irii.  Trot,  (lor  Kiitjuiiigpsthk^htc  un  dcr  UJiivorsitat  Erlftngnn. 


Erlangen  1905. 
V  c  !■  I  ii  g  V  o  11  F  r.  .1 II II  g  u. 


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(1-12. 


K,  b.  Hof-  u.  Uoiv.-Buchdmckerei  von  JuBge  &  Sohn,  Erlangen- 


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Inhaltsverzeiehnis  des  XI.  Bandes. 


Seite 

Th.  Kolde,  Zum  Beginn  des  zweiten  Jahrzehnts  der  Beitrage  ....    1 
E.  Schornbaum,  LeuterehauseD  bei  BegiDn  der BeformatioDszeit  und 

das  Elide  Eberlins  von  Gunzburg 5 

J.  Batteiger,  Znr  Geschichte  des  Pietismus  in  Bayreuth      ....  34 

H.  Leffler,  Eine  Thuogensche  Trau-  UDd  Taufverordnung    ....  45 

Zur  Bibliographie 47 

Th.  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach    ....  49 
E.  Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit  und 

das  Ende  Eberleins  von  Gunzbui^  (Schlufi) 78 

Zur  Bibliographie 93 

Th.  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach    ....  97 

P.  Griebel,  Das  alteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs 124 

Wolff,  Pfarrbesoldung  in  Schopfiohe  aus  dem  Jahre  1522    ....  143 
O.  Bieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  historischen 

Vereine  in  Bayem       .    .     .• 144 

Zur  Bibliographie 145 

Th.  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach  (SchluB)    .  149 

J.  Haufileiter,  Zur  Lutherbibliographie 188 

Th.  Kolde,  Suddeutsche  Katechismen  von  1530—1600 191 

Zur  Bibliographie 198 

Fr.  Roth,  Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg  ....  201 
K.    Schornbaum,    Zur    Brandenburgisch-Niirnbergischen     Kirchen- 

visitation  1528 218 

Th.  Kolde,  Ein  Ablafibrief  fiir  die  Kirche  zu  Leerstetten      ....  222 
Fr.  Herrmann,  Ein  Brief  des  Dominikaners  Gallus  Kom  an  Wolfgang 

Fabricius  Capito 225 

Th.  Kolde,  Zur  Geschichte  des  Niirnberger  Augustinerklosters       .     .  228 
O.  Rieder,  Kirchengeschichtliches  in  den  Zeitschriften  der  historischen 

Vereine  in  Bayern        233 

Zur  Bibliographie 236 


IV  Inhaltsverzeichnis  des  XI.  Bandes. 

Seite 

Th.  Kolde,  Ein  kryptocalvinistischer  Katechismus  fur  die  Grafschaft 

Ortenburg  aus  dem  Jahre  1598 241 

K.  Schornbaum,  Das  Testament  des  Kanzlers  Georg  Vogler  .     .     .  268 

Th.  Lauter,  Der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Cadolzburg    ....  274 
O.    Rieder,  Kirchengeschichtliches   in  den    Zeitschriften    der    histo- 

rischen  Vereine  in  Bayern 281 

Zur  Bibliographie '.".....  283 


Zum  Beginn  des  zweiten  Jahrzehnts  der  Beitrage. 

Dem  1.  Heft  des  11.  Jahrganges  dieser  Beitrage,  das  ich 
mit  Dank  gegen  Gott  ausgehen  lasse,  sei  es  gestattet,  ein  Wort 
der  Begrtifiung  and  Erinnerung  voranzuschicken. 

Es  war  ein  kuhnes  Unternehmen,  an  dessen  Durchftthrung 
nicht  wenige  zweifelten,  als  ich  vor  nunmefir  10  Jahren  mit 
dem  Plane  eines  neuen  Organs  fur  bayerische  Kirchengeschichte 
hervortrat,  und  ich  muC  bekennen,  daB  ich  mir  die  Sache  nicht 
ganz  so  schwierig  gedacht  habe,  als  sie  sich  schlieBlich  herans- 
gestellt  hat;  und  manchmal  woUte  der  Mut  sinken  und  erhob 
sich  die  Frage,  ob  es  sittlich  berechtigt  ware,  soviel  Kraft, 
Miihe  nnd  kostbare  Zeit  auf  dieses  Unternehmen  zu  verwenden. 
Wie  schwierig  war  es  schon  fur  den  erst  nach  Bayern  ver- 
pflanzten,  sich  so  weit  in  die  bayerischen  Verhftltnisse  und  die 
Spezialgeschichte  hineinzuarbeiten;  um  halberwegs  den  An- 
fordemngen,  die  man  billig  an  den  Herausgeber  stellen  muBte^ 
zu  genugen!  Welch  eine  nmfangreiche  KorrespondenZ;  nicht 
immer  beide  Telle  befriedigender  Art,  muCte,  um  nur  dies  eine 
ZU  erwahneU;  im  Laufe  der  Zeit  bewaltigt  werden!  Indessen 
der  Erfolg  hat  die  Miihe  reichlich  belohnt.  Die  zehn  B^nde, 
die  jetzt  vorliegen,  sind  doch,  wie  man  ohne  Ruhmredigkeit 
sagen  kann,  wirklich  das,  was  sie  sein  woUen,  im  wissenschaft- 
lichen  Sinne  „ Beitrage  zur  bayerischen  Kirchengeschichte"  und 
dtirfen  sich  anderen  gleichartigen  Unternehmungen,  wie  sie  in 
den  letzten  Jahren  fast  in  alien  Landes-  und  Provinzialkirchen 
Deutschlands  aafgekommen  sind,  getrost  an  die  Seite  stellen. 

Das  verdanke  ich  der  treuen  Mitarbeiterschaft  so  vieler 
Krafts,  die  anfangs  teilweise  zogernd  der  Sache  gegeniiber- 
standen,  oder  auch  dem  Ganzen  lieber  einen  mehr  popularen 
Charakter  gegeben  hatten,  je  langer  je  mehr  aber  immer  bereit^ 

BeHrige  snr  bayer.  Kircliengeseldcbte  XI.  1.  1 


2  Zum  Beginn  des  zweiten  Jahrzehnts  der  Beitrage. 

williger  waren  mitzuschaffen  and  mitzuwerben,  und  mit  mir  darin 
ubereinstimmten,  daB  etwas  von  bleibendem  Wert  nur  erreicht 
werden  konne,  wenn  die  neue  Zeitschrift  einen  streng  wissen- 
schaftlichen  Charakter  erhielte.  Auch  ausw^rts  ist  es  riihmend 
hervorgehoben  wordeii,  wie  viele  bayerische  Pfarrer,  von  den 
jiingsten  bia  zu  den  altesten,  neben  hochgeschatzten  Autoren 
aus  anderen  Kreisen  und  anderen  Gegenden  nach  und  nach  als 
Mitarbeiter  aufgetreten  sind  und  zum  Teil  in  raiihseliger,  durch 
ihren  abseits  von  Bibliotheken  und  Archiven  gelegenen  Wohn- 
ort  und  ihre  personliche  Lage  gar  oft  erschwerter  Forschungs- 
arbeit  nicht  nur  lokalgeschichtlich  WertvoUes,  sondern  auch 
solche  Arbeiten  geliefert  haben,  die  als  eine  FOrderung  der 
deutschen  Kirchengeschichte  uberhaupt  bezeichnet  werden  konnen. 
Nicht  ohne  Freude  glaubt  der  Fachvertreter  an  der  evange- 
lischen  Landesfakultat  darauf  hinweisen  zu  diirfen,  in  welchem 
Mafie  das  Tnteresse  an  geschichtlichen  Fragen  und  uberhaupt 
der  geschichtliche  Sinn  innerhalb  gerade  der  letzten  10  Jahre 
in  der  bayerischen  Geistlichkeit  sich  gehoben  hat,  wovon  u.  a. 
eine  nicht  kleine  Zahl  neben  unserer  Zeitschrift  selbstandig 
erschienener  Schriften,  die  zumeist  in  der  Bibliographie  be- 
sprochen  wurden,  riihmliches  Zeugnis  ablegt.  — 

Ein  fliichtiger  Blick  auf  das  Inhaltsverzeichnis  der  jetzt  vor- 
liegenden  10  Bande  kann  daruber  belehren,  daB  so  ziemlich  alle  Ge- 
biete  des  bayerischen  Landes,  freilich  nach  Lage  der  Dinge  das 
eine  Gebiet  mehr  das  andere  weniger  berucksichtigt  worden  ist  und 
namentlich  dank  der  rait  so  vielerMiihe  von  Herrn  Reichsarchivrat 
0.  Rieder  inMunchenzusammengestelltenNotizen  altere  Arbeiten 
aus  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  wieder  in  Erinnerung 
gebracht  wurden.  Und  das  umfangreiche  Ortsregister  wird  manchen 
Leser  erkennen  lassen,  daB  auch  sein  Dorfchen,  das  ganzfern  von 
dem  Strom  der  Geschichte  zu  liegen  schien,  doch  in  einem  nachweis- 
baren  Zusammenhange  mit  der  groBen  Entwicklung  steht,  was 
hoifentlich  zu  weiterem  Nachforschen  anregen  wird.  Denn  wie  weit 
wir  auch  gekommen  sein  mogen  in  der  Erhebung  neuen  Quellen- 
materials  und  daraufhin  im  Verstandnis  des  geschichtlichen 
Zusammenhangs,  der  Erkenntnis  des  Werdens  der  kirchlichen 
Zustande  in  diesen  oder  jenen  Landschaften  und  besonders  des 
Lebens  hervorragender  Personlichkeiten,  so  sind  wir  doch  immer 


Zum  B6ginn  des  zweiten  Jahrzehnts  der  Beitrage.  3 

noch  in  den  Anfangen  begriffen.  Je  tiefer  man  grabt,  um  so 
niehr  findet  man  Neues,  was  das  miihsam  gewonnene  Geschichts- 
bild  wieder  zu  verriicken  droht,  und  das,  was  etwa  als  Resultat 
bezeichnet  werden  kann,  reicht  z.  B.  langst  noch  nicht  aus, 
um  eine  wirklich  wissenschaftlich  fundierte  Geschichte  der 
evangelischen  Kirche  in  Bayern,  geschweige  denn  eine  Kirchen- 
geschichte  Bayerns  iiberhaupt  zu  schreiben.  Es  ist  verstandlich, 
daC  das  Interesse  der  meist  protestantischen  Mitarbeiter  sich 
der  Reformationszeit,  neuerdings  auch  der  Geschichte  des  Pietis- 
mus  zugewandt  hat,  aber  diese  Erkenntnisse  erhalten  doch  erst 
den  richtigen  Wert,  wenn  sie  sich  auf  einer  nicht  minder  ein- 
gehenden  Kenntnis  der  vorreformatorischen  Zeit  erbauen.  In 
diesem  Punkte  sind  wir  aber  zuruckgeblieben,  und  die  vor- 
reformatorische  Zeit  in  erheblich  grofierem  Umfange,  als  bisher 
geschehen,  in  den  Kreis  der  Untersuchung  zu  ziehen,  mufi  eine  be- 
sondere  Aufgabe  flir  die  Zukunft  sein.  Die  mittelalterliche  Ge- 
schichte Bayerns  ist  eine  so  reiche  und  in  ihren  Wirkungen  so  weit 
reichende,  wie  das  von  wenigen  anderen  Gebieten  Deutschlands 
gesagt  werden  kann.  Wo  gab  es  eine  groBere  Anzahl  von 
Stiftern  und  Klostern?  Wo  dank  der  vielen  selbstandigen 
Hen-niehen  und  Reichsstadte  eine  grofiere  Zahl  eigenartiger 
kirchlicher  Gebilde?  Und  wie  vieles  harrt  da  noch  im  einzelnen 
der  Erforschung,  haben  wir  doch  nicht  einmal  ein  bayerisches 
Klosterlexikon.  Das  dtirfen  wir  nicht  alles  den  allgemeinen 
Historikern  tiberlassen  oder  den  Nationalokonomen,  die  ira 
Interesse  der  Wirtschaftsgeschichte  neuerdings  sich  sehr  eifrig 
mit  dem  Klosterwesen  zu  beschaftigen  anfangen.  Und  weiter, 
die  Kirchengeschichte  des  17.  Jahrhunderts  ist  im  groBen  und 
ganzen,  abgesehen  von  einigen  Gebieten,  die  durch  die  Greuel 
des  SOjahrigen  Krieges  beleuchtet  etwas  mehr  Beachtung  ge- 
funden  haben,  fast  noch  eine  terra  incognita.  Wie  viel  auch 
der  FleiB  des  Veteranen  unter  den  bayerischen  Kirchenhisto- 
rikern,  Pf.  Medicus,  dessen  Verdienste  unvergessen  bleiben 
sollen,  zusammen  gebracht  hat,  so  sind  das  doch  nur  Richt- 
linien  fttr  spatere  Forschung.  AUein  ich  brauche  die  vielen  noch 
unbebauten  Felder  nicht  aufzuzahlen,  sie  drangen  sich  jedera, 
der  sich  eine  Totalansicht  verschafifen  will,  von  selbst  auf. 
Freilich  mit  der  Erkenntnis  der  Fulle  der  Aufgaben  wachsen 

1* 


4  Zam  Beginn  des  zweiten  Jahrzehnts  der  BeitrsLge. 

auch  die  auBerlichen  Schwierigkeiten.  Wie  die  Dinge  bis  jetzt 
liegen,  haben  wir  nur  vermoge  des  groBen  Entgegenkommens 
der  Verlagshandlung  hier  und  da  mehr  als  die  vereinbarten 

18  Bogen  im  Jahre  bringen  k5nnen,  und  mancher  Autor  ist 
wohl  dariiber  verstimmt  gewesen,  daB  sein  Aufsatz,  wie  er 
meint,  ungebuhrlich  lange  ungedruckt  geblieben  ist.  Das  w^r 
aber  nicht  anders  zu  machen  sowohl  des  mangelnden  Kaumes 
wegen,  als  auch  weil  der  Herausgeber  doch  auch  nach  MOg- 
lichkeit  fiir  Abwechselung  im  Stoff  zu  sorgen  hat.  Es  ist  be- 
kannt  genug,  wie  der  Anerkennung  der  „Beitrage",  die  sie  sich 
namentlich  auch  auBerhalb  Bayems  errangen  haben,  die  Zahl 
der  Abonnenten  nicht  entspricht.   Wir  sind  dankbar  dafiir,  daB 

19  Dekanate  durch  eine  kleine  jahrliche  Subvention,  die  hoifent- 

lich  noch  weiter  flieBen  wird,  die  Fortfuhrung  des  Untemehmens 

bisher  ermoglicht  haben.  Wie  lange  diese  Unterstutzung  genftgen 

wird,  ist  eine  andere  Frage,  und  jedenfalls  ist  zur  Zeit  an  die 

sehr    wiinschenswerte   Vergr5Berung    der    Zeitschrift    nur    zu 

denken,  wenn  alle  Interessenten  auch  fur  grSBere  Verbreitung 

sorgen.    Wenn  es  gelange,   in  jedem  Kapitel  zwei  oder   drei 

neue  Abonnenten  zu  gewinnen,  k5nnte  man  der  Sache  naher 

treten^).     Vor  allem  aber  mochte  ich  die  Henen  Mitarbeiter 

bitten,  dem  Unternehmen  weiter  ibre  treuen  Dienste  zu  leisten 

und  neue  frische  Krafte  dafiir  zu  werben,  zur  Ehre  der  Wissen- 

schaft,  und  wie  wir   hoffen  dlirfen,  auch  zu  Frommen   unserer 

Landeskirche,  in  deren  Dienst  sich  die  BeitrSge  in  erster  Linie 

auch  im  neuen  Jahrzehnt  stellen  wollen^). 

Th.  Kolde. 

1)  Siehe  dazu  die  Anerbietnngeti  der  Verlagsbucbhandlnng  auf  dem 
Umschlag. 

2)  In  redaktioneller  Beziehnng  mag  hier  noch  folgeodes  bemerkt 
werden:  Mit  dem  11.  Bande  soil  auch  in  dieser  Zeitschrift  die  neue 
Orthographie  eingeflihrt  werden.  Im  Interesse  der  Druckerei  liegt  es, 
daB  alle  fiir  die  Beitrage  bestimmten  Manuskripte  nur  auf  einer  Blattseite 
beschrieben  sind.  Bel  der  Wiedergabe  von  Urkunden,  Aktenstiicken  etc. 
nicht  aber  bei  Darstellungeu  sind  die  Personen  und  Ortsnamender 
besseren  Obersicht  wegen  zu  unterstreichen.  BeiZitaten  von  Schriften 
ist  der  Name  des  Verfassers  ebenfalls  zu  unterstreichen,  auch  nach  Wdg- 
lichkeit  der  Titel  genau  mit  Ort  und  Jahr  des  Erscheinens  anzugeben. 


Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit  und 

das  Ende  Eberlins  von  Giinzburg. 

Von  Dr.  Earl  Schombaum. 

Das  Ansbachische  Stadtlein  Leutershausen  ^)  war  am  Aus- 
gang  des  Mittelaltei's  im  Verhaltnis  zu  seiner  Grofie  reich  mit 
kirchlichen  Pfriinden  und  Anstalten  versehen.  AuBer  der 
Pfarrei  gab  es  1528  eine  Mittel-,  Friih-,  Kapell-,  Bruder-  und 
Engelmesse^);  auch  finden  wir  eine  Bruderschaft  der  Schuster 
und   Schneider,    die  ihren.  Jahrestag   am  Tage  Crispini   und 


1)  Zur  Yerfttgung  standen  mir  aus  dem  kgl.  Eonsistorialarchiy  zu 
Ansbach  2  Aktenvolnmina.  N.  411.  Acta  die  Pfarrei  Leutershaugen  be- 
treffend.  U61— 1678.  (zitiert:  Pf.  L.)  n.  N.  416.  Acta  die  Eaplaneien  zu 
Leutershausen  betreffend.  1496 — 1656.  (zitiert <  K.  L.).  Aus  dem  Niim- 
berger  Ereisarcbiv  Tomus  V  pars  I  der  Ansbacher  Religionsakten.  Wie 
Uber  die  itbrigen  markgrSflicbeu  Pfarreien  ist  auch  liber  Leutershausen 
wenig  Yorhanden;  die  Ansb.  Rel. Acta  sind  vielmebr  die  offiziellen  Akten, 
welche  die  SteUung  Braudenburgs  in  den  religidsen  Bewegungen  des 
16.  Jhdt.  zum  Ausdrucke  bringen*.  Eine  Reihe  von  Akten  verwahrt  auch 
das  kgl.  preuB.  Staatsarchiv  zu  Kdnigsberg  i.  Pr.  Herzogliches  Bnef- 
archiv  A  3.  (alt:  3.  3.  46.)  6.  Nov.  1532.  Die  im  11.  Jahresbericht  des 
hist.  Yereins  fOr  Mittelfranken  1841  (Ansbach  1842)  S.  65  u.  73  erwShnten 
Episcopalakta  (1528—1726)  u.  Lateinische-Teutsche  Schnlacta  (1520—1736) 
standen  mir  leider  nicht  zu  Gebote.  Die  Oberamtsakten  von  Eolmberg 
im  Ereisarcbiv  zu  Niirnberg  [Rep.  144]  entbalten  nichts  sachdienliches. 

Cber  Leutershausen  s.  obigen  Jahresbericht  S.  43—89. 

2)  1.  Bericht  des  Amtmauns  Wolf  vonHefiberg  an  Markgraf  Georg 
tiber  die  Pfarreien  und  Gotteshauser  im  Amte  Eolmberg.  d.  d.  Matthaei. 
ap.  [21. 9]  1528.  A.  R.  A.  Tom.  Y.  p.  1.  fol.  70  ff.  und  2.  Bericht  des  Amt- 
manns  Wolf  v.  Hefiberg  an  die  Statthalter  tiber  die  Pfrtinden.  d.  d. 
Donnerstag  Burkhardi  [12.  10?]  1531.    A.  R.  A.  Tom.  Y.  p.  1.  fol,  100  ff. 


6        Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Bcformationszeit. 

Crispiniani  hielten  ^).  Neben  der  Gotteshauspflege  ^)  bestand 
ein  St.  Wolfgangsaufheben  *)  and  eine  Stiftung  „die  elenden 
Kerzen"  genannt*).  Wir  diirfen  dabei  nicht  vergessen,  dafi 
nicht  weniger  als  18  Dorfer  in  die  Pfarrei  gehorten^).  Bei 
einem  derartigen  Umfange  der  Pfarrei  waren  natiirlich  auch 
die  Ertragnisse  derselben  nicht  gering.  Im  Jahre  1529  schatzte 
man  dieselben  auf  304  fl.  Sort  lOcJ^);  nach  einem  Bericht 
des  Kastners  Veit  Gattenhofer  aus  dem  Jahre  1531,  nachdem 
alle  katbolischen  Stiftungen  und  Einrichtungen  schon  langst 
gef alien  waren,  belief  en  sich  die  Einnahmen  doch  immer  noch 
fast  aaf  dieselbe  Hohe  '^).  Infolgedessen  teilte  sie  auch,  trotz 
mancher  auf  ihr  ruhenden  Lasten®),    das  Scljicksal  so  manch 

1)  A.  R.  A.  Tom.  V.  p.  1.  fol.  84.  cf.  obiger  Jahresbericbt  S.  84. 
Aus  einem  wohl  1555  entstandenen  Verzeichnis  der  erledigten  Pfriinden 
ergibt  sicb,  dafi  die  Einnahmen  13  fl.  1  ort  betrugen.  5  fl.  wurden  ver- 
teilt  unter  arme  Leute,  1  fl.  bekamen  sie  fiir  Brot,  ^/,  fl.  fiir  Wein. 
IVs  fl-  die  Armen  im  Siecbenhaus.  1  fl.  Haasarme.  1  fl.  der  Stadtschreiber. 
Vs  fl*  betrug  die  Stadtsteuer.  Va  fl*  wurde  zn  einem  Mahle  bei  der 
Austeilung  vcrwendet    Ansb.  Rel.  Acta  Tom.  Ill  f.  23. 

2)  cf.  11.  Jahresbericbt.  S.  82.  A.  Rel.  Acta.  Tom.  V.  p.  1.  f.  83: 
Aufbeben  des  Gotteshanses  St.  Peter  za  Leutershausen  1528. 

3)  cf.  11.  Jahresbericbt.  S.  66.  A.  Rel.  Acta  Tom.  V.  p.  1.  f.  85: 
S.  Wolfgangs  Aufbeben. 

4)  A.  Rel.  Acta    Tom.  V.  p.  1.  f.  86. 

5)  Nach  Pf.  L.  foU  25  gehorten  nach  Leutershausen:  Sachsen, 
Btichelberg,  Rottenbach,  die  Hof,  Velbregt,  Orttenberg,  Binzenweiler, 
Rotenweiler,  Erlbach,  Neunkirchen  teilweise,  Wisterbach,  Reinsdorf, 
Reifihart,  Winden,  'Klonsbach,  Emdorf,  Fromnaetsfelden  (teilweise),  Hoch- 
stetten,  Bauzenweiler,  Kressenhof. 

6)  Ansb.  Rel.  Acta.  V,  p.  1.  f.  91:  Einkommen  der  Pfarrei  Leuters- 
hausen 1529. 

7)  Ansb.  Rel.  Acta.  V.  p.  1.  f.  99:  Veit  Gattenhofer,  Kastner  zu 
Leutershausen  an  die  Statthalter  zu  Ansbach.  d.  d.  Di.  n.  Omn.  Sanct« 
(7.  XI)  1531.  Nach  J.  Looshorn,  Die  Geschichte  des  Bistums  Bamberg  IV. 
Bamberg  1900.    S.  738  im  Jahre  1536:  284  fl.  2  ^  1  Heller. 

8)  Joh.  Nagel,  Pfarrverweser  zu  Leutershausen  zahlt  auf  folgende 
Leistungen :  An  die  Herrschaft  Brandenburg  jahrlich  2  fl. ;  15  Tage  lang 
voUkommene  Kost  fiir  Schulmeister  und  Priester;  Ostern,  Kirchweih, 
Pfingsten  wurde  der  ganze  Rat  von  Pfarrer  bewirtet;  der  Schulmeister 
erhielt  vom  Pfarrer  1  Malter  Korn,  1  Schober  Heu,  3  FuderHolz  und  1  fl.; 
der  Pfarrer  von  Weinberg  1  Malter  Korn.  Bei  Annahme  eines  neuen 
^chulmeisters  mufite  1  ort  dem  Rat  zum  Trunk  gegeben  werden;  dem 


SchornbaHm,  Leutershaiisen  bei  Beginn  der  Rcformationszeit.         7 

anderer  eintragliclier  Pfarrei  des  Markgraftums,  daB  der  eigent> 
liche  Pfarrer  sich  wenig  urn  die  Pfarrgeschafte  bekummerte, 
sondern  dieselben  gegen  eine  geringe  Vergiitung  durch  einen 
Kaplan  versehen  liefi,  wahreud  er  selbst  in  der  Feme  die 
reichen  Einklinfte  fiir  sich  verwendete  ^) .  Urn  den  Beginn  der 
Reformationszeit  besaB  die  Pfarrei  der  Wurzburger  Domherr 
Dietrich  von  Thiingen;  die  Pfarrgeschafte  besorgte  jedoch  der 
Mittelmesser  Mag.  Konrad  Beringer  ^),  der  zugleich  die  Wlirde 
eines  Dechanten  fiir  das  Kapitel  Leutershausen  bekleidete. 
^  Eigentlich  ware  er  verpflichtet  gewesen,  die  Pfarrei  Geslau  zu 
verwalten;  er  zog  es  jedoch  vor,  sie  dnrch  J.  Meder  versehen 
zu  lassen  ^).  Fruhmesser  war  Georg  Reigel,  Kapellmesser  Mag. 
Friedr-  Engerer,  Brudermesser  Georg  WeiCgerber  *),  der  auch 
die  vom  Markgraf  Albrecht  Achilles  im  Anftrag  seines  sterbenden 


Bischof  von  W^iirzburg  und  dem  Dompropst  6  Q  10  ^;  der  Frtthmesser 
bekam  ein  siebenklafteriges  Schober  Heu  von  den  PfrUndewiesen.  Pf.  L. 
foU  25.  cf.  28. 

1)  Fr.  W.  A.  Layriz,  de  primae  evangelicae  lucis  ortu  in  terris 
Brandenburgico  Baruthinis  schedion  historico  epistolare.  Baratbi  1795. 
S.  24  zahlt  eine  Reihe  von  Beispielen  auf:  Bayreutb:  1420  Jakob  von 
Plafienburg;  1431  G.  Kunsberg  von  Wernstoin,  can.  Wirzeb.;  1456  Job. 
Kocbiam  de  Kochheim  can.  Eicbst.  etBrix.;  1493  Ulrich  von  Lentersbeim. 
Weidenberg:  1471  Andreas  de  Wirsperg;  1486  Franc,  de  Wirsperg. 
Neankirchen:  1496  Jodocus  a  Reizenstein;  Oberngesees:  1476  H. 
Stiirmer;  1511  Fr.  von  Rusembach.  Gesees:  1511  Chr.  von  Wicbsen- 
atein.  Kirchleus:  1505  Job.  v.  Schaumberg.  Wonsees:  1452  G. 
v.  Aufsefi,  can.  Bamb.  Wirsberg:  1456  Aug.  v.  Rabengtein.  Drosen- 
feld:  1513  Aug.  v.Rabenstein.  Trumsdorf:  1409  Oswald  von  Mengersdorf. 

2)  Seine  Vorganger  waren  H.  W^eiglin,  M.  Friedrich.    Pf.  Leut.  f.  25. 

3)  Bericht  des  Amtmanns  Wolf  v.  He^berg.  Matthaei  ap.  1528. 
[21.  9.]  A.  Rel.  Acta  T.  V.  p.  1.  f.  70  ff.;  aHerdinga  waren  die  Auf- 
stellangen  schon  am  Mo.  u.  Di.  n.  Egidi  [7.  u.  8.  9.]  1528  in  Gegenwart 
des  Yogtes  H.  Scblund,  des  Kastners  und  des  Predigers  Job.  Nagel  gemacht 
worden.  —  Am  20.  Aug.  1528  hatte  derselbe  Amtmann  als  Kaplan  an- 
gegeben:  Jobst  Niederreut.  Anab.  Rel.  Acta  T.  VIII.  fol.  35  ff.  d.  d.  Do. 
n.  Sebaldi  1528.  cf.  Blatter  f.  bayerische  Kirchengeschichte.  I.  (Ro then- 
burg  1887/1888)  S.  112. 

4)  A.  Rel.  Acta  Tom.  V.  p.  1.  f.73ff.  Die  Brudermesse  ertrug  30  fl., 
die  Engelraesse  31  fl.,  ebenaoviel  die  Mittelmesse;  die  Friihmesse  40  fl.; 
die  KapeUmesse  21  fl.  Fur  das  Jabr  1531:  S.  A.  R.  A.  T.  V.  p.  1.  f.  102, 
1536:  s.  J.  Looshorn  S.  738. 


8        Schornbaum,  Leatei'Bhausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

Vaters  1451  gestiftete  SchloCmesse  zu  Kolmberg  verwaltete  ^). 
Die  Einkunfte  der  Engelmesse  hatte  man  1628  dazu  verwendet, 
als  ihr  Inhaber  gestorben  war,  auch  hier  eine  Praedikatur  zu 
errichten.    Dieselbe  war  Job.  Nagel  ubertragen  worden^). 

Zum  erstenmal  griff  die  markgraf  liche  Regierung  im  Geiste 
der  Reformation  in  die  kirchlichen  Angelegenheiten  im  Jahre 
1527  ein,  als  es  gait,  den  nach  manchen  Verhandlungen  erst 
von  Georg  gebilligten  Landtagsabschied  vom  Jahre  1526  zur 
Durchfiihrung  zu  bringen^).  Der  alte  Pfarrverweser  Mag. 
Konrad  Beringer  ftihlte  sich  durch  denselben  sehr  beengt;  es 
war,  wenn  man  nach  einem  Vermerk  bei  sp^teren  Abmachungen 
mit  ihm  schlieBen  darf  *),  vor  allem  die  Bestimmung,  daB  keine 
Konkubinen  mehr  bei  den  Geistlichen  geduldet  werden  soUten. 
Er  hatte  deshalb  dem  Domherr  Dietrich  von  Thlingen  gekiindigt. 
Da  dem  nunmehr  gesandten  Kaplan  von  der  markgraflichen 
Regierung  die  Verwaltung  der  Pfarrei  trotz  Fursprache  des 
Dompropsten  Friedrich  von  Brandenburg  verweigert  wurde, 
andrerseits  auch  der  eigentliche  Pfarrer  nicht  nachgeben  wolUe^ 
schien  es,  als  ob  die  Pfarrei  langer  unbesetzt  bleiben  sollte^). 


1)  Stiftungsbrief  des  Markgrafen  Albrecht  fiber  eine  Messe  im 
Schlosse  zu  Kolmberg  zu  Ehren  der  drei  Konige,  Hieronymi  und  Maria 
Magdalena.  d.  d.  Ansbach.  Jnv.  crucis  [3.  5.]  1451.  Orig.  Perg.  Kreis- 
archiv  Nttrnberg.  I.  Kasten-  und  Vogtamt  Kolmberg.  A.  Schlofi  im  all- 
gemeinen.  S.  XVI.  273/1  1  N.  14.  BestatigungBbrief  des  Bischofs  Gott- 
fried von  W^urzburg.  d.  d.  W^iirzburg,  17.  Mai  1451.  ibidem  N.  15.  Claufi 
Heinlein  und  seine  Ehefrau  Katharina  von  Frommetsfelden  verkaufen 
2  Tagwerk  Wiesen  zu  Frommetsfelden  an  den  Ansbacher  Chormeister 
und  Singherrn  Joh.  Medlinger  von  Ansbach  zu  einer  ewigen  Fruhmesse 
im  Schlosse  Kolmberg  um  60  fl.  Di.  n.  S.  Walp.  (4.  5.)  1451.  ibidem 
N.  13.    8.  J.  Looshorn  IV.  S.  939. 

2)  A.  Rel.  Acta  Tom.  V.  p.  I.  f.  73  f. 

3)  K.  Schornbaum,  die  Stellung  des  Markgrafen  Kasimir  von 
Brandenburg  etc.    Nttrnberg  1900.  S.  106. 

4)  Pf.  L.  fol.  21. 

5)  Pf.  L.  fol.  17.  Dietrich  von  Thiingen  an  den  Markgrafen  Kasimir: 
bittet  seinen  Kaplan  auch  ohne  Verpflichtung  auf  den  Landtagsabschied 
die  Pfarrstelle  beziehen  zu  lassen.  Er  war  aufgefordert  worden,  einen 
frommen  gelehrten  Priester  auf  die  durch  Verzicht  Beringers  frei  gewordene 
Stelle  zu  senden.  —  Erneute  Bitte  Dietricbs  von  Thtingen  unter  Hinweis 
auf  die  Verwendung  Friedrichs.  d.  d.  Mo.  n.  Rem.  (18. 3.)  1527.  Pf.  L.  fol.  19, 


Schornbaum,  Leutersbausen  bei  Beginn  der  ReformationBzeit.        9 

Urn  aber  die  vielen  Schwierigkeiten,  die  die  Einfiihrung  des 
oben  erwahnten  Landtagsabschiedes  mit  sich  gebracht  hatte^), 
nicht  noch  zii  vermehren,  unterhandelte  man  mit  dem  alten 
PfaiTverweser  wiederum  wegenFortfiihrungderPfarrgeschafte*). 
Man  uberlieB  ihm  gegen  eine  jahrliche  Abgabe  von  100  fl.  an 
den  eigentlichen  Pfarrer  samtliche  Pfarreinkttnfte  und  gab  ihm 
hinsichtlich  seiner  Magd  beruhigende  Versichernngen  (1.  Juli 
1527)*).  Doch  soUten  sich  die  Verhaltnisse  bald  andern;  noch 
im  September  starb  Markgraf  Kasimir  zu  Budapest.  Mit  der 
Ubernahme  der  Regierung  durch  seinen  Bruder  Georg  war  der 
Sieg  der  Reformation  im  Lande  eigentlich  schon  entschieden. 

Von  alien  Geistlichen  in  Leutersbausen  hatte  sich  auBer 
dem  Kapellmesser  Mag.  Fr.  Engerer  allein  der  Prediger  J.  Nagel 
der  neuen  Lehre  zugewandt,  wodurch  er  groBen  EinfluB  auf 
das  Volk  gewann.  Die  andern  hingen  anfanglich  um  so  hart- 
nackiger  am  Papsttum.  Noch  1530 '(10.  Nov.)  konnte  man 
samtliche  Vikarier*)  iauBer  dem  1529  auf  die  Engelmesse  ge- 
setzten  Endres  Lauden  von  Dettelbach,  einem  friiheren  M6nch; 
als  Papisten  bezeichnen  ^),  Dem  entsprach  auch  das  Ergebnis 
der  ersten  markgrjlflichen  Kirchenvisitation.  Wahrend  der 
Prediger  das  Exanien  gut  bestand,  wurde  der  Pfarrverweser 
Konrad  Beringer  und  der  Friihmesser  G.  Reigel  „male"  be- 
funden  ^).    Durch  das  Festhalten  derselben  am  alten  Glauben 

1)  K.  Schornbaum,  1.  c.  S.  106 ff. 

2)  Statthalter  und  Rate  zu  Ansbach  an  Co.  Beringer,  Mag.  Pfarrherr 
zu  Leutersbausen.  d.  d.  Mitw.  n.  Estomibi  (6.  3.)  1527.  Bitte,  die  S telle 
nocb  so  lange  zu  verseben,  bis  ein  neuer  Verweser  aufziehe.  Pf.  L.  fol.  18. 

3)  Pf.L.fol.20.actumMo.  n.PetrietPaulil527.  aucbA.B.  A.y.p.l.f.89. 

4)  Job.  Eberlin  an  Alexius  N.  [Frauentraut],  markgraflichen  Sekretar, 
d.  d.  Leutersbausen.  auf  Vigil.  Martini.  (9.  XT.)  1530.    Pf.  L.  f.  28. 

5)  Job.  Eberlin  an  den  Markgrafen.  So.  Estomibi  (19.. 2.)  1531. 
Pf.  L.  f.  46:  „Vor  1^2  Jabren  babe  der  Markgraf  einen  ebemaligen  Moncb 
auf  die  Engelmesse  gesetzt."  1531  war  Engelmesser  A.  Lauden  v. 
Dettelbacb,  vorher  wobl  Pfarrverweser  in  Mainbernbeim  s.  Blatter  fur 
Eircbengescbicbte.  L  S.  11. 

6)  Das  Visitationsergebnis  v.  Rurer  gescbrieben.  A.  R.  A.  VIII.  f.446. 
Abg.  43.  Jabresbericbt  des  bistoriscben  Verelns  von  Mittelfranken.  1889; 
Ansbacb  S.  60.  cf.  H.  Westermayer,  Die  Br.  Nurnbergiscbe  Kirchen- 
visitation und  Kircbenordnung  1528 — 1533.  Erlangen.  1894.  S.  35.  tlber 
den  Termin:  Beitrage  X.-.S.  40. 


10      Schornbaum,  Leutershaasen  bei  Beginn  der  Befoimationszeit, 

war  naturlich  die  Einfiihrung  der  Neuerungen  und  die  Durch- 
fuhrung  der  Kirchenordnung  in  Leutershaasen  ernstlich  ge- 
fahrdet,  und  man  benutzte  in  Ansbach  nicht  ungem  die  Qe- 
legenheit,  als  die  Leutershauser  Gemeinde'  sich  liber  den 
Pfarrverweser  beschwerte,  urn  durch  den  Amtmann  von  Kolm- 
berg,  Wolf  von  HeBberg,  diesem  die  Weisung  zukommen  zu 
lassen,  seine  eigene  Pfarrei  baldigst  zu  bezielien  lind  an  seiner 
statt  den  Priester,  „den  die  armen  Leute  so  gern  horen",  als 
Pfarrer  zu  verordnen^).  Es  war  wohl  niemand  anders  als  der 
Pradikant  Job.  Nagel. 

Damit  erlangte  der  Mann  in  der  kirchlichen  Geschichte 
Leutershausens  eine  groBere  Bedeutung,  den  man  als  den  ersten 
evangelischen  Stadtpfarrer  dieser  Stadt  bezeichnen  darf.  Leider 
geben  uns  die  bis  jetzt  zuganglichen  Akten  keinen  AufschluB 
daruber,  woher  er  stammte  und  welches  sein  Bildungsgang 
war.  Sein  Nachfolger  teilt  uns  eimal .  mit,  daB  er  im  Wiirz- 
burger  Bistum  friiher  also  eineu  Priester  geschlagen  hatte,  daB 
ihn  nur  die  vergebenden  Worte  desselben  auf  dem  Totenbette 
vor  einer  argeren,  als  der  Gefangnisstrafe  bewahrten.  Auch 
in  Wertheim  soUte  er  sich  zu  Tatlichkeiten  gegen  einen  Gfeist- 
lichen  in  der  Kirche  haben  hinreiBen  lassen,  daB  ihn  Graf  Georg 
von  Wertheim  aus  dem  Lande  weisen  muBte^).  Er  scheint 
von  nicht  geringer  Willenskraft  gewesen  zu  sein,  und  es  ver- 
standen  zu  haben,  mit  dem  kleinen  Mann  umzugehen.  Vor 
allem  ging  er  energisch  an  die  Durchfuhrung  evangelischer 
Grundsatze  im  Gottesdienst;  er  schaffte  die  lateinische  Sprache 
vollkommen  ab^).  Auch  die  beiden  Visitatoren  A.  Althamer 
und  Joh.  Rurer   mlissen  von   ihm  einen   guten  Eindruck   be- 


1)  Georg  an  Wolf  v.  He6berg.  d.  d.  Do.  nach  Exalt.  Crucis.  (17.9.) 
1528.  Pf.  L.  f.  22.  Ko.  BeriBger  hatte  gebeten  (7.  u.  8./9.  1528.  befor- 
dert  21./9.)  ihn  bis  auf  Cath.  Petri  1529  auf  seiner  Stelle  zu  lassen  und 
mittlerzeit  einen  Prediger  zu  verordnen,  der  das  Wort  Gottes  und  Evan- 
gelium  'verkiinde,  angesehen  sein  Alter  und  Unwissenheit,  bis  ihn  der 
Geist  Gottes  erleuchte.    Ansb.  Rel.  Acta.  Tom.  V.  p.  1.  fol.  89  f. 

2)  Johann  Eberlein  an  den  Kammersekretar  Alexius  N.  d.  d.  Louters- 
hausen.  auf  Vig.  Mart.  (9.  XL)  1530.    Pf.  L.  fol.  28. 

3)  A.  Tetelbach,  vicarius  zu  Leutershausen  an  den  Kastner.   KOnigs- 
"berger  Archiv.  Beilage  III  ad  A  3.  (6.  XL   1532)    alt:  3.  3.  46.     Unten 
gedruckt.  s.  Beilage  V. 


Schornbaum,  Lentershausen  bei  Beginn  der  Eeformationszeit.      H 

kommen  haben.  Zur  Befestigung  des  neuen  Kirchenwesens 
schlugen  sie  dem  Markgrafen  vor  allem  die  Aufstellung  von 
Superintendenten  vor;  fur  das  Amt  Leutershausen-Kolmberg 
wird  sein  Name  genannt^). 

Keine  leichte  Aufgabe  wurde  ihm  damit  ubertragen.  Aber 
Nagel  machte  sich  mit  allem  Eifer  daran.  Gemeinsam  mit  dem 
Pfarrer  J.  Reulein  von  Buch^)  visitierte  er  zweimal  samtliche 
Pfarreien  seines  Bezirkes;  er  lieB  sich  die  Muhe  nicht  ver- 
drieBen,  die  widerstrebenden  Geistlichen  an  der  Hand  der 
heiligen  Schrift  von  der  Wahrheit  der  lutherischen  Lehre  zu 
liberzeugen.  Es  gab  zwar  eine  Eeihe  von  Pfarrern,  die  die 
Neuerungen  voUstandig  durchgefuhrt  hatten  und  keinen  AnlaB 
zur  Klage  boten:  so  Mag.  Fr.  Engerer,  der  Kapellmesser  zu 
Lentershausen,  Petrus  Eckstein  Pf.  von  Auerbruch,  H.  Kutth, 
Pf.  V.  Mitteldachstetten,  M.  Eiring,  Pf.  v.  Obemdachstetten, 
N.  Braun,  Pf.  v.  Kadolzhofen,  Jod.  Seuber,  Pf.  zu  Frommets- 
felden  und  der  Pf.  Veit  Gall  v.  Brunst.  Wenig  Schwierig- 
keiten  machte  auch  der  Pfarrer  J.  Beck  von  Windelsbach,  fiber 
den  die  Bauern  nur  das  zu  klagen  hatten,  daB  er  nichts  vom 
Sakrament  gepredigt  hatte.  Der  Pfarrer  von  Binzwang,  Joh. 
GriBbacher  scheint  ein  alter  zittemder  Mann  gewesen  zu  sein; 
denn  fiber  ihn  lief  die  Klage  ein,  daB  er  die  Bauern  mit  Wein 
zuviel  flberschfitte.  Viel  widerspenstiger  fand  man  den  Pfarrer 
Melchior  Frei  von  Kolmberg;  man  fand  ihn  in  alien  Punkten 
straflich.  Nie  hatte  er  die  Gemeinde  aufgefordert,  in  beiderlei 
Gestalt  das  Abendmahl  zu  genieBen ;  bei  der  Taufe  gebrauchte 
er  Chrisam   und  andere  Spezerei;   fiberhaupt  richtete  er   sich 


1)  A.  Kel.  Acta  VIII.  f.  445.  (hier  wm-de  Nagel  schon  Pfarrverweser 
genannt,  noch  im  Sept.  Praedicator),  auch  470,  ebenso  473:  Nota:  in 
hemach  benannten  amten  sollen  noch  Speculatorea  angezeigt  und  be- 
nannt  werden.  (von  Rurer  geschrieben).  s.  Blatter  fiir  bayerische 
Kirchengeschichte  I.  (Rothenburg.  1887/88)  S.  34.  Th.  Kolde, 
Andreas  Althamer  der  Humanist  und  Reformator  in  Brandenburg-Ansbach. 
Erlangen  1895.  S,  52. 

2)  Nach  A.  Rel.  A.  VIII.  f.  445  stand  Joh.  Nagels  .  Wahl  zum 
Superintendenten  fest.  Rurer  schlug  nun,  well  das  Amt  viele  Priester 
habe,  noch  zwei  vor:  M.  Eiring  von  Oberdachstetten  und  G.  Rewlein  zu 
Buch.  ibidem  f.  473.  SchlieBlich  begntigte  man  sich  docb  mit  zwei 
Superintendenten,    f.  470, 


12      Scbornbaum,  Leutershausen  bei  fieginn  der  Beformationszeit. 

nach  der  Wiirzburger  Agende.  Die  Aufforderung  der  Visi- 
tatoren  sich  zu  rechtfertigen,  lieB  er  unbeachtet;  doch  zeigte 
er  sich  bei  der  zweiten  Visitation  geftigiger.  GroBe  MiB- 
stimmung  herrschte  in  der  Pfarrei  Obersulzbach,  wozu  Hegenau, 
Hohenaub,  Grafenbuch,  Untersulzbach  und  Berndorf  gehSrten, 
gegen  den  Pfarrer  Konrad  Hofmann,  der  nicht  nur  alle  Ge- 
brauche  beibehalt,  sondern  auch  die  beiden  Visitatoren  von  der 
Kanzel  herab  Ketzer  schalt.  Der  Dorfmeister  H.  Fiedle  warf 
ihm  in  Gegenwart  derselben  samt  andern  Bnrgern  oflfen  vor, 
daB  er  sein  zu  Ansbach  im  Examen  gegebenes  Versprechen, 
seine  Pfarrstelle  vertauschen  zu  woUen,  noch  nicht  gehalten 
habe^).  Joh.  Nagel  gewann  aus  den  Unterhandlungen  mit 
ihm  den  Eindruck,  daB  er  besser  zu  einem  Sauhirten  als  zu 
einem  Prediger  tauge.  Bei  einem  zweiten  Besuche  fand  man 
das  Sakramentsh^uslein  und  andere  Dinge  noch  vor,  sodaB  man 
den  Eindruck  gewann,  daB  er  sich  in  nichts  hatte  umstimmen 
lassen.  Miindliche  Unterredungen,  die  Joh.  Nagel  und  Ni.  Braun 
am  15.  April  1529  mit  ihm  anstellten,  hatten  auch  keinen  Er- 
folg,  sodaB  diese  einen  Stellentauch  zwischen  ihm  und  dem 
zweiten  Superintendenten  vorschlugen.  Doch  gelang  es,  den 
harten  Sinn  dieses  Mannes  zu  beugen;  bezeugt  er  doch  1530, 
daB  Joh.  Nagel  sich  immer  christlich  und  recht  priesterlich  ge- 
halten habe  und  es  nie  an  christlicher  Ermahnung  habe  fehlen 
lassen  2).  Ganz  unerquickliche  Zustande  herrschten  auch  in 
Leutershausen  selbst.  Als  man  am  Tage  Purif.  Mariae  das 
Abendmahl  unter  beiderlei  Gestalt  austeilen  woUte,  fand  man 
das  Sakramentshauslein  verschlossen.  Erst  dem  Burgermeister 
gelang  es,  von  dem  alten  Dechanten  Ko.  Beringer  den  Schlussel 
zu  erlangen.  Seinen  Standpunkt  verrSt  es  deutlich,  wenn  von 
seiner  Bereitwilligkeit,  5  fl.  gern  hergeben  zu  woUen  zur  Be- 
leuchtung  des  Sakramentshausleins,  berichtet  wird.  Georg 
Reigel  war  sein  Gesinnungsgenosse ;  in  Wissersbach  (wohl 
Wiedersbach)  hielt  er  ganz  nach  altem  Branch  die  Messe.  Nur 
den  Mag.  Friedrich  Engerer  fand  man  bereit,  sich  nach  den 
Anordnungen    des  Markgrafen   zu  richteti.    Vor  allem   wurde 


1)  8.  Blatter  zur  bayerischen  Kircbengeschichte  I.  S.  36. 

2)  Pf.  L.  f.  36. 


Schombaum,  Leatersbausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit.      13 

hier  die  Tatigkeit  der  Visitatoren  erschwert  durch  den  alteu 
Pfarrverweser  Ko,  Beringer.  Man  fand  namlich,  daB  in  Geslau, 
wohin  dieser  Job.  Meder  als  Verweser  gesetzt  hatte,  noch  nie 
deutsche  Messe  gehalten,  nie  eine  Exhortation  vor  dem  Abend- 
mahl  vorgenommen  worden  war;  die  Pfarrkinder  wuBten  nichts 
liber  den  Unterschied  zwischen  Testament  und  Opfer,  noch  viel 
weniger  vom  Katechismus.  Da  nun  eine  Aufforderung  an 
Beringer,  seine  Pfarrei  doch  selbst  zu  iibernehmen  nichts 
fruchtete,  so  nnternahm  es  Job.  Nagel  den  Pfarrverweser  in  der 
heil.  Schrift  zu  unterweisen.  Mit  wenig  Erfolg.  Auf  erneute 
Klagen  machte  er  sich  am  14.  April  1529  wieder  nach  Geslau 
auf.  Er  fand,  daB  der  Pfarrverweser  viel  Partikel  im  viatico 
urn  viele  in  einem  Beutel  hatte;  30  Partikel,  die  zu  Ostem 
ubrig  geblieben  waren,  hatte  er  in  ein  besonderes  corporate 
getan,  in  das  Sakramentshauslein  gesteckt  und  ein  Licht  davor 
angeziindet.  Auch  hier  empfahlen  es  die  Visitatoren,  ihn  zu 
entfemen  und  daftir  den  Pfarrer  von  Buch  an  seine  Stelle  zu 
setzen,  da  der  eigentliche  Pfarrer  durjehaus  nicht  seine  Pfarrei 
versehen  woUe^).  Ihre  Vorschlage  hatten  wenig  Erfolg;  man 
beschloB  zwar  in  Ansbach,  binnen  14  Tagen  habe  Ko.  Hofmann 
seine  Stelle  zu  raumen,  und  Ko.  Beringer  wurde  angewiesen, 
entweder  selbst  in  einem  Monat  nach  Geslau  zu  ziehen  oder 
durch  einen  von  den  Examinatoren  gepriiften  Kaplan  dasselbe 
verwalten  zu  lassen^),  aber  noch  1531  treffen  wir  beide  auf 
ihren  alten  Stellen^);  doch  waltete  jetzt  in  Geslau  ein  neuer 
Kaplan  Endres  N.*). 

.  Derartige  Erfahrungen  erschwerten  natiirlich  die  Tatigkeit 
der  Visitatoren.  Es  war  nur  gut,  daB  der  Amtmann  Wolf  von 
HeBberg  ihnen  keine  Schwierigkeiten  in  den  VS^eg  legte.  Neue 
VerdrieBlichkeiten  erwuchsen  Nagel  von  einer  Seite, '  von  der 
man  es  zunachst  nicht  erwarten  soUte.  Schon  in  der  Ver- 
fiigung,  die  ihn  zum  Pfarrer  in  Leutershausen  ernannte,   war 


1)  Joh.   Nagel    an   den  Markgrafen.    Wohl    aus    dem   Jabre   1529. 
Original.  Ansb.  Rel.  Acta  Tom.  VIII.  f.  542  (pars.  II.  Pr.  N.  120). 

2)  Ansb.  Rel.  Acta  Tom.  II.  fol.  23. 

3)  Ansb.  Rel.  Acta  Tom.  V.  p.  II.  fol.  100  ff. 

4)  Wohl  Andreas  Scherpfig,  der  bis  1536  Pf.  in  Geslau  war.    Akt: 
Pfarrei  Geslau  1536—1736  fol.. 5.  auf  dem  kgl.  Konsistopium  zu  Ansbach. 


14     Schornbaum,  LeaterBhausen  bei  Beginn  der  Reformationszelt 

bemerkt,  dafi  er  dem  armen  Mann  so  sehr  gefalle^).  Wirklich 
hat  er  auch,  das  geht  aus  den  vielen  Bittschriften  bei  seiner 
Absetzung  unzweifelhaft  hervor,  bei  dem  groBen  Haufen  den 
meisten  Einflufi  sich  erworben,  aber  dadurch  auch  sich  den 
Rat  entfremdet.  Zu  einem  friedlichen  Zusammenwirken  diente 
es  auch  nicht,  dafi  Joh.  Nagel  ziemlich  eigenmachtig  verging 
bei  Annahme  von  KapUnen,  den  Stadtschreiber,  ohne  den  Rat 
zu  fragen,  entlieB,  auch  sich  weigerte  die  biirgerlichen  Lasten 
auf  sich  zu  nehmen^),  was  doch  schon  1525  im  Markgraftum 
eingefiihrt  worden  war  ^).  Es  verwuudert  uns  daher  nicht,  daB 
der  Rat  gegen  seinen  Pfarrer  sich  beschwerdefiihrend  1529 
nach  Ansbach  wandte.  Nagel  hatte  seine  Sache  selbst  ver- 
schlechtert,  indem  er  sich  manche  BlSBe  gab.  Es  wird  wohl 
auf  Wahrheit  beruhen,  wenn  ihm  ungestumes  Predigen  und 
Schelten  auf  der  Kanzel  vorgeworfen  wird,  sowie  sein  Betragen 
in  Wirtshausern  gerttgt  wird*).  Trotzdem  hatte  ihre  Bitte 
keinen  Erfolg  ^) ;  vielleicht  wurde  E.  Lauden  ^)  jetzt  als  Engel- 
messer  nach  Leutershausen  geschickt.  Erst  im  nachsten  Jahre, 
als  die  Anzeige  nach  Ansbach  gelangte,  dafi  man  keinen  Pfarrer 
habe,  erging  die  Mitteilung,  daB  bald  ein  neuer  Pfarrer  ein- 
treffen  werde  (18.  Oktober  1530)'^).  In  einem  wenige  Tage  darnach 
ergehenden  Schreiben  (22.  Oktober  1530)  ®)  war  der  Verkehr  Nagels 
in  den  Wirtshausern  und  das  eigenmachtige  Verlassen  seiner 
Stelle  als  Grund  der  Amtsentsetzung  angegeben.  Man  kann 
billig  bezweifeln,  ob  das  wirklich  der  einzige  Grund  war.  Es 
war  die  Zeit,  wo  durchs  Markgraftum  die  Wiedertaufer  hin 
und  her  wanderten;  sogar  in  Ansbach  kam  es  zu  Verhandlung^n 


1)  Pf.  L.  f.  22. 

2)  Pf.  L.  f.  23  gedruckt  in  der  Beilage  N.  1. 

3)  K.  Schornbaum,  1.  c.  S,  67. 

4)  Beilage  I. 

5)  Das  Gutachten  Nagels  fiir  den  Augsburger  Reichstag  in  A.  R.  A. 
T.  Xllf.  289  ff. 

6)  gewohnlich  nur  Endres  Tetelbach  genannt. 

7)  Markgraf  Georg  an  den  Kastner  Veit  Gattenhofer,  Vogt,  Bttrger- 
meister  etc.  zu  Leutershausen.  Ansbach  Di.  n.  Galli  (18.  X.)  1530. 
Pf.  L.  f.  33. 

8)  Georg  an  AmtmanD,  Kastner,  Vogt  etc.  von  Leutershausen. 
Ansbach.    Sa.  n.  Ursale  (22.  X.)  1530.    Pf.  L.  f.  34. 


SchorDbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit.     15 

mit  denselben.  Auch  in  Leutershausen  scheinen  sie  Boden  ge- 
funden  zu  haben.  Am  28.  August  1530  leistete  G.  Nespizer 
von  Leutershausen  „der  bekannte  Jorg  vonPassau*'  mit  seiner 
Hausfrau  Brigitte  offeutlichen  Widerruf^).  Vielleicht,  daB  man 
in  Ansbach  das  eigenmachtige  Verschwinden  von  der  Pfarrei  mit 
dieser  Bewegung  in  Zusammenhang  brachte  uud  deswegen 
diese  Strafe  verfiigte.  Der  Markgraf  wachte  ja  angstlich  iiber 
alle  Regungen  dieser,  wegen  ihrer  pol.  Ansichten  h5chst  unan- 
genehmen  Bewegung. 

Bereits  am  18.  Oktober  1530  erschien  als  neuer  Pfarrverweser 
Joh.  Eberlin  von  Giinzburg  in  Leutershausen^).  Bis  jetzt 
nahm  man  an,  daU  dieser  Mann,  einer  der  bedeutendsten  Volks- 
schriftsteller  der  Reformationszeit,  bald  nach  1530  in  Wertheim 

1)  Uber  die  umfangreiche  Tauferbewegung  werde  ich  spater  noch 
mehr  zu  berichten  imstande  sein,  da  das  gesamte  Material  noch  vorhanden 
zu  sein  scheint.  (A.  Rel.  A.  Tom.  38.  39.  Tom.  Siippl.  I.)  Georg 
Nespizer  ist  der  bekannte  J5rg  v.  P.assau.  s.  Fr.  Roth,  Augs- 
burgs  Reformationsgeschicbte  1517—1530.  Munchen  1901.  S.  244ff.  Von 
Augsburg  ging  er  nach  Strafiburg,  wo  er  ins  Gefangnis  gelegt  aber  bald 
des  Landes  verwiesen  wurde.  Aus  dem  Urphedbach  der  Stadt  Strafiburg. 
d.  d.  Di.  n.  Ostein..  (30.  III.)  1529.  A.  R.  A.  39  fol.  80.  Er  wandte  sich 
dann  nach  Leutershausen,  wo  er  unerkannt  blieb,  dafi  ihm  1530  der  Rat 
das  beste  Zeugnis  ausstellte.  Durch  die  Aussagen  M.  Meirs  v.  Erlangen 
wurde  auch  er  wieder  erkannt  und  gefanglich  angenommen.  Der  Mark- 
graf erkundigte  sich  bei  den  Stafiburgern  uber  ihn  (A.  R.  A.  39  f.  80) 
und  befahl,  ihn  als  rUckfalligen  zn  behandeln.  Georg  an  seine  Statt- 
halter,  d.  d.  Mo.  n.  Marg.  (18/7)  und  Mitw.  n.  Jacobi  (27/7)  1530.  A.  R.  A. 
Tom.  39.  fol.  81.  84.  Da  er  sich  bereit  erklarte  zur  Widerrufung  aller 
Irrtiimer  (Urgicht  G.  Nespizers  von  Lauingen,  Biirgers  von  Leutershausen, 
Jorg  V.  Passau  genannt.  Mitw.  n.  Marg.  (20.  VII.)  1530.  A.  R.  A. 
Tom.  39  f.  95  f.),  auch  Burgermeister  und  Rat  von  Leutershausen  sich  ffir 
ihn  verwandten  (Bngitta  Nespizerin  an  die  Rate  zu  Ansbach;  Btirger- 
meister  und  Rat  zu  Leutershausen  an  die  Statthalter  zu  Ansbach.  d.  d. 
Fr.  n.  Ass.  Mariae  (19.  8)  1530.  A.  R.  A.  Tom.  39.  f.  63  u.  68),  wurde 
er  gegen  Urphede  und  Kirchenbufie  freigelassen.  Urphede  G.  Nespizers 
und  seiner  Hausfrau  Brigitta.  So.  n.  Ass.  Mariae  (21.  8)  1530.  Grig. 
Kreisarchiv  Nttrnberg.  Ob.  Colmberg.  (Vogtamt  Leutershausen.  A.  Stadt 
Leutershausen.)  S.  XVI.  273/2  N.  22  a,  cf.  auch  11.  Jahresbericht  etc. 
S.  63.  Auch  der  Pfarrer  Hechtlein  von  Schalkhausen  war  rtickfallig  ge- 
worden.    A.  R.  A.  39  f.  84. 

2)  Wolf  V,  Hefiberg  an  Markgraf  Georg.  d.  d.  Di.  n.  Mart.  (15.  XI.) 
1530.    Pf.  L.  f.  31. 


16      Schornbaum,  Lentershausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit. 

gestorben  sei.  Aber  auch  hier  soUte  der  weit  herumgewanderte 
Mann  sein  miides  Haupt  nicht  zur  Ruhe  legen  durfen^).  Nach 
seinen  eigenen  Angabeu  hatte  er  Wertheim  verlassen,  weil 
Graf  Michael  n.  und  die  Witwe  des  Grafen  Georg  ihm  nicht 
mehr  den  n5tigen  Schutz  vor  den  Verfolgungen  der  Katholiken 
geben  konnten.  War  doch  Graf  Georg  selbst  hart  vor  den 
Toren  seiner  Hauptstadt  von  einem  Mainzischen  Reiter  ttber- 
fallen  nnd  beinahe  erstochen  worden^).  Aber  nach  den  von 
dem  ehemaligen  Leutershausener  Kastner  Veit  Gattenhofer  dem 
Markgrafen  Albrecht,  Herzog  in  PreuBen  tibersandten  Schrift- 
stiicken  scheint  dies  doch  nicht  der  einzige  Grand  gewesen  zn 
sein^).  Wenn  sie  zwar  auch  nicht  anf  voile  Glaubwiirdigkeit 
Anspruch  erheben  konnen,  so  ergibt  sich  doch  soviel  als  sicher, 
daB  zwischen  ihm  nnd  dem  Amtmann  Hundt  Streitigkeiten 
entstanden  sind,  vielleicht  wegen  der  strengen  Kirchenzucht, 
die  er  in  Wertheim  hielt*).  Altere  Beziehungen  zu  dem  mark- 
graflichen  Kanzler  G.  Vogler^)  nnd  dem  Kammersekretar  Alex. 
Frauentraut®)  bewogen  ihn  wohl,  sich  nach  Ansbach  zu  wenden, 
wo  ihm  bald  die  Verwesung  der  Pfatrei  Leuterhausen  liber- 
tragen  wurde. 


1)  s.  den  Artikel  Kolde,  Eberlin  in  Pr.  R.  E.  »  V,  122ff.  daselbst 
auch  weitere  Llteratur. 

.  2)  Verantwortung  J.  Eberlins.    28.  VII.  1531.    Pf.  L.  f.  57 ff.    «aut 
S.  Marthae  Tag". 

3)  cf.  Beilage  VIII  und  IX. 

4)  H.  Neu,  Geschichte  der  evangelischen  Kirche  in  der  Grafschaft 
Wertheim.    Heidelberg  1903.    S.  17. 

5)  Beitrage  z.  bayer.  KG.  I.  S.  266. 

6)  Eberlin  schreibt  Sfter  an  einen  Alexius  N.  markgraf lichen  Sekretar. 
Pf.  L.  f.  28  u.  30.  Dieser  ist  identisch  mit  dem  bekannten  Teilnehmer 
an  der  Gesandschaft  der  protestierenden  Stande  nach  Italien.  Vgl. 
Dobel,  Memmingen  III. T.  S.  229.  Alex.  Frauentraut.  1515  Kais.  Notar. 
s.  Oberamt  Schwabach.  Frauentrautsche  Pflege.  N.  1.  (Kreisarchiv  Nttrn- 
berg.  Rep.  151.  S.  XVII.  297/1.  N.  1).  Kammersekretar  1528.  s.  seinen 
Revers.  d.  d.  Di.  n.  Inv.  (2.3.)  1528.  Kreisarchiv  Niirnberg.  Rep.  117  a. 
S.  X.  170/1.  N.  161.  1541.  Kammermeister.  s.  K.  H.  Lang,  Neuere  Ge- 
schichte des  FUrstentums  Baireuth.  II.  Gottingen  1801.  S.  172.  Teilung 
des  Alex.  Frauentraut  unter  seine  Kinder.  CI.  Tetelbachin,  Joh.  Florian, 
Wilhelm,  Alexius,  Konrad.  1541.  NUrnberger  Kreisarchiv.  S.  17.  297/1. 
N.  6.    Frauentrautsche  Pflege. 


Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit.      17 

Ob  die  Wahl  eine  recht  giinstige  war?  Job.  Nagel  und 
sein  Freund  der  Pfarrer  von  Kolmberg,  Job.  Beger^),  friiber 
Kaplan  in  Leutershausen^),  mussen  Eberlin  von  Wertbeim  her 
gekannt  baben.  Unliebsame  Erinnerungen  mufiten  in  aller 
Herzen  aufsteigen.  Hatte  doch  Graf  Georg  von  Wertbeim 
Beger  wegen  seiner  Unzucbt  und  seines  argerlichen  Lebens 
entlassen;  auch  Nagels  Vorleben  war  nicbt  einwandfrei  ge- 
wesen^).  Vielleicbt  ist  es  Eberlin  gewesen,  der  die  notigen 
Visitationen  vorgenommen  hatte.  Andrerseits  hatte  es  die 
Klugheit  erfordert,  dem  Nagel  einen  gleich  tiicbtigen  Nachfolger 
zu  geben.  Durch  seine  Energie,  Redegewandtheit  und  Leut- 
seligkeit  hatte  er  sich  bis  auf  den  Rat  aller  Herzen  gewonnen; 
die  Kinder  auf  der  Strafie  freuten  sich  vor  allem,  wenn  sie  ihn 
kommen  horten  *).  Eberlin  scheint  damals  schon  krank  gewesen 
zu  sein,  sodafi  die  Verwaltung  einer  solchen  Pfarrei  ihm  aufier- 
ordentliche  Muhe  machen  mufite.  Die  Bauem  schildern  ihn 
als  einen  „schweren,  verdrossenen,  zerbrochenen  Mann  von  einer 
fast  langsamen  Rede,  die  sie  libel  verstehen*'^).  Es  nimmt 
uns  nicht  wunder,  dafi  die  Einfiihrung  des  neuen  Pfarrers  sich 
nicht  so  leicht  vbllzog. 

Joh.  Nagel  horte  wohl  bald  von  dem  Treiben  des  Rates; 
er  mu8  aufs  hochste  empSrt  gewesen  sein  liber  dieses  hinter- 
listige  Benehmen  und  woUte  nicht  ohne  weiteres  auf  seine 
Pfarrei  verzichten.  So  kebrte  er  denn  nach  Leutershausen 
zuriick  und  blieb  ruhig  im  Pfarrhof,  bis  Eberlin  eintraf,  um  so 
mehr,  als  sich  seine  Frau  in  anderen  Umst^nden  befand.  In- 
zwischen  hatte  er  unter  dem  Volke  dafiir  Stimmung  zu  machen 
gesucht,  dafi  es  sich  gegen  seine  Entfernung  auflehnen  soUte^). 


1)  A.  Eel.  Acta   Tom.  V.  p.  1.   fol.  102.     Eid  des  Joh.  Beger 
Pfarrer  von  Kolmberg.  d.  d.  Franeisci  (4.  X.)  1529.    Eonsistorialakt  Kolm- 
berg. 1529-1769.  fol.  9. 

2)  Pf.  L.  fol.  23.    cf.  Beilage  I. 

3)  Pf.  L.  fol.  28  ff.  Joh.  Eberlin  an  Alexius  N.  (Frauentraut).  Leu- 
tershausen. auf  Yigilia  Mart.  1530  (9.  XL)  u.  Mo.  n.  Mart.  (14.  XT.)  1530. 
ib.  fol.  30  ff. 

4)  Pf.  L.  fol.  42. 

5)  Pf.  L.  fol.  41  u.  42. 

6)  Joh.  Eberlin  an  Alex.  Frauentraut.  auf  Vigilia  Martini  (9.  XL) 
1530.    Pf.  L.  fol.  28  ff. 

Beitrilge  ear  bayer.  KirchengescMclite  XI.  1,  2 


18      Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

Zum  guten  Gliicke  war  am  18.  Oktober  1530,  als  Eberlin  von 
Gunzburg  eintraf,  der  Amtmann  Wolf  v.  Heflberg  gerade  in 
Leutershausen,  sodafi  der  argste  Unwille  des  Volkes.  hintan- 
gehalten  wurde.  Auf  seine  Verraittlung  bin  nahm  er  auch 
davon  Abstand,  den  Pfarrhof  sofort  zu  beziehen,  sondern  zog 
zum  Schulmeister,  sodafi  er  seine  Frau  nebst  4  Kindern^)  in 
Ansbach  lassen  mufite*).  Doch  nicht  gar  lange  liefi  sich  der 
Zorn  Nagels  zuruckhalten.  In  seiner  Hitze  und  Leidenschaft- 
lichkeit  schalt  er  Eberlin  in  Wirtshausern  und  auf  oflfener 
Strafie  einen  Bosewicht  und  warf  ihm  vor,  daft  er  die  Pfarrei 
erschlichen  habe,  wobei  ihm  der  Pfarrer  von  Kolmberg  getreu- 
lichBeistandleistete^),  umsomehr,  als  sie  von  dem  neuen  Kastner 
Veit  Gattenhofer,  der  noch  vor  wenigen  Wochen  ihr  erbittert- 
ster  Peind  war*),  oflfen  unterstiitzt  wurden.  AUe  Bitten  des 
neuen  Pfarrers  um  Auszahlung  eines  Teiles  der  Pfarrbesoldung, 
um  Lieferung  von  Holz  schlug  er  ab;  er  nahm  den  alten  Pfarrer 
in  Schutz:  ihm  geschehe  Kurn  (wohl  Unrecht)  und  ermahnte 
ihn  immer  zur  Geduld,  sodafi  er  in  die  bittern  Worte  ausbrach, 
der  Teufel  habe  auch  dem  Kaiser  Julian  in  den  Sinn  gegeben, 
so  bittre  Reden  gegen  die  armen  Christen  zu  fiihren.  Bei 
der  iibrigen  Geistlichkeit  fand  Eberlin  keine  Unterstiitzung, 
dehn  abgesehen  von  dem  Engelmesser  A.  Lauden  waren  alle 
noch  Papisten.  Auf  diesen  war  auch  nicht  viel  zu  bauen,  denn 
er  safi  gern  in  Wirtshausern  und  woUte  sich  im  Pfarrdienst 
nur  gegen  Bezahlung  verwenden  lassen*^).  3  Wochen  ertrug 
Eberlin  alle  Anfeindungen ;  erst  am  9.  November  1530,  als  er 
einsah,  daft  in  Giite  nichts  auszurichten  war,  klagte  er  sein 
Leid  Alexius  Frauentraut®).  Inzwischen  hatte  Nagel  nicht  ge- 
feiert.     In   Sachsen,    Erlbach,  Buchelberg   hielt   er  Versamm- 


1)  Pf.  L.  fol.  111. 

2)  Wolf  V.  Hefiberg  an  Markgraf  Georg.  d.  d.  Di.  n.  Mart.  (15.  XI.) 
1530.  Pf.  L.  fol.  31. 

3)  Pf.  L.  fol.  28 f.    Eberlin  an  Alexius  Frauentraut.  auf  Vig.  Mar- 
tini 1530. 

4)  Nach  Eberlins  Bemerkung.  Pf.  L.  fol.  29. 

5)  Pf.  L.  fol.  28  f.    Eberlin   an  Alexius  Frauentraut.   auf  Vig.  Mar- 
tini 1530. 

6)  Pf.  L.  fol.  28  f. 


Sehornbanm,  Leutershansen  bei  Beginn  der  Reformation  szeit.      19 

lungen^);  seine  Bemiihungen  waren  auch  gar  nicht  erfolglos. 
Am  20.  Oktober  verwendeten  sich  die  Pfarrer  G.  Reulein  zu 
Buch,  J.  Gruber  zu  Prommetsfelden,  J.  Pistor  zu  Windelsbach, 
A.  Scherpfig,  Verweser  zu  Geslau,  Ko.  Hofmann  von  Obersulz- 
bach,  J.  Beger  von  Kolmberg,  N.  Praun  von  Stettberg  und 
Kadolzhofen,  J.  Griefibach  von  Binzwangen  und  P.  Eckstein 
von  Auerbruch  fiir  ihn  bei  dem  Markgrafen;  sie  gaben  Nagel  das 
riihmenswerte  Zeugnis,  4a8  er  sich  die  3  Jahre  als  Pradikant  und 
Pfarrverweser  christlich  und  priesterlich  allezeit  gehalten  habe^). 
Auch  Bauern  von  verschiedenen  Dorfern  wie  Karger  Zobel  zu 
Romesdorf^),  H.  Fischer  und  P.  Fo6,  Dorfmeistfer  zu  Sachsen, 
H.  Betz  und.M.  Hertle,  Biirgermeister  zu  Biichelbferg,  G.  Raws- 
hart  und  H.  Usamer,  Dorfmeister  zu  Erlbach,  der  Vogt  zu 
Clonsbach,  die  ganze  Bauemschaft  von  Rottenbach*),  C.  Raw- 
schatt,  Vogt  und  Bauerschaft  zu  Jorgsheim,  L.  I^eller  Vogt 
und  die  Gemeinde  zu  Rauchenbuch*),  Fritz  Haspel,  L.  VoUet 
und  Marx  von  Sachsen,  H.  Falck  und  H.  Eckart  voh  Leuters- 
hausen®)  baten,  ihn  auf  seiner  Stelle  zu  belassen.  Er  hatte 
ihnen  das  Wort  Gottes  getreulich  gelehrt,  dafi  sie  keinen  Man- 
gel an  ihm  hatten,  wahrend  sie  Eberlin  nur  schwer  verstunden. 
Fiir  den  13.  November  hatte  man  eine  grofie  Versammlung  in 
Leutershansen  geplant.  Schon  hatte  der  Amtmann  die  Erlaub- 
nis  gegeben  auf  die  Bitte  von  4  Biirgern  hin,  sich  nach  alter 
Weise  versammeln  zu  durfen,  um  wichtige  Fragen  zu  besprechen, 
da  er  ja  von  alien  Seiten  von  Bauern  in  dieser  Sache  iiber- 
laufen  wurde,  da  verweigerte  es  der  aufiere  Burgermeister  mit 
dem  Burgermeister  des  inneren  Rates;  die  Antwort  versprach 
man  zu  geben  vor  dem  Amtmann  zu  Kolmberg.  Der  Stadtrat 
war  erschrocken  uber  die  entstandene  Bewegung,  um  so  mehr, 
als  auf  sein  Betreiben  die  Absetzung  Nagels  erfolgt  war,  lind 
zeigte  dem  Amtmann  die  furstlichen  Befehle  vor,  sodafi  dieser 


1)  J.  Eberlin  an  Markgraf  Georg.   d.  d.  Mo.  n.  Laet.  (20.  3.)  1531. 
Pf.  L.  fol.  48  ff. 

2)  d.  d.  Dom.  Sim.  et  Jude  (30.  X.)  1530.    Pf.  L.  fol.  36. 

3)  d.  d.  Mart.  (11.  XI.)  1530.    Pf.  L.  fol.  27. 

4)  Pf.  L.  fol.  39  f. 

5)  Pf.  L.  fol.  41. 

6)  Pf.  L.  fol.  42f. 

2* 


20      Schornbaum,  Lcutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

beunruhigt  sofort  ein  Entschuldigungsschreiben  nach  Ansbach 
schickte,  dafl  er  die  Versammlung  erlaubt  hatte  ^).  Beobachtete  man 
doch  im  Hinblick  auf  den  Banernkrieg  und  die  Wiedertaufer 
alle  Versammlungen  des  Volkes  argw5hnisch.  Was  die  2  Bitt- 
schriften  Eberlins  vielleicht  nicht  erwirkt  hgltten,  erfolgte  jetzt. 
Am  25.  November  1630  wurde  der  Ansbacher  Kastner  P.  Bach- 
mann  nach  Leutershausen  geschickt,  um  den  Pfarrer  in  den 
Pfarrhof  zu  fiihren,  ihm  seine  Besoldung  zuznweisen  nnd  den 
alten  Pfarrverweser  Joh.  Nagel  gefangen  zu  legen,  wenn  es 
sich  als  wahr  herausstellen  soUte,  dafi  er  seinen  Nachfolger  einen 
Bosewicht  genannt  hatte  2).  Zwar  wurde  er  bald  wieder  aus 
dem  Gefangnis  entlassen  auf  die  Fursprache  des  Amtmann  hin; 
doch  scheint  er  diese  Gegend  ganzlich  verlassen  zu  haben^). 
Dagegen  h5rten  seine  beiden  Preunde,  der  Pfarrer  zu  Kolmberg 
und  der  Kastner  zu  Leutershausen,  Veit  Gattenhofer  nicht  auf, 
zu  wiihlen  und  zu  hetzen  gegen  den  neuen  Pfarrer,  was  um 
so  leichter  ging,  als  das  Volk  Joh.  Nagel  nicht  so  leicht  ver- 
gessen  konnte  und  die  Vikarier  an  den  Messen  sich  auch 
nicht  mit  Eberlin  befreunden  konnten. 

Schon  die  nachsten  Streitigkeiten,  in  die  er  verwickelt 
wurde,  sollten  es  zeigen.  Wohl  war  die  Pfarrei  eine  der  ein- 
traglichsten,  aber  der  Pfarrverweser  bekam  das  wenigste  davon. 
Abgesehen  von  den  100  fl.,  die  an  Dietrich  von  Thiingen  abge- 
liefert  werden  sollten,  wahrend  sie  in  Wirklichkeit  der  Amt- 
mann einzog,  weil  ihm  von  seiten  Wiirzburgs  sein  im  Banern- 
krieg erwachsener  Schaden  noch  nicht  vergiitet  war*),  zog  die 


1)  Wolf  V.  Hefiberg  an  Markgraf  Georg  d.  d.  Di.  n.  Mart.  (15.  XI.) 
1530.  Pf.  L.  fol.  31.  Die  Schrift  W^olf  v.  Hefibergs  an  Fritz  Haspel, 
L.  VoHrath,  Marx  Walz  zu  Sachsen,  H.  Valck  zu  Leutershausen  und 
H.  Eckart,  worin  er  ihnen  die  Yersammlong  erlaubt.  ibidem  fol.  35. 
d.  d.  Di.  n.  Mart.  1530.  cf.  dazu  den  Brief  Eberlins  an  Alexius  N.  (Frauen- 
traut),  d.  d.  auf  Mo.  n.  Mart.  (13.  XL)  1530.    ibidem  fol  30  f. 

2)  Instruktion  fur  Peter  Bachmann,  Kastner  zu  Ansbach  zur  Hand- 
lung  mit  Kastner,  Rat  und  Gemeinde  zu  Leutershausen.  d.  d.  Kath.  (25.  XL) 
1530.    Pf.  L.  fol.  44  f. 

3)  8.  Beilage  IV. 

4)  Am  24.  Juli  1532  wandte  sich  der  Dompropst  und  Propst  von 
Neuenmiinster  zu  Wuizburg,  Dietrich  v.  Thiingen  an  die  Rate  zu  Ans- 
bach, mit  der  Bitte,  ihm  ftlr  die  letzten  5  Jahre  die  durch  M.  Friedrich 


Sohornbaiim,  Leutershansen  bei  Beginn  der  Reformationszeit.      21 

markgrafliche  Eegierung  wohl  seit  der  Ernennung  Job.  Nagels 
zum  Pfarrer  alle  Pfarreftikunfte  ein,  dem  Pfarrer  iibeiiiefi  man 
nur  80  fl.  jahrlich  samt  Pfarrholz  sowie  den  Ertrag  zweier 
Gfiter  zu  Leutershansen,  der  sich  auf  7  Malter  Haber,  7  Metzen 
Korn  und  etliche  Pfennige  belief^).  Bei  der  grofien  Ausdehnnng 
der  Pfarrei  machte  sich  bald  aber  die  Anfstellung  eines  Kap- 
lans dringend  notig;  hatte  doch  Eberlin  auch  zu  den  2  Sonn- 
tagspredigten  und  der  Mittwochspredigt  nodi  eine  Ansprache 
am  Samstage  eingefiihrt  und  bemuhte  sich  besonders  urn  die 
Beichte  der  Kommunikanten^).  Er  hatte  sich  nun  zunachst  da- 
durch  geholfen,  dafi  er  den  Engelmesser  Eudres  Lauden  gegen 
besondere  Belohnuug  zur  Ubernahme  einiger  Pfarrgeschafte 
bewog.  Doch  bald  geriet  er  mit  ihm  in  Streit  wegen  der 
Holzbezuge  ^).  Am  19.  Februar  1631  weilte  er  in  Ansbach, 
wo  die  markgraflichen  Juristen  und  Theologen  liber  den'Bei- 
tritt  zum  schmalkaldischen  Bund  berieten,  welchen  der  Mark- 
graf  Georg  deswegen  ablehnen  zu  mussen  glaubte,  weil  die 
Berechtigung  des  Widerstandes    gegen    den  Kaiser    aus   der 


bewirkte  Absenz  zu  bezahlen  (500  fl.).  d.  d.  heil.  Apostel  Jacobiabend. 
(24.  VII.)  1532.  Pf.  L.  fol.  78.  Auf  Befragen  erklarte  der  Amtmann, 
daO  der  Pfarrer  nur  drei  Jahren  keine  Absenz  bekommen  babe  laut  bei- 
liegender  Quittung  iiber  160  fl.,  erhalten  von  Ko.  Beringer  fUr  das  Jahr 
1528/1529  (d.  d.  die  Kuneg.  3.  3.  1529.  beglaubigt  durch  Kastner  Rain 
und  Stadtschreiber  M.  Kornperger.  Mitw.  n.  Jac.  Ap.  (31.  VII.)  1532. 
Pf.  L.  fol.  84).  Statthalter  zu  Ansbach  an  Wolf  v.  HeBberg  d.  d.  Sa. 
n.  Jacobi  (27.  VII.)  1532.  Pf.  L,  fol.  80.  Antwort  des  Amtmannes  d.  d. 
So.  n.  Jacobi  (28.  VII.)  1532.  ibidem  fol.  81.  Auf  Mitteilung  der  Statt- 
halter (d.  d.  Mo.  n.  Jacobi  (29.  VII.)  1532  ib.  fol.  82),  bestand  der  Dom- 
herr  auf  seinem  Recht,  zeigte  daB  die  Quittung  bloig  ein  an  seinen  Pfarr- 
verweser  iiberschicktes  Formular  war,  da  ja  quittiert  sei  uber  160  fl., 
welche  er  bis  1528  bekommen  habe,  und  bestritt  entschieden  das  Recht 
dem  Amtmann,  das  Geld  zur  Bezahlung  seiner  im  Bauernkrieg  erlittenen 
Schaden  zu  verwenden.  (d.  d.  Di.  n.  Barth.  (27.  8.)  1532.  ib.  fol.  87ff.). 
Die  Rate  verwiesen  ihn'  an  den  Amtmann,  der  gerade  auf  dem  Tiirken- 
znge  war  und  versprachen  von  nun  an  die  100  fl.  ihm  zukommen  zu  lassen. 
Pf.  L.  fol.  89.  d.  d.  Sa.  n.  Barth.  (31.  8.)  1532. 

1)  Eberlin  an  Markgraf  Georg.    So.  Estomihi  (19.  II.)  1531.    Pf.  L. 
fol.  46. 

2)  Eberlin   an  Georg.    Mo.  n.  Laet.   (20.  3.)   1531.     Pf.  L.  fol.  48. 
cf.  auch  fol.  29. 

3)  Pf.  L.  fol.  48  ff. 


22      Sehornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit. 

Schrift  niclit  zu  beweisen  war^).  Er  benutzte  die  Gelegenheit, 
um  den  Markgrafen  seine  Not  zu  schildeni  nnd  ihn  zu  bitten, 
doch  den  Engelmesser  A.  Lauden  oder  den  Frfihmesser  Georg 
Reigel  zu  veranlassen,  weil  sie  in  der  Woche  nur  ein  Kapitel 
lasen,  die  Kaplaneistelle  zu  versehen  mit  Litaneien,  Vespern, 
taglichen  Kirchengesangen  und  dem  Austeilen  des  Abendmahls 
in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande^),  weil  er  nicht  imstande  sei, 
bei  dem  geringen  Einkommen,  selbst  einen  Kaplan  zu  halten. 
Seine  Bitte  hatte  Erfolg,  war  sie  doch  unterstutzt  von  den 
versammelten  Geistlichen^).  Aber  die  beiden  Kapl^ne  lehnten 
es  ab  sich  der  markgraflichen  Anordnung  zu  fugen,  bestritten 
jede  Verpflichtung  dem  Pfarrer  helfen  zu  miissen  und  ver- 
sprachen  nur  in  Notfallen  aushelfen  zu  wollen.  Doch 
schlugen  sie  wenigstens  einen  geziemenden  Ton  an*).  Aber 
der  "Kastner,  hinter  den  sie  sich  steckten,  wufite  seinen 
Unwillen  iiber  die  markgrafliche  Anordnung  nicht  mehr 
zuruckzuhalten.  Als  er  mit  Eberlin  nach  dessen  Riickkehr 
in  Stefan  Wolfs  Wirtshaus  zusammentraf, '  rief  er  ihm  zu: 
Du  Bosewicht,  du  Schalatsbosewicht,  dafi  dich  Gott  Veltin, 
Gottes  Marter  sch^nde;  du  bist  ein  Bosewicht  und  w^rest  du 

1)  Einladungsschreiben  Georgs  Mittw.  n.  Purif.  Mariae  (8.  II.)  1631 
in  Ansbach  zn  erscheinen.  d.  d.  Ansbach  15. 1.  1531.  Eingeladen  wurden: 
Brenz,  Ad.  Weifi,  Meglin,  H.  Gast,  J.  Eberlin,  A.  Obermeier,  alle  Pfarrer 
und  Predjgev  zu  Ansbach  samt  dem  Lektor  B.  Ziegler,  H.  L.  LuCner, 
Pf.  zu  Gunzenhausen.  A.  K.  A.  T.  XVI.  fol.  193.  gedr.  Th.  Pressel, 
anecdota  Brentiana.  Tubingen  1868.  S.  104.  N.  27.  u.  J.  H.  v.  F  ale  ken - 
stein,  Chronicon  Suabacense*  Schwabach  1756.  S.  200.  Handlung  des 
Hans  V.  Planiz  u.  Werner  von  Wildenstein  mit  Markgraf  Georg.  d.  d. 
Ansbach.  Fr.  n.  Val.  (17.  2.)  1531.  A.  R.  A.  Tom.  suppl.  I  (S.  XII.  R.  Ve) 
fol.  231  flf.  u.  S.  I.  L.  10.  N.  6.  im  Nttrnberger  Kreisarchiv.  Bedenken 
der  markgraflichen  Theologen  iiber  die  Frage,  ob  dem  Kaiser  Wideratand 
geleistet  werden  diirfe  bei  Hor  tie  der  II,  1,8.  Tiber  diese  Angelegenheit 
hoffe  ich  mich  in  Balde  auBern  zu  konnen  in  einer  eingehenderen  Unter- 
suchung  iiber  die  Politik  des  Markgrafen  Georg  1528 — 1532.  ^ 

2)  Eberlin   an   Markgraf  Georg.    d.  d.   So.   Estomihi   (19.  II.)    1531. 
Pf.  L.  fol.  46. 

3)  A.  R.  A.  VIII.  fol.  123.  Pr.  N.  IdVj:  «der  Markgraf  m5ge  Joh. 
Eberlins  und  der  beiden  Eaplane  allhie  Armut  bedenken",  ist  wohl  in 
diese  Zeit  zu  verlegen. 

4)  Georg  Reugell  u.  A.  (Lauden  von)  Tetelbach,  vicarii  zu  Leuters- 
hausen an  den  Markgrafen.    Pf.  L.  fol.  14. 


Schornbaum,  Leutersbausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit.      23 

fromm,  du  warest  nicht  hierher  gekommen.  Auf  die  bescheide- 
nen  Einwendungen  des  Pfarrers  und  seine  Hinweise  auf  seine 
guten  Zeugnisse  fuhr  er  mit  der  Faust  ihm  ins  Angesicht  und 
schrie:  Siehe,  du  Bosewicht,  dein  Leben  soil  nicht  sicher  sein 
von  meiner  Hand*  Er  lehnte  sich  hinaus  zum  Fenster  mit  dem 
Euf :  Ich  habe  ein  Amt  versehen,  da  du  noch  ein  Monch  warest, 
daft  dich  Gottes  Marter  schande ;  du  B5sewicht  hast  den  Kastner 
von  Ansbach  hierher  gebracht  und  mich  verklagt  vor  den 
Eaten  des  Markgrafen  ^).  Seinem  Bestreben  ist  es  wohl  zuzu- 
schreiben,  daB  der  Befehl  wieder  zuriickgenommen  und  dem 
Pfarrer  ein  eigner  Kaplan  auf  Kosten  der  Regierung  beigegeben 
wurde.  Die  Autoritat  des  Pfarrers  aber  wurde  dadurch  unter- 
graben.  Die  Leute  sangen  offen  auf  der  Strafie:  Eberlin  hat 
ein  Schwein  geschlagen,  ist  ihm  nicht  wohl  geraten.  Obwohl 
der  neue  Kaplan  noch  nicht  erschienen  war  und  Eberlin 
durch  Krankheit  arg  heimgesucht  wurde,  weigerten  sich 
die  beiden  Vikarier  ganz  entschieden  Aushilfe  zu  leisten,  sodafi 
dieser  an  2  Sonntagen  die  Messe  ausfallen  liefi.  Auf  Kriicken 
schleppte  er  sich  in  die  Kirche,  um  wenigstens  eine  Predigt 
dem  Volk  zu  halten.  Am  Sonntag  Okuli  (12.  Marz)  schickte 
dann  doch  der  Engelmesser  zum  Pfarrer  und  erklarte,  Messe 
halten  zu  wollen,  doch  nicht  ihm  zu  Hebe.  In  der  Kirche 
schrie  er  nun  laut:  der  Pfarrer  hat  das  Zipperlein,  hatte  er 
doch  auch  die  Franzosen,  sodafi  dieser  es  nicht  mehr  langer 
mit  anhSren  konnte  und  auf  Kriicken  in  die  Kirche  humpelte, 
um  Messe  und  Predigt  zu  halten.  Aber  damit  begnugte  sich 
der  Kastner  Veit  Gattenhofer  nicht;  er  warf  ihm  in  einem 
Schreiben  an  die  Statthalter  zu  Ansbach  allzugrofie  Mildtatig- 
keit  und  Nachlassigkeit  im  Bezahlen  vor;  auch  beschuldigte 
er  ihn,  er  hatte  sein  Amt  nicht  fleifiig  genug  versehen.  Eberlin 
konnte  bei  dem  alien  ruhig  bleiben;  aber  man  merkt  seiner 
Beantwortung  dieses  Schreibens  die  innerliche  Entrustung  an 
Uber  diese  ungerechtfertigten  Behauptungen.  Er  fragt  den 
Kastner,  ob  er  einen  Biedermann  auf  Erden  anfiihren  konne, 
dem  er  einen  Pfennig  schuldig  geblieben  sei,   er  weist  darauf 


1)  Geht  aus    dem  Schreiben  Eberlins  an  Markgraf  Georg  d,  d.  Mo. 
n.  Laet.  (20.  3.)  1531  hervor.    Pf.  L.  fol.  48  ff. 


24      Scbornbauin,  Leutershansen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

bin,  dafi  er  in  der  Woche  4 — 5  Predigten  halte;  er  beruft  sich 
fiir  sein  Leben  auf  das  Zeugnis  seiner  Pfarrkinder;  endlich 
deckt  er  den  Raten  einmal  das  Treiben  und  Wuhlen  des 
Kastners  auf.  Doch  machten  dera  die  Rate  zu  Ansbach  kein 
Ziel;  sie  liefien  die  Sache  auf  sich  selbst  beruhen^). 

Eberlin  bekam  nun  wie  gesagt  einen  Kaplan  auf  Kosten  der 
Regierung.  Er  hatte  nachweisen  konnen,  dafi  ein  fruherer  Pfarr-- 
verweser  Mag.  H.  Weiglein  die  Einkiinfte  der  Brudermesse  zur 
Besoldung  eines  Kaplans  und  Ko.  Beringer  die  Mittelmesse  dazu 
hatte  verwenden  diirfen.  Job.  Miirlin  wurde,  obwohl  er  schon 
40  Stellen  bekleidet  hatte,  nach  bestandenem  Examen  zu  Ans- 
bach von  Althamer  nach  Leutershausen  gesandt^).  Am  Anfang 
kamen-beide  auch  ziemlich  gut  miteinander  aus.  Eberlin  war 
zufrieden,  wenn  er  sich  wenigstens  einigermafien  von  dem  Treiben 
des  Kastners  und  der  Vikare  freihielt.  Ofifener  Zank  und  Streit 
ware  diesen  natlirlich  lieber  gewesen.  Aber  schon  das  geniigte? 
den  Versuch  untemehmen  zu  lassen,  den  Kaplan  zu  beseitigen. 
Hierzu  leistete  der  Amtmann  Wolf  von  Hefiberg  hilfreiche 
Hand.  Man  hatte  dem  Kaplan  eine  Besoldung  von  40  fl.  ver- 
sprochen,  bis  sich  eine  Messe  erledige.  Nach  dem  Tode  des 
Kapellmefiers  Fr.  Engerer  gab  man  nun  die  eine  Halfte  der 
Stadt  zur  Besoldung  des  Schulmeisters,  die  andere  durfte  fur 
den  Stadtschreiber  verwendet  werden,  sodafi  es  moglich  wurde, 
beide  Stellen  zu  trennen.  Nur  die  Wohnung  raumte  man  dem 
Kaplan  ein^).  Wohl  auf  Einfliisterungen  der  Vikarier  hin, 
schlug  der  Amtmann  am  5.  Juli  1531  dem  Markgrafen  vor, 
durch  die  drei  Vikarier  die  Kaplanstelle  versehen  zu  lassen 
gegen  eine  jahrliche  Entschadigung  von  15  fl.,  die  markgraf- 
liche  Kasse  hatte  somit  eine  Einsparung  von  25  fl.  jahrlich 
gehabt*).    Da  man  in  Ansbach  unter  einer  grofien  Schuldenlast 


1)  Pf.  L.  fol.  48  ff.    Bescbeid :  „8tebt  diesmal  auf  ihm  selbst". 

2)  Pf.  L.  fol.  66—70.  Am  Mittwoch  vor  dem  Palmtag  wurde  er  auf 
ein  Viertel-  oder  Halbjahr  angenommen.    (29.  3.)  1531. 

3)  Wof  V.  HeCberg  an  Markgraf  Georg.  d.  d.  Mittw.  n.  Vis.  Mariae. 
(5.  VII.)  1531.  Pf.  L.  fol.  52.  cf.  A.  R.  A.  III.  fol.  24  u.  385.  u.  V.  p.  1. 
fol.  102.  Nach  Loo  shorn  I.  c.  S.  738  wurden  die  Einkunfte  von  der 
Kapellmesse  (22  fl.  3*/,  ort  18  ^)  zur  Schule  verwendet, 

4)  Pf.  L.  fol.  52. 


Schornbaum,  Lentershaasen  bei  Beginn  der  Reformationszeitw      25 

seafzte,  begriifite  man  jedes  Ersparnis  mit  Freaden;  befahl  aber 
doch,  den  Pfarrer  vorher  urn  ein  Gutachten  anzugehen.  Dieser 
hatte  wohl  manches  an  seinem  Kaplan  auszusetzen;  aber  er 
arbeitete  doch  immer  noch  lieber  mit  ihm  als  mit  den  Vikariern; 
so  war  es  denn  kein  Eigensinn,  wenn  er  sich  gegen  die  durch 
den  Schlofikaplan  von  Kolmberg  J.  Bub*)  iiberbrachten  Vor- 
schlage  des  Amtmanns  ablehnend  verhielt^).  Aber  er  hatte 
seinen  Feinden  eine  Waffe  in  die  Hand  gegeben,  die  leicht  zu 
seinem  Verderben  ausschlagen  konnte.  Wir  horen  so  und  so  oft, 
dafi  er  krank  war,  daft  er  auf  Kriicken  z.  B.  in  die  Kirche 
hinkte;  schon  wie  er  nach  Leutershausen  kam,  war  er  so  ge- 
brechlich,  dafi  die  Bauem  es  nicht  fiir  mSglieh  hielten,  dafi  er 
diese  grofie  Pfarrei  versehen  konnte.  Daraus  erklart  es  sich, 
wenn  er  auf  der  Kanzel  und  sonst  scharfer  und  barter  im 
Urteil  war,  als  es  selbst  in  jener  Zeit,  die  ein  grofies  Mafi  von 
Derbheit  vertrug,  gang  und  gabe  war.  Als  sich  das  Verhaltnis 
zu  den  verschiedenen  Vikariern  immer  unangenehmer  gestaltete, 
liefi  er  sich  dazu  hinreifien,  auf  der  Kanzel  gegen  sie  loszuziehen, 
wobei  wir  allerdings  nicht  vergessen  diirfen,  dafi  er  der  An- 
gegriffene  war.  Auch  sonst  scheint  er  die  Fehler  der  Gemeinde 
so  auf  der  Kanzel  geriigt  zu  haben,  dafi  sich  die  einzelnen  sehr 
betroffen  fiihlen  mufiten.  Auch  fehlte  es  ihm  an  der  Art  des 
Joh.  Nagel,  bes/bei  dem  Volk  sich  Zuneigung  zu  erwerben^). 
Es  miiflte  denn  sein,  dafi  die  unten  folgenden  Schriftstticke  des 
A.  Tetelbach-  und  des  Rates  von  Leutershausen  eine  Erfindung 
des  Kastners  Veit  Gattenhofer  seien,  der  seine  in  Preufien 
auf  Eberlin  gemachten  aber  zuriickgewiesenen  Angriffe  dadurch 
zu  beschSnigen  suchte.  Doch  erwahnt  auch  der  Amtmann,  dafi 
Eberlin  die  Vikare  Papisten  und  Antichristen  heifie*).  Vor  allem 
aber  hatte  er  die  Herzen  dadurch  sich  entfremdet,  dafi  er  wieder 
lateinische  Gesange  im  Gottesdienste  einfiihrte,  was  man  als 
einen  Rlickfall  ins  Papsttum  ausah.  Am  28.  Juli  1531  erhielt 
er  nun  ein  Schreiben  des  Amtmanns  durch  die  Statthalter  zu 


1)  A.  R.  A.  Tom.  V.  p.  1  fol.  lOOf. 

2)  Wolf  V.  Hefiberg  an  die  Statthalter  zu  Ansbach.   d.  d.  auf  den 
Tag  Jac.  Apost.  (24.  VII.)  1531.    Pf.  L.  fol.  53. 

3)  s.  Beilage  II  u.  III. 

4)  Pf.  L.  fol  53. 


26      Schornbaum,  Leatershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

Ansbach^),  worin  ihm  Eigensinnigkeit,  rucksichtsloses  Vorgehen 
gegen  die  Vikare,  eigenmachtiges  AbHndern  der  Kirchenordnung^) 
vorgeworfen  wurde.  In  Kiirze  werde  es  so  gehen  in  Leaters- 
hausen, schrieb  der  Amtmann,  dafi  niemand  mehr  etwas  za 
seinem  Lobe  sagen  werde  wie  in  Wertheim.  Man  kann  die 
Entriistung  des  Pfarrers  verstehen;  hatte  er  doch  bis  jetzt  in 
Wolf  von  Hefiberg  einen"  unparteiischen  Beamten  gehabt  und 
mufite  nun  sehen,  wie  auch  hier  das  Hetzen  der  Vikarier 
und  des  Pfarrers  von  Kolmberg  von  Erfolg  begleitet  war.  Schwer 
gekrM,nkt  zeigte  er  die  Zweideutigkeit  derselben,  die  sich  zuerst 
geweigert  batten,  ihm  zu  helfen  und  nunmehr  den  Kaplan  zu 
verdrangen  suchten.  Besonders  erbittert  war  er  iiber  die  Vor- 
wiirfe  wegen  seiner  Predigttatigkeit.  Er  berief  sich  auf  das 
Zeugnis  des  Amtmanns,  seiner  Frau  und  seiner  Kinder,  ob  sie 
je  etwas  an  seinen  Predigten  zu  tadeln  gehabt  hatten.  Unbe- 
greiflich  war  es  ihm,  wie  man  seine  Kirchenordnung  angreifen 
konnte,  war  sie  doch  erst  von  Althamer,  Brenz  und  anderen 
gebilligt  worden.  Die  ganze  Landschaft  von  Wertheim  rief  er 
zum  Zeugen  dafur  auf,  dafi  man  an  seiner  Tatigkeit  sowie 
seiner  Kirchenordnung  in  Wertheim  nichtszu  tadeln  gehabt  habe; 
von  Luther  sei  sie  vielmehr  belobt  worden.  Als  grundlose 
Verdachtigung  bezeichnete  er  es,  wenn  man  ihm  vorwarf,  dafi 
er  sich  habe  aus  Wertheim  fluchten  mussen;  die  Erkenntnis 
allein,  dafi  es  unmoglich  sei,  ihm  dort  den  nStigen  Schutz  zu 
verschaffen,  habe  ihn  bewogen,  seine  Stelle  aufzugeben.  Furcht- 
samkeit  konne  man  ihm  nicht  vorwerfen,  sei  er  doch  6  Wochen 
auf  dem  Reichstag  zu  Augsburg  mit  seinem  Grafen  gewesen*). 
Eberlin  aber  mochte  fuhlen,  dafi  seine  Verantwortung  noch  nicht 
den  notigen  Dienst  leisten  wiirde  und  begab  sich  selbst  nach 
Ansbach,  um  miindlich  mit  den  Raten  iiber  die  Belassung  des 
Kaplanes  zu  verhandeln.  Hier  ubergab  man  ihm  neue  Klagen 
des  Amtmanns  und  der  Vikarier  und  des  Rates,  vielleicht  die 


1)  In  diese  Zeit  fallt  wohl  Beilage  IV. 

2)  Aufforderung  der  Statthalter  an  Eberlin  zur  Beantwortung  des 
Schreibens  des  Amtmanns  Wolf  v.  Hefiberg  (Pf.  L.  fol.  53).  d.  d.  Do.  n. 
Jacob!  (27.  VII.)  1531.    ibidem  fol.  55. 

3)  Verantwortung  Eberlins.  d.  d.  auf  S.  Marthatag  (28.  VII.)  1531. 
Pf.  L.  fol.  57  f. 


Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Befonnationszeit.      27 

obenerwahnten  Schriftstucke  ^).  Nar  auf  die  erste  Klage  scheint  er. 
schriftlich  geantwortet  zu  haben;  der  Amtmann  hatte  vorge- 
schlagen,  wenn  man  den  Kaplan  nicht  entfernen  woUe,  doch 
wenigstens  ihn  im  Pfarrhaus  unterzubringen  und  das  Pfrunde- 
haus  zu  anderen  Zwecken  zu  verwenden;  auch  warf  er  ihm  vor, 
daft  er  die  Gemeinde  zu  wenig  ermuntere,  die  Zehnten  zu  be- 
zahlen,  er  sei  ein  Augendiener.  Diese  Vorwurfe  zuruckzuweisen 
war  leicht.  Die  alten  Pfarrer  waren  unverheiratet  gewesen 
und  batten  deswegen  viel  Platz  im  Pfarrhaus  gehabt;  wie 
stimmte  aber  damit,  dafi  man  ihn  fruher  eigensinnig  gescholten 
hatte,  der  Vorwurf  der  Augendienerei.  Auf  die  anderen  An- 
klagen  ging  er  wohl  nur  mundlich  ein^);  es  gelang  ihm  auch, 
die  Belassung  des  Kaplans  durchzusetzen  ^),  doch  wurde  ihm 
das  Pfriindehaus  genommen;  er  mufite  ins  Pfarrhaus  ziehen. 
Die  Rate  batten  allerdings  vorgeschlagen,  den  Kaplan,  der  eine 
ziemlich  zweideutige  RoUe  spielte,  trotz  seiner  Bitte  zu  entlassen 
und  wohl  einen  neuen  aufzustellen.  Da  fuhlte  Eberlin  Erbarmen 
mit  ihm  und  erbot  sich,  es  noch  einmal  mit  ihm  zu  versuchen. 
Aber  es  wurde  ihm  schlecht  gelohnt*). 

Der  Kastner,  erbittert;  dafi  dieser  Vorstofi  nicht  gelungen 
war,  chikanierte  den  Pfarrer,  wo  er  nur  konnte.  Den  ge- 
raumigen  Pfarrhof  benutzte  man  dazu,  die  Feldfriichte  der 
Pfarrgrundstucke  und  die  Zehnten  aufzubewahren.  Seitdem  die 
Pfarreinkiinfte  von  dem  markgraflichen  Kastenamt  eingenom- 
men  wurden,  hatte  natiirlich  auch  der  Kastner  darin  etwas  zu 
sagen.  Veit  Gattenhofer  gedachte  aber  den  Pfarrer  zu  argern. 
Er  liefi  in  der  Pfarrscheune  einen  Stall  herrichten  fiir  seine 
Ochsen.  Mist  und  Unrat  liefi  er  nun  ruhig  im  Hofe  liegen,  bis 
er  giinstige  Gelegenheit  hatte,  ihn  zu  verkaufen.  Ellenhoch 
lag  er  vor  den  Fenstern  des  Pfarrhauses.  Mehr  als  100  Fuder 
wurden  dann  aus  demselben  fortgeschafft,  wobei  sich  der  Kastner 
fiir  9—10  Fuder  1  fl.  zahlen  liefi.     Uragekehrt  wollte  er  dem 


1)  Beilage  II  a.  III. 

2)  Eberlin  an  die  Rate.  d.  d.  Mitw.  n.  Vine.  Petri  (2.  VIII.)  1531. 
Pf.  L.  fol.  68  f. 

3)  Entscbeid  auf  Pf.  L.  fol.  14.  Riickseite.    Bitte   des  Joh.  Murle, 
Kaplans  zu  Leutershausen,  auf  der  Stelle  bleiben  zu  diirfen.    K.  L.  fol.  6. 

4)  Geht  aus  Pf,  L.  fol.  66—70  hervor. 


28      Schornbaum,  Leutersbaasen  bei  Begiim  der  Reformationszeit. 

Pfarrer  nicht  erlauben,  seine  Pfarrgiiter  zu  bestellen,  damit  sich 
sein  Gehalt  nicht  vermehre.  Als  nun  dieser  verhindern  woUte, 
dafi  er  wieder  seine  Ochsen  in  den  Pfarrhof  einstellte  und  des- 
wegen  Holz  in  den  Stall  legte,  benutzte  er  die  Klage  eines 
Bauern^),  der  seine  Ochsen  im  Pfarrhofe  nicht  hatte  unterbringen 
k5nnen,  um  sich  beschwerdefuhrend  an  die  R^te  zu  Ansbach 
zu  wenden.  Da  wallte  von  neuem  der  Zorn  des  Pfarrers  auf 
und  er  entwarf  ein  Bild  von  dem  herrischen  und  hinterlistigen 
Treiben  des  Kastners  (5.  Okt.  1531.)  Er  wies  darauf  hin,  daft 
er  genug  Raum  in  den  2  Scheunen  des  Pfarrhofes  habe,  dafi 
er  zwar  von  dem  Pfarrglitern  grofien  Nutzen  ziehe,  indem  er 
das  Malter  Getreide  fur  3  fl.  verkaufe,  dagegeu  den  Pfarrhof 
herunterkommen  lasse.  _  Unersattlich  sei  er  in  der  Vermehrung 
seiner  Habe.  Auch  nahm  sich  Eberlin  der  Armen  an  und 
zeigte;  wie  der  Kastner  eine  arme  Frau,  „Bruckin"  genannt, 
ins  Gefangnis  geworfen  habe,  weil  sie  ihm  seine  Tuche  nicht 
gebleicht  batte.  Den.Erfolg  erzielte  wenigstens  der  Pfarrer, 
dafi  diese  Qualereien  abgestellt  wurden^). 

Aber  noch  vor  seinem  Abschied  vermochte  Gattenhofer 
Eberlin  einen  neuen  Schlag  zu  versetzen.  Man  verstand  es, 
den  Kaplan  Joh.  Miirlin  ganz  auf  seine  Seite  zu  bringeu.  Er 
wurde  immer  ungeberdiger.  Als  man  ihm  nicht  gestattete,  auf 
eine  absonderliche  Weise  zu  konsekrieren,  schrieb  er  nach  Ans- 
bach, der  Teufel  regiere  zu  Leutershausen.  Immer  berief  er 
sich  auf  deji  Kastner,  der  gebe  ihm  den  Sold,  der  sei  sein 
Herr.  Er  verglich  die  aufriihrerischen  Bauern  mit  dem  Volke 
Israel  und  die  verbrannten  Stadte  mit  den  verbrannten  Stadten 
in  Kanaan,  sodafi  der  Pfarrer  ihm  verbieten  mufite,  wegen 
seiner  „Glossen"  das  Deuteronoraium  weiter  zu  lesen.  Warum 
er  so  widerspenstig  war,  war  klar.  Denn  taglich  sah  man 
ihn  im  Verkehr  mit  dem  Kastner  und  anderen  Papisten;  sie 
iiberboten  sich  gegenseitig  im  Schmahen  gegen  den  Pfarrer, 
dafi  auf  dem  Markte  einer  Miirlin  zurief:  „Herrlein,  Herrlein, 
ist's  auch   recht,    dafi  ihr    euren  Herrn  also   iibel    ausschreit." 


1)  C.  Metziger  an  den  Rat  zu  Leutershausen.    Pf.  L.  fol.  62.    Veit 
Gattenhofer  an  den  Markgrafen.   Sa.  n.  Mich.  (30.9.)  1531.    Pf.  L.  fol.  63  f. 

2)  J.  Eberlin  an  die  Rate  zu  Onolzbach.    5.10.  1531.  Pf.L.  fol.  71ff. 


Schornbaam,  Leaterafaansen  bei  Beginn  der  Refonnationszeit.      29 

Urn  Ordnung  im  Pfarrbofe  kummerte  er  sich  nicht;  er  kam  and 

ging,  wann  er  wollte;  besonders  hatte  auch  die  Pfarrfran  unter 

seinem  Schelten  zu  leiden.   Am  Sonntag,  den  22.  Oktober  1531 

batte  er  betnmken  seinen  Eircbendienst  gehalten  und  war  dann 

gleich   wieder   ins  Wirtshaus   gelanfen.    Hier   suchte   ibn   der 

Pfarrer  aaf,  weil  es  gait,  einen  Eranken  in  einem  aoswartigen 

Dorfe    zu   besacben   and  Mfirlin   die  Glocke   uberhSrte.     „Ihr 

raacht  rair  also  einen  butzen,"  schrie  ihm  dieser  zn;  ;,ihr  wollt 

mich  nnr  vexieren  vor  der  Gemeinde."     Da  der  Eaplan  keine 

Anstalt  macbte,  sich  zn  erheben,  kundigte  ibm  der  Pfarrer  auf 

Petri.    Am  nachsten  Tage  benahm  er  sich  also  im  Pfarrhause, 

dafi  ibn  dieser  sofort  beurlaubte.    Auch   am  Mittwoch  wiedeiv 

holte  sich  dieselbe  Szene ;  in  ganz  roher  Weise  beantwortete  er 

die  definitive  Beurlaubung  mit  den  Worten:  rja  aufs  Maul  ge- 

schissen,  in  der  ars  kei-ffen."     Nachher  reute  es  ihn  doch,  er 

suchte  dieselbe  ruckg&ngig  zu  machen  oder  doch  wenigstens 

ein   gutes  Zengnis  zn  erlangen.     Aber  sowohl  der  Amtmann 

als  der  Rat  lehnte  seine  Bitte  ab^);  auch  in  Ansbach  scheint  er 

keinen  besseren  Bescheid  bekommen  zu  haben,  trotzdem  man  noch 

beide,  Pfarrer  und  Eaplan,  28.  XIL  1531  in  Ansbach  verh6rte^). 

Von  nun  an  herrschte  in  Leutershausen  grofiere  Ruhe.   Veit 

Gattenhofer  merkte  wohl,  dafi  auch  manches  gegen  ihn  vorlag 

und  zog   es   vor,   nach   Preufien   ftberzusiedeln.    Die  Vikarier 

waren  jetzt  auf  einmal  froh,  gegen  eine  geriuge  Entschadigung 

die  Kaplanstelle  versehen  zu  durfen.    Doch  horen  Elagen  iiber 

Eberlins  scharfe  Predigten  nicht  ganz  auf.    So  beschwerte  sich 

der  alte  Eastner  H.  Rain  iiber  ihn;  doch  konnte  der  Amtmann 

berichten,  dafi  sich  die  Angelegenheit  doch  etwas   anders  ver- 

halte.    (28.  Jan.  1533 »). 


1)  Joh.  Eberlin  an  die  Statthaltcr.  Zinstag  n.  Elis.  (21.  XL)  1531, 
Pf.  L.  fol.  66  ff. 

2)  Statthalter  an  den  Amtmann  zu  Kolmberg.  d.  d.  Mo.  n.  Katli. 
(27.  XL)  1531.    Pf.  L.  fol.  70. 

3)  Statthalter  und  Rate  zu  Ansbach  an  Wolf  v.  He(}berg.  d.  d.  Sa. 
n.  Circumcis.  Dom.  (4.  I.)  1533.  Pf.  L.  fol.  98.  Wolf  v.  HeOberg  an 
Regenten  und  Rate;  d.  d.  Antoni  (17.  I.)  1533.    Pf.  L.  fol.  99. 


30      Schornbaum,  Leutershausen  bei  Begixm  der  Keformationszeit. 

Beilage  I. 

lustrnktion   des  Rates   zn  Leutershausen   ftir  6.  Hnckel 
and  Gregor  Lack.      20.  Augast  1529. 

Yon  meinem  gnedigen  herrn  ist  den  burgermeistern  vnd  rathe 
zu  Leutershausen  ein  beuelh  zukomen,  in  sich  haltende;  das  seinen 
f.gn.  clagend furgebracht;  wie  Johan  Nagel,  pfaryerweserzuLeuters- 
hausen,  sich  in  seinem  leren  vnd  lebenso  vngesteme  halte,  des  sein 
f.  gn.  (Wo  dem  also)  als  ein  cristlicher  furste  nit  gedencke  zu  ge- 
dulden.  demnach  sein  f.  gn.  ernstlichen  beuolhen,  den  pfarverweser 
sampt  zwaien  glaubhafftigen  menu  em  aus  dem  pfarvolck  nach  assnmp- 
tionis  marie  [15.  Aug.]  fur  seine  f.  gn.  oder  in  abwesen  derselbigen 
rethe  zubeschaiden  vnd  alda  weiters  benelhs  zugewarten. 

auf  denselbigen  beuelh  habenmeineh.  zw  Leutershausen  zuge- 
horsam  Jorgen  Huckel  vom  rath  vnd  Gregorien  Lacken,  iren  stat- 
schreiber  bemelten  t4g  zversuchen  verordnet  vnd^  was  in  alsdann  von 
seinen  f.  gn.  oder  derselbigen  rethe  des  pfarverwesers  ler  vnd  lebens 
halben  furgehalten  wurdt,  das.  soUen  sie  gehorsamlich  nach  irem  ver- 
stand  vnd  nachvolgendem  beuelh  anzaigen,  sovil  in  deshalb  beuolhen^ 
kund  vnd  wissen  ist. 

Erstlich  der  lere  halben. 

so  setzt  Johan n  N age  1  pfarverweser  seine  predigten  den  merer- 
teil  vf  argument,  frag  vnd  beschlusreden  vnd  furet  sovil  latein  darein^ 
das  sich  das  gemein  volk  beklagt;    sie  konden  seine  lere  nit  versteen. 

vnd  wann  er  vff  der  cantzeln  oder  sonst  den  bobst  mit  seinem 
anhang,  stifft;  fegfeuer^  selmefi  oder  ander  ding  straffet;  so  erzurnt 
er  sich,  ficht  mit  den  henden  vnd  wirt  so  ungestume,  darob  sich 
das  einfeltig  volck  hoch  stefit,  ergert  vnd  sprechen:  er  predig  aus 
zorn,  neid;  es  kond  sich  niemandts  an  seinem  zirnen  vnd  schmehen 
bessern;  wann  er  vs  dem  geist  redet,  so  thet  er  ander s  vnd  werden 
ye  longer  ye  irriger. 

Item  so  hat  er  ytzund  einen  zupredigen  aufgestelt^  Johann  Begr 
genant  on  ein  rats  wissen^  der  er^rnt  sich  auch  dermafien^  der 
schlecht  mit  den  henden  vnd  bachern  vf  den  predigstul,  dcht  mit  dem 
haubt,  maht  sich  so  vngesteme,  daran  sich  das  einfeltig  volck  hoch 
stefit  vnd  ergert. 

Zum  andern  seins  leben  halben. 

item  er  stelt  vnd  nembt  priester  auf  zupredigen  vnd  gibt  in 
wider  vrlaub  one  eins  rats  wissen  wider  das  mandat. 

item  er  hat  sich  vnderstanden  dem  statschreiber  vrlaub  zugeben^ 
des  mein  g.  h.  gantz  ein  vnbillich  furnemen  gedunckt,  wie  meniglich 
abnemen  mage,  dann  sie  haben  alweg  vnd  ye  die  freyheit  gehabt 
einen  statschreiber,  der  auch  schulmeister  sein  soil;  aufzunemen 
vnd    vrlaub    zugeben ;    vnd    ist    einem    pfarrer     oder    vicarier    vnd 


Schombaum,  Leatershansen  bei  Beginn  der  ReformationsEeit      31 

andern  (in  die  kircheu  gewidembten)  priestern  nit  mer  scbnldig,  dann 
was  die  kircben  mit  meflleiten  vnd  altardienen  antrifPt  rnd  das 
er  nit  zanck  vndter  inen  anricbte  laut  des  statbucbs. 

item  er  allein  yndem  an dem  priestern  widersetzt  sicb,  bnrgerlich  mit- 
leiden  zutragen  wider  das  mandate  des  sicb  die  andeiii  priestern 
ergem   vnd  bescbweren. 

item  er  hat  etlich  benrige  abnutznng  der  engelmefl  verkaufft^ 
des  im  nit  zngebort,  bat  ein  rat  solcbs  anf  ytzigs  engelmefiers  be- 
gem als  ein  glied  der  obrikbait  nit  wollen  gestaten  vnd  dem  engel- 
mefier  wollen  verbelffen,  das  er  seine  pfrundabnntznng  selbs  auf 
auf  das  hocbst  verkauffe  vnd  ine  bescbickt.  bat  er  in  seiner  be- 
bausnog  geantwnrt,  er  bab  nichts  bei  ineo  zuscbaffen;  ydoch  bat 
er  sicb  bedacbt  vnd  ist  vor  einem  rat  erschinen  vnd  knrtzlicb  ge- 
sagt,  was  er  yerkaufft  bab,  mnefl  verkanfft  sein  vnd  also  auf  seinem 
fnmemeu  bis  bieber  verbart  vnd  dabej  anzaigt,  mein  gnediger  berr 
sey  sein  berre  \iid  er  sey  pfarrer  dagewesen^  ee  sie  darumb  gewist 
haben. 

item  er  bat  sicb  im  scbenckbans  in  der  forstat  vom  tag  so  tief 
in  die  nacb  vu  vrsach  verbart,  bis  man  die  tbor  verspert;  bat  er 
etlich  rats  burger  in  der  vorstat  wollen  getrangen^  sie  soUen  im 
biuein  belffen,  baben  sie  geantwart,  sie  konden  niemands  binein  laflen, 
die  Bchlofi  sein  inwendigs  angeschlagen,  vnd  bat  daruf  zu  inen  gesagt^ 
ey  ir  seit  ratsberrn,  ir  wert  mir  nit  gut  gnug  (cum  reverentia),  den 
hiodem  an  eucb  zu  wiscben. 

item  die  andern  artikel,  so  ime  die  ret  furgebalten  babeu,  wie 
er  das  sein  in  scbenckbeusern  verzere  etc.  vnd  sicb  in  seinem  leben 
inhalt  seiner  ler  widerwertig  balte  etc.  vnd  sonderlicbeu  dises  arti- 
kels  von  den  bocbtzeiten  vnd  kindtztauffen  bekenn^n  meine  berren, 
das  mein  gnediger  berr  derselbigen  recbt  bericbt  sey.  denn  es  bat 
sich  wolgefngt,  das  in  einem  tag  zwu  bocbzeit  gewesen  seiu,  ist  er 
apff  die  einen  vnd  sein  weib  auf  die  andern  gangen  vnd  bede 
nichts  geben. 

bey  disem  seine  f.  gn.  aus  cristlicbem  furstlicben  gemut  leucbt- 
lich  zu  vernemen  baben,  was  vngestemigkeit  vnd  wider  mefiigkait 
des  evangeli  vnd  mandats  er  sich  in  seiner  lere  vnd  leben  gepracht 
md  genbt  bat. 

indem  geben  meine  h.  solben  bericbt;  da  sie  well  erkennen, 
das  sein  £  gn.  vnser  gnediger  berre  ist,  so  sein  sie  doch  des  billi- 
cben  versebens,  das  sein  f.  gn.  darumben  kein  gefallen  haben,  das 
ymandts  die  glider  fnrstlicber  obrikait.  das  ist  ambtleut  burgermeister 
vnd  rathe  verscbemebe  solte,  dann  wer  die  glider  vneert,  der  vuert 
auch  das  haubt  vnd  entzeiht  dem  fursten  sein  eere. 

vnd  weil  wir  aus  gutigen  gotlichen  gnaden  aus  dem  evaugeli 
erlemet  haben  (am  Rande:  laus  deo,  deo  gratias)  das  die  hailigen 
wort  vnd  mandat  gots  allein    vnser    weg,    warhait  vnd  ewigs   leben 


32      Schornbaum,  Leutershanseu  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

sein,  vnd  wie  dasselbig  wort  des  got  selbs  scherpfer  ist,  dann  ein 
zweischneidigs  schwert,  das  durchdringt  marck  vnd  gedancken,  so  solte 
dasselbig  wort  nit  ans  zoren  vnd  vngesteme  des  predigers  scbnei- 
deu;  sonder  die  prediger  sollen  dasselbig  schwert,  das  wort^  lauter 
vnd  rain  mit  einfeltigen  zuchtigen  freantlichen  worten  vnd  lieblichen 
hertzen  im  munde  furen  vnd  dasselbig  im  gemafltem  leren  vnd  leben 
mit  ebnem  claren  senfften  worten  dem  einfeltigen  volk  vortragen, 
wie  es  Christus  vnd  seine  apostel  selbs  dem  volk  vorgetragen  vnd 
darnacb  gelebt  haben  vnd  dasselbig  ans  seinen  aigen  hochangeadelten 
crefften  in  den  menschen  schneiden  wnrken  und  walden  lafien,  welchs 
alsdann  on  alien  zweifel  den  menschen  zuchtig,  frnchtbar  vnd 
zu  cristen  machet  Esaj  55  vnd  das  vbel  von  vns  auffhebet.    Iheremie  23. 

Doruf  ist  unser  hochsts  vertrawen,  mein  gnediger  herr  als  ein 
cristlicher  gotlibender  furst  werde  vns  in  diser  geferlichen  zeit  mit 
rainem  einfeltigen  cristlichen  predigern  gnedigklichen  bedencken, 
damit  wir  das  hochst  gat  vnser  seele  das  gewissen  vnd  wiirkung 
zn  gotlichen  friden  vnd  wolgefallen  ordnen  vnd  setzen  moge. 

dann  aus  misverstand  des  gemainen  mans  ist  vil  einzusehen 
anf  die  clamanten  vnd  stturmer ;  wo  sie  nit  abgeschaffl  vnd  zuchtig 
prediger  eingesetzt,  wurde  zubesorgen^  das  mit  der  zeit  ergers  erwach- 
sen  mechte.  solchs  haben  mein  h.  ingehorsam  meinem  gn.  h.  auf  den 
beuelh  zu  vndericht  sampt  iren  vnderthenigen  willigen  dinsten  nit  wol- 
len  verbal  ten.     actum  am  20.  tag  August!  Anno  etc.  29. 

Gregorius  Lack  statschreiber  notarius  scripsit. 

presentatum  dominica  post  Ass.  Marie  post  vesperas  4.  bora 
22.  Augusti. 

Or.  im  Kgl.  Konsistorialarcbiv  zn  Ansbach.  Acta  „die  Pfarrei 
Leutershausen  betrefltend."     Tom.  I.  (1461—1678)  fol.  23f. 

Bei  lag  e  II. 

A.  Tettelbach  an  Statthalter  und  Rate  zu  Ansbach. 

15311). 

Volgt  ein  vnderricht  Andres  Tettelbachs  an  die  stadthalter  vnd 
rethe  zw  Onoltzbach. 

Oestrenge  edlen  vesten  gnedigen  gunstigeliebehern.  Nachdem  e.  g. 
ein  schriftlich  beuelh  Laben  geben  dem  edlen  vnd  vhesten  Wolf  fen 
von  Hespergk^  amptmann  zu  Kolmberck^  auf  des  pfarverwesers 
zu  Cjeuttershausen  beschwernus  von  wegen  ethlichen  vicarien  aldo 
also,  das  der  amptmann  rechte  vnd  grundliche  vnderricht  geb^  so  fuge 
ich  E.  O.  zn  als  einer  aus  den  vicarien,  nachdem  der  edel  vnd  vhest 


1)  Da6  dieses  Schreiben  aus  dem  Jahre  1531  stammt,  zeigt  der  £in- 
gang,  der  sich  deutlich  auf  das  Schreiben  des  Amtmanns  Wolf  von  Hel^berg 
an  den  Markgrafen  (5.  VII.  1531)  bezieht.    Pf.  L.  fol.  52. 


Schornbaam,  Lentershausen  bei  Beginn  der  Reforniationszeit      33 

Wolff  von  Hesbergk  angezaigt  bat  sein  gutbeduncken,  das  wir 
vicarii  nit  also  mit  vnser  miifiig  geben  ergernus  vortrugen  dem  ge- 
nieioen  volck  vnd  das  almusen  der  kircben  vergeblicb  vorzerten,  auch 
das  pfandt  von  got  entpfangen  nit  begrtiben  in  die  erdeu,  sonder 
dom  pfarvorweser  zu  Lentersbansen  bebulflicb  weren  am  wort 
gottes  vnd  darreicbung  der  sacrament,  darumb  das  vnsere  pfriindle 
gering  sein,  mochten  gebessert  werden  von  der  besoldung,  die  man 
sonst  einem  caplan  gibt,  aucb  der  caplan  staudt  in  der  stadt  vod  landt 
als  der  besser  verseben  werden,  will  icb  solche  gute  meynung  vnsers 
amptmanns  nit  abscblageu,  sonder  das  gern  willig  trenlich  tbun,  als  ein 
geborsamer,  so  mir  ein  scbwere  sacb  wurdt  aufgeladen  von  meinem 
g.  berrn,  geborsam  sein.  aber  G.  gimstige  liebe  berrn.  das  der 
pfarvorweser  Jo  ban  n  Eberle  anzeigt,  wie  icb  als  vff  der  engel- 
mefi  vor  E.  G.  sey  verclagt  worden  von  burgermeister  und  ratb 
zu  Lentersbansen  meins  strefflicben  lebens  balben,  also  das 
icb  von  E.  G.  sey  genrlaubt  worden,  spart  er  die  wabrbeit 
vnd  zeigt  E.  G.  vnrecbt  an,  das  dan  nit  seltzam  bei  im  ist.  'icb 
bin  vor  einem  jar  durcb  berrn  Johann  Rurer  mit  vorwilliguug  des 
pfarrers  zuScbalckbausen  aucb  einer  gantzen  gemeyn  alda  zu  ei- 
nem pfarrer  verordent  worden  vnd  nit  anders  dran  war,  dann  das 
icb  solt  aufziehen,  in  dem  baben  die  von  L enter sbaus en  svplicirt, 
das  in  gemelte  engelmefi  pfriindt  zu  gemeynem  nutz  wurd  gestattet, 
aber  do  mir  mein  g.  b.  marggraf  Fridericb  Thumbprost  nit  wolt 
leyben,  must  icb  also  pleiben,  derbalben  zeucb  icb  micb  vff  dem 
amptmann.  weiter  so  zeigt  der  pfarvorweser  an,  wie  wir  uutuglicb 
leut  sein  zu  der  seelsorg  vnd  sein  gewissen  nacb  seine  pfarrkioder 
nit  gern  wolt  mit  vns  beladen  etc.  in  diesem  anzeigen  kan  vnd  mag 
gespurt  vnd  erkant  werden  sein  gemut  vnd  vnbestendigkait,  dan 
er  bat  vns  vorbin  darzu  wollen  treiben,  aucb  so  bab  icb  im  vorbin 
xvj  wocben  die  gantz  pfarr  verwesen  in  alien  dingen  vnd  mein  lid- 
Ion  scbwerlicb  durcb  vill  verclagen  von  im  bab  mussen  bringen;  do 
icb  nit  mehr  sein  diener  wolt  sein,  hat  er  micb  gescholten  ein  ver- 
echter  des  evangelii,  so  icb  vor  im  das  evangelium  predigt  bab  zu 
Leutersbauseu  aucb  an  vil  enden  in  diesem  loblicben  furstentum. 
aucb  so  ist  sein  leer  groblich  vermischt  mit  gift,  dan  er  ist  also  grob 
mit  seinem  scbenden  vndschmeben,  dafi  sicb  das  gemein  volck  sebran  im 
ergert,  dan  dickermals  auf  der  cantzel  vns  vicarii  gescbmehet,  daskeiner 
mit  vns  kain  gemeinscbaft  soil  baben,  wie  wir  im  bann  seyn,  do 
creutz  fur  sich  macben,  wue  wir  geen,  speyen  an  den  wegk,  do  wir 
seyn,  ebr  wolt  vns  gern  aus  dem  chor  treyben,  so  steen  es  der  obrig- 
keit  zu ;  auch  mufibei  vns  steen  vnd  mit  vns  singen,  ebr  thuns  nit  gern,  ehr 
las  sew  vnd  hundt  bei  im  stehen,  auch  so  lobt  ehr  sich  allein,  das 
er  zwifacher  eer  schuldig  sey  vnd  mehr  vmb  das  predigtampt  verstee, 
dann  zweitausent  priester.  auch  auf  der  cantzell  itzund  gesagt, 
ehr    mufi    bei  den    hundert  fl.  einbufien,    konn  kein    allmusen    mehr 

Beitrage  Eur  baycr.  Kirchengescbichte  XI.  1.  3 


34  fiatteiger,  Zur  Geschichte  des  Pietismus^  m  Bayreuth. 

gebeD;  auch  wan  ehr  die  comunicanten  verhort,  do  ebr  solt  handeln 
mit  dem  hell  der  seelen,  so  bandelt  ehr,  das  im  die  paurcu  soIIcd 
holtz  fhuren;  auch  so  ist  ehr  ein  vrsacher  mit  seiner  selltzanier 
form  der  verhor  in  den,  das  ehr  ein  itzlichen  menschen  anschreibt, 
was  standts  ehr  sey  vnd  von  wegen  seiner  fragstuck,  das  vil  men- 
schen heur  das  sacrament  nit  h'aben  entpfangen;  auch  so  khan  er  sein 
stolzen  geist  nit  bergeu,  dan  ehr  nymbt  sein  weib  an  sein  seytten 
vnd  trit  oifentlich  an  den  feirt^eu  auffs  scherpfst  zum  thor  hinans 
vnd  wann  in  ein  paur  ein  wenig  beschreit,  so  predigt  ehr  auff  der 
cantzel  davon,  auth  so  mufi  man  im  vorklingen  mit  eincr  schellen, 
wann  er  will  eineu  berichten  in  der  stadt;  vnd  weifi  das  volck  nit, 
ob  er  ein  geweihte  hostie  bei  im  trSgt  oder  bei  dem  kranken  conse- 
crieren  will,  vnd  geschicht  doch  eer  vnd  reverentz  als  wie  vor  alt- 
her.  solche  stuck  vnd  andere  mehr  handelt  ehr  nauh  seinem  kopff. 
sagt  sein  ordnung  sey  recht.  das  hab  ich  auch  E.  G.  nit  wollen 
verhalten,  diew«il  ehr  mich  unbillicher  each  gegen  E.  G.  verclagt 
hat  vnd  mit  der  wahrheit  nit  beweisen,  das  er  bat  furhracht;  begert 
mich  also  vnverdienter  sach  mit  meinem  weibe  vnd  cleinen  kindle 
von  dem  pfrundle  zu  treiben,  so  ich  mich  doch  lafi  an  ein  gantz  ge- 
meyn  leer  vnd  lebens  halben.  bit  hierumb  vmb  gottes  willen,  E.  G. 
woUe  kein  vngnadt  aufF  des  pfarrvorwesers  gegen  mir  schSpffen  vn 
diese  meine  entschuldiguug  mit  gnaden  aunehmen,  dan  ich  vrbutig 
bin,  mich  allzeit  zu  halten  nach  vnsers  g.  h.  ordnung  vnd  refor- 
mation, das  will  ich  mit  meinem  gebet  allzeit  gegen  gott  vmb  E. 
G.  laug  leben  geflifien  sein  zu  bitten. 

Endres  Tetelbach  E.  G.  vndertheniger  caplan. 
Copie  im  Kgl.  Preufi.  Staatsarchiv   zu  Konigsberg  i.  Pr.     A  3. 
Beilage  IV  ad  3.  3.  46. 

(Schlufi  folgt.) 


Zur  Geschichte  des  Pietismus  in  Bayreuth. 

Nachtrage. 

Von  Dr,  J.  Batteiger  in  Germersheim. 

I. 

In  meinem  Buche  „Der  Pietismus  in  Bayreuth"^)  babe 
ich  darauf  hingewiesen,  daB  Paul  Eugen  Layriz  seit  1731 
an  der  gelehrten  Schule  in  Neustadt  a.  d.  Aisch  in  pietistischem 
Sinne  wirkte,  zugleich  mit  Sarganeck^).  Nach  dem  Weggang 
des    Superintendenten   Steinmetz    im  Jahr   1732   traten    diese 


1)  Berlin  1903  (E.  Ebering). 

2)  A.  a.  0.  S.  86  f. 


featteiger,  Zur  Geschichte  des  tietismus  in  Bayreuth.  55 

beiden  an  die  Spitze  der  verwaisten  Pietistengemeinde  ^),  bis 
1735  auch  Sarganeck  dieser  Stadt  den  Riicken  wandte,  und 
Layriz  nur  an  Steinmetzens  Nachfolger,  dem  neuen  Super- 
intendenten  Lerche,  einigerinaCen  eine  Stiitze  fand^).  Seit  1732 
unterhielt  Layriz  eine  lebhafte  Korrespondenz  mit  Zinzendorf 
und  andern  Gliedern  der  Briidergemeinde.  Wahrscheinlich  war 
er  1732  bei  der  frankischen  Reise  des  Grafen  mit  diesem  bekannt 
geworden.  Wenigstens  wird  diese  Annahme  nahe  gelegt  durcli 
die  Tatsache,  daB  der  Briefwechsel  erst  mit  dem  Jahre  1732 
einsetzt^).  In  den  Jahren  nach  dem  Tode  des  Markgrafen 
Georg  Friedrich  Karl,  ^Is  der  Pietismus  im  Bayreuther  Land 
langsam  aus  seiner  belierrschenden  Stellung  verdrangt  wurde, 
machte  Layriz  sich  allmahlich  mit  dem  Gedanken  vertraut,  sich 
eine  andere  Wirkungsstatte  zu  suchen.  Ohne  daC  Angaben  in 
seiner  Korrespondenz  sich  finden,  gehen  *wir  doch  kaum  irre, 
wenn  wir  fiir  seinen  EntschluB  die  namlichen  Griinde  annehmen, 
die  einen  Flessa  nach  Altona,  einen  SilchmuUer  ins  Exil  nach 
Kulmbach  trieben.  Eine  innere  Hinneigung  znr  Briidergemeinde 
mag  endlich  den  Ausschlag  gegeben  haben,  daC  Layriz  1742 
als  Seminardirektor  nach  Marienborn  ging.  Gerade  fiber  diesen 
Abschied  von  Neustadt  bieten  seine  Briefe  im  Herrnhuter  Archiv 
ziemlich  genauen  AufschluB. 

Es  lafit  sich  nicht  sicher  feststellen,  wann  der  Gedanke, 
Nenstadt  a.  A.  zu  verlassen,  bei  Layriz  bestimmte  Gestalt  an- 
genommen  hat.  Im  Marz  1741  schreibt  er  an  ein  Mitglied  der 
Briidergemeinde,  es  sei  ihm  seit  langer  Zeit  klar,  dafi  in  Neu- 
stadt nicht  seines  Bleibens  sei.  „Es  war  mir  aber  noch  nicht 
klar,  wohin:  bis  der  Antrag  wegen  Magdeburg  vor  fiinfviertel 
Jahren  kam.    Da  wurde   ich  dorthin   geneigt  und  zu   gehen 


1)  Vgl.  die  beiden  von   mir  a.  a.  0.    S.   158  ff.   mitgeteiiten  Briefe  • 
Layriz,  an  Zinzd. 

2)  A.  a.  0.  S.  113.  —  Am  15.  Juli  1733  schreibt  dagegen  Layriz 
uber  Lerche  an  Zinzd.:  ^Bey  uns  sieht  es  doch  recht  betrtibt  ans  und 
unsere  Umstande  beugen  mich  recht  sehr.  Unser  Superintendent  ist  zwar 
freundlich,  liebreich  und  gut;  aber  es  fehlt  doch  was.** 

3)  Die  Originale  im  Herrnhuter  Archiv.  Allerdings  ist  nicht  aus- 
geschlossen,  daB  friihere  Briefe  Layrizens  verloren  sind.  —  Briefe  von 
Zinzd.  und  andern  Herrnhutern  an  Layriz  sind  im  Herrnhuter  Archiv  nicht 
vorhanden. 

3* 


36  Batteigcr,  Zur  Geschichte  des  Pietismus  in  Bayreuth. 

bereit  gemacht.  Icb  antwortete  aber  auf  den  ersten  Antrag 
gar  nichts."  Er  besprach  sich  dann  dariiber  mit  Zinzendorf, 
der  ihm  riet  zu  gehen.  Weiter  schreibt  er  in  diesem  Brief, 
daU  am  letzten  Tag  des  Jahres  1740  eine  Vokation  des  Abtes 
Steinmetz  folgte,  and  in  „voriger-*  Woche  habe  er  seine  Dimission 
gefordert^.  Es  lilCt  sich  nicht  ergriinden,  was  mit  dem  ,,  An- 
trag wegen  Magdeburg"  der  in  den  Anfang  des  Jahres  1740 
fallen  tnuB,  and  der  „ Vokation  des  Abtes  Steinmetz"  am  Ende 
des  Jahres  1740  gemeint  ist.  Lediglich  der  groBe  zeitliche 
Abstand  legt  die  Vermutung  nahe,  dafi  es  sich  um  zwei  ver- 
schiedene  Dinge  ban  del  t.  Soviel  geht  jeden  falls  daraus  hervor, 
daB  Layriz  im  Jahr  1740  den  Gedanken,  aus  Nenstadt  zu 
scheiden,  energischer  ins  Auge  faBte.  Eine  Reise  nach  Kloster 
Bergen  zu  Steinmetz  im  Marz  1740^)  und  zu.  Zinzendorf  im 
August  dieses  Jahres^)  mogen  das  Ihre  dazu  beigetragen  haben. 
Wie  es  mit  der  im  Marz  1741  erbetenen  Dimission  stebt,  ob 
sie  durch  Steinmetzens  Vokation  oder  durch  einen  andern  An- 
trag veranlaBt  war,  ob  Layriz  selbst  sein  Gesuch  um  Ent- 
lassung  wieder  zuriicknahm,  oder  ob  der  Markgraf  es  abschlag- 
lich  beschied,  laBt  sich  nicht  entscheiden.  Jedenfalls  blieb 
Layriz  noch  wahrend  des  Jahres  1741  in  Neustadt  a.  d.  A. 
Erst  im  folgenden  Jahr  1742  horen  wir  aufs  neue  von  einem 
Plane,  zu  wandern.  Dieses  Mai  war  die  Brudergemeinde  sein 
Ziel.  Am  29.  Mai  1742  schreibt  er*):  „Dem  Herrn  Superinten- 
denten  und  meinen  KoUegen  habe  ich  declariret,  daB  ich  von 
hier  weg  und  zur  Gemeine  gehen  wiirde.  Sie  haben  mir  aber 
sehr  angelegen,  es  nicht  jetzt  und  zu  einer  solchen  Zeit  zu 
thun,  da  der  Ruin  der  Schule  augenscheinlich  damit  verkniipft 
ist.  Es  sind  von  der  Herrschaft  den  Praeceptoribus  350  fl.  frk, 
Besoldung  eingezogen  und  von  den  Gotteshausern  zu  refundiren 


1)  P.  E.  Layriz  an  Jonas  Paul  Weifi  in  Herrenhag,  Neustadt  a.  d. 
Aisch,  19.  Marz  1741. 

2)  Diese  Reise  beweist  ein  Brief  Layriz'  an  Zinzd.,  datiert  Kloster 
Bergen,  16.  Marz  1740. 

3)  Am  9.  Aug.  1740  sciireibt  Layriz  im  Auftrag  Zinzendorfs  an 
,,Monsieur  Deubler,  Ministre  de  la  parole  de  Dieu  k  Preiselbach''. 

4)  Der  Brief  tragt  keine  Adresse,  ist  aber  an  ein  Mitglied  der  Brttder- 
gemeinde,  vielleicht  an  den  Bischof  Polykarp  Mfiller  in  Marienborn,  mit 
dem  Layriz  damals  lebhaft  korrespondierte,  gerichtet. 


Batteiger,  Zur  Geschichte  des  Pietismus  in  Bayreutb.  37 

angewiesen  worden,  daraus  nicht  50  fl.  zu  nehmen.  Man  hoffet 
aber  mit  Grund,  daU  die  Herrschaft  diese  abgeschlichene  Ver- 
ordnung  werde  cassiren  .  .  .  Meiu  Bruder,  wenn  Sie  es  doch 
wollten  in  der  Conferentz  vortragen  und  mir  Verhaltungs- 
ordre  schreiben.  Denn  mein  Herz  ist  doch  nicht  mein,  sondern 
des  lammes,  und  ich  kan  mich  nicht  anderst  ansehen,  als  ein 
Glied  der  Gemeine,  davon  der  HeiT  das  Haupt  ist,  und  also 
erwarte  und  hofife  auch  darinnen  Zurechtweisung  wie  ein 
Kind  .  .  ." 

Bereits  anfangs  Juni  ist  er  entschlossen,  vielleicht  auf 
eine  Anweisung  von  Herrnhut  hin,  ohne  Riicksicht  auf  die 
Verhaltnisse  an  der  Neustadter  Schule  seine  Entlassung  zu 
fordern.  „Es  ist  einmal  mein  Herz  nicht  mehr  mein  sondern 
des  lammes  und  auch  nicht  mehr  zu  Neustadt  sondern  bey 
seiner  Gemeine.  Daher  ich  ohne  Reflexion  auf  die  andern 
Umstande  alle  meine  Dimission  fordern  werde,  sobald  meinen 
bevorstehenden  actum  oratorium,  der  auf  den  19.  Juli  gesezt 
ist^  werde  gehalten  habeu^)."  Die  Ausfiihrung  seines  Vor- 
habens  wurde  jedoch  noch  verzogert^  wenn  auch  nicht  durch 
seine  Schuld.  Im  Juli  1742  klagt  er^):  „Nun  sollte  ich  meine 
Dimission  fordern.  Der  Markgraf  aber  reist  herum,  ist  jetzt 
in  Stuttgart,  wird,  dem  Vernehmen  nach,  von  dort  aus  nach 
Berlin  gehen,  und  bey  dem  Geheimden-Raths-CoUegio,  wo  in 
Serenissimi  Abwesenheit  alles  mufi  gesucht  werden,  besorge 
viel  mehr  Schwiirigkeiten.  Ich  bitte  mir  also  der  theuern 
Altesten  ihren  Rath  aus,  ob  ich  auf  Serenissimi  VViederkunfft 
warten,  oder  in  dieser  Zeit  meine  Dimission  fordern  soil,  in- 
gleichen,  ob  ich  in  meinem  memoriali  bios  meinen  Abschied 
fordere,  oder  zugleich  mitgedencke,  da6  ich  im  Namen  des  Herrn 
entschlossen  zur  Gemeine  zu  gehen,  und  daselbst  im  Seminario 
mit  Hand  anzulegen,  nach  dem  Maas  der  Gnade,  so  mir  ge- 
schenckt  wird?  ...  Es  thun  manchmal  meine  Collegen  recht 
jammerlich  um  mich  herum,  dafi  ich  noch  gehen  will."  Offen- 
bar  gab  der  Bischof  der  Briidergemeinde,  Polykarp  Muller  in 
Marienborn   ihm  den  Rat,   sein  Abschiedsgesuch  sofort  einzu- 


1)  Layriz  an  Polykarp  Muller  in  Marienborn,  Neustadt  a.  A.,  13.  Juni 
1742.     (Kopie  im  H.  A.). 

2)  Layriz  an  Polyk.  Miiller,  Neustadt  a.  A.,  20.  Juli  1742. 


38  Batteiger,  Zur  Geschichte  des  Pietismus  in  Bayreatfa. 

reichen,  denn  am  8.  August  schreibt  Layriz  an  MuUer:  „Sonn- 
abends  empfing  ich  ihr  Schreiben,  Sonntags  darauf  verfertigte 
ich  mein  Memorial  um  meine  Dimission  und  sandte  es  unter 
unsers  Herm  Superintendenten  Couvert  nach  Bayreuth.  Nun 
erwarthe  ich  denn,  wie  mich  das  gute  lamm  aus  alien  Schwiirig- 
keiten  gar  herausftihren  wird.  Vor  Michaelis  sehe  ich  nun  doch 
nicht  wegzukommen,  weil  sich  dort  erst  der  cursus  lectionum 
schliefiet^)."  Das  Bayreuther  Konsistorium  sandte  sein  Memo- 
rial an  den  Markgrafen  Fried  rich.  Doch  verging  ein  ganzer 
Monat,  ohne  dafi  irgend  eine  Entscheidung  dartiber  erfolgte. 
Wohl  aber  fiirchtete  man,  wegen  dieses  Gesuches  mochte  die 
Ungnade  des  Markgrafen  auf  die  Neustadter  Schule  fallen^). 
Uber  seine  weiteren  Schritte  in  seiner  Angelegenheit  berichtet 
Layriz  am  25.  September  an  ein  ungenanntes  Mitglied  der  Briider- 
gemeinde,  vielleicht  an  Miiller^):  „Bis  jetzt  habe  noch  keine 
Resolution  vom  Hofe  .  .  .  Vorgestern  habe  aufs  neue  an  den 
dermaligen  Hofprediger  Schmid*)  in  Bayreuth  geschrieben,  der 
des  Markgrafen  Ohr  hat,  und  ihn,.  da  wir  ehehin  in  Leipzig 
nach  der  Welt  Art  gute  Freunde  gewesen,  sehr  instandig  er- 
suchet,  mir  die  Liebe  zu  thun  und  mir  durch  seine  Cooperatio 
meine  Dimission  zu  verschaffen." 

Da  auch  dieses  Schreiben  erfolglos  blieb,  wandte  sich  Layriz  am 
5.  Oktober  ^)  in  einer  franzosischen  Immediateingabe  (franzosisch, 
damit  dieser  es  lesen  moge)  an  den  Markgrafen.  Dieser  las  es 
und  gab  es  an  Superville,  bei  dem  es  ohne  Resolution  liegen 
blieb.  Diese  Verzogerung  erklart  Layriz  sich  damit,  daC  er 
in  seinem  Memorial  an  den  Markgrafen  angegeben  hatte,  er 
woUe  sich  nach  Marienborn  zur  Briidergemeinde  begeben.  Nun 
woUe  man  nicht  „ durch  eine  rasche  Dimission  seinen  Vorsatz 
approbiren".  Als  er  erfuhr,  daC  seine  Eingabe  bei  Superville 
liege,  reiste  er  am  13.  November  zu  diesem  nach  Erlangen. 
Superville  versprach  ihm,  mit  dem  Markgrafen  von  dieser  An- 
gelegenheit   zu   reden.     Doch  vergingen   abermals    acht  Tage, 


1)  Layriz  an  Polyk.  Miiller,  Neustadt  a.  A.,  8.  August  1742. 

2)  Layriz*  Brief,  Neustadt  a.  A.,  3.  September  1742,   ohne  Adregse. 

3)  Neustadt,  25.  September  1742. 

4)  Der  Hofprediger  'Joh.  Christ,  Schmid. 

5)  Vgl.  Beilage  I. 


Batteiger,  Zur  Geschichte  des  Pietismus  in  Bayreuth.  39 

ohne  daC  eine  Antwort  erfolgte.  Deshalb  richtete  er  am 
19.  November  ein  zweites  franzosisches  Gesuch  „durch  einen 
andern  Canal"  an  den  Markgrafen  ^).  Dieses  Mai  waren  seine 
Bemuhungen  von  Erfolg  gekront.  Bereits  eine  Woche  spMer, 
am  27.  November  1742  berichtet  er  voUer  Freude  an  Polykarp 
MttUer,  dafi  er  endlich  (am  22.  November)  seinen  Abschied  er- 
halten  habe^).  Er  hat  es  sehr  eilig, .  von  Neustadt  a.  Aisch 
wegzukommen.  Am  10.  Dezember  scbreibt  er  an  Muller,  er 
woUe  am  kommenden  Montag  16.  Dezember  von  Neustadt  ab- 
reisen  und  denke  Freitag  20.  Dezember  in  Marienborn  einzu- 
treffen  und  dem  Bischof  „die  Hand  zu  kiissen".  Er  wunscht, 
daB  zwei  ,,Bruder",  Hoger  und  Busch  ihm  bis  Hanau  ent- 
gegenkamen  ^).  Es  ist  wohl  anzunehmen,  dafi  Layriz,  wenn  es 
ihm  moglich  war,  diese  Reisedisposition  eingehalten  hat.  Ge- 
naues  lafit  sich  nicht  sagen;   sein  Briefwechsel  bricht  hier  ab. 

n. 

S.  45  meines  Buches  wird  ein  Traktat  „Milch  fiir  die 
Unmiindigen^^  erwahnt,  der  in  dem  Waisenhaus  zu  Bayreuth 
als  Lehrbuch  fiir  den  Religionsunterricht  bei  den  kleineren 
Schiilern  dient,  und  der  in  einfacher  Form  von  den  Vorteilen 
einer  fruhzeitigen  Bekehrung  handelt.  In  der  Bibliothek  des  Herrn- 
huter  Archivs  befindet  sich  ein  kleines  48  Seiten  starkes  Biich- 
lein  in  12",  das  den  Titel  tragt: 

„Milch  fiir  die  Unmiindigen  Kinder  oder  Kurtze  und  deut- 
liche  Anweisung  zum  Wahren  Christenthum  denen  Einfaltigen 
zum  Besten  aus  hertzlicher  Liebe  herausgegeben  Im  Jahr  1729. 
Zweyte  verbesserte  Auflage.  Jena,  bey  Johann  Friederich 
Rittern."  Es  kann  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  daC  wir 
darin  den  in  Bayreuth  gebrauchten  Traktat  vor  uns  haben. 
Demselben  ist  folgende  Vorrede  vorangeschickt: 

„Geneigter  Leser.    Auf  Verlangen   eines   vornehmen   und 


1)  Layriz  an  einen  ungenannten  „Bruder^,  wohl  Muller,  Neustadt  a.  A. 
20.  November  1742.  Das  Gesuch  findet  sich  in  Abschrift  auf  der  letzten 
Seite  dieses  Briefes.    (S.  Beilage  I.) 

2)  Layriz  an  P.  MUller,  Neustadt  a.  A.,  27.  November  1742.  Auf  der 
3.  Seite  des  Briefes  eine  Abschrift  seiner  Diraission.     (S.  Beilage  II.) 

3)  Layriz  an  P.  Muller,  Neustadt  a.  A.,  10.  Dezember  1742. 


40  Batteiger,  Zur  Gescbichte  des  Pietismns  in  Bayrenth. 

angesehenen  Mannes  sind  diese  wenige  Blatter  den  einfaltigeu 
KindeiTi  zura  Besten  aufgesetzt  worden:  Weil  man  wahrge- 
nommen,  daK  die  meisten  Biicher,  die  uns  von  Christlicher  Lehre 
unterweisen,  vor  Kinder  zu  schwer  und  zu  weitlauftig  sind. 
Daher  man  sich  bemtthet,  hlerin  alles  kurtz  und  deutlich  vor- 
zutragen,  was  einem  Kinde  insonderheit  zu  wissen  niitzlich  und 
nothig  ist.  Die  Spruche  heiliger  Schrifft,  welche  die  kurtzen 
Satze  entweder  erlautern,  oder  beweisen,  sind  deswegen  dabey 
angezeigt,  daB  Eltern  oder  Praceptores,  die  etwa  dieses  Biich- 
lein  bey  ihren  Kindern  zu  brauchen  belieben,  dieselben  auf 
Gottes  Wort  fuhren  konten.  Grott  segne  diese  wenigen  Blatter 
iiberschwanglich  und  lasse  sie  zu  seines  Nahraens  Ehre  gereichen. 
Jena,  den  24.  Februar  1729." 

Das  Biichlein  ist  nicht  in  Frage  und  Antwort  abgefaCt, 
sondern  es  werden  kurze  darlegende  Satze  aneinander  gereiht, 
zuweilen  durch  ein  „Nun  mercke,  liebes  Kind"  (S.  6.  26),^Hore 
weiter  liebes  Kind"  (S.  7.  13),  „Bedencke  doch  ferner  liebes 
Kind"  (S.  12)  und  ahnliche  Ausdriicke  eingefuhrt.  So  zei'fallt 
das  Gauze  in  kleine  Abschnitte  von  zwei,  drei  oder  mehr 
Satzen.  '  Unter  jedem  derartigen  Abschnitt  werden  zum  Beweis 
des  Vorgetragenen  einige  Stellen  der  heiligen  Schrift  angegeben. 
Die  Darlegung  beginnt  mit  dem  Dasein  Gottes:  „Liebes  Kind, 
Wenn  du  den  Himmel  und  die  Erde  auch  deinen  Leib  ansiehest; 
so  dencke:  es  sey  ein  Gott.  Hiob  12,  7.  8.  9.  Rom.  1,  19.  20." 
(S.  3).  Von  Gottes  Eigenschaften  und  Wesen  leitet  sie  iiber 
zur  Schopfung  der  Welt  („Gott  hat  Himmel  und  Erde  aus 
Nichts  gemacht  durch  seinen  lieben  Sohn".  S.  6)  und  des 
Menschen.  Vom  Urstande  des  Menschen  heifit  es  (S.  8): 
„Darum  konnte  Adam  und  Eva  den  lieben  Gott  und  alles,  was 
Gott  gemacht,  und  alles,  was  Gott  befohlen,  vollig  erkennen. 
Sie  konnten  alles  Bose  meiden,  alles  Gute  thun  und  Gott  liber 
alles  fiirchten,  lieben  und  vertrauen.  Sie  hatten  auch  einen 
schonen  Leib,  und  wiirden  nicht  gestorben  oder  krank  geworden 
seyu,  wenn  sie  nicht  Slinde-  gethan  hatten."  Der  Siindenfall 
ist  eine  Wirkung  des  in  der  Schlauge  verborgenen  Teufels 
(S.  10).  Infolgedessen  „siDd  nun  alle  Menschen  und  Kinder 
von  Natur  bose  und  mussen  sterben.  Rom.  5,  12".  Charakte- 
ristisch  flir  den   pietistischen  Geist   des  Schriftchens   heifit   es 


Batteiger,  Zur  Geschfchte  des  Pietismus  in  Bayreuth.  i{ 

hier  (S.  10  fi):  „0  liebes  Kind,  wie  b6se  bist  du  in  die  Welt 
gekommen!^  „Du  freust  dich  mehr  uber  Zucker,  Honig,  und 
andere  Speisen,  die  dir  wohl  schmecken  als  liber  den  Herrn 
Jesum."  „Du  haltst  dich  wohl  vor  frdmmer  und  besser  als  andere 
Kinder."  „Alle  diese  Sunden  kommen  vom  Teufel."  tJber- 
haupt  wird  der  Name  des  Teufels  nicht  allzn  sparsam  ge- 
braucht. 

„Aber  hore  doch,  dn  liebes  Kind,  und  mercke  auf"  (S.  13) 
leitet  iiber  zu  den  Satzen,  die  von  Christi  Person  und  Werk, 
von  BuBe  und  Bekehrung  handeln.  Die  Forderung  der  Be- 
kehrung  wird  damit  begrlindet,  daK  „du  das  in  der  Taufe  dem 
lieben  Gott  abgelegte  Versprechen  nicht  gehalten,  sondern  ihn 
mit  mutwilligen  wissentlichen  Sunden  betriibt  hast,  darum  rauBt 
du  deinen  Sinn  andern"  (S.  20).  Aber:  „Ach  liebes  Kind,  nie- 
mand  als  der  Herr  Jesus,  kan  deinen  bSsen  Sinn  andern  und 
dieses  will  er  auch  gerne  tun"  (S.  23).  Darum  folgt  die  Mahnung 
(S-  24  f.):  „Bitte  den  Herrn  Jesum,  und  h6re  ja  nicht  auf  mit 
Bethen,  bis  er  dich  ferhore  und  dir  eiu  neues  Hertz  feebe. 
Matth.  7,  7.  —  Ach,  liebes  Kind,  warum  wilt  du  solches  nicht 
gleich  heute  noch  thun?  wilt  du  denn  nicht  bald  selig  seyn?  — 
O  bedencke  doch,  daB  Christum  lieb  haben  tausend  mal  suBer 
und  lustiger  sey,  als  dem  Teufel  zu  gehorchen  und  sundliches 
Spiel  zu  treiben.  Ps.  34,  9.  —  Wenn  ein  Kind  stindigt,  hat 
es  nichts  als  Unruhe  und  Quahl  davon:  aber  der  Herr  Jesus 
erfreuet  das  Hertz  frommer  Kinder  rait  der  siiBesten  Lust. 
Esa.  48,  22.    61,  10.    Ps.  32,  11." 

Den  SchluB  des  Biichleins  bildet  eine  lange  Reihe  von 
Erraahnungen  und  VorschrifteD,  wie  das  Kind  sich  verhalten 
muB,  ,,wenn  du  ein  Schaflein  Christi  seyn  und  bleiben  wilt." 
Nahezu  die  Halfte  des  Buchleins,  20  Seiten  (S.  26—46)  ist 
von  diesen  in  kasuistischer  Weise  ausgeftihrten  Mahnungen  an- 
gefuUt.  Vom  Gebet  heifit  es  (S.  29  ff.):  „Wenn  du  des  Morgens 
aufwachest,  so  dencke  gleich  an  den  Herrn  Jesum  und  sprich: 
Lieber  Herr  Jesu,  ich  dancke  dir,  daB  ich  gesund  aufgewachet 
bin,  und  daB  du  mich  so  gnadiglich  und  vaterlich  bewahret." 
„Wenu  du  aus  deinera  Bette  aufgestandeii,  so  falle  auf  deiue 
Knie,  und  sprich:  Lieber  Herr  Jesu,  gib  mir  heute  deinen 
heiligen  Geist  in  mein  Hertz,  daC  ich  nichts  Boses  thun  moge. '' 


42  Batteiger,  Ziir  Geschichte  des  PietismnB  in  Bayreuth. 

Beim  Anlegen  der  Kleider  soil  das  Kind  beten,  der  Herr  Jesus 
moge  sein  Herz  schmucken  mit  seiner  Liebe,  wahrem  Glauben, 
herzlicher  Demut  und  rechtschaffener  Aufrichtigkeit.  Beim 
Waschen  soil  es  an  Christi  Blut  denken,  das  uns  von  alien 
Slinden  reinigt.  Den  ganzen  Tag  soil  es  bestrebt  sein,  sein 
Herz  auf  Christus  zu  richten,  und  imraerdar  seufzen:  „Gedencke 
meiner,  mein  Gott,  im  Besten."  (S.  30.)  Beten  soil  das  Kind 
auch  dann,  wenn  es  keine  Lust  dazu  hat.  Wenn  es  keine 
Worte  hat,  soil  es  doch  seufzen  im  Herzen,  da  ja  der  Herr 
ohnehin  nicht  will,  daC  man  viele  Worte  mache.  Nicht  gerade 
geschmackvoll,  aber  echt  pietistisch  heifit  es  (S.  51):  „Wenn 
dir  das  Essen  gut  schmeckt,  so  dencke:  ach  lieber  Herr  Jesu, 
wie  sttfi  bist  du  doch :  du  bist  noch  tausendmahl  suBer  als  diese 
Speise  und  Tranck." 

An  die  Mahnung  zum  Beten  schlieCen  sich  (S.  33  ff.)  Vor- 
schriften  iiber  Sonntagsheiligung,  Kirchengehen,  Betragen  in 
der  Kirche:  „Habe  keine  fremde  Gedancken,  plaudere  nicht, 
spiele  nicht  und  lache  nicht  in  der  Kirche;  sondeni  bethe,  singe, 
und  hore  fleifiig  zu,  und  mercke  insonderheit,  was  von  dem 
Herrn  Jesu  gepredigt  wird."  „Erzehle  zu  Hause,  was  du  in 
der  Kirche  gehort  und  behalten."  Unter  den  kasuistischen 
Vorschriften  vom  Verhalten  gegen  die  Eltern  findet  sich  der 
padagogisch  etwas  bedenkliche  Satz  (S.  37):  „Wenn  deine 
Eltern  was  Boses  befehlen,  so  folge  nicht,  sondern  sage:  lieber 
Vater,  liebe  Mutter,  das  hat  Gott  verbothen."  Auch  wird  nicht 
vergessen,  wie  das  Kind  sich  in  der  Schule  und  auf  dem  Wege 
zur  Schule  oder  von  der  Schule,  gegen  andere  Menschen,  be- 
sonders  gegen  andere  Kinder  verhalten  soil  (S.  39 ff.).  Freilich 
werden  nicht  allzuviele  die  Vorschrift  beachtet  haben  (S.  41): 
„Wenn  du  von  andern  Kindern  ausgelacht,  gescholten,  oder 
geschlagen  wirst,  so  must  du  nicht  bose  werden,  nicht  zanckeu, 
nicht  schelten,  nicht  schlagen,  nicht  schmeissen,  sondern  den 
Herrn  Jesum  bitten,  dafi  er  das  bose  Kind  bekehren  und  ihm 
seine  Stinden  vergeben  wolle."  Dagegen  mochte  es  manchem 
zur  Aiigeberei  geneigten  Kinde  nicht  unerwlinscht  sein,  zu 
horen  (S.  44):  „Will  ein  andres  Kind  was  hinwegnehmen,  das 
nicht  sein  ist;  so  sage  ihm,  es  solle  in  den  1.  Gott  nicht  betrilben. 
Will  sich  aber  das  bose  Kind  nicht  sagen  lassen,  sondern  nimmt 


Batteiger,  Zur  Gescbicfate  des  Pietismus  in  Bayreuth.  43 

es  doch  hinweg:  so  gib  solches  an,  aus  hertzlicher  Liebe  und 
nicht  aus  HaB." 

Zum  SchluB  (S.  47  f.)  wird  geredet  von  dem  ewigen  Leben, 
das  dessen  harrt,  der  ein  „treues  ScMflein  Christi"  bleibt  bis 
in  den  Tod.  „Die  Seele  glaubiger  Kinder  wird  von  den  1.  Engeln 
in  das  Paradies  getragen."  „Der  Herr  Jesus  wird  sicli  iiber 
dir  freuen."  „Er  wird  dir  eine  schone  Krone  auf  das  Haupt 
setzen."  „Da  wirst  du  dich  dann  ewig  freuen,  und  dicli  zu 
den  Fiissen  des  Herrn  Jesu  niederlegen  und  ewig  mit  den 
heiligen  Engeln  singen:  Amen.  Lob  und  Ehre,  und  Weisheit, 
Danck,  und  Preifi,  und  Krafft,  und  Starcke,  sey  unserm  Gott 
von  Ewigkeit  zu  Ewigkeit.     Amen.     Offb.  Job.  7,  12." 

Man  ersieht  aus  dieser  kurzen  Inhaltsangabe  deutlich  den 
pietistischen  Charakter  der  „Milch".  Auch  hier  zeigt  sich  wie 
bei  Silchmullers  Katechismus  das  Streben,  das  Gewissen  der 
Kinder  zu  rtihren,  den  Willen  zum  Guten  zu  lenken.  Das 
Gelernte  soil  sich  im  Leben  bewahren.  Uber  die  Person  des 
Verfassers  lafit  sich  weiter  nichts  sagen,  als  dafi  er  in  Jena 
lebte;  wahrscheinlich  war  es  einer  der  dortigen  pietistischen 
Theologen.  Wann  das  Buch  zuerst  erschien,  ist  ungewifi,  so- 
lange  nicht  ein  Exemplar  der  1.  Auflage  gefunden  wird.  Darftber, 
daB  es  in  dem  Bayreuther  Waisenhaus  eingefuhrt  war,  braucht 
man  sich  nicht  zu  wundern,  denn  in  der  Lehrmethode  war 
man  in  der  Bayreuther  Anstalt  abhangig  von  Jena^). 

Beilage  L 

P.  E.  Layriz'  Entlassungsgesuch  an  den    Markgrafeu 

Friedrich. 

Neustadt  a.  A.,   19.  Nov.   1742. 
Monseigneur,    Qu^il    plaise   a  Votre  Altesse    Serenissime   de  Se 
souvenir  tres-gracieusement   de  la   tres   bumble    reqnete^   que  j'ai   eu 


1)  In  dem  Konferenzbuch  des  Waisenhauses  (Bibl.  des  hist.  Vereins 
f.  Oberfr.)  beifit  es  unter  dem  3.  Oktober  1732:  „Heute  hat  man  den 
Anfang  gemacht  diejenigen  Erinnerungen  zu  lesen,  welche  von  Jena  aus 
communizirt  worden  und  die  Erziehung  und  Unterweisung  der  Kinder 
betreflfen.  Und  zwar  ist  zuerst  vorkommen,  was  die  in  den  Jenaischen 
Scbulen  arbeitenden  Praeceptores  fiir  Anmerkungen  iiberhaupt  gemacht, 
was  bey  der  Information  nStig  und  niitzlich  sey."  (Vgl.  die  ProtokoUe 
derKonferenzen  vom  8.  und31. Oktober,  14.  November  1732, 24.  Januar  1733.) 


44  Batteiger,  Zar  Geschichte  des  Pletismus  in  Bayreutb. 

I'honneur  de  Lui  presenter  le  5"^®  du  mois  pass^  dans  laquelle  j'ai 
address^  a  Votre  Altesse  Serenissime  mes  tres  humbles  prieres  de 
me  donner  gracieusement  ma  dimission.  Me  voiant  jusqu'a  cette 
heure  sans  aiieune  resolution,  et  trouvant  en  moi  une  veritable  im- 
possibility de  veiller  davantage  aux  affaires  de  la  literature  avec  la 
meme  application,  dont  j'ai  tach6  jusqu'a  cette  heure  regenter  Sa 
petite  ecole  d'ici:  je  La  supplie  cette  troisieme  fois  avec  le  plus  pro- 
fond  respect,  de  m'accorder  favorablement  ma  susdite  dimission, 
afinque  je  me  puisse  retirer  au  plutot  et  servir  plus  librement  a  notre 
Bon  Sauveur  le  reste  de  mes  jours.  Je  ne  manquerai  jamais  de  lui 
offrir  mes  voeux  ardens  pour  I'heureux  gouvernement  de  Votre  Altesse 
Serenissime  et  de  con  server  pour  cette  la  plus  profonde  veneration 
comme 

Monseignour 
D.  V.  A.  S. 
a  Neustadt  ce  19"*®  Nov.  1742. 

Le  tres  humble,  trfes  obeissant  et  tr^s  fid  el  Serviteur 

et  Sujet  P.  E.  Layriz. 

Beilage  IL 

Memor.  Rect.  Layrizens    zu   Neustadt    sonderllich    dessen 

Dimision  betr. 

Erlangen,   22.  Nov.   1742. 

Ad  Consistorium  ^),  uud  finden  Ihro  hochfurstl.  Durchl.  kein 
weiters  Bedenken,  Supplicireuden  Rectori  Layi'izio  zu  Neustadt  an 
der  Aisch  die  bisher  wiederholtermahls  unterthanigst  gesuchte  Dimis- 
sion zu  ertheilen :  defien  demnach  derselbe  zu  bedeuten  :  zugleich  aber 
auch  von  Consistorii  wegeu  der  ohnzielsezliche  Vorschlag  zur  Wieder- 
besezung  dieses  Rectorats  fordersamst  zu  erstatten  ist,  darbey  jedoch 
die  vorlauffige  gnadigste  Resolution  denhin  eroffnet  wird  daft  hochst- 
ermeldte  Ihro  hochfurstl.  Durchl.  auf  die  fernere  Beybehaltung  der 
seitherigen  Verfassung  des  Neustadt.  Schulwesens  reflectirt,  [und]^) 
auf  den  bisherigen  Conrectorem  Dorflern  daselbst,  der  vorzugliche 
Bedacht  genomen  werden  soUe. 

Erlaug  den  22*®^  Nov.   1742. 

F.  M.  Z.  B. 

Beilage  III. 
Die  Pietisten  zu  Erlangen  an   die  Brtidergemeinde. 

Erlangen,  den   11.  Juli   1741. 
Wertheste  Gemeine! 
Wir  erkennen  euch  vor   eine  Gemeine,    die    Jesus  Christus   ge- 
sainlet  und   auf  sein  Blut   und  Todt   gegriindet.     Wir  dancken  euch 


1)  Den  Anfang  hat  Layriz  offenbar  nicht  mit  abgeschrieben. 

2)  Lucke  im  Original.    Das  Wort  ist  nach  meiner  Vermutung  erganzt. 


Leffler,  Eine  Thiingensche  Treu-  und  Taufverordnung.  45 

hertzl.  vor  eure  Liebe,  die  Ihr  gegen  una  geliabt,  da  Ihv  uns  auch 
eures  Segens  einige  Zeit  her  habt  genifieii  lafien,  u.  euren  Bruder 
Lang  nebst  seiner  Frau  und  Liebs  Geschwisterten  zu  uns  geschickt 
habt.  Wir  mlifien  uns  als  todte  u.  zweymahl  erstorbene  Leute  er- 
kennen,  welche  die  erste  Liebe  verlafien  ii.  dujch  viele  eigne  Wege 
Zeit  u.  Krafte  verzebret  haben,  nun  aber  die  andere  mit  Schmerzen 
suchen  miifien,  wir  sehen  uns  vor  die  elendesten  in  dieser  Gegend 
an,  batten  dabero  eurer  Liebe  u.  Dienstes  vor  andern  nothig,  bittet 
den  lieben  beyland,  daft  er  euch  erlaube  eure  Briider  und  Schwester 
nocb  auf  einige  Zeit  bey  uns  zu  lafien.  theure  Gemeine  helfft  uns 
mit  bin  zum  Lame,  damit  wir  solcbes  mit  euch  bier  und  dort  preifien 
Konnen. 

Solches  bitten  wir  unterschriebene 

Balthasar  Memmert. 

Johann  Diestler. 
Nicolaus  Blenckert.  Johann  PfeufFer. 

Job.  Heinrich  LUdy  Albrecht  Behm 

Johann  Kornlender  Gottfriedt  Joscher 

Heinrich  Teutsch: 


Eine  Thiingensche  Trau-  und  Taufverordnung. 

Mitgeteilt  von 
Pf.  H.  Leffler  in  Bonnland  (Unter  frank  en). 

Im  Kirchenbuch  zu  Bonnland,  Dekanat  Weizenbach,  findet  sich 
folgender  Eintrag,  der,  obwohl  ahnliches  schon  aus  anderen  Gegen- 
den  bekannt,  doch  wegen  gewisser  Eigentiimlichkeiten  allgemeineres 
Interesse  in  Auspruch  nehmen  durfte: 

Aus  befelch  und  Ratification  des  Edlen  und  vhesten  Hans 
Albrechts  von  Thiingeu,  unsers  gbnstigen  gepietenden  Junckern, 
von  offener  Cantzel  einer  Kirchen  zu  Bonnland  am  24.  Sontage  nach 
Trinitatis  des  (1610)  Jars  publicirt  und  abgelesen: 

Demnach  wir  diirch  so  viel  aergerliche  Exempel  erfahren  und 
Innen  worden,  das  durch  Vielfeltiges  nachsehen  so  wenig  befierung 
bei  unsern  Unterthanen  und  eingepfarrten  erfolgen  wiel  (?),  das  Je 
laenger  Je  mehr  Unordnung  einreist,  und  dergleichen  Faelle,  sonder- 
lich  in  Ehesachen,  wider  Unsere  Zuversicht  von  Tagen  zu 
Tagen  sich  begeben,  also  haben  wir  es  hochdringender  uuvermeid- 
licheu  (?)  Notturft  nit  umbgehen  koennen,  die  vormals  gegebene 
ordnung    mit  hohem  Ernst  nit  allein  renovieren  und  verneuern  zu 


1)  Das  Original  des  Briefes  mit  den  eigenhandigen  Unterschriften 
im  Herrnhuter  Archly;  geschrieben  ist  er  der  Handschrift  nach  von 
Memmert.  Die  Adresse  auf  der  Ruckseite  lautet:  „Herrn  Herrn  Jonas 
Paulus  WeiB  in  Herrenhaag  abzugeben  bey  Herrn  Nicolauy  in  franckfort." 


46  Leffler,  Eine  Thungensche  Trail-  und  Taufverordnung. 

lafien,  sondern  anch  mit  solcher  Feen  und  straff  zuverbinden^  obs(?) 
each  das  hierdurch  eins  besserer  obsequenz  und  geborsamb  ufF  solche 
und  desgleicben  (?)  wolgemeindte  Ordnung  dermal  einst  erfolgen  wollte, 

setzen  demnacb,    fordern   und  bevelen  hierbei   mit   allem   ernste 

alss  folgett,        , 

1.  wo  khiinftig  Irer  Zwey  nach  gottlicher  ordnung  zusammen 
heyrathen,  oder  Eltern  Ire  Kinder  ehelicb  zusammen  versprechen, 
8ie  solche  under  Inen  gemachte  Ehe,  nit  ferner  Irer  bbsen  gewohu- 
heit  nach  mit  ^o  grofier  gefahr  und  Ungelegenheit  aufzihen,  sondern 
hiebey  wissen  sollen,  das  wir  es  in  alle  Wege  von  dato  Tag  und 
Zeit  Ires  geloebniss  in  einem  viertel  Jar  uffs  lengste  mit  dem  olFent- 
lichen  Kirchen  gang  vollzogen  haben  wollen, 

Bei  (?)  der  straff  10  fl. 

2.  Weren  aber  Perssonen,  die  einander  bereit  vor  diesem  ehe- 
licb Verlobt  und  Versprochen,  fur  handen,  sollen  dieselben,  wo  sie 
die  von  dem  heutigen  Tage  an  zugelassene  Viertel  Jars  Zeit  iiber- 
sitzen  und  nit  zur  Kirchen  gehen  wiirden,  mit  doppeler  straff, 

nemlich  20  fl.  angesehen  werden. 

3.  Uff  den  wiederigen  aber  und  Unverhofften  fall^  Irer  Zwey  auch 
von  solcher  vergoennten  Zeit  In  Unehren  sich  zusammen  fiigen  wlirden, 
sollen  solche  hernacher,   wo  es   an  den  Tag  kommen  soUte,  mit 

15  fl.  gestrafft  werden; 

4.  Wo  vielleicht  Irer  Zwey  (:  In  meinung  solcher  determinirter 
straff  zu    entgeheu : )    Ir    geloebuis    mit    einander    machen    und    diss 

heimlich und  gelegenheit   verborgen   tragen    wollen,    sollen 

dieselben  dieweil    gemeiniglich    allerhand  Ungelegenheit  dahero  ent- 
steht;  wo  es  offenbar  werden  wird,  gleicher  straff 

der  15  fl.  hinngewiesen  werden. 

5.  Tauff  Kosten  betreffende,  soil  es 

In  des  Kindsvatters  freien  Willen  stehen,  nach  erlangter  Tauf 
neben  dem  Gevatter,  Jemandts  ferner  bey  sich  zubehalten,  hier- 
zwischen  auch  ferner  nichts  aufgewendet,  sondern  ueber  14  Tage 
mit  einem  Hembdlein,  Kuchen  und  Zech  alles  beschlofien  werden. 

Nach  dem  auch  der  Zeit  eben  schwind,  .und  wegen  grosser 
Kosten  manchmal  ein  arm  frommes  Kind  von  dem  christlichen 
werk  fast  armut  halben  ausgeschlofien  wirdt,  ist  (?)  es(?)  fur  gut  an- 
gesehen worden,  ueber  einen  halben  Thaler  nit  einzubinden,  und  dem 
Kuchen  ueber  einen  halben  gulden  nit  zu  ersteigen  (?) 

bei  der  straff  1  fl. 

6.  Dieweil  es  auch  gar  aergerlich,  das  Kindbetterinnen,  die 
von  der  Sechs  wochen  Zahl  den  Namen  haben,  das  sie  Sechs- 
wbchuerinnen  genannt  werden,  vor  Ausgang  solcher  Wochen  sich 
herfuer  tun,  —  ?  —  sollen  sie  eutweder  der  sechsten  Wochen  uffs 
wenigste  erwarten  (?)  oder   fur  jede  wochen  so  sie  davon  abkurzen, 

1  fl.  zur  straff  geben.   — 


Zur  Bibliographie.  4^ 

Zur  Bibliographie.'') 

*Hbgl,  Dr.  Mathias,  Prafekt  am  kgl.  Studienseminar  zu  Amberg. 
Die  Bekehning  der  Oberpfalz  durch  Kurfiirst  Maximilian  I.  Nach 
Archiv-Akten  bearbeitet.  I.  Bd.  Gegenreformatioii.  11.  Bd. 
I.  und  II.  Rezefi  (i.  J.  1629  und  1630).  Regensbu.ig,  Kom- 
missionsverlag  der  Verlagsanstalt  vorm.  G.  T.  Manz.  V  und  182 
und  220  S.  I.  Bd.  3  Mk.    II.  Bd.  4  Mk. 

Da  die  Bearbeitnng  des  vorliegenden  Themaa  durch  Wittmann 
^katholischersei^js,  die  durch  Lippert  prostestantischerseitsnichtbefriedigte", 
hat  sich  der  Verf.  entschlossen,  „aus  den  Archivalien  selbst  die  Gegen- 
reformation  zu  studieren  und  zwar  ohne  Rlicksicht  auf  frtihere  Bearbei- 
tungen.  Wenn  ich  mich  hin  und  wieder  auf  diese  berufe,  so  geschieht 
es  nur,  soweit  es  unbedingt  notwendig  ist,  oder  um  unnotige  Wieder- 
holungen  zu  vermeiden"  (S.  III).  Die  letztere  Bemerkung  ergibt  schon, 
daB  er  darauf  verzichtet,  frtihere  Bearbeitungen  zu  ersetzen,  und  davon 
kann  auch  bei  seinem  Buche  nicht  die  Eede  sein,  da  er  manches  nur  sehr 
kurz  skizziert,  wofiir  bei  Lippert  reiches,  die  gauze  Sachlage  deutlich 
illuBtrierendes  Material  sich  findet,  z.  B.  im  Kapitel  uber  die  Austreibung 
der  Pradikanten.  l^ach  Seite  des  Materials  erganzen  sich  die  beiden 
Arbeiten  infofern,  als  Lippert  mehr  die  Unterdrtickung  und  Vernichtung 
des  Protestantismus,  H5gl  mehr  die  Wiederaufrichtung  des  Katholizismus 
schildert,  auch  bringt  der  letztere  sonst  manche  neue  schatzenswerte 
Mitteilungen,  namentlich  im  II.  Bd.,  aber  auch  hier  und  da  schon  im  I.  Bd., 
z.  B.  S.  63  uber  die  Stolgebiihren  und  die  divergierenden  Bestrebungen 
der  M6nche  und  des  Weltklerus.  DaB  der  Veif.  sich  bemiiht,  „8ine  ira 
et  studio  die  Tatsachen  in  ihrer  Objektivitat  darzustelfen"  muB  anerkannt 
werden,  ja  seine  Darstellung  ist  auch  da,  wo  man  nach  seiner  prinzipiellen 
Stellungnahme  zu  den  betreffenden  Fragen  wenigstens  einen  leisen  Laut 
der  Entrtistung  erwartet,  gegentlber  der  sehr  temperamentvoUen  Lipperts 
eine  fast  kalte  za  nennen.  Er  ist  viel  zu  modern,  um  die  Zwangsbekehrungen 
Maximilians  billigen  zu  k5nnen,  und  er  hat  gewi^  recht,  daB  es  unhistorisch 
ist,  jene  Zeiten  nach  dem  MaBstabe  unseres  modernen  Toleranzbegriffs 
zu  messen,  aber  wenn  wir  tiberhaupt  urteilen  wollen,  dann  haben  wir 
nicht  nur  das  Recht  sondernauch  die  Pflicht,  das  Yerhalten  Maximilians  nach 
dem  Mafistabe  seiner  Zeit  zu  beurteilen.  Und  danach  steht  der  Zwangs- 
bekehrer  einzigartig  da.  Denn  was  Hdgl  als  Analogon  tiber  das  Ver- 
halten  derprotestantischen  FUrsten  sehr  kurz  und  dtirftig  anzufUhrenjweiB,  ist 
ungentigend  und  irrefuhrend,  und  einen  sehr  bedenklichen  Mangel  an  Ver- 
standnis  des  Wesens  und  des  Verlaufes  der  evangelischen  Reformation 
verrat  es,  wenn  er  S.  2  8chreiben  kann:  „Ein  Hauptgrund  des  allgemeinen 
Abfalls  vom  Katholizismus  war  der  Verfall  der  Sitten  und  Bildung  jener 
Zeit.**  Auch  zugegeben,  dag  Maximilian  nur  von  seinem  Reformations- 
rechte  Gebrauch  machte  und  ihm  die  zwangsweise  Rckatholisierung  als  Ge- 
wissenspflicht  erschien,  so  bleibt  doch  der  schwerste  Vorwurf,  die  greu- 
liche,  die  Beamtenwelt  demoralisierende  Heuchelei,  mit  der  er  wenigstens 
zu  Anfang  die  Sache  betrieb.  Obwohl  die  Rckatholisierung  aller 
Akatholiken  beschlossene  Sache  war,  werden  die  Beamten  angewiesen, 
darauf  zu  achten,  „dafi  es  nicht  einer  yehlingen  durchgehenden  Refor- 
mation der  Oberpfalz  im  Religionswerk  gleichsehe";  wo  sich  ihnen  „nur 


*)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


48  Zur  Bibliographie. 

ein  wenig  scheinbarer  Pratext  und  Gelegenheit  zur  Amotion**  der  Geist- 
lichen  bietet,  sollen  sie  eingreifen,  „um  ihrer  Verbrechen  willen  oder  unter 
anderm  praetextu  politico,  oder  weil  sie  der  ealvinischen,  also  einer  im 
heiligen  rom.  Beiche  und  dessen  heiligen  (I)  Satzungen  verbotenen  unzu- 
lassigen  Sekte  zngetan  sind**,  sollen  die  Geistlichen  aiisgetrieben  warden 
(S.  16).  Und  es  ist  unveistandlicb,  wie  derVerf.  sich  den  Satz  des  Frhrn. 
V.  Egkber  aneignen  kann:  „diese  Religionsveranderung  war  bei  ihm 
(Kurf.  Max)  nicht  bloC  eine  religiose  Laune,  sondem  eine  politische 
Wotwendigkeit**,  und  er  damit  die  Eile,  womit  der  Ftirst  verfuhr,  glaubt 
entschuldigen  zu  k6nnen.  Gegeniiber  den  Besch5nigungsverauchen  ver- 
schiedener  katholischer  Historiker  stellt  er  fest,  dafi  die  Dragonaden  tat- 
sachlich  als  Bekehrungsmittel  gebraucht  wurden  (S.  141).  Aber  diese 
anerkennenswerte  Objektivitat  leidet  Einbu^e  durch  den  *im  Interesse  der 
Ehrenrettung  des  Kurftirsten  gemaohten  Versuch,  nachzuweisen,  daB  die 
Zwangseinquartierungen  nicht  zur  Bekehrung  ersonnen  seinen,  sondern 
urn  die  Rebellion  zu  verhindern.  Indessen  der  Nachweis  ist  nicht  gelungen, 
da  der  grofie  hierftir  angezogene  Bericht   der  Amberger  Regierung  vom  ^ 

23.  Jan.  1629  (S.  159)  deutlich  sagt,  „daB  einzig  und  heilsamste  Remedium, 
die  Leute  vom  alten  unkatholischen  Irrtnm  abzubringen,  sei  die  Einquar- 
tiernng.**  Man  kann  aus  dem  ganzen  Aktenstiicke  nur  ersehen,  daB  die 
Amberger  noch  nicht  auf  dieEinquartierung  verzichten  zu  konnen  glaubten 
und  daB  sie  von  ihrem  Herrn  gelernt  batten,  ^Pratexte**  aufzufinden.  — 
Und  nun  noch  eine  Bemerkung  uber  die  Form  der  Geschichtsdarstellung. 
Der  Verf.,  der  offenbar  sehr  HeiBig  gearbeitet  hat  und  von  dem  besten 
Streben  erfUllt  ist,  glaubt  nach  der  besonders  durch  Janssen  eingebtirgerten 
Methode  seine  Objektivitat  am  besten  dadurch  zu  erweisen,  da^  er  seine 
Quellen  oft  seitenlang  Wort  ftir  Wort  in  dem  schrecklichen  Kurialstil 
jener  Zeit  einftihrt,  auch  wo  der  Inhalt  recht  unbedeutend  ist,  oder  mit 
ein  paar    kurzen  Worten  wiedergegeben  werden  konnte.    Das    ist  keine  ij 

wirkliche  Geschichtsschreibung,  wenn  auch  diebequemste  Form  der  Bericht- 
erstattung,  und  wirkt  ermiidend.  Auch  fehltjeder  Versuch,  die  hier  und  da 
genannten  Personlichkeiten,  die  bei  dem  groBen  Trauerspiel  mitwirken,  zu 
charakterisieren.  Lagen  die  Faden  des  Ganzen  auch  in  der  Hand  desFUrsten, 
so  waren  doch  alle  jene  Leute,  deren  er  sich  bedient,  nicht  nur  Mario- 
netten,  sondern  waren,  wie  man  zuweilen  aus  den  mitgeteilten  Schrift- 
stUcken  ersehen  kann^  auch  Personlichkeiten  mit  sehr  bestimmten  Mei- 
nungen.  Welchen  Reiz  mufite  es  haben,  die  einzelnen  Bischofe,  die 
namentlich  bei  den  Rezessen  (im  11.  Bd.)  so  lebhaft  beteiligt  waren, 
naher  kennen  zu  lernen !  Und  von  den  Protestanten,  die  eineRolle  spielten, 
erfahren  wir  kaum  ein  paar  Namen,  die  aber  Namen  bleiben.  So  haben 
wir  zwar  jetzt  durch  Lippert  und  Hogl  eine  sich  vielfach  erganzende 
Materialiensammlung,     aber    eine    wirkliche    Geschichte   der    Gegen-  ^ 

reformation,  die  mit  historischer  Eunst  den  Gegenstand  behandelte, 
bleibt  immer  noch  eine  Aufgabe. 

Hoffmann,  W.    Die  Politik    des  Fiirstbischofs    von  Wurzbnrg  und 

Bamberg    Adam    Friedricli    Grafen    vou  Seinsheim    von    1766 

bis    1763.      Ein    Beitrag     zur    Geschichte    des    siebenjahrigeu 

Krieges.  Nach  archivalischen  Quellen  bearbeitet.  Miinchen  1903. 

M.  Riegersche  Universitatsbuchhandlung  (G.  Himmer).   102  S. 

1,60  Mk, 

Doberl,  M.  Bayern  und  Frankreich  vornehmlich  unter  Kurfiirst 
Ferdinand  Maria 'II.  Archivalische  Beitrage.  MUnchen  E.  Koch. 
8.  V.   166  S.   12-  Mk. 


wm 


Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

Von  D.  Th.  Kolde. 

Kein  deutsches  Gebiet  hat  als  solches  wie  bekannt  sich 
so  entschieden  und  so  lange  der  Reformation  verschlossen,  ala 
das  Herzogtura  Bayern ;  aber  schon  friih  hat  es  auch  dort 
einige  mutige  Bekenner  des  Evangeliums  gegeben,  deren 
Schicksale  weit  liber  das  engere  Vaterland  hinaus  von  sich 
reden  machten.  Unter  ihnen  ragen  Arsacius  Seehofer  und  Ar- 
gula V.  Grumbach  hervor,  deren  Andenken  man  hier  und  da 
immer  wieder  erneuert  hat,  ohne  daB  bisher  eine  wissenschaft- 
liche,  quellenmaUige  Darstelluug  ihres  Lebensganges  versucht 
worden  ware.  Die  vielfach  zerstreuten  Nachrichten  iiber  sie 
sind  verhaltnismaCig  diirftig,  reichen  doch  aber  aus,  um  ein 
halbwegs  klares  Bild  ihres  Entwickelungsganges  zeichnen  zu 
konnen.  Es  ist  fraglich,  ob  sich  die  beiden  jemals,gesehen 
haben,  gleichwohl  berechtigt  die  zeitweilige  enge  Verkettung 
ihfer  Schicksale,  sie  gemeinsara  zu  behandeln. 

Arsacius  Seehofer^)  wurde  einige  Jahre  nach  dem  Be- 
ginn  des  16.  Jahrhunderts  in  Miinchen  geboren.  Sein  Vater, 
Kaspar  Seehofer,  war  ein  wohlhabender,  angesehener  Burger. 
Nach  den  Ratsprotokollen  war  er  im  Jahre  1503  einer  der  36 
der  „Gemein'*,    dann   in  deu  Jahren  1505 — 1507  „Vierer"  des 


1)  Eine  sehr  durftige  Skizze  uber  ihn  lieferte  Th.  Wiedemann 
in  Oberbayer.  Archiv,  Bd.  21,  61  ff.  wesentlich  auf  Grund  von  V.  A.  Winter, 
Gesch.  d.  Schicksale  der  evangelischen  Lehre  in  und  durch  Bayern  be- 
wirkt.  Munchen  1809 ff.  Neues  Material  brachte  C.  Prantl,  Gesch.  d* 
Ludwig-Maximiliansuniversitat  MUnchen  1872,  2  Bde.,  das  noch  yermehrt 
und  verbessert  wurde  durch  A.  v.  D  ruff  el,  Die  bayerische  Politik  im 
Beginne  der  Reformationszeit.  Abh.  d.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  III.  Kl. 
XVII.  Bd.  III.  Abt.  (1885). 

Beitrage  ztir  bayer.  Kirchengeschiolito  XI.  2.  4 


50  Kolde,  Arsaciiis  Seehofer  und  Argula  von  Grambach. 

Handwerks  der  Schenken.  In  den  ProtokoUen  von  1617—1530 
kommt  er  als  Mitglied  des  auBeren  Rats  vor,  von  1521  an  audi 
als  einer  der  drei  Hauptleute  des  Rindermarktviertels^). 

In  noch  sehr  jangen  Jahren  bezog  er  die  Universitat 
Ingolstadt,  begab  sich  aber  dann  dem  Zuge  der  Zeit  folgend  nach 
Wittenberg.  Die  dortige  Matrikel  enthalt  seinen  Namen  nicht, 
aber  er  wird  schwerlich  vor  Friihjahr  1521  dorthin  gekoramen 
sein,  denn  wohl  deshalb,  weil  Luther  fern  war,  wurde  Melanch- 
thon  sein  hauptsachlichster  Lehrer.  Bei  ihm  horte  er  die  Vor- 
lesungen  tiber  den  Romerbrief  und  die  Korintherbriefe^)  und 
war  bald  voUig  fiir  die  evangelische  Lehre  gewonnen,  voll 
Freude,  „von  den  Fallstricken  des  Teufels  und  den  papistisehen 
Dienern  seiner  Kunst"  befreit  zu  sein. 

Zeuge  davon  sind  zwei  von  Wittenberg  aus  —  „vel  Beth- 
lehem ubi  Christus  iterum  erupit  in  lucem**  —  am  4.  Januar 
1522  geschriebene  Briefe^)  an  unbekannte  Freunde,  von  denen 
der  eine  jedenfalls  in  Mlinchen  zu  suchen  ist.  Das  erste 
Schreiben  enthalt  einen  durch  Bibelstellen  begriindeten  Lobpreis 
des  Evangeliums,  „  cuius  tota  praedicatio  est,  nobis  remitti  pec- 
cata  gratis  sine  ullo  operum  nostrorum  respectu,  oranemque 
nostram  salutem  esse  ex  deo^,  aber  des  Verfassers  Auslassungen 
enthalten  zugleich  scharfe  Angriffe  auf  die  Messe,  die  deutlich 
erkenneu  lassen,  dafi  Seehofer  die  ganze  stiirmische  Zeit  seit 
Luthers  Abwesenheit  in  Wittenberg  mit  durchlebt  hat,  ja  sich 
teilweise  vom  Geiste  Carlstadts  hat  anstecken  lassen.  Seine 
Eltern   drangten   ihn,    sich    die   Magisterwlirde   zu    erwerben. 

1)  Diese  Notizen  verdanke  ich  der  Giite  des  Vorstands  des  MUuchner 
Stadtarchivs,  des  kgl.  Archivrats  Herrn  v.  Destouches,  wofUr  ich  auch 
an  dieser  Stelle  meinen  Dank  aussprechen  mcJchte.  —  Ob  dieser  Easpar 
Seehofer  mit  der  als  Patrizierfamilie  bekannten  Miinchner  Familie  See- 
hofer, an  deren  Spitze  damals  Seb.  Seehofer,  Besitzer  des  Hauses  Rosen- 
str.  10,  stand,  verwandt  war,  lafit  sich  zur  Zeit  nicht  feststellen.  —  Ein 
Eochus  Seehofer  Monacencis  wurde  am  15.  Okt.  1534  in  Wittenberg  in- 
skribiert  (Album  Vitebergense  ed.  Forstemann  S.  154). 

2)  Vgl.  dazu  Hartfelder,  Phil.  Melanchthon  als  Praeceptor  Ger- 
maniae.  Berlin  1899,  S.  46  und  meine  Mitteilungen  in  der  Einleitung  zu 
Loci  Communes  Philipp  Melanchthons  in  ihrer  Urgestalt  3.  Aufl.  (Leipz. 
1900,  S.  45  ff.). 

3)  Teilweise  abgedruckt  bei  WinteJ-  I,  306;  vervollstandigt  unten 
im  Anhange  Beilage  I. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  .51 

Davon  will  er  nichts  wissen.  Er  bittet  den  Freund,  die 
Eltern  davon  zu  uberzeugen,  um  welche  lacherliche  Sache  es 
sich  dabei  handele,  ja  wie  es  gegen  das  Gewissen  und  das 
Evangelium  ware,  wenn  er  ihrem  Wunsche  nachgebe.  Ganz 
wie  Carlstadt  beruft  er  sich  auf  das  Herrenwort:  Ihr  soUt 
euch  nicht  Meister  nennen  lassen,  und  daC,  wer  ihm  nachfolgen 
wolle,  Vater  und  Mutter,  Briider  und  Schwestern,  wie.  alles, 
was  ihm  am  Heile  hinderlich  sei,  hassen  solle.  In  einem  zweiten 
Briefe  von  demselben  Datum,  der  wesentlich  Melanchthons  da- 
maligen  Standpunkt  wiedergibt,  sucht  er  den  Empfanger  von 
der  Richtigkeit  der  Lehre  vom  unfreien  VVillen.in  der  schroffsteu 
Fassung  zu  iiberzeugen:  „Omniu  quae  eveniunt  necessario  iuxta 
praedestinationem  eveniunt"  ^).  Daneben  erfahren  wir  von  der 
Abschaifung  des  unevangelischen  Beiwerks  bei  der  Feier  der 
Messe^),  und  was  besonders  interessant  ist,  Seehofer  weiC  von 
Luthers  heimlichen  Besuch  Wittenbergs  am  Anfang  Dezember^), 
ja  er  muB  den  Reformator  wahrscheinlich  weil  er  zum  vertrauten 
Kreise  Melanchthons  gehSrte,  damals  selbst  gesehen  haben. 
Sonst  konnte  er  kaum  schreiben:  „Lutherus  nuper  visitavit  nos 
tamquam  pios  Alios  pater,  denique  iterum  se  recepit  in  locum 
suum  abditum." 

Nicht  lange  darauf  kehrte  er  fiber  Nurnberg  und  Ingol- 
stadt,  an  welchen  beiden  Orten  er,  wie  man  spater  wissen 
woUte,  sich  „hoch  lutterisch  merken"  lieC,  zuruck  nach  Munchen  *). 
Vielleicht  gehorte  er  zu  den  vielen,  die  auf  Carlstadts  Rat  die 
Studien  aufzugeben  beschlossen.  Aber  die  Eltern  schickten  ihn 
wieder  auf  die  hohe  Schule  nach  Ingolstadt.  Dort  hatte  man 
langst  nicht  geringe  Sorge  wegen  Eindringens  lutherischer 
Neigungen  und  suchte  sich  davor  zu  schutzen.  Bereits  im  Jahre 
1520  hatte  der  Jurist  und  spaterer  Pfarrer  an  St.  M^ria  in 
Ingolstadt,    Georg   Hauer   aus   Tirschenreuth,    ein   vielseitiger 


1)  Wortlich  aus  Melanchthons  Loci  communes  entnommen,  vg).  die 
Loci  communes  MelancLtlions  in  ihrer  Urgestalt  ed.  Th.  Kolde,  3.  Aufl. 
(Leipz.  1900)  S.  67. 

2)  Missa(m)  abolerunt  apud  nos  non  tota(m)  sed  solum  additiones 
papisticas. 

3)  Vgl.  Th.  Kolde,  M.  Luther  T,  28. 

4)  Prantl  II,  170. 

4* 


52  Kolde,  Areacius  Seehofer  und  ArguLa  von  Grumbach. 

Mann^),  einen  SenatsbeschlnB  erwirkt,  dafi  liber  die  „Acta 
contra  haeresin  Lutheranam"  genau  Protokoll  gefiihrt  werden 
soUte  und  er  selbst  damit  beauftragt  wurde^).  Dann  kara  das 
scharfe,  gegen  jede  lutherische  Reguug  gerichtete  Religion sman da t 
der  bayerischen  Herzoge  vom5.  Marz  1522^).  Es  steht  dahin, 
ob  es  die  Ingolstadter  Professoren,  wie  sie  sich  riilimten,  veran- 
lafiten^  oder  Herzog  Wilhelm  es  aus  freien  Stucken  erlieB  *),  um  der 
Kurie  seinen  gut  katholisclien  Eifer  zu  bezeugen,  jedenfalls  kam 
das  Edikt  den  Wiinschen  der  fiihrenden  Manner  an  der  Hoch- 
schule  entgegen.  Denn  soeben  (am  13.  M^rz)  hatte  man  dariiber 
Klage  zu  fiihren,  dafi  der  Ingolstadter  Franziskanerguardian 
Caspar  es  als  in  derSchrift  gegFiindet  erklarte,  das  Sakrameut 
unter  beiderlei  Gestalt  zu  nehnien,  und  dafi  Papst  und  Kaiser 
gegentiber  Lutber  nicht  den  richtigen  Weg  gegangen  seien^). 
Im  April  beschloB  man,  nicht  nur  den  ErlaB  feierlich  zu  ver- 
oflfentlichen,  sondern  auch  selbstandig  vorzugehen.  Die  Buch- 
handler  soUten  von  Inquisitoren  aufgesucht,  die  etwa  aufgefun- 
denen  haretischen  Bucher  ihnen  abgenommen  und  offentlich 
verbrannt  werden;  zugleich  wurde  die  Unterstiitzung  des  Vor- 
gehens  gegen  die  Haretiker  jedem  Universitatsraitgliede  zur 
Pflicht  gemacht  und  im  November  wurde  weiter  beschlossen, 
daB  alle  der  lutherisch  Ansteckung  verdachtigen  Studenten  dem 
Rektor  angezeigt  werden  mliBten^).  Wie  begreiflich  fiel  dieser 
Verdacht  in  erster  Linie  auf  die  von  Wittenberg  Kommenden. 
Das  lieB  man  Seehofer  sehr  bald  merken.  Als  er  wegen  Be- 
teiligung  an  einem  Raufhandel  zwischen  den  Bayern  und 
Schwaben')  —  angeblich  hatte  er  sich  „fur  der  Baiern  Haupt-^ 


1)  Uber  seine  Verdienste  als  Padagoge  und  Gramniatiker  Einiges 
bei  Job.  Miiller,  Quellenschriften  zur  Gesch.  des  deutschsprachlichen 
Uoterrichts.    Gotha  1882,  S.  198,  202  f.,  243,  266,  301,  337. 

2)  Prantl  I,  148. 

3)  Abgedruckt  u.  a.  bei  Winter  I,  310 ff. 

4)  So  V.  Druffel  S.  626 ff.,  der  ausfuhrlich  davon  handelt,  gegen 
Prantl  I,  148. 

5)  Druffel  S.  626 ff. 

6)  Prantl  I,  149. 

7)  Solche  Handel  zwischen  d^n  einzelnen  Nationen  waren  nichts 
Seltenes.    Leider  hat  Prantl  I,  216  die  Sache  nur  gestreift. 


I 


^ 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  53 

mann  aufgeworfen^^  —  im  Winter  1522  bestraft  wurde,  nahm 
man  auch  Gelegenheit,  ihn  wegen  der  lutherischen  Lehre  zu 
verwarnen,  und  als  er  urn  Weihnachten  1522  doch  noch  Magister 
werden  wollte,  ninUte  er  auf  Veranlassung  Joh.  Ecks  an  Eides 
statt  geloben,  „daB  er  sich  der  luthrischen  Leer  nit  gebrauchen 
woUe** .  Unter  dem  Druck  der  Verbal tnisse  tat  er,  was  man  wollte  ^). 
Bald  darauf  zeigte  sich,  daB  die  Sorge  vor  dem  Ein- 
schleichen  des  Luthertums  nicht  ungerechtfertigt  war.  Ein  an- 
geblich  aus  Wien  zugezogener  Priester  Jakob  Dachser  wurde 
wegen  lutherischer  Aufierungen  verhaftet  und  nach  eingehendem 
Verhor  auf  Befehl  des  Herzogs,  der  fiber  jeden  einzelnen  Fall 
Berichterstattung  angeordnet  hatte,  gefesselt  dem  Bischofe  von 
Eichstatt  uberliefert  ^).  Verdachtig  war  auch  der  damalige 
Professor  der  griechischen  Sprache,  der  spater  als  Mediziner 
hochgeschatzte  Johann  Peurle  (Agricola)  aus  Gunzenhausen, 
der,  als  er  zum  Vorstande  der  Drachenburse  gewahlt  wurde, 
sich  eidlich  verpflichten  muGte,  von  dem  Verkehr  mit  seinem 
Landsmanne,  dem  Nurnberger  Prediger  Andreas  Osiander,  abzu- 
stehen*),  der  wahrscheinlich  wahrend  seines  Ingolstadter  Studi- 
ums  sein  Schfiler  gewesen  war.  ImJulil523  wurde  es  ruchbar, 
daB  in  den  Bursen  die  KoUoquien  des  Erasmus  gelesen  wfirden, 
ja  sogar  die  Briefe  des  Paulus  von  Leuten  erklart  wurden,  die 
von  der  heiligen  Schrift  zu  wenig  verstanden.  Man  beschloB 
daher,  rascher  vorzugehen,  damit  aus  solchen  Vorlesungen  das 
lutherische  Gift  sich  nicht  weiter  einschleiche  *).    Die  Gelegen- 


1)  Prantl  II,  170. 

2)  Prantl  I,  140,  Druffel  S.  643.  Er  wurde  nach  einiger  Zeit 
unter  uns  unbekannten  Umstanden  frei,  fand  in  Augsburg  Zuflucht  und 
spielte  dort  anfangs  in  der  wiedertauferischen  Bewegung,  dann  als  Geist- 
licber  und  Liederdichter  eine  Rolle.  Vgl.  M.  Radlkofor,  Jakob  Dachser 
und  Salminger.  Beitr.  z.  bayer.  KG.  VI,  S.  Iff.  und  F.  Roth,  Augsburger 
Reformationsgeschichte,  II.  Aufl.  (Miinchen  1901  f.)  passim. 

3)  Mederer,  Annales  Ingolstadiensis  Academiae  I.  Bd.  Ingolstadt 
1782  S.  118.    (Jber  seine  spatere  Tatigkeit  ebenda  S.  323. 

.  4)  Prantl  I,  149,  Druffel  644:  Super  eo  quod  fama  est  de  collo- 
quiis  Erasmi,  quomodo  iilud  opuscuhim  legatur  in  contuberniis,  item  etiam 
epistolae  Pauli,  per  illos  qui  de  litteris  sacris  parum  sentiant,  inter- 
pretentur,  placuit  dominis,  quod  celeriori  cura  provideatur,  ne  virus  hoc 
Lutheranam  ex  hniusmodi  lectionibus  in  universitatem  serpat. 


56  Kolde,  Arsacias  Seehofer  und  Ai-gula  von  Grumbaph. 

Abschliefiung  angeordnet,   damit   niemand   mit  ihm  verkehreu 
Oder  ihm  Briefe  bringen  konnte. 

Das  machte  groBes  Aufsehen.  In  den  Bursen  fielen 
mancherlei  Reden  zugunsten  des  Angeklagten,  was  zu  weiteren 
MaBregelungen  fuhrte.  .  Seehofers  12  Zuhorer,  es  waren  zur 
Halfte  Schweizer,  wurdeu  vernommen.  Sie  erhielten  nur  leichte 
Karzerstrafe,  rauBten  die  lutherische  Lehre  abschworen  und 
geloben,  fortan  alles  zu  halten,  was  die  heiligen  Vater  und  die 
christlichen  Konzilien  gehalten  haben  u.  s.  w.  ^).  Die  konfiszierten 
Manuskripte  des  Magisters  warden  einer  Theologenkoramission 
.ubergeben  und  am  16.  August  beschlossen,  seine  Irrtiimer,  die 
man  unter  17  Artikel  gebracht  hatte,  dem  Kanzler  Leonhard 
V.  Eck  vorzulegen.  Noch  ehe  man  dajs  ausfiihren  konnte,  lief 
ein  Schreiben  von  Herzog  Wilhelm  ein,  der  durch  eine  Bittschrift 
des  alten  Kaspar  Seehofer  veranlaBt,  von  der  Universitat  Bericht 
Tiber  ihr  bisheriges  Verfahren  einforderte.  Dieser  erfolgte  sofort 
am  17.  August,  wobei  die  auch  von  dem  Vater  Seehofer  vor- 
gebrachte  Behauptung,  der  junge  Magister  habe  keine  andere 
Lehre   vorgetragen    als    die   des   Athanasius^),   sehr  bestimmt 


1)  Vgl.  D  ruff  el  S.  646.  Der  Schwur  bei  P  rant  I  II,  169  Nr.  51. 

2)  Interessant  ist,  dafi  bei  Untersiichung  der  Frage,  wer  eigentlich 
an  den  Vater  SeehSfer  geschrieben  und  was  ihm  geschrieben  worden  sei, 
was  den  Forsehern  bisher  entgangen  ist,  ein  Mann  sich  bervortat,  der 
in  der  Reformationsgeschichte  noch  eine  grofie  Rolle  spielen  soUte, 
Gereon  Sayler,  der  spatere  Stadtarzt  von  Augsburg.  In  dem  von 
Prantl  II,  170  mitgeteilten  Bericht  wird  zwar  nur  ein  meyster  Geryon 
genannt,  dafi  dieser  Mann  aber  tatsachlich  identisch  ist  mit  dem  be- 
kannten  Gereon  Sayler,  geht  aus  dem  bei  Mederer,  Annales  I,  119  ab- 
gedruckten  Elegiacum  des  Job.  Alex.  Brassicanus  uber  die  Ingolstadter 
Gelehrten  jener  Zeit  hervor,  wo  es  heiBt  (S.  121):  His  videas  nostrum 
licet  adiunctum  Geryonera/Nullo  qui  minor  est  artibus  ingenuis,  deiin 
dazu  bemerkt  Mederer  125:  Doctor  Geryon  Seyler,  alias  Wigiles, 
alias  Anthopedios  vel  Plomenthaler  ex  Aicha  (i.  e.  Blumenthalenais 
prope  Aicham),  primum  valde  addictus  D.  Joanni  Eckio  adeo  ut  Bibliopolae 
Lutherani  ab  eo  vapularent.  Deinde  insaniit  in  amore  scriptorum  haereti- 
corum.  Catholicos  miro  odio  persecutus  est.  Augustanorum  factus  Mercurius 
in  conducendis  Zwinglianis  praedieatoribus.  Hie  egitModeratorem  contu- 
bernii  Draconis,  Augustae  Physicum  Medicum.  —  Damit  fallt  etwas  mehr 
Licht  anf  die  Anfange  Saylers.  Uber  seine  spatere  Zeit  und  den  Beginn 
seiner  Tatigkeit  in  Augsburg  F.  Roth,  Augsburger  Reformationsgescb.  '^I, 
360  Anm. 


Kolde,  Arsacias  Seehofer  und  Argula  von  Grambach.  57 

zuriickgewiesen  wurde:  die  mit  der  Untersuchung  betrauten 
Theologen  hatten  vielmehr  gefunden,  daC  er  „nichts  Anderes 
gelesen,  denn  der  Melanchthon  in  ein  eng  oder  kurtz  gezogen"- 
Zum  Beweise  wurden  die  betreifenden  Artikel  und  die  be- 
lastenden  Briefe  mitgeschickt.  SchlieBlich  baten  die  Herren 
unter  Berufung  auf  ihre  Privilegien,  der  Herzog  m6ge  ihnen 
gestatten,  „mit  ziemlicher  Strafe  gegen  maister  Arsacien^^  vor- 
zugehen. 

DaB  die  17  Artikel^),  in  denen  der  Satz  von  der  Recht- 
fertigung  allein  durch  den  Glauben  und  von  der  Schrift  als 
alleiniger  Grundlage  fiir  Glauben  und  Leben  obenan  standen, 
wirklich  lutherisch  waren,  wenn  auch  mit  einem  Einschlag,  der 
hier  und  da  den  EinfluB  Carlstadts  bemerken  laBt,  war  nicht 
zu  verkennen.  So  war  denn  auch  der  Herzog  durchaus  damit 
einverstanden,  daB  der  Magister  im  Gefangnis  wohl  verwahrt 
werde,  wollte  jedoch  die  weitere  Bestrafung  den  Ingolstadtern 
keineswegs  iiberlassen  und  begehrte  erst  zu  wissen,  was  sie 
eigentlich  mit  ihm  vorhatten^).  Das  Interesse,  die  Einmischung 
des  Bischofs  zu  vermeiden,  der  ohne  Zweifel  in  dieser  Ketzer- 
^.ngelegenheit  zustandig  war,  was  besonders  Leonh.  Eck  betonte, 
fiihrte  dann  zu  einer  Einigung  zwischen  Universitat  und  Re- 
gierung,  wonach  Seehofer  6J0fentlich  widerrufen  und  dann  in  ein 
Kloster  gesperrt  werden  soUte.  Die  IngolstJldter  haben  sich 
spater  dagegen  verwahrt,  Seehofer,  wie  man  ihnen  vorwarf, 
mit  dem  Feuertode  bedroht  zu  haben,  aber  daB  man  damit  eben 
den  Jiingling  weich  machte,  wird  man  kaum  bezweifeln  dttrfen, 
wenn  man  sich  der  Predigt  Hauers  erinnert,  und  das  bestatigt 
auch  der  sogleich  zu  erwahuende  Revers,  indem  Seehofer  sich 
dafiir  bedanken  muBte,  daB  man  ihn  nicht  dem  Bischof  Gabriel 
von  Eichstatt  liberantwortet  habe,  ^gegen  ihn  als  ein  Echter 
zu  handeln,"  worauf  eben  doch  der  Tod  stand. 

Gegen  eine  Kaution  von  1000  Gulden,  welche  seine  Ver- 
wandten  in  der  Stadt  dafiir  aufbringen  muBten,  daB  der  Gefangene 
in  Freiheit  gesetzt  „frdwillig"  den  Widerruf  leisten  oder  ins  Ge- 
fangnis   zuriickkehren   werde,    und  einem  Revers,    in  dem  der 


1)  Siehe  Beilage  III. 

2)  Bei  Prantl  II,  171,  Nr.  53. 


58  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

Angeklagte  seine  Bestrafung  als  einen  Akt  der  Gnade  aner- 
kannte,  auch  gelobte,  sich  nach  des  Herzogs  Befehl  uuverztiglich 
Jns  Kloster  Ettal  begeben  und  sich  an  niemandem  rachen  zn 
wollen,  wurde  er  einstweilen  befreit.  Am  7.  September  sollte 
der  feierliche  Akt  vor  sich  gehen.  Die  ganze  Universitat, 
darunter  der  damals  in  Ingolstadt  studierende  Matthias  Held, 
der  spatere  Vizekanzler  Karls  V.  ^),  versammelte  sich  im  Saale 
des  alten  KoUegiums.  Seehofer  wnrde  hineingefiihrt  und  be- 
stieg  das  untere  Katheder.  Ein  Notar  verlas  die  mkriminierten 
17  Artikel.  Hierauf  leistete  Seehofer,  das  Neue  Testament  in 
den  Handen  haltend,  unter  Tranen  den  verlangten  Widerruf, 
indem  er  alles,  was  er  in  seinen  Vorlesungen  aus  Melanchthons 
Schriften  gezogen  oder  sonst  geredet  habe,  wie  es  jetzt  durch 
den  Notar  verlesen  worden  sei,  als  eine  rechte  Erzketzerei  und 
Biiberei  bezeichnete,  und  weiter  versprach,  daC  er  sich  sofort 
in  Ettal  stellen,  ohne  besondern  Befehl  das  Kloster  nicht  ver- 
lassen,  auch  kein  lutherisches  Buch  wieder  lesen  oder  ausgeben 
woUe^).  Daran  schloB  der  Dekan  der  Artisten  Fakultat,  An- 
tonius  Braun,  noch  eine  Eede  mit  der  ernsten  Mahnung  an 
alle  Universitatsangehorigen,  sich  ja  vor  den  lutherischen  Neue- 
rungen  zu  huten. 

Und  Seehofer  ging  wirklich  nach  Ettal,  wohin  derHerzog 
Befehl  gegeben  hatte,  ihn  vermoge  seines  Eides  bis  auf  weiteren 
Befehl  zn  verwahren,  „ihm  ziemliche  Lieferung  Essens  und 
Trinkens  mitteilen  zu  lassen  und  Bericht  zu  erstatten,  wenn 
er  weitere  Spuren  der  lutherischen  Lehre  zeigen  wiirde"^). 

Indessen  war  damit  die  Sache  nicht  zu  Ende.  Obwohl 
Georg  Hauer  am  S.  September  in  einer  zweiten  Marienpredigt 
gegen  die  Lutheraner  donnerte,  zeigte  es  sich,  daB  es  in  der 
Stadt  nicht  an  Leuten  fehlte,  die  das  Verfahren  gegen  den 
Magister  nicht  billigten,  sich  zu  lutherischen  Lehren  bekannten, 
ja  katholische  Gebrauche  geradezu  verhohnten.    Die  Schuldigen 


1)  Vgl.  Mederer   I,  118. 

2)  Der  Eevers  bei  Prantl  II,  171.  Der  Widerruf  bei  Lipowsky, 
Argula  V.  Grumbacb,  MUnchen  1801,  Beilage  XVIII.  Uber  den  Akt 
Mederer  I,  118;  Winter  I,  111. 

3)  Winter  I,  110. 


Kolde,  Aisacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  59 

fanden  sich  zumelst  unter  den  von  auswSrts  zugezogenen  Buch- 
ftihrern  und  Buchdruckern.  Auch  sie  muBten,  so  weit  man  ihrer 
habhaft  wurde,  widerrufen,  Stadt  und  Land  verlassen  und  Ur- 
fehde  schworen,  niemals  iiber  die  vier  Wilder,  Bohmer-,  Thii- 
ringer-,  Schwarz-  und  Scharnitzerwald  zuriickzukehren  ^). 

Aber  noch  schlimmere  Verlegenheiten  standen  bevor.  Als 
niemand  fiir  den  unerfahruen,  jungen  Magister  oflfen  einzutreten 
wagte,  ergriflf  eine  angesehene  Frau  das  Wort.  Es  war  Ar- 
gula V.  Grumbach^),  unstreitig  eine  der  interessantesten 
Frauengestalten  zur  Zeit  der  beginnenden  Reformation.  Etwa 
1492  geboren,  entstammte  sie  dem  Geschlechte  der  Reichsfrei- 
herren  von  Stauff,  das  im  Laufe  des  15.  Jahrhunderts  zu  hohem 
Ansehen  und  reichem  Besitz  gekommen  war.  Freilich  hatte 
die  Teiluahme  an  dem  Lowlerbunde,  jenem  kiihnen  Versuche 
der  Adelsgeschlechter,  unter  dem  Schutze  des  Kaisers  alte  oder 
vermeintliche  Selbstandigkeitsrechte  gegen  die  aufstrebende 
Herzogsgewalt  zu  verfechten,  einem  Kampf,  iudem  Argulas  Vater 
Bernhardin  und  noch  mehr  ihr  Oheim  Hierouymus  eine  fiihrende 
Rolle  spielten,  den  Wohlstand  der  Familie  schwer  geschadigt, 
und  der  bayerisclie  Erbfolgekrieg  hatte  weitere  Einbufie  ge- 
bracht.  „Ihr  wiCt",  schrieb  Argula  spater,  wohl  iibertreibend, 
ihrem  Vetter,  dem  Herrn  von  Torring,  „dalJ  mein  Vater  unter 
den  Herren  von  Bayern  verdorben  und  ihre  Kinder  zii  Bettlern 
geworden."  Indessen  hatte  sich  Herzog  Albrecht  mit  seinem 
Adel  vertragen, .  und  die  Treue  Bernhardins  im  Erbfolgekriege 
wurde  dadurch  belohnt,  daB  er  im  Jahre  1508  die  Herrschaft 
Schonberg  erhielt,  und  weitere  Aussichten  fur  ein  Wiederempor- 
kommen  des  Geschlechtes  bot  der  Umstand,  daB  der  schon  ge- 
nannte  Oheim  Hieronymus  nach  dem  Tode  Herzogs  Albrechts  in 


1)  Bei  Prantl  II,  Nr.  .55  und  56. 

2)  fiber  sie  handelte  G.  C.  Rieger,  Das  Leben  Argula  von  Grum- 
bach etc.,  Stuttgart  1737.  F.  J.  Lipowsky,  Argula  v.  Grumbach  etc., 
Mtinchen  1801,  eine  sehr  viele  Irrtumer  enthaltende  Akademierede,  die 
im  Anhange  wichtige  Aktenstticke  und,  freilich  in  ungenaucr  Wiedergabe, 
auch  Argulas  Schriften  zum  Abdruck  bringt.  H.  A.  Pistorius,  Frau 
Argula  von  Grumbach  und  ihr  Kampf  mit  der  Universitat  Ingolstadt, 
Magdeburg  1843.  E.  Engelhardt,  Argula  von  Grumbach,  die  bayerische 
Tabea,  Nlirnberg  1860  (beide  popular  und  erbaulich). 


60  .Kolde,  Arsaoius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

demselben  Jahre  1608  einer  der  Vormiinder  des  jangen  Herzogs 
Wilhelm  wurde. 

Argula  muC,  wie  ihre  Schriften  ergeben,  eine  fiir  eine 
junge  adlige  Dame  von  damals  auffallend  gute  Erziehung  ge- 
nosseu  haben,  und  mit  Recbt  hat  man  aus  den  ungewohnlichen 
Vornamen  ihrerBriider,  Feirafis  und  Gramaflanz,  geschlossen  ^), 
daU  man  sich  in  dem  Hause  an  der  alten  Heldenpoesie  erfreut 
hat.  Aber  mehr  noch  scheint  Gottesfurcht  und  fromme  Sitte 
darin  geherrscht  zu  haben.  Denn  Fran  Argula  kann  in  ihrer 
ersten  Schrift  berichten,  daB  ihr  Vater  ihr,  als  sie  10  Jahr  alt 
war,  die  deutsche  Bibel  in  die  Hand  gab^)  und  ihr  sehr  em- 
pfohlen  habe,  darin  zu  lesen,  was  sie  leider  nicht  befolgt  habe'*) 
„aus  Verfiihrung  der  Geistlichen,  sonderlich  der  Observanten", 
das  ist  der  reformierten  Bettelmonche,  weil  diese  erklarten,  die 
Bibel  wlirde  sie  zur  Ketzerei  verleiten.  Schon  in  jungen  Jahren, 
jedenfalls  noch  zu  Zeiten  Albrechts*),  kam  sie  an  den  herzog- 
lichen  Hof  und  dankbar  riihmt  sie,  dort  Zucht  und  gottliche 
Furcht  gelernt  zu  haben.  Sie  wurde  „Frauenziramer"  (Kammer- 
frau  Oder  moderner,  Hofdame)  der  energischen  und  kirchlich 
frommen  Herzogin  Kunigunde,  der  im  Jahre  1518  Johann  von 
Staupitz  seine  in  Miinchen  gehaltenen  Predigten  unter  dera  Titel 
„Von  der  Liebe  Gottes"  widmete^).    Wie  sehr  man  sie  am  Hofe 


1)  So  Ki  ezl  er,  Geschichte  Bayerns  IV,  10.  Feh'afis  und  Grammaflanz 
sind  Namen  aus  Wolframs  Parzival. 

2)  Sie  gibt  im  Jahre  1523  an,  dafi  ihre  Bibel  vor  41  Jahren  gedruckt 
worden  sei,  da  es  aber  eine  deutsche  Bibel  von  1482  nicht  gibt,  wird 
man  an  die  sogenannte  9.  vorlutberische  Bibel,  die  be!  Koburger  in 
NUrnberg  erBchieo,  zu  denken  haben.  Vgl.  darUber  W.  Waltber,  Die 
deutsche  Bibeliibersetzung  des  Mittelalters,  Braunschweig  1889  ff. 

3)  D.  h.  nicht  in  dem  Mafie,  wie  sie  hatte  tun  sollen.  Jedenfalls 
gohort  Argula  von  Grumbach  neben  Margareta  Peutinger  (vgl.  dazu  meine 
Nachweise  in  den  Gdtt.  Gel.  Anz.  1887,  S.  66 ff.)  zu  den  wenigen,  von 
denen  wir  feststellen  konnen,  dafi  sie  sich  mit  der  vorlutberischen  Bibel 
wirklich  beschaftigt  haben. 

4)  Nicht  erst  spater  nacb  demTode  ihrer  Eltern,  wie  Engelhardt 
S.  47  nnnimmt,  denn  sie  dankt  1523  den  Eltern  der  damaligen  Herzoge. 

5)  In  Staupitz  Werke  ed.  Knaake  S.  92.  ttber  d.  Miinchner  Ex. 
mit  vielleicht  eigenhandiger  Widmung  des  Staupitz  s.  Riezler  IV,  64  Anm. 
Cber  den  Inhalt  dieser  schonen  Schrift  vgl.  Th.  Kolde,  Die  deutsche 
Augustinerkongregation  und  Johann  von  Staupitz,   Gotha  1879,  S.  297 ff. 


mm. 


Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  61 

schatzte,  durfte  sie  erfahren,  als  ihr  binnen  fiinf  Tagen  Vater 
und  Mutter  wahrcheinlich  durch  die  Pest  entrissen  warden^). 
Da  sagte  der  junge  Herzog  Wilhelm  zu  ihr,  woran  sie  ihn  spater 
erinnerte,  sie  sollte  nicht  also  weinen,  er  wolle  nicht  nur  ihr 
Landesfiirst,  sondern  auch  ihr  Vater  sein^).  Und  sie  muBte 
dankbar  sein,  Schutz  und  Untei'kunft  zu  haben,  denu  das  Erb- 
gut  stellte  sich  als  so  gering  heraus,  daB  der  Oheimim  Interesse 
der  zahlreichen  Kinder  Bernhardins  die  neuerworbene  Herrschaft 
Sch6nberg  im  Jahre  1513  an  die  Baumgartner  verpfandete. 
Viel  frohe  Tage  wird  sie  iibrigens  schwerlich  in  Miinchen  ge- 
habt  haben.  Ihr  Aufenthalt  fiel  in  die  Zeit  des  Zwistes  der 
beiden  herzoglichen  Briider  Wilhelm  und  Ludwig  und  des  er- 
neuten  Kampfes  mit  der  Landschaft,  aber  sie  tat,  wie  ihre 
spateren  Aussagen  erkennen  lassen,  tiefe  Blicke  in  das  Leben 
und  Treiben  der  Grofien  und  erfuhr,  was  Fiirstengunst  bedeutet, 
muBte  sie  doch  erleben,  daB  ihr  Oheim  Hieronymus,  der  zu 
immer  hoherem  Ansehen  bei  seinem  Fiirsten  gekommen  und  end- 
lich  Oberhofmeister  geworden  war,  nicht  ohne  personliches  Zu- 
tun  ihrer  Herrin,  der  verwitweten  Herzogin  Kunigunde,  ein 
Opfer  der  inneren  Wirren  wurde.  Auf  Grund  einer  jedenfalls 
entstellten  und  durch  die  Folter  erpreBten  Urgicht  ward  er 
am  8.  April  1516  auf  dem  Salzmarkt  zu  Ingolstadt  als  Hoch- 
verrater  enthauptet^). 

Bald  darauf  wird  sie  sich  verheiratet  haben.  Ihr  Gatte 
war  der  aus  Franken  stammende  und  auch  dort  beguterte 
Friedrich  von  Grumbach,  der  seit  1515  als  Pfleger  in  Dietfurt 
in  Diensten  Herzog  Ludwigs  stand.      Dort  und  in   der  ihrem 


1)  Der  Tod  des  Vaters  erfolgte  nicht  wie  Engelhard  meint  (S.  28), 
erst  1510,  sondern  bald  nach  der  Erwerbung  der  Herrschaft  Schonb erg 
und  dem  Tode  Albrechts,  spatestens  1509,  denn  er  wird  in  einer  Erb- 
schaftsangelegenbeiten  betreffenden  Urkunde  vom  12.  November  1509 
vorausgesetzt.  Vgl.  Sitzungsberichte  der  Miinchner  Akademie.  Hist-pbil. 
Klasse  1890  3  Hft,  S.  477. 

2)  In  der  Schrift  an  alle  christlichen  Stande  etc.  siehe  unten. 

3)  Vgl.  S.  Riezler,  Der  HochverratsprozeB  des  herzoglich  baye- 
rischen  Hofmeisters  Hieronymus  von  Stauf.  Sitzungsber.  d.  Miinchner 
Akad.  a.  a.  0.  S.  435.  Wie  das  Volk  die  Sache  auffafite,  s.  das  Volks- 
lied  „Von  dem  Stauffer"  beiR.  v.  Liliencron,  Historische  Volkslieder  III,  206. 


62  Kolde,  Arsacius  Seehofer  iind  Argula  von  Grumbach. 

Manne  gehorigen  Hofmark  Lenting  bei  Ingolstadt,  hatte  sie 
Gelegenheit  genag  zu  erfahren,  was  an  der  hohen  Schule  zu 
Ingolstadt  vorging,  zuraal  seit  1522,  in  welchem  Jahre  ihr 
jiingerer' Bruder  Marzellus  dort  seine  Studien  begaun^).  Auch 
Regensburg  war  nicht  zn  fern,  nm  die  dortige  Austreibung  der 
Jnden  (1519)  und  die  von  Balthasar  Hubmaier,  dem  Mheren 
Ingolstadter  Professor  und  Prediger  inszenierte  groCe  Wall- 
fahrtsbewegung  „zur  schonen  Maria"  und  die  damit  verbundene 
Abgotterei  zu  beobachteu^).  Man  kSnnte  auch  daran  denken, 
dafi  jenes  der  Herzogin  Kunigunde  von  Staupitz  tibersandte 
Buch  „Von  der  Liebe  Gottes"  auf  sie  Eindruck  gemacht  hat? 
fand  sich  darin  doch  dieKlage  liber  die  zunehmende  Abgotterei: 
„Auf  diesen  Tag,  o  giitigster  Gott,  betet  man  in  der  Christen- 
heit  Kiihe,  Pferde,  Gold,  Silber,  Holz  und  dergleichen  an,  als 
bei  den  Heiden  vor  tausend  Jahren  geschehen."^).  Aber  wir 
wissen  es  nicht,  nur  das  steht  fest,  was  sie  selbst  bezeugt,  daU 
sie  friih  von  Luthers  Lehre  ergriffen,  nunmehr  eifrig  ihre  Bibel 
zur  Hand  nahm,  um  selbst  zu  forschen,  wie  es  sich  verhielte, 
und  durch  Luthers  Freund,  Georg  S|)alatin,  mit  dem  sie  in 
Briefwechsel  stand*),  darin  befestigt  wurde.  Auch  zu  andern 
evangelisch  gesinnten  Miinnern  hatte  sie  Beziehungen,  so  zu 
dem  friiheren  Doraprediger  von  Wiirzburg  Paul  Speratus,  der 
nach  seiner  Exkommunikation  durch  die  Wiener  theologische 
Fakultat  im  Sommer  1522  eine  Zuflucht  in  Iglau  in  Mahren 
gefunden  hatte ^).  Er  iibermittelte  bereits  im  Juni  dieses  Jahres 
einen  Brief  von  ihr  an  Luther,  indem  sie  ihn  von  der  Ver- 
folgUDg  des  Evangeliums  in  den  Niederlanden  unterrichtete^). 


1)  Das  ergibt  sich  aus  Mederers  Annalen  I,  114  vgl.  S.  122. 

2)  Vgl.  J,  Loserth,  Doktor  Balthasar  Hubmaier,  Briinn  1893  und 
Th.  Kolde,  Dr.  Job.  Teuschlein  und  der  erste  Reformationsversuch  in 
Rothenburg  o.  d.  T.    Erlangen  und  Leipzig  1901,  S.  11  if. 

3)  Bei  Knaake  a.  a.  0.  I,  95. 

4)  Leider  ist  dieser  Briefwechsel,  wie  der  mit  Luther  und  mit  Osiander, 
wie  es  scheint,  voUig  verloren  gegangen. 

5)  Vgl.  P.  Tschackert,  P.  Speratus,  Halle  1891.  (Schriften  d.Ver. 
f.  Ref.-Gesch.  Nr.  33)  und  die  ErgSnzungen  dazu  fiir  die  WUrzburger 
und  Salzburger  Tatigkeit,  Th.  Kolde,  P.  Speratus  und  J.  Poliander 
als  Domprediger  in  VV^urzburg.    Beitr.  z.  b.  K.G.  VI,  S.  49  ff. 

6)  Luther  an  Speratus  13.  Juni:  Accepi  literas  tuas  sum  quaestiun- 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  'Von  Grumbach.  63 

So  beobachte  sie  weit  fiber  ihre  nachste  Umgebung  hinaus  den 
Gang  der  Dinge  nnd  nicht  am  wenigsten  die  Stellungnahme 
der  offentlichen  Gewalten  zur  religiosen  Frage.  Auch  in  der 
Kirche  zii  Dietfurt,  wo  ihrer  Angabe  zufolge  von  lutherischen 
Eiufliissen  nichts  zu  spuren  gewesen  war,  hatte  der  Pfarrer  das 
Edikt  des  Nurnberger  Reichstags  vom  6,  Mslrz  1523  verkundigt. 
Daraus  schopfte  sie  neue  Hoffnung,  denn  danach  soUte  nichts 
gelehrt  werden  „als  das  rechte  lautere  Evangelium  nach  der 
Lehre  und  Auslegung  der  bewahrten  nnd  von  der  christlichen 
Kirche  angenomraenen  Schriften."  Wie  Luther,  dessen  Schrift 
„  Wider  die  Verkehrer  und  Falscher  kaiserlichen  Mandats"  sie 
bald  erhalten  haben  mu6,  hoffte  sie,  daB  man  nun  bis  auf  das  kunf- 
tige  Konzil  das  „Schulgezank"  werde  ruhen  lassen^).  Statt  dessen 
begann  gerade  jetzt  das  ketzerriecherische  Treiben  in  Ingolstadt. 
Die  AuBerungen  des  Georg  Hauer  fiber  die  Brfisseler  Martyrer 
waren  auch  ihr  zu  Ohren  gekommen:  „Ich  hab  lang  gehort,  wie 
euer  decretalischer  prediger  zu  unser  Frawen  hat  geschryen, 
ketzer,  ketzer,  wie  wol  es  schlecht  latein  ist,  kfinds  selbs  wol, 
bin  auf  keiner  Hohenschnl  gewest.  Aber  zu  probirn,  bedarffs 
mer.  Ich  hab  ymmer  jm  synn  gehabt,  jm  zu  schreiben,  mir 
die  ketzerischen  artikel  anzuzaigen,  die  der  getrew  arbeiter 
des  Euangeliums  Martinus  Lutther  gelert  hat".  Im  Hin- 
blick  auf  1.  Tim.  2,  12  (1.  Kor.  14,  34)  hatte  sie  es  immer 
wieder,   wenn  auch  mit  schwerem  Herzen,   unterlassen.     Aber 


culis,  simul  et  literas  Herae  Juliae  a  Stauffen,  in  quibus  legi,  quae 
placuerunt,  esse  scilicet  eyangelium  fractiferum  in  terra,  quod  Caesariani 
sateUites,  sophistae,  incredibili  furia  persequuntur  in  partibns  inferi- 
oribus.  Enders,  Luthers  Briefwechsel  III,  397.  Dafl  Luther  hier  ver- 
sehentlicb  Jnlia  statt  Argula  schreibt,  wird  keinem  Zweifel  unterliegen. 
1)  Luther  schreibt  in  der  obengenannten  Schrift,  W.  A.  12,  64: 
„Darumb  hab  ichs  vnszerm  volck  also  gedeuttet  (vgl.  W.  A.  11,  126), 
das  K«y.  Majestat  mit  diszem  mandat  schaffe  die  sache  za  rugen,  das 
sie  sich  nicht  weyttere  bis  auffs  Concilium,  ynd  gepiete  unszerm  widder- 
part,  das  sie  yhr  schulgezenk  und  heydenisch  kunst  aus  s.  thomas  und 
hohen  schulen  gesogen,  daheymen  lassen''.  Dazu  ygl,  Argula  in  ihrem 
Schreiben  an  die  Universitat  Ingolstadt:  „Teh  het  gemaint,  ir  het  nach 
laut  keyserliche  Mandats  euer  schul  gezenck  wol  ruen  lassen  bis  auff 
beruffts  zukunffigs  Concilium,  welches  allhie  auf  offner  Cantzell  gelesen 
ist  worden." 


64  Kolde,  ArsaciuB  Seqhofer  nnd  Argula  von  Grumbach. 

als  sie  jetzt  von  ausw^rts,  namentlich  durch  einen  Burger  von 
Niiniberg,  der  dabei  iiber  das  Rechtsverfahren  in  Bayern  ge- 
spottet  hatte,  von  dem  Handel  mit  Seehofer  horte,  dem  acht- 
zehnjahrigen  Jiingling,  wie  sie  ihn  nennt,  den  man,  ohne  nur 
den  Versuch  gemacht  zu  haben,  ihn  der  Ketzerei  zn  uberfuhren, 
unter  Drohungen  zur  Verleugnung  der  offenbaren  Wahrheit  ge- 
zwungen  babe,  da  konnte  sie  sich  nicht  mehr  zuriickhalten.  Am 
7.  September  war,  wie  berichtet,  der  Widerruf  Seehofers  erfolgt 
Schnurstracks  reiste  Prau  von  Grumbach  nach  Niirnberg  zum 
Prediger  von  Sankt  Lorenz,  Andreas  Osiander,  der  iiber  ihre 
Bibelfestigkeit  nicht  genug  staunen  konnte,  um  sich  mit  ihm 
zu  beraten^).  Und  schon  am  Sonntag  den  20.  September 
schrieb  sie  von  Dietfurt  aus  ihren  Sendbrief  an  den  Rektor 
und  die  gesamte  Universitat  zu  Ingolstadl^).  Die  verurteilten 
Satze  scheint  sie  noch  nicht  zu  kennen,  denn  sie  bezieht  sich 
nirgeuds  darauf,  aber  sie  weiB  ganz  genau,  wie  es  bei  der  Ab- 
schworung  zugegangen  ist,  wie  man  dem  Jiingling  das 
Evangelium  in  die  Hand  gegeben  und  ihn  doch  gezwungen 
habe,  das  Evangelium  zu  verleugnen.  Da  niemand  dagegen 
auftrete,  wahrend  doch  derHerr  gesagt  habe:  „Siehst  du  deinen 
Bruder  siindigen,  so  strafe  ihn",  so  miisse  sie  es  tun.  Denn 
es  heiUt  im  Evangelium :  Wer  mich  bekennet  vor  den  Menschen, 
dem  will  ich  wieder  bekennen  vor  meinem  hiramlischen  Vater. 
Da  sind   auch  die  Frauen  nicht  ausgeschlossen.    Darin  und  in 


1)  Vgl.  Berichte  des  Hans  von  der  Planitz  (Planitzbriefe)  ed, 
Virck,  Leipzig  1890,  S.  657. 

2)  Wie  eyn  Christliche/fraw  des  adels,  in  Beiern  durch/jren  jn 
Gotlicher  sohrift,  wolgegrlind/ten  Sendtbrieffe,  die  Hohenschul  zulngold- 
jstsitj  vmb  das  sie  einen  Evangelischen  Jiing-/ling,  zu  wydersprechung 
des  wort/Gottes,  betrangt  haben,  /straffet./  8  Bl.  4.  Letztes  Blatt  leer 
(Erlanger  Univ.-Bibl.,  MOncbner  Hof-  u.  Staatsbibl.)  Eine  andere  Ausgabe 
bei  Weller,  Kepert.  Nr.2698  z.  B.  in  NUrnberg,  Stadtbibl.  —  Die  Schrift 
(ungenau)  wiedergegeben  bei  Lipowsky  Anbang  Nr.  1. 

3)  Gewisse  Einzelheiten,  die  sonst  nicht  iiberliefert  sind,  wird  sie 
ihrem  Bruder  Marzellus  verdanken.  So  schreibt  sie:  Ich  h3r  nit  das  im 
mit  Bchriflft  von  euer  kainem,  kaiu  artickel  vm  sey  gestossen.  Das  hor 
ich  wol,  das  ayn  gelerter  Jurist  zu  jm  sey  tretten,  gesagt.  Wartimb 
er  wain?  Ob  er  noch  ayn  ketzer  sey,  aber  Juristerey  dienet  dahcr 
gar  nicht. 


Kolde,  Arsaoias  Secbofer  und  Argula  von  Grumbach.  65 

Stellen  wie  Jesaia  3,  4  u.  29,  4^),  Joh.  6,  45,  Ps.  8,  3  u.  s.  w. 
sieht  sie  ihre  Legitimation,  um  sicli  mit  Zeugenmut,  unbe- 
kiimmert  um  die  Folgen,  gegen  das  Treiben  der  Ketzerraeister 
za  wenden.  „So  ichs  betracht,  so  erzittert  meln  Herz  und  alle 
raeine  Glieder.  Was  lehrt  dich  Luther  oder  Melanchthon  anders 
denn  das  Wort  Gottes?  Ihr  verdammt  sie  uniiberwunden.  Hat 
euch  das  Christus  gelehrt  oder  seine  Apostel  und  Evangelisten? 
Zeigt  mir,  wo  es  stehet,  ihr  hohen  Meister,  ich  finde  es  an 
keinem  Ort  der  Bibel,  daB  Christus  noch  seine  Apostel,  Pro- 
pheten  oder  Evangelisten  gekerkert,  gebrannt  oder  gemordet 
haben".  WohlsoU  man  derObrigkeit  gehorsam  sein,  „aber  iiber 
das  Wort  Gottes  haben  sie  nichts  zu  gebieten,  weder  Papst, 
Kaiser  noch  Fiirsten.  Ich  bekenne  aber  bei  Gott  und  meiner 
Seelen  Seligkeit,  wo  ich  Luthers  und  Melanchtons  Schriften 
verleugnete,  daU  ich  Gott  und  sein  Wort  verleugnet."  Und 
es  wird  ihnen  nicht  gelingen,  „denbrennenderi  Hafen"  (Jes.  7, 13) 
zu  verloschen,  „des  Papstes  Dekretal  noch  Aristo teles,  der  nie 
ein  Christ  geworden,  vermogens  mitsamt  euch  nicht*'.  Gott 
wird  sein  heiliges  gebenedeites  Wort  wohl  erhalten,  wie  er  es 
bisher  nach  dem  alten  und  neuen  Testament  getan  hat,  und 
er  wird  jene  strafen,  wie  er  Hos.  13,  7f.  den  Gotzendienern 
in  Israel  droht.  Der  Geiz  hat  euch  besessen,  ihr  mochtet 
sonst  Gottes  Wort  besser  leiden,  aber  freilich  das  Evangelium 
tragt  nicht  soviel  Pfennige  als  des  Papstes  Dekretalen.  Unser 
Glaube  soil  nach  Paulus  1.  Kor.  2  nicht  in  menschlicher  Weisheit 
stehen.  „Ihr  werdetjins  mit  euren  papstlichen  Gesetzen,  die 
ohne  Gottes  Befehl  gemacht . sind,  lang  nicht  dazu  dringen." 

Und  in  der  Tat,  die  Uberzeugung  von  der  alleinigen  Autori- 
tat  der  Schrift  und  ihrer  alleinigen  Grundlage  fiir  alle  Heils- 
erkenntnis  hatte  diese  Frau  in  sich  aufgenommen,  wie  das 
damals  bei  nicht  vielen  der  Fall  gewesen  sein  mag. .  Wohl 
tritt  sie  fur  die  Wahrheit  von  Luthers  Lehre  ein,  aber  eben 
nur,  weil  sie  seine  Lehre  in  der  Schrift  gegrundet  findet.  An 
die   Bibel,   den  Befehl  Gottes,   an  sein   Wort   soUen   wir  uns 


1)  Sie  las  Jes.  3,  4:  Ich  scbick  jn  kinder  zu  fUrsten  vnd  weiber, 
oder  weibisch  weren  sie  beberschen  und  Jes.  29,24:  Die  irrenden  werden 
wissen  die  Yernunft  im  geist,  vn  die  murmler  lemen  dz  gesatz. 

Beitrilge  znr  bayer.  KirchengcBchlchto  XI.  2.  5 


66  Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

allein  halten.  „Ach  wie  fein  lehret  und  gibt  der  Geist  Gottes 
den  Verstand  und  spaziert  von  einem  in  das  andere.  Gott  sei 
Lob,  dafi  ich  das  rechte  wahre  Licht  scheinen  sehe",  „braucli 
raich  der  Bibel,  als  auch  all  sein  (Lutbers)  Arbeit  dermaBen 
gewest,  daC  man  die  soil  lesen."  „Und  wo  es  gleich  dazu 
kame,  davor  Gott  sei,  dafi  Luther  widerrufet,  soil  es  mir  nichts 
zu  schaffen  geben.  Ich  baue  nicht  auf  mein  oder  eines  Menschen 
Verstand,  sondeni  auf  den  wahren  Felsen  Christum  selbst, 
welchen  die  Baumeister  verworfen  haben".  Zu  diesen  geh5ren 
die  Ingolstadter  Gelehrten ; .  sie  fallen  unter  das  Gericht  welches 
der  Herr  liber  die  Pharisaer  ausgesprochen  hat.  „Wie  haltet 
ihr  das  kaiserliche  Mandat,  das  geboten  hat,  das  Evangelium 
zu  predigen,  wie  es  Gott  geboten  hat  und  die  Lehrer,  so  von 
der  christlichen  Kirche  approbiert  sind,  nicht  von  der  romischen 
Kirche,  von  der  in  der  Bibel  kein  Wort  steht"?  Mit  der  Ver- 
urteilung  Seehofers  haben  sie  der  Universitat  schlechten  Ruhm 
eingebracht  und  sich  undankbar  erwiesen  gegen  ihre  Stifter 
und  ihre  Fiirsten,  die  sie  jamraerlich  verfiihren  und  betriigen. 
„Schamt  Ihr  Euch  nicht,  daB  er  alle  Schriften  Luthers  hat 
verleugnen  mussen,  also  auch  das  lediglich  nach  dera  Text  ver- 
deutschte  Neue  Testament?  Damit  ist  das  heilige  Evangelium, 
die  Epistel  und  die  Apostelgeschichte  auch  bei  euch  Ketzerei 
gescholten."  Das  ist  alles  ohne  Beweis  geschehen.  Darum  bittet 
sie,  ihr  die  Artikel  Luthers  und  Melanchthons,  die  ketzerisch 
seien,  schriftlich  anzuzeigen.  „Wollt  Gott,  ich  sollt  in  Gegen- 
wjirtigkeit  unser  dreier  Fiirsten  und  ganzen  Gemein  mit  euch 
reden.  Ich  begehr  von  jedermann  belehrt  zu  werden.  Philo- 
sophic die  soil  nichts,  als  Paulus  zu  den  Kol.  2  sagt:  Htitet 
euch  von  der  Philosophic  und  Hoch reden  der  weltweisen 
Menschen.  —  Juristerei  schadet  mir  nicht,  denn  sie  gar  nicht 
daher  dienet,  gottliche  Theologie  spiir  ich  nicht.  .  .  .  Darum 
ftirchte  ich  mich  nicht,  so  ihr  anders  schriftlich  und  nit  ge- 
waltiglich  mit  Gefangnis  oder  dem  Feuer  unterweisen  wollt.  — 
Ich  kenn  kein  Latein,  aber  ihr  konnt  deutsch,  in  dieser  Zunge 
geboren  und  erzogen.  Ich  habe  euch  nicht  Weiberteidinge  ge- 
schrieben,  sondern  das  Wort  Gottes  als  ein  Glied  der  christ- 
lichen Kirche,  vor  welcher  die  Pforten  der  HoUe  nicht  be- 
stehen   mogen.    Aber   vor   der  romischen  Kirche   bestehet  sie 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  67 

wohl.  Besehet  nur  dieselbige  Kirche,  wie  sie  vor  den  Pforten 
der  Holle  bestehen  moge.  Gott  gebe  uns  seine  Gnade,  daB  wij- 
alle  selig  warden".  — 

Das  war  die  Strafrede  gegen  die  Dniversitat  und  zugleich 
angesichts  des  bayerischen  Religionsmandats  ein  evangelisches 
Bekenntnis  von  iiberraschender  Kiihnheit.  Aber  damit  nicht 
genug.  An  demselben  Tage  lieB  Argula  noch  ein  zweites  Schreiben 
an  Herzog  Wilhelm  abgehen.  Auch  hierin  erhebt  sie  schwere 
Klage  gegen,  die  Universitat,  die  da  vorgibt,  im  Namen  des 
Fiirsten  zu  handeln,  und  damit  in  Gottes  Gewalt  eingreift,. 
was  jener  gewifi  nicht  woUe,  da  kein  Mensch  Gewalt  hat,  Gottes 
Wort  zu  verbieten,  oder  darein  zu  regieren.  Sie  hieBen  es 
lutherisches  Wort,  es  sei  aber  nicht  lutherisches,  sondern  Gottes 
Wort.  Sie  dankt  dem  Fiirsten,  daB  Seehofer  auf  seinen  Befehl 
den  blutdiirstigen  Hslnden  entrissen  sei,  und  hofft,  daB  der  Jiing- 
ling  wie  Petrus  nach  seiner  Verleugnung  sich  bekehren  werde, 
bittet  aber  zugleich  den  Herzog,  nicht  allezeit  den  Worten  der 
Ingolstadter  Gelehrten  zu  glauben,  sondern  die  Geister  zu 
priifen,  denn  der  ist  aus  Gott,  der  Christum  bekennt.  Es  ist 
nicht  genug,  so  wir  sagen  woUten,  ich  glaub,  was  raeine  Eltern 
geglaubt  haben,  wir  mussen  in  Gott  und  nicht  in  unsere  Eltern 
glauben.  Wenn  das  Alter  eineu  rechten  Glauben  machte,  w£lre 
der  jiidische  der  beste.  Den  Glauben  an  Christum  soil  man 
bekennen  und  sich  dessen  nicht  schamen,  und  sich  nicht  fiirchten 
und  schweigen,  ob  es  tausend  Halse  koste.  Der  Fiirst  soil 
daran  nicht  zweifeln:  wer  das  Wort  Gottes  annimmt,  gibt  einem 
jeden,  was  ihm  gebiihrt,  leistet  Gehorsam  aller  Obrigkeit,  auch 
der  bosen.  Diese  darf  aber  ihre  Gewalt  nicht  miBbrauchen. 
Das  Wort  Gottes  zu  verbieten  lehrt  das  Evangeliura  nicht, 
Oder  solchem  Befehl  gehorsam  zu  sein,  vielmehr  eher  Leib  und 
Leben  verloren.  Wenn  aber  der  Furst  iiber  dem  Worte  Gottes 
halt,  so  wird  Glaub  und  Heil  Land  und  Leuten,  wo  nicht, 
wird  es  Gott  nicht  ungerochen  lassen.  Gott  hats  geredet,  wie 
sie  durch  viele  Beispiele-  aus  dem  alten  und  neuen  Testament 
beweist,  nicht  Luther,  und  das  Wort  Gottes  ist  ja  ohne  alles 
Nein,  Mochte  es  doch  der  Fiirst  zu  Herzen  nehmen  und  das 
teuer  erkaufte  Volk  nicht  ewiglich  verderben  lassen.  Niemand 
ist  wiirdiger  zu  halten,  als  ein  guter  Prediger,  der  im  Gottes- 

5* 


()8  Kolde,  Arsacius  Seehofer  nnd  Argula  von  Grurobach. 

geist  und  nicht  im  Buchstaben  gelelirt  ist,  denn  all  unser  Heil 
liegt  am  Horen  des  Wortes  Gottes.  Aber  wo  sind  diese  Pre- 
diger?  Dagegen  triiFt  Gottes  Gericht  die  falsclien  Propheten, 
die  Rauber,  Pfaffen,  Monche,  Nonuen.  Der  Herr  heifit  sie 
Rauber  Jes.  3:  Sie  haben  beraubt  mein  Volk  und  Weiberhaben 
sie  beherrscht.  „Das  redet  Gott,  so  ichs  redete,  so  wUrs 
liitherisch."  „  Ach  Gott  der  sodoraitischen  Reinigkeit  und  geizigen 
Armut!  Sie  haben  den  Kitzel  des  Fleischer  gleich  sowohl  als 
wir,  ob  sie  es  schon  mit  dem  Schanddeckel  der  Kutten  befarben, 
.bilft  vor  Gott  nicht;  hlilfe  es,  woUten  wir  alle  Kutten  an- 
legen."  Paulus  sagt:  Ein  jeder  Mann  soil  ein  Weib  haben, 
eine  jede  Frau  einen  Mann.  Und  ganz  wie  Luther  sagt  Argula: 
So  ich  Keuschheit  gelobte,  ist  gleich,  als  ob  ich  gelobte,  mit 
einem  Finger  an  den  Himmel  zu  riihren  oder  zu  fliegen.  Das 
steht  nicht  in  der  Menschheit  Gewalt.  —  Die  Arniut  der  Bar- 
fiifier  sieht  man  an  ihren  Gebauden,  vollen  Kasten,  an  Kiiche 
und  Keller.  „Ich  urteile  nicht,  aber  Christus  tuts  Matth.  23,14. 
Ich  kann  nichts  anderes  sehen  in  der  Stiftung  so  vieler  Dom- 
herren  und  Priester  samt  dem  andern  Geschwiirm  als  Erhaltung 
von  Buben  und  Biibinnen,  wie  es  unverschamt  am  Tage  liegt. 
Der  Papst  hat  dem  Rate  des  Teufels  gefolgt,  Eheweiber  ver- 
boten  und  um  Geld  Biibinnen  (Konkubinen)  erlaubt.  0  wenn 
die  Fiirsten  darein  sehen  wollten!**  Ihnen  gehort  das  Schwert: 
„Wollt  Gott,  dafi  eure  Augen  aufgetan  wiirden  und  ihr  selbst 
das  Schwert,  das  euch  Gott  gegeben  hat,  in  die  Hand  nehmet." 
Die  sogenannten  geisUichen  Fiirsten  und  Pralaten  haben  das 
Geld,  die  weltlichen  den  Sackel.  Schon  droht  der  Zorn  Gottes 
und  ist  zu  besorgen,  daB  der  Tiirke  der  Herr  unseres  Vater- 
landes  wird.  An  alien  Orten  erhebt  sich  Emporung;  die  Sache 
kann  in  die  Lange  nicht  Bestand  haben.  WoUte  Gott,  die 
Fiirsten  lieCen  sich  von  den  sogenannten  geistlichen  Herren 
nicht  langer  am  Affenseil  ftihren.  Leicht  konnte  der  Herzog 
eine  Tiirkensteuer  finden,  er  brauchte  nur  das  Vermogen  der 
Geistlichen  aufnehmen  lassen.  Hatten  sie  zu  viel,  konnte  es  zu 
gemeinem  Nutzen  verwandt  werden,  auch  dazu,  dafi  der  arme 
Mann  nicht  allzusehr  beschwert  wiirde.  Auch  auf  den  Unfug 
des  „Absenz"  kommt  sie  zu  sprechen  und  beklagt  es,  daB  die 
reichen  Pfriindeninhaber  nur  den  SchweiB  der  Armen  verzehren 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  69 

und  urn  geringen  Lohn  Geistliche,  und  zwar  selten  geschickte, 
dingen.  Dafiir  verweist  sie  auf  zwei  drastische  Beispiele.  „Der 
Pfarrer  von  Voburg,  Ifreiberger^),  hat  mehr  als  800  Gulden 
von  Pfriinden  und  tut  das  ganze  Jabr  keine  Predigt.  Und 
was  hat  HeiT  Bernhard  Arzt  zu  Eichstett?"^).  Und  doch  liegt 
alles  an  der  Predigt  des  Evangeliums.  —  Als  ilirem  Bruder, 
der  sie  nach  ihrer  Eltern  Tode  so  freundlich  getrdstet  und  in 
dessen  Dienste  sie  mit  ihrem  Manne  lebe,  babe  sie  ihm  ge- 
schrieben,  um  ihre  Dankbarkeit  zu  bezeugen.  „Mir  ist  wie 
Sankt  Peter.  Silber  und  Gold  babe  icfi  nicbt,  sondern  die  Lieb 
gegen  Gott  und  E.  F.  G.  als  meinem  Nachsten",  von  dessen 
Handen  Gott  die  Seelen  seiner  Untertanen  fordern  wird.  Moehte 
er  docb  nicht  allewege  den  Pfennigschluckern  glauben  und 
ibnen  Gewalt  geben,  namentlicb  nicht  den  Juristen,  die  selbst 
reicb  werden,  aber  das  Land  arm  machen.  Und  so  schliefit 
sie:  „Ich  hab  E.  F.  G.  die  grofien  Artikel  meines  kleinen  Ver- 
stands,  damit  das  Volk  Christi  beschwert,  angezeigt.  E.  F.  G. 
bedenke  es  baU,  denn  ich  es  schreibe.  Denn  es  betrifft  nicht 
ein  Zeitliches,  sondern  ein  Ewiges." 

Dieses  Vorgehen  der  adeligen  Dame  machte  ganz  unge- 
wohnliches  Aufsehen.  DaB  eine  Frau  zur  Feder  griflf  und  nun 
sogar  in  Sachen  des  Glaubens  und  der  Kirche,  war  in  deutschen 
Landen,  wie  der  Schreiber  der  Vorrede  zu  ihrer  ersten  Schrift 
sehr  richtig  bemerkt,    ,,vom  weiblichen  Geschlecht  gar  wenig 


1)  Man  konnte  daran  denken,  daB  dieser  Freiberger,  von  dem  ich 
sonst  nichts  mitzuteilen  weiB,  derselbe  ist,  gegen  den  in  demselben  Jahre 
der  unten  nocb  mehr  zu  erwahnende  Martin  Reckcnhofer  schrieb:  ^Ein 
Urteyl  Martin/Reckenbofers  iiber  ein  Sermon  gepredigt/am  anffertag  dess. 
1523  iars  zu  Frey singe/ wider  die  Euangelische  Christlichen/leer,  durch 
Joanne  Freyberger/vnsers  Hergots  priindner/im  Thumbstifft  daselbst./ 
M.D.Xiij.  Vgl.  0.  Clemen,  Beitriige  zur  Reformationsgeschichte  I,  49. 
Die  Bezeichnung  „Hergotspfrundner"  im  Titel,  und  in  der  Abhandlung 
selbst  nGottes,  Maria  vnd  Sanct  Corbinian  prebendarij  vnd  pfriindner 
daselbs**,  wurde  auf  ihn  passen,  nicht  aber  die  Behauptung  Argulas,  daiJ 
er  gar  nicht  predigte. 

2)  Uber  diesen  beruchtigten  Pfriindenjager  aus  Augsburg,  eincn  ge- 
lehrten  Juristen,  Domscholast  in  Eichstadt  f  21.  August  1525,  vgl. 
Sax,  Bischofe  von  Eicbstadt,  S.  348,  3GI,  369,  398  und  Al.  Schulte, 
Die  Fugger  in  Rom.    Leipzig  1904  I,  281,  287. 


70  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

and  bei  unsern  Zeiten  nie  gehort",  und  erst  ein  Jahr  darauf 
fand  ihr  Beispiel  Nachahmung^).  Namentlich  Argulas  izweiter 
Brief  war  ein  Reformationsmanifest  in  groBem  Stil.  Er  war, 
wie  gesagt,  an  Herzog  Wilhelra  gerichtet,  aber  der  Heraus- 
geber  bezeichnet  ihn  mit  richtigem  Verstandnis  auf  dem  Titel- 
blatt  als  eine  Ermahnung  an  „alle  Christliche  Stande  und 
Obrigkeiten  bei  der  Wahrheit  und  dem  Worte  Gottes  zu  bleiben, 
und  solches  aus  christlicher  Pflicht  zum  ernstlichsten  zu  Hand 
haben"^).  Beide  Schriften  kamen  zunachst  handschriftlich  in 
Umlauf,  die  an  die  Universitat  ubrigens  von  vornherein  mit 
einer  Vorrede,  die  das  Ereignis,  daB  eine  Prau  die  Schrift- 
gelehrten  mit  unuberwindlichen  gottlichen  Schriften   „mehr  als 


1)  Zuerst,  soweit  meine  Keontnis  reicht,  durch  Ursala  Weidin,  die 
SchSsserin  von  Eisenberg,  in  ihrer  Schrift:  „Wyder  das  vnchristlich 
schreiben  vn/Lesterbuch,  des  Apts  Simon  zu  Pegaw  vnnd  seyner/Bruder. 
Durch  Ursula  Weydin  Schosserin  zu/Eyssenbergk ,  Eyn  gegriindt  Ohrist- 
lich/schrifft  Gottlieb  wort  vnnd  Ehe-/lich  leben  belangende"  .-./Darunter 
Johelis  2.  (Es  soil  geschehen*  in  den  letzten  Zeiten  etc.)  Anno  Domini: 
Tansent  fUnffhundert  vnd/Vier  vnd  Zweyntzg./  (In  meiner  Bibl.).  Vgl. 
0.  Clemen,  Die  Schosserin  von  Eisenberg  in  Mitteilungen  des  Geschichts- 
und  Altertumsforschenden  Vereins  zu  Eisenberg  im  Herzogtum  Sachsen- 
Altenburg,  Heft  13  (1898,  S.  73 ff.)-  Ihr  reiht  sich  an  eine  mir  sonst 
unbekannte  K.Schtitzin,  den  leydenddn  Christglaubigen  weybern  der  gemain 
zu  Eentzingen  meinen  mitschwestern  in  Christo  Jhesu  zu  handen.  0. 
0.  1524.4.  6.B1.  bei  Kuczinsky,  Thesaurus,  Leipzig  1879,  Nr.  2421. 
Es  ware  eine  nicht  uninteressante  Aufgabe,  den  AnfSngen  der  weib- 
lichen  Schriftstellerei  in  der  Reformationszeit  weiter  nachzugehen. 

2)  Ein  Christenliche  schriflFt/ainer  Erbarn  frawen,  vom  (!)  Adel/ 
darjn  sy  alle  Christenliche  stendt/vn  obrikeyten  ermant,  bey  der  warheyt, 
vnnd  dem  wort /gottes  zu  bleiben /vn  sol/lichs  ausz  Christlicher/pflicht 
zum  ernast-/lich8te  zu  hande/haben/  Argula  Staufferin./  M.D.XXiij/  Ac- 
tuum  4./  Richtent  jr  selbs,  obs  got  recht/  sey,  das  wir  ewch  meer  gehor- 
eam/sein  sollen  den  Gott./  0.  0.  u.  J.  Titelbordtire,  8  Bl.  letzte  S. 
(MUnchen.  Hof-  u.  St.-Bibl.  Ntirnberg,  Germ.  Mus.).  Eine  andere  Ausgabe 
vom  Jahre  1524:  Ein  Christeliche  schrifft  /  einer  Erbaren  frawen,  vom 
adel/daryn  sie  alle  Christenliche  stendt/vnd  obrigkeyten  ermant.  Bey 
derjwarheit,  vnd  dem  wort  Gottes  zu  /  bleibe,  vnd  solchs-ausz  Christlich-/ 
er  pflicht  zum  ernstlichsten  zu  hand/haben./  Argula  Staufferin/M.D.XXiiij. 
/Actuum.  4./  Richtet  jr  selbs,  obs  vor  got  recht/sey,  das  wir  euch  mehr 
gehorsam/sein  sollen,  den  got./  Titelbordtire,  6  Bl.  Am  Schlufi  Datum 
Sonntag  nach  der  heiligen  Crenzerhebung.  Anno  domini.  1523.  Darau^ 
die  Unterschrift  (Erlangen,  Univ.-Bibl.). 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  71 

glaublich"  straft,  in  den  hochsten  Tonen  feiert  und  die  Argula 
mit  Judith  und  Esther  vergleicht  und  sich  die  grofiten  Erfolge 
verspricht:  „0  Herr,  es  wird  ein  groBes  Gedachtnis  deines 
Namens,  so  sie  die  Hand  des  Weibes  iiberwindet"  ^).  Der 
sachsische  BevoUmachtigte  beim  Reichsregiment  in  Nurnberg, 
Hans  von  der  Planitz,  war  bereits  am  15.  Oktober  darliber 
unterrichtet^).  Am  27.  konnte  er  Friedrich  dem  Weisen  eine 
Abschrift  des  Briefes  an  die  Universitat  mit  der  Vorrede 
schicken,  wobei  er  meldete,  dafi  der  Brief  demnachst  gedruckt 
werden  soUte,  und  daB  er  eine  Kopie  des  Briefes  an  Herzog 
Wilhelm  noch  nicht  habe  erhalten  konnen^).  Das  war  auch 
am  13.  November  noch  nicht  der  Fall,  an  dem  er  ein  gedrucktes 
Exemplar  der  Schrift  an  die  Universitat  an  den  Kurfiirsten 
tibersenden  konnte*).  (Schlufi  folgt.) 

Beilage  la. 

Arsacius  Seehofer  an  ? 
Wittenberg  1522.    4.  Jan.  5). 

Zsvg  ikeog'.  Ad  aliquod  tempus  mutuis  Uteris  certavimus,  qiiibus 
satis    superque    declaratum  •  est    (ni    fallor)    quantas    radices    egerit 

1)  Da  diese  intercssante  Vorrede,  deren  Verfasser  man  in  Nurnberg 
(Osiander?)  wird  suchen  mtissen,  bei  Rieger  und  Lipowsky  nicht  mit  ab- 
gedruckt  ist,  und  sich  nur  bei  Rabus,  Martyrerhistorie  1556.  V.  Bd.,  S.  38 
findet,  gebe  ich  sie  im  Anhange  Beilage  III. 

2)  Planitzbriefe  S.  557. 

3)  E.  cfl.  G.  habe  ich  hiervor  geschriben  von  einer  frauen  im  lande 
zu  Beyern,  wie  dieselbige  der  universitett  zu  Ihngelstett  geschriben  und 
auch  den  Herzogen  von  Beyern  etc.  mit  undertheniger  erpitung,  wue 
ich  der  schrift  copia  bekomen  mocht,  E.  cfl.  G.  dieselben  zuzuschigken. 
Demnach  ubersende  E.  cfl.  G.  ich  hiebei  dieselbige  abschrift  des  briffs, 
den  gnante  frau  der  universittet  geschriben.  Aber  wie  sie  den  fursten 
geschriben,  hab  ich  noch  nicht.  Zu  diszer  schrift,  an  die  universitett 
beschen,  ist  ein  kurze  vorrede  begriffen,  der  copia  E.  cfl.  G.  ich 
himit  auch  undertheniglich  ubersende;  vorsehe  mich,  es  werde  alzso  der- 
massen  in  kurz  gedrugkt  werden;  wie  es  aber  den  hern  von  Beyern  ge- 
felt  und  gefallen  wirt,  weisz  ich  nicht;  gleub  nicht  sehr  wohl.  Ebenda  S.573. 

4)  Ibid.  S.  582.  Am  11.  November  wuBte  man  in  Ingolstadt,  dafi 
der  Brief  an  die  Universitat  in  Nurnberg  gedruckt  sei.  Vgl.  v.  Druflfel 
S.  651  Anm. 

'  5)  Die  beiden  z.  Z.  im  Miinchner  Universitatsarchiv  nicht  aufzufin- 
denden  Briefe  (Kopien)  sind  hier  nach  einer  mir  von  A.  v.  Druffel  im 
Jahre  1888  tiberlassenen  Abschrift  wiedergegeben. 


72  Kolde,  Arsacius  Seehofer  nnd  Argula  von  Gi-umbach. 

amicitia  nostra^  qnae  a  puero  mihi  tecum  intercessit.  Idcirco  hac  de 
re  amplius  scriptis  te  obtuudere  in  auirao  non  est.  Est  qnidem 
excellentius  quoddam  prioribus  quod  tibi  scribam.  Nempe  quod  ad 
salutem  auimaram  nostrarum  expedit  atque  non  parum  dignosces  ex 
his,  quantis  vinculis  illaqueati  estis  a  diabolo  per  subministratores 
artis  suae  papisticos.  Et  quam  longe  aberrastis  a  scopo  verae  institiae 
proh  dolor!  utinam  verbis  consequi  possem,  scd  pauca  explicabo  tibi, 
quantum  captu  meo  assequi  possum  quam  brevissime.  Luther  us  euim 
omnia  copiosissime  pertractat,  quapropter  nolo  IJiadas  post  homerum 
depingere  primum,  Cauponantes  verbum  divinum  volunt  suis  operibus, 
suorum  operum  hyprocrisi  iustificatiouem  asserero,  o  scelesti  ho- 
mines, qui  tam  aperte  audent  variare  a  Evangelio,  cuius  tota  praedi- 
catio  est  nobis  remitti  peccata  gratis,  sine  ullo  operum  nostrorum 
respectu,  omnemque  nostram  salutem  esse  ex  deo,  id  quoque .  passim 
attestatur  tota  scriptura,  psalmus  32.  da  nobis  auxilium  domine, 
Quoniam  vana  salus  homiuis,  hoc  idem  dicit  paulus.  Justus  ex  fide 
vivit.  Item  Roma  3.  Justitia  dei  per  (idem  Jesu  Christi,  revelata  est 
non  operum  hypocrisis,  quam  homines  pro  iustitia  reputent,  sed 
talis  iustitia  revelata  est,  quam  deus  pro  iustitia  reputat,  nempe 
ea  quae  per  fidem  constat,  paulus  Roma  4.  credenti  reputatur  fides 
ad  iustitiam.  Accedit  huic  locus  Gene.  15.  credidit  Abraham  deo 
et  reputatum  est  ei  ad  iustitiam,  Christus  luce  7.  erexit  mulierem 
peccatricem  dicens  mulier  fides  tua  salvam  te  fecit.  Tum  Mathei.  7. 
quid  cogitatis  vos  modicae  fidei  etc.,  porro  si  iustitia  ex  operibus 
nostris  constat,  quis  tum  misericoi*diae  locus  est,  quam  in  tota  scrip- 
tura  ventitat  Christus?  Verum  quid  multa  connumerem,  quum  in 
aprico  sit,  iustitiam  hominis  nullam  esse:  qui  enim  fieri  potest,  cum 
nobis  filium  suum  dilectum  tradidit  pro  nobis  dens,  ut  non  omnia 
simul  cum  eo  donaret?  Idcirco  id  pro  thesi  habeas  fidem  esse  iustitiam 
nostram,  adstipulatur  Paulus  2.  Corinth.  3.  omnis  sufficientia  nostra 
ex  deo  est,  Christus  quoque  acriter  coarguit  hjporritas,  qui  se  suis 
operibus  (Math.  21.)  iustificari  ratum  habebant.  Dein^)  videant  illi 
nefarii  homines,  quam  foeliciter  doceant  se  suis  bonis,  ut  aiunt  operi- 
bus salutem  assequi,  cum  omnia  hominum  opera  citra  cordis  puri- 
tatem  peccata  sint,  atque  omnes  hominum  conatus.  Sed  cor  hominis 
abominabile  est,  dum  non  agitationibus  epiritns  Dei  gubernatur,  at- 
que dummodo  non  penitus  mortificatus  fuerit  vetus  Adam  et  omnes 
affectus  sopiti  et  extincti  fuerint.  Hoc  comprobat  Salomon  dicens...^). 
Jam  licet  videre,  quid  boni  in  nobis  reperiri  possit,  praeterea  non 
difficile  est  perspicere,  quam  belle  arguunt  papistae  technis  suis 
nobiscum  in  missa,  quam  usurpaut  pro  sacrificio,  atque  aiunt  efferri 
Christum  Deo  —  quam  egregii  uugatores!  —  pro  vivis  et  defunctis 
et  instituerunt  missam    de  S.  Katharina,    de  beata  Maria   virgine  et 

1)  Das  Folgende   bis  zum  SchluCabsatz :  Jam  etc.  fehlt  bei  Winter. 

2)  Die  bier  folgenden  Bibelstellen  fehlen  in  der  Druffel»cben  Abschrift. 


Kolde,  Arsacins  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  73 

id  genus  reliqua.  Sed  obsecro  papisticos  helluones  producite  unum 
Jota  quo  confisi  auderent  tali  a  in  medium  afferre,  sed  hoc  comperis 
quod  scriptura  adimit  eis  facultatera  coudendi  aliquid  novi  in  hunc 
modum  neque  quidquam  addatur  vel  detrahatur  legi  Dei.  Et  nihil 
aequo  abhorret  divinum  atque  constitutiones  humanas.  dicit  enim 
Christus  in  vanum  me  colunt  qui  praecepta  Dei  negligtint  et  hominum 
institutiones  inculcant.  Irapie  ergo  errant  qui  missas  faciant  tamquam 
bouum  aliquid  opus  exequantur  et  Christum  Deo  offerant.  Obtulit 
enim  filius  Dei  se  semel,  nee  potest  denuo  offerri  pro  delictis  nostris 
et  exhibuit  nobis  Christus  hoc  eucharisticum,  quod  missam  appellitant, 
ad  erigendara  fidcm  uostram,  ut  hoc  pignore  quomodo  capimus,  certi 
nos  essemus  Deum  esse  nobiscum  praesentem  propicium.  Ea  vero 
omnia  invertit  papa  in  suum  fiscum,  probeque  usurpat  sibi  nomen 
piscatoris.  Expiscatur  ut  homini  non  constat  omnium  crumenas,  ut 
ne  nummus  nobis  supersit.  Paulus  aliam  praescri&it  formulam  epi- 
scopi  docere  populum  suum  et  consolari  affiictos,  non  opprimere  suis 
decretis;  is  esset  dignus  mercede  sua.  Dicit  enim  qui  altari  servit 
de  altari  vivat.  Altare  id  ne  est  quod  est  extructum  in  lapidea  aede, 
non  sic  impii!  nullum  aliud  altare  est  nisi  cor  nostrumi  Ergo  ille 
qui  plantat  verbum  Dei  in  cordibus  nostris  de  altari  vivat  et  a  populo 
subministrentur  omnia  necessaria.  Ergo  illis  qui  non  decent  populum, 
qui  totam  substautiam  miser[or]um  hominum  devorant^).  omnibus  ius 
est  interpellandi  apud  Deum,  missas  celebraudi;  nos  ipsos  oiFerimus 
Deo,  Petrus  ait  omnes  reges  in  Christo  et  sacerdotes.  Sed  quid 
multis  moror.  Consule  scripta  Lutheri  divinitus  demissi,  imprimis 
evangelium,  in  quo  annuo ti ant,  tibi  remissa  peccata  tua  per  Christum. 
Demum  non  ignoras  quibus  modis  parentes  mei  effiictim  cupiant 
me  ad  gradum  magisterii,  sed  hoc  aequum  esse  non  possum  persuaderi. 
Christiani  non  est  deelinare  in  sua  consilia  et  alta  afflare,  exigit 
enim  Christus  ut  vivamus  in  humilitate  et  simplicitate  cordis,  ait  enim 
Mathei  23  ubi  mere  Pharisaeos  adarguit  superbiae:  Nolite  vocari 
Rabbi,  imus  est  enim  magister  vester,  nempe  Christus,  omnes  autem 
vos  fratres  estis,  item  qui  maior  est  vestrum  erit  minister  vester, 
et  qui  se  exaltavit,  humiliabitur,  et  qui  se  humiliavit,  exaltatui*. 
Item  dicit:  qui  vult  me  sequi,  abneget  se  ipsum  et  tollat  crucem  suam 
Math.  16.  Quod  dicit  abnegat  se  ipsum,  satis  indicat,  nihil  in  huma- 
nis  viribus  sani  et  boni  et  quod  quidem  virium  naturae  repugnare 
Deo.  Natura  omnes  eflFerimur  animo.  Filius  Dei  praebuit  nobis  quo- 
que  exemplum,  vixit  enim  omni  humilitate  et  paupertate,  sancti 
quoque  eius  fuerunt  omnium  despectissimi  et  omnibus  ludibrio  habiti. 
Quapropter  doce  eos  quam  ridicula  res  sit,  non  enim  possumus  sequi 
vestigia  eius  nisi  per  crucem  et  afflictiones.  Propterea  dicit:  Beati  qui 
persecutionem  patiuntur  in  nomine  meo.  Non  enim  possumus  eis 
obsecundare    in  hoc,    si  scripta   evangelica  observavero.     Quapropter 

1)  Hier  fehit  der  Nachsatz. 


74  Kolde,  Arsacius  S^ehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

petit,  qui  mea  vestigia  capessere  voliierit  odio  habebit  patrem  et 
matrem,  fratres  et  sorores  et  omne  id  quod  sibi  obstaculo  erit.  Quid 
multis  moror.  Nihil  aliud  volo  quam  ut  parentes  et  omues  amicos 
imbuas  sacris  scripturis  ne  diutius  immorentur  in  caligine  tenebrarum, 
Quapropter  delego  tibi  hoc  munus  atque  solum  in  hoc  innitere,  ut 
ostendas  eis  viam  veritatis.  Interim  mittet  vobis  spiritum  suum  Deus 
et  sanabit  vos.  Jam  non  pluribus  agam  tecum,  sed  deus  avertat 
iram  et  mittat  verbum  suum.  His  vale  bono  omine  ex  Witten- 
berga  vel  Bethlehem,  ubi  Christus  iterum  erupit  in  lucem.  Vale 
iterum  felioiter,  die  4.  Januarii  Anno   1522. 

Arsatius  Seehofer 
tibi  deditus. 

B  e  il  age  I**. 

Arsacius  Seehofer  an  einen  Geistlichen. 
Wittenberg  1522.  4.  Jan. 

Miraris  fortasse,  cur  litteras  ad  te  do,  certe  mirari  desines,  si 
animo  consequi  velis  benevolentiam  meam  praecipuam  in  te,  quam  ex 
tuis  compositis  (qui  in  te  singulariter  siti  sunt)  moribus  coucepi.  Es 
enim  homo  facilis  omnium  horarum,  omnes  sine  taedio  perfers  ac 
pateris,  cum  quibus  es.  Ideo  non  est,  ut  temeritati  meae  ascribas  sed 
amori  meo  immodico,  cui  temperare  non  possum.  Hoc  quo  in  re 
est,  cur  ad  te  scribo,  quum  enim  vobiscum  degerem,  viderem  te  in 
aliquibus  lutheri  coelitus  demissi^)  dictis  haerere.  Videbaturque 
tibi  variare  a  veritate  quod^)  homini  liberjjm  arbitrium  abnegaret. 
Idcirco  statui  paucis  ad  te  scribere  ac  eius  sententiam  explicare, 
quantum  mihi  licet.  Quandoquidem  omnia,  quae  eveniunt  necessario 
iuxta  divinam  praedestinationem  eveniunt.  Testatur  id  pau.  Eo.  11, 
quoniam  ex  illo  et  per  ilium  et  in  illo  omnia,  quis  ergo  liberi  (ut 
sophistae  nostri  vocant)  arbitrii  locus.  Item  ad  Ephe.  1.  qui  operatiir 
omnia  secundum  consilium  voluntatis  suae.  Hoc  idem  agit  Cristus 
math.  10.  Nonne  duo  passeres  asse  veniunt.  Et  unus  ex  illis  non 
cadit  super  terram  sine  patre  vestro.  proverb.  16.  Uni versa  propter 
semetipsum  operatus  est  dominus.  Impium  quoque  ad  diem  malum. 
Et  rursus  prover.  20  a  domino  diriguntur  gressus  viri.  Quis  autem 
hominum  potest  intelligere  vias  suas  etc.  Sed  quid  multa  conger o, 
facile  enim  lectione  assidua  observabis  in  sacris  literis,  quae  sit 
libertas  abitrii  nostri.  Et  quod  paulo  asperior  nobis  sententia 
scripturae  videatur,  debemus  imputare  impiis  illis  sophistis,  qui'  nobis 
adeo  inculcaverunt  rerum  contingentiam  et  libertatem  voluntatis 
nostrae,  quae  prorsus  nulla  est.  Et  ^)  quid  erroris  in  ecclesia  exortum 


1)  Bei  Winter:  —  dimisse.  Coelitus  fehlt. 

2)  Winter:  quum. 

3)  Das  Folgende  fehlt  bei  Winter. 


Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  75 

« 

est,  sophisticis  nebulonibus  attribiiendum ,  impii  illi  homines  suis 
operibus  iustificari  hominem  asserunt^).  Vides  quanam  parte  discre- 
pant a  Cristi  dogmate.  Docet  enim  totam  nostram  salutem  pendere 
ex  Deo.  Item  Paul  us  Eoma.  3  Justus  ex  fide  vivit.  Justitia  Dei 
per  fidem  Jesu  Cristi,  Item  Eoma  4.  Credenti  reputatur  fides  ad 
iustitiam.  Cristus  praescripsit  nobis  unicum  opus  Job.  6.  Sed  fides 
habetur  ei  quod  ipse  sit  salbator  (sic)  noster  dicens:  hoc  est  opus 
Dei  ut  credatis  in  eum  quem  misit  ille.  Sed  de  his  satis.  Paucis 
enim  tecum  agere  volui,  Hoc  novi  et  certe  scio  quod  titi  scribo : 
Lutherus  nuper  visitavit  nos  tamquam  pios  filios  pater,  denique  iterum 
se  recepit  in  locum  suum  abditum,  ubi  iam  latere  propter  verbum 
divinum,  quod  ipse  promulgavit  omnibus,  cogitur,  sed  evangelium 
non  potest  fieri  efficax  nisi  afflictionibus.  Missa  (!)  quoque  abole- 
verunt  apud  nos  non  tota  (!)  sed  solam  additiones  papisticas.  est  enim 
ius  eis  ademptum  a  scriptura  condendi  aliquid  novi  neque  quidquam 
addatur  vel  detrahatur  legi  Dei.  instituta  est  a  Cristo  ad  certificandam 
fidem  nostram,  ut  is  qui  participat,  de  ea  certus  sit  hoc  pignore 
Deum  sibi  bene  velle.  Haec  ex  scriptis  Martini  nostri  qui  omnia 
pcrtractat  ut  res  postulat.  His  vale  atque  populum  in  tuam  curam 
commissum  imbue  evangelio^),  non  doctrinas  humanas.  Dicit  enim 
Christus  in  vanum  me  colunt  qui  doctrinas  dominum  docent  et 
praecepta  Dei  negligunt.  Haec^)  scipsi  tibi  non  ut  te  doceam,  solum- 
modo  ut  commonefaciam.  Vale  iterum  felici  auspitio  ex  Witten- 
berga,  ubi  Cristus  iterum  in  lucem  erupit. 
Die  4,  Januarii  anno  1522. 

Arsatius  Seehofer 
tibi  deditus. 

Beilage  11. 

Die  als  ketzerisch  verurteilten,    von  Seehofer  am  7.  Sept* 

1523  widerrufenen  Artikel. 

1.  Sola  fides  ad  hominis  iustificationem  est  sufficieus. 

2.  Justicia     dei     eiusmodi     est,    quam    deus    imputat.  nullorum 
operum  respectu. 

3.  Justificationem  nullo  operum  merito  consequi  potest  homo. 

4.  Solus  deus  iustificat,  in  nos  transfundens  spiritum  suum  sine 
nostra  actione. 

5.  In  nullo  opere  spes  ulla  est  ponenda. 

6.  Impossibile  est  fidem  esse  sine  bonis  fructibus*). 


1)  So  wohl  statt  der  von  Druflfel  zweifelhaft  gelassenen  Lesung  ^asse- 
verunt". 

2)  Hlernach  war  der  Empfanger  ein  Geistlicher  und  Prediger. 

3)  Von  hier  an  den  SchluB  wieder  bei  Winter. 

4)  Bei  Stratus  Engedinus  (s.  u.):  operibus. 


76  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbacb. 

-7.  Cum  scriptura    usnrpat  praemium   pro  operibus  dari,    sic  in- 
telligendnm  est,  id  est  fide  salvari. 

8.  Hi  Dou  in  petram  sed  in  harenam  aedificant,  qui  operibus 
iustificari  contendunt. 

9.  In  ecclesia  nemiui  est  credendum,  nisi  certo  afferat  divinum 
verbum. 

10.  In  ecclesia  nihil  agendum  aut  docenduifi  est  homini^  nisi 
quod  dominus  tradidit  ac  demandavit. 

11.  Episcopo  non  licet  nisi  verbum  docere. 

12.  Episcopum  esse,  est  verbum  dei  profiteri. 

13.  Yiro  dimittenti  uxorem  suam  faoultas  est,  aliam  ducere^ 
similiter  mulieri  viro  alteri  nubere,  nisi  ille  arceatur,  qui  in  culpa 
fuit;  cur  prius  solutum  sit  matrimonium. 

14.  Non  licet  iurare  nisi^)  propter  gloriam  dei  aut  necessitatem 
proximi,  propter  bona  autem  temporalia  nequaquam  licitum  est  iurare. 

15.  Necesse  est,  ut  ille  qui  ab  aliis  extorquet  iuramentum 
animo  sit  suspicioso,  diffidenti^),  malicioso  et  levi,  non  reverenti  di- 
vinae  veritatis^). 

16.  Lex  per  Moysen  data  exegit  ab  homine,  quod  non  poterat 
assequi. 

17.  Evangelium  Christi  non  est  spiritus  sed  litera,  contra  doc- 
trinam  B.  Pauli  2.  Corinth.  3  dicentis:  Litera  occidit,  spiritus  autem 
viviticat  per  spiritum  intelligeus  legem  evangelicam*). 

Beilage  III. 

Vorrede    zur    Schrift  A.  v.  Grumbachs    an    die    Universitat 

zu  Ingolstadt^). 

Briider:  es  ist  zeit  vom  schlaff  aufzusten.  Wann  vnser  heyl  ist 
neher,  weder  wir  glauben.  Darumb,  0  Christlicher  leser,  vnd  auch 
ir  verplenten,  plinden,  wutenden  Phariseier,  die  ir  allewegen  dem 
heyligen  geist  widerstanden  habt,  wolt  ir  den  worten  Christi  nit 
glauben,  so  glaubt  doch  den  wercken,  die  er  dodurch  thut.  Legt 
ab  den  decksal  euer  grofien  hoohfart,  geytz  vnd  fleyschlichen  wollust. 


1)  Nisi  im  Nachdruck  ausgefallen. 

2)  So  fur  diffendenti  ira  Ingolstadter  Text  bei  Stratus  Engedinus 
verbessert. 

3)  Artikel  14  und  15  lauten  in  der  von  einem  Freunde  Seehofers 
herausgegebenen  deutschen  F.issung,  worauf  die  Eiiiladung  der  Ingolstadter 
zur  Disputation  hinweist,  wescntlich  anders:  Art.  14.  Das  man  nit  schweren 
soil,  den  umb  gottes  ere  vnd  des  nechsten  not  willen.  Art.  15.  Das  gar 
nit  zimlich  sey,  vmb  zeitlicher  gutter  willen  zu  schweren. 

4)  Vollig  ivrofUhrend  ist  bier  die  deutsche  (offizielle)  Wicdergabe 
des  Ingolst jitter  Zettels,  der  als  Art.  17  nur  auffiihrt:  Das  evangelium 
Christi,  ist  nit  der  Gayst,  sonder  der  buchstab. 

5)  S.  oben  S.  70  f. 


Kolde,  Arsaoius  Seehofer  und  Argula  von  Grambach.  77 

Mercket  vnd  greuffet;  wie  gnediglich,  vetterlich,  mannigfeltig  vnd 
wiinderberlich  Christus  vnser  seligmacher,  in  diesen  letzsteu  tagen 
(als  im  anfang  seiner  Kircheu  auch  beschach)  vns  nit  allein  gelerte 
der  schrift  Sunder  auch  durch  ander  vil  junger  vnd  alter,  manfi  vnd 
weibsbilder  grosseu  bestcndigkeyt,  pein,  marter  vnd  tod  zum  seinem 
gbtlichen  seligmachenten  wort  locket  vnd  stercket,  vnd  die  veruolger 
desselben  so  scheynlich;  eutlich  schendet.  Damit  euer  hertzen  nit 
als  Pharaonis  (Exodi  am  iiij)  verstockt  vnd  verhertet  beleibe.  So 
ir  doch  nichts  gewiesers  spuret,  dan  so  die  kinder  (Luce  am  xix) 
schwigen,  dz  die  steyn  reden  wurden.  Vnd  (Johel  am  ij)  nach  dieser 
zejt,  wurd  ich  giessen  meinen  Geyst  auff  alles  fleysch,  vnd  werden 
Propheceyen  oder  warsagen  euer  Siine,  vnd  euer  dochter.  Auch" 
euer  knecht  vnd  euer  meyde,  vnd  ich  wurd  wunder  wUrcken  jm 
Himel,  vnd  auff  erden,  ehe  der  grofi  vnd  erschrockenlich  tag  gottes 
kumbt.  Welcher  spruch  ytzo  mancherley  weyfi  und  sunderlich  ytz 
in  gemeltem  weib  offentlich  erscheynet,  die  weyl  aufi  irem  nach  ge- 
schriben  Sendbrieff  funden  wirt,  das  sie  darinnen  die  schrifftgelerteu 
der  Hohenschul  zu  Ingoldstat  (als  Judith  am  viij.  die  irrenden 
Priester)  mil  vil  eingefdrten  vniiberwindtlichen  Gottlichen  schrifflteu, 
von  wegen  irer  veruolgung  des  heiligen  Euangeliums^  mer  weder 
glauplich  (vnd  vormals  von  weiplichem  geschlecht  dergleichen  gar 
wenig,  vnd  bei  vnsern  zeyten  nie  gehbrt)  straffet,  ermanet  vnd  vnder- 
weiset.  Vnd  das  noch  mer  ist,  sich  in  gemelten  irem  sendtbrieff 
erbeut,  deshalb  fiir  gedachte  schrifftgelerte  zu  uerhSr  zu  kummen. 
Daraufi  zu  versteen  ist,  dz  sie  sblch  ir  gethanes  schreiben  nit  durch 
anderer  vnderweysung,  sunder  allein  vom  geist  Gottes  hat.  Sie  lest 
sich  auch  vil  ueulicher  exempel  greuslicher  straff  (wider  etliche  ver- 
fechter  des  Gotlichen  worts  gebraucht)  an  sblchem  irem  Christlichen 
werck  nit  verhindern,  sunder  sich,  gleych  der  heyligen  Hester,  vmb 
beils  willen  des  volcks  (Hester  am  iiij)  dem  tode  vnd  der  ver- 
defbung  ergeben  hat.  Vnd  will  mit  der  heiligen  Susanna  (Danielis 
am  xiij)  lieber  on  werck  in  die  heand  der  menschen  fallen,  dann 
mit  verschweiguug  der  warheit  vor  Got  slindigen.  Darumb  wir,  von 
wegen  siglicher  uberwindung  der  aller  hochfertigsten  grbfiten  feind 
Christi  (als  Judith  am  ix)  zu  Got  betten  vnd  sprecheu  mbgen.  0 
herr  es  wirt  ein  grosse  godechtnus  deines  namens,  so  ine  die  handt 
des  weibs  Uberwindet,  Vnd  soUen  billich  mit  dem  heylichen 
zacharia  in  Got  iubiliren  vud  singen.  Gebenedeyet  sey  der  her 
Got  Israhel,  der  heimsuchung  vnd  erlosung  gethan  hat  seinem  volck. 


78      Schornbaum,  Lentershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit  und 
das  Ende  Eberlins  von  Giinzburg. 

Von  Dr.  Earl  Schornbaam. 

(SchluG.) 

Eberlin  hatte  nun  Zeit,  mit  manchen  Mifibrauchen  aufzu- 
raumen.  Wii*  b6ren  ihn  klagen,  dafi  an  einem  Tage  liber  20 
Fuhrwerke  iiber  den  Priedhof  fahren,  dafi  die  Graber  ganz 
jruiniert  warden;  die  Totenkapelle  diene  zur  Aufbewahrung  von 
Hen  und  Stroh;  in  die  frisch  aufgeworfenen  Kindergraber  sanken 
die  Pferde  bis  an  die  Knochel  hinein.  Audi  beklagt  er  sich, 
dafi  man  mit  Schlitten  um  die  Kirche  fahre  wie  bei  einer  Hoch- 
zeit  Oder  Fastnacht^). 

Noch  einmal  soUte  er  im  Jahre  1532  mit  seinem  alten 
Widersacher  Veit  Gattenhofer  zu  tun  haben.  Was  wohl  diesen 
bewog,  so  gar  unversohnlich  zu  sein?  Er  teilte  Herzog  Albrecht 
mit,  dafi  in  Franken  ein  Priester  die  papistische  Ohrenbeichte 
und  andere  gottlose  Gebrauche  wieder  eingefiihrt  habe.  Der 
Plan  war  nicht  iibel  ausgedacht.  Albrecht  schaute  mit  banger 
Sorge  auf  seinen  Bruder  Georg;  er  fiirchtete  immer,  dafi  dieser 
infolge  seiner  bedrangten  Lage  nur  allzusehr  seinen  evangeli- 
schen  Standpunkt  verleugne^);  er  bat  deshalb  Georg  um  Auf- 
schlufi^).  Gattenhofer^  Arglist  wurde  bald  entdeckt.  Eberliii 
konnte  sich  glanzend  rechtfertigen  und  scheute  sich  nun  nicht, 
offen  den  zu  nennen,  der  auch  in  der  Feme  noch  Pfeile  nach 
ihm  absende  *).  Dieser  erntete  den  Lohn  fiir  seine  Verlftumdungen ; 


1)  Pf.  L.  fol.  76;  fol.  75  beschaftigt  sich  mit  der  Beerdigung  eines 
Wahrsagers. 

2)  cf.  die  Handlung  Albrechts  und  Georgs  zuKosten  18. — 21.  Marz 
1532.    Ntirnberger  Kreisarchiv.  S.  X.  R.  ^4-  N.  986.  (A.  A.  Akten.  Rep.  137). 

3)  Georg  an  seine  Statthalter  und  Rate.  d.  d.  Jagerndorf  So.  n. 
Ass.  Marie  (18.  8.)  1532.  Pf.  L.  fol.  85.  bittet  um  Auskunft  tiber  diesen 
Priester. 

4)  Joh.  Eberlin  an  Rate  und  Statthalter  zu  Ansbach.  d.  d.  Mittw. 
n.  Mauricii  (25.  9.)  1532.  Pf.  L.  fol.  91ff.  Staatsarchiv  Konigsberg.  A.  3 
ad  6.  XI.  1532.  Gedruckt  Beilage  VI.  Statthalter  und  Rate  zu  Feucht- 
wangen  an  Markgraf  Georg.  d.  d.  Feuchtwangen.  Dienstag  n.  Franc. 
(8.  X.)  1532.  Pf.  L.  fol.  95.    Kdnigsb.  Archiv.  Beilage  VI.    Georg  an  seinen 


Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit.      79 

denn  Eberlin  enthiillte  sein  Betragen,  bes.  seine  Abendmahls- 
verachtmig,  dafi  Georg  seinem  Bruder  Albrecht  bitter  mitteilte, 
dafi  er  einen  solchen  Mann  nicht  in  seinem  Lande  gedaldet 
hatte.  Gattenhofer  snchte  nun  wohl  den  Zorn  des  Herzogs 
durch  die  Ubersendung  der  unten  abgedruckten  Briefe  etwas 
abzuschwachen  ^). 

Bald  darauf  mufi  Eberlin  in  schwere  Krankheit  gefallen 
sein,  Von  der  er  sich  nicht  mehr  erholen  sollte.  Es  wurde  ihm 
bald  immer  weniger  moglich,  seinen  amtlichen  Verpflichtungen 
naehzukommen.  Jorg  Reygel  und  E.  Lauden  mufiten  nun  all- 
inahlich  das  ganze  Amt  auf  sich  nehmen,  da  der  dritte  Vikarier 
J.  Weifigerber  inzwischen  gestorben  zu  sein  scheiut^).  Sie  taten 
es  nicht  besonders  gern,  bekamen  sie  doch  nur  5  fl.  vom  Kastner^). 
Zuerst  mufiten  sie  die  Messe  tibernehmen,  dann  wurde  ihnen 
das  Taufen  sowie  die  Wochenpredigten  libertragen,  zum  Schlufi 
auch  das  Beichthoren.  Nur  eine  Predigt  hielt  Eberlin  noch  am 
Sonntag,  dabei  ging  er  direkt  von  der  Sakristei  auf  die  Kanzel. 
Die  Unlust  der  Vikare  scheint  ihn  nicht  wenig  gereizt  zu  haben, 
so  dafi  er  ihnen  am  AUerKeiligentag  von  der  Kanzel  zurief: 
ich  sch  . . .  auf  euren  Kirchendienst,  einem  anderen  warf  er  das 
Barett  vor  die  Ftifie*).  Der  Amtmann  sollte  darauf  die  ganze 
Angelegenheit  untersucheu ;  aber  die  Krankheit  Eberlins  scheint 


Bruder  Albrecht.    d.  d.  Jagemdorf.  Mittw.  n.  Omn.  Sanct.  (6.  XI.)  1532. 
Konigsb.  Staatsarchiv  u.  Pf.  L.  fol.  96  f.    gedr.  Beilage  V. 

1)  s.  Beilage  VII,  VIII,  IX. 

2)  A.  R.  A.  IIL  fol.  25:  G.  Weifigerbers  selig  pfrtinde:  38  fl.  21  ^ 
Einnahmen.  Man  gibt  10  fl.  dem  Schulmeister  als  Addition  aus  Befehl 
M.  Georgs.  8  fl.  dem  Kaplan  Job.  Mecklern.  1  ort  an  arme  Leute,  ver- 
triebene  Pfarrer  nnd  Studenten.  (ca.  1555).  —  Bericht  des  Kastners  zu 
Kolmberg  an  den  Markgraf  G.  Friedrich.  d.  d,  Mitw.  n.  heil.  Christtag 
(30.  XII.)  1562.  H.  Friedrich  (Engerer)  seligen  Pfrund:  2  fl.  2  ort  Ein- 
kommen;  gibt  man  einem  Stadtschreiber.  Georg  WeiBgerbers  Pfrund: 
40  fl.  2^2  ort  I6V2  '4>  Einnahmen  •,  26  fl.  3^2  ort  21^2  -4  Ausgaben, 
namlich:  8fl.  dem  Kaplan,  28^  den  Armen,  28^  einem  armen  Madchen 
fiir  ein  Paar  Schuhe,  2  Batzen  an  arme  Menschen,  28  ^  einem  Armen 
aus  Dinkelsbiihl,  2  Batzen  einem  Studenten,  1  fl.  vertdebenen  evang. 
Pfarrern.    A.  R.  A.  T.  III.  fol.  384  ff. 

3)  Wolf  V.  HeCberg  an  die  Rate.  Osterabend  (12.4.)  1533.  Kapl.L. 
fol.  17.    cf.  18. 

4)  E.  Tetelbach  u.  Georius  Reygel  an  den  Amtmann.  Pf.  L.  fol.  100, 


80      Schombaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformations^eit. 

dies  unmOglich  gemacht  zu  haben;  er  selbst  hatte  schon  andere 
Urteile  gehort  (28.  Jan.  1533)^). 

E.  Laudeu  und  J.  Reygel  mufiten  weiter  die  Pfarrei  ver- 
sehen;  die  Vergutung  von  5  fl.  wurde  ihnen  trotz  ihrer  Bitte 
nicht  gebessert;  der  Amtmann  scheint  dagegen  gewesen  zu  sein. 
Da  versuchte  es  E.  Lauden  allein,  eine  liohere  Bezahlung  zu 
erlangen;  er  stellte  es  so  bin,  als  ob  alle  Last  auf  ihm  ruhte; 
er  bat  urn  16  fl.  Zulage^);  J.  Reygel  bestritt  nun  seinerseits 
auch  wieder  diese  Behauptungen  ^),  sodafi  wohl  keiner  etwas 
bekam*).  Der  Rat  von  Leutershausen  wandte  sich  vielmehr, 
da  die  Krankheit  Eberlins  sich  als  unheilbar  erwies,  an  die 
Stadthalter  zu  Ansbach,  mit  der  Bitte,  einen  Prediger  ihnen  zu 
senden,  der  das  Wort  Gottes  lauter  und  rein  lehre  und  das 
Volk  nicht  so  unbillig  schmahe  wie  Eberlin.  (20.  XIL  1532) «). 
Konrad  Prunner,  der  markgr^fliche  Hofprediger^),  ging  nun  nach 
Leutershausen,  um  die  Pfarrstelle  einstweilen  zu  verwesen. 
Bereits  im  Oktober  war  Eberlin  von  seinem  Leiden  erlost'). 

Man  wird  ihn  nicht  von  Schuld  freisprechen  durfen,  wenn 

1)  Statthalter  und  Regenten  an  W^olf  v.  Hefiberg.  d.  d.  Do.  n.  Seb. 
(23. 1.)  1533.  Pf.  L.  fol.  101.  Wolf  v.  Hefiberg  an  die  Regenten  u.  Rate, 
d.  d.  Di.  Pauli  Bekehrung  (28.  I.)  1533.     ibidem  f.  102. 

2)  Pf.  L.  fol.  15.  Andreas  Lauden  v.  Dettelbach  an  Statthalter  u.  Rate, 

3)  K.  L.  fol.  19. 

4)  Wolf  V.  Hefiberg  an  Statthalter  und  Rate  zu  Ansbach.  d.  d.  Mo. 
n.  Alexi  (21.  VII.)  1533^  die  Eaplane  sollten  sich  zafrieden  geben.  E.  L. 
fol.  18. 

5)  Biirgermeister  und  Rat  zu  Leutershausen  an  Statthalter  und  Re- 
genten zu  Ansbach.  d.  d.  So.  n.  Alexi  (20.  VII.)  1533.  Pf.  L.  fol.  105. 
Bescheid  am  Rande. 

6)  Bereits  9.  Mai  1529  kommt  Konrad  Prunner  und  Sim.  Schnee- 
weifi  als  Prediger  zu  Ansbach  bei  einer  Verhandlung  wegen  Wiedertaufer 
vor.  Staatsarchiv  zu  KcJnigsberg  i.  Pr.  Ostpreufi.  Foliant  84  fol.  48. 
Markgraf  Georg  hatte  ihm,  well  er  seine  Bereitwilligkeit  erklarte,  wieder 
nach  Sclilesien  zu  Ziehen,  16  fl.  von  der  Schlofipfriinde  zu  Kolmberg  und 
10  fl.  von  erledigten  Pfrunden  als  Addition  reichen  lassen.  d.  d.  Jagern- 
dorf.  Mitw.  n.  Lucie- (20.  XIL)  1531.  A.  Rel.  Acta  VIIL  fol.  395.  Doch 
lehnte  er  es  im  nachsten  Jahre  ab,  nach  Schlesien  zu  ziehen.  d.  d.  Mo. 
n.  Mis.  Dom.  (15.  IV.)  1532.    ibidem  fol.  393. 

7)  Andreas  Lauden  gibt  als  sein  Leiden:  „epylentya"  an.  Pf.  L. 
fol.  15.  Nach  Pf.  L.  fol.  107  war  er  bereits  13.  Oktober  tot.  Abfertigung 
seiner  Witwe,  um  die  sich  Alex.  Frauentrant  annahm.    Pf.  L.  fol.  111. 


Schorhbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit.      81 

es  wahrend  seiner  Amtstatigkeit  so  viel  Streit  und  Zank  gab; 
aber  die  Hauptursache  scheint  gewesen  zu  sein  der  Kastner 
Veit  Gattenhofer,  der  Kaplane  und  Vikare  in  ilirem  Trotze 
gegen  den  Pfarrer  immer  zu  bestarken  suchte.  Es  ware  Pflicht 
der  Regierung  gewesen,  von  Anfang  an  die  Schaden  mit  der 
Wurzel  auszurotten. 

Fortan  scheint  die  kirchliche  Entwickelung  Leutershausens 
ruhig  verlaufen  zu  sein.  Konrad  Prunner  setzte  es  durch,  gegen 
Aufgabe  seiner  Vikarei  nicht  nur  die  Pfarrei  von  Leutershausen 
yerliehen  zu  bekommen,  sondern  auch  noch  seine  Ertragnisse 
ans  der  Schlofikaplanei  Kolmberg  fortbeziehen  zu  diirfen^). 
Allerdings  hatte  ihn  der  Markgraf  am  liebsten  nach  Schlesien  mit- 
genommen.  In  spateren  Zeiten  such  ten  Poppo  von  Henneberg^) 
und  Ambrosius  von  Gumppenberg^),  die  vom  Wtirzburger  Bischof 
zu  Pfarrern  in  Leuterhausen  ernannt  worden  waren,  ihre  Eechte 
durchzusetzen,  allerdings  ohne  jeglichen  Erfolg. 

1)  Ko.  Frunner  an  den  Markgrafen.  d.  d.  Mo.  vor  Burkh.  (13.  X.)  1533. 
Pf.  L.  fol.  107.  £r  bittet  entweder  ihm  20  fl.  zu  geben,  da  er  mit  seiner 
Besoldung  von  56  fl.   nicht  auskomme,    oder  die  Pfarrei  Leutershausen. 

^  Der  Markgraf  erklarte  sich  zu  letzterem  bereit,  wenn  er  die  Vikarei  zu 
Ansbach  abtrete  und  auf  die  12  fl.  von  der  SchloBpfrunde  zu  Kolmberg 
verzicbte.  d.  d.  Plassenburg.  Fr.  n.  Ursule  (24.  X.)  1533.  ibidem  fol.  109. 
Georg  begniigte  sich  dann  mit  der  ersten  Forderung.  d.  d.  Plassenburg. 
Mittwoch  nach  Otmari  (19. XI.)  1533.    ibidem  fol.  112.    of.  J.  Looshorn 

IV.  S.  738. 

2)  Poppo  V.  Henneberg  bat  1540,  die  von  dem  Bischof  von  Wtirzburg 
verliehene  Pfarrei  durch  einen  Verweser  versehen  lassen  zu  diirfen. 
d.  d.  Wtirzburg.  Mitwoch  n.  St.  Veit  (16.  6)  1540.  Pf.  L.  fol.  114.  Die 
Rate  zu  Ansbach  teilten  ihm  dann  mit,  da^  der  Markgraf  nicht  anwesend 
sei  nnd  ohne  seinen  Willen  nichts  beschlossen  werden  dtirfte.  d.  d.  22.  6. 
1540.  ibid.  fol.  117.  Nachdem  die  gauze  Angelegenheit  vom  Markgrafen 
nicht  beachtet  worden  war  (fol.  117),  und  Poppo  eine  erneute  Petition 
eingereicht  hatte  (fol.  118.  13.  VII.  1540),  teilten  sie  mit,  dafi  eine  per- 
sOnliche  Verwaltung  unbedingt  no  tig  ware  (Georg  an  Seb.  Heller,  d.  d. 
Horneck.  Fr.  n.  Vine.  Petri  (6.8.)  1540.  u.  Georgs  Rate  an  Poppo.  Sa.  n. 
Sixti  (7.  8.)  1540.    ibidem  fol.  120  u.  121);  eine  weitere  Bitte  des  Poppo 

V.  Henneberg  blieb  dann  wohl  unberticksichtigt.  (Poppo  v.  Henneberg  an 
Georg.  d.  d.  Mo.  n.  Ass.  Mariae  (16.  8.)  1540.  fol.  122.) 

3)  Ambrosius  v.  Gumppenberg  scheint  das  Recht  auf  die  Pfarrei  zu 
Leutershausen  noch  von  Dietrich  v.  Thtingen  ftir  55  Goldgulden  gekauft 
zu  haben.  Pf.  L.  fol.  136.  Seine  Forderungen  lehnten  die  Rate  zu  Ans- 
bach ab  1549.    8.  Pf.  L.  fol.  128—135. 

Beitrage  Eur  bayer.  Kirchengeschichte  XI.  2.  (J 


82      Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

So  waren  die  letzten  Jahre  des  hervorragenden  Mannes, 
dessen  Name  eine  Zeitlang  in  aller  Munde  gewesen  war,  fiber- 
aus  traurig. 

Bell  age  III. 

Burgenneister    und  Rat    zu  Leutershauseu    an    den 
Amtmann  W.  v.  Hefiberg.     ca.   1531. 

Edler  vnd  vliester  gunstiger  lieber  junckher.  es  tragen  vnd 
schicken  sich  die  sacben  zwischen  vns  vnd  vnserm  pfarvorweser 
teglich  vnd  ye  lenger  ye  mehr  besorglich  vnd  vns  zu  bescbwerden 
zw,  das  wir  solhs  aus  guten  vrsachen,  wie  nacb  stebt,  euer  vhest  an-" 
zuzeigen  oder  die  zu  dulden  lenger  nit  konnen.  damit  aber  solichs 
abgescbnitten  mocbt  werden  vnd  niemandt  sich  zubeclagen  hab  yne 
sey  nie  nichs  angezaigt  oder  vudtersagt  worden,  so  haben  wir  die 
bescbwerden  vffs  kurzs,  so  wir  vnsers  pfarrvorwesers  balben  in  pre- 
digon  vnd  andern  wie  folgt  vfgeschrieben,  bitten  die  gunstig  zu  verlesen. 

Erstlich 
das  die  gotslesterung  vf  offner  cantzel  andererweis  angezogen  vnd 
gestrafft  werde  vnd  nit  wie  bishere  als  nemblich,  doch  hiemit  gotlich 
meyestat  vneutert,  das  dich  gotswunden,  sacrament,  leiden,  ohnmacht, 
frantzhossen,  kures  leiden  vnd  pestilentz  etc.  vrsacb,  ob  scbon  solche 
scbwure  der  gotslesterung,  wie  es  der  pfarrer  mit  seinem  anzaigeu 
oder  straff  bisher  im  gebrauch  gebabt,  vns  als  den  alten  nit  ergerlicb 
were,  so  ist  es  doch  der  vnschuldigen  jugend  gantz  ergerlicb;  dan 
die  bos  natur  allweg  ehe  das  bos  dann  das  gut  vecht,  wie  wol  es 
vnder  den  alten  auch  nit  ler  abgeht,  zugeschweigen  der  frembden, 
so  zuzeiten  in  vnser  predig  sein,  die  offentlich  sagen,  wenn  ir  von 
Leutershausen  nit  schweren  kunth,  so  sollt  irs  von  euerm  pfarrer 
leren,  wollen  aber  hiemit  in  keinen  weg  wider  das,  als  solt  man 
wider  die  gotslesterung  nit  predigen,  geschrieben  haben,  sondern 
allein  aus  gehorter  vrsacb. 

ist  beizubringen  mit  dem  amptmann  vnd  ganzer  gemein. 

Zum  andern. 
so  werden  wir  vom  rath  von  dem  pfarrer  vnd  in  seinen  predigen 
gantz  leicht  vns  zu  schmach  oftmals  angezogen,  wie  zuvor  am  negst 
vorgangen  sanct  thomastag  bescheen,  als  sollten  wir  sauffeu,  das  die 
gleser  schwitzen  vnd  trinken,  das  die  kraussen  (krug)  vff  dem  tisch 
wagten  (sich)  bewegen  zugeschweigen,  das  ehr  vns  dem  teufel  gar 
zuaigent. 

Ist  zubeweiseu  mit  etlicher  der  gemein 
vrsacb,  daraus  dan  ein  sprichwort  erwachsen  vnd  zuvor  zu  Onoltzbach, 
wen  vnser  einer  solicher    art  oder  anders  wo  kumpt,    das  man  sagt, 
es  gilt  dir  eins  das   fenster   schwitzen  vnd   krausen  wagen^    wie  der 


Schornbaum,  Leutersbausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit.      83 

♦ 

pfarrer  von  Leutershausen  sagt;  ob  vns  vbm  radt  oder   gemeiner 
stadt  solichs  ein  eere  sey,  khan  ein  clein  verstendiger  ermessen. 

Zum  dritten.  . 

derbeicht  halben,  der  pfarrer  will  ein  yglicber  solle  ime  allein  beicb- 
ten  oder  anzaigen  vnd  keinem  caplon,  ist  vns  bescbwerlicb. 

Ursacb. 
wann  sicb  pfarrer  mit  ethlicben  darnacb  belt,  das  sie  ime  nicht 
beicbten  wollen  oder  sonst  in  ir  naygung  zu  eim  andtern  mebr 
stundt,  wo  aber  den  capalanen  beichte  zuhoren  wie  vor  alter  vnd  an 
andern  orten  der  gebrauch  ist,  auch  vergunt  wurde,  so  beicbten  vnd 
giengen  vil  mer  lent  zum  sacrament,  dan  also  gescbicbt,  zuge- 
scbweigen,  was  es  mit  der  Zeit  frids  oder  ander  ainigbkeit  der  kirchen 
geberen  mocbte. 

leyt  offenlich  am  tag  vnd  mit  den  vicarii  zu  beweisen. 

Zum  vierdten. 
so  lest  der  pfarrer  sicb  allein  an  einem  gantzen  ratb  oder  gemein  nit 
beniigen  die  spotlicb  vff  oifner  cantzel  auzugreifen,  sondern  nembt 
ime  etlicbe  besonder  person,  daran  ebr  sein  sin  erkbule  fiir.  wie  wol 
ehr  sie  mit  namen  nit  nent  so  redt  er  docb  so  deutlicb  darvon,  das 
mans  vorsteen  mnfi,  welcbs  aucb  ergerlich. 

Ursacb. 

im  beiligen  evangelium  wurdt  clerlicb  gemelt,  so  dein  bruder  wider 
dicb  sundigt,  so  straff  in  zwiscben  dir  \uid  ime  allein  etc  sagt  nit, 
scbrey  in  erstlicb  offenlich  vff  alter  weiber  redt  zum  ergsten  aus, 
vnd  dannocht  oft  in  weltlichen  sachen,  die  man  billich  ingegen  des 
widerthajls  vor  aim  amptmann,  vogt  oder  burger  meister  beclagen, 
soldt,  was  mit  der  zeit  vngeschickts  wesen  daraus  erwachsen  mocht, 
ist  gut  abzunemeii. 

der  alt^),  neu  castner*),  alter  decbant^),  ainer  vicarii  vnd  bans 
Best.  An  solichem  allem  sicb  aucb  pfarrer  nit  will  settigen,  sender 
sicb  horen  vnd  vemebmen  laflen,  so  ehr  aus  seiner  krankheit  kome, 
wol  ehr  vns  erst  recht  abpreunen  vnd  sagen,  was  zu  sagen  sey  zuvor 
denyhenigen,  so  seins  vermeinens  jme  vrsach  zw  solicher  krankheit 
geben  sollen  haben.  damit  aber  ainicberlay  vngescbickter  handlung, 
so  daraus  erwachsen  mocht  sampt  ergernus  neidt  vnd  baft  abgeschnitten 
werde,  dazu  gedencken  wir  sampt  oder  sonderlich  dermaffien  bindter 
keinem  pfarrer  zu  sytzen,  der  vns  seins  gefallens  vnvervrsacht 
schmehen  zu  geschweigen  anderer  sachen,  so  vns  zu  nachteil  oder 
spot  an  vnsern  burgerlicben  eeren  gerichten  vnd  handlungen  daraus 
vnd  mit  der  Zeit  ye  lenger  ye  mebr  gedeien  wolt  leiden,  sonder  ge- 
dachten  solchs  bei  stadthaltern  vnd  rethen  anzuzaigen  vnd  vmb  bes- 
serung  zusuchen. 


1)  H.Rain.    —    2)  Veit  Gattenhofer.    —    3)  Co.  Beringer. 

6* 


84      Schornbaum,  Lentershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

vnd  bitten  eur  vest  derhalb  zum  vleifiigsten  als  vDserm  gun- 
stigeu  lieben  junckherrn  vnd  amptmann,  zu  dem  wir  vns  eem  vnd 
guts  vertrosten,  wie  wir  dan  in  erfarung  erkant,  vns  in  solchem  allem 
euern  getreucn  rath  vnd  hilff  mittheilen,  wes  vns  zethun  vnd  ze- 
lafien  sey  oder  mittel  vnd  wege  gegeu  gemelten  vnserm  pfarrer  fur- 
wenden,  damit  gedacbte  vnsere  beschwerdten  wi  obsteht  durch  ine 
abgelegt  werden^  alsdaun  woUen  wir  aucb  than  als  die  geborsamen^ 
vnd  das  dem  satan  gewebrt  werde,  verer  vnfrydt  nit  anznrichten: 
solichs  wolleu  wir  vmb  eur  vest  in  aller  gehorsam  vnd  mit  vleifi 
verdienen;  bitten  gunstig  antwort. 

Burgermeister  vnd  rath  zu  Lentershausen  sampt  vnd  sonderlich. 

Zum  FunfPten. 

Ist  vns  beschwerlich,  so  ein  biirger  oder  anderer  aus  vorhenckuus 
gottes  des  almechtigen  mit  todt  abgangen  vnd  vor  solichem  seinem 
abschiedt  das  heilig  sacrament  (doch  aus  keiner  verachtung  des 
vnterlafien  vnd  nit  empfangen  vnd  aucb  nit  in  offentlicher  ban  vnd 
acht  sein.)  das  ime  gemeine  cristliche  vnd  burgerlicbe  begrebnus 
abgeschnitten  oder  abgeschlageu  soil  werden. 

vrsach : 

das  soliche  nie  vnd  vormals  bei  vns  erhort  oder  im  gebrauch  gewest, 
aucb  im  furstenthumb  Brandenburgk  aufterhalb  gemelter  vrsach, 
dermafi  wie  sich  vnser  pfarrvorweser  aus  eigenem  fnrnehmen  vndter- 
standen  gehalten  worden  vnd  noch  nit  wurdt  gezogen  vflf  erkuu- 
diguug  etc. 

zu  beweisen  mit  dem  rath  vnd  amptmanu. 

Copie  im  Kgl.  Preufi.  Staatsarchiv  zu  Konigsberg  i.  Pr.  Bei- 
lage  V.  ad  3.  3.   46.  A  3. 

Beilage  IV. 

Endres  Tetelbach,    vicarius  zu  Leutershausen  an  den 

Kastner. 

Lieber  herr  castner.  Als  ir  mir  am  nechsten  beuolhen,  das 
ich  in  euerm  abwesen  gut  acht  auf  des  Eberleyns  jtzigen  pftir- 
vorwesers  ceremouien  vnd  predig,  wie  ers  in  der  kirchen  zu  Leuters- 
hausen belt,  haben  soil,  dioweil  ehr  nit  gesandt,  ist  auch  von  der 
gemeyn  nit  beruffen,  vnd  hat  ein  bose  zeugnus  bei  demjhenigen^  wo 
er  vormals  fur  ain  prediger  hat  gedienet:  vnd  dweil  er  sich  mit 
gewalt  in  diese  pfarre  gedrungen  vnd  dem  christlichen  prediger 
herr  Johann  Nageln  bei  der  obrigkeit  mit  der  vnwarlieit  zum 
ofternmal  verungliempft  vnd  verclagt,  das  man  ine  den  Johann 
Nageln  one  alle  verhor  auf  des  Eberleius  jtzigen  pfarvorwesers 
zu  Leutershausen  anbringen  geurlaubt  vnd  mit  sampt  seinem  weib 
vnd  kleinen  kindlein  hinwegk  geschafft  vnd  den  Johann  Nageln 
gefencklich   auf  des  Eberleins    anbringen   bei    der   obrigkeit    anzu- 


Schornbauii),  Leutershausen  bei  Beginn  dei*  Beformationszeit.     85 

nemen  beuolhen.  hat  Wolff  von  Hefiberk,  der  amptmann  zv 
Colmbergk  des  Joban  Nageln  vnscbiildt,  wie  yne  derEberleyn 
mit  der  vnwarheit  beclagt,  wol  gewufit  vnd  dem  Jobanu  Nagell 
solicber  gefenncknus  abgescbafft  vnd  vndterkommen. 

Lieber  herr  castner.  dieweil  J  oh  an  n  Nagel  voriger  pfarvor- 
weser  bie  zu  Leutersbansen  alle  ceremonieu  vnd  geseng  oacb 
meius  g.  w.  b.  ordnung  teutzsch  in  der  kircben  gebalten,  bat  es  der 
Eberlein,  itziger  pfarvorweser  alles  wider  lateiniscb  angericbt  vnd 
alle  teutscbe  geseng  auf  einen  tag  vmbgestofieu  vnangeseben  die  cr- 
gernus  bei  dem  gemeynen  volck,  das  aucb  etblicb  frawenvolgk  licbt 
bei  seiner  lateiniscben  mefi  aufzunten  vnd  sagten,  got  sey  gelobt^ 
das  es  wider  auf  die  alten  weis  ist  kommen.  vnd  dieweil  icb  eucb 
bericbten  soil,  wie  es  der  Eberlein  jtziger  pfarvorweser  zu  Leuters- 
bansen in  der  kircben  belt,  babt  ir,  wie  folgt,  zuvornebmen. 

bie  volgendt  die  Ceremonien^  die  der  Jobann  Eberle  braucbt 
in  der  kircben  zu  Leutershausen  in  der  mefi  vnd  sonst: 

zum  ersten  zeucbt  der  priester,  wan  ehr  mefi  will  balten^  alle 
diese  stuck  an,  die  ein  papist  braucbt,  so  ebr  mefi  belt,  vnd  kniebet 
vor  dem  altar  nider  vnd  spricht  die  offene  beicbt,  wie  binden 
vorzeichent  ist;  darnach  singt  man  den  introytum  lateiniscb,  darauf 
kirieleyson  et  in  terra  lateiniscb;  nacbdem  kert  sicb  der  priester, 
spricht  etblicb  stuck  oder  gebet  aus  der  teutscben  letanei>  da- 
rauf die  epistel  teutsch,  darnacb  alleluia  oder  ein  tractum 
als  itzundt  lateyuiscb;  nacbdem  volgt  das  evangelium  teutscb 
bei  dem  altar,  darnach  das  teutscb  patrem,  nacb  welbem  wendt 
sicb  der  priester  nacb  dem  volck  vnd  verkundt  die  heiligentag 
oder  die  eeleut,  die  begem  zu  greiffen  zum  eelichen  standt.  dar- 
nacb list  der  priester  dem  volck  vor  die  zeben  gebot,  Glauben,  vater 
vnser,  die  wort  des  tawffs  nacbtmals  christi,  darnach  gebet  der 
Eberle  vff  den  predigstul  aus  der  sacristen  oder  seiner  stuben. 
nacb  der  predig  bebt  der  priester  an  die  prefation  zum  ersten, 
dominus  vobiscum,  sursum  corda,  gratias  agimus,  vere  dignum  et 
justum  etc.  ganz  aus  wie  die  papisten  alles  lateiniscb.  darnach  Conse- 
criert  der  priester  teutscb,  nacbdem  comuniciert  er  das  volck,  da- 
rvndter  singt  man  im  chor  das  sanctum  vnd  agnum  dei  teutscb,  dar- 
nacb kert  sicb  der  priester  gegen  dem  volgk  vnd  singt  dominus 
vobiscum.  darauff  volgt  die  compledt,  wider  dominus  vobiscum, 
benedicamus  domino  alles  lateiniscb,  wie  es  in  mefibuch  steet  der 
papisten,  darnacb  gibt  der  priester  den  segen  teutscb  gegen  dem  volck 
also,  der  berre  gesegne  dich  vnd  bebiit  etc. 

Volgt  nun  die  vesper  an  einem  feyrabent: 

bebt  der  eberle  an:  dens  in  adjutorio  aber  kein  antiffen  oder 
psalmen;  wan  die  spalmen  (!)  aus  seiu,  geht  der  eberle  zum  altar 
vnd  sagt  ein  wenig  dem  volgk  vom  sacrament  oder  sonst,  was  im 
eynkumpt.     nacbdem    volgt  das  magnificat,   darnacb  antiffen,    darauf 


86      Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Beformationszeit. 

listder  eberle  die  collect  lateinisch;  ist  es  ein  apostel,  so  belt  er  das 
comane  von  den  ap ostein  aucb  collect  alswie  er  getban  bat  an  Sant 
Matbias  abent;  sung  er  also:  deus  qui  apostolis  psam  [ipsum?]  Mattbiam 
associasti  concede  quesumus  vt  eique  intercessionem  etc.  danacb  yer- 
hort.der  eberle  die  comunicanten  vnd  scbreibt  sie  an.  wie  ein 
iglicber  beyst,  was  standts  oder  von  wan  ebr  sey  vnd  fragt  die  nacb- 
folgende  artickel :  zum  ersten,  ob  er  beten  kann :  vater  vnser,  zeben  gebot, 
glauben.  zum  andern  :  was  er  bait  vom  sacrament,  was  er  im  kelcb  nem, 
was  undter  dem  brot;  zum  dritten:  wie  cbristus  gesagt  babe,  do  ebr  dis 
sacrament  bat  auffgesetzt;  zum  vierdten:  warumb  ebr  das  sacrament  woU 
nemen.  zum  funften :  was  standt  ebr  sey  vnd  ob  ebr  yemand  beleidigt 
bab  am  leib,  gut,  eer,  das  ebr  sicb  mit  yme  versone,  etlicben  spricbt 
er  die  absolution  etlicben  nicbt,  vnd  wban  die  comunicantes  wollen 
berzu  geben,  tbut  er  kein  erbortatiou  (!),  spricbt  in  das  vater  vnser 
vor.  item  so  bat  er  aucb  itzund  an  unser  lieben  frawen  tag  vil 
comunicantes  gebabt  vnd  bat  sij  gespeist  auff  der  liiicken  seiten  bei 
dem  altar,  auff  der  recbten  bat  der  scbulmeister  mussen  trencken  mit 
dem  bluet  vnd  der  scbulmeister  bat  sein  aigen  scbiiler  mussen  beicbt 
boren  aucb  sein  gesindt,  so  er  will,  vnd  sein  nit  von  dem  priester  ver- 
bort  worden  vnd  baben  docb  das  sacrament  entpfangen.  aucb  so  bat 
ebr  den  scbulmeister  verordent^  darzu  als  einen  briester  den  andern 
zu  scbandt  vnd  scbmacbeyt,  das  ebr  das  blut  aus  dem  kelcb  bat 
geben  vnd  vnser  keiner  wer  gewest,  er  bets  gern  getban.  item  so 
will  er  nit  baben,  das  eym  das  sacrament  soil  gereicbt  werden  in 
der  kircben,  der  starck  oder  gesuntb  ist  an  einem  scblecbten  tag,  so 
einer  nit  kumpt  frue,  sunder  das  man  dieselbigen  soil  bericbteu  in 
den  beusern  als  krank  lent,  als  er  dann  getban  bat  mit  einem  man 
von  Lentzesdorff  vnd  mit  der  scbeffere  von  Ramsdorff.  item 
so  belt  er  den  tauf  auf  deutscb,  aber'  wie  die  papisten  tewfen, 
allein  das  er  den  speigel  vnd  crisma  nit  braucbt,  ebr  tauft  aber  vor 
der  kircben  balb,  macbt  creutzt  an  die  stirn,  mundt.  brust,  bescbwerdt 
das  kindt,  daruacb  teufft  ers  bei  dem  tauffsteyn,  beizeiten  begeust  ers 
mit  wasser,  bei  zeiten  stSfit  ers  gantz  bineyn  als  des  byrten  kindt 
zu  Clausbacb.  item  so  postulirt  er  kein  euangelium  nit,  pleibt 
aucb  auff  keiner  materii  vnd  seine  predig  sein  allein  dabin  gewendt 
zu  neydt  vnd  baft,  die  menscben  scbendt  vnd  scbmebet;  wann  ebr 
frey  gesagt  bat  an  vnser  frawen  tag  in  der  predig  zu  der  vesper, 
das  man  auf  die  papistiscben  pfaffen  sol  ausspeien,  sie  flieben  vnd 
meyden  den  wegk,  do  sie  sein,  mebr^  wie  ir  einer  ein  aug  darumb  geb, 
das  der  evangeliscben  prediger  keinem  nicbts  gescbee;  weytter  so  ricbten 
die  papistiscben  pfaffen  gerue  an,  da  das  arm  volck  im  blut  scbwum; 
mit  im  kein  gemeinscbaft  zu  baben,  dan  sie  baben  vns  bracbt^vmb 
er  vnd  gut,  leyb  vnd  seel  etc.  vnd  dergleicben  will  mit  an- 
reytzung  des  gemeynen  volcks  wider  die  priester  sein  predig  ge- 
spickt  sein 


Schornbaam^  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit.      87 

aiich  wann  ein   reycher  in    der  stadt  stirbt,    so  geht    er  zu  der 
begrebnus  aber  zu  keinem  armen  kumpt  er  nit.  etc. 

Endres  Tettelbach  vicari  zu  Leuttershausen. 

Copie    im    kgl.    pr.    Staatsarchiv    zu    Konigsberg  i.  Pr.     A  3. 
BeUage  HI  ad  3.  3.  46. 

Beilage  V. 

Markgraf  Georg  an  Albrecht  v.  Preufien. 
JUgerndorf,   6.  Nov.   1532. 

Was  wir  in  briiderlichen  treuen  liebs  vnd  guts  vermogen  alzeit 
zuvor.  hochgeborner  furst,  freuntlicher  lieber  bruder.  Als  vns  eur 
lieb  davorgeschrieben  vnd  angezeigt,  das  ein  priester,  wie  eur  lieb 
bericht,  zu  .Leutershausen  vnser  land  zu  Francken  sein,  der  die 
orenpeicht  vnd  anders  wider  gottes  wort  vnd  also  bebstlicher  ordnung 
nach  noch  halten  soil,  haben  wir  solchs  vnsern  statthaltern  vnd  rethen 
(nachdem  vns  gar  nichts  davon  wissenhaft  gewest)  zugeschrieben  vnd 
jetzt  derhalb  wider  antwort  von  inen  empfangen,  wieE.L.  ab  inliegenden 
abschriften  vernemen.  vnd  insouderheit  werden  E.  Lieb  aus  der 
pfarrverwesers  verautwortung  versteen,  welcher  gestalt  er  es  in 
seiner  pfarrkirchen  halten  soil;  das  vns,  wo  dem  also  ist,  nit  vntzim- 
blich  vnd  gottes  wort  nit  vugemefi  sein  bedunckt;  leret  oder  hiellt  ers 
aber  anderst,  oder  hets  bishere  gethan,  tragen  wir  darob  kein  ge- 
fallen,  vnd  vnsere  verordente  superattendenten  sollten  in  dem  billichs 
einsehen  gethan  vnd  vns  solchs  nit  vuangezeigt  gelaften  haben.  Aber 
vns  ist  dises  pfaffen  halben  nichts  furbracht  worden.  Nachdem  aber 
er  der  pfarrverweser  meldet,  wie  sich  Veit  Gattenhofen,  dauor 
vnser  castner  zu  Leutershausen  vnd  jetzt  widerumb  eur  lieb 
diener  gegen  ime  so  vngeburlich  mit  verachtliqjien  reden  des  heilligen 
sacraments  vnd  anders  gehalten  hab,  vff  maynung,  das  er  jetzt  in 
weiten  landen  vor  ime  nit  ruhe  haben  moge,  vnd,  das  er  der  Gatten- 
hofen eur  lieb  solch  anzeigen  von  ime  dem  pfarrverweser,  wie  ers 
dermas  dem  alten  bebstlichen  wesen  nach  noch  hall  ten,  gethon  haben 
soil,  davon  tragen  wir  auch  kein  wissen;  vnd  wo  der  Gattenhofen 
E.  L.  diener  die  bemelteu  verechtlichen  wort  des  sacraments  halben 
gegen  dem  priester,  wie  er  angezeigt,  geubt,  vnd  man  vns  solchs  zur 
zeit,  als  wir  noch  draufien  zuland  oder  gleich  hie  innen  in  der 
Schlesien  gewest  sind,  angetzeigt,  vnd  er  sich  desselben  mit  der 
warheit  nit  hett  entschlitten  mogen,  sollen  eur  lieb  vngezueivelt 
sein^  wir  wollten  ine  darumb  nit  vngestraft  gelafien  haben.  es  hette 
auch  vns  imselben  billichs  einsehen  zethon  geburt;  aber  wir  haben 
von  dem,  alls  vorberurt,  gar  nichts  gewiftt,  dann  was  wir  jetzt  durch  den 
pfarrverweser  bericht  werden.  darumb  so  mogen  E.  L.  derselben  diener 
den  Gattenhofen  deshalb  besprechen,  ob  er  dem  pfarrverweser 
seins  furgebens   gestendig  sei,    vnd  wo  ers  gethan,  hett  er,    wie  eur 


88      Schornbauin,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reform atioiiszeit. 

lieb  acbten  mogen,  nit  ein  vnbilligbe  straf  verschuHet.  das  wollten 
wir  E.  L.  vff  derselben  schreiben  freuntlicher  maynung  nit  verhalten  vnd 
than  hiemit  E.  L.  derselbeu  freundlichen  lieben  gemahel,  junge  Tochter 
sambt  alien  den  iren  gottes  ewigen  gnaden^  scbuz  vnd  scbirm  vnd 
vns  E.  L.  alls  vnserm  freundlichen  lieben  bruder  beuelben.  datum 
Jegerdorff,  am  Mitwoch  nach  Omnium  sanctorum.  Anno  etc.  XXXII.  to. 

Von  gottes  gnaden  Georg  marggraf  zu  Brandenburg,  etc.  manu 
proppria  scrit. 

.    Inscriptio:     dem  hochgebornen  fursten  vnsern  freundlichen  lieben 
bruder  Herrn  Albrechten  etc. 

Or.  im  Kgl.  Preufi.  Staatsarchiv  zu  Konigsberg  i.  Pr.  A.  3.  6. 
XI.  1532.  3.  3.  46.  Concept  im  Kgl.  Konsistorialarchiv  zu  Ansbach. 
^Pfarrei  Leutershausen  betreff.*'  Tom  I.  1467 — 1678.  (Schlegel  re- 
petorium411)  fol.  96  f. 

Beilage  VI. 

Joh.    Eberlein,    Pfarrer    zu    Leutershausen    an    die  Statt- 

halter  und  Rate  zu  Ansbach^).      25.  Sept.   1532. 

Gestrengen  hochgelerten  edeln  vnd  vesten  gnedige  herrn.  in 
nechstverschinen  tagen  hab  ich  empfangen  von  eurn  gnaden  ain 
geschrift,  als  sollt  ich  bobstische  oren.beicht  vnd  andere  stuck  im 
kirchendienst  noch  bobstisch  halten.  daraiif  solle  ich  gruntlichen  ge- 
schriftlichen  vndepricht  E.  G.  widerumb  zuschicken.  dieweil  ich  dann 
vormals  durch  geschwinde  aufsetzige  pratick  des  Veyt  Gattenhofers, 
etwan  hie  castner  gewesen,  auch  des  vnd  mehers  bin  beschuldigt 
worden  vor  vnserm  gnedigen  herrn  marggraf  George n,  vor  seiner 
E.  gn.  statthalter  vnd  rethen  auch  vor  dem  edeln  vesten  Wolff 
von  Hefiberg,  amptmann  zu  Colmberg  vnd  Leutershausen, 
ich  aber  mich  deshalb  mundtlich  gegenwertig,  auch  geschrifftlich  ab- 
wesend  genugsam  entschuldigt  auch  aller  kirchenambter  vnd  diensten 
ordnungen  geschriftlich  dargeboteu  vnd  vil  genugsam  zeugnus  hab 
meins  wol  herbrachteu  lebens  on  rhum  zu  reden;  darzu  hats  gott  al- 
so geordnet,  das  gemelter  ambtmann  sich  mit  aller  haushaltung  ge- 
fUgt  gein  Leutershausen  vom  SchloB  Colmberg;- haben  er,  seine 
erbare  hausfrau  vnd  gesind  sampt  andern  edeln  frauen  vnd  junk- 
frauen  (in  die  pfarr  gehorig)  vleifiig  gehoi't  mein  bredig  schier  ain 
ganz  jar  lang,  auch  gesehen  alle  ordnungen  im  tanffen,  nachtmal 
des  herrn,  ehe  einleythen,  krank  versehen,  begrebuus  etc.  haben  auch 
selb  mich  oft  vmb  verhor  vnd  absolution  gebeten  vor  der  comunion 
vnd     erlernet     auch     bezeuget,     das    ich      vnbillich     bin     beschuldigt 


1)  Von  den  Statthaltern  und  Raten  zu  Feucbtwangen  an  Georg  ge- 
sandt  am  8.  Okt.  1532.  Orig.  im  Konsistorialarchiv  zu  Ansbach.  Pf.  L. 
I.  fol.  95.  Copie  im  Kgl.  pr.  Staatsarchiv  zu  Konigsberg  i.  Pr.  A.  3. 
Beilage  I.  ad  6.  Nov.  1532  (3. 3. 46.)  d.  d.  Feuchtwang.  Di.  n.  Franc.  1532. 


Schornbaum,  Leatershausen  bei  Beginn  der  Reform ationszeit      89 

worden.  so  hat  kain  verstendiger  gutherziger  mensch  ain  beschwerd 
an  meinem  vnd  meins  weibs  vnd  kinds  wandel.  dieweil  aber  veit 
Gjattenhofer  sambt  seinep  mitgesellen  zu  spott  seiu  worden  vnd 
nicht  mehr  muetwillens  mochten  wider  micL  hie  ausrichten,  dann 
vil  fromer  lent  auch  der  amptmann  selbs  mich  verthaidingten^  hat 
der  Satban  seinen  werkzeug,  den  Gattenhofer,  in  die  feme  ge- 
saut,  mich  ziivervnglimpfen,  da  ich  mich  nit  mochte  verantworten. 
aber  ich  hofiPe  zu  got,  er  solle  zu  spot  an  mir  werden  auch  in 
preufien.  darumb  hat  got  geordeut^  das  der  christliche  hertzog 
in  preufien,  mein  gnediger  herr,  solchs  mir  zu  wissen  fugen  last 
vnd  zwr  antwort  lesst  kommen,  welchs  ich  mich  vndertheniglich 
gegen  seiner  F.  gn.  bedaucke.  ich  bin  mir  von  gottes  gnaden  kainer 
babstischen  lere  noch  ceremonieu  wissen t,  sofern  sich  mein  selb 
arbeit  vnd  dienst  strecken  kan,  ich  fuchts  auch  teglich  wider  das 
recht  babsthumb,  welchs  ist  ein  gotlos  vnd  vnchristlich  wesen,  in 
vngestraften  aigen  willen  vnd  bosheit  in  gotlichen  auch  burgerlicheu 
sachen  vnd  der  satthan  wais  solchs  wol  von  mir.  darumb  lestert  vnd 
hindert  er  mich,  woe  er  kann,  yetzt  im  lutheriscben  schein,  dann  im  bobsti- 
schen.  aber  Got  soil  in  vndter  meins  fues  tretten,  alsich  hoffe,  ich  halt 
warlich  die,  so  mich  babstisch  schelten,  etlich  mich  nit  kienen ;  etlich 
wollen  mich  nit  kennen ;  bin  ich  babstisch^  warumb  verfolgen  mich  dann 
die  papisten  so  fast  yetzt  zwelff  jar  lang  mit  geschriften^  worten  vnd 
thaten,  ich  leide  auch  noch  teglich  vil  vom  babstischen  pfaffen  vnd 
layen  vnd  von  denen,  so  gem  wollten  ir  babstumb  furdern,  auch  in 
guten  verstolen  schein .  bin  ich  bobstisch,  so  hab  ich  vergeblich 
sovil  wider  das  babsthumb  gehandelt.  kan  mich  der  babst  seiner 
part  halten,  so  kan  er  wol  schimpf  versteen  etc.  Ich  hab  auch  mit 
laid  miifien  hbren,  das  veyt  Gattenhofer  mit  grofiem  geschrei  vor 
vilen  personen  mir  vnter  augen  sagt  diese  wort,  ich  schifi  dir  in 
dein  sacrament;  du  kanst  mir  kain  sacrament  geben.  solche  red  ist 
kundliche  worden  in  der  gantzen  pfarr,  das  der  amptmann  sagt: 
er  wolt  nit  hundert  gulden  nemen  vnd  ain  solche  red  sagen.  vnd 
wie  oft  vnd  seher  er  gelestert  hab  hailsame  bredigt  von  gehorsam 
gegen  der  oberkeit,  wider  anfrur  vnd  wider  andere  laschter,  so  ich 
mich  geflissen  dem  volck  zu  predigen,  ist  zu  beweisen,  vnd  ich  P]. 
G.  vorhin  von  ime  auch  schriftlich  hab  augetzaigt  sambt  andern 
stucken  mehr  hie  von  kurz  wegen  vnderlafien.  ich  will  kurtzlich 
E.  G.  antzaigen  die  form,  so  bei  der  verhor  der  commuuicanten 
gehalten  wurdt  von  mir:  ich  halts  also:  dieweil  die  christlichen 
flirsten  in  irer  bekantnus  vor  kay.  mt.  auf  dem  reichstag^  zu 
Augspurg  verlesen  antzaigen  ir  ordnung  der  beicht  vnd  communion 
halb  mit  disen  worthen;  „die  beicht  ist  durch  die  prediger  distheils 
nit  abgethan;  dan  dise  gewonheit  wurdt  bei  vns  gehalten,  das 
sacrament  nit  zeraichen  dencn,  so  nit  zuvor  verhort  vnd  absoluirt 
seind  etc."   auf    dise  bekantnus  verhor  ich   alle  commuuicanten  selb. 


90      Schornbaam,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reformationszeit. 

jegliches  allein  besonders  still,  netnlich  was  es  halt,  das  dis  sacrament 
sei,  ob  er  glaub,  das  ime  werdt  geben  der  war  leib  vnd  blut 
Christi,  vnd  ob  er  glaub,  das  baide  gestalt  entphahen  christlich  sey, 
item  warzu  die  entphabung  dits  sacraments  ime  nutz  sey,  ich  sag 
yeglicbem  seins  stands  regel  aus  heiliger  geschrift,  den  isltern,  kindern, 
eeleuten,  gesinde  etc. 

ich  warn  yeglichs  vor  den  greulichen  lastern  diser  zeit,  als 
gotsschwur,  auffrur,  sauffen,  hurerei,  verachtung  gottes  worts,  boser 
gesellschaft  etc.  vnd  das  ist  der  verhor  halb,  deren  stuckken  halb 
rede  ich  mit  jegcklichem,  sovil  mich  not  gedunkt,  und  es  selten  oder 
offt  zum  sacrament  geet,  mir  vbel  oder  wol  bekandt  ist,  aber  der 
absolution  halb  frag  ich,  was  trost  es  hoffe  von  der  absolution  etc. 
vnd  ob  es  deren  beger^  antwort  [er]:  ja,  mir  sind  all  mein  sund  laid,  ich 
will  mit  gottes  hilf  mein  leben  bessern,  ich  bit  got  vmb  gnad  und  euch 
umb  ain  absolution,  ich  will  jedermaun  vergeben  vnd  mich  nach  got  mit 
den  beschedigten  von  mir  vertragen  etc.,  dann  absolvir  ichs  im  namen 
des  herrn.  ich  dring  aber  nit  hart  das  einfaltig  volck  avf  eben  solche 
wort,  ich  lafi  mich  an  der  meinung  benUgen.  solchs  thu  ich  darumb^ 
das  weder  furstlich  gnad  noch  ich  schuldig  werden  an  den  grofien 
sund  en  des  haufens,  der  one  alle  fragen  vnd  absolution  das  sacrament 
braucht,  darumb  zu  besorgen  ist  gottes  zorn  etc.  wie  doctor  Mart: 
Luth:  im  buchlein  von  z  way  en  gestalten  in  der  mefiordntmg  an  den 
pfarhern  von  Zwickau  etc.  vnd  herr  Johann  Pomern  im  sendtbrieff 
an  die  prediger  in  1  i  f  f  1  a n d  volliger  schreiben  auch  in  andern  buchern 
mer,  aach  gibt  gott  gnad,  das  die  pfarrleut  hie  offt  zum  sacrament 
geen  fleyfiig. 

gnedige  herrn.  das  ist  kurtzlich  mein  vndterricht  auf  difimal. 
ich  bitt  E.  G.  wollen  mich  entschuldigen,  auch  bevelhen  vor  beiden 
fuersten  meinen  gn.  lieben  herrn  vnd  gewis  dafur  hallten,  das  ich 
jerlich  wolt  etlich  gulden  gebeij  von  mein  em  sold,  das  baide  fiirsten 
mein  gnedig  herrn  vnd  derselben  weyse  rethe  solten  aller  meine  predig 
horen  vnd  kirchendienst  sehen,  wie  das  gesehen  haben  der  edel 
Wolff  von  Hefiberg,  sein  weib  vnd  gesind.  ich  hoffte,  es  solt 
mir  zu  mererm  friede,  danck  vnd  narung  furderlich  sein,  zeitlich  vnd 
vilen  menschen  besserlich,  gaistlich.  der  will  des  herrn  geschehe 
allwegk,  der  wolle  euch  alle  bewahreu.  datum  auff  Mitwoch  nach 
Mauricii  anno  etc.  32. 

E.  G. 

vnndtertheniger 

Johann  Eberlin  pfarrherr  zw  Leutershausen. 

Copie  im  Kgl.  Preufi.  Staatsarchiv  zu  Kbnigsberg  i.  0.  Pr. 
A  3.  (6.  XI.  1532)  Beilage  II  ad  3.  3.  46.  u.  im  Kgl.  Konsistorial- 
archiv  zu  Ansbach.  „Pfarrei  Leutershausen  1467 — 1678,"  Schlegel- 
rep.     411  fol.  91  ff. 


Schornbaum,  Leutershausen  bei  Beginn  der  Reform ationszeit.      91 

Beilage  VII. 

Veit  Gattenhofer   an  Herzog  Albrecht  von  Preufien. 

ca.   1582. 

Durchleuchtigster  bochgeborner  gnedi^er  furst  vnd  berr.  E.  F. 
G.  sindt  mein  vndertbenig  geborsam  vnd  willig  dienst  alle  zeit  zu- 
vor.  gnediger  berr.  es  haben  mir  e.  f.  g.  in  kurtzverscbinen  tagen 
ein  scbrifft  von  dem  durchleucbtigen  bocbgebornen  fursten  vnd  berrn 
berrn  Georgen  marggraffen  zu  Brandenburg  etc.  meinem  gnedigen 
berrn  vberantwurt,  darin  ein  clagscbrifft  mit  eingescblofien  gewest, 
die  eberlein  von  giensburg,  jtziger  pfarrverweser  zu  leutershau- 
sen wider  micb  gestelt  vnd  etlich  artickel  in  solicber  clagscbrift 
anzeigt,  die  icb  wider  ine  solt  gebandelt  baben.  auf  solicb  Eber- 
leins  clagscbrifft  gib  icb  e.  f.  g.  gantz  vndertbeniglicb  zuvernemen, 
das  der  eberlein,  jtziger  pfbarverweser  zu  leutersbausen  meinen 
gnedigen  berrn  marggraf  Georgen  aucb  seiner  f.  gn.  statbalter  vnd  retbe 
die  vnwarbeit  wider  micb  bericbt  bat,  wie  er  sicb  dan,  wo  er  vor- 
mals  gewest,  solicber  vnwarbaftiger  clagen  gebraucbt  vnd  sunderlicb, 
do  er  bei  graff  Jorgen  zu  Wertbeim  ist  gewest,  bat  er  sicb  do- 
selbst  also  gebalten,  wie  dan  e.  f.  g.  in  beigelegten  copeien  zu 
steur  der  warbeit  gnugsam  vnderricbt  baben.  aucb  gnediger  furst 
vnd  berr!  wie  sicb  der  Eberlein  itzt  zu  leutersbausen  so  cristlicb, 
wie  er  sicb  selb  rumet  vnd  lobt,  balten  that,  ist  bei  einem  rodt  vnd 
einer  ganzen  gemein  doselbst  zu  erkundigen,  ob  es  seinem  selb  lob 
die  warbeit  sei  vnd  sunderlicb,  wan  er  mit  den  armen  leutten  mit 
dem  beil  der  sele  solt  baudeln,  so  bandelt  er.  in  der  beicbt  mit  ine, 
das  sie  ime  boltz  mufien  furen  etc.  aucb  gnediger  furst  vnd  berr, 
dieweil  solicber  scbwindelgaist  die  vnwarbeit  unvei'scbambt  wider 
micb  scbreiben  tbut,  so  gedenk  icb  micb  nichts  mit  ime  einzulafien, 
sofern  er  verantwurt  sicb  diser  beigelegten  copeien  genugsam;  kan 
er  micb  darnacb  sprucb  nit  erlafien,  wil  icb  ime  vor  E.  F.  G.  aucb 
vor  meinem  gnedigen  berrn  marggraff  Georgen  aucb  vor  seiner 
furstlicben  gnaden  statbaltern  vnd  rethen  gnugsam  antwurt  geben  vnd 
bit  darauf  e.  f.  g.  mit  vndertbenigem  vleis,  die  wollen  micb  gegen 
E.  F.  G.  berrn  vnd  bruder  gnediglicb  verantwurtten,  das  will  icb 
vmb  E.  F.  G.  gantz  vndertbeniglicb  geflissen  sein  zuverdinen. 

E.  F.  G.  vndertbeniger  Veit  Gattenbofen. 

Or.  im  Kgl.  Preufi.  Staatsarcbiv  zu  Konigsberg.  A  3.  Beilage 
IV  ad  3.  3.  46. 

Beilage  VIII. 

Eberbard  Hundt,   Amtmann  zu  Wertbeim  an  Veit  Gatten- 
bofen, Kastner  zu  Leutersbausen.      14.  XII.   1531. 

Mein  willige  dienst  zuvor,     lieber  berr   castner.     icb   bab   euer 


92      Schornbaum,  Leutershausen  bei  Begion  der  ReformatioDszeit. 

schreiben  vnd  ansucben  den  boswicht  Johan  Eberleyn  von  Guntz- 
bergk  belangendt  alles  inhalts  vorlesen.  demnach  gib  ich  each 
hiemit  zuvornebmen,  das  gemelter  Eberlein  sich  der  evangelischen 
Lere  weuig  geflifieu  auch  sich  selber  nit  darnach  gehaldeu.  dan 
war  ist,  das  er  vff  ein  zeit  den  schultheis  vnd  ein  gantzen  rath  auch 
etlicbe  ans  der  geraeynde  daselbst  zu  Wertheim  vuverschulter  sachen 
vor  irem  gnedigen  herrn,  Graf  Georgen  seiliger  (!)  gedechtmis 
verclagt,  der  meynunge,  den  gedachten  schiiltheifien,  burgermeystern 
vnd  eym  rath  ein  vngnedigen  herrn  durch  sein  falsche  erdichte  vnd 
erlogene  wort  zu  erwecken  vnd  alle  seine  sachen  zu  barter  straffe 
vnd  vffrur  zuprengen  gestellt  vnd  vff  der  cantzel  zu  vilnjalen  manchem 
frommen,  erlichen  bydermann  vnd  frawen  mit  seinem  verlieptem 
bosem  maule  geschraeht  vnd  geschent,  vnd  were  solicher  bbsen  hand- 
lung,  so  ehr  getrieben,  vyll  davon  zu  schreiben  vnd  wo  von  noten 
weys  ich  in  solchs  alles  mit  der  warheit  zu  beweisen  etc.  was  ehr 
aber  boswicht  stuck  gegen  mir  gehandelt,  bin  ich  gut  hoffnung,  der 
allmechtige  werde  mir  zeit  vnd  gliick  mich  an  ime  zu  rechen  ver- 
leyhen.  datum  mein  handtschrifft  uff  Donnerstag  nach  Lucie  im 
XXXj  t.  jahre. 

Eberhart  Hundt  etc,  Amptmaun  zu  Werthem. 

Insc:  dem  erbaren  Veiten  Gattenhofen  castner  zu  Leuttershausen 
meinem  guten  treundt  zu  handen. 

Copie  im  Kgl.  preufi,  Staatsarchiv  zu  Konigsberg.  A  3.  Bei- 
lage  VI  zu  3.  3.  46. 

Beilage  IX. 

Schultheifi,    Burgermeister    und  Rat    der    Stadt  Wertheim 
an  Veit  Gattenhofen,    Kastner    zu   Leutershausen. 

14.   Dezember  1531. 

Unser  freuntlich  grus  vnd  willig  dienst  zuvor.  lieber  her  cast- 
ner. Eur  schreiben  vns  im  rathe  gethan,  haben  wir  seinem  inhalt 
wolvernomen.  dweil  in  anzeige  eur  schrift  meldend  burger  in  Leutters- 
hausen,  ist  vns  nicht  wifien,  von  wem  sie  solchfen  bericht  haben. 
aber  Eberlein  hat  vns  burgern  nicht  sonder  lieb  gethan.  das  haben 
wir  euch  uff  eur  schreiben  nicht  bergen  wollen.  Donnerstag  nach 
Lucie  anno  etc.     Tricesimo  primo. 

Schultheis,  burgermeister  vnd  rathe  der  stadt  wertheim. 

Insc.  dem  achtbaren  vnd  furnemen  veyt  Gattenhofen  castner  zw 
Leutershausen  vnserm  in  sondern  guten  freunde. 

Copie  im  Kgl.  preufi.  Statsarchiv  zu  Konigsberg  i.  Pr.  A  3. 
6.  XL   1532.  Beilage  VI  ad  3.   3.  46. 


Zur  Bibliographie.  93 


Zur  Bibliographie. 


*Archiv  fi\r  Reformation sgeschichte.    Texte  und  Untersuchungen.    In 

Verbindung  mit  dem  Verein  fur  Reformationsgeschichte  heraus- 

gegeben    von   Walter  Friedensburg.     1.  jahrgang.     (4  Hefte.) 

Berlin,  C.  A.  Schwetschke  und  Sohn  1901/1904.    416  8.    Prei8 

bei    Subskription    (jedoch  nur  fur  den  ganzeu  Band  rabgiich): 

I.  Hft.  2,80   (Einzelpr.  4,40),  11.  2,70  (4,20),  III.  3,00  (4,60), 

IV  3,10  (4,80)  Mk. 
Trotz  der  Ftille  der  historischen  Zeitschriften,  die  namentlich  im 
letzten  Jabrzehnt  im  Interesse  der  Provinzial-  und  Lokalforschung  ent- 
standen  sind,  fehlte  una  ein  spezielles  Organ  fiir  die  Reformationsgeschichte, 
die  aus  allgemeinen  Griinden  und  nicht  zuletzt  dank  dem  konfessionellen 
Kampfe,  der  nicht  zur  Ruhe  kommen  will,  in  weiten  Kreisen  im  Vorder- 
grunde  des  Interesees  steht.  Hat  auch  der  Verein  fiir  Reformationsge- 
schichte in  nunmehr  21jahrigem  Bestehen  in  einer  langen  Reihe  von 
mehr  als  achtzig  Veroll'entlichungen  die  verschiedensten  Gebiete  der 
Reformation  behandelt,  so  mu6te  er  sich  nach  den  Zielen,  die  er  sich 
steckte,  doch  auf  l)arstellung  beschranken,  and  man  vermiBte  eine  Zeit- 
schrift,  in  der  die  imraer  wachsende  Quellenforschung  ihre  reichen  Funde, 
fiir  die  die  iibrigen  Zeitschriften  bei  ihren  besonderen  Zwecken  keinen 
Raum  batten,  niederlegen  konnte.  Archivdirektor  Professor  Dr.  Walter 
Friedensburg ,  einer  der  geschatztesten  Quellenforscher  und  Kenner 
des  Reformationszeitalters,  langjahriger  Vorstand  des  preuj^ischen  histo- 
rischen Institnts  in  Rom,  jetzt  Leiter  des  Staatsarchiv^  in  Stettin, 
den  unsere  Leser  auch  aus  seinen  wertvollen  Arbeiten  in  diesen  Beitragen 
kenneo,  hat  es  unternommen,  diese  LUcke  auszufiillen.  Als  Hauptzweck 
des  in  zwanglosen  Heften  erscheinenden  Archive,  das  jedes  Jahr  etwa 
20—25  Druckbogen  bringen  will,  bezeichnet"der  Herausgeber  „in  streng 
wissenschaftlicher  Weise  und  dem  Stande  der  modernen  Editionstechnik 
entsprecbend  anveroffentlichtes  Quellenmaterial  zu  bringen,  dem  im  allge- 
meinen auch  solche  Texte  gleichgeachtet  werden  sollen,  die  lediglich  in 
unzulanglichen  oder  schwer  erreichbaren,  insbesondere  etwa  nur  in  zeit- 
genOssischen  Drucken  vorliegen.  Ferner  sollen  auch  kritische  Unter- 
suchungen, zumal  solche,  die  der  Erlauternng  von  Quellenmaterial  dienen, 
hier  zur  VerOflfentlichung  kommen,  und  endlich  wird  darauf  Bedacht  ge- 
nommen  werden,  neue  Erscheinungen  auf  unserem  Gebiet,  namentlich  Zeit- 
Bchriftenartikel,  zu  verzeichnen,  sowie  kleinere  Mitteilungen,  I^otizen 
Uber  Funde  und  einzelne  Beobachtungen  zu  bringen,  die  fur  den  Forscher 
Oder  den  Freund  der  Geschichte  des  Reformationszeitalters  von  Interesse 
sein  mogen."  Bis  jetzt  liegen  4  Hefte  oder  der  erste  Band  vor.  Aus 
dem  reichen  Inhalt  kann  hier  nur  das  Wichtigste  und  das,  was  die 
Kirchen-  und  Keforraationsgeschichte  Bayerns  speziell  betrifft,  hervor- 
gehoben  werden.  So  bringt  das  erste  Heft  u.  a.  von  P.  Tschackert  in 
Gottingen  einen  ungedruckten  Bericht  des  Antonius  Corvinus  vom  Kollo- 
qium  in  Regensburg  1541  (S.84ff.).  Der  denLesern  der  ^Beitrage"  wohl- 
bekannte  Prof.  Dr.  Roth  in  Augaburg  ist  beteiligt  durch  eine  sehr  wert- 
volle  Publikation:  „Au8  demBriefwechsel  desGereon  Sailers  mit  dem  Angs- 
burger  Burgermeistern  Georg  Herwart  und  Simprecht  Hoser**  (April  bis  Juni 
1541)  S.  102  if.  und  durch  einen  anderen  „zur  Kirchongiiterfrage  in  der  Zeit 
von   1538 — 1540.     Die   Gutachten    Martin  Bucers    und    der   Augsburger 

*)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  AUe  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbnchhandlung  Fr.  JungeinErlangen. 


94  Zur  Bibliographie. 

Pradikanten  Wolfgang  Musculus  und  Bonifazius  Wolfart  tiber  die  Ver- 
wendung  derKirchengttter"  S.  299  flp.  Prof.  G.  Mentz  in  Jena  nimmt  zu  meiner 
Freude  einen  frtiher  von  mir  gehegten  Plan,  die  Briefwechsel  uDseres 
Landsmanns  Spalatin  (Georg  Burkhardt  aus  Spalt)  herauszngeben,  in 
etwas  auf,  iudem  er  die  Briefe  Spalatins  an  V.  Warbeck  von  1517  bis 
1526(107  Nummern)  nebst  erganzendeh  Aktenstiickten  ver^ffentlicht,  wobei 
bemerkt  sein  mag,  daB  Spalatin  aus  Briefen  des  Wenzeslaus  Link  in 
seiner  Korrespondenz  nicht  Weniges  auch  tiber  Ntirnberger  und  frankische 
VerhSltnisse  bericbtet.  Mochte  bald  eitie  Fortsetzung  des  Spalatiniana  aus 
dem  Weimater  Archive  folgen !  In  die  bayerische  Geschichte  schlagt  dann 
noch  direkt  ein  einAufsatz  von  Ad.Hasenclever  in  Bonn  „  Zur  Geschichte 
Ottheinrichs  von  Pfalz-Nenbnrg  (1544)  S.  396.  Aus  dem  ubrigen  Inhalt 
mochte  ich  noch  erwahnen  als  von  allgemeinstem  Interesse  den  Aufsatz 
von  0.  Albrecht  in  Naumburg.  „Zur  Bibliographie  und  Textkritik  des 
kleinen  lutherischen  Katechismus**.  S.  247  und  den  des  Herausgeber 
n  Giovanni  Morone  und  der  Brief  Sadolets  an  Melanchthon  vom  17.  Juns 
1537".  S.  372ff.  .Ganz  besonders  dankenswertist  aber  dieObersicht  tibei 
die  in  anderen  Zeitschriften  erschienenen  einschlagigen  Arbeiten  nnr 
die  Bucherschau,  wodiirch  die  neue  Zeitschrift,  die  hiermit  aufs  warmstd 
empfoblen  sein  mag,  zu  einem  Repertorium  fiir  die  Literatnr  der  Refore 
mationsgeschichte  wird.  Endlich  mochte  ich  noch  zwei  WUnsche  auj^ern- 
einmal  beim  Abdruck  von  Aktenstiicken,  Briefen  etc.  die  Personen  und, 
Ortsnamen  gesperrt  wiederzugeben,  wodurch  die  Benutzung  erheblioh 
erleichtert  wird,  und  zweitens  nicht  zulange  mit  einem  Orts-  und  Namen- 
register  zu  warten. 

*G5tz,  Job.  B.,  Expositus  in  Roth.  Die  versuchte  Umwandlung 
des  Zisterzienserklosters  Qeilsbronn  iu  ein  weltliches  Chor- 
herrenstift.  Urkundliche  Beitrage  zur  frUnkischen  Reformations- 
geschichte.  Beilagezur  AugsburgerPostzeitung  1904  Nr.  14 — 16. 
DerVerf.,  der  fur  nachstes  Jahr  sine  ^Geschichte  der  Kirchenspaltung 
im  Gebiete  der  Markgrafschaft  Ansbach-Eulmbach"  in  Aussicht  stellt, 
bebandelt  hier  auf  Grund  eines  bisher  nicht  ausgenutzten  Aktenfaszikels 
im  Ntirnberger  Kreisarchiv,  Aufschreibungen  des  Abts  Wenck  und  — 
tibrigens  Dr.  Schornbaums  auch  inzwischen  bekannt  gewordene  —  Aufzeich- 
nungen  des  Eanzlers  Georg  Vogler  im  Ulmer  Archiv,  in  lichtvoUer  Weise, 
eine  Episode  der  Klosterpolitik  des  Markgrafen  Kasimir  (1525  if.),  tiber 
deren  Verlauf  wir,  obwohl  einige  Dokumente  bei  Hocker  darauf  hinwiesen, 
nichts  Genaueres  wuBteu.  Daneben  werden  die  einzelnen  Pers^ulichkeiten 
im  Heilsbronner  Eloster,  freilich  etwas  einseitig  charakterisiert  und  manches 
Wertvolle  tiber  sie  beigebracht.  Dem  Pfarrer  Hocker  (Heilsbronnscher 
Antiquitatenschatz)  dtirfte  tibrigens  unrecht  geschehen,  wenn  ihm  der 
Verfasser  Unterdrtickung  des  spater  bei  Muck  und  Stillfried  mitgeteilten 
Berichtes  tiber  das  schandliche  Treiben  des  Ftirsten  im  Kloster  im  Jahre 
1504  unterschiebt  oder  von  ihm  schreibt:  „er  durfte  aber  diese  curieuse 
Particularia  nicht  publizieren.'*  Woher  weifi  das  der  Verf.?  Welcher 
Autor,  der  in  Archiven  gearbeitet  hat,  darf  sich  rtihmen,  dafi  ihm  wirk- 
lich  alles  einschlagige  Material  vorgelegen  hat?  Das  wird  der  Verf.  weder 
bei  dieser  dankenswerten  Studie  noch  bei  dem  versprochenen  grofieren 
Werke  von  sich  sagen  konnen,  —  um  wieviel  weniger  war  das  frtiher 
der  Fall! 

*Flemming,  P.,    Beitrage  zum  Briefwechsel  Melanchthons   aus  der 
Briefsammlung    Jakob  Monaus    in    der    St.  Genvi^vebibliothek 
zu  Paris.   Progr.  von  Schulpforta  1904.  76   S.  4^ 
Eine  eingehende    Besprechung    dieser   reich    erlauterten,     wichtigen 


V 


Zur  Bibliographie.  95 

Briefsammlung  ist  hier  nicht  am  Platze,  aber  drei  Stiicke  sollen  bier  als 
in  die  bayerische  KircheDgeBchichte  einschlagend  erwahnt  werden.  1.  Ein 
Zeugnis  der  Universitat  Wittenberg  flir  den  von  Naumburg  nach  Nord- 
lingen  berufenen  Caspar  Loener  vom  25.  Jan.  1544  (S.  20).  2.  Ein  Brief 
Melanchtbons  an  Hans  Heinrich  Herwarth  in  Augsburg  vom  12.  Okt. 
1546  (S.  25):  Empfehlung  des  Job.  Crato  von  Breslau.  3.  Ein  an  Me-w 
lanchtbon  von  Schwabach  aus  gerichteter  Brief  des  Erasmus  v.  Minkwitz 
(vom  14.  Juli  1547),  der  den  Kurftirsten  Job.  Friedrich  in  die  Gefangen- 
Bchaft  begleitete.  Der  Brief  und  die  beigegebene  ausfiihrliche  Erlaute- 
rung  epthalten  wichtige  Notizen  tiber  den  spateren  Lebensgang  des  ersten 
evangelischen  Predigers  Kitzingens,  des  Christopb  Hoflfmann  von  Ansbacb, 
der  spater  Hofprediger  des  Kurflirsten  wurde,  ihn  ebenfalls  in  die  Ge- 
fangenscbaft  begleitete  und  auf  den  FUrsten  einen  grojgen,  blsher  noch 
nicht    geniigend  gewtirdigten  EinfluB  gebabt   zu  haben  scbeint  (S.  29fif.). 

Sander,  Paul.  Die  reichsstadtiscbe  Haushaltung  Nurubergs dargestellt 
auf  Grund  ihres  Zustandes  von  1431-^1440.  Mit  zahlreicben 
Tabellen  sowie  5  Kartenskizzen  im  Text  und  auf  drei  Tafeln. 
Leipzig  1902.  B.  G.  Teubner.  XXX    u.  938  8. 

Streiter,  Kich.  Die  ScblSsser  zu  Schleifiheim  und  Nymphenburg. 
Berlin  u.  Stuttgart  1902.   18  S.  Fol. 

Schrepfer  Rud.  Pfalzbayerns  Politik  im  Revolutionszeitalter  von 
1780  bis  1793.  Auf  Grund  archivalischen  Materials  be- 
arbeitet,     Munchen    1903    J.  F.    Lehmapn.     VIII    u.  137  S. 

Sepp,  Job.  Nep.  Ludwig  Augustus,  Konig  von  Bayern,  und  das 
Zeitalter  der  Wiedergeburt  der  Kiinste.  Zweite  vermehrte 
und  verbesserte  Auflage.  Mit  zwei  Bildnissen.  Regensburg 
(G.  J.  Manz).  XIY  u.  965  S.  10  Mk. 

Schleglmann,  Dr.  Alfons  Maria.  Geschichte  der  Sakularisation 
im  rechtsrheinischen  Bayern.  I.  Bd.  Vorgeschichte  der  Sakulari- 
sation. Regensburg.  J.  Habbel.  XVI  u.  297.  (Vgl.  dazu  Forsch- 
ungen  zur  Gescbichte  Bayerns  Bd.  XI.  S.  20.) 

Kruscb,  B.  Der  hi.  Florian  und  s.  Stift.  Ein  Beitrag  zur  Passauer 
Bistumsgeschichte.  Neues  Archiv  der  Gesellschaft  fiir  altere 
deutsche  Geschichtskunde  1903.  F.  XXVIII  p.  337  ff. 

Riezler,  S.  Die  Vita  Kiliani.    Ebendas.  p.  232f. 

Kruscb  B.  Die  Gesta  Hrodberti.     Ebendas.  601  ff. 

Levis  on,  W.  Die  Hlteste  Lebensbeschreibung  Ruperts  von  Salz- 
burg ebendas.  S.  283  ff. 

Zur  Erziehungsgeschichte. 

Brand,  Eugeu.  Uber  Vorbilder  und  Prlifung  der  Lehrer  an  deu 
bayerischen  Mittelschulen  seit  1773.  Beibeft  der  Mitt,  der 
Ges.  fiir  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte,  herausgeg. 
von  der  Gruppe  Bayern.     Berlin  1901.     (1.  Heft.) 

Gebele,  Jos.  Die  Ausbildung  der  Aufsicht  liber  die  Volksschule 
in  Bayern  im  tJbergange  vom  18.  und  19»  Jabrh.  Ebenda. 
(A,  u,  d.  Tit.  Texte  und  Forschungen  zur  Gescbichte  des  Unter- 
ricbts  in  den  Landern  deutscher  Zunge  (Heft  IV). 


96  Zur  Bibliographic. 

Heigenmoser,  Jos.  Pfarrer  Bartholomaus  Bacher,  em  Schulmann 
des  Chiemgaues  aus  dem  Anfange  des  19.  Jahrhunderts.  1901. 
Ebenda.     Heft  2. 

Thalhofer,  Franz  Xav.  Zur  Geschichte  des  Volksscliulwesens  in 
Dillingen  vom  Ende  des  16.  bis  zum  Ende  des  18.  Jahr- 
hunderts.    Ebenda. 

Flemisch,  Mich.  Die  pSdagogischen  Str5mungen  des  19.  Jahr- 
hunderts in  den  pSdagogischen  Programmen  des  Kgl.  Wilhelms- 
gymnasiums  in  MUnchen.     Ebenda  1901. 

Hartl,  Joh.  Zur  Geschichte  der  oberpfalzischen  Volksschulen  im 
Jahre  1643.     Ebenda  1903.     Beiheft  1. 

HSrneSj  Jos,  Beitrage  zur  Geschichte  der  Volksschule  in  Franken 
(Hochstift  Wttrzburg)  vom  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  bis 
in  das   18.  Jahrhandert.     Ebenda. 

Schmidt,  Fr.  Zur  Geschichte  des  Volksschulwesens  im  Hochstifte 
Wurzburg  1772—1795.     Ebenda. 

Kiickert,  Georg.  Geschichte  des  Schulwesens  der  Stadt  Lauingen 
vom  Ausgange  des  Mittelalters  bis  zum  Anfange  des  19.  Jahr- 
hunderts.    Ebenda  1904.     Beiheft  5. 


*Heuser,     Emil.     Die    Protestation    von    Speier.     Geschichte    der 

Protestation    und    des  Reichstags    1529    nebst  Veroffentlichung 

bisher    unbekannter   Nachrichten    iiber    diesen   Reichstag.     Mit 

2  Schriftabbildu^gen.  Herausgegeben  zur  feierlichen  Einweihung 

der  Gedachtniskirche  in  Speier  am  31.  August  1904.    Verlag  von 

Ludwig  Witter.     Neustadt  a.  d.  Hdt.  (1904).  64  S.    1,20  M. 

Diese  Festschrift  bietet  zumeist  auf  Key  (Gesch.  des  Reichstags  zu 
Speier  ira  Jahre  1529.  Hamb.  1879)  fufiend  eine  zweckentsprechende,  ge- 
drangte,  aber  klare  Darstellung  des  Speierer  Reichstags,  die  denen,  die 
sich  in  aller  Kiirze  ttber  die  Vorgange  auf  dem  denkwiirdigen  Tage 
orientieren  wollen,  nur  erapfohlen  werden  kann.  Als  besonders  wertyoU 
mufi  aber  der  zweite  Teil  bezeichnet  werden,  der  mit  Kommentar  ver- 
sehene  Wiederabdruck  eines  bisher  unbeachteten  zeitgenossischen  Be- 
richtes,  den  Hans  Lutz,  der  Herold  des  schwa  bischen  Bundes,  noch  im 
Jahre  1529  in  Durlach  erscheinen  lieB.  Beschrankt  sich  auch  der  Bericht- 
erstatter  leider  nur  auf  AuBerliches,  das  Leben  und  Treiben  der  Fiirsten 
und  Stande,  so  fehlt  es  doch  nicht  an  kleinen,  interessanten  Zugen,  die 
das  bisher  bekannte  Bild  in  dankenswerter  Weise  erganzen.  Beacbtens- 
wert  ist  u.  a.,  wie  man  im  Volke  die  Nichtachtung  des  Landgrafen  durch 
Konig  Ferdinand  bei  seinem  Einreiten  sehr  wohl  bemerkte  (S.  34),  auch 
das  Urteil  tiber  die  Predigten  Fabers.  Leider  erfahren  wir  nichts  Naheres 
tlber  den  Herold  Hans  Lutz,  tiber  dessen  Personlichkeit  sich  wohl  uoch 
Naheres  feststellen  liefie.  Auf  das  wohlgelungene  Faksimile  der  letzten 
Seite  der  Protestationsschrift  mit  den  Unterschriften  der  Fiirsten  soil 
noch  besonders  aufmerksam  gemacht  werden. 


Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

Von  D.  Th.  Kolde. 

(Fortsetzung  statt  Sohlufi,) 

Die  Ingolstadter  fiihlten  sich  offenbar  in  ihrer  Gelehrtenehre 
tief  verletzt,  dachten  aber  nicht  daran,  ein^r  Frau  eine  Ant- 
wort  zu  geben.  Als  sie  am  26.  September  znm  ersten  Male 
daruber  berieten,  beschloB  man,  den  Brief  an  den  Herzog  zu 
schicken,  damit  dieser  ,,die  Vettel  zahme**  (earn  vetulam  com- 
pescat)^).  Auf  Herzog  Wilhelm  machte  jedoch  weder  diese 
Aufforderung  noch  das  an  ihn  gerichtete  Schreiben  der  Argula 
irgend  welchen  tieferen  Eindruck.  Wenige  Tage  spater  war 
er  mit  seinem  Bruder  Ludwig  zusammen  und  verhandelte  dabei 
aucb  iiber  das  in  Religionssachen  einzuschlagende  Yerfahren, 
bei  welcher  Gelegenheit  Herzog  Ludwig  aufierte,  man  durfe 
darin  weder  zu  viel  noch  zu  wenig  tun.  Aber  von  dem  NUchst- 
liegenden,  dem  Schreiben  der  Argula  v.  Grumbach  war  nicht 
die  Rede^).  Da  schtirte  der  Kanzler  Leonhard  v.  Eck,  der 
noch  gar  nicht  einmal  den  Brief  an  den  Herzog  kannte,  sondern 
nur  den  an  die  Universitat,  indem  er  dem  Ftirsten  brieflich 
auseinandersetzte,  daC  die  Pflegerin  zu  Dietfurt  die  Hand- 
lung  der  Universitat  verunglimpfe,  sich  zu  Luther  und  Melanch- 
thon  bekenne,  das  alles  wider  das  herzogliche  Mandat  und  den 
christlichen  gemeinen  Gebrauch,  daC  Weiber  in  christlichen  Sachen 
nicht  lehren  sollen.  Und  wie  wohl  sie  ein  Weib  und  flir  ein 
Weib  „streitig"  geachtet  werden  moge,  so  falle  ihr  doch  zur  Last, 
die  lutherische  Lehre  ausgeschrieen  zu  haben,  ja  er  will  wissen, 
daB  Argula  auch  vor  dem  gemeinen  Volk  in  Dietfurt  predige, 
was  wahrscheinlich  Erfindung  ist.    Nichts  dagegen  zu  handeln, 


1)  Druffel  S.  65X  u.  Prantl  I,  154. 

.2)  Vgl.  den  Brlefurechsel.  zwischen  Wilhelm  und  Ludwig  bei   Li- 
powsky  Beil.  VII  u.  VIII. 

Bei^Uge  snr  bayer.  Kirchengeschichte  XI.  8.  7 


98  Eolde,  Arsacius  Seehofer  and  Argula  von  Grombach. 

hieBe  die  Sache  Luthers  mit  erhebeo,  ware  fur  den  Herzog 
scliimpflich  und  wider  sein  Gebot.  Freilich  konne  man  gegeri 
ein  Weib  nicht  handein  wie  gegen  eine  Mannsperson.  Sein  Rat 
ware  daher,  auf  Herzog  Ludwig  einzuwirken,  daB  dieser  den 
Friedrich  v.  Grumbach,  der  sein  LandsaBe  sei,  weil  er  solches 
Schreiben,  Schreien  und *Ausstreuen  der  Lutherschen  Lehre  ge- 
stattet  habe^  von  Stund  an  seines  Amies  entsetze  und  ihn  und 
sein  Weib  weit  von  Dietfurt  verbanne,  damit  das  gemeine  Volk 
nicht  verfiihrt  wurde^).  Dem  entsprach  der  Ftirst  in  einem 
Schreiben  vom  11.  Oktober,  in  dem  er  den  Bruder  aufforderte, 
den  Pfleger  abzusetzen  und  die  Strafe  gegen  die  Frau  sich  vor- 
zubehalten,  und  ihn  zugleich  ermahnte,  sich  ja  nicht  erbitten 
zu  lassen  und  Grumbach  langer  im  Amte  zu  behalten.  Ludwig 
antwortete  kurz,  daB  er  noch  jetzt  bei  seiner  frtiheren  Meinung, 
man  durfe  weder  zu  viel  noch  zu  wenig  tun,  beharre,  nichts- 
destoweniger  den  Grumbacher  vorfordern  und,  wie  sichs  gebtihre, 
mit  ihm  handein  wolle^). 

Dazu  ist  es  sicher  gekommen,  und  wie  Hans  von  der  Planitz 
am  13.  November  berichtet,  erzahlte  man  sich  in  Nurnberg,  die 
beiden  Herzoge  hatten  „bei  dem  von  Grumbach  gesucht,  daB  er 
daran  sein  wolde,  das  der  brieflf  nicht  gedrugkt  werde,  und  das 
er  sein  hausfrau  darumb  strafien  solde,  ir  zwene  linger  abhauen 
und  ob  er  sie  gleich  ganz  erwiirget,  so  solde  er  daran  nicht  ge- 
frevelt  haben"^).  Das  war  ohne  Zweifel  ein  stark  ubertreibendes 
Geriicht,  das  auf  Grund  der  Forderungen  Herzog  Wilhelms  und 
der  Verhandlung  seines  Bruders  mit  Friedrich  v.  Grumbach  ent- 
standen  sein  wird.  Aber  daB  dieser  wirklich,  obwohl  es  ihm 
leicht  gewesen  sein  diirfte,  zu  erweisen,  daB  er  an  dem  Vor- 
gehen  Argulas  unschuldig  und  er  dieser  Frau  gegentiber  macht- 
los  war,  seine  Stelle  verlor,  ist  kaum  zu  bezweifeln.  Auf  Grund 
einer  eigenen  Mitteilung  Argulas  berichtet  Luther  im  Februar 

1}  Lipowsky,  Beilage  II.  Gegen  die  Richdgkeit  des  Datnms 
(11.  Nov.)  hat  bereitB  Druffel  652  Anm.  1  wichtige  Bedenken  geltendge- 
macht.  Ich  ftige  hinzu,  dafi  der  Brief  schon  um  de^wiUen  nicht  aus  dem 
November  sein  kaun,  weil,  wie  ich  bereits  im  Text  bemerkt  habe,  der 
Eanzler  noch  nichts  von  dem  Briefe  der  Argula  an  den  Herzog  wei0. 
Lipowskys  Vorlage  hatte  vielleicht  Freitag  p.  Rem.  (od.  Freitag  Die.) 

2)  VgL  die  Briefe  bei  Lipowsky  Beil.  VII  u.  VIII. 

3)  Planitzbriefe  S.  682. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  99 

1524  seine  Absetzung  auf  das  Bestimmteste  ^),  und  das  Jahr 
darauf  wird  nicht  F.  v.  Grumbach  sondern  Hans  v.  Hohenburg 
als  Pfleger  von  Dietfurt  erwahnt^). 

Aber  was  geschah  mit  Argula  selbstP  Die  gewohnliche 
Annahme,  daU  sie  daraals^)  oder  erst  spater*)  ausBayern  ver- 
bannt  worden  ware,  muC  als  unhistorisch  bezeichnet  werden. 
Wohl  ist  sie,  wahrscheinlich  aus  Sorge,  daU  auch  sie  verfolgt 
werden  konne,  alsbald  nach  ihren  ersten  Briefen  nach  Grumbach 
gegangen,  von  wo  die  nachsten  Sendschreiben  erlassen  sind, 
aber  schon  im  Sommer  1524  war  sie  wieder  in  Lenting^),  und 
auch  in  der  Folge  durfte  sie  ungehindert  in  Bayern  verweilen®). 
Man  handelte  also  nach  dem  Bate  des  Eanzlers  L.  v.  Eck, 
indem  man  'den  Mann  bestrafte  und  ihn  fflr  das  Verhalten  seiner 
Frau  verantwortlich  machte,  aber  von  der  tJbeltaterin  selbst  in 
mittelalterlicher  Geringschatzung  des  Weibes  amtlich  keine 
weitere  Notiz  nahm. 

Gleichwohl  war  die  Absetzung  fur  die  nicht  mehr  wohl- 
habende  Familie  ein  barter  Schlag.  Die  noch  vorhandenen  Korre- 
spondenzen  mit  den  Juden  wegen  nicht  eingeloster  Pfander 
und  den  Bitten  um  neue  Darlehen  z.  B.  an  den  „bescheiden  mosse 


1)  Luther  an  Joh.  Brismann :  Mai'itus  per  sese  illi  tyrannus,  nunc  ob 
ipsam  praefectnra  deiectus,  quid  sit  factnrus  cogita ;  ilia  sola  inter  haec 
monstra  versatur  forti  qnidem  fide,  sed  ut  scribit,  non  sine  pavore  cordis 
interdum  etc.  Enders  IV,  292.  Dafi  der  Brief  nicht,  wie  Enders  an- 
nimmt,  in  den  Jan.  zu  setzen  ist,  sondern  erst  in  den  Febr.,  und  zwar 
wahrscheinlich  erst  in  die  zweite  HSlfte,  ergibt  slch  daraus,  dafi  Joh. 
Eck,  der  (nach  Druffel  S.  659)  etwa  Mitte  Febr.  nach  seiner  Romreise  wieder 
in  Ittgolstadt  eintraf,  als  znrtickgekehrt  bezeichnet  wird. 

2)  BeiJdrg,  Deutschland  in  der  Revolutionsperiode.  Freiburg  1851, 
S.  332  u.  391.  Obwohl  die  betrefi'enden,  von  Jorg  bentitzten  Schreiben 
z.  Z.  im  Reichsarchiv  in  Munchen  nicht  aufgefnnden  werden  konnten, 
andere  an  den  „Pfleger  zn  Dietfurt**  in  den  nachsten  Jahren  gerichtete 
Mandate  nach  frenndlicher  Mitteilung  des  Beicbsarchivs  vom  27.  Okt.  1904 
den  Namen  nicht  nennen,  dtirften  die  Bedenken  Riezlers  (Gesch.  Bayerns 
IV,  90  Anm.)  damit  erledigt  sein. 

3)  Riezler  IV,  90:  Argula  mufite  nach  Franken  Ziehen. 

4)  V.  Druffel  S.  652. 

5)  (Gemeiner)  Reformationegeschichte  ron  Regensburg  1792,  S.  33. 

6)  Nach  Aktenstttcken  und  Briefen  im  Reichsarchiv  in  Mlinchen  lebte 
sie  in  der  Folgezeit  fiir  gewohnlich  in  Lenting,  aber  auch  zeitweise,  wovon 
noch  zu  sprechen  sein  wird,  in  Grumbach  und  Zeilitzheim. 

7* 


100  Kolde,  ArsaciuB  Seebofer  und  Argula  von  Grumbacb. 

iuden  zu  aurbach  ytzt  am  hoff  zu  regenspurg"  (Lenting  Dins- 
tag  nach  Jacoby  d.  i.  26.  Julj  1524),  die  Mahnbriefe  der  Dom- 
herren  zu  Wlirzburg  und  Eichstadt  wegen  Zahlung  der  auf  den 
Gutern  lastenden  Reichnisse  zeigen  genugsam  den  wachsenden 
Vermogensverfall.  Aber  weder  dies  noch  die  fortwahrenden  Be- 
feindungen^)  konnten  sie  veranlassen,  zuriickhaltender  zu  sein. 
Als  die  Universitat  ihr  nicht  antwortete,  aber  man  um  so 
mehr  von  ihrem  Schreiben  sprach,  und  ihr  allerlei  bedrohlicbe 
Geruchte  zu  Ohren  kamen,  schrieb  sie,  es  war  schon  am  27.  Ok- 
tober  1523,  von  Grurabach  aus  einen  bald  auch  in  Druck  aus- 
gegangenen  Brief  an  den  Rat  der  Stadt  Ingolstadt,  dem 
sie  eine  Kopie  des  Schreibens  an  die  Universitat  beilegte^). 
Sie  weifi,  dafi  es  dort  manche  heimlich  mit  dem  Evangelium 
halten,  aber  das  geniigt  nicht:  wir  miissen  bekennen.  Dazu, 
das  betont  sie  auch  bier  wieder  und  leitet  daraus  ihr  Recht  ab, 
mitzusprechen,  sind  wir  durch  die  Taufe  verpflichtet.  Jene 
Nikodemusseelen  will  sie  aufriitteln,  dafi  sie  sich  nicht  mitschuldig 
machen.  Man  solle  sich  an  der  Verfolgung,  die  sie  leide,  nicht 
argern.  So  sei  es  Christus  auch  gegangen.  Sie  sagen  auch, 
„wie  die  Juden  zu  Pilato  sagten,  wir  haben  ein  Gesetz,  nach  dem 
mufi  er  sterben.  Ich  wollt  gern  wissen,  was  Gewinnes  sie  batten, 
wenn  sie  mich  gleich  ermordeten.  Sie  trosten  sich  vielleicht 
der  Freiheit  des  heimlichen  Richtens,  das  ihnen  nit  iibel  dazu 
dient.  Nun  in  dem  Namen  Gottes!  So  denn  das  die  Stadt  ware, 
darin  man  die  Christen  mart'ert,  als  Jerusalem  auch  war,  so 
geschehe  mir  auch  wie  Gott  will.  Aber  ich  bitte  Gott,  daC  er 
nicht  auch  iiber  Euch  durch  sie  zu  Mitschuldigen  geworden,  die- 


1)  Dartiber  an  Adam  v.  Torring  s.  u»  VoUig  unrichtig  ist  tibrigens, 
was  En  der  8  Luthers  Briefwechsel  III,  401  Anm.  2  wohl  nach  Engel- 
hardt  wiederbolt,  daO  Argula  „wahi'scheinlicb,  am  ihren  katholisch 
gebliebenen  Mann  nicht  zu  verletzen,  sich  in  ibren  Scbriften  Argula  von 
St  auf  fen  nannte".  Das  tat  sie  nie,  sie  unterschreibt  vielmehr  Argula 
V.  Grumbacb  (eine)  Geborne  von  Stauff,  und  nur  in  den  jedenfalls  nicht 
von  ihr  berriibrenden  T  i  t  e  1  n  von  zweien  ihrer  Sendbriefe  (an  Herzog  Wil- 
helm  u.  Kurf.  Friedrich  von  Sacbsen)  wird  die  Verfasserin  als  Argula 
StauiTerin  bezeicbnet. 

2)  An  ain  Ersamen/Weysen  Radt  der  stat/Ingolstat,  ain  sandt/brieff, 
von  Frau/Argula  vo  grun/bacb  geborne/von  Stauf/fen./  Titelbord.  o.  0.  a. 
J.  4:  Bl.,  letztes  Blatt  leer.    (Erl.  Numb.  Germ.  Mus.) 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argala  von  Grumbacb.  101 

selbe  Straf  verhange  ...  So  ich  schon  'gestorben  bin,  so  ist 
das  Wort  Gottes  nicbt  vertilgt,  denn  es  bleibt  ewig.  Ich  achte 
auch  dafur,  so  ich  die  Gnade  hatte,  den  Tod  urn  seines  Namens 
willen  zu  leiden,  wtirden  zwar  viele  Herzen  dadurch  erweckt, 
ja  wenn  ich  allein  stiirbe^),  warden  hundert  Weiber  wider  sie 
schreiben,  denn  ihrer  sind  viele,  die  belesener  und  geschickter 
sind  denn  ich  u.  s.  w.*  Darum  soUen  jene  sich  vorsehen,  daU  sie 
nicht  von  den  falschen  Lehrern  und  Propheten  ins  Verderben 
gefuhrt  werden. 

Ob  dieser  Appell  irgend  welchen  Eindruck  gemacht  hat, 
wissen  wir  nicht.  Die  Universitatsbehorden  werden  jeden  Ver- 
such  einer  Parteinahme  fiir'Argula  oder  Seehofer  alsbald  unter- 
driickt  haben.  Aber  einen  Nachklarig  jener  Schrift  kann  man 
in  einer  dritten  am  8.  Dezember  gehaltenen  Marienpredigt  Georg 
Hauers  finden,  in  der  er  gegen  die  hochmlitigen  Evakinder  „die 
ketzerischen  Hiindinnen  und  verzweifelt  Schalkinnen"  donnert, 
die  da  behaupten,  daC  wie  in  Maria,  so  in  jedem  Glaubigen 
Christns  wohne,  „wie  denn  auch  Lathers  geist  jetzden  weybern 
einplast  vnd  narrin  daraus  macht,  wie  Montanus  mit  Prisca  and 
Maximilla"  -). 

1)  Im  Druck  steht  „8crib". 

2)  A.  a.  0.  Fiij.  Nach  dieser  Predigt  mufi  es  auch  in  Ingolstadt 
Bchon  Verachterinnen  des  Salve  Regina  gegeben  haben,  und  ffir  die  weit- 
gehende  MiGachtung  romischer  £inrichtungen  spricht  die  in  jene  Zeit  faHende 
Behaaptang  Ecks  in  seinem  Gutacbten  fiii  die  Curie:  Scio  antem  mulieres 
in  Germania,  quae  colo  suffigunt  ilia  confessionalia:  tantum  honoris  im- 
pendunt  tantis  concessionibus.  Beitr.  z.  bayr.  K.-G.  II,  223.  Hauer  er- 
zahlt  auch  von  einem  ketzerischen  Monche  „in  der  grossen  stat,  der  am 
licbtmesstag  offenlich  auf  der  kantzl  gesagt  hatt,  es  sei  khain  wunder 
das  maria  hab  Jesum  getragen,  trag  doch  ain  kue  ain  kalb**,  eine  Ge- 
schichte,  von  der  man  sonst  nichts  weifi.  Dafi  diese  rohe  Aufierung  von 
einem  Lutheraner  gefallen  sein  sollte,  ist  wenig  glaublich,  aber  der  be- 
stimmte  Hinweis  auf  den  2.  Februar  macht  es  doch  wahrscheinlich,  daC 
es  damals  wegen  einer  AuBerung  eines  Monches  zu  einem  KetzerprozeB 
gekommen  ist  und  zwar  gegen  einen  Aiigustinerprediger  in  Mtinchen. 
Denn  in  der  weiter  unten  zu  besprechenden  Satire  „Acta  Concilii  Doc- 
torum  Universitatis  Ingolstadiensis  celebrati"*  riihmt  der  Verf.  ironisch 
das  Vorgehen  des  MUnchner  Augustincrpriors  Cappelmaier,  der  seinen 
ketzerischen  Prediger  dem  weltlichen  Arm  Uberliefert  hat  und  setzthinzu : 
Ideo  bene  fecit  quia  iam  est  martyr,  et  ordo  suus  potest  faqere  unam 
novam  historiam,  et  festum  eius  tenere  in  Februnrio,  quando  propte^r 


102  Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grambach. 

Inzwischen  versammelten  sich  die  deutschen  ReichsstRnde 
zu  einem  neuen  Reichstage  in  Niirnberg,  um  neben  anderem  vor 
allem  wieder  iiber  die  Religionsfrage  zu  beraten.  Da  beschloB 
die  kiihne  Frau,  ganz  erfullt  von  dem  BewuBtsein  ihrer  Be- 
kennerpflicht,  ebenfalls  dahin  zu  gehen,  um  an  ihrem  Teile  fiir 
die  Sache  des  Evangeliums  zu  wirken  und  womoglich  einige 
der  GroBen  der  Erde  zu  entschiedenem  Eintreten  dafiir  zu  be- 
wegen.  Ende  November  war  sie  in  Niirnberg.  Es  war  wohl 
mehr  die  Absicht,  die  schnell  bekannt  gewordene  Schriftstellerin 
kennen  zu  lernen,  als  inneres  Tnteresse  an  der  von  ihr  ver- 
fochtenen  Sache,  das  ihr  am  30.  November^)  von  dem  Pfalzgrafen 
Johann  v.  Simmern  und  Sponheim,  der  seit  dem  13.  August*  1523 
den  pfalzischen  Kurfiirsten  im  Reichsregiment  vertrat^),  eine 
Einladung  eiutrug.  Vor  ihm  und  ,,anderen  des  Regiments" 
durfte  sie  ihre  tJberzeugung  frei  und  offen  aussprechen:  —  rg^rn 
hatte  ich  vielmehr  geredet,  wer  Volk  gewesen  zu  horen;"  sie 
wurde  sie,  ob  Gott  will,  nicht  fiirchten^).  —  Und  aus  den 
Reden  des  Pfalzgrafen  glaubte  sie  entnehmen  zu  durfen,  daB 
er  angefangen  habe,  das  Wort  Gottes  zu  lesen  und  das  Licht 
scheinen  zu  sehen.  Schreibselig,  wie  sie  inzwischen  geworden, 
meinte  sie,  in  einem  dann  auch  der  Offentlichkeit  libergebenen 
Schreiben  an  den  Pfalzgrafen*)  der  Hoffnung  Ausdruck  geben 
zu  soUen,  daB  Gott  das  in  ihm  angefangene  Wort  voUenden 
und  ihn  vollkommen  erleuchten  werde.  Mochte  der  Furst  den 
himmlischen  Vater  nur  auf  dem  Reichstag  frei  und  unerschrocken 


testimonium  Christ!  et  verbi  eius  occisas  est.  An  Leonhard  Beyer,  dessen 
damalige  Gefangenschaft  in  Miinchen  noch  immer  nicht  aufgeklart  ist 
(Vgl.  iiber  ihn  G.  Bossert  zur  Biographie  des  Reformators  von  Guben. 
Jahrb.  f.  brandenb.  Kirchengesch.  1904  S.  504),  ist  wohl  nicht  zu  denken. 

1)  Planitzbriefe  S.  522. 

2)  Das  Datum  ergibt  sich  aus  den  beiden  sogleich  zu  besprechenden 
Briefen  an  den  Pfalzgrafen  Johann  u.  Friedrich  den  Weisen  (vom  1.  Dez.) 
wo  sie  von  der  nnachten**  stattgehabten  Unterredung  schreibt.  An  den 
Pfalzgrafen:  ,,Als  ich  nachten  zu  Nacht  von  E.F.G.  auch  andern  meinen 
Herren  zur  Wirtschaft  geladen  und  beruffen".  (Lipowsky,  Beilage  XI.) 

3)  In  der  Schrift  an  den  Kurfiirsten  bei  Lipowsky,  Beilage  X. 

4)  Dem  Durchleiichtigen  Hochge/bornen  Fiirsten  vnd  herren,  Herrn 
Jo/hansen,  Pfaltzgrauen  bey  Reyn/Hertzoge  zu  Beyern,  Grafen/zu  Span- 
haym  etc.  Mey/nem  Gnedigisten /Herren./  .'.Argula  Staufferin  o.  0.  u.  J. 
3  Bl.  (Germ.  Mus.).    Ein  anderer  Druck  bei  Weller  Nr,  2696  u.  3196. 


Kolde,  AreaeiiiB  Seehofer  and  Argula  tod  Grumbach.  103 

bekenBeB  uBd  „helfen  nnd  raten,  damit  das  Reich  Gottpes  den 
Armen  nicht  versperrt  wird,  nnd  ihr  samt  nns  nicht  ver- 
derbef  An  demselben  Tage  (i.  Dezember)  richtete  sie  anch  noch 
einSchreibenanKurfurstFriedrich  den  Weisen^),  der  vor  knrzem 
(28.  November)  zum  Reichstag  eingetroffen  war').  Eben  das 
habe  sie  mit  hoher  Freude  erfallt  nnd  ihre  HoffnnDg  belebt,  dafi 
das  Evangeliom  wieder  den  Armen  gepredigt  nnd  nicht  nach 
dem  Willen  etlicher  heidnischer  Fiirsten  mit  Gewalt  verboten 
werden  wurde,  halte  doch  der  Knrtiii-st  hart  nber  dem  Worte 
Gottes:  „Ich  wnnsche  nnd  bitte  von  Gott  solches  Gemnt,  als 
bisher  bei  E.  Ch.  Gnaden  gespiirt  Gott  zn  Ehren.  —  Wir  sehen 
das  Heil,  Gott  sei  Lob  nnd  haben  alle  Gewalt  anf  unserer  Seite, 
la&t  sie  toben  nnd  wtiten,  ist  doch  ohne  Kraft.  Der  Fels  wird 
sie  zerknirschen  nnd  zn  Grnnd  sttirzen."  Der  Kurfurst  m5ge  nicht 
achten,  daB  „gryBgrammen  nber  Christnm".  Alle  Gewalt  ist 
ihnen  genommen  nach  dem  139.  Ps.  nnd  ibre  Ratschl^ge  werden 
zertrennt  (Jes.  8.),  trotzig  solle  er  mit  Gottes  Wort  in  seiner 
Kraft  den  Gegnern  nnter  die  Augen  treten,  voll  Dankbarfceit 
dafar,  ^dafi  nns  seine  Ordnung  ans  seinem  Land  und  dnrch  seine 
Schntznng  unser  Heil  verkiindet  und  Christns  wieder  gelehret 
wird." 

Dieser  Brief  mit  seinem  Hinweis  anf  den  bisherigen  Schntz 
der  eyangelischer  Bewegung  dnrch  den  Kurfiirsten  wird  den  vor- 
sichtigen  und  zuruckhaltenden  alten  Herrn  schwerlich  angenehm 
beriihrt  haben,  noch  weniger,  dafi  auch  dieser  Brief  ver5ffentlicht 
wurde  ^).  Ihr  Auftreten  in  Ntirnberg  hatte  keinerlei  Erfolg,  und 
Argula  nahm   auch   schlieBlich  den  Eindruck  mit  fort,   daB  es 


1)  Dem  Durchleuehtigiaten  Hoch/gebornen  Fttrsten  vnd  herren,  Herrn 
Frie-/derichen,  Hertzogen  zu  Sachsen,  Des/hayligen  Romischen  Reychs 
ErtZ'/oiarschalck  ynnd  ChurfUrsten,  fLandtgrauen  in  DUringen,/  vnnd 
Marggraaen  zii/Meyssen,  meynem/Gnedigisten/herren./  Argula  Stanfferin./ 
4  Bl.  1.  Bl.  leer.  Am  Schluss:  Actum  am  Afftermontag  nach  Andree. 
Anno  domini.  MDXXiij.  K  E  G.  Diemiittige  Argula  von  Grumbach  ain 
geborne  von  Stauff.    (Erlangen.) 

2)  Nach  Spalatin,  Annales  bei  Mencken,  Scriptores  II,  631. 

3)  Es  ist  auch  auffallend,  dafi  Spalatin,  der  doch  sonst  dergleichen 
gem  mitteilt,  tiber  Argulus  Erscheinen  in  Niirnberg  und  ihren  Brief  an 
den  EarfUrsten  kein  Wort  sagt,  wahrend  er  liber  den  angeblichon  Bauern- 
prediger  von  Word  soviel  zu  sagen  weifi. 


104  Kolde,  Arsaeins  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

den  Ftirsten  wenig  ernst  sei,  denn  anstatt  auf  Gottes  Wort  legen 
sie  ihren  PleiB  auf  Trinken,  BankethalteD,  Spielen,  Mummen- 
schanz  and  anderes.  „Wie  vielmal  hnnderttausend  Gulden  i8t 
in  Reichstagen,  Landschaften  bei  meinem  Gedachtnis  verzehrt 
worden.  Was  kann  man  ratschlagen,  so  sie  Tag  und  Nacht  die 
Kdpf  „krumm*'  tragen  vor  Voile.  Ich  habs  selbst  zuNfirnberg 
gesehen,  ein  solches  kindisch  Wesen  der  Fiirsten,  das  mir,  dieweil 
ich  leb,  vor  Augen  ist." 

Ihre  persOnliche  Lage  wurde  immer  gedrflckter.  Niemand 
schien  auf  sie  zu  horen.  Und  es  ist  ein  deutlicher  Beweis  da- 
von,  wie  fremdartig  den  Zeitgenossen  das  schriftstelleriscbe  Auf- 
treten  einer  Frau  in  Glaubenssachen  war,  dafi  trotz  der  weiten 
Verbreitung  ihrer  Sendbriefe  auch  von  seiten  der  Evangelischen 
niemand  das  Wort  zu  ihren  Gunsten  ergreifen  wollte.  In  der 
groBen  Flugschriftenlitteratur  jener  Zeit  wird  sie,  soweit  ich 
sehe,  nur  einmal  ruhmend  erwahnt  und  das  von  einem  Manne 
aus  dem  Volke,  der  wie  sie  um  sein  Recht,  mitreden  zu 
durfen,  kampfen  muBte,  dem  Memminger  Ktirschnermeister  Se- 
bastian Lotzer,  der  sie  als  ein  „recht  adelich,  tugentsam  vnd 
cristlich  gemiit"  preist  und  in  ihrem  unerschrockenen  Auftreten 
das  wunderbare  Wirken  des  Geistes  Gottes  sieht^). 

Sonst  hatte  sie  nur  Spott  und  Schande  zu  erfahren  und 
namentlich  den  Unwillen  ihrer  Verwandtschaft.  Das  gab  ihr 
AnlaB  zu  einem  Schreiben  an  ihren  Vetter  Adam  v.  Torring*), 


1)  Id  seinem  Widmungsscbreiben  an  Christoph  Schappler  zu  seiner 
Auslegang  des  Evangeliums  vom  20.  Sonntag  nach  Trinitatis  bei  Alfred 
GStze,  Sebastian  Lotzers  Schriften,  Leipzig  1902,  S.  76  (auf  S.  75  der 
genaue  Titel  der  Schrift):  Ich  kann  each  nitt  gnugsam  anzai^en  den 
groszen  trost  vnd  frewd,  den  ich  enpfachvnd  hab  durch  das  hailig  wort 
Gots,  So  nit  allain  ir  vnd  ewers  gleichen  S61chs  so  tapffer  vnd  vner- 
schrocken  verkiinden,  Sunder  auch  die  weiber  gantz  Ghrietenlich  vnd 
ernstlich  sich  in  dem  wort  Gots  yeben  nach  dem  spruch  des  propheten 
Johelisij.  capi.  Wie  dann  yetz  die  Edel  vnd  wolgeborn  fraw  Argula 
geporen  von  Stauffen  sich  beweiszt  vnnd  den  schulgeleertten  schreibt, 
Sich  erbeutt  mit  in  zu  disputieren,  wie  die  haylig  junckfraw  Entherina 
thatt,  So  die  f tinfftzig  gelerten  vberwand :  das  hiesz  (mayn  ich)  ayn  recht 
adelich,  tugentsam  vnd  cristlich  gemut.  Hie  wirckt  der  gaist  Gottes 
wunderparlich. 

2)  An  den  Edlcn/vnd  gestrengen  her/ren  Adam  vo  Thering/der 
Pfalzgrauen  stat/halter  zu  Neuburg/etc.  Ain  sandtbrieff  yo  fraw  Argula/ 


Koide,  AnaeiiiB  Seehofer  usd  Argfila  you  Grumbach.  105 

der  als  Statthalter  des  Pfalzgrafen  zu  Neabaig  besoDderen  An- 
stofi  an  ihrem  Treiben  genommen  haben  mocbte.  Wie  sie  er- 
fdhr,  sollte  er  die  Aafierang  getaD  haben,  wenn  ihr  Haaswirt 
nicht  daza  late,  mnfite  es  die  Freundschaft  tan  nnd  sie  ^ver- 
maaem^.  Was  ihren  Mann  betrifft,  so  konnte  sie  den  Vetter 
bernhigen,  er  tate,  schreibt  sie,  nur  zuviel  dazo,  am  Chi'istnm 
in  ihr  zn  yerfolgen^),  and  dieses  eine  Wort  lafit  einen  tiefen 
Blick  in  das  darch  die  Verschiedenheit  der  religiosen  Stellnng 
gestorte  Familienleben  tnn.  Sie  weifi,  daS  maD  dem  Gatten 
das  Amt  nehmen  will:  „kann  ja  Dit  dafnr,  hab  yor  alles  wol 
bet3*achtet.  Das  soil  mich  nicht  hindem  an  meinem  Heil,  hab 
mich  darein  gesetzt,  alles  za  verlieren,  ja  Leib  and  Leben. 
6ott  stehe  mir  bei!*'  „Das  6nt,  das  man  mir  nehmen  kann,  ist 
nicht  viel,^  and  das  ihres  Manaes  hatten  bereits  die  Pfaffen  za 
Wnrzbarg  verzehrt.  Auch  die  Sorge  am  ihre  vier  Kindlein  soil 
sie  nicht  irre  machen:  Gott  wird  sie  wohl  versorgen  wie  die 
Vogel  in  der  Laft  and  die  Blamen  anf  dem  Felde.  Er  hats 
gesagt  and  er  kann  nicht  lagen.  Dafi  ihr  allenthalben  Ver- 
folgang,  Schimpf  and  Schande  znteil  wird,  sieht  sie  als  gates 
Zeichen  an,  daS  ihr  Tan  aas  Gott  ist,  denn  wenn  es  die  Welt  lobte, 
ware  es  nicht  aas  Gott.  So  ist  sie  mehr  als  je  iiberzeagt,  recht 
gehandelt  za  haben,  and  von  neaem  begrandet  sie  ihr  Aaftreten  mit 
der  Taafe.  Da  habe  sie  gelobt  za  glaaben,  ^hn  za  bekennen 
and  za  widersagen  dem  Teafel  and  allem  seinem  Gespenst. 
Das  haben  alle,  die  getaoft  sind,  gleichmafiig  gelobt,  kein  Doktor, 
Papst,  Eaiser  and  Ftirst  hat  mehr  gelobt.  Darum  gilt  es  far 
alle  za  glaaben  and  dem  Teafel  abzasagen,  aaf  daB  das  Ge- 
lobnis,  das  der  Tot  (der  Taafpate)  fiir  sie  gegeben,  erfiillt  werde. 
Deshalb  soil  der  Vetter  sich  nicht  verwandern,  daB  sie  Gott 
bekenne,  denn  wer  Gott  nicht  bekenne,  sei  kein  Christ,  ob  er 
taasendmal  getaaft  werde.  Jeder  maB  far  sich  selbst  beim 
.letzten  Urteil  Rechenschaft  abgeben.  „Man  heiBt  mich  latherisch. 


▼o  Grumbach/geborne  vo/Stauf-/feii/  Titelbordure,  o.  0.  u.  J.  AmSchlufi: 
Datum  sn  Grumbach.  Argula  you  Grumbach  geborne  von  Staaffen. 
(Erl.  Bibl.)  • 

1)  Ebenso  mu6  sie  an  Luther  geschrieben  haben,  denn  dieser  be- 
ricbtet  Anfang  1524  an  Joh.  Brismann  iiber  ihren  Gatten:  Maritus  per 
Bese  illityramus.    Enders,  Luthers  Briefwechsel  IV,  293. 


106  Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argnla  von  Grambach. 

Ich  bin  es  aber  iiicht.  Ich  bin  auf  den  Namen  Christu^getauft. 
Den  bekenne  ich  und  nicht  Luther.  Aber  ich  bekenne,  daB  ihn 
Martinus  auch  als  ein  getreuer  Christ  bekennt.  Gott  helfe,  das 
wir  solches  nimmermehr  verleugnen." 

Wer  Gott  um  seinen  Geist  bittet,  dem  wird  er  ihn  ver- 
leihen.  Aber  es  ist  zum  Erbarmen,  daB  die  Obrigkeiten  das  so 
gar  nicht  zu  Herzen  nehmen.  Wo  ist  einer  unter  den  geistlichen 
und  weltlichen  Herren  zu  finden,  der  zur  Bibel  greife,  um  Ge- 
wiBheit  dariiber  zu  erlangen,  was  Gottes  Befehl  sei!  Solche 
Mahnung  gilt  ihnen  als  eine  Narrheit.  Sie  sind  davon  so  gut 
berichtet  wie  die  Kuh  vom  Brettspiel,  und  ihre  gewohnliche 
Antwort  ist:  ich  glaub,  was  meine  Eltern  geglaubt  haben.  Wie 
die  Fiirsten  sind  die  meisten  vom  Adel:  ,,Ich  habs  von  vielen 
geh5rt,  die  sagen,  so  mein  Vater  und  meine  Mutter  in  der  HoUe 
waren,  woUt  ich  ungern  im  Himmel  sein."  Das  kommt  daher, 
daB  die  Eltern  die  Kinder  in  der  Schule  nur  solche  Bucher  wie 
den  Ovid  und  Terenz  haben  lernen  lassen,  aus  denen  man  Buhlen 
lernen  kann,  und  wie  man  zum  Buben  und  zur  Biibin  wird. 
Das  kSnnen  sie  auch  wohl,  ja  man  riihmt  sich  dessen  mehr, 
als  daB  man  sich  dessen  schame,  in  der  Ehe  und  auBer  ihr. 
Klagt  mans  den  Freunden,  ist  ein  Gelachter.  Sie  diirfens  auch 
nicht  strafen,  ebensowenig  als  die  Obrigkeit,  weil  sie  „gemeinig- 
lich  des  Holzes  selber  ein  Geigen  haben".  „Ihr  habt  lange  den 
Fiirsten  Rat  gegeben,"  ruft  sie  dem  Statthalter  zu,  „nun  ist  es 
Zeit,  daB  ihr  eure  Seele,  die  ewig  ist,  beratschlaget."  Konne 
er  vor  seinem  Ende  nicht  mehr  die  ganze  Bibel  lesen,  so  doch 
wenigstens  die  vier  Evangelisten.  „Es  ist  auch  nie  Luthers 
Meinung  gewesen,  daB  man  seinen  Biichlein  glauben  soil,  sie  soUen 
allein  Leitbtichlein  zum  Worte  Gottes  sein."  Wieviel  Gutes  k5nnte 
T5rring  in  seinem  Regiment  schaffen,  sonderlich  wenn  er  dazu 
helfen  wollte,  daB  die  Pfarreien  und  Pradikaturen  mit  gelehrten 
Mannern  beetzt  wiirden,  denn  alles  Heil  wirket  das  Wort  Gottes. 
In  dieser  kraftigen  Weise  redete  die  unerschrockene  Frau,  in- 
dem  sie  jede  Aussage  mit  Bibelstellen  begrundete.  Aber  ihr 
Wort  verhallte,  es  soUte  noch  lange  wahren,  ehe  die  evangelische 
Lehre  auch  in  Pfalz-Neuburg  eine  Statte  fand.  — 

Die  Universitat,  die  offenbar  in  groBer  Verlegenheit  war, 
schwieg  noch  immer.    Am  11.  November  1523  beschloB  man  zu 


Eolde,  Arsacins  Seehofer  und  Argula  yon  Grumbaoh.  107 

warteuv  bis  der  Kanzler  Leonb.  v.  Eck  nacb  Ingolstadt  kame,  und 
als  dies  wahrscheinlicb  nicbt  gescbab^  einigte  man  sicb  am 
21.  Februar,  als  die  Sacbe  von  neuem  zur  Spracbe  kara,  dabin, 
an  den  Farsten  eine  Bittscbrift  zu  ricbten,  dergleicben  Scbmah- 
scbriften,  wie  sie  von  Argula  v.  Stauffen  ausgegangen,  zu  ver- 
bindern^). 

Aber  eine  Antwort  sollte  sie  docb  erbalten,  wenn  aucb 
nicbt  von  Rektor  und  Senat,  so  docb  von  einem  Mitgliede  der 
Hocbscbule: 

„So  bin  ich  Johannes  genennt 
Zu  Ingolstadt  ein  frey  Student 
Eiu  Burger ssohn  von  Landshut^ 

Dieser  junge  Mann  sab  sicb  gemufiigt,  in  einem  „Sprucb 
von  der  Staufferin  ibres  Disputierens  balben"  die  Ver- 
teidigerin  Seebofers  in  groben  Knittelversen  zu  verbobnen*): 

Fraw  argel  ist  ewer  nam 

Vil  ergcr  das  ir  ane  scham 

Vnd  alle  weiplich  zucht  vergesssen 

So  freuel  seit  vnnd  so  vermessen 

Das  Ir  euer  FUrsten  vnd  herren 

Erst  wolt  ein  en  neuen  glauben  lenien 

Vnd  euch  daneben  vnderstet 

Ein  gantze  Vniversitet 

Z&  straffen  vnd  zu  verschnmpfieren  — 

wabrend  sie  docb  nacb  dem  Apostel  Paulus,  weil  Eva  nicbt 
Adam  zuerst  Gottes  Gebot  libertreten  bat,  scbweigen,  nicbt 
lebren,  sondern  das  Haus  regieren  soil 

Vnd  in  der  kirchen  schweigen  still. 

Sehet  nun  mein  liebe  Sibill 

Wie  ein  frech  vnd  wilt  thier  ir  seit. 

Ibr  Abgott  ist  der  „Martan  luder,  der  abtrunnig  und  los 
Bruder",  der  mit  sicb  selbst  im  Streite  ist, 

Vnd  was  im  heut  gar  wol  gefelt 
Morgen  so  baldt  wider  abstelt 
Noch  sprichstu  blinde  kobel,  fort 
Als  das  er  schreib  sey  gottes  wort 

1)  V.  D  ruff  el  a.  a.  0.  S.  57  Anm. 

2)  Ein  Spruch  Von/der  Staufferin  lines  disputie/rens  halben./  Tjtel- 
bordtire,  o.  0.  u.  J.,  4  BL,  letzte  Seite  leer.   (Munchen.  Universitatsbibl.) 


108  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argala  voo  Grambach. 

Er  vnd  Philippus  melanthon 
Die  zween  stern  in  septendriou 
Die  da  leuchten  wie  schwartze  kohlen 
Felschen  die  schrift  gantz  vnuerholen. 

Daiui  spottet  er  liber  den  „inaister  Palatein"  (Spalatin), 
der  ihr  solches  eingegeben,  den  groBen  Helden,  der  ihr  das 
Maul  mit  Liigen  schmiere.  Aber  das  Kind  habe  einen  andern 
Namen. 

Ich  merck  erst  was  dich  wol  behagt 
An  Lathers  leer  und  seinen  worten 
Das  er  eucb  weibern   offt^)  die  pforten 
Der  vnzucht  vnd  der  buberey 
Die  Ee  zerbrechen   frisch  vnd  frey 
Vnd  vmb  ein   bosz   wort  oder  rauffen 
So  baldt  von  aim  zum  andern  lauffen 
Ich  sag  bei  meiner  trew  vnd  ayt 
Das  ich  von  der  weyber  keuscbayt 
Die  Luthers  schrifften  hangen  an 
Gar  nichtz  guetes  halten  kan. 

Ja  er  geht  in  seiner  bubenhaften  Frechheit  noch  weiter 
und  schiebt  dem  Eintreten  flir  Seehofer  geradezu  unzuchtige 
Motive  unter: 

Daher  kumpt  auch  dein  grosz  mitleiden 

Vnd  gefelt  dir  filleycht  an  der  schneiden 

Arsacius  im  krausen  har 

Ain  jungling  von  achtzehen  iar 

Derhalb  du  im  sein  sach  thuest  gelimpfen 

Snnst  wiirdest  dich  wol  darab  rlimpfen 

Merck  nun  mein  liebe  argel  traut 

Wie  bistu  sogar  ein  arge  haut 

Das  du  vns  mit  der  schrifft  wilst  schrecken 

Dein  schaudt  vnd  boszheit  mit  zudecken.  —  — 

Wiltu  aber  mit  eren  bestan 

So  stell  ab  dein  muet  vnd  gut  dunckel 

Vnd  spin   dafur  an  einer  kunckel^) 


1)  OfTnet. 

2)  Hierauf  beruht  wohl  die  bei  Spateren  sich  findende  Erzablung, 
daB  Joh.  Eck  auf  Argulas  Herausforderung  zur  Disputation  ihr  einen 
Spinnrocken  geschickt  habe.  Eck  war  aber  wahrend  des  ganzen  Handels 
in  Rom,  und  mit  Unrecht  lafit  die  Fhigschrift  „die  luterisch  Strebhatz" 
(bei  Schade,  Satiien  und  Pasquille,  Hann.  1863,  III,  121)  ihn  bei  der  Yer- 
nrteihing  Seehofers  eine  Rolle  spielen. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  109 

Oder  strick  haubeD  vnd  wirck  borten 
Ein  weyb  solt  nit  mit  gottes  worten 
StoltziereD  vnd  die  maoner  leren 
Sender  mit  Madaleu  zu  boren  —  —  — 
Vnd  kummet  mit  diser  sacb  nit  wider 
Ir  ligt  mit  alien  ewern  ketzern  nider.   — 

DerTon  warroh,  aber  was  „  Johannes"  vorbrachte,  wirdsicher 
die  Auffassung  der  durch  Argulas  Eingreifen  in  ihrem  akademischen 
SelbstbewuIJtsein  schwer  gekrankten  Ingolstadter  Gelehrtenwelt 
entsprochen  haben\).  Indessen  der  Dichterling  kam  libel  an. 
Frau  V.  Grumbach  war  ebenso  gewandt  in  Versen  wie  in  Prosa. 
Flags  schrieb  sieeineherzhafte,,Antwortin  GedichtsweiC"^). 

Nicht  ohne  Grand  wirft  sie  dem  Dichter  Feigheit  vor,  da  er 
seinen  Nanien  nicht  nenne,  und  erklart  sich  bereit,  ihre  Sache 
auf  einem  Tage  zu  Ingolstadt  oftentlich  zu  vertreten: 

In  gottes  namen  heb  ich  an 
Zu  antworten  dem  kiinen  man 
Der  sich  Joanuem  nennen  th&t 
Zaygt  mir  an  er  sey  von  Lantzb&t^ 
Dasz  ich  wissz  zuerkennen  in 
Acht  wol,  es  hab  ain  andern  syn 

1)  Der  Unwille  iiber  sie  klang  in  Ingolstadt  noeh  lange  nach.  Der 
Jesait  Jakob  Gretser,  f  1625,  nannte  sie  eine  lutherische  Medea  odor  Furie, 
ein  von  wiedertauferischem  Gift  angestecktes  Weib  (in  Defensio  Bellar- 
mini  T.  I,  L.  II  c.  2,  nach  Rieger,  Argula  S.  22),  der  Universitats- 
annalist  Mederer  bezeichnet  sie  noch  1782  als  mulier  nasutula.  —  Risn  a 
nonnullis,  ab  aliis  commiseratione  excepta  cpistola;  Argula  vero  pro  fatua 
muliere  ab  omnibus  passim  in  urbe  traducta  est  (Annales  p.  118).  In- 
teressant  ist  auch  das  Urteil  Prantls  aus  dem  Jahre  1872  I,  154  Anm.: 
,,Da6  Argula  in  ihrer  Weise  wirklich  bibelfest  war,  zeigt  sie  durch  die 
vielen  StUcke  des  alten  und  neuen  Testaments,  welche  sie  in  voUen 
Handen  ausgiefit.  GewiB  auch  hatte  sie  wie  jeder  Mensch  die  Befngnis, 
ftir  ihre  innerste  Gemiitsangelegenheit  begeistert  zu  sein,  aber  durch  ihre 
Cberreiztheit  liefi  sie  sich  zu  einem  Vorgehen  hinreifien,  welches  ihr  als 
Weib  nicht  znstand." 

2)  Eyn  Antwort  in/gedichtB  weisz,  ainem  ausz  d'/hohen  Schul  zu 
Ingol/stat  auff  ainen  sprucb,/newlich  vo  jm  ausz/gagen,  welcher/hynde 
dabey/getruckt/steet./Anno.  M.D.XXiiij./  Rom,  x  /  So  mann  von  hertzen 
glawbt,  wirt/man  rechtuertig,  so  man  aber  mit  de/mundt  bekennet,  wirt 
mann  selig./Argula  von  Grumbach,/geboren  von  Stauff./  Rlicks.  d.  Titelbl. 
bedruckt.  14  Bl.  4^  Letzte  Seite  leer.  (Muncheu  H.  u.  St.-Bibl.  Ntirn- 
berg.  Germ.  Mus.) 


110  Eolde,  Arsacias  Seehofer  und  Argala  von  Grnmbach. 

An  das  liecht  nit  recht  furher  gat 

Der  selb  Student  zu  Ingelstat 

Nit  gar  so  frey  als  jr  etich  rumpt 

Het  sonst  ewerri  nam  nit  so  yerplumbt.  — 

Mit  dysem  nam  seind  ^il  getaufft 

Ey  lieber  doch  herfiir  recht  lanfft 

Seyt  jr  ain  redlich  Ohristlich  man 

Zu  Ingolstatt  trett  auff  den  plan 

Auff  eynen  tag  der  euch  gefelt 

Hab  ich  geirrt,  das  selb  erzelt. 

So  ir  mir  gottes  wort  berbringt 

Volg  ich,  wie  ain  gehorsam  kyndt 

Zaygt  mir  mein  irrsall  redlich  an 

Wie  sich  gepurt  ayra  Christenman 

Darvor  drey  wochen  oder  vier 

Denselben  tag  em  en  net  mir 

Damit  auch  ander  khommen  her 

Zu  horen  was  mein  sach  da  wer. 

Gar  fr5lich  will  ich  zu  euch  gan 

Seyt  dass  trifft  Got  mein  herren  an. 

Von  dem  Herrn  selbst  aus  der  Schrift  weifi  sie,  dafi  sie  sich 
nicht  zu  fiirchten  braucht,  und  er  ist  es,  der  den  Seinen  seinen 
Geist  gibt,  die  Bauern  und  die  Weiber  nicht  ausgeschlossen, 
denn  es  ist  nicht  so,  wie  jene  behaupten, 

dasz  er  st5ll 

Sein  gayst  so  in  ain  engen  stall 
So  ainer  nur  ain  blatten  mal  —  — 
Wer  seind  doch  die  Aposteln  gewesen 
Wo  hands  in  hohenschulen  gelesen. 

Darauf  kommt  es  an,  wie  sie  mit  vielen  Schriftstellen  be- 
legt,  dafi  wir  von  Gott  gelehrt  werden  und  seinen  Geist  in  uns 
wirken  lassen,  nicht  auf  ihre  Dekretalien,  die  nur  vermaledeien 
und  verbannen,  oder  „Skotus  mit  seiner  subtilitet,  da  weniggott- 
lichs  Wortinsteet,"  oder  dem  „maister  von  hohen  synnen".  Und  von 
der  Abwehr  geht  sie  zum  Angriff  tiber  gegen  die  Gelehrten,  die 
das  Wort  Gottes  verdunkeln  und  gegen  ihr  ungeistlich  Leben: 

Dieweiyl  jr  gottes wortt  vertruckt 
Schendt  got,  die  seel  zum  Teiiffel  zuckt 
Will  ich  es  gar  nit  vndterlassen 
Zureden  im  hausz  vnd  aufP  der  strassen 
Sovil  mir  Got  gnad  drin  gibt 
Will  ichs  taylen  meym  nachsten  mit 


Rolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  GroiDbacb.  HI 

Paulas  mirs  nit  verspotten  hatt 
Wo  go  ties  wort  im  schwaDuk  nit  gat 
Wie  es  dann  layder  bey  vos  steet 
Ey  liber  Hans  spart  ewer  redt 
Nempt  euch  ein  exempel  darvon 
^  Wie  Balaamd  Eszlin  hat  gethan  etc. 

Welter  beruft  sie  sich  auf  Judith  und  Deborah. 

Darumb  so  zUrnet  nit  so  hart 

Ob  Got  noch  yetzt  wurde  weiber  schaffen 

Die  euer  hoffart  musten  strafeu. 

Wie  frliher  tritt  sie  fiir  die  Gottesmanner  Luther  und  Me- 
lanchton  ein,  die  sie  doch  nie  gesehen  habe.  Sie  glaube  nicht 
an  Menschen,  wie  man  ihr  vorwirft: 

Auf  gottes  wort  will  mich  verlassen 
An  dysem  felsz  werdt  jr  euch  stossen. 
Wiird  mich  nach  kaynen  sehen  vmb 
Wo  er  mit  seinem  glawben  hyn  khum 
Ob  er  fall  ja  hyn  oder  her 
Will  mich  nur  halten  an  Gotsz  leer. 

DaU  sie  Verfolgung  leiden  muC,  bringt  ihr  keine  Bitterkeit, 
auch  wurde  sie  schweigen,  wenn  man  nur  sie  allein  angetastet 
hatte,  wie  sie  denn  auch  den  schnoden  Angriff  auf  ihre  weib- 
liche  Ehre  mit  Verachtung  straft  und  ihn  nicht  beruhrt,   aber 

So  ir  wolt  gottes  wort  verletzen 
Will  ich  mich  starck  darwidersetzeu. 

Wir  erfahrein  hier  auch,  dafi  sie  ihre  Gegner  hier  und  da 
persSnlich  zur  Rede  gestellt  hat: 

Gar  offt  hatt  sich  vor  ainer  vermessen 

Er  woll  mich  auff  der  Cantzel  fressen 

So  ich  jm  vndter  angen  kam 

Gar  wenig  schrifFt  von  jm  yernam 

Ir  prob  ist,  ich  verstee  es  nicht. 

Sag  ich,  taylt  mir  ewer  weyszhait  mit 

So  khommens  mit  der  gunckel  her 

Das  ist  gar  fast  in  (ir)  aller  leer 

Dyser  mayster  von  hohen  synnen 

Will  mich  lern  hauszhaben  vnd  spinnen 

Th&  doch  taglichs  darmit  vmbgan 

Dasz  ichs  nit  wol  vergessen  kan 

Auch  Christus  mir  dabey  erzelt 

Sein  wort  zShorn  seysz  best  erwelt.  — 


112  Kolde,  Arsaciag  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. ' 

So  gebt  YDS  auch  noch  ayn  beschaydt 
Zu  dienen  iu  gehorsamkayt 
Vnd  unset  mann  halten  in  eern 
Es  wer  mir  layd  solt  ichs  verkern 
Mein  hertz  vnd  gmut  darz&  gnaygt  ist 
Z&  dienen  jm  z&  aller  frist 
Geborsamlich  mit  gantzer  frewdt 
That  ich  es  nit  es  wer  mir  laydt 
Acht  auch  darfiir  es  sey  am  tag 
Dasz  er  fur  vber  mich  kayn  klag 
Hoff  gott  wer  mich  auch  lernen  wol 
Wie  ich  mich  gegen  jm  halten  soil 
Wo  er  aber  mich  wollte  driiigen 
Von  gottes  wort  treyben  vnd  zwingen 
Dasz  ich  daruon  uichts  halten  solt 
Welches  jr  auch  gar  gem  wolt 
Findt  ich  Mat  the!  gschriebn  stan 
Am  zehenden  da  lest  daruon 
Ja  dasz  wir  miesten  tretten  ab 
Yon  kindt;  hausz,  hoff;  vnd  was  ich  hab 
Wers  vber  jn  liebt  steet  gar  frey 
Derselbig  sein  nit  wirdig  sey 
So  ich  gotszwort  verlaugnen  solt 
Ee  ich  das  alles  verlassen  wolt 
Ja  leyb  vnd  leben  ergeben  frey 
Da  mir  mein  seel  nit  lieber  sey 
Dann  mir  ist  auch  mein  herr  vnd  got. 

Und  mit  groBem  Ernst  warnt  sie  die  Lasterer  Gottes  vor 
dein  schweren  Gerichte,  das  sie  treffen  wird,  wie  sehr  sie  auch 
jetzt  alle  Menschen  loben. 

Darumb  last  ab  vnd  seyt  besindt 
Auff  dysz  mal  nym  gnSg  daruon 
Bisz  er  herfiir  dritt  auff  den  plan 
Von  Balaams  Eszlin  nempt  zSgSt 
Mein  lieber  Joannem  von  LantzhBt 

Wills  Got,  nachdem  ain  anders. 

Aber  der  studentische  Gegner  trat  nicht  auf  den  Plan  und 
Frau  Argula  hatte  nicht  notig,  ihrem  „ersten  Gedicht**  ein  zweites 
folgen  zu  lassen. 

Als  diese  Schriften  erschienen  ^),  war  die  Frage  nach  der 

1)  Will  man  eine  Bemerkung  in  Argulas  Gedicht,  wonach  sich  der 
Ingolstadter  Student  „ain  gantz  jar  bedacht"  genau  nehmen,  waren  die 
Spottverse  erst  nach  Mitte  1524  erschienen. 


Eolde,  Arsacins  Seehofer  und  Argula  von  Grambach.  113 

Berechtignng  der  Verurteilung  Seehofers  bereits  in  weiteren 
Kreisen  in  FluB  gekoramen.  Gute  Freunde  des  Verurteilten 
sorgten  dafiir,  seine  Satze  in  deutscher  Sprache  zusammen  mit 
der  ihm  abgezwungenen  Abschworungsformel  bekannt  zu  machen. 
Ein  kurzes  Nachwort  machte  den  christlichen  Leser  noch  be- 
sonders  auf  die  Verleugnung  des  Apostels  Paulas  durch  Ver- 
werfung  der  letzten  Artikel  aufmerksam^).  Offenbar  eine  Ent- 
gegnang  hierauf  war  eine  zweite  Veroffentlichung,  gleichfalls  in 
deutscher  Sprache,  die  jedem  der  sehr  ungenau  und  ungelenk 
tibersetzten  Artikel  eine  kurze  Rechtfertigung  seiner  Verwerfung 
beifiigt^).  Dafi  sie  zum  mindesten  rait  Vorwissen  der  UniversitUt 
ausgegangen  ist,  wird  trotz  der  spateren  Ableugnung  kaum  zu 
bezweifeln  sein.  Sie  macht  durchaus  den  Eindruck  einer  offi- 
ziellen  Kundgebung.  Gleich  zu  Anfang  werden  samtliche  bei 
dem  Verfahren  gegen  Seehofer  beteiligten  Personen  aufgefiihrt, 
und  am  SchluB  riihmt  sich  der  ungenannte  Verfasser,  den  Beweis 
erbracht  zu  haben,  dafi  Seehofers  Satze  „aus  angezeigten  in  der 
heiligen  Schrift  gegriindeten  Ursachen"  als  ketzerisch  anzusehen 
sein,  und  ihr  Urheber  rait  Eecht  „von  uns  bezwungen  worden", 

1)  Diss  seint  die  artickel,  so  ma/gyster  Arsacius  sehoffer  von/MUnchen 
durch  die  hohen-/schul  za  Ingelstat  beredt  am/abent  vnser  frawen  ge- 
burt/nechst  verschinen  wider-/ruflfen  vnnd  ver-/worffen  hat/MDXXiij./ 
Actum./Ingelstat./  Mit  Titeleinfassung,  4  Bl.  (Vorh.  z.  B.  MUnchen.  H.- 
n.  St.-Bibl.  Universitatsbibl.)  Andere  Drucke  bei  Waller,  Bepertorium 
Nr.  2343  ff.  Wenn  Planitz,  was  allerdings  nicht  genau  ersichtllch  ist,  am 
31.  Okt.  dem  KiirfUrsten  die  gedruckten  Artikel  ttberschickte,  miiOten 
sie  in  der  zweiten  Halfte  des  Ok^ober  ausgegangen  sein.  Planitzbriefe 
S.  49. 

2)  Sybentzehen  Artickel/so  die  Doctorn,  der  Wolberumbte/Vniver- 
sitet  Ingolstatt,  fUr  ketze-/ri8ch  verdammet,  vnd  Mayster/Arsacij  Seehofer 
von  Mtin-/chen  ofFenntlich  an  Ynnser/frawen  gepurdt  abendt/  widerruefft 
hat.  jnn Idem  1523  jar./  AmSchlufi:  Finis/.  Mit  Titeleinfassung,  Titeh-tlck- 
seite  bedruckt.  4  Bl.  in  4^  Nach  Albrechts  Mitteilung  in  Luthers  Werken 
Weim.  A.  15, 98  vrh.  z.  B.  St.  Gallen  Stiftsbibl.  MUnchen,  H.-  u,  St.-Bibl.  Gegen 
Albrechts  Meinung  (ebda.  S.  97),  daB  diese  Veroffentlichung  nur  in  einer 
Ausgabe  bekannt  geworden  sei,  bemerke  ich,  dafi  die  Miinchener  H.-  u. 
St.-Bibl.  noch  eine  zweite  Ausgabe  besitzt:  „Sibentzehen  Artickel  so  die 
po-/ctorn,  der  Wolberuembten  Unfversitet/Ingolstatt,  fiir  Ketzerisch  ver- 
dammet,  vnd/Mayster  Arsacij  Seehofer  vo  Miinchen/offentlich  an  vnser 
Frawen  geburt/Abent  widerrufft  hatt,  in/dem  1523  Jar./  Am  SchluB/Finis/. 
Ohne  Titeleinfassung,  Titelruckseite  bedraokt.    4  Bl.  4^ 

Beitrage  ssur  bayer.  Kirchengeschichte  XT.  3.  3 


114  Eolde,  Arsacias  Seehofer  and  Argala  von  Grumbacb. 

die  zu  widerrufen,  und  er  zu  einen  abschreckenden  Beispiel 
„nach  Ausweisung  der  geistlichen  Rechte,  in  einem  iiarten  Kloster 
furder  beschlossen  sein  soil." 

Nun  hielt  auch  Luther  es  an  der  Zeit,  in  die  Sache  einzu- 
greifen.  AnfangJanuar  1524  hatte  Argula  an  ihn  geschrieben, 
und  voll  Freude  dariiber  schickte  Luther  den  leider  nicht  er- 
haltenen  Brief,  in  dem  sie  ihm  auch  intime  Mitteilungen  uber 
ihre  innere  Entwicklung  und  ihre  schweren  Sorgen  gemacht  haben 
muB,  an  den  damals  in  Nlimberg  weilenden  Spalatin  mit  der 
Bitte,  sie  einstweilen  inseinem  und  Christi  Namen  zu  trosten^). 
Wie  hochersieschatzte,  spracher  etwaEnde  Februar  auch  in  einem 
Briefe  an  Joh.  Brismann  aus.  Sie,  die  den  grofieu  Kampf  mit 
hohem  Geiste,  erfiillt  vom  Worte  und  der  Erkenntnis  Christi  im 
Bayerlande  fiihrt,  gilt  ihm  wert,  daC  alle  fiir  sie  beten,  daC 
Christus  in  ihr  triumphiere,  denn  sie  ist  sein  besonderes  Werk- 
zeug^).  Vielleicht  hatte  er  durch  sie  jene  kummerliche  Ver- 
teidigungsschrift,  den  „ZeddeI",  wie  er  sie  nennt,  erhalten  und 
alsbald  setzte  er  sich  daran  und  schrieb  seine  Schrift:  „Wider 
das  blind  und  toll  VerdammniB  der  siebenzehn  Artikel 
von  der  elenden  schandlichen  Universitat  zu  Ingol- 
stadt  ausgangen"^). 

Ihm  kam  es  offenbar  weniger  darauf  an,  die  Christlichkeit 
.der  dem  Seehofer  vorgeworfenen  Artikel  darzutun,  —  denn  mit 
dem  15.  und  16.,  diezum  mindesten  misverstHndlich  sind,  ist  er 
selbst  nicht  zufrieden  und  von  dem  letzteren  sagt  er:  „Dieser  ist 
wol  ein  wenig  zu  hui,  aber  doch  nicht  ganz  falsch"  — ,  als  viel- 
mehr  zu  zeigen,  wie  iiber  alle  MaBen  toll  und  ungeschickt  der 
..Versuch  der  Ingolstadter  Gelehrten  ist,  Seehofers  Aussagen  aus 
der  Schrift  zu  widerlegen,  wie  jene  sich  selbst  widersprechen,  nicht 
zu  belehren,  sondern  nur  zu  bannen  verstehen.    So  gieBt  er  denn 

1)  Mitto  ad  te  optime  Spalatine,  litteras  Argulae,  Christi  discipulae, 
ut  vldeas  et  gaudeas  cum  angelis  super  una  peccatrice  iilia  Adam  con- 
versa  et  facta  filia  Dei.  Tu  quaeso,  si  potes  earn  attingere,  nomine  meo 
salutes,  et  in  nomine  Christi  consoleris.  Nam  et  ego  quaere  qua  ad 
earn  pertingam,  scripsissem  jam,  si  certus  fuissem  per  te  posse  litteras 
ad  illam  venire.    Enders,  IV,  274.    Vgl.  S.  295. 

2)  Ebenda  IV,  293. 

3)  Weim.  Ausg.  XV,  95  ff.  DaB  Luther  iibrigens  auch  den  latei- 
nischen  Urtext  der  Seehoferschen  Artikel  kennt,  ergibt  S.  121,  20. 


Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbacb.  115 

mit  derben  Worten  die  ganze  Schale  seines  Zornes  fiber  sie  aus, 
indem  er  bei  jedem  Pankte  den  betreffenden  Satz  Seehofers 
mitteilt,  darauf  die  Ingolstadter  Beweisfuhrung  und  dann  seine 
Glosse  dazu  folgen  laCt.  „Man  hat,  so  schliefit  er,  bisher  der 
.  Bayern  mit  den  Sauen  gespottet^).  Nun  hoffe  ich,  wird  es  besser 
mit  ihnen  werden.  Denn  dieser  Zettel  truge  mich  denn,  so 
dunkt  mich,  alle  Saue  in  Bayerland  sind  in  die  beruhmte  Schule 
gen  Ingolstadt  gelaufen,  und  Doktorn,  Magistri  und  eitel  be- 
ruhmte Universitat  worden,  das  hinfort  eines  besseren  Ver- 
stands  im  Bayerland  zu  hoffen  ist.  Erlose  und  behute  Gott 
Bayerland  vor  diesen  elenden  blinden  Sophisten." 

Wie  diese  Anfang  April  1524  erschienene  Schrift^),  in  der 
auffallenderweise  Argula  v.  Grumbach  mit  keiner  Silbe  erwahnt 
wird,  in  Ingolstadt  aufgenommen  worden  ist,  wissen  wir  nicht, 
wohl  aber  wissen  wir,  daB  eirie  andere  wahrscheinlich  schon  Anfang 
des  Jahres  bekannt  gewordene  Schrift  zugunsten  Seehofers^), 
die  ubrigens  nicht  durch  die  Ingolstadter  Verteidigung,  sondem 
nur  durch  den  ersten  Druck  seiner  Satze  hervorgerufen  ist,  die 
Gelehrten  beunruhigte. 

Der  uns  wenig  bekannte  Verfasser*)  nennt  sich  „Martinus 

1)  Scbon  Heinrich  Bebel  scbreibt  (Adagia  Germanica  Argentor.  1508): 
Bavaros  enim  sues  vulgns  vocat  ob  maximum  eorum  in  Bavaria  proventum. 
Andere  Beispiele  bei  M.  Plant,  Deutsches  Land  und  Volk  im  Volks- 
mund.    Breslau  1897.  S.  79. 

2)  Ygl.  Ha rtf elder,  Melancbtboniana  Faedagogica.  Leipzig  1892. 
S.  135. 

3)  Die  Artickel  warumb  der  rector/ vnd  Bethe  der  Hohenschul  zu 
Ingolstatt  zwungen  vnd  genottigt  haben  zum  wi-/derspruch  Mayster 
Arsacium  See-/hofer  von  Miincben,  mit  sampt/dcs  lauts  der  widerruffung/ 
vnd  seyner  erklerung./Die  erklerung  der  Sibenzehen  Artickel,  durch/ 
Mayster  Arsacij  von  Mtlncben  Christlich  gelert,  vn/wie  vnbillich,  vnd 
wider  Gott  eer  gezwungen/ist.  zu  widerspruch  durch  den  Rectorn  vnd/ 
Bathe  der  hohenschul  zu  Ingolstatt/mit  sampt  dem  lauti  seyner  wi-/der- 
ruflfung,  aynem  yetlichen  wol  zu  behertze./.  24  Bl.  4<>  Bl.  23  b  u.  24  weiB. 

4)  Was  bisher  fiber  ihn  bekannt  ist,  hat  0.  Clemen,  Beitrage  zur 
Beformationsgesch.  I,  41  u.  49,  u.  Nachtrag  III,  109  zusammengestellt. 
Dazu  bemerke  ich,  da6  die  betreffende  Predigt  Freybergers  unter  dem 
Titel  „£in  bruderlich  ermanung^  1523  zu  Landsbut  erschien,  und  dai3  er, 
wie  ich  inzwischen  durch  Herrn  D.N.  Paulus  in  Miinchen  erfahren  habe  und 
wodnrch  Argulas  Angabe  (s.  oben  S.  69)  bestatigt  wird,  in  einer  andern 
Schrift    Ad   Curam    animarum  . . .  collecta   (Landshut  s.  a.)   sich   nennt 

8* 


116  Kolde,  Arsaoins  Seebofer  and  Argula  von  Grumbach. 

Reckenhofer  zu  Clausen",  worunter  jedenfalls  Clausen  in  Tirol 
zu  verstehen  ist.  Da  er  davon  spricht,  „in  dreiCig  Jahren"  viel 
Doktoren  und  Schriften  gehOrt  und  gelesen  zu  haben,  war  er 
kein  junger  Mann  mehr,  gleichwohl  mufi  er  am  Ende  des  zweiten 
Jahrzehnts  sich  noch  einmal  in  Wittenberg  aufgehalten  haben  *)i. 
Denn  er  hat  bei  Luther  gehort  und  weiB  in  einer  seiner  Schriften 
davon  zu  erzahlen,  wie  dieser  sonderlich  „ein  predigblichlein 
der  Tawler  genannt  im  deutschen,  uns  tzu  erkaufen  ermandt  yhnn 
der  schul,"  auch  daU  er  oft  gesagt,  „das  seyn  kunsfc  mer  yhm 
gebenn  sey  auss  erfahren  denn  lesen."  .Er  spricht  es  als  seine 
Uberzeugung  aus,  „das  keiner  raag  kumen  tzum  rechten  ver- 
standt  des  warenn  glaubens,  Er  less  den  dye  bucher  tzu  Witten- 
berg geschriben  oder  sey  eyn  zeyt  lang  daselb  gewesen.  Do 
ist  der  rechtt  chrichlich  glaub  uff  gangen,  den  keyn  schul  yn 
vyll  hundert  jaren  gewiss  noch  erkennt  hat 2)."  Dieser  Mann,  der 
das  Bayerland  sehr  genau  kennt  und  auch  schon  im  Jahre  1623 
„ alien  christlichen  briidern  liebhabern  der  Euangelischen  leer, 
wonhafft  hin  vn  her  zerstreyt  im  Bayerland,  Nemlich  [nament- 
lich]  zu  Freysing"  eineSchrift  gewidmet  hatte,  die  sich  gegen 
eine  von  dem  Domherrn  Joh.  Freiberger  gehaltene  Predigt 
richtete^),  will  auch  jetzt  in  erster  Linie  diejenigen  trSsten, 
deren  Herzen  durch  den  Widerruf  „der  laut  erschoUenen  christ- 


J.  Freyberger  ex  Vohbiirg . .  .  canon.  Frisengen.  et  pastor  plebis  S.  Petri 
in  Vohbtirgk  —  quondam  Pataviensis  ecclesie  praedicator.  ~  Wenn  Winter, 
I,  148  unter  Berufang  auf  Gem  einer,  Reformationsgesch.  von  Regens- 
burg  1792,  S.  15  Reckenhofer  alsPrediger  in  Freising  bezeichnet,  so  be- 
niht  das  offenbar  anf  einem  Mi^verstandnis,  das  dnrch  seine  Schrift  gegen 
die  von  Freiberger  in  Freising  gehaltene  Predigt  hervorgerufen  ist. 
Falls  Reckenhofer  in  Clausen  eine  Anstellung  gehabt  hat,  so  kann  er 
hochstens  Prediger  oder  Vikar  gewesen  sein,  denn  die  Pfarrei  besafi  da- 
mals  Doktor  IphofFer,  Kustos  und  Domherr  zu  Brixen.  Vgl.  Sc hell- 
horn,  Ergotzlichkeiten  aus  der  Kirchengesch.,  II.  Bd.,  5.  H.,  S.  247. 

1)  In  der  Wittenberger  Matrikel  findet  er  sich  nicht,  ebensowenig 
habe  ich  ihn  in  Erfurt,  Leipzig  und  Tubingen  gefunden.  Wahrscheinlich 
hat  er  in  Ingolstadt  studiert,  dessen  Matrikel  leider  noch  immer  nicht 
herausgegeben  worden  ist. 

2)  Vgl..  Clemen,  a.  a.  0.  I,  50f. 

3)  Ebenda  S.  49.  Ebendas.  S.  41,  iiber  die  aus  demselben  Jahre 
stammende  Cbersetzung  der  Historic  von  dem  Martyrertode  der  Augustiner 
in  Brtissel. 


Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  117 

lichen  Lehre"  erschreckt  sein.  Sie  soUten  sich  vielmehr  freuen, 
daU  des  Teufels  Grobheit  und  Arglist  an  den  Tag  gekommen 
sei,  denn  was  die  Magistri  nostri  beschlossen,  sei  fiir  gut  und 
heilig  gehalten  worden.  Dawider  durfte  man  nicht  husten  bei  des 
Endchrists  Ungnad  und  Bann.  Aber  die  Sophisterei  hat  ein  Ende. 
Der  barmherzige  Gott  hat  woUen  das  Licht  seines  heiligen 
Glaubens  aufstecken  im  Bayerland.  Aber  das  Nachtgefleder  mag 
nicht  dulden  den  hellen  Schein,  fliegt  gewohnlich  bei  Nacht. 
Dem  Arsacius  Seehofer  ist  der  Fall  geschehen,  vor  dem  Christus 
warnt,  Matth.  7,  6:  „Gebt  nicht  die  Heiligkeit  den  Hunden, 
werft  nicht  die  Margarithen  vor  die  Saue,  daB  sie*s  nicht  zer- 
treten  und  fahren  herura  und  zerzerren  euch.  Wir  wollen  aber 
aufl5sen  die  Margarithen  und  mit  Gottes  Hilfe  und  Gunst  wiederum 
auspolieren,  und  befehlen  den  Kindern,  den  Schweinen  aber  ihre 
Treber  und  Eicheln  lassen". 

Es  handelt  sich  dabei  nicht  nur  um  Seehofer,  sondern  um 
alle  Pfaffen  und  Monche,  die  grausam  und  schmahlich  das  ein- 
faltige  arbeitsame  Volk  bei  ihrem  Irrsal  und  Unglauben  behalten, 
gibt  es  doch  kaum  mehr  Abgotterei  und  Wallfahrten  als  in 
Bayern,  wohin  auch  Fremde  gelockt  werden,  „als  ist  Sannt  Wolf- 
gang im  Gebii'ge  und  in  der  Schwindau/),  zu  Sant  Leonhart,  auf 
den  heiligen  Berg  Andechs,  zu  Sant  Ruprecht  zu  Salzburg,  zu 
unserer  Frauen  zu  Bayrotting,  zu  Wozeii  (Bozen),  zu  Tunten- 
hausen  und  yetzo  zu  der  schonen  Marien.  Dahin  lauft  das  un- 
verstandige  Volk  und  opfert  Gold  und  Silber,  das  alles  kommt 
aus  Unwissen  des  wahrenEvangelii".  Deshalb  will  er  zeigen, 
wieviel  Gift  die  Widerrufung  Seehofers  enthalte.  Satz  fiir  Satz 
nimmt  er  vor  und  geiBelt  mit  scharfen  Worten  das  unchristliche 
Verfahren  der  Ingolstadter,  wobei  sich  der  Verfasser  auch  mit 
der  Geschichte  des  bisherigen  Verfahrens  gegen  Luther  sehr 
vertraut  zeigt  und  sich  gelegentlich,  so  fiir  die  Behauptung,  dafi 
man  sich  der  Siinde  nirgends  weniger  schame  als  in  Rom,  auf  die 
Schriften  Karlstad ts  beruft.  Mit  der  Verurteilung  der  Satze 
Seehofers  haben  die  Ingolstadter  so  grob  und  ungeschickt  sich 
benommen  wie  die  Vater  auf  dem  Konzil  zu  Kostntiz  (und  Basel), 
die  Johannes  HuC  und  die   andern  verdammten,   „als  klar  aus 


1)  Winidau  im  Isarwinkel? 


118  Kolde,  Arsacius  Seehofer  imd  Argula  von  Grambach. 

dem  Buch  ihrer  Handlung  durch  Eneum  Silvium  beschrieben  und 
kttrzlich  gedrucktist/  Dann  sncht  der  Verfasser  unter  ausflihr- 
licher  Begriindung  aus  der  Schrift  die  Christlichkeit  der  einzel- 
nen  Artikel  darzulegen,  oder  wie  sie  christlich  zu  deuteu  sind. 
Besonderen  AnstoB  nimmt  er  wie  der  erste  Herausgeber  der 
Satze  Seehofers  an  der  Verwerfung  des  wunderlichen,  wahrschein- 
lich  auf  einem  Mifiverstandnis  Melanchthons^)  in  seiner  Vorlesung 
iiber  den  IL  Korintherbrief  beruhenden  17.  Artikels,  den  Luther 
.wie  erwahnt  als  „zu  Hui-*  gemacht  bezeichnet  hatte:  „Das 
Evangelion  Christi  nicht  ein  Geist  sei,  sondern  Buchstaben." 
Auch  hier  sucht  der  Verfasser  die  SchriftgemaCheit  der  Aussage 
festzuhalten.  AUe  Qebote  und  Verbote  Gottes  im  alten  und 
neuen  Testament,  auch  die  Christus  im  Evangelium  gebeut,  sind 
totender  Buchstabe,  weil  wir  sie  ob  der  in  uns  befindlichen  Be- 
gierde  und  Widerspenstigkeit  nicht  halten,  solange  der  Geist  Gottes 
uns  nicht  zu  Hilfe  kommt,  und  alle  VerheiCungen  die  Abrahams  und 
seine  Nachfolger  erhalten  haben,  sind  Evangelium,  denn  sie  deuten 
alle  auf  Christum  und  sind  in  ihm  voUbracht.  Und  das  Evan- 
gelium ist  nicht  das  geschriebene  Buch,  „die  Stimmen  in  den 
Ohren,  oder  Wissen  der  Vernunft,  sondern  das  Wesen  und  Geist 
im  Herzen."  Um  dies  noch  klarer  zu  machen^  stellt  Reckenhofer 
Satze  aus  dem  Neuen  Testament  zusammen,  die  nach  ihm  „Buch- 
stabe"  sind,  wie:  „Nit  ziirn  mit  deynem  bruder.  Fluch  nitracha 
oder  narr  dein  bruder.  Beger  nit  ains  andern  eeweybs  im  sehen. 
Brichs  auge  ausz,  die  handt  schlahe  ab  die  ergert,  haue  den 
fuesz  ab."  etc. 

Wer  das  tue  der  ist  selig,  wer  nicht,  der  ist  verdammt 
Diese  Gebote  Christi  sind  aber  der  menschlichen  Natur  zuwider, 
folglich  mufi  sie  verdammt  werden,  „also  ist  klar,  daB  das  Neue 
Testament  auch  Buchstabe  ist,  der  tote  ..." 

Dem  stellt  er  nun  den  Geist  Gottes  oder  lebendig  machende 
Sprlichedes.Evangeliums  gegenfiber:  Ich  erkenne  mich  als  einen 
Siinder  und  untlichtig.  Ich  kreuch  zum  Kreuz,  rufe  um  Hilfe  zu 
Gott.  Ich  glaube  und  vertraue  Christo  allein  und  verhoffe  in 
sein  Verdienst.  Ich  hore  nicht  auf  zu  schreien  zu  Gott,  so  lange 


11 


^    1)  Wie  Melaachthon   II.   Eor.  3,  6  in    den   locis   behandelte,   siehe 
meine  Ausgabe,  3.  Aufl.,  S.  153, 


Eolde,  Arsaeins  Seebofer  und  Argula  von  Grumbacfa.  119 

ich  einen  schnelleren  Willen  meines  Gemiites  empfinde  zu  Gottes 
Geboten.  Ich  nehrae  auf  raich  das  Joch  und  Krenz  und  lerne 
und  trage,  so  lange  es  mir  gering  und  siiC  wird.  Gott  will  nicht 
den  Tod  des  Sunders.  Gott  will,  dafi  alle  Menschen  selig  werden. 
Wer  glaubt  und  getauft  wird,  wird  selig. 

„Also  macht  der  Geist  den  Siinder  rufen  mit  unaussprech- 
lichem  Seufzen.  Also  treibt  er  und  geistet  in  den  Kindern  Gottes 
und  macht  ihnen  verdrieBlich  dies  sterblich  leben,  das  die  Natur 
liebt  und  belustigt  und  macht  ihn  begierlich  bei  Christ  zu  sein. 
Also  meine  ich,  sei  verstandlich,  daC  nicht  allein  Moses  Gesetz, 
sondern  auch  das  Evangelium  Buchstabe  sei." 

Dieser  scharfe  Angriff  Reckenhofers,  der  am  SchluB  noch 
einmal  liber  die  Aussaugung  gerade  der  Bayern  durch  die  Pfaffen 
klagt,  so  daU  Witwen  und  Waisen  Mangel  leiden,  „deren  Blut 
auch  Tag  und  Nacht  Rache  schreit  uber  die  voUen  Pfaffen, 
Monche  und  Nonnen,"  hat  in  Ingolstadt  oiFenbar,  wie  schon  be- 
merkt,  sehr  peinlich  beriihrt  ^).  Zudem  war  Joh.  Eck  inzwischen 
aus  Rom  zuriickgekehrt  und  mit  ihm,  dem  gefeierten  Bekampfer 
der  lutherischen  Haresie,  auch  neuer  Eifer.  Jetzt  sollte  mittelst 
einer  grofiartigen  Disputation  die  Haresie  der  Seehoferschen  Satze 
vor  aller  Welt  kundgetan  werden.  Die  Professoren  'Eck,  Hauer 
und  Burckhardt  erhielten  Vollmacht,  nach  Gutdiinken  zum  From- 
men  der  Universitat  alles  einzuleiten.  Einen  Augenblick  dachte 
man  an  einen  groBen  Zulauf  von  Fremden,  scheint  sich  aber 
bald  davon  iiberzeugt  zu  haben,  daB  dieser,  wie  die  Dinge  lagen, 
schwerlich  eintreten  wiirde^);  und  wenn  man  spater  in  dem  offi- 
ziellen  Bericht  in  den  Universitatsakten  die  Sache  so  hinstellte, 
daB  keiner  von  den  Ketzern  den  Fiirsten  um  Geleit  angegangen 
habe,  was  ihnen  ohne  Zweifel  gewahrt  worden  ware,  so  wider- 
spricht  dem  schon  eine  andere  in  demselben  Akte  sich  findende 
Notiz,  wonach  die  Universitat  den  Fiirsten  um  freies  Geleit  fiir 
die  Teilnehmer  ersucht,  dieser  dem  Ansuchen  aber  nicht  ent- 
sprochen  habe^). 


1)  Das  ergibt  sich  daraus,  daB  in  der  Ingolstadter  Disputationsein- 
ladung  (s.  w.  unten  S.  121  Anm.)  deutlich  gegen  ihn  polemisiert  wird. 

2)  Druffel,  S.  653. 

3)  Prantl,  II,  Nr.  ^7.    Dafi  die  Disputation,   wie  Mederer  1,127 
behauptet  and  auch    Prantl  annimmt,  eine  Antwort  auf  Luthers  Scbrift 


120  Kolde,  Arsacias  Seehofer  and  Argala  you  Grumbach. 

SpatesteBS  in  der  ersten  Halfte  des  Marz  lieUen  die  Ingol- 
stadter,  speziell  die  Theologen  Dr.  Leonhard  Marstaller  aus 
Niirnberg  und  Dr.  Nikolaus  Apell  .aus  Egweil  ihre  Einladungs- 
schrift  ausgehen^).     Sie  war  merkwlirdig  genug. 

Nach  einer  hochtrabenden  Aufforderung  an  die  Gegner,  an 
der  Disputation,  in  der  die  rechtmaUige  Verurteilung  der  hare- 
tischen  Satze  Seehofers  erwiesen  werden  soUe,  teilzunehmen^), 
und  der  Behauptung,  dafi  diese  durch  einen  Schurken  in  deutscher 
Sprache  unvollstandig  und  nicht  getreu  wiedergegeben  seien, 
werden  die  widerrufenen  Artikel  in  lateinischer  Sprache  abge- 
druckt.  Da  ihre  friiher  erschienene  deutsche  Widerlegung,  die  in- 
zwischen  unbequem  geworden  war,  am  Schlufi  durch  eine  deutsch 
geschriebene  Kundgebung  nunmehr  abgeleugnet  und  als  eine  Er- 


gewesen  ist,  ist  cbronologisch  unmdglich,  da  die  Ingolstadter  Einladaugs- 
schrift  in  der  ersten  Halfte  des  Marz  ansgegangen  sein  mu6,  weil  das 
Vorwort  der  Gegenschriften  von  Stratus  und  Billicanus  (s.  u.)  vom 
31.  Marz  bezw.  1.  April  datiert  sind. 

1)  Ingolstadii  XI.  A/prilis  anni  praesentis  vicesimiquarti,  pu/blica 
disputatione  per  Sacre  theologie  /  professores  axaminabuntur./Septendecim 
articuli  per  M.  Ar-/satiuni  Seebouer  nuper  reuocati./Centum  Conclusiones 
per  D.  Leo-/nardum  Marstaller  Nurnbergen8em,/de  vera  Libertate  Christi- 
ana./Septuaginta  quinque  Assertiones/per  D.  Nicolaum  Apell  Aeguelum 
de/Fide,  Spe,  Charitate,  ac  legis  Veteris/cum  Euangelica  collatione./ 
Super  omnia  vincit  veritas./3  Esdrae.  3,  et  desyderinm  pec/catoriim  peribit. 
ps.111./  Titeleinfassung,  Titelrtickseite  bedruckt,  16  Bl.  iui^.  Letztes  Blatt 
leer.  (Mtinchen.  H.-  u.  St.-Bibl.)  Ein  Nachdruck  unter  dem  Titel:  Ingol- 
stadij/XI.  Aprilis  anni  pre|sentis  vicesimi  quarti  publica  dispu/tatione 
per  Sacre  tbeologie.  pro/feesores  examniabuntur  (!)/etc.  16  Bl.  4^  Letztes 
Blatt  leer,  in  der  Mtinchner  Universitatsbibl.  Davon  erschien  eine  scblechte 
tibersetzung:  Zu  Ingelstadt  auff  den/aylfften  tag  des  Aprils  des  gegen-/ 
wertigen  vier  vnd  zwayntzigstn/jars  werdenn  durch  der  haili/gen  schrifft 
Doctores  exam/miniert  vn  bewerdt./Sybentzehen  Arttickel  durcb/maister 
Arsatiii  Seehoifer/jUngst  wyderruflft./Hundertt  schluszredenn  durch  Doctor 
Leon- /hart  Marstaller  Niiernberger,  von/der  waren  Christenliche  frey- 
hait./Ftinff  vnd  sibentzig  maynung  vn  proposition /durch  D.  Nicolau  Apel 
Aeguelum  vom/glauben,  hoflfnung,  liebe,  vnnd  ver-/gleychung  des  altenn 
gsatz  mitt/dem  Evvangelischen./Vber  alle  ding  vberwyndt  die  warhaitt/ 
3.  Esdre.  3.  Vnnd  die  begird  der  slln-/der  wiirt  verderben.  Psalm  111./ 
1624./  20  Bl.    4«.    Letztes  Blatt  leer.    (Universitatsbibl.  Mtinchen.) 

2)  Adsint  ergo  insani  vitiligatores,  adsint  indocti  rerum  theologi- 
carum  censores  atque  palam  (quod  honestas  suadet)  congrediantur* 


Kolde,  Arsacias  Seehofer  and  Argala  von  Grambach.  121 

dichtnng  eines  ^MiBgonners  der  Hohenschule"  bezeichnet  wurde, 
konnte  man  jetzt  eine  ausgiebige  Bestreitung  erwarten.  Aber 
nichts  von  alledem.  Marstallers  100  Satze  von  der  christlichen 
Freiheit  galten  nnr  dem  Nachweis,  dafi  die  wabre  christliche 
Freiheit,  wie  sie  die  Schrift  lebre,  entgegen  der  angeblichen 
Lebre  Lnthers  —  Jener  bestialischen  Freiheit,  welche  die 
Lutheraner,  die  Epikuraer  unter  den  Christen  erdichten"  —  den 
Christen  nicht  von  der  schnldigen  Unterwerfang  unter  ihre  Oberen 
and  den  Gehorsam  gegen  sie  befreit.  Daraus  wird  die  Unter- 
ordnung  unter  die  weltliche  Obrigkeit,  vor  allem  aber  unter  die 
in  Petrus  gesetzte  geistliche  Gewalt  abgeleitet.  Unter  sehr  loser 
Bezugnahme  auf  Seehofers  Satze,  die  niemals  direkt  herangezogen 
werden,  lauft  das  Ganze  darauf  hinaus,  in  den  kiihnsten  Be- 
hauptungen  den  Nachweis  zu  fuhren,  dafi  alles  und  jedes,  was 
die  romische  Kirche  lehrt  und  tut  —  bis  auf  das  alleinige  Vor- 
recht  der  Bischofe,  die  Weihen  der  Priester  und  Kirchen  und 
die  Firmelung  vorzunehmen  —  auf  gottlicher  Anordnung  beruht 
und  zu  befolgen  ist.  Nicht  viel  anders*  ist  es  mit  den  darauf- 
folgenden  Thesen  des  Nikolaus  Appell  De  fide,  Spe  et  Charitate, 
wenn  dieser  auch  bei  seiner  scharfen  Zuriickweisung  von  Luthers 
Lebre  vom  Glauben  und  der  Glaubensgerechtigkeit  mittelst  der 
hergebrachten  scholastischen  Definitionen  etwas  mehr  auf  See- 
hofers Satze  eingeht^). 

Am  angesetzten  Tage  des  11.  April  begann  der  feierliche 
Akt  mit  einer  Messe  in  der  Marienkirche.     Dann  zog  man  in 


1)  Den  Schlufi  macben  Collationes  legis  Mosaicae  et  Evangelicae, 
ex  Bcripturis  sacris  desumptae  contra  Blateronem  quendam,  qui  erroneo 
Bpiritu  ductus  omnem  legem  indiscriminatim,  etiam  Chrieti  sacrosanctam 
Evangelicam,  litteram  dici  posteriore  Pauli  epistola  ad  Corinthios  per- 
peram  intellecta,  contendit.  Diese  AusfUhrungen  richten  sich  offenbar 
gegen  Reckenbofer,  wollen  aber  aucb  Melaucbtbon  treffen,  so  inTbese  12: 
coDtra  blateronem  qui  Paulum  iion  nisi  grammatice  interpietari  novit 
(Th.  12).  Den  Melancbthon  bezeicbnet  aucb  Marstaller  ob  seiner  Lebre 
vom  freien  Willen  (Tbese  74)  rerum  tbeologicarum  prorsus  iguarus.  Sonst 
werden  nocb  aufier  Lutber  mit  Namennennung  bekampft  Carlstadt  mit 
seiner  Scbrift  de  coelibatu,  monacbatu  et  viduitate  1521  (bei  Marstaller 
Tbese  51)  und  Job.  Lonicer,  letzterer  wie  von  Georg  Hauer  in  seinen 
Predigten  wegen  seiner  Scbrift:  Catecbesis.  De  bona  Dei  voluntate  erga 
quemvis  Cbristianum.    Deque  sanctorum  cultu  et  invocatlone.  c.  152B. 


122  Eolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

die  Aula  des  altea  KoUegiengebaudes,  -wo  der  Magister  Georg 
Stenglein  von  Augsburg^)  die  Disputation  mit  einer  Rede  ein- 
leitete.  Hieruf  verteidigte  D.  Leonhard  Marstaller  seine  SM,tze,  in- 
dem  der  Magister  Antonius  Praun  respondierte.  Dazu  brauchte 
man  noch  den  folgenden  Tag.  Erst  am  dritten  Tage  trat  man 
in  die  Verhandlung  fiber  die  Satze  des  Apell,  was  wiederum 
zwei  Tage  in  Anspruch  nahm.  Da,  wie  die  Universitatsakten 
sagen,  nur  „einige  Fremde,  die  jedoch  sehr  wenig  von  der  luthe- 
rischen  HUresie  befleckt  waren"  ^),  erschienen  waren,  die  Gegner, 
,,die  die  Universitat  wegen  ihrer  Verdammung  der  Artikel  See- 
hofers  tagtaglich  durch  ihre  Schriften  und  ubelwollenden  Reden 
h^rabsetzten,"  fehlten,  so  war  man  v5llig  unter  sich  und  war 
das  Ganze  ein  bedeutungsloses  Schauspiel.  Aber  wenn  auch 
Luther  und  die  Wittenberger  sich  nicht  darum  kummerten,  so 
blieben  die  neuen  Ingolstadter  Satze  keineswegs  unbeachtet. 

Der  erste,  der  sich  mit  einem  schon  am  31.  Marz  beendeten 
Schriftchen  dagegen  wandte,  nennt  sich  Hulderich  Stratus  Enge- 
dinus  und  datiert  seine' Schrift  aus  Rorach  im  Engadin^).  Es 
lag  nahe,  an  einen  von  Seehofers  schweizerischen  ZuhOrern  zu 
denken,  der  fur  ihn  eintrat.  Aber  der  Name  Stratus  ist  Pseudo- 
nym, und  der  Verfasser  war  kein  anderer  als  der  bekannte 
Urban  Rhegius*),  der  damals  in  Augsburg  wohnte,  und  der 
mehrfach  pseudonyme  Flugschriften  ausgehen  lieB^).   Er  mochte 

1)  tjber  ihn,  der  spater  Pfarrer  in  Mtinchen  wurde,  Mederer, 
Annales  124. 

2}  Ad  fuerunt .  .  .  nonnulli  advenae  ab  Lutberana  tamen  haeresi 
minus  contaminati.    Prantl  II,  175. 

3)  Adser/tiones  arti-/cvlorum  Ar/sacij  Seehofer,  con-/tra  Ingol- 
stadien/ses  Damna/tores.  Per  Hvlderi-/chiim  Stratum  En-/gedinum./ 
M.D.XXIII./  Titelbordiire.  Am  Schlufi;  Rorachio  in  Engedinis/ultimo 
Marcij/Anno  M.D.XXIIII.  (Erlaugen.  NUrnberg.  Stadtbibl.) 

4)  Den  Beweis  dafiir  erbringt  die  von  mir  schon  frtiher  bei  meinen 
Arbeiten  iiber  Billicanus  gefundene  Tatsache,  dafi  auf  dem  Titel- 
blatt  des  Niirnberger  Exemplars  (Th.  557«)  die'  handschriftliche  Wid- 
mung  zii  leden  ist :  Theobaldo  Billicano/Nordlingensis  Ecclesiae  Episcopo/ 
Ex  dono  V.  Regij  harum  nugarum/,  wozu  autoris  oder  scriptoria  zu  er- 
ganzen  scin  wird.  Jedenfalls  wird  an  des  Rhegius  Selbstbezeichnung  als 
Autor  nicht  zu  zweifeln  sein  und  ware  damit  eine  neue  ihm  zugehorige 
Schrift  gefunden. 

5)  Vgl.  iiber  ihn  als  Simon  Hessus  0.  Clemen,  Zentralblatt  fiir 
Bibliothekswesen  Bd.  XVII,  S.  566  flf. 


EoldOr  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  123 

an  der  ganzen  Sache  noch  ein  besonderes  Interesse  haben,  als 
er  in  Ingolstadt  studiert  und  dort  wie  Seehofer  sich  die  Magister- 
wiirde  geholt  hatte^)  und  die  einzelnen  Personlichkeiten,  die 
dabei  eine  RoUe  spielten,  sehr  wohl  kannte.  Der  christliche 
Glaube  und  die  christliche  Liebe,  so  schreibt  er  am  SchluB,  ver- 
anlaUten  ihn,  ftir  die  Sache  Seehofers  einzutreten,  denn  das  sei 
keine  Privatarigelegenheit,  ginge  vielmehr  alle  an,  die  Chris#um 
bekennen.  Nur  wenig  geht  er  auf  die  Satze  Marstallers  und 
Apells  ein,  denn  die,  deren  Anker  allein  die  kanonische  heilige 
Schrift  ist,  miissen  die  Schulmeinungen,  wie  scharfsinnig  sie  auch 
vorgebrachtwerden,  als  somnia  carnis  verachten.  Und  mit  scharfen 
Worten  schilt  er  den  Hochmut  der  Ingolstadter  Gelehrten  und 
ifire  AnmaBung,  rait  der  sie  auf  ihre  Gegner  schon  in  der  Auf- 
fordening  zur  Disputation  als  indocti  rerum  theologicarum  cen- 
sores  und  grammatisti  herabsehen.  Im  librigen  begniigt  er 
sich,  die  wahre  Meinung  der  Seehoferschen  Artikel,  ihre 
Schriftgemafiheit  und  Christlichkeit  in  kurzen  Erlauterungen 
darzutun.  Feiert  nur  Triumphe,  ruft  er  Jen  en  zu,  schreibt 
tiber  euer  KoUegium  „venimus,  vidimus,  viciraus,  vicistis  enim 
imberbem  iuvenem,  sed  carcere  potius  quam  scripturis".  Da- 
mit  ist  es  aber  nicht  getan,  er  fordert  vielmehr  von  ihnen, 
daU  sie  sobald  als  moglich  lediglich  auf^Grund  der  Schrift 
Rechenschaft  ablegen  sollen  tiber  ihr  Tun,  sonst  wtirde  er  sie 
mit  Wort  und  Schrift  des  ruchlosen  Schweigens  liberfuhren. 
Hatte  man  in  Ingolstadt  gewuBt,  daB  dieser  scharfe  An- 
griff  von  dem  frtiheren  Parteig^nger  Joh.  Ecks  ausging,  so 
hatte  man  ihm  vielleicht  in  irgendeiner  Weise  geantwortet. 
Aber  so  lieB  man  die  Sache  gehen.  Indessen  noch  ein  anderer 
Theologe,  der Nordlinger Prediger TheobaldBillicanus, nahm 
AnlaB,  seinen  Widerspruch  zu  bezeugen.    Er  schrieb  eine  nicht 

1)  Sein  Ingolstadter  Aufeothalt  ist  aUgemein  bekannt  (vgl.  Uhl- 
horn,  Urb.  Rhegins,  Elberf.  1861,  S.  89  ders.  P.R.E.*  Bd.  13  S.  148, 
nicht  so,  daB  er  dort  Magister  wurde,  aach  scheint  man  tiberseben  zu 
baben,  daB  er,  ira  Sommer  1519,  eine  zeitlang  in  Ttibingen  war,  wo  er 
am  20.  August  als  ^Vrbanus  Rogius  ex  Lindau  Magister  vnin.  Ingelst/ 
eingetragen  wurde.  Vgl.  (Rotb)  Urkunden  zur  Gesch.  d.  Univers.  Ttibingen 
(Ttibingen  1877),  S.  616.    Rogius,  Druckfehler  fur  Regius,  cf.  Index. 

2)  Vgl.  tiber  ihn  meinen  Art.  Billicanus,  Prot  R.  E.«  III,  232  u. 
Beitr.  3.  B.  K.  X,  28  ff. 


124  Griebel,  Das  illteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs. 

ungeschickte  und  sehr  scharfe  Widerlegung  der  Satze  Mar- 
stallers^).  Ihr  wollte  er  eine  Bekampfung  der  Aufstellungeu 
Apells  folgen  lassen.  Da  aber  Marstaller  nicht  antwortete 
und  sich  darauf  beschrankte,  mittelst  eines  offenen  Briefes  an 
Leonhard  vob  Eck  in  einem,  den  Gegner  verachtlich  be- 
handelnden  Tone  die  Griinde  seines  Schweigens  anzugeben^), 
schrieb  Billikan  Ende  September  1524  eine  „ Apologia"^)  seiner 
Confutatio,  in  der  er  den  Vorwurf  der  Haresie  entschieden 
zuriickwies  und  sich  auf  den  ReichtagsbeschluB  beruft,  der 
das  Evangelium  frei  zu  predigen  gestatte.  Der  Schrift  war 
noch  eine  ebenfalls  gegen  die  Ingolstadter  gericlitete  Ab- 
handlung  De  libero  arbitrio  und  der  Brief  Marstellers  an 
L.  V.  Eck  beigefiigt. 

(SchluB  folgt.) 


Das  aiteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs. 

« 
Von  Pfarrer  P.  Griebel  in  Heroldsberg. 

Erst  in  den  beiden  letzten  Jahrzehnten  ist  die  Frage  nach  der 
Entstehung  und  Anlage  der  altesten  KirchenbUcher  in  Flufi  gekommen. 
Vor  allem  war  es  der  Gesamtverein  der  deutschen  Geschichts-  und 
Altertumsvereine,  der  dazu  beitrug,  indem  er  im  Jahre  1891  auf 
seiner  Generalversammlung  in  Sigmaringen  der  III.  und  IV.  Sektion 
die  Fragen  stellte: 

Fr.  13:  Zu  welcher  Zeit  entstanden  die  Kirchenbiicher  in 
Deutschland? 

1)  Adver-/vn8  propositiones  Leo-/nardi  Marstalleri  IngolBtadiensis./ 
Confutatio  Theobaldi  Bil-/licaDi,  Ecclesiastae./s.  1.  e.  a.  —  Vorwort  Nor- 
lingae.  Kalendis  Aprilib.  Anno  Domini  M.D.XXIIII.   (MUnchen.  H.-  u.  St.- 

Bibl.) 

2)  Cur  Billicano  cuidam,  Lutherana  perfidia  infecto,  non  respon'derit, 

Epistola  excusatoria  ad  nobilem  D.  Leonard,  de  Eck.  s.  I.  1524.  Vgl. 
dazu  noch  v.  Druffel,  Kaspar  Schatzger,  Sitz.-Ber.  d.  Miinch.  Akad. 
philos.  u.  hJ8t.  Klasse,  II.  Bd.  (1891),  S.  413  u.  433. 

3)  Apolo/gia  Theobaldi  Bil/licani,  ad  excueato/riam  Epistolam 
Leonardi  Marstal/leri  ad  Leonald.  Eccium./Equi.  Germa./De  libero  arbi-/ 
trio  quaedam./Epifitola/Marstalleri  ad  finem  ex-cnsa./  (s.  1.  e.  a.)  Miinchen. 
H.-  u.  St.-Bibl.  Eine  spatere  Ausgabe  Impressum  Vitebergae  1530.  Jo8, 
Clug.  (Gymnas.-Bibl.  Rothenburg  o.  d.  T.)  Dieser*  ganze  Streit  zwischen 
Billican  und  Marstaller  ist  Prantl  unbekannt.  tlber  spatere  Schriften 
Marstaliers  ygl.  Waldau,  Neue  Beitrage  1, 122. 


Griebel,  Das  alteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs.  125 

Fr.  14:  Wo  befinden  sich  in  Deutschland  die  15  altesten 
Kirchenbiicher? 

Fr.  15:  Welcher  besonderenVdi'anlassungverdaDken  die  Kirchen- 
biicher ihre  Entstehung,  bezw.  sind  sie  durch  kirchliche 
oder  weltliche  Anordimng  eingefuhrt  word  en? 

Fr.  16:  Auf  welche  Weise  wurden  vor  der  Einfiihrung  der 
Kirchenbiicher  die  Geburten,  Taufen,  Hochzeiten  und 
Todesfalle  aufgezeichnetV 

Pfarrer  Reinwald  von  Lindau  berichtet  nun  im  Korrespondenz- 
blatt  fiir  die  evang.  luth.  Geistlichen  in  Bayern,  Jahrgang  1894 
Nr.  37,  indem  er  bemerkt,  dafi  die  Fragen  1893  wieder  auf  der 
Tagesordnung  des  genannten  Vereins  standen,  als  Resultat  der  dies- 
beziiglichen  Verhandlungen,  dafi  die  Kircheubiicher  im  heutigen  Sinn 
erst  nach  der  Reformation  und  im  Zusammenhang  mit  ihr  aufge- 
kommen,  ebenso  dafi  zu  den  Sltesten  Matrikeln  die  Nlirn bergs  zu 
rechnen  sind.  Hierzu  hat  dann  Kirchenrai  Heller  im  gleichen  Blatte 
desselben  Jahrgangs  p.  372  die  ErklHrung  abgegeben,  dafi  die  Ehe- 
bucher  der  Pfarreien  St.  Sebald  und  St.  Lorenz  mit  dem  J.  1524, 
die  Taufbticher  aber  erst  1533  beginnen;  das  Totenbuch  von  St.  Loreuz 
beginnt  1547,  das  von  St.  Sebald  1557.  Uber  diese  Biicher  von 
Niirnberg  aber  hat  Pfarrer  Jordan  in  Haundorf  eiue  Abhandlung  im 
dritten  Bande  dieser  Zeitschrift  (p.  151 — 170)  veroffentlicht.  Dabei 
bemerkt  er,  dafi  die  Fragen  des  obengenannten  Vereins  noch  nicht 
endgUltig  gelost  werden  konnten,  sofern  das  dargebotene  Material 
noch  zu  gering  sei.  Die  neueste  Bearbeituug  der  Fragen  finden  sich, 
wenigstens  soweit  mir  bekannt,  in  der  III.  Auflage  von  Herzogs 
Real-Enzyklopadie  ad  vocem  Kirchenbiicher  von  E.  Jakobs.  Danach 
ist  das  Resultat  bis  jetzt  folgendes:  In  Hinwyl  bei  Zurich  wurden 
Kirchenbiicher  angelegt  1525,  im  nachsten  Jahre  in  Ziirich  selbst; 
in  den  zwanziger  Jahren  im  Elsafi,  das  alteste  Taufbuch  von  Strafi- 
biwg  ist  aus  dem  Jahre  1525.  In  Koustanz  findet  sich  ein  Tauf- 
buch  aus  dem  J.  1531,  in  Lindau  aus  dem  J.  1533,  das  Traubuch 
aus  dem  J.  1534,  in  Frankfurt  das  alteste  Tauf-  und  Traubuch  vom 
J.  1533,  das  alteste  Begrabnisbuch  vom  J.  1565.  In  Zwickau  ist 
ein  Traubuch  aus  dem  J.  1522,  ein  Tauf buch  von  1535  vorhanden. 
In  Henfenfeld,  Hersbruck  und  Alton sitten bach  setzen  die  Register 
1533  ein.  Zahlen  wir  die  Biicher  von  St.  Sebald  und  St.  Lorenz 
in  Niirnberg  gesondert,  so  haben  wir  nach  dieser  Zusammenstellung  12, 
sonach  ware  die  oben  zitierte  Frage  14,  wo  sich  die  15  altesten 
Kirchenbiicher  in  Deutschland  befinden,  noch  nicht  gelSst.  Cbrigens 
lafit  sich  die  Zahl  12  leicht  erganzen  durch  eine  Tabelle,  welche  sich 
im  genannten  Korrespondenzblatt  Jahrgang  1895  p.  126  findet,  die 
die  altesten  Pfarrmatrikeln  des  Dekanats  Hersbruck  enthalt,  und  wo 
wir  aus  dem  16.  Jahrhundert  noch  Matrikeln  finden  in  Affalter  und 
Artelshofen    das   Tauf-   und  Traubuch    aus   dem   J.   1564,    Engelthal 


126  Griebely  Das  Slteste  Kirchenbuch  Heroldebergs. 

1586,  Eschenbach  1566,  Forrenbacb  1568^  Kirchsittenbach  Taufbuch 
1554,  Traubucb  1585,  Lauf  Taufbuch  1565,  Traubuch  1579,  Ober- 
krumbach  Taufbuch  1586,  Pommelsbruun  Taufbuch  1559,  Traubuch 
1597,  Sch5nberg  .Tauf-  und  Traubuch  1563,  Velden  Tauf-,  Trau- 
und  BegrSbnisbuch  1537.  P.  328  im  gleichen  Jahrgang  des  bayer. 
Korrespoudenzblattes  findet  sich  weiter  die  Notiz,  dafi  in  Grofihabers- 
dorf  das  Taufregister  1535,  das  Trauregister  1537,  das  Sterbe- 
register  1583  anfangt.  Es  sind  dies  alleiu  uoch  12  Pfarreien,  deren 
Kirchenbucher  in  eiue  so  fruhe  Zeit  zurtickgehen.  Wenn  es  ohne 
Frage  auch  sonst  noch  KirchenbUcher  aus  jener  Zeit  gibt,  uber  die 
nur  noch  keine  VerQffentlichung  stattgefunden  hat,  so  gehbrt  gewifi 
auch  das  Kirchenbuch  hierher,  auf  das  dieser  Artikel  aufmerksam 
machen  mochte,  das  Slteste  Kirchenbuch  der  Pfarrei  Heroldsberg. 

Dieses  Buch,  in  Quartformat,  in  Schweinsleder  gebuuden,  um- 
fafit  99  Seiten.  Das  erste  Blatt,  das  hundertste,  ist  herausgerissen. 
Es  trSgt  als  Aufschrift  auf  der  Aufienseite  des  Einbandes  die  Worte: 
Heroltzberger  Taufbuch.  Von  A®  1532  bifi  A**  1551.  Nicht  nur 
das  hohe  Alter  des  Buches;  sondern  auch  die  Art  der  Aulage  und 
sein  Inhalt  ist  es  gewifi  wert,  dafi  dariiber  auch  weiteren  Kreisen 
etwas  bekannt  werde. 

Werfen  wir  zunHchst  einen  Blick  auf  das  Jahr  seiner  Ent- 
stehung,  so  ist,  wie  soeben  augegeben,  dies  das  Jahr  1532.  Danach 
ntlhme  es  unter  den  aufgezahlten  die  achte  Stelle  ein.  Nur  das  von 
Zwickau  1522,  Nurnberg  (St.  Sebald  und  St.  Lorenz)  1534,  Schweiz 
(Zurich)  1525  und  1526,  Strafiburg  1525  und  Konstanz  1531  sind 
alter.  Jedoch  ist  dabei  zu  beach  ten,  dafi,  wahrend  in  all  diesen 
Orten  die  Biicher  entweder  nur  Ehebiicher  oder  Ehe-  und  Taufbiicher 
sind,  das  Heroldsberger  Ehe-,  Tauf-  und  Beerdigungsbuch  ist. 

Aus  dem  Jahre  1532  enthsllt  es  5  EintrSge  im  Eheregister 
und  24.  im  Taufregister.  Merkwiirdig  sind  die  EintrSge  im  Be- 
erdigungsregister.  Dieselben  beginnen  namlich  mit  dem  Jahre  1528, 
sind  also  zunachst  Nachtrage  aus  frliheren  Jahren,  namlich  2  aus 
dem  J,  1528,  1  aus  dem  J.  1529,  2  aus  dem  J.  1531,  ebensoviel 
aus  dem  J.  1532.  Und  wer  sind  die  eingetragenen  Personen?  Nicht 
solche,  die  in  Heroldsberg  gestorben  oder  beerdigt  worden  waren.. 
Nur  bei  einer  Person  aus  dem  J.  1532  ist  dies  der  Fall.  Es  ist 
dies  der  NUrnberger  Losunger  Martin  Geuder  gewesen.  Die  Uber- 
flihrung  von  Nurnberg  nach  Heroldsberg  und  die  Art  und  Weise  der 
Beerdigung  ist  genau  im  Buche  beschrieben.  Wir  werden  spater  auf 
diesen  sehr  iuteressanten  Bericht  zuruckkommen.  Alle  ubrigen  Per- 
sonen sind  in  Nurnberg  gestorben  und  beerdigt;  namlich  aus  dem 
Jahre  1528  ein  Martin  Tucher.     Der  Eintrag  lautet: 

Item  am  7.  July  do  gieng  Herr  Merthen  Tucher  |  der  was  eben 
altter  Burgermaister  zu  Nurmberg  [  zu  avents  haim.  Und  leget  sich 
zu   nachts    gesunt  nider.     Und  wart    zii   morgens    tot   im  pet  ^nd. 


jGfriebel,  Das  Slteste  Eirchenbuoh  Heroldfibergs.  127 

Er  was   ein   dappfrer  langer   man.     Und   recht   giit    Erangelisch   zu 
alien  dappfern  Hendln  weis  und  gepreuchlich  ^). 

Der  zweite  Eintrag  von  1528  besagt:  Item  am  21.  Octobr  in. 
d  nacht  ist  verschieden  zum  guld  kreiitz  zu  Nurmberg  Her  Hanns 
von  Schwartzberg.  MargraflF  Jorgen  Hoffmaister  ein  vast  weiser.  streit- 
bar  ernsthaffter  man.  Ein  seer  grofier.liebhaber  des  heilligen  worts 
gott.  Hat  vil  guts  geschriben.  Nemlich  wider  die  widertauffer  ein 
pnchlein.  Und  ein  seer  kostlich  puch  in  welchem  er  antzeigt  alle 
loci  coes  [communes]  dem  Babst  und  seinem  anhang  seer  schedlich 
und  sein  tjtl  haist  die  beschwerung  d  altten  schlangen  sambt  andern 
puchlein.  Ist  verschieden  in  dem  Herrn  Christo  am  viertegigen  fieber. 
Und  dornach  am  27  tag  Octobr  hat  man  in  in  das  klein  capelle  zu 
S.  Johans  begraben.  hat  in  also  in  einer  verpichten.  verschlossen 
truhen  behalten  pis  sein  son  friderich   zur  begrebnus  kommeii  ist^). 

Und  nun  kommen  wir  zu  dem  gewifi  wichtigsten  Eintrag  des 
ganzen  Buches  aus  dem  Jahre  1529:  Item  am  6.  Januarij  ist  ver- 
schieden Maister  peter  vischer  |  ein  Rotschmidt  |  ein  seer  unaussprech- 
licher  giefier  in  alien  ertzen.  welcher  auch  S.  Sebalts  sarg  gemacht 
und  gegossen  hat.  —  Zu  beachten  durfte  bei  diesem  Einti-ag  der 
Anklang  an  Gen.  4,  22  sein,  wo  es  nach  Luther  heifit:  Zilla  gebar 
auch  den  Thubalkain,  den  Meister  in  allerlei  Ertz  und  Eisenwerk^). 
Aus  dem  J.   1530  findet  sich  kein  Eintrag  im  Buche. 

Die  beiden  EintrSge  aus  dem  J.  1531  haben  folgenden  Wortlaut: 

Item  am  12.  tag  Octobr  ist  d.  alt  grunther.  gestorben^). 


1)  Martin  Tucher  ist  geboren  zu  Niirnberg  am  12.  Nov.  1460.  1524 
kam  er  in  den  Eat  und  wurde  bald  alter  Biirgermeister.  £r  verhandelte 
zugleich  mit  Hans  £bner  im  Namen  des  Rats  mit  den  aufrnhrerischen 
Bauern,  d,ie  am  13.  Mai  1525  von  ihrem  Lager  bei  Heidingsfeld  eine  Ab- 
ordnung  nach  Niirnberg  sandten.  Auch  bei  dem  Aufstand  im  Bamberger 
Gebiet  im  Juni  1525  wurde  er  vom  Rat  nebst  Bernhard  Paumgartner  zur 
Vermittelung  gebraucht.  Er  war  ein  wohltatiger  Mann.  Zum  Bau  des 
Sebastianspitales  in  Niirnberg  gab  er  1500  fl.  Ftir  die  Armen  des  Spitals 
errichtete  er  eine  Stiftung.  Diesen  sollte  aus  dem  Ertrag  seiner  Wiese 
beim  Steinbtihl  jahrlich  am  Martinsabend  zwei  Pfennige  „in  die  Hande 
nebst  anderem  mehr**  ausgeteilt  werden.  (Vgl.  bes.  Ernst  Biedermanu, 
Geschlecbtsregister  des  hocbadeligen  Patriziates  zu  Niirnberg  1748  Ta- 
bula CCCCXCVII.) 

2)  Des  Joh.  V.  Schwarzenberg  wird  in  dieser  Zeitschrift  an  verschie- 
denen  Orten  Erwahnung  getan.  Vgl.  das  Register  zum  X.  Band  a.  v. 
Jobann  v.  Schwarzenberg,  bes.  Bd.  VII.  p.  98  f. 

3)  Am  Peter  Vischer-Haus  in  Niirnberg  gibt  die  Gedenktafel  als 
Todestag  den  7.  Januar  an.  Worauf  diese  Angabe  basiert,  ist  mir  nicht 
bekannt.  Immerhin  mochte  zu  bedenken  sein,  daJ3  der  6.  Januar  als  Epi- 
pbanienfesttHg  sich  dem  Gedachtnis  des  Schreibers  lelcht  eingepragt  hat, 
weshalb  ich  den  6.  Januar  als  richtiges  Datum  anzunehmen  geneigt  bin. 

4)  Leonhard  Grundherr  kam  in  den  Rat  1486,  wurde  1490  alter  Ge- 
nannter,  1502  erster  Biirgerherr,  1503  Obrister  Kriegshauptmann  im  Lands- 
huter  Erbfolgekrieg,  1526  Pfleger  des  Klosters  von'  St.  Katharina  (Ge- 
8chl.-Reg.  d.  hochadel.  Patr.  Tab.  CLIII). 


128  Griebel,  Das  silteste  Kircbenbuch  Heroldsbergs. 

Item  am  tag  Clement  [23.  November]  ist  hr.  Eudres  TUcher 
am  milcbmark  verschieden  ^). 

Der  erste  Eintrag  vom  J.   1532  lautet: 

Item  am  26.  Augstmons  ist  im  Christo  verschioden  ber  Hierony- 
mus  ebner  am  Obstmark  zu  Nurmberg  Losanger  eiu  seer  senfft- 
mutiger  {  demtitiger  fromer  und  weiser  man.  Dem  Evangelio  seer 
forderlich.  als  beillig  als  woll  hundert  pebst  uud  BiscbSff.  Seines 
altters  im  55  Jar  7  monat  21   tag^). 

Hernach  am  8  tag  ist  d.  alt  br.  Merthen  Geud.  zu  Losunger 
an  sein  slat  erwelt  word^).  Mors  optima  rapit.  deterrima  relinqnit. 
Vom  zweiten  Eintrag  dieses  Jahres  wird  spSter  zu  reden  sein. 

Weitere  EintrSge  finden  sicb  im  Beerdigungsbucb  aus  den  ge- 
nannten  Jabren  nicbt.  Aus  den  spSteren  Jahren  sind  vorbanden: 
Ein  Eintrag  aus  dem  J.  1541,  zwei  EintrSge  aus  dem  J.  1545, 
zwei  aus  dem  J.  1549  und  einer  aus  dem  J.  1551.  WShreud  im 
Taufbuch  vom  J.  1540  und  im  Ebebucb  vom  J.  1541  Eintrsige  von 
gleicber  Hand  sicb  finden,  wie  die  im  Beerdigungsbucb  bis  1532, 
sind  die  Eiutrage  im  Beerdigungsbucb  von  anderen  H&nden,  und 
zwar  sind  die  Eintrage  von  1541 — 1545  wieder  von  anderer  Hand 
als  die  von  1549  und  1551.  Spater  werden  wir  seben,  von  wem 
sie  stammen.  Die  Scbrift  ist  scbwer  leserlich.  Es  sind  lediglicb 
Glieder  der  Familie  Geuder,  die  jetzt  eingetragen  sind,  nllmlicb  1541, 
Freytag,  den  14.  Oktober:  Frau  Gertraut  Geuderin  geb.  Holzschuberin*); 
am  27.  Juny  1545,  Affra  Geuderin,  geb.  Welserin^);  am  8.  July: 
Jungfrau  Sophia  Geuderin®):  am  6.  July  1549  Juliana,  Hausfrau  des 
Martin  Gender,  eine  geborene  Birkheimerin'');  am  13.  November  1549 

1)  Diesen  Andreas  Tncher  konnte  ich  in  dem  Gescblechtsregister 
nicbt  nnden.  Sollte  damit  der  nacb  diesem  Register  als  am  21.  Nov.  1521 
verstorbene  Andreas  Tucher  gemeint  sein?  Derselbe  war  geboren  am 
22.  Marz  1453.  Er  war  ebenfalls  im  Landshuter  Erbfolgekrieg  Kriegs- 
oberster,  nahm  an  der  Schlacht  von  Regensburg  (11.  Sept.  1504)  teil. 
Wegen  seiner  Tapferkeit  wurde  er  vom  Kaiser  Maximilian  zum  Ritter 
geschlagen.    Er  ging  40  Jabre  in  den  Rat.      Geschl.-Reg.  Tab.  DVIII  A. 

2)  ^Hieronymus  Ebner  ist  der  bekannte  Nurnberger  Ratsherr,  der 
Freund  des  Job.  v.  Staupitz,  geb.  1477,  der  von  Anfang  an  das  leb- 
hafteste  Interesse  an  Luther  nahm**.  D.  Kolde,  Beitrage  Bd.  Ill  p.  82. 
Weitere  Notizen  liber  Ebner  vgl.  das  Register  vom  Bd.  X  a.  v.  Hierony- 
mus  Ebner. 

3)  Martin  Geuder,  geb.  1455;  1486  rannte  er  mit  Markgraf  Friedrieb 
von  Brandenburg  in  einem  Turnier;  50  Jabre  lang  safi  er  im  Rat,  wurde 
endlich  Losunger  und  KeicbschultheiB.  1.  Gemahlin  eine  Niitzel;  2.  Ge- 
mahlin:  Julianna  Pirkheimer  (Geschl.-Reg.  Tab.  L). 

4)  Gertraut  Geuder,  Gemahlin  des  Andreas  (III.)  Geuder,  Tochter 
des  Lazarus  Holzschuher  (Gen.  Reg.  Tab.  XLIX). 

5)  Affra  Geuder,  Gemahlin  des  Sebald  Geuder,  Tochter  desBartho- 
lomaus  Weiser),  Rats  des  Kaisers  Earl  V.,  dann  Senators  von  Augsburg 
(Gen.  Reg.  DLVIII). 

6)  Eine  Tochter  des  Sebald  und  der  Affra  Geuder. 

7)  Diese  Julianna  Pirkheimer  ist  eine  der  drei  Schwestern  des  be- 


Griebel,  Das  lilteste  Kirchenbnch  HeroldsbeVgs.  129 

herr  Georg  Gender^)  uud  am  30.  Dezeniber  1551  her  Georg  Gender 
am  heumarkt^). 

Aus  alledem  aber  ergibt  sich,  dafi  sowohl  der  Verfasser  des 
Baebes  als  auch  seine  Nachfolger  bis  znm  Jabre  1541^  soweit  es 
sicb  nm  die  Gemeinde  Heroldsberg  handelt^  keine  EintrSge  ins  Be- 
erdigungsbncb  gemacbt  haben.  Es  fand^n  vielmebr  nur  die  wichtigsten 
Sterbefalle  Aufzeichnnng,  die^  in  den  Patrizierfamilien  NiirAbergs 
Yorkamen  und  entweder  in  irgend  einem  Zusammenbang  mit  der 
Heroldsberger  Familie  Gender  standen,  oder  mit  deneu  der  jeweilige 
Geistlicbe  von  Heroldsberg  vielleicht  nSher  bekannt  war.  Der  Tod 
Vischers  war  dem  Pfarrer  von  Heroldsberg  an  und  fur  sicb  schon 
wicbtig  genug^  um  ibn  in  sein  neu  angelegtes  Totenbucb  aufzunebmen. 
Die  Frage,  warum  der  Pfarrer  sicb  auf  diese  bescbrankte  und  Todes- 
f&We  aus  der  Gemeinde  Heroldsberg  nicbt  verzeichnetC;  soil  spliter 
bebandelt  werden. 

Jetzt  fragen .  wir  vielmebr  nacb  dem  Verfasser  des  Buches.  Da 
lesen  wir  im  Eingang  desselben  folgendes: 

„In  dem  Namen  unsrers  lieben  berren  Jbesn  Christ!  1532. 

In  diesem  gegenwerttigen  Registerpuch  sein  eigenttlicb  verzeignet 
vnd  angescbriben  |  dnrch  mich  Veitten  Eyfiler  dieser  Zeit  von  einem 
Erbarn  weysen  rath  meiner  Herren  von  Nurmberg  verorddentem 
kircbendiener  hie  zum  Herelsperg.  Erstlich  alle  die  so  sicb  nacb 
'  Ghristlicbem  gebrllucb  vnd  ordnng  in  den  beilligen  gottlicbe  stand 
der  ebe  begeben  babe  vnd  also  eingelait  worden  sein  in  obgemeltter 
pfar  hie  zum  Herelsperg  |  Ztim  anderen  all  die  kinder  so  in  ytz  ge- 
dacbter  pfar  nacb  befelb  des  Herren  Christi  Geht  bin  vnd  leret  alle 
volker  vnd  taufft  sie  fc:  getaufPt  worden  sein  |  Zum  dritten  sollen 
angezeigt  vnd  bescbrieben  werden  alle  die  so  in  dem  Herren  ent- 
schlaffen  sein.  das  ist  wie  wir  sprechen  |  verstorben  sein".  —  Wer  ist 
nun  dieser  Veit  Eyfiler? 

Im  Taufregister  der  Pfarrei  Heroldsberg  vom  J.  1788 — 1835 
finden  sich  auf  der  Euckseite  des  ersten  Blattes  die  Pfarrer  von 
Heroldsberg  von  1528  bis  jetzt,  also  sSmtlicbe  evangeliscbe  Pfarrer 
verzeichnet.     Bei  den  5   ersten    finden    sich    folgende   Bemerkungen: 


rlihmten  Hnmanisten  Wilibald  Pirkheimer.  Die  zweite  Schwester  Gfiaritas, 
iLbtissin  des  Elaraklosters,  war  entschiedene  Gegnerin  der  reformato- 
riscben  Bewegung,  f  1532 ;  ihre  Nachfolgerin  wnrde  die  dritte  Schwester 
Klara.  Die  Tochter  Pirkheimers,  Eatharina  (f  1563),  schlojQ  die  Reihe 
der  Abtissinnen  (Gen.  Eeg.  Tab.  L). 

1)  Georg  Gender  war  16  Jabre  im  Rat,  Burgpfleger  von  der  Reichs- 
veste;  er  quittierte  dann  die  Ratsstelle  und  nahm  das  Amt  Lauf  dafUr 
an  (Gen.  Reg.  XLIX  B). 

2)  Georg  Geuder,  ein  Neffe  des  vorigen,  Sohn  des  Martin  Gender, 
diente  Karl  V.  in  den  Niederlanden  und  in  Italien;  er  wurde  1530  zu 
Bologna  zum  Ritter  geschlagen,  kam  1551  in  den  Rat  und  starb  nocb  in 
diesem  Jabre  [nicht  1552  wie  es  in  dem  Gen.-Reg.  heifit]  (Gen.  Beg.  L). 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichte  XI.  3.  9 


130 


Giiebely  Bas  alteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs. 


1.  1528  Konrad  Erkel,  dim. 

2.  1531  Blasius  StQckel,  ward  Prediger  im  Kloster  Pillenreatb. 

3.  1544  Wolfgang  KalmUntzer;  kam  nach  Hersbruck. 

4.  1546  Veit  Holder,  nid.  don.  (?) 

5.  1544  Jobann  Walker  starb. 

Die  Dipt^cba  ecclesiaruifi  in  oppidis  et  purgis  Norimbergensibns 
von  Andreas  Wlirfel  (1759)  weisen  die  gleichen  Namen  in  gleicber 
Reihenfolge  auf.  Die  beigefUgten  Beroerkuugen  sind  ausfUbrlicher. 
Ebenso  lanten  die  Yerzeicbnisse  der  Pfarrer  in  den  Pfarrbescbreibungen 
vom  J.  1834  und  1864/65;  die  offenbar  Abscbriften  der  Diptycba  sind. 

BezUglich  der  beiden  ersten  Pfarrer  lesen  wir  daselbst: 

1.  Konrad  Erkel.  Dieser  war  bei  der  1528  vorgenommenen 
Kirchen visitation  scblecht  bestanden;  desbalb  wurde  ibm  das  Predigen 
und  Messehalten  untersagt  and  dem  bisherigen  FrUhmesser  Blasius 
StSckel  ttbertragen.  Im  Dezember  1531  wurde  er  ganz  seines  Dienstes 
entlassen  und  kam  2,,  Blasius  Stockel  1531  an  seine  Stelle,  welche 
er  bis  1537  versah,  wo  er  als  Prediger  fiir  das  Kloster  Pillenreuth 
ernannt  wurde  und  spater  als  Diakon  nach  St.  Jakob  kam. 

Endlich  findet  sieb  in  dem  BUchlein:  Der  Kalcbreutber  Kirch- 
turmban  in  den  Jahren  1750 — 1790  von  Dr.  Eehlen^  aus  dem  J. 
1840  ein  Verzeichnis  der  Pfarrer  und  Friihmesser  za  Heroldsberg 
und  Kalcbreuth  bis  1569. 

Da  lesen  wir: 


Jahr 


Namen  der 
Pfarrer 


Namen  der 
FrUhmesser 


SonstigeLebens- 
verhaltnisse 


Quellen 


1523 


1528 


1531 


1546 


Konrad  Erkel 


Wird  1531  ab- 
geschafft 


Georg  Bub 
Konrad  Frickel 
Blasias  Stockel 


Blasius  Stockel 


Veit  E61er 


Kommt  1531 
nach  Pillenreuth 

[hm  wird  aufge- 

tragen,  das  Kir- 

chenvermogen 

zu  ordnen. 


K.  Gotteshaus- 
recfanung 

Ntirnberger 

Kirchen- 
beschreibung 

ditto 

Auszug  aus 

einer  K.  Gottes- 

hausrechnung 


Ein  Vergleich  dieser  Verzeichnisse  nun  ergibt,  dafi  in  sSmtlichen 
von  1531  bis  1537  Blasius  Stockel  als  Pfarrer  von  Heroldsberg 
aufgefiihrt  ist.  Dieses  ist  aber  unrichtig.  Nach  dem  Kircbenbuch 
vom  J.  1532  ist  unzweifelhaft  Veit  Eifiler  Kirchen diener,  wie  er 
sieh  nennt,  in  Heroldsberg  gewesen,  und  zwar  zugleich  mit  Konrad 
Erkel:  denn  in  der  schon  erwShnten  Beschreibung  der  Beerdigung 
des  Martin  Gender  aus  dem  J.  1532,  dessen  Leiche  von  Niirnberg 
nach  Heroldsberg  verbracht  wurde,  heifit  es:   „Nach  singens  hub  man 


Griebel,  Das  alteste  Kirchenbach  Heroldsbergs.  131 

an  zu  lentten  {  mit  der  grSffern  glocken.  Das  wehret  pei  vier  pis 
in  die  5.  stundt.  Do  warttend  ich  mitsambt  Conrad  Erkell  in  peter 
laimans  Hans  pei  der  stros^.  Und  dann:  ^Do  giengen.  wir  tzwen 
priester  vor  dem  wagen  her  in  unssem  Gorrocken.  pettetn  miteinander 
septe  psalmos^.  1532  hat  sich  also  St5ckel  nicht  als  Ffarrer  in  Herolds- 
berg  befunden.  Derselbe  verliefl  vielmehr  Heroldsberg  im  September 
1531.  t)ber  seinen  Aufenthalt  nnd  Wirksamkeit  in  Heroldsberg  ISfit 
sich  im  allgemeinen  folgendes  konstatioren^).  Wie  die  Augustiner  am 
13.  Dezember  1524  an  den  Rat  das  Anerbieten  stellten,  alle  ihre 
Guter  dem  grofien  Almosenkasten  zu  iibergeben  nnd  anf  alle  ihre 
Einkunfte  zu  verzichten,  sich  dagegen  erboten,  in  nnd  aufierhalb  der 
Stadt  nach  des  Eats  Befehl  der  Gemeinde  durch  Verkiindigung  des 
gbttlichen  Wortes  zu  dienen,  so  ahmten  diesem  Beispiel  die  Kar- 
th£luser  alsbald  nach  d.  h.  ein  Teil  derselben^  an  ihrer  Spitze  der 
Prior  des  Klosters,  Blasius  St5ckel.  Daraufhin  entsetzten  die  VSter 
zu  den  KarthSusern  ihren  Prior  seines  Amtes  und  Standes  (an  Weih- 
nachten).  Das  Haupt  der  Gegen parte!  war  Pater  Martin.  Es  kam 
zu  Verhandlungen  zwischen  dem  Konvent  und  dem  Rat,  die  damit 
endigten^  dafl  am  9.  November  1525  das  Kloster  dem  Rate  iibef- 
geben  wurde.  Pater  Martin  hatte  bereits  zu  An  fang  des  Jahres  die 
Stadt  verlassen  miissen.  StSekel  aber  bat  den  Rat  um  ,,ein  weltlich 
Kleid".  Im  Juli  1527  finden  wir  StSckel,  wi6  Soden  sagt  (a.  a.  0. 
p.  210)  als  Pfarrer  von  Heroldsberg.  Man  gab  ihm  um  diese  Zeit 
eine  Zulage  von  12  fl.  Diese  Stelle  bekleidete  er  bis  zum  September 
1531.  Am  22.  d.  M.  erhielt  er  vom  Rat  die  Erlaubnis,  Herrn 
Friedrich  von  Thun^)  zu  dienen  und  mit  dessen  S5hnen  auf  eine 
UniversitSt  zu  ziehen.  Der  Rat  verehrte  StSckel  fiir  seine  treuen, 
der  Pradikatur  zu  Heroldsberg  geleisteten  Diensto  10  fl.  und  versah 
ibn    mit   einem    guten    Enipfehlungsschreiben.     Im    September   1536 

1)  Die  folgenden  Angaben  sind  entnommen  F.  von  Soden,  Beitrage 
zur  Geschicbte  der  Reformation  in  Klimberg  1855.  Aufierdem  sei  ver- 
wiesen  auf  den  Literaturnachweis  bei  Heinrich  Heerwagen,  die  Karthause 
in  Nttmberg  1380—1525,  in;  Festgabe  des  Vereins  ftir  Gescbichte  der 
Stadt  Nilrnberg  zur  Feier  des  50j£ihrigen  Bestehens  des  Germaniscben 
Nationalmuseams  in  Ntirnberg  1902,  p.  117  ff. 

2)  tiber  Friedrich  von  Thun  konnte  ich  nichts  Sicheres  eruieren. 
In  den  Beitragen  Bd.  VIII,  p.  120  u.  (J.  wird  wohl  ein  Friedrich  v.  Thum 
erwahnt,  ein  Wiirttemberger  Edelmann  und  Sch wager  Schwenkfelds. 
Dieser  ist  aber  gewig  nicht  zu  StOckel  in  Beziehung  getretcn.  Dagegen 
findet  sich  bei  Biedermann,  Geschiechtsregister  der  reichsfreien  unmittel- 
baren  Ritterschaft  in  Franken  1748  ein  Friedrich  von  Thiina,  auf  den 
mich  Dr.  Reicke  in  Niirnberg  aufmerksam  machte.  Dieser  Friedrich  von 
Thiina  war  sSchsischer  Minister,  wurde  viel  in  Religionssachen  gebraucht, 
ging  mit  dem  Kurfiirsten  Johann  nach  Augsburg,  hielt  vor  dem  Kaiser 
Earl  V.  eine  Oration  drei  Stnnden  lan^.  Er  war  geboren  1464  und  starb 
1549.  Er  liegt  in  der  Eircbe  zu  Leimbach  begraben.  Er  hatte  sieben 
Sobne.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dafi  wir  in  diesem  den  hier  genannten 
Friedrich  von  Thun  zu  sehen  haben  (Tab.  CCLXXY). 

9* 


132  Griebel,  Das  lilteste  Eirchenbuch  Heroldsbergs. 

kamen  die  Herren  von  Thun  wieder  nacb  Niirnberg  zuruck,  und  nun 
tritt  anch  St^ckel  in  den  Akteu  wieder  anf.  Er  wnrde  nnnmehr  zum 
Prediger  von  Pillenreuth  ernannt.  Die  Klosterfrauen  waren  aber 
nicbt  zn  bewegen,  seine  Predigten  zn  h<5ren.  Am  8.  September  1538 
predigte  St5ckel  in  der  Kircbe  zu  St.  Sebald  an  Stelle  des  ^schwachen^ 
Predigera  Veit  Dietricb.  Hatte  sein  Gehalt  bisber  aus  lOOfl.  be- 
standen;  so  bewilligte  ibm  jetzt  der  Bat  anf  seine  Bitte  eine  Znlage 
von  50  fl.  wegen  seiner  Fr^mmigkeit  und  Eedlicbkeit,  „weil  er  sicb  auch 
allentbalben  bin  gutwillig  gebraucben  lasse^  wobin  man  ibn  rufe^^ 
Am  9.  September  1541  wurde  er  zum  Prediger  von  Hersbruck  er- 
nannt. Bei  dieser  Ubersiedelang  liefi  ibm  der  Eat  das  von  einem 
FUficben .  Wein  bereits  erlegte  Dmgeld  zuriickerstatten.  (Soden  a.  a.  0. 
p.  495.)  Nacb  Medicus^  Gescbicbte  der  evangel.  Kircbe  im  Konig- 
reicb  Bayern  diesseits  des  Rbeins  p.  26  wurde  dann  Stockel  1542 
bei  der  Reformat i on seinfiibrung  in  Regensburg  mitverwendet,  1546 
kommt  er  bei  der  EinfUbrung  der  Reformation  in  Ravensburg  ^),  seit 
1547  als  Mittagsprediger  bei  St.  Jakob  und  Friibprediger  bei  St.  CSlara 
in  Niirnberg  vor  (f  1556  am  8.  April).  —  Gewifi  ein  Beweis  fur 
das  Urteil  des  Ntirnberger  Rats  tiber  ibn,  „dafi  er  sicb  allentbalben 
bin  gutwillig  gebraucben  lasse^  wobin  man  ibn  rufe^^ 

Was  aber  nun  seine  Stellung  in  Heroldsberg  angebt,  so  ist  er 
nicbt,  wie  es  in  ded  verscbiedenen,  oben  angefiibrten  Yerzeichnissen 
der  Pfarrer  von  Heroldsberg  beifit,  nocb  nacb  1531  daselbst  Pfarrer 
gewesen.  Er  war  Uberhaupt  nicbt  Pfarrer  von  Heroldsberg  (aucb 
gegen  von  Soden  und  Heerwagen),  sondern  nur  Friibmesser  oder,  wie 
Eyftler  sicb  nennt,  „Kirchendienor".  Pfarrer  war  Konrad  Erkel, 
und  zwar  bis  1537.  Erst  aus  diesem  Jabre  stammt  die  Resignations- 
urkunde  ^).  Zudem  gebt  ja  aucb  aus  dem  Bericbt  Ey filers^  den  wir 
oben  zitierten,  hervor,  daB  Erckel  nocb  im  Cborrock  an  der  Be- 
erdigung  Martin  Genders  gemeinsam  mit  Eyfiler  Psalmen  betend  teil- 
nahm.  Die  Notiz,  dafi  Erkel  bei  der  Visitation  1528  scblecbt  be- 
«tanden  babe  und  desbalb  ibm  das  Predigen  und  Messehalten  untersagt 
wbrden  sei,  erfiibrt  schon  dadurcb  eine  Korrektur,  dafi  Stockel  bereits 
1527  in  Heroldsberg  fungierte.  Gewifi  mag  es  rait  dom  Predigen 
scblecbt  gestellt  gewesen  sein,  so  dafi  dadurcb  die  Cbertragung  der 
Predigt  an  den  Friibmesser  veranlafit  war.  Allein  es  kamen  andere 
Griinde  bierzu.  Erckel  scbeint  sicb  in  die  neue  Ordnung  der  Dinge 
nicbt  gefunden  zu  baben.  So  lesen  wir  bei  Soden  (a.  a.  0.  p.  357): 
Der  Pfarrer  von  Heroldsberg  hatte  vom  Biscbof  von  Bamberg  ein 
Mandat  mit  der  Weisung  angenommen,  es  zu  verkUnden  ^).    Der  bieriiber 

1)  Vielleicht  nur  eine  Verwechslung  mit  Regensburg,  wie  schon  E. 
Waldan  meint.  (Vermischt.  Beitr.  z.  Gesch.  der  Stadt  Niirnbeg,  Bd.  Ill  p.  70.) 

2)  Dieselbe  findet  sich  im  Kreisarchiv  zu  Niirnberg  S.  I  Nr.  248. 

3)  Das  Pfarrvolk  soil  verwarnt  werden  „vor  gotteslesterung,  schworen 
und  dem  zutrinken^  davon  uff  berurtem  zu  Augspnrg  gehaltenen  Reichs- 
tag auch  gehandelt.**    K.  A.  S.  I  L.  30  Nr.  11. 


Griebel,  Das  alteste  Kirchenbueh  Heroldsbergs,  133 

aufgebrachte  Rat  verbot  ihm  nicht  nur  die  Verkiindigung  ^dieses 
Bambergiscfaen  Dings ^^,  sondern  er  miifite  sogar  wegen'ungeschickten 
Benehmens  im  Dezember  1531  sein  Predigtamt  niederlegen  ^) .  Nacb- 
dem  aber  Blasius  Stock  el  bereits  im  September  1531  Heroldsberg 
yerlasseu  hatte,  so  wird  man  Erkel  bis  zum  Dezember  allein  habeu 
fangieren  lasseu,  und  von  1532  an  wurde  ihm  Eyfiler  beigegeben, 
der  bis  1537  Fruhmesser  war,  von  da  an  der  eigentlicbe  Pfarrer 
wurde  und  es  bis  1541  blieb.  Die  Bemerkung  Hehlens/  dafi  Veit 
Eyftler  1546  als  Pfarrer  von  Heroldsberg  das  Kirchenvermbgen  zu 
orduen  hatte,  wobei  sich  Rehlen  auf  einen  Auszug  einer  Heroldsberger 
Gotteshausrechnung  bertift,  vermag  ich  nicht  auf  ihre  Richtigkeit  zn 
priifeii;  da  dieser  Rechnungsauszug  nicht  mohr  vorliegt.  1546  war 
hier  Veit  Holler  oder  Holder.  Es  ist  moglich^  dafi  infolge  des 
gleichen  Vornamens  Veit  daraus  eine  Verwechslung  der  beiden  Mslnner 
entstand, 

Veit  Eyfiler  aber  ist  zu  Heroldsberg  von  1532 — 1541  als 
OeistUcher  tatig  geweseu.  Bis  dahin  nUmlich  gehen  die  EintrUge 
des  Ehe-  und  Taufbuches  von  der  Hand  Eyfilers.  Im  Ehebuch  findet 
sich  als  letzter  Eintrag  Eyfilers  die  Jahreszahl  1541.  Der  leizte 
Eintrag  im  Taufbuch  stammt  vom  15.  Dezember  1540.  Daun  finden 
wir  in  beiden  F^lllen  die  Bemerkung:  hier  mangeln  4  Jar  und  ein 
halb;  das  niemand  eingeschrieben  worden.  Im  Taufbuch  ist  noch 
hinzugefugt:  ^vnd  hat  das  ansehen^  als  ob  sie  heri^us  gerifien  worden.^ 
Dieser  letzter  en  Bemerkung  kanu  ich  nicht  beipflichten.  Mir  scheint 
das  Buch  v5llig  intakt  bis  aUf  das  Fehlen  der  ersten  Seite,  wie  be- 
reits bemerkt.  Diese  Angaben  machte,  wie  sich  aus  einem  Vergleich 
der  Haudschriften  mit  den  EintrSgen  in  die  Kirchenbiicher  durch  die 
spateren  Pfarrer  ergibt,  Pfarrer  Heinlein,  der  vom  Jahre  1587 — 1625 
in  Heroldsberg  Geistlicher  war.  Die  weiteren  Eintrage  von  1545 
an  im  Ehe-  und  Taufbuch,  gleich  denen  im  Begrsibnisbuch  von  1546 
an  sind  von  Veit  Holler,  der  von  1545 — 1553  die  Pfarrei  Herolds- 
berg inne  hatte.  Seine  EintrSge  brechen  mit  dem  Jahre  1552  (April) 
ab.  Nach  dem  letzten  Eintrag  vom  22.  April  1552  im  Taufbuch 
fugt  Heinlein  wieder  die  Bemerkung  an:  Von  dieser  Zeit  ist  d.  Marg- 
grMvische  Krieg  angegaugen,  unnd  ist  von  der  Zeit  an  nichts  vfge- 
zeichnet  worden,  bifi  Anno  1555  mense  februario.  Zwischen  1541 
und  1545  ist  Koburger,  genannt  Kalmiinzer,  Pfarrer  in  Heroldsberg 
gewesen,  von  dem  sich  die  oben  erwShnten  drei  Eintrage,  namlich 
einer  aus  dem  J.  1541  und  zwei  aus  dem  J.  1545  im  Sterberegister 
finden*).     tJbrigens,   wenn  es  in  der  Pfarrbeschreibung  von  Herolds- 

1)  Ntirnberger  Kreisarchiv  S.  I  L.  30  Nr.  11. 

2)  Wolf  Koburger  s.  Kalmiinzer  kam,  nachdem  er  in  den  genannten 
Jahren  zu  Heroldsberg  Pfarrer  war,  als  Diakon  nach  Hersbruck,  wurde 
1558  daselbst  Pfarrer  und  starb  1.  Mai  1561.  Ernst  Waidau  a.  a.  0.  Bd.  Ill 
p.  104. 


134  Qriebel)  Das  alteste  Eii'chenbucb  Heroldsber^s. 

berg  heifit,  dafi  Yeit  Holler  wegen  Alters  im  Jahre  1558  in  eine 
Zelle  iu  der  Kartliause  eingewiesen  wnrde,  so  erklart  dies  auch  die 
schwer  zu  lesenden  EintrUge  von  1549 — 1552,  die  eine  zitternde 
Hand  bei  der  Niederschrift  erkennen  lassen.  iJber  Veit  Eyfiler  aber 
konnte  bis  jetzt  nichts  Naheres  in  Erfahrung  gebracbt  werden,  weder 
wober  er  stammt,  nocb  wo  er  sicb  aufhielt,  bevor  er  nach  Herolds- 
berg  kam,  nocb .  wohin  er  von  da  aus  versetzt  wnrde,  oder  ob  er 
daselbst  starb.  Vielleicht,  dafi  eine  weitere  Nacbforscbung  im  Kreis- 
archiv  zu  Nurnberg  nocb  Licbt  ius  Dankel  bringt. 

Fassen  wir  aber  nun  zusammen,  so  ergeben  sicb  fur  uns  jetzt 
biusicbtlicb  der  ersten  evangeliscben  Pfarrer,  resp.  Prediger  von 
Heroldsberg  folgende  Daten: 

1.  Konrad  Erkol.  Er  soil  seit  1523  Ffarrer  daselbst  geweseu 
sein.  1527  tritt  ibm  Blasius  Stockel  zur  Seite  als  Kircbendiener  bis 
September  1531,  wo  dieser  die  UniversitSt  mit  den  Sohnen  des 
Herrn  von  Tbun  beziebt. 

Bis  Dezember  1531  versiebt  Erkel  allein  das  Amt.  Dann  wird 
ibm  das  Predigen  untersagt  und  Veit  Eyfiler  an  die  Seite  gegeben. 
1537  resigniert  Erkel. 

2.  Veit  Eyfiler  1537—1541. 

3.  Wolf  Kobarger  1541—1545. 
4^  Veit  Holler  1545— 1553 1). 

5.  Jobann  WSlcker  1554—15792).  — 

Was  war  aber  die  Veranlassung  zur  Verabfassung  unseres  Kirchen- 
bucbesp  Diese  Frage  wird  uns  weiter  2u  bescbaftigen  baben.  Eine 
dabingebende  Verordnung  von  seiten  des  Ntirnberger  Rates  gab  es 
im  Jahre  1532  bierzu  nocb  nicht.  Diese  findet  sicb  erst  in  der 
Brandenburg-Nlirnberger  Kirchenordnung  vom  J.  1533^  in  der  es 
nach  Bicbter,  Die  Kirchenordnungen  des  XVI.  Jabrhimderts  Bd.  I 
p.  210  heifit:  Es  soUen  auch  die  Pfarrher  oder  Kircbendiener  yedes 
orts  in  ein  sunder  Register  fleyfiig  einscbreybeu  die  namen  und  zu- 
namen  der  Kinder  |  die  sie  tauffen  unnd  der  personen  |  die  sie 
eelicb  einleiten  unnd  auf  wellicben  Tag  unnd  in  wellicben  Jar 
solliches  gescbeben  sey.  Jetzt  verstehen  wir's,  wenn  wir  lesen,  dafi 
in  Nurnberg  selbst  im  gleicben  Jabr  (1533)  TaufbUcber  angelegt 
wurdeu  (EbebUcber  waren  ja  scbon  seit  1524  vorhanden)   und  aucb 

1)  Veit  Holder  war  zu  Heroldsberg  Pfarrer  bis  1553;  dann  wnrde 
er  Altershalber  mit  Beibehaltung  eines  jahrlichen  Gehaltes  eutlassen  und 
in  eine  Celle  in  der  Karthause  eingewiesen  (Heroldsberger  Pfarrbeschrei- 
bung  1843). 

2)  Johann  WOlker  stammte  aus  einem  alten  Gescblechte  der  von 
Wolkersdorf;  er  wurde  1530  geboren,  kam  in  dasKloster  Heilsbionn,  wo 
er  1549  Profefi  tat,  trat  1553  aus,  verb eir ate te  sicb  zu  Bo^stall,  nahm 
das  Diakonat  von  Eatzwang  an,  wurde  dann  Vlkar  von  M(5geIdorf  und 
St.  Jobst,  1555  Pfarrer  von  Heroldsberg.  Er  starb  zu  Heroldsberg  am 
18.  Mai  1579  (Heroldsberger  Pfarrbeschreibung  1843). 


(jriebel,  Das.  alteste  Eirchenbuch  Heroldsbergs.  135 

in  Henfenfeld;  Hersbruck  und  Altensittenbacb  die  Begister  mit  diesen) 
Jabre  beginnen.  Andere  Orte  sind  nacbgefolgt,  wenngleich  aucb 
vom  Rat  zu  Niirnberg  nicbt  sofort  mit  der  Strenge  auf  ibre  Anla^e 
gedraugen  worde^  wie  spater.  wo  wir  in  der  Brandenburger  Visitations- 
ordnung  vom  Jabre  1573  lesen^  dafi  die  PfaiTer  ein  Verzeicbnis  fUr 
Traunngen,  Taufen  und  Beerdigungen,  desgleicben  ein  Inventarium 
Uber.Mefi-  und  andere  Biicber  anznlegen  baben  bei  10  Taler  Strafe. 
Es  bestand  eben  allentbalben  das  Bedurfuis,  vor  allem  urn  die 
Familien  zu  wissen,  welcbe  sicb  der  neuen  Lebre  anscblossen,  um 
dieselben  seelsorgerlicb  bedieneu  zu  konnen,  wesbalb  meines  Eracbteus 
der  Anfang  mit  der  Anlegung  von  Ebebucbern  gemacbt  wurde,  und 
dann  erst  die  der  Taufbiicber,  spater  der  Beerdigungsbucber  folgte. 
„Der  allgemeinen  Befriedigung  dieses  Bediirfnisses  balf  man  allm&blicb 
mit  Verordnungen  nacb.  Die .  einsicbtigen  unter  den  Oeistlicben, 
denen  es  vor  allem  ai^cli  um  die  Seelsorge  zu  tun  sein  mocfate^ 
legten  aus  eigenem  Antrieb  solcbe  Begister  an.  Dabei  wirkten 
einzelne  VorgSnge  in  dieser  Bichtung  ermuuternd.  Es  ist  docb  merk- 
wUrdig,  wenn  man  beobacbtet,  wie  solcbe  BUcber.  alsbald  mit  der 
Durcbfiibrung  der  Kircbenerneuerung  eingefUhrt  wurden  von  den 
Alpen  bis  zum  Harz,  von  den  Yogesen  bis  nacb  Scblesien^  (so  Jakobs 
a.  a.  O.).  Cbrigens  wenn  man  solcbe  BUcber,  vor  allem  also  Trau- 
und  Taufbiicber,  anlegte,  um  die  der  evangel  ischen  Kircbe  zugeb(5rigen 
Glieder  zu  fixieren^  so  batte  man  dabei  in  Deutscbland  nicbt  etwa 
den  Gegensatz  der  am  alteu  Glauben  Festbaltenden  im  Auge  —  von 
diesen  bofifte  man,  daft  sie  sicb  allmablicb  fiirs  Evangelium  gewinneu 
lassen  wurden  —  sonderu  die  Wiedert&ufer,  die  sicb  ja  gerade  aucb 
in  Nurnberg  und  Umgebung  Einflufl  zu  verschaffen  suchten.  DaS 
gerade  diese  wiedertSuferische  Opposition  wenigstens  mitbestimmend 
war  bei  der  Anlegung  der  Kirehenbiicber,  speziell  des  Heroldsberger, 
das  gebt  aus  der  Einleitung  hervor,  die  dem  Ebebuch  vorange- 
scbickt  ist. 

Nacb  den  bereits  (s.  o.  S.  129)  zitierten  Worten,  mit  denen 
Eyfiler  ein  Inbaltsverzeichnis  des  Bucbes  in  grofien  Ziigen  als  Ebe-;i 
Tanf-  und  Beerdigungsbucb  gibt,  f^brt  er  nSmlicb  fort:  ;,Und  solcbes 
acbt  ich  fur  nutz  und  gut  aus  volgenden  vrsacben.  { 

Erstlicb  dariimb  |  dweil  itzt  ein  Zeitlang  vnd  nocb  vil  Schwer- 
merei  vorbanden  sein.  die  solcbe  gottlicbe  ordnung  der  beilligen  ehe 
Vnd  das  wirdig  heillig  Sacrament  der  tauff  {  sunderlicb  der  iungen 
kindlein  lestern  vnd  vernicbten.  Vnd  mit  vil  unnutzen  worten  die 
beilligen  scbrifft  besudeln  und  felschen.  Bereden  die  armen  ein- 
feltligen  in  dorflFern  |  einSden  |  vnd  aufF  dem  felde  |  die  ebe  zu  ver- 
acbten  |  die  erste  tauff  so  sie  in  der  kintbait  entpfange  baben  zu 
v^laugne  welcbes  alles  des  teuff-elspil  {  wutten  od.  |  prulle  solcbe  arme 
einfeltige  in  Zweifflung  bringt.  Solcbes  aber  ein  fleissiger,  trewer 
pfarrer  oder  kircbendieuer  zu  v'kummen  sol  er  solcbe  arme  einfeltige 


136  Griebel,  Das  silteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs. 

vnd  v'furte  wider  anfirichten  |  mit  trostlichen  wortten  heilliger  scbrifft 
trosten  |  vnd  inen  anzeigen  das  sie  solchen  gottlichen  Christlichen 
ynd  ehrlichen  stand  der  beilligen  ebe  |  nit  sollen  verachten  {  Od  ein 
gemabel  das  ander  nit  verlassen  |  od  wie  die  Scbwermer  sagen  ver- 
wecbselen  |  es  sei  w3der  got  |  wider  gottlicbe  Cbristliche  ordnung  | 
Got  wird  es  ungestrafft  nit  lassen.  Dan  also  straffet  er  den  Abimelecb 
welcber  dem  Abrabam  sein  weib  vorbielt  |  wie  im  ersten  pnch  Mose 
am  20.  ca. 

Desgleichen  mit  der  tauff  der  inngen  kindlein  |  welcbe  die  Scbwermer 
wie  obgemelt  veracbteu  |  mag  man  anzeigen  das  man  nacb  Christ- 
licher  ordnung  vnd  gebraucb  getaufft  worde  sey  vnd  das  solcbe  einigk. 
der  tauff  genug  sei  den  befelb  des  Herre  Christi  zu  erfallen  {  vnd 
weitter  keinr  andern  tauff  mer  bed<)rff  Wie  dan  aucb  Paulus  ad  Epbe  4 
sagt  Ein  ber  |  ein  glaub  |  ein  tauff  {  ein  got  |  fc  Das  aber  der  arme'| 
einfeltige  v'furtbe  {  mog  solches  des  stattlicb^r  glauben  |  so  mag  ein 
Pfarrer  od  kircbendiener  ^olcbes  anzeigen  od.  beweisen  das  iar  |  den 
tag  fc  daran  er  getaufft  worden  ist  anzeigen  |  darzu  dient  diesies  buchj. 

Zn  andern  Es  begibt  sich  offt  |  das  ein  kindt  in  frembden  laud  en 
sicb  v'ehlicbt  |  vnd  von  wegen  der  lent  desfielbigen  orts  vnd  gepraucbs 
wirt  erfordert  das  er  einen  purtb  brieff  aus  seinem  vatterlande  bringe  | 
das  er  eines  frnmmen  mans  sun  |  vnd  ehelich  geporn  sei  re : 

Dweil  dan  solcbes  offt  groffe  muhe  mit  zusamme  bringung  ett- 
licber  menner  die  seine  elttem  kent  baben  {  vnd  des  Zeugnus  geben 
erfordert  |  Oder  offt  ein  solcber  lange  Zeit  aufpliben  |  vnd  in  ver- 
geffung  feiner  eltern  pei  den  nacbbaurn  kUmmen  ist  {  derbalben  ein 
purt  brieff  scbwerlicb  gegeben  |  od  gar  abgescblagen  wirt  |  welcbes 
ein  frummer  gesel  vnpillicb  gedulde  vnd  entgelten  muft  |  Und  also 
an  seine  vertraute  gemabel  etwa  gebindert  wurd  |  Solches  zu  v'kumme 
mag  man  solcbem  angezeigtem  Register  |  treulicb  vnd  gerecht  von 
mir  bescbriben  glauben  geben  |  welcbes  solches  warhafftig  anzeigt  | 
on  alle  kost  vnd  mlihe  oder  Zeugnus  anderer  mensche.  Also  aucb 
wo  einem  solcbe  seine  elttem  vater  vnd  mutter  in  dem  berren  ent- 
schlafen  od  gestorben  seindt  |  vnd  solches  in  vergefiung  pei  den 
mensche  od  nachbaurn  kummen  wSr  |  Mag  man  suchen  hernach  in 
disem  Register  puch  vnd  in  ware  kuutschafft  kumme  |  das  also  einem 
geholffen  und  er  gefurdert  wurd  {  Und  wo  in  solcbem  allem  nur  einem 
gutten  frummen  goselle  geholffen  wUrd  |  so  soil  al  mein  beschreibung 
nicht  vergeblicb  und  unnutz  geacht  werden'^ 

Was  fUr  ein  edlos,  von  warmer  seelsorgerlicber  Liebe  getragenes 
Herz,  in  das  uns  diese  Ausfiihrungeu  hiueinblicken  lassen!  Ohne 
alle  Kosten  soil  von  nun  an  ein  frommer  Gesell  sicb  Aufschlufi  in 
den  beregten  FSllen  erholen  konnen,  die  Muhe,  die  ihm  aus  der 
Eruierung  der  nStigen  Daten  erwachsen  konnte,  sollen  ihm  abge- 
nommen  werden.  Das  Dnbequeme,  das  durch  Erbitten  von  andern 
Leuten  als  Zeugen  sich  ergibt,  soil  beseitigt  werden.    Uubillig  miiflte 


Griebel,  Das  alteste  Kiiebenbuch  Heroldsbergs.  137 

&r  es  erdnlden,  wenn  ihin  die  £rla]ig;iuig  eines  Grelmitszeugnisses 
schwer  fiele  oder  ein  solches  gar  abgeschlagen  wuide.  Und  bei  aller 
Mube^  die  dagegen  der  Verfasser  anf  sicfa  nehmeii  will,  ist  er  za- 
friedeu  und  sieht  seine  Arbeit  nicht  als  nnnutz  an,  wenn  auch  nnr 
einem  guten  fironunen  Gesellen  damit  gebolfen  wird.  So  haben  nnsere 
Vater  gedacbt!  Solcben  Inteutionen  ist  die  Anlegnng  der  Register* 
bucher  entspmngen!  In  welchem  Kontrast  stebt  dazn  die  Gegenwart! 
Jetzt  wird  die  Ansfertignng  jedes  Zengnisses  anf  Grnnd  der  Register- 
bdcher  mit  Mk.  1.60  berecbnet!  Der  Idealismns  der  Alteu  hat  fur 
uns  etwas  BeschSmendes ! 

Doch  sehen  wir  sn,  welches  nach  den  Erlautemogen  Eyfllexs 
der  Zweck  der  Kircbenbucher  sein  soil!  Es  ist  ein  doppelter.  Sie 
sollen  1.  einmal  dazu  dienen,  dem  Umsichgreifen  des  Wiedertaufer- 
tums  entgegenzutreten  und  sodann  sollen  sie  den  Gremeindegliedern 
zn  den  zn  irgend  welchem  Zwecke  notwendigen  Fersonalien  ihrer 
eigenen  Person  oder  ihrer  Angehorigen  roSglichst  leieht  Terhelfen. 

Beznglich  des  ersten  Pnnktes  ists  ein  rein  seelsorgerlicher  Zweck, 
dem  die  Kircbenbucher  dienen  sollen.  Die  Eheschlieflungen  sollen 
aufgezeichnet  werden.  Kommt  namlich  ein  Glied  der  Gremeinde  in 
Gefahr,  den  Wiedertaufem  das  Ohr  zu  leihen,  wagt  er  es,  sein  ehe- 
liches  Gemahl  zu  verlassen  oder  gar  es  mit  dem  eines  andem  zu  ver- 
tauschen,  so  soil  ihm  aus  dem  Rirchenbuch  nachgewiesen  und  zu 
Gemiite  gefnhrt  werden :  Siehe,  du  hast  die  Ehe  geschlossen,  was  du 
jetzt  zu  tun  yorhast,  resp.  getan  hast,  ist  wider  Gott  und  sein  Gebot 
Er  wird  dich  richten.  Den  gleichen  Zweck  haben  die  Taufregister. 
Damit  wird  nachgewiesen,  die  Taufe  ist  an  dem  und  dem  Tage,  in 
dem  und  dem  Jahre  vollzogen,  das  genngt,  der  Befehl  des  Herrn 
ist  erfdllt.  Also  lasse  dich  nicht  von  den  WiedertSufem  irre  machen ! 
Es  bedarf  keiner  weiteren '  Taafe. 

Auch  die  diesbeztiglichen  Ausfiihrungen  kann  man  nicht  lesen, 
ohne  zu  empfinden,  welche  Serge  um  das  geistliche  Wohl  seiner  6e- 
meindeglieder  den  Verfasser  erfdllt  hat.  Es  erhellt  aber  auch  daraus, 
dafi  die  Gefahr,  welche  der  Gemeinde  drohte,  nicht  gering  gewesen 
sein  kann.  In  der  Tat  wisseii  wir  ja,  wie  gerade  in  und  um  Niirn- 
berg  im  Reformation  szeitalter  das  Wiedert&ufertum  sicli  gelteud  zu 
machen  snchte.  Es  wSre  gewii^  intcressant,  naher  darauf  einzugehen. 
Doch  besitzen  wir  daruber  manche  Abhandlung,  worauf  hiermit  ver- 
wiesen  warden  soil,  in  dieser  Zeitschrift.  Man  vergleiche  wieder  das 
Register,  besonders  Th.  Kolde,  Hans  Denk  und  die  gottlosen  Maler 
von  Nlirnberg,  Jahrgang  1902  p.  Iff.  Auch  auf  Roth,  Die  Eiu- 
fiihrung  der  Reformation  in  Nurnberg  1517 — 28,  Kapitel  VI,  das 
den  Abendmahlsstreit  und  die  Wiedertaufer  bebandelt,  sei  hiuge- 
wiesen. 

Der  andere  Zweck,  den  Eyfiler  mit  der  Aniegung  seines  Kirchen- 
buches  erreichen  wollte,  war  der,  den  Gemeindegliedern  daheim  und 


138  Griebel,  Das  alteste  Kirchenbucb  HeroldBbergs, 

in  der  Feme  eventuell  leicht  die  nStigen  Angaben  der  Personalien 
YOQ  sich  oder  ihren  Angehorigen  zu  verschaffeD.  Datnit  nslhern  sich 
die  Biicher  Linsichtlich  ihres  Zweckes  unseren  Matrikeln.  Allein  es 
bleiht  doch  auch  hier  der  Unterschied  bestehen,  dafi  man  sicb  damals 
bei  der  Anlage  und  Fortflihrung  derselben  von  kircblichen  Gesicbts- 
punkten  leiten  liefi^  besonders  eben  wiederum  von  dem  der  Seelsorge. 
Mbcbten  nnsere  Matrikeln^  nachdem  der  Staat  die  Personenstands- 
fiibrung  davon  getrennt  bat,  ibrem  urspriinglicbcn  Zweck  wieder  mebr 
und  mebr  zuriickgegeben  werden! 

Es  eriibrigt  uns  bier  nocb,  einige  Worte  speziell  uber  die  so 
friihe  Anlage  des  Beerdigungsbucbes  anzufugen^  dessen  Zweck  uns 
Ey  filer  aucb  angibt.  Vergleicben  wir  die  Register  biicher  anderer  Orte, 
so  iindon  wir  eine  solcbe  Anlegung  durcbweg  spSter.  Auch  die  altesten 
Kirchenordnungen  verlangen  nocb  keine.  Die  Niirnberg-Branden- 
burgiscbe  (1533)  ordnet  nur  Tauf-  und  Traubiicher  an.  Erst  in  einer 
Bran  den  burgischen  Visitationsordnung  vom  J.  1573  beifit  es,  es  sollen 
auch  die  Namen  derer,  so  zu  ihren  Zeiten  verstorben,  mit  Fleifl  ver- 
zeichnet  werden.  Nicht  als  ob  man  nicbt  auch  friiher  Verzeichnisse 
von  Verstorbenen  angelegt  bStte.  lu  der  alten  Kirche  und  im  Mittel- 
alter  finden  wir  dieselben  in  den  Diptycha.  Hier  haben  sie  aber  einen 
ganz  anderen  Zweck  als  in  den  Kirchenbucheru.  Hier  sind  sie  fur 
die  Messe  aufgezeichnet.  In  Niiruberg  finden  sich  im  Mittelalter  sog. 
Totengelautbucber  fur  St.  Sebald  und  St.  Lorenz.  Dr.  Bauch  hat 
bieruber  in  der  Archivalischen  Zeitschrift  Bd.  VIII,  119 — 148  aus- 
fiihrlicb  und  sehr  interessant  gescbrieben.  Da  wurden  die  Namen 
der  verstorbenen  Patrizier  verzeichnet,  bei  deren  Transfer ierung  zum 
Gottesacker  mit  den  Glocken  gelSutet  wurde.  Dabei  ist  besonders 
auch  angegeben,  was  jedesraal  fiir  ein  solches  GelSute  an  Gebiibren 
entricbtet  wurde.  Dafi  die  Kirchenbiicher  zunSchst  die  Totenregister 
nicht  anfweisen,  erklart  sich  aus  dem  seelsorgerlichen  Interesse,  dafi 
die  Anlegung  derselben  veranlafite.  Da  gait  es,  sich  an  die  Lebenden 
zu  halten.  Wenn  nun  Eyfiler  trotzdem  ein  Totenregister  bereits  1532 
anlegte,  so  haben  wir  ja  gesehen,  dafi  der  Gedanke,  ein  Personen- 
standsverzeichuis  zu  geben,  auch  bei  den  andern  Registern  sicb  schon 
geltend  machte.  Seinen  eigenen  Worten  ist  zu  entnehmen,  dafi  er 
mit  diesem  Verzeichnis  den  Hinterbliebenen  einen  Liebesdienst  er- 
weisen  wollte,  sofern  sie  nun  leicht  das  Sterbedatum  erfahren  konnten, 
falls  es  von  ihnen  vergessen  wordeu  war.  Daraus  erklSrt  es  sich 
auch,  dafi  nur  die  wichtigsten  TodesftHJe  von  ihm  aufgezeichnet' 
wurden, 

Es  eriibrigt  uns  noch,  auf  die  Art,  wie  die  Eintrage  in  unser 
Kirchenbucb  gemacht  wurden,  einen  kurzen  Blick  zu  werfen.  Auch 
dafiir  wurden  schon,  was  das  Beerdigungsregister  angeht,  Belege  ge- 
bracht.  Die  Eintrage  von  1528 — 32  wurden  in  extenso  mitgeteilt. 
Wir  ersehen  daraus,  wie  Eyfiler  sich  nicht  damit  begniigte,  nur  Per- 


Griebely,  Das  alteste  Kircbenbucb  Heroldsbergs.  139 

sonal-  und  Zeitaugabeo  zu  machen,  sondern  er  hat  5fters  die  Todes- 
ursache  oKber  beschriebeD,  bat  eine  CharakterisieruDg  der  betreffendon 
Person  angefiigt,  bat  auf  ibren  Stand  bingewiesen,  deu  Wobn-  und 
BegrSbnisort  teilweise  bezeicbnet,  iiberbaupt  sicb  nicbt  an  ein  be- 
stimmtes  Scbema  gebunden,  sondern  eben  das  aufgescbrieben,  was 
ibm  in  dem  bestimmten  Fall  wissens-  und  beachtenswert  erscbien. 
Im  Ebe-  und  Taufbucb  sind  die  Angaben  gleichmSfiiger  und  kiirzer 
gebalten,  was  sicb  ans  der  Natur  der  Sache  erklSrt.  Nur  einige  Bei- 
spiele  mSgen  das  beweisen.  So  beiflt  es  im  Ehebncb  15B2:  Item 
—  es  ist  das  der  erste  Eintrag  im  Buche  — am  5.  tag  des  Hornungs 
sein  eingelait  worde  zur  ebe  fritz  des  fritz  boffmanns  sun  vom  Neun- 
boff  mit  margared  purtig  von  der  glasbutten  ^). 

Item  am  7.  tag  Hornungs  sein  eingelait  worden  zur  ebe  Hans 
des  Haintz  mulners  sun  {  mit  Ursula  des  peter  laimanns  dochter  zum 
Herelsperg. 

Item  am  3.  Gbristmons  (1533)  sein  eingelait  word  zur  ebe  Merthe 
mayr  mit  ellsen  die  pierels  genant. 

Item  am  12.  Heumon  (1538)  sein  eingelait  worden  zur  ebe 
Endres  pader  von  gontzenbausen  |  mit  anna  des  banssen  mertzen 
seliger  vo  rolhofen  dochter  |  Discs  sein  arme  sieche  lent,  vuntten  im 
kobell  vnd  habeu  an  mir  ires  ehestands  halber  schrifftliches  Zeugnus 
begert  {  habe  ich  iuen  solches  nach  irem  begeren  mit  meinem  auff- 
gedruckten  sigill  willig  gern  mitgethailt. 

Der  erste  Eintrag  im  Taufbucb  hat  folgenden  Wortlaut: 

Item  am  23.  Hornimgs  (153^)  ist  getaufft  worden  dem  Hanssen 
kar  klein  Kernlein  genat  ein  kiudt  ist  genant  worden  kontz  {  gefatter 
ist  gewest  Contz  niissel. 

Item  am  V.  Augustmons  (1553)  ist  getauflPt  worden  mir  Veitten 
Eyfiler  diser  Zeit  hie  zum  Herlsperg  prediger  |  meiu  sun^)  |  ist  ge- 
nent  worden  Caspar.  Mein  gefatter  ist  gewest  Caspar  Koburger  von 
Nurmberg. 

Item  am  5.  berbstmons  (1533)  ist  getaufft  worden  ein  kindt  dem 
heyntz  mulner  ist  genent  worden  els  Gefatter  ist  word  els  die  pierels 
genant. 

Item  am  9.  Aprilis  (1536)  ist  gettauft  worden  ein  kind  N  einem 
armen  frembden  siechen  welchem  sein  weib  hie  gelag  im  siechbaus  ^). 


1)  nGlasdfen,  die  wegen  ihres  bedeuteuden  Holzverbrauches  dem 
Waldbestand  nachteilig  waren,  kommen  noch  verhaltnismaUig  spat  vor. 
So  wird  ein  Glasofen  zu  Gescheid  und  Schollenbach  in  einer  Urkunde 
vom  27.  Juni  1569  genannt.*  Mummenhof,  Mitteilungen  des  Vereins  flir 
Gescbichte  der  Stadt  Niirnberg,  Heft  16,  p.  239.  Ohne  Zweifel  ist  das 
die  ^glasbutten'*,  aus  der  Margareta  Purtig  stammte. 

2)  Ist  also  der  erste  evangelische  Pfarrerssohn  zu  fleroldsberg. 

3)  Vgl.  den  Eintrag  vom  5.  Sept.  1533  p.  34  und  die  Beschreibung 
der  Beerdigung  Martin  Geuders  s.  u.  S.  141. 


140  Griebel,  Das  alteste  Kirchenbnch  Heroldsbergs. 

1st  das  kindt  worden  genent  bans.    Oefatter  ist  worden  Hans  Lorentz 
forster  pei  hiindsmull^). 

Diese  Eintrllgo  mogen  geniigen. 

Wenn  dem  Ehebuch  die  bereits  mitgeteilte  Einleitung  vorangebt, 
die  deu  Verfasser  und  Zweck  des  Bucbes  enthHlt^  so  baben  das  Tauf- 
und  Beerdigungsbncb  folgende  Uberscbriften : 

Das  erstere  (wie  das  Ebebucb): 

In  dem  Namen  unsseres  lieben  barren  Jesu  Cbristi  1532. 

Das  letztere: 

Johannis  XI.  Icfa  pin  die  aufferstehung  (spricht  Jhesus  der  berr 
zn  der  Martha)  und  das  leben.  Wer  an  micb  glaabt  {  der  wirt  lebe 
ob  er  gleicb  stUrbe  |  Und  wer  do  lebt  und  glaubt  an  micb  |  der 
wird  nimmer  sterbe. 

Ca.  XYII  Vater  das  ist  das  ewig  leben»   das   sie  dicb  |  das  du 
alleine  warer  got  pist  und  den  du  gesaut  bast  Jbesu  Cbrist  erkeuncn 
Pretiosa  in  conspectu  dni  [domioi]  mors  sctor.  ej.  [sanotorum 
eius  Ps.   116,   15  Vulgata] 

Beati  mortui  qui  in  dno  [domino]  moriuntur  [OfiFenb.  St.  Job. 
14  V.   13] 

Justus   si  morte    praeoccupatus  fnerit  in  refrigerio  erit  [Spr. 
Sal.  14.  32P). 

Nacb  dieser  tiberscbrift  folgt  der  bereits  ang«fubrte  Eintrag  von 
Martin   Tucber. 

Nun  aber  mocbte  icb  nocb  die  Aufzeicbnung  iiber  den  Tod  und 
das  Begrabnis  des  Losungers  Martin  Gender,  des  Scbwagers  von 
Willibald  Pirkbeimer,  mitteilen^  dessen  Heimgang  dem  Verfasser  des 
Bucbes  selbst  sebr  nabe  gegangen  ist,  wie  das  aus  der  ganzen  Art 
der  Darstellung,  sowie  aus  der  Ausfiibrlicbkeit  des  Eintrags,  im  Be- 
erdigungsbncb (p.  86  flP.)  hervorgebt.  Eyfiler  scbreibt:  „1532  Item  am 
21  tag  Decembr.  ist  verscbiden  vnd  in  Obristo  entschlaffen  {  mein 
altber  her.  Der  Erbar  vnd  vest:  ber  Mertbe  Gender  ein  Losunger 
zu  Nurmberg.  P]in  seer  fromer  gotsforcbtiger  man  vnd  liebbaber  der 
warheit  vn  gerechtigkeit.  Ward  ser  eerlicb  auff  einem  wagen  |  mit 
4  starken  pferd  des  closters  S.  Clara  |  aus  seinem  Haus  (am  Ileumark 
das  cck)  mit  einem  ser  grossen  leicbtucb  vmb  dem  wagen  bebengt  | 
gefiirt. 

Neben  dem  wagen  giengen  statknecht  |  mit  prennenden  kertzen. 
Nacb  dem  wagen  ein  Erbarer  rath  in  schwartz  geclaidt.  Und  seer 
vill  volks  aus  der  gemain  (dweill  es  eben  aucb  ein  feiertag,  als  S. 
Thomas  tag  ward)  volget  hiuten  nach  pis  zum  eiifiern  laiffer  thorj 
doselbst  kereten  die  Herren  vnd  yder  man  wider umb.  • 

1)  ^/4  Stunde  von  Heroldsberg  entfernt. 

2)  Die  Yuglata  tibersetzt:  Sperat  iustus  in  morte  sua.  Luther:  Der 
Gerechte  ist  in  seinem  Tode  getrost.  Sollte  obiger  Spruch  eine  freie 
fjbersetzung  hiervon  sein? 


Griebel,  Das  alteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs.*  141 

Also  riten  seine  sun  Junker  Jorg  Sebald  vud  Merthen  {  Auch 
die  Erbarn  iunkhern  Endres  vnd  Jorg  gebruder  |  vnd  obgemeltter 
Geiid.  vettern  {.  Es  riten  auch  mit  sonste  ettliche  reutter  und  knecht. 
Vor  vn  nach  dem  wagen  dur^jh  den  wald  von.  Nurmberg  |  pis  gem 
Heroltsperg, 

Als  aber  erstlich  die  potschafft  kam  |  gem  '^Heroltsperg  {  stund 
icb  Veit  Eifiler  eben  aufFm  predigstull  vn  prediget  |  vnd  wie  ich  eben 
darvor  gepeten  het  zu  got  |  mit  dem  volck  fur  sein  leben.  wurd  mir 
so  paid  angezaigt  {  er  war  entsehlaffen.  icb  solts  dem  volck  antzeigen. 
yderman  oder  der  maist  tbail  so  da  verband  vom  volck.  das  weinet 
vn  trauret. 

Nacb  singeus  bub  man  an  zuleutten  |  mit  der  grosseren  glocken. 
Das  webret  pei  vier  pis  in  die  5.  stundt.  Da  warttend  ich  mitsambt 
Conrad  Erkell  in  peter  laimans  haus  pei  der  stros.  das  volck  aulF 
der  gassen  {  die  pubeu  mit  kreutz  vnd  kertzen  |  pei  dem  siecbhaus. 
vnd  also  kam  der  wagen  {  mit  der  leich  in  eiuer  truhe  vermacht 
seine  sun  |  vorgemeltte  vettern  fc. 

do  giegeu  wir  tzween  priester  vor  dem  wagen  her  in  vnssern 
Gorrocken,  petteten  miteinander  septe  psalmos.  die  man  nent  peni- 
tentiales.  in  fine  psalm  or  [um].  Gla  [gloria]  patrj.  vnd  nit  Requiem 
eternam  |  d.  boffnung.  Er  sei  scbon  vorbin  in  der  ewigen  rube, 
vnd  seligkeit  dweill  er  in  recbtem  warem  Christlicbem  glauben  von 
hinne  auch  abgescbieden  ist.     Amen. 

Als  aber  der  wagen  dorauff  die  leich  den  perg  pei  d.  kircben 
hinauff  kam.  ward  er  gefurt  zu  der  kircbbo£P  thur  |  als  man  vom 
pfarhoff  herab  geet.  alspald  warn  do  ettliche  aus  dem  gericht  hie 
schopffen.  die  namen  die  truhen  vom  wagen,  legtens  aufF  die  por. 
truges  in  die  kirchen.  wir  tzwen  priester  sangen  Media  vita  in  morte 
sum[us]   fc  pis  in  die  kirche  zu  seiner  begrebnus. 

Also  do  nun  yderman  zu  kircben  verband  was  I  befalh  icb  man 
soil  stille  sein.  So  paid  hub  icb  an  steend  vor  dem  grab  neben 
seinen  sonen  vorgemelt  |  bub  an  vnd  thet  ein  Admonicion  aus  den 
wortten  paulj :  Nolum[u]s  vos  ignor'  de  domientib[u]8.  aufF  ein  viertel 
einer  stund.  Dorinnen  icb  auch  meldet.  wie  das  unsser  lieber  alttcr 
herr  vn  vater  nit  gstorben  war  |  wie  andere  |  die  der  seligkeit  kein 
boffnung  nit  haben.  sond.  er  war  entsehlaffen  mit  Cbristo  |  vnd  ytzt 
pej  im  I  im  ewigen  leben.  des  war  kein  tzweiffel  nit.  vnd  anders 
mer.  Und  als  mich  doch  zuletzt  das  wainen  anderer  auch  beweget 
wurd  icb  auch  mit  waineuden  wainendr. 

Als  solcbe  admonicion  aus  wardt  |  befalh  ich  man  sollte  inen 
bineinlegen.  do  sprach  ich :  Memento  homo  q[uijcinis  es  .  .  .  in  cine- 
rem  reverter[i8]  |  lateinisch. 

do  ward  er  gelegt  in  ein  grab  |  dorinne  vormals  sein  schwester  \ 
mit  namen  Cecilia  gelegen  ward,  ein  Junkfraw  |  als  man  hat  zelt 
1.  4.  62  iar  |  aber  nun  erfault.     Seine  son  vorgemeltte.  vnd  sonder- 


142  Griebel,  Das  alteste  Kircbenbnch  Heroldsbergs. 


lich  der  Erbar  her  bans  Geuder  seiu  eltster  son  |  haben  im  ein  eer- 
lichs  begrebnus  (welche  er  im  vor  im  leben  erwelt  hat)  mit  einem 
koBtlichen  grabstein  (wie  vor  augen)  lassen  zurichten. 

Vnd  kost  solcher  grabsteiu  den  E.  hanssen  Geuder  nit  minder 
dan  pej   28  fl.  zu  graben  furen  pallirn  vnd  zu  legen. 

Solcher  stain  mitsambt  schilt  vnd  helm  ist  zur  linken  so  man 
erstlich  in  Ghor  der  Kirche  zum  horlsperg  geet.  dorzu  schreib  ich  im 
zu  eeren  dises  Epithaphm  hieher. 

Vive  deo  felix  anima.  hie  regesce  [requiesce]  corp[u]s 
Mox  aderit  q[ui]  vos  suscitet  atq[u]e  beet^). 

Nach  der  begrebnus  gieng  ydermau  zu  haus  haim  (das  ward 
ongeverlich  anderthalb  stunde  vor  nachts. 

Des  andern  tags  gab  man  yderman  (wer  nur  wolt  weins  vn 
proths  genug  zu  essen  do  ward  ein  grosse  antzall  von  altten  lenttcn 
vn  kindern  pey  der  pierelssen. 

Man  saget  auch  das  do  zu  mall  Juliana  des  altten  herren  ver- 
lassene  hausfraw  sich  so  kleinmiitig  vn  bekummert  gewesen  sei  von 
ires  herren  wegen  |  das  von  not  |  wegen  ir  son  der  E.  bans  Geuder 
pei  der  begrebnus  seines  vaters  nit  hat  konnen  entgegen  sein.  Er 
war  sonst  on  zweifell  nit  auspliben^. 

Der  Eindruck,  den  man  von  diesem  Bericht  gewinnt,  ist  gewifi 
der,  daft  man  in  ihm  ein  sebr  wertvolles  AktenstUck  aus  jener  Zeit 
besitzt,  wertvoll  in  kirchen-  wie  in  kulturhistorischer  Beziehung. 
Wir  ersehen  daraus  genau;  wie  damals,  also  in  der  ersten  Zeit  der 
Reformation,  eine  Beerdigungsfeier  gehalten  wurde,  wenigstens  wenn 
es  sich  um  Standespersonen  handelte^  und,  um  auch  Nebensachliches 
zu  bemerken,  dafl  man  damals  schon  den  Thomastag  in  Niirnberg 
sehr  frequent! ertO;  dafi  eine  Art  Leichenschmaus  stattfand  u.  dergl.  m. 
Doch  es  sei  genug.  Eine  ausfUhrlichere  Behandlung  dieses  Stoffes 
liegt  aui^er  dem  Eahmen  unserer  Aufgabe. 

Das  aber  wird  man  wohl  zugeben  mussen,  dafi  es  ein  sehr  in- 
teressantes  und  wichtiges  Buch  aus  der  FrUhlingszeit  der  Reformation 
ist;  jenes  alte  Kirchenbuch  Eyfilers,  und  dafi  wir  nicht  nur  uns 
freuen  diirfen,  dafi  es  durch  die  Stiirme  der  Jahrhunderte  bis  auf 
unsere  Zeit  hindurch  gerettet  wurde,  sondern  auch  heute  noch  dem 
Verfasser  danken  miissen^  dafi  er  sich  an  seine  Anlegung  gemacht  hat. 

Oben  wurde  gesagt,  bis  jetzt  babe  man  nichts  N^heres  Uber  das 
Leben  des  Mannes  erfahren  konnen,  der  gesorgt  hat,  dafi  es  uber 
andere  an  Notizen  bezuglich  ihrer  Person  nicht  fehle.  Vielleicht 
dafi  es  weiteren  Nachforschungen  uber  ihn  gelingt,  wie  bereits  be- 
merkt,  Aufschliisse  iiber  ihn  zu  geben.  Doch  dem  sei  wie  ihm  wolle. 
Sein  Buch  selber  lafit  durch  die  Zeilen  sein  Bild  hindurchblicken. 
Er  war  eine  fromme,  von  Liebe  zu  seineu  Mitmenschen  erfiillte,  fur 
deren  geistliches  und  leibliches  Wohl  besorgte  Seele;  dabei  imeigen- 

1)  von  beare  (beseligen). 


Wolff,  Pfarrbesoldnng  in  Schopflohe  auB  dem  Jahre  1522.       143 

niitzig  iind  gefUllig*  Er  besafioffenbar  ein  weiches  Gemiit,  und  nach 
allem,  was  wir  von  ihjn  gehbrt,  scheint  er  auch  in  geistiger  Beziehung 
nicbt  einer  der  Letzten  gewesen  zu  sein.  Wir  griifien  ibn  iiber  die 
Jabrhunderte  hinweg  und  sagen: 

Have  pia  et  Candida  anima! 


Pfarrbesoldung  in  Schopflohe  aus  dem  Jahre  1522. 

Miszelle. 

Von  Pfarrer  Wolff,  Scbopflohe, 

Die  alteste  geschriebeue  Pfarrbesoldung  fUr  Schopflohe  a.  Ries 
findet  sich  in  einer  Urkunde^)  ans  dem  Jahre  1522,  welche  der 
Magistrat  und  die  Spitalpfleger  zu  Dinkelsbuhl,  nachdem  ,.Babstlich 
jjHailligkayt  die  Pfarr  Sanct  Sixti  vnd  Benedicti  zu  Schopfloch  Tm 
^Kiefi  gelegeu;  Augspurger  Bisththnmbs,  vnserm  Spittal  hie  zu 
^Dinckelspuheln  Incorporieret",  ausgefertigt  haben  behufs  Festsetzung 
des  Pfarreinkommens,  sowie  Verteilung  der  Lasten  am  Pfarrhaus  und 
der  Verbindlichkeit  gegen  den  bischoflichen  Stuhl  zu  Augsburg. 

Nach  dieser  Urkunde  sollen  „dem  yetzigen  vnd  ainem  yeden 
^uacbkommendejn  Stetten  vnd  ewigen  vicar  werden .  vnd  aigentlich 
^veruolgen  wie  hernachuolgt,  Nemlich 

vfi  dem  widenhofe  zu  gedachtem  Schopfloch 
vier  guldin  wifigelts, 
vier  malter  Dinckels^ 

vier  malter   Haberns,    alles    Dinckelspuheler    mefi, 
der  Hewzehend  der  gross  Zehend  Aller  clainer  Zehendt, 
zway  Horbtsthonner, 
aiu  vasnachthennen^ 
Hundert  ayr. 

sechs  dinst  mit  wagen  vnd  pferden, 
In  Ettern  Alles  von  demselben  Widenhofe, 
vfi  ainera  Gutte  zu  Segloch 

dritthalben  Guldin  gelt; 
Ain  malter  Haberns, 
Hewzehenden  daselbs, 
zu    Segloch    der    clain    Zehend    zu    Segloch    die    vier    Opffer 

die  gestifften  JarttUg, 
die  behawftung  vnd  Gartten  zu  Schopfloch. 
Item  vnd  zway  malter  korns  vom  casten  oder  grossen  Zcheuden. 
Welches  alles  vff  anzaigen  vnd  darlegen  des  obgemelten  Herrn 
Johann  Hellers  (d.  i.  der  erste  von  Dinkelsbiihl  prUsentierte  Pfarrer) 
durch  den  Babstlichen  Comissarius  auf  das  negst  vnd  geringst  1st 
angeslageu,  funfftzig  guldiu  vnd  darob  One  all  Zufall  ertragen 

1)  Dlnkelsbtthler  Archiv,  Mappe  235  (alte  Nr.  415.  309). 


144  0.  Rieder,  Aub  historiBcbeD  Zeitschrifteh. 

mag,  Von  welchen  ain  Stetter  vicarixis  die  Kathedratus  Archidiaco- 
nalia^  den  dritten  tail  der  ersten  Frucht  fruntlich  hilflP  vnd  Stewer 
Auch  all  auder  Bischoflich  genant  vnd  vngenant  gerechtigkait 
tragen  mag."  —  —  Aiifierdem  wird  in  dieser  Urkunde  nocb  be- 
stimmt:  „So  offt  an  dem  Ffarrbawss  zu  gemeltem  Scbopfloch  not- 
turftige  gebew  vnd  Besserung  Sich  erbayschen  wurden,  daran  sollen 
vnd  wbllen  wir  ,  .  .  vnd  all  vnser  nacbkomen  Auch  an  den  ersten 
friicbten  zwien  tail,  vnd  ain  yeder  pfarrer  oder  vicar  den  dritten 
tail  geben  vnd  bezalen.  —  —  Montag  nach  AUerhaylligen  tag. 
Nach  vnsers  lieben  Herrn  geburt  funffzebenhundert  zwantzigst  vnnd 
zway  Jare." 

Kirchengeschichtliches 
in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammengesteHt  von 

0.  Bieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  Mtinchen. 
(Fortsetzung.) 

XYll.  Landsberger  Geschichtsblatter  fiir  Bezirk  und  Stadt, 

herausgegeben   von   J.  Job.  Scbober,   k.  Reallehrer  und  Stadarcbivar 

in  Landsberg.  ^) 

Jabrgang  1  und  2: 

1902. 

Merkwiirdige    Glocken    (mit    Abbildungen    von   Inscbriften    etc.,     in 

Epfenbausen    S.  2  —  4,     Ummendorf   S.  13  — 15,     Schwifting 

S.  33  f.). 
Eine  Wallfahrt   vor   400  Jahreu   (eines  Landsbergers   nach   S.  Jago 

de  Compostella  1499)  S.  21  f. 
Das  Wallfabrtsbild    in  Obermeitingen    (mit  Abbildung  desselben  und 

der  Ortscbaft)  S.  25  f. 
Stiftung  des  Ursulinnenklosters  zu  Landsberg  S.   53 — 55. 

1903. 

Das  Bauernjabr  am  Lecbrain  in  seinen  Festen  und  GebrSuchen  (nach 
Leoprecbting  u.  a.  gescbildert)  S.  1  f.,  7 — 10,  13—15,  17 — 19, 
26  f.,  34  f.,  41—43,  46  f.,  50—52,  58  f.,  62—65. 

Die  Blasiuskapelle  in  Egling  (mit  einer  merkwiirdigen  Glocke)  8.  5 — 7. 

1)  Im  Januar  1903  verwandelte  sich  der  bisherige  Museumsverein 
in  einen  historischen  Yerein  fiir  Stadt  und  Bezirk  Landsberg,  welcher 
sich  zur  Aufgabe  setzt,  aufier  der  Erweiterung  und  Vervollstandigung 
des  historischen  Museums  in  Schrift  und  Wort  zur  Hebung  der  heimat- 
lichen  Geschicbtsknnde  beizutragen.  Von  obiger  Publikation  erscheint 
jeden  Monat  eine  Nummer. 


Zur  BibliograpMe.  145 

Aus  den  Pfarrmatrikeln  der  Stadt  Landsberg  S.  11,  23  f.^  27  f.,  89  f., 

52  f,  59  f. 
Bitten  und  GebrsKuche:  Das  HaselnufilSuton  S.  12. 
Jesniten-  und  Jobanneskirche  zu  Xjandsberg  S.  66. 
Die  St.  Ulrichskapelle  bei  Eresing  S.  67. 


Zur  Bibliographie. 


*^ 


*Kadner,  S.,  Jahrbucb  fiir  die  evangeliscb-lutbcriscbe  Landeskircbe 

Bajerns.     6.  Jabrgang    1905.     Nordlingen.     C.   H.  Beckscbe 

Buchbandlung.  154  S.  geb.  1;20  Mk. 
Eadners  Jabrbucb  bedarf  keiner  Empfehlung  mehr.  Sein  Bedtirfnis 
ist  ISngst  anerkannt  und  sein  Erscheinen  wird  iiberali  in  der  Landes- 
kircbe mit  Frenden  begrttfit,  und  wer  die  einzelnen  Jahrgange  mit  ein- 
ander  vergleicht,  kann  leicht  bemerken^  dafi  der  Herausgeber  mit  Erfolg 
bemUbt  ist,  nach  Inhalt  und  Form  immer  Besseres  zu  bieten.  Soharfer 
als  friiher  bestimmt  er  sein  Programm:  „Au8  dem  Jahr,  aus  der  Gegen- 
wartsarbeit  herans  das  Jahrbucb !"  Damit  soil  das,  was  die  evangelische 
Kirche  in  Bayern  z.  Z.  besonders  bewegt  —  oder  aucb  bewegen  sollte, 
scharf  ins  Ange  gefaBt  und  aucb  fiir  spatere  Zeiten  als  Marksteine  ihrer 
inneren  und  auGeren  Entwieklung  festgehalten  werden.  So  verbreiten 
sicb  denn  aucb  mehrere  Aufsatze  fiber  allgemeine  religiose  und  theo- 
logische  Tagesfragen,  die  jetzt  mehr  als  friiher  anch  fUr  die  Laien  zu 
Fragen  geworden  sind,  z.  B.:  F.  Braun,  nOffenbarung  oder  Evolution**, 
S.  Iff.  W.  Lotz,  „Der  Sonntag  der  Cbristenheit,  der  Sabbat  Israels 
und  der  monatliobe  BuBtag  der  Babylonier^,  S.  9ff.  S.  Kadner,  „Der 
konfessionelle  Streit  und  Jesus**,  S.  46ff.  etc.  Andere  greifen  speziell  in 
das  Leben  der  bayeriscben  Landeskircbe  ein,  so  der  Art.  von  Scboller, 
„C^ber  die  innere  Mission  in  Bayern",  der  wiederum  sehr  reichbaltige  und 
belehrende  Aufsatz  von  Stein lein  „t}ber  die  kirchenpolitische  Lage*, 
undHaufileiter,  nMitteilungen  aus  dem  Pfarrverein^  der  iibrigens  wobl 
in  der  Meinung,  daB  die  meisten,  was  bei  den  Laien  doch  eben  nicht 
zutrifft,  die  Arbeit  des  Pfarrvereins  scbon  kennen,  weniger  bringt,  als 
man  wiinschen  m6cbte;  ferner  der  scbbne^  im  Anhang  sicb  findende  Auf- 
satz von  Emma  Seifert:  „t)ber  das  Jubilaum  der  Neuendettelsaner 
Anstalten"  nnd  nicbt  zuletzt  H.  Schott,  „Gedanken  eines  Laien  znr  der- 
zeitigen  Praxis  des  Praparanden-  und  Konfirmandenunterricbts**.  Die 
Anslassungen  des  letztgenannten  Yerfassers  werden  kaum  in  alien  Punkten 
Zustimmungfindenj  und  ich  kann  den  Yorscblag,  die  Gymnasiasten  soUtenden 
Konfirmandennnterricbt  durch  ibre  Beligionslebrer  erhalten,  nicht  glUck- 
licb  finden.  M.  E.  sollte  dieser  Unterricht  immer  von  denen  gegeben 
werden,  die  die  Kinder  konfirmieren  und,  wennm()glieh»  immer  von  ander  en, 
als  deren  Unterricht  sie  bisher  genossen  baben ,  denn  er  soil  etwas  Be- 
sonderes  sein.  Der  von  mir  durcbaus  geteilte  Wunsch  des  Verf.,  Ab- 
sehaffnng  des  vcSliig  unnotigen,  nicht  selten  znr  religi5sen  Erschlaffung 
fiibrenden,  von  Eindem,  Eltem  und  Lebrern  als  Last  empfnndenen  Prapa- 
randennnterrichts ,  wird  wohl  nocb  lange  ein  frommer  Wunsch  bleiben, 
weil  dabei,  was  der  Verf.  nicht  in  Betracht  gezogen  hat,  in  den  Stadten 
wenigstens  auch  dieleidigeGeldfrage  wiedermitspielt.  Aberwie  man  aucb  im 

■  ti»  ■■  ■  ■ — . — 

*)  Die  mit  *  versebenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Scbriften  werden  erbeten  behufa  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  JungeinErlangen. 

Beitrage  zur  bayer.  Kirohengeschichte  XI.  3.  10 


146  Zur  Bibiiographie. 

einzelnen  darUber  denken  mag,  so  ist  es  doch  hocberfreulich ,  daB  die 
sog.  Laien  mit  ihren  kircblichen  Sorgen  und  Wttnscben,  deren  sie  mebr 
baben,  als  viele  Geistlicbe  abnen,  etwas  bervortretcu,  und  es  ware  sehr 
wilnscbenswert  gewesen,  wennsie  gerade  in  diesem  Jabrbuch  angesichts 
der  kommenden  Generalsynode  in  besonderen  Artikcln  ihre  daranf  be- 
zUglichen  WUnscbe  recht  deutlicb  ausgesprocben  biitten.  —  Yon  den 
anderen  Artikeln^  die  alle  aufznzliblen  zu  weit  fUbren  wUrde,  mocbte  ich 
noch  besonders  den  schSnen  Aufsatz  von  S.  Gttntber,  iiber  Pbilipp 
Appian  erwabnen.  Und  solcbe  Aufsatze,  die  der  Gegenwart  die  Yer- 
gangenbeit  als  Spiegel  yorbaiten,  mOchten  wir  ancb  ferner  nicht  ent- 
bebren.  — 

*Har  tm  an  n ,  Dr.  Karl,  Der  Prozefi  gegen  die  protestantischen  Landes* 
stSndein  Bayern  nnter  Herzog  Albrecht  V.,  1564.  Mtiucben  1904.  ' 
Verlagsanstalt  vorm.  G.  J.  Manz.     270  S.     3  Mk.. 

Der  fraglicheGegenstand  ist  schon  baufig  eingebend  untersucbt  worden. 
Gleicbwohl  bat  der  Yerf.  mit  Recbt  eine  nene  Durcbforscbung  des  reicben 
Aktenmaterials  vorgenommen  und  bat  mit  groBem  FleiB  nicbt  unwicbtige 
neue  Quellenstucke  ans  Tageslicbt  gebracbt,  was  gerne  anerkannt  werden 
soil.  Namentlicb  ist  es  ibm  zu  danken,  daB  er  aus  der  inkriminierten, 
in  Mattigkofen  aufgefundenen  Briefliteratur  reicbe  AuszUge  mitteilt  und 
das  ist  nm  so  mebr  zn  begrilBen,  als  wir,  obwohl  oder  vielleicbt  gerade 
well  der  Yerf.  nur  die  von  ibm  als  fur  die  angeklagten  Adligen  belastend 
angesebenen  Brucbstttcke  mitteilt,  jetzt  einen  klareren  Einblick  in  die  Yer- 
baltoisse  erbalten,  besonders  aber  die  evangclischen  Adligen,  denen  ibr 
evaugeliscbes  Bekenntnis  liber  alles  gebt,  in  der  Tat  nacb  meiner  Auf- 
fassung  in  viel  besserem  Licbte  crscheinen,  als  man  nacb  den  bisber  be- 
kannten  Quellen  annebmen  durfte.  AUerdings  der  Yerf.  urteilt  anders. 
Fttr  ihn  ist  der  Hocbverrat,  eine  wirklicbe  VerschwSrung,  die  Majestats- 
beleidigung,  ja  isogar  der  Plan,  mit  Eilfe  Wilhelms  von  Grumbacb  zum 
Ziele  zu  kommen,  nunmebr  erwifsen.  Das  ist  freilicb  nur  moglicb,  weil 
ibm  die  gerade  fiir  die  Darstellung  und  Beurteilung  dieser,  fiir  die  ge- 
samte  iiinere  Entwicklung  Bayerns  so  wicbtigen  Episode  besonders  not- 
wendige  ObjekHvitat  und  Rube  feblt.  Ein  bier  und  da  fast  leidenscbaft- 
lieber  Konfessionalismus,  der  in  den  evangelischen  Standen  als  Bekennern 
einer  andern  Religion  als  der  vom  Landesfiirsten  vorgescbriebenen  sebon 
an  und  fiir  sicb  Aufriibrer  und  Rebellen  siebt,  laBt  ibn  zu  einer  vor- 
urteilsfreien  Ausntttzung  seiner  Quellen  nicbt  kommen.  FUr  den  Gewissens- 
standpnnkt  der  inkriminierten  Stande  feblt  ibm  jedes  Yerstandnis,  und 
man  gewinnt  scbon  auf  den  ersten  Seiten  den  bis  zum  SchluB  sicb  steigern- 
den  Eindruck,  d&Q  sein  Resnltat^  daB  man  es  wirklicb  mit  Hocbverratern 
zu  tun  bat,  ibm  von  vornherein  feststeht.  Nun  ist  das  Yerfabren  der 
A.  C.  Yerwandten,  obwobl  abnliches  auf  der  andern  Seite  oft  genug  aucb 
geUbt  worden  ist,  mittelst  des  Steuerbewilligungsrecbts  wpmoglich  nicbt 
nur  flir  sicb,  sondern  aucb  fiir  andere  die  freie  Austibung  der  evan- 
geliscben  Konfession  zu  erreicben,  nacb  unsern  heutigen  sittlicben  An- 
scbanungen  gewiB  nicbt  einwandfrei,  aucb  fanden  sicb  in  der  bescblag- 
nabmten  Korrespondenz  einige  recbt  scbarfe  Ausdrllcke  iiber  den  Herzog 
und  Seine  Rate,  die  freilicb  aus  der  bibliscben,  Spracbe  beurteilt  sein 
w.ollen,  aber  dem  Yerf.  ist  der  Yorwurf  nicht  zu  ersparen,  daB  er  sicb 
aucb  nirgends  bemiibt  bat,  das  ganze  Auftreten  zu  versteben  oder  nacb 
der  Zeit  zu  beurteilen.  Das  bezieht  sicb'  nicht  nur  auf  die  religiose 
Fragei  hinsiehtlicb  deren  der  Yerf.,  was  ich  von  seinem  Standpunkte  aus 
begreife,  nie  zugeben  wird,  daB  es  Gewissenspfiicht  sein  konnte,  wider 
das.Reformationsrecbt  desFUrsten  sicb  aufznlebueD,  obwohl  das  tatsacblich 
nicht  gescbab,  sondern  nicbt  minder  auf  die  politische  Seite  der  ganzen. 


Zur  Bibliographie.  147 

Angelegenbeit.  Dem  Verf.  steht  vod  vornherein  fest,  dafi  die  betn 
Stande  aacb  der  Graf  von  Ortenburg  und  der  Herr  von  Maxelrain  einfach 
als  Untertanen  des  Herzogs  anzusehen  sind.  Er  vergiBt  ferner  in  Rech-> 
nnng  zu  Ziehen,  da6  die  beiden  Parteien  iiber  die  Frage  nach  den  Grenzen 
der  Landeshoheit  des  Herzogs  und  des  Kechtes  der  Stande,  sich  znr  Er- 
reichnng  ihrer  Zwecke  zusammenzuschlieBeny  piinzipiell  auseinander  gingen 
(ygl.  S.  222).  Man  soUte  es  auch  nicht  mehr  betonen  miissen,  dafi  noch 
wabrend  des  ganzen  Jahrhunderts  das  Verbaltnis  der  Stande  zum  FUrsten 
vice  versa  vor  alien  iiber  die  Grenzen  der  Selbstandigkeit  der  innerhalb 
des  bayerischen  Gebietes  angesessenen  Reich sritterschaft  ein  unklares, 
von  beiden  Seiten  sehr  verschieden  aufgefaBtes  war.  M.  E»  ist  der  ganze 
ReligionsprozeiB  nnr  richtig  zu  wUrdigen,  wenn  man  ihn  auch  unter  dem 
Gesichtspunkte  eines  neuen  YorstoBes  der  Filrstengewalt  gegeniiber  der 
standischen  Freiheiten  und  des  erneuten  Versnehes,  die  reichsstandsichen 
Enkiaven  unter  die  herzogliche  Gewalt  zu  bringen,  auffafit.  Davon  ist 
der  ganze  Handel  mit  Ortenburg,  aber  auch  mit  Maxelrain  ein  deutlicher 
Beweis.  Und  nun  die  Quellenbebandlung!  Was  der  Herzog  und  seine 
Rate  behaupten,  was  der  Kronzeuge  Hager,  der  frUhere  Sekretar  des 
Ortenburgers  an  Anklagen  vorbringt,  entspricht  immer  den  Tatsachen 
(S.  47  etc.),  was  die  Angeklagten  aussagen,  ist  im  besten  Falle  der  Ver- 
such  sich  herauszureden.  Mehrfach  wird  be  tout,  dafi  der  Graf  von  Orten- 
burg, obwohl  er  am  5.  Juni  1551  vom  Kaiser  belehnt  war  (S.  31),  well 
seine  Reichsunmittelbarkeit  von  Bayern  angefochten  worden,  nichts  dafiir 
Prajudizierliches  wie  die  Einftihrung  der  Augsburgischen  Konfession  vor 
Austrag  des  Prozesses  hStte  vornehmen  dtirfen.  Wepn  das  damals  schon 
allgemein  geltendes  Recht  war,  dann  hatte  aber  doch  fur  Albrecbt  die- 
selbe  Verpflichtung  gegolten,  was  aber,  well  es  gilt,  den  Grafen  ins  Un- 
recht  zu  setzen,  nicht  behauptet  wird.  Die  angeblichen  Aufierungen  der 
Protestanten  wahrend  des  Landtags  von  1563  werden  einfach  als  erwiesen 
angenommen.  Es  fehlt  jede  Untcrsuchung  iiber  ihre  Entstehung,  anBer 
der  kurzen  Bemerknng  auf  S.  16,  aus  der  gar  nicht  hervorgeht,  daB 
die  vorher  mitgeteilten  Reden  auf  einer  Denunziation  beruhen,  und  Riez- 
ler  IV,  S.  525  spricht  von  einem  „geheimen  Bericht**,  wahrend  Freyberg, 
Gesch.  d.  bair.  Landstande  H,  352  den  Herzog  Eundschaft  einzieben  lafit. 
Erst  hinterdrein  (im  Anhang)  bei  Gelegenheit  der  Invektiven  gegen 
K.  Pregers  Schrift  iiber  Pankraz  von  Freyberg,  welcher  Autor  die  Anklagen 
als  iibelwoUenden  Elatsch  bezeichnet  hatte,  wird  gesagt,  d&Q  „die  meisten 
derselben  durch  Zeugen,  so  durch  den  Yitztum  Haslang,  durch  den  Depu- 
tierten  Georg  Schober  von  Ingolstadt  und  durch  andere  bekundet  sind". 
(S.  257.)  Aber  gerade  hier  als  dem  offiziellen  Ausgangspunkte  des  Pro- 
zesses, wenn  auch  nicht  seiner  eigentlichen  Ursache,  ware  eine  genaue 
Untersuchung  sehr  notwendig.  Wie  kam  man  denn  dazu,  Uberhaupt  die 
Nachforschungen  nach  den  Reden  der  protestantischen  Stande  anstellen 
zu  lassen?  Wie  mir  scheint,  weil  man  absolut,  um  die  unbequemen  Stande 
unterdriicken  zu  konnen,  einKomplott  babenwollte.  !Nur  so  erklart  sich, 
daB  der  Bericht  nach  Riezler  S.  525  „zugab,  daB  ein  Einverstandnis  der 
Opposition  mit  Auswartigen  nicht  nachgewiesen  werden  konne*'.  Man 
hat  also  von  vornherein  diese  Anklage  erhoben,  noch  ehe  ttberhaupt 
Material  zu  einer  Anklage  vorlag.  Doch  das  Einzelne  kann  hier  nicht 
erQrtert  werden.  Nur  ist  noch  hervorzuheben,  daO  mit  der  schwachste 
Punkt  der  Beweisfuhrung  der  Versuch  ist,  aus  den  Fluchtversuchen  der 
Angeklagten  auf  ihre  Schuld  zu  schlie^en.  In  der  Tat  bei  der  damaligen 
Jnstiz,  in  die  der  Herzog,  der  angebjich  Beleidigte,  fortwahrend  selbst 
eingriff,  muBte  jeder  das  Schlimmste  fiirchten,  wenn  er  ttberhaupt  mit 
ihr  in  Beriihrung  kam.  Mit  welcher  Brutalitat  schleppte  man  den  Maxel- 
rainer  nachMunchen!  „Ichbin  wohl  begrundet,  schrieb  der  edle  Freyberg, 

10* 


148  ^u^  Bibliogmphie. 

wo  eioe  Gewalt  nicbt  vor  dem  Eechte  wirkt^,  (8.  123),  aber  sehr  bald 
mufite  er  wie  die  anderen  einseben,  dafi  bier  allerdings  Gewalt  vor  Recbt 
ging  und  der  Herzog,  dessen  Bild  gegen  die  Meinung  des  Yerf.s  Dicbt 
gerade  gewinnt,  sebr  bestimmte  Zwecke  verfolgte,  nicbt  biofi  sein  Land 
vor  dem  Latbertum  zii  bewabren,  sondern  die  OppoBition  gegeii  die  zu- 
neb'mende  Steoerlast  mundtot  zu  macben  und  durcb  scbarfere  LehenB- 
verpflicbtungen,  das  ist  sb  ziemlicb  bei  alien  das  greifbare  Resultat,  seine 
Macht  zu  stiirken.  Und  was  die  angeblicb  auf  alien  Punkten  eiwiesene 
Schuld  der  evangeliscben  Stande  angebt,  fUr  die  sogar  eine  brief  Hebe 
Aussage  des  Jesuiten  Canisius  ins  Feld  geftihrt  wird,  so  wird  es  nach 
den  neoen  Qaellen  erst  recbt  bei  dem  Uiteil  bleiben  miissen,  welches 
Biezler,  Gescbicbte  Bayerns  lY.  530  zum  Bedauem  des  Yerf.s  (S.  228 f.) 
festgelegt  bat.  Endlicb  muQ  das  SelbstbewnOtsein,  mit  dem  der  jugend-> 
licbe  Yerf.  uber  die  friiheren  Bearbeitungen,  namentlich  tiber  K.  Pregers 
Studie  fiber.  Pankraz  von  Freiburg  (Scbriften  des  Yer.  f.  Ref.  Geecb. 
Nr.  40)  herfallt,  zum  mindesten  als  nicbt  gerecbtfertigt  bezeicbnet  werden. 

*Clemen,  O.     Ein    Brief   des  Urbamis   Rhegius.     Ztscbr.    d,  hist. 
Ver.  f.  Niedersachsen.     Jahrg.  1904.     S.  371. 
Entbalt  einen  kommentierten,    bisher   unbekannten  Brief  des  Urban 
Rhegius  an  Job.  Lang  in  Erfurt,  d.d.  Celle.    14.  Jul!  1538. 

*Clemen,  0.     Hieronymus    Schencks   von  Sumawe   „Kinderzucht". 

Mitteilungen    der   Gesellschaft    fur    deutsche    Erziehungs-    und 

Schulgeschichte  XIY.  (1904.)     4.  Heft.     S.  218ff. 

Eingehender  Bericht  fiber  die  bisher  unbekannte  Schrift  des  frltnkischen 

Humanisten  H.  Schenck  von  Sumawe :  „Ein  newes  vnd  hubscbes  bucblein 

kinderzttcbte  genant,  darjnne  ein  itzlicber  vntterricht  wird,  wie  er  jm  einen 

elichen  gemahel  sucben,  wie  er  in  der  ee  leben  vnd  wie  er  sein  kinder 

zu  guten  tugend  ziben  solle.    Wirtzburg  1602*^, 

Wrede,  A.  Urbanns  Rhegius  zu  Hall  im  Inntal.  Ztschr.  d.  hist. 
Yer.  f.  Niedersachsen   1904.     1.  Heft. 

Ley,  Hans.  Die  literarische  Tatigkeit  der  Lady  Craven,  der  letzten 
Markgriifin  von  Ansbach  und  Bayreuth.    Erlangen   1904.  Diss. 

Diir rwHchter,  A.  Christoph  Gewold  [geb.  10.  Okt.  1556  in  Am- 
berg,  f  17.  Juni  1621  in  Ingolstadt].  Ein  Beitrag  zur  Ge- 
lebrtengeschichte  der  Gegenreformatiou  und  zur  Gescbicbte  des 
Kampfes  um  die  pfUlzische  Kur.    Freiburg  in  Breisgau  1904. 

A.  Schonbach.    Das  Wirken  Bertholds  von  Regensburg   gegen  die 
Ketzer.      (Studien    zur    Gescbicbte    der    altdeutscben    Predigt. 
Drittes  Stuck.)     Sitzungsber.  d.  Wiener  Akademie  der  Wissen 
sehaften.    Bd.   147.     (1904). 

•Krebs,  Rich.  Die  Weislumer  des  Gotteshauses  und  der  Gotteshaus- 
leute  von  Amorbach.  Alemannia.  Neue  Folge  Bd.  3  S.  106ff. 
und  Bd.  4  S.  193ff. 

Schott,  Th.  Die  evangelische  Kirche  zum  hi.  Kreuz,  ein  Gedenk- 
blatt.  (51  S.  m.  Abbilduugen  u.  1  Tafel.)  gr.  8.  Augsburg. 
S.  A.  Schlosser.     1803.     M.  —,75. 

Meyer,  Dr.  Chr.  Chronik  der  Stadt  WeiSenburg  i.  B.  MUnchen 
1904.     gr.  8.     58  S. 


Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

Von  D.  Th.  Kolde. 

(Scblufi.) 

Aber  auch  die  Satire  hatte  sich  des  Falles  bemachtigt, 
Etwa  14  Tage  nach  der  Ingolstadter  Disputation  erschien  mit 
dem  angeblichen  Druckort  Miinchen  ui)ter  dem  Titel  Acta  con- 
cilii  etc.  ^)  im  Latein  und  Ton  der  epistolae  obscurorum  virorum 
eine  bittei'b5se  Spottschrift  gegen  die  Ingolstadter  Gelehrten. 
Der  Verfasser,  der  oflfenbar  mit  den  Verhaltnissen  an  der 
Universitat  und  im  ganzen  Lande  sehr  vertraut  ist^  giebt  sich 
den  Namen  C.  Emilius  Landspergius,  und  da  er  ziemlich  un- 
vermittelt  den  Miinchener  Minoritenguardian  Kaspar  Schatzgeyer 
mit  hineinzieht,  wjrd  man  ihn  vielleicht  unter  dessen  literari- 
schen  Gegnem  suchen  miissen.  Doch  laCt  sich,  da  jede  weitere 
Spur  fehlt,  zurzeit  etwas  Bestimmtes  nicht  feststellen  ^).    In 

1)  Acta  Goncilij  Doctorum  Uniuer-/sitati8  Ingolstadien.  celebrati, 
super  de-/cem  septem  Articulos  hereticales  Lu/theranos,  quos  tenuit  ma- 
gister/Arsathis  Sehofer  cum  no-/mine  de  Monaco.  An-/no  dni.  1523./  Cum 
gratia  et  priuilegio  Uniuersitatis/Ingolstadieusis,  quod  nemo  debet  illam 
materiam  impri/mere  in  eorum  ciuitate  diu,  et  nisi  post  decern  annos/ 
et  qui  Yult  legere  istam  materiam,  debet  cum  matu-/ritate  facere,  quia 
de  misticis  fid.ei,  que  conclusemnt/magistri  nostri  in  Concilio  predicto, 
tractat./  M.  D.  xiiij./  Am  SchlnO :  Impressum  Monaci  per  industrium  virum 
Johannem  Schob-/ser,  ciue  illic.  Expensis  Ingolstadien.  pro  honore  alme 
Dni/versitatis'^t  magistrorum  nostrorum.  Correctore  doctissimo  viro  pa/tre, 
domino  fratre  Casparo  Schatzgeyro,  ordinis  sanctissimorti  /  fratrum  Mino- 
rum  discalciatorum.  Dictatore  ter.  Imperatore  qua/ter.  Censore  semel. 
Anno  M.  D.  xiiij.  i  Marcij  Indictione.  XL  ho/ra  xij.  in  nocte  post  Galli 
cantnm,  minuto  primo./  18  Bl.  Kgl.  Bibl.  in  Berlin. 

^  Meine  friiher  (G6tt.  Gel.  Anz.  1902  S.  760)  ausgesprochene  Ver- 
mutnng,  der  Verfasser  k5nnte,  zumal  er  von  Augsburg  geschrieben  liaben 
will,  trotz  des  Yornamens  Emilius,  den  er  sich  gibt,  identiscb  sein  mit 
demEarmeliter  JohannLandsperger  in  Augsburg  (vgl.  M.  Martin,  Johann 


150  Eolde,  Arsacius  Seehofer  and  Argula  von  Grumbach. 

seinem  von  Augsburg  am  29.  Sept.  1523  (zuruck)datierten 
Widmungsbriefe   an  Wolfgang   Cappelmeyer^),    den    Miinchner 

Landtsperger,  Augsburg  1902,  S.  23  ff.),  scheint  mir  nach  eingehenderer  Be- 
schaftiguDg  mit  der  Satire  jetzt  selbst  auwahrscheinlich^  da  der  Karmeliter 
schon  1487  in  Ingolstadt  stndierte,  darnm  kaum  mit  den  damaligen  Ver- 
hlkltuissen  so  vertraut  sein  konnte,  wie  der  Verfasser  offenbar  ist.  Will 
man  ihn  In  Augsburg  suchen,  so  k5nnte  man  an  Jakob  Dachser  oder 
Rhegius  denken.  Fiir  den  ersteren  sprache  nur,  dafi  er  vor  kurzem  in 
Ingolstadt  gemafiregelt  worden  war,  und  gegen  Rhegius,  dem  man  die 
Satire  wohl  zutrauen  kSnnte,  scheint  zu  sprechen,  dafi  er  Eiemlich  zu 
gleicher  Zeit  als  Stratus  Engedinus  auftrat  and  seine  Verteidigung  der 
17  Art.  da  eine  andere  ist,  als  in  den  Acta  concilii.  Nicht  nnmoglich 
ware,  d&Q  Osiander  dahinter  steckte,  aber  mehr  als  eine  Yermutung  soil 
das  nicht  sein. 

1)  C.  Emilius  Landspergius  R.  patri,  fratri,  viro  domino  Vuolff- 
gangiolo,  Oapellamayorolo,  Augustiniolo,  heremitatolo  sacre  theologiae 
dootorculo  suo  Gharitatissimo  amiculo.  —  W.  Ostermeyer  yulgo  Cappel- 
meyer  bezog,  damals  schon  Augnstiner,  die  Universitat  Wittenberg  als- 
bald  bei  ihrer  Grundung  im  Jahre  1502  (Alb.  Viteb.  ed.  Forstemann  S.  2), 
erwarb  sich  dort  die  akademischen  Grade  und  las  als  Inhaber  des  einen 
der  auf  das  AugustinBrkloster  gestifteten  Lehrstuhle  im  Jabre  1507  in  morali 
philosophia  (vgl.  Strobel,  Neue  Beitr.  zur  Literatur,  2.  St.  S.  59  ff.)  und 
woi'de  am  20.  Aug.  1509  Dr.  theol.  (Forstemann  lib.  Dec.  S.  5).  Im 
Dekanatsbuch  der  theol.  Fakultat  wird  er  im  Jahre  1510  zum  letztenmal 
als  einer  der  Galli  bei  der  Promotion  Garlstadts  erwabnt.  Obwohl  er 
alter  als  Luther  und  diesem  in  den  akademischen  Graden  voraus  war> 
wird  es  doch  zuviel  gesagt  sein,  wenn  Easpar  Bruschius  (bei  J.  Wolf, 
lectionum  memorabilium.  Lauingen  1600,  S.  576)  ihn  praeceptor  M.  Lutheri 
nennt.  Wann  er  wieder  nach  Miinchen  gekommen  ist,  kann  ich  nicht  an- 
geben.  Doch  ist  er  zweifellos  identisch  mit  dem  von  Geisz  (DieReihen- 
folge  der  Pfarr-  and  Ordensvorstande  MUnchens,  Oberbayr.  Arch.  Bd.  XXI, 
S.  17)  fUr  1623  nachgewieseneu  Dr.  Wolfgang  August!  (sc.  Augustinensis) 
und  mit  dem  Prior,  an  den  die  Einladungen  des  Wenceslaus  Link  zu  dem  an 
Pfingsten  abzuhaltenden  Ordenskapitel  erging  (vgl.  M.  Martin,  Zur 
Gesch.  des  Mttnchner  Augustinerklosters,  Beitrage  Bd.  VIII,  215.  Joh. 
Eck  gab  nach  seinem  Tode  (f  28.  Jan.  1531)  von  ihm  heraus:  «An- 
zeigung  was  set  das  war  christenlich  und  lebendig  Evangelium  unsers 
Herrn  Jesu  Christi.  Durch  D.  Wolfgang  Coppelmair,  weyland  Prior  und 
Predikant  im  Augustinerkloster  zu  Miinchen  1538*'  und  bemerkte  spater 
zam  Art.  IX  (de  auctoritate  ecclesiae)  des  Regensburger  Buches  vom 
Jahre  1541:  De  quo  egregie  prae  ceteris  Yuolfgangas  Calpelmair,  Bava- 
rus,  olim  condiscipulus  Luteri,  qui  solus  sufficeret  ad  expugnandum 
errorem  adversariorum  literae  mortaae  incumbentium.  Bei  Hergang  d. 
Religionsgesprach  su  Regensburg.    Eassel  1858,  S.  116  Anm. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argnla  von  Grumbacb.  151 

m 

Augustinerprior,  spricht  der  Verfasser  sein  lebhaftes  Bedauern 
dariiber  aus,  daB  jener  nicht  bei  dem  Prozefi  gegen  Seehofer 
zugegen  gewesen  sei.  Die  Ingolstadter  batten  n^mlich  den 
Magister  nicht  iiberwinden  kdnnen,  da  er  die  Bibel  auswendig 
gewuCt  habe.  Wie  anders  wftre  das  verlaufen,  wenn  Cappel- 
raeyer  zur  Stelle  gewesen,  der  doch  erst  im  Februar  seinen 
ketzerischen  Prediger  besiegt  und  ihn  dem  weltlichen  Arm  zur 
Totung  uberliefert  habe^).  Dann  wird  in  phantasievoUer  Weise 
als  Neuigkeit  liber  Seehofers  Abschworung  berichtet,  der  der 
Verfasser  als  Augen-  und  Ohrenzeuge  beigewohnt  haben  will. 
Um  nun  zu  zeigen,  wie  die  Verurteilung  zustande  ge- 
kommen  ist,  gibt  der  Verfasser  von  den  einzelnen  Akten  und 
Vorberatungen  eine  Beschreibung,  die  an  Verh5hnung  und 
drastischer  Zeichnung  der  Unwissenheit  und  des  sittlichen 
Schmutzes,  so  wie  des  niedrigen.  Kulturzustandes  der  Ingolstadter 
Wiirdentrager  nichts  zu  wiinschen  librig  laUt.  Da  die  Schrift 
auCerst  selten  und  so  gut  wie  unbekannt  ist^),  soil  hier  der 
Inhalt  kurz  zusammengefafit  werden. 

Zuerst  erlaCt  der  Universitatsnotar  Calixtus  Katzenbirn 
zur  Vorsicht  ein  Mandat,  in  dem  jede  StOrung  der  Verhandlungen 
durch  Husten  und  nnanstandige  Gerausche  mit  Strafe  bedroht, 
auch  ein  „lupus"  aufgestellt  wird,  der  jedes  deutsch  gespro- 
chene  Wort  aufschreiben  soil  sub  poena  trium  solidorum  cum 
pritschina  recipiendorum,  denn  besser  ist  schlechtes  Latein  als 
gutes  Deutsch.  Am  14.  August  findet  dann  in  templo  Bachi 
circa  domum  Leonardi  Dumer  eine  erste  Besprechung  statt,  an 
der  neben  dem  Notar  der  Kektor  Apell  und  die  beiden  Pedelle 
Eonrad  Feygenesel  und  Petrus  Backstock  teilnehmen.  In  be- 
weglichen  Worten  schildert  der  Rektor  die  schwierige  Lage. 
Kein  Mensch  woUe  mehr  seine  Vorlesungen  horen,  wahrend  zu 
Seehofer  die  Schuster  und  sonstige  Handwerker  stromten.  Letzt- 
hin  habe  er  liber  des  Scotus  Quodlibeta  iiber  Matthaus  lesen 
woUen,  aber  trotz  langen  Lautens  sei  niemand  gekommen.    Da 


1)  Vgl.  hierzu  oben  S.  101  Anna.  2. 

2)  Sie  fehlt  in  MUnchen  und  ist  vielleicht  nur  noch  in  Berlin  vor- 
handen.  Nachdem  die  Unsch.  Nachrichten  (Fortges.  Sammlungen  etc.) 
1732,  S.  20f.  kurz  daraufhingcwiesen haben,  hat  zueist  wieder  0.  Albrecht 
in  d.  Weim.  Lutherausgabe  15,  99  darauf  aufmerksam  gemacht. 


152  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

habe  er  sich  einen  Laienbruder  von  den  Franziskaneni  als 
Zahorer  geholt.  Der  habe  aber  von  Anfang  bis  zu  Ende  ge- 
schlafen  und  geschnarcht  und  sei  nicht  einmal  aufgewacht,  als 
er  aufgehort  habe:  „Also  mit  den  Monchen  ist  es  auch  jiichts''. 
Und  so  wie  ihm  ginge  es  alien  andern  auch:  „Wir  konnen 
uns  nicht  mehr  ernahren''.  Der  Notar  bestatigt  dies.  Das 
Neue  zieht  an,  und  die  neoterici  theologi  verkiinden,  wie  sie 
sagen,  das  Evangelium.  Da  fuhrt  Apell  auf:  Diese  Magister 
in  philosophia  haben  gar  kein  Recht,  theologische  Vorlesungen 
zu  halten.  Sie  vexieren  uns  mit  dera  Evangelium.  Was  heiBt 
Evangelium?  Das  verstehen  die  Dorfpfarrer  auch.  Deshalb 
ist  es  nichts  damit,  wenn  nicht  die  Theologie  dazu  kommt.  Und 
diese  durfen  nur  die  magistri  nostri  in  theologia  lesen.  Hierauf 
wird  eine  allgemeine  Universitatssynode  beschlossen. 

Auf  Ladung  erscheinen  am  22.  August  abends  9  Uhr  alle 
Wurdentrager  der  Universitat  in  der  Prauenkirche,  aber  der 
Rektor  laCt  sie,  weil  es  schon  Nacht  geworden  ist,  in  die 
Weinkneipe  des  Hans  Schober^)  holen  und  gibt  dem  Pedell 
den  Auftrag,  bei  dem  Wirte  einen  „guten  Schluck"  (bonum 
haustum)  und  kalte  Kliche  (frigidam  assaturam)  zu  bestellen. 
Da  man  hier  in  Sachen  des  Glaubens  und  der  Universitat  tage, 
soUe  die  Zeche  aus  dem  allgemeinen  Fiskus  bezahlt  werden. 
Nun  berichtet  der  Rektor  von  neuem  iiber  die  Not,  in  die  sie 
alle  gekommen  seien,  hat  er  doch  inzwischen  von  dem  Kalfakter 
gehort,  daB  der  Magister  Seehofer  sogar  deutsch  gelesen  habe 
und  daC  die  Leute  schon  sagten,  er  sei  gelehrter  als  alle 
andere  Menschen  in  der  Stadt  und  die  Magistri  nostri.  Hier 
galte  es  „Principiis  obsta",  deshalb  woUe  er  den  Rat  der  Kol- 
legen  horen.  Er  selbst  beweist  die  Tatsache,  daB  es  mit  dem 
Evangelium  nichts  sei,  und  daB  die  Behauptung,  man  diirfe  in 
der  Kirche  nichts  predigen  als  das  Evangelium,  falsch  ware,  mit 
einem  drastischen  Beispiel.   Wenn  die  Franziskaner  oder  gar  der 


1)  Das  wird  kein  fingierter  Name  sein.  Auf  dem  verhangnisyollen 
Ingolstadter  Landtag  von  1563  war  ein  Georg  Schober  Deputierter  von 
Ingolstadt  und  geh^rte  zu  den  Denunzlanten  gegen  die  evangelisch  ge- 
sinnten  Adligen.  Vgl.  K.  Hartmann,  Der  ProzeB  gegen  die  protestan- 
tischen  Landstande  in  Bayera  unter  Herzog  Albrecbt  von  1564,  Mtinchen 
1904,  S.  257. 


Kolde,  Arsaoius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbacb.  153 

f romme  Kaspar  Schatzgeyer  ^)  am  Kftse  betteln  gehen  und  dabei 
subtile  Fragen  aus  Skotus  oder  Metfret^)  vorbringen,  dann 
staunen  die  Bauern  liber  ihre  tiefe  Gelebrsamkeit  und  geben 
ihnen  gern  Ease  und  Wurste,  bringt  aber  jemand  das  Evan- 
gelium,  dann  gibt  niemand  etwas:  „Also  sind  diealten  Doktoren 
besser  als  das  Evangelium". 

Leonhard  Marstaller,  die  Zierde  der  Universitat,  soil  als 
erster  sein  Urteil  abgeben.  Aber  er  kann  vor  Trftnen  tiber 
die  MiCachtung  seiner  Vorlesungen  kaum  sprechen.  Der  Eektor 
ermahnt  ihn,  einen  guten  Schluck  zu  tun^).  Nun  flndet  er, 
daU  Seehofer  ein  Haretiker  ist,  weil  er  nach  der  Mitteilung 
eines  Busenfreundes  gesagt  haben  soil,  dafi  aucli  Laien  und 
Frauen  Theologen  sein  k5nnten.  Das  ist  aber  falsch  und 
haretisch,  denn  ein  Theologe  mufi  geweiht  sein,  was  bei  einer  ' 
Frau  nicht  moglich  ist*),  auBerdem  ist  eine  Frau  weiblicheu, 
ein  Theologe  aber  mannlichen  Geschlechts.  Entziickt  von 
dieser  Beweistuhrung  ermahnt  der  Rektor  den  Notar,  alles 
sorgfaltig  aufzuschreiben.  Dann  wendet  er  sich  an  Franziskus 
Burkhardt,  der  eigentlich  als  Jurista  und  Theologus  ein  Herma- 
phrodit  sei.  Dieser  will  nicht  viele  Worte  machen,  da  doch 
dabei  nicht  viel  zu  verdienen  sei,  weifi  aber  zu  berichten,  dafi 
er  im  Schlafe  jemanden  habe  sagen  horen,  daC  die  Heiligen 
und  Reliquien  nicht  angebetet  werden  diirfen.  Seine  Kochin 
habe  ihm  darauf  gesagt:  „Herr  Doktor,  ein  Engel  hat  mit  euch 
gesprochen,  weil  Seehofer  dies  vorgetragen  hat,  und  ich  glaube, 
dafi  es  ein  Orakel  war,  weil  ich  im  Bette  sehr  fromm  bin". 
Jene  Eede  ist  aber  haretisch,  weil  daraus  folgen  wiirde,  daB 


1)  tlber  diesen  eifrigen  BekSmpfer  der  lutherischen  Bewegung 
(t  18.  Sept.  1527)  vgl.  A.  v.  D  ruff  el,  Der  bayr.  Minorlt  der  Observanz 
Kaspar  Schatzgeyer  and  seine  Schriften.  Sitzungsber.  d.  phil.  u.  hist.  Elasse 
d.  bayr.  Ak.  d.  Wiss.  1890,  Bd.  II  3.  Heft  und  N.  Paul  us ,  Kaspar  Schatz- 
geyer, Freib.  1898. 

2)  Ygi.  tiber  dessen  umfangreiches,  viel  gebrauchtes  Predigtrepertorium 
Hortulus  reginae  mit  seiner  Fttlle  von  gelehrtem  Material  etc.  Cruel, 
Geschichte  der  deutschen  Predigt  im  Mittelalter,  Detmold  1878,  S.  486  ff. 

3)  Aufierdem  gibt  er  dem  Pedell  den  Auftrag:  Dicite  Coce  in 
coquina,  quod  det  magistro  mappam  ex  indusio  interiori  vel  qua  oUas 
mundat,  ut  magister  noster  tergat  oculos  post  fletum. 

4)  nisi  inferiuB  esset  clausa. 


154  Eolde»  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

der  Esel,  auf  dem  der  Herr  geritten  sei,  nicht  angebetet  werden 
dilrfe,  wfthrend  doch  die  Juden  ihm  grofie  Verelining  erwiesen 
und  Palmzweige  auf  selnen  Weg  gebreitet .  batten,  weil  er  den 
Herrn  trug,  damit  der  Esel  mit  Vergntigen  dartiber  hinschreiten 
konnte.  Deshalb  ist  er  wie  ein  Heiliger  zu  adorieren.  Apell 
bewundert  den  Geist  des  KoUegen,  macht  aber  noch  die  Gegen- 
bemerkung^):  Wie  denn,  wenn  der  Esel  die  Kleider  besudelt 
hatte?  Aber  Burkhardt  erwidert,  das  schadet  nichts,  es  sind 
doch  Reliquien  —  und  erhait  zur  Belohnung  einen  besseren 
Wein  vorgesetzt. 

Der  n^chste,  der  hochgelehrte  Georg  Hauer,  der  beriihmte 
Casuist,  zu  dem  die  Leute  von  auswarts  pilgern,  um  sich  von 
ihm  scbwierige  Falle  losen  zu  lassen,  legt  zunachst  den  KoUegen, 
um  die  Schwierigkeit  und  Tiefsinnigkeit  seiner  Studien  vor 
Augen  zu  fiihren,  einen  hochst  verzwickten  Fall  (perplexus 
caseus  (!))  vor:  Ein  Schiffer  band  seinen  Nachen  an  eine  Muhle. 
Der  Esel  des  MuUers  bestieg  den  Nachen,  dieser  15ste  sich  los, 
und  beide  gingen  zugrunde.  Die  Rechtsfrage  ist  nun  die,  ob 
der  Esel  das  Schiff  ertrankt  hat,  oder  das  Schiff  den  Esel. 
AUes  staunt  Man  begreift  nicht,  wie  ein  Mann,  der  sich  mit 
solchen  schwierigen  Problemen  beschaftigen  mu6,  iiberhaupt 
noch  schlafen  kann.  Eine  Antwort  weiB  keiner.  Man  verschiebt 
deshalb  die  Beratschlagung  fiber  den  schweren  Fall  auf  spatere 
Zeit.  Hauer  soil  einen  Becher  Weins  zu  sich  nehmen,  um  sein 
schwaches  Augenlicht  scharfsichtiger  zu  machen,  und  vorerst 
seine  Meinung  fiber  den  Ketzer  sagen.  In  Form  einer  Zote 
bringt  er  dann  auch  eine  ketzerische  Auslegung  des  allgemeinen 
Beichtgebotes  Innozenz  III.^)  vor,  die  Seehofer  nach  der  Mit- 
teilung  einer  der  Herzensfreunde  Hauers,  eines  Schusters,  „der 
selten  Iftgt",  vorgebracht  haben  solP): 


1)  Ego  etiam  interim  profunde  speculavi,  et  in  incidit  mihi  magnum 
dubium,  et  est  talc.  Quid  si  asinus  merdasset  super  vestimenta?  quid 
tunc  est?    Franciscus:  Nihil  non  nocent,  quia  sunt  reliquie  etc. 

2)  Es  ist  das  Dekret:  Omnis  utriusque  sexus  fidelis  etc.  beiMirbt, 
Quellen  zur  Geschichte  des  Papsttums.    2.  A.  Feb.  1901,  Nr.  223. 

8)  Quod  omnes  homines  debent  deo  tantum  confiteri  coram  crucifixo, 
praeter  illas  (!)  qui  habent  duo  membra  circa  genitalia,  quia  dicit  papa, 
quod   omnes  utriusque   sexus   debent  confiteri  presbytero  alii  non.    Sed 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  155 

Nun  kommt  die  Reihe  an  die  Mediziner.  Auch  sie  haben 
in  dieser  Glaubensfrage  zu  Ehren  der  Universitat  mitzusprechen, 
weil  die  Haresie  den  ganzen  Korper  inflziert,  und  der  Rektor 
ermachtigt  sie  ausdriicklich  dazu  im  Namen  Gottes  u.  s.  w.  und 
trinkt  ihnen  einen  guten  Schluck  vor  ob  der  alten  guten  Freund- 
schaft  mit  ihrer  Fakultat.  Dr.  Wolfgang  Peiser^)  findet  See- 
hofers  Haresie  darin,  dafi  er  unter  Berufung  auf  Paulus  die 
Unterscheidung  von  Tag  und  Tag,  Nacht  und  Nacht  geleugnet 
habe.  Das  ist  ketzerisch,  denn  der  Tag  ist  im  Sommer  langer, 
heller  und  warmer  als  im  Winter,  namentlich  wenn  in  der 
Nacht  kein  Schnee  da  ist.  Und  wenn  wir  alle  jedes  Fleisch 
essen  diirften,  dann  dlirften  die  Juden  auch  Schweinefleisch 
genielJen,  was  wider  das  alte  Gesetz  ware.  Endlich  hatte, 
wenn  wir  jeden  Tag  Fleisch  essen  diirften,  Gott  eine  Kreatur 
ganz  umsonst  geschaffen,  namlich  die  Fische.  Gott  schafft  aber 
nichts  umsonst,  und  wie  soUten  sich  die  Fischer  ernahren? 
Folglich  ist  Seehofer  ein  Haresiarch,  der  die  ganze  Welt  um- 
stiirzen  will. 

Vol!  Bewunderung  erklart  Apell,  das  sei  beim  heiligeu 
Gott  ein  Argument,  das  allein  gentige,  den  Angeklagten  zu 
verbrennen.  Er  ermuntert  den  Kollegen,  der  bisher  nur  einen 
kleinenund,,jumpferlichen  Zug"  (virgineumhaustum)  getan,  tiichtig 
zu  trinken,  denn  er  habe  es  verdient.  Noch  mehr  verspricht 
er  sich  von  Petrus  Burkhardt,  der  selbst  in  Wittenberg  ge- 
wesen  sei  und  alle  Geheimnisse  der  Ketzer  kenne*).     Wahr- 


hoc  est  hereticum  et  erroneum.  Probatur,  quia  quando  quia  confitetur  deo 
vel  crucifixo  et  babet  caseos  reservatos,  tunc  conscientia  sua  non  est 
quietus,  quia  nescit  utrum  deus  habet  auctoritatem  absolvendi  tales  caseos, 
et  nescit  etiam,  quid  debet  habere  pro  poenitentia)  quia  deus  nihil  dicit 
nee  imago,  sicut  ego  nuper  probavi  in  die  Pasce  apud  fratres  minores, 
quando  volui  communicare  iuxta  antiquam  consaetudinem.  Hi.  —  Sollte  eine 
solche  alte  Sitte,  vor  dem  Kruzifix  zu  beichten,  damals  noch  vorhanden 
gewesen  sein?  Uber  die  kath.  Beichtpraxis  bei  Beginn  der  Reformation 
vgl.  E.  Fischer,   Zur  Geschichte    der   ev.  Beicbte,  Leipzig  1902,    I.  Bd. 

1)  Peiser  war  damals  schon  ein  alter  Mann,  denn  er  war  seit  Okt. 
1483  Mitglied  der  Fakultat,  gait  ubrigens  als  tuchtiger  Arzt.  Er  starb  1526. 
Prantl  I,  76 f.,  196. 

2)  Peter  Burkhardt  aus  Ingolstadt  war  1497  Prof,  der  Medizin  in 
semer  Vaterstadt  geworden,   gab  jedoch  1504  diese  Stellung  auf,  nicht, 


156  Kolde,  Arsacias  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

scheinlich  war  es  nicht  unbekannt,  dafi  Burkhardt  eine  Zeit 
lang  ganz  auf  Luthers  Seite  gewesen  war  ^).  Denn  das  Pamphlet 
laBt  ihn  zogeni;  weil  er  Glied  der  Wittenberger  Universitat 
gewesen  sei,  darum  ihre  Ehre  suchen  miisse,  wie  er  auf  Szepter 
und  Matrikel  geschworen  habe.  Aber  der  Rektor  sucht  ihn 
zu  beschwichtigen.  Jener  Schwur  verbindet  nicht,  weil  es 
gegen  die  Ketzer  geht,  „und  wenn  Ihr  eine  kleine  Liige  tut, 
so  ist  es  eine  Pflichtliige  und  eine  lafiliche  Sunde,  die  mlissen 
wir  tun  aus  Liebe  zu  unserer  Universitat-  Und  wenn  Ihr 
morgen  zur  Frauenkirche  geht  und  Euch  mit  geweihtem  Wasser 
besprengt,  ist  die  Siinde  vergeben".  AUein  Burkhardt  will  von 
den  Leuten  Jenseits  des  Flusses"  schweigen.  Aber  gegen  den 
Haretiker  hier  in  Ingolstadt  selbst  will  auch  er  auftreten,  hat 
jener  doch  neulich  gegen  die  Verbindlichkeit  der  kirchlichen 
Fastengebote  gesprochen  und  das  Fasten  in  jedes  Belieben  ge- 
stellt.  Aber  das  ist  gegen  die  Mediziner,  die  den  Kranken  ge- 
bieten  zu  fasten,  und  gegen  die  Schrift  Sap.  20(!)  Plenus 
venter  non  studet  lib  enter  etc.  Deshalb  ad  patibulum  cumillo! 
Der  dritte  Arzt,  Panthaleon  Brunner,  betreibt  als  Spezialitat 
die  Krauterkunde  und  beschreibt  mit  zynischen  Worten  seinen 
Verkehr  mit  den  Krauterweibern  und  Hexen*).     Seehofers  un- 

wie  Prantl  I,  120.  197  angibt,  am  nach  Wittenberg  uberzusiedein,  sondern 
urn  in  Niiinberg,  dann  in  Ulm,  Begensburg  und  anderen  Stadten  zu  prak- 
tizieren,  wie  Christoph  Scheurl  in  seinem  Empfehlungsbriefe  am  17.  Sept. 
1518  an  Rektor  und  Senat  in  V^ittenberg  berichtet  (Scheurls  Briefbuch 
ed.  Soden  u.  Enaake  II,  49  f.),  und  feam  erst  um  diese  Zeit  nach  Witten- 
berg, wo  er  bis  Anfang  1521  blieb,  um  dann  nach  Ingolstadt  zurtickzu- 
kehren.  Dort  ist  er  am  30.  Marz  1526  gestorben,  was  anch  Spalatin  in 
seinem  Chronicon  (bei  Mencken,  scriptores  II,  656)  notiert  hat. 

1)  Luther  bezeichnete  ihn  1519  als  „frommen  Mann**  (De  Wette  I, 
321.  Vgl.  Scheurls  firiefb.  II,  96).  Zu  einem  ZusammenstoB  kam  es  dann 
.wegen  der  Stellung,  die  Burkhardt  als  Rektor  im  Jahre  1520  bei  einem 
Stndentenauflauf  eingenommen  hatte.  Vgl.  Enders,  Luthers  Brief wechsel 
II,  440. 

2)  Ego  resume  discipulis  meis  et  suppositis  vnam  special^m  etsub- 
tilem  materiam  in  medicinis,  scilicet  Herbarum  in  materna  lingua,  et  habeo 
etiam  seorsira  lectiones  pro  precio  suppositis  quibusdam  et  pre  omnibus 
illis  honesti's  matronis,  que  de  nocte  equitant  super  vnctum  baculum,  et 
qnando  dicunt  superius  ex,.et  nullibi  ad,  tunc  equitant  multa  miliaria  in 
vna  nocte.  Et  tales  matrone  veniunt  de  remotis  partibus  ad  me,  et  audiunt 
resumptionem  meam,  et  discunt  naturam  herbarum  et  lapidnm,  vt,  quando 


Eolde,  Arsacius  Seehofer  and  Argula  von  Grumbacb.  157 

erhorte  Reden,  meint  er,  wiirden  wohl  mit  Verdauungsbeschwerden 
zusammenhangen,  er  mttsse  daher  erst  sein  Wasser  untersuchen, 
urn  festzustellen,  ob  er  ein  Ketzer  sei  oder  nicht.  Ohne  das 
Ergebnis  abzuwarten  ^),  —  Brunner  erhalt  einstweilen  ein  Glas 
Marsala  vorgesetzt  —  fragt  der  Rektor  nunmehr  die  Artisten 
um  ihren  Rat.  Sie  sind  es,  von  denen  es  heiBt,  die  ^ersten 
veerden  die  letzten  sein,  und  die  letzten  die  ersten.  Denn  die 
Philosophie  ist  die  Wurzel  aller  Wissenschaft  von  der  Physik 
bis  zur  Theologie;  deshalb,  sagt  Apell,  seid  Ihr  gewissermaUen 
Gott,  Ihr  seid  Anfang  und  Ende,  das  A  und  das  0.  Ihr 
Fiihrer,  Anton  Braun,  ist  inzwischen  sehr  mftde  geworden  und 
mochte  lieber  schlafen,  aber  man  laCt  ihm  keine  Ruhe  und  er  er- 
klart  endlich  auch  seinen  Unwillen  iiber  Seehofer,  weil  dieser 
die  Scheidung  als  erlaubt  bezeichnet  babe,  was  die  alten  Vetteln 
begehrlich  mache,  wie  er  schon  bei  seiner  zahnlosen  Hausfrau, 
die  ihn  gern  zum  Manne  haben  mochte,  erfahren  habe.  Der 
letzte  endlich,  Johann  Schrotinger,  kann  kaum  mehr  sprechen 
und  flndet  selbst,  daB  er  ziemlich  betrunken  sei.  Der  Rektor 
trostet  ihn  aber,  daC  das  keine  Todsunde  sei,  wenn  man  sich 
nicht  erbricht,  und  nun  weiB  auch  er  eine  Anklage  gegen  den 
Magister,  namlich  daB  er  gelehrt  habe,  daB  Monche  und  Nonnen 
heiraten  diirften,  was  doch  unmoglich  sei,  da  sich  ja  die  Monche 
um  des  Himmelreichs  willen  verschnitten  haben  ^).  Nun  ist  der 
Rektor  befriedigt,  hat  er  doch  acht  Anklagepunkte  gegen  See- 
hofer. Es  wird  beschlossen,  an  einem  andern  Tage  weiter  zu 
verhandeln,  und  rait  einer  gemeinen  Bemerkung  entlaBt  das 
Haupt  der  Universitat  die  KoUegen  und  befiehlt  den  Pedellen, 
ihnen  heimzuleuchten^). 

Am  27.  August  versammeln  sich  die  Gelehrten  von  neuem 


est  necessitas,  sciant  applicare  activa  passivis   et  adducere  amasium  et 
amisiam  (!)  ad  inuicem  super  liircum. 

1)  An  einer  spateren  Stelle  wird  als  der  von  ihm  vorgebrachte  hareti- 
scheSatz  SeehofersbezeiiehnetiNemo  tenetur  ex  praecepto  divino  ieiunare. 

2)  Sed  hoc  est  impossibile,  quia  monacbi  non  habent  testicnlos,  quia 
castraverunt  se  propter  regnum  celorum  etc. 

,     3)  Domine  pedelie  recipite  laternam  et  praecedite  magistros  nostros 
et  doctores  praecellentes.    Si  aliquis  vellet  forsitan  sacrifieium  affere  Deae 
Cloacinae,  vel  pro  devotione  contemplare  in  templo  Veneris,  tunc  accen- 
.dite  lumeo,  nt  sciat  videre  quid  ibi  est. 


158  Kolde,  Arsaoins  Seehofer  und  Argula  von  Grambach. 

in  der  oberen  Stube  Hans  Schobers  hinter  dem  Ofen  zur  end- 
gttltigen  Verurteilung.  Da  alles  ordentlich  zugehen  soil,  wird 
beschlossen,  Seehofer  kommen  zu  lassen,  damit  er  die  ihm  vor- 
geworfenen  Artikel  anerkenne.  Wahrend  der  eine  Pedell  ihn 
abholt,  muB  der  andere  ein  gates  Friihstuck  besorgen.  Der 
Magiater  erscheint  nnd  der  Rektor  halt  ihm  vor  haereticalia, 
scandala,  frivola  et  piarum  aurium  offensiva  gelehrt  zu  haben. 
Wenn  er  sich  begnfigt  hatte,  den  Petrus  Hispanus  u.  s.  w.  zu 
erklftren,  wlirde  man  mit  ihm  zufrieden  sein,  aber  so  habe  er 
fremden  Acker  abgemaht  und  sich  mit  den  Geheimnissen  des 
Glaubens  beschaftigt,  die  fiir  ihij  als  Magister  zu  hoch  seien. 
Vergebens  sucht  Seehofer  sein  Recht,  in  Dingen  des  Glaubens 
auch  mitsprechen  zu  durfen,  wie  Argula  aus  der  Schrift  zu 
erweisen.  Der  Rektor  IftBt  die  acht  Vorwiirfe  seiner  Kollegen 
verlesen.  Seehofer  erwidert,  daU  die  inkriminierten  Satze  alle 
wahr  und  katholisch  seien,  und  erbietet  sich,  den  Beweis  dafilr 
aus  der  Schrift  zu  bringen.  Das  erklart  der  Rektor  ftir  un- 
moglich,  wenn  er  nicht  den  Teufel  bei  sich  habe,  da  sie  mit 
Skotus  und  den  anderen  Autoritaten  im  Widerspruch  standen. 
Nun  beginnt  Seehofer  seinen  Beweis  mit  einer  Menge  von 
Bibelstellen.  Aber  Apell  unterbricht  ihn:  „Ich  kann  eure  ver- 
fluchte  Rede  nicht  hSren,  weil  ihr  die  alten  Doktoren  und 
Heiligen  verachtet,  die  das  Evangelium  besser  kannten  als  ihr. 
Geht  hinaus,  daB  wir  Zeit  haben,  uns  zu  besprechen**,  Ebenso 
miissen  alle  Nichtstimmberechtigten  das  Zimmer  verlassen,  und 
die  Pedelle  haben  aufzumerken,  daB  niemand  in  der  Kuche  oder 
im  Kamin  borcht. 

Als  man  unter  sich  ist,  beginnt  Apell  mit  dem  Bekenntnis: 
„Ihr  seht,  daB  die  Lutheraner  alles  aus  der  Bibel  beweisen 
und  unter  uns  gesagt  (sub  rosa  loquendo),  wir  konnen  ihm 
nicht  widersprechen,  denn  es  gibt  Vieles  bei  Skotus  und  den 
heiligen  Doktoren,  was  nicht  aus  der  Bibel  erwiesen  werden 
kann.  Das  durfen  wir  aber  die  Bauern  nicht  wissen  lassen, 
die  schon  von  der  Argula  von  Stauff,  die  die  Bibel  auswendig 
kann,  gesagt  haben,  daB  sie  gelehrter  ist  als  wir,  was  aber 
nicht  wahr  ist,  denn  sie  ist  nicht  auf  der  Universitat  gewesen^)". 


1)  Ego  tamen timeo  quod scribit contra  nos,  tunc permerdaret nosdiabolus. 


Eolde,  ArsaoiuB  Seehofer  und  ArgulA  von  Grumbach.  159 

Aber  was  ist  zu  tun  ?  Der  Rektor  ist  ratios.  Der  Mensch,  sagt 
er,  spricht  viel  von  fides,  aber  ich  weiB  nicht,  was  fides  ist. 
Gestern  und  heute  habe  ich  im  Vocabularius  ex  quo^)  und  im 
Mamatrectus^)  danach  gesucht,  kann  aber  nichts  finden.  Auch 
der  Suffragan  von  Regensburg .  weiB  nicht,  was  fides  ist  und 
sagt,  daC  man  das  den  groBen  Hansen  fiberlassen  muB,  wie  er 
neulich  in  der  Stadt  Weiden  gepredigt  hat^).  Ich  woUte,  ich 
hatte  die  fides  (den  Kredit)  der  Fugger  in  Augsburg  statt  der 
theologischen  fides,  denn  ich  weiB  nicht,  was  ich  sagen  soil. 
Marstaller  weiB  auch  keinen  Rat:  „Mit  dem  Evangelium  ist 
dieser  Mensch  nicht  zu  besiegen,  und  eine  Bibel  habe  ich  nie- 
mals  gesehen.  Ja  wenn  noch  unser  Eck  da  wUre,  der  schriebe 
gleich  ein  Buch  gegen  ihn  „de  toto  et  totaliter"  und  disputierte 
mit  ihm  in  Leipzig  und  lieBe  uns  in  Frieden.  Vielleicht  konnte 
Brunner  den  Magister  durch  seine  Schiilerinnen  (die  Hexen) 
auf  einem  gesalbten  Stecken  oder  auf  einem  Bock  abflihren 
lassen,  oder  man  konnte  den  Franziskanerpater  Kaspar  Schatz- 
geyer  holen  lassen,  den  geistvoUen  Mann,  der  schon  Rat  wissen 


1)  Vocabularius  ex  quo  eio  viel  gebrauchtes  lateiniscbes  Vokabular, 
das  zuerst  1467  in  Eltville  erschien.  Ygl.  F.  A.  Eckstein,  Lateinischer 
und  griechischer  Untemcht.    Leipzig  1887,  S.  54. 

2)  Gemeint  ist  der  im  14.  Jahrhundert  von  dem  Franziskaner  Gio- 
vanni Marchesini  aus  Keggio  verfaftte  Mammotrectus,  „eine  Sammlung  yon 
grammatischen,  orthograpbischen,  exegetischen  und  anderen  Glossen  znm 
Yerstandnis  der  bibliscben  Sohriften."    Ebd.  S.  58. 

3)  Nee  suffraganius  Ratispo.  scit  quid  est  iides  sed  dicit,  quod 
magnis  Johannibus  est  committendum  scire,  quid  est  fides,  sicut  nuper 
praedicavit  in  opido  Weyden.  Gemeint  ist  der  Regensburger  Weihbischof 
oder  GeneraWikar  Peter  Erafft  (Deutsche  Stadtechroniken  15,  62),  von 
dem  wir  wissen,  dafi  er  Ende  April  1524  die  Hilfe  der  Ingolstadter  gegen 
den  lutherisch  gesinnten  Prediger  zu  Weiden,  Joh.  Freiesleben,  anrief. 
Vgl.  Winter  I,  166,  Prantl  I,  159.  Dieser  sehrieb  unter  dem  Pseudo- 
nym Garitonimus  Eleutherobius  eine  Scbrift  gegen  das  Salve  Regina  unter 
dem  Titel:  „Das  Salve  re/gina,  nacb  dem  richtscbeyt,  das  da  heyst, 
Graphitheopneu/stos,  ermessen  vnnd  abgericht"/,  die,  wie  bereits  Tb. 
Ficker,  DieEonfutation  des  Augsburger  Bekenntnisses  etc.,  Leipzig  1891, 
S.  54  erkannt  hat,  in  der  zweiten  Marienpredigt  Hauers  (s.  o.  S.  58)  be- 
kampft  wird,  also  schon  1523  evschienen  sein  mufi.    Nach  der  vorliegenden 

'  Satire  dUrfte  der  Regensburger  Generalvikar  schon  damals  gegen  Freyes- 
leben  in  Weiden,  aber  mit  wenig  Gltick,  gepredigt  haben.  Mehr  liber 
Fr.  bei  Clemen,  Beitr.  z.  Reformationsgesch.  Ill,  S.  34  ff. 


160  Kolde,  Arsacins  Seehofer  und  Argula  von  Grnmbach. 

wtirde.  Das  leuchtet  dem  Rektor  ein.  Der  gerade  im  Kloster 
der  unbeschuhten  Minoriten  anwesende  Pater  soil  gerufen  werden. 
Aber  der  Pedell  macht  Einwendungen:  es  scheint  ihm  be- 
denklich,  einen  Fremden  Einblick  in  die  Geheiranisse  der 
Fakultat  zu  gewfthren,  auch  stehe  Schatzgeyer^)  als  Verfalscher 
der  heiligen  Schrift  und  ob  seiner  AuBerungen  fiber  die  Ehe, 
die  er  in  seiner  Schrift  fiber  die  Verehrung  der  Heiligen  getan 
habe,  bei  vielen  in  fiblem  Geruche  ^).  So  laBt  denn  der  Rektor 
den  Gedanken  fallen  und  wendet  sich  an  die  juristischen 
KoUegen.  Georg  Hauer  halt  die  ganze  Frage,  was  eigentlich 
Glaube  sei,  ffir  unnotig.  Man  soUe  es  so  machen  wie  die 
Bischofe,  die  auch  nichts  davon  wissen  oder  wissen  wollen, 
sondern  schlechtweg  (sine  medio)  alle,  die  vom  Glauben  sprechen, 
toten  Oder  einsperren.  So  haben  es  auch  die  Magistri  nostri 
in  Lowen  gemacht,  so  machen  es  die  Bischofe,  weil  sie  mit 
anderem  genug  zu  tun  haben,  der  eine  mit  der  Jagd,  der  andere 
mit  dem  Gelde,  der  dritte  mit  seiner  Hurenherde.  Da  der 
Pfarrer,  wenn  er  ein  Kind  tauft,  fragt:  Glaubst  du  an  Gott,  so 
ist  das  genfigend.  Man  soUe  den  Haretiker  einfach  bei  Wasser 
und  Brot  im  tiefsten  Kerker  verwahren.    Das  erscheint  auch 


1)  Schatzgeyram,  qui  apud  quosdam  male  audit,  non  secus  atque 
sacrarum  adulter.  In  eo  euim,  quemL  de  veneratione  sanctorum  edidit 
tractatUy  cum  virginitatis  decus  admodum  immoderatius  efferet,  dixit 
matrimonio  iunctos  inexplebili  libidiuis  siti  ardere  ceu  ydropicum  potu 
et  tali  nota  divinum  matrimonium  incefisit,  quod  potissimum  dictum  plures 
male  habet,  atque  veritati  pepercit.  Darauf  an twortet  der  Rektor:  Domine 
pedelle.  Nolite  scandalizare,  quia  ipse  habet  omnia  in  quotidiana  ex- 
perientia  et  practica.  —  Die  betreffende  Stelle  findet  sich  wirklich  in 
Sehatzgeyers  Schrift:  „De  sanctorum  imploratione  et  eorum  sufifragiis'' 
etc.  1524  (im  Schriftenverzeichnis  bei  N.  Paul  us  a.  a.  0.  Nr.7)  F.  5.  Unter 
den  nenn  Motiven,  die  angeblich  der  Apostel  Paulus  zum  Rat  der  VirginitSt 
yeraulaBt  haben,  ist  der  zweite :  Ob  tribulationem  carnis  quam  conjugati  habent, 
cui  satisfacere  nequeunt  sicut  hydropicus  nunquam  plene  siti  potest  satis- 
facere,  sed  quanto  magis  bibit  tanto  amplius  sitit.  Unde  plerisque  facilius 
est  omnino  continere,  quam  aliis  in  matrimonio  honestatem  matrimonii 
oum  timore  domini  et  thorum  immaculatnm  custodire.  Ne  fiant  ut  equus 
et  mulns,  quibus  non  est  intellectus  Ps.  3K  Dies  und  die  ganze  sich  an- 
schliel^ende  Darlegung  ein  neuer  Beleg  fiir  die  mittelalterliche  Gering- 
schatzung  der  Ehe.  Ygl.  dazuTh.  Eolde,  P.  Denifle,  seine  Beschitnpfung 
Luthers  etc.  2.  A.    Leipzig  1904,  S.  58ff. 


Rolde,  Arsacius  Seebofer  imd  Argula  von  Grumbach.  JGl 

dera  Mediziner  Peisser  das  Richtlge :  wenn  der  Gefangene  kein 
Licht  hat  und  nichts  zu  essen  erhalt,  wird  auch  sein  Gedachtnis 
schwach  werden  und  er  wird  alles  vergessen.  Daftir  ist  jetzt 
auch  Marstaller:  „Konnen  wir  ihn  mit  der  Wissenschaft  nicht 
uberwinden,  so  dttrfen  wir  doch  gegen  den  Haretiker  List  an- 
wenden.  Deshalb  wollen  wir  nur  sagen,  er  ist  ein  Haretiker. 
Und  wenn  er  im  Kerker  ist,  wollen  wir  aus  seinen  Buchern 
seine  H^resien  feststellen."  Die  Pedelle  erhalten  den  Auf- 
trag,  den  Angeklagten  ins  Gefangnis  zu  fiihren  und  seine  Bficher 
zu  bringen,  aber  sie  haben  Mitleid  mit  dem  Armen,  der  nle 
gegen  sie  schlecht  gehandelt  habe  und,  obwohl  nicht  iiberfiihrt, 
verurteilt  worden  ^sei.  .Sie  finden  es  hart,  an  dera  jungen 
Menschen  Henkerdienste  verrichten  zu  sollen.  Doch  A  pell  sucht 
sie  zu  beruhigen,  man  wolle  ihn  gar  nicht  toten,  soudern  nur 
ein  wenig  demutigen. 

Dann  kommt  die  vierte  Sitzung.  Der  Rektor  berichtet, 
was inzwischen  geschehen.  In  den  Buchern. Seehofers  haben  sich 
wunderliche  Zeichen  gefunden.  Er  selbst  glaubt,  dafi  der  Ma- 
gister  die  schwarze  Kunst  versteht,  und  Marstaller  habe  den 
Inhalt  als  b5hraische  Sprache  bezeichnet.  SchlieBlich  habe  der 
in  solchen  Dingen  sehr  bewanderte  und  belesene  Kalfaktor  fest- 
gestellt,  die  Sprache  sei  griechisch  und  hebr^isch.  „Da  habe 
ich  gesagt,  seht,  da  ist  es  kein  Wunder,  daC  dieser  Mensch  ein 
Ketzer  ist,  da  er  die  Griechen  und  Hebraer  liest,  die  keine 
Christen  sind**.  In  den  Buchern  hat  man  nun  17  Artikel  ent- 
deckt,  die  nach  Haresie  schmecken.  Da  wir  sie  nicht  verstehen, 
erklart  der  Rektor,  haben  wir  sie  den  beiden  Pralaten  der 
Ingolstadter  Kirche,  naralich  „Episcopo  vulcani  de  nigro  foramine 
(Schlotfeger?)  et  sacerdoti  Cloacine  de  podistis  (Kloakenreiniger?) 
gezeigt,  die  sie  fiir  ketzerisch  erklart  und  versprochen  haben, 
einen  Komraentar  dazu  und  eine  Glossa  ordinaria  und  interlinearis 
in  einem  Deutsch  zu  schreiben,  daU  jeder,  der  auch  nur  eine 
Fibel  zu  lesen  versteht,  weifi,  was  daran  ist.  Sein  Vorschlao: 
geht  nun  dahin,  diese  ganze  Materie  drucken  zu  lasseu  und 
Seehofer  als  Ketzer  zu  verdamraen.  Zeigen  dtirfe  man  ihm  aller- 
dings  die  Artikel  nicht,  weil  er  sie  sonst  beweisen  wurde;  viel- 
mehr  miisse  man  einfach  von  ihm  Widerruf  fordern,  oder  er 
vei*fiele  der  Strafe  bis  zum  Feuertode  (vel  ire  ad  ignem  inclusive), 

BeltragG  ziir  baycp.  Kircbcngeschiclite  XI.  3.  11 


162  Kolde,  Arsacius  Seohofer  uiid  Argula  von  Grumbach. 

wisse  doch  jedermann:  „Ware  dieser  nicht  ein  Ubeltater,  wir 
hatten  ihn  nicht  iiberantwortet." 

Aber  nun  wird  die  Sache  dramatisch.  Die  Juristen  ent- 
decken  ihr  RechtsbewuCtsein  und  erklaren  sich  dagegen,  je- 
manden  in  seiner  Abwesenheit  und  ohne  Verhor  zu  verurteilen. 
Auch  die  Mediziner  ziehen  zuriick.  Sie  hatten  in  der  zweiten 
Sitzung  angegeben,  was  ihnen  an  dem  Magister  nicht  geflele, 
geniige  das  nicht  zu  seiner  Verurteilung  und  handle  es  sich  urn 
theologische  Satze,  so  ginge  sie  das  nichts  an.  Apell  findet  die 
Sache  nicht  so  gefahrlich:  ^Fiirchtet  euch  nicht,  auch  nicht  vor 
Gott,  um  der  guten  Sache  willen.  Wenn  wir  ihn  verurteilt 
haben,  obwohl  er  unschuldig  ist,  so  soil  er  zur  BuBe  in  ein 
Kloster  gehen  und  zu  seinem  Heile  dort  im  Kerker  bleiben  bis 
zum  Tode".  Dann  kann  er  nicht  gegen  uns  disputieren.  Wutend 
ruft  Marstaller:  „Da  soil  der  Teufel  Abt  sein,  wenn  die  Dok- 
toren  von  uns  abfallen."  Aber  auch  die  Artisten  bereuen,  friiher 
im  Rausche  ihre  Sentenz  gegen  Seehofer  abgegeben  zu  haben, 
und  wiinschen  ein  milderes  Verfahren,  zumal  zu  furchten  sei, 
man  werde  den  Rat  anderer  Fakultaten  einholen  und  ihnen 
nachsageu,  sie  hatten  aus  Neid  gegen  Gott  und  sein  Wort  ge- 
urteilt.  Der  Rektor  versteht  ihr  Mitleiden  mit  dem  friiheren 
Spezialkollegen,  aber  das  sei  mit  Unterschied  anzuwenden.  Die 
Glaubenssache  gehe  vor.  Noch  einmal  beruft  er  sich  auf  das 
Gutachten  der  beiden  versoffenen  (ebriosi)  sachverstandigen 
Priester  Vulcani  et  Cloacine,  die  mit  ihrer  Devotion  schon  viel- 
fach  andere  erwarmt  haben,  besonders  wenn  es  kalt  ist.  Den 
etwaigen  Vorwurf,  sich  in  fremde  Dinge  eingemischt  zu  haben, 
konnten  die  KoUegen  leicht  damit  zuriickweisen,  daC  sie  Ordi- 
narien  seien  und  deshalb  alles  wissen  muBten,  was  in  der  Welt  ist, 
auch  der  Rektor  ihnen  die  Gewalt  gegeben  hatte,  mitzusprechen, 
und  einer  den  andern  zur  Ehre  aller  B'akultaten  unterstiitzen 
miiBte. 

Damit  ist  die  Sache  erledigt.  Der  Rektor  fertigt  eine  Ver- 
dammungsbulle  aus,  in  der  er  wiederum  unter  Berufung  auf  jene 
sachverstandigen  Autoritaten  Seehofers  Satze  verurteilt  und  kund 
gibt,  daB  dieser,  durch  Einkerkerung  bei  Wasser  und  Brot  halb 
dumm  geworden,  seine  Artikel  widerrufen  habe.  Darauf  hin  sei 
er  in  die  Hande  Schatzgeyers  iiberantwortet  worden,   auf  daB 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grurabacb.  163 

er  ihn  mit  seinem  Stricke  geiBele  und  aufreibe  bis  zum  Tode, 
Oder  ihn  sogleich  nach  seiner  Weise  opfere,  auf  dafi  seine  Brflder 
den  unter  die  Gotter  versetzten  als  Heiligen  verehren,  zur  Ab- 
schreckung  anderer,  damit  sie  dem  Evangelium  nicht  so  leicht 
glauben,  sondern  mit  Frieden  in  der  Kirche  der  Boshaftigen 
und  Gottlosen  bleiben  und  die  Magistri  nostri  nicht  argern^). 
Endlich  werden  gegen  -jeden,  der  da  widersprechen  oder  den 
Bauem  die  Dumraheit  der  Richter  Seehofers  offenbaren  sollte, 
die  unflatigsten  Drohungen  ausgesprochen  ^). 

Mit  dieser  von  dem  Notar  Katzenhirn  beglaubigten  BuUe 
hatte  die  Satire  einen  passenden  AbschluB  gefunden.  Aber 
der  Verfasser  bringt  noch  die  17  Artikel  Seehofers  cum  magi- 
strorum  reprobatione,  d.  h.  Beweisfuhrung  der  als  Redner  auf- 
tretenden  Ingolstadter  Sachverstandigen  Vulcanus  und  Cloacinus, 
et  Arascii  restitutione.  Wahrend  jene  nur  ihr  Verdammungs- 
urteil  unter  deutlicher  Anlehnung  an  den  Ingolstadter  Zettel 
und  oft  mit  denselben  Worten  vorbringen,  widerlegt  sie  Arsacius 
mit  iiberlegener  Kenntnis  der  Bibel  und  Vater,  aber  doch  in 
einer  Breite,  die  das  Interesse  an  dem  Schlusse  der  Satire  er- 
heblich  abschwachen  muBte.  — 

Wieweit  das  hier  gezeichnete  Zerrbild  der  Ingolstadter  6e- 
lehrten  irgendwie  richtige  Zuge  enthalt,  laBt  sich  nicht  sagen, 
weil  wir  zu  wenig  von  den  Personlichkeiten  wissen ;  auch  fehlt 
uns  jedes  zeitgenossische  Urteil  daruber.  Das  einzige,  was  sich 
feststellen  laBt,  ist,  daB  das  Pamphlet  im  April  1524  in  Ingol- 
stadt  bekannt  wurde  und  die  Universitatsbehorden  beschaftigte. 
Man  beschloB,  auf  Drucker  und  Autor  zu  fahnden  und  bei  dem 


1)  Etpost  reuocationem  adiudicamns  eum  ad  mantis  zelosipatrls  Cas. 
schatzgeiri  urdinis  sanctorum  minoriim,  ut  eum  disciplinet  cum  fune  suo, 
et  maceret  usque  quo  est  mors  vel  statim  sacrificet  more  suo,  ut  inter 
deos  relatum  pro  sancto  colant  fratres  sui  in  terrorem  aliorum,  ne  sic 
facile  credant  evangelio,  convertantur  et  vivant,  sed  maneant  cum  pace  in 
ecclesia  malignantium  et  impiorum  et  non  scandallzant  magistros  nostros. 
Die  freie  Erfindung,  da8  Seehofer  dem  Schatzgeier  iibergeben  worden,sei, 
ist  ein  neuer  Beweis  daftir,  dafi  der  Verfasser  ein  personlichcr  Gegner 
desselben  gewesen  sein  mnfi. 

2)  Et  diabolus  et  mater  eius  debent  eum  permerdare  et  volumus  ei 
facere,  sicut  fecimus  magistro  Arsacio. 

11* 


164  Kolde,  Arsacius  Seeliofer  und  Argula  von  Grumbacfa. 

Kanzler  L.  von  Eck  und  dem  Herzog  anzufragen,  was  in  der 
Sache  geschehen  soUe^.  Die  Nathforschungen  werden  wohl 
erfolglos  gewesen  sein  und  man  wird  sich  begniigt  haben,  die 
Exemplare,  von  denen  zur  Zeit  nur  ein  einziges  noch  vorhanden 
zn  sein  scheint,  nach  M5glichkeit  zu  vernichten. 

Die  besprochene  Satire  dtirfte  die  letzte  Druckschrift  ge- 
wesen sein,  die  durch  den  Fall  Seehofer  hervorgerufen  wurde. 
Aber  noch  einmal  griff  Frau  Argula  in  die  Sffentlichen  Ange- 
legenheiten  ein.  Auf  die  Kunde,  dafi  der  Eat  zu  Regensburg 
das  auf  Grund  des  Reichstagsabschieds  von  1524  ausgegangene 
kaiserliche  Edikt^)  bekanntgegeben  hMte^),  schrieb  sie  am 
29.  Mai  1524  von  Lenting  aus  an  den  Regensburger  Rat:  Lieben 
Herren,  Freunde  und  Brttder  in  Christo.  Ich  Lab  vernummen, 
wie  bey  euch  neulich  ein  Mandat  wider  die  Wort  Gottes  sey 
ausgerufen  worden,  wahrlich  aus  Anrichtung  des  Satans  .  .  . 
Mich  jammert  nicht  wenig,  daC  ihr  euch  laBt  bereden  vor  alien 
Reichsstadten  wider  Gott  zu  streiten;  furwahr  es  wird  kein 
Kraft  haben  .  .  .  Nun  seh  ich  euch  irren,  darum  kann  ichs 
auf  Befehl  Gottes  nicht  unterlassen,  euch  zu  verraahnen,  wie 
wohl  ichs  gar  wohl  bedenke,  mein  werde  gelacht  u.  s.  w. 
Leider  sind  uns  von  diesem  wohl  nicht  gedruckten  Schreiben 
nur  diese  wenigen  Worte  erhalten*). 


1)  Der  von  Prantll,  150  nur  kurz  zitierte Eintrag  lautet  w5rtlich: 
De  Hbcllo  famoao  contra  nniyersitatem  super  evocationem  Arsatii  Sehofers 
edito  placuit  dnis  m.  ab  offerentibus  libellulum  inquiratur  an  Veritas  in- 
vestigari  possit  et  impresaorps]  seuautorfis];  deinde  fiant  litterae  ad  dnm 
D.  Leo  Egkium  et  illnstrissimum  principem  an  contra  illos  debent  per 
universitatem  a  re  institui  (Arch.  d.  Univ.  Mtinclien  D.  Ill,  Nr.  4  S.  167  f. 
GUtige  Mitteilung  des  Herrn  Privatdozenten  Dr.  Bitterauf  in  Miinchen). 
Prantl  wufite  mit  der  Notiz  nichts  anzufangen,  da  auch  Mttnchcn  kein 
Exemplar  des  Pamphlets  besitzt.  Dafi  es  sich  urn  die  „  Acta  concilii"*  han- 
delt,  hat  bereits  0.  Albrecht  in  Luthers  Werkcn,  Weim.  Ausg.  XV,  S.  99 
vermutet. 

2)  Vgl.  darUber  Th.  Kolde,  M.  Luther  II,  97 f. 

3)  Vgl.  Gemeiner,  Chronik  der  Stadt  Regensburg  IV,  612. 

4)  Ebenda  S.  521  u.  ders.  Reformation  von  Regensburg.  1792  S.  33. 
Prantl  I,  155  hat  also  Recht  (gegen  Druffel  S.  650),  wenn  er  von  einem 
Briefe  an  den  Regensburger  Magistrat  spricht,  allerdings  ohne  etwas 
Naheres  davon  zu  wissen.  Gemeiner  berichtet :  „Das  Schreiben  ist  datiert 
Lentting  am  Tag  Petrus  und  Paulus  ira  Jahre  1524,   aber    spracli-    und 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  165 

Aber  obwohl  Balthasar  Hubmaier,  der  friihere  Prediger  an 
der  Kapelle  der  schonen  Maria  zu  Regensburg,  den  man  damals 
von  Waldshut  zuriickbegehrte,  kurze  Zeit  vorher  den  Rat  noch 
besonders  auf  Argula  aufmerksam  machte,  indem  er  schrieb: 
„Sie  (die  Gegner  des  Evangeliums)  wissen  wohl,  daC  eine  einzige 
Frau,  vnd  soil  es  schon  die  fromrae  christliche  Fran  Argiila 
von  Stauff  sein,  mehr  weiB  des  gottlichen  Wortes,  denn  solche 
rote  Hanbler  (Kardinale)  je  sehen  und  greifen",  wird  man  sie 
auch  hier  keiner  Antwort  gewttrdigt  haben^).  Und  mehr  als 
je  wurde  nach  dem  Regensburger  Konvent  vom  Juni  1524  2)  und 
dem  zweiten  bayerischen  Religionsmandat  vom  2.  Oktober  1524*) 
auf  jede  evangelische  AuBerung  inquiriert,  was  zu  zahlreichen 
Religionsprozessen  fuhrte*). 


wortreich  und  aus  dieser  Ursache  zu  weitlaufig,  als  daB  ich  es  abdrucken 
lassen  kdnnte/  Nach  demselbcn  Autor  war  es  zu  seiner  Zeit  bei  den 
Regensburger  Kirchenakten,  ist  aber  heute  nicht  mehr  da  yorhanden  und 
konnte  anch  im  Miinchener  ang.  Reichsarchiv,  wohin  ich  vom  Regens- 
burger Stadtarchiv  gewiesen  wurde,  nicht  aufgefunden  werden. 

1)  Das  Schreiben  s.  d.  bei  Gemeiner,  Chronik  der  Stadt  Regens- 
burg IV,  519 f.  Vg].  dazu  Loserth,  Doktor Balthasar  Hubmaier,  Brilnn 
1893,  S.  41  f. 

2)  Vgl.  Fried  ens  burg,  Der  Regensburger  Konvent  von  1524  (Hist. 
Aufs.,  G.  Waitz  gewidmet),  1886,  S.  503  flF. 

3)  Bei  Winter  I,  315. 

4)  Fur  das  einzelne  vgl.  Winter  I,  165ff.  Riezler  108ff.  Ders. 
meint,  dafi  aufier  der  Hinrichtung  des  MUnchner  Backergesellen  (ttbrigens 
nicht  1524,  sondern  1523,  vgl.  DruffelS.  657  u.  oben  S.  55)  sonst  nichts 
von  Todesurteilen  und  Hinrichtungen  verlaute,  es  auch  wenig  wahrschein- 
lich  sei,  dafi  solche  Vorgange  keine  Spur  hinterlassen  hatten.  Dligegen 
ist  zu  beachten,  dafi  Joh.  £ck  in  seinen  Denkschriften  ftir  die  Kurie 
(Beitr.  z.  Bayr.  KG.  II 251)  berichtet:  nam  etsi  aliquos  occiderit,  plures 
tenet  captives  dux  Bavariae",  obwohl  wir  im  einzelnen  nichts  davon 
wissen.  Und  dafi  Hinrichtungen  in  jener  Zeit  vorkamen,  diirfte  auch 
Osiander  bezeugen  in  seiner  Schrift:  Wider  Caspar  Schatzgeyer,/ Barf  user 
Munchs,  vnchristlichs/schreybe,  damit-  er,  dasz/die  Messz  eyn  opffer/sey, 
zu  be-/weysen  ver/maint./ Andreas  Osiander./Nttrnberg./Anno  M.  D.  XXv./ 
(Meine  Bibl.)  Bj  schreibt  er:  0  du  vnseliges  Bayerlandt,  dasz  dn  solich 
jewt  nicht  alleyn  leyden,  sonnder  auch  ftir  gottlich  lerer  halten  vn  horen 
must.  Vnd  wee  den  Ftirsten,  die  sich  soliche  buben  wider  gottes  wort 
zu  fechten  vnnd  das  vnschuldig  blut  jrer  vnderthanen,  die  sy  beschiitzen 
vnd  beschirmen  vnd  jve  vater  sein  solten,  zu  vergiessen  lassen  erwecken. 
Got  wirts  on  Zweifel  nicht  lang.  vngerochen  lassen. 


160  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

Dafttr  Uatte  Argula  wenigstens  die  Genugtuung,  daB  der 
aiifangliclie  UDmut  ihrer  Verwandten  uber  ihr  Auftreten  ffir  die 
evaugelische  Sache  sehr  bald  verstummte.  Eine  Kousine  Sidonie 
(t  1569),  die  Tocliter  ihres  Oheims  Hieronymus,  eine  Kloster- 
frau  in  Obermftnster  in  Regensburg,  legte  das  Ordensgewand 
ab  und  heiratete  1525  den  evangelisch  gesinnten  Georg  von 
Parsberg  auf  Luppurg  bei  Regensburg  ^).  Und  ihr  altester 
Bruder  Bernliardin,  der  Herr  von  Ehrenfels  (f  1541),  und  seine 
Gemahlin  waren  schon  1524  eifrige  Anhanger  der  evangelischen 
Lehre  und  hatten  in  ihrem  Wohnsitz  Beratzhausen  einen  weithin 
geschatzten  evangelischen  Prediger  Doktor  Johann.  Als  dieser 
sich  iiber  die  Herrschaft  hinauswagte,  wurde  er  am  5.  Sep- 
tember 1524  vom  Gerichtsdiener  in  Laber  ergriffen,  mit  Ketten 
und  Stricken  gebunden  und  unter  Verletzung  der  reichsfreiherr- 
lichen  Gerechtsame  nach  Regensburg  an  dasbischofliche  Gericht 
ausgeliefert.  Vergebens  war  es,  daC  die  zufallig  in  der  Stadt  in 
dem  alten  Staufferhof^)  anwesende  Freifrau  auf  dem  Rathaus 
fiir  ihn  eintrat  und  die  Unschuld  des  Mannes  beteuerte,  an  dessen 
Predigten  sie  und  ihr  Gemahl  und  jedermann,  der  jemals  sein 
Zuhorer  gewesen,  groBes  Wohlgefallen  gehabt  hatten.  Vergebens 
war  es,  daB  Bernhardin  mit  anderen  aus  der  Sippe  und  mehreren 
benachbarten  pfalzischen  LandsaBen  nach  der  Stadt  kam  und 
vom  Administrator  die  Freilassung  erbat:  als  entsprungener 
Ordensmann,  der  ihre  Verwendung  nicht  verdiene,  wurde  er 
festgehalten,  ohne  daB  man  erfiihre,  was  aud  ihm  geworden  ist^). 
Dieses  Vorkomranis  mag  den  Freiherrn  in  seinem  evangelischen 
Eifer  noch  bestarkt  haben.  Beratzhausen  wurde  der  Sammel- 
punkt  der  Evangelischen  der  Umgegend.  Auch  von  Regensburg 
stromten  Manner  und  Prauen  hinaus,  um  dort  das  Abendmahl 
unter  beiderlei  Gestalt  zu  erhalten*),  und  dem  kiihnen  Reichs- 
freiherrn,  der  auf  seine  Reichsunmittelbarkeit  trotzte,  ubrigens 
mit  seinem  Wandel  seinem  evangelischen  Bekenntnis  wenig  Ehre 


1)  Widmanns  Chronik  von  Regensburg.    Deutsche  Stadtechroniken 
Bd.  XV,  150. 

2)  £r  stand  da,   wo  sich  jetzt  das  Gasthaus  zum  griinen  Eranz  be- 
findet. 

3)  Gemeiner,  Chronik  IV,  506. 

4)  Deutsche  Stadtechroniken  15,  70. 


Kolcie,  Arsacius  Seehofer  iind  Argula  von  Grumbach.  167 

raachte^),  konnte  weder  der  Administrator  von  Regensburg  noch 
die  "bayerischen  HerzSge  etwas  anhaben.  Er  wagte  es  auch,  in 
seiner  Behausung  in  Regensburg  selbst,  dem  schon  erwahnten 
Staufferhof,  am  18.  April  1542  das  Abendmahl  durch  seinen 
Prediger  Leopold  Moser  reichen  zu  lassen^). 

Auch  mit  anderen  katholisch  gebliebeneu  Verwandten  stand 
Argula  bald  wieder  in  gutem  Einvernehmen,  so  mit  ihrem  Vetter, 
dem  Eichstatter  Domherrn  Priedrich  von  Leonrodt,  einem  offen- 
bar  nicht  sehr  kirchlich  gerichteten,  behaglichen  Herrn^),  der 
die  Pfrunde  von  Zeilitzheim  in  Unterfranken,  eines  ihrem  Gatten 
gehorigen  Gutes,  inne  hatte.  Freilich  ihre  mehrfachen  Versuche, 
von  ihm  einen  evangelisch  gesinnten  Vikar  fiir  Zeilitzheim  zu 
erhalten,  waren  von  keinem  Erfolg  gekront*). 


1)  Der  strengkatholische  Widmann  bezeichnet  den  von  ihm  besonders 
gefaafiten  Eitter,  den  „6ernhard  Unkrauf*,  wie  er  ihn  nennt  (ebenda  55, 
124,  wie  freilich  so  ziemlich  jeden  Lutheraner,  ^.Is  Ehebrecher  (ebenda 
S.  182),  und  wie  es  scheint,  in  diesem  FaUe  nicht  mit  Unrecht.  Denn  in 
einem  Briefe  eines  offenbar  frommen  Mannes  Eolmar  Grasser  (d.  peretz- 
hausen  des  audern  Suntags  nach  dem  obresten  1531  Jar)  an  Argula  wird 
auch  liber  den>  ehelichen  Unfrieden  im  Hause  geklagt  und  berichtet: 
„Frau  Otilie  ist  aus  dem  Haus^  (Allg.  Reichsarchiv  in  Miinchen).  . 

2)  (Gemeiner),  Geschichte  der  Kirchenreformation  in  Regensburg. 
Regensburg  1792,  S.  118ff. 

3)  Auf  den  Vorwurf,  ihr  lange  nicht  geschrieben  zu  haben,  ant- 
wortet  er  Montag  nach  Johannis  Baptisten  (27.  Juni)  1530  sehr  charak- 
teristiscb:  „so  bin  ich  sanberlich  faull  vud  drege,  wie  das  meins  hant- 
wergks  prauch  ist.**  Die  Grumbachs  hatten  ihm  den  Zehnten  ftlr  Zeilitzheim 
zu  zahlen,  und  er  besoldete,  wie  aus  demselben  Briefe  zu  ersehen  ist, 
einen  Vikar  um  20  Gulden. 

4)  Zur  Pfarrgeschichte  von  Zeilitzheim  notiere  ich,  daB  im  Jahre 
1527  Jakob  Pfeffer  die  Vikarei  aufgab,  und  Argula  mit  dem  Domherrn 
Beys  (?)  V.  Hesperg  in  Wiirzburg  wegen  Berufung  eines  andern  Vikars 
verhandelte,  Hesperg  aber  die  Vikarie  oder  wenigstens  die  Pension  selbst  in 
Anspruch  nahm.  (Arg.  an  v.  Hesperg,  Grumbach  Freitag  nach  ursule  1527.) 
Als  im  Jahre  1536  Leonrodt  die  Pfrunde  zu  resignieren  gedachte,  wollte 
Argula  unter  gewissen,  von  Leonrodt  zu  bestatigenden  Bedingungen  den 
evangelischen  Prediger  Oswald  Ruland  als  Pfarrer  von  Zeilitzheim  ange- 
stellt  wissen,  aber  der  Eichstatter  Domherr  HeB  sich  auf  nichts  ein, 
wollte  die  Pfriiude  nach  Wiirzburg  resignieren  und  erklarte,  er  woUe 
seine  »ayde  hoher  bcdenken,  weder  yetzunder  von  vill.  vnd  sonderlich 
etlichen  des  newen  evangelii  und  secten  beschicht.**  Eystet  am  tag 
siluestri  A^  36*0  (Allg.  Reichsarchiv  in  Munchen).    Ruland,  den  wir  spater 


168  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argulii  von  Grumbach. 

Jeiier  Brief  an  den  Eat  von  Regensburg  vom  Jahre  1524 
dttrfte  der  letzte  gewesen  sein,  mit  dem  Fran  Argula  in  die 
offeutlichen  Verhaltnisse  eingriff.  DaB  man  ihr  durch  die  Obrig- 
keit  Scliweigen  anferlegt  haben  soUte,  ist  nicht  wohl  anzunehmen, 
da  ihre  letzten  Veroflfentlichungen  schon  in  die  Zeit  nach  der 
Absetzung  ihres  Mannes  fallen  mlissen.  Sie  mochte  sich  sagen, 
ihre  Pflicht  getan  zu  haben,  und  die  Aufgabe,  das  wenige,  was 
die  Familie  besaU,  zusammenzuhalten  und  die  Verwaltung  der  ver- 
schuldeten  Gftter  in  Lenting,  Zeilitzheim  und  Grumbach  in 
Franken  wird  schwer  genug  auf  ihr  gelastet  haben,  da  ihr  Gemahl 
wie  ihre  noch  erhaltene,  meist  wirtschaftliche  Korrespondenz^) 
ergibt,  ihr  alles  und  jedes  iiherlieU.  Gleichwohl  verfolgte  sie  alles, 
was  auf  religiosem  Gebiete  verging,  und  blieb  mit  Spalatin  und 
den  Wittenbergern  in  Briefwechsel.  Wir  erinnern  uns,  daB  sie 
in  ihren  Schriften  auch  fur  das  Eecht  der  Priesterehe  einge- 
treten  war,  un^  als  ihr  im  Herbst  1524  das  Geriicht  zu  Ohren 
gekoramen,  daB  nun -auch  Luther  selbst  heiraten  woUe,  schrieb 
sie  ihm,  wohl  mit  der  Mahnung,  den  Gedanken  auch  wirklich 
auszufuhren.  Luther  lieB  ihr  dafiir  durch  Spalatin  am  30.  No- 
vember 1524  herzlich  danken,  aber  auch  mitteilen,  daB  er  zur 
Zeit  nicht  daran  dachte,  da  er  taglich  den  Tod  und  die  wohl- 
verdiente  Strafe  des  Ketzers  erwarte^).  Anderthalb  Jahre  spater, 
am  23.  Mai.  1526,  berichtete  sie  an  Spalatin  von  dem  Martyrertod 
eines  Evangelischen  mit  den  Worten:  Gott  sey  lob  wir  haben 


in  Deggendorf  als  Prediger  finden,  und  nach  seiner  Vertreibung  von  dort 
im  Jahre  1546  in  Rotenburg  a.  d.  Tauber  (Beitr.  Bayer.  KG.  Ill,  184ff.)  und 
noch  spater  in  Regensburg,  scheint  die  Zeilitzheimer  Stelle  nicht  erhalten 
zu  haben. 

1)  Im  AUgem.  Reichsarchiv  in  Munchen.  Ich  habc  davon  tiber  80 
I^ummern  einsehen  konnen.  Zu  ihren  Korrespondenten  geh5rte  auch  seit 
1521  Martin  Cr  on  thai,  der  Stadtschreiber  von  Wurzburg,  dessen  Chronik 
„Die  Stadt  Wurzburg  im  Bauernkriege"  etc.  ed.  M.  W^ieland  (V^^tirzburg 
1887)  wir  kennen.  Ob  Cronthal  ein  so  gutglaubiger  Katholik  war,  wie 
Wieland  S.  IX  annimmt,  wird  zweifelhaft,  wenn  wir  aus  einem  Briefe  an 
Argula  vom  Dienstag  nach  Katharina  (29.  Nov.)  1524  ersehen,  dafi  er 
Argula  Biicher  besorgt,  auch  aus  dem  Kloster  Himmelpforten,  und  er  selbst 
mit  Luther  Briefe  wechselt:  „ Schick  euch  hiemit  ein  abschrift  von  Mar- 
tin us  brieff  mir  geschrieben  und  dabey  etlich  missine  etc. 

2)  Enders  V,  77:  animus  alienus  est  a  coniugio  cum  expectem  quotidie 
mortem,  et  meritum  haeretici  supplicium. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  169 

mer  eiu  neuen  Mertrer,  itz  Freitag  acht  Tagen  vergaDgen  in 
unserra  land  zu  Wasserburg  enthaubt  on  alle  anclagen  und 
weyel.  Kurtz  gesagt:  Er  ist  ein  Ketzer,  drum  sol  er  sterben- 
Also  beschach  auch  Christo  u.  s.  w.  ^)  DaC  sie  auch  in  diesen 
Jahren  manches  Schwere  durchzumachen  hatte,  ohne  daC  wir 
erfiihren,  worum  es  sich  handelte,  ergibt  ein  Schreiben  Luthers 
an  Spalatin  vom  11.  November  1528,  mit  welchem  er  diesem 
eiuen  Brief  Argulas  ubersandte,  damit  er  daraus  entnehmen 
konne,  was  diese  so  fromme  Frau  zu  tragen  und  zu  dulden 
liabe^). 

Die  regsten  Beziehungen  unterhielt  sie  zu  den  Nurnberger 
Predigern,  denn  in  Niirnberg  lieB  sie  ihre  Kinder  zeitweise  erziehen. 
Ihren  altesten  Sohn  hatte  sie,  was  bisher  unbekannt  war,  bei 
keinem  Geringeren  untergebracht  als  dem  gelehrten  Schulmeister 
von  St.  Sebald  Johann  Denck^),  und  der  Knabe  gehorte,  als  sein 
Magister  am  21.  Januar  1525  „von  wegen  eines  yrsaraen  fur- 
nemens  und  schwiirmes  geurlaubt  ist  worden  und  vertrieben, 
mit  molern  und  andem  mer,  den  er  anhangig  war,"  zu  den  da- 
durch  verwaisten  Kostgangern  desselben.  Da  war  es  Osiander, 
der  ihn,  nachdem  „dieFurerin"*)  sich  ein  paar  Tage  seiner  an-* 
genommen  hatte,  um  dasselbe  Kostgeld  von  18  fl.  bei  dem  Schul- 
meister von  St.  Lorenz  Johann  Ketzmann  unterbrachte^).  Dort 
blieb  er  fiber  vier  Jahre,  bis  ihn  die  Mutter  im  Dezember  1529 
auf  die  Universitat  nach  Wittenberg  schickte®).  Er  scheint 
wenigstens  zuletzt  bei  Melanchthon  gewohnt  zu  haben,  denn  an 

1)  Spalatins  Chronikon  bei  Mencke,  Scriptores  II,  657:  Berthansen 
(zu  lesen  ist  Beratzhausen)  Feria  IV  p.  Pentecosten. 

2)  De  Wette  III,  400.    Enders  VII,  24. 

3)  Vgl. liber  ihnTh.  Kolde,  Hans  Denck  uDd  die  gottlosen  Maler  von 
Nurnberg.    Beitr.  Bayer.  KG.  VIII.  Bd. 

4)  Jedenfalls  eine  Frau  aus  der  bekannten  Patrizierfamilie. 

5)  Ich  lasse  den  schonen  Schtilerbrief,  in  dem  Georg  dies  merk- 
wiirdigerweise  erst  zu  Pfingsten  den  Eltern  mitteilte,  unten  als  Beilage 
Nr,  IV  abdrucken. 

6)  Ketzmann  beschwerte  sich  liber  ihn  am  Aschermittwoch  1529, 
dafi  er  unter  dem  EinfluiJ  seines  Onkels,  des  Bernhardin  v.  Stauif,  der 
damals  langere  Zeit  in  Nurnberg  weilte,  sich  gewohnt  habe,  mehr  im 
V^irtshause  zu  sein  als  bei  ihm,  und  wollte  ihn  gerne  los  werden.  (Allg. 
Reichsarchiv  in  Miinchen.)  —  In  W^ittenberg:  Forstemann,  Album 
Viteb.  S.  137:  Georgius  a  Grunpach  Bavarus  24,  Pezembris, 


170  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

diesen  scbickte  Osiander  noch  ira  Jahre  1534  in  Argulas  Auf- 
trag  eine  Summe  Geldes  fur  das,  was  ihr  Sohn  ihm  schuldete, 
verkebrte  aber  auch  in  Luthers  Hause  und  war  auch  Prau 
Kathe  wobl  bekannt^). 

Ibren  zweiten  Sohn  Hans  Georg  vertraute  sie  der  Erziebung 
des  Andreas  Altbamer  in  Ansbacb  an,  bei  dem  er  vom  2,  No- 
vember 1529  bis  zum  14.  November  1532,  an  welchem  Tage 
eir  von  Altbamer  der  ausgebrochenen  Pest  wegen  nach  Hause 
geschickt  wurde,  verblieb.  Aus  der  wabrscheinlich  reichen 
Korrespondenz  scheint  auCer  den  kulturhistoriscb  wertvollen 
Abrechnungen  mit  der  Freifrau  leider  nur  ein  Brief  Althamers 
erhalten  zu  sein,  aus  dem  man  ersehen  kann,  wie  der  frankische 
Reformator  sie  auf  dem  Laufenden  erhielt.  Darin  berichtet  Alt- 
bamer am  26.  Mai  1530  von  der  einige  Tage  vorher  erfolgten 
Abreise  des  Markgrafen  und  seines  Gefolges  zum  Reichstage 
nach  x^ugsburg  und  von  seinem  Vertrauen  auf  die  Starke  und 
Macht  Gottes,  dem  man  die  Sache  befehlen  mlisse^).  — 

Auf  die  Kunde,  daC  Luther  nunmehr  in  der  Nahe  sei,  konnte 
Argula  es  nicht  lassen,  ihn  aufzusuchen.  Am  2.  Juni  1530  war  sie 
auf  der  Koburg.  Und  Luther,  dem  gerade  damals  die  „Wall- 
fahrt"  fast  zu  groB  wurde,  nahm  sie  freundlich  auf,  lud  sie  zu 
Tisch  ein  und  freute  sich,  wie  seine  Brief e  ergeben,  des  Zu- 
sammenseins  mit  ihr.  Von  Argula,  deren  gute  Ratschlage  fur 
die  Entwohnung  des  jtingsten  Kindes  er  an  seine  Kathe  weiter 
gab,  erfuhr  Luther  u.  a.  auch  von  den  grofien  Festlichkeiten, 
die  man  in  Miinchen  fur  den  Empfang  des  Kaisers  planted). 
Neu  gestarkt  in  ihrem  alten  Bekennermut  schrieb  sie  dann  am 
17.  Juli  1530  an  Spalatin  nach  Augsburg:  ^Furchtet  euch  nicht, 
die  Sache  ist  Gottes;  der  sie  in  uns  angefangen  hat,  der  weiB 
und  wird  uns  wohl  beschiitzen ;  er  schlaft  nicht,  der  da  behiitet 


1)  S.  d.  Brief  des  Andreas  Osiander  an  Melanchthon  in  den  Beilagen 
Nr.  v.  — Luther  an  Kathe  Enders  VII,  362.  Ferner  an  Peter  Weller: 
Saluta  Georgium  a  Grumpach.    Enders  YIII,  8. 

2)  Die  betreffenden  Briefe  in  den  Beilagen  VI  bis  VIII.  Die  Ab- 
rechnungen, die  ganz  genau  ergeben,  was  damals  ein  Schuler  in  Ansbach 
fiir  BUcher,  Kost  und  Kleider  brauchte,  sind  meines  Erachtens  kultur- 
historiscb so  wichtig,  dafi  ich  glaubte,  sie  mit  abdrucken  zu  sollen. 

3)  De  Wette  IV,  30,  32f.    Enders  VII,  3611,  365,  367. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  171 

Israel.    Die  Sache  ist  sein  und  er  wird  den  Streit  wolil  stillen 
und  hiuausfuhren"  ^), 

Unraittelbar  darauf  muB  ihr  Gatte  gestorben  sein*).  Darauf- 
liin  kam  der  alteste  Sohn  im  Pruhjahr  1532  yon  Wittenberg 
zurttck,  um  die  Lehen  seines  Vaters  in  Besitz  zu  nehmen.  Aus 
der  Tatsacfae,  dafi  er  sich  ungehindert  sogar  in  Ingolstadt  be- 
wegen  durfte,  ersieht  man,  daC  man  trotz  des  dritten  bayeri- 
schen  Religionsmandates  von  1531*)  nachlassiger  geworden  war 
und  jedenfalls  die  scharfeu  Bestimmungen  des  Regensburger 
Konvents  gegen  den  Besuch  der  Universitat  Wittenberg  nicht 
in  Anwendung  kamen.  Am  Sonntag  nach  St.  Viti  1532  (16.  Juni) 
konnte  er  der  Mutter  von  Burggrumbach  aus  melden,  daC  er 
mit  Hilfe  seines  Vetters,  des  spater  als  Parteig^nger  des  Mark- 
grafen  Albrecht  Alcibiades  und  durch  die  „Grumbacliischen 
Handel"  bekannt  gewordenen  Wilhelm  von  Grumbach  (geboren 
1503)  die  Lehen  zu  Wtirzburg  erhalten  habe  und  es  mit  deuen 
zu  Zeilitzheim  auch  keine  Scbwierigkeiten  haben  werde*). 
Dann  ging  Georg  eine  Zeit  lang  nach  Ingolstadt®)  und  wohnte, 


1)  Dieses  Brieffragment  bei  Salig,  Vollst.  Historie  der  Aiigsb. 
KoDfession  Halle  1730,  I,  265. 

2)  Der  Brief  Althamers  an  Argula  yom  26.  Mai  und  ein  Schreiben 
des  Eichstatter  Friedrich  von  Leonrodt  vom  27.  Juni  1530  setzen  ihn  noch 
als  lebend  vorans.  Am  Tag  Johannis  Evangelistae  1531  (d.  i.  wohl 
27.  Dez.  1530)  unterschreibt  sie  sich  „Wittib**. 

3)  £r  scfareibt  am  Freitag  nach  Letare  1532  an  seine  Mutter  von 
Ingolstadt  ans. 

4)  Bei  Winter  II,  280 flf. 

5)  Wieaus  der  bei  Wi  el  and,  Die  Stadt  Wtirzburg  im  Bauernkriege 
etc.  S.  122  abgedruckten  „Ritterlichen  Anlage"  im  Jahre  1526  hervorgeht, 
hatte  Friedrich  v.  Grumbach  im  Bistum  Wtirzburg  Lehen  zu  Zeilitzheim 
(bier  konkurrierten  die  Fuchs  zu  Bimbach),  Niederblechfeld  and  Grumbach, 
wo  sein  Anteil  neben  Wilhelm,  Hans  und  Adam  von  Grumbach  ein  sehr 
geringer  gewesen  zu  sein  scheint.  —  Da3  Argulas  Sohne  sich  in  erster 
Linie  als  ihre  SOhue  ftihlten,  zeigt  eine  Bemerkung  Georgs  tiber  seinen 
Vetter  Hans,  den  Sohn  des  Adam  von  Grumbach :  „er  ist  awer  ein  bauer 
nach  der  grumbacher  art.** 

6)  D&Q  gut  evangelisch  gesinnte  Adlige  damals  noch  in  Ingolstadt 
studierten,  weil  die  dortige  Juristeufakultat  in  besonders  gutem  Rufe 
stand,  war  etwas  ganz  gewohnliches.  Auch  Luther  empfiehit  1541  einen 
seiner  Tischgenossen,  den  pommerschen  Adligen  Martin  Weigher,  auf 
seiner  Durchreise   durch  Nurnberg   an  V,  Dietrich    mit    der  Bemerkung: 


172  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbacb. 

ein  deutliches  Zeichen  davon,  daB  man  dort  Argulas  Ketzereien 
langst  vergessen  hatte,  sogar  bei  dem  Schaffner  des  alten 
KoUegs,  dessen  Frau  eine  Gevatterin  Dr.  Job.  Ecks  war,  und 
eigentttralicherweise  berichtet  uns  fiber  die  vielleicht  einzige 
personliche  Beziehung,  die  Eck  mit  Argula  gehabt,  eine  Bitte 
des  letzteren,  seiner  Gevatterin  die  noch  uubeglichene  Schuld 
ihres  Sohnes  zu  bezahlen^).  Wahrend  Georg  bald  nach  Leip- 
zig ubersiedelte,  in  der  dortigen  Matrikel  aber  nicht  zu  finden 
ist,  waren  seine  jungeren  Bruder  Hans  Georg  und  Gottfried  in 
diesen  Jahren  auch  in  Ingolstadt  und  zwar  bei  dem  Organisten 
„mayster  Wolfgang  laydtmayer  in  kost  und  lernung"^).  Von 
da  kam  Gottfried  1538  nach  Nttrnberg^). 

Inzwischen  hatte  sich  Frau  Argula  im  Jahre  1533  wieder 
verheiratet  und  zwar  mit  einem  Grafen  Schlick.  Nur  diese 
Tatsache  laCt  sich  fesstellen,  nicht  aber  der  Name  des  Grafen 
mit  dessen  Sippe  die  Freiherrn  von  Stauff  mehrfach  verwandt 
waren.  Da  ein  Brief  an  Argula  in  der  Zeit,  in  der  die  Wieder- 
vermahlung  stattfand,  im  Herbst  1533,  nach  Prag  gerichtet 
ist,  so  gehorte  ihr  Gatte  vielleicht  zu  einer  der  Linien,  die  im 
EUenbogener  Kreise  in  Bohmen  angesessen  waren*).    Welche 


Ingolstadiiim  missus  est  a  suis,  isthic  iuribns,  at  puto,  datnrus  operam, 
postquam  rumor  inorebruit,  iurium  studia  flovere  potissimum  logolstadii. 
De  Wette  V,  390.    Vgl.  391. 

1)  Da  dringend  zu  wttnschen  ist,  daR  die  Briefe  Ecks  endlich  einmal 
gesammelt  werden,  lasse  ich  das  sonst  uubedeutende,  nur  um  der  beider- 
seitigen  Personlicbkeiten  bemerkeDswerte  Briefcben  Yom  18.  Dez.  1535 
unten  in  den  Beilagen  Nr.  IX  folgen. 

2)  Laut  Abrechnung  vom  Mittwoch  nach  Jacoby  1535.  —  Von  der 
einzigen  Tochter  Apollonia  welfi  ich  nur  zu  berichten,  daB  sie  1532  lange 
krank  in  Niirnberg  war.  Auf  einen  Trostbrief  an  sie  vom  ^mitboch  nach 
dem  ostertag  ao  1532"  hat  Argula  spater  geschrieben  ^ist  51  wochen 
am  artztet  gelegen  that  fur  kost  all  wochn  1 11.  und  20  fl.  fur  artzetlon. 

3)  Nach  einem  Briefe  Job.  Ketzmanns  Mittwoch  nach  Letare  (3.  April) 
1538  konnte  ihn  dieser  wegen  Mangel  an  Platz  nicht  aufnehmen,  brachte 
ihn  aber  ftir  26  Gulden  „aufierhalb  Kleider  und  Getrank"  bei  seinem 
frilheren-Dlener  untor.  Danach  war  der  Pensionspreis  in  Niirnberg  seit 
1525  (s.  Beilage  IV)  von  18  auf  26  Gulden  gestiegen. 

4)  Ein  von  dem  Wirt  ihres  Sohnes  von  Leipzig  aus  geschriebener  Brief 
vom  „Dienstag  nach  nativitatis  Marie"  (9.  Sept.)  1533  hat  die  Aufschrift 
^Argula  geborne  von  Stauff  itzund  zu  Prag".    Zwei  Monate  spater  unter- 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  iind  Argiila  von  Grambach.  173 

Veranderung  ihrer  Verhaltnisse  das  mit  sich  gebracbt,  laBt 
sich  nicht  angeben,  auch  war  sie  nacb  kaum  1^2  Jahren  wieder 
Witwe  ^). 

tJber  ihre  letzten  Jahre  ist  wenig  zu  berichten.  Manche 
schwere  Sorge  machten  ihr  ihre  Kinder,  namentlicb  der  etwas 
leichtsinnige  Hans  Georg,  von  dem  Althamer  schon  1532  geurteilt 
hatte,  dafi  er  „fleifiiger  Zucht  bedarf,  soil  er  anderst  geraten". 
Im  Jahre  1538  mu6  er  in  Burggrumbach  etwas  sehr  Schweres 
begangeu  haben.  Als  er  dann  reuig  die  Mutter  um  Verzeihung 
bat,  schrieb  sie  ihm  einen  Brief,  aus  dem  wir  noch  einmal  die 
fromrae  charakterfeste  Frau  erkennen  konnen.  Sie  will  ihm, 
wenn  er  sich  wirklich  bessern  und  ihr  von  nun  an  gehorsam 
sein  will,  noch  einmal  verzeihen,  aber  er  soil  sofort  heimkommen, 
jedoch  nicht  eher,  als  er  zu  Nurnberg  das  Sakrament  erapfangen 
hat.  Er  soUe  zu  Osiander  gehen,  dem  sie  inzwischen  alles  ge- 
schrieben,  ihm  all  sein  Anliegen  klagen,  der  werde  ihm  raten 
konnen.  Aber  sie  traut  dem  Sohne  nicht:  „HeiB  dir  Dr.  Osian- 
der einen  Zettel  geben,  sonst  glaube  ich  dir  nicht."  Auch  an 
den  noch  in  Nurnberg  lebenden  jlingeren  Bruder  Gottfried  gibt 
sie  ihm  eine  strenge  Mahnung  mit:  „sag  dem  Gottfried,  dasz  er 
fleissig  studir  und  bey  der  lernung  beleib  und  nicht  in  der  stat 
Oder  in  wirtshSusern  hin  und  her  laufe,  dasz  er  auch  fleissig 
die  predigt  merk  und  warhaft  ziichtig  getreu  und  from  bleib"^). 

Ihr  altester  Sohn  Georg  scheint  schon  1539  gestorben  zu 
sein*).    Im  Jahre  1542  starben  auch  ihre  Bruder  Bernhardin 


schreibt  sie  ^Ingolstadt  Mittwoch  nach  Andree  ao  1533  argula  schlickin 
und  greffin  eine  geborne  von  Stauff**  —  tibrigens  eiu  neuer  Beweis  dattir, 
daO  dievon  Adlzreiter  annal.  gent.  Boic.  II  lib.  p.  250  in  Umlauf  ge- 
brachte  Behauptnng,  daB  sie  aus  alien  Gebieten  Bayerns  verbannt  worden 
sei,  unhistorisch  ist.  Nach  Wiguleus  Hundt,  Bayerisches  Stammbuch 
III,  308  waren  die  Ehefraucn  ihrer  Brlider  Bernhardin  und  Gramaflanz  zwei 
Schwestem,  Grafinnen  Schlick,  und  war  cine  ihrer  Schwestern  die  Ge- 
mahlin  des  Grafen  Victorius  Schlickh.  tJber  die  bohmischen  Schlicks 
vgl.  Matthesius,  Luthers  Leben  ed.  Losche,  Prag  1898,  S.  475ff. 

1)  Mittwoch    nach    Jacoby    (28.  Juli)   1535   wird    sie   als   Argula 
schlickh  greffin  wittib  bezeichnet. 

2)  S.  den  Brief  Beilage  Nr.  X. 

3)  In  dem  Briefe  eines  Leipziger  Blirgers  vom  25.  Juli  1539  wird  er 
als  in  Gott  vcrschieden  bezeichnet. 


174  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

und  Gramaflanz,  und  bald  darauf  (wahrscheiulich  Anfang  1543) 
auch  der  zweite  Sohn  Hans  Georg.  Auf  die  Kunde  davon  kehrte 
Gottfried,  der  unter  Leitung  eines  frankischen  Landsmanns 
GroB  von  Trockau  eine  Zeit  lang  am  Hofe  des  Herzogs  von 
Pommem  in  Wolgast  gelebt  hatte,  in  die  Heimat  zurlick,  urn  nun- 
raehrseinerseits  dieLehen  seines  Vaterszu  ubernehmen  2).  Wahrend 
sie  friiher  in  der  Kegel  in  Lenting  lebte,  soli  Argula  die  letzten 
Jahre  ihres  Lebens  in  Zeilitzheim  ihren  Wohnsitz  gehabt  haben. 
Daselbst  ist  sie  1554  gestorbeu.  Die  dortige  Tradition  laBt  sie 
in  der  Kirche  begraben  sein,  aber  kein  Denkstein  eriunert  die 
Nachwelt  an  die  mutige  Bekennerin  evangelischen  Christen- 
tums  und  die  erste  Schriftstellerin  des  deutschen  Protestantis- 
mus,  die  dort  ihre  Ruhestatte  gefunden  hat. 


Aber  was  war  aus  Arsacius  Seehofer  geworden?  Dar- 
iiber  wissen  wir  bis  jetzt  sehr  wenig.  Seine  Gefangenschaft 
in  Ettal  scheint  nicht  allzu  lange  gedauert  zu  haben  ^).  Es 
gelang  ihm  zu  entfliehen,  aber  wann  und  unter  welchen  Um- 
standen  dies  geschah,  ist  vollig  unbekannt.  Die  Tradition*) 
laBt  ihn  unmittelbar  nach  seiner  Befreiung  nach  Wittenberg 


1)  Dies  alles  ans  Briefen  resp.  Aufschriften,  die  Argula  macht,  im 
Allg,  Reichsarchiv  in  Miinchen.  Danach  reiste  Gottfried  Freitag  nach 
Jubilate  1543  yon  Wolgast  ab.  Davon,  dafi  Hans  Georg  in  bayerische 
Dienste  getreten,  dann  aber  daraus  entlassen  worden  ware  (Lipowky 
S.  24),  findet  sich  keine  Spur. 

2),Dasist  spezieU  fur  die  Eichstatter  Lehen  (Lenting?)  bezeugt,  in- 
dem  der  Bischof  Moritz  durch  einen  Brief  Tom  15.  Dczember  1544  an 
Argula  flUnser  lieben  besundern  Freundin  Argula  gebornen  Freyin  von 
Stauff  ZU  Lennting",  anzeigen  lie6,  daB  die  von  ihrem  seligen  Gatten 
Friedrich  innegehabten  Lehen  nunmehr  durch  ihren  Sohn  Gottfried  von 
Grumbach  empfangen  werden  kSnnten.  Vgl.  0.  Rieder,  Beitrage  znr 
Kulturgeschichte  des  Hochstifts  Eichstatt  (Sep.  Abdr.  aus  dem  Neuburger 
Kollektaneenbl.  56  Jahi:g.  1892),  S.  29. 

3)  Alle  seinen  ProzeO  betreffenden  Schriften  setzen  seine  Gefangen- 
schaft noch  voraus. 

4)  Sie  beruht  auf  einer  sehr  allgemein  gehaltenen  Notiz  bei  S  c  c  k  en  - 
d  0  r  f ,  Comment.  Lutheranismi  I,p,  270 :  Arsacius  Seehofer ...  in  monasterium 
detrusus  et  eo  se  abduxit  et  Wittembergam  venit  inde  in  Borussiam 
missus  sed  postea  in  Sueviam  rediens  Augustae  et  Wynidae  Scholis  et 
ecclesiis  .praefuit. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grambach.  175 

kommen^).  Das  ist  sehr  wahrscheinlich,  aber  bisher  durch 
kein  gleichzeitiges  Zeugnis  belegt.  Dasselbe  gilt  von  der  viel- 
leicht  auf  einer  Verwechselung  mit  einer  Tatsache  aus 
spaterer  Zeit  beruhenden  Behauptung,  daB  Luther  ihn  alsbald 
mit  einer  Sendung  an  den  Hoch-  und  Deutschmeister  betraut 
hatte^).  Urkundlich  taucht  er  erst  im  Jahre  1528  wieder  auf, 
als  Melanchthon  ihn  seinem  Freunde,  dem  Pastor  Nikolaus  Kind 
in  Eisfeld  unter  rlihmender  Anerkennung  seiner  Gelehrsamkeit 
und  unter  Hinweis  auf  sein  friiheres  Martyrium  als  Schulmeister 
empfahl.  Und  diese  Empfehlung  hatte  Erfolg.  Melanchthon 
dankte  fiir  die  freundliche  Aufnahme,  die  sein  Schlitzling  in 
Eisfeld  gefunden  hatte  ^).  Aber  sein  Aufenthalt  in  Thiiringen 
war  nur  von  kurzer  Dauer.  Im  Sommer  1530  war  er  in  PreuBen, 
vermutlich  um  eine  Stellung  zu  suchen*).  Wenn  ihm  dieses 
gelungen  ist,  so  hat  er  sicher  nicht  lange  ausgehalten.  Denn 
im  Jahre  1532  begegnen  wir  ihm  wieder  im  Siiden,  und  zwar 
in  Augsburg^).  Das  war  die  Zeit,  In  der  die  antiwittenbergische 
Partei  daselbst  die  Oberhand  gewonnen  hatte,  die  Lutheraner 
Johann  Frosch  und  Stephan  Agricola  hatten  weichen  miissen, 
aber  man  doch  den  direkten  Bruch  mit  Luther  angesichts  der 
Zerkliiftung  der  Gemeinde  und  des  sichtlichen  Rlickganges  des 
Protestantismus  in  der  Stadt  vermeiden  woUte.  So  kam  es,  daB 
man  unter  dem  Vorgeben  mit  Luther  eins  zu  sein,  Seehofer, 


1)  Riozler  IV,  88  berichtet,  daB  ,,Luther  ihn  mit  offeDen  Armen 
aufnahm/  Davon  wissen  wir  gar  nichts.  In  Luthers  Briefwechsel  ans 
den  nachsten  Jahren  wird  er  Uberhaapt  nicht  erwahnt. 

2)  Riezler  a.  a.  0.,  u.  Reusch  schreibt  in  der  Allg.  deutschen  Bio- 
graphic  sub  voce  ohne  Beleg:  „er  wurde  von  Lather  nach  Preufien  ge- 
schickt,  kam  aber  von  dort  nach  18  Monaten  wieder  zuriick." 

3)  Corpus  Ref.  I,  366f.  Zu  Nic.  Kind  vgl.S  char  old,  Dr.  M.  Luthers 
Reformation  in  nachster  Beziehung  auf  das  Bistum  Wiirzburg.  Wtirzburg 
1824  S.  185.    Beitr.  Bayer.  KG.  VI,  51. 

4)  VgL  Cosack,  Speratus,  Braunschweig  1861,  S.  27  u.  415  u. 
S.  Speratus  an  Apel*.  Novarum  rerum  nihil  est  apud  me.  Quae  habui  ad 
Arsacium  dedi,  si  libet  istum  roga  bei  Tschackert  (der  die  Personlich- 
keit  nicht  diagnostiziert  hat),  Urkundenbuch  der  Reformationsgeschichte 
von  PreuBen  Bd.  I  Nr.  737  S.  246.  Danach  ist  die  Bemerkung  von  Ger- 
man n,  Joh.  Forster  (1894),  S.  55  Anm.:  „Von  1528  bis  wenigstens  1532 
war  Seehofer  Rektor  in  Eisfeld**  zu  berichtigen. 

5)  F.  Roth,  Augsburgs  Reformationsgeschichte  II,  209  Anm.  84. 


17(5  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

eben  well  er  aus  Wittenberg  gekommen  war,  als  Diakonus  ge- 
winnen  wollte.  Der  Stellenlose  war  dazu  bereit,  woUte  nur 
nach  Wittenberg  zuruckgehen,  um  seine  Sachen  zu  ordnen, 
schrieb  aber  dann,  „nachdem  man  ihn  dort  offenbar  eines  Besseren 
belehrt  hatte",  wieder  ab,  ,,da  er  betrogen  sei  und  ihm  der 
Handel  nicht  recht  ware  vorgehalten  worden"^).  So  gait  es 
fur  ihn  wiederum  zu  warten  und  zu  wandern.  Und  die  Not 
wird  ihn  gezwungen  haben,  im  Jahre  1534  von  neuem  sich  nach 
Siiddeutschland  zu  wenden,  wo  er,  wie  es  scheint,  jetzt  von 
Bucer  empfohlen,  bei  Frecht  in  Ulm  Hilfe  suchte.  Dieser  gab 
sich,  auch  von  Wolfgang  Musculus  in  Augsburg  darum  angegangen, 
die  groBte  Miihe,  durch  Empfehlungen  bei  Blarer  und  anderen 
den  „gelehr-ten  frommen,  durch  das  Kreuz  geiibten  jungen  Mann", 
—  man  nennt  ihn  noch  immer  juvenis,  irgendwo  unterzubringen. 
Aber  es  war  schwierig,  denn  er  war  kranklich,  hatte  ein  FuB- 
leiden,  auBerdem  eine  entstellte  Nase,  Mangel,  die,  wie 
Frecht  hofft,  durch  seine  Frommigkeit,  FleiB  und  Gelehrsam- 
keit  ausgeglichen  werden  wiirden^).  Da  damals  durch  Bucers 
Bemlihungen  eine  Konkordie  der  Augsburger  mit  den  Witten- 
bergern  in  Aussicht  stand,  bewarb  er  sich  um  eine  Pr^dikanten- 
stelle,  aber  er  muBte  erfahren,  daB  die  Prediger  Michael  Keller 
und  Wolfhardt  —  so  berichtet  freilich  der  schroffe  Wittenberger 


1)  Roth  S.  53.    Germann    S.  55.    Dazu  Roth   II,   209   Anm.  89, 
welche  Notiz  sich  wohl  auf  dieselbe  Sache  bezieht. 

2)  Er  kam  im  Januar  1534  von  Bucer  zu  Frecht  in  Ulm  (Frecht  an 
Bucer  26.  Jan.  1534).  Am  27.  Sept.  1534  ders.  an  Frecht:  Habent  nostri  . 
in  ditione  Heidenbeimensi  tria  opulenta  monasteria,  quae  si  reciperent 
verbum  aut  saltern  praedagogum,  possit  hie  Arsacius  praestare  praecep- 
torem.  Sed  isthic  apud  te  certiora  sunt  loca  quam  apud  nos.  Ea  propter 
Arsacii  memor  sis.  Non  dubito  quod  illi  ob  nasi  et  pe'dis  morbum  deest,  pia 
eruditaque  diligentia  sarciet.  (G.  Veesenmeyers  handschriftliche  Kollek- 
tanen  III,  51,  die  mir  vor  Jahren  von  seinem  inzwischen  verstorbenen 
Sohne  zur  Einsicht  iiberlassen  wurden  und  die  sich  wohl  jetzt  in  der 
Stadtbibliothek  oder  dem  Archiv  in  Ulm  befinden  werden).  Dazu  in  einer 
Nachschrift  von  dems.  Tage:  Arsacio  .  .  .  quid  statuendnm.  Musculus 
nuper  et  nunc  hominem  commendat  atque  ipse  Arsacius  saepe  me  nunc 
soUicitavit,  ut  se  tibi  commendarem,  Doctus  pius  et  cruce  exercitatns 
est  iuvenis.  Quaeso  huius  quoque  rationem,  etiam  si  sit  postremus,  quern 
tibi  commando. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  and  Argula  von  Gnimbach.  177 

ParteigaDger  Kaspar  Huberinus^),  die  sich  ihm  gegenuber  auBer- 
lich  freundlich  stellten,  seiner  Bewerbung  heimlich  entgegen- 
wirkten^).  Nicht  minder  war  sein  alter  Bekannter  von  Ingol- 
stadt  her,  Dr.  Gereon  Seyler,  ihm  entgegen  nnd  schwarzte  ihn 
wie  Precht  meinte,  bei  Bucer  an,  der  diesem  gegenuber  See- 
hofers  Unbesonnenheit  und  seiner  Fran  taktloses  Benehmen 
beklagte.  So  muBte  er  sich  begniigen,  im  Marz  1535  bei  der  Neu- 
ordnnng  der  Schnle  von  St.  Anna  als  Lehrer  der  dritten  Klasse 
angestellt  zn  werden.  Aber  die  Verhaltnisse  in  dem  vom  Partei- 
treiben  zerkliifteten  Augsburg  waren  unerfreuliche,  zudem  er- 
hielt  Seehofer  nur  den  karglichen  Gehalt  von  40  Gulden  2). 
Kein  Wunder,  daB  er  sich  fortsehnte. 

Da  tat  sich  ihm  in  Wiirttemberg  eine  Tur  auf  Wahr- 
scheinlich  schon  im  Oktober  desselben  Jahres  wurde  er,  auf 
Freeh ts  Empfehluhg  als  Lektor  an  das  Kloster  St.  Georgen  an 
der  Bregach*)  berufen,  aber  bald  darauf  von  Erhard  Schnepf, 
den  Herzog  Ulrich  mit  der  Durchfuhrung  der  Reformation  be- 
traute,  in  den  unmittelbaren  Kirchendienst  gezogen,  und  wirkte 
an  mehreren  Orten  als  Prediger,  u.  a.  wenn  wir  recht  berichtet 
sind,    eine    Zeit   lang    in    Leonberg*),    und    kam    schlieBlich 

1)  Germann,  Job.  Forster  S.  55  Anm. 

2)  Bereits  am  1.  Febr.  1535  berichtet  Frecbt  an  Blarer,  dem 
Arsacius  sei  in  Augsbnrg  oblatam  legendi  conditioncm  .  .  .  Praedicare 
quandoqae  simul  posset,  sed  nasi  morbus  forte  obstulit.  Veosenmeyer 
CoH.  IV,  13.  Ders.  am -7.  MSrz:  De  Arsacio  nudius  tertius  Bucerus  ab 
Augusta  Bcripsit.  Arsacium  hie  retinnimus  quia  et  ipse  non  esset  his 
locis  idoneus  cum  propter  suam  imprudentiam  tum  costae.  £r  wolle  Bucer 
beschworen,  ob  er  Arsaeius  nicht  ftir  tauglich  halte,  und  bittet  Blarer, 
ihm  die  Rektorstelle  in  St  Georgen  offenzuhalten.  Ebd.  p.  14.  Ders.  am 
3.  April  1537 :  Miror  Arsatium  tum  subito  factum  esse  malum.  Multa, 
crede  mihi  Arjsatinm  enecant  Augustae,  was  er  auf  Anschwarzung  Seyler 
bei  Bacer  zuriickfiihrt.  Ebd.  p.  26.  —  tlbcr  seine  Anstellung  in  St.  Anna 
Roth  11,  192  u.  209  Anm. 

3)  Vgl.  Wlirttemb.  Kirohengesch.  Calvu.  Stuttgart  1893,  S.  339  u. 
Kon  r.  Bothcnhaji8ler,DieAbteicnund  Stifte  de'sHerzogtums  Wiirttem- 
berg, Stuttg.  1886,  S.  259  Nr.  19. 

4)  Dies  berichtet  Salig,  Historie  d.  Augsb.  Koufession  III,  46  (und 
nach  ihm  die  Spateren)  unter  Hinweis  auf  die  Vorrede  zu  dem  sogleicli 
zu  erwahnenden  Werke  Seehofers,  worin  aber  davon  nichts  zu  leson  ist. 
Dieselbe  Angabe  bei  Binder,  Kirchen-  und  Lehramter  S.  93  Anm.,  wo- 
nach  er  1535/36  in  Leonberg  gewesen  ware,   was   damit  stimmcn  wlirde, 

Buitrage  zur  bayer.  KiivheuKesi-hichte  XT.  3.  22 


178  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

nach  WinnendeD,  wo  er  seit  Frulijahr  1538  nachweisbar  ist. 
Hier  lieB  er  1539  seine  einzige  Druckschrift  ausgehen,  seine 
Enarrationes  Evangeliorum  dominicalium  ^),  eine  Art  Houailetik 
in  praktischen  Beispielen.  Das  dem  Herzog  Ulrich  in  Dank- 
barkeit  gewidmete  Werk  entsprang  den  Bedttrfnissen  der  neu 
entstehenden  Wurttembergischen  evangelischen  Kirche.  Wie 
anderwarts  war  es  auch  hier.  Die  wenigsten  unter  den  fruheren 
Me£priestern  waren  imstande,  selbst^ndig  zn  predigen.  Man 
griff  zu  Luthers  Postille,  oder  zn  der  ktirzeren,  die  Antonius 
Corvinus  vor  kurzem  heransgegeben  hatte*),  ^ut,  wie  Seehofer 
sagt,  tarditati  plebanorum  consnleret.  Das  mochte  gnt  nnd 
richtig  sein,  aber  viele  begnngten  sich  damit,  solche  fremde 
Predigten  wortlich  auswendig  zu  lernen  nnd  velut  simiae  vor- 
zntragen,  wodurch  sie  natlirlich  niemals  dazn  kommen  wfirden, 
eine  regelrechte  Predigt  proprio  Marte  ausarbeiten  zu  kSnnen. 
Melanchthon  habe  in  seiner  Dialektik  gute  Anleitnng  in  expli- 
candis  sacris  Thematibus  gegeben.  Und  dem  Verfasser  ist  nicht 
unbekannt,  daU  daraufhin  vor  kurzem  ein  junger  Mann  von  scharfem 
Urteil,  P.  Artopoeus,  acuti  iudicii  adulescens,  die  Kunst,  wie  die 
Evangelien  zu  behandeln  seien,  kurz  und  gelehrt  dargetan  habe. 


daB  Anfang  1537  Pf.  Budolf  Helm  nach  Leonberg  kommt.    (Glitige  Mlt- 
teilung  von  D.  G.  Boseert.) 

1)  EDarrationes  evangeliorum  dominicalium,  ad  dialecticam  Methodnm, 
&  Rbetoricam  dispositionem  accommodatae.  Anthore  Arsatio  Seehofer. 
Adjecti  sunt  loci  Theologici,  quorum  cognitionem  omnis  Ecclesiastes  in 
promptu  habere  debet,  subnexis  aliquot  propositionibus  non  contemnendis. 
Accessit  quoque  index  locorum  memorabilium  in  toto  opere,  omnibus  piis 
admodnm  utilis  &  necessarius.  Roman.  10.  Quam  spetiosi  pedes  annun- 
tiantium  pacem,  annuntiantium  bona.  M.  D.  XXXIX.  307  Bl.,  wozu  noch 
eine  Tabelle  de  Contentione  legfs  et  Evangelio  kommt.  Am  Schlufi 
Excudebat  Henricus  Steynerns,  Augustae  Yindelicorum^  AnnoM.  D.  XXXIX 
mense  Novembri,  die  YI.  Die  Widmung  ist  datiert:  Datae  in  oppidnlo 
Winiden,  Mense  Aprili.  An.  a  nato  Christo  M.  D.  XXXIX  (Erl.  Bibl.). 
Obwohl  G.  Bossert  in  seinem  Art.  „ Arsacius  Seehofer,  der  erste  Homi- 
letiker  der  evangelischen  Kirche  WUrttembergs"  in  der  Ztschr,  „Halte 
was  du  hast^  YIII  (1885),  S.  59  auf  die  Bedeutung  hingewlesen  hatte, 
scheinen  auch  die  neuesten  Homiletiker  und  Geschichtsschreiber  der  Pre- 
digt davon  keine  Notiz  genommen  zu  haben. 

2)  Siehe  dariiber  P.  Tschackert,  Antonius  Corvius  Leben  und 
Schriften.    Hannover  u.  Leipzig  1900,  S.  33  ff. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  179 

Aber  dieses  nicht  ungeschickte  Buch^),  das  er  offenbar  selbst 
fleiUig  studiert  hat,  mit  seiner  reichen  methodiscben  Anleitung, 
erschien  ihm  offenbar  ffir  die  voUig  nngeiibten,  die  ob.  ingenii 
h'ebetudinem  aiich  mit  der  besten  Methode  nichts  anzufangen 
wissen,  nicht  einfach  genng.  So  beschloB  er,  denn  methodische 
Anleitung  und  Predigtbeispiele  zn  liefern,  unter  Wiedergabe 
von  einfachen  Predigten,  wie  er  sie  in  den  letzten  Jahren  ge- 
halten  hatte. 

Um  die  Leser  von  vornherein  mit  seiner  Methode  bekannt 
zu  machen,  stellt  er  in  Form  einer  Tabelle  einen  Typus  tractan- 
darum  sacrarum  concionium  zusammen.  Danach  unterscheidet  er 
1.  ein  genus  didascalicum,  2.  deliberativura  und  3.  demonstra- 
tivum,  zeigt  aber  nur  die  Behandlung  der  beiden  ersten,  um 
die  Ungeiibten  nicht  mit  einem  Zuviel  von  Arten  zu  tiber- 
schutten,  und  verweist  fur  das  in  der  Predigt  selten  zur  An- 


1)  Der  Titel  des  wie  scheint  heute  ganzlich  vergessenen  Werkes  —  ich 
habe  es  nirgends  erwabnt  gefunden  und  anch  Bossert  weiO  a.  a.  0.  nichts 
daruber  zu  berichteD,  lautet:  Evangelicae  condones  dominicarum  totins 
anni,  per  Dialectic/i  &  Rhetorica  artificia  breviter  tractatae.  Subnexis  Epi- 
stolarum  argumentis.  Autore.  Petro  Artopoeo.  Psal.  67.  Dominus  dabit 
verbum  evangelizantibus,  virtute  multa.  Vitel?ergae.  Anno  1537.  Voran- 
steLt  eine  undatierte  Vorrede  Bugenhagens,  dann  eine  ans  Stettin  vom 
Jannar  1537  datierte  Widmung  an  Paulo  von  Rhode,  den  Superintendenten 
von  Stettin.  Das  von  mir  benutzte  Exemplar  der  Erlauger  Bibliothek, 
284  BL  umfassend,  scheint  unvollstandig  zu  seiu,  denn  es  schlieBt  mit  der 
Bemerkung:  Sequitur  compendiaria  formula  de  sacris  concionibus  for- 
mandis.  Wahrscheinlich  gehort  dazu  noch  eine  ahnliche,  auf  einer  Seite 
abgedruckte  Tabelle,  wie  sie  unter  der  Uberschrift :  Typus  tractandarum 
sacrarum  concionum  bei  Seehofer  vorliegt.  —  Dieser  Petrus  Artopoeus, 
eig.  Becker  aus  Coslin,  ein  gelehrter  Mann,  kam,  nachdem  er  in  seiner 
Vaterstadt  im  evangelischen  Sinne  gewirkt  hatte,  aber  von  dort  vertrieben 
war,  bald  nach  Ausgabe  des  genannten  Werkes  als  Nachfolger  des  nach 
LUneburg  gekommenen  Paul  v.  Rhode  als  Hauptpastor  an  die  Marien- 
stiftskirche  in  Stettin,  kampfte  eifrig  gegen  das  Interim,  wurde  dann  aber 
als  Verfechter  des  Osiandrismus  1556  abgesetzt  und  starb  in  Coslin  am 
29.  Marz  1563.  Vgl.  Cramer,  Das  grofie  pommersche  Kirchenchronikon 
1628, 11,  23  und  Salig,  Historic  d.  Augsb.  Konfession  II,  1045 fT.  F.L:  von 
Me  dam,  Gesehichte  der  Einflihrung  der  Reformation  in  Pommern,  Greifs- 
wald  1837,  wo  wahrscheinlich  mehr  uber  ihn  zu  finden  ist,  war  mir  nicht 
zuganglich.  Eine  Spezialarbeit  iiber  Artopoeus,  der  eine  ganze  Reihe 
Schriften  geschrieben  hat,  ist  mir  nicht  bekannt  geworden. 


180  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

wendung  kommende  genus  demonstrativum  in  quo  laudamus 
rem  ut  iustitiam  temperantiam  etc.  personam  ut  regem  David, 
Paulum  Apostolum  etc.,  Factum  ut  victoriam  Davidis,  officium 
Pauli,  auf  Melanchthons  Rhetorik  ^).  Bei  den  darauffolgendeh, 
das  ganze  Kirchenjahr  umfassenden  Predigten  schickte  er  in 
der  Regel  eine  kurze  Anweisung  voran,  wie  das  Thema  zu 
linden,  und  nach  welchen  Richtungen  es  zu  behandeln  sei,  und 
lafit  dann  die  Predigt  selbst  folgen,  bei  der  durch  Rand- 
bemerkungen  auf  die  einzelne  Teile,  Ubergange  etc.  liingewiesen 
wird.  So  war  das  Werk  gewifi  dazu  angetan,  denkende  Benutzer 
allmahlich  zu  eigener  Predigtarbeit  anzuleiten.  Auf  die  Zeit- 
verhaltnisse  nimmt  er  wenigRticksicht,  wenn  auch  die  Sch warmer 
mehrfach  bekSmpft  werden;  nur  einmal  am  15.  Sonntag  p.  Trin. 
spricht  er  sich  mit  einer  gewissen  Leidenschaft  gegen  die  Monopol- 
wirtschaft  aus  (p.  223  b).  In  einer  nach  dem  Palmsonntag  ein- 
geschobenen  Abendmahlspredigt  tragt  er  unter  Berufung  Ire- 
naeus  4,  34  die  Lehre  vom  Nutzen  des  Abendmahls  flir  den 
Auferstehungsleib  vor.  Darauf  folgen  zwei  von  ihm  aus  dem 
Deutschen  ubersetzte  Predigten  des  Matthaus  Alberus  in  Reut- 
lingen,  eine  Predigt  de  meditatione  Passionis  Christi,  und  eine 
Auferstehungspredigt,  beide  in  genere  didascalico  geschrieben. 
Nach  alteren  Vorbilderri  wahlt  er  fur  den  25.  Sonntag  p.  Trin. 
die  Verklarungsgeschichte,  um  de  autoritate  Christi  unici  eccle- 
siae  doctoris  zu  predigen.  Anhangsweise  gibt  er  eine  Kirchweih- 
festpredigt  und  eine  wohl  fur  das  Michaelisfest  gedachte  Predigt 
Melanchthons  iiber  die  Engel,  die  er  aus  der  deutschen  tTbertragung 
Spalatins  zuriickubersetzt  hat  2),  und  endlich  eine  Leichenrede 
iiber  1.  Thess.  4,  13.    Damit  aber  die  jungen  Prediger  klare  Ein- 

1)  Ebenso  schweigt  er  aus  denselben  Griinden,  wie  er  spater  Bl.  294 
erwahnt,  von  dem  4.  durch  die  Rhetorik  an  die  Hand  gegebenen  genus 
iudiciale,  stellt  aber  eine  Beschreibung  desselben,  wenn  seine  bisherige 
Arbeit  Peifall  finden  sollte,  ftir  spater  in  Aussicht. 

2)  Sacra  Philippi  MeKanchthonis  concio  de  Angelis,  in  genere  didas- 
calico scripta,  e  Teutonica  (jreorgij  Spalatini  translatione,  per  Arsatinm 
Latine  reddita.  Bl.  287.  Vgl.  Sc  hi  eg  el,  Historia  vitae  G.  Spalatini. 
Jenfte  1693,  S.  197  Nr.  26.  M.  P.  Melanchthons  Christliche  Erinnerung 
von  den  lieben  Engeln,  an  S.  Michaels  Tage  zu  Jena  an  die  Studenten 
getan,  durch  G.  S.  cum  praefatione  eiusd.  &  dedic.  Henrico  e  Abrahamo 
ab  Einsiedel  in  Guandslein  &  Sch arffeii stein,  Witteb.  1536,  4. 


Eolde,  AisaciuB  Seehofer  und  Argula  von  Grumbacb.  181 

sicht  in  die  dogmatischen  Hauptbegriffe  erhielteo;.  fiigt  er  unter 
dem  Titel  Loci  theologici,  quorum  cognitiones  onines  ministri 
ecclesiae  in  promptu  habere  debent,  dem  Beispiele  des  Artopoeus 
folgend,  kurze  dogmatisehe  Begriffsbestimmungen  bei.  Sie  sind 
seinem  Freunde,  dem  um  die  Reformation  wohl  verdienten  Martin 
Cless  von  Uhingen,  damals  Pfarrer  von  Goppingen,  gewidmet, 
dessen  Gastfreundschaft  der  Verfasser  oft  genossen  und  der  ihn 
bei  der  Herausgabe  dieses  Teils  vielfach  unterstiitzt  hat^). 
Daran  schlieBen  sich  nocli  Thesen  fiber  konfessionelle  Streit- 
fragen,  mit  denen  die  Prediger  Wurttembergs  es  damals  oft 
genug  siu  tun  haben  mocbten,  fiber  Messe,  Fegefeuer,  AblaB 
und  eine  Tabelle  de  contentione  legis  et  evangelii.  So  hatte 
das  Buch  einen  sehr  reiclien  Inhalt,  und  da  es  mehrfach  wie- 
der  abgedruckt  wurde,  muB  es  groBe  Verbreitung  gefunden 
haben.  Wenige  Jahre  spater  ist  Arsacius  Seehofer  im  Jahre 
1542^)  in  Winnenden  gestorben. 

Nachtrag. 

Zu  Seehofers  Artikeln  S.  76  f.  ist  nachzutragen,  daB  Art.  15 
aus  Melanchtons  Annotationes  in  Evangelium  Matthaei  1523 
(cf»  C.  Ref.  XIV,  529),  die  ohne  sein  Wissen  herauskamen, 
entnommen  ist.    Da  heiBt  es  Bogen  C:   si  ab  aliis  extorqueas 


1)  Die  Widmung  ist  schon  vom  24.  Juni  1638  daticrt.  tJber  Cless 
eine  Heihe  von  Notizen  in  der  „Wurttemberg|8chen  Kirchengesch.**  S. 
Index  s.  voce. 

2)  Th.  Wiedemann  (Ob.  bayer.  Arch.  21,  70  erwahnt  einen  Neu- 
druck  von  1541,  s.  1.  8,  16  u.  304  Bl.  Nach  E.  Hoebstetter,  Zur  Gesch. 
der  Predigt  in  Wtirttemberg  «eit  der  Reformation,  Blatter  fiir  Wfirtt. 
Kirchengesch.  1894,  S.  42,  wo  einige  spatere  Urteile  iiber  Seehofers  Buch 
mitgeteiit  werden,  miifite  auch  eine  (mir  gleichfalls  unbekannt  gebliebene) 
Ausgabe  von  1544  vorhanden  sein.  Dagegen  fand  ich  (in  Schwabach)  eine  von 
Wiedemann  a.a.O.  erwahnte,  aberganzfalschbeschriebene  Ausgabe,  die  sich 
ohne  Grund  bloO  zu  Reklamezweoken  Nunc  denuo  summa  cura  ac  diligentia 
castigata  bezeichnet:  Ursellis  excudebat  Nicolaus  Henricus  Anno  1562. 
Ihr  fehlt  die  Engelpredigt  Melanchthons  und  am  Schlui)  die  Tabula  de 
contentione. 

3)  Nach  anderen  erst  1545.  DaO  das  Jahr  1542  das  richtige  ist,  er- 
gibt  sich  daraus,  daO  in  den  Listen  fiir  Anlage  der  Ttirkensteuer  im 
Jahre  1542  bereits  Job.  Gro6  (Magnus)  als  Pfarrer  in  Winnenden  ver- 
zeichnet  ist  (Mitt,  von  D.  G.  Bossert). 


182  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

iuramentiira,  vel  ipse  facile  praestes,  aiiimo  sis  necesse  est  suspi- 
tioso  diffidente,  malitioso  et  levi  non  reverenti  veritatis  divinae 
(Erl.  Bibl.  Theol.  V,  200).  —  Betreffs  Georg  Hauer  oben  S.  52 
Anm.  ist  noch  zu  beiuerken,  daC  seine  padagogischen  Ver- 
dienste  neuerdings  gewiirdigt  sind  durch  J.  Knepper,  Der 
bayrische  Humanist  Georg  Hauer  als  Padagoge  und  Graramatiker. 
Mitteilungen  der  Gesellschaft  fur  deutsche  Erziehungs-  und  Schul- 
geschichte.     1904,  4.  Heft,  S.  2531f. 

Beilage  IV. 

Georg  YOU  Grumbach  au  seine  Mutter  Argula. 

NUrnberg  d.  5.  Juni  1525. 
Gnad  und  fried  in  christo.  Mein  allerlibste  frau  mutter  und  her 
vater.  euch  ist  on  zweyffel  woll  wisseu,  wie  das  mein  magister  zu 
sant  SebaHt^)  von  wegen  seines  yrsamen  furnemens  und  schwtirmes 
geurlaubt  ist  worden  und  vertrieben  mit  molern  und  andern  mer,  den 
er  anhengig  was,  des  ich  und  auder  vil,  ein  grosz  mit  leyden  trag, 
dwcyl  aber  die  sach  nit  anderst  mucht  sein,  musten  wirs  lassen 
gott  walten,  bin  ich  derhalben  nach  seinem  abschied  etliche  tag  bey 
der  furerin  ausz  und  eyngangen,  szolang  bisz  das  mich  osiander 
einem  andern  leermayster  befollen  hat.  nemblich  dem  magister  bey 
sant  Laurencium^)  do  ich  itzunt  bey  bin,  verhoff  mich  da  selbt  nit 
weniger  nutz  zu  schafPen  dan  bey  dem  voringeu;  bin  zu  im  durch 
osiander  verdingt  allermassen  und  gestalt  wie  zu  dem  von  sant 
sebaldt^  des  was  umb  18  fl.,  und  den  nechsten  mitwoch  nach  dem 
andern  sontag  in  der  fasten,  den  man  Eeminiscere  benent,  bin  ich 
zu  im  in  sein  hausz  angenumen,  kein  fel  an  uichte  nit  hab,  got  sey 
lob,  er  hat  grossen  fleysz  mit  unsz,  ist  ein  frum  erber  man,  hat  atich 
ein  frumbs  eeweib^),  hoff,  ich  wolle  mich  dermassen  halten  gegen 
in  und  euch,  das  yn  sein  mile  und  arbeit,  und  euch  die  kost  an  mir 
nit  reue,  wille  mich  in  all  weg  euros  und  seines  will  ens  fleyssen  da 
mit  ich  etwas  lern,  got  zu  eren  und  mir  und  dem  nechsten  zu  gut,  dan  ich 
waysz  woll,  das  nemant  im  selbs  allein  geporen  ist^  darumb  bit  ich  euch 
libe  frau  mutter  und  her  vatter,  woUet  euch  nit  reuen  lassen,  was  ir  auff 
leget,  hoff  zu  got  es  soil  nit  ubell  angelegt  sein,  mitt  der  zeit  hundert- 


1)  Job.  Denck.  s.  o.  S. 

2)  D.  1.  Job.  Ketzmann  f  23.  Aug.  1542.  Vgl.  Zeltner  Gel.  Send- 
schreiben  an  Scbwindel  von  dem  merkwiirdigen  Leben  Joh.  Ketzmanns 
Frkf.  u.  Leipz.  1734.  4°..  Siebenkas,  Materialien  zur  Nurnbergischen 
Gesch.  NUrnberg  1792  I,  102,  Heerwagen,  Zur  Gescb.  der  Ntirnberger 
Gelehrtenschulen  im  Zeitraume  von  1526—1535.  NUrnberg  (Progr.)  1864 
S.  23. 

3)  Demnach  muC  die  Ursula  Saltzerin,  die  er  Exaudi  1528  beiratete 
(Beitr.  X,  83),  seine  zweite  Frau  gewesen  sein. 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  uud  Argula  von  Gnimbach.  183 

feltige  frucht  bringen,  ueue  zeittuug  wolt  ich  euch  gern  schreiben;  szo 
findt  der  so  vill,  das  mir  papirs  vnd  dyntten  zu  run,  wen  ich  nur  den 
wenigsten  teyl  wollt  schreiben,  bit  euch  aber  beyde  fireuntlich,  wollet 
in  disen  unrnigen  sachen  ein  gut  gemut  mit  aller  gedult  gegen  got 
und  den  nechsten  tragen,  got  bitten  das  ers  auf  beyden  seyten  went 
nach  seinem  gotlichen  willen,  unser  seel  seligkait  zu  gut,  es  ist  hie 
noch  styll  vnd  gut,  got  geb  lang,  itzunt  nit  mer  dan  got  alzet 
befollen  und  grust  mir  meine  geschwisterhait  mit  sambt  alien  gutten 
freuntten  fleyssiglich,  und  schreibt  mir  bider.  Datum  zu  numb  erg 
am  andern  pfingstag  1525.  ich  hab  itzund  seer  geeilt  und  vor  nit 
triben  darumb  nembt  verguedt  am  nechsten  will  ichs  bessern 

georg  von  grumbach 
ewer  williger  sun 

Aufschr:     Der   irbern    und    tugenthaftigen    frauen    argula    von 
grumbach  gebornen  von  Stauff  meiner  liben  mutter. 
(Or.  im  AUg.  Reichsarchiv  zu  Mlinchen.) 

Beilage  V. 

Andreas  Osiander  an  Melanchthon. 

Ntirnberg,  15.  Febr.  1534. 
8.  Misit  hisce  diebus  Joannes  Carolus  procurator  A rgulae  a 
Stauff  pecuuiam  ad  me,  quae  tibi  nomine  6 eorgii  a  grumpach  filii 
eius  debetur,  scz  13  Jochimstaler  &  8  fl.  tamen  (?)  20  gr.  pro  uno 
fl.  numeratis,  rogans  ut  quam  possem  celerrime  ad  te  mitterem.  ego 
vero  quamvis  alioquin  eiusmodi  negociis  libenter  careo,  tamen  tua 
caussa  libentissime  recepi,  quam  pecuniam  quia  nondum  fuit,  cui  tuto 
committerem,  interim  hoc  tamen  te  scire  volebam  esse  scz.  depositam 
apud  me,  cum  potero  commode  et  absque  periculo  mittam,  interim 
si  quid  est,  quod  aliter  fieri  velis,  scribe.  Apud  nos  nil  novi,  nisi 
quod  federe  Suevico  dissolute  nemo  non  et  latrocinia  et  intestina 
germanie  bella  ominatur.  Georgius  wicelius  suis  mendaciis  et 
blasphemiis  tarn  multos  seducit  et  mihi  necesarie  fiierit,  eum  publico 
in  concionibus  confatare.  non  credidissem  tarn  caecos  adhuc  esse 
plerosque,  qui  sibi  multum  sapere  videntur.  Vale  bene  et  si  per 
negocia  licet  nonnihil  rescribe.     Dat.   15.  Febr.  anno  1534. 

Andreas  Osiander. 

Clarissimo  doctissimo  viro  D.  Philippe  Melanchtoni  amico 
candidissimo  Wittenbergae. 

(Or.  in  der  von  Wallenbergischen  Kirchenbibliothek  zu  Landes- 
hut  in  Schlesien  I,   367 1)). 


1)  Leider  konnte  ich   den   im  Jahre  1880  an  Ort  und  Stelle  abge- 
Bchriebeuen  Brief  nicht  mehr  vergleichen. 


iy4  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Avgula  von  Griimbacb. 

Beilage  VI. 
Andreas  Althamer  an  Argula  von  Grumbach. 

Ansbach,  d.  26.  Mai  1530. 
Gnad  frid  und  barmhertzikait  von  gott  nnserm  himelischen  vater 
durch  seiuen  geliebten  sun  unsern  herrn  Jesum  wunsch  ich  euch 
zuvor.  Edle  und  tugendhaffte  frau,  ich  thu  euch  zewisseu,  das  wir 
alle  in  unserm  hause  frisch  und  gesuud  seyen  am  leib.  Got  gebe  auch 
gesundtheit  der  selen.  So  wissend  auch  das  unser  fiirst  yetz  am 
nechst  verschinen  son  tag  hinweck  auf  Augspurg  ist  geriten,  der 
Cautzler  mit  sein  gnaden.  Und  hat  mein  g.  h.  den  Brent zen 
prediger  zu  Hall,  den  prediger  von  hinnen  herrn  Johann  Rurer 
den  pfarher  von  Kitzingen^)^  den  pfarher  von  Chreulszheim^) 
mit  sich  genommen.  Gott  gebe  Kay.  Mt.  und  alien  fursten  seinen 
heiligen  gaist  Amen^  und  uns  armen  eiu  besteudigen  festen  glauben, 
das  wir  in  zeit  der  Anfechtung  mligen  bestehen  und  selig  werden. 
Ich  spur  noch  ein  behertzhafftiges  gemlit  bey  unserem  Landsfursten^ 
Gott  wolle  in  gnediglich  erhalten.  Die  bischoff  mit  yhrem  anhang 
bochen  wol  ser  und  verhoffen  Gottes  reichs  undergang,  aber  der  Herr 
lebt,  er  kaan  yr  radtschlag  wol  zertrennen,  wie  er  vor  mermals  getan 
hat  und  yetz  auch  neulich  zu  Minchen  yr  gedancken  zerstreuet. 
Wir  wollen  die  sach  got  bevelhen,  der  wils  wol  hinaus  fiiren.  denn 
er  ist  stark  und  mechtig  genug,  und  der  handel  ist  sein  er  hat  in 
yn  uns  angefangen  darum  wirt  er  yn  hinausz  fiihren.  Wir  sollen  im 
wol  vertrauen.  So  stadt  die  sach  bey  uns  in  dem  gantzen  fiirsteu- 
tliumb,  wie  auch  zu  der  zeit  als  yhr  selbs  erfaren  habt;  ist  kein 
andere  endernng  fur  gefallen.  Die  hoffmeysterin  ligt  noch  kranck. 
Ich  lasse  auch  euren  sun  nit  vil  hinein^  dann  man  liesz  yn  nicht 
zu  yhr,  so  sorge  ich,  er  mbcht  anderst  wa  hin  lauffen.  Die  leutt  zu 
Hoff  achten  vielleicht  der  frembden  nit  ser  als  ich  besorg.  So  laszt 
im  mein  haus&aw,  die  den  kuaben  besunderlich  lieb  hat  keinen 
mangel.  So  behSr  ich  in  al  abent  selbe  und  hab  in  mer  der  lernung 
halben  gestrichen  dan  anders  dings  halben.  Er  hette  nicht  ein  b5ses 
ingenium,  wan  ers  selbs  tray  ben  wolt  und  fleis  ankeren.  Ich  gib 
seiner  iugent  die  schuld,  wirt  villeicITt  noch  anders  werden.  So  wirt 
er  weder  von  mir  noch  anderstwo  in  der  schule  hort  gehalten,  das 
yr  solichs  nit  dorft  fiirchten,  man  halte  in  zu  hart.  Dann  wir  wissen 
auch  wie  man  die  iugent  halten  soil,  es  lernets  uns  auch  Salomon  in 
seinen  spruchworten.  Der  gutig  got  wolle  uns  alle  bewaren  und  er- 
halten bey  sein  em  wort  Amen.  Bitten  d  got  flir  mich.  Es  gruszet 
euch  mein  hausfrau.  Griessend  mir  auch  euer  Junckorn.  Geben  zu 
Onoltzbach  am  anffertags  abents  Im  1530  Jar 

And.  Althamer. 

1)  D.  i.  Martin  Meglin. 

2)  D.  i.  Adam  Weisz.   Vgh  hierzu  des  Ad.  Weisz  Acta  in  comitiis 
Augustaiiis  in  Georgii  Uffenheimer  Nebenstanden  673 flf. 


Der  Edkn  T»d  tt^gndkaflRtiw  fbuuni  Ar^ala  von  Gminb^ick 
gebom  Ton  Stamffen  serner  gviislig«n  £nMieii» 

(Or.  MsiidNB.  Al%.  RadisttrehiT.  AiadEBcliriJft  t«hi  Ai^gulms  H«it4: 
Als  mein  snn  HaiiSK  Geai;^  m  juni^ach  za  sdral  isl  g«xig<»ii.^ 

Bdlage  YIL 

RechnuDg  Althamers  fur  Hans  Georg  voii  6riimp;ftieh. 

Item  Hams  Joig  Ton  GrompaM^  ist  bej  mir  aiugstMideii  axn 
aller  seleotag  Anno  1529. 

Item  4  creatser  fur  Grammatica  Pliilippi 
6  ^  fGr  den  Tentschen  Catechismum 
30  ^  liir  ^n  latejnischen  Catechismum 
16  creotzer  for  das  rot  SchlSplein 
16  ^  fur  ein  gsangbuchlin  ^) 
15  ^  dem  Schneider  Ton  deu  bosen  za  madieu 
56  ^  for  2  bar  schacb 
5  crentzer  for  den  Donat 
9  ^  for  Erasmum  de  civil  itate 
2\  ^  fur  ein  bar  sch&cb 
12  ^  dem  caIe£actori 
12  ^  bad  gelt 
Facit  10  @  minus  2  ^ 
Item  5  crentzer  nmb  sch&ch 
Item  1  fl.  21  ^ 
(Andere  Seite:) 

Nota  die  Iran  Argula  hat  die  alten  schiild  des  30  jar  gar 
bezalt  und  auff  das  31  jar  geschickt  h%j  einem  boten  vou  Kitziug 
VI  fl.  das  ich  emfangen  hab  den  18  Marcij  am  sambstag  uach  Ociili 
Im  1631   iar. 

(Or.  V.  Althamers  Hand.  Reichsarchiv  MUnchen.) 

Rechnung  Althamers 
Item  die  frau  Argula  sol  mir  ze  thun  auff  aller  soleii  tag  dos 
31  iar  von  irhes  sons  hans  Jorgen  wegen  VI  fl.  fur  kost 
Item  V.  bacen  umb  ein  lateinisch  testament 
Item  1  bar  schfich  fur  28  ^^ 
Item  1   bacen  umb  stimpf  an  dfe  hoseo 
Item  32  -^  fur  1   bar  schuch 
Item  dem  Schneider  60  ^ 
Item  23  ^  fur  die  fabulas  Aesopi 
Item  12  ^  Calefactorj 
Item  3  fl.  umb  cost  gelt  von  aller  selen 
tag  bis  au£f  Sant  Brigitta 


1)  Was  mag  das  wol  ftir  ein  Gesangbucb  gewesen  sein? 


186  Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach. 

Macht  alls  zusamen  10  fl.  3  ^ 

Actum  am  mitwuch  vor  Lichtmes  Im  1532  jar 

(Or.  Allg.  Reicharch.  z.  MUnchen.) 

Beilage  VIII. 
Andreas  Althamer  an  Argula  von  Grumbach 

(Ansbach)  d.  15.  Nov.  1532. 

Gnad  und  Md  von  gott  sey  mit  euch.  Edle  und  tugenthaffte 
frau;  hiemit  schicke  ich  euch  euern  son  Hansen  Jorgen,  da  mit  ich 
und  ir  der  sorgen  uberhaben  seyendt,  wolt  ir  yn  nach  dem  sterben, 
so  wir  and  erst  frisch  und  gesundt  bleyben,  wyderher  thun,  das  steht 
zu  euch.  Ich  hette  gemeynt.  ir  solt  ein  karren  geschickt  haben,  so 
hette  er  seine  kleyder  und  geret  alles  mit  f&ren  konnen^  weil  das 
aber  nit  geschehen,  wil  ich  das  ander  sein  geretlein  bey  mir  lassen 
bleiben,  biss  ir  mir  weiter  schreibt,  wa  ichs  hin  thon  soil  etc.  Fur 
das  ander  so  hette  ich  mich  euer  selber  verseheU;  so  hett  ich  mit 
euch  kunden  rechnen  und  alle  sach  schlichten,  also  kan  es  nit  wol 
sein^  dann  ich  weiss  nit,  wie  ir  mir  den  wein  habt  angeschlagen, 
was  ich  flir  yhn  hab  auszgeben  und  bezalt;  das  gib  ich  euch  hir  mit 
verzeichent. 

Item  5  fl.  hah  ich  empfangen  den  letztcn  Januarij  des  32  iares 
Hansen  Jorgen  da  mit  ze  kleyden.    Davon  auszgeben 
10  ^  for  paedalogia  Mosellani 

3  fl.  umb  thuch  zum  rock 
52  ^  fur  satin 

6  ^  fur  den  grauen  rock  z&  waschen 

4  ^  fur  getrenck 

1  ^  fur  flick  leder 

25  ^  fur  ein  watschgerlein 

4  fur  ein  gurtel 

Item  mer  18  ^  fur  Satin  und  seyden 

Item  dem  Schneider  von  dem  griinen  rock  z8  machen  84  ^ 

Item  von  dem  grauen  neuen  rock  84  ^  zfi  machen 

Item    von .  dem   alteu    grauen    rock   und   von    ein  em    neuen 

wammas  84  ^  ze  machen 
Item  22  -^  fur  Leinwat  under  den  grauen  rock 
Item  4  @  9  ^  fur  barchet  um  einen  underzug 
Item  22  ^  von  den  roten  hosen  mit  den  leinin  stympfen 
Item  fur  ein  blau  filter  und  den  stimpfen  67  ^ 
Item  12  -^  dem  Schneider  trincks  gelt 
Item  6  -^  fur  nestel 
Item  40  -^  fur  ein  bar  schuch 
Item  24  -^  fur  ein  bar  schuch 
Item  12  ^  fur  ein  schlilssel 
Item  36  ^  fur  schuch 


Kolde,  Arsacius  Seehofer  und  Argula  von  Grumbach.  187 

Summa  5  fl.  9  ffi  1  ^ 

Item  ich  hab  empfaugeu  2  feszlin  mit  wein,  fasset  das  groser  bey 
6  aymer  das  ander  4  aymer  4  mass  hieyger  eych:  Vnd  schrib  mir 
euer  schultheisS;  das  sie  bayde  da  undeu  bey  ime  hielteu  Xj  aymer  vnd 
XXiij  mass 

Ferner  so  stelit  mir  noch  eiu  2  aymerige  feszlin  ansS;  das  bat 
der  Scbultbes  zii  Zewletzbeim  etc.  welcbes  alles  yhr  biemit  eiu 
copey  brieff  babt,  wie  mir  der  Schultbeis  geschriben  hat.  Die  ander 
schuld  macht  41  wuchen  kost  gelt,  kund  ir  selbs  wol  recbnen,  was 
es  mache,  So  vil  bab  ich  euch  in  eyl  wollen  schreibeu.  Ich  hett  es 
alles  lieber  muntlich  mit  euch  austragen.  Des  knaben  wolt  sorge 
haben^  und  on  Zucht  yn  nit  lassen,  das  wil  ich  euch  in  sonderheit 
bevolhen  haben^  denn  er  bedarf  fleisiger  Zucht,  soil  er  anderst  ge- 
raten.  Mein  weib  griiszt  euch  seer.  Da  mit  bewar  euch  und  uns 
Gott  unser  vater.  Datum  in  eyl  am  dornstag  nach  Martini  im  1532  iar. 

Andreas  Althamer 

Der  edeln  und  tugenthafften  frauen,  frau  Argula  von  Grum- 
pach  gebornen  von  Stauffen,   meiuer  gnedigen  frauen  z&  handen. 

Dazu  von  Argulas  Hand  die  Notiz:  Andresz  althamer  als  er 
mir  mein  sun  hansz  georgen  ausz  dem  sterben  hergeschickt.  1532. 

(Or.  Allg.  Reichsarch.  in  Miinchen.) 

Beilage  IX. 

Job.  Eck  an  Frau  Argula  von  Stauff 

Ingolstadt,  18.  Dez.  1533 
Gnadige  frau.  Es  ist  meiner  gvatterin  der  mann  gestorben  der 
schaffiier:  hat  ihr  verlassen  ain  jungen  unerzogen  waiszen  vnd  vil 
schuld  en:  thun  die  glaubiger  streng  gegen  dem  armen  weib:  musz 
sie  auch  das  gelt  auftreiben  bey  ihren  schuldnern.  Zaigt  sye  aber 
mir  an,  wie  etwas  lutzelsz  vnd  kleines,  euer  gnad,  ir  ze  thun  sey: 
hat  mich  deshalb  gebetten,  ain  fiirgschrifft  an  e.  g.  ze  geben :  deshalb 
ist  mein  fleissig  bitt,  in  ansehung  der  notturft  und  auch  der  billichkait 
wollen  sye  der  schuld  ^)  guetlich  und  und  un verzogenlich  entrichten . . .  ^) 
mir  zu  sampt  der  billichkait  zu  beschtilden.  Datum  Ingolstat.  wunne- 
baldi  et.    Anno  33 

E.  g.  williger 
Johann  Eck  doctor. 

Der  wol  gebornen  frauen  Argula  Schlickin  geborn  von 
Stauff,  meiner  gnedigen  franen. 

(Or.  Allg.  Reichsarchiv  in  Miinchen.) 


1)  Nach    der  Aufsobrift  Argulas   handelte  es  sich   um  Schulden  fur 
ihren  Sohn  Georg  bei  dem  Schaffner  Vogl  im  alten  CoUegio  in  Ingolstadt. 

2)  Vielleicbt  „8U8t«. 


188  HauSleiter,  Ziir  Lutherbibliographie. 

Beilage  X. 

Argula  V.  Grumbach  an  ihren  Sohn  Hans  Georg. 

Leuting  d.  24.  April  1538. 
Genad  und  frid  mit  dir  lyeber  sun.  ich  hab  ausz  deinem  schrey  wen 
uud  vormals  von  den  leutten  die  bandlung^  so  zu  burckgrumbach 
geschehen  ^  mit  grossem  erschrecken  vernumen  und  micli  ser  darum 
bekumert  vnd  noch  klags  got  dasz  ich  so  uogehorsame  kinder  getragen 
und  an  meiner  prust  erneret  uud  mit  grosser  sorg  kostung  und  angst 
aufferzogen,  got  well  dasz  du  bekert  und  dich  hinfiir  an  pesserst, 
amen,  dieweil  du  mir  aber  ytzt  schreibst  dir  zuverzeihen  und  dich 
erpeuttest,  wellest  dich  hinfiir  an  gehorsam  halten,  will  ich  dich  noch 
diszmal;  so  du  dich  anderst  meines  bevelchs  und  zucht  haltest,  an- 
nemen^  und  besehen^  damit  die  sach  vertragen  werd^  darum  so  mach 
dich  von  stund  an  her  haym,  doch  wolst  nicht  kumen  dan  du  nemest 
vor  davor  zu  nurmberg  dasz  sacrament  und  ge  vor  zu  doctor 
osyander,  klag  ym  dein  anligen  imd  sach  warhafftig,  der  waysz 
dir  in  deyner  conscienz  wol  ein  radt  zu  gewen,  darum  so  verschweig 
ym  nichtZ;  er  waisz  voraus  umb  die  sach  und  hiit  dich  bey  leib,  dasz 
du  kainem  menschen  nichtz  sagest,  vertrau  niembt  und  behaltz  aufs 
gehaymest.  So  du  dan  das  sacrament  empfangen  hast^  so  haysz  dir 
osiander  ein  zetl  gewen^  sunst  glaubt  ich  dir  nit.  rechen  auch  alle 
sach  wasz  du  v^erzeret  hast  zu  nurmberg  und  wasz  man  vormals 
bey  ym  auffgeschlagen  mit  dem  wurt  ab,  und  dasz  der  wiird  alles 
unterschidlich  aufschreyb,  das  bring  mit  dir  her.  sag  dem  got  frid 
das  er  fleissig  studir  und  bey  der  lernung  beleib  und  nicht  in  der 
Stat  oder  in  wiirtzheussern  hin  und  her  lauff^  das  er  auch  fleissig  die 
predig  merck  und  warhaft  zucktig  getreu  und  frum  beleib.  Damit 
sey  got  in  seine  genad  bevolhen.  Datum  zu  lennting  mitboch  nach 
dem  ostertag  ao  1538 

Argula  schlickin  greffin  witib 
geporne  freyn  vn  stauffen. 

Aufschr.  Dem  Edeln vnd  vesten  H a n s  georgen  von  grumbach 
zu  burck  grumbach  meinem  lyewen  sun  etc. 

SpStere  Aufschrift  von  Argulas  Hand:  Clausz  manger  sun 
belangent  ao   1538. 

(Or.  Allg.  Reichsarchiv  in  Miinchen.) 

Zur  Lutherbibliographie. 

An  twort 

von  Prof.  Johannes  Hanlsleiter. 

Das  Interesse  an  meiner  Nordlinger  Heimat  mag  es  entschuldigen, 
wenn  ich  der  Beantwortung  der  auf  Bd.  X  S.  217 — 223  entwickelten 
Frage  unter  freundlicher  Begrlifiungihres  Verfassers  einige  Zeilen  widme. 


Haufileiter,  Zur  Lutherbibliogrnphie.  189 

Die  Nachschrift  des  Sixtus  Schmid  vom  2.  Dezember  1522 
redet  von  zwei  neuen  Biichlein.  WSre  nur  von  einem  die  Kede^ 
hatte  der  Ausdmck  ,,eth1ich  nenen  bichlich  auff  das  neust  bey  uns 
getruckt"  keinen  Sinn.  Der  Nordlinger  Bote  bekommt  eingebSndigt 
1.  dye  misbrauchung  der  mes  vortheutschett^  2.  auch  (d.  h.  dazu) 
von  einem  leyen  vrsach  des  irren  bis  hieher  in  der  Christenhaitt 
geschehen.  Sollte  es  sich  um  eine  neue,  von  einem  Laien  ver- 
fertigte  Verdeutschung  der  Scbrift  Luthers  vom  Mifibraach  der  Messe 
bandeln,  so  wllre  das  docb  dentlicher  ausgedrtickt. 

Dem  immerhin  m5glichen  Streit  liber  die  Beziehung  der  Worte 
.,vou  einem  Laien ^  macbt  die  einfache  Tatsache  ein  Ende,  dafi 
Bicb  das  unter  2.  genannte  Bucblein  nachweisen  lUfit.  Es  ist  die 
Scbrift  gemeint:  Die  baubt  ||  artickel  durch  ||  welche  gemeyne  Chri  | 
stenbeyt  byfibere  \\  verfuret  wor-  ||  den  ist.  ||  Daneben  auch  grunc. 
vnnd  [I  antzeygen  eyns  gantzen  [|  rechten  Christelichen  ||  wefiens.  ||  Wit- 
temberg.  ||  M.D.XXij.  ||  7  Bogen  in  Quart,  Signaturen  Aij — Giij. 
Auf  der  Vorderseite  von  G  4  scbliefit  der  Druck:  Gedruckt  zu 
Wittemberg  durch  Nickel  ||  Schirlentz  Anno.  M.D.XXij  ||  (Exemplar 
der  Kirchenbibliothek  von  St.  J^kobi  in  Stettin).  Es  iHfit  sich  aber 
die  Zeit  des  Druckes  noch  genauer  angeben. 

Auf  der  Rnckseite  des  Titelblattes  beginnt  der  Widmungsbrief 
des  Herausgebers  (nicht  Verfassers)  der  Scbrift  Nikolaus  Amsdorf 
an  Ott  von  Ebenleben.  „Es  hat  ein  verstSndiger  Lai  gar  ein 
hUbsch  BUchlein  gemacht".  Amsdorf  gib t  es  heraus,  „dieweil,  der 
es  meinem  gnUdigsten  Herrn^  dem  Ghurfiirsten  zu  Sachseu,  zuge- 
schrieben  hat,  seiuen  Namen  aus  bewegenden  Drsachen  bergen  will". 
Der  Widmungsbrief  umfafit  den  ersten  Bogen  und  noch  das  erste 
Blatt  des  Bogens  B  und  ist  datiert  „ Wittemberg  freytag  nach  aller 
heyligen  Anno  M.D.XXij"  d.  h.  den  7.  November  1522.  Wie  das 
Ubergreifen  in  den  Bogen  B  beweist,  ist  der  Widmungsbrief  nicht 
erst  nach  Vollendung  des  Druckes  vorgesetzt  worden,  sondern  mit 
ihm  hatte  der  Druck  begonnen.  Wenn  er  in  den  nachsten  Wochen 
fortgesetzt  und  vollendet  wurde,  so  hatte  am  2.  Dezember  die  Scbrift 
(mit  einer  Nachrede  Amsdorfs)  eben  die  Presse  verlassen  und  konnte 
als  „auf  das  neust  bei  uns  gedruckt"  die  Reise  von  Wittenberg  nach 
Nordlingen  antreten. 

Wer  war  der  Verfasser?  In  der  Zuschrift  an  den  ChurfUrsten 
Friedrich  (Bij  u.  iij),  in  der  er  von  den  Stricken  der  alten,  lange 
eingewurzelten  Irrungen  redet  und  die  Gnade  Gottes  preist,  der 
man  die  wunderbare  Befreiuug  zu  danken  hat,  Ubersendet  er 
die  Scbrift  „ewrn  Churf.  Gnaden  als  einem  beriihmten  Christen- 
lichen  Fursten  und  sonderlichen  Liebhaber  gfittlicher  Wahrheit, 
unterthSnigs  Fleift  bittend,  ewr  Churf.  Gnad  geruhen  solchs  von 
mir  gnSdiglich  und  andern  Gestalt  nit,  dann  wie  in  gleichem  Fall 
ein  jeder  Christenmensch    gegen  dem    andern    aus    brtiderlicher  Lieb 


190  HauBleiter,  Zur  Lutherbibliographie. 

zu  thua  verpflicht  ist^  annehmeii  und  mich  ak  Ihren  Diener  gnadig- 
lich  befohlen  haben.  Dann  ich  bin  geneigt^  ewrn  Churf.  Gnaden 
als  meinem  guadigsten  Herra  und  Fursten  unterthanig  willig  Dienst- 
barkeit  meins  Vermogens  zu  erzeigeu^.  Redet  so  ein  Landeskind 
oder  ein  Fremder? 

Die  yortreffliche  Schrift  hat  spSter  Aufnahme  in  Luthers  Werke 
gefunden.  Johannes  Aurifaber  machte  damit  den  Anfang  in  seinem' 
ersten  Eislebener  Supplementband  1564  (Bl.  119^).  Er  urteilte  von  dem 
BUchlein:  „Man  hiilts  aber  gewifi  dafur^  dafi  es  M.  Luther  gemacht 
hab^  wie  dieses  M.  Joachimus  Westphalus  auch  in  einer  gedruckten 
Schrift  zeuget.  Zudem  lasset  sichs  ansehen,  als  sei  es  in  Latein 
gestellet  und  von  einem  gelehrten  Mann  nachmals  transferirt^. 
Es  folgten  mit  der  Aufnahme  die  Altenburger  Ausgabe  der  Werke 
Luthers  (II,  224),  dann  die  Leipziger  (XVIII,  295),  endlich  die 
Hallesche  oder  Walchsche  (XIX,  740—782,  vgl.  auch  S.  67  u.  68). 

Inz'wischen  war  die  Schrift  des  Laien  mit  Recht  einem  andern 
Verfasser  zugeschrieben  worden.  Joh.  Albert  Fabricius  redet  in 
seinem  Oentifolium  Lutheranum  (Hamburg  1728,  I.  Teil,  S.  321) 
von  „Laz.  Spe'nglers  Hauptartikel,  durch  welche  gemeine  Christen - 
heit  bisher  verfUhret  worden  ist,  Wittenberg  1522";  er  gibt  keinen 
Grund  an,  als  versttinde  sich  diese  Verfasserangabe  von  selber. 
Der  treffliche  Joh.  B.  feiederer  folgte  dieser  Angabe  (Beitrag  zu 
den  Reformationsurkunden  u.  s.  w.,  Altdorf  1762,  S.  49)  und  be- 
miihte  sich  nun  um  Griinde.  Dafur,  dafi  der  fromme  Nurnberger 
Ratsschreiber  der  Verfasser  sei,  spricht  nach  Riederer  der  Dmstand, 
dafi,  „wie  Herr  Haufidorf  (der  Biograph  Spenglers,  Niirnberg  1740, 
S.  108f.)  meldet,  Spengler  zu  Aenx  grofien  und  weisen  Churfursten 
von  Sachsen  freieu  Zutritt  gehabt  und  mit  seinem  Vertrauen  beehret 
worden,  auch  von  Religionssachen  sich  mit  ihm  zu  Nurnberg  uuter- 
redet,  welches  vermutlich  auf  dem  Reichstag  1522  und  1523  ge- 
schehen.  Der  Name  eines  verstandigen  Laien  schickt  sich  vor- 
trefflich  auf  Spenglern.  Die  Schreibart  ist  auch  derjenigen,  so  er 
in  seineu  andern  Schriften  gebraucht,  vollig  Shnlich."  Die  Grunde, 
aus  denen  Spengler  seinen  Namen  verbarg,  liegen  auf  der  Hand, 
wenn  man  sich  an  seine  AbhHngigkeit  vom  Nurnberger  Rat  erinnert, 
wie  sie  in  seiner  Bannangelegenheit  hervorgetreten  war  (vgl.  Bd.  II 
dieser  BeitrHge  S.  1 — 8), 

Theodor  Pressel  hat  in  seiner  Schrift  uber  Lazarus  Spengler 
(Elberfeld  1862)  die  „ Hauptartikel"  ohne  weiteres  dem  NUruberger 
Ratsschreiber  zugeschrieben  und  auf  S.  46 — 50  einen  kurzen  Auszug 
mitgeteilt.  In  dem  Artikel  der  Realenzyklopadie  (2,  Aufl.,  14.  Bd., 
1884,  S.  516  —  518)  urteilt  Prof.  Kolde  vorsichtig,  aller  Wahrscheia- 
lichkeit  nach  riihre  von  Spengler  auch  die  Schrift  „  Hauptartikel  u.  s.  w." 
her.  Vielleicht  regt  die  gegenwartige  Mitteilmig  zu  einer  abschliefien- 
den  Untersuchiing  der  Frage  an. 


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Kolde,  Silddeutsche  Katechisraen  von  1530—1600.  191 

Wie  Sixtus  Schmid  den  Titel  der  Spenglerschen  Schrift  nicbt 
genau  aDgegeben,  sondem  ihren  Inhalt  kurz  umschrieben  hat^  so 
werden  auch  die  Worte  ri^J^  misbrauchung  der  mes  vortheutschett" 
uicbt  eine  uns  unbekannte  tJbersetzung  der  Schrift  Lutbers  de  abro- 
ganda  missa  privata  im  Auge  baben,  soDdern  von  einem  Anfang 
Dezember  1522  eben  in  Wittenberg  voUendeteu  neaen  Drnck  der 
iJbersetziiug  Lutbers  reden*  Ob  das  der  Druck  D  (S.  221,  vgl. 
Weimarer  Ausgabe  VIII  480)  oder  ein  anderer  des  Jabres  1522 
war^  mag  dabingestellt  bleiben. 

Silddeutsche  Katechismen  von  1530—1600^). 

Von 


e  D.  Th.  Kolde, 


Die  einen  gr5fieren  Umfang  verlangende  Besprecbiing  des  vor 
knrzem  erscbienenen  Baches  von  J.  M.  Eeu  gereicht  mir  zu  hoher 
Freude.  Der  Verf.,  der  aus  der  bayerischen  Landeskirche  hervor- 
gegangen  ist,  ein  frtiherer  Zogling  des  Neiiendettelsauer  Seminars^ 
hat  die  theologiscbe,  speziell  die  katechetische  Literatur  durch  ein 
wirklicbes  Standardwork  bereichert,  dessen  Wert  freilich  nur  der 
vollstSndig  ermessen  kann,  der  auf  diesen  Gebieten  gearbeitet  und^ 
^ie  es  mir  oft  gegangen  ist^  unter  grofien  Miiben  und  nicht  selten 
ohne  Erfolg  nacb  den  spSteren  Katechismen  geforscht  hat.  Die  aller- 
ersten  AnfUnge  der  deutscben  evangeliscben  Katechismusliteratur  sind 
seit  lange  der  Gegenstand  vielseitiger  Forschung  gewesen  und  neuer- 
dings  liegen  die  ersten  Katecbismusarbeiten  bis  1530  in  der  aus- 
gezeichneten,  frliber  besprocbenen  Sammlung  von  Cobrs  (die  evang. 
Katechismusversuche  von  Lutbers  Enchiridion,  Berlin  1900  ff.)  vor. 
Dagegen  bat  man  sich  in  den  letzten  Jabrzehnten  um  die  spatere 
Katechismusliteratur  des  16.  Jabrhunderts  verh^ltnismafiig  weuig  ge- 
kUmmert.  Und  doch  baben  gerade  die  spateren  Katechismen  historisch 
betrachtet  eine  besondere  Bedeutung,  einmal  im  allgemeinen^  weil 
sio  erkennen  lassen,  wie  vielseitig  das  Bedtirfhis  nach  immer  ueuen 
Fassungen  war,  und  in  wie  individueller,  oft  auch  recht  subjektiv 
abbiegender  Weise  man  Lutbers  und  der  anderen  Eeformatoren  Ge- 
dankeu  verarbeitete^  zum  andern  aber  und  hauptsachlicb  deshalb^  weil 
die  Katechismen    der  spateren  Zeit,    namentlich    die  aus  der  zweiten 


1)  "^Johann  Michael  Ren,  Professor  der  Theologie  am  luthenschen 
Wartburgseminar  zu  Dubuque,  Ja.,  Quellen  zur  Geschichte  des  Katecbismus- 
^i\-         unterrichts.   I.  Bd.  Silddeutsche  Katechismen   (a.  u.  d.  Titel  Quellen   zur 

ein- 


Geschichte  des  kirchlichen  Unterrichts  in  der  evangeliscben  Kirche  Deutsch- 
lands  zwischen  1530  und  1600.  Eingeleitet,  herausgegeben  und  znsammen- 
fassend  dargestellt.  Erster  Teil.)  Giitersloh. 'C.  Bertelsmann  1904.  XIV  u. 


Jf"         847  S.  16  Mk.,  geb.  18  Mk. 


192  Kolde,  Stiddeutsche  Katechismen  von  1530—1600. 

HUlfte  des  16.  Jahrhunderts,  den  katecbetischen  Lehrstoff  der  seit 
dem  Augsburger  Religionsfrieden  stabil  werdenden  Landeskircben  ziim 
Ausdruck  bringen  und  una  zeigen^  was  in  Scbule  und  Kircbe  nun- 
mebr  zumeist  kircbenregimentlidb  autorisiert  bis  tief  in  die  Zeit  des 
Pietismus,  teilweise  aucb  nocb  in  der  Zeit  des  Bationalismus  bis  zum 
Anfang  des  18.  Jahrbunderts  gelehrt  wurde. 

Der  Kaum  gestattet  es  nicbt;  bier  davon  zu  sprecben,  was  der 
Verf.  fUr  die  folgenden  Bande  verspricbt,  wir  balten  uns  vielmehr 
an  das,  was  jetzt  vorliegt,  nnter  begreiflicber  Hervorbebung  der 
bayeriscben  Katecbismen.  Aus  wobl  zu  borenden  Grtinden  gibt  Eeu 
die  katecbetiscbe  Literatur  SUddeiitscblands  gesondert,  wobei  man 
freilicb  dartiber  streiten  kaun,  ob  die  Ausscbliefiang  Hessens  mit  der 
Begriindung;  „dafl  das  Scbwergewicbt  der  bessiscben  Kircbe  inner- 
balb  des  bebandelten  Zeitraumes  nordlicb  der  Mainliuie  lag^,  ganz 
berecbtigt  ist,  da  die  buceriscb-oberlslndiscbe  Eicbtung  docb  das  ganze 
Jabrbundert  nocb  uacbwirkt.  Aber  das  ist  eine  untergeordnete  Sacbe. 
Befremdender  konnte  sein,  wenn  sie  aucb  fUr  die  Gegenwart  bequem 
isty  die  Einteilung  nacb  den  beutigen  landeskircblicben  Grenzen,  da 
wir  innerbalb  derselben,  man  vergleicbe  allein  Bajern,  sebr  ver- 
scbiedenartige  bistoriscbe  Entwicklungen  vor  uns  baben,  und  f\ir 
Preufien  soUte  der  Verf.  in  den  spMteren  Banden  wenigstens  Provinzial- 
einteilung  eintreten  lassen. 

Der  gewaltige  Stoff  wird  in  vier  grofie  Abscbnitte  geteilt:  1.  El- 
sassiscbe  Katecbismen  S.  123 — 187,  2.  Pfalziscbe  und  badiscbe  Katecbis- 
men S.  187—283,  3.  WUrttembergiscbe  Katecbismen  S.  284—417,  und 
4.  Bayeriscbe  Katecbismen  S.  417 — 841.  Das  Verfabren  ist  dann 
dies,  dafi  der  Verfasser  jedem  Abscbnitt  eine  gedrangte  bistoriscbe 
Einleitung  voranscbickt,  die  eine  Darstellung  der  katecbetiscben  Ent- 
wicklung  in  den  betreffenden  Landesteilen  gibt,  und  dann,  soweit 
sie  wirklicb  Originelles  bieten,  die  alten  Katecbismustexte  unter  mog- 
licbst  genauer  Reproduktion  meist  vollstandig  folgen  ISfit.  tlberall 
ist  die  wicbtigste  Literatur  verzeicbnet,  aucb  bringt  der  Verf.  Lebens- 
skizzen  der  Autoren,  die  freilicb  nacb  Lage  der  Dinge  sebr  kurz 
ausfallen  mufiten,  nnd  bespricbt,  was  nocb  besonders  erwabnt  sein 
mag,  in  der  Einleitung  aucb  diejenigeu  Arbeiten,  dereu  Abdruck  un- 
n<5tig  oder  des  Umfangs  wegen  uicbt  moglicb  war,  in  ausgiebiger 
Weise,  so  dafi  man  sicb  ein  klares  Bild  davon  macben  kann.  Freilicb 
wSre  gerade  um  der  vielen  in  diesem  Rabmeu  bebandelten  Person  en 
und  Arbeiten  willen  ein  Namenregister  sebr  angebracbt  gewesen. 
Sebr  dankenswert  ist,'  dafi  der  Verf.  bei  Besprecbung  der  einzelnen 
von  ibm  benutzten  Exemplare  der  Katecbismusscbriften  nicbt  blofi 
die  betr.  Bibliotbeken,  sondern  auch  deii  Standort  angibt. 

Den  Lowenanteil  nebmen  die  bayeriscben  Katecbismen  nach 
Zahl  und  Umfang  in  Ansprucb.  Die  sebr  geschickt  gescbriebene, 
von  Gebiet   zu  Gebiet  gebende  Einleitung   wird  aucb  dem  Kundigen 


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Rotb»  Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg.  209 

Doch  nun  war  auch  schon  der  durch  die  „Furstenr evolution" 
veranlafite  Umschwung  der  Dinge  im  Anzuge*.  Am  Morgen 
des  1.  April  1552  stand  die  Reiterei  der  Verbundeten  „l\ber  jeder- 
manns  Versehen"  vor  den  Toren  der  Stadt,  und  das  FulJvolk 
riickte  rasch  nach.  Wichtige  Ereignisse  liberstiirzten  sich  nun, 
jeder  Tag  brachte  eine  neue  groKe  Aktion.  Schon  am  4.  April 
zogen  die  Fiirsten,  von  der  evangelischen  Bevolkerung  als  Be- 
freier  aus  anertraglichen  Verhaltnissen  angesehen,  in  die  Stadt 
ein;  am  nachsten  Tage  begann  man  mit  der  Restitution  der  vom 
Kaiser,  vor  vier  Jahren  abgeschafften  Regimentsform,  am  8., 
Freitag  vor  Palmarum,  predigte  der  Pradikant  des  Landgrafen 
von  Hessen  bei  St.  Anna^),  am  9.  warde  einer  Ratskom mission 
aufgetragen,  nach  den  verbannten  Predigern  zu  sehen  und  ihnen 
zu  schreiben^),  am  11.  gestattete  man  den  Schullehrern,  die 
wegen  ihrer  Weigerung,  das  Interim  anzunehmen,  hatten  „still 
stehen"  miissen,  die  Wiedereroffnung  ihrer  Schulen  und  lielJ  an 
die  Interimisten  die  Weisung  ergehen,  den  Krisam  weiter  nicht 
zu  gebrauchen,  „sondern  sich  in  alien  Sachen,  die  Religion  be- 
langend,  der  augsburgischen  Konfession  gemS,fi  zu  erzeigen  und 
zu  halten"*). 

Damit  hatte  die  Tatigkeit  der  „ Interimisten"  als  solcher, 
nachdem  sie  nur  wenig  mehr  als  ein  Vierteljahr  gedauert,  ihr 
Ende  erreicht.  Die  frtiheren  Pradikanten,  die,  dem  an  sie  er- 
gangenen   Rufe   folgend,   zuriickkehrten,   wurden   am   12.  Juni 

1)  Aus  der  iiber  diese  JDinge  erwachsenen  Augsburger  Literatur  sei 
bier  genannt  die  Arbeit  Heckers,  ^Der  Augsburger  Bttrgermeister 
Jakob  Herbrot  und  der  Sturz  der  ziinftischen-  Regimentes  in  Augsburg^ 
in  der  Zeitschrift  des  hist.  Ver.  f.  Schw.  u.  Nbg.,  Jahrg.  1874  S.  82  ff.  und  die 
von  Radlkofer,  „Der  Zug  des  ssLchsischen  Eurfursten  Moritz  und  seiner 
VerbUndeten  durch  SchwabenimFrtthjahre  1552",  ebenda,  Jahrg.  1890S.153ff. 

2)  Aus  der  oben  erwahnten  Relation  iiber  das  Interim.  Die  Predigt 
begann  urn  7  Uhr  morgens  und  endete  um  8^2  Uhr.  „Der  inhalt  der 
predig  ist  gewest:  erstlich,  dafi  man  pillich  kriegen  soil  wider  die  tiran- 
nen,  die  das  wort  gottes  nmbstiirtzen  wellen.  darnach,  warumb  die 
fiirsten  diesen  krieg  fierten,  als  namlich  das  wort  gottes  za  heschutzen, 
auch  fiir  ire  alte  freihaiten;  zuletzt  hat  er  das  volck  ermant,  daB  siegott 
treulich  bitten  fttr  die  zwen  gefangen  fiirsten,  daB  sie  got  einmal  erl5sen 
wolle.** 

3)  Ratsdekret  Bl.  43b. 

4)  Ratsdekret  Bl.  44 ». 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichte  XI.  6.  14 


210  Koth,  Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg. 

wieder  angesteUt  und  die  Interirasgeistlichen  gleichzeitig  ent- 
lassen. 

Huberinus  —  seine  beiden  Genossen  kommen  fiir  uns 
nicht  mehr  in  betracht  —  begab  sich  nach  Ohringen  zuriick^); 
aber  auch  dahin  verfolgten  ihn  die  Schraahungen  seiner  Feinde, 
und  einer  von  ihnen  sandte  das  oben  mitgeteilte  Pasquill  samt 
ahnlichen  Machwerken  an  den  Grafen  Ludwig  Kasimir  und 
dessen  Rate,  urn  ihn  bei  diesen  in  der  Achtung  herabzusetzen. 
Tief  gekrankt  und  emport  wandte  sich  nun  Huberinus  am 
5.  November  1552  —  also  zu  einer  Zeit,  in  der  die  Reaktion 
auf  die  durch  die  Kriegsfttrsten  in  der  Stadt  vorgenommenen 
Anderungen  bereits  erfolgt  war  —  an  den  „Statthalter"  Heinrich 
Rehlinger  und  erbat  von  dieseni  die  Ausstellung  eines  Zeug- 
nisses  uber  seinen  Wandel  und  seiner  Amtstatigkeit  wahrend 
des  letzten  Aufenthaltes  in  der  Stadt,  um  damit  bei  seinem 
Herrn  und  den  iibrigen  seine  „Unscbuld"  zu  retten^Beilage  V]. 
Er  erhielt  auch  ein  solches,  in  welchem  ihra  bezeugt  wurde, 
dalJ  er  sich  ,,in  seinen  Lehren  und  Leben  bescheidenlich"  und 
in  der  Beforderung  christlichen  Wesens  wie  auch  „in  schuldiger 
Gehorsam  gegen  die  Obrigkeit  und  in  ander  Weg"  dermalJen 
gehalten,  daU  man  ihn,  wenn  es  „die  furgefallen  beschwerliche 
Anderung"  erlaubt  haben  wlirde,  „wohl  langer  hatte  leiden 
mogen."  Was  sollte  dieses  Zeugnis  dem  Gekrankten  niitzen? 
Gegen  seinen  Wandel  war  nie  und  von  niemand  Einwand  er- 

1)  NachBossert,  Das  Interim  inW.  S.  171,  waren  Huber  und  seine 
Genossen  schon  im  April  1552  zurtickgekehrt,  batten  also  die  ^-^h- 
schaffung'*,  die  erst  am  11.  Juni  erfolgte,  nicht  abgewartet.  Beziiglich 
Hubers  scheint  sich  dies  in  folgendem  zu  best££tigen:  Als  er  im  Jahre 
1544  Augsburg  verliefi,  wurde  „uff  Lerrn  Gasparn  Hubers  supplication  er- 
kant,  daB  seine  kinder,  so  er  in  zeit  seines  anwesens  alhie  im  eelichen 
stand  ertzeugt,  das  burgerrecht  haben  und  behalten  sollen,  unangeschen 
da6  er  yetzt  aus  der  stat  an  andere  ort  zeucht.  doch  soil  er  aitem  branch 
nach  jerlich  hereinsteuren"  (Ratsdekret,  3.  Juli,  Bl.  117*).  Darauf  grtindet 
sich  die  Ftirsorge  des  Rates  fiir  Hubers  Kinder,  yon  der  ein  Eintrag  in 
den  Ratsdekreten  des  Jahres  1552  unter  dem  23.  April  (Bl.  49*)  berichtet: 
„Casparn  Hubers  eltist  kind  soil  verdingt  (d.  h.  in  Kost  gegeben)  und 
die  zwei  jtingsten  in  das  Findelhaus  genomen  werden/  Ich  wiifite  dies 
nicht  anders  zu  deuten,  als  daB  Huber,  vielleicht  unter  dem  Drucke  neuer 
Beschimpfungen,  die  Stadt  schleunig  verlieO  und  der  Eile  halber  die  Kinder 
in  Augsburg  zurUcklassen  mu^te,  bis  sie  abgeholt  werden  konnten. 


Roth,  Kaspar  Huberinus  and  das  Interim  in  Augsburg.         211 

hoben  worden,  und  beziiglich  seiner  Lehre  und  seines  Verhaltens 
gegen  die  Obrigkeit  wird  ihm  ja  gerade  das  bestatigt,  was  man 
ihm  zum  Vorwurf  machte,  namlich,  dafi  er  sich  als  williges 
Werkzeug  zur  Durchfiihrung  des  Interims  babe  gebrauchen 
lassen.  Interim  und  Papsttum  aber  gal  ten  als  dasselbe.  Und 
was  hatte  er  sich  auch,  sollte  man  meinen,  vor  seinem  Herrn, 
der  ihn  doch  zur  „Anrichtung'*  des  Interims  nach  Augsburg 
entsandt  und  als  so  gut  katholisch  empfohlen  hatte,  viel  zu 
rechtfertigen?  Aber  freilich  wehte  jetzt,  nach  AbschluB  des 
Passauer  Vertrags,  ein  anderer  Wind;  der  Graf  schickte  sich 
an,  nun  endlich  zu  reformieren^),  und  Huberinus  selbst  ist  es 
wahrscheinlich  gewesen,  der  den  Grund  zu  der  evangelischen 
Landeskirchenordnung  legte^). 

Huberinus  starb  schon  am  6.  Oktober  1553^),  hat  also  den 
Zusammenbruch  des  Interims  nicht  lange  iiberlebt.  Imraerhin 
aber  war  der  inzwischen  liegende  Zeitraum  lang  und  ereignis- 
voll  genug,  um  ihn  zur  Erkenntnis  zu  bringen,  daB  die  RoUe, 
die  er  dabei  gespielt,  eine  Verirrung  gewesen,  wenn  er  dies 
auch  nach  auBen  hin  nicht  eingestehen  wollte.  Eines  aber  ist 
gewiB,  nS^mlich  daB  er  alles,  was  er  tat,  in  bester  Meinung 
getan  hat,  und  daB  insbesondere  der  Vorwurf  der  Bestechlich- 
keit  durch  Geld  als  schnode  Verleumdung  bezeichnet  werden 
muB*).  Er  war  nur  nicht  immer  fest  genug  gegen  das  Zureden  vor- 
nehmer  Herren,  die  seine  Schw^che  ausnutzten,  im  Grund  seines 
Wesens  aber  war  er  ein  Ehrenmann. 


1)  Bossert  (Th.  St.)  S.  259ff. 

2)  Ebenda  S.  259  ff.  u.  S.  261  mit  Anm.  1. 

3)  Seine  Grabschrift  be!  Wibel,  I  S.  38h 

4)  Er  kam  fast  mittellos  in  Augsburg  an,  wie  sich  aus  dem  Um- 
stande  ergibt,  dajQ  er  bald  darauf,  am  12.  Januar  1552,  von  seinem  G()nner 
Bartholomaus  Welser  ein  Darlehen  von  40  Gulden  aufnehmen  muBte. 
(S.  Roth,  1.  c.  I  S.  107  Nr.  14).  Man  darf  ihm  sicher  glauben,  wenn  er 
aagt  (s.  Beil.  V),  daB  er  in  Ohringen,  wo  er  ja  im  Genusse  eines  Stifts- 
kanonikats  war,  melir  zurttckgelassen,  als  er  in  Augsburg  zu  erhoffen 
hatte.  Auch  was  oben  (S.  210  Anm.  1)  beztiglich  der  (vorttbergehenden)  Ver- 
sorgung  seiner  Kinder  durch  den  Rat  gesagt  ist,  deutet  auf  armliche  Ver- 
haltnisse  hin. 


14* 


212         Both,  Kaspar  Hnberinas  and  das  Interim  in  Augsburg. 

Beilagen. 

I.  Tenor  eines  Schreibens    des  Rates   der  Stadt  Augsburg 
an     den    Grafen    Ludwig    Kasimir     von     Hobenloh^;     dd. 

5.  Oktober  1551. 

Und  geben  e.  gu.  dienstlicb  zu  erkenneu;  dafi  die  rom.  kais. 
mt.,  unser  allerguedigter  berr^  uns  uff  das  ausschaffen  der  praedi- 
canten  albie,  darcb  ir  kais.  mt.  bescbeben,  aufgeladen  und  mit  allem 
ernst  eingebunden  bat  nach  andern  zetrachten,  die  sicb  mit  dieser 
irer  mt.  deklaration,  so  man  das  interim  nennt^  gemes  erzaigen. 
wiewol  wir  uns  nun  seitber  muglicber  weis  bemuet  und  allerbalb 
nacbfrage  zetbun  verordnet,  »o  baben  wir  docb  uber  alien  furgewendten 
vleis  bisber  kbainen  solben  aufierbalb  des  Huberinus^  so  euer 
gnaden  mit  diensten  verwant,  erfaren  mogen,  und  ist  demselben  nach 
an  e.  gn.  unser  besunder  bocb  vleifiig  und  dienstlicb  bitt,  e.  gn.  woll 
der  sachen  zu  guetem  und  uns  in  disem  bescbwerlicben  obligeu  zu 
sundern  gnaden  jetzgemelten  Hub  er  in  us  diser  zeit  begeben  und 
zuelafien,  in  zue  ainem  praedicanten  uffzenemen  und  zum  wenigsten 
so  lang  zu  entbalten,  bis  wir  in  ander  weg  zur  notturft  verseben 
sein.  damit  werden  e.  gn.  sunder  zweifels  bocbgedacbter  kais.  mt. 
ain  sunder  angenembs  gefallen  erzaigen.  so  sein  wir  urbietig  es  in 
ainem  vil  mercerm  uqib  e.  gn,  guetwilliklicb  zu  verdienen.  und  wie- 
wol wir  uns  kaines  abscblags  besorgen^),  so  begem  wir  docb  nicbts 
minder  bieriiber  e.  gn.  scbriflPtlicbe  gewerlicbe  antwurt,  uns  darnacb 
zu  ricbten.  Augsburg  am  5.  octobris.  a.  51.  (Fragmentariscbes  Kon- 
zept  von  der  Hand  des  Stadtscbreibers  Sebastian  Bemler,  Eef.-Akta.) 

II.  Scbreiben  des  Grafen  Ludwig  Kasimir   von  Hobenlobe 
an     den    Biscbof    Antonius    von    Arras,     dd.     Neuenstein, 

22.  Oktober  1551. 

Hocbwirdiger  in  got  vatter  fiirst  und  berr !    E.  gn.  seind  mein  willig 

dienst  zuvor. 
Das  scbreiben  e.  gn.,  wie  jetzo  getbon  von  wegen  meines  predi- 
canten  (der  Huberinus  genannt),  welcben  icb  umb  anricbtung  der 
von  r5m.  kais.  mt.,  unserm  allergnedigsten  berrn^  in  religionsacben 
publicirten  declaration  den  statpflegern,  burgermaistern  und  rat  be  der 
stat  Augspurg  ein  zeitlang  begunstigt,  babe  icb  seines  inbalts  lengs 
vernomen  samt  dem  gnedigen  gesinnen,  dafi  aus  ursacben,  in  e.  gn. 
scbreiben  angeregt,  vorderst  aber  bocbgedacbter  kais.  mt.  zu  under- 
tbenigen  eeren  und  gefallen,  dem  vorhabenden  cbristenlicben  werk 
zu  steur,  aucb  gemelter  stat  zu  gfittem  uff  e.  gn.  furscbrifft  icb  be- 


1)  Diese  Worte  lassen  auf  voransgegangene  milndlicbe  Verhandlungen 
zwischen  den  Augsburgern  and  dem  Grafen  schlieBen. 


Roth,  Easpar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg.         2L3 

willigen  solt,  dafi  gedacht  statpflegere,  burgermaister  und  rath  ge- 
melten  Huberinum  bei  inen  behalten  mochten,  mit  gnedigem  er- 
bieten,  dafi  e.  gn.  mein  willige  gehorsam  bei  hbchstgemelter  rom. 
kais^  mt.  ruemen  und  bezeugen,  was  auch  e.  gn.  hierinnen  gewilfaret, 
dessen  fur  sich  in  gnadeu  nit  vergessen  wolten.  gib  denselben 
hierauff  aller  dienstlicher  mainung  zu  erkeunen,  dafi  weiland  die 
wolgebornen  herrn  Albrecht  und  Georg,  graven  von  Hoenloe, 
gebrudere,  meiue  herrn  vetter  und  vatter  gotseliger  und  loblicher 
gedechtnus,  gemelten  predicanten  Huberinum  nun  etlich  jare  zfi 
abwendung  ettlicher  verderblicher  secten  und  schwermerei  und  z8 
pflantzung  unser  alten,  wahren,  catholischen  religion  in 
irer  liebden  herrschaflPt  erhaJten  haben,  als  dero  beder  liebdeu  jeder 
zeit  sich  zS  hochgedachter  rbm.  kais.  mt.  und  in  irer  mt.  gehorsam 
gehalten,  sich  auch  von  unser  allgemeinen,  catholischen  kirchen  nie 
gesundert  haben,  daraus  dann  und  mit  gottis  gnaden  gevolgt,  dafi  in 
irer  liebden  landtschaften  bifiheer  die  ergerlichen,-  bosen  secten,  dero 
in  neulichen  jaren  vil  entstanden,  vermitten  bliben  und,  sovil  an 
ettlichen  wenigen  orten  von  nbtten  gewesen,  der  kais,  mt.  declaration 
one  befelch  in  iren' landen  und  gebieten  ist  angericht  worden;  got 
welle  das  furan  also  erhalten;  zu  welcher  erhaltung  ich  mich  dann 
dises  Huberini  nit  wenig  zu  getrbsten  gehabt;  nit  allein  dafi  durch 
seinen  christenlichen,  guthertzigen  vleifi  er  bifiheer,  onbewegt  aller 
widersacher,  bestendig  pliben,  sender  auch  dafi  ich  in  nieiner  an- 
geenden  regierung,  dareiu  mich  got  verordnet,  sonderlichen  der- 
jhenigen  mich  zu  getrbsten  und  zu  gebrauchen  haben  sollte,  welch 
wolgemelte  mein  herr  vetter  und  vatter  in  irer  liebden  lebzeit  zu 
irer  rechten  und  guten  regierung  irer  landt  und  lent  gebraucht  und 
fur  nutzlich;  auch  tugenlich  erfaren  haben.  wiewoll  nun  dann  den 
gemelten  Huberinum  gentzlichen  z&  lassen  mir  desto  beschwerlicher 
fallen  will,  desgleich  jetzo^  im  eingang  meiner  regierung,  sonder- 
lichen in  religion  sachen,  andere  sollent  gebraucht  und  erfaren  werden, 
welchs  mir  doch  hbchst  zu  bedenckhen  steet,  damit  diejhenige^  so  in 
der  alten,  wahren,  catholischen  religion  bei  meinen  lieben  eltern  und 
mit  gotis  gnaden  bifiheer  erhalten,  darinnen  nit  geschwecht,  auch  die 
weltliche  police!  doher  in  desto  besser  ruhe  bei  inen  besteen  mbge: 
noch  dennocht,  dieweil  aus  e.  gu.  schreiben  ich  zu  vernemen,  dafi 
hbchstgedachter  kais.  mt.  in  dem  ein  under thenigstes  gefallen  ertzaigt 
und  es  e.  gn.  z5  gnedigem  willen  gelangen  thet,  so  der  gedacht 
Huberinus  e.  gn.  begerens  von  mir  erlassen  [wUrd],  so  stelle  ich 
die  verordnung  desselbigen  meines  predicanten  Huberini  in  e.  gn, 
hand,  gnedigsten  willen  und  gefallen,  zu  beschaiden,  ob  der  bei  ge- 
melter  stat  Augspurg  beharrlichen  pleiben  oder  zu  mir  khomen 
soil,  in  undertheniger  zuversicht,  e.  gn.  werden  dero  gnedigem  er- 
bieten  nach  disen  meinen  gehorsamen  willen  bei  hbchstgemelter  rbm. 
kais.  mt.  gnedigclichen  vermelden  und  dessen  fiir  sich  selbs  mit  mir 


214         Both,  Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg. 

zufrideD  und  mit  gnaden  ingedenck  sein,  dann  one  e«  gn.  so  an- 
sehenlicher  erzelung  und  besonder  gnediger  gesinuen  hett  ich  den 
vilgedacbten  Huberinum  gar  nit  wissen  zu  begeben,  als  der  sicb 
gegen  wolgedachten  meinen  lieben  eltern  lenger  zeit  verpflicht  und 
versprocben  und  von  inen  mit  gnaden  und  wol  tractirt  worden,  dessen 
icb  gegen  ime  nit  weniger  genaigt, 

Bitt  derbalben  mit  besonderm  vleifi,  wofern  e.  gn.  uflP  obberurts 
mein  baimbstellen  bescbaiden  wurden,  dafi  er,  Huberinus,  zu 
Augspurg  beharren  und  pleiben  sollt,  e.  gn.  gnedigo  befurderung 
tbuen  wolten,  damit  er,  Huberinus,  gutlicben  tractirt  und  durcb 
gemelte  statpfleger,  burgermaister  und  rat  mit  den  seinen  woll  under- 
balten  werde.  und  babe  seiches  alles  e.  gn.,  denen  ich  zu  under- 
thenigen  diensten  gantz  wilferig,  uff  berurt  schreiben  und  gesinuen 
zu  begerter  wilferiger  antwurt  nit  wellen  verhalten.  Datum  Neuen- 
stein^),  uff  donerstag  nacb  Ursule  (22.  Oktober)  anno  51  etc.  (Kopie 
in  den  Eef.-Akten.) 

m.    Antwort  auf   das    vorbergehende  Schreiben,   dd.  Inns- 
bruck,  15.  November  1551. 

Dnser  freundschaft  und  alles  guts  bevor,  Wolgeborner,  in  senders 
lieber  herr  und  freundt.  Wir  haben  euer  schriftliche  antwurt,  deS 
datum  steht  Ne  wen  stein,  uf  donnerstag  nach  Ursulae  1 22.  Oktober] 
empfangen  und  daraus  insonderbait  gem  und  mit  gantz  freuntlichem 
angenemen  gefallen  vernumen:  wiewol  ir  in  angeender  euer  regierung 
und  bei  disen  leuffeu,  audi  allerlai  sorglichen,  beschwerlichen  an- 
gehenden  und  regierenden  secten  euers  predicahten  Huberini  nicht 
allain  zu  erhaltung  unser  alten.  waren,  catholischen  religion,  so  bis- 
heer  mit  sonderm  vleifi  under  euere  uuderthanen  gepflantzt  worden, 
auch  mit  zimblicher  frucht  erwachseu,  sender  auch  zu  wider- 
stehung  der  gefarlichen,  bofien  und  verfuerischen  secten  insonderbait 
notturftig  und  euch  denselbeu  dergestalt  gantz  und  gar  von  euch  zu 
lassen  insonderbait  schwer  und  bedencklich  fallen  werde:  dafi  ir 
dennocht  uf  unser  freundlich  furschrift,  auch  in  bedenckung,  dafi  der 
kais.  mt.,  unserm  allergnedigsten  herrn,  ain  sonder  underthenigs, 
angenems  gefallen  daran  beschehen  werde,  und  ander  mehr  ursachen 
bedacht  seit,  die  gantze  handlung,  damit  unserm  guten  bedunck«n 
nach  haben  zu  schaffen,  uus  haimbzustellen,  wie  ir  auch  dasselb  in 
solichem  eueren  schreiben  thuet  und  uns  gantzlich  haimbsetzen  in- 
halts  solches  euers  schreibens.  wollen  euch  darauf  freuntlicher  mai- 
nung  nicht  verhalten,  dafi  wir  solchs  euer  gutwilligen  erpietens  und 
gehorsamer  und  undertheniger  erzaiguug  gegen  ir  kais.  mt.  mit  son- 
derm   threueu  fleis  gedacht  und  furgetragen. 


1)  Neuenstein,  Stadtchen  und  SchloB  nahe  bei  Ohringen. 


Roth,  Easpar  Huberinus  and  das  Interim  in  Augsbarg.         215 

Und  wiewol  wir  entlich  dafiir  halten,  wie  wir  auch  deshalben 
YOU  ander  leuthen^  so  dessen  ain  guts  wissen  tragen,  satten  und  ge- 
Dugsamen  bericht  empfangen  haben,  daft  euere  underthanen 
alberait  dermassen  in  uuser  wahren,  alten^  catholischen, 
christlichen  religion  fandiert,  underricbt  und  bestiCttet 
sindt;  dafi  nicht  zu  zweifeln,  sie  werden  in  derselben  be- 
stendigclich  verharren  und  kain  andere,  uachtailige,  bofie,  schad- 
liche  sect  bei  inen  lassen  einreissen  oder  denselben  in  aiuig  weg 
stat  geben,  inmassen  ir  und  sie  gemelts  Huberini  desto  ehr  und 
leichter  endratlien  und  ander  an  sein  stat,  ob  sie  gleichwol  in  allem 
nit  gemefi,  verorduen  mogen,  dieweil  sie  allain  ditz  recht  und 
ordenlichen  zu  laiten  und  zu  furen  haben,  so  er,  Huberinus,  mit 
grosser  arbait  und  vleiS  in  den  gang  gebracht  hat;  und  aber, 
wie  ir  selbst  wisset,  die  Yon  Augspurg  ains  solcheu  christ- 
lichen, gotsforchtigen ,  gelerten  mans  als  die  schwachen  und  kran- 
cken,  den  man  mit  linder,  angenemer  artznei  helfen  mufi,  auch 
durch  dessen  geschicklichait,  erbarn  wandel  und  wesen  das  gmain 
volk  desto  ehr  von  irem  irthumb,  in  dem  sie  so  lang  erwachsen  und 
verstockt  sindt,  abgewisen  und  auf  den  rechten  weg  gefuert  werde, 
hoch  von  nothen  haben,  auch  ir  uns,  wie  obsteht,  die  gantze  hand- 
lung  haimbgestelt :  so  ersuchen  wir  euch  nochmals  hiemit  gantz 
freuntlich,  ir  wollet  ime,  Huberino,  gantz  und  gar  bei  inen,  denen 
von  Augspurg,  zu  pleiben  gonnen  und  gestatten,  dann  wir  gar  nicht 
zweifeln,  er  werde  daselbst  nicht  mit  weniger  frucht  sein,  als  bei 
euch  beschehen. 

So  erzaigt  ir  auch  der  kais.  mt.  und  uns  ain  sender  angeuembs 
und  freuntlichs  gefallen,  in  gnaden  und  allem  gutten  wider  zu  er- 
kennen  und  zu  beschulden,  zu  deme,  dafi  solches  gemelte  von  Augs- 
purg umb  euch  zu  verdieneu  die  tag  ires  lebens  werden  beflissen 
sein  und  ir  ain  sender  gotlichs  und  christlichs  werk  daran  erzaigen, 
so  euch  und  aiuer  solchen  grossen,  ansehenlichen  stat  in  vil  weg  zu 
nutzen  komen  mag.  daneben  aber  wollen  wir  darob  sein  wie  wir 
auch  achten,  sie  fur  sich  selbst  thun  werden,  dafi  er,  Huberinus, 
mit  den  seinen  eerlich  und  wol,  wie  billich,  underhalten  werde,  in- 
massen er  kain  klag  haben  solle.  versehen  uns  also  gantz  freunt- 
lich, ir  werdet  solcher  unser  furbit  stat  geben  und  euch  euerm  erpieten 
gemefi  erzaigen.  das  wollen  wir  in  anderm  mit  allem  freuntlichen 
willen  beschulden,  dann  euch  alle  freuntliche,  gute  furderung  und 
naigung  zu  erzaigen  sind  wir  willig  und  urbiittig,  das  wir  euch 
freuntlicher  mainung  nicht  wollten  verhalten.  Datum  Insprugck, 
den   15.  novembris  anno  51   etc.  (Kopie  in  den  Ref.-Akten). 


216         Roth,  Kaapar  Haberiuus  und  das  Interim  in  Augsburg. 

IV.  Caspar  Hub  eriuns  an  Leon  hard  Sah  en  peck  inRegensburg, 

dd.  Augsburg,  2  0.  Febr.   15521). 

Gnad    und    frid    von    got    dem    vatter,    durch  Jesum  Christum, 
unsern  hail  and. 

Achtbarer,  filrnemer,  ersamer,  gUnstiger  herr  Sahenpeck. 
Nachdem  und  ir  von  hinnen  verruckt,  haben  wir  erst  den  angriff 
mit  der  tauff  fiirgenommen  und  die  alten  ceremouien,  welche  die 
heiligen  vStter,  lerer  und  bischoff,  bald  nach  der  apostel  zeit,  dar- 
bei  gebraucht  haben,  als  in  Clemen te^  Basil io  magno,  Augustino  etc. 
zu  sehen  ist,  nemlich  das  chrisma,  den  exorccismum  sambt  den  alten 
gebetten,  doch  alles  in  teutscher  sprach.  dieweil  sich  aber  die 
schwermer^)  etwas  darob  gestossen  und  eiu  abscheuhen  zum  teil 
entpfangen  haben,  haben  wir,  die  predicanten,  solche  kirchenbreuch 
verklert  und  iren  rechten  branch  anzeigt,  daft  solche  unser  gewissen 
nicht  sollen  tangen  noch  binden,  darob  vil  frommer  hertzen  ersettigt 
sind  worden.  warumb  wir  aber  den,  chrisma  brauchen,  und  wie  er 
recht  und  nutzlich  sei  zu  gebrauchen,  hab  ich  solches  in  den  truck 
verfertigt,  will  euch  das  selb  buchlin,  so  es  ufitruckt  ist,  zu- 
schicken  ^) ;  dieweil  aber  die  fassnacht  ietzt  vorhanden,  haben  wir  die 
sach  lassen  beruen  mit  dem  sacrament  des  altars  bis  uff  die  fasten, 
da  man  sich  zuvor  wirdt  mlissen  anzeigen  in  der  beicht,  die  absolution 
entpfahen  mit  dem  examen,  was  ein  jeder  vom  sacrament  halte, 
darauff  das  sacrament  gehalten  soil  werden  mit  den  lateinischen,  alten, 
guten  gesaugen,  in  dem  ornat  und  etlichen  teutschen  psalmen,  orglen 
etc.,  uflP  das  wir  keinen  actum  mutum  halten.  so  viel  dissmals  in 
eil.  euer  pot  hat  sich  erboten  zuwarten  hie  etliche  tag  uflF  bescheid. 
aber  solches  kan  ich  vor  mitterfasten  [27.  Marz]  nicht  verrichten, 
dann  gmach  geet  man  auch  weit.  hiemit  got  befolhen!  in  grosser 
eil  in  Augspurg  am  20.  Febr.  anno   1552. 

Caspar  Huberinus*). 

1)  Dieser  Brief  (Orig.  Stadtarch.  in  Regensburg)  wurde  mir  freund- 
lichst  von  Herrn  Prof.  Kolde  zur  Verwendung  an  dieser  Stelle  ilber- 
mittelt. 

2)  Als  „Schwarmer"  bezeichnet  Huberinus  in  seinen  Schriften  alle  seine 
Gegner  —  Sektierer,  Zwinglianer  etc'  —  Hier  meint  er  demgemafi  ein- 
fach  die  Gegner  des  Interims. 

3)  Da  yon  ihm  keine  Spur  zu  finden,  ist  wohl  anzunehmen,  dafi  es 
nicht  in  die  Offentlicbkeit  gelangte. 

4)  Original  mit  Siegel,  (ein  Tviangel  liber  der  oberen  Seite  ein  herab- 
hangendes  Kreuz,  links  und  rechts  davon  die  Buchstaben  H.  u.  C.)  im 
Stadtarchiv  zu  Regensburg  (Eccl.  I,  12,  13).  —  Aufschrift:  „Dem  acht- 
baren,  ftimemen  und  ersaraen  herrn  Leonhardt  Sahenpeck,  wonhafft  zu 
Regenspurg".  —  Es  ist  dies  eine  sonst  nicht  bekannte  Personlichkeit,  die 
sich  jedenfalls,  weil  damals  auch  die  Stadt  Regensburg  hart  zur  Annahme 
des  Interims  gedrangt  wurde,  iiber  das,  was  man  hierin  in  Augsburg 
tue,  unterrichten  wollte. 


Roth,  Kaspar  Huberinas  iind  das  Interim  in  AngBborg.  217 

V.  Kaspar  Huberinns  an  Heinrich  Rehlinger,    Statthalter 
der    Stadt    Augsburg,    dd.    Ohriugen,    5.  November  1551. 

Gnad  und  frid  von  got,  dem  vatter  in  Cristo,  unserm  herren. 
Hochachtbarer,  ernvester  herr  atathalter! 
Ich  hab  hertzlich  gem  vernomen,  das  got,  der  almechtig,  euer  ernfest 
unschuld,  trew,  fleifi^  mue,  sorg,  last,  geferlichkeit  und  diemut  hat  ange- 
sebeu  und  e.  e.  wiederumb  in  das  ampt  gesetzt,  nachdem  and  die  frautzo- 
sische  auflPrur  gestilt  ist  worden  ^).  dieweil  ich  auch  durch  die  kriegsfUrsten 
meines  ampts  in  Augspurg  eutsetzt  bin  worden  und  mich  got,  der 
herr,  hat  auch  widerumb  in  mein  vorig  befolben  ampt  gefordert,  da 
hat  sich  der  satan  durch  seine  lesterer  freyelich  wider  mich  mit 
allerlei  lUgen  gelegt  und  durch  ein  grosseu  schwermer  etlich  schmach- 
und  lesterschriften,  reimweifi  gedichtet  wider  mich,  herab  geschickt^), 
als  babe  ich  Augspurg  mit  meiner  leer  wbllen  verfureu  und  mich 
geitz  und  gelt  lassen  ubergeen,  sambt  audern  vilen  schmachworten 
mer,  welche  meiner  mifiginner  einer  meinem  gnedigen  herren 
und  seiner  gnaden  rhSten  zugeschickt  hat,  mich  damit  zu  verhindern, 
zu  verkleinern  und  zu  schmehen.  got  verzeihe  solches  disem  sacra- 
men  tierer! 

Dieweil  dann,  ernvester  herr,  von  diesem  augspurgerischem 
schwermer  etliclie  schmachzetel  sambt  dem  beruff,  welchen  der  vorigo 
gewesene  rath  wider  uns  hat  lassen  beruffen  in  absolvieruug  vom 
eid  und  uffuemung  irer  vorigen  predicanten,  in  welcher  copei  wir. 
angetastet  worden  seind  als  verfirerische,  wanckelmlitige  predicanten^) 
und  derohalb  geurlaubt  worden,  so  bitt  ich  e.  e.  in  aller  uuter- 
thenigkeit,  wbllen  mir  meiner  leer  und  lebens  halh,  welche  ich  got 
lob  gefttrt  hab  mit  gutem  gwissen  und  zu  frid  und  einigkeit  geleert  und 
gepredigt,  nit  zu  .uffrur  und  spaltung,  solcher  meiner  leer  und  lebens 
ein  zeugknufi  und  schriftliche  urkundt  und  abschied  geben,  wie  es 
denn  e.  e.  fur  gut  ansehen,  von  den  herren  des  geheimen  raths  oder 
von  einem  gantzen  rhat;  durch  den  herren  statschreiber  gestellt,  mit 


1)  Heinrich  Rehlinger  war  bei  der  im  Jahre  1548  vom  Kaiser  vor- 
genommenen  neuen  Regimentsordnung  in  den  Rat  berufen  worden,  wurde 
1549  (neben  Leo  Ravenspurger)  Stadtpfleger  oder  Statthalter,  verier  dieses 
Amt  im  April  J 552,  als  auf  Befehl  der  KriegsfUrsten  der  vom  Kaiser 
eingesetzte  Rat  gesturzt  wurde,  und  erhielt  es  zurtick  bei  der  am 
25.  August  dieses  Jahres  erfolgten  Restituierung  des  Rates  von  1548. 

2)  Offenbar  das  Pasquill  auf  S.  208. 

3)  Gemeint  ist  der  von  den  KriegsfUrsten  erlassene  und  vom  Kate 
angeschlagene  „Bei'uf"  vom  7.  Juni  1552,  der  bei  Hortleder,  Hand- 
lungen  und  Ausschreiben  etc.  von  RechtmaBigkeit  etc.  des  teutschen 
Krieges  (1645)  S.  1313  gedruckt  ist.  Darin  wurden  die  vertriebenen 
Prediger  von  dem  ihnen  bei  ihrer  Verbannung  auferlegten  Eid  entbunden 
und  die  stadtischen  Behbrden  aufgefordert,  sie  und  die  ^abgeschafften" 
Schulmeister  zu  restituieren.  Die  Interimsprediger  wurden  als  „arckwbnig, 
wanckelmtttig  und  ergerlich**  bezeichnet. 


218  Schornbauni)  Zur  Brandenb.-Niirnbergischen  Kirchenvibitation  1528. 

angehencktem  sigil^  wie  dann  der  branch  ist^  eiu  abschid  zu  geben. 
was  dann  in  der  cantzlei  davon  zu  schreiben  zu  bezalen  ist,  solle 
zeiger  difi  prieffs,  her  J  org  Vise  her,  welcher  sein  leibgeding  droben 
holet^),  von  meinetwegen  verrichten.  bitte  also  e.  e,  wie  vor  in 
aller  unterthenigkeit,  wQllen  mir  treulichen  beistandt  thun  und  die 
sachen  affs  beldest  fudern  und  verschaffen,  dann  herr  Jorg  wirt  ein 
tag  oder  drei  droben  bleiben  und  wider  herkomen;  so  woUe  ich 
solchen  abschid  meinem  gnedigen  herrn  und  den  rhUten  zeigen  und 
mein  unschuld  retten,  dann  ich  je  in  grosser  treuen  in  grosser  kelte 
ferritten,  bin  hinauff  gezogen  mit  weib  und  kindern  und  mich  von 
dereu  von  Augspurg  wegen  .in  grofi  unru,  last  und  ferligkeit  be- 
geben  hab.  da  ich  mer  hie  verlassen  hab,  dann  ich  droben  hab 
gehabt,  noch  schmehet  man  mich^  als  habe  ich  umb  gelts  willen  sei- 
ches getan  und  ein  eid  geschworen  in  das  interim,  welches  doch  nit 
geschehen  ist. 

Hiemit  befelhe  ich  e.  e.  und  die  edlen  und  ernfesten  herren, 
die  geheimen  rath,  in  den  gnedigen  schutz  des  allerhohesten.  Datum 
Ohringen,  am  5.  novembris  anno   1552. 

E.  E. 
undertheniger,  gehorsamer 

Caspar  Hub er inns,  prediger  daselbst. 
(Ogl.  in  der  Autographensammlung.) 

ZurBrandenburgisch-Niirnbergischen  Kirchenvisitation 

1528. 

Von  Dr.  K.  Schornbanm  in  NUrnberg. 

Es  ist  bekannt,  dafl  die  Akten  Uber  die  erste  gemeinsame 
Kirchenvisitation  der  Eeichsstadt  Niiruberg  und  der  Markgrafschafit 
Ansbach  verloren  gegangen  sind.  Zuletzt  hat  sie  wohl  der  Altdorfer 
Professor  Will  gesehen,  der  in  dem  historisch-diplomatischen  Magazin 
fiir  das  Vaterland  und  aogrenzende  Gegeuden  (NUrnberg  1783.  2.  Bd. 
S.  375  ff.)  wenigstens  die  Visitationsberichte  uber  die  Kaplane  von 
St.  Sebald,  St.  Lorenz  nnd  dem  neuen  Spital  abdrucken  lie©  und 
damit  vor  dem  Untergang  rettete.  Nun  befinden  sich  im  Nurnberger 
Kreisarchiv  unter  der  Bezeichnung  S.  I  L.  296  Nr.  1 — 25  (Kep.  11) 
eine  Anzahl  Akten  uber  die  spateren  Visitationen  von  1560 — 1659, 
am  meisten  noch  uber  die  grofie  Visitation  von  1560.  Den  spar- 
lichen  Eesten  liber  die  Visitation  von  1652  verdanken  wir  noch  et- 
liche  Nachrichten   uber    die    erste  Visitation  der  Pfarreien  Ottensoos 


1)  Dieser  Jdrg  Viscber  (Piscatoris)  ist  der  letzte  Prior  des  Augs- 
burger  Karmeliterklosters  (1527—1544).  Das  Leibgeding,  das  Huber  er- 
wahnt,  ist  die  Pension  (40  fl.),  die  ihm  bei  Ubergabe  des  Klosters  (15.  Okt. 
1534)  vom  Rate  ausgeworfen  wurde. 


Schorabaam,  Zar  Brandenb.-Ntirnbergischen  Kirchenylsitation  1528.  219 

und  Kornbnrg.  Da  die  Rechtsverhaltnisse  dieser  Pfarreieu  sebr  an- 
gefochten  waren,  so  beschlofi  man,  zunachst  Erknndigungen  einzn- 
ziehen,  in  welcher  Weise  dieselben  frliher  visitiert  wordeu  waren. 
Aus  dem  damals  noch  vorhandenen  Visitationsbuch  vom  Jahre  1528 
wnrden  nnn  die  unten  folgenden  Anszuge  uber  beide  Pfarreien 
Ottensoos    und   Kornbnrg    gemacht. 

I. 
OttensooB. 

Herr  Cunradns  Kempf,  pfarrer  zue  Ottensoes  sagt,  er  sej 
yon  meinen  herreu  dahin  yerordent,  hab  weib  ynd  kind. 

dieser  pfarrer  ist  yerbort.  bat  wobl  geantwortet;  findet  sich 
bej  ihm  ein  gnter  cbristlicber  yerstandt 

Hainz  Pirkmann,  Herman  Teurlein,  Jorg  Stain  ynd 
Hans  Loser,  gesandte  yon  der  gemain  zn  Ottensoes,  die  baben  an- 
gesagt,  daft  sie  yon  ibrem  pfarrer  seines  lebens,  wesens  ynd  wandels 
balb  kein  clag  zn  tbnn  baben;  er  bait  sicb  eins  ebrlicben  redlicben 
wesenS;  fubre  ein  priesterlicb  leben. 

so  wifien  sie  seiner  lehr  halben  aucb  kain  clag  anznezaigen; 
er  lebre  ynd  predige  i]inen  das  wort  gottes  ibres  yerstands  trenlicb 
yor,  ynd  wo  er  ibnen  das  wort  gottes  gar  ins  berz  k3nnt  giefien 
oder  stofien,  tbet  er  das  gem. 

ynd  seyen  allein  in  dem  bcscbwert,  das  etliche  jartag^  yer- 
kUndungen  der  todten  ynd  salye  regiua  in  der  pfarr  znhalten  ge- 
stiftet,  die  halt  aber  ihr  pfarrer  nit  mebr,  zaigt  an,  es  sej  nit  nntz 
ynd  nemen  doch  nicbts  dester  weniger  die  gottshauspfleger  die 
guldten  ynd  zins,  die  daramb  an  das  gottsbaus  gegeben  werden  sin, 
geben  dem  pfarrer  dayon  sein  gebtirnus,  zehen  gulden,  ynd  bebalten 
das  uberig  znm  gottsbaas,  yermainten,  dafi  man  billicb  solcbe  zins 
ynd  guldt,  die  fbr  solcbe  gestifte  jartag  ynd  audres  an  das  gottsbaus 
geben  werden,  nachdem  das  alles  nit  mebr  gebalten  wurdet,  denen, 
die  berlirte  guldt  an  das  gottsbaus  geben  baben,  widerumb  zugestelt 
oder  an  steg  ynd  weg  oder  aber  Lausarmen  leuten  gegeben  wiirde; 
yn  bett  dennocbt  ihr  pfarrer  ibres  achtens  on  das  genug,  dann  er 
sonst  hey  siebenzig  gulden  einkummens  hab. 

item  so  baben  sie  sonst  noch  ein  fruemefier,  derselb  sey  auch 
ein  gut  frum  Mann,  er  mog  yielleicht  so  yiel  nit  konnen:  er  hab 
sicb  aber  ein  zeit  hero  sehr  gebefiert,  wissen  darum  kain  sender  clag 
zu  tbun. 

die  gelehrten  baben  obgemeldts  pfarrers  halben  geratschlagt,  dafi 
der  zu  einem  pfarrer  wobl  zu  halten  sey :  ynd  ist  diesem  pfarrer  gesagt 
worden,  dafi  er  als  ein  seelsorger  seinem  pfarryolck  im  wort  Gottes 
treulich  yorgehen  ynd  ynterweisen  woll,  auch  fleifiig  lesen  yndt  stu- 
diren  ynd  sich  im  selben  solcber  gestalt  halten,  daraus  man  sein 
fleifi  spfiren  mSg. 


220  Schornbaum,   Zur  BraDdenb.-NUrnbergisohen  Eirchenvisitation  1528. 

darzu  hat  der  gedacht  pfarrer  angezaigt;  daft  er  dem  lesen  vnd 
studieren  nit  sowohl,  wie  er  billig  thun  sollt  anhaugen  konnt.  er 
hab  ein  grofie  haussorg;  woll  er  viel  haben,  miifi  er  darnach  trachtea 
vnd  arbeiten  vnd  ehebalten  balten. 

so  mufi  er  allemabl  Uber  den  dritteu  feyertag  das  gottshaus  ziie 
Scbonberg  in  aigner  person  mit  predig  vnd  mefi  versehen,  von 
welchem  er  danu  das  maist  einkummen  hab;  hab  zu  Ottensos  ein 
cleins  zehendlein  vnd  etliche  claine  wislein  vnd  eckerlein,  item  er 
mnfi  gein  Rottenberg  jabrlich  drey  gulden  jaggeldts  geben;  so 
gesteben  ihne  die  diener  vom  Rottenberg,  die  er  vff  denen  klir- 
tagen  zu  Ottensos  mit  essen  vnd  trinken  versehen  mufi,  des  jahrs 
nicht  wenig,  also  dafi  er  deshalb  zehen  gulden  wol  haben  mufi. 

der  stiftung  halb  hab  er  bisher  das  geldt,  so  ihm  die  gotts- 
hauspfleger  geraicht,  genommen,  achte  darflir,  dieweil  das  gottshaus 
des  jahrs  liber  100  gulden  einkumens  hab,  dafi  sie  sich  des  ge- 
legenheit  aller  sachen  vnd  dafi  sein  ander  einkumen  nit  so  grofi,  nit 
zn  beschwern  haben. 

dafi  er  aber  dise  jartSg,  verklindung  der  toden  vnd  salve  regina 
bisher  nit  gehalten,  acht  er  nit  vnrecht  sein,  dieweil  er  in  der  schrift 
vnd  in  sein  em  gewifien  ein  anders  finde. 

vnd  hat  der  pfarrer  gemeldt,  wo  ihm  diese  sein  cura  mit  der 
versehung  der  pfarr  zu  Scbonberg  vnd  sein  grofie  haushaltung  in 
zimblich  vnd  leidentlicher  weg  mbcht  gewendet  werden,  vnd  dafi  er 
etwo  ein  ruiger  wesen  haben  kondt,  wer  er  vngezweifelt,  er-wolt  sich 
im  studiren  vnd  in  der  kirchendieust  dermafien  befleifien,  darob  man 
ein  gut  gefallen  haben  sollt. 

Extrakt  aus  einem  Kirchenvisitationsbuch  de  a.   1528.    • 

II. 
Komburg. 

Mittwoch  den   16.  September  1528. 

Herr  Paulus  Lbffler,  Pfarrer  zue  Kornburg,  sagt  er  sey 
von  meinen  herrn  dahin  verordent,  bey  zweyen  jahren  daselbst  ge- 
west;  hab  ein  eheweib. 

der  gedacht  pfarrer  ist  verhort^  der  hat  zimblich  wol  geant- 
wortet,  vnd  findet  sich  bey  ihme  ein  christlicher  verstandt. 

Linhardt  Schmidt,  Augustin  J'eurstain  vnd  CuntzMayr, 
gesandte  von  der  gemein  zue  Kornburg,  die  sagen  erstlich  des 
pfarrers  halb,  dafi  sie  an  ihres  pfarrers  leben  vnd  wesen  ein  guet 
gefallen  haben,   wifien  derhalb  nichts  zu  clagen. 

so  hftben  sie  an  seiner  lehre  aufierhalb  nachfolgender  mengel 
auch  kein  clag.  allein  vermainten  sie,  dafi  ihr  pfarrer  je  bisweilen 
an  feyrabendten  vndertag  vesper  sing  vnd  in  demselben  hielt,  wie 
man  es  hie  vnd  zu  Schwabach  belt;  wo  ers  also  hielt,  wolten  sie 


Schornbaum,  Zur  Brandenb.-Ntirnbergischen  EirchenviBitation  1528.   221 

wol  zu&ieden  sein;  dann  er  sonst  in  der  wochen  nichts  thue,  wann 
daft  er  an  feyrtagen  mefi  bait  vnd  predig. 

item  der  pfarrer  fordere  vnd  predig  stets  in  seiner  predig  den 
zehenden,  bielten  dafUr^  dafi  er  solchs  billicb  in  der  predig  vnterliefi 
vnd  wo  ihme  jemandt  den  nicbt  reebt  gebe,  dafi  er  das  der  oberkait 
anzaiget  vnd  nit  in  der  predig  so  oft  meldet. 

item  der  pfarrer  tauf  die  kinder  in  den  bSusern^  vermainteu 
sie,  dieweil  die  tauf  so  ein  grofi  treffenlicb  ding  sey,  es  wor  dan- 
nocbt  viel  ebrlicber  vnd  befier,  dafi  man  die  zu  kirchen  trag  vnd 
daselbst  taufte. 

item  so  ihr  pfarrer  jemandt  ein  kindt  tauft  oder  dafi  er  ebe- 
leutb,  so  bocbzeit  miteinander  baben  wollen,  vff  der  cantzel  verkundt, 
ist  ibm  von  solcbem  hievor  ye  ein  mafi  weins  gegeben  worden,  aber 
jzt  vermaint  er,  man  soil  ibne  zu  solcbem  es  sey  bocbzeit  oder  kindt- 
scbenk  laden,  wo  er  dann  je  geladen  wirdt,  bleibt  er  da,  ess  ond 
trink,  woll  aber  nicbts  zablen. 

item  der  pfarrer  lafie  im  gebet  vff  der  cantzel  das  ave  maria 
aufien,  vermaint  die  gemain,  das  er  dennocbt  das  von  wegen  der 
jungen  kinder  billicb  aucb  bete  vnd  lernte. 

item  das  sacrament  consecrire  ir  pfarrer  gar  teutscb,  wifien  sie 
als  arme  vnverstendige  pauersleut  nit,  ob  es  so  gar  gut  sey  oder  nit, 
wolleu  solcbes,  wie  es  derbalb  soil  gebalten  werden,  zu  den  ver- 
ordenten  herrn  gestellt  baben. 

item  als  bievor  ihrem  pfarrer  etlicbe  klaider  entwendet  worden, 
bab  er  bey  einem  warsager  zue  Gunzenbausen  darumb  forscbung 
gebabt;  nacbmals  viel  davon  geredt  vff  meinung,  er  wlifite  nun  wobl 
wcr  ibme  seine  klaider  gestoblen  mit  betrobung,  ibme  die  wieder  zu 
geben,  oder  er  wolt  den  anzaigen,  das  er  dem  benker  werden  miifit. 
acbten  sie  in  der  gemein  dafur,  dafi  er  als  ein  pfarrer  vnd  seelsorger 
billicb  nit  mit  solcb^r  zauberey  vmbgehen,  vnd  wo  er  von  yemandt 
das  in  der  gemein  borte,  das  er  solcbs  zum  b5chsten  webren  vnd  sie 
davon  als  von  teuffeliscben  diugen  weisen  sollt. 

vnd  wo  in  diesen  fallen  enderung  getban  werde,  seyen  .sie  sonst 
an  andern  ibres  pfarrers  leben  vnd  wesen  aucb  seiner  lebre  balben 
wobl  zufrieden,  er  sey  sonst  ein  gut  from  mann. 

von  scbwurmern  oder  tauffern  wifien  sie  nicbts  zu  sagen. 

als  nun  der  pfarrer  von  wegen  der  gebrechen  von  der  gemein 
angezaigt  gefragt  worden,  bat  der  zu  alien  beschwerden  aufierbalb 
der  letzten  gut  richtig  antwort  geben,  darob  die  gesaudten  zufriden 
gewest. 

vnd  zur  letzten  die  gestoblnen  klaider  belangeudt  bat  er  waiuendt 
angezaigt,  ibm  seyen  bievor  zween  gut  rock,  bembdt  vnd  anders  ge- 
stoblen worden.  nun  seyndt  ibm  aber  etlicbe  geringe  stlick,  so  ibm 
aucb  eutpfrembdt,  bey  seiner  naclxbaurn  einem  zunecbst  .nidergelegt 
worden,  darauf  er  mog  gesagt  baben,  er  bette  vermutung  uf  etlicbe 


222  Kolde>  Ein  Ablafibrief  fur  die  Kirche  zu  Leerstetten. 

etc.  ob  yemandt  mit  ihme  gescherzt,   bete  er  zum  hochsten  ihme  das 
wider  zii  geben. 

den  warsager  betreffend^  sagt  er  bey  hochstem  glauben,  dafi  er 
fUr  sich  selbst  bey  keiuem  warsager  gewest  noch  ans  seinem  befelh 
yemandt  dahin  geschickt;  wol  sey  nit  on,  er  hab  eiu  schwager  der 
mag  flir  sich  selbst  ohu  sein  befelh  beim  warsager  gewest  sein  vnd 
darumb  nachfrag  gehabt  haben ;  derselb  hab  ihme  aber  uichts  senders 
anzaigen  konnen.  er  halt  vnd  glaub  desselben  anzaigen  nit,  k5nue 
sich  auch  y(m  den  gnaden  gottes  selbs  aus  der  schrift  wohl  erlernen, 
das  solcheii  ansagen  nit  zn  glauben  vnd  nichts  anders  dann  teuffels 
werk  seye  etc. 

dises  pfarrers  halb  raten  die  verordenten,  dafi  er  zu  einem 
pfarrer  als  der  zimblichen  vnd  guteu  verstandt  hat,  wol  ^u  halten 
und  nit  zu  endern  sey. 

doch  ist  ihm  angezaigt,  hinfiiro  im  studirn  guten  vleifi  zuthun 
vnd  sich  dermafien  christlich  zu  halteU;  damit  seinerhalb  nit  clagens 
noth  seye. 

sonderlich  dafi  er  sich  obgeschribens  artickels  des  warsagers  halb 
bey  der  gemain  bei  ainigen  vnd  ihneu  anzaigen  well,  dafi  er  vf  das 
gar  nichts  halten  vnd  dafi  es  nichts  anders  dan  teuffels  lugen  seyen. 
der  hat  das  alles  zuthun  zugesagt. 

Extrakt  aus  einem  Kirchenvisitationsbuch  de  a.   1528  Fol.  43. 

NUrnberger  Kreisarchiv.  S.  I  L.  296.  Nr.  7. 

Ein  Ablarsbrief  fiir  die  Kirche  zu  Leerstetten. 

Mitgeteilt  von  D.  Th.  Kolde. 

Die  Kirchenbibliothek  zu  Schwabach  besitzt  neben  nicht  un- 
wichtigeu  scholastischen  Manuskripten  und  reichen,  wohlgeordneten 
BUcherschatzen,  zumeist  aus  der  Reformationszeit,  einen  wie  es  scheint, 
bisher  noch  nicht  bekannt  gegebeuen  Ablafibrief  ^)  aus  dem  Jahre  1486 
flir  die  Kirche  zu  Leerstetten.  Diese  den  Aposteln  Petrus  und 
Paulus  geweihte  Kirche  der  Pfarrei  Leerstetten,  die  zu  dem  De- 
kanate  Eschenbach  in  der  Dibzese  Eichstatt  gehbrte,  und  fur  die 
dem  Abte  des  Klosters  Ebrach  das  Prasentations-  oder  KoUations- 
recht  zustand^),  bedurfte  der  Eeparatur.     Es    fehlte    auch    an  Mefi- 

1)  Derselbe  wurde  mir  von  Herrn  Dekan  B6ckh  in  Schwabach^  der 
ihn  aufgefunden  hat,  freundlichst  zur  VerSffentlichung  uberlassen. 

2)  Dartiber  belehrt  uns  das  sehr  wevtvolle  Programm  von  J.  G. 
Suttner,  Schematismus  der  Geistlichkeit  des  Bistums  Eichstatt  aus  dem 
Jahre  1480,  Eichst.  1879,  wo  es  S.  60  heifit:  Leerstetten  eccles. 
paroch.  SS.  Petri  &  Pauli:  De  praesentatione  Abbatis  in  Ebrach.  Ple- 
banus':  Petrus  Engenlandt  ex  diocesi  Bamberg,  ordinatua  in  Czitz  ad 
titulum  monasterii  in  Munchaurach.  Fuerat  1475  vicarius  in  Graven- 
steinberg. 


Kolde,  Ein  AblaBbrief  flir  die  Kirche  zu  Leerstetten.  223 

biichern,  Eelcheu  und  sonstigeu  kirchlichen  Ausstattungsstticken.  Da 
griff  man  zu  der  allgemein  Ublichen  Auskiinft,  die  notigen  Mittel 
durch  einen  Ablafi  zu  verschaffen.  Der  damalige  Inhaber  der  Pfarrei 
war  der  Magister  Petrus  Engenlanit  oder  Engellant,  iiber  desseu  Ent- 
wicklung  sich  weuigstens  einiges  feststellen  ISfit.  Er  stammte  aus 
Nlirnberg,  studierte  in  Leipzig  und  erwarb  daselbst  den  Grad  eines 
Baccalaureus  und  setzte  im  Sommer  1476  seine  Studien  in  Erfnil 
fort*),  wo  er  auch  die  WUrde  eines  Magisters  erlangt  haben  wird. 
Auf  Veranlassung  des  Klosters  zu  MUnchaurach  wurde  er  in  Zeitz 
zum  Priester  geweiht  und  kam  dann  als  Yikar  auf  die  dem  Bischof 
von  Eichstatt  zustehende  Pfarrei  Grafensteinberg  ^).  Der  Aufenthalt 
daselbst  wird  uicht  lange  gewahrt  haben,  denu  schon  1480  finden 
wir  ihn  in  Leerstetten.  Dieser  Mann,  der  sich  entweder  brieflich 
nach  Horn  wandte  oder  auch  zu  diesem  Zwecke  eine  Pilgerreise  da- 
hin  unternahm,  war  es,  dem  es  gelang^  zu  gunsten  seiner  Kirche  von 
zehn  KardinSlen  einen  freilich  nur  sparlichen  Ablafi  zu  erhalten. 
Den  Glaubigen  wurde  flir  ewige  Zeiten  versprochen,  sie  sollten, 
wenn  sie  am  Tage  des  Apostels  Petrus,  am  Palmsonntage^  zu 
Ostern,  zu  Pfingsten  und  am  Kirchweihfeste  von  der  ersten  bis 
znr  zweiten  Vesper  die  betreffende  Kirche  frommen  Sinnes  besuchen 
und  zu  besagten  Zwecke  hilfreiche  Hande  darreichen  wurden  — 
dies  eine  oft  wiederkehrende  allgemeine  Formel  — ,  alljahrlich  an 
jedem  einzelnen  der  genannten  Festtage  je  100  Tage  Ablafi  erhalten. 
Die  Urkunde  ist  vom  28.  September  1486  datiert,  aber  erst  andert- 
halb  Jahre  spater  erhielt  sie  die  bischofliche  Anerkeunung  und  zwar  am 
1.  April  1488  durch  den  bischoflichen  General vikar  Christoph  Mendel 
de  Stainfels,  eine  Zierde  des  Eichstatter  Kapitels^  deun  der  gelehrte 
Mann  war  der  erste  Rektor  der  neugegrUndeten  Universitat  Ingol- 
stadt  gewesen  und  hatte  gegen  die  Statuteu  unmittelbar  auf  An- 
ordnung  des  Herzogs  Ludwig  diese  Wurde  das  ganze  Jahr  hindurch 
bekleidet  und  fungierte  im  Jahre  1476  noch  ein  zweites  Mai.  Auch 
findet  sich  sein  Bild  in  der  Ingolstadter  Matrikel^).  Der  schon  er- 
wahnte  Schematismus  von  1480  fiihrt  ihn,  der  spater  (1502 — 1508] 
Bischof  von  Chiemsee  wurde,  in  folgender  Weise  auf:  R.  Pater 
Christophorus  Mendel  de  Stainfels,  artium  et  LL.  doctor,  1472 
Professor    Institution um    in  Universitate   Ingolstadiaua,    1476  Rector 


1)  Petrus  Engei'land  de  Nornberga  baccal.  Lipczensis  dedit  totum. 
Akten  der  Erfurter  Universitat  I  (Halle  1881)  S.  364.  In  der  Leipziger 
Matrikel  findet  sich  auffallenderweise  sein  Name  nicht. 

2)  Das  dafiir  bei  Suttner  angegebene  Jahr  1475  stcht  im  Wider- 
spruch  mit  dem  Eintrag^  der  Erfurter  Matrikel,  er  miiOte  denn  zwischen 
dem  Besuch  von  Leipzig  und  Erfurt  kurze  Zeit  in  Grafensteinberg  ge- 
wesen sein. 

3)  G.  Prantl,  Geschichte  der  Ludwig-Maximilians-Universitat  I, 
21,  38. 


224  Eolde,  £in  AblaBbrief  fttr  die  Kirche  zu  Leerstetten. 

ejusdem  Scholae  secundo,  1479  Rmi  Episcopi  in  Comitialibus 
Imperialibns  Norimbergae  Orator,  Canonicus  eccles.  cathedr.  et  Vica- 
rius  general! s. 

Der  Ablafibrief  bat  folgenden  Wortlaut: 

Roderi^us  Portueasis  Oliuerins  Sabinensis  Johannes  /  Albanensis 
Julian  us  Ostieusis  Episcopi  Johannes  michael  tituli  sancti  Marcelli 
Johannes  tituli  sancte  Praxedis  Johannes  iacobus  tituli  sancti  /  Ste- 
phani  in  Celio  monte  Paulus  tituli  sancti  Sixti  Presbyteri  Franciscus 
sancti  Eustachii  Raphael  sancti  Georgii  diaconi  sancte  Romane  ecclesie 
Cardinales  /  Uniuersis  et  singulis  christifidelibus  praesentes  litteras 
inspecturis  salutem  in  domino  sempiterna[m]  Quanto  frequentius 
christifideles  ad  opera  caritatis  inducimus  tanto  salubrius  /  eorum 
animarum  saluti  consulimus  Cupientes  igitur  ut  ecclesia  parrochialis 
sancti  Petri  in  villa  Lerstetten  Eystetensis  diocesis  congruis  frequen- 
tetur  honoribus  et  /  a  christifidelibus  iugiter  ueneretur  ac  in  suis 
structuris  et  edificiis  debite  reparettir  conseruetur  et  manuteneatur 
libris  quoque  calicibus  ornamentis  aliisque  ibidem  /  necessariis  decenter 
muniatur  ornetur  et  decoretur  utque  christifideles  eo  libentius  deuotionis 
causa  ad  huiusmodi  ecclesiam  et  ad  premissa  manns  promptius 
porrigant  /  adiutrices^  quo  ex  hoc  ibidem  done  celestis  gratie  uberius 
conspexerint  se  refectos  Omnibus  et  singulis  utriusqne  sexus  christi- 
fidelibus uere  penitentibus  et  confessis  /  qui  in  sancti  Petri  Apostoli 
dominice  palmarum  Pasche  Penthecoste  ac  dicte  ecclesie  dedicationis 
festkutatibus  ac  celebritatibus  a  primis  uesperis  usque  ad  secundas  / 
uesperas  singularum  festiuitum  (!)  ac  celel^ritatum  dictam  ecclesiam 
honorando(?)  inclusiue  denote  uisitaueri[n]t  annuatim  et  ad  premissa 
manus  porrexerint  adiutrices  ut  prefertur  /  Nos  Cardinales  prefati 
humilibus  dilecti  nobis  in  Christo  Petri  Engellaut  artium  magistri  et 
dicte  ecclesie  plebani  suplicationibus  (sic)  inclinati  de  omnipotentis 
dei  /  misericordia  ac  beatorum  Petri  et  Pauli  apostolorum  eius  auc- 
toritate  confisi  pro  qualibet  dictarum  festiuitatum  ac  celebritatum 
quibus  id  fecerint  Centum  dies  de  iniunctis  eis  /  penitentiis  uerum  (?) 
in  domino  relaxamus  et  quilibet  nostrum  relaxat  presentibus  perpetuis 
futuris  teraporibus  duraturis.  In  quorum  omnium  et  singulorum  fidem 
et  testimo  /  nium  premissoram  preseutes  litteras  fieri  mandauimus 
sigillorumque  nostrorum  iussimus  et  fecimus  appensionibus  muniri 
Datum  Rome  in  domibus  solitarum  residentiarum  /  sub  Anno  a  Natiui- 
tate  domini  Millesimo  quadringentesimo  octuagesimo  sexto  Indictione 
Quarta  die  vero  Vicesima  octava  mensis  Septembris  /  poutificatus 
sanctissimi  in  Christo  patris  et  domini  nostri  domini  lunocentii 
diuina  prouidentia  pape  Octavi  Anno  Tertio 

Eat  Gerona^). 

1)  In  der  Beglaublgung  findet  sich  dieselbe  Formel  „Eat"  als  Zu- 
lassungserklarung.  Gerona  ist  vielleicht  der  Name  des  ausfertigenden  Be- 
am ten. 


Herrmann,  EinBriefd.Dominik.  GallusKorn  an  Wolfg.  Fabrioius  Capito.  225 

Die  Siegel  fehlen,  doch  hSugen  an  drei  der  noch  vorhandenen 
Siegelschnuren  die  leeren,  blecheruen  Siegelkapseln.  Auf  der  umge- 
bogeueu  Siegelfalte  des  Pergaments,  das  einen  Umfang  von  73X^2  cm 
hat,  findet  sich  folgende  Beglaubigung: 

Christofforus  Mendel  de  stainfels  legum  doctor  cauonicus  et  in 
spiritualibus  generalis  vicarius  Eisteteusis  vidimus  has  litteras  sanas 
illesas  nee  in  aliqua  parte  suspectas  easque  admittimus.  Eat.  Eisteti 
Kal.  Aprilis  anno  octuagesimo  octavo 

vicarius  generalis  motu  proprio 
1). 


Ein  Brief  des  Dominikaners  Callus  Korn  an  Wolfgang 

Fabricius  Capito. 

Mitgeteilt  von  Fritz  Uerrmann  in  Darmstadt. 

Fiir  die  Kenntnis  des  Lebens  von  Gall  us  K  or  n  ist  man  immer  noch 
auf  die  diirftigen  Nachrichten  seines  Biographen  Held^)  angewiesen, 
iiber  die  hinaus  auch  Roth^)  nichts  Neues  beizubringeu  vermochte. 
Einiges  Licht  auf  die  Lage  und  die  Plane  des  wegen  seiner  evange- 
lischen    Predigten     von     seinem    Konvent     gemafiregelten     und     am 

9.  Juni  1522  aus  dem  Kloster  entwichenen  Niimberger  Domini- 
kaners wirft  der  bis  jetzt  unbeachtet  gebliebene,  nachstehend  abge- 
drucktc  Brief,  den  er  zugleich  mit  seiner  bekannten  Verteidigungs- 
schrift*)    an   den   kurmainzischen,    mit   Erzbischof  Albrecht,   der    am 

10.  April     seinen    Sitz    im    Reichsregiment    eingenommeu    hatte,    in 


1)  Unleserlich  und  zum  Tell  radiert.  tlber  den  Siegelschnuren 
scheinen  die  Namen  der  Kardinalstitel  gestanden  zu  haben.  Auf  der 
Rtickseite  findet  sich  die  Aufschrift:  Genesis,  in  diesem  Falle  wohl  nach 
Du  Cange  s.  v.  =  decretum. 

2)  J.  G.  F.  Held,  Nachrichten  von  GallusKorn,  eines  Dominikaner 
MSnchs  zu  Niirnberg  und  standhaften  Vertheidigers  der  evangelischen 
Wahrheit,  Leben  und  Schriften.    Niirnberg  1802. 

3)  F.  Roth,  Die  Einfiihrung  der  Reformation  in  Ntirnberg.  Wiirz- 
burg  1885. 

4)  Eyn  handlung  wie  es  eynem  Prediger  Munch  tzu  Nurmberg  mit 
seynen  Ordens  brudern  von  wegen  der  Euangeliechen  warheyt  gangen  ist. 
0.  0.  1522.  Wieder  abgedruckt  bei  L.  Rabus,  Historien  der  Martyrer, 
2.  Tl.  Strafiburg  1572,  f.  220 ff.  und  bei  Held  a.  a.  0.  p.  46 ff.  Die  Capito 
Uberreichte  Originalhandschrift  -ist  lateinisch.  Der  Abfassungsort  —  ex 
gurgustalo  =::  ynn  vnszer  elenden  herberg  —  ist  nicht  das  Kloster,  wie 
Held  will,  sondern  Korns  vaterliche  Behausung,  in  der  er  unmittelbar 
naeh  seiner  Flucht  —  die  Verteidigungsschrift  ist  vora  12.  Juni  datiert  — 
sich  verborgen  hielt,  bis  ihm  die  unten  zu  erwahnende  Haltung  des  Stadt- 
rates  sich  freier  zu  bewegen  gestattete. 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeflchicbte  XI.  5.  15 


226  Herrmano,  Ein  Brief  d.  Dominik.  Gallus  Korn  an  Wolfg.  Fabricius  Gapito. 

Niirnberg  anwesenden  Rat  Capito  gerichtet  hat^).  Der  undatierte 
Brief  ist  zwischen  dem  12.  Jnni  —  welches  Datum  die  Verteidigungs- 
sohrift  trSigt  —  und  dem  1.  Juli,  dem  Tage  der  Abreise  Albrechts*), 
geschriebeu,  and  zwar  wohl  an  einem  Montag,  woranf  die  Er- 
wKhnung  der  sonst  nicht  bekanuten  eindrucksvollen  Predigt  Capites 
hiudeutet. 

Oallus  Korn  versuchte  durch  sein  Schreiben,  den  Mainzer 
Staatsmann,  dessen  Stellung  zur  religiSsen  Frage  er  wohl  langst 
kannte  tmd  zu  dem  er  auf  Grand  der  erwUhnten  Predigt  besonderes 
Vertrauen  gefaftt  hatte,  fUr  seine  Sache  za  interessieren,  und 
hat  sich  vielleicht  auf  eine  Verwendung  im  Mainzer  geistlichen 
Dienste  Hoffnung  gemacht.  YorlSufig  hielt  er  sich  bei  sein  em  Yater 
Hand  Korn  aaf;  in  dessen  Haase  das  Hofgesinde  Albrechts  Herberge 
genommen  hattO;  and  betrieb  von  da  aus  seine  Entlassung  aus  dem 
Ordeu;  daB  ihm  diese  von  Rom  aus  gewahrt  wurde^  ist  um  so  unwahr- 
scheinlicfaer,  als  der  am  25.  September  in  Niirnberg  eingetro£Fene 
papstliche  Nuntius  Chieregati^  dessen  scharfes  Auftreten  gegen  die 
evangdlifichen  Prediger  bekannt  ist,  gerade  bei  den  Dominikanem 
abstieg').  Gegen  deren  Nachstellungen  war  Gallus  von  dem  Rate 
der  Staat  geschiitzt  worden^),  ihn  veirlangte  aber  nach  ungehinderter 
5ffentlicher  PredigttStigkeit.  Sein  Brief  an  Capito  hat  diesen  viel- 
leicht zu  einer  Empfehlung  des  Predigers  an  den  evangelisch  ge- 
sinnten  Freiherrn  Joh.  von  Schwarzenberg  veranlafit^  in  dessen 
Dienst  wir  Gallus  1524  finden. 

In  der  Unterschrift  nennt  er  sich,  wie  auch  in  seiner  1524 
in  Schwarzenberg  verfaftten  Schrift  Warum  die  Kirch  vier  Evange- 
listen  hat  angenommen  etc.,  Gallus  Gallaeus.  Die  zugleich  mit 
dem  Brie^  an  Capito  eingereichte,  durch  den  deutschen  Druck  be- 
kannt gewordene  lateinische  Yerteidigungsschrift  zeigt  auf  der  HUck- 
seite  den  Titel:  Apologema  Galli  Gallaei  in  eius  abitum  a  coenobitis 
praedicatotiis,  anno  domini  1522  Junii  12.  Am  Schlusse  derselben 
hat  er  did  folgeude  Notiz  beigefiigt: 

Sequentia  post  me  reliqui  verba  die  quo  abii,  altera  vigilia 
pentecostes  Junii  nona: 

spiritus  domini 
ecce  ille   iste   instabilis,   inquietus,  praesumtuosus,    superbus,    ignavus 
et   fatuus  Vester^  quern  et  haeresi  (nescitis  ante  quot  annos  damnata) 
dicitis    maoulatum,    excommunication e   papali  et    ordinis    carcere    (ut 
iudicatis)  dignissimus  a  vobis  recessit. 


1)  In  GapitoB  Nachlafi,   Univers.-Bibl.   zu  Basel,   Bd.  K.  A.  G.  IV 
5,  f.  21  ff. 

2)  Vgl.  Des   kursachsischen  Rates  Hans   von    der    Planitz  Berichte 
aus  dem  Beicharegiment  in  Niirnberg  1521—1523,  ed.  Virck,  p.  135.  188* 

3)  Deutsche  Reichstagsakten,  Jiing.  Reihe,  Bd.  3  p.  824.  924. 

4)  Held  a.  a.  0.  p.  25. 


Herrmann,  Ein  Brief  d.  Dominik.  Gallus  Eorn  an  Wolfg.  Fabric!  us  Capito.  227 

vos  fratres  gaudete  et  letamini^  qui  translati  estls  de  morte  in 
vitam,  quoniam  diligitis  fratres  in  Christ o. 

pro  vestra  sunt  haec  scripta  pace,  vestrum  erit.  non  suscitare 
donnientem,  alioquin  primum  probabitis^  quod  falso  obiicitis. 


Salve  in  servatore  nostro,  candidissime  doctor  veritatis  etc.  mihi 
non  servitutiS;  non  necessitudinis,  non  d^nique  familiaritatis  suppetit  ratio^ 
quo  te  litterulis  meis  obruerem.  et  enim  una  horum  omnium  potentior 
accedit  occasio,  qua  me  audaculum  et  tuam  praestantiam  non  gravem 
efficiet  spero  exauditorem.  vera  sunt;  quae  assero.  aput  senatum 
populumque  nostrum  ex  tua  concione  summum  nactus  es  favorem^ 
nactus  est  et  gloriam  immortal  em  ille  tuus,  immo  et  noster  princeps 
et  praesul  beatissimns^  qui  praeter  omnem  spem  talem  evangelicae 
veritatis  doctorem  in  sua  curia  alet.  dispeream^  si  beri  non  omnium 
erat  clamor:  ecce  quid  nunc  in  Maguutiuum  nostrum  pontificem  et 
principem  hunc  effutire  habeut,  qui  ipsum  iam  dudum  evangelii 
suppressorem  cavillarunt.  certe  contrarium  nos  hodie  audivimus  auri- 
bus  nostris,  gloria  deo  et  pax  principi  nostro.  verum  quia  nunquam 
sine  querela  aegra  tanguntur,  simul  te  incidisse  noti  dubitare  in  fer- 
mentum  phariseorum  malitiae,  sed  autem  non  curandum^  quia  genus 
est  hjpocriticum^  peribit  parimodo  atque  nix  et  tum  parebit  nuditas 
et  confusio  borum.  ex  his  puto  mihi  suppetias  affatim  administratas 
te  ineptiis  meis  adoriri.  sum  (novit  dominus)  ab  illo  genere  iam 
ferme  decennio  persecutus,  nee  uuquam  invenientes,  quo  me  con- 
funderent,  nunc  illis  diebus  ex  duabus  concionibus  in  me  suum  virus 
confiavenint;  veritatem  negocii  in  adiuncta  his  habes  schednla,  quam 
legas  oro  et  per  Christum  tuum  te  obtestor.  sum  modo  apud  geni- 
torem  meum^  qui  hospitem  agit  aulicorum  reverendissimi  atque  illu- 
strissimi  principis  nostri  Moguntini  etc.  sum  nutu  senatorum  securus 
at  publicum  frequentare;  divina  item  celebrare  extra  domum  et 
praedicare  per  ingeniperdarum  et  christianicidarnm  horum  tyranni- 
dem  non  est  mihi  integrum,  misimus  ad  Romanam  curiam,  nee 
sum  nee  volo  amodo  et  usque  in  aeternum  sub  horum  esse  iuris- 
dictione.  nunc  ergo,  mi  candidissime  simul  et  colendissime  in 
Christo  pater  et  doctor  veritatis,  per  Christum  et  christianam  te  ad- 
inro  pietatem:  da  consilium  ignaro,  fer  auxilium  misero,  fac  omnibus 
modis  efficias,  ut  princeps  ille  noster  beniguissimus,  qui  haereditario 
iure  adeptus  est  banc  insignitatem,  ut  quanto  sit  in  cunctos  oppres- 
sores  et  violentos  stomachosior,  tanto  consuerit  benignius  audire  et 
iuvare  lacessitos  iniuria,  cura,  inquam,  aput  tantum  et  talem  princi- 
pem, ut  in  sua  abitione  sua  benedictione  relever,  ut  ubicumque  non 
oporteat  a  publico  abstinere,  sed  secure  possim  sacerdotis  of&cia 
exequi,  ubi  ubi  opportunum  videbitur,  quo  usque  super  hac  I'e 
Romanum  venerit  indicium,  facies,  crede,  pro  veritate,  deo  vero 
Optimo     maximo     rem     gratam    omnique    populo    nostro     acceptissi- 

15* 


228      Kolde,  Zur  Geschichte  des  Niirnberger  Augustinerkiosters. 

mam.    accedet   item   praeclarum   hoc  facinus  iu  illustrissimi  principis 
uostri  gloriam  immortalem.  vale  in  Christo. 

Galhis  Gallaeus  sacerdos, 


servulas  tuus  in  Christo. 


legat    tua    liiimauitas     tantum 
duodecim  axtomata    et  iudicet, 
legat    et    meorum    sententianfi  ta- 
li signo^)  exaratam. 


i 


Adresse:  Evangelicae  veritatis  prestantissimo  interpret!  atqiie 
doctor),  domino  ludico(!)  suo  preceptori. 

Zur  Geschichte  des  Niirnberger  Augustinerkiosters. 

Von  D.  Th.  Kolde. 

,,Im  Bereiche  der  jetzigen  ErzdiSzese  Bamberg  gab  es  einst  drei 
Augustinerkloster  —  Kulmbach,  NUrnberg,  Windsheim,"  von  denen 
sicher  nicht  nur  das  bedeutendste,  sondern  auch  fiir  die  Geschichte 
des  Gesamtordens  wichtigste  das  zu  Nilrnberg  war.  Mit  Recht  be- 
tont  Dr.  Joh.  Baier  in  einer  kleinen  Studie^),  die  die  Veranlassung 
zu  diesen  Zeilen  gibt,  wie  ich  es  schon  ofter,  wenn  auch  bisher.  ohne 
Erfolg,  getan  babe,  dafi  eine  „Klo8tergeschichte  Nurnbergs"  eine 
lohnende  Aufgabe  wUre,  und  ich  m5chte  bei  dieser  Gelegenheit  darauf 
aufmerksam  machen,  dafi  wie  fur  alle  Niirnberger  Verhaltnisse  gerade 
auch  dafiir  die  mir  erst  vor  kurzem  bekannt  gewordene  Merkelsche 
Handschriftensammlung,  die  jetzt  in  der  Bibliothek  des  Germanischen 
Museums  in  Ntirnberg  aufbewahrt  wird,  reiches  Material  enthalt,  was 
d^n  Benutzer  weiterzufiihren  imstande  ist.  Namentlich  ware  aber 
eine  eingehende  Geschichte  des  Augustinerkiosters  sehr  wunschenswert. 
Was  Baier  liefert,  ist  eine  fleifiige  Skizze  auf  Grund  des  bekannten 
Materials^  macht  aber  das  Fehlen  einer  wirklichen  Geschichte  um  so 
fiihlbarer  und  veranlafit  mich  zu  mancheu  Fragezeichen,  deuen  ich 
fiir  eine  spatere  Bearbeitung  einige  Notizen  aus  meinen  Sammlungen 
beifUgen  will. 

Unklar  ist  zunachst  die  Entstehuug  des  Klosters.  Wie  allent- 
halben  kann  man  auch  hier  beobachten^  dafi  die  Briider  die  Neigung 
batten,  die  Entstehung  ihres  Kon vents  in  moglichst  friihe  Zeiten  zu 

1)  Dasselbe  Zeichen  kehrt  bei  den  in  der  Verteidigungsschrift  an- 
geflihrten  Schimpfreden  der  Monche  wieder. 

2)  *Prof.  Dr.  Baier  in  Wtirzburg,  Das  ehemalige  Augustiner- 
kloster in  Niirnberg  S.  A.  (aus  dem  Kalender  fiir  katholische  Christen. 
Sulzbach  1905?) 


Kolde,  Zur  Geschichte  des  Nflrnberger  Augustinerklosters.      229 

verlegen.  Das  im  Stadtarchiv  in  Nurnberg  aufbewahrte  Salbucb  des 
dortigen  Augustinerklosters,  das  iinter  dem  Priorat  des  Priors  Eukarius 
Karl  1503  angefangen  wiirde,  meldet,  dafi  ein  Kloster  des  Ordens 
seit  undenklichen  Zeiten  in  der  Stadt  bestandon  habe,  aber  abgebrannt 
sei;  darauf  aber  „mit  wissen  und  mit  will  en  des  Stuls  zu  Eom  auch 
mit  willen  und  gunst  eines  erbarn  Eats  von  neuen  gepaut  hieher  an 
die  Stat,  da  man  gezehlt  zweihundert  und  funfundfUnfzig  jar". 

Die  von  Ussermann,  Episcopatus  Bambergensis.,  St.  Blasien 
1801,  S.  421  festgelegte  Tradition  lafit  Angus  tin  ereremi  ten  schon 
1218  oder  1224  aufierhalb  der  Stadt  wohnen  und  zwar  in  einem 
ihuen  von  dem  Grafen  Heinrich  von  Nassau  geschenkten  Hause.  Da 
der  Orden  selbst  erst  1256  durch  Papst  Alexander  IV.  gestiftet 
wurde,  nimmt  Baier  an,  dafi  die  friiher  in  Niirnberg  lebenden 
Augustiner  nicht  Ordensleute  im  vollen  Wortsinne,  sonderu  eben  nur 
Eremiten  =  Einsiedler  gewesen  seien,  und  erst  im  Jahre  1266,  dem 
eigentlichen  Jahre  der  Ordensgrlindung  (in  Nurnberg)  als  geschlossener 
Orden  das  Hans  in  der  Stadt  bezogen  haben,  und  findet  es  nur 
sonderbar,  dafi  das  eigentliche  Ordensgriindungsjahr  mit  einem  Brande 
des  alten  Hauses,  von  dem  Ussermann  a.  a.  0.  berichtet,  zusammen- 
falle.  Der  Sacbverhalt  ISfit  sich  nach  den  NUrnberger  Chroniken 
noch  einigermafien  feststelleu.  Die  fruhere  Anwesenheit  von  Ere- 
miten vor  Grundung  des  Gesaratordens  ist  nirgends  bezeugt,  und  das 
Jabr  1218  und  die  Behauptung,  dafi  sie  ihre  erste  Statte  durcb  eine 
Scbenkung  des  Grafen  von  Nassau  erhalten  batten,  berubt  auf  einer 
Verwechselung  oder  fliichtigen  Lesung  der  Meisterlinschen  Chronik, 
die  Ussermann  vielleicbt  gekannt  hat,  denn  in  dieser  Chronik^)  lesen 
wir,  dafi  im  Jahre  1218  Dominikus  seinen  Orden  begann,  inner- 
halb  dreifiig  Jahren  der  dortige  Konvent  gebaut  wiirde,  wozu  ein 
Burger,  Winkler  geuannt,  „den  flecken  des  ertrichs  geben".  Darauf 
heifit  es  weiter:  „Ein  klein  weil  darnach  gabent  die  von  Nassau, 
grafen  und  burger  [die]  stat  zu  sant  Franziscen  convent."  Der  Graf 
von  Nassau  war  also  der  Stifter  des  Grund  und  Bodens  fiir  das 
Franziskanerkloster.  Auf  der  nSchsten  Seite  berichtet  der  Chronist 
iiber  die  AnfSnge  des  Augustinerklosters:  „Es  waren  auch  die  Here- 
mitaner,  die  wir  nennen  Augustiner,  in  die  stat  gesetzt  unter  Ale- 
xander dem  vierten  des  namens,  anno  domini  1255,  vnd  in  werd 
ein  stat  gegeben,  da  nun  stet  das  newe  thor,  darnach  auf  den  wein- 
mark  gesetzt  und  seind  geistlicb,  abgeschaiden,  andechtig  ruwig  veter." 
Hieraus  ist  zu  schliefien  —  denn  das  Jahr  1255  ist,  da  Alexander  IV., 
der  den  Orden  1256  griindete,  nicht  zu  pressen  — ,  dafi  die  Augustiner 
sehr  bald  nach  Entstehung  des  Ordens  in  die  Stadt  kamen,  erst  sich 
da  niederliessen,  wo  dann  das  neue  Tor  zu  stehen  kam,  und  dann 
auf  dem  Weinmarkt    eine    neue  Niederlassung    erhielten.      Die    Zer- 


1)  Jetzt  in  Chroniken  der  deutschen  Stadte.    3.  Bd.  S,  100, 


230      Kolde,  Zur  Geschichte  des  Nilrnberger  ADgustinerklosters. 

storung  des  ersten  GebSudes  durcli  eine  Feuersbrunst  ist  nicht  nur 
Tradition^  sonderu  urkundlich  bezeugt  durcb  einen  Ablafi  von  40  Tagen, 
den  der  Biscbof  Albrecbt  von  Regensburg  im  Jahre  1265  den  Au- 
gustineru  in  Nurnberg  zugunsten  dea  Neubaues  des  durch  eine  Feuers- 
brunst zerstbrten  KlostergebUudes  erteilte^).  ZweiJahrhunderte  spelter 
begannen  die  Angustiner  mit  dem  Neubau  ihrer  Kirche.  Auf  Grund 
einer  von  Murr  (Denkwiirdigkeiten  in  der  Reichsstadt  Nurnberg. 
2.  A.,  Nlirnb.  1801,  S.  82)  abged  ruck  ten  Inschrift,  die  sich  an  der 
jetzt  nicht  mehr  vorhandenen  Kirche  befaud,  gibt  Baier  wiederum  an, 
dafi  der  Bau  im  Jahre  1485  seinen  Anfang  genommen  habe.  Allein 
schon  Th.  v.  Kern  hat  (NUrnberger  Chroniken  IV.  Bd.  S.  359)  nach- 
gewiesen,  dafi  Murr  seine  Yorlage  falsch  gelesen  hat,  indem  daselbst 
zu  lesen  war,  dafi  1479  am  Abend  St.  Yeits  (14.  Juni)  der  erste 
Stein  zum  Bau  gelegt  worden  ist.  Der  NUrnberger  Chronist  be- 
halt  also  recht,  wenn  er  zum  Jahre  1479  schreibt  (ebenda):  ,,Item 
in  dem  jar  haben  die  augustiner  zu  Ntirmberg  ir  kirch  on  den  kor 
von  grund  auf  an  zu  pauen,  sctzten  im  herbst  die  vier  seul.^  An 
derselbeu  Stelle  wird  auf  Grund  der  Niirnberger  Ratsprotokolle  be- 
richtet,  dafi  die  Augustiner  „den  steinmetzen  von  Nordlingen,  der 
den  paw  zu  hails'prunn  gepauet  hat",  —  nach  Murr  a.  a.  0.  S.  85, 
der  die  Kirche  ausfuhrlich  beschreibt,  hiefi  er  Hans  Beer  —  zu  ihrem 
Baumeister  angenommen  haben. 

Es  liegt  in  der  Natur  der  Sache,  dafi  die  Geschichte  des  innereu 
Lebens  eines  Konventes  zu  den  schwierigsten  Dingen  gehort,  da  wir 
nur  selten  dariiber  urkundliche  Nachrichten  haben.  Aber  gerade  fur 
das  Nurnberger  Kloster  ist  nach  dieser  Richtung  einiges  vorhanden, 
einmal,  weil  dieser  Konveut,  wie  ich  friiher  dargetan,  eine  sehr  be- 
deutende  Rolle  bei  der  Entstehung  uud  den  Kampfen  der  deutschen 
Augustinerkongregation  gespielt  hat,  sodann,  weil  die  Prediger  des 
Augustinerklosters  eine  grofie  Tatigkeit  entfalteten,  ja  zeitweise  als 
die  Prediger  xai  i^ox^jv  galten,  wofiir  die  Niirnberger  Chroniken 
fiir  die  Zeit  des  ausgehenden  Mittelalters  Belege  genug  geben^);  end- 
lich  weil  im  zweiten  Jahrzehnt  des  16.  Jahrhunderts  das  Augustiner- 
kloster,  iiber  welches  damals  Hieronymus  Ebner  das  Pflegeramt  hatte 
(Nurnberger  Chroniken  V,  800),  den  Mittelpunkt  des  geistigen  Lebens 
bildete.  Das  alles,  das  von  mir  und  daun  von  Fr.  Roth,  Die  Ein- 
fuhrung  der  Reformation  in  Nlirnberg^  Nurnberg  1885,  behandelt 
worden  ist,  ist  natUrlich  nur  von  Baier  gestreift  worden,  sollte  aber 
einmal  gesondert  dargestellt  werden,  zumal  wir  iiber  die  dabei  in 
Betracht  kommenden  Personlichkeiton  gut  unterrichtet  sind.  Auch 
den    Beziehungen    Luther s    zum    Nurnberger    Augustinerkloster    hat 


1)  Ebendaselbst  S.  101  Anm.  4. 

2)  Vgl.  Th.  Kolde,  Job.  v.  Stanpitz    und   die   deutsche  Augustiner- 
kongregation, Gotha  1879,  S.  203  f. 


Kolde,  Znr  Gescliichte  dea  NUrnberger  Aogiifitinerklosters.      231 

Baier  einen  eigeDen  Abschnitt  gewidmet.  Aber  gerade  dariu  findeD 
sicb  manche  Uorichtigkeiteii;  auf  die  aber  bier  im  einzelnen  eioza- 
gehen  nicht  notwendig  ist.  Die  von  ibm  fur  Luthers  Reise  nacb  Augsburg 
im  Herbst  1518  angenommene  Reiseroute  Wittenberg,  Leipzig, 
Kulmbacb,  Bayreuth,  Pegnitz,  Heroldsberg,  NQrnberg  ist  scbou  des- 
balb  ausgeschlossen,  well  Lutber,  wie  wir  wissen,  aaf  der  Reise  am 
29.  September  in  Weimar  predigte  (Tb.  Kolde,  M.  Lutber  I,  171 
u.  Anm.  auf  8.  378)  und  der  gewohnlicbe  Weg  von  Wittenberg  oder 
Torgau  fiibrte,  wie  wir  das  aus  der  Reiseroute  des  Kurfiirsten  zum 
Augsburger  Reichstag  wissen,  immer  uber  Koburg.  UnverstSudlicb 
ist  mir,  wie  der  Verf.  auch  nocb  nacb  Zuckers  Albrecbt  DUrer,  Halle 
1900,  von  Dtirer  scbreiben  kann,  daft  er  sicb  anfangs  flir  die  Be- 
wegung  begeisterte,   ,.jedoch  katbolisch  starb^. 

Am  Scblnfi  gibt  Baier  obne  Quellenangabe,  aber  aus  Ussermann 
bezw.  dessen  Quelle,  Wtirfels  Diptjcha  entnommen,    ein  Verzeichnis 
der   Numberger  Prioreu,    soweit    sie    ibm    bekannt    gewordeu    sind. 
Wir     besitzen     bereits     ein     ricbtigeres     und     viel     reicberes,     das 
Locbner  als  Erganzung  zu  Wtirfels  Diptycba  S.  13  im  Anzeiger  fur 
Kunde    der    deutscben  Vorzeit  1875,  S.   152  f.  und  180    mitgeteilt. 
Im    folgenden    gebe    icb    ein    aus    meinen   eigenen  Notizen    vervoll- 
stSndigtes  Register  unter  Hinznfugung  anderer  Beamtennamen^  soweit 
sicb  solcfae  in  den  Urkunden    vorfinden.     Die  Zableu    bedeuten    das 
Jahr^  in  dem  sie  vorkommen. 
1276.  Conradus. 
1336.  Heinricbus. 
1354.  Hermannus  von  Stein. 
1358.  Derselbe. 
1361,  Heinricus  Gostenbofer. 
1379.  Conradus  Tobenecker. 
1401.  Conradus  von  Murr. 

1412.  Conradus  Weift  Prior;  Heinrich  Rusembacb,  Scbaffer. 

1413.  Derselbe. 

1422.  Nicolaus  Becber    al.    Kacbener,    prior;    Heinrich    Rusembacb, 

Scbaffer. 
1426.  Johannes  Renner. 

1429.  Derselbe. 

1430.  Johannes  Wagner. 

1435.  Oswald  Reinlein. 

1436.  Derselbe. 

1438.  Johannes  Molshin. 

1439.  Derselbe. 
1441.  Adamus. 

1446,  Conrad  von  Zenn. 

1450.  Job.  Rupp  (Prior?),  Lesemeister. 

1451.  Conrad  von  Zenn. 


1 


232      Kolde,  Zur  Geschicbte  des  Nttrnbergor  Augustinerkiosters. 

1453.  Derselbe. 

1457.  Adam  Butz  von  Schwobacb. 

1459.  Conrad  von  Zenn,  Lesumeister,  Prior;  Eberbard,  Subprior; 
Hans  Kreglinger.  Prediger. 

1460.  Nikolaiis  Schnitzer. 

1464.  Simon  Lindner  von  Leyssenock. 

1467.  Derselbe.     Ulrich  Schreiner,  Subprior. 

1468.  Simon  Lindner^  Vicarius;  Ulrich  Schreiner,  Prior ;  Hans  Gross- 
mann,  Subprior. 

1481.  Simon   (Lindner). 

1486.  Johann  Hauenreuter,  Prior;  Ulrich  Schreiner,  Subprior. 

1488.  Conrad  Heyden,  Prior;  Johann  Hauenreuter,  Subprior;  Johannes 
Vogt,  Prediger^). 

1489.  Johannes  Comentaler,  Prior;  Ulrich  Schreiner,  Subprior. 

1492.  Johannes  Comentaler. 

1493.  Johannes  Comentaler,  Prior;  Ulrich  Schreiner,  Subprior. 

1494.  Dieselben. 

1495.  Niclas  Pesler,  Prior;  Ulrich  Schreiner,  Subprior. 

1496.  Dieselben. 

1498.  Niclas  Pesler. 

1499.  Derselbe;  Johann   Hauenreiter,  Subprior. 

1500.  (Andreas  Proles,  Vicarius),  Johannes  Mantel,  Prior;  Friedrich, 
Subprior,  alle  drei  Lesemeister  der  heiligen  Geschrift. 

1502.  Johann  Mantel,  Prior;  Johannes  Rucker,  Subprior. 

1503.  Eukarius  Carl. 

1504.  Derselbe. 

1505.  Steffau   Weynachter^),  Prior;  Johann  Peutinger,  Subprior. 

1507.  Augustin  Lupf  (nach  Wiirfel)? 

1508.  Steffan  Weinachter,  Prior;  Joh.  Peutinger,   Subprior. 

1509.  Augustin  Lupff  der  heiligen  Geschrift  Baccalaureus,  Prior; 
Johann  Pouting,  Subprior. 

1510—1512.  Joh.  Rucker. 

1513.  (20.  Juli)  Johannes  Rucker,  Prior;  Johannes  Pouting,  Sub- 
prior.  Dann  am  16.  September  Niclaus  Pesler,  Prior;  Johannes 
Peutinger,   Subprior. 

1517—1525.  Wolfgang  Volprecht. 


1)  Vgl.  dazu  Th.  Kolde,   Innere  Bewcgung^en   unter    den   deutschen 
Augustinern  und  Luthers  Komreise,  Ztschr.  f.  Kirchengesch.  II,  465. 

2)  Wiirfel,    und    nach    ihm   Ussermann    fiihren   1405    einen   Stephan 
Weinacber  auf,  was  wohl  ein  Versehen  ist. 


Rieder,  Ans  historischen  Zeitschriften.  233 

Kirchengeschichtliches 
in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammeDgestellt  von 

0.  Bleder^ 

Egl.  Beichsarchivrat  in  Mtinchon. 
(Fortsetzung.) 

XVIII.  Mitteilungen  des  Vereins  fiir  Geschichte  der  Stadt  Niirnberg. 

Heft  1—16,  Niirnberg  1879—19041). 

Kr efi,  Frhr.  Georg  v.  (bei  kleineren  Mitteilungen  regelmafiig  -ss 
gezeichnet),  Die  Statue  des  heiligen  Paulus  in  der  Lorenz- 
kirche  in  Nurnberg  (gestiftet  1513  von  dem  Propst  Dr.  Anton 
Krefi  daselbst  mit  Kostenbereclinung):    H.   1,    1879,  S.  98. 

St(egmann),   Das  Kaiserfenster  ftir  die  Lorenzkirche  in  N.:  S.  102. 

Mummenhoff,  Ernst  (vielfach  blofi  Mff.  gezeichnet),  Ubersicht  liber 
die  aiif  N.  bezUgliche  historische  Literatur  seit  1870  (alpha- 
betisch  geordnet  und  nicht  uur  die  selbstandigen  Schriften, 
sondern  auch  die  zahlreichen  in  Zeitscbriften  zerstreuten,  gr66e- 
ren  und  kleineren  Aufsatze  beriicksichtigend) :  S.   127. 

Kamann,  J(ohanne8),  Die  Pilgerfahrten  Nurnberger  Burger  nach 
Jerusalem  im  15.  Jahrhundert,  namentlich  die  Reiseberichte 
des  Dr.  med.  Hans  Lochner  und  des  J5rg  Pfiuzing  (mit  dem 
Text  des  Pfinzingischen  Berichts):  H.  2,   1880,  S.  78. 

Imhof,  G.  Frh.  v.,  Hans  Sebald  Lautensacks  Ansicliten  von  Nurnberg 
(6  Blatter  in  Atzdruck  von  1552,  welche,  je  3  zusammengefligt, 
den  perspektiviscben  Aufrifi  der  Stadt  von  Osten  und  Westen 
zeigen,  mit  Kirchen  imd  Klostern  etc.):  S.   164. 


1)  Der  Verein  wurde  im  Jahre  1878  gegriindet.  Naheres  hierttber 
in  Heft  16,  1904,  S.  16  ff.  („Zum  25jahrigen  Vereinsjubilaum"  von  Justiz- 
rat  Georg  Frhr.  v.  KreB,  I.  Vorstaud);  wegen  des  unregelmafiigen  Er- 
scheinens  der  Publikationen  s.  ebd.  8.  33  f.  Jedes  Heft  enthalt  regel- 
mafiig mehrere  „Abhandlungen  und  Quellenpublikationen",  danach 
„Kleinere  Mitteilungen"  und  zum  Schlufi  eine  ausgedehnte  Literaturschau 
mit  fachmannischen  Besprechungen.  Vom  12.  Heft,  1898,  an  „heraus- 
gegeben  im  Auftrag  des  Vereins  von  Ernst  Mummenhoff,  Stadtarchivar 
und  Archivrat",  II.  Vereins vorstand.  Dem  Heft  14  ist  ein  Verzeichnis  der 
Publikationen  in  Heft  1 — 12  beigeftigt,  welches  jedoch  nur  die  Abhand- 
lungen  und  Quellenpublikationen,  nicht  den  sonstigen  reichen  Inhalt  auf- 
zahlt.  Einerschopfendes  alphabetischesPersonen-,  Orts-  und  Sachregister 
zu  samtliclien  fleften  fehlt  noch,  ware  aber,  um  die  vielen  darin  stecken- 
den  Einzelheiten  rasch  und  sicher  nutzbar  machen  zu  k6nnen,  auBerst 
erwiinscht.  —  Die  ersten  beiden  Hefte  enthalten  zugleich  die  Jahres- 
berichte  des  Vereins  und  zwar  vor  den  quellenmaBigen  Mitteilungen;  vom 
dritten  Vereinsjahr  ab  (1880)  erschienen  die  Jahresberichte  unabhangig 
davon. 


234  Bieder,  Ans  historischen  Zeitschriften. 

K(amanD,  Job.),  Bestrafnng  von  Bigamie  im  Jahre  1466  (Er- 
trSDkung  in  eiuem  Sack):  S.  195. 

Krefi^  Frhr.  Georg  v.,  Wert  und  Ertrag  eines  ehemaligen  KloBter- 
guts  im  NUrnberger  Gebiet  im  Jabre  1543:  8.  198. 

Grtindlacb  (Pfarrdorf,  2  Stun  den  nordlich  von  NUrnberg) 
und  seine  Besitzer:  H.  3,  1881,  S.  175  (S.  201  Abscbu.  IT, 
Kloster  Himmeltbron,  nacb  Gr.  verlegt  und  1525  aufgel5st); 
Heft  5,  1884,  S.  97  (Abscbn.  Ill,  Gr.  im  Besitze  des  Grofien 
Almosens,  dann  des  Rates  zu  N.  etc.);  H.  6,  1886,  S.  175 
(Abscbn.  IV,  Gr.  und  die  Pfinzing  von  Henfenfeld);  H.  8, 
1889,  S.  201  (Abscbn.  V,  Gr.  und  die  Haller  von  Haller- 
stein).  Aucb  vollstSndig  in  einer  Separatausgabe  zu  baben. 
Der  PaumgSrtneriscbe  Altar  von  DUrer:  H.  3,  8.  249. 

Vogt,  Dr.  Wilh.,  Die  Korrespondenz  des  NUrnberger  Rates  mit 
seinen  zum  Augsburger  Reicbstag  von  1530  abgeordneten  Ge- 
sandten  („eine  unentbebrlicbe  ErgSnzung  zu  den  von  C.  G. 
Bretscbneider  im  Corpus  reformatorum  ver5ffentlicbten  Bericbten 
der  Gesandten  an  den  Rat"):  H.  4,  1882,  S.  1. 

Ha  gen,  Dr.  Rud.>,  Wilibald  Pirkbeimer  in  seinem  VerbSltnis  zum 
Hnmanismus  und  zur  Reformation:  S.  61  (in  den  S.  153  be- 
ginnenden  Anmerkungen  u.  a.  eiu  Auszug  aus  einer  Ordnung 
der  lateiniscben  Schule  zu  N.  im  Beginn  des  16.  Jabrbunderts: 
Anm.  70  auf  S.  158 — 163,  dann  eine  vollstSndige  tJber- 
setzung  des  Eccius  dedolatus  oder  *  des  „gebobelten  Eck^, 
einer  Satire  aiif  Jobann  Eck,  welcbes  Erzeugnis  seiner  Mnfte 
P.  selbst  stets  verleugnet  bat:  S.  108  f.  und  Anm.  149  auf 
S.  175—206). 

Mummenhoff,  E.,  Georg  Wolfgang  Karl  Locbner  (quiesz.  Rektor 
und  Stadtarcbivar,  Ehreumitglied  des  Vereins,  f  1882,  Nekro- 
log  —  aucb  Verfasser  verscbiedener  kirchen-  und  kloster- 
gescbicbtlicber  Arbeiten):  H.  5,   1884,  S.  1. 

Lbffelholz  von  Kolberg,  Eugen  Frb.,  Ein  Beitrag  zur  Gescbichte 
des  alten  NUrnberger  Knnstgewerbes  (11  Kircbenglocken  im 
Gebiete  des  wurttembergiscben  Oberamts  Mergentheim  aus  Werk- 
statten   NUrnberger  Meister):    S.  216.  —  Vgl.  Bossert,  (H.  6). 

Krefi,  Frb.  Georg  v.,  Urkunden  Uber  Cbristoff  Rosenbard  den  Glocken- 
giefier  (1598—1626):  H.  5,  S.  218. 

Kamann,  J.,  Aus  Hans  Olbafens  Reisetagebucb  (Reise  nacb  Witten- 
berg 1555):  S.  224. 

Scbreiben  des  NUrnberger  Kriegsbauptmanns  und  Diplomaten 
Cbristopb  Krefi  vom  Speierer  Reicbstag  1529  an  Cbristoph 
FUrer:  226. 

Hartmann,  Bernbard  ^),  Kulturbilder  aus  Altdorfs  akademiscber  Ver- 
gangenheit:  H.   6,   1886,  S,   1, 

1)  Nekrolog  ttber  ihn  (f  1891):  H.  9,  S.  211. 


Rieder,  Aus  hiBtorischen  Zeitschriften.  235 

Kama  nil;  J.^  Aus  Nurnberger  Hausbaltungs-  and  Rechnungsbiichern 
des  15.  nnd  16.  Jabrhunderts:  H.  6,  S.  57  (Anbang:  Ver- 
zeicbnis  der  Ansgaben  beim  Eintrltt  der  Dorotbea  Holzscbuber 
ins  Kloster  St.  Klara  zu  Niimberg  1494,  S.  105;  RecbnuDg 
fiber  Abbaltung  des  Schopperscben  Jabrtages  1494,  8.  106; 
Ansgaben  beim  Eiutritt  der  Brigitta  H.  ins  Elloster  zu  Pillen- 
reut  nnd  bei  ibrerEinkleidnng  daselbst  1499—1503,  S.  107) ;  H.  7, 
1888,  8.89:  II.  Aus  Paulus  Bebaims  I.  HansbaltungsbUcbern 
1548 — 1568,  bezw.  1576  (darnnter  interessante  Mitteilungeu 
aus  dem  Jahre  1602  Uber  TStigkeit  nnd  Stnndenplan  eines 
^  Deutsch  nnd  Latein  lernenden  ScbUlers  8.   124  Anm.  2). 

PetZ;  Dr.  (Jobann)^  Urkuudlicbe  Beitr%e  znr  Gescbicbte  der 
BQcberei  des  Nurnberger  Rates  1429 — 1538  (darnnter  manche 
geistlicbe  Werke) :  H.  6,  8.  123. 

Bossert,  Gustav,  Die  Glocken  Nurnberger  Meister  im  nSrdlichen 
Wiirttemberg:  8.  259. 

P(etz,  Jobann),  Wie  Sigmnnd  Meisterlin  Pfarrer  in  Grundlach  wurde 
(1481):  8.  266. 

Krefi,  Frbr.  v.,  Die  Berufimg  des  Jobannes  CocblSns  an  die  8cbnle 

bei  8t.  Lorenz  in  N^  im  Jabre  1510  (Briefe    des  Humanisteu 

»  an  den  Propst  Dr.  Anton  Krefi  bei  St.  Lorenz,  seine  Bewerbung 

urn  die  Rektorstelle  betr.):  H.  7,   1888,  8.  19. 
^  M(ummenbo)ff,    Die   Anbringung    des    Viertelscblagwerks    an    der 

Turmubr  bei  St.  Sebald  (1493/4):  8.  271. 

Kaiser  Rudolpb  II.    begehrt   vom  Rat    die  Lautensackschen 
Tafeln  in  der  Katharinenkircbe  (1597):  8.  272. 
Beitrag  zur  Hoflfabrtsordnung  (1599):  8.  274. 
Weinmarkt  nnd  St.  Sebaldskirchbof  (RatsverlKsse  von  1526, 
1527  und  36):  S.  276. 

Hartmann,  Bernhard,  Konrad  Celtis  in  Niirnberg:  H.  8,  1889,  8.  1 
(insbes.  8.  2  Iff.:  Sebald  Scbreyer,  dessen  beriihrnte  Tittigkeit  vor- 
nehmlich  alsKircbenmeister  bei  St.  Sebald),  Aucb  separat  erscbienen. 

Lier,  Leonhard,  Studien  zur  Gescbicbte   des  Ntirnberger  Fastnaebt- 
^  spieles:  8.  87  (II.  von  Hans  Sacbs  bis  zu  J.  Ayrer  8.  123  ff., 

insbesondere  AusbeutuDg  bibliscber  Stoffe  8.   125). 

Heide,  Dr.  Gustav,  Niirnberg  und  die  Mission  des  Vizekanzlers 
Held  (1537;  mit  Beilagen  —  viel  Kircbengescbicbtlicbes  dar- 
bietend):  8.  161. 

(Kre)6,  Dr.  H.  W.  Heerwagen  f  (1888,  Nekrolog) :  8.  235  (u.  a. 
Bearbeiter  wertvoUer  Aktenstucke  zur  Scbnlgeschicbte. 

Altmann,  Dr.  Wilh.,  Ein  fur  die  Beziebungen  des  Ntirnberger 
Kaufberrn  Georg  Fugger  zu  dem  pSpstlicben  Hofe  und  zu 
Scblesien  wicbtiger  Brief  (vom  2.  Oktober  1487,  betr.  Abfuhrung 
in  Scblesien  zusammengefiossener  Ablafigelder  an  die  pSpstlicbe 
Rechenkammer,  lateiniscb):  8.  238. 


236  Zur  Bibliographie. 

M(ummenho)ff,  Die  1561  abgebrochene  Galerie  an  der  St.  Sebalds- 

kirche:  S.  246. 
Soltau,  Dr.  Wilhelm,  Zur  Genealogie  der  Grafen  von  Abenberg  (mit 

Geschichtlichem  aus  Kloster  Heilsbronn  etc.):  H.  9,  1892,  S.  1. 
JSger,    Dr.  Carl,    Markgraf  Casimir    und    der  Bauernkrieg    in    den 

sUdlichen  GrenzHmtern  des  FUrstentums   unterhalb   des  Gebirgs 

(vom  26.  April   bis  21.  Mai  1525):    S.   17   (PlUnderung    von 

KlSstern,  insbesondere  der  Benediktinerabtei  Aubausen,  S.  68, 

94,   111;  Haodlung  von  den  zwblf  Artikeln,  Pfarrferwahl  durch 

die  Gemeinden  S.   131). 
DSbner,  A.  W.,  Peter  Vischer-Studien:  S.  165  (III.  Zwei  Gedenk- 

tafeln  in  der  Stiftskircbe   zu  Ellwangen  S.  184;    Epitaph    des 

Deutschmeisters  von  Cronberg  in  der  Marienkirche  zu  Mergent- 

heim  S.   190). 
Krefi,    Georg   Frhr.  v.,    Die  Seyfried    Pfinzingische  Kleiderstiftung 

(1617),    ein    Beitrag    zur   Geschichte    des    Stiftungsweseus    in 

Nurnberg:  S.  196. 

Das  Missale  des  Propstes  Dr.  Anton  Krefi  (1513  der  Lorenz- 

kirche,  der  er  vorstand,  geschenkt,    spater   an  die  Familie  zu- 

ruckgelangt) :  S.  213. 
Donaubauer,   Dr.  Stefan,  NUrnberg  in  der  Mitte  des  dreifiigjahrigen 

Krieges    (1631/32):    H.  10,    1893,    S.  69    (auch    die  Gegen- 

reformation  etc.  beriihrend). 


Zur  Bibliographie. 


*\ 


*  *Systematische  Zusammenstelluug  der  Verhandlungen  des  bayerischen 

Episkopates    mit    der    koniglichen   bayerischen    Staatsregierung 

von   1850 — 1889  liber  den  Vollzug  des  Konkordates.    Freiburg 

im    Breisgau.      Herdersche     Verlagshandlung.      1905.      121   S. 

grofi  4^   —  5  M. 

Der  Titel  der  vorliegenden  Sammlun^  verspricht  sehr  vielmehr,  als 
der  Inhalt  wirklich  bietet.  Es  handelt  sich,  wenn  man  von  den  beiden 
nur  indirekt  dazu  gehorigen  Schreiben  Pius' IX.  an  die  bayerischen  Bisch9fe 
vom  20.  Februar  1851  und  Laos  XIII.  vom  29.  April  1889  absieht,  nur 
um  acht  teilweise  freilich  sehr  urafangreiche  SchriftstUcke,  die  aber  langst 
nicht  alias  bringen,  was  man  erwarten  durfte,  z.  B.  nicht  die  S.  109 
zitierten  Eingaben  vom  Jahre  1873  und  1875  tiber  die  Angelegenheit  der 
gemischten  Sehulen  und  die  Mifistande  in  der  Volksschule,  aber  auch  nicht 
alle  einschlagigen  Ministerialentschliefiungen.  Der  Grund  filr  diese  Be- 
schraiikung  ist  nicht  recht  einzusehen.  l)enn  die  naheliegende  Meinung, 
man  liabe  nur  die  vom  „bayerischen  Episkopat"    als  solchem  —  ein  Be- 


*)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


Zur  Bibliographie.  237 

griff,  der  zum  Erstaunen  and  MiiBvergnugen  des  Ministeriums  znerst  im  Jahre 
1850  anftritt  —  aasgegangenen  Schriftstucke  mitteilen  wollen,  tiifft  nicht 
za,  da  jene  oben  vermi^ten  Aktenstiieke  in  die  gleiche  Eategorie  gehoren. 
Auch  bricht  die  Aktenmitteilung  da  ab,  wo  sie  ganz  besonders  interessant 
werden  dlirfte,  and  wo  der  Herausgeber  wahrscheinlich  aach  bisherUnbe- 
kanntes  mitzuteilen  in  der  Lage  gewesen  ware,  im  Jahre  1889.  Die  seit  deni 
Rticktritt  des  Ministers  Lutz  beginnende  neue  kirchenpolitische  Ava  mit  alle- 
dem,  was  der  bayerischeEpir^kopat  mitHilfe  der  Zentrumspartei  in  den  letzten 
sechzehn  Jahren  erreicht  hat,  wird  nicht  beriihrt.  Auch  glaube  man 
nicht,  wesentlich  Neues  za  erfahren.  Die  einschlagigen  AktenstUcke  sind 
samtlich  schon  frtther  gedruckt  worden,  aber  sie  sind  in  der  Tat,  wie  es 
im  Vorberieht  heifit,  „trotz  ihres  hochst  wichtigen  und  interessanten  In- 
halts  in  Vergessenheit  gekommen",  weniger  allerdings  bei  den  Historikern, 
als  bei  denen,  welchen  es  obliegt,  praktische  Politik  zu  treiben  und  fUr 
das  Staatswohl  zu  sorgen.  —  Den  Grundstock,  um  den  sich  alles  schlingt, 
das  Ergebnis  des  ersten  Zusammenschlusses  des  bayerischen  Episkopats 
zu  Freising  —  eines  Pendants  zur  Zusammenkunft  des  deutschen  Epi- 
skopats in  Wiirzburg  im  Jahre  1848,  ist  die  groBe  Denkschrift  des  Epi- 
skopats vom  20.  Oktober  1850,  Uber  deren  Vorgeschichte  wir  durch 
J.  Fried  rich,  J.  v.  Dollinger  II,  87  ff.  unterrichtet  sind.  Der  Bischof 
Peter  Richarz  hatte  zu  seiner  Dnterschrift  die  Worte  hinzugefugt  „fur 
das  Konkordat  — -  das  ganze  Konkordat  —  nichts  als  das  Konkordat," 
Und  will  man  die  vielseitigen  Forderungen  der  Denkschrift  mit  einem 
Worte  zusammenfassen,  so  handelt  es  sich  unter  dem  Yorgeben,  im  In- 
teresse  der  „Freiheit  der  Kirche"  das  Konkordat  endlich  durchgeftihrt  zu 
sehen,  um  das  Yerlangen,  unter  Aufhebung  des  Religionsedikts  das  nach 
der  Auffassung  der  Bischofe  zu  deutende  Konkordat  zur  alleinigen  Norm 
fjir  die  staatskirchenrechtliche  Verhaltnisse  zu  erheben,  und  u.  a.  das 
gesamte  Erziehungs-  und  Unterrichtswesen  von  der  Volksschule  bis  zur 
UnivefsitatdenBischofenauszuliefern.  Dieministerielle  Antwort  vom  8.  April 
1852  halt  zwar  im  Prinzip  an  der  Staatsaufsicht  fest,  zeigt  aber  bereits 
iu  sehr  wichtigen  Punkten  ein  weitgebendes  Nachgeben  und  bestimmt 
namentlich  als  das  fiir  die  Folgezeit  wichtigste:  „Bei  Anslegung  und  An- 
wendung  mehrdeutiger  und  zweifelhafter  Stellen  der  II.  Yerfassungsbeilage 
ist  jene  Interpretation  anzunehmen,  welche  mit  den  Bestimmungen  des 
Konkordates  iibereinstimmend  ist,  oder  sich  denselben  annahert"  (S.  36).  Die 
natiirliche  Folge  waren  die  verscharfteren  Forderungen  in  der  Gegen- 
erklarung  vom  15.  Mai  1853,  worauf  die  Regierung  unter  dem  9.  Oktober 
1854  rescribierte.  Die  Einschrankung  der  Bestimmungen  iiber  das  Plazet 
(S.  47),  das  Nachgeben  bei  der  Frage  der  PfrUndenverleihung  (S.  58)  und 
der  Schulaufsicht  (S.  99),  vielleicht  auch  der  Umstand,  das  dafi  Ministe- 
rium,  wie  man  bei  den  Landtagsverhandlungen  uber  die  Altkatholiken 
Frtihjahr  1890  erfuhr,  bei  der  Proklamierung  des  Dogmas  der  Immaculata 
conceptio  die  Plazetrechte  geltend  zu  machen  vergaB,  scheinen  damals  be- 
friedigt  zu  haben.  Eine  neue  Phase  trat  erst  ein,  als  man  sich  unter  Umstanden, 
fiber  die  man  aus  den  vorliegenden  Akten  nichts  entnehmen  und  auf  die  hier 
nicht  eingegangen  werden  kann, unter  dem  Ministerium  Lutz  daran  zu  erinnerri 
anfing,  daO  es  Sache  des  Staates  ist,  die  Grenzen  seines  Rechtes  selbst 
festzustellen,  und  am  20.  November  1873  den  Erlafi  vom  8.  April  1852  zu- 
zttckzog,  d.  h.im  wesentlichen  die  Bestimmung,  die  II.  Yerfassungsbeilage 
uach  dem  Konkordat  auszulegen,  aufier  Wirksamkeit  setzte.  Die  darauf 
sicher  erfolgten  Beschwerden  sind  nicht  mitgeteilt.  Erst  das  bischofliche 
Memorandum  vom  14.  Juni  1888  (S.  121)  zeigt,  wie  die  Forderungen  in- 
zwischen,  wohl  nicht  unbeeinflufit  von  den  Siegen  der  preufiischen  Ultra- 
montanen,  gewachsen  sind,  namentlich  in  bezug  auf  das  Einspruchsrecht 
bei  Besetzung  der  Lehramtsstellen  —  an  den  Universitaten  auch  in  bezug 


238  Zur  Bibliographie. 

auf  die  Professnren  der  Profan-  und  Literaturgeschichte  — ,  der  Beaaf- 
Bichtigang  der  Mittelschulen  and  ihrer  Disziplin  bis  zar  bisch5flichen  Eon- 
troUe  der  Lesebibliotheken.  Eben  deshalb  dQrfte  diese  Denkschrift,  obwohl 
Oder  vielleicht  gerade,  weil  man  von  ihren  Ansprttchen  neuerdingg  mancbes 
erreicht  hat,  auf  lange  Zeit  das  Programm  bleiben  and  verdient  besondere 
Beachtung.  Den  SchlulS  macht  das  malSvoUe,  in  einigen  Pankten  auch 
nacbgebende,  aberdoch  dieBechte  der  Krone  wahrende  Antwortschreiben 
des  Ministeriams  vom  28.  Marz  1889,  welches  noch  einmal  die  Aafrecht- 
erhaltang  des  Plazets  auch  gegenttber  dem  vatikanischen  Dogma  (S.  99) 
betont  and  die  Aufgabe  des  kQniglichen  Aufsichtsrechts  fiber  die  Eirche 
als  gegen  die  Yerfassung  znriickweist.  —  Billig  darf  man  die  Frage 
aufwerfen,  welchen  Zwecken  diese  anonym,  aber  offenbar  sehr  ofBzielle 
Ver^ffentlichung  gerade  jetzt  dienen  soil.  Der  etwas  naiven  Bemerkung 
im  Vorbericht,  sie  sei  zum  Zwecke  historischen  Stadiums  erfolgt,  stehe 
ich  sehr  skeptisch  gegeniiber,  denn  dazu  ist  die  gegebene  Aaswahl  zu 
dlirftig.  Aber  in  eine  kirchenpolitische  Er3rterung  daiUber  einzntreten, 
ist  nicht  Sache  dieser  rein  historischen  Zeitschrift.  Nnr  soviel  m5chte 
ich  bemerken,  dafi  es  wirklich  an  der  Zeit  ware,  endlich  einmal  eine  Ge- 
'scbichte  der  bayerischen  Kirchenpolitik  im  19.  Jahrhundert  zu  versuchen. 
Voraussetzung  daflir  ist  allerdings,  dajB  endlich  einmal  aach  bei  uns,  wie 
das  in  anderen  Staaten  langst  der  Fall  ist,  die  Staatsarchive  fQr  diesen 
Zweck  riickhaltslos  ge5ffnet  werden.  Soviel  ich  weiB,  hat  sogar  fttr  die 
genug  entfernt  liegende  Zeit  der  Entstehung  der  Verfassang  and  des 
Konkordats  nur  Sicherer  einmal  einen,  wie  mir  scheint,  in  vielen 
Pankten  nicht  allzutief  eindringenden  Blick  in  die  einschlagigen  Akten 
tun  d^rfen. 

*Meisinger,    Job.,    Pfarrer   der  evangelisch-lutherischen  Freikirche 

in  Bayern^  Staatskirche  und  Freikirche,  Union  und  Separation 

mit  besonderer  EUcksicht  auf  Bayern  biblisch  und  geschichtlich 

beleuchtet.     0.  J.  (1905)    im    Selbstverlage  des  Herausgebers, 

wohnhaft    in    Westheim    bei    Augsburg.      In    Kommission    bei 

Johanna  Alt  in  Frankfurt  a.  M.     Ill   S.     1  M. 

Als  ich  die  Anfrage,  ob  ich  die  fragliche  Schrift  zur  Besprechung 
haben  woUte,  bejahte,  babe  ich  es  getan  in  der  Meinung,  eine  dokumen- 
tierte  Geschichte  der  lutherischen  Freikirche  in  Bayern  und  eine  Dar- 
stellung  ihres  jetzigen  Bestandes  etc.  zu  erhalten.  Leider  ist  davon  in  dem 
Schriftchen  nichts  eu  finden.  Die  zu  Propagandazwecken  geschriebene 
Schrift  ist  nur  eine  selbstbewuBte  Anklage  ^der  Staatskirche"  und  zwar 
von  einem  Manne,  der  offenbar  die  bayerischen  Verhaltnisse  noch  sehr 
wenig  kennt.  Und  der  zur  Gentige  bekannte  Standpunkt  dieser  Leate  —- 
bei  ihnen  allein  die  reine  echte  lutherische  Kirche,  alles  andere  ein 
„ Babel**  — ,  bietet  dem  Historiker  auch  nichts  Neues.  Bemerkt  sei  noch, 
dafi  der  Verf.  die  von  1878—1894  erschienene  Zeitschrift:  „Suddeutsche 
ev.-luth.  Freikirche*  hat  wieder  aufleben  lassen. 

*Kraus,  Ph.,  K.  Rektor,  Pirminius  und  Pirmasens.  Eine  ge- 
schichtlich-sprachliche  Untersuchung.  Progr.  des  Progymnasiums 
Pirmasens.     1904. 

Veranlafit  durch  die  vulgare  Annahme,  daO  Pirmasens  eine  Grtindung 
des  heiligen  Pirminius  sei,  untersucht  der  Verf.  erstens  von  neuem  die 
alteste  Vita  desselben  und  kommt  im  Gegensatz  za  Brand!  (Qaellen  and 
Forschungen  zur  Gesch.  der  Abtei  Beichenau  I  S.  891,  und  Hauck,  s.  d. 
Art.  d.  prot.  Realenz.  Bd.  XV,  S.  410)  zu  dem  Resultate,  dafi  sie  nicht  im 


Zar  Bibliographie.  239 

Eloster  Hornbach  abgefaBt  worden  ist  und  da6  die  Person  des  Alemannen 
Sintlaz^  auf  dessen  Grund  und  Boden  Sintlazesoaua,  Beichenau  724  ge- 
grttndet  wnrde,  nicht  eine  Fiktion  des  Biographen  sei,  worin  ioh  ihm  nicht 
beistimmen  kann.  Zweitens  sucht  er  aus  geschichtlichen  und,  sprachlichen 
Grilnden  nachzuweisen,  dafi  Pirmasens  mit  Pirminins  niehts  zu  tun  hat, 
vielmehr  ^^Bermesens**  alter  als  Pirminius  sei  und  eher  aaf  einen  Eigen- 
namen  B^rmann  =:  Ebermann  znrtickzufiihren,  und  aas  Bermanshausen 
nach  und  nach  Bermesen  oder  Bdrmesens,  wie  man  den  Ort  heute  im  Yolk 
spricht,  entstanden  sein  dtirfte,  was  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  ftir 
sich  hat. 

*G.  Bossert,  Die  alte  Frau  Hofapothekerin.  Ein  Lebensbild  aus 
dem  16.  Jahrhundert.  Besondere  Beilage  des  Staatsanzeigers 
fur  Wurttemberg  Nr.  3  u.  4.     Stuttgart  28.  MSrz  1905. 

Unter  diesem  Titel  verbirgt  sioh  das  Lebensbild  einer  interessanten 
Tbeologenfrau.  Denn  es  handelt  sich  nm  Helene,  die  Tochter  des  ange- 
sebenen  NQmberger  Arztes  Joh.  Magenbuch,  der  zweiten  Frau  des  An- 
dreas Osiander,  roit  der  dieser  sich  am  2B.  August  1545  vermahlte.  Nach 
dem  Tode  ihres  Gatten  (17.  Oktober  1552)  zog  sie  dem  schon  1553  nach 
Tubingen  gegangenen  Stiefsohne  Lukas  Osiander  nach  Wtirttemberg  nach, 
heiratete  ihren  Landsmann,  den  als  Pfarrer  nach  Pfaffenhofen  (in  W.)  be- 
rufenen,  ihr  gleichalterigen  Joh.  Rucker,  der  frUher  eine  Art  Amanuensis 
des  Andreas  Osiander  gewesen  zu  sein  scheiut,  und  spater  Superintendent 
in  Eirchheim  u.  Tcck  und  endlich  Propst  zu  Denkendorf  wurde,  aber 
scfion  1579  starb.  Nachdem  sie  eine  Zeit  lang  mit  ihren  Kiodern  in 
Tubingen  gelebt,  gelang  es  ihrem  zu  hohen  kirchlichen  Wiirden  gekom- 
menen  Stiefsohn  Lukas  Osiander,  ihr  1583  die  Leitung  der  Hofapotheke 
zu  Stuttgart  zu  verschaffen.  Da  sie  darin  einem  angesehenen,  wissen- 
schaftlich  gebildeten  Manne  Sebastian  Volmar  folgte,  wird  die  Yermutung 
Bosserts  richtig  sein,  dafi  sie  wohl  schon  unter  Anleitung  ihres  Yaters 
sich  die  dazu  n5tigen  Eenntnisse  angeeignet  hat.  ^Jedenfalls  stand  sie 
bis  zu  ihrer  Pensionierung  im  FrUhjahr  1597  der  Hofapotheke  vor,  und 
hat  diese  Tbeologenfrau  so  als  die  erste  den  Beruf  ausgeUbt,  den  man 
heutigen  Tages  fttr  die  Frauenwelt  zu  erobern  strebt.  Am  16.  September 
1597  ist  sie  gestorben. 

K.  Wild,  Lothar  Franz  von  Schbnborn,  Biscbof  von  Bamberg  und 
Erzbischof  von  Mainz  1683  — 1729.  Eiu  Beitrag  zur  Staats- 
und  Wirtschaftsgeschicbte  des  18.  Jahrhunderts.  Heidelberg 
(K.  Winter)  1904  (A.  u.  d.  T.  Heidelberger  Abbandlungen  zur 
mittleren  und  neueren  Geschicbte.     8.   H.).     5,40  M. 

F.  LandmanU;  Das  Ingolstadter  Predigtbuch  des  Franziskaners 
Heinrich  Kastner,  in  Festgabe,  enthaltend  vornehmlich  vor- 
reformatlonsgescbichtliche  Forschungen,  H.  Finke  gewidmet. 
Munster  1904.     S.  423—480. 

0.  PfUlf,  S.  J.,  Savigny  und  die  Dinge  in  Bayern.  Stimmen  aus 
Maria-Laach  1904.     t.  LXVH. 

^A.  v.  Steichele,  Das  Bistum  Augsburg  historisch  und  statistisch 
beschrieben,  fortgesetzt  von  Dr.  Alfred  Schroeder,  Professor  am 
kgl.  Ljzeum  in  Dillingen.  Sechster  Band.  Das  Landkapitel 
Kaufbeuren.  Augsburg  (B.  Schmidsche  Verlagsbuchhandlung) 
1896—1904.     679  S. 


240  Znr  Bibliographie. 

Nachdembei  Gelegenheit  der  BeBprechung  (Vgl.  Beitr.  X,  S.  45  fF.)  eines 
groBen  Ausschnittes  aas  dem  vorliegeuden  Bande,  der  iinter  dem  Titel :  ^Ge- 
Bchichte  der  Stadt  und  katholischen  Pfarrei  Kanfbeuren  1903''  erschien,  die 
groiSen  Vorztige  der  Fortsetzung  des  in  mancher  Beziehung  einzigartigen 
Werkes  durch  den  jetzigen  Bearbeiter  hervorgehobeD  worden  sind,  kann  ich 
micli  hier  daraaf  beschranken,  meine  Freude  ttber  dieVollendung  des  ganzen 
Bandes  anszasprechen.  Welcher  miibseligen  Kleinarbeit  dieses  Resultat  ver- 
dankt  wird,  welche  Fiille  von  archivalischen  Forscbungen,  die  sich  bis  auf  die 
kleinste  Dorfgemeinde  erstreeken,  dazu  notig  war,  davon  empfangt  jeder 
Leser  alsbald  einen  Eindruck,  kann  aber  nnr  der  ermessen,  der  naehza- 
arbeiten  versucbt,  was  er  bald  aufgeben  mu6.  In  den  meisten  Fallen  mnB 
man  dankbar  hinnehmen,  was  der  Verf.  bietet,  weil  man  es  nicht  zu 
kontrollieren  vermag,  und  beiderbekannten  Sorgfalt  und  Grtindlichkeit  dess. 
hat  man  anch  alles  Recht  dazu.  Besonders  mag  noch  hingewiesen  werden 
auf  die  vielen  genealogischen  Notizen,  denen  der  Verf.  grofie  Aufmerk- 
samkeit  zugewendet  bat.  Dem  Bande  ist  ein  sorgfaltiges  Register  bei- 
gegeben. 

In  der  Realenzyklopadie  fur  protestantische  Theologie  und  Kirebe 
sind  inzwischen  (vgl.  Beitrage  X,  96  folgende  in  die  bayerische 
Kirchengeschichte  einschlagige  Artikel  erschienen: 

Bd.  XIV.  Niirnberger  Religionsfriede  1532  von  Tb.  Kolde.  —  Wil- 
helm  von  Occam  f  1349  von  R.  Seeberg.  —  Kaspar  Olevianus  f  1587  von 
Ney.  —  Hermann  Olshausen  f  (a' 8  Professor  in  Erlangen)  1839  von  Pe)t. 
—  Andreas  Osiander  f  1552  von  (W.  Moller  f)  P.  Tschackert.  —  Otto  von 
Bamberg  f  11^9  von  A.  Hauck.  —  Otto  von  Freising  f  1158  von 
0.  Holder-Egger.  —  David  Pareus  f  1622  von  Ney.  —  Passau,  BIstum 
von  A.  Hauck. 

Bd.  XV.  Job.  Pfeffinger  (geb.  zu  Wasserburg  a.  Inn)  f  1573  von 
G.  MUller.  —  Piligrim  von  Passau  f  991.  —  Wilibald  Pirkheimer  f  1530 
von  List.  —  Pirminius  f  753  von  (A.  Kohler)  A.  Hauck.  —  G.  Plitt 
t  1880  von  F.  Frank.  —  J.  Poliander  f  1541  von  D.  Erdmann. 

*Fr.  Roth,  Die  Spaltung  des  Konventes  der  Monche  von  St.  Ulrich 
im  Jahre  1537  und  deren  Folgen.  Ztschr.  d.  hist.  Vereins 
fur  Schwaben  und  Neuburg.      1903. 

Die  hier  vorliegende  Studie  bietet  eine  sehr  wesentlicbe  Erganzung 
zu  dem  Enpitel  ttber  die  Durchftthrung  der  Reformation  in  Augsburg,  die 
der  Verf.  in  seinem  Buche  Augsburgs  Reformationsgeschichte  II,  309 
naturlich  nur  in  grofien  Zugen  vorfiihren  konnte.  Da  in  dem  wichtigsten 
und  reichsten  Kloster,  dem  von  St.  Ulrich  und  St.  Afra,  die  Benediktiner- 
monche  sich  nur  zum  Teil  unterwarfen  und  das  Bttrgerrecht  annahmen, 
und  es  dem  Abt,  der  nach  Schlofi  Unterwittelsbach  bei  Aichach  gezogen 
war,  gelang,  alle  Monche  bis  auf  einen  hertiberzuziehen,  der  im  Kloster 
zuvuckgeblieben,dieser  nun  Abt  und  Kon vent  war,  sokameszusehr  schwieri- 
gen  Verhaltnissen.  Der  Verf.  schildert  nun  auf  Grund  der  Aktenstucke 
die  von  Erfolg  gekronten  Bemttbungen  des  Abts,  mit  Hilfe  auswartiger 
Machte,  seine  Anspruche  auf  das  Einkommen  des  Klosters  aufrecht  zu 
erbalten,  und  die  sehr  geringe  „Tapferkeit"  des  Augsburger  Rates  bei 
dem  Bestreben,  seinen  ursprtinglichen  Standpnnkt  zu  wahren,  und  endlich 
die  Neubegrundung  des  Klosters  und  Wiedereinftihrung  des  katholischen 
Gottesdienstes  in  seiner  Kirche  im  Jahre  1548. 


Kolde,  Siiddeutsche  Katechismue  von  1530—1600.  193 

raauchcs  Neue  bieten^  denn  Reu  hat  sich  nicht  darauf  bescbraokt, 
die  bisherigen  EiDzelforscbungen  zusammenzustelleii ,  sonderu  hat; 
80  weit  ich  urteileu  kaun,  den  grofien  Stoff  allcnthalben  neu  durch- 
gearbeitet.  An  erster  Stelle  stehen  die  oft  behandelten  Nurnberger 
Katechismuspredigten,  die  uns,  was  der  Verf.  mit  Recht  betont,  in 
ihrer  Anlage  und  praktischen  Verwertung  erst  durch  das  von  Knoke 
wieder  entdeckte  Textbuchlein  (vgl.  S.  424),  clas  den  Kindern  in  die 
Hand  gegeben  wurde^  nm  sich  auf  die  Predigten  vorzubereiten,  ver- 
standlich  werden.  An  2.  Stelle  wird  zum  erstenmal  wieder  abgedruckt 
angeblich  nach  dem  von  Riederer  (Nachrichten  zur  Kirfehen-,  BUcher- 
und  Gelehrtengesch.  Ill,  114)  benutzten  Exemplar  eine  eigenartig 
redigierte  lateinische  Wiedergabe  von  Luthers  Katechismen  fiir  die 
Nurnberger  Trivialschulen  von  1532  (S.  664).  Dazu  babe  ich  zu 
bemerken,  dafi  das  benutzte  Exemplar  falls  es  nicht  etwa  Riederers 
Namen  tragt,  schwerlich  dessen  Exemplar  ist,  denn  Riederers  Exemplar 
war  vollstandig,  und  es  ist  auffallend,  dafi  Reu  den  im  Nurnberger 
Exemplar  fehlenden  Text  (ein  ganzes  Blatt)  nicht  nach  Riederer,  der 
gerade  diesen  Abschnitt  de  coena  dominica  (a.  a.  0.  S.  117)  wieder- 
gibt,  einfach  erganzt  hat,  sondern  auf  S.  572  eine  Liicke  lafit,  und 
es  sei  deshalb  ausdriicklich  darauf  hingewiesen,  dafi  die  bei  Reu 
fehlende  Stelle  bei  Riederer  sich  findet.  Ferner  ist  hiuzuzuftigen, 
dafi  ich  wahreud  des  Druckes  dieser  Zeilen  auf  der  von  denForschern 
bisher  unbeachteten^  wohlgeordneten  Kirchenbibliothek  in  Schwabach 
eine  noch  friihere  Ausgabe  gefunden  habe :  Catechis-  /  mvs  minor.  D.  M.  / 
Lutheri  pro  triuialibus  scho-  /  lis  latinitate  douatus,  &  ad  /  formam  puerilis 
collo-  /  quij  redactus,  /  Ad  Catuchemeuos.  /  Parue  puer,  paruum  tu 
ne  contemne  libellum,  /  Continet  hie  summi  dogmata  summa  dei.  /  D.  M, 
XXXI.  /  24  Bl.  letztes  Blatt  leer.  Am  Schlufi.  Nurembergae  Excude-  / 
bat  Friderichus  Artemisius.  Anno  /  M.  D.  XXXI.  Meuse  Julio.  /  Die 
von  Reu  nur  erwahnte  Vermutung  Riederers,  dafi  der  Verfasser  der 
Nurnberger  Prediger  Thomas  Venatorius  sein  kbnnte,  weil  sich  auf 
der  Ruckseite  des  Titelblattes  eine  Ode  Sapphica  Thomae  Venatorii  ad 
spiritum  sanctum  findet,  ist  belanglos,  da  Venatorius  nach  Humanisten- 
weise  viele  Schriften  anderer  mit  Versen  begleitet  hat.  Anders  stellt 
das  mit  einer  von  Reu  nicht  gekannten,  und  wie  mir  scheint  bisher 
uberhaupt  unbekannten,  wohl  sicher  nicht  nur  in  Nurnberg  gedruckten 
sondern  auch  aus  NUrnberg  stammenden  Katechismusarbeit,  die  ich 
ebenfalls  in  Schwabaeh  gefunden  habe:  Catechis  /  mvs  minor.  /Hoc 
est  de  instituenda  in  fide  Christiana.  Dialogi  VI.  /  Titelbild:  Geist- 
licher  auf  der  Kanzel,  davor  die  sitzende  ZuhSrerschaft,  darunter: 
Norimbergae.  32  Bl.  kl.  8.  das  letzte  Bl.  leer.  Am  Schlufi  unter 
dem  Druckerzeicheu :  Excudebatur  apud  Jo.  Petreium,  /  Anno  D.  XXXV.  /. 
Diesor  in  ganz  humanistischer  Einkleidung  abgefafite,  mit  gelehrten, 
aus  den  Klassikern  entnommenen  Zitaten  versehene  Katechismus  zer- 
lallt,  wie  schon  der  Titel  sagt,  in  sechs  Dialoge,  und  zwar    so,   dafi 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichte  XI.  4.  23 


194  Kolde,  Stiddeutsche  Katechismen  von  1530—1600. 

jedesmal  andere  Kolloquenten  auftreten.  Fiinf  handeln  von  den  fiinf 
Hauptstucken,  dagegen  das  sechste  auffalleuderweise  De  speciebuB 
Eeipublicae  Deque  Eemissioue  peccatorum,  quae  est  in  ecclesia  Cbristi. 
Zur  Cbarakteristik  des  selir  gektinstelten  Verfahrens  mag  die  Ein- 
fuhrung  des  ersten  and  des  sechsten  Dialogs  dienen :  Dialogue  primus. 
Vigilius  et  Paulinus.  Vig.  Jam  inde  ab  adolescentia  sedulo  quidem 
stndui;  ut  quidnam  ipse  a  nobis  requireret  Deus,  scire  possem,  quo 
potissimum  voluntatis  suae  uos  faceret  certiores.  Video  enim,  nisi 
certum  aliquem  divinae  voluntatis  teneamus  scopum^  nuoquam  cum 
Deo  in  gratiam  redire  posse  mortales  homines.  Paul.  Laudo  studium 
tuum.  Atqui  facile  coguoscere  queas,  quid  velit,  quidve  detestetur 
DeuS;  ubi  illorum  apud  Mosen,  decem  verborum  te  nulla  adbuc 
coeperit  oblivio.  V  i  g.  Sentio  quid  dicas,  nimirum  de  decem  praeceptis 
loqueris?  Paul.  Ita  est.  Sive  igitur  praecepta  voces,  sive  decem 
verba,  sive  more  graecorum  Decalogon,  nihil  nioror,  dummodo  de  rebus 
inter  nos  probe  conveniat.  Sed  prestat  hie  Mosi  verba  abs  te  audire. 
Darauf  folgt  der  Wortlaut  der  Gebote  und  dann  die  Besprechung 
der  einzelnen.  —  Dialogus  sextus.  Hilarius  et  Sophronius.  Hil. 
Hodie  cum  forte  negotiorum  uostrorum  caussa  in  forum  deambulaturus 
coDcessissem,  ultro  se  nobis  obtulit,  ut  £ere  fieri  solet  hoc  loci,  homo 
peregrinuS;  baud  facie  omnino  illiberali,  sed  qui  ingenua  aliqua  pro- 
sapia  editus  videri  possit.  Quem  cum  percuutaremur,  qui  simul  ad 
novi  hospitis  adveutum  confluxeramus,  rogantes :  undo  nam  se  reciperet, 
aut  quonam  se  referrent  pedes?  E  Galliis  sese  adventare  respondit. 
Esse  eniip  in  Galliis  homines  hand  ignobiles,  qui  singula  privatim 
Christianae  pietatis  rimarent  mysteria,  non  utique  personatos  crucis 
Christi  confessores.  Ideoque  nisi  regnum  nollet  amittere  Rex,  nisi 
mature  cordata  consilia  admitterent  hi,  qui  rerum  tenent  gubernacula, 
brevi  futuinim,  ut  divisam  in  se  ipsam  ruituram  aspiceremus  Galliam, 
tam  omnia  nutarent  Marte  ancipite.  Sophron.  Gallia  in  sua  ut 
conversa  fuerit  viscera,  hand  exiguam  toti  simul  Europae  allatura  est 
mutationem.  Solent  enim  statim  ad  primum  canentis  verbi  Dei  classi- 
cum,  simul  omnia  commoveri  regna  mundi.  Hilar.  Scilicet  verum 
est  quod  cecinit  regius  psaltes :  Tange,  inquit,  montes,  et  fumigabunt. 
Sophron.  Verum  et  illud,  quod  Christus  ait:  Non  veni  ut  mitterem 
pacem,  sed  gladium.  Et  alia,  quae  ex  propheta  Michea,  in  banc 
sententiam  adduxit  Christus.  Hilar.  Periculosius  seditione  in  regno 
accedere  potest  nihil.  Sophron.  Variantia  atque  pugnantia  in 
Ecclesia  si  d ocean t  Magistri  Nostri,  periculosum  non  dicemus?  Hilar. 
Omnino.  Nisi  enim  quaeque  rerum  publicarum  species  nomini  suo 
revera  respondeat,  cur  Respublica  dici  debeat,  non  video  etc.  Hierauf 
wird  vom  Staatswesen  und  sehr  oberflachlich  von  seinem  Verbaltnis 
zur  Kirche  gehandelt,  woran  sich  sehr  unvermittelt  einige  Auslassungen 
liber  die  der  Kirche  zukommende  Vergebung  der  Sunden  anschliefien. 
Auf  der   Ruckseite    des  Titelblattes    dieses   Katechismus    findet    sich 


Kolde,  SUddeutsche  Katechismen  von  1530—1600.  195 

nun  eine  Ode  des  Thomas  Venatorius  ad  Deum  optimum  maximum, 
und  am  Schlufi  des  Werkes  in  Versen  eine  Oratio  ad  Christum 
Servatorem  nostrum  Tho.  Venat.  Hierauf  Lectori  gewidmet  das  Distichon : 
Magna  dabunt  alii  dedimus  nos  parva,  sed  ut  sint  /  Parva  tamen 
magnis  iuncta,  iuvare  queant.  /,  und  dafi  bei  diesem  Katechismus  wirk- 
lich  an  Venatorius  als  Verfasser  zu  deuken  ist,  wird  abgesehen 
vom  Inhalt  in  hohem  Grade  wahrscheinlich,  als  die  Schrift  auf  der 
Innenseite  des  Einbanddeckels  des  Schwabacher  Sammelbandes  oflPen- 
bar  von  der  Hand  des  ersten  gleichzeitigen  Besitzers  als  „catechismus 
venatorii"  bezeichnet  wird. 

Es  folgt  bei  Reu  3.  die  Catechistiea  Summula  religion  is  von 
Sebald  Heyden  und  4.vder  wohl  fiir  Frank  en  wichtigste  Kate- 
chismus, der  von  GeorgKarg.  Zu  den  etwas  kurzen  Bemerkungen 
dartiber  hat  der  Verf.  leider  noch  nicht  die  Arbeit  von  Georg 
Wilke,  soin  Katechismus  und  sein  doppelter  Lehrstreit  Erl.  Licen- 
tiatendiss.  1904  benutzen  kSnnen,  aus  der  man  u.  a.  erfUhrt,  dafi 
dieser  Katechismus  eine  auch  inhaltlich  /  nicht  unwichtige  Vor- 
geschichte  gehabt,  im  Mscr.  vielfach  anders  gelautet  hat,  eine  Reihe 
von  Jahren  handschriftlich  (die  Bezeichnung  editio  princeps  bei  Wilke 
S.  47  ist  irrefiihrend,  da  es  sich  um  keine  Druckausgabe  handelte) 
kursierte  und  trotz  Wider ratens  von  Brenz  und  Eber  gedruokt 
wurde.  Auf  einem  Mifiverstandnis  beruht  Reus  Beschreibung  des 
Rosenthalschen  Exemplars  (S.  429),  da  die  Schrift  „Kurtzer  sum- 
marischer  Bericht"  keine  and  ere  Schrift  Kargs  ist,  sondern  nur 
eine  von  Laelius  unternommene  Bearbeitung  des  3.  Toils  des  Karg- 
schen  Katechismus  (vgl.  Wilke,  S.  47),  der  zuerst  ohne  Wissen 
Kargs  im  Druck  erschien.  Daran  schliefien  sich  5.  u.  6.  zwei  Nord- 
linger  Katechismen  von  Caspar  Kanz  imd  Caspar  Loner,  liber 
welche  beide  Manner  wir  jetzt  durch  die  Arbeiten  von  W.  Geyer 
(in  Nurnberg)  trefflich  unterrichtet  sind.  Der  von  Hans  Zeitschr. 
f.  prakt.  Theol.  Bd,  14,  S.  106  f.  benutzte  Katechismus  fUr  Donau- 
wbrth  von  Wolfgang  Musculus,  den  doch  noch  vor  kurzem  erst 
(vgl.  Beitr.  B.  K.  G.  X,  159)  auch  Fr.  Roth  eingesehen  zu  haben 
scheint,  und  der  an  diese  Stelle  gehbrt,  hat  leider  nicht  mit  abgedruckt 
werden  konnen^  weil  er  angeblich  nicht  in  der  Miinchner  Hof-  und 
Staatsbibl.  vorhanden  ist.  Von  hier  aus  geht  Reu  nach  Pfalz- 
Neuburg,  und  lediglich  dem  Umstaude,  dafi  der  Wiirttemberger  Jacob 
Andrea e  seine  Katechismuspredigten  den  Evangelischen  zu  Lauingen, 
wo  sie  gehalten  wurden,  widmete,  wird  es  verdankt,  dafi  wenigstens 
eine  dieser  Predigten  als  Nr.  7  abgedruckt  ist.  Hierauf  folgt 
der  sehr  selteue,  von  Reu  in  Zweibrucken  wieder  aufgefundene 
Katechismus  des  Streittheologeu  Tilemann  Hesshusius  (Nr.  8), 
gedruckt  zu  Lauingen  1568,  Wie  weit  er  wirklich  in  Gebrauch 
kam,  lafit  sich  schwerlich  feststellen.  Eines  der  wertvoUsten  Stlicke, 
jedenfalls  das,    was    die  Fachmanner    nach  Inhalt    und  Form  immer 

13* 


196  Kolde,  SUddeutsche  Katechismen  von  1530—1600. 

am  hocbsten  geschStzt  haben,  obwohl  es  bisber  recbt  UDbekannt  war^ 
ist  Nr.  9  Das  goldene  Kleinod  von  Job.  Tetelbacb,  Pfarrer 
und  Superiutendenten  in  Burglengenfeld  (S.  667).  Der  Lebensgang 
und  die  Entwicklung  des  ohne  Zweifel  bervorragenden  Mannes  bietet 
nocb  mancbe  Unklarbeiten,  die  durcb  seine  eigeneu  Angaben  in  der 
Vorrede  nicht  sonderlicb  erhellt  werden.  Docb  konnen  Reus  Mit- 
teilungen  Uber  ihn  (S.  442)  etwas  ergauzt  werden.  Er  ist  allerdings 
in  seiner  Jugend  in  Wittenberg  gewesen,  denn  er  ist  offeubar  der- 
selbe^  der  am  16.  Juni  1533  sicb  als  Jobannes  Dettelbacb  de 
Dinckelspnbel  Suevus  in  der  Wittenberger  Matrikel  (ed.  Foerstemaun 
S.  149)  findet>  1535  Baccalaureus  und  am  5.  Februar  1540  Magister 
wurde  (vgl.  J.  Koestlin  Die  Baccalaurei  und  Magistri.  Halle  1888, 
S.  15  und  1890,  S.  10).  Wann  er  als  Kirch endiener  nacb  Dinkels- 
blihl  gekommen  ist  —  im  Wittenberger  Ordiuiertenbucb  findet  sicb 
niclits  uber  seine  Ordination  — ,  ist  unbekannt.  Wir  wissen  uur,  dafi 
er  wegen  Nichtanerkennung  des  Interims  durcb  Beschlufi  des  Rats 
vom  3.  Jan.  1549  von  dort  weicheu  mufite  (Plirckbauer,  Gesch.  d. 
ev.  Kircbe  in  Dinkelsbubl,  Dinkelsblihl  1831  S.  30).  Aus  dem  Um- 
stande,  daft  er  1568  in  der  Vorrede  zum  ,,goldenen  Kleinod" 
(S.  670)  schreibt,  dafi,  er  aus  dem  Lande  (Sachsen),  in  dem  er  vier- 
unddreifiig  Jahre  (also  ganz  ricbtig  seit  1533)  gewesen  sei,  vertrieben 
worden  wSre,  wird  man  scbliefien  durfen,  dafi  der  Dinkelsbiihler 
Aufentbalt  nur  kurz  war  und  desbalb  von  ibm  nicbt  mitgorecbnet 
wird.  Noch  1549  wurde  er  Konrektor  an  der  Kreuzscbule  in  Dresden, 
dann  Diakonus  und  spHter  (nach  Kreyssig,  Alb.  der  ev.-lutb.  Geist- 
licben  in  Sacbsen,  2.  A.,  1898,  S.  125)  im  Jabre  1551  Pfarrer  von 
St.  Afra  in  Meifien  und  1554  Pfarrer  und  Superintendent  in  Chemnitz, 
wo  er  13  Jahre  verblieb.  Von  hier  aus  beteiligte  er  sicb  an  der 
Reufiischen  Koufessionsscbrift  von  1567  (vgl.  0.  Meusel,  Die  Reufiiscbe 
oder  Reufiisch-schbnburgische  Konfession  von  1567.  Beitr.  zur  sachs. 
Kirchengesch.  XIV,  S.  689  und  Berth.  Auerbach,  Die  Reuflische 
Konfession.  Thuringer  kirchliches  Jahrbuch  X.  Jahrg.,  1905,  S.  36). 
Wohl  eben  desbalb  des  Flacianismus  beschuldigt,  wurde  er  noch  in  dem- 
sel ben  Jahre  vertrieben,  kam  sehr  bald  in  Schwandorf  ^)  in  der  Ober- 
pfalz  als  Pfarrer  unter  (von  1567 — 70),  imd  wirkte  seit  1570  als 
Superintendent  in  Burglengenfeld  (so  nach  G.  Hubmann,  Chronik 
der  Oberpfalz.  Amberg  1865,  S.  65  ff.).  Dafi  er  1601  nicht  mehr  am 
Lebeu  war,  wird  man  daraus  scbliefien  konnen,  dafi  er  nicht  am 
Regensburger  Kolloquium  teilnahm,  dagegeu  ein  Dr.  Heinrich  Tettel- 
bach,    vielleicht  sein   Sohn  (vgl.  Brock,    Die  evangelisch-lutheriscbo 


1)  Be!  Pesserl,  Chronik  und  Topographic  von  Schwandorf.  Jahres- 
bericht  d.  hist.  Vereins  von  Regensburg  und  Oberpfalz  24,  285  soil  sicb 
ein  Verzeichnis  der  Pfarrer  von  Schwandorf  finden,  das  mir  aber  nicht 
zuganglich  war. 


Kolde,  SUddeutsche  Katechismen  von  1530—1600.  197 

Kirche  der  ehemaligen  Pfalzgrafschaft  Neuburg.  Nordlingen  1847,  S.  65). 
Leider  ist  die  erste  Aiiflage  des  „Kleinods"  nicht  aufzufinden  ge- 
wesen,  so  dafi  wir  nur  die  „aiifs  neue  korrigierte"  von  1577  erhalten. 
Aber  trotz  der  griindlichen  Bucherverbrennung  in  der  Oberpfalz  im 
Jahre  1628  (vgl.  Lippert  Beitr.  VI,  173)  mochte  ich  die  Hoffnung 
nicht  aufgeben,  dafi  sie  sich  noch  irgendwo  findet,  und  vielleicbt 
dienen  diese  Zeilen  dazu,  zu  ernenten  Nachforscbiiugen  anzusporuen. 
Eine  Ansgabe  vom  Jahre  1571,  auch  schon  als  „auffs  neue  korri- 
giert"  bezeichnet,  fiudet  sich  auf  der  Erlanger  Bibliothek.  Sehr 
merkwiirdig  ist  der  Amberger  (luth.)  Katechismus  aus  dem  Jahre 
1595  von  Jakob  Schopper  (Nr.  10),  den  Eeu  der  Vergessenheit 
entrissen  hat,  dessen  Verf.,  der  eine  ganze  Eeihe  Traktate  geschrieben 
hat,  einmal  besonders  behandelt  werden  soUte  (ein  paar  Bemerkungen 
Uber  ihn  bei  Lippert,  Reformation  etc.  d.  Kurpfalz  S.  176  fF.,  183, 
uber  die  Verbreitung  seines  Katechismus  S.  197).  —  Von  Amberg  weiidet 
sich  der  Verf.  nach  Regensbnrg,  dessen  erster,  von  dem  spater  in 
Konigsberg  hingerichteten  Funck  verfafiter  Katechismus  1542  oder 
1543  nicht  aufgefundeu  werden  konnte^).  Dafiir  erhalten  wir  (Nr.  11) 
den  von  Nik.  Gallus  empfohlenen  eines  nnbekannten  Layen,  „Ein 
kurtze  Ordenliche  summa  der  rechten  Waren  Lehre  vnsers  heyligen 
Christlichen  glaubens"  (S.  720),  der,  eine  wichtige  Beobachtung  Reus, 
(JS.  198  und  S.  201),  in  seiner  Heidelberger  Ausgabe  von  1558  die 
Anlage  des  Heidelberger  Katechismus  entnomraen  ist. 

Von  den  sehr  umfauglichen  Katechismuspredigten  desNik.  Gallus 
aus  dem  Jahre  1554  wird-  wenigstens  (Nr.  12)  ein  charakteristisches 
Bruchstiick  mitgeteilt  (S.  735).  Ein  weiterer  Regensburger  Katechismus 
sind  (Nr.  13)  die  „Kurtzen  Fragen  und  Autworten  uber  die  sechs 
Hauptstucke"  1580  von  dem  vielseitigen  und  gelehrten  Bartholomaus 
Rosinus^),  der  die  sechs  Hauptstticke  auf  die  sechs  Wochentage  ver- 
teilt  (S.  743)  und  indirekt  auch  in  Norddeutschland  auf  weite  Kirchen- 
gebiete  eingewirkt  hat  (S.  449  f.).  Den  Schlufi  machen  die  Augs- 
burger  Katechismen,  erstens.  (Nr.  14)  der  von  Wolfhart  verfafite 
^Katechismus,  das  ist  ain  anfengklicher  Bericht  der  Christlichen 
Religion"  vom  Jahre  1533  (S.  756),  bei  dessen  Abdruck  doch  hatte 
uutersucht  werden  solleu,  ob  die  nach  Luthers  Tadel  herausgekommenen 
Ausgaben,  wie  sehr  wahrscheinlicli  ist,  Anderungen  aufweisen,  zweitens 
(Nr.  15)  der  kleine  Katechismus  des  Caspar  Huberinus  (so  schreibt 
er  sich  immer,    nicht  ETuber)  von   1544,    mit    einem  Bruchstiick    aus 


1)  SoUte  er  sich  nicht  in  der  Regensburger  Kreisbibliothek  fiDden? 

2)  Ich  besitze  das  ihm  einst  gehorige  Exemplar  von  Job.  Sleidan, 
De  statu  rel.  etc.  1555,  8^  in  das  er  neben  Lobgedichten  auf  Sleidan  von 
Job.  Sapidus,  Joh.  Sturm,  Martin  Crusius  auch  ein  eigenes  eintrug.  Das 
ganze  Bach  ist  mit  zahlreicben  Marginalbemeikungen  von  seiner  Hand 
versehen  und  am  SchluB  durch  einen  "handschriftlichen  Index  Memorabilium 
cuiusque  anni  bereichert. 


198  Zur  Bibliograpbie. 

dem  grofien  dess.  Verf.  vom  Jahre  1543,  danu  drittens  der  von 
Meckhart  (Nr.  16),  der  vielleicht  schon  1551  erschieuen  ist  (S.  819), 
eodlicb  Uber  den  Zeitraum  binausreichend  eine  der  Scbule  von  St.  Anna 
gebraucbte  Bearbeitung  des  lutberiscben  Katecbismus  von  1628^  die 
aber  vielleicbt  scbon  1559  (?)  daselbst  in  Ubung  war  (Nr.  17, 
S.  834).  Nimmt  man  nocb  hinzu,  dafi  der  Verf^  wie  icb  wiederbole, 
uber  minder  originelle  Arbeiten,  wie  z.  B.  ein en  Lindauer  Katecbismus 
von  1586  sebr  genaue  Mitteilungen  in  seiner  Einleitung  (vgl.  S.  460) 
briugt,  und  vergegenwSrtigt  man  sicb,  dafi  in  dieser  Besprecbung 
nur  auf  die  bayeriscben  Arbeiten  eingegangen  werden  kounte,  so 
kann  man  die  bohe  Bedeutung  dieser  Veroffentlicbung,  deren  baldige 
Weiterfubrung  dringend  zu  wUnscben  ist,  einigermafien  beurteilen. 
Sicber  bat  Eeu  das  grofie  Verdieust,  nicbt  nur  das  bekannte  Material 
in  bisber  nicbt  erreicbter  Weise  zusammengetragen  und  in  sorgfaltiger 
Wiedergabe  nutzbar  gemacbt,  sondern  nicbt  Weniges,  was  vergessen 
war,  wieder  ans  Tageslicbt  gebracbt  und  gewttrdigt  zu  baben,  und 
dieses  Verdienst  ist  um  so  grofier,  als  der  Verf.,  in  Amerika  lebend, 
naturlicb  gerade  bei  dieser  besonderen  Aufgabe  unter  den  scbwersten 
Verhaltnissen  gearbeitet  bat.  Wie  weit  es  ibm  gelungen  ist,  Voll- 
standigkeit  zu  erreicben,  die  freilicb  bei  solchen  Arbeiten  in  absoluter 
Weise  niemals  z\\  erzielen  ist,  Vd&t  sicb  mit  Bestimmtbeit  nicbt  sagen. 
Icb  vermute  aber,  dafi  es  zumal  in  den  ganz  kleinen  Landeskircben 
nocb  mancben  Katecbismus  gegeben  bat,  der  heute  vergessen  ist.  Zu 
dieser  Annabme  veranlafit  micb  u.  a.  die  Tatsacbe,  dafi  dem  Verf., 
wofiir  ibn  keine  Scbuld  trifft,  ein  kleiner  Katecbismus  iur  die  Graf- 
scbaft  Ortenburg  aus  dem  Jabre  1598  entgangen  ist.  Diesen  von 
demPfarrer  Adam  Hertzog  verfafiten,  bocbst  interessan ten  Katecbis- 
mus mit  stark  pbilippistischer  Farbung,  dessen  in  meinem  Besitz  be- 
findlicbes  Exemplar  ein  Unikum  zu  sein  scbeint,  da  icb  ibn  auf 
verschiedenen  grofien  Bibliotbeken  nicbt  gefunden  babe,  gedonke  icb 
in  einem  der  nacbsten  Hefte  dieser  Beitrage  bekannt  zu  geben. 


Zur  Bibliographie.'') 

*(Dr.  Karl  Hartmann  gegen  Dr.  Kolde.)    Der  Prozefi  gegen  die 

protestantiscben  Laudstande  in  Bayern  unter  Herzogs  AlbrecbtV. 

1564.     Bayeriscber   Kourier   1905,    Nr.   78  und   79    (19.  und 

20.  Marz   1905). 

Gegen  meine  Besprecbung  seiner  Sehrift  auf  S.  146  f.  richtet  der 
gekraukte  Verf.  eine  von  Schmahungen  und  Verdachtigungen  strotzende, 
iiber  fUnf  groBe  Spalten  sicb  erstreckende  Erwiderung,  auf  die  icb  nattir- 
lich  nicht  antworten  werde,  deren  LektUre  unter  Berticksichtigung  meiner 


*)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprecbung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Scbriften  werden  erbeten  behufs  Besprecbung 
von  der  Verlagsbuchbandlung  Fr.  Junge  in  Erlaugen. 


Zur  Bibliographic.  199 

Besprechung  and  Hartmanns  Schrift  ich  aber  alien  denen,  die  cinen  Ein- 
blick  darein  gewinnen  wolleu,  wie  herrlich  welt  wir  63  schon  gebracht 
haben,  dringend  empfehlen  mochte,  namentlich  aucb  zur  Warnung  fur 
alle,  die  etwa,  obwohl  sie  Beamte  sind,  sich  mit  bayerischer  Geschichte 
befassen.  Denn  wenn  sie  anderer  Meinung  sind  als  Herr  Dr.  Hartmann, 
konnte  das  die  schlimmsten  Folgen  baben.  Ich  hatte  zu  schreiben  ge- 
wagt,  dafi  durch  die.vom  Verf.  neu  beigebrachten  Quellen  das  „Bild  des 
Herzogs  (Albrecht)  nicht  gerade  gewinne"  (S.  143).  Darauf  schreibt  der 
Verf. :  ^Meines  Erachtens  aber  soUten  sich  doch  Leute,  die  an  den  beaten 
FleischtSpfen  Bayerns  sitzen,  nicht  entbloden,  Verleumdungen  fiber  einen 
Ahnherrn  des  Herrschers,  aus  dessen  Hand  das  Brot  sie  essen,  in  die 
Welt  zu  lancieren,  wie  dies  Preger  tut,  und  es  soUten  sich  auch  nicht 
berufene  Historiker  wie  Riezler  und  Kolde  dazu  herbeilassen,  die  un- 
wiirdige  RoUe  von  Kolporteuren  der  Irrtilmer  zu  spielen,  deren  Natur 
als  solche  durch  aktenmaiQige  Diagnose  erkannt  wurde.  Schon  das  Ge- 
fiihl  der  Dankbarkeit  und  der  Liebe  zum  Vaterlande  soUte  sie  davon 
abhalten,  das  Andenken  des  erlauchten  Sprossen  aus  dem  Hause  Wittels- 
bach,  Herzog  Albrechts  V.,  bei  der  Mit-  und  Nachwelt  durch  ktinstliche 
Yerdunklung  zu  triiben.**  Um  wie  viel  sittlich  hoher  steht  doch  Herr 
Dr.  Hartmann,  wenn  er  im  Gegensatz  zu  K.  Preger,  S.  Riezler  und  mir 
von  sich  selbst  schreibt:  ,,Mich  aber  werden  alle  Anfeindungen  und  ge- 
heimen  Machinationen  meiner  einfluBreichen  Gegner^  gegen  die  esin 
Bayern  hoffentlich  noch  eine  Prophylaxe  geben  wird  (vom 
Verf.  selbst  unterstrichen),  nicht  davon  zurilckhalten,  weiterzuforschen 
in  den  goldenen  Annalen  der  Geschichte  bayerischer  Ftirsten  und  zu 
schreiben  zum  Ruhme  des  wittelbachischen  Hauses."  —  Offenbar  hat  der 
Mann  alle  Anlage  zu  einer  glanzenden  Karriere.  — 

*Specht,  Dr.  Thomas,  Geschichte  des  Kgl.  Lyzeums  Dillingen 
(1804 — 1904).  Festschrift  zur  Feier  des  lOQjShrigeuBestehens. 
Regensburg  1904.  Verlagsanstalt  vormals  G.  J.  Manz,  Buch-  u. 
Kunstdruckerei,  Akt.-Ges.  Miinchen -Regensburg.     311  S.     6  M. 

Bd.  IX  dieser  Beitrage  S.  92  ff.  konnte  ich  desselben  Verfassers  Ge- 
schichte der  Universitat  Dillingen  besprechen.  Die  jetzt  vorliegende 
Geschichte  des  dortigen  Lyzeums,  das  im  Jahre  1904  sein  hundertjahriges 
Bestehen  gefeiert  hat,  kann  gewissermaiBen  als  Fortsetzu'ng  betrachtet 
werden.  Besonders  ftir  Dillingen  allein  Charakteristisches  bietet  sie  nicht, 
und  die  Verhaltnisse  scheinen  sich  in  alien  bayerlschen  Lyzeen  ziemlich 
gleichmafiig  entwickelt  zu  haben;  aber  die  ruhige  objektive  Art  des  Ver- 
fassers, die  ich  schon  frtiher  zu  riihrnen  hatte,  bietet  einen  dankenswerten 
Einblick  in  den  daselbst  herrschenden  Studienbetrieb,  und  darein,  wie  diese 
Bayern  allein  eigentumlichen  Anstalten,  die  anfangs  als  Vorbereitung 
ftir  den  Universitatsunterricht  gedacht,  bei  Gelegenheit  der  Organisation 
des  Sffentlichen  Unterrichtes  durch  Niethammer  im  Jahre  1808  als  „aka- 
demische  Lehranstalten"  zu  einer  hoheren  Stufe  emporgehoben  und  endlich 
fur  gewisse  Facher  zugnnsten  der  katholischen  Theologiestudierenden, 
„welche  eine  Universitat  nicht  besuchen",  den  Dniversitaten  beinahe 
gleichgestellt  wurden,  wie  denn  auch  unter  dem  Ministerium  Muller  1892 
ihren  Professoren  der  gleiche  Bang  wie  den  Universitatsprofessoren  ge- 
wahrt  wurde.  Der  groBe  Unterschied  bleibt  freilich  immer  der,  da6  es 
Fachschulen  sind,  eine  Lernfreiheit  ftir  die  Studierenden  nicht  existiert, 
sondern  die  zu  horenden  Vorlesungen  vorgeschrieben  sind.  Es  liegt  in  der 
Natur  der  Sache,  dafi  den  Hauptinhalt  des  Werkes  statistisches  Material  — 
im  weiteren  Sinne  des  Wortes  ausmacht.  Aber  sollte  von  der  inneren  Ent- 
wicklung  wirklich  so  wenig  zu  berichten  sein,  als  der  Verf.  mitteilt? 
Wer  in  den  ersten  Kapiteln  von  der  zu  Anfang  auch  in  Dillingen  herr- 


200  Zur  Bibliographie. 

• 

schenden  Anfklarung  Kenntnis  genommcn,  erffihre  doch  auch  gem  etwas 
mehr,  wie  das  allmShlich  anders  geworden.  Sollte  die  allmahliche  Ver- 
drangung  des  Rationalismns  and  das  Aufkommen  der  neaeren  kirch- 
liclien  Ricbtung  so  ganz  oboe  Kainpfe  vor  sich  gegangen  sein  ?  In  eine 
Geschichte  des  Lyzeuois  geh5rte  doch  eigentlich  auch  der  Yersuch, 
im  Zusaminenbange  darzatun,  in  welchcr  Weise  die  dortigen  Gelehrten 
an  der  Entwicklung  von  Theologie  und  Kircbo  fordernd  Anteil  genoromen 
haben.  Die  blofie  Aufzahlung  der  Schriften  der  einzelnen  Professoren 
kann  da  nicbt  genugen.  So  weit  ich  sehe,  geht  der  Verf.  nur  ein  ein- 
zigesmal  auf  die  angeregten  Fragen  ein,  im  Falle  Uhrig  nacb  dem  Vati- 
kanum,  aber  ancb  da  erfahrt  der  Leser  nicbt  genau,  woriim  es  sicb 
eigentlich  gebandelt  bat.  In  dieser  Zuriickbaltung  sehe  ich  einen  Mangel, 
den  der  gescbatzte  Yerf.,  obne  indiskret  zu  sein  and  ohne  sein  Bucb 
nnn(3tig  anschwellen  zn  lassen,  bei  seiner  Beherrscbang  des  Materials 
leicbt  hatte  vermeiden  kSnnen.  Den  SchluB  macht  eine  36  Seiten  lange 
Antwort  auf  eine  Besprechung  seiner  Geschichte  der  Universitat  Dillingen 
durcb  Knopfler  (Hist.  pol.  Blotter  Bd.  131  S.  476  ff.),  auf  die  hier  einzu- 
geben,  der  Raum  fehlt. 

*W.  Stolze,  Zur  Gesch.  der  12  Artikel  von  1525.  Hist.  Viertel- 
jahrsschrift   1905,   1.  Heft. 

Der  Yerf.  tritt  hier  von  neuem  gegen  die  Einwendungen  von  Alfred 
Gotze  (Hist.  Vierteljahrsschrift  1904)  fiir  seine  bereits  friiher  (BeitrageX, 
195)  besprochene  These  ein,  daB  die  12  Artikel  nicht  in  Oberschwaben 
und  nicht  von  Seb.  Lotzer  in  Memmingen,  sondern  im  sudlichen  Schwarz- 
wald  durcb  Baltbasar  Hubmaier  verfaBt  seien. 

*Zietz,  Martha,  Wie  urteilen  Theologen  Uber  das  kirchlicbe  Stimm- 

recht  der  Frauen?     Gesammelte  Umfragen  des  deutschen  Ver- 

bandes  fur  Frauenstimmrecht.     Hamburg  1905.    Otto  Meifiners 

Verlag.     97  S.     1  M. 

Wird,  obwohl  in  diese  Zeitscbrift  nicht  gehorig,  nur  erwabnt,  weil 
auch  mehrere  Geistliche  der  bayerischen  Landeskircbe  uber  diese  m.  E. 
nicht  ohne  weiteres  von  der  Hand  zu  weisende  Frage  sich  geauBert 
haben. 

Koch,  A._,  Austriaca  aus  Regensburg.  (Korrespoudenz  des  Nikolaus 
Gallus  in  Regensburg.)  Jahrb.  d.  Ges.  fur  Gesch.  d.  Protest, 
in  Osterreich.     1903.     T.  XXIV.  p.  14. 

Eingesandt  wurden  ferner,  konnen  aber  hier  nur  erwabnt  werden; 

*August  Strindberg^  Die  Nachtigall  von  Wittenberg.  2.  A.  1904. 
Berlin-Leipzig.      Herra.  Seemann  Nacbfolger.     1  M. 

*P.  Ch.  Martens,  Das  deutsche  Konsular-  und  Kolonialrecht. 
Leipzig  0.  J.     Verlag  von  Dr.  jur.  Ludw.  Huberti.      2,70  M. 

*Helmling,  L.,  0.  S.  B.  Hagiographischer  Jabresbericbt  fUr  die 
Jahre  1901  und  1903.  Zusaminenstellung  aller  im  Jabre  1901/02 
in  deutscher  Sprache  erschienenen  Werke,  Ubersetzungen  und 
grbfierer  uud  wichtiger  Artikel  Uber  Heilige,  Selige  und  Ehr- 
wurdigc.  Kempten  1903  (Verlag  der  Job.  Koselscben  Buch- 
bandlung).     204  S. 


Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg. 

Von  Dr.  Friedrich  Both. 

Nicht  nur  die  Zeitgenossen  Kaspar  Huberinus'^),  sondern 
auch  die  meisten  Historiker,  die  sich  mit  seiner  Personlichkeit 
befaBten,  haben  ihre  Verwunderung  iiber  die  von  ihm  dem  In- 
terim g^geniiber  eingenommene  Haltuns  ausgesprochen.  Und 
diese  Haltung  schrfnt  auch  merkwurdig  genug  bei  einem  Manne^ 
der  sich  allzeit  als  flberzeugten  Anhanger  der  Wittenberger 
bekannt  and  bei  diesen  in  einem  gewissen  Ansehen  gestanden, 
der  fast  ein  Vierteljahrhundert  in  einer  Menge  polemischer  und 
erbaulicher  Schriften  fur  das  Evangelium  eingetreten  war, 
der  in  Augsburg  zuerst  als  Heifer  des  Musculus,  dann  als 
Pfarrer  von  St.  Georg*)  eine  segensreiche  Wirksamkeit  in  der 


1)  S.  ttber  Haberinns :  W  i  b  e  1 ,  Hohenlohlsche  Kyrchen-  nnd  Ref.-Historie, 
Bd.  I  (Onolzbaoh  1752)  S.344fif.,  379ff.,  Bd.  Ill  S. 308 ff. :  Bossert,  Beitr. 
zm*  Gesch.  der  Ref.  in  Franken  in  den  Theol.  Studien  aus  .Wiirttemberg, 
Bd.  I  S.  201  ff.,  253 ff.;  Bossert,  Das  Interim  in  Wurttemberg  (in  den 
Schriften  des  Verf.  fUr  Ref.-Gescb.),  Halle  1895  S.  15,  171;  den  Cod. 
chart,  fol.  nr.  91  in  der  herz.  Bibiiothek  za  Gotha,  eine  wichtige  Relation 
Hubers  uber  seine  Erlebnisse  in  Augsburg  enthaltend,  von  der  viele  StUcke 
bei  Germann,  Dr.  Job.  Forster  (1894)  mitgeteilt  sind.  Koldes  Art.  in 
der  Realenzykl.  fiir  prot.  Tbeol.  u.  Kirche,  III.  Aufl.  (mit  Literaturangabe) ; 
Roth,  Augsburgs  Ref. -Gesch.,  Bd.  I  (Miinchen  1901)  u.  Bd.  II  (Mttnchen 
1904),  Register. 

2)  S.  zu  Hubers  Anstellnng  als  Heifer  des  Musculus  seinen  eigenen 
Bericht  bei  Germann  S.  260  und  Luthers  Sohreiben  an  Huber,  dd. 
5.  Oktober,  ebenda  S.  261.  Die  fttr  die  Angsborger  Geistlichen  bestehende 
Bestallungsformel  (gedrackt  bei  Germann  S.  312  ff.)  ist  von  Huber  am 
11.  Dezember  1535  unterschrieben  und  hat  sich  in  der  Autographensamm- 
lung  des  Augsburger  Stadtarchives  erhalten.  Sie  beginnt  mit  den  Worten : 
„Ich,  Caspar  Huber  aus  Stotzhart"  (bei  Aichach).  Sein  Gehalt  betrug 
pro  Qnatember  „dritthalben  und  zweinzig  gulden  reinisch**,  pro  Jahr  also 


202         Roth,  Kaspar  Haberinus  and  das  Interim  in  Augsburg. 

Seelsorge  entfaltet  hatte  und  zuletzt  bemuht  gewesen  war,  in 
dem  hohenlohiscben  8t§.dtchen  Ohringen  dem  Evangeliam  den 
Boden  zu  bereiten.  Aber  das  Auffallende  verliert  sich,  wenn 
man  aus  seinen  Schriften,  vor  alien  aus  der  von  ihm  uber  seine 
Augsburger  Erlebnisse  verfaBten  Relation,  ersieht,  wie  sehr  er 
in  bezug  auf  Kirchenbrauche  noch  am  Alten  klebt,  wie  er  weit 
weniger  Anstofi  nimmt  an  den  Papisten  als  an  den  Zwing- 
lischen  und  anderen  ^Rottengeistern",  wie  er  Sfter  in  tausend 
Angsten  schwebt,  man  mochte  die  Altgiaubigen  mit  zu  rauher 
und  derber  Hand  anfassen,  wie  er  sich  an  den  auf  die  Ver- 
dr^ngung  des  „Papsttums^  gerichteten  Eampfen  seiner  Augs- 
burger Amtsgenossen  nicht  nur  nicht  beteiligt,  sondern  murrend 
beiseite  stebt.  Es  verkniipfte  ihn  eben,  wohl  ohne  daB  er  sich 
dessen  bewuBt  war,  noch  manches  starke  Band  mit  dem  Eatholi- 
zismus,  und  er  geh5rte  zu  jenen,  die  immer  noch  Hoffnnngen 
auf  das  Eonzil  setzten  und  es  fur  moglich  hielten,  dafi  die 
Kluft  zwischen  den  neuen  Kirchen  und  der  alten  doch  noch 
flberbrttckt  werden  wttrde. 

Bei  solchen  Anschauungen  konnte  ihm  das  „gleiBende^ 
Interim  nicht  allzu  schreckhaft  erscheinen,  zumal  er  und  seine 
Gemeinde,  bei  der  kaum  die  allerersten  Anfange  einer  Refor- 
mation zur  Durchfiihrung  gekommen^),  wenig  davon  beriihrt 
wurden.  Die  evangelische  Predigt  soUte  ja  nach  wie  vor,  wenn 
auch  unter  bestimmten  Beschr^nkungen,  gestattet  sein,  und  was 
das  Abendmahl  unter  beiden  Gestalten  betrifft,  das  vom  Interim 
ebenfalls  zugestanden  worden  war,  so  machte  man  damit  in 
Ohringen,  wo  es  vorher  wohl  kaum  Eingang  gefanden*),  sogar 


neunzig  Gulden.  Pfarrer  von  St.  Georg  wurde  er  im  Jahre  1542  (Roth, 
1.  c,  II  S.  455).  Als  solcher  bezog  er  eine  Besoidung  von  150  Gulden, 
zu  welchen  noch  50  Gulden  Nebeneinkommen  kamen. 

1)  S.  hierzu  Wibel,  I  S.  344flF.  Bossert  (Theol.  St.)  S.  197; 
die  Wtirttemb.  Kirchengesch.,  ed.  Calwer  Verlagsverein,  1893,  S.  349. 
Ygl.  auch  unten  Bell.  II. 

2)  In  sine m  Schreiben  Hubers  an  den  hohenlohischen  Rat  Stembler, 
dd.  IS.April  1546  (gedruckt  bei  Wibel,  HIS.  345  ff.)heifit  es,  dafi  „dieGlaubi- 
gen  ohn  UnterlaB  nach  dem  Sacrament  (sc.  unter  beiderlei  Gestalt) 
schreien."  Bevor  es  hierin  zu  der  erbetenen  Anderung  kam,  brach  der 
schmalkaldische  Krieg  aus,  der  alle  Reformationsbestrebungen  im  Hohen- 
lohischen znm  Stillstand  brachte. 


Both,  Caspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg.         203 

einen  Fortschritt.  Diese  und  andere  Elrwagungen  ^)  sowie  ein 
gewisser  Mangel  an  Klarheit,  der  ihn  hinderte,  die  im  Interim 
enthaltene  Verschleierung  der  Rechtfertigungslehre  zu  durch- 
schauen,  brachten  ihn  dahin,  daU  er  enipfahl,  sich  demselben 
zu  fiigen,  und  sich  dazu  verstand,  den  darin  befohlenen  Gottes- 
dienst  ins  Werk  zu  setzen. 

Dieses  ^Umfallen"  Huberinus'  wurde  weithin  bekannt,  und 
so  ist  es  leicht  erklarlich,  daU  der  vom  Kaiser  in  Augsburg 
neu  eingesetzte  Rat  nach  der  am  26.  August  1551  erfolgten 
Austreibung  der  evangelischen  Pradikanten  sich  in  seiner  Ver- 
legenheit,  Interimsgeistliche  aufzutreiben,  rait  ihm  in  Verbindung 
setzte,  um  ihn  fiir  die  Stadt  zu  gewinnen.  Er  veranlaBte  ihn, 
Ende  September  nach  Augsburg  zu  kommen^),  um  mit  ihm 
mundlich  deshalb  zu  unterhandeln,  und  Huberinus  zeigte  sich 
schlieBlich  bereit,  dort  wieder  eine  Stelle  anzunehmen,  voraus- 
gesetzt,  daC  es  ihm  gelinge,  sich  aus  seinem  bisherigen  Dienst- 
verhaltnisse  los  zu  machen.  Daraufhin  ersuchte  der  Rat  dessen 
Herrschaft  schriftlich  [Beil.  I],  ihn  frei  zu  geben,  zum  minde- 
sten  auf  so  lange,  bis  fur  ihn  Ersatz  beschafft  werden  konnte, 
war  aber  gleichzeitig  bemiiht,  von  dem  Bischof  von  Arras,  der 
seit  dem  Tode  seines  Vaters  Perrenot  Granvella  am  kaiserlichen 
Hofe  die  laufenden  Geschafte  leitete,  eine  „Furschrift"  zu  er- 
halten,  in  der  der  Graf  von  Hohenlohe  um  Huberinus'  dauernde 
Uberlassung  an  die  Augsburger  angegangen  werden  soUte.  Der 
Bischof,  dem  darum  zu  tun  war,  daB  das  Interim  in  Augsburg 
endlich  in  alien  Stucken  vorschriftsmaBig  zur  Durchftihrung 
kame,  lieB  sich  zu  einer  solchen  nPurschrift**  herbei^).  Sein 
Schreiben  hat  sich  im  Augsburger  Stadtarchiv  nicht  erhalten, 
wohl  aber  die  Antwort  des  jugendlichen  Grafen  Ludwig  Kasimir, 
des  Nachfolgers  des  Grafen  Georg,  welch  letzterer  am  16.  Marz 

1)  S.  die  Thesen,  siuf  Grund  deren  Huber  das  Interim  ftir  annehm- 
bar  erklarte  (lateinisch),  bei  Wibel,  III  S.  343 ff. 

2)  BaurechDUng  1651,  Bl.  69^,  26.  Sept.:  27 fl.  12  kr.  mintz  herrn 
Caspar  Huberino  fur  zerung  von  Eringen  alher  laat  seins   zetels  betzalt. 

3)  Der  Vermittler  zwischen  den  Augsburgern  und  dem  Bischof  wird 
wohl  Huberinus'  Schwager,  der  Vizekanzler  Sigmund  Seld,  bekanntlich 
der  Sobn  eines  Augsburger  Goldschmiedes,  gewesen  sein ,  doch  batten 
die  Haupter  des  Augsburger  Rates  auch  manche  direkte  Beziehungen  zu 
dem  Bischof. 


204         Roth,  Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  io  Augsburg. 

1551  gestorben  war.  In  diesem  Briefe,  datiert  vom  22.  Oktober 
1551  [Beil.  n],  bemerkt  der  Graf,  daC  sein  Vater  und  dessen 
Brader  Albrecht  (f  am  19.  August  dess.  Jahres)  den  Pradikanten 
Huberinus  „etliche  Jahre  zur  Abwendung  etlicher  verderblicher 
Sekten  und  Schw&rmer  und  zur  Pflanzung  der  alten,  katho- 
lischen  Religion  erhalten"  batten,  wie  auch  das  Interim  „so 
viel  an  etlichen  Orten  von  N6ten  gewesen  . .  .  ohne  Befehl"  in 
den  hohenlohischen  Gebieten  sofort  „angerichtet"  worden  ware. 
Ungern  nur  lasse  er,  der  Graf,  der,  am  Anfang  seiner  Regierung 
stehend,  auf  die  bewahrten  Diener  seines  Vaters  und  Onkels 
angewiesen  sei,  einen  Mann  wie  Huberinus  Ziehen,  da  zu  be- 
flircbten  stehe,  daC  damit  diejenigen,  die  bisher  in  der  aiten, 
wahren,  katholischen  Religion  erhalten  worden  seien,  geschwacht 
wttrden"  etc.  Doch  wolle  er  sich  dem  Bischof  und  dem  Kaiser 
zuliebe,  wenn  es  sein  mtisse,  zu  dem  verlangten  Opfer  entschlieBen 
und  liberlasse  es  ersterem,  die  Sache  nach  seinem  Ermessen  zu 
regeln. 

Wenn  naturlich  auch  anzunehmen  ist,  daB  der  Graf  den 
Sachverhalt,  den  Zeitverhaitnissen  entsprechend,  stark  gefarbt, 
urn  vor  dem  Kaiser  in  mSglichst  giinstigem  Lichte  —  als  Herr 
eines  von  der  ketzerischen  Lehre  voUig  unbefleckten  Landchens 
—  dazustehen,  so  kann  man  sich  angesichts  des  hier  Huberinus 
gespendeten  Lobes  doch  des  Eindruckes  nicht  erwehren,  daB 
dieser  in  seinen  Konzessionen  an  das  Papsttum  noch  viel  weiter 
gegangen  sein  muB,  als  bisher  bekannt  war;  wird  er  ja  doch 
fast  als  ein  Hort  des  Katholizismus  gepriesen!  Und  dieser  Ein- 
druck  wird  verstarkt  durch  die  auf  Huberinus  bezilglichen 
Stellen  in  dem  Antwortschreiben  des  Bischofs,  (datiert  vom 
15.  November  1551  [Beil.  IIIJ),  der  sich  ttber  die  Religions- 
verhaltnisse  im  Hohenlohischen  auch  bei  „andern  Leuten,  so 
dessen  ein  guts  Wissen  tragen",  erkundigt  hatte. 

Wie  Huberinus  vor  mehr  als  sieben  Jahren  von  Augsburg 
ausgezogen  war,  um  in  der  Grafschaft  Hohenlohe  fiir  das  Evan- 
gelium  Raum  zu  gewinnen^),  so  machte  er  sich  jetzt,  nachdem 


1)  S.  den  zwischen  dem  hohenlohischen  Bat  Stembler  und  Hnber 
damals  (vom  12.  Jan.  bis  22.  Juni  1544)  wegen  Hubeis  Berufang 
nach  Ohringen  entstandenen  Briefwechsel  bei  Wibel,  HI  S.  308 ff.;  vgl. 
Roth,  J.  c.  II  S.  474  Nr.  133.  —  Der  bei  Wibel  S.  320  von  Ruber  er- 


Both,  Kaspar  Haberinus  and  das  Interim  in  Augsburg.         205 

ihm  sein  Graf  „Urlaub*'  gegeben,  mitten  im  Winter  mit  Weib 
iind  Kind  auf  den  Weg,  um  die  Augsburger  von  ihrem  „Irr- 
tum,  in  dem  sie  so  lang  erwachsen  und  verstockt  gewesen," 
abzubringen  und  ihnen,  wie  der  Bischof  sich  ausdrtickt,  „als 
den  Schwachen  und  Kranken"  mit  „gelinder,  angenehmer  Arznei** 
zu  helfen. 

Er  kam  in  der  Woche  vor  Weihnachten  in  derStadt  an^) 
und  tibernahm  nun  mit  zwei  anderen  aus  dem  Hohenlohischen 
herbeigerufenen  Gfeistlichen,  die  er  ftir  seine  Anschauungen  zu 
gewinnen  gewuBt  hatte  —  zwei  Augsburgern  —  samtliche 
Funktionen  des  interimistischen  Gottesdienstes*).  Er  selbst 
wurde  bei  St.  Anna  angestellt,  wilhrend  Thomas  Widmann, 
fruher  Pfarrer  von  Miinkheim*),  beini  hi.  Kreuz,  Hieronymus 
Hertl*),  Pfarrer  in  Neuenstein,   an  der  BarfliBei-kirche  wirkte. 

Sie  gaben  sich  wohl  der  HoflEhung  hin,  daC  die  nun  schon 
seit  Jahren  voii  den  empflndlichsten  Schlagen  heijngesuchte 
evangelische  Bevolkerung  der  Stadt  endlich  die  Fahigkeit  und 
den  Mut  zu  weiterem  Widerstande  verloren  hatte,  um  so  mehr, 
als  sie,  seit  dem  Verlust  der  Pradikanten  fiihrerlos  geworden, 


wabnte  Pradikant,.  der  am  1.  Marz  von  den  Angsburgern  ^etlicher  Ursach'' 
wegen  eritlassen  wurde,  ist  der  im  Okt.  1543  als  Heifer  aufgenommene 
Job.  Herold  (s.  uber  ihn  das  Archiv  fur  Ref.-Gescb.,  Bd.  I  S.  115),  der 
S.  330  erwahnte  „Wittenberger  Pradikant**,  der  durch  einc  Augsburger 
Ratsgefiandtscbaft  von  dem  Eurflirsten  von  Sachsen  erbeten  werdcn  sollte, 
ist  Thomas  Naogeorgius  (1.  c.  S.  170  mit  Anm.  3). 

1)  Am  14.  D.ez,  war  er  noch  nicht  in  Augsburg^  doch  wurde  uin 
diese  Zeit  sein  £intreffen  jeden  Tag  erwartet. 

2)  Aus  der  von  einem  der  vertriebenen  PrSdikanten  herriilirendeii 
Aufzeicbming  Uber  das  Interim  in  Augsburg,  die  sich  in  einem  Cod.  des 
Augsburger  Stadtarchivs,  „Schatze"  Nr.  10^  erhnlten  hat  und  auch  sonst 
ziemlich  haufig  (z.  B.  in  den  derMiinchencr  Hof-  und  Staatsbibl.  angeborenden 
Cod.  germ.  2037,  2038)  zu  finden  ist.  Das  von  Gasser,  Stetten  und 
anderen  fiber  das  Interim  in  Augsburg  Mitgeteilte  ist  groBtenteils  aus 
dieser  Quelle. 

3)  Thomas  Widmann  aus  Augsburg  war  BUrger  dieser  Stadt.  Er 
hatte  im  Jahre  1544  bereits  neun  Jahre  auswarts  gewohnt,  und  ersuchte 
am  25.  Jan.  1544  um  Verlangerung  der  Erlaubnis  hierzu.  Er  war  damals 
Pfarrer  in  Bermaringen  im  Ulmer  Land, 

4)  Hieronymus  Hertl  war  nach  Bossert  (Th.  St.)  S.  255  der  Sohn 
6ines  Augsburger  Zimmermanns. 


206         Roth,  Kaspar  Huberinus  und  das  iDterim  in  Augsburg. 

umherging,  wie  eine  „Herde  phne  Hirten".  Aber  gerade  diese 
letzte  Grewalttat,  die  Austreibung  der  Geistlichen,  die  einen 
Teil  der  Stadt  in  ein  groBes  „Trauerhaus"  verwandelt,  hatte 
die  Erbitterung  der  Leute  aufs  hochste  gesteigert  und  ihre  Ab- 
neigung  gegen  das  Interim  wom5glich  noch  vermehrt;  das 
muBte  gerade  Huberinus  sehr  bald  erkennen. 

Er  begann  seine  neue  Wirksamkeit  am  Weihnachtsabend 
1551  an  der  Stelle,  von  wo  aus  vor  mehr  als  dritthalb  Jahr- 
zehnten  sich  zuerst  die  neue  Lehre  in  der  Stadt  verbreitet 
h|itte,  und  von  den  alteren  der  Anwesenden,  die  zumeist  durch 
die  Neugierde  angelockt  waren,  mochte  mancher  mit  Wehmut 
der  damals  von  dem  mutigen  Karmeliterprior  Dr.  Johann  Frosch 
gehaltenen  Predigten  gedacht  haben.  Welche  Anderung  der 
Dinge! 

Langsam  und  vorsichtig  soUte  Schritt  fttr  Schiitt  vorwarts 
gegangen  werden,  „denn  gemach  gehet  man  auch  weit".  Am 
Sonntag,  den  24.  Januar,  berichtet  uns  ein  Chronist^),  ^haben 
die  neuen  Pradikanten  zu  morgens,  wie  die  Predigt  aus  ist 
gewest,  auf  der  Kanzel  angefangen  und  anzeigt,  wie  sie,  uns 
zu  gefallen,  den  Krisam  haben  angenommen,  damit  uns  das 
Wort  Gottes  nit  genommen  werd,  sondern  [sie]  uns  dasselbe 
noch  langer  und  lauter  predigen  konnten.  Und  haben  das  Volk 
um  Gottes  Willen  gebeten,  sie  sollen  sich  doch  nit  argern, 
denn  die  Seligkeit  liege  nicht  daran,  sondern  es  sei  nur  ein 
auCerlich  Zeichen;  so  wolle  es  auch  der  Kaiser  und  die  Obrig- 
keit  also  haben.  Und  man  hat  am  selben  Tag  nach  zwolf  Uhr 
angefangen  mit  dem  Krisam  und  Salz,  wie  dann  die  Pfaffen 
taufen,  auch  wie  sie  den  Teufel  beschworen,  und  wie  sie  das 
Kreuz  machen.  In  Summa:  Wie  es  die  Pfaffen  in  Latein 
machten  in  alien  ihrem  Wesen,  also  machten  sie  es  auf  deutsch." 
Das  „Abscheuchen",  das  dadurch  erregt  wurde  (s.  Bejl.  IV), 
suchten  die  Pradikanten  zu  uberwinden,  indem  sie  die  erwahnten 
Taufzeremonien,  „welche  schon  die  heiligen  Viiter,  Lehrer  und 
Bischofe  bald  nach  der  Apostel  Zeit"  angewendet  batten,  „ver- 
klarten  und  ihren  rechten  Branch  anzeigten",  und  Huberinus 
gab  sogar  ein  Buchlein  liber  die  Bedeutung  des  Krisma  in  den 


1)  Der  Verfasser  der  oben  S.  205  Anm.  2  erwahnten  Aufzeichnungen* 


Both,  Kaspar  Huberinus  und  das  Interim  in  Augsburg.         207 

Druck,  Mit  der  Neuordnung  des  Abendmahles  woUte  er  warten 
bis  nach  der  Fastnacht;  erst  am  27.  Marz  verkundigten  er  und 
seine  Amtsgenossen  auf  den  Kanzeln,  daC  „  fiber  acht  Tagen  zu 
St.  Anna,  fiber  vierzehn  in  der  BarffiCerkirche  das  Nachtmahl 
gespendet  werden  wfirde  ,,wie  von  den  vorigen  Pradikanten"; 
doch  soUte  sich  ,jeder  zuvor  anzeigen  in  der  Beicht,  die  Ab- 
solution empfangen"  und  sich  einem  ,,Examen",  was  er  von  dem 
Sakrament  halte,  unterziehen  ^).  Der  Hauptakt  selbst  sollte  von 
dem  Geistlichen  im  Ornat  gehalten  werden  unter  Orgelklang 
,,mit  den  lateinischen  alten,  guten  Gesangen  und  etlichen  deut- 
sChen  Psalmen". 

Wenn  Huberinus  meinte,  daU  durch  seine  beschwichtigen- 
den  Auslegungen  ,,viel  fromme  Herzen  ersattigt  worden"*),  so 
trifift  dies  vielleicht  bei  dem  einen  oder  dem  andern  seiner 
Preunde  zu,  die  er  noch  von  frfiher  her  in  der  Stadt  besaC; 
der  „gemeine  Mann"  aber  wollte  nichts  davon  wissen  und  machte 
daraus  auch  kein  Hehl.  Nur  mit  Hohn  und  Spott  sprach  man  von 
den  Interimisten  und  ihren  Qottesdiensten.  Insbesondere  von 
Huberinus,  und  mancher  konnte  sich  dessen  Verhalten  nicht 
andera  erklaren,  als  daC  er  alles  des  lieben  Geldes  wegen  tue. 
Wie  klaglich  erschien  er  solchen,  wenn  sie  ihn  mit  dem  ent- 
schlossenen  Masculus  verglichen,  der  sofort,  nachdem  der  Rat 
das  Interim  angenommen,  die  Stadt  verlieB^),  oder  mit  dessen 
Heifer  Johann  Karg*),  der  lieber  sein  Amt  aufgab,  als  daC  er 

1)  Ebenda. 

2)  Beilage  IV. 

3)  S.  die  am  28.  Juni  1548  von  Musculus  deshalb  an  den  Rat  ge- 
ricfatete  Erklarung  in  den  Augsburger  Ratsdekreten  ad.  a.  1548  Bi.  14&. 
—  Vgl.  Tro6,  des  Grafen  Wolrad  von  Waldeck  Tagebucli  wahrend  des 
Reichstages  zu  Angsburg  (Stuttg.  1861)  S.  195. 

4)  Johann  Karg,  ein  Augsburger  Stipendiat,  war  nach  Beschlufi  des 
Rates  am  22.  Jnli  1546  dem  Musculas  als  Heifer  beigegeben  worden. 
Ratsdekret  ad.  a.  1546,  Bl.  14»  —  Am  28.  Juli  1848  waren  die  Augs- 
burger Pradikanten  ersucht  worden,  den  Chorrock  anzunehmen.  „Auff 
Bolche  begern  und  furhalten  haben  sich  alle  predicanten  bewilligt  den 
Korrock  anzQtziehcn  ausserhalb  h.  Hanns  Karg,  hat  sich  dessen  verwiderf* ; 
es  wurde  ihm  deshalb  sofort  „eins  ersamen  rats  schutz,  schirm  und  dienst- 
gelt  auffgeeagt**.  Ebenda  Bl.  34»  Am  30.  Sept.  wurde  dann  beschlossen, 
ihm  sein  ,verfallen  quatembergelt  vollig  zu  geben**,  womit  er  „abgefertigt" 
sein  solle.    Ebenda  Bl.  73^. 


208         Itoth,  Kadpar  Huberinua  nnd  das  Interim  in  Augsburg. 

in  den  verhaBten  Chorrock  schlupfte,  oder  mit  den  vertriebenen 
Prftdikanten,  die  sich  zwar  unter  dem  auf  sie  geiibten  Druck 
dem  Interim  aufierlich  gefiigt,  aber  sich  auf  der  Eanzel  und 
sonst  freimutig  genng  uber  dasselbe  geanUert  batten. 

In  der  Nacht  vor  dem  4.  Febraar  wurde  an  die  Kirchen- 
tur.  von  St  Anna  ein  gegen  Hnberinus  gerichtetes  Pasquill  an- 
geheftet,  das  von  seinen  vielen  Gegnern  mit  lebhafter  Schaden- 
freude begruBt  und  verbreitet  wurde  und  *  groBe  Erregung 
hervorrief.    Es  hatte  folgenden  Wortlaut: 

Christus  wort  hat  er  bekandt  lauter  und  clar 

Anno  1529  nach  und  vor; 

Sein  buechle  vom  zorn  und  guethe  gottes^)  zeuget  das.  — 

Pfew  dich,  du  ellender  madensack!   was 

Aber  hebstu  jetzund  an  zu  reden? 

Redest  offenlich,  als  solten  wir  nach  .dem  bapstum  leben. 

Hast  allweg  darwider  geredt  nach  Chri&tu&  leer, 

Und  vons  gelts  wegen  kumbstu  wider  her! 

Bit  got,  daB  er  dirs  vergeben  woU. 

Ei  pfew  dich,  du  phariseischer  und  Lucifers  gesoll, 

Recht  reden  voni  tauf  und  nachtmal  [sich]  gehorn, 

Ja  nicht  von  mentschensatzung  und  pfaflfenraern. 

Nit  friB  wider,  das  gespihen  ist! 

Und  wer  wissen  will,  wer  diser  ist, 

Sein  namen  hiebei  neben  liB!^) 

Natiirlich  wurde  die  „aufruhrerische  Schrift"  sofort  weg- 
genommen,  und  die  „Statthalter"  lieBen  noch  am  gleichen  Tage 
in  einem  vom  Rate  genehmigten  ,,Berufe",  der  an  alien  Qffent- 
lichen  Platzen  angeschlagen  wurde*),  nach  dem  Verfasser  der 
Beime  forschen  und  die  Bevolkerung  vor  derartigem  Unfuge 
warnen,  waren  aber  nicht  imstande,  den  „gemeinen  Mann"  zu 
hindern,  daB  er  auch  weiterhin  bei  jeder  Gelegenheit  seinen 
Unwillen  gegen  Huberinus  und  dessen  Genossen  zu  er- 
kennen  gab. 


1)  S.  hierzu  Beck,  Die  Erbauungsliteratur  der  ev.  Kirche  Deatsch- 
lands,  Bd.  I,  Erlangen  1883,  S.  173. 

2)  Aus  Nr.  118   (Bl.  375a)    der    „Schatze"    des    Augsburger  Stadt- 

archiva. 

3)  Raisdekrete  ad.  a.  1552,  Bl.  13>. 


Ein  kryptocaivinistischer  Katechismus  fur  die 
Grafschaft  Ortenburg  aus  dem  Jahre  1598. 

Mitgeteilt  von  D.  Theodor  Eolde. 

Die  wertvolle  Ver5ifentlichung  von  J.  M.  Reu,  Quellen 
zur  Geschichte  des  Katechismusunterrichts  1.  Bd.  Suddeutsche 
Katechismen  (Giitersloh  1904),  liber  die  oben  (S.  191  f.)  aus- 
fiihrlich  berichtet  worden  ist,  erinnerte  mich  an  einen  dort 
fehlend^n  Katechismus  fur  die  Gemeinde  Ortenburg  in  Nieder- 
bayern  aus  dem  Jahre  1598,  den  ich  vor  einigen  Jahren  in 
einem  Sammelbande  erworben  habe.  Da  das  Schriftchen  v5llig 
unbekannt  zu  sein  scheint,  und  mein  Exemplar  vielleicht  das 
einzig  erhaltene  ist^),  wurde  schon  darum  ein  Wiederabdruck 
gerechtfertigt  sein,  eine  nahere  Beschaftigung  mit  seinem  In- 
halt  macht  dies  sogar  zur  Pflicht,  da  das  Schriftchen  auf  nichts 
Geringeres  ausgeht,  als  auf  dem  Wege  einer  Kinderlehre  in 
eine  lutherische  Gemeinde  den  Calvinismus  einzuschmuggeln. 

Als  Verfasser  nennt  sich  Adam  Hertzog,  Pfarrer  zu 
Ortenburg.  Aber  wer  war  das,  und  wie  ist  der  Mann  zu  seinem 
eigentiimlichen  Verfahren  gekommen? 

Die  einzige  Schrift,  die  uns  liber  die  damaligen  kirchlichen 
Verhaltnisse  der  kleinen  Grafschaft  Ortenburg  berichten  kann, 
die  dtirftige  Arbeit  von  C.  Mehrmann^),  kennt  zwar  Adam 
Hertzog  als  Pfarrer  von  Ortenburg,  weiC  aber  nichts  iiber  seine 
Herkunft  und  seine  dortige  Wirksamkeit.  Gliicklicherweise  gibt 
er  selbst  in  der  Vorrede  seines  Katechismus  das  Kurfiirstentum 


1)  Abgesehen  von  der  Pfarrbibliothek  in  Ortenburg  und  der  Er- 
langer  Universitatsbibliothek  habe  icb  bisber  vergebens  danach  forschen 
lassen  in  Miinchen,  Berlin,  Halle,  Zwickau,  Regensburg,  Neustadt  a.  Aisch, 
Schwabach,  Nfirnberg  (Germ.  Museum,  Stadtbibl.),  Leipzig  Stadtbibh 

2)  C.  Mehrmann,  Geschichte  der  evangeliscben  lutherischen  Gemeinde 
Ortenburg.    Landshut  1863.    S.  110. 

Beitrage  znr  bayer.  Eirchengeschichte  XI.  6.  15 


242    Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eatechismus  f.  Ortenburg  a,  d.  J.  1598. 

Sachsen  als  seine  Heimat  an,  und  weitere  Nachforschungen, 
die  sich  leider  nur  auf  zum  Teil  widerspruchsvolles  gedrncktes 
Material  erstrecken  konnten^),  gaben  wenigstens  einigen  Auf- 
schluB  fiber  liertzogs  Vorleben. 

Danach  stammte  Adam  Hertzog  aus  Leipzig,  scheint  aber 
seine  Studien  nicht  in  seiner  Vaterstadt  gemacht  zu  haben,  da 
sich  sein  Name  in  der  Leipziger  Matrikel  nicht  flndet.  Im 
Jahre  1677  wurde  er  Diakonus  in  der  Epliorie  Oschatz*),  als 
welcher  er  die  Konkordienformel  unterschrieb,  nnd  folgte  im 
Jahre  1682  einer  Berufung  als  Pfarrer  nach  Markkleeberg  bei 
Leipzig^).  In  der  Folge  zeigte  er  sich  als  entschiedenen  Partei- 
ganger  der  philippistischen  Richtung,  die  unter  dem  EinfluB 
des  Kanzlers  Nikolaus  Krell  *)  in  Kursachsen  wahrend  der  Re- 
gierung  des  Kurfursten  Christian  von  neuem  um  sich  griff. 
Wahrend  sehr  viele  Geistliche  in  der  Meinnng,  damit  ein  Palla- 
dium des  Lnthertums  aufzugeben,  in  die  Abschaffung  des 
Exorzismus  zu  willigen,  sich  weigerten  und  lieber  auf  ihr  Amt 
verzichteten,  andere,  nur  dem  Zwange  folgend,  nachgaben,  unter- 
schrieb  Adam  Hertzog  die  alien  kursachsischen  Theologen  vor- 
gelegten  darauf  bezuglichen  Fragen  am  22.  Juni  1591  mit  den 
Worten:  „Adamus  Hertzogk,  verbi  divini  minister  in  Klebergk, 
manu  et  corde  subscripsit^  ^).  Das  taten  zwar  andere  auch, 
aber  wilhrend  die  meisten  seiner  Gesinhungsgenossen  sich  vor- 


1)  Eine  Anfrage  beim  HauptBtaatsarchiv  in  Dresden  brachte  die 
Antwort  (vom  1.  Mai  1905),  daB  der  Name  des  Pfarrers  Adam  Hertzog 
in  den  Begistranden  nicht  vorkomme,  and  eine  per8()nliche  Durchforschnng 
der  umflinglichen  Akten  gegen  die  Eryptocalvinisten,  die  wahrscheinlich 
noch  einiges  historisch  WertvoUe  iiber  ihn  enthalten  werden,  war  mir  zur- 
zeit  nicht  moglich. 

2)  Ygl.  Kreyssig,  Album  der  eyangelisch-lutherischen  Geistlich- 
keit  im  KSnigreich  Sachsen.    2.  A.    Krimmitschau  1898,  S.  618. 

3)  Ebenda  S.  397. 

4)  Aus  der  reichen  Literatur  hebe  ioh  hervor  A»V.  Richard,  Der 
kurfurstlich-sachsische  Kanzler  Dr.  Nikolaus  Krell.  Ein  Beitrag  zur 
Sachsischen  Geschichte  des  16.  Jahrhunderts,  Dresden  1859.  Die  neueste 
Arbeit  von  B.  Bohnerstadt,  der  ProzeB  des  Kanzlers  Krell.  Halle 
(Diss.)  1905  ist  unvollendet  geblieben  und  bietet  nicbts  zur  Sache  dien- 
liches. 

5)  Mitteilung  des  Sachs.  Hauptstaatsarchivs  in  Dresden.  Zur  Sache 
vgl.  Richard  a.  a.  0.  I,  280f. 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eatechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.   243 

sichtig  zuriickhielten,   scheinen  er  und  ein  anderer  Geistlicher 

« 

aus  der  Leipziger  Inspektion,  Wittich  in  Hohenheyda  es  ftir 
Pflicht  gehalten  zu  haben,  offeii  ftir  weitere  Reformen  einzu- 
treten.  Liefi  Wittich  es  dabei  be  wen  den,  in  der  Predigt  fur 
calvinische  Auffassung  zu  werben,  so  ging  Hertzog  auch  praktisch 
vor.  Weuigstens  woUte  man  wissen,  er  habe  die  Bilder  aus 
seiner  Kirche  gerissen  und  das  „nackende  mit  einem  Schurz  um- 
gurtete  Bild  des  Gekreuzigten  unter  dem  Vorwande,  daB  es 
einem  Badeknecht  ahnlich  sehe,  mit  anderen  in  der  Kirche  be- 
flndlichen  Bildsaulen  zu  Brennholz  bearbeitet"^). 


1)  Die  einfache  Tatsache  berichtet  zuerst  Sleidani  continuatio 
T.  Ill,  Strafiburg  1625,  S.  1427.  Dann  weiter  ausgefuhrt  E.  H.  A 1  b  r  e  c  h  t , 
Sachsische  evaDgelisch-liitherischc  Kirchen-  und  Predigergeschichte  I.  Bd. 
II.  Forts,  ed.  J.  F.  Kohler,  Leipzig  1802,  S.  889: 

„Adam  Hertzog  aus  Leipzig,  war  1577  Diac,  in  Strebla,  wo  er  die 
Concordienformel  unterschrieb,  und  1582  Pfarrer  aHbier.  Er  und  Pastor 
Wittich  in  Hohenheyda  waren  die  einzigen  Landprediger  der  Leipz.  In- 
spection, die  nach  dem  Wunsche  des  Kanzlers  Nic.  Krell  fur  die  Aus- 
breitung  des  Kryptocalvinismus  in  Sachsen  sehr  geschaftig  waren.  Wittich 
liefi  es  bey  den  Vortragen  auf  der  Kanzel  bewenden.  Hertzog  ging  noch 
weiter.  Er  empfahl  nicht  nur  die  beabsichtigte  Reformation  in  offent- 
lichen  Predigten,  sondern  begann  auch  einen  fSrmlichen  Bildersturm :  Das 
nackende  and  mit  einem  Schurz  umgUrtete  Bild  des  Gekreuzigten  warf 
er,  unter  dem  Vorwande,  dalS  es  einem  Badeknecht  ahnlich  sehe,  aus  der 
Kirche  und  bearbeitete  es  mit  anderen  in  der  Kirche  vorhandenen  Bild- 
saulen zu  Brennholz.  Zur  Bestrafung  dieses  Mutwillens  flihrte  man  ihn 
nach  dem  Tode  des  Churfursten,  da  sich  die  Scene  in  Sachsen  anderte, 
im  Oct.  1591  auf  die  Pleisenburg  nach  Leipzig,  und  im  Nov.  1592  nach 
Dresden  gefanglich  ab.  Seine  Entlassung  erfolgte  erst  dann,  als  er  feierlich 
widerrufen  hatte.  Von  der  Zeit  an  lebte  er  in.  Leipzig  und  starb  da- 
selbst  d.  27.  Juni  1613."  Ohne  dafi  Hertzogs  Name  genannt  wUrde,  wird 
wohl  auf  sein  Vorgehen  angespielt  in  einer  der  vielen  damals  ausge- 
gangenen  Spottschriften  „dem  Gesprach  von  der  calvlnischen  Schule",  wo 
der  Bauer  Hans  spricht: 

Sie  dichten  und  trachten  mit  ganzem  FieiB, 
Dafi  sie  die  Altar  aus  der  Kirchen  reifion, 
Die  Crucifix  und  Taufsteindecken 
Wollen  sie  in  Ofen  stecken, 
Das  gottlos  calvinisch  Geschlecht 
HeiCt  das  Crucifix  ein  Baderknecht, 
Diirfen  auch  wohl  noch  Fisch  mit  sieden  u.  s.  w. 
Freundliche  Mitteilung  von  Herm  Dr.  Wustmann  in  Leipzig. 

16* 


244  Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katecbismus  f.  Ortenbnrg  a.  d.  J.  1598. 

Da  trat  mit  dem  Tode  des  Kurfttrsten  Christian  (25.  Sept 
1591)  die  Reaktion  ein.  Unmittelbar  nach  der  Verhaftung  des 
Leipziger  Geistlichen  Dr.  Christoph  Gundermann,  der  als  Fflhrer 
der  dortigen  Calvinisten  gait,  wurde  auch  Adam  Hertzog  ge- 
fangen  gesetzt^)  und  auf  die  PleiBenburg  nach  Leipzig  gebracht, 
von  dort  aber  spater  nach  Dresden  zur  Aburteilung  geschafft*). 
Ober  den  Verlanf  seines  Prozesses  ist  bis  jetzt  nichts  Naheres 
bekannt,  nur  wird  berichtet:  ,, Seine  Entlassung  erfolgte  erst 
dann,  als  er  feierlich  widerrufen  hatte"^).  Das  wird  richtig 
sein.  Aber  wenn  dieselbe  Quelle  weiter  erzahlt:  „Von  da  an 
lebte  er  in  Leipzig  und  starb  daselbst  den  27.  Juni  1613,"  so 
beruht  das  auf  einem  Irrtum,  denn  derselbe  Mann  fand  viel- 
mehr  unmittelbar  nach  seiner  Freilassung  eine  Wirksamkeit  in 
Siiddeutschland.  Unter  v5llig  unbekannten  Verhaltnissen  er- 
hielt  er  die  Pfarrei  zu  Ortenbnrg,  wo  der  edle  und  tatkraftige 
Reichsgraf  Joachim  (1530—1600)  schon  im  Jahre  1563  luthe- 
rischen  Qottesdienst  eingeftihrt  und  unter  den  schwersten 
Kampfen,  an  denen  das  ganze  evangelische  Deutschland  Anteil 
nahm,  aufrecht  erhalten  hatte*). 

Nach  Hertzogs  Angabe  in  der  Vorrede  zu  seinem  Kate- 
chismus  ware  er  „noch  bei  Lebzeiten  Kurfursten  Christiani  zu 


1)  Nach  SI  e  id  an  B  Continuatio  a.  a.  0.  und  diinach  bei  anderen 
ware  Hertzog  einen  Tag  nach  Gundermann  am  16.  des  Weinmonats  (Okt.) 
verhaftet  worden.  Nach  G.  Wustmann,  Geschicbte  der  heimlichen 
Calvinisten  in  Leipzig  in  Neujahrsblatter  der  Bibliothek  und  des  Archivs 
der  Stadt  Leipzig  I,  1905,  S.  49,  wo  leider  liber  Hertzog  nichts  zu  finden 
ist,  ware  Gundermann  erst  am  15.  Dez.  1591  auf  die  PleiBenburg  gebracht 
worden. 

2)  Nach  KQhler  ware  das  erst  im  Nov.  1592  geschehen,  was  aber  ein 
Irrtum  sein  wird,  da  er  schon  im  April  1592  als  in  Ortenbnrg  anwesend 
bezeugt  wird.    S.  11. 

3)  Albrecht-KOhler  s.  ob.  S.  243  Anm. 

4)  Vgl.  J.  F.  Huschberg,  Geschichte  des  Gesamthauses  Ortenbnrg, 
Sulzbach  1828.  KonradPreger,  Pankraz  von  Freyberg  auf  Hohenaschau 
(Schriften  des  Vereins  fiir  Reformationsgeschichte  Nr.  40),  Halle  1893. 
Jul.  Denk,  Die  EinfUbrung  des  Exercitium  Augustanae  Gonfessionis  in 
der  Grafschaft  Ortenburg  und  die  daraus  entstandene  Irrung,  Landshut 
1894.  S.  Riezler,  Geschichte  Bayerns  IV.Bd.(1899)  S.  525flF.  K.  Hart- 
mann,  Der  ProzeB  gegen  die  protestantischen  Landstande  in  Bayem 
unter  Herzog  Albrecht  V.,  Mtinchen  1904  (zu  diesem  Buche  zu  vgL  meine 
Auslassungen  ob.  S.  146  und  S.  198). 


Kolde,  £in  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.    245 

Sachsen  etc."  dorthin  berufen  worden.  Nach  dem,  was  soeben 
liber  seine  Vergangenheit  festgestellt  worden  ist,  ist  das  ent- 
weder  eine  wissentlich  falsche  Aussage,  oder  sie  kann,  obwohl 
in  dieser  Form  darauf  berechnet,  die  Leser  irre  zu  fiihren,  da- 
hin  gedeutet  werden,  daC  Graf  Joachim  ihn  schon  vor  dem 
Ausbruch  der  kryptocalvinistischen  Wirren  in  Leipzig  und  Um- 
gegend  berufen  nnd  ihn  ohne  Kunde  von  seinem  Eeligionsprozefi, 
nachdem  er  frei  geworden  war,  wirklich  als  Pfarrer  angenommen 
hat.  Sind  wir  recht  beriehtet,  so  ware  er  im  April  1592  in 
die  Grafschaft  gekommen^).  Wie  er  selbst  mitteilt,  wnrde  er 
bei  seiner  Bestallung  auf  das  Exerzitium  Angsburgischer  Kon- 
fession  verpflichtet,  aber  trotz  seines  Dresdener  Widerrufes 
blieb  er  nicht  nur  Kryptocalvinist,  sondern  suchte  anch  hier  in 
dem  ganz  latheiischen  Landchen  calvinistische  Lehren  einzu- 
fiihren.  DaB  sie  nicht  ganz  unbemerkt  blieben,  kSnnte  man 
vielleicht  daraus  schlieBen,  daB  er  fiirchtet,  die  juuge  Grafin 
Johanna  von  Ortenburg,  der  er  sein  Schriftchen  widmet,  mochte 
an  fremden  Orten,  wohin  sie  zn  reisen  gedachte,  ihrer  christ- 
lichen  Religion  halber  zu  Rede  gesetzt  werden.  Und  eben  um 
sie  in  den  Stand  zu  setzen,  zu  bezeugen,  „daB  keine  andere 
als  die  wahre  christliche  Religion,  wie  dieselb  in  den  Haupt- 
stacken  der  christlichen  Lehr  begriffen  in  dieser  loblichen  Reichs- 
grafschaft,  ihrem  Vaterlande,  gelehrt  werde,"  auch  damit  seine 
Pfarrkinder  „nicht  wieder  in  vorigen  Irrthum  und  Abgotterey 
geraten",  entschloB  er  sich,  seinen  Kinderkatechismus  zu 
schreiben.  Und  dieser  Katechismus  diirfte  in  mancher  Beziehung 
seinesgleichen  suchen.  Wir  haben  zwar  manches  krypto- 
calvinistische  Bekenntnis,  wir  wissen,  wie  man  damals  an  vielen 
Orten  besonders  durch  Eifern  gegen  lutherische  Gebrauche  dem 
Kirchentum  unter  der  Hand  ein  anderes  Geprage  aufzudrucken 
suchte,  es  ist  auch  bekannt,  daB  eine  von  den  Parteigangern 
Krells  herriihrende  Textausgabe  des  kleinen  Katechismus  Luthers 

1)  Mehrmann  schreibt  S.  110:  Von  ihm  ist  beriehtet,  dafi  er  vom 
27.  April  1592,  als  wie  lang  er  sich  in  Altortenburg  aufhielte,  bis  er  in 
den  Pfarrhof  ziebe,  26  Kandel  Wein  vom  Hofwirt  zu  beziehen  habe." 
Mehrmanns  Schrift  beruht  tibrigens  auger  auf  Huschbergs  Buch  (s. ob.) 
lediglich  auf  den  sehr  unklaren  Materialien  zur  Geschichte  Ortcnburgs, 
die  F.  Loschge,  ein  frUherer  Pfarrer  von  Ortenburg,  handschriftlich  im 
Germanischen  Museum  (Bibliothek)  in  Nurnberg  niedergelegt  hat. 


246    Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eatecfaismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

darch  die  beigefiigten  Schriftstellen  in  den  Verdacht  kam,  zu 
calvinisieren,  aber  meines  Wissens  kennt  man  bisher  keinen 
exponierten  Katecbismus,  an  dem  das  Verfahren  der  Krypto- 
calvinisten,  die  doch  nicht  blofi  in  der  Vorstellung  lutherischer 
Eiferer  existierten,  so  dentlich  beobachten  kann,  als  an  diesem 
kleinen  Ortenbnrger  Katecbismus.  Unter  der  Maske  des  Lnther- 
tums  nnd  unter  dem  Vorgeben,  seine  christliche  Unterweisung 
nur  aus  der  Ortenbnrger  Kirchenordnung  (die  leider  nicht  auf- 
zufinden  war)  zn  wiederholen,  gibt  der  Verfasser  eine  nicht 
nngeschickte  Zusammenstellung  von  Satzen  aus  Luthers  und  aus 
dem  Heidelberger  Katecbismus,  doch  so,  daB  bei  den  zwischen 
Lutheranern  und  Calvinisten  streitigen  Fragen  die  calvinische 
Auffassung  vorgetragen  wird. 

Das  konnte  unmoglich  verborgen  bleiben,  denn  die  nicht 
nur  philippistische,  sondern  direkt  calvinische  Abendmahlslehre 
war  zu  deutlich  ausgesprochen.  Auch  hatte  die  Abneigung 
gegen  die  Konkordienformel,  die  er  friiher,  wie  gesagt,  unter- 
zeichnet  hatte,  den  Verfasser  verfiihrt,  am  SchluC  noch  eine 
besondere  Bekampfung  der  Dbiquitatslehre  anzufugen.  Es  ist 
deshalb  kaum  anzunehmen,  daB  sein  Katecbismus  langer  als 
ganz  voriibergehend  zur  Einflihrung  kam.  Der  gut  lutherisch 
gesinnte  Ortenbnrger  Graf,  der  mit  den  Nurnberger  Theologen 
engste  Fiihlung  hatte  und  eben  damals  in  Niirnberg  lebte,  wird 
wahrscheinlich  das  Biichlein  bald  unterdriickt  und  Adam  Hertzog 
entfernt  haben.  Wir  haben  ein  von  Niirnberg  aus  an  seine 
Rate  gerichtetes  Schreiben  des  Grafen  mit  der  Mahnung,  sie 
sollten  neben  den  Sonntagsgottesdiensten  „auch  in  der  Woche 
eine  oder  mehr  christliche  Zusammenkiinfte  anstellen  und  gleich- 
falls  ein  Kapitel  aiis  der  Bibel  lassen  lesen  und  das  gemeine  Gebet 
verrichten,  bis  daB  wir  einen  Pfarrer  hinunterordnen, 
wie  wir  denn  allbereit  mit  der  St  ad  t  Nurnbergum  einen 
gelehrten  frommen  und  gottesftirchtigenMann  im  Werke 
sind".  Das  Schreiben  ist  datiert:  Niirnberg  den  letzten  Dezember 
1596  ^).  Aber  dieses  Datum  kann  nicht richtig  sein,  da  Adam  Hertzog, 
als  er  seinen  1595  geschriebenen  Katecbismus  im  Jahre  1598 
druckeu  lieB,  noch  im  Amte  war.    Ich  vermute,  daB  im  Original 

1)  Abgedfuckt  bei  Mehrmann  a.  a.  0.  S.  63if.  £s  ist  dcrLoschge- 
Materialiensammlung  entnommeD,  wo  gleichfalls  1596  als  Datum  zu  lesen  ist* 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismas  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.   247 

entweder  1598  oder  1599  gestanden  hat,  und  daS  es  sich  in 
dem  Briefe  um  die  Vakanz  handelt,  die  nach  dem  Weggang 
Oder  der  Vertreibung  Hertzogs  eintrat.  Sein  Nachfolger,  dessen 
Amtsantritt  aber  nicht  bekannt  ist,  Andreas  Anwandter,  wirkte 
in  Ortenburg  bis  1616.  Hertzog  wird  sich  nunmehr  in  seine 
Vaterstadt  zuriickgezogen  haben.  Dort  ist  er,  darin  hat  die 
Tradition  Recht,  im  Juni  1613  gestorben;  allerdings  ist  der 
27.  Juni  nicht  sein  Todestag,  sondern  nach  freundlicher  Mit- 
teilung  des  Herrn  Stadtarchivars  Dr.  Wustmann  in  Leipzig 
der  Tag  seines  Begrabnisses. 

Ich  lasse  nunmehr  den  Abdruck  des  Katechismus  folgen, 
der  68  bedruckte  Seiten  und  2  leere  Blatter  in  32®  umfaBt, 


mmifm^  in  tcin'^iU 

Otcftgton: 

^6x  tie  ^inUt  /  mnb 

•  Adamum^crtiog/^farrmiju 
Oxtitibntit 

I"     k^  nxn  euc^  W  Surest  fccfj  J?(Encii 
:     U^xm* 


©ctmcfr(m2f4^«f98. 


248   Kolde,  Ein  kiyptocalvinist.  EatecblBmus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

Der^)  Wolgebor- 
nen  GrSvin  Freulein 
J  o  h  a  D  n  a^),  des  elteren  Gescblecbts 
GrSvin  zu  Ortenbnrgk  etc.  mei- 
nem  gnSdigen  Freu- 
lein. 

Gottes  gnad  und  barmhertzigkeit,  dnrch  das  erkantnufi  Ohristi, 
und  was  zum  Leben  riiid  Gottseligkeit  dienet  zuvorn;  Wolgeborne 
Grevin,  gnadigs  Freulein,  dafi  ich  diese  Christliche  unterweysung 
aus  der  Ortenburgischen  Kirchenordnung  wiederholet,  und  auf  diese 
kurze  form  und  HaudbUchlein  endlich  zum  truck  befordert,  baben 
uicht  allein  £.  gn.  und  viel  gutherziger  personen  mebr,  an  micb 
zum  oftern  begeret:  sonder  hab  micb  dessen  auch  umb  vieler  ur- 
sachen  wegen  zu  tbun  schuldig  erkeunet. 

Denn  erstlicb  ist  Gottes  wille,  dafi  alle  Christen,  nrsach  und 
bekanntuufi  ibres  Glaubens,  denen,  so  es  begeren,  anzeigen  sollen: 
sonderlich  aber  will  es  aucb  deuen  Kircben  von  noten  sejn,  welchen 
von  wiederwertigen  Leuten  scbuld  gegeben  wird,  als  ob  sie  falsche 
Lehr  vnd  irrthumb  angenommen  hetten. 

Nachdem  dann  diese  unsere  Evangeliscbe  Kirche  der  Eeichs- 
Grafsphaft  Ortenburgk  bey  etlicben  aufs  hochst  bescbweret,  und 
durcb  falsche  Bericht  ahngegeben  worden,  hat  es  woUen  eine  noturft 
seyn,  die  summa  der  Hauptstiicke  Christlicher  Lehr  aufs  einfSltigst 
zu  wiederholen,  und  damit  zu  bezeugen,  dafi  unsere  wahre  Christliche 
Religion,  auf  keinen  anderen  grund,  als  auf  das  einige  seligmachende 
Wort  Gottes  gebauet  und  keine  neue  oder  Menschenlehr  eingefuhret 
sey.  Wie  dann  auch  mit  diesem  Handbiichlein  bezeuget  wird,  worauf 
die  Predigten  in  dieser  Evangelischen  Kirchen  flirnemblich  gerichtet, 
so  bin  ich  von  dem  Hoch  und  Wohlgebornen  Graven  vnd  Herrn, 
Herrn  Joachim  en ^  der  Eitern  Graven,  Graven  zu  Ortenburg  etc.  E. 
gn.  geliebten  Herrn  Vettern.  meinem  gnSnigen  (!)  Herren,  noch  bey 
lebzeiten  Churfursten  Christiani  zu  Sachsen^  etc.  hochloblichster 
gedSchtnufi  aus  irer  Churf.  gn.  Land  zu  Meissen^  als  meinem  Vatter- 
land  anhero  ordentlich  beruffen,  und  mir  in  meiner  ahnnehmung  diese 
.  austriickliche  bestallung  gegeben  worden,  dafi  ich  in  ihrer  gn.  Graf- 
Fchaft  das  exercitium  Augspurgischer  Confession  aus  reiner  Gottlicher 
Lehr,  wie  dieselb  in  den  Schriften  der  Propheten  und  Aposteln  ge- 
griiudet,  nach  anleitung  der  drey  Hauptsymbolen,  etc.  pflanzen,  und 
die  heylige  Sacrament  nach  des  Herrn  Christi  ordnung  bedienen 
solle.     Dber  dieses  hat  sich  auch  befunden,    dafi  noch  viel  Lent  im 

1)  Die  Scbreibweise  ist  nach  den  Stieveschen  Grundsatzen  leise 
modernisiert,  indem  die  Doppelkonsonanten  fortgebssen  sind  und  statt 
des  vokalischen  v  und  w  immer  u  eingesetzt  ist. 

2)  Tochter  Ulrichs  VL  von  Ortenburg  geb.  11.  Juli  1575,  f  2.  Okt. 
1626.  S.  Huschberg,  Gesch.  d.  herzogl.  u.  grafl.  Gesamthauses  Orten- 
burg,   Sulzbach  1828.    Tab.  IX. 


Kolde,  Ein  kryptocalyinist.  Eatechismiis  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.    249 

rechten  verstand  des  Gatechismi  wenig  unterrichtet  seyii;  und  durch 
allerley  irrigen  gedancken  ihnen  eine  besonder  Keligion  einbilden, 
oder  von  andern  eiubilden  lassen.  Denen  kan  nicht  bessor  gerathen 
werdeD;  dann  daft  ihneu  der  Catecbismus  aufs  einfeltigst  erklart;  und 
griindlicb  fiirgelegt  werde.  Wie  wol  nun  von  gelebrten  Leuten 
volkommenere  uud  ausfubrlichere  unterweisnng  fur  ibre  Kircben  an  tag 
gegeben  seynt,  so  ist  docb  dieser  anserer  Kircben  gelegenbeit  nocb 
fiir  gut  abngeseben  worden^  dafi  die  Kinderlebr  auf  diese  form, 
welcbe  unsem  Zub5rern  mehr  bekant  ist,  -  auf  difimabl  abm  nutz- 
licbsten  gescbeben  moge,  ebe  sie  zum  grossen  Catecbismo,  und 
reicberem  oder  weiterem  verstand  gefiibret  wUrden.  Endlicb,  so 
maun  aucb  bedenket,  wie  es  mit  diesem  gescbwacbten  Reicbsstand, 
und  bedrangten  Kircben  allbie  bescbaffen:  so  ist  von  nStben,  dafi  wir 
aucb  der  nacbkommenden  in  acbt  nemen,  darmit  sie  nit  wieder  in 
vorigen  irrtbumb  und  abgotterey  geratben,  auf  dafi  wir  in  en  ein  o£fentlicbes 
Zeugnufi  nacb  uns  lassen,  daraus  sie  erkennen  mogen,  dafi  diese 
Lebr,  so  man  in  dieser  uralten  Reicbsgrafscbaft  angenommen,  und 
darbey  so  viel  zugesetzet,  die  recbte  Cbristlicbe,  Catboliscbe,  Aposto- 
liscbe,  und  allein  seligmacbende  Lebre  sey,  dariiber  wir  unbillicber- 
weise  verbasset  vnd  bescbweret  werden,  Auf  dafi  aucb  sie,  die  nacb- 
kommenden im  selben  grund  der  Cbristlicben  Lebre^  der  warbeit  weiter 
nacbzuforscben,  und  darbey  zu  verbarren  gesterckt  werden:  Bin  derwegen 
guter  zuversicbt,  es  werden  fromme  und  friedliebende  Herzen  weniger 
nicbt  als  E.  gn.  und  andere  Gottselige,  und  fiirneme  personen,  die  micb  zu 
diesem  summariscben  Aufizug  und  HandbUcblein  beweget,  und  ver- 
mabnet  baben,  ibnen  dasjenige,  was  zur  erbauung  und  fortpflanzung 
Gottlicber  Warbeit  den  einfSltigen  und  unwissenden  zum  besten  ge- 
meinet,  nit  mififallen  lassen,  Weil  dann  Wolgeborne  Grevin,  E.  gn. 
sicb  vielleicbt  bald  auf  die  vorstebende  reifi  begeben  mScbten,  bab 
E.  gn.  icb  dieses  Handbucblein  zum  Cbristlicben  valet  mitgeben 
wollen,  ob  vielleicbt  dieselb  an  frembden  orten  ibrer  Cbristlicben 
Religion  balben  mocbten  zur  rede  gesetzt  werden,  dafi  sie  biemit 
bezeugen  konne,  dafi  keine  andre  als  die  ware  Cbristlicbe  Religion 
wie  dieselb  in  den  Hauptstucken  Cbristlicber  Lebr  begrieffen  in  dieser 
loblicben  Reicbsgraffschaft,  ibrem  Vatterland  gelebrt  werde.  Der 
barmberzige  Gott  wolle  umb  Cbristi  seines  lieben  Sobns  willen 
durcb  seine  genad  und  segen  uns  in  erkantnufi'  seiner  G<5ttlicber 
warbeit  erbalten,  wieder  den  Satban,  und  seiner  Kircben  feiude 
scbutzen,  und  dem  Graflicben  Hause  Orttenburgk  nacb  der  lang- 
wierigen  triibsal  wiederumb  freud  und  woblfabrt  verleiben.  Amen. 
Geben  am  tage  Petri  und  Pauli,  Anno  1595. 

E.  gn. 
undertbeniger 

Adamus  Hertzog 
Pfarrer. 


250  Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J,  3598. 

Christliche  Unterweysung  fiir  die  Kinder  und  einfftltigen. 

Welches  Glaubens  oder  Religion  bistu? 

Antwort:  Aus  Gottes  gnadeu  bia  ich  eiD  Christ,  und  bekenne 
mich  zu  dem  alien  Catholischen  Allgemeinen  christlichen  Glauben^ 
daranf   ich    in    den  Tod  Christi  getauft  bin^). 

Worauf  ist  dein  Religion  und  Glauben  begrtindetV 

Antwort:  AUein  auf  das  unfelbare  wort  Gottes,  durch  den 
Heiligen  Geist,  von  den  Propheten  und  Aposteln  in  der  heiligen 
Bibel  beschrieben,  und  von  Gott  selbst  mit  Gottlichen  wunderwerken 
bestettigt. 

Was  ist  dein  und  aller  Christen  einiger  trost  im 
Leben  und  sterben? 

Antwort:  Dafi  ich  mit  Leib  und  Seel,  beide  im  Leben  and 
sterben,  nicht  mein  sondem  meines  getreuen  Heylands  Jesu  Christi 
eigen  bin,  der  mit  seinem  theuren  Blut  fiir  alle  meine  sunden  voU- 
kommlich  bezahlt,  und  mich  aus  allem  gewalt  des  Teufels  erloset 
hat,  und  also  bewahrt,  dafi  ohne  den  willen  meines  Vatters  im 
Himmcl  kein  Haar  von  meiuem  Haupt  kann  fallen,  ja  auch  mir  alles 
zu  meiner  seligkeit  dienen  mufi,  darumb  er  mich  auch  durch  seinen 
Heiligen  Geist  des  ewigen  Leben s  versichert,  und  ihme  forthin  zu- 
leben  von  Herzen  willig  vnd  bereyt  macht^). 

Wieviel  seynd  Hauptstuck  der  Christlichen  Reli- 
gion, welche  einem  Christen  zu  wissen  von  nothen 
sein,  dafi  er  in  diesem  Trost  Christlich  leben  und 
seliglich  sterben  moge? 

Antwort:  Sechs.  Das  erste,  die  zehen  Gebotte  Gottes.  Das 
andere,  die  Artikel  des  Christlichen  Apostolischen  Glaubens.  Das 
dritte,  das  Gebet.  Das  vierte,  das  Ampt  der  SchlUssel.  Das  fiinfte, 
das  Sacrament  der  Heiligen  Tauff.  Das  sechst,  das  Sacrament  des 
Leibs  vnd  Bluts,  oder  Nachtmahls  des  Herren  Christi. 

Das  Erste  Hauptstuck^) 

von  den  Heiligen  Zehen  Gebotten  Gottes,  wie  dieselben  im 
2.  Buch  Mosi  ahm  20.  und  im  5.  Buch  Mosi  am  5.  Capit.  be- 
schriebeu  stehen,  und  darin  die  summa  des  Gesetzes  Gottes  be- 
grieffen  ist. 


1)  Hierzu  vgl.  den  Anfang  des  Zweibriickener  Katechismus  von  1588 
bei  Reu  I,  S.  216. 

2)  Wortlich  aus  dem  Heidelberger  Katechismus  vgl.  Reu  I^  242. 

3)  Vgl.  den  Heidelberger  Katechismus,  an  den  sich  Hertzog  im  ganzen 
Abschnitt  anschlieBt. 


Kolde,  £in  kryptocalvinist.  Katecbisniofi  f.  Ortenbnrg  a.  d.  J.  1598.  251 

Was  erfordert  das  Gesetz  Gottes  von  uns  in  einer 
snmma? 

Autwort:  Difi  lehret  uns  Christus  Matt,  am  22.  Da  solt 
lieben  Gott  deinen  Herren  von  ganzem  Herzen,  von  ganzer  Seelen, 
yon  ganzem  Gemut,  and  alien  kraften^  difi  ist  das  fUrnembste  und 
groste  Gebott :  Das  ander  aber  ist  dem  gleich,  da  suit  deinen  nabesten 
lieben  als  dich  selbest.  In  diesen  zwejen  Gebotten  bauget  das 
gauze  Gesetz  and  die  Propheten. 

Konnen  wir  dann  die  Zeben  Gebott  vollkommlich 
balten? 

Ant  wort :  Neiu.  Denn  das  ticbten  vnud  tracbten  des  Menscben 
Ilerzeus  ist  b5fi  von  seiner  j agent  an,  and  wir  seynd  von  natur 
geneigt  Gott  and  unsere  nabesten  za  bassen. 

Wober    kompt    dann    solcbe    verderbte     anart    des 

Menscben? 

Antwort:  Aas  dem  fall  and  angeborsam  anserer  ersten  Eltern 
Adam  vnnd  Even  im  Paradifi,  da  nnsere  natur  also  verderbt  ist, 
da$  wir  alle  in  sUndeu  empfangeu  and  geboren  werden. 

Weil  aber  uiemaud  die  Zeben  Gebott  balteu  kau, 
warum  lafit  uns  denn  Gott  dieselben  so  scbarff 
predigen? 

Antwort:  Erstlicb  darumb:  auf  dafi  wir  daraus  unsere  sUnd  er- 
kennen  und  so  viel  desto  begiriger  vergebung  der  sUuden  und  ge- 
recbtigkeit  in  Ohristo  suchen,  darnach,  dafi  wir  daraus  lernen,  was 
Gott  will  vou  uns  gethan  und  gelassen  baben,  uud  also  durcb  die 
gnad  des  H.  Geistes  je  lenger  je  mebr  zu  dem  Ebenbild  Gottes  er- 
neueret  werden,  bis  wir  das  ziel  der  vollkommenbeit  nacb  diesem 
Leben  erreichen. 

Konnen  wir  dann  mit  unseron  guten  Werken  die 
Seligkeit  verdienen? 

Antwort:  Mit  nichten:  dann  auch  imsere  besten  Werk  seind 
noch  in  diesem  Leben  unvollkommen,  und  mit  siinden  befieckt,  sender 
allein   Cbristus  hat  uns  die  seligkeit  verdient. 

So  dann  unsere  gute  Werk  nichts  verdiienen,  warumb 
verhoisset    dann  Gott,    dafi   er    sie    belohnen    willV 

Autwort:  Solche  belohnung  geschicbt  nit  aus  verdienst,  sondorn 
aus  genaden. 

Warumb  sollen  wir  aber  gute  Werke  tbunV 

Antwort:  Erstlicb  darumb^  dafi  wir  mit  uuserem  ganzon  Leben 
uns  gegen  Gott  unserm  Scbopfer,  Erlbser,  und  Seligmacber  daukbar, 


252  Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

und  als  die  Kinder  Gottes  gehorsam  erzeygen,  dafi  er  durch  uus 
gepriesen  werde:  darnach  dafi  wir  bey  iins  selbst  nnseres  Glaubens 
au8  seinen  friichten  gewifi  seynd  und  mit  unserem  Gottseligen  wandel 
unseren  nShesten  auch  Christo  gewinnen^). 

Welches  seynd  dann  gute  Werke? 

Antwort :  Allein  die  aus  wahrem  Glauben  nach  dem  Gesetz  und 
Gebotten  Gottes  ihm  zu  ehren,  und  dem  nSbesten  zu  uutz  gescbehen, 
and  nicbt  die  auf  nnser  gutdtincken^  oder  Menscbensatzung  ge- 
griindet  sein. 

Wie  werden  die  Zeben  Gebot  Gottes  getheilt?*). 

Antwort:  In  zwo  Tafeln:  deren  die  erste  in  vier  Gebotten  leret, 
wie  wir  uns  gegen  Gott  sollen  halten  :  die  ander  in  secbs  gebotten, 
was  wir  unserm  nSbesten  schuldig  seyn. 

Wie  lautet  das  erste  Gebot? 

Antwort:  Gott  redet  alle  diese  wort:  Ich  bin  der  Herr  dein 
Gott,  der  Ich  dicb  aus  Egyptenlandt  aus  dem  Diensthause  gefiibret 
habO;  du  solt  keine  andre  Gotter  ftir  mir  baben. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  uber  alle  ding  fiircbten,  lieben,  und 
vertranen,  darneben  alien  falschen  Gottesdienst,  Abgotterey,  Aber- 
glauben,  anruffung  der  Heiligen  oder  andre  Creaturen  flihen  und 
meiden.    • 

Welchs  ist  das  ander  Gebot? 

Antwort:  Du  solt  dir  kein  Bildnufi  nocb  irgend  ein  glecbnufi  (?) 
machen,  weder  defi,  das  oben  im  Himmel,  nocb  defi,  das  unten  auf 
Erden,  oder  defi,  das  im  Wasser  unter  der  Erden  ist.  Du  solt  sie 
nicht  anbetten,  noch  ihnen  dienen,  denn  Ich  bin  der  Herr  dein  Gott, 
ein  eyfferiger  Gott,  der  die  missethat  der  Vatter  heimsucht  an  den 
Kindern  bis  ins  dritte  und  vierte  glied  deren,  die  mich  hassen, 
und  thu  barmhertzigkeit  an  viel  tausenden,  die  mich  lieben  und 
meiue  gebott  halten. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  fiircbten  vud  lieben,  dafi  wir  ihn  in 
keiiien  weg  verbilden,  noch  auf  irgeiit  ein  andre  weise  dann  Er  in 
seinem  wort  befohlen  liat,  vorehren  sollen :  dann  Gott  will  seine 
Christen  nit  durch  stumme  Gotzen,  sondern  durch  die  lebendige  Predigt 
seines  Worts  unterwieseu  baben. 


1)  Dies   aus   dem  3.  Teil  des  Heldelb.  Kat.    Von   der  Dankbarkeit 
genommen.    Vgl.  Reu  S.  256. 

2)  Vgl.  Heidelb.  Kat.  bei  Reu  I,  256,  im  tibrigen  ist  es  interessant 
zu  beobachten,  wie  die  lutherische  Erklarung  hineingearbeitet  wird. 


Eolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.   253 

Welches  ist  das  dritte  Gebot? 

Antwort:  Du  solt  den  Namen  des  Herrn  deines  Gottes  nicht 
mifibrauclieD,  deim  der  Herr  wird  den  nit  ungestraflFet  lassen,  der 
seineu  Namen  mifibrauchet. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  fiirchten  und  lieben,  dafi  wir  bei 
seinem  Namen  nicht  fiuchen,  falschlich  schweren,  zaiiberen,  segnen, 
liegen  oder  triegen,  sondern  denselben'  in  alien  nothen  ahnruffen, 
beten,  loben  nnd  danken. 

Welches  ist  das  vierte  Gebot? 

Antwort:  Gedenk  des  Sabbathtages^  dafi  du  ihn  heiligest. 
Sechs  tage  soltu  arbeiten,  nnd  alle  deine  werk  beschicken,  aber  am 
siebenden  tage  ist  der  Sabat  des  Herrn  deines  Gottes,  da  soltu  kein 
werk  tun,  noch  dein  Sohn,  noch  deine  Tochter,  noch  dein  Knecht, 
noch  deine  Magd,  noch  dein  Vieh,  noch  der  frembdlinger,  der  in 
deinen  thoren  ist.  Denn  in  sechs  tagen  hat  der  Herr  Himmel  und 
Erden  gemacht,  und  das  Meer,  und  alles  was  darinnen  ist,  und 
ruhete  am  siebenden  Tag,  darumb  segnete  der  Herr  den  Sabathtag, 
und  heiligte  ihn. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  fiirchten  und  lieben,  dafi  wir  die 
Predigt,  sein  Wort,  nit  verachten,  sondern  dasselbig  heilig  halten, 
gem  hSren,  lernen,  und  unser  Leben  darnach  richten. 

Welches  ist  das  flinfte  Gebot? 

Antwort:  Du  solt  deinen  Vatter,  und  deine  Mutter  ehreu,  auf 
dafi  du  laug  lebest  im  Laud,  das  dir  der  Herr  dein  Gott  gibt. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  fiirchten  und  lieben,  dafi  wir  unsere 
Eltern  vnd  Herrn  nicht  verachten,  noch  erzurnen,  sondern  sie  in 
ehren  halt«n,  ihnen  dienen,  gehorchen,  sie  lieb  und  werth  haben. 

Welchs  ist  das  sechste  Gebot? 
Antwort:  Du  sollst  nicht  todten. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  s5llen  Gott  fiirchten  und  lieben^  dafi  wir  unserem 
nahesten  an  seinem  Leib  kein  schaden  noch  leyd  thun,  vil  weniger 
in  hassen,  neyden,  oder  mit  ihm  zurnen,  sender  ihn  lieben,  helfen, 
und  fordern  in  alien  Leibs  nothen, 

Welches  ist  das  siebend  Gebott? 
Antwort:  Du  solt  nit  Ehebrecheu. 


254   Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katecbismas  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

Was  ist  das? 

Antwort-:  Wir  sollen  Gott  fUrchten  und  liebeu,  dafi  wir  keuscb 
und  ziichtig  leben  in  gedanken,  worten  uud  werken,  und  ein  jeg- 
licher  sein  gemahl  liebe  und  ehre,  und  alle  unkeuscbe  lust  und 
anreizung  fliben  und  meiden. 

Welcbes  ist  das  acbte  Gebot? 
Antwort:  Du  solt  nit  stelen. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  flircbten  und  lieben,  dafi  wir  unsers 
nSbesten  gelt  oder  gutt  nit  nemen  nocb  mit  falscber  wabr,  wucber^ 
geiz,  list  odej  bSsen  Handel  an  uns  bringen,  sondern  ibm  sein  gutt 
und  nabrung  belffen  bessern  und  behuten. 

_  Welcbes  ist  das  neunte  Gebot? 

Antwort:  Du  solt  kein  falscb  zeugnufi  reden  wider  deinen 
nHbesten. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  furchten,  und  lieben,  dafi  wir  unseren 
nabesten  nit  fsLlscblicb  beliegen,  verratben,  afterreden,  Ifistern,  ver- 
dammen,  oder  bosen  leumund  macbeu,  sondern  sollen  in  entscbuldigen, 
gutes  von  ibm  reden  und  alles  zum  besten  kebren. 

Welcbes  ist  das  zehnte  Gebot? 

Antwort :  Lafi  dicb  nit  gelUsten  deines  nabesten  Haufi^  lafi  dicb 
nit  geliisten  deines  nabesten  Weibs,  nocb  seines  Knecbts,  nocb  seiner 
Magd,  nocb  seines  Ocbsens,  nocb  seines  Esels,  nocb  alles  was  dein 
nSbester  bat. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Wir  sollen  Gott  fiircbten  und  lieben,  dafi  wir  unserem 
nabesten  nit  mit  list  oder  begierde  nach  seinem  weibe,  Erbe  oder 
Hause  steben  nocb  mit  einem  scbcin  des  recbten  an  uns  bringen, 
etc.  Sondern  ibm  dasselbig  zu  bebalten  fdrderlich  und  dienstlicb 
seyn,  und  dafi  auch  die  geriugste  Lust  oder  gedanken  wieder  irgent 
ein  Gebott  Gottes  in  unser  Hertz  nimmer  mebr  kommen  sollen. 

Was    dreuet    Gott    den    ungehorsamen     und     uber- 
trettern  seiner  Gebott? 

Antwort:  Er  dreuet  seinen  zorn  und  ungnad,  den  zeitlicben 
Tod  uud  ewiges  verdammnufi,  wie  er  gesprocben  bat:  Verflucbt  sey 
jederman,  der  nit  bleibt  in  allendem,  das  gescbrieben  stebet  im  Bucb 
des  Gesetzes,  dafi  ers  tue. 


Kolde,  Ein  kryp local vinist.  Katechismns  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.   255 

Das  ander  Hauptstiick 
von     deD    Artikeln     des    Christlichen     und     Apostolischen 
Glaubens,  dariDnendie  sum  ma  defi  Euangelii  begrieffen  ist. 

Welches  ist  der  rechte  alte  uDgezweifelte  Christ- 
liche  Glaube? 

Autwort:  Es  ist  das  kurze  bekendtnufi^  welches  man  das 
Apostolische  Symbolum  oder  Artikel  des  Glaubens  nennt,  und  ist 
ein  kurze  snmma  des  Evangelii;  oder  alles  dessen^  was  wir  glaubeu 
sollen,  so  unsere  seligkeit  botrifft. 

Woraus  kann  aber  ein  einfSltiger  Christ  wissen, 
welche  Lehr  und  Religion  recht    oder  unrecht  sey. 

Antwort:  Aus  der  einigen  Kegel,  und  richtschnur  des  Christ- 
lichen  Glaubens  in  Gottes  Wort  gegriindet:  Was  nun  demselben  in  einem 
oder  mehr  artikeln  zuwieder  ist.  das  ist  unrecht,  wer  aber  einfaltig 
bey  den  artikeln  des  Glaubens  bleibt,  der  kan  nicht  irren  noch  ver- 
flihrt  werden. 

Viel  Lent  fuhren  das  wort,  Glauben,  im  Muude, 
ohn  verstand,  sage  mir  derwegen,  was  heist  dan 
Glauben,  oder  was  ist  der  seligmachende  Glaube? 

Antwort:  Der  Glaube  ist  ein  gewisse  zuversicht  des  Herzens 
auf  die  barmhertzigkeit  Gottes,  daft  .  er  uns  umb  Christi  willen 
gnadig  sey. 

Woher  kompt  aber  solcher  Glaube? 

Antwort:  Er  kompt  nit  her  aus  eygener  vernunft  noch  kraft, 
denn  wir  konnen  nicht  von  uns  selbst,  ahn  Christum  glauben,  oder 
zu  ihm  kommen,  sondern  der  Heil.  Geist  wirket  ihn  in  uns  durchs 
Evangelium,  und  fiihret  uns  also  zu  Christo,  dafi  wir  ihn  fiir  unsern 
einigen  Mittler,  vud  Seligmacher  erkennen,  und  mit  Gott  in  Christo 
vereiniget,  und  Gottes  Kinder  werden. 

Kann  man  dann  auf  keinen  anderen  weg  zu  Gott 
kommeu,  oder  Christum  ahnnehmen,  und  aller 
seiner  wolthaten  theilhaftig  werden,  vergebung 
der  sundeu,  gerechtigkeit  undseligkeitempfahen, 
denn  nur  allein  durch  den  Glauben  an  die  gnaden- 
verheissung  des   Evangelii? 

Aytwort:  Nein :  Dann  wie  nur  ein  einiger  Grund  und  Weg  zur 
Seligkeit  ist  nemblich  Christus,  der  mit  einem  opfer  und  genugthuung 
hat  in  ewigkeit  voUkommen  gemacht,  die  da  geheiliget  werden :  Also 
ist  auch  nur  eine  lehr  von  der  Seligkeit :  Nemblich,  das  Evangelium, 
das  Wort  des  Heils  von  Christo,  die  Kraft  Gottes  zur  Seligkeit, 
desseu  verheissungen  und  guter  nit  anders,  dann  allein  durch  den 
Glaubeu,  konnen  ergrieffen   werden. 


256    Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechigmus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1698. 

Wie  werden  die  Artikel  des  Christlichen  Glaabens 
abgetheilt? 

Antwort^):  In  drey  theil:  Der  erste  ist  von  Gott  dem  Vatter, 
und  unser  erschSpfung.  Der  ander  von  Oott  dem  Sohn^  und  unser 
Erlbsung.  Der  dritte  von  Gott  dem  Heiligen  Geist,  und  unser  Heiligung. 

Warumb  nennestu  dann  drey  Personen,  den  Vatter, 
den  Sohn,  und  heiligen  Geist,  und  nennst  doch 
im  Glauben  nur  einen  Gott? 

Antwort:  Darumb^  dafl  nur  ein  einiger  Gott  und  drey  under- 
scfaiedlicbe  Personen  seyn,  wie  dessen  ein  berzlicbes  Bilde  bey  der 
Tauf  Christi  gezeygt  wird.  Al  da  der  Vatter  vom  Himmel  ruffet, 
der  Son  im  Jordan  stehet;  tmd  d^r  H.  Geist  in  gestalt  einer  Taubeu 
Uber  dem  Herm   Christo  scbwebet. 

Wie  lautet  der  erste  Articul? 

Antwort:  Icb  glaub  in  Gott  Vatter  den  AllmSchtigen^  Scbopfer 
Himmels  und  der  Erden. 

Wie  verstehstu  das? 

Antwort:  Icb  glaub,  dafi  micb  Gott  geschaffen  bat,  samt  alien 
Creaturen,  mir  Leib  und  Seel,  Augen,  Obrn  uud  alle  Glieder, 
Vernunft  und  alle  Sinne  gegeben  hat,  und  noch  erhelt,  darzu  Kleider, 
und  Schuh,  Essen  und  Trinken,  Haufi  uud  HoflF,  Weib  und  Kind, 
Acker,  Vieb,  und  alle  Gutter,  mit  aller  notthurft  und  nabrqng  des 
Leibs  und  Lebens  reich  und  taglich  versorget,  wieder  alle  f^hrlich- 
keit  bescbirmet,  und  fur  allem  XJhel  behlitet  und  bewabret, 
und  das  alles  aus  lauter  Vatterlicber  gutte  und  barmhert^igkeit,  obn 
alle  mein  verdienst  und  wlirdigkeit.  Defi  alles  icb  ihm  zu  danken, 
und  zu  loben,  und  dafiir  zu  dienen,  und  gehorsam  zu  seyn,  scbuldig 
bin,  das  ist  gewifilich  wahr. 

Was  trostestu  dich  des  Articuls  von  der  SchSpfung? 

Antwort*):  Dafi  der  AUmachtige  Gott  durch  seine  gegenwertige 
kraft  und  Vatterlicbe  fursorge,  alles  erhelt,  und  regirt,  also  daft 
nicbts  obn  seinen  Willen  gescbehen  kan,  well  er  alles  in  seiner 
Hand  hat,  und  derwegen  urab  Christi  willen  mein  getreuer  Vatter  sey, 
dafi  mich  keine  Creatur  von  seiner  Liebe  scheiden  konne,  sonder 
mir  alles  zu  meiner  Seligkeit  wenden  wolle. 

Wie  laut  der  ander  Articul? 

Antwort:  Und  in  Jesum  Christum,  seinen  eingebornen  Sohn, 
unseren  Herren,  der  empfangen  ist  vom  H.  Geist,  geboren  aus  Maria 
der  Juugfrauen,  gelitten  unter  Pontio  Pilato,  gekreutziget,  gestorben 

1)  Dies  und  das  Folgende  wieder  ganz  naoh  dem  Heidelberger 
Katechismus  bei  Eeu  I,  245. 

2)  Vgl.  Heidelb.  Kat.  Reu  I,  246. 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist,  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.   257 

und  begraben,  niedergefabren  zur  Hellen,  abm  dritten  tag  wieder 
auferstanden  von  den  Todten,  aufgefahren  gen  Himmel,  sitzet  zu 
der  Recbten  Gottes  des  Allmacbtigen  Vatters,  von  dannen  er  kommen 
wird  zu  ricbten  die  Lebendigen  und  die  Todten. 

Wie  verstebstu  das? 

Ant  wort:  Icb  glaub,  dafi  Jesus  Cbristus,  wabrbaftiger  Gott  vom 
Vatter  in  ewigkeit  geboren,  und  aucb  wabrbaftiger  Menscb  von 
der  JuDgfrauen  Maria  geboren,  sey  mein  Herr,  der  micb  verlornen 
und  verdampten  Menscben  erloset  bat,  erworben,  gewonnen,  \ind 
von  alien  sunden,  vom  Tod,  und  von  der  Gewalt  des  Teufels, 
nicbt  mit  Gold  oder  Silber,  sondern  mit  seinem  beiligen  tbeuren  Blut  und 
mit  seinem  uuscbtildigen  Leyden  und  sterben,  auf  dafi  icb  sein  eigen  sey, 
und  in  fieinem  Reicbe  uuter  ibm  lebe,  und  ibm  diene,  in  ewiger  ge- 
recbtigkeit,  unscbuld  und  seligkeit,  gleicb  wie  er  ist  auferstanden 
vom  Tod,  lebet  und  regieret  in  ewigkeit,  das  ist  gewifilicb  wabr. 

Was  trostestu  dicb  des  Articuls  von  der  Erl5sung? 

Antwort:  Dafi  Jesus  Cbristus  wabrer  Gott  und  Mens^cb  in 
eiuer  unzertrennlicben  Person  mein  Seligmacber  und  Erloser  sey, 
welcber  micb  mit  dem  einigen  Opfer  seines  Leibes  vollkommlicb  er- 
loset bat,  und  dafi  icb  durcb  den  Glauben  an  ibn  ein  Glied  seines 
Leibs,  und  aller  seiner  Wobltbat  tbeilbaftig  bin,  also  dafi  icb  von 
ibm  nimmermebr  kann  nocb  sol  gescbeiden  seyn. 

Hette  dann  nicbt  eine  Creatur  fiir  uns  bezablen  k6n- 
nen,  damit  der  Sobn  Gottes  nit  bat  sterben  diirfen? 

Antwort:  Nein:  dann  es  war  keine  Creatur,  weder  im  Himmel 
nocb  auf  Erden,  die  solches  bette  verricbten  konnen,  sondern  es 
mufite  der  Mittler  und  Erloser,  so  zwiscben  Gott  und  Menscben 
tretten    solte  zugleicb  ein  wabrer  Gott,    und  gerecbter  Menscb  seyn. 

Warumb  mufite  er  ein  wabrer  und  gerecbter  Menscb 
seynr 

Antwort:  Darumb  dafi  er  konnte  leyden  und  sterben,  dann 
wenn  er  nur  allein  Gott  gewesen  were,  bett  er  nie  kbnnen  leyden, 
sterben  und  begraben  werden. 

Warumb  mufite  er  zugleicb  wabrer  Gott  seyn? 

Antwort:  Dafi  er  aus  kraft  seiner  Gottbeit  den  last  des  Zorns 
Gottes  an  seiner  Menscbbeit  tragen,  den  Tod  uberwinden,  aufersteben, 
uns  in  Himmel  fUbren  und  die  seligkeit  geben  mocbte,  welcbes  sonst 
kein  blosse  Creatur  bette  tbun  konnen. 

Wie  lautet  der  dritte  Articul? 
Antwort:    Icb   glaub   in  den  H.  Geist,    ein  beylige,  AUgemeine 
Cbristlicbe  Kircben,  die  Gemeynscbaft  der  Heyligen,  Vergebung  der 
siinden,  Auferstebung  des  Fleiscbes,   und  ein  ewiges  Leben.     Amen. 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengoschichte  XI.  1.  X7 


258    Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eateehismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

Wie  verstehstn  das? 

Antwort:  Ich  glaub  dafi  ich  nit  aus  eigener  verunft  noch  kraft 
^hn  Jesum  Christa  meinem  Herrn  glanben,  oder  zn  iin  kommen  kan, 
sondem  der  heilige  Geist  hat  mich  durchs  Evangelinm  beruffen^  mit 
seinen  gaben  erleuchtet,  im  rechten  Glauben  geheiliget  and  erhalten, 
gleicb  wie  er  die  ganze  Christenheit  auf  Erden  berufft,  samlet,  er- 
leuchtet  heiliget  und  bei  Jesn  Christo  erhelt  im  recbten  einigen 
Glauben,  in  welcher  Christenheit^  er  mir  und  alien  glaubigen,  taglich 
alle  sUnden  reichlicli  vergibt  und  am  Jiingsten  tage^  mich  und  alle 
Todten  auferwecken  wird  und  mir  sampt  alien  Glaubigen  in  Christo 
ein  ewiges  Leben  geben  wird,  das  ist  gewifilich  war. 

Was    trostestu    dich    des  Articuls    von    der  Hey- 
ligung. 

Antwort :  Dafi  der  Heilige .  Geist,  welcher  gleich  ewiger  Gott 
mit  dem  Vatter,  und  dem  Sohn  ist,  mir  yon  Christo,  als  meinem 
Haupt,  geschenkt  sey,  dafi  ich  im  durch  waren  Glauben  eingeleibet, 
und  also  Christum  durch  seinen  Geist  in  meinem  Herzeu  wohnend, 
und  mit  Gott  selbsten  gemeinschaft  babe,  welcher  als  der  rechte 
TrSster   und  Pfaud    meiner  seligkeit  ewiglich  bey  mir  bleiben  wird. 

Was     verstehestu      durch    die     Gemeinschaft     der 
Heiligen? 

Antwort:  Dafi  ich  und  alle  Glaubigen,  als  Glieder  an  dem 
Leib  des  Herren  Christ!,  miterben  und  mitgenossen  seyn,  aller  gutter 
und  wohlthaten  Christi. 

Haben  dann    alle  Menschen   solche  Gemeinschaft? 

Antwort:  Nein:  dann  die  Gottlosen  und  Unglaubigen,  weil  sie 
den  Geist  Christi  nit  haben,  konuen  sie  keinen  theil  oder  gemeyn- 
schaft  an  Christo  haben^  noch  Glidtmassen  seines  Leibes  seyn. 

Das  dritte  Hauptstuck  vom  Gebet. 
Was  heyfit  beten? 

Antwort:  Es  heisset  sein  Herz  in  wahrem  Glauben  zu  Gott 
im  Himmel  erheben  und  im  namen  Christi  alles,  was  uns  an  Leib 
und  Seel  vonnoten,  allein  bey  Gott  suchen  und  ihm  fur  seine  wol- 
that  danken. 

Wie     lautet     das    Gebet,     welches    uns     der    Herr 
Christus  selbst  gelehrt  hat? 

Antwort:  Uuser  Vater,  der  du  hist  im  Himmel. 

Was  ist  das? 

Antwort:  Gott  will  uns  darmit  locken,  dafi  wir  glauben  sollen, 
Er  sey  unser  rechter  Vatter,  und  wir  seine  rechte  Kinder,    auf  dafi 


Kolde,  £in  kryptocalyioist.  Katecbismus  f.  Ortenborg  a.  d.  J.  1598.    259 

wir  getrost  und  mit  aller  zuversicht  ibn  bitten  soUen,  wie  die  lieben 
Kinder  ihren  lieben  Vatter. 

Wie  lantet  die  erste  Bitt? 

Antwort:  Gebeiliget  werde  dein  Name. 

i 

Wie  verstehstn  das?  ! 

Antwort:  Gottes  Name  ist  zwar  an  ihm  selbst  heilig,  aber  wir 
bitten  in  diesem  Gebet,  dafi  er  bey  uns  auch  heylig  werde. 

Wie  geschieht  das? 

Antwort:  Wo  das  Wort  Gottes  lauter  und  rein  gelehrt  wird, 
und  wir  aucb  heilig  als  die  Kinder  Gottes  darnacL  leben,  das  helf 
uns  lieber  Vatter  im  Himmel.     Wer  aber  anders    lehret,    und    lebet,  i 

dann  das  Wort  Gottes  lehrt,    der   entbeiligt    uuter   uns    den  Namen  ' 

Gottes,  da  behUt  uns  fUr  Himmlischer  Vatter.  I 

'  I 

Wie  lautet  die  auder  Bitt?  | 

Antwort:  Dein  Reicb  komme.  j 

Wie  verstehstu  das? 

Antwort:  Gottes  Reich  koippt  wohl  ohn  unser  gebet^  von  ihm 
selbs,  aber  wir  bitten  in  diesem  gebet^  dafi  es  auch  zu  uns  komme. 

Wie  geschieht  das? 

Antwort:  Weun  der  Himmlische  Vatter  uns  seinen  H.  Geist  gibt, 
dafi  wir  seinem  heyligen  Wort,  durch  seine  gnad  glauben,  und 
Gottlich  leben,  hie  zeitlich  und  dort  ewiglich. 

Wie  laut  die  dritte  Bitt? 
Antwort:  Dein  Wille  geschehe  auf  Erden  wie  im  Himmel. 

Wie  verstehestu  das? 

Antwort:  Gottes  guter  gnSdiger  Will  geschieht  wohl  ohn  unser 
gebet,  aber  wir  bitten  in  diesem  gebet,  dafi  er  auch  bey  uns  geschehe. 

Wie  geschieht  das? 

Antwort:  Wenn  Gott  alien  bosen  raht  und  willen  bricht,  und 
hindert;  so  uns  den  namen  Gottes  nit  heyligen,  und  sein  Keich 
nicht  kommen  lassen  w^Uen,  als  da  ist  des  Teufels,  der  welt,  und 
unsers  Fleisches  willen,  sondern  starket  und  behelt  uns  fest  in 
seinem  Wort  und  Glauben,  bis  an  unser  ende,  das  ist  sein  guadiger 
guter  wille. 

Wie  lautet  die  vierte  Bitt? 
Antwort:  Unser  taglich  Brot  gib  nns  heut. 

Wie  verstehestu  das? 

Antwort:  Gott  gibt  das  taglich  Brot  auch  wol  ohn  unser  ge- 
bet  alien  b5sen  Menschen,  Aber  wir  bitten  in  diesem  gebet,  dafi  er 

17* 


260   Kolde,  Bin  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortcnbarg  a.  d.  J.  1598. 

* 
nns  erkeunen  lasse^    und    mit  dancksagung   empfahen    unser  tSglich 
Brot. 

Was  heifit  dann  taglich  Brot? 

Antwort:  AUes  was  zur  Leibes  nahrung  und  uotthurft  gehort, 
als  EsseU;  Trinken,  Kleider,  Schuh,  Haiifl,  Hoff,  Acker,  Vieb,  Gelt, 
Gutt  froram  Gemahl,  fromme  Kinder,  fromm  Gesiud,  from  me  und  treue 
Oberherren,  gutt  Regiment,  gutt  Wetter,  Fried,  gesundheit,  zucbt, 
ehre,  gute  freund,  getreue  Nachbarn  und  defigleicben. 

Wie  laut  die  funfte  Bitt? 

Antwort:  Und  vergib  uns  unser  scbuld,  als  aucb  wir  vergeben 
unsern  schuldigern. 

Wie  verstehestu  das? 

Antwort:  Wir  bitten  in  diesem  gebet,  daft  der  Vatter  im  Uimmel 
nit  ansehen  wolle  unsere  sUnde,  und  umb  der  selbigen  willen,  solche 
bitt  nit  versagen,  denn  wir  seyud  der  keines  werth,  das  wir  bitten, 
habens  auch  nicht  verdienet,  sondern  er  wolts  uns  alles  aus  gnadeu 
geben,  dann  wir  ttCglich  viel  stindigen  und  wol  eitel  straff  verdienen,  so 
wollen  wir  zwar  wiederumb  auch  herzlich  vergeben  und  gern  woltliun 
denen,  die  sich  an  uns  versiindigen. 

Wie  laut  die  sechste  Bitt? 
Antwort:  Und  fUhre  uns  nicht  in  versuchung. 

Wie  verstehestu  das? 

Antwort:  Gott  versucht  zwar  niemand,  aber  wir  bitten  in  diesem 
gebet,  dafi  uns  Gott  woU  behuten,  und  erhalten,  auf  dafi  uns  der 
Teufel,  die  Welt,  und  unser  Fleisch  nit  betriege,  und  verfuhre  in  ^ 
mifiglauben,  verzweiflung,  und  and  ere  grosse  schand  uud  laster,  und 
ob  wir  darmit  angefochten  wurden,  dafi  wir  doch  endlich  gewinnen 
und  den  sieg  behalten. 

Wie  laut  die  siebende  Bitt? 
Antwort:  Sondern  erl3se  uns  vom  bosen. 

Wie  verstehestu  das? 

Antwort:  Wir  bitten  in  diesem  gebet,  als  in  der  summa,  dafi 
uns  der  Vatter  im  Himmel  vom  bosen  feiud  dem  Teufel,  und  von 
allerley  iibel  Leibs  und  Seele,  guts  und  ehre  erlbsen:  und  zuletzt 
wen  unser  stiindlein  kompt,  ein  seligs  end  bescheren  und  mit  gnaden 
von  diesem  Jammerthal  zu  sich  in  den  Himmel  nemen   wolle. 

Wie  laut  der  beschlufi  des  Gebets? 

Antwort:  Dann  dein  ist  das  Reich,  und  die  Kraft  und  die 
Herri ichkeit  in  ewigkeit,  Amen. 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eatechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.    261 

Was  ist  das  gesagt? 

Autwort:  Seiches  alles  bitten  wir  darumb  von  dir,  dafi  du  als 
unser  K5nig,  und  aller  ding  mechtig,  uus  alles  gutes  geben  wilst 
und  kaust,  und  dafi  dadurch  niebt  wir,  sondern  dein  heiliger  Name 
ewig  soil  gepreiset  werden. 

Was  bedeutet  das  Wortlein,  Amen? 

Antwort:  Dafi  ich  soil  gewifi  seyn,  solch  bitte  seynd  dem  Vatter 
im  Himmel  angenem  und  erhort,  dann  er  selbst  hat  uns  gebotten^ 
also  zu  beten  und  verheissen,  dafi  er  uns  wolle  erhoren^  Amen  Amen, 
das  heifit  Ja,  Ja^  es  soil  also  gescheheu. 

Das  vierte  Hauptstiick  vom  Ampt  der  Schlussel. 

Was  ist  das  Ampt  der  Schlussel? 

Antwort:  Es  ist  die  Predigt,  oder  verkiindigung  des  heyligen 
Evangelii,  von  vergebung  der  sunden,  dadurch  das  Himmelreich  alien 
Glaubigen  und  bufifertigen  siindern,  allein  umb  des  verdiensts  Christi 
willeu;  aus  gnadeu  aufgeschlossen,  und  alien  unglaubigen  und  un- 
bufifertigen  zugeschlossen  wird. 

Wo  sjtehet  das  geschrieben? 

Antwort:  Joan,  am  20.  v.  22.  Jesus  bliese  seine  Jlinger  ahn, 
und  sprach  zu  ihnen:  Nemet  hin  den  H.  Geist,  welchen  ihr  die 
sunde  erlasset,  den  en  seynd  sie  erlassen,  und  welchen  ihr  sie  be- 
haltet^  den  en  seynd  sie  behalten.  Item  Matth.  am  16.  v.  9.  und  am 
18.  V.  18.  Ich  will  dir  des  Himmelreichs  Schlussel  geben,  alles 
was  du  auf  Erden  binden  wirst,  soil  auch  im  Himmel  gebunden  seyn, 
und  alles  was  du  auf  Erden  Ibsen  wirst,  soil  auch  im  Himmel 
lofi  seyn. 

Wie  kan  dann  ein  Mensch  die  sUude  vergeben,  weil 
solches  allein  Gottes  werk  ist? 

Antwort:  Solchs  kann  kein  Mensch  thun  aus  eygener  kraft  oder 
wirkung,  sonder  der  diener  Christi  verkiindiget  solche  verheissung 
des  Evaugclii  an  Christi  stadt,  welche  alien  denen,  so  der  verheissung 
Gottes  glauben  eine  vergebung  der  siinde,  und  Gottes  absolution  ist, 
welche  aber  nit  glauben,  deuen  ists  keine  absolution,  oder  vergebung, 
sondern  der  zorn  und  uugnad  Gottes  bleibet  uber  ihnen,  und  seyn 
schon  gerichtet,  denn  sie  glauben  nit  ahn  den  namen  des  eingeborneu 
Sohn   Gottes. 

Das  Fiinfte  Hauptstuck  vom  Sacrament  der  Heiligen  Taufe. 
Was  seynd  die  Sacrament? 

Antwort :  Es  seynd  sichtbare  warzeichen  und  siegel  von  Gott 
darzu  eingesetzt,  dafi  er  uns  durch  den  branch  derselbigen  die  ver- 
heissung   des  Evangelious   desto  besser    zu  verstehen  gebe  und  ver- 


262   Kolde,  Ein  kryptocalyinist.  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

siegle:  Nemblich^  dafi  er  uns  von  wegen  des  einigen  Opfers  Christi 
am  Oreaz  vollbraclit,  vergebung  der  sUnden,  und  ein  ewiges  Leben 
auB  gnaden  schenke. 

Was  gehSrt  zu  rechtem  branch  des  Sacraments. 

Antwort:  Der  wahre  Glaub,  welcher  in  herzlicher  Zuversicht, 
die  verheissung  von  der  ganzen  ErlQsung  nnd  Opfer  dnrch  Christum 
geschehen    ergreift^   nnd    ihm  dieselben  im  rechten  branch  zuejgnet. 

Wozn  dienen  die  Sacrament? 

Antwort:  Znr  sterkung  unseres  Glaubens^  zur  versicherung  der 
gnadenverheissung  Gottes  nnd  dafi  die  Christen  sich  dadurch  yon 
anderen  unglaubigen  absondern. 

Wie  viel  Sacrament  hat  Christus  im  Neuen  Testa- 
ment eingesetzet? 

Antwort:  Zwey:  den  H.  Tauf  nnd  das  H.  Nachtmahl. 

Was  ist  die  Tauf? 

Antwort:  Die  Tauf  ist  nit  schlecht  Wasser,  sondern  sie  ist  ein 
Wasser,  in  Gottes  Gebot  gefasset  und  mit  Gottes  verheissung  ver- 
bunden,  Nemblich^  dafi  das  Blut  Jesn  Christi  des  Sohns  Gottes  uns 
reiniget  von  alien  unsern  siinden,  und  dafi  er  uns  durch  den  H.  Geist 
erneuern  woUe  zum  ewigen  Leben. 

Was  heifit  dann  wiederumb  geboren  werden? 

Antwort:  Wiederumb  geboren  werden,  heifit  nicht  wiederumb  in 
Mutterleib  kommen,  und  also  leiblich  noch  einmahl  geboren  werden^ 
wie  Nicodemus  mejnete,  sondern  es  heifit  durch  das  Blut  Christi  in 
Kraft  des  H.  Geistes  von  unserer  stindlichen  geburt  erlediget,  neu- 
geboren,  und  zu  Kiudern  Gottes  angenommen  und  geheiliget  werden. 

Welches    ist    dann   solch  Wort  und  Gebott  Gottes 
von  der  einsatzung  der  H.  Tauf? 

Antwort :  *  Da  unser  Herr  Christus  spricht  Matth.  am  letzten : 
Mir  ist  gegeben  alle  gewalt  im  Himmel  und  anf  Erd|^n,  drumb 
gehet  hin  in  alle  Welt,  lehret  alle  VSlker,  un  taufet  sie  im  Nahmen 
des  Vaters^  und  des  Sohns,  und  des  H.  Geistes,  und  lehret  sie  balten 
was  Ich  euch  befohlen  hab. 

Was  gibt  oder  wirkt  Gott  durch  die  Tauf? 

Antwort:  Der  H.  Geist  wirket  dadurch  in  uns  die  versicherung, 
dafi  wir  also  gewifi  durch  das  Blut  Christi  innerlich  von  alien  unsern 
siinden  abgewaschen^  und  zu  Kindern  Gottes  wiedergeboren,  gleich 
wie  wir  mit  dem  Wassertauf  eusserlich  bespreuget  werden,  und  dafi 
wir  in  Christo  haben  vergebung  der  sUnden,  Erlosung  vom  Tod  und 
Teufel,  und  dafi  Gott  die  ewige  seligkeit  geben  wcJlle  alien,  die 
solches  glauben,  wie  die  wort  und  verheissung  Gottes  lauten. 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortenbarg  a.  d.  J.  1598.   263 

Welches  seyud  dann    solche  wort  und  verheissung 
Gottes? 

Antwort:  Da  nnser  Herr  Christus  spricht  Marci  am  letzten,  Wer 
da  glaubt  und  getauft  wird,  der  wird  selig,  wer  aber  nit  glaubt,  der 
wird  verdampt. 

Wie  kann  wasser  solche  grosse  ding  thun? 

Antwort:  Wasser  thuts  freylich  nit,  sondem  der  H.  Geist  durch  die 
verheissung  des  Worts  Gottes,  so  mit  und  bey  dem  Wasser  ist,  und 
der  Glaube,  so  solchem  Wort  Gottes  trauet,  dann  ohne  das  Wort 
der  verheissung  ist  das  Wasser  schlecht  wasser  und  keine  TaufO; 
aber  mit  der  verheissung  Gottes  ists  eine  Tanf  des  Lebens,  und  ein 
Bad  der  Wiedergeburt  im  H.  Geist,  wie  S.  Paulus  sagt  zu  Tito  am 
3.  Cap.:  Nach  seiner  barmhertzigkeit  hat  er  uns  selig  gemacht,  durch 
das  Bad  der  Wiedergeburt  und  erneuernng  des  H.  Geists,  welchen 
er  ausgegossen  hat  uber  uns  reichlich  durch  Jesum  Christum  unsern 
Heyland,  auf  dafi  wir  durch  desselbigeu  gnad  gerecht,  und  Erben 
seyu  des  ewigen  Lebens^  nach  der  Hoffnung^  das  ist  gewifilich  wahr. 

Was  bedeutet  dann  solche  Wassertauf? 

Antwort:  Es  bedeutet  dafi  der  alte  Adam  in  uns  durch  tSgliche 
reu  und  bufi,  durch  Kraft  des  H.  Geistes  im  Blut  und  Tod  Christi 
soil  ersenffet  werden^  und  sterben  mit  alien  siinden  und  bosen  lusteu^ 
und  wiederumb  taglich  herauskommen,  und  auferstehen  ein  neuer 
Mensch  durch  die  kraft  der  Auferstehung  Christi,  der  in  gerechtig- 
keit  und  reynigkeit  fUr  Gott  ewiglich  lebe. 

Wo  stehet  das  geschrieben? 

Antwort:  St.  Paulus  zun  Romem  am  6.  spricht:  Wir  seynd 
sampt  Christo  durch  die  Tauf  begraben  in  den  Tod,  dafi,  gleich 
wie  Christus  ist  von  den  Todten  auferweckt  durch  die  Herrligkeit 
des  Vatters,   also  soil  en  auch  wir    in    ein  em   neuen  Leben    wandlen. 

Das  Sechste  Hauptstiick  vom  Sacrament  des  wahren  Leibs  und 
Bluts,  Oder  I^achtmahls  des  Herren  Christi. 

Was  ist  des  Herren  Abendmahl? 

Antwort:  Es  ist  ein  Sacrament  oder  Gottlieb  pfand  des  wahren 
Leibs  und  Bluts  unsers  Herren  Jesu  Christi,  mit  Brot  und  Wein 
uns  Christen  in  wahrem  Glauben  zn  essen  und  zu  trinken  von  Christo 
selbst  zu  seinem  gedSchtnus  eingesetzt. 

Oder, 

Es  ist  nicht  schlecht  Brot  und  Wein  sondem  solch  Brot  und 
Wein,  welches  in  Gottes  Gebott  gefasset,  und  mit  Gottes  verheissung 
verbundeu,  dafi  wir  an  seinem  Fleisch  eine  speifi  und  trank  fur 
unsere  Seelen  haben,  und  durch  seinen  Geist  mit  ihme  vereiniget 
werden  soUen. 


264   Eolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eatechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

Welches  ist  dan  solch  Wort  und  Verheissung  Gottes? 

Antwort:  Da  unser.  Hen*  Christus  spricht:  Das  ist  meiu  Leib, 
der  fur  Euch  gegeben  wird:  Dieser  Kelcb  ist  das  Neue  Testament 
in  meinem  Blut,  das  fur  Eiich  und  fiir  viel  vergossen  wird  zur  ver- 
gebung  der  sunden,  darinneu  die  summa  aller  Evangeliscben  ver- 
beissnngen  gefasset  ist.  Nemblicb  dafi  Christus  sich  nns  selbst 
schenkt,  dafi  er  als  das  Haupt  in  uns^  und  wir  als  seine  Glieder 
in  im,  ein  Fleisch  und  Bein  von  seinem  Fleisch  und  also  allein  in 
seinem  Bint  und  Tod  Vergebung  der  stinden,  Gemeinschaft  mit 
Gott,  und  das  ewige  Leben  haben  sollen. 

Wo  stehet  das  geschrieben? 

Antwort:  So  schreiben  die  heiligen  Evangelisten  Matth.  am  26., 
Marc,  am  14.,  Luc.  am  22.  und  der  Apostel  Paulus  in  der  I.  an 
die  Cor.  am  11.  Capitel:  Unser  Herr  Jesus  Christus  in  der  nacht, 
da  er  verratou  ward,  nam  er  das  Brot,  danket  und  brachs,  und 
gabs  seinen  Jiiugern  und  sprach:  Nemet  bin  und  esset,  das  ist  mein 
Leib,  der  fiir  Euch  gegeben  wirt^  solches  tliut  zu  meinem  gedScht- 
nufi.  Desselbigen  gleichen  nam  er  auch  den  Kelch,  uach  dem  Abent- 
mahl,  dankt  und  gab  ihn  den,  und  sprach:  Nemet  bin,  und  trinkt 
alle  daraus,  dieser  Kelch  ist  das  neue  Testament  in  meinem  Blut, 
das  ftir  Euch  und  fUr  viel  vergossen  wird,  zur  vergebung  der  sUnden, 
solches  thut,  so  oft  ihr  es  trinket,  zu  meinem  gedachtnufi:  dann  so 
oft  ihr  von  diesem  Brot  esset,  und  von  diesem  Kelch  trinket,  solt 
ihr  den  Tod  des  Herrn  verkiindigen,    bis   dafi  er  kompt. 

Was  nutzt  dann  solch  Essen  und  Trincken? 

Antwort:  Das  bezeugen  uns  diese  Wort  der  verheissung,  das  ist 
mein  Leib  der  fUr  Euch  gegeben  wird,  das  ist  mein  Blut,  das  fiir 
Euch  vergossen  wird  zur  vergebung  der  sunden.  Nemblieh  dafi  uns 
durch  rechten  Branch  des  Sacraments  nicht  allein  vergebung  der 
siiuden,  leben  und  seligkeit  in  solcher  verheissung  gegeben,  sondern 
auch  Christus  selbst  als  unser  Haupt  mit  uns  vereiniget  wird.  Dann 
in  ihm  ist  die  vergebung  der  siinden,  und  leo  vergebung  der  sunden 
ist,  da  ist  auch  leben  und.  seligkeit. 

Wie     kann     leiblich     Essen     und    Trinken     solche 
grosse  Dinge  thun? 

Antwort:  Essen  und  Trinken  des  Brot  und  Weins  thuts  frey- 
lich  nicht,  sondern  der  heilige  Geist  durch  den  Glauben  an  die  Ver- 
heissung der  wort,  so  da  stehen,  fiir  mich  gegeben  und  vergossen 
zur  vergebung  der  sunden,  Welche  wort  seynd  ueben  dem  Leiblichen 
Essen  und  Trinken  des  Brots  und  Weins  des  Herren,  als  das  Haupt- 
stiick  im  Sacrament,  und  wer  denselbigen  wort  glaubt,  der  hat  was 
sie  sagen,  und  wie  sie  lauten,  nemblieh  vereinigung  mit  dem  Leib 
und  Blut  Christi,  vergebung  der  sunden,  leben  und  seligkeit. 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismiis  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.    265 

Wer  empfehet  dan  solch  Sacrament  wurdiglich? 

Antwort:  Fasten  und  leiblich  sich  zubereiten  ist  wohl  eine 
feine  eusserliche  zucht,  aber  der  ist  rechtwUrdig,  und  wolgeschickt, 
wer  den  glauben  hat  an  diese  wort  der  verheissung,  Fur  Euch  ge- 
geben  und  vergossen  zur  vergebung  der  sunden.  Wer  aber  dieser 
verheissung  nicht  glaubt  oder  zweifelt,  der  ist  unwurdig  und  unge- 
schickt,  denn  das  wort  (fiir  euch)  fordert  eitel  glaubige  und  bufi- 
fertige  herzen,  und  sterkt  unsern  glauben. 

Was  ist  flir  ein  unterscheid  zwischen  dem  Abend- 
mahl  des  Herren  und  der  Mefi? 

Antwort:  Das  Abentmahl  bezeuget,  dafi  wir  vollkommene  ver- 
gebung aller  unser  sunden  haben,  durch  das  einige  Opfer  Jesu  Christi, 
so  Er  selbst  einmal  am  Creuz  volbracht  hat,  und  daft  wir  durch 
den  heiligen  Geist  in  wahrem  Glauben,  Christo  werden  eingeleibt, 
der  mit  seinem  Leib  im  Himmel  zur  rechten  des  Vatters  ist,  und 
daselbst  will  angebetet  werden:  Die  Mefi  aber  leret,  daft  die  Leben- 
digen  und  die  Toten  nicht  durch  durch  das  leyden  Christi  vergebuog 
der  sunden  haben,  Es  sey  daun,  dafi  Christus  noch  taglich  fiir  sie 
in  der  Mefi  geopfert  werde,  und  dafi  Christus  leiblich  unter  der  ge- 
stalt  Brots  und  Weins  sey,  und  derhalben  darinnen  soil  ange- 
betet werden. 

Wird  daun  aus  Brot  und  Wein  der  wesentliche 
Leib  und  Blut  Christi? 

Antwort:  Nein:  Sondern  wie  das  wasser  im  Tanf  nicht  in  das 
Blut  Christi  verwandelt,  oder  die  abwaschung  der  sunden  selbst  wird, 
Also  wird  auch  das  Brot  im  Abentmahl  nit  der  Leib  Christi  selbs 
oder  darein  verwandelt. 

Warumb  nennet  daun  Christus  das  Brot  seinen 
Leib,  und  den  Kelch  sein  Blut,  oder  das  Neue 
Testament  in  seinem  Blut,  und  St.Paulus  die  gemein- 
s^haft  des  Leibs  und  Bluts  Christi? 

Antwort:  Er  will  uns  nicht  allein  damit  lehren,  dafi,  gleich  wie 
das  Brot  und  Wein  das  zeitliche  Leben  erhalten,  also  sey  auch 
sein  gecreuzigter  Leib  und  vergossen  Blut,  die  wahre  speifi  und 
trank  unserer  Seeleu  zura  ewigen  Leben,  sondern ,  vielmehr  dafi  er 
uns  dadurch  wil  versichern,  dafi  wir  so  wahrhaftig  seines  wahren 
Leibs  uiid  Bluts,  durch  die  wirkung  des  H.  Geists,  in  wahrem 
Glauben  teilhaftig  werden,  als  wir  dieses  heilige  Sacrament  mit  dem 
Munde  seiner  gedachtnufi- empfaheu,  und  dafi  alle  sein  leyden  und 
verdienst  so  gewifi  unser  eygen  sey,  als  hetten  wir  selbst  in  unser 
eigenen  Person  alles  gelitten  und  genug  gethan. 


266   Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Eatechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598. 

Was  heisset  den  gecrenzigten  Leib  Christ!  essen? 
und  sein  vergossen  Blut  trinken? 

Autwort:  Es  heifit  iiicht  einen  unsichtbaren  Leib  und  unsicht- 
bares  Blut  im  Brot  und  Wein  verborgen,  unempfindlicher  weise  in 
Mund  nemen^  und  hinein  schlucken :  dann  Ckristi  Leib  und  Blut 
gehen  nicht  zum  Mund  ein,  wie  auch  in  der  Tauf  keine  leibliche 
wiedergeburt  geschicht,  wie  Nicodemus  aus  blinder  vernunft  meynete, 
sondem  es  lieifit  den  gecrenzigten  Leib  Christi,  und  sein  vergossenes 
Blut  mit  dem  Mund  des  Herzens  ergreifen,  das  ist  mit  wahrem 
Glauben  ins  Herz  fassen,  dafi  wir  an  Christo  das  Leben  und  die 
rechte  speifi  und  erquickung  unserer  Seelen  baben  sollen. 

Wo  stehet  das  geschrieben,  dafi  den  Leib  Christi 
essen,  und  sein  Blut  trinken^  so  viel  heisse,  als 
ahn  Christum  glauben? 

Antwort:  In  den  worten  Christi,  Solches  thut  zu  meinem  gedachtnufi, 
welche  gedachtnufi  so  nichts  anders  ist  dann  eine  erfrischung,  und  ver- 
neuerung  des  Todes  Christi,  welchen  der  glaubige  Mensch  in  kraft  des 
H.  Geistes  ihm  in  sein  Herz  drucket,  und  zu  eigen  macht,  also  dafi  er 
nicht  alleine  wahre  gemeinschafft  mit  Christo  soiidern  Christum  selbst, 
durch  den  glauben,  in  seinem  Herzen  wohnend  hat,  und  lebendig 
empiindet,  wie  Christus  solch  essen  und  trinken  seines  Leibs  und 
Bluts  Jo.  am  6.  Cap.  erklaret. 

Wo  ist  aber  jetzo  Christus  mit  seinem  Leibe  oder 
seiner  Menschlichen  Natur? 

Antwort:  Solches  zeygen  uns  die  Articul  des  Christlichen 
Glaubens,  Aufgefahren  gen  Himmel^  von  dannen  Er  auch  kommen 
wird  zu  richten  die  Lebendigen  und  die  Toten.  Item  die  Engel 
am  Himmelfarttage  sagen  zu  den  Jungern :  Ihr  Menner  von  Galilea 
was  stehet  ihr  da,  und  sehet  hinauf,  gen  himmel,  dieser  Jesus,  wel- 
cher  von  euch  hinauf  genommen  ist  gen  Himmel,  wird  kommen,-  wie 
ihr  ihn  gesehen  habt  gen  Himmel  fahren.  Und  in  der  Einsatzung 
des  heiligen  Nachtmahls,  da  Christus  befohlen,  dafi  wir  dasselbige 
halten  sollen  zu  seinem  gedachtnufi,  setzet  der  Apostel  Paulus  darzu 
und  spricht:  So  oft  ihr  von  diesem  Brot  esset,  und  von  diesem 
Kelch  trinket,  sollt  ir  den  Tod  des  Herren  verkundigen,  bis  dafi 
er  kommet. 

Ist  dann  Christus  ganz  und  garnicht  mehr  bey  uns 
auf  Erden? 

Antwort:  Das  wer  uns  ein  kleiner  Trost,  wan  Christus  also 
von  uns  gewichen  wer,  dafi  er  ganz  und  gar  nie  mehr  bey  uns  wer: 
dann  er  ist  und  bleibet  bey  uns  bis  ans  Ende  der  Welt,  aber  sol- 
ches nicht  nach  seiner  McDschlichen  Natur,  sondern  nach  seiner 
Gottheit,  Maiestet,  Geist,  imd  gnad. 


Kolde,  Ein  kryptocalvinist.  Katechismus  f.  Ortenburg  a.  d.  J.  1598.   267 

Werden  aber  die  zwo  naturn  in  Christo  nicbt  ge- 
trennet,  so  der  Leib  Christ  im  Himmel  bleibet, 
und  seine  Gottliche  Natur  allenthalben  ist? 

Antwort:    Mit    nichten,    dan   die   Menschliche    Natur,    weil    sie 
endlich  und  begreiflich  ist,    hat    sie    ihr   gewifi  ort  und    raum,    und 
bedarf  nicht,    daft  sie  allenthalben  sey,    wo   die  Gottheit    ist.     Aber 
die    Gottheit,    weil    sie    unendlich    und    unbegreiflich  ist,    und    also 
Himmel  und  Erden  erfullet,    so  ist  sie  von  der  Menschlichen   natur, 
welche    droben    im  Himmel  ist,  keinswegs  getrennet,  sender  ist  und 
bleibet  in  und  mit  derselben  persQnlich  vereiniget.     Dann    so  Wenig 
die  Gottheit   von    dem  Leib    abgesondert    war,    als    der  Leib  in  der 
Erden  begraben  lag,  und  Christus   dennoch   nach  seiner  Gottheit  im 
Paradifi  war,    wie    er    zum  SchScher    saget:    Also    wenig    wird    die 
Menschheit  von  der  Gottheit  getrennet,  ob  der  Leib  gleich  jetzo  im 
Himmel,  die  Gottheit  aber  allenthalben  ist,  sonst  mUste  folgen,  dafi 
die  Menschheit  der  Gottheit  gleich  worden  wer,  dardurch  dann  Chri- 
stus nicht  mehr  wahrer  Gott_  und 
Mensch  seyn,  und  alle  articul 
des  Glaubens  zersto- 
ret  wurdeu. 

(Das  Folgende  fiir  sich  auf  der  letzten  Druckseite.) 

Augustinus. 

Es  mbchten  und  konten  wohl  ihr  viel   zur  erkanntnufi   der  Warheit 
kommen,    wo    sie    nicht  in  dem  wahn    stiinden,    dafi    sie   fiir  lengst 

albereit  darzu  kommen  weren. 

S  SR  D  ffi. 


Nachtrag. 

Nachtraglich  ist  mir  zweifelhaft  geworden,  ob  die  wenigen 
Daten,  die  uns  liber  den  Aufenthalt  des  Adam  Hertzog  in  Orten- 
burg erhalten  sind,  nicht  vielleicht  anders  gedeutet  werden 
konnen,  als  dies  oben  S.  246  geschehen  ist.  Da  es  jedenfalls 
auffallend  ist,  daC  die  Vorrede  des  Katechismus  schon  am  Tage 
Petri  und  Pauli  1595  datiert  ist,  der  Katechismus  selbst  aber 
auf  dem  Titelblatt  als  Druckjahr  1598  verzeichnet,  ware  es 
nicht  ganz  ausgeschlossen,  dafi,  obwohl  inhaltlich  nichts  dafiir 
spricht,  mein  Exemplar  nicht  die  Urausgabe  sondern  ein  spa- 
terer  Druck  ware.    In  diesem  Falle  konnte  dann  das  von  mir 


268        SchornbauiD,  Das  Testament  de8  Kanzlers  Georg  Vogler. 

beanstandete  Datum  in  dem  Briefe  des  Grafen  von  Ortenburg 
„Nurnberg,  den  letzten  Dezember  1595"  richtig  sein,  und  ware 
weiter  zu  folgern,  daC  Adam  Hertzog  seinen  Katechismus  schon 
1595  herausgegeben  hat  und  bald  darauf  entlassen  worden  ist, 
u^d  im  Jahre  1598  zu  uns  unbekannten  Zwecken  ein  Neudruck, 
der  vorliegende,  veranstaltet  wurde,  bei  dem,  obwohl  Hertzog 
langst  nicht  mehr  Pfarrer  von  Ortenburg  war,  die  Autorbezeich- 
nung  der  ersten  Ausgabe  „durch  Adamum  Hertzog  l^farrer  zu 
Ortenburgk"  einfach  stehen  blieb.  Doch  ist  das  alles  unsicher, 
aber  vielleicht  ist  es  noch  raoglich,  durch  weitere  biblio- 
graphische  und  archivalische  Forschungen  der  Sache  auf  den 
Grund  zu  kommen. 

Das  Testament  des  Kanzlers  Georg  Vogler. 

Von  Dr.  K.  Schombanin. 

Die  Bibliothek  des  kgl.  Progymnasiums  zu  Rothenburg  o.  T. 
verwahrt,  wie  schon  J.  D.  W.  von  Winterbach  in  seiner  Geschichte 
der  Stadt  Rothenburg  an  der  Tauber  (Rothenburg  1826.  I.  S.  223 f.) 
bemerkt  hatte,  eine  stattliche  Anzahl  von  wertvoUen  Bucherbestanden. 
Nicht  zum  mindesten  erweckt  das  Interesse  eine  Serie  von  59  in 
Leder  gleichformig  gebundenen  Quartbanden,  welche  ca.  500  Schriften 
aus  der  Re  formation  szeit  enthalten^).  Eine  genaue  bibliographische 
Beschreibung  wurde  unsere  Kenntnis  dieser  Literatur  gewifi  nicht 
unbetrachtlich  erweitern.  Fur  die  frankische  Kirchen geschichte  hat 
aber  diese  Sammlung  vor  allem  dadurch  Bedeutung,  weil  sie  auf 
niemand  anders  als  auf  den  markgraf lichen  Kanzler  G.  Vogler,  den 
eifrigen    Forderer    der    Reformation    in  Brandenburg^),    zurlickgeht. 

1)  Zuerst  hat  wieder  Dr.  Eolde  darauf  aafmerksam  gemacht  s.  B  e  i  - 
trage  III  S.  174,  A.  2. 

2)  S.  die  kleinen  Aniialen  Kilian  Leibs,  eines  Zeitgenossen : 
1526.  Georgius  Vogler,  Casimiri  marchionis  iHustris  scribahomo  versuto 
satis  ingenio,  ob  nescio  quod  qualeque  facinus  in  arce  Neuenmur,  quae 
tunc  erat  Viti  a  Lentersheim  aurati  militis,  in  custodiam  medio  Octobri 
traditus  ibique  detentus,  donee  Casimirus  iUustris  moreretur.  Tunc  enim  a 
Georgio  marchione,  Casimiri  fratre,  solutus  apud  ilium  potens  admodum, 
ne  dicam  omnipotens  factus  est.  Vulgata  certe  opinulo  erat,  omnia  illius 
apud  marchionem  tractari  tunc  gerique  consilio.  Cum  enim  Vogler  ipse 
Lutherano  felle  asset  infectissimus  et  propterea  his,  qui  Bomanae  ecclesiae 
obediebant,  infestissimus  hostis,  egit,  ut  marchio  suus  nihil  non  adversus 
divinum  cultum  a  majoribus  nostris  observatum  auderet  et  faceret,  ob 
quod  et  alia  quaedam  cum  sciret  se  exosum  illustribus  Friderico  ac  Joanni 
Alberto  marchionis  germanis  fratribus  se  Windsheim  transtulit  ibique 
mauet  hodie.  Sammelblatt  des  historischen  Vereins  Eichstatt.  II. 
1887.    Eichstatt  S.  59  f. 


Schornbaum,  Das  Testament  des  Kanzlers  Georg  Vogler.        269 

Die  Dedikationen  Osianders  (Bd.  9)  u.  V.  Dietrichs  (Bd.  9  u.  30)  be- 
weisen  das  zur  Geniige. 

Nach  seiner  Flucht  ans  Ansbach  (1533)  hatte  sich  G.  Vogler 
nach  Windsheim  gewandt^),  wo  er  auch  nach  dem  Tode  seiner  Frau 
Cleopha^)  eine  neue  Ebe  schlofi  mit  Helena  Bernbeckin^).  In  die 
Gescbicke  der  Stadt  besonders  ilire  Beziebungen  zu  den  Schmalkaldiscben 
Bundesverwandten  scheint  er  auch  hier  tatkrKftig  eingegriffen  zu 
haben*).  Wir  wissen  nicht,  was  ihm  hier  nun  den  Aufenthalt  un- 
moglich  machte.  1545  kniipfte  er  mit  Rothenburg  o.  T.,  das  kurz 
vorher  der  Reformation  sich  zugewandt  hatte  ^),  Unterhandlungen  an 
wegen  seiner  Niederlassung.  Er  wollte  gestutzt  auf  seinen  kais. 
Freibrief  der  Verpflichtung  enthoben  sein,  Burger  werden  zu  miisseu. 
Trotz  anfanglicheu  Straubens  ging  der  Rat  auf  seine  Vorschlage  ein, 
nachdem  er  sich  anheischig  gemacht  hatte,  ein  theologisches  Stipen- 
dium  zu  stiften  ®).  Noch  im  gleichen  Jahre  gab  er  dem  Rate  die 
notigen  Garantien  durch  Aufnahme  eines  diesbezUglichen  Artikels  in 
sein  Testament.  Zugleich  aber  stellte  er  die  Uberlassung  seiner 
Bibliothek  an  ihn  in  Aussicht'^).  Nachdem  er  in  einem  Kodizill 
diese  Bestimmung  von  neuem  bestatigt  hatte®),  ubergaben  Wilhelm 
Ferger  und  Hans  Weickersreuther^)  4  Jahre  nach  seinem  1550  er- 
folgten  Abscheiden  ^^)    seine   sSmtlichen   Biicherschatze    ausgenommen 


1)  Beitrage  X  S.  190  cf.  M.  M.  Mayer,  Spengleriana.  Niirnberg 
1830,  S.  154;  cf.  Ulmer  Stadtbibliothek  Manuskr.  Vogler.  f.  2092. 2090. 2042. 

2)  Trostgedicht  Melanchthons  nach  dem  Tode  seiner  Fran  Cleopha. 
Corpus  Reformatorum  10  (Halle  1842)  N.  201  Sp.  582.  1543. 

3)  Eine  Tochter  des  Burgermeisters  und  Stadtricbters  Michael  Bern- 
beck.  S.  Chr.  W.  Schlrmer,  Geschichte  Windsheims  und  seiner  Nach- 
barorte«  Ntlmberg  1848.  S.  62.  G.  Muck,  Geschichte  von  Kloster  Heils- 
bronn  von  der  Urzeit  bis  zur  Neuzeit.  I.  Nordlingen  1879,  S.  377.  Zur 
Familie  Bernbeck:  B.  Bachmann,  Kitzinger  Chronik  des  Friedrich 
Bernbeck  745.  1565—1899.  Kitzingen  S.  Vff.  [Das  Zeit-  und  Hand- 
btichlein  d.  H.  Beringer,  aus  dem  dieser  schopfte,  befindet  sich  im  Original 
im  Ntirnb.  Kreisarchiv.  A  A  acta  N.  868.  Unter  Nr.  874  tindet  sich  ein 
Eonzept  P.  Riickleins  betr.  historische  Notizen  liber  Kitzingen.] 

4)  Die  Akten  des  Windsheimer  Stadtarchivs,  welcbe  sich  jetzt  im 
Germ.  Museum  zu  Niirnberg  befinden,  gedenke  ich  baldigst  darauf  hin  zu 
nntersuchen. 

5)  Winterbach  II  (Rothenburg  1827)  S.47ff.    Beitrage  HI  S.  174. 

6)  Manuscr.  Vogleriana  f.  2059  Vorschlage  Voglers  an  den  Rat  zu 
Rothenburg  bez.  seines  Aufenthalts  daselbst  d,  d.  Mo.  n.  Judica  23.  3.  1545. 
f.  2062  Antwort  des  Rates,  f.  2060  neue  Vorschlage  Voglers,  nachdem 
er  seinen  Aufenthalt  in  R.  genommen  hatte.  In  den  Biirgevbuchern  im 
Stadtarchiv  zu  Rothenburg  findet  sich  sein  Name  nicht. 

7)  S.  Bellage  I. 

8)  S.  Beilage  II. 

9)  Richter  zu  Kloster  Heilsbronn  s.  G.  Muck  I  S.  468. 

10)  t  30.  4,  1550.  J  P.  Reinhard,  Beytrage  zu  der  Historic  des 
Frankenlandes.  II.  1761.  Bayreuth.  Titelkupfer.  K.  Schornbaum,  Die 
Stellung  des  Markgrafen  Kasimir  von  Brandenburg  zur  reformatorischen 
Bewegung.    Niirnberg  1900,  S.  152.  —  Bemerkt  sei,   dafi  der  Rektor  des 


270       Schornbaam,  Das  Testament  des  Eanzlers  Georg  Vogler. 

die  Cautional,  welche  sein  Schwager  Bernbeck  bekommen  hatte,  dem 
Rat^).  Dieser  Uberliefi  sie  zunachst  dem  Konsistorinm.  Nach  dessen 
AufhebuDg  (1804)^)   wanderten    sie    dann  wohl   in  das  Gymnasium. 

Beilagen. 
I.  Das  Testament  Georg  Voglers. 

1545. 

Nach  etlichen  einleitenden  Bemerkungen  allgemeiner  Art  erkl^rt 
er  zunachst;  dafi  er  alle  friiheren  Bestimmungen  hiemit  aufhebe. 
Dann  fahrt  er  fort:  „zum  andern  bekenne  ich  mich  zu  dem  rechteu 
alten  wareu  christlichen  glauben,  der  jetzt  durch  sonderliche  gnade 
Gottes  zu  Wittenberg  und  an  andern  dergleichen  christlichen  orten 
aus  heiliger  gottlicher  und  biblischer  schrift  rain  und  lauter  geleret 
wurdet  und  zu  derselben  religion^  wie  etliche  der  christlichen  chur- 
fursten  und  fursten  auch  vil  andere  st£lnde  des  heiligen  reichs  fur 
sich  und  ire  untertanen  ire  christliche  confefiion  uf  dem  reichstage 
zu  augspurg  anno  30.  ubergeben  und  dieselben  durch  ire  apologi 
auch  andere  folgende  christliche  handlung  bishero  beschirmet  und 
vertaidigt  haben  mit  herzlicher  bitte  und  trostlicher  hoffnung  zu  gott, 
das  ich  dabei  in  ewigkait  bestendig  sein  und  bleiben  moge  und  wolle 
zja  ewiger  seligkait  durch  den  herrn  christum  unsern  ainigen  ewigen 
und  vollkomnen  in  hochsten  gnaden  getreuen  und  angenemen  mittler^ 
fursprecher,  gnadenstul^  herrn,  maistern^  heylaud,  k5nig  und  briester 
in  ewigkait.     Amen." 

Zum  dritten  bestimmt  er,  dafi  nian  ihn  ohne  ^ainig  besondere 
toten  gepreuge"  begraben  solle.  Zur  Zeit  seines  Begrabnisses  oder 
innerhalb  30  Tage  darnach  soil  an  hausarme  Leute  und  fremde 
diirftige  SchUler  fiir  12  fl.  Brot  verteilt  oder  ihnen  Tuchrocke  ge- 
kauft  werden. 

Nachdem  er  zum  vierten  die  Bezahlung  etwaiger  Schulden  an- 
geordnet  hat,    gibt  er  weiter  (5.)  seinen  Willen  kund^  etliche  100  fl. 


Ansb.  Gymnasiums  J.  S.  Strebel  (ca.  1759)  eine  Biographic  Voglers  ins 
Auge  gefafit  hatte.  L.  Schiller,  Das  Carole- Alexandrinum  Programm. 
Ansbach  1880,  S.  19.  Die  von  ihm  erwahnten  Akten  habe  ich  in  meiner 
Arbeit  fiber  die  Politik  des  Markgrafen  Georg  1528-- 1532  eingehend  ver- 
wertet. 

1)  S.  Beilage  III. 

2)  W  i  n  t  e  r  b  a  c  h  2  S.  61. 15.  Die  Rothenburger  Konsistorialakten  be- 
finden  sich  jetzt  im  Kgl.  Kreisarchiv  Niimberg.  Wo  sind  die  Akten  der 
Konsistorien  der  kieineren  Bestandteile  der  jetzigen  bayerischen  Landes- 
kirche?  Die  der  Grafschaft  Pappenheim  sind  heute  noch  in  Pappenheim; 
die  der  Herrscbaft  Eastell  in  Kastell.  Ihre  Sammlung  und  Durcharbeitung 
ware  sehr  zu  empfehlen.  —  Die  bei  Winterbach  I  S.  227  erwahnte  Rats- 
bibliothek  ist  jetzt  auch  wieder  im  Ratbause  aufgestellt  und  damit  dem 
drohenden  Untergaug  entrissen. 


Schornbaum,  Das  Testament  des  Kanzlers  Georg  Vogler.        271 

zu  einem  Stipendium  fiir  eiuen  „jungen  geschickten  Gesellen"  zum 
Studium  der  Theologie  zu  verordnen.  400  fl.  bestimmt  er  dazu,  doch 
behalt  er  sich  alle  nUheren  Anordnungen  noch  vor. 

Seinem  Bruder  „nach  dem  Fleisch"  Georg  Vogler,  der  Zeit 
Pfarrer  zu  Stadelschwarzach  vermacht  er  5  fl. ;  an  seinem  Ubrigen 
VermSgen  hat  er  keinen  Anteil  (6). 

Sibylle,  die  hinterlassene  Tochter  seines  Bruders  zu  Grub  im 
Amt  Burgthann  erhalt  die  Zusicherung,  dafi  seine  Gemahlin  ihr  oder 
ihren  Kindern  jahrlich  30  fl.  reichen  wird  (7).    . 

600  fl.,  die  von  der  Markgrafschaft  Brandenburg  mit  30  fl.  vor- 
zinst  wurden  (Verschreibung  dd.  Ansbach  28.  2.  164:2),  sollen  seinem 
Bruder  Georg  Vogler  zu  Kulmbach  (20  fl.)  und  dessen  Tochter 
Appolonia  Huzelmannin  gehbren  (10  fl.).  Nach  dem  Tode  seines 
Bruders  sollte  alles  an  seine  Kinder  fallen;  letztere  aber  dabei  den 
Hauptanteil  bekommen;  gUnzlich  ausgeschlossen  wird  jedoch  dessen 
ungeratener  Sohn  Heinz  (8). 

Andere  600  bei  der  Markgrafschaft  stehende  Gulden  bestimmt 
er  der  Margarethe  Claufiin,  der  Tochter  seines  Schwagers  Hans 
Claufi^),  ilie  gebrechlicheu  Leibes  ist,  aus  seiner  ersten  Ehe  sowie 
seiuen  ubrigen  Kindern  (9).  Falls  diese  alle  ohne  eheliche  Leibes- 
erben  sterben  wurden,  werden  als  nlichste  Erben  die  Kinder  seines 
Bruders  in  Kulmbach  bezeichnet. 

Seine  Magd  Margarethe  Dornin  bedenkt  er  mit  10  fl.  fiir  den 
Fall,  dafi  sie  noch  zur  Zeit  seines  Todes  bei  ihm  ist  (10). 

Seiner  Frau  Helen e  gibt  er  fiir  ihr  Heiratsgut  von  1000  fl.  eine 
AnWeisung  auf  die  ihm  zustehende  Forderung  auf  das  Umgeld  des 
Amtes  Emskirchen  (22.  2.  1543). 

Alle  ihre  Kleider,  Schmuck  etc.  fallen  ihr  zu.  Ebenso  verspricht 
er  ihr  fiir  den  Fall  seines  kinderlosen  Todes  alle  Ketten  und  Ge- 
schmeide,  welche  seine  erste  Hausfrau  getragen  hat  (11.  12).  Doch 
werden  dadurch  nicht  beriihrt  fruhere  Anordnungen  liber  seine  eigene 
Kleinodien,  Harnische,  Wehr  etc. 

„zum  dreizehenden  so  ist  mein  letzter  will  und  mainung,  dass 
alle  meine  bticher  nach  willen  und  gutbedunken  meiner  testamen- 
tarier  an  ein  christlich  ort  zu  gemainem  christlicheu  nutz  bei  einander 
zu   pleiben  verordent  werden  sollen  uf  das  getreulichst  unsern  nach- 

1)  H.  Claus  war  1518—1532  Lf^ndschreiber  auf  dem  Gebirg;  dann 
Kanzleisekretar  in  Ansbach.  J.  Beyschlag,  sylloge  variorum  opus- 
culorum.  T.  I.  Hallae  Suevorum  1729,  S.  536 ff.  545.  Chr.  Meyer, 
Hohenzollerische Forschungen.  Mtinchen II.  1892  S.  174.  192.  K.H.Lang, 
Neuere  Geschichte  des  FUrstentums  Beireuth.  II.  Gottingen  1801,  S.  2. 63  f, 
78.  84.  Bemerkenswert  ist,  dafi  er  1527  auch  gefangen  genommen  wurde. 
Urfehde  desselben  dd.  Mittw.  n.  Inv.  (4.  3)  1528.  Kreisarchiv  Bamberg. 
Brandenb.  Urkunden  I,  S.  602  Nr.  154  a.  Sein  Vater  war  wohl  der  Kanzlei- 
verwalter  Chr.  Claufi,  der  noch  1518  als  Besitzer  eines  Hauses  in  Ansbach 
erwahnt  wird.  Seine  Tochter  Cleopha  war  Voglers  Gemahlin.  S.  Kreis- 
archiv Numberg,  Rep.  151,  Frauentrantsche  Pflege  Nr.  2  u.  4. 


272       Schornbaum,  Das  Testament  des  Eanzlers  Georg  Vogler. 

komenden  and  posteris  zu  behalten.  doch  soil  iind  mag  meyn  yetzige 
eliche  liebe  hausfrau  under  meinen  dreien  deutschen  biblien  aine, 
welche  sie  will,  darzu  alle  klaine  postillen,  bethe-  und  gesangbuchlein 
far  sich  behalteu  und  sicb  darinnen  christlicher  weise  ueben.  in  dem 
alien  ich  mir  ander  verordnung  die  zeit  zneins  lebens  vorbehalte  wie 
icli  dan  wol  one  ein  testament  thuen  und  verordnen  mag.^ 

Zur  Haupterbin  ernennt  er  seine  Gemahlin  Helena:  ^und  das 
zu  ainer  ergezung  irer  lieb  und  treu,  so  sie  mir  vielfeltigklichen 
erzaicht  auch  zu  erstattung  ires  herzlichen  laides  und  mitleidens, 
so  sie  in  meinen  widerwertigkeiten  getragen  und  erduldet  gehabt 
und  zum  tail  noch  heutigs  tags  tregt  und  erduldet.^  Falls  sie  nach 
seinem  Tode  kinderlos  stirbt,  so  hat  sie  den  Erben  seines  Bruders 
zu  Kulmbach  noch  400  fl.  zu  vermachen  und  dann  das  oben  er- 
wahnte  Stipendium  um  200  fl.  zu  vergrofiern.  Falls  sie  vor  ihm 
stirbt,  ist  naturlich  dieser  Punkt  ganz  hinfallig  (14). 

Wer  von  seinen  Erben  einen  Punkt  anfechtet,  dem  soil  sein 
Erbteil  entzogen  und  die  auf  ihn  fallende  Summe  ad  pias  causas  ^) 
verweudet  werden.  Zu  Testamentsvollstreckern  bestimmt  er  den 
markgraflichen  Bentmeister  Hi.  Hartung  und  Michael  uud  Floriau 
Bernbeck,  so  wie  Markgraf  Albrecht  Alcibiades.  Etwaige  Anderungen 
und  ZusUtze  behMlt  er  sich  vor. 

(Konzept  im  Rothenburger  Stadtarchiv,  Tom.  Nr.  1602  Testa- 
menta  betr.  (1474—1563)  f.  324ff.) 

II.  Kodizille  zu  obigem  Testament. 

1549. 

ex  codicillo. 

Furs  ander  als  im  funften  articl  meins  hieobon  angetzogeneu 
testaments  meldung  gescheen  ist  von  ainer  stiftung  aines  jerlichen 
stipend iums  zu  eins  jungen  geschickten  gesellens  oder  knabens  studium 
uf  ainer  christlichen  universitet  in  theologia  vermoge  solches 
fanften  articls  demnach  so  thue  ich  desselben  funften  articls  halben 


1)  Bei  dieser  Gelegenheit  sei  noch  auf  etliche  andere  Stiftungen 
Voglers  aafmerksam  gemacht.  Mart.  1524  stiftete  er  mit  seiner  Frau 
13  fl.,  damit  jahrlich  V*  ^'  gereicht  werden  kOnnte  zur  Bezahlung  des 
Mefiners,  der  jeden  Morgen  und  Abend  (vor  and  nach  dem  Lauten  des 
Engl.  Grufies  und  des  Ave  Maria)'  in  der  Pfarrkirohe  zu  Ansbach  solange 
die  Glocke  lauten  solle,  als  man  ein  andachtiges  Vater  Unser  sprechen 
konne.  Denn  kein  Mensch  konne  etwas  besseres  beten,  denn  solch  heil- 
sam  andacbtig  Gebet:  und  alien  Christenmenscben  gebtihre,  allezeit  hie 
im  Leben  den  allmachtigen  ewigen  Gott  ftir  einander  zu  bitten  and 
sonderlich  in  diesen  gefahrlichen  letzten  Zeiten  ftir  alle  Anliegen  der 
Christenheit,  daB  die  in  rechter  Erkenntnis  Gottes  stehen,  gemehrt  und 
erhalten  werde.  Dann  hatte  er  fur  die  Armen  in  Ansbach  gemeiusam 
mit  seiner  Frau  2  Schiisseln  gestiftet  (s.  Stadtarchiv  Ansbach.  Tom. 
Stiftungen  and  Legate  betr.  1486—1740  f.  88.  92flF.). 


Schombaum,  Das  Testament  des  Kanzlers  Georg  Vogler.       273 

dise  ercleruDg  und  will  and  schaffe:  wann  die  erbarn  vnd  vesten, 
fursichtigen  und  weisen  herrn  burgermaister  vnd  rate  zu  Rottenburg 
uf  der  Tauber  bei  vorgemelter  christlicher  lere  und  religion  be- 
stendigklich  bleiben  als  icli  zu  Got  hoffe,  das  inen  in  zwaien  jaren 
den  nechsten  nach  meinem  totlichen  abgang  von  meinen  verlafien 
hab  und  guetern  \rierhundert  gulden  haubtguets  zugestellt  werden 
soil  en,  davon  einem  geschickten  jungen  gesellen  oder  knaben  jerlicb 
zwaintzig  gulden  ad  studium  zuraichen  wie  sonst  angeregter  funfter 
articl  in  meinem  obbemelten  testament  mit  sich  bringet.  wo  sich 
aber  zutruge,  das  ein  er barer  rat  zu  Rottenburg  uff  der  Tauber 
von  der  rechten  rainen  christlichen  ler  gedrungen  wurde  (das  Gott 
genediglich  verhUten  woUe),  so  sollen  meine  veror3ente  testameutarier 
hierinnen  etlichermafi  von  neuem  benennt  oder  ire  nachgesetzte 
solch  vierhundert  gulden  haubtguts  sambt  jerlicher  abnutzung  mit 
rat  oder  wifien  meiner  lieben  frommen  ehelichen  haus&awen  helene 
Vogleriu,  well  ich  mich  alles  gueten  bei  ir  versihe,  an  ein  ander 
ort,  do  mergemelte  cbristliche  leer  vnd  religion  bleibt  angezeigter 
mafien  ordnen^  stiften  und  aufrichten  auch  jedesmals  an  dem  ort^  do 
die  stiftung  geschicht,  notturftig  reversbrief  mit  allem  notwendigen 
bedingungen  nemen^  bestimte  stiftung  zuhalten  und  allerdings  vol- 
komenlicb  zuvolziehen  bei  peen  der  widerlegung  bestimbter  vierhundert 
gulden  hauptsumme,  auch  alles  hinderstelligenlnteresses,  costen  vnd 
schaden  zu  der  stifter  handen^  sonst  wie  hernach  volget,  anzulegen. 
Ob  sie  aber  an  keinem  ort  diese  stiftung  des  stipendiums  ad  studium 
wie  oben  gesetzt  tun  mochten,  darah  sie  doch  kainen  moglichen  vleifi 
sparen,  so  sollen  sie  die  vierhundert  gulden  hauptguts  sonst  ad  pias 
causas  anlegen  uf  genugsame  versicherung,  das  jerlicb  die  abnutzung 
davon  frommen  christlichen  hausarmen  leuteu,  die  das  irig  nit  ver- 
spilt,  vertrnnken,  verwarlost  oder  sonst  unnutzlich  verthan  haben, 
ausgetailt  werde  oder  jerlicb  ein  jar  umb  das  ander  die  zwaintzig 
gulden  abnutzung  ainen  &omen  redlichen  handwerksgesellen  oder 
fromen  redlichen  maide  zu  iren  ehrlichen  verheiraten  ain  jar  umb 
das  ander  als  erstlich  einem  fromen  redlichen  gesellen  zu  einer  ehr- 
lichen redlichen  maide  und  das  ander  jar  dergleichen  maid  zu  einem 
redlichen  gesellen  auch  also  ain  jar  umb  das  ander  gegeben  werden, 
darinnen  ich  dann  der  testameutarier  vnd  annemer  solcher  stiftung 
gewissen  beladen  haben  wilP). 

den  dreitzehenden  articl  in  dem  angetzogeneu  meinem  testament 
begriffen  den  leuter  vnd  erclere  ich  also,  das  mein  hausfran  und 
testamentarii  meine  bucher  an  ein  christlich  ort  zu  gemainen  christ- 
lichen nutz  verordnen  uf  das  getreulichst  unsern  nachkommenden 
posteris    zubehalteu;    sonderlich    alle   tomos  D.  Martini    Lutheri, 


1)  Die  Stiftung  besteht  wohl   heutzntage   nocb.    S.  Winterbach 
I  S.  235. 

Beltr'ftgo  jBtir  bayer.  Kirchengesehichte  XI.  6.  Ig 


274         Lauter,  Der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Cadolzburg. 

docb  das  meiner  hausfrauen  die  bncher  in  solchem  articl  vernieldet 
uud  ir  insonderheit  legirt  und^  was  ich  ir  weiter  die  Zeit  meins 
lebeuB  zustellen  werde,  bleiben.  das  auch  meinem  schwager  Michel 
Berupeckcheu  dem  juDgeru  alle  meine  getruckte  und  geschriebeue 
partes  der  Music  vud  was  ich  ime  mer  fur  buecher  mit  aigner  handt 
yertzaichne,  zugestellt  werden  sollen  fur  sich  zu  haben  und  mein 
dabei  im  besten  zugedenken,  sovern  er  mich  uberlebt  und  bei  der 
musica  bleibt.  wo  aber  nit,  wolle  alle  solcbe  Cantional  auch  zu 
den  audern  meinen  buchern  gethan  werden  vnd  sonst  uiemand  volgen. 
Kopie  im  Kothenburger  Stadtarchiv.  Tom.  Testament  betr* 
Nr,  II  (1474—1663)  f.  290. 

III. 

Burgermeister  und  Rat  der  Stadt  Rothenburg  o.  T.  bestatigen 
am  10.  12.  1554  (Mo.  u.  Conv.  Mariae),  daft  Wilhelm  Frey  und 
Hans  Weickersreuter  als  Exekutoren  des  Testaments  G.  Voglers  ge- 
mSfi  dessen  Bestimmungen  vom  J.  1545  nebst  dessen  Erlanterungen 
vom  J.  1549  ihnen  400  fl.  Ubergeben  haben  „und  dartzu  die  bucher 
alles  nach  vermog  und  aus  weisung  zweier  sondern  gleichlautenden 
verzaichnussen,  dero  aine  sie  die  testamentarier  bei  handeu  behalteu 
und  uns  die  andern  uberantwortet  haben.  ^ 

Hans  Weickersreuter,  Richter  in  Kloster  Heilsbronn,  hat  am 
11.  9.  1557  den  Stadtschreiber  Joh.  Baumann,  einen  gleichlautenden 
Revers  seinem  Schwager  Barth.  Freyen^)  einzuhandigen. 

Rothenburger  Stadtarchiv.    Testamente  II  (1474—1563)  f.  286. 

Der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Cadolzburg. 

Von  Theodor  Lanter,  Pfarrer  in  Grofihabersdorf. 

Wer  war  es?  Wie  hieft  er?  Wie  ward  ers?  Diese  Fragen 
legen  sich  nahe,  wenn  man  die  verschiedenen  Angaben  dariiber  liest. 
Zwar  der  von  H.  Westermayer  (Brandenb.  NUrnb.  Kirchen  visitation  en  etc. 
1894,  S.  29)  genannte  Hans  Ollenstich  scheidet  von  vornherein  aus, 
da  er  nur  Verweser  war  und  eigentlich  Friihmesser  an  der  Schlofi- 
kapelle,  dem  die  Verwesung  von  Februar  bis  Herbst  1528  ubertragen 
war.  Hiob  Gast,  welchen  Pf.  G.  Bossert  in  den  WUrtemb.  Viertel- 
jahrsheften  VIII  S.  207  noch  im  Jahre  1528  von  Markgraf  Georg 
von  Brandenburg-Ansbach  nach  Cadolzburg  berufeu  sein  lafit  und 
zwar  als  Pfarrer,  hat  nach  dem  Aktenbaud  im  Kgl.  Konsistorium 
Ansbach  „Pfarr  Kadolzburg  1488  bis  1751"  die  Pfarrei  erst  am 
Freitag  nach  Ottilien  1535  ubertragen  erhalten  und  war  bis  dahin 
nicht  Pfarrer,  wohl  aber  Pfarrverweser  gewesen.    Wer  war  nun  Pfarrei^ 


1)  Ein  Frey  starb  1577  als  BUrgermeister  von  Rothenburg.  S.  Wi  nt  er- 
bach  I  S.  240 


Lauter,  Der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Cadolssburg.  275 

in  Cadolzburg  in  den  Jabren  1528  bis  1535;  sollte  es  sein  und  — 
war  es  docb  nicbt? 

Scbauen  wir  iins  die  kircblichen  Verbaltnisse  in  Cadolzburg  sbu 
jener  Zeit  etwas  an ! 

Folge  der  Einfdhrung  der  evangeliscben  Lelire  und  KultusUbung 
in  der  Markgrafschaft  Ansbach  war^  daft  der  bisberige  Pfarrer 
Mel<hbior  von  Sparneck,  Tbumbherr  und  Scbolastikus  in  Regensburg 
auf  sein  seit  ungef&br  1515  innegebabtes  Pfarrlehen  in  Cadolzburg 
frei  libere  verzicbtete  und  die  Pfarrei  (wabrscbeinlich  mit  cathedra 
Petri  1528)  verlassen  mufite. 

Am  Dienstag  nacb  crucis  exaltationis  (14.  September)  1528  wurde 
dem  H.  Eucbarius  von  FronbofPen,  Dechant  des  Stifts  Comburg  bei 
Scbwiibiseb-Hall,  die  Pfarr  Cadolzburg  verlieben,  nacbdem  sie  seit  des 
Pfarrers  Melcbior  von  Sparneck  Abzug  durch  den  Friibmesser^  dessen 
Name  nicbt  genannt  ist;  verwest  worden  war,  welcher  daftir  seine 
ganze  5  fl.  Entlohnung  zugesprochen  erbielt,  dagegen,  was  er  ein- 
genommen  batte  fiir  Jabrtage  und  an  anderen  Pfarrzngeborungen,  ab- 
zugeben  batte.  Da  der  pension ierte  Vorfahr  des  Pf.  Melcbior  von 
Sparnecky  sein  Vetter  Veit  von  Sparneck  (von  November  1485  bis 
um  1515)  noch  lebte,  wurde  zugleicb  dessen  Pension  neu  geregelt 
mit  jSbrlicben  70  fl.,  welche  von  Fronboffen  von  seinen  auf  222  fl. 
20  kr.  angesetzten  PfarreinkUnften  an  den  Emeritus  abzugeben  batte, 
so  dafi  ihm,  dem  neuen  Pfarrer  152  fl.  20  kr..  verblieben,  woven  er 
auch  den  Pfarrbof  im  ziemlichen,  d.  b.  geziemenden  baulichen  Weseu 
erhalten  sollte.  Dem  Herrn  Decbant  des  reicben  Kollegiatstifts 
Comburg  mag  die  Emeritusabgabe  (fast  ^j^  des  fassionsmafiigen  Ein- 
kommens)  nicbt  recbt  gepafit  baben,  wenigstens  pressierte  ibm  der 
Antritt  der  Stelle  gar  nicbt.  Vielmebr  scheint  er,  der  „rechte" 
Pfarrer,  d.  i.  deutscb  fur  ^pastor  verus",  einstweilen  einen  Vikarius 
bestellt  zu  baben;  vom  recbten  Pfarrer  oder  seinem  vicarius  Tst 
wenigstens  die  Rede,  die  von  dem  t)berschuffi  der  Einkunfte  sicb  und 
ihr  notdiirftig  Gesinde  (und  den  Pfarrbof)  „enthalten"  sollten.  Dieser  vica- 
rius^ dessen  Name  in  den  Jabren  1528 — 1584  nie  genannt  wird,  diirfte 
wobl  Hiob  Gast  gewesen  sein,  womit  Bosserts  Angabe,  dafi  er,  Gast, 
nocb  im  Jahre  1528  vom  Markgrafen  nacb  Cadolzburg  freilich  nicbt 
als  Pfarrer  berafen,  sondern  als  Pfarrverweser  angenommen  wurde, 
sicb  vereinigen  lafit.  Wie  der  Fruhmesser  oben  auf  der  Burg^)  und 
der  Pfarrverweser  unten  im  Markt  zueinander  standen,  lafit  der 
Konsistorialakt  nicbt  erkennen,  wSbrend  Bossert  aus  den  Akten  des 
Kreisarchivs  Niirnberg  konstatiert,  dafi  ersterer  nocb  Papist,  Gast 
dagegen  eifriger  Lutheraner  war. 

1)  Diese  diente  nicbt  bloB  zum  vortibergehenden  Aufenthalt  der 
Markgrafen,  sondern  war  lange  Zeit  ihre  eigentliche  Residenz  im  Unter- 
lande,  wie  die  Plassenbarg  bei  Knlmbacb  im  Oberlande.  Dort  wurden 
auch  Landtage,  so  1.  J.  1529  gehalten,  der  Besuch  Kaiser  Earl  V.  Diens- 
tag nacb  Yalentini  1541  empfangen. 

18* 


276         Lanter,  Der  erste  e^angelische  Pfarrer  in  Gadolzburg. 

Der  Amtmanu  von  Hefiberg  in  Cadolzburg  mufi  nach  seinem 
Bericht  d.  d.  Palmarnm  1528  (soil  unbedingt  .1529  heifien)  an  die 
Hofr&te  uud  Statthalter  in  Ouolzbach  von  der  Verleihung  des  Pfarr- 
lehen  an  Eacharius  von  Fronhoffen  nicht  besonders  entzUckt  gewesen 
seiu  —  er  war  nach  Bossert  noch  AnhSnger  der  alien  Ordnung  — 
denn  er  beklagt  sich,  dafi  der,  dem  mein  guSdiger  Herr  etc.  die  Pfarr 
zu  Gadolzbnrg  wiederum  verliehen  nnd  zu  dem  er,  Amtmann,  sich 
versehen  hat,  er  wttrde  selbs  oder  aber  an  seiner  Statt  einen  anderen 
Priester  uff  die  beilige  Zeit  hieher  dem  itzigeu  Pfarrverweser  zu 
Hilfe  geschickt  haben,  dies  nicht  getan  babe.  Des  Pfarrvolks^  das 
die  pfarrlichen  Rechte  geben  mufi,  sei  viel,  die  Arbeit  dem  itzigen 
Pfarrverweser  allein^  obwohl  er  fiir  seine  Person  genugsam  geschickt, 
zu  viel;  die  Hofrfite  sollen  mit  dem,  so  die  Pfarr  verliehen  ist,  ver- 
fUgen,  dafi  er  jemand  dem  Pfarrverweser  zu  Hilfe  schicke.  Hieraus 
erhellt,  da  nach  Bossert  (a.  a.  0.  S.  208)  der  Friihmesser  noch  da 
war,  das  Verhiiltnis  der  beiden  Geistlichen  zu  einander  und  ihr  Am- 
tieren  von  selbst. 

Anfang  des  Jahres  1530  schrieb  von  Fronhoffen  an  den  Mark- 
grafen,  er  habe  dessen  Schreiben  (d.  d.?)  erst  am  Ohristabend  erhalten, 
habe  auf  vergangene  cath.  Petri  die  Pfarr  Cadolzburg  beziehen  sollen, 
sich  selbst  in  eigener  Person  nach  Gadolzburg  begeben,  dort  aber, 
wo  gerade  Landtag  gehalten  wurde,  keinen  Bescheid  erhalten,  des- 
halb  die  Sache  seinerseits  beruhen  lassen,  seitdem  kein  Votum  er- 
halten. Er  erwartet  Bescheid;  „zur  Zeit  ist  Cadolzburg  im  besteu 
mit  dem  Pfarrverweser  versehen".  Er  selbst  stehe  dem  Stift  Comburg 
vor  und  wolle  dies  nicht  unversorgt  lassen.     (Kons.  Akt  fol.  49.) 

Dafi  die  Sache  den  Herren  auf  beiden  Seiten  nicht  besonders 
auflag,  geht  daraus  hervor,  dafi  der  Markgraf  erst  am  Sonntag  nach 
BartholomSi  (27.  August)  1531  den  Dechant  auffordern  liefi,  sein 
Jurament  zu  tun  und  die  Pfarre  zu  beziehen;  am  Freitag  nach 
MariM  Conceptionis  1533  (12.  Dezember)  ging  ein  Monitorium  an 
von  Fronhoffen  ab,  an  Petri  cathedra  (22.  Februar  1584)  anzutreten: 
er  wolle  die  Pfarr  nicht  weiter  durch  einen  Pfarrverweser  verwalten 
lassen,  sondern  werde  wegen  Cadolzburg  anderweitig  verfugen. 

Da  nunmehr  entscheidende  Erklarung  abgegebeii,  der  entscheidende 
Schritt  getan  werden  mufite,  der  Herr  Dechant  aber  sichtlich  keine 
rechte  Lust  hatte,  sein  schSnes  Stift  und  Amt  an  diesem  Stifte  gegen 
die  in  ihren  Einktinften  stark  beschnittene  Pfarrei  Cadolzburg  zu  ver- 
tauschen,  mufite  sich  Johann  Brentz  in  Schwabisch-Hall  als  Herr 
Nachbar  ins  Mittel  legen  und  tat  das  in  zwei  Briefen,  einem  an  den 
Markgrafen  und  einem  an  den  Kanzler  Heller  (Holler  geschrieben), 
damals  jedenfalls  auf  der  Plasseuburg,  in  welchen  er  an  Stelle  des 
Dechants  von  Fronhoffen,  der  aus  triftigen  Griindeu  nicht  von  seinem 
Stift  weggehen  konne,  den  Verweser  Gast  fiir  die  Pfarrei  Cadolzburg 
empfahl.    Da  die  Briefe  als  Anlageu  zum  Abdruck  kommen^  ist  hier 


Lauter,  Der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Cadolzbarg.         277 

nicht  weiter  auf  sie  einzugehen.  Pem  Pfarrverweser  Hiob  Gast 
wnrde  denn  auch  wirklich  die  Pfarrei  Cadolzbtirg  iibertragen  am 
Freitag  nach  OttilieD  1535,  also  am  17.  Dezember.  (Brentz  Briefe 
Bind  vom  12.  und  13.  Januar  1534  datiert!)  So  war  wirklich  Hiob  Gast 
der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Oadolzburg,  freilich  nicht  schon 
seit  Ende  des  Jahres  1528,  sondern  nachdem  er  erst  7  Jahre  lang 
als  Pfarrverweser  amtiert  hatte. 

Sein  Geburtsjahr  ist  nicht  bekannt.  Da  er  im  Jahre  1517  die 
Universitat  Erfurt  bezog,  durfte  er  etwa  1500 — 1502  geboren, 
am  9.  Mai  (Hiob)  getauft  worden  sein.  Sein  Geburtsort  war  KUnzelsau 
a.  Kocher  (Bossert  a.  a.  0.  S.  200). 

Am  Freitag  nach  S.  Sebald  (19.  August)  1544  zeigte  der  Kastner 
von  Oadolzburg  an,  dafi  Pfarrer  Hiob  Gast  selbige  Nacht  gestorben 
sei.  (Kons.  A.  f.  62.)  Sonst  ist  darin  iiber  ihn  nichts  zu  finden, 
auch  nicht,  dafi  er  Superattendent  des  Kapitels  Zeun  gewesen  sei, 
welche  Funktion  ihm  bald,  nachdem  er  als  Pfarrverweser  nach 
Oadolzburg  gekommen  war,  iibertragen  wurde.  (Bossert  a.  a  0.  S.  207.) 
Anno  1*544  bei  seiuem  Ableben  waren  die  Superattendenturen  wohl 
wieder  aufgehoben.  Was  noch  weiter  von  Pfarrer  Gast  zu  sagen  ist, 
is£  in  dem  angezogenen  Lebensbild  von  Pf.  Bossert  in  den  Wtirttemb, 
Vierteljahrsheften  B.  VIII  (1885)  zu  ersehen.  Wenn  da  angemerkt 
ist,  ganz  falsch  sei  es,  wienn  Pf.  Walther  in  seinem  Oadolzburgischen 
Denkmal  der  Einweihung  der  neuen  Pfarrkirche  dortselbst  1751  be- 
hauptet,  Gast  sei  Frlihmesser  des  Pfarrers  Veit  von  Sparneck  (1490  bis 
1513)  gewesen,  so  ist  das  ja  richtig  angemerkt,  aber  Pf.  Walther, 
der  freilich  hatte  wissen  konnen  und  sollen,  daii^  der  Frlihmesser 
den  Pfarrer  und  umgekehrt  dieser  jenen  gar  nichts  anging  zur 
selbigen  Zeit  —  erst  im  Jahre  1535  wurde  bestimmt,  dafi  „unser 
Kaplan  im  Schlofi  des  Pfarrers  Kaplan  sein  und  sich  gegen  unsern 
Pfarrer,  wie  sich  geburt,  als  ein  Kaplan  halten  soUe"  —  ist  un- 
schuldig  insofern,  als  im  Pfarrbuch  (Pfarrregistratur  0.)  zu  lesen  ist: 
Als  Veit  von  Sparneck  1512  hier  in  Oadolzburg  Pfarrer  gewesen, 
ist  seinem  Substituten  (!)  QiobGast  150  fl.  (frk.)  von  den  konsiderablen 
Pfarreinkiinften  gereicht  worden.  —  Von  wem  und  wann  dies  ver- 
kehrte  Zeug  geschrieben  worden,  ist  mir  unbekannt. 

Nur  einmal  wird  in  dem  Kons.  Akt  des  Pfarrers  Gast  noch  ge- 
dacht,  ohne  dafi  sein  Name  genannt  wird,  und  zwar  vom  Kastner 
Eyselein  in  seinem  Bericht  vom  27.  ^ai  1654  (fol.  282):  Vor  und 
zur  Zeit  der  Reformation  hat  der  Pfarrer  nicht  allein  den  kleinen 
(und)  lebendigen  Zehent,  sondern  auch  den  grofien  Zehent  samt 
28  Morgen  Widdumsfeld  (nach  der  Fassion  von  1528  waren  nur 
2  Morgen  bei  der  Pfarr)  genossen;  und  ist  um  selbige  Zeit  hier 
gewesen  Veit  von  Sparneck :  dieser  hat  einen  vicarium  gehalten  und 
ihm  jShrlich  150  fl.  gereichet,  welcher  auch  der  erste  evangelische 
Pfarrer  hier  gewesen.    Als  gedachter  von  Sparneck  mit  Tod  abging, 


278         Laater,  Der  erste  evangelische  Pfarrer  iD  Oadolzbnrg. 

siDd  die  Pfarreinktinfte  samt  (!)  grofien  nod  kleinen  und  lebendigen 
Zehent  zum  Kastenamt  eingezogen  und  von  da  dem  Pfarrer  nicht 
mehr  denn  180  fl.  zur  Besoldang  gereicht  worden  und  ist  solcLe  Ver- 
ftnderang  in  anno  1533  gescheben. 

Dafi  hier  Wabres  und  Falscbes  durcheinander  geworfen  ist, 
liegt  anf  der  Hand;  dies  nacbzuweisen,  gebSrt  kaum  bierher.  Aucb 
uicbt,  daS  der  Pfarrer  im  Gegenbalt  zu  den  wirklicben  Pfarrein- 
kiinften  mit  seinem  Fixum  scbou  1535  auf  Halbsold,  spSterbin  bei 
den  steigenden  Oetreidepreisen  auf  Drittels-;  Yiertelssold  gesetzt  wurde 
und  nocb  weniger!  1528  kostete  das  Simra  Eorn  1^/2  fl.,  1G93  =  13 
und  1694  17  fl.  Der  Pfarrer  blieb  bei  seinem  Fixum  von  150  fl., 
und  dem  Holzbezug;  was  wollte  die  Addition  von  30  fl.  im  Jahre  1606, 
die  jeder  neuer  Pfarrer  lange  Zeit  erbetteln  mufite^  dagegen  besagen? 

Beilagen. 

I.    Juramentum    des    Cadolzburger    Pfarrers     Melcbior    v. 

Sparneek  v.  Jabr  1515. 

Ich  Melcbior  von  Sparneek,  Thumbber  vnd  Scholasticus  zw  Regeus- 
purgk  pbarer  zw  Oarelspurgk  Gelob.  vnd  Scbwer  den  durchleucbtigen 
bochgepornen  Fursteu  vnd  Hern  Hern  Casimir  vnd  Hern  Georgen 
als  den  Eltesten  regirenden  gebrudern  margrauen  zw  Brandenburg 
zw  Stettin  Pomern  der  Gassuben  vnd  wenden  bertzogen  Burggraffen 
zw  Nurmberg  vnd  Fursten  zw  Rugen  nieinen  guedigen  Hern  Irer 
genaden  erben  vnd  furstentbumb  des  Burggrafstbumb  zw  Nurmberg 
getrw  vnd  gewer  zesein  Irer  genaden  frummen  zw  werben  vnd  Irer 
genaden  schaden  zuwarnen  fur  ire  furstlicbe  genaden  vnd  derselben 
berscbafft  lebendig  vnd  tod  getreulicb  zw  bitten  der  pbarr  Carelspurgk 
nicbtfi  entzieben  zw  lassen  aucb  im  genaden  kein  newerung  zu- 
macben  oder  furzunemen  vnd  ob  icb  mit  irer  genaden  leuten  icht 
irrig  oder  strittig  wurde  So  baben  ire  furstlich  genaden  gewalt  dar 
Inn  leuterung  zetbun  damit  die  geistlichkeit  bey  wirden  bleyb  vnd 
irer  genaden  lent  mit  geistlicben  gericbten  nit  vmbgetriben  oder 
verderbt  werden  bey  solcber  leuterung  sol  vnd  wil  icb  es  zw  ider 
Zeit  bleiben  lassen  Desgleichen  baben  die  gen  an  ten  mein  gnedig 
Herren  fur  sicb  vnd  irer  genaden  Erben  In  vorbebalten  alle  werntlkeit 
do  soil  vnd  wil  icb  Irn  gnaden  nicbtfi  vertragen  oder  entragen 
lassen  vnd  Iren  genaden  Ire  berbrachte  Vbung  vnd  gebraucb  Inn 
der  werntlichkeit  Inn  Irren  Erfordern  vnwidersprechenlich  vnd  von 
nyemandt  aynicb  newerung  gedulden  on  vergunst  meiner  gnedigen 
Hern.  Icb  sol  vnd  wil  aucb  fur  mich  nocb  meiner  pbar  Carelspurgk 
ai*mleut  kein  andern  scbutz  vnd  scbirmb  bitten  vnd  gebraucben  denn 
mit  vergunst  meiner  gnedigen  hern  obemelt  vnd  Ir  gnadt  virmal 
defi  Jarfi  Inn  der  Bruderscbaff*t  ^)  helfien  begeen  vnd  gar  getrewlicb 

1)  Dies  bezieht  sich  auf  die  Verpflichtung  der  ^PfafTheit",  die  unter 
der  Herrschaft  um  Langenzenn  heram  eaiS,  zur  Begehung  zweier  Jabrtage 


Lauter,  Der  erste  evangelische  Pfarrer  in  Gadolzbnrg.  279 

fur  ir  gnaden  langkleben  ancli  yrer  genaden  vnd  derselben  voreltern 
seel  heil  bitten  waft  aber  die  . . .  oder  ketzerey  angieng  dafi  sol  vnd 
wil  ich  Irn  furstlichen  gnaden  vnd  der  herrschafft  vrspruugklich 
anbringen  ob  Ir  gnaden  dafi  mochten  beylegen  wo  dafi  nit  sein  wil 
Ist  mir  vergent  solch  der  kirchen  furzubriugen  vnd  ich  sol  vnd 
will  personlich  auf  der  phar  Carelspurgk  residiren  Efi  wer  dan  sach 
dafi  ich  mit  Irn  furstlichen  gnaden  gunst  absentz  erlangen  mocht 
alfidan  vnd  sonst  nit  sol  vnd  will  ich  die  vormelten  phar  Carels- 
purgk mit  einem  anndern  geschickten  redlichen  briester  statlich  be- 
setzen,  domit  dafi  volck  vnuersaumt  bleybt  vnd  nit  ergerzung  neme. 
Ich  sol  vnd  wil  auch  meiner  phar  hoff  vnd  haufi  Inu  gattem  beulichen 
wessen  halten  vnd  ob  ich  Inn  aynem  oder  mer  stuckeu  verbrech  vnd 
nit  thet  vnd  hielt  wie  obengeschriben  steet  So  sol  vnd  wil  ich  als- 
bald  on  ferner  erklerung  Sendentz  oder  leuterung  mayuaydig  In- 
famafi  vnd  der  obgemelten  vnd  aller  meiner  pfnindt  die  ich  itzund 
hab  oder  hernach  vberkumme  beraubt  entsetzt  vnd  sol  solch  phrundt 
vnwidersprechenlich  geledigt  vnd  den  lehenhern  haimgefallen  sein 
die  auch  solch  pfrundt  andern  verleyhen  mugen  von  mir  vnd  menigk- 
lich  von  meinetwegen  vnangefochten  vngeengt  vnd  vugelrrt  dawider 
sol  vnd  wil  ich  noch  iemand  von  meinetwegen  Inn  oder  ausserhalb 
rechth  keinerley  behelff  haben  noch  gebrauchen  dafi  aufi  gemeinen 
rechten  oder  sunderlichen  freyhaiten  von  der  oberhandt  oder  sonst 
aufgesetzt  oder  gegeben  wie  dafi  erdacht  were  oder  wurd  In  kein 
weifi  vnd  nichtfi  des  minder  maynaydig  vnd  infamifi  sein  vnd  bley- 
ben  Also  helff  mir  gott  vnd  die  heyligen  Euangelia.  Amen. 
(Akt  des  Konsistoriiims  Ansbach,  Pfarrvolumen  I)*), 


am  Montag  abend  und  Dienstag  frilh  nach  Misericordias  Domini  und 
ebenso  nach  St.  Veit  (Monuro.  Boica,  Neue  Folge  Bd*  I  S.  574,  Salbuch  des 
Burggrafentunis  Nurnberg  v.  J.  1414).  Es  waren  zur  Teilnahme  ver- 
pflichtet  die  Pfarrer  von  „Ro8tal,  Cadolzburg,  Zyrendorf,  Ammerdorf, 
Viczentzenprun,  Pyrgleins,  Hadmannsdorf  (seit  1450  Grofihabersdorf), 
Grofienhaslach,  Evelbach,  Burckfarmbacb,  Emskirchen,  Frawenawrach, 
Kegelsbach,  Lawbendorf,  der  Kaplan  in  Frawenawrach  (im  Kloster)  und 
zu  Putendorf"  (jetzt  blankweg,  ein  Filial  von  Rofistall  mit  jahrlich 
5  Gottesdiensten  I).  Am  Abend  war  eine  Vigilie  zu  singen  mit  neun 
Leczen  (Lektionen),  mit  erbern  (ehrbaren)  Leichzeichen  und  vier 
kerczen,  des  anderen  Morgens  in  der  Frfih  mil  Messen,  besunder  mit  drei 
gesungenen  Messen  und  Amptern,  die  erste  von  Unseren  Frawen,  die  anderee 
von  dem  h.  Leichnam  Christi  und  die  dritte  von  den  Seelen,  darunter 
man  auch  der  Herrschaft  gedenken  soil,  und  die  andern  Priester  sollen 
Mefi  darunter  sprechen  und  lesen,  d.  i.  zu  gleicber  Zeit  sollen  die  Priester, 
welche  Messe  nicht  singen,  an  den  andern  Altaren  eine  stille  Messe 
lesen. 

1)  An  derselben  Stelle  findet  sich  auch  das  feria  quarta  ante  festum 
sancti  Martini  episcopi  (9.  Nov.)  anno  1485  datierte,  aber  teilweise  nicht 
mehr  leserliche  Juramentum  des  Cadozburger  Pfarrers  Vitus  von 
Sparneck. 


280         Lauter,  Der  erste  evangeliscbe  Pfarrer  in  Gadolzburg. 

II.  JohannBrentz,  Prediger  zuHall  an  denMarkgrafenGeorg. 

12.  Januar  1534. 

Durchlauchtigster  hochgeborener  FUrst.  Gottes  gnad  durch  Jesum 
Christum,  sampt  meinem  alzeit  ynderthenigeu  vnd  gehorsamen  Dienst 
zuvor.  Gnediger  Herr,  Der  ErwUrdig  Herr  Eucharins  von 
Fronhoff  Dechan  zn  Camberg,  hat  mir  als  seinem  willigen  angezeigt, 
das  £.  F.  G.  Inen  zu  der  besetzung  vnd  oignen  residentz  der  pfar 
zu  Kadolspurg  laut  der  verschreibung  von  E.  F.  G.  In  der  selben 
pfarr  halb  gnediglich  gegeben  erfunden,  hatt  auch  darueben  mich 
verstendigt,  wiewoll  Er  gantz  willig,  E.  F.  G.  hier  In  scbnldigen 
gehorsam  zu  erzeigen,  yedoch  seye  Im  spUichs  zu  diser  Zeit  zn  thun 
viler  vrsach  halb  hoch  beschwerlich  Vn  vnbequemlich.  Nachdem  Ich 
nun  E.  F.  G.  allwegen  als  ein  sonder  Christlichen  Fursten  erkant, 
so  aufi  Christlichen  fUrstlichen  griinden  das  heilig,  Euangelion  bey 
meniglich  zu  fiirdern  gnediglich  gesinnet  sey.  Vn  aber  Ich  befunden^ 
so  der  eegenant  Her  Dechan  yetz  von  dem  Stifft  sollt  abziehen, 
das  es  des  StifTts  vnderthanen,  denen  zu  dieser  Zeit  das  heilig 
Euangelion  vn  der  Christlich  Branch  der  Sacramenten  &ey  zu  be- 
suchen  zugelassen^  zur  Beraubung  des  Euangelions  vn  zu  merklichem 
nachtheill  Irer  Seelen  geradten  werde,  In  dem,  das  on  Zweiffell  die 
von  WUrtzburg  ein  solchen  Dechan  nach  dessen  abzug  verorduen 
werden,  der  Ir  liedlein  In  alien  stUcken  singen,  vn  die  Underthan 
zur  falschen,  vnchristlichen  Leer  vn  mifibrauch  der  Sacrament  zwingen 
miist.  So  weifi  Ich,  das  der  yotzig  verweser  der  pfar  zu  Kadols- 
purg ein  sonderlicher  feiner,  vn  fUr  vill  ander  gelerter  man,  der 
auch  vndter  den  pfarherren  In  E.  F.  G.  land  seiner  geschicklichkeit 
halben  nicht  eine  geringe  Zierd  Ist^  vn  hore  darbey,  er  halite  sich 
beid,  mitt  Leer  vn  leben  In  der  pfar  Cadolspurg  vnstrUfflich. 
Hierauff  bitt  Ich  E.  F .  G.  furnehmlich  wegen  der  armen  vnderthan 
des  Stiffts  Camberg  gantz  gehorsamlich,  E.  F.  G.  w(5lle  des  oftgenanten 
Herrn  Dechan,  auch  den  yetzigen  verweser  der  pfar  zu  Kadolspurg 
bey  E.  F.  G.  vorigen  erlaubnufi  gnediglich  bleiben  lassen^  Das  werden 
sonder  Zweyflfell  sie  bayd,  Dechan  vn  sein  verweser,  sondern  auch 
die  armen  vnderthan  des  Stiffts  Camberg  vn  Ich  mit  vnserm  ge- 
horsam Dienst  vn  steter  furbittung  fiir  E.  F.  G.  wolfart  vn  langwirig 
^idlich  regierung  allwegen  zu  verdienen  bereit  sein.  Vnser  Herr 
gott  w5lle  E.  F.  G.  alien  gottlichen  Segen  verleyhen.  Amen.  t)atum 
zu  schwebischen  Hall  Dienstags  nach  Erhardi  Anno  XXXIIIJ. 

E.  F.  G.         vndertheniger  vfl  gehorsamer 

Johan  BrentZ;  prediger  zu  hall. 
A  d r  e  s s  e :  Dem  Durchleuchtigen  hochgeborenen 

Fiirsten    vn  Herrn,  Herrn  Georgen 

Marggrauen     zu    Brandenburg    etc. 

In  Schlesieu;  zu  Rattibor  hertzogen, 

meinem  gnedigen  Herrn. 


Rieder,  Aus  historischen  Zeitschriften.  281 

III.  Johanu  Brenz   an  den  markgrafl.  Kanzler  Seb.  Heller. 

13.  Januar  1534. 

S.  in  Christo.  Significavit  mihi,  vir  clarissime,  venerabilis  vir 
D.  Eucharius  a  Fronhoffen,  decanus  Camburgensis,  quod 
priuceps  noster  illustrissimus  vocauerit  eum  ad  praesidendum  parrochiae 
suae  Kadolspurgensi;  cuius  munus  ecclesiasticum  minister  agit 
Hiob  gast.  Hoc  autem  nuneium  mihi  multis  nominibus  iugratum 
fuit,  primum  quod  timebam  saluti  eorum,  qui  subjecti  sunt  dominio 
collegii  Gamburgensis,  quibus  hoc  opere  liberum  est,  Evangelio  operam 
dare,  idque  pietate  D.  Eucharij  decani,  qui  si  abiret,  baud  vanis 
conjecturis  futurum  esse  video,  ut  Herbipolitani  ei  collegio  praeficiant 
hominem  quendam  impium,  qui  non  solum  ipse  impietati  studeret, 
vero  eciam  subditos  suos  ad  sectandam  impietatem  cogeret.  Deinde, 
dolebam  virum  Hiobem  Gast,  quod  cum  sit  vir  pins  ac  doctus, 
et  ecclesiam  Kadolspurgensem  bactenus  fidelissime  administraverit, 
expellatur  (?)  tamen  et  (?)  ejiciatur,  perinde,  ac  si  nullis  ingenii  dotibus 
praeditus  sit,  et  reipublicae  christianae  nihil  prorsus  contulerit. 
Quare,  vir  animo  meo  carissime,  obsecro  claritudinem  tuam,  ut  si 
qua  in  re  potueris  opera  tua  D.  Decano  et  Hiobi  Gast  aliquid 
prodesse,  id  pro  tua  humanitate  eis  praestes.  Ambo  enim  digni 
sunt  bonorum  virorum  favore.  Commendo  quoque  tibi  causam 
D.  Vogleri  amici  tui,  nostri  vero  patroni.  Optarim  quidem  ipsi 
Don  tarn  meticulosum  esse,  vt  principem  nihil  ei  succensentem, 
quantum  e  litteris  tuis  ad  D.  Adam  iutelligere  potui,  fugiat,  sed 
nosti  vetus  dictum,  Amici  mores  noveris,  non  oderis.  Vale  ex 
Hala  13.  Januar ij  Anno  XXXIIII. 

Tuus  Jo.  Brentius. 
Inscriptio. 

Amplissimo  viro  D.  Sebastiano  Hollero  Jureconsulto  et 
Caucellario  Brandenburgensi  Domino  et  amico  suo  obseruaudo. 

Kirchengeschichtiiches 
in  den  Zeitschriften  der  historischen  Vereine  in  Bayern, 

zusammeDgestellt  von 

0.  Bieder, 

Kgl.  Reichsarchivrat  in  Miinchen. 
(Fortsetzung.) 

XVIII.  Mitteilungen  des  Vereins  fiir  Geschichte  der  Stadt  Niirnberg. 

Heft  1—16,  Niirnberg  1879—1904. 

Miiller,  Dr.  Nikolaus,  Beitrage  zum  Briefwechsel  des  altern  Hiero- 
nymus  Baumgartuer  und  seiner  Familie  (10  Briefe  aiis  den 
Jahren  1541 — 63):    S.  241   („einzigartig    und  epochemachend 


282  Rieder»  Aus  historischen  Zeitschriften. 

war  seine  Wirksamkeit  anf  dem  Gebiete  des  nUrnbergischen 
Kirchen-  iind  Schulwesens^;  er  hatte  am  meisten  zur  Ein- 
fUhrung  der  Reformation  in  der  Reichsstadt  beigetragen). 

Joacbimsohn^  Dr.  Paul,  Hans  Tuchers  Bacb  von  den  Kaiser- 
angesichten:  H.  11,  1895^  S.  1  (die  Einleitung  erwllhnt  eine 
interessante  Bescbreibung  seiner  Jerusalemsfabrt  von  1479). 
Vgl.  H.  16,  S.  66. 

Miltenberge-r,  F(ranz),  Ausztige  aus  den  pSpstlichen  Recbnungs- 
bucbern  des  15.  Jabrhunderts  ftir  Ntirnberger  Gescbicbte  (Zab- 
lung  von  Annaten  seitens  der  Erwerber  kircblicber  Pfiiinden 
1444_1509):  H.  11,  S.  87. 

Krefi,  Goorg  Frbr.  v.,  Briefe  eines  NUrnberger  Studenten  (Cbristof 
Krefi)  aus  Leipzig  und  Bologna  (55  Nummern  von  1556  bis 
1560):  S.  97. 

Hampe,  Dr.  Tbeodor,  Lienbard  Nunnenbeck  (ein  NUrnberger  Lein- 
weber  und  Hans  Sachsens  Lebrer  in  der  Kunst  des  Meister- 
gesangs  —  nacb  einem  Vortrage):  S.  173  (Nunnenbecks  Ge- 
dichte  liber  die  Passion,  die  Jungfrau  Maria,  Weibnacbtslieder  etc. 
S.   178  ft). 

Krefi,  Georg  Frbr.  v.,  Dr.  Adolf  Frbr.  von  Scheurl  f  (24.  Januar  1893, 
„weiland  Professor  der  Rechte  an  der  UniversitSt  Erlangen, 
ein  bervorragender  Romanist  und  Kircbenrecbtslehrer,  ein  alle- 
zeit  rat-  und  bilfbereiter  Patron  der  lutberiscben  Kirche  in 
ganz  Deutscbland"):  S.   191. 

Die  Stiftung  der  NUrnberger  Kaufleute  fiir  den  Skt.  Sebalds- 
altar  in  der  Skt.  Bartbolomauskirche  zu  Venedig  (1434):  S.  201. 
Ein  NUrnberger  Stammbuch  aus  dem  16.  Jahrhundert  (im 
Besitze  der  NUrnberger  Patrizierfamilie  von  Olbafen  mit  nahe- 
zu  100  Eiutragen  aus  den  Jahren  1596 — 1601;  dabei  Er- 
wabnung  Luthers  und  Melancbthons) :  S.  211. 

Tucber,  Christopb  Frbr.  v.,  Krypten  und  GeschlechtergrUfte  bei  St. 
Sebald:  S.  213. 

Scbaefer,  Dr.  Karl^  Des  Hieronymus  Braun  (Stadtkanzlisten)  Pro- 
spekt  der  Stadt  NUruberg  vom  Jabre  1608^)  und  seine  Vor- 
laufer:  H.  12,  1898,  S.  3  (mit  Abbildungen  einiger  alterer 
Stadtansichteu ;  das  Altargemalde  des  Jodocus  Krell  in  St.  Loreuz 
S.   10).     Vgl.  H.   13,  S.  28. 

Hampe,  Dr.  Theodor,  Die  Entwicklung  des  Tbeaterwosens  in  NUrn- 
berg  von  der  zweiteu  Halfte  des  15.  Jabrhunderts  bis  1806: 
H.  12,  S.  87  (Kap.  1.  Geistliches  Drama  und  Fastnacbtspiel 
im  15.  Jahrbuudert  S.  91 ;  Kap.  2.  Schuler-  und  Handwerker- 
auffuhrungen    des    16.  Jabrhunderts,    aucb    geistlicben  Inhalts 


1)  Wiedergabe  des  Originals  auf  16  Blattern  in  Grofifoliofoi'mat  durch 
Lichtdruck  in  ^^  Grofie;  beigegeben  ist  auf  einem  besonderen  Blatt  eine 
tibersicht  in  verkleinortem  MaCstab. 


Zur  Bibliographic.  283 

S.  121);  H.  13,  1899,  8.  98  (AuszUge  aus  den  Ratsprotokollen  : 
941  Nummern  von  1449  —  1806). 
Grupp,  Dr.  Georg,  Maihinger  Brigittinerinnen  aus  NUrnberg:  H.  13, 
S.  79. 


Zur  Bibliographie. 


*Bi8le,  Dr.  Max,  kgl.  Gymnasialprofessor.  Die  bffentliche  Armen- 
pflege  der  Reichsstadt  Augsburg  mit  Beriicksichtigung  der  ein- 
scbl^igen  VerbSltoisse  in  anderen  Reichsstadten  SUddeutscb- 
lands.  Ein  Beitrag  zur  cbristlicben  Kulturgescbicbte.  Paderborn 
(Druck  und  Verlag  von  Ferdinand  ScbSningh)  1904.  XIV  u. 
192  S.     8«.  —  4  M. 

Den  mancberlei  neuen  historischen  Arbeiten  iiber  die  bffeDtliche 
Armenpilege,  die  toils  dem  sozialen  Znge  der  Zeit  toils  dem  modernen 
Interesse  an  der  Wirtschaftsgeschichte  ihre  Entstehung  verdanken,  reibt 
sich  das  vorliegende  Werk  wiirdig  an.  Der  Verf.,  der  mir  bisher  nur  aus 
einem  Programin  ttber  den  Benediktiner  P.Placidus  Brauu  (Augsb.  1897) 
bekannt  war,  hat  nicht  die  Absicht,  eine  Gesamtgeschichte  der  Armen- 
pflege  in  Augsburg  zu  liefern,  und  das  wSlre  auch  augesichts  der  aus- 
gedehnten  Stiftangen  und  WohltHtigkeitsanstalten,  die  gerade  dort  eine 
so  grofie  Tatigkeit  entfaltet  haben,  ein  sehr  grofies  Untei'nehmen,  sondern 
„jene  Ftirsorge  fttr  die  Armen,  wie  sie  von  der  gemeindlichen  oder  offent- 
lichen  Behi)rde  geUbt  wurde,  im  Gegensatz  znr  kirchlichen  vereinsmafiigen 
und  privaten  Annenunterstiitzung"  darzustellen  und  zwar  nur  in  der 
reichsstadtischen  Zeit.  Diese  Beschrankung  ist  jedenfalls  richtig,  nnd 
was  der  Verf.  auf  Grund  sehr  weit  ausgedehnter  Detailarbeit  bietet,  ist  ein 
sehr  empfehlenswerter  und  namentlich  in  der  Darstellung  der  vielen  Fehl- 
griffe  sehr  lehrreicher  Beitrag  zur  cbristlicben  Kulturgescbicbte.  Aber 
das  Werk  als  historische  Arbeit  wiirde  sicher  bei  einer  anderen  Methode 
und  anderer  Einteilung  sehr  gewonnen  haben.  Zunachst  vermisse  ich 
eine  klare  Feststellung  des  Terminus  a  quo.  Bei  scinem  Begriff  der 
offentlichen  Armenpflege  mufite  man  erwarten,  daB  der  Verf.  den  ersten 
Anfangen  der  offentlichen  Armenpflege  nachgehen  wiirde,  wie  sie  nnabbangig 
von  der  kirchlichen  und  Privatarmenpflege  im  stadtischenGemeinwesen  eine 
Statte  fand.  Und  eine  solche  setzt  er  auch  schon  vor  der  Reformation 
voraus,  er  spricht  auch  von  einer  ,,Reform  der  Armenpflege"  und  der 
^Nenorganisation  der  Armenpflege**  seit  1522,  aber  von  der  mittelalter- 
lichen  Armenpflege  in  Augsburg,  die  nns  jene  ncue  Organisation  (vgl. 
den  Abdruck  Beilage  Nr.  5)  erst  wUrdigen  laQt,  erfahren  wir,  abgeseheu 
von  ein  paar  kurzen  allgemeinen  Bemerkungen  und  den  in  deu  Beilagon 
abgedruckten  Bettelordnungen,  so  gut  wie  nichts.  Ferner  beginnt  Bislc 
mit  einem  Kapitel  ttber  die  „ Organisation  der  Armenpflege",  das  in  sehr 
gedrangter  Form  die  verschiedeuen  Versuche  bis  1806  aufzablt.  Ich  bielt 
das  znerst  fiir  einen  kurzen  AbriC  dessen,  was  dann  die  nachsten  Ab- 
schnitte    in    ausfuhrlicher  Darstellung   und  Begriindung   bringen  sollten. 


1)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


284  Zur  Bibliographie. 

Dem  ist  aber  nicht  so.  Ohne  tlberleitung  folgt  2.  Ursachen  der  Ver- 
armung.  3.  Mittel  gegen  die  Verarmung.  4.  Almosenkassa.  5.  Ein- 
heimische  Arme.  6.  Fremde  Battler.  7.  Almosenhauser,  und  endlich 
8.  Kirchliche  Beteiligung  an  der  Sffentlichen  Armenpflege.  Nach  und  nach 
ist  inir  klar  gewordeD,  daig  der  ganze  Aufrifi  wohl  durch  einen  S.  7  zu 
lesenden  sehr  richtigeu  Satz  bedingt  ist:  „Die  Gcschiehte  des  Armen- 
wesens  gestaltete  slch  zu  einer  Geschichte  des  Bettelwesens.''  Aber  alles, 
was  dariiber  zu  berichten  ist,  ware  klarer  und  durchsichtiger  und  natur- 
gemaC  freier  von  Wiederholuugen  geworden,  wenn  der  Verf.  es  nicht 
unter  die  genannten,  immer  bis  1806  durchgefUhrten  Bubriken  gebracht 
batte,  sondern  rein  historiscb  verfabren  ware,  wenn  er  gezeigt  hatte,  wie 
die  allmahlich  entstandene  und  immer  weitergehendeVerarmung  je  und  je  neue 
Versuche,  des  Bettlerwesens  Herr  zu  werden  und  eine  geordnete  Armen- 
pflege einzurichten,  veranlaOte.  Bci  seiner  Methode  hinkt  namentlich  auch 
das  sehr  inhaltsreiche  und  dankenswerte  Schlufikapitel  etwas  nach,  wah- 
rend  es  doch  zelgt,  nicht  nur  welchen  reichen  Anteil  die  Geistlichkeit  beider 
EonfessioDen  an  der  Gewinnung  der  grofien  Mittel  ftir  die  Armenpflege 
hatte,  sondern  auch,  dafi  sie  bei  dem  Ftir  und  Wider  der  einzelnen  Ein- 
richtungen  nicht  selten  ein  gewichtiges  Wort  mitzureden  hatte.  Dabei 
ist  gem  zuzageben,  dafi  andere  vielleicht  die  von  dem  Yerf.  beliebte 
Methode  vorziehen.  Jedenfalls  soil  das  auch  sehr  preiswUrdige  Werk, 
das  eine  FUlle  von  interessanten  Einzelmitteilungen  enthalt  und,  was  be- 
sonders  schatzenswert  ist,  auch  vielfach  Streiflichter  auf  andere  Stadte 
wirft,  so  dafi  niemand,  der  sich  mit  einschlagigen  Untersuchungen  ftir 
andere  Stadtgebiete  beschaftigt,  daran  voriibergehen  darf,  noch  einmal 
als  sehr  belehrend  empfohlen  werden.  —  Als  kleine  Erganzung  mochte 
ich  eine  Notiz  beiftigen,  die  erkennen  laBt,  wie  man  schon  im  Jahre  1530 
die  gro^artige  Armenpflege  Augsburgs  bewunderte.  AdamWeiB,  der  im 
Gefolge  des  Markgrafen  Georg  von  Brandenbarg  auf  dem  Reichstage  zu 
Augsburg  befindliche  Pfarrer  von  Creilsheim  notiert  in  seinem  Diarium 
bei  J.  F.  Georgii,  Uffenheimische  Nebenstunden  VII  St.  Schwabach  1743 
S.  680  auf  Grund  der  Mitteilung  seines  Hauswirts,  des  Senators  Hans 
Lauginger:  „Zu  Augsburg  gibt  man  alle  Wochen  den  gemeinen  Biirgern, 
elm  yeden  nach  seinem  Uausgesind  Brot  um  11  Creuzer,  das  sunst  beim 
Becken  gilt  1  Batzen,  und  roacht  jede  Woche  in  der  Snmraa  XII.  tausend 
Leib.^  Unmittelbar  vorher  notiert  er  auf  eine  Mitteilung  des  Eanzlers 
Vogler  hin:  '„Der  gmainLast  zuNtirnberg  hat  jehrlich  tiber  XV III  tausend 
Gulden  Einkommens.'* 

*G.  Braun,  lutherischer  Pfarrer  in  Burk,  Bechhofen  in  Mittel- 
franken.  Ein  lokalgeschichtlicher  Versuch.  Ansbach  (C.  Briigel 
&  Sohn)   1905.     78  S.  und  3  S,  Beilagen.     80  Pf. 

Welche  reiche  historische  Vergangenheit  selbst  eine  kleine  Dorf- 
gemeinde  haben  kann,  wenn  eine  kundige  Hand  sie  aufzufinden  und  dar- 
zustellen  vermag,  hat  uns  O.Erhard  in  seiner  Geschichte  von  Hohenaltheim 
(Erl.  1904)  gezeigt,  und  ich  habe  bei  ihrer  Besprechung  (Beitr.  X,  145  f.) 
auf  den  hohen  Wert  solcher  lokalgeschichtlicher  Arbeiten  hingewiesen. 
Mit  der  jetzt  vorliegenden  Schrift  von  Pfarrer  Braun  tiber  Bechhofen,  die 
der  Verf.  bescheiden  einen  „lokalgeschichtlichen  Versuch**  nennt,  haben 
wir  nach  kurzer  Zeit  eine  zweite  solche  Arbeit  erhalten.  Was  der  Verf. 
bietet,  ist  eine  sehr  gediegene  Leistung,  das  miihevolle  Resultat  rast- 
losen  Forschereifers,  das  die  hochste  Anerkennung  verdient,  denn  das 
Geschichtsbild,  welches  er  in  knappem  Rahmen  zeichnet,  war  nur  auf 
Grund  sehr  eingehender,  oft  auch  recht  langweiliger  IJrkunden-  und 
Aktenforschung  zustande  zu  bringen,  weifi  doch  jeder,  der  sich  mit  ahn- 
lichen  Dingen  beschaftigt  hat,  daB  man  oft  tagelang  dickleibige  Akten^ 


Znr  Bibliographie.  285 

faazlkel  mit  breiten  Auflfahmagen  dorcliaTbeiten  kann,  ohne  eine  einzige 
far  das  GesamtbUd  brauchbare  Notiz  zn  findeo.  Wie  es  die  Natur  des 
Gegenstandes  mit  sich  bringt,  mul^te  bei  Braun  der  AnfriG  ein  ganz 
anderer  werdea  als  bei  Erhard.  Der  Markt  Becbhofen  in  Mittelfranken, 
der  nacb  der  Mitte  des  14.  Jahrbunderts  sogar  als  Stadt  erscbeint  (S.  13), 
wnrde  nnter  der  Landeshoheit  der  Eichstatter  Biscbofe  Jabrhnnderte  lang 
beberrscht  von  einem  Adelsgescblecbte,  den  Seckendorfs,  ais  Lehns- 
manneo  der  Braodenburger,  bis  nach  dem  Aussterben  der  dortigen  Linie 
der  Seckendorfer  (ihre  Stammtafel  in  Beilage  I)  das  Lehen  an  die  M ark- 
grafen  von  Ansbach  fiel.  Deshalb  zerfallt  die  Geschicbte  Bechhofens  in 
die  zwei  Abschnitte,  die  Zeit  der  Herren  von  Seckendorf  and  die  Zeit 
der  Markgrafen.  Daza  kommt  eine  iibrigens  mehr  als  auffallende  Tat- 
sache,  dafi  dieses  Becbhofen  auch  zn  der  Zeit,  als  es  als  Stadt  fignrierte, 
weder  Kirche  nocb  Pfarrer  hatte,  sondern  kirchlich  za  dem  nahen  Konigs- 
hofen  geborte  and  eben  die  Seckendorfs  lange  Zeit  das  Patronat  fiber  die 
Kirche  za  Kdnigsbofen,  Beyerberg,  Wieseth  and  Bark  ausobten.  Daraas 
ergibt  sieb  zweierlei  von  selbst,  erstens,  dafi  die  Geschicbte  der  Familie 
Seckendorf  einen  groOen  Banm  einnimmt,  and  zweitens,  da6,  weil  Becb- 
hofen bis  anf  die  neaeste  Zeit  keine  eigene  kircblicbc  Geschicbte  bat,  die 
Darstellnng,  soweit  sie  Kirchengescbicbtlicbes  bereinziebt,  tiber  Becbhofen 
weit  hinans  ^reift,  and  die  kirchlicben  Yerbaltnisse  nicht  nar  in  KQnigs- 
hofen,  sondern  aach  in  Beyerberg,  Wieseth  and  Bark  beleacbtet,  Iibrigens 
anch  wertvolle  Mitteilongen  uber  andere  Kirchengemeinden  enthalt,  z.  B. 
Fenchtwangen,  Merkendorf,  Weidenbach,  Sommersdorf  (vgl.  S.  26—33). 
Dabei  soil  die  sebr  dankenswerte  Notiz  hervorgeboben  werden,  daQ  der 
bekannte  Bitter  yon  Lang  als  Konsistorialdirektor  1807  yon  samtlicben 
Pfarreien  des  damaligen  Ansbacber  Eonsistorialbezirkes  Pfarrbescbrei- 
bungen  einforderte,  die  in  der  Regierangsbibliothek  za  Ansbach  aafbe- 
wahrt,  eine  wicbtige  Quelle  fUr  die  Geschicbte  der  einzelnen  Gemeinden 
bilden.  —  Die  begreiflicherweise  ausfiibrlich  gescbilderten,  immer  wieder 
sich  erhebenden  Kampfe  der  Geistlicben  mit  den  meist  uu kirchlich  ge- 
sinnten  Patronen  bieten  ein  iiberaus  traoriges  Bild  friiberer  Zastande. 
Aber  ob  der  Yerf.  recht  bat  zu  sageo,  dafi  aus  dem  Treiben  dieser  Pa- 
trone  deatlich  zu  seben  ist,  ,,wie  das  Wort  „Patron**  zu  der  despektier- 
lichen  Nebenbedeutung  kam,  die  es  beute  hat,"  ist  mir  sebr  zweifelhaft. 
Die  Seckendorfs  sind  keine  allgemeiDgUltigen  Typen,  and  das  Patronat 
hat  zu  alien  Zeiten  sein  Gates  gehabt,  und  bat  es  nocb  beute,  wenn  auch 
wie  bei  alien  Institutionen  es  immer  auf  die  Personlicbkeiteu  als  Trager  des- 
selben  ankommt.  Bei  seinen  Mitteilungen  liber  die  Durchftihrung  der 
Beformation  in  Eonigshofen  bemerkt  der  Verf.  (S.  32):  ^Wie  zu  dem  alien 
die  Gemeinde  sich  stellte,  darttber  schweigen  die  vorhandenen  Akten." 
Das  ist  gewifi  richtig,  und  von  dem  kirchlicben  und  religi&sen  Leben  er- 
fahren  wir  tiberhaupt  verhaltnismafiig  wenig  (doch  vgl.  Uber  die  Ein- 
fiihrung  des  Beicbtpfennigs  und  des  Klingelbeutels  S.  61),  weil  der  Verf. 
dariiber  eben  nicbts  gefunden  bat.  Aber  in  einem  Falle  hatte  der  Verf. 
uns' wabrscheinlich  etwas  mehr  mitteilen  konnen,  namlicb  Uber  die  pieti- 
stische  Bewegung,  woriiber  wir  nur  die  Bemerkung  lesen:  ^dafi  einem 
Pfarrer  wie  DOderlein  (Abraham  Dcfderlein  1697—1724)  die  zu  seiner  Zeit 
in  Becbhofen  stattfindenden  Konventikel  nicht  gefielen,  ist  erklarlicb* 
(S.  70  f.),  und  wenn  der  Verf.  fortfahrt,  „die8elben  entsprachen  so  ziemlich 
den  ZusammenkUnften  der  Gemeinschaftsleute  in  unsererZeit",  so  ist  das 
kaum  richtig,  weil  die  pietistiscben  Konventikel  im  Ansbachischen  um 
diese  Zeit  fast  alle  separatistische  Neigungen  hatten,  also  auch  emster 
gesinnter  Geistlicben,  als  A.  D(5derlein  es  vielleicht  war,  zum  Anstofi 
gereichen  konnten.  Und  wenn  wir  im  ubrigen,  um  nocb  einmal  darauf 
zurHckzukommen,    von   der  Stellung   der  Gemeinden   zu  den  kirchlicben 


286  Znr  Bibliographie. 

Fragen  nichts  wissen,  weilman  siiBiiicht  darnm  be  frag  that,  noddies 
fttr  die  Vergangenheit  beklagen,  so  soil  nns  das  eine  ernste  Mahnnng  sein, 
dafUr  zu  sorgen,  daB  man  nicht  einmal  spater  von  unserer  Zeit  dasselbe 
sagen  muQ.  oder  etwa  gar  das  bittere  Wort  Goethes  fin  den  zahmen 
Xenien)  auch  anf  die  Rirchengeschichte  unserer  Zeit  nocn  pafit. 

^Mit  Kircbengeschichte  was  hab  ich  zn  schaffen? 
Ich  sehe  weiter  nichts  als  Pfaffen. 
Wies  um  die  Christen  steht,  die  gemeinen 
Davon  will  mir  gar  nichts  erscheinen. 
Ich  hatt'  auch  k6nnen  Gemeinde  sagen, 
Ebensowenig  ware  zu  erfragen.  — 
M5chte  die   sch6ne  Arbeit  Brauus  dazn  anregen,  auch  anf  diesem 
Gebiete  weiter  zn  arbeiteu. 

*C.  Schornbaum,  Zur  Gescbichte  des  Reichstags  von  Augsburg  im 
Jahre  1530.     Ztschr.  f.  K.G.  XXVI,  S.  142f. 

Dem  schoD  oft  erprobten  Sptirsinn  Dr.  Schorubaums  ist  es  gelungen, 
auf  dem.  NUmberger  Krei&archiv  eine  Reihe  bisher  vermifiter  AktenstUcke 
aufzufinden,  die  unsere  RenntDis  der  Einzelvorgange  auf  dem  Angsbnrger 
Reichstage  von  1530  wesentlich  bereichern  duiiten.  Da  ist  zuerst  ein 
Schriftsttick  hervorznheben,  das  Schornbaum  fUr  das  Niimberger  Glanbens- 
bekenntnis  znm  Angsbnrger  Reichstag  halt  (S.  146),  was  sich  hoffentiich 
bestatigen  wird.  Indessen  mochte  ich  dabei  auf  etwas  aufmerksam  machen, 
was  bisher,  wie  mir  scheint,  zu  wenig  beachtet  worden  ist.  Die  Niirnberger 
haben  sich  namlich  z  w  e  im  al  mit  einer  Apologie  fttr  den  Angsbnrger  Reichs- 
tag beschaftigt.  Die  erste  schickten  sie  spatestens  Mitte  Mai  nach  Augsburg 
und  legten  sie  Melanchthon  vor,  dessen  Urteil  die  Nttmberger  Gesaudten 
am  20.  Mai  nach  Hause  (C.  R.  II  S.  96)  berichten  konnten.  Merkwttrdiger- 
weise  schreibt  nun  Osiander  an  Luther  am  21.  Juni  d.  h.  zu  einer  Zeit, 
wo  die  Niirnberger  (nachdem  bereits  am  9.  Mai  dartiber  beraten  worden 
war.  Siehe  das  bei  Schornbaum  S.  146  unter  Nr.  3  aufgefUhrte  Schrift- 
stUck)  schon  sich  den  Sachsen  in  der  Bekenntnisfrage  angeschlossen  hatten 
(vgl.  0.  R.  II  112)  und  Osiander  Melanchthons  Arbeit,  so  weit  sie  fertig 
war,  in  Handen  hatte,  dafi  er  gezwungen  sei,  eine  Apologie  zu  schreiben. 
M(5glicherweise  handelt  es  sich  bei  dem  neuaufgefundenen  auch  um  dieses 
Schriftsttick.  Der  Beweis  wttrde  sich  leicht  nihren  lassen,  da  Osiander 
voraussichtlich  in  dieser  Apologie  auf  eine  S telle  in  den  pseudoisidorischen 
Dekretalien  den  Finger  g^legt  hat.  Denn  er  schreibt  —  um  den  ganzen 
Abschnitt  seines  Briefes  hier  wiederzugeben  —  Ego  hisce  diebus  scribere 
ceactus  sum  apologiam  sive  consilium,  quomodo  nostri  agere  debeant, 
eo  animo  nt  me  quoque  illuc  profecturum  putarem ;  quit  futurum  sit,  adhuc 
nescio,  nihil  certe  dignum  efficere  possum  post  Philippum,  cuius  Apologiam 
vidi  ac  valde  probo.  Dura  obiter  acta  Conciliorum  oberrans  perlustro, 
incidi  in  locum  Apostolicae  fictitiae  Clementis,  in  qua  aperte  suadetur 
imo  praecipitur  communio  uxorum  etc.  (Enders  VIII  17).  Hat  nun  i^si- 
ander  damals  eine  Apologie  schreiben  miissen,  dann  dtirfte  er  wahrschein- 
lich  an  der,  welche  Mitte  Mai  in  Augsburg  vorlag,  nicht  beteiligt  gewesen 
sein,  in  der  zweiten  milBte  also  seine  Rechtfertigungslehre  enthalten  sein, 
iiber  die  er  spater  behauptet,  bereits  in  Augsburg  mit  Melanchthon  ver- 
handelt  zu  haben  (vgl.  Moller,  A.  Osiander  Elberfeld  S.  130  f.).  Ferner 
fand  Sch.  u.  a.  das  Original  des  Gutachtens  Osianders  iiber  die  Confutatio 
Pontificia,  das  wir  bisher  nur  in  schlechten  Abschriften  kannten,  z.  B. 
bei  Schirrmacher,  Briefe  und  Akten  etc.  Gotha  1876,  S.279.  Dabei' 
mochte  ich  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht  die  Aufzeichnung  des  Camerarius 
iiber  die  Confutatio,  auf  Grund  deren  Osiander  sein  Gutachteo  abgab 
(vgl.  Vogt,  Die  Korrespondenz  des  Niirnberger  Rates  etc.,  MitteUuogen 


Zur  Bibliographie.  287 

des  Ver.  f,  d.  Gesch.  NOrnbiargs  IV  30)  und  die  auch  Melanchthon  haupt- 
Bachlich  bei  seinem  ersten  Entwarf  der  Apologie  benutzte,  nicht  noch 
in  Niirnberg  zu  finden  sein  sollteD.  Die  iibrigen  von  Schoinbaum  aufge- 
fundenen  Schriftstticke  beziehen  sich  zumeist  auf  die  traurigen  Ausgleichs- 
verhandlangen  mit  der  romischen  Partei.  Schornbaum  beschrankt  sich 
einstweilen  darauf,  die  fraglichen  Aktenstiicke  zu  registrieren.  Nur  ein 
bisber  vermiBtes  Gntachten  Melanchthons  Yom  24.  August,  welches  flir 
seine  damalige  Haltung  sehr  charakteristisch  ist,  und  ein  Sciireiben 
der  NUrnberger  Gesandten  an  den  Rat  vom  18.  Sept.  wird  abgedruckt, 
das  uns  tiber  ihn  und  des  Herzogs  von  Ltineburg  Vorgehen  gegen  die 
von  Melanckbthon  begiinstigten  Sonderverhandlungen  der  markgraflichen 
Gelehrten  berichtet.  Weiteres  dttrfen  wir  in  einer  gr5fieren  Monographic 
Schombaums  tiber  die  Politik  des  Markgrafen  Georg  erwarten. 

*P.  Mitzschke  in  Weimar,  Job.  Horner. 

Im  50.  Bande  der  deutschen  allgemeinen  Biographie  (wieder  abge- 
druckt im  Frankischen  Landboten  1905  Nr.  61)  bringt  P.  Mietzsche  eine 
karze  Darstellung  des  Lebens  und  Wirkens  des  frankischen  Geistlichen 
Joh.  HQrners,  aufdieich  hier  urn  so  lieber  aufmerksam  mache,  als  dieser 
8.  Z.  wohibekannte  Schriftsteller,  obwohl  erst  vor  30  Jahren  verstorben, 
schon  der  Vergessenheit  anbeim  gefallen  zu  sein  scheint.  J.  Horner,  geb. 
am  22.  Dez.  1795  in  Thurnau,  wurde  nach  beendigten  Erl anger  Studium 
und  mehreren  Yikariatsstellen  1825  Pfarrer  in  Burggrub  bei  Kronach, 
1834  in  Schnabelwaid,  1840  in  Wachstein  bei  Gunzenbausen,  1846  in 
Konigshofen  bei  WassertrUdingen,  1858  in  Berolzheim.  Seit  1869  emeri- 
tiert  starb  er  am  20.  Juli  1874  in  Ansbach.  Im  Jahre  1830  begann  er  in 
Form  einer  fortlaufenden  Schrifterklarung  ein  ,,Neues  biblisches  Er- 
banungsbuch  fCir  die  hausliche  und  offentliche  Andacht",  das  im  ersten 
Teile,  dem  Leben  Jesu  nach  Matthaus,  eine  Evangelienanslegung  von  dem 
bekannten  KatioDalisten.  Dekan  Dr.  Stephani  brachte,  wahrend  der  zweite 
und  letzte  Teil  (Magdeburg  1834),  das  Markusevangelium  von  Prof.  Dr. 
Heydenreich  in  Herborn  bearbeitet  wurde.  In  einem  in  Magdeburg 
1830—40  erschienenen  homiletischen  wRepertorium  ftir  die  sonn-  und  fest- 
taglichen  Evangelien,  mit  Predigtentwurfen  ans  groGtenteils  noch  unge- 
drnckter  Predigt**,  kamen  Manner  aller  Richtungen  von  R5hr  bis  Clans 
Harms  und  Fr.  Delitzsch  zum  Worte,  denn  es  soUte  ^in  die  Parteikampfe 
der  evangelischen  Eirche  mehr  MaBigung,  Yerstandigung  und  womoglich 
endliche  Stthnung  bringen."  Ohne  sich  als  Herausgeber  zu  nennen,  leitete 
H5mer  zu  derselben  Zeit  ^Annalen  der  gesamten  theol.  Literatur**  (Koburg 
und  Leipzig  1831—32  und  Bayreuth  1833—35),  die  womoglich  die  Kluft 
zwischen  Protestantismus  und  Katholizismus  ttberbrucken  helfen  sollte.  Unter 
den  Mitarbeitern  fanden  sich  evangelische  Gelehrte  verschiedener  Richtung, 
und  solche  von  hohem  literarischero  Rufe,  aber  kein  Katholik,  und  neben 
der  Irenikgegeniiber  der  romischen  Eirche  blieb  die  scharfe  Bekampfung  der 
Hengstenbergischen  und  neulutherischen  Richtung  bestehen.  Eein  Wunder, 
da6  sich  die  Sache  nicht  halten  konnte.  Es  kamen  andere  Stromungen 
auf  and  brachten  den  nicht  ungelebrten  Mann  friih  zum  Schweigen.  Seine 
Schriften,  die  mir  selbst  nicht  bekannt  geworden  sind,  durften  fur  die  Ge- 
schichte  des  literarischen  Lebens  in  der  bayerischen  Geistlichkeit  in  der 
ersten  Halfte  des  19.  Jahrhunderts  nicht  ohne  Wert  sein. 

*Schmidt,  Ernst,  Zur  Geschichte  des  Gottesdienstes  und  der 
Kirchenmusik  in  Rothenburg  o.  d.  T.  Rotheuburg,  S.  P.  Peter 
1905,  229  S. 

Die  Tagung  des  deutsch- evangelischen  Eirchengesangvereins  in 
Rothenburg  vom  17.  n.  18.  Juli  1905  hat  dem  urn  das  musikalische  Leben 


288  Zur  Bibliographie. 

Rothenburgs  hoohverdienten  Verf,  die  Veranlassung  ge^eben,  der  Ge- 
schichte  der  Kirchenmusik  and  des  Gottesdienstes  in  der  kleinen  alten 
Beichsstadt  bis  auf  die  neueste  Zeit  nachzugehen  and  alles,  was  etwa  von 
AktenstOcken  und  Druckwerken  dafiir  Wert  hat,  zu  sammeln  und  dem  Leser 
TorzttfUhren.  Das  gibt  eine  reiche  Sammlang,  und  aucb  wer  gr5Bere  Kenntnis 
der  Musikgescbichte  besitzt  als  der  Referent,  wird  voraussichtlich  erstaunt 
sein,  wie  viele  bedeutende  Manner,  unter  denen  namentlich  Erasmus 
Widman  gest.  1634  bervorzuheben  ist,  dortgewirkt  und  wie  vieles  sie,  zum 
Tell  unter  sehr  schwierigen  Verhaltnissen,  geleistet  baben.  Rotbenbnrg 
muB  lange  Zeit  eine  besondere  Pflegstatte  der  kirchlichen  Musik  gewesen 
sein,  und  nicht  bloB  dieser.  Aber  mit  der  Aufklarung  und  der  Ver- 
flachung  des  Gottesdienstes  trat  auch  hier  der  Verfall  ein,  und  1811  lag 
die  Sache  bereits  so,  daO  eine  „allerhocbste  Entschlie^ung**  vom  31.  Jan. 
desselben  Jahres  auf  Grund  der  Schilderung  des  Dekans  und  der-Rothen- 
burger  Geistlichkeit  erklarte,  daB  die  Kirchenmusik  dermalen  in  einer 
solchen  Verfassung  sei,  d&Q  dieselbe  fUr  jetzt  eingestellt  werden  solle; 
und  es  hat  lange  gewahrt,  bis  sich  wieder  neues  Leben  entwickelte,  wie 
wir  es  jetzt  dort  bltthen  sehen.  DaQ  es  iibrigens  in  Rotbenbnrg  schwerer 
war  als  anderwSrts,  in  neuerer  Zeit  die  Kirchenmusik  wieder  im  Gottes- 
dienst  zn  Ehren  bringen,  lag  freilich,  was  der  Verf.  klipp  und  klar  hatte 
anssprechen  sollen,  nicht  zum  wenigsten  daran,  daB,  als  die  neue  baye- 
rische  Agende  vom  Jahre  1856  eingefiihrt  wurde,  Rothenburg  gemeinsam 
(soviel  ich  weiB)  mit  alien  friiheren  Reichssadten  entsprechend  der  da- 
mals  in  den  bUrgerlichen  Kreisen  herrschenden  Oppositionslust  die  an- 
geblich  katholisierendeLiturgie,  an  die  allein  sich  doch  wirklich  kirch- 
liche  Musik  anlehnen  kann,  nicht  annahm.  Umso  interessanter  ist  es  zu 
erfahren,  was  mir  neu  war,  daj3  nach  dieser  Beziehung  sich  in  letzter  Zeit 
ein  Umschwung  geltend  macht,  indem  (vgl.  S.  30)  wenigstens  an  fiinf 
Festtagen  „die  Gottesdienste  mit  voller  Liturgie  ausgestaltef  gefeiert 
werden.  Und  aus  der  ftir  „Pfingsten**  mitgeteilten  Probe  ergiebt  sich, 
daB  die  Rothenburger  sich  an  die  Agende  anschlieBend  doch  fiir  ihre 
Festgottesdienste  eine  eigene  Liturgie  geschaffen  haben,  was  man  be- 
sonders  begriiBen  muB,  denn  gerade  hier  ist,  und  das  entspicht  echt 
lutherischen  Grundsatzen,  wie  immer  im  gottesdienstlichen  Leben  starre 
Uniformitat  nur  vom  tJbel.  —  Hiermit  sei  alien  Interessenten  die  gut  aus- 
gestattete  and  auch  mit  einigen  guten  Illustrationen  versehene  Schrift 
bestens  empfohlen. 

Fellner,  Dr.  Rob.,  Die  frankische  Ritterschaft  von  1495 — 1524. 
Mit  einer  Einleitung.  Hauptsachlich  nach  Quellen  aus  dem 
Hochstift  WUrzburg.     Berlin  1905.     E.  Ebering.  —  8  M. 

Conrad,  Frz.,  Gesch.  der  Wallfahrt  und  des  Klosters  Mariabuchen. 
3.  Aufl.     Wurzbnrg  1905.     96  S, 

Albert,  Jos.  Fr.,  Praktikant  am  Kgl.  allgemeinen  Reichsarcbiv  in 
MUnchen,  Die  Wahlkapitulationen  der  WUrzburger  BischSfe  bis 
zum  Ende  des  XVII.  Jahrhunderts.  1225—1698.  Eine  histo- 
risch-diplomatische  Studie.  (S.  A.  aus  d.  Arch.  d.  hist.  Vereins 
von  Unterfranken  und  Aschaffenburg.  Bd.  XL VI.)  WUrzburg 
1905.     160  8. 


Beitrage 

bayerischen  Kirchengeschichte 


D.  Theodor  Kolde, 

ord.  Prof,  der  KircheDgeschichte  an  der  Univereitat  Eilangen, 


Erlangen  igo6. 
Verlag  von  Fr.  Jung 


1 


tL  t.  Hof-  nod  UolTersltlUsbnohdruckeral  von  Janf  •  *  fiohn  In  BrUngea. 


iDhaltsyerzeichnis  des  XII.  Bandes. 


Seite 

Chr,  Geyer,  Das  kirchliche  Leben  in  Nuraberg  vor  uod  Dach  dem 

Cbergang  der  Reichsstadt  an  Bayern 1 

K.  Schornbaum,  Das  erste  Ansbacher  Proklamationsbuch' 21 

V.  Wirth,  Kirchenguter  und  Ornate  zu  Hersbruck  im  Jahre  1593  38 
O.    Rieder,    Kirchengeschichtliches   in   den   Zeitschriften    der    histo- 

rischen  Vereine  in  Bayern 44 

Zur  Bibliographie 46 

Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen       .     .  49 
Chr.  Geyer,  Das  kirchliche -Leben  in  Niimberg  vor  und   nach  dem 

Ubergang  der  Reichsstadt  an  Bayern  (SchluB)       ,100 

O.  Clemen,  Noricus  Philadelphus  z=  Caspar  Niitzel 131 

Zur  Bibliographie 134 

K.    Schornbaum,    Zur    Geschichte    der    Reformation    und    Gegen- 

reformatioQ  im  Amte  Hoheneck  und  der  Kommende  Virnsberg  141 

O.  Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein       181 

Zur  Bibliographie 187 

R,  Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim 193 

G.   Bossert,  Ein  Brief  von   Jakob  Schopper.     Ein  Beitrag  zur  Ge- 
schichte der  Schule  in  Hornbach 207 

K.  Schornbaum,  Die  Sakularisation  des  Klosters  Solnhofen    .     .     .  212 
G.   Bossert,  Ein   Dankschreiben   von  Pfalz-Neuburger  Exulanten  an 
Konr.   Dietrich,    Superintendent,   und    das  Ministerium  in   Ulm 

von  Ende  1616  oder  Anfang  1617 226 

Th.    Kolde,    Die    Gesellschaft    fiir    frankische   Geschichte    und    die 

Kirchengeschichte 229 

Zur  Bibliographie 234 

Chr.  Geyer,  Niirnberg  und  die  Gegen reformation 241 

V.  KreB,  Die  Kirchenordnung  fiir  eine  Landgemeinde  (Kraftshof)  aus 

der  ersten  Halfte  des  15.  Jahrhimderts 258 

K.    Schornbaum,    Zur   Stellung  der  brandenburgisch-ansbachischen 

Regierung  zum  Konzil  von  Trient  1551—52 271 

Zur  Bibliographie 284 


\ 


Das  kirchliche  Leben  inNiirnberg  vor  und  nach  dem 
Ubergang  der  Reichsstadt  an  Bayern. 

Von  Hauptprediger  Dr.  Geyer. 

In  die  Klage,  daB  allzuviel  Jubilaen  gefeiert  werden,  ein- 
zustimmen,  haben  wohl  die  Freunde  der  Geschichte  am  wenigsten 
AiilaB;  denn  die  Gedachtnisfeiern  bringen  es  mit  sich,  daB  die 
Frage  nach  den  Ereignissen  und  Zustanden  der  Vergangenheit 
laut  wird,  und  der  Forscher,  der  sich  in  die  Akten  und  Biicher 
vergraben  hat,  in  denen  die  Vorzeit  schlummert,  darf  bei  solchen 
Grelegenheiten  darauf  rechnen,  daB  mancher  seiner  Erzahlung 
ein  freundliches  Gehor  schenkt,  der  sonst  mit  der  schnelllebigen 
Zeit  leichten  Mutes  liber  der  Gegenwart  die  vorigen  Zeiten  ver- 
gaB.  So  hoffen  wir,  daB  diese  Blatter  nicht  nur  von  denen, 
die  sich  selbst  mit  der  Erforschung  der  Geschichte  abgeben, 
sondern  auch  von  solchen  gelesen  werden  mochten,  die  sich  fiir 
das  kirchliche  Leben  und  seine  Wandlungen  zu  interessieren 
durch  das  herannahende  Jubilaum  Ntirnbergs  veranlaBt  werden. 

Der  Zustand  Ntirnbergs  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
zeigte  sehr  wenig  mehr  von  dem  Glanz  der  Vergangenheit. 
Nachdem  der  B^bergang  des  Flirstentums  Ansbach  an  PreuBen 
bei  den  neuen  Herren  die  Erinnerung  an  die^  beinahe  ver- 
gessenen  Ansprliche  der  alten  Markgrafen  erneuert  und  die 
ehemals  iiber  ein  groBes  Landgebiet  herrschende  Reichsstadt 
wesentlich  eingeschrankt  hatte  (1796),  war  die  Finanznot  der 
schon  vorher  nicht  glanzend  gebetteten  Stadtvervvaltung  aufs 
auBerste  gestiegen^).    Weder  die  1792  eingesetzte  Okonomie- 


1)  Als   im  Jahre  1796   die  Strafienbeleuchtung  «ingerichtet  wurde, 
fand  folgendes  Pasquill  Yerbreitung: 

„Als  Niirnberg  noch  im  Wohl  stand  war, 
So  war  es  finster  ganz  und  gar, 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichto  XII.  1.  1 


2    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ntimberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayern. 

verbesserungsdeputation,  noch  die  1797  von  Hofrat  Gemming 
ins  Leben  gernfene  kaiserliche  Lokalkommission  brachte  die 
erwunschte  Besserung.  Die  ganze  Finanzwirtschaft  litt  bei  dem 
Fehlen  einer  einheitlichen  Zentralbeh5rde  an  einer  entsetzlichen 
Zersplitternng  und  Verwirrnng  and  es  zengt  von  dem  guten 
Blick  des  bayerischen  Landesdirektionsrats  von  Lochner,  dessen 
Bericht  von  1807  die  beste  nnd  zaverlassigste  Quelle  ftir  die 
Zust^nde  Niirnbergs  vor  100  Jahren  bildet^),  daB  er  sogleich 
dieses  eigentliche  Grundgebrechen  erkannte.  Die  bestandige 
Finanznot  bewirkte  in.  den  unrnhigen  Zeitlauften  der  Napo- 
leonischen  Ara  eine  so  voUige  Machtlosigkeit,  daB  die  Stadt 
einfach  mit  sich  geschehen  lassen  mufite,  was  iiber  sie  verfugt 
wurde.  J.  Baader  hat  auf  Grund  „bisher  nnbenutzter  archivali- 
scher  Aktenstlicke"  den  drohenden  Verlust  der  Reichsfreiheit 
nnd  die  Bestrebungen  zur  Erhaltung  der  Selbst^ndigkeit  und 
Unmittelbarkeit  geschildert.  Wenn  wir  unter  seiner  Fuhrung 
die  Nlirnberger  Eatsdeputation  nach  Munchen  und  an  das  kgl. 
Hoflager  begleiten,  sehen  wir,  daB  dem  Rat  gar  keine  andere 
Wahl  blieb,  als  die  Zivilbesitzergreifung  Niirnbergs  durch  die 
Krone  Bayern  willig  oder  unwillig  zu  dulden^).  Der  bayerische 
Minister  Graf  Montgelas  und  der  Franzose  Fririon,  inspecteur 
aux  revues,  als  Generalkommiss^r  Napoleons  vollzogen  die 
iJbergabe  am  8.  September  1806;  die  formelle  Aktion  in  Niirn- 
berg  fand  am  15,  September  statt.  An  diesem  Tage  iibergab 
Fririon  Niirnberg  in  aller  Form  und  Feierlichkeit  an  den 
bayerischen  General-Landeskommissar  in  Franken,  Graf  Thlir- 
heim.  Der  bayerische  K5nig  erhielt  mit  der  Souver^nitat  die 
voile  Befugnis,  die  Stadt  nach  bayerischen  Gesetzen  zu  regieren 
und  einzurichten  ^).   Das  konigliche  Besitzergreifungspatent  ver- 

Jetzt,  da  der  Staat  zugrund  gegangen, 
Hat  man  Laternen  aufgehangen, 
Damit  der  arme  Bilrgersroann, 
Des  Nachts  zum  Betteln  sehen  kann.** 
Manuskr.  in  der  Stadtbibliothek.  Will  VIII,  426  b. 

1)  Entwurf  des  Berichtes  an  S.  Majestat  den  Konig  iiber  die  kiinftige 
Organisation  der  vormaligen  Reichsstadt  Niirnberg.  1807.  Kgl.  Kreis- 
archiv  in  Ntirnberg  4348. 

2)  J.  Baader,  Der  Heichsstadt  Mrnberg  letztes  Scbicksal  and  ihr 
lib  er  gang  an  Bayern.  Niirnberg  1863. 

3)  Vbergabsprotokoll  bei  Baader,  a.  a.  0.  S.  38. 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Nurnberg  vor  u.  nach  cl.  Uberg.  an  Bayern.    3 

langte  auch  von  den  geistlichen  Behorden  Gehorsam,  und 
alsbald  wurden  nicht  nur  in  der  Stadt,  sondern  auch  auf  dem 
Lande  alle  geistlichen  und  weltlichenDiener  verpflichtet^).  Am 
21.  September  wurde  ein  Dankfest  bei  St.  Sebald  gefeiert,  bei 
dem  der  Prediger  bei  St.  Sebald  D.  Christian  Junge  in  Gegen- 
wart  des  Grafen  Thurheim  und  des  ganzen  Eats  mit  seinen 
Konsulenten  und  Assessoren  der  Gerichte  liber  Ps.  118,  V,  23 
bis  25  sprach.  Nicht  nur  die  frostigen  Poesien,  mit  denen  der 
Tag  verherrlicht  wurde 2),  sondern  auch  die  Predigt  laBt  er- 
kennen^  daB  —  und  wie  hatte  das  anders  sein  konnen  und 
durfen  ?  —  mehr  die  Stimmung  der  Ergebung  in  ein  unabwend- 
bares  Geschick  als  der  innerlichen  freudigen  Zustimmung  zu  ihm 
vorherrschte.  Junge  hat  sich  ubrigens  seiner  schwierigen  Auf- 
gabe  in  recht  taktvoUer  Weise  erledigt^). 

Sein  Thema  lautete  „Die  Denkungsart  des  Christen  bei 
wichtigen  Staatsveranderungen*'  und  er  fiihrte  aus,  daB  der 
Christ  solche  Veranderungen  auf  Gott  beziehen  und  als  seine 
Ftigungen  betrachten  und  daraus  Griinde  zu  seiner  Beruhigung 
und  Erweckung  ableiten  werde.  „Ihr  seid  es,"  so  redete  er 
die  Nurnberger  an,  „schon  seit  Jahrhunderten  gewohnt,  euren 
Vorgesetzten  Treue  und  Gehorsam  zu  leisten.  Nur  einmal,  vor 
mehr  als  vier  Jahrhunderten,  entstanden  Parteien,  die,  irre  ge- 
fiihrt,  gegen  ihre  Oberen  gewaltsam  verfuhren,  aber  dennoch 
blieb  ein  angesehener  Teil  auch  damals  seinen  Pflich ten  getreu; 
auBerdem  aber,  weder  vorher  oder  nachher,  befleckt  in  dieser 
langen  Reihe  von  Jahi-en,  irgend  eine  offenbare  Gewalttat 
hiesiger  Burger  gegen  ihre  Oberen  die  Annalen  Niirnbergs. 
Dies  moge  unserm  AUergnadigsten  Konig  ein  Beweis  der  treuen 
und  patriotischen  Gesiunungen  Seiner  neuen  Untergebenen  sein 

1)  A.  a.  0.  S.  42  u.  44. 

2)  A.  a.  0.  S.  52—55. 

3)  Predigt  am  16.  Sonntag  Dach  dem  Feste  der  Dreieinigkeit  als  an 
dem  verordneten  Dankfest  wegen  der  feierlichen  Besitznehmung  der  Stadt 
Ntirnberg  und  ihres  Gebietes  von  Seiten  S.  Majestat  des  durchlauchtigsten 
K6nig8  Maximilian  Josephs  unsers  AUergnadigsten  Herrns  gehalten  von 
D.  Christian  Gottfried  Junge,  vorderstem  Antistes,  Prediger  an  der 
Sebalder  Kirche  und  Bibliothekar.  Im  Jahr  Christi  1806.  den  21.  Sep- 
tember. Ntirnberg,  bei  G.  P.  J.  Bieling,  Buchdrucker  in  der  Juden- 
gasse. 

1* 


4   Geyer,  Das  kirch).  Leben  in  NUrnberg  vor  u.  nach  d.  t)berg.  an  Bayern. 

uud  Ihn  in  Seiner  Liebe  zu  ihnen  kraftigst  befestigen"^).  Auch 
die  Art,  wie  er  der  bisherigen  Regierung  gedenkt,  ist  sehr 
wohituend.  „Mit  diesem  Geflihl  der  Dankbarkeit  gegen  unsem 
Vater  im  Himmel  woUen  wir  noch  einen  herzlichen  Dank  gegen 
nnsere  vorigen  Regenten  verbinden,  unter  deren  Schutz  und 
Leitung  wir  so  lange  ruhig  und  gliicklich  lebten  und  auch 
selbst  in  den  neuern  unglticklichen  Zeiten,  unter  manchen  Leiden, 
die  auch  ihnen  selbst  schmerzlich  waren,  noch  manches  Gute, 
Angenehme  und  Erfreuliche  genossen.  Ihnen  wolle  der  allgtitige 
Gott,  was  sie  aus  Liebe  des  Vaterlands  und  ihrer  Mitbiirger, 
aiis  Achtung  gegen  ihre  heilige  Pflicht  zu  dem  allgemeinen 
Besten  Gutes  taten  und  beforderten,  reichlich  belohnen  und  sie 
und  Ihre  B^amilien  mit  mannigfachem  Segen  erfreuen"*). 

So  war  also  Ntirnberg  bayerisch  geworden.  Wie  sah  es 
daraals  aus?  Der  oben  bereits  genannte  Freiherr  von  Lochner 
hat  seinen  Organisationsbericht  an  die  Krone  erstattet,  nachdem 
er  ein  voiles  halbes  Jahr  in  Nurnberg  geweilt  hatte^).  Er 
hatte  —  abgesehen  von  der  Organisation  der  Polizei  —  ab- 
sichtlich  alles  zunachst  beim  Alten  gelassen  urn  die  Geschafte 
moglichst  griindlich  kennen  zu  lernen  und  seinen  Vorschlagen 
eine  gute  Grundlage  zu  sichern.  Im  Berichte  gibt  er  zunachst 
historische  und  statistische  Notizen  uber  die  Stadt  und  die 
Pflegamter,  dann  stellt  er  die  bisherige  Geschaftsbehandlung 
und  Verfassung  dar  und  endlich  macht  er  Vorschlage  zur  Neu- 
organisation.  Wir  erfahren  da,  daU  Nurnberg  25176  Seelen 
zahlte  (11764  mannl ,  13709  weibl.  Geschlechts),  2712  Hans- 
besitzer,  4005  Mietsleute,  5297  Manner,  6079  Weiber,  3963  Knaben, 
4537  Madchen,  2207  mannliche  Dienstboten  und  Verwandte, 
3057  desgl.  weiblich^.  Diese  alle  wohnten  in  3284  Hausern, 
die  auf  der  Lorenzer-  und  Sebalderseite  in  je  4  Viertel  ein- 
geteilt  waren*).  Dazu  kamen  198  offentliche  Gebaude,  darunter 
16  Kirchen.  Die  Salvatorskirche  und  die  BarfuBerkirche  dienten 


1)  A.  a.  0.  S.  16. 

2)  A.  a.  0.  S.  15  f. 

3)  Lochner  bat  den  Bericht  laut  Postbescheinigung  am  5.  April  1807 
an  den  Grafen  Thurheim  gescbickt. 

4)  Barfufier-,    Kornmarkter-,   Karthauser-    und   Elisabetber-Viertel ; 
Weinmarkter-,  Milchmarkter-,  Egidier-  und  Salzmarkter-Viertel. 


Geyer,  Das  kirchl.  I.eben  in  KOmberg  Yor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern.    5 

als  Magazine.  Die  Karthause  ist  der  katholischen  Qemeinde 
iiberlassen  —  die  Eiisabethkirche  wurde  umgebaut,  die  Refor- 
mierten  haben  die  Marthakirche  inne^)  (seit  1800).  Die  Nttrn- 
berger  Bevolkenmg  erscheint  dem  bayerischen  aufgeklarten 
Beamten  kleinlich  und  alien  Neuerungen  gegeniiber  miUtrauisch. 
Die  in  alien  Standen  herrschende  Armut  wirkt  nach  seiner 
Meinung  nachteilig  anf  das  ganze  geistige  Leben  ein. 

Bei  der  Darstellung  der  kirchlichen  Verhaltnisse  bezieht 
sich  Lochner  auf  einen  erst  jiingsthin  iiber  die  evangelischen 
Pfarreien  erstatteten  Bericht.  Die  Zahl  der  Geistlichen  erscheint 
ihm  sehr  grofi,  die  gottesdienstlichen  tJbungen  seien  zahlreicher 
als  in  anderen  protestantischen  StMten.  Das  Eitual  bei  den- 
selben  unterscheide  sich  wesentlich  von  dem  an  anderen  prote- 
stantischen Orten.  AUe  Tage  konne  man  entweder  eine  Priih- 
oder  Nachmittagpredigt  horen,  „aber  die  Predigten  entsprechen 
demZweck,  welcher  Volksbelehrung  sein  soil,  bei  weitem  nicht; 
der  Vortrag  derselben  ist  so  wenig  anziehend,  dafi  solche  von 
den  Einwohnern  wenig  besucht  werden,  so  daB  man  oft  in  einer 
Kirche  nur  zwei  Personen  wahreud  der  Wochenpredigten  als 
ZuhQrer  finden  kann".  Eine  genauere  Untersuchung  der  kirch- 
lichen Verfassung,  eine  andere  Einrichtung  der  gottesdienst- 
lichen Verrichtungen  nnd  selbst  anch  manche  AbRnderungen  in 
den  Personen,  denen  die  pfarrlichen  Verrichtnngen  obliegen, 
seien  notwendig. 

Die  katholische  und  reformierte  Konfession  sei  nur  geduldet; 
die  Katholiken  konnten  weder  das  Burger-  noch  das  Meister- 
recht  erlangen.  Dies  verstoBe  gegen  das  Religionsedikt.  Die 
katholischen  Gottesdienste  wurden  von  drei  Geistlichen,  einem 
Prases  und  zwei  Kapljinen  in  der  vormaligen  Deutschordens- 
kommende  besorgt,  die  Geistlichen  werden  auch  nach  auswarts 
(Feucht,  Katzwang,  Rostall,  Schwabach,  Fiirth,  Zirndorf,  Wen- 
delstein  u.  s.  w.)  gerufen;  denn  den  500  Katholiken  in  der 
Stadt  sttinden  2000  auf  dem  Lande  gegeniiber.  Ftir  die  Aus- 
lagen  komme  seit  der  Reformation  diir  deutsche  Orden  auf.  Der 


1)  Man  vgl.  zu  Lochners  Bericbt,  Georg  Wolfgang  Karl  Lochner, 
Die  Stadt  Ntirnberg  im  Ausgang  ihrer  Reichsfreiheit.  Zeitscbrift  f.  deutsche 
Eulturgeschichte)  herausgegeb.  von  Muller  u.  Falke,  3.  Jahrgang  (1858) 
S.  255-293. 


6   Geyer,  Das  klrchl.Leben  in  Nlirnberg  vox  u.nach  d.Cberg.  an  Bayern. 

Gottesdienst  fande  jetzt  in  der  Kai'thauserkirche  statt.  Ob  eine. 
Pfarrei^)  errichtet  werden  soUe,  lasse  sich  noch  nicht  entscheiden. 
Vor  allem  miisse  man  den  Katholiken  eine  andere  Kirche  an- 
weisen,  und  zwar  die  Marienkirche  auf  dem  Markt,  deren  Lage, 
innere  Einrichtung  und  GroBe  entspreche  und  deren  Abtretung, 
da  sie  keine  eigentliche  protestantische  Pfarrkirche  sei,  wenig 
Widerspruch  erregen  diirfte. 

Die  reformierte  Gemeiude  bestehe.  aus  sieben  Familien, 
unselbstandigen  Fremden,  Handiungsdienern,  Gesellen  u.  s.  w. 
Von  hier  aus  wlirden  auch  vier  reformierte  Familien  in  Fiirth, 
desgleichen  einige  Seelen  in  Farnbach  und  an  einigen  anderen 
Orten  pastoriert.  Die  Kommunikantenzahl  betrage  60.  Nach- 
dem  die  Eeformierten  von  1660  bis  1703  ihre  Gottesdienste  in 
Stein  gehalten,  batten  sie  in  diesem  Jahr  einen  Garten  mit 
Saal  bei  Wohrd  gekauft,  nach  der  preuBischen  Okkupation  1796 
hatte  die  Gemeinde  ein  im  Stadtgebiet  liegendes  Gotteshaus 
erbeten  und  1800  die  Martkakirche  erhalten.  Die  Eeformierten 
seien  biirgerlich  den  Lutheranern  gleichberechtigt,  nur  mtiBten 
sie  fiir  ihr  Kirchenwesen  selber  sorgen.  KoIIekten,  die  bei  den 
Glaubensgenossen  in  Holland  und  in  der  Sphweiz  erhoben  worden 
seien,  batten  von  1775  bis  1790  8400  fl.  ergeben,  die  bei  den 
Stadtamtern  verzinslich  angelegt  worden  seien.  Obwohl  diese 
seit  1804-  nur  mehr  2^/^  statt  4^/^  bezahlten,  seien  420  fl.  Zinsen 
im  Riickstande,  weshalb  sich  die  Gemeinde  in  grofier  Verlegen- 
heit  beflnde^). 

Die  Juden  ^eien  seit  1499  in  Nlirnberg  nicht  geduldet;  sie 
durften  nur  durch  zwei  Tore,  das  Spittler-  und  das  Tiergartner- 
tor  die  Stadt  betreten,  immer  von  einer  Polizeiwache  begleitet. 
Die  ehemals  bestehende  Judensteuer  sei  zwar  seit  1800  in  ein 
Eintritts-  oder  Passiergeld  umgewandelt;  allein  auch  dies  ver- 
trage  sich  nicht  mit  dem  Geist  einer  „liberalen  Eegierung". 


1)  Die  Katholiken  durften  keine  Umgange  auBerhalb  der  Kirche  und 
keine  „ProzeC"  zu  Kranken  halten.  Die  Leichen  bezahlten  der  (protestant.) 
Pfarrkirche  iura  stolae.  Junge,  Bericht  iiber  das  evang.  Kirchenwesen 
vom  1.  Dez.  1807.    Abschnitt  III.    Ms.  der  Dekanatsregistratur. 

2)  Die  Reformierten  Ubten  ungehindert  ihren  Gottesdienst  aus,  hatten 
aber  keine  Parochialrechte,  d.  h.  sie  muBten  die  Stolgebiihren  an  die 
protestant.  Pfarrkirchen  zahlen.    Junge,  a.  a.  0, 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Niirnberg  vor  u.  nach  d.  t^berg.  an  Bayern.    ^ 

Was  fiber  die  offentlichen  Schulen,  die  4  lateinischen  Schulen, 
die  18  deutschen  Schulen  und  die  5  Armenkinderschulen  be- 
richtet  wird,  mussen  wir  ubergehen.  Nur  das  sei  bemerkt,  daU 
Lochner  meint,  den  lateinischen  Schulen  musse  eine  grofie  Ver- 
anderung  bevorstehen,  wenn  sie  zu  hoheren  Studien  vorbereiten 
soUen.  Die  deutschen  Schulen,  denen  der  Stempel  des  Zunft- 
zwanges  aufgedruckt  sei,  so  zwar  daB  die  neuen  Schulmeister 
die  Stellen  der  Alten  einnehmen  oder  in  sie  einheiraten  wie 
in  ein  anderes  Geschaft,  das  die  Witwe  nach  dem  Tode  ihres 
Mannes  weiterfuhrt,  ohne  daB  der  Staat  irgendwie  die  lediglich 
auf  das  Schulgeld  angewiesenen  Lehrer  bezahle,  seien  noch 
schlechter  als  die  lateinischen  und  sehr  reformbedurftig.  „Grafieste 
Unwissenheit,  ganzlicher  Mangel  an  richtigen  Begriffen,  Aber- 
glaube  sind  hier  leider  zuhause."  Eine  veraltete  Lehrmethode 
gebrauche  fast  nur  Bibel  und  Gesangbuch;  „kein  neues  zweck- 
mafiiges  Lehrbuch  der  Eeligion"  sei  vorhanden.  Die  SchuUehrer 
seien  meistens  alt  und  ganzlich  unbrauchbar^).  Auch  bei  den 
Armenkinderschulen  kommt  er  trotz  mancher  Anerkennung  im  Ein- 
zelnen  —  so  wird  von  dem  Diakon  Seyfried,  dem  die  Aufsicht 
fiber  die  Lodelsche  Kinderschule  ubertragen  war,  gesagt,  er  be- 
mfihe  sich,  in  seinem  Unterrichte  mit  dem  Geist  der  Zeit  fort- 
zuschreiten  —  zu  dem  Ergebnis,  daB  diese  Schulen  entweder  zu 
reorganisieren  oder  aufzuheben  seien.  Aufrichtiges  Lob  spendet 
er  dagegen  den  von  der  Gesellschaft  zur  Beforderung  der  vater- 
landischen  Industrie  gegrfindeten  Industrieschulen  ffir  Madchen 
(1793)  und  fur  Knaben  (1803)  sowie  der  von  eben  dieser  Gesell- 
schaft  ins  Leben  gerufenen  Rumfordschen  Suppenanstalt. 

Die  Bibliothek  des  Predigers  Solger  sei  1766  uml5000fl. 
zur  Stadtbibliothek  erkauft  worden.  Dem  gegenwartigen 
Bibliothekar  Dr.  Junge  —  der  im  Predigerkloster  wohnende 
Prediger  bei  St.  Sebald  war  immer  zugleich  auch  Bibliothekar  — 
soUe  zur  notigen  Katalogisierung  Professor  Penzenkofer  und 
Registrator  Kief haber  (der  Verwalter  der  Bibliotheca  Williana) 
beigegeben  werden,  da  er  sein  Amt  gegen  60  fl.  Besoldung  nur 
im  Nebendienst  verwalte. 


1)  Vgl.  Geyer,  NUrnberger  Tochterschulen  vor  hundert  Jahren  im 
Jahresbei'icht  des  Lohmannschen  Instituts  von  1904/5,  S.  3  und  namentlich 
Schultheifi,  Gesch.  der  Schulen  in  Ntimberg  1857.-    . 


8    Geyer,  Das  kircbl.  Leben  in  Nilrnberg  vor  u.  naeh  d.  Oberg.  an  Bayero. 

Aus  der  eingehenden  und  instruktiven  Be8chreibung  des 
stadtischen  Verwaltungsapparates  woUen  wir  nur  hervorheben,  dafi 
das  Vormundamt,  dem  die  geistlichen  Angelegetiheiten  zugeteilt 
waren,  eine  der  16  in  Nurnberg  vorhandenen  Gerichtsstellen  war. 

Der  von  Lochner  genannte  Bericht  fiber  die  evangelischen 
Pfarreien  ist  mir  nicht  znganglich  gewesen;  dafur  habe  ich 
unter  den  reponierten  Akten  des  Dekanats  Nurnberg  ein  ein- 
gehendes  Eeferat  des  Predigers  Dr.  Junge  gefnnden,  das  diesem 
am  1.  Dezember  1807  abgefordert  wurde  uiid  einen  vollstandigen 
Uberblick  fiber  das  gesamte  Nfirnberger  Kirchenwesen  gestattet^). 
Auf  Grund  eines  kgl.  Eeskripts  vom  4.  Sept.  hatte  Lochner 
am  11.  Oktober  Junge  unter  tJbersendung  von  ausffihrlichen 
Fragebogen  zu  genauer  Berichterstattung  aufgefordert.  Den 
groBten  Teil  des  Schriftstuckes  nimmt  die  Beschreibung  des 
offentlichen  Kultus  ein;  darnach  istnoch  vonliturgischen 
Formularen,  Religions-  und  Andachtsbuchern,  von  kirch- 
licher  Disziplin  und  Polizei,  von  Amts-  und  Standes- 
pfjichten,  endlich  von  Kircheninspektion  und  Kirchen- 
regierung  die  Rede.  Die  im  Folgenden  gegebenen  Nachrichten 
gehen  stets,  wenn  nicht  andere  Literatur  ausdrficklich  angezogen 
wird,  auf  dieses  nur  allzulange  vergraben  und  ungenutzt  ge- 
bliebene  Schriftsttick  zurfick. 

Wir  woUen  zunachst  eine  Vorstellung  von  der  kirchen- 
regimentlichen  Organisation  Altnurnbergs  gewinnen.  Esist 
begreif  lich,  daB  der  Rat,  dem  als  Summus  episcopus  die  Ver- 
waltung  aller  Kirchenangelegenheiten  gebfihrte,  nicht  alles  in 
seinen  Sitzungen  beraten  konnte.  Nur  Sachen  von  besonderer 
Wichtigkeit,  wie  etwa  die  Einftthrung  eines  neuen  Gesangbuchs, 
eiuer  neuen  Agende  und  neuer  Lehrbficher  muBten  ihmvorgelegt 
werden.  Fur  alle  minder  bedeutende  und  gelaufige  Angelegenheiten 
waren  in  der  Stadt  das  Kirchen-  und  Vormundamt,  auf  dem 
Lande  teilweise  die  Landpflegearater  zustandig,  deren  Inhaber 
zu  einem  Kollegium  der  Landpfleger  unter  dem  Oberlandpfleger 
als  ihrem  Chef  zusammentraten.  Finer  der  Herren  des  Rats 
war  in  der  Stadt  als  Kirchenpfleger  aufgestellt,  der  mit  seinen 
Kollegen  vom  Kirchen-  und  Vormundamt,  namentlich   den  drei 

1)  Bericht  iiber  das  evangeliscbe  Kirchenwesen  zu  Ntiraberg.  An 
das  Egl.  B.  General-Land-Kommissariat  (Konzept). 


Geyer,  Das  kirchL  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  tJberg.  an  Bayern.   9 

Herren  ^Scholarchen*'  das  Meiste  selbst  besorgte.  Bei  Erledigung 
von  Pfarrstell^en  legte  er  die  Bewerbungen  nebst  daraus  ge- 
fertigten  Auszttgen  vor  —  bei  Landstellen  tat  der  betreflfende 
Landpfleger  das  gleiche  —  und  suchte  durch  seine  damit  ver- 
bundenen  Bemerkungen  die  Wahl  zu  ieiten.  Schullehrer  auf 
dem  Lande  wurden  ohne  Genehmigung  des  Rates  angestellt, 
ftir  die  Pfarrer  in  Stadt  und  Land,  desgleichen  fiir  die  stadtischen 
Rektoren  war  dieselbe  jedoch  erforderlich.  Uber  die  Arten  der 
Leichen  oder  Hochzeiten  und  fiber  die  Dispensationen  entschied 
das  Kirchenamt.     Dasselbe  ffihrte  auch  die  Rechnung. 

Unter  dem  Kirchenamt  stand  das  Kollegium-  der  Prediger, 
deren  frfiher  sechs,  nunmehr  aber  nur  noch  vier  —  Sebald, 
Lorenz,  Egidien  und  heil.  Geist  —  waren.  Die  Prediger  batten 
die  Aufsicht  fiber  die  Geistlichen  und  stellten  als  geistliche 
Rate  in  den  Sachen,  die  sich  auf  die  Lehre,  Sitte,  Gebrauche 
und  gottesdienstliche  Einrichtuugen  bezogen,  ihre  „Bedenken", 
wie  sie  denn  auch  bei  Pfarr-  und  Rektoratsbesetzungen  auf 
Grund  der  ihnen  mitgeteilten  Bewerbungen  taten.  AUein  der 
Kirchenpfleger  wandte  sich  nicht  immer  an  das  ganze  Kollegium 
der  Prediger,  sondern  bisweilen  nur  an  die  beiden  ersten  — 
die  Prediger  von  Sebald  und  Lorenz  —  oder  auch  nur  an  den 
ersteren,  den  Prediger  von  Sebald,  der  die  Aufsicht  fiber  das 
ganze  „Ministeriura"  fuhren  soUte,  d.  h.  fiber  die  gesamte  Geist- 
lichkeit.  Eine  eigentliche  Konsistorialverfassung  war  also  kaum 
ffir  die  Stadt,  noch  weniger  aber  ffir  das  Land  durchgeffihrt^) 
und  die  Befugnisse  des  Predigers  von  St  Sebald  ermangelten 
einer  genauen  .Abgrenzung.  Eine  eigentfimliche  Einrichtung  ffir 
die  Stadt  war  der  jahrliche  Konvent,  zu  dem  sich  der  Kirchen- 
pfleger und  die  Scholarchen  mit  den  Predigern  und  Schaflfern 
(den  ersten  Pfarrern)  und  je  einem  Diakon  (2.,  3.,  u.  s.  w. 
Pfarrer)  aus  jeder  Pfarrkirche  versammelten,  wobei  die. Geist- 
lichen ihre  Wunsche  und  Vorschlage  vortragen  konnten,  fiber 
die  das  Kirchenamt  alsdann ,  weiter  beriet^). 

1)  Bei  Unordnungen  auf  dem  Lande  wurde  eine  Visitation  mit  Hin- 
zuziehung  eines  Predigers  angeordnet-  oder  der  Beklagte  vor  die  Sitzung 
des  Kirchenamtes,  der  alsdann  auch  ein  Prediger  beiwohnte,  berufen  und 
seine  Sache  aUda  abgehandelt. 

2)  Die  Ordnung  des  Konvents  ist  aus  folgendem  Schriftstuck  der 
Stadtbibliothek  (Nor.  H.  410)  zu  ersehen: 


10  Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUmberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayern. 

Das  Kirchen-  und  Vormundsamt  war  naturlich   auch  die 
Instanz,  die  allenfallsige  grobere  Verfehlungen  der  Geistlichen 


^Directoriam 
den  jahrliohen  Eirchen  Convent  betreffend. 

Der  jahrliche  Kirchen  Convent  /:  welchem  zuvorderst  der  Herr  Eircben 
Pfleger  neben  denen  anderen  Herren  Scholarchis,  und  nechst  denenselben 
die  6  Herren  Prediger,  als  zn  St.  Sebald,  St.  Laurentzen,  St.  Egidien, 
St.  Jacob,  Zn  unser  Frauen  und  im  Neuen  Spittal,  deBgleichen  die  beeden 
Schaffer  in  denen  beeden  Pfarr  Eirchen,  und  derPfarrer  zu  Wohrd,  dann  auch 
aus  jeder  der  4  Nebenkirchen,  als  St.  Egidien,  Unser  Frauen,  St.  Jacob  u. 
Spittal,  wie  nicht  weniger  aus  jeder  PfaiT  Kirchen  noch  ein  Diaconus  wexels- 
weifi  beywohneri :/  wird  in  denen  beeden  PfarrhcJfen  denen  Herren  Schaffern, 
in  denen  iibrigen  Eirchen  aber  denen  Senioribus,  durch  den  Vormundbieter 
angesagt,  solchen  umwexelsweig  zu  halten,  in  denen  Convent-Stuben  bey 
St.  Sebald  und  St.  Laurentzen;  Allwo  an  elner  langen  Tafel  /:  mit  Auf- 
legung  Papier,  Dinte,  Federn  und  Gestiipp :/  zu  Oberst  der  Herr  Kirchen- 
pfleger  allein  praesidiret,  Zu  defien  linken  Hand  so  wohl  die  iibrige  drey 
Herren  Scholarchae,  als  auch  nachst  denenselben  die  Herren  Predigere 
ihre  Sitzstellen  nehmen.  Welche  anfangs  allein  eingelassen,  und  nach 
beschehenen  kurtzen  miindlichen  Vortrag  von  dem  Herren  Eirohenpfleger 
um  ihre  Erinnernng  allein  vernommen  werden. 

Zur  rechten  Hand  sitzt  der  Vormundschreiber  als  Protokollist  und 
nechst  demselben  nehmen  auf  Vorfordern  alsdann  die  andere  anwesende 
Herren  Geistliche  ordentlich  nacheinander  Platz. 

Denen   alien   insgesamt   wird  von    dem   Herrn  Kirchen-Pfleger   ein 
nocbmaliger   mtindlicher  Vortrag   gethan,   mit  Anfilhrung   der  Ursachen, 
•    warum  solche  Conventns  angestellet  worden. 

Darauf  wird  von  dem  jiingsten  der  Herren  Predigere  das  gewohnliche 
Gebet  in  Lateinischer  Sprach  gesprochen,  und  nach  solchen  die  Umfrag 
vorgenommen. 

Mit  der  Umfrag  aber  fangt  der  Herr  Kirchen- Pfleger  an,  bey  dem 
vordersten  Prediger,  so  neben  dem  letzten  vor  denen  Herren  Scholarchen 
sitzt,  biB  zu  dem  letzten  Prediger; 

Alsdann  wird  gefragt  der  Herr  Schaffer  bey  St.  Sebald,  so  auf  der 
rechten  Seiten  neben  dem  Protocollisten  sitzt,  bifi  an  den  letzten  von 
denen  Herren  Geistlichen. 

Nach  diesem  fragt  der  Herr  Kirchenpfleger  den  nechsten  von  denen 
Herren  Scholarchen  nach  Ihme,  welcher  demselben  die  erste  Stimme  wieder 
zurtickgibt. 

Darauf  der  Herr  Kirchenpfleger,  nach  abgelegtem  Voto  die  iibrigen 
Herrn  Scholarchen  jeden  insonderheit  um  dessen  Votum  =  und  so  dann 
die  Herren  Predigere  um  deren  fernere  Erinnerung  befraget.  Welches 
alles  von  dem  Vormundschreiber  fleiBig  protocolliret  und  in  eine  Relation, 
solche  bey  Rath  vorzulegen,  verfafiet  wird. 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUrnberg  vor  u.  naoh  d.  Oberg.  an  Bayern.    H 

zu  behandeln  hatte  und  Suspension  oder  I{,emotion  beantragen 
konnte.  Zu  solchen  Verhandlungen  wurden  gleichfalls  die 
flAntistiten  oder  Prediger"  beigezogen.  Besondere  gesetzliche 
Bestimmungen  liber  die  Kleidung  der  Geistlichen  waren  nicht 
vorhanden.  AuBer  deij  Amtsverrichtungen  war  ihnen  „jede 
modeste  Kleidung"  erlaubt. 

Fur  die  Rube  und  Ordnung  im  Innern  der  Kirchen  sorgte 
der  Mefiner^),  zur  Erhaltung  der  auBeren  Ruhe  wurden  Sauve- 
garden  und  aite  Soldaten,  seit  der  bayerischen  Okkupation  au<;h 
Polizeidiener  gebraucht.  Klagen  iiber  StOrung  des  Gottesdienstes 
gingen  an  den  Kirchenpfleger,  der  sie  dem  Kriegsamt  (uach  der 
Okkupation  der  Polizei)  vortrug. 

Die  Pfarramter  fiihrten  Tauf-,  Toten-  und  Trauungsmatrikeln. 
Das  vollstandige  Totenbuch  hatte  das  Vormundamt;  denn  da 
im  Pfarrhof  viele  Leichen  zur  Ersparung  der  Gebiihren  nicht 
angezeigt,  sondern  einfach  auf  den  Friedhof  getragen  und  ein- 
gegraben  wurden  (sogen,  Freiheitsleichen),  muBte  die  Pfarr- 
matrikel  luckenhaft  bleiben.  Die  Konfirmanden-,  Beicht-  und 
Kommunionregister  fiihrten  die  einzelnen  Geistlichen. 

Wervor  hundert  Jahren  einen  Nurnbergischen  Gottes- 
dienst  besuchte,  muBte  erstaunt  sein  iiber  zahlreiche  auf 
protestantischem  Boden  fremd  anmutende  AuBerlichkeiten,  die 
aus  der  katholischen  Vergangenheit  stammten^),  namentlich 
hatte  sich  sowohl  bei  den  Kommunionen,  als  auch  bei  den 
Kanzelvortragen  und   anderen   geistlichen  Funktionen  der  Ge- 

Und  hierauf  thut  der  Herr  Kirchenpfleger  die  Erinnerung,  in  welcher 
der  zweyen  Pfarrkirchen,  auch  von  welchem  Diacono  der  Passion  und  der 
Catecbismns  in  denen  kiinftigen  Fasten-Vesperpredigten  wechselsweiB 
erklaret  werden  soUe.  Endlich  wird  von  dem  jiingsten  Caplan,  init  Ab- 
lesung  einer  Lection  aus  denen  Libris  Normalibus,  wo  man  das  Jahr  Yor- 
herr  aufgehoret,  continuirt; 

Und  darauf  von  dem  jiingsten  Prediger  die  Preces  abermals  lateinisch 
gesprochen,  and  hiemit  solcher  Conventus  nach  genommenem  Abscbied 
beschlossen.'* 

1)  Es  sei  zum  Oberflu^  daran  erinnert,  daB  dieser  Name  nichts  mit 
der  Messe  zu  tnn  hat,  sondern  eine  Yerstiimmelung  des  lateinischen 
Wortes  mansionarius  =  Hausaufseher  ist. 

2)  H.  V.  Schubert,  Der  Streit  iiber  die Lauterkeit  der  Niirnb. Zere- 
monien  i.  d.  Mitte  des  18.  Jahrh.  in  dies.  Zeitschr.  Bd.  Ill,  S.  197-226. 
Herold,  Alt-Nttrnberg  in  seinen  Gottesdiensten,  Giltersloh  1890. 


12  Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUrnberg  yor  u.  nach  d.  Oberg.  anBayero^ 

* 

brauch  der  MeUgewtoder,  Chorhemden  und  Kragen  erhalten. 
Erst  am  11.  November  1810  wurde  diese  alteTracht  von  alien 
Pfarrern  abgelegt^).  Es  war  dies  der  letzte  Uberrest  aua  einem 
ganzen  machtigen  Apparat  von  lateinischen  und  halblateinischen 
Gottesdiensten,  die  zusammen  mit  dem  alten  Institut  der  Privat- 
beichte  dem  Nurnberger  Kirchenwesen  ein  wunderlich-altertiim- 
liches  Aussehen  gaben.  Nachdem  dem  Ansturm  von  Geist- 
lichen  und  Laien  —  es  seien  hier  nur  der  Kirchenpfleger  Paul 
Karl  Welser  von  Neunhof*),  der  uberaus  fleifiige  Schriftsteller 
Waldau^),  damals  Sudenprediger,  der  anonyme  Verfasser  einer 
viel  gelesenen  Schrift*),  namentlich  aber  der  trotz  des  an- 
genommenen  Inkognito  alsbald  als  der  Verfasser  einer  recht 
boshaften  Schrift  erkannte  Dlakonus  bei  St.  Jacob  Johann 
Ferdinand  Roth  ^)  genannt  —  eine  der  veralteten  Einrichtungen 

1)  Amberger,  Ntirnbergs  Geschichte  oder  Niirnberger  Chronik 
Nachrichten  S.  45  f.   Ms.  in  der  Stadtbibliothek. 

2)  Waldau,  Nurnbergisches  Zion  1787,  S.  Iff.  Derselbe,  Die 
Abschaffung  der  WochenfrUbmessen  in  NUrnberg  durch  den  Kirchenpfleger 
von  Welser  (1783)  in  „Vermisehte  Beitrage  zur  Gesch.  der  Stadt  Niirn- 
berg  Bd.  II  (1787)  S.  397  ff. 

3)  Waldau,  Historische  Bemerkungen  iiber  das  Belch twesen  in 
NUrnberg  in  „Vermischte  Beitrage  zur  Gesch.  der  Stadt  Nurnberg**  Bd.  I 
(1786)  S.  11—30. 

4)  Uiber  den  Evangeliscben  offentlichen  Gottesdienst  in  Franken  oder 
eines  Patrioten  wohlgemeynte  Vorschlage  den  Offentlichen  Gottesdienst 
der  Evangeliscben  Gemeinden  besonders  in  Franken  Zweckmafiiger  ein- 
zurichten.  Erlang  und  Schwabach  1779.  —  Vgl.  dazu  D.  Joh.  Augustin 
Dietelmeyers  Bedenken  ttber  einige  vorgeschlagene  Yerbesserungen  des 
evangeliscben  Gottesdienstes  in  Franken.    Altdorf  1780. 

5)  Beschreibung  des  Religionswesens  in  der  Reichsstadt 
Nurnberg,  welche  vielleicht  auf  mehrere  Stadte  pafit.  Aus  einer  Reise- 
beschreibung.  Nonquis?  Sedquid?  1789.  Im  Exemplar  der  Stadtbibliothek 
findet  sich  auf  der  Innenseite  des  Einbandcs  die  handschriftliche  Bemerkung: 
„Eine  Schandsaule  erbaut  sich  der  selber,  der  sein  Vaterland  (Jffentlich 
schandet".  —  Rothbekampft  die  Beichtanstalt  als  eine  Folge  des  Interims, 
Tagamter,  Fruhchore,  VesperchSre,  Fruhmessen,  Mefigewande, .  Chorhemde, 
Kirchenornat,  Lampen  die  bestandig  brennen,  die  Lichter  bei  dem  Gottes- 
dienst  am  hellen  Tage  und  den  lateinischen  Gesang  als  Uberbieibsel  des 
Papsttums.  Schon  seien  manche  Verbesserungen  erfolgt,  so  Abschaffung 
des  Exorzismus  bei  der  Taufe  (Dez.  1783),  der  Fruhmessen,  des  Gewitter- 
lautens  und  des  lateinischen  Magnificat  vor  der  Nochmittagspredigt.  Der 
Rat  woUe  in  Verbessernng  des  Religionswesens  fortfahren,  weshalb  zwei 


Geyer,  Da9  kirchl.  Leben  in  Ntiriiberg  vor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern.    13 

nach  der  anderen  zum  Opfer  gefallen  war,  am  24.  April  1783 
die  Wochenfruhmessen,  am  25.  November  1789  die  Ch6re,  Tag- 


Parteien   in   der  Biirgerschaft   besttlnden,   die   sich   durch  Schriften  nnd 
Pasquille  befehden.    Er  wendet  sich  besonders  gegen  den  Gebrauch  der 
Dietrichschen    Snmmarien,    gegen    die    ttblichen    Kir'chengebete, 
namentlich  die  Litaney,   gegen  das  Agendbtichlein,   den  Gesang 
yon  Kollekten,  Einsetznngsw.orten  und  Vaterunser,  gegen  die  1359  Seiten 
starken    Normalbticher,    gegen    die     in    den    Betstunden    benutzten 
Summarien  und   ^Historia  des  Leidens   und  Sterbens   un seres  Herm 
Jesu  Ghristi'^,   gegen   das  Stadt-    and   das   ebenso   ^erbarmliche'*  Land- 
Gesangbuch,  mit  besonderer  Scharfe  geifielt  er  das  Kinderlehrbtich- 
lein  „yon  der  jammerlichsten  Bescliaffenheit",  das  nnr  den  Aberglauben 
befordere.    IJber  die  Beichte  und  das  in  KHrnberg  bis  heute  herrschende 
Beichtvatersystem  spricht  er  sich  also  aus  (S.  54):  „Schon  Islngst  waren 
mir  in  unserer  evangelischen  Kirche  die  Worte  Beichtvater,  Beicht- 
kinder,  Beichtstuhl,  Beichtgeld  vom  Groscben   bis   zum  Pfennig 
herab  —  ekelhafte  Worte.    Wann  r—  wann  werden   alle  diese  Worte  zu 
den  veralteten  gerecbnet  werden  k(5nnen?  Wann  —  wird  das  bisherige 
Beichtwesen,   das  ein  Werk  des  Fanatismus,   des  Geldgeizes,   der  Bank- 
sncbt,   des   Pfaffenbetruges   ist,  aus   der   evangelischen  Kirche  verbannt 
werden?  Wer  kennt  nicht  den  Unfug,  der  hie  und  da  —  von  diesen  und 
jenen  —  mit  dem  Beichtwesen  getrieben  wird  ?  Wem  sind  die  schadlichen, 
niedrigen,  eigenniitzigen  und  habsiichtigen  Handlungen,  welche  das  Beicht- 
wesen  veranlaBten,   ganz   unbeka.nnt   geblieben?   Wer  hSrte   nicht,   daJB 
Religionslehrer  sich  herabwurdigten,  Beichtkinder  zu  werben  oder  durch 
andere  werben  zu  lassen,  wie  man  Soldaten  anzuwerbeti  pflegt?  Und 
—  wer  bemerkt  nicht  die  nachteiligen  Folgen,  welche  fUr-  den  Stand  der 
Religionslehrer,  ja  selbst  fUr  die  Religion  daraus  erwachsen?"  Er  spricht 
sich.flir  vollige  Abschaffung   des  Beichtvaterverhaltnisses 
aus.  —  Die  „kostbaren  und  lumpenreichen"  alten  MeBgewande  moge 
man  ablegen.  Der  Predigten  seien  zu  viel,  wochentlich  42,  am  Sonntag 
22,  wozu  noch  FrUhmessen,  Betstunden,  Ch{)re  und  das  Salve  Regina  in 
der  Marienkirche  kamen.  Der  Gottesdienst  am  Sonntag  sei  zu  lang. 
Eingeleitet  mit  dem   Gesang  Vaterunser  im  Himmelreich,    Epistel,    All- 
gemeine  Furbitte,  Eatechismus,  Verktindigungen  und  langem  —  die  Lieder 
wtirden  immer  ganz  gesungen  —  Hauptlied  vor  der  Predigt,  beendigtmit 
Beichte,  Absolution,  Gebet,  Notifikationen,  Mandaten  Furbittenzettel,  Unser 
Vater  u.  s.  w.  nach  der  Predigt,  dauere  er  2—3  Stunden,  bei  St.  Jakob,  wo 
sich   das  Abendmahl  an    den  Hauptgottesdienst   anschlieBe,  gelegentlich 
von  Vs9  bis  Vjl  Uhr.    Das  Vaterunser  werde   zu  oft   gebraucht;   er 
rechnet  nach,  daB  manche  Leute  an  ein  em  Sonntag  27  Vaterunser  beten. 
Die  Perikopen   seien   abzuschaffen.    Bei  Sebald,   Lorenz  und  Egidien 
wiirden  nach   der  Friihpredigt   noch   tiberfllissige  Tagamter   gehalten. 
Die  Kinderlehren  seien  zu  sehr  predigtartig.    In   den  Nachmittags- 


14    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Niirnberg  vor  a.  nach  d.  Uberg.  an  Bayern. 

«lmter^)  u.  a.;  bald  darauf  die  Privatbeicht^),  die  etwas 
spMer  auch  aaf  dem  Lande  durcb  die  Allgemeine  Beicht  ersetzt 
wurde^),  war  die  Bahn  zu  einer  tief  einschneideiiden  Umgestaltung 
des  gesamten  Kirchenwesens  erSffnet,  die  beim  tibergang  der 
Stadt  an  Bayern  noch  nicht  voUig  abgeschlossen  war.  Als 
nach  der  Abschaffung  der  Privatbeicht  im  Jahr  1790  die  Zahl 
der  Kommunikanten  von  28147  desVorjahres  auf  22223  herab- 
gesunken  war,  konnte  sich  freilich  auch  Waldau,  der  Fubi^er 
gerade  dieser  Bewegung,  nicht  enthalten  iiber  die  Verdiisterung 
so  vieler  Kopfe  und  Herzen  durch  die  mifiv^rstandene  Auf  klarung 
zu  klagen*).  Wenn  man  iiberhaupt  die  Teilnahme  an  Beicht 
und  Abendmahl  als  einen  Gradmesser  der  kirchlichen  Sitte  gelten 
lassen  will,  so  reden  hierwie  anderwarts  gerade  dieKommuni- 
kantenzahlen  eine  lauteSprache  von  der  zuEnde  des  18.  Jahr- 
hunderts  eingetretenen  Verander ung.  Eine  voUstandige  Zusammen- 


gottesdiensten,  in  denen  stets  entweder  tiber  die  Epistel  oder  den 
Eatechismns  geprediget  werde,  werde  za  anfang  ein  lateinischer  Introitus 
gesungen.  Am  Mittwoch  Nachmittag  sei  bei  St.  Jakob  noch  ein  lateinisches 
»Geplerre  und  Geheule**  von  3  Schul-  und  2  Eirchendienern,  die  eine  Art 
Mannleinlaufen  vomPult  zu  den  Sttihlen  u.  8.  w.  ansteilen.  Die  Wochen- 
predigten  kSnnten  wegen  des  geringen  Besuches  uberhaupt  eingestellt 
werden;  es  sei  doch  zu  viel,  wenn  jahrlich  in  Niirnberg  2766  Predigten 
gehalten  wtlrden.  Von  den  lateiniBcben  Horis  sei  die  Fru]m>efi  (Prim)  an 
den  Werktagen  jetzt  aufgehoben,  aUein  Tagamt  (Terz)  bestebe  noch  am 
Sonntag,  desgleichen  die  Non  oder  der  Vesperchor,  bei  dem  doch  nur 
Kirchendiener  und  SchUIerchor  anwesend  seien.  Auch  der  Feiertage  seien 
zu  Yiel:  ^Man  gehe  an  Feyertagen  in  die  dasigen  Eirchen,  und  man  wird 
sehen,  wie  wenig  sie  besuchet  werden.  Yornehme  und  beguterte  machen 
Spazierfahrten  oder  bereiten  sich  zu  nachmittagigen  Gastmalen  Yor;  der 
Handwerksmann  arbeitet  vormittags  und  nachmittags  besucht  er  das  Land. 
£s  wird  also  nur  sehr  wehigen  Zuhorern,  desto  mehreren  leere'n  Eirchen- 
stuhlen  geprediget." 

1)  Batsdekret  wegen  Abschaffung  der  Chore,  Tagamter  u.  a.  bei 
Waldau,  Neue  Beitrage  zur  Gesch.  der  Stadt  Ntirnberg  1.  Bd.  (1790) 
S.  74.    Herold,  a.  a.  0.  S.  315ff. 

2)  18.  Marz  1790.  Me  die  us,  Geschichte  der  evang.  Eirche  imEgr. 
Bayern  diess.  d.  Rh.     Erlangen  1863,  S.  274  ff. 

3)  Waldau,  Neue  Beitrage  II,  39  ff.  Oberherrliche  Verordnung  wegen 
Einfuhrung  der  allgemeinen  Beicht  in  den  Niirnbergischen  Eirchen  auf 
dem  Lande.    Vom  4.  Januar  1791. 

4)  Neue  Beitrage  II,  S,  49.  Anm. 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  ©berg,  an  Bayern.    15 

stellung  der  Kommunikanten  bei  St.  Jakob  von  1632  (in  welchem 
Jahr  zuerst  Abendmahle  in  dieser  Kirche  gefeiert  wurden)  bis 
1806  zeigt  folgende  lehrreiche  Schwankungen^): 

1632:  2525  Kommunikanten,  1640:  4649,  1650:  4441,  und 
dann  weiter  von  Jahrzehnt  za  Jahrzehnt  5400,  5539,  6140, 
7603  (1698  wnrde  die  hochste  Zahl  mit  8207  erreicht!)  7454, 
7633,  7037,  6947,  5929,  5936,  5782,  4339.  Wahrend  1780  die 
Zahl  noch  3823  betrug,  waren  es  1790  nur  mehr  2601  und  1800 
nur  noch  939  Abendmahlsgaste.  Aber  die  Zahlen  sinken  von 
1801  bis  1806  noch  weiter:  901,  913,  901,  830,  597,  577. 

Wenn  wir  nunmehr  wieder  dem  Berichte  Junges  in  der 
Schilderung  des  gottesdienstlichen  Lebens  folgen,  lernen  wir  das 
gegen  den  fruheren  Zustand  stark  veranderte  Kirchenwesen 
kennen. 

„An  Sonn-  und  Festtagen",  so  beginnt  er  seine  Schilderung 
des  „Offentlichen  Kultus",  ist  ein  besonderer  Gottesdienst  zu 
der  Kommunion  veranstaltet,  welches  wir  ftir  vorziiglicher  halten, 
als  wenn  selbige  nur  der  sonntaglichen  Predigt  angehangt  wird, 
weil  die  Teilnahme  durch  die  Lange  der  Dauer  vermindert  und 
besonders  alteren  Persouen  beschwerlich  gemacht  wird.  Kom- 
munion wird  alle  Sonntage  in  den  beiden  Hauptkirchen  und  in 
den  Nebenkirchen  beiEgydien,  Jakob  und  Spital  geliialten,  bei 
Jakob  und  in  der  Sude  nach  der  Predigt.  Dann  ist  eine  Frtih- 
kirche  in  der  Margarethakirche  auf  der  Pestung,  die  mit  einem 
Kandidaten  besetzt  ist  und  sich  dann  enden  soil,  wenn  die 
ubrigen  Kirchen  anfangen.  Die  Einrichtung  war  deswegen,  daU 
in  einem  auBersten  Notfall,  wo  schnell  ein  Prediger  krank  wiirde, 
dieser  die  Vormittagspredigt  noch  versehen  konute.**  Darauf 
folgte  der  Hauptgottesdienst  bei  Sebald,  Lorenz,  Egidien,  im 
Spital,  bei  Jakob,  in  der  Prauenkirche,  in  der  Walpurgiskapelle 
auf  der  Burg  und  in  der  Suden.  Mittagspredigten  wurden 
zwischen  12  und  2  Uhr  von  einem  Kandidaten  und  dem  Senior 
(1.  Diakon)  in  der  Prauenkirche  und  in  der  Spitalkirche  ge- 
halten.  Urn  2  Uhr  fanden  bei  Sebald,  Lorenz,  Egidien,  im 
Spital,  bei  Jakob,  in  der  Augustinerkirche  und  in  der  Karthauser- 
kapelle  Vesperpredigten  statt.  Diese  Gottesdienste  wurden  alle 

1)  Kommunikanten  bei  St.  Jakob.  Maniiskript  in  der  Stadtbibliotbek, 
Nor.  H.  395. 


16  Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Niirnberg  yor  a.  nach  d.  t^berg.  an  Bayern. 

in  der  schlichten,  um  nicht  zu  sagen  niichtenien  Form  gefeiert, 
die  aus  der  von  Junge  selbst  verfaBten  Neuen  Agende  von  1801 
bekannt  und  im  wesentlichen  unter  entschiedener  Ablehnung 
der  spateren  liturgiefrohen  Bestrebungen  der  bayerischen  Kirchen- 
behorden  bis  heute  beibebalten  worden  ist.  Der  Hauptgottes- 
dienst  begann  im  Sommer  um  8  im  Winter  um  9  Uhr.  Das 
Hauptlied  wurde  etwa '/^  Stunden  nach  dem  Beginn  gesungen^). 
Dem  Prediger  stand  es  frei,  sich  an  die  Perikopen  zu  halten 
Oder  nicht.  „Da  die  Perikopen  nicht  alle  gut  gewahit  sind,  so 
sind  solche  in  der  Neuen  Agende  mit  anderen  ansgetauscht,  auch 
iiberhaupt  dem  Zusammenhange  gemafier  angeordnet  worden. 
Die  nftmliche  Freiheit  herrscht  anch  in  ADsehung  der  anfier- 
ordentlichen  Predigten,  weil  wir  uberzeugt  sind,  daU  vor- 
geschriebene  Texte  dem  Geistlichen  oft  zu  viel  Zwang  auf  legen, 
und  da  ihm  das  wichtigere,  der  Vortrag  der  Materien  und  die 
moralische  Behandlung  seiner  Beichtkinder  tiberlassen  werden 
muB,  ihm  wohl  auch  die  Wahl  eines  Textes  zugestanden 
werden  kann." 

Als  besondere  Feiertage  wurden  eben  noch  die  Aposteltage, 
das  Dreikonigsfest,  der  Griindonnerstag  gefeiert,  doch  trug.  man 
sich  bereits  mit  dem  Gedanken  ihrer  Beseitigung.  Der  BuBtag 
wurde  am'Aschermittwoch,  das  Erntefest  am  15.  Sonntag  nach 
Trinitatis,  das  Reformationsfest  als  Gedenktag  der  Ubergabe 
der  Augsburgischen  Konfession  am  Sonntag  nach  Johannis,  die 


1)  Man  vgl.  die  oben  mitg^eilte  Scbilderung  Roths  (S,  13).  Der 
Anonymus,  der  tiber  den  evangel.  Gottesdienst  in  Franken  scbrieb  (1779), 
sagt,  da6  der  Hauptgottesdienst  um  8  Uhr  eingelautet  wurde,  10  Minuten 
spater  begann  das  Orgelspiel,  worauf  drei  bis  vier  Anfangslieder  gesangen 
wurden.  Unterdem  kam  erst  die  Gemeinde  zusammen,  der  P5bel  um  ^/^O, 
die  Burger  um  Va^,  JRate  undBeamte  um  '/^O  und  die  Noblesse  um  9  Uhr. 
Die  Predigt,  der  ein  Exordium  voranging,  nach  dem  noch  einmal  ge- 
sungen  wurde,  worauf  nach  der  Textesverlesung  ein  zweites  Exordium 
kam,  dauerte  in  der  Kegel  IV2  Stunden.  „Aber  diefi  darf  ich  bemerken, 
dafi  hier  ihr  Werth,  besonders  der  vormittagigen  Amtspredigten  am  meifiten 
nach  der  Uhr  bestimmt  wird.  Und  wenn  Mosheim,  Saurin,  Spalding  oder 
ein  jeder  anderer  vortrefflicher  Prediger  auftrate,  und  bliebe  nicht 
wenigstens  6  Viertelstunden  auf  der  Kanzel,  so  ware  sein  Ruf  in  N.  dahin. 
Doch  la6t  man  diese  ^lligkeit  Statt  find  en,  daB  dem  Bedner  vergdnnt 
ist,  sich  mit  langsamer  Aussprache  und  Sfterem  langen  Schweigen  zu 
helfen«.    S.  15. 


Geyer,  Das  kirohl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  naoh  d.  Uberg.  an  Bayeru.  17 

Kirchweih  am  Sonntag  vor  oder  nach  dem  Tag  der  Kirchen- 
heiligen  begangen. 

Filnf  Wochenpredigten,  zu  denen  Stiftungs-  und  Fasten- 
predigten  kameu,  waren  der  Rest  des  friiheren  noch  groCeren 
Predigtsegens.  Am  Neujahrsabend,  dem  Lieblingsfest  des  Zeit- 
alters,  fand  natlirlich  auch  in  Nurnberg  in  all^  Kirchen  Predigt- 
gottesdienst  statt,  in  der  Frauenkirche  wurde  sogar  die  Vesper 
durch  Musik  und  Gesang  des  Te  Deum  ausgeaseichnet. 

„Der  unnatiirliche  Gebrauch,  das  Evangelium,  den  Glauben 
Oder  den  Segen  zu  singen"  bestand  nicht.  Das  ,,Liturgische" 
beschrankte  sicli  auf  den  Schlufi  des  Gottesdienstes;  da  sang 
der  Geistliche  „DerHerr  sei  mit  uns  alien**,  eine  KoUekte  und 
das  Benedicamus.  Bei  der  Kommnnion  wurden  Einsetzungs- 
worte  und  Vaterunser  nach  den  in  der  neuen  Agende  S.  105 
gegebenen  Noten  gesungen,  „  welches,  wenn  der  Geistliche  eine 
ertragliche  Stimme  hat,  uberaus  feierlich  klingt  und  riihrender 
als  das  blofie  Sprechen  ist".  Nur  bei  der  Abendmahlsfeier 
fungierte  der  Geistliche  „auf"  dem  Altar,  bei  alien  anderen  gottes- 
dienstlichen  Verrichtungen  blieb  er  „vor"  dem  Altar.  Lichter 
brannten  nur  wahrend  der  Vormittagspredigt  und  beim  heiL  Abend- 
mahl.  Besondere  Fiirbitten  wurden  gesprochen  fiir  die  Pruchte, 
fur  die  Kommunikanten.  Danksagungen  fiir  die  Ernte  waren  in 
der  Agende  (S.  20)  vorgesehen.  „Dann  aber  ist  auch  hier  die  be- 
sondere Gewohnheit,  daC  nach  dem  Gebet  und  vor  dem  Vater- 
unser Fiirbitten  fur  Schwangere,  Kranke,  Verreiste,  auch  Dank- 
sagungen fiir  Geburten,  Genesung  oder  Tod  der  Kranken  und 
gliickliche  Nachhausekunft  in  einzelnen  Zetteln  auf  die  Kanzel 
geschickt  und  dann  von  dem  Prediger  verlesen  und  mit  einem 
Segenswunsch  begleitet  werden."  An  den  Pesttagen  fiihrte  der 
Kantor  nach  dem  SchluB  der  Predigt  eine  Kirchenmusik  (Vokal- 
und  Instrumentalmusik)  auf.  Auch  bei  einigen  Stiftungspredigten 
war  die  Begleitung  des  Gesangs  durch  Instrumente  bestimmt. 

An  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  abgeschafften  Gottes- 
dienste  erinnerte  noch  das  Gelaute,  das  als  „Zeichen  der  Zeit" 
beibehalten  wurde,  obgleich  in  den  Kirchen  nichts  dabei  vor- 
ging.  So  wurde  z.  B.  das  Fruhmefilauten  um  8  oder  9  Uhr, 
das  Vesperlauten  um  2  Uhr  noch  an  alien  Tagen  fortgesetzt, 
obgleich  keine  Priihmesse  und  kein  Chor  und  nicht  jeden  Nach- 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchcngeschichto  XII.  1.  2 


18    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  u,  nach  d.  Cberg.  an  Baycrn . 

mittag  eine  Predigt  gehalten  wurde.  Auf  das  Erntefest,  das 
Konfessionsfest  and  den  Bufitag  wurde  mit  ausfiihrlicheren  in 
der  Agende  vorgeschriebenen  Anktindigungen  aufmerksam  ge- 
macht.  Sonst  durfte  nur  die  Verkiindnng  der  zahlreichen 
Stiftungen  fur  Arrae,  die  von  der  Kanzel  aus  geschah,  erwahnens- 
wert  sein.  Der  Klingelbeutel  ging  in  den  meisten  Kirchen  nur 
bei  der  Kommunion  herum.  Bei  den  Vormittagskirchen  wurden 
die  Becken  an  den  Tfiren  ausgestellt,  bei  denen  ein  Handwerks- 
mann  saB,  der  auf  das  Geld  acht  hatte^). 

Die  am  Montag  friih  je  nach  der  Tageslange  zwischen 
6  und  8  Uhr  in  alien  Kirchen  eingerichteten  Betstnnden,  bei 
denen  aus  den  Veit  Dietrichschen  Summarien  vorgelesen  wurde 
—  Junge  weist  darauf  hin,  daC  die  Ausarbeitung  eines  neuen 
besseren  Betstundenbuches  nur  durch  die  noch  vordringlichere 
BeschaflFung  eines  neuen  Lehrbuchs  fur  die  Schulen  aufgehalten 
worden  sei  — i  wareu  schlecht  besucht,  weil  bei  den  Vornehmeren 
die  Lebensweise  und  bei  den  tJbrigen  die  Notwendigkeit  mehr 
zu  arbeiten  als  sonst,  deren  Abwartung  hinderte.  Gottesftirchtige 
Familien  beteten  ihren  Morgensegen  gemeinschaftlich  in  ihren 
HSusern,  und  die  das  nicht  taten,  gingen  auch  in  keine  Bet- 
stunden.  AUe  Feiertage  wurde  zum  Andenken  des  Todes  Christi 
um  8  Oder  9  Uhr,  niimlich  zur  Chorzeit,  eine  Lektion  aus  der 
Leidensgeschichte  mit  Erklarung  nach  Seiler  vorgelesen  und 
ein  Lied  gesungen. 

Die  sonntaglichen  offentlichen  Katechisationen  in  der  Egidien-, 
Frauen-,  Jakobs-  und  Marthakirche,  von.  den  Geistlichen  ab- 
wechslungsweise  zwischen  1  und  2  Uhr  gehalten,  waren  schlecht 
besucht,  weil  die  Honoratioren  ihre  Kinder  nicht  schickten,  und 
die  iibrigen  Burger  diesem  Beispiel  folgten.  Beliebter  waren 
die  von  den  Beichtvatern  in  den  Pfarrhausern  gehaltenen  Wochen- 
kinderlehren.  Gleichfalls  in  den  Pfarrhausern,  die  alle  mit  ge- 
raumigen  Lehrzimmern  versehen  sind,  wurde  der  Konfirmanden- 
unterricht  zwischen  LichtmeB  und  Ostern  in  taglich  zwei  Stunden 
erteilt.  Hierzu  wurden  die  Kinder  mit  dem  14.  Lebensjahr 
angenommen,  wenn  sie  die  erforderlichen  Vorkenntnisse  hatten, 
woriiber  die  Beichtv^lter  von  den  wochentlichen  Kinderlehren  her 


1)  An  diese  Einrichtung  erinnern  die  noch  in  den  Nurnberger  Kirchen 
vorhandenen  „ZunftstuhIe**. 


Geyer,  Das  kirchl,  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern.    19 

wohl  Bescheid  wuBten.  Nur  in  NotfeUen  wurden  auch  jungere 
Kinder  zugelassen.  Da  sich  in  der  Neuen  Agende  (S.  121)  ein 
Konfirmationsformular  findet,  konnte  man  meinen,  die  Kon- 
firmation  sei  allgeniein  iiblich  gewesen.  Dies  war  jedoch  nur 
auf  dem  Lande  der  Fall,  wo  eine  solche  in  der  Osterzeit  oder 
am  Himmelfahrtsfest  gefeiert  wurde,  worauf  alsdann  am  folgenden 
Sonntage  die  Kinder  gemeinschaftlich  kommunizierten.  In  der 
Stadt  war  eine  offentliche  Konfirmation,  „so  erbaulich  und 
riihrend  auch  eine  solche  Anstalt  ist",  nicht  eingefiihrt,  weil 
sich  die  h9heren  StSnde  wegen  ihres  Ranges  und  audere  wegen 
ihrer  Armut  weigern  wurden.  So  wurden  die  Kinder  einfach 
in  der  letzten  Unterrichtsstunde  im  Pfarrhause  konflrmiert. 
Jeder  Beichtvater  machte  das  „so  feierlich  und  so  erweckend, 
als  es  in  seinem  Vermogen  stand". 

Obwohl  die  Privatbeicht  abgeschafft  war,  blieben  die  Nach- 
mittage  am  Sonnabend  dazu  bestimmt,  dafi  an  ihnen  die  Beicht- 
vater von  1  bis  2  Uhr  „Beicht  sitzen"  soUten.  An  diese  von  den 
Beichtvatern  nur  fur  ihre  Beichtkinder  gehaltene  Beicht  schloC 
sich  jedoch  noch  von  2  bis  3  Uhr  ein  gemeinsamer  Beichtgottes- 
dienst  an,  bei  dem  der  jungste  Diakon  eine  Vorbereitungsrede 
Melt.  Zweimal  im  Jahr  wurde  in  der  Augustinerkirche  besondere 
Beicht  fiir  die  Armen  gehalten.  Die  Kommunion  fand  immer 
am  folgenden  Sonn-  oder  Festtag  statt.  Die  Kommunikanten 
meldeten  sich  Freitags  oder  Sonnabend  morgens  an,  die  gemeinen 
Stande  kamen  selbst,  die  hSheren  schickten  ihre  Dienstboten. 

Es  war  allgemeine  Sitte,  die  Kinder  innerhalb  acht  Tagen 
und  zwar  immer  im  Hause  taufen  zu  lassen.  Da  in  Niirnberg 
die  Gevatterschaft  manche  Kosten  mit  sich  brachte,  war 
der  Vater  immer  froh,  wenn  er  nur  einen  Gevatter  hatte,  doch 
kam  es  bei  Angesehenen  auch  vor,  daC  mehrere  Taufzeugen 
gewonnen  wurden.  Der  Exorzismus  war  langst  abgeschafft. 
Die  Jungesche  Agende  bot  verschiedene  Taufformulare  dar,  die 
sich  teils  an  die  Sprache  der  Alten  anlehnten,  teils  dem  Ge- 
schmacke  der  Zeit  Rechnung  trugen. 

In  der  Kirche  „vor  dem  Altar"  lieBen  sich  nur  zuweilen 
noch  Bauern  trauen.  Die  vornehmeren  Stande  lieCen  den  Geist- 
lichen  ins  Haus  kommen,  die  anderen  Brautleute  aber  wurden 
in  den  Pfarrhofen,  wo  die  Schaffer  als  die  einzigen  Copulatores 


20    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern. 

ein  dazu  eingerichtetes  Zimraer  batten,  im  Beisein  ihrer  Ver- 
wandten  oder  des  MeBners  und  Hochzeitladers  getraut.  „Hocli- 
zeitreden  sind  hier  nieraals  gew5hiilich  gewesen,  aacli  wohl 
iiberflussig,  da  die  Kopulationsformel  schon  die  Ermahnuiigen 
enthalt,  die  den  Neuvermahlten  notig  sind,  und  die  Gemiiter 
bei  Hochzeiten  gemeiniglich  nicht  zu  Anh5rung  langer  Predigten 
gestimmt  sind."  In  der  Tat  erinnere  ich  micli  nicht  unter  den 
vielen  gedruckten  Predigten  und  Gelegenheitsreden  jener  Zeit  einer 
geistlichen  Hochzeitsrede  begegnet  zu  sein.  Personen,  die  sich 
miteinander  fleischlich  vergangen  batten,  wurden  in  der  Regel 
nicbt  proklamiert;  wurde  die  Proklamation  aber  ausdriicklicb 
verlangt,  so  fiel  der  Ebrentitel  Jungfer  weg,  denn  es  konne 
dem  proklamierenden  Pfarrer  nicbt  aufgegeben  werden,  eine 
faktiscbe  Unwahrbeit  von  der  Kanzel  vorzutragen  und  durcb 
Gleicbstellung  der  Keuscben  und  Unkeuscben  die  Unkeuscbbeit 
zu  unterstutzen.  Fur  die  Trauung  solcber  Personen  entbielt 
die  Agende  drei  Formulare,  ein  gelinderes,  scbarferes  und 
scbarfes,  unter  denen  der  Pfarrer  die  Wabl  batte.  Da  diese 
Trauungen  meist  im  Gefangnis  oder  in  der  Kircbe  nacb  einer 
Betstunde  oder  zu  anderer  Zeit  vorgenommen  wurden,  nicbt 
aber  vor  versammelter  Geraeinde,  lag  in  ibrer  Anwendung  nicbts 
Bescbimpfendes. 

Bei  den  Leicbenbestattungen  unterscbied  man  „besungene" 
und  „unbesungene"  Leicben.  Die  ersteren  waren  naturlicb 
die  vornebmeren  und  zerflelen  wieder  in  drei  Klassen.  Die 
Funfherrnleicben  wurden  von  fiinf  Geistlicben  begleitet  und 
fanden  urn  ^/gl  Ubr  statt;  die  Acbtberrnleicben  paradierten  urn 
^/^  nacb  1  Ubr  mit  8  Geistlicben  und  die  Dreierleichen  wurden, 
ebenfalls  von  8  Geistlichen  begleitet,  um  2  Ubr  fortgetragen. 
Die  Scbiiler^)  und  Geistlichen  versammelten  sich  in  der  Kircbe, 
gingenvor  das  Trauerbaus,  wo  ein  kurzes  Lied  gesungen  wurde; 
von  bier  bracbte  man  die  Leicbe  unter  Vortragen  von  4  Kerzen 

1)  Professor  Penzenknffer  beklagt  sich  in  der  Schrift  „Ver- 
teidigung  der  in  dem  obersten  Staatszwecke  begriindeten  Rechte  und 
Anspriiche  der  gelehrten  Schnllehrer  meines  Vaterlandes.  La  justice  est 
le  point  d'appui  de  I'autorit^.  Ntirnberg  1805**  liber  die  Zuriicksetzung  der 
Lehrer  bei  den  Beerdigungen.  Nur  die  Geistlichen  wurden  als  „Herren** 
bezeichnet.  Aiich  erhielten  sie  am  Trauerhause  groBe  Zitronen,  die  Lehrer 
kleinere  und  schlechtere. 


Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch.  21 

mit  GesaDg  in  die  Johanniskirche  auf  dem  Friedhof.  Ein  eigens 
dazu  verfertigter  Sermon  mit  einem  Lebenslauf  wurde  hier  ab- 
gelesen^).  Nacli  Gesang  einiger  Verse  trug  man  die  Leiche 
zum  Grab,  wo  sie  unter  dem  Wechselgesang  des  Liedes:  „Be- 
grabt  den  Leib"  eingesenkt  wurde.  Nur  Personen  von  den 
ersten  Standen  batten  das  Recht  einer  Leichenpredigt  von  der 
Kanzel,  die  dann  meist  von  den  Predigern  gehalten  wurde. 
Diese  Leicben  waren  aber  schon  damals  sehr  ins  Abnehmen  ge- 
kommen. 

Meistens^  begniigten  sich  die  Leidtragenden  mit  einer  un- 
besungenen  Leiche.  Bei  einer  solchen  wurde  der  Verstorbene  vor- 
mittags  auf  dem  Leichenwagen  oder  Peuntwagen  mit  oder  ohne 
Begleitung  hinausgefahren  oder  auch  getragen  und  unter  dem 
Gesang  „Begrabt  den  Leib"  eingescharrt.  Vorher  wurde  in  der 
Kirche  auf  Wunsch  ein  Sermon  oder  auch  eine  gedruckte  Ver- 
mahnung  (Leseleiche)  gelesen.  Arme  wurden  in  der  Friihe 
hinausgetragen.  Als  Unfug  bezeichnet  es  Junge,  daB  manche, 
ohne  etwas  zur  Kirche  und  Schule  zu  bezahlen,  ihre  Leichen 
hinaustragen  liessen,  die  dann  auch  nicht  in  die  Pfarregister 
eingetragen  wurden.  Es  sind  das  die  schon  oben  erw^hnten 
„Freiheitsleichen"2).  (Forts,  folgt.) 


Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch. 

1528—1552. 
Von  Dr.  K.  Schornbaum-NUrnberg. 

Zn  den  altesten  Kircbenbuch^ru^)  gehort  das  Erste  Ansbacher 
Proklamationsbuch y   welches  beutzutage  bei  der  Pfarrei  St.  Jobannis 

1)  Nocb  jetzt  ist  es  iii  Niirnberg  vorherrschende  Sitte,  daB  die  Grab- 
reden  gelesen  werdeo. 

2)  Im  ehemals  NUmberger  Landgebiet  hat  sich  bis  in  die  Gegenwart 
herein  eine  tlbergroBe  Mannigfaltigkeit  der  Beerdigungsklassen  erhalten.  So 
hatteich  in  Altdorf  Einsegnungcn,  halbe  Leichen  (kurze  Leseleiche),  Drei- 
viertelsleichen  (langere  Leseleiche),  ganze  Leichen  (mit  Predigt),  Orgel- 
leichen  (Grabrede  und  Predigt),  Florleichen  und  Standesleichen  (nur  Grab- 
rede  am  Vormittag)  zu  halten.  Auch  eine  ^Universitatsleiche**,  bei  der 
der  Sarg  in  der  Stadtkirche  aufgebahrt  wird,  ist  dort  noch  bekannt. 

3)  Schon  1805  hat  man  sich  mit  der  Frage  nach  den  altesten  Kirchen- 
bttchernbeschaftigt;  s.  literarische  Blatter  V.  Niirnberg  1805.  Nr.  10 
Sp.  156. 


A 


22  Schornbanm,  Da8  Erste  Ansbacher  ProklamatioDsbucb, 

in  Ansbach  auf  bewahrt  wird.  Ja  es  ist  wohl  das  alteste  Kirchenbncli 
der  Markgrafschaft;  Brandenburg- Ansbach  uberhaupt.  Ein  kleines 
schmales  Quartbllndlein  8^/2  cm  breit  nnd  22  cm  hoch.  Den  Umschlag 
bildet  ein  Pergamentblatt  aus  einem  ebemaligen  Kalender.  Darauf 
steht:  I.  Angefhangen  1528  vielleicht  Althamers  Hand;  ein  anderer 
schrieb  dazu  —  1552.  Auf  8.  1  a  befinden  sich  von  Monningers 
Hand  folgende  Notizen:  Jorg  Mair  Pfaff  Hansen  Knecht  gewesen 
Scbmiderbansen  tochter  barbara.  —  Hans  Krebet  zu  bintzwaug,  dem 
ist  sein  weyb  im  baurenkrieg  entlaufen  mit  einem  andern  zugehalten, 
ist  hie  im  bad;  haist  Els  actum  5.  feria  post  Fentec.  44.  —  Ein 
geschehen  frag  on  alien  spot,  warumb  so  vil  teuffel  seind  vnd  nur 
ain  Got.  Schwaig  hab  ein  claine  gedult  —  es  ist  der  munchen  vnd 
pfaffen  schult  —  daun  hetten  sie  in  iren  mefien  —  so  vil  teufel 
als  iter  hergott  gefrefien  —  sie  hettens  alle  aufgriben  —  das  nit  ein 
teufel  wer  uberbliben.  —  zu  Wirtzburg  im  thumb  —  angeschlagen 
anno  1537.  Blatt  1  b  ist  leer.  Auf  Seite  2  steht  von  Althamers  Hand: 
nuptiarum  catalogus.  Von  Blatt  3 — 97  reichtdas  Register;  die  wenigen 
folgenden  Blatter  (2)  sind  wiederum  unbeschrieben. 

Begonnen  hat  dieses  Register  A.  Althamer.  Auf  Blatt  3  steht 
von  seiner  Hand:  Nuptiae  a  nobis  proclamatae  et  confirmatae  a  mense 
Augusto  anni  1528.  Der  erste  Eintrag  lautet:  Peter  Vogmiillers  sun 
von  Onoltzbach  Margareta  Conrat  schmids  dochter  von  wasserzell  sunt 
proclamati  quarta  feria  post  Bartholomei  (26.  8).  Er  selbst  hat  mit 
einer  einzigen  Ausnahme  im  Jahre  1533,  wo  vier  Paare  von  andrer  Hand 
eingetragen  sind,  die  Aufzeichnuugen  bis  1536  auf  f.  41a  besorgtM. 
Nur  noch  wenige  Notizen  finden  sich  fiir  dieses  Jahr.  Von  1537 
bis  1552  fUhrte  Monninger  das  Buch.  Seiu  letzter  Eintrag  stammt 
aus  dem  August*).  Es  folgen  nur  noch  9  EintrUge  von  andrer  Hand. 
Eben  in  diesem  Jahre  starb  ja  Monninger^). 


1)  Letzter  Eintrag  von  seiner  Hand:  Fritz  Feler  von  Erlenbach 
Eatharina  Erlenbach  KatharinaAnthoni  Hansen  von  Feuchtwangen  dochter 
Dom.  p.  Job.  Bapt.  (25.  6)  1536.     " 

2)  Eintrag:  Michel  neher  von  gnotzheim  Margretha  Gamprechtz  nachg, 
tochter.  cop    den  ...  f.  96  a. 

3)  SeineGrabschriftbehauptetain  26.10.1552.  NachMag.S.Priester, 
Onoldum  in  requie  lautet  sie  (Rep.  141.  St.  Onolzb.  J.  Nr.  46): 

Terra  crucis  sanctae  Monigeri  contegit  artus, 

qui  fuit  Anspachiae  pastor  et  urbis  lionos, 

ingenio  praestans,  doctrina  clarus  et  usu 

rerum  percelibris  consiliisque  bonus, 

salvificum  Christi  multos  sinceriter  annos 

verbum  constanti  mente  fideque  docens. 

non  hostes  ilium,  non  ulla  pericula  mortis 

terrebant,  veri  semper  amator  erat. 

Lustra  suae  numerans  vix  sex  et  quinque  senectae 

ad  coelum  ex  misera  morte  vocatur  humo, 

illic  cum  sancto  coelestia  gaudia  coetu 

carpit  cum  Christo  perpetua  haec  fruens. 


Scbornbaum,  Das  Erste  Ansbachel*  ProklamatioDsbuch.  23 

Die  Eintrage  sind,  wie  die  unten  angefUhrten  Beispiele  zeigen, 
ziemlich  genau  erfolgt  Im  Unterschied  von  den  Niirnberger  Ehe- 
buehern  ist  oft  der  Stand  des  Brautigams,  der  Name  des  Vaters  der 
Braut  samt  dem  Wolinort  angegeben.  Wahrend  nun  Althamer  sich 
damit  begniigte,  den  Proklamationstermin  anzugeben,  setzte  Monninger 
an  dessen  statt  immer  den  Kopulationstag  hinzu. 

Wie  Althamer  dazu  kam,  ein  derartiges  Buch  anzulegen,  wissen 
wir  nicht.  Eine  amtliche  Veranlassung  war  es  wohl  uicht.  Viel- 
mehr  scheinen  es  ihm  praktischen  Eucksichten  nahe  gelegt  zu 
haben,  die  Namen  der  zu  proklamierenden  in  ein  Buch  zusaramen- 
zutragen.  Denn  ein  Proklamationsbuch  haben  wir  vor  uns,  was  schon 
daraus  hervorgeht,  dafi  die  Kopulationstermine  von  Monninger  nicht 
in  chronologischer  Reihenfolge  aufeinanderfolgen.  Aucb  das  Format 
des  Buchleins  mbchte  darauf  hinweisen.  Die  Pfarrei  St.  Lorenz  zu 
Nurnberg  bewahrt  ebenfalls  noch  aus  dieser  Zeit  ein  Proklamations- 
buch, das  sogenannte  1.  Ehebuch;  und  das  Sebalder  1.  Ehebuch 
scheint  aus  einem  Proklamationsregister  erst  spater  zusammengestelU 
worden  zu  sein^). 

Da  in  Ansbach  der  markgrafliche  Hof  residierte,  so  verwundert 
es  nicht,  eine  grofie  Anzahl  von  markgr,  Bediensteten  aufgezeichnet 
zu  finden.  Doch  ist  es  immer  nur  uiedriges  Personal.  Adelige 
kommen  fast  gar  nicht  vor.  Dagegen  tauchen  bfters  Soldaten  auf,  die 
in  Ansbach  bei  voriibergehendem  Aufenthalt  ihre  Ehe  schlossen^). 
Was  die  Zahl  der  Proklamationen  betrifft,  so  sei  bemerkt,  dafi  im 
Jahre  1528  noch  25  Falle  verzeichnet  sind.  Am  meisten  waren  es 
1538:  G5  Falle;  am  wenigsten  1586:  37  Falle. 


1)  Beitrage  zur  bayerischen  Kirchengeschichte  X,  S.  82  ff. 

2)  Auffallt  vielleicht  folg.  Eintrag:  f.  11a:  Eberhart  von  Mulfingen 
Cordula  Lingkin  celebraverunVnuptias  dominica  quarta  post  oct.  Epiph, 
(19.  I)  1530  citra  proclamationem  iubente  principe.  f.  14a:  Hans  Eber 
Schneider  vnd  burger  zu  Kitzingen  Anna  des  Wilhelms  offenlochs  seligen 
verlafine  witwe  meiner  g.  frawen  fraw  Margret  (Schwester  Georg  d.  Fr.) 
kbchin  sunt  proclamati  Dom.  sec.  adv.  (4. 12)  1530.  Wohl  der  Vater  P.  Ebers. 

—  Zu  den  Soldaten  s.  f.  60  a:  Thoma  von  Beurreyt  landtknecht  Appolonia 
eins  landsknechts  weyb,  der  zw  ungarn  gestorben;  sein  copuliert  alhie  den 
dienstag  nach  quasimodogeniti  in  beysein  lorenz  von  lauf,  Jacob  von 
ladenburg,  bans  heOen  von  cassel,  bans  Oswald  von  Winsheim  18.  4.  1532. 

—  Lorentz  von  lauf  ein  landsknecht  hat  katharina  Contz  teckers  nach- 
gelaBene  wittib,  welcher  tecker  erst  den  30  Martii  tods  verschinent  zur  ee 
genomen  vnd  den  19  aprilis  eingelait  desselben  tags  mit  ime  getzogen. 
1542.  —  69  b:  Michel  Hofraann  von  Karstet  Margretha  Jorg  Lorers  nach- 
gelasne  witbe;  sagt  man,  er  hab  ziivor  viel  weyber;  sey  zw  Rottenburg 
mit  ruten  ausgehauen  1544.  —  f.  76b:  Gorg  Wild  in  daxbach  marggraf 
albrechts  fufiknecht  hauptmann  barbara  Valten'gronstetters  tochter.  1546. 
f.  94b:  bans  Richtcr  von  Culmbach  Katharina  Michel  Werners  seligen 
tochter  zu  Mainbernhaim  ein  kriegsmann  ist  mit  seiner  schwiger  bei  mir 
gewesen,  erbetten,  das  ich  sie  auf  dinstag  den  ersten  Junii  wolt  ein  laitten, 
welches  also  gescbehen.  1552. 


24  Schornbanm,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbach. 

Im  folgenden  sind  nun  eiue  Anzahl  von  Geistlichen  und  mark- 
grSf  lichen  Beam  ten  anfgefuhrt;  welche  in  diesem  Buche  aufgezeichnet  sind. 

Andreas  Althamer  Maria  Cleophae  Lenhart  Brands  schreiners  dochter^) 

Procl.  Dom.  Prim.  p.  Octavas  Pentecostes  [IB.  6]   1536  f.  40^ 
Clans  Bachmann  cantzleyschreiber  Margretha  Six  Kornbergers  tochter 

cop.   16.  octobris  1548.  f.  83 ^ 
Johan  Ber  pfarher  zu  ipsheym*)  Agatha  Weifiin  p.  dom.  p.  Circ.  Dom. 

altera  Jan.   1530  f.  9^. 
Mag.  Georg  Berchtold   m.  g.  h,  secretari^)  Anna  Sebaldin  Prenners 

burgers     zu    Nurenberg    dochter    pr.    Dom.    quarta,    quae    fuit 

festum  Purif.  Mariae  (2.  2)  1533  f.  26*. 
Georgius  BeSolt  pfarrer  zu  Egeuhausen  Madlena  bans  Plaichen  seligen 

zu  Wassertruhendingen  nachgelafine  tochter  verkundt  alhie  vnd 

zu  Egenhausen  hochzeyt  gehalten  in  der  letsten  wochen  augusti 

1544  f.  69 ». 
Christophorus  Betz  pfarrer  zu  Dnterickeltzhaim*)  Helena  Peter  Nuphers 

tochter  c.  den   1.  Juli  1550  f.  88. 
Johanues  Buchner  cantor  ^)  anna  Anthoni  Grabers  nachgelafine  wittib 

cop.  3.  feria  p.  Quasimodog.  (26.  2)   1541   f.   57*. 
Sebastian  Burkel  camermaister^)  Eufemia  Jorgen  Berlers  alten  burger- 

maisters  zu  Rottenburg  an  der  Thauber  tochter  cop.  den  30.  Ok- 

tobris  1545  f.  72^. 
Sebastian  Burkel  camermaister  Anna  Casparn  von  Roth  nachgelafine 

tochter,  cop.   24.  februarii  1549  f.  85*. 


1)  Althamers  zweite  Frau.  Sie  verheiratete  sich  spater  wiederum. 
s.  f.  51 »:  Thoma  Wild  von  Schnaitach  Maria  Cleophe  hern  Andre  Alt- 
hamers pfarrers  seligen  nachgelafine  wittib  proclamati  25.  Septembris  1539. 
Seine  erste  Frau  wird  erwahnt  Beitrage  z.  bayr.  KG.  VII,  206.  X,  31. 
85.  Th.  Kolde,  A.  Althaoaer.   Erl.  1895.    8.  75.  138. 

2)  Dieser  fehlt  bei  der  Aufzahlung  ^er  Pfarrer  v.  Ipsheim  in  M.  J. 
M.  Grofien  historischem Lexikon  ev.  Jubelpriester  I.  Ntirnberg  1727  S.  15. 

3)  S.  K.  H.  Lang,  neuere  Geschichte  des  Furstentums  Bayreuth  II. 
Gottingen  1801,  S.  84,  115.   Beitrage  etc.  Vlf,  259;  X,  190. 

4)  G.  Stieber,  historische  und  topograpliische  Nachricht  von  dem 
Ftirstentum  Brandenburg-Onolzbach.    Schwabach  1761.  8.  509. 

5)  Erwahnt  J.  Fr.  Georgii  Uffenheimischer  Nebenstunden  II. Band. 
Schwabach  1754,  S.  746.  L.  Schiller,  die  Ansbacher  gelehrten  Schulen 
unter  Markgraf  Georg  von  Brandenburg.    Ansbach  1875,  S.  20.. 

6)  Sein  Revere  als  Karamerschreiber  und  Rat.  d.  d.  So.  u.  Barth. 
(28.  8.)  1541.  NUrnberger  Kreisarchiv.  Rep.  117  a.  N.  187^:  Akta  die  Bei- 
behaltung  des  alten  Kamraerraeisters  Seb.  Burkel  betreftend.  1580  ibidem 
f.  168.  N.  289  d  d.  Er  starb  im  Alter  von  78  Jahren  am  28.  9.  1583. 
s.  Mag.  S.  Priester,  Onoldum  in  Requie  1742.  Rep.  141.  J.  (Kasten-  und 
Almosenamt)  N.  46.  1534"verlieh  ihm  Georg  die  St.  Gilgenmesse  zu  Ips- 
heim zum  Studiura  fiir  seine  beiden  Sohne  Wilhelm  und  Kaspar,  Sle 
sollten  beide  sich  der  Theologie  widmen.  d.  d.  Ansbach  Me.  n.  Gnntate 
(4.  5.)  1654.  Markgr.  Gemeinbuch  7  f.  271.  Rep.  157  Tit.  13  N.  37a.  _ 
Lang  III,  S.  22.  25.  Eufemia  war  seine  2.  Frau.  Die  erste  Elis.  starb 
am  30.  5.  1545.    Eufemia  f  29.  4.  1546.  Priester,  Onoldum  in  requie. 


Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbucb.  25 


~\ 


Thomas  Butz*)  caplan  zu  Onoltzbach  Veronica  Beckin  von  Gnotzen 

sunt  procl.  dom.  LX  (20.  2)   1530  f.  11*. 
Blasius  Dachflbach^)  Elizabeth  Gumprecht  becken  nachgelafine  wittib 

cop.  sec.  fer.  Inv.  (7.  3)   1541   f.  56 ». 
her    Georgius    Eckstayn^)    vicari    im    styft    Walpurg    Gullerin     sunt 

proclamati  Dominica   infra   octavas  Nativitatis  christi    (27.  12) 

1528  f.  5b. 
her  Caspar  Ezel*)  licentiat  Barbara  Sprengin  zu  Kytzingen.  cop.  zu 

Kyctzingen.   1544  f.   69 ^ 
Johannes   Fetzer    auf   der    schul   Ursula   Dietrich  Jossen    tochter    c. 

16.  Februarii  1546  f.  74^. 
Peter  Flaming    schnlmaister    Dorothea    Rotten bncherin    zu   Nurnberg 

cop.  den  11.  .  .  .  (1551)  Nurnberg  f.  91  b. 
Hans  Frauentraut   cantzleischreiber*)   barbara    Sixen  Kolben   seligen 

1)  Auf  die  Bitte  der  KaplSne  Butz  u.  Job.  FuxthUber  ersuchten  die 
Statthalter  am  6.  5.  1581  ^  das  Stift  zn  Ansbach,  ihnen  ihren  Gehalt  zu 
erhOhen.  Da  dieses  es  ablehnte  (7.5.1531),  ordneten  jene  auf  eine  erneute 
Beschwerde  an,  daB  ihnen  pro  Woche  je  1  fl.  gereicht  werden  solle  18. 20.  5. 
1531.  Rep.  157.  Tit.  29.  N.  4.  f.  251,  250,  248.  Butz  kam  1533  nach 
Uffenheim  als  Pfarrer.  S.  Eid  des  Pf.  Th.  Butz  von  Miinsterhausen  z.  Z. 
Pfarrers  zn  Uifenheim.  Kgl.  Konsistorialarchiv.  Akt  Uffenheim  Dekanat 
1491—1743  f.  23.  Georgii  Uffenheimische  Nebenstnnden  I  S.  1278ff.  Ein 
Brief  von  ihm  an  Althamer  s.  Bamberger  Kreisarehiv.  Manuskr.  VI  N.  31. 

—  Die  Ehe  wurde  in  Ntirnberg  geschlossen.    Beitrage  X,  84. 

2)  Er  trat  mehrmals  unter  den  evangelisch  gesinnten  Burgern  Ans- 
bachs  hervor.  Beitrage  VII  155,  198.  Sein  Sohn  hiefiHans.  Hans  Dachs- 
pach  Blasi  Dachsbachs  son  Margaretha  Hansen  Kaltenbrunners  dochter 
von  feuchtwangen  p.  Dom.  p.  Oswaldi  (9.  8.)  1534,  S.  33 ». 

3)  Vikarius  St.  Hieronymi  am  Oumbertusstift  f  26.  4.  1541.  Rep.  157. 
Tit.  29.  N.  5.  f.  43,  41.  Er  gehorte  zu  denen,  welche  die  Vorlesungen  des 
Obsopoeus  nur  ungern  besuchten.  N.  4  f.  218.  S.  L.  Schiller  S.  18  cf. 
f.  74*.  Egidi  Stethamer  Schneider  Margretha  her  jorg  Eckstains  seligen 
nachg.  tochter.  cop.  8.  2.  1546.  —  1538/9  studierte  in  Wittenberg  ein 
Andreas  Eckstein  aus  Ansbach.  C.E.Forstemann,  album  academiaeVite- 
bergensio.  Leipzig  1841.  S    174. 

4)  S.  S.  1532 in  Wittenberg.  C.E.FcJrstemann,  a.  a.  0.  Leipzig  1841. 
S.  145.  K.H.Lang  III.  NUrnberg  1811.  S.  5,  44,  49,  56,  59,  62,  G.  Muck, 
Geschichte  des  Klosters  Heilsbronn  I.  Nordlingen  1879.  S.  503.  43.  Jahres- 
bericht  d.  hist.  Ver.  f.  Mittelfrankon.  1889  S.  120  f.  Beitrage  VI,  S.  119. 
Sein  Vater  J.  0.  Etzel  war  ein  entschiedener  Protestant.  1.   c.  VII,  198. 

—  cf.  J.  J.  Spiefi,  Brandenburgische  historische  Miinzbelustigungen  III. 
Ansbach  1770.  S.  286. 

5)  Ein  Sohn  des  Kammerschreibers  Alexius  Frauentraut,  der  1529  die 
Protestation  dem  Kaiser  zu  liberbringen  hatte.  Seine  Geschwister  liieUen 
Florian,  Wilhelm,  Alexius,  Koniad  und  Cleopha  verb.  Tetellbachin.  Rep.  151, 
Frauentrautsche  Pflege  Nr.  6.  Ein  Revers  von  ihm  als  Rat  und  Diener 
findet  sich  d.  d.  Ansbach  22.2.  1573.  Rep.  117a.  S.  161.  Nr.  274.  Gestorben 
ist  er  wohl  14.  12.  1587.  S.  Rep.  151.  Frauentr.  Pflege  Nr.  11.  cf.  J.  H.  v. 
Falckensteins  Chronicon  Suabacense^  Schwabach  1756.  S.  181  if.  —  1534 
studierten  in  Wittenberg  Florianus  und  Johannes  Frauentraut  aus  Ansbach. 
C.  E.  Forstemann  I.e.  S.  152.  —  cf.  noch  Chr.  Fr.  Jacobi,  Geschichte 
der  Stadt  und  des  ehemaligen  Stifts  Feuchtwangen.  Ntirnberg  1833.  S.  70, 


26  Schornbanm^  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch. 

nachgelafiene  dochter.  procl.  dom.  quarta  post  octavas  Pentecostes 

(2.   7.)   1531   f.   17». 
Antoni  Graber  rat   und   alter    kamerschreyber  zu  hof^)  Anna  Form- 

kellerin  c.  sec.  f.  Mis.  Dom.   (6.  5.)  1538  f.  45^. 
Colomannus  Grafier  caplon  in  der  pfar  zu  OnoUzbach  ^)  Anna  Renzin 

des  pfarhers  von  Uffenheym  seligen^)  verlafine  wittib  Dom.  p. 

Elis.  (21.  11.)  1535  f.  38\ 
Colomannus  Grafier  pfarrer  Uffenhaim   missus  proclamatus  est   tertio 

in    nostra    ecclesia    Onoltzpacbiana    cum    Anna    Osterreycberin 

filia  editui  nostri  MelcUioris  dominica  Reminiscere  (22.  2.)  1540 

f.  62b. 
Jacob  Gofi  chorher  im  stift*)  Anna   des  JSrg  Mendlins    dochter  pr. 

Dom.  p.  Mich.  (4.  10.)   1534  f.  33^. 
her  Jorg  Grunenwald  Caplon  zu  Creulzheim  Margretha  Claufi  Spindler 

nachgelafine  tochter  cop.   18.  Januarii  1547   f.  77*. 
Hieronymus    Hartung    marggrefischer  rendtmayster  ^)   Margaretha   des 

Brandts  schreiners  dochter  sunt  procl.  Dom.  p.  Asc.  Dom.  (29.  5.) 

1530  f.   12t>. 
Hieronymus  Hartung  der  junger  rentmaister®)  Anna  Plefiin  Philipsen 

Plafien  rentmaister   zu  aystet    eliche  dochter.  p.  Sim.  et.  Jude 

(28.  10.)  1535  f.  37  ^ 
Barth.  Hartung*^)   Marg.  Herwartin  pr.  Dom.  p.  Egidii  (6.  9.)   1534 

f.  33  ^ 


75,  214  u.  Rep.  159.   Tit.  10  Nr.  36*.  Tit.  11.  Nr.  115,  116  (Cautionen  v. 
Joh.  u.  Wilbelm  Frauentraut  1540)  T.  17.  Feuchtwangen  Nr.  26. 

1)  Revers  A.  Grabers  tiber  seine  Bestallung  als  Rat  und  Diener.  Do. 
n.Rem.  (12.3.)  1528.  Rep.  117*.  Nr.  162.  f.  112.  Lang  II  S.  2.  EinHaupt- 
gegner  Voglers :  Bamberger  Kreisarchiv  Rep.  192.  B.  N.  39.  T.  I  f.  39.  — 
Fol.  53  b:  Hans  Neusteter  von  Culmbach  Katharina  Antoni  Grabers  tochter 
copulati  3.  f.  Exaudi  (11.  5.)  1540. 

2)  Eid  Col.  Grafiers  aus  Steireckh  als  Pf.  v.  Uffenheim  1539.  Kgl. 
Konsistorialarchiv.  Akt  Uffenheim  Defcanat  1491— 1743.  f.  27.  Georgii  I 
S.  1284  f.  II,  192  f. 

3)  Eid  des  Mag.  Chr.  Rentz  als  Pf.  v.  Uffenheim.  d.  d.  Di.  n.  Mich. 
(4.  10.)  1524.  Kgl.  Konsistorialarchiv.  Uffenheimer  Dekanat  I.  1491—1743 
f.  4.    Georgii  1.  c.  I  S.  1278. 

4)  t  19.  8.  1540.  NUrnb.  Kreisarchiv.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  21. 
cf.  C.  Ferd.  Jung  ens  Miscellaneorum  Tom.  II,  Frankfurt  und  Leipzig 
1740.  S.  79.    Sein  Nachfolger  war  Chr.  Polmann. 

5)  Bestallung  Hi.  Ilartungs  als  Gegenschreiber  8.1496.  Rep.  117*.  S.  62. 
Nr.  88.  1508.  Rentmeister.  S.  94.  Nr.  132.  cf.  43.  Jahresber.  d.  hist.  Ver. 
von  Mittelfranken.  1889.  S.  72.  (aus  Herrschaftl.  Buch  25  im  Ntirnberger 
Krei?archiv.)  K.  H.  Lang  II  S.  2.  1514  wuide  ihm  ein  Kanonikat  fiir 
seine  Sohne  versprochen.  Gemeinbuch  6  f.  105  (Niirnb.  Kreisarchiv)  cf. 
f.  87 1>:  Kylian  Ruppert  Margaretha  Jheronymus  Hartung  alten  rentmaisters 
nachg.  witbe,  cop.  21.  1.  1550. 

6)  Sohn  des  vorigen  cf.  Lang  II  S.  172,  227,  259,  285. 

7)  Ebenfalls  ein  Sohn  des  alten  Rentmeisters.  1541  Leibschreiber 
Albrecht  Ale.  Lang  II  S.  170ff.,  285.  Dann  pfalzgrafischer  Kammerrat  zu 
Amberg.    1537 — 1563   besafi    er    ein  Kanonikat   zu  Ansbach.    Eep.    157. 


Schombanm,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbnch.  27 

Georg  Haft  bruder  zu  dem  heiligen  kreutz  Kanignnd  Simon  Meckin 

gnant  wittib  sunt  procl.  Dom.  70  (28.   1.)  1532  f.  20». 
Doctor   Hippolitus  HasenzagP)   barbara  Sebastian  Vueismair   seligen 

dochter.  p.  dom.  paschae  (5.  4.)  1534  f.  dlK 
Stephan    Henfi    cantzlejschreiber^)    Margretba   Gotzin    Peter    Gotzen 

gegenschreiber  dochter^)  pr.  Dom.  p.  Circ.  Dom.  altera  Janaarii 

1530  f.  9^ 
Stephan    Henfi   cantzleyschreiber    Barbara  Wirbsyn    von   Nnrenberg. 

p.  Trin.  (23.  5.)  1535. 
Johan  Hoffmann  vicarier   im  styfit*)  Ursula  Mulichin  von  Nnrenberg 

sunt  proclamati  dom.  prima  post  octavas  Trinitatis  (6.  6.)  1529  f.  7*. 
her  Lorenz  Ho^ann  Canonicus  im  stift  ^)  Kunigundis  bansen  Bruners 

burgers  zn  Oeultzheim  tocbter  copulati  8.  Tag  Februarii  1552 

f.  94 ». 
Bernhart  Jeger  von  Weinberg   Gertruden   herrn    Hansen    Besolts  vi- 

cariers^)  tocbter.  cop.   11.  Maii  1546  f.   75*. 
Michael  Kaltenhofer  vicari  im  styft'')  Margret  Steydin  von  Spalt  sunt 

proclamati  dominica  post  Leonhardi  (8.   11.)  1528  f.  4^. 

Tit.  29.  Nr.  5.  f.  55,  189.  Am  10.  JuDi  1531  stellte  der  Rat  zu  Ansbach 
einen  Geburtsbrief  aus  fur  Valentin,  Hans,  Hieronymus,  Bartholomaeus 
Hartung.  d.  d.  Sa.  n.  Coi-p.  Chr.  (10.  6.)  1531.  Tit.  9.  Nr.  78.  Die  Stadt 
Kulmbach  am  9.  9.  1549  fUr  Albrecht  Hartung.  Tit.  9.  Nr.  90.  Das  waren 
wohl  alle  Brtider,  Sohne  des  alten  Rentmeisters.  Friedrich  war  1544 — 1563, 
Albrecht  1548 — 1563,  Bartholomaeus  von  1537  ab  Chorherr  des  Gumbertus- 
stifts.  S.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  206.  f.  55, 189,  197.  [Jurament  B.  Hartungs 
als  Chorherrn  d.  d.  Mittw.  n.  Vine.  Petri  (8.  8.)  1537  Tit.  10  Nr.  101]. 
Val.  Hartung  war  1547—1560  Dekan  des  Stifts  zu  Feuchtwangen.  S.  Jakob i 
S.  212,  214.  Ein  Hans  Hartung  kommt  als  Amtmann  auf  der  Wulzburg 
vor  (1556).  W.  Korte,  Altes  und  neues  uber  Wiilzburg.  Ansbach  1869. 
S.  53.  —  S.  S.  1530  studierte  ein  Val.  Hartung  aus  Ansbach  in  Witten- 
berg.  Forstemann,  alb.  ac.  Vit.  S.  139.  s.  Muck  I  S.  269. 

1)  Oft  nur  her  Has  genannt.  Leibarzt  des  jungen  Albrecht,  s.  z.  B. 
Rep.  103  a.  S.  247.  3e  f.  48  (Numb.  Kreisarchiv  S.  X,  2/6.  Nr.  11).  Ge- 
burtsbrief der  Stadt  St.  Polten  fiir  Hipp.  Hasenzagl,  Leibarzt.  4.  9.  1534. 
Rep.  157.  Tit.  9  Nr.  79. 

2)  Erwahnt  z.  B.  S.  X,  2/6,  Nr.  11,  f.  48. 

3)  1497  Registrator,  1508  Gegenschreiber.  Rep.  117*.  S.  63.  Nr.  91. 
S.  94.  Nr.  132.  43.  Jahresbericht.  S.  72.  1528  noch  im  Dienst.  Niirnb. 
Kreisarchiv.   Ansb.  Landtagsakten  Fasc.  15  (Hofordnung  1528). 

4)  Geburtsbrief  der  Stadt  Niirnberg  fiir  Job.  Hofmann.  7.  1.  1528. 
Rep.  157.  Tit.  9.  Nr.  76.  Vicarins  St.  Michaelis.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  4. 
f.  202.  Wollte  auch  die  Vorlesungen  des  Obsopoens  nicht  gem  besuchen. 
Nr.  4.  f.  218. 

5)  Canonicus  1543—1563.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5.  f.  21.  206. 

6)  Primissarius  in  Chore.  Obwohl  er  zweifachen  Diebstahl  begangen 
hatte,  bat  man  doch,  ihm  Ecksteins  Ffriinde  zu  verleihen.  Rep.  157. 
Tit.  29.  Nr.  5f.  35. 

7)  Durch  die  FUrbitte  der  Kaiserin  Maria  Blanca  erlangte  er  die 
Vicarei  S.  Sebastiani.  Rep.  157.  Tit.  8.  Nr.  43.  (1494.)  Tit.  9.  Nr.  55 
(Geburtsbrief  der  Stadt  Windsheim  d.  d.  Fr.  n.  Exaudi  (9.  5.)  1516  ge- 
druckt  bei  C,  Ferd..  Jung  ens  Miscellaneorum   Tom.  Ill,  Onolzbach  1740 


28  Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacber  Proklamationsbncb. 

Christoph  Kayser   canzleyschreiber  ^)    Anna  Knollin    copulati   qnarta 

f.  hoc  est  3.  Julii  1538  f.  46». 
Leiibart  Keller  pfarrer  ira  stift^)  Margretha  bern  Lorenzen  Biscbofs 

pfarrers  seligen  zn  Egenbausen  nacbg.  witbe  cop.  den   10.  Mail 

1546  f.   76». 
Micbael  Keller    korber    hie   zu   Onolzbacb^)    Ursula    Zwickin    berrii 

Hans  von  Seckendorfs  magt  sunt  proclamati  dominica  quae  fuit 

dies  om.  Sanct.  (1.  11.)   1528.  f.  4^ 
Thoma  Kern  von  Blawfelden   katherin   Michel  Vuackers   cantors    im 

stift  seligen  verlasne  wittib  sunt  proclamati  Dom.  Bem.  (9.  3.) 

1533  f.  27  a. 
Sebastian  Doctor  Valtin  Kyfers*)  sone  margretha  K6ler in  von  Main- 

bernbaim  copulati  4fer.  Cantate  (18.   5.)   1541   f.   57*. 


(Vorrede)  cf.  Tit.  29.  Nr.  4f.  192,  196,  202,  218.  Nr.  5f.  43.  Ansb.  Rel. 
Acta  II  f,  75,  aucb  Pfarrer  von  Flacbslanden  ARA.  Ill,  .224.  Nach  seinem 
Tode  wiirde  seine  .Pfrtinde  dem  Pfarrer  v.  Eyb  W.  Brunner  tibergeben 
unter  der  Bedingung,  dafi  er  der  Witwe  des  Kuchenmeisters  Oswald  Dorscblin 
30  fl.  jahrlich  zum  Stadium  fur  ihre  Kinder  abtrete.  Rep.  157.  Tit.  29. 
Nr.  5f.  35.  Tit.  8.  Nr.  68  f.  22—26.  —  cf.  Literarische  Blatter  V.  Niirn- 
berg  1805.  Nr.  X.  Sp.  156. 

1)  Lang  III  S.  25.  Er  war  wohl  verwandt  mit  Chr.  Kayser,  der  als 
Rat  und  Kammerscbreiber  am  10.  7.  1588  Pflicht  tat.  Rep.  117  a.  Nr.  295. 
J*  S.  173. 

2)  Vicarins  in  Choro.  Kep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  35.  1561  bat  er,  seiner 
Hansfrau  nach  seinem  Tode  ein  kleines  StUblein  als  Wohnung  in  seinem 
Hause  anweisen  zu  wollen.  ibidem  Nr.  4  f.  369.  Nicht  zu  verwecbseln 
mit  dem  Dechanten  L.  Keller  (1524 — 1536),  der  nach  langerem  Aufentbalt 
in  der  Mark  Brandenburg  1540 — 1548  Propst  und  Kammermeister  zu  Ans- 
bachwar.  Rep.  157.  Tit.  10.  Nr.  103,  104.  Tit.  13.  Nr.  43,  45.  Tit.  29  Nr.  7. 
Gemeinbnch  9  f.  25  b.  Rep.  117 ».  Nr.  183  f.  120. 

3)  GehSrte  zur  evangelischen  Partei  des  Stifts.  Rep.  157.  Tit.  29. 
Nr.  4.  f.  152.  g.  J.  L.  Hocker,  supplem.  zu  dem  Hailsbr.  Antiquitaten- 
schatz.  Nurnberg.  1739.  S.  184  f.  Nr.  27.  cf.  Tit.  29.  Nr.  4  f.  218.  Sein 
Bruder  war  der  Dechant  L,  Keller.  Bamb.  Kreisarchiv.  Rep.  192.  B  Nr.  39. 
I  f.  46.  Er  selbst  starb  6.  7.  1533.  Rep.  157.  Tit.  8.  Nr.  68.  Pr.  5.  Sein 
Sohn  M.  Keller  besa8  spater  die  Vikarei  Joh.  Evangeliste  als  14— 15jahriger 
Knabe.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  ^5. 

4)  Sein  Vater  Joh.  Kieter  war  Leibarzt  Friedrichs  d.  a.  u.  Sigmunds. 
Revers  d.  d.  Laur.  1489.  Rep.  117a'.  Nr.  65a  s.  44  u.  1508  s.  Nr.  133 
S.  94.  Er  verscbaflFte  seinem  Sohne  schon  1502  eine  Pfrtinde  im  Gurabertus- 
stift.  Geburtsbiief  der  Stadt  Ulm  d.  d.  Mittw.  n.  Elis.  (21,  11.)  1502. 
Rep.  157.  Tit.  9.  "Nr.  27.  Kaution  desselben  d.  d.  Mittw.  n.  Luc,  Ev. 
(19.  10.)  1502.  Tit.  10.  Nr.  65.  Er  bekam  spater  die  Kustorei  (Tit.  29. 
Nr.  5.  f.  21),  auch  die  Propstei  zu  Feuchtwangen  (Rep.  159.  Tit.  13. 
Nr.  24)  und  starb  am  2,  Jan.  1551.  C.  F.  Jungens  Misc.  II  S.  79.  Er 
wurde  von  dem  Miwkgrafen  bes.  zu  rechtlichen  Dingen  benutzt;  so  war 
er  Mitglied  des  kais  Landgeriebts  u.  jur.  Beirat  bei  der  2.  Marker.  Kirchen- 
visitation  1536.  Lang  II  S.  83.  Jakobi  S.  65,  69.  Rep.  117*.  S.  113. 
Nr.  167»  S.  121.  Nr.  187^.  Rop.  157.  Tit.  22.  (Archidiakonat  im  Rangau 
Nn  6).  Th,  Kolde  S.  52.  A.  R  A.  II  a  (d.  d.  3.  2.  1536).  Bemerkens- 
wert  ist,  dafi  er  wegen  seiner  Verheiratung  manches  vom  Stift  zu  Ansbacb 
auszustehen  hatte.  S.  Rep.  157.  Tit.  29  Nr.4.  f.  197.  S.  nochfolg.  Eintrage: 


Schornbanm,  D&8  Erste  Anebacher  Pi-oklamationabnch.  29 

Johan  KiDcUein  ^)  castner  zu  Caclotzbiirg  Beuigna  doctor  Johan  Weiu- 
manns')  techier  copulati  6.  Febraarii  1545  f.  70^. 

Johannes  Krafft  vicarius  vnd  pfarher  im  Stifi')  Katherina  Mullerin 
sunt  procl,  dom.  p.  Lucae  (20.   10.)  1532  f.  23«. 

Leonhardus  Krieg  cantor  in  der  schal  *)  Barbara  Hansen  Uaunemans 
statnmllers  zu  Wassertruhendingen  tochter  cop.  Mo.  n.  'Jubilate 
(5.  5.)  zu  Truhendingen   1544  £   67» 

Michel  Koberer  tentsch  schulmaister  Els  Conradt  Echslings  zu  Wasser- 
truhendingen dochter  cop.  den  18.  Septembris  1548  f.  83  ^ 

her  Johan  Kulmer  vicarier^)  Margretha  herrn  Mathiasen  Pauren 
pfarrers  zu  Markendorf  nachgelassene  wittib*)  copulati  den 
28.  Nov.  1541  f.  58b. 

Ulrlch  hennicke  von  Leutershaueen  Regina  herrn  D.  Valtin  Kyfers  toehter. 
Cop.  Job.  Ev.  (27.  12.)  1541.  f.  bbK  Michael  Krieger  von  arnswald  Susanna 
des  erwirdigen  hern  doctor  Valtin  Ky ferns  tochter,  cop.  24.  1.  1547.  f,  77». 
—  Ein  Sohn  von  ihm,  Chr.  Kifer,  war  1544—1557  Pf.  in  Kadolzbarg.  Sein 
Eid  d.  d.  22.  10.  1544.  Kgl.  Konsistorialarchiv  Ansbaoh.  Pf.  Kadolzburg 
1488—1751  f.  65.  f  24.  7. 1557  ibidem  S.  71.  cf.  M.  Walther,  Cadolzburgischea 
Denkmal.  Onolzbach  1751.  S.35,  83.  BeitrageVI  S.119.  G.  Buchwald, 
Wittenberger  OrdinierteDbuch  1537—1560.  Leipzig  1894.  I.  S.  18.  Nr.  277. 
FSrst^mann  S.  153. —Rep.  157.  Tit.  8.  Nr.68.  Pr. 5.  6.  —  A.  Steiehele, 
das  Bisthiim  Augsburg  III.  Augsburg  1872.  S.  388,  390. 

1)  S.  M.  Walther,  Cadolzburgisches Denkmal.  Onolzbach  1751.  S.20. 

2)  Markgraflicber  Rat;  von  Georg  auch  in  Ungarischen  Sachen  ver- 
wendet.    Lang  II  S.  77,  84. 

3)  Zuerst  Zisterzien sermon ch  zuEbrach.  cf.  Dr.  J.  Jager,  Verzeich- 
nis  der  Abte  und  Religiosen  der  Cisterzienserabtei  Ebrach  1126—1803. 
Bregend  1903.  S.  51.  1527  entzweite  er  sich  mit  dem  Abte  wegen  Ent- 
ziehuDg  seiner  Kongrualportion.  S.  Beitrage  VII  S.  208.  cf.  Rep.  151. 
Pfarrsachen  Nr.  14.  Er  bekam  dann  .die  Pfarrei  im  Stift  zu  Ansbach 
(=  vicaria  Chori).  Er  gehorte  zur  evang.  Partei  im  Stift.  S.  Rep.  157. 
Tit.  29.  Nr.  4  f.  150,  152.  (J.  L.  Hocker,  suppl.  S.  184.  Nr,  27.)  Trotz- 
dem  war  er  keiner  der  eifrigsten  Besucher  der  Vorlesungen  des  Vine. 
Obsopoeus.  f.  217.  1535  hatte  er  einen  Streit  mit  dem  Stift  wegen  Er- 
hohung  seines  Gehaltes.  f.  307—319.  Ein  Geburtsbrief  dor  StadtKarlstadt 
fur  ihn  d.  d.  Di.  n.  Luce.  (20. 10.)  1528.  Tit.  9.  N.  77.  Er  bat  spater  um 
eine  Zuiage  von  den  Einktinften  der  Pfarrei  Brodswinden  oder  um  eine 
Stelle  an  der  lateinischen  Scbule.  Der  Frau  Hellers  hatte  er  ein  samtnes 
Biret  geschenkt.  Der  Kanzler  eiwiderte  hierauf,  wer  samtne  Barette  ver- 
schenken  konne,  diirfte  iiber  seine  Armut  nicht  kla^en.  Kgl.  Konsistorinl- 
archiv.  Brodswinden  1528—1773.  f.  33  ff.  cf.  f.  65b.  Hans  Fuchs  bogner 
Katharina  hern  Hansen  Krafts  pfarrers  im  stift  nachgelafine  witbe.  Cop. 
28.  Aug.  1543. 

4)  Studierte  in  Wittenberg  1540/41.  Forstemann  album.  S.  187. 
Dann  Kantor  am  Gymnasium  zu  Ansbach.  Schiller  S.  26.  1548—52 
Wallenrodische'r  Vikar  in  Schwabach.   Fa  1  eke n stein  1.  c.  S.  214. 

5)  Vikarius  S.  Magdalenae.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5.  f.  43.  Nr.  4. 
f.  142,  150,  152  (J.  L.  Hocker,  supplement  etc.  S.  184f.).  202,  218  (He- 
such  der  Vorlesungen  des  Obsopoeus)  243,  246,  258,  259.  Geburtsbrief 
der  Stadt  Schwabach  fur  ihn.  d  d.  Eritag.  n.  Barth.  (29,8.)  1525.  ibidem 
Tit.  9.  Nr.  71. 

6)  Eid  des  Pfarrers  Matthias  Bauer  zu  Merkendorf,  z*  Z.  Easimirs 
u.  Georgs.  Kgl.  Konsistorialarchiv  Ansbach.  MerkendorfPf.  1427— 1749f.  2, 


30  Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch. 

Caspar  Loer    Schumacher^)   Margareth  Berin  von  Eschenbach  witwin 

sunt  proel.  dom.  p.  Octavas  Pentecostes  (19.  6.)  1630  f.  12^ 
Johan  Leffelad  doctor*)   Margretha  Jorgeu  Schiderlins    zu  Nurnberg 

naehgelafine  toehter  copulati  Di.  n.  Letare  (25.  3.)   1544  f,  67*. 
Hartung  ,Limpacher  vicarier  im  styft^)  Appolonia   senfftin  von  Hall. 

p.  dom.  LXX.  (5.  2.)  1531.  f.  15^. 
Jorg  Maler  Margretha  Pauls  Karpfen  seligen  camerschreibers  *)  nachg. 

toehter  cop.  den  21.  Aprilis  1545  f.  71**. 
Michel  von  Wertheym  cantor  im  styft^)  Katharina  der  pleyin  dochter 

sunt  proclamati  dominica  Palmarum  (21.  3.)  1529  f.  6». 
Johan    Michel  von    lUesheim    Sara    hern    Wolfgangs    Salingers    hof- 

predigers^)   toehter  cop.  12  Julii   1552  f.  95  ^ 
her  Caspar  Merklin  vicarier  im  stift  '^)  Ursala  StoUin  von  dinckelspuhel. 

Copulati  2f.  p.  Sim.  et  J.  (29.  10.)  1537  f.  44* 
Caspar  Merklin  vicarier  margretha  hern  Johan  Kulmer  nachg.  witbe, 

copulati  dom.  quarta  adventus  (23.  12.)  1543  f.  66*. 
Hans  Metzler  schulmeysters  sun  von  Kungshofen  Ursula  Wolf  Michels 

dochter  von  Herrieden  sunt  proclamati  dominica  13.  post  Trin. 

(22.  8.)  1529  f.  8^ 
Magister  Martians  Moninger   pfarrer   zu  Onolzbach  ®)  vnd   Mafgretha 

1)  Ein  eifriger  ev.  Burger  Ansbachs.  Beit  rage  VII  S.  155,  198. 

2)  Kommt  1541  mit  Val.  Kiefer,  Etzel,  Dr.  Val.  Hartung  als  Assessor 
des  Hofgerichts  vor.  Rep.  in».  Nr.  187 ».  S.  121.  Er  war  der  Nachfolger 
Val.  Kiefers  auf  der  Chorherrnpfrtinde  des  Stiffs  St.  Gumbertus.  1556 
wurde  sein  Kanonikat  Felix  Hornungverliehen.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  73, 

3)  Vicarius  S.  Stephani.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  43.  Nr.  4  f.  202. 
144,  150,  152,  154,  265.  Er  wurdo  dann  als  Gehilfe  an  der  lat.  Schule 
verwendet.  1  240.  L.  Schiller  S.  25  (der  Bericht  ist  eine  Vorarbeit  zur 
zweiten  niarkgr.  Kirchenvisitation  1536). 

4)  Eid  P.  Karpfen  als  Rat  1511.  Rep.  117a  Nr.  137.  S.  98.  LangIIS.2. 

5)  Wohl  Michel  Vuacker.  s.  v.  Kern. 

6)  W.  Salinger  aus  Ostreich,  zuerst  in  Weifienburg  a/S.  Stadtpfarrer 
1535—48.  S.  M.  J.  A.  D  ((5  der  I  ein),  Wei6enburgische  Jubelfreude  1730. 
S.  43,  51,  dann  Pf.  in  Alfershauseu  —  1550,  dann  Hofprediger  Georg 
Friedrichs.  f  1560.  S.  Muck  I  S.496.  Ill  S.  241.  Konsistorialakt.  Ansbach 
Hof-  u.  Stiftspraedikatur  1 1431—1747.  d.  d.  22.  9. 1555.  Nach  den  Wochent- 
lichen  Onolzbachischen  Nachrichten  1741.  Nr.  24  (14.  6.)  war  er  von  1558 
bis  1560  Hofprediger  u.  Beichtvater.  Gemeinsam  mit  Karg  u.  Eschinger 
arbeitete  er  bes.  an  der  Abschaffung  des  Auctnariums  in  Brandenburg. 
A.  R  A.  25. 

7)  Vicarius  St  Katharinae  in  Ansbach.  f  1545.  S.  Muck  II  8.  154. 
Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  43,  85.  Nr.  4  f.  144,  150,  152,  162  (Beschwerde 
liber  das  Stift,  das  die  Entfernung  seiner  Frau  u.  Kinder  angeordnet 
hatte),  202,  218  (besuchte  sehr  selten  die  Vorlesungen  des  Obsopoeus), 
Tit.  29   Nr.  3 

8)  Beitrage  I.  222.  V.  S.  208.  VII.  260.  Dr.  G.  Wi Ike,  Georg  Karg 
(Parsimonius),  sein  Katechismus  u.  sein  doppelter  Lehrstreit.  Erl.  Diss. 
Scheinfeld  1904.  S.  21,  33.  35.  Briefe  des  Obsopoeus,  J.  Schnabel  (8.  7. 
1535),  SchneeweiB  (6.  8.  1546  u.  6.  7.  44.  30.  7.  1537),  Karg  (1541), 
Nicolaus  Weifi  aus  Weifienburg  (1541),  Reischenbeck  Pf.  in  Roth  (30.  10. 


Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch.  31 

weylandt   Stephan  Hagenbuchers    nachgelafine   wittib,    copulati 

16.  Novembris  in  die  Othmari   1542  f.   61**. 
Andres  Mufiman^)  Kimigundt   weilandt  des  hochgelerten  vnd  erbarn 

hern    Sebastian    hellers^)    doctors   vnd   cauzlers    seligen    nach- 

gelassene  tochter  copulati  den  5.  Novembris  1548  f.  83  ^ 
Johan  Newkam  vicarier    im    stift^)  Elisabeth    Sexin  von  Onoltzbach 

sunt  proclamati  dom.  p.  Ascensionis  (9,  4.)  1529  f.  7*. 
Hans    von    Neunstetten    m.    g.    h.    marschalk*)    Ursula    Kornin    der 

marstallerin  dochter  sunt  proclamati  in  die  S.  Michaelis  (29.  9.) 

1528  sed  postea  rejecti,  quod  impie  contraxerint  f.  4*. 
Vincentius  Obsopoeus  ordinarius  professor  litterarum^)  Ursula  Wenzel 

1542),  J.  Saltzer  (Idus  Marti!  1544),  Conr.  Praetorius  (16.  8.  1544.  "9.  6. 
1545.  1546),  G.  Schagk  V.  Wassertrudingen  (20.8.1546),  Lusnerv.  Gunzen- 
hausen  (1544),  Jo.  Vueccus  v.  Uffenheim  (6.  8.  1545),  Pithenius  (1549), 
Seb.  Theodorieus  (1549),  S.  Lazarus,  Pf.  v.  Rosstall  (30.  3.  1546)  an  ihn 
im  Bamberger  Kreisarchiv.  Manuskr.  Alth.  VI,  31,  die  von  Prof.  Kolde 
zur  Heransgabe  vorbereitet  werden.  —  Vielleicht  zuerst  tritt  er  als  Pfarrer 
auf  in  einem  Scbreiben  an  Dechant  v.  Kapitel  zu  Feuchtwang,  worin  er 
nach  dem  Tode  Vogtherrs  mit  Rurer  als  Naehfolger  J.  Feel,  Kaplan  zu 
Ansbach  empfiehlt.  d.  d..  Ansbach  Conv.  Pauli.  (25.  1.)  1539.  Rep.  159. 
Tit.  22.  Nr.  1.  f.  268. 

1)  S.  Lang  III  S.  26,  32,  87fif.,  44,  62.  Einer  der  bedeutendsten  Rat- 
geber  Georg  Friedrichs,  Stieber  S.  334.  1556  zum  Kammerschreiber 
bestellt,  GemeinbuchX  f.  7*,  Rep.  117a  Nr.  213.  f.  132.  Ein  neuerRevers 
d.  d.  Di.  n.  Laet.  (23.  3.)  1563.  f.  147.  Nr.  244.  Akta  das  Absterben  des 
fiirstl.  geheimen  br.  Rats  MuBmann  1589.  S.  173.  Nr.295.  Kd.  J.  A.  Vocke, 
Geburts-  und  Todtenalmanach  Ansbachischer  Gelehrten,  Schriftsteller  u. 
Kunstler.  II.  Augsburg  1797.  S.  322.  Kunigunda  f  25.9.  1562.  Priester, 
Onoldum  in  Requie  1742. 

2)  Aus  Schwabach.  1517  in  Leipzig.  G.  Erler,  die  Matrikel  der 
Universitat  Leipzig.  Leipzig  1895.  Annahme  als  Rat  u.  Diener  v.  Georg, 
nachdem"  er  schon  etliche  Jabre  gedient  hat.  Ansbach  Mart.  1530.  Rep.  117. 
Nr.  161c.  AAAktaNr.779.  1533Kanzler.  Wiederholt  sollte  er  nach  Witten- 
berg berufen  werden.  t29.  X.  1542.  S.VoigtjMarkgrafAlbrechtAlcibiades 
von  Brandenburg-Kulmbach.  I.  Berlin  1852.  S.  67.  J.  H.  v.  F  ale  kens  t  ein  s, 
Urkunden  u.  Zeugnisse.  Neustadt  1789.  S.  543.  Nr.  449.  Corpus  Refor- 
ms torn  m  IIL  p.  526,  576.  IV,  478,  662,  714,  1022,  1025,  1055.  VI,  760. 
G.  Veesenmeyer,  kleine  Beytrage  zur  Geschichte  des  Reichstags  zu 
Augsburg  1530.  Niirnberg  1830.  S.  14flf.  K.E.  Forstemanii,  Urkunden- 
buch  zur  Geschichte  des  Reichstages  zu  Augsburg  im  Jahre  1530.  Halle 
1835.  I,  371.  II,  12,  219,  290f.,  300,  420,  432,  455,  466,  601.  Lang  II 
S.  25 f.,  29,  63,  75,  77,  58,  64,  73,  129,  156.  L.  Bachmann  S.  130. 

3)  Vikarius  S.  Bonifacii.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  43.  Geburtsbrief 
der  Stadt  Ansbach  fur  ihn  d.  d.  Sa.  n.  Barth.  (25.  8.)  1520.  Tit.  9.  Nr.  61. 
1528  besafi  er  die  Vicarei  S.  Georgii  Tit.  29.  Nr.  4  f.  202.  Urfehde  der 
beiden  Priester  Wolfg.  Kepner  u.  II.  Neukam.  Viti.  (15.  6.)  1528.  Gemein- 
buch  VII  f.  111b.  —  f.  44b.  Hans  Neukam  tuchscherer  els  sixin  bans 
Neukams  vicariers  im  stift  verlassene  wittib  copulatisunt  2.  f.  p.  fest.  Dom. 
Epiph.  hoc  est  25.  Januarii  1538. 

4)  Kolde,  Althamer  S.  52.  C.  Ferd.  Jungens  Miscell.  Ill  S.  259. 
C.  Ref:  I,  1011.  J.  Chr.  v,  Aretin,  Beytrage  .  .  .  1807.  IX,  1021  f. 

5)  S.  L.  Schiller  S.  3ff.  Beitrage  VII,  77,  206f.  Neustadt, 
Markgraf  Georg  als  Erzieher  am  Ungarischen  Hofe.  S.  40  Anm.  J.  A.  V  o  c  k  e  I 


32  Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch. 

HenniDger    seligen    nacbgelafiene  witwe^).  pr.    dom.  p»  Epipb. 

(9.  1.)  1530  f.  10 », 
Yincentius    Obsopoeus   Margret    des    Hanson    Hertzogen    docbter  von 

Nurenberg.  p.  dom,  Cantate  (28.  4.)   1532  f.  21 ». 
Jobannes  Oel  Canonicus  auf  dem  styft^)  Margret  Waltorin  von  Danbacb 

sunt  proclamati  Dominica   infra   nativitatem    et   circumcisionem 

Domini  (31.  12.)  1531  f.  19  b. 
Joan.  Oel  cborber  im   stift   cristina  berbstin   stepban    vneigels   magt 

pr.  4.  adv.  (22.  12.)  1532  f.  24». 
Her    Jobann    Oel    canonicus    celebravit    nuptias    Weiflenburgi    cum 

Margretba    relicta   vidua     ipsius    andree    Munderlins^)    pastoris 

olim  ibidem  Galli  (16.  10.)   1537  f.  44 ». 
Lorenz    Paur    canzleyscbreyber    Kunigund    Kropfbeuserin    weylandt 

Jorgen  Kropfbeuserin  zu  Leyttersbausen  verlafiene  tocbter  ein- 

geleyt  quarta  feria  p.  Cantate  (2.  5.)  1537  f.  42 ^ 

S.  63  ff.  Einzelne  Briefe  aucb  im  Bamberger  Kreisarchiv  Ms.  VI  Nr.  31. 
Cber  seine  Bibliothek  s.  Rep.  159.  Tit.  21.  Nr.  14  acta  betrefifend  die 
von  dem  Markgrafen  zu  Brandenburg  dem  Decbanten  u.  Kapitel  zu  Feucht- 
wangen  anbefoblene  Ankaufung  vom  Stift  der  von  Obs.  hintcrlassenen 
Bticber.  1548.  9.  Gemeinbncb9  f.  46b  d.d.  Mittw.  n.  Os tern  1549.  Muck  I 
S.  417.  —  Beilage  zur  Augsburger  Postzeitung  Nr.  57  (25.  12.  1904) 
Sp.  453.  Anm.  87.  —  1531  hatte  er  ftir  Georg  eine  ungarische  Chronik  zu 
iibersetzen,  Cbarlottenburger  Hausarchiv  I  K  42.  A.  3  f.  60.  (Georg  an 
die  Statthalter  d.  d.  Jagerndorf.  Fr.  n.  Om.  S.  (3.  11.)  1531.)  cf.  Ansb. 
Rel.  Acta  13.  Pr.  21^2.  XI,  54  ff.  Regierungsakt  Nr.  6091.  (Rektorat  zu 
Ansbacb:  Besoldungsverbaltnisse)  Instruktion  zur  2.  Kirebenvisitation. 
ARA  II  a  (1535).  43.  Jahresbericht  des  hist.  Ver.  von  Mittelfranken. 
Ansbacb  1889.  S.  119.  Gestorben  ist  er  zwischen  1537  u.  1539.  Rep.  157. 
Tit.  29.  Nr.4f.  329.  K.  Simonsfeld,  Eim*ge  kunst-  und  kulturgeschichtl. 
Funde,  Sitzber.  d.  pbilos.-philol.  u.  hist.  Klasse  d.  MUncbn.  Akad.  d. 
Wiss.  1902.  541  ff.  Ein  Sohn  von  ihm  soil  in  Kadolzburg  Pfarrer  gewesen 
sein.  Walther  S.  36.  Ein  Vetter  von  ihm  G.  Leutner  aus  Bayern  besaB 
1544  die  Vicarei  S.  Bonifacii,  dann  wobl  Hofprediger  G.  Friedrichs. 
G.  Schnizer,  Anzeige  von  der Kirchenbibliothek  zuNeustadt  a.  A.  1782. 
S.  13.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5  f.  35.  —  f.  53^  miche  Diner  vnsers  g.  h. 
cemcrling  margretha  hern  vincentius  Obsopoeussen  nachgelassene  wittib 
copulati  feria  tertia  p.  Jubilate  (20.  4.)  1540.  Diner  =  Michael  Denis. 
Gemeinb.  7  f.  232 ».  Rep.  117  a.  S.  120.  Nr.  186. 

1)  Mitglied  des  Rates  von  Ansbacb.  H.  Westermayer,  die  branden- 
burgisch-niimbergische  Kirchenordnuiig  .u.  Kirebenvisitation  1528 — 1533. 
Erlangen  1894.  S.  22. 

2)  Cborberr.  Geburtsbrief  v.  Klestatt  fur  ihn  d.  d.  Sa.  n.  Lucie 
(14.  12.)  1527.  Rep.  157.  Tir.  9.  Nr.  75.  Caution  et  juramentum  d.  d.  Di. 
n.  Andreas  (3.  12.)  1527.  Tit.  10.  Nr.  93.  f  1547.  Seine  Pfrtinde  wurde 
J.  Gotz,  dem  Sohne  desLeibarztes  G.  Gotz  verliehen.  Tit.  29.  Nr.  5.  f.  61. 

3)  t  1535.  E.  Engelhardt,  Ehrengedacbtnis  der  Reformation  in 
Franken.  Nurnberg  1869.  S.  64,  68  f.  W.  V  o  g  t ,  Antheil  der  Stadt  WeiBen- 
burg  a.  N.  an  der  reformatoriscben  Bewcgung.  Erlangen  1874.  S.  10,  12. 
M.J.  M.  GrojQ,  des  hist.  Lexikon.  .  .  .  2.  Toil.  Niirnberg  1732.  suppl.  S.43. 
M.  J.  A.  DSderlein  1.  c.  S.  43.  Im  allgemeinen  zur  Geschicbte  der 
Reformation  daselbst  v.  Pastoralblatt  des  Bistums  Eicbstadt.  1870. 
S.  146. 


Schornbanm,  Das  Erste  Ansbaoher  Proklamationsbuch.  33 

Christianus    Polmaun    von    Gladpach  ^)    hofprediger    Barbara    Sebald 

Fulckers  tochter  von  Geylesheim  copulati  23.  Februarii  auno  1541 

(steht  unter  1540)  f.  54a. 
Jacob  Braun  statschreyber  Margrethe  Hansen  Sprengen  seligen  tochter 

burgers  zu  Kytzing  cop.  quarta  f,  Pasc.  (24.  4.)  1538  f.  45^. 
Herr  ConradtPreufi  vicarius  im  stift'*)  Anna  Wernlerin  weilandt  des 

erwirdigen  hern  Sebastian  Wagners  abts  zu  Hailbronn  ^)  nachg. 

witbe.    Cop.   10.  Mali  1547  f.   78  ^ 
Herr  Conradt  Preufi  vicarier  im  stift  Margretha  herrn  Hans  Lazarus 

Pfarers  zuRostall*)  nachg.  witbe  cop.  30  Januarii  1548  f.  81*. 
Laurentius  Putrich  caplon  Els  Jacob  Hagenbuchers  zu  Wassertruhen- 

diugen  tochter  cop.   13.   7.   1545  f.   72*. 
Christof  Raiser  von   harburg^)   auf  der   schul  Dorothea    Peter   Bach- 

manns  nachgelafine  tochter  copulati  in  die  Viti  (15.   6.)   1540 

f.  54 ». 
Hans    Riedel    einspeniger    Barbara    weiland    hern    Lienhart    Lusners 

pfarers  zu  Guntzenhausen  ®)  nachg.  witbe.   Cop.  2  die  Decembris 

1544  f.   69  b. 


1)  Jurament  Chr.  Polmanns  von  Gladbach,  Hofpredigers  im  Schlofi 
zu  Ansbach,  wegen  eines  Kanonikates.  Mo.  Om.  Sanct.  (1.  11.)  1540. 
Rep.  157.  Tit.  10.  Nr.  102.  Geburtsbrief  der  Stadt  M.-Gladbach.  Fr.  n. 
Vis.  Mariae  (8.  7.)  1541.  Tit.  9.  Nr.  85.  f  ca.  1559.  S.  Rep.  157.  Tit.  29. 
Nr.  4  f.  368.  Nach  den  W5chentlichen  Onolzbachischen  Nachrichten  1741 
(14.  6.  1741)  S.  185.  1550—1558  Hofprediger  und  Beichtvater.# 

2)  Seit  1545  Vikarius  St.  Katharinae  im  Stift.  Muck  II,  S.  156.  Im 
Jahre  1562  wurde  er  zum  Spitalmeister  des  neuerrichteten  Hospitals  er- 
nannt;  seine  Ffrunde  wurde  zu  demselben  geschlagen.  Gemeinbuch  10 
(1555 — 71)  f.  156.  J.  B.  Fischer,  Geschichte  u.  ausf iihrliche  Beschreibung 
der  .  .  .  Ansbach.  Ansbach  1786.  S.  114 f.  G.  Muck  I  S.  493.  Stieber 
S.  223.    S.  Rep.  141.   Hospitalpflege^Nr.  2.  3. 

3)  Muck  I  S.  397  flf.,  408. 

4)  Zuerst  Kaplan  in  Ansbach.  E.  Schornbaum,  die  Stellung  d. 
Markgrafen  Kasimir  v.  Brandenburg,  Nurnberg  1900,  S.  242,  dann  in  Niim- 
berg.  1533  Pf.  v.  Rosstall.  S.  Bid  des  J.  Lazarus  aus  Wassertriidingen  als 
Pfarrverwesers  zu  Kosstall.  Der  eigentliche  Pfarrer  war  G.  Ferber,  ehemals 
Dechant  zu  Ansbach,  ab  1534  Theod.  v.  Reden.  Markgraf  Georg  genehmigte 
die  Cbertragung  der  Pfarrei  an  ihn  unter  der  Bedingung,  daB  er  den 
jetzigen  Pfarrverweser  ruhig  auf  derselben  bleiben  lasse.  d.  d.  Kadplzburg. 
Mo.  n.  Conv.  Pauli  (27.  1.)  1534.  Kgl.  Konsistorialarchiv.  Rosstall.  Pf. 
1462—1652.  f.  67—72.  f  20.  10.  1546.  f.  80.  S.  auch  Ansbach  er 
WOchentliche  Nachrichten  1741.  S.  324.  Stieber  S.  676. 

5)  S.  L.  Schiller  S.  26.  Vielleicht  aber  mufi  Chr.  Kaiser  gelesen 
werden.    S.  Beitrage  VII  S.  260. 

6)  Pfarrer  zu  Gunzenhausen  schon  1528.  f  1544.  J.  P.  Riedel, 
Yersuch  eines  Beitrags  zur  Landesgeschichte  des  hochf.  Hauses  Br.-Onolz- 
bach.  Niirnberg  1780  S.  93  f.  Der  freyen  Reichsstadt  Nurnberg  vest- 
gegrlindete  Landes-  vnd  Oberherrlichkeit  .  .  .  Wittenberg  1797.  S.  22. 
Blatter  fUr  bayerische  Kirchengeschichte  I.  1887,  Rothenburg  S.  34.  Erster 
Superintendent  v.  Gunzenhausen.  1529  bezeichnet  ihn  Georg  als  einen 
der  Theologen,  die  man  in  schwierigen  Fallen  um  Rat  fragen  solle.  Rep. 
103 ».  S.  247.  Nr.  3©.  f.  37. 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichte  XII.  1.  3 


34  Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbucb. 

Her  Hainrich  Eoracber  vicarier  im  stift^)  Madlena  Wainherdin  hern 
Jorgen  Denderlins  Pfarrers  zu  Obernmichelbacb  ^)  nachg.  witbe. 
cop.  dritten  tag  Julii  1548  f.  82  *. 

Wolf  Ruff  der  jung^)  zu  Wassertruhendingen  Margretba  Hansen 
Blaichers  auch  zu  Wassertruhendingen  nacbg.  tocbter  seind  von 
mir  3mal  verkaudt  Mattbie  aber  nit  eingelait.  zu  Weyltingen 
bocbzeit  gehalten  in  der  wocben  nacb  Trin.  1545  f.  71**. 

Wolfgangus  Rust  auf  der  scbul*)  Veronica  Melcbior  Lebsanften  seligen 
nacbg.  tocbter.  cop.  den  13.  Augusti  1549  f.  86**. 

Joban  Sawrman  vicarier  im  styft®)  Sabina  des  Platners  docbter  uxor, 
sunt  proclamati  Dominica  Paschae  (28.  3.)  1529  f.  6*. 

Pangratz  Saltzmann  m.  g.  b,  cammersecretari  ®)  Anna  Zotscbin  weylandt 
Sixen  Zoltscben  von  Aufkircben  seligen  nacbgelafine  docbter 
sunt  proclamati  d.  LX.  (19.  2.)  1531  f.   16^. 

Jacob  Scblairer  caplon  zu  Flacbslanden '^)  Elizabeth  Herrn  Hansen 
Besolts  vicariers  tocbter  copulati  den  5.  Novembris  1544  f.  69*. 

Sixtus  Scblosser  vicarier  im  stift^)  Margret  des  Claus  Hansen  von 
Leutershausen  docbter.  p.  Dom.  p.  Mart.  (14.  11.)  1535  f.  38*. 

Hans  Scholl  todtengraber  Margretba  Fritz  Barts  nacbgelafine  tocbter 
von  Weyenzell  Copulati  4  f .  p.  Purif.  (5.  2.)   1539  f.  49^ 

1)  Nach  Akta  Onolzbach  Hof-  u.  Stiftkaplanei  1470—1791  (kgl. 
Konsistorium  zu  Ansbach)  besaB  er  die  Primissaria  in  choro  Praep.  im 
Stift  St.  Gumbertus.  Nachfolger  Job.  Besolts.  Aucb  besafi  er  eine  Pfrunde 
im  Kloster  Heidenheim,  auf  die  er  1537  gegen  eine  jabrliche  Entschadigung 
von40fi.verzichtete.  Kep.  160.  Tit.  14.  Nr.  4.  Tit.  3.  N.  9b.  Gemeinb.  8. 
f.  93»       • 

2)  Stieber  S.  591.  f  1548  Ostern.  S.  kgl.  Konsistorium  zu  Ansbacb. 
Obermichelbach  Pf.  1535—1663.  f.  18. 

3)  Sobn  des  markgraflichen  Kastners  Ruff  v.  Wassertriidingen.  Cf. 
aucb  Scbornbaum  1.  c.  S.  200.  Besonders  mit  Auhansen  hatte  er  viel 
zu  tun,  als  der  Abt  TruchseB  nach  Eicbstadt  gefloben  war.  Rep.  165. 
Tit.  15.  Nr.  1.    Rep.  158    Tit.  8.  Nr.  3,  4. 

4)  Kam  als  Schulmeister  nacb  Uffenheim  und  dann  als  Pfarrer  nach 
Uttenhofen.  Eid  d.  d.  8.  2.  1555.  f  8.  9.  1561.  KgK  Konsistorialarchiv 
Ansbacb.    Uttenhofen  Pf.  1536-1704.  f.  39—50. 

5)  Vicarius  Primissariae  in  Chore  Praepositi.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5 
f.  43.  Geburtsbrief  der  Stadt  Herrieden  fur  ibn.  d.  d.  Mo.  n.  Appol. 
<13.  2.)  1520.  Tit.  9.  Nr.  59.  Er  wurde  wohl  auch  als  Kanzleischreiber 
verwendet.  Rep.  103 ».  S.  247.  Nr.  3e.  S.  48.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  4. 
f.  144.  150.  152.  218. 

6)  Zuerst  Hofgerichtsscbreiber,  dann  Kammermeister,  Landschreiber 
t  1563.   S.  Lang  II  S.  84,  129,   172,   231,  242,  III  6,  77,  113,  152  f.  192. 

7)  Spater  Pf.  zu  Absberg,  dann  zu  Neunkirchen.  Eid  alsPf.  v. 
Neunkirehen  d.  d.  19.  1.  1548.  Kgl.  Konsistorialarchiv  Nurnberg.  Pf. 
Neunkirchen  1484-^1795.  f  39. 

8)  Pf.  zu  ThalmaBing  1528.  Blatter  fur  bayerische  Kircbengeschichte  I, 
S.  142.  Als  Vikarius  vom  Stift  (Viti)  bekam  er  m'it  dem  Kapitel  Streit, 
weil  er  mbglichst  die  neuen  Zeremonien  einfUhren  woUte.  Rep.'157.  Tit.  29. 
Nr.  4.  f.  237,  239,  245,  271.  1541  nahm  er  auch  noch  die  Pfarrei  Forst 
an  f.  334.  cf.  Tit.  22.  Pf.  Forst  Nr.  16.  —  S.  f.  73*.  Stephanus  Neuckham 
weber  margaretha  herrn  six  Schlossers  seligen  nachg.  witbe.  cop.  12. 12. 1545. 


Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch.  35 

Haus  Schmidt  Hauck  genant  canzleyschreyber  Anna  weylandt  Clausen 

Herwarts  seligen  gewesen  castners  alhie  verlafine  tochter  copu- 

lati  26.  Jan.   1540  f.  52^. 
Georgius    Schuman    auf   der    schnl  Barbara  Hardung  Teufels  tochter 

cop.  den  6  Tag  Octobris  1551  f.  93*. 
her  Johan  Seger  caplon  zu  Onoltzbach    in    der    pfarr^)    Anna  Hans 

Ortolphs  candelgiefiers  zu  Chulmbach  dochter  s.  procl.  Dom.  p. 

Purif.  (7.  2.)  1535  f.  39^ 
Kochus  Sehehofer  korher  im  stift^)  Ursula  Hans  Greylers  seligen  ver- 
lafine wittib  Procl.  Dom.  sec.  adv.  Dom.   (8.  12.)   1532  f.  24». 
Kochus  Sehehofer  khorherr    im  styft  Barbara  Stephan  Keuters    gold- 

schmids  dochter^)  p.  Dom.   14.  p.  Trin.  (17.  9.)  1533  f.  29^ 
Jorg  Sefiel  auf  der  schul  coadjutor*)  margretha  hertzogin  von  Nurn- 

berg  Obsopei  geschwey  copulati  altera Matthie  25.Febr.  1539  f.  49^. 
Lenhart  Stark  von  dinkelspuhel  Margretha  Rurerin  ^)  cop.^en  30.  Junii 

1544-  f.  68  b. 
her  cristof  Strafi    Licentiat®)    Elisabeth   Zotzin    p.    Dom.    p.    Jacob! 

(26.  7.)  1534  f.  33^ 


1)  AusKempten.  S.  S.  1520  in  Leipzig.  Erler  I  S.  571.  1527  unter- 
sttitzte  er  den  ev.  Prediger  Mag.  Jac.  Heistung  in  Kerapten.  1533  stimmte 
er  fur  Beibehaltung  der  Bilder  in  den  Kirchen.  Wohl  weil  die  Mehrzahl 
der  Burger  dagegen  war,  begab  er  sich  nach  Ansbach.  J.  B.  Haggen- 
m tiller,  Geschichte  der  Stadt  und  gefursteten  Grafschaft  Kempten  II. 
Kempten  1847.  S.  2,  6.  Als  am  28.  6. 1536  Job.  v.  Wald  (Pfarrverweser  zu 
Lehrberg)  gestorbenwar  (Pfarrer  war  Georg  von  Wolmershausen  f  1.  2. 1542), 
baton  Althamer,  Rurer  u*  Monninger,  ihm  diese  Stelle  .zu  geben.  Georg 
genehmigte  es  am  29.  6.  1536.  Da  er  mit  den  Bauern  wegen  der  Pension 
an  den  wirklichen  Pfarrer  (50  fl.)  irrig  wurde,  verfugte  Georg,  dafi 
er  mit  dem  Hofkaplan  G.  Burraann,  der  von  der  Pfarrei  Rofifeld  150  fl. 
neben  seinem  Eanonikat  zu  Ansbach  bezog,  tauschen  sollte.  Kgl.  Kon- 
sistorialarchiv  Ansbach.  Lehrberg  Pf.  I  1536—1689  f.  2,  3,  9,  19.  1543 
bis  1552  war  er  dann  in  Rofifeld Pfarrer.  Schiller  1.  c.  S.  21.  43.Jahres- 
bericht  des  hist,  Vereins  von  Mittelfranken  S.  117  f.  Beirage  I,  125.  — 
Zu  B  u  r  m  a  n  n :  G.  A.  W  i  1 1 ,  narratio  d'e  M.  Gregorio  Purmanno  Decano  Lehr- 
bergensi.  Altdorfl774.  BeitrageVI,  S.  114£f.  Auf  Fiirbitte  seiner  Gemahlin 
u.  B,  Zieglers  befahl  Georg,  ihm  pro  Jahr  20  fl..  zum  Studium  zu  geben.  1532. 
Herrschaftl.  Buch  Nr.  2  f.  54i>  (Nurnberger  Archiv).  Uber  ihn  manches 
in  den  Akta:  Pf.  Lehrberg  u.  Kaplanei  Lehrberg.  (1534—1634)  Nurn- 
berger Kreisarchiv.  Rep.  141.  Vogtamt  Lehrberg.  Nr.  15,  16.  Rep.  157. 
Tit.  8.  Nr.  68. 

2)  t  1554.  Seine  Pfrtinde  wurde  dann  dem  Rochius  Etzel,  dem  Sohne 
des  0.  Etzel,  zum  Studium  uberlassen.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5.  f.  69. 

3)  Verheiratete  sich  dann  mit  C.  Ezel.  f  14.  2.  1590  im  Alter  von 
80  Jahren.   Priester,  Onoldum  in  requie. 

4)  Schiller  S.  20f.  1537—1539  an  der  lateinischen  Schule  tatig. 
Vorher  war  er  in  Ochsenfurt.  Wohl  wegen  geringer  Besoldung  ging  er 
nach  Nurnberg.  Rep.  157  f.  Tit.  29.  Nr.  4.  f.  324  ff. 

5)  Eine  Tochter  J.  Rurers? 

6)  Markgraf licher  Kanzler.  Lang  II  S.  129,  133,  139,  172,  186,  209. 
238,  247,  284  f.   Ill  S.  9,  22,  47.    1539  als  Rat   angenommen.    Rep.  117  a 

Nr.  219.  S.  135. 

•>  + 


36  Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacber  Proklamationsbuch. 

Jacobus  Stradner  von  Grsttz  prediger  zu  hof *)  im  Schlofi  Anna 
Spindlerin  Clausen  Spindlers  weyland  muntzmaisters  zn  franckeu- 
husen  dochter.  Pr.  Dom.  prima  p.  Octavas  Peutecostes  (18.  6.) 
1536  f.  40b. 

Sebastianus  Styler  prediger  zu  Hailsprun^)  Ursula  Jorgen  Batzen  nach- 
gelassene  tochter  Bastlin  Bnrklins  magt.  in  Hailsprun  copulati 
Jnventionis  crncis  (3.   5.)   1541   f.   57". 

Doctor  Christof  Tetelbach^)  Maria  Cleophe  Alexius  Frauentraut  Camer- 
schreybers  tocbter  c.   15.  Septembris  1539  f.  51*. 


1)  Zuerst  markgraflicher  Hofprediger,  dann  1543—1550  Stiftsprediger. 
Beitrage  V,  S.  204  ff.  Re  vers  J.  Stratners  als  Hofpredigers  d.  d.  Ansbach 
Catb.  Petri  153a.  Rep.  117°.  Nr.  178.  S.  117.  Cf.  Rep.  157.  Tit.  8.  Nr.  71. 
(Seine  Kinder  betr.)  Beitrage  VI,  S.  110.  Akt  ,,Hof-  und  StiftsprSdikatur 
zu  Ansbach  betr."  I  1431—1747  im  Konsistorium  zu  Ansbach.  Nr.  14.  cf. 
f.  67  b  Andreas  von  Gretz  Els  Clans  Spindlers  weylundt  muntzmaister  zu 
franckenhausen  nachgelassene  tochter  copulati  Di,  p.  Quaeimodog.  1544. 
—  Vocke  I  S.  21. 

2)  Kam  1544  nach  Gunzenhausen  bis  1567.  S.  Muck  II  S.  109 f. 
Riedel  S.  94.  Das  Kloster  Hailsbronn  entlieB  ihn  geme,  da  er  manchen 
Unwillen  durch  sein  eigenmachtiges  Verhalten  erregt  hatte.  Nurnberger 
Ereisarchiv.  Regierungsakt  Nr.  6163.  (Pradikatur  zu  Hailsbronn  1530  bis 
1716.)  Er  war  gegen  die  Abschaffung  des  Auctuariums  ARA.  25.  W.  Lohe, 
Erinnerungen  aus  der  Reformationsgeschichte  von  Franken.  NUrnberg  1847. 
S.  145. 

3)  Im  Nurnberger  Kreisarchiv  AA-Akten  Nr.  797  fiiidet  sich  folg. 
Genealogie  dieser  Familie: 

Job.  Tetelbach 

t)T.  Chrlstoph  Tetelbach  I  Ewald  Tetelbach  Wilhelm  l^etelbacli 

Job.  Bapt.  Tetelbach      Job.  W.  Tetelbach  I      Chr.  Tetelbach  II 

I  I 

Maria  Tetelbach  Job.  W.  Tetelbach  II 

verm,  mit  D.  Job.  Strebel 

Euphrosyne  cop.  Anna  Maria  cop. 

1619  mit  Tob.  Knobloch  f  1634  mit  Laur.  Laelius  1622 

1639  mit  Ph.  J.  Christmann  t  1645 
1647  mit  H.  Rauchbarn. 

Job.  Tetelbach  war  1486 Registrator  u.  1505Landschreiber.  Rep.  117*. 
Nr.  52.  S.  34.  Nr.  128.  S.  90.  43.  Jahresbericht  etc.  S.  71,  84.  Seine 
Geraahlin  hieB  Katharina.  —  Chr.  Tetelbach  I  war  1534 — 1541  Assessor 
am  Hofgericht.  7.9.  1541.  28.  12.  1555  stellte  er  einen  Revers  als  Rat  und 
Diener  aus.  1560  Kanzler.  Rep.  117a.  Nr.  167  a.  S.  113,  189.  S.  121,  196* 
S.  126.  S.  128.  Nr.  204.  Gemeinbuch  9  f.  159  a.  Lang  III  S.  6,  8,  21,  23, 
26,  47,  49,  56,  59,  97.  Seine  erste  Frau  Barbara  war  die  Tochter  des 
Hi.  Scburf.  f  8.  4. 1538.  S.  Priester,  Onoldura  in  requie.  —  J.  B.  Tetel- 
bach 1567;  Rat  u.  Landschreiber  an  stelle  seines  verstorbenen  Vaters. 
Rep.  117a  Nr.  257a.  S.  150.  28.  4.  1553  in  Wittenberg  (Torgau)  immatri- 
kuliert.  Forsteraann  S.  279.  Seine  Frau  Helena Hartungin  f  26.8.  1568. 
S.  Priester,  Onoldum  in  requie.  —  J.  W.  Tetelbach  I  auf  Dtirren- 
mungenau  verheiratet  mit  Kath.  Elis.  D.  Andreas  Mufimanns  Tochter. 
t  1598.  —  Chr.  Tetelbach  II.  Er  bekam  11.  6.  1555  die  Chorherrn- 
pfriinde  des  J.  Frays  verliehen.  d.  d.  Ansbach  Di.  n.  Trin.  1555.  Rep.  157. 


Schornbaum,  Das  Erste  Ansbacher  Proklamationsbuch.  37 

doctor  Christopliorus  Tetelbacb  Anna  doctor  Sebastian  Hellers  cantzlers 

nachgelassene  tochter^).  cop  den.  8.  Sept.   1544  f.  68^. 
Joannes  Baptista    Tetelbach   des   landtschreibers    sun    zu   Onoltzbach 

Magdalena    hern    sigmunden    kebitz^)  Licentiaten  zu  Bamberg 

dochter.  pr.  dom.  tert.  p.  oct.  Epiph.   (18.  1.)   1530  f.  10 ^ 
Wilhelmus  Tetelbach  decanus  Martha  weylandt  des  erbarn  Christopheu 

Sparmairs  burgern  und  des  raths  zu  arnstein  nachgelafine  tochter 

cop.  30.  August!  1546  f.  76 ^ 
Wilhelmus    Tittelbach    Anna    Lienharts    Dachspachers  ^)  tochter    cop. 

14.  Noverabris  1552  f.  96*. 
Martin    Thauer    von    Altenbernau    Clara  Anna    Pratzlerin    auch  von 

Altenbernau  des  pfarrers  tochter.  cop.  26.  Februarii  1548  f.  81\ 
Jacob   Vischer  von  Munchen    ein    reutter    Margretha    herrn    Conradt 

Werlins  weylandt  Pfarrers  zu  Wernspach  nachgelassene  witbe 

cop.  den  .  .  .   1544  f.  67.^ 
Johan  Week  weylandt  pfarrer  zu  Lengkersheim  mit  Anna  N.  seiner 

vertrauten  eingelayt  den  25.  tag  Junii  1543  f.   65^ 


Tit.  29.  Nr.  5  f.  70.  Gemeinbuch  9  f.  IbSK  Als  das  Stift  1563  sakularisiert 
wurde,  bekam  er  zur  Vollendung  seiner  Studien  100  fl.  jahrlich.  Rep.  157. 
Tit.  29.  Nr.  5.  f.  212.  —  Ewald  Tetelbach  1516  Chorherr.  Jiirament 
d.  d.  Mittw.  n.  Sim.  et  Jude  (29.  10.)  1516.  Rep.  157.  Tit.  10.  Nr.  88.  Ge- 
burtsbrief  der  Stadt  Ansbacb  fiir  ihn  d.  d.  Do.  n.  Sim.  et  Jude  (30.  10.) 
1516.  Tit.  9.  Nr.  56.  3.  6.  1557  in  Wittenberg  immatrikuliert.  Forste- 
mann  S.  330.  —  Wilhelm  Tetelbach  1522  Canonicus.  Geburtsbrief 
der  Stadt  Ansbach  ftir  ihn  d.  d.  Do.  n.  Lucie  (18.  12.)  .1522.  Rep.  157. 
Tit.  9.  Nr.  67.  An  der  lat.  Schiile  dann  verwendet.  Schiller  S.  15.  Wegen 
seiner  Verheiratung  (1528)  hatte  er  Differenzen  mit  dem  Stift  S.  Rep.  157. 
Tit.  29.  Nr.  2.  Tit.  8.  Nr.  41.  f.  13,  14.  Tit.  29.  Nr.  4.  f.  162.  Er  war 
der  letzte  Dechant  des  Stifts  St.  Gumbertus.  Der  Sakularisation  wider- 
setzte  er  sich  vergebens.  Man  machte  ihn  zum  Aufseher  und  Gegen- 
schreiber  des  Klosteramtes  und  gab  ihm  neben  einer  reichlichen  Getreide- 
besoldung  jahrlich  200  fl.  Tit.  29.  Nr.  5.  f.  212.  Die  Einkiinfte  des  Stifts 
St.  Gumbertus  und'Feuchtwangens  wurden  dazu  verwendet,  um  dem  Vor- 
schlage  Kargs  gemaB  ein  Konsistorium  aufzurichten.  Jacobi  S.  74. 
Rep.  161.  Tit.  17.  Nr.  8.  Ansb.  Rel.  Akta  F.  supph  V.  Fasc.  V.  Rep.  159. 
Tit.  22.  Nr.l,  9.  —  Georgiil  S.1191.  Sein  Streit mit  Karg :  s.G.Wilke, 
Georg  Karg  etc.  S.  55  ff.  —  Interim  s.  A.  Rel.  A.  24.  Pr.  10.  EinfUhrung 
des  Auctuariums  im  Stift  St.  Gumbertus.  Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  4.  f.  337  ff. 
cf.  Lobe  S.  145 if.  aus  L.  J.  J.  Lang,  oratio  historica  de  turbis  in  burg- 
graf.  Norici  provinciis  ex  libro  interim  ortis  Bayreuth  1781.  —  Rep.  157. 
Tit.  29.  Nr.  4.  f.  144,  150.  —  Ein  Wilhelm  Tetelbach  aus  Ansbach  10.  9. 
1550  in  Wittenberg  immatrikuliert.  FcJrstemann  S.  261.  —  Maria  Tetel- 
bach geb.  14.  11.  1572   f  9.  11.  1634.     S.  Priester,  Onoldum  in  reqnie. 

1)  Eine  dritte  Tochter  Hellers  hiefi  Beatrix ;  sie  war  mit  dem  markgr. 
Rat  G.  Adelmann  verheiratet  (7.  9.  60.).  S.  Priester,  Onoldum  in 
requie.   f  2.  5.  1581. 

2)  1533  wollte  man  ihn  fiir  den  markgraf  lichen  Dienst  gewinnen. 
Herrschaftl.  Buch  Nr.  34.  f.  419. 

3)  S.  f.  90 1»  Helias  Rautenkrantz  appolonia  lonhart  Dachsbachg 
tochter  c.  2.  Dezembris  1550. 


38      Wirth,  Eirchenguter  und  Ornate  zn  Hersbmck  im  Jahre  1593. 

her  Stephan  Weinmann  canonicus^)  Marie  Cleophe  Michel  Schmids 
Hang  genannt  nachg.  tochter  den  17.  octobris  1552  f.   96 ^ 

M.  Georgius  Widman^)  Anna  Buchnerin  zwayntal  verkundt  haben 
hochzeyt  zu  Wetelsbaym  gehalten  den   19.  6.   1543  f.  64  ^ 

Petrus  Zeiszmann^)  von  Wasserburg  Wiltzburgers  orden  Margreth 
Schreyber  beckeu  dochter  von  Onoltzbach  p.  1528  f.  3^. 


KirchengOter  und  Ornate  zu  Hersbruck  im  Jahre  1593. 

Von  Pfarrer  V,  Wirth  in  Hersbruck. 

Wie  sorgsam  ehemals  mit  den  aus  der  katholischen  Zeit  stammenden 
Klein odien  verfahren  wurde,  mbge  aus  den  nachstehend  abgedruckten 
SchriftstUcken  aus  dem  K.  Kreisarchiv  in  Nurnberg  ersehen  werden. 
Von  den  da  aufgezfihlten  StUcken  ist  jetzt  freilich  nicht  mehr  eines 
hier  zn  finden.  Vielleicht  war  dies  das  Schicksal  der  Kleinodien 
anderer  Kirchen  auch:  sie  sind  einfach  verschwuuden. 

Mit  der  Aufbewahrung  der  Bucher  aus  der  Zeit  Luthers  uahm 
man  es  ebenso  genau.  Dieselben  sind  bis  heute  in  der  Kirchen- 
bibliothek  dahier  aufbewahrt.  Nur  sollte  letztere  einen  anderen  Eaum 
zur  Aufbewahrung  und  Benutzung  erhalten.  Ihr  Zweck,  einem  grbfieren 
Kreise  zum  Studium  zu  dienen,  ware  dann  besser  erfiillt. 

I. 
Ein  versiegelt  gewesenes  Schreiben  mit  der  Adresse: 
Den  Ehrnvesten,  Fursichtigen  Erbarn 
vnnd  weisen  eines  Erbarn  Rats  der  Stadt  NUrnberg 
verordennten  Landtpflegern 
vnsern  gepietenndt  gonnstigen  Herrn. 
Das  Schreiben  lautet: 

Ehrnueste,  Fiirsichtig,  Ehrbar  vnnd  Weise,  derselben  sinnd 
Vnnsere  gehorsambe  Vnnd  vnderthenige  willige  Diennst  zuuor,  ge- 
pietennd  gonnstige  Herrn, 


1)  Sohn  des  J.  Weinmann.  1532  besaB  or  das  Kanonikat  G.  Huters. 
Rep.  157.  Tit.  29.  Nr.  5.  f.  21.  1563  wurde  er  mit  einer  Pension  von 
100  fl.  und  Naturalien  entschadigt  f.  212.  Jurament  d.  d.  Di.  n.  Oculi  (5.  3.) 
1532.  Rep.  157.  Tit.  10.  Nr.  95.  S.  S.  1545  in  Wittenberg.  S.  Forste- 
mann  S.  223. 

2)  Prediger  zu  Langenzenn  1544.  —  Akt  Langenzenn  Pf.  1538—1653 
im  kgl.  Konsistorialarchiv  Ansbach. 

3)  Verzichtete  auf  eine  Pfriinde  zu  Wilzburg  gegen  eiue  andere  in 
Ansbach.  1537  Rep.  165.  Tit.  15.  Nr.  10.  1539  sicherte  der  Markgraf  seine 
Pfrunde  (St.  Georgs  Altar)  seinem  Sohne  zu.  Rep.  157.  Tit.  22.  Nr.  17. 
Rep.  141.  Hospitalpflege  Nr.  43*.  Gemeinbuch  8  f.  173b.  9  f.  103^.  cf. 
f.  75  b.  Hans  D5ner  Miltenberger  margretha  weiland  herr  peter  Zeismans 
nachgelassene  witbe.  17.  Mail  1546. 


Wirth,  Kirchengiiter  und  Ornate  zu  Hersbrnck  im  Jahre  1593.      39 

Vff  E.  E.  vnnd  htl.  Zuschreiben  vnnd  beuelch,  thue  denselben, 
wir  hiebey  eine  Abschrifft,  des  hieuor,  vfgerichten  Inuentarj,  was 
fiir  Kirchengutter,  und  Kleinoter  so  ziim  Kirchen-  vnnd  Gotthauss 
alhie  gehorig  vorhannden  seyen/  vberschicken,  Denen  wir  vniis  hie- 
mit  inn  geborsamb,  vnnderthenig  beuehlennd, 

Datum  Herspruckb  den  27.  Septembris  Ao.   1596. 

E.  E.  vnnd  bh. 

Gehorsambr  vnnd 
vnndertbenigr 

Alexander  Gender 

Pfleger,  aucb  Burgermeister 
vnnd  Raths  daselbst. 
(Alexander  Gender  war  zuerst  Pfleger  in  Grafenberg,  dann  1587 
bis  1599  Pfleger  in  Hersbrnck,   kam  1599    in  den  Rat   nacb  Nurn- 
berg,  und  starb  daselbst  1601.) 

II. 
In  dem  zweiten  SchriftstUcke  sind   nacb  einem  vorberstehenden 
Aufnabme-Protokoll  die  einzelnen  Klein odien  aufgezUblt.    Das  Scbrift- 
stuck  lautet: 

Kirchengutter 

vnnd  Ornat  zu  Herss-Prucks. 

Beschrieben  den  Neundten  Pebmarj 

Anno 
159  3. 
Nacbdem  kurtzuerscbienener  tagen  Hanns  Niebler,  gewessner 
Kircbuer  zu  Herspruckb  todtes  verscbieden,  an  dessen  statt  Veit 
Guttmann,  Burger  aldo  vffgenommen,  Sinthemal  aber  die  Kircben- 
gUtter  vnnd  Ornaten,  Inn  langer  Zeit  nicbt  Inuentirt  worden,  Also 
bat  man  dieselben  zuuor,  vnnd  ee  ermelter  Guttmann  an  gedacbten 
diennst  getretten,  Durch  Hannseu  Hauslaib^)  dieser  Zeit  Statt- 
scbreibern  zu  Herspruckb  beschreiben,  vnnd  beriirte  Ornata  vnnd 
Kircbengutter,  Durcb  vorernants  Niblers  Sobne  Wolff  genannt, 
Ibme  Guttmann  fiirzaigen,  vnnd  ihme  uberanthwortben  lassen,  Wie 
Von  einem  zum  andern  vnnderschiedlicb  bernacb  volgtt. 

Gescheben   Inn  Persounlicher  gegenwart,   der   Ersamen  Weisen, 

vnnd  Bescbaidnen,  Jobst  Seinzen  des  Ratbs,  vnnd  Jorg  Maiern 

bede  Burger  vnnd  geordente  Kirchen-  vnnd  Gottsshaus-Pflegere  alhie, 

Vff" Freitag  den  Neundten  des  Monats  Februarj,  Vonn  der  geburth 

Christi  Im  Funff*zehenhunndert  vnd  dreyundneunzigsten  Jare! 

Erstlich  in  einer  verspertenn  Truhenn. 

Eiu  grofie  Silberne  Monstranzen. 
Mehr  ein  Silberne  Monstranzen. 


1)  Hanns  Haufilaib  war  Nurnbergischer  Stadtschreiber  in  Hersbruck 
1588—1598,  dem  Jahre  seines  Todes. 


40      Wirth,  KirchengUter  und  Ornate  zu  Hersbruck  im  Jahre  1593; 

Eiu  Silberns  Vergult  Sacramentgefess. 

Ein  Silbern  Vergult  Creutzlein. 

Drey  Silberne  PUchslein  zu  Particuln^), 

Sachs   Silberne  Vergnlte  Kelch,    mit   Sechs   Silberen    Vergulten 

Patenen. 
Mehr    drey   Silbere    Vergnlte   Kelch,    welche    der    Kirchner   In 

seiner  gewaltt  bat. 
Dann    haben    die    beede   Herrn  Capeleine^    ein  Jeder    ein   Clein 

Silbere  Vergult  Kelchlein,  bey  Thnnen  Inn  Iren  Heusern. 
Ein  Weifi  Silbere  Paten e,  mit  vier  Perlein,  Vnnd  Vier  steinen. 
Mehr  ein  Silbere  Vergult  Patene,  mit  sechs  Perlein,  vnnd  sechs 

steinlein. 
Ein  silbere  Vergult  Patene  mit  etlichen  Turckislein  Vnnd  steinlein. 
Ein  Silbere  Weifi  Patene,  mit  steinlein. 
Ein  zweyfachs  silberes  Puchslein  zu  oel. 
Ein  Rot  eiserne  Puchsen. 
Ein  Kupfere  Vergulte  Monstrannzen. 

Inn  einem  Versperten  Behalter  an  Mefigewennternn. 

1  Eots  Mefigewanndt  von  einnem  gulden  stuckh,  mit  aller  Zu- 
gehSrung. 

1  Blaw  Damascirts  Mefigewandt,  mit  einem  gulden  Creuz. 

1  Weifi  Atlafi  Mefigewanndt,  mit  einem  gulden  Marienbildt. 
Vnnd  einnem  leibfarben  Vnnterfutter, 

1  Weifi  damascirts  Mefigewanndt,  auch  mit  einem  gulden  Marien- 
bildt. 

1  Praun  Sammets^)  Mefigewanndt,  gleichfalls  mit  einem  gulden 
Marienbildt. 

1  Schwartz  Sammets  Mefigewandt,  mit  einem  guld.  stuckh,  Vnnd 
gulden  Creutz. 

1  Goldfarben  Damascirtes  Mefigewanndt,  mit  einem  Crucifix, 
Vnnd  seiner  Zugehorung. 


1)  Teilchen  der  Gebeine  Heiliger,  oder  uberhaupt  Gegenstande,  die 
mit  dem  Leibe  Heiliger  im  Leben  oder  im  Tode,  oder  mit  seinem  Grabe 
in  Beriihrung  gekommen  waren. 

2)  Samt  (frz.  velours,  engl.  velvet,  ital.  sciamito),  unser  heutiger 
Samt?  Oder  e^diJUTogl  Vgl.  Otte,  Handb.  d.  kirchl.  Kunstarchaologie  d. 
deutsch.  Mittelalt.  5.  Aufl.  1883.  I,  S.273;  und  Alwin  Schul  tz,da8  hOfische 
Leben  z.  Z.  d.  M.  2.  Aufl.  1889,  I,  S.  332  u.  343.  Samt,  samit  nannteman 
namlich  in  friiherer  Zeit  einen  kostbaren  Seidenstoff,  der  auch  pfeller, 
pfellel,  phellel  genannt  wurde  (aus  mlat.  palliolum,  lat.  pallium).  Es  war 
der  'E^df^aog,  von  dem  Stoffe,  den  wir  heute  Sanimetnennen,  wohl  zu  unter- 
scheiden.  Derselbe  war  aus  sechsfadenstarkem  Aufzuge  gewebt,  ein  sehr 
starkes,  festes  Seidengewebe,  das  gewohnlich  mit  Gold-  oder  Silberfaden 
brochiert  war,  also  dem  spater  Brocat  genanntcn  Stoffe  entspricht.  (Vgl. 
auch  Bock,  Gesch.  d.  litiirg.  Gewander,  1859,  I,  S.  329.  Dessen  Zurtick- 
fiihrung  der  e^dfiira  auf  hebr,  Scheseh  ist  nicht  haltbar.) 


Wirthy  Kirchengiiter  und  Ornate  zn  Hersbriick  im  Jahre  1593.      41 

1  Roth  Atlafi  Mefigewanndt,   mit   einem   gnldenen  Sanct  Wolf- 
gang ^)bildt. 

1  Grun  atlafi  Mefigewanndt,  mit  einem  gulden  Creutz. 

1  Weifi  damascirts  Mefigewanndt,  auch  mit  einem  gulden  Creutz. 

1  Goldfarb  seides  mefigewanndt,  mit  seiner  Zugehoer. 

2  Praune  Wullene  Mefigewenndter,  mit  Crucifixen. 
1  Griin  damascirts  Mefigewanndt. 

1  Rot  Scharlach  mefigewannd. 
1  Weifi  damascirts  Mefigewanndt. 

1  Gelb  harlasts^)  Mefigewanndt. 

2  Schwartz  Schamlots^)  Mefigewanndt. 

1   Schwartz  Borschats*)  Mefigewanndt,  mit  einem  Crucifix. 

1  Schamlots  Mefigewanndt,  mit  S.  Christophori  Bildtnufi^). 

2  Goldfarb  Atlafi    Diacon,  oder  Leuiten  Rockh®),    mit  Irer  Zu- 

gehor. 
2  Schwartz  Sametine  diacon  Rockh,  mit  goltfarben  Podnen,  vnnd 

Irrer  Zugehbr. 
2  Praun  Sammete  Diakou  R5ckh. 
2  Weifi  damascirte  Diacon,  oder  Leuiten  Rockh. 
2  Roth  seiden  Leuiten  RSckh. 
1  Praun  Sammaten  Chormantel. 
1   Schwartz  Wiillen  Chormantel. 
1   Roth  schamloten  Chormantel. 
23  Aim''). 
Nota.    An  jUngster  Inuentur  sinnd  derselben  24  gewest,  1st  die 

eine  zerschnitten,  vnnd  die  anndern  damit  gebessert  worden. 


1)  Die  Stifterin  des  Spitals  und  der  Elisabethenkirche  am  Spital  zu 
Hersbruck,  Cath.  Alhart,  war  aus  Regensburg.  Wolfgang,  der  Patron  von 
Regensburg,  bat  darum  an  dem  prachtigen  Schnitzaltar  dieser  Kirche  ein 
Feld,  auf  welchem  seine  Gestalt  mit  Bell  und  Kirchenmodell,  seinen 
Attributen,  dargestellt  ist. 

2)  Harlasten,  arlasten  ist  pannus  arelatensis,  ein  zu  Aries  in  Burgund 
gewebtes  Zeug.  Aries  war  die  Hauptstadt  des  Konigreichs  Arelat  oder 
Burgund,  und  war  Residenz  der  Burgundischen  Eonige.  Nach  dieser  Stadt 
sind  auch  die  Arelatischen  Synoden  genannt  314;  354;  452;  475. 

3)  Schamlot  ist  ein  dichtes  und  festes  Seidengewebe  von  grobkomigem, 
nicht  glanzenden  Aussehen.  (Harapc,  Eatalog  des  Germ.  Nationalmus., 
1896,  I,  S.  134  Nr.  842.) 

4)  Borschat,  Bursat  ist  halbseidener  Zeug.  Er  wurde  zuerst  ver- 
fertigt  in  Worstead  in  England,  einer  jetzt  wenig  bedeutenden  Stadt  in 
Norfolk.  (MaxCulloch,  Handelslexikon,  Art. Wollenmanufaktur ;  Miiller, 
etym.  Wbch.  d.  engl.  Spr.  II,  559:  Bursat,  vestis  subserica,  hyposerica, 
tramoserica). 

5)  In  der  Stadtkirche  zu  H.  war  ein  Altar  dem  hi.  Christophorus 
geweiht. 

6)  Levitenrock  ist  das  Mei)gewand  des  Diakonus  und  Subdiakonus. 
(Otte  a.  a.  0.  I,  268.) 

7)  Aim  =  Alben.  Gemeint  sind  weiUe  Chorhemden.  Vgl.  Otte,  I,  270, 


42      Wirthy  KirchesgUter  und  Ornate  zu  Hersbruck  im  Jahre  1593. 

15  Sammete,  Vnnd  Von  anderm  Zeug  gemachte  Humeral  Penter, 

Ymb  die  hSlss,  oberhalb  die  Mefigewenndter  gehdrig. 
23  Kurtze  binndten. 
14  Weifie  Altar  thucher. 
1  Grun  damascirts  Sacraments  ddcklein,  mit  einem  gulden  Poden. 

3  Sammatine  docklein,  Von  Roth  grlin,  ynnd  blauen  sammat. 
1  Plane  damascirts  d5cklein. 

9  Corporal^)  thucher. 

1  Roth  Sammate  Corporal  taschen^). 

4  Roth  Lehr  Corporal  Taschen. 

1  Grtin  Sammatine  Corporal  Taschen,  mit  einem  gulden  Poden. 

2  Grtin  Lehr  Corporal  taschen. 

1  Prann  Sammate  Corporal  taschen,  mit  einem  Crucifix. 

3  Schwartz  Lehr  Corporal  taschen. 

2  Plane  Corporal  taschen. 

6  Von  allerley  farben  Corporal  taschen. 

2  Messingene  Leuchter  ante  obern  Altar. 
2  Messingne  Leuchter  VflPm  Vnntern  Altar. 
2  Messingne  Leuchter  aufm  neben  Altar. 

4  Messingne  Leuchter  Ihnn  die  Sacristey. 
4  Messingne  Leuchter  in  die  Liberey^). 

7  Cleine  Zinnere  KSnndelein. 

Nota!  Die  anndern  KSnndelein  Vnnd  Zinnern  Leuchter,  so 
hieuor  Juuentiert  worden,  hat  man,  als  man  die  Orgel  renovirt;  an 
Zinnerne  Pfeiffen  gedauscht! 

2  Allte  eiserne  Pfannen  zu  Kollen. 

^ucher  Jnn  der  Sacristey! 

Der  erste  theil  der  Bibel*). 

Der  annder  thail  der  Bibel  teutsch,  bedes  zweyfach,  Vnnd  Weifi- 

bundten. 
Mehr  der  erste  theil  der  Bibel,  Vnnd   das  Neue  Testament,  auch 

die  Propheten,  schwarz  bunden. 
Die  Summarien  Vber  die  Bibel®). 
Thomus  primus  operum  Lutheri. 
Enarrationes  in  primum  librum  Moyse. 

1)  Corporal-Tucb,  womit  Kelch  und  Hostie  auf  dem  Altar  zugedeckt 
warden.    Vgl.  Otte  a.  a.  0.  I,  235. 

2)  Corporaltaschen  vgl.  ibid.  I,  235. 

3)  Liberei  =  Biichersammlnng,  aus  dem  lat.  libraua,  liberaria  iiber- 
nommen.  Die  gelehrte  und  sorg^ltige  Form  ist  Libarei,  libraria,  biblio- 
theca,  Buchkammer.  (Vgl.  Grimm,  Dentsches  WOrterbuch,  VJ,  1885, 
Sp.  853).  Es  ist  die  jetzt  noch  bestehende  Kircbenbibliothek  gemeint.  s.  u. 

4)  Biblia,  Wittenberg,  2  Teile,  Hans  Lufft,  1555. 

5)  Hrsg.  von  Veit  Dieterich,  1578.  Der  Herausgeber  kann  der  be- 
kannte  Yeit  Dietrich  nieht  gewesen  sein,  da  derselbe  schon  24.  Marz  1549 
gestorben  iat. 


Wirth,  Eirclieiigiiter  and  Ornate  zu  Hersbmek  im  Jahre  1593.      43 

Thomas  secnndaB  operam  Lather! . 
Thomas  tertias  operam  Latheri. 
Enarrationes  Jn  Genesim  thomas  tertins. 
Thomas  qaartas  omniam  operam. 
Thomas  qaintas  Luther i. 
Thomas  septimas  Latheri. 

Die  teatschen  Bucher. 

Der  erste  thail  der  Biicher  Latheri. 

Der  annder  thaiL 

Der  drite  thail. 

Der  Vierte  thail. 

Der  fuiinffte  thail. 

Der  Sechste  thail. 

Der  siebente  thail. 

Der  Achte  thaill. 

Der  Neandte  thaill. 

Der  ZwSlffte  thaill. 

Die  hier  augefuhrten  Werke  Lathers  sind  die  Wittenberger 
Aasgabe  dieser  Werke,  12  Bde.  deatsche  and  7  Bde.  lat.  Schriften, 
die  deatschen  1539 — 1559  (Bd.  10  a,  11  sind  in  hiesiger  Kirchen- 
bibliothek  v.  J.   1593),  die  Jateinischen   1561 — 1568. 

Aufier  dieser  Ausgabe  besitzt  die  K.-B.  noch  Lathers  Werke  in 
der  Altenbnrger  Aasgabe  (10  Bde.  1661—1664;  Suppl.  1717); 
in  der  Jenaer  (8  deutsche  a.  4  lateiuische  Bde.  1555 — 58,  dazu 
2  Erganzangsbande  1564 — 65);  and  in  der  Leipziger  Aasgabe 
(23  Bde.  1729—1740;  ein  Geschenk  des  Pflegers  Holtzschuher  in 
prachtvollen  Einbanden).  Zu  der  Leipziger  and  den  anderen  Aus- 
gabeu  schrieb  Greiff  1740  ein  vollstandiges  Register,  welches  auch 
hier  vorhanden  ist. 

Manch  wertvolle];  Schatz  ist  in  der  K.-B.  zu  finden.  Leider 
sind  die  Biicher  oft  in  schadhaftem  Zustande.  Drei  geschriebene 
Bucher  liegen  auf  dem  Tische,  welcher  in  der  Bibliothek  steht;  eines 
davon  hat  eine  starke  Kette  am  Einbande.  Mehrere  sehr  alte 
lateinische  Drucke  sind  vorhanden,  welche  auf  sehr  frlihe  Zeiten  der 
Buchdruckerkunst  zuriickzufuhren  sind.  All  diese  Biicher  haben  keinen 
Titel.  Bei  ein  em  lat.  Werke  kann  man  auf  der  Riickseite  des  Ein- 
bandes  lesen:  PA  .  .  .  S.  .  .  .  LIMINAE  Antoniui  archiepiscopi 
Florentini  Ordinis  praedicatorum. 

Die  geschriebenen  deutschen  Biicher  haben  oft  prachtige  Initialen. 
Manche  dieser  alt  en  Biicher  sind   in   Holz  gebunden. 

Ein  sehr  alter  Druck  der  Vulgata  (2  Bde.  mit  einigen  llolz- 
schnitten  o.  J.),  ein  solcher  des  Missale  Romanum  (o.  J.,  doch  sehr 
alt)  u.  a.  m.  stehen  hier.  Ein  sehr  grofi  uud  schou  gedrucktes  Ge- 
sangbuch    mit  viereckigeu  Noten    ist  in    der  Bibliothek.     Das  Titel- 


46  Znr  Bibliographie. 

Mummeahoff;  Ernst^  Erneueruug  der  Adam  Kraftschen  Leidens- 
Btationen  (anf  dem  Wege  zum  JohaDnesfriedhof)  im  Jahre  1662: 
S.  205. 

Hampe,  Dr.  Th.^  Kuustfreunde  im  alten  Ntirnberg  und  ihre  Samm- 
lungen  (nebst  BeitrSgen  zar  NUrnberger  Handelsgeschichte  — 
nach  zwei  im  Vereine  gehaltenen  Vortragen):  H.  16,  1904, 
S.  57  (NUrnberger  KircbenscbStze  u.  dgl.  8.  61). 

6 Umbel,  Albert,  Sebaid  Schreyer  und  die  Sebalduskapelle  zn 
ScbwSbisch-GmUnd :  S.   125. 

Bredt;  Dr.  E.  W.,  Das  Glockendonsche  Missale  der  NUrnberger 
Stadtbibliothek,  ein  kUustlerisches  Kopialwerk:  S.   179. 

Mummenhoff,  E.,  Ein  merkwUrdiger  Ziegel  vom  nordlichen  Turm 
der  St.  Lorenzkirche:  S.  258  (mit  Nacbrichten  Uber  mebrfache 
Bescbadignng  von  Kircbe  und  Turm  durch  den  Blitz). 


Zur  Bibliographie.') 

*Rott,  Hans,  Friedrich  11.  von  der  Pfalz  und  die  Reformation 
(Heidelberger  Abbandluugen  zur  mittleren  und  neueren  Ge- 
scbicbte  4.  Heft),  Heidelberg,  Carl  Winters  Universitatsbuch- 
handlung  1904,   156  S.  8.  —  4.  Mk. 

FUr  eine  eiogeheudere,  fiber  die  allgemeinsten  Ziige  hinausstrebende 
Erforschung  der  Reformationsgeschicbte  der  badisch-pfalzischen  Lande 
war  bislang  wenig  gescbehen,  nicht  am  wenigsten  deshalb,  weil  die  ein- 
schlagigen  Urkunden  und  AktenstUcke  tells  unterg'egangen,  tells  in  ver- 
schiedenen  Arcbiven  Deutschlands  zerstreut  sind.  Der  rastlosen  Tatigkeit 
G.  BoBserts  verdankeu  wir  jetzt  in  seinen  an  Einzelforschungen  uberans 
reichen  „Beitragen  zur  badisch-pfalzischen  Reformationsgeschichte"  (Ztschr. 
f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  Bd.  XVII  bis  XX),  die  eine  mit  einem  Register 
versehene  Separatausgabe  verdienten,  die  erste  wissenschaftliche  Grund- 
lage.  Noch  ehe  Bosserts  Arbeit  vollstandig  vorlag,  hat  H.  Rett,  da  jener 
seine  Untersuchungen  nur  bis  zur  EinfUhrung  der  Reformation  durch 
Kurftirst  Friedrich  II.  fortftihren  wollte,  eben  diese  darzustellen  unter- 
nommen.  Hatte  er  Bosserts  Arbeit  ganz  abwarten  konnen,  so  ware  dies 
ohne  Zweifel  seinem  Werke  von  Vorteil  gewesen.  Die  kurzen  Bemerkungen 
uber  Ludwigs  V.  Verhaltnis  zur  Reformation  S.  41  f.  waren  vielleicht 
etwas  weniger  diirftig  ausgefallen.  Zum  mindesten  durfte  man  aber  er- 
warten,  da6  der  Leser  einen  Einblick  in  die  jeweilige  frUhere  Stellung 
des  spateren  Kurf.  Friedrich  zur  reformatorischen  Frage  erhalten  wiirde. 
Liest  man  z.B.  die  Instruktion,  die  dieser  als  Statthalter  derOberpfalz  seinen 
Raten  ftir  den  nicht  zu  stande  gekommeoen  Reichstag  zu  Augsburg  1525 
mitgab  (vgl.  Friedensburg,  der  Reichstag  zu  Speier, Berlin  1887 , S. 504 ff.), 
die  der  Verf.  mit  keinem  Worte  erwahnt,  so  gewinnt  man  den  Eindruck, 
daB  dieser  FUrst  damals  wenigstens  klarer  als  mancher  andere  die  Sach- 
lage   erkannte   und  weitgehende  Reformationen   fiir   notwendig   erklarte. 


1)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Yerlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


Zur  Bibliographie.  47 

Dafiir,  daB  uns  von  seiner  religiosen  und  kirchlichen  Entwicklung  nichts 
berichtet  wird,  konnen  uns  solche  allgemeine  Bemerkungen,  wie  sie  auf 
S.  4  zu  lesen  sind,  nicht  entschadigen.  Doch  wir  miissen  uns  daran  halten, 
was  der  Verf.  wirklich  bietet,  und  in  den  einscblagigen  Abschnitten :  Fried- 
richs  reformatorische  Handlungen  in  seinem  Lande  etc.  bietet  er  allerdings 
manches  Neue,  da  er  auBer  den  Karlsruher  Akten  noch  die  bayerischen  Archive 
und  den  Thesaurus  Baumianus  (vgl.  jetzt  Job,  Ficker,  Thessaurus  Bau- 
mianus.  Verzeichnis  der  Briefe  und  Aktenstucke,  Strafiburg  1905)  durch- 
forschen  konnte,  namentlich  aber  dankenswerte  Verbesserungen  alter  Irr- 
tiimer,  die  sich  in  den  frtiheren  Darstellungen  ungepriift  von  eineni  Buch  in 
das  andere  gerettet  haben.  Die  einzelnen  Vorgange,  welche  den  Ubergang 
zar  Annahme  der  Augsburgischen  Konfession  vorbereiteten,  wie  die  all- 
mahliche  Einfuhrung  der  Reformation  einleiteten,  sind  klar  gezeichuet. 
Leider  lassen  die  Quellen  in  den  wichtigsten  Punkten  im  Stick.  So  erfahrt 
man  z.  B.  nicht,  wie  die  Proposition  fiir  denHeidelbergerTag  vom7.  April 
1546  (S.  37),  die  sich  durch  unzweideutiges  Bekenntnis  zur  evangelischen 
Lehre  von  der  bei  den  Vorberatungen  eingenommenen  Haltung  der  Rate  unter- 
scheidet,  zustande  kam,  namentlich  nicht,  ob  da  personliche  religiose  Motive 
desFtirsten,  der  bereits  Ostern  1545  das  Abendmahlunter  beiderlei  Gestalt 
genommen  hatte,  mitwirkten.  Erst  nachtraglich  (S.  64)/ was  methodisch 
zu  beanstanden  ist,  handelt  der  Verf.  tiberhaupt  von  der  damaligen 
Stellung  des  Hofes.  Der  18.  April  1546  (nicht  wie  man  bei  der  Jubilaums- 
feier  im  Jahre  1846  annahm,  der  3.  Januar)  ist,  wie  jetzt  festgestellt  ist, 
der  Tag  der  Einftthning  der  Reformation  in  Heidelberg,  auch  ist  es  Rott 
gelungen  ein  Mskr.  der  Ende  April  1546  erlassenen  kurf.  Kirchenordnung 
wieder  aufzufinden  (abgedr.  im  Anhang).  Wer  der  Verf.  dieser  ad  interim 
einzufuhrenden,  auf  die  Niirnberger  und  Neuburger  zuriickgehenden  Ord- 
nung  war,  hat  sich  nicht  feststellen  lassen  (S.  61),  da  wir  leider  nicht 
wissen,  wer  der  eigentliche  theologische  Berater  des  Kurftirsten  war.  An 
StraQburger  Einflusse  ist  nicht  zu  denken,  denn.wenn  es  auch richtig ist,  da6  sie 
wie  Erb  an  Bullinger  schreibt,  ad  simplicissimam  for  mam  hergestellt  ist,  so 
ist  sie  doch  olfenbar  lutherisch  gestaltet,  und  es  ist  sehr  fraglich,  ob  die 
weitere  Nachricht  Erbs,  daO  der  Flirst  damit  die  deutsche  Messe,  quam 
cum  omni  cultu  instituerat  hisce  hibernis  mensibus  —  wovon  wir  sonst 
nichts  wiijsen  —  abrogavit,  den  tatsachlichen  Verhaltnissen  entspricht.  — 
Ist  die'Aufklarung  dieser  bisher  kaum  in  den  allgemeinsten  Umrissen  be- 
kannten  erstenReformationsperiode  schon  sehr  dankenswert,so  gilt  das  nicht 
minder  von  den  weiteren  Kapiteln,  in  denen  zum  ersten  Male  die  traurigen 
Zeiten  von  Beginn  des  Krieges  bis  zum  Interim  wissenschaftlich  behandelt 
werden,  wobei  man  freilich  hier  und  da  wiinschen  mdchte,  dafi  der  Verf. 
Baum  genug  gehabt  hatte,  manches,  was  er  nur  andeutet,  etwas  weiter 
auszufiihren.  Sehr  vielesLokaJgeschichtliche,  das  noch  weitererVerarbeitung 
harrt,  findet  sich  in  den  Anmerkungen,  besonders  sei  auf  die  verschiedenen, 
dort  erwahnten  Korrespondenzen  hingewiesen,  unter  denen  die  leider  noch 
immer  nicht  gesammelten  Briefe  von  Frecht  und  der  Briefwechsel  Bucers 
mit  Ottheinrich  (vgl.  S.  105),  aus  dem  der  Verf.  in  den  Beilagen  drei 
Nummern  mitteilt,  die  erste  Stelle  einnehmen  werden. 

^•*M.   Weigel,  Rothenburger  Chronik.    Gedruckt  und   verlegt  bei  Ge- 
brlider  Schneider,  Rothenburg  o.  Tauber  o.  J.  (1904). 

Ein  in  seiner  Art  vortreff  liches  Buch,  das  nicht  nur  denen,  die  Rothen- 
burg kennen,  viele  Freunde  machen,  sondern  auch  der  sch5nen  Tauberstadt 
manche  neue  Freunde  werben  wird  und  das  alien  Lesern  dieser  Blatter 
aufs  warmste  empfohlen  sein  mag.  Was  der  Verfasser  bietet,  ist  keine 
trockene  Chronik  im  gewohnlichen  Sinne,  sondern  eine  mit  hervorragendem 
Erzahlertalent  geschriebene   Darstellung    des    Rothenburger    Lebens   in 


48  Zm  Bibliographie. 

Vergangenheit  und  Gegenwart.  Bei  der  reichen  historischen  VergaDgen- 
heit  der  alien  Reichsstadt  auf  politischem,  kirchlichen,  wirtschaftlichen 
und  kUnstlerischem  Gebiete  nimmt  natUrlich  die  Geschichte  den  gr5fiten 
Baum  eio,  und  der  Verf.  hat  es  verstanden,  aus  den  reichen  Quellen  zu 
schopfen,  aber  auch  sein  Material  kritisch  zu  verwerten.  Mit  grofiem 
Geschick  ist  der  reiche  Bilderschmuck  ausgewahlt,  und  der  Yerlagsbuch- 
handlung  gebiihrt  besondere  Anerkennung  fur  die  trefFliche  Wiedergabe 
der  Bilder  und  die  einfache,  aber  ungew5hnlich  geschmackvolle  Aus- 
stattung  des  ganzen  Bandes.  —  Sehr  dankbar  bin  ich  fttr  den  Nachweis 
(8.  275),  des  mir  seinerzeit  entgangenen  Schriftchens  des  Job.  Teuschlein. 
Dasselbe  ist  so  selten,  dafi  auch  dieRepertorien  tiber  die  Inkunabelliteratur  es 
nicht  zu  kenneu  scheinen.  Unklar  ist  mir  in  der  dann  enthaltenen  Widmung: 
Baccalaureus  Johannes  Teuschleins  Heroldensis  de  Frickenhausen  der  Aus- 
druck  Heroldensis.  -Auch  mehrere  Spezialarbeiten  tiber  Rothenburg  habe  ich 
erst  darch  ihre  Aufzahlang  im  Anhange,  die,  was  ich  fiir  eine  zweite 
Auflage  empfehle,  durch  alphabetische  oder  sachliche  Orientierung  ge- 
winnen  wttrde,  kennen  gelernt,  was  zum  Tell  daher  kommen  dtirfte,  daB 
mancbe  in  Rothenburg  verlegte  Arbeiten  infolge  unangebrachter  Spar- 
samkeit  der  Yerleger  nicht  in  den  offizielien  Bticherkatalog  des  Buch- 
handlerborsenvereins  Aufnahme  gefunden  haben.  Zum  Schlufi  kann  ich 
mir  die  Bemerkung  nicht  versagen,  dafi  das  vorliegende  Werk  den  Wunsch 
nach  einer  rein  wissenschaftlich,  aber  fiir  jedermann  les^bar  (etwa  nach 
dem  Vorbilde  von  Fr.  Roths  Augsburger  Reformationsgeschichte)  ge- 
schriebenen  Geschichte  Rothenburgs  oder  wenigstens  seiner  kirchlichen 
Geschichte,  die  uns  beide  noch  feblen,  von  neuen  in  mir  erweckt  hat. 
Sie  kann  uur  in  Rothenburg  mit  seinem  wohlgeordneten  Archiv  geschrieben 
werden  und  von  jemandem,  der  ganz  mit  der  Sache  vertraut  ist  wie  der 
Verf.  Auch  eine  solche  markante  Theologengestalt  wie  die  von  J.  L.  Hart- 
mann  waren  eigener  Bearbeitung  wert. 

*Geyer,  Chr.  Dr.,  Hauptprediger  in  Niirnberg.  Niirnbcrger  Tochter- 
schulen  vor  100  Jahren.  Jahresbericht  des  Instituts  Lohmann 
in  Niirnberg  1904/5. 

Dr.  Geyer  gibt  als  Vorstudie  zu  dem  oben  S.  1  begonnenen  Auf- 
satz  auf  Grund  archivalischer  Forschungen  auf  wenig  Blattern  eine  sehr 
interessante  Geschichte  der  ersten  Versuche,  die  man  in  Niirnberg,  nach- 
dem  die  alte  Reichsstadt  bayerisch  geworden  war,  mit  Griindung  von 
h()heren  Tochterschulen  gemacht  hat.  Die  kleine  Studie  bietet  nicht  nur 
einen  wichtigen  Beitrag  zur  Geschichte  des  Schulwesens,  sondern  ist  auch 
nach  der  kulturgeschichtlichen  Seite  sehr  beachtenswert. 

Bach;  Jos.,  Jakob  Balde  Interpretatio  Somnii  de  cursu  Historiae 
Bavaricae.  Mit  Einleitung  herausgegeben.  Strafiburg  (Progr. 
d.  bisch.  Gymnasiums  St.  Stephan)   1904. 

Buttmann,  Rud.  Die  Matrikel  des  Horn bac her  Gymnasiums  1559 
bis  1630.  Verzeichnis  der  Professoren  und  Stipendiaten.  Zwei- 
briicken  (Progr.  d.  Gymn.)   1904. 

Denk,  Jul.  Zwei  ehemalige  Lehr- und  Erziehungsanstalten  Ambergs. 
Amberg  (Progr.  v.  Gymn.)   1904. 

Fries-,  Siegm.  Beitrag  zur  Gesch.  der  Verhandlungen  des  schwabischen 
Kreises  mit  Fraakreich  im  Jahre  1796.  Augsburg  (Progr.  d. 
Gymn.  von  St.  Anna)   1904. 


Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Eriangen  ^). 

Eine  archivalische  Studie  von  D.  Th.  Kolde. 

Bis  zum  Elide  des  17.  Jahrhnnderts  war  Eriangen  ein  rein 
lutherischer  Ort.  Weder  Reformierte  noch  Katholiken,  geschweige 
denn  Juden  durften  sich  daselbst  niederlassen.  Mit  der  Auf- 
nahme  erst  der  franzosischen  evangelischen  Fluchtlinge,  dann 
der  deutsch-reformierten^)  wurde  das  anders.  Bald  linden  wir 
in  der  neuerstehenden  Stadt  anch  romisch-katholische  Einwohner, 
und  zwar  nicht  nnr  solche,  die  aus  der  katholischen  Umgegend 

1)  Vorbemerkung.  Anffallenderweise  scheint  bis  jetzt  noch  niemand 
den  An^ngen  der  katholischen  Gemeinde  in  Eriangen  nachgegangen  zn 
sein.  An  gedrucktem  Material  sind  nur  einige  sehr  diirftige  Notizen  ia 
den  popular  gehaltenen  Erlanger  Stadtgeschichten  vorhanden.  Infolge- 
dessen  erbaut  sich  dieser  erste  Versnch,  der  wahrscheinlich  darch  manche 
mir  nicht  zugangliche  Quellen  wird  verbessert  werdcn  k5nnen,  fast  aus- 
schliefilich  auf  Archivalien.  Znerst  stieJB  ich  auf  die  wichtigen,  bis  zum 
Jahre  1770  zurlickreichenden  Verhandlungen  der  Universitat  iiber  Zu- 
lasBung  katholischen  Gottesdienstes,  Weiteres  wertvolles  Material  lieferten 
die  Akten  des  Erlanger  protestantischen  Dekanats  und  diejenigen  der 
hiesigen  franz^eisch-reforroierten  Gemeinde,  einiges  auch  das  stadtische 
Archiv.  Es  wurde  erganzt  durch  Aktenstucke  und  Briefe  aus  den  Bam- 
berger und  Kiirnberger  Kreisarchiv.  Allen  denjenigen,  die  meine  muhe- 
voUen  Forschungen  unterstiitzt  haben,  besonders  Herrn  Dekan  Bohrer, 
Herrn  Pfarrer  Fehl  und  Herrn  Rechtsrat  Schmidt  dahier  eei  auch  an  dieser 
Stelle  verbindlicher  Dank  gesagt. 

2)  Hierliber  vor  allem  G.  Schanz,  Zur  Geschichte  der  Kolonisation 
und  Industrie  in  Franken.  Eriangen  1884.  Dann  A.  Ebrard,  Christian 
Ernst  von  Brandenburg- Baireuth.  Die  Aufnahme  reformierter  Flucht- 
lingsgeraeinden  in  ein  lutherisches  Land.  1686 — 1712.  GUtersloh  1885.  Eine 
wirkliche  Geschichte  der  franzbsisch-reforniierten  Gemeinde  haben 
wirleider  noch  nicht,  denn  die  sehr  dankenswerte  Arbeit  von  W.  Dennler, 
Die  reformierten  Gemeinden  in  Eriangen.  Erl.  1893,  behandelt  nur  ihre 
rechtliche  Stellung.  Vgl.  ferner  Haenchen,  Kurze  Gesch.  d.  deutsch.- 
reform.  Gemeinde  in  Eriangen.    Erl.  1893. 

Beitrago  zur  baycv.  Kirchengeschicbte  XII.  2.  A 


50     Koldc,  Die  Anfangc  elner  kathoUsclien  Gemeinde  in  Erlaugen. 

hereihgezogen  waren,  sondern  auch  katholische  Franzosen,  die 
oflfenbar  ihren  evangelischen  Landsleuten  anf  die  Kunde  von 
ihrem  Wohlergehen  in  die  Fremde  nachgereist  waren  ^). 

Bereits  ira  Jahre  1711  sah  sich  der  Markgraf  Christian  Ernst 
veranlaUt,  ihre  Verh^ltnisse  zu  regeln.  In  seiner  grofien,  alle 
Privilegien  Erlangens  zusammenfassenden  Deklaration  vom 
4.  Mai  des  genaunten  Jahres,  jenem  Fundamentalgesetz,  welches 
der  Fiirst  aus  Anlafi  seines  funfzigjahrigen  Regierungsjubilaums 
erlieB,  bestimmte  er  in  §  4  ganz  im  Sinne  seiner  Zeit: 

„Die  der  Pabstischen  Religion  Zugethanen,  welche  ent- 
weder  dermahlen  schon  in  Christian-Erlang  wohnen  Oder  kunftig 
an  eine  der  Evangelisch-Lutherischen  oder  Reformierten  Religion 
anhangigen  Manns-  oder  Weibs-Person  sich  dahin  verheurathen, 
und  sofort  sich  alida  festsetzen,  die  soUen  zwar  fur  sich  bey  ihrer 
Religion  und  Gewissens-Freiheit  verbleiben,  und  ihren  Gottes- 
dienst  aufierhalb  der  Stadt  in  Catholischen  Kirchen  ungehindert 
besuchen,  dabei  aber  schuldig  und  gehalten  seyn,  nicht  allein 
alle  Actus,  als  Taufen,  Copulieren  und  Begrabnisse  bey  der 
Evangelisch-Lutherischen  Kirche  und  Gemeine  in  Christian- 
Erlang  verrichten,  sondern  auch  ihre  Kinder  beyderlei  Geschlechts 
alstets  bey  der  Evangelischen  Religion  allda  erziehen  und  unter- 
richten  zu  lassen,  sie  zur  Kirchen  und  Schulen  fleifiig  zu  halten, 
und  daran  im  Geringsten  nicht  zu  hindern,  oder  auf  ein  oder 
andern  Weise  noch  Wege  abzuhalten,  oder  zu  storen,  sie  die 
Eltern  auch  fiir  sich  selbst  und  deren  Gesinde  gegen  die  beyden 
Evangelischen  Religionen,  wie  sichs  gebiihret,  sitsam  und  be- 
scheiden  aufzufiihren  und  zu  bezeigen^)". 

Diese  Bestimmungen  fafite  man,  und  das  war  auch  wirklieh 
die  Meinung  der  damaligen  Regierung,  so  auf,  daB  ein  katholischer 
Kultus  in  Erlangen  selbst  niemals  zu  dulden  sei,  und  daB  die 
Kinder  auch  rein  katholischer  Ehen  katholisch  erzogen  werden, 


1)  Im  Jahre  1720  wird  in  den  Erlanger  Dekanatsakten  ein  Capitao 
Claude  Fournet,  („ein  Franzos,  hat  ein  eigen  Hans  aUhier  in  der  Neuen  Gafi") 
und  1725  ein  katholischer  Enopfmacher  Jean  Marlieau  erwahnt,  und  die 
Akten  der  franzosisch-reformierten  Gemeinde  ergeben  mehrfach  das  Vor- 
kommen  von  Ubertritten  franzdsischer  Katholiken. 

2)  Corpus  Constitutionum  Brandenburgico-Culmbacensium  II,  2  (Bay- 
reuth  1748),  S.  668  f. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischon  Gemeinde  in  ErlangeD.      51 

die  lutherische  Schule  besuchen  miiBten,  uiid  „bei  reifen  Jahren 
lutherisches  Abendmahl  empfangen  soUten'*;  and  bei  Mischehen 
muBten  die  Nupturienten,  ehe  sie  von  der  RegieruDg  die  Er- 
laubnis  zur  Verehelichung  erhielten,  sich  durch  einen  Revers 
eidlich  verpflichten,  nach  der  erwahnten  Deklaration  zu  leben. 
Dafiir  war  man  aber  in  anderer  Beziehung  toleranter  als  anderswo 
und  namentlich,  als  dies  damals  in  katholischen  Gegenden  gegen- 
iiber  den  Protestanten  der  Fall  zu  sein  pflegte,  indem  auch  die 
Katholiken  mit  alien  kirchlichen  Ehren,  Leichenprozession,  Ser- 
mon etc.  vom  evangelischen  Pfarrer  auf  dera  Kirch hof  be- 
erdigt  warden,  wahrend  es  etwa  1718  vorkam,  daB  ein  in 
Porchheim  verstorbener  evangelischer  Burger  Erlangens  „mit 
groBen  Unkosten  auf  einem  anderen  Platze  verscharrt  wurde"  ^). 
Der  Notigung,  die  Kinder  lutherisch  werden  zu  lassen,  such  ten 
strengere  Katholiken  natiirlich  u.  a»  dadurch  zu  entgehen,  daB 
sie  die  Kinder  nach  auswarts  in  die  Lehre  schickten,  von  wo 
sie  katholisch  geworden  zuriickkehrten,  und  ira  Jahre  1720 
hatte  man  schon  von  eingeborenen  Erlanger  Protestanten  zu 
berichten,  die  sich  zum  Katholizismus  gewandt  hatten^j. 

Eine  offizielle  Untersuchung,  die*  in  dem  gleichen  Jahre  im 
Auftrage  der  Regierung  vorgenommen  wurde,  ergab,  daB  in  der 
Altstadt  Erlangen  damals  21  Katholiken  vorhanden  waren,  dazu 
kamen  noch  gleichviele  in  den  dort  eingepfarrten  Orten'^),  so 
daB  man  in  Stadt  und  nachster  Umgegend,  „die  vorhandenen 
Handwerksburschen  und  Dienstboten  nicht  eingerechnet,"  42 
zahlte. 

Hiernach  war  die  Zahl  der  Katholiken  in  Erlangen  nicht 
gerade  groB.  Gleichwohl  begannen  schon  in  den  dreiBiger 
Jahren  ihre  Versuche,  sich  zu  emanzipieren.  Es  war,  wie  be- 
greiflich,  nicht  unbemerkt  geblieben,  daB  in  Bayreuth  ein  pri- 

1)  Bericht  des  Erlanger  Pfarrers  Stark  vom  8.  Febr.  1720  an  den 
Superintendenten  Barth  in  Baiersdorf  (Erlanger  Dekanateakten). 

2)  Genannt  wird  ein  Tuchhandler  Wolf  Megerlein. 

3)  I^ach  den  Bericht  des  Superintendenten  Christoph  Gottfried  Barth 
in  Baiersdorf  vom  7.  Februar  1720  waren  in  Bubenreuth  9,  Rathsberg  6, 
Atzelsberg  1,  Spardorf  2,  Sieglitzhof  1,  am  Wald  2  Katholiken.  In  der 
Neustadt  scheint  es 'damals*  noch  keine  Katholiken  gegeben  zu  habcn. 
Wenigstens  wird  in  den  einschlagigen  Erlanger  Dekanatsakten  davon 
nichta  erwahnt. 


52     Kolde,  Die  Anfangc  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

vatum  exercitium  genehmigt  worden  war^).  Wenn  man  dies 
in  der  Hauptstadt  des  Landes,  vor  den  Augen  des  Hofes  ge- 
stattete,  warura  soUte  dies  nicht  in  Erlangen  moglich  sein? 
Freilich  hatte  man  da  weitergehende  Plane,  man  daclite  an  den 
Ban  einer  katholischen  Kirch e.  Obwohl  Erlangen  in  der 
Bamberger  Diozese  lag,  hatte  man  es  verstanden,  den  Bischof 
von  Eichstatt  daftir  zu  interessieren.  Dieser,  es  steht  dahin, 
ob  es  schon  der  Bischof  Franz  Ludwig,  Frh.  Schenk  v.  Kastell 
(1725-— 1736)  war,  oder  erst  Johann  Anton,  Frh.  v.  Freyberg 
(1736—1757),  lieC  in  seinem  Bistum  eine  KoUekte  ftir  den  Ban 
einer  katholischen  Kirche  in  Erlangen  sarameln.  Das  lieC  man 
sich  in  Bamberg  zwar  gefallen,  machte  aber  in  EichstMt  darauf 
aufmerksam,  daB  es  sich  um  keine  oflfentliche  Kirche,  sondern 
nur  um  einen  blofien  Hausbau  zur  Ausiibnng  des  Privatexer- 
zitiums  der  romischen  Religion  wie  in  Bayreuth  handeln  konne, 
aufierdem  um  eine  Gnadensache,  die  der  Fiirst  oder  einer  seiner 
Nachfolger  willkiirlich  widerrufen  konne.  Da  man  nun  in 
Bamberg,  wohin  Erlangen  gehore,  den  Fortgang  des  Werkes 
besser  beaufsichtigen  konne,  und  es  gef^hrlich  sei,  so  viel  Geld 
Privatpersonen  zu  ubergel)en,  wunschte  man  den  Ertrag  der 
KoUekte  nach  Bamberg  geschickt  zu  sehen.  Und  nachdem  bereits 
150  Gulden  nach  Erlangen  abgegangen  waren,  schickte  man 
deii  Rest  von  574  Guldeu  50  Kreuzer  wirklich  nach  Bamberg, 


1)  FUr  die  kircbliche  Geschichte  Bayrenths  ist  rocb  sehr  wenig  ge- 
schehei),  und  iiber  dleEntstehung  der  katholischen  Gemeinde  in  Bayreuth 
kenne  ich  nur  die  kleinc  Notiz  hel  Eranssold,  Gesch.  der  evangelischen 
Kirche  im  ehemaligen  Fiirstentum  Bayreuth,  Erl.  1860,  S.  277,  wonach  der 
Katholizismus  dadurch  dort  Eingang  gefunden  hatte,  dafi  der  Fiirst  von 
Ilohenzollern-IIecliingen,  der  sich  in  Bayreuth  auf  hielt,  sich  mit  der  mark- 
graf lichen  Prinzessin  (Eleonore  Magdalene)  im  Jahre  1704  vermahlte. 
Zunachst  habe  er  sich  nur  eine  Hauskapelle  einrichten  durfen,  aber  unter 
Georg  Wilhelm  sei  den  Katholiken  1722  die  offentliche  Austibung 
ihres  Kultus  gestattet  worden.  Das  letztere  ist  sicher  unrichtig.  Die 
bischOfliche  Regierung  in  Bamberg  weifi  im  Jabre  1737  nur  von  einem 
privatum  exercitium  in  Bayreuth;  und  wenn  G.  HoUe,  der  von  der  ganzen 
Vorgeschichte  gar  nichts  weiO,  in  seinem  vollig  ungeniigenden  Buche 
^Geschicht  der  Stadt  Beyrouth",  2.^.,  Bayreuth  1901,  S.  142  echreibt: 
„Im  Jahre  1745  wurde  der  Bau  der  katholischen  Kirche  begonnen,"  bo 
wird  es  sich  dabei  auch  nur  um  den  Bau  eines  Bethauses  znm  Privat- 
gottesdienst  gehandelt  haben. 


I 
1 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemcinde.  in  Erlangen.     53 

woruber  die  bischofliche  Regierung  unter  dem  27.  Marz  1738 
quittierte  ^). 

Inzwischen  war  man  in  Erlangen  nicht  miifiig  gewesen. 
DieFiihrer  der  dortigenKatholiken,  ein  Kaufmann  Franz  Bulla 
and  der  Hofwagner  Nikola  us  Gafi  boten  alles  auf,  urn  ihr 
Ziel  zu  erreichen,  und  scheinen  in  ihren  Mitteln  nicht  sonderlich 
wahlerisch  gewesen  zu  sein.  Es  gelang  ihnen,  in  Bayreuth 
einflufireiche  Conner  zu  gewinnen,  vor  allem  einen  Baron  von 
Reitzenstein ;  aber  auch  auf  den  Geli.  Referendar  Philipp  An- 
dreas EUrod  setzten  sie  ihr  Vertrauen  ^).  Und  am  markgraf lichen 
Hofe  hatte  sich  in  der  letzten  Zeit  vieles  verandert.  Auf  den 
pietistisch  gesinnten  Markgrafen  Georg  Friedrich  Karl  (f  17.  Mai 
1735),  der  freilich  zeitweilig  unter  Festlichkeiten,  Ballen  und 
anderen  ^Divertissements"  seinen  Pietismus  vergessen  konnte^), 
war  Markgraf  Friedrich  gefolgt  und  mit  ihm  und  seiner  Ge- 
mahlin,  Wilhelmine,  der  Schwester  Friedrichs  des  GroBen,  war 
ein  anderer  Geist  in  Bayreuth  eingezogen.  Zwar  konnte  man 
in  den  ersten  Jahren  bei  aller  Abneigung  gegen  die  im  Lande 
groB  gewordene  pietistische  Richtung  nicht  gerade  von  auf- 
klarerischen  Tendenzen  sprechen,  aber  wenn  die  Katholiken 
um  Zulassung  ihres  Kultus  baten,  so  waren  konfessionelle  Be- 
denken  bei  Friedrich  wohl  am  wenigsten  zu  liberwinden.  Indessen 
wir  wissen  nicht,  welche  Motive  den  Fiirsten  und  seine  Re- 
gierung bestimnrten,  den  Wiinschen  der  Erlanger  Katholiken 
entgegenzukommen,  wir  kennen  nur  die  zeitweiligen  Resultate 
ihrer  Bemuhungen.  Mit  Hilfe  hochmSgender  Freunde  und  unter 


1)  Nach  zwei  Schreiben  der  boschoflichen  Eegierung  vom  19.  Dez. 
1737  und  7.  Marz  1738  ira  Kreisarchiv  zu  Bamberg. 

2)  Dies  und  das  Fo]gende  ergibt  sich  aus  den  in  den  Beilagen  mit- 
geteilten  Akten  der  franz.-ref.  Gemeinde  im  Zusammenhalt  mit  einem 
Schreiben  des  Nikolaus  G&Q  und  Franz  Bulla  an  den  Bischof  von 
Bamberg  d.  d.  Erlangen  19.  Febr.  1739,  in  dem  sie  unter  BeifUgung 
weiterer  Briefe  tiber  den  Gang  der  Dinge  berichten  (Katholicher  Kirchen- 
bau  zu  Erlangen:  Bayreuther  Pfarrakten  Nr.  19  Kreisarchiv  in  Bam- 
berg). 

3)  Vgl.  ttber  diese  Verhaltnisse  die  ausgezeichnete  Darstellung  von 
Batteiger,  Der  Pietismus  in  Bayreuth.  Berlin  1903  und  ders.  in  Beitr.  z. 
bayer.  KG.  IX,  153 ff.  Ferner  Richard  Fester,  Die  Bayreuther  Schwester 
Friedrichs  des  GroBen,  Berlin  1902. 


54      Kolde,  Die  ADfange  einer  katkolificlien  Gemeindc  in  El'laitgen. 

„considerabeln  Kosten"^)  war  es  ihnen  im  Somraer  1737  ge- 
lungeD,  von  dem  Markgrafen  die  (vorlaufige)  Erlaubnis  zur  Ein- 
richtung  eines  katholischen  Gottesdienstes  und  zum  Bau  eines 
Bethauses  zu  erhalten.  Sie  war  noch  iiicht  publiziert,  aber 
der  Amtshauptmann  Frh.  v.  Hefiberg  war  beauftragt  worden, 
das  weitere  zu  regeln. 

•  Auf  die  Kunde  liiervon  regte  sich  die  franzosische  Gemeinde. 
Montag,  den  15.  Juli,  trat  das  Konsistorium  zu  einer  aufier- 
ordentlichen  Sitzung  zusammen,  um  dariiber  zu  beraten.  Ein- 
stimmig  wurde  beschlossen,  der  Pastor  O'Bern  ein  ,,gentil- 
homme  Irlandois",  der  1733  berufen  worden  war,  solle  ein 
Schriftstiick  aufsetzen,  um  in  den  „scharfsten,  aber  immer  unter- 
tanigsten  Ausdriicken"  gegen  die  Zulassung  der  Katholiken  vor- 
stellig  zu  werden.  Seine  Arbeit  wurde  in  einer  zweiten  Sitzung 
vom  18.  JuU  vorgelesen  und  gebilligt,  und  zugleich  wurde  ihr 
Verfasser  beauftragt,  in  Gemeinschaft  mit  dem  Altesten  Sabatier 
die  Vorstellung  dem  Markgrafen  personlich  in  Bayreuth  zu  fiber- 
reichen^).. 

Diese  Vorstellung  ist  ein  interessantes  Schriftstiick •"*)»  Sie 
atmet  noch  ganz  den  Geist  des  echten  Calvinismus  und  lafit 
die  fast  leidenschaftliche  Erregung  erkennen,  welche  die  Re- 
formierten  bei  der  Nachricht  ergriff,  daB  ihre  alten  Bedranger, 
um  derentwillen  sie  die  Heimat  verlassen  hatten,  ihnen  von 
neuem  auf  dem  Nacken  sitzen  sollten. 

Nur  schwer  haben  sie  sich  davon  ilberzeugen  konnen,  daB 
die  schreckliche  Nachricht  auf  Wahrheit  beruhe.  In  ihrem  Schmerz, 
in  ihrem  Arger,  um  nicht  zu  sagen  in  ihrer  Verzweiflung   ist 


1)  D.  h.  BestechuDgen.  So  mu6  man  urteilen,  wenn  Bulla  und  Gafi 
zu  einer  Zeit,  in  der  vom  Bau  eines  Bethauses  u.  s.  w.  noch  gar  keine 
Rede  sein  konnte,  behaupten,  etliche  tausend  Gulden  laufende  Unkosten 
aufgewendet  zu  haben.  Dafi  Ellrodt  Geschenken  jederzeit  zuganglich  war, 
gibt  auch  an  R.  Riithnick,  Die  Politik  des  Bayreuther  Hofes  wahrend 
des  siebenjahrigen  Krieges,  Bayreuth  1905,  S.  20,  und  man  braucht  nur 
den  Brief  des  „dien8twilligen'*  Reitzenstein  an  den  Hofwagner  GaB  zu 
lesen  (Beil.  Nr.  Ill),  um  von  diesem  Manne  den  gleichen  Eindruck  zu 
gewinnen. 

2)  Vgl.  nnten  Beilage  Nr.  la  u.  b. 

3)  Es  ist  unten  Beilage  Nr.  II  in  seinem  franzosischen  Wortlaut  ab- 
gedruckt. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemcinde  in  Erlangen.     55 

ihre  einzige  Hoffnung  die  Giite  des  Fursten.  Ihm  woUen  sie 
daher  die  traurigen  Ubel,  die  fiirchterlichen  Unzutraglichkeiten, 
die  Untergrabung  ihrer  glticklichen  Verhaltnisse,  das  unsagbare 
Unheil  vorlegen,  die,  wie  der  Flirst  selbst  urteilen  raiifite,  die 
notwendige  Folge  der  den  Katholiken  gewahrteo  Duldung  sein 
wiirden. 

Die  R5mischeu  KatholikeD,  die  man  ihnen  jetzt  zu  -Mit- 
biirgern  geben  will,  sind  die  geschwornen  Feinde  des  prote- 
stantischen  Namens.  Der  HaB  der  Juden  gegeu  die  Samaritaner 
gibt  nur  eine  schwache  Idee  von  dem  gegen  die  Protestanten, 
den  die  Katholiken  mit  der  Muttermilch  einsaugen,  und  der  von 
ihren  Monchen  und  Pralaten  genahrt  wird,  .die  nicht  aufhoren, 
die  Protestanten  als  Ungeheuer  zu  malen,  die  die  H5lle  her- 
vorgebracht  hat,  und  die  man  mit  Feuer  und  Schwert  verfolgen 
muB.  Sie  k5nnen  es  nicht  verzeihen,  daB  die  Protestanten  ihren 
Aberglauben  und  die  Abgotterei  ihres  Kultus  und  ihre  profane 
Verachtung  des  gSttlichen  Wortes  an  den  Tag  gebracht  haben. 
Sie  konnen  es  nicht  verzeihen,  daB  man  die  Gefahren  auf- 
gedeckt  hat,  die  in  der  Lehre  von  der  Unfehlbarkeit  der  Papste  und 
der  Konzilien  liegen,  und  die  ganze  Ungerechtigkeit  und  Tyrannei 
ihres  kirchlichen  Regimentes.  Der  aus  diesen  Ursachen  hervor- 
gangeneHaB  gereiche  den  Protestanten  zwar  zurEhre,  abersei 
nicht  minder  ein  AnlaB  zu  ernsten  Befiirchtungen.  Sie  hatten 
die  Massakre,  die  Tausende  ihrer  Briider  in  Frankreich,  Italien, 
Spanien,  England,  Irland  und  in  Deutschland  selbst  zu  dulden 
hatten,  nicht  vergessen.  Noch  lebe  die  Erinnerung  an  die 
blutigen  Komplotte  gegen  die  Protestanten,  bei  denen  man  auch 
die  Qesalbten  des  Herrn  nicht  verschont  habe,  —  man  denke 
an  Heinrich  IV.  von  Frankreich,  der  auf  Veranlassung  der  Jesuiten 
erdolcht  worden  sei!  Sie  erinnern  ferner  an  die  erstvor  kurzem 
unternommenen  AnschUge  der  Katholiken  gegen  Wiirttemberg, 
die  zur  Ausflihrung  gekommen  waren,  wenn  nicht  die  weise  Vor- 
sehung  sie  zum  Scheitern  gebracht  hatte.  Diese  Vorkommnisse 
zeigen  klar,  daB  die  Absichten  der  Katholiken  immer  dieselben 
sind,  und  was  zu  beflirchten  ist,  wenn  S.  Fiirstl.  Hoheit  auf 
ihrer  Absicht  beharre,  ihnen  ein  Asyl  in  Erlangen  zu  ge- 
wahren. 

Aber  das  sei  das  geringste,  und  gern  waren  die  Reformierten 


56     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischeii  Gemeinde  in  Erlangen. 

bereit,  wenn  es  notig  ware,  urn  den  Ftirsten  zufriedenzustelleii; 
ihre  Ruhe,  ihre  Sicherheit,  ja  ihr  Leben  zu  opfern ;  aber  es 
handele  sich  um  mehr,  denn  durch  die  Niederlassung  der 
Katholiken  in  Erlaogen  sei  ihre  Religion  in  Gefahr,  an  den 
Rand  des  Abgrnnds  zu  koramen.  Die  Erfahrung  ergibt  ja,  wie 
der  tagliclie  Verkehr  mit  Personen  einer  falsclien  und  irrigen 
Religion  nach  und  nach  auch  das  verniinftige  und  pflichtmaUige 
Fernhalten  von  ihren  Prinzipien  verringert.  Unmerklich  werden 
sich  Evangelische  wie  Reformierte  den  Irrtiimern  des  Papismus 
naheru,  die  heilige  Abscheu,  der  von  den  Reformatoren  iiber- 
koramene  Widerwille  gegen  die  Abgotterei  und  den  Aberglauben 
der  Katholiken  wird  verblassen  und  wird  dem  Eifer,  Proselyten 
zu  machen,  Raum  geben,  und  dieser  Eifer  wird  um  so  mehr 
Erfolg  haben  in  einer  Stadt,  wo  so  viel  Arme  und  Bediirftige 
wohnen,  und  man  ihnen  angesichts  des  Reichtums,  den  diB 
Katholiken  aufzuwenden  vermogen,  das  gleiche  Anerbieten  machen 
wird  wie  einst  der  Satan  demHerrn:  Wenn  du  vor  mir  nieder- 
fallst,  will  ich  dir  geben  alle  Reichtiimer  und  alle  Herrlichkeit 
der  Welt. 

Dazu  nehme  man  die  unausbleiblichen  Mischehen!  Alle, 
auch  die  scharfsten  Gesetze,  die  da  etwa  bestimmten,  die 
Kinder  solcher  Ehen  in  der  evangelischen  Religion  erziehen  zu  . 
lassen,  vermogen  es  nicht  zu  verhindern,  daB  ein  katholischer 
Vater  oder  eine  katholische  Mutter  den  Samen  ihrer  fiir  die 
allein  wahre  gehaltenen  Religion  in  die  Herzen  ihrer  Kinder 
streuten. 

Wohl  werde  die  Richtigkeit  dieser  Befiirchtungen  sich  nicht 
sofort  zeigen,  vielmehr  wtirden  die  Katholiken  nach  der  An- 
weisung  ihrer  Pralaten  und  Monche  mit  Lammereinfalt  beginnen, 
nur  von  Frieden  und  Eintracht  sprechen,  aber  davon  wiirden  die 
Reformierten  sich  nicht  tauschen  lassen,  denn  auf  Grund  tausend- 
facher  Erfahrung  seien  sie  uberzeugt,  daB  jene  doch  immer  reifiende 
Wolfe  seien,  und  wenn  sie  sich  erst  festgesetzt  hatten,  suchen 
wiirden,  sie  zu  verschlingen.  Und  alle  etwa  von  der  Weisheit 
der  Regierung  zugunsten  der  Protestanten  festgestellten  Schutz- 
maBregeln  miiBten  wirkungslos  sein,  da  die  neuen  Untertanen 
S.  Fiirstl.  Hoheit  bei  Strafe  des  Bannes  das  schreckliche  Dekret 
des  Konstanzer  Konzils  anzunehmen  verpflichtet  sind,  daB  man  . 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholiscLen  Gemeinde  in  Erlangcn.     57 

den  Ketzern  nicht  die  Treue  zu  halten  branch t.  „Wozn  sind 
dann  die  Katholiken  nicht  fahigV  Welches  Vertranen  kann  man 
auf  ihre  Trene  setzen?  Folgt  darans  nicht  klar,  daB  E.  Fiirstl. 
Hoheit,  wenn  sie  durch  dieses  Mittel  nene  Untertanen  gewinnt, 
ihre  Leiber  nnd  nicht  ihre  Herzen  (des  Corps  et  non  pas  des 
Coeurs)  gewinnen  wird?  Folgt  daraus  nicht  anch,  daB  die  Sicher- 
heit,  die  Ruhe  E.  Fiirstl.  Hoheit  nicht  weniger  gefahrdet  sind, 
als  die  Sicherheit  und  die  Ruhe  Eurer  guten  und  treuen  prote- 
stantischen  Untertanen".  „Mochten  doch  so  schreckliche  Wahr- 
sagungen  ftlr  immer  von  den  Staaten  E.  Hoheit  abgewandt  sein, 
und  Ew.  Hoheit  den  Sturm  beschworen,  der  nur  unser  Ver- 
derben  und  unseren  ganzlichen  Untergang  verursachen  konnte". 

Man  sieht,  der  Pastor  O'Bern  war  seiner  Aufgabe,  die 
scharfsten  Ausdriicke  zu  gebrauchen,  sehr  wohl  nachgekommen. 
Der  geschickteste  Kunstgriff  war  wohl  der  Hinweis  auf  die  Vor- 
gRnge  in  Wiirttemberg,  die  sich  eben  erst  abgespielt  hatten  und 
noch  in  aller  Munde  waren.  lu  Herzog  Karl  Alexander,  der 
wider  Erwarten  1733  auf  den  Thron  gekommen  war,  hatte  das 
Land  einen  katliolischen  Fiirsten  erhalten.  Die  Einfuhrung  eines 
katholischen  Hofgottesdienstes,  des  Fiirsten  engen  Beziehungen 
zu  dem  Bischof  von  Wiirzburg  und  Bamberg,  dem  er  in  seinem 
Testamente  unter  Betonung  der  Gleichberechtigung  der  drei 
Bekenntnisse  sogar  eine  Teilnahme  an  der  vormundschaftlichen 
Regierung  zugesichert  haben  wollte,  die  Aufnahme  schweizerischer 
Kapuziner,  die  Bestellung  katholischer  Feldprediger  und  anderes 
mehr,  was  den  Plan  einer  Verfassungsveranderung  zugunsten  der 
Katholiken  und  zwar  mit  Wiirzburger  Hilfe  zu  olfenbaren  schien, 
erregte  im  Lande  so  ernste  Befurchtungen,  man  wolle  das  Land 
mit  Gewalt  katholisch  raachen,  daB  die  evangelische  Kirchen- 
behorde  zur  Abwehr  des  Unheils  allgemeine  BuB-  und  Bettage 
anordnete.  Da  wurde  der  Herzog  unmittelbar  vor  einer  Reise 
nach  Wiirzburg  plotzlich  ira  Marz  1737  durch  einen  SchlagfluB 
dahingerafft*).  Die  Erinnerung  hieran  war  in  der  Tat  geeignet, 
bedenklich  zu  machen":' 

Mit  dieser  Bittschrift  reisten  die  Deputierten  unverziiglich 
nach  Bayreuth.    Schon  am  24.  Juli  konnten  sie  in  der  Sitzung 


1)  Vgl.  WUrttembergische  Kirchengeschichte.   Calw,  1893,  S.  517  f. 


58     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischon  Gemeinde  in  Erlangen. 

des  Presbyteriums  von  ihren  Erfolgen  berichten.  Sie  waren 
aufs  huldvoUste  empfangen  worden,  und  ihre  Voi'stellungen 
batten  auf  den  Fiirsten  den  frhoffteu  Eindruck  gemacht.  Mehr- 
fach  hatte  er  ihnen  das  Versprechen  gegeben,  daiB  die  Nieder- 
lassung  der  Katholiken  nicht  statthaben  sollte,  und  sie  ans- 
driicklich  beauftragt,  alle  Mitglieder  der  franzosischen  Kolonie 
dessen  zu  versichern  ^). 

Man  hatte  meinen  sollen,  daB  mit  dieser  furstlichen  Er- 
klarung  die  Sache  erledigt  gewesen  ware.  Das  war  aber  durch- 
aus  nicht  der  Pall.  Wohl  nicht  ohne  Grand  batten  die  Franzosen, 
anders  als  spater  die  Lutheraner,  sich  mit  keinem  Worte  auf 
ihre  Privilegien  berufen,  denn  der  neue  Markgraf  hatte  sie  noch 
nicht  bestfttigt  Und  eben  darauf  bauten  die  Katholiken  ihre 
Plane^).  Und  Markgraf  Friedrich  war  unbestandig  und  von  seiner 
jeweiligen  Umgebung  abh^ngig.  Die  Hoffnung  der  Katholiken, 
das  Werk  werde  zwar  „einigermalJen  accrochiret,  jedoch  aber 
keineswegs  redressiert  werden",  schien  sich  zn  erfiillen.  Der 
katholikenfreundlichen  Partei  am  Bayreuther  Hofe  muB  es  nach 
ein  paar  Monaten  gelungen  sein,  den  Fursten  wieder  v5llig 
umzustimmen.    Denn  am  16.  Dezember^)  1738  publizierte  der 


1)  Siehe  Beilage  Nr.  Ic. 

2)  Wenn  sie  in  dem  sehr  Bummarischen  Berfcht  fiber  die  Verhand- 
iungen  an  den  Bamberger  Bischof  angeben,  da|i  die  Reformierten  sich 
auf  die  noch  nicht  bestatigten  Privilegien  berufen  hatten,  so  wird  das 
durch  die  Bittschrift  selbst  widerlegt. 

3)  Franz  Bulla  und  Nikolaus  GslQ  sagen  in  ibrem  Schreiben  an  den 
Bischof  vom  19.  Febr.  1739:  „den  16  passati  mensis"  also  Januar.  Das 
inu6  aber  ein  Irrtum  sein,  denn  echon  am  16.  Dez.  1738  beriet  das 
franz6sische  Konsistorium  dariiber  und  wufite  von  den  Mafinahmen  des 
Stadtamts  und  der  Kaufmannschaft  (s.  Beilage  Nr.  Id).  Die  Eeinhardsche 
Chronikvon  Erlangen^  die  sonst  von  der  ganzen  Entwicklung  der  Katholiken- 
frage  nichts  weifi,  berichtet  nach  Erwahnung  der  Deklaration  von  1711  Bd.  I 
f.  461:  In  dem  benachbarten  bambergischen  Dorfe  Bficbenbach,  sonnr  eine 
Stunde  von  hier  liegt,  wie  auch  im  teutschen  Hause  zu  Niirnerg,  haben  sie 
liberfliissig  Gelegenheit,  ihren  Gottesdienst  abzuwarten.  Gleichwohl  ver- 
suchten  sie  nnter  der  Regierung  des  Markgraf  Friedrichs  ein  Oratorium  in 
der  Stadt  zu  bekommen.  Urn  dieses  zu  verhtithen,  wnrde  oine  Deputation 
von  beyden  Magistraten  der  Alt-  und  Neustadt  und  von  der  Kaufmann- 
schaft den  8.  Januar  1739  nach  Bareuth  geschickt  und  durch  die  gemachte 
Vorstellung  hintertrieben  (Archiv  in  Bamberg). 


Kolde,  Die  AnfaDge  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlaugen.      59 

Amtshauptmann  Baron  von  Hefiberg  das  uns  leider  nicht  er- 
haltene  „h5chst  laudierte  hochfiirstliche  gnMigste  Dekret", 
welches  die  Errichtung  eines  katholischen  Privatgottesdienstes 
and  den  Ban  eines  Bethauses  gestattete.  Eine  kleine  Nach- 
wirkung  der  franzosischen  Deputation  wird  darin  zu  sehen  sein, 
daB  der  Amtshauptmann  zugleich  den  Stadtrat,  die  Kaufmann- 
schaft  (Conseilliers  de  Commerce)  und  die  Reformierten  ^)  auf- 
forderte,  ihre  etwaigen  Bedenken  dagegen  schriftlich  einzureichen. 
Und  wie  sehr  die  Katholiken  der  Hilfe  des  Amtshauptmaniis  sicher 
zu  sein  glaubten,  geht  daraus  hervor,  dafi  sie .  dem  Bischofe 
meldeten,  er  habe  das  getan  „zu  seiner  besonderen  Information 
und  um  etwan  die  vermeintlichen  obstacula  removiren  zu  kQnnen". 
Aber  „da  ging  ein  neues  Feuer  auf".  Stadtrat  und  Kaufmann- 
schaft^),  die  wohl  wissen  raochten,  wie  der  Baron  von  Hefiberg 
dazu  stand,  begnugten  sich  nicht  damit,  ihre  Einwendungen 
schriftlich  niederzulegen,  sondern  schickten  ihren  Protest  mit 
einer  Deputation  nach  Bayreuth,  in  der  der  Conseillier  de 
commerce  und  Stadtsyndikus  Matthieu  Verdier,  ein  noch  junger 
Mann,  der  auch  bei  Hofe  Zutritt  hatte,  eine  fiihreude  Rolle 
spielte,  und  die  Reformierten  beschlossen,  sich  der  Erklarung 
der  genannten  KoUegien  anzuschliefien,  dabei  aber  von  neuem 
auf  ihre  friihere  Vorstellung  zu  verweisen^). 

Das  beunruhigte  die  Erlanger  Katholiken  um  so  mehr,  als 
sie  dariiber  in  finanzielle  Schwierigkeiten  gerieten,  indem  ein 
gewisser  Gabriel  Castelli  in  Furth,  von  dem  sie  2000  Gulden 
auf  Wechsel  entliehen  hatten,  bei  der  wieder  erueuten  Ver- 
z5gerung  nicht  mehr  prolongiereh  woUte,  sondern  nunmehr 
dringend  Kapital  und  Zinsen  zuriickverlangte,  weshalb  sie  den 
Bischof  flehentlich  um  seine  Hilfe  und  um  Ausfolgung  der  an- 
gesammelten  Eichstatter  Kollektengelder  ersuchten. 

Natiirlich  unterlieCen  sie  es  auch  nicht,  in  Bayreuth  selbst 
durch  ihre  Gonner  eutgegenzuarbeiten,  und  der  Baron  Reitzen- 


1)  Von  den  Lutheranern  ist  keine  Rede,  und  auch  in  den  Erlanger 
Dekanatsakten  findet  sich  keine  Spur  davon,  daO  man  sie  gefragt  hatte. 

2)  Die  Namen  des  damaligen  Conseilliers  de  Commerce  im  „Hoch- 
fiirstlich-Brandenburgischen  Adrefi-  und  Sehreibkalender  auf  das  Jahr  1739 
(Erl.  Bibliothek)  S.  102. 

3)  Siehe  Beilage  Nr.  Id. 


60     Kolde,  Die  Anfange  einer  katliolischen  Gemeindc  in  Erlangen. 

stein  suchte  den  Hofwagner  Gafi  in  einera  Briefe  vom  18.  Jan.  1739 
zu  beruhigen,  indem  er  ihm  mitteilte,  die  Deputierten  hatten 
„bei  ihrer  gehabten  Audienz  von  Se.  Hochfiirstl.  Durchlaucht 
nicht  nur  einen  ziemlich  derben  Verweis  bekomraen,  sondeni 
seien  noch  dazu  ab-  und  daB  sie  nimmer  wiederkehren  sollten, 
angewiesen**  worden.  Der  junge  Verdier  befande  sich  zwar 
noch  in  Bayreuth,  es  konne  aucU  sein,  dafi  er  alle  Tage  „nach- 
Hoff"  komme,  er  werde  aber  gleichwohl  „in  dieser  Sache  so 
wenig  als  ein  Mezgers  Hund  in  Eriang  ausrichten  konnen"^). 
Damit  noch  nicht  befriedigt,  sandte  der  Kaufmann  Bulla  einen 
expressen  Boten  an  den  damals  in  Bayreuth  sich  aufhaltenden 
Baron  von  HeBberg  und  den  Geh.  Referendar  Ellrodt,  um  sich 
nach  dem  Stand  der  Sache  zu  erkundigen  und  die  endgiiltige 
Eegelung  zu  erbitten.  HeBberg  lieB  ihm  darauf  bedeuten,  ,,nach 
dem  Serenissimo  alles  mit  Umstanden  iibergeben,  so  beruhe 
denn  auch  der  Ausgang  der  Sache  lediglich  auf  dem  gnadigsten 
BeschluB,  welcher  nicht  impetuose  zu  erlangen,  sondern  in  ge- 
horsamster  Geduld  zu  erwarten  stehe*)".  Und  man  hatte  ziemlich 
lange  zu  warten.  Die  Entscheidung  erfolgte  wahrscheinlich 
liberhaupt  nur  mittelbar,  indem  Markgraf  Friedrich  endlich  am 
2jO.  April  1740  die  Erlanger  Privilegien  von  1711  und  aus- 
driicklich  auch  den  Artikel  4  bestatigte,  der  die  Katholiken- 
verhaltnisse  regelte^). 

War  auf  diese  Weise  der  erste  Versuch,  katholischen  Gottes- 
dienst  in  Erlangen  einzufiihren,  abgeschlagen  worden,  so  wurde 
der  Gedanke  daran  von  den  Beteiligten  doch  nicht  aufgegeben, 
und  es  gelang  ihnen,  von  neuem  einfluBreiche  Leute  fiir  ihre 
Plane  zu  gewinnen,  so  den  Grafen  Cobenzl,  den  osterreichischen 
Gesandten  beim  frankischen  Kreise.  Da  dieser  im  Jahre  1742 
sich  mehrere  Monate  lang  in  Erlangen  auf  hielt  und  dort  keinen 
katholischen  Gottesdienst  haben  konnte,  wird  es  leicht  gewesen 

1)  Dieser  charakteristische  Brief,  der  dem  Schreiben  der  Katholiken 
an  den  Bischof  beigeschlossen  war,  in  den  Beilagen  Nr.  III.  Welcher  von 
den  verschiedenen,  damals  am  Bayreutber  Hofe  lebenden  Reitzensteins 
der  Briefschreiber  war,  vermag  ich  nicht  anzugeben. 

2)  Schreiben  des  Barons  HeBberg  an  den  Sekretar  der  Amtshaupt- 
mannschaft,  lustitienrat  Gemeinhart  in  Erlangen,  d.  d.  Bayreuth  11.  Febr. 
1739,  als  Beilage  zum  Schreiben  an  den  Bischof  (Kreisarchiv  in  Bamberg). 

3)  Corpus  Constitutionum  II,  2,  S.  695. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.     61 

sein,  ihn  fur  die  Erlanger  Katholikenfrage  zu  interessieren  ^). 
Noch  mehr  mochte  man  erwarten  von  der  Hilfe  eines  Mannes, 
der  damals  zu  deneinfluBreichstenPersonlichkeitenamBayreuther 
Hofe  gehorte.  Das  war  Daniel  von  Superville,  der  1739  Leib- 
arzt  der  Markgrafin  Wilhelmine,  dann  Geh.  Rat  und  Direktor 
der  Bergwerke  geworden  war.  Es  kann  kaum  ein  Zweifel  sein, 
daC  er  zu  derselben  Zeit,  als  er  mit  den  Vorbereitungen  zur  Er- 
richtung  der  Erlanger  Universitat,  deren  erster  Karizler  er 
werden  sollte,  beschaftigt  war,  sich  in  weitgehender  Weise  in 
Verbindung  mit  Cobenzl  und  dem  Bischof  von  Eichstatt  fur  die 
Erlanger  Katl^oliken  engagierte.  Das  ergibt  die  einzige  Notiz, 
die  wir  liber  diese  Dinge  liaben,  ein  aus  Erlangen  am  26.  Marz 
1743  an  Cobenzl  gerichteter  Brief,  in  dem  Superville  schreibt: 
J'ai  pris  en  attendant  des  arrengemens  pour  Tetablissement  de 
la  chapelle  catholique,  et  j'espfere  que  demain  avec  Taide  du 
St.  Esprit  on  celebrera  ici  la  premiere  messe,  et  j'espSre  que 
V[otre]  P][xcellence]  se  souviendra  de  ce  que  Teveque  d'Eichstadt 
a  promis  et  qu'elle  voudra  bien  preter  son  intercession  pour  les 
coUectes,  que  le  troupeau  d'ici  sera  oblige  de  faire  .  .  .  Erlang 
ce  26.  Mars  lliS^). 

1)  Dafi  dies  auf  diesem  Wege  geschehen  ist,  ist  bislang  lediglich 
Vermutung.  Der  Aufenthalt  in  Erlangen  von  Oktober  bis  Dezember  1742 
la^t  sich  aus  den  Briefen  Kobenzis  feststellen.  Vgl.  dariiberR.  Riithnick, 
Die  Politik  des  Bayreuther  Hofes  S.  16. 

2)  Ich  verdanke  diese  aus  dem  Wiener  H.  H.  und  Staatsarchiv  Grofie 
Corr.  269  fol.  405  stammende  Notiz  der  Giite  des  Herrn  Dr.  Riithnick  in 
MUochen,  der  mit  einer  Monographic  tiber  Superville  beschaftigt  ist.  Da6 
nicht  etwa  Bayreuth  gemeint  und  Erlangen  ein  Schreibfehler  ist,  ergibt 
sich  aus  dem  Hinweis  auf  die  uns  schon  bekannte  Eollekte  des  Bischofs 
von  Eichstatt  und  sein  Interesse  an  den  Erlanger  Katholiken.  Es  fragt 
sich  nur,  wie  weit  der  Brief  Tatsachliches  berichtet.  Da  sich  sonst  in  den 
Akten  keine  Spur  findet,  und  die  damals  noch  sehr  sensibeln  Franzosen 
sicherlich  Larm  geschlagen  hatten,  bin  ich  zunachst  der  Uberzeugung, 
daO  Superville,  was  die  Einrichtung  oder  Errichtung  einer  katholischen 
Kapelle  anlangt,  die  in  dem  kleinen  Erlangen  nicht  unbemerkt  hatte 
bleiben  kOnnen,  denMund  etwas  voll  genommen  hat,  und  was  er  Cobenzl 
in  Aussicht  gestellt  hatte,  schon  als  fait  accompli  hinstellte.  Die  An- 
kiindigung  der  am  27.  Marz  zu  haltenden  Messe  lautet  allerdings  sehr 
bestimmt,  so  dafi  man  glauben  mochte,  er  konnte  nicht  so  schreiben,  wenn 
die  Sache  nicht  in  der  Tat  so  vorbereitet  war,  wie  er  angibt.  AUein, 
wenn  man  den  Brief  naher  ansieht  und  nach  den  Motiven  fragt,  wird  das 


62     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

Diese  Nachricht  ist  uberraschend.  Der  reformierte  Super- 
ville,  der  sich  soeben  um  die  Grtindung  der  spezifisch  prote- 
stantischen  Universitftt  Erlangen  bemliht  hat,  soil  eine  katholische 
Kapelle  eingerichtet  habeD,  and  stellt  in  Aussicht,  dafi  am 
27.  Marz,  eiuen  Tag  spater  als  der  Brief  geschrieben  ist,  die 
erste  Messe  in  Erlangen  gelesen  werden  soil!  AUein  in  dieser 
Form  ist  die  Sache  unglaub wiirdig.  Mag  Superville  den  Katholiken 
grofie  Hoffnnngen  gemacht  and  seine  Grunde  gehabt  haben,  das, 
was  der  5sterreichische  Gesandte  und  der  Bischof  von  Eichstatt 
wiinschteu,  schon  als  Tatsache  hinzustellen,  davon,  daB  man 
damals  in  Erlangen  an  die  Erriclitung  einer  katholischen  Kapelle 
gegangen  ware,  kann  nicht  die  Rede  sein,  und  wenn  er  etwa 
wirklich  an  jenem  27.  Marz  1743,  um  eingegangene  Ver- 
sprechungen  zu  erfuUen,  eine  Messe  halten  lieB,  so  mufi  das  so 
heimlich  geschehen  sein,  dafi  man  in  der  Stadt  davon  nichts 
erfuhr.  Fur  die  Zulassung  des  katholischen  Kultus  war  Erlangen 
noch  nicht  reif. 

Wenige  Monate  spater,  am  L  November  1743,  wurde  die 
Universitat  Erlangen  eroffnet,  die,  obwohl  neben  Reformierten 
auch  Katholiken  daselbst  studieren  und  sogar  promovieren  konnten, 

alles  doch  wieder  fraglich.  Obne  Zweifel  hat  Superville  mit  diesen  Mit- 
teilungen  bei  dem  katbolischen  Osterreichei*  etwas  Bestimintes  erreicben 
woUen  und  batte  seine  guten  Grunde,  sein  energiscbes  Eintreten  fUr  die 
katboliscbe  Sacbe  in  moglicbst  belles  Licbt  zu  setzen.  Und  einem  Manne, 
der  soeben  eine  wesentlicb  lutberiscbe  Universitat  einricbtet  und  der  als 
Reformierter  es  fertig  bringt  zu  sebreiben,  er  bofi'e  „mit  Hilfe  des 
Heiligen  Geistes  die  erste  Messe  celebrieren  zu  lassen"  wird  man,  mUd 
ausgedruckt,  eine  groBe  Flunkerei  scbon  zumnten  dtirfen.  Wenn  sicb  diese 
dann  herausstellte/  konnte  er  immer  mit  Recht  bebaupten,  daO  sich  un- 
iiberwindbare  Hindernisse  ergeben  batten.  Infolgedessen  glaube  icb,  daO 
Superville  sich  zwar  mit  der  Sacbe  beschaftigt  bat  — -  er  weiB  von  Be- 
ziehungen  der  Erianger  Katholiken  zum  Eichstattcr  Biscbofe  —  wahr- 
scbeinlich  auch  groBe  Hoffnungen  gemacht  bat,  aber  daj3  es  zum  Lesen 
einer  Messe  ebensowenig  gekommen  ist,  wie  .zur  Einrichtung  einer 
Kapelle.  Sollte  aber  wirklich  damals  am  27.  Marz  eine  Messe  gelesen 
worden  sein,  so  war  dies  lediglich  eine  Episode,  die,  well  sie  gar  nicht 
bekannt  wurde,  ftir  die  weiteie  Entwicklung  bedeutungslos  war.  Wicbtig 
ist  die  ganze  Nachricht  aber  darum,  weil  sie  deutlich  erkennen  la^t,  da($ 
auch  (3sterreichi8cher  EinfluQ  bei  der  Erianger  Katholikenfrage  eine  Rolle 
gespielt  bat,  und  weil  sie  neues  Licbt  wirft  auf  die  etwas  protensartige 
PersQnlicbkeit  des  vielgenannten  Superville. 


Kolde,  Die  Anfange  eiBer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.      63 

eineu  wesentlich  lutheriscben  Charakter  trug,  mid  sicherlich 
wurde  auch  in  der  Stadt  das  protestantische  Bewufitsein  durch 
das  Vorhandensein  einer  lutheriscben  theologischeu  Fakultat  von 
neuem  gestarkt.  Doch  kam  es  vor,  freilich  nur  ganz  ausnahms- 
weise,  „  hauptsachlicli  nur  bei  Militairpersonen  oder  sonst  auf 
besondere  bocbste  Erlaubnis",  daB  einem  katholischen  Geistlichen 
gestattet  wurde,  nachdem  er  einen  Revers  ausgestellt  hatte, 
seine  Kranken  zu  versehen,  woraus  der  Pfarrer  von  Buchenbach, 
wohin  die  Erlanger  Katholiken  sich  zumeist  hielten,  sehr  bald 
aber  ein  observanzmafiiges  Eecht  abzuleiten  suchte. 

Das  fiihrte  Anfang  1750  zu  einem  Konflikt.  Auf  eine  beim 
Bayreuther  Konsistorium^eingelaufene  Denunziation,  nach  der 
der  Buchenbacher  Pfarrer  sich  unterstanden,  „nicht  nur  einigen 
in  der  Stadt  Erlang  wohnhaflften  Romisch-katholischen  Glaubens- 
genossen  die  Sakramenta  zu  reichen,  sondern  auch  erst  jiingsthin 
zweien  in  dem  (1749)  neuerrichteten  ArmenhauB  befindlichen 
Personen  von  gedachter  Religion  die  sacra  zu  administrieren," 
erhielt  der  Superintendent  Prof.  Dr.  Pfeiffer  von  seiner  Behorde 
unter  dem  21.  Jan.  ein  sehr  entrlistetes  Schreiben^)  mit  der 
Aufforderung,  der  Sache  nachzugehen.  Die  Denunziation  war  im 
allgeraeinen  richtig,  und  die  Folge  war,  daB  der  Markgraf  am 
3.  Febr.  sein  allerhochstes  MiBfallen  dariiber  aussprach,  und 
dem  Amtshauptmann  den  Anftrag  erteilte,  dariiber  zu  wachen, 
daB  nur  Erlanger  ins  Armenhaus  kamen,  katholischen  Geist- 
lichen „die  Verrichtung  einiger  actuum  Ministerialium  durchaus 
nicht  mehr  gestattet  werden  soUe**,  auch  der  Rat  ohne  sein 
Vorwissen  keine  katholischen  Burger  mehr  aufnehmen  durfe. 

Die  groBe  SchsLrfe  dieses  Erlasses  erklart  sich  zum  Teil 
daraus,  daB  gerade  in  jenen  Jahren  die  Spannung  zwischen 
den  Protestanten  und  den  in  der  Nahe  Erlangens  wohnenden 
Katholiken  eine  sehr  groBe  geworden  war,  und  nicht  am  wenig- 


1)  „Nun  k^nnen  wir  gar  nicht  begreifen,  wienach  diese  unleidentliche 
und  hOchst  prajudizirlicUe  Eingriffe  von  gedachten  Pfarrer  vorgenommen 
seyn,  zumahl  in  einer  der  Haupt-StSdte  dieses  Fiirstenthums,  wollen  auch 
zu  desselben  bekannten  Religions  Eyffer  das  Zutrauen  haben,  dafi  der 
Herr  Superintendens  dergleichen  strafliches  Unteinehmen  nicht  mit 
gleicbgUltigen  Augen  werde  angesehen,  sondern  viel  mehr  behorigen 
Orts  die  ungesaiimt  Anzeige  gethan  haben  (Erlanger  Dekanatsakten). 


64     Eolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Eilangen. 

sten  deshalb,  well  in  den  umliegenden  evangelischen  Ortschaften 
der  Katholizismus  derartig  zunahm,  dafi  der  Markgraf  in  einem 
Erlafi  vom  22.  Juui  1750  den  ^nachdrticklichen  Befehl  gab, 
sothenem  Anwuchs  der  Papisten  kraftig  zu  steuern"^).  Marloff- 
stein  und  Alterlangen,  die  beide,  obwobl  bambergisch,  nach 
Erlangen-Altstadt  eingepfarrt  waren,  seien,  wie  der  Super- 
intendent Dr.  Pfeiffer  berichtet:  „von  der  Parochie  gar  ab- 
gerissen".  Dasselbe  sei  von  Bubenreuth  zu  flircliten,  wo  noch 
vor  dreifiig  Jahren  kein  einziger  Katholik  gewesen  ^),  nun  aber 
„der  groBte  Teil  papstlicher  Religion  zugetan  sei,  ja  in  der  Alt- 
stadt  selbst  sei  bereits  der  dritte  Sohn  eines  Burgers  katholisch 
geworden".  Und  davon,  dafi  man  auf  der  Gegenseite  nicht  etwa 
toleranter  ware,  woUte  man  viele  Beispiele  wissen;  so  hiitte 
vor  einiger  Zeit  eine  kranke  evangelische  Person  (wahr- 
scheinlich  aus  Alterlangen)  „bei  dera  ungesttimsten  Winterwetter 
auf  der  Alterlangischen  kleinen  Brucken  unter  freiem  Himmel 
communiciert  werden  miissen",  well  man  dem  Pfarrer  ins  Dorf 
zu  kommen  nicht  gestatte.  Kranke  Personen  mufite  man  aus 
den  umliegenden  papstlichen  Ortschaften  wegnehmen,  weil  man 
sie  lieber  umkommen  lasse,  ehe  man  ihnen  einen  evangelischen 
Geistlichen  vergonnte,  „und  noch  ganz  neuerlich  soil  zu 
Buchenbach  eine  evangelische  Christin  durch  ganzliche  Ent- 
ziehung  aller  Pflege  auch  bis  auf  einen  Trunk  Wassers  ge- 
zwungisn  sein,  von  der  wahren  Religion  sterbend  abzutreten. 
Ja,  der  Unfug  gehet  soweit,  dafi  wie  vor  etlichen  Tagen  der 
bilchenbachische  Pfarrer  einen  hiesigen,  aus  Buchenbach  ge- 
burtigen  Schutzverwandten  den  Taufschein  versaget  hat  mit 
der  Bedeutung,  daC  er  ihn  gern  bekommen  sollte,  wenn  er  sich 
in  ein  katholisches  Ort  begeben  wiirde,  so  aber  nicht  be- 
kommen werde,  weil  er  sich  unter  denen  Evangelischen  zu 
wohnen  setze,  wie  wohl  es  nachderhand,  da  man  sich  der  Sache 
angenommen  hat,  mit  einem  vorgegangenen  Mifiverstandnisse, 
ob  hatte  man  nur  der  Religion  halber  Erinnerungen  getan,  hat 
wollen  beschonigt  werden." 


1)  Dies  nach  einem  sogleich  zu  besprechenden  Gutachten  des  Super- 
jntendenten  Dr.  Pfeiffer  vofh  23.  Jan.  1751  (Erl.  Dekanatsakten). 

2)  Das  war    allerdings  nicht   ganz   richtig,    da    man  1720   daselbst 
Bchon  9  zahlte.    S.  oben  S.  51,  Anm.  3. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholiechen  Gemeinde  in  Erlangen.     65 

Was  an  diesen  Aufierungen  richtig  ist,  oder  ob  sie  etwa  auch 
tJbertreibungen  enthalten,  laBt  sich  nicht  mehr  feststellen,  jeden- 
falls  charakterisieren  sie  das  gespannte  Verhaltnis  und  man 
begreift,  daB  die  Evangelischen  Erlangens  nicht  sehr  erbaut 
waren,  als  die  Katholiken  den  Versuch  machten,  den  mark- 
graflichen  Erlafi  vom  3.  Pebr.  1750  rllckgangig  zu  machen. 
Die  uns  schon  als  Fiihrer  bekannten  Franz  Bnlla  and  Nikolaus 
G-afi  batten  sich  wieder  mit  dem  Bischof  von  Wiirzburg  und 
Bamberg  in  Verbindung  gesetzt  und  richteten  daraufhin  am 
2.  Jan.  1751  eine  „fufifallige  Bitte"  an  den  Markgrafen,  daB 
ihnen  „im  Fall  einer  todtlichen  Krankheit  der  Zutritt  eines 
katholischen  Geistlichen  von  Biichenbach  zu  ihrem  Seelen- 
trost  gestattet  werde".  Die  Begrtindung  war  etwas  eigen- 
tumlich,  aber  geschickt.  Jene  frtiher  erwahnten  Ausnahmefalle 
wurden  als  eine  von  altersher  bestehende  Observanz,  somit  der 
ErlaB  des  Markgrafen  vom  Jahre  vorher  als  eine  neue,  ihr 
Gewissen  schwer  bedruckende  Last  hiugestellt,  durch  die  ihnen,  und 
das  war  sicher  richtig,  „am  letzten  Sterbestiindlein  der  not- 
wendige  Seelentrost  ganzlich  untersagt  wird".  Die  Gewahrung 
ihrer  Bitte  werde  den  Gerechtsamen  des  Fttrsten  keinen  Nach- 
teil  bringen,  da  sie  eine  Gegenleistung  zu  bieten  batten.  Der 
Pfarrer  von  Biichenbach  war  namlich  auf  sein  Ansuchen  vom 
Bischof  ermachtigt  worden,  „den  furstlich-brandenburg-bay- 
reuthischen  Herrn  Pfarrern  zu  erlauben,  daB  dieselben  ihre 
etwa  in  Buchenbach  oder  anderen  eingepfarrten  Ortschaften, 
als  Alterlangen,  Kosbach,  Staudig,  HeuBling,  Neumiihl  er- 
krankenden  Glaubensgenossen  in  Zukunft  ungehindert  besuchen 
und  providieren  diirften,  sofern  einem  katholischen  Pfarrer  zu 
Buchenbach  die  Besuche  und  Providierung  der  katholischen 
Kranken  in  den  brandenburgischen  Orten  Erlangen,  Bruck, 
Mohrendorf,  Frauenaurach,  Kiiegenbrnnn,  Hiittendorf,  Eltersdorf, 

Tennenlohe,  Griindlach,  wie  auch  in  Bubenreuth, gleich- 

maBig  verstattet  und  zugelassen  werde".  Dariiber  sei  der 
Pfarrer  aus  Buchenbach  erbotig,  einen  schriftlicheu  Revers  aus- 
zustellen. 

Das  von  dem  Superintendenten  Pfeiffer  uber  diesen  Antrag 
eingeforderte  Gutachten  vom  23.  Jan.  1751  erklarte  sich  sehr 
entschieden  gegen  die  Gewahrung  der  Bitte.    In  nicht  weniger 

Beitriige  zuv  biiycr.  Kirchengescliichte  XII.  2.  P^ 


66     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Eriangen. 

als  14  Punkten  fafite  er  alles  zusammen,  was  auf  damaligem 
evangelischem  Standpunkte  dagegeu  gesagt  werden  konnte. 
In  dem  ganzen  Vorgehen  sieht  er  eine  groCe  Gefahr:  „Da  biB- 
hero  das  Papstum  bei  aller  moglichsten  Glimpflichkeit  und 
Nachsicht  protestantisclier  hoher  Obrigkeiten  nicht  gelinder, 
sondern  nur  einriBiger  geworden,  so  will  endlich  die  Christen- 
pflicht  erforderu,  demselben,  daB  es  nicht  weiter  urn  sich  greife, 
vielmehr  mit  allem  Ernste  vorzubeugen,  als  durch  fernere 
Herablassung  zur  Bestarkung  in  seinen  weit  aussehenden  Ab- 
sichten  AnlaB  zu  geben."  Die  jetzt  gewiinscbte  Erlaubnis 
werde  man  bald  als  ein  Recht  betrachten,  und  es  sei  ohne  Frage, 
im  Widerspruch  zu  den  bisherigen  fiirstlichen  Konzessionen, 
der  Anfang  eines  freien  Exercitii  papstlicher  Religion,  wenn 
die  katholischen  Geistlichen  zumal  ohne  An  frage  und  jedes- 
malige  Spezialkonzession  ihre  Kranken  providieren  diirften* 
Die  Erfahrung  habe  zur  Geniige  gezeigt,  daB  die  Papisten,  wo 
ihnen  ein  Fingerbreit  eingeraumt  wurde,  mehr  als  die  Hand- 
breit  zu .  nehmen  pflegen,  so  wtirden  sie  bald  in  Betreff  der 
Kindererziehung  neue  Forderungen  stellen.  „Sie  lassen  ohne 
Bevers  unseres  Geistlichen  niemand  ein,  machen  es  aber  so, 
daB  sie  die  unsrigen  miBbrauchen  und  wir  nicht  viele  Reverse 
ausstellen  diirfen.  In  Alterlangen  haben  sie  nicht  geruht,  bis 
alles  fortgeschafft  ist,  was  Evangelisch  hieB,  und  zu  Marlofi- 
stein  das  gleiche."  Mag  die  angeboteiie  Gegenseitigkeit, 
wenn  sie  richtig  eingehalten  wird,  auch  ganz  gut  sein,  untl 
auch  sonst  vorkommen,  so  gehe  es  doch  nicht  an,  Eriangen  als 
eine  Hauptstadt  des  Landes  und  den  Sitz  einer  evangelischen 
Universitat  mit  den  sehr  geringen  Ortschaften  Buchenbach, 
Alterlangen,  Kosbach,  Staudig,  HeuBling,  Neumuhl  u.  dgl.  in 
Vergleich  zu  bringen,  und  vollends  offenbarten  sich  „ die  nach- 
teiligen  Maximen  des  Papstums  aufs  deutlichste  an  der  Herein- 
ziehung  von  Alterlangen,  das  erstlich  zur  altstadtischen  Pfarrei 
gehorte,  so  daB  es  vora  Markgrafen  abhinge,  ob  diesen  katho- 
lischen Geistlichen  erlaubt  sein  soUte,  die  Kranken  dieser 
Religion  zu  providieren;  jetzt  sollen  es  unsere  Geistlichen  von 
der  Altstadt  fiir  eine  Gnade  von  Wlirzburgischer  Seite  ansehen, 
wenn  sie  hinein  diirfen,  und  man  rechnet  die  Erlaubnis  dazu 
Ew.    Durchlaucht   als   etwas   GroBes  an.     So    kehrt   man  im 


Eolde,  Die  Anfange  einer  katbolischen  Gemeiude  in  Etiangen..     67 

Papstum  allgemach  die  Sachen  urn  und  windet  der  evangelischen 
Qbrigkeit  die  iura  episcopalia  aus  den  Handen,  dafi  sie  am 
Ende  bittlich  suchen  inuB,  woruber  sie  anfangs  zu  befehlen 
hatte".  .Feriier  wird  auf  das.schon  oben  erwahnte  Vordringen 
des  Katholizismus,  die  unfreundliche  Haltung  der  Katholiken 
gegen  die  Evangeliscben  in  ihren  Dorfern,  die  vollige  Ver- 
anderung  der  kirchlichen  Verhaltnisse,  die  dadurch  eintreten 
miisse,  hingewiesen  und  nicht  am  wenigsten  auf  die  groBe 
Verstimmung  der  Protestanten  iiber  die  schon  bisher  vor- 
gekommenen  Eingriffe  der  Katholiken,  und  endlich  darauf,  dafi 
die  Ehre  Christi  leide,  so  oft  sein  heiliges  Abendmahl 
den  klaren  Einsetznngsworten  zuwider  nicht  unter  beiderlei  Ge- 
stalt  gereicht  werde.  Deshalb  konne  man  es  keiner  evan- 
gelischen Obrigkeit  verdenken,  „wenn  sie  in  Gestattung  der 
Administration  desselben  nach  dem  papstlichen  hier  eine  Ver- 
stiimmelung  einfiihrenden  Gebrauch  keinen  Schritt  liber  die 
einmal  festgestellten  Grenzen  hinaus  zu  tun  sich  bewegen  laBt". 
Was  der  Markgraf  darauf  entschieden  hat,  scheint  leider 
nicht  erhalten  zn  sein.  Wahrscheinlich  hat  der  ebenfalls  zu 
einem  Gutachten  aufgeforderte  Amtshauptmann  sich  anders  zu 
der  Sache  .yerhalten,  denn  tatsachlich  erlangten  die  Katholiken 
um  diese  Zeit,  wenn  auch  in  etwas  anderer  Form,  das,  was 
sie  zunachst  erstrebten.  Die  Sache  wurde  neu  geregelt,  wie  man 
es  25  Jahre  spater  als  von  altersher  bestehend  bezeichnete:  Wenn 
ein  Kranker  die  Sterbesakramente  begehrte,  so  hatte  der  Pfarrer 
von  Biichenbach  vorerst  den  Herrn  Superintendenten  oder  den 
betreffenden  Geistlichen,'  in  dessen  Bezirk  der  Kranke  wohnte, 
„darum  zu  begriiBen"  uud  einen  Revers  auszustellen.  Es  be- 
durfte  also  gegeniiber  der  urspriinglichen  Absicht  fur  jeden 
eihzelnen  Fall  der  besonderen  Erlaubnis,  und  der  Revers 
bestand  in  der  Erklarung,  daB  aus  der  betreffenden  Erlaubnis 
kein  Recht  oder  sonstige  Konsequenz  gezogen  werden,  sondern 
daB  sie  „in  alien  Riicksichten  ganz  unprajudizierlich  sein  soUe"  ^). 

1)  In  den  Dekanatsakten  hdbe  ich  nur  eine  Abschrift  eines  soicben 
Reverses  gefunden,  der  aus  dem  Jahre  1783  stammt  und  sich  auf  die 
besondere,  schon  unter  anderen  Verhaltnisse  gegebene  Erlaubnis  des 
Fiirsten  bezieht,  eine  Haustaufe  yornehmen  zu  dUrfcn,  aber  doch  das  Wesen 
des  gewQhnlichen  Reverses  deutlich  erkennen  ViQU   ^Nach  dem  Ihro  des 

5* 


68     Kolde,  Die  AnfliDge  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

Dabeiblieb  doch  sonst  offiziell  alles  sO;  wie  es  die  Deklaration 
von  1711  bestimmte:  alle  kirchlichen  Akte,  Taufen,  Trauungen, 
Begrabnisse  muBten  von  dem  evangelischen  Pfarrer  erbeten 
werden,  und  die  Kinder  waren  evangelisch  zu  erziehen.  Allein 
es  kamen  auch  Ansnahmen  vor,  welche  die  katholischen  Ad- 
ligen,  die  sich  nach  und  nach  in  Erlangen  angesiedelt  batten, 
darchzasetzen  wn£ten.  Die  Akten  haben  uns  einen  eklatanten 
Fall  aufbewahrt.  Als  im  Jahre  1757  die  Tochter  des  Kammer- 
herrn  Baron  Tubeuf  gestorben  war,  wiinschten  die  Eltern,  sie 
in  der  katholischen  Kirche  zu  Bflchenbach  beigesetzt  zu  sehen. 
Vergebens  berief  sich  der  Superintendent  auf  die  Deklaration 
von  1711,  vergebens  erinnerte  er  den  Markgi-afen  daran,  daU 
er  selbst  bei  der  evangelischen  Taufe  „als  Taufzeuge  erbeten 
gewesen".  Der  Fiirst  resolvierte,  dafi,  nachdem  der  Kammer- 
herr  von  Tubeuf  eher  als  ein  Fremder  als  ein  einheimischer 
anzusehen  sei,  dessen  verstorbene  Tochter  salvis  tamen  stolae 
iuribus  nach  Biichenbach  begraben  werde^).  Und  so  geschali 
es.  In  der  Kirche  zu  Biichenbach  findet  sich  noch  jetzt,  rechts 
vom  Hauptaltar,  groBtenteils  durch  die  Stationsbilder  verdeckt, 
der  Leichenstein  des  Frl.  von  Tubeuf. 


Regierenden  Herrn  Marggrafens  zu  Ansbach  Bayreuth  Hochffirsth  Durch- 
laucht  mir  die  Yerrichtung  der  Haufitaufe  der  neagebohmeo  Comtefisen 
von  Ahlefeld  gegen  Ansstellnng  der  gewOhnlichen  Reversalien  gnSdigst 
zu  erlanben  geruhct  haben,  Als  gebe  ich  solcbe  hierdnrcb  in  der  Maase 
von  mir,  dajQ  jene  gpiadigste  Concession  von  diesseits  zu  keinem  Recht 
Oder  zu  einiger  Consequenz  gezogen  werden  —  sondern  vielmebr  in  alien 
RUcksichten  ganz  unprajudizierlich  seyn  sol).  Urkundlicb  meiner  eigen- 
handigenUnterscbrift  und  beigedrucktenPettscbafts.  Erlang  d.  18.  Jan.  1783. 

Ernst  Wilbelm  Baner,  Pfarrer 
zu  Biicbenbacb. 
1)  Entscbliefiung  vom  4.  Jan.  1757.  Erlanger  Dekanatsakten.  Als 
derselbe  Tubeuf  spater  seinen  Sohn,  der  als  Page  in  die  Dienste  der 
verwitweten  Markgrafin  aufgenommen  werden  war,  vom  Besuch  der 
Katecbisationen  abbielt,  verlangte  das  Konsistorium  vom  Superintendenten, 
ihn  ernstlich  dazu  anzubalten  nnd  dariiber  bocbsten  Ortes  zn  bericbten. 
7.  Marz  1764.  Ebenda.  TJbrigens  fungierte  Tubeuf  schon  1750  als  Patron 
der  Katholiken.  Vgl.  Beil.  le.  Es  war  wohl  derselbe,  den  L.  Freyes- 
leben,  das  jetzt  lebenden  Erlangen  Erl.  1775  S.  5  nnter  den  „Hoch- 
adelichen**  Bewohnern  Erlangens  aufftibrt:  „Monsieur  le  Bar.  de  Du  Boeuf, 
Hr.  zu  Beerbach,  Hocbfiirstl.  Bened.  Onolzb.  u.  Culmb.  Geb.  Ratb  bat  sein' 
eigenes  Hau6  in  der  Friedrichsstrasse,"  (Nach  dein  Wappen  Haus  Nr.  28.) 


Kolde,  Die  Asfange  einer  katholischen  Gemeinde  m  Erlangen.     69 

So  lagen  die  Dinge,  bis  bald  nach  dem  Beginn  der  Re- 
gierung  des  "Markgrafen  Christian  Friedrich  Carl,  dem  nach 
dem  Tode  des  kinderlosen  Markgrafen  Friedrich  Christian 
(t  20.  Jan.  1769)  das  Bayreuther  Gebiet  zuflel,  die  Katholiken- 
frage  in  Erlangen  von  neuem  in  FluB  kam.  Das  geschah  im 
innigsten  Zusammenhange  mit  den  Bestrebungen  des  Fiirsten, 
die  dem  TJntergang  nahe  Universitat  zur  Bliite  zn  bringen. 
Unter  den  zu  diesem  Zweck  gemachten  Vorschlagen  befand 
sich  auch  der,  katholischen  Gottesdienst  in  Erlangen  einzurichten. 
Das  wiirde,  wie  der  Markgraf  meinte,  katholische  Studierende 
in  groBer  Anzahl  in  die  Stadt  ziehen. 

Gegen  diesen  Gedanken  erhob  jedoch  die  bei  der  Regierung 
eingerichtete  Universitatsdisputation  nnter  dem  9.  Juli  1770 
Gegenvorstellungen.  So  rnhte  die  Sache,  aber  nach  vier  Jahren 
kam  der  Markgraf  darauf  zurlick.  In  einem  Schreiben  an  die 
Universitat  vom  4.  Juni  1774  erklarte  er,  daB  er  trotz  jener 
Gegenvorstellungen  fiir  seine  Person,  „noch  immer  des  wohl 
erwogenen  Davorhaltens  sei,  daB  durch  Concedirung  eines 
catholischen  Privatgottesdienstes  zu  Erlang,  viele  der  catho- 
lischen  Religion  zugethane  Studiosis  beygezogen,  mithin  auch 
hierdurch  Unsere  Friedrich- Alexandrinische  Universitat  in  be- 
sondere  Aufnahme  gebr^cht  werden  k5nne".  Zugleich  erhielt 
die  Universitat  den  Auftrag,  gutachtlich  daruber  zu  berichten, 
„ob  dergleichen  Gestattung  wirklich  vertraglich  sei,  und  wie 
die  Einrichtung  eines  Cultus  privati  Religionis  Catholicae  am 
schicklichsten  zu  machen  sein  mochte^)". 

Der  Prorektor,  der  Philosoph  Ph.  Ludw.  Statins  MuUer, 
verwies  mit  dem  Bemerken,  daB  er  „von  serieusen  Absichten, 
nach  welchen  diese  Sache  in  Vorschlag  kommt,  informiert  sei", 
die  wichtige  Angelegenheit  zur  Sitzung,  so  daB  wir  die  Stellung 
der  einzelnen  Senatsmitglieder  nicht  erfahren,  nur  der  Jurist 
Rudolph  lieB  seine  Abneigung  sogleich  in  der  Missive  in 
charakteristischer  Weise  erkennen,  indem  er  binzufiigte:  „die 
Catholischen  Auditores,  welche  ich  bisher  gehabt,  baben  noch 

1)  GegeDgezeichnet:  Friedrich  Heinrich  von  Wechmar,  Karl  Frh. 
V.  GemmiDgen,  Jac.  Carl  Schegk:  Erlangische  Universitats-Akta  die  Er- 
richtung  eines  Catholischen  Privat  Gottesdienstes  dahier  betreffend.  Th. 
I.  Pfl.  8,  Nr.  119.  .       . 


70     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeiude  in  Erlangen. 

allemal  Schulden  genug  gemacht,  und  sind  alsdann  durchgegangen. 
Ich  bin  noch  von  keinera,  auBex'  einem  einzigeir,  von  dessen 
Vater  man  Wagen  und  Pferde  arretiert,  1?ezahlt  worden.  Das 
ist  der  Vorteil,  welclien  die  Stadt  zu  erwarten  hat,  Mir  scheint 
es,  als  bedienten  sich  vornehme  Katholiken  der  Neigung  Ihrer 
Durchl.,  der  Universitat  aufzuhelfen  mit  Arglist,  .und  gebenvor, 
daB  nach  verwilligtem  Gottesdienst  viele  Katholiken  hierher 
kommen  wurden^  und  nachher  werden  doch  keine  kommen.  Sie 
dlirfen  nur  erst  kommen ;  dannwiirde  sich  weiter  redenlassen". 

Am  17.  Juui  wurde  in  feierlicher  Sitzung  dariiber  beraten. 
Man  besehloB  „des  gnadigst  anbefohlene  ratliche  Gutachteu 
negative  zu  erstatten". 

Das  offenbar  mit  groBer  Sorgfalt  und  weiser  Zuruckhalturig 
ausgearbeitete  Schriftstuck^)  verwahrt  sichvor  allem  gegen  den 
etwaigen  Schein,  der  Intoleranz  das  Wort  zu  reden,  wozu  der 
Senat  niemals  Veranlassung  gegeben  habe,  erkennt  auch  die 
wohlmeinende  Absicht  des  Fursten,  mit  der  von  ihm  in  Aussicht 
geriommenen  MaBregel,  der  Universitat  forderlich  zu  sein,  dank- 
bar  an,  muB  aber  doch  davon  dringend  abraten.  Ein  Bedurfnis 
riach  einem  katholischen  Gottesdienst  ist  nicht  vorhanden;  die 
katholischen  Studierenden  sind  mit  den  bestehenden  Verhjlltr 
nissen  ganz  zufrieden.  Eine  betrachtliche  Zunahme  der  Studenteii- 
zahl  ist  nicht  zu  erwarten,  denn  die  Studierenden  pflegen 
in  der  Kegel  Universitaten  ihrer  Eonfession  vorzuziehen,  und 
das  werde  jetzt  noch  mehr  der  Fall  sein,  als  nach  Auf- 
hebung  des  Jesuitenordens  in  den  Bistiimern  Bamberg  und 
Wurzburg  sehr  viel  fiir  die  Verbesserung  der  Universitaten  und 
Schulen  geschehe.  Auch  hatten  die  Privilegien  der  Reformierten 
picht  den  Erfolg  gehabt,  daB  reformierte  Studenten  in  groBerer 
Zahl  nach  Erlangen  gekommen  waren,  und  es  konnte  auch  ein- 
treten,  daB  manche,  die  an  der  Einrichtung  des  katholischen 
Kultas  AnstoB  nehmen,  jetzt  ihre  Sohne  nicht  mehr  hierher 
schicken  wurden. 

Aber  auch  fur  den  Fall,  daB  wirklich  dadurch  mehr  Studenten 
herbeigezogen  wurden,  diirften  nach  der  Meinung  des  Senats 
die  zu  befiirchtenden  Nachteile  iiberwiegen.  Nachdem  die  Burger- 
schaft  bisher  zu  wiederholten  Malen  ihre  Privilegien,  welche  den 

1)  Beilage  Nr.  IV.  .... 


Kolde,  Die  Anfauge  einer  kalholischen  Gemeinde  in  Erlangen.     71 

katholischen  Gottesdienst  ausschlieBen,  kraftig  zu  wahren  gewuCt 
babe,  wlirde  sich  ihr  HaB  und  ihre  Erbitterung  gegen  die 
Universitat,  mit  der  man  fortwahrend  zu  kampfen  habe  und  die 
schon  raehrfacb  zu  Tumulten  und  Unruhen  gefiihrt  batten,  nocb 
vergrOfiern,  denn  man  werde  der  Universitat  vorwerfen,  daB 
die  stadtiscben  Privilegien  nur  zu  ibren  Gunsten  eingescbrankt 
w&rden,  und  dies  um  so  mehr,  als  der  kathdliscbe  Gottesdienst, 
weil  die  Universitat  daflir  keinen  Raum  babe,  docb  in  einem 
Biirgerbause  stattfinden  miiBte. 

Aucb  ware  zu  befiircbten,  dafi  in  der  Studentenschaft  Un- 
ruben  vorkamen,  denn  „bei  jungen  munteren  Kopfen"  konnten 
Spottereien  liber  die  katboliscben  Kircbengebraucbe  nicbt  immer 
verbiitet  werden,  und  aucb  die  katboliscben  Studenten  konnten 
leicbt,  wenn  einmal  katboliscber  Gottesdienst  erlaubt  ware, 
„bigotter  und  unleidlicber"  werden,  und  aucb  aus  diesen  Griinden 
konnten  evangeliscbe  Eltern  ibre  Sobne  von  Erlangen  fern- 
balten.  Zudem  sei  docb  bekannt,  daB  der  katboliscbe  Klerus 
es  nicbt  unterlassen  k5nne,  Proselyten  zu  macben,  und  seine 
Freibeit  miBbraucbe  und  namentlicb  mit  den  Reformierten  in 
scblecbtem  Einvernebmen  zu  leben  pflege.  Aus  alien  diesen 
Grunden  erklart  der  Senat  am  ScbluB  es  als  seine  Oberzeugung, 
daB  die  Einricbtung  eines  katboliscben  Privatgottesdienstes 
weder  notwendig  nocb  zutraglicb,  sondem  im  Gegenteil  dem 
Besten  und  der  Rube  der  Universitat  binderlicb  sein  wlirde. 

Diese  Eingabe  scbeint  Erfolg  gebabt  zu  baben.  Es  scbwieg 
alles  still.  Indessen  zeigte  der  Umstand,  daB  der  Markgraf 
genau  ein  Jabr  spater,  am  11.  Juli  1775  den  Katboliken  in 
Ansbacb  —  wenn  aucb  mit  sebr  rigorosen  Einscbrankungen,  von 
denen  nocb  zu  sprecben  sein  wird  —  einen  Privatgottesdienst 
gestattete  ^),  daB  in  der  Regierung  ein  anderer  Wind  webte,  und 
man  die  Lage  der  Katboliken  im  Lande  allentbalben  zu  er- 
leicbtem  gedacbte.  Und  einen  kleinen  Anfang  macbte  man 
einige  Jabre  spater  damit  aucb  in  Erlangen.  Im  Jahre  1781  nam- . 
licb  wurde  die  Kanzlei  des  frankiscben  Ritterkantons  Steigerwald 
nacb  Erlangen  verlegt,  und  man  wird  mit  Recbt  vermuten 
dttrfen,  daB  dies  nicbt  ganz  obne  die  Absicbt,  die  dortigen 
Katboliken  zu  stiitzen,  gescbeben  ist,  denn  Bamberg  und  Forcb- 

1)  Siehe  d&rttber  Beilage  Nr.  VII. 


72     Kolde,  Die  Anfange  eiuer  katbolischen  Gemeindc  in  Erlangen. 

heim  waren  gewifi  nfther  und  bequemer  gelegen,  und  der  Chef 
des  Kantons  war  der  Mann,  dem  die  Katholiken  fur  die  spater 
erlangte  Konzession  ganz  besonders  verpflichtet  zu  sein  glaubten, 
der  Geheime  Minister  Frh»  von  Seckendorf.  Jedenfalls  richtete 
die  Ritterschaft  an  den  Markgrafen  alsbald  eine  Immediat- 
eingabe,  „den  der  R5misch-katholischen  Religion  zugethanen 
Mitgliedern  ersagten  Cantons  wslhrend  ihres  jeweiligen  Aufent- 
halts  dort^elbst  die  Haltung  eines  Privat  Gottesdienstes  in  ihren 
Quartieren  durch  einen  benachbarten  katholischen  Geistlichen 
gegen  einen  jedesmalen  auszustellenden  Revers  in  Gnaden  zu  con- 
cediren".  Und  das  wurde  genehmigt  und  der  protestantischen 
Geistlichkeit  einfach  mitgeteilt,  mit  dem  Auftrag,  darauf  zu 
„vigiliren",  dafi  dabei  die  gehorigen  Schranken  inne  gehalten 
warden"  (29.  Mai  1781).^^ 

Damit  war  der  katholische  Gottesdienst  wirklich  eingezogen, 
wenn  er  auch  nur  zeitweise  gestattet  war,  und  die  Teilnahme 
daran  gesetzlich  nur  der  katholischen  Ritterschaft  zustand.  Und 
es  begreift  sich,  dafi  die  eingesessenen  Katholiken,  vor  allem 
wohl  die  teilweise  katholische  Dienerschaft  der  in  Erlangen 
residierenden  Markgraflu,  Sophie  Karoline,  der  Witwe  des  Mark- 
grafen Friedrich,  mehr  als  je  den  Wunsch  laut  werden  liefien, 
dieselben  Freiheiten  zu  genieBen,  und  nach  dem  Interesse, 
welches  die  Markgraflu  spater  an  dem  Zustandekommen  des 
katholischen  Bethauses  zeigte,  zu  schliefien,  wird  sie  ihre  Bitten 
gewifi  unterstiitzt  haben.  Und  ein  welthistorisches  Ereignis  kam 
ihnen  zu  Hilfe.  Wenige  Monate  nach  jener  Konzession  fiir  die 
katholische  Ritterschaft,  am  13.  Okt.  1781,  erliefi  der  Kaiser 
Joseph  11.  fiir  seine  Staaten  das  beriihmte  Toleranzedikt,  und 
es  ist  von  allgemeingeschichtlicher  Bedeutung,  dafi  dieses  in 
erster  Linie  zugunsten  der  Protestanten  erlassene  Edikt  bis 
nach  Franken  seine  Wirkung  ausubte  und  in  deutlich  erkenn- 
barer  Weise  den  letzten  Ausschlag  zur  Befreiung  der  Erlanger 
Katholiken  gab. 

Am  16.  Jan.  1783  beschlofi  der  Markgraf  in  Rticksicht 
„auf  den  fiir  Unsere  Universitat  und  Stadt  Erlang  hieraus 
ohnfehlbar  entspringenden  Vortheil,  vornehmlich  aber  auch  um 
Unser  Seits  zu  zeigen,  w^ie  sehr  wir  die  dem  dermaligen  Jahr- 
hundert   so  viele  Ehre  machendeu  principia   der  Toleranz  zu 


Kolde,  Die  Anfange  eincr  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.    .73 

fordern  gemeint  sein",  die  Einrichtung  eines  katholischen  Privat- 
gottesdienstes  zu  gestatten.  Der  Minister  Frh.  von  Seckendorf 
erhielt  den  Auftrag,  bei  einer  pers5nlichen  Anwesenheit .  in 
Erlangen  iiber  die  Zahl  und  Leistnngsfahigkeit  der  katholischen 
Einwohner  Erkundigungen  einzuziehen  nnd  auf  Grand  von  Ver- 
handlungen  mit  Universitat  und  Amtshauptmannschaft  iiber  das 
„Qaomodo"  der  Konzession  „ein  standhaftes  Gutacbten"  ab- 
zugeben.  Von  vornherein  war  in  Aussicht  genommen,  die  Ans- 
bacher  Konzession  mit  ihren  Beschrankungen ,  die  zu  diesem 
Zweck  der  Universitat  inAbschrift  mitgeteilt  wurde,  zugrunde 
zu  legen.  Am  10.  Februar  1783  trat  der  akademische  Senat  daruber 
in  Beratung.  Da  die  Sache  an  sich  bereits  entschieden  war,  ver- 
wies  man  zwar  in  dem  ah  dem  gleichen  Tage  an  den  Minister 
abgelassenen  Schreiben  auf  „die  unterthanigste  Vorstellung"  vom 
Jahre  1774,  war  aber  klug  genug,  anzuerkennen,  daB  haupt- 
sachlich  durch  die  den  Catholiken  in  Anspach  vorgeschriebene 
Norm,  welche  auch  hier  eingefiihrt  werden  soUe,  ,.jene  damals 
vorgerufene  Bedenklichkeit  beseitigt  werde".  Im  iibrigen  be- 
gnttgte  man  sich,  den  Wunsch  auszusprechen,  erstens  daB  der 
Privatgottesdienst  aufier  der  Stadt  in  einer  Vorstadt  exerziert, 
zweitens  ein  Weltpriester  und  zwar  ein  solcher,  der  nicht  nur 
iiberhaupt  friedfertig  gesinnt  sei,  sondern  insbesondere  mit  der 
Akademie  ein  gutes  Einvernehmen  zu  unterhalten  habe,  berufen 
werde,  und  daB  drittens,  was  die  Krankenkommunionen  an- 
belange,  der  katholische  Geistliche  wie  bisher  den  betreffenden 
evangelischen  Geistlichen,  in  dessen  Bezirk  er  amtieren  wolle, 
darum  begrUBen  und  einen  Severs  ausstellen  soUe^). 

Ganz  anders  urteilte  der  Professor  Pfeiffer,  der  in  seiner 
Eigenschaft  als  Superintendent  der  Erlanger  Diozese  auch  zu 
einem  Gutachten  aufgefordert  war.  Der  alte  Herr,  er  war 
schon  1709  geboren  und  starb  1787,  war  der  letzte  konfessionelle 
Lutheraner  alten  Schlages,  den  Erlangen  noch  besafi.  Es  war 
einsam  um  ihn  gewoi'den,  vergeblich  kampfte  er  in  zahlreichen 
Schriften  gegen  die  beginnende  Aufklarung  und  konfessionelle 
Gieichgftltigkeit.  Die  Studenten  batten  ihn  schon  verlassen*), 
aber  er  behauptete  seinen  Standpunkt.    Bei  ihm  horen  wir  zum 

1)  S.  Beilage  Nr.  V. 

2)  Vgl.  Fiken8cher,Voll8t.ak.GelehrteiiGesch.  Niirnb.1806.  S.16f. 


74     Kolde,  Die  Anfltnge  einer  katbolischen  Geir.elnde  in  Erlangen. 

letzten  Male  recht  scharfe  Worte  gegen  den  Katholizismus. 
Sein  Gutachten  war  durchaus  ablehnend.  Die  hochfiirstliche ' 
Versicherung  von  1711,  „daB  in  Erlangen  nur  die  Protestanten, 
die  Evangelischen  und  die  Reforraierten  das  freie  Religions- 
exerzitium  nnd  den  5ffentlichen  Gottesdienst  haben  sollten," 
wird  nur  vorubergehend  erwafint.  Wichtiger  konnten  seine 
andern  Argumente  erscheinen.  Er  erinnert  daran,  und  es  ist 
bezeichnend,  daU  all-in  der  Theologe  die  politische  Tragweite 
des  beabsichtigten  Schrittes  betont,  dafi  mit  der  Zulassung 
r5mischen  Gottesdienstes  und  eines  Priesters,  wo  diese  bisher 
nicht  waren,  „einer  neuen  geistlichen  Obrigkeit  auch  zugleicli 
eine  Gewalt  in  dem  Staat  eingerRumt  werde,  wo  vorher  das 
summum  ius  circa  sacra  dem  Landesherrn  allein  zustande"  ^). 
Es  sei  auch  bekannt,  wie  das  Papsttum,  wenn  ihm  etwas  ein- 
geraumt  sei,  immer  weiter  greife  und  sich  mehr  anmafie,  und 
es  dann  sehr  schwer  halte,  der  geistlichen  Gewalt  Schranken 
zu  setzen  und  die  eigenen  hochsten  Rechte  aufrecht  zu  erhalten. 
Es  fehle  auch  nicht  an  Beispielen,  dafi,  wo  die  Gnade  des 
Landesherrn  den  Katholiken  einen  Ort  zu  ihrem  Gottesdienst, 
jedoch  auf  Widerruf  eingeraumt  hatte,  ,,nachnialen,  wenns  zum 
Widerruf  hat  kommen  soUen,  daraus  bei  dem  Reichstage  zu 
Regensburg  ein  gravamen  religionis  gemacht  worden".  Schon 
sei  die  Anhanglichkeit  an  das  Papsttum  so  weit  gediehen,  dafi 
man  die  evangelische  Taufe  verabscheue,  wahreud  doch  sonst 
die  drei  im  deutschen  Reiche  berechtigten  Religionen  unter- 
einander  ihre  Taufe  anerkennen  und  bei  tJbertritten  keine 
Wiedertaufe  vornehmen  — ,  „so  steht  leicht  zu  ermessen,  was 
nachmalen  erst  gescheben  werde,  wenn  sie  vollends  ihren 
eigenen  Gottesdienst  und  Priester  haben  durfen".  Dadurch 
wiirde  auch  die  Gleichgliltigkeit  in  der  Religion  bei  den  Er- 
langern  befordert  werden,  und  Gott  habe  bei  seinem  Volke  des 
Eigentums  im  alten  Testamente  dergleichen  Vermischung  sehr 
ernstlich  verboten  und  gestraft.  Zum  wenigsten  sei  die  Messe 
nach  Sinn  und  Gebrauch  des  Papsttums  eine  solche  Entehrung 
und  schn5der  Mifibrauch  des  heiligen  Abendmahls,  dafi  sie  in 

1)  Etwas  iiberraschend  ist  es,  wenn  der  Verf.,  urn  dies  zu  exempli- 
fizieren,  fortfahrt:  „wie  dann  sogar  in  den  koniglich  preu^isclien  Landen 
des  Papstes  Befehl  bei  Abschaffung  des  Jesnitenordens  darchgegriffen  hat**. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholiscben  Gemeinde  in  Erlangen.     75 

(leii  evangelischen  Glaubensbuchern  langst  verworfen  sei.  „Sollte 
es  also  wohl  ratsam  sein,  dergleichen  einzufiiliren,  woes  bisher 
Bicht  war  ?  Welches  jedoch  bei  Einrauinung  eines  Papistiscben 
Gottesdienstes  nicht  unterbleiben  wird  noch  kann". 

Gerade  diese  letzten  Ausflihrungen  ^)  werden  in  Bayreuth 
am  wenigsten  Eindruck  gemacht  haben.  Denn  dort,  wo  der 
Pietismus  langst  durch  die  Aafklarung  verdrangt  war,  war 
man  entschlossen,  sich  die  Kirchenpdlitik  Joseph  ll.  zum  Muster 
zu  nehmen,  und  die  nachste  Folge  war,  daB  „Serenissimas  zur 
oflfentlichen  Bewahrang  hochst  dero  auf  die  verniinftigen  Grund- 
satze  gebauteii  Neigung,  die  wohltatige  Duldung  in  puren 
Glaubenssachen  auf  alle  mogliche  Art  zu  befordern,"  unter  dem 
13.  April  1783  verordnete,  daB  die  den  Dispensen  zu  Ehen 
zwischen  evangelischen  und  katholiscben  Glaubensverwandten  an- 
gehangte  Bedingung,  alle  Kinder  miiBten  evangelisch  werden, 
aufgehoben  sei  und  fortan  bei  Mischehen  nach  Anleitung 
des  kaiserlichen  Toleranzediktes,  da  wo  der  Vater 
evangelisch  ware,  alle  Kinder  mannlichen  und  weiblichen  Ge- 
schlechtes  in  der  evangelischen  Religion  „zum  besonderen  Vorzug 
der  in  hochst  dero  beyden  Fiirstenttimern  herrschenden  evangeli- 
schen Religion  erzogen  werden,  wenn  aber  die  Mutter  evangelisch, 
der  Vater  hingegen  katholisch  w^re,  die  Kinder  in  Ansehung 
der  Religion,  in  welcher  sie  zu  erziehen  waren,  dem  Geschlechte 
ihrer  Eltern  folgen  soUten".  Daraufhin  bestiramte  das  Bay- 
reuther  Konsistorium  unter  dem  18.  Juni  1783,  daB  bei  Kindern 
katholischer  Eltern  bei  dem  nach  der  Taufe  zu  sprechenden 
Dankgebete  statt  der  Worte:  „in  reiner  evangelischer 
Lehre"  etc.  nur  der  Ausdruck  „in  der  christlichen  Lehre" 
gebraucht  werden  soUe^). 

Nachdem   so  die  katholische  Kindererziehung   freigegeben 

1)  Es  fehlt  in  dem  am  14.  Febr.  1783  dem  Frh.  v.  Seckendorff  zu- 
gegangenem  Gutachten  natiirlich  auch  nicht  an  dem  Hinweis  auf  den  zu 
erwartenden  Ausfall  an  den  der  protestantischen  Geistlichkeit  bisher 
rechtlich  zustehenden  Stolgebtihren,  „wenn  aUe  in  der  Erlanger  Diozese 
lebenden  Eatboliken  sich  nunmehr  zum  katholiscben  Geistlicben  balten 
wUrden,"  und  wir  erfahren  dabei  u.  a.,  dafi  „der  Syndiaconus  ohne  alle 
Besoldung  blo6  auf  die  Accidentia  verwiesen  .  ist  und  allermeist  davon 
mit  den  Seinigen  leben  muB**.    (Erl.  Dekanatsakten.) 

2)  £rl.  Dekanatsakten. 


76     Kolde,  Die  An^nge  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

war,  muBte  jetzt  auch  den  katholischen  Einwohnern  die  Moglich- 
keit  gewahrt  werden,  eigenen  Kultus  zu  haben,  und  wenn  man 
dies  nicht  sogleich  tat,  geschah  es  wohl  deshalb,  weil  man  nicht 
zu  viel  auf  einmal  gewahren  und  zuerst  beobachten  wollte, 
welche  Wirknng  die  genannte  groBe  Konzession  auf  die  evan- 
gelische  Bev5lkerung  haben  wiirde.  Leider  ist  uns  dariiber 
gar  nichts  erhalten.  Aber  ich  vermute,  dafi  die  lutherische 
Gemeinde,  wie  die  Reformierten,  unter  denen  der  ursprttngliche 
schroffe  Calvinismus  langst  erweicht,  und  deren  Zahl  sehr 
zusammengeschmolzen  war,  so  dafi  die  Obrigkeit  aufihreStim- 
mung  gar  keine  Riicksicht  mehr  genommen  zu  haben  scheint  ^), 
jetzt  die  Sache  ohne  jede  Erregung  aufgenommen  wird.  Urn  so 
groBere  Anstrengungen  werden  die  Katholiken  jetzt  gemacht 
haben,  das  seit  Jahrzehnten  erstrebte  Ziel,  das  mehr  als  einmal 
ganz  nahe  geruckt  schien,  nun  wirklich  zu  erreichen. 

Aber  erst  am  31.  Marz  1784  erhielten  sie  provisorisch 
bis  zur  Ausfertigung  einer  formlichen  Konzessionsurkunde  in 
widerruflicher  Weise  die  Erlaubnis,  in  einem  in  der  Altstadt 
Erlang  zu  mietenden  Privathause  oder  Gemach  in  der  Stille 
zusammen  zu  kommen  daselbst  bei  „eingefallten"  (verschlossenen) 
Tiiren  mit  Singen,  Beten,  Lesen,  Me6  und  Predigthoren,  wie 
auch  mit  Haltung  der  Kommunion  ihren  Privatgottesdienst  zu 
tiben  und  hierzu  einstweilen  auf  ihre  Kosten  einen  benach- 
barten  Weltpriester  anzunehmen,  der  jedoch  schriftlich  vorher 
die  Erlaubnis  des  Piirsten  nachzusuchen  habe,  und  wenn  er  einen 
Kranken  v6rsehen  woUe,  jedesmal  unter  Namhaftmachung  des- 
selben  die  Genehmigung  der  Amtshauptmannschaft  erbitten  miisse. 
Zugleich  wurden  die  Katholiken  aufgefordert,  „sich  ausdrlicklich 
zu  reversieren,"  aus  dieser  Gnade  keinerlei  Recht  abzuleiten  ^). 

Inzwischen  war  schon  alles  vorbereitet  worden,  so  daB 
bereits  am  11.  April  1784  die  erste  Messe  in  Erlangen 


1)  In  den  Protokollen  der  PresbyterialsitzuDgen  der  franzOsisch- 
reformierten  Gemeinde  findet  sich  keine  Spnr  davon,  dafi  eie  urn  ihr  Gnt- 
achten  angegangen  warden,  und  als  dem  Consistoire  endlich  am  19*Dez. 
1785  eine  Abschrlft  der  Konzessionsurkunde  mitgeteilt  worden  war,  wurde 
sie  in  der  Sitzung  vom  5.  Jan.  1786  einfach  verlesen  und  zu  den  Akten 
genommen.    Siehe  Beilage  Nr.  If.  . 

2)  Beilage  VI. 


Rolde,  Die  Anf^nge  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.     77 

gelesen  werden  konnte,  und  zwar,  und  das  zeigt  das 
.  Entgegenkomraen  der  Erlanger  Burgerschaft,  nicht  in  einem 
gemieteten  Raume,  sondern  im  grofien  Saale  des  AltstMter 
Rathanses. 

Nach  weiteren  Verhandlungen  wurde  dann  den  Katholiken 
am  30.  Jan.  1785  endlich  die  offizielle  Konzessionsurkunde 
erteilt^),  worauf  ibre  Deputierten,  Joseph  ThaddaiLeiderer, 
katholischer  Geistlicher,  Louis  Abeille,  Johann  Michael 
Strobel,  Franz  Rohrbach,  Kammerlaquai^),  am  26.  August 
den  geforderten  Revers  unterschrieben  und  darin  gelobten,  allem 
unverbrfichlich  nachzukommen  und  diesen  Revers  alle  funf  Jahre 
zu  erneuem. 

Der  dadurch  geschaffene  Rechtszustand,  der  in  vielen  Be- 
stimmungen  mit  denen  des  5sterreiehischen  Toleranzediktes  zu- 
sammenklingt,  aber,  weil  das  gleiche  schon  1775  flir  Ansbach 
festgesetzt  war,  von  ihm  unabhangig  ist,  war  nun  dieser.  Es 
war  den  Katholiken  nur  ein  Privatexerzitium  ihrer  Religion 
gestattet,  und  jeder  Versuch,  dieses  zu  offentlicher  Religions- 
iibung  weiter  auszubilden,  sollte  ausgeschlossen  sQin.  Sie  durften 
zwar  zu  gottesdienstlichen  Zwecken  ein  Privathaus  errichten, 
das  aber  nicht  die  Form  einer  Kirche  Oder  Kapelle  haben  diirfe. 
Im  Innern  war  nur  die  Aufstellungeines  Altars  gestattet.  Der 
Gebrauch  einer  Glocke  war  untersagt,  ebenso  die  Aufstellung 
einer  Orgel,  eines  „sogenannten  Krippeleins"  oder  des  Grabes 
Christi,  und  der  Gottesdienst,  zu  dem  das  Zusammenlaufen  des 
katholischen  Landvolkes  aus  der  Umgegend  zu  verhindern  ist, 
hat  „bei  zugemachten  Ttiren"  stattzuflnden. 

Nur  die  katholischen  Beisafien  (also  nicht  der  Bischof) 
,  durfen  unter  Vorschlag  von  zwei  oder  drei  Weltpriestern  nm  die 

1)  Siehe  den  Wortlaut  der  Urkunde  Beilage  Vll. 

2)  Es  ist  interessant,  dafi  zwei  der  Deputierten  und  spateren  Kirchen- 
Yorsteher  zur  markgraf  lichen  Dienerschaft  gehorten,  denn  auch  Louis 
Abeille,  dessen  Frau  ,,  WeiBzeugfrau**  der  Markgrafin  war,  fnngierte  als 
Eammerdiener.  (Vgl.  L.  Freyesleben,  Das  jetzt  lebende  Erlangen. 
Erl.  1775,  S.  2.)  Strobel  war  Seifensieder.  Mit  ihm,  der  aus  Neumarkt 
in  der  Oberpfalz  stammte,  hatte  der  Magistrat  am  23.  Jan.  1778  zu 
verhandeln,  weil  er,  urn  von  seinen  Eltem  nicht  enterbt  zu  werden, 
sein  Kind  nicht  evangelisch  erziehen,  sondern  in  seine  Heimat  schicken 
wollte. 


78     Kolde,  Die  Anfangc  einer  katholischen  Gemeindc  in  Erlan^en* 

Einsetzung  eines  Geistlichen  bitten,  den  der  Fiirst  beruft  und  Veiv 
pflichten  lafit.  Seine  Tatigkeit  beschrankt  sich  auf  den  Gottes* 
dienst  im  Bethause  mit  Messe,  Beichthoren  und  Abendmahls- 
verwaltung.  AUe  Kasualien,  Taufen,  Trauungen  und  Begrab- 
nisse  mit  Ausnahme  einer  etwaigen  Uberfiihrung  einer  Leiche 
nach  auswarts,  in  welchem  Falle  er  die  Leiche  ohne  alle  Pro- 
zession  in  einer  Chaise  begleiten  mag,  sind  nach  wie  vor  vt)n 
der  evangelischen  Geistlichkeit  zu  voUziehen.  SoUen  Kranke 
in  ihren  Hausern  mit  den  Sakris  versehen  werden,  so  hat 
jedesmal  die  Amtshauptraannschaft  (also  nicht  wie  friiher  die 
evangelische  Geistlichkeit)  die  Erlaubnis  dazu  zu  erteilen/  „das 
sogenannte  Venerabile  wie  auch  die  Rosenkranze,  dtirfen 
niemals  5ffentlich  iiber  die  StraBe  getragen  werden,  auch  darf 
weder  aufierhalb  noch  innerhalb  des  Bethauses  eine  Pro- 
zessiongehalten  werden,  Dem Geistlichen,  dersich  jeder- 
zeit  einer  weltlichen  Kleidung  zu  bedienen  hat  und 
wie  alle  anderen  Untertanen  der  Polizei-,  Zivil-  und  Kriminal- 
landes  unterworfen  ist,  und  sich  auf  keine  sonstige  Subjektion 
und  Dependenz  berufen  darf,  ist  es  gestattet,  mit  einem  zu 
diesem  Zweck  anzustellenden  Kantor  den  katholischen  Kindern 
Religionsunterricht  zu  erteilen,  nicht  aber  eine  offentliche  Schule 
zu  halten  oder  halten  zu  lassen,  und  der  Furst  behalt  sich  fiir 
sich  und  seine  Nachfolger  ausdriicklich  das  Recht  vor,  den 
ganzen  katholischen  Gottesdienst  eventuell  wieder  aufzuheben,  in, 
welchem  Falle  es  den  Katholiken  erlaubt  sein  soUe,  das  selbst- 
gebaute  Bethaus  zu  verkaufen. 

Das  waren  nach  uuserer  heutigen  Auffassung  sehr  rigorose 
Bestimmungen,  aber  im  Vergleich  zu  dem  Verbal  ten  gegen  die 
Protestanten  von  seiten  der  katholischen  Regierungen  in  den 
Nachbarlandern,  namentlichin  Bayern^),  waren  sie  relativ  weit- 
herzig,  und  sie  wurden  sicher  von  den  Katholiken  Erlangens 
als  groBe  Errungenschaft  angesehen.  Sie  waren  indes,  wie  das 
so  haufig  bei  staatlichen  Bestimmnngen  gegeniiber  der  katholischen 
Kirche  zu  beobachten  ist,  ohne  jedes  Verstandnis  fiir  das  Wesen 
des  Katholizismus  aufgestellt.  Es  war  unmoglich,  sie  genau 
inne  zu  halten. 


1)  Vgl.  Th.  Kolde,  Dasbayerische.Religionsedikt.  2.  A.  Erlangen 
1903. 


Kolde,  Die  Aofange  eincr  katholischen  Gcmeinde  in  Erlangen.     79 

Die  evangelische  Geistlichkeit,  die  den  wenig  erfreulichen 
Auftrag  erhalten  hatte,  auf  etwaige  Uberschreitangen  „zu 
vigilieren",  und  sich  dieser  Aufgabe  pflichtraafiig  unterzog,  hatte 
nach  kurzer  Zeit  aaf  Verschiedenes  aufmerksam  za  machen. 
Nicht  nur,  daB  man  alsbald,  noch  im  Altstadter  Rathause  eine 
Orgel  aufgestellt  und,  wie  man  wissen  woUte,  auch  am  Kar- 
freitage  gegen  das  ausdriickliche  Verbot  ein  „Grab  Christi"  ge- 
zeigt  hatte  ^),  die  Gottesdienste  wurden  nicht  bei  zugemachten 
Tiiren  gehalten,  das  Zusammenstomen  der  Katholiken  auch  aus 
dem  Bambergischen,  wurde  nicht  gehindert,  und  der  katholische 
Geistliche  sprach  auch  von  den  Katholiken  in  den  zur  Altstadter 
Pfarrei  gehorigen  Ortschaften  Bubenreuth,  Rathsberg,  Atzelsberg 
als  von  seinen  Eingepfarrten  und  zog  ihre  Kinder  zu  seinem 
Unterricht  heran^).  DaB  dies  untersagt  worden  ware,  horen  wir 
nicht,  und  als  ein  mit  einer  Evangelischen  verheirateter  Katholik 
unter  Berufung  auf  die  Tolerierung  des  katholischen  Gottes- 
dienstes  seinen  Sohn  aus  der  evangelischen  Schule  nahm,  und 
die  evangelische  Geistlichkeit  anfragte,  ob  nicht,  da  eine  Be- 
stimmung  daruber  in  der  Konzessionsurkunde  fehle,  die  Frage 
der  Kindererziehung  nach  der  Deklaration  von  1711  zu  ent- 
scheiden  sei,  resolvierte  Sereni^simus  unter  dem  25.  Jan.  1787, 
der  evangelisch-lutherischen  Geistlichkeit  ibren  „Irrwahn"  zu 
nehmen,  und  bestimmte  am  3.  April,  daB  die  einschlagigen 
Festsetzungen  der  Deklaration  d.urch  die  Konzession  an  die 
Katholiken  aufgeboben  seien,  und  es  hinsichtlich  der  Kinder- 
erziehung bei  der  friiher  besprochenen  Verordnung  vom  Jahre  1783 
sein  Bewenden  haben  solle^). 

Auch  die  alleinige  Oberherrlichkeit  des  Markgrafen  uber 
das  katholische  Kirchenwesen  lieB  sich  nicht  aufrecht  erhalten, 
denn  schon  bei  der  ersten  ordentlichen  Anstellung  eines  Kuratus 
im  Jahre  1786  —  es  war  der  uns  schon  bekannte  Joseph 
Thaddaeus  Leiderer  —  zeigte  sich,  daB   nach  Lage  der  Dinge 


1)  Das  Btellte  sich  als  nicht  ganz  richtig  heraus.  Man  hatte  nur 
auf  ein  am  Boden  ausgebreitetes  Tuch  ein  Kruzifix  gelegt. 

2)  Entwurf  eines  Schreibens  der  evangelischen  Geistlichkeit  vom 
14.  Marz  1787  an  den  Amtshauptmann  Geh.  K.  Baron  von  Pollnitz.  (Erl. 
Dekanatsakten.) 

3)  Erl.  Dekanatsakten. 


80     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemoinde  in  Erlangen. 

die  Mitwirkung  des  Bischofs  nicht  zu  vermeiden  wer.  Man 
einigte  sich  dahin,  daB  der  Bischof  von  Bamberg  dem  Mark- 
grafen  drei  Kleriker  zur  Auswahl  vorschlug,  dafiir  aber  zu 
seiner  Besoldang  200  Gulden  zu  zahlen  hatte,  w^^hrend  von 
seiten  des  Markgrafen  300  Gulden  zugeschossen  wurden.  Von 
Bamberg  aus  wurde  auch,  und  zwar  im  Jahre  1787,  der  erste 
katholische  Schullehrer  nach  Erlangen  geschickt,  den  der  Bischof 
allein  mit  200  Gulden  besoldete,  wozu  die  Regierung  noch 
2  Klafter  Holz  bewilligte^). 

So  war  der  Fortbestand  der  katholischen  Seelsorge  ge- 
sichert.  Und  unmittelbar  nach  Empfang  der  Konzession  begann 
man  auch  mit  der  Vorbereitung  zum  Bau  eines  Bethauses  und 
eines  Schulhauses,  denn  auch  dieses  war  von  vornherein  beab- 
sichtigt,  obwohl  in  der  Konzession  davon  nichts  zu  lesen  war. 
Natariich  muBte  dazu  die  Beihilfe  der  auswartigen  Glaubens- 
genossen  erbeten  werden,  und  die  Kirchenvorsteher  entfalteten 
in  dieser  Beziehung  eine  sehr  energische  Tatigkeit  und  wandten 
sich  bis  an  den  Kaiser,  der  ihnen  auch  wirklich  eine  Beisteuer 
sandte  und  Kollekten  bewilligte.  Der  Reichsritterkanton  Steiger- 
wald,  dem  sie  u.  a.  auseinandersetzten,  daB  „die  gnadigen 
Herrn  Mitglieder  und  die  kunftig  hier  studierenden  jungen 
Herrn  Cavaliers  durch  Ersparung  der  Reisekosten  an  entfernte 
Orte  ihren  Beitfag  wieder  erhalten  wurden",  gewahrte  mehr 
als  400  Gulden 2).  Der  Bischof  von  Wlirzburg  und  Bamberg 
lieB  unter  dem  22.  Febr.  1787  in  seinem  ganzen  Gebiete  eine 
Kollekte   ftir  den   Kirchbau   ausschreiben.     Und   obwohl   man 


1)  AuBerdem  erhielt  er  von  der  Markgrafiichen  Begierung  noch 
4  Schock  Wellen,  und  von  der  Kirchenadministration  90  Gulden  nnd 
GO  Gulden  zur  Hausmlete.  Der  Kirchner  erhielt  7  Gulden  Besoldung, 
hatte  aber  das  Recht,  „am  neuen  Jahre  bei  den  Mitgliedern  der  Ge- 
meinde  ura  eine  milde  Gabe  zu  sollicitieren'*.  Diese  Angaben  beruhen 
lediglich  auf  Notizen  des  Kuratus  Rebhahn  aus  dem  Jahre  1812,  aaf 
Grund  deren  das  Polizeikommissariat  zu  Erlangen  am  24.  Nov.  1812  an 
das  Generalkommissariat  des  Rezatkreises  nach  Ansbach  berichtete.  (Acta 
des  kgl.  Poiizeikommissariats  Erlangen  die  katholische  Pfarrei  allhier 
betr.  1812/47  im  Stadtarchiv  in  Erlangen.) 

2)  Erwahnt  zu  werden  verdient,  daC  die  Ritter  vom  Steigerwald, 
woran  der  Frh.  v.  AufseB  in  einem  Zirkular  erinnert,  auch  an  die  Aug's- 
burger  Religionsverwandten  in  Wien  seiner  Zeit  einen  namhaften  Beitrag* 
geschickt  hatten. 


Kolde,  Die 'Anfaiige  einor  katholischen  Gemeibde  in  Erlangem     Si 

damals  fast  alien thalben  iibef  schwere  Zeiten  kla^e  und'des- 
halb  nicht  mehr  geben  zu  konnen  bedauerte,  sind  die  aus  der 
Bamberger  Diozese  groBtenteils  noch  erhaltenen  Listen  ivber 
die  abgefiihrten  Beitrage  ein  scliones  Zeichen  groBer  Opfer- 
willigkeit.  Aus  der  Umgegend  zelchnete  sich  besonders  die 
Gemeinde  Eggolsheim  aus,  dessen  Kuratus  J.  V.  Felsecker 
unter  Hinweis  auf  „die  gegenwartige  Geldklemme"  36.  Gulden 
56  Kreuzer  ablieferte,  aber  zugleich  dem  Bischof  berichten  konnte, 
dafi  seine  Gemeinde  auf  dringendes  Ansuchen  der  Erlanger  audi 
noch  Eiehstamme  zur  Herstellung  der  Kirchenstuhle  liefern  urid 
sogar  auf  eigene  Kosten  in  die  vom  Baumeister  anzuweisende 
Sagemiihle  abfiihren  woUe  ^).  Auch  die  in  der  Wiirzburger  Diozese 
aasgeschriebenen  KoUekte  fiel  so  reichlich  aus,  dafi  die  geistliche 
Regierung  den  Vorschlag  machte,  einige  100  Mark  fur  eine  in- 
landische  Kirche,  z.  B.  die  sehr  bediirftige  zu  Neuses  zurtick- 
zubehalten,  aber  der  Bischof  entschied,  daB  der  ganze  Ertrag  von 
871  Gulden  9  Kreuzer  rb.  nach  Erlangen  geschickt  werden  soUte*). 
Am  23.  April  1787  wurde  der  Grundstein  zum  Bethause 
gelegt  und  am  29.  Juni  1790  konnte  es  in  Gegenwart  der  ver- 
witweten  Markgrafin  Sophie  Karoline,  die  die  vier  Eingangs- 
tliren  gestiftet  hatte,  bezogen  werden.  Dem  Festakte,  bei  dem 
der  Kuratus-Jph.  Georg  Saner,  der  am  3.  April  1787  an 
Leiderers  Stelle  getreten  war,  fungierte,  wohnten  auch  aus- 
wartige  Geistliche  bei,  so  der  Propst  von  Neunkirchen,  der 
Prases  des  Deutschordenshauses  in  Niirnberg  und  die  Pfarref 
von  Hochstadt  a.  d.  Aisch  und  Herzogenaurach  ^).   Wie  die  Vor- 

1)  Kreisarch.  in  Bamberg.  2)  Ereisarch.  in  Ntirnberg.  S.  R*,  Nr.  1655 f, 
3)  DieseAngaben  entnehme  ich  Lammers  Gesch.  d.  Stadt  Erlangen 
3.  Ausg.  Erlangen  1843,  S.  140  und  Stein  und  Milller,  Geschichte  von 
Erlangen.  Erl.  189B,  S.  148  f,  die  beide  keine  QneUen  angeben.  Die 
Erlanger  „Real  Zeitung""  vom  25.  Juni  1790  (der  betreffende,  wie  es  scheint 
einzig  erLaltene  Jahrgang  im  Besitz  des  Herrn  Hof-  und  Universitats- 
buchdrucker  Junge  dabier)  enthalt  folgendes  Inserat:  ,,Erlangen,  den 
21.  Junius  1790:  Durcb  die  Hilfe  und  denB)Bistand  Gottes  und  durch  die 
UnterstQtzung  hdchst  iin8er0  Durchlauchtigsten  gnsidigsten  Landesfiirsten 
Bowohl,  als  anderer  allerh()chsten,  hiichsten,  hohen  und  niedern  Gonner 
und  Wohlthater,  ist  es  mit  dem  biesigen  neuerbauten  katholischen  Gotteis* 
bause  so  weit  gekommen^  daB  den  29.  dieses,  als  am  Tage  Petri  und 
Pauli  der  erste  Gottesdienst  darin  wird  gehalten  werden.^  Es  ist  demnach 
fraglich,  ob  eine  richtige  kanonische  Weihe  damals  vorgenommen  wurde< 

Beitrage  sur  bayer.  Kircheugcsckichte  XII.  3.  g 


82     Kolde,  Die  AnfSnge  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

schrift  gebot,  erinnerte  auBer  der  Inschrift  Soli  Deo  Gloria, 
die  an  dem  Giebelaafsatz  iiber  der  Haapttiir  zn  lesen  war,  in 
der  Tat  nichts  an  eine  Kirche,  sonst  war  es  ein  einfacher, 
aber  nicht  unwiirdiger,  im  Stil  der  ausgehenden  Markgrafenzeit 
errichteter  Saalbau,  an  dem  nnr  eines  stOrend  anffallt,  namlich 
daU  die  nnteren  Fenster  vermanert  oder  richtiger  nur  markiert 
waren^).  Ubrigens  hatte  man,  obwohl  einer  der  Kollektenre,  der 
Kammerlakai  Franz  Eohrbach,  den  wir  1785  unter  den  Kirchen- 
vorstehern  antreffen,  mit  dem  von  ihm  gesammelten  Gelde  durch- 
ging*),  so  viel  znsammengebracht,  dafi  man  bereits  1787  ein 
Kii'chenararium  mit  2685  Gulden  bilden  konnte^). 

Schon  1786  erschien  wahrscheinlich  noch  von  Kuratns 
Leiderer  zusammengestellt,  das  erste  ftir  den  katholischen  Kaltas 
in  Erlangen  bestimmte  Schriftchen:  „Gesange  znm  Amte  der 
heiligen  Messe  sammt  dem  Gesange  vor  der  Predigt"*).  Im 
Jahre  1798  gab  der  damalige  „Seelsorger  bey  der  katholischen 
Gemeinde",  wie  er  sich  nannte,  Ludwig  Busch,  der  1793  die 
Kuratie  ubernommen  hatte,  ein  eigenes  Gesangbuch  mit316Liedern 
heraus,  die  er  mit  riihrender  Unbefangenheit  von  iiberall  her 
gesammelt  hatte,  so  daU  sich  nicht  weniger  als  30  Lieder  von 
protestantischen  Liederdichtern  darin  vorfanden^).  Die  zehn- 
jahrige  Wirksamkeit  dieses  friedliebenden  Mannes,  der  besonders 
fftr  die  Einftihrung  der  dentschen  Sprache  im  Gottesdienst  ein- 

1)  Vor  mir  liegt  eine  hiibsche  farbige  Zeichnung  des  GebaudeS| 
deren  Einsicht  ich  der  Gtite  des  Herrn  Stadtpfarrers  Galster  verdauke^ 
Yon  dem  ich  anch  die  Liste  der  Erlanger  Kuraten  erhalten  babe. 

2)  Das  berichtet  ohne  Quellenangabe  Lammers  a.  a.  0. 

3)  Stadtarcbiv  in  Erlangen. 

4)  Erlangen  bei  J.  M.  St.  (wohl  der  Seifensieder  und  Eirchen- 
Yorsteher  Johann  Michael  Strobe!)  1786.  Das  sehr  selten  gewordene,  nur 
8  Blatter  nmfassende  Schriftchen  in  meiner  Bibliothek. 

5)  Christliche  Religionsgesange  zur  Bef5rdernng  wahrer  Tugend  nud 
GottesYerehrung  znm  Gebrauche  bey  dem  5fifentlichen  Gottesdienste  der 
Eatholiken  Erlangens  zum  Beaten  der  katholischen  Gemeinde  daselbst 
and  in  Kommission  bei  Johann  Jakob  Palm  1798.  Aus  dem  Jahre  1801 
stammt  seine  „Dankpredigt  nach  dem  Erntefest  den  4.  Okt.  1801  im 
ersten  Jahre  des  allgemeinen  Reichsfriedens,  gehalten  und  herausgegeben 
Yon  Ludw.  Bnsch,  Prediger  und  Seelsorger  bei  der  katholischen  Gemeinde 
dahier.  Znm  Besten  einer  neuen  Orgel".  12  Kreuzer.  —  Diese 
Schrift  kenne  ich  nur  aus  dem  Inserat  im  Erlanger  Intelligenzblatt  Yom 
12.  Okt.  1801. 


Koldo,  Die  AnVinge  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.     83 

trat^),  und  dem  seine  Preunde  „besondere  Anlage  fur  acht 
religiose  PrSmmigkeit"  nachriihmten,  und  der  ein  typischei* 
Vertreter  der  damaligen  katholischen  Aufklarung  war,  durfte 
das  meiste  dazu  beigetragen  haben,  den  Eatholizismus  in  Er- 
langen  einzubiirgern.  Und  da  auf  der  andem  Seite  jetzt  die-" 
selbe  Stimmung  herrschte,  so  lebten  die  beiden  Konfessionen 
Medlich  nebeneinander,  und  wenn  auch  die  von  der  Duldung  des 
katholischen  Gottesdienstes  erwartete  Hebung  der  Studentenzahl 
niemals  eintrat,  so  war  doch  die  Zahl  der  Katholiken  in  Er- 
langen durch  Zuzug  von  auBen  in  langsamem  Steigen  begriffen. 
Aber  die  politischen  Ereignisse  brachten  die  Gemeinde  zeit- 
weise  in  schwere  flnanzielle  Bedrangnis.  Nachdem  Bamberg 
schon  1802  Bayern  einverleibt  worden  war,  erklarte .  die  Re- 
gierung  im  Jahrel807,  „daB  man  nicht  mehr  gesonnen  sei,  ftir 
im  Auslande  angestellte  Subjekte  zu  zahlen".  Der  Kuratus  Joh. 
Baptist  Rudelt,  der  1803  auf  Busch  gefolgt  war,  und  der  Schul- 
lehrer  verloren  dadurch  den  Bamberger  ZuschuB  von  je  200  Mark, 
gaben  den  Dienst  auf  und  gingen  ins  Bambergische  zuruck. 
Die  Vakanz  scheint  jedoch  nicht  lange  gewahrt  zu  haben  und 
die  Besoldung  des  neuen,  vom  Bischof  gesandten  Kuratus  Reb- 
han,  wie  die  des  neuen  Schullehrers  wurde  nach  kurzer  Zeit 
ganz  von  der  Bayreuther,  d.  h.  jetzt  preufiischen  Regierung 
ubemommen,  und  eine  neue  Zeit  begann  mit  dem  iJbergang 
des  Fiirstentums  Bayreuth  an  die  Krone  Bayern  im  JahrelSlO. 
Nun  wurden  auch  die  Erlanger  Katholiken  der  Segnungen  des 
bayerischen  Religionsedikts  vom  Jahre  1803  teilhaftig,  und  die 
erste  Polge  war,  daB  ihnen  jetzt  das  ausdrticklich  gewahrt 
wurde,  was  sie  am  moisten  begehren  muBten,  namlich  ihre 
kirchlichen  Handlungen  als  Taufen,  Trauungen  und  Begr^bnisse 
von  dem  eigenen  Geistlichen  und  nicht  mehr  dem  protestantischen 
voUziehen  zu  lassen.    Und  endlich  am  14.  Marz  1812  fiel  die 


1)  Er  Bchrieb  auch:  Liturgischer  Versuch  oder  deuteches  Ritualbuch 
far  katholische Kircben.  Erlangen  1803.  2.  Aufl.  1810.  Vgl. W.Baumker, 
Das  katholische  deutsche  Kirchenlied  IIT.  Bd.,  S.  lllff.  und  H.  Weber, 
Der  Eirchengesang  im  Flirstbistum  Bamberg.  K6ln  1893,  S.  57  f.  Busch 
wurde  nach  der  Allg.  deutsch.  Biogr.  am  23.  April  1765  zu  Bamberg  geboren, 
wurde  1793  Seelsorger  in  Erlangen,  1803  Pfarrer  in  Weismain;  spater 
auch  Dechant  des  Kapitels  Lichtenfels  und  1818  Pfarrer  in  Schefilitz,  wo 
er  am  30.  Jul!  1822  starb. 

6* 


64     Koldc,  Die  Anfange  einer  katholiscben  Qemeinde  in  Erlangen. 

letzte  Abhaugigkeit  von  den  Protestanten,  indem  durch  kgl. 
Verordnung  die  noch  bestehende  Verbindlichkeit,  die  Stolgebfihren 
an  die  evangelische  Geistlichkeit  zii  zahlen,  aufgehoben  wurde. 
Da  diese  gegen  die  Verkiirzung  ihres  Einkommens  Vorstellung 
erhob,  sah  sich  die  Ansbacher  Regierung  Ende  des  Jahres  ver- 
anlaUt,  der  deflnitiven  Regelung  der  Verhaltnisse  naher  zu  treten. 
Es  wnrde  festgestellt,  dafi  die  Zahl  der  zum  Knratus  in 
Erlangen  sich  baltenden  Katholiken  500—510  betrug  —  „nebst 
einigen  Staatsdienern,  Honoratioren  und  Studierenden,  groBten- 
teils  Handwerksleute,  Bauern  und  Taglohner**  — ,  woven  294  in 
der  Stadt,  die  tibrigen  „in  3  zur  Altstadt  eingepfarrten  DSrfern" 
wohnteu.  Die  Zahl  der  Schulkinder,  die  in  einem  von  der 
Stadt  umsonst  zur  Verfiigung  gestellten  Eaume  des  Militar- 
hospitals  unterrichtet  wurden,  belief  sich  auf  72.  Weitere  Er- 
hebungen  lieBen  die  Forderung  der  protestantischen  Geistlich- 
keit, tiir  den  Entgang  der  Stolgeblihren  entschadigt  zu  werden, 
als  berechtigt  erscheinen.  Eine  konigliche  Verfugung  vom 
24.  Febr.  1813  bestimmte,  indem  die  Katholiken  von  neuem 
als  von  jeder  Verbindung  mit  den  protestantischen  Pfarramtern 
befreit  erklart  wurden,  daU  dem  Stadtpfarrer  der  Neustadt 
Dr.  Ammon  18  Gulden  26  Kreuzer  und  dem  der  Altstadt 
Dr.  Vogel  24  Gulden  7^2  Kreuzer  jahrlich  auf  ihre  Dienetzeit  als 
Entschadigung  aus  der  allgemeinen  geistlichen  Unterstiitzungs- 
anstalt  zu  Ntirnberg  zu  zahlen  sei,  ,,die  tibrigen  Geistlichen 
und  das  niedere  Kirchenpersonal  aber,"  so  heiCt  es  weiter,  und 
das  ist  ein  bewunderungswiirdiges  Auskunftsmittel  bureau- 
kratischer  Weisheit,  „haben  ihren  Ersatz  auf  dem  Wege  der 
Beforderung  zu  suchen".  Wenige  Wochen  spater,  am  3.  Mai  1813, 
wurde  endlich  die  bisherige  Kuratie  Erlangen  zu  einer  selb- 
standigen  Pfarrei  erhoben  und  das  Bethaus  zur  Pfarrkirche 
erklart.  Der  Umfang  der  Parochie  erstreckte  sich  anfangs  ledig- 
lich  aUf  die  Stadt  Erlangen  und  die  kirchlich  in  die  Altstadt 
gehorenden  Dorfer,  und  erst  im  Jahre  1847  wurden  die  katho- 
lischen  Einwohner  zu  Kleinseebach,  Mohrendorf  und  Oberndorf 
aus  dem  Verbande  der  protestantischen  Pfarrei  Mohrendorf  ge- 
lost  und  nach  Erlangen  eingepfarrt.  Allein  die  weitere  Ent- 
wickluDg  der  katholiscben  Gemeinde  liegt  auBerhalb  des  Eahmens 
dieser  ihre  Anfange  behandelnden  Skizze. 


Kolde,  Die  Anfaage  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.     85 

Beilagen. 

I. 

Aus     den    Sitzungsprotokollen    des     Presby  teriums    der 
franzbsich-reformierten  Gemeinde  in  Erlangen^). 

a. 

Du  Lundi,  15.  Juillet  1737. 

La  compagnie  du  ConsistoirQ  s'^tant  assemble  extraordinaire- 
ment;  pour  deliberer  a  faire  de  representations  a  S.  A.  S.  au  sujet 
du  bruit  qui  court  de  la  permission  que  les  Catboliques  Romains  ont 
de  batir  une  maison  pour  y  faire  leur  exercice  ou  lire  messe,  apres 
I'in vocation  du  saint  nom  de  Dieu,  M'  le  Pasteur  O'Bern  moderant 
Taction;  presents  les  S"  Sabatier,  Barde^  Margerie,  Fabre, 
Caubet;  Fraisse,  Astruc  et  Dutent,  anciens,  La  compagnie  a 
cbargS  unanimemeut  M^  le  moderateur  O'Bern  de  faire  une  minute 
d'une  tres  bumble  requette  en  termes  les  plus  fortS;  toute  fois  tres 
soumis,  pour  en  faire  la  lecture  Jeudy  procbain. 

(Unterzeichnet :  die  obengenannten)     . 

Astruc^  ancien  et  secretaire. 

b. 

Du  Jeudy,  18.  Juillet  1737. 

La  compagnie  du  consistoire  s'6taut  assembl6e  apres  Tinvocation 
du  8^  nom  de  Dieu,  mons^  le  Pasteur  O'Bern  moderant  Taction^ 
presents  les  s*"^  Dutent,  Aldebert,  Sabatier,  Barde,  Margerie, 
FraissO;  Caubet,  Fabre^  Astruc,  anciens.  La  minute  des  Re- 
quettes,  qui  doivent  etre  presentees  a  S.  A.  S.  ayant  ete  lues,  et 
approuv6es,  doivent  etre  mises  au  net,  et  presentees  par  M^  O'Bern 
et  le  8^  Sabatier  a  S.  A.  S.  Monseigneur. 
O'Bern  pasteur. 

Astruc,  pour  tous  et  avec  charge. 

c. 

Du  Jeudy,  24.  Juillet  1737. 

La  compagnie  du^  consistoire  s'^tant  assembl6e  apres  I'invocation 
du  s*  nom  de  Dieu  mons'  le  Pasteur  O'Bern  moderant  Taction, 
Presents  Mess^^  Dutent,  Sabatier,  Aldebert,  Fraisse,  Barde 
et  Nicolas  Fabre,  anciens, 


Selon  le  rapport  que  Mons^  le  Pasteur  O'Bern  et  M^  Sabatier 
ont  fait  de  la  deputation  dont  ils  avaient   ete   charges  par    la   com- 


1)  Die    zum  Teil  fehlerhafte   Schreibweise   des  Originals   ist   be!- 
bebalten  wordeu. 


86     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  £rlangen. 

pagnie  aupres  de  S.  A.  S.  au  sujet  du  rescript  accord^  aux  Catho- 
liques  Romains  et  dous  avons  appris  avec  satisfaction  que  les  dits 
deputes  avaient  et6  favorablement  recUs  de  S.  A.  S.  et  que  leurs 
representations  avaient  produit  un  effet  si  favorable  que  S.  A.  S. 
leurs  avait  proxnis  expressSment  plusieurs  fois  que  I'etablissement  des 
Catholiques  Romains  dans  cette  ville  n'aurait  aucun  lieu,  jusque  la 
meme  que  Monseigneur  le  Margrave  les  avait  charges  d'en  assurer 
tous  les  membres  de  la  Colonie  francaise  etc. 

d. 

Du  Jeudy,  16.  Dez.  1738. 

La  compagnie  du  Consistoire  s'etant  assembl^e  apres  Tinvocation 
du  s*  nom  de  Dieu,  Mon^  le  Pasteur  O'Bern  moderant  Taction, 
Presents  Messieurs  le  Pasteur  Malvieux,  Dutent,  Pelegrin, 
Aldebert,  Barde,  Navelot,  Puy,  Lautier,  Cobet,  Andres  et 
Fabre  anciens. 


La  compagnie  ayant  murement  delibere  [bier  findet  sich  eine 
ausgestricbene  Stelle :  Sur  les  ordresque  Son  Exelence  Monsieur  le  Baron 
D'Esperg]  toucbant  les  raisons  solides  que  nous  avion s  a  alegu6 
[er]  contre  la  concession  d'un  oratoire  aux  Catboliques  Roi^ains  dans 
cette  ville  nous  avons  jug6  apropos  selon  teneur  d'un  Ecrit  que 
Monsieur  le  Pasteur  Malvieux  nous  a  comuniqu6;  de  nous  referrer 
aux  Representation  qiii  ont  ^t6  faittes  par  la  Police  et  par  les 
Con®^^  de  Commerce^),  mais  nous  avons  ajoutt6  qu'il  faillait  faire 
aussi  mention  des  Representations,  qiie  notre  dit  Consistoire  avait 
fait  et  qui  tendaient  a  representer  a  S.  A.  S.  le  domage  que  cause- 
rait  une  pareille  concession  a  la  Religion  Protestante.  Toutte  la 
Compagnie  a  aprouv6  unanimement  cette  deliberation  a  Texception  de 
Mons^  le  Pasteur  Malvieux  qui  ^'est  retir6  de  Consistoire,  prote- 
stant  qu'il  presenterait  son  avis  particulier. 

e. 

Aus  dem  Jabre  1750  findet  sicb  eine  Verbandlung  Uber  die 
Beerdigung  eines  Katholiken,  der  auf  dem  reformierten  Friedhof  be- 
graben  werden  soil.  Der  Superintendent  Pfeiffer  ist  damit  einver- 
staudon,  verlangt  jedoch  einen  Revers,  in  welcbem  das  franz.-reform. 
Presbyterium  die  Parochialrechte  der  Intberischen  Geistlichkeit  aner- 
kennen  soil.  Der  1.  Pfarrer  der  franz.-reform.  Gemeinde,  Le  Maitre, 
spricbt  sicb  dahin  aus:  ,,Quoique  je  sois  per8uad6  que  Mess^^  les  Lutbe- 
riens  ne  devraient  pas  se  pr^valoir,  comme  ils  font,  de  ce  que  les  decla- 
rations de  S.  A.  S.  leur  accordent,  et  que  le  cas  du  defunt  Collignon 
fut  disputable  pour  diverses   raisons  conniies,   je   ne    ferai    point   de 

1)  Unter  diesen  conseillers  de  Commerce  befand  sich  (vgl.  oben  S.  59 
Anm.  2)  auch  das  Glied  der  Gemeinde  „con8eiller  Verdier**  ^syndic  de 
la  ville-. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholiscben  Gemeinde  in  Erlangen.     87 

difficult^s,  en  accordant  a  M^  le  Surintendant  le  Revers  qu'il  deinande 
en  ajontant  qne  par  le  present  acte  on  De  pretend  prdjudicier  ni  a 
BOS  droits  ni  a  ceux  de  I'Eglise  Lutberienne/'  Der  2.  Pfarrer^ 
Hollard;  ist  der  Ansicht:  ^Messieurs  les  Lutheriens  ont  tonjoiirs 
pretendu  enterrer  les  franco  is  cathol  iques  qui  leur  ont  pil  payer 
leurs  jure  stole;  et  nous  ne  devons  faire  ensevelir  que  les  miserables^ 
et  cela  donnant  encore  un  Hevers.  II  me  semble  que  ce  serai t  ass^z^ 
si  nous  le  faisions  enterrer  a  la  pri^re  des  parties  (der  Baron  de 
Tubeuf  hatte  mit  dem  Super! ntenden ten  verbandelt  und  an  das 
Presbjterium  die  Bitte  fur  die  pauvre  famille  gerichtet),  en  leur 
laissant  le  soin  de  prevenir  des  oppositions  de  M^^  les  Lutheriens 
qui  pourraient  reserver  leurs  droits  par  uue  protestation.  Cependant 
la  chose  ne  soufrant  pas  du  delai,  je  ne  m'oppose  pas  a  ce  que  Ton 
donne  un  Revers  comme  il  est  dit  cj-dessus." 

f. 

Du  Jeudy,  le  5®  Janvier  1786. 

,  La  compagnie  du  Consitoire  s'6tant  assembl^C;  M^  le  Pasteur 
Hollard  moderant  Taction^  present  M^  le  Pasteur  Agassiz;  M^ 
Gilly,  Tribon,  Perrin  et  Fabre  anciens, 


Le  lonable  Gouvernement  de  cette  ville,  ayant  sous  le  19®  Decern bre 
1785  communique  au  Consitoire  francois  Reform^  une  copie  de  la 
Cbartre  ou  du  Decret  de  Concession  accord^e  par  S.  A.  S.  le  20® 
Janvier  1785  aux  Catboliques  Romains,  couceruant  Torratoire  quails 
peuvent  b^tir  pour  y  celebrer  leur  culte  Divin  avec  les  conditions 
sous  lesquelles  cette  Permission  leurs  est  accord^,  avec  ordre  d'y  tenir 
la  main  afin  qu'elle  ne  soit  point  par  eux  trausgress^e;  et  en  ce  cas 
en  donner  notice  au  Louable  Gouvernement,  il  en  a  ^t^  fait  Lecture 
dans  la  Compagnie  et  les  dittes  pieces  seront  conserv6es   aux  actes. 

n. 

Bittschrift    der    franzosisch-reformierten    Gemeinde    von 

dem  Markgrafen  Friedrich^). 

19.  Juli  1737. 

Monseigneur. 

Un  Prince  dont  la  Bont6  et  TEquit^^  sout  les  Vertus  favorites, 
est  proprement  le  Pere  de  ses  sujets,  c'est  sous  cette  id6e  infioiment 
douce  que  nous  envisageons  Votre  Altesse  Serenissime  que  la  Divine 
Providence  nous  a  donn^  pour  Souverain.  — 

Ainsi  pleins  d'une  Confiance  egalement  Respectueuse  et  filiale 
nous  prenons  la  liberty  de  faire  a  V.  A.  S.  nostres   humbles  repre- 


1)  Fait  par  Mods.  D'Obern  pastenr  de  la  colonie. 


88     Kolde,  Die  Anfltnge  eioer  katholischen  Gemeinde  in  Erlsngen. 

sdntations,  au  siijet  de  la  Permission  que  V.  A.  6.  a  accpfd^e  aiix 
Catholiques  romains  de  s'etablir  dans  cette  Ville  et  d'y  avoir  meme 
jusqnes  a  un  certain  point  le  libre  excercice  de  lenr  Religion. 

Nous  ne  pouvons  dissimuler  a  Y.  A.  S.  que  notro  Douleur  a 
et£  extreme  a  I'ouie  de  cette  nouvelle^  elle  nous  a  paru  meme  si 
facheuse,  que  nous  avons  fait  tout  ce  qui  etait  en  notre  pouvoir 
pour  nous  persuader  qu'elle  etait  destitute  de  realit6,  mais  a  present 
qu'elie  nous  est  verifi^  de  tontte  part,  rien  n'egalerait  notre  chagrin 
pour  ne  pas  dire  notre  desespoir,  n'etait  la  sure  ressource  que  nous 
esperons  de  trouver  dans  la  Bont^  de  V.  A.  8. 

Permettez  done,  Monseigneur;  que  nous  fassions  a  Y.  A.  S.  un 
triste  mais  naturel  Expos^  des  maux  funesteS;  des  terribles  iucon- 
veniens  qui  nous  menacent,  si  la  Grace  que  Y.  A.  8.  accorde  aux 
Catholiques  romains  a  son  execution.  L'avenir;  qui  nous  promettait 
depuis  I'heureux  aveuement  de  Y.  A.  8.  a  la  Regeuce  la  Pro- 
sperity plus  douce  et  la  plus  parfaite,  ne  nous  laisse  plus  entrevoir 
depuis  cette  concession  que  des  malbeurs  sans  nombre^  nous  supplions 
Y.  A.  8.  d'en  juger  elle  meme. 

Les  Catholiques  romains  que  Y.  A.  8.  veut  nous  donner  pour 
Compatriotes  et  concitoyens,  sont  des  ennemis  jur^s  du  nom  prote- 
stant;  la  haine  implacable  que  Ton  remarquait  autrefois  entre  les 
Juifs  et  les  8amaritainSy  ne  donne  qu'ime  faible  id^e  de  celle  que 
les  Catholiques  romains  ont  contre  nous,  Haine  autant  plus  forte 
quHls  la  suceent  avec  le  lait  et  qu'elle  est  comme  exig^e  en  Yertu 
par  leurs  Moines  et  leurs  Prelats,  qui  ne  cessent  de  nous  peindre  a 
leur  yeux  comme  des  monstres  que  I'Enfer  a  enfante  pour  la  mine 
de  I'Eglise  de  J.  C.  et  que  Ton  doit  poursuivre  avec  le  fer  et  le 
feu.  lis  ne  peuvent  nous  pardonner  d'avoir  expos^  au  grand  jour 
la  8uperstition  et  Tldolatrie  de  leur  culte,  le  mepris  prophane  qu'ils 
font  de  la  Parole  de  Dieu^  en  lui  substituant  en  quelque  maniere 
la  tradition^  ils  ne  peuvent  nous  pardonner  d'avoir  fait  connoitre 
tout  ce  qu'il  y  a  de  faux  et  de  rUineux  dans  le  sisteme  de  I'infailli- 
bilit6  de  leurs  papes  et  de  leurs  conciles,  tout  ce  qu'il  y  a  d'injuste 
et  de  tirranique  dans  leur  Gouveurnement  Ecclesiastique  Nous 
avouons,  Monseigneur,  que  la  haine  que  les  Catholiques  romains 
ont  contre  nous,  n'ayaut  point  d'autres  causes  que  celles  que  nous 
venous  d'indiquer,  nous  fait  infiuiment  d'honneur,  mais  il  n'est  pas 
moins  vrai,  qu'elle  nous  donne  tout  a  craindre,  une  triste  experience 
ne  nous  laisse  aucun  lieu  de  douter  des  fuuestes  effets  dont  leur 
Zele  aussi  amer  que  fiirieux  est  capable,  nous  n'avons  pas  encore 
oublie  le  Massacre  quails  ont  fait  de  taut  de  milliers  de  nos  freres 
en  France,  en  Italic,  en  Espagne,  en  Angleterre,  en  Irlande  et  en 
Allemagne  meme;  nous  n'avons  pas  encore  perdu  le  8ouvenir  de 
touttes  les  trames  funestes;  de  tons  les  complots  sanguinaires  qu'ils 
ont  machine  contre  nous^    Complots  dans  lesquels    les   Dints    memos 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  firlangen.     89 

du  Seigneur  n'ont  pas  et6  epargn6  —  temoin  Henry  quatre  Roy 
de  France  de  Glorieuse  Memoire  qui  fut  poignard^  a  T instigation 
des  Jesuites.  Les  affreux  projets  que  3es  Catboliques  romains  viennent 
de  former  tout  recemment  sur  le  Wirtemberg  et  qu'ils  auraient  execute 
si  la  sage  Providence  qui  veille  toujours  a  la  conservation  de.  son 
Eglise  ne  les  avait  fait  echouer,  nous  prouvent  clairement  que 
leurs  Dispositions  a  notre  egard  sont  toujours  les  memes  et  que  nous 
avons  tout  a  craindre  si  V.  A.  S.  ne  se  laissant  point  toucher  par 
nos  representations ;  persiste  dans  le  Dessein  de  leurs  ouvrir  un 
asyle  dant  cette  ville  et  de  nous  les  donner  pour  Compatriotes  et 
Concitoyens. 

Mais  oserions  nous  le  dire,  Monseigneur,  les  inconvenients  que 
nous  venous  d'exposer  a  V.  A.  S.  sont  les  moindres  que  nous  ayons 
a  aprebender,  car  enfin,  s'il  n'etait  necessaire  pour  contenter  V.  A.  B. 
que  de  lui  immoler  notre  repos,  notre  suret6,  notre  vie  meme,  ce 
seraient  autant  de  sacrifices  que  nous  ne  balancerions  pas  un  instant 
de  lui  fairo;  mais  nous  avons  la  douleur  de  voir  que  notre  Religion 
est  ici  vivement  interess6e  et  que  Tetablissement  des  Catboliques 
romains  dans  cette  ville    va  la  mettre   sur  le  pencbant  de   sa  mine. 

Gar  enfin  Mon seigneur,  c'est  une  verity  d'experience  que  le 
Commerce  et  la  frequentation  perpetuelle  des  Personnes  qui  sont 
d'une  Religion  fausse  et  erron^e,  affaiblit  pen  a  pen  Teloignement 
raisonable  que  I'on  doit  avoir  pour  leurs  principes.  Cet  inconvenient 
est  surtout  inevitable  a  Tegard  du  Peuple  dont  les  Inmieres  moins 
solides  et  moins  etendues,  le  rendent  plus  susceptible  d'erreurs  et 
d'illusions;  ainsi  nous  aurons  la  Douleur  de  voir  nos  freres  les 
Evangeliques  aussi  bien  que  les  Reform^s,  s^apprivoiser  iusensiblement 
avec  les  erreurs  du  Papisme,  ct  cette  sainte  borreur^  cette  juste 
indignation  contre  Tldolatrie  et  la  Superstition  des  Catboliques  ro- 
mains que  nous  avons  receu  de  nos  reformateurs^  s^eteignant  iusensi- 
blement parmi  nous,  donnera  plus  de  prise  a  ces  Convertisseurs  dont 
VEglise  romaine  est  remplie  et  leurs  procurera  la  facility  de  deployer 
le  Zele  egalement  outr^  et  aveugle  qui  les  porte  a  cbercber  des 
Proselites  par  terre  et  par  mer,  Zele  qu'ils  ne  pourront  deployer 
qu'avec  succes  dans  un  Siecle  vendu  comme  le  notre  aux  plus  sordides 
interets  et  dans  une  ville  ou  il  y  a  tant  de  pauvres  et  d'indigens, 
vu  que  par  leur  opulence  ils  sont  en  etat  de  faire  a  ceux  qu'ils 
veulent  seduire  les  memes  offres  que  Satan  fit  autrefois  a  J.  Cb. 
Si  Tu  Te  prosterues  devant  moi,  je  te  douneray  touttes  les  ricbesses 
et  la  gloire  du  monde. 

Joignez  a  cela,  Monseigneur,  les  Mariages  que  Tuniou  des 
Protestant  avec  les  Catboliques,  dans  cette  ville  rendra  inevitables 
entre  les  uns  et  les  autres  a  la  suite  des  temps,  mariages  que  l^on 
doit  regarder  comme  la  Perte  de  la  Religion.  Nous  savons  bien 
que  les  loix  de  TEtat  semblent  remedier   a  cet    inconvenient  en  or- 


J 


90     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  In  Eriangen. 

donnant  que  les  Enfants  qui  naissent  de  ces  Mariages  mixtes;  doivent 
etre  elev^s  dans  la  Religion  Protestante,  mais  les  loix  les  plus  severes 
et  les  plus  positives  peuvent  elles  empecher,  qu^un  pere  ou  une 
mere  Catholique  ne  fassent  tons  leiirs  efforts  pour  jetter  dans  le 
coBur  de  leurs  enfants  les  semences  d'une  Religion  qu'ils  croyent  la 
seule  veritable. 

Telles  sont,  Monseignetir,  les  justes  allarmes  que  jette  dans  nos 
coeurs  la  grace  que  V.  A.  S.  veut  accorder  aux  Catboliques  Remains, 
nous  n'ignorons  point  que  ces  craintes  et  ces  allarmes  he  seront 
pent -etre  pas  d'abord  realis^es^  nous  sommes  persuades  que  les 
Catboliques  par  le  Gonseil  meme  de  leurs  Prelats  et  de  leurs  Moines; 
aborderont  dans  cette  ville  avec  la  simplicity  et  la  douceur  des  brebis 
et  qu'ils  ne  nous  parleront  que  de  paix  et  de  Concorde^  mais  de 
si  specieux  dehors  ne  nous  tromperont  jamais;  Mille  raisons  egalle- 
ment  Solides  touttes  fondles  sur  VExperience  nous  portent  a  croiro 
que  ce  seront  interieurement  autant  de  loups  ravissant  qui  n'aurons 
pas  plutot  assur^  leur  Domicile  parmi  nous,  qu'ils  ne  chercberous 
qu'a  nous  devorer.  Nous  somme  pleinement  persuades  que  V.  A.  S. 
prendra  touttes  les  Precautions  que  la  prudence  la  plus  consomm6e 
pent  suggerer  pour  nous  garantir  de  tons  les  inconvenients  que 
nous  craignons;  mais  de  fortes  presomptions  nous  font  appreheuder 
que  ces  Precautions  n'ayent  pas  tous  le  succes  desire:  puisque  les 
nouveaux  Sujets  dbnt  V.  A.  S.  veut  faire  Taquisition  sont  obliges 
d 'adopter  sous  peine  d^Anatheme  Todieux  Decret  du  Concile  de 
Constance  qui  porte  que  Tout  ne  doit  point  garder  la  foi  aux 
Heretiques.  Imbus  de  pareils  principes,  de  quoi  les  Catboliques 
remains  ne  sont  ils  pas  capables,  quel  fond  pent  on  faire  sur  leur 
fidelity;  ne  s'en  suit  il  pas  clairement  qu'en  acquerant  par  ce  moyen 
de  nouveaux  sujets,  V.  A.  S.  acquera  des  Corps  et  non  pas  des 
CoBurs;  ne  s'en  suit  il  pas  meme,  que  la  suret6;  le  repos  de  Y.  A.  S. 
ne  sont  pas  moins  impliqu^es  ici  que  la  surety  et  le  repos  de  vos 
bons  et  fideles  Sujets  protestans.  Pnisse  de  si  funestes  augures  etre 
a  jamais  detourn^s  des  Etats  de  Y.  A.  S.,  puisse  surtout  Y.  A.  S. 
prendre  la  resolution  de  conjurer  un  orage  qui  ne  pourrait  que  causer 
notre  perte  et  notre  mine  entiere^  ce  sont  les  voeux  qu'adressent 
ardemment  au  ciel  les  membres  de  la  Colonie  Fran^aise,  en  suppliant 
celui  qui  dispose  de  la  destin^e  des  Rois  et  des  Princes  et  qui  tient 
Leurs  coeurs  dans  sa  Main,  de  repandre  ses  plus  abondantes  Benedic- 
tions sur  Y.  A.  S.  et  sur  toute  Son  Auguste  Maison,  etant  comme 
nous  le  sommes  avec  un  profond  respect  un  zele  entier  et  inviolable 
pour  Son  Service 

Monseigneur 

de  Yotre  Altesse  Serenissime 

Les  tres  humbles,  les  tres  obeissants  et  tres  obliges  sujets  et 

serviteurs. 


Eolde,  Die  AnfaDge  einer  katbolischen  Gemeinde  in  Erlangen.     91 

ni. 

Baron  von  Reitzeustein   an  den  Hofwagner  Nicolaue  Gafl 

in  Erlangen. 

Bayreuth,   18.  Jannar  1739. 

Vielgeehrter  Herr  Hofwagner! 

Dessen  beede  Schreiben  vom  13.  und  16.  diefi.  babe  wobler- 
halten  und  melde  bierauf^  dafi  derselbe,  wie  bereits  in  meinen  vorigen 
Schreiben  gedacht^  den  Math  fallen  za  lassen  gar  nicht  Ursacb 
baben^  indem  dasjenige,  was  von  der  Verrichtung  derer  Deputirten 
in  Erlang  ansgesprenget  wird,  grundfalsch,  aller  mafien  mir  sehr 
wohl  bekannt,  dafi  gen.  Deputirten  bey  ihrer  gehabten  Audienz  von 
Sr.  hochfiirstl.  Durchl.  nicht  nur  einen  ziemlich  derben  Verweifi  be- 
kommen,  sondern  auch  noch  dazu  ab-  und  dafi  sie  nimmer  wieder- 
kehren  solten,  angewiesen  worden,  dafi  sie.  also  auf  all  ihr  Anbringen 
nicht  die  mindeste  Eesolution  erhalten. 

Der  junge  Verdier  befindet  sich  zwar  noch  hier  und  kann  es 
auch  sein,  dafi  Er  alle  Tage  nach  HoflP  kommt :  Er  wird  aber  gleich- 
wohlen  in  dieser  Sache  so  wenig  als  ein  Metzgers  Hund  in  Erlang 
ausrichten  k5nnen. 

Diese  Sache  mufi  ganz  auf  andere  Art,  als  sich  derselbe  ein- 
bildet,  tractirt  werden  und  mufi  man  also  nur  Gedult  haben,  dann 
ich  vorjeczo  wegen  andern  vielen  Verrichtungen  ohnmoglich  in  dieser 
Affaire  etwas  vornehmen  kan.  Sobald  nun  hierinnen  etwas  effectuiren 
werde,  soil  demselben  Nachricht  gegeben  werden,  damit  Er  anhero 
kommen  m5ge.     Ich  verharre  inzwischen  Bayreuth  den  18.  Jan.  1739 

Meines  vielgeehrten  Herrn  Hoffwagners 

dienstwilliger 
E.  E,  v.^)  Reitzeustein. 

Or.  Kreis-Archiv  in  Bamberg.  Akten  der  kath.  Kirchenbau 
in  Erl.  betr. 

IV. 

Der  akademische  Senat  zu  Erlangen  an  den  Markgrafen. 

Erlangen  d.   13.  Jnli   1774. 

Ew.  Hochfiirstl.  Durchlaucht  haben  per  Rescr:  clem  d.  d.  4  et 
pr.  9.  Jun.  a.  c.  uns  gnSdigst  zu  erkennen  gegeben,  wie  HUchst- 
dieselben  noch  immer  des  wohl  erwogenen  Davorhaltens  wSren,  dafi 
durch  Concedirung  eines  catholischen  Privat  Gottesdienstes  zu  Erlang^ 
viele  der  catholischen  Religion  zugethane  Studiosi  beygezogen,  mithin 
auch  hierdurch  Hochstderoselben  treu  devoteste  UniversitSt  in  be- 
sondere  Aufnahme  gebracht  werden  kSnne,  und  derohalben  darUber, 
ob    eine    dergleichen  Gestattung  wUrklich  vertraglich  sey?    und    wie 

1)  Die  Bucbstaben  sind,  well  ineinander  gescblungen,  nicht  ganz 
genau  zn  lesen. 


92     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

die  Errichtung  eines  Cultus  privati   religionis  catbolicae  zu   machen 
seya  m5chte?  uuser  rathliches  Gatachten  erfordert. 

Zuforderst  nun  mussen  Eu.  HochfUrstl,  Durchlaucht  wir  fur 
dieses  abermahlige  Zeichen  der  ganz  ausnehmenden  Gnade  nnd  Vor- 
sorge,  deren  HQchstdieselben  ans  jederzeit  zu  wiirdigen  geruhen, 
den  unterthSnigsten  Dank  in  tiefster  Ehrfurcht  abstatten^  und  werden 
uns  umsomehr  beeifern,  diejenigen  Pflichten  auf  das  genaueste  zu 
erfUlleU;  welcbe  uns  durch  so  wiederholte  Beweise  landesfiirstlicber 
Gnade  und  Zufriedenheit  auferleget  werden.  In  diesen  reinsten  Ge- 
sinnungen  wagen  wir  es  Eu,  Hocbfiirstl.  Durchlaucbt^  Hochstdero- 
s.elben  gnSdigen  Begehren  gemSfi  diejenige  Gedenken  nacb  unseru 
besten  Wissen  und  Gewissen  untertbSnigst  vorzulegen,  welcbe  wir 
nacb  reifer  t)berlegung  und  genauer  Ermefiung  aller  UmstSnde  uber 
die  intentirte  Anlegung  eines  exercitii  privati  der  catholiscben 
Religion  allbie  zu  Erlang  begen. 

Wir  setzeu  voraus,  dafi  wir  uns  niemals  den  Verdacbt  einer 
Intoleranz  oder  eines  unfreundlicben  Betragens  gegen  andere  Glaubens- 
genossen  im  geringsten  zugezogen,  sondern  uns  vielmebr  jederzeit 
nacb  nnsern  Sufiersten  KrSften  bestrebet,  den  Pfiicbten  der  Menscblicb- 
keit  ohne  einigen  Unterscbeid  des  Gottesdienstes  gegen  jedermann 
ein  Gentige  zu  leisteu,  und  mit  andern  Religions  Verwandten  ein 
gutes  nacbbarlicbes  Vernebmen  zu  unterbalten^  in  der  gewissen 
"Cberzeugung,  dafi  Lebrer  der  Wissenscbaften  die  ibrer  Unterweisung 
anvertraute  Jugend  aucb  bierinne  durcb  Beispiele  zu  unterricbten 
und  zu  desto  braucbbarern  Dienern  der  Kircbe  und  des  Staats  auf 
kunftige  Zeiten  zu  bilden  verbunden  sind. 

Nicbtsdestoweniger  aber  kSnnen  wir,  nacbdem  annjetzo  Eu.  Hocb- 
furstl.  Durcbl.  unser  rStblicbes  Gutacbten  Uber  die  Eiufubrung  eines 
catboliscben  Privat  Gottesdienstes  allbie  erfordern,  nacb  unsern  ob- 
habenden  scbweren  Pflicbten  nicbt  umbin,  Eu.  Hocbfiirstl.  Durcb- 
laucbt  darwider  folgendes  in  scbuldigster  Untertbgnigkeit  vorzustellen. 

Eine  Notwendigkeit    dieser  Einricbtung    ist    bei    der  bekannten 
Situation  des  biesigen  Orts   nicbt  vorbanden,    da    in    einer   geringeu 
Entfernung  von  kaum  einer  kleinen  Stunde,  wie  bereits  in  dem  vor 
einigen  Jabren  auf  Befebl  edierten  Scbreiben  von  dem  Zustande  der 
allbiesigen    Universitat    oflFentlicb    gemeldet    worden,    die    bequemste 
Gelegenbeit  zu  Besucbuog  des  catboliscben  Gottesdienstes    befindlich 
ist,  deren  sicb  bisber  alle  und  jede  catboliscbe  Studiosi,  welcbe  sich 
bey  uns  eingefunden,    jederzeit  und  obne   einigen   Anstand   bedienet, 
indem  wir  dieses  bald  anfangs  untertbSnigst  bemerken  mlissen,   daB  bis 
daber  obne  der  catboliscben  Promotionum  in  facultate  iuridica,  medica 
et  pbilosopbica  zu  gedenken,  scbon  gar  viele  der  catboliscben  Religion 
zugetbaue    Studiosi    die    allbiesige    Universitat    besucbet,     aucb    sich 
gegenwSrtig  nocb  actu  dergleicben  dabier  befinden,  obne  dafi  jemahls 
nur  die  geringste  Klage  uber  Mangel  zur  Gelegenbeit  des  catbolischen 


Kolde^  Die  AnfSnge  eiuer  katholischen  Gemeihde  in  ErlaDgen.     93 

GottesdienBtes  von  ihnea  zu  vernehmen  gewesen,  indem  sie  vielmehr 
im  Gegenteil  jederzeit  die  grbfite  Zufriedenheit  tiber  die  allhiesige 
Eiorichtung  bezeiget.  Es  kann  auch  in  der  That  die  Sache  um  so 
weniger  AustoB  habeD,  da  reicbe  und  wohlbabende  Studiosi  dieseh 
Weg  mit  gar  geriDgen  Kosten  im  Wagen,  dUrftige  aber  ohne  die 
geringste  Bescbwerung  zu  Fufi  zuriickzulegen  im  Stande  siud,  und  sich 
verschiedene  andere  evangeliscbe  Universitaten,  unter  deueu  wir  nur 
Jena  Damhaft  macben  wollen,  in  Teutscbland  finden^  welche  wcder 
in  ihren  Kiugmanern,  noch  auch  sogar  in  ibrer  Nacbbarscbaft  einige 
Gelegenbeit  zum  catbolischen  Gottesdienste  babeu,  und  gleichwobl 
von  catbolischen  Studiosis  fleifiig  besuchet  werden. 

[Das  Beispiel  der  Universitat  Gottingen^),  woselbst  zum  Behuf 
der  catbolischen  Studiosorum  dergleicben  Privatgottesdienst  angerichtet 
worden,  kann  bierunter  nicbts  sLndern,  da  es  mit  deren  LokaU 
bescbaffenbeit  eine  gauz  andere  Bewandnis^  als  mit  der  unsrigen^ 
bat,  und  die  Catholici  aufierdem  daselbst  viele  Meilen  weit  umbei* 
keine  Gelegenbeit  zu  ibrer  Religion subung  antreffen.]  Zudem  ist  es 
noch  sebr  ungewifi,  ob  dieselbe  durch  dieses  Institut  einen  wirklicben 
Vorteil  erbalten,  da  es  sogar  eine  ganz  bekannte  Sache  ist,  dafi  diese 
und  andere  abnliche  Anstalten  derselbeu  bier  und  da  allerhand  offent- 
licbe  VorwiJrfe,  zugezogen  und  mebrere  junge  Leute  aus  diesem 
Grunde  dabin  nicht  geschicket  worden. 

Ohno  UDS  indessen  dabey  aufzubalten^  so  diirfte  doch  bey  uns 
durch  Anlegung  eines  solcben  catbolischen  Privat  Gottesdienstes  gewifi 
kein  besonderer  Nutzen^  oder  ein  betracbtlicher  Zuwachs  der  Studio-? 
sorum  zu  erzielen  seyn^  da  noch  immer  die  Studiosi  denenjenigeu 
Universitclten^  welche  ibrer  Religions  Parthei  zugetban  sind,  baupt- 
sachlich  nachzuzieben  pflegen,  und  sogar  die  Reformatio  welche  doch 
allhie  die  voUige  unbeschrankte  Ausubung  ibrer  Religion  finden^ 
auch  in  ibrer  Maafie  nach  denen  uns  gnSdigst  verliebenen  Statutis 
zu  academischen  Lebratntern  gelangen  konnen^  nicht  eben  in  all-' 
zugrofier  Ansabl  anherkommen.  Bei  denen  catholicis  erlauben 
Eu.  Hocbfurstl.  Durcblaucbt  uns  gn^digst^  noch  hinzuzusetzen,  dafi 
diese  sogar  vormalsj  wie  gar  leichtlich  in  sonderheit  aus  einem' 
Protocollo  Concilii  Decaualis    d.  d.    11.  Juni   1748^)  zu  verificieren 

1)  Dieser  (vom  Prorektor?)  dem  Eonzept  beigeftigte  Hinweis  auf 
GSttingen,  wnrde  wohl  durch  Harlesz,  den  Philologen  veranlaBt,  der  bereits 
In  der  Missive  bemerkt  hatte:  „In  Gottingen  haben  die  Cathol.  in  eincm 
Privat  Haus  ihren  Gottesdienst  erlaubt.  tibrigens  ace.  majoribus".  Er 
blieb  aber  bei  der  Reinschrift  aller  Wahrscheinlichkeit  weg,  denn  in  dein 
ISenatsprotokoU  vom  24.  Juni  1874  ad  6  hei^t  es;  Ist  der  Bericht  wegep 
des  katholischen  privat  Gottesdienstes  verlesen  worden.  Wurde  derselbe 
approbiert,  ausser  daB  darinn  das  Dubium  wegen  der  Universitat  Gottingen 
I'emovirt  werden  solle. 

2)  Daselbst  heiBt  es:  ^l^^m  Oath,  studioso  Reit  wollte  man  ein 
attestat  universi.  weggeben,  daB  bereits  verschiedene  Eatholiken  bier 
stndiert  noch  auch  studierten,  damit  sich  derselbe  zu  Hause  legitimieren 


.94     Kolde,  Die  Anfange  einer  kathoHschen  Gemeinde  iu  Erlangen* 

stUnde;  ihren  Glaubensgenossen  Uber  die  Besuchung  der  hiesigen 
UniversitSt,  als  einer  protestantischen  verschiedentlich  VorwUrfe  ge- 
macht,  und  daher  gegenwSrtig,  nachdem  insbesondere  in  den  bey 
den  benachbarten  Hochstiftern  Bamberg  und  Wtirzburg  insonderbeit 
nach  Aufbebung  des  Jesuitenordens  so  grofie  Kosten  auf  die  Yer- 
besserung  der  Scbnleu  und  UniversitSten  verwendet  werden,  desto 
weniger  glaublich  fallen  will,  dafi  sie  aucb  bey  noch  mehrerer  Be- 
quemlicbkeit  des  Gottesdienstes  eine  evangeliscbe  und  solcbe  Uni- 
versitSt  zahlreich  besuchen  sollten^  welche  doch  in  facultate  iuridica 
ibren  Meinungen  allemabl  zuwider  lehren  mufi^  da  sie  in  ihrem 
Vaterlande  Gelegenbeit  finden,  die  evangeliscben  LebrsEtze  zugleicb 
mit  der  vorgeblicben  Widerlegung  zu  erlernen^^  wenigstens  gegen- 
wSrtig  in  WUrzburg  und  Bamberg  verschiedene  Professores  bestellet 
worden,  welche  hiebevor   auf   evangeliscben   Universitaten    studieret. 

Allein,  wenn  aucb  alleufalls  einige  mehrere  Studiosi  durcb  eine 
dergleicben  neue  Anricbtung  des  catboliscben  Privat  Gottesdienstes 
beygezogen  werden  sollten^  so  kQnnen  wir  doch  dagegen,  unsere 
grofie  und  gegriindete  Furcht  in  keiner  Weise  bergen,  dafi  nicht 
dadurch  auf  der  andern  Seite  Eu.  HochfUrstl.  treu  geborsamsten 
UniversitUt  mancherlei  grofier  Nachtheil  zugehen  werde.  Bey  einer 
solchen  Einrichtung  ist  es  nicht  anders  mbglich,  als  dafi  der  Hafi 
und  die  Erbitterung  der  Stadt  und  Burgerschaft,  mit  der  wir  ohnebin 
unaufhSrlich  zu  kampfen  haben^  noch  mehr  vergrbfiert  werde,  da  die 
derselben  gnadigst  verliehene  Privilegia  mit  sich  bringen^  dafi  kein 
cultus  religionis  catholicae  darinnen  angeleget  werde,  und  selbige 
sich  in  den  vorigen  Zeiten  zu  verschiedenen  malen  durcb  ihre  bey 
gn^igster  Landesherrschaft  gethane  Vorstellungen  bey  diesem  Vor- 
rechte  krUftigst  zu  erhalten  gewufit  hat,  mithin  aber  dergleicben 
Anstalt  flir  eine  blofi  zu  unserm  Vorteil  geschehene  Einschrankung 
ihrer  Privilegien  desto  mehr  ansehen  wtirde,  als  doch  wegen  er- 
mangelnden  Platzes  in  den  academischen  Gebauden  ein  dergleicben 
Privat  Gottesdienst  in  der  Stadt  und  ein  em  Burger  Hause  anzurichten 
sein  wtirde.  Was  aber  die  Erbitterung  der  Blirgerschaft  flir  schSd- 
liche  Folgen  babe,  zeigen  die  vorigen  Zeiten  mit  mehrerm,  wo  es 
verschiedentlich  dartiber  zu  grofien  Tumulten  und  Unruhen  gekommen, 
welche  die  mehrer  Aufnahme  und  Wachsthum  HSchstderoselben  ge- 
treusten  Universitat  gar  sehr  gehindert. 

Aufierdem  ist  es  sogar  leicht  moglich^  dafi  durcb  einen  solchea 
catboliscben  Privat  Gottesdienst  aller  unserer  Sorgfalt  ohneracbtet 
Unordnungen  unter  denen  Studiosis  selbor  entstehen,  wenn  etwa, 
wie  bei  jungen  muntern  Kbpfen  nicht  allemal  zu  verhiiten,  liber 
die  dabei  gewShnlichen  Kirchengebrauche  Spottereyen  gebraucbet 
werden    sollten,    indem    doch    bey    einem    cultu   et    exercitio  privato 

kbnnte,  weil  es  seinem  Vorgeben  nach  Anfsehen  machte,  daB  er  auf  einer 
protestantischen  Universitat  stadiere**. 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  Erlangen.     95 

religionis  fremden  Eeligionsverwandten  der  Zntritt  nicht  wohl  zu 
yerwehren  und  von  denenjenigeu  catholischen  Studiosis,  welche  sich 
etwa  noch  dutch  diese  Anrichtung  ihres  Gottesdienstes  besonders 
anhero  ziehen  lassen  sollten,  uotweudig  zu  befurchten  ist,  dafi  sie 
bigotter  und  unleidlicber  als  andere  ihresgleichen  seiu  durften.  Dem- 
DUchst  k5nnte  dieses  aber  auch  gar  leicht  eine  Ursache  werden, 
warum  wir  auf  der  andere' Seite  eine  starke  Einbufie  an  Studiosis 
erleiden  kSnnten  und  viele  evangelische  Eltern  ihre  SShne  nicht 
anherO;  soudern  an  andern  Orte  schickten,  wo  nur  eine  gleichformige 
Religions  Ubung  hergebracht,  indem  es  doch  gar  zu  bekannt^  und 
wir  ohue  jemand  zu  nahe  zu  treten,  wohl  behaupten  konnen,  dafi 
der  catholische  Clerus  zu  keiner  Zeit  unterlassen  k5nne,  Neubekehrte 
zu  macheu;  uud  es  daher  leicht  geschehen  durfte^  dafi  man  auch 
dann  und  wann  auf  Studiosos  dergleichen  Versuche  inachte.  tJber- 
haupt  bestattiget  die  tEgliche  Erfahrung  nur  gar  zu  sehr  und  zeigen 
es  die  traurigen  Beyspiele  vom  Simultaneo  augenscheinlich,  dafi  die 
catholische  Geistlichkeit  ihre  Freyheit  und  erhaltene  Erlaubnifi  ins- 
gemein  mifibrauche  und  insonderheit  mit  denen  Reformirten,  deren 
allhier  doch  eine  betrachtliche  Anzahl  vorhanden,  in  gar  schlechtem 
Vernehmen  zu  leben  pflegen^  welches  am  Ende  5fters  zu  Unruhen 
uud  Unordnungen  ausartet^  die  an  Uuiversitats  Orten  mit  desto 
gr5fierm  Nachtheil  verbunden  sind. 

Aus  alien  diesen  Orunden  nun,  durchlauchtigster  Marggraf  und 
Herr,  k5nnen  wir  nach  unserer  besten  Cberzeugung  nicht  anders^ 
als  dergleichen  Anlegung  eines  catholischen  Privat  Gottesdienstes 
weder  fur  notwendig  noch  fdr  zutraglich,  vielmehr  im  Gegenteil  dem 
besten  und  der  Ruhe  h5chst  deroselben  treu  gehorsamsten  UniversitSt 
auf  viele  Weise  fur  hinderlich  erachten^  und  hegen  die  unterthUnigste 
HofFnung,  Eu.  H.  D.  werden  diese  unsere  auf  so  vielen  Griinden 
beruhende  Meinung,  nicht  in  Ungnade  vermerken,  die  wir  uns  ub- 
rigens  zn  ferneren  landesvUterl.  Gnaden  und  Hulden  unterthSnigst 
empfehlen  und  mit  tiefstem  Respect  verharren 

E.  H.  D. 

Erlang  d.  13.  Juli  1774.  P. 

(Concept.) 

V. 

Der  akademische  Senat  an  den  Minister  Frh.  v.  Seckendorf* 

Erlang,  10.  Febr.  1783. 

Ew.  Hochfreyherrl.  Excellenz  haben  uns  durch  den  gegen- 
wartigeu  Pro  Rectorem  gnUdig  eroffnen  lassen,  welch  gnUdigsten  Auf- 
trag  Ihro  Hochfiirstl.  Durchlaucht,  unser  gnSdigster  Furst  und  Herr 
Hochdeuenselben  wegen  eines  dabier  zu  verwilligenden  Romisch 
Katholischen  privat  Gottesdienstes  gemacht  und  dabey  tiber  die 
Quaest.  Quomodo?  unser  unterthllniges  Gutachten  abverlangt,  welches 
wir  mit  devotem  Dank  erkennen. 


96     Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischen  Gemeinde  in  ErlaDgen. 

Nun  haben  wir  zwar  Anno  1774  anf  die  Quaest.  An?  unter- 
thSnigste  Vorstellung  gemacht,  allein  da  diese  von  Ihro  HochfQrstl. 
Durchlaucht  bereits  gnSdigst  entschieden  worden :  hiernach  nicht  nur 
wegen  der  inzwischen  verSnderten  UmstUnde  sondern  auch  haupt- 
sacfalich  dnrch  die  den  Catholiken  in  Anspach  yorgeschriebenen 
Norm,  welche  auch  hier  eingefiihrt  werden  soUe,  jene  damals  vor-* 
gewesene  Bedenklichkeit  beseitigt  worden,  so  verehren  wir  Ihro 
Hochfiirstl.  Durchl.  gnadigsten  Befehl  in  tiefster  UnterthSnigkeit  und 
wiiuschen  quoad  quaest.  Quomodo  nur  dieses^  dafi  es  dabei  bleibe,  dafi 

1.  dieser  privat  Gottesdienst  aufier  der  Stadt  in  einer  Vor- 
stadt  exerciert  und 

2.  zu  dem  anzunehmenden  Oeistlichen  ein  solcher  Weltpriester 
genommeu  werden  moge^  der  nicht  nur  Uberhaupt  friedfertig,  sondern 
auch  insbesopdere  mit  der  Academie  ein  gutes  Vernehmen  unter- 
hKlt  und  dazu  gesehHrftest  angewiesen  werden  m5ge. 

3.  da  in  hiesiger  Stadt  seithero  gewohnlich  gewesen,  dafi  wenn 
der  catholische  Geistliche  zu  Btichenbach  hier  jemand  communicieren 
wolleu;  er  jederzeit  den  Herrn  Superintendenten  oder  den  Herrn 
Pastorem  academicum  oder  den  Herrn  Stadtpfarrer  in  hiesiger  Alt- 
stadt,  in  defsen  Dioeces  n^mlich  der  Kranke  sich  befunden,  darum 
begrtifien  und  alsdann  einen  Kevers  ausstellen  miissen;  so  wUnschten 
wir,  dafi  diese  Einrichtung  in  Ansehung  des  hier  aufgestellt  werden 
sollenden  catholischen  Geistlichen  ebenfalls  beybehalten  werden  mochte, 
die  wir  Ubrigens  mit  vollkommensten  Respekt  yerharren 

Ew. 

unterth.  gehorsamster 
Prorector  Procanc. 
Erlang  d.  10.  Febr.    1783. 
(Concept). 

VI. 

VorlSufige  Konzessionsurkunde  fiir  die  Erlanger 

Katholiken. 

Bayreuth,  31.  Marz  1784. 

Auf  Ihro  Hochfiirstl.  Durchlaucht  gnadigsten  Special  Befehl, 
wird  deuen  Romisch  Catholischen  Religions- Verwauden  zu  Erlang 
auf  deren  uuterthanigstes  Ansuchen  und  bis  zu  Ausfertigung  ^er 
fbrmlichen  Concessioos-Urkunde,  iedoch  ohne  Consequenz  und  unter 
Vorbehalt  das  in  Hbcbstdero  gnadigsten  Gefallen  stehenden  Wiederrufs 
hierdurch  die  Erlaubuis  ertheilet,  in  einem  in  der  Altstadt  Erlang 
zu  mietheuden  priuat  Haufi  oder  Gemach  in  der  Stille  zusammen 
zu  kommeu,  und  daselbst  bey  eingef^llten  Thiiren  mit  singen,  beten, 
lesen,  Mefi  und  Predigt  horen,  wie  auch  mit  Haltung  der  Communion 
ihren  prinat  Gottesdienst  zu  uben,  und  hierzu  einstweilen  auf  ihre 
Kosten  einen  benachbarten  weltlichen  Priester,  der  sich  iedoch  vorher 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischcn  Gemeinde  in  Erlangen.      97 

schriftlich  um  die  HochfUrstl.  Erlaubnis  zn  melden  hat,  zu  adhibireu. 
Es  sollen  iedoch  anforderst  ersagte  Catholische  Beligions-Yerwande 
nebst  dem  Geistlicheii  sich  ausdriicklich  reuersiren,  aus  dieser  Hoch- 
fiirstl.  Goade  uuter  keinerley  Vorwand  einiges  Reclit  zu  folgern, 
hieralUshst  vor  gnadigste  Landesherrschaft  getreulich  zu  beten^  sich 
allerseits  friedlich  und  einigezogen  zu  verhalteu,  nirgendwo  anzu- 
hangen  und  iu  einige  HSudel  einzumengen,  die  Protestantische  und 
reformirte  Religion  weder  pro  concione  nach  priuatim  zu  prestringiren 
oder  sich  zu  unterfangen  iemand  davon  abzuzieheu;  in  fallen,  da 
Krauke  in  ihren  Wohnungen  mit  denen  Sacris  zu  yersehen  wSren, 
seiches  zu  thun  vorher  um  iedesmalige  Erlaubnis  bey  der  Amts- 
hauptmannschaft  unter  Nahmhaftmachung  des  zu  providireuden  Kranken 
schriftlich  nachzusuchen,  das  sogenannte  Veuerabile  Sffentlich  nicht 
Uber  die  Gasse  zu  tragen,  auch  aller  Actaum  parochialium  ^  als 
Copulationes ,  Tanfen,  Leich-Bestattungen  und  minder  nicht  der 
Sffeutlichen  Tragang  der  Eosen-Kranze  Uber-  etc.  auf  den  Gassen 
sich  gSnzlich  zu  enthalten.  Urkundlich  unter  des  HochfUrstl.  Regie- 
rungs-CoUegii  hier  vorgedruckten  Insiegel. 

Bayreuth,  den  31.  Mart.  1784.  I.  L.  G.  Wanderer. 

(Copie  in  Erl.  Dekanatsakten.) 

vn. 

Concession  fiir  die  Erlanger  Katholiken. 

Bayreuth  30.  Jan.  1785  ^)i 

Ihro  Hochfiirstliche  Durchlaucht  unser  gnadigster  Fiirst  und  Herr 
haben  auf  anderweites  anterthanigstes  Ansuchen  der  in  Hochstdero 
obergebtirgischen  Haupt-Stadt  Erlang  sich  enthaltenden  RSmisch  catho- 
lischen  Religious  Verwanden,  Sich  bewegen  lafien,  das  ihnen  wegen 
des  Exercitii  Religionis  prinati  sub  dato  Bayreuth,  den  31.  Mart. 
1784  bereits  ertheilte  Consessions  Decret  dahin  zu  bestSttigeu  und 
zu  declariren : 

I. 

Soil  erwehnten  Catholicis  aus  bloser  landesfdrstl.  Gnade  nach* 
gelassen  seyn,  in  gedachter  Stadt  Erlang  an  einem  schicklichen  ihnen 
angewiesen  werdenden  Plaz,  nach  einem  zur  Approbation  vorzu- 
legenden  Rifi,  auf  ihre  Kosten  ein  eigenes  prinat  Haufi  zu  erbauen, 
welches  sie  sodann  als  ein  feudum  perpetuo  reuocabile,  von  dasigem 
Casten  Amt,  durch  einen  der  evaDgelischen  Religion  zugetlianen  an- 

1)  Diese  Konzession  ist  mutatis  mutandis  mit  der  Konzession  ftir 
Ansbach  in  der  Sache  und  auch  fast  wirtlich  gleichlautend,  doch  so,  dnfi 
sie  sich  dort  schon  auf  den  Bau  an  einen  bestlmmten  Platze  ,in  der  neuen 
Aniage  allhie  ohnfern  der  Getrayd-Schranne"  bezieht.  Der  Revers  vom 
20.  Dez.  1777  ist  unterschrieben  von  Johann  Valentin  Erb,  Joseph  Siccard, 
Lieutenant,  Joban  Georg  Walther,  Musicus,  Jacob  Lamberti,  Franz  Sig- 
mund,  Musicus.  Als  erstmaliger  Lehenstrager  f  ungierte  der  Bausecretarius 
Georg  Fricdrich  Knoll. 

Beitrage  zur  bayor.  Kircbeneeschicbto  XII.  3.  H 


98     Kolde,  Die  Anfange  einer  katbolischen  Gemeinde  in  Erlangen. 

itSndigen  LeheiitrSger  yod  Fallen  zu  Fallen  mittelst  Ablegnng  gewShn- 
lieher  Lehcns  iind  Unterthans  Pflicht  zu  recognosciren  haben. 
In  diesem  Hauiile  soil  Ihnen 

II. 

die  Ausubung  ibres  prinat  Gottesdienstes  unter  Adhibirung  eines 
catbolischen  Welt  Geistlicben  unter  nachfolgenden  auedrticklicben 
Bddingungen  gestattet  seyn^  dafi  ersagtes  prinat  Haufi  zu  einer  Capelle 
oder  Kircbe  immermehr  aptirt  —  darinnen  ein  sogenanutes  Krippelein 
und  Grab  Christi  keineswegs  erbaut,  mehr  ale  ein  Altar  darinnen 
nicht  angeordnet,  weder  eine  Glocke  aufgebangen  noch  ein 
Orjgel  Werk  aufgericbtet,  oder  soust  eine  Solennitaet^  wie  die  be- 
schaffen  seyn  mag^  in  oder  aufierhalb  defielben  flirgenommen  werde, 
Bondern  sie  sicb  in  einem  Gemacb  (wobei  gleichwohl  der  allzugrofie 
ZiiBAmmenlauf  des  benachbarten  catboliscben  Land  Volkes,  das  sonst 
in  Erlang  nichts  zu  verrichten  bat^  abgebalten  und  sonderlicb  nicht 
gestattet  werden  solle,  sich  zu  Haufen  —  oder  Processions  weise 
einznfinden,  weswegen  bierauf  eine  besondere  Inspection  ernannt 
werden  wird)  in  der  Stille  zu  vereammeln,  und  mit  Singen,  Beten, 
Les^n,  Mefilesen^  PredigtbtJren^  Beicbten  und  communiciren,  bey  zu- 
gemftcbten  Thtiren  ibre  Andacbt  zu  verricbten  haben. 

So  oft  sich  hiernUchst 

III. 
die  Btelle  des  Geistlicben  durch  Tod  odersoustiges  Abkommen  erlediget, 
soil  deren  Wiederbesetzung  bey  Ihro  Hochfiirstl.  Durchl.  von  denen 
catboliscben  Beysafien  und  sonst  Niemand  supplicando  gesucbet, 
zugleich  zwey  oder  drey  Clerici  seculares  zu  denen  sie  ihr  Vertrauen 
haben,  in  unterthSnigst  unzielsezlichen  Vorschlng  gebracht,  von  hochst- 
Ihrdselben  sonach  aus  denen  vorgeschlagenen  Subjectis  eines  pro 
arbitrio  clementissimo  denominiret  heruffen  und  bestattiget  —  von  ihm 
durch  die  obergebllrgische  Regierung  oder  wem  dieselbe  hierunter 
den  Auftrag  thun  wird^  das  Handgelubd  abgonommen  und  er  zu 
Festhaltung  des  von  denen  catboliscben  Beysafien  und  ihrem  iedes- 
maligen  Geistlicben  auszustellenden  dann  von  5  zu  5  Jahren  zu  er- 
neuernden  Reuerses  angewiesen  werden. 

Insonderheit  liegt  einem  iedesmaligen  R($misch  catboliscben  Geist- 
licben ob,  in  denen  Versammlungen  vor  gnlldigste  Landesherrschaft 
getreulich  zu  beten,  sich  aller  Controuersien  und  AnzUglichkeiten 
gegeu  die  protestautische  und  reformirte  Religion  und  deren  Religions- 
Verwanden,  so  pro  concione  als  sonsten  zu  enthalten,  von  jenen 
Niemand  sich  auf  einigerloy  Weise  abzuziehen,  catholischer  Personen 
Copulationes,  Taufen,  und  Leichbestattungen  (es  ware  denn^  dafi 
Leicben  von  Erlang  abzufiihren,  gegen  Erstattung  der  Stol  Gebiihren, 
specialiter  bewilligt  wiirde,  welche  er  sodanu  in  der  Stille  ohne  alle 
Procession  in  einer  Chaise  wohl  begleiten  mag)  zu  verrichten  dem 
Erlangischeu    geistlicben    Ministerio    zu    Uberlafieu^    in    Fallen,    da 


Kolde,  Die  Anfange  einer  katholischcn  Gemeinde  in  Erlangen.      99 

Kraoke  yon  seiner  Religion*  in  ihren  HSufiern,  oder  Quatieren  mit 
denen  Sacris  zu  versehen  wSren,  bey  der  Amtsbauptmannschaft  nnter 
Erbittung  der  diesfallsigen  Erlaubnis,  iedesmal  die  Anzeige  zu  than, 
das  sogenannte  Venerabile  hingegen,  wie  aucb  die  Rosen  KrSuze 
niemalen  5ffent1icb  iiber  die  Gafie  zu  tragen,  keine  ofiPentlicbe  Schule 
zu  balteu,  oder  halten  zu  lafien,  sondern  sicb  an  dem  ihm  und  dem 
adhibirendem  Cantori  lediglich  q[uoad  priucipia  Religionis  Romano 
Catholicae  hiedurch  verg5nnet  werdenden  prinat  Unterricht  der  Kinder 
und  Catechumen orum  zu  begnUgen,  weder  in-  noch  aufierhalb  des 
Oratorii  einige  Procession  anzustellen,  keinen  andern  catholischen 
Geistlichen,  aufier  in  KrankbeitsfSllen  und  auf  vorgSngige  Auzeige 
und  Erlaubnis  vor  sich  vicariren  zu  lafien,  sich  iederzeit  einer  welt- 
lichen  Kleidung  zu  bedienen,  und  daferne  defien  UmstHnde  langer 
die  Stelle  zu  begleiten  nicht  zugeben  wollten,  davon  zeitlich  unter 
thanigste  Anzeige  zu  erstatten,  und  sich,  bevor  er  darauf  mit  gnadigster 
Resolution  versehen  worden^  nicht  yon  dannen  zu  begeben.  Uber- 
haupt  aber,  wie  in  der  reception  und  Aufnahme,  so  auch  in  seiner 
Dimission  alleine  yon  Ihro  Hochfdrstl.  Durchl.  als  seinem  Landes- 
ftirsten  und  Heren  zu  dependiren,  wobey  iedoch  die  ErlSuterung 
beygefugt  wird,  dafi  soyiel  die  geistliche  Function es  und  Ritus  quoad 
priucipia  Religionis  Romano- Catholicae  concerniret,  H(5chstdieselbe 
Sich  darein  zu  meliren  nicht  gemeint  seyen. 
Demnslchst  haben 

IV. 

• 

alle  in  Erlaug  befindliche  R5misch  catholische  Verwandte  denen 
dasigen  Ciuil-Policey-  und  Criminal  Landes  Gesezen  und  Verord- 
uuugen,  gleieh  einem  jedeu  gehuldigten  und  treu  gehorsamsten  Landes 
Unterthan  zu .  thun  gebtihret,  (ohne  einige  Exemtions  Anmafiang, 
oder  unstatthafte  Beziehung  auf  irgend  eine  sonstige  Subiection  oder 
Dependenz)  bey  denen  darauf  gesetzten  Strafen  zu  geleben,  besonders 
auch  die  in  Ihro  Hochfurstl.  Durchlaucht  obergebUrgl.  Landen  ein- 
gefiihrte,  oder  fiirterhin  ausschreibende  allgemeine  Fast-  Bufi-  und 
Bet  T^ge  mit  zu  begehen. 
Minder  nicht 

V. 

Das  unter  obigen  Conditionen  yerstattete  priuat  Exercitium  auf 
keinerley  Weifi  und  Wege  weder  directe  noch  per  indireetum  zu  exten- 
diren,  vielmebr  alles  dasienige,  was  auch  nur  den  mindesteu  Scbein 
einer  affectirteh  Extension,  oder  offentlichen  Exercitii  Religionis 
Roman o-Catholicae ,  erwecken  kbnnte,  aufierst  zu  vermeiden,  oder  zu 
gewartigeu,  dafi  aller  RSmisch  catholischer  Gottesdienst  mit  eiumal 
aufgehoben  und  denen  Catholicis  lediglich  die  Verkaufung  des  ihnen 
zu  erbauen  yergSnnten  eigenen  Haufies,  so  gut  sie  konnen^  yer- 
stattet  bleiben  siolle. 

Gestalten  sich  denn  ohnedem  Ihro  Hochfurstl.  Durchl.  yor  sich- 


100    Geyer,  Das  kircbl.  Leben  in  Nfirnberg  vor  a.  nach  d.  Dberg.  an  Bayern. 

und  H^chstdero  Nacbfolger  am  Eegiment  hierdurch  ansdrucklich  yor- 
bekalten,  dieso  GnadeD  BewilligUDg  nach  Erfordernis  der  Umstande 
uadaus  bewcgenden  die  Woblfahrt  des  Staats  betreficnden  Ursacben, 
zu  anderD,  zu  mindern,  oder  gSuzlicb  zu  ronociren  und  ersagtea 
Cultnm  Iq  Erlang  nicht  mebr  statt  finden  zu  lafien. 

Zu  dea  allem  Urkund  baben  obbbchstgedacbt  Ibro  Hocbfurstl. 
Darcblancbt  gegenwHrtiges  Concessions  Decret  uuter  dero  Hocbfiirstl. 
lunsiegel  und  eigener  boben  Hand  Uiiterscbrift  ana-  und  denen 
Komiscb  catboliscben  Insafien  zu  Erlang  znfertigen  lafien.  Bayreutb 
den  30.  Januarii   1785 

Alexander  M.  z.  B. 
(L.  S.)  , 

Das    Original    wurde   den   catboliscben    Insafien   ausgeantwartet. 

Erlang  den  26.  Aug.   1785. 

J.  A.  Greyer. 

(Erl.  UniversitUtsakten.  Die  Erricbtung  eines  katboliscben 
Privatgottesdienstes  betr.) 


Das  kirchliche  Leben  inNiirnberg  vor  und  nach  dem 
Ubergang  der  Reichsstadt  an  Bayern. 

Von  Hauptprediger  Dr.  Geyer. 

(Fortsetzung  und  SchluB.) 

Eine  neue  Agende^)  war  in  Nurnberg  1801  eingefuhrt 
worden,  die  Junge  auf  obrigkeitlichen  Befehl  geschrieben  hatte. 
Per  Geist  dieses  sehr  vorsicbtig  abgefaUten  Buches  wird  am 
besten  durcb  die  Worte  des  Vorberichts  cbarakterisiert:  „Bey 
den  Eeligionshandlungen  babe  ich  mehrere  Formeln  entworfen, 
unter  denen  sich  immer  eine  den  alteren  mebr  nahert,  um  so 
wol  denen,  die  nocb  mit  Vorliebe  fiir  das  Alte  eingenommen, 
als  die  schon  an  eine  freyere  Darstellung  gewohnt  sind,  Be- 
friedigung  zu  verschaflfen."  Der  erste  Teil  enthalt  Gebete  und 
KoUekten,  der  andere  die  ITormulare  fiir  die  gottesdienstlichen 
Handlungen.  DaB  bei  den  letzteren  die  Beerdiguugen  fehlen, 
kann  uns  nach  dem,  was  wir  dariiber  horten,  nicht  wundern. 
Eine  kirchliche  Feier  am  Grabe  mit  Einsegnung  u.  s.  wi  gab 

1)  Neues  Agend-Buch  fiir  die  Nurnbergiscbe  Kircbendiener  in 
der  Stadt  und  auf  dem  Lande.  Niirnberg.  1801.  gedruckt  bey  dem  Raths- 
und  Canzley-Buchdrucker  Georg  Friedricb  Six.  Der  Vorberiebt  ist  vom 
10.  Oktober  1800  datiert. 


Geyer,  Das  kirchl.  Lebcn  in  Niirnberg  vor  u.  nach  d.  Uberg.  an  Bayern.    101 

es  nicht,  so  geniigten  die  dem  ersten  Teil  einverleibten^)  zehn 
Leichenkollekten.  Am  Ende  des  zweiten  Teiles  flndet  sich  eine 
„Verbesserte  Einrichtung  der  evangelischen  und  epistolischen 
Pericopen"^)  und  eine  „Kurze  Pastoralanweisung"  ^).  Wer  das 
Buch  aus  seiner  Zeit  heraus  zu  verstehen  und  zu  wurdigen 
sucht  und  nicht  von  vorneherein  den  Erzeugnissen  des  rationali- 
stischen  Geistes  die  Existenzberechtigung  abspricht,  wird  an 
vielem,  was  darin  steht,  seine  Freude  haben  konnen.  In  den 
Gebeten  ist  in  der  Kegel  das  ausgesprochen,  was  in  der  Tat 
die  Gemuter  der  Gemeindeglieder  jener  Zeit  bewegte  und  was 
vor  Gottes  Angesicht  zu  bringen  sie  sich  gedrungen  liihlen 
mochten. 

Zehn  Jahre  vor  der  Agendo,  namlich  ira  Jahre  1791,.  war 
das  neue  Gesangbuch*)  eingefuhrt,  an  dem  gleiehfalls  Junge  in 
hervorragender  Weise  mitgearbeitet  hatte.  AUein  die  un- 
parteiische  Wiirdigung  des  guten  Willens  der  Verfasser  und 
ihrer  Uberzeugung,  bei  ihren  Liedverbesserungen  auf  dem  rechten 
Wege  zu  sein,  wird  hier  zu  keinem  anderen  Ergebnis  fiihren 
konnen,  als  daB  sich  die  Redaktoren  in  der  griindlichsten  Weise 
geirrt  haben.  IJns  geniigt  das  Lesen  eines  einzigen  Verses 
eines  Kernliedes  —  und  wir  sind  mit  diesem  Gesangbuch  fiir 
alleZeiten  fertig'^).  AUein  da  auch  dielrrtiimer  der  Vergangen- 
heit  lehrreich  sind,  wollen  wir  eine  kurze  Geschichte  dieses 
Gesangbuches  den  Lesern  nicht  vorenthalten.  In  der  Stadt- 
bibliothek  befindet  sich  des  Geheimrats  und  Kurators  der  Uni- 
versitat  Altdorf  Herm  von  Haller,  der  als  Kirchenpfleger  die 
Leitung  des  Ganzen  hatte,  Manuskript  zura  Gesangbuch  mit 
allerlei  interessanten  Briefen  und  Aktenstucken^).  Mitwelchem 

1)  I.  S.  171  ff. 

2)  n,  136  flf. 

a)  II,  141  If. 

4)  Nenes  Gesangbuch  zur  5ffentlichen  Erbauung  und 
Privatandacht  aaf  Befehl  Eines  hochlobl.  Raths  unter  der  Aufsicht  und 
Prttfung  der  vordersten  Theologen  Niirnbergs  den  Reichsstadt  Nttrn- 
bergischen  Gemeinden  in  der  Stadt  und  auf  dem  Lande  gewidmet.  Niirn- 
berg, Endter  1791. 

5)  Z.  B.  Nr.  39:  „Nun  ruhet  in  den  Waldern,  in  Stadten,  auf  den 
Feldern  ein  Theil  der  mUden  Welt!  ihr  aber,  meine  Sinnen,  ihr  sollt  das 
Lob  beginnen  defi,  der  die  Welt  schuf  und  erhalt". 

6)  Nor.  290. 


102    CIcyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUrnberg  vor  a.  nach  d.  fi^berg.  an  Baj^ern. 

Stolz  sahen  doch  die  Mitarbeiter  auf  ihre  Leistungen!  Juiige 
schreibt  das  einemaU)  an  Haller:  „So  gut  als  die  Schriften  der 
Eomer  and  Griechen  noch  itzt  Muster  des  Geschmacks  sind« 
eben  so  werden  auch  die  guten  geschmackvoUen  Lieder,  davon 
eine  reiche  Anzahl  in  dieser  Sammlung  ist,  zu  alien  Zeiten  ge- 
fallen  und  alle  Anderungen  des  Geschmacks  iiberleben^,  und 
ein  andermal*)  verspricht  er  sein  Bestes  tun  zu  woUen  urn  das 
Gesangbuch  so  einzurichten,  „daB  es  wegen  seiner  Gute  so  lange 
brauchbar  bleiben  kann,  als  Wahrheit  und  guter  Geschmack 
gelten".  Als  die  Arbeit  des  Sammelns  und  unverdrossenen 
Umdichtens,  an  der  sich  neben  Junge,  der  damals  Professor 
in  Altdorf  war,  namentlich  Professor  Sattler  beteiligte,  wahrend 
Prof.  Sixt  wegen  seiner  unbegreiflichen  Vorliebe  fiir  das  eine 
Oder  andre  der  geschmacklosen  alten  Lieder  etwas  scheel  an- 
gesehen  wurde,  so  viel  wie  abgeschlossen  war,  erlebte  Junge 
einen  groBen  Schmerz.  Die  Nfirnberger  Pfarrer,  die  bisher  von 
der  Mitarbeit  geflissentlich  ausgeschlossen  waren,  batten  endlich 
auch  Einsicht  in  die  Druckbogen  erhalten  und  auf  Beifiigung 
eines  Anhangs  bestanden,  der  wenigstens  einige  der  alten 
Lieder  enthielt.  Junge  war  mit  diesem  Anhang  so  wenig  ein- 
verstanden,  daB  er  das  ganze  Gesangbuch  desavouieren  wollte 
und  von  Haller  besSnftigt  werden  muBte^).  DaB  dies  gelang, 
zeigt  die  von  Junge  bei  der  Ankundigung  des  inzwischen  fertig 
gestellten  Gesangbuchs  gehaltene  Predigt*).  In  Anlehnung  an 
R6m.  15,  4 — 14  spricht  er  da  von  der  rechten  Beschaffenheit 
gottesdienstlicher-  Gesange  zum  Lobe  Gottes  und  meint,  die- 
selbe  sei  da  vorhanden,  wo  die  Gesange  in  Gedanken  und 
Ausdruck  richtig  und  zur  Erweckung  und  Unterhaltung  gottes- 
wiirdiger  Gesinnungen  dienlich  seien.  „Ihr  ganzer  Inhalt  muB 
dem  Unterricht  gemaB  sein,  den  uns  Gott  selbst  in  seinem  Wort 
daruber  gegeben  hat  und  den  die  aufgeklarte  Vernunft  billigt 
und  bestatigt."  Diese  Richtigkeit  des  Inhaltes  komme  in  der 
Sprache   der  Lieder  zum  Ausdruck:    „Gottesdienstliche  Lieder 


1)  Brief  vom  18.  Juni  178D. 

2)  Brief  vom  7.  August  1789. 

S)  Undatiertes  Briefkonzept  von  HaHers  in  Nor.  290. 
4)  Predigt  am  zweiten  Adventsonntag  1790  bei  Ankiiudigung  des 
einzuftiiirenden  neuen  Gesangbuches, 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUrnberg  vor  u.  nach  d.  Cbcrg.  an  Bayern.    103 

miissen  liberall  wahre  und  richtige  Begriffe  darbieten,  und  zu- 
gleich  in  solchen  Ausdriicken  abgefasset  sein,  daC  der  Unauf- 
geklarte  mit  leichter  Miihe  den  wahren  Sinn  fassen  kann,  und 
daB  auch  der  verstandigere  Christ  fiir  seinen  Verstand  und 
sein  Herz  Nahrung  darinnen  findet,  und  nicht  durch  eine  un- 
gewohnte  Sprache,  durch  iibel  gewahlte  Bilder  und  unverstand- 
liche  Redensarten  in  seiner  Andacht  gestoret  wird."  Als  Bei- 
spiele  rtihrender  Gesftnge  aus  der  Vorzeit  wird  auf  Psalm  91 
und  73  hingewiesen  und  dann  als  ahnliche  zur  Erweckung 
gotteswurdiger  Gesinnungen  geeignete  Lieder  genannt:  „Was 
Gott  fiir  mich  beschlossen"  —  „Ja  ich  bin  Gottes,  Gott  ist 
mein  und  ewig,  ewig  wird  ers  sein,  von  ihm  kann  mich  nichts 
scheiden"  —  „Ich  hab  in  guten  Stunden  des  Lebens  Gliick 
empfunden  und  Freuden  ohne  Zahl"  —  „Gib  mir,  o  Gott,  eiu 
Herz,  das  alle  Menschen  liebet**  —  „ Allen,  welche  nicht  ver- 
geben,  wirst  du  Richter  nicht  verzeihn,  trostlos  werden  sie  im 
Leben,  trostlos  einst  im  Tode  sein**  —  „Ich  will  dich  noch  im 
Tod  erheben,  am  Grabe  noch,  Gott,  dank  ich  dir"  —  und  „0 
wer  soUte  sich  nicht  sehnen,  aufgelost  und  da  zu  sein,  wo  nach 
ausgeweinten  Thranen  ew'ge  Freuden  uns  erfreun".  Die  guten 
alten  Lieder,  meint  der  Prediger,  werde  die  Gemeinde  ver- 
bessert  im  neuen  Gesangbuch  flnden.  Dagegen  sei  es  nur  billig, 
daB  Lieder  mit  unwurdigen  und  unrichtigen  Schilderungen 
fehlten,  z.  B.  „Ich  steh  an  deiner  Krippe  hier"  —  „ Christum 
wir  soUen  loten  schon''  —  „beiner  tiefen  Wunden  Bluten"  — 
„Ein  Lammlein  geht  und  tr^gt  die  Schuld"  —  rjWie  schon 
leuchtet  der  Morgenstern"  —  „Schmiicke  dich,  o  liebe  Seele". 
Die  Vater  hatten  freilich  solche  Lieder  gesungen,  obwohl  sie 
auch  aus  den  bekannten  Gesangen  die  besten  zum  offentlichen 
Gebrauch  auswahlten,  „der  guten  Gesange  waren  aber  noch  sehr 
wenige".  So  habe  sich  das  Verlangen  nach  Gesangbiichern  regen 
miissen,  „in  denen  die  alten  unbrauchbaren  Lieder  ausgelassen 
und  die  Arbeiten  neuerer  Dichter  aufgenommen  waren".  Ein 
solches  Gesangbuch  sei  nun  da:  „t}bersehet  den  reichen  Vorrat 
neuer  kraftiger  Lieder,  die  unsere  besten  geistlichen  Dichter 
verfertiget  haben!** 

Die  Einfiihrung  des  Neuen  Gesangbuches  in  den  Stadten 
ging  leicht  von  statten,  aber  auf  dem  Lande  gab  es   da  und 


104    Geyer,  Das  kirehl.  Leben  in  Niirnberg  vor  u.  nach  d.  Oberg,  an  Bayern, ' 

r 

dort  Schwierigkeiten.  Das  beweist  ein  Flugblatt^),  das  eben 
zur  Berahigung  der  Aufgeregten  bestimmt  war.  Darin  ist  von 
Unruhen  auf  dem  Lande  die  Eede.  Der  Verfasser  hofft,  daB 
eine  gedruekte  Vorstellung,  die  ruhig  and  ofters  gelesen  werden 
kOnne,  mehr  nutze  als  eine  Predigt.  Die  Ein  wan de,  die  gegen 
das  Gesangbuch  erhoben  wurden,  daC  es  eine  neue  Lehre  ent- 
halte,  daC  den  Lenten  dadurch  die  alte  Religion  genommen 
werde  nnd  daB  das  alte  Gesangbuch  besser  gewesen  sei,  sucht 
er  zu  widerlegen.  Er  hofft,  daB  sich  auch  die  Gegner  von  der 
Vortrefflichkeit  des  Bnches  selbst  uberzengen  werden:  „Leset 
diejenigen  alten  Lieder  durch,  die  im  neuen  Gesangbuch  etwas 
abgeandert  worden  sind.  Ich  weiB  gewiB,  wenn  Ihr  diese  Ver- 
anderungen  gegen  das  Alte  haltet,  so  werdet  Ihr  von  dem 
meisten  schon  selbst  einsehen,  daB  sie  so  besser  klingen  nnd 
oft  auch  kraftiger  sind,  als  im  alten  Gesangbuch,  nnd  wo  Ihrs 
nicht  einsehet,  da  muBt  Ihr  eben  Eure  Herren  Geistlichen  um 
Rath  fragen  .  .  .  Leset  besonders  diejenigen  Lieder  durch,  die 
von  einem  gewissen,  der  sich  Gellert  schrieb,  herstammen." 
Von  einer  kleinen  Gesangbuchsrevolution  haben  wir  einen  aus- 
fiihrlichen  Bericht^).  In  sieben  nach  Igensdorf  eingepfarrten 
Ortschaften  antworteten  die  Bauern  auf  die  Einfiihrung  des 
Gesangbuches  mit  einem  nun  schon  11  Wochen  wahrenden  geist- 
lichen Streik;  sie  kamen  nicht  mehr  zum  Gottesdienst,  meldeten 
sich  nicht  mehr  zu  Beichte  und  Abendmahl  an  nnd  —  was  das 
Schlimmste  war  —  sie  versagten  ihrem  Pfarrer  Christoph 
Albrecht  Vogel  den  Canonem,  d.  h.  die  einen  Teil  seiner  Ein- 
kfinfte  bildenden  Naturalabgaben.  Kein  Wunder,  daB  dieser 
die  Conventicula,  durch  die  sie  sich  selber  den  Gottesdienst 
ersetzten  und  bei  denen  sie  die  alten  Lieder  sangen,  hochst 
ungiinstig  beurteilte! 

Das  muB  man  Junge  lassen,    daB   er  mit  rastlosem  Eifer 
fur  die  Reform   des  Niirnbergischen   Kirchenwesens   tatig  war. 


1)  Sendscbreiben  an  diejenigen  meinerLandsleute  auf  dem  Lande, 
die  an  dem  neuen  Gesangbuch  AnstoB  nehmen,  oder  damit  ganz  un- 
zufrieden.  Von  einem  Lehrer  des  Christentums  (Am  Ende  unterscbrieben  : 
„Euer  wahrer  Freund").  Verfasser  ist  nach  einem  Briefe  Franks  an 
Haller  vom  8.  April  1791  der  Mittagsprediger  Solger. 

2)  Bericht  des  Pfarrers  Vogel  in  Igensdorf  vom  22.  September  1791. 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  tJberg.  an  Bayern.    105 

Das  Gesangbuch  und  die  Agende  waren  sein  Werk  gewesen, 
und  noch  vor  dem  tJbergang  Niirnbergs  an  Bayern  war  er  mit 
einer  dritten  Scbrift  fertig  geworden,  dem  neuen  Katechismus. 
Neben  dem  kleinen  Katechismus  Luthers  war  in  Schule  und 
Kirche  das  1628  verfaBte  und  oft  aufgelegte  Kinderlehrbiichlein 
in  Gebranch^).  Dieser  von  Roth,  wie  wir  oben  gehort  haben, 
als  jammerlich  bezeichnete  exponierte  Katechismus  hatte  bald 
nachher  durch  Dillinger  2)eine  durchaus  ablehnende  Kritik  erfahren. 
Er  berief  sich  dabei  auf  Dilherr,  der  schon  1652  das  Buchlein 
„fiir  die  Jugend  sehr  dunkel,  schwer  und  weitlaufig"  genannt 
habe^)".  In  den  auf  die  Kirchenkonvente  zu  Anfang  der  neun- 
ziger  Jahre  erlassenen  Ratsbeschlussen*)  ist  von  einer  neuen 
Kinderlehre  mehrfach  die  Rede,  deren  Abfassung  Panzer^)  auf- 
getragen  war.  Der  Konvent  vom  20.  Nov.  1795  spricht  den 
Wunsch  aus.  Panzer  moge  sein  Lehrbuch  bald  voUenden^), 
aber  er  kam  nicht  mehr  dazu.  Da  wurde  Juiige  mit  der 
Angelegenheit  betraut.  Im  Jahre  1805  voUendet,  wurde  der 
neue  Katechismus  nicht  nur  von  den  Geistlichen,  sondern  auch 

1)  Kinderlebr-Buchlein,  /  darinneo  der  kleine  /  Catechismus :  /  P'ur 
die  gemeine  Pfarrherren  /  und  Prediger,  /  Nach  dem  alten  Exemplar  /  D. 
Martini  Lutheri,  /  Samt  /  Angehengten  Fragstucken,  /  Mit  FleiQ  tiber- 
sehen  /  und  einem  nutzli-/chen  Register  vermeiirt.  /  (Verlegervignette)  / 
Nurnberg,  /  In  Verlegung  Michael  Endters.  /  Anno  MDCLVIII. 

Nttrnbergisches  /  Kinderlehr-Biichlein,  /  darinnen  /  nicht  allein  der 
kleine  /  Catechismus  /  nach  dem  alten  Exemplar  /  Doctor  Martin  Lathers 
/  in  Fragen  und  Antwortcn  /  zu  finden ;  /  sondern  auch  der  zarten  Jugend 
zum  Besten  /  in  zwey  und  funfzig  Lectionen  /  weiter  erklaret  und  vor- 
getragen  wird.  /  Deme  annoch  /  ein  verbesserter  und  zum  Theil  /  Neuer 
Anhang  /  von  schonen  Schul-  und  Fest-Gebeten,  /  kurzen  Reim-Spruchen,  / 
auch  /  einigen  angezeigten  biblischen  Capiteln  und  Spruchen  /  auf  die 
heilige  Zeiten,  durchs  ganze  Jahr,  /  samt  einer  Anzahl  gebiauchlicher 
Gesange,  /  mit  /  Oberherrlicher  Authoritat  /  beygefuget  worden  ist.  / 
Ntirnberg,  /  In  Verlegung  der  Job.  Andr.  Endterischen  Handlung.  /  1800.  / 
(255  S.  +  5  Seiten  Register  +  101  S.  Anhang  +  3  Seiten  Register  hiezn. 
Sa.  364  S.)  —  Vgl.  Medicus  a.  a.  0.  S.  172f. 

2)  Dillinger.  Georg  Adam,  Diak.  bey  St.  Sebald.  tJber  die  Niirn- 
bergische  Kinderlehre.   Ntirnberg  1791. 

3)  Waldau,  Beitrage  IV,  526 if. 

4)  Bibliotheca  Williana  VII,  1X51. 

5)  Ober  ihn  vgl.  Allg.  deutsche  Biographic  25,  132  ff. 

6)  Bibl.  W^ill.  VII,  1151.  Dem  namlichen  Konvent  legte  Junge  den 
Entwurf  der  Neuen  Agende  vor. 


106    Gcyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUrnberg  vor  u.  nach  d.  (jberg.  an  Bayern. 

von  der  theologischen  FakuMt  Altdorf  gepriift  utid  vom  Rat 
approbiert.  Noch  vor  der  Dru<5klegung  voUzog  sich  die  Staats- 
ver^nderung.  Das  Gesuch  Junges  an  die  bayerische  Regierung, 
den  Katechismus  mit  Approbation  der  nenen  Regierung  drncken 
lassen  zn  dfirfen  vom  10.  Pebraar  1807^),  wurde  am  17.  Juli 
von  Thiirheim  abschlagig  beschieden,  da  ^da^  Bestehen  eines 
besonderen  Katechismus  flir  einzelnen  Gebietsteile  der  Mnkischen 
Provinz  den  Grunds^tzen  der  Einheit  nnd  Ubereinstimmung 
entgegen"  sei,  woven  jedoch  Junge  selbst,  der  nacli  seinem 
Bericht  mit  dem  hiesigen  Ministerium  sehnslichtig  auf  eine 
Resolution  wartete,  erst  spater  verstandigt  wurde.  Erst  am 
19.  April  1809  erhielt  er  sein  Manuskript  zurttck. 

Der  in  der  bisherigen  Erzahlung  so  vielfach  beniitzte  Be- 
richt Junges  ist  nunmehr  erschopfj;,  und  wir  raiissen  uns  fttr 
allerlei  Pragen,  deren  Beantwortung  erst  das  Bild  des  kirch- 
lichen  Lebens  vervollstandigt,  nach  anderen  Quellen  umsehen. 

Waldau,  der  gleich  im  ersten  Bande  seiner  „Beitrage"  von 
1787  Erganzungen  und  Berichtigungen  zu  Hirschens  bekannten 
Diptycha  gebracht  hatte'^),  gab  im  folgenden  Jahre  eine  sehr 
dankenswerte  historisch-statistische  Schrift  fiber  das  Nurn- 
bergische  Kirchenwesen  unter  dem  Titel  „Nurnbergisches  Zion" 
heraus*).  Wenn  wir  darin  blattern,  erstaunen  wir  am  aller- 
meisten  fiber  die  groBe  Zahl  von  Geistlichen,  die  damals  in  der 
Reichsstadt  wirkten.  Bei  Sebald  und  Lorenz  flnden  wir  je  neben 
dem  Prediger  oder  Antistes,  der  zu  predigen,  Bedenken  zu 
stellen,  Kandidaten  und  Stipendiaten  zu  examinieren,  Stipendien 
und  andere  Stiftungen  zu  verwalten  hatte,  acht  Diakone,  von 
denen  der  erste  Schafter,  der  zweite  Senior  genannt  wurde,  so 
daB  also  allein  an  den  beiden  Hauptkirchen  18  Geistliche  an- 
gestellt  waren.  Bei  heilig  Geist  und  Egidien  flnden  wir  je 
einen  Prediger,  einen  Senior  und  ffinf  Diakone,  wozu  bei  der 


1)  Akt  betr.  den  Katechismus  des  Predigers  Junge.  Egl.  Ereisarchiv 
NUrnberg  Rep.  232,  2280.  Junge  nennt  irrtiimlich  in  seinem  Bericiit  den 
14.  Marz. 

2)  A.  a.  0.  S.  30—43. 

3)  Waldau,  Niirnbergisches  Zion  oder  Nachricht  von  alien  Ntirn- 
bergisclien  Kirchen,  Kapellen,  Klostern  und  lateinischen  Schulen  in  und 
auBer  der  Stadt,  und  den  daran  bediensteten  Personen.    Mrnberg  1787. 


J 


Gcyer,  Das  kirchl  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayern.    107 

ersteren  Stelle  noch  die  zwei  Sudenprediger  kamen^).  St.  Jakob 
war  mit  einem  Prediger,  einem  Senior  und  zwei  Diakonen,  die 
Prauenkirche  mit  einem  Prediger  und  zwei  Diakonen  besetzt. 
Im  ganzen  zahlen  wir  42  standige  Geistliche  und  9  als  Vikare 
und  Friih-,  Mittags-  und  Abendprediger  verwendete  altere 
Kandidaten,  also  zusaramen  51  Geistliclie.  In  diese  Zahl  sind 
die  znr  Aushilfe  verwendeten  jiingeren  Kandidaten  und  die  an 
den  gelebrten  Schulen  angestellten  Theologen  nicht  eingerechnet. 
Wenn  wir  freilich  die  zahlreichen  Gottesdienste  und  die  Sitte, 
zu  den  moisten  kirchlichen  Handlungen  immer  gleich  eine  grofiere 
Anzahl  Geistlicher  aufzubieten,  bedenken,  so  finden  wir,  daB  sie 
alle  ziemlich  ausgiebig  beschaftigt  waren.  Mit  der  Beschrankung 
der  Gottesdienste  und  den  anderen  Veranderungen  im  kirch- 
lichen Leben  am  Ausgang  des  Jahrhunderts  konnten  zur  Lin- 
derung  der  Finanznot  manche  Stelleu  eingezogen  werden.  Als 
das  Kgl.  Reskript  vora  24.  Dezember  1808  aufGrund  der  damals 
bestehenden  Verhaltnisse  die  Grundsatze  der  kirchlichen  Neu- 
ordnung  aufstellte  ^),  rechnete  man  statt  mit  42  standigen  Geist- 
lichen  nur  mehr  mit  26 2),  die  zusammen  ein  fixes  Einkommen 
von  13410  fl.  batten,  und  das  Kgl.  Reskript  voml.Oktober  1809, 
das  die  1810  zur  Durchfiihrung  gelangte  Neuorganisation  an- 
ordnete,  lieB  nur  mehr  16  Geistliche  an  den  Kirchen  der  Innern 
Stadt  bestehen,  wobei  es  bis  heute  sein  Bewenden  gehabt  hat. 
Erst  in  der  allerneuesten  Zeit  ist  der  Gedanke  einer  noch 
weiteren  Verringerung  der  Pfarrstellen  der  imieren  Stadt  und 
zwar  zu  gunsten  der  anwachsenden  Vorstadte  aufgetaucht. 

Die  Zeit  des  grofien  Reichtums  an  Geistlichen  konnte  gleich- 
wolil  als  solche  des  Mangels  —  namlich  an  guten  Predigern  — 
empfunden  werden.  Ein  Konvolut  der  Stadtbibliothek^)  enthalt 
viele  Gedichte  und  Pasquilla  auf  die  Niirnberger  Geistlichkeit. 
Eines  tragt  die  Aufschrift:  „Das  dermahlige  fast  durchgehends 

1)  Die  nSuden"  ist  das  nach  seiner  Anlage  am  Wasser  so  benannte 
Spital. 

2)  Fnchs,  Annalen  der  protestant.  Kirche  im  KOnigieich  Bayern, 
von  dem  Anfange  der  Kegierung  EcJnigs  Maximilian  Joseph  I.  im  Jahre 
1799  bis  zum  Schhisse  des  Jahres  1822.  Ntirnberg  1823,  S.  106—112. 

3)  Vgl.  den  Akt  ^Gehaltsliquidationsverhandlungen**  1808/9  im  Kgl. 
Kreisarchiv.   Rep.  216°. 

4)  Nor.  H.  556.    Ahnliches  Material  in  Nor.  H.  442. 


108    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Nttrnberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayern. 

Geist-,  Leib-  and  LebloBe  Niirnberg.  Stadt  Ministerium,  occasione 
der  Infamen  KrauBer-Promotion  mit  lebendigen  Farben  ab- 
geraahlet  und  kiirzlich  beschrieben,  von  Einen  orthodoxen  in 
Piihrt."  Ein  anderes,  mehrfach  vorhandenes,  also  seinerzeit 
viel  verbreitetes,  hechelt  samtliche  Pfarrer  in  ebenso  witzloser 
als  boshafter  Weise  durch.    Es  beginnt  mit  St.  Sebald: 

„Der  M(5rl  schwazt  methodice,  docb  fehit  ilim  Gelst  und  Leben, 
Er  ist  dem  leidigen  Geiz  und  Hochnmt  g.ir  ergeben; 
Herr  Dittelmeyer  kan  nichts,  als  Complimenten  schneiden, 
Und  gibt  nebst  seiner  Frau  viel  schmeichel  Wortt  den  Leuthen.* 

u.  8.  w. 

Ob  ein  ebenso  schaales  Gegengedicht,  das  sehr  nach  be- 
stellter  Arbeit  aussieht,  etwas  nlitzte,  wissen  wir  ebensowenig 
als  wir  den  moralischen  Erfolg  einzuschatzen  vermSgen,  den 
die  samtlichen  Geistlichen  von  Sebald,  Lorenz,  Wohrd,  Geist, 
Suden,  Egidien,  Jakob  und  Marien,  33  an  der  Zahl  mit  ihrer 
(gnM,dig  beschiedenen)  Bitte  an  den  Rat  vom  30.  Juli  1792^) 
erzielten,  beiden  Schaflfern  und  dem  Pfarrer  von  WShrd  „das 
Pradikat  Hochwohlgelehrt,  ihren  Gattinen  aber  den  Titel  Wohl- 
edel,  Viel-,  Ehr-  und  Tugendreich,  den  iibrigen  Geistlichen  in  der 
Stadt  aber  das  Pradikat  Wohlerwiirdig,  Vorachtbar  undWohl- 
gelehrt  und  ihren  Gattinen  den  Titel  Edel,  Viel-  Ehr  und 
Tugendreich"  beilegen  zu  lassen,  denn  gerade  damals  besprach 
man  sogar  im  Rath  die  Griinde  des  schlechten  Gottesdienst- 
besuches  und  fand  dieselben  darin,  daC  die  meist  alten  Prediger 
ihre  Ansprachen  ^roBenteils  ablasen^)".  Um  in  dieser  Hinsicht 
eine  Besserung  zu  schaffen,  wurde  am  21.  Juli  1793  Professor 
Junge  von  Altdorf  als  Prediger  nach  Lorenzen  berufen.  Dieses 
Mittel  half  Junge  hatte  einen  „so  auBerordentlichen  Zugang", 
daB  wegen  der  vielen  Wagen,  in  denen  die  Vornehmen  zur 
Kirche  fuhren,  Ungliick  fiir  die  PuBganger  zu  besorgen  war, 
weshalb  ein  noch  vorhandenes  Plakat  „  Ausfuhr  der  Herrschafts- 


1)  Bibl.  Will.  VII.  1467  b.  Weniger  glinstig  wurde  der  Versuch  der 
Geistlichen  aufgenommen,  die  Wahlfahigkeit  fUr  das.Kollegium  der  Ge- 
nannten  zu  erhalten.  Vgl.  „Das  den  Nurnbergischen  Kirchenlehrern  als 
Burgern  unstreitig  zukommende  Recht  der  Wahlfahigkeit  und  Aufnahme 
in  das  Kollegium  der  Genannten  des  gr56eren  Raths,  bewiesen  und  dar- 
gelegt  von  dem  gesammten  Eirchen-Ministeiium  zu  Niirnberg  1794. 

2)  Bibl.  Will.  VII,  1151. 


99 

Geyer^  Das  kirchl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  a.  nach  d.  Uberg.  an  Bayern.    109 

Wagen"  gedruckt  und  an  den  geeigneten  Stellen  angeheftet 
wurde^).  Es  war  nicht  nur  der  Unterschied  des  Alters  und 
der  Begabung,  der  so  sehr  zugnnsten  des  neuen,  damals  auch 
schou  45jahrigen  Predigers  den  Ausschlag  gab,  sondern  ebenso 
seine  rationalistische  Rich  tang;  denn  keineswegs  zn  alien  Zeiten 
batten  die  Orthodoxen  die  vollen  and  die  Bationalisten  die 
leeren  Kirchen,  sondern  die  jeweils  aufstrebende  Geistesart  iibte 
die  grofiere  Anziebungskraft  aus.  Dem  anfsteigenden  Batio- 
nalismns  und  der  sich  erhebenden  Orthodoxie  war  ebenso  wie 
amgekehrt  der  alternden  Orthodoxie  und  dem  abwirtschaftenden 
Rationalismus  das  gleiche  Schicksal  bereitet. 

Junge*)  war  am  21.  Oktober  1748  als  derSohn  einesFarb- 
handlers  in  Nlirnberg  geboren.  Unter  dem  ^geschickten  Bektor 
Munker**  erwarb  er  sich  in  der  ersten  Klasse  der  Sebalder  Ge- 
lehrtenschule  so  viele  Vorkenntnisse,  daU  er  1766  die  Universitat 
Altdorf  aufsuchen  konnte.  Dort  horte  er  bei  Will  Philosophie, 
bei  Maier  Dogmatik,  Moral  und  Kirch engeschichte,  bei  Biederer 
und  Nagel  Hebraisch,  daneben  trieb  er  Griechisch,  Geometric 
und  Naturlehre  und  wohnte  auch  unler  Adolphen  verschiedenen 
Sektionen  bei.  Als  er  1769  wegen  mangelnder  Untersttttzung 
die  Universitat  verlassen  muCte,  wurde  er  nach  vorher- 
gegangener  Prufung  durch  den  Inspektor  der  Kandidaten 
Joh.  Konr.  Sporl  in  den  Niirnberger  Kandidatenzirkel  auf- 
genommen.  Seinen  Unterhalt  verdiente  er  sich  durch  Unterricht 
in  mehreren  angesehenen  Hausern,  daneben  Iibte  er  sich  im 
Predigen  und  Katechisieren.  1772  erhielt  er  die  Tuchersche 
Patronatspfarrei  St.  Helena,  nachdem  er  vorher  von  den  Predigern 
Stiefel  und  Degen  in  der  Stube  des  Landpflegamts  examiniert 
worden  war  und  die  iibliche  Probepredigt  bei  St.  Egidien  ge- 
halten  hatte.  Am  Pfingstfest  wurde  er  zu  Altdorf  ordiniert, 
nachdem  er  auch  dort  noch  einmal  von  den  Doktoren  der  Theologie 
gepriift  worden  war.  Nach  seiner  Rttckkehr  unterschrieb  er  in 
Nurnberg  die  Normalbiicher.  Nach  zehnjahriger  Pfarrtatigkeit 
berief  ihn  das  Scholarchat  am  5.  Oktober  1782  als  Nachfolger 
des  nach  Jena  berufenen  Johann  Christoph  Doderlein   auf  die 

1)  30.  Dezember  1793.   Bibl.  Will.  VII.  1426b. 

2)  Deiu  Bericht  Jun^es  vom  1.  Dez.  1807  ist  ein  LebensjibriB  bei- 
gegeben  unter  der  tlberschrift  „Persdnliche  Verhaltnisse". 


110    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Niimberg  vor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern. 

dritte  Altdorfer  theologische  Professur,  mit  der  die  Verwaltung 
des  Diakonats  an  der  dortigen  Pfarrkirche  verbunden  war.  Die 
beim  Amtswechsel  gehaltenen  Predigten  erschienen  imDruck*). 
Noch  im  n^mlichen  Jahr  hielt  er  sein  Inaugural  und  schrieb 
das  dazu  gehorige  Programm.  Im  Jahre  1783  disputierte  er 
offentlich  und  wurde  am  Peter-  und  Paulstag  Doktor  der 
Theologie.  In  der  am  Trinitatisfest  nach  der  bestehenden  6e- 
wohnheit,  „die  bey  dem  Gesuch  der  Doctorwiirde  zu  einem 
5ffentlichen  Vortrag  verpflichtete",  abgehaltenen  Predigt*)  er- 
wahnt  er  das  Pest  und  seine  dogmatische  Bedeutung  mit  keiner 
Silbe,  sondern  spricht  tiber  die  Wichtigkeit  der  Untersuchung, 
ob  wir  wiedergeboren  seien,  und  die  Art,  wie  sie  angestellt 
werden  mufi.  Nach  dem  Tode  seines  friiheren  Lehrers  Maier 
rtickte  er  1785  auf  die  zweite  Professur  vor,  die  wegen  des 
gr()6eren  Beichtstuhles  und  anderer  Geschafte  mit  vielen  An- 
strengungen  verbunden  war.  Beim  Dankfest  nach  der  Wahl 
Kaisers  Leopold  II.  hielt  er  fiber  Prov.  20,  28  die  Predigt*), 
die  etwas  spater  gehaltene  Gesangbuchspredigt  baben  wir  oben 
schon  kennen  gelernt.  Als  er  am  21.  Juli  1793  vom  Nurnberger 
Magistrat  „weil  damals  wegen  des  Alters  verschiedener  Prediger 
der  Sesuch  des  Gottesdienstes  in  Abnahme  geraten  war",  nach 
St.  Lorenz  berufen  worden  war,  verabschiedete  er  sich  in  einer 
Predigt*),  in  der  er  sehr  zutreffend  seine  Predigtwei«e  charak- 
terisierte.  Er  habe  ,j0hne  unnotigen  Auf  wand  von  Gelehrsamkeit 


1)  Zwey  Predigten  bey  seinem  Abzug  von  St.  Helena  und  An- 
tritt  zu  Altdoi'f  nebst  einer  Einfuhrungsrede  1782. 

2)  Pre  dig  t  am  Fest  Trinitatis  iiber  das  ordentliche  Evangelium 
gebalten  von  Chr.  Gottfr.  Junge,  der  Theologie  Licentiaten  nnd  ordentl. 
Offentl.  Lehrer  u,  Diakonus  zu  Altdorf  1783. 

3)  Predigt  am  19.  Sonntag  Trinitatis  als  dem  Ob^rherrlich  be- 
stimmten  Dankfest  wegen  der  HochstbeglUckten  Wahl  Seiner  E.  K.  Majestat 
Kaiser  Leopolds  des  Zweiten.  1790. 

4)  Abschiedspredigt  in  Altdorf,  an  dem  21.  Sonntag  nach  Trinitatis 
iiber  1.  Thess.  4,  1  von  D.  Chr.  Gottfr.  Junge  Prediger  an  der  Haupt- 
kirche  zu  St.  Lorenz  und  Inspektor  der  Eandidaten  des  Predigtamts.  Alt- 
dorf, Hessel  1793.  —  Auch  die  gleich  am  darauffolgenden  Sonntag  ge- 
haltene ^Antritts-Predigt  an  der  Haupt-Pfarrkirche  zu  St.  Lorenz  in 
Niimberg  iiber  das  Ev.  am  22.  Sonntag  nach  Trinitatis"  ist  im  Druck 
erschienen  und  wie  die  vorher  angefUhrteu  in  der  Stadtbibliothek  vor- 
handen. 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Nlirnberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayern.    HI 

un4  eitlen  Schmuck  erktinstelter  Beredsamkeit,  sondern  mit  aller 
der  Einfalt  und  Kunstlosigkeit"  gepredigt,  „die  er  so  wol  der 
Wiirde  der  Wahrheit  als  auch  der  Passungskraft  einer  so  ge- 
mischten  Gemeine  angemessen  glaubte".  Wer  da  etwa  noch 
der  Meinnng  w^re^  dafi  die  alien  Rationalisten  nur  Albernheiten 
und  Alltaglichkeiten  gepredigt  batten  lind  von  ihrer  Predigt- 
kunst  nichts  weiC,  als  daC  irgendwo  und  irgendwann  einer  an 
AVeihnachten  liber  den  Nutzen  der  Stallfiitterung  und  ein  anderer 
an  Ostern  tiber  den  Segen  des  Frlihaufstehens  gesprochen  babe, 
der  m5ge  Junges  Predigt  von  der  Kinderzucht  ^)  lesen,  von 
der  wir  auch  heute  noch  begreifen,  daC  sie  mit  ihrer  leb- 
haften  Schilderung  der  verwahrlosten  Jugend,  die  auf  den 
StraGen  lungerte,  die  Voriibergehenden  verspottete  und  alien 
Unfug  trieb,  mit  der  emsten  Prage:  „Was  soil  einst  aus  dieser 
nichtswiirdigen  Brut  werden?"  und  ihren  an  das  Gewissen  der 
Zuhorer  gerichteten  Ermahnungen  auf  die  Zeitgenossen,  denen 
die  etwas  nuchternen  und  verstandesmafiigen  Begrundungen 
freilich  mehr  zusagten  als  uns,  einen  tiefen  Eindruck  hervor- 
bringen  muBte.  Die  Kinderzuchtpredigt  hielt  er  bereits  in  der 
Sebalduskirche,  an  die  er  am  11.  Juni  1795  versetzt  worden 
war.  Als  Antistes  oder  wie  es  in  der  bayerischen  Ara  spater 
hieC,  als  Dekan  starb  er  in  der  Predigerwohnung  an  der  Burg- 
^trafie  am  28.  Marz  1814. 

Der  wurdigste  Vertreter  des  vom  Rationalisraus  unbeeinflufiten 
Christentums  war  damals  Johann  Gottfried  Schoner^)  der  Dichter 
des  Liedes  „Sei  stille,  mlidgequaltes  Herz",  von  1776  an  Diakon 
an  eben  der  Marienkirche,  an  der  friiher  Magister  Martin 
Schalling,  der  Sanger  des  unvergleichlichen  „Herzlich  lieb  hab 
ich  dich,  o  Herr"  als  Prediger  gewirkt  hatte,  dessen  Gedachtnis 
auch  im  ausgehenden  18.  Jahrhundert  nicht  erloschen  war^). 
Kaum  etwas  zeigt  die  Schranke  Junges  deutlicher,  als  da6  er 
bei  der  Bearbeitung  des  neuen  Gesangbuchs   an   den  Liedern 


1)  Predigt  von   der  Kinderzucht   am  Sonntag  Cantate   liber  Spr. 
Sal.  19,  18.  NUrnberg  1796. 

2)  Vgl.  Thomasinsi  Wiedererwacben  des  ev.  Lebens,  Erlapgen  1876, 
S.  89  ff. 

3)  Vgl.  Bezzel ,  Fragmente  zur  Lebensgeschichte  M.  Martin  Schallings 
(eine  M5rl  gewidmete  Jubilaumsschrift)  1785. 


1 12    (^eyer,  Das  kirchl.  Leben  in  NUrnberg  vor  u.  nach  d.  tlberg.  an  Bayern. 

Sch5ners^  yon  deneu  schon  mehrere  Sammlungen  erscbienen 
waren,  achtlos  vorfiberging^).  Im  Jahre  1783  wurde  er  an  die 
Lorenzkirche  versetzt,  woselbst  er  1809  erster  Pfarrer  wurde. 
In  Erinnerung  an  sein  amtliches  Wirken  hat  er  nacbmals  ge- 
schrieben  „Ach  mit  welchen  Schwierigkeiten  hat  die  Seelsorge 
in  Niirnberg  zu  kampfen"^).  Am  28.  Juni  1818  beschloB  er 
sein  an  schweren  Prlifungen  reiches  Leben.  Bei  der  Beerdigung 
am  1.  Juli  wurde  die  von  ihm  bei  Lebzeiten  verfaBte  Leichen- 
rede  vorgelesen.  Die  Standrede  hielt  ihm  Junges  Nachfolger, 
Valentin  Karl  Veillodter.  — 

Als  Niirnberg  bayrisch  geworden  war,  arbeitete  der  ganze 
bisherige  Verwaltungsapparat  zun^chst  weiter,  nur  mit  dem 
grofien  Unterschied,  dafi  sich  tiber  der  vorher  freien  Stadt- 
behSrde  das  kgl.  bayr.  Generallandkommissariat  in  Niirnberg, 
das  wir  der  Kiirze  halber  einfach  Kommissariat  nennen  woUen, 
erhob.  Das  Kommissariat  bedeutete  aber,  wie  jedermann  wuKte, 
das  Ende  der  Selbstverwaltung ,  und  so  glich  die  Tatig- 
keit  des  Rats  und  der  vielen  stadtischen  Amter  dem  Gang 
einer  Maschine,  unter  deren  Kessel  das  Feuer  erloschen  ist. 
Im  September  1806  hatte  das  Kommissariat  seine  Tatigkeit 
begonnen  und  am  28.  November  wurde  noch  einmal,  wie  seit 
dem  Jahre  1633  stets  gegen  das  Ende  des  Jahres  Kirchenkonvent, 
diesesmal  im  Lorenzer  Pfarrhof,  gehalten^),  Wiegewohnt,  hatte 
das  Kirchen-  und  Vormundamt  iiber  diesen  Konvent  referiert 
und  das  Protokoll  mit  einem  Gutachten  dem  Magistral  ^zur 
Dekretur"  vorgelegt.     Da   aber  dieser  sehr  rait  Recht  meinte, 

1)  Einige  /  vermischte  /  geietliche  /  Gedichte  /  von  /  Johann  Gott- 
fried Schoner.  /  Niirnberg,  /  bei  George  Peter  Monath,  /  1775.  /. 

Einige  Lieder  /  zur  /  Erbanung  /  von  /  Johann  Gottfried  Schoner  / 
Diac.  bey  der  Set.  Marien-Kirche.  /  NUrnberg,  1777  /. 

2)  Leichenrede  des  Herrn  J.  G.  Schoners,  Stadtpfarrers  bey  St.  Lorenz 
in  Niirnberg  nebst  einem  Theil  seiner  Lebensgeschichte  von  ihm  selbst 
noch  bei  Lebzeiten  verabfaBf,  aus  seinem  vorgefundenen  eigenhandigen 
Concept  unverandert  abgeschrieben  und  mit  dem  letzten  Theil  seiner 
Lebensgeschichte  erganzt  nebst  einigen  seinem  Andenken  geweihten  Auf- 
satzen.  NUrnberg,  Raw,  1818,  S.  29.  Dort  findet  man  auch  Bemerkungen 
tiber  seine  reiche  literarische  Tatigkeit. 

3)  Bericht  des  Stadtmagistrats  an  das  General-Land-Kommissariat 
V.  17.  Juni  1807  betr.  den  am  28.  Nov.  1806  gehaltenen  Kirchenkonvent. 
Kgl.  Kreisarchiv  Rep.  232,  2472. 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ntirnberg  vor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern.    113 

daU  manches  von  dem  im  Konvent  Verhandelten  fiber  seinen 
Wirkungskreis  hinausgehe,  schickte  er  in  einem  Tempo,  dais 
spjlterhin  allerdings  in  Bayern  bei  kirchlichen  Angelegehheiten 
an  Langsamkeit  von  den  Staatsbehorden  noch  weit  nberboten 
werden  sollte,  nach  reichlich  einem  halben  Jahr  einen  Bericht 
an  das  Eommissariat  und  erbat  h5chste  Entschliefiung.  Es 
handelte  sich  um  vier  Punkte.  1.  Die  Pfarrer  mOchten  zu  der 
geplanten  Neuorganisation  gehort  werden.  Die  Kgl.  Rentkammer 
habe  die  Organisation  zu  entwerfen,  aber  noch  nichts  an  deti 
Magistrat  berichtet.  Darum  fragt  dieser  an,  ob  er  einen  Or- 
ganisationsentwurf  ansarbeiten  und  vorlegen  solle.  2.  Der  von 
Junge  verfafite  Katechismus  moge  gedruckt  und  eingefnhrt  werden. 
3.  Die  Geistlichen  erbitten  fiir  die  kirchlichen  Angelegenheiten 
die  Gunst  des  Kommissariats.  4.  Das  seit  dem  Frnhjahr  im 
Sebalder  Pfarrhof  eingerichtete  Militargefangnis  mOge  verlegt 
werden.  Unterzeichnet  ist  das  Schriftstuck :  v.  Gender.  Der 
Bericht  der  Mitratsfreunde,  d.  h.  der  verordneten  Kirchenpfleger 
und  Scholarchen,  vom  20.  April  1807  datiert,  liegt  bei  den  Akten. 
Daraus  erfahren  wir  Genaueres  fiber  die  Verbandlungen  im 
letzten  Konvent.  Zun^chst  ffihrte  Junge  im  engeren  Konvent  aus, 
daJJ  die  jetzige  Lage  der  Dinge  zur  groBten  Sorgfalt  auffordere, 
damit  in  Religionssachen  eine  allzn  starke  Einmischung  (der 
Behorden  des  katholischen  Bayern)  vermieden  und  die  Rechte 
der  evangelischen  Religion  dadurch  nicht  gekrankt  werden 
mochten.  Im  allgemeinen  Konvent  klagte  er  fiber  die  Belastung 
der  Geistlichkeit  auf  dem  Lande  mit  allerhand  Geschaften.  Bald 
wolle  mp-n,  daB  erMedizin,  bald,  daB  er  die  Rechte  oderNatur- 
geschichte  verstehe.  Am  ertraglichsten  sei  noch  die  Forderung, 
daB  er  die  Aufsicht  fiber  die  Schule  fibernehmen  solle,  da  die 
Bildung  der  Nachwelt  ohnehin  zu  seinem  Amte  gehore,  nur 
solle  er  nicht  selbst  „den  Schulmeister  abgeben",  vielmehr  „be- 
gonders  die  gute  Art  zu  katechisieren  durch  sein  eigenes  Bei- 
spiel  darstellen".  Die  Geistlichen  seien  zwar  Volkslehrer,  „aber 
nicht  in  dem  Verstand,  in  dem  man  es  gewohnlich  zu  nehmen 
pflegt,  daB  sie  namlich  alles  Wissenswtirdige,  alles,  was  etwa 
in  besonderen  Fallen  zum  Nutzen  anderer  gereichen  k5nne, 
wissen  und  verstehen",  sondern  Verkfindiger  soldier  WahVheiten, 
„die  mit  der  Besserung  des  Menscheft  durch  Religion  mittelbar 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengcscbichte  XII.  3.  Q 


114    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Nurnberg  vor  u.  nach  d.  Oberg.  an  Bayern. 

Oder  unmittelbar  zusanimenhaiigen. "  Er  fttgte  die  Wunsche  an, 
in  alien  Heligionssachen  nnd  namentlich  bei  Aafstellung  eines 
Organisation splans  m5chte  den  Geistlichen  Mitteilung  gemacht 
werden  und  sie,  die  es  zunachst  angehe,  m5chten  aach  von  der 
Prlifling  nicht  ausgeschlossen  werden. 

Am  9.  eJuli  antwortete  das  Kommissariat,  daB  der  Kon- 
vent  nicht  ohne  h5here  Genehmigung  hatte  abgehalten  werden 
sollen,  da  die  Verbescheidung  der  Wunsche  anfier  dem  Wir- 
kungskreis  des  Magistrals  liege,  daB  manche  der  vorgetra- 
genen  Wunsche  im  Gegensatz  zu  der  eingetretenen^Regierungs- 
veranderung  stiinden  und  daB  die  Organisation  nicht  Sache  der 
Rentkammer  sei.  Die  weiteren  allerh.  Bestimmungen  iiber  die 
Verhaltnisse  der  hiesigen  Geistlichkeit  wftrden  dem  Magistrat 
seinerzeit  erofifnet  werden. 

Es  dauerte  einige  Zeit,  bis  man  nur  recht  wuBte,  welche 
BehOrde  in  den  geistlichen  Angelegenheiten  zustandig  sei.  Als 
sich  der  Magistrate)  am  24.  Dezember  1807  auf  Anregung 
des  nunmehr  als  kgl.  bayrisch  bezeichneten  „Kirchen-  und 
Yormundsamts",  —  die  Seele  desselben  war  ein  sehr  feder- 
gewandter  und  auf  die  Rechte  seiner  Behorde  erfolgreich  be- 
dachter  Beamter  namens  Sorgel,  dessen  Name  spater  in  den 
Akten  der  Kgl:  bayr.  Stiftungsadministration  des  Kultus  nnd 
Unterrichts  oft  begegnet,  welche  Behorde  an  die  Stelle  des 
Kirchen-  und  Vormundsamts  trat  —  an  das  Kommissariat 
wegen  Wiederbesetzung  des  mit  71  fl.  dotierten  Stadtvika- 
riats  wandte,  erhielt  er  die  Antwort,  dafi  sich  der  Antrag 
fur  die  Kgl.  Kammer  in  Ansbach  als  Konsistorium  eigne.  In 
der  Tat  zeigte  die  Ansbacher  Regierung  groBe  Lust,  die  Lei- 
tung  des  Numberger  Kirchenwesens  an  sich  zu  Ziehen*  Als 
der  Magistrat  am  5.  April  1808  dem  Kommissariat  mitteilte, 
daB  ftinf  Kandidaten  gepruft  sein  woUten  (unter  ihnen  war  ein 
Sohn  des  Jenenser  Professors  Gabler),  erklarte  am  14.  Juni 
das  Ansbacher  Konsistorium,  es  werde  sein^rseits  die  Prufung  an- 
Ordnen.  Es  sah  aus,  als  ob  der  sehnliche  Wunsch  des  Magistrats, 
daB  die  Stadt  Nurnberg  mit  ihrem  Gebiete  als  ein  eigenes; 
abgesondertes    Land    unter    bayrischer    Verwaltung    erhalten 


1)  Kgl.  Kreisarchiv.  Rep.  232,  2476. 


^eyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Ktirnberg  vor  u.  nach  d*  flberg.  an  Bayern.    115 

bleibe^),  ein  Wunsch,  dessen  GewShrung  dadnrch  wahrschetalicher 
geworden  war,  daB  dem  fruheren  Proteste  gegen  die  Behandlung 
der  Stadt  und  ihres  Gebietes  dnrch  das  Konsistorium,  als  ob  es 
dem  Fiirstentum  Ansbach  inkorporiert  ware,  Recht  gegeben 
worden  war,  auf  die  Dauer  unerfuUt  bleiben  mtisse.  Das  Kom- 
missariat  hielt  sich  zwar  fur  kompetent,  solche  kirchliche  An- 
ordnungen  zu  treffen,  die  eine  politische  Seite  batten,  in  rein 
geistlichen  Sachen  aber  erkaniite  es  die  Zustandigkeit  der  Ans- 
bacher  Regierung  als  Konsistorium  an,  weil  es  keinen  geist- 
lichen Referenten  besafi. 

Erst  mit  der  Bildung  des  „Pegnitzkreises"  (1808)  und  der 
volligen  Beseitigung  der  alten  Verwaltung  kani  groCere  Ordnung 
auch  in  die  kirchlichen  Angelegenheiten.  Gegen  Ende  des  Etats- 
jahres  1808/9  wurde  der  bekannte  Theologe  Paulus  zum  Kreis- 
kirchen-  und  Schulrat  ernannt  und  das  Generalkommissariat 
lieB  nun  als  Generaldekanat  des  Pegnitzkreises  durch  ihn  die 
laufenden  Geschafte  fiihren^).  Nun  wurde  die  Etradition  der 
kirchlichen  Akten  durch  den  Rezatkreis  nach  und  nach  voU- 
zogen,  doch  war  schon  manches  nach  Bayreuth  und  ans  General- 
kpnsistorium  gegangen  und  nicht  mehr  zu  haben,  Verzeichnisse 
der,  Predigtamtskandidaten,  Pfarreiverzeichnisse  wurden  ange- 
legt,  uber  Mittel  fur  Pfarrwitwenpensionen  wurden  Vorschlage 
gemacht,  die  Fassionen  wurden  eingefordert  und  die  Bau- 
konkurrenzpflicht  soUte  festgestellt  werden.  „Die  wegen  ihres 
verwickelten  Details  weitlaufigen  und  mtihsamen  Vorarbeiten 
uber  die  Organisation  des  Kirchenwesens  in  der  Stadt  Niirn- 
berg  —  so  wird  am  20.  April  1810  berichtet  —  haben  seit 
kurzem  ihre  definitive  Entscheidung  erhalten,  deren  Ausfiihrung 
so  eben  betrieben  wird."  Die  Organisation  des  Kirchenwesens 
auf  dem  Lande  sei  erst  m5glich,  wenn  die  Dekanate  angeordnet 
seien,  wofiir  zugleich   die  notigen  Vorschlage  gemacht  werden. 

Der  Grundgedanke  der  Organisation  des  stadtischen  Kirchen- 
wesens   war   die   Errichtung  von   fiinf^)    selbstandigen  Pfarr- 


1)  Scbreiben  des  Stadtmagistrats  an  das  Kommissariat  v.  12.  Jan.  1807. 
KgU  Kreisarchiv.  Rep*  232,  2468. 

2)  Bericht   des   Generalkommissariats    an   das  Ministerium  d.  J.  v. 
20.  April  1810.   Kgl.  Kreisarchiv.    Rep.  232,  4487. 

3)  Der  bereits  1812  abgelehnte  Vorschlag,  die  Pfarrei  zum  hell.  Geist 

8* 


116    Geyer,  Das  kird)].  Leben  ifi  Kfiiriibbei'g  vor  u.  nach  d.  fi^b6r||^;  ao  Baytern. 

ftmteni  fiir  die  innere  Stadt,  wUhrend  es  bisher  nuf  zwei, 
Sebald  nnd  Larenz,  gegeben  hatte.  An  jieder  der  flinf  PfaTreien 
soUten  drei  Geistliche  wirken,  fein  Stadtpfarrer^),  eiii  Diakon 
und  ein  Subdiakon.  Die  beiden  Hanptkirchen  dachte  man  da- 
durch  auszuzeichnen,  daB  man  ihnen  die  Predig6r  lieB^  die  fortan 
als  Hauptprediger  bezeichnet  und  mit  den  Dekanatsgeschaften  ^) 
betraut  werden  soUten.  St.  Johannis  und  St.  Leonhard  soUten 
Pfarreien  werden^).  Von  St.  Leonhard  aus  sollte  St.  Peter 
durch  einen  besonderen  Diakon  pastoriert  werden.  Bei  alle- 
dem  handelte  es  sich  natiirlich  vor  allem  um  die  Festsetzung 
der  Einkiinfte.  Da  beabsichtigt  war,  die  Beschrftnkung  auf 
17  geistliche  Stellen  sofort  durchzufuhren  und  die  tiberzahligen 
Geistlichen  einfach  zu  <iuieszieren  *),  konnten  die  Einkiinfte  d^r 
ubrigen  etwas  erhoht  werden.  Die  beiden  Hauptprediger  —  von 
denen  aber  nach  dem  Tdde  Waldaus,  dies  Antistes  bei  Lorenz 
(27.  April  1817),  nur  einer  besoldet  wurde  —  soUten  800  fl.,"  die 
ffinf  Stadtpfarrer  700  fl.,  die  fflnf  Diakonen  *  600  fl.  und  die  f&nf 
Kondiakone  500  fl.  erhalten.  Als  Eiitschadigung  fiir  den  Etit- 
gang  von  Accidenzien  sollte  der  Hauptprediger  noch  400  fl. 
und  ebensoviel  als  Dekanatsfunktionsgehalt  erhalten.  Da  je- 
doch  seine  Wohnung  fiir  150  fl.,  ein  Gartchen  auf  der  Bucjier- 


einznzieben  (KreisarcMv  Rep.  2.S2,  4626)  wurde  181G  erneuert.  Aber  auch 
dieser  epaterePlan,  durch  dieAufhebung  der  Spitalpfarrei  eine  Besserung 
der  Pfarrgehalter  herbeizuftihren,  wurde  wieder  aufgegeben.  Eingabe  v. 
12.  Febr.  1816  im  Kgl.  Kreisarchiv.   Rep.  232,  4626. 

1)  Der  anderwarts  nur  per  abnsum  gebranchte  Titel  ist  in  Ntirn- 
herg  rechtlich  begrilndet. 

2)  Die  in  der  juugsten  Zeit  erwogene  Erricbtnng  you  zwei  DekauateU 
war  auch  vor  hundert  Jahren  scbon  beschlossene  (aber  uicbt  ausgefUfarte) 
Sacbe. 

8)  Es  brauebt  wobl  kaum  gesagt  zu  werden,  daB  natiirlich  das  Be- 
setzungsrecht  der  Pfarreien  auf  den  bayr.  Staat  Uberging.  Erst  mit  der 
Einftthrung  der  stadtiscben  Selbstverwaltung  im  Jahr  1818  erbielt  die 
Stadt  das  Prasentationsrecht  fllr  die  Pfarreien  der  inneren  Stadt. 

4)  Extract  Allerh.  Hof-Reskripts  v,  1.  Oktober  1809.  Kgh  Krets- 
archiy.  Rep.  232, 4625.  Hiernach  soUten  qui^sziert  werden :  S  chaffer  Wagner 
bei  Lorenz,  Diakon  Ledermiiller  bei  Egidien,  Sudenprediger  EaufmanA, 
Diakon  Dietelmaier  bei  heil.  Geist  und  Antistes  Ranner  bei  Egidibn.  Die 
entbehrlichen  Diakonen  Bezzel,  Wifirialiller  und  Meyer  sbllten  auf  damals 
vakante  Landstellen  versetzt  werden.  . 


Geyer,  Das  kirchl.  Leben  iii  Niirnberg  vor  a.  nach  d.  iiberg,  aa  Bayeru.    1 17 

strftBe  VLXXk  48  fl.  und  12Mafi  Holz.um  78 fl.  angeschlagen  waren, 
QrhiQlt  er  nur  524  fl.  und  400  fl.,  ateo  im  gaDzen  924  fl.  bar. 
Man  kaOT,  sich  des  Eindrucks  nicht  erwehren,  als  ob  der 
Staat  die  kircbliche  Organisation  als  eine  nicht  za  verachtende 
Gelegenheit  betrachtet  babe  urn  die  traurigen  FiuanzvQrhalt- 
nis38  etwas  zu  yerbessern  ^). 

So  lang^  das  Generalkommissajiat  des  Pegnitzkreises  ber 
stand,  ftibrte  es  zngleich  als  Generaldekanat  (Konsistorinm)  die 
geistlichen  Ang^^tegenheiten*).  Mit  der  Verschmelzung  des 
Pegnizt-  und  Bezatkreises  gingen  alsdann  seine  Eompetenzen 
an  das  Konsistorinm  Ansbach  fiber.  Die  ganze  Pfarrorganisa- 
tiQtt  in  Numberg  trat  am  1.  Mai  1810  in  Kraft,  Ein  Auszng 
ans  der  im .  Intelligenzblatt ')  veroffentlichten  Bekanntgabe  zu 
fertigen,  wiirde  in  der  flauptsache  auf  eine  Besehreibung  der 
noch  bestehenden  kirchlichen  Ordnungen  binauskommen..  Da 
aufierhalb  dea  ehemals  Nurnbergischen  Gebiets  das  amtliche 
Organ  des  Pegnizkreises  von  1810  schwer  zugftnglich  seift 
d!irfte>  bringen  wir  das  Organisationsstatut,  das  die  Grnndlage 


1)  Da  der  Staat  den  Mher  von  der  Stadtverwaltung  geleisteten 
Beitrag  zu  deu  Eosten  des  protestantischen  Eultns  einfacb  einzog,  hatte 
im  'Jabre  1814  die  StiftUDgsadministration  mit  einem  Defizit  von  etwa 
4000  fl.  zu  kampfen.  Der  Administrator  Sorgel  scbrieb  mit  verblUffender 
£brlichkeit  an  daa  Generalkommissariat,  da^  dieses  Defizit  von  Eechts- 
wegen.dprch  einen  Staatsbeiti:ag,  nwelober  auf  die  widerrechtlicbste,  bos- 
haft^ate  Weise  dem  protestantischen  Eultusvermogen  entzogen  worden^ 
sei,  gedeckt  werden  musse.  ^Oberhaupt  —  so  sagt  er  w5rtlich  —  scfaeint 
ein  gaiiz  besonderes  Verdienst  in  die  Willkfir  gelegt  zu  werden,  womit  der- 
jenige,  welcher  zahlen  soil  und  mufi,  seine  Zahlungeu  zu  spenden  geruht**. 
Da  Sdrgel  kein  Geld  in  der  Kasse  hatte,  konnte  er  die  Gehalter  der 
GeiB^liGheU)  die  er  darum  „die  diirftigsten,  hUlflosesten  Menschen*^  nennt, 
nicht  rechtzeitig  auszahlen.  7-  Schreiben  vom  28.  Sept.  1814.  Egl.  Ereis- 
ai-ohiv.  Rep.  232,  4626. 

2)  Da  nach  Einrichtung  des  Pegnizkreises  unter  dem  General- 
kommissariat  dieses  Ereises  ein  Stadtkommissariat  als  Ober-Orts-Polizei- 
behorde  stand,  gab  es  zwischen  den  b^eiden  Behorden  anfanglich  wegen 
Befaattdlnng  der  gelfitlichen  AngelegenheitenEompetenzstreitigkeiten,  die 
durch  Ministerialerlafi  y.  28.  Jan.  1812  dahin  entschieden  wurden,  dafi 
das  .Generalkommissariat  ftir  alle  an  das  Generaikonsistorium  gehenden 
Kirchensachen  zustandig  sein  solle. 

.  3)  Intelligenzblatt  des  Pegnizkreises  und  Nurnbergsches  Anzeigblatt 
1810.  Nr.  45  vom  16.  April,  S.  410-418. 


118    Geyer,  Das  kirobl.  Leben  in  NUrnberg  vor  u.  nach  d.  tJberg.  an  Baydrn. 

des  Niirnbergischen  Kirchenweseus  mit  seinen  Vorzngen  nnd 
M^ngeln  bildet,  im  Anhang  zum  Abdruck.  Demselben^  war 
ein  Regnlativ^)  iiber  Verteilung  der  Kirchsprengel  beigegeben, 
das  unverHndert  bis  heute  in  Gfiltigkeit  geblieben  ist. 

Der  neue  Kirchen-  und  Schulrat  D.  Paulus  war  ein  ber- 
vorragender  VorkSmpfer  des  Rationalismus.  Als  der  Dekan 
von  Zirndorf,  Dr.  Papst,  zu  dessen  Bezirk  auch  Mogeldorf, 
St.  Johannis  und  St.  Leonhardt  gehorten,  in  seinem  Jahrea- 
bericht  vom  30.  Januar  1810^)  nicht  nur  die  alteren  orthodoxen 
Pfarrer  sehr  ungiinstig  charakterisierte*),  sondern  auch  eine 
weiter  gehende  Eationalisierung  des  Gesangbuchs,  dem  bei  seinem 
sonst  sehr  groCen  Werte  noch  vieles  Unschickliche  benommen 
werden  musse,  und  einen  anderen  als  den  Seilerschen  Katechis- 
mus  „mit  seinem  unnutzen  Wust"  forderte*),  lautetedie  vonPaulas 
gefertigte  und  von  Freiherrn  von  Lerchenfeld  unterzeichnetc 
Antwort  dahin,  daB  aus  dem  Jahresbericht  die  liberale  Amts- 
tatigkeit  des  Dr.  Papst  n^it  Vergntigen  ersehen  worden  sei, 
auch  werde  von  den  gemachten  Bemerkungen  bei  der  allerh. 
Stelle  zweckmafiiger  Gebrauch  gemacht  werden.  Das  Werk 
Paulus'  war  auch  ein  „Provisorisches  Regulativ  fur  protestan- 
tisiche  Pfarr-Einsetzuugen  ira  Pegniz  und  Naab  Kreise",  das 
vom  Generalkommissariat  des  Pegnitzkreises  als  dem  protest. 
Generaldekanat  vom  2.  Juni  1810  erlassen  und  gleiohfalls  vom 
Preih.  von  Lerchenfeld  gezeichnet  ist.  Dabei  wird  auf  das  Amt 
der  Lokalschuliiispektion  ziemlich  ebensoviel  Gewicht  gelegt  als 
auf  das  Pfarramtund  der  abzulegende  Amtseid  atmete  jenenOeist 
der  Nutzlicbkeit,  gegen  den  sich  noch  Junge  im  letzten  Niirn- 
berger  Pfarrkonvent  so  wacker  ausgesprochenhatte^).  Allein  der 


1)  Ebenda,  S.  419  flf. 

2)  Kgl.  Kreisarchiv.  Rep.  232,  4487. 

3)  Z.  B.  Andreas  Georg  Luft,  Pfarrer  za  St.  Leonhardt,  76  Jahre 
alt.  „Sein  lateiniscber  Ausdruck  ist  klassisch,  aber  seine  Dagmatik  noch 
die  des  Buddeus.  Heilig  ist  ihm  alles,  was  vom  alten  Ntirnberg  Btammt^ 
bis  auf  seinen  runden  Halskragen.  Seiner  Pfarrkirche  ware  mebr  Frequeofis 
zu  wunschen.    Er  predigt  nocb  im  alten  Styl". 

4)  „Weg  mit  einem  Lehrgebaude,  in  welchem  kein  Kind  srch  ^nden 
kann." 

5)  Der  Amtseid  lautet  (Kgl.  Kreisarchiv.  Rep.  232,  4619):  „Ich  ge- 
lobe  und  schwore  dnrch  diesen  feierlicben  Eid,  der  Konstitutiqn  and  den 


(Jeyer,  Das  kirehl.  LebeD  in  Niirnbergvar  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayern.    1^19 

Geist  des  radikalen  Rationalismus  fand  weder  in  der  fiiirgerT 
schaft  noch  bei  der  Nurnberger  Geistlichkeit  dauernd  Anklang. 
Wie  flii;  die  Endzeit  der  stadtischen  Selbstandigkeit  die  Per- 
s5nlichkeit  Junges,  so  sind  fiir  den  Anfang  der  bayrischen 
Ara  zwei  durch  ruhrende  Freundschaft  verbundene  Mftnner 
charakteristisch,  die  einander  in  der  Leitung  des  Dekanats  abr 
listen:  Valentin  Karl  Veillodter  und  Gotthold  Emanuel 
Friedrich  Seidel. 

Veillodter^),  i«ssen  Gedachtnis  durch  eine  nach  ihm  be- 
nannte  Strafie  erhalten  wird,  war  am  10.  Marz  1769  als,  Sqhn 
eines  Niirnberger  Kaufmanns  geboren.  In  Altdorf  (1787—89) 
war  er  namentlich  Schliler  Gablers,  der  sich  spSter  so  tatkraftig 
seiner  annabm,  in  Jena  (1789—91)  horte  er  u.  a.  Reinhold  utid 
Schiller.  Schon  als  Kandidat  hatte  er  in  seiner  Vaterstadt  als 
Prediger  einen  so  grpBen  Zulauf ^j,  daB  seine  Neider  behaup- 
teten,  er  habe  eine  am  SonnlStg  Jubilate  1792  in  Niirnberg  ge- 
haltene  Pfedigt  wortlich  aus  Bahrdts  Prediger-Mjigazin  abger 
schrieben.    Urn  jedermann  von  der  Unwahrheit  diesas  Vorwurfs 


Gesetzen  des  Konigreichd  Baiern  gehorsam,  Seiner  Majestat  unirem  allei- 
gnadigsten  E()nig  aUezeit  getreu  und  gewartig,  dem  Eonigl.  Hanse  zugetan 
—  und  gegen  die  mir  allerhochst  vorgesetzten  Bebordeo  nach  Amtapflicht 
folgsam  zu  Bein,  besonders  aber  als  Pfan'or  und  Lokal-Schulinspektor  zu- 
nach  den  allerhochsten  Verordnungen  Uber  das  protest&ntiscbe  Kirchen- 
wesen,  den  Grundsatzen  des  protestantiscben  Eirobenrechts  und  dem  Geiat 
der  Symbole  dieser  Eirchen-KonfeBion  gemaB,  auch  nacb  der  .Instruktiou 
fiir  Lokal-Schulinspektoren  und  anderen  das  Schulwesen  betreffenden  Ver- 
fiigungen  das  mir  anvertraute  gedoppelte  Amt  redlich  und  gewissenbaft 
zu  besorgen,  die  Erziebung  und  Fortbildung  der  Jungen  und  Alten  fiir 
christUche  Religiositat  tind  Erbauung,  aucb  fiir  ntitzliebe  Eennthisse  und 
biirgerliche  Tugenden  nach  Eraften  bei  jeder  Gelegenheit  zu  fSrdem,  und 
durohgangig  micb  so  zu  verhalten,  wie  es  einem  getreuen  Diener  des 
Eonigs  und  des  Staats  obliegt  und  geburt. 

So  wabr  mir  Gott  helfe,  nach  seinem  heiligen  Evangelium!" 

1)  Go z,  Job.  Adam,  tiber  Vaienrin  Earl  Veillodter.  Nurnberg  1829. 
Seidel,  Rede  znm  Andenken  an  E.  V.  Veillodter.  Nurnberg  1828.  Doktor 
Yal.  Eaii  Veillodters  Begrabnifi-Feyer  am  14.  Aprill828.  Mit  einem 
Abdrucke  der  letzten  am  Osterfeste  gehaltenen  Predigt  desselben,  sowie 
der  an  Seinem  Grabe  gesprochenen  Worte  und  Seinem  Andenken  ge- 
weibten  Beden  und  Gedicbte.    Nurnberg  1828. 

2)  Wir  erinnern  uns,  daB  damals  in  Niirnberg  diLrre  Zeit  war.  S. 
oben  S.  107ff.  . 


130    (jtey^x,  Das  kirchl.  Leben  in  NOrnberg  vov  u.  nacb  d.  6b«rg.  an  Bayem. 

zn  ttberzeugeDyTerSffentlichte  er  seine  Predigtnnd  den  Bahrdtschen 
Entwurf,  den  er  angeblich  sollte  bentitzt  haben.  Prof.  Gabler 
sohrieb  die  fur  den  jungen  Theologen  aufiierst  ehrenvoUe  Vor- 
red6  dazu^).  Im  Jabr  1793  wurde  er  Mittagprediger  bei  hell. 
Kreuz,  1801  erhielt  er  die  Pfarrei  Walker gbrunn*).  Dort  er- 
regte  er  alsbald  Aufmerksamkeit  durch  eine  Flugschrift  iiber 
die  Schutzpokenimpfnng  ^).  Ende  1809  wurde  er  als  Stadtpfarrer 
nach  St.  Egidien  berufen*),  und  1814  trat  er  als  Dekan  und 
Hauptprediger  an  die  Stelle  <ies  verstorbenen  Junge®).  Man 
kann  an  der  HAnd  der  von  ihm  veroffentlichten  Predigten  die 
wichtigsten  Zeitereignisse  verfolgen,  das  Siegesfest  1814,  das 
Eeformationsjubilaum  1817,  die  Einsetzung  des  Magistrats  1818, 
den  die  Gemtiter  der  Nurnberger  schwer  beunruhigenden  Plan, 
Kirchenaiteste  einzufiihren  (1822),  bier  lernt  man  ihn  besonders 
als  ruhigen  und  berubigenden,  seinen  Stoff  beherrschenden  und 
seinen  IKrern  tiberlegenen  Rednef  kennen  —  das  Regierungs- 
jubiiaum  von  1824  und  die  Qedachtnisfeier  ftir  Max  I.  1825*). 


3)  Veillodter,  Zwey  Predigten  tiber  die  kraftigsten  Bertthrungs- 
grttnde  des  Christen  bey  dem  Tode.  Mit  einer  Vorrede  von  D.  Job. 
Ph.  Gabler,  ord.  Prof,  der  Theol.  zu  Altdorf.    NUmberg  1792. 

2)  Abschiedspredigt  in  der  Kirche  zum  heil  Kreuze  gehalten  von  V., 
emanntem  Pfarrer  in  Walkersbritnn  1801. 

5)  An  die  lieben  Landleute  iiber  die  Ausrottnng  der  schrecklichen 
Blattemkrankheit.  Von  einem  Landprediger.  Nfirnberg  1801.  Dort.lesen 
wir  (S.  8):  „Lieben Freunde,  merketwohl  auf  den  grofien  heilsamesSatz,' 
den  Gott  uns  hat  erkennen  lassen:  Wer  sich  die  Knhblattern  inoculiren 
la^t,  ist  fdr  seln  ganz'es  Leben  vor  jeder  Ansteckung  durch  die  bisherigen 
abscheulichen  Blattern  sicher". 

4)  Antrittspredigt  am  Weihnachtsfeste  in  der  Stadtpfarrkirch^  za 
St.  Aegydien.    Niirnberg  1810. 

6)  Antrittspredigt  in  der  Kirche  zu  St.  Sebald  am  30.  Oktober  1814. 
Den  SchluB  bildet  ein  packender  Hinweis  auf  den  Brand  von  Tirschen^. 
reuth  mit  der  Aufforderung,  Gaben  fiir  die  Unglucklichen  zu  spenden. 

6)  Rede  am  Siegesfeste  gehalten  am  Sonntage  nach  Ostern.  1814. 
—  Zwei  Predigten  am  Beformationsfeste  im  Jahre  1817  gehalten  und  zur 
Vorbereitung  auf  die  dritte  Sacularfeier  herausgegeben  von  Veillodter 
und  Seidel.  1817.  t-  Erinnerungen  an  die  zweite  Jubelfeier  der  Re- 
formation im  Jahre  1717.  Nurnberg  1817.  —  Eanzelrede  am  Tage  der- 
feierlichen  VerpHichtung  und  Einsetzung  des  Magistrats  der  Stadt  Niirnberg 
am  23.  November  1818.  —  tJber  KirchenaUeste.  Eine  Predigt,  gehalten 
am   14.  Sonntag  nach  Trinitat.  1822.  —  Rede   am,  Regierungs-Jubilaum 


Geyer,  Das kirchl.  Lcben  in Ntirnbergvor  n.  nachdi  Cberg.  an  bayern.    121 

Die  bish^r  mit  der  Predigerstelle  vereinte  Bibliothekver\*^al- 
tung  hatte  er  nicht  mehr  fibernommen  urid  am  liebfeten  hatte 
er  auch.  die  mit  der  Bibliothek  verbtmdene  damals  ^dustere 
kalte  Klosterbewohnung"  gar  nicht  bezogen,  aber  die  BehSrden 
gingen  auf  die  „fur  sein  heiteres  Leben  and  Wirken**  wichftige 
Bitte,  ibm  statt  der  Wohnnng  den  Wdhnuugsansatz  d»  h.  150  fl. 
zu  uberlassen,  nicht  ein^).  Die  innigste  Freundschaft  Verband 
ihn  mit  sein  em  KoUegen  Seidel,  mit  dem  and  Diakonas  Meyer 
zasammen  er  eine  bllihende  Tochterschale  ins  Leben  gerafen 
hatte'*).  Elf  Jahre  vor  seinem  Tode  hatte  er  diesem  an  seinem 
Geburtstag  (10.  Marz)  einen  Brief  ubergeben,  den  er  der^inst- 
an  seinem  Todestage  5ffiien  sollte.  Als  Veillodter  von  einem 
Eitt  nach  Muggenhof  anwohl  heimgekehrt  and  bald  darauf,  ge- 
storben  war  (9.  April  1828),  5ffnete  Seidel  den  Brief  and  las- 
folgende  Worte:  „ Hatte  die  ewige  Liebe  beschlossen,  mich  nach 
ihrer  Gnade  schnell  hinliberzttfiihren  ins  stille  Land  des  FriedBns, 
da&  ich  nicht  mehr  miindlich  Dich  segnen  konnte,  dann  des 
heifiesten  Segens  flammende  Worte  in  diesen  Zeilen.  Indem 
Du  sie  liesest  preise  ich  dort  den  Unendlichen,  dafi  er  Dich  anf 
meitier  Bahn  mich  finden  lieC,  und  freae  mich  der  Wonne,  die 
ich  Dir  dort  bereitet  erblicke,  des  Aagenblicks,  wo  ich  Dir  ent- 
gegenjauchze:  nan  bist  Du  ewig  mein!" 

Seidel,  ein  vielseitig  begabter  Mann  ^),  ein  tiichtiger  Lehrer, 
ein  beliebter  Dichter  and  gefeierter  Prediger*),  warde  sein 
Nachfolger.  Als  ein  Denkmal  nicht  nar  seiner  Geistesart, 
sondern   des  religi(5sen   Lebens  und   Fiihlens   seiner   Zeit   sei 


Sr.  Maj.  des  ROnigs  von  Baierti  am  16.  Febr.  1824.  —  Rede  am  Tage  der 
kirchl.  GedachtDiBfeier  des  Konigs  Maximilian  I.  1825.  —  Eiuige  Worte 
am  19.  Oktober  1825  als  am  Begrabnistage  Sr.  Majestat  des  ESnigs 
Maximilian  I.  gesprochen.  —  Bin  vollstandiges  Verzeichnis  seiner  Schriften 
ist  der  Siedelschen  Gedachtnisrede  beigegeben. 

1)  Kgl.  Kreisarchiv.  Rep.  232,  4626. 

2)  Geyer,  Niirnberger  T5chterschalen  vor  100  Jahren.  Ini  Jahres- 
bericht  des  Institnt  Lohmann  1905. 

8)  Von  ihm  stammt  ein  hUbscher  Eiipferstich,  Altdorf  darstellend, 
von  1798.  In  der  Stadtbibliothek  ist  eine  Serie  von  Newjahrwunschkarten 
(1816—1838),  die  er  fast  alle  selbst  gestochen  hat. 

;  4)  In  der  Stadtbibliothek  findet  man  eine  ganzeReihe  von  gedruekten 
Silvesterpredigten  und  u.  a.  eine  1812  gehaltene  Synodalpredigt. 


122    Geyer,  Das  kircbl.  Leben  in  Nlirnberg  vor  u.  iiach  d.  Cberg.  an  Bayein. 

zum  SchluB  mitgeteilt,  wie  er  in  Niirnberg  eine  —  vorher  wie 
wir  wissen  nicht  iibliche  —  5ffentliche  Konfirmation  hielt.  Nach 
der  Konfirmationsrede,  die  ebenso  wie  alle  mir  bekannt  ge- 
wordenen  Predigten  von  ihm  von  einer  Hohe  der  geistlichen 
Beredsamkeit  zeugt,  wie  sie  nicht  immer  wieder  erreicht  worden 
ist,  sprach  er  zu  den  Kindern^):  „So  erhebet  each  denn,  und 
in  tiefer  Andacht  vernehmet,  wozu  wir  uns  bekennen: 

Wir  glauben  an  Gott  den  Allerhabenen,  der  unser  Vater 
und  einst  unser  Richter  ist,  der  uns  mit  Weisheit  und  Gute 
durch  dieses  Leben  leitet,  und  unter  seinem  Walten  zum  Ziel 
der  seligen  Ewigkeit  leiten  will. 

AVir  glauben  an  Jesum  Christum,  Gottes  Sohn  und  der 
Menschen  Heiland,  der  auf  der  Erde  wandelt  und  fiir  uns  starb, 
ein  heiligendes  Beispiel  uns  zu  geben,  der  hinging,  uns  im 
Himmel  eine  Statte  zu  bereiten,  wenn  unser  Herz  wie  seines 
auf  der  Erde  die  Wohnung  der  Tugend  war. 

Wir  glauben  an  den  heiligen  Gottesgeist  un(J  daC  die, 
welche  er  ergreift,  Gottes  Kinder  sind  im  Glauben,  in  der 
Liebe  und  in  der  Hoffnung. 

Wir  freuen  uns  des  Glaubens,  den  Jesus  Christus  verkundigt, 
den  der  Sternenhimmel  und  das  Gewissen  ausspricht:  Wir  sind 
unsterblich ! 

Ist  das,  Geliebteste,  auch  euer  Glaube?  so  antwortet  mir 
mit  einera  lauten  Ja. 

Versprechet  ihr  feierlich  vor  dem  AUwissenden,  der  euer 
Geliibde  hort,  nach  Jesu  Lehre  und  Beispiel  zu  leben  bis  an 
euer  Ende?  so  antwortet  mit  einem  lauten  Ja. 

So  ist  es  denn  also  ausgesprochen  das  feierliche  Geliibde! 
Der  Ewige  hat  es  gehort,  und  diese  Stunde  wird  euch  richten. 
So  nehrae  ich  denn  hiemit  im  Naraen  der  Gemeine  Jesu,  kraft 
meines  Amtes.  euch  auf  in  die  Gemeinschaft  der  erwachsenen 
Verehrer  Jesu,  und  erteile  euch  die  Erlaubnis,  des  Herrn  heiliges 
Mahl  zu  feiern.  So  ubergebe  ich  euch  nun  der  christlichen 
Tugend,  dem  Glauben  und  der  Hoffnung.  Gehet  hin  und  ehret 
durch  frommen  Wandel  die  heilige  Lehre,  der  ihr  euch  geweihet 
habt.    Ihr  habt  ein  grofies  Versprechen  gegeben :  seyd  ihm  ge- 

1)  ConfirmationsbandluDg  am  Palmsonntage  1813  in  derKirche 
zu  Aegidien  gebalten.    NilrDberg,  den  11.  April.   S.  12  f. 


Geyer,  Das  kirchl.  Lebeir  in  Niirnberg vor  n.  nach  d.  Uberg.  an  Bayern.    123 

treu  bis  in  den  Tod!  Dies  Auge,  mit  dem  ihr  itzt  so  mntig 
ins  Leben  vorwarts  schaiiet,  wird  einst  brechen,  auf  eurer  Stirn, 
der  wir  itzt  segnend  unsere  Hand  auflegen,  steht  einst  der  kalte 
SchweiB  des  letzten  schwersten  Kampfes;  wie  euer  Herz  itzt 
voUer  schlagt  in  Ernst  and  Andacht,  so  bebt  es  einst  im  Vor- 
geftihl  der  nahen  Ewigkeit,  Um  jener  ktinftigen  Stunde,  nra 
eures  Todes  willen,  vergefit  im  ganzen  Leben  nie,  was  ihr  in 
dieser  Stunde  itzt  gehort  und  versprochen  habt.  Gott  sey  mit 
euch  im  Leben  und  ira  Tode!  Amen^)." 

In  die  Amtstatigkeit  Seidels  fiel  das  Auftreten  Wilhelm 
L5hes,  der  als  Verweser  an  der  Agidienkirche  unter  der  be- 
geisterten  Zustiramung  der  einen  und  dem  lauten  GroUen  der 
anderen  derAnbruch  eines  neuen  Morgens  des  religiosen  Lebens 
verkundigte,  eines  Morgens,  aus  dem  bereits  wieder  ein  Abend 
geworden  ist.  Ich  konnte  die  Akten,  die  den  Kandidaten  LChe 
betreffen,  nur  mit  dem  Wunsche  lesen,  es  mochte  bei  zukiinftigen 
Veranderungen  in  den  geistigen  und  religi5sen  Str5mungen 
niemals  an  so  ehrenfesten,  wahrheitsliebenden,  verstandnisvollen 
Mannern  fehlen,  wie  damals  der  Magister  Gotthold  Emanuel 
Friedrich  Seidel  einer  gewesen  ist. 

Soil  zum  SchluB  die  Frage  beantwortet  werden,  ob  der 
tJbergang  Niirnbergs  an  Bayern,  der  fiir  die  Entwickelung  der 
Stadt  bekanntlich  von  der  segensreichsten  Wirkung  war,  auch 
fur  das  kirchliche  Leben  einen  Gewinn  bedeutete,  so  lafit  sich 
eigentlich  nur  zweierlei  mit  einiger  Bestimmtheit  beliaupten.  Der 
AnschluB  an  eine  groBere  kirchliche  Organisation  muBte  be- 
freiend  und  erweiternd  wirken,  namentlich  war  die  —  allerdings 
nicht  immer  genutzte  —  Moglichkeit  gegeben,  auf  die  Ntirn- 
berger  viel  begehrten  Pfarrstellen  geeignete  Leute  aus  einem  viel 
weiteren  Gebiet  zu  berufen,  als  es  das  reichsstadtische,  an  tiichtigen 
Kr&ften  allerdings  nicht  arme  Territorium  gewesen  war.  Zum 
andern  aber  laBt  sich  uicht  verkennen,  daB  die  kirchlichen 
Angelegenheiten,  seitdem  sie  in  eine  weit  liber  die  Stadtgrenzen 
hinausgehende  Organisation  eiugegliedert  waren,  viel,  sehr 
viel  von  dem  Interesse  einbiiBten,  das  ihnen  vorher  von  selbst 
entgegengebracht    wurde.      AVahrend    auf  politischem   Gebiete 

.1)  Darauf  folgte  die  Beichte  mit  Absolution,  die  Eonsekration,  die 
£in8egnung  der  Kinder  und  die  Kommunion. 


124    Oeyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Niirnberg  vor  u;  Dsich  d.  Ob.erg.  an  Bayern 

mit  dei*  EinfiihrtiDg  der  stadtischen  Selbstverwaltung  die  lalte 
reichsstadtiscbe  Gesinnnng  in  neuen  Fonnen  wieder  auftebte, 
wird  die  protestantische  Gemeindeverfassung  erst  ganaj  anders 
ausgebaut  werden  miissen,  wenn  auf  kirchlichem  Gebiete  Ahri- 
liches  geschehen  soIL 


Anhang. 

Intelligenzblatt  des  Pegnizkreises  and  NtirnbergscheA  Anzeigblatt  1810 

Nr.  45  vom  16.  April.  S.  410—418. 

Extra-Beilnge  zu  Nr.  XLV  des  Anzeigbljitts.         , 
Im  Namen  Seiner  Majestslt  des  K5nig8  von  Baiern. 

Durch  allerhochste  Eescripte  Miinchen  vom  1.  Okt.  1809  und  Paris 
vom  25.Februar  1810  sind  die  wesentlichstenPunkte  von  der  Organisation 
der  PfarrSmter  in  der  Stadt  Nurnberg  definitiv  bestimmt  worden. 
Ausdenselben  werden  deswegendiejenigenVerfiigungen,  vonwelchen  eine 
allgemeine  Kenntnis  fiir  samtliche  Mitglieder  der  hiesigen  Kircben- 
gesellscbaften  nbtig  seyn  kann,  hiermit  zur  Nacbachtung  bekannt 
gemacbt : 

1.  Die  Sebalder,  Laurenzer,  Aegidier,  Jacober  und  Spitaler 
Kircben  sind  als  Pfarr-Kirchen  fiir  den  lutberiscben  Kultus 
bestimmt.  Mit  der  Spitaler  Kirche  wird  die  Hospital- Gemeinde  ver- 
einigt. 

2.  Der  katholischen  Gemeinde  in  der  Stadt  Numberg  ist 
die  Frauenkirche  am  Markte  zura  gottesdienstlichen  Geb^aucb  gegen 
den  Scbatzungswert  liberlasseu. 

3.  Der  reformierten  Gemeinde  in  der  Stadt  Niirnberg  ist 
die  Martba-Kirche  zu  ihrem  offentlichen  Gottesdieust  als  Pfarr-Kirche 
angewiesen  und  die  reformierte  Gemeinde,  als  eine  Pfarrgem'einde 
bestatigt. 

4.  Jede  dieser  Pfarreien  hat  das  Recht,  bei  denen^  welche  zu 
ihrem  Sprengel  gehbren,  alle  matrikelm^fiige  Pfarr-Handlungen,  Taufen, 
Trauungeu  und  Leichen  betreffend,  ausschliefiend  auszuuben  ui^d  die 
Matrikel-  oder  Stolgebiihren  dafur  zu  beziehen. 

5.  Jedoch  wird  nach  dem  Sinn  des  Religions-Edikts  vom  10.  Ja^ 
nuar  1803  auch  bei  matrikelmafiigen  Pfarrhaodlungen  den  einzelnen 
Bewohnern  der  ausgeschjedeneu  Pfarr-Sprengel  gestattet,  nach  Ent- 
richtung  der  Stolgebuhren  an  die  Pfarrey  des  Sprengels  und  nach 
einem  dadurch  bewirkten  Atteste  iiber  die  geschehene  Einregistrierung 
in  die  Pfarr-Matrikel,  die  liturgische  Funktion  selbst  durch  einen 
Geistlichen  eines  der  andern  Stadtpfarrey-Sprengel,  welcheu  jenes 
Attest  vorzuzeigen  ist,  verrichten  zu  lasses. 

6.  In    Hinsicht    auf   die    besondere  Beicht-    und  Seelsorge-Ver- 


Gejer,  Dss  Icircfal.  Leben  in  KUrnberg  vor  n^  n^ebd.  Cberg.  an-Bay ern.    125 

bUltnisde  tsrird  jedem  Gemehideglied  &ete  Wabl  imter  d^O:  Geistiichen 
d«r  3^t  gelassen. 

7.  Da  die  Anordnung  einer  reformierteji  Pfarr-Gemeinde  in  jeder 
Hinsicht  vielmebr  ein  Einverstandnia,  als.  eine  Entgegensetzung  der 
verwandten  Gemeiuden  beabsichtigt,  so  erstreckt  sicb  audi  dort  das 
bindende  Pfarr-Recht  in  Beziebung  auf  alle  reformierte '  Einwohner 
der  Stadt  nur  auf  matrikelmafiige  FfarrbandluDgeu ;  die  Beicbt-Ver- 
haltnisse  bingegeu  sind  dadurch  wecbselseitig  nicbt  eingescbrankt. 
Die  gottesdieDstlicben  allgemeinen  Funktionen  in  der  reformierten 
Kircbe  bestehen  an  den  Sonnr  nnd  Feiertagen  in  einer  Morgen- 
predigt  und  einer  Katecbisation;  wabrend  der  Wocbe  in  einer  Wocben- 
predigt  und  Katecbisation,  aufier  den  gew5bnlicben  Beicbtandacbten 
nnd  Kommuniohen. 

8.  Es  wird  ein  Stadt-Dekanat  errichtet  werden^  dessen  Inspektion 
aucb  die  reformierte  Pfarrey  untergeordnet  ist. 

9.  Der  Umfang  eines  jeden  der  neu  geordneten  funf  Pfarr- 
Sprengel  wird,  durcb  den  biemacb  folgendeu  Abdruck  des  Regnlativs, 
nacb  der  —  bei  der  B'egutacbtung  stattgefundenen  Eintbeilung  der 
Gassenbanptmanuscbaften,.  Strafien  und  Halisnummern  bekannt  ge- 
macbt^  nm  fur  jedes  Haus  zu  bestimmen,  zu  welcher  Kircbe  es  sicb 
in  Hinsicbt  der  matrikelmafiigen  Pfarrbandluugen  zu  balten  babe. 

10.  Die  aufier  den  Ringmauern  der  Stadt  zerstreuten  Vorstadte, 
Ortscbaften  und  Wobnungen,  welche  sicb  bisber  zur  Stadtgemeinde 
bielten,  gehoren  in  pfarreylichen  Verbaltnissen  kunftig  zu  den  neu- 
angeordneteh  Pfarr-Amtern  Jobannis  und  Leonhard,  welcbe  deswegen 
alle  Taufeu,  Trauungen  und  Leicben,  die  in  dem  Umfang  ibres 
Pfarr-Sprengels  vorkommen,  in  ibre  Pfarr-Register  eiuzutragen,  gleich 
anderen  Landpfarreien  sie  zu  besorgen  und  dafUr  die  StolgebUbren 
zu  beziehen  baben. 

11.  L^  Ansebung  der  Garten,  welcbe  in  diesen  Tbeiden  Pfarreien 
liegen,  werden  nur  diejenigeu  Bewohner  derselben  zu  dem  Pfarr- 
Sprengel  gezablt,  die  dort  einen  bleibenden  Aufentbalt  und  in  der 
Stadt  keine  Wobnung  baben;  nicbt  aber  diejenige,  welcbe  nur  den 
Sommei:  liber  in  den  Gslrten  wobnen  und  durcb  eine  eigene  Wobnung 
oder  Miete  der  Stadt  angebdren. 

12.  Erwacbsene  unter  den  Bewobnern  dieser  beiden  Pfarr- 
sprengel,  wenn  sie  bisber  einen  Stadtgeistlicben  zum  Beicbtvater 
batten,  baben  Erlaubnis,  deoselben  beizubebalten.  Kinder,  welcbe 
jetzt  nocb  nicbt  konfirmirt  sind,  treten  durcb  die  Konfirmation  in 
das  gewohnlicbe  Beicbt-Verbaltnis  mit  dem  Orts-Pfarrer  aucb  in 
diesen  beiden  zum  Land  gerecbneten  Pfarreien. 

13»  In  Ansebung  der  benacbbarten  Baireutbiscben  DSrfer,  iindet 
bierUber  fur  jetzt  weder  eine  Bescbrankung,  nocb  eine  Vorschrift 
statt. 

14.  Wegen    der    grofien   Ausdebnung    der    Leonbarder.  Pfarrey 


126    Geyer,  Das  kirchl.  Leben  in  Nttrnberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayei^. 

wird  in  Verbindnng  mit  derselbeu  nicht  nnr  der  Goitesdienst  in  der 
Peters-Kapellefortgesetzt;  sonderu  anch  auf  Parocbialhandlungen  fur 
die  uSber  liegenden  Ortscbaften  nnd  Wobnungen  ausgedebnt  werden. 

15.  Bei  den  Kircben^  welcbe  mebrere  Geistlicbe  baben,  sind  die 
Pfarr-Matrikeln  in  der  Verwaltung  des  Stadtpfarrers,  welcber  allein 
Pfarr-Scbeine  daruber  auszustellenund  die  bestimmten  Gebiibren  dafiir  zu 
bezieben  bat.  Aucb  wo  nur  Ein  Pfarrgeistlicber  ist,  soUen  die  Pfarr-  • 
bticber  von  ibm  selbst,  und  nicbt  von  einem  Kircbner  oder  Mefiner 
gefUbrt  und  verwabrt  werden. 

16.  Die  Vormittagspredigten  an  den  Bonn-  und  Feiertagen 
werden  in  der  Aegidier  uml  Jacober  Kircben  um  8  Uhr,  in  den 
beiden  Hauptkircben  zu  Sebald  und  Lorenz  um  9  Uhr;  in  der 
Spitaler  Kircbe  um  balb  11  Ubr  angefangen.  Die  sogenannten  Vor- 
gottesdienste  sind  gSnzlicb  aufgeboben. 

17.  Der  Gottesdienst  beginnt  prSzis  zur  bestimmten  Zeit  mit 
dem  Hauptgesang.  Wabrend  desselben  tritt  der  Prediger  vor  den 
Altar,  um  ein  Gebet  zu  sprecben;  Hierauf  werden  nocb  einige  Verse 
des  Gesangs  gesungen,  wSbrend  welcber  der  Prediger  die  Kanzel 
betritt.  Anf  die  Predlgt  folgt  unmittelbar  ein  Gebet.  Alsdann 
kSnnen  die  Proklamationen  und  andere  Verkiindigungen,  jedocb  nur 
solcbe,  welcbe  fUr  die  Kanzel  geeignet  und  durch  Vorschriften  der 
allerbocbsten  Stellen  oder  des  General-Dekanats  aufgegeben  sind, 
bekannt  gemacht  werden.  Besonders  verlangte  Flirbitten,  die  aber 
nur  Kranke  und  Sterbende  betreflFen  sollen,  werden  mit  dem  Scblufi- 
votum  scbicklicb  verbunden.  Hierauf  folgt  der  Gesang  der  Gemeinde 
und  ein  stilles  kurzes  Gebet. 

Nacb  diesem  stimmen  die  Cborsinger  unter  Leitung  des  Kantors 
vor  dem  Altar  vierstimmig  ein  geistlicbes  Lied  oder  eine  Hymne  an. 
Die  KircbentUren,  welcbe  der  Mefiner  mit.  dem  Auftreten  des  Geist- 
licben  auf  die  Kanzel  zu  scbliefien  hat^  werden  wieder  geSffnet  und 
die  Gemeinde  wird  entlassen. 

18.  Die  Kommunionen  werden  durchgangig  als  ein  besonderer 
Gottesdienst  vor  der  Predigt  gebalten. 

Weil  jede  Feierlicbkeit  durcb  allzu  bSufige  Wiederbolung  leidet^ 
so  werden  sie  in  der  Kegel  nur  alle  14  Tage  und  an  den  bohen 
Festtagen  zelebriert  werden.  Da  man  jedocb  biervon  auf  die  Jabres- 
zeiten  gerne  Rucksicbt  nimmt;  so  wird  jedesraal  die  bevorstebende 
Kommunion  8  Tage  zuvor  von  der  Kanzel  angezeigt.  Nacb  dem 
Begriff  von  Kommunionen  nebmen  aucb  die  Aermsten,  obne 
fernere  Absonderung,  an  diesen  offentlichen  Obristenvereinigungen 
Anteil. 

19.  Sonnabends  zuvor  werden  in  alien  Pfarr-Kircben  nacbmit- 
tags  1  Uhr  die  Beicbtreden  gebalten  und  bierauf  die  besonderen 
Beicbten  und  Absolutionen  gegeben. 

20.  Die  Kirch  en-Op fer  werden,   bis    auf  weiters,    wie  bisher 


Geyer,  Das  kircbl.  Leben  in  Niirnberg  vor  u.  nach  d.  Cberg.  an  Bayeni.    127 

gesammelt.  Auch  bei  Taufen,  Trauungen,  Kommunionen  werden 
Becken  aufgestellt;  deren  Ertrag  unmittelbar  ztir  Erhaltung  der 
KirchenbedUrfnisse  allerhochst  bestimmt  ist^  und  daber  in  die  pfarr- 
amtlicbe  Berechnung  kommt. 

(Vergl.  Kreis-Intelligenzblatt  Nr.  38.  S.  334).  Das  lastige  An- 
bieten  der  BlumenstrSufie  iinterbleibt  durcbgslngig. 

21.  Der  Religionsanterricht  der  Jugend  soil  mit  er- 
neuertem  Eifer  durcb  Katechisationen  in  jeder  Pfarr-Kircbe  befbrdert 
werden.  Die  Schiilkinder,  auch  die  von  den  Progymnasial-Schulen 
und  den  parallelen  Realscbulen^  werden  vom  En^e  des  9.  bis  zum 
Ende  des  14.  Jabres  bei  demselben  erscheineu. 

22.  Die  Schuler  von  der  Sebalder  und  Lorenzer  Studienscbule 
und  von  den  Real-Scbulen  gehen  einmal  in  der  Woe  he  und  am 
Sonntag  in  die  dem  Gymnasium  zunachst  gelegene  Aegidien-Kirche; 
abwechslungsweise  von  einem  der  Lehrer  begleitet. 

23.  Samtliche  Volksschulen  werden  unter  die  Pfarr-Kirchen  in 
gleicher  Absicht  ausgeteilt.  Alle  Schullehrer  sind  allerhochst  an- 
gewieseu,  ihre  Schuler  selbst  dahin  zu  begleiten^  damit  sie  jede  Un- 
brdnuug  verhuteu;  auch  den  katechetischen  Beligions-Unterricht  um 
so  leichter  in  der  Schule  vorbereiten  und  wiederholeu  konnen,  wozu 
sie  von  den  Diakonen,  welchen  die  Katechisationen  obliegen,  Rat 
und  Anweisung  anzunehmen  haben. 

24.  Die  sonntSgigen  Katechisationen-  werden  in  alien 
Pfarr-Kirchen  um  halb  2  Uhr  gehalten.  Damit  auch  Erwachsene  sie 
beniitzen  konnen,  wird  in  denselben  die  Lehrordnung  ununterbrochen 
fortgesetzt,  so,  dafi  sie  alljahrlich  uber  die  christliche  Glaubens-  und 
Pflichtenlehre  ein  znsammenhsLngendes  Gauzes  bilden. 

25.  In  jeder  Pfarr-Kirche  werden  zweimal  in  der  Woche'  von 
10  bis  11  Ubr  besondere  Katechisationen  gehalten^  welche,  weil  sie 
von  den  Erwachsenen  nicht  so  hSufig  besucht  werden^  zunachst  der 
Vorbereitung  der  Kinder  angepafit  werden  und  die  sogenannten  Haus- 
Kinderlehren  ersetzen  konnen. 

26.  Die  Woch  en -Katechisationen  werden  in  der  Sebalder 
Kirche  Dienstags  und  Donnertags,  in  der  Lorenzer  Kirche  Montags 
und  Mittwochs,  in  der  Jacober  Kirche  Montags  und  Donnerstags,  in 
der  Aegidier  Kirche  Montags  und  Freitags,  in  der  Spitaler  Kirche 
Mittwochs  und  Freitags  regelmafiig  von  demjenigen  der  Diakonen 
gehalten,  welcher  am  nachstfolgenden  Sonntag  nicht  zii  predigen  und 
daber  die  allgemeine  Katechisation  zu  halten  hat,  die  durcb  die 
Wochen-Katechisationen  vorbereitet  werden  soil. 

27.  Die  Vormittagspredigten  an  Sonn-  und  Feier- 
tagen  werden  in  der  Regel  in  den  beiden  Hauptkifchen  von  den 
Hauptpredigeru^  in  den  drey  ubrigen  Stadtpfarr-Kircheu  von  den 
Stadtpfarrern  gehalten. 

28.  In    den  Nachmittagspredigten,    welche    um  3  Ubr  an- 


128    Geyer,  Daa  kirchl.  Leben  in  Nfirnberg  vor  n.  nacb  d.  ttberg.  an  Bayern. 

fangen,  wech^ela  in  den  Haupt-Kircben  die  Stadtpforrer  und  Dia- 
konen  derselben.  Bei  den  drey  librigen  Stadtpfarr-Kirchen  wechseln 
die  Diakonen. 

29.  Die  zerstreuten  Stiftungspredigten  und  Betstunden  werden 
dadurcb  ersetzt,  dafi  regelmSfiig  in  jeder  Woche,  in  welcbe  nicbt  ein 
Feiertag  fSllt,  Sommers  iim  7,  Winters  um  8  Uhr  eine  Wocben- 
pre  dig  t  nnd  ;swar  Montags  in  der  Sebalder^  Dienstags  in  der 
Jaoober,  Mittwochs  in  der  Aegidier,  Donnerstags  in  der  Spitalei*  und 
Freitags  in  der  ^aurenzer  Kircbe  gehalten  wird;  welcbe  entweder 
die  bomiletiscb  belehrende  ErklUrung  eines  'Bibelahscbnittes  oder 
einer  cbristlicben  Lebre  umfafit,  wogegen  die  Sonntagspredigten  mebr 
als  feierlicbe  Andacbtsreden  bebandelt  werden.  Wo  Stiftungspredigten 
mit  besonderen  Zwecken  eingefiihrt  waren,  werden  gewisse  Wocben- 
predigten  besonders  ftir  diese  bestimmt,  und  die  Absicbt  des  Stifters 
moglicbst  erfuUt. 

30.  In  der  Passionszeit  in  den  nScbsten  vier  Wocben  vor  Ostern 
ist  nachmittags  von  3  Ubr  an,  in  jeder  Pfarr-Kircbe,  ebenfalls  ab- 
wecbselnd,  eine  Passionspredigt  vorgeschrieben,  welcbe  in  der 
Sebalder  Kircbe  am  Mittwocb^  in  der  Laurenzer  am  Dienstag,  in  der 
Jacober  am  Freitag,  in  der  Aegidier  am  Donnerstag  und  in  der 
Spitaler  am  Montag  gebalten  werden. 

31.  In  den  Wocben-  und  P^issionspredigten  wecbselu  die  Stadt- 
pfarrer  und  Diakonen  mit  einander.  Da  letztere  die  Katecbisationen 
allein  zu  ubernebmen  babeu ;  so  wird,  soviel  moglicb  darauf  g^seben, 
dafi  derjenige,  welcbem  die  Katecbisationen  in  der  Wocbe  zufallen^ 
nicbt  zugleich  in  der  nSmlicben  Wocbe  zu  predigen  babe. 

32.  In  Hinsicbt  der  Taufen  und  Trauungen  ist  es  der 
allerbocbste  Willens  Entscblufi,  die  Offentlicbkeit  dieser  kircblicben 
Handlungen  als  Kegel  geltend  zu  macben.  Ein  iedes  cbristlicbe 
Gemeinde-Glied  wird  es  fUr  zweckmafiig  erkennen^  dafi  seltene  Re- 
ligionsbandlungon  durcb  ein  andacbtiges  Erscbeinen  in  dem  Gottes- 
bause  feierlicher  gemacbt  werden.  Die  wobltlitigen  EindrUcke  des 
Cbristentums  auf  das  GemUt  erbobeu  sicb  bei  den  meisten  dadurcb, 
dafi  die  Teilnebmenden  ibre  Geliibde  gegen  Gott,  fur  sicb  selbst, 
oder  fur  die  in  die  Gemeinde  aufzunehmende  Kinder,  an  einem  von 
dem  gewbbulichen  Gebrauch  ausgesonderten  Orte  unter  angemessenen 
Feierlicbkeiten,  QiUssprecben.  Aucb  werden  Vornebme,  wie  Geringere, 
wenn  sie  die  beilsamen  Folgen  des  kircblicben  Vereins  fiir  die 
sittlicbe  und  blirgerlicbe  Ordnung  erwSgen,  das  Band  der  ReligiositUt 
gerne  durcb  sicbtbare  Beweise  ibrer  Teilnabme  zu  verstarken,  sicb 
zur  Pflicbt  macben. 

33.  Das  Taufen,  als  eine  matrikelmafiige  Pfarrbandlung  ge- 
bort  zu  der  Pfarrkircbe  des  Sprengels.  Die  observanzmSfiigen  Ma- 
trikel-  und  Stolgebuhren  sind  deswegen  jederzeit  an  das  Pfarramt 
des  Sprengels    nacb    irej  Abstufungen    von    30    kr.  1  fl.    und.  .1  fl. 


Geyer,  Das  kirchl.Leben  in Niiiiiberg  vot  u. Dach  d.  Oberg.  an Bayern.    129 

30  kr.  zu  bezablen,  indem  die  Einzeichnung  des  Tauf lings  in  die 
Pfarr-Registei'  binnen  24  Stunden  nach  der  Geburt  unfehlbar  durch 
umstandlicbe,  der  Hebamme  obliegende  Anzeigen  bei  dem  Pfarr-Amt 
bewirkt  werdea  soil.  Zur  Vollziebung  der  'raufe  selbst  wird  den 
Eltern  ein  laogerer  Aufschub,  mit  KUcbsicht  anf  die  Gesundheit  des 
Kinds  und  der  Mutter  gerne  zugegebeu. 

34.  Die  Taufe  in  der  Kirche  wird  in  der  Kegel  nicht  be-^ 
senders  gebalten^  sondern  mit  einem  anderu  offentlichen  Gottesdienst 
in  Verbindjing  gesetzt  und  von  dem  Pfarr-Geistlichen,  welchen  die 
Reihe  trifft,  verriclitet,  da  die  Parocbial-Handlungen  dem  Stadtpfarrer 
sowobl,  als  den  Diakonen  zukoramen.  Dem  Mefiner  der  Pfarr-Kirche 
kommen  nacb  den  drei  Klassen  zu;  entweder  12  kr.  oder  40  kr* 
oder  48  kr. 

35.'Wollen  die  Eltern  eine  Haustaufe  veranstalten ;  so  konnen 
sie  dieselbe  einem  der  Stadt-Geistlicben,  welchen  sie  dafiir  nebst 
dem  begleitenden  Kirchendiener  besonders  remunerieren  werden,  iiber- 
tragen.  Es  mufi  aber  dieses  dem  Pfarr-Amte  des  Sprengel  bei  der 
Tmmatrikulation  des  Tauflings  iunerhalb  der  ersteh  24  Stunden  an- 
gezeigt  und  zugleich  nicbt  nur  die  Stolgebiihr,  welche  den  Pfarr- 
geistliclien  zukommt,  erlegt,  —  sondern  auch  noch  das  doppelte  der 
gewbhnlichen  Stolgebiihr  als  Taxe  fur  das  besondere  Aerar  der 
Sprengel-Kirche  mit  beigelegt  werden.  Der  Geistliche,  welcher  die 
Taufhandlung  verrichtet,  ist  jedesmal  im  Pfarr- Register  ausdrlicklich 
zu  bemerken. 

36.  Die  Proklamationen  geschehen  verordnungsmafiig  sowohl 
in  der  Pfarr-Kircbe  des  Brautigams,  als  der  Braut.  Die  Proklama- 
tions^-Gebuhren  werden  bei  den  beiden  Kirchen  nach  dreierlei  Klassen 
mit  3  fl.  oder  1   fl.  30-  kr.  oder  45  kr.  entrichtet. 

37.  Die  Trauungen  gehoren,  nach  der  nunmehr  erfolgten  aller- 
h5chsten  Bestimmung,  zu  der  Pfarrey  desjenigen  Spreugels,  welchem 
die  Braut  bis  zu  ihrer  Verheyratung  angehort  hat.  Bei  der  Pfarrei 
dieses  Sprengels  geschieht  daber  jederzeit  die  Einregistrierung,  auch 
in  der  Regel  die  Trauung  selbst;  die  Trauungsgebiihren  sind  dahin 
in  jedem  Falle  zu  entrichten.  Diese  sind,  gleichfalls  zu  Folge  aller- 
hochster  Verfiigung  nach  3  Klassen  eingeteilt,  so,  dafi  an  die  Pfarrey 
5  fl.  oder  3  fl.  oder  2  fl,  bezahlt  werden. 

38.  Geschieht  die  Trauung  in  der  Kirche,  so  ist  sie  durch 
den  Pfarr-Geistlichen,  den  die  Reihe  triff't,  zu  verrichten.  Die  Ge- 
wohnheit,  Privattrauungen  gegen  eine  erhohte  Stolgebiihr  in  den 
Pfarrwohnuugen  vorzunehmen,  ist  allerhochst  aufgehoben.  Die  Zeit 
der  in  der  Kirche  zu  verrichtenden  Trauung  wird  durch  den  Pfarr- 
geistlichen,  nach  genommener  Rilcksprache  mit  den  Brautleuten,  be- 
stimmt.  Dem  Kantor,  dem  Organisten  und  den  Chorschiilern  kommen 
je  1  fl.  oder  40  kr.  oder  20  kr.  als  Gebuhren  zu.  Fiir  jeden 
Kirchner  oder  Mefiner  bleibt  die  Geblihr  von  1  fl.  oder  45  kr.  oder  24  kr. 

Beifcrage  ssur  bayer.  Kirchengescliichte  XII.  3.  Q 


130    Geyex,  Das  kfrchl,  Leben  in  Nflrnberg  vor  u.  naob  d.  Dberg.  an  Bayern. 

89.  Zn  Haus-Trannngen  wird  die  Erlanbnis  nur  dadurch 
erreiclit^  dafi  nicht  nur  die  festgesetzte  TrauungsgcbUhr  an  die 
Ffarrey  des  Sprengels,  sondern  anch  eben  dieser  Betrag  nach  der 
betreffenden  Rlasse  verdoppelt,  flir  das  besondere  Aerar  der  Sprengel- 
Kirche^  als  l^axe  bezahlt  wird. 

40.  Zu  Haus-Trauuugen  kann  sodann  der  Beicbtvater  oder 
ein  anderer  Geistlicber  in  oder  auSer  der  Stadt  von  den  Brautleuten, 
welche  ibn  und  den  begleitenden  Kirchendiener  dafiir  bcsonders  zu 
remunerieren  baben,  gewShlt  werden. 

41.  Kein  Geistlicber  aber  darf  bei  scbwerer  Verantwortung  die 
Trauung  frtther  verrichten,  als  ibm  der  Bedingungs-Schein  oder  die 
Bescbeinigting  der  bei  der  Sprengelpfarrey  geschehenen  Immatriculation 
und  Hebung  aller  Hindernisse  eingebfindigt  ist,  welchen  er  sorgfaltig 
aufzubewabreu  hat.  Der  Name  des  Geistlichen,  welcher  die  Trauung 
verrichtet;  und  des  Mefiners  als  Zeugen^  wird  in  der  Pfarrmatrikel 
bemerkt. 

42.  Alle  Sterb-  und  Beer'digungsfSlle  mlissen  dem  Pfarr- 
amte  der  Pfarrkircbe  durch  die  Leichenfrauen  niifehlbar  binnen 
24  Stunden  zur  Einzoichuung  in  die  Ffarr-Registor  umBtSndlich  an- 
gezeigt  und  dabei  die  Gebtibr  entrichtet  werden.  Weder  Leichen  vom 
Biirger-MilitHr,  nocb  von  Kindern  macben  bierin  eino  Ausnabme. 
Die  nur  willkUrllcb  eingefiihrten^  sogenannten  Freiheitsleicben,  in 
sofern  sie  den  Pfarr-Aemtern  nicht  zur  Einregistrierung  angezeigt 
und  die  Pfarrgebuhren  davou  nicht  bezahlt  wurden,  sind  durch  das 
allerhochste  Reskript  aufs  strengste  untersagt.  Als  PfaiTgebiihren 
sind  bei  Erwachseueu,  vom  Ende  der  Schulpflichtigkeit  an,  nach  den 
bemerkten  3  Abstufungen  6  fl.  oder  4  fl.  oder  2  fl.  15  kr.  zu  be- 
zahlen. 

43.  Werden  Leichpredigten,  Grabredeu  oder  Parentationen  von 
einem  der  Pfarr  oder  Stadt-Geistlichen  begehrt,  so  werden  sie  be- 
sonders  honorirt.  FUr  Kinderleichen  betrageu  die  Pfarr-  oder  Ma- 
trikel-Gebtibreu  3  fl.  oder  1  fl.  30  kr.  oder  24  kr.,  fur  den  Kantor 
wird  bei  den  Leichen  der  Erwachsenen  entweder  3  fl.  oder  2  fl.  oder 
1  fl.,  fur  die  Chorschiller  ebenso  viel  bezalt.  Fiir  den  Kirchuer 
ist,  da  er  den  Leichenapparat  erhSlt,  bei  Erwachsenen  3  fl.  30  kr. 
oder  2  fl.  45  kr.  oder  1  fl.,  bei  Kiuderleicben  1  fl.  30  kr.  oder 
1  fl.  oder  15  kr.,  fiir  die  Mefiuer  bei  Erwachsenen  1  fl.  30  kr.  oder 
45  kr.  oder  20  kr.,  bei  Kinderleichen  40,  20  oder  10  kr.  zu  be- 
zahlen. 

44.  Die  drei  Abstufungen,  nach  welchen  die  GebUhren  bestimmt 
werden,  richten  sich  dem  allerhochsten  Befehl  gemSs  nicht  mehr 
nach  irgend  einer  Verschiedenheit  von  Zeremonien,  sondern  nach  dem 
Vermogensstande.  Diejenigen,  welche  das  Familien  Schutzgeld, 
nach  der  ersten  und  zweiten  Classe  bezahlen,  entrichten  nur  die 
niedrigsten    Stolgebiihren,    die   dritte,  vierte   und    fUnfte  Klasse   nach 


Clemen,  Norlcus  Philadelpfaus  =z  Easpar  Ntttzel?  131 

dem  Familien  Schutzgeld^  bezahlt  die  mittlere  Taxe,  die  sechstd, 
siebente  und  achte  Klasse  nach  der  bochsteii.  Bei  Auswartigen  wird 
auf  daS;  was  von  ibrem  YermogeDSstand  bekannt  ist,  RUcksicbt  ge- 
uommoD. 

45.  Von  notorisch  armen  Personen  ist  nicbts  zu  bezalen,  der 
in  die  Pfarr-Register  einzutragende  Vorfeill  aber  dennocb  mit  gleicht'ir 
Genanigkeit  anzusseigen  uud  aufznzeichnen. 

46.  Fnr  musikaliscben  Kircbengesang  Bowobl  in  den  Kircfaen 
als  bei  Leichenbestattungen  auf  dem  Kircbhof  wird  durcb  bessere  Ein- 
ricbtung  der  Kantoreien  und  Cborscbulen  gesorgt  werden.  Das  Um- 
singen  anf  den  Strafien  h(5rt  durcbgangig  mit  dem  letzten  April  auf. 

47.  Die  ganze  Pfarr organisation  mit  ihren  Folgen  wird  mit  dem 
1.  May  in  AusUbnng  gesezt,  so,  daiil  Gegenwartiges  alien  ein- 
scblagigen  Beborden  und  Personen,  aucb  der  Konigl.  Polizei-Direktion, 
dariiber  als  Vorscbrift  gilt. 

N Urn  berg  den   10.  April   1810: 
K5niglicbes  General-Kommissariat    des    Pegniz-Kreises    als    General- 

Dekanat. 
Frbr,  v.  Lercbenfeld 

Lippmann. 


Noricus  Philadelphus  =  Kaspar  NQtzel? 

Von  Otto  Clemen  (Zwickau  i.  S.) 

Das  Pseudonym  Noricus  Philadelphus,  das  Weller,  Lexicon 
pseudonymorum  S.  426  nicht  zu  deuten  gewufit  hat,  findet  sich 
auf  folgender,  in  Panzers  Annalen  unter  Nr.  2430  angeflihrten 
und  in  der  Zwickauer  Eatsschulbibliothek  (XVI.  IX,  1, 17)  vor- 
handenen  Scbrift: 

Wie  alle  Closter  /  und  sonderlich  Jnnck-  /  frawen  Closter 
in  ain  Christ  /  lichs  wesen  mochten  /  durch  gottes  gna  /  den  ge- 
bracht  /  werden.  /  Noricus  Philadelphus.  /  M.  D.  xxiiii.  /  Titel- 
bordiire:  ein  Nachschnitt  der  bei  A.  v.  Doramer,  Luther- 
drucke  auf  der  Hamburger  Stadtbibliothek  S.  240  f.  Nr.  81 
beschriebenen.     12  ff.  4®.  P  u.  12  weifi. 

In  der  „allen  Eptissin,  Priorin,  Closter  frawen  vnd  Junck- 
frawen  samlungen"  gewidmeten  Vorrede  vom  10.  April  1524 
wendet  s^ich  der  Verfasser  zun^chst  an  die  ,,Eptyssin,  priorin  vnd 
andre  obern  vnd  Regenten  in  sollichem  orden^  mit  der  Bitte, 
Gott  uud  seinem  ewigen  Worte  die  Ehre  zu  geben,  ihre  Jung- 
frauen  treulich  auf  das  lautere  und  reine  Wort  Gottes  hinzu- 

9* 


132  Clemen,  Noricus  Philadelpbus  =  Kaspar  Niitzel? 

weiseu,  wer  nicht  bleiben  woUe,  „in  guttem"  zu  entlassen,  auf 
Christum,  den  starken,  lebendigen  Fels,  nicht  auf  Menschen- 
tand,  -gesetz  und  -regel  zu  bauen  und  sich  an  die  einige  christ- 
liche  Regel,  den  wahren  Glauben  und  die  christliche  Liebe,  zu 
halten  und  ihre  Untergebenen  allein  auf  diese  zu  weisen,  und 
sodann  an  die  andern  Jungfrauen  nnd  Klosterpersonen  mit  der 
Bitte,  in  alien  ehrlichen,  christlichen  und  gottseligen  Sachen 
ihrer  Abtistin  und  Priorin  Gehorsam  zu  leisten  und  sich  in 
christlicher  Neuerung,  Verbesserung  und  Reformation  „in  kein 
weg"  diesen  zu  widersetzen. 

In  der  Abhandlung  selbst  lafit  er  auf  21  Reformvorschlage 
3  Sonderabschnitte folgen :  Wie  sich  die  Klosterjungfrauen 
gegen  tyraniiische  Gewalt  der  Pralaten  schiitzen 
soil  en  (Sie  sollen  sich  auf  das  gottlich  Wort  berufen,  glimpf- 
lich  bitten,  sie  unbeschwert  zu  lassen  und  demiitiglich  sich  er- 
bieten,  dafi  sie  nichts  anders  mit  Gottes  Hilfe  vornehmen  werden, 
als  was  sie  Gottes  Wort,  das  nicht  fehlen  mag,  weise;  „Wo 
aber  ye  die  Probsteu  die  sach  weytter  woUten  treyben,  so  achts 
man  nu  nicht,  sondern  halts  fiirs  Teuffels  Bann,  der  gar  kain 
grand  inn  der  geschrifft  Gottes  hatt"),  ob  man  auff  der 
Concilien  Erkantnus  warten  sol  („da  sey  gott  vor,  das  wir 
seynem  ewigen  wort  sollten  weniger  eere  vnnd  glauben  denn 
armen,  ellenden,  siindtlichen  menschen  geben";  auf  den  Konzilien 
herrscht  wie  auf  den  Reichstagen  Kirchtumpolitik  und  rlicksichts- 
loser  Egoismus:  „ain  yeder  suchtdas  seyn,  wer  den  andern  vermag, 
stocktjn  insack''),  vom Eelichen  stand  (die  sich  ausden  Klostern 
in  den  ehelichen  Stand  begeben  wollen,  miissen  fiir  sich  pehmen  die 
Schrift  Gottes  und  ihr  Gewissen  damit  starken:  Gen.  1,  28;  2, 
18;  Matth.  19,  6;  1.  Kor.  7,  9;  Eph.  5,  32;  1.  Tim.  4,  3). 
Aus  den  Reformvorschlagen,  die  der  Verfasser  macht,  hebe  ich 
nur  die  wichtigsten  heraus:  2.  Man  soil  einen  christlichen 
Prediger  berufen,  der  das  Wort  Gottes  treulich,  rein  und  lauter 
predige,  und  das  taglich  tue,  vor  und  nach  Mittag,  an  Werk- 
tagen  eine  halbe,  an  heiligen  Tagen  eine  ganze  Stunde.  3.  Die 
Abtissin  soil  die  Schrift  beider  Testaments  selbst  fleifiig  lesen, 
auch  von  ihren  Jungfrauen  stetigs,  wenn  sie  nicht  zu  arbeiten 
haben,  lesen  lassen.  4.  Man  soil  sonderlich  Doctor  Martinus 
Buchlein    ,; wider   die  menschen  leere"  (=  Von  Menschenlehx-e 


Clemen,  Noricns  Philadelphus  =  Easpar  Niitzel?  133 

• 

zu  meiden,  1522)  mit  hohem  FleiC  lesen,  lernen  und  sich  ein- 
prSgen.  5.  Desgleichen  andere  Biicher  Luthers,  Melancbthons 
und  Bugenhagens,  so  viel  man  derselben  deutsch  und  lateinisch 
bekommen  mag.  6.  Mit  den  7  Zeiten  mag  eiue  Abtissin  oder 
Priorin  eine  solche  Ordnung  machen,  daB  man  „zur  Metten 
drey  Respons  vnd  drey  Lection  aufi  beyden  Testamenten  alles 
teutsch  neme  ...  die  Prim,  Tertz,  Sext,  Non  laB  man  auch 
bleyben  ...  die  Vesper  bleyben  auch  wol  zu  sampt  der  Com- 
plet,  aber  als  teutsch  vnd  mit  Christlichen  Antififen,  CoUecten 
vnd  Capiteln,  allein  auB  der  schrifft  Gottes  genommen". 
7.  „wolt  Gott,  das  die  armen  Nonnen  die  teutsch^n  MeB  auch  an- 
nemen,  auch  kain  liessen  halten,  dennwenn  etlicheCommunicanten 
vorhanden  weren,  auB  vil  ursachen,  sonderlich  in  Doctor  Mar- 
tinus  buch,  das  man  die  winckel  MeB  abthun  soil  (=  Vom  MiB- 
brauch  der  Messe,  1522),  genugsam  begriffen..."  8.  Cora- 
munio  sub  utraque!  9.  Die  Abtissinuen  und  Priorinnen  soUen  „mit 
den  Capiteln  vnd  Disciplinen  darinn  .  .  .  seuberlich  faren  vnd 
bey  leyb  nit  tirannisiren  damit,  wie  laider  biBher  geschehen ..." 
10.  Keine  Fasten verpflichtung!  11.  Freiheit,  „das  man  die 
weyhel,  schlayer  vnd  kappen  vnd  andere  Closter  klayder  .  . . 
mug  tragen  oder  nicht  .  .  .^*  12.  Keine  Unterscheidung  von  Fest- 
und  Werktagen!  13.  Keine  lebenslanglich  bindenden  Geliibde 
zu  Keuschheit,  Armut  und  Gehorsam!  14.  Die  Abtissinuen 
und  Priorinnen  soUen  keine  Jungfrau  wider  ihren  Willen  halten, 
„sondern  wenn  sy  nicht  bleyben  wollen,  mit  wissen,  willen  vnd 
gunst  jrer  oltern  oder  freiindtschafft  in  guttem  von  jn  koramen, 
solten  sy  in  gleych  zu  meerern  tayl  jres  eingebrachten  geldts 
wider  mitt  geben  ..."  21.  „Also  mochten  endlich  auB  den 
Clostern  Christlich  schulen  werden,  Junge  kinder  darinn  in 
Christlicher  zucht,  leer  vnd  eere,  zuerziehen;  inn  des  mtiste 
man  die  allten  Junckfrawen,  die  nicht  herauB  wollten  oder 
taugten,  gedultigklichen  leyden,  erdulden,  hallten  vnd  ernoren 
vnd  die  Jungen,  die  auB  verstandt  Gottlicher  gescbrifft  herauB 
trachten,  mit  der  freundtschafft  wissen  vnd  willen,  frey  vnd 
vnuerhindert  herauB  kommen  lassen  .  ,  . 

Noricus  Philadelphus  —  der  Verfasser  bezeichnet  sich  da- 
mit als  einen  Nurnberger,  der  sich  von  christlicher  Bruderliebe 
getrieben  fublt.     Er  muB  sich  besonders   fiir  die  Reformierung 


134  Zur  Bibliographie. 

und  Aufhebung  der  Nonnenkl5ster  interessiert  haben.  Das  laBt 
uns  an  den  Pfleger  des  Klarissinnenklosters  Kasp.ar  NtitzeU) 
denken.  Vergegenwartigt  man  sich  das  Vorgelien  des  Nttrn- 
berger  Rats  gegen  Charitas  Pirkheimer  und  ihre  Nonnen  in  den 
Jahren  1524  und  1525^)  und  erinnert  man  sich  dabei  des  In- 
halts  unserer  Schrift,  so  will  es  einem  vorkommen,  als  ob  der 
Rat  dabei  die  Grundsatze  und  Desiderien  befolgte,  die  Noricus 
Philadelphus  =  Kaspar  Niitzel  geauBert  hat. 


Zur  Bibliographie.') 

Weifi,    Th.,    Pirmasens     in    der   Franzosenzeit.     Pirmasens    (Progr. 

d.  Progymn.)   1901. 
Guckel,    Martin,    BeitrSge    ^ur  Geschichte    der  Stadt  Forchheim  im 

17.  Jahrh.   1618—1624  DilHugen   (Progr,  d.  Gymn.)   1904. 
Wucherer,  Fr.,  Mittelschulwesen  im  Hoclistift  Bamberg  1773 — 1802. 

Bamberg  (Progr.  d,  Alt.  Gymn.)   1904. 
Joachims  en,  Paul.,  Marx  Welser  als  bayerischer  Geschichtsschreiber. 

Muncheu  (Progr.  d.  Wilhelmsgymn.)  1905. 
Joetze,  Frz.,    Die  Chroniken    der   Stadt   Lindan.     MUnchen  (Progr. 

d.  Maximilian sgymn.)  1905. 
Schreibmiiller,  H.,   Die  Landvogtei  im  Speiergau.     Kaiserslautern 

(Progr.  d.  Gymn.)   1905. 
*Bernhardt,  E.,  Professoi*.    Bruder  Berthold  von  Regensburg.    Ein 

Beitrag  zur  Kirchen-,  Sitten-  uud  Literaturgeschichte  Deutsch- 

lands     im    XIII.  Jahrbundert.     Erfurt.      Hugo    Guther     1905. 

70  S.  —  1,50  Mk. 
Ein  neuer  Beitrag  zur  Literatur  ttber  Berthold  von  Regensburg,  der 
insofern  zu  begruBen  ist,  als  m.  W.  seine  Predigten  gerade  fiir  die  Kirchen-, 
Sitten-  und  Kulturgeschichte  langst  nicht  so  ausgebeutet  sind,  als  dies 
wiinschenswert  ware.  Nach  einer  Bemerkung  in  der  Einleitung,  daB  der 
Verf.  fur  einen  grofieren  Leserkreis  schreibe,  durfte  man  erwarten,  daB 
er  ein  Bild  der  Bedeutung  Bertholds  fiir  die  Kenntnis  der  Zeitgeschichte 
im  weitesten  Worte  in  zusammenhangender  Darstellung  liefern 
wollte.  Aber  seine  ofFenbar  auf  sehr  flelBigen  Studien  beruhende  Arbeit 
ist  mehr  eine  Art  Einfuhrung  in  das  Studium  Bertholds  und  eine  ge- 
drangte  tJbersicht  ttber  das,  was  in  der  angedenteten  Richtung  bei  ihm 
vor  allem  zu  beachten  ist.  Denn  nach  einer  knapp  gehaltenen,  aber  durch- 
sichtigen  Darlegung   tiber   Bertholds  Leben,  schriftstellerische  Tatigkeit, 

1)  Vgl.  uber  ihn  den  ausgezeichneten  Artikel  von  Mummenhoff 
ADB  24,  66—70. 

2)  Roth,   Die  Einfuhrung  der  Reformation  in  Nurnberg,  WUrzburg 

1885,  S.183flf. 

3)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


Zur  Bibliographie.  135 

Verhaltnis  der  deutschen  zu  den  lateinischen  Predigten  etc.  teilt  der  Verl 
auf  Grund  vielfach  selbstandiger  Forschung  in  einer  groBen  Zahl  von 
Rubriken  mit  mannigfachen  Unterabteiluiigen  (z.  B.  die  BUcher  der  Natur, 
Astronomisches,  der  Mensch,  Medizinisches,  das  Tierreich,  das  Pflanzen- 
reich,  das  Mineralreich)  die  wichtigsten  einschlagigen  Auslassungen  Ber- 
tholda  mit,  was  sicher  zur  Orientierung  sehr  wertvoll  und  als  schatzbarer 
Beitrag  zur  Bertholdforschung  zu  bezeichnen  ist;  aber,  wer  Berthold 
nieht  selbst  kennt,  wird,  weil  es  an  der  Zusammenfassung  des  Einzelnen 
felilt,  daraus  kauoi  einen  Eindruck  von  seiner  Personlichkeit  und  dem 
EindrucksvoUen  seiner  Bede  gewinnen.  Es  lage  nahe,  u.  a.  auf  die  vom 
Verf.  selbstandig  gewurdigte  Frage  des  Verhaltnisses  des  deutschen 
und  lateinischen  Textes  der  uns  uberlieferten  Predigten  einzugehen,  aber 
ich  vcrzichte  darauf,  weil  meme  germanistischen  Kenntnisse  daftir  nicht 
ausreichen,  kann  aber  doch  nicht  verschweigen,  dafi  es  mir  etwas  gewagt 
erscheint,  wenn  der  Verf,,  der  nach  seiner  eigenen  Angabe  von  den  latei- 
nischen Predigten  nur  einen  kleinen  Teil  kennt,  wahrend  wir  nach  der 
Angabe  Steinmeyers  (Pr.  Realenzyklopadie  II,  651)  nahezu  400  besitzen, 
hier  mit  einer  eigelien  Hypothese  hervortritt.  AuBerdem  mochte  ich  mir  eine 
Bemerkung  inbezug  auf  die  „Doppelpredigten"  erlauben.  Wenn  da  der  Verf. 
unter  Hinweis  auf  Beispiele  von  sehr  starken  Abweichungon  in  der  Behand- 
lung  desselben  Themas  sagt:  ,|Es  ist  nicht  daran  zu  denken,  daB  in  diesen 
Fallen  zwei  Bearbeitungen  einer  lateinischen  Rede  vorliegen**  (S.  14),  so 
mu6  ich  daran  erinnern,  daB  die  neuere  Lutherforschung  dahinter.  ge- 
kommen  ist,  was  zwei  verschiedene  Nachschreiber  bezw.  Bearbeiter  aus 
einer  Predigt  Luthers^  zu  der  uns  auch  noch  Luthers  Konzept  erhalten 
ist,  machen  konnten.  Hinsichtlich  der  gelehrten  Kenntnisse  Bertholds 
gilt,  was  von  der  Mehrzahl  der  mittelalterlichen  Autor<en  gilt,  daB  die 
Anftihrung  derWerke  der  Kirchenvater,  oder  inhaltliche  Zitate  aus  den- 
selben,  nochkeinerlei  Beweis  dafUr  ist,  jdlaB  sie  die  betreffenden  Werke  selbst 
gelesen  haben,  noch  weniger  ist  dies  aus  Klassikerzitaten  zu  schlieBen. 
Der  Ausdruck  „extravagantes"  S.  6  in  dem  Titel  Sermones  speciales  sive 
extravagantea  wird  in  demselben  Sinne  zu  verstehen  sein,  wie  er  fur  die 
auBerhalb  der  urspriinglichen  papstlichen  Dekretaliensammlung  nach  und 
nach  in  Gebrauch  gekommenen  papstlichen  Erlasse  gebraucht  wurde, 
er  bezeichnet  also  das,  was  nach  dem  AbschluB  der  Saromlung  noch 
hinzugekommen  und  zunachst  unverbunden  kursierte.  Auf  Weiteres,  was 
der  Besprechung  wert  ware,  einzugehen,  gestattet  leider  der  Raum  nicht. 

*Kadner,    Siegfried,    Jabrbucb    fUr    die    eyangelische   Landeskirche 

Bayerns.     1906.     6.    Jahrgaiig.     Nordlingen,    C.    H.   Becksche 

BuchUanHlung.      172  S.   Geb.   1,50  Mk. 

Zum  sechsten  Male  darf  ich  Eadners  Jabrbuch  begriiBen.  Durch 
die  Vorrede  klingt  eine  leise  Klage  hindurch,  daB  das  Buch  doch  noch 
nicht  diejenige  Verbreitung  gefunden  hat,  die  man  erwarten  miiBte,  und 
die  namentlich  derjenige  wiinschen  muB,  der  sich  mit  diesem  neuen  Jahr- 
gang  eingehend  beschaftigt  hat.  Nur  wer  selbst  mit  Redaktionsarbeiten 
zu  tnn  hat,  kann  ahnen,  welche  groBe  Arbeit  notig  ist  bis  zur  Fertig- 
stellung  eines  solcher  Bandes,  der  alien  etwas  bringen  und  den  kirchlichen 
Zeitfragen  gerecht  werden  und  das  Interes^e  an  dem,  was  die  Kirche 
heute  bewegt,  anregen  oder  auch  klaren  will,  und  die  bayerische  Landes- 
kirche hat  alien  Grund,  dem  Herausgeber  fiir  diese  neue  Gabe  dankbar 
zu  sein  und  ihn  nach  KrSften  in  seinen  Bestrebungen  zu  unterstiitzen. 
Zu  den  alten  Mitarbeitern  z.  B.  Koberle  (Die  Verbreitung  des  Missions- 
interesses  im  evangelischen  Bayern),  Steinlein  (Zur  kirchenpolitischen 
Lage  in  Bayern),  denen  man  wieder  zu  begegnen  sich  freut,  sind  neue 
gekommen,  z.  B.  Professor  W.  Caspar!  mit  dem  Aufsatze:  Taufpaten 
und  Taufnamen,  dem  wir  recht  viele  Leser  wUnschen  mochten,  kann  man 


136  Zur  Bibliographie. 

es  doch  immer  beobachten,  dafi  unsere  BOgeDannten  Laien  sicb'fur  kirch- 
liche  Dinge  und  Branche  vielmebr  interessieren,  wenn  sie  etwas  von 
ihrer  Gesohichte  erfabren,  und  auch  der  Theologe  wird  manches  darans 
lernen  konnen.  In  die  groBen,  schweren  kirchlichen  Fragen  der  Gegen- 
wart  fflhrt  Dekan  Seeberger  (Laienmobilisierung  und  Arbeitsteilung), 
Pf.  Nagelsbach (Ftirth)  (Der  Massenunterricht  in  Konfirmandenstunde und 
Chrifltenlehre),  Pf.  Heller  (Die  Christenlehre),  H.  Fuchs  (Scbule  und 
El  tern  baas).  Historlscbes  bring  t  Schornbaum  (PfrUnderecbnungen  der 
Markgrafschat't  Ansbach),  Dorn  mit  einer  Wiedergabe  einer  alten  Druck- 
Bcbrift  Uber  das  Martyrium  des  Mllnchner  Taufers  G.  Wagner  (die  aller- 
dings  der  Beitrage  V,298  gesucbte  erweiterte  Druck  sein  wird),  und  der 
Herausgeber  reiiektiert  anlaClicb  des  Jubilaums  des  Konigreichs  Bayern 
liber  lS)6 — 1906  und  bericbtet  aucb  im  Anhange  von  seiner  Eomreise, 
ferner  Geyer  in  seiner  Gedachtnisrede  zu  Scbillers  Todestag.  Nattirlich 
durfte  diesroal  auch  ein  Bericht  Uber  die  letzte  Generalsynode  nicht  fehlen. 
Man  muB  dem  Yerf.,  Dekan  Ensam,  nachriihmen,  dalS  er  sehr  objektiv 
bericbtet,  auch  sich  nicht  gescheut  hat,  auf  die  Tatsache  hinzuweisen, 
daO  der  Generalsynodalausschufi  fast  zur  Untatigkeit  verurteilt  ist,  da6 
die  Mangelhaftigkeit  der  Geschaftsordnung  fortbesteht,  aber  er  moge  ent- 
schuldigen,  wenn  ich  mir  die  Bemerkung  erlaube,  daB  diejenigen,  die 
nicht  in  Bayreuth  waren,  namentlich  die  Laien  daraiis  noch  nicht  ein 
klares  Bild  von  Wesen  und  Bedeutung  dieser  Synode  gewinnen  werden. 
Ich  verstehe  die  weise  Zurilckhaltung,  wenn  erbemerkt:  „£inabschlieBendes 
Urteil  uber  die  Generalsynode  von  1905  wird  erst  die  Zukunft  bringen," 
Und  war  woUte  die  Richtigkeit  dieses  Satzes  bezweifein?  Aber  da  seiche 
Berichte  doch  mit  dazu  dienen  soilen,  ein  richtiges  Urteil  anzubahnen,so 
ware  es  empfehlfenswert  ge wesen,  wenn  nicht  gerade  daher  den  Maflstab 
zu  nehmen,  was  eine  Generalsynode  in  anderen  Landeskirchen  bedeutet, 
so  doch  darauf  hinzuweisen,  was  weite  Kreise,  freilich  in  unberechtigtem 
Idealismus,  nach  allem,  was  dariiber  in  den  letzten  Jahren  laut  geworden, 
von  der  letzten  Generalsynode  erwarteten,  und  was  sie  nicht  gebracht 
hat.  —  Eine  interessante  Sammlung  von  Aphorismen  aus  Haucks  Kirchen- 
geschichte  Deutschlands  bietet  Pf.  Riedel,  und  sehr  erfreulich  ist  es  ztt 
h5ren,  daJ3  uns  fiir  nachstes  Jahr  ein  Lebensbild  von  Harlefi  in  Aussicht 
gestellt  wird. 

*G6tz,  Walter,  Die  angebliche  Adelsverschwbrung  gegen  Herzog 
Albrecht  V.  von  Bayern  (1563/64).  S.  aus  Forschungen  zur 
Geschicbte  Bayerns  XIII.  Bd.  3.  Heft.  S.  211—229.  (XI, 
146f.  u.  198.) 
Bereits  zweimal  hat  in  den  Beitragen  von  der  bedauerlichen  Arbeit 
von  Dr.  Karl  Hartmann,  DerProzefi  gegen  die  protestantischen  LandstKnde 
in  Bayern,  Munchen  1904  und  dem  unqualifizierbaren  Treiben  dieses  Autors 
die  Rede  sein  mtissen.  DaB  er  auch  dann  noch  die  ultramontane  Presse 
gegen  unliebsame  Kritiken  zu  Hilfe  rief  (Bayr.  Kourier  Nr.  127  u.  128) 
konnte  keinen  AnlaB  geben,  noch  einmal  auf  ihn  zurtickzukommen,  wohl 
aber  die  vorliegende  Studie  von  Walter  Gotz.  Der  Verf.,  der  beste  Kenner 
jener  Zeit,  hat  sich  der  Mtihe  unterzogen,  die  umfangreichen  Quellen- 
studien,  auf  die  Hartmann  so  stolz  ist,  und  seine  Qiiellenausziige  nachzu- 
prttfen.  Ich  hatte  geglaubt,  H.  fehle  es  yor -allem  an  der  Fahigkeit,  die 
Quellen  zu  werten;  das  wird  nun  freilich  mehr  als  bestatigt,  aber  be- 
lastender  fiir  ihn  ist  doch  der  Nachweis,  in  welcher  Weise  er  seine  Quellen, 
die  er  teilweise  gar  nicht  verstanden  hat,  wiedergegeben  und  zugestutzt 
hat.  Man  muQ  das  bei  Gotz  nachlesen,  um  sich  einen  Begriff  zu  machen 
von  der  Leichtfertigkeit,  mit  der  der  selbstbewufite  Autor  gearbeitet  hat. 
Aber  damit  ist  der  Wert  der  neuen  Studie  von  Gotz,  der,  was  besonders 


Znr  Bibliographie.  137 

begtiiBt  werden  muB,  die  inkrinQinlerten  BriefErcbaften  des  evangeliscbeii 
Adels  Yollstftndig  herauszugeben  beabsichtigt,  diirchaus  nicbt  erschQpft. 
In  knrzen  aber  klaren  AuBfahrungen  werden  die  Hauptpunkte,  urn  die  ea 
sich  bei  der  ganzen  Frnge  bandelt,  belenchtet,  aacb  dargetan,  wie  weit 
das  Recht  tind  das  Unrecht  aaf  beiden  Parteien  ging,  namentlicb  aber  yon 
nenem,  fiir  jeden,  dem  das  Gegenteil  nicht  von  vomherein  feststeht, 
schlagend  nachgewiesen,  daB  yon  einer  Adelsversohwdrnng  gegen  Al^ 
brecbt  Y.  nicht  die  Kede  sein  kann,  nnd  wie  das  Ganze,  was  ich  meiner* 
seits  (Beitr.  XI,  147)  aueh  hervorgehoben  babe,  nur  zu  verstehen  nnd  za 
wtirdigen  ist  als  eine  Phase  im  Kampf  zwischen  der  landesherrlichen 
nnd  standischen  Gewalt. 

*Enchiridion.  Der  kleine  Catechism  us  fur  die  gemeine'  pfarher 
vnd  Prediger,  D.  Mart.  Lutb.  Wittemberg  gedruckt  Nick.  Scbir. 
1536.  Faksimile-Neudrack  berausgegeben  yon  Pastor  Liz. 
0.  Albrecht.  A.  u.  d.  Titel :  Der  kleine  Katecbismus  D.  Mart. 
Luthers  nach  der  Ausgabe  v.  J.  1536  berausgegeben  und  im 
Zusammenhang  mit  den  andern  von  Nickel  Schirbentz  ge- 
drackten  Ausgaben  untersucbt  von  Liz.  Otto  Albrecht^  Pastor 
in  Naumburg  a.  S.  Mit  der  Pbotograpfaie  einer  Katecbismus- 
tafel.  Halle  a.  S.  Yerlag  der  Buchbandlung  des  Waisen- 
hauses  1905. 

Mit  Freuden  komme  icb  dem  Wnnsche  des  Verf.s  naeb,  die  vor- 
liegende  Arbeit  anch  in  diesen,  spezieil  der  Bayeriscben  Eirchengeschichte 
gewidmeten  Beitragen  zur  Anzeige  zu  bringen,  bandelt  es  sicb  docb  dabei 
um  die  Geschicbte  von  Luthers  kieinem  Katecbismus,  ffir  die  man  uberall 
Interesse  voraussetzen  darf,  und  ich  kann  die  HofEnnng  noch  nicbt  auf- 
geben,  daB  vielleicht  gerade  in  Bayern  mit  seinen  immer  noch  yiel  zu 
wenig  durchforschten  Kirchen-  und  Stadtbibiiotbeken,  in  denen  in  den 
letzten .  Jabrzehnten  ungeahnte  Schatze,  ja  Unica  wieder  zum  Vorschein 
gekommen  sind,  sich  die  immer  nnd  immer  wieder  yergeblich  gesuchte 
erste  Ausgabe  von  Luthers  kieinem  Katecbismus  noch  finden  k&nnte. 
Allerdings  bandelt  es  sich  in  dem  vorliegenden  Werke  des  in  der  Kate* 
chismusliteratur  und  -Geschicbte  wie  wenige  bewanderten  Lntherforschers, 
dem  wir  schon  verschiedene  einschlagige  Arbeiten  verdanken,  und  der 
anch  die  Bearbeitung  der  Katecbismen  fiir  die  Weimarer  Lutherausgabe 
ubemommen  hat,  nicht  eigentlich  um  die  Entstebung  von  Luthers 
kieinem  Katecbismus,  sondern  um  die  Veroffentlichung  und  Wiirdigang 
einer  spateren,  von  Albrecht  in  der  Gymnasialbibliothek  zu  Thorn  aufge- 
fundenen  Ausgabe  von  1536,  die  uns  in  einem  auch  der  Verlagshandlung 
alle  Ebre  macbenden,  prachtigen  Faksimiledruck  dargeboten  wird;  aber 
dieser  Dmck  war  nicht  einzuieiten,  ohne  die  ganze  Frage  nach  der  Ge- 
schicbte Yon  Luthers  Katechismus  von  neuem  aufzurollen.  Und  wer  sich 
in  Ktirze  iiber  den  jetzigen  Stand  der  Frage  und  dariiber  belehren  will, 
welcbe  Ausgaben  wir  jetzt  kennen,  wie  sie  zu  werten  und  zu  klassiiizieren 
sindy  dem  ist  nur  zu  raten  —  ev.  unter  Hinzunahme  der  frttheren  Ar- 
beiten des  Verf.s  (im  Arcbiv  ftir  Reformationageschichte  I,  247ff.,  II,209ff. 
und  Luthers  kleiner  Katechismus  nach  der  Wittenberger  Ausgabe  vom 
Jahre  1540.  Erfurt  1904  -—  Albrechts  ausfUhrliche  Einleitung  zu  der 
vorliegenden  Ausgabe  zu  Kate  zu  ziehen.  Leider  ist  es  bier  nicht  mog- 
lich,  auf  das  Neue,  was  der  Verf.  teils  als  wirkliches  Resultat  seiner 
Untersuchnng,  tells  als  wahrscheinliche  Vermutung  hinstellt,  naher  einzu- 
geheh,  wie  sehr  ich  auch  dazu  geneigt  ware,  docb  mochte  ich  aus  den 
Resultaten  hervorheben,  daB  nach  Albrecht  der  blither  als  zweiter  Erfurter 
Druck  (E^)  gezahltc  der  einzige  unmittelbar  aus  dem  vorauszusetzenden 


138  Znr  Bibliographie. 

Wiitenberger  Original  geflossene  Abdruck  ist  (S.  28).  Der  Ventiataog 
(S.  65),  daft  die  Aaswahl  der  im  Katechismus  von  1536  sich  findenden 
Bilder  nicht  von  Luther,  sondern  von  dem  Drucker  herrlihrt,  und  Lather 
flie  nur  zugelassen  hat,  mOchte  ich  beistimmen.  Denn  dafi  im  ersten 
Hauptstfick  nar  die  t^bertretungen  abgebildet  sind,  ist  in  der  Tat  sehr 
befremdlich,  auch  sind  die  den  anderen  Hanptstttcken  beigegebenen  Bilder 
offenbar  nicht  ad  hoc  gezeichnet,  sondern  solehe,  zu  denen  man  die  Holz- 
Btocke  schon  hatte,  and  es  wUrde  wahrseheinlich  nicht  »shwer  fallen,  sie 
anch  in  anderen  Druckwerken  wieder  zn  finden.  Wenn  Albrecht  S,  99 
Anm.  die  Frage  aufwirft,  ob  nach  Lathers  orsprUnglichem  Plan  nicbt  der 
Katechismas  mit  der  Hanstafel  und  ihrem  kraftigen  Schlafireim  hatte  ab^ 
schlieBen  sollen,  and  ob  nicht  der  Bachdraoker  Schirlentz,  der  die  Ur* 
drucke  vom  Taaf-  und  Traubiicblein  besorgt  hatte,  zunEchst  von  sich 
aus,  dann  mit  Luthers  Billigung  diese  (nicht  etwa  durch  den  Titel 
Enchiridion  u.  s.  w.  angedeuteten)  Anhiinge  zugefUgt  hat,  so  m5chte  ich 
dazu  bemerken,  daB  das  allerdings  meine  positive  Meinung  ist.  Nicht 
zustimmen  kann  ich,  wenn  der  Yerf.  Luthers  Bemerkung  in  der  Vorrede : 
^alsdann  nimm  den  groBen  Katechismus"  zunskchst  nicht  auf  Lathers 
.groBer  Katechismas"  genanntes  Bach  beziehen  will,  sondern  auf  die 
ausf iihrlichere  Christenlehre  tlberhaupt.  Der  Gegensatz  zam  „knrtzen  Kate- 
chismas", mit  dem  der  Leser  sich  vorher  beschaftigt  hat  („nimm  abermal 
fttr  dich  dieser  Taffeln  weise^),  awingt  zu  der  hergebrachten  Auffassung, 
wenn  Luther  daneben  auch  daraiir  huiweist',  daB  Anleitung,  die  einzelnen 
StUcke  Mherauszustreichen",  «afich  in  soviel  Bttchlein  davon  gemacht" 
vorhanden  ist.  Zur  Frage  nach  dem  verschiedenen  Sinne  des  Wortes 
Katechismus,  auf  die  der  Yerf.  S.  95  auch  za  sprechen  kommt,  um  von 
neuem  festzustellen,  daB  das  Wort  zunUchst  nicht  ein  Bach  bezeichnete, 
ist  an  die'  Erklarung  des  Thomas  von  Aquino  za  erinnern :  Catechismas 
non  est  sacramentum  sed  sacramentale,  id  est  instructio  credendorum 
praecedens  baptismum  ad  sacerdotes  pertinens.  Summa  theol.  Ill,  9. 
LXXL  2^  (conclusio)  et  tertiam.  Der  erste,  der  die  Darsteliung  des 
christlichen  Unterrichtes  in  Frage  und  Antwort  „ Katechismus'  bez«ichnet, 
ist  m.  W.  Andreas  Althamer  gewesen  (vgl.  seine  gelehrten  Ausfuhrangen 
fiber  das  Wort  in  seinem  Katechismus  in  melner  Ansgabe  (Andr.  Althamer 
Erl.  1895  S.  86  f.).  Im  Sinne  von  „Unterrlcht"  braucht  das  Wort  aach 
Melanchthon  in  seiner  eben  wieder  aufgefundenen  Einleitung  zur  Augs- 
burgischen  Konfession  (vgl.  Th.  Kolde,  Die  alteste  Redaktion  des  Augs- 
burger  Bekenntnisses  etc.  Giitersloh  1906,  S.  9).  —  Aach  sonst  wirft 
der  Yerf.  verschiedene  neue  Fragen  auf,  darunter  auch  solche,  in  denen 
•neben  dem  Gelehrten  der  praktische  Geistliche  zum  Worte  kommt,  wie 
liber  Katechismasbehandlung  u.  dgl.,  deren  Beachtung  nur  empfohlen 
werden  kann.  —  Zu  den  interessantesten  Partien  der  Einleitung  diirften 
Ubrigens  fur  viele  Leser  noch  die  geh^ren,  in  denen  Albrecht  iiber  den 
Sammelband,  aus  dem  der  hier  abgedrackte  Katechismus  stammt,  and  die 
vielen  dort  zu  findenden,  auch  inhaltlich  wertvollen  bandschriftlichen  Ein- 
trage  berichtet.  Ich  weifi  die  Grtlnde  zu  wiirdigen,  die  den  Herausgeber 
bestimmten,  diese  Eintrslge  und  Randbemerkungen  bei  der  Faksimilierung 
wegzulassen  oder  richtiger  verschwinden  zu  lassen  (S.  53),  aber  ich  be- 
daure  doch,  daB  er  uns  nicht  eine  signifikante  Probe  im  Faksimile  mit- 
geteilt  hat,  weii  man  daraus  vielleicht  den  frilheren  Besitzer  feststellen 
kdnnte.  Sehr  dankbar  muB  man  aber  dafUr  sein,  daB  als  Beilage  das 
Faksimile  des  einzigen  bisher  (fragmentarisch)  bekannten  Tafeldrucks 
von  Luthers  kleinem  Katechismus  in  niederdeutscher  Sprache  beigegeben 
worden  ist.  Das  wird  hoffentlich  den  Erfolg  haben,  daB  man  weiter 
danach  sucht  und  auch  die  sicherlich  zuerst  hochdeutsch  geschriebenen 
Tafeln  auffindet.  DaB  man  schon  vor  Luther  solche  Tafeln  gehabt  hat, 
ist  bekannt,  aber  fur  die  Geschichte  derselben,  die  iibrigens  nicht  direkt 


Zur  Bibliographie.  139 

als  erster  religi5ser  Lebretoff  gedacht  waren,  sondern  urn  daran  das  Biich- 
atabieren  zu  lernen  (vgl.  Die  Ntlrnberger  Schuldordnung  vom  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  bei  Siebenkees,  Materialien  zur  Niirnberger  Ge- 
schichte  11.  Bd.,  1792,  S.  721:  Erstlich  sollen  die  jungsten  schtiller  die  dann 
in  derTafel  Benedicite  Confiteor  and  dergleicben  bachstabenn  and  lesen 
lernen)  ist  noch  vieles  zu  erforschen.  Bemerkt  zu  werden  verdient,  daB 
der  soeben  erschienene  koBtbare  antiquarische  Katalog  von  Martin  Bres- 
lauer  in  Berlin  nnter  Nr.  413  einen  aas  Speier  lier^Ubirenden  (1493)  Ein- 
blattdruck  einer  solchen  Tafel  mit  gemischtspf achliehem  Text  verzeiehnet, 
der  die  zehn  Gebote,  den  Glauben,  das  Paternoster,  Ave  Maria,  die  sieben 
Todstinden  and  die  fiinf  Sinne  enthalt.  Hier  batten  wir  auch  die  im 
M.A.  seltene  Ordnung,  zehn  Gebote,  Glauben,  Vaterunser,  die 
man  in  der  Kegel  Luther  zuschreibt  (vgl.  S.  118f.).  Noch  will  ich  er- 
wahnen,  dafi  Cochleus  in  seinem  Bnche  ^An  expediat  laicis,  legere  novi 
testamenti  libros  lingua  vernacula  1533,  Bl.  05***  schreibt:  Eraserunt  itaque 
latherani  iam  pridem  ex  tabulis  puerorom  salutationem  angelicam  ne  ad- 
discant  antiqua  pietate  dicere  Ave  Maria. 

*Haller,  J.,  Stadtpfarrer  in  Tattlingen.  Die  Ulmer  Katechismus- 
literatur    vom    16. — 18.   Jabrbundert.     Blatter    flir    wiirttcm- 

bergische  Kircbengeschichte.  N.  F.  IX.  Jahrg.  1905.  S.  42ff. 
Das  vorliegende  Heft  des  laufenden  Jahrganges  der  Blatter  fiir 
wiirttembergische  Kircbengeschichte  bringt  den  Beginn  einer  sehr  wert- 
voUen  kritischen  Studie  iiber  die  Ulmer,  unter  dem  EinfloB  der  sehr  ver- 
schiedenen,  in  der  Ulmer  Kirche  sich  geltend  machenden  theologischen 
Stromungen  auch  sehr  verschieden  gearteten  Katechismen  und  behandelt 
zuerst  den  altesten,  in  der  Kegel  dem  Ulmer  Prediger  Konrad  Sam  zu- 
gescbriebenen  Katechismus.  In  sorgfaltiger  Untersuchung  der  Abhangig- 
keitsverhaltnisse  weist  der  Verf.  nach,  dafi  das  Schriftchen  nicht,  wie  ich 
in  meiner  Schrift  Uber  Andreas  Althamer  S.  59  im  AnschluB  an  Yeesen- 
meyer  geurteilt  hatte,  lediglich  eine  etwas  ausfuhrlicher  geratene  Bear- 
beitung  des  Althamerscben  Katechismus  ist,  sondern  der  Verf.  auch  andere 
katechetischen  Arbeiten  wie  die  von  W.  Capito  und  Joh.  Agrikola  aus- 
geschrieben  hat  (vgl.  dazu  Cohrs,  Die  evangelischen  Katechismusversuche 
vor  Luther  III.  Bd.  (Berlin  1901)  S.  80f.  Er  wird  vielleicht  auch  damit  Recht 
haben,  dafi  Konrad  Sam  —  wenigstens  bis  zu  einem  gewissen  Grade  — 
der  Yerfasser  ist,  aber  so  siclier,  wie  er  meint,  geht  das  ans  der  Bemer- 
kuDg  des  Schulmeisters  Brothag  in  der  Yorrede,  daj&  Sam  „diesen 
Catechismum  (wies  die  alten  genannt  haben)  fiirgenommen  zu  predigen", 
und  „daB  er  es  auch  in  truck  lassen  kommon*^,  noch  nicht  hervor.  Auch 
Cohrs  hat  geurteilt,  daB  Brothag,  der,  wie  die  Yorrede  ergibt,  an  der 
Herausgabe  sehr  interessiert  war,  sei  es  als  Katgeber,  sei  es  als  Mit- 
arbeiter  beteiligt  gewesen  ist,  und  es  ist  noch  nicht  ausgeschlossen,  daB 
er,  der  Schulmann,  es  war,  der  das,  was  Sam  tiber  den  Katechismus  ge- 
predigt,  in  die  katechetische  Form  gebracht  hat. 

*Forschungen  zur  Geschichte  Baye-rns.  Yierteljabrsschrift. 
Heransgegeben  von  Michael  Doberl  und  Karl  von  Rein- 
hardstottner.  XII.  Bd.  Munchen  1904  u.  XIIL  Bd.  1905 
Heft  1 — 2.  Druck  u.  Verlag  von  R.  Oldenbourg.  Preis  per 
Band  8  Mk. 

Spater,  als  mir  lieb  ist,  komrae  ich  dazu,  Uber  die  vorliegenden  Hefte 
der  „Forschungen  zur  bayerischen  Geschichte**  zu  referieren,  die  mit  dem 
XII.  Bd.  innenem  Gewande  erscheinen.  Dem  verdienten  bisherigen  Heraus- 
geber,  Karl  von  Reinhardstottner  ist  Michael  Doberl  zur  Seite  getreten, 
und  eineKeihe  der  angesehensten  bayerischen  Geschichtsforscher  hat  ihre 
Mitwirkung  zugesagt.  Der  Kreis  des  Forschungsgebietes  soil,  wenn  auch 


140  ^^^  Bibliographie. 

• 

die  lokalgeBchicbtliche  Forscbung  den  LokalgeBcbichtsvereinen  Uberlassen 
bleibt,  gegen  friiher  erweitert  werden  und  sich  mebr  als  bieber  aaf  die 
.Geschicbte  des  ganzen  beutigen  Bayern  erstrecken,  and  was  nicht  un- 
wesentlicb  ist,  der  Verlag,  der  niebrfach  wecl^seln  mufite,  ist  nunmebr 
an  eine  Firma  Ubergegangeu,  die  als  Verlegerin  histoiiscber  Werke  einon 
in  der  ganzen  Welt  anerkannten  Namen  bat  und  eine  gute  Gewahr  far 
die  Aufrecbterhaltong  des  so  wicbtigen  Unternebmens  ist.  Und  schon 
die  ersten  mir  vorliegenden  Hefte  der  neuen  Serie,  deren  Inbalt  leider 
bier  nicbt  besprocben,  sondern  nar  kurz  angegeben  werden  kann,  zeigt, 
wie  man  das  Ziel  zu  erstreben  sucbt,  damit  ein  Zentralorgan  filr  die 
bayeriscbe  Gescbicbtsforscbung  zn  scbaifen.  £inen  vielversprecbenden 
Anfang  macbt  die  von  Mori tz  Ritter  gezeicbnete prsicbtige  Lebensskizze 
von  Karl  Adolf  Cornelius.  Es  folgen  Tb.  Bitterauf,  Mtincben  und  Ver- 
sailles; M.  D5berly  Innere  Regiernng  Bayerns  naeh  dem  dreiBigjabrigen 
Kriege.  Walter  Gotz,  Die  Kriegskosten  Bayerns  und  der  Ligastande 
im  dreiBigjabrigen  Kriege;  M.  Doberl,  Die  Grundherrscbaft  in  Bayern 
Yom  10.  bis  13.  Jabrbundert.  Als  speziell  fiir  die  Kircbengescbicbte 
wichtig  bebe  icb  bervor  den  kleinen  Aufsatz  von  Georg  Leidinger, 
Herzog  Wilbelm  von  Bayern  und  die  Jesuitenmissionen  in  Cbina  (XII,  171  ff.). 
Daran  reiht  sicb  die  hochst  interessante  kulturgescbicbtliche  Arbeit  von 
Hans  Scborer,  Das  Bettlertum  in  Kurbayern  in  der  zweiteo  Halfte  des 
18.  Jabrbunderts  (XII,  176  ff.),  ferner  MaxFastlinger  karolingiscbe  Pfalzen 
in  Altbayero. 

Den  XIIL  Band  eroffnet  H.  Simonsfeld  mit  einer  Untersucbung 
fiber  Aventin  und  des  privilegium  minus.  Darauf  folgt  A.  Wideraann, 
Konig  Otto  von  Ungam  aus  dem  Hause  Wittelsbacb  (1305—1307); 
P.  Darmstsidter,  Studien  zur  bayeriscben  Wirtscbaftsgescbichte  in  der 
Rbeinbundszeit.  Der  bayeriscb-italienische  fiandelsvertrag  vom  2.  Ja- 
nuar  1808;  Ferdinand  Lorenz,  Das  Geistesleben  in  Bayern  um  die 
Wendo  des  18.  und  19.  Jabrbunderts,  ein  Aufsatz,  der  iibrigens  zu  meinem 
Bedaueiii  der  groBen  Aufgabe  keineswegs  gerecbt  wird,  sicb  auf  einige 
Ausblicke  bescbrankt  und  durch  seinen  apboristiscben  Stil  nicbt  an  Klar- 
beit  gewinnt',  J.  Heldwein,  Reliquienverebrung  in  bayeriscben  Klcistem 
am  Ausgange  des  Mittelaiters;  J.  Wei 6,  Die  geplante  Heirat  des 
pfalziscben  Kurprinzen  Karl  mit  Benedikta,  Tocbter  der  Princesse  Palatine 
1B67 ;  ders.,  Jobann  Kaspar  Thiirriegel  und  die  bayeriscbe  Kolonie  an  der 
Sierra  Morena.  J.  J.  K.  Schmitt,  Die  drei  pfalziscben  Gescbiobtsscbreiber 
Frey  (11854),  Lehmann  (f  1876) und Remling  (t  1873);  Ad.  Hilsenbeck, 
Jobann  Willi  elm,  Knrfilrst  von  derPfalz;  Al.  Mitterwieser,  Gescbichte 
der  Stiftungen  und  des  Stiftungsrecbtes  in  Bayern;  Walter  G5tz,  Die  an- 
geblicbe  Adelsverscbworung  gegen  Herzog  Albrecbt  V.  (Siehe  dariiber 
meine  Bemerkungen  oben  S.  136);  Georg  Leidinger,  Scbicksale  der 
Bibliothek  Andreas  Felix  Oefeles.  Nimmt  man  binzu,  daC  die  Zeitschrift 
auGerdem  nocb  teilweise  sehr  eingebende  Schriftenbesprechungen  bringt, 
ferner  eine  literarische  Bundscbau  iiber  die  in  den  historiscben  Zeit- 
Bcbriften  Bayerns  erscheinenden  Artikel,  sowie  in  treff licher  ohronologiscber 
Ordnung  alle  sonatigen,  die  bayeriscbe  Gescbicbte  betreffenden  Arbeiten 
verzeichnet  und  uber  Versamraiungen  bistoriscber  Vereine,  Publikationen 
und  Personalien  bericbtet,  so  kann  man  allerdings  sagen,  dafi  die  „baye- 
riscben  Forscbnngen^  in  ihrer  nouen  Gestalt  nunmebr  zum  unentbebrlicben 
Hilfsmittel  fiir  jeden  geworden  sind,  der  auf  dem  Gebiete  der  bayeriscben 
Gescbichte  arbeiten  will.  Nur  einen  Wunscb  m^chte  icb  nocb  aossprecben, 
namlicb  daB  die  Redaktion  aucb  wirklicb  dafUr  sorgen  mocbte,  daB 
der  bisber  mit  (Jnrecht  sehr  vernacblassigter  Geschichte  Frankens  eine 
groBere  Beacbtung  zuteil  wUrde,  deun  mit  wenigcn  Ausnahmen  dienen 
die  Forschungen  bis  jetzt  fast  ausschlieBlich  der  Gescbicbte  Altbayerns. 


-*/, 


Zur  Geschichte  der  Reformation  und  Gegenreformation 
im  Amte  Hoheneck  und  der  Kommende  Virnsberg. 

Yon  Dr.  K.  Schombanm  in  Nlirnberg. 

tJber  die  kirchlichen  Zustande  ira  «hemaligen  Bayreuther 
Unterland  ist  bis  jetzt  recht  wenig  bekannt  geworden.  So 
dlirfte  insbesondere  keine  Arbeit  nachzuweisen  sein,  welche  sich 
eingehender  mit  dem  Eindringen  der  Reformation  daselbst  be- 
faUt  hatte,  obwohl  doch  in  diesem  Gebiete  zu  Nesselbach  schon 
1520  von  Kaspar  L5ner  das  Evangelium  gepredigt  wurde  ^). 
Es  wird  deshalb  nicht  unangebracht  sein,  wenn  im  folgenden 
der  Versuch  gemacht  wird,  wenigstens  einigermaUen  das  Ein- 
dringen der  Reformation  in  diesem  Gebiete  aufzuhellen.  Auf 
Grnnd  des  vorliegenden  Materials  muB  sich  diese  Untersuchung 
allerdings  auf  das  Amt  Hoheneck  beschranken,  weil  andere  auf 
die  Pfarreien  um  Nenstadt  bezngliche,  bis  ins  15.  Jahrhnndert 
reichende  Akten,  die  nachweisbar  1828  von  der  kgl.  Regiernng 
von  Oberfranken  an  die  von  Mittelfranken  extradiert  wurden, 
heute  daselbst  sich  nicht  mehr  anffinden  lassen.  Dagegen 
empflehlt  es  sich,  bei  dieser  Darlegung  auch  die  benachbarten 
Pfarreien  der  Deutsch-Ordenskommende  Virnsberg  bezw.  die  im 
Gebiete  der  Herren  von  Seckendorf  gelegenen  Pfarreien  Obem- 
zenn,  Unternzenn  und  Egenhausen  wenigstens  einigermaCen  zu 
berficksichtigen. 

Das  Amt  Hoheneck  zahlte  eine  stattliche  Anzahl  von 
Pfarreien:  Westheira,  Urfersheim,  lUesheira,  Rudisbronn,  Burg- 
bernheim,  Markt-Bergel,  Niederhofen  (heutzutage  mit  Bergel 
vereinigt)  2),    Altheim,    Dottenheim,    Ottenhofen,   Kaubenheim, 

1)  Pr.  RealenzyklopSdie*  XI,  590. 

2)  Chr.  W.  Schirmer,  Geschichte  W^indsheimB  und  seiner  Nachbar- 
orte.  NUrnberg  1848,  S.  275.  J.  Looshorn,  Die  Geschichte  des  Bistums 
Bamberg.    Munohen-Bamberg  IV,  1900,  S.  739. 

Beitrage  zup  bayer.  Kircliengeschiclite.  XII.  4.  JO 


142    Scbornbaum,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hobeneck. 

Schwebheim,  Lenkersheim  und  Ipsheim.  'Es  warden  deshalb 
1528  drei  Tage  zur  Visitation  dieses  Amtes  bestimmt^).  Un- 
bekannt  ist  es,  warum  man  nicht  auch  Fr&hmesser,  Mittelmesser 
und  den  Inhaber  der  St.  Gilgenpfriinde  von  Ipsheim,  Fruh- 
messer  und  die  Inhaber  der  Pfrunden  St.  Katharinae,  U.  L.  Franen 
und  St.  Kunigund  zu  Burgbernheim  zitierte*).  Die  Pfarrer 
erschienen  samtlich  in  Ansbach  (26.,  27.,  29.  Okt.).  Aber  nur 
drei  JobstDerer,  Pfarrer  von  Urfersheim^),  Joh.  Fabri,  Pfarrer 
von  Ottenhofen*)  und  der  Pfarrer  von  M.  BergePj  waren  An- 
hanger  der  neuen  Lehre.  Drei  andere,  Mich.  Ftirst,  Pfarrer 
von    Westheim^),    K. -Liebler,    Pfarrer   von  Burgbernheim''), 


1)  Ntimberger  Ereisarchiv.  Ansb.  Rel.  Acta  YUIf.  434  f. 

2)Loosborn  S.  739.  —  Die  Friibmesse  zuM.  Bergel  war  von  dem 
Fandator,  der  Gemeinde,  wieder  zu  Handen  genommen  worden,  oacbdem 
der  zweite  und  letzte  Inbaber  im  Bauernkrieg  erscblagen  worden  war. 
Georg  und  Kasimir  batten  dies  genebmigt.  £inkommen  2'/,  fl.  1  Pfnnd 
12^3  Pfennig  an  Geld;  6  Metzen  Korn,  8  Eimer  Wein,  28  Malter  Getreide. 
Ansb.  Rel.  Acta  Illf.  171. 

3)  Der  Name  ergibt  sicb  aus  Ansb.  Bel.  Acta  VIII,  470.  473.  Blatter 
fUr  bayeriscbe  Kircbengescbicbte.  I.  Rotbenburg  o.  T.  1887/8,  S.  34. 

4)  Im  Mrnberger  Kreisarcbiv  Rep.  157.  Tit.  23.  Amt  Ottenbofen. 
S.  715,  Nr.  3  befindet  sicb  ein  Verzeicbnis  der  Einkiinfte  der  Kircbe  von 
Ottenbofen  mit  folg.  Aufscbrift:  index  censuum  et  reditunm  sacre  edis 
sancti  Gnmperti  in  Ottenbofen  compositus  per  loannem  Fabri  tunc  temporis 
ibidem  plebeiarius  anno  virginei  partus  1528.  cf.  M.  J.  M.  GroBen, 
Historiscbes  Lexikon  Evangeliscber  Jubelpriester.  Nurnberg  1727,  S.  213. 
Nacb  Rep.  157  Tit.  23  S.  715  N.  3  a  war  1514  Benedikt  Wagner  Pfarrer 
von  Ottenbofen.  Sollte  Job.  Fabri  identiscb  sein  mit  Job.  Fabri,  der 
1526  die  Friibmesse  zu  Trautskircben  resignierte?  Heilsbronner  JabirbUcber, 
1526,  f.  86. 

5)  Der  Name  des  Pfarrers  findet  sicb  nicbt  in  den  Akten.  Ober 
seine  ev.  Haltung  weiter  unten.  Die  Bemerkung  Scbirmers  S.  227, 
daB  1528  die  Reformation  gesetzlicb  eingeftibrt  wurde,  ist  nur  teilweise 
ricbtig.    1537  war  bier  Job.  Fabri  Pfarrer.    GroB  1.  c.  213. 

6)  Loosborn  IV,  893.  Ein  Deutsch-Ordensbericbt  vom  30.  Mai 
1598  bebauptet,  daB  FUrst  nocb  katboliscb  geweibt  worden  sei.  Kreis- 
arcbiv NUrnberg,  Kommende  Virnsberg  54  f.  139. 

7)  Loosborn  IV,  893.  Kgl.  Konsistorium  Ansbacb:  Pfarrei  Obem- 
zenn,  Unternzenn,  Egenbausen  1499—1654,  f.  3.  —  Im  11.  Jabresbericbt  des 
bist.  Vereins  in  Mittelfranken  (Ansbacb  1842)  S.  108  wird  bebauptet,  daB 
Pfarrer  Fr.  Meister  von  1520  an  die  alten  papstlichen  Zeremonien  babe 
eingehen  lassen.    Nacb   GroB  S.  80  batte  Meister  von  1600—1530  die 


ScbombanBQ,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hobeneck.    143 

sowie  der  Pftirrer  von  Lenkersheim^)  liefien  sich  wenigstens 
examinieren.  Die  ubrigen  weigerten  sich  aber  ganz  entschieden, 
aaf  die  Fragen  der  Examinatoren  za  antworten.  Althamer  be- 
merkt  vom  Pfarrer  St.  Harauer  za  Hlesheim:  hat  seiner  Herr- 
schaft  geschworen,  nicht  za  respondieren^);  vom  Pfarrer  za 
Badisbronn :  ware  wider  sein  Gewissen ;  vom  Pfarrer  za  Dotten- 
heim:  ein  angelehrter  Papist*);  vom  Pfarrer  za  Altheim:  will 
nicht  ehrlos  werden  an  seinem  Bischof,  dem  er  geschworen 
batte;  vom  Pfarrer  za  Eanbenheim:  will  warten  bis  ein  Kon- 
ziliam  wird;  von  P.  Hamann,  Pfarrer  zu  Ipsheim:  will  warten 
auf  ein  Konzilium*).  Nar  der  Pfarrer  von  Schwebheim  scheint 
seinen  Protest  nicht  naher  begriindet  za  haben^). 

Dafi  die  Einfuhrnng  der  neaen  Lehre  in  diesem  Amte  die 
groBten  Schwierigkeiten  bieten  wiirde,  blieb  den  Visitatoren 
wohl  nicht  verborgen.  Es  handelte  sich  deswegen  darnm,  einen 
tnchtigen  Sapeiintendenten  far  dieses  Gebiet  aufzustellen.  In 
Jobst  Derer,  Pfarrer  von  Urfersheim,  glanbte  man  den  richtigen 
Mann  gefnnden  za  haben*).  Dieser  soUte  bald  die  Last  za 
spuren  bekommen,  die  ihm  damit  aaferlegt  war.  Seine  Anfgabe 
war  aber  dadarch  noch  schwieriger,  weil  die  Pfarrer  an  dem 
eifrig  kath.  Amtmanne  von  Hoheneck^   Albrecht  Geiling,  einen 

Pfarrei  besessen.  Nach  LooshornlV,  893  hieB  er  Fr.  Morstatt,  of.  anch 
P.  G.  Norr,  Chronik  des  Marktfleckens  Bmgbernbeim.  Wfirzburg  1844,  S.  84f. 

1)  Name  nicht  genannt.  Diese  drei  Pfarrer  fehlen  in  der  Liste  derer, 
welche  zwar  erschienen,  aber  die  Antwort  verweigerten.  Ansb.  Rel. 
Acta  Vlllf.  490. 

2)  Name  in  Ansb.  Bel.  Acta  VIII f.  562.  Chr.  W.  S  chirm  er,  Ge- 
schichte  des  Bittersitzes  and  Pfarrdorfes  niesheim.  Niimberg  1842,  S.  48 
erwahnt  dayon  nichts. 

3)  G.  L.  Lehnes,  Geschicbtliche  Nacbricbten  von  den  Orten  und 
ehemaligen  ElQstem  Riedfeld,  Mflnchsteinacb  und  Birkenfeld.  Neustadt 
a.  A.  1834,  S.  272  nennt  erst  fUr  1530  einen  Pfarrer  Wolfgang  N. 

4)  Zugleich  Frtihmesser  in  Creglingen.  Ansb.  Bel.  Acta  5,  II,  136. 
G.  Bossert,  Die  Reformation  in  Creglingen  (S.A.  aus  Zeitsohrift  flir 
Wurtt.  FrankenVm,  1903)  S.8,20  liest  Jppesheim";  cf.  J.  F.  Georgii, 
Uffenheimiscbe  Nebenstunden.  II.  Schwabacb  1754,  S.  168 f.  Lehnes 
S.  278  and  GroB  S.  15  erwahnen  bei  Aufzablung  der  Pfarrer  von  Ips- 
heim fUr  dieses  Jabr  niemand. 

5)  Bericht  Althamers  Ansb.  Rel.  Acta  Ylllf.  490. 

6)  Ansb.  Rel.  Acta  Vni,  473  (Rurers  Handscbrift)  470.  Blotter  fiir 
bayer.  K.G.  I,  34. 


144   Schombaum,  Z.  Gescli.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

festen  Euckhalt  batten*).  Auch  waren  die  meisten  Pfarreien 
Patronate  des  Kapitels  in  Wurzburg  oder  anderer  geistlichen 
Herren*).  Dazu  hatte  gerade  in  diesem  Amte  der  alteGlaube 
nnter  den  Banern  einen  starken  Rfickhalt^}.  Es  muBte  ihm 
daber  als  das  ratsamste  erscheinen,  sich  mit  seinem  Nacbbar 
Pbil.  Getreu,  Pfarrer  von  Obernzenn,  tiber  ein  gemeinsames 
Vorgehen  zu  einigen.  Da  dieser  mit  den  gleicheu  Schwierig- 
keiten  za  kampfeu  hatte,  ging  er  bereitwillig  darauf  ein. 

Die  Deutsch-Ordensgeistlichen  von  Ickellieim  und  Unter- 
altenbernheim*)  waren  mitsamt  den  Seckendorfscben  Geistlichen 
von  Egenbausen,  Unternzenn  und  Obernzenn,  —  fiir  beide 
letztere  war  der  Komtur  von  Virnsberg  ebenfalls  Patron  —*) 

1)  Befehl  Georgs  an  Albr.  Gelling,  sicb  genau  nach  dem  Mandat 
za  riohten,  d.  d.  Plassenburg.  Mo.  n.  Exaudi  (25.  Mai)  1528.  Ansb.  Rel. 
Acta  VIII  f.  117,  of.  126. 

2)  Nacb  Loosborn  IV,  739  verlieb  das  Domkapitel  in  Wiirzburg: 
Scbwebheim,  Ottenbofen,  Dottenbeim,  Eaubenbeim,  Ipsbeim;  der  Papst: 
Bnrgbernbeim ;  Mtincbauracb :  Altbeim  u.  Riidisbronn;  Stift  Spalt:  Markt 
Bergel;  Virnsberg:  Niederbofen;  Job.  Kempacb,  Vikar  in  Wiirzburg: 
Westheim  und  Urfersbeim;  Ritierschaftlicb  war  nur  Illesbeim. 

3)  Ulmer  Stadtarchiv.  Man.  Vogl.  2157.  2118.  s.  unten. 

4)  Im  Verzeicbnis  Ansb.  Bel.  Acta  Vlllf.  437  stebt  nur  ganz  all- 
gemein :  die  von  dem  Komtur  zu  Virnsberg  belehnten  Pfarreien.  £s  kann 
also  auch  Sondemobe  dabei  gewesen  sein.  Docb  kommt  in  spateren  Be- 
ricbten  nie  der  Pfarrer  von  Virnsberg- Sondernobe  vor.  S.  H.  Wester- 
may  er,  DieBrandenburgiscb-Nilrnbergiscbe  Kircbenvisitation  und  Rircben- 
ordnung  1528—33.  Eriangen  1894  S.  33. 

5)  Mit  Zustimmung  des  Landkomturs  von  Franken,  Wolfgang  von 
Eisenbofenf  des  ebemaligen  Komturs  von  Virnsberg  und  gegenwartigen 
Komturs  von  Mergentbeim  Bark  bard  von  Seckendorf  sowie  des  Komturs 
zu  Virnsberg  Wolfgang  von  Bibra  (Patrons  von  Obernzenn  und  lekelheim) 
auch  mit  Zustimmung  des  Hans  Proschel,  Pfarrers  zu  Obernzenn  erricbtete 
Moritz  von  Seckendorf  eine  eigene  Pfarrei  zu  Unternzenn,  fiir  die  er  dem 
Komtur  zu  Virnsberg  das  Prasentationsrecht  einraumte.  Dafiir  verspracb 
er  dem  Pfarrer  von  Obernzenn  eine  jabrlicbe  Abgabe  von  8  Mut  Dinkel. 
Die  Pfarrei  lekelheim  (Pfarrer  Jakob  Proscbel  oder  Beuschel?)  ent- 
scbadigte  er  ftir  das  zu  Unternzenn  gezogene  Filial  Breitenau  mit  53  fl. 
d.  d.  St.  Acbatientag  (22.  Juli)  1518.  Kommende  Virnsberg  N.  128 
(Pfarrei  Sondernobe— Unteraltenbernbeim  1505—1745)  f.  227  g.  J.  H. 
V.  Falckenstein,  Urkunden  und  Zeugnisse  ...  II.  Neustadt  a.  A.  1789, 
S.  466  N.  408.  cf.  Virnsberg.  N.  128  f.l03.  cf.  G.  L.  Lehnes,  Gescbicbte 
des  Aurach-,  Fembacb-,  Seebacb-  und  Zenngrirodes.  Neustadt  a.  A.  1841, 
S.  38 f.  —  BurggrafKonrad  batte24.  August  1260  mit  Einwilligung  seiner 


Schornbaumi  Z.  Gesch.  d.  Heform.  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    145 

auf  den  3.  Oktober  1528  nach  Ansbach  beschieden.  Georg  von 
Knoringen,  der  |damalige  Korathur  von  Virnsberg,  wurde  am 
14.  September  1528  ebenfalls  davon  verstandigt  mit  dem  Bei- 
fiigen,  daB  diese  Visitation  „ihm  an  seinen  Rechten  unschadlich" 
sein  soUe^).  Da  die  rechtliche  Stellnng  der  Ordenskommende 
zu  der  Markgrafschaft  noch  keineswegs  geklart  war,  wagte  er 
es  nicht,  seinen  Geistlichen  das  Erscheinen  in  Ansbach  zu  ver- 
bieten.  Andererseits  fiirclitete  er,  daB  ein  etwaiger  Protest 
derselben  nnwirksam  sein  nnd  den  Markgrafen  nicht  im  ge- 
ringsten  an  der  Verfolgung  seiner  Plane  hindern  wiirde.  Es 
diinkte  ihm  deshalb  am  besten,  zunsLchst  seinen  Geistlichen  nur  ' 
Kenntnis  von  diesen  zu  geben  nnd  die  weiteren  Schritte  ihnen 
selbst  zu  tiberlassen ;  im  iibrigen  woUte  er  die  Entwicklung  der 
Verhaltnisse  ruhig  abwarten. 

Als  nun  samtliche  Deutsch-Ordensgeistliche  vor  ihm  er- 
schienen,  trug  er  ihnen  ohne  jede  weitere  Bemerkung  den  Inhalt 
des  markgraflichen  Schreibens  vor  und  stellte  es  in  ihr  Be- 
lieben,  ob  sie  der  Aufforderung  Folge  leisten  wollten  oder  nicht. 
Offenbar  hatten  die  Altglaubigen  vielinehr  VerhaltungsraaB- 
regeln  vom  Komtur  erwartet  und  konnten  sich  naturlich  im 
Augenblick  noch  nicht  uber  ihr  Verhalten  schliissig  machen;  . 
w^hrend  die  evangelisch  gesinnten,  wie  der  Pfarrer  von  Unter- 
altenbernheim,  mit  diesem  Ergebnis  wohl  zufrieden^)  waren. 
Nur  Hans  Heberlein,  Pfarrer  zu  Ickelheim,  erklarte  geraeinsam 
mit  seinem  Frlihmesser  Georg  Buschler,  daB  sie  gar  keine 
Scheu  trugen  ins  Ansbach  zu  erscheinen^);  sie  waren  wohl  im- 

Sohne  Friedrich  und  Eonrad  die  Eirche  zu  Obernzenn  dem  deutschen 
Orden  geschenkt.  Dr.  J.  GroBmann  und  M.  Scheins,  Monumenta 
ZoUerana.  VIII.  Berlin  1890,  N.155  S.95.  cf.Eommende  Virnsberg  128 f.  103. 

1)  Georg  an  G.  v.  En(5ringen.  d.  d.  Eadolzburg.  Ex.  Crucis  1528. 
Eom.  Virnsberg  N.  54  (Pfarrei  und  Frtihmesse  Ickelheim  1530—1649)  f.  5. 

2)  Adam  von  Elingelbach,  Eomtur  zu  Virnsberg,  schreibt  am  8.  Ok- 
tober 1580  nach  Mergentheim,  daB  Unteraltenbernheim  seit  dem  Bauern- 
krieg  luth.  Pfarrer  gehabt  babe.  Wenn  die  Eomture  kath.  Geistlicbe 
eingesetzt  hatten,  hatte  sich  der  Markgraf  immer  wieder  eingemischt. 
Virnsberg  128  f,  72. 

3)  Die  Namen  aus  Eomm.  Virnsberg  54 f.  138^.  Ickelheim  war  1306 
durch  Trennung  von  Windsheim  znr  selbstandigen  Pfarrei  erhoben  worden 
f.  285.  Die  Frtihmesse  zu  Ickelheim  war  1428  von  Dietrich  Putzberger 
geatiftet  worden.    Eomm.  Virnsberg  54  f.  153. 


146   Schornbauiii)  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  OegeDreform.  im  Amte  Hoheneok. 

stande,  ihrenGlauben  mit  der  heiligeu  Schrift  zu  rechtfertigen. 
Aber  dies  wurde  ihnen  doch  nichts  helfen.  Man  wiirde  ihnen 
einfach  die  Alternative  stellen,  die  markgrftfliche  Ordnung  an- 
zunehmen  oder  ihre  Stellen  aafzageben.  Dem  glaubten  sie  da- 
durch  entgehen  zu  kSnnen,  wenn  der  Komtur  sie  einfach  eine 
Zeitlaug  beurlauben  wfirde;  falls  er  sie  aber  vor  der  drohenden 
Vertreibung  beschiUzen  k5nnte,  woUten  sie  ruhig  auf  ihrem 
Platze  ausharren.  Qeorg  von  KnSriugen  waBte  auch  auf  diese 
Anfrage  keine  Antwort  zu  geben.  Falls  er  ihrer  Bitte  statt- 
geben  wUrde,  so  wurden  ja  sofort,  wie  zu  beflirchten  war, 
evangelische  Priester  auf  ihre  Pfrlinden  gesetzt;  andererseits 
fiihlte  er  sich  aber  auch  viel  zu  schwach,  um  ihnen  den  er- 
betenen  Schutz  vor  einer  ev.  Vertreibung  in  Aussicht  stellen 
zu  kdnnen.  Er  erklarte  deswegen  beiden,  daC  er  ohne  Unter- 
stlitzung  des  Wiirzburger  Bischofs  tiberhaupt  in  der  ganzen 
Sache  nichts  tun  k5nne^). 

In  seiner  Ratlosigkeit  wandte  er  sich  nun  sofort  nach 
Mergentheim  an  den  Administrator  des  deutschen  Ordens  W. 
von  Kronberg.  Dieser  war  innicht  geringerer  Verlegenheit. 
Er  wandte  sich  zuerst  nach  Wiirzburg,  um  den  Bischof  Konrad 
von  Thtingen  zu  veranlassen,  alien  Geistlichen  das  Erscheinen 
vor  der  Visitationskommission  zu  verbieten.  Falls  inzwischen 
der  Markgraf  von  neuera  die  Priester  zitieren  wiirde,  sollte  der 
Komtur  erklaren,  daB  der  deutsche  Orden  sie  belehne,  investiere 
uud  exarainiere.  Sie  batten  sich  bisher  untadelig  gehalten, 
daB  ein  Verhor  nutzlos'  sei  und.  nur  Schwierigkeiten  mit  dem 
Bischofe  bringen  wiirde.  Etwaige  Klagen  wurden  vom  Deutsch- 
raeister  sofort  abgestellt.  Die  beiden  Priester  von  Ickelheim 
soUten  unter  keinen  Umstanden  die  Erlaubnis  zum  Verlassen 
ihrer  Stellen  bekommen;  falls  sie  es  aber  doch  taten,  woUte 
er  es  ihnen  nicht  libel  nehmen;  man  konnte  sich  ja  um  so  eher 
vor  dem  Markgrafen  rechtfertigen^). 

Konrad  von  Thiingen  verbot  wirklich  am  28.  September  1528 


1)  G.  V.  Kn9ringen  an  W.  v.  Kronberg.    Do.  n,  Matthaei  (24.  Sep- 
tember) 1528.    Komm.  Virnsberg  54,  1  nebst  ced.  3. 

2)  W.  von  Kronberg  an  den  Komtur  zu  Virasberg.  e.  1.  et  d,  Komm. 
Virnsberg  54,  7. 


Schombaam,  Z.  Gesch,  d.  Keform.  a.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    147 

seinen  Geistlichen,  in  Ansbach  zu  erscheinen  ^).  Dem  ist  aber 
wohl  Hur  der  Pfarrer  von  Ickelheim  nebst  seinem  Frtihmesser 
gefolgt^).  Die  beiden  anderen  kath.  Geistlichen  Paulus  Leuter- 
mann  von  Egenhanseu  und  Fruhmesser  Jakob  N.  von  Obern- 
zenn  stellten  sich  vielmehr  in  Ansbach;  ersterer  willigte  sogar 
in  die  markgrafliche  Ordnnng  ein^).  Selbstversttodlich  taten 
dies  anch  die  drei  evang.  gesinnten  Pfarrer,  Philipp  Getreu  von 
Obernzenn,  sowie  die  nicht  mit  Namen  bekannten  von  Unter- 
altenbernheim  und  Unternzenn  *).  In  diesem  Gebiete  erwarteten 
deshalb  wohl  die  Visitatoren  keine  besonderen  Schwierigkeiten. 

Aber  bald  soUte  Ph.  Getreu,  der  Superintendent  fur  den 
Bezirk  um  Obernzenn,  auch  genugsam  die  Miihsale  seines  Amtes 
kosten.  Es  war  ihm  gar  nicht  moglich,  zu  alien  kath.  Pfarrem 
zu  gehen,  um  sie  zu  belehren;  denn  nicht  nur  Injurien  oder 
Beschimpfungen,  sondern  auch  Gewalttaten  hatte  er  bald  iiberall 
zu  furchten,  weswegen  er  sich  genotigt  sah,  den  Markgrafen 
um  seinen  Schutz  anzurufen.  Man  kann  es  verstehen,  wenn 
er  ebenfalls  nahere  Fuhlung  mit  benachbarten  Kollegen  suchte^). 

Am  meisten  Schwierigkeiten  machte  wohl  den  Visitatoren 
Paulus  Leutermann  in  Egenhausen.  Nach  seiner  Heimkehr  von 
Ansbach  zeigte  er  seine  wirklichen  Ansichten.  Als  ihm  Philipp 
Getreu.  seine  Irrungen  vorhielt,  erwiderte  er:  „er  woUe  von 
ihm  kein  Schrift  annehmen;  was  ihn  sein  Wasser  segnen  und 
andere  Zeremonien  angingen?;  er  hoflfe,  es  soUe  bald  wieder 
alles  auf  die  alte  Meinnng  kommen**.  Beauftragt,  fur  seine 
Hoflfnung  Grunde  anzufuhren,  erklarte  er:  „seine  Hoflfnung  sei 
wie  ein  Dieb,  so  man  an  den  Galgen  wolle  henken."     Auf  Grund 


1)  Westermayer  1.  c.  S.  42.  K.  Schornbaum,  Zur  Politik  des 
Markgrafen  Georg  ,  .  .  1528—32.  Mtinchen  1906,  S.  335. 

2)  Bemerkang  von  Althamer  auf  f.  3  des  Konsistorialaktes :  Egen- 
hausen, Unternzenn,  Obernzenn  1499—1654. 

3)  1.0.  f.  3  Rarer  bemerkt:  und  dieser  ist  hier  erschienen;  Althamer: 
yerwilligt  in  mein  go.  Herrn  Ordnnng. 

4)  1.  c.  f.  3.  Nach  Lehnes,  Geschichte  des  Aurach  etc.  S.39  ware 
die  Reformation  erst  1539  in  Unternzenn  eingefUhrt  worden.  Zur  Friih- 
messe  von  Obernzenn:  ebendort.  1499  war  Nik.  Clobell  Vikar  zu  Obern- 
zenn.   Eons.  Ansbach.    Akt  Egenhansen  ...  I,  f.  1. 

5)  Ph.  Getreu  an  Markgraf  Georg.  Ansb.  Rek  Acta  Ylllf.  561.  cf. 
Blatter  fiir  bayerische  Kirchengeschichte  I,  S.  34, 


148    Schornbauis,  Z.  Gescfa.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

der  Schrift  von  der  Irrtumlichkeit  seiner  Hoffnung  ftberwiesen 
rief  er:  „was  ihm  diese  scartecken  angeben;  es  8ei  das  alte 
Testament.**  Philipp  Getreu  suchte  ihm  darauf  „die  Art  und 
Eigenschaft  der  Hoffnung  aus  Paulus  und  Petrus"  nachzuweisen, 
worauf  er  nur  erwiderte:  „was  geht  mich  Paulus  oder  Petrus 
an.^  In  Summa  auf  alle  Fragen:  „wer  lutherisch  ware,  ware 
ihm  zu  End  geschoren"  (9.  Februar  1529)^).  Gleich  am  folgenden 
Tage  lief  der  Pfarrer  von  Egenhausen  zum  Komtur  nach 
Virnsberg,  um  den  Superintendenten  zu  verklagen.  Dieser  gab 
den  Bescheid,  daU  es  der  Obernzenner  Pfarrer  in  seiner  Kirche 
halten  soUe,  wie  er  woUe,  aber  auch  den  EgenhauBer  in  Ruhe 
lassen  soUe.  Auch  an  Arnold  von  Seckendorf,  markgrsLflichen 
Amtmann  zu  Dachsbach,  wandte  sich  Paulus  Leutermann,  wo- 
rauf in  barscher  Weise  Ph.  Getreu  aufgefordert  wurde,  sein 
Beginnen  zu  unterlassen,  wenn  er  sich  nicht  Schlimmerem  aus- 
setzen  wolle.  Der  Pfarrer  hatte  sich  allein  vor  dem  Mark- 
grafen  zu  verantworten  (12.  Februar  1529)^). 

Der  Pfarrer  von  Ickelheim  liefi  sich  uberhaupt  in  keine 
Unterrednng  mit  den  Superintendenten  ein.  „Wenn  der  Mark- 
graf  etwas  wider  ihn  habe,  so  soUe  er  andere  Boten  schicken; 
er  solle  seine  Nachbarn  fragen,  wenn  er  wissen  wolle,  wie  er 
sich  halte."  Spater  hSrte  Ph.  Getreu  von  Georg  Hautlein  folgende 
AuBeruug  des  Pfarrers:  ^seitdem  dieser  ketzerische  oder  lu- 
therische  Bube  und  Tyrann  ins  Land  ist  kommen,  hats  nie 
kein  gut  getan."  „Wenn  der  Frtihling  daherkomme,  wolle  er 
sich  iiber  den  Eamp  scheren  lassen  und  iein  Mutzen  kaufen  und 
die  Stumpf  voUends  an  die  luth.  Buben  henken".  (Bericht  des 
H.  Heinlein.)  Der  Friihraesser  war, mit  ihm  gleichen  Sinnea. 
Er  antwortete  den  Superintendenten:  wenn  dieser  Markgraf 
noch  4  Markgrafeu  zusammentate,  soUten  sie  ihn  nimmer  auf 
die  lutherische  Weise  bringen. 

Michael  Fiirst,  Pfarrer  von  Westheim,  auBerte:  Der  Super- 
intendent solle  ihn  unverworren  lassen;  der  Amtmann  von 
Hoheneck  sei  sein  Herr  und  nicht  der  Markgraf  und  des  Rats 


1)  Bericht  Ph.  Getreus    an   die    Yisitatoren.    Eons.  Ansbach.    Akt 
Egenhausen ...  1,  fol.  3. 

2)  Arnold  von  Seckendorf  an  den  Pfarrer  zu  Obemzenn.    d,  d.  Fr, 
n.  Schol.  1529.  ibidem  f,  5, 


Schornbaum,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    149 

woU  er  sich  halten:  er  woUe  nicht  ein  paar  Gulden  nehmeD, 
daB  ein  Priester  vom  Amtmann  ergriffen  wurde. 

Kilian  Lieb  hielt  sich  nach  Anzeige  des  Schultheifien  und 
des  gr5Bten  Teils  der  Gemeinde  von  Burgbernheim  so,  daC  ihm 
jedermann  feind  war.  „Er  wollte  sich,"  so  erzahlte  H.  Rempler 
von  ihm  gehort  zu  haben,  „lieber  mit  den  Bauern  schlagen, 
als  ihnen  predigen."  Er  trug  Messer;  Wurfbarten  und  eine 
Buchse  unter  dem  Rock.  Zu  Windsheim  sollte  er  sich  gemeinsam 
rait  Anton  Simon  mit  gemeinen  Weibern  eingelassen  haben. 

Auch  Michael  N.,  Pfarrer  zu  Untembibert,  der  in  Ansbach 
schon  zur  Visitation  nicht  erschienen  war,  wurde  der  Inspektion 
Ph-Getreus  unterstellt.  Er  erklarte:  wenn  der  Markgraf  einen 
Fehl  an  ihm  habe,  solle  er  ihn  samt  Zweien  aus  der  Gemeinde 
beschicken.  Besonders  erregt  war  der  Superintendent  liber  die 
AuCerung:  j,Das  Evangelium  sei  nicht  das  Wort  Gottes;  Christus 
habe  nicht  genug  fur  unsere  Siinde  getan." 

Als  den  Mittelpunkt  des  ganzen  Treibens  konnte  man  bald 
Ickelheim  erkennen.  Bei  Hans  Heberlein  kamen  taglich  die 
Pfarrer  von  .Westheim,  Lenkersheim,  Buchel  (Buchheira)*), 
Egenhausen  und  Burgbernheim  zusammen,  um  sich  gegenseitig 
zu  starken  und  zu  t)eraten^). 

Eine  Erganzung  bietet  ein  fast  gleichzeitiger  Bericht  an 
den  Markgrafen  selbst. 

Auch  hier  wird  vor  allem  iiber  den  Pfarrer  P.  Leuter- 
maun  von  Egenhausen  geklagt;  seit  dem  Examen  hatte  er  kein 
gemeines  Gebet  mehr  getan ;  im  Bade  von  Unternzenn  erklarte 
er;  er  wolle  diese  lutherische  Weise  nicht,  eher  moge  ihm  das 
Leben  darauf  gehn;  die  offene  Beichte  verktindigte  er  nicht, 
ebensowenig  legte  er  die  Schrift  durch  die  Schrift  aus.  Den 
Bauern  fluchte  er  in  der  Kirche  die  Pestilenz:  es  solle  ihn  keiner 
auf  lutherische  Weise  dringen.  Das  Abendraahl  teilte  er  selbst- 
verstandlich  unter  einer  Gestalt  aus  und  zwang  die  Leute  zur 
Ohrenbeichte;  als  anstoBig  fand  es  der  Superintendent,  daB  er 
die  Kindbetterinnen   gegen  Geld  einsegnete;   lutherische  Tauf- 


1)  Der  Pfarrer  hieS  P.  Nobis,   s.  Uber  ihn  J.  F.  Georgii,   Uffen- 
heimische  Nebenstunden.  I.  Schwabach  1740,  S.  262  f. 

2)  Bericht  Ph.  Getreas  im  Eonsistorialakt  1.  c.  f.  3. 


150    Schornbaam,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

paten  wies  er  zurlick.  „Der  Kaiser  wiirde  kommen  und  die 
Ordnung,  welche  die  luth.  Buben  zunichte  machen,  wieder  auf- 
richteH.^ 

Von  Hans  Heberlein,  Pfarrer  in  Tckelbeim,  bemerkt  Ph. 
Getren,  dafi  er  an  alien  alten  Gebrauchen  festhalte,  Wasser, 
Licht  und  Salz  weihe.  'Er  hatte  ein  b5ses  Weib  bei  sich,  das 
ganz  groBe  Gotteslasternng  Uglich  triebe.  Seelgerate,  Tanf- 
nnd  Beichtgelder  zog  er  wie  von  altersher  ein  und  zwang  jeden 
zur  Zahlung  der  vier  Opfer.  Die  Ohrenbeichte  hielt  er  hoch. 
Ganz  merkwiirdig  waren  auch  seine  Predigten:  An  Himmelfahrt 
erklarte  er,  daB  von  einem  Himmel  zum  andern  80000  Meilen 
seien;  der  alte  Wisenmer  antwortete:  so  kann  ich  mit  meinem 
alten  Earren  in  einem  ganzen  Jahr  nicht  hinaufkommen;  es 
gezieme  keinem  Laien,  ebenso  keinem  Priester,  iiber  80  Jahre 
das  Sakrament  in  beiderlei  Gestalt  zu  nehmen.  Andreas  Semen 
bekam  auf  seine  Bitte  urn  deutsche  Taufe  die  Antwort:  Er 
woUte,  daB  ihn  St.  Veltin  mit  seiner  Tauf  durchstieB.  Wenn 
die  Leute  in  Todesnot  lagen,  muBten  sie  erst  die  Heiligen  an- 
rufen,  wenn  sie  das  Sakrament  empfangen  wollten.  Von  seinem 
Frtihmesser  horen  wir  die  AuBerung:  Der  Markgraf  soil  mich 
nimraer  auf  die  lutherische  Weise  bringen;  daB  die  Priester 
Weiber  haben  soUen,  stehe  nicht  in  der  heiligen  Schrift^). 

M.  Fiirst,  Pfarrer  von  Westheim,  verachtete  alle  Ermah- 
nungen;  er  hatte  eine  alte  Base  bei  sich,  die  er  zwar  zu 
heiraten  versprach;  nach  Jobst  Derers  Erklarung  lieB  er  sie 
aber  allein  deswegen  bei  sich,  weil  sie  ihm  vergonnte,  mit  den 
Baueni  nach  seinem  Gefallen  zu  leben.  Mit  Ko.  Beringer,  dem 
Dechant  von  Leutiershausen,  hatte  er  zu  Windsheim  die  registra 
capitularia  wie  vor  alters  gehalten^).  Stefan  Harauer,  Pfarrer 
von  lUesheim  und  der  zu  Schwebheim  hingen  noch  fest  am 
Alten.  Michael  N.  kam  oft  gen  Mitteldachstetten;  „ist  iiberaus 
gottlos".  Jakob  N.,  Friihmesser  zu  Obernzenn,  hatte  auch  ein 
boses  Weib  bei  sich,  das  sich  von  ihrem  Manne  getrennt  hatte. 
Taglich  sagte  sie:  Der  Teufel  schlag  zu  diesem  Evangelium, 
„item  so  ist  er  Tag  und  Nacht  voU  und  wo  der  Teufel  nichts 


1)  Blatter  etc.  I,  35f. 

2)  Zu  K.  Beringer  b.  Beitrage  zur  bayr.  E.G.  XI,  S.  7  if. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    151 

znwege  mag  bringen;  geschiehts  in  seinem  Hause,  da  hilft 
und  rat  er  dem  zu^)". 

Die  markgrafliche  Regierang  zeigte  diesmal  einen  regen 
Eifer,  die  Bemuhungen  der  Superiutendenten  zu  unterstiitzen. 
Der  Amtmann  von  Hoheneck  wurde  beauftragt,  den  Pfarrern 
za  Ickelheim,  Westheini;  Lenkersheim,  Bnchheini,  Egenhansen 
und  Burgbemheim  zu  befehlen,  die  markgrafliche  Ordnung 
sofort  in  ihren  Kirchen  einzufiihren  (19.  M^rz  1529)^).  An 
Asmus  und  Christoph  von  Seckendorf  zu  Obernzenn  erging  die 
Weisung,  bei  ihrem  Frtthmesser  zu  verfugen,  sich  der  mark- 
graflichen  Ordnung  gemaU  zu  halten^).  Dem  Amtmann  von 
Dachsbach  wurde  sein  „gehassiges"  Schreiben  an  Ph.  Getreu 
verwiesen  und  der  gleiche  Befehl  wie  seinen  Verwandten  er- 
teilt*).  Paulus  Leutermann,  H.  Heberlein  und  Georg  Buschler 
wurde  in  scharfen  Worten  die  Ungnade  des  Markgrafen  gedroht 
mit  der  Weisung,  das  alte  Treiben  ganzlich  abzustellen*).  Auch 
der  Komtur  zu  Vimsberg  wurde  aufgefordert,  dafur  zu  sorgen, 
daB  diese  argerliche  Reden  unterblieben®). 

Allzuviele  Beachtung  fanden  aber  diese  Befehle  nicht.  Der 
Pfarrer  von  Egenhansen  kiimmerte  sich  nicht  im  geringsten 
darum  und  blieb  bis  zu  seinem  Tode  dem  alten  Glauben  treu 
(1536).  Noch  kurz  vorher  hatte  er  geRuBert:  er  woUe  den 
lutherischen  Ketzem  noch  einen  Pfeil  schieBen,  ehe  er  selbst 
vom  Glauben  falle'').  Man  wagte  hier  oflfenbar  mit  Rticksicht 
auf  den  Patron  dieser  Pfarrei,  das  Stift  Spalt,  und  die  streitige 


1)  Bericht  Ph.  Getreus  an  den  Markgrafen.  Ansb.  Eel.  Acta  YIII,  562. 
cf.  Blatter  ftir  bayer.  K.G.  I,  35  f. 

2)  Statthalter  an  Amtmann  von  Hoheneck  d.  d.  Fr.  n.  So.  Jadica 
(19.  Marz)  1529.    Vgl.  Eons.  Ansbach,  Pfarrei  Egenhansen  etc.  I,  f.  9. 

3)  8.  e.  1.  et.  d.  ibidem  f.  10. 

4)  8.  e.  1.  et  d.  ibidem  f.  8,  11. 

5)  Statthalter  an  Paulus  Leutermann.  d.  d,  Fr.  n.  So.  Judica,  1529. 
ibidem  f.  11*,  an  den  Pfarrer  und  Friihmesser  zu  Ickelheim*  s.  e.  d.  et  1. 
Ansb.  Rel.  Acta  VIII,  566. 

6)  d,  d.  Fr.  n.  So.  Judica.  Ansb.  Rel.  Acta  VIII  f.  506i>.*  Eine  Ver- 
warnung  erhielt  auch  der  Pfarrer  Michael  N.  zu  Unternbibert.  s.  e.  d. 
Ansb.  Rel.  Acta  VIII,  506. 

7)  (P.  Paumann?)  Kaplan  zu  Windsbach  an  G.  Vogler.  s.  1.  et  d. 
Kgl.  Kons.  Ansbach.    Pfarrei  Egenhausen  I,  f.  17. 


152    Schornbaum,  Z.  Gescb.  d.  Keform.  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

Landeshoheit  mit  Seckendorf  und  Virnsberg,  nicht  einzugreifen. 
Auch  jetzt  nach  dem  Tode  des  alten  Pfarrers  woUte  man  in 
Ansbach  trotz  Voglers  entschiedener  Befurwortung  nicht 
gleich  zugreifen.  Kanzler  Heller  schlug  vielmehr  vor,  zuerst  Er- 
knndigangen  einzuziehen,  ob  die  Markgrafschaft  dort  Untertanen 
habe;  fremden  Leuten  woUte  man  keineswegs  die  markgrafliche 
Kirchenordnung  aufdringen^).  Wie  diese  Sache  erledigt  wurde, 
ist  nicht  aus  den  Akten  za  ersehen,  doch  ist  1544  sicher  ein 
ev.  Pfarrer  dort  gewesen;  denn  nach  dem  1.  Ansbacher  Prokla- 
mationsbuche  ist  Geofgius  Besolt,  Pfarrer  zu  Egenhansen,  mit 
Madlene  Hans  Pleichen  nachgelassener  Tochter  im  August  in 
Ansbach  proklamiert  und  zu  Egenhansen  getraut  worden^). 

Man  befolgte,  wie  es  scheint,  auch  hier  den  Grundsatz, 
nur  dann  bei  domkapitelischen  oder  bischoflichen  Pfarreien 
einzugreifen,  wenn  die  Bitten  der  Gemeinden  oder  sonstige 
Anlasse  eine  Handhabe  boten.  Nur  bei  den  Stellen,  wo  der 
Markgraf  das  Patronat  hatte,  ging  man  sofort  entschieden  vor. 
So  wurde  dem  Kioster  Munchaurach  der  Befehl  erteilt,  in  seinen 
Pfarreien  Altheim  und  Rudisbronn  die  kath.  Geistlichen  abzu- 
schaffen^).  Die  Namen  der  ersten  ev.  Pfarrer  sind  uns  aller- 
dings  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt  geworden.  1534  wird  als 
Pfarrer  von  Rudisbronn  Erhard  Fridmanu  von  Dettenheim,  dar- 
nach  Georg  Schleicher  von  Reichenhall,  26.  Mai  1536  Jak. 
Schmucker,  1539  Heiniich  GeyUler  von  Bamberg,  1548  P.  Pfentner 
erwahnt*).  Doch  auch  in  den  domkapitelischen  Pfarreien  gelang 
es  nach  und  nach  ev.  Geistliche  einzusetzen.  1530  erscheint 
als  Pfarrer  von  Burgbernheim  J.  L.  v.  Troppau^),  in  Ipsheim 
Joh.  Ber^);   der  kath.  Geistliche  von  Kaubenhaim  wurde  noch 


1)  G.  Vogler  an  Markgraf  Georg.  d.  d.  Pfingstabend  (3.  Juni)  1536, 
ibidem  f.  14;  Seb.  Heller  an  Georg.  Schwabach,  2.  Pfingstfeiertag  (5,  Juni) 
1536,  f.  12. 

2)  Beitrage  zur  bayer.  K.G.  XII,  S.  24. 

3)  Ansb.  Rel.  Acta  II,  23. 

4)  Looshorn  IV,  990f.  GroB  1.  c.  S.  50  beginnt  erst  mit  dem 
Jahre  1557  die  Pfarrei  v.  Biidisbronn  aufzuzahlen. 

5)  K.  Schornbaum,  Zur  Politik  des  Markgrafen  Georg  .  ♦  . 
Miinchen  1906,  S.  420  (Ansb.  Rel.  Acta  XII  f.  101).  cf.  J.  M.  GroB  1.  c. 
S.  80. 

6)  Beitrage   zur  bayer.  K.G.  XII,  24.     Nicht  bei  J.  M.  GroB  1,  c. 


Schornbanmy  Z.  Gesoh.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.  153 

einmal  zur  Visitation  beschieden  and,  als  er  ausblieb^  abgesetzt^). 
Nach  den  Ansbacher  Rel.  Akten  wurde  zu  seinem  Nachfolger 
Blasius  Hofmann  ernannt;  Looshorn  erwahnt  als  Pfarrer  von 
Kaubenhaim  im  Jahre  1529  Job.  Georgi  aus  Hof^).  1530  er- 
scheint  auch  in  Unternbibert  ein  ev.  Pfarrer  Seb,  Faber^). 
Schnell  scheint  man  mit  den  vielen  Kaplanen  im  Amte  Hohen- 
eck aufgeraumt  zn  haben.  Die  Fruhmesse  zu  Ipsheim  war 
schon  1536  eingezogen  *) ;  die  Gilgenmesse  wurde  1534  nach 
dem  Tode  des  Kaplans  Joh.  Morder  dem  Seb.  Burkel,  Kammer- 
meister  zu  Ansbach,  zumStudium  fur  seine  beiden  Sohne  Wilhelm 
und  Kaspar  verliehen  unter  der  Bedingung,  dafi  einer  von  ihnen 
Theologie  studierte^).  Nur  die  Mittelmesse  bestand  alsKaplanei 
noch  einige  Zeit  (bis  1563)®).  In  Burgbernheim  erlaubte  ca.  1530 
MarkgrafGeorg,  daJB  man  mit  der  Eatharinenpfriinde  armeLeute 
untersttitzen,  auch  Wege  und  Stege  ausbessern  durfte;  ebenso 
durften  24  fl.  vom  Einkommen  der  Frauenpfrlinde  zur  Besoldung 
eines  Schulmeisters  verwendet  werden'').  Auch  hier  bestand 
nur  die  Kunigundenpfriinde  fort,  die  wohl  schon  1531  einen 
evangelischen  Kaplan  Peter  Arnold  hatte®). 

Nur  von  einer  Pfarrei  horen  wir  genaueres  fiber  das  Vor- 
gehen  det^  markgraflichen  Regierung.  Die  SchmSrhungen  des 
Pfarrers  von  Ickelheim  H.  Heberlein  waren  doch  so  stark 
gewesen,  dafi  man  auch  in  Ansbach  sie  nicht  unbeachtet  lassen 


S.  15  und  G.  L.  LehneSy  Gesch.  Nachrichten.  •  .  Riedfeld,  Mtinchstelnach, 
Birkenfeld  S.  273. 

1)  Ansb.  Rel.  Acta  ir,  23.  XI,  413. 

2)  Ansb.  Rel.  Acta  XI,  413.    Looshorn  IV,  896. 

3)  G.  S tieber,  Historische  und topographischeNachricht vomFiirsten- 
tum  Brandenburg-Onolzbach.  Schwabach  1761,  S.  870. 

4)  Looshorn  IV,  739.  cf.  Ansb.  Rel.  Acta  III,  167. 

5)  Gemeinbuch  VII  (Arcbiv  Niirnberg)  f.  271.  Rep.  157,  Tit.  13. 
Nr.  37a.    Looshorn  IV,  930.    Beitrage  zur  bayer.  K.G.  XII,  24. 

6)  Lehnes  1.  c.  S.  230,  273. 

7)  Ansb.  Rel.  Acta  III,  168 ff.  Looshorn  IV,  739.  NSrr  erwahnt 
nur  drei  PfrUnden:  St.  Wolfgang,  U.  L.  Frau  und  Kunigund  (S.  100). 
Zur  Pfarrei  8.  Wolfgang  s.  S.  27,  61,  86,  96,  99.  Nach  S.  104  kam  diese 
PfrUnde  1568  an  die  Pfarrer.  Zur  Schule:  s.  S.  66,  74,  84  (1336!)  100. 
S.  100  muB  es  wohl  heifien  bei  ihm  U.  L.  Frau  und  Katharina  (nicht 
Kunigunda). 

8)  Norr  1.  c.  S.  73,  85flF.,  97,  105  f.    Grofl  1.  c.  S.  147. 


154    Sohornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  a.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

konnte.  Aber  erst  als  der  Markgraf  Georg  1530  von  Schlesien 
nach  Franken  heimgekehrt  war,  wagte  man  gegen  ihn  vorzu- 
gehen.  Zunftchst  wnrde  der  Komtur  von  Virnsberg,  Georg  von 
Kn5ringen,  nach  Ansbach  beschieden.  Schon  deswegen  war  die 
markgraf  liche  Regierung  auf  ihn  erztirnt,  well  er  in  Oberdach- 
stetten  und  Unteraltenbernheim  alle  Kirchengeraie  hatte  mit 
Beschlag  belegen  lassen  nnd  dadurch  der  markgraflichen 
Sequestrierung  zuvorgekommen  war.  Der  Komtur  glaubte  um 
so  mehr  Recht  dazu  gehabt  za  haben,  weil  er  Lehensherr  beider 
Pfarreien  war  und  auch  die  Zustimraung  der  beiden  Dorfsherren 
Apel  von  Seckendorf  und  Arnold  von  Seckendorf  erlangt  hatte. 
Die  markgraflichen  Rate,  Hans  v.  Seckendorf,  G.  Vogler  und 
Georg  Berchtold  sahen  wie  der  Markgraf,  der  selbst  in  die 
Verhandlung  eingriflf,  darin  eine  Beeintrglchtigung  der  brandenb. 
Landeshoheit,  obwohl  der  Komtur  erklarte,  in  Unteraltembern- 
heim  hohe  und  niedere  Gerichtsbarkeit  zu  haben.  Man  be- 
ruhigte  sich  erst  dann,  als  er  erklarte,  keinen  Kelch  mitfort- 
genommen  zu  haben,  da  er  doch  nach  dem  Verlust  aller  iibrigen 
im  Bauernkriege  den  Gemeinden  den  letzten  habe  lassen  mlissen. 
Daneben  wurde  er  auch  gefragt,  wartlm  er  die  Priester  zu 
Ickelheira  nicht  dazu  zwinge,  die  neue  markgrafliche  Ordnung 
anzunehmen.  Er  erklarte,  daC  er  hier  hohe  und  niedere  Gerichts- 
barkeit habe  und  dem  Pfarrer  wider  sein  Gewissen  keine  Ord- 
nung aufdringen  konne.  Allmahlich  scheint  man  ihn  doch  aber 
so  weit  gebracht  zu  haben,  da£  er  dem  Markgraf  en  das  Recht 
zugestand,  einen  anderen  Priester  in  Ickelheim  einsetzen  zu 
durfen.  Daraufhin  wurde  der  Pfarrer  samt  seinem  Fruhmesser 
nach  Ansbach  beschieden;  als  sie  sich  weigerten,  die  neue 
OrdnuDg  anzunehmen,  wurde  ihnen  er5flfnet,  daU  sie  Petri  Cath. 
ihre  Stellen  zu  raumen  hatten.  Der  Komtur,  sofort  davon  in 
Kenntnis  gesetzt,  wandte  sich  unverzuglich  nach  Mergentheim  ^). 
Walther  von  Kronberg  ersuchte  hierauf  am  10.  Februar  1530 
den  Markgrafen,  von  seinem  Vornehmen  abzustehen,  da  Ickel- 
heim zum  Gebiete  des  deutschen  Ordens  gehore^).    Dieser  be- 

1)  Komtur  von  Virnsberg  an  W.  von  Kronberg.  d.  d.  Mo.  n.  Dor. 
(7.  Februar)  1530.  Vhnsberg  54 f.  9.  Georg  an  W.  v.  Kronberg.  Do,  n. 
Val.  (17.  Februar)  1530.  f.  182.    cf.  Ansb.  Rel.  Acta  VIII  f.  344. 

2)  d.  d.  Do.  n.  Dor.  (10.  Februar)  1530.  Virnsberg  54  f.  13.  cf.  W. 
V.  Kronberg  an  Komtur  zu  Virnsberg  s,  1.  et  d.  f.  25. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.   155 

^tritt  dies  aufs  entschiedenste;  betonte  aber  auch,  dafi  beide 
Priester  nicht  nur  wegen  ihrer  Stellung  zum  Evangelium,  son- 
dern  auch  wegen  ihrer  Verunglimpfungen  ihre  Stelle  raumen 
mufiten.  Ganz  abgesehen,  daB  der  Reichstagsabschied  1526  ihn 
voUkommen  dazu  berechtige,  habe  doch  auch  der  Komtur  zu 
Virnsberg  die  Entlassung  der  beiden  gebilligt^)  (17.  Pebruar 
1530).  6  Tage  spater  sandte  man  den  Pfarrverweser  von  Adel- 
hofen,  Matthias  Kaufmann^),  nach  Virnsberg  zum  Komtur  mit 
der  Bitte,  ihm  die  Pfarrei  Ickelheim  zu  verleihen.  Er  mufite 
unverrichteter  Sache  nach  Ansbach  zuriickkehren,  seine  Bitte 
wurde  rundweg  abgelehnt^).  Inzwischen  hatte  sich  ja  auch  der 
Administrator  des  deutschen  Ordeus  W.  von  Kronberg  auf  Be- 


1)  d.  d.  Do.  n.  Val.  (17.  Februar)  1530.    Virnsberg  54  f.  182. 

2)  M.  Kaufmann  war  zuerst  Pfarrer  zu  Stettberg  gewesen;  nachdem 
ihm  bier  seine  ELabe  verbrannt  war,  wandte  er  sich  nach  Unterickelsheim, 
wo  er  von  der  Gemeinde  als  Pfarrverweser  angenommen  wurde.  Als  er 
sich  Yor  den  Visitatoren  steUte,  kam  ein  Gesandter  des  wirklichen  Pfarrers 
Wolfg.  Schmidt,  der  sich  bereit  erklarte,  die  Pfarrei  zu  beziehen.  Kauf- 
mann mu0te  infolgedessen  trotz  der  Fursprache  des  Amtmanns  weichen 
und  bat,  ihn  bis  P.  Cath.  auf  seiner  SteHe  zu  belassen,  daroit  er  nicht 
mit  Weib  und  Kind  ins  Elend  komroe.  Die  Markgrafliche  Regiernng  be- 
stimmte  zunachst,  dafi  ihm  der  ganze  Anteil  des  Pfarrgehaltes  gegeben 
werden  soUte,  konnte  aber  an  dem  Gebote  des  sofortigen  Abzuges  nichts 
andern.  M.  Kaufmann  an  Statthalter.  Niirnberger  Kreisarchiv.  B.  A.Uffen- 
heim  N.  58  f.  165.  Statthalter  an  Eberhard  Geyer,  Amtmann  von  Uffen- 
heim  d.  d.  Di.  n.  Ursule  (27.  Oktober)  1528,  f.  164.  Er  wurde  dann  von 
N.  Boxmann,  Pfarrer  von  Ochsenfurt  und  Adelhofen,  als  Pfarrverweser 
fUr  letzteres  gegen  8  fl.  Absenz  angenommen.  1530  bat  er  nun  um  Ersatz 
ftir  2  fl.  und  5  Malter  Korn,  welche  die  Gemeinde  nicht  mehr  zahlen  wollte, 
weil  die  daflir  frilher  gehaltenen  Jahrtage  unterblieben.  Der  Markgraf 
wiUfahrte  dieser  Bitte.  Matthias  Kaufmann,  Pfarrverweser  von  Adelhofen, 
an  Georg.  Georg  an  Eberhard  Geyer.  d.  d.  Ansbach.  Di.  n.  Neujahr 
(3.  Januar)  1530.  B.  A.  Uffenheim  N.  59  S.  15,  16.  cf.  Blatter  flir  bayer. 
K.G.  I,  S.  76. 

3)  Bericht  des  Matthias  Kaufmann  an  Georg.  Virnsberg  54,  26. 
Credenz  der  Statthalter  und  Bate  an  Georg  von  Kjioringen  f Ur  Kaufmann. 
Matthie  ap.  Abend.  (23.  Februar)  1530,  f.  28.  Die  Statthalter  sandten  ihn 
dann  mit  einem  neuen  Empfehlungsschreiben  wiederum  ab,  ohne  allerdings 
mehr  zu  erreichen.  Der  Komtur  tiberlieB  nur  die  Antwort  W.  v.  Kronberg. 
Statthalter  und  Rate  an  Komtur  zu  Virnsberg.  Fr.  n.  Matthie  ap. 
(25.  Februar)  1530.  Komtur  an  Walter  von  Kronberg.  d.  e.  d.;  an  Statt- 
halter und  Kate  zu  Ansbach.  s.  1.  et  d.    Virnsberg  54  f.  42.  44.  40. 


i 


156    Schonibanm,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  GegoDreform.  im  Amte  Hoheneck. 

treiben  Georgs  von  Knoringen*)  mit  Zustimmung  des  Land- 
komturs  der  Ballei  Franken,  Wilhelm  von  Neuhausen*),  klagend 
an  den  schwab.  Bund  gewandt^).  Da  der  Markgraf  nacb  Polen 
abgereist  war,  dagegen  das  Kommen  des  Kaisers  immer  sicherer 
zu  erwarten  war,  hoffte  man,  einen  Erfolg  hier  erzielen  zu 
konnen.  Auch  baute  man  darauf,  dafi  Wiirzburg,  Bamberg  and 
Eichstsltt  bei  der  eben  za  Aagsburg  tagenden  Bandesversamm- 
lung  ahnliche  Klagen  vorbringen  warden.  Aber  der  schwab. 
Band  erklarte  sich  fur  inkompetent,  well  keine  „oflfentliche  Ent- 
setzung"  vorliege*).  Dennoch  gelang  es  dem  deutschen  Orden 
seiuen  Willen  durchzusetzen,  H.  Heberlein  raumte  zwar  fiir 
einige  Zeit  seine  Pfarrei,  um  sie  dann  gewaltsam  wieder  in 
Besitz  zu  nehmen  and  die  markgrafliche  Begierang  begnugte 
sich  mit  seinem  Versprechen,  die  neue  Ordnung  annehmen  zu 
wollen^).  Obwohl  man  bald  merkte,  dafi  es  ihm  damit  nicht 
Ernst  war,  liefi  man  ihn,   wie  den  Pfarrer  von  Egenhansen, 


1)  Georg  von  Kndriogen  an  W.  v.  Kronberg.  d.  d.  Montag,  Petri 
Stuhlfeier  (21.  Februar)  1630.  Vimsberg  54  f.  16.  19  (er  wehrte  sich  be- 
Bonders  dagegen,  daO  er  dem  Markgrafen  erlaubt  hatte,  den  Pfarrer  zn 
Ickelheim  zu  entlassen).  Am  26.  Februar  1530  schickte  Georg  v.  En5ringen 
obiges  Empfehlungssclireiben  nach  Mergentheim  und  bat  mit  Rucksicht 
auf  die  Abreise  dea  Markgrafen  nach  Polen  um  eine  Klage  vor  dem 
schw.  Bund.  d.  d.  Sa.  n.  Matthias  (26.  Februar)  1530,  f.  45. 

2)  Wilhelm  von  Neuhausen  woUte  anfangs  ab  war  ten.  S.  sein 
Schreiben  an  Georg  von  Enoringen.  d.  d.  Eschenbach.  Vig.  Petri 
(21,  Februar)  1530.  Virnsberg  54f.  18.  Auch  der  Komtur  zu  Blumenthal 
(d.  d.  Mo.  n.  des  Herrn  FaBnacht  [  28.  Februar]  1530),  der  Komtur  zu 
Winnenden  (d.  d.  5.  Marz  1530),  sowie  der  Komtur  zu  Heilsbronn  (d.  d. 
Inv.  (6.  Marz)  1530)  rieten  dazu.    Virnsberg  54 f.  47,  48,  49. 

3)  W.  V.  Kronberg  an  V7ilhelm  von  Neuhausen  d.  d.  Mergentheim. 
Matthie  ap.  (24.  Februar)  1530.  Vimsberg  54  f.  30.  34;  an  Markgraf  Georg 
f.  14;  an  Christoph  Gugel,  Kastner  zu  Nordlingen.  d.  d.  Sa.  n.  Matthie 
ap.  (26.  Februar)  f.  41. 

4)  Georg  Scheub,  Kastner  zu  NSrdlingen,  an  W.  v.  Kronberg.  Mo. 
n.  Juv.  (7.  Marz)  1530.  Virnsberg  54  f.  50.  Walter  v.  Kronberg  an  den 
Komtur  zu  Virnsberg.  d.  d.  Do.  n.  Jnv.  (10.  Marz)  1530,  f.  52.  Wilhelm 
V.  Neuhausen  meinte,  man  hatte  beim  Kammergericht  oder  dem  Reichs- 
regiment  klagen  sollen  f.  54. 

5)  Vogler  an  Georg.  d.  d.  Sa.  n.  Cantate  (9.  Mai)  1534.  Bamberger 
Kreisarchiv.  Rep.  192.  B.  N.  39.  Tom.  II  f.  269.  Nach  Unteraltenbernheim 
mufi  also  inzwischen  ein  kath.  Pfarrer  gekommen  sein. 


Sobornbaum,  Z.  Gescb.  d.  Reform.  a..Gegenrefoni).  im  Amte  Hobeneck.    157 

ruhig  bis  zu  seinem  Tode  auf  seiner  Stelle.  Und  neben  ihm 
hing  fest  am  alten  Glauben  Stephan  Harauer,  Pfarrer  von  Illes- 
heim,  dem,  wie  es  scheint,  iiberhaupt  niemand  nahe  zu  treten 
wagte^).  Ebenso  der  Pfarrer  von  Unteraltenbernheim  und  der 
Fruhmesser  von  Obenizenn*).  Hatten  sie  doch  auch  einen 
starken  Ruckhalt  in  ihren  Gemeinden.  So  klagte  Laur.  Hiller, 
Pfarrer  zu  Nesselbach  —  wohl  vorher  in  Kleinhaslach  ^)  —  1534 
liber  eine  Reihe  von  markgraflichen  Pfarreien,  welche  noch  am 
alten  Glauben  hingen.  Am  Karfreitag  hatten  die  Bauern  zu 
Dottenheim  einander  geboten,  bei  5  Pfund  Strafe  die  Hagelfeier 
zu  lialten;  am  Vorabend  des  Fronleichnamsfestes  entrissen  sie 
dem  Mefiner  die  Schliissel  zur  Kirche  und  lauteten  dasselbe 
trotz  seines  Widerstrebens  ein.  Das  Fest  selbst  feierten  sie  wie 
vor  alters;  dem  Pfarrer  „gaben  sie  viel  bose  Worte".  Ebenso 
ers«hienen  zu  Kaubenheim  am  Abend  die  Bauern  vor  der  Pfarr- 
wohnUng  und  verlangten  unter  Berufung  auf  den  Amtmann  zu 
Hoheneck  das  Einlaaten  des  Fronleichnamsfestes.  „Dafi  dich 
Gottes  Marter  schande!  Ihr  PfaflFen  seid  alle  geheime  Bose- 
wichte,  man  sollte  euch  alle  erschlagen  und  keinen  am  Leben 
lassen"  schfieen  die  Leute   in  ihrer  Aufregung*).    Am  argsten 


1)  Manuscripta  Vogleriana  (Stadtbibliotbek  Ulm),  f.  2118. 

2)  Bamberger  Kreisarcbiv.  Rep.  192.  B.  N.39.  Tom.  II  f.  269.  Nacb 
Unteraltenbernbeim  muJ3  also  inzwiscben  ein  katb.  Pfarrer  gekoromen  sein. 

3)  J.  M.  Grofi,  Des  hist.  Lexici  evangeliscber  Jubelpilester  2.  Teil. 
Niimberg  1732,  S.  77 f.  K.  Scbornbaum,  Die  Stellung  des  Markgrafen 
Easimir  von  Brandenburg  .  .  .  Ntirnberg  1900,  S.  191.  In  der  Visitation 
1528  erbielt  er  von  Rurer  dasPradikat  ,,bene".  Ansb.  Rel.  Acta  VIII,  463 
(v.  Rnrers  Hand),  43.  Jabresbericbt  des  bist.  Vereins  von  Mittelfranken. 
Ansbach  1889,  S.  60  („Keller").  H.  Westermayer,  Die Biandenbnrgiscb- 
NiirnbergiscbeKircben visitation  iind  Kircbenordnung  1528—1633.  Erlangen 
1894,  S.  35  („Heller").  Von  Nesselbacb  kam  Hiller  nacb  Seinsbeim.  cf. 
J.  M.  Grofi,  Hist.  Lexikon  .  .  .  8.356.  Lebnes  I.  c.  S.  276.  Der  Frub- 
messer  von  Unternesselbacb  erscbien  zwar  1528  zur  Visitation,  straubte 
sicb  aber  gegen  jede  Examination.  Ansb.  Rel.  Acta  VIII,  490.  Er  wurde 
deswegen  wieder  nacb  Ansbacb  zitiert.    Ansb.  Rel.  Acta  II,  23. 

4)  L.  Hiller  erwahnt,  dafi  aucb  die  Bauern  zu  Gutenstetten  den 
Hagelfeiertag  und  das  Fronleicbnamsfest  unter  Beibilfe  des  Pfarrers  ge- 
feiert  batten.  Auf  Befragen  des  Vogtes  von  Mtincbsteinach  gab  letzterer 
an,  die  Bauern  hatten  ibn  dazu  gezwungen.  Sie  wurden  dann  mit  Strafe 
belegt.    In  Birkenfeld  erscbienen  Fr.  n.  Viti  1534  zwei  papistiscbe  Pfarrer 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichte  XII.  4.  1  j 


158    Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  a.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

ging  es  in  Ipsheim  zu,  wo  seit  1538  Philipp  Getreu  wirkte, 
nachdem  er  von  Obernzenn  wohl  wegen  seiner  evangelischen 
Haltung  ^abgeechaflft"  worden  war^J.  Ob  wohl  er  sich  erboten 
hatte,  an  Mittwoch  and  Freitag  jede  Woche  zu  predigen,  be- 
standen  die  Baueru  auf  der  Feier  des  Fronleichnamfestes.  Er 
woUte  ihnen  entgegenkommen  und  versprach,  eine  Litanei  zu 
halten;  aber  sie  waren  damit  nicht  zufrieden  und  zwangen  den 
Kirchner,  abends  um  4  Dhr  Vesper  und  am  Donnerstag  zum 
Amt  zu  lauten.  Als  der  Pfarrer  nicht  erschien,  lauteten  sie 
Sturm  und  versammelten  sich  alle  auf  dem  Marktplatze.  Einige 
woUten  sein  Haus  stnrmen,  ihn  in  Stiicke  hauen  und  in  den 
Grabeil  werfen.  Vier  erkiarten  sich  sogleich  dazu  bereit:  B^orst 
Cuntz,  der  schon  ein  Jahr  vorher  solches  gedroht  hatte,  und  Schaf 
Pauls,  beide  die  geheimsten  Rate  des  Amtmanns  von  Hoheneck, 
Gilg  Bamtel  und  Georg  Veldner;  andere  wollten  ihn  sofort  beur- 
lauben.  Nur  dem  Eingreifen  einiger  „frommer"  Leute  hatte  er 
es  zu  verdanken,  daB  er  mit  dem  Leben  davon  kam.  Bitter  klagt 
der  Pfarrer  fiber  seine  Gemeinde,  dafi  er  oft  mit  seinem  Kaplan 
allein  die  Litanei  halten  mUsse,  dafi  man  zum  Abendmahl  uberhaupt 
nicht  komme.    An  den  Feiertagen  sMen  die  Bauern  in  Wirts- 


Andreas  N.  yon  Herbolzheim  und  Stephan  N.,  Pfarrer  za  Unterleimbach, 
und  gingen  anf  den  EHenberg,  um  Messe  zu  halten.  Auf  Befragen  des 
Pfarrers  von  Schauerheim  erklarte  Stephan  N.,  dafiVogt  undAbtissin  zu 
Birkenfeld  ihm  versprocben  hatten,  ihn  vor  aUen  Nachstellungen  von  seiten 
des  Markgrafen  zu  beschiitzen.  Am  Pfingstraontag  1534  war  eine  Kirch- 
weihe  bei  einer  Wallfahrtskirche  zu  Gerolzhofen.  Etliche  Adelige  brachten 
einen  kath.  Priester  mit,  der  Messe  las,  wahrend  der  evang.  Pfarrer  auf  die 
Kanzel  stieg,  um  dagegen  zu  predigen.  Sigmund  von  HeBberg  erklarte, 
als  er  yon  den  dort  stattgefundenen  tumultnarischen  Szenen  horte, 
wenn  er  dabei  gewesen,  hatte  er  den  Pfarrer  erstochen.  Manuscripta 
Voglcriana  f.  2157.  Ansb.Rel.  Acta  VIII,  344:  Der  Pfarrer  Wolfgang  zu 
Gutenstetten  hat  Chrysem  yon  Wurzburg  geholt,  halt  sich  auf  papistische 
Art,  geht  alle  Woche  nach  Birkenfeld,  liest  Messe  und  Predigt.  NB.:  Die 
Pfarrei  mit  einem  anderen  Priester  zu  yersehen.  1530  war  hier  Georg 
Ziegler  Pfarrer.  Kgl.  Rons.  Ansbach.  Pf.  Gutenstetten  1530—1558  f.  1. 
1)  Am  16.  Mai  1533  schickten  die  Statthalter  und  Rate  zu  Ansbach 
einen  neuen  Priester  (wohl  Petrus  Paumann)  nach  Virnsberg,  mit  der 
Bitte,  ihm  die  Pfarrei  Obernzenn  zu  verleihen,  well  Ph.  Getreu  abgeschafft 
worden  war.  d.  d.  Fr.  n.  Cantate  1533.  Virnsberg  (Sondernohe  und  Unter- 
altenbernheim  1505—1745)  127,  3. 


Schornbaaiu,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegeoreform.  im  Amte  Hoheneck.    159 

hausern,  urn  zu  saufen,  spielen,  Gotteslasterung  und  unzuchtige 
Dinge  zu  treiben.  AUerdings  hatte  auch  der  Amtmann  zu 
Hoheneck  am  Pfingstfeiertag  Kiichengeschirr  vom  Wildbad 
Burgbernheim  nacli  Hause  fiihren  lassen.  Dringend  bat  er  um 
Bestrafung  der  Radelsfiihrer,  wenn  nicht  die  Regierung  in  ihrem 
Ansehen  groflen  Schaden  erleiden  wolle  ^).  In  Ottenhofen  stellten 
die  Bauern  die  Zahlungen  fiir  Jahrtage  und  sonstige  Abgaben 
ein,  weil  diese  nicht  mehr  gehalten  wurden,  obwohl  sich  der 
Pfarrer  Job.  Fabri  erbot,  ihnen  anstatt  der  Messe  Gottes  Wort 
zupredigen.  Er  bekam  keine  Zuhorer  zu  diesen  Gottesdiensten; 
vielmehr  wuCten  sie  ihn  noch  mehr  zu  argern,  indem  sie  ver- 
langten,  dafl  er  Graben  fege  und  andere  Las  ten  auf  sich  nehme^). 

Der  einzige,  der  sich  dieser  Verhaltnisse  annahm,  war 
G.  Vogler.  Gerade  die  iible  Lage  der  Geistlichen  im  Amte 
Hoheneck  stellte  er  dem  Markgrafen  wiederholt  vor  Augen,  um 
ihn  von  der  Notwendigkeit  einer  neuen  Kirchenvisitation  zu 
uberzeugen^).  Ob  diese  wirklich  den  Widerstand  der  kath. 
Geistlichen  brach,  und  wie  iiberhaupt  die  Reformation  in  diesem 
Teile  der  Markgrafschaft  sich  ganzlich  durchsetzte,  ist  bis  jetzt 
bei  dem  Mangel  jeglichen  urkundlichen  Materials  noch  nicht 
zu  beantworten. 

Nur  liber  die  Pfarreien  der  Kommende  Virnsberg  bieten  die 
Akten  noch  einiges  Material.  Vor  allem  tritt  Ickelheim  hervor, 
da  hier  die  Besitz-  und  Patronatsverhaltnisse  zwischen  Branden- 


1)  Man.  Vogl.  f.  2118.  cf.  2157. 

2)  Job.  Fabri,  Pfarrer  zu  Ottenhofen,  an  Markgraf  Georg ;  H.  Pfister 
und  H.  Steinmetz  an  Georg;  Antwort  Fabris ;  Erneute  Bitte  an  die  Statt- 
halter;  Statthalter  an  Senior  und  Kapitel  St.  Gumbertus.  d.  d.  Ansbach. 
Mittw.  n.  Trin.  (3.  Jnni)  1534.  Endliche  Vereinbarung  zwischen  Pfarrer 
und  Gemeinde.  d.  d.  Di.  n.  Vis.  Mariae  (7.  Juli)  1534.  Rep.  157.  S.  715. 
Pfarrei  Ottenhofen  3  a.  f.  4.  6.  8.  10.  12.  13. 

3)  G.  Vogler  an  Georg.  d.  d.  Sa.  n.  Cantate  (9.  Mai)  1534.  Bam- 
berger Kreisarchiv  Rep.  192.  B.  N.  39.  T.  II,  f.  269.  cf.  auch  Ansb.  Rei^ 
Acta  VIII,  456.  Am  31.  Januar  1535  bat  er  fiir  den  Pfarrer  von  Ipsheim; 
wenn  der  Markgraf  sich  nicht  der  armen  Pfarrer  und  Schuliehrer  an- 
nehmen  wtirde,  waren  sie  ganz  verlassen.  Bei  Hofe  sei  niemand  verachteter 
als  Pfarrer  und  SchuUehrer.  f.  137.  Am  26.  Mai  1535  bat  er,  den  Pfarrer 
von  Btidisbronn  doch  nicht  verhungern  zu  lassen.  f.  155.  cf.  auch  das 
Schreiben  vom  3.  Juni  1535.  f.l59.  (Man.  Vogl  2102).  cf.  auch  Bamb.  Kreis- 
archiv. Rep.  192.  B.  N.  39  T.  I  f.  275. 

11* 


1()0    Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Eeform.  a.  Gegenreform.  im  Amte  Hobeneck. 

burg  and  dem  deutschen  Orden  strittig  waren.  Hier  sollte  es 
noch  100  Jahre  dauern,  bis  die  evang.  Lehre  zum  Siege  gelangte. 
Big  1536  blieb  Hans  Heberlein  hier  •  Pfarrer.  Sein  Fruh- 
messer  Georg  Buschler  erhielt  vom  Komtur  von  Virnsberg, 
Georg  von  Kn5ringen,  jetzt  auch  die  Pfarrei  tibertragen  und 
versah  beideStellen  bis  zu  seinem  Tode  (1542)*).  Der  dazumal 
in  Virnsberg  wohnende  Koratur  Alex.  Diener  berief  nun  einen 
wurzburgischen  Priester  Namens  Job.  Tuchscherer.  Als  dieser 
nach  Wurzburg  zuriickkehrte,  iibernahm  die  Pfarrei  Job.  Volker, 
der  im  2.  markgraflichen  Krieg  nach  Unteraltenbernheim  vom 
Komtur  Job.  Groroth  versetzt  wurde^).  Schon  unter  ihm  mufi 
die  evang.  Lehre  immer  mehr  eingedrungen  sein;  denn  nach  seinem 
Abzug  wagte  der  Komtur  dem  Drangen  der  Bauern  nicht  langer 
zu  widerstehen,  sondern  beauftragte  Michael  Flirst  von  Westheim 
mit  der  Versehung  der  Pfan^ei.  Es  ist  irrelevant,  ob  er  die 
Kanzel  bestieg,  wie  die  markgraflichen  Rate  1597  behaupteten, 
Oder  aber  nur  vom  Altar  aus  redete,  wie  der  deutsche  Orden 
dazumal  erklarte;  in  Wirklichkeit  hat  er  mit  Bewilligung  des 
deutschen  Ordenskomturs  etliche  Jahre  hier  die  evang.  Lehre  ver- 
kiindigt^).  Waren  doch  auch  in  der  Umgegend  die  Pfarreien 
fast  samtlich  der  neuen  Lehre  zugefallen.  DaB  in  Egenhausen 
1545  ein  evangelischer  Pfarrer  wirkte,  ist  schon  oben  erw^lhnt. 
Nach  Obernzenn  hatte  1533  die  markgraf liche  Regierung  den 
evang.  Pfarrer  von  Groflhabersdorf,  P.  Paumann,  gesandt*).  Aber 
bereits  1535  verzichtete  er  auf  seine  Stelle  wegen  Gefahrlich- 
keit,  d.  h.  wegen  Gefahren,  die  ihm  infolge  seiner  evang.  Ge- 
sinnung  drohten^).    Auch  sein  Nachfolger  wird  evangelisch  ge- 


1)  Virnsberg  2  (Ober-  und  Mitteldachsteben),  f.  33. 

2)  Aus  dem  Bericht  des  deutschen  Or  dens  vom  30.  Mai  1598.  Eomm. 
Virnsberg  54  f.  138bflf, 

3)  Brandenb.  Antwort  vom  8.  Mai  1602.  ibidem  54  f.  191.  Replik 
des  deutschen  Ordeus,  f.  212. 

4)  P.  Paumann  1527  Pfarrverweser  zu  Flaohslanden.  K.  Schorn- 
baum, Zur  Stellung  des  Markgrafen  Kasimir  .  .  .  S.  239.  1528—1581 
Pfarrer  in  Grofihabersdorf.  Blatter  ftir  bayer.  E.G.  I,  91.  Ansb.  Rel. 
Acta  V,  I,  40.  Jahrbuch  ftir  die  evang.-luth.  Landeskirche  Bayerns.  1906. 
Nordlingen,  S.  102. 

5)  Petrus  Paumann  an  G.  v.  Enoringen.  d.  d.  Joh.  Ev.  (27.  Dezember) 
1535.    Eomm.  Virnsberg  98  (Pfarrei  Obernzenn),  f.  3. 


SchorDbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hobeneck.     J  61 

wesen  sein.  Als  Damlich  1541  der  (unbenannte)  Pfarrer  von 
Obernzenn  gestorben  war,  teilte  der  Komtur  zu  Virnsberg, 
Wolf  von  Rosenberg,  Walter  von  Kronberg  mit,  dafi  das  ganze 
Dorf  sich  mit  der  evang.  Lehre  eingelassen  und  ihn  nicht  einmal 
mehr  zura  Abhoren  der  Kirchenrechnung  beigezogen  habe.  Auch 
die  Herren  von  Seckendorf  batten  sich  dem  neuen  Glauben 
angeschlossen  ^).  Ein  recht  merkwurdiger  Priester  bot  sich  nun 
dem  Komtur  an:  Christoph  Hagk,  Friihmesser  zu  Trautskirchen. 
Mit  gewissem  Stolz  erzahlte  er,  dafi  er  zu  Dillingen  zum 
acolitus,  diaconus  und  Priester  geweiht  worden  sei;  Trautskirchen 
habe  er  nur  deswegen  schon  versehen  durfen,  weil  die  Herren 
von  Heilsbronn  nur  geweihte  Priester  nahmen.  Dabei  aber  war 
er  verheiratet  nnd  predigte  evangelisch^).  Immerhin  schien  er 
Wolf  von  Rosenberg  noch  am  tauglichsten.  Aber  schon  im 
nachsten  Jahre  bat  er  selbst  um  Entlassung.  Die  Herren  von 
Seckendorf  batten  doch  kein  Gefallen  an  seiner  schwankenden 
Haltung  und  erklarten  ihm,  „er  sei  ihr  Pfarrer  und  mlisse  ihnen 
predigen".  Er  wollte  lieber  sterben,  als  drei  vom  Adel  zum  Feinde 
haben^).  Komtur  Alex.  Diener  stellte  nunmehr  Wolfg.  Schaller, 
einen  Priester  aus  dem  Eichstatter  Bistum,  als  Pfarrverweser 
auf.  Als  er  aber  erfuhr,  dafi  ihm  „die  priesterliche  Formaten 
und  Ordinierung"  fehlte  und  er  fruher  Schulmeister  in  Leuters- 
hausen  gewesen  war,  entliefi  er  ihn  und  ernannte  1544  Erhard 
Fuchs  zu  seinem  Nachfolger*).  Auch  dieser  wird  nicht  lange 
dort  geblieben  sein;  ihm  folgte  Alb.  Hapachius^).  Dieser  haufige 
Wechsel  erklUrt  sich  allein  daraus,  dafi  die  Geistlichen  immer 


1)  Wolf  von  Eosenberg  an  W.  v.  Kronberg.  Job.  Bapt.  (24.  Juli) 
1541.  ibidem  127,  5.  7. 

2)  Cbr.  Hagk,  Fruhmesser  zu  Trautskirchen  an  W.  v.  Bosenberg. 
ibidem  127,  8. 

3)  Chr.  Hagk,  Pfarrherr  zu  Zenn  an  Komtur  Wolf  von  Rosenberg. 
Mittw.  n.  Paschalis  1542.  Virnsberg  98f.  1.  Eid  des  Wolfg.  Schaller. 
d.  d.  Mo.  n.  Cone.  Mariae  (10.  Dezember)  1543,  f.  3  und  4. 

4)  Alex.  Diener  an  Asmus  und  Georg  v.  Seckendorf.  d.  d.  Di.  n. 
Rem.  1544  (11.  Marz),  f.  6. 

5)  Komm.  Virnsberg  98  f.,  5.  Am  18.  Juni  1567  berichtet  Back  von 
B5men  nach  Mergentheim,  dafi  er  dem  Pfarrer  zu  Obernzenn  wegen  un- 
gebtihrlichen  Betragens  aufgekUndigt  habe ;  jetzt  lasse  er  Frau  und  Kinder 
im  Elend  sitzen  und  treibe  sich  im  Lande  herum.  Virnsberg  128  f,  10. 


162   Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

in  Konflikt  gerieten  entweder  mit  dem  Patron,  dem  kath. 
Komtur  von  Virnsberg,  oder  den  Dorfherren,  den  lutherischen 
Herren  von  Seckendorf.  Aber  bald  mussen  letztere  die  Ober- 
hand  erlangt  haben. 

Nachdem  Michael  Fiirst  eine  Zeitlang  Ickelheim  versehen 
hatte,  wurde  Paulus,  Pfarrer  von  Herbolzlieira,  die  Pfarrei 
ubertragen.  Wenn  ihu  auch  die  spateren  Berichte  fiir  einen 
katb.  Geistlichen  erklarten,  so  bezeugten  andererseits  Bauern 
des  Ortes,  daB  er  verheiratet  gewesen  war  und  das  Abendmahl 
in  beiderlei  Gestalt  ausgeteilt  hatte.  Auf  dem  Heimweg  von 
der  Kir'chweih  zu  Obernzenn  sttirzte  er  sich  zu  Tode  (1557). 
In  der  ganzen  Kommende  mufi  urn  diese  Zeit  das  Evangelium 
durchgedrungen  sein,  selbst  der  damalige  Komtur  Philipp  von 
Altdorf,  genannt  WoUenschlager,  war  nach  dem  Zugestandnis 
des  Ordens  evangelisch.  Dieser  liefi  zunachst  bis  P.  Catlr.  1558 
die  Pfarrei  Ickelheim  durch  den  evang.  Pfarrer  Wolfgang  N.  von 
Obernzenn  mit  versehen  und  berief  dann  den  derzeitigen  Pfarrer 
von  Dnteraltenbernheim  Joh.  Volker,  der  schon  einmal  hier 
gewirkt  hatte,  auf  die  erledigte  Stelle.  Er  muB  sich  dem 
Evangelium  sehr  genahert  haben;  das  Abendmahl  teilte  er  sub 
utraque  aus,  doch  behielt  er  noch  die  lat.  Sprache  in  der 
Messe  und  die  Elevation  bei^).  Auch  die  tJberlassung  der 
Friihmesse  zur  Schule  zeigt,  wie  sehr  das  Evangelium  hier 
eingedrungen  war 2).  Der  deutsche  Orden  muBte  das  wohl  oder 
libel  zulassen.  Es  hielt  ja  iiberaus  schwer,  kath.  Geistliche 
zu  bekommen.  So  berichtete  1558  Philipp  von  Altdorf  nach 
Mergentheim,  daB  er  seit  2  Jahren  keinen  Priester  fiir  Virnsberg 
habe  erlangen  konnen.  Erst  vor  einem  Monat  habe  ihm  endlich 
der  Komtur  zu  Ulm,  Seb.  von  Aw,  einen  gelehrten  Priester  ver- 
schafft,  dem  er  50  fl.  nebst  der  Kost  gebe.  Aber  auch  Unter- 
altenbernheim  habe  keinen  Pfarrer;  weil  es  nur  60  fl.  ertrage, 
wiirde  kein  katholischer  zu  bekommen  sein ;  diese  wtirden  200  fl. 
verlangen.  Er  schlug  nun  vor,  einen  evangelischen  Geistlichen 
dahin  zu  senden,  weil  auch  der  andere  Dorfherr  Arnold  von 
Seckendorf  seinen  Untertanen  geboten  habe,  ihre  Kinder  in  den 
umliegenden    markgraflichen   Pfarreien    evangelisch    taufen   zu 

1)  ibidem  54,  f.  140.  199. 

2)  ibidem  54,  f.  137. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.     163 

lassen.  „Man  solle  aus  der  Not  eine  Tugend  machen."  AUe 
anderen  Pfarreien  in  der  Uragebung  seien  schon  evaDgelisch^). 
Wenn  auch  widerstrebend  willigte  man  in  Mergentheim  ein. 
So  kam  1559  A.  Brenner  als  evang.  Pfarrer  nach  Unteralten- 
bernheim^). 

Aber  nunmehr  setzte  bald  die  Reaktion  ein.  Nach  Job. 
Volkers  Tod  1569  setzte  der  Komtur  Back  von  Bomen  Georg 
Harscher,  Pfarrer  von  Virnsberg  und  Sondernohe,  nach 
Ickelheim^),  der  am  29.  April  1569  ausdrttcklich  dazu  ver- 
pflichtet  wlirde^  gemaU  der  kath.  Religion  zu  leben*).  Mit 
steigendem  Unwillen  nahm  man  jedoch  wahr,  wie  er  sich  ver- 
heiratete  und  das  Abendmahl  unter  beiderlei  Gestalt  austeilte, 
wenn  er  auch  sonst  noch  auCerlich  an  den  kath.  Gebrauchen 
festhielt.  Der  Komtur  Philipp  von  Mauchenheim  genannt 
Bechtolsheim  gab  sich  besonders  alle  Miihe,  um  dieGemeinden 
in  der  Kommende  zum  kath.  Glauben  zuriickzufuhren.  Nach  einer 
Unterredung  mit  dem  Landkomtur  der  Ballei  Franken  kundigte 
er  1574  den  Pfarrern  von  Ickelheim,  Virnsberg-Sondernohe  und 
Unteraltenbernheim.  Er  hatte  eine  geringe  Meinung  von  ihnen. 
So  erklarte  er,  A.  Brenner,  Pfarrer  von  Unteraltenbernheim,  sei 
mit  seinem  Latein  so  ungeschickt,  daU  er  nicht  einen  Hund 
hinterm  Ofen  hervorlocken  k6nne.  Er  schmahe  nur  Papst  und 
Feiertage;  Palm-  und  Krauterweihe  rede  er  tibles  nach.  Als 
Weihnachten  der  Kiichenmeister  von  Frauenberg,  Andreas 
Jager,  begraben  wurde,  habeman  auf  den  Gedankenkommenkonnen, 
es  handle  sich  um  ein  Tier,  ^eien  doch  gar  keine  Zeremonien 
dabei  gewesen.  Ihn  hielt  er  offenbar  noch  fiir  den  bedeutendsten 
unter  den  evang.  Geistliclien;  denn  ihn  woUte  er  ganzlich  entfernt 


1)  Ph.  V.  Altdorf  genannt  WoUenschlager  an  den  Administrator  des 
deutschen  Ordens.  Virnsberg.  2.  August  1558,  f.  241.  Nach  f.  246  war 
Michael  Oswald.  1535—1554  Pfarrer  zu  Virnsberg ;  dieser  kam  zwei  Jahre 
alsDiakon  nach  Weiblingen  und  dann  nach  Brackenheim,  wo  er  1561  starb. 

2)  Befehl  d.  d.  3.  August  1558.   Virnsberg  128.  (Pfarrei  Sondemohe- 
Unteraltenbernheim  1505 — 1745),  f.  9.  Nach  Joh.  Volkers  Abzug  war  ein 
kath.  Priester  in  Unteraltenbernheim    eingesetzt    worden,    der  sich  aber 
nur   ein   Jahr    halten   konnte,    f.  28.     Die  Seckendorfe   erlaabten    ihren 
Leuten  nicht,  seine  Eirche  zu  besuchen,  fol.  49. 

3)  Komm.  Virnsberg  54  f,  140. 

4)  Bid  des  Georg  Harscher.    d.  d.  Virnsberg.  29.  April  1569,  f.  243. 


164    Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegeoreform.  im  Amte  Hoheneck. 

sehen;  Georg  Harscher  woUte  er  dagegen  zur  besseren  Be- 
obachtung  nach  Virnsberg  versetzen  und  den  hief  wirkenden 
Geistlichen,  dem  er  anscheinend  am  meisten  traute,  nach  Unter- 
altenbernheim  (6.  Juni  1574).  E'iir  Ickelheim  hatte  er  bereits 
Ersatz  in  einem  Priester  von  Walmershofen  *).  Der  Deutsch- 
meister  aber  samt  dem  Landkomtur  Volprecht  von  Schwalbach 
wagten  es  doch  noch  nicht,  in  so  entschiedener  Weise  vorzugehen 2). 
Die  Pfarrer  von  Unteraltenbernheim  and  Ickelheim  blieben  ruhig 
auf  ihren  Stellen  bis  zu  ihrem  Tode  (1580  bezw.  1584)^). 

Kaum  aber  war  A.  Brenner  gestorben,  so  regte  Volprecht 
von  Schwalbach  bei  dem  Administrator  des  deutschen  Ordens 
Heinrich  an,  einen  kath.  Geistlichen  nach  Unteraltenbernheim 
ZU  setzen.  Zwar  verhehlte  er  sich  nicht,  dafi  die  Bauern 
evangelisch  gesinnt  waren,  auch  die  Seckendorfsche  Dorfherr- 
schaft  Widerspruch  erheben  wtirde;  trotzdem  hielt  er  die  Zeit 
jetzt  fur  gekommen,  um  den  kath.  Glaubeu  wieder  einzufuhi'en*). 
Der  Deutschmeister  ging  auf  diese  Anregung  ein  und  beauftragte 
den  Landkomtur,  einen  kath.  Kaplan  als  Pfarrer  nach  dorthin 
zu  senden^).  Die  Bitten  der  Bauern  und  des  H.  Ludwig  von 
Seckendorf  zu  Sugenheim  und  Unternzenn  um  einen  evangelischen 
Geistlichen  ^)  blieben  unberucksichtigt.  In  Virnsberg  machte  nun 


1)  Philipp  von  MaucheDheim  genannt  Bechtolsheim  an  den  Land- 
komtur. d.  d.  6.  Juni  1574.    Komm.  Virnsberg.  128  f.  35.    cf  39. 

2)  A.  Brenner  bittet  den  Deutschmeister  Heinrich,  wenigstens  bis 
Petri  Cath.  1575  auf  seiner  Stelle  bleiben  zu  dUrfen.  ibidem  f.  26.  Deutsch- 
meister bittet  am  28.  Mai  1574  Volprecht  von  Schwalbach  um  Bericht. 
f.  28.  Mitteilung  des  Deutschmeisters  Heinrich  an  den  Komtur  zu  Virns- 
berg, mit  der  Absetzung  des  Pfarrers  zu  Unteraltenbernheim  inne  zuhalten. 
3.  Juni  1574,  f.  32.  Volprecht  von  Schwalbach,  Landkomtur  zu  Franken 
an  den  Deutschmeister;  auBert  wie  dieser  Besorguisse  iiber  dasVorgehen 
des  Komturs  und  will  auch  nichts  geandert  haben.  Ellingen  7.  Juni  1574,  f.  42. 

3)  Komm.  Virnsberg,  54f.  141.  128  f.  49. 

4)  Volpert  von  Schwalbach  an  Administrator  Heinrich.  Ellingen, 
28.  Juni  1580.    Komm.  Virnsberg  128  f.,  49. 

5)  Heinrich  an  Landkomtur.    d.  d.  Mergentheim.  8.  Juli  1580,  f.  52. 

6)  Bitte  der  Gemeinde  (sie  wUnschte  Wolfg.  Leutemeier  von  Wttsten- 
riiglein,  Schulmeister  zu  Obernzenn),  f.  56.  Hans  Ludwig  von  Seckendorf 
an  Volprecht  von  Schwalbach,  Landkomtur,  6.  Juli  1580.  f.  50.  Dieser 
an  Heinrich,  Ellingen  26.  Juli  1580.  f.  54.  Antwort  des  letzteren  2.  August 
1580,  f,  58.    Erneute  Bitte  H.  L.  v.  Seckendorfs,  der  denWeinzehnten  dem 


Schornbanm,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    1G5 

Volprecht  von  Schwalbach  rait  zwei  Ordensraten  Dr.  Ciriacus 
und  Job.  Stor  aus,  den  Pfarrer  zu  Virnsberg  nach  Unteralten- 
bernheim  und  einen  Kaplan-  von  Eschenbach  nach  Virnsberg- 
Sondernohe  zu  senden,  Aber  bald  horte  der  Landkomtur,  dafi 
der  alte  Pfarrer  von  Virnsberg  weder  lutherisch  noch  katholisch 
ware  und  sich  nach  jedem  richte,  der  ihm  zu  gebieten  habe. 
So  glaubte  er  sich  denn  auf  diesen  nicht  mehr  verlassen  zu 
sollen  und  schlug  vor,  einem  EUingischen  Priester  Georg  Trisler 
Virnsberg-Sondernohe,  d.em  Kaplan  von  Eschenbach  jedoch 
Dnteraltenbernbeim  zu  verleihen,  den  alten  Pfarrer  aber  zu 
entfernen.  Darauf  ging  aber  der  Administrator  nicht  ein,  weil 
er  Trisler  fiir  einen  bloden  Menschen  hielt,  der  doch  bald 
lutherisch  werden  wlirde.  In  welcher  Weise  sich  endlich  der 
Deutschmeister  mit  dem  Landkoratur  einigte,  wissen  wir  nicht; 
jedenfalls  aber  wachte  man  dariiber,  daB  diesmal  nur  kath. 
Geistliche  angestellt  wurden^). 

Auch  in  Ickelheim  wufite  man  nach  dem  Tode  des  Pfarrers 


Pfarrer  geben  wollte,  faUs  ein  evang.  angesteUt  wiirde,  f.  68.  Auch  schlug 
er  vor,  dem  Priester  zwar  Messe  halten  za  lassen,  aber  auch  die  communio 
sub  utraque  anzubefehlen. 

1)  Heinrich  an  Landkomtur.  26.  September  1580.  Er  schlug  vor 
Trisler  Virnsberg,  dem  alten  Pfarrer  Sondemohe,  dem  Kaplan  von  Eschen- 
bach Unteraltenbernheim  zu  geben.  Virnsberg  128 f.  59.  Volpert  von 
Schwalbach  schlug  am  2.  Oktober  1580  dann  vor:  G.  Trisler  Virnsberg 
zu  geben,  dem  Kaplan  zu  Eschenbach  Unteraltenbernheim-Sond'ernohe. 
f.  61.  Adam  vonKlingelbach  erklarte  auf  Befragen,  daJ3  Sondemohe  immer 
eine  eigene  Pfarrei  gewesen  sei.  Der  jetzige  Pfarrer  zu  Sondemohe  set 
in  der  lat.  Sprache  nicht  erfahren ;  er  versehe  jedoch  die  Kirche  priester- 
lich,  wenn  er  auch  das  Abendmahl  unter  beiderlei  Gestalt  austeile.  Vor 
ihm  sei  es  auch  schon  so  gewesen;  er  warnte  vor  Trisler,  der  mitBlodig- 
keit  beladen  sei  und  schon  an  Ketten  gelegen  ware ;  der  Markgraf  wUrde 
jede  Gelegenheit  beniitzen,  um  sich  einzumischen.  8.  Oktober  1580.  An- 
frage  des  Deutschmeisters.  d.  d.  6.  10.  1580,  f.  66.  Antwort  des  Komturs 
9.  und  8.  Oktober  1580,  f.  70.  72.  Der  Deutschmeister  befahl  dann  am 
21.  Oktober  1580  Sondernohe-Virnsberg  durch  einen  geschickten  Priester 
versehen  zu  lassen;  den  a.lten  Pfarrer  zu  Virnsberg  mit  einem  Zehr- 
pfennig  zu  entlassen  und  G.  Trisler  in  Ellingen  zu  lassen.  f.  76.  Der 
Pfarrer  von  Sondemohe  beschwerte  sich  nun  uber  die  ihm  drohende  Ab- 
setznng;  der  Administrator  schlug  nun  vor,  ihm  eine  Friihmesse  zu  geben, 
damit  man  nicht  sagen  konnte,  im  Ordensgebiet  vertreibe  man  alle  alten 
Priester.    5.  November  1580  f.  83, 


166    Schornbanm,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Uoheneck. 

Georg  Harscher  einen  kath.  Geistlichen  einzusetzen.  Zunachst 
versah  bis  LichtmeB  1585  der  Pfarrer  von  Unteraltenbernheim, 
Seb.  Hocheisen,  dasselbe.  Dann  ernaunte  der  Komtur  Adam  von 
KUngelbach  Michael  DoUmann,  alumnus  des  Stifts  zu  Spalt, 
zum  Pfarrer;  1589  folgte  ihm  Chr.  Gulmann,  der  wie  sein  Vor- 
ganger  ganz  im  katholischen  Sinne  wirkte^). 

Dem  deutschen  Orden  war  der  Mut  sehr  gewachsen.  1591 
regte  der  Landkomtur  Volpert  von  Schwalbach  bei  dem  Komtur 
zu  Virnsberg  Job.  Hordt  an,  auch  in  Obernzenn  einen  kath. 
Geistlichen  aufzustellen  2).  Diesmal  riet  aber  letzterer  selbst  ab. 
Seit  70  Jahren  sei  hier  die  evang.  Religion  eingefiihrt;  niemand 
wisse  sich  etwas  anderes  zu  entsinnen;  Brandenburg  wiirde  nur 
die  Gelegenheit  benutzen,  um  seine  Rechte  auch  iiber  Obernzenn 
auszudehnen^). 

In  Ansbach  woUte  man  aber  wirklich  nicht  langer  dem 
Vordringen  des  deutschen  Ordens  zusehen.  Hatte  sich  doch 
derselbe  nicht  damit  begniigt,  kath.  Geistliche  einzusetzen,  er 
suchte  auch  auf  alle  Weise  die  Untertanen  zum  kath.  Glauben 
zuruckzufiihren.  So  heftete  man  in  Ickelheim  auf  Betreiben 
Ernsts  von  Buseck,  Komturs  von  Virnsberg,  ein  Mandat  des  Erz- 
herzogs  Maximilian  an,  wonach  den  Leuten  der  Besuch  von 
auswartigen  Predigten  verboten  und  die  Teilnahme  an  den 
Gottesdiensten  zu  Ickelheim  vom  Anfang  bis  zum  Schlufi  zur 
Pliicht  gemacht  wurde  (1595).  Zweimal  vvurde  dasselbe  abgerissen, 
obwohl  es  von  neuem  angeheftet  wurde,  hatte  es  keinen  groCen 
Erfolg.  Die  evang.  Lehre  wollten  die  Baueru  nicht  aufgeben  *). 
Deswegen  entlieU  man  auch  im  folgenden  Jahre  den  evang. 
Schulmeister  Kilian  Stor;  sein  Nachfolger  wurde  sarat  dem 
Deutsch-OrdensschultheiC  ein  fester  Halt  fur  die  katholische 
Gegenreformation^).    Im  Jahre  1596  suchte  man  nun  zuerst  in 

1)  Komm.  Virnsberg  54  f.  141. 

2)  d.  d.  Ellingen  16.  Oktober  1591.  Virnsberg  98. 

3)  d.  d.  18.  Oktober  1591.  ibidem. 

4)  Ernst  von  Buseck  an  Erzberzog  Maximilian  5.  Juni  1595.  Mandat 
desselben  20.  Juni  1595.  Ernst  von  Buseck  an  Statthalter  und  Rate  zu 
Mergentheim  22.  November  1595.    Virnsberg  54  f.  251.  253.  255.    of.  258. 

5)  Bericht  des  Stiftsvei  waiters  Job.  Weidenbacher.  d.  d.  10.  August 
1597.  Rep.  157.  Amt  Ottenhofen.  Tom.  Ill  (Akten);  1605  kam  Kil.  St5r 
als  Schulmeister  nach  Obernzenn. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u,  Gegenreform.  im  Amte  Holieneck.    167 

Ansbach  dem  Vordringen  des  deutschen  Ordens  entgegenzutreten. 
In  Unteraltenbernheim  war  trotz  des  festen  Vorsatzes  des  Land- 
komturs  Volpert  von  Schwalbach  doch  nacli  einiger  Zeit  wieder 
ein  evang.  Geistlicher  eingesetzt  worden.  Als  nun  1595  Ulr. 
Preiherr,  ein  kath.  Priester,  dorthin  gesandt  wurde,  wandte  sich 
Gottfried  von  Seckendorf  zu  Ober-  und  Unterzenn  an  den  Mafk- 
grafen  Georg  Friedrich,  urn  die  Absetzung  desselben  zu  be- 
treiben  (1596)^).  Er  berief  sich  darauf,  dafi  seit  50  Jahren  hier 
nur  evangelisch  gepredigt  worden  sei.  Der  Orden  lehnte  alle 
Bitten  um  Beseitigung  des  kath.  Priesters  ab,  weil  er  Patron 
und  E>eischherr  allein  sei^).  Die  Erwiderung  des  Gottfried 
V.  Seckendorf,  daB  letzteres  mit  der  Religion  nichts  zu  tun  habe 
und  nach  dem  Passauischen  Vertrag  auf  das  exercitium  oder 
quasi  possessio  des  exercitii  religionis  hier  zu  achten  sei,  war 
natiirlich  so  wenig  stichhaltig,  dafi  es  nicht  gelang,  den  evang. 
Gottesdienst  dem  Dorfe  zu  erhalten^).  Besseren  Erfolg  soUte 
man  in  Ickelheim  haben. 

Am20.(oder  30.)  September  1597  starb  Chr.  GuUmanu.  Kom- 
tur  Joh.  Konrad  Schutzbar  beauftragte  sofort  Ulr.  Freiherr, 
Pfarrer  von  Unteraltenbernheim,  mit  der  Verwesung  der  Pfarrei. 
Aber  noch  am  Tage,  da  der  alte  Pfarrer  begraben  wurde, 
1.  Oktober  (21.  September)  1597,  erschienen  40  bewaffnete 
markgrafliche  Reisige  mit  8  Reitern  unter  Fuhrung  des  Amt- 
manns  von  Hoheneck,  nahmen  dem  Scbulmeister  die  Schliissel 
zur  Kirche  und  besetzten,  ohne  viel  sich  um  den  Deutsch- 
OrdensschultheiB  zu  kiimmern,  den  Pfarrhof.  Der  Pfarrer  von 
Unteraltenbernheim  wurde  kurzerhand  hinausgeworfen  und 
jeder  Protest  seinerseits  unbeachtet  gelassen.  Von  Seite  der 
Ortsbewohner   wurde  kein   Widerstand  geleistet,   vielmehr  be- 


1)  Gottfried  von  Seckendorf  von  Ober-  und  Unterzenn  an  Georg 
Friedrich  16.  Januar  1596.  Georg  Fr.  an  den  Komtur  zu  Virnsberg. 
11.  Marz  1596.    Virnsberg  128  f.  85.  87. 

2)  £.  V.  Buseck  genannt  MUncb  an  Maximilian  5.  April  1596.  Statt- 
halter  zu  Mergentheim  an  Georg  Friedrich  7.  April  1596.  f.  89.  91. 

3)  Gottfried  von  Seckendorf  an  Georg  Friedrich.  d.  d.  27.  Mai  1597. 
Dieser  an  Statthalter  und  Kanzler  zu  Mergentheim.  28.  Mai  1597,  f.  93. 
97.  —  Bis  1611  war  Pfarrer  in  Unteraltenbernheim  Adam  Kun.  Vi.  128f. 
102.  —  1711  behauptete  Philipp  Albrecht  v.  Seckendorf,  bis  1604  hatten 
seine  Vorfabren  immer  evang.  Geistliche  hier  aufgestellt  132,  25. 


1G8    SchorBbaura,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

grufite  alles  freudig  das  Einrlicken  der  Markgraflichen.  Am 
Sonntag  darauf  (2.  Oktober)  erschienen  viele  benachbarte  mark- 
grafliche  Pfarrer;  unter  dem  Schutz  von  100  Reisigen  wurde 
die  Kirche  eroflfnet  und  Balthasar  Schneider  als  Pfarrer  ein- 
gesetzt^).  Die  Protestation  des  Komturs  verhallte  in  den  Wind^). 
Er  war  sichtlich  in  Verlegenheit,  was  er  denn  eigentlich 
gegen  dieses  iiberraschende  Vorgehen  tun  sollte.  Dafi  seine 
Bitte  an  den  Markgrafen,  doch  wieder  den  kath.  Kultus  in 
Ickelheim  znzulassen,  vergebens  sein  wurde,  sagte  er  sich 
selbst^).  Er  tat  es  nur,  urn  alle  Formalitaten  zu  erfiillen.  Zu- 
nitchst  wiederholte  er  dann  noch  einmal  seine  Protestation,  ver- 
bot  seinen  Untertanen  bei  einer  Strafe  von  50  fl.  den  Besuch 
des  evangelischen  Gottesdienstes,  befahl  seinem  SchultheiB  an  die 
Kirchentiire  ein  Schlofi  zu  legen  und  gebot  dem  luth.  PrMi- 
kanten  sofort  abzuziehen*).  Selbstverstilndlich  setzte  er  auch 
die  Deutsch-Ordensregierung  in  Mergentheim  ^)  und  den  Land- 
komtur  Volpert  von  Schwalbach  in  Kenntnis^).  Wahrend  nun 
letzterer  zu  einem  bewaffneten  Einfall  riet'),  stimmte  der 
Deutschmeister  Maximilian  dafiir,  die  ganze  Angelegenheit  an 
das  Kammergericht  zu  bringen®).  Auch  der  Komtur  zu  Virnsberg 
war  dafiir,  weil  das  Dorf  Ickelheim  von  markgraf li€hen  Soldaten 
so  gut  bewacht  wurde,    dafi  jeder  tJberfall  von  vornherein  als 


1)  Der  Name  bei  M.  GroB,  Histor.  Lexikon  .  .  .  S.  261.  Komm. 
Virnsberg  54,  65. 

2)  Bericht  des  J.  K;  Schutzbar  an  Vizestatthalter  zu  Mergentheim 
1.  und  2.  Oktober  1597.    Komm.  Virnsberg  54,  86.  88.  80. 

3)  Komtur  zu  Virnsberg  an  Georg  Friedrich  9.  Oktober  (oder  29.  Sep- 
tember) 1597.  Virnsberg  97,  10. 

4)  Kanzler  und  Bate  zu  Mergentheim  an  Komtur  zu  Virnsberg 
4.  Oktober  1597.  Vi.  54,  96. 

5)  Job.  Ko.  Schutzbar  an  Vizestatthalter  zu  Mergentheim.  Virnsberg 
1.  2.  Oktober  1597.    Vi.  54,  86.  80. 

6)  Joh.  Ko.  Schutzbar  an  Landkomtur.  d.  d.  2.  Oktober  1597.  Vi.  57, 1^). 

7)  Volpert  von  Schwalbach  an  Amtsverweser  Maximilian  zu  Mergent- 
heim 10.  Oktober  1597.  Vi.  54,  229.  57,  4.  Auch  der  Komtur  von  Wiirz- 
burg,  Philipp  von  Mauchenheim  genannt  Bechtolsheim  stimmte  ihm  zu. 
(Vi.  57,  5.  Antwort  Philipps  von  Mauchenheim.  d.  d.  16.  Oktober  1597. 
Vi.  54,  106.) 

8)  Kanzler  nnd  Rate  zu  Mergentheim  an  Ko.  v.  Schwalbach.  d.  d. 
Mergentheim  5.  Oktober  1597.  Vi.  54,  101.  57,  3. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    169 

nutzlos  erscbien^).  Sogar  den  luth.  Pfarrer  lieB  man  auf  den 
Rat  der  Regierung  des  deutschen  Ordens  ruhig  daselbst  weiter 
amtieren*).  Auf  Bitten  des  Komturs  setzte  nun  Dr.  Herolt  in 
Niimberg  eine  supplicatio  pro  mandate  fiir  das  Kammergericht 
auf^);  aber  dieses.  lieU  nur  ein  mandat  cum  clausula  an  den 
Markgrafen  ausgeben,  d.  h.  es  bekam  zwar  der  Orden  in  der 
Hauptsache  Recht,  aber  dem  Markgj-afen  wurde  ausdrticklich 
das  Recht  vorbehalten,  seine  Ansprliche  auf  gerichtlichem  Wege 
zu  erweisen*).  Damit  war  also  der  Anfang  zu  einera  kammer- 
gerichtlichen  Prozesse  gegeben,  dessen  Dauer  niemand  absehen 
konnte. 

Am  4.  Marz  1598  wurde  das  kammergerichtliche  Mandat 
der  markgraflichen  Regierung  tibergeben.  Bis  jetzt  hatte  man 
sich  wenig  urn  die  Proteste  des  Komturs  von  Virnsberg  ge- 
kummert;  man  hatte  ihm  nur  mitgeteilt,  dafi  seit  60  Jahren  in 
•  Ickelheim  evangelisch  gepredigt  worden  ware,  erst  1582  nach 
dem  Tode  Harschers  sei  ein  kath.  Geistlicher  widerrechtlicher- 
weise  eiugesetzt  worden.  Man  hatte  deshalb  alles  Recht  dazu 
gehabt,  den  alten  Zustand  wiederherzustellen  ^).  Jetzt  gait  es 
aber  genauer  seine  Rechtsgriinde  darzulegen.  Man  suchte  nun 
am  markgraflichen  Hofe  auf  Grund  der  geschichtlichen  Ent- 
wicklungzubeweisen,  dafi  man  zu  seinem  Vorgehen  voUctandig 


1)  Komtur  zu  Virnsberg  an  Vizestatthalter  zu  Mergentheim.  Virns- 
berg 11.  Oktober  1597.  Vi.  54,  99.  57  ad  7.  Am  22.  Oktober  1597  schrieb 
er  an  Kanzler  und  Rate  zu  Mergentheim,  daB  eben  seine  Vorganger 
bei  Anstellung  der  Pfarrer  hatten  mehr  auipassen  und  nicht  gestatten 
solien,  da6  das  Abendmahl  unter  beiderlei  Gestalt  ausgeteilt  werde.  Vi.57/7. 

2)  Am  4.  Okt.  1597  hatten  die  Rate  zu  Mergentheim  fiir  Abschaffung 
des  Pradikanten  gestimmt;  am  5.  Oktober  1597  machten  sie  dieses  riick- 
ganglg.    Vi.  54,  96.  101. 

3)  Jo.  Ko.  Schutzbar  an  Dr.  Herolt  6.  Oktober  1597.  Vi.  54,  92. 104. 
Supplicatio  an  das  Kammergericht  um  ein  Mandat  sine  clausula  f.  109. 57, 
ad  9.  Die  Regierung  zu  Mergentheim  hatte  durch  Dr.  Vomelius  Stadtpert 
denselben  Schritt  schon  getan.   Vi.  57,  10. 

-  4)  Mandat  d.  d.  12.  Oktober  1597.  Vi.  54,  113.  57  ad  10.  Statthalter 
an  Dr.  Vomelius:  Trotz  des  teilweisen  MiBerfolges  soUe  man  das  Mandat 
an  G.  Friedrich  senden.  4.  November  1597.  Vi.  54,  157.  cf.  165. 

5)  G.  Friedrich  an  Ko.  Schutzbar  8.  Oktober  1597.  Vi.  54,  76flf., 
159  if.,  57  ad  8.  Am  20.  Oktober  1597  vom  Komtur  nach  Mergentheim 
gesandt,  f.  8. 


170    Schornbaum,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

berechtigt  gewesen  ware.  Aber  die  Kenntnis  fiber  die  Vorgange 
im  letzten  Jabrhundert  war  eine  aufierordentiich  geringe.  Man 
wufite  nur,  daB  1540  Mich.  Furst  aus  Krailsheim,  evang.  Pfarrer 
von  Westheim,  nach  Ickelheim  gekommen  war;  seine  Nachfolger 
waren  Job.  Volker,  Paulas  und  dann  wieder  Volker  (f  1565) 
gewesen.  G.  Harscher  hatte  18  Jahre  im  evangelischen  Sinne 
gepredigt;  der  Deatscb-Ordensvogt  batte  jeden  in  seinem  Glauben 
damals  nnbedrangt  gelassen.  An  dem  Nacbfolger  G.  Harscbers 
babe  man  zaerst  etlicbes  aasznsetzen  gebabt;  dieser  batte  nun 
seine  Stelle  mit  einem  katb.  Priester  obne  Wissen  des  Mark- 
grafen  vertauscbt  und  dann  die  Augsb.  Eonfession  abgescbafft, 
den  lutb.  Scbulmeister  vertrieben  und  die  Leute  zu  seinem 
Glauben  gezwungen.  Gerade  als  der  Markgraf  eingreifen  woUte, 
sei  er  gestorben;  deswegen  sei  sofort  die  Einsetzung  eines 
evang.  Geistlicben  erfolgt*)  (26.  April  1598).  Die  katb.  Keplik 
zeigte  sicb  weit  besser  unterricbtet.  Man  konnte  darauf  bin- 
weisen,  dafi  scbon  1528  und  1530  ein  abnlicbes  BeginneU;  in 
dieser  Pfarrei  die  evang.  Lebre  einzufiibren,  an  dem  Wider- 
sprucbe  des  Ordens  gescbeitert  sei.  Aucb  sonst  bemubte  man 
sicb,  alle  nur  einigermafien  fur  die  eigene  Anscbauung 
sprecbenden  Tatsacben  moglicbst  vollzablig  aufzufubren,  wobei 
die  bessere  Kenntnis  der  Verbaltnisse,  die  scbon  oben  auf  Grund 
dieses  Bericbtes  gescbildert  wurden,  niebt  wenig  zu  statten  kam. 
So  legte  man  Nacbdruck  darauf,  daB  Heberlein,  Buscbler  und 
Tucbscberer  katb.  Geistlicbe  gewesen  seien;  Micb.  Furst  sei 
nicbt  als  Pferrer  zu  betracbten,  da  er  nie  die  Kanzel  be- 
stiegen  batte;  Paulus  sei  in  Herbolzbeim  katboliscb  gewesen. 
Von  Job.  Volker  und  G.  Harscber  konnte  man  nicbt  umbin 
zuzugesteben,  daB  sie  das  Abendmabl  sub  utraque  gereicht 
batten,  aucb  dafi  letzterer  verbeiratet  gewesen  sei;  aber.  man 
fubrte  als  Entkraftung  an,  daB  der  Orden  dies  nie  zugelassen 
batte;  der  lutb.  Komtur  Pb.  v.  Altdorf  sei  daran  scbuld  ge- 
wesen, daB  man  es  stillschweigend  geduldet  batte.  Vor  allem 
betonte  man,  daB  immer  die  Komture  das  Becbt  der  Besetzung 
gebabt  batten  (30.  Mai  1598)^). 

1)  Markgr.  Scbrift  d.  d.  26.  April  1598.   Vi.  54,  119fif. 

2)  Gegenbericht  des  deutschen  Ordens.    30.  Mai  1598.  Komm.  Virns- 
berg  54,  133  fF. 


Schornbaubi,  Z.  Gesch.  d.  Keform.  u.  Gegen reform,  im  Amte  Hoheneck.     171 

Das  Kammergericht  beeilte  sich  natiiiiich  nicht,  diesen 
Streit  zu  entscheiden,  und  so  blieb  zunachst  etliche  Jahre  alles 
auf  dem  status  quo.  Der  Markgraf  G.  Friedrich  schlug  nun 
dem  Komtur  vor,  den  Untertanen  die  Wahl  ihres  Glaubens  frei 
zu  lassen;  Dorfmeister,  Gotteshaus-  und  FruhraeCpfleger  baten 
dringend,  das  Verbot,  die  Kirche  zu  besuchen,  aufzuheben; 
dieser  aber  verwies  alle  Bitten  an  den  Deutschmeister^).  Branden- 
burg nun  sowohl  wie  der  Komtur  suchten  beide  recht  festen 
FuC  in  Ickelheim  zu  fassen.  Dem  markgraflichen  Geistlichen 
wurde  von  seiner  Regierung  befohlen,  fiir  die  Kinder  der  brandenb. 
Untertanen  Schule  zu  halten.  Da  das  Schulhaus  ganz  von  der 
Gemeinde  erbaut  worden  war,  hielt  man  sich  fiir  berechtigt, 
ein  Zimmer  desselben  zu  diesem  Zwecke  zu  verwenden ;  so  kam 
es,  dali  der  eifrig  kath.  Ordensschulmeister  ueben  sich  evang. 
Unterricht  dulden  muBte.  Das  sah  er  wie  der  Schultheifi  Jakob 
StoB  mit  steigendem  Unwillen.  Da  audi  das  Verbot  die  Kirche 
zu  besuchen,  von  den  Ordensuntertanen  recht  wenig  beachtet 
wurde,  suchten  sie  den  Komtur  zu  scharferen  Mafiregeln  zu 
bewegen.  Am  22.  Dezember  1599  war  nun  Pauding  in  VirnvS- 
berg.  Man  verbot  ihnen  bei  Androhung  von  Gefangnis,  die 
evang.  Kirche  in  Ickelheim  zu  besuchen;  als  die  Bauern  aber 
sich  bereit  erklarten,  ihre  Kinder  zum  Ordensschulmeister  zu 
schicken,  erlaubte  man  ihnen,  nach  Obernzenn  zum  Gottesdienst 
zu  gehen.  Weil  nun  die  markgraflichen  Untertanen  sich  vor 
jedem  Gewaltstreich  sichern  wollten  und  deshalb  den  untern 
Teil  des  Schulhauses  versperrten,  lieB  der  SchultheiB  am 
17.  Januar  1600  gewaltsam  denselben  aufbrechen.  Der  evang. 
Pfarrer  muBte  mit  einem  kleinen  Zimmer  fiir  die  Schule  vorlieb 
nehmen.  Die  Bitten  des  Markgrafen,  doch  nicht  die  Gewissen 
der  Leute  zu  beunruhigen,  lieB  der  Orden  anscheinend  un- 
beachtet^).  Der  Komtur  Ko.  Schutzbar  suchte  auch  auf  andere 
Weise  dem  luth.  Pfarrer  das  Bleiben  in  Ickelheim  unmoglich 
zu  machen.    So  horte  er,   daB  B.  Schneider  P.  Cath.  1601  ab- 


1)  G.  Fr.  an  Komtur  6.  Mai  1598.  Vi.  54, 177.  Bitte  der  Dorfmeister, 
Gotteshaus-  und  FrtthmeBpfleger  an  Komtur  29.  Mai  1598  f.  181.  70.  Ant- 
wort  desselben  18.  oder  28.  Mai  1598  f.  179. 

2)  Georg  Fr.  an  Komtur  zu  Virnsberg  9.  Februar  1600.  Virnsberg54, 
184.  183.    Gegenbericht  des  deutschen  Ordens,  f.  225. 


172    Schombaum,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  ii.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

Ziehen  wiirde;  er  regte  an,  von  nun  an  kein  Handlohn  mehr 
an  den  Pfarrer  von  Ickelheim  entrichten  zu  lassen.  Eberhard 
von  Eltershofen,  Amtmann  von  Hoheneck,  wuBte  aber  diesen 
Plan  zu  durchkreuzen.  Als  ein  Bauer  von  Lentersheim  nach 
Ickelheim  Ziehen  woUte,  legte  er  einfach  auf  dessen  Gftter 
Beschlag  und  woUte  sie  nicht  eher  herausgeben  und  ihm  den 
Abzug  gestatten,  als  bis  er  das  Handlohn  hinterlegt  hatte^). 
Die  Statthalter  zu  Mergentheim  erklarten  zuerst,  man  kSnne 
in  dieser  Sache  nichts  weiteres  vornehmen;  dann  wollten  sie 
erst  weiter  sich  die  Angelegenheit  tiberlegen  (27.Februarl601)2). 
1602  machte  der  kammergerichtliche  ProzeB  einen  kleinen 
Schritt  vorwarts.  Brandenburg  sandte  endlich  eine  Antwort 
(reprobationes  sen  reclusivi)  auf  die  Deutsch-Ordischen  respon- 
siones  eventuales  cum  annexis  replicatoriis.  Seit  unvordenklichen 
Zeiten  sei  Ickelheim  „mit  Wissen  und  Willen  der  Komture** 
von  evang.  Pfarrern  verwaltet  worden.  Erst  1584  habe  sich 
eine  Anderung  ergeben,  woriiber  man  sich  in  Mergentheim  am 
meisten  gewundert  habe;  man  habe  vielmehr  denKomtur  selbst 
ermahnt,  an  dem  status  quo  kein e  Anderungen  vorzunehmen. 
Michael  Ftirst  habe  auf  der  Kanzel  das  Evangelium  gepredigt; 
ebenso  Harscher;  das  Abendmahl  sei  auch  von  Paulus  in  beiderlei 
Gestalt  gereicht  worden.  Ulr.  Freiherr  habe  die  Pfarrei  nie 
inne  gehabt;  er  sei  nur  gekommen,  um  mit  dem  Schulmeister 
die  Seele  des  gestorbenen  Mefipriesters  zu  vertrinken.  Von 
eiuem  gewaltsamen  Einfall  von  Seite  Brandenburgs  konne  nicht 
geredet  werden,  da  nur  8  Reiter  am  hellen  Tage  unter  Frohlocken 
der  Bewohner  mit  dem  Amtmanne  von  Hoheneck  eingezogen 
seien ;  dem  Schulmeister  sei  kein  Schlussel  gewaltsam  genommen 
worden,  man  habe  ihn  nur  nicht  aufwecken  woUen,  als  er  auf 
seinem  Lotterbett  lag,  und  deshalb  ihn  nicht  weiter  in  Kennt- 
nis  gesetzt.  Zur  Bewachung  seien  nur  6  Mann  zuruckgeblieben 
(8.  Mai  1602)3). 

1)  Schutzbar  genannt  Milchling  an  Statthalter  und  Rate  zu  Mergent- 
heim. Virnsberg  7.  Jan.  1601.'  Joh.  Konrad  Schutzbar  an  Eberhard  von 
Eltershofen  15.  oder  5.  Febr.  1601.  Eberhards  Antwort  19.  oder  9.  Febr. 
1601.    Virnsberg  54  f.  259.  262.  263. 

2)  Komm.  Virnsberg  54,  267. 

3)  Am  25.  Juni  1602  durch  den  Vogt  zu  Virnsberg  dem  Eanzler  zu 
Mergentheim  Ubergeben  54,  191  ff. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  fieform.  n.  Gegeoreform.  im  Amte  Hoheneck.    l73 

Der  deutsche  Orden  lieB  zun^chst  durch  die  altesten  Ordens- 
UDtertanen  liber  die  fruheren  Pfarrer  Erkundigungen  einziehen. 
Nur  einer  war  liber  80  Jahre  ah,  Hans  Schwab;  er  wuBte  noch, 
dafi  H.  Heberlein  gut  katholisch  gewesen  w^ar;  nach  ihm  set  dann 
Hans  Rupp  gekommen,  der  weder  evangelisch  noch  katholisch 
gewesen  sei,  doch  sei  er  verheiratet  gewesen.  Von  weiteren 
Nachfolgern  ftihrte  er  nur  „einen  von  Zenn  auf".  Oder  sollte 
man  ihn  nicht  weiter  ausgefragt  haben,  nachdem  gleich  bei  den 
ersten  Fragen  sich  ein  Widerspruch  mit  der  bisherigen  offlziellen 
Darstellung  des  Ordens  ergeben  hatte.  Aus  den  andern  Zeugen- 
aussagen  ergab  sich  nun,  dafi  Pfarrer  Paulus  sich  inlckelheim 
verheiratet  hatte;  die  Messe  hielt  er  in  lat.  Sprache,  reichte 
aber  das  Abendraahl  sub  utraque.  Nach  seinem  Tode  versah 
die  Pfarrstelle  der  luth.  Pfarrer  von  Obernzenn  (Kilian  Pfeufer). 
Joh.  Volker  hatte  lat.  Messe  gehalten,  aber  ebenfalls  das 
Abendmahl  sub  utraque  gespendet.  (Bezold,  Pfeufer,  Mich. 
Kraufi.)  Dasselbe  wurde  von  Harscher  bezeugt  (Hans  Stigler, 
Mich.  Bezold,  G.  Koch,  Kil.  Pfeufer  und  Mich.  KrauB).  Seine 
Frau  Agatha  gab  an,  daB  sie  vier  Kinder  gehabt  hatten  und 
ihr  Mann  weder  katholisch  noch  evangelisch  gewesen  sei.  Von 
Dollmann  und  Gulmann  wurde  von  alien  bekannt,  daB  sie  kath. 
Geistliche  gewesen  seien.  Hans  Pfeffer  wuBte  noch,  daB  Mich. 
Piirst  zwar  vier  Jahre  die  Pfarrei  versehen,  aber  nie  die  Kanzel 
bestiegen  hatte  ^). 

Auch  der  Komtur  von  Heilbronn,  Adam  von  Klingelbach, 
der  friiher  in  Vimsberg  gewesen  war,  wurde  um  sein  Gut- 
dunken  angegangen.  Er  erklarte,  Georg  Harscher  aus  dem  Kon- 
stanzer  Bistum,  vorher  Kaplan  zu  Virnsberg,  habe  auf  Bitten 
Philipps  von  Altdorf  dem  SchultheiBen  Ph.  Neidlinger  und 
den  Untertanen  das  Abendmahl  in  beiderlei  Weise  gespendet. 
Back  von  Bomen  habe  dies  sofort  inhibiert;  G.  Harscher  sei 
nun  ganz  wieder  zum  kath.  Glauben  zuriickgekehrt*). 

Auf  Grund  dieser  Aussagen  sandte  nun  der  deutsche  Orden 
seine  responsiones  eventuales  ad  praetensas  reprobatorias  cum 
annexa  petitioner  Jederzeit  sei  ein  kath.  Priester  in  Ickelheim 


1)  d.  d.  3.  Dezember  1602.  54,  199  ff. 

2)  VI.  54  f.  205. 

Beitrage  zur  bayer.  ELirchengeschiehte  XII.  4.  j[2 


174    Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u,  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

gewesen;  nur  mit  Zulassung  einiger  iricht  kath.  AmtmaDner  sei 
von  Paulus  und  Harscher  das  Abendmahl  aach  sub  utraque 
ausgeteilt  worden ;  dafi Pfarrer  Frauen  gehabt  batten,  sei  auch  sonst 
vielfach  im  Ordensgebiet  vorgekommen.  Die  Einsetzung  der 
Pfarrer  sei  imnier  vom  Komtur  erfolgt;  Mich.  Ftirst  sei  nicht 
wirklicher  Pfarrer  gewesen.  Die  Mitteilungen  Brandenburgs 
iiber  Vorgange  im  Rate  zu  Mergentheira  seien  falsch.  Harscher 
habe  lat.  Messe  und  lat.  Zeremonien  gehalten.  Dlr.  Freiherr 
habe  schon  langst  Ickelheim  zugesichert  erhalten;  den  markgr. 
Beamten  habe  er  von  seiner  Berufung  sofort  Kenntnis  gegeben ; 
beim  Trunk  seien  sie  nicht  iiberrascht  wordeu,  derselbe  ware 
schon  vorbei  gewesen.  Dem  Schulmeister  habe  man  gesagt,  als 
er  gegen  die  Wegnahme  der  Schlussel  protestieren  wollte: 
Schweig',  sonst  schlagen  wir  dir  die  Schlussel  ins  Gesicht. 
Dafi  die  Ortsbewohner  nicht  den  geringsten  Widerstand  geleistet 
hatten,  gestand  man  zu^). 

Damit  aber  scheinen  die  Verhandlungeu  vor  dem  Kammer- 
gericht  auf  lange  Zeit  geruht  zu  haben.  Jahrzehnte  vergingen, 
ohne  dafi  ein  Entscheid  erging;  Brandenburg  und  der  deutsche 
Orden  setzten  sich  friedlich  auseinander. 

Im  Jahre  1603  suchte  der  Komtur  den  Tod  des  Markgrafen 
G.  Friedrich  zu  benutzen,  um  den  luth.  Pfarrer  Joh.  Landesius*) 
zu  entfernen.  Aber  die  Rate  zu  Mergentheim  rieten  ab^). 
Andererseits  horte  man  aber  auch,  wie  in  Ipsheim  Beratungen 
gepflogen  wurden,  um  in  Unteraltenbernheim  wieder  die  evang. 
Religion  einzufiihren.  Bei  dem  Empfang  der  Lehen  sollten  sich 
die  Untertanen  der  Adeligen  uber  ihren  Pfarrer  beschweren; 
dann  wollte  man  auch  acht  haben  auf  die  Predigten  desselben. 
Der  Komtur  fand  es  selbst  fiir  geraten,  diesem  zu  gebieten, 
auf  der  Kanzel  „alles  Lasterns"  sich  zu  enthalten*). 

Erst  nach  25  Jahren  versuchte  der  Markgraf  Christian  die 
Sache  giitlich  beizulegen.     Auf  Joh.  Landesius  war  inzwischen 


1)  Vi.  54  f.  210.  212.    cf.  216—219. 

2)  Grofi  I.e.  S.  261.    G.  Muck,  Geschichte  von  Kloster  Heilsbronn. 
Nordlingen  1879.  II.  S.  39. 

3)  Komtur  zu  Vi.  an  Rate  zu  Mergentheim.  d.  d.  7.  Mai  1603  5  deren 
Antwort  8.  Mai  1603.     Vi.  57,  11. 

4)  Komtur  an  Administrator  Maximilian  28.  Juni  1603.    Vi.  128f.  100. 


Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  itn  Attite  Hoheneck.   175 

Joh.  Weifi  1613  gefolgt^).  Er  schlug  dera  Deutschmeister  am 
25.  Juni  1628  vor,  in  miindlicher  Verhandlnng  alles  zu  regeln  ^). 
Dieser  ging  jedocli  nicht  darauf  ein,  sondern  erklarte  nach  An- 
weisung  des  Wiirzb.  Weihbischofs,  daU  er  binnen  sechs  Wochen 
alle  Priester  nach  Wiirzburg  zum  Examen  zu  schicken  habe, 
widrigenfalls  der  Bischof  einen  neuen  ernennen  wiirde^).  Der 
Markgraf  wies  darauf  bin,  daB  schon  1545—1584  inlckelheim 
evang.  Geistliche  gewesen  wilren,  daC  es  in  seinem  Territprium 
liege  und  er  deshalb  von  dem  Vertrag  mit  Wiirzburg  nicht  be- 
rfthi't  werde.  Diesmal  setzt  er  es  noch  durcb,  daB  sich  der  Orden 
mit  dem  bloBeu  Gebot,  den  evang.  Pfarrer  von  Ickelheim  zu 
entfernen,  begnugte;  aber  man  war  in  den  Ordenskreisen 
bereit,  tiberall  vorzugehen,  wo  man  nur  ein  wenig  Keclit  fiir 
48ich  hatte*).  Joh.  Melchior  S5llner,  ein  Deutsch-Ordensrat,  gab 
z.  B.  im  gleichen  Jahre  die  Auregung  eines  P.  Remigius  an 
J.  Eust.  Stoll  weiter,  wonach  man  in  Dietenhofen  einen  kath. 
Geistlichen  einzusetzen  versuchen  sollte  (5.  September  1628). 
Die  Heiligenrechnung  wurde  namlich  hier  von  einem  Deutsch- 
Ordensuntertan  und  einem  Leonrodischen  Bevollmachtigten  ab- 
gehort.  Obwohl  groBe  Schwierigkeiten  im  Wege  standen,  sandte 
man  1630  einen  kath.  Priester  nach  Dietenhofen^).  DaB  aber 
das  Werk  der  Gegenreformation  hier  gelungen  ist,  ist  kaum  zu 
glauben.  Jedoch  h5ren  wir,  daB  Mag.  Jod.  Frei  P/^  Jahr  in 
Obernzenn  kath.  Gottesdienst  hielt,   bis  er  vertrieben  wurde®). 


1)  J.  M.  GroB  S.  261. 

2)  Vi.  57,  ad.  13. 

3)  Deutschmeister  an  Christian  24.  Juli  1628.  Memorial  fur  den 
Wfirzburger  Weihbischof  11.  Juli  1628.    Vi.  57,  ad  13. 

4)  Christian  an  Deutschmeister  23.  Jul!  1628.  Joh.  Konrad  an  Land- 
komtur  zn  Franken  12.  August  1628.  Vi.57,14.  Am  26.  Juli  1628  befahl 
Eomtur  Joh.  Theobald  Hundtpis  den  Pfarrern  zu  Obernzenn  und  Ickelheim, 
binnen  6  Wochen  ihre  Stellen  zu  raumen  da  diese  dem  nicht  nachkamen, 
sistierte  er  einen  Gutsverkauf  und  bestimmte;  da^  das  Handlohn  (113  11.) 
zur  Bestreitung  der  Anfzugskosten  eines  neuen  kath.  Pfarrers  aufbewahrt 
werden  sollte.  Doch  ordnete  der  Kanzler  zu  Mcrgentheim  die  Auszahlung 
an  den  Pfarrer  an  (4.  Januar  1629).   Virnsberg  54,  274.  277. 

5)  Komm.  Virnsberg.   N.  6  (Dietenhofen). 

6)  Befehl  Job.  Raspers  ftir  J.  Frei,  Pfarrer  zu  Sondernohe,  nach 
Obernzenn   zu   ziehen  4.  November  1630.    M.  Jod.  Frei  an  den  Deutsch- 

12* 


J 


176    Schornbaum,  Z.  Gesch.  d.  ReforiQ.  u.  Gegenreform.  im  Amte  Heheneck; 

Wegen  Ickelheim  lieB  der  Erzherzog  Maximilian  sogar  ein 
Ponalmandat  ausgehen  und  9?  Juni  1628  hatte  sich  der  Admini- 
strator in  einem  eigenhandigen  Schreiben  an  Markgraf  Christian 
gewandt.  Da  nnn  die  markgraflichen  Dorfer  iiberall  vor  etwaigen 
Einfalien  des  deutschen  Ordens  gewarnt  warden,  regte  1630 
der  Administrator  Joh.  Kaspar  das  Eingreifen  des  frankischen 
Kreises  an,  weil  alle  protestantische  Stande  das  Kammergericht 
rekusiert  batten^).  Doch  lieB  das  Auftreten  Gustav  Adolphs 
auch  diese  Plane  des  Ordens  scheitern. 

Erst  nach  dem  Tode  des  Schwedenkonigs  und  der  Nord- 
linger  Schlacht,  als  Brandenburg  ganzlich  von  kaiserlichenTrnppen 
iiberschwemmt  wurde,  gelang  es  dem  deutschen  Ordeu,  einen 
kath.  Priester  nach  Ickelheim  zu  setzen.  Joh.  Wei B  starb  1633. 
Adam  Staudiegel,  der  in  Gutenstetten  genug  die  Kriegsnote  zu 
kosten  bekommen  hatte,  wurde  sein  Nachfolger.  „Weil  aber 
allhier  (Gutenstetten)  kein  Bleibens  mehr  war,  wandte  er  sich 
nach  Windsheim  und  wiirde  1633  Pfarrer  in  Ickelheim  in  patria, 
von  daraus  er  nach  Vii'nsberg  gefiihret,  wodurch  ihm  ein 
Revers  zugemutet  worden,  die  Pfarr  zu  meiden,  wurde  an  einem 
Tage,  da  er  es  nicht  tat,  wieder  losgelassen.  Er  starb  nebst 
seinem  Weib  und  ftinf  Kindern  1634  zu  Windsheim  an  der 
Pest"  schreibt  die  Chronik  von  Gutenstetten.  In  Gutenstetten 
ward  sein  Nachfolger  Andreas  Zinier,  der  sich  in  Kairlindach 
nicht  langer  halten  konnte;  er  fand  aber  alles  so  ode,  dafi  er 
Hangers  halben  nicht  langer  hier  bleiben  konnte,  sondem  nach 
Ickelheim  zog*).  Am  24.  Januar  1635  erhielt  nun  der  Vogt 
von  Virnsberg  Burkhard  Seifried    den  Befehl,    darauf  bedacht 


meister  4.  Dezember  1631  (bittet  um  die  Pfarrei  Kopfenburg,  weil  er  von 
Obernzenn  vertrieben  war).   Virnsberg  128 f.  120.  121.  223. 

1)  Administrator  Joh.  Kaspar  an  den  Kaiser  7.  Marz  1530.  Wlirz- 
burg  hatte  gegen  ihn  ein  Ponalmandat  erlangt,  weil  er  den  Pfarrer  zu 
Ickelheim  nicht  abgesetzt  hatte.  Virnsberg  59  (Ref.  der  Pfarrei  Ickel- 
heim 1635 — 49),  2.  —  Das  Ponalmandat  Maximilians  war  auf  Betreiben 
des  Ordens  erfolgt.  s.  Vi.  54,  269  (d.  d.  11.  September  1628). 

2)  Grofi,  Hist.  Lexikon,  S.  261;  Das  hist.  Lexikon,  3.  Teil. 
Schwabach  1746,  S.  229.  G.  L.  Lehnes,  Geschichtliche  Nachrichten  von 
den  Orten  und  ehemaligen  Klostern  Eiedfeld,  Munchsteinach  und  Birken- 
feld,  Neustadt  a.  A.  1834,  S.  142.  A.  Deininger,  Geschichtliche  Nach- 
richten von  Gutenstetten.    Neustadt  a.  A.,  1895.  S.  15. 


Schoiiibaum,  Z.  Gescb.  d.  Reform,  u.  Gegenreforra.  ira  Amte  Hoheneck.   177 

zu  sein,  den  Pradikanten  abzaschaffen  und  einen  kath.  Priester 
einzusetzen,  sofern  ein  taugliches  Subjekt  vorhanden  ware^). 
Dieser  war  nun  nicht  sehr  geneigt,  dieser  Weisung  nachzu- 
kommen.  Er  glaubte,  daU  bei  Ausflihrung  dieses  Befehls  alle 
protestantischen  Bauern  fortwandern  wfirden  in  die  umliegenden 
markgr.  Orte,  wo  sie  mit  Freuden  aufgenommen  warden,  da 
sie  noch  leidlich  mit  Vieh,  Getreide  etc.  versehen  waren.  Fiir 
die  kaum  100  Katholiken  woUte  er  einen  Priester  in  Virnsberg 
unterhalten^).  Aber  Statthalter  und  Kanzler  befahlen  ihm,  mit 
Hilfe  des  Kommandanten  von  Windsheim,  eines  eifrig  katholischen 
Mannes,  einen  katholischen  Priester  einzusetzen^).  Man  merkte 
auch  nicht  darauf,  dafi  das  Kragsche  Regiment  in  Ickelheim 
alles  zerschlagen  und  trotz  des  salve  guardia  das  Vieh  der  Leute- 
total  ruiniert  hatte.  Die  Kirchenornate  waren  ganzlich  abhanden 
gekommen*).  Gerade  die  Flucht  des  evang.  Pradikanten  erschien 
als  geeigneter  Zeitpunkt,  Magister  Leonhard  Schech  zu 
der  ihm  zugedachten  Pfarrei  zu  verhelfen^).  Aber  nunmehr 
floh  zum  zweiten  Male  alles  Volk  und  zwar  zum  Komtur  nach 
Virnsberg,  weil  Niirnberg  zur  Wiedervergeltung  Virnsberg  auf- 
heben  woUte.  Die  evang.  Bauern  kehrten  bald  wieder  zuriick, 
sie  hatten  nicht  viel  zu  befiirchten;  der  Vogt  liefi  aber  seine 
Kommende  in  Stich  und  floh  nach  Windsbach®).    Auf  die  Ein- 


1)  VirDsberg  59,  6. 

2)  Burkhard  Seifried  an  Deutschmeister  10.  Marz  1635^  f.  12. 

3)  Kanzler  und  Rate  zu  Mergentheim  an  Vogt  zu  Virnsberg 
5.  Marz  1635,  f.  8.  15.  Marz  1635,  f.  9,  27.  Marz  1635,  f.  13  (Anfrage,  ob 
Kirchengerate  vorhanden  seien).  Burkbard  Seifried  an  Statthalter,  Kanzler 
und  Rate.   d.  d.  Virnsberg  21.  Marz  1635,  f.  10. 

4)  Burkhard  Seifried  an  Vizestatthalter  zu  Mergentheim.  d.  d. 
13.  April  1635,  f.  14. 

5)  Hauskomtur,  Kanzler  und  Rate  an  Vogt  zu  Virnsberg  17.  April 
1635,  f.  16.  Aufforderung  der  Wttrzburger  geistlichen  Rate  an  die  Ge- 
meinde  zu  Ickelheim,  von  nun  an  Mag.  Leonh.  Schech  als  PfaiTer  zu  be- 
trachten,  f.  7,  24.  April  1635;  er  war  Mher  in  Dorndorf,  Grafschaft 
Kirchberg. 

6)  Burkhard  Seifried,  Vogt  zu  Virnsberg  an  Vizestatthalter,  Haus- 
komtur und  Rate  zu  Mergentheim  5.  Mai  1635,  f.  19.  Letztere  befahlen 
nun,  den  Pfarrer  Schech  inzwischen  zu  unterhalten  10.  Mai  1635,  f.  22. 
Hauskomtur   erklart   sich    dazu   bereilf  13.  Mai  1635,  f,  24. 


178    Schornbauni)  Z.  Gesch.  d.  Reform,  a.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck. 

setzung  des  L.  Schech  verzichtete  er.  Dieser  merkte,  daB  er 
nicht  so  leicht  zu  seiner  Pfarrei  kommen  konnte  und  tauschte 
zunachst  mit  Hi.  Reichenbach,  der  nach  Dinkelsbtibl  bestimmt 
war,  Dahm  aber  dann  mit  Sondernohe-Unteraltenbernheim  vor- 
lieb.  Letzterer  aber  muBte  im  August  unverrichteter  Dinge 
wieder  heimkehren  ^) ;  die  Ausfiihrung  der  Ordensbeschlusse  er- 
wies  sich  als  unmoglich^). 

Aber  1637  gelang  es  dem  Ordeu,  seinen  Willen  zu  er- 
reichen.  Pfarrer  Zirner  war  in  den  rauhen  Kriegszeiten  auch 
von  der  allgemeinen  Verrohung  ergriffen  worden.  Am  10.  Mai 
1637  traf  er  einen  Deutsch-Ordensuntertanen  Simon  Niiberlein 
in  der  Kirche,  dem  er  sofort  —  der  Grund  ist  unbekannt  — 
zurief:  „Woher  du  ehrlicher  Vogel  und  leichtfertiger  Schelm 
und  Barenhauter,  du  bist  wert,  daC  man  dich  an  den  Galgen 
henkte;  was  hast  du  meinem  gn.  Herrn  ein  Stiick  von  der 
Kirchenraauer  zu  verkaufen.  Nach  der  Kirche  schrie  er  in  sein 
Haus:  Du,  horst  du  es,  du  raufit  aus  dem  Hans  hinaus;  heute 
noch  will  ich  dich  mit  Musketieren  holen  lassen"^).  -  Deswegen 
belegte  ihn  der  deutsche  Orden   mit  6  fl.  Strafe  und  kassierte 


1)  Burkhard  Seifried  an  den  Deutsch-Ordenskanzler  Eustachius  von 
Sal.  6.  Juli  1535,  f.  26.  Neue  Prasentation  des  Wiirzbiirger  geistl.  Gerichts 
fur  Hi.  Reichenbach  27.  Juni  1535  f.  31.  Bestatigung  des  Zach.  Stumpf 
fiir  Mag.  L.  Schech  als  pfarrer  zu  Sondernohe  und  Unteraltenbernheim 
27.  Juni  1535.  Virnsberg  128f.  126.  —  1641  kam  nach  Unteraltenbernheim 
Hans  HUll;  ihm  wurde  vom  deutschen  Orden  die  Wiedergewinnung  seiner 
Untertanen  zum  kath.  Glauben  zugeschrieben ;  man  lieiS  ihn  deswegen 
nicht  nach  Weidelbach  odev  ins  Seminar.  (Nach  einem  Bericht  von  1628 
war  noch  der  Seckeudorfsche  Teil  des  Dorfes  lutherisch.  Vi.  128,  111.) 
Vi.  128  f.  129—133.  Noch  1655  war  HUH  Pfarrer  zu  Sondernohe-Unter- 
altenbernheim f.  Ul.  —  1665  Eberh.  Kranenberger,  1666—68  G.  Meek, 
—  86  Ph  NeuB,  dann  J.  G.  Fischer,  J.  Chr.  Hornberger  (1713),  Job." 
Beyer,  f.  161—163.  —  1711  entstand  ein  groBer  Streit  zwischen  Philipp 
Albrecht  von  Seckendorf  und  dem  deutschen  Orden,  weil  er  in  seinem 
Schlosse  zu  Unteraltenbernheim  von  einem  Kaudidaten  uuter  Anwesenheit 
der  Seckendorfschen  Untertanen  evang.  Hausgottesdienst  halten  lieB.  Virns- 
berg 132. 

2)  Hauskomtur  und  Eanzler  zu  Mergentheira  an  Burkhard  Seifried: 
er  solle  mit  der  Reformation  in  Ruhe  stehen  und  Schech  wieder  nach 
Mergentheim  schicken  24.  August  1635,  f.  38. 

3)  Virnsberg  59  f.  63. 


SchorDbaum,  Z.  Gesch.  d.  Reform,  u.  Gegenreform.  im  Amte  Hoheneck.    179 

ihm,  well  er  allein  Brandenburg  als  Herrscbaft  anerkennen 
woUte,  einen  Giltbauern,  Georg  Hillebrand.  Diesen  traf  er 
vor  den  Toren  Windsheims;  er  forderte  ihn  nun  (30.  August) 
sogleich  auf,  seine  Gilt  zu  entricbten.  Auf  dessen  Weigerung 
lieB  er  sich  zu  Drohungen  hiureiBen;  als  derselbe  sicb  auf  den 
deutschen  Orden  berief,  schrie  er  ihm  zu,  ich  scb.  .  .  auf  deine 
Herrscbaft.  Wenn  die  katb.  Pfaffen  kommen,  die  machen  es 
dir  arger.  Er  wisse  eine  Zwickmtihle.  Am  5.  September  1637 
fragte  er  ibn  wiederura,  ob  er  denn  jetzt  bereit  ware,  seine 
Sacbe  feu  zahlen  und  drobte  ibm,  sein  Vieh  wegnehmen  zu 
laasen.  Dann  kam  es  zu  eiuer  Rauferei;  der.Pfarrer  schlug  den 
Bauern  mit  einem  Stock  zu  Boden,  dieser  gab  ihm  dafiir  etlicbe 
„Streiche".  Am  nachsten  Tage  lief  der  Bauer  zu  seinem  Komtur 
J.  C.  von  Lichtenstein,  der  sofort  beim  deutschen  Orden  die 
Absetzung  Zirners  und  die  Anstellung  eines  neuen  evangelischen 
Pradikanten  beantragte  (7.  September  1637)^). 

Noch  am  5.  September  1637  war  Zirner  zu  seinem  Kollegen 
nach  Ipsheim  gegangen,  um  dorten  Rats  sich  zu  erholen.  Er 
fuhlte,  daU  er  zu  weit  gegangen  war.  Er  traf  diesen  aber  erst 
zu  Windsheim,  wohin  er  sich  wegen  der  drohenden  Gefahren 
gefllichtet  hatte.  Man  scheint  nun  dem  Zirner  geraten  zu  haben, 
sich  nicht  mehr  nach  Ickelheim  zu  begeben,  weil  der  Vogt  zn 
Ickelheim  sehon  genug  Drohworte  hatte  laut  werden  lassen  und 
beschloB,  Chrisfoph  Zeemann,  Pfarrer  zu  Burgbernheim^),  die 
Verwesung  der  Pfarrei  zu  iibertragen.  Einstweilen  aber  soUte 
der  Pfarrer  von  Lenkersheim  sich  um  die  verwaiste  S telle  an- 
nehmen.  Am  6.  September  hielt  dieser  auch  bereits  Gottes- 
dienst  in  Ickelheim.  Trotz  des  Protestes  von  Virnsberg  blieb 
er  da.  Am  Sonntag,  den  10.  September  sollte  nun  der  Burg- 
bernheimer  Pfarrer  auch  in  Ickelheim'  eingesetzt  werden;  der 
Komtur  lieB  dies  durch  seinen  Vogt  verhindern.  Als  noch  am 
gleichen  Tage   der  Befehl   eintraf,  H.  Reichenbach,  Pfarrer  zu 


1)  Bericht  des  G.  HiHebrand  6.  September  1637  f.  66.  J.  K.  v.  Lichten- 
stein, Komtur  zu  Virnsberg  an  Deutschmeister.  Virnsberg  7.  September 
1637  f.  41. 

2)  GroB,  1.  Ten  S.  80.  J.  G.  Has'enest,  Zuflucht  deier,  so  mit 
Gliedergebvechen  geplagt  sind  .  .  .  Das  zwar  uralt  .  .  .  Marktburgbern- 
heimer  Wildbad.    Niirnberg  1729,  S.  6. 


180    Schorobaum,  Z^-Gescb.  d./Beform.  u.  Gegenreforiu.  im  Amte  Hoheneek. 

Sondernohe  in  Ickelheira  als  Pfarrer  einzufuhren,  lieB  er  durch 
Virnsbergische  Musketiere  diesen  sofort  dabin  fiihren  und  nach 
gewaltsamer  Wegnahme  der  Kirchenschlussel  installieren.  Der 
Pfarrer  von  Lenkersheim  mufite  sich  an  dem  bloBen  Protest 
geniigen  lassen  und  zog  nach  Windsheim  sich  zuruck^).  Als 
Reichenbach  bald  darauf  krank  wurde,  machte  der  Komtnr  Ad. 
Brenz  zu  seinem  Nachfolger,  bestellte  einen  kath.  Schulmeister 
und  viereinigte  die  Fruhraesse  wieder  mit  der  Pfarrei*).  13  Jahre 
sollte  nun  in  Ickelheira  kath.  Kultus  herrschen;  die  markgraf- 
liche  Regierung  mufite  ohnmachtigzusehen^).  Die  Ordensregierung 
suchte  auch  auf  alle  AVeise  die  Untertanen  wieder  zum  kath. 
Glauben  zuriickzufuhren.  Seb.  Marquard  wurde  mit  10  Talern 
bestraft,  well  seine  Kinder  nicht  die  katholische  Schule  be- 
suchten;  widrigenfalls  sollte  er  binnen  V*  J^br  das  Dorf  raumen. 
Ebenso  wurde  aus  dem  gleichen  Grunde  Jobst  Seitz  mit  30  fl. 
bestraft.  Wer  am  Sonntage  nicht  in  die  Kirche  ging,  sollte  mit 
1  ort  bestraft  werden;  wer  seine  Kinder  in  die  luth.  Schule 
schickte  oder  zur  luth.  Taufe  brachte,  rait  10  Talern.  Die 
Altesten  sollten  mit  gutem  Beispiel  vorangehen,  das  Kreuz  in 
der  Messe  bei  5  fl.  Strafe  machen*). 

Erst  nach  dem  FriedensschluB  erlangte  die  brandenburgische 
Herrschaft  ihre  Pfarrei  zuriick.  24.  November  1648  verlangte 
Christian  von  Bayreuth,  gestiitzt  auf  den  Frieden  zu  Miinster 
und   Osnabruck,    die   Absetzung   des   kath.   Priesters^).     Der 


1)  Markgraf  Christian  an  Deutschmeister.  Plassenbiirg  11.  September 
1637.  Vi.  59  f.  51.  Bericht  des  Vogtes  Seifried  v.  7.  Oktober  und  5.  Ok- 
tober  1637.  Vi.  59  f.  61.  59. 

2)  Der  Deutschmeister  hatte  befohlen^  den  Pfarrer  gefangen  zu 
nehmen  und  den  kath.  Pfarrer  von  Unterau  in  Ickelheim  einzusetzen. 
Vi.  59  f.  44.  —  J.  Easpar  von  Licbtenstein  an  Komtur  zu  Virnsberg. 
Mergentheim  23.  November  1637,  f.  68.  Bericht  des  Brenz,  Pfarrers  zu 
Kirchausen  5.  November  1649  f.  72. 

3)  Proteste  des  Mag.  Seb.  Arzberger,  Vizedekans  und  Pfarrers  von 
Burgbernheim,  Friedrich  Stiitzners,  Kastners  zu  Hobeneck  14./4.  und 
16./6.  September  1637  f.  47.  57.  Am  25.  September  1637  vom  Komtur  zu 
Virnsberg  an  die  Statthalter  zu  Mergentheim  gesandt  f.  46.  Am  12.  Ok- 
tober 1637  ersuchte  man  den  Markgrafen  Christian,  ea  bei  dem  jetzigen 
status  quo  zu  bclassen.    Vi.  57  f.  16. 

4)  Vi.  57  N.  17. 

5)  Yi.  54  f.  231. 


Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein.  181 

deutsche  Orden  ging  sofort  darauf  ein,  nur  bat  er,  den  Pfarrer 
bis  zu  seinem  Tode  doch  auf  seiner  Stelle  zu  belassen^).  1649 
aber  trat  der  Orden  die  Pfarrei  ganz  an  Brandenburg  ab*). 
Nikolaus  Mendelius  wurde  von  der  brandenburgischen  Regierung 
als  evang.  Pfarrer  aufgestellt^).  Der  Ordenskomtur  lieB  aber 
1650  ein  Oratorium  in  seinem  Amthause  errichten;  30.  Marz 
1650  wurde  die  erste  Messe  darin  von  Sondernohe  aus  ge- 
lesen.  Trotz  der  Beschwerde  der  m arkgraf lichen  Regierung  gab 
der  Orden  erst  1667  nach.  Ein  neuer  Vorschlag  tauchte  nun 
auf:  Die  Kirche  sollte  in  Ickelheim  den  Protestanten  verbleiben, 
dieKapelle  den  katholischen:  doch  soUten  die  stolae  dem  Pfarrer 
znstehen;  umgekehrt  sollte  in  Sondernohe  den  Protestanten  das 
entsprechende  Recht  eingeraumt  werden.  Ob  dieses  Projekt 
durchging,  ist  mehr  als  fraglich,  doch  lassen  uns  daruber  die 
Akten  vollstandig  im  Stiche*).  Auch  laBt  sich  nicht  ersehen, 
ob  nicht  noch  im  18.  Jahrh.  Reibungen  zwischen  beiden  Kon- 
fessionen  vorgekommen  sind.  Jedenfalls  aber  war  mit  dem  Jahre 
1649  Ickelheim  ftir  immer  dem  evangelischen  Kultus  gewonnen. 


Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein  '). 

Von  Otto  Clemen  in  Zwickau. 

D.  Joh.  Teuschlein  begegnet  1511  als  Prediger  in  Winds- 
heim®).   Nachdem  er  dann  fUr  die  erledigte  Predigerstelle  in  Bruchsal 

1)  Vi.  54f.  230.  Statthalter  und  Rate  an  Markgraf  Christian 
18.  Dezember  1648.  Anweisung  des  Deutschmeisters  an  den  Komtur  zu 
Virnsberg  21.  Dezember  1648.    Vi.  57.  ad  18. 

2)  Vi.  57,  18.  Bericht  des  Hans  Joseph  Frh.  von  Reinach  an  den 
Deutschmeister  2.  Marz  1696. 

3)  J.  M.  GroB,  Hist.  Lexikon  .  .  .  S.  260. 

4)  Bericht  des  deutschen  Ordens.  Vi.  57,  20.  —  Der  Pfarrer  von 
Unteraltenbernheim  rauCte  alle  luth.  Feiertage  nach  Ickelheim,  nm  Messe 
zu  lesen;  dafUr  bekam  er  35  fl.  Vi.  128,  112.  150^.  Joh.  Fr.  von  Knoringen 
berichtet  am  5.  November  1662  an  Komtur  zu  Ellingen  H.  Humprecht 
TruchseB,  daB  man  wegen  Ickelheim  jetzt  nicht  mehr  erlangen  konne, 
vveil  man  sonst  ganzlich  ausgeschlossen  wUrde.    Vi.  128 f.  147. 

5)  Vgl.  IX,  231—233. 

6)  Zum  folg.  Th.  Kolde,  D.  Joh.  Teuschlein  und  der  erste  Refor- 
mationsversuch  in  Rothenburg  o.  T.  Sonderabdruck  aus  der  Festschrift 
der  Universitat  Erlangen  zur  Feier  des  80.  Geburtstages  Sr.  kgl.  Hoheit 
des  Prinzregenten  Luitpold  von  Bayern.  Erlangen  und  Leipzig  1901, 
S.  7ff. 


182  Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joli.  TeuBchlein. 

in  Baden  *)  in  Betracht  gekommen  war,  trat  er  im  Dezember  1512 
das  Predigeramt  in  Rothenburg  o.  T.  an.  Bei  der  Judenhetze  in  den 
Jahreu  1519  nnd  1520  spielte  er  die  Fuhrerrolle.  Am  T.November 
1519  setzte  der  Rat  deu  Jiiden  eine  Frist  bis  Lichtmefi  1520. 
„Inzwischen  sollten  die  Schuldverhaltnisse  in  der  Weise  gelbst  werden, 
dafi  von  den  Schiildforderungen,  welche  die  Juden  an  Burger  und 
Untertanen  in  der  Stadt  und  auf  demLande  batten,  nur  das  Kapital, 
nicbt  auch  die  Zinsen  gezablt  zu  werden  brauchten  und  jedermaun 
das  ReCbt  hatte,  das  den  Juden  liberlassene  Pfandobjekt  obne  An- 
recbnuug  von  Zinsen  einzulosen.  Dafiir  sollten  dann  die  Juden  bis 
zu  ihrem  Abzug  unbebelligt  bleiben,  und  wurde  jeder  AngriflP  gegen 
sie  niit  scbwerer  Strafe  bedrobt".  Mit  diesen  Mafiregeln  waren  jedoch 
die  christlicben  Schuldner  nicbt  zufrieden.  Sie  beansprucbten  aucb 
das  Recbt,  bei  Ruckzablung  der  geliebenen  Kapitalien  die  bereits 
gezablten  Zinsen  abzuzieben.  Der  kousultierte  Wiirzburger  Jurist 
Dr.  Eucbarius  Steinmetz  erklSrte  sicb  nieht  dagegen.  Und  so  wird 
man  in  der  Tat  den  Juden  das  geliebene  Geld  nur  mit  reicblicben 
Abziigen .  zuriickgezablt  baben  —  soweit  man  das  uberbanpt  tat. 
Am  8.  Jan  liar  1520  wurde  den  Juden  ibre  Synagoge  gestUrmt  und 
ausgeplundert ;  spater  wurde  sie  in  eine  Marienkapelle  umgewandelt. 
Schon  gleicb  nach  dem  Synagogensturm  verliefien  die  meisten  Juden 
die  aufgewUblte  Stadt,  der  Rest  folgte  am  2.  Februar.  In  diesen 
Tagen  scbrieb  Teuscblein  eine  fanatiscb-judenfeindliche  Scbrift,  die 
bisber,  weil  sicb  der  Verfasser  auf  dem  Titel  nur  mit  den  Anfangs- 
bucbstaben  seines  Namens:  D[octor]  J[obann]  T[euscblein]  F[ricken- 
hausen]  bezeichnet  ^),  den  Forscbern  entzogen  ist.  Am  26.  Januar 
verliefi  sie  die  Presse  des  Friedrich  Peypus^)  in  Nurnberg: 

Auflosung  ettli-  |  cber  Fragen  zu  lob  vnd  ere  ]  cbristi  Jesu, 
aucb  seiner  lieben  mutter  |  Marie,  wider  die  verstockte  plin-  |  te 
Juden,  vnd  alle  die  jbe-  |  uen  so  sie  in  jren  Ian-  |  den  vnd  stet  |  ten 
wi-  I  der  recbt  ent-  |  halten  furen  vnd  ge 
Largire  clarum  vespere.  |  D.  J.  T.  ]  F. 
Dommer,  Lutherdrucke  auf  der  Hamburger  Stadtbibliothek  S.  263 
Nr.  143  beschrieben.  14ff.  4^  1^  u.  14  weifi.  13^:  Getruckt  jn  der 
keiserlichen  Statt  Nurmberg  durch  |  Frydericben  Peypus,  Vnd  seligk- 
lich  voleudt  |  am  26.  tag  Jauuarij,  des  jars  do  man  |  zalt  nach 
cbristi  vnsers  lieben  her-  |  ren  gepurt.  M.  D.  XX.  |  Darunter 
Peypus'  Druckerzeichen  und  darunter  wieder:  P.  C.  M  |  Reuidebat. 
Panzer,  Annalen  ^Nr.  980.  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  XVII. 
VIII.   16,   23. 

1)  Nicbt  Brtissel,  wie  Kolde  S.  8  will  (N.  Paulus  im  Histor.  Jahr- 
buch  der  Gorresgesellschaft  22,  462  f.). 

2)  Zur  Irrefubrung  wurden  dann  obendrein  noch  diese  vier  Buch- 
staben  in  der  Schrift  selbst  in  andern  Zusammenstellungen  wiederholt 
(Bija  und  Ci>:  D.  F.,  Biijb;  D.  J.  F./T. 

3)  ADB  25,  569. 


dulden   neulich  gescheben. 
Titelbordure  wie  bei  A.  v. 


Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein.  183 

lu  der  Einleitung  gibt  Teuschlein  als  Veranlassung  zur  Ab- 
fassung  der  vorliegenden  Schrift  dasselbe  an,  was  er  in  seinem 
spateren  Schreiben  an  die  Kirchenpfleger  der  neuen  Marienkapelle 
als  Grund  seines  Eifers  nennt.  Denu  wenn  er  dort  auf  eine  J^Z\l- 
schreibung  eines  besoudereu  Freundes  und  Bruders,  der  dann  ist  ein 
besonderer  Liebhaber  Maria  und  ein  Sucher  der  Seligkeit  der  Men- 
schen"  sich  beruft^)  und  hier  an  „etliche  Fragen"  ankniipft,  die  ihm 
einer  seiner  Freunde  und  Verwandte  „am  tag  des  heiligen  hymmel- 
fursten  und  apostels  Matthei  [21.  September]  der  mindern  zal  des 
neuuzebenten  jars'^  zugeschickt  babe,  so  meint  er  hochst  wahrschein- 
lich  beide  Male  ein  Zuschreiben  des  Regensburger  Predigers  und 
Judenhetzers  Balthasar  Hubmaier  ^). 

Nur  ein  en  kurzen  Auszug  kSnnen  wir  aus  der  iiiteressanten 
Schrift  gebeu. 

1.  Frage:  Wie  kommt  es,  dafi  jetzt  Maria  in  so  viel  Stadten- 
des  Reichs  und  der  Fiirsten,  wo  ihr  grofier  Dienst  nicht  allein  durch 
Geistliche,  sondern  atfch  durch  Weltliche  mit  Singen  und  Lesen  und 
VoUbringung  der  sieben  Tagzeiten  bewiesen  wird,  wenig  Wunder- 
zeicheu  gesehehen,  an  andereu  Orten  dagegen,  wo  ihr  nicht  so  viel 
Dienst  bewiesen  wird,  dieselben  Uberfltissig  erscheinen  lafit,  weshalb 
auch  die  Menscheu  solcher  Art  auderswohin,  um  6nad  und  Hilfe 
zu  erlangen,  laufen  mussen,  wShrend  es  doch  besser  ware,  sie  blieben 
bei  dem  Ihren,  horten  das  gottliche  Wort,  schaflFten  ihren  und  ihrer 
Kinder  Nutz  u.  s.  w.?  Antwort:  Die  Schuld  sollen  wir  nicht 
Maria,  sondern  uns  selbst  zuschreiben:  die  kleine  Andacht  solcher 
Menschen  ist  das  Hindernis.  Aber  auch  die  Juden  sind  daran  schuld. 
Sobald  diese  das  Ave-Maria-Lauten  horen,  sprechen  sie:  „Man  lent 
yetzundt  der  Thlua  glocken**.  Thlua  aber  heifit  so  viel  wi^  Hure  ^). 
Will  auf  dies  Mai  geschweigen  viel  anderer  LSsterung,  die  sie 
auf  Maria  legen.  ,,Darumb  das  etliche  fiirsten  und  stette  solche 
losterer  und  plutsauger  gedulden,  schutzen,  beschirmen  und  beweilen 
meher  vertrags  geben  dan  den  christen,  vergUnnen  auch  jnen  on 
sunderlich  offens  zeichen   vnder  den  christen  zu  geen  *),    So  will  sie 


1)  Kolde  S.  U. 

2)  Cber  ihnRE»  VIII,  418— 424  und  dazu  noch  Pijper,  Polemische 
geschriften  der  Hervormingsgezinden  (=  Bibliotheca  reformatoria  Neer- 
landica  I  [1903]),  109—116. 

3)  Vgl.  dazu  Ciijb:  0  wie  grosse  lesterer  seind  die  juden,  wie  sie 
geschmehet  haben  den  herren,  do  er  bey  jn  wonet  auff  erden,  also 
vnd  vil  meher  lestern  sie  jn  yetzt  regierenden  mit  dem  vatter  vnd  dem 
heiligen  geist  in  den  bymmeln.  Dann  christum  nennen  sie  IscheynoBern, 
Mariam  Tluam.  Tlua  ist  souil  bey  jn  gesagt  als  ein  hure.  IscheynoBer 
ein  verfttrer  des  volcks,  oder  auch  ein  hurenkind.  —  Dieselben  Laster- 
worte  zitiert  Abraham  a  S.  Clara  (0.  Frank  1,  Der  Jude  in  den  deut- 
schen  Dichtungen  des  15.,  16.  und  17.  Jahrhunderts,  Mahr.-Ostrau  und 
Leipzig  1905,  S.  131  ff.)- 

4)  In  Rothenburg  hatte  der  Rat  1511  den  Juden  aufgelegt,    durch 


184  Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein. 

die  menscben  solches  orts  nit  erhSren  noch  iron  dienst  zn  der  selig- 
keit  annemen,  dann  die  Jiiden  verwiisten  jne  ire  gute  werck  gegen 
got  und  seiner  lieben  mutter  Marie*  Volgt  herauB,  das  sie  nit  ewige 
freud  noch  frucht  nemen  werden  ...  0  wie  vil  frtrsteu  vnd  herren, 
aach  Katsfreundt  sein  jn  hellischer  pein,  bleyben  on  ende  von  wegeu 
solcher  geduldung  .  .  .^* 

2.  Frag e:  In  etlichen  Stildten  auch  des  Reichs  ist  etwa  der 
Brunnen  gSttlicher  Gnaden  des  Blntes  Christi  reichlich  und  wunder- 
barlich  geflossen;  wodurch  ist  doch  jetzund  derselbig  gnadenreichlicb 
Flufi  versiegt?  Ant  wort:  Weil  sie  aus  Goldliebe  bei  sich  dulden 
^.die  wucherischen  bund,  die  das  blut  christi  also  vubarmhertziglich 
etwa  aus  seinem  leib  gezogen  baben  durch  geifilung,  schlahung^ 
creutziguug  und  krSnigung,  und  nachmals  oft  Ziehen  als  wir  den 
baben  durch  vil  erfarung,  vnder  andern  dise,  wie  es  dann  beschehen 
ist  mit  den  merckischen  juden,  so  in  kurtzen  jaren  das  hochwirdig 
l<5blich  sacrament  vnser  aller  trost  und  speifie  also  zerstochen  und 
zerhawen  haben,  wie  dann  in  truck  zu  der  selbigen  zeit  yetzo  ix 
jar  ist  aufigangen  ^),  welche  verstockte  plinde  bund  in  der  gefenck- 
nufi  bekauten,  wie  sie  einander  die  partickel  zugesendet  hetten,  auch 
wie  sie  in  kurtzen  jaren  syben  christen  kinder  mit  nadeln  und  mefiern 
gestochen,  gemartert  und  getbdt.  Es  haben  auch  etwa  die  juden  am 
karfreytag  gemacht  ein  yrdenes  bild,  dasseibig  am  tag,  daran  jn  ver- 
botten  ist;  geisselt,  krSnt,  an  ein  creutz  genagelt,  mit  einer  lantzen 
seyn  seyten  gebffnet.  0  Maria  mocht  das  nit  longer  dulden,  er- 
schine  einer  geistlichen  person  desselbigen  orts,  beklagt  sich  wider 
die  juden,  die  sie  da  selbst  auch  halten,  und  schaffet  souil  bey  diser 
person,  das  die  christen  eylends  die  juden  vberfielen,  und  fanden 
das  bild  angenagelt  an  ein  creutz  mit  blutferbigen  wunden,  do  be- 
kereten  sich  vil  juden,  doch  ein  yetlicher  seinen  Ion  name." 

3.  Frage:  Wenn  Wucher  nicht  allein  den  Christen,  sondern 
auch  den  Juden  verboten  ist  zu  nehmen  und  eiue  so  grofie  Siinde 
ist,  dafi  Gott  etwa  ein  gauze  Kommune  darum  straft,  wie  thun  dann 
Fursten  und  Stadte,  die  von  Juden  und  andern  Lenten  Geld,  auch 
Tribut  nehmen  und  lassen  sie  in  ihren  Landen,  Stadten  und  Dorfern 
Wucher  treiben?  Ant  wort:  Solche  tun  Unrecht  und  sind  in  dem 
ewigen  Bann,  so  sie  es  nicht  abstellen  und  die  Siinde  beichten,  auch 
blifien.  In  gleicher  Verdammnis  sind  Fursten  und  SWlte,  welche  ver- 
hindern,  dafi  man  den  gegebenen  Wucher    von  Christen    und  Juden 


gewisse  Abzeichen  an  der  Kleidung  sich   kenntlich  zu   machen  (Kolde 
S.  12). 

1)  Panzer,  Annalen  Nr.  696,  ZusStze  Nr.  696 b;  Weller,  Reper- 
torium  typographicura  Nr.  563—565.  Frankl  S.  119  ff.  (Kap.  IV:  Der 
Jude  als  Hostienschander  und  Kindermorder.  Judenvertreibung)  und  be- 
sonders:  A.  Ackermann,  Der  markische  Hostienschandungsprozefi  im 
Jahre  1510,  Monatsschrift  fur  Geschichte  und  Wissecschaft  des  Judentums 
49.  Jhrg.,  N.  F.  13.  Jhrg.,  3.  u.  4.  Heft. 


Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein.  185 

nicht  wiedererlangen  mag.  (Also  steht  Teuschlein  ganz  auf  Seite 
derjenigen  Rotenburger,  die  bei  Riickzahlung  der  gel iehenen  Kapi- 
talien  an  die  Juden  die  bereits  gezahlten  Zinsen  abziehen  wollteu.) 
In  einem  Exkurs  bezeichnet  hier  Teuschlein  die  Juden  als  unniitze 
und  sittengefahrliche  Schmarotzer :  „Sie  seind  auch  wenig  nutz  der  ge- 
mein  ju  beschiitzung  der  stett,  verfechtung  des  vatter  lands^  waclien 
and  audern  stucken,  «ein  auch  nit  in  der  arbeit  roit  den  menschen. 
Sie  wircken  auch  yetzund  nichtzit  dicnstlich,  weder  weltlichen  noch 
geistlichen  nutz,  fressen  dannoch  nach  lust.  Item  sich  verlefit  auch 
mancher  hautwercks  man  auff  die  juden,  wartet  so  uil  weniger  seines 
gewerbs,  ligt  tag  und  nach t  bey  dem  wein  vnd  jm  luder,  vertoppelt 
bofilich  das  gut  jme  und  seinen  kindeu.  So  aber  der  jud  nit  so 
bald  mit  seinem  wucher  entgegen  wer,  wartet  er  eher  seines  Han- 
dels,  seiner  haufifrawen  und  kinder,  wurden  auch  souil  armer  in  der 
gemein  nit  werden,  dan  wir  augenscheinlich  sehen,  das  die  ort  und 
stett,  da  solche  wucher ische  juden  nit  wonen,  zunemen  an  gut  und  eeren." 

4.  Frage:  Dieweil  ausgegebener  Wucher  von  Juden  und  Christen 
wiederum  durch  Recht.erfordert  und  erlangt  werden  mag,  welcher 
Richter  ist  solches  zu  verhelfen  schuldig  und  hat  den  Gerichtszwang, 
der  geistlich  oder  weltlich?  Ant  wort:  Wenn  die  weltlichen  Richter 
saumig  sind,  so  soil  der  geistliche  Richter  procedieren  und  mit  dem 
schweren  Bann  alien  Christen  verbieten,  Gemein schaft  mit  den  Juden 
zu  haben,  bis  sie  den  empfangeuen  Wucher  wiedergegeben  haben. 

6.  Frage:  So  nun  die  Juden  sehen  ihre  grofie  Verachtung, 
haben  auch  vielmals  Verweisung  erfahren,  welche  augefangen  haben 
Titus  und  Vespasianus,  auch  noch  viele  Fiirsteu  und  StSdte  der- 
mafien  getan  „und  auff  das  nechst  thun  werden  die  Herren 
von  RSttenburgk  auff  der  thauber  jetzundt  vnser  frawen 
liechtmefi",  warum  vermischen  sie  sich  nicht  unter  die  Heiden, 
sondcrn  unter  die  Christen?  Ant  wort:  Die  Juden  haben  bei  keinem 
Volke  solche  Gutigkeit  und  Liebe  erfahren  als  bei  den  Christen. 
Zu  der  Zeit,  als  .  der  Geiz  noch  nicht  so  grofi  war  in  Geistlichen 
und  Weltlichen,  sondern  in  ihneu  Verachtung  der  zeitlichen  Guter 
regierte,  wurden  die  Juden  nicht  so  unter  den  Christen  gelitten  wie 
jetzt,  sie  mufiten  arbeiten  und  durften  keiuen  Wucher  treiben.  „Als 
es  aber  jetzo  in  der  welt  steet,  das  gemeinlich  alle  stend  beladen 
seind  mit  dem  teufflischen  geytz,  so  wil  vns  nlitzer  sein,  das  wir 
sie  von  vns  weysen  dan  gedulden.  Die  glock  ist  nun  gossen,  das 
fleisch  seudt,  lafit  vns  abwerflFen  dan  fayme-[8chaum],  der  new  wein  ist 
worden  lauter,  thu  die  heffen  dauon  .  .  .  Darumb  mogen  wir  uitt  baft 
schaffen,  dann  wir  werffen  sie  von  vns.  Einer,  der  mitt  rufi  oder 
schwertz  vmbgat,  beschwertzt  sich.  Der  mit  einem  alten  Kessel  be- 
romet  sich  u.  s.  w.  (Die  Stelle  diene  zugleich  als  Probe  dafiir,  wie 
Teuschlein  in  Sprichwortern  und  sprichwortlichen  Redensarten  zu 
Hause  ist  und  wie  trefflich  er  iiberhaupt  den  Volkston  triflFt.) 


186  Clemen,  Noch  etwas  von  D.  Joh.  Teuschlein. 

» 

In  der  6.  Frage  und  Ant  wort  warden  Rechtfertigungsgrunde 
fur  die  Vertreibung  der  Juden  angefiihrt  aus  dem  Buch  der  Natur^ 
dem  weltliefaen  und  Lehenbuch,  dem  alten  Testament  (an  erster  Stelle 
wird  zitiert  1.  Mos.  1,  4^1),  dem  Bucbe  der  Sitten,  dem  Bucbe  der 
Exempel.  Die  frommen  und  christlicben  Herren  von  Nttrnberg, 
Augsburg^  Regensburg,  ^Wynftbaym  vnd  newlich  die  von  Rotten- 
burgk  auff  der  Tauber"   seien  mit  gutem  Beispiel  vorangegangen. 

7.  Frage:  1st  dem  nun  also,  daiil  die  Juden  so  ganz  ein- 
gewurzelt  sein  bei  Fursten  und  Stadten,  Geistlichen  und  Weltlichen, 
durch  welcbe  Mittel  mScbte  man  doch  dieselben  ausrotten?  Ant- 
wort:  Mark.  19,  29:  ^^dises  teufflisch  gescblecbt  wirdet  anderst  von 
eucb  schwerlicb  vertriben,  dan  durcb  das  fasten  vnd  gebet".  Durcb 
Fasten,  d.  h.  durch  Enthaltung  von  judischem  Gelde,  und*  durch 
Gebet,  zu  Maria  nSmlich,  dafi  sie  ihre  und  ihres  lieben  Sohnes  und 
unsern  Feind  austreiben  wolle. 


Der  Herr  Herausgeber  hatte  die  Freundlichkeit,  anf  Grund  von 
M.Wei  gel,  Rothenburger  Chronik  (1904),  S.  275  (vgl.  schon  diese 
Beitrage  XIT,  48)  mich  noch  auf  eine  andere  Publikation  Teusch- 
leins  hinzuweisen.  £s  handelt  sich  um  ein  sehr  seltenes  Schrift- 
chen,  das  in  Panzers  Annales  typographici  nicht  verzeichnet  steht, 
aber  in  der  Zwickauer  Ratsschulbibliothek  (VII.  V.  2,  5)  vorhanden 
ist:  DIffinitoes  editio  |  uis  douati  minoris  |  viri  clarissimi:  et  auctoris 
modorusi-  |  gnificadi  cuexpoibus  eorunde  et  no  |  tatis  pulcerrimis.  | 
24 ff.  4^.  24  weifi.  23^  unten :  Impressum  Liptzk  perJacobuTan  |  ner 
Herbipolensez  anno  salutis  {  millesimo  quingentesimo  quiuto  (darunter 
Thanners  Druckerzeichen).  Auf  der  Titelriickseite  liest  man  eine 
Widmung  unter  folgender  Cberschrift:  Humanissimo  viro  Joauni 
Stuntzel  Melberensi  de  Kitzingen  affini  suo  peramando:  Baccalarius 
Joannes  Teuschlein  Heroltensis  de  Frickenhausen  S.  P.  D. 

Diesem  Schreiben  zufolg^  hatte  Stuntzel  sein  SShnchen  bei 
Teuschlein  in  die  Lehre  gegeben.  Dieser  will  ihn  („iuxta  diui 
Thomae  doctrinam  per  riuulos  et  non  statim  in  mare  eundum  et  per 
faciliora  in  difficiliora  deueniendum  esse**)  zunilchst  in  die  Gramma- 
tik  einfuhren.  „Vt  igitur  tue  voluntati  raorem  gererem  et  mee  lec- 
tionis  completioni  satisfacerem,  familiarem  istam  Donati  iutroductionem 
pro  mej  ingenij  tenuitate  non  quidem  a  me  nouiter  confictam,  sed  a 
praeceptoribus  meis  studiose  coUectam  et  acceptam  comportaui  ac  in 
vnam  collecturaro  redegi".  Datiert  ist  diese  Zuschrift:  „ liptzk.  16.  k. 
iunij   [17.  Mai]  1505". 

Die  Uberschrift  lafit  uns  den  urspriinglichen  Familiennamen 
Teuschleins  erkennen  und  nun  auch  seinen  Nameu  in  der  Leipziger 
Universitatsmatrikel  finden.  Im  Winter  1501  wurde  ,,  Johannes  Hern- 
lort  (die  andere  Hs.  der  Matrikel  hat:   Hoenlon)  de  Frickenhawften" 


Zur  Bibliographie.  187 

inskribiert,  am  11.  September'  1503  ,.Johaiiues  Heroldt  de  Frigken- 
hawsen"  baccalarius  und  am  29.  Dezember  1505  „ Joannes  Herolt 
de  Frickenhawsen '^  magister  artiinn  (Matrikel  der  Univ.  Leipzig  T, 
444.  TI,  396.  420).  Am  28.  Juui  1506  wurde  dann  „mgr.  Joannes 
Teiischling  de  Frickenbausen"  cursor  und  am  16.  Juli  1507  sen- 
tentiarius  (^Kolde  S.  7).  Wie  sicb  jedocb  die  Namen  Herold  und 
Teuschlein  zueinauder  verbalten,   ist  mir  uuklar. 


Zur  Bibliographie/) 

*Schornbaum,     Karl,     Zur    Politik     des    Markgrafen     Georg    von 

Brandenburg  vom  Beginne   seiner    selbstandigen  Regieruug  bis 

zum  Nurnberger  Anstand  1528 — 1532.  AufGrund  archival iscber 

Forschungen.     Miinchen,  Tbeodor  Ackermann   1906.   VIII  und 

559  8.  —   10  Mk. 

Man  hat  verhaltnismaBig  friih  angefangen,  den  Markgrafen  Georg 
von  Brandenburg  literarisch  zu  wtirdigen.  Bechnet  man  die  Spezial- 
arbeiten  iiber  einzelne  Partieo  seines  Lebensmithinzu,  so  gibt  es  uber  ihn 
schon  eine  nicht  kleine  Literatur.  Aber  daB  wir  gleichwohl  verhaltnlsmaBig 
wenig  tiber  ihn  und  seine  allgemeine  Bedeutung  gewuJBt  haben,  ergibt 
das  jetzt  vorllegende  ausgezeichnete  Buch  Schornbaums.  Und  das  ko^nte 
nicht  anders  sein.  Denn  zum  ersten  Male  erhalten  wir  unter  ansgiebigster 
BenutzuDg  des  bisLer  bekannten  Einzelmaterials  eine  Darstellung  auf 
Grund  derAkten,  die  in  diesem  Urn  fang  von  keinem  bisher,  der  sich  mit 
den  einschlagigen  Fragen  beschaftigt  hat,  vorgenommen  worden  ist.  — 
Der  Verf.  nennt  sein  Werk  bescheidentlich  „Zur  Politik  des  Markgrkfen 
Georg**.  Das  soil  wobl  andeuten,  daiB  er  nur  einen  Teil  der  vielseitigen 
Politik  zu  geben  versprechen  will.  Soweit  ich  urteilen  kann,  umfafit  seine 
Arbeit  alles  das,  was  in  dem  ^betreffenden  Zeitabschnitt  iiberhaupt  aus 
der  Politik  des  Markgrafen  Georg  geschiehtlich  bedeutsam  ist.  Aber  es 
ware  falsch  zu  meinen,  dafi  wir  es  hier  nur  mit  der  Politik  des  kleinenMark- 
grafentums  im  engeren  Sinne  zu  tun  batten.  Jeder  Kenner  der  Verhalt- 
nisse  weiB,  dafi  eine  solche  Isolierung  unmoglich  ist,  und  sie  auch  nur 
versuchen  zu  wollen,  ein  stUmpcrhaftes  Unternehmen  ware.  Das  nachst- 
liegende,  was  vor  allem  ins  Auge  zu  fassen  war,  war  die  Politik  Niirn 
bergs  im  gleichen  Zeitraum.  Trotz  der  durch  die  territorialen  Verhalt- 
nisse  gegebenen,  teilweise  sehr  scbarfen  Gegensatzlichkeit,  oder  gerade 
deshalb  waren  die  beiden  Nachbaren  Brandenburg  und  Nurnberg  immer 
darauf  angewiesen,  aufeinander  zu  achten,  und  zu  den  wichtigsten  Partien 
des  Buches  gehSrt  der  Nachweis  des  Verfassers,  wie  die  kirchliche  Frage, 
freilieh  auch  die  driickende  Finanznot  Georgs  (S  39  u.  ofter)  unter  jahre- 
langen  Verhandlungen  die  friiheren  Gegensatze  ttberbriicken  hilft  und  die 
beiden  Nachbaren  in  ibrer  Stellung  zam  Kaiser,  zum  schmalkaldischen 
Bunde  und  in  der  gemeinsamen  Eirchenordnung  fortan  geschlossen  zu- 
sammengehen.  Und  nach  Schornbaums  sorgfaltigem  Eingehen  auf  die  von 
so  vielen  Faktoren  bestimmte  Politik  des  Nurnberger  Rats  wird  man 
fortan  nicht  liber  die  Stellung  Nurnbergs  in  der  grofien  Frage  des 
16.  Jahrbunderts  handeln  konnen,  ohne  sich  durch  ihn  belehren  zu  lassen. 

1)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbucbhandlung  Fr.  Junge  in  Erlangen. 


188  Zur  Bibliographie. 

Urn  nnr  dieses  eine  zu  erwahnen,  so  gewinnt  man  jetzt  noch  mebr  als 
man  dies  frtiher  EDnehmen  konnte,  die  Gewifiheit,  daB  der  fromme,  aber 
staatskluge  nnd  vor  allem  aber  immer  sehr  vorsichtige  Lazarus  Spengler, 
obwohl  er  nach  aufien  nicht  so  bervortritt,  da  die  Baumgartner  and  Kress 
die  Reprasentanten  sind,  recht  eigentlich  die  Seele  der  Ntirnberger  Politik 
ist,  namentiich  mit  seinem  Gegeneatz  gegen  die  Zwinglianer  und  Ober- 
lander  und  in  der  Frage  nach  der  i^erechtigung  des  Widerstandes  gegen 
den  Kaiser.  Aber  das  Erwahnte  ist  nur  ein  kleiner  Teil  der  branden- 
burgischen  Politik.  Dazn  kommt  das  Verhaltnis  zn  den  benachbarten 
Bischofen,  dem  scbwabischen  Bunde,  und  neben  den  Kampfen  um  die 
Bchlesiscben  und  ungavischen  Besitztiimer,  die  Stellnng  zu  den  Bftndnis- 
bestrebungen  der  Stadte  und  mit  Hessen  und  Sachseu.  Und  tibersiebt 
man  das  Ganze,  so  darf  man'sagen:  Scbornbaums  Bucb  ist  eine  Dar- 
stellung  der  Politik  der  stiddentscben  evangelisch  gesinnten 
Stande  in  der  kirchlichen  Frage,  be!  der  nicht  ohne  Grand  der 
Markgraf  Georg  Grund  in  den  Mittelpunkt  gestellt  wird,  denn  seine  bei 
allem  Lavieren  zahe  Hal  tang  war  von  bei  weitem  grofierer  Bedentung 
fiir  die  Reformation,  als  man  frtiber  angenommen  bat,  freilich  bei  seiner 
mIt  Nlirnberg  gegen iiber  dem  schmalkaldiscben  Bunde  festgehaltenen 
Sonderstellang  auch  in  mancher  Beziehung  hemmend  fUr  die  politische 
Machtentwicklung  des  Protestantismus.  Das  lehren  uns  von  neuem  die 
wichtigen  Kapitel  Uber  den  Tag  von  Schmalkalden  S.  158  ff.,  Markgraf 
Georg  und  der  schmalkaldische  Bund  S.  174  ff.,  der  Tag  von  Schweinfurt 
S.  199  if.  und  der  Ntirnberger  Anstand  S.  219  ff.,  in  welcben  Absebnitten 
der  Verf.  zu  dem  aus  dem  trefflicben  Buche  von  0.  Winkelmann  (der 
schmalkaldische  Bund  1530—1532  and  der  Ntirnberger  Religionsfriedei 
Strassburg  1892)  Bekannten  sehr  viel  Neues  beizabringen  bat.  —  Bei  dieser  not- 
wendig  in  den  Vordergrund  gerUckten  au^eren  Politik  kommt  doch  die 
innere  Politik  nicht  zu  kurz:  allerdings  hat  da  der  Verf.  seiner  Hauptaufgabe 
entsprechend  viele,  namentlich  kirchengeschichtlich  interessante  Einzel- 
heiten  in  seine  umfangreichen  Anmerkungen  am  Schlufi  verwiesen,  aber 
ich  glaube  kaum,  daB  wir  Uber  die  Finanzlage,  das  Beamtenwesen,  die 
Stellnng  der  Landstande,  die  inneren  Gegensatze  etc.  irgend  eines  Landes 
(auBer  etwa  Bayern)  so  gut  unterrichtet  sind,  wie  das  nunmehr 
iiber  das  Markgrafentum  Brandenburg  der  Fail  ist;  und  eben  diese  tranrigen 
Yerhaltnisse,  namentlich  die  fast  erdrCickende  Schuldenlast,  dieses  Schwer- 
gewicht,  das  sich  an  alle  Plane  Georgs  hangte,  lassen  uns  vieles  erst 
richtig  verstehen.  Soweit  mir  bekannt,  erhalten  wir  auch  erst  durch 
ISchombaum  einen  klaren  Einblick  in  die  kirchlichen  Parteigegensatze  im 
Lande  und  in  den  Beamtenkreisen  und  den  letztlicb  dadurch  bedingten 
Sturz  des  Kanzlers  Vogler  (S.  182  f.),  und  L.  von  Gendorf,  der  bei  alledem 
eine  so  hervorragende  Bolle  spielte,  war  bisher  eine  fast  nnbekannte 
Personlichkeit.  Die  auf  CTrund  der  spater,  erst  im  Jahre  1534  gemachten 
Aussage  Spenglers  (vgl.  M.  M.  Mayer,  Spengleriana  154 f.)  von  Veesenmeyer 
(kleinere  Beitrage  zur  Gesch.  des  Reichstags  zu  Augsburg  S.  34)  und 
anderen  verfochtene  Behauptung  der  wesentlichen  Schuld  Seb.  Hellers  an 
dem  Sturze  Voglers  schrankt  Schornbaum  vielfach  ein,  gibt  aber  zu, 
daB  das  Verbalten  Hellers  „noch  sehr  der  Aufklarung"  bedarf.  Dazn 
m($chte  ich  bemerken,  daB  Spengler  oifenbar  seine  Kunde  in  erster  Linie 
von  Vogler  selbst  hatte,  und  daB  dieser,  der  kaum  genaue  Nachricht  von 
den  Intrignen  der  bei  Georg  in  Schlesien  sich  aufhaltenden  Rate  haben 
mochte,  sehr  wohl  dazn  kommen  konnte,  in  Heller  seinen  Feind  zu  sehen, 
als  dieser  sich  von  der  ursprUnglichen  Solidaritat  der  Ansbacher  Rate 
(vgl.  S.  193)  trennte  und  ihn  damit  im  Stich  liefi,  dann  sein  Nachfolger 
wurde  und  vielfach  andere  Wege  einschlug. 

Und  nun  zur  Hauptsache.    Schornbaum   hat   die  Politik  Georg  des 
Frommen  geschrieben,  and  er  hat  sie,  was  kein  Tadel  sein  soil;  nicht  als 


Ziu-  Bibliographie.  189 

Kirchenhistoriker,  sondern  vom  Standpnnkte  des  allgemeinen  Histprikers 
behandelt;  er  ist  nirgends  darauf  ausgegangen,  den  Vielgeschmahten  zu 
retten  oder  die  Berechtigung  des  Beinamens  dee  nFrommen**  zu  erweisen, 
aber  wer  das  Kesultat  zu  ziehen  versteht,  der  wird  den  Eindruck  ge- 
winnen,  dafi  speziell  auch  die  PersOnlichkeit  des  Markgrafen  durch  diese 
rein  historische  Darstellung  unendlich  viel  gewonnen  hat.  Markgraf  Georg 
war  kein  bedentender  Mann,  seine  Politik  hat  nichts  Groi^ziigiges  und 
kann  sich  mit  der  eines  Philipp  von  Hessen  nicht  vergleichen,  aber  als 
religiOser  Charakter  steht  er  in  der  vordersten  Reihe  der  Fiirstengestalten 
der  Reformation.  Das  lafit  sein  Briefwechsel,  wie  er  hier  in  erschcJpfender 
Weise  verwertet  worden  ist,  allenthalben  erkennen.  Die  so  oft  an  ihn 
herangetretenen  Lockungen,  sich  durch  Nachgiebigkeit  in  der  religi()sen 
Frage  von  der  Schuldenlast  zu  befreien  und  seine  Macht  und  sein  Besitz- 
turn  zu  yergrt)fiern,  hat  er  immer  durch  den  Hinweis  auf  die  Pflicht,  an 
der  erkannten  evangelischen  Wahrheit  festzuhalten,  zurtickgewiesen. 

Endlich  ist  noch  eines  zu  erwabnen.  Neben  dem  darstellenden  Teil, 
den  jeder  mit  Genufi  lesen  wird,  hat  der  Verf.  in  seinen  200  Seiten  um- 
fassenden  Anmerkungen  und  Nachweisen  eine  grofie  Fiille  neuen  Materials 
zusammengetragen  und  abgedruckt.  Man  konnte  vielleicht  dariiber  streiten, 
ob  da  nicht  des  Guten  zu  viel  geschehen  ist,  aber  der  gewohnliche  Leser, 
das  m6chte  ich  ausdriicklich  bemerken,  —  hat  nicht  nOtig,  sich  darein 
zu  vertiefen,  denn  die  Darstellung  ist  .tiberall  auch  ohne  die  Belegstellen 
verstandlich,  und  der  Forscher  wird  sehr  dankbar  daflir  sein,  denn  er 
findet  hier  so  vieles,  worauf  der  Verf.  nicht  vorher  eingehen  konnte,  und 
was  doch  ftir  die  weitere  Forschung  von  grol^er  Wichtigkeit  ist, 
und  schwerlich  wird  sobald  wieder  jemand  in  der  Lage  sein,  in  diesem 
Umfang  die  Akten  jener  Zeit  zu  durchforschen,  wie  das  Schornbaum  mit 
unermlldlichen  Fleifi  getan  hat;  und  was  da  in  Anmerkungen  gesammelt 
ist,  wird  fur  lange  Zeit  eine  sehr  ergiebige  Fundgrube  sein,  an  der  ohne 
Schaden  kein  spaterer  Forscher  voriibergehen  darf.  So  sei  denn  das 
sch(jne  Buch  alien  Freunden  der  Geschichte  Frankens  und  der  Reformation 
aufs  wannste  empfohlen. 

*Barge,  Hermann.  Andreas  Bodenstein  von  Karlstadt.  I.  Teil^): 
Karlstadt  und  die  Anfange  der  Reformation.  Lisipzig  (Friedrich 
Brandstetter).  1905.  XII  und  500  S.  10  Mk. 
Im  Jahre  1856  erschien  die  letzte,  viel  benutzte  Monographic  iiber 
Karlstadt  von  C.  F.Jaeger  (Stuttgart,  Rudolf  Besser).  Dafi  dieses  Werk, 
das  kaum  zur  Zeit  seines  Erscheinens  geniigen  konnte,  heute  vollig  ver- 
altet  ist,  war  langst  allgemein  anerkannt.  Wir  fassen  die  Probleme  jetzt 
anders  auf,  und  die  ganze  reforuiationsgeschichtliche  Forschung  ist  eine 
andere  geworden.  Jaeger  waren  langst  nicht  alle,  fveilich  zum  Teil  sehr 
schwer  erreichbaren  Schriften  Karlstadts  bekannt  geworden;  archivalische 
Forschungen,  ohne  welche  wir  uns  derartige  Arbeiten  heute  nicht  denken 
konnen,  hat  er  nicht  unternehmen  kdnnen  (wobei  Ubrigens  bemerkt  sein 
mag,  dafi  auch  noch  Kostlin  seine  Lutherbiograpbie  ohne  solche  unter- 
nommen  hat,  und  auch  in  den  spateren  Auflagen  nnr  die  archivalischen 
Ergebnisse  anderer  verarbeitet  sind).  Da  man  um  die  Mitte  des  19.  Jahr- 
hunderts  den  Ubergangen  von  der  Scholastik  zur  Reformation  noch  wenig 
nachgegangen  war,  auch  die  literarischen  und  kirchlichen  Zustande  beim 
Beginn  des  16.  Jahrhundeits  noch  zu  wenig  erforscht  hatte,  blieb  der 
Entwickluugsgang  Karlstadts  unklar  und  muBte  unklar  sein.  Zudem 
waren  die  langen  Jahre  seit  der  Vertreibung  Karlstadts  aus  Sachsen  bis 
zu  seinem  Tode  auf  wenigen  Seiten  erledigt  worden,    well  der  Verfasser 

^)  Inzwischeu  ist  auch  der  zweite  (SchluBband)  erschienen,  der  mir 
aber  nicht  zur  Besprechung  zugegangen  ist. 

Beitrage  aur  bayer.  Kirchengeschichte  XII,  4.  1  Q 


190  Zur  Bibliographie. 

dariiber  nichts  wu6te.  Eben  deshalb  babe  ich  selbst  lange,  lange  Zeit 
zu  einer  neuen  Biographie  Karlstadts  eeine  Scbriften  nnd  sonstiges  nrkund- 
liches  nnd  Briefmaterial  gesammelt  und  babe  die  Arbeit  erst  endgttltig 
aufgegeben,  als  ich  von  dem  Plane  Barges  erfahr,  von  dem  man  das 
beste  erwarten  dnrfte.  Und  mit  bewnndemngswttrdiger  Energie  ist  der 
Verf.  an  seine  Anfgabe  gegangen.  Was  una  jetzt  vorliegt,  ist  das  £r- 
gebnis  langer,  sehr  mtihsamer  Forschangen  nnd  Vorarbciten,  unter  denen 
die  Yon  Barge  in  Verbindnng  mit  E.Freys  im  Zentralblatt  ftir  Bibliotheks- 
wesen  1904  hergestellte  Bibliograpbie  der  Scbriften  Karlstadts  als 
glanzendes  Zengnis  deutscben  Gelehrtenfleifies  in  ersterLinie  hervorzuheben 
ist.  Und  anch  sonst  hat  der  Verf.  zur  Anfklarung  des  Lebens  Karlstadts 
und  der  Beformationsgeschichte  Uberhanpt,  namentlich  aber  der  Ent- 
stehung  der  Scbriften  Karlstadts  aus  alten,  fast  vergessenen  Scbriften, 
besonders  aber  aus  dem  nnerschdpflichen  Archive  zn  Weimar  eine  solche 
Fttlle  neuen,  wertvollen  Materials  zusammengebracht)  daB  man  dafiir 
nicht  dankbar  genug  sein  kann,  nnd  sein  Werk  nach  der  literarhistorischen 
Seite  ein  ausgezeichnetes  genannt  werden  mufi. 

Zu  meinem  Bedauern  kann  ich  das  gleiohe  Urteil  tlber  das  Gesamt- 
werk  nicht  fallen.  Der  Verf.  verwahrt  sich  in  dem  Vorwort  dagegen,  sich 
bemlibt  zu  baben,  „eine  persQnIicbe  Ehrenrettung  seines  Helden  zu  unter- 
nehmen**.  Das  hat  er  gewiB  nicht  gewoUt,  aber  in  dem  Bestreben,  seinem 
Helden  gegen  die  Darstellung  Jaegers,  gegen  den  er,  was  sich  nicht  gut 
macht,  fortwahrend  polemlsiert,  zu  seinem  Becbte  zu  verhelfen  und  seine 
SelbsUindigkeii  und  vielfach  unterschatzte  Bedeutung  zu  zeigen,  ist  er 
tatsachlich  doch  zu  einem  Better  Karlstadts  geworden.  Das  zeigt  sich 
sogleich  in  den  ersten  Kapiteln,  wo  m.  E.  der  EinfluB  Karlstadts  auf 
die  Wittenberger  Gemeinde  und  das  kirchliche  Leben  in  Orlamtinde  nnd 
den  umliegenden  DSrfern  sehr  tiberschatzt  wird.  Sein  Eingreifen  in 
die  Orlamiinder  Yerhaltnisse  erstreckt  sich  doch  zumeist  auf  Geldfragen, 
derentwegen  er  sogar  seinen  Yikar  exkommanizieren  kann  (S.  58),  und 
bei  der  Sorge  des  Kurfttrsten,  die  Domherren  konnten  als  Professoren 
es  so  ansehen,  daO  sie  nvogelfrei  und  aller  Burden  in  den  Kirchen  uberig 
sein**  {II,  527)  ist  es  sehr  fraglich,  ob  K.,  da  wir  von  seiner  Predigttatig- 
keit  vor  Luthers  Auftreten  meines  Wissens  gar  nichts  boren,  itberhaupt 
seiner  Predigtverpflichtung  ernstlich  nachgekommen  ist.  In  seinem  unbe- 
woBten  Streben,  Karlstadts  Handeln  zu  idealisieren,  oder  wie  man  heute 
80  gem  zu  sagen  pflegt,  auf  psychologischem  Wege  zu  analysieren,  weiB 
der  Verf.  haufig  mehr,  als  wir  wissen  konnen.  Seine  Beiichterstattung 
iiber  die  Schrift  „De  scripturis  eanonicis"  leitet  er  ein  mit  der  ganzen 
unvermittelten  Bemerkung:  „Ein  Gegengewicht  gegen  starke  innere  Auf- 
regungen  fand  Karlstadt  in  gelebrten  Studien  tiber  den  Kanon  der  heiligen 
Schrift"  S.  185.  Woher  weiB  das  der  Verfasser?  Wenn  K.  einmal  eine  Zeitlang 
nichts  schreibf,  daun  bat  „er  der  ernsten  Vertiefung  seiner  Anschanung 
gelebt"  S.  180,  oder  um  .,in  stiller  Sammlung  Kraft  zu  TatBn  finden* 
S.  225.  „Wahrend  der  grofien  Wormser  Tage  hielt  er  sich  Still e.  Gerade 
sein  Schweigeri  in  der  langen  Zeit  vom  November  1520  bis  Ende  Juni 
1.521  lafit  auf  eine  hochgradige  Anspannung  aller  seelischen  Krafte  schlicBen**, 
so  lesen  wir  S.  244,  wahrend  wir  auf  S.  246—248  erfuhren,  daB  Karlstadt 
sehr  wichtige  Thesen  im  Marz  1521  ansgehen  lieB,  und  seine  relative 
Zuriickhaltung  sich  wohl  eher  daraus  erklaren  wird,  daB  er  den  Gang 
der  Ereignisse  abwarten  wollte.  Aber  auf  S.  349  werden  wir  wieder  be- 
lehrt,  daB  die  Tage  (von^Ende  Oktober  bis  Ende  November  1521),  in  denen 
Karlstadt  nicht  in  die  Offentlichkeit  trat,  Tage  der  Sammlung  waren,  in 
denen  er  unablassig  beschaftigt  war,  sich  ein  festes  Urteil  Uber  die  tSg- 
lich  hoher  schwellende  religiose  Erregiing  der  GemUter  zu  bilden  etc. 
S.  349.  Das  und  ahnliches  sind  alles  baltlose  Vermutungen.  Sie 
waren  gleichgiiltig,    wenn  sie  nicht  im  engsten  Zusammenhange  stilnden 


Zur  Bibliographie.  191 

rait  der  Vorstellung  von  Karlstadts  Charakter  und  Bedeutung.  Obwohl  B. 
noeh  neues  wertvolles  Material  dafUr  beibringt,  dafiE.  erst  durch  Lather 
zum  Augudtinismus,  zum  Abfall  von  der  Scholastik  und  znm  Biblizismas 
gekommen  ist,  i8t  K.  nach  ihm  doch  immer  vorangegangen  in  der  Elar- 
heit  und  folgeriehtigen  Erfassung  der  reforihatoriscben  Prinzipien.  So  in 
der  Bekampfung  des  Aristoteles  (S.  86),  in  dem  Proteste  gegen  die 
berrschende  Praxis  des  Heiligendienstes  S.  103,  der  Verwerfung  des 
Augustinischen  Eanons  etc.,  was  der  Verf.  nicht  hatte  schreiben  kOnnen, 
wenn  er  sicb  erinnert  hatte,  dafi  Luther  schon  in  seinen  Predigten  von 
1516  (vgl.  Th.  Eolde,  M.  Luther  I,  100)  so  dartiber  gepredigt  hat,  dafi 
Earlstadts  Auslassungen  direkt  darauf  zurUckzufubren  sein  werden,  oder 
da6  Luther  bereits  in  Leipzig  beim  Eampf  um  das  Fegefeuer  mft  direkter 
ZurUckweisung  Augnstins  die  Bticher  der  Makkabaer  als  unkanonisch 
zurUckgewiesen  hatte  (Luthers  Werke,  Weimarer  Ausg.  II,  324  u,  329. 
Und  vieles  andere  wiirde  der  Verf.  nicht  auf  E.  zuriickgefUhrt  haben^ 
wenn  er  in  gleicher  Weise  wie  dessen  Werke  Luthers  Werke  studiert 
hatte,  dann  wiirde  ihm  z.  B.  anch  nicht  die  Forderung,  die  Bruderschaf ten 
abzusohaffen,  Uberraschend  vorkommen  S.  355;  denn  Lather  hatte  schon 
1516  dagegen  gepredigt  (Th.  Eolde  I,  100)  und  im  Sermon  von  dem  hoch- 
wiirdigen  Sakrament  des  heiligen  wahren  Leicbnams  Christ!  und  ^von 
den  Bruderschaften'*  (vgl.  ebenda  S.  219).  Und  wie  viel  es  in  den 
Fordernngen  der  Wittenberger  und  Earlstadts  ist  direkt  Luther  ent- 
nommen,  oder  hat  Earlstadt  seine  Schriften  nicht  gelesen?  —  VSUig  nn- 
richtig  erscheint  mir  die  Behandlung  der  wichtigen  Frage  nach  dem 
Werden  der  allmahlichen  Spannang  in  dem  VerhUltnis  mit  Lather.  Wenn 
B.  S.  180  schreibt,  Earlstadt  spreche  bis  in  das  Jahr  1522  von  Luther 
in  Ausdrflcken  der  Hochachtung,  so  ist  mir  das  angesichts  der  Schrift 
De  Canonicis  scripturis  unverstandlich,  Barge  muBte  sich  denn'  darauf 
zurUckziehen  wollen,  daO  bei  den  Angriffen  auf  Lather  sein  Name  nicht 
genannt  wurde.  Dab  E.  scbon  damals  theologisch  und  dogmatisch  ganz 
anders  stand  als  Luther,  zeigt  jede  Seite  der  genannten  Schrift,  aber 
die  selbstbewufite,  auf  Luther  als  ,,den  guten  Priester**  herabblickende, 
die  ganze  Abhandlung  durchziehende  Polemik,  lai3t  deutlich  erkennen, 
da6  es  ihm  nicht  nnr  um  die  Wahrnng  seiner  eigenen  Position  zn  tun  ist, 
sondern  darum,  Luther  herabzusetzen  und  seinen  EinfluB  herabzumindern ; 
und  der  Vorwurf ,  dafi  Luther  wohl  deahalb  so  abachiitzig  uber  den 
Jakobusbrief  urteile,  am  ihm  die  Zuhorer  zu  entziehen,  war  trotz  der 
Milderungsversaehe  Barges  wohl  aach  schon  damals  das  schnodeste,  was 
etn  Fakultatsgenosse  gcgenUber  dem  andern  behaupten  konnte.  Und  es 
zeigt  Luthers  Gr5i)e,  dafi  er,  soweit  mir  bekannt  ist,  auf  diesen  plnmpen 
Angriff  gar  nicht  antwortete.  Freilich,  und  darin  vermute  ich  ein  weiteres 
Moment  der  Entfremdung,  konnte  Earlstadt  dies  auch  wieder  als  Gering- 
schatzung  aaslegen.  —  Barge  erklart,  die  bisherigen  Darsteller  waren 
bei  der  Zeichnung  der  Vorgange  des  Jahres  1521,  soweit  E.  in  Betracht 
kommt,  gencitigt  geweseo,  Jagers  tendenzi58e  Darstellung  zugrunde  zu 
legen  S.  295.  Daraufbin  habe  ich  das,  was  ich  auf  Grand  sehr  eingehenden, 
selbstandigen  Quellenstudiums  iiber  Earlstadt  und  seinen  ElnflujQ  auf  die 
ganze  Entwicklung  in  meinem  Luther  Bd.  II,  S.  13  ff.  niedergeschrieben 
habe,  noch  einmal  ernstlich  geprtift,  kann  aber  aufier  dem  bedauerlichen 
lapsus  calami,  da6  ich  Earlstadts  Fraii  (S.  34)  nhtibsch**  genannt  habe, 
wahrend  die  Quelle  sie  als  „nit  fast  hUbsch'^  bezeichnet,  nichts  davon 
zuriicknehmen  and  ich  mufi  mich  zn  meinem  Bedauern  da  gegen  die  Gesamt- 
anffassang  Barges  erklaren.  S.  351  wird  die  lutherische  Lehre  von  der 
Sftndenvergebung,  der  Earlstadtschen  von  der  alleinigen  Wirksam- 
keit  der  Gnade  gegeniibergestellt.  Diese  Formulierung  balte  ich  fUr 
vSllig  verkehrt,  ebenso  die  Ausfiihrungen  ilber  den  durch  Earlstadt  ver- 
mitteiten,   der  „luth6ri8chen  Theologie  korrespondierenden  Typus    volks- 


192  Zur  Bibliographie. 

tiimlicher  Frommigkeit"  des  tt^aienchristlicheu  PuritaniBiDTis".  Dieses  fUr 
jene  Zeit  gar  nicbt  passende,  aber  sehr  beqneme  Schlagwort  wird,  wie 
ich  ftlrchte,  dieselbe  Verwirrung  anrichten  wie  L.Kellers  n&ltevaogeliscfae 
Gemeinden'*.  Soweit  ich  ui'teilen  kann,  handeli  es  sich  nicbt  so  sehr  daram, 
^dafi  der  von  der  Wahrheit  des  Evangeliums  durchdrungenen  Masse  sich 
die  Heiligung  des  Wandels  —  als  wesentliches  Ergebnis  de6  refer- 
matorischen  Glaubenslehre  darstellte'^  S.  351,  sondern  die  schon  vor 
Karlstadts  praktisch-reformatorischem  Eingreifen  mit  dem  Abwerfen  des 
Colibats  begianende  Entwicklung  ist  nor  zu  wUrdigen  unter  dem  Gesichts- 
pnnkty  dafi  man  endlich  einmal,  nacbdem  soviel  von  der  christiicben  Frei- 
heit  geschrieben  und  gepredlgt  worden  war,  von  der  christiicben  Freiheit 
Gebrauch  macben  wollte  (vgl.  Tb.  Kolde,  M.  Luther  II,  12 ff.)*  ^^  iBt 
unberecbtigt,  in  den  Artikein  der  Wittenberger  Gemeinde  vom  Dezeniber 
1521  ndem  Produkt  der  5ffentlicben  Meinung^,  eine  neneEpoche  anbrecben 
zu  lassen.  Das  Keue,  was  .aber  nach  dem  bisberigon  Entwicklungsgange 
selbstverstandlicbwar,  ist,dafi,  nacbdem  da sStift,  dieUniver8itat,<^eMoncbs- 
orden  zu  der  ganzen  Frage  Stellung  genommen  batten,  dies  nun  aucb 
der  Bat  der  Stadt  tat.  Anders  Barge.  Ibm  sind  jene  secbs  Forderungen, 
die  tatsachlicb  Wiederholung  von  Forderungen  sind,  die  Luther  langst 
als  notwendig  oder  wunschenswert  bingestellt  hatte,  „die  Geburtsstuude 
des  evangeliscben  Pnritanismus'*.  Und  „die  Wogen  der  jnng  erstarkenden 
Massenstimmung*  —  Wittenberg  zablte  damals  etwa  2000  Einwobner  — 
flSehlugen  in  dleEreise  der  Gebildeten  zurtick*'.  ^Vor  allem  iiben  sie  anf 
Karlstadt  die  starkste  Wirkung  aus'',  der  sie  als  „aus  gottlicbem  Geiste 
geboren**  erkennt  und  „8ich  nunmebr  freudig  in  ibren  Dienst  stellt''  S.  353, 
wabrend,  so  wird  spater  S.  435  gesagt,  „Luthers  Freunde  nicbt  in  innigem 
Eontakt  mit  dem  Volksempiinden  standen".  „Nacbdem  die  Laien  ibrTun 
ausschliefilicb  durcb  die  g6ttlichen  Gebote  bestimraen  liefien,  durfte  er 
nicbt  zarilcksteben<*  S.  353.  Das  schreibt'  ders.Verf.,  der  S.  173  berichtet, 
daB  K.  schon  am  Anfang  des  Jahres  1520  mit  „dem  religi&sen  Appell 
an  die  Masse"  begonnen  bat,  der  mit  Becht  auf  den  berUhmten  Eintrag 
Karlstadts  ins  Dekanatsbuch  (Forstemann,  Liber  Deoanorum  S.  26)  vom 
Oktoberl521binweist,  und  ansdessen  eigenerDarstellung  jedermann  beraus- 
lesen  mufi,  dal3  es  eben  Karlstadts  Auftreten  und  Predigtweise  war,  der 
das  offizielle  Miteintreteu  des  Hats  in  die  Bewegung  gezeitigt  hat.  Und 
bat  K.  nicbt  bei  der  Disputation  vom  17.  Oktober  gerade  zu  den  Witten- 
berger Rat  dazu  aufgerufen  (S.  354)?  Bichtig  ist  freilich,  da6  derselbe 
K.,  der  soeben  noch  selbst  binter  einem  Melanebtbon  an  Tatenfrendigkeit 
zuriickstand,  nunmebr,  als  er  seine  Gedanken  vom  Magistrat  oder  „der 
5ffentlicben  Meinung''  angenommen  sieht,  die  Ftihrung  tibernimmt,  denn 
er  hatte  erreicht,  was  er  wollte.  Die  Tendenz  des  Verf.  liegt  bier  offen 
zutage:  Karlstadt  soil  entlastet  werden^  Nur  um  die  Menge  zu  be- 
ruhigen,  soil  er  vorgegangen  sein.  Dagegen  vgl.  man  das  Urteil  Magen- 
buchs  K.G.  XXII,  127.  Allein  ich  mu0  abbrechen,  und  mufi  es  mir  ver- 
sagen,  an  dieser  Stelle  mich  mit  den  bedauerlicben,  am  Ende  des  Bandes  sieh 
haufenden  Ausfallen  gegen  Luther,  der  mit  „ einem  Ochsenfart  an  einem 
Strange  ziebf",  „der  fast  als  Mandatar  des  Reichsregiments  auftritf* 
(S.  438)  und  die  Genossen  vergewaltigt",  auseinanderzusetzen.  Vielleicht 
finde  icb  Zeit  und  Gelegenbeit,  das  Kapitel  „Karlstadt  und  Luther**, 
das  mehr  als  je  der  Neubearbeitung  bedarf,  anderswo  im  Zusammen- 
hange  zu  bebandeln.  Fur  jetzt  kann  icb  nur  noch  einmal  bedauern,  dafi 
der  von  mir  hocbgeschatzte  Verf.,  dessen  Buch  in  vieler  Beziehung  eine 
wesentlicbe  Forderung  der  reformationsgeschichtlichen  Einzelforscbung 
bedeutet,  gerade  ftir  Luthers  Bedeutung  und  das  Wesen  seiner  Reformation 
ein  so  geringes  Verstandnis  zeigt,  wie  es  namentlicb  aucb  die  zusammen- 
'  fassenden  ScbluBbemerknngen  des  ersten  Bandes  erkennen  lassen. 


Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim. 

Yon  Badolf  Herold, 

Dekan  in  Windsbeim. 

Die  mittelfrankische  Stadt  Windsheim  ist  eine  kleine  Stadt 
und  hat  doch  sowohl  in  allgemeiner  als  in  kirchlicher  Be- 
ziehung  eine  sehr  beach  ten  swerte  geschichtliche  Entwicklung 
hinter  sich.  Ursprtinglich  eine  villa  regia,  welche  zum  1.  Male 
urkundlich  schon  in  dem  Stiftungsbriefe  des  Bisturas  Wlirzburg 
a.  740  erwahnt  wird,  wurde  Windsheim  bereits  unter  Kaiser 
Heinrich  I.  (a.  919— 936)  znr  Stadt  erhoben.  Unter  geschickter 
Beniitznng  der  Verhaltnisse  und  der  Gunst  der  deutschen  Kaiser 
erwarb  sich  Windsheim  sehr  bald  reichsstadtische  Freiheiten 
und  wahrte  sich  dieselben  unter  manchmal  schweren  Kampfen 
und  Opfern,  bis  die  Staatsumw^lzung  des  19.  Jahrhunderts  auch 
fur  Windsheim  eine  neue  Ordnung  der  Dinge  brachte,  durch 
welche  die  Stadt  dem  Konigreiche  Bayern  einverleibt  wurde. 

Dieser  aufieren  Entwicklung  der  Stadt  entspricht  ihre  Be- 
deutung  in  kirchlicher  Beziehung.  Schon  im  14.  Jahrhundert 
gehorten  zum  Ruralkapitel  Windsheim  74  Pfarreien  mit  108  Geist- 
lichen;  es  waren  im  wesentlichen  Pfarreien,  welche  jetzt  zu 
den  Dekanaten  Windsheim,  Neustadt  a.  A.,  Leutershausen  und 
Rothenburg  o.  T.  gehoren^).  Diese  Ordnung  der  Dinge  blieb, 
bis  die  Reformation  mit  ihren  Umwalzungen  kam.  Die  Refor- 
mation fand  in  Windsheim  sofort  die  regste  Teilnahme.  Schon 
a.  1521  machte  der  Rat  Versuche,  einen  evangelischen  Pfarrer 
zu  gewinnen.  A.  1524  fand  in  Sacheh  der  Reformation  einvom 

1)  Vgl.  die  Aufzahlung  der  am  Beginn  der  Beformationszeit  zam 
Kapitel  Windsheim  geb(5rigen  Kapitel,  Pfarreien  und  Kuratien  bei 
K.  G.  Scharold,  Dr.  Martin Luthers  Reformation  in  nachster  Beziehnng 
auf  das  damalige  Bistnm  Wiirzborg,  WUrzbnrg  1824,  Beilagen  S.  VII. 
(Anm.  d.  Bed.) 

Beitrage  zur  bayer.  Kircbengeschichte  XII.  5.  ^Q 


194  Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim. 

Markgrafen  Kasimir  in  Ansbach  veranlaBter  Konvent  ver- 
schiedenerFiirsten,  Grafen  undHerrn  der  Umgegend  und  mebrerer 
Reichsstadte  in  Windsheim  statt.  Das  Augustinerkloster  wurde 
schon  a.  1525  dem  Rate  iibergeben.  Die  Confessio  Aagustana 
unter25eichnete  der  Blirgermeister  Hagelstein  a.  1530  mit  zwei- 
tagiger  Verspatung,  welche  durch  die  Umstande  seiner  Reise 
veranlaBt  war.  Der  markgr^fliche  Kanzler  Georg  Vogler, 
welcher  ffir  die  Einflihrung  der  Reformation  in  der  Markgraf- 
schaft  Ansbach  so  uberaus  tatig  war,  suchte  und  fand  in  Winds- 
heim Zuflucht,  als  er  bei  seinem  Herrn  in  Ungnade  fiel;  seine 
deutsche  Bibel  mit  einer  eigenhandigen  Widmung  Lathers  und 
mit  einem  farbigen  Lutherbilde  von  der  Hand  Kranachs  liegt 
noch  auf  der  stadtischen  Bibliothek.  Im  SOjahrigen  Kriege 
sah  die  Stadt  so  ziemlich  alle  geschichtlichen  GroUen  jener  Zeit 
mit  Ansnahme  Wallensteins  in  ihren  Mauern  und  hat  Furcht- 
bares  flir  die  evangelische  Sache  gelitten.  Das  ist  eine  kirch- 
liche  Vergangenheit,  welche  beachtenswert  ist,  und  deren  Ge- 
dachtnis  das  in  der  Protestationskirche  zu  Speyer  angebrachte 
Windsheimer  Stadtwappen  mit  Recht  festhalt. 

Von  besonderem  Einflusse  auf  diese  kirchengeschichtliche 
Entwicklung  waren  selbstverstandlich  die  jeweiligen  Kirchen- 
patronatsverhaltnisse,  welche  im  Laufe  der  Zeiten  mancherlei 
Wechsel  erfuhren.  Eine  Baupflichtsrecherche  in  Sachen  der 
prot.  Stadtkirche  zu  Windsheim  gab  Veranlassung,  den  Kirchen- 
patronatsverhaltnissen  naher  nachzuforschen  und  zu  erkunden, 
ob  das  Patronat  des  hiesigen  Rates  ein  landesherrliches  oder 
ein  erstprivatim  mitLasten  erworbenes  war;  letzteres  hat  sich 
herausgestellt  und  kann  urkundlich  belegt  werden.  Zu  den  sehr 
sumraarischen  und  nicht  ganz  richtigen  Aufstellungen,  welche 
Pfarrer  Christ.  Wilh.  Schirmer  in  seiner  „Geschichte  Winds- 
heims  und  seiner  Nachbarorte",  erschienen  1848,  fiber  diese 
Sache  macht,  wurden  Erganzungen  gefunden  teils  in  einer  Ur- 
kunde  vom  Jahre  1420,  welche  im  Besitze  der  prot.  Kirchen- 
verwaltung  Windsheim  ist,  teils  in  einem  Aktenbande  von  den 
Jahren  1524/25,  welcher  sich  im  kgl.  Reichsarchive  zu  Wurz- 
burg  befindet  und  dem  Verfasser  freundlichst  zur  Verfugung 
gestellt  wurde.  Derselbe  liegt  dort  bei  den  „Geistlichen  Sachen 
2154  f.  81"  und  fuhrt  die  tJberschrift:  „Die  vom  Teutsch-Orden 


Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim.  195 

verlangten  Bestatigen  der  Cession  des  juris  patronatus  uff  der 
Pfarre  und  9  Kaplaneyen  zu  Winsheim  an  den  dortigen  Burge- 
meister  UDd  Rath.  1524  u.  1525."  AuBerdem  warden  bei  der 
nachfolgenden  Darstellung  beniitzt  die  „Beitrage  znr  Kirchen- 
geschichte  von  Windsheim",  welche  der  Rektor  des  damaligen 
Gymnasiums  J.  Georg  Nehr  von  a.  1800  an  eine  Reihe  von 
Jahren  hindurch  als  „Einladungsschriften  zur  Priifung  der 
Jugend  in  dera  Windsheimischen  Gymnasium"  erscheinen  lieU 
und  welche  ein  eingehendes  geschichtliches  Studium  verraten. 

Nach  Rektor  Nehr  ist  das  Christentum  nach  Windsheim 
und  Dmgegend  durch  Kilian  oder  Bonifazius  gebracht  worden; 
die  Stadtkirche  in  Windsheim  tragt  heute  noch  den  Namen 
Sankt  Kilians.  Ein  Kirchengebaude  (basilica)  in  dem  Dorfe 
(villa)  Windsheim  wird,  wie  oben  gesagt,  schon  in  der  Urkunde 
erwahnt,  welche  Karlmann,  Furst  von  Austrasien,  Pipin  des 
Kleinen  Bruder,  bei  Errichtuug  des  Bistums  Wurzburg  Burch- 
arden,  dem  ersten  Bischofe  desselben,  a.  740  ubergab.  Ludwig 
der  Fromme,  welcher  diese  Urkunde  a  843  erneuerte,  wieder- 
holte  aus  jener  unter  vielen  andern  Kirchen,  die  er  dem  Bischofe 
ubergibt,  auch  die  Kirche  des  heiligen  Martin  (NB.!  zu  Anfang 
des  13.  Jahrhunderts  zur  Kilianskirche  geworden)  in  dem  Dorfe 
Windsheim  in  Gau  Ranigewe  (cf.  Eckharti  commentarii  de  rebus 
Franciae  orientalis  et  episcopatus  Wirceburgensis  I  pag.  391). 
Das  Kirchenpatronat  ftir  Windsheim  und  Umgegend  stand  also 
ursprunglich  als  ein  von  den  weltlichen  Herrschern  verliehenes 
dem  Bischofe  von  Wurzburg  zu,  der  es  von  a.  740  ab  ca. 
6  Jahrhunderte  hindurch  austibte.  In  Kraft  dieses  Rechtes  hat 
der  Bischof  von  Wurzburg  z.  B.  a.  1318  laut  Bestatigungs- 
briefes  das  Verhaltnis  der  Windsheimer  Hospitalkirche  zur 
dortigen  Mutterkirche  geordnet  und  verfugt,  wie  es  mit  Gehalt, 
Sakramentsverwaltung,  Jurisdiktion  des  Archidiakonus  etc.  zu 
halten  sei.  A.  1327  hat  er  die  Tochterkirche  Ickelheim  von 
der  Muttergemeinde  Windsheim  losgemacht.  Niemand  weiter 
war  bei  diesen  MaBnahmen  des  Kirchenfiirsten  und  Patrons  be- 
teiligt  Oder  hatte  ein  Recht,  sich  dreinzumischen. 

Anders  erscheinen  die  Patronatsverhaltnisse  von  Anfang  des 

15.  Jahrhunderts   an.     Im   Jahre  1400   wurde  in  Windsheim 

die  Marienkapelle  gestiftet.     Die  Verwilligung  zu  dieser  kirch- 

13* 


196  Herold,  Das  Eirchenpatronat  in  WindBfaeim. 

lichen  Stiftung  erteilte  aber  nicht  bloB  Johann  I.  von  Wiirzburg, 
sondern  mit  ihm  zugleich  auch  der  Teutschmeister  Konrad  von 
Egloflfstein.  Die  bischSf  liche  Befugnis  hat  eine  Einschrankung 
erfahren  und  ist  nicht  mehr  die  allein  maUgebende.  Dasselbe 
gibt  eine  Urkunde  vom  Jahre  1403,  datiert  am  Sankt  Merteus- 
Abend,  zu  erkennen.  In  derselben  „leihet  der  Tentschmeister 
Konrad  von  Egloffstein  die  Mefi  der  Kapelle  zn  Allerheiligen 
(in  Windsheim)  an  Herrn  Heinrich  Hagen"  mit  dem  Beisatze 
„nach  Absterben  desselben  soil  der  hiesige  Rat  einen  andern 
Priester  nach  Virnsberg  senden,  dem  diese  Pfriindt  wiirde 
geliehen  und  derselbe  zur  Konflrmation  nach  Wurtzburg  prasen- 
tiret  werden^.  Der  Bischof  hat  ofifenbar  dem  Teutschorden  das 
Jus  praesentandi  eingeraumt,  wie  seinerseits  der  Teutschorden  dem 
Rate  in  Windsheim  eine  Art  juris  nominandi  gestattet. 

Ein  klares  Licht  auf  die  nunmehrige  Rechtslage  wirft  die 
oben  erwahnte  Urkunde  vom  Jahre  1420,  datiert  „vom  nachsten 
Dienstag  vor  Sankt  Gregorien  Tag"  (6.  Marz).  Dieselbe  lautet  ira 
wesentlichen  auszugsweise  also:  „Ich,  Franz  von  Wildenstein, 
Comenteier  zu  Ellingen  und  zu  diesen  Zeiten  Statthalter  des 
Landcomenteieramtes  der  Baley  Jnn  Franckhen  teutsches  Ordens 
bekenne  oflfentlich  mit  diesem  Briefe  .  .  .  .  als  der  ehrsame  .  .  . 
Mann  Kunrat  Schilher,  Burger  zu  WindBheim,  Gott  und  allem 
himmlischen  Heer  zu  Lob  ...  ein  ewig  Messe  fiber  und  zu 
Sankt  Nikolaus  —  Altar  und  aller  Zweliff  Poten  Jnn  der  Pfarr- 
kirchen  unseres  Ordens  zu  WindBheim  Jnn  der  Stat  gemacht 
und  ein  wenig  Pfriindt  mit  einem  werntlichen  Priester  zu  halten, 
dorzue  mit  ihren  Quten  gewidempt  und  gestifft  hat;  wann  nu 
die  Verleihung  desselben  Altars  und  der  Pfrundt  von  gottlichen 
Rechten  von  der  obgemelten  Pfarre  wegen  unserem  Orden  zu- 
gehort  und  ewigklich  zu  gehoren  soil,  so  hat  doch  der  ehr- 
wirdige  geistliche  Herr  Dietrich  von  WinderBhauBen  Meister 
unseres  Ordens  in  teutschenund  welschenLanden  mit  Rate  und 
Wissen  sein  Gebietiger  unseres  Ordens  .  .  .  des  Rates  der  Stat 
ze  WindBheim  fleiBig  Gebet  und  Freundlichkeit  besunder  ange- 
sehen  .  .  .  und  hat  guten  Willen  und  Urlaub  dorzue  geben  .  .  . 
daB  ein  jeglicher  Comenteier  zu  Vimsperg  .  .  .  soil  haben  voile 
Gewalt  und  gauze  Macht,  den  obgemelten  Altar  mit  der 
Pfrundt  .  .  .    einem    ehrbaren    werntlichen    Priester   zu    ver- 


Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim.  .  197 

leihen;  .  .  .  fiir  wellen  dann  der  Rat  der  Stat  WindBheim  flir- 
bafi  einigklich  bitt  oder  schreibet,  dera  soil  sie  der  Comenteier  .  .  . 
ohne  alle  Widerred  verleihen  .  .  ,  ohne  alles  Verziehen."  (Hier 
folgt  noch  die  spezifizierte  Amtsanweisung  iiber  die  zu  halten- 
den  Messen  und  die  Verfiigung,  daC  der  Rat  von  Windsheim 
Altar  und  Pfrlindte  selbst  verleihen  und  dem  Bischof  prasen- 
tieren  diirfe,  falls  der  Comentur  von  Virnsberg  sie  nicht  nach  dem 
Vorschlag  des  Rates  im  Monate  nach  der  Erledigung  verleihe 
und  prasentiere,  und  umgekehrt,  weun  der  Rat  saumselig  sein 
soUte.)  —  Fiir  den  Sankt  Nikolausaltar  und  seine  Pfriinde  hatte 
also  nunmehr  der  Rat  das  Recht  vorzuschlagen,  der  Comentur 
des  Teutschordens  verlieh  die  Stelle  und  prasentierte  dem  Bi- 
schofe  die  betreflfende  Personlichkeit  und  der  Bischof  gab  dazu 
seine  Verwilligung. 

DaB  diese  Ordnung  aber  nicht  bloB  fur  den  neugestifteten 
Altar  und  seine  Pfrunde  zu  gelten  hatte,  sondern  auch  fiir 
andere  und  jedenfalls  allgemein,  ergibtsich  aus  einem  Schreiben, 
welches  der  Rat  a.  1476  an  den  Commentur  in  Virnsberg  richtete. 
Darinnen  schreibt  er:  „  .  .  .  Nachdem  wir  und  unser  Nach- 
kommen  im  Rate  von  eueren  Ordens  und  Vorfahren  —  Comen- 
turen  als  begnadet  und  gefreit  sein,  so  je  zu  Zeiten  die  Vikarey 
des  Altars  Sankt  Martins  in  unserer  Pfarrkirche  erledigt  werde, 
daB  wir  eine  tiigliche  und  geschickte  Person  dazu  zu  ernennen 
haben,  und  welche  Person  wir  also  zu  solcher  Pfriindt  ernennen 
und  an  Comentur  zu  Virnsberg  die  iibersenden  und  fiir  sie 
schreiben,  derselben  Person  solle  alsdann  der  Comentur  solche 
Pfriindt  verleihen  und  die  Person  unserem  gnedigen  Herru 
Bischoven  zu  Wiirtzburg  prasentiren  und  iiberantwurtten  als  und 
wie  die  Konfirmation  und  Verwilligung  ervolge  etc."  —  Wie 
allgemein  dieses  Vorschlagsrecht  des  Rates  war,  beweist  ferner 
die  Tatsache,  daB  beziiglich  der  Wahl  des  Priors  und  der  Briider 
im  Augustinerkloster  das  gleiche  Recht  dem  Rate  zustand  wie 
verschiedene  Briefe  vom  Jahre  1438  und  1603  ausweisen  (vergl. 
Nehr,  Beitrage.  ErstesStiick  S.  11).  Und  was  sonst  die  kirch- 
liche  Befugnis  des  Bischofs  betriift,  so  war  sie  auch  in  anderer 
Weise  um  diese  Zeit  eine  beschrankte.  Im  Jahre  1455  machte 
Bischof  Johann  III.  von  Grumbach  den  Versuch,  das  Einkommen 
des  Windsheimer  Oberpfarrers   zu  besteuern,   was   gemaB   der 


198  -  Herold,  Das  Kircbenpatronat  in  Windsheim. 

bischoflichen  Konflrmation  der  Pfarrkirche  nicht  anging.  Rat  und 
BUrgermeister  wiesen  die  Forderung  zuriick  und  der  Bischof 
stand  davon  ab. 

Wahrend  also  der  Bischof  vom  Jahre  740  bis  ums  Jahr  1400 
die  kirchliche  Machtbefugnis  allein  austtbte,  trat  ihm  von  da 
an  der  Teutschorden  zur  Seite  und  dieser  gestattete  beziiglicli 
der  Verleihung  der  Pfrunden  dem  Eate  wenigstens  ein  Vor- 
schlagsrecht.  Wie  es  kam,  daB  die  bischofliche  Befugnis  Be- 
schrankungen  erlitt,  ist  nicht  mehr  mit  Sicherheit  aufzuklaren. 
Es  scheint,  daU  finanzielle  Verlegenheiten  des  Bischofs  Johann 
von  Egloffstein  die  Ursache  waren.  Der  Bruder  dieses  fiuanziell 
bedrangten  Bischofs  war  der  Hochmeister  des  reichbegiiterten 
Teutschordens  Konrad  von  Egloffstein.  Wahrscheinlich  werden 
seitens  des  Bischofs  Verpfandungen  und  Abtretungen  kirch- 
licher  Giiter  und  Rechte  an  den  Teutschorden  stattgefunden 
haben  und  darunter  auch  der  Anteil  an  dem  Patronatsrechte 
in  Windsheim. 

Eine  ganzliche  Ausscheidung  des  Bischofs  und  des  Teutsch- 
ordens aus  dem  Kirchenpatronate  brachte  das  Jahr  1525.  Wie 
schon  oben  erwahnt,  fand  die  Reformation  in  Windsheim  von 
Anfang  an  die  regste  Teilnahme,  und  man  kann  sich  leicht 
denken,  daC  das  Patronat  des  Bischofs  und  des  Teutschordens 
den  reformatorischen  Bestrebungen  hinderlich  im  Wege  stauden. 
Rat  und  Burgerschaft  suchten  daher  die  Hand  frei  zu  bekommen 
und  das  Patronat  an  sich  zu  bringen.  Mit  llbernahme  der 
finanziellen  Lasten  und  Pflichten,  welche  daran  hingen,  gelang 
es  auch. 

Ehe  der  Rat  bei  dem  Teutschorden  die  notigen  Schritte 
tat,  suchte  er  sich  erst  dariiber  zu  vergewissern,  ob  er  als  ein 
weltliches  Regiment  Recht  und  Moglichkeit  besitze,  ein  kirch- 
liches  Patronat  zu  ubernehmen.  Es  war  wohl  in  der  Refor- 
mationszeit  der  erste  Fall,  dafi  ein  weltliches  Regiment  geist- 
liche  und  kirchliche  Machtbefugnis  an  sich  zu  bringen  suchte. 
Der  Rat  holte  sich  zu  diesem  Zwecke  ein  gelehrtes  Gutachten. 
Rektor  Nehr  hat  dasselbe  vorgelegen,  er  bezeichnet  es  als  ein 
Universitatsgutachten  und  druckt  es  in  seinen  „Beitragen  zur 
Kirchengeschichte  von  Windsheim,  Stiick  IV  S.  6 — 8"  in  ex- 
tenso  ab.     Es  beginnt   mit  den  Worten:    „Uff  der   gesandten 


Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim.  199 

eines  Erbarn  Raths  zu  Windshaim  Begern  gerathschlaget", 
und  schlieBt  mit  der  Datierung:  „ Actum  Altdorfii,  21.  Julii  1521" 
oline  Beifiigung  der  Unterschriften.  Wenn  diese  Ojtsangabe 
„  Altdorfii"  rich  tig  ist  und  von  Rektor  Nehr  in  dem  ihm  vor- 
liegenden  Gutachten  wirklich  so  zu  lesen  war,  dann  i^t  das- 
selbe  kein  Universitatsgutachten,  sondern  stammt  moglicher- 
weise  von  irgend  welchen  Gelehrten  in  Altdorf.  Diese  letztere 
Annahme  bat  aber  allerdings  ihre  Bedenken;  denn  nacb  „Will, 
Geschichte  der  Universitat  Altdorf,"  befand  sich  vor  dem  Jahre 
1573  in  Altdorf  uberhaupt  keine  hohere  Schule  und  wurde  erst 
in  diesem  Jahre  das  Nlirnberger  Gymnasium  dorthin  verlegt. 
Letzteres  wurde  a.  1580  in  eine  Ritterakademie  verwandelt 
und  diese  erst  a.  1623  zu  einer  Universitat  erhoben.  Es  wird 
also  a.  1521  in  Altdorf  kaum  ein  KoUegium  von  Gelehrten  ge- 
geben  haben,  welches  ein  Gutachten  wie  das  erwahnte  hMte 
liefern  konnen,  und  ein  Universitatsgutachten  war  erst  recht 
nicht  moglich.  Es  steht  zu  vermuten,  daC  dem  Rektor  Nehr 
bei  dem  Abdruck  des  Gutachtens  ein  historischer  Irrtum  unter- 
gelaufen  ist  und  daU  dasselbe  von  einer  andern  Universitat 
stammt,  vielleicht  von  Heidelberg,  wohin  man  sich  in  jener 
Zeit  haufig  aus  Franken  wandte.  Alle  bisherigen  Nachfor- 
schnngen  ha^en  dieses  Gutachten  oder  eine  Abschrift  desselben 
nicht  zutage  fordern  konnen.  Weder  im  Germanischen 
Museum  in  Ntirnberg,  wohin  seinerzeit  Windsheimer  Akten 
verbracht  wurden,  noch  in  dem  k.  Kreisarchive  in  Wiirzburg, 
welches  sonst  Akten  iiber  das  Kirchenpatronat  in  Windsheim 
besitzt,  noch  in  dem  Archive  des  dortigen  bischoflichen  Ordi- 
nariates,  wo  man  es  am  meisten  erwarten  soUte,  noch  in  dem 
k.  Wurtt.  Staats-Filialarchive  in  Ludwigsburg,  welches  die 
Reste  des  ehemaligen  Teutschordensarchiv  verwahrt,  noch  in 
dem  k.  bayer.  allgemeinen  Reichsarchive  in  Miinchen,  wo  die 
Akten  des  Teutschordens,  soweit  es  das  jetzt  bayerische  Ge- 
biet  betrifft,  sich  befinden  sollen,  ist  das  Gutachten  oder  eine 
Abschrift  davon  aufzutreiben,  obwohl  man  in  den  genannten 
Archiven  mit  dankenswertestem  Entgegenkommen  die  notigen 
Nachforschungen  augestellt  hat.  Es  ist  das  zu  bedauern;  denn 
dieses  Gutachten  ist  nicht  bloB  lokalgeschichtlich  wichtig,  son- 
dern um  des  friihen  Jahres  willen,   in  welchem  es  in  der  Re- 


200  Herold,  Dfts  Eirchenpatronat  in  Wiodsheim. 

formatioDSzeit  erholt  wurde,  und  urn  der  Bechtsfrage  willen, 
am  die  es  sich  baudelt,  von  allgemeiner  kirchengescliicbtlicher 
Bedeutuag.^  Vielleicht  geben  die  gemachten  Mitteilungen  einem 
Historiker  AnlalS,  bei  seinen  Stadien  and  Nacbforscbangen  dieses 
Gutacbten  im  Auge  za  behalten  and  etwaige  Nachricbten  dar- 
iiber  bierber  gelangen  za  lassen. 

Das  Gutacbten,  welcbes  bei  der  Neaheit  des  Falles  den 
Tbeologen  and  Jaristen  jener  Zeit  sicberlicb  einiges  Kopfzer- 
brecben  verursacbte,  laatet  folgendermaBen  : 

„Uff  der  gesandten  eines  Erbarn  Eatbs 
za  Windsbaim  Begern   geratbscblaget." 

„0b  der  Comentbar  za  Virnsperg,  seinen  getbauen  erpieten 
nacb,  macbt  babe,  das  Jus  and  Gerecbtigkait,  So  der  teutsch 
ordenn,  biBbeer  an  der  pfar  za  Windsbaim,  die  sie  verleiben, 
za  einen  erbarn  Ratb  za  Windsbaim  zu  wendenn. 

Ob  aacb  ein  Ratb  zu  Windsbaim,  als  weltlicb  personenn, 
Annemeun  mdgen  and  vebig  sind. 

Und  dann,  dieweil  dui'cb  solcbe  permutation  verenderang 
Oder  vertrag,  ein  Zebenden  der  vormaln  za  der  pfarr  gebort, 
davon  kbumen,  and  der  orden  daraus  zieben  wurde,  Ob  dann 
ein  Ratb  za  Windsbaim,  mit  der  zeit  nit  macbt  betten,  ein 
pfriindt,  der  sie  etlicb  za  Windsbaim  za  verleiben  baben,  ab- 
gebenn  za,  lassenn,  nnnd  Ir  supplimentum  In  der  pfarr  zu  ver- 
gleicbnus  za  wendenn? 

Haben  die  gelertenn,  einbellig  also  darvon  geredt.  Wann 
die  tentscben  Herren,  die  and  andere  des  ordens  gueter,  zu 
verendern,  oder  Im  fall  za  verkauffenn  Anmassen,  so  babenn 
sie  davor  gesprecb  and  Rath,  gleicb  einem  Capitel,  Wann  dan 
der  Comentbar  za  Virnsperg,  einem  Erbarn  Rath  das  Jus  and 
gerecbtigkeit  gentzlicbenn  zustellenn,  unnd  sich  des  verpflichtenn 
wolte,  das  er  deBhalbenn  vom  Hochmaister  unnd  oberstenn  des 
ordenns,  einem  Rath  nottfirfftige  Bewiiligung  erlangenn,  nnnd 
Inen  die  zustellen,  Aucb  der  ordenn  derhalben  bey  der  Bebst- 
lichen  Heiligkeit  ein  Confirmation  wolten  auspringen,  auif  Iren 
Costenn,  welchs  sie  gar  geringlicb  vor  einem  Ratb  erlangen 
m5gen. 

Darait  sie,  die  von  Windsbaim,  hinfiibro  die  pfarr  In  aller 
gestalt  zu  verleiben  babenn,    wie  der   ordenn  die  gebabt  batt. 


Herold,  Das  Kirchenpatrooat  in  Windsheim.  201 

So  hab  der  ordenn  des  wol  macht,  Und  seien  ein  Rath  zu 
Windshaim,  als  weltlich,  gleich  als  In  fellenn,  do  sie  jus  pre- 
sentandi  unnd  Norainandi  habenn,  gantz  wol  vheig,  doch  so 
sie  ein  Rath  zu  Windshaim  allemal  verpflicht,  einera  Bischoff  zu 
Wiirtzburg,  wann  sie  einen  pfarher  Annemen  24  fl.  zu  gebenn, 
Es  seie  aiich  in  diesem  Fall  nit,  das  der  Babst  ein  Monat  hab. 
Wann  die  pfarr  darinne  fellig  wtirde,  das  er  die  zu  verleihen 
hett,  dan  die  teutschen  Herren  seien  dafiir  gefreiet,  so  wachs 
einem  Rathe  zu  Windshaim,  durch  diese  verwechslung  alle 
gerechtigkeit  zu,  wie  der  ordenn  die  gehabt, 

Aber  von  wegen  des,  das  ein  Rath  zu  Windshaim  ein 
pfriindt  widermals  In  die  Pfarr  wenden  mogen,  des  haben  ein 
Rath  Irenthalben  zu  thun  gar  nit  macht,  Sie  die  gelerten 
zweifeln  aber  nit,  wann  bey  Bebstlicher  Heiligkeit,  derhalben 
Suppliciert  und  Angetzaigt  wtirde,  das  sie  darmit  das  Corpus 
die  pfarr  pessern  und  erhaltenn,  unnd  dieselbenn  pfrtindt  also 
aus  gueten  ursachen,  In  die  pfarr  wendenn,  unnd  abgehenn 
lassenn  wolten,  es  mochte  gar  wol  erlangt  werdenn,  es  wurde 
aber  one  gelt  nit  zu  gehen, 

Es  mochte  auch  ein  Rath  zu  Windshaim,  Jetzo  versuchen 
lassen,  ob  man  es  in  die  Confirmation,  so  die  teutschen  Herren 
auBpringenn  sollenn,  bringen  mochte,  oder  das  sich  der  orden, 
das  zu  erlangen  unterstunden.  Actum  Altdorfli,  21  Julii  1521." 

Der  Weg  zu  weiteren  MaCnahmen  war  mit  diesem  Gut- 
achten  dem  Rate  gezeigt;  indes  scheint  seine  Aktion  zuniichst 
fur  einige  Jahre  geruht  zu  haben.  Erst  mit  dem  Jahre  1524 
beginnen  die  Verhandlungen,  welche  den  Inhalt  des  oben  er- 
wahnten  Aktenbandes  im  Kreisarchive  Wurzburg  ausmachen 
und  zu  dem  erwtinschten  Ziele  fuhrten.  Vielleicht  war  es  das 
Drangen  der  reformatorischen  Elemente  in  der  Stadt,  welches 
ziemlich  slurmisch  gewesen  zu  sein  scheint,  dafi  der  Rat  vor- 
warts  getrieben  wurde.  Vielleicht  hat  auch  der  Windsheimer 
Konvent  vom  Ja,hre  1524,  auf  welchem  schon  hohe  und  maC- 
gebende  Personlichkeiten  fiir  die  Reformation  eintraten,  den 
Rat  ermutigt,  einen  Versnch  in  Sachen  des  Kirchenpatronats 
zu  machen.  Eine  Urkunde  vom  Jahre  1524,  datiert  am  „Dienstag 
nach  Sankt  Jakob  des  lieiligen  12  Potentag"  (26.  Juli),  bringt  die 
erste  Vereinbarung  des  Teutschordens  und  des  Rates  uber  die 


202  Herold,  Das  Kirchenpatronat  ia  Windsheim. 

AbtretUDg  des  Patronates  an  den  Rat  and  die  Stadt  Winds- 
heim (pag.  2 — 5  des  Aktenbandes)^).  Sie  ist  ausgestellt  von 
Dietrich  von  Ebern,  Meister  des  Tentschordens,  Wolfgang  von 
Eysseuhoven,  Landescomentur  der  Bailey  zu  Franckhen,  und 
Wolfgang  von  Bibra,  Comentur  zu  Virnsberg.  Es  werden  darin 
zunachst  die  bisherigen  Patronatsverhaltnisse  dahin  konstatiert, 
.daB  der  Teutschorden  das  Patronat  habe  und  dann  fortgefahren 
.  .  .  „dafi  uns,  unsern  Ordenshausern  und  Nachkommen  die 
Gerechtigkeit  des  jus  patronatus  und  Lehenschaft,  so  wir  Inn 
und  uff  der  Pfarrkirchen  Sankt  Kiliani,  in  des  heiligen  Reiches 
Statt  Winsheim  gelegen,  samt  etlichen  Pfriindten  und  Vikareyen 
bis  anher  zu  haben  und  zu  versehen  mehr  beschwerlicher  denn 
friiher  und  ersprieBlich  geworden  sind  und,  was  nach  Gestalt 
und  Gelegenheit  des  Pfarrhof,  auch  aller  Sachen  und  ereigneter 
Laufe  halben  zu  besorgen,  kunftighin  noch  beschwerlicher  auch 
nachteilig  mocht  werden;  daB  auch  solche  beriihrte  Gerechtig- 
keit und  jus  patronatus  obbemelten  Burgermeistern  und  Rat, 
ganzer  Biirgerschaft  und  gemeiner  Statt  Winsheim,  wo  wir 
ihnen  die  zustellen,  in  vielerlei  Weg  Fruchtbarkeit  und  Nutzen 
gewahren  mocht;  demnach  und  in  Willen  und  Meinung,  unsern 
.  .  .  Nutz  zu  schaffen,  zu  furdern  und  vor  groBerem  Nachteil 
zu  bewabren,  auch  Bemelter  von  Winsheim  .  .  .  Wohlfahrt  zu 
furdern"  .  .  .  soil  „alles  und  jedes  Recht  und  Gerechtigkeit, 
so  wir  und  der  Orden  daran  gehabt  .  .  .,  gedachtem  Burger- 
meister  und  Rat  der  Statt  Winsheim  auf  und  tibergeben  werden 
.  .  .  dermaBen,  daB  Gedachte  yon  Winsheim  nu  hinfliro  ge- 
melter  Pfarr,  Pfriindten  und  Kaplaneien  wahre  und  rechte 
Herren  und  Patroni  sollen  sein  .  .  .  und  jeglicher  Zeit,  als  oft 
die  Notturft  erfordert,  gemelte  Pfarr,  Pfriindten  und  Kaplaneien 
zu  verleihen  .  .  .".  Zugleich  wurde  vereinbart,  daB  Bischof 
Konrad  als  „Ordinarius  der  Statt  Winsheim"  um  Genehmigung 
angegangen  werden  soUe. 

Diese  Vereinbarung  fand  die  bischof  liche  Zustimmung  nicht 
und  zwar  teils  aus  prinzipiellen,  teils  aus  zeitlichen  Ursachen: 
die  Abtretung  ware  Ubertragung  von   den  Geistlichen   auf  die 


1)  Vgl  Scharold  a.  a.  0.  S.  207.     Denmach    ist   das  Original   im 
Domst.  Archiv  in  Wtirzburg.    (Anm.  d.  Red.) 


Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim.  203 

Weltlichen ;  es  sei  keine  genugsame,  rechtmaUige  Ursache  vor- 
bandeu;  dem  Bischof  sei  bisher  verborgen  geblieben,  warum 
die  Abtretung  „umsonst  und  vergebens"  geschehen  solle;  das 
lutherisch  Wesen  werde  im  Fall  der  Abtretung  zunehmen 
(pag.  6—7  des  Aktenbandes).  Die  letztere  Riicksicbt  war  wohl 
fiir  den  bischoflichen  Bescheid  der  durchschlagende  Grund  und 
ist  ja  auch  vom  bischoflichen  Standpunkte  aus  begreiflich. 

Indes  machtiger  als  des  Bischofs  Wille  und  Macht  war 
der  Drang  und  Zwang  der  Zeitverhaltnisse.  Man  fiihlte  im 
Teutschorden,  dafi  die  Position  in  Windsheim,  dieser  der  luthe- 
rischen  Lehre  so  zugeneigten  Stadt,  nicht  mehr  zu  halten  sei, 
und  gab  sich  alle  Miihe,  den  Wtinschen  der  Stadt  Windsheim 
entgegenzukommen.  Der  Rechtsbeistand  des  Ordens,  Dr.  jur.  utr. 
Siglin,  hatte  schon  in  eineni  Schreiben  an  den  Bischof  (datiert  1524 
„am  Abend  Agathae**,  das  ist  4.  Februar),  in  welchem  er  hervor- 
hob,  „daB  der  lutherischen  Lehre  halben  seinem  Herrn  mehr  Kosten 
draufgingen  (nslmlich  auf  das  Patronatsrecht),  als  er  Nutzen  da- 
von  hatte",  dazu  sei  der  Pfarrhof  baufallig  und  die  lutherische 
Irrung  sei  nicht  abzuwenden,  auch  wenn  sein  Herr  das  Patronat 
behalten  wttrde  (pag.  9—14  des  Aktenbandes).  Urn  der  schrift- 
lichen  Darstellung  noch  besonderen  Nachdruck  zu  geben,  wurden 
mit  Vollmacht  von  „Montags  nach  Andreas  appostolitag"  (5.  Dez.) 
der  Comentur  von  Virnsberg  Wolfgang  von  Bibra  und  Dr.  Siglin 
selbst  an  den  Bischof  abgeordnet.  Sie  konnten  mitteilen,  „der 
Pfarrhof  sei  in  Unbaue  kommen,  der  nicht  denn  rait  schweren 
Kosten  zu  erholen  und  wiederzubringen,  hat  unser  Herr  der 
Teutschmeister  .  .  .  Schaden  wohl  bis  in  200000  Gulden  ge- 
numen,  also  dafi  Seiner  Gnaden  hochbeschwerlich,  einem  Pfarr- 
herr  jahrlich  eine  solche  Kompetenz  zu  reichen  und  auch  das 
Pfarrhaus  mit  schweren  Kosten  in  baulich  Wesen  zu  pringen; 
die  aber  von  Winsheim  wollten  diese  Last  allein  auf  sich 
laden  .  .  .".  Der  Pfarrer  in  Windsheim  sei  seines  Lebens  nicht 
sicher;  er  werde  von  den  Leuten  bedroht,  „wo  er  nicht  ihres 
Gefallens  predige,  wollten  sie  ihn  von  der  Borkirchen  mit  Steinen 
zu  tot  werfen",  man  habe  auch  Steine  mit  in  die  Kirche  ge- 
nommen  (pag.  20—23  des  Aktenbandes). 

Alle  diese  Bemuhungen  des  Ordens,  das  Patronatsrecht  mit 
seinen  Lasten   loszubekommen,   waren   bei   dem  Bischofe   ver- 


204  Herold,  Das  Kirch enpatronat  in  Windsheim. 

geblich.  Am  ^Mittwoch  nach  circamcisionis  dnj  anno  XXV"  (2.  Jan.) 
erging  an  den  Teutschmeister  ein  bischof  licher  ErlaB,  in  welchem 
behauptet  wird:  „Bei  unsern  Gelehrten  ist  Zweifel,  ob  wir  das 
za  tan  Fug  und  Macht  haben",  and  dann  wird  die  tJbeilragung  des 
Patmnates  an  die  Stadt  Windsheim  wegen  der  lutherischen  Lehre 
und  Sekten  rundweg  verweigert  (pag.  28—29  des  Aktenbandes). 
Das  war  anfangs  Januar  des  Jahres  1525  und  vom  Sonn- 
tag  Reminiscere  den  12.  M3,rz  1525,  also   nngefahr  2  Monate 
spater,  ist  eine  Urkunde  datiert,  die  im  Archive  des  Magistrals 
Windsheim  liegt,  und  in  welcher  in  aller  Form  Rechtens  mit 
Siegeln  und  Unterschriften  der  Tentschorden  das  Kirchenpatronat 
fiir  alle  Zeiten  an  Rat  und  Stadt  Windsheim  abtritt.  Vor  dem 
kaiserlich  und  papstlich  beglaubigten  Notar  Johannes  Grefinger 
in  Windsheim  erschienen  der  Comentnr  des  Teutschordens  zu 
Virnsberg  Georg  von  Knoring,  der  Windsheimer  Pfarrer  Petrus 
Wursdorffer,   Angehoriger  desselben  Ordens,   Gregorius  Spies, 
Sekretar  des  damaligen  Hofmeisters  Dietrich  von  Kleen,  Georg 
Konigsperger  und   Michel   Bernpeck   beide  Burgermeister  der 
Stadt  Windsheim.   Pfarrer  Wursdorffer  libergab  auf  Befehl  des 
Teutschordens    „unter   Ihrer   furstlichen    Gnaden    Meisteramts 
groBem  und  der  Bailey  zu  Franckhen,  auch  des  HauCes  Virns- 
berg Insiegeln"  den  bemelden  Biirgermeistern  der  Stadt  Winds- 
heim ,,alle  seine  Jura,  Recht  und  Gerechtigkeit,  die  er  .  .  .  ge- 
habt  und  hinfiiro   haben   hett  mugen  .  .  .  verzigt  sich  alsbald 
derselben  gar  und  ganzlich   in   der  allerhochsten  Form   als  er 
das  immer  tun  sollt  kunnt  und  mocht,  gelobt,  geredt  und  ver- 
sprecht  .  .  .  mit   hingebenden  Treuen  mit  seinen  priesterlichen 
Ehren,  Wirden  und  wahren  Treuen,  weder  jetzo  uoch  hinfiiro 
in  ewig  Zeit  zu  einem  ehrbaren  Rat  der  Stadt  Windszheim . . . 
gar  kein  Rechtsanspruch  noch  Forderung  mehr  zu  haben  noch  zu 
gewinnen  .  .  .  denn  er  hett  aus  freier  Willkur,  auch  aus  schuldiger 
Pflicht   gut  und  freiwillig  getan  .  .  .".     Damit  ging  denn  nun 
das  Kirchenpatronat  trotz  der  bischof  lichen  Weigerung  mit  alien 
Rechten  und  Lasten  auf  die  Stadt  Windsheim  iiber.    Der  Rat 
machte   von   seinem    neuerworbenen  Rechte    auch    sofort   aus- 
giebigen  Gebrauch,  indem  er  die  Pfarrstellen  mit  evangelischen 
Geistlichen  besetzte  und  das  ganze  Kirchenwesen  im  Sinne  der 
reformatorischen  Grundsatze  ordnete. 


Herold,  Das  Kirchenpatronat  in  Windsheim  205 

Was  die  Motive  anlangt,  aus  welchen  der  Teutschorden 
die  Abtretung  des  Patronates  so  energisch  und  zahe  betrieb, 
so  waren  es  offenbar  andere,  als  Schirmer  in  seiner  Geschichte 
Windsheims  und  seiner  Nachbarorte  S.  108  angibt.  Er  sagt: 
„der'  damalige  Hoch-  und  Teutschraeister  Dietrich  von  Geleen 
(vielmehr  Kleen!)  hatte  sich  im  Jahre  1525  aus  Furcht  vor 
den  aufruhrerischen  Bauern  nach  Windsheim  geflnchtet.  Seine 
Anwesenheit  beniitzte  der  hiesige  Rat,  um  ihn  um  Abtretung 
des  Prasentationsrechtes  anzugehen,  was  dieser  in  seinem  ersten 
Schrecken  bewilligte."  Das  ist  eine  kaum  haltbare  Kombination. 
Der  Teutschorden  selbst  hatte  ja  schon  im  Jahre  1524,  wie  die 
oben  dargestellten  Verhandlungen  beweisen,  die  Abtretung  be- 
trieben  und  zwar  mit  allem  Nachdruck  und  in  Berlicksichtigung 
des  eigenenlnteresses;  es  kam  ihm  darauf  an,  zugleich  mit  dem 
Eechte  auch  die  auf  dem  Patronate  ruhenden  Lasten  los  zu 
bekommen.  Taxierte  fiian  doch  selbst  die  Hohe  der  bisher  er- 
wacbsenen  Kosten  auf  „wohl  200000  Gulden"  und  hatte  von 
der  Herstellung  des  „in  Unbaue  gekommenen*^  Pfarrhofes  in 
den  allernSchsten  Zeiten  wieder  groUe  Leistungen  und  Auf- 
wendungen  zu  erwarten.  „Die  aber  von  Winsheim  woUten  diese 
Last  allein  auf  sich  laden"  (s.  S.  203).  Also  nicht  „im  ersten 
Schrecken"  uber  die  Bauernunruhen,  sondern  in  seinem  eigenen 
wohlberechneten  Interesse  hat  der  Hochmeister  des  Teutsch- 
ordens  Dietrich  von  Kleen  die  Abtretung  des  Patronates  be- 
trieben  und  bewilligt. 

Vom  Jahre  1525 — 1792  blieben  die  PatronatsVerhaltnisse 
unverandert  und  zwar  iibte  der  Rat  das  Patronatsrecht  aus 
nicht  bloB  uber  die  Pfarrstellen  der  Stadt  Windsheim  selbst, 
sondern  auch  iiber  die  Windsheimischen  Landpfarreien  Illesheim, 
Wiebelsheim,  Oberntief  und  Klilsheim.  Im  Jahre  1792  kam 
die  Umgegend  mit  der  Markgrafechaft  Ansbach  an  die  Krone 
PreuBen.  Die  genannten  Pfarreien  wurden  sofort  vom  Kapitel 
Windsheim  getrennt  und  der  preuBischen  Superintendur  Burg- 
bernheim  einverleibt,  auch  den  Pfarrern  befohlen,  den  Eat  von 
Windsheim  nicht  mehr  als  ihren  Patron  zu  erkennen  und  in 
das  Kirchengebet  anstatt  dieses  Rates  die  preuBische  Konigs- 
familie  einzuschlieBen.  Der  Rat  besaB  nun  das  Patronat  nur 
noch  iiber  die  3  Pfarrstellen  der  Stadt  Windsheim. 


206  Herold,  Das  Kirch enpatronat  in  Windsheim. 

Aucli  dieses  Recht  ging  verloren,  als  im  Jahre  1802  die 
Reichsunmittelbarkeit  verloren  ging.  Bis  zum  Jahre  1832  warden 
die  3  Pfarrstellen  in  Windsheim  von  der  allerhochsten  Stelle 
besetzt;  mit  der  weltlichen  Hoheit  hatte  der  Rat  anch  die 
kirchenregimentliche  eingebiiBt.  Erst  im  Jahre  1832  wurde  auf 
Bitte  des  Magistrats  an  den  Konig  das  Prasentationsrecht  zu 
den  Pfarr-  und  Schulstellen  in  der  Stadt  mit  Dekret  vom  7.  De- 
zember  wieder  verliehen  und  zwar  mit  folgenden  Bestimmungen 
ffir  die  Pfarrstellen:  1.  Die  erste  Pfarrstelle  in  Windsheim  be- 
halten  Wir  Uns  wegen  des  damit  jeweils  zu  verbindenden 
landesftirstlichen  Dekanats  zu  unmittelbarer  Besetzung  vor. 
2.  Die  Wahl  zu  den  librigen  geistlichen  Stellen  daselbst  hat 
von  den  protestantischen  Mitgliedern  des  Magistrats,  der  Ge- 
raeindebevollmaehtigten  und,  sobald  das  Institut  der  Kirchen- 
vorstande  in  Windsheim  ins  Leben  getreten  sein  wird,  mit 
Zuziehung  dieser  in  gemeinschaftlicher  Sitzung  durch  einfache 
Stiramenmehrheit  zu  geschehen  etc.  Die  beiden  ersten  Geist- 
lichen, welche  nach  dieser  neuen  Ordnung  der  Dinge  in  Winds- 
heim angestellt  wurden,  waren  a.  1833  der  von  der  Stadt  pra- 
sentierte  bisherige  Pfarrer  von  RoCstall  Grofimanu  und  der 
durch  allerhochste  EntschlieBung  zum  Dekan  und  ersten  Pfarrer 
ernannte  bisherige  3.  Pfarrer  Hochstetter. 

Im  engen  Zusammenhange  mit  den  Zeitereignissen  hat  das 
Patronat  sich  entwickelt,  im  Zusammenhange  mit  der  Grundung 
des  Bistums  Wiirzburg,  mit  dem  Emporkommen  des  Teutsch- 
ordens,  mit  den  reformatorischen  Bewegungen  und  mit  den 
groBen  Staatsumw^lzungen  zu  Ende  des  18.  und  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts. .  Mit  alien  Rechten  und  Lasten  wurde  es  vom 
Rat  und  Stadt  Windsheim  vom  Teutschorden  tibernommen.  Die 
Rechte  sind  bis  auf  den  kleinen  Rest  des  Prasentationsrechtes 
an  den  2  Windsheimer  Pfarrstellen  abgenommen  worden;  die 
Lasten  sind  geblieben.  Die  Last  der  Baupflicht  an  den  Kultus- 
gebauden  in  Windsheim  ruht  auf  der  Kirchenstiftung  daselbst 
und  zu  den  Besoldungen  der  friiheren  Windsheimischen  Land- 
pfarreien  und  Schulstellen  mnB  die  Kirchenstiftung  groBe  Bei- 
trage  hinauszahlen,  wozu  die  Verpflichtung  aus  dem  ehemaligen 
Patronatsverhaltnisse  herriihrt.  Die  oben  erwahnte  Baupflichts- 
recherche  wurde  angestellt,  um  nachzuweisen,  daB  das  Kirchen- 


Bossert,  Ein  Brief  von  Jakob  Schopper.  207 

patronat  in  Windsheim  nicht  eo  ipso  landesherrlich  war,  sondern 
mit  Lasten  und  Pflichten  erworben  wurde,  und  daB  mit  der 
Abnahme  der  Rechte,  wenigstens  ihrem  allergroBten  Telle  nach, 
auch  die  Pflichten  und  Lasten  ihrem  groBeren  Telle  nach  auf 
den  Rechtsnachfolger,  den  baj^erischen  Staat,  hatten  uber- 
gehen  sollen.  

Ein  Brief  von  Jakob  Schopper.    Ein  Beitrag  zur 
Geschichte  der  Schule  in  Hornbach. 

Von  Gustay  Bossert. 

Im  Jahre  1558  hatte  Pfalzgraf  Wolfgang  von  Job.  Mar  bach  in 
Strafiburg  sich  einen  Rat  wegen  Errichtung  einer  Partikularschule 
—  wir  wurden  sagen:  eines  Gymnasiums  —  in  dem  ehemaligeu  Bene- 
diktmerkloster  Hornbach  erbeten.  Dieser  stellte  ihra  „ein  Bedenken 
von  den  Schulen,  wie  die  im  Fiirstentum  Zwaienbriicken  anznrichten 
seien,"  und  insbesondere  von  der  Partrikularschule  zu  Hornbach^). 
Die  Schule  in  Hornbach  wurde  nach  dem  Muster  der  von  Job.  Sturm 
geleiteten  Strafiburger  Schule  eiugerichtet  und  mit  Mitteln  der  Klbster 
Hornbach,  Wbrschweiler,  Disibodenberg  und  Offenbach  ausgestattet. 
Im  Jahr  1559  wurc(e  sie  eroffnet.  Nach  Marbachs  Studienplan  sollten 
die  Schiiler  zum  Studium  der  Theologie  vorbereitet  und  das  rechte 
Fundament  dazu  mit  den  vera  principia  der  christlichen  Religion  gelegt 
werden.  Zu  diesem  Zweck  sollten  am  Samstag  vormittag  die  Pra- 
zeptoren,  jeder  in  seiner  Klasse,  in  der  ersten  Stunde  iiber  den  Ka- 
techismus  Luthers  examinieren  und  in  der  folgenden  Stunde  den 
Katechismus  des  David  Chytraus  lateinisch  exponieren  lassen.  Am 
Sonntagmorgen  vor  der  Amtpredigt  sollte  in  der  ersten  halben  Stunde 
das  sonotHgliche  Evangelium  griechisch  interpretiert  und  den  Schlilern 
die  kurze  Summa  derselben  angegeben,  in  der  zweiten  halben  Stunde 
aber  der  ChytrSus  Katechismus  rait  ihnen  repetiert  werden^). 

Das  urspriingliche  religiose  Lehrziel  war  aber  bedeutend  hoher 
gestellt  und  die  Lehraufgabe  viel  schwerer  geworden,  als  Jakob  Schopper 

1)  Heintz  Gas.  Le  college  de  Deux-Ponts  depuis  sa  fondatiou  jusqu'a 
DOS  jours.  1 ;  L'histoire  de  cet  ^tabissement  pendant  son  s^jour  k  Horn- 
bach 1815.  Finger,  Herm.,  Lie.  th.,  kgl.  Gymnasialprofessor  in  Zwei- 
briicken,  Altes  und  Neues  aus  der  dreihundertjahrigen  Geschichte  des 
Zweibrttcker  Gymnasiums.  Keiper,  Dr.  phil,  k.  Gymnasialprofessor,  Neue 
urkundliche  Beitrage  zur  Geschichte  des  gelehrten  ISchulwesens  im  friiheren 
Herzogtum  ZweibrUcken,  insbesondere  des  Gymnasiums.  Drei  Programme 
der  k.  Studienanstalt  in  Zweibrucken  I.  1891/92.  II.  1892/93.  III.  1893/94. 
Matricnla  des  Hornbacher  Gymnasiums  1559—1630.  Verzeichnis  der  Pro- 
fessoren  und  Stipendiaten,  herausgegeben  von  Rud.  Buttmann.  Programm 
des  k.  humanistischen  Gymnasiums  in  Zweibriicken  1903/04.  Die  Kenntnis 
der  Programme  verdanke  ich  Herm  Konsi«torialrat  Dr.  Ney  in  Speyer, 

2)  Keiper,  Neue  urkundliche  Beitrage  II,  9,  10. 


208  Bossert,  Ein  Brief  von  Jakob  Schopper. 

1576  sein  Amt  antrat.  Dieser  begabte^  lleifiige,  aber  etwas  unruhige 
Mann^),  der  viel  wandern  mufite,  war  am  1.  November  1545  in 
der  Reichsfltadt  Biberach  a.  d.  Kifi  in  Oberschwaben  geboren.  Sein 
gleichnamiger  Vater,  ein  Schuler  Lutbers,  hatte  in  einera  Religions- 
gesprach  in  Gegenwart  des  kaiserlichen  Oberst  die  Wahrbeit  der  evan- 
gelischen  Lebre  mit  Nachdruck  verteidigt,  starb  aber  schon  am  29.  MSrz 
1547.  Die  Sage  ging,  dafl  er  von  den  Spaniern  vergiftet  worden  sei,  aber 
sie  bat  keinen  genUgenden  Ornnd.  Die  Matter  schickte  den  Knaben 
auf  die  Schule  nach  Memmingen,  wo  Job.  Kleber  als  Schulmeister 
in  hobem  Anseben  stand.  1559  kam  er  nacb  Tubingen,  wo  er  am 
12.  Mai  immatriknliert  wnrde.  1561  wurde  er  ins  Martinsstift  auf- 
genommeu  und  magistrierte  am  17.  Februar  1563.  Nacbdem  er 
7  Jabre  unter  Jak.  AndreS,  Hcerbrand  und  Dietricb  Scbnepf  studiert 
batte,  berief  ihn  seine  Vaterstadt  1566  zum  Mittagprediger.  Als  ein 
streitbarer  Tbeologe  geriet  er  mit  der  in  Biberacb  sicb  stark  er- 
hebenden  rSmiscben  Partei  zusammen  und  wurde  1575  entlassen. 
Nunmebr  ging  er  nach  Tubingen  und  wurde  wohl  auf  Empfeblung 
seiner  TUbinger  Lehrer  nacb  Hornbacb  berufen.  Am  9.  Januar  1576 
trat  er  sein  Amt  an.  Die  Matricula  sagt  von  ibm:  „eruditione  et 
eloquentia  vir  clarus  tbeologiam  publico  in  hac  schola  profiteri  magna 
cum  dexteritate  coepit^.  Scbon  am  4.  MKrz  wurde.  er  nebeu  dem 
Lehrer  der  Medizin,  Physik  und  Mathematik,  Georg  Fabricius  von 
Bergzabern,  zum  Scholarchen  bestimmt^).  Mit  grofier  Hingebuug  ging 
Schopper  an  sein  neues  Amt,  gait  es  doch  dem  Luthertum  in  Hornbach 
und  ZweibrUcken  gegenuber  dem  Einflufi  des  Pantaloon  Weifi  und 
des  Kanzlers  Schwebel  einen  festen  Halt  zu  geben.  Wirklicb  war 
esgeluugen,  Pfalzgraf  Hans  1577  zur  Unterschrift  der  Konkordienformel 
zu  bewegen^  aber  1578  nahm  er  seine  Unterschrift  wieder  zuruck, 
da  weder  Dr.  Jak.  Heilbronner,  der  seit  1575  Hofprediger  in  Zwei* 
brUcken  war,  noch  Schopper  imstande  waren,  dem  von  dem  Pfalz- 
grafen  Job.  Kasimir  stark  geftJrderten  Calvinismus,  der  auch  auf  den 
ZweibrUcker  Hof  und  die  dortigen  MSnner  der  Regierung  grofieu 
Eindrnck  machte,  die  Spitze  zu  bicten. 

Aber  Schopper  tat,  was  er  koiiute.  In  einera  Brief  vom  11.  No 
vember  1579^)  schildert  er  uns  seine  TStigkeit.  Er  erklSrte  Heer- 
bands  Compendium  tbeologiae,  eines  der  yerbreitetsten  Lehrblicher 
jener  Zeit,  ebenso  die  Sonntagsevangelien  und  stellte  ihren  Gehalt 
flir  die  Predigt  kurz  heraus,  liefi  dann  von  den  SchUlern  eine  Dis- 
position ausarbeiten,  die  er  verbesserte,  und  legte  die  paulinischen 
Briefe  aus.  Jeden  Monat  veranstaltete  er  eine  Disputation  uber  das 
in  Heerbauds  Kompendium  behandelte  LehrstUck,  wozu  die  Theologen 
von  ZweibrUcken,  die  benachbarten  Pfarrer  und  die  Lehrer  in  Horn- 


1)  Vgl.  Allg.  Deutsche  Biographic  37,  373.   (Tschackert). 

2)  Buttmann  a.  a.  0.  S.  5. 

3)  S.  den  Abdruck  unten. 


k 


Bossert,  Ein  Brief  von  Jakob  Scboppcr.  209 

bach  zn  erscheinen  pflegteD,  um  zu  opponieren,  wabrend  Schopper 
die  YerteidigUDg  nbernabm  und  am  Scblufi  die  Yerbandlungen  in 
einer  volkstumlichen  Ansprache  zusammenfaffite.  Daneben  batte  er 
an  Sonntagen  und  Freitagen  zu  predigen  und  auf  der  furstlicben 
Kanzlei  Uber  die  kircblicbeu  Angelegenbeiten  mitzuberaten. 

So  ansebniich  die  Stall ung  Schoppcrs  in  Hornbach  war^  so  reicb 
seine  Wirksamkeit  sein  mocbte,  er  fiibUe  sich  nicht  befriedigt  von 
den  kircblicben  Verbal  tuissen  und  folgte  in  it  Frendeu  dem  Kuf  des 
strengen  Lutberaners  Kurfiirsten  Ludwig  von  der  Pfalz^  der  ibm  erst 
die  Leitung  des  Sapienzhauses  in  Heidelberg  Ubertrug  und  ibm  1581 
eine  tbeologische  Professur  gab.  Am  6.  April  1580  scbied  er  von 
Horubacb  ^).  Aber  kaum  war  er  mit  Kurfurst  Ludwig  in  Unterhand- 
lung  wegen  seiner  Berufung  getreten  und  des  Erfolges  gewifi;  be- 
scbaftigte  ibn  die  Sorge,  einen  geeigneten  Nacbfolger  zn  gewinnen. 
Er  schrieb  deshalb  am  11.  November  in  aller  Priibe  an  die  hervor- 
ragendsten  Mitglieder  des  Konsistorinms,  den  Propst  der  Stiftskirche 
zu  Stuttgart^  Job.  Magirus;  imd  den  Ho^rediger  Lukas  Osiander, 
aber  aucb  an  Job.  Marbaeh  in  Strafiburg;  der  Bote  soUte  erst  nacb 
Strafibnrg  gehen  und;  wenn  er  dort  keine  Zusage  erbalte^  nacb  Stutt* 
gart  reiseu;  um  dort  zn  werben.  Da  Marbacb  damals  in  Frankfurt 
weilte,  so  mufite  der  Bote  von  Strafiburg  dortbin  reiten  und  gelangte 
erst  am  21.  November  nacb  Stuttgart^).  In  seiuem  Brief  setzt  er 
die  Bekanntscbaft  des  wUrttembergischen  Konsistoriums  mit  der  kircb- 
licben Lage  in  Pfalz-Zweibrlicken  voraus,  da  er  im  Mai  personlicb 
in  Stuttgart  iiber  seine  Lage  und  im  Zusammenbang  damit  uber  die 
kircblicben  Verhftltnisse  seiner  Umgebung  bericlitet  batte.  Er  bat 
um  sofortige  Absenduug  eines  geeigneten  Nachfolgers^  um  ibn  dem 
Pfalzgrafen  Hans  zu  prHsentieren  und  bescbrieb  dessen  ki^nftige  Auf- 
gabe.  Das  Amt  fordere  einen  erfabrenen  Mann^  der  des  tbeologiscbeh 
Doktorbutes  wtirdig  sei,  wie  man  einen  solcben  aucb  in  Laningen 
braucbe.  Offenbar  batte  Scbopper  bier  Phil.  Heilbronner  im  Auge^ 
der  im  Jabre  1574  als  Professor  und  Scbolarch  von  Wtirttemberg 
nacb  Laningen  geschickt  und  1577  zugleich  mit  sein  em  Bruder  Jakob 
und  dem  Ulmer  Prediger  Job.  Yesenbeck  in  Tubingen  zum  Doctor 
theol.  kreiert  worden  war.  (Fischlin,  Memoria  theoL,  Wttrttemberg, 
S.  210).  Zugleich  hob  Scbopper  hervor,  sein  Amt  fordere  einen 
cbarakterfesten^  streng  lutheriscben  Mann,  der  angesichts  der  am  Zwei- 
brucker  Hof  webenden  Luft  weder  Hafi  noch  Gunst  achte  und  den 
Mnt  habc;  fest  auf  dem  lutheriscben  Bekenntnis  zu  besteben,  und 
Uber  den  Yerdacht  des  Zwinglianismus  oder  andern  Irrtums  erbaben 

1)  Die  Allg.  Deutsche  Biographic  a.  a.  0.  kennt  Schoppers  Berufung 
zur  Leitung  des  Sapienzhauses  nicht,  die  dureb  die  Hornbacber  Matrikel 
S.  5  sicher  gestellt  ist,  und  laBt  Schopper  von  Hornbach  nacb  TObingen 
und  erst  1581  naeh  Heidelberg  gehen. 

2)  Das  ergibt  sich  aua  dem  Beibericht  von  Luk.  Osiander  zn  Schoppers 
Brief. 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeflchichte  XII.  6.  14 


210  Bossert,  £in  Brief  von  Jakob  Schopper. 

sei.  Aber  sehr  bezeichuend  ist^  dafi  Schopper  doch  der  Charakter- 
festigkeit  der  Theologen  nicht  allzuviel  zutraute,  well  er  zu  yiele  Ent- 
tauschungen  erlebt  hatte.  Er  wUnschte  nSmlich  einen  wUrttembergischen 
Stipendiaten^  der  dem  Herzog  zuin  Dienst  verpflichtet  sei  imd  jeder- 
zeit  wieder  nach  WUrttemberg  zuriickgerufen  werden  konne,  falls  er 
in  Gofabr  komme,  voq  dem  eindringenden  Galviiiisinas  aDgesteckt  zu 
werden.  Offen  spricbt  er  aus,  sein  Nacbfolger  miisse  in  Furcht  gebalten 
werden;  wenn  er  dem  lutherischen  Bekenntnis  treu  bleiben  soli.  Ein 
ManU;  der  seiner  Heimatkircbe  und  ihrem  Bekenntnis  nicht  ver- 
pflichtet wfLre,  k(5nnte  von  einigen  im  Herzogtnm  Zweibrucken  sich 
einnehmen  lassen  und  den  Irrtumern  zufallen.  Das  hier  ausgesprochene 
Mifitrauen  gogen  die  lutherischen  Theologen,  selbst  gegen  die  von 
ihm  hochgeschfttzten  Wurttemberger^  die  damals  doch  im  ganzen  fest 
in  ihrem  Bekenntnis  standen,  ist  uberaus  bezeichnend  fur  Schopper, 
welcher  die  darin  liegende  Schmach,  die  er  seinen  Standes-  und 
Glaubensgenossen  antut,  kaum  zu  empfinden  scheint. 

Das  Schreibeu  wurde  von  Magirus  und  Luk.  Osiander  kuhl  auf- 
genommen  und  an  des  Herzogs  SekretEr  Melch.  JUger  mit  einem  von 
Osiander  verfafiten  Beibericht  gesandt.  Allerdings  erkennen  beide  die 
Bedeutung  der  Schule  in  Hombach  an  und  sagen  mit  Stolz,  dafi 
Gottlob  solche  Personen,  die  einer  solchen  Vokation  ftirstehen  kSnnten, 
in  WUrttemberg  zu  finden  seien.  Auch  verbergen  sie  sich  die  Gefahr 
nicht;  die  der  Abgang  Schoppers  fiir  das  lutherische  Bekenntnis  auch 
der  Schule  zu  Hornbach  briugen  k^nnte^  da  „der  Pfarrherr  zu  Zwei- 
briickeU;  so  ein  schlupfriger  und  falscher  ManU;  der  die  Ohren  stark 
zu  den  Zwinglianern  hliugC;  iiber  vielfliltige  Warnung  geduldet  werde.** 
Aber  sie  betonen  zuerst,  dafi  Schopper  keine  fi>rmliche  Vollmacht 
seines  Fiirsten  babe,  um  in  WUrttemberg  einen  Theologen  zu  werben. 
Auch  kSnne  ein  wiirttembergischer  Theologe  dort  nicht  angenehm  sein, 
sonderlich  weil  der  Hofprediger  selbst,  Dr.  Jak  Heilbronner;  vor  dieser 
Zeit  „leins  gestanden^  und  die  formula  concordiae  den  dortigen  Theo- 
logen und  Schulen  noch  nicht  Uberschickt  sei.  Es  sei  zu  gewagt, 
auf  Wunsch  einer  Privatperson  einen  geeigneten  Theologen  einen  so 
weiten  Weg  machen  zu  lassen,  ohne  dafi  er  versichert  sei,  dafi  mit 
seinem  Erscheinen  dem  FUrsten  in  ZweibrUcken  ein  Gefallen  geschehe. 
Magirus  und  Osiander  schlugen  daher  Jciger  vor,  Schopper  solle  ge- 
antwortet  werden,  Herzog  Hans  mSge  bei  Herzog  Ludwig  um  einen 
geeigneten  Theologen,  an  dem  es  nicht  fehle,  anhalten.  Jager  war 
damit  einverstanden.  So  schrieb  denn  Osiander  im  Namen  des  Propstes 
am  26.  November  an  Schopper,  er  moge  die  Berufung  eines  Theo- 
logen aus  WUrttemberg  beim  Herzog  Hans  betreiben.  Dieser  aber 
machte  keine  Miene,  einen  lutherischen  Theologen  aus  WUrttemberg 
zu  beriifen.  Ja  1680  wurde  auch  Heilbronner  entlassen,  nachdem 
eine  Gesandtschaft  der  lutherischen  Fursten  und  StKdte  noch  vergeb- 
lich  den  Herzog  umzustimmen  versucht  hatte.     Zweibrilcken  war  dem 


Bossert,  Ein  Brief  vou  Jakob  Schopper.  211 

LuthertuiD  verloren  (vgl.  den  Art,  Candidas  von  "Ney  RE,  3,^  704  flF). 
Schoppers  wechselvolle  fernere  Laufbahii  beriihrt  una  bier  nicbt.  Sie 
ware  aber  einer  weiteren  Untersucbung  in  deu  Beitragen  fur  bayeriscbe 
Kircbengescbicbte  wert,  da  Scbopper  nach  der  Entlassung  aus  seiner 
tbeologischen  Professur  in  Heidelberg  1584  bis  an  sein  Lebensende 
12.  September  1616  dem  recbtsrheiniscben  Bayern  angebbrte,  indem 
er  erst  Superintendent  in  Ueideck  in  der  Pfalz  Neuburg,  1588  aber 
Hofprediger  des  Markgrafen  Georg  Friedrieb  uud  dann  Superintendent 
in  Lebrberg  wnrde,  1593  als  Superintendent  uacb  Amberg  kam.  Es 
wSre  docb  sebr  der  MUbe  wert,  sein  en  Ubergang  von  der  Hofpradi- 
katur  in  Ansbacb  auf  das  Amt  in  Lebrberg  und  ebenso  seiuen  Ab- 
gang  von  Amberg  nacb  Zeit  und  Ursacbe  nocb  naber  zu  untersucben, 
auch  seine  Tatigkeit  in  Altdorf  von  1598 — 1616  als  Prediger  und 
Professor  genauer  zu  beleuchten.  Mit  der  Wiirdigung  als  „lutbe- 
riscber  Streittheologe  im  Sinn  der  Konkordienformel",  AUg.  Deutsche 
Biograpbie  37,  373  ist  docb  wenig  gesagt. 

Jak.  Scbopper  an  Propst  Job.  Magirus  und  Hofprediger 

Luk.  Osiander  in  Stuttgart. 

Horn  bach,  den   11.  November  1579. 

S(alutem)  in  Cbristo  Jesu  servatore  nostro  unico. 

Eeverendi  et  clarissimi  viri  et  colendi,  norunt  vestrae  reveren- 
tiae,  quid  cum  ipsis  do  rerum  mcarum  statu  Stutgardiae  praeterito 
Maio  contulerim.  Gum  igttur  iam  divina  providenti'a  et  dispositione 
mibi  contingat  vocatio  et  a  mea  praesenti  functione  sim  abi turns, 
mihi  autem  ab  illustrissimo  et  demon tissimo  meo  principe  sit  iniunc- 
tum,  ut  aliam  idoneam  personam  in  meum  locum  substituam,  rogo 
obnixe,  ut  alium  idoneum  virum  ex  vestro  ducatu  statim  cum  commen- 
daticiis  vestris  hue  mittatis,  qui  illustrissimo  principi  pr^iesentari 
possit.  Rogo  autem  per  Christum:  Quia  mea  praesens  functio  satis 
peritum  tbeologum  requirit,  ut  nobis  talem  virum  mittatis,  qui  in 
studio  s.  tbeologiae  compleverit  et  bactenus  bona  specimina  concio- 
nando  et  disputando  reddiderit.  Nam  in  nostra  scbola  ipsius  muneris 
erit;  explicare  compendium  tbeologiae  D.  Herbrandi,  item  evangelia 
dominicalia  et  ex  iis  materiam  concionandi  exponere  et  earn  a  dis- 
cipulis  compositam  emendare,  item  epistolas  Paulinas  enarrare  nee 
non  singulis  mensibus  locum  in  compendio  explicatum  publica  dis- 
putatione,  ad  quam  theologi  Bipontini,  vicini  pastores  et  nostri  pro- 
fessores  comparere  ac  opponere  solent,  defendere,  locum  dispntatum 
in  sermonem  popularem  redigere.  Item  in  ecclesia  die  dominica  et 
die  Veneris  concionabitnr.  Adhibebitur  etiam  saepius  in  Cancellaria 
illustrissimi  principis  in  negociis  ecclesiasticis.  Nam  eadem  est  ratio 
nostrao  scholao,  quae  est  Lauinganae.  Sicut  ibi  ergo  oportuit  mitti 
talem  virum,  qui  fuit  dignus  doctoratu^  sic  similem  personam  hue 
mitti   opportobit.     Et  certe  huic  meo  successori,   sicut  et  mihi  facien- 

14* 


212         Schornbaum,  Die  SakalarisalioD  des  Klosters  Solnhofen. 

dum  fuit,  pugnandnm  erit  strenue  contra  sacramentarios,  quibus 
haec  terra  magis  qnam  vestra  affligitur.  Et  ibi  non  respicienda  gratia 
vel  odium  quorundam  magnoram  viroram^  sicuti  ex  proximo  meo 
colloquio  intellexistis.  Ideo  mittetis  etiam  talem  yirum,  qui  sit  con- 
stautissimus  in  syncera  doctrina,  et  de  quo  ne  minima  quidem  sit 
suspicio  Ginglianismi  yel  alterius  erroris.  Vellem  etiam^  ut  talem 
mitteretis,  qui  illustrissimo  vestro  principi  est  obligatus,  id  ea  de 
causa,  ut  sic  a  vobis  theologis  in  timore  contineri  posset,  ne  ad 
errores  delaberetur,  et  qui  a  vobis  demum  revocari  posset,  si  se  si- 
nistrum  praeberet.  Nam  si  liber nm  aliquem  mittitis,  posset  is  a  qui- 
bnsdam  in  hoc  ducatu  occupari  et  errores  recipere  et  sic  vos  deinde 
ilium  non  possetis  revoeare.  De  facto  pericula  ecclesiae  sunt  prae- 
venienda.  Testatur  enim  experientia,  quod  saepius  multi,  do  quibus 
melior  spes  fuerat,  a  veritate  ad  errores  deficiant,  quod  ego  multorum 
exemplis  vidi.  Ut  etiam  talis  vir  plus  ac  probus  sit,  id  ante  omnia 
per  se  necessarium  erit. 

Talem  virum,  ut  iam  mittatis,  obnixe  rogo,  qui  tempestive 
illustrissimo  ac  clementissimo  principi  praesentari  queat.  Valeant 
vestrae  reverentiae  in  Christo  Jesu  op  optim6(!);  ac  domiuis  vestris 
collegis  meam  of^ciosam  salutem  impertiri  ne  gravemini.  Scriptum 
ad  lucem  XI  Novembris  Anno  79 

Vestrarura  reverentiarum  observantissimus 

M.  Jac.  Schopperus,  pastor  et  s.  theologiae  professor  Horbaci 

in  ducatu  Bipontino. 

(praes.  21.  Novembris  79.) 

Dem  ehrwurdigen  und  hochgelehrten  Herrn  M.  Jobanni 
Magiro  der  loblichen  Kirchen  zn  Stuttgart  Propst  und 
Herr  Doctor  Luccae  ( ! )  Osiandri  fiirstlichem  Wurttembergi- 
schen  Hofprediger,  meinen  insunders  gunstigen  Herren 
sampt  und  senders  zu  eroffnen. 

Kegistratur  des  Konsistoriums  in  Stuttgart. 


Die  Sakularisation  des  Klosters  Solnhofen 

von  Dr.  K.  Schornbanm. 

Die  Benediktinerpropstei  Solnhofen  gehorte  zu  den  weniger  be- 
deutenden  Klostern  cler  Markgrafschaft  Brandenburg.  Das  Einkommen 
betrug  1532  nur  7 — 800  fl.3).  Infolgedessen  zablte^  der  Konvent 
wohl  immer  auch  nur  wenige  Mitglieder.  1507  waren  nach  dem 
Tode  des  Propstes  Job.  Kastner  nur  5  MSnche  vorhanden^):    1525 


1)  Bericht  des  Bichters  Yeit  Jager.  Kreisarchiv  Nurnberg.  Rep.  162. 
Kloster  Solnhofen  Tit.  14.  Nr.  1  f.  .51. 

2) -In  einerUrkunde  vom  Do.  n.  Oculi  (11.  3.)  1507  werden  samtliche 


Schornbaam,  Die  Sakularisation  des  Klosters  Solnhofen.         213 

war  ihre  Zahl  aut  zwei  herabgesunken,  sodafi  Markgraf  Kasimir 
Ohristoph,  Abt  zu  Heidenheim;  nacb  Solnhofen  sandte,  damit 
uberhaupt  die  Wabl  eines  neuen  Propstes  vorgenommen  werden 
konnte^).  Sie  fiel  auf  den  einen  der  beiden  noch  vorbandenen 
M5nche  Jakob  Jsiger,  der  nun  aucb  der  letzte  wirkliche  Propst  des 
alten  Benediktinerklosters  werden  sollte^). 

Von  der  Reformation  blieb  Solnhofen  ziemlich  lange  verschont. 
Die  1525  durch  Kasimir  erfolgte  S&kularisation  war  nur  voriiber- 
gehend^).  Bereits  am  14.  September  1525  Ubergab  er  die  Ver- 
waltnng  desselben  dem  Propste^),  wenn  auch  die  Untertanen  des 
Klosters  erst  im  nilchsten  Jahre  davon  in  Kenutnis  gesetzt  wurden  ^), 
imd  am  1.  Eebruar  1527  ordneto  er  dessen  v5llige  Zuriickgabe  an 
ihn  an^).  Urn  das  Mandat,  welches  die  EinfUhrung  des  Landtags- 
abschiedes  von  1526  anordnete,  kummerte  dieser  sicli  nun  uicht  mehr 
viel;  er  glaubte  wohl  ungestSrt  bis  an  sein  Lebensende  seinem 
Glauben  in  seiner  Propstei  treu  bleiben  zu  k5nnen'^).  AUerdiugs 
hatte  man  zu  seiner  tJberwachung  1530  Veit  JSger  als  Yogt  und 
Richter  aufgestellt*). 

Im  Jahre  1532  gab  nun  dieser  den  Anstofi  zur  Einziehung 
des  Klosters.  Er  scheint  mit  dem  Propst  in  Streit  gerateu  zu  sein ; 
aus  Rachsucht  iibersandte  er  dem  markgrllflichen  Kanzler  Georg 
Vogler  eine  Reihe  von  Besch werden  liber  ihn  und  seine  Verwaltung 

Mitglieder  der  Ron  vents  aufgezahlt:  Herr  Stephan,  Jakob,  Zacharias, 
Georius  und  Jodokus.  Rep.  162.  Tit.  6.  Nr.  29.  Jakob  ist  der  letzte 
Propst :  Jakob  Jager;  Zacharias  wird  wohl  identisch  sein  mit  dem  noch  1532 
im  Kloster  befindlichen  Zach.  Wagner. 

1)  Cbristopb,  Abt  von  Heidenheim  an  Kasimir.  d.d.  Fr.  n.  Petri  et 
Paul!  (30.  6.)  1525  Befehl  Kasimirs  an  das  Kloster.  d.d.  Ansbach  Kiliani 
(8.  7.)  1525.    Rep.  162.  Tit.  6.  Nr.  13  f.  78.  80  (99). 

2)  Christoph,  Abt.  von  Heidenheim  an  Georg  d.a.  1529.  Darnach 
wurde  Jakob  Jagcr  mit  Umgehung  des  Abtes  von  Fulda  direkt  vo|i  Rom 
bestatigt.  Tit.  6.  Nr.  13 f.  84. 86.  Sein  Vorganger  Georg  Gutmann  1517—1525. 
8.  Tit.  6  Nr.  13.  gegen  A.  Hirschmann,  der  heilige  Sola  S.  75. 

3)  Bericht  der  Statthalter  zu  Heidenheim  u.  Auhausen  W.  Ruff  u. 
N.  Himler  an  Kasimir.  d.  d.  Mittw.  n.  Voc.  Juc.  (24.  5.)  1525.  Rep.  162. 
Tit.  14.  Nr.  1.  f.  1.  Klosterverwalter  war  dainach:  H.  Strobel.  "s.  K. 
Schornbaum,  Die  Stellung  des  Markgrafen  Kasimir  von  Brandenburg 
zur  reformatoriscfaen  Bewegung.  Niirnberg.  1900  S.  200.  A.  Hirschmann, 
Der  heilige  Sola.  S.  64  schreibt  diese  Klostereinziehnng  Georg  zu.  Mit 
welchem  Recht? 

4)  Kasimir  und  Georg  an  Jakob,  Propst  zu  Solnhofen.  d.d.  Ansbach 
Di.  n.  Ex.  Crucis  (14.  9.)  1525.    Rep.  162.  Tit.  14.  Nr.  1  f.  3. 

5)  Kasimir  an  die  Untersassen  des  Klosters  Solnhofen  d.d.  Ansbach. 
Eritag  n.  Exaudi  (15.  5.)  1526  ibidem  f.  5. 

6)  K.  Schornbaum  1.  c.  S.  236. 

7)  d.d.  Wien:  20.  1.  1527.  Grig.  Ansb.  Rel.  Acta  II.  f.  246  g. 
W.  V.  d,  Lith,  ErlauteruDg  derReformationshistorie  .  .  .  Schwabach  1733. 
S.  195  §  2.  cf.  Schornbaum  S.  234. 

8)  Rep.  162.  Tit  8.  Nr.  1.  f.  28.  Georg  an  Jakob,  Propst  von  Solnhofen 
d.d.  Ansbach  Di.  n,  Antoni  (18.  l.)l  530. 


214         Schornbaum,  Die  Sakiilarisatiun  des  Klosters  Solnhofen. 

in  der  Iloffmiug,  ein  Einscbroiten  der  Regieruug  zii  erzieleo  ^).  Zu- 
iiMclist  gab  er  ihm  Scbuld,  dafi  er  sich  urn  die  Befehle  des  Mark- 
grafen  beziiglich  des  Gottesdieustes  gar  nicht  kUmmerte,  soDdern  seinen 
alten  GebrSuchen  treu  geblieben  sei.  An  seiner  Verwaltung  wufite 
er  ebenfalls  manches  zu  tadeln.  So  teilte  er  mit,  dafi  der  Propst 
die  Jagd  aaf  den  Feldern  des  Klosters  nicht  an  markgrafliche^  sondern 
au  pi^lziscbo;  eicbstattiscbe  und  pappenbeimische  Untertanen  vergebe 
uud  ibuen  viel  entgegenkomme^  wenn  sie  mit  ihren  Hunden  im 
Kloster  liber  Nacbt  blieben.  Von  ricbtiger  Hausbaltuug  verstiinde 
er  iiberhaupt  nicbts.  Er  lasse  die  Gebftude  des  Klosters  zcrfallen^ 
Gliter  wurden  ibm  entfremdct.  Sein  Bestreben  sei  eben  nur  das, 
fur  seine  Familie  zu  sorgen.  Habe  er  docb  ^zum  Argernis  aller 
Frommen  eine  Hure  an  sicb  benken  und  Kinder  mit  ibr^^  die  er  aiicb 
zum  Teil  scbon  verbeiratet  babe.  Alle  diese  unterbalte  er  auf  Kosten 
des  Klosters.  Diese  Frau  babe  eiast  durcb  ihren  Leicbtsinn  eiuen 
Brand  im  Kloster  verscbuldet,  der  grofien  Scbadeu  angericbtet  babe. 
Der  Propst  babe  ibr  dann  ein  Haus  zu  Solubofen  gekauftr  als  sie 
aber  durcb  markgrHflicbes  Gebot  ausgewiesen  wurde,  babe  er  ibr 
wiederum  aus  den  Mitteln  der  Propstei  eine  Wobnung  zu  Morolz- 
beim  (Morusbeim  ?)  erworben :  das  Haus  zu  Solnbofen  babe  er  da- 
gegen  seineu  Tochtermann  iiberwiesen.  Aucb  sonst  babe  er  genugsam 
flir  seine  Verwaudte  gesorgt;  den  Klostermuller  von  MSrnsbeim  babe 
er  vertrieben,  um  seinen  Scb wager  dabin  zu  bringen.  Einen  andern 
Scbwager  babe  er  zum  Baumeister  des  Klosters  gemacbt;  einmal 
babe  er  ibn  nacb  Franken  zum  Weinkauf  gescbickt.  Nacb  seiner 
Heimkebr  gab  er  an,  man  batte  ibn  unterwegs  alles  Geldes  beranbt, 
wabrend  cr  in  Wirklicbkeit  dasselbe  fur  sicb  bebielt.  Dagegen  sei 
nicbt  eingescbritten  worden.  Der  Propst  sei  viel  zu  alt,  um  ricbtig 
Haus  balten  zu  k(5nuen;  er  benke  alles  an  seine  Hure;  man  solle 
ibn  absetzen,  sonst  gebe  das  Kloster  zugrunde^).  Vogler  ubersandte 
dies  Scbreiben  dem  Markgrafen  ^),  welcber  am  18.  Februar  1632  die 
Stattbalter  und  KSte  beauftragte,  die  ganze  Sacbe  zu  untersucben. 
Falls  sicb  berausstellen  wurde,  dafi  der  Propst  scbuldig  ware,  kSnue 
ibm  die  Verwaltung  nicbt  mebr  gelassen  werden.  Dann  soUten  sie 
ibm  eine  Pension  aussetzen  und  weitere  Vorscblage  uber  die  Ver- 
waltung des  Klosters  ibm  unterbreiten.  Falls  sie  es  fur  notig  finden 
wurden,  einen  geistlicben  und  weltlicben  Verwalter  aufzustellen  oder 
falls  sie  es  ftir  besser  bielten,  nocb  einmal  einen  Propst  zu  wablen, 
in  jedem  Falle  sollten  sie  geeignete  Vorscblage  unterbreiten*). 

Die  Stattbalter  beriefen  zunacbst  den  Propst  zur  Verantwortung 

1)  Wolf  RueflP,  Kastner  zu  Wassertriidingen,  an  Stattbalter  u.  Rate 
zu  Ansbach.  d.d.  Job.  Bapt.  (24.  6.)  1532.  Rep.  162.  Tit.  14.  Nr.  1.  f.  33. 

2)  f.  13.  39. 

3)  Georg  an  Vogler  d.d.  So.  Jnv.  (18.  2.)  1532.  f.  19. 

4)  Georg  an  Stattbalter  u.  Rate  zu  Ansbach,  d.d.  Jagerndorf  s,  e,  d, 
f.  10  u.  17. 


Schornbaum,  Die  Sakularisation  des  Klostors  Solnbofen.         215 

nach  ADsbach.  Die  Klagen  schieneii  ibnen  uicbt  uubegruiidet,  mau 
war  mit  seiner  RechnuDgsfubruDg  noch  nie  zufrieden  gewesen^). 
Als  ihm  nun  die  Klagepunkte  des  Ricbters  yorgehalten  wurden^ 
erklarte  er  sie  rundweg  fUr  erlogen^  erbot  sich  jedoch,  falls  es  der 
Markgraf  wuDSche,  auf  seine  Propstei  zu  verzicbten  *^).  Nur  ver- 
langte  or  danu  als  Pension:  die  Bebausung  des  Klosters  zu  Pappen- 
beim,  8  Hennen,  15  HUbner^  3  Klibe,  3  Tagwerk  Wieseu,  6  Scbober 
Stroh,  2  Stock  Holz,  6  Simra  Korn,  6  Sra  Habern,  3  Metzen 
Dinkel,  1  Stricb  Erbsen,  1  Stricb  Tattel  (Bucbweizen),  Tiscbe, 
Hausrat  und  1  fl.  Geld^)  (1.  Juni  1532).  Darin  saben  die  Statt- 
balter  docb  ein  teilweises  Zugest^lndnis  und  beauftragten  W.  Kueff, 
den  Kastner  zu  Wassertriidingen,  an  Ort  und  Stelle  die  notigen 
Untersucbungen  zu  veranstalten,  um  der  Sacbe  auf  den  Grund  zu 
kommen  (2.  Juni  1532)*).  Unverziiglicb  ging  dieser  daran,  diesen 
Befebl  auszufubren,  aber  wie  erstaunte  er^  als  er  zu  Solnbofen  vom 
Liicbter  borte^  dafi  uberbaupt  nocb  niemand  vorgeladen  sei.  Offenbar 
war  diesem  die  ganzo  Sacbe  jetzt  sebr  unangenebm;  er  scblug  vor^ 
eiue  besondere  Untersucbungskommission  von  Ansbacb  aus  abzuordnen 
und  scbon  vorber  alle  Beteiligten  von  Amtswegen  dann  laden  zu 
lassen*  Er  wollte  selbst  sebr  wenig  damit  zu  tun  baben^).  Nocb 
bevor  die  Mitteilung  des  Kastners  in  Ansbacb  eintraf,  batten  die 
Stattbalter  ein  ISngeres  Scbreiben  vom  Propste  erbalten.  Er  fiiblte 
es,  dafii  eiue  kurze  Ablebnung  aller  Klagen  des  Ricbters  ibm  nicbts 
belfen  konne;  er  versucbte  desbalb  in  langerer  Ausfubrung  die 
einzelnen  Punkte  zu  entkrSften.  Fraglicb  ist  es,  ob  er  selbst  alles 
verfafit  bat;  der  Ricbter  bebauptete,  ein  biscbbflicber  Priester  batte 
ibm  bilfreicbe  Hand  dabei  geleistet.  Er  gab  zunacbst  zu,  dafi  er 
sicb  um  die  Mandate  des  Markgrafen  bez.  des  Gottesdienstes  nicbts 
gekummert  babe;  er  batte  aber  aucb  keines  empfangen.  Darin  batte 
er  sicb  allerdings  getSuscbt;  denn  das  Mandat  vom  Februar  1527 
ist  ibm  sicber  zu  Gesicbt  gekommen  ^).  Besser  konnte  er  sicb  gegen 
die  andern  Vorwurfe  verteidigen.  Er  gab  wirklicb  zu,  dafi  er  die 
Jagd  an  fremde  Untertanen  verpacbtet  babe ;  aber  er  sei  dazu  eigent- 


1)  Zum  ersterimal  war  Jakob  Jager  wobl  1526  von  Easimir  zur 
RechnuDgsablage  nach  Ansbacb  berufen  worden  d.d.  Ansbacb  So.  Rem. 
(25.  2.)  1526.  f.  4.  Da  er  aber  ausblieb,  wurde  er  1528  dringend  aufge- 
fordert,  am  12.  Marz  1529  in  Ansbacb  zu  erscheinen.  d.d.  Ansbacb.  Thome 
ap.  1529  (29.  12.  1528)  f.  8.  9.  3.  1532  wurde  er  wiederum  aufgefordert 
zur  RechnungsstelluDg  zu  erscheinen,  nachdem  die  Recbnung  von  1580  u. 
1531  nicbts  tauge.  d.d.  Sa.  n.  Oculi  (9.  3.)  1532  Ansb.  Rel.  Acta  Tom,  suppl. 
IV.  Ease.  16.  Nr.  11. 

2)  Tit  14.  Nr.  1.  f.  20. 

3)  f.  21. 

4)  d.d.  So.  n.  Corp    Cbr.  1532  f.  22. 

5)  d.d.  Di.  n.  Bonif.  (11.  6.)  1532  f.  29. 

6)  Kasimir  und  Georg  an  Jakob,  Propst  zu  Solnbofen.  d.d,  Purif. 
Mariae  Abend  (1.  2.)  1527.    Rep.  162  Tit.  14.  Nr.  2.  f.  5. 


216         Sohorubaam,  Die  Sak  uiarisation  des  KloBtera  Solnhofen. 

lich  gezwuugeD;  da  das  KloBter  viel  Eiuklinfte  an  Gil  ten  uud  Zehnten 
eben  in  andern  Gebieteu  hatte,  zu  deren  Einbringung  man  auf  die 
Hilfe  solcher  Leute  angewieBeu  sei.  Da  im  ganzen  Dorf  kein  Wirts- 
haus  sei,  kSnne  er  sich  docli  nicht  dagegen  strSubeu,  ihnen  zu  Zeiten 
einen  Trunk  oder  eiue  Suppe  vom  Kloster  zu  verabreicheo.  Mit 
aller  Entschiedenbeit  wandte  er  sich  gegen  die  Anschuldignng,  dafi 
er  in  unerlaubten  Beziehungen  zu  einer  Klostermagd  stehe  und  ihr 
und  ihren  Yerwandten  zuliebe  die  Einkiinfte  des  Klosters  verschleudere. 
Als  der  Brand  im  Kloster  ausgebrochen  sei,  wfire  er  gar  nicht  zu- 
hause  gewesen.  Ein  Hans  hStte  er  ihr  zu  Solnhofen  nie  gekauft^ 
sonderu  nur  ihren  Lohn  ausbezahlt.  Allerdings  habe  ihr  Tochter- 
manu  sich  hier  ansassig  gemacht;  aber  dabei  sei  er  nicht  beteiligt 
geweseu;  denn  dessen  Hans  stehe  dem  markgraflichen  Vogt  zu. 
In  Mornsheim  habe  er  ihr  zu  gar  keinem  Gute  verhelfen  konneu, 
denn  da  sei  er  weder  Lehens-  noch  Yogtherr,  sic  habe  es  aus  ihrem 
eigeuen  Yermogen  sich  erwerben  miissen,  Auch  die  Yertreibung  des 
Klostermlillers  wufite  er  aufzuklSren.  Dem  alten  Miiller  sei  seino 
Frau  entfuhrt  worden,  so  dafi  er  immer  mehr  in  Schulden  geriet. 
Er  habe  ihm  deswegen  geraten,  seine  MUble  zu  verkaufen.  Dieser 
hatte  auch  seinen  Rat  befolgt.  Weiter  habe  er  nichts  ihm  einreden 
k(5nnen^  da  die  Herrschaft  liber  die  Muhle  dem  Bistum  Eichstatt 
zustehe,  Dafi  das  Kloster  noch  nicht  zu  seinem  Gelde  gekommen 
sei;  das  dem  Baumeister  angeblich  entwendet  worden  sei,  habe  nur 
der  Amtsverweser  zu  Hohentriidingen,  Wolf  Graven s tetter,  verschuldet. 
Dem  habe  er  die  ganze  Sache  ubergeben.  Zum  Zeugnis,  dafi  es  mit 
seiner  Yerwaltung  doch  nicht  so  schlimm  bestellt  sein  konne,  berief 
er  sich  auf  seine  40jahrige  Tatigkeit  im  Kloster:  wenn  mancher 
Schaden  ihn  getroffen  habe,  so  trage  auch  der  markgrafliche  Yogt 
einen  Teil  der  Schuld,  der  seinen  Rat  und  Hilfe  oft  genug  versagt 
habe^).  Die  Statthalter  waren  wohl  jetzt  um  so  begieriger  das  Re- 
sultat  der  Untersuchung  des  Eastners  RufP  zu  horen.  Sie  meinten, 
er  sei  noch  vollauf  damit  beschaftigt  und  sandten  ihm  deswegen  zur 
besseren  Informierung  die  Schrift  des  Propstes  zu*).  Aber  bereits 
wenige  Stunden  spater  traf  dessen  Schreibeu,  worin  er  meldete,  wie 
wenig  er  ausgerichtet  hatte,  ein.  Die  Statthalter  ubertrugeu  darauf  ihm 
weiterhin  die  Untersuchung^)  und  beauftragten  den  Yogt,  nicht  nur 
selbst  bei  dem  YerhSr  zu  erscheinen  sondern  auch  alle  Zeugen  vor- 
zuladen  (14.  Juni  1532)*).  Yeit  Jager  aber  weigerte  sich  wiederum, 
dem  Kastner  Rede  zu  stehen;  er  erklarte  schon  genug  Yogler  mit- 
geteilt  zu  haben  und  Uber  dies  nicht  hinausgehen  zu  durfen.   Schon 


1)  Tit.  14.  N.  1.  f.  24. 

2)  Statthalter  an    den   Kastner  von   WaasertrUdingen.   d.d.  Do.    n. 
Medardi  (13.  6.)  1532  f.  28. 

3)  d.d.  Fr.  n.  Medardi  (14.  6.)  1532.  f.  31. 

4)  s.  e.  d.  f.  32, 


Schornbaum,  Die  Sakiilarisation  des  Klosters  Solnhofeo,         217 

wollte  Buff  wieder  heimreiseD,  da  schickte  der  Propst  seiuen  Kon- 
ventual  Zacharias  Wagner  zu  ihm  und  erbot  sicb  zu  gutlicben  Unter- 
haDdluDgen.  In  der  Nacbt  anderte  er  dann  wiederum  seinen  Vorsatz 
und  teilte  am  Morgan  dem  Kastner  mit,  dafi  er  bald  sclbst  in  Ans- 
bach  erscheinen  wlirde^),  Jetzt  griffen  die  Statthalter  energisch  ein. 
Veit  Jager  wurde  beauftragt^  seine  Aussagen  auch  vor  Ruff  un- 
weigerlich  zu  wiederholen  und  alle  Zeugen  sofort  vorzuladen 
(25.  Juni  1532)2). 

Jetzt  erst^  Ende  Juni  1532,  konnte  er  an  seine  Aufgabe  heran- 
treten*  14  Zeugen  neben  dem  Bichter  Veit  J^ger  werden  eingehend 
von  ihm  verh5rt.  Darin  stimmten  nun  alle,  auch  Jorg  Vogel,  der 
sich  nur  um  seine  Sachen  kiimmerte,  und  L.  Bupp,  der  erst  3  Jahre 
zu  Solnhofen  war,  iiberein,  dafi  der  Propst  noch  ganz  dem  alten 
Glauben  treu  geblieben  sei  und  sich  um  die  Befehle  des  Markgrafeu 
wenig  gekliinmert  habe.  Ausgenommen  L.  Funk,  Erkinger  Gumpler, 
H.  Franck  und  L.  Bupp  bestatigten  alle  die  Verpachtung  der  Jagd 
an  fremde  Untertanen  sowie  den  tibermafiigen  Aufwand,  falls  sie  im 
Kloster  Uber  Nacht  blieben.  Seine  Bezieliungen  zur  Magd  waren  nicht 
einwandfrei.  Von  verschiedenen  wird  sie  einfach  „die  Hure"  ge- 
nanut.  Dagegen  wurde  von  2  Seiten  ausdriicklich  bestritten,  dafi  er 
auch  eine  Tochter  habe.  Dariiber  ob  der  Propst  zugunsten  seines 
„Anhangs"  die  Klostereinklinfte  friiher  verwendet  habe,  aufierten  sich 
nur  2  Zeugen  in  bejahender  Weise.  Ein  Zeuge  erklarte  zwar,  die  . 
Hauser  der  Magd,  die  beim  Brand  zugrunde  gegangen  wSren,  seien 
vom  Propst  wieder  aufgebaut  worden,  der  ihn  selbst  dazumal  ent- 
lohnt  habe,  aber  die  meisten  sagten :  ,,das  gemeine  Geschrei  sei  so." 
Verschiedene  suchten  die  Behauptung,  dafi  er  der  Frau  die  beiden 
Hauser  zu  Solnhofen  und  Mornsheim  gekauft  habe,  durch  den  Hia- 
weis  auf  ihre  Armut  wahrscheinlich  zu  machen.  Ebensowenig  liefi 
sich  etwas  gewisses  erfahren  uber  die  Ursache  des  Klosterbrandes, 
iiber  die  Vertreibuug  des  KlostermUUers  (bejaht  von  J8rg  u.H.  Franck). 
Jorg  Franck,  H.  Kopp;  Erk.  Gumpler,  Jorg  Drieser  bezeugten,  dafi 
der  Propst  die  Frau  und  ihre  Verwandten  von  dem  Kloster  unter- 
halte.  Mich.  Deutner  und  Jakob  Hamermeister  gaben  zu,  dafi  roan 
allgemein  davon  rede.  [Fast  alle  stimmten  darin  Uberein,  dafi  er 
den  Baumcister  des  Klosters  viel  zu  mild  behandelt  habe.l  Hans 
Lenther  bezeugte,  dafi  man  an  ihm  kein  „plobs  mayP^  gesehen  habe, 
als  er  zu  ihm  ins  Bad  gekommen  sei.  Verschiedene  klagten  dariiber, 
dafi  er  nichts  zu  Eeparaturen  des  Klosters  verwende,  den  armen 
Leu  ten  kein  Getreide  verkaufeu  wolle;  zu  einem  armen  Hirten,  der 
um  Getreide  bat,  sollte  er  gesagt  haben :  er  wolle  ihm  keinen  Metzen 
Koru  verkaufen  oder  einen  Leib  Brot  leiheu,  ehe  solle  er  mit  seinen 

1)  W.  Rueff  an  Statthalter  und  Rate  zu  Ansbach.  d.d.  Joh.  Bapt. 
(24.  6.)  1532.  f.  33. 

2)  d.d.  Di.  n.  Joh.  Bapt,  1532.  f.  35. 


2L8         Schornbaum,  Die  SakQiarisation  des  Klosters  Solnhofeo. 

Kinderu  des  Hungers  sterben;  ilber  die  Verweudung  des  Kloster- 
eigentums  wufiten  Dattirlich  die  wenigsteu  etwas;  doch  erzShlten 
manche,  daft  er  einen  Klosterwald  ^Kessel^  sich  habe  eutfremden 
lassen.  Auch  Veit  Jager  mufite  jetzt  Rede  stehen  ;  er  blieb  dabei, 
dafi  er  Georg  Vogler  wohlgegriindete  Angaben  gemacht  habe^). 

KSte  uud  Statthalter  beguiigten  sich  mit  diesen  Zeugenanssageu 
uuch  nicht;  sie  beriefen  Ko.  Reisenleuter,  Kastner  zu  Schwabach,  der  oft 
wegei)  seines  Eisenhaudels  nach  Solnhofen  kam,  und  den  Richter 
Veit  Jliger  zu  sich.  Letzterer  blieb  bei  seinen  vorigen  Angaben, 
nur  gab  er  jetzt  zu,  dafi  der  Propst  keiue  Tochter  habe.  Ko.  Reisea- 
leuter  stimmte  ihm  in  den  meisten  Pnnkten  zu,  wufite  er  doch  das 
meiste  eben  von  diesem.  Von  Bedeutung  ist  nur  die  Aussage,  dafi 
der  Propst  ihm  selbst  bekannt  habe,  „dafi  er  mit  der  alten  Hure 
also  zugehalten  habe,  aber  es  nimmer  tue^^). 

Ob  die  Statthalter  noch  weitere  Untersuchungeu  anstellton,  wissen 
wir  nicht.  Man  kann  wohl  verstehen,  warum  sie  es  noch  nicht  fiir 
gerateu  hielten,  auf  Grund  der  Zeugenaussagen  vorzugehen.  Dazu 
waren  sie  doch  viel  zu  uubestimmt.  Der  Versuch  des  Richters  Veit 
Jager,  den  alten  Propst  zu  stUrzen,  war  somit  mifilungen.  Erst 
die  EinfUhrung  der  Kirchenordnung  1533  sollte  der  Verwaltung  des 
letzten  katholischen  Propstes  ein  Ende  bereiten. 

Der  Vogt  zu  Heidenheim  iibergab  am  4.  April  1533  die  Nurnb. 
Brandenb.  Kirchenordnung  dem  Propste  zur  Einfuhrung.  Jakob 
Jager  hatte  aber  eben  so  wie  der  alte,  schon  40  Jahre  in  Solnhofeu 
wirkende  Pfarrer  Job.  Roth^),  der  zugleich  Dechant  des  Kapitels 
Monheim  war,  wenig  Lust  dazu.  Aber  offen  wollte  man  das  doch 
nicht  zugestehen;  der  Propst  wufite,  dafi  ein  geringer  Anlafi  seine 
Absetzung  herbeifiihren  konnte.  So  erklSrten  sie  denn  am  18.  April 
1533  sich  im  allgemeinen  dazu  bereit,  dem  Wunsche  des  Markgrafen 
nachzukommen.  Aber  da  die  Angehorigen  der  Pfarrei  verschiedenen 
llerrschaftcn  untertan  waren,  drohe  ihnen  bei  Annahme  der  neueu 
Lehre  die  Beschlagnahme  aller  Renten,  Zinsen,  Gilten  in  diesen  Ge- 
bieten;  zudem  liege  Solnhofen  am  Ende  des  Markgraftums,  rings 
umber  seien  lauter  altglSubige  Gebiete,  dafi  man  nicht  immer  ent- 
sprechenden  Schutzes  sich  getr5sten  dUrfte.  Dazu  wisse  das  Yolk 
noch  gar  nichts  von  der  Kirchenordnung ;  eine  Belehrung  erfordere 
langere  Zeit;  da  sie  selbst  alte  Leute  waren,  wlirde  es  ihnen  auch 
schwer  fallen,  sich  darnach  zu  richten ;  man  mochte  also  von  der 
EinfuhruDg  bei  ihnen  wie  bei  andern  Klostern  absehen  oder  wenigstens 
bis  zur  Heimkehr  des  Markgrafen  warten*).     Die  Statthalter  durch- 


1)  f.  41.  am  3.  7.  1582  vonW.  RueflF  an  die  Statthalter  und  Rate  in 
Ansbach  gesandt  f.  37. 

2)  f.  51. 

3)  Tit.  14.  Nr.  2.  f.  28. 

4)  d.d.  Freitag  in  der  Osterwoche  1533.  f.  7. 


Schornbaum,  Die  Sakularisation  dee  Rlosters  Solnhofeu.         219 

schauten  die  ganze  Sache  UDd  befahleu  umgehend  am  19.  April  1533 
die  unverzliglicbe  Annabme  der  KircbcDordnung.  Aucb  in  Langen- 
zenn  und  St.  Gumbertus  werde  sie  gehalten.  GemSfi  dem  Niiruberger 
Keligionsfrieden  braucbe  der  Props!  keine  BeschlagDabme  der 
Zebnten  etc.  zu  befurcbten;  er  btltte  docb  selbst  schon  in  Ansbach 
ziir  Einfiibrung  sicb  bereit  erklSrt  ^).  10  Tage  spater  sandte  man 
Job.  Kretscbmair  nacb  Solnhofen,  um  an  ibrer  Stelle  dieser  gemafi 
Gottesdienst  zu  balten;  das  Kloster  wurde  angewiesen,  ihm  nebst 
Frau  und  Kind  Unterbalt  zu  gewabren  *).  Aber  bereits  am  6.  Mai 
1533  trat  an  dessen  Stelle^  der  nacb  Langenzenn  kam^'^),  Job.  Bern 
ah  Prediger  in  das  Kloster^).  Der  Propst  merkte,  dafi  die 
Stattbalter  ernstlicb  gewillt  waren,  die  Einfiibrung  der  Kircben- 
orduung  zu  erzwingen  und  ersann  einen  neuen  Grund,  um  die  Sacbe 
zu  vcrzogeru.  Er  bat,  einen  jiingen  Konventsbruder,  der  sicb  gut 
in  der  Ordnung  auskenne,  mit  der  Versorgung  des  Pfarrvolkes  zu 
betrauen.  Da  der  alte  Pfarrer  nicbt  da  sei,  konne  man  mit  Bern 
uicbts  weiter  verbandeln.  Man  hUtte  aucb  scbon  dem  Volke  ver- 
kiindet,  dafi  jeder  auf  seine  Bitte  an  Pfiugsten  das  Abendmabl  unter 
beiderlei  Gestalt  empfangen  konne  (9.  Mai  1533)^).  Man  kam  in 
Ansbacb  dem  Propste  entgegen;  der  junge  MSncb  wurde  zur  Exa- 
mination bescbieden  ^).  Man  fand  aber,  dafi  er  ganz  unbelesen  war, 
-weil  ihm  der  Propst  nie  Bucher  gekauft  hatte.  Die  Examinatoren 
rieten  desbalb,  diesem  zu  befeblen,  ibn  mit  Biichern  zu  verseben,  be- 
sonders  mit  der  Bibelj  Lutbers  Postille  etc.;  nacb  eiuem  balben  Jabre 
sollte  er  von  neuem  erscbeinen;  iuzwiscben  sollte  das  Kloster  einen 
Prediger  auf  seine  Kosten  aufstellen  ®).  Am  24.  Mai  1533  wurde 
in  diesem  Sinne  dem  Kloster  gescbriebeu;  flir  den  Prediger  sollten 
sie  eine  jSbrlicbe  Besoldung  von  60  fl.  leisten'').  Nocb  eiumal 
sucbte  der  Propst  die  Anordnuugen  der  Stattbalter  zu  durchkreuzen. 
Er  teilte  mit,  dafi  das  Pfarreinkommen '  zu  gering  sei,  um  nocb  einen 
Geistlicken  besolden  zu  konnen;  man  babe  deswegeu  Heidenheim 
um  Abordnung  eines  Kloster brnders  ersucbt,  der  die  Kircben ordnung 
bei  ibnen  einfiibre  und  die  Leute  unterweise  ^).     Das  war  das  letzte 


1)  d.d.  Sa.  n.  Ostern.  1533  f.  9. 

2)  d.d.  Di,  n.  Mis.  Dora.  1533  f.  11. 

2a)  £r  wurde  1536  pensioniert  und  starb  1541.  Seine  Eompctenz  im 
Akt  des  Kons.  Ansbacb  Langenzenn  1538—1653  f.  12.  d.d.  So.  Mis.  Dom. 
(14.  4.  1532.) 

3)  d.d.  Di.  n.  Jubilate  (6.  5.)  1533  f.  12.  14. 

4)  d.d.  Freitag  n.  Jubilate  1533  f.  16.  17. 

5)  d.d.  Mo.  n.  Cantate.  (12.  5.)  1533.  f.  18.  Der  Propst  erklarte  sicb 
am  15.  5.  1533  dazu  bereit  f.  19. 

6)  Urteil  der  £xaminatoren  von  der  Hand  Althamers  f.  20. 

1)  Stattbalter    und  Rate  an  Propst  und  Eon  vent  zu  Solnhofen.  d.d. 
Sa.  n.  Asc.  Dom.  (24.  5.)  1533.  f.  21. 
8)  f.  22. 


220         Schornbaum,  Die  Sakularisation  des  Klosters  Solohofen. 

Schreiben  des  Propstes  in  diescr  Angelegenheit;  inzwischen  war 
bereits  seine  Absetzung  verfugt  worden. 

Wilibald  Zeller,  ein  ehemaliger  Konventual  des  Klosters  WUlz- 
burg,  hatte  bei  der  Umwandlung  desselben  in  ein  Chorherrnstift  dem 
Markgrafen  gute  Dieuste  geleistet  nnd  war  deswegen  mit  der  Kustorei 
bedacbt  worden.  Diese  hatte  er  anfgegeben^  weil  er  nicht  personlicb 
residieren  woUte,  und  sich  mit  einem  Deputat  begniigt  (2.  Mai 
1532)^).  Inzwischen  hatte  er  auch  eine  neue  Stelle  in  Ellwangen 
gefunden ;  da  er  aber  nicht  lebenslanglich  dort  bleiben  konnte;  bat 
er  den  Markgrafen  Georg  um  Versorgung^);  er  brachte  die  tlbergabe 
der  Propstei  zu  Anhausen  oder  Solnhofen  oder  die  Oberlassung  der 
Pfriinde  des  Andr.  Funck  in  Feuchtwangen  in  Vorschlag.  Der  Mark- 
graf^  der  auf  ihn  Rucksicht  zu  nehmen  hatte^  befah]  den  Statthaltern, 
ihm  eine  von  den  beiden  Propsteien  zu  Ubergeben,  falls  die  PrSpste 
nicht  mehr  imstande  witren,  ihr  Amt  zu  verwalten  (13.  April  1533)^). 
Die  RSte  zu  Ansbach  benlitzten  nun  die  giinstige  Gelegenheit,  als 
J.  JUger  auf  alle  Weise  die  Aufnahme  eines  neuen  Predigers  zu 
hintertreiben  suchte,  and  verhandelten  mit  Zeller  wegen  ti^bernahme 
der  Propstei.  Bald  hatte  man  sich  mit  ihm  geeinigt.  Man  versprach 
ihm^  das  gauze  Kloster  ihm  zur  Verwaltung  anstatt  des  Markgrafen 
zu  libergeben.  Alle  Renten,  Zinsen,  Gilten  hatte  er  einzunehmen 
und  jahrlich  vor  der  Regierung  Rechnuug  abzulegen.  Neue  Bau- 
lichkeiten  sollte  er  ohne  Genehmigung  nicht  ausfiihren.  Er  mufite 
geloben,  alle  Mandate  wegen  des  Gottesdienstes^  des  ZutrinkenS; 
Fluchens  etc.  zu  halten:  auch  der  Uerrschaft  in  schwierigen  FSllen 
zu  raten.  Dafur  versprach  man  ihm  neben  voUstandiger  Unterhaltung 
jahrlich  100  fl.  Dagegen  erklslrte  er  sich  bereit,  von  seinem  WUlz- 
burger  Deputat  40  fl.  dem  alten  Propst  zu  geben,  dazu  5  Sra  Ge- 
treide^  8  Klafter  Brennholz  und  die  ihm  zusteheude  Wohnung  im 
Klosterlein  zu  Weifienburg  diesem  einzurSumen.  Etliche  Leilacher, 
Tischtucher,  und  2  Kuhe  stellte  man  dem  alten  Propst  «uch  in 
Aussicht.  Zeller  machte  nur  noch  aus^  dafi  im  Falle  seines  Rlick- 
trittes  von  der  Propstei  der  Markgraf  die  fernere  Versorgung  seines 
Vorgangers  auf  sich  nehmen  miisse*).  Damit  war  die  SSkularisation 
des  Klosters  entschieden;  denn  Wilibald  Zeller  war  in  gewissem 
Mafie  nur  mehr  markgraflicher  Verwalter,  wenn  er  auch  noch  den 
Titel  Propst  fuhrte  (18.  Juni  1533). 

Mit  dem  Kammerschreiber  Alexius  Frauentraut  ritt  Zeller  nach 


1)  Kreisarchiv  Ntirnberg.  Rep.  165.  Tit.  15.  N.  5. 

2)  d.d.  Ellwangen.  Do.  n.  Val.  (20.  2.)  1533.  Rep.  162.  Tit.  14.  Nr.  1. 
f.  57. 

3)  d.d.  Jagerndorf,  Ostern.  1533  f.  55. 

4)  f.  63.  65.  (Anweisung  an  Alex.  Frauentraut,  wie  er  Zeller  das 
Kloster  zu  libergeben  habe)  68  endgiiltige  Verfiigung  Georgs  d.d.  Mittwoch 
n.  Viti  (18.  6.)  1.533.  (cf.  Vertrag  zwischen  dem  Markgrafen  und  dem  alten 
Propst  d.d.  Ansbach.  Do  n.  Viti  (19.  6.)  1533  Herschaftl.  Buch  2  f.  67.) 


Sohornbanin,  Die  Saknlarisation  des  Klosters  Solnhofen.         221 

SolDhofoD.  Jakob  Jager  wurde  wohl  ohne  weiteres  seine  Absetznng 
verkdndigt;  es  blieb  ihm  nichts  ubrig  als  zu  resign iereD.  Die  Propstei 
wurde  dann  Zeller  ubergeben  und  alle  Untertanen  an  ibn  gewiesen; 
hierauf  wurde  er  in  der  Kirche  von  dem  Abte  von  Heidenheim  feier- 
lich  eingesetzt;  die  drei  noch  vorbandenen  Konventualen  Jakob 
Jager,  Zacbarias  Wagner  and  Job.  Stumegker  gelobten  ibm  Geborsani; 
wslbrend  er  ibnen  paternam  caritatem  zusicherte.  Daraufbin  inven- 
tarisierte  der  Kammermeister  mit  den  beiden  Propsten,  dem  Abte 
von  Heidenbeim  und  dem  Ricbter  Yeit  JSger  das  ganze  Kloster  und 
libergab  es  dem  neuen  Propste  (21.  Juni  1533).  Etliche  Tage  spater 
kam  der  Meierbof  des  Klosters  zu  Alerbeim  an  die  Keibe  ^).  Jakob 
J%er  hatte  sicb  der  Gewalt  beugen  miissen;  es  wird  ibm  scbwer 
genug  geworden  sein.  Zeller  reiste  nocb  einmal  nacb  Ellwangen^  um 
seine  Sacbe  zu  ordnen.  Am  12.  August  und  1.  Oktober  1533sowie 
12.  Jannar  1534  kam  scin  Hausrat  in  Solnbofen  an^).  So  war 
der  letzte  katboliscbe  Propst  seines  Amtes  entsetzt;  er  blieb  nocb 
im  Kloster;  ein  Yersucb,  im  nacbsten  Jabre  seine  Recbte  wieder  zu 
erlangen^  mifilang^). 

Wilibald  Zeller  batte  versprocben,  evang.  Gottesdienst  einsufUhren ; 
er  befabl  deswegen  dem  alten  Pfarrer  Job.  Rotb,  unverzUglicb  die 
alten  Zeremonien  abzuschaffen,  widrigenfalls  er  seine  Pfarrei  verlieren 
wurde.  Dieser  erklHrte  sich  dazu  aucb  bereit,  da  er  glaubte  durcb 
die  Uuterweisung  des  Hofkaplans  K.  Brunner^)  soviel  gelernt  zu 
baben,  daft  er  zur  Zufriedenbeit  der  Stattbalter  weiter  seines  Amtes 
walten  k<5nnte  (1.  Juli  1533)*^).  Er  hatte  sicb  aber  doch  zu  viel 
zugetraut;  er  war  zu  alt^  um  sich  gUnzlicb  in  die  Neuerungen  ein- 
leben  zu  konnen;  so  kam  es,  dafi  er  weder  die  papistische  noch  die 
evangelische  Ordnung  beacbtete.  Der  Propst  macbte  ihm  deswegen 
den  Vorschlag;  die  Pfarrei  samt  den  50  fl.  Absenz^  die  er  von  der 
Pfarrei  Kossiug  bezog,  zugunsten  des  Klosters  gegen  voUstsindige 
Unterhaltung  zu  resignieren.  Da.  er  dies  ablehnte^  beantragte  Zeller 
in  Ansbach  ibn  abzusetzen^  das  Pfarrgut  einzuziehen  und  auf  des 
Klosters  Kosten  ein  en  evang.  Pfarrer  zu  unterhalten  (23.  August 
1533)  ®).     Obwohl  die  Stattbalter  dem  zustimmten,  gelangte  der  Be- 


1)  Bericht  des  Alex.  Frauentrant  S.  72.  Jnventarium  des  Klosters 
S.  74  ff.  d.d.  Sa.  n.  Viti  (21.  6.)  1533. 

2)  Inventarinm  tiber  die  Sachen  Zeller  d.d.  Fr.  n.  Exaudi  (22.  5.) 
1534.  f.  88  fF.  Sein  ganzer  Hausrat  wurde  geschatzt  anf  175  fl.  Viele  Bttcher 
werden  aucb  erwahnt. 

3)  f.  60. 

4)  B.  Beitrage  11  S.  80  f.  Nacb  Kreisarchiv  Bamberg  Rep.  192  B. 
Nr.  39.  T.  n.  f.  165  blieb  er  nur  bis  1535  in  Leutersbausen  u.  ging  dann 
wieder  an  den  Hof. 

5)  Job.  Roth  an  Stattbalter  u.  Rate  zu  Ansbach.  d,d.  Panthaleonis 
1533.  Tit.  14.  Nr.  2.  f.  23. 

6)  Konsistorialarchiv  Ansbach.  Pfarrei  Solnhofen.  I.  (1533—1618) 
Wil.  Zeller,  Propst  an  die  Stattbalter  d.d.  Ab.  Barthol.  1533  f.  7. 


222         Schornbaum,  Die  Sakularisation  des  Klosters  Solnhofen. 

fehl  dazu  doch  nicht  zur  Vollziehung  ^).  Die  Sache  wurde  noch. 
schwieriger,  als  der  alte  Pfarrer  von  EichstKtt  aus  abgesetzt  wurde. 
Da  aiich  das  Pfarreinkommen  nur  36  ft.  betrug,  das  Kloster  eiDen 
weitereu  Geistlichen  auch  nicht  unterhalten  konnte^  so  half  maD  sich 
zun^hst  damit,  dafi  eiu  junger  Konventual,  der  vou  K.  BruDoer 
gentigend  Uuterricht  empfangen  hatte^  den  Gottesdienst  hielt^).  Am 
12.  Augusj;  1534  ubergab  endlich  der  alte  Pfarrer  seine  ganze 
Pfarrei  dem  Kloster;  er  hatte  wobl  selbst  gefUhlt;  dafi  er  nicht  mehr 
imstande  sei^  sein  Amt  weiter  zu  versehen^).  Am  16.  August  1535 
starb  er*).  Am  15,  Juni  1635  versah  als  erster  evang.  Pfarr- 
verweser  Martin  Schmid  die  Pfarrei*). 

Die  Verwaltnng  des  Klosters  machte  Zeller  mehr  MUhe,  als  er 
gedacht  hatte.  Alex.  Frauentraut  berichtete  1533,  dafi  der  Haus- 
halt  des  alten  Propstes  ungeschickt,  alles  verfault,  gar  keiu  Stroh 
vorhanden  sei.  Das  ganze  Kloster  stehe  hinten  und  vorn  offen: 
es  sei  nicht  gut  gebaut  und  babe  etliche  heimliche  TUren,  die  zum 
Hinausschaffen  sehr  geeignet  wSren*).  Der  neue  Propst  versuchte 
auf  manche  Weise,  die  EinkUufte  des  Klosters  zu  heben.  So  schlug 
er  vor,  die  vielen  unbewohnten  HSuser  im  Dorfe  wieder  zu  verleihen, 
damit  man  wieder  TaglShner  bekommen  konnte ;  auch  suchte  er  den 
Aufenthalt  der  Fremden  im  Kloster  moglichst  einzuschrSnken,  um 
Einnahmen  und  Ausgabeu  in  das  rechte  YerhSltuis  zu  bringen'^). 
Doch  scheinen  diese  Versuche  wenig  geholfen  zu  haben.  Er  schlug 
deswegen  1537  eine  vollstSndige  ymwandlung  der  Klosterverwaltung 
vor.  Er  regte  an,  alle  Felder  gegen  Getreideabgaben  zu  verpachten, 
und  ihm  nebst  den  2  noch  vorhandenen  Konventualeu  ein  Deputat 
zu  geben,  davon  sie  im  Kloster   leben    sollten.    Hit    andern  Worten 

1)  d.d.  Mo.  n.  Bartb.  (25.  8.)  1533  f.  9.  Die  Geraeinde  weigerte  sich 
ausser  MeBpfennig  und  Seelgeraten  etwas  zum  Pfarreinkommen  zu  geben. 
Der  Markgraf  bestimmte,  das  man  das  annehmen  sollte,  doch  nicht  als 
rSm.  Mefipf.  sondern  als  Addition.  Rep.  162.  Tit  14.  Nr.  1  f.  104.  106.  (d.d. 
15.  10.  1533).  Doch  scheint  das  alles  noch  nicht  gelangt  zu  haben  zur 
Besoldung  des  Pfarrers.  * 

2)  Wil.  Zeller  an  Georg  d.d.  Aftermontag  nach  Oculi  (10.  3.)  1534 
Tit.  14.  Nr.  2  f.  28. 

3)  Resignation  des  Pfarrers  J.  Both  d.d.  12.  8.  1534.  Er  bedang  sich 
Unterhaltung  16  fl.  u.  einen  Bock  aus  f..42  Mitteilung  Wil.  Zellers  an 
die  Statthalter  f.  30. 

4)  Wilibald  Zeller  an  Georg  d.d.  Sa.  n.  Cantate  (17.  5.)  1536.  Rep.  162 

Tit,  13.  a.  Nr.  1.  (S.  17  joo^  1.) 

1 

5)  Dieser  blieb  bis  1542.  Dann  kam  Marcus  Zentgraf.  Sein  Eid 
datiert  vom  28.  Sept.  1542.  Dieser  zog  1545  nach  Donauwdrth.  Sein  Nach- 
folger  war  Joh.  Eilmair  vonWemding;  vor  dem  Bauernkrieg  Schulmeister 
zu  Ansbach.  1572  emeritiert.  f  1575.  Ph.  Val.  Tilgeners  Eid  vom  27. 
5,  1572.  Joh.  Nurnbergers  Eid  vom  23.  4.  1577.  Rons.  Ansbacli.  Soln- 
hofen  I.  f.  11.  18.  39.  44.  55.  59.  61. 

6)  Tit.  14.  Nr.  1  f.  72. 

?)  W.  Zeller  an  Georg.  s.  d.  et  1.  Statthalter  an  den  Propst  zn  Soln- 
hofen  d.d.  Mittw.  w.  Dion.  (15.  10.)  1533  f.  104.  106. 


Schornbaum,  Die  Sakulaiisation  des  Klosters  Solnhofen.         223 

beantragte  er  die  Einziehung  desselben  durch  die  Regierung  gegen 
Unterhaltnug  der  letzten  Monche  ^).  Der  Ricbter  Veit  Jager  stimmte 
dem  im  wesentlicben  bei;  er  bielt  es  fiir  das  bestc,  die  Felder  des 
Klosters  zu  Solnhofen  als  Halbbauernhof  durch  den  Propst  bewirt- 
schaften  zu  lassen ;  ebenso  den  Meierhof  von  Efilingen ;  oder  aber 
die  einzelnen  Fdlder  gegen  eioe  jfihrliche  Gilt  unter  die  einzelnen 
Soldengiiter  im  porfe  zu  verteilen.  Von  den  60  Tagwerk  Wiesen 
sollten  20  dem  Fropst  uberlassen  werden;  die  ubrigen  soUten  an  die 
armen  Leute  verkauft  werdien^). 

Die  Statthalter  sandten  Georg  Grofier,  K.  Reisenleuter,  Kastner 
zu  Schwabach,  und  H.  Hartung,  Kastner  zu  WUlzburg,  nach  Soln- 
hofen, um  dem  Kloster  den  letzten  Rest  der  Selbstandigkeit  zu 
nehmen  und  es  gSnzlich  unter  markgrilfliche  Ver^altung  zu  stellen^). 
Wilibald  Zeller  war  damit  einverstanden.  ZuuSchst  inventarisierte 
man  das  Kloster^).  Dann  verpachtete  man  auf  3  Jahre  an  die  Bauern 
zu  Solnhofen  78  Morgen  von  den  Klosterfeldern  gegen  eine  jahrliche 
Abgabe  von  78  Metzen  Korn  und  78  Metzen  Haber;  ebenso  51  Tag- 
werk  Wiesen  gegen  einen  Pacht  jvon  82  fl.  20  ort^).  Statt  ihrer  bis- 
herigen  Naturalleistungen  wurde  den  Fischern  zu  Solnhofen  und 
Efilingen  eine  jahrliche  Abgabe  von  6^/2  bezw.  6  fl.  auferlegt®). 
Von  dem  Vieh  werde  ein  Teil  an  die  Bauern''),  das  andere  dem 
Propst  uberlassen^).  Im  Kloster  befanden  sich  aufier  ihm  noch 
folgende  Personeu :  Herr  Jakob  Jager,  1  Schreiber  und  Botenknecht, 
1  Keller,  Pfister  und  Kastenknecht,  1  Hausknecht;  1  Kochin,  1  Bau- 
meister^  sein  Lanne  (?)  Laufer,  2  Fuhrknechte  mit  seinem  Lanne- 
laufer,  Wunbold,  dem  sein  Lebenlang  eine  PfrUnde  zugesagt  war, 
1  Saubube,  1  Kiichenbube,  1  Torwart,  1  Milchfrau  samt  2  MSgden^). 
Willibald  Zeller,  der  als  markgrSflicher  Verwalter  im  Kloster  blieb, 
ubernahm  nur  den  Schreiber,  die  Kochin,  den  Kastenknecht,  Torwart 


1)  Die  Pfarreien  Alerheim  u.  Kossing  wurden  von  Pfarrverwesern 
versehen  (Matthis  Licbtenfelser  u.  B.  Heys.)  Die  eigentlichen  Pfarrer 
lieiSen  sich  Absenz  geben.  Zeller  regte  an,  diese  Summon  an  das  Kloster 
zu  bringen.  Ebenso  brachte  er  die  Errichtung  eines  Brau-  u.  Gasthauses 
in  Vorschlag  f.  98.  cf.  100. 

2)  f.  102.  Veit  Jager  stimmte  auch  darin  zu,  da6  man  die  Absenzen 
der  Pfarreien  Alerheim  und  Rdssing  erlangen  sollte.  Auch  die  Um  wand- 
lung  der  n52  Fischdienste"  der  7  Fischer  in  jahrliche  Abgaben  regte  er  an. 

3)  Instruktion  fiir  die  Gesandten  f,  110. 

4)  Inventarium  d.d.  Lichtmefi  (2.  2.)  1537  f.  118  ff.  (A) 

5)  f.  148  (E)  Im  Bericht  steht  allerdings  nur  68«/4  Morgen  Acker  (f.  Ill) 

6)  f.  111. 

7)  f.  153.  Eine  Kuh  kostete  gewohnlich  2  fl.  2  ort. 

8)  f.  151.  Der  Propst  kaufte  5  Kflhe,  2  Farren,  4  Kalber,  1  grofier  bern 
(Eber),  2  Mntter^chweine,  11  junge  Schweine,  1  Mastschwein  um  41  fl. 
1  ort;  51  EimerWein  um51fl.  3^,  rz.  13V2IZ.2  Pferde  um  21  fl.;  2  Zieh- 
pferde  um  16fl.,  um  11  fl.  Grummet,  1  Wagen,  Pflug,  Egge  um  6^2^- 

9)  f.  136.  Aufgektindigt  wurde  ihnen  alien  bis  Lichtmefi  1538.  Fur 
ihre  Unterhaltung  kaufte  der  Propst  um  10 fl.  Kuchenspeise. 


224         Scbornbaam,  Die  SMkalarisation  des  EloBters  Solnhofen. 

samt  Wunbold.  Nicht  so  leicht  einigte  man  sich  mit  ihm  liber  seine 
Besoldung.  Die  Statthalter  bewilligteu  ihm  anf  Yorscfalag  der  beiden 
BSte  Grofier  und  Reisenleiiter  50  fl.  an  Geld,  7  Tagwerk  Wiesen 
(14  fl.  Wert),  9  Morgen  Acker  (a  2^2  fl-)»  c^en  Klostergarten  (1  fl.), 
Brennholz,  30  fl.  zu  seiner  Bekostigung;  znr  Unterhaltnng  seines 
Dienstpersonals  80  fl.  Da  das  Kloster  am  Grtindonuerstag  an 
100  Kinder  eine  Spende  (1  Herrenbrot,  2  Eier,  1  Essen)  reicben 
mnflte,  wies  man  ihm  noch  1  fl.  nnd  1  Sra  Kom  an.  Zur  Be- 
kostigung der  Giltbauern  wurden  1  Sra  Korn,  1  Sra  Gerste  und 
2  Sra  Haber  angewiesen ;  zur  Unterhaltung  des  Gemeiudefarren 
2  Sra  Korn^).  Das  Pfarrgehalt  wurde  nm  16  fl.  auf  52  fl.  erh5ht; 
dafiu*  mufite  er  sich  neben  dem  Propst  als  Gegenschreiber  gebrauchen 
lasseu.  Der  alte  Propst,  der  jetzt  endgiiltig  seine  Wttrdo  nieder- 
legte,  woUte  auch  nicht  mehr  langer  im  Kloster  bleiben.  Man  setzte 
ihm  folgendes  aus :  60  fl.  an  Geld,  2  Sra  Korn,  2  Sra  Haber,  1  Sra 
Dinkel,  Y2  ^^^  Gerste,  Brennholz,  2  KUhe;  das  Haus  des  Klosters 
zu  Pappenheim.  Bettgewand  etc.  sollte  ihm  ebenfalls  Uberlassen 
werden.  Die  beiden  Rate  rechneten  aus,  dafi  dann  bei  einer  jShr- 
lichen  Ausgabe  von  236  fl.  aufierhalb  der  Zehrung,  immer  noch 
547  fl.  Ubrig  blieben*).  80  war  im  JFebruar  1537  das  Kloster 
ganzlich  in  die  Hande  des  Markgrafen  gekommen^). 

Bereits  im  folgenden  Jahre  legte  Willibald  Zeller  das  Amt  des 
Klosterver waiters  nieder.  Er  war  zum  Propst  des  Klosters  WUlz- 
burg  ernannt  word  en ;  die  gemeinsame  Yerwaltung  erwies  sich  wohl 

1)  Wil.  Zeller  berechnete  das  Einkomroen  auf  783  fl.  1  ort.  22  pf:  er  be- 
gehrte  100 fl.,  1  Sra  Korn  u.  Wein  fUr  sich;  fiir  seinen  Schreiber:  6fl., 
1  Bock  um  1  fl.  u.  1^2  Sra  Korn ;  ffir  den  Hausknecht :  5  fl.  IV2  Sra  Korn, 
1  Rock  um  Ifl.;  far  dieKochin:  5fl.,  ffir  Tticher  u.  Schuhe  l^j  A.,  1  Sra 
Korn;  Viehmagd  3fl.,  fur  Tflcher  u.  Schuhe  1^2^-;  ^^r  den  Torwart:  3fl. 
u.  IV2  Sra  Korn;  ftir  Wunbold.  3fl.  fiir  Schuhe  u.  Kleidung,  IV2  Sra  Korn; 
fur  GEhalten  pro  Tag  12  pf  i.  S.  lOOfl;  fur  dieKinderspende:  Ifl.;  1.  Sra. 
Korn;  fiir  Gilltbauern  1  Sra  Korn,  1  Sra  Gerste,  2  Sra  Haber;  fiir  die 
Pferde  zum  Einbringen  des  Getreides,  Herbeischaffung  von  Wein  u.  Bier 
22  Sra  Haber ;  12  Tagwerk  Wiesen,  9  Morgen  Acker,  den  neuen  Garten ; 
Brennholz  i..  S.  242fl.  (I  Sra  Kern,  11  Sra  Korn,  24  Sra  Haber,  1  Sra 
Gerste  an  Getreide  allein).  Zur  Unterhaltung  des  alten  Propsten  hielt  er 
40fl.,  1  Sra  Korn,  1  Sra  Kern,  1  Sra  Dinkel,  1  Sra  Haber  u.  1  Sra  Gerste  fiir 
notig.  Ftir  den  FCrster,  der  Zinsen  u.  Gilten  mit  einzutreiben  hatte, 
wiinschte  er  6fl.  Besoldung;  den  SchuIfheiBen  zu  Heidingsfeld,  der  den 
Klosterwein  einzutreiben  hatte,  2fl. ;  dem  Vogt  zu  Alerheim  2fl.,  V2  Sra 
Korn ;  dem  AmtsknechtzuKurzedelnaltheim  1  fl.  V2  SraGetreide  \  1  fl.  lort.21tz. 
fiir  4  Pfd.  Pfeflfer,  die  dem  Bischof  zu  EichstStt  geliefert  werden  mufiten 
i.  S.  326  fl.  1  ort.  21  pf.  Dann  blieben  noch  Ubrig  447  fl.  1  pf.  f.-  140  (C). 
Vorschlag  des  G.  GrolSer  u.  Reisenlenter:  f.  144  (D).  Bestatigung:  f.  157. 

2)  f.  144  (D);  157;  111.  Die  beiden  Rate  schlugen  anch  vor,  den 
Zehnten  zu  Alerheim  wo  mOglich  jedes  Jahr  gegen  Geld  zu  verleihen ; 
derForster  sollte  gegen  6fl  auch  das  Bichteramt  versehen.  Fiir  den  Vogt 
zu  Alerheim,  Amtsknecht  zu  Kurzenaltheim,  die  4  Pfd.  Pfeifer,  eignete  man 
aich  die  Vorschiage  des  Propstes  an. 

3)  Bericht   der    beiden   Gesandten    G.   GrolSer  u.   K.   Reisenlenter 


Schornbaum,  Die  Sakularisation  des  Klosters  Solnhofen.         22^i 

als  nndurcbfuhrbar  ^).  K.  Reiseuleuter  nnd  L.  Thanner  reisten  im 
April  1538  nach  Solnhofen^).  Zunachst  siichten  sie  alles  zusammen, 
was  des  Wegschaffens  wert  erschien,  und  verglichen  alles  genau  mit 
den  friiheren  Inventaren^).  Da  man  liber  den  Verbleib  mancher 
frliher  vorhandeuen  Dinge  genau  nachforschte,  wurde  Zeller  ziemlich 
argerlich.  Er  konnte  auch  imraer  die  gewunschte  Aufklariing  gebeu  ; 
so  forschten  sie  nach  2  alien  BettUchern ;  die  hatte  er  nun  vier  alteu 
im  Kloster  verstorbenen  Leuten  als  Leichentiicher  gegeben*).  Eiuen 
grofien  Teil  der  noch  Ubrigen  Gerate  und  Gegenstande  des^  Klosters 
verkaufte  man  an  Ort  und  Stelle  am  13.  April  1538.  Der  ErlSs 
betrug  nur  20  fl,  l^/gQ  ort  l^/g  pf  ^).  Etliche  Betten,  ziunerne  Ge- 
fafie  und  eine  kleine  silberne  Monstranz  wurden  gegen  das  Ver- 
sprechen  der  Kuckgabe  bis  zu  seinem  Tode  dem  Propste  uberlassen  ®). 
Zum  Klosterverwalter  wurde  Asmus  Gugel  bestimmt;  Zeller  blieb 
nur  noch  bis  zu  seinem  Erscheinen  im  Kloster,  um  alles  Getreide 
ihm  zu  ubergeben.  2  Klostersiegel  wurden  von  Reiseuleuter  und 
Thanner  mit  nach  Ansbach  gebracht  (13.  April  1538)''). 

So  war  das  Kloster  gauzlich  in  markgrafliche  Hande  gekommen; 
Asmus  Gugel  war  der  erste  in  der  Reibe  der  markgraflichen  welt- 
lichen  Klosteramtmauner  ^).  Das  Beste  vom  Hausrat  im  Kloster 
wanderte  am  25.  Juni  1538  uach  Roth  a.  S.,  um  dort  zur  Aus- 
stattuDg  des  neuen  markgrSflichen  Scblosses  zu  dienen^).  Das 
waren  die  letzten  Schicksale  der  alten  Benediktinerpropstei  Solnhofen. 

f.  111.  Am  Fr.  n.  Inv.  (23.  2.)  1537  wurde  das  Getreide  u.  sonstiges  zu 
Alerheim  ira  Klosterliof  inventarisiert.  f.  188. 

1)  Bestalhmg  Zellers  als  Propst  zu  Wulzburg.  d.d.  Ansbach.  Di.  n. 
Rem.  (19.  3.)  1528.  Kreisarchiv  Kiirnberg.  Markgrafl.  (lemeinbuch  8  f.  139. 

2)  A.  V.  V.  Wolfstein,  Hans  v.  Schwabsbcrg..  Alex.  Frauentraut  an 
K.  Reiseuleuter  u.  L.  Thanner.  d.d.  Do.  n.  Judica  (11.  4.)  1538.  Rep. 
162  Tit.  14.  Nr.  1  f.  159. 

3)  Inventarium  d.d.  Sa.  n.  Judica  (13.  4.)  1538  f.  163  if.  (zu  Alerheim, 
f.  171). 

4)  f.  177.  Mangel  der  Rate  (C)  179.    Zellers  Erklarnng  (D). 

5)  f.  173  flf.  (B)  d.d.  Sa.  n.  Judica  1538.  Etliches  Ubergab  man  noch 
dem  Propst  um  ihm  die  Bekosti^rung  im  Kloster  zu  vergiiten.  f.  176. 

6)  f.  169b  181.  d.d.  Sa.  n.  Judica  1538.  (E) 

7)  Bericht  der  Rate.  d.d.  Sa.  n.  Judica  1538.  f.  161. 

8)  1544  trat  an  seine  Stelle  Wolf  Ruff.  Ansb.  ReU  Acta.  T.  snppl. 
VI.  f.  Fasc  20.  (cf.  Gemeinbuch  8  f.  382  a)  1560  wird  Melch.  Bender 
genannt;  1564— 77  G.  Gabler;  1579—1607.  Dav.  Grotsch;  1608—1617. 
Ph.  U.  Grotsch;  1618-1625  Octav.  Heller;  1630  H.  G.  Gabler;  1662  J. 
Alex.  CleuBl;  1683  J.  Knebel.  Rep.  162.  Tit.  XI  Nr.  7.  f.  15  b 

9)  Verzeichnis  Tit.  14.  Nr.  1  f.  182.  d.d.  Do.  n.  Corp.  Chr.  (25.  6.) 
1538.  Bei  der  Teilung  des  Landes  unter  Albrccht  u.  Georg  wurde  auch 
wieder  dieses  alles  unter  beide  verteilt.  s.  Georg  Friedrichs  Ratte  an  den 
Kastner  zu  Wulzburg  d.d.  Mo.  n.  Alexi  (20.  7.)  1545  f.  199.  Dennoch  war 
noch  1545  eine  Masse  von  Gegenstanden  des  Klosters  in  Solnhofen.  s.  das 
Inventarium  f.  194ff.  Zum  Ban  des  Schlosaes  in  Roth:  Fr.  H.  Hofmann, 
Die  Kunst  am  Hofe  der  Markgrafen  von  Brandenburg.  Strafiburg  1901  S.  5. 


Beitrage  zur  bayer.  Kirchengcsciliichte  XII.  5  ^5 


236  Bossert,  Bin  D^rnkschreiben  von  Pfalz-Neubnrger  Exulanten  etc. 

Ein  Dankschreiben  von  Pfalz-Neuburger  Exulanten  an 

Konr.  Dieterich,  Superintendent,  und  das  Ministerium 

in  Ulm  von  Ende  1616  oder  Anfang  1617. 

Von  G.  Bossert. 

Eines  der  dunkelsten  Blatter  der  deutschen  Geschichte  bildet 
die  Konversion  des  Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  und  die  Gegen- 
reformation  von  Pfalz-Neuburg.  Beide  hat  erst  Pfarrer  G.  W.  H.  Brock 
1847  in  der  kleineu  Schrift  „Die  evangolisch-lutherische  Kirclie  der 
ehemaligen  Pfalzgrafschaft"  und  1895  Angust  Sperl  in  der  vom  Verein 
fiir  Reformationsgescbichte  herausgegebenen  Schrift  „Pfalzgraf  Philipp 
Lndwig  von  Neubnrg,  sein  Sohn  Wolfgang  Wilhelm  und  die  Jesuiten. 
Ein  Bild  aus  dem  Zeitalter  der  Gegen reformation "  behandelt.  Brock 
nennt  seine  Arbeit  bescheiden  einen  Versuch,  aber  seine  kleine 
Schrift  ist  fur  ihre  Zeit  der  Anerkennnng  wert,  da  er  sich  bcmUhte,  aus 
den  Quellen  zu  schopfen,  die  ihm  aber  nur  in  beschrSnkter  Weise 
zu  Gebote  standen,  so  dafi  er  doch  vielfach  auf  seknndare  Dar- 
stellungen  sich  stlitzen  mufite.  Ein  viol  reicheres  Material  an  Quellen 
und  eine  Reihe  trefflicher  Darstellungen  der  Zeitgeschichte  konnte 
Sperl  fur  seine  schone,  ergreifende  Geschichte  der  Katastrophe  in 
der  Pfalz-Neuburg  benlitzen.  Aber  Uber  einen  Puukt  geben  beide, 
Brock  und  Sperl,  nicht  geniigende  Auskuuft,  namlich  liber  das  Schick- 
sal  der  Exulanten  und  die  durch  ihr  Elend  angeregte  Liebestatigkeit 
der  evangelischen  Glaubengenossen.  Hior  ist  noch  ein  weites  Feld 
fiir  die  Forschung,  Was  in  WUrttemberg  von  Seiten  der  Regierung 
fUr  die  Opfer  der  Gegenreformation  in  Pfalz-Neuburg  geschah,  habe 
ich  aus  den  Rechnungen  des  Kirch enkastens  erhoben  und  in  der  Ab- 
handlung  ,,DieLiebestatigkeit  der  evangelischen  Kirch e  Wiirttembergs  bis 
1650  (JahrbUcher  des  stat.  Landesamts  1905,  Heft  2)  dargestellt. 
Aber  was  in  Wlirttemberg  von  Seiten  der  Gemeinden  fur  diese  Un- 
glllcklichen  getan  wurde,  lafit  sich  nur  mit  Hilfe  der  ortlichen  Armen- 
kastenrechnungen  feststellen,  die  sparlich  erhalten  zu  sein  scheinen 
und  recht  muhsara  zu  bekommen  sind. 

Es  wSre  aber  sehr  wlinschenswert,  dafi  ahnliche  Forschungen 
auch  in  den  anderen  evangelischen  Nachbargebieten  von  Pfalz-Nfiu- 
burg,  Brandenburg- An sbach,  NUrnberg,  Regensburg,  Augsburg,  Ulm 
angestellt  wUrden,  handelt  es  sich  doch  hier  um  ein  noch  vielfach 
unangebautes  Gebiet  der  Geschichte  des  Protestantismus.  Denn  das, 
was  wir  uber  die  Liebestatigkeit  der  jungen  evangelischen  Kirche 
in  ihren  verschiedeneu  Gebieten  wissen,  beschrankt  sich  vielfach  auf 
die  allgemeinen  Umrisse  in  den  Kirchen-  und  Kastenordnungen  und 
einige  mehr  oder  weniger  zufallig  gefundene  Einzelheiten.  Fiir  die 
niederrheiuischen  Gemeinden  hat  Ed.  Simons  verschiedene  schone 
Arbeiten  geliefert,  wie  z.  B.  Eine  altkblnische  Seelsorgegemeinde  1894. 
Die  altesteGemeindearmenpflege  amNiederrhein  1894.  Niederrheinisches 


Bossert,  Ein  Dankschreiaen  von  Pfalz-Neuburger  Exulanten  etc.  227 

Synodal-  und  Gemeindeleben  unter  dem  Kreuz  1897.  Es  ware  sehr  zu 
wunschen,  dafi  diese  Arbeiteu  melir  Nacbahmung  fslndeu.  Die  Arbeit 
von  Bisle  liber  Augsburg  gibt  kein  klares  Bild  der  evangeliscben 
Liebestatigkeit. 

Einen  kleinen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Neuburger  Exulanteu 
bildet  das  im  folgendeu  mitgeteilto  Danksagungsschreiben  von  10  ver- 
triebenen  Pfarreru  aus  Pfalz-Neuburg,  die  sich  nach  Ulm  gefliichtet 
batten.  Hicr  batte  der  trefflicbe  Superintendent  Konr.  Dieterich  ^)  mit 
der  Ulmer  Geistlicbkeit  sicb  um  diese  Armen  angenommen  und  ihnen 
eine  Unterstiitzuug  durcb  den  Rat  verschafFt.  Dieterich  stebt  in  jener 
Zeit  wie  eine  hohe  Saule  und  eine  zentrale  Personlicbkeit  da,  die 
fiirdie  unterdrlicktenGlaubensbriider  amNiederrhein,  inOsterreich,  in  der 
Pfalz,  in  ganz  Oberschwaben  sammelt  und  fiir  die  zahlreicben  Glaubens- 
fluchtlinge  wie  fiir  die  grofie^Zahl  hilfsbediirf tiger  Konvertiten  ein 
warmes  Herz  und  eine  gewandte  Feder  bat,  die  in  zahlreicben  Briefen 
fiir  sie  wirbt  und  die  Hilfeleistungen  ordnet.  Sein  Briefwechsel, 
welcher  Eigentum  der  Stadtbibliothek  in  Ulm  ist,  befindet  sich  heute 
in  4  starkcn  FoliobSnden  in  Miinchen,  da  die  Bayern  beim  Abzug 
von  Ulm  und  dem  Ubergang  der  Stadt  an  Wurttemberg  1810  diese 
Bande  mitnahmen  und  bis  jetzt  noch  niemand  in  WUrttemberg  die 
KUckgabe  zu  bewirken  suchte,  die  sicher  keine  Schwierigkeit  bsltte,  da 
das  Eigentumsrecht  nicht  zweifelhaft  ist  und  es  sich  nicht  etwa  um  eine 
Kriegsbeute  handelt,  wie  bei  der  Heidelberger  und  Tubinger  Bibliothek, 
liber  deren  Schatze  die  Bayern  im  Dreifiigjahrigen  Krieg  verfiigten. 
Dieser  Briefwechsel  ist  eine  hervorragende  Qnelle  fuf  die  Geschichte 
des  geistigen  Lebens  der  evangeliscben  Kirche  uod  verdiente  wohl 
eine,  wenn  auch  nicht  vollstandige,  so  doch  teilweise  VeroflFentlichung.  Die 
im  nachstehenden  mitgetcilte  Probe  daraus  verd'anke  ich  dem  Nach- 
kommen  Dieterichs,  Herrn  Pfarrer  Dieterich  in  Pflngfelden,  der  ein 
Lebensbild  seines  Ahnen  in  den  Ulmer  Mlinsterblattern  1885  verSftent- 
licht  hat.  Der  Brief  ist  ein  hlibsches  specimen  eruditionis  der 
Neuburger  Pfarrer,  deren  fernere  Schicksale  zu  verfolgen,  mir  die 
Hilfsmittel  fehlen.  Der  Brief  ist  in  Ulm  gescbriebeu,  wobin  die 
Pfarrer  wohl  Ende  Dezember  1616  oder  Anfang  1617  gekommeu 
waren,  nachdem  Anfang  Dezember  1616  der  ihnen  gewlihrte  viertel- 
jahrliche  Termin  zur  Raumung  der  Pfarrhauser  abgelaufen  war.  Die 
Orte,  in  welchen  die  Pfarrer  bedieustet  waren,  sind  im  Amtsgericht 
Hochstadt:  Blindheim,  Morslingen,  Oberliezheim,  Tapfheim,  im  Amts- 
gericht Lauingen:  Bachhagel,  Hansen,  Unterbechingen  Ziertheim,  im 
Amtsgericht  Neuburg:  Bergheim,  im  Amtsgericht  Neuulm:  Finningen. 

Salutem  ab  XJnigenito  Patris. 

Ingratitudinem    esse    ventum    exiccantem    divinae    misericordiae 
fontem,  Reverend issime  et  Clarissime  Dn.  Doctor,  Vir  Eruditissime  et 

*)  Dieterich  geboren  zu  Gemunden  an  der  Wohra  in  Hessen  9.  Jan.  1575, 
gebildet  in  Marburg  und  auf  weiten  Reisen  1599  Archadierkonus  in  Mar- 

15* 


228  Bossert,  Ein  Dankschreiben  von  Pfalz-Neuburger  Exulauten  etc. 

Humanissime,  SuperiDteudens  digntssime;  MecoeDas  snspicieDde:  nee 
noD  viri  plnrimum  Beverendi  et  Doctissimt,  Pastores  et  Ministri 
-Ecclesiae  Ulmensis  fidelissimi,  Patroni  nostri  debita  reverentia  colen- 
dissimi,  vcre  scripsit  D.  Augustinns.  Deo  itaque  immortali,  nutritio 
et  pareuti  Dostro  Clementissimo,  pro  beueficiis  ipsius  immensis,  quibus 
DOS  afflictissimos  in  exilic,  sic  nimirnm  permittente,  inio  volente 
Diviua  Majestate  (Quis  enim  est,  qui  dicat  fieri  aliquid  Domino  iion 
Jubente?  ex  ore  Altissimi  non  egredientiir  nee  bona  nee  malaV^) 
misere  degentes  benignissime  affecit^  TiQCOxcog  actis  gratiis,  ad 
Excellentiam  Vestram  Reverendissimam  et  Reverendas  Vestras  digni- 
tates  convertimur.  Cum  enim  Reverendiss.  V.  Excell.  et  dign.  V.  R. 
intercessionibus  suis  apud  Incljtum  et  Prudeutissiraum  Urbis  hujus 
Imperial  is  Senatum,  cui  humilime  (!)  supplicavimus  eidemque  gratias 
debemus  immortales,  id  effecerint,  ut  Honorario  Amplissimo  nos,  qui 
ad  extremam  paupertatem  sumus  redacti,  liberal issime  donarit,  est 
sane,  quod  Reverendiss.  V.  Excell.  et  Dignit.  V.  R.  hoc  nomine 
gratias  agamus  et  habeamus  quam  maximas:  nee  enim  bene^cia  pul- 
veri,  sed  marmori  inscribere  decet,  ut  eleganter  apud  Stobaeum  Dio- 
genes, si  recte  adhnc  meminisse  possumus,  loquitur;  cum  de  dome 
ingrati  maliim,  ut  Solomon,  Regum  sapientissimus,  testatur,  non  sit 
recessurum. 

Quod  igitur  Reverendissima  Vestr.  Excel leutia,  Reverendae  item 
Yestrae  dignitates  nostri  misertae,  intercessionibus  suis,  ut  modo  dixi- 
mus,  apud  Nobiliss.  et  Laudatiss.  Senatum  rem  eo  direxerunt,  ut  de 
munificentia  ejusdem  meritissime  laetemur,  gratias  cum  Reverendiss. 
V.  Excell.,  tum  Rev.  V.  dignit.  immortales  et,  quas  animo  nostro 
concipere  possumus,  agimus  et  Labemus  maximas.  Et  licet  nihil 
magis  in  votis  habeamus,  quam  ut  gratias  quoque  meritissimas  Reve- 
rendiss. V.  Excell.  nee.  non  Rev.  V.  dignit.  referre  possemus,  id  tamen 
praeseuti  rerum  nostrarum  statu,  certe  miserrimo,  obstante,  praestitu 
nobis  impossibile  est.  Officiola  vero  nostra  qualiacumqiie  Reverendiss. 
V.  Excell.  et  dignit.  V.  Rev.  sine  omni  temporum  exceptione  prom- 
ptissime  offerimus:  inprimis  autem  piis  gemitibus  pro  incolumitate 
vestra  temporali  et  aeterna  Deum  et  Patrem  Domini  nostri  Jesu  Christi 
ardentissime  deprecabimur :  efflictim  etiam  atquo  etiam  rogantes,  ut 
Reverendiss.  V.  Excell.  et  Dignit.  V.  Rev.  nos  exules  raiseros  nun- 
quam  non  veliut  habere  commendatissimos. 

Reverendiss.  Vestr.  Excell. 

et  Dignit.  Vestr.  Rev. 
Observantiss.  et  humilimi  (!) 


burg,  1605  vertrieben    in   Folge   der  Einftibrnng   des  Calvinismus   durcb 
die  Verbesserun^spunkte  aber  sogleich  von  Landgiaf  Ludwig  fiir  die  neue 
Universitat    Giefien  boriifen,    ging   aber  1616  nach  Ulm,  f  1^39  Nov.  22. 
In  der  RE.  u.  ADB.  fehlt  er. 
1)  Klagelieder  3.  37,  38. 


Kolde,  Die  Gesellschaft  fiir  frankische  Geschichte.  229 

Pastores  Palatino-Neoburgici 

M.  Paulus  Dlricus  PenningeDsium  pastor. 

Tobias  Ulrich,  pastor  in  Zuttheim. 

Jacobus  OswalduS;  pastor  in  Bachagel. 

Georgias  Stengelius^  Daphemensium  pastor. 

Joannes  Yoltzius,  pastor  in  Plentheim. 

M.  Paulus  Christian  us  Spiegelius,  pastor  Morslingensis. 

Daniel  Hochstetter,  pastor  in  Hansen. 

David  Degeler,  Ecclae  Under bachingensis  pastor. 

Joann.  Jacobus  Natzius^  Oberlietzheimensium  pastor. 

Fridericus  Albertus,  pastor  in  Bergkheim. 


Reverends  dignitate,  insigni  Eruditione  et  Humanitate 
Clarissirao  Viro  Dn.  Cunrado  Dieterico  S.  S.  Theologiae 
Doctori  celeberrimo,  Theologorum  Lnmini  et  Columini  Ec- 
clesiarum  Ulmensium  Superattendenti  vigil  ant  issi  mo:  nee  non 
Viris  plurimum  Reverend  is,  Doctissimis  et  Human  issimis^ 
Pastoribus  et  Ministris  Ecclesiae  Christi,  quae  Ulmae  est^ 
fidelissimis:  Dn.  et  Promotoribus  nostris  suspiciendis  et 
colendissimis. 


Correspondenz  des  Conr.  Dieterich  1,665. 


Die  Gesellschaft  fiir  frankische  Geschichte  und  die 

Kirchengeschichte. 

Von  D.  Th.  Kolde. 

Es  gehort  zu  den  erfreulichen  Zeichen  der  Zeit^  dafi  allenthalben, 
namentlich  in  den  letzten  zwanzig  bis  dreifiig  Jahren  der  historische 
Sinn  rege  geworden  ist.  Eine  grofie  Zabl  liistorischer  Vereine,  teils 
provinzieller  teils  lokaler  Natur^  macht  sicb  die  Erforschung  der 
heimischen  Geschichte  zur  Aufgabe;  in  nicht  wenigen  deutschen 
Kirchengebieten  hat  man  zum  Teil  nach  dem  Vorbilde  der  Beitrage 
zur  bayerischen  Kirchengeschichte  Publikationsorgane  geschaffen^ 
um  die  Spezialkirchengeschichte  zu  pfiegen.  Umfassende  historische 
Gesellschaften,  unter  denen  die  Gesellschaft  fur  rheinische  Geschichts- 
kunde  obenansteht,  gehen  in  erster  Linie  darauf  aus;  das  Quellen- 
material  zu  sammelu^  zu  vero£Pentlichen  und  nutzbar  zu  machen. 
Auch  in  Bayern  hat  es  an  solchen  Bestrebungen  nicht  gefehlt.  Es 
sei  an  die  Monumcnta  Boica  erinnert^  an  die  grofie  Sammlung  der 
bayerischen  Landtagsverhandlungen  von  Krenner(Munchen  1807, 18Bde.) 
und  Uhuliches,  ferner  an  die  allerdings  sich  weitereZiele  stockenden  Ar- 
beiten  der  Historischen  Kommission  bei  der  kgl.  Akademie  der  Wissen- 


230  Kolde,  Die  Gesellschaft  fiir  frankische  Geschichte. 

scbaften  in  Miinclieo.  Aber  weun  audi  ii.  a.  die  Mouuinenta  boica  die 
Niirnberger  Urbare  bracbten  und  init  den  Monuinenta  Wirceburgeusia 
(bisber  neun  Bande)  einen  Anfang  macbten,  in  den  von  derMlincbener 
bistoriscben  KommissionberausgegebenenStadtecbroniken  die  von  Nlirn- 
berg  nicbt  feblten,  anderes  wie  einige  Quellen  zur  Gescbicbte  desBaueru- 
krieges  in  Franken  in  den  Publikationen  des  Stuttgarter  literariscben 
bekannt  gegeben  wurde,  so  ist  es  docb  eine  nicbt  'zu  bestreiteude 
Tatsacbe,  dafi  das  beutige  Franken,  oder  konkreter,  die  Provinzen 
Unter-,  Mittel-  und  Oberfranken,  jener  grofie  Landstricb,  auf  dem 
sicb  ein  so  inbaltreicbes  Stllck  deutscber  Gescbicbte  und  deutscben 
Kulturlebens  abgespielt  bat,  bisber^  was  die  Erscbliefiung  seiner  Ge- 
scbicbtsquelleu  anbetrifft,  straflicb  vernacblassigt  wurde.  Ja  man 
darf  bebaupten,  dafi  trotz  allem,  was  von  jeber,  mebr  freilicb  im 
18.  Jabrbundert  als  im  19.,  von  der  Lokalgescbicbtsforscbung  dafur 
gescbebeu  ist,  es  in  Deutscbland  kaum  ein  anderes  Gebiet  von  gleich 
grofier  Bedeutung  gibt,  fiir  welcbes,  obwobl  das  arcbivaliscbe  Material 
uberreicb  ist,  so  wenig  gedruckte  Quellensammlungen  vorbanden  sind,. 
als  das  fiir  Franken  der  Fall  ist.  Dieser  Maugel  undr- dieses 
Zurucksteben  gegen  andere  Landscbaften  mufite  um  so  fiiblbarer 
werden,  je  gi'oBer  beute  der  Eifer  ist,  auf  alien  Gebieten  der  bisto- 
riscben Forscbung,  der  politiscben,  der  Wirtscbafts-,  der  Kuust-  und 
Kircbengescbicbte  die  Vergangenbeit  zu  ergriinden  und  den  Wurzeln 
unserer  beutigen  Verbaltnisse  nacbzugeben. 

Diesen  ErwSgungen  entsprang  der  von  Wiirzburger  Gelebrten 
ausgegangene  Gedanke,  eine,  die  drei  Franken  bezw.  den  alten 
frankiscben  Kreis  umscbliefiende  „Gesellscbaft  fiir  frSnkiscbe  Gescbicbte" 
ins  Leben  zu  rufen.  Auf  einer  am  17-  Dezember  1904  von  den 
Herren  UniversitUtsprofessor  Dr.  Chroust  und  Reicbsarcbivrat  S.  Gobi  in 
Wiirzburg  nacb  Niirnberg  einberufenen  Versammlung  von  Interessenten 
wurde  sie  bescblossen.  Eine  Deukscbrift  Uber  die  Ziele  der  beabsicb- 
tigten  Gesellscbaft  suchte  weitere  Kreise  daflir  zu  erwSrmen  und  nacb 
Analogie  der  „Gesellscbaft  fiir  rbeiniscbe  Gescbicbtskunde"  Stifter 
und  Patrone  zu  werben.  Und  der  Aufruf  der  Freunde  der  franbiscben 
Gescbicbte  fand  freudigen  Widerhall.  Am  6.  Mai  1905  konnte 
man  in  einer  Versammlung  in  Bamberg  an  die  Konstituierung 
der  neuen  Gesellscbaft  geben.  Sie  gab  sicb  eine  Organisation, 
die  im  wesentlicben  der  mebrgenannten  Gesellscbaft  fiir  rbeiniscbe 
Gescbicbtskunde  nacbgebildet  ist.  Sie  unterscbeidet  Stifter,  die 
durcb  einmaligen  Beitrag  von  wenigstens  1000  Mark  lebenslaog- 
licb  der  Gesellscbaft  angeboren,  Patrone  (uatiirlicbe  oder  juristiscbe 
Personen),  die  sicb  zu  eiuem  jahrlicben  Beitrag  von  mindestens 
50  Mark  verpflicbten,  und  endlicb  Wablmitglieder,  d.  b.  diejenigen, 
die  sicb  an  der  Griinduug  der  Gesellscbaft  beteiligt  baben,  oder  aus 
dem  Kreise  der  Gescbicbtsforscher  und  Gescbicbtsfreunde  in  Franken 
auf  Vorscblag  des  Ausscbusses  durcb  die  jabrlicb  stattfindende  Haupt- 


Kolde,  Die  Gesellschaft  fiir  frankische  Geschichte.  231 

versammlung  gewShlt  werdeu  und  die  die  wissenschaftlichen  Auf- 
gaben  der  Gesellschaft  UDmittelbar  fordern  sollen.  Sie  setzt  sicb  als 
Zweck,  „die  ForschuDgen  iiber  die  Geschichte  der  Gebiete  des  alten 
frankischen  Kreises  bayerischeu  Anteils  einschliefilich  des  FUrsten- 
tums  Aschaffenburg  dadurch  zu  fordern,  dafi  sie  die  Que  lien  der 
politischen  Geschichte  wie  der  Verfassungs-  und  Wirtschaftsgeschichte 
der  Stadte  und  des  flachen  Landes  in  diesen  Gebietsteilen  nvit  Ein- 
schlufi  der  Kirchen-,  Kunst-  und  Kulturgeschichte,  der  Muuzkunde; 
der  Genealogie  und  Heraldik  in  einer  den  Anforderungen  der  Wissen- 
schaft  entsprechenden  Weise  bearbeiteu  lUfit  und  herausgibt  und 
zur  Verwertung  derForschungsergebnisse  in  abgerundetenDarstellungeu 
anregt."  Dank  der  unermudlichen  Tatigkeit  ihres  ersten  Vorsitzen- 
den,  S.  Exzellenz  Frh.  v.  Welser,  Prasidenten  der  kgl.  Eegierung 
yon  Mittelfranken,  gelang  es^  innerhalb  des  ersten  Jahres  eine  schon 
verhaltnismSfiig  stattliche  Anzahl  von  Stiftern,  vor  allem  S.  kgl. 
Hoheit  den  Prinzregenten,  und  die  Prinzen  Ludwig,  Rupprecht. 
Leopold  und  Arnulf  von  Bayeru  und  Erzherzog  Eugen  von  Osterreich, 
und  nicht  wenige  Patrone  zu  gewinnen^  und  namhafto  BeitrUge  von 
den  Landraten  der  drei  frankischen  Kreise  zu  erhalten,  so  dafi  die 
Gesellschaft  in  das  zweite  Jahr  ihres  Bestehens  mit  einem  Etat  von 
ca.  9000  Mark  eintreten  konnte,  eine  Summe,  die,  wie  relativ  hoch 
sie  auch  erfjcheiot  (d.  Ges.  f.  rheinische  Geschichtskunde  verfUgt  z.  Z. 
bei  einem  Verniogen  von  ca.  114  000  Mark  iiber  einen  Etat  von 
ca.  34000  Mark),  doch  noch  erheblich  wachsen  mufi,  um  den  Anforde- 
rungen einigermafien  zu  geniigen,  zumal  wenu  es  zur  Drucklegung 
der  jetzt  uud  fiir  langere  Zeit  erst  in  Vorbereitung  begriflFenen  Ar- 
beiten  kommen  wird. 

Gleichwohl  hat  man  sich  nicht  abhalten  lassen^  alsbald,  wenn  auch 
zunachst  in  beschranktem  Umfange,  die  gestellten  Aufgaben  in  An- 
griff  zu  nehmeu.  Als  erste  Pnblikation  wird  wahrscheinlich  und 
zwar  als  Anfang  einer  Eeihe  frSnkischer  StUdtechroniken  eine  Bam- 
berger Chronik  erscheinen.  Ferner  ist  die  Bearbeitung  der  frUn- 
kischen  Kr.eistagsakten  beschlossen  und  eingeleitet,  ebenso  die  fiir 
die  Gelehrten-  und  Universitatsgeschichto  so  wichtige  Herausgabe  der 
Altdorfer  UniversitStsmatrikel,  die  Prof.  Dr.  Steinmeyer  in  Erlangen, 
und  der  Wiirzburger  UniversitUtsmatrikel,  die  Prof.  Dr.  S.  Merkle 
in  Wurzburg  libernommen  hat;  weiter  der  Urkunden  des  Benediktiner- 
klosters  St.  Stephan  in  Wurzburg  (Prof.  Dr.  Chroust),  der  frankischen 
Weistumer  (Dr.  Al.  Mitterwieser),  uud  einer  Bibliographie  der 
frankischen  Geschichte,  mit  der  ein  Verzeichnis  der  bereits  ge- 
druckten  Quellen  zur  Geschichte  Frankens  zu  verbinden  ist.  Es 
braucht  kaum  erwahnt  zu  werden,  welches  wichtige  Hilfsmittel  fiir 
die  gesamte  Forschung  wir  erhalten  werden,  wenn  diese  Biblio- 
graphie, freilich  eine  Riesenaufgabe,  der  sich  Herr  Prof.  Dr.  Henner 
in  Wurzburg  unterzieht,  fertig  vorliegen  wird. 


232  Kolde,  Die  Gesellschaft  fur  frankische  GeBchichte. 

MUsseu  schou  diese  bereits  in  Angriff  geuommenen  Arbeiten  das 
Interesse  jedes  Freiindes  der  beiDiischen  Kircbengeschicbte  erwecken, 
so  nocb  mebr  eine  spezifiscb  kircheDbistoriscbe  Forscbuiigsaufgabe, 
die  die  Gesellscbaft  mir  iinter  Beihilfe  des  Herrn  Dr.  Schornbaum 
in  Nurnberg  ubertragen  hat,  deren  vollige  Erlediguug  allerdings  viele 
Jabre  in  Aasprucb  nebmen  wird.  Denu  es  bandelt  sicb  um  nicbts 
Geriugeres  als  eine  Inventarisierung  des  gescbicbtlicb  wertvollen 
Materials  in  den  evangeliscben  Pfarrarcbiven,  oder,  wie  der  offizielle 
Name  ist,  Pfarrregistraturen.  Je  mebr  es  der  Gesellscbaft  daran 
liegen  mufi,  dafiir  die  freundlicbe  Unterstutzung  der  Pfarrer  zu  er- 
balten,  um  so  mebr  erscbeint  es  als  Pfiicbt,  aucb  an  dieser  Stelle  im 
voraus  darUber  zu  bericbten,  was  damit  gemeint  ist,  und  welcben 
Zweck  das  ganze  Unteruebmen  bat. 

Der  Leser  dieser  BeitrUge  wird  aus  mancbem  Artikel  erfahren 
baben,  wie  viele  wicbtige  Notizen  den  Pfarrregistraturen  entnommen 
werden  kann,  und  es  diirfte  keinem  Zweifel  unter liegen,  wie  vieles 
da  nocb  unerforscbt  ist,  weil  Zeit  und  Gelegenbeit  dazu  feblte.  Der 
Zweck  der  beabsicbtigten  Inventarisierung  ist  nun,  um  es  nocb  einmal 
zu  wiederbolen,  lediglicb  der,  im  Interesse  der  Wissenscbaft  festzustellen, 
was  an  fiir  die  Gescbicbtsforscbung  wertvollem  Material  nocli  vorbanden 
ist,  und  dies  kurz  verzeichnet,  ebenso,  wie  das  in  den  Rbeinlanden 
gescbeben  ist,  nacb  und  nacb  zu  veroffentlichen,  damit  jeder  Forscber 
in  der  Lage  ist,  sicb  daruber  zu  vergewissern,  wo  etwa  fur  seine 
wissenscbaftlichen  Zwecke  nocb  etwas  zu  erfabren  ist,  und  die  Pfarrer 
selbst  darauf  aufmerksam  zu  macben,  welcbe  wissenscbaftlicb  wert- 
vollen Scbatze  sie  zu  bliten  und  die  sie  ibren  Gemeindeu  zu  erbalten 
baben.  Und  es  ist  dringend  zu  wunscben,  dafi  man  sicb  seitens 
der  Gemeinden  im  Gegensatz  zu  friiberen  Zeiten,  in  denen  vielfach 
anders  verfabren  ist,  mit  Entscbiedenbeit  dagegen  webrt,  irgend  etwas 
von  ibren  Arcbivalien,  die  als  Kircbenbesitz  aufzufassen  sind,  zu  ver- 
aufiern  oder  an  audere  Stellen  berauszugeben.  Sie  geboren  dabin, 
wo  sie  entstanden  sind,  in  die  betreffende  Pfarrei,  liber  deren  bisto- 
riscbe  Entwicklung  sie  autbentiscben  Aufscblufi  geben.  Auf  der  andern 
Seite  ist  von  dem  wissenscbaftlicben  und  dem  bistoriscben  Sinn  der 
beutigen  Geistlieben  zu  boffen,  dafi  sie  Mannern  der  Wissenscbaft, 
die  nur  wissenscbaftlicbe  Zwecke  verfolgen,  gern  die  Einsicbt  in  ibre 
Scbatze  gewShren,  denn  die  Arcbivalien  sind  nicbt  dazu  da,  um  auf- 
geboben,  sondern  um  verwertet  zu  werden,  und  es  wird  wobl  nicbt 
bezweifelt  werden,  dafi  oft  eine  kkine  Notiz,  die  demjeuigen,  der 
den  einscblagigen  Fragen  und  Untersucbungen  feruer  stebt,  ganz 
belanglos  erscbeiiien  kann,  dem  gescbulten  Historiker,  der  sie  ricbtig 
zu  deuten  und  mit  weiteren  Anhaltspuukten  in  die  ricbtige  Verbin- 
dung  zu  setzen  verstebt,  ungeabnte  Aufschlusse  liber  ganze  Ent- 
wicklungsreihen  zu  geben  vermag. 

Der  von  mir  entworfene  und  von  der  Gesellscbaft  fur  frankiscbe 


Kolde,  Die  Gesellschaft  fUr  frankische  Geschichte.  233 

Geschichte  gebilligte  Plan  ist  mm  folgender.  DurcL  persbnliche  Ein- 
sichtDahme,  die  von  mir  oder  Herrn  Dr.  Schornbaum  in  Niirnberg  bei 
den  PfarrSmtern  erbeten  werden  wird,  soil  etwa  folgendes  festgestellt 
werden : 

1.  Der  Name  des  Kirchenheiligen  der  Pfarrkircbe  oder 
gegebenenfalls  von  Nebenkirchen,  Kapellen  etc.,  ein  Puukt, 
der  auch  fur  die  Grundung  des  Kirchensystems,  ja  der 
ganzen  Kolonisation  des  Ortes  von  grofier  Bedeutung  sein 
kann. 

2.  Sofern  das  moglicb  ist;  die  Entstehnngszeit  der  Kirche 
oder  Kirchgemeinde,  ev.  etwa  vorbandene  Spezialliteratur 
uber  Kircbe  und  Ort. 

3.  Sind  Urkunden  vorhanden? 

4.  Haben  sich  Salbiicher,  Grnndblicber,  Urbarien,  in 
denen  die  an  die  Kircbe  gemachten  Scbeuknngen  und  die 
daraus  fliefienden  Eenten  (auch  Tradition sbiicber)  verzeicbuet 
sind,  erbalten? 

5.  Finden  sich  in  der  Pfarrregistratur  oder  Kirchenbibliothek 
Pfarr-  oder  Ortschroniken?  oder 

6.  Sogeuannte  Heiligenrechnungen? 

7.  Einzelne  historisch  wertvolle  Aktenstucke  und  Brief- 
schaften  bekannterer  Persbnlichkciten,  —  und  zwar  ist  zu- 
nachst  die  Zeit  bis  c.   1800  in  Aussicht  genommen. 

8.  Welche  Matrikelbucher  (Tauf-,  Sterbe-,  Trauungssegister) 
sind  vorhanden? 

Dazu  ist  zu  bemerken,  dafi,  wie  man  schon  jetzt  wei6  (vgl. 
die  Arbeit  von  Griebel,  Das  Hlteste  Kirchenbuch  Heroldsbergs  in 
BeitrUgeXI,  S.  124  ff.),  die  Kirchenbiicher  in  Franken  zu  den  sLltesten 
gehoren,  die  man  uberhanpt.  kennt,  sie  aber  ISugst  noch  nicht  alio 
festgestellt  sind.  Dabei  wiirde  es  nicht  geniigen^  uur  die  Zeit  ihres 
Beginns  zu  konstatieren,  sondern  auch  die  sehr  verschiedeno  Art 
ihrer  Anlage;  die  Geistlichen  festzustellen,  die  damit  begonnen 
haben,  und  ob  die  Kirchenbiicher^  wie  das  haufig  der  Fall  ist,  zumal  in 
der  Zeit  der  Gegenreformation,  des  30jShrigen  Krieges,  ja  bis  in  die 
Zeit  des  sp^teren  Pietisraus,  chronikalische  Eintr^ge  enthalten.  End- 
lich  sei  noch  erw^hnt,  dafi  auch  die  Akten  der  Kirchenverwaltung, 
in  die  nach  deren  Einrichtung  vielfach  die  Kirchenstiftungsakten 
Ubergegangen  sind,  mit  in  Betracht  zu  zieheu  sein   warden. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  welche  F5rderung  der  Wissenschaft 
durch  solche  Feststellungen  erzielt  werden  kann,  aber  auch  welchen 
Wert  es  fUr  den  Pfarrer  selbst  haben  diirfte,  einmal  einen  klaren  Einblick 
in  den  wissenschaftlichen  Wert  seiner  Akten  zu  erbalten,  denn  ohne 
jemandem  zu  nahe  treten  zu  woUcd,  diirfte  es  doch  manchen  geben, 
der  bei  den  immer  wachseuden  Aufgabeu,  die  das  A  m  t  hente  an 
ihn  stellt;    kaum    dazu    gekommen    ist;    mit    den    alteren  Bestanden 


234  Zur  Bibliographie. 

seiner  Pfarrregistratiir  sich  zu  bescbliftigeu.  Aiif  der  auderri  Seite 
ist  klar,  dafi  wir  auf  die  freuudliche  UuterstUtzimg  der  Herren  Pfarrer 
aDgewiesen  siud,  und  imi  diese  mbchten  wir  scbon  jetzt  fllr  unsere 
muhevolle  Arbeit;  die  etwa  im  Juli  oder  August  in  deu  einzelneo 
Pfarreien  Mittelfraukens  beginnen  soil,  sich  aber  wabrscbeinlich,  weil 
jedes  Jabr  nur  einzelne  Bezirke  werden  in  Angriff  genommeu  werden 
konnen,  lange  binzieheu  wird,  freundlichst  gebeten  baben.  Die 
Zeit  des  Pfarrers  oder  sein  Haus  soil  in  keiner  Weise  in  Anspruch 
genommen  werden.  Wir  bitten  nur  darum,  was  die  kirchlicbe  Ober- 
bebbrde,  die  speziell  'darum  von  der  Gesellschaft  fur  frankische  Ge- 
schichte  angegaugen  werden  soil,  gowifi  gern  gestatten  wird,  uns 
selbst  —  und  das  ist  allerdiugs  notwendig,  von  dem  Bestaude  Ein- 
sicht  nehmen  und  unsere  Notizen  macben  zu  lassen ;  und  es  soil,  um 
etwaigem  Mifitrauen  von  vornherein  entgegenzutreten,  noch  einmal 
hervorgeboben  werden,  dafi  es  sich  nur  um  die  angegebenen  wissen- 
scbaftlichen  Zwecke  bandelt.  In  jedem  Einzelfalle  wird  natlirlich  im 
voraus  um  die  Eriaubnis,  an  einem  bestimmten  Tage  eintreffen  zu 
durfeu,  gebeten  werden. 


Zur  Bibliographie. 


1^ 


* 


Scbulte,  Dr.  Alois,  ord.  Prof,  der  Gescbichte  an  der  Universitat 
Bonn.     Kaiser  Maximilian  I.  als  Kandidat  fur  den  papstlicben 

Stnbl  1511.  Leipzig  (Duncker  &  Humblot)  1906.  86  S.  2,20  Mk. 
Die  Nachricht,  dafi  Kaiser  Max  I.  alien  Ernstes  im  Jahre  1511  Schritte 
getan  hat,  um  auf  den  papstlicben  Stubl  zu  kommen,  ist  oft  und  vielmal 
auf  ihre  GlaubwUrdigkeit  untersucht  worden,  und  wenn  man  nicbt  die  ein- 
schlagigen,  bisher  bekannten  Briefe  und  AktenstUcke  fur  gefalscht 
erklarte,  hat  man  in  neuerer  Zeit  ihre  Aussagen,  letztlich,  weil  der  ganze 
Gedanke  zu  phantastisch  und  abenteuerhaft  erschicn,  umgedeutet,  so 
H.  Ulmann,  Kaiser  Maximilians  Absichten  auf  das  Papsttum  Stuttgart 
1888;  ders.y  Kaiser  Maximilian,  Stuttg.  1891,  2,  430  ff.,  der  im  wesentlichen 
nur  das  gelten  lassen  will,  daB  der  Kaiser  das  papstliche  Dominium 
temporale  erstrebt  habe.  Allein  die  Frage,  ob  etwas  im  Bereich  des 
Mbglicben  und  Erreichbaren  lag,  ist  fiir  die  andere,  ob  ein  Maximilian 
es  geplant  habeu  kann,  einfach  auszuscbalten,  und  in  peinlich  genauer 
Untersuchung  hat  Al.  Scbulte  nachgewiesen  1.  dafi  die  bisher  bekannten 
darauf  beziiglichen  Briefe  und  AktenstUcke  zweifellos  ©cht  sind,  2.  nnter 
Beibringung  nener  wichtiger  Notizen,  dafi  der  Kaiser  wirklich  geplant 
hat,  mittclst  einer  groBartigen  Bestechung  der  Kardinale  das  Papsttum 
unterBeibehaltung  desKaisertums  sich  zu  erwerben,  und  dann  der  Kbnig  von 
Arragonien  ihm  den  Gedanken  einer  Koadjutorie  des  Papstes  suggeriert 
bat,  3.  daB  die  politischen  Konstellationen  fiir  ihn  wenigstens  die 
Ausfiihrung  des  Gedankens  als  mbglich  erscheinen  lieBen,  und  der  Plan 
selbst  auf  der  LiDie  seiner  sonstigen  damaligen  Praktiken  lag.    Dagegen 


1)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  behufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbuchhandlung  Fr.  Junge  in  Brian  gen. 


Zur  Bibliographic.  235 

glaube  ich,  dafi  der  Verf.  zuweit  geht  und  Unerweisbares  annimmt,  wenn 
er  den  skrupelloBen  Augsburger  EmporkommliDg,  Matthaus  Lang,  den 
Bisehof  von  Gnrk  als  Vater  des  Planes  ansieht  (S.  31.  50.  85),  Dieser  Beal- 
politiker  sollte  ja  freilich  die  Hauptrolle  bei  AusfUhrung  des  abenteuer- 
lichen  Gedankens  spielen,  und  er  iibernahm  sie  als  treuer  Diener  seines 
HeiTn,  weil  dabei  fur  ihn  zum  mindcsten  die  lang  erstrebte  Kardinals- 
wiirde  herausspringen  muBte;  aber  gerade  bei  ihm,  dem  in  alle  Ver- 
hKltnisse  der  papstlicben  Kurie  und  der  damaligen  Weltpolitik  ein- 
geweihten  Diplomaten,  ist,  so  will  es  mir  wenigstens  scheinen,  schwerlich 
anzunehmen,  dafi  er  das  Unmogliche  und  darum  politisch  wie  finanziell 
uberaus  gefahrliche  Wagestuck  ausgedacht  haben  sollte.  Doch  werden 
wir  vielleicht  in  einer  Monographie  (iber  Matthaus  Lang,  die  ein  Schiller 
Schultes,  Ohmann,  unter  der  Feder  hat,  daruber  Naheres  erfahren. 

*Beitrage  zur  Gescbichte,  Topographie  und  Statistik  des  Erzbistums 
Miinchen  und  Freising  von  Dr.  Martin  von  Deutinger. 
Fortgesetzt  von  Dr.  Franz  Auton  Sp  edit ,  Domkapitular.  Neunter 
Baud.  Neue  Folge  3.  Bd.  Miinchen,  J.  Lindauer'sche  Buchband- 
hing  (Schopping)  1905.     321  S.  4  Mk. 

Der  neue  Jahrgang  unterscheidet  sich   zunachst  auBerlich  von  den 
friiheren  dadurch,  daB  er  nicbt  eine  Sammlung  einzelner  Aufsatze  bringt, 
sondern  eine  einzige  groBe  Monographie  von  Dr.  Hi  chard  Hoffmann, 
Kurat  bei  St.  Johann  Nepomuk    in  Munchen,  Der  Altarbau  im  Erz- 
b  is  turn  Miinchen  und  Freising  in  s  einer  stilistischen  £ntwick- 
lung  vom  Ende  des   15.  bis  zum  Anfang   des  19.  Jahrhunderts 
Mit   59  Abbildungen.    Die  Anregung,    so  berichtet  der  Verf.  selbst,  gab 
eine    Bemerknng    Jakob   Burkhardts    in    seinen   Vortragen    zur   Eunst- 
geschichte  von  Italien,  Basel  1898,  das  Altarbild  S.  3.:  „E8  ware  eine  sehr 
wichtige  und  lohnende  Aufgabe,  die  samtlichen  Kunstformen  des  christ- 
lichen  Altares  in  alien  Landern,  wenigstens  nach  den  zeitlich  und  ortlich 
herrschenden  Typen  zu  verfolgen,   und  zwar  nicht  in  Worten,  sondern  in 
parallelen    Abbildungen,    welche   wenigstens    den    einzelnen    Typus    als 
solchen  kenntlich  machen."    Daraufhin  unternimmt  der  Verf.  den  Versuch, 
„den  Altar  in  seinem  architektonischcn  Aufbau,  seiner  figiirlichen  und 
ornamentalen  Plastik  sowie    in   seinem   malerischen  Scbmucke    innerhalb 
der   heutzutage   bestehenden  Grenzen  des  Erzbistums  Mtinchen  und  Frei- 
sing zu  schildern  und  darzulegen,  auf  welche  Weise  die  Kunstformen  des 
Altars    im    16.,    17.    und    18.    Jahrhundert,    also    in    den   Perioden    der 
Renaissance,  des  Barok  und  Rokoko  sich  gcstaltet  haben**    S.   2,  und  er 
verteilt  seinen  Stoff  in  6  Abschnitte:  1.  der  Altarbau  der  spateren  Gotik, 
2.  der  Renaissance,    3.  des  Barock,   4.  des  Rokoko,    5.  des  Klassizismus, 
6.  Marmoraltare.    In  den  einzelnen  Abschnitten  bespricht  er  dann  in  der 
Regel    zuerst  die  Eigenart,  das  Werden  und  das  zumeist  von  Mtinchen 
Oder  Umgegend    ausgehende  Umsichgreifen   der   einzelnen  Stilarten   und 
zwar  mit  einer  Einzelsachkenntnis,    aus  der  auch  der  Kcnner   der  kirch- 
lichen  Kunst  Oberbayerns  vieles  Neue  und  sehr  Beachtenswerte  entnehmen 
wird,  nm  dann  die  hervorragenderen  Altarbauten  des  betreflfcnden  Typus 
eingehend  zu  behandeln.    Was  er  bietet,  wird  hoffentlich  den  Erfolg  haben, 
daB  man  auch  in  anderen  Gegenden  Bayerns  diesom  bei  uns  viel  zu  sehr  in 
den    Hindergrund    gedrSrgten    Zweige    der  Kunsgeschichte    seine    Auf- 
merksamkeit  zuwenden  und  mit  gleicher  Sorgfalt  und  Sachlichkeit  ahnliche 
Untersuchuogenfiir  andere  Landschaften  unternehmen  wird, —  ich  sageL  a  n  d- 
schaften,  denn  die  wohl  lediglich  aus  auBeren  Grunden  auf  die  hcutige 
Erzdiozese  Milne  hen -Freising  beschrankte  Untersuchung  hat  in  der  Sache 
selbst  keine  Berechtigung.    Dabei  kann  ich  jedoch  eine  Bemerkung  nicht 


236  ^ur  Bibliographie. 

unterdriicken.  Wer  die  kunstgeschiohtliche  Eutwicklung  der  letzten  20 
Jahre  aufmerksamen  Auges  mit  durcblebt  hat,  deii  wivd  es  nicht  raehr 
iiberr.'isclien,  dafi  ein  bo  kunstverstandigcr  und  feinsinniger  Beurteiler 
wie  der  Verfasser  gegen  die  laiige  Zeit  hergebrachte  Beurteilung,  der 
Barock-  und  Rokokoaltare  (wie  Kirchen)  <nl8  Werke  des  „Ungesc)imacks'' 
alB  ^Zopfaltare"  auftritt  und  ijjnen  ihr  Recht  zuriick  zu  erorbern  versuebt, 
und  es  ist  zu  hoffen,  daB  seine  Arbeit  aucb  nacb  dieser  Ricbtung  auf- 
klarend  wirkt.  Aber  mir  will  docb  scbeinen,  dafi  des  Verfassers  Be- 
geistei'ung,  fiir  den  bestrickenden  Eeiz  des  kircblicben  Rokoko**  leicbt  in 
das  andere  Extrem  treiben  kSnnte.  „Die  Altare  mit  ibrer  pracbtigen 
Ausstattung  und  ibren  bimmliscben  Gnippen  zieben  gleicbsam  die  Glorie 
des  Himmels  auf  die  Erde  berab  in  vollem  Gegensatz  zu  den  fast  korper- 
losen  Altaranlagen  der  Gotik,  ans  denen  ein  „sur8um  corda"  spricbt. 
Jene  lasisen  die  Herrlichkeiten  des  Jenseits  den  Kircbenbesucbcr  scbon 
bier  auf  Erden  scbauen,  wahrend  diese  mit  ibren  reinen  in  feinem  Glieder- 
bau  nacb  oben  strebenden  Spitzen  dcm  Cbnsten  ein  Fingerzeig  zum  H5cbsten 
sein  sollen"  S.  242.  Dns  klingt  fast  so,  als  ware  der  Rokokoaltar  der 
adaquateste  Altarbau  liberbaupt,  und  dafi  man  nirbts  Eiligeres  zu  tun 
batte,  als  zu  jener  Kunstform  wieder  zuriickzulenken.  Und  nocb  weuiger 
kann  icb  dem  Verf.  beipflicbten,  wenn  er  auf  ders.  Seite  scbreibt:  „Nie  wird 
klarer,  was  das  Rokoko  gewollt,  als  wenn  man  einen  Rnndgang  durch 
jene  Kircben  (Dietramszell,  Schaftlarn,  Neustift  bei  Freising,  Rott  am 
Inn  etc.)  unternimmt.  Die  Schonbeit  der  Form  soil  unter  alleu  Urn- 
standen  Siegerin  bleiben.  selbst  auf  die  Gefahr  bin,  daB  die  feste  Scbranke 
der  kircblicben  Tradition  unterbrocben  wird.**  An  der  Scbonbeit  der  Form 
wird  man  im  einzelnen  oft  recbten  Zweifel  baben  diirfen,  und  die  Frage, 
ob  die  Scbranken  der  kircblicben  Tradition  unterbrocben  wird,  diirften 
sicb  die  gro($en  Baumeister  jener  Zeit  in  ibrer,  in  dieser  Beziebung  nicbt 
geringen  Naivitat,  scbwerlicb  vorgelegt  baben.  Worauf  es  allein  an- 
kommen  kann,  ist  es,  jene  Bauten  aus  ibrer  Zeit  zu  versteben  und  danach 
zu  wurdigen.  Und  aucb  mit  der  Bemerkung  iiber  das  Wesen  der  Spa- 
gotbik,  in  der  Verf.  (S.  10)  nicbt  einen  Verfall  der  Gotik,  sondern  nur 
deren  Ausleben  siebt,  scbeint  mir  zuviel  gesagt  zu  sein,  denn  das  bieBe 
letztlicb,  alles  in  der  Kunst  wirklicb  gewordene  scbon  als  ktinstleriscb 
zurecbt  bestebend  zu  werten.  Zum  ScbluB  soil  nocb  bemerkt  werden, 
daB  die  Verlagsbandlung  fiir  den  niedrigen  Preis  von  4  Mark,,, der  bei 
den  vielen  (59)  trefiflicben  Abbildungen  ein  sehr  geringer  ist,  das  AuBerste 
geleistet  ba.t 

*Geyer,  Dr.  Cbristian  in  NUmberg.  Zur  Geschichte  der  Adam 
Krafftscben  Stationen,  Repertorium  fiir  Kunstwissenscbaft. 
Bd.  28,  S.  351—364  und  495—511. 

Die  landlanfi^e  „Ketzel8age**,  die  erst  neuerdings  wieder  durch 
Daun,  P.  Viscber  und  A.  Krafft  (Kiinstlermonograpbien  Bd.  XXV)  Biele- 
feld 1905,  S.  85  f.  wiederholt  wurde,  wonacb  der  aus  Augsburg  stammende, 
NUrnberger  BUrger  Martin  Ketzel  nacb  zweimaliger  Reise  ins  beilige 
Land  unter  Fixierung  der  jeweiligen  Entfernung  der  Statten,  wo  Cbristus 
beim  Kreuztragen  niedergesunken  war,  die  bekannten  Adam  Krafftscben 
Stationen  in  Ntirnberg  oder  „Die  sieben  Falle"  babe  erricbten  lassen, 
wird  in  der  vorlicgenden  Arbeit  zum  ersten  Male  bistoriscb-kritiscb  unter- 
sucbt.  Mit  bewunderungswiirdiger  Findigkeit  bat  dor  Verf.  eine  Menge 
neuen,  wicbtigen  Materials  zusammengebracht,  das  er  im  Zusammenbange 
mit  den  bisber  bekannten  Nacbricbten  mit  groBem  Scharfsinn  und  treff- 
licher  Methode  zu  wiirdigen  verstebt.  Sein  m.  E.  unanfecbtbares 
Resultat  ist  dies :  Die  Entstebung  der  Krafftscben  Stationen  bat  mit 
Martin  Ketzel,    dessen   zweimalige  Pilgerreise  —  er  reiste  1476  —  der 


Zur  Bibliographie.  237 

Sage  angehort,  gar  nichts  zu  tun.  Der  Stifter  der  Stationen  und  der 
Grablegung  in  der  sog.  Holzschuherkapelle  ist  Heinrich  Marschalk  von 
Rauheneck.  Da  die  Stationen  1505  in  Arbeit  waren,  werden  sie  etwa 
150G  vollendct  gewesen  sein.  Derselbe  Mar8chalk  ist  der  Stifter  der 
Bamberger  Stationen,  die  bereits  ini  Jahre  1500  aufgestellt  waren.  Die 
letzteren  sind  also  entgegen  der  bisherigen  Annahme  eine  friihere  Arbeit 
Kraffts  Oder  aus  seiner  Werkstatt.  Ein  weiteres  Resultat  ist,  dafi  die 
Holzschuher  urspriinglich  nichts  mit  der  Kapelle  zu  tun  batten,  sondern 
der  genanntc  Marschalk  iiber  der  Krafiftschen  Grablegung  die  Kapelle  baute, 
aber  noch  vor  ihrer  VoUendung  starb,  woraf  die  Imhoffs  die  Fertig- 
fiihriing  des  Baues  iibernahmen.  In  der  Tat,  es  ware  wtinschenswert, 
wenn  die  Kunsthistoriker,  wie  der  Verf.  S.  504  mit  Kecht  betont,  etwas 
mehr  auf  das  nHistoriker"  Wert  Icgten,  als  dies  in  verschiedenen  der 
modernen  Kiinstlermonographien  beobachtct  werden  kann. 

*Dorn,  E.,  Pfarrer  in  Nordlingen,  Der  bayerische  Pfarrer  Wilhelm 
Redenbacher.  Ein  deutscli-evangelisches  Charakterbild  aus  der 
Zeit  des  ultramontanen  Ministeriums  Abel.  Vortrag,  gehalten 
auf  dem  VI.  Landesfest  des  Evangeliscben  Bundes  in  Schwa- 
bacb  am   12.  September  1905.     2.  Aufl. 

Pfarrer  E.  Dorn,  der  in  diesen  Beitragen  Bd.V  unterdemTitel  „Zur 
Geschichte  der  Kniebeugungsfrage  und  der  ProzeB  des  Pfarrers  Volkert 
in  Ingolstadt*"  zum  ersten  Male  aktenmafiig  das  kirchliche  Regiment  des 
Ministeriums  Abel  und  die  Kniebeugungstiage  dargestellt  hat,  entwirft 
in  diesem  Vortrag  ein  warm  gezeichnetes  Bild  des  um  seines  freimiitigen 
Auftretens  gemaBregelten  trelflicheu  Pf.  Wilhelm  Redenbacher.  Wie  es 
der  Zweck  mit  sich  brachte,  konnte  auf  Redenbacher  als  Yolksschiift- 
steller  hier  nicht  naher  eingegangen  werden,  aber  es  ware  wiinschens- 
wert,  cinmal  den  ganzen  Mann  und  speziell  auch  nacb  diescr  Seite  zu 
wiirdigen. 

*Die  Chroniken  der  deutscben  StSdte  vom  14. — -'16.  Jahrbundert. 
29.  Bd.  Die  Chroniken  der  schwSbischeu  StSdte  Augsburg. 
6.  Bd.    Leipzig  1906.    VI  u.   110  S. 

Als  der  Herausgeber  der  deutscben  Stadtechroniken,  Karl  v.  Hegel, 
im  Jahre  1896  den  von  Friedrich  Roth  bearbeiteten  5.  Bd.  der  Augs- 
burger  Chroniken  ausgehen  WeQ,  bezeichnete  er  die  Reihe  dieser  Chroniken 
als  vollendet.  Nun  erfahrt  sie  eine  unvermutete  Fortsetzung  durch  cine 
erst  vor  einigen  Jahren  bekannt  gewordene  kleine  Chronik,  deren  Hand- 
schrift  friiher  im  Besitz  des  Andreas  Felix  Oefele,  des  Herausgebers  der 
Rerum  boicarum  Scriptores  war  und  jetzt  unter  der  Sign.  Cod.  (pap.) 
Oef.  214  in  der  kgl.  Staatsbibliothek  in  MUnchen  auf  bewahrt  wird.  Fried- 
rich  Roth,  der  \erdiente  Bearbeiter  der  letzten  Bande  der  Augsburger 
Chronik  hat  auch  diesen  Nachtrag  bearbeitet  und  fiir  die  Wissenschaft 
auf  Grund  seiner  wohl  einzigartigen  Spezialkenntnisse  der  Augsburger 
Geschichte  durch  ausfUhrliche  kritische  und  erlanternde  Anmerkungen  und 
ein  Glossar  nutzbar  gemacht.  Der  Verfasser  ist  der  Augsbui'ger  Maler 
Georg  Preu,  ,.zur  Unterscheidung  von  seinem  aucb  als  Maler  bekanntcn 
Sohne,  der  Altere  genannt,  der  ca.  1480  geboren  sein  wird  und  gegen 
die  bisherige  Annahme,  wie  Roth  nachweist,  nicht  schon  1536,  sondern 
erst  1537  gcstorben  ist  und  dessen  bisher  nur  wenig  bekannte  Person- 
lichkeit  durch  diese  Chronik  und  die  daran  gekniipften  umsichtigen  Unter- 
suchungen  des  Herausgebers  erheblich  deutlicher  wird.  Preus  Aufzeich- 
nungen  beginnen  mit  dem  Jahre  1512  und  reichen  bis  ins  Friihjahr  1537. 
Man  kann  nicht  sagen,  dafi  sie  sachlich  viel  Neues  bieten.  Zu  den  moisten. 


238  Zur  Bibliographie. 

nach  Umfang  und  Weit  sehr  ungleichen  Notizen  vermag  der  Herausgeber 
Parallelen,  auch  BerichtigaQgen  und  £rganznngen  aus  andern  Berichten 
beizubringen,  aber  sie  sind  trotzdem  sehr  wertyol],  eiumal,  well  sie  als 
von  einem  entschieden  evangelischen  Mann,  einem  Anhanger  des  Zwing- 
lianers  Michael  Keller  gcschrieben,  ein  SeitenstUck  zu  dein  Berichte  des 
katholischen  Klemens  Sender  bieten,  zum  andern  deshalb,  well  sie  van 
einem  Mann  aus  dem  Volke  herrtihreny  der  mit  der  ganzen  Derbheit  und 
Unmittelbarkeit  seines  Standes  seine  Beobachtungen  mit  seinem  scharfen 
Urteil  verbramt.  Mit  Recht  sagt  der  Herausgeber  von  seinen  Glossen 
(S.  11):  nSie  spiegeln  die  mafilose  Erbitterung  des  ^gemeinen  Mannes** 
gegen  die  Reichen  und  Macbtigen,  and  nun  erkennen  wir  aucb  die  Mo- 
tive, von  denen  sich  Preu  in  der  Zusamraenstellung  seiner  Aufzeichnungen 
leiten  lie6:  Siesollten  in  ihrer  Gesamtbeit  einBild  geben  von  der  schreck- 
lichen  Faulnis,  die  nach  seiner  Anschauung  den  nach  aufien  so  glanzend 
dastehenden  Bau  des  Augsburger  Staatswesens  ergriffen  hatte.*"  Und 
wie  ungerecht  der  Berichterstatter  auch  in  manchen  Fallen  sein  mag, 
so  wird  er  mit  seinem  Urteil  iiber  die  Bedrlickung  der  Armen  und 
Schwachen  nicht  allein  gestanden  haben.  Er  laBt  uns  tiefe  Blicke  tun  in 
die  grofie  Zerkluftung  der  Augsburger  Biirgerschaft  jener  Jahre.  Be- 
sonders  scharf  isjt  auch  sein  Urteil  iiber  das  achseltragerische  Verhalten 
der  Machtigen  und  Reichen  gegeii iiber  dem  Evangelium,  die  es  immer  im 
Munde  ftihren  und  bei  jeder  Gefahr  sich  zu  beugen  bereit  sind  und  in 
ihrem  Leben  dem  Evangelium  Hohn  sprcchen.  Hier  erhalten  die  vielen 
bei  Germann  Job.  Forster  1894  aufbewahrten  Ziige  sehr  wertvolle  Er- 
ganzungen. —  Der  Herausgeber  wirft  die  Frage  auf,  ob  wir  es  nicht  mit 
einer  Art  Auszug  aus  einem  groBeren  von  Preu  verfaBten  Chronikwerk 
zu  tun  haben,  und  meint,  fUr  letzteres  sprache  der  Charakter  des  Springen- 
den  und  Zufalligen,  der  den  Eintragen  anhaftet,  und  der  Umstand,  daB 
an  ein  paar  Stellen  auf  etwas  Bezug  genommen  wird,  wovon  in  unserer 
Handscbrift  nichts  zu  linden  ist  (S.  11).  Allein  letzteres  beweist  nur  die 
UnvoUstandigkeit  dessen,  was  uns  vorliegt.  Die  Form  der  Mitteilungen 
scheint  mir  die  Aunahme  eines  Auszugcs  auszuschlieBen.  Dagegen  halte 
ich  f{ir  sicher,  daB  urspriinglich  viel  mehr  da  war,  als  dem  Abschreiber 
vorgelegen  hat.  Es  ist  z.  B.  undenkbar,  daB  der  Verf.,  der  ein  so  leb- 
hafies  Interesse  an  dem  Speierer  Reichstag  von  1529  (S.  45ff.)  und  an  der 
Schmalkaldener  Tagung  vom  Febraar  1537  zeigt,  daB  er  sogar  samtlicbe 
dort  versammelte  Fiirsten  und  Stande  aufzahlt  (S.  80  f.),  tlber  den  in  Augs- 
burg selbst  1530  abgehaltenen  Reichstag  gar  keine  Aufzeichnung  gemacht 
haben  sollte.  Hier  und  anderwarts  sind  Liicken,  die  sich  nur  dadurch 
erklaren  lassen,  daB,  wie  Fr.  Roth  (S.  15)  auch  vermutet,  Preus  Aufzeich- 
nungen urspriinglich  auf  einzelne  Blattchen  niedergeschrieben  waren,  die 
dem,  der  sie  zuerst  zusammenschrieb  (der  Schreiber  der  vorliegenden 
Handscbrift?)  schon  nicht  mehr  vollstandig  vorlagen. 

J  oh  a  nil     Schmid,    Kooperator    in     Loitzendorf.       Gescliichte     der 

Hofmark     Sattelborgen     (Cham,    Oberpf.)     in    Bibliothek    fnr 

Volks-  und  Heimatkuude.  Herausgegeben  vom  Vereiii  „Heiniat", 

(G.  Frank)  Kaufbeuren  1904. 

Eine  lokalgeschichtliche  Studio,  die  auch  nicht  weniges,  was  kirchen- 

geschichtlich  wertvoll  ist,  enthalt,  so  aus  den  Visitationsprotokollen  von 

1582  und  1615. 

J.  Hablitzel,  Pfarrer  in  Leader.  Die  Gegenreformatiou  in  Leeder. 
In  ,, Deutsche  Gaue",  Zeitschrift  fiir  ,  Heimatforschung  und 
Heimatkunde  (Herausgeber:  C.  Frank,  Kaufbeuren),  Bd.  Ill, 
S.   105  ff.) 


Zur  Bibliographic.  239 

Enthalt  eine  kleine  Skizze  liber  die,  seitdem  Gut  und  Dorf  Leeder 
bei  Kaufbeuren  (zura  Kapitel  Schongau  geh5rig),  durch  Kauf  aus  dem 
Besitze  der  Augsburger  Patrizier  Rehlinger  im  Jahre  1595  an  die  Fugger 
gekommen  war,  durch  letztere  vorgenommene  Gegenreformation  imd  die 
alsbald  eingeleitete  Aufsuchung  und  Verbrennung  evangelischer  Biicher, 
woriiber  auf  Grund  eines  Verzeichnisses  (im  Kreisarchiv  zu  Neuburg, 
Hochst.  Augsburg,  Leeder  Nr.30)  interessante  Mitteilungen  gemacht  werden. 

*K.  Schornbaum,  Pfrunderechnungen  der  Markgrafschaf t  Ansbach 

aus  den  ersteu  Zeiten  der  evangelischen  Landeskirche  (Kadners 

Jahrbuch    fr   die    evang.-lutherische    Kirche    Bay  ems.      Nord- 

liugen  1806.  S.  90.) 

Nachweis  der  in  den  Ansbacher  Eeligionsakten  Tom.  Ill — V  enthal- 
tenen  Pfrunderechnungen  der  einzelnen  Pfarreien  unter  ev.  Hinzufiigung  der 
zur  Zeit  der  Aufnahme  im  Dienste  befindlichcn  Inhaber  der  Pfarreien, 
Beuefiziaten  etc.,  sowie,  was  besonders  hervorzuheben  ist,  der  kirchlichen 
Bruderschaften,  die  in  den  einzelnen  Pfarrorten  bestanden,  wodurch  unsere 
Kenntnis  von  der  groCen  Verbreitung  dieser  fur  das  kirchliche  Leben 
des  Mittelalters  so  charakteristischen  Genossenschaften  in  dankenswerter 
Weise  erweitert  wird. 

Lauchert^  Friedrich.  Der  Freisinger  Weihbischof  Sebastian  Hayd- 
lauf  und  seine  Schriften.  Hist.  Jahrbuch  d.  Gorresges.  XXVI 
(1905),  H.  18f. 

Haidlauf,  geb.  5.  April  1539,  spater  in  Ingolstadt,  1570  Weihbischof, 
ist  ein  scharfer  Gegner  Jakob  Andreas,  und  seine  Schriften  sind  ftir  den  da- 
maligen  Kampf  und  namentlich,  wie  man  Andreas  Eonkordienbestrebungen 
kath'olischerseits  beobachtete,  nicht  unwichtig. 

Handworker,  0.,  Geschichte  der  WUrzburger  Universitatsbibliothek 
bis  zur  Sslkularisation.     Wurzburg  1904.    Diss. 

Zierler,  P.  B.,  Das  Kapuzinerkloster  in  Lindau  und  die  konfessio- 
nellen  Wirren  zu  seiner  Zeit  1630 — 49.  Freiburger  Diozesan- 
Archiv.  1904.  5.  Bd.  S.  168—231. 

*A.  E.  Schoenbach,  Studi en  zur  Geschichte  der  altdeutschcn  Predigt. 
Zeugnisse  Bertholds  von  Regensburg  zur  Volkskunde.  Sitzungs- 
berichte  d.  philos.-histor.  Klasse  der  Wiener  Akademie ,  der 
Wissenschaften  1900.     Bd.  142. 

*Ludwig,  A.  Fr.,  Weihbischof  Zirkel  von  Wiirzburg  in  seiner 
Sfcellung  zur  theologischen  AufklSrung  und  zur  kirchlichen 
Restauration.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  katholischen 
Kirche  in  Deutschland  um  die  Wende  des  18.  Jahrhunderts. 
I.  Bd.  Mit  einem  Bildnisse  des  Weihbischofs  Zirkel.  Pader- 
born.  Druck  und  Verlag  von  Ferdinand  Schoningh.  1904. 
577  S.  —  8  Mk.    (Besprechung  im  naclisten  Heft.) 

*Riezler,  Siegmund,  Nachtselden  und  JSgergeld  in  Bayern.  Im  An- 
hange:  JUgerblicher  des  Herzogs  Ludwig  im  Bart  von  Bayern. 
Ingolstadt  (1418  u.  folgd.  J.)  (Aus  den  Abh.  der  k.  bayer. 
Akademie  der  Wsisenschaften.  III.  Tl.,  XXIII.  Bd.,  3.  Abt.) 
MUnchen  1905.  Verlag  der  k.  bayer.  Akademie  der  Wissensch. 
In  Kommission  des  G.  Franzschen  Verlag  (J.  Roth). 


240  Zur  Bibliographie. 

Diese  der  Rirchengeschichte  anscheinend  sehr  fernliegende  Unter- 
suchung  nimmt  ihren  Ausgangspunkt  von  der  Klage,  erst  des  Klosters 
Kaisheim,  dann  der  K15ster  Scheiern,  M^nchsmiinster,  Ftirstenfeld,  Inders- 
dorf,  Geisenfeld  und  am  Anger  in  MUnchen  iiber  die  furchtbare  Be- 
drttckung,  die  sie  dnrch  die  Jagdfreade  des  gcwalttatigen  Herzog  Lud- 
wigs  itn  Barte  zii  erieiden  hntten,  und  die  eine  zeitweiligu  Exkomnumikation 
des  Herzogs  zur  Folge  hatte,  enthalt  aber  auch  sonst  fUr  die  kirchliche 
Knlturgeschichte  sehr  wichtigc  Nachrichten.  Namentlicb  soil  aufmerksam 
gemacbt  werden  auf  die  statistischen  Aufzeichnangen  iiber  die  im 
baycrischen  Gebiet  liegenden  Kirchen  und  ^Znkircben'',  Patronatsverfaait- 
nisse  etc.  60  ff. 

Hofmann  ,  Wilb.,  Die  Politik  des  FiVrstbischofs  von  Wiirzburg  Adam 

Friedrich  Grafen   von  Seinsheim   von  1756 — 1763.     MUncben 

1903.     Rieger.     102  S. 
Unzer,  Ad.,    Der  Friede  von  Tescheu.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

des  bayeriscben  Erbfolgestreits.    Kiel  1903.   Muhlau.    LVIi  u. 

424  S. 
Scbrepfer,  Rud.,  Pfalzbayerns  Politik  im  Revolutionszeitalter.    Auf 

Grund   arcbivalischeu  Materials   bearb.     MUncben  1903.    Leh- 

mann.    VIIl  u.  637  S. 
Damrich,   Job.,    Ein   Kiinstlerdreiblatt    des    13.  Jabrbunderts   aus 

Kloster  Scbeiern.   Mit  22  Abbildungen.    Strafiburg  (Heitz)  1904. 
Preufi,  G.,   Wilhelm  III.  und  das  Haus  Wittelsbacb  im  spaniscbeu 

Erbfolgekriege.     I.  Halbband.     Breslau  (Alfr.  Preufi)  1904. 
Bitter  auf,  Tb.,    Gescbicbte  des   Rbeinbundes.     I.  Bd.     Die  Griiu- 

dung  des  Rbeinbundes   und   der  Untergang    des    alten  Reiches. 

Miincben  (Bock)  1904. 
Salchow,  G.,  Bayern  und  die  Griindung  des  Deutscben  Reicbes  im 

Jabr  1870.     Progr.  des  Stadtgymnasiums  in  Halle.      1904. 
*Beyscblag,    „Der  Bauer   von    WSlird    in    Schweinf urt, "    Scbwein- 

furter  Tageblatt  vom  6.  Mai  1905. 

Aus  Stein,  Monumenta  Suinf.  historica  S.  488  stellt  Beyschlag  fest, 
daB  der  bekannte,  sich  als  Bauer  gerierende  Prediger  Diepold  Beringer, 
iiber  welchen  zu  vgl.  Th.  Kolde,  Beitrage  b.  K.G.  VIII,  S.  2ff.  und 
0.  C I  em  en ,  Beitrage  zur  Reformationsgeschichte  II,  85 ff.,  urn  Weihnacbten 
1524  auch  in  Schweinfurt  predigle  und  dann  ausgewiesen  wurde. 

Ders.,  Die  alteste  Gescbicbte  der  lateiniscben  Scbule  in  Schweinfurt 
(bis  1554).  Ebendas.Nr.  13— 17  (15.— IS.Mai).  Eine  wertvolle 
kleine  Studie  zur  frUnkiscben  Schulgeschicbte,  von  der  man 
bedauern  mufi,  dafi  sie  nicht  an  einer  allgemeinen  zugstng- 
lichen  Stelle  erschienen  ist. 

S.  A.  Endres,  Die  Confessio  des  beil.  Emmeram  zu  Regensburg. 
Romiscbe  Quartschrift  XVH  (1903)  S.  27  ff. 

Ders.,  Das  St.  Jakobsportal  in  Regensburg  und  Honorius  Augusto- 
dunensis.  Beitrag  zur  Ikonographie  und  Literaturgescbichte 
des  12.  Jabrbunderts.     Kempten,  Koselsche  Bucbbandlung  1903. 


Niirnberg  und  die  Gegenreformation. 

Von  Hauptprediger  Dr.  Geyer. 

Soviel  mir  bekannt  ist,  hat  sich  noch  niemand  mit  der  Frage 
beschaftigt,  welche  Ruckwirkungen  die  seit  der  Mitte  des  16.  Jahr- 
hunderts  einsetzende  Gegenwirkung  gegen  die  Reformation  auf 
die  protestantische  Reichsstadt  Niirnberg  ausiiben  muBte.  Fiir 
den  Historiker  ist  es  immer  verlockend,  iiber  ein  bisher  noch 
ganzlich  unbebautes  Land  den  Pflug  zu  fuhren.  Wenn  er  sich 
dabei  dessen  bewuBt  bleibt,  daB  die  erste  Bearbeitung  eines 
umfassenden  Themas  immer  den  Charakter  des  Vorlaufigen  tragt, 
wird  er  zufrieden  sein,  wenn  es  ihm  nnr  gelingt,  die  Richtungs- 
liuien  anzngeben,  in  denen  sich  die  genauere  Erforschung  der 
Vergangenheit  zu  bewegen  haben  wird,  und  er  wird  auf  nach- 
sichtige  Beurteilung  rechnen  dlirfen,  wenn  er  aus  dem  ihm  zu- 
ganglichen  Aktenraaterial  Mitteilungen  macht,  auch  wenn  sie  auf 
VoUstandigkeit  keinen  Anspruch  erheben  konnen. 

Man  hat  verschiedene  Grunde  fiir  die  unbestreitbare  Tatsache 
angegeben,  daB  der  Handel  Niirnbergs,  der  in  der  Reformationszeit 
seinen  Hohepunkt  erreicht  hatte,  allraahlich  auf  eine  immer  tiefere 
Stufe  der  Bedeutung  herabsank.  Als  der  wichtigste  wird  noch 
immer  jener  Wechsel  in  der  Anschauung  der  patrizischen  Kreise 
angesehen,  als  ob  sich  die  Arbeit  der  Vater,  die  den  Wohlstand 
Nurnbergs  begrttndet  hatte,  nicht  mehr  fiir  die  Nachkommen 
zieme.  DaB  der  stadtische  Adel  den  Standesvorurteilen  des 
Landadels  Zugang  gewahrte  und  es  fiir  vornehmer  hielt,  die  ge- 
winnbringenden  Beschaftiguugen  der  Vorfahren  aufzugeben  und 
sein  VermSgen  zum  Ankauf  von  Landgiitern  zu  verwenden,  ist 
eine  Tatsache.  AUein  es  erhebt  sich  die  Frage,  ob  er  nicht 
dabei  aus  der  Not  eine  Tugend  machte,  ob  nicht  die  veranderten 
Verhaitnisse  zuvor  die  Austtbung  des  GroBhandels  erschwert 
Oder  gar  unmoglich  gemacht  hatten.    Wir  werden  sehen,  daB 

Beiti^ge  sBur  bayer.  Eirchengeschiohte  XII.  6.  1  g 


242  Geyer,  Ntirnberg  und  die  Gegenreformation. 

die  Gegenreformation  Lander,  die  vorher  dem  Ntirnberger  Kauf- 
mann  offen  standen,  mit  einem  Wall  umzog,  der  wenigstens  auf 
ehrenvolle  Weise  nicht  so  leicht  uberstiegen  werden  konnte. 
So  hat  unser  Thema  nicht  nnr  eine  kirchengeschichtliche,  sondem 
auch  eine  kulturgeschiclitlicheSeite,  auf  die  wir  gleich  vom  Anfang 
an  aufmerksam  machen  mSchten. 

Nurnberg  ist  in  vierfacher  Hinsicht  dutch  die  Gegen- 
reformation in  Mitleidenschaft  gezogen  worden.  Zunachst  in- 
teressierte  sich  die  protestantische  Stadt  fur  das  Schicksal  der 
EVangelischen  im  Ausland.  Alsdann  bekundete  Nurnberg  mehrfach 
seine  Teilnahme  fur  die  in  anderen  Reichsgebieten,  namentlich  in 
katholischen  freien  Stadten  bedrangten  GlaubensgenosseUi 
Drittens  hatten  die  eigenen  Biirger  und  Untertanen  im  katho- 
lischen Ausland  mit  mancherlei  Schwierigkeiten  zu  kSmpfen. 
Endlich  bekam  die  Stadt  die  Gegenreformation  am  eigenen 
Leibe  zu  sptiren,  indem  ihre  in  den  katholischen  Nachbarlandern, 
namentlich  in  Pfalz-Neuburg  vorhandenen  Untertanen  mit  Gewalt 
katholisch  gemacht  wurden^). 

1.  Nurnbergs  Interesse  fur  die  Evangelischen  im  Auslande. 

Am  2.  November  1572  richteten  die  geheimen  Rate  der 
Stadt  Strafiburg,  genannt  die.  Dreizehn,  folgendes  Schreiben  an 
den  Rat  in  Nurnberg,  das  uns  bekundet,  wie  sich  die  Reichs- 
stadte  um  die  religionspolitischen  Vorgange  bekiimmerten. 

„Unser  freundlich  willig  Dienst  zuvor  fursichtig,'  ersam, 
weis,  insonders  liebe  und  gute  Freund.  Nachdem  uns  abermals 
Zeitungen  aus  Italia,  darinnen  unter  anderm  zu  sehen,  in  was 
fernere  Gedanken  der  wahren  christlicher  Religion  Gegenteil 
zu  ganzlicher  Austilgung  derselben  und  ihrer  Bekenner  stehn, 
dergleichen  Abschriften  von  zweien  Schreiben,  so  beide  unsere 
gnadigste  Kurfiirsten  Mainz  und  Pfalz  an  ejnander  ausgehen 
lassen,  so  dann  ein  Copey  von  einem  Schreiben,  so  die  R5m. 
Kais.  Majest.  unser  allergnadigster  Herr,  an  ein  ehrbaren  Rat 
zu  Bisantz  in  causa  religionis  ausgehen  lassen,  vertraulich 
communiciert  worden,  so  haben  wir  kraft  unser  beiderseits 
habenden  vertraulichen  Correspondenz  nicht  umgehn  soUen 
noch   wollen    E.  Ft.  dessen  im  Vertrauen  auch   teilhaftig  zu 

1)  Die   im   nachfolgenden   zitierten    Akfen    finden   sich   samtlich    im 
Kgl.  Kreisarchiv  in  NUrnberg   und  sind   im  Repertoriiim  70   verzeiclm^t. 


Geyer,  Ntirnberg  und  die  GegenreformatiQn.         *  %        243 

ihachen,  tun  also  E.  Ft.  von  dem  alien,  so  dann  was  uns  vom 
Stand  in  Frankreich  fiir  Bericht  inkommen,  gleichlautende 
copias  tibersenden,  und  sein  desselben  audi  sonst  in  andere 
Weg  angenehme  freundliche  und  ersprieBliche  Dienst  zu  beweisen 
ganz  willig  und  wohl  gewogen." 

Die  ubersandten  Schriftstlicke  sind  folgende. 

a)  „1572.  Vertrautes  Schreiben  des  Strafiburgischen  Ma- 
gistrals, worinnen  sie  einiger  k^tholischer  Potentaten 
wider  die  Evangelischen  zielende  gefahrliche  Anschlage 
in  geheim  berichten". 

Die  Konige  von  Spanien  und  Frankreich  setzten  alles  daran, 
das  Papsttum  wieder  zum  Sieg  zu  bringen.  ^Der  Babst,  die 
Cardinale  samt  dem  ganzen  h5llischen  Haufen"  hofften,  „es 
werde  durch  diesen  neueren  stattlichen  Abbruch,  so  den  Ketzern 
auf  der  vergangenen  franzosischen  Hochzeit  begegnet,  alle  gefaBte 
Freud  dupliert  werden  und  manniglich  solches  zu  erlangen  Gott 
ernstlich  aiirufen  und  bitten,  wie  denn  deshalb  ein  Jubeljahr  all- 
bereit  ausgeschrieben,  so  werden  zu  Rom  taglich  Prozessiones 
gehalten  und  nichts  unterlassen,  dardurch  manniglich  durch  diese 
ergsten  Ketzern  moge  aufgebracht  werden".  In  Rom  traktiere 
man  sogar  die  gefangenen  Turken  freundlich,  um  an  ihnen  einmal 
Bundesgenossen  zu  haben.  Kurz,  sie  hoffen,  „in  der  Lauther- 
ischen  Blut  zu  triumphieren". 

Eine  Ausnahme  machen  die  Venezianer,  die  Hilfe  gegen 
die  Turken  brauchen  und  sich  darum  der  Feindschaft  in  der 
Heimat  nicht  freuen  konnen. 

„Die  Guisianer  begehren  nichts  mehr  denn  alle  Hugenothen 
in  Frankreich  mogen  kundbar  gemacht  und  die  Kais.  Majest 
samt  alien  katholischen  Fiirsten  dahin  bewegt  werden,  dafi  sie 
mit  beiden  Konigen  Hispanien  und  Frankreich  die  Lutheraner 
zu  verderben  sich  vereinigen  und  verbtinden." 

b)  „Der  romischen  Kais.  Majest.  Schreiben  an  den  Rat  zu 
Bisantz.     18.  Augusti  1572." 

Die  von  dem  nach  Besancon  gesandten  Rat  Dr.  iur.  Andres 
Bayl  gepflogene  Handlung  sei  ohne  Frucht  abgangen,  ja  es 
werde  „mit  dieser  Stadt  von  Tag  zu  Tag  je  langer  je  boser, 
dieweil  etliche  der  alten  katholischen  Religion,  so  hievor  in 
dieser  Stadt  unverfalscht  erhalten  worden,  widerw^rtige  Klrchen- 

16* 


244  *       Geyer,  Niirnberg  und  die  GegenreformatioD. 

diener  und  Prediger  daselbst  heimlich  zugeschlichen,  und  weil 
sie  allbereit  das  gemein  Volk  oder  doch  den  mehrern  Teil  daraus 
auf  ihre  Seiten  gezogen,  sich  nicht  scheuen,  auch  groBere  Sachen 
zu  prakticieren  und  dahin  zu  gedenken,  wie  sie  ein  fremd  Volk 
in  die  Stadt  bringen  und  etwa  genachburte,  so  ohne  das  den 
gemeinen  Frieden  zu  verstoren  und  Neuerung  anzurichten  be- 
gierig,  Platz  geben,  sich  mit  Macht  gefaBt  machen  und  den 
Katholischen  zu  Nachteil  ihres  Lebens,  Hab  und  Guter  ihren 
Widerwartigen  einsetzen  mochten,  wie  wir  aus  dergleicben 
Anfangen  hievor  anderswa  beschehen  sein,  genugsam  Wissen 
haben".  Ebendarum  schicke  der  Kaiser  nun  seine  Comraissarios 
Johann  Freih.  zu  Pollweyler,  Ulrich  Oranien  zu  Montfort  und 
Rotenfels  und  Hans  Werner  von  Raitnau  zu  Rangenstein, 
„unsere  Rate".  Er  gebiete  ihnen  zugleich,  daB  sie  „ohne  alien 
Verzug  seiche  Argernisse  abschaffen  und  verbessern,  die  Ver- 
fiihrer  aber  und  schadliche  aufruhrische  Lent  alsbald  . . .  aus 
dieser  Stadt  hinwegschaffen,  und  ihnen  hernach  kein  Unterschleif 
. . .  geben".  Wie  der  Gehorsam  gegen  den  Kaiser,  so  soil  sie 
die  Rucksicht  auf  „unsers  geliebten  Vetters  und  Bruders,  des 
katholischen  Konigs  zu  Hispanien  guten  Willen"  bestimmeu,  der 
als  Graf  zu  Burgund  die  Schirmsgerechtigkeit  beanspruche. 
Der  Religionsfriede  komme  nicht  in  Betracht,  „als  der  allein  von 
diesen  Reichsstadten  Meldung  tut,  in  denen  zu  Zeit  solchs  auf- 
gerichteten  Friedens  beide  Religionen  in  Gebrauch  und  tJbung 
gewesen.  Diejenigen  aber,  so  bisher  allein  die  alte  katholische 
Religion  gehapt,  seind  darinnen  gar  nicht  begriffen,  dessen  wir 
euch  dannocht  auch  gnedigst  erinnern  wollen.  Datum  Wien 
den  18.  Augusti  Anno  d.  1572**. 

c)  Fernere  Beilagen  sind  ein  Brief  des  !Kurfursten  Daniel 
zu  Mainz  vom  16.  Oktober  1572  an  Knrfurst  Friedrich 
von  der  Pfalz  liber  den  Durchzug  des  braunschweigischen 
Kriegsvolks  durch  das  Stift  Fulda  und  des  letzeren 
Antwort  vom  21.  Oktober  1572. 

2.  Nurnberg  und  die  bedr&ngten  evangelisclien  Glaubens- 

genossen  in  Gmund^). 
Am    29.    Januar    1575    schrieben    die    zu    „schwabischen 
Gemiindt"  der  Ausgsburgischen  Confession  halben  ausgeschafften 

^)  Repert.  70  Nr.  153.    „Religionssachen  und  darauf  erfolgter  parti- 


Geyer,  Ntlmberg  and  die  Gegenrefonuation.  24:5 

Burger  Sebastian  Haug,  Bernhard  Meyllen,  Mathis  Bebel, 
Ghristopli  BeumliDy  Bartholome  Zolcher,  Marx  Bockh  and  Cou* 
sorten  an  die  ^Eltem,  Burgermeister  nnd  Rat  der  Stadt 
Nurnberg".  Denselben  ist  „pldtzlich  anferlegt,  aintwender  in 
einem  gar  engen  Terrain  sich  allerdings  von  obgedachter  ihrer 
christlichen  Bekanntnus  zu  der  romischen  Kirchen  zu  bekennen, 
Oder  mit  Verinst  aller  ihrer  ererbten  nnd  wohl  hergebrachten 
burgerlichen  Rechten  nnd  Freiheiten  mit  samt  Weib  nnd  Kind 
ans  der  Stadt  zu  begeben  nnd  Hab  und  Gnt  zn  verandem  nnd 
zu  verkaufen."  Sie  haben  sich  wiederholt  an  die  Herren  und 
Obem  supplicando  gewendet,  hoffend,  ^es  soUte,  wa  nit  will- 
fahrige  Antwort,  zum  wenigsten  vaterliche  Gednld  erfolgt  sein". 
Die  Resolution  darauf  aber  wurde  verschoben  bis  nach  dem 
jnngst  in  Speier  gehaltenen  Reichsstadtetag.  Gleich  darauf 
ist  ihnen  ^geboten  und  anferlegt,  nocli  diese  harte  Winterszeit 
obgesetzter  mafien  mit  Weib  und  Kindern,  ancb  alien  Hab  und 
Gutem  in  das  Elend  zn  weichen". 

Benachbarte  Fursten  haben  auf  „nachster  hochfiirstlichen 
Pfalzischen  Hochzeit  proprio  motu^  sich  fur  die  Evangelischen 
verwendet.  Ihren  „auBersten  Trost  und  Hofl&inng  auf  den 
auBersten  Notfall  tragen  sie  jedoch  allein  zn  der  erbaren  Stadt 
loblichem  friedsamen  Wesen".  Es  ist  ihnen  zum  Verkauf 
ihres  Eigentums  Fiist  bis  Latare  gesteckt,  auch  haben  sie  ^die 
beschwerliche,  ihres  VerhoflFens  nicht  schuldige  Nachsteuer  zu 
bezahlen  nnd  mit  Weib  und  Eindlen  ins  Elend  zu  Ziehen.  So 
kunnten  sie  nunmehr  ihre  unschuldig  Weib  und  Kind  langer 
nit  zu  unwiederbringlichem  Jammer  und  Hertzenleid  verkurzen 
lassen",  deshalb  wenden  sie  sich  an  Numberg  und  andere 
Reichsstadte  um  Hilfe.  ^Bezeugen  und  beteuem  aber  zuvorderst 
bei  dem  AUmachtigen,  daB  wir  in  diesem  hochwichtigen  Handel, 

cular  Stettabschid  so  den  5.  Martij  A®  1575  zn  Ulm  gefaalten  worden 
von  wegen  etlicher  ehrlicher  alter  BQrger  der  Stadt  Schwebischen  Gmiind, 
welchen  darch  einen  Rathe  daselbst  allein  darumb,  dafi  sie  sich  zu  der 
wabren  Angsbnrg^schen  christlichen  Religion  bekennt,  ausgeboten  nnd 
mit  Weib  and  Kindern  zu  einer  kurz  bestimmten  Zeit  ans  bemelter  Stadt 
zu  Ziehen  ernstlich  anferlegt  worden  and  was  durch  etiiche  Fursten  des 
Reichs  und  hemach  durch  eins  Teils  der  £rb.  Frey  und  Reichstet  Ab- 
gesandte  bei  obgenieltem  Rate  zu  Gmund  gehandelt  auch  welchergestalt 
Bie  Abschied  gegeben.** 


24G  Geyer,  Ntiniberg  and  die  Gegenreformation. 

dariiber  wir  diese  Zeit  her  schier  allerdings  zu  Grund  gangen, 
kein  ander  Affekt  oder  Intention  weder  wissen,  suchen  noch 
tragen,  denn  unserm  lieben  Erschaffer  und  Erloser,  dem  Herrn 
Jesu  Christo  ein  rein  unverfalscht  Gewissen  und  gegen  unserer 
Obrigkeit  alien  burgerlichen  und  gebuhrenden  Gehorsam  zu 
leisten  und  zu  verhalten.  Das  iibrig  alles,  so  uns  wie  fast 
alien  Christen  ungtitiglich  wurd  und  will  zugemessen  werden, 
das  widersprechen  wir  in  aller  Bescheidenheit  und  rufen  des 
allmachtigen  gerechten  Richters  ewigen  Urtel  dariiber  an^  der 
welle  zu  seiner  selbst  Ehr  und  zu  unserm  ewigen  Heil  hierinnen 
Urtel  geben  und  sprecheu  und  uns  samt  alien  Christen  gn&diglich 
schiitzen  und  bewahren.** 

Durch  das  Eingreifen  und  Vermitteln  der  Reichsstadte 
hoffen  sie,  das  die  Herren  in  Gmund  „solch  ihr  unmild  und 
unverursacht,  auch  sonst  bei  keiner  erbam  Reichsstadt  in 
ganz  deutscher  Nation  nie  gebraucht  oder  unterstanden  Vorhaben 
vieler  christlichen  hochbewegenden  und  redlichen  Ursachen 
halber  gegen  sie  einzustellen". 

Die  im  Schriftstiick  angeftihrte  Intervention  der  Pursten 
hatte  keinen  Prfolg  gehabt.  Am  1.  September  1574:  hatten 
Biirgermeister  und  Rat  der  Stadt  Gmtind  an  Philipp  Ludwig 
und  Georg  Hans,  Pfalzgrafen  bei  Rhein,  Gevattern  Ludwigs, 
Herzogen  za  Wurttemberg  und  Wilhelm  Landgrafen  zu  Hessen 
ein  Schreiben  gerichtet,  das  nunmehr  den  Niirnbergeni  in  Ab- 
schrift  mitgeteilt  wird.  Darnach  hatten  die  Ftirsten  dem  Rat 
zu  Gmiind  nahegelegt,  er  moge  seinen  der  Augsburgischen 
Confession  zugetanen  Biirgern  eine  eigene  Kirche  einraumen 
Oder  doch  sie  zum  wenigsten  bei  sich  unvertrieben  bleiben  und 
ihre  Religion  in  des  Herzogs  von  Wurttemberg  Oberkeit,  oder 
wo  es  ihnen  sonst  gelegen,  besuchen  lassen.  AUein  die  Gmunder 
machten  dagegen  ihre  Treue  gegen  die  „uhralte  katholische 
Religion"  geltend.  Sie  woUen  nicht  „aus  der  lieben  Voreltern 
FuCtapfen  treten",  da  wolle  es  sich  aber  „mit  nichten  ge- 
bflhren,  andere  Religiones  bei  sich  einreiCen  zu  lassen".  Der 
Religionsfriede  sage  aus,  „daC  ein  jeder  Stand  des  heiligen 
Reichs  in  seinen  Obrigkeiten  aintweder  bei  der  alten  katholischen 
Religion  bleiben  oder  die  Augsburgischen  Confession  anstellen 
mog,  derowegen  sie  dann  obangezogenen  geliebten  Continuation 


Goyer,  Ntirnberg  und  die  Gegenreformation.  247 

nach  nit  allein,  sondern  auch  aus  dem,  daU  ihre  viel  der  Augs- 
burgischen  Confession  verwandte  geschickte  und  gelehrte  Lent 
von  solcher  ihrer  Religion  fallen  und  sich  boser  verffirischer 
Sekten  anhangig  machen  und  annehmen,  hochlich  verursacht 
auf  Mittel  und  Weg  zu  trachten,  damit  die  schadlichen  Spaltungen, 
so  albereit  bei  ihnen  mehr  denn  gut  eingewurzelt,  abgescbnitten 
und  dagegen  ein  einhellige  nit  allein  katholisehe,  sonder  auch 
eine  solche  Religion,  die  der  Religionsfrid  zulafit,  bei  ihnen 
handhaben." 

Die  Burger  —  machen  sie  geltend  —  wttrden  nicht  ^precise", 
sondern  nur  „condicionaliter"  ausgeschafft.  Das  ist  „niit  solcher 
guten  Bescheidenheit  zugangen,  daB  wir  sie  fur  uns  erfordert, 
fiirnehmlich  ermahnet  und  erinnert,  demnach  ihre  liebe  fromnie 
Voreltern  jederzeit  bei  der  katholischen  Religion  bestandig 
verharret  und  dieselbe  in  unserer  Stadt  nach  ihrem  besten 
Vermttgen  handhaben  helfen,  wie  dann  auBerhalb  ihrer  der  an- 
gemafiten  Confessionisten  ein  ganzer  Rat  und  Gemeind  nochmaln 
anderst  nit  gesinnet,  und  aber  leider  der  Augenschein  nun  zu 
viel  an  Tag  gebe,  was  etwa  fiir  Unrat,  verderblicher  Sehaden 
und  Not  aus  zwiespaltiger  Religion  bevorab  da  dieselben  inter 
parietes  ununique  communitatis  corpus  exercieret,  erfolge,  nam 
ubi  dissentio,  ibi  dissidium  non  solum  sed  et  desolatio  et  inte- 
ritus  non  deest,  dafi  sie  solches  alles  beherzigen  und  zu  Gemiit 
fuhren,  demselben  nach  in  die  FuCtapfen  ihrer  Eltern  wiederumb 
treten  und  sich  ihrer  Religion  gemaB  erweisen.  Da  sie  aber 
je  darfiir  hielten,  sie  kunnten  bei  der  katholischen  Religion  die 
Seligkeit  (welches  fern  sei)  nit  erlangen,  daB  sie  auf  diesen 
Fall  in  dem  Namen  Gottes  ihr  Bttrgerrecht  aufgeben^  ihr  Nach- 
steuer  richten  und  ihr  Gelegenheit  an  andern  Orten,  da  die 
Religion  ihrs  Gefallens  exerciert,  wohl  suchen  mogen,  mit  dem 
Anhang,  daB  wir  nit  desto  weniger  gute  Freund  mit  ihnen  sein 
woUten,  wie  wir  dann  jemand  von  der  Augsburgischen  Confession 
wegen  in  ungutem  zu  verdenken  nie  gesinnet  gewesen,  auch 
noch  nit  seien".  Die  so  ermahnten  „beruhmten  sich  mit  sonderer 
Unbescheidenheit  gleichwohl  bei  der  Augsburgischen  Confession 
zu  bleiben"  und  lieBen  sich  in  einem  Gesprach  mit  dem  Pfarrer 
nicht  nur  in  einige  ^Caphanaitische  Argumenten"  ein,  sondern 
ierregten  auch  sonst  den  Argwohn  bei  der  Examination,  als  ob 


248  Geyer,  Niirnberg  und  die  Gegenrefonuatioo, 

ihnen  „auch  calvinische,  schwenckfeldische  und  wiedertauferische 
Irrtiimer  unter  den  Weg  laufen  warden".  Sehr  ungnadig  nahm 
der  Rat  das  Vorhabeu  der  Burger  auf,  sich-an  andre  Potentaten 
zu  wenden^  da  nach  dem  Religionsfrieden  die  Religion  Sache 
der  betreffenden  Reicbsstande  sei  und  das  Vorhaben  zeige, 
„dafi  sie  zur  Rebellion  und  Unruh  gegen  ibrer  Obrigkeit  ge- 
neigt"  seien,  wahrend  ihnen,  da  sie  gute  Christen  sein  woUen, 
das  zeitlich  Gut,  das  sie  allhie  besser  als  anderer  Ort  zusuchen 
wissen,  niht  so  lieb  sein  diirfte.  Aus  alledem  mSgen  die  Fiirsten 
sehen,  dafi  sie  zu  den  Burgern  „gar  kein  Unwillen,  Neid,  HaU 
Oder  Verbitterung  tragen,  sondern  hierunter  anderst  nicht  als 
Gottes  Ehr  und  dann  gemeiner  Stadt  Fried  und  Wohlfahrt 
suchen"  und  sich  genau  nach  dem  Religionsfrieden  halten. 

Gleichzeitig  legten  in  einer  undatierten  Supplikation  sechzehn 
Niirnberger  Burger,  Jobst  Tetzel,  Jorg  Tetzel,  Endres  Ortel 
d.  A.,  Niclas  von  Wimpffen  u.  a.  m.  fiir  ihre  geliebten  Freunde, 
Schwager  und  Mitbiirger  Ftirbitte  beim  Nurnberger  Rat  ein. 
Sie  weisen  auf  die  falsche  Auffassung  des  Religionsfriedens  hin, 
der  nicht  die  Abschaffung  der  anderen  Religion  erlaube,  „dann 
sonsten  batten  sich  andere  mehr  Stand  auch  Frei  und  Stadt 
des  Reichs  soliches  unterwunden,  da  doch  der  Augenschein  vor- 
handen,  darin  bede  Religionen  ein  Teil  dem  andern,  auch  wohl 
fiir  Ratsfreund,  giitlieh  zu  lassen  und  sonsten  sich  allenthalben 
burgerlich  friedlich  und  einig  gegen  einander  verhalten".  DaC 
die  ausgeschafften  Burger  Schutz  bei  Potentaten  und  dem  Reich 
suchen,  sei  keine  Rebellion,  sondern  sei  aus  natiirlicher  Affektion, 
bei  Weib,  Kindern,  Freundeu  und  Vaterland  zu  bleiben,  hervor- 
gegangen.  DaB  sie  keine  Sektierer  seien,  werde  sofort  eine 
Examination  beweisen.  Die  AusstpBung  konne  man  nicht  billigen : 
„Wann  dann  bei  keinen  verniinftigen,  woUen  geschweigen  christ- 
lichen  Gemiitern,  recht  und  iloblich  geachtet  noch  gehalten- 
werden  kann,  dafi  jeraand  umb  Sachen,  die  Gottes  Ehre,  der 
Seelen  Heil  und  Seligkeit  belangen,  darinnen  ein  jeglicher  fiir 
sich  selbs  vor  Gott  stehen  und  Rechenschaft  geben  muB,  also 
daB  sich  dies  Orts  keiner  auf  andere  minder  oder  mehrer  sebeu 
Oder  entschuldigen  kann,  alhie  zeitliche  Straf  verdienen  lund 
auf  sich  laden  konne". 

Am  10,  Februai'  wandte  sich  die  Stadt  StraBburg  in  der 


Geyer,  I^Urnberg  und  die  Gegenreformation.  249 

Gmiinder  Angelegenheit  gleichzeitig  an  Niirnberg  und  Ulm.  Bei 
der  zwischen  den  Reichsstadten  geiibten  Vertraulichkeit  konne 
wohl  etwas  zu  Verhiitung  von  Unfreundschaft  geschehen,  zumal 
bisher  eine  solche  Ausschaffung  der  Religion  halben  bei  den 
freieu  Stadten  unerhort  sei.  Zunachat  sollten  StraBburg,  Ulm 
und  Nurnberg  noch  einige  Tage  vor  Latare  ansehnliche  Bot- 
schaften  nach  Gmiind  schicken. 

Ein  Mrnberger  Ratsverlafi  vom  21.  Februar  1575  iiberweist 
die  Sache  dem  Dr.  Loscher  zum  Ratschlagen.  Dieser  schlagt 
nun  ein  gemeinsames  Schreiben  der  drei  Stadte  an  den  Rat 
der  Stadt  Gmiind  vor  folgenden  Inhalts.  ?Jacli  Darlegung  des 
Sachverhalts  und  Entschuldigung  der  Evangelischen,  die  vor 
allem  ihrer  Frauen  und  Kinder  halb  die  Stadte  angegangen, 
machen  sie  geltend,  daB  das  Beispiel  der  Stadt  Gmiind  frieden- 
storend  wirken  konnte,  „so  doch  kundbar,  daB  in  denselben 
unterschiedner  Religion  Stadten  die  Oberkeiten  und  Verwandten 
in  ruhiger  friedlicher  christenlicher  Einigkeit  bis  anher  gesessen 
und  kein  Teil,  so  gewaltig  der  immer  gewesen,  den  andern 
schweehern  Teil  auszutreiben  oder  derwegen  Zerrtitung  in  der 
Polizei  zu  iiben  nit  unterstanden,  und  wir  uns  derwegen  nit 
versehen,  daB  bei  E.  W.  und  derselben  Biirgerschaft  . . .  solche 
schadliche  Spaltung  eingerissen  sein  sollt".  Ob  wohl  nun  die 
drei  Stadte  entschlossen  waren,  „ein  fiirbittlich  Ansuchen  zu 
tun",  so  woUten  sie  doch  nur  mit  Wissen  der  anderen,  wenigstens 
der  vorderen  Stadte  „in  solchem  wichtigen  Handel,  daraus  noch 
eine  groBe  Weiterung  entstehen  mocht"  vorgehen.  Damit  nun 
dazu  Zeit  sei,  mOge  den  Ausgebotenen  ein  langerer  Termin 
gegeben  werden;  sie- werden  sich  des  „rechten  eigentlichen 
Verstandes  des  publizierten  Religion friedens  halben  mit  ihnen 
unterreden". 
Unterschrift:  „Maister  und  der  Rath  zu  StraBburg 

Burgermaister  und  Rath  beeder  Stet  Ntirmberg 
und  Ulm". 

Allein  inzwisch6n  hatten  sich  die  Gmiinder  eine  neue  Ge- 
walttat  zuschulden  kommen  lassen,  iiber  die  sich  der  Rat  zu 
Hellbronn  am  22.  Februar  beim  Stadtetag  beschwerte.  Eine 
der  ausgebotenen  Frauen  hatte  den  Heilbronner  Burger  Jorg 
Schreckh  geheiratet.     Die  Gmiinder  aber  hatten  um  der  Nach- 


250  Gjeyer,  Ntirnberg  und  die  GegenreformatioD. 

steuer  willen  nicht  allein  dieser  Prau  Hab  und  Giiter  mit 
Beschlag  belegt,  sonderu  auch  sie  86lbst  schon  8eit  einigeo 
Monaten  in  Arrest  gelegt.  Die  in  Dim  versammelten  Abgeordneten 
der'  Stadte  des  schwabisehen  Kreises  —  es  waren  Strafiburg, 
Ulm,  Nordlingen  und  Dinkelsbiihl  vertreten  —  beschlossen  nun 
am  1.  Marz  1575  „zu  Ab  wen  dung  oder  etwas  Milderung  dieser 
groBen  Beschwerd  ein  stattliche  Schickung  aus  ihrem  Mittel 
zu  einem  E.  Rathe  der  Stadt  Gmund"  vorzunebmen.  Nicht 
nur  die  20  Folioseiten  starke  Instruktion.  fiiv  die  Abgesandten, 
sondern  auch  die  „Summaria  Relatio,  was  die  Gesandten  der 
Stadte  StraBburg,  Dlmy  Nordlingen  und  Dinkelsbiihl  flirbracht 
und  gehandelt  haben" ,  warde  alsbald  (8.  Marz  1575)  den 
Nurnbergern  mitgeteilt.  Am  2.  Marz  sind  die  Abgesandten 
in  Graund  angekommen.  In  der  Audienz  am  3.  Marz  wird 
ihnen  erklart,  daB  der  Rat  von  Gmlind,  zumal  da  mehrere 
Mitglieder  abwesend  seien,  nicht  sogleich  Antwort  geben  konne. 
DaB  die  Gmtinder  die  Libertat  der  Reichsstadte  gefahrdet  hatten, 
sei  unrichtig.  Im  iibrigen  gab  sich  der  Biirgermeister  Gold- 
steiner  den  Anschein,  als  ob  er  personlich  angegriffen  werden 
soUe,  und  der  Rat  zog  sich  auf  die  Antwort  zuriick,  „8ie  seien 
nicht  bedacht,  sich  von  andern  Erbarn  Stadten  zu  entauBern, 
sondern  vielmehr  bei  den^elben  Blut  und  Gut  zuzusetzen".  Sie 
wiirden  eilie  Antwort,  daran  die  Stadte  „ein  freundlich  Gefallen 
haben  werden"  schriftlich  geben  und  bis  dahin  sollten  die 
evangelischen  Biirger  ungefahrdet  sein.*  Darauf  erklarten  die 
Gesandten,  sie  wollten  diese  Antwort  abwarten.  Aber  die 
Gmunder  wollten  von  nichts  Weiterem  horen. 

Nachmittags  brachten  sie  Schreckhs  Angelegenheit  vor ;  „aber 
es  hat  solches  alles  und  was  sonst  vorbracht,  bei  denen  von 
Gmiind  nichts  erschieBen  mogen,  sonder  sein  allerdings  auf  ihrer 
voriger  Warnung  beharrt." 

Erst  am  1.  Mai  erfolgte  die  „ Antwort  derer  von  Gmiind". 
Sie  bezeichnen  selbst  die  Streitsache  mit  den  Worten:  „Nachdem 
wir  etliche  unsere  der  Augsburgischen  Konfession  verwandte 
Biirgel'  umb  der  Religion  willen  uBzuschaflfen  dieselben  von 
ihrem  alten  ererbten  Btirgerrechten  und  Giitteren  samt  Weib 
uud  Kinderu  zu  verstoBen  entschlossen,  ungea'cht  daB  sich  die- 
selben Burger  in  politiscben  Sachen  zu  aller  schuldigen  Gehor- 


Geyer,  Niirnbeig  und  die  Gegenreformntion.  251 

same  anerbieten  thaten."  Dagegen  sei  ihnen  von  den  Stadten 
vorgehalten  wordeu,  dafi  sie  die  Freiheit  der  Stftdte  'durcji  dies 
Vorgehen  beeintrachtigten,  die  Ge.werbe  schadigten,  Repressalien 
der  evangelischen  Stadte  hervorriefen  und  die  Reichsstadte  ver- 
uneinigten. 

AUein  in  Gmund  sei  imraer  nur  die  katholische  Religion 
pradiciert  und  gehalten  worden  und  „bevorab  bei  diesen  leidigen 
widerwartigen  und  mehr  als  zuviel  mancherlei  Lehreji  und 
Predigen  des  angebnen  Wort  Gottes" ,  gedenken  sie  dabei  zu 
bleiben.  Sie  nehraen  ihre  Ordnung  nur  mit  ihren  Bttrgern,  nicht 
mit  Fremden  vor,  bleiben  auch  in  den  Schranken  des  Religions- 
friedens.  Da  die  Katholiken  bisher  an  anderen  Orten  geduldet, 
brauchen  sie  nicht  zu  besorgen,  dafi  sie  nun  nach  ihrem  Exempel 
ausgeschafft  wurden.  Die  Gmtinder  ordnen  nichts  Neues  an, 
ebendarum  hoffen  sie  auch  ferner  in  der  Korrespondenz  mit  den 
freien  Stadten  zu  bleiben.  „Ist  uns  auch.  leid,  dafi  vielgedachte 
unsere  widersassige  Burger  nit  allein  E.  F.  und  W.  also  viel- 
faltig  beunruhigen,  sonder  auch  andere  Stand  also  anlaufen, 
indem  sie  uns  und  ihr  selben  dieser  Unruhe  verschonen  kiinnten, 
dafi  sie  sich  wie  ihre  Voreltern  seliger  Gedachtnis  verhielten, 
so  waren  wir  und  sie  dieser  Unordnung  liberhebt  gewesen." 

Noch  liegt  ein  Pergamentbrief  Strafiburgs  an  Nttrnberg  vom 
2.  Juli  1575  in  dieser  Sache  vor,  der  ausfiihrt,  dafi  dies  keiu 
„partikular  Werk"  sei,  „wie  es  etwan  angesehen  werden  mochte." 
Allein  bei  den  Bestimmungen  des  Religion sfriedens  war  nicht 
yiel  zu  machen  und  die  Gmunder  hatten  gar  nicht  so  unrecht, 
wenn  sie  sich  auf  Grund  eben  dieses  Friedens  nicht  vor  Re- 
pressalien fiirchteten.  So  konnte  Gmiind  fernerhin,  ungestort 
durch  die  anderen  Reichsstadte,  seine  bekannte  Kirchenpolitik 
treiben.  

Anhangsweise  sei  hier  erwahnt,  dafi  Nurnberg  einige  Jahre 
spater  (1577)  seinen  vielfach  begehrten  Rat  der  Schwesterstadt 
Augsburg  in  einer  schwierigen  Religionssache  zukoramen  liefi. 

Des  Erzherzogs  Ferdinand  Amtsleute  in  der  Markgrafschaft 
Burgau  hatten  den  Pfarrer  des  Spitals  zu  Augsburg  in  Ltltzel- 
berg  hinweggeschleppt.  Dies  veranlafite  die  Augsburger  „Pfleger 
und  geheimen  Rate"  Nurnberg  urn  Rat  anzugehen  (6.  August). 


252  Geyer,  NUrnberg  und  die  Gegenreformation, 

Diese  empfahlen,  sich  an  den  obersten  Hauptmann,  den  Herzog 
in  Bayern  zu  wenden  (17.  August).  Dieser  verhandelte  auch 
wirklich  mit  Erzherzog  Ferdinand,  aber  Ferdinand  woUte  keines- 
falls  die  evangelische  Predigt  in  Liitzelberg  fernerhin  dulden 
und  den  Pfarrer  nur  unter  der  Bedingung  freilassen,  daB  er  bis 
Austrag  des  Streites  „muBig"  sei.  Am  31.  Oktober  schicken 
ihnen  die  Nurnberger  wieder  ein  Gutachten,  far  das  sich  die 
Augsburger  am  12.  November  hoflich  bedanken.  Die  Niirn- 
berger  rieten  neben  giitlicher  Verhandluug  zur  Erwirkung  eines 
Kammergerichtsmandats  (mandatum  poenale  de  relaxando,  auch 
de  non  offendendo  oder  inhibition);  die  Augsburger  erbitten  sich 
jedoch  die  Unterstiitzung  Nurnbergs  beim  Bundesobersten,  da 
sie  besorgen,  „mit  dem  Mandat  werde  es  sich  das  Hans  Oster- 
reichs  pratendierter  Preiheit  halben  lang  verweilen." 

3.  Niirnberger  Untertanen  im  katholischen  Ausland'). 

Am  2.  Juni  1574  'wenden  sich  Albrecht  Scheurl  und  Eber- 
hardt  Khiirn  an  den  Rat.  Sie  haben  in  Lucca  in  Italien 
„Handelsleger  und  verordnete  Diener".  Den  Italienern  ist  es 
darum  zu  tun,  Hantierung  und  Gewerbe  „uns  Teutschen  und 
sonderlich  dieser  Stadt"  zu  entziehen.  So  haben  die  Lnccheser 
ihren  Bischof  „an  sich  gehenkt".  Derselbe  verfiigte,  „daB  ein 
jedes  erwachsenes  Mensch  bei  Straf  hundert  Kronen**  zur  Oster- 
zeit  beichten  und  comniunizieren  soUte,  lieB  auch  von  Hans  zu 
Haus  gehen  und  jeden  Inwohner  aufschreiben.  Besonders  solle 
man  auf  die  Deutschen  Achtung  geben. 

Der  Bittsteller  „Freund  und  Diener  Balthasar  Baumgartner 
der  Jungere"  wurde  auf  diese  Art  auch  beschickt.  „Darauf 
Baumgartner  aus  Furcht  und  Klein miitigkeit  der  Beicht  halben 
seinen  Zusagen  nachkummen,"  bat  aber  wegen  der  Kommuni- 
kation  urn  einige  Tage  Dilation,  weil  er  sich  mit  einigen  Italienern 
verfeindet  hatte.  Darauf  sagte  der  Bischof  von  Lucca:  ^Non 
sono  que  lustri  falsi:  advertite  lo  et  ammonite  lo  que  faccia  il 
debito  suo."  Es  handelt  sich  nun  nicht  nur  um  die  Verge waltigung 
Baumgartners,  sondern  es  ist  Gefahr  fur  alle  Deutschen,  „daB  man 
uns  alle  unsere  Hab  und  Gtiter  deren  Ort  darob  arrestieren  mochte"  ; 
auch  konnte  das  Beispiel  der  Lucchesen  anderwarts  Nachahmung 


1)  Repert.  70  Nr.  154  u.  179. 


Geyer,  Niirnberg  und  die  Gegenreformation.  253 

linden.  Die  Stadt  Niirnberg  habe  ein  Interesse  an  der  unge- 
hinderten  Hantierung  ihrer  Burger,  „dieweil  dieselben  und  nicht 
die  Premden,  die  sich  so  haufenweis  eindrangen,  die  Losung 
und  andere  blirgerlichQ  Beschwerden  tragen  mtissen."  Man 
konne  die  Lucchesen  darauf  hinweisen,  dafi  sie  „als  Antriifler 
dieser  Beschwerung  ihre  Leut  und  Hantierung  auch  hier  haben." 
Wenn  sie  bei  ihrem  Bischof  der  unzeitigen  Inquisition  nicht 
vorkommen  wollten,  so  wiirden  die  Herren  in  Niirnberg  verur- 
sacht,  an  den  hier  Geschaite  treibenden  Lucchesen  auch  ihre 
^Notdurft  fiirzunehmen  und  das  zu  handeln,  das  man  ohne  das 
viel  lieber  umgehen  woUt.  Mit  fernerer  Ausfiihrung,  dafi  man 
ihr  und  anderer  Italiener  halben  im  heiligen  Eeich  deutscher 
Nation  bisher  auch  Geduld  gehabt  und  wider  sie  weder  in  dem 
noch  andern  dergleichen  Inquisition  fiirgenommen,  wie  es  dann 
hiergegen  zu  Lucca  und  anderswo  auch  nicht  also  herkommen, 
dafi  man  der  Keligion  halben  und  wo  und  welchermaCen  ein 
jeder  beichten  und  kommunizieren  sollte,  fremde  Auslandische 
wider  ihr  Gewissen  bedrangt  und  benotigt  hatte.  Zu  dem,  dafi 
im  heiligen  Reich  auf  gehaltenen  Tagen  lautere  Vergleichung 
geschehen  und  Abschied  darauf  erfolgt  wilren,  dafi  bede  die 
Romische  und  der  Augsburgischen  Konfession  verwandten  Reli-* 
gion  neben  einander  geduldet  werden  und  kein  Teil  den  anderen 
belastigen  oder  beschweren  und  zu-seiner  Religion  dringen  sollte." 
Man  moge  lieber  an  die  Herrschaft  als  an  den  Bischof  schreiben, 
denn  letzterer  wiirde  sich  „gar  bald  auf  des  Pabsts  Gebot  refe- 
rieren",  dagegen  die  Luccheser,  wenn  sie  vermerken,  dafi  sie 
„der  Ihrigen  halben  etwas  daranzusetzen  haben,  wohl  werden 
wissen  einzuhalten  und  ihr  bisher  getrieben  Patticirn  einzu- 
stellen." 

In  diesem  Sinne  schrieb  der  Rat  wirklich  am  9.  Oktober 
an  die  „ Herren  Confalonieri  und  Antiani  zu  Luca."  Er  wies 
auf  die  Verhaltnisse  in  Deutschland  hin,  wo  Vorsorge  getroifen 
sei,  dafi  die  verschiedenen  Konfessionsverwandten  „einander  nicht 
betriiben  oder  beleidigen,  sonder  ein  Teil  den  anderen  bei  seiner 
Lehr  und  Gottesdienst  bleiben  und  ihn  darwider  nicht  beschweren 
soil."  Sollten  die  Lucchesen  die' Ubelstande  nicht  abstellen, 
so  miifiten  sie  sich  auch  bederiken,  „und  den  Eurigen  Platz  und 
Raum  nach  allem  ihrem  Gefallen  zu  leben  und  zu  handeln,  auch 


254  Geyer,  Niirnberg  and  die  Gegenreformation. 

nit  geben  und  lassen,  da  wir  doch  viel  lieber  alte  Verwandtnus 
nod  langen  Herkommens  Vertraalichkeit  erhalten  nnd  anch  gaten 
und  angenehmen  Willen  erweisen  wollten." 

Erst  am  6.  Januar  1575  antworten  die  ^Antiani  et  Ve* 
xilliferi  Justitiae  populi  et  comunis  Lucensis^  in  lateinischer 
Sprache.  Sie  sind  betrfibt  (maerore  qaodam  affecti)  quod  ea 
postularentur  a  nobis,  qaae  essent  contra  cattolicum  morem, 
contra  Leges  et  instituta  nostra,  quae  ut  servaretur,  nee  nostris 
civibus  parcendum  duximus,  cumque  ilia  nobis  nihil  omnino  vio- 
landa  videatur,  ignoscent  nobis  DD.  VV.  si  minus  earum  postu- 
lationi  obsequamur.^  Damit  konnten  sich  die  Nlirnberger  Kauf- 
leute  natlirlich  nicht  zufrieden  geben.  Am  23.  Februar  1575  wenden 
sich  daher  Albrecht  Scheurl  und  Eberhardt  Khtirn  wieder  an 
den  Rat.  Derselbe  wolle  dem  Paulin  Neri  als  Bringer  des 
Schreibens  samt  den  andern  hier  wohnenden  Lucchesen  anzeigen 
und  yorhalten  lassen,  dafi  die  Herren  „ob  solchen  stumpfen  und 
unschlfissigen  Schreiben  nicht  wenig  Befremden  triigen."  Wenn 
die  Lucchesen  in  Zukunft  ahnliches  wiederholen  wurden,  dann 
mlisse  man  die  Folgen  den  Lucchesen  in  Niirnberg  spttren  lassen, 
Dementsprechend  beschliefit  der  Rat  am  25.  Februar  1576.  Er 
weist  darauf  bin,  daS  man  sich  zu  den  fierren  von  Lucca  „soyiel 
weniger  das  versehen,  als  ein  erbar  Rat  allhier  den  Biirgern, 
so  ihre  Gewerb  und  Hantierung  allhie  haben,  jeder  Zeit  alien 
vaterlichen  geneigten  Willen  erzeigt  und  ihnen  in  vielen  Dingen 
nachgesehen  haben,  das  man  billig  zu  Abbruch  und  Nachteil 
andrer  Burger  nicht  dermassen  sollen."  Wenn  sich  die  Lucchesen, 
was  nicht  gehofft  wird,  gegen  des  heiligen  r5mischen  Reichs 
Religionsfrieden  verhalten  werden,  da  indessen  die  Lucchesen 
„allhie  ihres  Gefallens  handeln  und  wandeln  und  eines  erbam 
Rats  ihnen  erzeigten  Guttatigkeit  gleich  undankbarlich  mifi- 
brauchen",  so  musse  sich  der  Rat  an  ihnen  schadlos  halten.  Sie 
mogen  das  den  Herren  Antiani  und  Vexilliferi  zu  Lucca  be- 
richten. 

Neuerlich  wird  am  28.  Mai  1575  im  Rat  vorgebracht,  dafi 
die  Lucchesen  keine  Leger  und  keine  Wohnung  von  Nurnberger 
Kaufleuten  dulden  wollten.  Die  Kaufleute  selber  stecken  dahinter. 
Der  Bischof  von  Lucca  flirchte  sich  vor  dem  Papst,  wolle  aber 
zugeben,  dafi  die  Scheurlschen  Leute  ab-  und  zureisen  und  etwa 


Geyer,  Ntirnberg  und  die  Gejgen reformation.  255 

14  Tag  da  wohnen  mochten.  „Aber  die  Wohnung  wie  bisher 
geschehen  konnte  er  ihnen  nit  zulassen,  sie  unterwurfen  sich 
denn  der  rSmischen  Keligion,"  Der  Rat  beschliefit:  „Weil 
Paulin'Nirij  jetzt  hineinreisen  will,  ihm  zu  erofihen,  dafi  man 
nun  ernstlich  gegen  die  L.  die  namlichen  Mafiregeln  ergreifen 
werde  („wiewol  sie  nit  gern  daran  kamen)  wie  die  L.  gegen  die 
Nurnberger  „und  ihnen  auch  alle  Hantierung  allhie  zu 
verbieten'*. 

Ahnliche  Erfahrungen  wie  in  Lucca  machten  die  Nurnberger 
auch  in  Verona.  Des  Kardinals  von  Verona  Agostino  Valiero 
oberste  Doctores,  Canonici  und  Kommissare"  haben  auf  Befehl 
des  Kardinals  alien  Priestern  der  Stadt  befohlen,  die  Namen 
derer,  die  an  Pfingsten  und  Fronleichnam  nicht  gebeichtet  und 
komniiuniziert  hatten,  aufzuzeichnen.  Dabei  hat  man  gemerkt, 
daB  viele  seit  Jahren  nicht  gebeichtet  hatten.  Daraufhin  er- 
hielten  die  Geistlichen  „ernstliche  gedruckte  Mandate",  die  an 
die  Kirchentiiren  angeschlagen  und  nach  der  Messe  vorgelesen 
wurden,  dafi  die  unterlassene  Beichte  nachgeholt  werde  „zwischen 
jetzt  des  Mandats  des  12.  Juni  und  unser  Frauen  Himmelfahrt 
des  Monats  August**  bei  Straf  der  gr5fieren  Exkommunikation. 
Die  Beichtvater  soUten  seinerzeit  von  Haus  zu  Haus  gehen  und 
die  Lassigen  melden,  „damit  man  mit  jedem  k5nne  der  Ver- 
wirkung  nach  handeln  und  nach  Notdurft  dem  heiligen  Officio 
der  Inquisition  ubergeben." 

Dieses  Vorgehen  des  Veroneser  Bischofs  veranlafite  den 
Nurnberger  Kaufmann  Wolf  Furl eger^)  und  seine  Mitverwandten 
sich  am  20.  November  1574  beim  Rat  zu  beschweren.  Im  ver- 
schienen  69  Jahr  —  so  ftihren  sie  aus  —  haben  wir  „untertanig 
zu  erkennen  geben,  was  groBer  Beschwerung,  Molestation  und 
Bedrangnis  unseren  befreundten  Leuten  und  Dienern,  so  wir 
zu  Bern  in  Welschland  haben  und  das  leger  darin  halten 
miissen,  von  dem  Bischof  und  Geistlichkeit  desselben  Orts  an- 
getan  wurde,  indem  daB  man  sie  benotigen  und  dringen  woUen, 
sich  zur  papstlichen  Religion  und  Kirche  zu  halten,  zu  ge- 
wohulichen  Zeiten  im  Jahr  zu  beichten  und  unter  einerlei 
Gestalt  zu  kommunizieren,  welches  sie  doch  ihres   Gewissens 


1)  Vgl.  Roth,  Geschichte  des  Ntirnberger  Handels  I,  320. 


256  Geyer,  Niirnberg  und  die  GegeDreformation. 

und  christlicher  Unterweisung  halben  solcher  gestalt  keineswegs 
tun  konnen".  Der  Rat  hatte  sich  deswegen  an  den  Herzog 
und  Herrschaft  zu  Venedig,  zu  deren  Gebiet  Verona  gehSrt, 
gewendet  und  von  da  an  lieB  man  die  Niirnberger  in  Frieden. 
„Aber  jetzt  hebt  das  PfaffengeschmeiC  wiederumb  an  und  geben 
uns  unsere  Lent  und  Diener  flehlich  zu  erkennen,  wie  der  Bischof 
zu  Bern  kurzverruckter  Zeit  ernstliche  Mandata  durch  offnen 
Druck  ausgehen  und  alien  Bftrgern  und  Inwohnern  in  der  Stadt, 
die  seien  wer  sie  woUen,  bei  hochster  Commiuation  gebieten 
lassen,  sich  in  einer  bestimmten  Zeit  bei  den  Geistlichen  zu 
erzeigen,  ihre  Slind  zu  beichten  und  das  Sakrament  des  Altars 
zu  empfangen.**  Das  sei  eine  groUe  Ungleichheit  „daC  die 
Berner  und  andere  Italianer  der  Religion  halben  in  dieser 
Stadt  frei  und  doch  die  unsern  bei  ihnen  solcher  Freiheit  . . . 
nicht  auch  genieUen  sollen,  und  da  darin  nicht  Rat  gefunden, 
endlich  daraus  erfolgen  wttrde,  daB  zuletzt  die  Teutschen  der 
Handlung  in  Italia  sich  gar  entauBem  miissen."  Der  Rat  wolle 
sich  deshalb  wieder  nach  Venedig  wenden,  damit  die  Niirnberger 
nicht  zur  papstischen  Religion  gezwungen  und  des  Bischofs 
vorhabende  Inquisition  gegen  sie  abgeschafft  werde. 

Da  die  Venetianer,  wie  wir  oben  gehort  haben,  aus 
politischen  Grunden  die  Uneinigkeit  des  christlichen  Abend- 
landes  bedauerten,  ist  es  zwar  nicht  unmoglich,  daB  sie  den 
Fanatismus  des  restaurierten  Katholizismus  noch  einmal  ein- 
zudammen  sich  bemlihten,  allein  die  Akten  geben  iiber  den 
weitereii  Verlauf  der  Angelegeuheit  keine  Auskunft. 

Eines  gewissen  tragikomischen  Anstrichs  entbehrt  eine 
Streitsache  nicht,  die  uns  in  die  Zeit  nach  dem  eben  beendeten 
DreiBigjahrigen  Krieg  versetzt  und  in  den  Akten  also  bezeichnet 
wird:  „Religion-Sach,  Johann  Frorentaig  burger  alhie  welcher 
als  ein  Handelsmaun  auff  dem  Marckt  zu  Hall  im  Indthal  in 
der  Herrschaft  Insprukh  gelegen,  gewest,  und  daselbt  am 
Heyl.  Auffahrtstag  in  der  Kirchen,  anwesend  vieler  Herren 
und  hohen  personen,  den  Pfaffen,  als  Er  in  der  Predigt  wider 
H.  Lutherus  groblich  gelastert,  offentlich  liigen  gestrafft,  ist 
auff  meiner  Herren  unterschiedlich  widerholte  Intercessionales 
nach  hart  auBgestandener  gefangnus  derselben  endlich  mit  spoth 
wider  erlaBen  worden.     1649." 


Oeyer,  Niirnberg  uiid  die  Gegenreformation.  257 

Aus  dem  RatsverlaB  vom  15.  Marz  1649  erfahren  wir, 
das  Sara  Frorentaigin  die  fiir  ihren  in  Innsbruck  eingesperrten 
Gemahl  Yom  Rat  erbetene  Interzession  gewahrt  erliielt.  Dabei 
wird  ihr  geraten,  die  ilirem  Manne  auferlegte  GeldbuBe  sofort 
zu  bezahlen,  „weil  soldier  Fehler,  zumalen  diesem  orth  fiir 
nicht  gering  zu  achten  auch  hingegen  einem  Pabstischen,  wenn 
er  dergleichen  in  einer  Evangelischen  Kirchen  thun  wolte, 
solches  ebenmafiig  nicht  ungestraft  wiirde  hingehen".  Da  iiber 
den  Gang  der  Angelegenheit  ein  vom  23.  Jnli  1649  datierter 
anschaulicher  Bericht  Frorentaichs  an  den  Rat  vorliegt,  geben 
wir  diesen  in  der  Hauptsache  wortlich  wieder. 

„Nachdem  ich  zu  Hall  im  Innthal  an  dem  H*  Auffartstag 
in  die  sogenannte  Konigl.  Stiifts-Kirchen  gegangen,  aldar  den 
Pater  Prediger  Jesuitter  ordens  namens  Ruprecht  BShmer  an- 
gehort,  welcher  unter  andern  diese  wort  ausgestofien  die 
Neuen  Ketzer  die  Lutheraner  und  sonderlich  Luther  der  aus- 
gesprungene  Mlinch,  thuet  seine  aus  dem  Closter  entflihrte  Nonn 
die  Kattel,  die  verfluchte  und  vermaledeyte  (quod  cum  venia 
dictum  sit.)  Schandpestiam  etc.  wie  auch  Ihre  Predicanten  thuen 
Ihre  Badmagd,  der  H.  Mutter  Gottes  vorziehen  und  dem  auf- 
gefahrnen  Herrn  Christo  Zustellen,  sind  mir  umb  solcher  un- 
wahrhafter  red  willen  aus  einem  eyfer  diese  wort  laut  heraus- 
gefahren,  daB  ist  nicht  zuerweiBen.  Worauf  ich  dann  nach 
geendter  Predigt  von  Richter  und  Rath  aldort  in  arrest  ge- 
nommen,  an  Ketten  und.  Banden  geschlossen,  und  nicht  anderst 
alB  eine  Person,  so  das  Leben  verwiirckt,  Sieben  wochen  und  fiinf 
Tag  gefanglich  gehalten  worden.  Obwoln  Zwar  ich  der  gentzlichen 
Hoffnung  gelebet,  ich  wiirde  E.  Herri,  eingewandter  Inter- 
cefiionales,  darfur  ich  unterthanigen  danck  sage,  in  etwas  ge- 
niessen,  so  seind  doch  solche  in  keine  consideration  gezogen, 
sondern  mir  endlich  dieser  Bescheid  publicirt  worden,  dafi  ich 
ein  Vierthl  stund  lang  vor  dem  RathhauB  auf  einer  Bruckhen 
4n  Ketten  und  Banden  stehen  und  des  Lands  ewiglich  verwiesen 
sein  soil,  welches  dann  alles  an  mir  verbracht,  und  ich  vielen 
Tausent  menschen  Zu  eim  spectecul  und  Schandspiel  vorgezeigt, 
und  alBdann  auB  der  Statt  in  Ketten  und  Banden  bin  gefiihrt 
worden.  Vorher  aber  ist  mir  ein  schreckliche  Vrvhede  vor- 
gehalten,  und  alB  ich  solche  keines  wegs  eingehen  wollen,  mit 

Beitrage  zur  bayer.  Kirchengeschichte  VII.  6.  17 


258  Geyer,  Niiruberg  und  die  Gegenreformation. 

grofier  B.etrohung  der  langern  gefaDgnus  und  hartern  straff, 
zur  subscription  bin  gezwungen,  und  mir  noch  darzu  iiber  die 
atzung,  Ein  und  Neuntzig  gulden  Gerichts  und  Sporr  Uncosten, 
und  dairfur  biB  auf  dato  alle  meine  wahren  in  arrest  behalten 
worden . 

Welches  alles  ich  dem  gerechten  Gott  in  Himmel  anbefehl, 
und  Ewer  Herri,  den  gantzen  Verlaiiff  zu  gehorsamer  Volg 
hiemit  habe  berichten  soUen." 

Prorentaich  wurden  (RatsverlaB  vom  23.  Oktober  1649) 
seine  Kaufgiiter  endlich  frei  gegeben.  Da  ihm  die  Landesver- 
weisung  deshalb  sehr  miBlicli  war,  weil  sich  seine  Schuldner 
dieselbe  zunutze  machten,  bemiihte  er  sich  1652,  sie  riick- 
gangig  zu  machen.  Allein  seine  darauf  gerichteten  Bemuhungeii 
waren  vergeblich.  Die  endgultige  Ablehnung  Ferdinand  Karls, 
Erzherzogs  zu  Osterreich,  wurde  am  9.  Januar  1654  in  seiner 
Abwesenheit  seinem  Stiefvater  Wolf  Ortlauff  zugestellt. 

Es  ertibrigt  mir  noch  fiber  die  Vergewaltigung  Nurnberger 
Untertanen,  die  in  Pfalz-Neuburgischem  Gebiete  wohnten,  zu 
berichten.  Ich  werde  auf  diese  Angelegenheit  zurtickkommen, 
wenn   meine  Studien   hieriiber  zum  AbschluC  gekommen  sind. 


Die  Kirchenordnung  fiir  eine  Landgemeinde  (Kraftshof) 
aus  der  ersten  Halfte  des  15.  Jahrhunderts. 

Von  Justizrat  Frhr.  Y.  Krefs. 

Kirchen  ordnungen  fiir  Landgemeindeii  —  wenn  man  sie  so 
nennen  darf  —  aus  der  ersten  Halfte  des  15.  Jahrhunderts  werden 
nicht  alllzuvfele  auf  uns  gekommen  sein.  Im  Frhr.  v.  Kiefischen 
Familienarchiv  zu  Kraftshof,  dem  alten  Stammsitz  der  genaunten 
Nurnberger  Patrizierfamilie,  ist  eine  solche  Kirchenordnung  fiir  die 
Landgemeinde  Kraftshof  erhalten.  Sie  beansprucht  unser  Interesse 
schon  um  deswillen,  weil  die  dnrch  sie  getroffenen  oder  bestatigten 
Einrichtungen  zum  Teil  die  Jahrhunderte  iiberdauert  haben  und  un- 
beriibrt  durch  die  moderne  Gesetzgebung  noch  heute  in  Kraft  be- 
stehen.  Es  gibt  in  Kraftshof  keine  Kirchenyerwaltung  im  Sinne 
der  bayerischen  Verordnuug,  vielmehr  wird  das  Kirchenvermbgen 
noch  heutigen  Tages  von  der  Gutsherrschaft  in  Gemeinschaft  mit 
vier  Gotteshauspflegern  verwaltet.  Diese  Einrichtung  wurde  zuerst 
durch  unsere  Kirchenordnung  geregelt.  Die  Kirche  zu  Kraftshof 
war    eine    Filiale    der  Pfarrkirche    zu  Poppenreuth.     Zwischen    dem 


V.  KreB,  Die  Kirchenordnung  fiir  eine  Landgemeinde  aus  d,  15.  Jahrh.    259 

Pfarrer  von  Poppenreuth  und  den  zu  Kjraftshof  gehorigen  Gemeinden 
waren  DiflPerenzen  entstanden  und  der  Pfarrer  von  St.  Sebald  in 
Nurnberg,  Meister  Albrecht^),  der  sich  selbst  als  den  Lehensherrn  der 
Pfarrei  St.  Peter  in  Poppenreuth  bezeichnet,  hatte  durch  etliche  Ar- 
tikel  und  SStze  mit  Willen  und  Wissen  des  Pfarrers  Peter  zu  Poppen* 
reuth  und  mit  Hilfe  des  erbaren  Mannes  Konrad  Krefi  des  Elteren, 
Frauen  Walburgen,  seiner  Eheft*aU;  uud  ihrer  Sobne,  sowie  der  ganzen 
Gemeinde  der  Dorfer,  die  zu  Kraftphof  gehoren,  das  Kircbenwesen 
daselbst  neugeregelt.  Dabei  soUte  es  zu  ewigen  Tagen  verbleiben. 
Das  Manuskript  dieser  Kirchenordnung  ist  in  einem  schmalen 
Quartband  von  ca.  30  cm  Hohe  und  22  cm  Breite  enthalten,  der  in 
zwei  Starke  Holztafeln  mit  Lederrttcken  gebuuden  und  vorne  mit 
einer  Messingschliefie  versehen  ist.  Wiewohl  es  keine  amtliche 
Fertigung  anfweist,  diirfen  wir  es  der  Handschrift  nach  als  Original 
betrachten.  Der  Holzdeckel  tragt  auf  der  Aufienseite  die  Aufschrift: 
,,1421.  Kyrcheuordnwng  zwm  KraflPtshoff."  Die  Aufschrift  und  der 
Einband  stamraen  wohl  aus  spHterer  Zeit;  die  erstere  verrSt  die, 
Handschrift  des  bekannten  Ratsherrn  Ohristoph  Krefi,  der  im  Jahre  1535 
starb.  Die  Jahreszahl  1421  stimmt  nicht  zu  dem  Inhalte  des 
Textes.  Denn  nach  der  Einleitung  hat  Meister  Albrecht  von  St. 
Sebald  nach  Konrad  Kressens .  seligem  Ableben  dessen  Witwe  Wal- 
burg  Kjessen,  eine  geborene  Waldstromer,  und  ihre  SShne  zu  Ober- 
gotteshauspflegern  eiugesetzt;  Herr  Konrad  Krefi  aber  ist  nach 
anderweiten  verbtirgteu  Nachrichten  erst  1430  verstorben.  Die 
Kirchenordnung  wird  deshalb  etwa  in  das  Jahr  1431  zu  setzen  sein. 
Ein  Nachkomme  des  Konrad  Kre6,  der  Losunger  Johann  Wilhelm 
Krefi;  ein  sehr  schreibseliger  Herr,  der  einen  ausgepragten  Familien- 
sinn  besafi  und  nicht  wenige  Biicher  uud  Schriften  jdes  Familieu- 
archivs  mit  Notizen  von  seiner  Hand  bereicherte,  fUllte  einen  Teil 
der  leeren  Blatter  des  Bandes  mit  Abschriften  und  Bemerkungen  aus^ 
die  sich  auf  Kraftshof  und  audere  Krefische  Stiftungen  beziehen. 
Er  liefi  auf  die  Innenseite  des  Deckels  einen  Kupferstich  des  Konrad 
Krefi  einkleben,  der  die  Umschrift  tragt  „Herr  Conrad  Krefi  von 
Kressenstein  vff  Crafftshoff  vnd  Mayach,  des  Innern  Raths  der  Stadt 
Nlirnberg,  Starb  im  Jahre  Christi  1430"  und  wie  schon  der  Beisatz 
„von  Kressenstein"  zeigt,  der  erst  1530  durch  Kaiser  Karl  V.  dem 
Ghristoph  Krefi  verlieheu  wurde,  gleichfalls  aus  spaterer  Zeit  stammt. 
Auf  die  Titelseite,  welche  urspriinglich  nur  ein  gemaltes  Krefisches 
Wappen  im  gotischen  Stil  aufwies,  liefi  er  eine  Abbildung  von 
Kraftshof  mit  der  St.  Georgenkirche  und  dem  sogen.  Kressenstein, 
sowie  den  Wappen  der  Besitzer  von  Kraftshof  und  ihrer  Frauen  bis 


1)  Albrecht  Fleischmann,  Pfarrer  von  St.  Sebald  von  1397—1440. 
Vgl.  tiber  ihn  Diptycha  Ecclesiae  Sebaldinae,  das  ist  VerzeichnuB  der 
Herren  Prediger  etc.  angefangen  von  Herrn  Carl  Christian  Hirschen,  fort- 
gesetzt  von  Andreas  Wiirfel.    Ntirnberg  1756,  S.  47. 

17* 


260    V.  Kre6,  Die  KirchenordnuDg  fllr  eine  Landgemcinde  aus  d.  15.  Jabrh. 

1597,  in  Kupfer  gestocben,  einkleben.  Auf  der  EUckseite  dieses 
Blattes  siud  die  Nameu  der  Herreu  Kressen^  „so  des  Ratbs  zu 
Ntirnberg  und  zugleicb  auch  Oberpfleger  ibrer  Stiftskircben  zu  St. 
Georgen  zu  Craftzbof  gewesen,"  eingescbrieben.  Dann  erst  folgt  auf 
nur  yier,  vorne  und  binten  bescbriebenen,  aber  immer  durch  ein  leeres 
Blatt  getrennten  BlStteru  die  iu  tadelloser,  letternartiger  Scbrift  von 
einer  krSftigen  Hand  geschriebene  Kircbenordnung  in  secbzebn  Satzen, 
zwiscben  deuen  allemal  ein  Eaam  leer  gelassen  ist.  Unmittelbar 
binter  der  Kircbenordnung  ist  von  der  Hand  des  Jobaun  Wilbelm 
Krefi  der  „Stift-  und  Weybbrief  liber  St.  Georgen  Kirch  zu  Crafftsbof 
A®  1315"  eingescbrieben.  Die  Uberscbrift  ist  aucb  bier  nicbt  korrekt; 
die  abgeschriebene  Urkunde  ist  nicbt  der  Stifts-  und  Weihbrief  der 
Kircbe,  sondern  die  Urkunde  iiber  die  Wiedereinweibung  der  Altare 
durcb  den  Biscbof  Peter  von  Mitrocomanien,  Geaeralvikar  des  Biscbofs 
Anton  von  Bamberg^  d.  d.  feria  secunda  post  testum  S»  Viti  A°  Do- 
mini 1440.  Sie  besagt  aber,  daft  der  Weibbiscbof  im  Hauptaltar 
im  Cbor  der  Kircbe  neben  den  Reliquien  den  Weihbrief  der  Kirch e 
gefunden  babe,  und  gibt  den  letzteren  zum  Teil  im  Wortlaut  wieder. 
Wir  bringen  die  interessante  Urkunde  im  Anbang  zur  Kircbenordnung 
zum  Abdruck.  Weiter  sind  in  den  Quartband  noch  einige  Bogen 
anderen  Papiers  mit  Notizen  des  Johann  Wilbelm  Krefi  iiber  das 
von  Hilpolt  Krefi  A®  1427  ge^tiftete  Jungfrauenalraosen,  dann  iiber 
Krefische  Begrabnisse  und  Mannerstiible  und  endlich  die  Abschrift 
eines  Gedicbts  des  Nurnberger  Spruchsprechers  Wilbelm  Weber 
,,Kurzweilige  Beschreibung  der  Kirchweih  zu  Crafftsbof  und  des 
dabei  nach  altem  Gebrauch  gehaltenen  Buchsenschiefiens'^  eingeklebt, 
die  uns  bier  nicbt  weiter  interessieren. 

Wicbtiger  ist  fiir  iins  die  Frage,  wie  kommt  der  Pfarrer  von  St. 
Bebald  in  Ntirnberg  dazu,  eine  Kircbenordnung  fUr  Kraftsbof  zu  erlassen  ? 
Was  hat  ibu  veranlafit,  die  Kressen  als  Obergotteshauspfleger  ein- 
zusetzen?  Kraftshof,  ein  ansehnlicbes  Dorf,  auderthalb  Stunden  von 
NUrnberg  gegen  Norden  zu  am  Kande  des  Reichswalds  gelegen,  wird 
unseres  Wissens  in  der  zweiten  Halfte  des  13.  Jahrhunderts  zuerst 
genaunt.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre  1277  bekennen  die  Gebriider 
Friedrich  und  Herdegen,  die  Holzscbuber,  Burger  zu  NUrnberg,  dafi 
Burggraf  Friedrich  von  Ntirnberg  sie  zu  seinen  Burgmannen  in  seiner 
Burg  zu  Krafteshove  gemacht  und  ihnen  die  Halfte  des  genannten 
Dorfes  und  den  Zehnten  daselbst  samt  alien  seinen  Rechten  und 
Zugehorungeu  als  Burglehen  verliehen  babe  ^).  Er  bestimmte  auch 
zwei  Hofstatten  (areas)  in  dem  besagten  castrum,  wo  sie  ibre  per- 
sonliche  Residenz  nehmen  und  ihm  als  Burgmannen  treu  dienen 
sollten.     Es    findet    sich    aber    keine   weiter e  Spur    davon,    dafi    die 


1)  J.  Chr.  Gatterer  in  der  Historia  genealogica  Dominorum  Hol^- 
schnheriorum  ab  Aspach  et  Harlach  in  Thalbeim  etc.  Norimbergae, 
MDCCLV.    Praefatio  in  fine. 


V.  EreB,  Die  Kirch enordnung  fiir  eine  Landgemeinde  aus  d.  15.  Jahrh.      261 

Holzscbuher  wirklich  in  Kraftshof  sich  niedergelasseu  hatten;  wir 
finden  sie  spater  in  dein  benachbarten  Almoshof.  Dagegeu  erscheinen 
bald  darnach  die  Herren  von  Berg,  jenes  in  der  Gegend  reich  be- 
gttterte  und  angesehene,  auf  dem  Altenberg  bei  Zirndorf  sefihafte 
Dynastengeschlecht,  im  Besitz  eines  Burgstalls  und  verschiedener 
SoldnergUter  zu  Kraftshof  als  Reichsleben.  Diesen  Burgstall  ver- 
liehen  sie  an  Fritz  Srefi,  der  aus  dem  Vogtlande,  wo  seine  Vor- 
fahren  gehaust  batten^  hergekommen  war  und  die  Tochter  eines 
frankiscben  Hitters,  des  Herrn  Konrad  Strobel  von  Atzelsberg,  namens 
Margaretba^  geheiratet  hatte.  Er  ist  der  Stammvater  des  noch  jetzt 
bluhenden  Geschlechts  der  Krefi  von  Kressenstein.  In  dem  noch 
heute  der  Familie  Krefi  gehorigen  Besitztum  in  Kraftshof  steht  in 
einer  tief  gelegenen  Wiese,  die  friiher  Weiher  war,  ein  nur  liber 
eine  Briicke  zugSngliches^  einfaches  Sommerhaus,  der  sogen.  Kressen- 
stein, an  dessen  Stelle  nach  der  zweifellos  richtigen  Tradition  der 
alte  Burgstall  gestanden  hatte.  Man  darf  sich  ebeu  unter  Burg- 
stallen  nicht  Burgen  vorstellen,  sondern  nur  hochst  bescheidene  Stein- 
hauser, ,  die  sich  von  den  iibrigen  Wohnstatten  zumeist  nur  durch 
ihre  festere  Bauart  und  dadurch  unterschieden,  dafi  sie  mit  Mauern 
und  Graben  befestigt  waren.  In  die  Sockelmauer  des  Kressenstein 
ist  ein  uralter  Stein  eingemauert,  in  welchem  ein  Krefisches  und 
und  Strobelsches  Allianzwappen  und  die  Jahreszahl  W'tt'V't't' 
eingemeifielt  ist^).  Jm  Jahre  1291  hat  also  Fritz  Krefi  diesen  Burg- 
stall besessen  und  vielleicht  neu  erbaut.  Fritz  Krefi  und  seine  Frau 
Margaretha  haben  aber  aucb  die  Kirche  in  Kraftshof  gebaut.  Der 
Weihbrief  von  1315,  der  in  der  obenerwahnten  Urkunde  von  1440 
nur  zum  Teil  wiedergegeben,  in  anderen  Abschriften  aber  vollstSndig 
erbalten  ist^),  besagte:  Anno  Incarnationis  Dominica  Millesimo 
Trecentesimo  quindecimo  consecrata  est  hec  Ecclesia  Dominica  die,  qua 
cantatur  Jubilate  in  honorem  Sti  Georgii  et  S.  Marie  et  S.  Crucis  a 
Reverendo  Dn.  Dom.  Wolfframo  Sabensi  Episcopo,  cousentiente  Du. 
Ulgingo  Bambergensi  Episcopo,  hoc  procurante  Honorabili  et  Devoto 
Viro,  videlicet  Friderico  Kressen  una  cum  Margaretha  uxore  qui  sunt 
fundatores  hujns  Ecclesie.  Nach  Anfiihrung  der  Reliquien,  welche 
in  den  Altar  eingelegt  worden  sind,  schliefit  daan  die  Urkunde  mit 
den  Worten:  Acta  sunt  hec  tempore  Magistri  Hermanni  Plebani  S. 
Sebaldi  dicti  de  Lapide^).  Das  Kirchlein  zu  Kraftshof  war  aber 
nicht^  wie  man  nach  diesem  Schlufisatz  vermuten  mochte,  der  Kirche 


1)  Seine  Existenz  wird  schon  in  dem  1530  angelegten  Geschlechts- 
buch  des  Christoph  Krefi  bezeugt  (Krefisches  Archiv). 

2)  Abschriften  des  Weihbriefs  finden  sich  bei  Job.  Wilb.  Krefi, 
Documenta,  1640,  Bd.  I  und  bei  Marx  Christ.  Krefi,  Beschrdbung  derKrefi- 
schen  Kirche  zu  Kraftshof  1876,  im  Krefischen  Archiv. 

3)  Hermann  von  Stein,  Pfarrer  bei  St.  Sebald  seit  1313,  giug  spater 
ins  Kloster  der  Augustiner  und  starb  als  Prior  desselben  1359.  Vgl. 
Diptycha  Ecclesiae  Sebaldinae  S.  46. 


262    V.  KreB,  Die  Kirchenordniing  ftir  eine  Landgemeinde  ans  d.  15.  Jabrb. 

zu  St.  Scbald  in  Ntirnberg  zugeteilt,  sondern  es  war  eine  Filiale  der 
Pfarrkircbe  zu  Poppenreuth,  deren  Sprengel  danials  ein  weites  Ge- 
biet  im  Westen,  Norden  und  Osten  von  NUrnberg  umfafite.  Poppen- 
reuth war  alter  als  NUrnberg  und  die  Kirche  von  St.  Sebald  damals 
selbst  noch  eine  Filiale  von  Poppenreuth,  ein  Verhfiltnis,  das  offiziell 
erst  im  Jahre  1387  geSndert  und  noch  spater  in  das  Gegenteil  ver> 
kehrt  wurde.  Im  Jahre  1886  war  namlich  zwischen  dem  Eektor 
der  Kirche  zu  Poppenreuth,  Konrad  Sauer,  und  dem  Rektor  der  Kirche 
zu  St.  Sebald  in  NUrnberg,-  Wolfram  DUrr^),  ein  Streit  entstanden, 
weil  letzterer  die  Eigenschaft  seiner  Kirche  als  einer  Filiale  von 
Poppenreuth  nicht  mehr  gelten  lassen  wollte.  Die  Sache  kam  vor  den 
papstlichen  Stuhl  und  Papst  Urban  VI.  entschied  im  Jahre  1387 
auf  Vorstellung  dee  NUrnberger  Rats,  dafi  jede  der  beiden  Kirchen 
eine  gesonderte  Pfarrei  sein  sollte,  doch  dergestalt,  dafi,  wenn  einer 
von  den  beiden  obengenannten  Pfarrern  abginge,  der  verbleibende 
Pfarrer  beiden  Pfarreien  vorstehen,  demnach  kiinftig  der  Pfarrer  von 
St.  Sebald  auch  Pfarrer  zu  Poppenreuth  sein  und  diese  Pfarrei  durch 
eiuen  von  ihm  zu  unterhaltenden  Vikar  versehen  lass^n  sollte. 
Die  beiden  Pfarrer  schlossen  eineu  Vertrag  miteinander  ab,  wie  es 
mit  dem  Zehnten  in  Zukunft  gehalten  werden  solle,  und  Pfarrer 
Sauer  verpflichtete  sich  dem  Rat  zu  NUrnberg  gegenuber,  dafi  er, 
wenn  Pfarrer  Wolfram  DUrr  sturbe,  die  Pfarrei  St.  Sebald  Uber- 
nehmen  und  nicht  gestatten  wolle,  dafi  ohne  des  Rats  Yorwissen  in 
und  um  Wbhrd  und  allenthalben  im  Sprengel  der  Sebalder  Kirche 
eine  Kirche  oder  Kapelle  errichtct  wUrde.  Papst  Bonifazius  IX.,  der 
im  Jahre  1390  die  Vereinigung  der  beiden  Kirchen  bestStigt  hatte, 
sah  sich  indessen  im  Jahre  1402  veranlafit,  diese  Personalunion 
wieder  aufzuheben  und  anzuordnen,  dafi  jeder  Pfarrer  personlich  auf 
seiner  Pfarrei  wohnen  solle.  Magister  Albrecht  Fleischmann  aber, 
der  1397  auf  die  Pfarrei  St.  Sebald  kam,  nannte  sich  schon  1431 
den  Lehensherrn  der  Kirche  von  Poppenreuth. 

Bei  diesen  VerhUltnissen  und  der  Grofie  des  Poppenreuther 
Pfarrsprengels  war  ein  Filialkirchlein  wie  das  Kraftshbfer  libel  ver- 
sorgt.  Eine  PfrUnde  war  mit  ihr  nicht  gestiftet  worden.  Das  Be- 
dUrfnis  nach  einem  eigenen  Geistlicheu  wurde  aber  immer  schreiender. 
Die  Gemeinde  wurde  immer  grofier.  Im  Umkreise  von  Kraftshof 
lagen  funf  Dorfer^  deren  Bewohner  lieber  die  nahegelegene  Filial- 
kirche  in  Kraftshof  als  die  entfernter  liegende  Mutterkirche  in 
Poppenreuth  besuchten.  Gegeu  Norden  auf  den  Reichswald  zu 
lag  das  stattliche  Dorf  Neuhof.  Im  Osten  waren  die  burggraf- 
lichen    Besitzungen    Almoshof    oder    Malmeshof    und    Lohe,    die    an 


1)  Oder  Dorrer,  wie  er  in  den  Diptychen  genannt  wird.  Vgl.  Diptycba 
Eocl.  Seb.  S.  46,  dann  D.  Paulus  Ewald,  Geschichte  der  Pfarrei  Poppen- 
reuth. Ntirnberg  1831,  S,  15,  ferner  Historia  Diplom.  Norimb,  II, 
p.  466. 


Y.  KreB,  Die  Kirchenordnang  fiir  eine  Landgemeinde  aus  d,  15.  Jahrb.    263 

NUmberger  Burger,  die  Holzschuher,  Imhof,  Tucher  und  andere 
verliehen  waren,  zu  ansebnlichen  Ortscbaften  berangewacbseu.  Im 
SUden  auf  die  Stadt  zu  lag  das  burggraflicbe  Dorf  Bucb,  das  erst 
im  Jabre  1427  zugleicb  mit  der  Burg  und  den  Reicbswaldern  au 
die  Reicbsstadt  Niirnberg  abgetreten  wurde,  und  im  Westen  gegen 
Kloster  GriindJacb  zu  kam  noch  Boxdorf  in  Betracbt.  Die  Bewobner 
dieser  secbs  Dorfer  entscblossen  sicb,  aus  ibrem  Vermogen  zusammea- 
zusteuern,  um  ein  Frubtnefibenefizium  zu  dotieren^).  Scbon  im  Jabre 
1402  waren  die  Heiligenpfleger  imstande,  ein  Anwesen  mit  Garteu 
zu  kaufen,  in  welcbem  sicli  ein  Wobnbaus  fiir  den  kUnftigen  Friib- 
messer  erbauen  liefi^);  durcb  Ankauf  von  Gilten  und  Kenten,  wie 
durcb  Stiftungen  verscbiedener  Art  wurden  in  den  nacbsten  Jabren 
die  EinkUnfte  des  Friibmessers  sicbergestellt.  Mit  der  Zustimmung 
und  dem  Beistand  ibres  Seelsorgers,  des  Pfarrers  Peter  von  Poppen- 
reutb,  erbaten  sicb  die  Gemeinden  von  Biscbof  Albrecbt  von  Bam- 
berg die  Bestatigung  der  Friibmefistiftung.  Sie  stellten  ibm  vor, 
dafi  die  Kapelle  des  bl.  Georg  zu  Kraftsbof  keinen  dort  bestSndig 
verweilenden  Priester  babe,  sondern  uur  zu  Zeiten  durcb  den  Pfarrer 
von  Poppenreutb  besucbt  werde,  der  selbst  oder  dureb  einen  anderen 
an  bestimmten  Tagen  Gottesdienst  balte,  dafi  aber  scbon  ibre  Vor- 
fabren  aus  ibrem  Vermogen  zu  dem  Zweck  zusammengesteuert  batten, 
dafi  an  der  Kapelle  ein  einfacbes  Benefizium  obne  Seelsorge  fUr  einen 
dort  immer  und  bestandig  persbnlicb  residierenden  Priester  eingericbtet 
werde,  welcber  den  dem  Ackerbau  und  anderen  landlicben  Gewerben 
fronenden  Dorfgenossen  taglicb  oder  docb  recbt  baufig  Frlibmessen 
zelebrieren  konnte^  damit  sie^  gestarkt  mit  geistlicber  Nabrung,  an 
ihr  Tagewerk  gebeu  konnten,  und  dafi  sie  nun  in  den  Stand  gesetzt 
wSreuy  aus  nnbeweglichen,  fiir  eine  solcbe  Stiftung  sicb  eignenden 
Giitern  jabrlicbe  Einkunfte  in  der  Hobe  von  30  fl.  rbeiu.  und  dariiber 
als  ewige  PrUbende  zu  stiften.  Sie  baton  instandig,  die  Stiftung 
dieser  ewigen  Frlibmesse  unter  den  festzusetzenden  Bedingungen  und 
Vorscbriften  zuzulassen  und  zu  bestatigen.  Der  Friibmesser  sollte 
an  den  Parocbialrecbten  und  der  Seelsorge  keinen  Teil  baben,  sie 
nur  ausUben,  wenn  er  im  einzelnen  Falle  vom  Pfarrer  darum  ge- 
beten  wUrde  und  sie  von  ibm  tibertragen  erbielt.  Nur  ein  wirk- 
lieber   Priester,    der    in   Kraftsbof    personlicb    residieren    musse    und 


1)  Es  heiBt  in  der  spater  erwahnten  Bestatigungsnrkunde:  Qualiter 
praedecessores  sui  in  villis  praedictis  pia  devotione  moti  .  .  .  de  suis 
facultatibus  plurima  tradiderunt ... 

2)  Laut  Gerichtsbrief  vom  St.  Kunigundentag  in  der  Fasten  1402 
erkauften  Kunz  Kraftshofer  und  Jorg^Neubauer,  Pfleger  des  Gottes- 
hauses  zu  Kraftsbof,  von  Hermann  Hogel  und  seiner  ehelichen  Wirtin 
Gred  deren  Haus  zum  Kraftsbof  gelegen,  des  weiland  des  Gern- 
groBen  gewesen  ist,  fiir  das  Gottcshaus.  Abschrift  in  Marx  Christ. 
Krefi,  Bescbreibung  der  KreBschen  Kircben  zu  Kraftsbof,  1676,  im 
KreBscben  Archiv. 


264    V.  Krefi,  Die  Kirohenordnung  fiir  eine  Landgeineinde  aus  d.  15.  Jahrh. 

keinexn  anderen  Dienst  vorsteben,  auch  niemanden  aDderen  sich  ver- 
pflichten  dlirfe,  Bolle  mit  der  Pfrlinde  belehnt  werden^). 

Y)et  Biscliof  bewilligte  das  Gesuch  und  bestt&tigte  in  einer  iim- 
fangreichen  Urkunde  vom  Jahre  1420,  quiuta  feria  proxima  ante 
festum  Beati  Johannis  'Baptistae,  die  Frtihmefistiftung.  Dabei  wurde 
vor  allem  festgesetzt,  dafi  der  Pfarrer  und  die  Mutterkirche  in 
Poppenreuth  in  ihren  Ehren,  Prarogativen;  Bechten,  Gerechtigkeiten, 
Beziigen,  FrUcbten,  EinkUnften  und  Akzidentien  nicbt  verkUrzt  und 
beeintracbtigt  werdeu  durften.  Der  Friihmesser  diirfe  Messen  lesen^ 
so  viele  er  lesen  konne,  nacb  eigencm  besten  Wissen  und  Gewissen, 
docb  so,  dafi  er  sicb  an  Sonu-  und  Festtagen  nach  den  Wiinscben 
des  Pfarrers  ricbte,  an  den  iibrigen  Tagen  aber  in  der  Frtihe  nacb 
der  Bequemlichkeit  der  Bev5lkerung  lese.  Er  hatte  nacb  Auordnung 
des  Pfarrers  am  Gottesdienste  in  Poppenreutb  mitzuwirken  und  dem- 
selben,  wenn  er  in  Kraftsbof  Gottesdienst  hielt,  auf  Wunscb  zu 
assistieren.  Das  Recht;  einen  Friibmesser  zu  prSsentieren,  solle  den 
Gottesbauspflegern  zu  Kraftsbof  zusteben,  welcbe  einen  Kaplan  oder 
Kooperator  des  Pfarrers  von  Poppenreutb  oder  einen  solcben  des 
Pfarrers  von  St-  Sebald  in  Nlirnberg,  wen  sie  wollten,  dem  erst- 
genannten  Pfarrer  in  Yorscblag  bringen  sollten,  damit  ibn  dieser  dem 
Biscbof  zur  Bestatigung  und  Einsetzuug  prllsentieren  k5nne.  WSre 
aber  unter  den  Vorgenannten  kein  Priester  geneigt^  die  Stelle  an- 
zunebmen,  so  sollten  die  Gottesbauspfleger  einen  anderen  bewllbrten 
Mann  aus  dem  Priesterstande  von  gutem  Euf  und  passenden  Eigen* 
scbaften  auswSblen  und  dem  Pfarrer  von  Poppenreutb  in  Vorscblag 
bringen.  Die  Opfer,  welcbe  gelegentlicb  der  Messen  dargebracbt 
wtirden^  batte  der  Friibmesser  zu  sammeln  und  obne  Abzug  an  den 
Pfarrer  abzuliefern ;  von  allem,  was  ibm  selbst  aus  Testamenten,  Ver- 
mScbtnissen  oder  fur  Seelmessen  anfiel;  batte  er  den  dritten  Teil 
an  den  Pfarrer  abzugeben.  Aucb  die  Gottesbauspfleger  sollten  von  dem, 
was  an  ge wissen  Festtagen  auf  die  Scbiissel  gelegt  wiirde,  den  dritten 
Pfennig  diesem  Uberlassen.  Endlicb  fUbrte  der  Bestsltigungsbrief  die 
Guter  im  einzelnen  auf,  mit  welcben  die  Frlibmesse  dotiert  worden  war. 

Wiewobl  nun  Konrad  Feicbter  in  dieser  Urkunde  als  erster 
PrSbendarius  scbon  genannt  wird  und  das  Verbaltnis  zwiscbeu  Pfarrer, 
Friibmesser  und  Gemeinde  auf  das  Sorgsamste  geordnet  zU  sein 
scbien,  mufi  es  docb  bald  wieder  zu  Differenzen  und  Reibungen  ge? 
kommen  sein.  Die  Gemeinden  klagten,  dafi  der  Pfarrer  aller- 
band  Neuerungen  einzufUbren   sucbe^),  und  bescbwerten  sicb  dartiber 


1)  Dies  alles  VdQt  sicb  der  Bestatigungsurkunde  des  Biscbofs  Albrecbt 
von  Bamberg  entnehmeD.  Ausfertigung  dieser  Urkunde  Ist  im  Frhr. 
V.  KreBschen  Archiv  erhalten. 

2)  Im  Abs.  3  der  Kirohenordnung  heifit  es:  Als  Herr  Peter,  pfarrer 
zu  poppenreut  vil  newikeit  sich  vnderstin  vnd  anvahen  wollt  wider  das 
gotzhawB  sant  Jorgen  zu  Kratftzhoflf  vnd  wider  die  Kressen  vnd  die 
GotzhawBgemeinen  vnd  die  gantzen  gemein  ... 


V.  Kvefi,  Die  Kirchenordnung  ftir  eine  Landgemeinde  aus  d.  15.  Jahrb.    265 

bei  dem  Pfarrer  von  St.  Sebald,  Magister  Albrecht,  als  deto  Lehens- 
berru  der  Kirche  zu  Poppenreuth.  Pfarrer  Albrecbt  Fleischmann,  der 
ein  riihriger  und  tatkraftiger  Geistlicher  aucb  nacb  aDderen  Nach- 
riehten  gewesen  zu  sein  Bcbeint,  nahm  sicb  der  Gemeinden  energiscb 
an  und  bemiihte  sicb  eifrig,  der  Kraftsbbfer  Kircbe,  die  noch  immer 
arm,  klein  und  obne  Scbmuck  und  Zierde  war,  WohltSter  und 
Freunde  zu  gewiunen,  die  geneigt  wKren,  sicb  ibrer  anzunebmeu.  Er 
suebte  vor  allem  das  Interesse  der  Nacbkommen  des  Stifters  fur  sie 
zu  erwecken,  indem  er  sie  zu  Obergotteshauspflegern  bestellte.  Der 
Stifter,  Fritz  Krefi,  war  im  Jabre  1340  gestorben  und  in  der  von 
ibm  gegrundeten  Kircbe  begraben  worden.  Von  seinen  Sobnen  batte 
Brecbtel  Krefi,  auf  clen  der  Burgstall  in  Kraftsbof  gekommen  war, 
seine  Besitzungeu  in  Kraftsbof  im  Jabre  1357  an  seinen  Scbwager 
Konrad  Ebinger  verkauft  "^).  Von  den  Ebingern  waren  sie  an  die  Ebner 
gekpmmen.  Hermann  Ebner  zulieb  verzicbtete  Heinricb  von  Berg  auf 
seine  Anrecbte  auf  das  Steinbaus  zu  Kraftsbof  samt  Zugeborungeu  als 
Lebensberr,  so  dafi  dasselbe  nunmebr  nur  nocb  vom  Eeicb  zu  Leben 
ging^).  Im  Jabre  1400  verkaufte  Hermann  Ebner  sein  Besitztum 
in  Kraftsbof  an  Hermann  Volland  und  von  diesem  ging  es  durcb 
Kauf  laut  Urkunde  vom  Pfintztag  nacb  St.  Bonifaziustag  1403 
an  die  Urenkel  des  Kircben stifters  Fritz  Krefi,  die  Briider  Konrad 
und  Ulricb,  iiber  ^).  Letzter'er  starb  im  Jabre  1410,  obne  Sobne  zu 
binterlassen.  Konrad  Krefi  war  ein  woblhabender  Kauf m an n/  der 
mit  Venedig  Handel  trieb  und  im  Kat  der  Reicbsstadt  safi  *).  In 
seinem  Testament  vom  Freitag  nacb  St.  Katbreinstag  1429  bestimmte 
er,  dafi  die  Behausung  und  das  Gesafi  zu  Kraftsbof  mitsamt  der 
Hofrait,  dem  Weiber  und  Garten,  wie  das  alles  umfangen  und  be- 
grifPen  ist,  alle  seine  Sobne  bei  und  miteinander  baben,  balten  und 
geniefien  sollten,  also  dafi  es  bei  seinem  Stamm  und  Namen  furbafi 
bleibe.  Es  ist  begreiflicb,  dafi  Pfarrer  Albrecbt  Fleiscbroann  in  ibm 
den  Mann  gefunden  zu  baben  glaubte,  dem  er  die  Obsorge  fur  die 
Kirche  in  Kraftsbof  ubertragen  konnte.  Herr  Konrad  Krefi  war  in 
zweiter  Ebe  mit  Walburg,  einer  geborenen  Waldstromer,  vermablt: 
wir  kennen  sie  aus  eignen  Aufzeicbnungen,  die  von  ibr  erbalten 
sind,  als  praktiscbe  tatkraftige  Frau  ^).  So  wandte  sicb  Pfarrer 
Fleischmann,  als  Konrad  Krefi  im  Jabre  1430  verstorben  war,  an 
sie  und    ihre  Sobne  und    setzte    sie  zur  Verweserin  ein,    damit    sie 


1)  Grig.  Perg.  Urk.  im  Krefischen  Archiv,  IV*  A-Nr.  1^. 

2)  Grig.  Perg.  Urk.  vom  Samstag  nacb  St.  Gertrudentag  1379  im 
Krefischen  Archiv  1V»  A-No.  4*   dann  5  und  6. 

3)  Grig.  Perg.  Urk.  im  Krefischen  Archiv  Va  A-No.  7  and  8. 

4)  Vgl.  iiber  ihn  meinen  Aufsatz:  Beitrage  zur  NUrnberger  Haudels- 
geschichte  aus  den  Jahren  1370—1430  in  Mitteilungen  des  Vereins  fiir 
Geschichte  der  Stadt  Nurnberg,  Heft  2,  S.  188ff. 

5)  Vgl.  das  Schenkbuch  einer  Nurnberger  Patriziersfrau  von  1416  bis 
^  1438,  im  „Anzeiger  fur  deiitsche  Vorzeit"  Band  23,  Sp.  37  ff.  70  if. 


266    V.  Krcfi,  Die  KirchenordnuDg  fUr  eine  Landgemeinde  aus  d.  15.  Jahrh. 

ihre  SohoTe  untor  seiuem  Beistand  zu  obersten  Piiegern  der  Kirche 
heranziehe.  Daraus  erklllren  sich  die  Bestimmungen  der  Kirchen- 
ordnung  Uber  die  Einsetzung  der  Kreseen  als  oberste  Gotteshaus- 
pfleger.  In  der  Tat  hat  dann  bald  danach  ein  Sohn  des  Konrad 
Krefi,  Friedrich,  die  Kirche  bett'Schtlich  erweitern .  und  verschonern 
lassen. 

Auffallend  ist,  dafi  die  Kircheaordnung  nicht  weiter  des  zehn 
Jahre  vorher  gestifteten  Friihmefibenefiziums  und  des  Friihinessers  Er- 
wlibnung  tut.  Nnr  an  einer  Stelle^  in  Abs.  11  ist  gesagt,  daft  am 
St.  Georg-Tag  in  der  Frtlhe  dem  Pfarrer,  dem  Kaplan  und  dem 
Mefiner  von  Poppenreutb,  sowie  dem  Friihmesser  und  dem  Mefiner 
von  Kraftshof  ein  scblechts  (schlichtes)  Mabl  gegeben  werden  soil. 
Im  ubrigen  beschrankt  sich  der  Pfarrer  von  St.  Sebald  darauf,  die 
Verpflichtungen  des  Pfarrers  von  Poppenreutb  hinsichtlich  der  Kirche 
zu  Kraftshof  genau  zu  normieren,  Vorschriften  uber  die  Wahl  der 
Gotteshauspfleger  und  ihre  Rechnungslegung  zu  geben  und '  einige 
Bestimmungen  Uber  die  Gottesdieuste  imd  das,  was  dem  Pfarrer  von 
Poppenreutb  dafur  gebtihrt,  zu  trefiPen,  sowie  auch  das  Recht  der 
Kressen  festzustellen,  mit  den  Gotteshauspflegern  ohne  Einmischuug 
des  Pfarrers  einen  Mefiner  anzustellen.  Augenscheinlich  lag  dem 
Verfasser  der  Kirchenordnuug  nur  daran,  die  Punkte,  Uber  welche 
in  letzter  Zeit  Streit  entstanden  war^  neu  zu  regeln.  Im  Ubrigen 
verblieb  es  eben  bei  dem  bisberigen  Herkommen.  Immerhin  ge- 
wabrt  aber  die  Kircheuordnung  im  Zasammenhalt  mit  dem,  was  wir 
Uber  die  Gescbichte  der  Kirche  wissen,  einen  interessanten  Einblick 
in  die  Entstehung  und  Eutwicklung  einer  Kirchengemeinde  in  der 
nacjisten  NShe  der  Reich sstadt  NUrnberg  und  tragt  vielleicht  dazu 
bei,  manche  noch  unaufgeklslrte  kirchliche  Einrichtnng  Shnlicher  Art 
an  anderen  Orteu   aufzuklHren. 

Wir  bringen  sie  deshalb  im  Nachstehenden  zum  Abdruck  und 
bemerken  dazu,  dafi  wir  die  Orthographic  und  Interpnnktion  des 
Originals  unver^ndert  beibehalten  haben. 

Kyrchenordnwng  zwm  KrafPtzhoff. 

„Di6e  hernoch  geschriben  Artickel  hat  gemacht  der  /  Erwirdig 
herr  Maister  Albrecht  pfarrer  zu- sant  /  Sebolt,  der  oin  lehenherr  ist 
der  pfarr  zu  sant  /  Peter  zu  poppenrewt  vnd  hat  das  getan  mit 
wiUen  /  vnd  wissen  des  pfarrers  herrn  peters  zu  poppenrewt^  /  vnd 
mit  hilff  des  Erbergen  manns  Conrad  Kressen  des  /  eltern  frawen 
Walpurgen  seiner  elichen  wirtin  vnd  alle  ir  uachkomeu  vnd  /  auch 
der  gantzen  gemein  der  /  DSrffer  die  zu  dem  Krafftzhof  gehoreu,  vnd 
pey  den  /  hernach  geschriben  artickeln  vnd  plinden  sol  es  peleiben  / 
zu  ewigen  tagen. 

Got  zu  lob  vnd  zu  eren  Maria  der  Hymelkunigin  /  vnd  hilflF 
dem  hochwirdigen  Martrer  Sant  Jorgen   sey  /  nem  heiligen  gotzhawB 


V.  KreJg,  Die  Eirchenordnung  fur  eine  Landgemeinde  aus  d.  15.  Jahrh.    267 

zu  dem  Krafftzhof,  als  dieselbig  /  Kirch  von  alter  in  grofier  elender 
armut  gewesen  ist,  /  vnd  nicht  getziert  noch  czirhait  gehabt  hot 
noch  /  notturfftigkeit  als  sich  das  zu  dem  gotlichen  Dinst  zu  /  gepUrt, 
Das  hat  angesehen  der  Erber  weifi  man  /  Conrad  Krefi  der  elter, 
Got  zu  lob  vnd  dem  heiligen  Ritter  /  sant  Jorgen  vnd  von  pet  wegen 
der  ganczen  gemein  zum  /  Krafftzhof  vnd  aller  DSrffer,  die  vmb  den 
Krafftzhof  ligen  /  vnd  (in)  dieselbigen  Kirchen  gen  Sant  JSrgen  ge- 
hbrn,  vnd  /  hat  sich  des  vnterwnnden  von  pete  wegen  des  Erwir  / 
digen  Herrn  maister  Albrechts  pfarrers  zu  Sant  Sebolt  /  vnd  nach 
Couraden  Kressen  tode,  so  hat  er  darzu  /  gesetzt  Walpurgen  des  jetz- 
genanten  Conradeu  Kressen  /  seligen  Haufifrawen,  das  die  ein  ver- 
weseryn  sol  sein  /  vnd  all  ir  nachkomen  die  Kressen  vnd  sunder- 
lichen  ire  /  kint,  darzu  sullen  in  allweg  ein  yglicher  pfarrer  zu  / 
sant  Sebolt  fiirderlichen  vnd  beholffen  sein  das  es  pay  /  disen  alten 
herkumen  artickeln  vnd  gesetzen  beleiben  /  sull  ongeuerlich.  Also 
hat  sich  fraw  Walpurg  Kressin  /  des  Gotzhawfi  sant  Jorgen  zum 
Krafftzhofe  vnderwun  /  den  von  pete  wegen  des  vorgenanteu  Erwir- 
digen  Herrn  maister  Albrechts  pfarrers  zu  sant  Sebolt  der  grofi  froh- 
locken  hat  gehabt  das  sich  Fraw  Walpurg  s5licher  gotzdinst  vnter- 
fing  vnd  sprach,  Er  wolt  ir  zu  solichem  ratten  /  vnd  helflFen,  vnd 
pat  sie  das  sie  ir  Sune  auch  darauff  zug^  /  das  sie  die  obersten 
pfleger  furpas  wern,  Also  hat  sie  das  /  getan  vnd  sullen  es  ir  nach- 
kumen  auch  tun  mit  namen  ir  /  Sun  Fritz  Sebolt  Jeronymus  vnd 
Kaspar  die  Kressen  vnd  /  sullen  das  Gotzhawfi  pehalten  pey  seiuem 
alten  herkumen  /  mitsampt  den  Gotzhawfigemeinern  vnd  der  gantzen  / 
gemeiu  als  von  alter  herkumen  ist;  Auch  hat  sie  Herr  /  Peter 
Pfarrer  zu  Poppenrewt  auch  gepeten,  das  sie  sich  /  des  Gotzhawfi 
vnderwinde,  das  es  in  ein  Recht  wesen  /  kum  vnd  die  gemein  mit- 
sampt im,  das  es  furpaffi  me  /  nigclich  wiffi,  wie  es  pesten  sull 
zwischen  eynem  pfar  /  rer  vnd  Sant  Jorgen  vnd  den  Herren  den 
Kressen  vnd  /  den   Gotzhawfigemeinern  vnd  mitsampt  der  gemein. 

Als  Herr  Peter  pfarrer  zu  poppenrewt  vil  uewikeit  sich  /  vnderstin 
vnd  anvahen  wolt  wider  das  gotzhawfi  sant  /  Jorgen  zum  Krafiftzhoff 
vnd  wider  die  Kressen  vnd  die  /  Gotzhawfigemeiner  vnd  die  gantzen 
gemein  sbliche  /  newikeit  hat  klagt  fraw  Walpurg  Conrad  Kressyn  / 
vnd  die  gemeiner  der  Kirchen  vnd  die  gantz  gemein  /  der  Dorffer 
doselbst  vmb,  dem  Erbirgen  Erwirdigen  /  Herrn  Maister  Albrecht 
pfarrers  zu  sant  Sebolt  /  der  selbig  pfarrer  hat  fUr  sich  gefordert 
Frawn  Wal  /  purgen  Conrad  Kressin  vnd  die  Gotzhawfi  gemeiner  / 
sant  Jorgen  vnd  von  alien  Dorffern  die  filtsten  vnd  /  auch  die  ge- 
mein vnd  auch  den  pfarrer  zu  poppenrewt  /vnd  verhort  do  alle  klag 
vnd  ant  wort  vnd  musten  /  im  die  gemein  geloben  wie  er  es  machet 
das  sie  es  allweg  /  dopey  wolteu  lassen  beleiben  furpas  ewigclich, 
das  /  haben  die  alten  getan,  darnach  hat  sich  maister  Albrecht  /  ge- 
mtit  in  solchen  Dingen  vnd  hat  es  aufigesprochen,  als  hernach  ge- 
schriben  stet. 


2()8    V.  KrelS,  Die  Kirchenordnung  fiir  eine  Landgemeinde  aaa  d.  15.  Jahrb. 

Zum  ersteu  so  sol  eyn  yder  pfarrer  zu  poppenrewt  /  einen 
kaplan  halteu  der  redlich  sey  vnd  wol  prediug  /  kUnn  vnd  peicht 
hbren  vnd  mit  alleu  Sacrameuten  /  klinn  vmbgin  als  einem  priester 
zustet.  Vnd  es  sol  auch  /  eyn  pfarrer  oder  seiu  kaplan  alle  Suntag 
vnd  alle  feyr  /  tag  zu  sant  Jorgen  mefl  halten  vnd  predigen  aufige-  / 
numen  an  der  kyrchweyhe  zu  poppenrewt  und  am  palm  /  tag  vnd 
am  antlafitag  vnd  am  karfreytag  vnd  an  /  vnsers  Herren  leich- 
namstag. 

Item  darnach  sol  eyn  jeder  pfarrer  zu  poppenrewt  /  ein  pferde 
halteu,  wann  des  not  geschiclit,  das  es  /  den  lewten  not  geschicht, 
es  sey  mit  der  peicht  /  oder  mit  Gotesleichnam  oder  mit  der  hei- 
ligen  oluug  /  oder  mit  der  tauffe,  also  das  der  pfarrer  oder  sein  / 
kaplan  allweg  sullen  bereidt  sein^  wenn  sein  not  /  ist  oder  sie  des 
ermant  werden. 

Item  es  schol  auch  kein  pfarrer  kein  gewalt  noch  kein  Schlussel  / 
haben  iiber  das,  das  Sant  Jorgen  zustet  oder  ist,  weder  zu  /  gelt 
noch  zu  truhen  noQh  zu  klainet  noch  zu  kaynerley  /  aufigenommen 
zu  den  heyligen  Sacramenten. 

Item  so  schullen  die  Gotzhawfipfleger  alle  Jar  ein  /  Eechnung 
thun  vnd  sie  schullen  alleweg  der  Kressen  /  ein  oder  zwen  zu  in 
fordern  vnd  sie  schiillens  der  /  gemein  vor  zu  wissen  thun,  wenn  sie 
die  Rechnung  /  thun  woUen  vnd  wo  sie  es  thun  wolleu,  das  /  stet 
zu  den  Obersten  Gotzhawfipflegeru,  den  Kressen^  /  vnd  den  vier 
Gotzhawfigemeinern^  wo  sie  des  eins  /  werden,  das  stet  zu  in.  Auch 
wOllen  sie  einen  pfarrer  /  dopey  haben,  das  stet  zu  in.  Es  ist 
aber  von  alter  /  her  nit  kumen.  Von  der  Rechnung  ist  man  auch 
uyemand  nichtz  schuldig. 

Item  wenn  die  vier  Gotzhawfigemeiner  ein  rechnung  /  haben 
getun,  so  schullen  sie  die  Schlussel  den  Kressen  /  antwortten.  So 
schullen  die  Kressen  mit  der  gemein  zu  /  rat  werden,  ob  man  die- 
selbigen  vier  gemeyner  leqger  /  wbll  lassen  oder  nit.  Sein  sie  zu 
verkeren  so  sol  man  /  es  thun.  Sein  sie  aber  wider  zu  bestellen 
das  mag  man  /  auch  thun  vnd  die  kressen  schullen  eygentlichen 
frogen  /  vmb  alle  sach^  was  die  vier  sieder  ein  haben  genumen  / 
sieder  der  nechsten  rechnung  vnd  aufigeben  das  sUllen  /  die  Kressen 
ordenlichen  an  lassen  schreiben. 

Item  wenn  man  Gotzhawfipfleger  setzt,  so  schullen  /  sie  vor  der 
gemein  den  Kressen  geloben  ir  trew  an  /  ayns  ayds  stat,  das  sie 
Sant  Jorgen  wbllen  trewe  /  sein  seinem  Gotzhawfi  vnd  was  dem 
Gotzhawfi  zu  /  stet,  dasselbig  zu  fiirdern,  wo  sie  das  ktinnen  oder  / 
mligeu,  so  sol  man  in  denn  die  schlussel  befelhen. 

Item  darnach  so  sol  ein  yder  pfarrer  kumen  zu  vesper  /  gen 
Sant  Jorgen  oder  seiu  kaplan  am  Sambfitag  nach  /  vnsers  Herren 
leichnamstag  vnd  darvor  am  freytag  /  sol  er  vnsern  Herren  conse- 
cryren  in  ein  manstrantzen  /  oder  am  Sambfitag  frw,  also  das  man 
in  wirdigclich  zu  der  bester  zeit  vmbtrag  /  in  der  Kirchen  vom  Kalter  / 


V.  KreB,  Die  Kirchenordnung  ftir  cine  Landgemeinde  aus  d.  15.  Jahrh.    269 

herab  vmb  den  tauffstain  pifi  auflF  sant  JSrgen  altar  /  vnd  vesper 
do  singen  vnd  nacli  der  vesper  ober  ein  /  halbe  zeit  metton  lewt 
vnd  das  man  die  auch  singe  /  von  Gottesleiclmam  als  lang  es  die 
Kressen  begen  wbl  /  len  vnd  als  lang  in  das  eben  ist. 

Item  darnacli  so  sol  ein  pfarrer  oder  seiu  kaplan  an  /  Sant 
Jorgen  abent  vesper  singen  mit .  einem  mefiner  /  von  poppenrewt 
vnd  er  sol  wider  haim  gin  darUmb  /  ist  man  im  nichts  schuldig 
za  geben. 

Item  an  sant  Jorgen  tag  schol  ein  yder  pfarrer  vnd  sein  /  kaplan 
vnd  der  mefiner  von  poppenrewt  mefi  singen  /  zu  sant  Jorgen  vnd 
dorumb  schol  man  in  ein  schlechtz  /  mal  geben  frw  vnd  nichtz  auff 
die  nacht  dem  pfar  /  rer  vnd  seinem  kaplan  vnd  auch  seinem  mefiner 
von  poppenrewt  vnd  dem  frUmesser  vom  Krafftz  /  hofe  vnd  dem 
mefiner  vom  Krafftzhofe. 

Item  darnach  so  schol  einem  pfarrer  werden  an  /  sant  J5rgen 
tag  der  dritt  pfennig  der  aufp  die  /  schiissel  gefelt  vor  der  kirchen 
vnd  sust  nichtz  /  gevil  aber  sust  ychtzit,  das  schol  werden  Sant  / 
Jorgen,  nichts  aufigenomen. 

Item  desgleichen  schol  auch  eynem  pfarrer  wer  /  den  an  der 
Kirchweihe  zu  Sant  Jorgen  in  aller  /  mafi  als  an  Sant  Jorgen  tag 
als  vorgeschriben  stet. 

Item  es  haben  auch  auch  die  Kressen  gewalt  mit  sampt  /  der 
gemein  oder  halt  mit  den  vier  Gotzhawfige  /  raeyneru  einen  mefiner 
2U  setzen,  doriimb  dUrf  /  fen  sie  keynen  Pfarren  fragen. 

Item  wenn  man  einen  mefiner  setzt  so  schol  man  /  trachten, 
das  er  gewifi  lewt  habe  die  fiir  in  ver  /  sprechen,  wenn  man  die- 
selbigen  hat,  so  schol  man  /  ein  ydeu  vber  das  mefinerampt  schweren 
lasseni. 

Anhang. 

StiflFt-  und  Weyhbrief  Vber  St.  Georgenkirch  zu  Craflftshof. 

Ao  1315. 

Petrus  Dei  et  Apostolice  sedis  gratia  Episcopus  Mitrocomanus 
vicegeneralis  in  Pontifical ibus  Domini  AnthoniiEpiscopi  Bambergen sis: 
universi  Ghristi  fidelibus,  ad  quos  presentes  littere  perveniunt,  noti- 
ficavimus,  quod  dedicavimus  tria  altaria  in  KrafftshofiPen :  Majus  sci- 
licet altare  in  choro  in  honorem  S.  Georii  Martyris,  in  quo  inveni- 
mus  cnm  reliquiis  cartam  cum  sigillo  appensam  his  verbis:  Anno 
iucaruationis  Dominice  millesimo  trecentesimo  qnindecimo  consecreta 
est  Ecclesia  dominica  die  qua  can  tat  ur  Jubilate  in  honorem  S.  Georii 
et  S.  Marie  et  S.  Crucis  a  Reverendo  Domino  Domino  Wolframo 
Sabensi  Episcopo  consentiente  Domino  Ulgingo  Bambergen  si  Episcopo 
et  reliquia[e]  quarum  hie  nomina  subscripta  sunt,  in  hoc  altari  recon- 
dite sunt,  scilicet  de  vestitu  S.  Marie  virginis,  Bartholomei  Apostoli, 
Petri  Apostoli,    Matthei  Apostoli,    Steffani    protomartyris,   Laurentii, 


270    V.  Krefi,  Die  KirchenordDung  fiir  eine  Landgemeinde  aus  d.  15.  Jahrh. 

Pancracjij  Vincentii,  Blasii;  Viti,  Ypolitl  Gereonis^  Egydii,  Martini, 
Wilibaldi,  Galli,  Agathe,  Cecilie,  Barbare,  Ottilie,  uudecim  milliiim 
virginum,  de  crinibus  S.  Marie  Virginis;  Pauli  Apostoli;  Agnete, 
Petri  Episcopi,  Petri  Martyrum  [?]  ordinis  predicatorum,  acta  sunt  hec 
tempore  Magistri  Herjnanni  plebani  S.  Sebaldi  dicti  de  Lapide:  et 
reliquie  de  novo  recondite  sunt  in  dicto  altari  videlicet  S.  Georii 
Martyris,  S.  Steffani  protomartyris,  Laurentii,  Viti,  Dionysi  cum 
sociis;  Panthaleonis,  Sixti,  Eustachii  cum  sociis;  dementis  pape^ 
Erasmi,  Christophori^  Sebastian!^  Ignacii,  decern  millia  martyrum^ 
Mauritii  cum  sociis,  Blasii,.  Pangracii,  Yaleutini.  Introitu  vero  ad 
Ecclesiam  ad  partem  dexteram  altare  Apostolorum  invenimus  cartam 
cum  reliquiis  sigillatam  his  verbis  scriptam :  Eurinous  Dei  et  Aposto- 
lice  sedis  gratia  Archiepiscopus  Ananarsensis  vicegeneralis  in  Ponti- 
ficalibus  Domini  Lamberti  (Episcopi)  Bambergensis  consecravimus  hoc 
altare  sub  Anno  Domini  millesimo  trecentesimo  nonagesimo  quinto 
feria  tertia  ante  Michaelis  festum,  in  honorem  Beat!  Leonhardi  et 
Brigite,  Bartholomei,  Anthonii,  continens  has  reliquias  Christophori, 
Sebaldi,  Egidii,  Leonhardi  et  Brigite,  in  cujus  rei  testimonium 
sigillum  nostrum  est  appensum  et  he  reliquie  de  novo  recondite  sunt 
ad  jam  dictum  altare,  videlicet  S.  Petri  Apostoli,  Bartholomei 
Apostoli,  Leonhardi,, Anthoniij  Nicolai,  Augustini,  Gereonis,  Sebaldi, 
Egidii,  Gotthardii,  Deocari,  Erhardi,  Ulrici,  Materni.  In  Introitu 
ad  Ecclesiam  ad  partem  sinistram  locatum  est  altare  gloriose 
Virginis  Marie,  quae  est  consecrata  Anno  Domini  millesimo 
quadringentesimo  tricesimo  octavo,  in  die  S.  Pangracii  a  Keverendo 
Domino  Domino  Ounrado  Episcopo  de  Syrin  et  in  dicto  altari  in- 
venimus crusibulum  cum  plurimis  reliquiis,  quorum  nomina  non 
sciuntur  propter  diuturnitatem  temporis  ac  cousecrationis  ejusdem  et 
he  reliquie  cum  crusibulo  de  novo  recondite  sunt  in  illo  altari,  primo 
videlicet  pars  pepli  Beatae  Virginis  Mariae,  S.  Katharine,  Marie, 
Magdalene,  Barbare  cum  sodalibus,  Margarethe,  Kunigundis, 
Christine,  Agnetis,  Walburgis,  Apolonie,  Brigite,  Ottilie,  Dorothee, 
et  dedicatio  hujus  Ecclesie  et  altare  cum  coemiterio  debet  peragi 
proxima  Dominica  ante  festum  Michaelis.  Acta  et  reconsecrata  sunt 
haec  tria  altar ia  in  honorem  summi  Dei  et  Salvatoris  et  Beate  Vir- 
ginis Marie  et  S.  Georii  Martyris  et  dictorum  Sanctorum  et  Sanc- 
tarum^  quorum  et  qiiarum  reliquie  hie  recondite  sunt,  Anno  Domini 
millesimo  quadringentesimo  quadragesimo  feria  secunda  post  festum 
S.  Viti  et  hoc  procurante  Honorabili  viro  et  civi  Nuermbergensi 
Friderico  Kressen  una  cum  suis  antecessoribus,  qui  fuerunt  fundatores 
hujus  Ecclesie,  in  cujus  rei  testimonium  sigillum  nostrum  est  appensum. 


Schornbaum,  Zur  Stellung  der  brandenb.-ansb.  Regierung  etc.     271 

Zur  Stellung  der  brandenburgisch-ansbachischen 
Regierung  zum  Konzll  von  Trient  1551|52. 

Yon  Dr.  K.  SGhornbanm. 

Der  Augsburger  Eeichstagsabschied  vom  14.  Februar  1551  rich- 
tete  an  die  evangelischen  Stslnde  des  Keiches  die  driugende  Auf- 
forderung,  sich  doch  an  den  Beratungen  des  auf  den  1.  Mai  von 
nenem  einberufenen  Konzils  von  Trient  zu  beteiligen  ^).  Die  Re- 
genten  und  R^te  zu  Ansbach,  welcbe  an  Stelle  des  minderjahrigen 
Georg  Friedrich  die  Regierung  fiihrten*),  waren  bald  entschlossen^ 
dem  kaiserlichen  Befehl  zu  entsprecbeu,  wjenn  aucb  der  Kanzler 
Christoph  Tetelbach  ^)  nicht  verka'nnte,  daft  die  kaiserlichen  Zu- 
sicherungeu  bezuglich  des  Geleites  und  der  Beschluftfadsung  wahrend 
des  Konzils  ungeniigende  waren  *).  Aber  dies  entspracb  ja  ihrer 
Politik,  wie  man  sie  die  ganze  Zeit  des  Interims  hindurch  befolgt 
halte.  Durcb  schein  bares  Nach'geben  und  Eingehen  auf  die  kaiser- 
lichen Wunsche  hatte  man  immer  die  schlimmsten  Wirkungen  der 
einzelnen  Edikte  abzulenken  gewuftt.  Doch  wollte  man  am  Ans- 
bacher  Hofe  auch  die  Stimmung  der  andern  evangelischen  Stande 
kennen  lernen. 

Man  setzte  deswegen  am  16.  Marz  1551  die  Kurfursten  von 
Sachsen  und  Brandenburg  als  Obervormiinder  sowie  Markgraf  Hans 
von  Kustriu  von  diesem  Entschluft  in  Kenntnis.  Der  Kaiser  hatte 
ja  den  evangelischen  StSnden  freies  Geleite  zugesichert;  eine  Aufier- 
achtlassuDg  seiner  WUnsche  wurde  sein  hochstes  Mififallen  erregen; 
man  wurde  den  Anschein  erwecken^  als  ob  man  sich  scheute^  seine 
Lehre  zu  verteidigen,  und  doch  hatte  Georg  in  seinem  Testament 
ihnen  ausdrticklich  zur  Pflicbt  gemacht^  bei  der  Kirchenordnung  von 
1533  unweigerlich  zu  beharren  ^).  Auch  mit  Nttrnberg,  mit  dem  man 
seit  1528  in  religiosen  Dingen  stets  zusammengegangen  war^  suchte 
man  FUhlungzu  gewinneu.  Dr. Christoph  Grofier  hatte  schon  zu  Winds- 
heim  gelegentlich  eines  l^reistages  in  Miinzangelegenheiteu  Jobst 
Tezel  und  Gabriel  NUzel  von  den  Absichten  der  Regenten  und  Rate 
in  Kenntnis  gesetzt.  Der  Rat  von  Niirnberg  hielt  es  aber  fiir  das 
beste,    noch  zuzuwarten  ®);    er  war    in   dieser    schweren  Zeit  doppelt 

1)  Neue  und  voUstandigere  Sammlung  der  Reichsabschiede, 
Frankfurt  a.  M.  1747,  I,  S.  611,  §  8. 

2)  J.  Voigt,  Markgraf  AlbrechtAlcibiades  von  Brandenburg-Kulm- 
bach,  Berlin  1852,  I,  73 ff.  K. H.Lang,  Neuere  Geschichte  des  Fursten- 
turns  Baireuth,  GOttingen  1801,  II,  184  f. 

3)  S.  Beitrage  XII,  S.  36. 

4)  Ratschlag  s.Ansb.Rel.Akta  24fol.  420  flF.  (NUmbergerKreisarchiv). 

5)  d.  d.  Ansbach,  Mo.  n.  Judica  1551.  A.R.A.  20,  f.  235. 

6)  Rat  an  Regenten  und  Rate  d.d.  23.  Marz  1551.  A.R.A.  20,  f.  227. 
Briefb.  144  f.  244.  Jahresregister  1551:  25  fl.  8  scb.  6  h.  zerung  und  reit- 
gelt  Jobst  Tezels  und  Gabriel  Nuzels  gein  Windsheim  auf  den  kreis- 
tag  der  muntz  halben  angesetzt  und  4  tag  (17.— 20.  M^z)  anOen  gewesen. 


272    Schornbaum,  Zur  Stcllung  der  brandenb.-aneb.  Regieraog  etc. 

vorsichtig  und  wollte  erst  dann  znm  Konzil  Stellung  nehmen,  wenn 
andere  Stande  sich  schlussig  gemacht  batten  ^).  Offenbar  wollte  man 
abwarten,  was  Moritz  von  Sachsen  nnternehmen  wiirde.  So  muflte 
man  in  Ansbach  vorlanfig  von  einem  gemeinsamen  Vorgeben  mit 
Niirnberg  absohen.  Doch  wollte  man  die  Zeit  bis  znm  Eintreffen  der 
Antworten  auf  die  Anfragen  an  die  drei  Fiirsten  nicbt  unbenutzt 
verstreichen  lasseii  imd  berief  am  31.  MUrz  Job.  Feuerlein,  Pf.  von 
Kitzingen  ^),  G.  Karg,  Pfarrer  von  Schwabacb  ^),  Job.  Soger,  Pf.  von 
Rofifeld,  und  Gregor  Burmann,  Pf.  von  Lehrberg  *)  ftir  den  2.  April 
nach  Ansbacb^  um  aucb  ibre  Zu^timmung  zum  Besacbe  des  Konzils 
zu  erlangen  ^).  Hatte  .man  ja  aucb  gehbrt,  dajB  Moritz  von  Sacbsen 
wie  Joacbim  von  Brandenburg  Ihre  Theologen  nacb  Trient  abordnen 
wiirden  ®).  n 

Am  3.  April  1551  erofifneten  nun  zunacbst  die  Eegeuten  und 
Bate  den  Tbeologen,  denen  aucb  Monninger  sicb  angescblosseu  batte, 
dafi  sie  es  fiir  gut  angesehen  batten,  sicb  an  den  Beratungen  des 
Konzils  von  Trient  zu  beteiligen  scbon  deswegen,  dafi  sie  spater 
von  dem  Vorwurf  verscbout  blieben,  als  ob  sie  die  Hand  zur  Ver- 
einigung  nicbt  batten  bieten  wollen.  Sie  bielten  dies  fiir  um  so  not- 
wendiger,    weil    aucb  Sacbsen    und    andere  Reicbsstande    sicber  ibre 

1)  Am  Anfang  Febrnar  hatte  Christoph  von  Carlowitz  eine  gemein- 
same  Beratung  der  ev.  Stande  bez.  des  Konzils  angeregt.  Der  Rat  be- 
schlofi  darauf  6.  Febr.  1551 :  „herrn  E r  a  s  m u  s e  n  £  b  n  e  r  auf  sein  scbreiben, 
was  der  von  Earlwitz  des  conciliums  halben  mit  ime  gehandclt  etc. 
wider  schveiben,  man  bet  sollich  sein  anzaigen  zu  danck  vernumen,  es 
weren  aber  meine  herm  sorgkfeltig,  es  mcicht  dergleichen  handlung,  wo 
es  an  kays.  myt.  gelangen  sollt,  allerlay  ungnad  gepern.  darumb  sy  fnrs 
nutziichist  erwegen,  wann  es  ye  dahin  gelangen  solt,  das  roan  das  con- 
cilium besuchen  und  die  confessionsverwandte  stende  sich  zuvor  derhalb 
mit  einander  bereden  und  entschlieiSen  mtiesten,  wie  es  dann  auf  denselben 
fabl  wol  hoch  von  noten  sein  wtirde,  den  handel  dahin  zu  richten,  das  es 
alles  mit  kys.  myt.  bewilligung  bescheben  mocht,  aber  wie  dem,  weil 
der  seer  wichtig  und  gvoQ  und  wol  fleifiigs  nachdenkens  von  nQten, 
wol  ten  im  meine  hern  weiter  nachdencken  und  in  dann  irs  gemiiets  wo 
von  nSten  weiter  berichten.'*  Kreisarchiv  Niirnberg,  Ratsverlasse  der 
Hen-en  Eltern.  Cf.  Herrn  El  tern  an  Er.  Ebner  6.  Febr.  1551.  Brief  buch 
144 f.  179.  Auf  eine  Anfrage  Nordhausens  in  dieser  Sache  (S.  I,  L.  58,  Nr.  1 
d.d.  Annunc.  Mariae  [25.  Marz]  1551)  beschlofi  der  Rat  am  G.  April  1551 : 
„denen  von  Northauaen  wider  schreiben.  das  beschicken  des  conciliums 
belangend  bab  wol  von  verrens  an  meine  herrn  gelangt,  wie  etlich  stende, 
so  dem  evangelio  nocb  anhengig  des  vorhabens  gewest  sein,  yemand  auf 
dafiselbig  concilium  zu  schicken;  obsaber  sein  furgang  gewynnen,  werde 
die  zeit  zu  erkennen  geben",  Ratsverlasse  der  Herrn  Eltern,  cf.  Ratsbrief- 
buch  144f.  254:  Rat  an  Nordhausen,  6.  April  1551. 

2)  Siehe  G.  Buchwald,  Geschichte  der  ev.  Gemeinde  zu  Kitzingen, 
J^eipzig  1898,  S.  80  f.  95. 

3)  G.  Wilke,  Georg  Karg  sein  Katechismus  und  sein  doppelter 
I.ehrstreit,.Erl.  Diss.  Scheinfeld  1904. 

■  4)  Beitra^e  XII   35. 

5)  d.d.  Ansbach  Mo.  n.  Ostern  (30.  Marz)  1551,  A.R.A*  20,  f.  249. 

6)  A.R.A.  20^  1  250. 


Schornbanm,  Zur  Stellung  der- brandenb.-anab.  Regierung  etc.    273 

Theologen  abordnen  wiirden.  Weil  Brandenburg  nnter  den  ersten 
gewesen  sei;  welche  sich  der  evang.  Lehre  angeschlossen  batten, 
dUrften  sie  auch  jetzt  nicht  zuriickbleiben.  Die  Theologen  waren 
uber  diese  ErSffnnngen  nicht  gerade  erfreut;  das  Konzilium  erschien 
ihnen  uutzlos;  sie  wiesen  darauf  bin,  dafi  schon  das  Erscheiuen  auf 
demselben  vielen  zum  Avgernis  gereichen  wlirde,  weil  es  den  An- 
schein  hatte^  als  ob  man  den  Beschlussen  sich  gerne  unterwerfen 
wurde.  Nur  flir  den  Fall;  dafi  auch  andere  Stande  das  gleiche  taten, 
wollten  sie  nicht  gegen  den  Plan  der  Begenten  sein.  Doch  ver- 
langten  sie,  dafi  dann  ein  weltlichcr  Rat  sie  begleiten  sollte  sowohl 
zum  Schutze  als  zur  Vermittlung  zwischen  ihnen,  falls  sie  zwiespslltig 
waren.  Auch  wunschten  sie  die  Abhaltung  einer  Synode,  um  rait 
den  Geistlichen  des  Landes  nShere  Richtpunkte  zu  vereinbareu.  Die 
Ernennnng  der  abzuordnenden  Theologen  uberliefieu  sie  den  Regenten. 
Es  mag  manchen  Kampf  gekostet  haben,  bis  sie  auf  die  Plane  der 
Rate  eingingen ;  den  Charakter  eiues  Kompromisses  zeigen  ihre  Be- 
schlUsse  deutlich  genug.  Die  Regeuten  waren  froh,  wenigstens  in 
der  Hauptsache  Entgegenkommen  gefunden  zu  haben;  sie  erklSrten 
jetzt  selbst,  nnr  dann  ihren  Plan  verwirklichen  zu  wollen,  falls 
andere  Stilnde  das  gleiche  tUten.  Beziiglich  des  Geleites  suchten  sie 
zu  beruhigen;  die  anderen  FUrsten  wurden  jedenfalls  das  Notige  be- 
sorgeU;  imNotfall  konnte  man -sich  mit  diesen  beraten.  Unaiigenehm 
war  ihnen  der  Wunsch,  dafi  eine  Synode  einberufen  werden  sollte; 
sie  flirchteten,  bier  auf  heftigen  Widerstand  zu  stofien  und  das  bis 
jetzt  Erreichte  wieder  fahren  lassen  zu  miissen.  Doch  lehnte  mau 
den  Antrag  der  Theologen  nicht  ruudweg  ab,  sondern  erklarte  sich 
damit  einverstanden,  dafi  auf  Kosten  der  Regierung  die  bedeutend- 
sten  Theologen  nach  Ansbach  zu  einer  vertraulichen  Besprechung 
berufen  wurden.  Job.  Feurelius,  G.  Karg  und  Job.  Soger  wurden 
ersucht,  Brandenburg  auf  dem  Konzil  vertreten  zu  wollen.  Die  Theo- 
logen erklarten  sich  in  ihrem  Schlufiwort  noch  einmal  bereit,  unter 
der  bekannten  Voraussetzung  das  Konzil  zu  besuchen.  Doch  hielten 
sie  es  fiir  wiinschenswert,  dafi  schon  vorher  samtliche  Theologen  sich 
Uber  ein  etwaiges  Nachgeben  schliissig  machten.  Sie  bestanden  darauf, 
dafi  ihnen  eine  stattliche  „ Legation^  mitgegeben  wurdo;  damit  man 
saho;  dafi  ihre  Lehre  auch  der  Obrigkeit  angeuehm  sei;  ebenso 
blieben  sie  bei  der  Forderung,  dafi  Beratungen  mit  andern  Geist- 
lichen stattfinden  sollten,  wieweit  sie  auf  dem  Konzil  der  Gegen- 
partei  entgegenkommen  konnten;  doch  nahmen  sie  das  vermittelnde 
Anerbieten  der  Regierung  an  ^).  Die  Regenten  waren  damit  zu- 
frieden;  vielleicht  batten  sie  nicht  die  Hoffnung  gehegt,  soviel  zu  er- 
reichen. 


1)  Kurzes  Verzeichnis  der  miindlichen  Handlung  mit  etlichen  Pfarr- 
herrn  das  Konzilium  betreflfend.  3.  April  1551.  A.R.A.  20,  f.250f.  Vgl.die 
Ausfiihruogen  MoDningers  f.  276. 

Beitrage  zur  bayer.  Eirchengescbichte  XII.  <>.  j^Q 


274    Schornbaum,  Zur  StelluDg  der  brandeub.-ansb.  Kegierung  etc. 

Bald  darauf  trafeu  auch  die  Antworten  der  boiden  Kurfiirsten 
auf  die  Anfragen  vom  16.  Miirz  ein.  Man  hatte  sehnsuchtig  darauf 
gewartet^);  die  GerUchte  vou  der  Abordnung  Melanchthons  nach 
Trient  hatte  die  Rate  so  in  Aufregung  gebracht,  dafi  man  Bernhard 
Ziegler,  der  dazumal  Professor  in  Leipzig  war,  um  sofortigen  Auf- 
schlufi  dariiber  ersucht  hatte,  ob  an  dieseu  Mitteilnugen  etwas  Wahres 
sei  (31.  Marz  1551)  ^).  Moritz  you  Sachsen  war  es  sichtlich' 
nnangenehm,  auf  die  Frage  der  Regenten  Antwort  geben  zu 
mUssen;  er  liebte  es  nicht,  seine  PJSne  zu  enthlillen  ^).  Er 
schrieb  ihuen  deshalb,  er  hatte  gehofft,  sie  wiifiten  selbst  am 
besteu,  was  in  dieser  Sache  zu  tun  sei;  doch  sei  er  willens;  etliche 
Theologen  nach  Trient  zu  seuden,  um  dasjenige,  was  sie  der  Reli- 
gion halben  schon  viele  Jahre  gelehrt  batten,  auch  ofifentlich  zu  be- 
kennen  und  zu  verteidigen.  Im  Ubrigen  verwies  er  sie  an  die  dem- 
nachst  in  Niirnberg  eintreflFenden  sachsischen  Rate  (30.Ma'rz  1551)*). 
Joachim  vou  Brandenburg  stimmte  den  Planen  der  Regenten  ohne 
weiteres  zu.  ,,Es  sei  ihuen  zu  raten,  sie  schickten  vornehme  Theo- 
logen zum  Kouzil  und  liefien  sie  zu  den  Sachen  christlich  und  aus' 
dem  Inhalt  der  heiligen  Schrift  reden"  (2.  April  1551)^).  Nur 
Johann  von  Kustrin  wiiuschte,  dafi  ein  Tag  anberaumt  wUrde,  auf 
dem  die  gauze  Sache  beraten  werden  konnte  (4.  April  1551)^).  So- 
gleich  nach  dem  Eiutreffen  des  sachsischen  Schreibens  batten  die 
Regenten  uud  Rate  einen  ueuen  Versuch  gemacht,  auch  Niirnberg 
fiir  ihre  Plane  zu  gewjunen '').  Aber  die  Herren  Eltern  zeigten 
noch  keine  Neigung,  offen  Stellung  zu  uehmeu  ®).  Man  hatte  die 
besten  Theologen  verloreu,  dafi  man  gar  nicht  wlifite,  wen  man  nach 
Trient  seuden  solle;  doch  wollte  man  sich  an  den  Kosten  einer  gemein- 
samen  Gesandtschaft  samtlicher  evaug.  StUnde  beteiligen.  Man  glaubte 
in  Niirnberg  ja  gar  noch  nicht  notig  zu  haben,  auf  diese  Fragen  ein- 
zugeheu.   Wohl  durch  Joachim  Camerarius  horte  man,  dafi  derKurfiirst 


1)  Auch  war  eine  neue  Aufforderung  des  Kaisers^  das  Eonzil  zu  be- 
suchen,  eingetroflfen.    d.d.  23.  Marz  1551.  Augsburg,  A.R.A.  20,  f.  226. 

2)  d.d.  Di,  n.  Ostern  1551.  A.R.A.  20,  f.245.  Er  teilte  am  11.  April 
1551  mit,  daB  die  geheimsteu  Rate  Ihm  erklart  hatten,  daB  ein  Schreiben 
nach  Ausbach  bereits  unterwegs  sei;  im  Ubrigen  hatten  sie  auf  die  in 
Niirnberg  bald  eintretfeDden  sachsischen  Gesandten  verwiesen,  f.  247. 

3)  Zu  den  Planen  Sachsens  s.  A.  v.  D  ruff  el,  Briefe  und  Akten 
zur  Geschichte  des  16.  Jahrh.  I,  Mtinchen  1873,  S.  835  if.  III.  Munchen 
1882,  S.  228ff.  V.Ernst,  Briefwechsel  des  Herzogs  Christoph  von  Wirtem- 
berg  I,  Stuttgart  1899,  S.  XVII f.  C.  Schmidt,  Philipp  MelanchthoB, 
Elberfeld  1861,  S.  534ff. 

4)  d.d.  Dresden,  A.R.A.  20,  f.  238. 

5)  d.d.  Koln  a.  d.  Spree.  Do.  in  der  Ostern  1551,  pr.  15.  April  1551, 
f.  241. 

6)  d.d.  Krofien.  Sa.  n.  Ostern  1551,  pr.  15,  April  1551,  A*R.A.  20^ 
f.  243*  . 

7)  d.d.  Ansbach.  Mo.  n.Mis.  Dom.  (13.  April)  1551.  R.A.R.  20,  f.232. 

8)  d.d.  16.  April  1551.  A.R.A.  20,  f.  231.  Briefb.  145  f.  &>. 


Schornbaum,  Zur  Stellung  der  brandenb.-ansb.  Regierung  etc,    275 

von  Sachsen  ein  „Verzeichnis"  durch  seine  Theologen  stellen  lassen 
wolle,  das  auf  dem  Konzil  Ubergeben  werden  solle,  nachdem  es 
vorher  den  bedeutendsten  evangelischen  Standen  zur  Kenntuis  ge- 
bracht  worden  war  ^).  Auch  die  Werbungen  Job.  Marbachs  liefieu 
es  angezeigt  erscbeinen,  vorlaufig  die  Entwicklung  der  Dinge  ruhig 
abziiwarten  ^). 

Der  Eifer  der  Kegenten  und  Rate  war  jedoch  verfriiht.  Zwar 
wurde  am  1.  Mai  1551  wirklich  das  Konzil  wieder  eroffnet;  aber 
nacb  etlichen  SitzuDgen  wurde  es  von  neuem  auf  den  I.September  ver- 
tagt.  Die  Regeuten  liefien  es  nicht  aus  dem  Auge.  Am  15.  August 
1551  ricbtete  nun  der  Stadtpfarrer  Monninger  zu  Ansbacb  die 
dringende  Aufforderung  an  die  Rate,  doch  den  Besuch  des  Konzils 
aucb  auszufuhren.  Man  solle  ja  dem  Kaiser  und  Papst  keine  Hand- 
babe  bieten,  liber  sie  als  Ungeborsame  berzufallen  und  nimmermehr 
zulasseU;  dafi  beide  allein  im  Konzil  bescbliefien  k^nnten;  sie 
wurden  sich  ja  wenig  daruni  kiimmern,  wenn  man  dasselbe  unbesucht 
liefie  und  ruhig  ihre  Abmachungen  treffen,  welcbe  dann  verbindlicb 
fiir  alle  sein  sollten.  Es  ware  aber  hochst  notwendig  der  Abordnung 
mitzuteilen,  auf  welchen  Artikeln  sie  besteben  bleiben  solle.  Es 
k(5nnte  da,  nacb  seiner  Meinung,  nichts  anders  fur  sie  geben,  als 
eben  die  Punkte,  die  in  der  Augsburger  Konfession  und  brandenb. 
Kirchenordnung  niedergelegt  waren,  festzuhalten.  Vor  allem  sollten  sie 
keine  Vollmacbt  bekommen,  vor  Scblufi  des  Konzils  in  dessen  Be- 
schlusse  zu  willigen.  Dann  erst  sollte  eine  gemeinsame  Beratung 
der  evangelischen  Stande  eutscheiden,  was  man  von  den  einzelnen 
Dekreten  annehmen  konnte.  Andererseits  wunscfate  er  gleich  bei 
Beginn  der  Beratungen  eine  Protestation  gegeu  die  friiheren  Beschlusse. 
Zwar  glaubte  er  selbst  nicht,  dafi  man  viel  darauf  achten  wlirde; 
deshalb  sollte  man  dann  darauf  besteben,  dafi   unparteiische  Mslnner 


1)  Zu  der  Mission  des  Camerarius  s.  Corpus  Reformat orum 
(Halle  1840),  VII,  N.  4851—4853.  V.  Ernst,  I,  S.  160f.  Th.  PreBel, 
anecdota  Brentiana,  Ttibingen  1868.  S.  303.  311.  331.  Dali  Camerarius  in 
Nttrnberg  war,  ergibt  Prefiel  S.  311.  Corpus  Ref.  VII,  Sp.  766. 

2)  Zu  J.  Marbachs  Sendung  s.  Ernst  I,  S.  185.  Von  Nurnberg  er- 
sahlt  er:  abbatem  s.  Egidii  magister  civium  (magistratum  ?)  nem  sich  der 
religion  nit  vil  an;  Jeromius  Besoldus  recnsavit  retn  et  nomeu  dare  (?); 
magister  Jeromius  Baumgarter  pius.  Nierenberg  uf  das  Philippi  consilium 
zu  warten  und  sich  mit  herzog  Morizen  zu  vergleichen;  dlirfen  die  pre- 
diger  nit  zusamenkomen.  Vgl.  auch  den  Ratsverlafi  20.  April  1551:'80vil 
dann  die  zugeschickten  mandata  uDd  verglaytung  angestelts  conciliums 
belangt,  der  ains  an  die  gaistlichen  und  das  ander  an  dieselben  meine 
herrn  gestelt  ist  und  aber  meine  henn  weder  stymm  noch  seOion  darauf 
haben,  sy  auch  das  ^n  die  gaistlichen  gestelt,  nichts  belangen  tut,  sol 
mans  also  ruhen  laBen  und  allain  ingedenck  sein,  im  fal  das  andere  stende 
dem  evangelio  verwandt  zum  selben  concilium  schicken  und  meine  herrn 
denselben  auch  anhangen  wurden,  als  dan  dieser  verglaitung  auch  zu- 
geprauchen.  H.  Burgermeister  sen.  Ratschreiber.  R.  V,  1551,  Ileft  1, 
f.  39  a.  b. 


276    Schoinbaum,  Zur  Stellung  der  brandenb.-aoBb.  Regierung  etc. 

in  strittigen  Fallen  ScliieclBrichter  seiu  soil  ten.  Wobl  wufite  er^  dafi 
man  wenig  Neignng  baben  wurde,  diese  Forderung  zu  erMllen,  aber 
er  glaubte,  alle  Mittel  zur  Einigkeit  suchen  zu  mUssen  ^).  Diese  Bitte 
war  durcb  die  Ereignisse  Uberbolt.  Am  24.  Juli  hatte  Christopb 
Tetelbacb  zu  NUrnberg  vom  Eat  die  Mitteilnng  erbalteu,  daB  in 
Sachsen  vor  kurzem  Beratungen  der  Tbeologen  uber  daa  Konzil 
stattgefunden  bUtten^),  und  am  8.  August  1551  setzte  Bernhard 
Ziegler  den  markgraf lichen  Regenteu  Balthasar  von  Rechenberg  davon 
in  Kenntnis,  dafi  am  5.  Juli  Melanchthon  den  Theologen  zu  Witten- 
berg eine  Schrift,  die  confessio  Saxonica,  vorgelegt  hStte  ^),  welche 
allgemeine  Billigung  gefunden  hatte  ^).  Sofort  fragten  die  Regenten 
und  Rflte  bei  Moritz  von  Sachsen  an,  was  es  denn  fiir  eine  Be- 
wandtnis  mit  dem  GerUcht  habe,  dafi  er  seine  vornehmsten  Theologen 
versammeln  wolle^  welche  sich  Uber  das  Konzil  berate n  sollten,  und 
dafi  er  dann  das  Ergebnis  sSmtlichen  cvaug.  Stftuden  zur  Kenntnis 
bringen  wolle.  Auch  regte  man  an,  ob  nicht  die  beidcrseitigen 
Theologen  geraeinsam  nach  IVient  reisen  konnten^).  Der  Kurfilrst  er- 
klarte  sich  bereit,  den  markgraflichen  Theologen  das  auf  dem  Konzil 
wohl  zur  Verlesung  gelangende  Bekenntnis  vorzulegen  *).  Infolge- 
dessen  wurden  Job.  Seger,  G.  Karg  und  Job.  Feurelius  auf  den 
31,  August  1551  nach  Ansbach  berufen  und  gebeten^  ihre  Vor- 
bereitungen  zum  Konzil  mitzubringen ;  zugleich  wurde  ihnen  ange- 
kiiudigt^  dafi  etliche  nach  Sachsen  zu  reisen  hStteu  '^).  Die  beiden 
ersteren  wurden  nun  von  den  Regenten  dazu  bestimmt  ^).  Sie  be- 
gaben  sich  uach  Wittenberg,  wo  ihneu  von  Melanchthon  und  andern 
sachsischen  Theologen    die    confessio  Saxonica    vorgelesen     wurde  ^), 


1)  A.R.A.  20,  276  flF. 

2)  RatsverlaO  24.  Juli  1551:  ime  dem  gesandten  auch  daneben  an- 
zaigen,  wie  meine  herrn  von  weitens  angelangt,  das  Denlicher  zeit  etliche 
sachsische  Theologen  beyeinander  gewest  und  geratschlagt  haben  sollen, 
was  auf  yetzigem  concilio  zu  handeln  sein  m3cht,  das  dann  inen  den 
raten  onzweiCel  unverhalten  pleiben  wurde.  Im  fal  nun  das  inen  ehe  dann 
meinen  herrn  etwas  davon  zukomen  wurde,  were  ir  bit,  inen  dasselb  auch 
mitzutaylen.  das  w.olten  sy  gegen  inen  auch  tun.  B.  V.  1551,  Heft  5,  f.  5»>. 
Nurnberg  hatte  wohl  durch  Hier.  Baumgartner,  der  fortgesetzt  mit  Me- 
lanchthon in  Briefwechsel  stand,  Kenntnis  davon. 

3)  Corpus  Ref.  VII,  Sp.  791.  796.  807.  809.  813.  Druffel  I,  653. 
Schmidt  540. 

4)  B.  Ziegler  an  B.  v.  Rechenberg.  A.R.A.  24,  442. 

5)  dd.  Ansbach.    Do.  n.  Laur.  (13.  Aug.)  1551.  A.R.A.  20,  286. 

6)  d.d.  22.  Aug.  1551.  A.R.A.  29,  f.  288.  290.  prasentlert  28.  Aug. 
1551.  Vgl.  Ernst  I,  262. 

7)  d.d.  Ansbach  Sa.  n.  Barth.  (29.  Aug.)  1551.    A.R.A.  20,  254. 

8)  Credenz  der  Regenten  und  Rate  ftir  beide  d.d.  Egidi  (1.  Sept.) 
1551.  A.R.A.  20,  252,  gedr.  Beil.  I.  Vgl.  Unsohuldige  Nachrlcbten 
von  Alten  und  Neuen  theologischen  Sachen,  Leipzig  1719,  S.  768. 

9)  Antwort  der  Wittenberger  Theologen  d.d.  13.  Sept.  1551.  A.R.A. 
20,  255  geschrieben  von  Paul  Eber,  gedruckt  als  Beilage  II. 


SohornbaaiD,  Zur  Stellnng  der  brandenb.-ansb.  Begierang  etc.    277 

welche  sie  anch  beide  durch  ihre  Unterscbrift  billigten  ^).  Doch 
brauchten  die  eyangeliscben  StShde  nocb  keine  weiteren  Scbritte  zu 
unternehmen,  denn  das  Konzil  wurde  zuerst  auf  den  11.  Oktober  ^) 
und  dann  auf  den  25.  Januar  1552  vertagt  ^). 

Die  beiden  Tbeologen  scheinen  in  Wittenberg  doch  auch  manches 
tiber  die  PlSne  und  WUnsche  Melanchthons  *)  erfahren  zu  baben.  Be- 
sonders  erwunscht  war  den  Raten  die  Mitteilung,  dafi  die  evang. 
Stande  auf  Yeranlassung  Sacbsens  wobl  bald  ihre  Tbeologen  zu- 
sammenscbioken  wurden,  um  eine  gemeinsame  Stellungnahme  zu  ver- 
abredeu.  Aber  von  einer  Ausfuhrung  dieser  Plane  borten  sie  nicbts 
mebr;  nur  das  eine  vernahm  man,  dafi  der  Kurfiirst  mit  dem  vom 
Konzil  zugesicherten  Geleite  nicbt  zufrieden  ware  und  deshalb  sich 
beim  Kaiser  beschwert  hStte  ^).  Am  20.  November  1551  regte  man 
deswegen  bei  den  beiden  Kurfursten  Moritz  und  Joachim  sowie  dem 
Markgraf  Hans  eine  Versammlung  der  evang.  Stslnde  an  ®).  Ersterer 
erwiderte,  dafi  er  einer  gemeinsamen  Beratung  der  Tbeologen  nicht 
mehr  das  Wort  reden  k5nne;  er  habe  vielmehr  etliche  bereits  ange- 
wiesen,  nach  Trient  zu  reisen.  Doch  kSnnte  das  bis  jetzt  zugestan- 
dene  Geleite  nicht  angenommen  werden ;  er  habe  deshalb  etliche  RSte 
nach  Trient  geschickt,  um  dasselbe  Geleite  zu  erwirken,  welches  das 


1)  S.  Chr.  Salig,   Vollstandige  Historic  der  Augsburg.  Konfession 
I,  Halle  1730,  S.  666. 

2)  Decretum  sessionis  Cal.  Sept.  Trid.  habitae,  A.R.A.  20,  293  if, 

3)  Decretum  prorogationis  ...  11.  Okt.  1551.    f.  298ff. 

4)  S.  Druffel  I,  841. 

5)  S.  Druffel  I,  721.  754. 

6)  d.d.  AnsbachPr.  n.  Elisabeth  1551.  A.R.A.  20,  f.  281  f.  Auch  mit 
Ntirnberg  suchte  man  wieder  Fiihlung  zu  gewinnen:  s.  Ratsverlafi  der  Herren 
Eltern,  20.  Nov.  1551:  als  herr  christoph  GroBer  der  rechten  doctor 
von  der  marggrafischen  regenten  und  rate  zu  Onoltzpach  wegen  auftiber- 
antwnrte  credenzschrift  nebon  anzaig  ires  nachtpaurlichen  guten  willens 
bey  meinen  herrn  den  eltern  mflndlich  anpringen  und  werben  lalien  .  .  . 
zum  andern  weil  auch.  die  kay.  mjt.  den  stenden  diser  religion  genug- 
same  vertrQstung  zngesagt,  sy  aufs  concilium  not  turf  tigklich  zuverglayten, 
derhalb  inen  aber  gleichwol  ungeacht,  das  sy  derwegen  umb  bericht  an 
hertzog  Moritzen  von  Sachsen  churfUrsten  geschi-yben,  noch  nichts  zu- 
komen,  ob  dan  meine  herren  auch  nichts  davon  empfangen  und,  was  sy 
mit  besuchung  des  conciliums  gesynt,  inen  auch  bericht  davon  zutun,  sol 
im  .  .  .  zum  andern  wer  in  wo]  von  kay.  mjt.  noch  kains  glaits  halben 
nichts  zukomen,  wie  sy  aber  ad  partem  bericht  worden,  sols  dem  chur- 
fursten  zugeschickt  worden  sein  mit  beger,  wann  sy  derwegen  bericht 
und  antwort  auf  ir  schreyben,  wie  es  der  churfUst  mit  schicknng  des 
conciliums  und  in  ander  weg  zuhalten  gesynnet  znkome,  das  sy  dasselbig 
meinen  herrn  auch  anzaigen,  das  wollten  sy  hinwider  gleichfals  auch 
tun.  und  ob  sy  wol  bedacht  weren,  wann  sies  an  leuten  haben  konnten, 
das  concilium  auch  zubeschicken,  heten  sy  doch  nichts  entlichs  darin  ent- 
sehloj)en,  sonder  bishere  auf  andere  und  hohere  oder  merere  stende  ge- 
sehen,  das  mocht  vielleicht  noch  geschehen  und  also  warten,  was  sich 
wetter  darin  zutragen  wurde.  und  soil  im  daneben  der  weyn  geschenkt 
werden.  per.  H.  J.  Paumgartner. 


278     Schornbaum,  Zur  Stellung  dor  brandenb.-anBb.  KegieruDg  etc. 

Konzil  zn  Basel  den  B(5hmen  erteilt  hStte  ^),  Unterdessen  sollten 
sich  atich  die  Theologen  gescbickt  machen,  um  so  fort  abreisen  zu 
konnen;  eiDem  Anschlufi  der  brandenb.  TheologoD  war  er  nicbt  ab- 
geneigt  (4.  Dez.  1551)  ^),  Im  Unterscbied  davon  erkliirte  sicb 
Joacbim  II.  zum  sofortigen  Besucb  des  Konzils  bereit  (7.Dez.  1551)^). 
Infolgedesseu  wies  die  Regierung  zu  Ansbacb  Jobann  Soger  und 
Georg  Karg  an^  sich  fiir  eine  sofortige  Abreise  nach  Trient  bereit 
zu  machen  *). 

Den  Regent  en  und  RSten  aber  stiegen  bald  Zweifel  auf, 
ob  der  Besucb  des  Konzils  noch  erfolgen  wUrde;  die  Kunde  von 
den  Kriegsrustungen  Sacbsens  war  doch  auch  bis  nacb  Ansbacb  ge- 
drungen;  aucb  hatte  es  gar  nicbt  den  Anschein,  als  ob  die  sach- 
sischen  Theologen  wirklich  zum  Konzil  reisen  wurden  ^).  Man  schickte 
deswegeu  Christoph  Tetelbach  nach  NUrnberg,  um  vom  Rat^  beson- 
ders  aber  auch  von  Hier.  BaumgSrtner  Ntlheres  zu  erfahren.  Unver- 
richteter  Dinge  mufite  er  nach  Hause  zuriickkehren ;  der  Rat  hatte 
ihm  auch  keine  naheren  Mitteilungen  machen  kSnnen  oder  vielleicht 
woUen ;  nur  das  eine  hatte  man  versprochen,  Brandenburg  von  der 
Ankunft  der  ssichsischen  Theologen  in  Kenntnis  zu  setzen  ^). 

Am  22.  Januar  1552  kamen  nun  endlich  Ph.  Melanchthon, 
Erasmus  Sarcerius  und  N.  Paceus  in  Nurnberg  auf  der  Reise  nach 
Trient  an.  Sofort  wurden  davon  durch  die  Herren  Eltern  die  Re- 
genten  und  Rate    zu  Ansbacb  verstSndigt '').     Chr.  Tetelbach    setzte 


1)  Die  Rate  hiefieu  Wolf  Roller  und  Dr.  L.  Badhorn.  Vgl.Druffel 
I,  S.  830.  845  ff.  859  ff. 

2)  A.R.A.  20,  f.  306,  gedruckt  bet  J.  B.  Riederer,  NUtzliche  und 
angenehme  Abhandlungen  aus  der  Kirchen-,  BUcher-  und  Gelehrten- 
Geschichte,  Altdorf  1768,  S.  246  f. 

8)  d.d.  Coin.  Mo.  n.  Nic.  (7.  Dez.)  1551.  A.R.A.  20,  310,  gedr.  bei 
Riederer,  247 flf.  Die  Rate  antworteten  am  12. Jan.  1552,  dafi  sieeben- 
falls  2  Theologen  beauftragt  batten,  sich  zur  Abreise  bereit  zu  halten. 
d.d.  Ansbacb  Di.  n.  Erhardi  1552.  A.R.A.  20,  291.  Am  21.  Jan.  erklarte 
sich  Joachim  noch  einmal  dazu  bereit,  seine  Theologen  gemeinsam  mit 
den  ihrigen  nach  Trient  zu  senden;  sollten  diese  aber  zu  spat  kommen, 
so  sollten  sie  mit  den  sachsischen  weiter  reisen.  d.d.  G51n,  So.  n.  Gonv. 
Pauli  1552,  f.  317. 

4)  d.d.  Ansbacb,  Mo.  n.  Lucie  (14.  Dez.)  1551.  A.R.A,  20,  305. 

5)  S.  Druffel  I,  S.  849. 

6)  Chr.  Tetelbach  an  Hier.  Baumgartner  d.d.  Ansbach,  Mo.  n.  Erh. 
(11.  Jan.)  1552;  die  Antwort  des  letzteren  d.d.  13.  Jan.  1552;  s.  Riederer 
S    249  & 

7)  d.d.  23.  Jan.  1552.  A.R.A.  20,  f.  316.  Brief b.  146,  160b;  g.  Rats- 
manuale  1551,  Heft  11,  f.  26.  d.d.  23.  Jan.  1552:  dieweil  herr  phi- 
lippus  Melanchthon  mit  seinen  zugebnen  personen  und  zwayen  theo- 
logen Oder  predigern  vonLeiptzigk  gester  hieher  kumen,  ist  bevolhen, 
den  marggrefischen  regenten  und  raten  zu  Onoltzbach,  well  man  sy 
des  hievor  auf  ir  begem  vertrost,  solichs  also  zuzuschreiben.  daneben 
soil  man  ime  herrn  Melanchthon  und  den  andern  zwayen  in  12  Ean- 
deln  den  weyn  schenken  und  dabey  ansprechen,  ob  sy  der  berberg  oder 


Schornbaum,  Zur  Stellung  der  brandenb.-ansb.  Regierung  etc.     279 

sich  nun  mit  Ph.  Melanclithon  ins  Benehmen.  Die  Eegeuten  hegten 
immer  noch  starken  Zweifel,  ob  je  noch  eiu  Besuch  des  Konzils  er- 
folgen  kSnate.  Doch  wurde  ihnen  am  10,  Febriiar  1552  mitgeteilt, 
dafi  eine  neue  Form  des  Geleites  ^)  von  Trient  eingetroffen  sei,  und 
daran  die  Aufforderung  gekniipft,  binnen  6  Tagen  die  brandenb. 
Theologen  nach  Nurnberg  zn  senden,  wenn  anders  sie  mit  den 
sachsischen  gemeinsam  reisen  woUten  ^).  Noch  am  gleicheu  Tage 
wurde  Joh.  Seger  und  Georg  Karg  davon  in  Kenntnis  gesetzt.  dafi 
sie  am  14.  Februar  1552  sich  in  Ansbach  einzufinden  hStten,  um 
nShere  Anweisungen  fur  die  Reise  nach  Trient,  die  sie  gemeinsam 
mit  den  sSchsischen  Theologen  unteruehmen  sollten,  zu  empfangen  ^). 
Da  ersterer  wegen  Krankheit  zuHause  bleiben  mufite*),  erging  an 
Joh.  Feuerlein  zu  Kitzingen  die  Weisung,  direkt  nach  Nurnberg 
sich  zu  begeben  und  dort  mit  Karg  zusammenzutreiFen  *).  Letzterer 
kam  wohl  am  14.  Febrnar  nach  Ansbach,  erhielt  hier  eine  Kredenz 
an  die  beiden  sachsischen  Rate  zu  Trient  ^)  und  die  Theologen  zu 
Nurnberg')  und  traf  am  16.  Februar  hier  ein,  wo  er,  wie  Melanch- 
thon,  im  Egidienkloster  abstieg.  Nach  2  Tagen  sandte  er  eine  Ab- 
schrift  des  Vortrags  der  sachsischen  Rate  auf  dem  Konzil  ®)  samt 
dem  neuen  Geleite  ®)  nach  Hause.  Schon  in  diesem  ersten  Briefe 
gibt  er  der  Vermutung  Ausdruck,  dafi  aus  der  ganzen  Reise  nichts 
werden  wiirde.  Er  war  damit  gar  nicht  so  sehr  unzufrieden.  Me- 
lanchthon  hatto  ihn  angeredet,  „sich  zu  bedenken^  ob  er  wollte 
reiten".  „Darauf  ich  ihm  nichts  konnen  antworten,  denn  dafi  es 
meinem  Gesellen,  der  hernach  kommen  sollte,  nicht  mochte  gelegen 
sein  und  dafi  ich  nicht  dazu  gerlistet"  ^®).  Nicht  viel  wahrschein- 
licher  wurde  es  ihm,  als  er  am  gleichen  Tage  von  einem  Schreiben 


anders  halben  mangel  hetten,  dasselbig  anzuzaigen  mit  erpietung  inen 
darin  sovil  muglich  rat  zuschaffen.  herr  S.  Gro6,  Ratschreiber.  —  f.  28. 
Ratsvei'laB  vom  25.  Jan.  1552:  der  marggrevischen  regenten  und  rate 
danckbrief  angezaigter  hieherkunft  halb  herrn  Philippo  Melanch- 
thons  und  seiner  zugeordneten  ruhen  lassen.  H.  Burgermeister  senlores. 
Vgl.  Corpus  Ref.  VII,  Sp.  931. 

1)  Salvus  conductus  ipsius  Cone.  Trident.  25.  Jan.  1552.  A.R.A. 
20,  313. 

2)  Melanchthon  an  Chr.  Tetelbach.  d.d.  10.  Febr.  1552.  Corp.  Ref. 
VII,  941  f.  Andere  Verhandlungen  betrafen  die  Versorgung  der  Witwe 
B.  Ziegler;  s.  Sp.  929. 

3)  d.d.  Ansbach.  Do.  n.  Dor.  1552.  A.R.A.  20,  321, 

4)  Joh.  Seger  an  die  Regenten  und  Rate  s.  d.  e.  1.  f.  324.  Er  sandte 
aber  seine  Vorbereitungen  fiir  das  Konzil  nach  Ansbach. 

5)  d.d.  Ansbach.  Mo.  n.  App.  (15.  Febr.)  1552  f.  319;  vgl.  den  Brief 
der  Regenten  und  Rate  an  Karg,  d.d.  17.  Febr.  1555,  f.  320. 

6)  d.d.  Ansbach.  Mo.  n.  App.  (15.  Febr.)  1552,  f.  343. 

7)  S.  Beilage  III. 

8)  A.R.A.  20,  258  (266  und  270). 

9)  A.R.A.  20,  313;  vgl.  Druffel  II,  S.  78ff.  Ernst  I,  367  ff. 
10)  A.R.A.  20,  329  flf. 


280    Schornbaam,  Zar  Stellang  der  brandenb.-ansb.  Regiernng'  etc. 

des  Kaisers  an  die  Erzbischofe  von  Mainz,  Koln  und  Trier  horte, 
darin  sie  zum  ISngeren  Yerweilen  anf  dem  Konzil  mit  dem  Hinweis 
auf  die  Zasicherung  des  Knrfursten  Moritz,  dafi  er  selbst  beim  Kaiser 
erscbeinen  und  keineu  Tumult  im  Eeiche  zulassen  wtirde,  ermabnt 
wurden  ^).  Hieronymus  Baumgartuer  hatte  es  Melancbthon  zukommen 
lassen.  Bereits  in  seiuem  nachsten  Briefe  vom  22.  Februar  ist  ibm 
klar,  dafi  Moritz  den  Besucb  des  Konzils  gar  nicht  emstlich  vor- 
hatte,  sondern  nur  beniitzte,  um  seine  Plane  urn  so  ungehinderter 
durchfuhren  zu  kounen ;  „und  will  micb  schier  ansehen^  als  babe 
man  mit  dieser  Reise  kais.  Majestat  eine  Nase  wollen  dreben,  als 
sei  grofier  Ernst,  das  Konzilium  zu  besucben  und  zu  f5rdern  im 
Herzen,  dafi  dieses  Gewerb  desto  weniger  gemerkt  und  verbindert 
werden  soUte.  Denn  es^  wie  ich  vernimm^  sebr  beimlicb  gehalten, 
also  dafi  auch  die  innersten  Rate  der  Sacbe  kein  grundlich  Wissen 
gebabt,  sondern  allein  die  FUrsten  eigner  Person  alle  gebandelt  und 
vielleicht  noch  nicht  viel  offenbar,  wiewohl  in  wenigen  Tagen  namlich 
auf  Invocavit  der  Auzug  und  Angriff  gescbehen  soll"^).  Er  hatte 
Recht;  am  10.  Marz  kehrte  Melancbthon  nach  Sachsen  zuruck  ^); 
ebenso  verliefien  Karg  und  Feuerlein  in  BMlde  die  Reichstadt,  der 
Besucb  des  Konzils  war  damit  fur  die  Regenteii  abgetan  ^).  Die 
sUchsische  Politik,  der  man  sich  in  Ansbach  immer  anzuscbliefien 
geneigt  war,  liefi  bald  erkennen^  dafi  davon  keiue  Rede  mehr  sein 
konnte. 


1)  d.d.  Nurnberg  19.  Febr.  1552.  A.R.A.  20,  323.  Der  Pfarrer  von 
Kitzingen  war  am  18.  Febr.  in  Ntirnberg  eingetroflfen.  Am  22.  Febr.  1552 
konnte  Earg  auch  eine  Abschrift  des  im  Texte  angegebenen  Schreibeiis 
(A.R.A.  20,  325),  die  er  mit  emsiger,  demiltiger  Bitte  von  Melancbthon 
erlangt  hatte,  nach  Ansbach  schicken.  A.R.A.  20,  334.  Zum  Schreiben  des 
Kaisers  s.  Druffel  II  (Munchen  1880)  S.  7,  N.  871. 

2)  A.R.A.  20,  334.  Am  23.  Febr.  meldeten  dann  Job.  Feuerlein  und 
Karg  nach  Ansbacb,  daB  Matthie  in  MeiBen  eine  Fiirstenznsammenkanft 
stattfinden  wiirde,  England,  Schweden,  Danemark  und  Polen  sollten  mit 
ihnen  in  einem  Bund  sein.  A.R.A.  20,  331. 

3)  Jahresregister  1551  (13.  Frage):  12  fl.  7  sch.  6  h.  kost  das  mal 
auf  dem  rathans  als  Philippus  Melancbthon  und  andere  seine  mitgeferten 
als  frembde  prediger  sambt  den  eltern  herrn  und  die  hiehigen  prediger 
heroben  geefien  haben.  515  fl.  1  Pfu.  n.  19  sch.  2  h.  hat  Philippus  Melancb- 
thon und  seine  mitverwandten,  als  sie  auf  das  concilium  zu  Trient  ab- 
gefertigt  und  hie  6  wochen  und  5  tag  im  closter  egidi  gelegen,  verzert 
und  ausgeben.  inhalt  herrn  Hieronymi  Paumbgartners  rechnung  in  der 
jarschachtel  tutzerung  382fl.  5  Pfu.  21  Pfennig ;  dem  herrn  philippo  sonder- 
licb  verehrt  von  wegen  der  hiehigen  knaben,  so  zu  Wittemberg  studirn, 
damit  zu  commendirn,  des  er  sich  zu  tun  erboten  100  fl.  gold;  und  dem 
herrn  abt  des  gedachten  closters  fUr  sein  mtihe,  arbeit  und  anderer  ge- 
babter  beschwernus  ein  trinkgeschirr  verert  cost  33  fl.  2  Pfund  4  Pfennig. 

4)  L.  Bachmann,  Kitzinger  Chronik  des  Fr.  Bernbeck  745—1565. 
Kitzingen  1899,  S,  149. 


Schornbaum,  Zur  Stellung  der  brandenb.-ansb.  Regierung  etc.    281 

Beilage  I. 

Begenten  und  Bftte  zu  Ansbach  an  Melanchthon  und  andere 

Theologen  zu  Wittenberg. 

1.  September  1551. 

Unsere  freuntliche  dienst  alzeit  zuvor.  erwirdige,  achtbare  und 
hochgelerte  insonder  lieben  herrn  und  freund.  was  von  des  durcli- 
leuclitigsten  hochgebornen  fursteu  und  hern  hern  morizen  herzogen 
zu  sachsen  churfursten  unsers  gnedigsten  herrn  statthalter  und  rate 
in  sachen  das  vorsteend  und  gein  Trient  angesetzt  concilium  be- 
treffend  uf  unser  anlangen  uns  diese  tage  fur  ant  wort  zukomen, 
senden  wir  euch  inliegend  zuvernemen  ^).  darauf  geben  wir  auch 
freuntlicher  mainung  zuerkennen,  das  wir  des  durchleuchtigen  hoch- 
gebornen fursten  unsers  gn.  h.  marggrafs  Georg  Friedrich  zu 
Brandenburg  pfarherrn  zu  Schwabach  und  Ro  fife  Id  die  erwir- 
digen  herrn  magistrum  Georgium  Kargen  und  Johannem 
Seeger  gegenwertige  briefszeiger  mit  bevel  zu  euch  abgefertigt,  hochst- 
gedachts  unsers  gn.  h.  des  churfursten  zu  Sachsen  statthalter  und 
rete  schreiben  gemes  handlung  und  werbung  bei  euch  zupflegen,  wie 
ir  von  inen  ferner  vernemen  werdet;  und  anstat  hochgenants  unsers 
gn.  h.  ersuchen  wir  euch  gutlich  fur  uns  selbst  freuntlich  bittend,  ir 
wollet  gedachte  pfarhern  in  irem  anbringen  gutlich  hbren,  inen  auch 
dismals  gleich  uns  selbst  gentzlichen  glauben  geben  und  euch  darauf 
gegen  inen  unbeschwert  wilferig  erzeigen,  wie  zu  euch  unser  sonder 
freuntlich  vertrauen  steet.  das  sein  wir  hinwider  freuntlich  zube- 
schulden  urbuttig  und  euch  freundliche  angeneme  dienst  zu  erzeigen 
wohl  gewilt. 

datum  Onolzbach  am  tag  Egidii  ao  51 

regenten  und  rete. 

Inscriptio:  dem  erwirdigen  achtbarn  und  hochgelerten  herrn 
philippo  Melanthoni  und  andern  der  hayligen  schriften  doctorn 
imd  profefiorn  zu  Wittenbergk  unsern  insondern  lieben  herrn 
und  freunden. 

Kopie  im  Niirnberger  Kreisarchiv.    Ansb.  Rel.  Acta  T.  XX^  252. 

Beilage  II. 

Bugenhagen,  Porster,  Major  und  Melanchthon  an  Regenten 

und  R£lte  zu  Ansbach. 

13.  September  1551. 

Gottes  gnad  durch  seinen  eingebornen  son  Jhesum  christum 
unsern  heiland  und  warhaftigen  heifer  zuvor.  edle,  ernveste,  ge- 
streuge,  hochgelarte,  giinstige  herrn.  die  erwirdigen  herrn  predicanten, 
so  anher  gesaut  sind^  werden    ewer  ernvest  gruntlich  berichten^    wie 

1)  d.  d.  22.  August  1551  A.B.A.  20,  288. 


282    SchornbauiSf  Zur  Stellang  der  brandenb.-ansb.  Regierung  etc. 

die  schrift,  so  im  concilio  zu  uberantworten  sein  solt^  gestelt  ist, 
und  ist  warlich  uuser  gemtit^  nicht  unnbtige  furwitze  fragen  oder  ge- 
zenck  zu  erregeu^  sondern  allein  die  einige^  warhaftige,  christliche, 
ewige,  n5tige  lar^  die  in  ewern  und  unsern  kirchen  durch  gottes 
gnad  bisanher  treulich  und  reyn  gepredigt,  zu  erholen  und  uf  die 
uachkomen  zu  erben.  und  nachdem  wir  wifien^  das  der  son  gottes, 
Jhesus  Christus,  selb  der  erhalter  ist  seiner  kirchen  und  nicht  mensch- 
liche  macht  oder  weisheit,  bitten  wir  denselbigen  warhaftigen  heifer 
Jhesum  Christum^  ehr  wolle  uns  alien  seine  gnad  verleihen  und  seine 
warheit  gnediglich  erhalden.  von  den  sachen,  die  in  consistoriis  ge- 
handelt  werden,  nemlicli  von  den  heimlichen  ehegeliibden  und  von 
der  ehe  der  unschuldigen  person  uach  den  divortiis  haben  uns  ewere 
gesandten  euern  branch  angezeigt.  clavon  kann  man  weiter  reden,  so 
man  entlich  etwas  semptlich  uberantworten  wirt.  Uuser  heiland 
Jhesus  Christus  wolle  sein  kirchen  bey  euch  und  in  andern  landen 
gnediglich  erhalden  und  wolle  nicht  grofier  verwiistung  und  difiipa- 
tiones  geschehen  lafien.  er  wolle  auch  euer  herrschaft  und  e.  ernvest 
gnediglich  allzeit  bewaren. 

datum  Witeberg   13.  September  anno  etc.   1551. 

euer  ernvest  und  gunsten   diener 

Johannes  Bugenhagen  Pomer  d. 
Johannes  Forsterus    D. 
Georgius  Major  D. 
Philippus  Melanthon. 

ced.  wir  bitten  auch  ewer  ernvest  und  gunsten  gantz  vleifiig, 
ewer  ernvesten  woUen  inen  gunstiglich  laBen  bevolen  sein  Magistrum 
Georgium  Grenner  von  Feuchtwangen  ^),  welcher  unterteniglich 
bitt  umb  hilf,  das  er  longer  in  der  universitet  sein  mocht,  in  theo- 
logia  und  sprachen  die  legenten  zu  horen,  damit  ehr  der  kirchen 
ernach  nutzlicher  dienen  kbut.  nu  wifien  wir,  das  er  mit  ingenio, 
verstand  und  geschikligkeit  zu  reden  von  Gott  wolgezieret  ist,  auch 
ist  er  gottfurchtig,  ztichtig  und  sittig;  hoffen  durch  gottes  gnaden  die 
hilfe  werd  an  im  wol  angewant  sein ;  bitten  wir  derwegen  euer  ernveste 
wollen  ihne  gott  zu  lobe  gunstige  furderung  tun,  dagegen  erbeut  er 
sich  den  kirchen  im  vaterland  vor  andern  zu  dienen. 

luscriptio :  den  edlen^  ernvesten,  gestrengen,  hochgelarten  herrn 
regenten  und  raten  in  der  furstlichen  regirung  zu  Onoltzbach  unsern 
gUnstigen  herren. 

Niirnberger  Kreisarchiv.     A.R.A.  XX,  255  ff. 

1)  15.  Marz  1545 in  Wittenberg  immatrikuliert  s.  E.  C.  Forstemann, 
Album  academ.  Vitebergeiisis.  Leipzig  1841.  S.  218.  Sein  Bruder  Mag. 
Joh.  Grenner  war  Rektor  in  Feuchtwangen.  Kreisarchiv  Ntirnberg.  Rep. 
159.  Tit.  XXII.  N.  If.  476 ff.  Er  selbst  war  noch  1563  in  Ansbach  wohl 
als  Kaplan,  f.  117  flf. 


Schornbaam,  Zur  Stellung  der  brandenb.-ansb.  KegieruDg  etc.    283 

Bellage  III. 

Begenten  und  B&te  zu  Ansbach  an  Ph.  Melanchthon,  Erasmus 

SarceriUB  und  N.  Paceus. 

15.  Februar  1552. 

Erwirdigeo;  hochgelorten^  lieben  herrn  und  freund.  uf  das  wie 
uus  dev  durchleuchtigst  Bochgeborn  fiirst  unser  gnedigster  herr,  hertzog 
moritz  churfUrst  etc.  hievorn  gnedig  gescbriebn  und  zugelafien  und 
unser  gnedigster  herr  der  churfurst  zu  brandenburg  uns  auferlegt,  das 
wir  des  auch  durchleuchtigen  bochgebornen  fursten  unsers  gnedigen 
berrn  marggraf  George n  Friedrichs  zu  Brandenburg  Teologen,  die 
anstat  deren  uf  das  vorsteend  concilii  gein  Trient  geschickt  werden 
sollen,  nebeu  encb  und  andern,  die  von  seiner  cburf.  gnaden  daselbst- 
hin  zuverraiseu  verordnet  seien,  vortzieben  lafien  sollen,  baben  wir 
gegenwertige  bocbernannts  unsers  gn.  h.  pfarrere  zu  Scbwabach 
und Kitzingen^)  die  er wirdigen  herrn  magistrum  JohannemFeyer- 
1  e  i  n  und  magistrum  ^)  G  e  o  r  g  i  u  m  Ka  r  g  e  n  abgefertigt  und  inen  uferlegt, 
neben  eucb  und  den  andern  eurn  zugegeben  teologen  nacb  Trient 
zuverreissen  und  daselbstn  mit  alien  der  augspurgischen  confession 
verwandten  gesandten  nit  allain  die  bekantnus  unserer  warn, 
beiligen,  cristlichen  religion  zutun^  sondern  darzu  auch  die,  sovil 
moglich,  helfen  zuvertaidingen  und  also  an  inen,  was  zu  disem  guet 
und  bochnotwendigen  wergk  dienstlich^  nichts  erwindeu  oder  abgeen 
zu  lafien.  ersucben  eucb  demnach  anstat  bochernants  unsers  gn.  h. 
marggraf  George  n  Friedrichs  guetlich,  unseruhalben  freuntlicbs  vleis 
bittend,  ir  wollet  bemelte  beede  pfarrern  in  getreuem  und  guustigem 
bevel  baben  auch  fur  eure  person,  die  ainiche  warhafte  cristliche 
ewige  und  notige  lere,  die  in  eurn  und  unsern  kirchen  bishero 
durch  gottes  gnad  treulich  und  rain  gepredigt  worden,  erhalten  helfen, 
wie  wir  eucb  dann  one  das  sonderlich  genaigt  und.  bereit  wifien. 
tun  eucb  hiemit  gottes  gnad  und  vaterlichen  schutz  und  schirm  be- 
velhen.  der  wolle  auch  eucb  in  eurm  christlichen  gemuet  stercken 
und  ewiglich  erhalten. 

Datum  Mo.  n.  Apolonie  ao.  52. 

regenten  und  rete^). 

Inscr:  dem  erwirdigen  hochgelerten  herrn  philippo  Melanch- 
thoni  der  hailigen  schrift  und  freyen  kunst  profefioren  und  andern 
unsers  gn.  h.  des  churfursten  zu  sachsen  etc.  uf  das  concilium  gein 
Trient  verordneten  teologen  unsern  lieben  heren  und  freunden. 

Konzept  Ansb.  Rel.  Acta  XX/350. 


1)  UrspruDglich:  RoBfeld. 

2)  Urspriinglich :  Johannem  Seger. 

3)  Fehlt. 


284  Znr  Bibliographie. 

Zur  Bibliographie/) 

*Dyroff,  Aut.  Dr.  uud  Prof,  in  M^nclien.  Die  Entwicklung  des 
bayeriflchen  Staatskirchenrecbts  bezuglicb  des  Ortskirchenver- 
mogens  bis  zum  Koukordat  von  1817.  Gescbicbtliche  Mate- 
rialien  zum  Eotwurfe  eioer  bayeriscben  KircheDgemeindeordnung 
in  ^Annalen  des  Deutschen  Reichs"  berausgeg.  von  Dr.  K.  Tb. 
E  be  berg  und  Dr.  A.  Dyroff  1905.  9.  Heft. 
Mit  Spannang  sieht  roan  in  kirchlicb  interessierten  Kreisen  der  seit 
Jabren  angekiindigten  Kircbengemeindeordnung  fiir  das  Eonigreich  Bayern 
entgegen,  namentlich  in  der  protestantischen  Eircbe,  in  der  Hoffnung, 
dafi  die  evangelische  Landeskirche  dadurch  von  jenen  Fesseln  befreit 
werden  konnte,  die  seit  Jahrzebnten  ilire  organische,  den  Anforderungen 
der  Gegenwart  sich  anpassende  Fortentwicklung  gebindert  baben.  Und 
die  Spannung  wird  urn  so  grofier,  je  geheimnisvoller  der  Entwurf  behan- 
delt  wird,  so  da6  man  ibn  nicbt  einmal  der  Generalsynode,  sondern  nur 
dem  protestantischen  Eircbenregiment  zar  BegutachtuDg  vorgelegt  bat. 
Urn  so  dankenswerter  ist  die  vorliegende  Arbeit  des  Hanptverfassers  des 
in  Frage  stehenden  Entwurfs,  well  sie,  obwobl  es  sich  nur  urn  Bei- 
bringung  bistorischen  Materials  bandelt,  fiir  den,  der  zwiscben  denZeilen 
zu  lesen  verstebt,  doch  schon  die  Riehilinien  der  zukiinftigen  Vorlage 
erkennen  lafit.  Aber  die  Beitrage  zur  bayeriscben  Eircbengeschichte  ver- 
folgen  rein  wissenscbaftliche  und  nicbt  kirchenpolitiscbe  Zwecke.  Desbalb 
soil  auch  nur  auf  das  wicbtige  Urkundenmaterial  hingewiesen  werden, 
dessen  Hebung  und  Gruppierung  wir  Dr.  Dyroff  verdanken.  Nachdem  er 
in  einem  LAbscbnitt  „Laienrechte  und  staatlicheOesetzgebung  in  bezng 
auf  Eirchengut  in  der  Zeit  des  Frankenreicbs'*  und  in  einem  II.  ^Die 
Yerdrangung  der  Laien  aus  ihrer  Gewalt  iiber  Eirchengut  und  ihr  bal- 
diges  Wiedervordringen'*  das  allmablicbe  Entsteben  eines  von  demBene- 
fizium  des  Pfarrers,  der  Pfriinde,  verschiedenen,  dem  Gotteshause  oder 
dem  Heiligen  zugeschriebenenVermogens,  des  Fabrikgutes  (spater  Eircben- 
stiftnug  genannt)  gehandelt  hat,  kommt  er  zu  dem,  was  ihm  natUrlicb 
die  Hauptsacbe  ist,  dem  Eingreifen  der  landesberrlichen  Gewalt  in  die 
Verwaltung  des  Ortskirchenvennogens.  Mit  Recht  bezeichnet  der  Verf. 
den  Erlafi  des  Landgebotes  Albrechts  IV.  vom  Jahre  1488  iiber  die  Ver- 
waltung des  Ortskirchenverm^gens  als  einen  Markstein  in  der  Gescbicbte 
der  landesberrlichen  Regelung  der  Aufsicht  iiber  das  Eirchengut,  aber 
um  ihn  historisch  richtig  zu  wtirdigen,  muB  man  ibn  nicbt  in  seiner  Ver- 
einzelung  betrachton,  und  er  stand,  obwobl  ich  das  zurzeit  nicbt  belegen 
kann,  sicher  nicht  vereinzelt  da.  Wenn  wir  z.  B.  eine  Klostergescbichte 
Bayeins  batten,  oder  auch  nur  eine  gentigend  archivaliscb  fundierte  Ge^ 
schichte  der  einzelnen  Orden  und  Eongregationen  in  Bayern,  wurde 
sich  herausstellen,  daB  er  sich  einreiht  in  manche  andere  MaiBnahmen^ 
und  nichts  weiter  ist  als  ein  Ausflufi  des  mit  dem  Erstarken  der  Terri- 
torialmacht  damals  allentbalben  zu  beobacbtenden  Strebens  des  Landes- 
fUrsten,  ein  allgemeines  Aufsicbtsrecht  uber  das  gesamte  Eirchen-  und 
Elosterwcsen  auszuiiben.  Und  nebenbei  gesagt^  ware  es  wirklich  an 
der  Zeit,  endlich  einmal  das  Landeskirchentum  vor  der  Refor- 
mation zu  untersuchen.  Schon  vor  25  Jabren  babe  ich  gelegentlich 
(Friedricb  der  Weise  und  die  Anfange  der  Reformation,    Erlangen  1881, 


1)  Die  mit  *  versehenen  Schriften  sind  zur  Besprechung  eingesandt 
worden.  Alle  einschlagigen  Schriften  werden  erbeten  bebufs  Besprechung 
von  der  Verlagsbucbhandlung  F r.  Junge  in  Erlangen. 


.  Zur  Bibliographie.  285 

S.  7ff.)  aaf  diese  Lticke  anfmerksam  geroacht,  aber  so  weit  ich  sehe,  hat 
J.  S.  Reinhard,  Meditationes  de  iare  Principnm  Germaniae  circa  sacra 
ante  temporis  Reformationis  exercito,  Halae  1717  noch  keinen  ernstbaften 
Nachfolger  gefunden,  und  doch  gestattet  das  in  neuerer  Zeit  fur  einzelne 
Gebiete  —  freilich  nicbt.fUr  Bayern  — ,  namentlicb  Sachsen  (vgl.  neuer- 
dings  Fel.  Gefi,  Akten  und  Briefe  zur  Kirchenpolitik  Herzog  Georgs 
von  Sachsen,  I.  Bd.  1905  und  dazu:  G.  Wolf  in  Neue  Jahrbb.  f.  d.  klass. 
Altertumskunde  etc.  1906,  S.  413)  gebobene  Material,  ein  klares  Bild  der 
Entwicklung  zu  zeichnen.  —  Sieht  man  genauer  zu,  so  war  der  vorhin  er- 
wahnte  ErlaO  von  1488  ein  Yersuch  des  Landesherrn,  sich  die  vollige 
Oberaufsicht  tiber  die  Verwaltung  des  Kirchenvermogens  anzueignen,  aber 
er  mufite,  nachdem  er  wahrscheinlich  kaum  irgendwo  Erfolg  gehabt  batte, 
schon  1493  aufgegeben  werden,  well,  so  ist  die  Sache  aufzufassen,  die 
Bischofe  durch  den  Beschlulit  der  Miihldorfer  Provinzialsynode  von  1490 
(Dyroff  S.  650)  ihrerseits  das  Kirchengut  auf  Grund  det  bisherigen  Ent- 
wicklung stronger  gegen  Verschleuderung  zu  sichern  snchten  und  damit 
dem  Landesherrn  den  in  Absatz  1  des  Landgebotes  fttr  sein  Eingreifen 
vorgebracbten  Grund  entwunden  batten.  Es  ist  daher  m.  E.  nicht  so, 
wie  Dyroff  urteylt:  ^Neben  die  Regelung  der  Verwaltung  des  Fabrik- 
vermogens  durch  das  Landgebot  von  1488  hatte   sicb  zwei  Jabre  spater 

—  in  der  Hauptsache  jene  untersttttzend  —  eine  Regelung  durch  die 
kirchliche  Provinzialgesetzgebung  gestellf,  sondern  die  Beschlusse  jener 
Synode  waren  ein  GegenstoB  des  Episkopats,  der  das  Eingreifen  des 
Landesherren  erfolgreich  parierte,  so  dafi  die  Landesordnong  von  1516 
von  der  Anordnung  des  Landgebotes  von  1488  bekennen  mnOte,  dafi  sie 
„etlich  zeit  her  weniger  vollzogen"  worden.  Inzwischen  war  aber  die 
iandesherrliche  Eirchenhoheit  unter  der  Saumseligkeit  des  Episkopats  er- 
heblich  erstarkt,  und  unter  dem  EiniluO  der  reformatorischen  Bewegung 

—  man  denke  an  das  durch  Job.  Eck  vom  Papsta  ttber  die  BischQfe  -er- 
langte  allgemeine  Aufsichtsrecht  —  wuchs  sie  immer  mebr,  und  bei  dem 
Interesse  an  der  Erhaltnng  des  Kirchenguts,  das  die  Herzoge  nach  der 
Znweisung  eines  erheblichen  Zehnten  durch  die  Kurie,  haben  mufiten, 
befestigte  sich  vor  allem  die  Oberkuratel  liber  das  Eirchenvermogen.  So 
kam  es,  daB  das  Tridentinum  bereits  auf  die  Consuetude  Rucksicht  nehmen 
mujgte.  —  Sehr  interessant  und  lehrreich  sind  dann  die  Mitteilungen  Dy- 
roffs  tiber  die  Neuordnung  der  ganzen  Angel  egenheit  durch  das  Eonkordat 
von  1583  und  die  weitere  Entwicklung  bis  zur  verfassungsmafiigen  Fest- 
legung,  wobei  der  Historiker  freilich  bedauern  muB,  daO  der  Verf.  seinem 
ganzen  Zwecke  nach  darauf  verzichtet,  uber  die  Feststellnng  der  einzelnen 
gesetzlicben  Bestimmungen  hiuaus  danach  zu  fragen,  ob  und  wie  sie 
durchgeftihrt  wurden  und  welche  Wirkung  sie  auf  das  kirchliche  Leben 
im  ganzen  und  das  gemeindliche  Leben  ira  besonderen  gehabt'  haben. 
Und  fiir  die  Geschichte  der  protestantischen  Eircho  oder  derjenigen  evan- 
gelischen  Landesteile,  die  am  Beginn  des  19.  Jahrhunderts  mit  Bayern 
verschmolzen  wurden,  bietet  er  gar  nichts.  Zum  mindesten  hatte  man 
etwas  erfahren  sollen,  wie  es  denn  in  den  schon  zum  ^katholischen 
Bayern"  gehorenden  evangelischen  Gebieten,  der  1740  einverleibten  Herr- 
schaft  Sulzbiirg  und  Pyrbaam  und  dem  1777  angefallenen  Herzogtum 
Sulzbacb,  das  freilich  nur  wenig  Protestanten  batte,  gehalten  wurde. 
Ganz  kurz  heiBt  es  am  SchluB  &.  676*.  „Die  Verwaltung  protestantischen 
LokalkirchenvermSgens  und  die  Befriedigung  der  lokalen  protestantischen 
EirchenbedUrfnisse  wurde  scbon  in  den  ersteu  Jahrzehnten  des  19.  Jahr- 
hunderts, so  bald  sie  fUr  Bayern  in  Betracht  kam,  seitens  des  Staates  im 
wesentlichen  nach  den  gleichen  Grundsatzen,  wie  beiderkatholischenEirche 
behandelf*.  Das  ist  allerdings  richtig,  aber  die  Frageist,  ob  man  dadnrch, 
daB  man  den  evangelischen  Gemeinden  dieselbe  staatliche  Oberkuratel,  wie 
sie  sich  im  katholischen  Bayern  berausgebUdet  hatte,   auferlegte,   anch 


286  Zur  Bibliographie. 

nur  die  historische  Kontinuitat  wahrte,  oder  ob  dadurch  nicht  gegenliber 
der  yon  der  evangelischen  Rirche  immer  als  selbstverstandlich  anerkann- 
ten  Btaatlichen  Aufsicht,  ein  Neues  eingefiihrt  wnrde,  and  angesichts  der 
prinzipiell  anderen  Stellung,  die  die  Reformationskirchen  gegcntiber  dem 
Staate  einnehmen,  und  des  vollig  andern  Eirchen-  und  Gemeindebegriffs, 
eine  voDstandige  ParitUt  der  Behandlung  tatsachlich  eine  Ungleichheit 
war.  Freilich  ware  die  von  miv  gewtinschte  historische  Untersuchung 
der  einschlagigen  Frage  in  den  zahlreichen  protestantischen  Gebieten 
wegen  ihrer  sehr  verschiedenartigen  Entwicklung  eine  ungleich  schwie- 
rigere,  uber  sie  mOBte  einmal  gemacht  werden.  — 

*Ludwig,  Dr.  A.  Fr.,  Professor  der  Theologie  am  Kgl.  Lyzenm 
in  Dillingen,  Weihbischof  Zirkel  von  Wlirzburg  in  seiner 
Stellung  zur  theolpgischen  AufklSrung  und  zur  kirchlichen 
Restauratiou.  Ein  Boitrag  zur  Geschichte  der  katholischen 
Kirche  Deutschlands  um  die  Wende  des  achtzehnten  Jahr^ 
hunderts.  Erster  Band.  Mit  dem  Bildnisso  des  Weihbiscbofs 
Zirkel.  Paderborn,  Druck  ^nd  Verlag  von  'Ferdinand  Scho- 
niugh   1904.  .  VIII  und  377  S.  —  8  Mk. 

Der  Yerf.  fiihrt  uns  in  „die  schlimmste  und  gefShrlichste  Periode 
der  Eirche^,  die  theologische  Aufklarung,  und  zwar  speziell  in  der  Wiirz- 
burger  Dii)ze8e.  Es  ist  jedoch  nicht  das  erstemal,  da^  die  Aufklarung  in 
Wiirzburg  wissenschaftlich  beleuchtet  wird,  bereits  J.  B.  Schwab  hat 
dies  in  seinem  trefflichen  Werke  „Franz  Berg,  geistlicher  Rat  and  Pro- 
fessor der  Eirchengeschichte  an  der  Universitat  Wttrzburg**,  Wtirzb.  1869, 
getan,  and  Franz  Berg  (geb.  1753),  um  dessen  Leben  und  Denken  er  das 
kirchenhistorische  Bild  des  Zeitalters  sich  ranken  lafit,  ist  der  nur  um  8  Jahre 
altere  Zeitgenosse  Zirkels  (geb.  1762).  Beide  haben  zuerst  niiteinander, 
dann  nebeneinander  in  Wiirzburg  gewirkt.  Freilich  Berg  ist  wesentlich 
Professor  und  Gelehrter,  der  andere  mehr  Eirchen mann.  Dies  allein 
k5nnte  Anlai)  genug  sein,  dieselbe  Zeit  unter  anderem  Gesichtspankt 
von  neuem  zu  behandeln.  Aber  anderes  kommt  hinzu.  Franz  Berg  btieb 
eigentlich  immer  der  alte  Rationalist,  wuide  wenigstens  nie  ein  liber- 
zeugter  Vertreter  des  restaurierten  Eatholizismus.  Anders  Zirkel.  Aas 
dem  Aafklarer,  der  ttbrigens  an  Wissenschaftlichkeit  und  Tiefe  hinter 
Berg  zuriicksteht,  wurde  allmahlich  der  Fiihrer,  ja  Vater  der  neuen  Periode 
im  Bistum  Wiirzburg  und  zwar  in  dem  MaBe,  da0  darttber  die  Erinnernng 
an  seine  aufklarerische  Periode  vollig  erlosch  und  der  Verf.  der  vor- 
liegenden  Monographie,  als  er  im  Jahre  1899  unbefangen  genug  war,  in 
der  Passauer  praktisch-theologischen  Monatsschrift  auf  diese  Zeit  von 
Zirkels  Leben  hinzuweisen,  wie  er  selbst  berichtet,  den  Vorwurf  horen 
muBte,  da6  er  das  Bild  Zirkels,  „das  noch  immer  im  Yerklarungsschein 
der  frankischen  Tradition  fortlebt,  trtibe**.  ^  Ihm  kommt  es  aber  offenbar 
darauf  an,  gestUtzt  auf  reiches  handschriftliches  Material,  Tagebuch- 
blsttter  etc.,  einesteils  „die  Psychologic  der  Aufklarung"  klarzustellen  oder 
sie  begreifiich  zu  machen,  andern teils  und  vor  allem  den  Cbergang 
aus  jener  ersten  Periode  zur  zweiten  zu  verstehen  und  verstandlich  zu 
machen.  Und  diese  Entwicklung  ist  merkwiirdig  genug.  Auf  der  Bam- 
berger Hochachule  wurde  Zirkel  durch  Professor  Daum  zu  Kant  gefiihi-t, 
was  bleibenden  Einflufi  aaf  ihn  hatte.  Auf  dem  Priesterseminar  ttnter 
Onymus,  Oberthflr,  Berg  entwickelt  sich  sein  Rationalismus,  und  d6r  junge 
Priester,  der  1789  Subregens  des  Seminars,  jdann  Professor  und  Leitdr 
derselben  Anstalt  wird,  vertrittihn,  mit  alien  Bildungselementen  des  Zeit- 
alters erfiillt,  in  gewandter  Weise  unter  dem  Beifall  namentlich  auch  an- 
gesehener  Protestanten  (vgl.  H.  Ph.  G.  Henke  in  seinem  Archiv   f&r    die 


Znr  Bibliographie.  287 

neueste  Kirchengeschichte,  I.  Bd.  Weimar  1795,  1, 122  ff.)  als  Schriftsteller 
und  auf  der  Kanzel  in  seinen  Predigten  „uber  die  Pflichten  der  hoheren 
Stande"  (F.  Berg  und  G.  Zirkel,  Predigten  iiber  die  Pflichten  der  hoheren 
nnd  aufgeklarten  Stande  bey  den  biirgerlichen  Unruhen  unserer  Zeit, 
WUrzburg  1793J,  in  denen  er  direkt  mit  dem  „kategorischen  Imperativ" 
operiert,  und  hilft  nicht  am  wenig3ten  dazu,  den  Wurzburger  Klerus  im 
aufklarerischen  Sinne  zu  erziehen.  Nun  wird  aber  der  ratioualiatische 
Seminarregens  sehr  gegen  seinen  Willen  zum  Weihbischof  ersehen  und 
am  28.  Oktober  1802  konsekriert.  Seine  neue  Wirksamkeit  fallt  zusammen 
mit  der  beginnenden  Sakularisation  und  der  brutalen,  bureaukratischen 
Reglementierung  der  katholischen  Kirche  durch  die  bayerische  Regierung, 
von  deren  in  jene  Zeit  fallenden  Kirchenerlassen  der  Verf.  in  den  Bei- 
lagen  S.  334  eine  sehr  lehrreiche  und  dankenswerte  tJbersieht  giebt.  Das 
bahnt  einen  Umschwung  in  seiner  Entwicklung  an.  Aus  dem  aufgeklarten 
Theoretiker  wird  der  praktische  Kirchenmann.  Der  Minister  Montgelas, 
der  in  dem  bekannten  Aufklarer  ein  gefugiges  Werkzeug  seiner  Be- 
^trebungen  zu  findea  hoffte,  sieht  sich  getauscht.  Zirkel  wird  „die  festeste 
Stutze  seines  Herrn  in  Verteidigung  der  unveraufierlidien  bischoflichen 
Rechte**  und  tritt  daftir  in  Wort  und  Tat  ein.  Und  die  nicht  ganz  un- 
gerechtfertigte  Befurchtung,  daB  es  sich  um  den  Plan  handle,  Katholizis- 
mus  und  Protestantismus  zu  einer  Staatsreligion  zu  verschmelzen,  muBte 
ihn,  wenn  auch  sehr  allmahlich  (vgl.  die  noch  wenig  klerikal  gefaBten, 
mit  manchen  aufklarerischen  Reminiscenzen  untermischten  Aphorismen 
Uber  das  Verhaltnis  des  Staates  zur  Kirche  1803  im  Anhang  S.  347  ff.) 
zum  bewuBten  Katholiken  und  Vertreter  des  Elerikalismus  machen,  der 
in  fast  moderner  Weise  fiir  die  Freiheit  der  Kirche  und  ihre  Jurisdiktion 
eintritt,  direkte  Verbiudung  mit  Rom  sucht  und  als  der  erste  darauf  aus- 
geht,  durch  gemeiusame  Aktion  der  deutschen  Bischofe  das  Selbstbewufit- 
sein  und  die  Kraft  des  Episkopats  gegeniiber  dem  Staate  zu  stSrken.  Diese 
Entwicklung  zeichnet  der  Verf.  bis  zu  den  Verhandlungen  des  Wttrz- 
burger  Bischofs  mit  Consalvi  iiber  die  Ehefrage  (1805),  wahrend  ein 
zweiter  Band  die  letzte  und  fiir  die  Restauration  des  Katholizismus  im 
Bistum  entscheidende  Wirksamkeit  Zirkels  bringen  soil.  Dabei  kann 
freilich  nicht  geleugnet  werden,  dafi  wie  wertvoll  und  dankenswert  die 
groBe  Arbeit  ist,  eine  etwas  geringere  Ausftthrlichkeit  den  Wert  wahr- 
seheinlich  erhoht  hatte.  Auch  scheint  mir  der  Verf.  bei  seinen  sehr 
ausgiebigen,  wdrtlichen  Wiedergaben  von  Auslassungen  Zirkels  nicht 
immer  genligend  gewiirdigt  zu  haben,  wie  vieles  darin  doch  nicht  origi- 
nell  ist.  Auf  der  andern  Seite  finde  ich,  daQ  er  zumal  gegen  Ende  all- 
zuwenig  auf  die  allgemeine  Zeitgeschichte  Rilcksicht  genommen  und  Zirkel 
und  die  Bewegung  in  Wiirzburg  allzusehr  isoliert  hat.  —  Endlich  kann 
ich  eine  allgemeine  Anmerkung  nicht  unterlassen.  Auf  S.  249  bedauert 
der  Verf.  in  sehr  zurUckhaltender  Form,  daB  ihm  ein  Faszikel,  der  die 
groBte  Ausbeute  versprach  und  die  Aufscbrift  tragt:  „Akten,  die  Saku- 
larisation betreffend.  Wichtig",  ^gewisser  Umstande  halber  noch  nicht 
zur  Einsicht  Hberiassen  werden  konate**.  Daraus  ist  zu  entnehmen,  daB 
trotz  aller  Verhandlungen  dariiber  gewisse  Akten  aus  dem  Anfang  des 
,1-8.  Jahrhunderta  noch  immer  sekvet  behandelt  werden,  wogegen  im  Namen 
der  Wissenschaft  von  neuem  protestiert  werden  mu6.  Wenn  die  Archiv- 
verwaltung  einen  Akt  als  „wichtig"  bezeichnet,  so  ist  er  heute  vor  allem 
fiir  die  Wissenschaft  wichtig  und  miiBte  deshalb  freigpgeben  werden. 
Und  die  zustandigen  Stellen  sollten  sich  doch  sagen,  daB  ale  mit  dem 
bisher  Ublichen  Verfahren,  nur  immer  wieder  den  Verdacht  bestarken, 
daB  in  jener  schlimmen  und  von,  Ungerechtigkeiten  wimmeloden  Zeit  viel 
Schlimmeres  vorgekommen  ist,  als  bei  einer  objektiven,  die  Zeitverhalt- 
nisse  berlicksichtigenden  Ausnutzung  der  Akten  wahrecheinlich  herans- 
kommen  wiirde.