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3
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eot?
Ii>(!vhu
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e i t r ä g e
zur
€liar«li:ierlistll£
der
■ r*.
»eueren Thilosophie,
«der
ii.Jl(knCA?j^^
kritische GcsohicAle derselb«!!
Ton Des Cartes und Locke bis auf Flegel.
V-on
jr. n. Flehte.
Zweite, sdir vermehrte und verbesBerte Ausgabe.
Sitlzbaelty
in der J. E. v. Seidel "'s eben Buchhaudlung«
18 4 1.
• / »
V
I
' • <
Vorrede zttr zwretteii An flagge,
— I ■ 'I
Schon im Jahre 1837 war diefte Schrift y^r-
griffea und yon der Verla^haDdkifeig dem Y€rfas-
Ml* die AulToFderuag gestellt worden , eine neue
Auflage derselben %u bereiten. Er lögerte lange^
Hand an's Werk au legen, indem es ihm schwer
wurde, einem hiilb Ton ihm Terg^ssenen Buche,
tiber desseji Inhalt er durch so Manches seiner spü^
tem AusbUdimg hinausgesohriUen« au sein glaubte,
ein neues Interesse abzugewijineii« «Denn gerade
ia denjenigen Theilen. geaügle es . ihm am Weni^
sten, welche die widbUgsten. siein; solllen, in der
Darelellung und Kritik., des S che Hing« He gel-
sehen Standpunktes* Mochte das Bichtige gemeint
und wohl auch ges^g^ sein, so sliess ihn doch der
Halbdilettanttsmus dßv Darstellung zurück — frei-*
IV Vorrede zur zweiten Auflage.
lieh, als Zeugniss seiner damaligen, solchen Stu-
dien ungünstigen Lebensverhältnisse^ vielleicht eher
zu entschuldigen, — mit welchem es in diesen
Theilen der Kritik nicht bis auf die Wurzel der
Sache dringt, sondern das Polemische mehr nm*
assertorisch oder protestirend vorbringt Eine
Philosophie kann nicht dadurch widerlegt sein,
dass man die Mängel und Härten ihrer Weltansicht
bloss im Allgemeinen aufweist.
Diesen Widerwillen überwand erst der Ent-»
schluss des Verfassers, die Schrift in diesem *we-
seniliehstea Theile seinen gegenwärtigen Forderun-
gen und Einsichten- gemäss völlig umzugestalten, und
so wünscht er -sie auch von den Lesern als eine
neue beurtheilt, die erste Ausgabe aber nicht
weiter geachtet zu sehen. — Die Einleitung, bis
auf «Abküraii^ einiger Stellen, ist vollständig bei*-
behalten worden; denn sie schien auch jetzt
noch , nach zwei Seiten hin , ihre Geltung zu be-
haupten, sowohl gegen diejenigen, welche, nach
eiaer freilich jetzt seltner vernommenen Meinung,
die Entwicklung der Philosophie bloss für ein
Aggregat zufällig an einander gereihter Systeme
hatten, als gegen die andere berechtigtere Ansicht,
welche darin nur einen streng noth wendigen
Gang erbUckt und den unmittelbaren dialekti-
Vorrede zur zweiten Aofingoi ▼
nhea Uebergaog zwischeft ded! eiazdiien Syale*
meo, oft nieht ohne Zwang gegen, den! fakittcfaen
Tbatbesland^ aufieuw^aen bemüht ist; iGegeo beide
wird YOQ der.Einletitung, /diem Indtiridualitätd^
principe unserer .Philosophie gefliäss'^ die Atisidit
durchgeführt^ dass, alich ioDerbalb jener orgaqisch
fortacfareiteDdea Entwicklung der Philosophie und
der Nol'hwendigkeit^ mik iVelcher diese das» spe^
kidirende Individuum . durch 'geiiiissej Stufen dur<;h-f
leitet oder auf ihnen festhält, -*- tdiess sind aber
gerade immer die schwächern sjiekulatiVeo Indi-
YiduaKläten 5 mehr geeignet die.zweSte Rolle 2U
^ieleo, als neue fiildungsep^ohen la gründen;, —
dennoch der philosophische Genius . sein .Recht
und seiaen Antheil an der Bildung der Systeme
behalte, und einen Ueberschuss des JndtvidueUen
ihnen beimische, welcher sich keinesWeges ia die
geschichtliche Konstruktion desSystemes hineinfijgt;
daas denmach die wahre spekulative Geschichte
der Systeme ebenso die IndividualitftL wie das All*
gemeine in ihnen, zum Bewussisein bringen müsse.
Ein solcher Ueberschuss des Individuellen, durch
welchen der Genius eines Denkers mit oft wohl-
thätiger Inkonsequenz einen zukünftigen Stand-^
punkt in aeia noch einseitiges' Prinzip hineink^gl),
und so den widerspreehetidefn Doppeku^laud
ti Vorrede zur zweiten Auflige.
eiAer' relativen Volleilduir^ 'und cinee f^roph^tiadiiefi
Vdraci&lbliteks kii'oin ihii'Mlbcrs'Verkiliehieliides^ iii
sicih mert^isdety -^ 'Vfvk iBii«n nur dem Genius
TnbgliGh kit^ ^ wiM auaih der Tliat ron mia
hn d^a Sjrsteittpeii Sf>io6sa's , L^ibtiitcen^s^
fich^lIiDg«,. flteg'elft naobgewibseti ; Ltqd bei
den Di^bergibg^Q ' >oa Fichte zu 'SchelU^g^
vod diäftem m Hegel 5 #0lch^ Dtoa för dW ate--
ligsteti «ui^ ifBOMileibarsten za faoheik gewoiiat
iati^ zeigt sidi Tieltnehr in linserer Kachwei*
aUng/wre durchaus frei * und d^n^ch weit voraus-^
greübodeEingebiing bedingt', der ForUehritt ton
Schieiling aos Fiofaie war, tind wie er ändk
Wiedfer über flegel hinaosgreift.
' '(Jeher 'die in den beiden lersteii Bücbero be«-
kattfdeAten Ffhilosophieen hat dich mein Urihed
tiiehfl. geändert; hier habe ich mich daher mit
Zi^sAüsen und Erweiterungen h^nl^ welche mir
'e\ik orneuertCB' Stikdium dieser Systeme aäs den
<^iieHen TersJshalfke. Wo mir hier^ aus zürfaUigem
Iwterarieohem Mängel, die Quellen nicht alle zu
<hteb6t standeii-, ivie bei der engUscJhen Philoso-
phie y habe ich die dabei za Rathe gezogenett
Geschichtswekke angegeben. Der letzte Theil von
Erd m a nti si ? Geschichte der neuern Philosophie,
welcher iepdjl Absabni« f^ndlich und quellen-
«
Vorrede zw Bwchcn AuAnge. vu
gemäss behandett *)j war leider damals noch «tidbl
erMdiienen^ als Bearbeilung und Abdruck dieser
Partie aieinea Budies Tor «ich gingen.
Das dritte Budi^ welches jetzt auch den
ilaoptabschnittdes Ganren bildet , ist y4>Uig neu.
Seinen Inhalt möchte ich Alien zur Beachtung
empfehlen, \Telche an den gegenwärtigen Zeitfra«-
gen in der Phitoanphie theiloehmen oder sie
miteutecheiden bdfen. Wiewohl es die vielver*
bandeltsten L^iren und Schriften betrifft ; «o
dürfte, gerade durch die rein historische Darle-
gung, Ifatiehes, besonders ttber das Schell ing-
'sehe 'System, in ^nem neuen Lichte erscheinen.
Wie unkritisch und tumultnarisdi die Berichte
nenerer Weike ttber Schellings Philosophie,
wie ungenau sie selbst über Hegel abgelas^
sind, kann eine Vei^icbui^ zeigen« Aber auch
das Verhall niss beider Denker zu einander , in
BezQ^ auf Originalität und Urhebersehaft ihrer
Haupttdeen, festzustellen, schien ein ai^emesse-
ner Nebmizweck unserer Darstellung j da «ie sich
ganz nur auf sachliche Nachweisuc^en gründet,
*) Versuch einer wisjtenschafllicheo Darstellung der Geschichte
der sieu^m Philosophie von J^ E. Erdmann (Bd. II. Abth. 1 :
die KntwicLluog des Empirismus und Materialismus zwischen
Locke und Kant). Leipang 1840.
e i t r ä i: e
zur
C? Iiarakierifitili
der
neueren "Philosophie,
oder
/7.. ..//7y^
^(vjHy>^
kritische Gescliichle derselben
Ton Des Caites und Locke bis auf Hegel.
Von
J. H * Flehte.
Zweite, sehr Termeiirte und verbesserte Ausgabe.
Salzbaehy
in der J. E. v. Seid einsehen Huchhaod litog,
18 4 1.
X Vorrede zur zweiten Aulhgc.
schieden ausfallea. Meine individuelle Meinung
ist 9 welche das Maass ihres Verdienstes vielleicht
noch am Richtigsten bezeichnen vrürde, dass
ich sie Partnern oder Thüi*stehern vor der Halle
der Philosophie vergleiche, die ganz acfatungs«
werth und berechtigt sind, wenn sie den Andern^
welche, wie sie, sich draussen befinden, die ge«
hörige Ehrfurcht vor der Wissenschaft einflösseii,
und in ihrer Umgebung die nöthige Stille erhal-
ten, desshalb aber doch nicht in's fnnei*e beru-
fen werden können, um mit ihren hausbacknen
iumultuarischen und vagen Vorstellungen die tief-
sten, vermitteltsten Fragen der Philosophie, des
Lebens und der Religion lösen am hdfen*
Bonn, im Juli 184l.
Vorrede znr ersten Auflag^e«
Wenn es fiir jeden Schriftsteller wichtig sein
iDUSS) gleich Anfenfip seine Leser in den Gesichts-*
punki to versetzen^ aus weichem er sein Werk
beurtheik zusehen wünscht^ so möchte diess bei
dem gegtewärttgen Unternehmen sogar nöthig sein^
welches woU mehr als jedes andere einer Vor-
rede und Fürsprache bedarf. Denn eine beur^
iheilende Charakteristik der gegenwärtigen Philo-
sophie, wie sie hier angekündigt wird^ möchte
sowohl isoi ihres Gegenstandes willen ^ als wegen
(fes Vetii<nitses y in welches der Beilrth«ilende
dabei sirch selbst zu setzen scheint, zu dem Miss-
Uohsten und VerfängUchsten gehören, av)is in die«'
ser Art überhaupt nur vei^ucht werden kann.
Was iadess hierübes* in wissenschaftlicher Bezie-
hung ftechifertigendes gesagt werden konnte, ent-
hält die EinleitilHig, dui*ch weiche daher Niemand
sich wirklich in die Abhandlung einleiten zu las-
sen vei*schmahen möge. Aber auch ausser jenem
wissensciiarftlicheu Zusammenhange möchte der
Verfasser durch vorl^ßge Rechenschaft über die
XII Vorrede zur ersten Auflage.
äussere Veranlassung , wie über das innere Be—
dürfniss, dass ihn zu diesem Versuche trieb, ei-
nige Theilnahme dafür sich gewinnen. — Seitdem
er nämlich über die Mannichfaltigkeit des wech-
sehiden Meinens hinweg nach geistiger Einheit^
nach Wissenschaft strebte, und je mehr er dabei
die befestigende Gewalt innerer Ueberzeugung ken*
ncn lernte, desto störender, ja räthselhafter müssie
ihm die Uneinigkeit entgegentreten , welche alles
Bemühen um die Wahrheit beständig zu begleiten
scheint, übei'haüpt der seltsame Zwiespalt der An-
sichten,' deren jede mit gleicher Ki*aft und gleich
entschiedener Ueberzeugung behauptet wird. —
Giebt es jedoch Ueberzeugung, mithin überhaupt
Wahrheit} so kann diese , folgerte er , nicht ge-
macht oder erfunden sein durch den Menschen,
sondern als das ewig Allgemeingültige Wind sie
selbst ihn* formen und bestimmen müssen über
jede zeitlich persönliche Beziehung hinaais. Wo-
her also doch jener Streit persönlicher Ueberzeu*^
gungen, die an sich ein Widerspruch scheinen}
woher überhaupt der Zwiespalt der erkennenden
Geister unter sich selbst? — Gäbe es dagegen nir^
gends Ueberzeugung, nur Meinung j so lohnte es
überhaupt der Mühe nicht, geistig zu leben und
zu denken, (was ja eigentlich .dann unmöglich
wäre;) und das thiergleichste Leben wäre dem
Menschen das angemessenste!
Hier galt es aber zunächst, jenem anscheinenr
den Streite selbst näher zu treten, um zu sehen,
Vovredd zur ersten Auflage. yih
ob er in der Thai ein durchgreifender, unvers^hn«-
barer sci^ oder ob die einzelnen GegensUtze auch
in ihrer geschiedenen EigenlhUmlichkeit nicht auf
eine tiefere Ausgleichung hindeuteh, ob nicht überall
eine gemeinsame Beziehung, eine verborgene Ein--
heit sie umfasse. Und so wurde der Verfasser
schon früh zum vergleichenden Studium der ver-
schiedenen Philosophieen und Religionen hinge-
leitet (denn dass auc^ diese in das grosse Gebiet
der Ueberzeuguttg gehören, schien sich ihm von
selbst zu verstehen), um in diesen Betrachtungen,
wo möglich, die Schale ihres äussern Widerstrei«^
ies zu durchdringen , und aus ihnen selbst ihre
organisch beziehende Einheit zu entwickeln. —
Diese Vorübungen eigenen Denkens haben nun
dem Verfasser die eigenihümlich geistige Richtung
gegeben, dass er bei hervortretenden Gegensätzen
überall zuerst ihr GenieinschaftJichcs aul&ucht, und
so den höhern beheiTschenden Mittelpunkt Zuge-
winnen trachtet, \)'elcher, ohne die Gegensätze in
ihrer Eigenheit zu unterdrücken, vielmehr sie mit-
einander verbindet, ihr Wechseiverhältniss , ihre
gegenseitige Voraussetzung hervorhebt. Und so
begann in diesen Uutei*suchungen da, wo ihm sonst
nur unversöhnbarer Zwiespalt erachienen war, sich
ihm allmählig das Schauspiel eines organisch ge-
gliederten Geisteslebens, einer gemeinsamen Ent-
wicklung . in all jenen äusserlLchen Widersprüchen
zu entfalten. Und indem sich ihm bei diesem
fortgesetzten Bestreben auch die grossen Gegen-
iiv Vorrede xur ersten Aufioga
ftäiUe des Lebens, der Zwiespalt der Gegenwart
selbst fiMedlich und harmonisch zu lösen schienen;
so fühlte er sich getrieben, die gefundene Einheit
auch äusserlich darzulegen, und an den eimeelnen
geistigen Erscheinungen zu bewähren. Und wie
er es früher versucht hat, die durchgreifenden
Gegensätze von Glauben und Erkennen, von Offen-
barung und Speculation in diesem Sinne zu deu-
ten und auszugleichen j so sind es hier insbeson-
dere die vermeintlichen Widersprüche der Philo-
sophie, die da gelöst Und zur Versöhnung gebracht
werden sollen. -^ Dass dazu vorzüglich die ge-
genwärtige philosophische Epoche ausersehen wor-
den, daiur liegen die Gründe sehr nahe: scheint
dieselbe nämlich fasl mehr, als jede frühere, reich
zu sein an solchen äusserlichcn Gegensätzen, so
niuss ein solcher Versuch gerade hier um so wün-
schenswerther , zeitgemässer , dringender werden,
weil dieser Widerstreit sogar das Ansehen und die
Bedeutung der Philosophie selbst gefährden oiöch-
te: zugleich wird er aber auch schon um des
Reicbthums seines Gegenstandas willen, sei er nun
gelungen oder verfehlt, mittelbar oder unmittelbar
die wisscnschadliclie Klarheit (brdern und neue
Ansichten erwecken müssen.
Warum jedoch bei einer solchen vergleichen-
den Charakterisiilc der neueren Philosophie in je-
dem Sinne nur „Bei t rag e^^ gegeben werden kön^
nen, diess scheint sich von selbst zu verstehen.
Üass nämlich eine ganze wissenschafLUche Epoche
Vorrede zur ersten Aufltge. xv
sich über den in ihr herrschenden Zwiespalt völ-
lig ausgleiche und verständige, kann auch im gün--
stigsten Falle nie das Werk eines Einzelnen oder
isoliiter Bemühungen sein, sondern die ganze Zeit
muas dazu sich vorbereiten, die bisherigen be-
schränkenden Gegensätze abzuwerfen, und aus sich
selbst eine hoher umlassende, ausgleichende Ein-
heit zu gewinnen. Hierzu nun scheint besonders
]Q philosophisdier Hinsicht die gegenwärtige Epo-
che bei ihrer kräftig allseitigen Durchbildung der
einzelnen Extreme vorbereiteter zusein, als irgend
eine frühere. Deutet hierauf überhaupt schon das
ausgesprochene Bedürfniss unserer Zeit, die sonst
nur einzeln und zerstückelt behandelten Wissen-^
schaflen auf eine gemeinschaftliche Einheit zu be-
ziehen, und zusammenwirkend ein Gesammtre-
suliat aus ihnen zu gewinnen; so können wir
io der Philosophie noch insbesondere auf die Be-
mühungen mancher trefflichen Geister hinweisen,
die geflammte geschichtliche Eniwickelung dersel-
ben als eine gemeinsame, organisch gegliederte,
gleichfalls auf ein Gesammtresultat hinweisende zu
betrachten und darzustellen. Dabei ist es aber
die erste Bedingung, auch das Einzelnste mit voller
Selbstentäus&enmg und ohne jedes Vorausurtheilen
und selbstbeliebiges Anordnen in seiner charakte-
ristischen Eigenthümlichkeit aufzufassen, um ihm
tief und gerechtbezeichnend in jener allgemeinen
philosophischen Entwickeluog seine Stelle geben
zu können. Bleibt nun bei jenen ersten Leistun-
XVI ' Vorrede' 2ur efslen Auflugc.
gen besonders in dieser Riicksadtt vieileicht noch
Manches zu \vünschen übrig, weil diese MänneV
bei ihren Darstellungen meist schon von der Aq*
nähme eines bestimmten Svstemes/ als des allein
wahren und richtigen, au^ingen, statt als Resultat
ihrer Untersuchung es hieraus erst sich zu ge—
winnen j sind ferner bei dem Reichthum jeiieft Ge-
genstandes auch die mannichfs^chsien Bemühungen
Verschiedener rieben einander möglich: so wird
vielleicht auch unser Versuch in dieser Beziehung
nicht als überflüssig erscheinen.
An jeder Kritik über eulgegengesetzte Ansich-
ten entwickelt sich indess voii selbst eine eigenr»
thümliche Uebei*zeugung. Sa auch in diesem FaHe:
sucht man eine Reihe einzelner philosophisdier
Erscheinungen in ihrer zusammenwirkenden Ein-
heit zu bereifen, ihr gemeinsames Resultat ai|s
ihnen zu entwickeln, so ist.diess eben die hö«-
here, daraus gewonnene philosophische Ansichu
Ja man könnte überhaupt sagen , dass jede neue
Philosophie, wenn sie wahrhaft, fördernd sein
w oHcj die gesammten, vor ihr nur einzeln dagewe-
senen Untersuchungen in sich umfassen solle, also
überhaupt das Gesammtresultat alles Vorhergehen*-
den sein müsse. — Desshalb kann man aber auch
die gegenwärtige Schrift eben sowohl als den Ver-
such betrachten, eine eigenthümliche philosophi-
sche Ansicht vorzubereiten, denn als eine wissen-
schaflliche Kritik der vorhei^eheifden Philoso-
phieen : aus dieser soll sich eb^n die neue Ansicht
Vorrede zar ersten Anfingfc. ytii
entwickela und rechtfertigen 5 man soll, wie ^on
aelbfil, zu ihr hinübergeleitet werden, wie sie sel-
ber der Voraussetzung nach auf diese VlTeise zuerst
zum Bewusstsein gekommen. — Liegt daher auch
hier unserer Kritik überall eine in einem gewissen
Grade ausgebildete Philosophie zu Grunde, so kann
dieselbe doch innerhalb der gegenwärtigen Unter-
suchung sidi nur nach gewissen eingeschränkten
S^ten, mehr negativ als positiv aussprechon. Zur
EffgüDzuDg dafiir^ und um die leitende Grundidee
derselben kennen zu lernen^ muss der Verfasser
seine Beurtheiler auf die schon früher erschienene
Vorschule der Theologie *) verweisen, wo dieselbe
onabhängig von allen kritisch-polemischen Bezie-
^knngen in fliren Hauptmomenten dargestellt wor^
den ist. Aber auch die gegenwärtige Schrift bie-
* tet vi^iederum für jene ergänzende Seiten dar^
welche dort um ihrer besondern Aufgabe willen
in den Hintergrund treten mussten. So hat der
Verfasser seine Ansicht vom Erkenntnissvermögen
Qod seiner Entwickelung zur philosophischen Wis-
senschaft hier bei der Vergleiehung L o c k e's und
Leibnitzen's, beiKant, undbesonders bei der
Barvtelking des Eigenthümlichen derWissenachafts«
lehre weitläufiger dargelegt: eine Theorie über
lUmm und Zek wird an der Kritik der Kanti«-
sehen entwickelt, welche er besonders der ein«*
*} Sätze zurVorschuIe der Theologie, Stuttgart und Tu-
bijigaar kk 4er Ceita'«cbeA Buchhandlung 1826.
TV tu Yorrcdt zur ersten Auflage.
dringendslea Prüfung der Mitphilosophireiidea
einpfiehlt, indem er tiberzeugt ist, dassy wena
auch nur über die Bedeutung von Haum und Zeit
EinYersländniss unter den Philosophen gewonnen
werden könnte, alle konsequenten Denker, in der
Hauptsache wenigstens, dadurch eines Sinnes wer-
den niüssten.
Darf der Verfasser noch einen besonderem
Wunsch äussern, so wäre dieser sein angele-
gentlichster: — der Charakteristik der Wissen-
schan;slehre in ihrem Verhältnisse zu den andern
Phiiosophieen der gegenwärtigen Zeit, wie sie hier
versucht worden, einige Aufmerksamkeit zu schen-
ken, damit man endlich aufhöre, immer nur die
hergebrachten einseitigen Vorstellungen von ihr zu
wiederholen, um dann Widerlegungen daran zu
knüpfen, die oft so auf der äusserlichsten Ober^ '
fläche liegen, dass man wohl vermuthen möchte,
ihr Urheber selbst habe sie gekannt, ohne Zwei-
fel also auch die Antwort darauf.
Dagegeu beunruhigt uns ein Umstand, über
welchen gleichfalls vorläufig uns zu äussern, hier
am Orte sein möchte. Kenner werden ohne Zwei-
fel finden, dass in unserer Schrift die Darstellung
des Identitätssystemes, wie in farblosem und ver«
schattetem Umrisse , besonders kurz und dürftig
ausgefallen sei. Diess entschuldige und erkläre ein
doppelter Grund. Zufolge der streng wissenschaft-
lichen Anlage der Schrift konnte hier überhaupt
nur die dialektisch-abstrakte Seite der Lehre zur
Vorrede zur ersten AvOagc. xix
Beiirtlieiluiig lommen: nothwendig aber mii^tst^n
ganz ausgeschlossen bleiben die einzelnen treff-
liehen, Tielanregenden Ansichten über Natur und
Kunst, deren Reichthum und tiefe Genialität den
kleinen wissenschaftlichen Kern glänzend umklei-
den. — Indem wir ferner die filihere wissenschaft-
liche Darstellung jener Lehre ftiglich als eine Tom
Urheber selbst überwundene und abgestreifte Form
ansehen können, yon welchem die höchsten und
rei&ten Resultate noch zu erwarten sind; — und
wir haben in unserer Kritik selbst nicht unange-
deutet gelassen, bei welchem Punkte seines Syste-
mes wir gerade mit vorzliglichem Interesse seinen
neuen Aufschlüssen entgegensehen : — so konnte uns
eben desshalb jene frühere Form besonders nur
als Uebergangsstandpunkt wichtig sein, in-
wiefern sie iron hier aus in der Wissenschaft
der Logik durch dialektische Entwicklung und
Ausbreitung ihres Principes weiter' ausgebildet
worden ist. So musste uns die letztere nach der
ganzen Anlage unserer Schrift hier Ton überwie-
gender Widitigkeit erscheinen , während an sich
freilich das Verdienst des Vorbereitenden, Anre-
genden. Bahnbrechenden als das höhere angese-
hen werden muss. Doch wozu überhaupt solche
äu3serliche Abmessunl|;en des Verdienstes, wo es
ein objektives Maass dafür eigentlich gar nicht
giebtP Es genüge hier, auf das gegenseitige Ver-
hältniss beider Standpunkte wissenschaftlich hin-
^weisen, und es darnach einem Jeden zu über-
XX Vorrede zur ersten Auftago.
laasen, für «ich selbst über den Werib des Eia-
zelaen sich eia Uilhcil zu bilden.
Zugleich eqrreiit der Verfasser diese GiEslegea-
heit, ötnigCQ wohlwollenden Freunden, die ihn
•aufforderten 9 das Erscheinen der Lebensbeschrei-
bung seines verewigten Vaters nicht länger zu
yerscfaieben, in dankbarer Erwiederung kund zu
thun, dass dieselbe von einer Briefsammlung be-
gleitet, wenn nicht besondere Hindernisse in dea
Weg treten y spätestens bis zu Ostern kündigca
Jahres ci^cheinen werde*
Düsseldorf, im April 1828.
Der Verfasser.
Inhal«.
I ^ !■ J*
KwnUsn MueUt Dit aufXant w9ß^h$rei%knJk Sp^d^. S. 27— 173.
I. Jolin Locke tincl Leibnttzens ErkenntniMtlieorld : S. !?9 — 62.
II. George Berkefei: 8. 63—83.
I iL David Home i S. 84^166: Engfffthe Phtlotöpble : Reid»
Pri^stlei, Price ; nraerel'kilDsophie in Cngfaod : S. 10S>-117.
IV. Die Torkantisch« Philosophie in 'Dentscbtaud :" WoTff und
Baamgarten: S. 118—149. Spätere WolfHaner, Darjei, Fr.
T. Grenz, Platner; Lambert, Relmarus; die Popnlarphiloao-
phie: S. 144—173.
■wette« Bnelit Kant und Jacohi. Venuchu Fermiulung
heUer. S. 175-423.
L Immanuel Kant: S. 177«-248.
U. Friedrich Heinrich Jacobt : S. 249^330.
IIL Die Vermittler zwischen Kant und Jacebl t S. 331—374.;
Jacob Friedrich Fries: S. 331--368» Friedrich Bontenreck:
S. 368— 374. Die nachkan tischen nnd nachjacobischen Phi-
losoph! een : J. G. Flehte's alterer Standpunk.t ; G. £« SchuU
xe's Skepticismns ; W. T. Krugs Synthetismus ; die Glan-
benslehre tou E. A. Eschenmajer: S. 374— 420. Zusam-
menfassung alles Bisherigen: S. 421«->423.
BirUies Bmchi DU Phüos^phig der g$genwirtig0n Epoche:
S. 425—1051.
I. Allgemeinste Vor« und Rückblicke: die metiphysisehen Prin-
cjpien Ton Des Cartes, Spinosa, Leibnits: S» 427— 479.
Uebergang In das Folgende: S. 479-- 480.
II. Johann Gotllieb Fichte : S. 481—495. : erste Gestalt seiner
Wissenschaftslehre: S.^495-*531. Zweite GesUlt seines
Systems: S. 532. 587. '
XXII
hhalt
Jll. Frledrfch Wilhelm Joseph Sehclling: 8. 588-781: teia
Yerh&lInlM zu Fichte und zu Hegel : S. 588—593 Ertte
Gestalt seines Systems: S. 593—605. Zweite Gestalt cles-
selbea , als IdentitSUsystem : S. 606—691. Uebergang in
den dritten SUsdpunkt : $. 691—724. EnUcbiedneres Uer-
▼ortreten einer dritten Epoche in ihttt : S. 724 - 757. Spä-
terer Uebergang In einen vierten Standpunkt: S. 758 — 767.
Endurtheil über Scbeüings WelUnsicht: S. 768—781.
IV. Georg Friedrich Wilhelm Hegel: S. 782—1032. Sein er-
stes Hervortreten Schelling gegenQber: S. 784—797. Die
Phänomenologie des Geistes : S. 797—842. Die Wisien-
schalt der Logik : S. 842^928, Die Naturphilosophie :
S. 929—948. Die Philosophie des Geistos : S. 949—1016.
Endurtheil ub^r Hegeb Standpunkt: 5.1017—1833. Die
Philosophie der Gegeowarlf nach ihren drei Haoptelemen*
ten: St 1033-1051.
Beiträge
Charakteristik der neueren Philosophie,
oder
kriäsche Geschichte denelben
Ton Des Cartes und Locke bb auf H^el.
■»> *.
Siehe die Natur um Dich )ier in ihrer ewig beweglichen
Ilnhey in schrankenlos unendlicher Einheit; wie all ihre Kräfte
sich gewaltig ergiessen und durch einander dringen, wie jedes Ge-
schöpf sich behauptet in eigener Natur und Kraft, und wie doch
Nichts der tiefsten Eintracht entweicht, wie Alles klargeordnet und
gemessen daliegt vor dem ewigen Auge. Eben also würdest Du
auch in der Geisterwelt den Frieden erblicken , wenn es Dir
se|h|k94ir^iH«n ko^ttUSi b^rfOfaüittUm am den «igelet Schrat»-
ken, die Dich beengend umgeben. Jedem Geiste ist ein Funken
verliehen aus dem ewigen Urquell des Lichts; aber schon 'dieser
Eine entzündet ihn mit Lust und Begeisterung. Umfasse nun die
einzelnen Strahlen» und zu noch höherer Begeisterung wird sich in
ihnen , wie im Abbilde , das ewige Licht selbst Dir spiegeln , und
in der Geisterwelt , wie in der Natur , wirst Du die ewige H a r>
monie erkennen » die Mutter aller Seligkeit und Schönheit.
Beiträi^e
zur
Charakteristik der neuem Philosophie,
SU
VermiilluDg ihrer Gegensätze.
Siehe- die Natur um Dieb her in ihrer ewig hewegiich^n
Ruhe, in schrankenlos unendlicher Einheit; wie all ihre Kräfte
sich gewallig ergiessen und durch einander dringen, wie jedes Ge-
schöpf sich behauptet in eigener Natur und Kraft, und wie doch
Nichts der tiefsten Eintracht entweicht, wie Alles klargeordnet und
gemessen daliegt vor dem ewigen Auge. Ehen also würdest Du
auch in der Geisterwelt den Frieden erblicken« wenn es Dir
selbst nur gelingen küoute, hervorzutreten aus den eigenen Schran-
ken , die Dich beengend umgeben. Jedem Geiste ist ein Funlen
verliehen aus dem ewigen Urquell des Lichts; aber schon dieser
Eine entzündet ihn mit Lust und Begeisterung. Umfasse nun die
einzelnen Strahlen, und zu noch höherer Begeisterung wird sich'in
ihuen, wie im Abbilde, das ewige Licht selbst Dir spiegeln, und
in der Geislerwelt , wie iu der Natur , wirst Du die ewige H a r-
monie erkennen, die Mutter aller Seligkeit und SdiöuheiL
Inleitung'.
Gleichwie bei den Gegensätzen, die im Lebeti und
Glauben die Geister trennen, ja ganze Völker und Jahrhun-
derte in feindliche Spannung bringen, oft nur ein fehlendes
Wort, ein verborgener Begriff es ist, der, wenn er plötz-
lich in Allen zur Klarheil käme , jeden Streit sofort ver-
mitteln würde: eben also möchte es wohl auch mit der
vielbeUagten Uneinigkeit der Philosophen sich verhalten,
deren Verhandlungen^ äusserlich und obenhin betrachtet,
freilich nur endlosen Widerstreit uns darzubieten scheinen ;
aach hier möchte nämlich eine tiefere Einsicht jene Ge-
gensätze zwar nicht aufheben, wohl aber eine gemeinsame
Entwicklung, eine innere Beziehung in ihnen entdecken
lassen. — Dort ist es jedoch der Geist lebendig histori-
scher Forschung, enthoben von der leidenschaftlichen Span-
nung , die in der Wirklichkeit trennte und angstete , die
innern Ursachen jener Entgegensetzung zu enthüllen , und
darin ihre Versöhnung zu finden : ebenso hätte auch eine
Geschichte der Philosophie nicht bloss in todter Vereinze^
long die mannigfachen Lehren neben einander aufeugreifen,
sondern vor Allem ihren organischen Zusammenhang, ihre
innere Verbindung nachzuweisen ; und so wie der rechten
Historie das Leben der Menschheit in seiner reichgeglie-
derten Entwicklung dennoch als Eines sich darstellen soll,
1
4 Einleitung.
so würde auch in diesen Forschungen nur dic-Einc philo-
sophische Wissenschaft nach ihrer zeitlichen Gestalt, darin
aber immer reicher und vielseitiger sich entwickelnd, er-
scheinen.
Wie nahe aber auch diese Ansichten liegen , so muss
doch der Unberangene gestehen, dass im Grossen und AU«
gemeinen wenigstens für diese tiefere Erfassung der Ge-
schichte der Philosophie noch wenig geschehen sei ; indem,
was man jetzt so nennt, entweder nur eine Sammlung ver-
einzelter Lehren, nach der Zeitfolge oder andern äusserli—
chen Bestimmungen geordnet, darbietet, — als Vorarbeit
und mit kritischer Sichtung vollzogen vorläufig allerdings
von grossem Werthe: oder — was schlimmer und been-
gender ist — indem in den Darstellungen derselben, welche
sich als geistreicher und philosophischer zu empfehlen
gedachten , meistens nur irgend ein gerade herrschendes
System zur Norm der Beurtheilung genommen, also eine
philosophische Besonderheit allen andern zum Maasstabe
aufgedrungen wurde, statt alles Besondere in die Eine all-
gemeine Idee der Philosophie aufzunehmen, und als we-
sentliches Glied in jenem Ganzen es geltend zu machen.
Vor Allem nämlich gebührt es sich auch in der Phi-
losophie , eine jede Erscheinung aus sich selbst zu
verstehen im höchsten Sinne ; d. h. nachzuweisen, wie die
eigenthümliche, tief in der geistigen Individualität ihres Ur-
hebers gegründete Ansicht nach d^m wissenschaftlichen
Standpunkte seiner Zeit und ihren Anforderungen gerade
eine solche werden musste; wie überhaupt sein Denken,
seine ganze Gesinnung aus jenen beiden Elementen , dem
innem und dem äussern, mit Nothwendigkeit erwuchs. —
Ist es doch längst als thöricht verworfen worden^ bei Beur-
theilung eines Volkes, einer Zeit, irgend einen fremden
Maasstab anzulegen: sollen wir doch auch jedem Kunst-
werke mit Selbstentäusserung uns hingeben, aus ihm selbst
seinen Sinn enträthsetnd und seinen Geist in uns aufneh-
mend ; warum geschieht nicht das Gleich mit dem Gedichte
''der Wahrheit, das aus dem innem Drange ilirer besten
Einlcilunsr.
ö"
KräRe die fiegabtcstcn entwarfen? Denn, wenn wir bei
jedem wahrhaften Kunstwerke eine geheime geistige Moth-
wendigkeit erkennen müssen^ welche die einzelnen Theile
sicher zum Ganzen zusaminenleitet , und erst das Siegel
der eigentlichen Wahrheit ihm aufdrückt; wie sollte die-
selbe ausbleiben bei der tiefsten und reinsten Selbstthat des
Geistes , das allgemein Wahre betrachtend in sich selbst
aufzusuchen. Und jede eigentlich philosophische Erschei-
nung bewahrt diess : — sie am Wenigsten kann als Werk
des Zufalls oder bloss persönlicher Willkühr begriffen wer-
den; vielmehr aus geistiger Nothwcndigkeit ^vurde ihr Ur-
heber getrieben, sie also auszusprechen , und nur sein In-
nerstes hat er an ihr dargestellt ; und so enthält sie gewiss
irgend eine wesentliche Seite, ein nothwendiges Element
der Wahrheit. Ja selbst in der Zeit ist ihr die bestimmte
Stelle angewiesen : nur an dieser Stelle , nur in solchem
geschichtlichen Zusammenhange konnte sie sich entwickeln
in der allgemeinen Fortbildung der Erkenntniss.
Und diese Ansicht, wie wenig durchgefilhrt sie hier
anch noch sei, scheint sich doch schon in Rücksicht auf
das zu empfehlen, was die ganz formale Gründlichkeit einer
Beurtheilung verlangt« Bei jedem entschieden hervortre-
tenden Gegensatze , worin es auch sei , pSegt klare und
besonnene Ausscheidung fast immer schon versöhnend zu
wirken: man erkennt sofort, wie der Gegner, mit seiner
Ueberzeugung auf einem eigenthümlichen Schwerpunkte
nihend , in seiner Art nicht anders denken oder handeln
kann; wie also allerdings die Wahrheit von ihm ergriffen
worden sei, aber nur in einer besondem Gestalt, von einer
bestimmten Seite. Kurz, auch die äusseriichste Betrachtung
vms endlich zur Anerkenntniss leiten, dass alle Gegensätze^
die in der Wissenschaft wie im Leben die Geister schei-
den, selbst nur Glieder einer verborgenen Einheit sind, die
eben in ihnen den Reichtbum ihrer Beziehungen offenbart ;
dass also Gegensatz und Widerspruch niemals das Letzte
sei, sondern nur die äussorliclie Erscheinung, die zu über-
windende Form innerlieh einträchtiger Wahrheit ausmache.
6 1 Einlcilungf.
hideni wir nun in dtcscm Sinno eine Charakterif»tik
der neuern Philosophie zur Vermittlung ilirer Gegensatze
hier ankündigen: so können wir freilich die mannigfachen
Schwierigkeiten uns nicht verbergen, die gerade zur gegen«-
wärtigen Zeit ein solches Unternehmen nothwcndig treffen
müssen. Aber eben ihr scharfes Erfassen, Uur deutliches
Bewusstsein wird uns vielleicht über die Sphäre derselben
auf einen Standpunkt erheben , von welchem aus sie von
selbst sich erledigen. — Giebt es nämlich, könnte man sa-
gen, überhaupt schon kein misslicheres und undankbareres
Geschäft , als Gegnern vermittelnd sich aufzudrängen , die
selbst noch in eifrigem Kampfe begriffen sind, weil schon
das Anerbieten einer solchen Ausgleichung jeder Partei ihr
eigenthümliches Recht zu schmälern droht; so scheint bei
philosophischen Ansichten insbesondere ein solcher Versuch
zugleich vom Verdachte der höchsten Anmassung nicht frei
bleiben zu können. Jede Ausgleichung setzt gegenseitige
Abgränzung, sonach völlige Klarheit über das Auszuglei-
chende voraus; man scheint sich dabei, selbst parteilos,
über alle Parteien stellen zu wollen. Tritt hierbei aber
nicht die Voraussetzung hervor, dass man, um Jedem sein
Recht zu thun, selbst in sich vollendet zu sein vermeine,
dass man also über die tiefsten Fragen bereits mit sich
abgeschlossen habe, in deren zweifelhafter Lösung jene
noch begriffen sind? Und wer möchte wohl,, auch nur ak
unausgesprochene Voraussetzung^ den Schein solcher An-
massung auf sich laden? — Ja selbst davon abgesehen,
wie schwer ist es, auch nur strenge Unparteilichkeit über
seine Zeit von sich behaupten zu wollen, indem man selbst
ja in ihr wurzelnd niemals ganz sich von ihr abzulösen
und sich über sie zu stellen vermag, was im höchsten Sinne
vielmehr ein geistiger Widerspruch wäre! Denn in wel-
chem Verhältnisse zu ihr wir auch stehen mögen; im*
mer bleibt sie die Grundlage und die Voraussetzung unse-
rer Ansichten, wie unseres ganzen geistigen Lebens: und
so haben gerade diejenigen, welche sich ganz von ihrer«
Zeit loszumachen und ihr völlig entgegenzusetzen suchten,
Eialeilung. 7
stdi dadurch vielmehr als die voUsUndigslen, aber iicgfafi*-
ven Produkte derselben erwiesen, — Endlich aber scheint
auch noch im Unternehmen selbst, über die rhilosophic
seiner Zeit ein entscheidendes Urtheil zu fällen, eine ans
Umnögliche granzende Schwierigkeit zu liegen. Die An-
atdit jedes lebenden Penkers ist nothwendig noch in Ent-
wieklung begriffen, und so täuscht sie gerade die unbe-
fangenste und anerkennendste Prüfung, weil sie, nach Aussen
wandelbar, nach Innen unvollendet, in keiner Art ein ab-
geschlossenes fiild darzubieten vermag, und sie so den
Prüfenden nur über ilirc mannigfachen Metamorphosen ohne
AbscUass mit sieh fortreisst. Daher denn auch die ge-
wöhnliche Erfahrung, dass bei dem Urheber selbst auch
die scharfsinnigste Kritik seiner Ansicht selten Eingang fin-
det, indem er die von jener etwa wirklich getroffenen
schwachen Seiten derselben immer noch durch fernere Ans-
büdmig befestigen zu können hofft, während der innere
tragende Kern seiner Lehre ihm nnerschuttcrUch scheint
durch eine solche bloss von Aussen angreifende Kritik*
Und in .der That ist eine jede tiefe und consequente Welt-
ansickt durchaus unwiderlegbar von Aussen her, indem sie
seihst aus der Zerstörung ihrer einzelnen Formen immer
wieder neu zu erstehen vermag. Und so erscheint eine
solche negative Prüfung oder ausserliche Widerlegung über-
haupt als das imfruchtbarste Beginnen, weil es nicht ein-
mal die Wissenschaft wahrhaft zu fördern vermag, persön-
lich aber von keinem, oder nur von sehr vorübergehendem
Einflüsse ist. Jeder festgeschlossene wissenschaftliche Stand-
punkt ist vielmehr dem andern schlechthin undurchdring-
lich, ^eichwie im Physischen eine Materie der andern ; weil,
was jeder voraussetzt, und worauf er sich gründet, der
andere gerade von sich ausschliesst , um der entgegenge-
setzte zu sem ; und in dieser Wechselnegation abgeschlos-
sen, sind sie vielmehr dadurch ihre gegenseitige Wi-
derlegung, dass jeder in sich den Gegensatz des andern
hervorhebt und fiur sich geltend, macht.
SoU daher überhaupt von wissenschaftlicher Beurlhcilung
8 EinteiUing.
ii^end einer Art die Rede sein : so gilt es zunächst nichf,
mit irgend welchen fremden Voraussetzungen zu dem za
Prüfenden heranzukommen, sondern völlig in dasselbe ein*
zugehen, und seinen ganzen wissenschaniichen Mcrgang von
Neuem in sich durchznentwickeln. Hier ist nur das dop-
pelte Ergebniss möglich. Indem wir auf diese Weise ans
uns selbst und unserm Gegensatze vorläufig heraustreten,
finden wir uns Entweder völlig versöhnt mit der also durch-
drungenen entgegenstehenden Ansicht: der Widerspruch ist
durch sie selbst gelöst, und zwar in der Weise, dass sie
nim unsem eigenen Standpunkt in sich mitumfasst, dass sie
überhaupt sich als die höhere, entwickeltere, reichere be-
wahrt. Oder wenn bei diesem völligen Eingehen in die
entgegengesetzte Ansicht der Widerspruch sich noch als
ungelöst und unüberwindlich zeigt: so wird eben an dem
deutlichen Bewusstsein dieses Gegensatzes hervortreten müs-
sen, was jedem der beiden Extreme für sich selbst fehlt,
und welche höhere Einheit beide vermitteln müsse. Die Er-
kcnntniss dieser Einheit wäre daher nun eben das dadurch
gewonnene vermittelnde Resultat; und so behält. auch in
diesem Falle Einheit und Versöhnung das letzte Wort.
Muss indess vor Allem in der Philosophie, als der
Wissenschaft vom Unbedingten, das Bewusstsein siqh
hervorthun, dass, gleichwie jenes nur das Eine, es also
auch nur Eine Wahrheit geben könne ; dass aber, ebenso
wie das Unbedingte in seiner Einheit dennoch die Unend-
lichkeit befasst, auch diese Wahrheit darum keineswegcs
als eine einfache , vereinzelte , ein far allemal fertige zu
' denken sei, vielmehr eine Mannigfaltigkeit und geschlossene
Totalität von Erkenntnissen, Gedankenbeziehongen und sich
ergänzenden Betrachtungsweisen in sich enthalten müsse, kurz
dass die Wissenschaft der Wahrheit nur als System wirk-
lich sein könne : so folgt daraus von selbst, dass auch die
einzelnen historisch hervortretenden Erscheinungen dieser
Wissenschaft innerhalb des Einen, zeitlich sich entwickeln-
den Systemes fallen, und in bewusstloser oder deutlich be-
wusster Beziehung auf jene Einheit niur Stufen seiner Eilt«
Ekdeituig. 9
wiciding sind. Eb folgt daher nicht bloss änsseriich eine
PfaOosophie auf die andere, sondern, nach einem im grosse«
Gange der Wissenschaft sicher einmal eintretenden Fort«
schritte, setzt die känftigc die voriiergehenden in sich Tort,
und vereinigt die vorher vereinzelt geblieb(»ien Gegensätze
in einer umfassenden Einheit; ohne dass jedoch in dieser
Gesammtentwicklmig bei der hier mitwirkenden Freiheit
der Individualitat nach ihrer Begabong oder zeitlichen Acu^
seriichkeit, Seiten wen düngen und Wiederholung, theil weise
Rückschritte und Umkehr, wie in der gesammten Weltge-
schichte, so auch hier ausgeschlossen waren.
Ist nun in irgend einem gegebenen Zeitpunkte philo-
sophisdier Bildung es nicht gelungen oder noch nicht ver-
such! worden, jene orientirende Vermittlung über ihre Ge^
gensätze zum Bewusstscin zu bringen, so kann dabei nur
der doppelte Fall stattfinden : entweder es giebt wirklich
spekulative Elemente in der bisherigen Bildung, welche je-
der Vermittlung noch unzugänglich bleiben, — wie Solches
in Betreff der gegenwartigen, so verwirrungsreichen philo-
sophischen Epoche wirklich stattzufinden scheinen könnte;
— oder die Vermitthmg in einer bestimmten Philosophie
oder wenigstens im Principe einer solchen ist wirklich vor.
banden, sie ist nur noch nicht allgemein eriumnt oder in
Kraft gesetzt* In beiden Fällen werden wir immer am Si-
chersten und Gründlichsten auf die historische Genesis einer
solchen Epoche, in welcher der Fortgang in stocken scheint,
einzugehen Veranlassung finden. In jenem Falle wird an
der Sinächt, was den vorliegenden Elementen zu ihrer
hohem Vermittlung noch abgehe, zugleich das Bewusstsein
über dies vermittelnde Princip, über die bisher noch feh-
lende Einheit hervorbrechen : die bloss historische Forschung
gewinnt zugleich ei^ heuristisches Resultat. Im letztgedach-
ten Falle muss, in ganz ähnlicher Wendung, das, wenn
auch vorhandene, doch nicht anerkanntiB System zu seiner
vollständigen Geltung, oder sein Princip zur vollen Ausfüh-
rung gefaingen. Von Beiden hoffen wir im Nachfolgenden
Beispiele darzulegen, wo einestbeils bisher noch unverslau*
dene und in der spekulativen Gosammtentwicklung noch
nicht mitfortg^nommenc; Keime ruckwartsliegender SUmd*
punkte weit in die Folgezeit prophetisch hin(ä)ergreifeii,
«ndernlheils aber darin eben die Ideen nachgewiesen wer«
den, deren wir bedürfen, um die gegenwärtige philosopbi-
sche Epoche zum Selbstverstandniss und zu einem neuen
Fortschritte zu bringen. Immer daher ist die Geschichte
4er Philosophie selbst spekulativ , und die Geschichte ihrer
Gegenwart der Versuch, sie über sich selbst zu steigern;
in ihrem historischen Zusammenhange muss nämlich jene
verborgene Einheit am Deutlichsten hervortreten. Wenn
wir daher in jeden besondem Standpunkt vollstajidig ein-
zugehen, ganz mit ihm Eins zu werden suchen; so wird
sich darin zugleich die JVothwendigkeit finden , über ihn in
seiner Begranzung fortzuschreiten zu dem nächsten , auck
historisch aus ihm hervorgetretenen: die vollendetere Form
wii'd sich überall ganz von selbst aus der niederen ent-
wickeln, und befreit von den äusserlichen Zufälligkeiten,
welche ihre erste historische Erscheinung umgaben, werden
sie hier in ihrer wahren Gestalt und in ihrem Innern Be-
piffsverhältnisse zu einander erscheinen. Ihr gemeinsames
Resultat tritt vollendet und in reinem Umrisse aus ihrer
Zeit hervor, mit seinem eigenthümlichen Gewichte, aber
«uch vielleicht noch in der nothwendigen Begranzung , die
-abermals weiter treibt zu einer noch höheren Vollendung:
ud so ist die Mündung im Strome der Erkeimtniss wie-
derum zur neuen Quelle geworden.
Darm liegt aber zugleich die grosse spekulative Be-
deutung, die also behandelt die Geschichte der Phi-
losophie iur sie selbst erhalten muss. Wie die Eine
Idee der Philosophie in ihrer zeitlichen Entwicklung notb-
wendig die Gestalt einzelner^ neben einander tretender Leh-
ren annimmt, durch welche hindurch dennoch nur das Eine
System derselben sich verwirklicht; so ist die also behan-
delte Geschichte derselben in ihrer eigentlichen Bedeutung
nur das Bewusstsein der Philosophie über sich selbst
in dieser Form der Zeitlichkeit,, die darin eben die ausser-
Einleilung. 11
lieh zufällige Geslalt an sich abslrcifen, die einzelnen zeit-
lich entlegenen Formen zusammenrassen soll, um das in
ihnen gewonnene gemeinsame Resultat, die jeweilig erreiclite
Höhe auszusprechen. Und so könnten wir sagen, dass auch
jede einzelne philosophische Erscheinung, erst in diese all-
gemeine Geschichte aufgenommen, ihre wahre Bedeutung
erhalten könne, weil sie nur hier nach ihrem Ursprünge^
wie nach ihrer Entwicklung richtig aufgefasst und in ihrem
Verhaltnisse zur allgemeinen Wissenschaft vollständig be*
grifien wird« In diesem Sinne ist daher die Geschichte der
Philosophie ein wesentlicher Theil der allgemeinen philoso-
phischen Wissenschaft : sie ist die umfassende Rechenschaft
über sich selbst in ihrer gesammten zeitlichen Entwicklung,
damit aber zugleich das Vernichten der Zeit als eines un-
wesentlichen Elementes ihrer Erscheinung, und der Beweis
ihrer Einheit und Ganzheit in jenen äusscriich entlegenen
Philosophieen. Wie sie aber diesen Beweis im Ganzen und
durch alle Zeiten hindurchzuluhren hat: so kann sie diese
Selbstrechtfertigung auch für eine einzelne Epoche über-
nehmen, was um so nöthiger wird, wenn in derselben bei
dem raschen Wechsel scheinbar widerstreitender Syste-
me das Bcwusstscin der Einheit in den Hintergrund getre-*
ten ist
Und aus diesem Gesichtspunkte wünschten wir den
gegenwärtigen Versuch beurtheilt! Wir wollen den wis<^
senschafUicben Process der letzten Epoche von Neuem in
uns hindurchentwickeln, um an ihm selbst sein gemeinsa-
mes Resultat und seine höhere Einheit zu finden ; in keiner
Art aber uns über ihn erheben mit einer ausserlich negi-
rendcn Kritik, oder ein anderes vorausgewonnenes Resul-
tat ihm entgegensetzen ; überhaupt nicht uns über oder ge-
|[en ihn stellen, sondern mit ihm und durch ihn selbst die
vermittelnde Einheit gewinnen. — Und hierdurch möchten
von selbst die meisten Einwendungen erledigt sein, die
Anfangs unserm Unternehmen sich entgegenzustellen schie-
nen. Wie dadurch der Verdacht jeder Anmassung ver-
schwinden muss, so scheint auch in der Darstellung die
12 Einleitung.
Iidcliste Parteilosigkeit dabei mögiich zu werden, indem in
dieser rein wissenschaniichen Entwicklung nicht eine An-
sicht gegen die andere einseitig hervorgezogen oder ver-
Ihetdigt werden soll, sondern jede in ihrem Verhältnisse zu
jeder durch sich selbst sich geltend zu machen hat. Die
einzige Schwierigkeit würde vielmehr lediglich in der An*
forderung bestehen, auch die Philosophie der nächsten Ge-
genwart als eine historisch vollendete und zeitlich abgelau-
fene aufzufassen, also nämlich, dass sie befreit von den
zufälligen Beiwerken ihrer unmittelbaren Erscheinung in
ihrem wesentlichen Resultate hervorzutreten hätten, wo-
durch erst scharf abgeschieden werden könnte, was wirk-
lich durch sie schon gewonnen, und was, als gerade durch
sie Gefordertes, zunächst zu leisten sei, wo also die Gränze
der Gegenwart wäre, und was die Anforderungen an die
Zukunft. — Welche Schwierigkeiten aber auch noch unter
diesen Bedingungen, oder vielmehr um derselben willen,
ein solcher Versuch darbiete; dennoch enthält er an sich
nichts Widersprechendes oder Unausführbares, noch wider^
streitet auch nur der Gedanke eines solchen dem Bewusst-
sein der Bescheidenheit, zu der jeder Wissenschaftliche, je
liefer er dringt, desto tiefer sich aufgefordert fahlen wird:
vielmehr erscheint er als eine nothwendige Aufgabe der
Zeit an sich selber, die sich besonders unter gewissen Ver-
hältnissen fast als unabweisbar ihr aufdrängen muss. Wenn
nämlich die Geister in völlig geschiedenen Strebungen , in
dusscrlichen Gegensätzen sieh immer mehr veriieren, wenn
überall nur einzelne Richtungen eingeschlagen werden, de-^
ren keine jedoch zu voller Entschiedenheit und zu klarer
Vollendung gelangt : dann drängt das Interesse der Wis«
senschaft von selbst darauf hin, diese vercinzdten Strah-
len der Erkenntniss wieder in Eins zu Hassen, und au$ dem
Äusseren Scheine einer verworrenen Mannigfaltigkeit und
eines zerstörenden Streites das Bewusstsein des gemeinsa-
men Fortschrittes wiederherzustellen. Und äo kann ein
solcher Versuch, besonders für die gegenwärtige philoso-
' phische Epoche, nicht bloss iiir ein zufälliges Untemehmen
Bitiieitung. |3
geben j dad begonnen oder auch unterlaagen m werden vcr«
möchte, ohne in einer wesentlichen Beziehung zur Wissen-
schafi zu stehen ; vielmehr ergiebt es sich als ein durchaus
nothwendiges , das auch im Einzehien missglückend immer
wieder aufgenommen und irgend einmal vollendet werden
rnnss. Es ist eben nur das wissenschaftliche Bewusstsein
der gegenwärtigen Philosophie über sich selbst und da«-
durch die Einsicht über die Berechtigung, wie über die
gcgensekige Ausgleichung ihrer Gegensatze.
Was nun jedoch den vorliegenden Versuch einer sol-
chen Vermittlung betrifft: so kann auch er nur eigentlich
durch sich selbst sich rechtfertigen, oder sich unmittelbar
selber sein Urthcil sprechen. Auch das Schwierigste muss
einmal gewagt sein, und das Schwächste dennoch auch sich
selbst vertreten; eine. vorläufige Rechtfertigung aber wäre
eben so unstatthaft als vergeblich I Zudem lässt es sich,
wie bei allen wissenschaftlichen Fragen , so auch hier zu
vollkommenem Bewusstsein bringen, ob man verstanden
und in wie weit, und ob das also Gcftmdene das Gepräge
durchaus befriedigender Vi^ahrheit an sich trage.
Hätte freilich der Geist des Menschen zur Wahrheil
überhaupt nur ein äusserliches Verhältniss, dass er in ihr
Ziel treffen oder sie verfehlen, auf sie stossen oder an ihr
voibeigehen könnte; wäre alles Erkennen nur, dem zulal-
ligen Errathen eines Räthsels gleich , ein Erdenken mehr
oder minder passender Hypothesen: dann wäre überhaupt
alle Forschung und Wissenschaft nur ein zufUligea Tappen
um die Wahrheit herum ; ja wirklich ergriffen könnte sie
nie als solche erkannt werden , und ewig abgeschieden
vom Irrthume. Denn woher doch in diesem Verhältniss
dem Geist das innere Kennzeichen, die Gewissheit, nur
hierandieWahrheitzu besitzen, wenn sie selbst nichts
ihm Inneres, seine eigene Natur wäre? — Und
60 ist umg^ehrt vielmehr zu behaupten^ der Geist sei ur-
sprünglich schon in der Wahrheit, und nur dadurch er sel-
ber Geist — frei aus sich selbst Erkennendes, — dass
sie ein in ihm Gegenwärtiges sei, welches nur erkannt
14 EInleiInng.
zu wierden« eben nur entwickelt, zum Bewusstsein ge-
bracht werden müsstc: daher auch ihr Kennzeichen nur
ein dem Geiste eingebornes sein konn, ein ursprüngli-
ches tUchtmaass desselben, mit innerer Nothwcndigkeit
sein Auge leitend und bestimmend. Mit Einem Worte:
die Wahrheit selbst macht den Geist des Menschen, der
nur also ein erisennender wird ; nicht etwa umgekehrt macht,
erfindet der Erkennende die WahrheK. Jenes unwidersteh-»
liehe Bewusstsein der sich selbst ankündigenden Wahrheit
nennen wir Evidenz im weitesten Sinne ; und so wie
diess sich nicht erdichten lasst oder 'erz>vingen, eben so
wenig kann es verkannt oder verlfiugnet werden ; es lässt
sich in keinem Simne zur Lüge machen, sondern es be«
herrscht den Geist und bemächtigt sich seiner, völlig ihn
gestaltend zu seinem Bilde.
Doch woher denn, da auch das Verschiedensie mit
gleich aufrichtiger Ueberzeugung behauptet wird, dieser
seltsame Kampf von Evidenz gegen Evidenz, demnach von
Wahrheit gegen Wahrheit, wenn diese, welche doch nur
Eine sein kann^ dass allein Gestaltende aller menschlichen
Erkenntniss wäre? Woher überhaupt dann Irrthum und
Lüge, die, wie sie der Widerspruch sind^ nun auch das
schlechthin Unmögliche sein sollten?
Indem wir diese Frage hier nicht abweisen können,
werde bedacht, dass sie überhaupt mit den tiefsten speku-
lativen Problemen vom Verhältniss des Allgemeinen zum
Individuellen, des Nothweiidigen zum Freien zusammenhan-
ge, dass ihre volle Lösung daher eigentlich nur vom höch-
sten Standpunkte der philosophischen Betrachtung gelingen
könnte, indem, wie wir schon andeuteten, nur dadurch er-
Uirt werden kann, wie überhaupt der Widerspruch
zum Dasein gekommen. Wenn daher an gegenwärtiger
Stelle nur allgemeine Betrachtungen darüber genügen müs-
sen : so können diese eben desshalb auch nicht in streng
wissenschaftlicher Form dargestellt werden.
Wahrheit — wir entwickeln und erläutern diesen Be-
griff nur aus der Unmittelbarkeit seines Wortverstandes, in
/
Einleitung. 15
welchem er sich nns darbietet — Wahrheit \sk «berfaanpt 4ad
Wesentliche im Sein und der Erkenntniss der Din^;
das, ^ns sie abgesehen von dein Zufälligen ihrer imniitleU
baren Existenz and ihrer Verhältnisse, allgemein und notli^
wendig sind , — das eigentltch S e i e n de in ihrem ein*-
zefaien Dasein. Indem wir sie sonach überhaupt als da*
Allgemeine in den Dingen bezeichnen, ist damit nicht ge-
meint eine unwirkliche, nur durch Abstraktion des Denkens
gefundene, rein subjective Allgcmeinheil , viehnehr das
lebendig Gestaltende in den Dingen selber; die innere
Schöpferkraft, durch die sie werden, was sie sind; —
demnach die ihnen gemeinsame Einheit, welche dennoch
zugleich sich in ihnen zur unendlichen Mannigraltigkeit ge-«
staltet. •
Diese objektive, seiende Wahrheit demnach, welche
wir, so eben als das Schöpferische und innerlich Gestal-
tende der Dinge bezeichnen mussten, ist selbst zugleich
dasjenige , was wir in unserm Erkennen derselben suchen,
uiid was wir durch ihr Denken zu erreichen gewiss sind,
indem uns dies den realen Begriff des Dinges, die
Idee desselben finden lässt, d. h. was als objektiv
Wahres im Dmge gegenwärtig und sein eigentliches Sein
ist, in die Subjektivität unseres Bewusstseins und Er-«
kennens einfuhrt. Hierdurch , durch dies stete Eingehen
des Objektiv -wahren in's Subjektiv - wahre in jedem Acte
des Erkennens und Begreifens, sind wir nun unmittelbar
gewiss, — es ist die unbewnsste (erst in der Spekulation
zum Bewustsein erhobene, damit aber eben zur Frage, zum
Zweifel gewordene) Voraussetzung — das Erkannte ein für
allemal bewältigt zu haben, in den intellektuellen Be-
sitz desselben gekommen zu sein.
W^as ist aber der Grund dieser Voraussetzung, auf der
alles Eikennen beruht? Nur dadurch können wir jenes
innerlich Objektive der Dinge der Erkenntniss für zugang«
Bch halten , wenn dies an sich selbst und ursprünglich ein
Gedankenmässiges, intelligibler Natur isf. Die
ebenso unbewnsste Voraussetzung demnach, auf welcher die
16 EitilciUmg.
Biliheit des Sobjcktiven and Objektiven, die Uebereiiulim-
Biungf unsers Erkcnnens mll den Dingen sich gründet, ist
eben die, dass die Dinge ihrer Wahrheit nach selber nur
Gedanken, Gedachtes sind eines schöpferischen Gei-
stes, der jedem Dinge nach seiner Art einen Gedanken als
seine innere Wahrheit eingebildet habe, aus dem es sich ent-
wickelt, wie 9n& seinem Lebenselemente, und in dem es die
Begränzung, das Individuelle, seines Daseins findet
Das objectiv Wahre der Dinge, das Subjektivwerdenkönnen
desselben in jedem Akte des Erkennens, die stets daran
sich bewahrende Einheit beider, leitet demnach zxxrüdk zum
höchsten metaphysischen Wahren, zur Gewissheit des
ewi^fen Geistes, der nur als urerkennender zu^eich
unendlich schöpferisch zu sein vermag, und der so auch
als der wahre, allein begreiflich machende Grund des Er-*
kennens sich zeigt, dessen wir mächtig sind«
Abe^wiewir — als erkennende Geister — somit
unmittelbar schon in der Wahrheit sind ; so bleibe uns ein-
gedenk, dass wir endliche seien, dass also auch die
Wahrheit in uns nur besondere Gestalt annehmen könne.
Und hierin eben liegt das Geheimniss aUes individuellen
'Bestehens, seine Kraft, wie seine Ohnmacht; das Recht
seiner Sclbstigkeit, und dennoch die Nothwendigkeit , aus
dieser Begränzung herauszutreten. Die Wahrheit, also sich
individualisirend, kann dadurch freilich nicht in das Gegen-
theil von sich übergehen , zu absolutem Irrthum und Lüge
werden, die vielmehr in ihrer Reinheit unmöglich scheinen,
indem selbst der Irrthum nur mit den Kräften der Wahr-^
heit sich behaupten, nur die äusserste Entartung eines ur-
sprünglich Wahren sein kann, wie auch die Krankheit aus
dem Mittelpunkte des gesunden Lebens sich entzündet: —
wohl aber ist sie nirgends die ganze , den unendlichen
Reidithum ihrer Beziehungen umfassende, die Allwahr-
h e i t. Und würde es den endlichen Geist gelüsten , diese
zu behaupten^ so woUte er^ nach jenem alten Worte des
furchtbarsten Frevels, sein wie Gott, ja Gott selber wer-
den I — Sich oflenbarend aber im Einzelnen, unterwirft sie
Eiiileilong. 17
sich damit zeitlicher Entwicklung': es legt iirsUn«
endliche hin auseinander, was in ihr ewig Eins ist So
wird ihre Einheit nicht getrübt, oder in Widerspruch ver-
kehrt; aber wie sie wirklich erscheint da und dort, ist
es immer eine vereinzelte Gestalt, die andere und wieder
andere sich gegenüber hat. Innerlich und in ihrer Wurzel
ist sie allen Geistern die Eine; aber wie sid Ausdruck und
Wort durch sie hindurch gewinnen soll , wird sie in den
Einzelnen eine unendlich andere. So leben die endlichen
Geister in der Einen Wahrheit, wie die irdische Welt in
Einem Lichte; und wie diess im Leiblichen Alles erleuch^
tet und sichtbar macht, so .erkennen auch jene nur in ihr
und durch sie, inwieweit sie selbst ihnen ihr Licht verieibt.
Aber alle schauen sie nur durch den Blick ihrer Individua-
lität hindurch , demnach als eine besondere , und bedürfen
daher, wie gross auch das Recht ihrer Eigenheit ist, ge-
rade um diese in ihrer Gesundheit und Wahrheit zu befe-
^igen, der steten orientirenden Gemeinschaft.
Diess leitet uns zur liefern Anerkenntniss der Indi-
vidualität im endliclien Geiste, die hiernach als das
eigentlich Gottverliehene in. ihm sich ergiebig als das^ wo-
durch er im Tiefsten zusammenhangt mit dem ewigen Gei-
ste, und das ihn Oflenbarende wird aufeigenthüraliche
Weise. — Wie nämlich auch in den niedem Kreaturen
diese innere Anlage das eigentlich Gestaltende ist, der
Trieb , woraus sie eigenthümlich sich entwickeln ; so stellt
sich dieselbe im begabteren Menschen als geistiger Trieb,
Bis Talent im weitesten Sinne dar, als die unauflösliche
Nothwendigkeit , diess künstlerisch zu gestalten und auszu-
bilden, oder also die Dinge anzuschauen, oder in prakti-
schem Triebe die Wirklichkeit nach religiösen , sittlichen
oder politischen Zwecken umzugestalten. Und die original-
sten Geister sind eben desshalb die unwillkülirlichsten, weil
sie am Kraftigsten und Entschiedensten ihre Individualität
kund geben müssen. Und so könnte in dieser Hinsicht der
Mensch eigentlich nach nichts Höherem streben, wie nichts
Grösseres erreichen, als seine Anlage rein und ganz
2
18 Einloitung.
nns sich zu entwickeln, wenn es möglich wäre: denn in
ihr besitzt er sein heilig Urspriinglichsies ; durch sie ollein
ist er an seinem Theilc die Offenbarung des ewigen Geistes.
Wenn es möglich wäre — setzen wir jadoch ausdrück-
lich hinzu : denn auch hier ist das Ewige von keiner ge-
gebenen Erscheinung ganz zu bewältigen, weil es ihre
innere Grundlage, das schöpferisch in ihr Gestaltende isl,
das also wie ein nie völlig aufgehender Rest in ihr zu-
rückbleibt. Und eben dadurch werden wir dahin zurück-
geleilet , was wir in eigener Ausschliesslichkeit nicht zn
erreichen vermögen, in der Ergänzung durch Andere zu
suchen. — Nur das wahrhaft göttliche Geschenk geisti-
ger Gemeinschaft durchbricht jene subjektive Schran-
ke, welche, wie sie als die Hülle der Individualität das Hei-
ligste und ünantaslbarslc ist, so doch zu enger selbstischer
Beschränkimg gesteigert, der Oucll alles Irrthums wird.. Diese
ist es daher auch, durch welche in der Spekulation allein
ein wahrhafter Fortschritt gewonnen werden kann; indem
auch hier der Wechsel von Ausbreitung und Zusammen-
fassung ein unvermeidlicher ist. Was sich in einzelne
Gegensätze herausarbeitete, fasst irgend ein Nachfolger
zusammen, und spricht das bindende Wort der Einheil
darüber aus. Und wenn so die einzelnen Sylben und Worte
sich immer reicher zu ganzen Aussprüchen der Wahrheit
sammeln; so ist darin auch das Einzelne .des Strebens
imd Gelingens werlhvoU und geheiligt durch die Einheit,
die, sichtbar geworden, oder noch verborgener Weise,
Alles durchdringt. Danun sollte man aber vor Allem Ver-
söhnung und Frieden in die Geisterwell hineinrufen;
denn ilirer aller ist ein gemeinsames Werk, das nur in
Eintracht und Gegenseitigkeit gedeihen mag. Das isl ja '
der Stolz wie die Demxith des Menschengeistes , dass , wie
er auch der selbstcrrungenen Erkenntniss kräftig ge-
wiss sei , er doch nur in dem Zusammenhange dieser gei-
stigen üeberlieferung , und in ihr sich lebendig erhaltend,
vor sich selbst völlige Sicherheit und Genüge, ja die eigent-
liche Bürgschaft fiir die Noihwendigkeit seines Beginnens
Eiiileilunor* 19
"O
finden kann. Aber nur in der Tiere der höchsten Idee wird
er diese Eintracht finden^ Eintracht bei äusserlicb grösster
Verschiedenheit; wShrend an der Oberfläche freilich nur
die auseinander laufenden Strahlen des gemeinsamen Mit-
t(*]piinktes gestreift werden können.
Es schien nöthig, von so allgemeinen und so leicht zu
fassenden Betrachtungen hier zu beginnen , um nur zuerst
über den Standpunkt unseres Unternehmens überhaupt uns
zu verstandigen , naher dann aber auch seine wissenschaft-
liche NolhwendigkeU darzulegen. Denn Manchem wird
vielleicht lur solchen Sühnungsversuch gerade der jetzige
Zeitpunkt ^) als der ungeeigneteste erscheinen , ebenso
vielleicht auch clie Klasse vom Wissenschaftlichen, für die
er beslimmt ist. Auch der Parteilose könnte nämlich fra-
gen bei dem Anblicke der fast unendlichen Verwirrungen,
die eben jetzo im Gebiete der Philosophie sich häufen, M'ie
hier, auch alle frülier entwickelten Bedingimgen voraus-
gesetzt, irgend eine Vermittlung gelingen, ein gemeinsames
Resultat gewonnen werden könne. Jene setzt zunächst
gründliche Kenntniss des zu Vermittelnden voraus: aber es
bedürfte beinahe schon eines halben Menschenlebens, um
nur mehr als oberflächlich kennen zu lernen, was die Phi-
losoplüe in unsem Tagen hervorgebracht. Und wenn may
die Akten endlich geschlossen zu haben memtc ; so ha-
ben sich neue aufgehäuft,, und nie könnte man auch nur
die Vorbereitung für geendigt halten. Hierzu kommt noch
— könnte man fortfahren — die Unversöhnbarkeit dor Phi-
losophirendcn selbst: denn mehr als andere Forscher haben
gerade sie die üble Sitte, unbekümmert um Einwand oder
Zuspruch y ihre Rede furtzuselzen, tind des eigenen Weges
zu geben , so dass Jeder zuletzt sich einsam findet , und
sein W^ort fast nur. noch an sich selbst richten kann. Ja
bei manchem philosophischen Werke neuerer Zeit ist der
*) Im Jahr« 1826-27.
20 Emlcitung*.
Verfasser selbst vielleicht zugleich der einzige achtsame
Leser, den es findet! Und wie kann es anders sein unter
den gegenwärtigen Umstanden? Kein Philosoph von Selbst-
ständigkeit und einigem Ansehen lieset, d. h. sludirt
fast noch das Werk eines ihm ebenbürtigen Geistes unter
den Zeitgenossen ; nur die Anhänger und Bewunderer beach-
tet er höchstens gelegentlich : ja man könnte oft den be-
stimmtesten Zeitpunkt angeben, bis zu welchem ein solcher
noch von der wissenschaMicheh Umgebung gründlich Notiz
genommen. Will aber Er keinen Mitphilosophirenden an-
erkennen; so beeilen sich auch die Geringem, dies leicht
zu gewinnende Kennzeichen von Kraft und OriginaHtät an
sich kund zu geben, um an Freisinn und Selbstständigkeit
wenigstens den Gewaltigen zu gleichen. Und so wird in
der Philosophie die Verwirrung immer unheilbarer, der
Slreit immer verwickelter, aber auch leerer und langweili-
ger; so dass die edelsten Geister schon mit Ueberdruss
sich hinwegwenden von so widrigem Anblicke, von so
fruchtlosem Beginnen, um mit desto grösserer Begeisterung
ihr Gemütli dem Glauben, ihre Forschungen der lebendigeti^
immer neuen Wirklichkeit zuzuwenden. —
Mag es doch wahr sein, dass die Philosophen der
jetzigen Zeit noch fem zu sein scheinen von der wissen-
schaftlichen Gesinnung, wie sie z. B. Leibnitz gegen
Vorgänger und Mitlebende hegte ; mag sich kräftige Ueber-
zeugung oft als unbeugsamer Stolz kund geben , während
nur innere Schwäche und Unsicherheit da und dort sich
anzuschliessen sucht; mag es sein, dass gediegene Festig-
keit bei beachtendem Anerkennen, gereifte Klarheit bei
verstehendem Eingehen in die fremdle Ansicht jetzt fast
nirgends zu fmden ist unter den namhaften Philosophen:
so liegt doch eben in dem grellen Hervortreten dieser Uebel
ihre Krisls und Heilung. Je ausgesprochener der Wider-
streit, je entschiedener die Vereinzelung , desto kräftiger
muss dies zur endlichen Ausgleichung hindrängen. Und
wenn es wahr ist , dass die edelsten Geister unwillig sich
abwenden von dem gegenwärtigen Beginnen der Philoso-
Eiirieiting» 21
pbeq , so isl es eben nur diese Verzerrung , die ihren
Unwillen erregt: die Philosophie selbst ^ber kann sowenig
entbehrt werden, dass viehnehr das tiefbewusste BedürTniss
derselben es ist, was jenen Unwillen erregt; indem doch
endlich nur von ihr er\vartet werden kann, was Alle er-
sehnen: die endliche Lösung aller Rarhsel, die völlige Ein-
tracht des Geistes in sich selbst. Und so wäre vielmehr
die dringendste AuObrderung an Jeden vorhanden, der die
Wissenschaft fördern zu können meint, diese noihwen-
dige Krisis der Philosophie zu beschleunigen, und, was in
ihrer zeitlichen Erscheinung Verderbliches sich ihr zuge-
sellt, kräftig niedcrzukäinpren.
Sichten wir zudem schon hier, was von jenen Ankla-
gen in der That die gegenwärtige Philosophie triOl, und
was sonst nur Irrthum und Vorurtheil ihr zurechnet oder
beigesellt! — So wie für jedes Zeit- und Lebensalter, so
stdlt auch iur jede Geisteshöhe die Wahrheit in eigenlhuni-
licher Gestalt sich dar; und schwer ist es hier, die Uori-
zonke der Ansicht zu vertauschen oder wechseln zu lassen.
So kann auch das wahrhall Spekulative nie populär, nie
ein Geroeingut aller Geister werden; und selbst unter den
eigentlich Wissenschaillichen werden nicht alle selhststan-
dig eine philosophische Ansicht sich zu bilden vermögen».
— Geschieht es nun dennoch, dass das gemeine Bewusst-
sein, die Geister gewöhnlicher Höhe Kunde empfangen von
den eigentlich spekulativen Wahrheiten, so lässt sich dabei
nur ein dreifaches Verhältuiss derselben denken. Entwe-
der sie roissverstehen und missdeuten dieselben, um wohl
sagZT an ihren vermeintlichen Paradoxieen dem Volke ein
ergötzliches Schauspiel zu bereiten ; — was an sich das
Unschädlichste wäre für die Spekulation selbst, indem es
höchstens nur augenblicklich störend auf die allgemeine
Bildung wirken kann ; — übrigens eine jetzt weniger als
sonst beliebte Sitte, die Philosophie zu behandeln, weil in
der allgemeinen Abspannung der Zeil sogar das Seltsamste
nicht mehr recht Eindruck machen will, und auch darmn,
weil sclbsi dazu das Volk denen zu klug geworden ist, die
^ Bifilcüung.
sonst vtclleiobl auch jetzt noch nicht übel Lust Iiätten , es
also asu unterhalten ; — oder man erklärt sich für einen
inibedingten und geschwornen Anhänger irgend einer gerade
herrschenden Ansicht, deren Sätze man nun sklavisch und
kenntnisslos ohn' Ende wiederholt^ und, wie alle Sekti-
rer, gerade auf das Zufölligste, die äussere Form und Dar-
stellung des Meisters den grössten Werth logt ; so dass
solcherlei Nachahmer, wenn jene aurgehorchtcn charakteri-
stischen Schlagwörter etwa einmal ihrem Gedächtnisse
entfielen, augenblicklich Nichts mehr zu sagen hätten ; —
oder endlich , wenn die Zeit kecker geworden ist, und das
Philosophiren eine Art von Gemeingut zu sein scheint, bogehrt
man wohl gar, die Unmittelbarkeit gewöhnlicher Ansichten in
der Form einer Philosophie zu besitzen, d. h. man versucht es,
ohne anzuknüpfen an die bereits gewonnene philosophische
Bildung der Zeit, ja ohne die Einheit einer tieferen, das
ganze Leben gestaltenden und begeisternden Gesinnung,
irgend eine zufällig gebildete Meimmg in äusserlich wissen-
schaftlicher Anordnung hinzustellen. Dass hier nun das
Mannigfaltigste sich zusammcngesellen oder auch sich be-
kämpfen werde, dass hier überhaupt der zufälligste Wech-
sel der Meinungen nicht aufhören könne , ist begreiflich ;
ebenso bogreiflich auch, dass, wenn diosen Versuchen Phi-
losophie sich zu nennen erlaubt wird, alle jene Urtheilc
über sie gerecht und bezeichnend gehalten werden müssen.
Denn diese Erscheinungen eben sind es, die an sich selbst
gesetzlos und willkührlich, ohne eigentlich die Pliilosophie
zu stören oder zu ftirdcrn, ja ohne nur ihr Inneres zu be-
rühren, dennoch vor dem Unkundigen den Schein verwor-
rener Zwietracht und endlosen Kampfes um sie ausgiesseir.
— Die Philosophie selbst indessen, — d. h. die eigentlich
spekulative Forschung — geht unverworren von dem Ge-
räusche um sie her den ruhigen Laufinnerer Entwick-
lung, indem hier nicht Streit, sondern allmühlige Ausbildung,
nicht Sektongeist, sondern g'egonseilige Vollendung waltet.
Aber freilich nur durch wtMii<T(j Gcislor ist zu aller Zeit
das Vermächtiiiss der Spekulation überliefert und gcför-
dcri worden, und wie das Urtheil des Volkes durch äussern
Beifall oder Tadel über ein wahrhaft philosophisches Werk
nicht entscheiden kann ;. eben so wenig richtet sieh die
Entwicklung der Philosophie nach den Parteiungen, die sich
ausserlicfa um sie bilden. — Dadurch wird aber auch für
den gegenwärtigen Fall unsere Aufgabe sehr vereinfacht:
denn da unsere Untersuchungen nur derjenigen philosophi-
schen Erscheinungen gedenken kann, die fördernd oder ent-
scheidend auf die allgemeine Entwicklung der neueren Phi-
losophie eingewirkt haben ; so möchte nach diesem Maass-
stabo das eigentlich Denkwürdige ausserlich sich lejcht
übersehen lassen.
,,Doch wie? Indem Du so kurzweg, wie mit kühnem
Alexandersschwcrto , trennen willst, was wesentlich sei an
den philosophischen Erscheinungen der neuern Zeit, und
was nicht; welch einen sicher leitenden Maassstab nimmst du
dir dabei? Was bewahrt dich überhaupt vor der Willkühr, ,
mir das dir Anständige daran herauszuheben, und beiseit ^
zu lassen, was sich deinen Vorstellungen nicht anpassen
will? Gestehe, dass du in Gefahr bist, mit Wahl und Bc-
wusstseia der engsten Einseitigkeit dich hinzugeben I ^
Jener Maassstab — antworten- wir ohne Zaudern —
kann nur in der allgepueinon Idee der Philosophie
liegen, wie sie zugleich sich zeitlich durch die einzelnen
philosophischen Systeme hindurch entwickelt zeigt. Ueber
die wissenschaftliche Bedeutung einer Philosophie entschei-
det also nur die Stelle, die sie in der allgemeinen Entwick-
lung der Spekulation einnimmt, das Yerbältniss, in welchem
sie zu ihrer wissenschaftlichen Umgebung steht ; diess aber
entscheidet durchaus gültig und in letzter Instanz. Hebt
sie im Zusammenhange der vorhergehenden Ansichten ein
neues, wesentliches Element hervor, vereinigt sie unter
einen hohem Gesichtspunkt die früheren, vereinzelt -ausge- •
bildeten Ansichten ; so erweist sie sich dadurch voni selbst
als einen nothwendigen Fortschritt im allgemeinen
Gange spekulativer Entwicklung; sie ist die höchste philo-
sophische Erscheinung, die zu dieser Zeit gerade möglich
24 Einleitung.
war ; und wie wir in der 'Geschichte einzelne Wettreiclie
die ganze Menschheit umgestalten sehen, so gebührt auch
jener für jetzt die Geisterherrschaft über ihre Zeit, deren
höchster Ertrag sie in sich ausgesprochen. Und so scheint
es möglich, nach diesem Gesichtspunkte auch die andern min--
der durchgreifenden Ansichten mit ebenso parteiloser Scharfo
zu charakterisiren , ob sie entweder irgend eine einzelne
Richtung konsequent in sich ausgebildet haben, oder ob sie
nur eine alte, schon durchlebte Bestrebung von Neuem
in sich geltend zu machen suchen; in beiden Fällen wird
an dem Verhältniss , in welchem sie zum eigentlich Gel-
tenden dör Zeit stehen, ihre wisscnschafUiche Bedeutung
von selbst sich ergeben.
Doch es möge bedacht wei*den , dass wir auch hier
eigentlich nur ein Ideal anstreben können, das' jedem ein-
zelnen Beginnen nie völlig erreichbar ist; dass es ledig*
lieh den ersten Versuch gelte, ein solches Princip der Beur-
theilung an der Philosophie der gegenwärtigen Zeit durch-
zuführen; dass daher auch die Parteilostgkeit , welche wir
versprechen , selbst bei jenen Grundsätzen und jener Me-
thode, eigentlich nur im eifrigen Vorsatze derselben beste-
hen kann, so wie sie das redliche Bewusst^sein bezeichnet,
im Ganzen, wie im Einzelnen mit voller Selbstentausserung
geforscht zu haben. Denn was verleiht uns Schärfe , jede
Ansicht bis zu ihrer tiefsten Wurzel zu verfolgen, jede
wissenschaftliche Beziehung, jedes Verhältniss von der ein-
zig richtigen Seite zu fassen, so dass in getreuem und doch
das Wesentliche bezeichnendem Abbilde überall nur die
charakteristischen Zuge hervortreten: noch mehr, was be-
wahrt uns vor den tiefliegenden Idios)'nkrasieen des Geistes
für jene oder gegen die Ansicht, die halb unbewusst auch
in wissenschaftlichem Zusammenhange das Urtheil täuschen^
überhaupt den Vorurtheilen im weitesten Sinne? Alle
diese unvermeidlichen Irrthümer und Einseitigkeiten müssen
aber auch hier zur Aneiiicnntniss hindrängen, dass liur in
geistiger Gemeinschaft ein solches Werk gelinge , dass es
erst dadui'ch seine Vollendung, wie seine wissenschaftlicho
Einleitong'. 25
Bedcutun jf erhalten könne ; dass auch hier daher das Per-
sönliche vöDig untergehen und vergessen werden müsse im
allgemeinen Veriaufe der Wissenschaft
Indem nun dieser Versuch gemacht werden soll; so
wärde man ihn doch missverstehen und selbst als Versuch
zu niedrig oder m hoch (wie man will) beurtheilen, wenn
man glaubte, er wolle, an die einzelnen Philosophen der
gegenwartigen Zeit gerichtet und für sie geschrieben, sie
gleichsam zu gegenseitiger Anerkcnntniss zwingen oder sie
auffordern , wie zu ausserlicher Versölmung sich die Hand
zu reichen. — Ware diess auch möglich, vermöchte diess
unser Wort, was wir keineswegs meinen; — es wäre fast
uberflässig, da die innere Versöhnung klar schon vor uns
li^, und der ausserliche Zwiespalt, wie alles Zufällige^
seine Scharfe am Besten durch die Entwicklung der Zeit ver-
liert. — Vielmehr müssen wir unterkritisches Unternehmen für
höher und allgemeingültiger betrachten, um einen nothwendig
geforderten Fortschritt in der Philosophie selbst hervorzubrin-
gen. Indem nämlich hier versucht werden soll, ein höchstes
Gesammtresultat des bisherigen Philosophirens nach-
zuweisen; also zu zeigen, wie die einzelnen Elemente und
Sfiten desselben als Glieder eines lebendigen Ganzen sich
vereinigen; so wird darin zugleich ein neues philosophi-
sches Princip geltend gemacht, eine heue Ansicht hervor-
gerufen, welche wiederum andere Probleme und Aufgaben
mit sich führen wird. Dass durch die Anerkennung der-
selben nun auch ausserlich das Abwerfen beschränkender
Gegensatze und Versöhnung folgen könnte, ist selbst nur
eine zufäDige Seite daran, die, wie ihr Gelingen nicht ein-
zig beabsichtigt wurde, auch beim Misslingen die Hauptsa-
che nicht wesentlich gefährdet. Mögen daher die Philoso-
phen abgeschlossener Denkart unsem Versuch beachten
oder abweisen ; er schien uns durch die gegenwärtige Lage
der Wissenschaft selbst gefordert zu werden, und eine in-
nere Nothwendigkeit trieb uns zu demselben, dessen Miss-
lichkeit und Gefahr wir nicht verkennen. Ist jedoch der
leitende Grundgedanke desselben wahr und rechtzeitig, so
26 Eiaieilaag.
wird er auf irgend eine Art von der Gegenwart aufgenom-
men werden: sie wii*d. klarer und kralliger eingreifen in
das zaghaft begonnene Werk, und das Mangelhaflc des
ersten Versuchs slillschweigend tilgen. Ist aber eitel und
verfehlt, was wir unternommen haben; so wird auch hier
die Zeit ihr Recht tiiun, und der Verfasser selbst muss vor
Allem diess Recht über sich erwarten , dein jede endliche
Erscheinung sich beugen soll. Und mit dieser vollen Selbsl-
entäusserung übergiebt er seine Schrill den Alles ausglei-
chenden, den unparteiisch richtenden, der Gegenwart,
und der Zukunft I
Erstes Buch.
Die auf Kaut vorher eil ende E{toche-
I. Ii€N)ke nnd I^elbnitz«
Indem wir zur eigenffichen AuFgabe unserer Schrift
uns hinwenden, den gegenwärtigen Zustand deutscher
Philosophie im Allgemeinen zu beurtheilen, und zu unter-
suchen, ob in der That in ihm der R'uhepunkt einer ge-
meinsamen Grundansicht erreicht sei, oder ob — wie Viele
meinen — nur Zwietracht und Verwirrung jetzt , wie im<-
mer, die Philosophirenden auseinander halte: so wäre zu-
nächst der Zeitpunkt anzugeben, von welchem an diese
neuere Philosophie zu rechnen sei. Hier zahlen wir indess
auf die Beistimmung aller Kundigen, wenn wir mit Im-
manuel Kant den Beginn derselben setzen. Denn indem
ZBgestanden werden muss, dass wir diesem gewaltigen
Geistß entschieden die Richtung verdanken, die die Philo-
sophie in neuerer Zeit genommen; so ist eben damit zu-
gleich bezeichnet, dass nur die in ihm niedergelegten An-
^e im weiteren Verfolge ausgebildet werden konnten
nach einer oder der andern Seite hin , dass also von ihm
notwendig auszugehen sei. Und in der That, Nachfolger
wie Gegner wurzeln in ihm , und auf beide übt er auch
jetzt noch den entschiedensten Einfluss ; am Meisten aber
da, wo man, mit unbestimmtem Triebe irgend ein Besseres
suchend, oder auch bloss aus Sehnsucht des Neuen, öber-
hanpt nur nch ihm entgegensteUen zn müssen meint , ohne
30 Locke und Leibnitz.
durch ihn scl1)cr ein wahrhaft Höheres und wissenschaftlich
Durchbildcles erreichen zu können. Und so ist auch jetzt
noch gerade da sein Einfluss am Stärksten , wenn auch
verborgener, wo man am Unbedingtesten demselben sich
entzogen zu. haben glaubt. — Indem wir aber hier vor
Allem zum eigentlichen Pulse und Urquell seiner Philoso-
phie hindurchzudringen suchen: müssen wir bedenken, dass
auch Kant bei seiner Grösse dennoch von historischen
Beziehufigen und, AnknüpFungen abhängig blieb ; ijass auch
er nur die Konsequenz jener Richtungen in sich verfolgen
konnte, die schon vor ihm in der Philosophie begonnen
Jiatten. — Historisch' , wie philosophisch , waren es zwei
liauptelemente, aus denen die Kantische Philosophie er-
wuchs: positiv die durch John Locke in Baconischer
Weise cingoleilctc Erforschung des Bewusstscins ; die Rich-
tung auf den subjektiven Quell der Spekulation. Das In-
teresse an der französischen Philosophie spielte bei Kant
nur in einzelnen praktischen Ideen nebenher. In Deutsch-
land fand er eine wohlau^gebildete Schulmetaphysik vor,
welche eben im Begriffe war, durch Mendelssohn (ei-
nen auch von Kant seiner Darsteilungsweise halber voreug-
lich geschätzten Denker) in Populari)hilosophie überzugehen
und das allgemeine Interesse der Gebildeten auf sich zu
ziehen. K a n t hatte an dem Inhalte dieses scheinbar sorg-
fältig zusammengefügten Ganzen NichU auszusetzen, aber
erfand ihn theoretisch imerweislioh ; und dies bedingte
sein negatives Verhältniss dazu , welches dennoch auf
den Bau und die Intentionen seines eigenen Systemes den
entschiedensten Einfluss hatte. So wird die Charakteristik
der Vorkantischen Epoche sich wesentlich in jene zwei
grossen Gegensätze theilen müssen.
Seit John Locke war entschiedener, als je vorher,
die bedeutende Frage in Anregung gekommen, welche als
vorbereitende Untersuchung keine wissenschaftliche Philoso^
phie von sich weisen darf;» um Eingang in sich selbst zu
Locko und Lcibniüs. 31
gewinnen: Welches überhaupt der Ursprung
derjenigen Erkenntnisse sei, die vom B(v
wusstsein der Noth wendigkeit begleitet wer-
den. — Sind sie nur empirischen Ursprungs , so ist auch
die Philosophie nicht eine cigenlhümliche, vom empirischen
Erkennen geschiedene Wissenschaft, — deren es daim
überhaupt keine gicbt : es wäre überaJI nur Ein Quell, wie
Ein Element des Erkcnncns, die Erfahrung; und das
Wissen , indem es schlechthin nur am Gegebenen haftet,
wäre nur durch den darin enthaltenen (empirischen) SiofT
und Inhalt zu unterscheiden , keineswegs durch seine Form
innerlich sich entgegenzusetzen ; endlich bliebe jede Bemü-
hung vergeblich, in ein Jenseits iur die Erfahnmg, —
denke man die^, in welchem Sinne man wolle, — über-
haupt in ein dem unmittelbaren Bewusstscin sich Verber-
gendes ein- oder hinüber zu dringen. — So handelt
es sich bei jener Frage zugleich auch um die Möglich-
keit der Philosophie; und eigentlich um dessAviilen
wvffic die ganze Untersuchung unternommen, .die daher
überhaupt als eine einleitende, nur propädeutische für spe-
kulative Philosophie anzusehen ist. Denn wie sie auch ent-
.schieden ^vurde, auf keine Weise konnte diese Unlersuchung
fOr die Philosophie selbst ausgegeben werden: entweder
es fand sich, dass philosophisches Erkennen unmöglich sei ;
so konnte diess, als der Ausdruck reiner Ablaugnung des-
selben, nicht für ein philosophisches System gellen,
wie auch der Skepticismus in seiner Vollendung und durch-
gcfuhrtcstcn Form, bei den Griechen, sich nicht aigtatg,
Schule, Lehre, sondern dyoDyij ^ Neigung, Lebens-
ansicht nannte. Oder die Möglichkeit eines solchen Er-
kennens wurde erwiesen, vielleicht dabei zugleich der Weg
gefunden, wie dasselbe zu erreichen sei; so wusste man
zunächst damit doch eigentlich noch nichts objektiv Philo- /
sophisches, vielmehr war die gesicherte Möglichkeil eines
solchen Wissens nun noch wirklich sSix realisiren, der ge-
wonnene Standpunkt zu umfassendem philosophischem Be-
wusstsein auszubreiten. — Und dennoch ist bis auf Kant
^
32 Lodiß und Leibnilz.
die Philosophie selbst mit ihrer blossen Propädeutik vicirach
verwechselt worden : ja diesem wurde jene Untersuchung
ü6er die Möglichkeit oder Unmöglichkeit des philosophischen
Erkennens unter den Händen sogar selbst zum einzigen
Inhalte der theoretischen Philosophie, ausser welchem,
nach seiner ausdrücklichen Behauptung, ein anderer in alle
Ewigkeit nimmer möglich sei*); eine Verwechslung, die,
merkwürdig und einzig .in ihrer Art, wie wir später zeigen
werden, nicht wenig zur Verwimttig des Zeitalters über
die ersten und ursprünglichsten Begrifle der Spekidation
beigetragen hat.
Indöm wir nun, um die ersten Keime dieser Untersu-
chung aufzuflnden^ bis auf Locke zurückgehen, müssen
wir in diesem, dem sonst Ueberschätzten, jetzt zu tief Her-
abgedrückten, zunächst einen besonnenen Denker von klarem,
umFassendem Blicke und scharf durchführender Konsequenz
mit Lob und Bewunderung anerkennen, dem, was er ver-
fehlte, beinahe unwUlkührlich entging. Und oft kommt es
darauf an, einen neuen, entgegengesetzten Weg überhaupt
nur einzuschlagen; was dabei sonst geirrt wurde, bessert
die nachfolgende Entwicklung. So sehen wir ihn gleich zu
Anfang **) mit Scharfsinn und Umsicht die Gränzen seiner
*) „Das Systenv der Kritik, auf einer vullig gesicherten Grund-
lage rtiiiend, ist auch für alle künftigen Zeitalter zu
den höchsten Zwecken der Menschheit unentbehrlich^« u.s.w.:
Kant in seiner Erklärung gegen die Wissenschaaslehre (In-
-tcU. Bl. der A. L. Z., 1799 No. 109). Vorher kommen noch
die Aeusserungen vor: ^dass jenem Systeme^ wegen seiner
unaufhaltsamen Tendenz zur Befriedigung der Yernuuil iu
theoretischer sowohl als moralisch - praktischer Absicht,
kein Wechsel der Meinungen, keine Nachbesserungen oder ein
anders geformtes Lehrgebäude bevorstehen könne;*' dass es
also die einzig mögliche Philosophie selber sei.
•♦) Es versteht sich, dass wir hier nur Locke*s Werk über
den menschlichen Verstand (an essay conceruing hu-
man unterstanding , London 1. Ed. 1690. XVIU. Ed. Lond.
1788.) vor Angon haben: seine treOlichen, wirksamen Schrif-
ten über den Staat, über Erziehung, seine Briefe über
Löcko nnd Leibnit2. d3
ünfersDcfaung festsetzen : die Aufgabe wird deutlich gefasst,
der einzige Weg, sie zu lösen, klar dargelegt, und nadi
dem einfachsten Plane entwickelt das ganze Werk nur je-^
nen Einen Grundgedanken. Dabei verdient das Gleichmaass
der Behandlung in allen Theilen des Werkes, der gcord->
nete, Nichts übereilende Fortgang, die scharfe Wahl der
Bezeichnungen zugleich bei dem sparsamen Gebrauche einer
sorgfältig gewählten Terminologie, zumal fdr jene Zeit, die,
fast wie die unsrige, nur in neuen Kunstwörtern und in
seltsamen Bildungen einer unverständlichen Sprache philo-
sophisch sich ausdrückan zu können meinte , die höchste
Anerkennung.
Bevor wir — beginnt er — überhaupt irgend ein wis-
senschaftliches Erkennen anstreben, muss zunächst entschie-
den sein. Was und Wie wir zu erkennen vermögen, —
welche Gegenstände das Erkennen überhaupt umfassen
könne: und diese Untersuchung, vorerst vergessend und
streng von sich weisend alle hergebrachten Vorstellungen
and sonstigen Voraussetzungen, muss also gefuhrt werden:
dass wir der allmähligen Entwicklung des Ejr-
kennens durch seine verschiedenen Stufen
hindurch zusehen, wie es, vom Unmittelbarsten und
Einzelnsten beginnend, durch sich selbst 'sich höher bildet,
und die nothwendige Gränze sich selber giebt — Bei die-
die Toleranz u. >. w. sind jetzt eben so vergessen, als sie
früher bewundert worden. Doch ist, was dort grossen Theils
zom ersten Male ausgesprochen wurde, seitdem ein geisti*
gesiGemeingat geworden, worüber jetzt Jedermann einrer-
standen ist ; eben ein Beweis für die Bedeutung und Wirk-
samieit jener Schriften in damaliger Zeit. — Wo wir übri-
gens das erstgenannte Weric anführen, geschieht diess nach
der zweiten Ausgabe der französischen Uebersetzung Ton
Coste, die durch Aenderungen und Zusätze von des Verfas-
sers Hand bedeutende Vorzuge ?or dem Originale hat: (Essay
philosophique concemant Tentendement humain , tradnit de
TÄnglois sur la qnatri^m« Edition, rtfrue^ corrig^e^taugm^n-^
tee par Taateur. Amsterd. 17000
3 '
34 hocke find LeibniU.
sem VonsfltBe ufid Beginnen^ das eines fichtcn Naturfor«'
Sehers des Geistes würdig witr, ist jedoch zu bekeimen,
dass die Ausführung mehr der NalurbeobachlUttg in ihrer
Kindheit 2U gleichen scheint, welche die unmittelbare, raU
Zufälligem nianuichOach durchwebte Erscheinung gleich für
das Wesen des Dinges nimmt, als der herangereiften For-
schung, die, über die Hülle der ZuGilligkeii binausdringend,
durch Experiment die Natur tu zwingen weiss^ ihr Wesen
selbst auszusprechen. Und in dem festen Verfolgen jener
einmal gefasslen, durch ihre frische Unmittelbarkeit sich
empfehlenden, wiewohl die eigene Tiefe und Wahrheit un-
erschöpft lassenden Ansicht von dem Wescui des Geistes^
welche tach RückiVörts hin berechtigt war , hat er zn--
nächst freilich nur eine neue Einseitigkeit hervorgebrachti
aber in ihr das wahre ProUem des Erkennens enthüllt.
Und 80 hat auch dieser Denker im Fortgange der Speku-
lation seinen festen Platz und sein wiverftiisserliches Redtl
sich errungen.
Zuerst begegnet er (Buch I.) der damals durch Des-
e a r t e s herrsch^d gewordenen und auch in England durch
missverstandenei Pktonismus verbreiteten Vorsiellung von
den angebornen Idien, welche er in der Form,* wie sie
damals aufgefasst* uid dargesteUi wurde, nach dem Rechte
der Grlliidlichkeit verwerfen musste. Es sollen gewisse
allgemeine Principien und ursprüngliche Begriffe dem Be-
wusstsein verliehen, .der Seele unmittelbar gegenwärtig,
ja r^n ihrer Geburt an ihr gleichsam ^ eingeprägt << sein I
Aber unbestreitbar ist^ was Locke dagegen geltiüid macht,
da^is da« Unmittelbare des Be^msst9eins schlechthin nur
hitie Mannrt-hfeniglteil einzelner Empfindungen darbiete,
— als der eigentlichen Elemente aller hohem Entwicklung
des Bewusstseins : behauptet man nun , dass dabei und
ausserdem noch <so nämlich >vurde es fast allgemein
damals veratanden) aUgemeine Wahrheilen der Seele, un-
iMtleibar verliehen seien; so musslen sie eben so und in
gäW. gleicher Art, wi^ jecie fimpflndoftgen, dem Bewusstsein
sich aufdrängen, ja noch immittelbarer sogtrr, da il^st ur-
Look« und Lelbritto.' 35
sprfloglieh in der Seele vorbaadeoi g^fn.seBeiv dieEmpfln-t
doBgen iagegea er«t von Aussen «ngi^regi werden. Und
ein Widerspruch wäre es, enzune]|nien> das^ eine Vorstel-«
lung den BewuAstdeln angeboren aei, /ohne dans. es dieselbe
wirklicb a p p e r e i p i r e, da ja Vorhl^ndeiisein im BewussU
sein überhaupt nur bedeuten kann das AppiercipirU
werden desselben. Aber es findet aicli bei treuer und
scharfer Beobachtung schlechthin nichts Unmittel bare$
im Bewusstsein, das als solches den Charakter der AUge^
meinheit und Gemeingfiitigkeit trjige; vielmehr wird alles
Allgemeine zuerst und am Unmittelbarsten nur in.detr Form
der Ein^elnheit gefasst , — ein Säte, der durchaus in ^iner
Wahrheit be^ht: — und so musst^ liOoke« wenn er
treu blieb der Natur und der Beobachtim^, die aUo eich
aussprechende Lehre von den angeborenen Ideen entschie»-
den verwerfen. Dazu führt er noch dwoh^ dass dk an-
gebliche allgemeine Uebereänstinunung der Menschen über
gewisse Wahrheiten, wodurch die Gegner ausseriich ihre
Lehre zu nnterstützen suchten , selbst sehr zweifelhaft sei.
Weder im Theoretischen, noch im Praktischen (wie er diess
im fernem Verlaufe des ersten Buches am Einzelnen zu
zeigen sucht — freilich nicht überall glneklich und gmnd-i^
lieb, wegen einer sogieich nachzuweisenden! falschen \of^
aussetznng dabei :) -^ können solche iGnindsätze aufgei»
wiese» werden , die unmittelbar anerkannt würden ^ oder
okne Weiteres evident wären. Sdbst das: Princip der f den**
frtät und Aes Widersprudis^ das im Wissensi^hafllicben mit
Recht als unbedingtes gilt, da es eines Beweiises nicht ein-
Bfial ßhtg ist, kann nicht als angeberen betrautet werden^
denn Kinder, Wilde, Unstndirte (idioteit) zeigen nicht die
geringste Kenntniss- desselben : ja, nicht einmnl aufmerksamf
gemacht darauf, würden sie dasselbe'ver^teheto;- es bedarf
also erst der Aeife und Bildung des Geistes, mn es in ihnen
zffir Anerkennung zu bringen. (B. I. €. 3.$. 3.)
Der letzte Anssprudi ist entscheidehd , und l&sst über
die wahren Gründe von Lockens Theorie kehien Zweifel
übrig. Allee Unmittelbnre im Bew^ssfsdn ist ein Etn^
36 Locke lud Leibnits*
seines ^ mcht ein Allgemeines ; darum kfinnen die Auge-
meinbegrifTe nicht ursprüngliche, sondern nur erwor-
bene, hervorgebrachte sein. Die Grundvoraussetzung
war also, bei ihm^ wie bei Denen, welchen er zuerst ent-
gegentrat, dass das Allgemeine und das Einzelne des Be-
wusstseins in absoluter Trennung und in unüberwhid-
lichem Gegen satze miteinander stehen. Das Allgemeine
als solches ist eben nicht unmittelbar im Einzelnen , son-
dern, soll es sein, so muss es erst abstrahirt werden aus
demselben ; eben so wenig ist aber umgekehrt das Einzelne
im Allgemeinen. Und ganz konsequent wird daher bei der
Frage, ob im unmittelbaren Bewusstsein ausser und ne-*
ben dem Erkennen des Einzelnen, auch noch ein Erken--
nen irgend eines Allgemeinen Statt finde, nach dieser
Ansicht der Sache von Locke verneinend geantwortet.
Aber eben die Voraussetzung dieses Verhältnisses ist
überhaupt das durchaus Ungeprüfle und Unbewiesene , ja
was zugleich bei näherer Erwägung als der eigentliche
Grundirrthum jenes ganzen Standpunktes sich kund giebt
Was Allgemeines heisst und Einzelnes, sind vielmehr nur
Momente , Theile eines und desselbigen Dritten , das wir
vorerst nur aligemein als die Einheit derselben bezeich-
nen können: kein Einzelnes, in dem sich nicht ein
Allgemeines bewährte; — auch nach der gewöhnli-
chen Ansicht, welche dies Verhältniss wenigstens in dem
logischen Satze anerkennt, dass jedes Einzelne in einer
$p€cteSy jede species in einem getms befasst sein müsse:
also im Einzelnen ist imtoier ein Allgemeines, und
stellt sich dar an ihm in besonderer Gestalt. — Eben
so ist umgekehrt kein Allgemeines, das nicht zugleich
im Einzelnen existirte , widrigenfalls es auch kein Allge-
meines, sondern ein nichtiger (unwirklicher) Gedanke,
eine leere Vorstellung, wäre. Das wahrhaft Allgemeine ist
e$ dalier nur dadurch, dass es schlechthin in allen Ein-
zebien , in jedem derselben aber anders, als Besonder-
tes, ist So wie daher das Allgemeine nur im Einzelnen,
indem es sich besondert (specialisirt), eben so i$t das
Lock^ und Leibnitsi 87
Einzelne nur d a r c b das (dich besoademde) Allg^inelne
wirklich: und die Wirklichkeit eben wäre die le>
bendige Mitte, die Allgemeines, wieEinielnes als Wechsel-*
seitige Momente untheilbar enthält, und inneriich vereinigt.
So ist nun auch im unmittdbaren Bewusstsein, das freilich
nur das Einzelne aufzufassen vermag, Aligemeines und
Einzelnes dennoch schon vereinigt und versehmohen; nur
stellt sich das Allgemeine dort noch nicht dar als s o I-
ches, sondern noch in seine Vereinzelung und deren
Beziehungen verflochten. Jene Grundsätze z. B. der Iden-
tität und des Widerspruchs (des Setzens und Aufhebens)
bewahren sich an jeder faktischen Unmittelbarkeit, an je-
dem Dasein; und eben darum ist in ihnen die allge-
meinste Wahrheit, daher zugleich das Ursprünglichste, nicht
weiter zu Beweisende ausgesprochen ; aber erst das
wissenschafUiche Denken (oder die Philosophie) entwickelt
das Bewusstsein überhaupt bis dahin, jenes Allgemeine an
sich, entkleidet von seinem^ unendlichen einzelnen Inhalte,
darzustellen ; und dies ist dessen Wesen, — so wie die u n-
mittelbare Wirklichkeit des Allgemeinen, und seine Yer-
eiozelung zu erkennen, Wesen des faktischen BeMrusstseins,
oder der Wahrnehmung ist. Und wenn die Lockische An-
sicht sich in dem Satze zu charakterisiren pflegte: dass
Nichts im Denken sei, dass es kein Allgemeines gebe, das
in der sinnlichen Wahrnehmung nicht schon enthalten' wäre;
so ist das Gegenttieil dieses Satzes als die nothwendig er-
gänzende Kehrseite sogleich hinzuzufügen : dass eben dess-
halb auch Nichts in der Sinnenwahmehmong sei, in wel-
chem nicht Denken, Allgemeines enthalten wärCi
Diese EiAsicht von der Einheit deß Allgemeinen und
des Einzelnen in jeder faktischen Unmittelbarkeit hatte
schon aus der nächsten Reflexion über das Verfaältniss der
Wahrheiten der Mathematik und der übrigen strengwissen-
schafUichen Disciplinen zur Wirklichkeit sich ergeben kön-
nen : in der Gestalt des einzelnen Körpers z. B. stellen sich
aUgemeino geometrische Geisetze dar , und bei allem eige-
nen Wechsel fmd Wandel fällt er ihrer Unwandelbarkeit
38 ijbvke und L()ibnitx.
unentflieUbar anhehii ; sie beherrschen ihii, ja er selbst i s I
-Sit, nur in Tereinteiter Oostalt: und so stellt er fallend,
-jSicfa bevv'egpend, wiUkdbrlich oder mechanisch, nur die all-
. gemeinen Gesetze des Falls, der Bewegfung in sich dar,
ohne dämm aufküidrett , diess Einzelne, nur sich selbst
Gleiche au sefafL
Von so naheliegenden Betrachtungen geleitet, hatte
-Loeke nun aUohjn der Theorie des firkennens leicht die
f freiere Einsicht gewinnen können., dass das Allgemeine in
-Wahrheit der eigentliche und einzige Gegen-
stand alles Bewusstseins sei, nur mit der Unter-
scheidung^ dass das BeWusstsein als uninittelbaie Wahr-
nehmung es in seiner ooncrtoten Vereinzelung auffasst, wäh-
rend das zum Denken entwickelte es in $einer Ab-
straktion und Reinheit a I s Allgemeines erkennt, also nicht
erst es erzeugt und eirfindet, sondern es findet und enthüllt.
-^ Hätte er ferner, wie diess allerdings zunächst nothwen-
tlijg gewesen .wäre, nach dem höheren Grunde dieses Ge-
gensatzes und dieser Einheit in der Sphäre des Seins, wie
des Bewulstseins gefragt; so wäre er dadurch Ober die
Schranken des einmal gefassten Standpunktes hinaus in die
Bahn einer ganz neuen, rein metaph^ysischen Unter-
.suohung getrieben worden. Indem das Allgemeine, durch
das Besondere vermltt^, als Einzelnes sich darstellt, und
umgekehrt; so entsteht die umfassendere Frage » welches
wohl das Frincip , der höhere Grund sein möge dieser
^auzen Synthesis, wie es geschehe, dass im Sein, wie im
Bewussts^in dufcbwaljiende Allgemoiaheit, Gesetzlichkeit sich
offenbare, ji^, die Gesetze des Seins auch die des Be-
wusstseinEir sind? Hier fügt sich sogleich also das fer-
nere Problem an, welch ein Verhältniss überhaupt zwi-
schen dem Sein und Bewusstsein, zwischen den Dingen and
dem Wissen von denselben, Statt finde, welches endlich in
jlie npch höhere Frage übergeht: was der Grund der
jUeb^reinstimmung beider, der Einheit von Sein und Wissen
sei? Und einen Wink darüber hatte Locken schon dio
«rste Kritik meines Wefkes von Leibaitz geben können,
Lock« OAd LeibiHt«. 39
von der irir wksen, 4ass sie jenem noch vor seinem Tode
2a Gesklit gekommen ist.*) Durin wird bemerkt^ dass
die Frage nach den> Ursprünge der aligemeinen Ideen weite««
rer bedeutender metaphysischer Untersuöfanngen
bedürfe, ja dass die ganze Lehre vom Erkennt, als ein
TheU der allgemeinen Aufgabe der Philosophie nur durch
Lösung' der letzteni und im Zusammenhange, mit ihr, kei*
neswegs aber für sich und abgefissen, genügend su Ende
gefolirt werden könne. -^ Audi tritt hier augleioh die be*
mcrk^iswerthe Konsequenz hervor, dass, falls selbst in der
äusserlich systematischen Darstellung der Philosophie jend
vorläufige Untersuchung ^ber ihre Möglichkeit, oder eine
Theorie des Erkenntnissvermögens, wie Locke und spflter
Kant sie anstrebten , fuglich die erste Stelle einnehmen
ffiüsste, der Sache selbst und dem Wesen der Untersuchung
nach diess Problem eigentlich erst in Mitten der Hiiloso«-
^ie, durch Metaphysik^ gelöst zu' werden vermöge:
«ie kann erst innerhalb ihrer selbst, nicht aber v^orlaufig
ihre eigene Möglichkeit begründen; und, wie es überhaupit
im organischen Ganzen einer Erkenntniss nic^ht anders sein
kann, als dass Alles sich gegenseitig unterstutzt 'und
begründet ; so empfängt auch der Anfang der Philosophie
seine rechte Bedeutung, und die voHkemmene Klafheit erst
durch den weitem V^auf der Untersuchung ; und eigent^ '
heb nur am Ende kann voHes Licht auf das Ganze , wie
die emzelnen Theile zurückstrahlen.
Ud^erhaupt aber ist Lcibnit^ens Erkenniniestheofie
aUdieBerichtigung und Ergänzung anzusehen^ die
das Mangelhafte von Locke's Lehre iber das Wesen ie$
Erk^inens nöthig machte ; und zwar konnte sie ausdrficL*
li^ nur in der Form einer umfassenden spekulativen Anr
sidit jener btoss partiellen Untersuchung gegenübertreten :
denn vor allen Düagoi musste das Verhäkniss zwisehnn
^ein und Bewusstsein überbaiq^t in seiner gMlnen
Tiefe uatensucht und festgestellt werden, worauf dann über
*) Opf. o«m. UibnUil, Vol. IL P* I. $. Si9, 221. ed. f>fit«u.
40, Locke und Leibnito.
die besondere FVage nach dem Ursprünge der allgemeinen
Ideen ein bedeutendes Missverständniss nicht mehr mög-
lich war. Desshalb aber ist es nöthig, diesen Gegensalz
und diese Ergänzung Locke's durch Leibnitz auch
hier ausfiihrlicher darzustellen. Zum Ueberflusse hat L e i b-
nitz selbst noch ausdrucklich On seinen nauoeaux essaysy
sein Verhältnis^ zu L o c k e' s^ Theorie entwickelt, und gleich
zu Anfang den Erbfehler dersdben gründlich , aber mil
schonender Anerkennung aufgedeckt.
Die allgemeinen und nothwendigen Wahriiet--
len sind nicht als solche ((Mciuellement,') sondern nur der
Anlage nach (viriueUemerU^ S. 43.) dem Be^russtsein ge-
genwärtig; nur stellen sie sich im Einzelnen dar, und wer^
den darin, wiewohl ohne deutliches Bewusstsein derselben,
unendlich angewendet Aber eben desshalb können sie
nicht durch Induktion hergeleitet werden aus dem Be-
wusstsein dieses Einzeben; denn Induktion vermag über-^
haupt nur Erfahrung zu erzeugen, die nie aufhört, wei-
terer Berichtigung zu bedürfen , nicht aber ein schlechthin
in sich abgeschlossenes Bewusstsein absoluter Allge-
meinheit und Nothwendigkeit hervorzubringen. Also nur
entwickelt^ aus ihrer empirischen Umhüllung und Ver-
flechtung zu deutlichem Bewusstsein gebracht , können die
allgemeinen Wahrheiten werden ; ihr Erkennen ist ein rein
apriorisches, schöpfend aus dem Innern des Geistes,
der das Maass und die Nothwendigkeit der Dinge in sich
selber trägt: und so stammen nach ihm Mathematik, wie
Logik und spekulative Philosophie, eben aus apriorischer
(rein im Geiste sich entwickelnder) Erk^ntniss (S. 30 -—
34.) ; und die wissenschafUichen Definitionen sind nur die
zum Bewusstsein gebrachten ursprünglichen Ideen
d e r D i n g e selber (S. 58. vgl. 331.), — Daran schliesst
sich bei ihm die oft missverstandene und selbst von Kant
entstellte Unterscheidung zwischen sinnlichem und rationa-
lem Eikennen : dieses «— und vor Allem daher die Philo-
sophie — erkennt das Wesen der Dinge, weil es das
Allgemeine an ihnen, ihre Gesetzmässigkeit und Noth-
Locke und Leibnitz. 41
wendigkeit mm Bewosstfiein bringt: und diese bt daher
zugleich die deutliche und addquate Erkennt-
nis s der Dinge, während dieselben im sinnlichen Bewu8st-
sein in der unendlichen Mannichfaltigkeit ihrer faktischen
Merkmale und Beziehungen erscheinen, welches sie daher^
um ihrer verworrenen Fülle und ihres stetigen Vcrfliessens
willen, nur undeutlich und unvollständig anfza-
fassen vermag. Aber darum ist diess Phänomenon des
sinnlichen Yorstellens nicht blosse Erscheinung zu nennen,
hinter der, selbst unvorgestellt und unvorstellbar, das
Ding an sich, die wahre Realität sich verberge: viel-
mehr, wenn es gelingen könnte, das Gewirre der unendli-
chen Merkmale und Beziehungen zu entwickeln und geson^
dert aufzufassen, die jedes Einzelne in jedem Momente sei-r
nes Daseins absolut verschmolzen darbietet, so würden
damit eben so viel wahre Realitäten sinnlich vorgestellt
worden sein. Wie in der Empfindung der grünen Farbe
das Gelbe und Blaue zusammenwirken, ohne dass unser Sinn
diese darin unterscheiden könnte ; wie im Rauschen des
Meeres jede einzelne Woge vernommen wird , denn jedo
tragt .bei zur ganzen Empfindung, während doch keine be-
sonders wahrgenommen zu werden vermag : so ist jede,
auch die scheinbar einfachste Vorstellung die Zusammen-
wirkung einer Unendlichkeit von Wirkungen und Eigen-
schaften, die, wenn sie unterschieden zu werden ver-r
möchten , das wahrhaft Wirkliche , die eigentliche Realitit
wfirden erkennen lassen. — Durch diese^nsicht ist zu-
gleich das Verfaältniss zwischen Sein (Realität) und .Be-
wnsstsein in allgemeinster Beziehung festgestellt Alles
Bewusstsein ist ein reales; denn nur dadurch ist es äber-
haupt Wissendes, dass es einen Inhalt d.h. Bewusst-
sein der Realität hat. Aber es kann ihrer adäquat
oder inadäquat bewusst werden , und diess allein be-
gröttdet einen innem Gegensatz im Wissen, den zwischen
Wahrnehmung und Verstand, womit gleichfalls der
ftegensatz zwischen Phänomenon und Noumenon auf
das Engste zusammenhängt. Das wahrnehmende Be-
43 Locken und Lcibaitjs.
wusstseln vermag die iUalitit nur inadäquat aur;Baras->
aon ; denn es stellt sie vor von der Seit& ihrer ausserliehea
Unendlichkeit und Zufälligkeit; -r^ sie wird ihm
Aidurcfa zu einem FJiänomenon: — der Verstand da-
giegen, indem er sie, von ihren zufälligen Beziehungen
befreit, in ihrer Allgemeinheit und Nothwendig««
k e i t denkt , ist eben darum das adäquate Bewusstseia
derselben, weil hier vollkommener Abschluss, reine Vollen-
dung des Erkenhens möglich ist. Dadurch ist aber die
Realität Dach ihrer ewigen Seite, als N o um e n o n, er-»
kannt.
Aber auch auf die dritte Frage nach dem Grunde
jener Einheit von Sein und Bewusstsein geht die Erkennt-^
nisslehre Leibnitzens ein, und blickt so hinüber auf
metaphysischen Boden. Indem Locke den Ursprung aller
Erkenntniss, auch den des Nothwendigen und Gesetzlichen,
lediglich aus Abstraktion von den sinnlichen Dingerf her<>
leitet, lässt er unerklärt, wie es möglich sei, aus dem an
sich Zufälligen ein Allgemeines , Nothwendiges und Vor-*
nunftiges zu abstrahiren. Man kann durch Abstraktion in
tlen Dingen doch nur finden , was sie an sich selbst schon
^ind: sie müssen selber vemänilig sein,i<jesetE und Ha«
Üonalität sich in- ihnen gegenwärtig'iinden , um dies aus
fich erkennen zu lassen. Und so ist der Grund ihres
Seins in ihrer vemünfiigen Erkennbarkeit, wie des Wissens
«nd seines vernünftigen Erkennens nicht in ihnen, auch
-nicht im Wissen zu finden; sondern in einem sie vermit«-
ielhden Dritten, dem schöpferischen Grunde der durch alles
£ein und Wissen hindurdiwaltenden Rationalitat. Diesen
•Fortschritt, kat sich Leibnitz beslknint ausgesprochen:
•Gott, d. h. der Verstand Gottes ist ebensowohl Urhe«-
ber der wesendioken Natur der Dinge , als der ewigen
Wahrheiten im meiBschiichen Verstände ; diese sind aber
nur jene, das im Reich der Dinge verwirklichte Sein
der ewigen Wahi^eiteu. So hat Leibnitz nach der Einen
Seile hin auf den wahren und letzten Chruttd alles Erken^
4ienS)y wie aller Erkomharkeil, hingewiesen, von der andern
Locko und Leibtiils; 43
Seite den ron Des Carter; nur ftustferitch verbuodenitii,
von S p i n o s a abstrakt aurgehobeae« Geg eastta von Den«-
ken and Sein durch Aufweisung deji geineinsamett Frincips
in beiden wahrhaft und innerlich vermittelt ^ und ao schon
auf das letzte Ziel der Spekulation hingewiesen, dessen ge-
steigerte Annäherung im Folgenden dansulegen uns geUn-
gen wird.
AbsicbUich haben wir weitläufiger die eratau Gnind^
zuge der Locke* sehen und Leibnitz'.sohen Theorie
einander gegenüber gestellt, indem wir dadurch auch man-
chen Bildungselemenlen der neueren Zeit -eiBigen Dienst
zu erweisen glaubten. Von der £inen Seite nämlich sind
noch gane neuerlich Solche hervorgetreten, die dabemiht,
die Philosophie hinter Kant, ja hinter Leibnitz zoruck-
zudrangen; mit verjährten Locke'schen WaiRin jede aprio-
rische Erkenntniss bekämpfen wollen , und denen in der
That zu rathen wäre , de sie zugleich eäie so gewaltige
Verabscheuung K a n t* s an den Tag legen« in diesem Punkte
Leibnitz zu ihrem Lehrer au machen, um selbst zu sehen,
wie gründlich und überzeugend dieser ihren Ahnherrn Locke
beriditigt und zurechtrückt I *) — Von d^r andern Seite
ist aber Vielen noch die Kantische Theorie vom Dinge
*) Iniofem die HinneiguDg zu eioem ausserlichen Empirismus ia
der Philosophie jetzt mehr als je hervortritt} und die Ge-
wöhnung, in den Gedankenrormen etwas bloss Subjektives tu
sehen, keinesweges verschwunden ist ,* mdchten obige Aetisse-
rungea auch jetet noch ihre Kraft bebalten. Dagegen Ist dis
Studium und die eindriiigettde Kenatnifs dea zur Zelt^ als
diess ge«chriebeia wurde, fast Tergessenan Laibnitus^an Sjr-
Sterns durch mehrere treffliche Monographieen über »eime Piii-
losophie unter aus wieder geweckt worden , so dass , was im
Folgenden für Leibnitz gewünscht wird , als vollkommen er-
fQllt betrachtet werden darf, und auch die gegenwärtige Cha-«
rakteristik ihr« Vervollständigung in jeaeu Au«filhniBge& fri*
det Anai er kjsng tur B Valien. AtMig.
44 Locke und Leibnitz.
an ricli, ab dein Jenseitigen, Unerkennbaren für das Be-
ivusstsein, so unaustiigtar eingeprägt, und in so mannich-
fachen Formen geläufig, dass auch ihnen ein jedes Streben
nach wissenschaftlicher Philosophie in umfassendem Sinne
schon eitel dünkt. Versuchen es diese, ganz ohne Bezie-
hung auf neuere philosophische Bemühungen , die oft zu
nahe stehen, um rechte Würdigung zu finden, Leibnit-
zens Erkenntnisstheorie mit frischem Blicke und unbefan-
genem Urtheile aufzufassen : vielleicht fanden sie theils, wie
e€ wohl mtssdeutet, aber eigentlich nicht widerlegt worden
sei von Kant, thetls wie bei Kant selber eben das, wor-
in er sich jenem entgegensetzt , diejenige Seite der Lehre
sei, welche die weitere Entwickelung der Philosophie gerade
rurückzunehmen und zu berichtigen hatte. Denn das Ver-
haltniss zwischen dem Apriorischen und Aposteriorischen,
Wie es Kant feststellt, und worin eben sein Gegensatz zu
Leibnitz liegt, wird sich uns als die Wurzel* aller wei-
tem Irrungen, als das eigentlich Unzureichende seinär gan-
zen Lehre ei^ben. Welches die Ansicht Leibnitzens
in dieser Beziehung sei, haben wir schon oben in den
Hauptmomenten dargelegt: nach ihm ist das Allgemeine
und das Einzelne, das Apriori und Aposteriori Eines und
Dasselbe, die absolute Realität, derlnbegrilF des Seins;
dort nur nach ihrem allgemein nothwendigen Wesen, hier
nach ihrer Zufälligkeit erscheinend, dort als Noumenon,
hier als Phänomenen erkannt. Bei K a n t dagegen ist das
Apriori die subjektive, an sich leere Form der Anschau-
ung und des Verstandes ; das Aposteriori , das in jener
Form zwar erscheinende, an sich selbst aber schlecht-
hin unerkennbare Ding. Dadurch ist ri)er ein un-
austilgbarer materialer Gegensatz zwischen dem Aprio-
rischen und Aposteriorischen festgestellt : jenes ist ledig-
lich das Subjektiv-formale, für sich leer und inhalt-
los; diess das Subjektiv-materiale, jenem erst In-^
halt und Füllung verleihend : beide also durph ihr Wesen
nn sich selbst einander entgegengesetzt, beide jedoch gleich
subjektiven Charakters, indem weder jenes noch dieses
Locke und LctbMte: 45
dam taugt, die eigentUcha Realitfit, dasIUng an Biah, ob^
jektiv erkennen m lassen. Daher denn auck bei Kant
die schroffe Entgagensetsong zwischen den PhAnome- '
nen und Noumenen; auf jene ist das Bewnsstseki iti
ailem Erkennen schlechthin beschränkt, weil es doch nur
Erscheinungen aufzufassen vermag ; diese dagegen sind das
schlechthin allem Erkennen Jenseitige, bloss eine leere
Stelle, einen negativen Begriff bezeichnend , damit das Be-
wnsstsein in der Weit der Phänomene , auf die es doch
einzig beschränkt bleibt, nicht die wahre Realität eritannt
zu haben meine» Und so ist denn der Erfolg aller dieser
Zerreissungen und Gegensätze ein vollkommener Sub^
jektivismus, d. h. das ausdrückliche Bekenntniss, dass
das Bewusstsein zwar von alter Realität absohit geschiedenj
dennoch den negativen Begriff derselben habe, also
gleichsam das ewige Bedürfniss, die Sehnsucht nach der-
selben empfmde , ohne je dieselbe stifien zu können ; dasa
es daher mit seinem ganzen theoretischen Yermdgen in
einen absoluten Widerspruch aufgehe : Behauptungen,
die wir im weitem Verfolge an Kant sämmtlich nachzu-
weisen gedenken. «— Hier kam es nur darauf an, den Ge-
gensatz zwischen Kant und Leibnltz scharf hervorzu-
heben , und die Frage daran zu knöpfen , wessen Lehre
zufolge dieser Erörterungen wohl in sich harmonischer,
befriedigender^ wahrheitsvoller erscheine^ ob jene
oder diese : ob daher wohl der — richtig verstandene —
L e i b n i t z durch Kant eigentlich widerlegt ^i, ob itter-
haupt durch Kant allein (abgesehen von der weitem
Entwicklung durch seine Nachfolger) ein entschiedener
Fortsdiritt der Philosophie über Leibnitz hinaus gewon-
nen zu sein scheine? — Und so wäre es auch für die
gegenwärtige Zeit noch ein dankenswertfies Unternehmen,
wenn ein geistreicher Mann die befden trefBichen Werke
Locke's und Leibnitzens, wie sie sieh gegenseitig
aufhellen und verständigen, uns in vergleichender Beaibei-
tung wiedergäbe. Besonders das des Letzteren , reich an
den scharfsinnigsten und tiefsten Blicken, und anziehend
46 Loeke und Leibnitz«
durch «einM wilden Geist, Y^l^ darch seine ebeoso geniale^
Biß natürioke Darsfellang, würde in der Phtiosophie uns
wieder deii. KiaDen uild Gesunden zuge wohnen ; und beide
wurden so. die besten Vorarbeiten sein zu einer künfti-
gen wfssensehaftlichen Tfaeotie des Bewusstseins , oder
^neuea Kritik<^ der Veminift.
So War Locke zufolge des Vorigen vollkommen be-^
rechtigt , von der Behauptung auszugehen , dass alle Vor-^
Stelkmgen im Bewusstseln faictisch entstanden, oder in ihm
entwickelt sein müssten, dass also angebome Erkennt-»
nisse m keinem Sinne in ihm vorhanden seien. Aber nach
ihm knüpfte sich daran die fernere Konsequenz, dass die
Sede desswegen nur ein an sich leeres Vermögen, Vor--
stteAtingeiv 2u empfangen, die blosse Abspiegelung d^
Anssendinge sei^ und dass erst hieraus, aus dem also Em-
pfangenen , die übrigen Erwerbungen des Geistes hervor-*
gehen können. Die Seele wird von den Aussen-^
dingeti nffieirt; diesen Satz, eme Mischung aus dem
robesten i^milidien Soheine und ans ungeprüften Hy]^othesen,
stellt er eAs unzwelfelhanes Axiom an die Spitze seiner
^liieorie. ^ Was mm auch übrigens dio Seele sei, fäirt er
A>rt, — welehes unentschieden bleiben mag; — sie
zeigt sich, nnmittettrar r^kt passiv, hingegeben den von
Aussen »^ überwfiltigenden Eindrücken.: erst daran er-
wacht übei%aapt ihr Bewusstsein, entwickelt sich wei-
ter di« Reflexion, welche nun dfe verschiedenen Voiv
Stellungen, <so wie die einzelnen Zustande des
BewnsstseiM gehörig m unterscheiden und gegen einander
m halten im Stande int Jene Vorstellungen sind aber
zugletdi dii0 Materia le aßer ihrer Erkenntniss ; dieRe*
flexian, als das Formale, vermag nur, sondernd oder
vereinigead, sie lu beetbeiten : und damit sind die beiden
eineigen firondbeitimniungen des ganzen Bewnsstseins ge-
geben (B. 1i. C. I. bis S. M. «. 25.). Eine Ansicht, die,
indem m es wenigstens venuoht, ^ins jenen IVinetpien
Lotke uimI LeRmibt 47
simnlliclien fbnncn des Bewusstsviiu sMIg ita-
am dieser naturgnnasBeii Etaftchheit und wtii ibef viekm
heutige Pssyehologieen im sleken sokeint^ welche nicht g«l-
nngf einzelner ^ ureprangiicher Y Brmbgen^ im Geifto
avfliäufen können, die in der Thal mtl den robeii VorMefc-
Imgen der Caitesialier von den ang^bonien Ideen Yergleii-
cliangspunkte darbieten , welche keinen voillieiUiafteA Be»-
gttf von den Fortsehritten der Psychologie seil jetier Zeil
nadien ictonen.
Doch hören vnr Leibnitz, wie er auch hier er-
l^iiHEl und bericMti^!' Die Sede wird afficirt von den
Attssendingen, sagt Ihr! Dioss ist eine unverstandliebe, ja
völUg- widersinnige Behauptung. Die Seele ist Subslane,
lebendige Wirklichkeit, Einheit positiver Kräfte;
denn sie ist tiberhaupt, und der Grundbegriff alles Wirk-
lichen ist, aus sich sdhrt , ans seiner monadischen Grünet
bestimmtheit thitig n sein. Sa isl sie denn such, wie
alles wirfciiche , seib^tkraftige Dasein , schleehthin in sich
beschlossen und unangreiHmr durch Anderes: sie isl
als kineriich Positives dnin zugleich absolut ausschlief-
send das Andeve : «nd diess ist die Seite des I n- s tch^
Seins, der SelhstbesÜnnHung' an ihr, wie an aUem Dasein.
I>er gewöhnliche Gedanke einer gegenseitigen unmitteUm-
ren Einwirtaing' ist dsfter als ea»e rolie^ unphüMspliische
▼orsteBungf fiberheupt anfiiugeben. — Dodi was soll eigeatk *
Kch erklfirt werden durch dieselbe? Die Veränderung
in den Dingen. Aber eben diese liegt schon in dem ursprüngw
Kdien Begrrffis des lebendigen, sich fordiestimmenden Da«-
seins : als sidches muss Alles sich verwandeln, stetig* und
unattfliöriich, aber gemäss seiner innem Natur; aller Wdinni.
de! ist sonach Entwickln nfT TOn Innen her. ' So
isl denn von der einen Seite der Begriff restzuhaken,
dass die Seele all» Vorstellungen , auch die , welche man
similiche nenni y d. k. Ihre Verinderungen, aus sich
seRm entwickle , das« sie nur die Verwirhttchung- seien
ihres fnnern positiven Wesens: ein Siettz, der nur
ideii; #ie gewdhalicb, isoliit und in seiner Emseltigkeit
48 Locke und Lcibnit2.
g^assi werden miiss, iro er dann freilich zu vermeintHrhen
Widerlegungen Gelegenheit gegeben hat. Denn unmittel-
bar knüpft sich an dmiselben der andere Satz an , dass
in Wahrheit es ein solches Einzelne in Vereinzelung
nicht gebe, das Alles in absoluter Einheit bePasst
sei , oder wie diess L e i b n i t z in seiner Sprache aus-
druckt , — dass die innem Veränderungen der Einzdmo-
naden durch voriierbestimmte Harmonie ursprünglich einan-
der angepasst seien: dass also die Seelenmonade gar ei-
gentlich die innem Bestimmungen ihres organischen Kör^
pers , und durch dessen Vermittlung erst die Aussenwelt,
Yorstelle ; eine Bemerkung , die L o c k e' n gegenüber mit
Recht geltend zu machen war, der überall vom unmit-
telbaren Afficirtwerden der Seele durch die Aussendinge
spricht. — Aber damit ist überiiaupt die gewöhnliche An-
sicht eigentlich nur nach philosophischen BegrüTen berich-
tigt , nicht aufgehoben ; vielmehr kann man, abgesehen vom
streng wissenschaßlichen SprachgQbrauche , jnit vollem
Rechte auch nach Leibnitz von gegensdtiger Einwir-
kung der Dinge auf einander reden , ja ihm zufolge findet
vidmehr die tiefste Veritettung zwischen Seele und Leib
Statt Denn von der andern Seite ist die Unendlichkeit
jener sich undurchdringlichen Einzelnheiten eben zugleich
in absoluter Einheit, und der BegriiF der gegenseitigen
Undurchdringlichkeit wäre nicht einmal möglich, ohne sie
auf die Einheit bezogen, und die sich ausschliessenden von
ihr gehalten zu denken. Und so entwickelt sich aus
jenem Begriffe unmittelbar sein absoluter Giegensatz und
darin seine Ergänzung* Die unendlichen Einzelnen sind
schlechthin in der absoluten Einheit zu denken, und stel-
len an sich selbst nur diese dar: die unendlichen
Monaden sind in der Urmonas. — Und diess ist die Grunde
Verschiedenheit Leibnitzens von Spinosa, freilich zu-
gleich aber auch das Mangelbafle seiner wissenschafUichen
Form, dass er, von dem Gedanken der Hannichfaltig*
•keit,-- des unendlich Individuellen, als dem ersten
ausgehend, in begrtffsmässiger Entwicklung nicht
Locke und. Leilmilz; 49
nadtteimsen Teraoehle, wie jene nor atodasmiiderEin«
keit Ideitiseiie, ab die sich selbst darstellende
fiiaheit, zu sein vermöge; wodnrch denn die letztere
fretUcb nnr in dem mangelhaften Ausdrucke einer voraus*
bestimmten Harmonie, als etwas Zweites, Besonderesi
nur wie eine äilsserliohe UmhäUong nachgeholl werdim
koHBle» Aber diess betriiR nur die äussere Form der Lehre,
oder viebnehr den Mangel ausgeführter Form, wahrend das
Princip derselben die Anerkennung der Einheit, als der
wahrhailen ReaUm, auf das Entschiedenste geltend macht,
und bei den einzelnen Problemen auf das Lebendigste her-
vorhebt. Dabei' mögen wir jedoch zugleich bedenken, dass
er gerade diesen Ptmkt seiner Lehre •— vom Verhaltnisse
der Urmonas au den endlichen Honaden, oder Gottes zur
Welt — den Orthodoxen seiner Zeit einiger Massen zu
verhüllen die Ursache hatte, die ihm sonst gewiss nicht
manche Verdächtigung erspart haben würden , welcher er
sonst schon^ trotz seiner überall sich accommodirenden Theo«
dicae, kaum entging. Vcrmuthetedocb Clarke schon in dem
Gedanken emer vorausbestimmten Harmonie allerlei gefähr^
Kchc, endlich zum Fatalismus und Atheismus leitende Ton«^
denzen ; und wenn man Leibnitzens Antwort darauf, und
seine übrigen Erörterungen in diesem Streite mit der Berück*
sichligung liest, was ein solcher Geist dabei denken musste,
und was er davon sagen- durfte, dem wird der esoterische
Sinn seiner Lehre über diesen Punkt wohl völlig klar wer-
den. — Aber eben an jene aiisseniche Form haben sich
Anhänger wie Gegner ausschliesslich gehalten, und dadurch
die Lehre in einer Einseitigkeit aufgefasst, die ihrem ei-
gentlichen Geiste gerade widerspricht, ja die sie glückli-r
eher vermeidet, als die meisten andern Philosophieen, bei
denen entweder — wie bei Spinosa — vor der Einheil
die Bfannigfaltigkeit, das Individuelle, nicht zu ihrer Bedeutung
g^elangt, oder die, wie die Meisten, empiristisch im Man-
nigialligen sich ergehend , zum Begrifie der in dem Man-
nigfaltigen sieh vcrwirklidienden Einheit sich gar nicht
erheben kannten*
50 Locke und Leibnitz*
So 9teNt die absolute Einheit (Unrnmas) s i oh dar in
der Unendlichkeit der Einzelnen ; diese sind daher, inner-
halb ihrer Unmittelbarkeit und ihre^ gegenseitigen Aus*
schliessetis, dennoch zugleich absohit einstimmend mitein-
ander. Ihr In-sich-sein ist, durch die Einheit ver-
mittelt, eben so unmittelbar ein Sein im Andern und für
Aftd^^es; und dem Begriffe der gegenseitigen Aussdiliessong
ist sein Gegensatz^ die absolute Weohaelbeziehung,
als weisentliche Ergänzung hinzuzurügen. So wandelt und
wechselt Jegliches zufolge seiner iiinem Natur, darum aber
dennoch harmonisch mit allem Andern; Jedes ist Spiegd
des Universums nach seiner Art und von seinem Stand-
punkt; .und zwar diess nicht nach einer besondern Ein-
riditung niid Veranstaltung, wie man jenen Ausdnick der
Vorherbestimmung gewöhnlich missverstanden hat, sondern
Zufolge seines unmittelbaren Wesens , indem es an sich
Nichts ist, als die in ihm sich darstellende, verwirklichende
Einheit.
Die weitere Ent\^icklung dieser einfachen Gmndansiclit
enth< aber auch schon die allgemeinsten Principien der
Seelenlehre; und wir betrachten es als keinen geringen
Vorzug der L e i b n i t z' sehen Philosophie^ dass sie, eigent-
lich in einem einzigen Grundgedanken beschlösse ^ allen
besonderen Problemen aus ihm die einfachste, kunstloseste
liosutlg giebt, ja dass sie in der stetigen , wie unwillkflhr-
licb^rt Entwicklung dieses Einen Princips fast mit dem
HOöhl^en vergleichbar wäre, der Schöpferkraft in der Na-
tur und den Dingen selber. — Die Phänomene nämlich, die
wir Körper nennen, verbundene sind Aggregate einer
unendlichen Mannigfaltigkeit ursprQngtich- einfacher Kräfte
(Monaden), die, in der all-umfassenden Einheit, dennoch
durch innere Achnlichkeit sich besonders auf einander be-
;^iehen, also im eminenten Sinne in sich Harmonie und Ein-
heit darstellen. Es giebt diess den allgemeinsten Begriff
des Org^anisihus. Diese mannigfachen innem Bezie-
hungen müssen jedoch, wie Strahlen in einem Mittelpunkte,
in Einer Honade zusammenlaufen , die , aUe jene- Veriiält-
Locke tA\A LcibnMz. 61
nisse iii sich abspiegelnd, dadirrch der wimRtelbate Alfs-
druck der Vollkommenheit (die Entclochie) dteseis
Körpers Wird. Kein Korper also ohne Enteleehie, weil er
organisch ist; tind diese ist es zugleich^ die wir, e« Be-^
wusstsein entwickelt, Seele emes Leibes/ nennen iaAs-
sen. So ist die Seele mit ihrem Leibe wesentlich lind <n"-fc
ganisch Eins; keines ohne das ändere, ja Jedes j^^chlecht-^
hin bcdentongslos ohne sein Ent^reclieAdes : ^ine ^eahre^
substantiell-Iebepdige Einheit, nnd als solche Abbild
und Gleichniss der absoluten Einheit des All, oder
Gottes. ♦)
Aber die Seele als ursprüngliche Krall ist in nnend^
lieber und stetiger Entwicklung begriffen : Kraft kann nicht
ruhend oder gebunden gedacht werden, und die Seele, das
Vorstellende, kann nicht zugleich die Negation von sich^
geistig leer und unthatig sein. — Aber was Ist eigentlich
jenes ursprungliche Vorstellen? Die Centralmonade , die
lebendige Einheit des organischen Leibes , stellt ursprüng-
lich in sich nur die Beziehungen und Veränderungen des
Leibes dar, und diese Darstellung, dieses unmittelbare Wie-
derscheinen macht ihr Wesen als Seele -^ als Cenfrum
dieses Leibes aus: was sie also auch vorstelle, immer ent-
spricht es dem Leiblichen an ihr, ohne dass darum jenem
oder diesem das Vorrecht des Bewirkens zuzusprechen
wäre, was dem Begriffe einer organischen Einheit, eines
absoluten Verschmolzonseins widerspricht. — Aber eben-
so stellt die Seele ferner ununterbrochen vor, weil
*) Falls eil über diesen Pnnkt noch einzelner Belege bedurfte,
welchen Leibnitz, aU das Charakterutisciie seiner Lebre^
überall nachdrucklicli hervorhebt; so verweisen wir vomehm-
lieh anf folgende Stellen : £p. ad de Bosses, ^PP- omn. Vol.
U. P. I. S. 269. und daselbst S. 2^3. 287. — Lettrcs d Mr.
Remond de Monlmort, Opp. JT. T. I. S. 225. Nonveaiix Ks-
says S. 278. u. s. w. Dazu noch: Commercium eplstojirnm
Len>nitii ed. Feder, 1805. Letires a Mr. Bayle, S. 124.125.
u, S. 127.
52 Locke und Lcibnitz;
sie nar in steCigf^ Entwicklung gedacht werden kann, und
ihr unendliches Zeugen von Perceplionen , (Innern Verän-
derungen , die sich auf ihr Aeusseres beziehen, > ist eben
jene Entwicklung, welche Leibnitz, in ihrem lieber-
gange von einem Momente zum andern, höchst bezeichnend
das Streben (Sichfortschwingen, appetUus) der Entel&-
chie oder der Seele nennt. Aber an sich sind diese Per-
ceptionen nur vor- oder darstellend, nicht aber selbst
unmittelbar vernommen oder b e w u s s t : erst durch
ihre Concentration entsteht das, was wir bewusste Vor-
stellung, Apperception nennen, und auch die Apper-
ccptionen gränzen an die Dunkelheit ihres perceptiven
Zustandes, und streben in denselben zurück. Eine
Lehre , die leicht missverstanden werden kann , indem es
aussehen möchte, als liesse sie das Licht des Bewusstseins
aus einer Vereinigung mannigfacher Dunkelheiten (der Per-
ceplionen) erst entstehen; wie etwa dem Newton nicht
mit Unrecht vorgeworfen worden , er setze sein weisses
Licht aus siebenfachem Dunkel zusammen. Doch hätte man
vielmehr Ursache , darin den Scharfblick des Philosophen
anzuerkennen, mit dem er gerade das innerste Wesen des
Vorstellens erfasst hat. In dieser Beziehung sei es uns
erlaubt^ einige erläuterde Bemerkungen hinzuzufüg^«
Was wir nämlich eine einzelne Vorstellung, oder einen
einzelnen Gedanken zu nennen gewohnt sind : stellt sich
durchaus nicht als ein so Vereinzeltes , Scharfbegränztes
dar, als e% jener Ausdruck erwarten liesse: überall hängt
es zusammen mit noch dunkeln, oder schon verdunkelten
Perceptionen, und fliesst in sie hinüber; niemals kann eine
Vorstellung daher ganz erschöpß, oder vollständig entwtk-
kelt werden, weil sie, indem sie fixirt werden soU, von
selbst sich wandelt, und zu einer andern wird, weil* sie
stets über die erste scheinbare Begränznng in Anderes
hinüberg^eitct. So steht keine Vorstellung fest vor dem
Geiste , sondern schwebt vor ihm in ungewissem Um-
risse, immer in Gefahr, in andere sich zu wandeln, die sich
herbei^rängen aus der Dunkelheit des perceptiven Zustan-
Locke iBi(I LeibniCz. 53
des. So ist das Leben des beMrasstcn Geistes ein stetes
Flokturen über einer unendliciien, iinbe§friflfenen FAHe, die
nie f^nz entwickelt md zu gesondertem Bewusstsein ge-
bracht werden kann; und nur das Selbstbewusstsein der
Einheit in dieser MaAnigffaitfgkeit, das Ich, das Jegliches
auf sich bezieht, ist das eigentUohe Liehi^ des Geistes, von
dem erleuchtet Alles erst Eigenthum und Besitz desselben
wird. Doch es ist der Sonne über dem Meere zu verglei*
chea, die zwar die einzeln aus ihm hervortretenden Wel-
len durchscheint, aber den tiefen Abgrund unter ihnen, ans
dem sie sich erheben, nur dfimmemd zu erleuchten vermag.
So ist der Mensch geistig unendlich reicher, als er selbst
es weiss , und je in Bewusstsein aurzulösen vermag : und
diese Basis nie völlig in's Bewusstsein eingehender KraRe
und Beziehungen in ihm macht die Tiefe seines Wesens
und das Vortiedeutende desselben ans. — Das Ich aber
ist das eigentliche und unmittelbare Bewusstsein , das da
nicht erst entsteht an den einzelnen Appereeptionen,
oder aus ihnen zusamniengx^sctzt wird , sondern das da
schlechthin ist vor und mit allen einzelnen: es ist die in
sieb reflectirte Einheit der Seelemnonadc (um mit
Lcibnilzens Ausdiiick zu sprechen), die durch die
einzelnen Perceptioncn hindurehfliessend, dieselben unmit^
telbar auf sich selbst, als die seinigen bezieht. Das Ich ist
die unmittelbarste Apperception (iniuUion); daher sie
L c i b n i t z die erste (allgemeinste) Erfahrung (premüre
experimce) nennt; denn durch sie vermittelt sich erst jede
einzelne Apperception. Dennoch sind auch hier die beiden
Momente der Einheit und der Mannigfaltigkeit schlcchlhin
unabtrennlich; ein reines Ich wäre eine erlogene Ab-
straction , ein in sich widersprechender «Gedanke,
eben so das Bewusstsein von diesem oder jenem, ohne
Bcwosstsein schlechthin, d. h. Ich zu sein. Das Ich
erscheint nur als die Einheit in der Manniglalti^keit ; und
eben so umgekehrt, indem der Wechsel der Vorslellmigcn
vor dem Bewusstsein dahiufliesst , ist es selbst nur als auf
^ Einheit desselben bezogen denkbar. Jeder dieser Mo-
54 Locke and LcibsUz.-
nien(e also, ein^bi geXasst, enthtll aa sich selbst schon
die Nolb wendigkeit des andern; und wie wir schon
oben im allgemeinslen Sinne dto Einheit nur in Mannigfal-*
tigkeif, die Mannigfaltigkeit in Einheit zu denken vermoch-
te», so wiederholt sicli hier dasselbe Ycrhältniss am Be-*»
sondern, an der absohiten Syntl^esis des Bewusstseins.
Für Leibnitz ^Iso, wie für Lop ke, war das Wesen
der Seele ein einfach ^ unlheilbarps , das erst sich cnU
wickelnd in mannigfache Zustände sich auseinander legt ;
nicht aber gleich ur;q>ruqglich aus einer diskreten Mannigfal-
tigkeit verschiedener „Vermögen^ zusammengefügt ist. Nach
Locke jedoch lein blosser Spiegel der Aussendinge,
unterworfen den Impressionen derselben ; und erst darauf
sollte, vermittelst des zweiten Moments der Reflexion
auf jenes Spiegelbilden, das Selbstbcwusstscin (Ich)
entstehen. Bei Leibnitz dagegen ist der Geist absolutes
Vorstellen in. und aus sich selbst, welches Insich-
vorstellen die beiden, Momente des Geistes, Einheit
und Mannigfaltigkeit, reines und concretes Ich , schon un-
theilbar umfasst. — So leuchtet schon hier ein, welche
Lücken und ünaufgelöste Schwierigkeiten die Locke*sche
Theorie in ihrer Grundlage enthalt. Wollen wir auch die
Ansicht von dm Impressionen der Aussendinge in der
Seele verstandlich und erwiesen fmden: so giebt diess
immer nur eine einfache Reihe von Bewirkunge» nach
Rückwärts; wir können uns höchstens denken eine
immer neue und höhere Abspiegehing des schon Abge-
spiegelten ; nimmprmchr dbcr das eigentliche Wesen des
S elbs t bewusstseins , das Sichselbstabspicgeln
jenes Spiegels , die absolute Durchdringung von Sein und
Sehen , von Bilden und Sichbilden in einem u n t h c i 1 b a-
reu Momente des Vorstelleus, daraus erklärlich Gnden ; noch
weniger aber die . E i n h e i t dieses Selbstbewusstseins durch
die Mannigfaltigkeit des Vorstcllens hindurch ; — eine
Thal^achc ^ deren Bedeutung Locke in seiner ganzen
Lovke und Leibnitz. öo
TkoriS nie gehdrig erwogen zu hab^n sdieint, da sie utier
sein Erkläruigspriacip schlechthin hinausliegt, — Dagegen
inochten wir LeibniUens Grandlage einer Psychologie
— denn mehr als eine solche hat er nieht gegeben — fast
den ersten Umrissen eines geistreichen Gemäldes verglei-
chen : Alles ist noch unausgeführt, Vieles erst angedeutet ;
aber die Linien sind so sicher, und so lebendig bezeich-
nend , dass man bei schärferem Hinblicken die fehlenden
Züge, wie aus dem Innern hervorpulsirend) sehen zu prblikrr
km ghubl. — Das Ich kmiq nach ihm nicht erklart» herge-
leitet, zusamnengesetEt werden aus den andern Yor^IßHun-
g^mi -- die Einheit aus der Mannigfaltigkeit ßfs\ eyristßhen :
— der stete, wiewohl vergebliche, £rklanuigsyersuch fiUer
wissenschafUichen Atomistik er: — ^ es ist sdpen das
Unvermittelte, Ursprüngliche des Geistes, in dem ^rstalle
übrigen Bestimmungen desselben zu ßein vevmögen. Un^
es ist ein vergebliches Unternehmen, eipes di^^er beiden
Glieder in der Theorie erst hinzutreten m .IßBßefk zunp
andern ; die wahre Philosophie trytt in ihre Iiebendige JHitte,
indem sie nachweist, wie Keines ohne das Andere, yfie
in dem Einen schon unmittelbar das Andere gesßlzt sei,
wie die ursprüngliche Einheit, als solche eben, sich aufr
scUiessen müsse zu innerer Abnuigfaltigkeit, um auch nur
Einheit zu sein; wie umgekehrt die Mßnnigfaltigkeit nur
bezogen auf die in ihm gegenwärtige Einheit , als die zu-
sammenfassende Form, selbst jenes m sein vermöge. Unfl
das Ich, das die Hannigfaltigkeit des Vorstellens Zusam-
menfassende , ist nur der Insi/^hrefiex jenes absoluten
Verhältnisses, in welchem die Einheit als Mannigfaltiges^
die Hannigfoltigkeit nur in der Einheit sein kann* Wie^
ist der eigentliche Hauptgedanke der Leibnitzscfaeqi
Ansicht ; diese Einheit in allem Jlbumigfaltigen, und umge-
kehrt, wollte er als die Grundform alles Paseins bezeich-
nen durch das, was er ^ o n a d e<^ nannte ; ein Ausdruck,
den wir. ganz fallen lassen können, — wie wir ihn auch
im Vorigen gefiissendich vermieden haben, — wenn die
Gfundeinaiohl uns eindringiich geworden, die er bezeichnen
56 Locke und Leibnitz«
s^l: und eben diese, die folgenreichste für alle ^ektda-
tion , erweekt und geltend gemackt zu haben , war das
grosse Verdienst jenes herrliehen Geistes, leider aber ge-
rade das, womit er am Wenigsten Eingang gefunden hat
bei äer wissenschaftlichen Bildung seiner Zeitl
Wir kehren zu Locke zurück! Schon oben beineric-
ten wir, wie nach ihm aHe Erkenntniss ursprünglich aus
Sensation, die die ersten Elemente, den eigenffichea
Inhalt, alles^ Wissens darbiete, und aus Reflexion, der
dieser Stoff zu freiem Eigentbume, zu modificirender Bear-
beitung gegeben sei, hervorgehe. Dass nun jene unmitt^
baireif Vorstelkmgen der Sensation thoils einfache srnd^
theils zusammengesetzte (B. I, C. 2. 3.) ; femer, dass die
Eigenschaften , die wir den Dingen beilegen , theäs u r*
s p r ä n g l i c h e (ifualiiaieg prmariae) , — wie Ausdelutung;
Ftgur, Veränderlichkeit) — theils durch die sinnliche Orga-
nisation vermittelte (qualitates secundariae) sein sol-
len ; (z. B. Farbe, Geruch, Geschmack u. dgi. ; siehe C. 7.)
eben so , wie aus diesen Wahrnehmungen , durch blosse
ileflexion darauf, die einfachen Begriffe der Thätigkeit, der
Kraft, des Vermögens u. s. w. sich entwickeln : diess werde
ohne besondere Prüfung vorbeigelassen. — Wesentlicher
ist es für gegenwärtigen Zweck zu erwähnen, wie diese
Theorie aus dem Gegebenen der sinnlichen, einfachen Vor-
stellungen durch Reflexion die Allgemeinbegriffe
herleiten zu können meint. — Die Reflexion, die ganze
Fülle des Gegebenen als freies Eigenthum besitzend, kann
in drciiflcher Beziehung an ihm ihre Thätigkeit äussern:
theils indem sie gegebene mannigfaltige Vorstellungen zu
Einer verbindet; theils indem sie am Gegebenen auf das
Einstimmige oder Widerstreitende ihres Inhaltes achtet;
theils indem sie, zufolge jener beiden Thatigkeiten, das Un-
gleichartige an den Vorstellungen faUen lässt, und das
Gemeinsame derselben hervorhebt; woi^i (durch die
Abstraktion) denn eben a 1 J g c m e i n c Begriffeczu Slando
Locke und Leibnitz. ö7
kommen soOen, die nun theils Beschaffenheiten an
den SiAstanzen , theils Substanzen jseihst , theils deren
Verhältnisse untereinander bezeichnen konneiu (0.
XII. $. 1-7.)
Hier wäre nun efgentiich nur dasselbe endialten, was
so oder anders modificirt , selten aber gründlicher darge-
stellt, vor ihm und nach ihm die Logik unzählige Mal wie-
derholt hat. Und dochr mochten gerade In dem, was hier
so leicht und behende abgefertigt wird, (Qr die innere Kon-
sequenz dieser Theorie die grössten Schwierigkeiten ver-
borgen sein, die, reifficher erwogen, geradezu nölhigen,
dieselbe ganz aufeugeben ; während hier die Untersuchung
durch ein Paar unverständliche Worte eben bei dem Punkte
abgeschlossen wird, wo sie eigenUich erst beginnen sollle.
Ueberali nämlich ist es eigentlich nur eine petiHo prindpikf
wodurch die versuchte Ableitung der AilgemeinbegriiTe aus
den besonderen so leicht zu gelingen scheint. So soll
nach Locke in den Begriffen, die da Substanzen ausdrök-
ken, (Mensch, Menschheit, Thier) der vorausgesetzte
— aber noch undeutliche — Aügemeinbcgriff der
Substanz überhaupt, dem nur eine andere einfache Vor-
steDung, des Menschlichen, Thierischen u. dgl. noch beige-
fügt werde, den Hauptbestandtheii ausmachen. — Richtig
und wahr: aber eben die Richtigkeit dieser Bemerkung
hebt die ganze Theorie von der Entstehung der AUgemcin-
begriffe in ihrem Fundamente auf. Als vorausgesetzter, oder
undeutlich voriiandener, soll der Begriff der allgemeinen
Substanz denen der besonderen Substanzen zu Grunde lie-
gen können ; was heisst dless nach L o c k e* s Theorie oder
nach jeder andern, welche dieselbe Gnindansicht bat? Sic
sind vorhanden, ehe sie durch Abstraktion (nicht entwik-
kelt, sondern) erzeugt worden sind: — d.h. sind vor-
banden vor dem Akte ihrer Erzeugung , vor ihrem
Sein; ein ungeheuerer, durch Nichts zu verdeckender
Widerspruch, der aber eben das merkwürdige Bekenntniss
enthält, dass die sensualistische Theorie, was sie erklären
wcriite, zur Erklärung selbst unbovusst VcNraussetzt. Sie
58 Locke und LeibaUz;
gjaubt die Eneugung der AUgejueiat^egrifle ms AbstrakUon
von Besonderen erklären zu konpen^ wahrend wo doofa
üiffani eigenen bewussüosen Gest^ndnii^e zufolge zugiebt,
dieselben nur entwickelt, aus ihrer Verflechtung mit dem
Eiuelnen nt^ ausgesondert asu haten* Nach 4er Konse-
quenz der Theorie sipd näpulich i,undeulUche,^ „verborgen^^
AllgeineinbegriSe reiner Widerspruch, da ja erst durch den
Akt der Abstraktion eine AllgemeiniieH für dns Bewusstsein
überhaupt gewonnpn )¥erden splK
Ferner: Nach der ganzen, auch ausdrücklich behaiqi-
letea Konseqoenz der Theorie kanii dio Abstraktioii doch
nur stufenwi^ise vom fiesondeiTi aaim imaer AUgemeiaerep
fortschreiten» indem sie mehr und mehr die einzelnen
Bestimmungen an den BegriiTea fallen lässt ; und 8» ist z. B.
jderBog^iir der AU gern ein Substanz noChwendig auf ei-
ner hohem Stufe der Entwicklung des Bewusstseins erzeugf ,
als der der besondem Substai^zen^ also nur vermitteist
der letztem und durch sie hindurch; er kann also
in keinem Sinne wiederum far diese vorausgesetzt werden^
wenn er nicht wirklich schon im Geiste ist, wiewohl noch
verwickelt ins Besondere, d. h. noch nicht a 1 s solcher zum
Bewusstsein gebracht. — ßo sind alle diese Lehref von
der Erzeugung — nicht der Entwicklung — der AU-
gemeinbegrifTe aus dem Einzelnen durch blosse Abstraktion»
bloss erschlichene Erklärungen^ dfe bewussUos voraussetzen
und stillschweigend benutzen , was sie erst nachzuweisen
versprachen x eine Täuschufig 9 die jenes Gesphäft der Ab-
straetion, AUgemeinbegrife zu erzeugen, so leicht, und die
Erklärung davon in der l.ogik scheinbar so deutlich und un-
Ierfänglich macht* Und jede vei*suchte einzebie Ableitung
ines Allgemeinbegrifles bei L 0 c k e bewahrt diese Erscblci-
cfaung, inde^i, je leichter ihm jene zu gelingen scheint, desto
deutlicher der Grundfehler der ganzen Erklarungswei&e dabei
zu Tage kommt. Die Raumvors teilung, sagt er z.B.,
ist nichts Anderes, als eine einfache Idee, (nicht An^
schauung,) aus Wahrnehmung der Enlfemung der Korr
pep* durch Getast und Gesicht entstanden (C. XIU, $. l>-2.):
darin liegt zugleich der BegriiT des Maasse» — der
Raumbegranzuiig, Ausscheidung innerhalb dasselbM, — waa
den Begriff des Ortes ($. 7—10.)« und, du wir iie'-
merkeny dass diess Messen und Begran^en kein Kade
und kein HMenüss finde, «ilelzt den AUgemenibegriff der
Unendlichkeit dea Raumes ($• 4, 5.) gid)t. — Aitf
dieselbe 4^Tt lässt er die VersteUung der 2eit 9tt8 dem
Begiifle einer durch ein gewisses Maass bescbfinkteii
Dauer entstehen (C. 14* S« 17.); und, da die^s Maa^s
ins Unbestimmte ausgedehnt werden kenn , soll daraus der
Begriff der £ w i g k e i t bervoigehen. Beiden A^eitangeii
li^ der Wider8{Nrtteh einer erlebten oder niipddsteas he^^
merkten y. wahrgenommenen Unendlichkeit zu Grunde;
da vielmehr, wenn die Uaendlicbkeit und Allgemeinheit
nicht schon als die verborgeiio Grundlage im Bewusstsein
des Endlichen und Besonderen , — das eben nur als die
Begränzung und In->sich-beson de rung jener be-
griffen werden kann — gegenwärtig wäre, und als das All-
einige Untieres Bewusstseins wirklich nur dits Besondere
und Endliche mit Locke anerkannt werden musste, —
in der That Nichts schwerer, ja widerßprechendßr
sein würde lur die Vorstellung, als der Cfcdanke eines U n-
endlichen überhaupt W i e könnte dieser überhaupt nur
im Bewusstsein zu Stande kommen, wenn diess in der Tha|
mimittelbar nur Einzelnes und Endliches enthielt^; wenn
es jenen nicht schon wirklich besässe an und mit dem End-f
liehen — als die allgemeine Sphäre desselben, in
welche diess nur als von ihr Begränztes hineintritt ?
Begränzung überhaupt nämlich — als das Princip alle«
Endlichen — setzt voraus die absolute Mich tg ranze —
die Unendlichkeit: Und so ist diese vielmehr als das^
Ursprüngliche des Bewusstseins anzusehen, mittels dessen
erst das Einzelne als solches begrifieii und abgegränzt wer^^
den kann. Beides aber erscheint in wirklichem Be-
wusstsein durchaus in Einem Schlage, weil die Unendlich-
keit unmittelbar nur am Endlichen, das Endliche über-
haupt aber nur am Unendlichen hcrvortr^^^-'u l^ai^ V^
60 ' Locke und Letbmtz.
RaniR also und die Zeit z. B. setzen wir ab' unendKcho
schon voraus, um sie nul- irgendwie in endlicher Begrän-
vmg anschauen zu können ; denn wir vermögfcn ja ebenso
nnmiUelbar, diese ins Unbedingte hin zu vergrossem, oder
jede Begränzong wieder aufzuheben; d. b. sie sind
uns damit als unendliche gegeben. Ebenso, was wir wahr-
nehmend eigentlich erkennen, — das Wahre im
Wahrgenommenen — ist nur das Allgemeine: was an
diesem K6rper z. B. eigentlich angeschaut wird, was die
Realität, das Qualitative desselben ausmacht, sind allge-
meine Eigenschaften, die er gemein hat mit andern, und
die, an ihm nur in einzeln zufälliger Gestalt und besonde-
rer Beziehung hervortretend, ihn zu diesem machen:
aber jeno Gestalt wechselt unaufhörlich an ihm vor unsem
Augen, während nur das Allgemeine bleibt in diesem Wech-
sel , und diess ist eben das Wesen des Körpers , —
wodurch wir überhaupt an ihm , wie an allen einzelnen,
ein Wirkliches zu erkennen im Stande sind. Das un-
mittelbare Bewussisein sondert freilich nicht dfcsc beiden
stets verbundenen Momente, ^cn weil es stehen bleibt
bei dem unmittelbar Gegebenen ; und diess macht das
Unphilosophische seines Standpunktes aus. Aber auch in
der Theorie über denselben nicht hinausgelangen zu können^
heisst die unwillkührliche Beschränktheit zu einer willkühr-
lichen, zu einer absoluten Schranke machen, die jedes
gründlichere Selbstverstandniss ausdrücklich verläugnct und
von sich abweist.
Diess genügt vollkommen fßr den Zweck der gcgen-
wärligen Untersuchung , um die philosophische Ansicht zu
charakterisiren , als deren klassischer Autor Locke al-
lerdings anzusehen ist : wir erkannten die eigenthüinliche
Bedeutung derselben in der ganzen Entwicklung philoso-
tdiischer Erkcnntniss, so wie ihren Mangel und die noth-
wendigc Ergänzung, deren sie bedarf. Indess ist der
Werlh derselben , den sie durch ihren gcsammten histori-
schen Zusammenhang erhält, sehr hocli anzuschlagen; sie
trug wesentlich dazu bei , die leere Bcgriflsnictaphysili der
liocke mul IMhoiH^ Ol
zum TheQ noch berrsdieiiden Schoicgiik «i ^erdrimgem^
so wie sie dem rotten Dualismus der cartesianiscben Ptii-
losophle mindesteos Tersucfasw^se ein einiaches Princip zu
substUuiren unlernalim« Und Locke hai wenigstens dadurch
l)eigeiragm9 in einem Baco's nidit unwürdigen Gleiste,
die Philosophie von der Einen Seite . einer naturgemassen
und wahrhaft spekulativen Ansicht zu nähern, indem er
den Hauptsalz zu Grunde legt, dass alles Erkennen , auch
das höchste, sich aus dem Gegebenen des unmittelba-
ren Bewusstseins entwickle. Nur hat er dabei den Begriff
und die Bedeutung dieses Satzes verkannt, indem er über-
all Erzeugung mit Entwicklung, Hervorbringen
mit zum Bewusstsein bringen verwechselt, und nach
einem Irrthume , den die spate Folgezeit mit ihm gctheilt
hat, das Ursprüngliche nur in der Form der Unmit-
telbarkeit kennt.
Denn das ist ebeh das scheinbar Einfache, und zugleich
die seltsam täuschende Evidenz dieser Lehre, dass sie be-
wusstlos den eigenen verborgenen Reichthum des Geistes
benutzt, um diesen dennoch wiederum erst aus dem Ein-
fachen der äusseren Sensationen herzuleiten. Was zu-
erst in ihnen erscheint, soll zuletzt aus ihnen erst her-
geleitet sein: und eben der Mangel dieser Unterscheidung
macht das Falsche und Unzureichende dieser Lehre aus. Aber
desshalb ist sie gerade Köpfen von historisch - pragmati-
scher Tendenz vollkommen genügend und unübcrtreffbar
einleuchtend, weil sie ihnen den Ursprung aller Begrifle
auf historische Weise begreiflich zu machen scheint;
es wird darum bei einer gewissen Klasse der Wissenschaft-
lichen diese Ansicht nie verschwinden, weil sie nur der
vollkommene Ausdruck ihrer ^eigenen Geistesrichtung ist.
Sie selbst aber lässt sich durch die blosse Hervorhebung
ihres Gegensatzes, durch das Geltendmachen des Moments
der Allgemeinheit i m Einzelnen und Besonderen sogleich
über sich erheben und berichtigen, indem nur eine ursprüng-
lich geringe Verabsänmung der ersten wissenschaftliclien
Reflexion ihr das Dasein gegeben hat. So wäre sie in
62 Lodcc und Leifcnrtt.
ihrem Ürspnmgc fa^ den bcindh unwillkährlichcn morali.
sehen Vergehungett 2u vei*gfleichcn, die wir nachher durch
Ihre Konsequenz titid ihre Folgen im Leben oft die schlimm-
sten Wirkungen herbeiRihren sehen; und auch in der Spe-
kulation scheint die leichteste Veratisdumung im weitem
Verlatire das gtösste philosophische Unrecht erzengen zu
leönnen; wie es auch in ihr vererbte Vebel und gemeinsame
trrthümor gtebt, welche niH* allmfihlieb, {n immer reifer
werdender Krisis ausgeschieden und währhail geheilt zti
werden vermögfen.
DL Cteovg^e Berikelejr,
Wiewohl der ganze Standpunkt L o c k e* s in der um^
fassenden Vemnnflansicht Leibnitzena von selbst als
einseitig und mangelhaft erkannt wurde; so musste doch
die spekulative Frage, welche Locke in Anregung gebracht
hatte, atidi iur sieh und in ihrer Beschlossenheit wettet
yerhandelt werden. Es war geltend gemacht worden, dass
CS einer wissenschaitlicheit Theoriedes Bewusst«-
seins bedQrfe, umüberhanpt über die Möglichkeit de6
spekulativen Erkenhens zu entscheiden: «ine solche war
darch Locke versucht worden, wodurch eine Ftage an-
geregt wurde, die in weiterem Yeriaure nun bis zu dem
Punkte durchgeflihrt werden musste , wo die Theorie des
Bewusstseins, über ihr eigentliches Ziel entschieden, ent-
weder wirklich dazu öbergeht, metaphysisches Er-
kennen zu sein, — Metaphysik aus sich zu erzeugen, —
oder wo im Gegentheile die Unmöglichkeit einer solchen
sich gefimden, und die Theorie zudem unmittelbaren
rnid erfahrungsmassigen Wissen, als dem einzig
möglichen, zurüdikehil.
Und in der That sehen wir diese Entwicklung von
Locke aus, wenn auch nicht vollendet, doch fortgesetzt
dilreh die nicbsten philosophischen Leistungen bis auf
Kant; indem gerade die dort nicht gehörig erörterten
64 George Berkeley.
Punkte hier ausschliesslich zur Spradie kam«. — In
Lockens Theorie bleibt es, wie so lange noch später,
eine nicht zu bezweifelnde Voraussetzung, dass die Seele
„afficirt^^ werde von den Aussendingen vermittelst der
Sinne ; sodann , dass die dadurch entstandenen Sensationen
treue Nachbilder seien des Wesens und der Eigen*-
schaden jener gegenstandlichen Welt; ein Satz, der nur
die unmittelbare Folge des ersten enthält. Es fiel dabei
jener Theorie nichjt ein, diese Voraussetzung näher zu er-
örtern oder tiefer zu begründen, ja nicht einmal sie als
blosse Voraussetzung — demnach als Unbewiesenes
— anzuerkennen.
Zunäclist konnte daher von diesem Standpunkte aus
nur weiter zurückgegangen werden, um, die Locke'sche
Theorie, Uefer unterbauend, jenes vorausgesetzte Verhält-
nisszwischen Bewusstsein und Gegenständlichem
näher zu uniersuchen. Dort bestimmen die Gegenstänüe
das Be^vusstseln ; dicss ist passiv ihnen hingegeben , nur
der Spiegel der Aussonwelt, Wurde nun durch die näch-
sten Untersuchungen diese Ansicht als ungenügend , ja
widersprechend nachgewiesen; so musste das Verhält-
niss zwischen Bewusstsein und Objektivität zunäclist den
umgekehrten Ausdruck gewinnen : das Bewusstsein,
absdut selbstständig, setzt durch sich selbst die äus-
sere Objektivität ; — der i d e a 1 i s t i s c h c Moment ; —
weldics VerhäUniss dann wieder seinen Uebei^ng in
das negative Resultat findet, dass eben dcss^'e^en das
Bewusstsein, aller eigentlichen Objektivität crmangelnd,
in seinen subjektiven Vorstellungen, seinem S i c h i ns i c h-
selbstvorstellen abgeschlossen ist; — der skepti-
sche Moment. Und was wir eben in allgemeiner Noth-
wcndigkeit nachwiesen , bewährt sich unmiltelbar als die
weitere historische Entwicklung: in Berkeley und II u-
nie sind die beiden angegebenen Momente wirklich dar-
gestelll, nur mit dem Unterschiede, dass Berkeiey's me-
taphysisch-religiöser Tiefsinn zum Thcil schon seinen sub-
jektiven Standpunkt durchbrach , und alle Elemente einer
Berkeley. 05
nmbsseiidepi Vernvaihmsiolil wenif stens ab vorgebildete
in ihm liefen.
Zunidut also galt es der Frage, was jene Voratia«
Setzung eigaitUeh bedeute , die S^ele werde von Aus-
sen afficirt; femer was die sogenannten Aussendtnge
seien, deren Nachbilder durdi jene Affektionen in die Seele
gelangen soften? Diess war der Gesichtspunkt, aus wel-
chem George Berkeley zunächst die eigene Theorie
entwickelte. Unstreitig ist es schon vom höchsten Gewinne
für die ganze folgende Untersuchung, richtig und scharf
die Frage zu stellen , auf die es ankommt. Hier geschah
es: er begann mit der Untersuchung, welche die Philoso-
phie zur eigentlich ersten machen muss^ was wirklich ge-
geben sei, was die ersten unmittelbaren Ele-
mente des BewuBstseins seien? Und die schärfete
Analyse dieses Gegebenen sollte sie beantworten , genau
sichtend das eigentlich Gegebene von dem , was un-
geprüftes Unheil, falsche Schlüsse, kurz die Meinung —
als das philosophisch zu Berichtigende — etwa da-
zmnischen. — Wie paradox also auch das Resultat gegen
die gewAnliche Meinung angehe ; nie kann es der That-
5ache selbst , dem „ Natürlichen ^ widersprechen , so fem
diess nur sicher und scharf aufgefasst worden, sondern nur
dem , wo die Thatsachen aufhören , und die Schlüsse be-
ginnen , die es sich gefallen lassen müssen , berichtigt zu
werden, wie allgemein auch sonst die Uebcrzeugung von
ihrer Bindigkeit sein möge : dem Gegebenen aber kann
schlechthin nidit widersprochen werden , weil es ja eben
Gegenstand der philosophischen Betrachtung , das zu Er-
kürende ist.
Sollte hier daher das Resultat ein idealistisches
sein, so wird damit wahrhaft nicht dem Gegebenen wider-
^rochen, sondern nur andern philosophischen Ansichten
über dasselbe: lediglich gegen diese ist es gerichtet, kei-
nesweges gegen das unmittelbare Bewusstsein (den Gemein-
simi) , der an sich ganz unphilosophisch, also weder idea-
listisch noch realistisch, zur Philosophie Oberhaupt nur
5
66 BoHGidey.
dis Veriiftltiiiss hafam kam, Tön ihr voibifilidif erklärt
zu werden; und insofern diess nur der Idealismiu , nicbl
der Realismus vemöckte, spricht das TbataäcUiahe selbst
iur. die idealistisofae Ansiokt Dieser Gesiehtspankt , d«r
eine Menge verworrener Einwesthnigra f^gM 4en ideidis-
mus mit di^r Wurzel abschneide isi auch M Beurtheilung
Berkeley's nie tn yergessen, der nocli attwei^Mn das
Schicksal gehabt hat, von den Geschicktwchrmbevn der
Philojophie entweder gar nicht beachtet, oder in der Uauptsa^
che seiner Ansieht fast allgemein missverstanden an werden.*)
Die Aufgabe übrigens, die cina^bien Tkat^achen selbst
fiir die idealistlaefae Erklärungsweise eu benutzen, und zu
zeigeii, tu welche Widerspruche, und Ungereimtheiten die
gewöhnliche L o c k i s c b-realistische Ansicht sich verwickle,
hat Berkeley besonders in seinen kleinem philosopbi-*
sehen Schriften (den Geqirächen zwischen Hylas und
Philonotts, dein Aleiphron, und der höchst bedeu-
tenden Abhandlung über die Theorie des Sehens) be-
handelt , die daher in diesem Sinne gewissennaassen po-
pulär genannt werden kennen, wihrend er jn seinem Haupt-
werke: treatise conc^ming Ute principies ef . biunaii know-
tegde, welchem wir an dieser Stelle folgen» s,euie Ansicht
nach ihren spekulativen Gründen und in ihrer gi^netisdien
Bntwicklung dargestellt hei. **)
*) Diess gilt auch insofern von der Hegeischen AuiTassung
Berkeley*» (Geschichte der Philos. III. S. 488-93), als
sie ia rhnpsodisdier und irDvollstiindiger Darlegung seiner
Sätze, deo- Idealismus d«8«eU»eii auch mir , wie gefwöbnUcb,
als einen empirisch subjektiven betrachtet, ohne die Keime
<les b5flieni und wahrhalt apektilatii^en- Idealismaa wahneoeh-
men, wonach Berkeley' aUes Wirkliche oU vorsteUendeft
geistiger Natur bezeichnet, wodurch demnach der Grund, wie
das Wirkliche ein Gewusstes zu werden vermöge, nach ihm nicht
in den sinnlichen Dingeu , sondern in ihrei* ursprunglichen
Geiltigkeit, Vorstellbarkeit gefunden wirtl. Anmerk. zur
ftweitea A<^sg.
.f*) Wir cttlrea nach der Aufgabe: London 1774« a, welcher wi-
twiMtey. 6J
Was »bo Ist gegeben dem uBmitlelbanm Wwiint«
sein? Offenbar nur ein Vieles von nach Inkalt und
Grad dnrclfavg • be-stlmmlen Vorstellungen,
«nter denen ind^» der .dnrcbgreifeiide Uatersohied obivai«-
tet , dass die JSeele getwkser VorsteUungeR als i n n e r 1 1^
cker sich bewussl ist, gewisse andere aber als ansse'f
ihr vorliaiideB aallasst, «-« nidil aber^ nach der gewohnlv*
eben Yerweehshmg , desshalb als voa Aussen bewirkl^
denn die ^Anssemrelt« selbsl ist vorerst ans nichts weiüer^
als die S«maie der Hassern Vorstellungen dos
Bewosslseiiis. -^ Dar Gegeasatx aber zivischen dea innera
nnd aassera Vorstettangen ist ein schlechthin darohgrei«'
feader: iai gesoaden Zastänite verwechselt die Seele «Kesa
beiden Arten van Vorstelhmgen nie miteinander, oder steht
derlcfead« AuBerLuiig«!! belg^lugt tintl, eine Gestalt, wie die
Schrifiten Berkelejr's aiicli zuerst auf deutschem Bodeo
erscbieaen, in Eschenbach's „Sammlung der Tornehmsten
Schriftsteller , die die Wir kl ichkei\ ihres eigenen
Rurpers nnd der gariten Körper w el t lä ngflen*'
(Rostock t756.), worin Berle4ey*s idealistiaclie ^espfaebe^,
^lalt widerlegenden Anai«rknsgen<* Tersehen, zii .finden sindi
Aassefdeai sind, dietelhen noch übersetzt in B'O.rkelej's
philosophischen Werken Th 1. l^pi.178^', wovon nof
der erste Band erschienen ist. Tennemann in seiner Ge-
schichte der Philosophie scheint nur jene Gespräche seiner
Darstellung zu Grunde gelegt zu haben , die mehr aus dem
partikulären Zwecke geschrieben sind, die entgegensetzte
seasnaltstisehe Ansicht zn widerlegen und zu zeMtore«, als die
eigene s» begruniien, zu welcher die Scbrilt; eigentlich nur
Indirekt hioleiten soiL Daher denn auch die d&f£^ge D«^
Stellung jener Philosophie bei TennemAnn, und sein eiger
nes ungenijgendes Urtbeil über dieselbe, indem er di<; ganze
Verwirrung Berkeley's besonders daraus herleitet, dass er
nicht zwischen dem Dinge an sich, insofern es ist, und in-
sofern es erscheint, gehörig anterschieden, und dabei das
w
TerhältnSss Ton Sinnlichkeit und Verstand nicht riehti| ge*
lasst h^be. (Geschichte der Philosophie Th. XE
S. 410, 415.)
y
6B B^iGrie;.
S^NFeifelfid an , xu weichem Gebiete die eiae oder die an-
dere XU zahlen sei«
Die SS ist dem unmittelbaren Bewusstsein gegeben,
und mehr sohiechthia nicht. AUeis, das darüber hinausliegti
isi demnadh schon Reflexion, Schluss , Erhebung über den
6tan<^Nuikt dieses Gegebenen , und llUt als solches noth-*
wendig philosophischer Prüfung und Berichtigung anbeim,
Am : allerwenigsten liegt aber in der Thatsache des Bewusst-
«eins . als solcher, dass die sinnlichen Sensationen Abbil-
der, der Aussendiage seien t vielmehr sind ja, was man
sonst Dinge nennt, lediglich bestimmte Complexio-
nan mannichfaltiger Sinnenempfindungen.
Dieser Genicb) dieser Geschmack, diese Gestall und Farbe,
diete GonsifleiuB, in unmittelbarer Vereinigung
empfunden, nennen wir ein „Ding,^ wie einen Apfel; und
was dieser noch ausserdem iur uns sein könnte , ist
Weder anzugeben , noch auch nur zu denken. Dass wir
diese mannichfachen Sinnencomplexionen „Dinge^
nennen, ist wahr , aber diess liegt nicht an sich in der
Siniipncomplexion als solcher. Ding und Dinge unmittel-
bar.empfunden werden zu lassen, wSre viebnehr nichts
Geringeres, als ein philosophischer Widerspruch : jenes ist
ein Begriff, ein Allgemeines, was wir der Gesammtheit
des sinnlich Empfundenen unterlegen, also das absolut Un-
sinnliche, was eben damit jenseits der unmittelbaren That;-
sache fällt
So ist vielmehr , was wir »Ding^ in der Sphäre des
Srnnlichen nennen, nur eine Verbindung sinnlicher
Vorstellungen zur Einheit Woher aber das Bindende,
woher die Einheit? Die Frage scheint sich von selbst
zu beantworten : das Band , die Einheit von Vorstellungen
kann nur im Vorstellenden selbst liegen ; sie in einem
dem Geiste und dem Vorstellen entgegengesetzten Aus-
sendinge, zu suchen, wäre eine Behauptung doppelt ohne
Sinn, indem es erstens an sich schon widersprechend wäre,
das Ding (als dicf Nichtyorstellung) zum Grunde einer Man-
nichfaltsgkeit verbundener Vorstellungen im Bewusst-
Berkeley. 09
sein rä macheii; sodann indem das ^Ausscnding* selbsl
nnr in und für das vorstellende Bcwusstseiri cxistirt, die
ganze venneintiicbe Erklähing also sich selbst aufhebt. —
Der Geist ist es daher, in dem die sinnlichen
Compl exionen sind: ein Satz, der öbt^ens nur^ino
vorMi^ge Unterscheidung diesei^ Theorie von der ^wdhn-'
Kchen Ansicht endialten soll, und der erst ini weitem Yer-i
bure seine nibere Bestimmong' enthalten kam. . i
Das Sein der Aussenwelt bedeutet dahet, wenn wir
den Sinn des Ansdmcks genau erwfigen, nur ihr Y o r g e-*
stelltwerden; ihr Esse ist lediglich ihr Perapi (§. 4«
S. 76.); vnd nodi ein anderes Sein oder irgend ein Sub^
strat objektiv 9ir zu Grunde zu legen ($. 17. & 860i
wire der offenbarste Mangel an der nächsten und feiohte^
sten Reflexion, da auch dieses Sein eben nnr, so wie da-»
von geredet wird, in und für Bewusstsein, d. h. eine
Vorstellung sein könnte, welcher Zirkel, wiewohl Wie««
deiholbar in*s Unendliche, uns hier doch der Erklärung um
keinen Schritt niher bringt Zudem wird durch eine sol-*
che Behauptung eigendich die Gr§nze der Thatsadien Aber,
schritten, und die Sphäre des philosophischen Bewei-
ses beginnt : wir haben daher^ nach dem Rechte jener Kn^
nähme und nach den Gründen derselben zu fragen , die
nur philosophische sein können , also auch philosophischer
Prüfung unterliegen ($. 7. 8. & 78 IT.).
Die08 sind, mancherlei Nebenerlautcmngen abgerecht
nel, die ersten Grunde, aus denen Berkeley seinen
Idealtsmas entwickelte: in grosserer Zusammendrängung
mid in möglichster Schärfe hier dargestellt ^ werden sie
vielMcbt klarer hervortreten, als beim Autor selbst, wo die
Maimichfftliigkeit d^r Erönemngen den eigentlichen Kern
des Beweiaes einigermaassen aus den Augen rückt. Er
gründet sich auf die Frage, woher die Einheit der sinn-
Keben Vorstdlungen stamme, die Veii^nnden das ausma-
ckoi, . waff die gewöhnliche Ansicht das Sinncnding neanIL';
70^ Bcftelcy,
^ oder >rHS der G r u n d detf^elbsn bei? ChrOndlich scheüil
uns Berkeley gezeigt kq haben ^ dässr dieser nicki in
irgend einem ^materietlen^ (d. h. dem Vorsidlendien , wie
dem Vorgestellten ^oliiec&thin entgcg^ngeseltifen) Substmle
n. dgL gesocht ivcrden könne; er fcat vorläufig h{n2SQge-
set2t, dass'jene Einheit daher nur im Vorstellenden —
im Geiste selbst anzmiehmen sei* Hiermit bat er jedoch
eine Verwimmg der Begriffe, vrena aach* nieiil denflieh sich
20 Schulden kointncn lassen, doch' wenigstens nidit bestiaiml
genug abgewiesen , die dem rechten VerstAndnisse* seiner
Lehre Eintrag zu thun drolit, und die :daher hier näier
zd bezeichnen ist, zumal da sie auch sonst in den Kämpfen
zwischen Idealisnnis und Realismus den Tunkt bezeichnet,
an dem' der gewöhnliche, nur subjektive Idealismus als un-
genügend* sich erweist.
Das ' Sinnending ist nach philosophischer Bedeutung
nichts Anderes,' als eine Mannicbfaltigkeit sinnlicher Vorstel-
hingen, auf ein Ganzes bezogen, und in Einheit zusammen-
gefasst — Einheit von Vorstellungen kann abernnr
in das Vorstellende selbst gesetzt werden ; sie ist im Gei-
ste , Hier ja überhaupt alle Vorstellungen auf sich bezieht,
mid in sich vereinigt. So im Wesentlichen Berkeley!
Jene Einheit des Geistes ist zunächst aber nur die
rein fonnaie, die da alle Vorstellungen insgesammt
auf das Allgemeine des Bewusstseihs bezieht, und sie nach
dem Zugleich oder Nacheinander des subjektiven
Vorstellens verbindet; ich nehme z. B. an der sinnli-
•ciien Gomplexion , die ich Apfel nenne , diess mit diesem
zug^leich (in Einem Bewusstsein) wtfhr: nicht aber ist
es die innerliche, objditive Einheit, die da die innem
Bigenschaften des „Dinges^* — welche in Bezug auf das
Bewusstdein als Si'nneilempfihdungeri sich darslenen,
— wesentlich vereinigt, und es fSr dasBewussIsein zu
solchen Dingen macht Diese kann das Bewusstsein
nicht hinztiSgen den vereinzelten Sinnenempfindungen, inn
daraus die Totalität des Vorgestelllen zu erzeugen,
weil die sinnlichen Cotnplexionen, in denen dasselbe Jbing«
Berkelify. 71
vor denk Btm^Msmn encheinl, dorchans wechaeln'dlf.
Ja ttttendlich mlEtnüichfache sind. Indem ich dto
Fmcbl seke^: nidit aber, taste ödersclmieckc, habe ich erat
»Miere aioniiGhe Gon|ileuon Deacelblgen, als wenn leMera
Brtipfindtiiigeii noch hiiuoikDiDmea ; dort und hier bietet es
also mir luadere md wiedte. andere Einheiten dar, und
dnno4^ ist stets dieiselbe. Vorstellb^rkeit stnnlidber
Eigetkädudieu ioiibm vorhanden*: ich weiss oder kann är-^
Miren, wie iseine iuUbare Oiverfladie nnd sein Geschiqack
Ist ; ja der Natuifonicher durch ^ mikroskopische Unteraii*-
cbmig; dar CSiemikttr durdi Experiment .wird neue, geWöhn-»
iick AiGÜt torgastellte Eigeosohanua , also auch neue Cbm'*^
plexioffien an ihin eatdeic&en, und so Tortgesetzte Beobach«*
tHDg in*s Vnbfediiigte» £m jedes ^innending^ ist daher
vieknehr HaeBdliohe Vorstellbarkeit, währenddie
bestiniBite Complexion (Einheit), in .der es gerade von mir
gewasst wirdy nur' meine zufällige Auf Fassung des*
sdUien iat. indesi nnn- diese Complexionen dersdbigen Ein^
h^tdem Bewussfseia immer neu und immer anders gegUbea
werden, ist diese inkiere Einheit, oder vielmehr ihr Grund
srhieohthlnunabhiQgigvomBQWiisstsein vorauszusets&en. So
»lussea winsdieiden die formale, subjektive Einheit
des Bewusstoems (wodurch ich in der Vorstellung dieses
KörpOTB di6.:£ai|)findu»gea dieser Farbe, dieses Geruchs
and Geaehmacks unmittelbar vereinige) vonderinnem^
okj aktive n>, .die denselben dem Bewusstsein als einesoU
ehe Vorstelibarkeit darbietet Berkeley schein!
beide hier verwechselt zu haben , und der subj e kti ve
Idealismus, beiafat Uoss aaf. dieser Verwechslung. Und so
haue jener von seinem Standpunkte aus vorerst hier nur
scUtesaan kennen, dass ein Unbekanntes, aber wahr**
baft 0b|6ktives, dem VoigQstellten zu Grunde liege, welches
aar iai Vorstellen mit £esen sinnlichen Bestimmungen •
erscheiBt, dessen Wesen jedoch, als das schlechthin Vor-
steUbare , in das vorstefieade Subjekt Eingehende , an sich
nicht ihm entgegengesetzt, „materieller^ Natur sein kann. —
Desto entsehiedeaer Init aber Berkeley von der andern
72 Berkdey.
Seite jener venverreneii Lekre von den Abbüdeni^ welche
die Aussendinge den Sinnen und dadurch der Seele tob sieh
einprigen, ein Ende gemacht; unddiessist ak 4er nächste
Gewinn seiner idealistisciieR Beweise anauseh^i. ^— Jene
Lehre aber^ die die Sinnenvorsteliung ohne Weiteres iur
die Sache selbst nioiml, und deren bestandiges (Jrtheil
lautet: diess ist, weil und wie ich*s empßnde : .-- jene
Lehre ist nicht e^entlich Realisnms od^ philosophischer
Empirismus zu nennen ; denn Philosqihisches ist Nicht» an
ihm. Vielmehr ist S e n s u a 1 i s mus für sie die einzig rich-
tige Bezeichnung: sie halt sich auf dem niedersten Stand*
punkte des unmittelbaren Be^vusstseios; sie ist Ausdruck
des Gegebenen, über das |>hilosophiii inerden soll,
so lange es nicht über seine UnnuittelbariBatt , ab das zu
eiUarende Problem, zu dem Denken* ihres ^Grundes sich
erhoben hat. Realismus dagegen ist Element jeder
wahrhaft spekulativen Philosophie, und dem Uealisnuis -gar
nicht entgegenzusetzen, wie z. B. der Leibnitz'sche
Idealismus eben so unmittelbar realistisch ist ; und auch in
der Berkeley'schea Theorie wird ihr realistisches Ete-
ment von uns noch nachgewiesen werden. — .Was aber
femer jene Lehre von den Impressionen anbetritTt , so wi*
derspricht es jeder gesunden Natvansicht, auch nur ein
Lebendiges in irgend einer Veränderung, die mil ihm' vor-
geht^ als b 1 0 s s leidend zu setzen, wie sogar hier den Geist,
der Impressionen empfangen soll. Schon nach diesen all-
gemeinsten Begriffen uiuss daher die Sinnenvorstellung an^
gesehen werden als das Produkt , aus der Wirkung des
Aussendings und der Gegenwirkong des Shmes, wodurch
dieselbe, auch nach dem Ausspruche der formalsten Be^
flexion , nicht mehr als niacktes Abbild des wirkenden
Aussendinges angesehen werden kann; was bereits die'Ü-«
teste Philosophie in ihrem naiven Lakonismus durch den
Spruch bezeichnete : der Honig sei eben so bitter als süss,
d. h* beide Vorstellungen seien in Bezug aufsein Ans ich
gleich unbezeichnend: kein Ansich könne überhaupt in
den blossen Sinneoempfindungen ausgedruckt sein«
BHleley. 73
Dock, indem wir eriiHteni und bericlU^ifeB, sei
in Erinnennig gebraeiifc , daM mil Vorstehendem das
CIrandEteruitisdie von Berlceley*s Idealisniui nodi niclit
endtöpfead dakrgeatellt sei, das» vielmelir, was wir so eben
gegen ilin zn erinnern schienen, in Wahrheil fikr ihn ge-*
Beliehen sei ; denn ¥ras er im ersten Einschritt flbereilend
sieh verbaute , hat er auf enem andern We^ wieder in
den Umkreis seiner Untersuchung zu ziehen gewusst. -r
Ist nimlieh die gewöhnliche Yorstelhaig von Abbüdem der
Aasseadinge in der Seele fitr inuner abgewiesen : so bleibt
doch die andere Frage übrig, was denn das Bewusstsein
zu jener Voralellung einer Aussenwelt Oberhaupt ndlhigt»
ja was dieseHMs auch abgewiesen und durch PhilosoiAie
widerlegt, doeh immer wie unwiliköhrBdi uns auMrilngt?
Der CSeist ist in seinem äussern Vorstellen zugleich
seines Gebundenseins, seines Leidens dabei sich
bewusst: von aHen Seiten dringt eine Fluth mannichflicher
Sensationen auf ihn ein, deren Kraß und Eindringlichkeit
er sich nicht entziehen kann , — werde sie nun als eine
Summe von Vorstelhingen oder eine Vielheit von Dingen
gefasst, — die ihn seinem reinen Insichsein zu entaie^
hen und aber ihre Mannichfaltig^eit hinweg zu zerstreuen
sucht. Zugleich entwickelt sich aber an diesem Kampfe
gegen die Aussenwelt der Geist zu sieh selbst ; an der
Gegenwirkung findet er sein Inneres, und steht nun als
Einer und in sich Bewusster (als Ich) jener Aeusseriich-*
keit abgesdilossen gegenfkber; so dass die ganze Entwick-
hmg des Bewusstsdns in der That auf jenem Ursprünge
liehen Zwieqpalte von Aussen und Innen, von Bewusstsein
der Gebundenheit und der Freiheit beruht. — Und
so bildet eben diess den Gegensatz zwischen den äussern
und inneni Vorstellungen : j e n e sind schiechtliin vom Be*
wusstsein der Gebundenheit begleitet, sind stMer, lebhaf*.
ter, bestimmter: in diesen schaut der Geist sich dagegen
als frei bildender an, und sie sind von minderer Intensität
and Bestimmdieit (f. 99. S. 96.). — Daher kehrt denn
von Neuem die Frage zurück) wetehes der Grund dieser
'/4 Berkeley.
(ietmildldiiheil des Bemm^ilsevas im finnlidien V«rstellei sei :
das^s diese ' 'Vorstellungen Iinpressionen der Aussendiiifi
seien, ist sch^m ErkMrungf, nicht mehr Thatsache, und ist
von der philosophischen PruftiRg als uMakthaft bereifai ab-*
gewiesen worden.
- ' Jener Grund ihüsste zuvorderst ausser dem Geiste
gesucht werden , d. h. — um den Ausdruck der gan^m
Schärfe des Begriffes zu nfihem 5 -^ Idierhaupt ein Yota
ihm Unabhängiges sein , da vielmehr der Geist selbst
Von ihm abhängig , bestimmbar gedacht werden muas. -^
Liessc sich hi^r nun der Gedanke des ^Dinges<* nicht wie«-
derum einsehiobcn, das, ausser dem Geiste und^Einfluss
atif denselbon dfbend, zwar nicht eig^tlich in ihih sieh, ab-
bilde, wie es ist, dennoch die sinnliche Vorstdluag veiw--
aache oder hervorbringe, die. demnach immer ihren Zusam-
inenhang mit dem Dinge , wie . ihre innere VerwandtsdMrfl
mU ihm Terrathen werde , woraus , wenn auch nicht <iarch
die Sinne, doch durch den Verstand Tielleicht dessen W e-^
aen erkannt zu werden vermdohte? (§. 18« Sj 86.) Der
Versland nämlich, könnte man meinen, habe nur abzuzie-
hen, was an den sinnlichen Vorstellungen Subjektives wäre,
fnn< das reine Ding zuletzt übrig zu behalten; ein Geschäft
der Trenntmg, das vollständig durchgesetzt, endlich auf den
Kan.ti sehen Begriff des Dinges an sich geführt hat, das
U dteaer Lehro nur noch als leeres Substrat des Vor-
steliens, als . Unerkanntes und Unerkennbares^ zurückbleibt.
Aber was ids Substrat emer Vorstellung geda<:hl
wird, sagt Berkeley, kann selbst nicht in seinem Wesen
schlechthin entgegengesetzt (heterogen) sein der Natur des
Vonstelleos, wie nach jenem Begriffe das Ding^ oder gar
die m a t.e r i e 1 1 c n Substanzen allerdings zu denken wären.
Wie durch Farben eben nur die Veränderungen des Lichts,
durch KörpervorstelluDgen nur räumliche Verhältnisse über-
Imipt dargestellt zu werden vermögen , nicht aber Töne,
oder rein geistige Beziehungen, eben so wenig kaw die
Vorstelhmg innerlich, heterogen, unangemessen
nein demy waa sie vorstellt^ in welciiem Falle es eben
Beifcdey: 76
nie hl vopgeslelll '%vttrde 9 vidmelur «tMeeMhui' llI^vil^^
stellbar bliebe. ' ' - ,
Sind wir also einen Grund, ein Snbatrat fiip die
sinnlichen Vorsteilungeii anzunehmen genOthigt, bo ist dies«
selbst vorstellender» geistiger Natur; nndw^mi
wir gleick von hier; aus mit einigen Sehfittenr In den cht-
rakterislisGhen Mittelpunkt jener Lehre hineinaehreiten wd«
ien, so liegt die Konsequenx nahe , dass Geister ehea
die einzig fär uns existircnden Substanzen,
der Grund der sinnlicben Vorstdhtfigen aber im abaolu-
ien Geiste — oder. Gott -^ jfiu suchen s^i. <S^08.
$. 33^ 34.> — Was daran ausser der ailgemeinen Koas»-^
quens noch dunkel sein möchte, wird die weitere Eiilwick-'
lung aufhellen.
Wenn wir daher auch mit der GegMpartei hypothe«
tisch enne Welt materieller Dinge ausser dem jmn^
liehen Vofstellea amiehmen wollten; so wäre es fir dutf
Bewusstsein doch sehfechthin unmöglich, üBer ihr Sein oder
Nichtsein zu entscheiden; da sie, an- sich dem Wesen ddk
Geistes^ entgegengesettt , in keinem Sinne ' f ü r denselben
vorhanden sein kann, also,, ihre Existenz angenommen oder
nicht y ab das durchaus Beziehungslose zum Geiste^
sein sinnliches Vorstelten weder erklaren noch modiflciren
kmn: pamit löst sich aber jene Annähme in eine leero
Veraus^tzung auf, weil der Grund zu emer solchen 'gam
verschwundte ist.. Indem die materiellen Dinge für das
Bewusstsein sind , hören me eben datnit auf, Materie , das
dem VorsteUen Entgegengesetzte zu sein ; sie sind Vor-
stellung« Sind sie 4ber nicht da fiir das Bewusstsein ;
so kann dasselbe Von ihnen weder wissen noch reden;
sie sind das reine Nichts för dasselbe. — Untersuchen
wir jedoch jenen Begriff der Materie selbst tiefer, ^o fin^
det sich, dass er n6r das gemeinsanle Sobstrat mannich-^
facher srnnlicher Qualitäten, der Ausdehnung, SoiiditJt,
Schwere u. dj^ sei -- die , wenn wir sie abziehen von
jen^m Begriffe , durchaus Nichts an ihm übrig hissen , ald
dfen leeren Gedanken dnes Tragers' aller jQner QuaKtaleni
76 Bertceley.
dessen Sein Ar sich ttnd vor seinen Bestimmungen voll-
ends gur keinen Sinn haben würde. Da nun Jene sinnli-
chen QnalMlen bereits als blosse Vorstellungen
aufgewiesen sind, so zeigt sich die der ^Materie^^ selbst
tineh nur als durch und durch Vorstellung! —
Bie Sache ist hier auf ihre höchste Spitze gestellt: die
Annahme einer materiellen Welt hebt sich selbst auf: in-
dem sie angenommen (gewusst) wird, kann sie eben
iriHits Materielles sein. Umgekehrt ist also das wahrhaft
Svbslantiene ausser dem (menschlichen) Geiste selbst nicht-
sinnlicher (geistiger) Natur. (Berkeley istreich
an Expositionen , um diesen Hauptpunkt seiner Lehre von
aüen Seiten ins Licht zu setzen ; vergt. $.11. S. 82., $. 20.
25. 26. S. 94., $. 34. 35. S. 100 IT. , $. 56. S. 118. u. s. w.)
Es bleibt daher nur der Gedanke geistiger Substanzen
übrig. Das eigentlich Wirkliche, Bestehende ist schlecht-
hin nur als Ton geistiger Natur zu denken: energisches
Dasein, Kraft, Leben ist gleichbedeutend mit Geist; Geist
aber ist ein einfaches, untheilbares, absolut thätiges We-
sen; sofern es Ideen wahrnimmt, heisst es Verstand
(eine besondere „Sinnlichkeit^^ ausser dem Verstände
anzunehmen , verbietet die Konsequenz der Lehre) ; sofern
es Ideen producirt, oder in Bezug auf sie wirkt, heisst
es Wille. In beiderlei Rücksicht ist es aber thitig,
nd Ideen oder Vorstellungen sind eben, wie steh ver-^
stellt, die Erzeugnisse dieser Thätigkeit: dör Geist ist nur
als schlechthin vorstellend zu denken.
Aber da, >vas überhaupt zum Bewusstsein kommen
kann, Ideen, d. h. nur Produkte dieser vorstellenden
Kraft , ein Passives und Unthätiges sind ; so können diese
das absolut thfitige Wesen ihres Principes, des Gei^
stes, auf eine entsprechende Weise niclit darstellen: den
Geist, als das absolut Thatige, an sich zu erkennen ist
eben dessbalb unmöglich, weil das Element der Yorstel"
king, als das absolut Producirte und Untbatige, jenem
nicht gewachsen ist. Die Natur des Geistes, wie der Be-
griff der Kraft , also . fiberiiaupt daa innerlich SubstantieHd
Berkeley. 77
«
des Dttseifts kam nur an seinen Wirkungen»^ 4« k in«
«daqoat, erkannt werden.
Und man frage sich nvr, ob man sich eine vollkomr
mene Idee bilden könne von Kraft, oder von Suhl-
st an z, oder von Geist an sich; immer wird man jen^
BOT als wirkende, als in ihren Eigenschaften sich dar-
stellende, diesen als vorstellenden, also in ihre Produkle
ergossen , nicht in ihrem Sein an sich zu begreifen veiiv
mögen. ($. 25—28. 3- 97 ff.). So ist eben darum auch
der Begriff des Seins (vgl. §• 17. S. 86.) derifnveistandr
lichste von allen, weil er als das Allerunbestimmteste einef
bestimmten Vorstellung am Meisten sich entzieht.
Durch diese erläuternde Zwischenbetrachtmigm hal
sich die oben angeregte Frage nach dem Grunde des
similichen Vorstellens von selbst gelöst. — Iifur gei-
stige Substanzen existiren ; soll also die Rede sein von
dem Grunde eines in ihnen gewirkten Vorstellens, oder
allgemeiner, einer von Aussen stammenden Verinderuog
in einem Geiste; so kann nur ein anderer Geist dieaer
Gnmd sein.
. Die sinnlichen Vorstellungen sind aber unendlich s(w*^
ker, lebhafter, bestimmter, als die freientworfenen der Seele:
sie befolgen femer eine feste, unverbrüchliche Ordnm^.und
Regelmässigkeit; eine Unendlichkeit von innerm Zusam«-
menhange, von Hannonie und Schönheit offenbart ^ifh uni
an der Sinnenwelt. Wir reden sogar von Gesetzen der
Matur; so fest rechnen wir auf den regelmässigen Verr
laoi^ auf die Verbindung und Folge in dj^n Erscheinungenp
Es kann also nur ein unendlich übermächtiger Geist sein^
der in uns der Grund jener Vorstellungen wird: daher
die Kraft und Intensität, mit der sie unsem Geist überr
mannen , daher ihre Unendlichkeit, die sie uniasslich
macht für obiser beschränktes Vorstellen. Ebenso verkun-*
det die Schönheit und Harmonie derselben die Weisheil
des Geistes , welches der Urheber jener Vcurstellungen ist
Mit Einem Worte, — der allmächtige, absoluta
Geist oder Gott ist es, dessen Ideen wir in den
V8 Berkeley.
-^-nn^Ii^b-eti V-MBtellutigen ansdiaucm-, md «fef tu
ihrer Unendlichkeit seine Allmachl, In ihrer Ordnung sein«
Weisheit offenberk — Dnreh Gott schauen wir ili^ Sin-
nenwelt, die aber selbst nichts Anderes ii^t,' als die von
uni^.vorigfesteltten gdUlichen Ideen. Statt nun, wowirOrd*
nung, Weisheit, Harmonie in den Dingen sehen , iterin da^
tunmUtelbare Geprfige des höchsten Geistes «elbst zu ftiden^
M legen wir bliese Eigensdiaften frrthfimlidi in die ange«
Behauten Vorstellungen oder die ^Dfnge% und -machen die
-Bine zur Ursaciie der andern ; ohngeachtet Nichts unver--
Mndlidier und sinnloser ist , als -diese Behauptung. ($. 29.
S. 96., S. 33. S. 98.)
• Um dtess ganz zu Torstehen, möge man sidh 4elr all-
gemeinen Konsäquenz dieser Lehre erinnern: Nur geistige
Substanzen sind-, ihr eigentliches Ans ich ist aber unvor-
stellbar; erst in ihren Ptoduktea, den Ideen, Yorstelhingen,
existiren sie Ar ein anderes -Bewusslsein. So sind die
'Anssending^ auch nur Ideen, aber solche, die an ihrer Kraft
und intetMitäl, durch Ordnung und Zusammenhangs welche
sie zur Welt machen, das Gepräge tragen, nurdes hdcli<^
:sten^ absoluten Geistes Ideen 'zu sein, die also.das
Dasein' eines solchen unmittelbar uns bewähren. Gott rfso
Reibst, seine Ideen, und dadurch sich unserm* Geiste- oflen*
iHirend ito dem, was wir sinnliches Vorstellen nennen, ge*
%vifart lins das Schauspiel der unendlichen Smfienwelt Sie
Ist nur ifi und für den Geist, well sie nichts Anderes ist^
tienn Vorstellung, und es ein Widerspruch wäre, diese atioii
^nsich, als ein nicht Yorsteübares , existiren zu lassen.
(Aber dtess entzieht ihr nicht die empiriscbe Realität';
Vielmehr bleibt der undberwindlidie Gegensatz, den das
tmmittidbare -Bemisstsein zwischen der Objektivität der Aus-
isenwelt und der Subjektivität seiner eigenen innem Vor-^
Stellungen behauptet, auch' hier in gleicher Gültigkeit be«>
fltehen t den freterzeugten Ideen kann keine Realität beige^
fcgt werden, denn sie sind nicht objektive, unwiHkühriieli
4em Bewusstsein sich aufdrängende; diese letzterh Ideen
artigen als solche dagegen das unmittelbare Gepräge delr
Beiittlift ^n mek^ weü Biehl ufia^ Geist/ sdudenivtiitr eift
sehlechthin allmäcUiger der Urheber deoielben .Bau kanib
CS. 35 ff. S« 100.)« — «So ist , da geistige Sutetaiuen nur
Airch ihre Ideen erkaROt werden können, der absoluta
Geist oder Gott eigentlich der einzige unmittelbare
Gegenstand unsiörs JSevnisstseins; denn erst durch diii
VotsteBungen^ die wir Natur nennen, hindnrch, und yerauW
Idt von ihnen , gelangen wir nun fiewusstsein der andern
Geister : die Natur ist die alleinige Sphäre und Vermittle-«
rinn alles unseres weiteren Wissens und Erfahrens«
Dnrch Gott allein schauen wir Alles, und iba sel4
ber, ittwiefem . überiiaupt ein Geist .anschaubar ist^! nam-^
Kcb nur in seinen Werken, den Ideen. Desshali) :mnas das
Dasein Gottes für uns weit grössere Evidens haben , als
das Dasein der andern, geschaffenen Geister, weil die Wir««
kungm der .Natur unendlich zahlreicher , maehtiyer und
eindringHcher sind, als die Wiricvngen, weiche wir Mensch-«
lieben Krallen zuschreiben, deren Erkenntniss 2udem nock
fir Ctts eine nur vermittelte ist, dnrch die aUgemeiiiQ
Erkenntniss d^r Natur. Auf Gott beruht daher aUeia
die Verbindung unter den geschaffenen Geistern und ilira
Kunde von einander. Natur ist namlidi selbst ketn' he«i
soBderes Frindp ausser Gott , noch Etwas , das- ohne ü»
auch nur einen Augenblidt zu existiren vemöchte; und
was wir Naturgesetze nennen , ist nur die ewige md alU
gemeine . Wirkungsweise , wie Gott jene natürlichen Idee»
hervorbringt und unter stA in Harmonie erhälL WoBte
man aber in der allmählichen , stufenweisen EntwicUmg
Aar Nfturdiiige ', in dem scheinbar . UnvoUkommenien und
unsem Zwecken und Vorstellungen Widerstreitenden, was
die Natur darbietet, einen Grund dagegen sehen , dass sie
unmittelbar von Gott hervorgebracht und im Dasein
eskiedten werde : so ist. vielmehr daran £Ü erinnern, dietsi dies
der «ittdriaglidiste Beweis är die Weisheit und Gute ihres
Uikiebecs sei, indem -et vach den eitifhchsten und ällgemeini^
sten Gesetzen wiikt, und eine ewige, gieiohUeibende NoM
f» Allmn durchfuhrt. Und. so schliesst Berkeley
80 Bericoley.
AbhandlaRg nil dem «ügeivieinen Entworfe efaier Tbeodieie^
wo er ien Begfiiff einzelner , vom Ständpunkte des Hen*
sehen aus gefasster NätzUchkeiten oder Uebel in der Natur
ausdrücklich verwirft, und die Idee der innem Harmonie
und Schönheit bei Hervorbringuog der natürlichen Gedan-
kenwdt als das wahre, eines allmächtigen Geistes allein
würdige Ziel der Schöpfimg hervorhebt. So leuchtet sdion
die Idee des immanenten, allgegenwärtig in der Natur
der Dinge sich realisireaden Zweckes, anwdchen spä-
terhin von Kant aus der Umschwung der gesammten neuem
PUlos<q>hie sich kniqpfte, aus jenen Andeutungen hervor;
— wohl der tiefste spekulative Anklang, zu welchem es
überhaupt die englische Philosophie bis in die n^iere Zeit
hin gebracht haben mochte. Denn ihre mannichfachen, auch
jetzo mit Eifer fortgeselzten Bemühungen in der „natür-
lichen Theologie^ vom Standpunkte der „Wunder
der Natur«' und der Zweckmässigkeit derorga*
nischen Wesen, reinigen sich eben nicht von denNe~
bengedanken des Nützlichen und endlich menschlicher
Zwecke zum philosophischen Begriffe innerer ZweckerfiSU^
beit und Vollkommenheit. — Wie wir in Berkeley da«-
her noch immer den Höhenpunkt englischer SpekidaÜoii
eriiennen müssen; so hat auch er in den ihm eigenthünH»
Uchen Ideen einen sehr nahe verwandten Vorgänger, mit
welchem selbst eine persönliche Beziehung von seiner Seile
erweislich ist, in Nicolaus Malebranche, dessen
Princip sich indess an eine andere Reihe philosophischer
fintwicklungea anknüpft , welche erst später (im d r i I «^
Ien Buche) in ihrem Zusammenhange betrachlet w^den
können.
Indem Berkeley' s Ansicht auf diese Weise in den
Versuche eines durch Idealismus begründeten Beweises fflr
das Dasein Gottes endet; ist die Gedankenwendung «n-*
streitig die interessanteste daran, dass, indem die natürli-.
oben Dinge für den Geist vorhanden, ihm erkennbar sind.
dmrM» feschtofMii wird, wie nie selbsl Biiieg tfesens mit
ih«p, YorslelloRgf gern nvöMe^a. Besieh! fiim dfeiiimb-
geachtet Berkeley dftrauf, daM die Nelor nicht bloss
snbf aktive Vonrteilinigf umeres Geigte« sei, diM gie Ret-
litit hebe, imr nicM al0 dne Wek ineterieDer Dinge;
sosdem als Gedankenwelt einea alhnichtig«n, durckseinoi
WiOcn sie ui Dasein erhaHeaden Geistes; so Hegt die
KoflBeqoens nahe, übeAaiqit non »i sagen,, dass alles
Wirkliche nar Gedanke Gottes, in diesem Denken abei' Ge^
scbafÜBfies sei ; die endlidien Geisler ebenso die gedacht
len , wie die sich selbst denkenden, die nätöriich - be-^
wusstlasen Dinge die Ten dem ewigen, wie den endhchei^
Geisfem gedachten (versteilbaren) Gedanken-. . Hifte B e r-
keley, was fils ihn eigentlieh blosse Hypothese zurErkÜn
nmg 4er sinnlichen YorsteHm^fen geblieben ist,, ioov Princip
der ganzen Philosophte gemacht , halle er vor Mem da.t
allgenieia metaphysische Problem von hier a«is tä Bsen ge*
sacht 5 wie Gott sich hiernach aar Welt verhalte : so Ware
selbst fiir jene isoltrt stehende Hypothese die wtitere Be^
gründang geinnden worden. Die endlichen Geisler schauen«
in der Natar nar die gdtttidie Gedankenwelt. Aber wo-^
her Said die endlichen Geister seAst , und welch' ein ui^-
mittaiharea Verhiltniss ist ihnen zum absohiten Geiste?
Diese Frage hat sieh Berkeley, so viel wir wissen,
philo so phiseh nie aufgeworfen. Sie sind nach ihm
endttahe Substanzen ; jener die ewige Substanz : ist diese
aber IMieberinn von Allem durch schöpferisches
Vorstellen (eben der Kern von Berkeleys Lehre),
ist die Natur Werk diea^s Vorstellens ; so könne» die end-
lichen Geister (Substanzen) eben auch nur ihre Ideen'
sein, durch sie und in ihr existiren. Dann sind die
göttlichen Ideen selbst realer Natur, sabstantiell und
aocb mit Vorstellungskraft versehen , indem sie als ehdii«»
che Geister wiederum Ideen zu zeugen vermöge : und
auch die iossere Natur, nachdem diese Realität den* gött-
lichen Meen Oberhaupt vindicirt worden , kann nicht mehr
em Moss Vorgestelltes sein. Alles ist Gedanke, ober rea-
6
83 Berkeley;
ien , lebevsMffiigfer , mit selbststindigem Dasein au^gesU^
t^t^r Cqecianke Qotles; und so hatten sich Idealisnns und
ReaUsmiu»: vereinigt y ,und dieser jenen durchdrungen* —
So li^enig nun i^uch Cur die Anforderung* der Wissenaoliaft
ein ,80 allgemeiner Entwurf einer Anächl genügen kann;
ao ^eigl siiOh.docht wie durch wenige Schritte einer nahe
Hegenden Konsequenz Berkeley' s Lehre aelbst zu einer
ganz andern ,. wenigstens der Anlage nach umfassenden
wenden <nni8Ste^ sodann wie eben da, wo er stehen blieb,
die wahre liefer gehende Untersuchung erst hatte beginnen
sollen. Und Berührungspunkte zu dieser Erweiterung von
dev. metaphysischen Seite her hatten Manche seiner Vw-
ganger and Zeitgenossen ihm daitieten können, wobei wir
von dto altem vornehmlich an Piaton und Plotinos
erinnern V 'deren weltsdiöpferisdie göttliche Ideen, und von
den neuem an Leibnitz, dessen Gott» als dJeUmanade,
nur diess ideal-realistische Princip bezeichnen sollte, wah-
rend ' freilich erst die neuem Systeme jenen Begriff zum
Prinicipe der ganzen Philosophie gemacht haben. So ist
Serkeley's Leiire eine von denen, deren Rathselhaftes
und Paradoxes s^M erst in einer umfassendem Yemunit-
ansicht gelost wird^ die ihr Verstandniss erst in ihrer eignen
Zukunft finden können; und jedenfalls bleibt Berkeley
der spekulativster Kopf, den unter den eigentlichen Pküo-
sopken England bis jetzt hervorgebracht hat
Aber das Isolirte und Hypothetische jenes Princips,
wie. es zunächst hervortrat, drängte von seihst zur skepti*
sehen Wendung hin. Berkeley stellte den direkten Ge-
gensatz !van Locke dar, die sinnliche Realität vernichtend,
welciiD I diesem die einzig gewisse und ursprüngliche war.
HfU»me ,' dem wir die Uervoriiebung des skeptischen Mo-
ibents: verdanken, glaubte daher, in Berkeley einen in-
direkten Vorgänger un(l Beförderer seiner Skepsis zu sehen,
indem : er sein . eigenes Verhaltniss zu ihm folgendermaasscn
besoicbncite : D^r Idealjjsmus könne nicht widerleg werden,
dien, so wenig tjedo<^h befriedigende Ueberzeugung gewäli-
ren;. indem er mit dem unvertilgbaren Bedür&iisse einpr
Berkeley. 83
Reaiittt ausser dem Bewosstsein — (also der iimeni Natur
des Wissens selber) — im Widersprach stehe. So enW
wickle und befordere er von selbst das Bewusstsein eines
unanfiöslichen Zwiespaltes im Innern des Menschen , einer
absoluten Un entschiedenheit über die Wahrheit, —
welches durchgef&hrt eben die skeptische, im Gleichgewichto
der Gründe und Gegengründe schwebende, somit über Nichts
entscheidende Denkaft-bevvorbringe; ^ — Abgese-
hen davon , dass Hume in dieser Ansicht von Berke-
ley's Idealismus mehr die negative Seite desselben, inwie-
fern er bloss widerlegend gegen Locke gerichtet ist , als
seine positive hervorhebt; so hat er doch darin den Cha-
rakter des Idealismus, so lange er der bloss subjektive bleibt,
riehtig bezeichnet , als dieser aUerdings ' die unmittelbare
Realität des sinnlichen VorsteUens auf hebt , also in dieser
Beziehung 2sunachst nur ein negatives Resultat darbi^L •
*) Vgl, Hume Philos. Essays concerning hu.man un^y
derstanding» Essay III. S. 224. Not. (e<l. London 1753.
VoL U.)
III. Il4i^i4l Iliune*
Amlk Uiiiie gektj wie seine beiden Vorgänger ron
4»m «UMillelbat Gegebenen; des Bewnsstseitti an& ^ Alle
VoAsMiingeni sind entweder nnmäteibar gegebene (im-
pressions)^ oder freierzeugte Gedanken ^ (thoughuy
Jene sind lebhaft, eindringlich, unwiderstehlich für dasBe-
wusstsein ; eä fählt sich bei ihnen, hingegeben und innerlich
bestimmt von einer ihm freinden Gewalt: diese , minder
lebhaft, lassen zugleich im gesunden Zustande des Geistes
sich frei hervorrufen oder vertilgen; sie sind Erzeugnisse
des Geistes, und als solche vom absoluten Bewusstsein die-
ser Freiheit begleitet. So sind diese nicht das Unmittel-
bare, die Gegebenheit des Geistes, sondern erst das
Secundäre , Hervorgebrachte, welches daher auf die Im-
pressionen, als auf das eigentliche Element aller Vorstel-
lungen uns zurückweist. Und so gross auch der Umfang
*) Die Quelle, aus der wir schöpfen, — > dieinquiry concemiag
human undersUnding (zuerst London 1748.) — ist allgemein
bekannt, unddurchTennemann's Uebersetzung (Jena 1793.
8.) Jedermann zugänglich. Doch ist Hume's ältere Schrift:
trealise of human nature , in 3 Bänden (zuerst Lond. 1739.
400 übersetzt von Jacob, Halle 1790. 1791. 8.), eigentlich
das Hauptwerk, Ton welchem die inquiry nur der stellenweise
umgearbeitete Auszug des ersteu Tbeiles ist, überall damit zu
verbinden.
und derReichdiiim der fretfM$lMMfe«4fn(6mbii4iia^ und
des Verstaade« ms erscheinen mogiei: immer bleiben we
auf den Stoff eingej^chranii^ der ibneit in den umliMelbftreA
Sensationen gegeben ist, und ^«ngeboine Ideen^
(IhavgkU} in diesem Sinne amon^hnien , W(re ein Wider«-
spnieh mit sick selbst: sie sind nnr entstanden ws der
Trennung und Verbindung der gegebenen Impressionen m
neuen Vorstellungen j welebes Trennen md Verbinden dan
einzige Geschäft des Verstandes ist ^ der daher in fc^er
Beziehung über jenen Bereich des Gegebeien i^tm^
nend hinaussugelangen vermag. Alle Ideen lind daher
selbst nur Abbilder der Impressionen.
Hiermit ist* nun ein Grundsatz aufgestellt, der nieht nw
an sich selbst evident erscheini, sondem weicher, wenn er
such bei philosophischen Fragen angewendet vürde^ sofoi^
allen Streitigkeiten aur diesem Gebiete ein Ende maehep
niässte. Alle Ideen, insbesoiidere die abstrakte, sind ihrer
Natur nach dunkel und wenig lebhaft; der Geist vermag
sie kaum nur festzuhalten , Verwirrung und V«rweohselunf
derselben mit andern ähnlichen Begriffen ist daher unver-**
meidlich. Brauchen wir nun wiederholt einen philosophi-
schen Ausdrud^ , so sind wir nur allcugeneigt m giaubei^
dass er eine bestimmte ihui entsprechende Idee habe. AllQ
Impressionen dagegen , d. h. alle sinnlieheii EmpfindungeiH
seien sie äusserliche oder innerliche, sind stark und ein-
dringlich, und von scharf bestimmter Specifikation, so dass
Irrthnm und Verwechselung Wer S(ih\<^ef möglich Wird.
Wenn wir also vermulhen dürfen^ dass ein philosophischer
Ausdruck ohne eine ihm entsprechende Idee gebraucht, werde
(wie nur zu oft gesdiieht} ; so haben wir nur zu forschen :
von welcher Impression diese vorgegebene
Idee abgeleitet sei? Findet sich keine, so ist jener
Verdacht bestätigt. Und wenn wir alle Ideen iil t^in so
kelles Licht setzen, so köniien wir hofien, alle Streitigkei-
ten über ihre Natur und ihre Kealitat beizulegen. *)
*) Etiays coactmlaig Uuano undcrai. » Euay IL »uh
<86 filme.
' Ist him d^moc^ yt)n wissensohiiftUohem Erkennen und
namenüiöh von Philosophie die Rede; so kann diese nur
bestehen in einer eigenthimlichen Verknüpfung-
gegebener VorsteUnngen am neuen Ideen : betrifft nun die
Untersuchung Tfaatsachen, deren Sein oder Nichtsem —
also unabhängig von aller Erfahrung — hier erkannt
werden soll ; so bedarf es vor Allem eifieis unMglichcn
Principes, nach welchem das Erkennen mit sichemi
Schritte auch fiber das unmittelbar Gegebene sich erheben
könne. — Wir kennen in dieser Beziehung^ nur das Prin-
eip Von Ursache und Wirkung, wodurch überhaupt
eine Reihe von Wirklichkeiten soll verbunden
weirden können, die nicht alle gegeben sind: man
kann , wie man isich ausdrückt , in jedem FaHe von der
Ursache auf ihre Wirkung vorwärts — so wie von der
Wiricung auf ihre Ursache zurück ^ schliessen.
Doch diese Ausdrücke — fragt Hume — was be-
deuten sie eigentlich ? — Ist es lediglich der B e g r i f f des
Einen, der uns unmittelbar auch zu dem des Andern bringt?
Liegt also eine • nothwendige, innere Vierknüpfiing
zwischen dem, was wir in einem gegebenen Falle die Ur-
sache, und was wir die Wirkung nennen? — Nein ; vielmehr
findet offenbar nicht der geringste innere Zusammenhang
zwischen beiden als Begriffen Statt, und die schärfste
fin. S. 28- In dem grösseren Werke über die menschli-
che Natur verfolgt Hume von hier aus diesen Grundsati
sogleich weiter, um den empirischen Ursprung des Gedächt-
nisses, der Einbildungskraft, Ideenassociation u. s. w. aus den
tmprc^ssionen nachzuweisen. Von spekulativem Interesse wäre
es, zu bemerken, daas er in dieser frühem Schrift das skepti-
sch« Röaonnement , welchi^s -sich in den Essays gegen die AU»
gemeinheit und Nothwendigkeit des Begriffs von Ursache und
Wirkung wendet, auch auf den Begriff der Substanz aus«
dehnt, und diesem alle objektive Realität abspricht, weil keine
Impressionen nachgewiesen werden können, aus welchen er
entstanden sein könnte. „Von der menschl. ^Natur,
ü^^e.rsetKt von Ja<cob/<Th. I. S« 48* «.f«
Uume. 87
Analyse des Einen könnte uns nicht den Inhalt des dnäem
auflmden lehren. Es scheint daher unmöglich, ohne vor^'
ausgegangene Erfahrung apriori bestimmen zu wollen,' was
der Erfolg einer bestimmten Ursache sein würde ; und schön
daraus ergiebt sich die Unmöglichkeit, die 1 e t z t e n Ursachen
der Dinge zu erkennen, *wefl Nichts uns bereettigt^ aui^
der Beschaffenheit dieser auf die BeschafTenhei^ Ihtar rief-
borgenen Grifaide znröekzuschliessen. ' ' "' ' •"
Was verbindet doch also jene beiden Gegensätze^ aüF
eine scheinbar so nothwendige Art; ja woher stammt die-
ses ganze Begriffsveriiältniss , das bei näherer Erwägung*
von so zweideutiger Abkunft erscheint ? *)
Getreu seinem ganzen Principe Kahn Hu me hier nui^
untersuchen , von welchen Impressionen jdhe Ideen abge-
zogen seien; finden sich keine ^ lässt ui)erhaupt eine Idee
sich nicht in der Wirklichkeit belegen, so ist sre nfchtig
und leer. — Wir nehmen wahr , dass eine 'gewisse ' Thaf-i
Sache , ein Ereigniss das andere begleitet oder ihm Aa^h-L
folgt; diese Wahrnehmung wiederholt ^ich und ^irditrr
sicher wiederkehrenden Erfahrung; und so gewöhnen
wir uns , jene einzebien Thatsachen in Beziehung atif
einander, ja in innenn gegenseitigem Zil-S'anlmenhange
aufinifassen, wovon an sieh die Wahrnehmung-Nichts dai1l)fe^
tet,' die bloss das Zugleich und die Afdeinahderfolge der Im-
pressionen enthalten kann. So eiwaehsen endlich dai^os die
vermeintlichen YemunftbegrifTe von Ursache und Wirkung;
um jenen angenommenen Zusammenbang zu bezeichnen ;
und es wird zum allgemeinen Grundsatz erhoben , dass^
aueh unabhängig von wirklicher Erfahrung, aus der
Wahrnehmung des Einen Tbeflsr auf das ' Vorhandtinseini
des andern geschlossen werden könne, denuMch Ober-
haupt ein Erkenntnissprincip iiber die unmittelbare Erfoh-
nmg hinaus erreicht zu sein scheine. r .
Abgerechnet jedoch , dass dasseltM> sogar' in gewöhn«^
lieber Anwendung bei Gegenständen des wiridichen Lebens
!
88 Hume.
die gröbste Tä«U€bung veranlasst, wo man sich des ge^
wohnten Schlusses bedient: nach diesqm, danan aus die*
sem (pa$t hoc, ergo propter hoc)^ — dem wahren Verder-
ben aller gründlichen Erfahrungsforschung ; — so kanm
es noch weniger als allgemeingültiges, wissenschaftli-
ches Princip angesehen werden. Kur Folge einer unwiU-
kährliehen Gewöhnung ist es, wenn wir von Ursedie
und Wirkung j Grund und Folge reden; aber eine solche,
die in sich selbst als grundlos erscheint, indem vrir un-
mittelbar überhaupt nur vom Zugleichsein oder demMach-^
einander des Einzelnen zu wissen vermögen, nimmermehr
aber irgend einen Innern Zusammenhang desselben zu
erkennen im Stande sind. *)
Ist daher auch zuzugeben , dass in vnrklicher Erfah-
rung mit höchster Wahrscheinlichkeit nach der
Analogie früherer Erscheinungen auf die gleiche Wieder-
kehr derselben unter gleichen Umstanden geschlossen wer-*
den könne ; so ist diess weder überhai^t ein vissenschafW
liebes, gemeingültiges Erkennen, da das Gegentbeä
des Erwarteten nicht abgewiesen werden kann, und oft ge-
nug wirklich eintritt ; noch wissen wir selbst, was der Be«-
griff der innern Ursache und Wirkung hier eigentliGh
bedeute. Auch hier bleibt es für uns nur bei dem
äusseren Schauspiele einer Bethätigung uns verbor««
gener Kräfte , zu denen unser Bewusstsein in gar keiner
unmittelbaren Beziehung steht.**)
Noch weniger aber kann jenes Princip für die P b H
1 0 s 0 p h i e zu Schlüssen dienen , die über alle Erfakraag
hinaus reichen $oUen , indem hier alle Analogie , so wie
jede BedeuMing und Anwendung desselben durchaus ver-
schwindet. Woher nämlich ein Analogen aus wirklicher
Erfahrung, das z, B. dem Schlüsse von der Sinnenwelt auf
einen höchsten Urheber derselben zu Grunde gelegt wer-
den könnte? Wissen wir denn, was die Sinnenwelt eigent-
•) Efsay V.
**) Essuy VI.
Home. 99i
lieh sei, dass wir von ihr, als einer Wirkung irfa^A
eines Anden» s «uf dessen Natur zurückschliessen zu kön-s
nen yneinoa ?
Was beissi uherhaupt ^höchster Urheber?^ Was ksV
eigevtficii za denken bei dieser Urheberschaft, bei dierf
sein ^$ebaffen<^ der Sinnen weit? — Hier wird ^s gfo^
angenfilUg, dass wir, die Sphäre des Erkennbaren über--
steigend,, uns nur mit Worten zu thun machen, die schlecbtH
hin auf k^ine In^ressionen zurückzuführen sind, mitUfi gar
keine Bedeutung haben.
So ist U u m e noch reich an exemplificirenden Auseioti
anderse^ngen und Entwicklungen, um die Gnmdlosigke||
der gewöhnlichen dogmatischen Ansichten über Gottes Dp*-.
sein, über Schopflmg der endlichen Dinge, über Freiheit unA
Nothwendigkeit u* s« w. darzuthun , die sich alle auf das
venneintliche Princip von Ursache und Wirkung stützen^
Uebefhavpl ist diess der Mittelpunkt seiner Skepsis^ ttn<j^
aQes Uebrige ist nur die fernere Entwicklung jener Qrund;^.
behai^tung. (Vgl Essay XL über die Beweise für di(f,
Dasein Gottes^ und die ihm beigelegten Dia|ogu^eSi
concerning natural religion.) — Wir lassen ihn
daher hier gleich mit eigenen Worten am Schlüsse seinea^
Werks das Resultat seines Philosophirens aussprephe(ii
(Essay XIL S. 259.) : „Gehen wir, von der Richtigkeit die-,
ser Grundsätze überzeugt, unsere Büchersammlungen durch/
* -
welche Zerstörung müssten wir in ihnen anrichten! Wir
nehmen z. B. einen Band theologischer Untersuchungen oder
Schubnetaiihysik in die Hand ! Lasst uns fragen : enthaU ec
abstrakte Schlüsse über die Verhältnisse von
Zahl und Grösse? Nein! Enthalt er Erfahrungs«^
schlü;(86 über wirkliche Dinge oder Thatsa-»!
c h e n ? Nein ! «— Darum ins Feuer mit ihm ; er kann ;nur.
Sophistereien oder Träume enthalten ! « —
Auch in Betreff der theoretischen Denkweise , zu der
seine Ske]isis bilden soll, enthalten andere Stellen di^
dcQtlichsten Aussprüche. Bei unserer gänzlichen Unwis«.
senh^it über die inneim Ursachen der Diuge k,anq jeder
90 Uumc.
ttypothesc darüber durch gicichgewichtige Gründe %jerthei-
digt , wie bestritten werden ; und so ist es Weisheit , aus
diesem unfruchtbaren Kampfe in die neutrale Ruhe eines
völligen Unent^chiedenlassens sich zurückzuziehen. „ Die
Welt ist ein Räthsel, ein unauflösliches Geheimniss. Dess-
^egen erscheint Zweifel, Suspension jeder Entscheidung
als das einzige und wahre Ergebniss jeder gründlichen
Untersuchung.*' (The natural hislory of Religion ; Esisays
VoL lY. S. 329.) Hier bh'ckt schon Kants Lehre von
dem Gleichgewicht der Antinomieen, als dem Ende aDer
tfaeoi^etischen Bemühimgen, hindurch. Aber ebenso, wie die
Kantische Schule dieser Leere gegenüber den prakti-
sdien Yemunftglauben gehend machte ] so flüchtet sich
Aume's Skepsis zur Annahme eines Nattirin'stiriktes
im Erkennen, in Folge dessen durch einen bcwusstloff
bleibenden Mechanismus das Denken denselben Gang vcr-
folgt, welcher dem von der Natur den Süssem Gegenstän-
den vorgeschriebenen Laufe entspricht, so dass wir uns
diesem Glauben an Wahrheit und Realität
liicht entschlagen können. Endlich wie sich die
Berufung auf den Instinkt in den schottischen Philosophen
von dem Skepticismus losriss, und als Philosophie des
Gemeinsinnes jenem vorübergehend entgegentrat; so
gteilte der durchgreifendem NegatioA der Kantischen
Vemunflkritik und des Fichte sehen Idealismus , welchen
beiden diese Wendung auch keinesweges fremd war, sich
iti Jacobi die Unmittelbarkeit jenes Vemunftglatibferis für
sich selbst in ganzer Kraft gegenüber; — die unausbleib-
Kchen und unwillkührlichen Selbstheilungen der Spefcidation,
bis der Standpunkt in ihr erreicht ist, wo durch die Phi-
bsophie selber die ürsprünglichkeit des Bewusstseins über
sich aufgeklärt und mit sich versöhnt wird. ' •
Lehrreich ist jedoch besonders noch die Wieise , wie
Hume die mit dem Principe von Ursache und Wirkung
rusammenhangenden Begriffe prüft und skeptisch zerstört.
— Der vermittelnde BegrifF beider ist der allgeinefnstc ddr
Kraft, des Vermögens? diesem INtige^ sagt man, Hirohnt
Uume. dl
die Kraft, das Vennrf^geii bei ^xh und dazu, und desshaft
wird es die. Ursache einer Reibe von Wirkungen. Aber
aocb hier erneuert sich die Frage , aus welchen Impres-
sionen uns die Erkenntniss dieses Begriffes komme ? — Aus
äusserer Impression nicht, indem diese überall nur Ver*
inderuBg und Wechsel darstellt , jener Begriff aber eben
aaei^anntermaassen den innem Grund aller Veränderung
enthalten soll. Aus der Reflexion auf unsem innem Zu-
stand eben so wenig; denn wiewohl wir unmittelbar unse-
res Wollens und unserer Herrschaft über den Körper uns
bewusst sind, so ist doch das Bewusstsein dieses WoRens
und dieser Herrschaft noch nicht zugleich die Erkenntniss
der innem Kraft , wodurch der Wille wirkt, also eben
des gesuchten Begriffes : Tiebnehr ist auch hier das Be-
wusstsein ein blosses Zusehen von äussern wie innem Ver-
änderungen, ohne zu erkennen, was sich, und wi e es sich
verandere ; und es ist gleich unbegreiflich , wie durch den
Stoss eine Bewegung, als wie durch den,Wi|leh der
Seele eine Bewegung hervorgebracht werde: ♦) — Ursa-
che, Wirkung wid Kraft sind daher eigentlich nurVorstel-
loiifen ohne Sinn und Bedeutung, — Worte, um uns un-
sere Unwissenheit aller innem Gründe zu verbergen; und
nur durch SelbsUäuschung können wir uns überreden, Et-
was über das Innere der Dinge dadurch erkannt zu
haben.
Von ganz anderer Bedeutung ist die Frage, wie jeiie
Voi^teilungen überhaupt in un^^erm Bewusstsein entstanden
sind, indem sie doch thatsächlichcr Weise überall Gcl-
tmg finden. Wir nehmen überhaupt nur eine Folge von
Begebenheiten wahr; zeigt sich' nun eine beständige und
gleichfflässige Wiederholung derselben Folge und Verbin-
dung von Thatsachen, so fangen wir an, durch den ange-
wöhnten Ueb ergang (customary transüion) unserer
Einbildungskraft, bei Erscheinung der einen, auch den Ein-
tritt der andern zu erwarten; und in der Regel trügen wir
*)Em7 VII. S 118
92 Httine.
u&s nicht in dieser Erwartung. 8ol(4mg«fstail gehobnen
wir uns, die eine Thatsache die Ursache, die andere
die Wirkung zu nennen, in der einen eine Kraft fw
die andere anzunehmen, und fo eine nothwen*dige
Verknüpfung zwischen beiden zu setzen. Und dies» ist
die Impression, welcher unser Be^iisstsein die Entstehoof
jener Yorsteliungen verdankt : nicht einzelne Beispiele einer
einzelnen Verknöpfung , sondern die Gewohnheit wie-
derkehrender Verknüpfungen bringt sie unwiUkohriich in
uns hervor. ♦)
In dem gesammten bisherigen skeptischen Rasonnement,
dessen Hauptmoment wir hiermit erreicht haben, ist es cha-
rakteristisch, dass ganz nur bei der Oberfläche der Begriffe
in ihrer empirischen Gegebenheit, stehen geblieben wird ;
dass der Grund, sie zu verwerfen, nicht aus ihrer innern
Beschaffenheit nachgewiesen werden soll, wo es dann sich
zeigen würde, dass jeder dieser Begriffe, für sich gofasst,
nicht nur unverstandlich, sondern schlechtbin widerspre-«
chend und sich selbst aufliebend erscheint. Es wird dem
A die Kraft, das Vermögen beigdegt, ein ihm Anderes, B,
aus sich entstehen zu lassen; — es ist Ursache dessel-
ben. In diesem Verhältnisse istB entweder schon als in
A enthalten zu denken, da diess die Kr a f t dazu haben soll,
indem jenes als nothwendige Folge desselben angesehen
wird: was bedeutet dann aber noch das Hervorbringen
demselben durch A, überhaupt die besondere Existenz von
B ausser A ? Die Wirkung ist vielmehr unmittelbar m i t
und in ihrer Ursache. Es ist schlechthin ^widersprechend
in dem Verhältnisse von Ursache und Wirkung ein Ent-
stehen des B aus A, eine getrennte Existenz des Einen
und Andern zu denken. Beide Gegensätze fallen, als wirk-
lich gedacht, vielmehr zusammen. Oder B ist nicht schon
in A enthalten, vielmehr ist es, wiewohl Folge von A, doch
ein ganz neuer, an sieh mit A gar nicht zu verknüpfender
Begriir, — ein Verhältniss, wie es sich in den empirischen
*) Eway Vll. S. 122. 126.
Hämo. 93
FaHei, welche H um e beispielsweise ani&hrt^ ausdrucklich
findel; so ist es vollends ein Widers{>ruch, zuilenken, dass
durch ein Bntgeg^engesetzles , innerlich in gar keiner Be«-
ziehiing zam Andern Stehendes, sein Entgegengesetstes her-
vorgebracht werden könne, von der gescliwungenen Saite
der Ton (S. 124.) 9 von 4em Stosse eines Körpers auf den
andern ^ssen Bewegung (S. ISO.}*
Und so fallen beide Begriffe hier vielmehr anseinan-»
der; jenes kann nicht unmittelbar die Ursache von diesem
sein: beide entgegengesetzte Annahmen führen zuletzt glei«
cherweise* auf Widerspruch, und es wäre von dieser Seite
der Beweis gefährt, den die gegenwärtige Philosophie be-^
kanntfich an allen Kategorieen durchsetzt, dass jeder die-
ser Begriffe f ft r sich widersprechend, von selbst in seine
GegenkiHle übergeht. An die Stelle der rasonnirenden, dto
reinen Begriffe wie ein fertig Gegebenes in sich aufneh«
menden und stehen lassenden Skepsis wäre die innerlick
lerlegende , ihre widersprechende- Beschaffenheit ontersu-^
chende getreten. Aber es ist merkwürdig, dass die Ana-
lyse der Begriffe, oder , wie wir jetzt mit Fug es nennen,
yifß dialektische Behandlung , welche die griechische Phi-
ksaphie seit den Heaten kannte und bei P 1 a 1 0 n in ihrer
Vollendung sab , wie sie bis auf die Neuplatoniker herab
deia Alterthame nie völlig abhanden gekonmien ist, nicht
bloss bei Locke und H u m e, sondern ih der ganzen vor-
kantoehen E^he bis auf die letzte Erinnerung vertilgt
ersdieint. Erst in K a n t brachen die Spuren derselben wie-^
der hervor; sein Beweis für die Idealität von Raum und
Zeit beruht durchaus auf innerlicher, die eigene Natur jener
Anschauungen entwickelnder Analyse , und die Behandlung
der Antinomieen ist ebenso dialektisch, als ivahrhaft skeptisch.
Ficht e*s WissenschaRslehre besteht ganz nur in einer
analytisch - dialektischen Fortschreitung durch sich ergän-
zende Gegensätze; er ist als der Wiedererwecker der pbi-*
losophischen Methode bezeichnet worden, die in Hegel ihr
Bewusstsein und systematische Ausbreitung über den ge-
sammten Inhalt der Philosophie sich ernuigen. hat» —
94 Hume.
Die necbgewiesene Erklimngsweijie wendet Hnihc,
Obrigens genau sich haltend an das blosse Phänomen^
und so abstumpfend oder ungehdrt beseitigend ^ was im
Wesen der Begriffe liegt, und damit eigentlich Problem wer«
den konnte, auf einige Hauptfragen der praktischen Philo-
sophie, zuerst auf den Gegensatz SEwisch^n Freiheit oder
Nothwendigkeit der menschlichen Handlungen. *) Aus
diesem allgemeinen Verfahren wird es begreiflich, wie er
diesen Gegensatz, als auf einem blossen Wortstreite beru*
liend, erklaren und kurz beseitigen kann.
Die allgemeine Ueberzeugung, wie die Ansichten der
Philosophen, haben von je darin übereingestimmt, dass die
sogenannten freien Handlungen Effekte gewisser Ursachen
seien , und dass sie in ihrer Beschaffenheit den Motiven
und . Charakteren entsprechen , aus denen sie hervorgehen.
Dies nennen wir die Nothwendigkeit der Handlan-
gen, auf deren Eintreffen unter gewissen Urastdnden wir
«ben so-^cher rechnen , wie auf das Eintreten eines Na-
turereignisses. (Erläuternde Beispiele, die Hume bei-
bringt**), zeigen, dass auch hier nur das Empirische, die
iusserliche zu erfahrende Nothwendigkeit oder vielmehr
der durchschnittlich eintretende Erfolg der Handlungen ge-
meint ist, nicht die innere, im substantiellen Charakter des
Geistes enthaltene Nothwendigkeit, aus welche er ist und
handelt.)
Was kann nun hier die Freiheit der Handhingen be-
deuten, für deren Vertheidigung einige Iliilosophen sich so
intßressirt zeigen? Lediglich das Yennögen zu kandebi,
oder nicht zu handeln, entsprechend der Bestimmung un-
seres Willens, d. h. nach Aussen hin das dieser innem
Willendlestimmung , welche sich so eben als Nothwendig-
keit gezeigt hat, Entsprechende zu thun, der innem Deter-
mination äusserliche Objectivität zu geben. Diese hypo-
thetische Freiheit (hjfpoihetical Uberiy) gesteht man
•) Kssay VIII.
*•) Essay VIII. S. 136. 142- u.
Home. ,95
Jcdonzo,, der nicht Gefangener und in Ketten UL Bier
kann also kein Stoff zu femenn Streite «ein. *>
Aber wir benrtbeilen nach einepi ursprünglich uns gfir
genwirtigen Maaastabe einige freie Handlungen als gut»
andere als böse; jene erzeugen ein unmittelbar?« moraljrt
sches Wohlgefallen , diese ein Mißfallen. Die Frage erbe))f
sich, ob solche moralische Urtheile Ideen oder Impres«
sie neu sind. Ersteres nicht, weil die Vernunft nur yofi
Wahrheit oder Falschheit eines Urtheäs, und denn
zufolge etwa von der Nützlichkeit oder Schädlich-»
keit einer darauf gegründeten Handlung uns unterrichti^
kann, keinesweges jedoch das Speci fische der.mora««
tischen Beurth eilung zu erzeugen vermag*
Denuiach liegt der Grund der Moralitat unserer Hand*?
lungen und der ihnen entsprechenden Urtheile überhaiq4
nicht darin y dass sie mit der Vernunft übereinstimmen^
sondern dieser Grund ist in einem unmittelbaren Gefühle
ausser und vor aUer (theoretischen) Vernunft zu sqchen. **}
-- Hiermit hat Hnme^ abermals der K an tischen Philoso-»
^e vorspielend, dieselbe Treiinung des ThepretischQn und
Praktischen ausgesprochen, welche Kant nachher dur^^hr
greifend vollzog ; und wenn er femer dfd>ei die saoMutfH
chea Erscheinung^ der moralischen Billigung oder llishU^
ligoag ai^f das Princip des Wohlwollens unddei
Ueberwollens zurückfuhrt, ebenso wenn er die Mora«?:
litat d^ Uandhmgen nur aus dem Verhältnisse deii
Handelnden zu andern freien und vernünftigen Wesen
entspringan lasst ; wenn er endlich jene moralische Beur-,
theihmg mit dem ebenso unmittelbaren asthetiSicheii
Gefihle i^ Schönheit und Harmonie in Parallele s^tzt, und
fs«t nur für eine besondere Art des letztem zu hallM,
scheint: s;o erblickt man in dieser Auffassung die voihefein
> I t
•) 1..C. S. 150.
I
'*}lp^qutfjf concerning ihe principlec of m0.r>«l
int ßss4jrs anil Trcsitisos etc« VoL lY. Sect. X. ^ '.,)
96 ttmne.
fanden Crnindlinieii zu der Ethik eines tfienehi^ durch 9<ft«rf^
sinn und Originriität attSfeeeieinieteR Systemen, d)as «ebenstr,
"Wie hier geschieht, bei der Thatsache eiiier «Hchen
unmiltelbar büHgenden oder misbilUgenden Werthbeslini-
niimg geif isser Handltmgen stehen bleibl, und die Pbino^
hteii^logie derseiben nadt bestimmten Grmiderseheiniftigeil
za'Vere^rachen sacht, ohne eine theoretische BegMnihing'
def^elben aus dem allgemeinen Wesen des Clelste», über-
haopt eiiie Artkmipfting an theoretische Philosophie dabei
fikr möglich 2U ^kalten. Wir behaupten damit Iteinen histo-
Msöiien 2iiisammenheng beider Philosephieen, noch weniger
h^end ein^ A^ ten Entfehnung ; vielmehr ist es ni^tdfrltch
und spricht f§at diä ursprimgliche Richtigkeit der AliffiKSsung;
düMs^zwei schai^f^nige Männer in dem Resultate pisrfcho-
kigiseher Reobachtuitg und Abstraktion übcremsiümmen, so
verschieden aireh sMst ihh^ philosophische Denkweise sein
jtiag. ^-^ 8& müssen -^ Rlhrt Hume fort — die merftli-
iehen^ ÜrHfeite vielmehr auf Impression, d. b. auf einer
imitiittelbareii specilischen Empfindung für das Gute und
feöMs^ beruhen : es giebt einen angebomen moralri^chcfii
tu sl in kl, der sieh auch durclv Thatsachen undErfiahrung
efU^isen lasst ; und hier haften wir somit, wie es scheiii^
ern wahrhaft Allgemeines und objektiv Kndendes , was
Hifme für das theoretische Erkennen bisher in 'Abrede
stiftllte^ Aber seiner Denkweise gemäss, schreitet er dazu
Ibrf, diese objektive Allgememheit des moralischen instink*
Hs^ wie er sie empirisch erweisen zu wollen schien, durch
ebenso empirische Instanzen seAst wieder zu besohrSnken'
tfnd' zweifelhaft zu machen.
''' f Es* findet sich von jeher faktisch die grössüe YerscMe^
^fotih^tt Zwischen dem, was in der Menschheit für moraliseb
uttd'immoralisch gegolten hat; Volkssitte, StaatsvMforssuAg,
grössere oder geringere Kultur, selbst Gebrauch und Gewöh-
nung, erzeugen hierin die stärksten und unlfiugbarsten Ge-
gensätze , so dass dem Einen Volke oder Zeitalter völlig
tnertffubt erscheint, was dem andern durchaus zulässig
oder unrerfängiich dünkt, und die entgegengesetzten' phi-
Hunc. 97
iosophischen Theoriecn und MorateyjtiNiie vollenden den
Eindruck dieses Widerstreites und der Ungewissheit. ^)
Dennoch schärft H u m e diess auch dem aiteii Skepti^^-
cismus sehr gelaufige Argument von dem Widerstreitender
Sitten und Meinungen über die Begriffe von Recht und ,
Unrecht nicht bis zu dem Grade, um in ihnen, wie in den
Begriffen von vermeintlich theoretischer Aligemeinheit, etr
yras bloss Conventionclles, eine zufällig äussere Gewöhnung
zu sehen, oder vollends , wie andere englische Moralisten,
die sittlichen Empfindungen, so wie die des allgemein m^un^h«-
liehen oder „une^ennützigen^ Wohlwollens, aus der SelbsU
Uebe oder dem Selbsterhaltungstriebe , als dem einzig
wahrhaft ursprünglichen Instinkte, herzuleiten; vielmehr be^
kämpft er diese« Vorstellung überall ernst und nachdräck-
lich. Musste ihn schon das eigene tüchtige und reine sitt-
liche Bewuastsein, welches überall in seinen philosophische«
und historischen Werken hervortritt, von solchen Behauptun-
gen abhalten, die ebenso durch die fast unglaubliche Ober^
llächlichkeit ihrer Beurtheilnng^ ds durch die darin enthal-
tene Selbstprostittttion des Charakters ihrer Urheber in die
Augen fallen; so trägt uberiiaopt sein Verfahren in die-
sem Punkte ein durchaus charakteristisches Gepräge : —
er sucht bei dergleichen Fragen seine ohnehin schon mäs-^
sige Skepsis noch mehr zu ermäsmgen, und um die Würde
<ies siltlichen Bewusstseins nicht zu beeinträchtigen , setzt
er fast sein ganzes skeptisches Princip selber bei Saite*
Statt, wie vorher aus dem Beweise der empirischen Nicht-
äbereittstiminung sittlicher Urtheiie anter einander auf das
bloss Angewöhnte, wie Eingebildete derselben zu scUiessen,
sucht er viehnehr die daraus geschöpften Einwürfe der
Andern durch eigene psychologische Erklärungen über das
Entstehen so widerstreitender moralischer Urtheilo zu ent-
kräften : sie beruhen nach ihm lediglich auf einer mangel-
haften Beurtheilung oder verkehrten Anwendung des ur-
spröngiichen moralischen Gefühls, dem es nur an richtiger
*) Inquiry I. c. Sect. lY,
im Hwne;
iira49rli:chen Ilelif ton. ^) Eine Absiehr, ein Zw(!ck,
evi0 innere Bestimmiingi üt ufivQrkennbar jedem naturiichen
Dingt ^Hig^planzt, /sowohl in seiiien VerUUtoissen zum uii--
endlichen Ganzen, als nichl minder War sich selbst^ welche
es .sicher und imwiderstohlidi seuiem Ziele zideiten. So
fibrtuns die Thalsache ailgettieinV^rGesetzedes Universams,-
wie sie sich am Einz^jlen und am Grossien gleidiförmig
wiederholen, awar nicht mit I o g i s c h e m Z w a n g' e, docli
mit palürücher Ueberaeugung au£ die Idee eines
einzigen Uchebars desselben, wenn nicht etwa (polythei*
stischo). Yoruriheife dear Ereiehong sich dieser vernünftigen
U^beczeugung entgegensetzen. Und wie gross audi die
Besjohrftnkthek rohstnnlichet* Meiischen sein möge , die in
den sinnvollsten Werken .der NfUur ihren Urhdier nicht
erblicken können ; so ist es doch kaum möglich, dass jene
Id^, einmal erwadct , ihre ubmeugende Kraft verfehlen
^te. **) Und selbst der allgemeine Glakibe an eine in-
telligpnte JHacht kann, wenn auch nidit entsdiieden als
angeborener Indtikikt, doeh, wegen dcr:Allgememheit der
Thatsache/ als das Insiegel' des göttlichen Werkmeisters in
der .menschlichen Natur betrachtet wardcn. ♦♦*)
**
•) Ewys V4>1. IV. S, 325 ff.
) Bei dieser und ähnlichen Stellen werden wir unwUlkuhrlidi
Aa die Wendung Kants erinnert, der gleich Hu nie jedes
Iliuaussleigen über die Erfahrung und jede Möglichkeit, das
Wesen Gottes zu erkennen, in Abrede stellend, mitten in
diesen Beweisen in die berühmt gewordenen Worte ausbricht
' (a. a. O. S. 652.) : f,Die Vernunft, die durch so mächtige und
unter ihren Hunden immer wachsende, ob iwar nur empiri-
I ' jSche Beweisgriinde unablässig gehoben wird, kann durch keine
Zweifel subtiler abgezogener Spekulation so niederge*
drückt werden, dass sie nicht aus jeder grüblerischen Uu-
entschlossenheit, gleidi als aus einem Traume, durch
einen Blick, den sie auf die Wunder der Natur und die Majestät
des Weitbaües wirft , gerissen werden sollte , um sich von
Stufe zu Stufe bis zum obersten uud unbedingten Urheber zu
erheben. "
***> 1. c. S. 326.
}lnmi\ 10*
Nan aber macht II ii in e , statt auch nnr vortAufig M
joner Idee Wurzel zu faflseti «nd in ihr zur Ruhe zu kom-^
»en, durch abgieitende Reflexiorten, welche die ^Kelirseiti^
der Hedaille^ darsteflen sollen, sieh diesen ErWerb sogleick
wieder slreiüg 9 — und liefert se von Neuem dn Vorspiet
zu Kant, der es gleichfalls sich angelegen sein lässt, dief
Zugestandnisse, welche er seinem Kriticismus abgerungen,
durch naehkommende Einschränkungen und Bedenken sich
za Nichte za machen. — Was hriien unsere Volksreligi«^
aen, sagt Hume, aus jener erhabensten Vorstellung ge-
macht, welche Capricen , Absurditäten , welche ImmoralHfit
bürdet man der Gottheit auf! Prüft man die ReKgions^
gnmdsätze, welche Geltung in der Welt gehabt haben, so
kann num kaum die Ueberzeugung abwehren, dass es Träu-
me eines Kranken sind« Man sieht auch Uer, dass Hu md
sich roa dem (acht nationalen) praktischen Interesse, toiI
der Beartheilung der gegebenen Zustät^de
nicht losmachen kann; wie denn diess bei ihm und- bot
seinen Landsleuten überhaupt als der eigentliehe mtd letzte
Zweck des Philo6<q>hirens erseheint, Airfklärung zu ve^br^i-
tea, — man kann zugestehen, im ächten und- wahren Sinne.
So bleibt es dabei, — waj$ Uume noch in den 6e->
sprächen über die natürliche Religion roll^
sündiger entwickelt: — das Dasein Gottes, oiner höchisten
Ursache, ist eine keinem ZweiCbl unterworfene theoretische
Wahrheit, — und wer daran zweifeln wollte , verdiente
jeden Grad philosophischer Strafe, durch Spott und Ver^
achtung *) ; — (m^n weiss, dass Kant durch theoretische
Grunde nicht einmal so viel wahr zu machen neh gi3traute)
— abec eben so unbegreiAidi sind uns sein We^en, scide
Eigenschaften, die Art semer Wirksamkeit, weil aUe Pra««>
dikate, die wir ihm. beilegen können, nur relative, aus
menschlicher Analogie geschöpfte sind , mithin auf biossei
Aathropomoridiismus hinaudaufen« **) Gott ist viehnehr
") Dialogues a. a. O. S. 43.
*J a 4. ü. S. 44. vgl. 12U.
loa HttBie.
mendiich erhaben über diese menschlichen Vorstellongs-
weisen und Meinungen; er soll mehr ein Gegenstand der
Verehrung in den Tempeln> als des Streites in den Schulen
sein« Desto grosser sind aber die Rathsel , die sich jener
Gewissheit entgegendrängen, aus der Betrachtung des man-
nichraltigen Uebels der Welt , der grossem Schmerz- als
Genussfahigkeit aller Lebendigen, des Busen und Verkehr-
len j(ller Art , wie es die Menschheit zeigt ; deren weitet)
Ausführung eine Hauptseite seiner Gesprftche isl, um jedes
wissenschaftlich dogmatischen Theismus in seinen innem
Widersprüchen darzulegen. Und so ist auch hier »Zwei-
fel, Suspension jeder Entscheidung da^ einzige und wahre
Ergebniss jeder gründlichen Vemunftforschungt^ *)
Von grosser , selbst sgpekidatiTer Bedeutung isl aber
die Betrachtung, mit welcher Hume das ganze Raaonne-
ment abschliesst **) : Der Dogmatiker, der bis su positiven
Behauptungen fortzugehen wagt, wie der Skeptiker, der das
Positive und Zwingende derselben in Abrede stellt, stehen
eigentlich auf gemeinsamem Boden , ihr Gegensatz beruhl
nur auf einem Wortstreite ; — (sie sind, wie wir uns nach
gegenwärtigen Be griffen ausdrücken würden, ab entgegen-
gesetzte Momente in einer beide vermittelnden Wahrheit
umfasst, wdche ebenso sehr die positiven Behauptungen jenes
zu begründen vermag, als die Zweifel und Negationen des
Letztem , welche er aus den Widersprüchen des Daseins
schöpft, durch ErkUrung derselben aus einer umfassendem
Weitansieht zu beschwichtigen im Stande ist).
Beide, Dogmatiker, wie Skeptiker, erkennen nämlich
einerseits eineNothwendigkeit des Denkens, wet
ehe fast unwiderstehlich zu gewissen Hesultalen hinfihrt,
anderersetts aber ebenso gewisse Schwierigkeilen, die in
4en daraus zu erklärenden Gegenständen, in den zu
losenden Problemen übrigbleiben. Der Eine achtot
mehr auf die Nothwendigkeit des Denkens, der Andere wird
«) Essays Vol. IV. S. 339.
**) Dialogttes a. a. O. S. 265.
Hume. 103
stärker gednäcki von dem G^ulile der Schwierigkeiten in den
einzelnen Problemen. Indem sich jedoch dies« Mehr oder
Minder nicht in einen beitimmUn Begriff fussea li»si; 99
ist ein Fhiktuiren, ein theilweises Uebergehen von dogmiH
tischer zn skeptischer Gesinnung, und umgekehrt, nicht ab«
zuweisen. Aber diess eben, diese UneniMJiiedenbeit , diw
Unvennögen, einen völlig deinitiven AhscUuss derUeber*
Zeugung über die wichtigsten Fragen zu erreichen^ macht
den Triumph des Skepticismus ans : er bleibt , als G e -
müthszttstand, zuletzt allein übrig« Und in der Thai
schildert H n m e damit treffend und ergreifend die Lage
der allgemeinen Bildung, wie der individuellen, davon un-
abtrennlidien Stimmungen, welche aus einer solchen^ nur
theilweise voUendelen, die tiefgreifendsten Fragen noch un«
befühlt, oder wenigstens unentschieden kssenden Yemunft-
einsicht unvermeidiich hervorgeht. Sollte diess nicht, spe«
kttlativer Seits wenigstens , das treffendste Bild auch der
gegenwärtigen Zustinde sein, wo dergrosise Gewinn, wet«
eben dem Principe nach die Zeit ernmgen, nqck immer
nicht seine eigentliche Frucht getragen Imt^ oder, wo auch
im Einzelnen diess Ziel klar ei^ffen worden wäre , es
noch keinesweges in der Form enies wissenschaftlichen
Systemes hat Gemeingut wearden k&unen ? Im Gegentheii :
die Resultate der herrschenden spekulativen Gesammtbildung
haben Manchem manche skeptisclie Seufzer abgenöthigtl —
Aber ebenso klar ei^bt sich daraus der eigentliche
Gnmd der H um eschen Skepsis, die weniger in der Durch->f
iührang eines scharfbestimmten spckuhitiven Princips oder
Gesichtspunktes besteht, ab in die Breite mer verständigan,
i»s Selbstdenken überall anregenden Beurtheilung der Dinge
aoslaoft, welcher man, nach den danMÜgen, und grossen-
theils auch jetzt noch herrschende Voranaseteungen alige**
inciner Bildung , wie nach den damals und jetzt in Umlauf
Wid Credit beündliehen wiss^schafllichen Ideen« iGrönd-.
lichkeit und freien, urtheillosen Blick nicht . absprechen kann*i
b der That wünschten wir zu sehen, was die durchschnitt
lieh noch geltenden rationalistischen oder pantheistisohen
104 Hnme.
Denkweisen wirklich Durcli^riejfeiicles und durchaus Befrie-
digfendes ihm enfgegcnzuseizen hätten , um die absolute
Weitvemünftigfkeit vor den gfrossen Widersprächen des Da-
seins zu retten , die er mit einschneidender Kraft hervor-
hebt. Nur ein wissenschaftliches System desTheis-
mus, das tief und kühn genug ist, um seine ursprüngliche
Idee nicht fallen zu lassen, sondern mit Vertrauen auf
sie in alte Webfragen einzugehen, kann hoüen, auch hierin
völlig genug am thun ; und eine Erneuerung dieser skep-
tischen Weltbetrachtungen Hu m e* s ^vürde nur wieder dar-
an erinnern, wie viel gerechte Vernunft «Bedürftiisse durch
dMseibe zu. stillen sind.
Fir Harne war bei seinem empirischen Bittgehen und
Beobachten der vereinselten Erscheinungen, -^ nicht um
sie zu erklären, sondern um ihre Schwierigkeit und Per-
plexität in's Licht zu stellen — kaum ein anderer Ausweg
übrig: je:scharfsinnigor er erwog und gegenüberstellte, desto
mehr musste ihn die überwältigende Masse der einseinen
Probleme, das Uebergcwicht des RäthseRiaften, Unerklärli-
chen , in jene skeptische Enthaltsamkeit zurückscheucäicn.
Er musste die Welt für einen unauflösbaren Widerspruch
erklären , wiewohl ihm der leuchtende Faden nicht ^ent-
gangen war, der, wenn man ihm vertraut, sicher über
jene scheinbare Wirrniss hinaüszuloiten vermag. Nur der
frische Muth des Denkens , der sich vorerst über die ver-
wirrende Fülle jenes Problematischen hinwegsetzt, um vor
allen Dingen den festen Anfang der Untersuchung zu fin-
den, oder die Unschuld des Bewusstseins, welche jene grüb-
lerischen Argufationen nicht kennt, oder keine Notiz von
ihnen nimmt, kann sich der skeptischen Neigung entschwin-
gen. Wenn sie aber erwacht ist, und mit ihr das ganze
Gewicht jener Probleme hereinbricht; dann entscheidet
nur die volle, zum Ende geAhrte Wissenschaft. Bis jetzt
aber leben die Meisten, auch der Philosophirenden, in einem
unentschiedenen Zwisohenzustande : sie haben das idlge-
meine Vertrauen, dass die Philosophie, dass ihre Principien
namontiicb, «m Ende auch dor entlegensten Proiilomo Herr
Hämo. 105
werden können ; aber im Speciellcn begnügen sie sich oR
f^nng mit dem ignoriren derselben und -somit auch des
wahren faktischen Menschensustandes. Hume ist darin
aofiichtig^r gegen sich, aber ohne positiven Erfolg fiur die
Wissenschaft
Damit weicht ihm suietEt jede Realität, jede Gewissheif
weil zurück. Was dem Bewusstsein, nach seinen Principien,
eigentlich übrig bleibt, ist die gnsserliche Verknüpfung auf
einander folgender Thatsachen ohne jede innere erkenn--
bare Beziehung. Die ganze Unendlichkeit ist dem Geiste
nur em Wechsel vorübcrfiichender Erscheinungen, sein
Schauspiel, aber ihm von unbekannter Bedeutung : ja
wenn er auch nur die Frage darnach eriieben wollte, so könnte
er nicht einmal dieser Frage Sinn verstehen oder vor sich
rechtfertigen. Das einzige theoretisch Gewisse ist jedem
(vereinzdten) Bewussisein die eigene Bxistenz, die U n-
Kiittelbarkeit jenes Schauspiels, das wir eine Weit
nennen. Darüber hinaus muss Alles unafitschieden bleiben,
and die Einsicht dieser Unentschiedenheit ist eben das Ziel,
wie das wahre Eiigebniss der ganzen philosophischen Bnt-
wicUung, welche in Hunte ihren Abschluss findet Es ist
die mit Locke begonnene einseitig empirische Richtung,
die, wie sie ausgeht von der als b I o s s Einzelnes und Zu^
KUiges anfgefassten Unmittelbarkeit, so nur darin enden
kann, alles Allgemeine und Nothwendige, jede feste Ge-
wissheit anzuheben.
So steht die Philosophie hier an der Schwelle einer
neuen Entscheidung: entweder, alle Anforderungen an
eine spekulative Begründung aufgebend, von dieser philo-*
sophischen Negativität selbst zu abstrahiren» und zum ge-
meinen Bewusstsein und dessen ungerechtfertigter Sicher-
heit zurückzukehren; oder jene Negativität selbst zum Aus-
gangspunkte eines neuen spekulativen Umschwungs zu ma-
chen, indem ihr Resultat wieder zum Probleme erhoben, und
in der Laugnung der sonstigen Gewissheit selbst der nicht
vertilgbare Rest eines ursprünglich oder unmittel-
bar Gewissen aufgesudit wird. Humc wendete sich der
106 Hume;
eckten Auskuaft zu, welche ihm nach dem ganssen Zusam-
menhange seiner Denkart und nach den übrigen Pramt^nsen,
die sein philosophisches Zeitalter ihm darbot, auch aUein
äbrig blieb. Die spekulative Fortsetzung fand er in KanI, |
bestimmter noch im Principe der altem Wissenschaftstehre, j
welche in das Ich , als das für H u m e letzte Gewisse, die
erste Gewissheit uad ihren Ausgangspunkt setzte.
Daher bezeichnet er ausdrücklich jenes sk^tische Be-
sultat als ein negatives, polemisches, das, nach-
dem es zur Widerlegung der gewöhnlichen Anmaassungen
vermeintlichen Brkennens gedient habe, unnüttelbar wieder
aufgegeben werden müsse, da es in sich selbst keine
Befriedigung, dem gesammten Bewusstsein keinen wahrhaft
letzten Abschiuss gewäliren könne. Dem skeptischen Zu-
stande tritt mit Uebermacht das Gefühl der absoluten Bea*
litat des unmittelbaren Bewusstseins entgegen, das, wenn
es auch nicht durch philosophische Gründe erwiesen oder
gerechtfertigt werden kann, dennoch wie dnrch einen unwi-*
derstehlichen Naturtrieb (a natural insttnud er prep09^
Session) den Geist an sich fesselt, und ihn von der Wahr-
heit der wirklichen Dinge überzeugt. Der Zweifler vertraut
menschlicher Weise ebenso seinem Bevmsstsein , rechnet
ebenso in seinen Handlungen auf die feste Wiederkehr glei-
^mt Folge nach gleichen Ursachen , wie der Dogmatiker ;
aber er kann den philosophischen Beweis dafür nicht als
gültig erkennen. So ist er philosophisch nicht widerlegt
oder eines Andern belehrt ; aber er kann jenes theoretische
Unentschiedenlassen selbst nur für einen erkünstelten Zu-
stand erkennen, indem dieser, wie oft er auch im Geiste
hervorgerufen werde , immer wieder, wie ein Schatten und
Traum, verschwindet vor dem Eindrucke der lebendigen
Wirklichkeit.
So ist diess philosophische Besultat eigentlich keines ; es
bleibt trotz der skeptischen Theorie zuletzt bei der gewöhnli-
chen Ansieht von den Dingen, mit welcher dieser Skepticis-
mus vielmehr völlig in Eintracht lebt, nur mit dem für ihn sehr
nachtbeiligen Unterschiede, dass er, indem er den Umweg
Humo. 107
durch die Philosophie gemacht hat, den Reiz der Problema
sich aus dem Sinne geschlagfcn und iilr unfrucblbare Gröbeiei
eriüfirt hat. U n m e bat darin übrigens nur dasselbe Ver^
hältniss au^gespirochen , welches auch die alten Skeptikec
kannten , uid dadurch bezeichneten^ dass sie^ da sie nicht
onthätig sein könnten (sich praktisch zu den gegebenea
Erscheinungen verhalten mussten), in Ricksicht auf das
wirkliche Lebra die gemeine Ansicht von der Erscheinung
gdten liessen , phne jedoch einem Urtheil Aber sie (über
ihr Ansichselbstsein) sich hinzugeben» *) Nur ist bei dieseot
der wesentliche Unterschied , dass sie nicht bloss , wiai
Hume, diese Skepsis gegen die philosofriritchen Heinungea
riditetoi , sondmi von dem ProManatischen in der Er«
scheimmg selbst erfüllt waren, und so das Bewusstsein der
Plobleme sich wach erhielten.
Dennoch hat Hume darin des grosse philosophische
Verdienst Ar die neuere Philosophie , dass er das letzlö
Zid und das eigentliche Endergebniss der empirischen
Denkweise scharf und unzweideutig hervorarbeitete : in ihm
kommt, wenn auch nicht die gewöhnliche Denkweise und
die nachstvoriiegende Meinung, so doch der Geist und die
schliessliche Wahrheit des Empirismus an den Tag. Wenn
das Allgemeine und Nothwendige nicht als dem unmitld«
bar Einzelnen oder der l^ahmng gegenwärtig eritannt
wird ; so kann es nur, so lange man überhaupt diesen Be-
griff nicht fallen Ifisst, als Produkt der Reflexion angesehen
werden. Wir erfinden es durch Nachdenken über die
Erfahrung. So Locke und aller Empirismus. Er behaup-
tet die Existenz allgemeiner Wahrheiten und einer Vernunft-
nothwendigkeit, aber hergeleitet ans den Erfahrungsgegen-
stinden.
fai Hume wurde die schärfere Konsequenz dieser
Theorie vollzogen : ist die Unmittelbarkeit der Eriahrung
für sich selbst aller Innern Allgemeinheit und Nothwendig-
^) Seitu« Empir. Pyrrhon. hjpot I. $.22. Vgl. Stau drin
Gescliichta and Gei<t des Sk^püdsmos. Tli. I. S. 390* C
108 Hciinc.
|pe*t bafir; so glri)t es überhaupt köin Allgemeines: als
Produkt unseres Denkens ist es keine AHgfemeinhcit mehr.
H u m e sucht vielmehr ganz konsequent, und, wie man glau-
ben sollte, dem Empirismus ganz envünscht, für das Phä-
nomen jener Allgemeinheit selbst eine empirische ErkTi-
nmg in der Wiederkehr einer Aufeinanderfolge bestimhfiter
hnpressionen. Was wir Allgemeines und Nothwendiges
nennen , ist selbst nur Erzengniss der Reflexion über jene
Wiederkehr , Prodidit der Gewohnheit. Wefl wir eine
gr^'isse Folge beständig wahrnehmen, sind wir zuletzt ge-
neigt, in den sich folgenden Erscheinungen selbst einen
iinncrn Znsammenhang vorauszusetzen, und diesen ^ifid-
hVh als einen , der gar nicht ausbleiben dürfe , «Is einen
nothwendigen anzunehmen. Was ist, in dem Kreise
und nach den eigenen Prämissen jenes empirischen Erklär
rehs, überzeugender und schlagender, a^Is diese Schlussfolge,
die zugleich, mit Empirischem anfangend, wie in ihm endend,
den ganzen Bereich des Erkennens und auch der Philoso-
pkie auf das Glücklichste abschliesst? Diess aber einmal
tugegeben oder als genügend befunden , ist jeder Weg zi^
emeni Uebersinnlichen , zur Anerkenntniss eines geistigen
Bandes und einer nur im Gedanken zu fassenden Einheit der
Dinge schlechterdings abgeschnitten. Selbst die Harmonie
iler Naturerscheinungen, die Wiederkehr ihrer Erfolge kün-«
nen wir nur stier und deutungslos anstaunen ; es wäre ver-
geblich, hinter ihnen Etwas suchen oder In ihnen ein
Aligemeines oder ein deutsames Gesetz lesen zu wollen.
Aber auch nach anderer Seite hin hat Hume nicht
minder kräftig und aufregend auf das philosophische Be-
wusstsein seiner Nation gewirkt. Wie Berkeley der
tiefste und spekulativste, ist Hume der reichste und unifas*
sendstc von Englands Denkern. Er hat das ganze Gebifel
der philosophischen Erkenntnisse umfasst, alle Fragen
9ur Sprache gebracht, die nach der eigenlliümlichen Bil-
dung seiucr Landslcute ihnen für philosophische Erörterung
Englische Pbilosophic. 109
übrig Hieben; ondwdohe naoh ikn doti aunrnion, kdnnejl
nor darauf Anspruch macheu, 4iQ in. sokUi^r PhiiuJ^pbiM
enthaltenen Elemente weiter entwickelt su habcn^ ^Uwedi)f
seiner eigenen Verneinung sie entgegenhaltend , oder mit
dem Versuche, sie zu einetin selbststandigea philosophischen
Principe auszubilden.
Uebrigens ist der Charakter jener philosophischen BilduBf
bei keiner Nation von einfacherer Natur und »uf deutlicheca
Grundeleniente zurückzuführen ; keine hat zugleich die weui^
gen Gedankenbestimmuttgen ihrer Fhilosophie stetiger, zusaiiaH
menhangeucksr, gründlicher, wenn audk in kurz gomessenctt
Fortschritten in sich durchbildet; und e$ zeigen sich auch
darin ebenso viel Beharrlichkeit, als gdgealieitige Theilnahtio
und ununterbrochene Wechselwirkung» die öberhaupl Eng^
lands litterarischc Zustande vor den . unsem höehsl vortheiW
haft auszeichnen. Roheit Fludd's, John Forda.ge'n
auf Tieferes gehende Regungen waren immer vereinzeli
geblieben ; der sich selbst missverstohende Platonisinus
Balph Cudworths und Heinrich More'is wurden duroh
Locke verdrängt und vergessen. Von d^ Einen Seile
durch Newtons mathematisch -* mechanische Physik von
jeder spekulativen oder geistigern Erfassung der Naturah-«
gefuhrt , von der andern durch B a c o' s Reform auch im
Fragen des Geistes auf verstandige Beobachtung und Re^
flexion eingeschränkt, war den englischen Philosophen ea
f9St unmöglich gemacht, zur umfassende^ Idee einer Meta-*
phyäk sich zu erheben. . Ueberhaupt waren es vor Allem
politische und ethische Interessen , wdche auch für die
philosophische Untersuchung obenan standen: in theologi-«
scher Spekulation gelangten sie nicht über den Gegensatz
and die Polemik zwischen natürlicher Religion (verstandi«*
gern Deismus) und positiver Kirchenl^h^'e hinaus. . Abes
selbst ihre „Freidenker^ veriäugnen niemals den tiefen Ernst
mid die Gewissenhaftigkeit, ja das Patriotische ihres Zwek-
kes: es treibt sie politischer Eif^r gegen die herrschende
Kirche oder moralischer Unwille gegen die Herrschsucht
des Aberglaubens^ night ;ler Kerstorungstrieb eigener frivoler
110 Reid.
■ ■
Leerheit, oder, in der noeh seMitnmem Gestalt des Sichanr-'
lehnens gegen jede, die Willkuhr beugende Giaubensobjek«-
tivität, der Trieb eines gottwiderstrebenden Hasses. Aber
alle diese Gedanken theoretischer , wie praktischer Natur,
war^i durch H u m e geweckt, und mussten sieh bei der
grossen Theilnahme, die sie erregten, langsam ausschwin-
gen. So trat Hume's eigene Berufung auf den Natur-
instinkt des Erkennens, und seine Behauptung von der Un-
baltbarkeit der Skepsis, als Gesammtzustand des philoso-
phischen Subjektes gefasst, in der Philosophie des Ge-
meinsinns (Thomas Reid, James Beattie, Th. Os-
wald) mit dem Versage, sich zu einem selbststandigen
Principe der Philosophie zu erhd>en , seinem Skepticismus
entgegen: was siek von ihm ablöste und ihn wideriegen
wollte, war nur ein Theil seiner selbst, so dass Kant
treffend erinnerte , seine Gegner hatten ihn aus dem wi-
deriegen wollen, was er selbst weit besser gewusst. *)
Nur ist ein Fortsdiritt des philosophischen Bewusstseins
in Reid nicht immer bemerkt worden. Bei Hnme hatte
sidi, wie wir nachwiesen, der Gegensatz zwischen dem
schlechthin Nothw endigen und dem bloss erfah-
rungsmSssig Wiederkehrenden, der im natüriichen
Selbstbewusstsein schon auf das Bestimmteste und keine
Verwechselung zulassend sich ankündigt, bis zur Unter-
achiedlosigkeit verflacht. Reid stellte das Bewusstsein
dieses Gegensatzes in seiner ursprunglichen Schärfe
wieder her, und erschütterte dadurch den Grund von Hu«*
m e s psychologischer Deduktion. Die nothwendigen Wahr-
heiten werden nicht nur erkannt, als dasjenige, was immer
Ist und stets wiederiiehrt , sondern als dasjenige , was als
schlechthin nicht anders sein könnend gewusst wird,
dessen Gegentheil unmittelbar als Unmögliches sich an-
kündigt **) Dass aber diese WahHieiten eben auch nur
*) Prolcgomena za jeder künftigen Metaphysik,
S. 10. ff.
**} Tli. fi e i d » an inquiry into the hymaa mind on tbe princi-
Reid. Priesdet. 111
ite etw«^ ThAteaeUielie« gefasst werden^ neben dem An-
dern, Empirischen, dass sie somit, wie einzelne Gnindsfttze
angezahlt, dem Verstände eine Mannkhfaltiglieit nicht wei-
ter erlüarfoarer, ihm fremder Gesetze bleiben, dass zwischen
der anmittelbarmi Wahrnehmung und dem Denken dersel-
ben nicht unterschieden wird, kurz, dass ihr Bewusstsein
sich der Form des Empirischen nicht entwindet, hat die-
sen Fortschritt bei Reid zu einem unentschiedenen, frudit*
los bleibenden gemacht.
Diess Verbaltniss wurde von Joseph Priestlei und
Richard Pri c e, zweien der ausgezeichnetsten und verdienst-
Tollsten engtischen Denker, von jedem in eigenthümlicher
Weise^ zur vollständigen Anerkenntniss eAoben. Der Erste,
ebensowohl Gegner der H u m e sehen Philosophie , als der
des Gemeinsinns, gegen welche beide er eindringende Kri-
tiken erscheinen Hess, kehrte zurück zur Theorie Lock es,
rniterstttzt und vervollständigt durch die physiologischen
Hypothesen David Hartley's über Entstehung, Fortdauer
mid Wiedererregung der Sensationen und Vorstellungen
mittels Schwingungen C^ibrcMons) der Empfindungs ^ und
Bewegungsnerven : — die erste nähere Beziehung, in wel-
che der psychologische Empirismus mit einer materiali-
stisch physiologischen Hypothese getreten ist.
Dennoch fasst Priestlei das Lockische Princip selbst
in einem tiefem Sinne, als den es ursprünglich hatte, und
bekämpft daraus namentlich die Philosophie des Gemein-
sinns, die Berufung auf unmittelbares Gefühl und des-
sen Gewisdieit in so durchgrdfender Weise, dass an sei-
ner Einsicht über den wahren Charakter des objektiv All-
gemeinen und Nothwendigen und über den eigentlichen
Ursprung seiner Erkenntniss kein Zweifel bleibt Nament-'
lieh macht er den Hauptgrund , welcher auch von der ge-
genwärtigen Spekulation der Gefuhlsphilosophie seit J a c o b i
entgegengehalten worden, dass das absolute Kriterium der
plet of common sense ; VI. ed. Edinb. 1810. Deutsch, Leipz.
1782. Vgl. ia dieser UeberseUuog S. 310. 313.
112 IViestlei. Prioe.
.Wahrheit, ; das J^wiüSstsem der Vernunftallgeffioinheil , von
ihr in dea durchaus willkührlichen und subjektiven Haass-
stab einer , zeitweisen Empfindung oder eines persönlichen
Uebcrzeugtseinjs verwandelt werde , so entscheidend und
energisch gegen .das Ganze, wie die einzelnen Behauptungen
jener Philosophie geltend, dass er, fa^t der fiinadge unter
den englischen Philosophen , die charakteristische £videnz
pnd überzeugende Gewalt der Vemunflwahrheiten an sich
erlebt zu haben, Zeugniss ablegt. *)
Nicht minder entschieden und in originaler Weise ist
P r i c e zu dieser Fundamentaleinsicht aller Spekulation g&*
langt. Die innere Mothwendigkeit und Unveränderlichkeii
des moralischen Bewusstseins ist Cur ihn eine
*) Vgl. die voa Stäudlin (Geschichte uad Geist i!i^& SkepU-
cismus, Bd. 11. S. 240. ff.) ausgehobeoen Stellen: „Sie spre-r
chen von der Nothwendigkeit, Axiome» als Fundamente al-
les Räsonnemeats, anzunebmen ; aber sie empfehlen beson-
dere Sätze als solche Axiome , nicht als wenn sie auf
der Wahrheit der Uebereinstimmung oder Nichtübereinstim-
mung gewisser Ideen beruhten, welches Locke's grosse Lehre
ist, die die Wahrheit von der nothw endigen Natur
der Dinge abhängig, und zu etwas Absolutem, Unwan-
delbarem und Ewigem macht; — sie nehmen viel-
mehr gewisse unerklärliche instinktartige Ueberzengungen als
Axiome an, wodurch die Wahrheit ein Ding wird, welches
sich nur aufuns bezieht, folglich ' höchst schwankend
und willkührlich ist.'^ „Nach dieser Lehre darf Jeder-
mann sich für berechtigt halten, über jede Frage seiner g e-
genwärtigen Empfindung und Ueberzeugung
gemäss zu entscheiden, mit der Meinung,- dass das,
was er bestimmt, etwas Ursprüngliches, Letztes und Unwider-
sprechliches ist, wiewohl es, näher analysirt , als YorurtheU
oder Ausgeburt des Irrthums erscheint." — Priestlci zeigt
ebenso überzeugend, zu welcher Anmaassung und Oberfläch-
lichkeit des Untersnchens und Entscheidens jenes Princip Ter-
anlassung gebe^ auch in Bezug auf religiöse Dinge und Glan-*
benswahrheilen, die, weil sie dem unmittelbaren Gefühle
zu widersprechen scheinen, man sofort für ungereimt und lä-
cherlich zu erklären sich für berechtigt halte (a, a, O. S. 244. 45.}.
Pirice. 113
■
ettfj9cbietieiie Wahrheit» imd so h«l cräch vMr di^serSeile
her den Zugang in die Welt des wahriiaft Apriorischen
ertffiiel. Wie im Pirakttsc^n ein schlechthin ursprüngU«-
eher und gemeingfiltiger Maassstah den sittUehen. Werih
unseres Willens nnd unserer freien Handlangen bestinunt;
ganz ebenso beartheät und versidil schlechthin ans sidi.
selbst und nach eigenen Gesetzen der Vjelr stand dia Go*-
genstfinde der Sinne. Diess Vermögen, als seihat dorchaos
unsinnlicher Natur, mosa daher auch eine Quelle neuer^
eigenthumlicher Ideen sein. Was über alles Sinnliche urtheilt,
sich sum Begriffe desselben erhebt, kann selbst nicht bloss
Sinn sein, da kein Sinn über den andern jurthtilt, sondern
nur eine eigenthfimliche Specifikation des Empfindens, der
passiven Seite des Geistes, cnthftlt^ Der Sinn ist nur ein
Vermögen der Seele, durch äussere Ursachen in seinem
Zustande verändert zu werden , Empfindung ist Leiden —
(Kants Receptiyität); — sie giebt uns gewisse Unwille
kähriiche Affektionen; aber sie versteht nicht, was sie
sind, und woher sie kommen. Diess thut der Verstand,
selbststftndig mterseheidend wie verknikpfend (Kant«
Spontaneität); — und durch diess Unterscheiden und Vern
biupfen wird er der Erkenntniss allgemeiner Wahrheit, der
Wahrheit jenes sinnlichen Einzelnen eben, fähig.*)
Wie er nun hiemach, Hume gegenüber -und zu dessen
Wideriegung, die ursprünglichstett Begriffe unserer Erkennt«-
niss: Räumlichkeit, Dauer, Solidität, Bewegung, Substanz,
Ursache und WiAung ausdrücklich als Erzeugniss des
Verstandes, nicht der • Sinne, bezeichnet, weil nur der Ver^
stand Unheile zu bilden vermöge, in welchen das Prfidi^
kat dem Subjekte auf schlechthin allgemeine und nothweur
<lige Weise zukommt; diess bedarf hier bloss der allge^
meinen Angabe. **)
*] Beriew of the principal qnestions and difficuUies In morah
by n. Pric«. III Ed. Und;. 1787. Sect.IT. S. 16. f.
**) Vgl. Tennemann, Gesch. der Phil. Bd.XI. S.5i7. und
iasbeiondere die, Hune'i CauMlitaUbegriif betreiFcnde Stelle
8
114 Priöe.
•
f' So bringt "es Pric^ dem Princip nach, d. h* ancBl*
wiokelter Weise (indem ohnehin bei der eigentlichen Ab-
gehe seines Werkes, ein Mora]0ys(em danustellcn, jene
theoretlsdien' Fragen nach dem W^en der Verstandeser-
kenntnisi nw einleitend und gelegentlich behandelt werdea
4[onnten), wesendich M derselben Ansicht, die Kant spn-
ierhin entwickeltes nnr ohne dessen subjektiv idealistisol^s
•Element^ kttn scharfbestimmten und richtig gefassten Ge-
gensätze Hdmlich zwisehen Sinn (^ Sinnlichkeit c') und
V ei^s-t and 9 aber damit auch nur au einer y^l&ufigen Tren-
wmg md.Elitgeg^haltung beider. Der Verstand kommt^
^fie ba Kant, zum Smne nur hinzu , als ein sweiles,
allerdings ebenso ursprungliches, und eigenthümlicher Er*-
•fcennlnisse machtiges Vermögen , aber an sich selbst dock
ials ein anderes, ja ein dem Sinnlicheii entgegengesetztes,
^e sinnlichen Dinge verstehend undzuBegriifen erhebend,
befolgt dw Verstand* darin seine eigenen Gesetze, nicht
cBe Gesetze der D^nge selbst; er bringt sie erkennend
.mit sichselbst in Uebereinstimmung nach einem ihm
eingeborenen urq^rängliehen Maassstabe seiner Wahr-
heit; aber damit stehen virir iM)gli3ich vor der Kantisdien
Folgerung, dass durch diess Verstandigmachen derselben
•über ihre .Wahrheit an sich Nichts entschieden sei. Kui7,
fai^ so wenig, wie bei Kant, wird der Gegensatz von
•Sran und Verstand wieder in eine Vermittlung beider eu-
rückgeiuhrt durch die Machweisung, wie das unmittelbare
£^'ttsstsein doch auch schon Bewusstsein des Allgemeinen,
•mithin unentwickelter Verstand sei, wonach dieser nicht
Jifdir, als etwas ursprünglich ihm Entgegengesetztes , zu
jenem nur' hinzutritt, sondern^ als das dem Sinne, wie der
Innenwelt selber, £iagdbildcte , aus ihm entwickelt
wird.
Nach jener Philosophie giebt es daher eine Welt wahr-
bei Buhle G^ichiclile d. neu ern Phil. Bd. V. S. 346,
wel«lie Ober die wahre fileinunc de» Phtkmophen i.eiii6fi Zwei-
fel lAfst
Neuere Philofiö|»bie in England. 115
kalk ttersimiUcher Gesetee inftd VerriiinftvriMieil«9.'*ini^
sie ist mir in nnserai Geiste v menscMkter: Beste tind fii-»
genthdfliliclikeit, nichl etwas dem Seiii,-«ls.isoi]iöheniy
sohleciithin Zukottnendes, wie Prt'estleI,'Mtvinti)ergf»^
bend^ Regung' wenigstens, obgteiphtniOseikenl-smistigea
l^ffiissen nicht leiclit vMraglii^h en mbckeii, l^ooke's
Princip anfgefiual hatte; und ao sind wir anUi^nL England
an die Denkweise gelangt, mit der znieiat noch, iti •DBlitsch4
hid die grosse Entdeckung von der ObjeUiirifat!nird ab-*
solaten Ailgenieinheit der Vernunft so lange ini KMit>fb lag.
Nur scheint sich in England bist jetzt noidi iiichtdie lei-
seste Ahnung za zeigen voa.dem Inhalte und i der weithin
storisckien Bedeutung jenes^ Unisehwunges iealscher Phüe^
sopkie. Die gegenwärtigen phäosophiscfaen Interessen da«-;
selbst tfiesl^ii sidi, so viel wir beurtheilen können,; tvesent«*
üch ZMisehen einzelnen, auf hylodynamisoher Gitindansieht
ruhenden Untersuchungen physikolheotogisclher Ait; — (so
LordBrougJbam's Versuch über natdrliiche Tb0)kigie, Fr.
fiakewell9 natürlicher Beweis für ein künftig^ . Leben ^)
«nd Anderes) — welche, gewiss sehr ehrenwerth' und als
Bildangseleroent für künftige höh^e Entwicklungen- sogst
wickäg, an das Geistige und Proividentielle in den Ifaturer-
«cheiMingen selbst zu erinnern^ und mit diesem lebendigen
Grande einer unwiderstehlichen Gottesuberaeugung, in Zu*-
fiammeöbaag zu erhalten geeignet sind; •*- «njdJilwisohen
einer von ganz entgegengesefzteip Geiste igfekilelen empi-
risch-psychologischen Forschung auf völlig materialistischer
Graadlage, von den Englandern Phrenologie genannt,
«md mit. solchem Eifer bei ihnen. cultH^irt«, «dasstsioh dort,
irie in Frankreich und Nordamerika, eigene phiräMogische
Geseilschdften, Zeltschriften und Lehrstühle gebildet h^ben,
indem das Vereinzelte der Beobachtungen und das Sam-
meins von Thatsachen leicht den Schein von )V(chfigkeit
*}Fre<>erik Bakeweil natural.evicIeBoe'iofa fuldreltfe, ^e-
rWtd fron ibe properties aud actioiM df animate» and inani-
n»U matter ^ Lond. 1835» Deutsch .Weupkar. 1836. • ^ ^ ,
IIS ' Neuere. PhHosophio
feiriaiien ^ iw^ an einen wissenscbaflUdi äch dünkenden
DästtatitioNs taiiiftnndem kann. Charakteristisch *g«niag', ist
diess däp-aiiaige . wissenschaftliche Absenker Deolschiands
geblieben V der in 'England hat Wurzel fimsen können : es
ist namlickt die Gall^SpurKheimsche ScbädeUehre und
Physiologie . des Oehims, die, nachdem sie unter den deut-
schen Physiblogen längfst zu einer umfassendem Ansicht
fortfeiiildet wordeti ist, hiermit all ihren vorläufigen Män-
geln t und) Unfeirtigkeiten angenommen und in's Einzelne
•\'eifoIgt''Wilrdjn .
• ' Die PhFenbk>gie geht aus ron dem wahren, ebenso
phiysicriogidGb, wie philosophisch erwiesenen Grundsatze,
dass a i 1 e, ändtt die geistigsten Funktionen der bewussten
Seelei, «u ibtier Vetwifkiichiing einer sinnlichen Vermittlung
dtireh Th&tigkeit des Hirns und Nervensystems bedürfen ;
aber sittiibitdet diess zu der auch deutschen Physiologen
nieht freituf. gebliebenen Verirrung aus, dass sie das Or-
gan dejEiiOeiistes mit ihm selber verwechselt, und dem
Hirn in< seinen eihzelnen ItieHen eine Reihe specifischer
Vermögen i andichtet, tm gewisse Geistesäusserungen p k y-
siseh« heorvOrzubringen ^ wodurch das Bewusstsein zum
Produkte der HimthStigkeiivheruntergesetzt, das System der
fieistesvermögen aber zum blossen Aggregate der he-
4er6gensten, auf der oberflächlichsten Induktion von efaiigen
Beofoaehtungen beruhenden Funktionen einzelner Hirn-
t h e i 1 e genaieht wird. <*)
*) GeoV-g^ Cd taube System oF phrenology; Lond. 1830« IH Ed.
DeuUcb von pr. S. £d. Hirschfeld; Braunschw. 1833.—
piA.JE^inie-iiAing ast ein lAtereisantes Dokument der jetst in
England herrschenden physiologischen und psychologischen
Grundansichten. Der Deutsche Bearbeiter hofit, indem er
diese .^grosse Lehre" seinem Vaterlande wieder zufuhrt, da-
durch einen epochemachenden Umschwung für die deutsche
Wissenschaft yorzubereiten. Wir glauben in dem Werke nur
eine Sammlung von Beobachtungen zu finden, welche die jetzt
Ton den Physiologen Deutschlands und Frankreichs so eifrig
gepflegten Untecsuchuagen über die Bedeutung der einzelnen
in Enfiaiid. 117
Ueberhanpt können wir diese Lekre nur als die leiste,
gesonkenste und verausserlicbteste Gestalt der ganzen em-
pirischen Richtong betraditen, die wir von Locke an in
ihren Hauptphasen Terfolgten , und deren endlicher Ab-
scliinss zur Dariegung des ganzen Veriaures uns wesentlich
schien. Hü diesem Ende ist ihr aber jeder Keim vtnd Antrieb
zur Rückkehr in eine spekulative Ansicht von der Natur
und vom (Seiate aas ihr selbst Ydllig -^i^scheii. Die
philosophische Regeneration icheint für England nur aus
der Fremde kommen zu können; bei der allmählich sich
gestattenden Weltlitteratur kann es kaum zweifelhaft sein,
dass die gegenwartige deutsche Philosophie sich bereitet,
auch ausseriich eine welthistorische zu werden <ur Eng-
land und die übrigen Nationen ; weniger vielleicht durch
omnilteibare Uebersiedelung, als diopch die Veimillhlng des
französischen Geistes, in welchem der von DeutseUand aHS^
gegangene Funke eigentlicher Spdoidalion' Jetst^ wkklioh
gezündet zu haben sdieint.*} •
- — '^ ' • ■. , •,
TJieile des Hirns und Buckenmarks erweitern ka^oi, doch
dürAen selbst diese Beobachtungen , we^en des völlig Will-
kuhrlichen und Unkritischen in der Eiulheilnng der „phrenu.
logischen Organe^', nur mit grosser Vorsicht zu benutzen sein.
*) Wir meinen damit weniger V. Cousifas ekMtisehe Philo-
sophie, als die Bestrebungen einiger jun^eMrMtMaer* tfie atls
Kenis, Fichte*», Schellings aqd iieat ^•i>Verkea tka
gründliches Sludium gemacht haben, vor Alten des trefflichen
Barchou de Penhoen, der neben vollständiger Kennt-
niss dieses Theils der deutschen Litteratnr tugleich, eigentlich
der Erste unter seinen L&udsleirten , den wissenschaftlichen
Gedanken nnserer Philosophie Terstandennnd mit InAigkeit und
Einsicht sich angeeignet hat; auch sieht -er In der Erwerbung
derselben fiir seine Nation nicht nnr ein neues Band zi#ischeii
Frankreich und uns, sondern erkennt sogleich In ihr eine
regenerirende Macht fiir die wesentllchi^a religiösen nkid so-
cialen Interessen seines Landlos. S. tt'ist'Oi^e de la p h i-
losoph i e ' allem ande dep^iris ' Lelbbitz jusqu'i
Hegel par le baron Barchou de P'ciiboßa. 11 Vol.
Pifis 1036, —
■ ■A I
lil DeuiAcidand.
. • 1
Wir finden keinen winiitlelbaren Uebergfungf aus der
gktöhzeiäfen fV a n z^ös i s o h e n Philosophie ^u der K a n 1 1^
üchen^.udd^ kein >fi|ittkniatives Elemenl der eivtem in dieser.
DieTheorieenCondillac's^ Bonnet's und Anderer aber
den Ursprung unserer Erkenntniss waren nur der Locke-
schen nachgebildet , und die Ahntingen einer tieFem Auf-
fassung der Nflitur, Welche sich in Honnefs sonstigen
Schriilea und auch ^n Robinet's Werke de la nature*)
finden, beduji{i«n .0iner spateren Zeit, um ihre Deutung,
Berichtigung tmd Vollendung zu finden. Nur die praktische
•Seile in Roussea^^s Eimle und oaiUrai sadatj da$ Be-
M
*) De lainature, parJ^B. Robiaet; a Amsterdam, 1761-
68; V voll; 8* < — Robinet hatte sein HauptEiei auf eine bes-
ßete Theodicüe von dem Standpunkte der Natu rbeobachtuag und
Anthropologie gerichtet. Auf diese Art ein Geistesrerwundter
Yon Bonne t, — den er übrigens durch den Geist und die
Lebendigkeit sf iner dynamischen Naturanschauuug weit über-
traf, .und dßs^en bjlödynamiscbe Hypothesen, namentlich die
Kinschachtelungsthep^e, er geistvoll bekämpft, — hat er deo-
noch , vielleicht eben, aus jenem Grunde , von dem Einflüsse
Honnefs verdrängt ^ wenig Anerkenntnis» gefanden. Eioe
Erneuerung seines Andenkens auch unter seinea Laadtleuteu
wäre daher so angeme^yen , als gerecht.
Die vorkantisclie PhilosojjKie in Deutschland, f 19
wnissteln der menschKchen Freiheit und ikrer Rcehte, wie
es dort rein und gewaltig' liervoii)rach , machte einen tie**
fcn fiindrack auf K8nta:€läi8t; in ihm ukI in der ganzen
Kanii sehen Epoche hat jenes Bewusatsein seiiien-iägent-«
liehen Begriff und pUlosophischen AasdAick gewonnen. Es
ifvnrde seitdem die bestimmteste Anferderung an die PhikM
Sophie, regenerirend auf die recbflicheti und. siftlicben Zu^
Stande der Menaohheit au wirken. -
Dagegen steht die K a n t lache Philosophie auf dai
Engsle mit Wolffs Dogmatismus im Zusammenhange> und
ist im philosophischen Sprachgebrauches wie in ihren nega<*
trven, polemische Beziehungen ganz von ihm abhingigi
So wie Kant in dem ersten Einschreiten und derVhssung
aeiner spekulativen Aufgabe die Locke^HumescheRichf
tung in sich aufnahm , so war seine. Philosophie in- ihren
nähern Ergebnissen über metaphysische Fragen gor
gen dao deutsche System geriohlet. Man geflUt sieh anch
jetfll noch darin, diess als leeran aller «spakulaliven.Wafaiit-
holt, und als völlig werthlos zu bezeiehlien; man gettebt
Wolff böehstens das Verdieast zu, die jetzt gdbriöchliclie
philosophische Terminologie in Deutschland gc^cündet, und
znersi eine systematische Anordnung : der philosophischen
Wissenschaften, eine Art philosophischer Encyklo^
pädie versucht zu haben. Der Mangel und die Entartung
seiner philosophischen Methode, besosdws in der schwer-
fälligen sylloglstischen Umständlichkeit, die seine Schule
von ihm annahm, liegen vor Augen; aber es ist nicht un»-
weaentUch, den eigentlich tragenden Grund und dias Prin-
cip zu erkennen, das jener Philosophie wenigstens für ihren
Urheber und ihre Foribildner Evidenz verlieh.
Bekanntlich hat Hegel sonst schon, und auch in seit-
ner Geschichte der Philosophie *), den Mangel der W o 1 f f^
sehen Lehre damit ausgedrückt, dass sie V e r s t a n d c s m e*-
taphysik sei. So richtig im Allgemeinen diess ist, so
wenig geniigt esj weder um ihren charakteristischen Wcrlh,
♦) Bd. III. S. 477 ff.
120 .. wour. ,
nocb um ihren * Gründtnange^ ^u beseioiineii , da in Aem
ginne , in weichem. Hegel Verstand und Verstaadesbe^m-
Bungen tt^erhai^t dem S|)el£iiativea entgegeasetzi , der
Charakter der gesammten vorkantisdien, ja der K a n tischen
Philosophie selber darin besteht , Verstandesphilosophie zn
sein. Der wesentliche Unterschied der W ol ff sehen Lehre
¥on allen ftbrigen bestehl vielmehr darin, dass sie das
formale Denken an. die Stelle des realen, die Uoss
logische (abstrakte) Allgemeinheit an die Strieder
Wesenserkenntniss d^ Doige setzt Sie ist ein
abkürzender Auszug und eine Zuritckfuhrung der attgenei-
nen Realitäten nach ihrer unmittelbaren Gegebeidieit auf
eine Reihe durch Abstraktion gefundener BegrÜGsunter-
«ehiede, und eine Erklärung derselben aus jener ab-
strakten Allgemeinheit; in Bezug auf ihren Zusammen-
kang nach dem einfachen Principe verfahrend, dass Jedes
einen zureichenden Grund für sidi in einem Andern haben
wi8S%y wodurch freilich Alles zuletzt in das henepiacUMm
Gottes, in den allgemeinen Begriff der göttlichen Weisheit,
d. h. in die Unerklärbarkeil zurücktritt. Hieraus ergtebt
sich der Wolf fache Determinismus, welcher zugleidi je-
doch auf der Wirklichkeit der „besten Welt^ besteht ^ so
dass auch ihm nur das von Golt Vorausgesehene, Ver*
nunftige wirUich sein soll.
So gewinnt sein System den Gehalt nur durch logi-^
sehe Anordnung und Be^iffsbestimmung des empirischen
•firkenntnissstoffes, wobei das Allgemeine und Notbwendige
nicht weniger nur aus der Er&hrung aufgenommen, oder
daraus hervorgesucht wird , wie die einzelnen erfahruugs«-
massigen Bestimmungen der Dinge. So entschieden näm^
lieh Wolff auch an sich zwischen VemunAnothwendigkeit
und empirischer Allgemeinheit unterscheidet ; so verschwin^
det dieser Gegensatz ihm doch im Systeme selbst: es ist
im Gegentheil das Charakteristische desselben, ihn aufza^
heben, und Alles, auch die einzelne empirische Bestimmung,
in ein schlechthin Determinirtes, durch den Causalzii-
sammenhang, in dem es steht, Nothwendiges z« venvattdßlii,
Woiir. 121
sonil die ganze Philosophie eigfenliich zu Metaphysik
ZQ machen. Desshalb nimlich, weil Alles in gleicher Weise
vernunftnothwendig ist, und wir nur zwischen dem Tcrmit-
teil Nothwendigen und der allgemeinen, durch Jegliches
gieichmäfisig kimiurdigreifenden Nothwendigkeit zu unter-
scheiden haben, erscheint es in diesem Zusammenhange
keinesweges unzulässig, auch das allgemein Nothwendige
aus der Erfahrung, als ein t h a t s ä c h I i c h Allgemeingulli*
ges, heraussowickeln ; — wie es auch L e i b n i t z nicht ver-
schmähte, bei dem Erweise der von ihm aurgestelltcn hdch-
slen Erkenntnissprincipien , des Satzes vom zureichenden
Grunde, von der Identität des Ununterscheidbaren u. s. w.
sich empirischer Argumente zu bedienen.
So ist die methodische Anordnung und DurchAhning
des Systemcs auf das Leichteste in Gang gesetzt : es wird
von den einfachsten und allgemeinsten Begriffen angefen-
gen, welche durch logische Analyse sich ergeben, und
von da zu immer bestimmtem fortgeschritten. Es ist ein
Aneinanderreihen der gegebenen Begriffsunterschiede nach
ihrer iogisehen Felge ; das Material empirisch , die metho-
dische Behandlung analytische Zerlegung (die auch jetzt so
häolige „ZergKederung^) der empirisch gegebenen Synthe^
sen. Ihiher Kant trefend und erschöpfend die Philosophie
Wolffs dadurch charakterisirt hat, dass sie blosse No-
minaldefinitionen an die Stelle realer Erkenntnias
der Dinge setze, oder, was eigentlich Dasselbe bedeutet,
dass sie zwischen philosophischer Analyse und Synthese,
analytischen und synthetischen Urtheilen aprioH nicht ntt^
tcrschieden habe ; — wir können zu allem Dem noch hin^
Zusetzen, dass zugleich damit für die Wolffscho Philo-
sophie das Smpirische, Concreto zu einem abstrakt Allge-
meinen, nur Nothwendigen eingeschwund^ sei.
Dennoch ist es auch jetzt noch von grossem metho-
dischen Interesse, den Einschritt und Fortgang des Systems
darch seine charakteristischen Wendepunkte zu verfolgen.
Die Grundlage desselben ist wahr, tief und von acht spo-
kyiativer Bpschaffenheit; aber durch umständliche Analyse
128 Wolir.
ja eine Reibe cineelner Sätze auMinaadergrezogen, verdäonl
und vcrflQchligt «ich ihr Gehalt dermaasfien , dass, wenu
man jene Idee derVernunftnothwendigkeit in allen
Dingen und in ilirem gegenseitigen Zusammenhange sich nicht
gegenwärtig erhält, aus welcher Wo! ff scliöpile, und die
er stillschweigend überall nithineinverstand, man in den ein-
Keinen Sätzen kaum mehr finden kann, als tose zusammenhan-
gende und willkährlich aneinand^rgefiigte Nominaldefinitionen.
Es ist wesentlich zu bemerken, dass keine Philoso]^te
von diesem Erbfehler dogmatischen Philosophirens
(dicss halten wir für den wahrhaft bezeichnenden BegriiT)
frei za sprechen ist , welche , statt in genetisch * diaiekti^
scher Darstellung die Grundidee ihres Systems erst zu er*-
zeugen, und durch sie hindurch die einzelnen Begriffe zu
gewinnen, sich begnügt, nur aus ihr heraus zu refert*-
reo. So ist Spinosa's Ethik, so Schellings erste
Darstellung seines Systems in der altem Zeilschrift iur spe-
kulative Physik völlig unverständlich und, Irolz der melho-
disohen Umhüllung, wirkungslos — (das vorHussetzungstose
Verständniss gleitet an ihnen ab), — wenn man ni«bt die
leitende Grundidee ihrer Systeme , die solchergestnlt aber
blosse V 0 r a u s s e t z u n g wird, schon kennt oder gelten lässl.
So erscheint auch der Anfang der Hegeischen Logik von
dem SeiUf der weitere Portgang in das Wesen, die endliche
Erhebung in die Idee, als der unendlichen Einheit des Sub-
jektiven und Objektiven , als eine völlig willkühriiche und
realitätdose Gedankenschöpfung, wenn niebt weit mehr, als
der Begriff des absoluten Wissens, in welchem seine Pba-
. nomenologie des Geistes schliesst, wenn nicht ein schlechthin
Reales, das in jenem logischen Thun sich selbst begrei-
fende und dialektisch forttreibende unendliche Subjekt-Ob«
jekt, kurz das Absolute selbst, subintelligirt wird. Verstan-
den und in wahrer Kritik gewürdigt kann ein System daher
nur unter letzterer Voraussetzung werden, nicht im ersten
Falle; und so wird fast unvermeidlich über dergleichen
Philosophieen eine Gründdiffcrc»iz des Verständnisses und
der Bcurtheilung Sinti finden zwischen denjenigen, welche
Woie 123
im Besiüse jener Gnmdemskht tiind, Auf weicher das Sy-i-
slem heruht, d. h. die sicli mit ihrer Kritik aus ibni selber
hervorbilden , und denen , welche nur von Aussen , wenn
auch mil schärisler kritiscfacir Auflaasui^ seiner Begriffe
und Aasdrucke hinzutreten ; so lange, bis säanmtliche Prin^
cipien und Standpunkte, aus denen eine Philosophie her«*-
vorgehen kann, aus einander entwickelt, und in ihrem ge*-
genseiiigen VcrhältBissc dargelegt sind , -was nur in einer
erschöpfenden Erkenntnisstheorie geschehen kann. —
Wol ff hat sein System in einer Reihe von deutschen
und lateinischen Lehrwerken mit doppeller Vollständigkeit
dargelegt: jene sind die altem, aus frischerem Entwürfe
des Gedmkens geschöpft, und in ihrer gedrängteren Form
tritt Inhalt und bindender Zusammenhang des Ganzen deiit«-
Itcher hervor. Die spätem, lateinisch abgefassten, obgleich
bewundernswürdige Huster besoimenen Ausdrucks und aus^
dauernder, die Langeweile des eigenen Crosohäfts nicht
scheuender Gründlichkeit, tragen schon die ausgebOdete
Schwerfälligkeit der analytischen Uethodik an sich, und
diese hat eigentlich dem Systeme den Untergang gebracht.
Doch ist auch hier von der Weitschweifigkeit fonneMer
SyBogistik nicht die Rede, die nach einigen Berichterstat-
tern in allen seinen Werken herrschen soll : nur in seinen
^Anfangsgründen aller mathematischen Wissenschaften^ fin^
det sieb die ^Hogistische Lchrart. In seinen philosophi-
schen Schriften wird der förmliche Syllogismus nur selten,
and bloss dann angewendet, um zweifelhafte Sätze polemisch
zu prfifen, oder theoretisch fester zu begründen; -^ ein
freilich jetzt vergessener Gebrauch^ welchen jedoch in sol«-
chen geeigneten Fällen wieder zu empfehlen durchaus nicht
äberflüssig sein kann. £s würde einige Umständlichkeit,
am rechten Orte nicht gespart, oft eine Menge verworrener
Erörterangen nachher überflussig machen. — Unter den
lateinischen Werken, ist die Ontologie wohl das wichtigste
und cigenthumlichste *) , indem es seit Aristoteles Meta-
4
*) Pbtlosopliia prima sive Onlologia, methodo scleuli-
12* Wonr
den ersten Versuch einer vollslandigen systcmafi-
sehen Darsleliuog der Begriffe des Seins (des Ens otler
„Dinges^ , der allgemeinsten Kalegorieen der Wirklichkeit)
esthalt. Allerdings werden darin nur die abstraktesten on-
lologischen und mathematischen Bestimmungen des Wirit-
liehen auigeiuhrt, zugleich aber jeder ßegriff durch die
■voUstandigste Analyse erschöpft, und, da in so angemeinen
Noiionen ein wesentlicher Irrthum kaum mogiich ist, nach
seiner unmittelbaren Gegebenheit im Bewusstsein rieh-
Üg bestimmt So ist diess Werk auch jetzt noch wichtig
4ind mericwürdig, nicht nur als Denkmal charakteristtschor
Methodik jener Zeit, sondern zugleich als historische Ur-
kunde über die urspilingliche Bedeutung aller der BegriiTc,
deren sich die deutsche Metaphysik bis in Kant hinein
«uf das Mannichrachste als erster, keiner Erklärung bedörT-
tiger Voraussetzungen bedient hat^ so dass durch den lan-
'gen Gebrauch so abstrakter und leicht verfinderficher Be-
stimmungen ihr urkundlicher Sinn schwankend und unbe-
stimmt werden, oder ganz in Vergessenheit geralhen muss-
ie. Selbst für die eigentliche Bedeutung der aRgemein-
sten Begriffe in der Kan tischen Philosophie, welche aus
^em wissenschafUichen Sprachgebrauche ihrer Zeit schöpf-
ile« ist es ndthig, bis zu Wolffs Ontologie undPsycholo^
•gie zurückzugehen.
Unter seinen deutschen Schriften sind die „vernünf-
tigen Gedanken von Gott, der Welt und der
iSeele des Mensche n^*) besonders auszuzeichnen : sie
(enthalten eine encyklopadische Uebersicht aller Thcile sei-
nes philosophischen Systems, und sind am Ersten geeignet,
neben der klaren , kurzen und bündigen Metaphysik
fica pertractata, quo omnis cognitionis bumanae principia con-
tinentiir, auct. W o 1 f fi o ; FrancoF. et Lips. 1730. 4 ; mit einer
merkwürdigen Dedikation an den König von Schweden , in
weicher er sein Unternehmen für die Philosophie mit deoi des
Eiiklides iu der Mathematik vergleicht
*) 3te Audage, trsler TheiL Ualie 172&.
woiir. tss
A. G. B a« vif arten sj^)^tttts den Charakter desSyile«
in«^ <terin auch seiii chainakleristiseh Lehrreiches, erkranen
zu lassea.
Interessant ist der erste Einschrilt in sein System,
durch welchen er sich ab gründlich sysleaaatischen, seihst*»
standigen Denkjsr bewahrt^und aber Leibnitz, wie über
Spinosaiy zurückgmft: es ist der Cartesianis^he
Anfang; cogüo, er^ $um^ nur erweitert und dinrch eine
eigene Wendung den besondem Zwecken seines Syslcmes
angepassl.
^Wir sind. uns. an .Unmittelbarsten unser selbit und
anderer Dinge^ bewusat*; in dieser unzweifelhafte. firCeih-*
ning liegt iaber der Schlnsssatz: dass wir slnd^ ab
die ^ste und ursprün^qjhste Gewiadieit. Diese ist der
Ausgangspunkt aller andern (vermittellen) Gewissheit. Jede
^Demonstration^ nuiss dahin geben, Alles, was erwiesen
wiid, nns ebenso gewiss zu machen, als diess uns«t
Sein für uns ist, und eben desswegen diess zum Prin**
cip und Ableitungspunkte jeder vermittelten Gewissheil zu
erheben („Vernünft..Gedanken« etc. $. 1— 8.> Hierin
ist scharf und richtig das Princip der modernen, seit Des
€artes befestigten, und zum Bewwrstsein gekommenen
Methodik und Wissenschaft angegeben, vom Subjekte
auszugehen , und die Wahrheit nur in das mit ihm Identir
sehe zu setzen. — D$is ebenso durchgreifende Princip des
Christenthums und der unmittelbar. d9rauf gegiUudeteii
*) Metapbytica, Halae 1730.f aacSi von Hsrbart hauptsächlich
ZQ Gründe gelegt bei seiner Kritik 46f Leihaitziscb-Wolffi-r
«eben Systeioes , mit welcher er die eigene Metaphjpsik ecuff--
net. — Die lateinische Urschrift Baumgartens wurde nachher
ins Deutsche übersetzt Ton G. F. Meier 1764 j später noch*
mals mit einigen Zusätzen herausgegeben von J. A. Eber,
h a r d, Halle 1783., belobt und empfohlen von M. M e n cl e I s-
so b n ; sq dass dies« Werk als Quinteisenz der ,W ol f fischen
Philosophie, und als das letzte Bollwerk der Autorität anzu-
sehen ist, welches die sinkende «Schule der Uebermacht des
Kaotischen Geistes entgegenstellte.
186 wour.
WissetiMhafilichkeif des Mittieiallers «a^ dagegen, äUe Ge-
wissheit der gfleicli zu machen, dass Gott sei undjffiv*
sprochen habe ; während das wissenschaftliche Bewnsstseia
der ahcn Welt n4)ch unentschieden sich tbcilte zwischen
dorn Verfiiessen md Sichvei^gesaen der eigenen SabjeUi^
vität im Unendlichen, oder der abstrakten, ohne weitern
Antrieb der Forschung in sich verharrenden Zuruciige«H
gfenheit der vereinzelten Subjektivität : (Stoa und Skepsis).
Die Aufgabe derg'egenwärtigen Philosophie endlich w&ro
es, diese ihrer selbst gewisse Subjektivität übersieh hin«
ausziAreiben , und den Satz: so wahr ich bin, in die
höchste, ihn seftst erst gründende Wahrheit: so gewiss
Gott ist, autj^ehen zu lassen , in scUeiihdiin gleicher,
wechselseitig sich begründender GewissheiL —
In jener subjektiven SelbstgewissheiC liegt aber zu-
gleich schon der Salz des Wid ersprnches, mar in
besonderer Anwendung, miteingeschlossen : in dieser , wie
in aller übrigen bestimmten Gewissheit, sdiliesst diese
eben damit ihr Gegentheil ans (S^ 10. II.)- Hieraus ergiebt
sich der Begriff des Mögli oben, als desjenigen, vras
nichts Widersprechendes in sich enthält. Diess isl also
der allgemeinste und weiteste, der Anfangsbegriff. Die
Philosoplüo ist daher überhaupt als die Wissenschaft
von dem Möglichen zu bezeichnen.
Aber dadurch , dass Etwas als möglich gedacht wird,
ist es doch nicht JSs muss also ausser der Möglichkeit
noch etwas Mehreres dazu kommen, wenn Etwas sein
soll, wodurch das Mögliciie seine ErfTUIung erhälL Und
diese Erfuilnng des Möglichen ist eben dasjenige, was
wir Wirklichkeit nennen« (§. 14.). Diess ist die er-
ste Einfuhrung der späterhin so berüchtigt gewordenen
Wol ff sehen und Ba umgart enschen Definition des
Wirklichen, dass es das conhpleuieiitmn possibilUatis sei,
welche auch Herbart in seiner Metaphysik*) einer
*) Th. I. S. 17—22. Der' Ausspruch desselben, „dass die alte
Schule weit strenger gegen- sich selbst zu sein p'flegej
Wolir. 127
«ciMrftiiiiiigeii Prafimg' nnlerworfen hat. Es ist, wie mfifi
steht, gleich allen übrigen ontologischen Definitionen, eine
Erklärung des gegebenen Begriffes Wirklich keil,
nicbl eine Herleitong desselben aus andern, noch we-
niger eine Nachweisung, was der Grund des Wirklichen
raid afles Wirklichen (Realen) sei , dass es etwa aus dem
Mögticlien stamme, gleichwie Herbart die Vermulhmig
fiussert, dass, weil die Dinge früher möglich zu sein schci-«
nen , ehe sie in die Wirklichkeit eintreten , Wirklichkeit
das eomplemenium pomUUtoH» genannt worden sei.
Die Antwort über den Grund, der das bloss Mögliche
Enm Wirklichen mache, erfolgt weit später: die Terwirk-'
lichnng des einxelnen ,^Dinges^ — (Ding sber ist
Alles, was möglich ist, es mag wirklich sein
oder nicht; $• 16.) — liegt in semer Pradetermination
durch «Ses ihm vorausgehende Wirkliche : es ist n o t h -
wendiges Produkt der Znsammenwirkung aller Truhe-«
rem. Dinge, und diese ist es, was zur Möglichkeit oder dem
Wesen ($. 35.) einer Sache noch kommen muss, damit
es seine Wirklichkeit erreiche ($. 565 — 66.). Diess ist
eben der zureichende Grund, warum es vielmehr
ist, als nicht ist ($. 29. 30.).
Das Wesen eines Dinges besteht aber darin, dass es
nurauf diese bestimmte Art und Weise möglich ist;
d^g^gcn jede andere Art für dasselbe schlechthin unmög-
lich (widersprechend) wäre. Diess Gegentheil des
schlechtbin Unmöglichen , Sichseibstaufliebenden , Wider-
sprechenden, macht eben das Nothwendige an ihm aus,
und so ist Alles, was sich als nothwendige Eigenschaft an
ihm zeigt, zu seinem Wesen zu rechnen, zugleich damit
als di« heutige Zeit" (S. 20.)^ den vir nur gerecht und
bezeichnend finden können ^ zeugt abermals von der Vorur-
thejllosigkeit und der charaktervollen Selbstständigkeit dieses
Philosophen, mit welcher er von den eingewurzeltesten Meinun-
gen keine Notiz nimmt, wenn sie ihm als ein blosses Vorur.
ibeU eetclMiuea«
128 WoIK
xti dem, wafi an jedem Dinge ewig, unveränderlicb^
mid durchaus unabhängig ist von allem Andern ($. 36-—
43). — Es ist schon erinnert, dass das noihwendige We-
sen des Dinges im Begriffe desselben zum Bewussisein
kommt.
Im Wesen eines Dinges Kegt daher auch die VolU
kommen heit, welche jedem nach seiner Art Emturech-
nen ist. Je mehr daher das einzelne Ding nur seinem
Wesen entspricht, desto voUkommner ist es. Da aber in
den Dingen, sofern sie zusammengesetzt sind —
(ein UauptbegriiT, den die Wolffscbe Philosophie gleich-
falls von L e i b n i t z überkommen hatte , und über dessen
wahre metaphysische Bedeutung bei dem Letztem wir uns
an einer spätem Stelle das Weitere vorbehalten), — sehr
verschiedene Grade von Vollkommenheit stattfinden kön-
nen: so ist klar, dass, wenn ein Ding von einer gewissen
Art einen gewissen Grad von Vollkommenheit hat, es ebenso
gut auch einen andern hätte haben können. Der eine
Grad der Vollkommenheit ist so möglich , als der andere,
indem einer so wenig dem Wesen des Dinges wider-
spricht, als der andere. Diess ist das Zufällige
an ihm, d. h. dasjenige, davon das Entgegengesetzte sein
kann, oder dem das Entgegengesetzte nicht widerspricht
CS- 1750.
Da nun das Wesen der Dinge nothwendig ist , so
muss auch A 1 1 e s > was in diesem allein gegründet ist,
nothwendig sein; mithin auch unveränderlich und ewig.
Diese Bestimmungen haben daher alle Dinge, welche einer-
lei Wesen (BcgrifF) haben, mit einander gemein. Wir nen-
nen sie Dinge von einerlei Art. — Aber diese kön-
nen zugleich doch von einander unterschieden sein, nämlich
in demjenigen, was nicht bloss aus ihrem Wesen stammt,
sondern dem Zufälligen (im weitesten Sinne) an ihnen
angehört ,($. 179—182.).
Aber auch das Zufällige an den Dingen ist darum kei-
nesweges undeterminirt, oder ohne seinen zurei-
chenden Grund. Nur kann dieser nicht mehr im Wesen
Wolff. 129
desselben, als der Quelle des* Nothwendigen gfcfunden, oder
jenes dadurch erklart werden. Er ist daher nur m der
Beziehung' und dem Zusammenhange der einzelnen
Dinge unter einander zu finden: in dem übcrhaut>t,
wodurch das Eine die Ursache wird von einer
Beschaffenheit des Andern. Diess ist daher zu-
gleich das Verändern che an ihnen, indem es in jedem
Dinge nur so lange fortdauert, als die Beziehung zu dem
andern Dinge stattfindet, welche Ursache dieser Beschaffen-
heit geworden ist. So ist Eigenschaft das Bleibende,
welches aus dem Wesen des Dinges folgt, und durch die
Veränderungen selbst, als das Modißcirbare sich hindurch-
zieht, — Beschaffenheit dagegen, was, aus den wech-
selnden Verhältnissen zu den andern Dingen hervorgehend,
überhaupt die Modificirbarkeit der Eigenschaften selbst ent-
hält: — ein Sprachgebrauch, welchen, der Grondbedeu-
tung der Wörter angemessen, und eine der wicb^tigsten
Bestimmungen enthaltend, der Verfasser in seiner Ontologie
wieder euizuiuhren kein Bedenken getragen.
So giebt es jedoch weder eine Eigenschaft, noch eine
Beschaffenheit in irgend einem Dinge, welche nicht entwe-
der in seinem Wesen, oder durch einen Zusammen-
hang mit den übrigen Dingen determinirt wäre, oder sei-
nen zureichenden Grund hatte. Wir nennen jenes zwar
das Nothwendige , diess das Zufallige ; nicht aber darum,
weil diess weniger determinirt wäre, als jenes, sondern
weil vrir den zureichenden Grund der Determinationen des
Letzteren nicht vollständig erkennen können, welcher in dem
unendlichen Zusammenhange der Dinge unter einander liegt
(S. 186—190.). Das Resultat ist daher vollständiger De-
terminismus.
Diess der summarische Inhalt der Lehre „von den
ersten Gründen uns'erer Erkenntnisse, welche
Wolff sonst erste Philosophie, oder Ontologie
nannte, und als die Wissenschaft vom Dinge über-
9
130 Wolir. Banmirarton.
O"
haupt, Alexander Baumgarten als die Wissen-
schaft der gemeinem (allgemeinen) und abstrak-«
tern Prädikate des Dinges bezeichnete*). Baum-
garten bemerkt daher, dass die Obtologie nur nnsinn-
liche Begriffe enthalten, und dass kein Begriff in ihr Platz
finden könne, welcher den äussern Sinnen zukomme. Von
jenen seien einige unsinnlich, weil sie Begriffe von ein-
fachen Substanzen sind «(den intelligibek Substraten
der Sinnendinge) , andere, weil sie dem Einfachen und dem
Zusammengesetzten (zugleich) zukommen. Die erstem Bo-
griffe könne man desshalb aussersinnliche nennen, die
letztem übersinnliche.
Dennoch werden^ trotz dieser Festsetzung des Begriffiü
der Ontologie, Baum und Zeit mit ihren Grundbestim-
mungen von Wolff, wie von Baumgarten, indem on-
tologischen Zusammenhange abgehandelt Sie sind gleich-
falls unsinnliche Prädikate des Dinges, indem sie dorch das
Bewusstwerden des Beaten überhaupt im Geiste ent-
stehen : Raum nämlich, nach der ursprünglichen L q i b n i t z i-
sehen Erklärung, als Ordnung der zugleich seienden, Zeit,
als Ordnung der nach einander seienden oder sich verän-
dernden Dinge (Wolffs Vern. Gedanken; $• 44.
94. 95.).
Darin also ergab sich für Kant kein Vorgang, Raum
und Zeit aussdtKesslich zu Grundformen der Anschau-
ung (Sinnlichkeit) zu machen j und den Kategorieen, als
den Grundformen des Verstandes, cntgegenzastellen.
Vielmehr behauptete Kant, wie wir aus seinem berühmten
Streite mit Eberhard sehen, in dieser Trennimg und Ent-
gegensetzung einen wesentlichen Fortschritt iübcr dieLeib->
nitzisch - Wolf fische Philosophie hinausgethan eu
*) Pliilosopliia prima sive Ontologia, quo oninis
cogtiitiotiis liuinaBar principia eontinentur,
au ct. Chr. W o I f i o ^ FVaurof. 1730. 4 §. !• nnd J 5. —
Alex. BaiimgarteDs Metaphysik; neue Aufl. Halle 1783.
^. 1, 4 uud 5.
Wbiff. 131
haben ; imd so wird df css in einem der Ansgangsponkto Ar
die nächstfolgende Philosophie, die Kan tische. — An
sich selbst aber stellt sich eine der Cardinaifiragen auch der
gegenwärtigen Spekulation ein: ob Raum und Zeit nur der
sinnlichen Erscheinung^^ beigelegt werden können,
dem intelligiblen Grunde derselben jedoch nicht zu^
kommen , oder ob beide eine schlechdiin allgemeine
Grundbestimmung aller Realität sind? — Bleibt
es bei dem ersten Satze und hätte also Kant mit dem
Schritte, den er über die Leibnitzisch-Wolff'sche
Phflosophie hinausgethan hat, einen standhaltenden und defini-
tiven Fortschritt ausgesprochen: so behielte die Kan-
t i sehe Grundansidit im Wesentlichen und in all ihren wei-
lom Folgen auf die allgemeine Bildung Recht Das Abso--
inte, der inteDtgible Gfttnd, wäre nach seinen positiven
Prädikaten schtechdiin unerkennbar; denn es giebt über-
haupt keine positive (bejahende) Bestimmung, welche
nicht zu Raum und Zeit in ein^n realen — nicht bloss
negirenden — Verhältnisse stände. Di^s ist daher einer
der Hauptpunkte, welcher sich bei der Kritik der folgenden
Systeme , namentlich des K a n t i sehen , immer wieder er*-
nenem muss, ja der sich bis in die Betrachtung der gegen-
wärtigen Lehren als die entscheidende Frage hineinzieht. —
bn Uebrigen ist bei der Wolff sehen Ontotogie und
semen übrigen metaphysischen Demonstrationen die metho-
dische Grundvoraussetzung die völlig naive des unmittel-
bafen Bewusstseins oder des sonstigen wissenschaftlichen
(z. B. mathematischen) Erkennens, dass, was sich im Den-
ken als nothwendig ergebe, auch eine allgemeingültige
apriorische Wahrheit sei , die schlechthin in allem Reden
ihre objektive Geltung habe. Es ist unbefangenes, damit
aber auch ungerechtfertigtes Axiom dieser Philoso-
phie, dass der nothwendige Begriff des Dinges das
objektive Wesen des Dinges sei, Analyse desGe-
gebenen, um das Nothwendige für seinen Begriff zu finden,
und Syllogismus sind daher die beiden Principien der-
selben, aus welchen sie ihren gesummten Inhalt schöpft.
132 Wolff.
Hieraus eigeben sich zugleich die Bedingungen, durch
die eine ^litosophische Gotteserkenntniss zu Stande kommt
Darüber^ als über eine sehr charakteristische Seite dieses
Systemes , müssen wir noch Bericht erstatten , zumal da
W 0 1 Tf überall, auch in seiner theologia naturalis, vollstän-
dige imd ausreichende Erläuterungen hinsichtlich dessen
giebt, wie die Philosophie überhaupt zu einem Begriffe
von Gott und von seinen Eigenschaften kommen könne. Da-
bei wird sehr genau der Beweis für das Dasein Gottes (für
die EKistienz eines schlechthin nothwendigen Wesens über-
haupt), und der von dem Wesen und den Eigenschaften des*
selben aus einander gehalten.
Was nun den ersten betrifft, so finden wir weder in
dem deutschen Lehrwerke (^^Vernünftige Gedanken^
Q. s. w» §. 928 — 31.)9 noch in sebier später herausgegebe*
ncn vollständigem und besonders ausgefeilten theologia na*
iuralis*} die Sonderung der ontologischai , kosmologi-
sehen und teleologischen Argumente, wie sie in der Kan-
tischen Kritik geordnet und dargestellt werd^; noch
weniger wird hier , wie man dennoch erwarten sollte nach
<ler historischen Wichtigkeit, die Kant dem ontologischen
Beweise giebt, dieser, — d. h. die Begründung des Daseins
Gottes durch den Schluss von dem Begriffe des allerreaU
sten Wesens auf die Existenz desselben, weil Existenz
«ine reale Eigenschaft sei, welche jenen nicht ab-
gehen könne, — in den Vordergrund gestellt, oder auch
sonst nur aufgeführt Ueberhaupt scheint der ontologische
Beweis in dieser, — der Kantischen — Fassung, so
weit unser Quellenstudium der W o 1 fr sehen Schriften reicht,
von demselben nicht anerkannt worden zu sein, ebenso
wenig, wie von Leibnitz»»}, ja wie auch, wenn man
*) Theologia uatiiralis, uielhoilo scientifica perlractata. Part
prior, iiitegriim systetna complrctens , qua exist^ntia et attri-
btita Dei a posteriori demonstrantur , auct. Chr. Wolfio.
Francof. 1736. 4. Pars. I. Cap. I. (;. 24-34.
*) Meditationes de Cognitione , Verilate et Ideis, Opp. Vol. II.
Wolff. 133
genauer binsieht , selbst Des Cartesihn nicht in einer
80 formellen Krasshcit behauptete. *)
Der Beweis fOr das Dasein Gottes, wie ihn Wolff
ausfuhrt, beruht vielmehr^ ganz nach der Airieitung L e i b-«
n i t z e n s , auf dem kosmologischcn Argumente : Wir sind ;
Alles jedoch, was ist, hat einen zureichenden Grund seiner
Existenz. Und so ist auch der Grund unserer Existenz
entweder in uns selbst, oder in einem andern zu flnden.
Im ersteren Falle wären wir selber das „nothwendigc Ding.*
im andern Falle kann er zuletzt doch nur in einem Dinge
gefonden werden, das, indem es Grund des Andern, zugleich
Gnmdder eigenen Existenz ist. Und demnach giebt
CS ausser uns ein solches noth wendiges Ding. Aus dem
Begriffe desselben folgt daher nothwendig seine Existenz ;
mid in diesem Zusammenhange ist die Folgerung voll-
kommen richtig: giebt es überhaupt ein zufälliges (den
Gnmd seiner Existenz in einem Andern habendes) Ding;
so muss es auch ein schlechthin noth wendiges, den Grund
seiner Existenz in sich selbst habendes Wesen geben :
sonst könnte überhaupt Nichts existiren. Es wird daher
nicht geschlossen ans der Idee des nothwendigen We-
sens auf seine Realität, sondern aus dem Begriffe der
Exist.enz schlechthin (aus der einfachsten Grundthatsa-
che eines Wirklichen überhaupt) auf die Existenz eines
nothwendig Wirklichen, Absoluten. Und diess ist
auch der wahre Sinn der Verbesserung, welche Leibnitz
P- I. S. 15. — De la di^mon«tratioii Cart^sienne de l'existencQ
de Dien; ibid. S. 254. Vgl. S. 264. — Hier erwähnt Leib-
nitz zugleich, das« diese Demonstration auch bei den Scho«
lastikem zu keinem aligemeinen Ansehen gelangt, und na-
mentlich Ton Thomas von Aquino ab ungenügend yer«
«orfen worden sei.
*) Ren. Cartesii Principia philosophica, P. I. {. XVIII. p. 5«
Meditationes de prima philosophia, Medit. III. p. 21* Opera
ed. Elzevir. ]664. Vgl. des Verfassers Abh. „zur speku-
laiiven Theologie '< in der Zeitschrift für Philo-
sophie, Bd. IV. H.2. S. 184.
134 Wolff. Leibnitz.
(a. a. 0. 8. 255.) der Cartesianischcn Beweisfidurang aus
der Idee des schlechtbin nothwendigoa Wesens hinzu-
fugen wilL Er sagt , wa$ daran fehle , sei eigentlich nur,
dass die Möglichkeit eines solchen bewiesen werden
müsse. *) Man könne diess durch den Satz ausdrücken:
Wenn das noth wendige, oder durch sich selbst
seiende Wesen iViiredesoi) möglich ist — wenn
dieser Begriff überhaupt keinen Widerspruch im Denken
in sich schliesst; — so existirtes. — Wenn es aber
unmöglich wäre, so müsste auch die Existenz der andern
Wesen für eben so unmöglich erklart werden , da diese
zuletzt doch nur in dem durch sich selbst Seienden den
Grund ihrer Existenz finden können. Man müs$te dann
also behaupten: Wenn das durch sich selbst
seiende Wesen nicht ist, dann ist überhaupt
auch kein anderes denkbares Wesen wirk-
lich: es vermöchte überhaupt dann Nichts zu sein;
was sich widerspricht, u. s. w. Es existirt also ein
durch sich selbst seiendes, schlechthin nothwendiges Wesen.
So ieibnitz und Wolff, was man in dem Sinne
allerdings einen onlologischen Beweis für das Dasein Got-
tes nennen kann , als er aus dem Begriffe des Seins , der
Wirklichkeii schlechtliin, gefuhrt wird ; nur ist zuzugeben,
dass die Kantische Widerlegung desselben diese Form
nicht kennt, und überhaupt gegen dieselbe Nichts auszu-
richten vermöchte : sie bleibt ganz unberührt von jener.
Nur das wäre mit Fug gegen den also erwiesenen Begriff
des schlechthin nothwendigen Wesens zu erinnern, dass
in ihm die Idee Gottes in keinem Sinne erschöpft sei, dass
daifiii fiiw der Anfang eines Erweise« für die Realität
derselbei^ gefunden werden könne; ein Verhältniss, dessen
*) Man Tergleiche damit die Beinreisfuhrung des Wolf fachen
Satzes in der tbeol. naturalis a. a. O. $.34.: „<ins a se exi>
stit ideo^quia possibil e*S welche dasselbe, nur for>
melier y und darum unklarer, enthält.
WoUt 136
sich Leiknilx, wie Wolff jedoch auf das Deutlichste
bewQsst waren.
Der Letztere fahrt nach jener allgemeinen Prämisse
nämlich also fori (Vernunft. Gedanken, §. 929 fr. ver-
gliche» mit iheoL nainrtau a. a. 0. $. 46. $. 50 IT.): We-
der wir selbst, noch irgend Etwas in der erscheinenden
(aspeclabüie') Welt^ noch die Weit selber kann diess schlecht-
hin nothwendige Wesen sein ; denn alle Eigenschaften,
welche aus seinem Begriffe folgen, und von ihm unabtrenn-
Hch sind, müssen an uns, wie an den Weltdingen vielmehr
aegirt werden. Das schlechthin nothwendige Wesen (§. 945.
946.) ist daher ebensowohl von der Welt und ihren Ele-
menten , als auch von unserer Seele unterschieden , und
also ist in ihm der Grund von der Wirklichkeit beider
zu suchen. „Diess von beiden unterschiedene
Wesen ist es, was wir Gott zu nennen pflegen. Es ist
demnach Gott ein selfoststandiges<< (aus sich selbst seiendes)
»Wesen , in welchem der Grund von der Wirklichkeit der
Welt und der Seele zu ünden." — „Da nun gewiss ist, dass
CS ein dergleichen sclbstständiges Wesen giebt; so ist
auch ein Gott«; — wo sogleich dann die allgemein-
sten Eigenschaften , welche an dem selbststandigen Wesen
demonstrirt worden waren , Einfachheit, Ewigkeit , Unkör-
perlichkeit, Unermessitchkeit, u. s. w. auch als Eigenschaf-
ten Gottes prädicirt werden.
Erst von hier aus wird dann zu den Prädikaten fort-
geschritten, welche Gott zum allerrealsten Wesen
machen. Sie entstehen dadurch , dass wir diejenigen Ei-
genschaften , welche wir in der Welt für die voflkommen-
sten halten , Gott uneingeschränkt oder in absoluter Voll-
kommcnheit beilegen müssen. Hieraus wird zugleich er-
klärt , wie wir selber einen Begriff von Gott und seinen
Eigenschaften zu erhalten vermögen. Weil nämlich das
Wesen Gottes Aehnlichkeit hat mit dem Wesen unserer
Seele ($. 1097.), die Seele aber sich selbst erkennt, mit-
hin auch einen Begriff von sieh selbst hat; so hat sie da^
durch allein schon zugleich einen Begriff von Gott. Denn
136 WoIiT. fiaumgartcn.
da unser Wesen und die in ifaem gegruadelen Eifenschar-
tcn eingeschränkt sind, Gott aber Alles, was er ist,
auf unendliche Weise ist; so dürfen wir nur die Ein-
schränkungen unseres Wesens und seiner Eigenschanen
weglassen, um den Begriff von dem Wesen und den Eigen-
schaften Gottes zu erhalten ($. 1076. 78.)- Zugleich ist
nicht ausser Acht zu lassen, dass nur die unendliche YoU-
kommenheit derjenigen Eigenschaften, welche den Menschen
zum vollkommensten unter dem empirisch bekannten Welt-
wesen erheben, auch Gott zum allerrealsten Wesen machen
kann , also vor Allem Verstand, Freiheit und Güte. Aber auch
hier stellte W o 1 f f die Forderung an die natürliche Theo-
logie , um diese Begriffe von dem Scheine einer leeren
Vorstellung zu befreien, dass aus den Eigenschaftai
der Welt nachgewiesen werden dass ihr zureichender Grund
nur mit den Prädikaten des vollkommensten Verstandes, der
unbeschränktesten Freiheit (Allmacht), und der höchsten
Güte gedacht werden könne.
Diess in ihren Grundzügen die natürliche Theologie
Wolffs, wahrend er in ihrem übrigen Inhalte die bekann-
ten Uauptmaximen Leibnitzens aus seiner Theodicäein
AusftUirung bringt. Und so wollen wir nur als histori-
sche Thatsache feststellen, dass weder gegen Wolff,
noch gegen Leibnitz die Kant i sehe Kritik über die
natürliche Tlieologie, namentlich über die Form des ontolo-
gischen Beweises, gerichtet sein konnte ; denn alles diess,
wenigstens in dieser Gestalt, ist nicht bei ihnen anzutreffen.
— Erst bei Baum garten (ob aber zuerst, oder aus-
schliesslich unter allen Wolflianem bei ihm, vennögen wir
furerst nicht zu entscheiden) — findet sich der ontologi-
sche Beweis in derselben Schlussweise, wie Kant sie vor
Augen. hatte, aber auch hier mit so genauer historischer
Beziehung zu Leibnitz und Wolff, dass die Entstehung
desselben, als einer vermeintlich kurzem und prägnanteren
Fassung jenes Grundarguments, voUkommen verständlich
wird. Er hängt dort mit den allgemeinsten ontologischen
Grundbestimmungen zusammen y welche daher auch hier
Baunigartcn. 137
herbeizuzielicn sind. (A. Baumgartens Metaphysik
'$. 602—618.)
Wirklichkeit — so hat die Ontoiogie ($. 51.)
behauptet — ist dem Wesen (des Dinges) nicht zuwider,
sondern sie ist eine Realität, welche mit dem Wesen
zugleich möglich ist. Realität aber ist, zufolge einer ^eich->
falls frähem Erklärang (§.31.)^ eine b ej a h en d e Bes t i m-
mung im Möglichen. — Wenn ich daher dem bloss
als möglich Gedachten zugleich nun Wirklichkeit bei-
lege, so habe ich ihm eine Realität beigelegt; nicht
minder, \%ic wenn ich ihm eine bestimmte Eigenschaft
beilegte. Hier zeigt sich sogleich schon der von Kant
aufgedeckte Erbfehler, der dem ontologischen Beweise in
der spätesten Fassung seine Entstehung gegeben hat , den
Begriff der Wirklichkeit in eine Reihe mit den realen Ei«-
genschaften (Realitäten) des Dinges zu stellen ; und hierher
gehört auch die späterhin so anstössig gewordene Erklä-
rung : dass Wirklichkeit die Ausfüllung (jcomplemeiUum') des
BcgriOes des Möglichen sei. Demungeachtet, nachdem sich
jener Begriff auf eine so unscheinbare Weise in die On-
totogie eingeschlichen halte, durile er nun auch in der
natürlichen Theologie auftreten und seine Fruchte tragen.
(Vgl. auch Baumgartens Ontol. $. 41.)
So setzt sich die ontologische Demonstration , nach
den vorigen Prämissen mit der strengsten Bündigkeit, fol-
gender Gestalt in Bewegung, und wird nun in der That zu
dem bekannten ontologischen Beweise, welchen Kant be-
kämpfte. Der Begriff des vollkommensten Dinges
(S. 602 ff.) wird zuvörderst aufgestellt , und nach seiner
Möglichkeit (aHgemeinen Denkbarkeit) und seinen allge-
meinsten Bestimmungen erwiesen : das vollkommenste Ding
ist der Inbegriff aller Realitäten. — Alle Realitäten (für
sich) sind in der That bejahende Bestimmungen,
uid keine Verneinung ist eine Realität Folg-*
lieh, wenn auch in Einem Dinge alle Realitäten ohne Aus-
nahme mit einander verbunden gesetzt werden; so kann
doch daraus niemals ein Wfderspruch* entste-
138 Baum^rten.
ben: (denn Bejahendes kann niemals einem andern Beja*
henden, sondern nur dem Verneinenden widersprechen;
Überhaupt keine Reelitdl kann mit einer andern Realität in
Widerspruch treten : -* der Gipfel des leeren, Tom Realen
gterade absehenden Formalismus, indem er in dem unend-
lich unterschiedenen Inhalte des Concrefen Nichts als die
abstrakte Bejahung sieht.) — Nun hat das yoUkommensle
Ding (seinem blossen Begriffe nadi) alle Realitäten, die
beisammen möglich sind: folglich hat es alle Rea-
lititen ohne Ausnahme, und eine jede derselben im aller-
höchsten Grade ($.605.).
Hiermit ist zunächst die M&gliehkeit dieses Be-
griffes, nach Leibnitzens Rath und Torgang, freilich auf
eine nur formelle Art, auf dem Wege analytischer Fol-
gerung nachgewiesen. — Aber mit gleich formeller Vor-
sicht wird der Uebergang in den Begriff seiner Whrklich-
keit eingeleitet«
Wenn eine Realität in einem Dinge gesetzt ist, so
wird dadurch in demselben eine Verneinung aufgeha-
l>>en: nun sind in dem vollkonnnensten Dinge alle Reali-
täten beisammen; folglich hat es unter seinen innem Be-
stimmungen gar keine Verneinung. — Nun ist die Wirk-
lichkeit eine Realität, welche (laut Vorigem) mit dem
Wesen und den übrigen Realitäten beisammen mö^glich
ist: NichtWirklichkeit wäre aber eine Verneinung.
Folglich hat das vollkommenste Ding die Wirklichkeit
Gott isk das vdlkoromenste Ding ; folglich ist Gott wirk-
lich (f. 606—609.).
Versftäf kt wird dieser Beweis noch durch Nachweisung
der Ungereimtheit des Gegentheils (§. 618. 19.) : Ein nicht
wirklickiY Gott wäre ein Ding, welches alle Realitäten
hätte, und dem doch Eine fehlte; welches in Absicht
aller innem Vollkommenheiten in dem denkbar höchsten
Grade bestimmt wäre , und welches in Absicht einiger
dennoch nicht so bestimmt wäre ; — folglich ist das G e -
gentheil der Wirklichkeit Gottes umnöglich; nud sie
selbst ist daher schlechthin nothwendig« Gott ist demnach
Bfluinirarlon. 139
"O
das nolhwendigü Ding, upd — ^wean Gott nichl
wirklich wäre, so wäre der Sati^ des Wider-
spruches falsch.^
Diese in strenger Folge und , ausserlkch betracbtel, ia
wirklicher Folgerichtigkeit ablaufende Beweisfubrung,
— übrigens, wie wir gezeigt haben, die spateste Nachgeburt
der Leibnitzischen Entdeckungen, unter, der sidi die
wahre und ursprungliche Grundidee jaie« Beweises yer-
luUUe, so lange bis sie — vergessen wuvde, — «st nun
der dgentUche oder alleinige Gegenstand von Kants Wi«*
derlegungen. Aber indem diese in der TImU widerlegt ist^
soll man nicht meinen, den oatologischen Beweis überhaupt
widerlegt, oder auch nur ihn getroffen zu haben. Wenn es;
jedoch jetzt uns seltsam oder unbegreiflich dünken möchte,^
wie eine Demonstration nach der ebea charakterisirten Art
jemals habe Geltung und Ansehen gewinnen können; sa
muss bedacht werden , woran in Dingen solcher Art nicht
genug zu erinnern ist , dass selbst in ihm die Wahrheit
jener Grundidee und ihre ursprüngliche Ueberzeugung das
geheim Wirksame und der Inhalt war, welcher, in's Brette
und Formelle getrieben, und vollends noch durch übereilt
aufjg^estellte ontologlsche Prämissen weitläufig unterbaut, da«-
durch freilich seiner Ursprunglichkeit verlustig gehen miisste^
und nachdem die Grundidee selber in Vergessenheit gerar-^
then war y nur als das Gespenst, einer leerwilUkubrlichen:
Formalistik zurückbleiben konnte.
Jetzt freilich ist es leicht, die Würzet seines Irrtbuns.
zu treuen — in dem faksch oder zu aUgemein bestimmten
BegriiTe der ReaUtät: für Kant abev, zmnal wahrend der
Uebergangsepoche^ wo düein Leibnitz, sogar in Wolff
«och fortlebende Idee des Absoluten unter jenen Formeln
verschüttet zu werden anfinge war es dos Meisterwerk eines
bis in den Grund dringenden Scharfsinns, den verborgenen
Fehler jener Beweisführung, welche er mit Recht „ein gan-
zes Nest scholastischer Subtilitäten^ nennt, auf seinen ein*«
fadisten und erschöpfendsten Ausdruck zu|iickzuf$hren«
Doch Kant tbat.uoch mehr. Wir haben gezeigt:
140 Uebergfaiig zu Kan!.
Begriffsanalyse und Syllogismus waren die bei-
den Principien, durch die jene Philosophie zu ihrem Gehalte
kam. Hierin lag aber offenbar eine Vermischung oder ein
ünuntcrschicdcnlassen des Analytischen und Syn-
thetischen: es musste unaufhörlich die Versuchung ent-
stehen, aus dem Kreise der blossen Analyse unvermerkt
zu synthetischen Bestimmungen überzuspringen; ein Bei-
spiel solchen Fehlers hatte Kant eben entdeckt , an wel-
ches man zugleich die ungeheuersten Konsequenzen an-
knüpfen wollte: man dachte aus Analyse des Begrifles vom
Allerrealsten die synthetische Folgerung zu gewinnen,
dass es desshalb auch existiren müsse, oder wie Kant
diess klassisch kräftig ausdrückte: man suchte aus dem
Begriffe das Sein herauszuklauben. — So musste er,
und es war wieder der einfachste Ausdruck für eine
tausendfaltig gewendete Verwirrung — den einfachen Ge-
gensatz des Analytischen und Synthetischen in Erinnerung
bringen
Aber die zweite Frage lag hierbei noch nahe, oder
war eigentlich Eins mit jener, -^ wie denn überhaupt der
Syllogismus das Recht und die Macht erhalte,
schlechthin aus sich selbst (apHori) und ohne alle gege-
bene Erfahrung, aus den alten Begriffsbestimmungen
durchaus neue synthetisch hervorzulocken, und zugleich zu
behaupten , dass das also (durch subjektives Denken) Ge-
fundene objektive Allgemeingültigkeit haben
müsse, oder kürzer — wie das (apriorische) Denken
überhaupt des Wesens der Dinge mächtig
sei? — (Uebrigens hatte Kant schon früher durch seine
Schrift: „über die falsche Spitzfindigkeit der
vier syllogistischen Figuren (1762) das Joch
des Syllogismus gebrochen.)
So drängte Kant mit bewundernswerther Einsicht die
sämmtlichen bewusstlos gebliebenen Voraussetzungen der
Wolffschen Phüosophie, ja alles „dogmatischen^
Philosophirens in die einfache Frage zusammen : wie sind
synthetische Urtheile apriori möglich? Die
Uebergang zu Kant. 141
veiiioigene Grandvoraussotzung oder das zugestandene Re-
sultat des Vorhergehenden erhob er zum Bewusstsein
und damit zum Probleme. Diess ist immer und in jeder
Wissenschaft die urkundliche Beglaubigung eüier wahren,
epochemachenden Nachfolgerschaft gewesen, durch die ein
völlig neuer Weg des Erkennens betreten wird. Entweder
man macht , was bisher unantastbare Grundvoraussetzung,
absolute Schranke des Verständnisses gewesen war, selbst
zum Gegenstande einer darüber hinausgreifenden Untersu-
chung — der ajigemeinste Begriff des Transscenden-
t a 1 i s m u s : — oder das letzte Resultat wird von Neuem
zur Prämisse einer hohem Combination und weiterer Fol-
gerungen gemacht Beides wird in der philosophischen
Forschung , deren Wesen besonders in ihren ersten, fun-
damentalen Untersuchungen in jenem Transscendentalis«
mus besteht, oft genug zusammenfallen. Wenigstens ist
diess bei Kant geschehen; und wiewohl er selber in sei-
nen „Prolegomenen zu jeder künftigen Meta-
physik^ von der nahen und innigen Beziehung zur
Wo 1fr sehen Philosophie einiger Maassen absieht^ und
über seine Bildungsgeschichte berichtet, dass erst Hume's
Erinnerungen gegen die objektive Gültigkeit des Satzes
vom Grunde seinen dogmatischen Schlummer unterbrochen
hätten : so kann er damit wohl nur die erste Erschütterung ,
meinen, welche das überlieferte Gebäude seiner Ueberzeu-
gungen traf. Von da an, und durch sio angeregt, hat er
ohne Zweifel völlig selbststandig den Grund desselben un-
tersucht, um nun seinen tiefsten, verborgensten Eckpfeiler
anbrüchig zu finden. Es bedurfte wirklich Kantischen
Geistes, seines Eindringens und seiner Ausdauer dazu, um
aus den, wie wir sahen , ganz empirisch und ziemlich roh
behandelten H um eschen Betrachtungen solche Proble-
me heranszuläutem !
Durch, das Auffinden jenes grossen und allgemeinsten
Problemes hat wirklich nun Kant im Verlaufe der von ihm
ausgehenden Epoche die gesammte Philosophie um eine
Stufe höher gerückt: das dogmatische (gleichsam vor-
142: Ucbcrgfang: zu Kant.
laute) Bonehmefi und Verhalten m den Erkenn tnissgegt3nstfin-
den ist dberminden, — oder sollte es wenigstens sein. Das
Denken hat, zufolge der Selbsterkenntniss seiner Natur, sein
Recht und seine Gewalt ober die Wahrheit und das Wesen
der Dinge nachgewiesen ; — aber nicht durch Analyse und
formellen Syllogismus: auch nicht — wir bezeichnen damit
den ganz analogen Fehler, in welchen die Entdeckung des
neuen methodischen Princips umzuschlagen in Gefahr ge*
kommen ist , — durch Bogriffsdialektik nach irgend einem
absolut gQltigen Schema drei- oder auch viertheiliger Mo-
mente, welche an jedem Erkenntnissgegenstande dargelegt
werden müssen, wenn sie auch nur zusammenzusu-
chen'wären, um ihn methodisch bewältigt zu haben: —
sondern aHein dadurch , dass das Denken mit absoluter
„Voraussetzungslosigkeit^ eingeht in das Wesen
«nd die Nothwendigkeit der untersuchten Wahrheit: di6
wahre Methode ist die Aufweisung der in-
nern Nothwendigkeit des Gegen^tandei^
selbst —
Diess ist — um das Künftige sogleich zu anticipiren
— auch der wahre und schliessliche Sinn der Antwort,
welche Kant auf jefte Frage nach der Möglichkeit synthe-
tischer Urtheile apriori giebt, wenn wir von der Einschrän-
kung auf die nur subjektive Gültigkeit dieses Grundsatzes
absehen, welche in den sonstigen Prämisseri seiner Theorie
lag. Er drückt ihn ^ als den „obersten Grundsatz
synthetischer Urtheile^ so aus: Alle Gegenstände
Stehen in Ansehung ihrer (apriorischen) Erkenntniss unter
den nothwendigen Bedingungen det* syilthe-^
tischen Einheit des Mannichfaltigen der An-^
achauung in einer möglichen Erfahrung: d. h.
•dasjenige, was als die nothwendige Bedingung fiir
jede mögliche Erfahrung des Gegenstandes erkannt Wird^
um die synthetische Einheit lieines Mannichfoltigen zu
constttoiren, ist auch das synthetisch und aprloff
an ihm Erkannte.
AilgreineiBer Charakter WotOTs. 143
So viel Aber das Vorb^cilende der Woirrschen PU--
losophio auf den Kanftischen Standpunkt. Wenn wir je^
doch, alles Bisherige zusammenfassend, den Werlh der-
selben für sich beurtbeilen wollen ; so ist diese Philosophie,
nicht nur ihrem äussern Umfange und il^rer wissenschaftli-
chen Absicht nach, — welche nichts Geringeres erstrebte,
als den gcsammten EritenntnissstoiT zu einem in sich seihst
begründeten Systeme von strenger Methode und nnzwei-
felhafter Gewissheit zu verarbeiten, — sondern auch durch
die wirkliche Leistung und gedankcnmässige Ausführung,
ein grundliches , auch jetzt noch lehrreiches Unternehmen.
Sie ist ebenso die konsequente Durchführung der damals
zum Bewusstscin gekommenen Erkenntnissprincipien , und
sonach die der damaligen Zeit eben also angemessene Ge-
stalt der Wahrheit, wie dless nur iiigend von Kants
und Hegels Systemen behauptet werden kann. Sie ist
der konsequenteste Ertrag des Syllogismus nach den Sätzen
des Widerspruchs , des ausgeschlossenen Dritten und des
zureichenden Grundes ; daher sie auch, ganz dieser syllo-
gtsiischen Haltung entsprechend, in der Methode der Geo--
metrie das Vorbild ihrer eigenen Methodik erblicken musste^
welche zwar auch bei S p i n o s a angewandt worden, aber
dem Inhalte seines Systemes ganz ausserlich geblieben war,
dem sie vielmehr bei der abstrakten Identität, mit weicher
Alles in dem BcgrifTe der unendlichen Substanz von S p i-
nosa nur verbunden wird, völlig widerspricht; so wie
beide Philosophen in Hinsicht auf methodische Ausführung
und gleiehmässige Diurcharbeitung ihres ErkenntnissstolTes
kaum eine Vergleichung unter einander zulassen.
Aber auch Wolffs persönlicher Charakter, als unab-
hängigen Forschers, und in seinen mannichfaltigen littera-
risdien Confitkten, zeigt sich stattlich, kräftig und voll
besonnenen Maasshaitens. Wolffs Schriften, die deut-
schen insbesondere, sind reich an Stellen, welche mit Be-
geistemng und in acht philosophischem Sinne den unbe-
dingten Werth klarer Yemunfterkenntniss , vor Allem über
die höchsten Angelegenheiten der Religion, der Moral und
144 AUgemciner Charakter Wolffs.
des Staates , wie ihren Einiluss auf Leben und Charakter
aussprechen. Und wie er sogar in seiner Polemik darauf
ausgeht, sein Benehmen nach festen und klar definirten
Grundsätzen einzurichten, und sich nur objektiv und sach-
gemass zu seinen Gegnern zu verhalten — welcher Art
diese waren, weiss man — j so spricht sich auch das Ziel
seines Philosophirens und die überall gründliche Gesin-
nung des Mannes in seinen Werken höchst würdig aus. —
Klassisch in dieser Beziehung und des erneuerten Anden-
kens gar wohl werth ist seine „Erinnerung, wie er
künftig es mit den Einwürfen halten will, die
wider seine Schriften gemacht werden (Halle
1725. 3. Aufl.) , welche, auch im Stile rasch und gewandt,
seine Gegner mit der vollen Energie des Denkens auf klare
Begrifle zurückfuhrt, und sie, ohne übrigens einen Namen
zu nennen, klassenweise mit dem überlegensten Geiste da-
hinstreckt. *)
So hat sich Deutschland auch dieses Philosophen nicht
zu schämen, der sich in geschlossener, völlig und gelungen
durchbildetcr Eigenthümlichkeit uns darstellt, und gar wohl
des gewaltigen Einflusses würdig war, welchen er auf sein
Zeitalter geübt hat. Hag man jetzt auch seinen Namen
aus Halbkenntniss oder Vorurtheil fast sprichwörtlich mit
Schmach belegen ; wir können ihn getrost den grossen und
für ihre Zeit wohlthätigen Männern beizählen, wie sie un-
sere Nation in jeder Epoche, ihrer Bildung angemessen, her-
vorgebracht hat, gleichwie auch Kant, Jacobi, Her-
der, Hamann ihre Hochachtung vor ihm nie vcrlSugnet
haben.
Hiermit sind nun die eigentlich theoretischen Vorbe-
dingungen erledigt, welche bei Hume, wie Wolff dem
*) Auch vergleiche man: „Wolffi vernünftige Gedan-
ken von den Kräften des mens chiich en Ver-
stände •**} Halle 1710. in der Einleitung und sonst
Unraittoibaro Vorgüngor Kants. 145
r^HSchwunge in Kant Eiim Stülzpiiiikte dienton. Aber es
wäre weit gcrehlt , wenn man darin alle Bedingungen der
Vorbildang für Kant erschöpft glaubte. Nur dann gelingt
es einem Philosophen, so durchgreifend über alle Zweige
der Kultur einzuwirken, wenn er nicht weit vorausgreifend
setner Zeit voraneilt, sondern ungleich mehr, wenn er das-
jenige , was in ihr sich vorbereRet hat , nnd in einzelnen^
aus einander liegenden Zügen schon verwirklicht ist, mit
zusammenfassendem und principiellcm Bewusstsein ausspricht.
Mit aUen positiven Ergebnissen seiner Philosophie, mit sei-
ner Rechtslehre, seiner Ansicht vom Staate, mit seiner Re-
ligionsichre , selbst seiner moralischen Bibeldentung hat er
nur das Gesammtresultat ausgesprochen , wa6 schon vor
ihm lange und allmählich sich vorbereitet hatte, besonders
auch in den politischen und kirchlichen Kfimpfen Frankreichs
und Englands. Er war Held und geistiger Vollender der
in ihm culminirenden Epoche^ welche daher völlig mit ihm
zusammenschmobE und in ihm sich wiederfand, ungleich,
den andern Genien , die einsam oder wenig erkannt eine
Frucht iur die Folgezeit aussäen, und deren Gegenwart erst
irgend eine Zukunft isL Dabei ist es bekannt genug, wie
sein enc^dopädischer Geist auch die übrigen Bildungsele-
mcnte, die ihm die Naturwissenschaften darboten, beson-
ders in Mathematik, Astronomie und Physik, und bis in das
Genaueste der Erd - und Menschenkunde hinein , auf das
Frischeste und Vergegenwärtigendste in sich vereinigte.
Nur von dem Speciellen der Physiologie, wiewohl er Blu-
menbachs nisus fem^oHeus in seiner Kritik der Ur«
iheilskraft (S. 378.) billigend anfuhrt und in die mnfas-
sendste Beziehung stellt, auch an andern Stellen (ebendas.
S. 368. 69.) von der Wichtigkeit comparativer Anatomie
für die Ausbildung einer auf Natureinsicht gegründe-
ten philosophischen Teleplogie redet, — eine
Stelle, deren genial regsamer Gedankengehalt späterhin durch
die umfassendsten Forschungen die reichste Ausführung,
aber auch genauere Bestimmung erhalten hat : — von dem
Speciellen der Physiologie des Menschen blickt dennoch
10
14Ö ünmiüelbnre Vorgänger Kants.
keine g-enauere Kunde durch, die doch schön in Albrecht
von Haller ihre erste Epoche zum Abschlnss gebracht
hatte.
Eben so war Kunst und Poesie seiner Zeit ihm in gewis-
ser Ferne geblieben, was Herder in derKalligone bitter,
aber im Einzelnen treffend, und von eigener tiefer Einsicht
begleitet, ihm vorgerückt hat. Winkelmanns, Les-
sing s Forschungen, die gleichzeitige Umgestaltung der Dicht-
kunst scheint i&r Kant ohne Berührung geblieben zusein;
völlig gemäss den geistigen Vorbedingungen seiner Bildung
und seines Genius, welcher, selbst in stetem Sinnen den Pro-
blemen des Wirklichen zugewandt, auch in der Poesie nur
das Lehrend-Beschreibende, vor Allem die grüblerisch tiefen
Stellen derselben, vorgezogen zu haben scheint. Aber in
aRem Dem, was ihn fesselte, wie in dem, was beziehung^s-
los auf ihn blieb, lässt sich der durchgreifende Faden eines
gediegenen, nur auf die höchsten Wahrheiten gerichteten
Forscherinteresses verfolgen : seine Uneingenömmenheit, der
freie , empfängliche Sinn für jede Eigenthümliclfkeit des
Wirklichen , wie iSr jede Weise , ein gegebenes Problem
aufzulassen, reichen weit und unbedingt hinaus über die
Schranken, in welche er nach selbstgegebener kritischer
Norm die theoretische Erkenntniss einzwängen ztt müssen
glaubte. Es wird später sich zeigen, dass er dann sogar in
einem geheimen, überall sich hindurchziehenden Widerspru-
che mit sich selber sich befindet. Ueberhaupt lässt seine
Denkweise den umfassendsten Horizont des Möglichen und
Wirklichen für die Forschung zu, und hierin hat er eigent-
lich seine Hatiptbeziehungen zu den vorausgehenden und
gleichzeitigen Geisteserscheinungen,
Die philosophische LehrüberDeferung des W o I fr sehen
Systemes pflanzte sich, ausser unzählbaren andern An-
hängern, selbstständig durch Georg Bernhard Bilfinger,
Alexander Gottlieb Baum garten, Joachim Georg Dar-
jes, Georg Friedrich Hei er, Johann August Eberhard
fort. In Johann Georg Feder, dessen Leben und Wirk-
samkeit sich noch weit in das gegenwärtige Jahrhundert
Spätere Wolfiianer. 147
kineinenlretkM^ und dosscn freiere^ in Betreff der Erkennt*
nissiehre besonders zu Locke sich neig^ende Eklektik
doch flbemll Ton den Grundvomussetzungen und dor wis^
«enj^dmfklicbeA Denkweise der LeibnitzisGh>-Wolfr«
sehen Philosophie ausging ^ nidchte die letzte Nachwirkung
derselben erscheinen^ die sich daher durch ein voUes Jahr-»
hundert kin erstreckt hatte^i — Ernst Platner, den man
Anhänger Leibnittfens mit skeptisdiem Geiste zu nen-^
nen pflegt^ kann doch nur insofern hieriier gerechnet wer*
den^ ab er, überhaupt mit einer für die damalige Zeit sei«»
tencn, Hu« Qnellenstudium geschöpften Kenntniss der altem
Und spatem Systeme ausgerüstet , und Kanten dariii in
jeder Hinsieht überlegen , vielfach Gelegenheit fand ^ die
Vorstellttngen des Kantianismus , wie über andere Philoso«»
lAieen, so besonders über das System Lelbnitlsens zil
berichtigen» und in polemischem Interesse zu vertreten. Ef
gehört den selbststindtgen Denkern an und verdient eine
besondere Charakteristik»
Dennoch würde man auch den &ben genannten Wnlffia«
nem Unrecht Üiun^ wenn man ein bewegungsloses Fest»
halten des Ueberlieferten in ihnen voraussetzte« Vielmehr
ist es merkwürdig ztt sehen , wie ein Hauptbegriff der
Wol fr sehen Philosophie nach dem andern zur Fragte
kaiD) wie jedes Glied derselben im Einzelnen sich ablöstO)
ohne dass es zu einem zusammenfassenden Negiren^ was
Kanten vorbehalten bliebe gekommen ware^ Von B a uhh
garten ist schon die Rede gewesen^ der mit ausgespro-»
ebenem Bevmsstsein und methodischer Schfirfe die ganze
Metaphysik auf den 'Satz des Widerspruchs und des zuret-»
chenden Grundes zu bauen gedachte» ^ Diesem übergrei-
fenden Gebrauche trat D a r j e s entgegen ^ ^ein scharfsin-
niger Dialektiker'') wie Platner ihn nennt» Er berich-^
tigle — oder ergänzte vielmehr --^ den damit zusammen-
hangenden Satz 9 den wir bei Wolff^ und besonders bei
Baumgarten kennen gelernt haben t VTas durch das
Wesen eines Dinges bestimmt Wird^ ist in dem Dinge
nothweBdig> — .ind^vf^r nachwies, dass Alle stauch des
148 Darjos.
Nichtwesentlichc, durch das Wesen des Dinges seine
m
Mitbestimmung erhalte , wiewohl diess <das Nichtwesentli-
che) im Dinge von den zu ihm hinzukommenden Dingen
herrühre , und durch sie daher auch aufgehoben w^erden
kann. Eine richtige und wesentlich ergänzende metaphy*
sische Bestimmung I Was das Ding im Verhältniss zu sei-
nem Andern ist, die wechselnden „BeschafTenheiten^, in die
es eingeht, sind nicht weniger bestimmt durch das Grund-
wesen desselben, ohne doch im Geringste nothwendig
(determinirt) zu sein. Hiermit entgeht er zugleich dem
Hauptbedenken, welches ihm die W o 1 ff sehe Philosophie
erregte, dass sie zum vollendeten Determinismus führe, und
mit aufgehobener Freiheit auch das moralische Bewusstsein
geßhrde; der sclion damals allgemein verbreitete Vorwurf
gegen jene Philosophie, den Jaeobi nachher bis zu dem
Axiom verschärfte : dass die L e i b n i t z i sehe Philosophie
nicht minder ,,f a t a 1 1 s t is c h^' sei, als die des S p i n o s a. *)
— Daher nahm auch der Salz vom determlnfrenden Grunde
bei D a r j e s eine bei Weitem engere und eingeschränklere
Bedeutung an : das Determinirende des Dinges, den „Grund",
setzt er vielmehr ausserhalb des Dinges ; daher ist nur das-
jenige an ihm determinirt , was n i c h l zum Wesen des-
selben gehört, und zwar auch nur insofern als Wahrheit
in der Verknüpfung des Dinges mit dem Andern,
dem Determinirenden, Statt findet „Es kann also von dem
Wesen und den wesentlichen Merkmalen des Dinges kei-
nen Grund<^ (nichts von Aussen her Determinirendes)
„innerhalb desselben geben." —
Hiemach ist für die damalige Philosophie ein wahrer
und bedeutender Fortschritt vollzogen: der Begriff jener
äusserlich determinirenden Verkettung, in den sieh die do-
gmatischen Systeme dieser Zeit, auch durch die Einwirkung
S p i n 0 s a' s , hartnäckig gefangen hatten , welche selbst
Jaeobi für das letzte, unvermeidliche Resultat der ,un-
*) Jacobi's Briefe Ober die Lehre des Spinosa, 2te Ausg. S.223.
i>ai)es. 149
abUssigen^ Forschnng halten dorfie *), der sogw die K a ii-
tische Vemunftkritik in der dritten Antinomie über
Freiheil und Nothwendigkeit **) nur durch die Aui^kuuit
entgangen war, dass diese ganze Frage nacb ihrer objek-
tiven Bedeutung unentschieden bleiben müsse ; — jener
Begriff ist hier aus dem wahren Fundamente berichtigt und
wideriegL Das Wesen des Dinges ist das jeder b 1 o i»-
sen Determination sich Entziehende, schlechthin sich selbst
Bestimmende, wodurch die Idee einer andern, Innern
Nothwendigkeit und der Einheit des Freien und Nothwendi-
gen erweckt worden ist. — Damit hing eine fernere Er-
weiterung der Grundprincipien Wolff'scher Philosophie
zusammen. Die Honaden sind nicht bloss als thätig , und
in ihrer Thatigkeit schlechthin vorausdeterminirt, sondern
anch als leidend zu denken; und so war Darjes ge-
neigt, der prastabiiirten Harmonie zwischen den mechani-
schen Bewegungen des Körpers und den freien Seibstbestiii^
mungen des Geistes die Hypothese des influxus physicus
entgegenzustellen, worüber zahlreiche, unsem gegenwärti-
gen Begriffen und Interessen fem liegende Streitigkeiten
zwischen ihm und den strengeren Anhängern der Leibnit-
zisch-Wolff sehen Philosophie gepflogen wurden. ***)
Ein anderer, filr die damalige SpdKUlation unuber-
Viindlicher Begriff War der Gegensatz einfacher und zusam-
niengesetzler Substanzen ; auf ihm beryhte zugleich der
Unterschied zwischen der Seele, als der rein geistigen, und
(lern Körper, als der ausgedehnten und theilbaren Substanz.
Ebenso wurde das Hauptai^gument des Schulbeweises fAr
•) A. a. O. S. 224
} i^ants Kritik der reinen Vecnonft^ S. 453* u. s. w. 5teÄiifI.
) Joacli. Georg. Darjes via ad yerilatein, Jenae 1755 ;
nachher in deutscher Bearbeitung mit AnmerinngeiK Ton Ihm
selbst, Fninkf. 1776: sein Baaptwerk. i~ In seinen phijö-
sophischenfiebeustunden, vier Sammlungen , J«na
1749— Ö2, bdbaiideU« er di« 5lr0iU||^ Piiukle, aus denen wir
OLlges entlehnt haben.
160 Psychologla ^fieser Schule«
die UnsCerbHohkeil erslerer aus ihrer vermeintltehen £tib*
fachheit abgeleitet« Wie diese jedoch 2tt beweisen sei»
und ob dafOr die Thatsaohe der Mäyelttiven Identität des
^eibstbewuMtseins hioreiche^ war Gegenstand manniobfacher
Debatten , wdche «ich nach ijirem wesentlichen Bestände
aof ar bis in den Kriticismus hineinsogen^ Hier gelangte
nämlich der Streit zu der vorläufigen Vermittlung, da«; sich
ergehen haben sollte, wie die rationale P^cbologie das
denkende loh, das formelle Selbstbowusstsei^ « ml der
Seele an sich, aia objektiver Substanz verwechsele, und
von dieser die Substantialität, Einfaebbßit, Persönlichkeit
und Geistigkeit bewiesen zit haben meine : der Grund des
Ich, das absolute £kity[ekt der Seete bloibe an sich selbst
unerfiorschlicb ; jenes sei lediglich ein transsce^dentales
Subjekt der Gedanken ( Vorstellungen >, de 91 keine
wirkliche Anschauung entspreche; -^ oflenbar
darum nicht , wefl es lür dasselbe nicht der Anschauung
des Raumes, der- Ausdehnung hed^rf^ gewiss aber
doch d^ Zeitanschauung , der Anschamui^ des Einen und
Beharrlichen innerhalb des Wechsels eigener Zustäivde?
Und so pilanate sich bei Kantianern nnd Gegnern Kants
(B. Platner namentlich ermangelte nichts dem Letztem
diese bkonsefuew stark vorzurücken, einem seitlich Pe^tinim«
tem keine Anschaubärkeit heiauiegen '*) -^ dieselbe Frage
in der Gestalt fori, oh jenes transsoendentale Subjekt^ weil
neitlieh bestimmt , darum auch Anschauung genannt , oder
fiär einen blossen Gedanken gehalten werden mässe^ Siess
Alloa blieb eig entlicli nur m Geiaie dogmatlsclien PhUoso«
phirens; denn der ganze Gegensata von Einfachheit und
Zusammengesetztheit wurde auch jetzt nicht etwa verwor-^
(ci\, Qder m seiq.er Einseitigkeit und Unwahrheit naehge-
>(irie^en» SjOndem, durch die Lehre von der Unerkennharkeit
4er Seele, 9JI& realer S^b;^t%nz, nun zu einem un^vandelba«
ren für diese, gemacht, Uebefltitupt sei es gleich Y9d&ufig
v^
*) Fbilotaphitch« Aph^tiim^Ut neu» 4u<gah#, n9X
Th. i. $. 399. 400.
Psychologie dieser Schule, fr. von Creuz. 151
ausgesprochen, dass Kants Paralogismen und Antmomieen
nicht nur auf die alte Metaphysik sich beziehen ^ sondern
ganz auf demselben Boden mit ihr stehen, ihdem er die-
selbe — auTs Eigentlichste dogmatisch zu nennende
— Grundansicht von der innem Unüberwindfichkeit ihrer
Gegensätze, von dem Entweder-Oder derselben und der
Wahl zwischen Einem von Beiden mithinzHbringt. Was
namentlich seine Lehre von den Antinomieen betrifft, so
sind diese m der Stellung der Fragen . und selbsl in der
Wahl ihres BegriSsausdruckes völlig unverstandlich, ohne
die genaue Kenntn|ss jener metaphysischen Kämpfe wd
des philosophischen Sprachgebrauches, der bei ihnen zu
Grunde li^.
Jener Unüberwindlichkeit des Gegensatzes von Ebi-
fachheit oder Zusammensetzung tral schon, mitten in der
kräftigsten Geltung Wolf Pscher Philosophie ein wenig beach-
teter Denker entgegen, Friedrich Casimir Carl von
Creuz in seinem Versuche über die Seele (Frankf.
und Leipz. 1753. II Thle.), Bs war der einiger Maassen
rohe oder halbgewalLsarae , aber keineswegs unglückliche
Erstversuch, das Dritte aus jenen Beiden als den wahren
Begriff der Seele au&ustellen. Diese ist weder zu denken,
)tls einfache, noch als zusammengesetzte Substanz, sondern
als ein Mittleres, welches in der Macht, alle seine Yoi-
slellungen auf sich, als ein Bleibendes, zu beziehen , seine
Einfachheit, zugleich aber in dieser Mannichfalligkeit
und diesem Wechsel, in dem es selbst, als Einfoches, bleibt,
seine Y i elf ach h eit bewährt. Die Seele hat daher The i-
lo, die zwar ausser einander, nicht aber ohne eia-
ander existirea können; sie ist nur die Eine ,. untheil-
bare Kraft in ihnen. Da er femer jedoch nach einer
«energischen^ aber keinesweges zur Entwicklung gekommen
nen Gnindanschauung, das schlechthin Einfache für
das Uneingeschränkte erklärte ; so dehnte er je-
nen Satz zu der weitem Eonsequenz aus , dass es über-
all keine schlctchthin eimf^cbeo eadlichen Din-
ge geben könne^ Auf di^ fernem Felgemagim daraus , so
152 Fr. von Creuz.
wie auf die einzelnen psychologischen Hypothesen dessel-
ben ist hier nicht einzugehen. Als Naturdenker schreitet er
hastig auf die Probleme los, und ist erfinderisch in Lösun-
gen und Hypothesen ; aber mit sicherm, durch die Arbeiten
des Staats- und Welllobens geübtem Blicke weiss er wenig-
stens die Eigenthümlichkeit eines jeden auf einen schar-
fen und natürlichen Ausdruck zu bringen ^ wodurch man
unwillkührlich bei ihm an Des Cartes erinnert wird, dem
er auch darin gleicht , dass ihm , wie jenem , gerade die
Verwickeltesten Fragen, als Beispiele und Probleme, die lieb-
sten sind, tun seine psychologische Erklärungsweise darauf
anzuwenden«
üeberhaupt würde es schwer^ und hier völlig unmög-
lich sein, das einzelne Bedeutende an Gedanken und Aus-
filhrungen , was sich ia jener an Denkern und würdigen
Forschem so reichen Zeit wirklich findet, hervorzuheben;
und die Meinung wäre höchst km^zsichtig, es durch solche
Skizze vollbringen zu können* Auch vor Kant, wie jelzt,
und zu allen Zeiten, luxuriirte unser Vaterland in einer be-
wundernswürdige Fülle von Denkern und philosophischen
Bestrebungen , welche , obwohl sie auf der gemeinsamen
Grundlage philosophischer Bildung und eines angewöhnten
Sprachgebrauchs standen, doch keineswcges für blosse An-
hänger oder Nachtreter irgend einer Sekte anzusehen sind;
vielmehr wurden in der hergebrachten Begriffs- und Aus-
drucksweise vielfach Sätze geäussert, die über diese Form
hinausgingen. Eine ausführliche und eindringende Ge-
schichte dieser merkwürdigen philosophischen Epoche ver-
missen wir noch durchaus, indem scfbst Buhle ^}, sosehr
er mit Gelehrsamkeit und Fleiss Männer und Werke uns
vorfuhrt, doch durch seinen philosophisch beengten Blick
wenig geeignet erscheint, über jene Fülle von Erschei-
*) In seinem mit Ausaeichuung au nennenden^ und iu diesem
Theile jetzt noch allein dastehenden Werke: GescliicKte
der neuem Philosophie seit Wiederh erstell »»g
der Wisseuftchaften, Y« u* VI. Uaud.
Lambert. 153
nnngen auch nur scharren und gretreiien Bericht zu er-
statten.
Unter den Denkern von selbslsländig originaler Be-
deutung und von wissenschaftlicher Nachwirksamkeit sind
vor Allen zwei zu nennen : Hermann Samuel R e i m a r u S,
und Johann Heinrich Lambert, beide auch als klassische
Bearbeiter der Logik ausgezeichnet ♦) , welche sie indess,
als ganz allgemeines Hülfsmittel zu jeder, nicht wissenschaft-
lichen, wie wissenschaftlichen firkennlnissweise, in ein aus-
schliessendes Verhältniss zur Philosophie zu stellen untcrlies-
scn. Doch hat der Letzlere, nachdem er im ersten Abschnille
seines Organen, der D i a n o i o 1 o g i e , die Form des Den-
kens erörterte, in dem zweiten, der AI ethiologie, von
der Materie oder den Quellen des Denkens zur Erkennt-
ni:s der Wahrheit gehandelt, also von Demjenigen, was
eine eigentlich philosophische Erkenntnisslehre, oder eine
„Kritik* der theoretischen Vernunft sich zur Aufgabe zu
machen hätte; und Kant hat ausdrücklich anerkannt, dass
jener an der gleichen Aufgabe mit ihm arbeile , ja dass
sich gar wohl von ihm eine gründliche und nachhaltige
Verbesserung der Philosophie und des wissenschaftlichen
Erkennens überhaupt erwarten lasse. Und schon einmal,
in ihren kosmogonischen Vorstellungen, waren beide Denker
mit unbewusster Uebereinslimmung einander begegnet. **)
*)H. S. Reiroariis VerDunftfekre, als eine Anweistiug
ztiiB richtigea Gebraii che der Vernunft in dem
Erkenn tnUs der Wahrheit» aus zwoen ganz natürlichen
Regeln der Einstimmung und des Widerspruchs hergeleitet ;
Hamburg 1756. 5te Aufl. 1790. — X H. Lambert ^eues
Organon oder Gedanken über Erforschung und
Bezeichnung des Wahren, und dessen Unter-
scheidung von Irrthum und Schein. II Thle.
Leipz. 1764.
**) 2«*igniss davon ist Kants und Lamberts Briefwechsel in
Kants gesammeltOB kleinenSehriflen, Bd. 111.
S.91.ff.
154 Laittbert«
Es Isl 4e6slMiIb voa Bedeutung , deu ChtiralUer diesscs
nicbt sowohl inissglücktcn, als bis zum eigcuUicben Wende-
pankto der Frage nicbl vordringenden Regenerationsversu-
cbei!, im Vergleich zum Kantischen, in den Uauptzügen
anzugehen. Das Wesentliche desselben enthält schon der
j&weite Abschnitt von Lamberts Organen : dieAlethio-
^ogie oder Lehre von der Wahrheit (Neues
Organen, Bd. L S. 453-^592.). Die weitere Ausrührung
seiner Lehre von den einfachen Begriffen und die
encyklopädische Entwicklung und Uebersicht der einzelnes,
4lar9us hervorgehenden und dadurch in stetigem Zusam-
menhange unter einander verknüpften Wissenschaften ent-
hält sein zweites, späteres Hauptwerk : Anlage z^ur Ar-
chitektonik.*)
So tritt nach Lambert die Architektonik —
zugleich als vollständige Methodologie aller Wissen-
schaften -— an die Stelle theoretischer Philosophie über-
haupt, ganz ebenso, nur, müssen wir hinzusetzen, in for-
meller Hinsicht mit bewussterer Durchführung , wie nach
Kant sich Anfangs die Kritik der Vernunft an die Stelle
der in ihrer Unmöglichkeit nachgewiesenen Hiilosophie setz-
te, späterhin ihm unter der Hand zur einzig möglichen
rhilosophici selber wurde. (Vgl. oben S. 31. 32.)
Lambert sucht zuvörderst, hierbei an Locke an-
knüpfend (Bd. L S. 477.), die einfachen d.h. für sich
denkbaren, und somit wahrhaft unmittelbaren und ursprüng-
lichen Begriffci — (Beides y Unmittelbarkeit und Ursprung-
lichkeit, wurde vo^^ ihm ebenso wenig gesooidert, wie von
Locke und Huine, ja wie es bis weit hinauf in die ge-
genwärtige Phiiosopiiie nicbt gescheiieR ist) — in allen
Formen nnsers Erkennens auf: es sind die durch die (äus-
scni) Sinnenempfindungen unddas Bewusstsein
*) Anlage xur Architektonik, oderTkeariedes
Ersten und Cinfacbien ia de« pkilosophtschf'M
uvd. ui»theittt.tkfltcii«*a KflibeinaiAi&ey Bif^a 1771.
U Bde.
buftbert. t5(
(regdbenen einfliclisteii Bertiniiiiimgen« IKefle smcbeii di^
Grundlage aDer unserer Erkenntniss ans, indeni alle wei«-
tem CombiiiaCiooeii und Folgeningen , dto wir auf dem
Wege des Syllogismus erlangen, nur ^asusammenge^
s e t a t ^ sein können aus jenen mftieken, und somit vakr*-
haft ursprüoglicben, w^der weiter zerlegbaren, noch durcb
eine anderweitige Aechenschaft m begründenden Begfifen^
AHe sonstigen logisehon Unterscheidungen «wischen den
Begriflbn, ihre Klariieit, Deutii<Meil u. a, w. werden daher
eunickgefOhrt auf den wahrfanfk ursprtogtiohen VnterMhied
ihrer ^^Einfachheit^^ oder ^ZusaromengeseUtt-
heit^ Die einfaehen machen daher nicht nur di€i (i^und^
läge, sondern auch den Umfang unserer Wahdieilavf ;
hl der Summe derselben, welche uns^ Bewuartsoin bc^
sitzt, ist diesettie umaddossen^ und hiernach aUm b^slisit-
men sich die Granzen unserer Srhonntnias« y^t-
glichen mit dem Reiche dar Wahrheit^ 0% *i^h
$elb9t betrachtet (& 4880.
Da nun aber alles Pas einfache, somit wfifvüngUehe
Begriffe sind, zu deinen YorsteUung es keiner andam be*
darf; so treten in bunter Keihe Sinnenempfindungen und
Denkaxiome neben einander , und machen auf den glei-
chen (Traktor der UrsprOngliohkeit Anspräche 3 die ein-
bchen FarbenemfAidungea u. dgL werden nicht wei^g^
sIs unprAngliche betrachtet, als dte Begriffe des Wirkii*-
cken, HdgUchen und Noihwendigen (S. 40S. 470«>; und
sttsserdem rechnet er noch zu den einfachen gewisse Stammr-
oder Grundhegriffe , sofem sie nimlich dabei dio gfössle
Muaich/altigkeit aOgemeiner Verhältnisse und Itodiiikalio^
neu zulassen. Diese sind: Ausdehnungi Solidit&t,
Bewegung» Existenz, Dauer und Snncession,
Einheit^ Bewusstsein, Kraft^ Wallen (& 477.
vgl S, 498.> Man sieht» wie jede Spur des Uatorachiedes
^OQ Vermnifaiothwmidigem und Zufalttgem^ Apriorischem
und Aposterk>risGhem, hier verwischt ist, offenbar allein
^ok die Schold der anfängiichen Rrageatellung , und des
^/^dischen Vef&h^ens » wodurch sich Lambert v^n
156 Lambert.
der Lockisch^mpirischcn Angewöhnung nicht loszarcis^on
vermochte.
Hiemas werden sodann die Grundsatze und ?a ^
stttlate entwickelt^ auf welche die einfachen Begriffe fuh-
ren (S. 497. ff.). Durch die Untersuchung und erschöpfende
Bestimmung aller der Grundsätze oder Aufgaben nämlicli,
welche aus der ursprünglichen Bestimmtheit
eines solchen einfachen Begriffes hervorgehen , entstehen
die einzelnen ' Wissenschaften. Dieser einfache Gedanfte
ist zugleich der einzige wahrhaft originale und standhal-*
tende , welcher der Erkenntnisstheorie Lamberts zum
Fondamente dient: wir erläutern ihn in der Ausfohrong,
welche ihm Lambert gegeben, durch eine andere, eben
so einfache , aber uns näher liegende Gedankenwendung.
Die Wissenschaften vermögen Nichts , und können sich
itt>erhaqpt keine andere Aufgabe steUen, als die ,,einfachcn
Begriffe^, die in jedem Dinge liegen, — überhaupt die ur-
sprüngliche Bestimmtheit desselben — in allen ihren weir-
tem Folgen und Verhältnissen (in der „Zusammen-
setzung^, welche sie eingehen), vollständig und' er-
schöpfend darlegen: die objektive Natur der Dinge
mit Einem Wort, in der Verbindung ihrer einfechstcn und
zusammengesetzten Erscheinungen, ist der einzige und wahre
Gegenstand der Wissenschaft, welche damit freilidi nur in
ihrem allgemeinsten Begriffe erfasst worden wäre.
So enthält die Geometrie die Grundsätze und Aufgaben^
welche in den ursprünglichen einfachen Begriffim regei>-
mässiger Raumbegränzung liegen ; ihr entspridit die i^edir-
lenlehre für das Gebiet der numerischen Grosse; ebenso
ist die D y n a m i k die Wissenschaft von dem.einfacben Be-
griffe der Kraft, zugleich aber auch voin den zusammenge-
setzten Kraftverhältnissen, welche in allem Wirkücken —
der materiellen und intelleklueUen Dinge — vorhanden sind.
Ebenso entsteht aus der Analyse der einfachen Bcgrifie
des Waiuren und dos Guten in allen ihren Bestimmungen
die Wissenschaft der Aiethiologie und Agatholu-
g i e, die ietztem, dem entsprcch<»d , was die Alten Logik,i
Lambert. 157
9der Dialeklik und Ethik gcnamil haben« Und aus, doc
fiesammlheit der einfachen Begrifle überhaupt tasflem'aich
die allgpemeinen metaphysischen Wahrheiten zusam-
menstellen, welche dm Gipfel dieser Architektonik aller
Wissenschaften bilden. «
So weit, nach den. charakteristischen Gnmdzugen^ der
Entwarf zu einer wissenschaftlichen Grundlehre* Von hier
ans wird nun zu den zusammengesetzten Begriflfen
fortgegangen (Bd. L S. 516. ff.). Da diese jedoch nach
Zahl und Inhalt schlechthin unbestimmbar sind, so mustf
sich hier die Untersuchung auf formelle Bestimmungen uml
Cautelen beschranken : Lambert zeigt mit grosser Scharfe
rnid an treffenden Beispielen, wie eigentlich hier erst der
hrthum und Streit^ aus der Undeutlichkeit und Unbestimmt
heit der Begrifie, sowie aus der Zweidevrtigkeit der Sprach-^
bezeicfanungen , entspringe, während fiber die einfachen
BegriiTe kein SUeü sei. Daran schliesst sich sachgcmäsa
die Lehre vom Wahren und Irrigen, und den Kenn*«
zeichen, woran beide zu unterscheiden , wo besonders der
Uebergang von dem Einen in den Andern, und die Wie^
deraufiösQBg des begangenen Irrthums sorgiSltig auseinan*-
dergesetzt und nach allen formellen Kennzeichen unter-*
sdiieden werden. Kein Irrthum nämlich ist ohne »eingc«
mei^tes^ Wahre , weU es nur aus der falschen -« d. h.
^Ikährlicfaen, erdachten, — Verbindung einfacher^ mithin
ursprin^Ucher und wahrer — Begriffe besteht.
Aber zwischen das Wahre und das erkannte Irrige
tritt der Schein. Die Mittel, dieses Täuschwerk zu ver-
meiden , und durch den Schein zu dem Wahren durchzu^
dringen, sind desshalb der Grundwissenschaft unentbehr**
lieh ; die Theorie des Scheins und seines Einflusses auf die
Richtigkeit oder Unridiligkeit der 'jnenscUiohen Erkennt*-
niss , macht . demnach einen wesentlichen Theil jener Wis-
senschaft aus. Lambert nennt denselben die Phänome-
nologie (Bd. IL S. 217. ff.) ; er ist der reichste an eigen-
thüiniicben und neuen Gedanken ; als völlig neu ist zu be-
trachten, wie er die verschiedenen Gattungen des psycho-
158 Lambeit
iogisdlidn Schollig chankteri^irt und voa diesen
derom den morftlischen Schein abscheidet, der ^enso
ein Scheinifutes für da^ eigentliche Güte vorspiegelt, wie
derphygistcheund psycholdgische ein Scheinwah-^
res statt des eigentlich Wahren darbietet. Die Abhandinng
TOti dem Wahrsoheinliohen (Bd. iL S. 318. fT.) ent^
hält wohl AlleS) und mehr als dieses^ was die spätem tiam-^
haften Logiken fiber diesen wichtigen ^ einer Erkenntniss*^
lehre völlig uitentbehrlichen Begriff vorgeführt haben. Wir
wollen daher auf diese Quelle wiederam zurückgewiesen
habem
Aus aDem Bisherigen eraieht man , wie Lambert
dem ursprünglichen Bntwnrfe und Gedanken nach mit Kant
auf gemeinschaftlichem Boden stände Es galt Beiden am
die Entdeckung der eigaittiichen Quellen und Fundamente
4er Wahrheit iai Erkennen i und Lamberts Oiganon
soille Dicht Weniger die Wissenschaft von den Erkennt-
nissprindpicii sein, als diess K a n t in seiner ersten Kritik
beabsichligtei Alier^ ab MathematUier^ durfte er das E i n^
fache, gleichviel I wie sonsl beechaffen^ anun Kriterium
des Priaeipiellen BMchen ; und^ der L o c k e sehen Methodik
treu geWkbex^ wollte er diess durck bloss reflekti-
pende Analyse (diesa ist durchaus sein Verfahren)
im Gegebenen aufBiiden4 So ist ihm alles Einfache, jede
nach ihren Merkmalen nicht weiter zeriegbare Yorstel'*
1 u n g , ein Leüttes oder Uifsprungiiches für das Erkennen^
ein Princip iif^end welcher aus seiner Zusammensetzung
hervovgehender bedingter Erkenntnissot Und das Denken,
Ergründen , der letitem beruht eben nur in ihrer zergiie-
demden Zarfickführang auf ihr Einfaches« Je weiter wir
in dieser Z^gliederung kommen^ desto j^rein gedachter^
nwis auch imsere wissenschaftliche Eriiemitoiss werden«
Sie wurde ganz rein sein, wenn wir alle einfachen
Grundbegriffe gefunden hätten , und auch das Princip
zur Möglichkeit ihrer Zusammenrsetzunf
kannten.
Es ist dieselbe grosse, inhaltschwere Frage, wdche
Lambert 159
auch Ktint erhob, w^nn er den Grundsatz alter syntheti-
schen Salze apriofi finden wollte, — das ^ge\s\ige
Band* ein filr aHemal , welches die Elemente vereinigt,'
die wir leider „nur vereinzelt in der Hand haben*: die
Crnndformel aller möglichen Synthe^sen, itm darausp die
Wahrheil, ruckerfindend ans ihren Elementen, in nothwcn-*'
diger Beziehung wieder züsammenzufAgen. Dass diesef,
als sehlechrhin allgemeiner Satz, nur von formeller Be-
deutmig sein kann , verstand sich ihm von selbst. Aber
er blieb damit gleichsam an der aussersten Granze seiner
Boslimmbarkeit stehen; der Grundsatz lautet bei Kant,
dass alle Synthesen apriori sieh nach den Bedfngimgen
der Möglichkeit in der Erfohrung richten mOssen. £s ver-
steht sich von seftst : welches diese sei , hast Du bei
jedem bestimmten Falle in diesen Bedingungen der Erfhh-^
nmg selbst aullBUsnchen.
Noch weiter zuröck ins formelle geht Lambert in
diesem Betracht. Ihm ist jenes Princip, — wiewohl er
diess nirgends in Ausdrficklichkeit ausspricht, weil er es,
nach dem allgemeinen Einverständnisse seiner Zeit darüber,
für höchst überflüssig oder von selbst sich verstehend hal-
ten mochte, — der Syllogismus: die Möglichkeit der
Znsammensetzung einfacher Begriffe richtet sich nach der
syllogislischen Combination^ welche sie gültiger Weise
d. h. zu einem wahrhaft concludirenden Satze , emgehen
können. Das Kriterium der Wahrheit vmrde, an sich acht
spekulativ, in das Denken, aber nur in die (gleichsam f&r
sich bestehende) Form des Schlusses gelegt. Daher denn
nun auch bei Lambert, wie bei allen namhaften Vor-
gängern seiner Zeit, die nachdrückliche Sorgfalt , mit wei-
cher er die Syllogistik behandelte, eine jede> übrigens nur
durch formelle Combination, wie bei Plön cquet, gefun«
dene syllogistische Figur nach ihrer Brauchbariceit oder
i^nbrauchbarkeit unterschied , und den Grund ihrer Eigen-
thümlichkcit, ihre Vorzüge oder Mängel aufsuchte.
Hieraus ergiebt sich sattsam, wie und warum La Hi-
lpert seine grosse Aufgabe nicht zu lösen vermochte; er
1()0 Lambert
drang nicht vor, im scharfgefassten Unterschiede von
Kant, bis zu den Spitzen und Wendepunkten der Frage,
die eigentlich zu entscheiden war. Zwar schwebte ihm
in seiner Lehre von der Ursprunglichkeit und Absolutheit
der einfachen Begriffe die grosse Einsicht vor, dass
die Wahrheit des Erkennens abhängig sei von den no t.h-
wendigen, unwandelbaren und durchaus all-
gemeinen Grundbestimmungen der Dinge; und
so scheint er auch Locke verstanden zu haben , ganz
ähnlich^ wie wir es bei Priestlei fanden (s. ob. S. 111.
112«). Aber der Mangel, die Erfolglosigkeit, ergaben sich
ebenso, wie bei Locke, gleich ursprünglich aus dem un-
zureichenden methodischen Benehiyen, dass ihm zum Auf-
suchen und Begründen jener ursprünglichen Principien
reflektirende Zergliederung der gegebenen zu-
sammengesetzten Begriffe hinreichend schien.
So entging ihm die Scharfe der Bestimmungen, durch
deren Entdeckung Kant den epochemachenden Umschwung
herbeigeführt hat : der durchgreifende Gegensatz des Ver-
nunflnothwendigen und Empirischen, des Apriorischen und
Aposteriorischen, welches hier principlos vermischt, und
nach seinen Erkenntnissquellen ungesondert, durcheinander
liegt.' Das Einfache, wie das Zusammengesetzte, ist glei-
cher Maassen nur empirisch gegeben; und allein der Ver-
sland sondert aus diesem das Einfache heraus, welches
somit, nach Lamberts ausdrücklicher Erklärung, als sol«
ches nur Erzeugniss des Verstandes ist.
Hiermit musste es ihm auch an einem durchgreifen-
den Kriterium zwischen Erfahrung und Denken oder, nach
Kants Ausdrucke, zwischen Sinnlichkeit und Verstand ge-
brechen: beider Inhalt ist überhaupt — nach Lambert —
gar nicht specifisch von einander unterschieden. Zu-
gleich hing damit auf das Tiefste zusammen der Mangel
an Unterscheidung zwischen analytischem und synthetischem
Denken, welchen Lambert freilich nur mit seinen Vor-
gängern aus der W o 1 f T sehen Schule tlieilte, und dessen
Wichtigkeit schon bei dieser Philosophie von uns nachgewie-
*
Lamberl. Reinianis. 161
sen worden tot (i^L ob. & 121.). Alles philosophische und
sonstigfe Denken ist ihm wesentfich nur ein analytisches
Aufsuchen der einfachen BegrilTe des Gegenstandes ; und
wenn mar (synthetischen) Wiederherstellung geschritten wer*
den soll, bleibt im Formellen des Syllogismus auch nur der
analytische Zusammenhang der Begrife übrig ; über den
wahren (objektiven) Grund der Synthesen aber ist <tte
Theorie selbst voUig im Dunkeln.
Bndlich beging Lambert bei dem zergliedernden
AttCsuchen der einfachen Begriffe denselben Fehler, welcher
sdion an Locke angewiesen worden ist; — aus dem-
selben Gmnde, weil beide den Charakter des Apriorischen
oder Vemunftallgemeiaen nicht kannten — : er hielt auch
solche Begriffe für nohleditliin einfoche und ursprüngliche,
die es nur für die Sinnenauffassnng sind, die aber vom
Verstände (dem Denken) sehr wohl in ihre Grundbestand*
theile aui^eiost, und auch an ihnen die Elemente des All-
gememen und des ZufiUigen aufgewiesen werden können.
— Und so müssen wir von Neuem auch diesem scharf«*
siuiigen, mit Ausdauer und Gründlichkeit durchgofuhrlen
Versuche einer Ericenntnisstheorie gegenüber, Kants Tiefe
and Geistespenetration bewundem, mit welcher er gleich
urBprünglich, dnreh scharfes Einleiten und Stellen der ersten«
Fragen, über die Verwimmgen seiner Vorgänger sich weit
Unwegliob.
Nach anderer Seite, aber tiefer and nachhaltiger, war
IL S. Reimarns ivirksam, nicht bloss als erneuernder
Begründer der natfiriichen Theologie auf der Grundlage
einer lebendigen und geistreichen Naturforschung nach der
Idee eines höchsten, in dem Weltganjen sich
realisirenden Zweckes, sondern auch durch die
berühmt gewordenen Fragmente über die Auferstehungsge«
schichte Christi, — sofern er deren Verfasser ist, indem sie
VfcQigstens setner ganzen philosophischen Richtung durch-
aus entsprechen würden. Bekannt ist die gewaltige Nach-
11
162 Brimanü.
Wifkung derselben im Priiicipieliep .iter dteteohen
Theologie, mockte dereinaelno Inhalt ihres Bebaiipliuii^rea
abßh eine v.oUsliwiIige Widerle^iift^ or&breri : vrm sie iiMless
aus dem Innerstrn seiner DenbiKei^i^ hervot^i^lMm konnleD,
ja, wenn er. sich mf den Uukreis der exeg^iisehen Studien
warf, aofar fast noUtwendjgf bervurpfeiieaMiifislen;, ist noch
käiztieh snt ^igen.
In seinen Abhandlungenuber di« vortiekm«-
sten Wabrhoilen dev natöoiliche« fteligion
(zuerst Hamburg 1754; 5ie Avfi, ebnuks. I78'i«)v iw er
den kosmologischieii und phyaikofteoiogisdien • Beweis ßlr
das Dasein Golles eu ntnieu undtimverwdUffrb«nifibix;ftgo->
bracht bat, ist :os- eigentlich Bin Hanplgodttiike, d«v sieb
durch die reiohenAusiulunmgenlhiMlanQhxieht, mUwolDhen
er jeno Wahrheit. teiklct4eit. Bs ist das PlK)bIem^ woiebes
auch Kant in) der. Kritik den taloologisoheni Urtheikkraft
zuitt Hauptmittüipuuki dorselbea machle! tüiq das orgaai«»
s.ohe und diis. v.erifiunft.igie Geschöpf habe enlslelien
können? — und die rntersuahung derrBsdiagungen, unter
wekjUen allein jene Grundtbatsachjejden.Wii^rbkeit
erkladiek ^«ird. '••*:.
Der. Anfang deaiO,iigaBtfohjeni imdi^VcnaniBigen kann
nioht naturlich: seiai «t-« aus dea blQtocn»QeAigangen
derAIatefid erklärt werdem; denn), in ihr, im ilnongaiiir-
sehen, kann weder das Princip des Lebens, einer zweck-
mässigen Organisation, noch weniger des Geistes und eiiit\s
ireibewussten Verknüpfens von Mitteln und Zwecken g« -
suekt werden: also aiu^manaiir Brkidriiiig nothwen-
dig eine ubematüriiche , verständige Unsactae voraussetaeit.
Die Thatseche des einaelnen Lebendigen fittrt auf ein durch-
greifendes AUleben, der endliche Geist auf eiaen- böchsteu
zurück: sie können'nur die einzehie Verursachung
jener unendlichen lebendigen und inteliigenten Gnindkrafl
sein.
Derselbe Gedanke liegt dem Beweise ilir das Dasein
Gottes ans der „Oleiohgültigkeit der Natur ge-
gen Existenz und Nichtexiatena^ zu Grunde. —
fteifMMmft 163
Voti jedcmf einzelnen Mnge in- der iiMimellen Sehdpftui^
itir sich Siebst cfefiomiNcii, ist es gleichgtHtig^ t>li e& nei oder
Weht : keines ist vm seiti selbst willen,^ als SelbMzweck, dih
faHsofeni hat also die mftlerieile Weit gar haiiie innere
|%is{sebe Vonkoimnenheit Dennoch stimmt sie, sweek'»
nfrissig , zu einem Ganzen zn&ammen v utiewohl j«des Ktn*
teht m ihr lAifki wirkt: so muss ekr Zweck in ihr ^^
halten sein , der in keinem ^setecnl Dingfe zu finden is^,
sondern antf einf Jens ei t« alles Einzelnen lie^ends^
Ziel hinwirkt.' Umideremirfindettden und vernönlP«'
t i g e n Geschäft willen können aHerdings einzelne nu>
drrger atmende WettsubstanjsieB Yorhanden sein; aber da
jene eben Mch an der ^ Gleichgwltigkejt fegeA EsistoofE
oder Nichleaiistenz« TheU hafeen, ebewsa gut web nieki sßb^
könnten, nn^nkhC minder ihretseils dem Weltziwecke dienen
müssen^: 90 lieg« dieser selbst über die letstorfi UnalHi, — : in
doppellem' Sinne : ehi schlechthin höchstes W?seti ist selber
dieses leCatO! Ziel aUer WeltgestBitong, ihr absohilcr S^weck^*^
md es harni nnr diesen Zweck derselben vorschreiben»
sie zu ihm hinteilen. So ist die leUose Nfttur >. wie die
belebte nnd vemtaftige, nur am der GottJieit .willen
toffkiMiABB , nnd mos« daher auch: v^ einer aoichen ihr
I^aseh» empfluigen habend Die Exiateoft denselben, i^l daher
ebenso gewiss , ab die Existenz^ einer 00' beschalfeneii
Welt ...
B^chlMswevth ist, diiss in der fotttentWendiuaiig dcf
Bewciseg' der Gedanke des zweekseita^ikden Gelten
s^eidi mft dem zweiten verschmihDty dass^ er eelbst dieser
«bsolvih »weck- der Wbli sei^ ^ gcffadeiwie wi^dier»
^be B^griffin^bindung«, nur aasgeMldeter und •selbslbe^
^«^Qsstar dunAgfefUirt , bei Hegel *) wiederfiiKten: die
•) Vorlesungen uber'die Be weUe'vbm DäseiB Got-
tes» Werke tf. S. 470» im allfif^nieineb ptiilosophbcben
ZHsammeiihangd beuftbeiit ia dv&Vetfi'.O ntoile^i e S. 4^ f.
UBtl in der Abbandlang: cur «pekulftiten Theologie
(Zeitfchrift fitr Philosopbie, Bd. Y^ H. 2. S. 208. 209)
164 BaiMinis.
endlichen Weltzwedce heben sich auf im absoluten Zwecke :
dieser ist der Geist, wie er aus dem Sichanderssein ^ in
der Natur, ewig zu sich selbst zuriiekk^rt. Wie nun
in der letztem, Heg eischen, Auffassung die höchste Be-
stimmung Gottes, als des Geistes, sich * noch nicht scharf
genug und mit bewusster Sicherheit aus pantheistisdier
Zweideutigkeit hetaufigelöntert hat, und aus diesem Grunde
absoluter Zweck und absolut Zwecksetzendes bei Hegel
ohne Weiteres zusammenfallt : so ist höchst charakteristisch
^n gianz Aehnliches auch hier, in dem deistischen
Begriffe Gottes , wieder zu finden ; und es tritt hier der
oft bemerkte Fall ein, dass die Gegensatze sich gleichen,
weil jedem von ihnen gerade Dasselbe, die entspre-
chende Gegenhälfte, fehlt. Jenem, wie diesem, geht näm-
lich in diesem Begriffsgebiete ab die wahrhaft beide Ex-
treme verbindende vollgefasste Idee des ebenso ubern^elt-
lichen, wie in'n er weltlichen Geistes Gottes, welches der
eigentliche Inhalt diristlicher Ldhre ist. Jenem, den
fiberweltlichen Geiste, bleibt daher das Prädikat des abso-
lut Zwecksetzenden ausschliesslich vorbehalten, während er
tugleidi es als den absoluten Zweck setzt, in die höchste
innerweltitche Einheit mit der Kreatur zu treten , wodurch
in dieser der Umkreis der Zwecke dennoch wieder ge-
tchlossen und zu jenem zurückgelenkt wurd.
Uebrigens ging R e i m a r u s von da aus zu einer voU-
fitändigen' Entwiddung der Attribute und Eigenschaften
Gottes über : er leitete jene ab aus den allgemeinen Be-
stimmungen eines scUeckhin nothwendigen Wesens, diese
aus den neihwendig^n Absichten , welche in dem Welt-
ganzen vorliegen. Besonders in letzterer Frage , über die
Stufenfolge und den harmonischen Zusammenhang der
Weltzwccke, sind seine Ausfuhrungen im grössten Sinne
einer reichen und sinnvollen Naturvergleichung, dem auch
das Einzelne dient , um den hohen Plan , die heilige Ord-
nung des Ganzen daran zu zeigen; und hierher ist auch
sein Werk: über die 'Kunsttriebe der Thiere
^Hamburg 1762.) zu ziehen , neben des altem WoUBaners
Reimanid. 165
G. P. Meier „Ycrsirch eines nonen Lohr|yobfiu<>-
des üi»er die Seele der Thiero« (HaUe 1750.) die
erste ßrobe einer kritischen Psychoiog-ie der Thierwcit. —
Es ist das Gedankenreichste und Beste , was auf dem Ge-
biete höherer Naturrorschung bis zur Epoche der Natur*
Philosophie geleistet worden ist, und selbst ein Kantianer *)
gestand R e i m a r u s zu , die Physikothoologie bis zu dem
Grade „moralischer Gewissheit^ erhoben zuhaben,
dessen sie nur fShig sei.
Und von diesem Standpunkte aus sind selbst seine ne--
gativen theologischen Bestrebungen zu bourtheilen. Dass
auch sie aus den lebendigsten Regungen der Frömmigkeit
hervorgegangen sind, kann seine „Vertheidigung des
Deismus^ zeigen; dass auch gewissenhane Erwägungen
gegen Andere dabei obwalteten, ergiebt sich, indem er,
wie uns der -Herausgeber der Fragpfiente, Lessing, be*
zeugt, sie ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt
hatte. Dennoch haben dieselben, auch gegen den Wüten
ihres Urhebers bekannt geworden, wie wir jetzt, nach der
vollen Uebersicht ihrer Wirkungen, wohl beurtheilen kön-
nen, auf die ganze Oekonomie des theologisch - wissen-
schaftlichen Lebens in Deutschland den förderlichsten Ein-
floss gehabt. Sie waren der erste darchgreifende Schritt
zur Nöthigung, die heilige Schrift, gleich allen andern hi-
storischen Urkunden, einer vollkommen voraussetzungsloseti
Kritik zu unterwerfen, in deren scharf abscheidender Ver-
ständigung ihr wahrhaft objektiver, göttlicher Inhalt in sei-
ner inwohnenden Kraft erscheinen kann.
Indem nun aber der Philosoph auf jenem Wege,
ans der Gewissheit des Weltzweckes, sich zur felscn-
starken Ueberzeugung von dem Dasein einer wcitschaffen-
<lcn Vernunft erhoben hat; konnte ihm das Aeusserliche
und Historische der Offenbarung , mit der Naturwidrigkeit
nnd Kleinlichkeit di;r Wunder, besonders mancher dersel*«
bon, nur anstössig, und jetzt, mit der lebendigen Gewiss^
*) Buhle Geschicbte der aeuera Ph^l94ü|}Ui# , iki. VI. S. 54l>^
i66 .Reimurus.
Jieft jeneh Einsichten verglichen, wehl überflQas^ <H*sohei-
noii. Dieses äusseriiche Beiwerk vertrug sich uicht wii
der erhabenen Gesetxlichkcit der Natur, deren Einsicht iha
•beg nsterte, und aaf die sich ihm die höchsten Wahiiiciten
.gründeten. £leine Kritik des Wunders vom Durchgänge
ider Juden durch das rolfae Meer ist in dieser Beaiehuag
lUassisch und opocbemachaid geworden ; der Beweis von
.sagenhafter AufschmuclLung eines urspränglidi natui^-
mässen Hergangs wurde mit einer kaum ahzuweiseodmi
JUarhelt dargelegt Aber auch das Auferstehungswunder,
gegen. wielches, als den Mittelpunkt des historisch-christli*
chen Glaubens, sich seine kritische Forschung richtete,
4Lonnto damals, in seiner starren Einzigkeit aufgefasst,
und entblAsst gehalten von allen weitem Analogieen lud
NaUirbetiehungen , kaum ein anderes Schicksal babem > -^
-nach dem Reohte .der Gründliehkeil und deg^
'Wissens.ohaft, welche nie aufhören wird, Aber diess
und Aehnlicbes in letzter Instanas ihren Ausspjruch zu thua:
.**-* und was spMer gegen jenes weUgeschiobtliclie Breig^
4mA Yorgebraobt worden ist, h9t auf die Kühnheit und
SindringlichkeiC dieser Erörterungen Beaug nehmen müssua«
Dennoch ruhte auch diese zweifelnde Polemik auf dem
grossartigen Vorsatse, die lebendige Götteserkenntnlss, dio
sich aus andern Quellen, als aus halbversicgten histori-
schen, ewig frisch wieder erneuem kann, in ihre alte KraA
zu setzen: was bedurfte es kanonischer Bücher, wenn die
Naiur, als die früheste und allgemeinste Offenbamng, von
Gottes Allmacht und Weisheit sprach 1 -^ Es ist diesH
überhaupt der bedeutungsvollste Conflikt, in welchem sich
das Universalste mil dem Allervermitteltesten, das Allgegeti-.
wartigste und Zugänglichste des Gottescrkennens mit der con-
^ntrirtesten Gestalt desselben berührt und vorerst in Wider-
sprach setzt. -^ Als der grosse Märtyrer des Gotteskultus in
der Natur, Giordano Bruno, zum Tode geführt wurde,
hielt ihm ein Dominikaner das Cmcifix mit den Worten
vor : ob er den Gekreuzigten als den wahren Gott erken.-?
nen wolle ? I)er Philosoph, in «einem stoiaen und ergebenen
RcimariM»« M» PopulfiiqibiMsopliic. 167
Heroinniis , wiMfc Semen ^Biiek niuwm von ihm i\h iti die
Weiten des Himinots, wo er seinen Gott hatte und wusste.
Derselbe Conflikt i\vs boidorseitigen Rechts, nur nickt
ED «lieser enchätteniden Höhe gesteigert, zieht sich auch
durch jene Kanipfe «nd Setracbtungen hindarch : die Yer-
nilthmg und AusfiUlung jener ungobenem lihifl hat diePhi-
losophie va öbemehmen, welche sie bis jetzt freilich meMr
zum Bewiisstsein gebracht, als vollendei xa haben sich
rahm(^ darf. Die erstie^ mir formelle Bedingung dafür
ist jedoch abermals die, dass die Speknlätion auch in Be«-
zug auf diese höchste md bedingteste Frage vöttig flr€<,
Ton jedem geheimen oder •ofiRuien Autoritätsglauben eroan-
cipiit, sieh wisse. Und so war auch ühr K a n t und seine
ganze Schale die durch jenes Beispiel geweckte freiert^
Behandlung Her theologischen Dogmen von dem grössten
Einfluss : ohne dasselbe «nd die davon ausgegangenen Im-
pulse hatte Kant kaum daran denken dftribn, mit seiner
noralischen Auslegung der dogmatischen, ja hi-
storischen Lehren des Chhstenlhums h&tvotmtteien.
Mit M. Mendelssohn war der Wolfiianismus in die
eigentliche Popularphjlosophie äbergeganj^en. Von
jedem hat Hegel gesagt*), dass es für ihn Nichts b,odurft
halte , als die steife Form abjsuschfltteln , um seinen inhaU
als selber popularpfaUosephischen darzulegen: er rede un-
Sfiim gewöhi^licben ßcwusstseio zu Monde, und lege es als
den letzton Haassstab der Wahrheil an. Bui
Spinosa dagegen sei die abslruse, Form in der That er-
füllt von Uefem spekulativem Inhalte y daher der Substanz
flach unpopulär und der gewöhnlichen Denkwelse durchaus
enlgegengeselzt •— Was nun die Principicn der WolfF-
^hea Philosophie , vornehmlich seiner Metaphysik betrifil,
*) \u rieft un gen ii b er Geschichte dr r IMiilosuph ie.
Bd. Itl. S. 481. vgl 529. und in gegenwärtigem Werke oben
S. 119. 20.
168 Di0 Populaiphik)sopliie.
so kann die vorhergebende Chavftkteristik dazu dienen,
das Urtheil über ihren wissenschaftlichen Charakter fest-
suslellen. Doch ist es treffend von Hegel bemerkt, dass
sie, im Ausgangspunkte wenigstens, die Voraussetzungen des
gemeinen Menschenverstandes keinesweges übersckraCel,
weil in der That nur die im Bewusstsein gegebenen,
;Eiun AllgemeinbegrüF erhobenen Vorstellungen ihren Inhalt
ausmachen (vgl S. 120. f.)-
In der eigentlichen Po^ularphilosophie tritt je^
doch zu allem Jenen noch ein anderes sehr besdnuntes
Element hinzu, um ihr eine neue, unterscheidende Färbung zu
geben. Zugleich ist es weit mehr aus der Reaktion gegen
die Wo 1 f rsche Philosophie, als im Einverständnisse mit ihr,
erwachsen ; auch ; zeigt es in seiner Ursprünglichkeit und
Frische weit grössere Verwandtschaft zur K a n t i sehen
Richtung, und mehr noch zu dem endlichen Resultate der-
selben, jedes metaphysische Erkennen zu läugnen, ja
es hat ihr den Eingang im Zeitalter weit mehr vorbereitet,
als die gewöhnUehe Meinung hat zsugeben wollen!
Popularphilosophio verdient zu heissen die Neigung,
das Philosophiren nur auf diejenigen Gegenstände der For-
schung einzuschränken, welche den Menschen angehen,
deren Erkenntniss ihm das Wichtigste sein muss, oder
auch die ihm heilsam, nutzlich werden können. Wenn
wir hiernach jedoch den Sinn der drei Fragen erwägen,
in welchen Kant Inhalt und Zweck seiner Philosophie zu-
sammendrängte: „Was kann ich wissen; was soll
ieh thun; was darfich hoffen?** — so sehen wir
aufs Eigentlichste, in Wahrheit aber auch auf das Berech-
tigtste, nur den Zweck der Popularphilosophie ausgespro-
chisn. Denn dass der Mensch sich selbst erkenne, isl
immerdar für den ersten Antrieb, wie für das wahre Ende
aBes Forschens zu halten. Nur besteht der Fehler , den
jene begehen, darin, dass sie venneinen, eine solche voll-
standige Selbsterkenntnis s. des Menschen, des ver-
.mitteltesten Weltwesens, könne gelingen ^ ohne ein durch-
greifendes Verstandniss der Welt und ihres Urhebers.
Die PopoIaTpIuloMjphie. Mendelssohn. 169
Aber Aesen Mtassstab einnftal geMomen, Alii>«M
Iniialle dei Philosc^Uie asn rechnen, was den MeMchon
wichtig oder — iratzlich werden ktm ; --- mnsste die
breiteste FuUe der Bestrebmigen , nnd die aneikennendste
Toleranz derselben, sieh der Philosophie benlohtigen* Diess
büi danal» in Dealschland Statt, irte es fast gteioheeMjg^
in Frankreich geschehen war, wo ma» Völlair«^',
D'Alemberf s, Diderofs vielgestaltij^ Ei^iessnngeH
und Bpfcrionen anbedenklich ^lEosophiseh namle, und
sie selbst zn den PhHosophen rechnete* j— i . t. .i.
Doch müssen auch hier virie MtlelrtnfiBn nntenlckre^
den werden : von jenen an, wdche, durch ligend eideii Pa^
den mii eigentlicher Spekulation noch veriiunden, an ihrer
Grame standen, oder nur einem begränzten Kreise phfk^*
sophischer Untersuchung ihre Thfitigheit guwandtent, lu^
auch unsere Epoche kennt vocaiglichQ Mimler ^ieseb Gha^
nklers, — bis zu denen herab, wefehe die ToHcsmiss^on
Zwedce der Lehensweisheit, Nuft2Uchkml.oder Erbäidichkeit
zum Gegenstande ihrer Schrißsftdlerei machteiL * Diese
beiden Anssenenden mochten am . IkreffendateA durch
Mendelssohn und Engel repraseatirt sein, während
6 a r V e in der reinen, sittlich, harmonischen Gidtur seines
Lebens und seiner Werke, Sulzer, — abgesehen ron
seinen encykIopädisch-*litterarischen Verdiensten. -^ in dem
Terwandten Streben, die wichtigsten praktischen Wahr.4
beiten (den Glauben an Gott und IMsterblichkeit) zu
erweisen und fossHch an's Herz zu. legen, Basedow»
auch als Philosoph mit derber AuCdringlichkeit das Allge^
tamaülßige und den verstandigett Glauben, anpreisend, die
bezeichnendsten Uebergangsgestalten bilden würden.
Unter ihnen hatte ohne Zweifel der Zuerstgenannte,
Mendelssohn, den höchsten und \Vürdigsten Begriff
von der Philosophie, als mächtigem Bilduhgsmiltc), wie als
der Wissenschaft vom höchsten Ziele, Er glaubte , ihre
wahre Bestimmung sei, die beiden wichtigsten Lehren für
den Menschen , die vom Dasein Gottes und von -der per-
sonlichen Fortdauer mit Vergeltung, zu einer so lebendigen
170 .>.. i ' JieMMmibii.
» 'f •
ZweiM »4anHi ' ülMrif bleibe., ihiss zagMdi anck praküsck
das ^Uulmn^jrUdiu Ikuflisateein daTon ims immer gfcgcwmr-
4igffeicA'#ii. (liier iAds^müs» die Phikwophiif» die «loreKsctte
llmsehtrfrttQgMdbs.tMshiiokeiigesdilei^ Jwwivlceii, welishe
«itf atid«l«i>W#ge nicht utiiigftch worde. Damits. c^lrtuadm
UM fneüiob /^em iSelhsMllu^iotten doB iDemonsIriveiis , jener
fmne^smtus 4er VumunfbHeiawahriiüU, walclie Jtcobi*)
bo iklQSäiwfh ibdteclt beUmpOe^ und trodurdi anck filr ms
nach der gewöhuUclien Ddteclffeferuag das Bild jenes tviA'
getiDonkersrioiMi )Mscb^ fsemdartigen Mebenmg erhai-
ieni hati flnrQOibi selber hätte vidietcht ein getkideres
iMh0U igefallt.i^ itom imht di6 Zosammenmischnng II en-
delsso-hns mit üicolaii, Biesler, und den sehrttbsoils
von Mva irtiflensdhnftlichen Zwrecken liegenden Bestrebon^
geiDder BoDlinier Mon^tschri'ft <tte Sielhuig des
Entem fßtitk tm Anfang des Sampfes >zireidetttig gemacht
hätte« .Br.ätiitt AitdentDen der Nach«««!!; an seinen FreuH
dentam Gmiide .gegangen^
Uebrigttas hal! er «s m jenen HanptfiragetS 4(e ihn ke^
sobäftiglen, !init setaiem demdnstnrenden Bemühen mcht sn
frischer driginalltäft^ nur ku übersteigerten SaUÜilileii \g^
bracht ; dodi war die AnmuCh, Wärme und Klarheit seines
H^orfmgiH» \»n iünrcissender Wirkung; nach dem Ei^ug--
nisse"« Hamann bi!s (in seinem Briefweohscrmit Jaeeki:
ilferkn, Bd. fV. Abth^ 30 , hielt sogar Kaut som\ M o r-
gensinnd^n inr ein klassiseiios Worte von der gläcktich-
sten iPapukirtlit ^ auf wielches er am dieser Eigensohaflen
willen fast aüt- Meid bückte; — wie sehr jedoch Kant
*) „Einig« ßeine<rkuugea über den frummen Betrug
uuil über eiae Vernuuft, welche nicht die Ver-
uüuri ist« (Werke Bd. 11. 5.497.98.]; „Schreibeu an
Nicolai'« (Ebenda«. S. 511.); ,,wider Mendelssohns
Beschuldigungen, in dessen Sehr eiben an die
Freund« Lesting^* <iULfV. Abth. 2. S«176.ff. 251.254^
26a bis «um Ende))..
Skb PopiliiyMoi^t^te, 1171
sdber die ^yonlAge eines populären Verifafe« iMviuimkl»
und iliRf«! nachfllrebfe^ ist aus der klaren Anmiitlll sifin^ß
Stils in den kleinen Ablumdlongen zn ersehen.
Hier ist nättlMi nooii eines andern wesentlichen Sti^sß
ni erwMmtm. Brst vor Ameai hitlen die I>euttf0bei|,
dnrch einige gi^osse €iefiien g<eive<4Kt.^ dbr schönen Fem,
^r gefeBdeteh i)aff8tellanf AeUsanheil .zaKawejaden ungOt-
ftnge« : es -wnrie Streben «nd «Rtdun , gut 'zn ^ohreibeji^
und selbst das grandKoh Gedachte soliie , ieidil vorgetr^
gen, Tom Scindslaabe .Nichts meinr an sich haben» Da man
aber «ehr bald bemerkte ^ dass tdiess leichter afi sieh sn
bringen sei, als jene sotaiere'GelstQsbigensdiaft,; da^igleioh
der Trieb, sieh zu belehren,, so wie .dnnAnUgemejae.'Kiiltoif,
natofgemasaeve Ersiehmig , Bildung der untem Stdnde<i «Okr
sich iDid "die Andern eiaMi bessern iSusland hariMMMlubaeiw
die lebhafteste ndlnahme fand, und eigentüeh idas (CiMig
flügemeine Band wlinle., weiobes 4ie Matieo nitUen ;iHiMr
iliNn kireUfehen und p«itti6chan fipnMnngen vec0inigle ; 4a
man zugleich mit Reclit diesB ne«eFwachle Stsehen si^b pis
weltbtigerlich, hunanitaUnrdemd, ^ i^MasepUscjk beas^ich^
nea dnrfte: so bot sich den vielen regsamen 'neilenlee. Jiein
besserer sekiftstellerischer Stoff an, als Reflesioaon .4tNV*
mancherlei Gegenstände der cri^enieiaea BUdung Miei>-
gchdpflich an's Licht zn fördern , die , in der FprNi Kleiner
Abhandhingen, Gesprftdbe , Briefe , oder in der Gi^stolk des
damals gerade anfgekommenen philosophischen liomanSi mit
Geist mid Wftnne daigestotU, die grösste Wirkwg nicht
verfehien konnten, und so nun, als die wahrhaft gedcibUr
che Philosophie , dem müssig trockneu SpekuUrcn der M-
hem Keit entgegengesetzt wurden.
Diese Epoche, die wir etwa von den Jahre4i 1770 bis
1785 selben können, brachte daher eine solche Mengi^ phi-
losophischer Schriften an*^ ticht» dass die blossen Ver-
zeichnisse derselben ganze bände fällen. ^) Als das
• m m tm
*)So„Kyxi|ig» Varzetchiaisf ilet'jenkj^eu S,chriiteu,
wslche die Litteratur der j>hilosQphi«ph^it< uuil
172 Oh^ Pepobnipftilosophia.
*
börOhiirteite und ansgezcichiietste Werk dieser Art wire
wohl Bttg^ls Philosoph für die Welt zb llenll^^
das, wenn auch der Zeit nach etwas spfiter, deiiiioch jene
guae BMdungfsepoche völlig charakieristasoh beBdichnet : es
ist die höchste Reife und kunstleriscbe Gediegenheit sokrati<-
scher Form bei völliger Armuth oder riiapsodischer Willkühr
des Gehahs. Ueberhaupt aber war es eine Zeit der psycho«-
togtschen Selbstbeobachtungen, des ASwftgens moralischer
Zustände und ColKsionen: man erörterte ausdrucklich Ge*
•AUe und Stimmungen, über die sich ein gesunder, leben»-
thStiger Sinn unbewusst hinwegsetzt, und beforderte so, als
eigentliche Weisheit und Bildung, eine philosophische Lebens^
künstelei y von der wir jetzt , bei dem Drange und der
Grösse der aHgemeinen Interessen, schwer einen Begriff hal-
ben. Dass aber die ersten Geister der Kation so inhalt^
nnd marklosem Selbsterforschen sieh hingaben , ja d«rin
ihr vorangingen, zeigt besonders auch dte damalige Richtung
'der ästhetischen Litteratur : wir brauchen nur an W iela n:d,
und an seinen deutschen Merkur, an das' deutsche
Museum und Aehnliches zu erinnern ; auch G ö t h e* s
voHgewichtige Charakteristiken mancher seiner berühmten
Zettgenossen treffen auf das Bestimmteste diesen Punkt.
SeH>st Jacobi*s pratensionsvoUo Romane lassen sich nur
in diesem Zusammenhange verstehen; sie sind, wiewohl
durcb ihren Inhalt völlig veraltet und uns fremd geworden,
doch ein unschätzbares Zeugniss dafür , was die zuhöchst
Gebildeten damals als das Nöthigste und Wichtigste be-
schäftigte.
■■■« ■■.■■ » - ^
schönen Wissenschaften und ILünste in den Jab-
res 1775 u. 1776 ausmachen«; Göttingen 1776. u.
1778. 8. oder: ,,Hissmann's Anleitung zur Kenntniss
der auserlesenen philosophischen Litteratur*';
Göttingen 1778. Dazu noch das aus dem Allg. Rnperto-
rium d. Jen. Litteraturzeitung abgedruckte „systematische
Verzeichnissder in derphil. Litteratur in den
Jahren 1789—1790 herausgekommenen Schriften;"
Jena 1795. 4. u. s. w.
Die Popiilaiplülo80|riiie. 173
Dennoch können wir in der Allgemeinheit jenes Bil-
dangsregen und Streben nnr als ein bedeutendes und glück-
liches preisen ! Es war das erste Anfathmen unserer Na-
tion aus mancherlei Druck und Geistesbeengung , und die
Früchte davon wirken noch , als Grundvoraussetzung , in
die Gegenwart hinein. Aber mehr noch: — Wer könnte
die tiere Analogie verkennen zwischen der damaligen und
der gegenwärtigen Bildungsepoche, die, gleichfalls epigo-
nenmässig auf eine bedeutende Vergangenheit zurück-
blickend, zugleich das Bedflriniss und das Bewusstsein hat,
einem völlig neuen Umschwünge entgegenzugehen? Damals
war der eigentlich bewusstc Hebel dafür Kant, der, in-
dem er alle Elemente der geistigen Vergangenheit in sich
zosammenfasste , dadurch tüchtig wurde , diese über sich
hinauszusteigem. Aber auch jetzt ist die Einsicht fest und
anabweisbar geworden ^ dass die schweren Zeitfragen nur
durch die Wissenschaft , durch die tiefSste Reife der Philo-
sophie gelöst werden können.
t)'"r '.
(
Zweites Buch.
Kant und Jacobi.
Versuchte Vermittelung Beider.
• t ■
I« Ran f.
Mit iloppellcm Ernste und erneuerlcr Anslrcnginig na-
hen wir dem PhilDsophcn, mit wclcliem eine neue Epoche,
und ein frischer Aufschwung der Spekularion beginnt; aber
desshalb auch mit höchster Bedachtsamkeit^ Denn wie wir
Kant im Vorhergehenden nach allen den Seiten betrach-
teten^ die sein Verhältniss zu seinen Vorgangern enthielt:
so gehen wir jetÄl dazu, eben so vollständig sein Verhält-
niss zur Gegenwart zu erkennen» Unsere eigene phi-
losophische Zeit ist aber noch in der Entwicklung begrif»
fen , die von ihm ausging ; sie hat sich auf jede Weise,
sei's durch ihn oder an ihm, herangebildet Wie dIesQ
Ent^vicklung sdbst aber noch nicht abgelaufen ist ; so ge-
hört auch Jener Philosoph, welcher ihren Anfang bezeich-
net, in diesem Sinne für uns der eigentlichen Vergangen-
heit --« der Gesqkichte — » noch nicht an» So könnten
wir insgesammt eigentlich noch Richter in der eigenen
Sache erscheinen^ und hatten uns daher fast als befangene
zu denken, indem Wir über Kant und dessen Einfluss auf
seine Nachfolger ein Urtheil Zu fallen im JÖegrifT sind«
Daher ist es auch noch zu kemem Endurtheile' über
seine Philosophie gekommen, sondern, je nachdem der Weg
ist, welchen man von ihm auis weiter eingeschlagen , dar-
nach bestimmen sich auch der Werth und die Bedeutung,
12
17H Kant.
wolclio man seiner Philosophie im . Ganzen , wie den ein-
zelneu Resultaten derselben beilegt.
Indem daher iur ein gründliches Yersländniss der phi-
losophischen Gegenwart diese Untersuchung weder abge-
wiesen noch aufgeschoben werden kann ; ist es hier vor
Allem nöthig, Kant aus sich selbst sich darstellen zulas-
sen , damit wir seine ganze wissenschartliche Entwicklung
nochmals mit ihm zu wiederholen im Stande sind, nach
ihrem ersten Beginne, nach ihren nolhwcndigen Konse-
quenzen , und nach dem Resultate , bis zu welchem er an
seinem Thcile gelangt isL
Den Inhalt seiner einzelnen Lehren können wir dabei
indess in jedem Sinne als bekannt voraussetzen ^ da in
neuerer Zeit, Lockern etwa abgerechnet, kein Philosoph
auf philosophische Denkart und Sprache, ja auf moralische
und religiöse Gesinnung so allgemein eingewirkt haben
möchte, als K a n L Und wenn sich auch jetzt die Meisten
düsserlich von ihm losgesagt haben mögen , und in alle
Wege ihn tu tibertreffen behaupten ; sehen wir nur recht
hin: — so sind es fast immer noch Sprösslinge aus der
mächtigen Wurzel K a n t i scher Grundansicht! Und in der
That, worüber ist auch jelzo noch (1828) die Mehrzahl der
Wü^senschaflliöhen einverstandener, was wird durch Theo-
Vieen und' Beweise aller Art mannichfacher dargestellt und
verlheidigt,. flis die Ansicht: von der Subjektivität alles Be-
* * * * t
wusstseifis , die Lehre , dass die höchsten Wahrheiten nur
in der l^onn des Glaubens oder der Ahnung , nicht aber
in freier, ivi^senschaftlicher Erkcnntniss zu erfassen seien ;
woran wir nur eben jene bezeichnete* Grundansicht wie-
derfinden. Kant traf mit seiner Lehre, wie gezeigt worden,
eigentlich das Bodürfniss seiner Zeit; er brachte darin nur
den Kern damaliger Bildung und Denkart zu wissenschaft-
lichem Ansdruek, das Bewusstsein und die Uebermacht des
Subjektiven , welches man auch theoretisch einmal zum
Mittelpunkt erheben musste, „nach dessen Beschaffenheit^
sich auch die G.egenstande für dasselbe zn richten haben.
(K«nts Kritik der reinen Vernunft, Vorrede S. XVL XVIL
Kant. t79
otn And.)- ^^^ so konnte es nicht fehlen, Anns er das
Haupt des ganzen Zeitalters wurde^ wahrend selbst Leib»-
n i t z , einige philosophische Begriffe und Ausdrucke abge-
rechnet, die durch ihn in Umlauf kamen, mit seiner inner**
sten Denkart eigentlich gar wenig auf seine Zeit und auch
nachher eingewirkt hat
Während daher der Bericht darüber , Was K a n t im
Einzelnen gelehrt, hier keine besondtere Wichtigkeit hat ;
so müssen wir um so genauer auf die F o r m achten , wie
es gelehrt worden, was die allgemeinen Prämissen seiner
Lehre seien; eine Untersuchung, die auch noch jetzt von
bedeutenden Folgen sein möchte. Ist es nämlich überhaupt
schon lehrreich, einem der besonnensten Denker in die
Werkstatt seiner Untersuchungen nachzudrmgen*, tind zu
sehen, wie die erste kleine Unachtsamkeit nachher im Porl>^
gange zu einem grossen Fehler' in der gtmzen Rechnung
ausschlägt, wie eben die Konsequenz des Verfolgens den
ganzen Gesichtspunkt verrückt: — so wird diesshier dop-
pelt wichtig, wenn die daraus entwidcelte Ansicht epoche-
machend geworden , und wenn sie noch jetzt den bedeu-
tendsten Einfluss auf die wissenschaftliche Denkart defi
Zeitalters übt. Und es sei bekannt, das^ wir eben in die^
scr Beziehung eine gründliche Untersuchung auch jetzt noch
für verdienstlich halten. Jedermann weiss, dass Kant un-
ter uns Nachfolger gefunden, die, wie sie behaupteten, im
ächten Geiste des Stifters den Kriticismus weiter auszahlt-
den und zu vollenden suchten: sie haben steh dabei vom
Buchstaben KanTs zu befreien gewusst, und die theoreti^
sehe Philosophie in stetigerer Entwicklung, die praktische
ohne Hülfe der Kantischen Postulate dargestellt. Aber
wie sie es selbst sagen, der Geist, der ganze Stand-
punkt ist derselbe geblieben. Und um diesen Geist zn
treffen , nicht bloss den immer wandelbaren Buchstaben',
schien es uns hier vor Allem nothig, tiefer einzugehen
in die Entwicklung der ersten Principien , auf die K a n 4
seinen Idealismus gegründet; mit diesen aber stehen oder
fallen auch seine unmittelbaren Nachfolger I Und eben in
180: Anfangsfragcn
r
dieser Beziciiung möchten wir die Letzteren bitten^ der
nachfolgenden Untersuchung einige Achtsamkeit zu schen-
ken, die ihre Absicht nicht verhehlt, auch sie selbst in
ihrem Besitzslande anzugreifen. Möchten sie in bestimmter
wisscnscbafUicher Erwiederung entweder mit unsern Grün-
den sich einverstanden erklären, oder scharf uns den Punkt
bezeichnen , wo wir Kant, dem Geist oder dem Worto
nach, ihnen falsch gedeutet zu haben scheinen; eine
Erörterung, wobei unseres Krachtens die wissenschaftliche
Klarheit, wie die allgemeine Verständigung, nur gewinnen
kann.
Kant, durch Hume angeregt, welcher die Nothwen-
digkeit der Synlhosis von Ursache und >\'irkung angegrii-
fen hatte, mici^te das hierßus erwachsende rrobleni in ei-
Iie4ii höhern (iiesichtspunkt zu fassen , und gleichsam unter
eine allgemeinere Formel zu bringen. — All(*s Erkennen
ist ein Synth esirei\, — Beziehen einer Mannichfaltigkeit
von Bestimmungen auf innere Einheit ; und selbst da>
Annlysir^n — das sondernde zum Bewusstseia Bringen
des MannichfaUigeQ — setzt gegebene S y n l h e s i s vor-
aus. Allgemeiner kann also gefragt werden, und j(mer
Hume'sche Zweifel gegen die objektive Gültigkeit eines
synthetischen Verknöpfens von Ursache und Wirkung ist
Zugleich darin befasst, wie überhaupt ein Synthesiren mög-
lich sei? Unmittelbar freilich bietet die Wahrnehmung
fertige Synthesen dar: aber von diesen kann in Bezug
auf wahrhaft wissensch^lUiches Erkennen nicht die Rode
sein ; hier ist die Sya^hesis gegeben, erscheint also als z u-
failig — auch anders isein könnend. Jene Frage bedeu-
tet dahor e^entlich nur, wie nothwendige, vom Be-
wusstseinder Jfoth wendigkeit begleitete Synthesen in
unserm Erkennen möglich seien, und welches das Priiicip
derseU^ii. Und indem Kant diess ab dasjenige bezeich-
net, wojffiuf Alles ankomme, hat er darin allerdings auf das
höchste Prpl^lem, auf das wahre Ur- und Grundwunder
der Kritik der reinen Vernunft. 18 t
alles Seins und Wissens hingedculol r wie nämlich das
Mann ichfaU ige dennoch das Eine, darin mit sich
identisch Bleibende, Einheit umgekehrt ein synthe-
tisch Mannichfaltiges zu sein vcnm^ge, wie dieser
urspriingliciisrc Gegensatz vereinigt in allen Dingen zii
])os:reifen sei? — Und wenn auch die Lösung* der FraßO
ihm nicht in höchster Instanz gelungen ist; dennoch be-
währte er dadurch seinen eben so tiefen als umfassenden '
Blick, gleich Anfangs den innersieh Mittelpunkt^ aller Spe-
kulation so scharf bezeichnet zu haben;
Hier machen sich von selbst die Kan tischen Defini-
tionen des apriori und apostetiöri geltend : Jenes ist nach
seinen Worten das vom Bewusstsein „der Noth wen-
digkeit und strengen Allgemeinheit« Begleitete;
diess das als zufällig (auch anders scfti könnend) im Be-
wusstsein Gegebene, welches, auch zur Erfahrung gesttji-
gerl, immer nur den Charakter „comparati vcr Allge-
meinheit** behalten kann. (Kr. der reinen Vernunft,
Einl. II. S. 3. 4.).
Gleich Anfangs lässt er in der durchaus merkwürdigen
Vorrede zur ersten Kritik (S. XVL) uns einen wichtigen
und geistvollen Vorblick thun in seine ganze spekulative
Ansicht: Bisher habe man immer geglaubt, alle Erkennt-
niss müsse sich nach den Gegenstanden richten; daransei
aber jede Eiitlänmg eines apriorischen Wissens von den-
selben nothwendig gescheitert. Man solle mit ihm nun um-
gekehrt versuchen, ob es nicht besser gelinge, wenn man
annehme, dass die Gegenstände sich nach der
Erkenn tnis.s richten, wodurch die allgemeine Mög-
lichkeit einer apriorischen Wissenschaft sich wenigstens
vorläufig einsehen lasse. Und passend kann er dabei an
Copern.ikus erinnern, dessen Genie eben auch durch
kuiinc Umkehiiing der gewohnten Ansicht vom Weltsystem«
das unerwartete Licht hervorrief. — Die Gegenstände em-
pfangen, was an ihnen aprioiisch (Yiothwendig^ ist, aus
dem Geiste : dieser prägt in ihnen seine eigenen ursprüng-
lichen Erkenntnissformcn und Gesetze aus, stellt sich selbst
18t AaraogsGrageu
und seine Natur dar an ihnen; ein Idealismus von kühner
und durchgreifender Konsequenz, der aber oiTenbar zugleich
einer umfassendem Deutung fähig ist. Abstrabiren wir
naroüch von dem Ausdruclie, den jene Ansicht bei Kant
zunächst annahm, dass, weil die Dinge an sich in die sub-
jektiv-apriorischen Formen des Geistes aufgenommen wer*
den, die gegenständliche Welt nur als subjektive Erschei-
nung eines objektiv unerkennbaren Dinges an sich
anzusehen, der Geist also überhaupt nur subjektiver
Wahrheit ßhig sei : so ergiebt sich der umfassendere Sina
derselben, dass, formal ausgedruckt, die Gesetze des Gei-
stes eben zugleich die der Dinge sind, dass also Creist
UAd Dinge, Subjektives und Objektives, nur Eine Welt, ein
Ihrem Princip und ihrer innem Natur nach Identisches
ausmachen ; dass aber ferner diess Princip in allem
Wirklichein eben darum nur von intelligiblcr Natur,
ein an siclf Vernünftiges sei; und endlich, dass diess
bewusstlos, wie bewusst Vemünllige, in den Dingen, wo-
durch sie allein Eins werden und zum Universum sich voll-
enden, allein sich gründen könne auf ein absolut All-
und Selj^stbewusstes , dass die That seines Schaffens nur
als die selbstbewusst intelligible eines Urpcrsöiiiichen zu
denken sei ; wodurch nicht nur der spekulative Umschwung
in Schellingundim Hegel sehen Principe, sondern auch
dasjenige, was noch einen nothwendigen Schritt weiter auf
der Bahn jenes universalen Idealismus führt, in die Per-
spektive des K a n t i sehen Ausgangspunktes gerückt ist. ---
Zu dieser Untersuchung über d^s Princip alles
apriorischen Efkonnens, oder über die Möglichkeit einer
apriorischen Wissenschaft, mithin überhaupt auch aller
spekulativen Philosophie (was demnach »ein Traktat
über die 31ethodo, keineswegs das System
der Wissenschaft selbst« wäi^: Vorn S. XXU.*)),
*} Woiu auch, als f laupttteile, der sif beute Abscliuiii drr
Eiuleiluug zu verj^leiciieii ist. — Kheuso i^etat K a ii i iu d-'U
„Proiei;ouieuen zu ciuer küuftigeu Mf^tuphyiilk'* seiue
der KtiHk der reinen Vemmift. |83
bedafr es einer •vdUstAndigenZerfUQdeniiig' ^^ eUmJI^Kh
tik*^ des gfesammteA £rke-nfttnissvermQ.g«fi.;^j
um dos Aprioritfche desselben vom Aposteriocischep ^o)||f
ständig scheiden zu können.
Doch was ist für Kant Erkcnten oder Bcwusstfeln
Oberhaupt? — Znersl;soU namlicb nach logischar Re-
gel das GenereUe angegeben werden, bevor man z^.si^ipi^n
specieiien Unterscheidungen fortsctureitet Die^ hsit jj^aftt
unterlassen, ohne Zweifel^ weil c^. ihm äbe|:flüs$ig schle|i^
das noch besonders xn «mtem , worüber Alle v mit, ihpn
einveratanden seien. Und Aüfengs scheint er a^ch in Ait^
ser Beziehung ganz Eine^ Sinnes zu sein mit d^r gewöh%
liehen Ansicht: indem aber das Resultat seiner Ttiefirii;
dieselbe völlig aufhebt, und ihc widerspricht; so. eutsteljil
das eigene Verhältniss, dass er dafgenige zum B#hufe seij-
iier Theorie vorausset;(t, und sie seljbsl darauf haut, was in
ihrem Fortgange durch dieselbe . ausdrucklich negirt und
aufgehoben wird: sie ^rslort unter sich selbst den Bod^
riitprsuchiingpn, als vorläufige, der eigenlUdieii Uieoretiscbeo
Philosophie ansdrAcHIicli eDtgegen ; und in der ersten KhHlL
selbst, wo er von den' Definitionen der Kategor ieen redet, .^t*-
innert er, da«s cUese nicht io die gegenwärtige Ivntersucbuug^
die Met hod enlei) re, sondern in das System der Ver-
nunft selbst hineingeboren (S. 108. 109.]} welches System
er aUo durch die Kritik npch nicht ^aufgestrlU zu haben bc^-
hauptele, mid zwar offenbar nicht bloss in Rücksicht anf die
Vollständigkeit der Untersuchung, indem etwa die prak^
tische Veniunfl und die UrtheilskraCt darin »ooh aidit erör-
tert sei, sondern gar eigentlich in Bucksichi auf 4i^ Form
und auf die Behandluag» indejyi die Uniar&uchuug nur als
eine Vorarbeit für das künftige System der Wissenschaft
anzusehen sei. — Späterhin scheint sich diese Unterscheidung
iodess bei ihm selbst und in seiner Schule immer mehr Ter*
loren zu haben: und zuletzt kam es bei dieier sogar tu d(1r
Behauptung, dass jene Untersuchung über die ,/Methode"
die theoretische Philosophie selber sei, ausser welcher schlecht«
hin keine andere Statt finde, noch auch nur als ni>ich ge-
dacht werden könne» -'
184 Anscbauimg — Reco^ilfit
worauf sie sich gn^gfrilndel hat; ein Widerstreit, aitf de»
ichon Jacobi hindeutete, indem er sagte, dassman ohne
«
die Voraussetzungen des gcAieinen Menschenrerstandes in
das Kan tische System nicht hineinicoiBmen , mit densel«
t>en aber in ihm nteht verharren könne.
Denn vernehmen wir nur : Das Unmittelbare alles Er-
kennens ist „Ansehauunjt^, welche nur dadurch möglicfa
ist, dass „uns ein Gegenstand gegeben wird^, d. h. dass
et" unser Gemflth auf eine bestimmte Weise afficirt, —
„Die Fähigkeit (Rec epil vi tat), Vorsteilungen durch die
Atrt, wie wir von Gegenständen aRicirt werden, zu bdcom«-
men , heisst Sinnlichkeit. <^ „ Vermittelst der Sinnlidi*
kbit also \)^erden uns Gegenstfinde gegeben, sie liefert
nhs Anschauungen^, u. s, w. *) -^ Alles Denkern
(Bilden von BegriObn) muss sieh ab^r suictzt auf An*
l^haunngen, also auf das durch Sinnlichkeit Gegebene, bc-*
sieben; Ansdiauung ist daher überhaupt das Urspröngliche
alles Bewusstseins, wovon das Erkennen anliebt, worauf es
fusst und überall sich gründet.
Fragen wir,; daher Kant, was ihm Erkennen an sich
bedeute, und er wird nach dfesen Prämissen nur antwor«.
ten können: Es ist ursprünglich ein Vermögen, Vorstek.
fcingen zu empfangen; ein „Zu-sammengesetistes^
aus dem> was wir durch Eindrücke empfangen (Recepti«
vi tat), und dem, was unser eigenes ErkennlnissyermögTen,
durch jene bloss veranls^sst , aus sich selbst heigiebt,
wdohes aber,, an sich selbst leer, sich unmitlclbar auf die
Weit der Objekte t^edeht, durch welche affioirt, es
Anscbauungen erhalt, die durch Denken von ihm zu
Begriffen erhoben werden**). Und dass diess nicht
bloss vorläufige Accommodatfon und Anknüpfung an diu
gewöhnliche Vorstellung sei, die nadibor widerlegt werden
soll» beweist, da^s er jfpüter uirgeads der^^elbeu ausdrück-«
•) kk a. r. V. s. aa. .
♦•) Kr. U. r, V. S. 1-6.
ÄMdiiniang — Receptivikat. 18&
lieh widerspricht, sondern auch an Stellen, die den ent-
schiedensten Idealismus lehren, einräumt, ja behauptet, der
Grand der «mnlichen Verstellungen sei in einem, ausser
dem Bewiisstsein liegenden, transscendentalcn Objdcle zu
suchen. Eine andere Ansicht würde er sogar ab unge«*
reimt verworfen haben , indem er überaD den Satz fest«^
hält, dass Erscheinung nicht sein könne ohne
Etwas, das da erscheint (Vom S. XXVllO. Merk*
würdig ist es nun, zu sehen, wie von dieser ursprünglichen
Voraussetzung einer gegenständlichen Weh im Verlaufe der
Untersuchung eine Bestimmung nach der andern hinweg«*
schmilzt, und wie zuletzt nach demselben Buchstaben der
Kritik ein Bewusstsein zurückbleibt , das Nichts nachbildet,
in dem qualitativ Nichts erscheint von* den „vorgestell-
ten** Dingen; dessen sinnliche Erkenntniss also die Er-
scheinung des Objekts enthalt , ohne dass doch nur im
Geringsten dessen objektive Erscheinung darin wäre.
Durch welche Unterscheidung Kant diesen Widerspruch
»1 vermitteln suche , werden wir finden ; aber wenigstens
diess bleibt gewiss, dass es einer vorläufigen Untersuchung
aller jener gutwillig aufgenommenen Locke'schen Begritib
bedurft hatte, wdr* es auch nur gewesen , um den wissen-
schafUichen Sprachgebrauch umfassend festzustellen,
und die eigene Ansicht mit der gewöhnlichen nicht hnmer
durch zweideutige Ausdrücke in Berührung zu bringen«
Und hinter den Schlupfwinkeln dieser Vei^wimmg eben, di«
schon im Anfange der Kritik ihre ersU?n Spuren zeigt,
haben sich die Kantianer zum Schaden der \^i.ssens€hult^
liehen Klarheit so lange verborgen und verlhcidigt.
Doch hören wir mit Aufmerksamkeit weiter (S. M.):
»Die Wirkung eines Gegenstandes auf die Vorslellungs-
föhlgkeit, sofern wir von demselben afficirt werden,
ist Empfindung. Diejenige Anschauung , welche sich
Buf den Gegenstand durch Empfindung bezieiil, hoisst e m-
pirisch. Der uubestimuUe Gegenütaud einer empirischen
Anschauung, hcij^st Erscheinung. — In der Erschei-
nung nenne ich dasj was der Empfindung correspon-
186 Apriori «nd Aposteribri.
dfrt*), die Materie derselben, dasjeili^e aber, Wel-
ches macht, dass das Mannichfaltige der Erscheinung in
gewissen Verhältnissen geordnet werden kann, nenne ich
die Form der Erscheinung. Da das, worimien die Em-
pfindungen sich allein ordnen , und in gewisse Form ge-
l$tellt werden können, nicht selbst wiederum Empfindung
sein kann , so ist uns zwar die Materie aller Erscheinmig
ß posteriori gegeben ; die Form dei^selben aber muss % i
ihnen insgesammt im Gemüthe a priori bereit
liegen, und daher abgesondert von aller Empfindung
können betrachtet werden. — Ich nenne alle Vorstellnngei
rein (in transscendentalein Verstände), in denen Nichts,
was zur Empfindung gehört , angetroffen wird. Demnadi
wird die reine Form sinnlicher Anschauung überhaupt im
Gemüthe a priori angetroffen werden, worin alles Hannich*
faltige der Erscheinungen in gewissen Verhältnissen ange*
schaut wird. Diese reine Form der Sinnlichkeit wird
Much reine Anschauung heissen.^^
Was bezeichnet hier dem Zusammenhange nach „ die
apriorische Form der Erscheinungen «, ihrer „Matcrie^^
gegenüber ? — Es sind dem Bewusstsein gewisse einrache
Empfindungen als iseitUche und räumliche gegeben, die das-
selbe in ein Ganzes zusammenfasst, und als das «Ding^ be«
zeichnet, gleich den einzelnen Buchstaben, die der Lesende
als Wort ausspricht, wiewohl das Wort Nichts ist als die
Zusammenrassung jener Buchstaben. Form also ist das
Allgemeine jener einfachen Empfindungen, dass sie ein
Hier, ein Jetzt, ein So sind, dass sie auf die Einheit
eines Dinges bezogen werden u. s.w. Aber ferner heisst
es: die Form sei eine a priori im Geuiüth bereit lie-
gende, in welche die aposteriorische Empfindung
eintritt. Hier fügen sich zwei neue Begriffe ein, die. wur
wohl prüfen wollen.
A priori und a posteriori hiesa Kanten vorher, uud
*) Kaao dieses Worl, wauu es hier Sina haheii soll, ander« als
iu völlig Locke'Ach^m Sinne gefassC werden?
Apriori und Aposteriori. 187
darf nach wtesenschaftUchem Sprachgebrauche nichtig An-*
deres heissen , denn — jenes , das ab nothwcndig und
schlechthin allgemein Gedachte, — diess das als zurr
lailig Erscheinende — (so dass diese erscheinende
Zufälligkeit etwa aufgehoben werd(^ kanni — ). So
begründet dieser Gegensatz durchaus nicht eine Unterschcip-
duRg im Materiellen der Erkenntniss, sodass das Eine
(z. B. die Anschauung von Zeit und Raum) ein Apriori-
sches, das Andere (die einzelne sinnliche Em]^ndung et-
wa) ein Apriorisches wäre, und bleiben müsste: son-
dern er betriiR durchaus nur das Formale der Erkennt-
niss, indem dasselbige Eine, insofern es im faktischen Be-
wusstsein als Zufalliges erscheint, eben daoiit ein Apo-
steriorisches ist: wenn es aber als nothwendiges
erkannt, im wissenschaftlichen Erkennen wiedererzeugt wird,
ist es ein Apriorisches geworden. Dasselbe kann
also zugleich aposteriorisch und apriorisch sein, je nach
dem Standpunkte des Erkehnens, id welches es aufgenom-
men wird; keineswegs aber kann diese Unterscheidung
je einen qualitativen Gegensatz begründen. Und so
nur bedient sich Leibnitz, bedient sich der unmittelbare
Vorgänger Kanfs, Hume, jener Ausdrücke: namentlich
dem letzteren heisst apriori das, was aus Gründen
durch sich selbst erkannt wird , ohne die Erfahrung
dabei zu Hülfe zu rufen« Dass aber dasselbige nicbl auch
in der Erfahrung liege, ja durch dieselbe nicht auf un-
mittelbare Weise erkannt werde, wird damit dmcbaus
nicht geläugnet , vielmehr ist es die anderweitige direkte
Behauptung H u m e*s.
Damit fällt denn aber auch der aus jenem missbrauch-
len Ausdnicke gefolgerte, wenigstens verwirrende Satz da-
hin, dass das unmittelbare Erkennen, und, da alles Er-
kennen seinem hihalte nach auf Erfahrung recurrirt , das
gesammte Erkennen, gemischt und zusammengc«.
setzt sei aus apriorischen und aposteriorrschen
Elementen^ die *uun die Yernunllkritik von einander
zu scheiden, und jene, rein geiasst, als die im Gemüth
188 Apriorl und Apostcriori.
bereit Ifcgfcnden aprlorlscli-subjckif von For-
men auszusondern habe. Indem nämlich nun bewiesen
wird, was leicht zu erweisen war, dass Zeit und Raum dii»
htlgemeine Bedinginig* aller äusseren Vorstellung , das ab-
strakte Element alles sinnlich Concretcn se;, — somit aber
das Apriori-vorausgegeben e im sinnlichen Vor-
stellen — (hier liegt eben die Erschleichung) ; — so Tolglc
daraus freilich unmittelbar, dass Zeit und Raum nur sub-
jektive Formen, „apriorische Anschauungen-
fein hölzernes Eisen!) seien. — Und in dieser ersten, hsi
ünwillkührlichen Verwechslung müssen wir den Ursprung
des ganzen K a n t i sehen Idealismus finden : er ergab
sich nothwendig, sobald nur das Princip, das Allgemeine,
welches ein Apriorisches sei, zugleich zum Subjektiven im
Erkennen zu machen, mit Konsequenz durchgesetzt wiu*de.
' Indem also Kant mit Recht ein schlechthin Allge-
meines, seinem Ursprünge nach Nichtempirisches,
seinem Inhalte nach Unendliches, in allem faktischen
Bewusstsein anerkannte, — und diess ist der epochema-
chende wissenschaftliche Fortschritt über Locke und
H u m e hinaus ; — indem er ferner mit Recht behauptete,
dass diess nicht aus der Erfahmng geschöpft werden
könne (wiewohl es darum doch unmittelbar nur i n
der Erfahrung sich darstellen und zum Bewusstsein kom-
men kann): nannte er diess einstweilen das Apriorische,
dem Aposteriorischen , als dem Einzelnen , Zufälligen ge-
genüber. Aus der Anwendung dieses Begriffes mit allen
seinen Konsequenzen folgte aber unmittelbar, dass diess
„apriorische*^ Element des sinnlichen Bewusstscins , da es
nicht aus der Erfahrung staiiunt, nur das vor aller Erfah-
rung Vorausgegebene, mithin die subjektive,
J,a priorisch bcreilliegende'^ Form jenivs Bewussiseins
sein könne, woraus denn sein Idealismus mit Nolliwen<Ii»f-
keil sich entwickelte, — Wie einrach-klar daoi»g(Mi, und allen
Missverstand gleich Anfangs beseitigend, stellt l»eibnitz*J
— ■ — —
*) üouveauK Essays, S. 4. 5.
Apriori und Aposteriorii 189
den Uanptgcgichtspunkt bei dieser Untersochiing hin : ^ Es
lianddl sich davon, sagt er, ob die Seele an sich, gleich
einer unbeschriebenen Tafel , Alles, was in sie gezeichnet
sei , lediglich aus den Sinnen und durch Erfahrung em^
pfang'e ; oder ob sie selbst ursprünglich die Principien man«
nichracher Begriffe und Erkenntnisse enthalte, welche die.
äussern Objekte nur erwecken (reveiUent) ^ und
zum Bewusstsein bringen,^ Kann nun Letzteres
nirht gcläugnet werden, so ^bedarf es doch immer der,
Sinne, der Erfahrung, in und an welchen jene Prin-
cipien unmittelbar allein sich darstellen können <^ u. s. w«i
die also nicht etwa bloss subjektive, a priori im Ge^
ni ü t h bereitliegende Formen sind, sondern (^jektiv-BOth-
wendige Wahrheiten, die der Autor desshalb sogar, ana«-
log- dem Fla ton, auf eine ewige, ^göttliche Intelligenz zu-
rückiührt, welche, wie in den Dingen, so auch im mensch-
lichen Geiste allein der Grund der ßwigen (Vernunft-) Wahr-
heiten sein könne.
Legen wir daher uns zurecht, alle Unterscheidung des
£1 priori und a posteriori hier beseitigend, die gar nicht
hieher gehört, was Kant in seiner transscendentalen
Aeslhetik bewiesen; so ergiebt sich Folgendes als das R^
suliat: Im Unmittelbaren der einzelnen Anschauung stellt
sich ein Allgemeines dar, verschmolzen mit den Elementen
Jenes faktisch Einzelnen: das Allgemeine nimmt im sinnli-
chen Vorstellen faktisch concreto Gestalt an. Und so ist
Alles zunächst ein Zeitliches, Räumliches, und ein Qualita-
tiv-Bestimmtes , d.h. ein Jetzt, Hier und Diess; und
abstrahiren wir von den concreten Bestimmungen daran,
die zufällig und wandelbar sind, so bleiben doch jene allt
gemeinen zurück, von denen* nicht abstrahirt
werden kann. Diess hat Kant in der transscenden-
talen Aesthetik zunächst an Zeit und Raum dargelegt, alf
den allgemeinen Bedingungen des sinnlichen Erkennensy
wie er es noch an der dritten Form, der qualitativeo
Bestimmtheit (dem JDiess^X hätte entwickeln können;
* • *
sehr richtig jedoch bemerkend, dass diess nicht überhaupt
190 Hauplproblom einer Theorie des Erkennen«.
die einzigen allgemeinen Formen des Bcwusslseins seien,
TTohl aber die einzigen, die in einer Iransscendenfalcn
Aesfhelik, als der Lehre von dem sinnlichen Vorstellen,
vorkommen können»
Doch über das Subjektive ocier Objektive die-
ses Allgemeinen ist damit noch gar Nichts entschieden ; ja
diese Frage kann in diesem Zusammenhange gar nicht
ÄtTgleich erledigt werden 1 Es bedarf, wie schon früher
«Erinnert , dazu vor Allem einer umfassenden Untersuchung
fiber das Verhältniss des Bewusstseins zum Sein überhaupt,
die, ihres ganz unabhängigen Weges schreitend, ihrer Seits
Wiederum mit allgemeinern spekulativen Fragen zusammen-
hingt. Das Hauptproblem einer Theorie oder „Kritik* des
Erkennens kann gar nicht so ausgedrückt werden : was ist
in unserm Erkennen apriorischen, was aposteriori-
schen Ursprungs? — noch dazu wenn Beides geradezu mit
dem Subjektiven undObjektiven verwechselt wird;—
sondern das ist überall und gleich von Anfang die Frage,
Well es den Begriff des Erkennens selbst enthält, wie sich
Erkennen'und Sein, Subjektives und Objekti-
ves überhaupt, und wie es am Unmittelbarsten (im sinnlichen
Erkennen) zu einander verhält ? Und so deutet schon hier
die Kantische Philosophie auf das Bedurfhlss weiter zu-
rückgreifender und umfassenderer Untersuchungen hin.
Doch treten wir dem Einzelnen der K a n t i sehen Raum-
und Zeitlheorie näher:
Raum und Zeit stammen nicht aus sinnlicher Empfin-
dung, sondern diese setzt vielmehr jene, als ihre eigenen
Bedingungen, voraus: sie sind also das jeder einzelnen
Wahrnehmung schlechthin Vorausgehende — daher noth-
iremiige Gmndvorstellungen des Bewusstseins. —
Desshalb sind sie aber nicht etwa abstrakte (abstra-
hirte) Begriffe , indem das Einzelne , woraus sie könnten
abgezogen werden, umgekehrt nur unter Voraussetzung der-
Belben und in ihnen vorgestellt werden kann; und wenn
man von einzelnem Räundichen oder Zeitlichen r^det , so
sind diess nur Einschränkungen ihrer Allgemeinheit,
Kants Ranm- und Zeiitheorie. 191
die daher bei jenem selbst vorn« s gesetzt werdet! «Miss«.
Demnach sind die Vorstellungen von Raum und Zeit als
anendliche Grössen gegeben, was ischlechlhin
aller empirischen Anschauung widersprieht, die^nur durch
innere Bestimmtheit (£ndlichkeit>, also Begranzung, eine
solche ist Raum und Zeit sind daher nur als ursprungti-
che Anschauungen des Bewusstseins zu denken, milhin ein
Apriorisches, folglich (nach Kant) subjektive For-
men der Sinnlichkeit , die aber eben darum nur in Bezie-
hung auf die (subjektive) Erscheinung GfiUigkeit und Be^
dentnng haben, „die Gegenstände an s i c h^ aber gar nicht
angehen und betreffen, „welche vielmehr durchaus unbe-
kannt bleiben^ (S. ö9. 60.). Näher ist als innere Unter-
scheidung zwischen beiden ;ni bemerken, dass die An-
schauung des Raumes apriorische Bedingung des ansserii-
chen Yorstellens, die der Zeit als die Bedingung des Yor-
stellens eines Einzelnen überhaupt anzusehen sei*
Kürzer gefasst, drangt der Beweis sich dahin zusam-
men : Raum und Zeit sind die allgemeinen Elemente allea
concreten Seins und Erkennens: Alles kann nur als
ein Besonderes in Raum und Zeit, d. h. als besonder«
ter, begränzter Raum und Zeit existiren und erkannt wer-
den« So können Raum und Zeit nicht aus Erfahrung
stammen; sie sind ja vor jeder einzelnen Erfahnmgi
demnach müssen sie ein Apriorisches, somit
subjektive Anschauungsformen sein.
Aber eben hier gilt es, die eigentliche Grftnze des
Beweises wohl zu unterscheiden. — Raum und Zeit als
entleerte, „reine^, d. h. als nicht begrfinzte, stammen fum
wahr nicht aus Erfahrung, noch liegen sie in der SrM-t
rung; so sind sie überhaupt nur abstrakte, und, wie eine
tiefer gehende Untersuchung zeigen würde, sogut unwahre^
widersprechende Begriffe, die selbst, um auch nur ge dach t
za werden, der Ergänzung und Bewahrheitung durch einen
andern Begriff bedürfen. Aber als Grundbedingung alles
Erfahrens stellen sie sich allerding;» nur« in
wirklicher Erfahrung dar. Erfahren, Wahr«
192 Kritik derselben.
n^flica (ismeteB und inneres), ist .flberhaupl nur ein B r«
grnnzca des Raumes und der Zeit, oder beider zugleich;
also indem impkcite in jeder £rrahrung Raum und Zeit
als besonderle sieh darstellen, sind sie das in aller Er-
faiiruog (freilich nicht im Einzelnen , sondern im Gaii£cn)
Liegende , was dämm jede einzelne Erfahrung selbst vor-'
aus2:usetzen hat: indem diese nämlich Raum und Zeit in
sich als begran2te darstellt , wird überhaupt das Begranz-
bare und das Jenseits der Gränze unmittelbar vorausgesetzt.
Aber hier findet sich nur derselbe Begriff, den wir schon
YOrtier (bei der Prüfung der Lock e'schen Theorie) umfas-'
sender nachwiesen: der Moment des Allgemeinen ist auch
hier mit dem des Einzelnen unmittelbar vereinigt. Und so
sind au4b Raum .und Zeit als die allgemeinsten Bedingun-
gen alles Erfahrens, oder, wie man sie nennen könnte, als
die allgemeinsten ^Eigenschaften^ alles einzebien Da-
seins, zwar dem Begriffe nach vor jedem Einzelnen zu
setzen ; immiltelbar aber sind sie nur in einzelner wirkli-
eher Erfahrung d* hi. als begranzlegcgoboti, und können nur
iit dieser Gestalt wirklich erfahren werden. Es kann dalier
keinen unglücklichem Ausdruck geben, als wenn man jenes
Aligemeine etwa, um dieses Charakters willen, als „subjek-
tive, im Geiuütb bereitliegende Foiin^ für die einzelne Er-
fahrung bezeichnen wollte, weil dicss unlaugbar die schiefe
Vorstellung hineintrüge, dass jenes Allgemeine eben als
bloss subjektive Fona, von anderswoher dem Einzel-
nen erst hinzugefügt werde, ohne an sich und ur-
sprunglich mit ihm vereinigt zu sein. Alles Einzelne in
Raum und Zeit kann aber eben desshalb stets wieder über-
schntten werden, weil die Continuitat von Raum und Zeit
über jedes derselben hinausreicht ; mithin sind beide in. je«
der bestinunten (erluUten) Begranzung ihrer selbst als un-
begränztey die Begranzung in sich negirende, gesetzt.
Somit ist jedes Einzekie in Raum und Zeit zugleich
ein solches, wovon abstrahirt werden kann, während
vom Allgemeinen all jener Bestimmungen eben darum nicht
abatrahirt zu werden vermag. Indem aber in jedem
Kriltk derselben IM ^
Bestirnmteii und Be^rfozten dennodi das Atlgfemeine ^ Uli
zugrieich ein jede Gränze Aufhebendes ^ GrinzenIoseS|
implidto sich darstellt^ ist das Unabstrahirbare im Abstra»
hirbaren unmittelbar enthalten , und der Akt des Abstnihi-*
rens hat nur die Bedeutung, das Aligemeine rein hervurzu-
heben, es eben von seiner einsehien (eufSDigen) Gestaltung
zu befireien. •-«- Diess scheint uns die letzte Dunkelheil
aber diesen Gegenstand hinwegzunehmen: das concret
Räumliche und Zeitliche) deren jedes einZufliIHges (Abstra-«
hirbares) ist, stellt Raum und Zeit dennoch zugleich ahl
ABgemeines oder Unabstrahirbares dar; und eben darum
sind beide darin auch als schlechthin continuirliche
Grossen gesetzt: d. h. jede concreto Begränzung kann in
ihnen aufgehoben werden, weil sie in Bezug auf ihre All-
gemeinheit nur eine zufallige, nicht«- oder anderssein
könnende ist: und so werden Raum und Zeit zwar nicht
als unendliche ,,angeschaut^, oder sind als solche g e-«
geben (wirkliche Anschauung eines Unendlichen nämlich
wäre ein Widerspruch); wohl aber werden sie als i^chlecht*»
hin continnirliche , jede Begränzung innerhalb ihrer selbst
ms Unendliche aufhebende — (weil sie das AllbC'*
glänzende sind in ihrer Sphäre) -—r begriffen»
Auf die bestimmte Frage demnach, ob Raum und Zeit
eine aus ErTahnmg geschöpfte Erkenntniss, oder eine bloss
subjektive Form des Geistes sei, antworten wir dahin:
Ans der Erfahrung; aber als das Allgemeine, die
Grnndbedingung derselben, die ui allem .Zufalligen, ak das
Nothwendige, zurückbleibt. Und die Richtigkeit dieser Be-
hauptung kann um so weniger bezweifelt werden, als die
Erfahrung überhaupt nur das Allgemeine in der Form des
Concreten auiTasst, also das AUgemeine überall^ nur am
Concreten zum unmittelbaren Bewusstsein gelangt, während
es, a 1 s Jb 1 0 s s Allgemeines, ein durchaus Unwirkliches ist,
das nur im Begriffe , im Denken existirt. So ist z. B; das
reine Selbstbewusstsein ein jeder Erfahrung Vor^
ausgegebenes, weil es überhaupt die Grundbedingung aller
geisligpn Thätigkeit ist; dennoch ist dasselbe in seiner
13
194 Krittk dersalheiu
Reinheit nti^^nds icorl^Bdui , als üb Begriffe , der , es m
seiner abstraklea UmvirkUcbkeit eriaasend, dennoch zogieich
auadrücUich. aneritemU;, dass es nur in concreter Gesbdt
wirklich exisUren. könne; nnd auch hier würde auf die
gleiche Frage die gleiche Antwort gegeben werden mäs-
sea: dass auch das reine Selbstbewussksein ursprünglich
nur in wirklicher Erfahrung, an den wirklich er-
lebtfia einzelnen Zustanden des Wissens sich bewahren
könne. Beide Momente sind dabei;, auch hier umniltelbar
vanchmoUen und so innig Eins, dass. das Allgemeine wie*
denim nicht bloss als subjektive Form, das Concrele als
das in jene Form aufgenioinmene , von anderswoher staun
Rtende Material e angesehen werden kann. Und diese
absolute Einheit des AUgemoinen und Concpetra ist in at-
lern Bewusstsein , bis herab auf die Sinne , anzuerkennen.
Das Auge, ist Sinn. der. Lichtwelt, das Ofat der Tonwell:
Udit und Ton sind beiden ihr Allgememes, innerhalb des^
sen. sie wirkea und uatecschoiden. Pas reine Licht aber
ist dem Auge schlechthin-, unsichtbar, der reine- (abstrakte)
Klang absoluter Widersinn; hur> nis siqh speciaüsirende
in Farbe und bestimmtem T<Mie, existiren sie über-
haupt für Augo und Ohrr Wollte man aber den Kanti-
sfihen. Gegcnsata nach seiner Konsequenz aoch auf diese
Gegenstände ausdehnen, so hötl^ man selbst «hiev das Recht
SIL sagen: Licht und Ton seien als die subjektiv aprieri-
schenFonnen jener Sinne anzusehen^ in> welche das Bin«
sfiliie , was da als tönend und leuchtend erscheint , nur
»ulgenoromen werde, olme dass es an sich selbst mit die-
'aea BigenschaAen zu denken sei. Der Beweis von Sub-
jektivität von Raum und Zeit beruht soklechterdings auf
lieinea andern. Grteden, als solchen, die .auch hier diesdbe
Mwendong finden musalen«
DieA^ wäre es. sunachst, was uns iiber K a n f s trän»*
aiQ^entale Ao^thetiki die Grundlaga.mid erste Qaellese^
i|c^ Idcati^w^us , au sagen niothig schien , auf weiche das
lll^stisfihe Gnaedrcsultftt seiner eigenen Philosophie und.
Theorie TOft Rmm und Zeit - i9S
der seiner KftdMbl^ sidr gUtetr ein mnfessendes Crgeft-^^
Biss aas einem schmalen nnd After gelegten. PündanteitVef.
Desshalb kann damtl die Unllsrsachung' Ai>er tKese Gegenu
stfinde noch nicht erschdpA sein. Wir haben nämtich he-^
hniplet, dass Raum und Zeil nur als coticrele, begrtniAe,
afljfesehant zu werden vermögen, — dass also der Moment
de9 Ailgemi^inen in ihnen den der Besonderheit,
wid nmgekefart, setze : — doch mxr behauptet, nicht eigisni-«
tich erwiesen, — wiewohl die Art des Erweises schotf dttrclf
die Aeussemng angedeutet war, dass* Raum und ZeR, al^
abstrakte, teere (im Momente der Allgemeinheit) gedacht,
einen Widerspruch in sich- enthalten ,* der nur durclr
einen weder tm entwickelnden Begriff' ergänzt' und damif
beseitigt werden könne. Die Hauptmomente dieses Beweis
ses, der freiKch in einen andern philosophischen Zusam-^
meahang gehört, wären folgende !
L Der reine, d. h. leere Raum ist der Begriff des ab«-
SDlaten Anssersichseins; d.i. wenn wir, lediglich mn^
den Gedanken asu erliutem , uneigentlich von y, llieilen **
dessdben reden wollen; -^ jeder der unendlich kleinsten
Raumtheile wäre zu dehken* ausser dem andern so-
wohl, ata ausser sich selbst: diess sein Bestehen ist
aar die eigene Aufhebung, das absolute Au s si ch h erau S'»
gehen; — ein BegrifT, der nur durch den Gedanken*
lebendiger Expansion, thStlger Aus-Dehnung, er-
läutert werden kann. Diess ist der Raum ; eben in jedem
seiner Theile nur als das absolut Zerfliessende, schlechthin
Ausetnanderweiehende , der Gegensatz aller Innerlichkeit
and alles Anf^^aicb'-beruhenis: sein Sein ist absolute
Selbstrerneittung, sich aufhebend im Setzen, und
sich setasend im Selbstauffaeben, weil sein Sein eben
iHir ist diess unendliche Sichselb^t aufheben; das'
Sein, welches alle» Irgendwo setzt, und seihst doch nir-
gends i 8 1 oder bestellt ; der grdsste und unmiltelbarste
aDer Widersprfiche. Und anerltimnt wird derselbe so^ar
in der gewöhnüchen mathematischen Vorstellung von der
anendlichen Theilbarkeit desRautnes, worin eberi
196 Theorie
nur behauptet wird, es sei die Natur des Raumes, auch im
anendlich Kleinsten noch A u s d e h n u n ff — unendlich
Ausser-sich-selbst-liegendes — d.h« ein das
unendlich Kleinste zugleich Aufhebendes — zu sein;
ein Widerspruch, der so offenbar ist, dass, indem er diesen
Begriff des unendlich Kleinsten vernichtet , er durch die
Behauptung der endlosen Theilbarkeit ihn doch zugleich
beständig wieder anstrebt und zu erreichen sucht. — Eben
so haben die bekannten vier Beweise des alten Dialektikers
Z e n o gegen die Möglichkeit der Bewegung eigentlich nur
diesen Widerspruch im Begriffe des Raumes zu ihrer Wur-
zel : sie beruhen wesentlich darauf, zu zeigen, dass, indem
angenommen werde, ein Körper sei sich bewegend von
einem Punkte zum andern fortgerückt, daraus zugleich fol-
ge, dass er eine unendliche Me^ge von Raumtheilen,
mithin eine Unendlichkeit des Raumes selber, durch,
messen haben müsse, indem wahriiaft eine solche zwischen
jeden zwei Punkten irgend einer Entfernung liegt: nie-
mals könne also ein Körper zu einem gegebenen Funkte
gelangen, weil er vorher unendlich andere Punkte, ein
unendliches Aussersichsein wirklich durchlaufen haben
müsste, was sich widerspricht. — Und wenn man, wie' durch
Tradition, immer wiederholen hört, dass diese Beweise langst
wideriegt , ja besonders durch die Ka n t i sehe Lehre von
der Subjektivität des Raumes für immer beseitigt worden
seien; so bekennen wir, nicht einsehen zu können, wie
der in einem Begriffe unlaugbar nachgewiesene Widerspruch
bloss dadurch hinweggeräumt werden könne, dass jener
Begriff als ein subjektiver in das Bewusstsein versetzt wird.
Vielmehr wird damit der Widerspruch, indem er die Wur-
zel deSi Geistes trifft, also auf einen Streit desselben mit
sich selbst hinweiset, noch dringender und auffallender;
wahrend umgekehrt der Widerspruch, in der äussern Ob-
jektivität der Dinge gelassen, falls er unlösbar ist, .doch
noch die Auskunft übrig hesse , dass er nur in der Unfi-
higkeit des Geistes liege, das innere Wesen der Objekti-
vität lichtig zu erkennen, um so den nur erscheinendivt
von Raom und Zeit 197
Widersprach Ton selbst gehoben zu sehen. — Was aber
die andern vermeinten Widerlegungen jener Beweise des
Eteaten betrifft, so treffen sie mehr nur die äussere Fassimg
derselben , nicht ihren Kern , der an sich schlechthin
unwiderlegbar ist, d. h. nur durch Ergänzung, weitere
EntwichJung des ganzen Begriffes beseitigt werden kann.
Und ganz abgesehen von jenen historischen Beziehungen,
können wir nicht den Beweisgrund, wie er so eben von
nns dargestellt worden , für sich und im eigenen Namen
gellend machen ? ♦)
*) Die Bedeutung dieses Gegensatzes liegt darin, dass alles Quan-
titative (Raum, Zeit, Materie), abstrakt oder im reinen Den-
ken gefasst, theils mit völligem Absehen von den inüglichea
innem Unterschieden, als fortlaufende, nnunterscheidbar glei-
ch« ContianiU^, theiU in jaCckaidit auf diesen zugleich dar^
in cntlialtciieii Moment unendlicher Uatortcheldbarkeit, oder
einmai als stetige, das andere Mal aU discrete Grdsse
gedacht ireruen kann« (Vgl. des Verf. Ontotogie $.31.
S. 86.) An beiderlei Weisen der Auffassung zeigt sich aber,
dass Quantität — Raum und Zeit — Nichts an sich selbst,
sondern der unmittelbare Ausdruck, die Daselnsfbrm eines Q ua^-
ti ta t i r en, sich Verwirklichenden, damit zbglelch aber seine
Qaalitai Setzend - ErlUllenden sei« Alles Wirkliche daher
ist ein RäoinliclwZeitUchea ; aber nur derun, weil es, siqb Ter-
wirklichesid, als schlecbthiii sich Expandirendes und alsDau«>
erndes zu denken ist. Das Princip des Dynamisclien, als Grund
alter W^irklichkelt, und in unmittelbarer Folge dessen, des
RSumlich-Zeitlicben, ist festgestellt; aber damit zugleich das
erste Glied gefVinden in der metaphysischen Nachwefsong, wie
der höchste zureichende Gmod dieses unendlichen Leben«
di gen vor ein Inteiligentee, Denkend- Wollendes, sein können
Das Gegenwärtige and zuoiichst Polgeqde in dieser $ciu:ift ist
eine an den quantitativen Formen des Baumes und der Zeit
speciell durchgefQhrte Nachweisung, wie aUe Quantität, als
selbst ein Negatives, für sich Widersprecl^endes, ein Qualita-
tives, nnd zwar als Dynamisches, voraussetze; und wir haben
diesen ontologi sehen Excuraus hier stehenlassen, weil er un«
anch jetzt noch einen geeigneten Ausgangspunkt darzubieten
ichetat, Bin laden ganzen ZueunmeaJMing dieser AuHastiing nnd
198 Theorie
, II.- Denselben Wfdenspnick bietet der abstrabe
Begriff der Zeit dar ; nur tritt er hier klarer hervor , wird
fasslicher und drifigender f&r die Einsicht, weil es eben
das Wesen der Zeit ist, ihre eigene Venicbtung an sich
zu vollziehen. Um den Widerspruch im Begrifie des leeren
Raumes zu zeigen, bedurfte es , ihn in den Fhiss lebendi»
ger Expansion zu bringen: indem wir ihn dergestalt, gleick-
sam als lebendigen, wirksam auseinandersirebimden dachten^
wie wir ihn denken mussten , um ihn überhaupt nur a 1 s
Raum zu denken; trat an ihm auch zugleich der innere
Widerspruch hervor. Dieser P 1 u s s der Genesis ist nun
an sich schon in der Zeit, ja sie ist nur das ewig sich
bewegende Verfliessen, die stets sich vollziehende Selbst-
vernichtung, Sie ist, wie der Raum, das absolute
Aussersichsein, auch dämm ins Unendliche tbeilbar
(anterscheidbar) , indem sie in keineni ihrer Theile auf-
hört, diess Aussersich zusein. Nur diess setzt sie dem
' Raum entgegen, da ss jenes Aussersich nicht ein erstarr-
tes, in seiner absoluten Expansion ruhendes ist, sondern
das absolute Fliessen eines Nacheinander. Der Raom
ist das unendliche Ausser-^ich ; und darin liegt sein Wider*
sprach: die Zeit wird diess, schreitet (selbstvemichtend)
unehdlich Aber sieh hinaus, und diess macht ihren Widerspruch
ans ; in der Wurzel derselbige, nur nach der entgegengesetz-
ten Seite hin sich darstellend, — Passend hat man daher die
leere Zeit als dasjenige charakterisirt, welches ist, indem es
unendlich nicht ist ; — weil ihr Sein eben nur besteht
in diesem unendlichen Selbstaufheben. Aber densel-
ben Widerspruch enthiUt anch der Begriff des leeren Rau-
mes; er ist die absolute Vernichtung aller Immanenz und
Innerlichkeit, die ruhende Selbslnegatlon , das Sein
darauf gegrQadeUn ontologiflcli^n Dialektik hiofinzukominfn,
betouderj anch um darau vüllig evident und fast uuabwei«bar
zu machen, daas der natur- und sacligeinäiie Portschritt von
der Kategorie der QuautltHt in die der Q u a 1 iiat iu
nehmen sei, Qi«!bt umgekehrt, wie durch und seit« Hegel
- noch fortwShjetid Mba^fUt wM. Aamw tut ^en Auig.
von Rmmi väd Zeit 190
des NichtSf wählend die Zdt di« fit essend« ist, dvb
Werden des Njchts; beides an siciidie kdchstea Wider-
sprüche i
Aher dieselben Hrassen gelöst werden ; sie findai
sich in der n&chslea nnd nnmittelbarsten Anscltamingf, und
treten vernichtend 8lle3 Einzelne an, was ja nur ein Hi
Raum md Zeit Bestimmtes sein kann , also denselben Wi^
dersprocb nur In besonderer Gestak in sich m traget
schiene. — Was bedeutet aber diese Lösung, und worin
itann sie bestehen? — Wie das unmitteHyare Bewusstsein^
uenn es von Widersprüchen im Begriflfo des Raumes und
der Zeit hört , sogar wenn es dieselben sidi deutlich zu
machen vermag, in seiner unmittelbaren' Ueberzea-
gung von ihrer Wirklichkeit und Wahrheit nicht gestört
wird ; weil es, freilich ohne bewusste Einsicht in die Grün-
de, weiss, dass sie urspiunglich gelöst sind; wie
also die Existenz des Widerspruches selbst nur etwas
Unwahres, ein hinwegzuarbeitender Schein ist : so können
auch wir jener Lösung, mit Bewusstsein der Gründe , ge-^
wiss sein, wenn wir nur in den Mittelpunkt dieser Wider-
sprüehe selbst hineintreten: in ihm wird nftmlieh Xügfeieh
der fehlende Begriff liegen, durch dessen ergfinzenda
Hervoriiebung das widersprechende Element in ihnen ge^
tilgt wird.
lU. Was also ist die Wurzel jener Widerspruche $
d. h. welch' ein Moment in der bisherigen AuflTassung von
Banm und Zeit ist es, der sie als solche undenkbar macht,
ihre innere Ungereimtheit hervorbringt?
Der abstrakte Raum zeigte sich als absolutes Ans«
sers ichsein: in jedem seiner unendlich kleinsten Theila
ist er noch ausgedehnt, d.h. jeder dieser Theile
scUiesst dennoch wiederum eine Unendlichkeit ande-
rer in sich; und vor diesem unendlichen Aus-sich-
h er a US-Streben löste der ganze BegrifT sich auf in
einen Widerspruch, in dessen ausdrücklichem Bewusstseiff
jedoch gerade seme Aufhebung gegeben ist — Er ist der
reinsteAusdniekderunendlicb ausdehnenden Rtch-
SOQ Ibeofie
4ang ntoh «Ueii Seiten, des absolut energriscl^en
Auseinander. Damit ist aber ^gleich fiuch der all-
gemeinste Gedanlie eines ausdehnenden Realen in ihm
gesetzt ; jener Begriff^ vollständig gedacht, schliesst sogieich
diesen in sich ein, und eben hierin liegt der bisher feh*
lende Moment t ^ Ein Seiendes^ aus innerer Kraft sich
venvirUichend , durdi sich bestehend (sich ansspannend),
kann, wollen wir den Gedanken wirklich und voilstöiidig
denken, nur als eneigische Expansion, als „erfüllter«
Raum gedacht werden ; und hier haben wir die erste
Grundlage des Begriff» Yoa Räumlichkeit überhaupt* -^ Als
erfüllter Raum: ^— wo nur nicht wieder, nadi dem
gewöhnlichen, besonders auch durch die K a n t i sehe Theo*
rie beförderten Mlssverstindnisse, der Raum in seiner Le^*
Jieit für Etwas an sich genommen werde, welches durch
ein von ihm Verschiedenes, überhaupt zu Unterscheidendes
erst gefüllt wird. Vielmehr zeigt sich eben, dass beide Mo«-
mente untrennbar Eins sind in dem Begriffe des Sei^
enden, (des energischen Daseins): Beides ist nur als
kräftig Bestehendes , sich Expandirendes zu denken ^ und
go setzt es zugleich sioh als Räumliches, indem es Ist und
aich verwirklicht; nicht etwa nur, indem es in ihm ist,
und ihn erfüllt: denn sie selbst können wir nur denken
als absolute Dehnung oder Entfaltung, was wir un*
mittelbar nur als Räumlichkeit anzuschauen ver-
mögen.
Fassen wir zunächst, was wir gewonnen: ^ daasvoa
leerem Räume in keinem Sinne die Rede sein könne,
ja dass er einen völlig unhaltbaren, sich selbst aufhebenden
Begriff erilhalte, Raum ist Nichts a n s i c h ~ nur eine«
Andern, -^ nämlich die absolute Anschauharkeit oder die,
Erscheinung des Seienden oder aus sich selbst Bestehenden,
Aber ist damit der Widerspruch gelöst? Ist nicht auch
hier in jedem Theite dieses Realen (welches wir dem Räume
als das Ursprüngliche unterlegten), eine Unendlich*-
k 0 i t von Theilen enthalten, also abermals ein unendliches
Aussersichsein ^ weiohec Begriff ja eben dort den
von Rftum und 2eit 901
Widenpmch erzeugte? — IMeM ist nk^ nor znzogeb^
es isl sogar zu behaupten. — Realiltt, in sich selbst beste-
hende Wirklichkeit ist diess in jedem ihrer „Theile«'
(wem wir diesen Ansdmck hier überhaupt gebrauchen
wolIeii>; indem dieser Bogriff die absolute Contlnuitat
dnea innerlich Gleichartigen bezeichnet, welches
nicht als sosaniniengeBelzl oder zerlegbar zh denken ist
ans manniehfiichen BestandtheSen. In jedem Theile ist es
gleicher Weise daher Kraft dieses Bestehens, innerlich
sieh setzend (expandirend) , also nicht nnr ins Unendliche
theiyuir^ sondern wahrhaft nnendfidi getheilt, oder sich
thdlend, weil es nie aufhört, innerlich Qod inim^ diese
Kraft zn sein. Und so wire vielmehr das Gegentheil, die
Behaupfmig eines letztlichen Oelangens auf endliche Urbe-
standth^e, ein Widerspruch gegen diesen Begriff le-
bendiger Kraft. Wollte man nAmiich den „erfOlltcn^ Raum
eben so durch Atome gefüllt denken, so müssten diese, -^
wenn man sie nur wirklich denken will, und sich nicht bloss
bemhigt bei sinnlosen ^ aber endlos wiederholten Worten^
*^ selbst ausgedehnt, Kraft der Ausdehnung sein, also
auch im Atome an sich dasselbe Aussersichselbst enthal-
ten sein, dem man durch jene Erklärung eben ans dem
Wege gehen wollte ; man müsste sich denn die grdnzen^
lose Ungereimtheit beikommen lassen^ die Ausdehnung z n-
sammenzusetzen nnd ausfüllen zu lassen durch
das an sich nicht Ausgedehnte, also auch nicht Füllende!
Aber wären wir dadurch nicht zwischen zwei Wider-
sprüche gezwängt ohne Ausgang? Zwischen die Unmög-
licUceit, dort die innere Unendlichkeit zu denken, hier
diesefte zu verneinen und aufzuheben? — Oben — am
BegrUb des ieeren Raumes -^ trat der Widerspruch darin
hervor, dass er absolut nur ausser sich -^ also in
jedem seiner ^Theile« eine innere Unendlichkeit enthalten
sei« Wir ergänzten densdben durch den Begriif eines
ReaJen, „ Raumfullenden ^ , näher und eigentlicher, erst
Ranmae inenden. Haben wir aber dadurch den Mo-
ment des Wid«rspniohes eigentUeh aufgehoben, da sich euch
90i Theorie
in dtösem Begiiib die Annahme einer ianem UnendficAkeit
sogar als notti wendig ergiebt? — Ein jedes innerlick
Gleichartige, als wirklich gedacht, kann nur inü dem
Begriffe innerer Unendlichkeit — als ein nach Inne« ins
Unendliche Unterscheidb ares gedacht werden. Indem
aber jedes dieser mannichraltigen oder nnterscheidfoaren
Theile selbst ein an sieh Gleiehartiges sein, also abermals
innere Unendlichkeit enthalten muss ; — so ist dennoch
diese immer das Erste , Unmittelbare , auf welches aUes
Andere zurückzuführen ist. «^ Das Unendliche ist seinem
Begriffe nadi überall das Ursprungliche, weil es noch das
Unterschiedlose, Ein&che, Allgemeine ist, innerhalb dessen
erst das Mannichrache und Besondere gedacht werden kann;
ein Satz, den wir schon frfther von einer andern Säte her
zu erläutern bemüht waren. Und nicht darin lag der oben
erörterte Widerspruch, dass der Raum überhaupt als inner-
lich unendlicher gesetzt wurde — denn als absolut Gleidi--
artiges k^nn er nur also gedacht werden — sondern dass
er dabei der leere war, dass er hier noch die innere
Unendlichkeit von Nichts bezeichnen sollte. Und erst
hierdurch ist das eigentliche Princip des Widerspruches
bezeichnet, aber damit zugleich ergänzt, weil sich jenes
Piichts , die Leerheit des Raumes, als selbst das Nichtige,
Widerspruchvoile, Aufzuhebende ergeben hat.
IV. Ebenso fanden wir den Widei-spmch im Begrifle
der Zeit darin , dass sie der Process des unendtiohen in
sich selbst Yersch windens ist , des stetigen Nichtseins
in ihrem Sein. Sie besteht aus unendlichem Jetzt; aber
diess Jetzt ist eigentlich nie, weil es immer nur ist das
Verschwindende, sich selbst Aufhebende; und so ist auch
der Begriff der Zeit — nnr also gefasst — der Ausdruck
eines endlosen, stets sich erneuernden Widerspruches, —
eines Seins, dessen Charakteristisches einzig darin besieht,
sich selbst aufzuheben , in's Nichts zu setzen.
So wie aber der Widerspruch im Begriffe des leeren
Raumes dadurch verschwand , dass wir ihn aus dem Be-
griffe des 0n ihm> sich verwirklichenden Reden
von RwBi md Zeit. HflS
hericileleiif wie also jener Widerspraeh dadafck sich iMe,
dass nachgewiesen wurde, der Raum sei Nichts an sii^h,
er sei nnr als die Verwirklichungfsweise des Ati^
dem in ihm a denken: so wird auch der WkiersjMruch im
Begriffe der Zeil Mf gleiche Art sich lösen. Zeit entsteht
aus dem Begriffe des Realen, welches, sich verwirkli-
chend, eben damit dauert. Und Dauer ist eben hier
der ergänsende mittlere Begriff, der, über den Begriff dfr
leeren Zeit hinausgehend, zugleich auf das die Zelt
durch dauernde, sich unmittelbar als Zeitliches setsende
Reale hinweist. Nur Daner ist, d. h« ein beharrendes und
im Beharren wandelndes Reale; nur diess ist der Ur^
spnnig jenes Begriffes, den wir Zeit nennen können^ weftn
wir absehen von dem einzelnen Wirklichen (den zeü«-
lich zufälligen Dingen), und jene nun als das Allgemeine,
Allumrassende derselben abgesondert hervorheben wollen:
und so kann in diesem Sinne freilich auch von leerer Zeh
die Rede sein, insofern man alles Einzelne aus der Zeit
sich hinwegdenken kam^ wie jeden begranzten Körper aus
dem Raame ; aber vom Realen überhaupt , dem als Zeit
dauernden und als Raum sich expandirenden, kann
man nicht abstrahiren bei diesem und dem andern Begriflb,
weil beide Nichts an sich selbst sind, als der notliwendige
und unmittelbare Effekt, die Existentialweise des Let2«
iem ; für sich selbst aber gefasst, ein innerer Widerspruch.
Jene endlos sich aufhebenden Jetzt , «die eben den Wider«-
spmcfa im Begriffe der Zeit erzeugten, sind nur die uaend«-
Itch thell- oder unterscheidbaren Momente des V er bar«*-
rens der absoluten Wirklichkdt, die jenen dadurch erst
innere Fülle und Anhalt verleiht, während sie, abgesehen
von diesem durch sie hindurch Beharrendon, nur einen
abstrakten, und um dieser Abstraktion willen sich aufhe-
benden Begriff enthalten. Gleichfalls ist aber dadurch eine
innere Unen dlichkeit jeder dieser einzelnen „Zeit-
momente^ gesetzt, weil das Beharren, als absolut Gleich-
artiges, eine unendliche Unterscheidbarkeit in
aich zuiiast: und auch hi^n entspricht dieser Begriff
2M Theorie
rgenta dem des Raumes ; wiewohl die endlose Theilhariieit
der Zeit bisher weniger zum Bewussfsein gekommen ist, da
sie, als das unendlich Verschwindende, diese Selbsttheflung
eigentlich unmittelbar an sich selbst Vollzieht, und gerade
dasjenige «m Allerwenigsten bemeriit wird, was am Näch-
sten und Dauerndsten uns vor Augen liegt.
An sich ist also die (leere) Zeit , wie der (leere)
Raum gar Nichts, weder in subjektiver, noch obj ek-
tiver Bedeutung: nur in dem Andern, Realen, sind sie,
ttiunittelbi^ durch dasselbe gesetzt, und seine nothwendigen
Beg^ter. — Dennoch ist jenes Nichts, die Zeit, nach ge-
nraier Meinung das Mächtigste, indem sie Alles in ihre
^eigene Vernichtung hinabzieht. Die einzelnen, „endlichen^
Dinge, als nur von bestimmter Dauer, vernichtet frei-
Jich die Zeit ; aber sie selbst sind nur Momente, Abschnitte
am ewig Dauernden, welches, die Zeit unend}ich er-
fAlIend, ihre ewige Grundlage, das Substantielle
in ihr bildet.
So ist die Ewigkeit nicht die Negation der Zeit,
oder diese die der Ewigkeit (wie man die Ewigkeit woU
auf die Zeit folgen ISsst, als das sie Ablösende, gleichsam
Bessere als sie): sondern die Ewigkeit, die absolute^ dau-
ernde (ruhende) Gegenwart des sich verwirklichen-
den und darin wandelnden Realen schafft die Zeit, an
semen unendlichen Wandlungen ihr ein Maass und eine
Unterscheidung gebend. Und diese Theile und Scheidun-
gen endlicher Erscheinung nennen wir „Z e i t^ oder ,Z e i-
ten<( (Zeitabschnitte), und sagen dann uneigenllich , die
Zeit selbst habe das innerlich Wandelnde zerstört , weil es
nach einem . von ihr entlehnten anschaulichen M a a s s e
jetzt als ein Anderes erscheint, wiewohl doch an sich
die Zeit ohnmächtig , ja das reine Nichts ist. — Bezeich-
nender wäre es also im Gegentheile zu sagen , dass auch
jedes einzelne Ding, verfliessend nach dem Typus seines
Daseins, sioh seine Zeit schafPe oder habe; denn einem
Jeden ist sein eigenes Maass des Daseins, daher auch
der Zeit verheben; und Nichts kann eigentlich Zeitme$-
Ton Ramn und Zeit SOS
ser für ein Anderes werden« Daiier wir aneh nlcbl von
Zeity sondern eigenllicli von onendlicli vielen Zeiten —
Zeitoiaafisen — in und neben einander reden soiite^.
da wir diese eigentlich meinen, wenn wir von Zeit reden ;
und wie diese ans der ruhenden Ewigkeit unendiidi an&>
taiichen, so verschwinden sie wiedenun in ihr*
V. Beide also, der erfüllte Ranm, wie die Dauer,-
von einander unabtrennlich nnd sich innerlich eigAnaend,
sind nur Ausdruck der Wirklichkeit der unendliehen
Realität ; — bfeide, als solche selbst unendliche, uabegräna-
bare, weil Alles, was als intensiv und extensiv begranzt oder
endlich angeschaut wird, nur darnach — nur also in ihnen
--gemessen werden kann. Sie sind der Ausdrack des
Haasses im absolut Unennesslichen, in welchem also je-
des bestimmte, in ihnen gegebene Maass aufgehoben , ins
Unbedingte weiter hinausgerückt werden kann. Und eben
desshalb, weil jedes Einzelne, was man in ihnen begrinzen
oder messen will, sich in Bezug darauf als ein ZuHHigef
giebt , d. h. auch anders und immer apders sein könnte,
ohne dass damit das Unendliche erischöpfl oder ermes- *
sen zu werden vermochte; so können wir in Zeit und'
Raiun von bllem Einzelnen abstrahiren: und nnr in
diesem Sinne, in Bezug auf das Einzelne, das zufällig d i e«
sen Raum und diese Zeit erfuUt, ebenso gut aber auch
in anderm Raum und in anderer Zeit sein zu können scheint,
bat man Raum und Zeit von ihm abgi^öst, und beide nur
als zufällig zu einander kommende betrachtet. „ Leerer ^
Raom und „leere^ Zeit bezeichnen daher nur ihre Gleich--
gülUgkeit gegen eine bestimmte, einzelne ErfüUung/
Aber darum werden sie nicht leere überhaupt, — oder
es muss der Widerspruch dieses Begriffes zugegeben wer«^
den, — sondern eben die Abstraktion von allem Einzel-
nen treibt desto unaufhaltsamer zur Anerkenntniss der
unendlichen R e a 1 i ta t , durch die sie nur sind.
Wie nun demzufolge der Raum, als der Ausdruck le*
bendiger Expansion, zuerst und am Reinsten in der
Form der geraden Linie sich darstelle, -— Punkt kaua
30& Theorie von Rmm ntui Zeil.
nar, als innen»' Nftg«tion (CrSnae) der Linie, wie des Rau-
mes überhaupt, oonstniirt werden ; er ist der munfttelbare
imMinrck des Widevspraches , der in seinem abstrakten
Begvifil» Hegt: *- wie daraus PI d eile, Körper, ferner
die dvei nooh anen«t;ss'hiedenen Dimensionen sich
entwickein; — enHsehiedene, d.h. als Tiefe, Litn^
^e, Breit^e angesohani, werden sie erst^ auf einen l)e-
stimBiten Standpunkt bezogen, für uns der eigene GrsTila-
tiMspünkt: — wie andererseits die Zeit, als Ausdmck des
stetigen Verfliessens — also in Einer Dimension, doch in
dto innem Untersohiede des' ewig wechselnden Jetzt, Vor-
Ii6i»mid Nachher sich theile: wie endlich die Bewegung,
ate Rawnverkaltniss auf die Zeit beisogen , und umgekehrt^
die Zeit (das. VerfKessen, die Veränderung) in Raum ais-
gedrückt, die gegenseitige Durchdringung beider in
sich darstellt^ diess hat die eigentliche Philosophie , be-
stimmter die Natuiphilosophie , ssu entwickeln, damit den
matbcBiatisohen Wissenschailen ihren Boden bereitend.
VL Wenden wir das Bisherige auf die Ka'ti tische
Theorie nm Zeit und' Raum an , so l§sst sich nicht ver-
bannen^ dass diese dadurch eine wesentliche* Veränderung
ealeide. — Weil jede einsetne Erfohrung* Zeit und Raum
schon voraussetsKt, • — zeigt jene Theorie, — so können beide
{iberhaupt nicht aus Eriahrung geschöpft sein; sie sind
a|»vior4Scbe Anschauungen, d. h» subjektive Formen des Be-
wusstseins^ in die das Einzelne der Erfahrung erst eintritt,
sie aukttUend und niher bestimmend, während sie an sich
und ursprünglich leer sind. Das Ding an sidi also, das
Snbsirat jenes in Zeiti und Raum Erscheinenden , ist selbst
als zeit- und raumlos zu- denken*, ist dasjenige^ in
Betfttg auf welohes- Jena sobjektiren Formen gar keine Be^
deutung haben.
So wie wir nun schon oben dte von Kant hier ge-
machte Anwendung der Begriflfedes Apriorischen und Apo->
steriorischen) und die daraus gezogene Folgenmg der Snb-
jektivilit von Raum nnd Zeit beseitigten; so Meibt uns hier
ii06h der Aosgang^Hrnkt jener Theorie zu- erörtern übrig,
Biag^^ OB tich «d BrsdiHfitt;. 907
die. MonsöqueiHB nämKch ^ dass Raum uad Zeit — n\s m
sieh leere^ Formen — erst des ganz von Anders-
wo li^er stammenden, in ihnen nur auf snbjektire Weise
erscheinenden Dtngeg an sich bedMen, nm erfüllt zo wer- '
den. Diese Erioiiangs der Fortschritt zur inn^m Bestimmt-
hett, istalso nuph Kant keineswegs eine nothwendige
ße dingung Ar jene BegriSte, sondern eine ganz äusser-
liche, last als zufSUig erscheinende, wenigstens nur faktische
Fügung — ein blosses Zusammentreten zweier entgegen-
gaselBlen Sphären , ohne wesentlichen Grund und innere
Bi^iehong. Das Ding an sich erseheint in jenen Änschau>-
nngsfoimen des Gemüths als ein bestimmt raumliches und
zeitliehes^ aber eben so gut könnte es auch nicht erschei-
nen^ und umgekehrt, das Gemüth könnte an sich auch in-
neitich nicht bestimmt werden : denn, wie gesagt, die
Synthesis beider Begriflfe , der nothwendige Zu-
s a m m en hang von jenem mit diesem ist nirgends aufge-
wiesen, ja er kann nach dem Zusammenhange der Theorie
auch ntchtr aufgewiesen werden, weil es der Voraussetzung
nach zwei veHkommen geschiedene Wehen sind , die sich
in der sinnlichen Anschauung nur zufällig begegnen : und
das nur faktische Zueinander-kommen derselben
niaeht so sehr ihren* §berwiegenden Charakter in dieser An-
siohlans, dass selbst ihre Zusammen lugung in der Thatsache
der sinnlichen Anschauung dennoch keine wahrhafte' Em-
heit beider erzeugt, in der das Objektive subjektiv gewor-
dmt wflre , odfiTi das Subjektive eines wahriiaft Objektiven
sidi hemachtigt hatte.
Denn erwägen vrir nur das eigentliche YerhSItniss,
welches jene Theorie zwischen Beiden festsetzt I Das Ding
an sich „erscheint^ dem Bewusstsein, als raumlich und zeit-
lich bestimoDtes^ und diess ist eben Erscheinungswelt.
— Ss ersipheint; diess Wort kann an sich nur bedeu-
ten: eft giebt sieh kund, offenbart sein Inneres einem An-
dern,; ist f§T Anderes, indem es vof seinem Brsdiei-
nen nnr an sich war; es kann überhaupt nur die innige
Beziehung und Vereinigung zweier Sid)stanzen bezeichnen,
208 Diiiir «n sieh imd^firsdieinung. .
die, sich erscheinend^ für einander, sich geöSbet« durch-
sichtig sind; ein allgemeines Verhältniss, das selbst
in verschiedenen Beziehungen verschieden gefasst , und in
den mancherlei philosophischen Ansichten anders gedacht
werden kann ; immer aber auf der Voraussetzung beruht,
dass in der That eine wahre Vermittlung des Subjdi:-
tiven und Objektiven darin zu Stande komme. Aber auf
ein ganz entgegengesetztes Resultat lauft es in der Kan-
I i sehen Theorie hinaus« Das Ding an sich, dem Bewussl-
sein erscheinend durch das Medium der subjektiven
Anschauungsformen von Zeit und Raum, erscheint dennoch
nicht als das, was es ist; indem alle räumlichen und zeit»
liehen Bestimmungen, also überhaupt alles Qualitative
seines Erscheinens, von seinem Sein negirt und abgezo—
gen werden muss. Das Ding an sidi bleibt in seiner Er*
scheinung dennoch ein schlechthin unbekanntes, d. h. e i-
g e n 1 1 i c h nicht erscheinendes ; ja seine Erscheinung selbst
ist eben das ewig Verhüllende und Verbergende seines
Seins: ein Widerspruch und ein Missverhältniss , welches,
so wie es zu deutlichem Bewusstsein gekommen, nur in
dem Versuche enden kann, diess leere Scheinen eines
erscheinenden und nicht erscheinenden Dinges an sich «e
0 zu setzen, oder ganz zu extenniniren ; eine nächste Kon-*
Sequenz, die in der Wissenschaftslehre vollzogen
wurde. *)
*) Wohl kennea wir die Kau tische FuDdtmenUlerkUmng
über den Begriff der Erscheinung, und die Auskunft, dwcb
welche er den Worten nach jenem Widerspruche zu entgehen
weiss: (Kr. d. r. V. S. 69. 70.): „Was gar nicht im Objekte
an sich selbst, jederzeit aber im Verhältnisse desselben anzu-
treffen , und von der Vorstellung des erstem unzertrennlich
ist, ist Erschein u ng.*< — Schein dagegen wird erzeuget,
^,wenn, was dem Objekte nur Im Verhältnisse auf die Sinne
oder überhaupt aufs Subjekt zukommt, jenem an sich bei«
gelegt würde, wie z. b. die zwei Henkel, die man anföngUdi
dem Saturn beilegte/' «- Lassen wir hier den „Schelnf* bei
Seite» so Ist selbst nach Kant's Erklärung offenbar , des«.
lUiiim und Zelt. 209
Dieser vielfach erörterten Verwirrtm; madil die ein-«
ffiche Bemerknng bis auf die Wurzel ein Ertde: dass Raum
imd Zeit, als besondere Formen, als ein Sat sich Bestehen*-
des gefasst, geschehe diess nun in subjeliliver, oder objek'^
tiver Bedeutung, überhaupt nichtige, in sich selbst sich' auf-
hebende B^friffe sind, Wahnbilder und Erdichtungen einer
mangelhaften und einseitigen Abstraktion/ Sie sind' nur
der Ausdruck eines Andern, Hohem, zwar nicht des „Din-
ges^ an sich, als einer todten Objektiyitat; wohl aber der
unendlichen, sich verwirklichenden Realität', die zwar ei-
gentlich nicht in Raum und Zdt ist, indem diess wieder
aof die abgewiesene Vörstelhmg zurftckfuhren wurde , als
seien Zeit und Raum besondere Formen für jene , in wel-
cke sie aufgenommen würde, — da sie viebnehr durch ihre
Sdbstverwirklichung Zeit und Raum selbst ewig schafft 'und
siisgd>iei1*
Allerdings scheint durch diese Ansicht der ganze Be-
griff einer subjektiven Erschemung in K a n t i schem Sinne,
also überhaupt der ganze subjektive Idealismus im Fanda-
mente zerstört; und eben diess war der Grund, warum wir
auf K a n t's Raum - und Zeittheorie , mit allen daraus ent-
wickelten Folgerungen, besondere Aufmerksamkeit verwen-
deten. Mit ihrer Aufhebung nämlich ist die Wurzel einer
auch jetzt noch weitverbreiteten Grundansicht von der durch-
gangigen Subjektivitit alles Erkennens gleichfalls ausgetilgt.
• cheinend, das Ding dennoch in keinem Sinne an sich er-
kannt werde, dass ,,nichts Objektives in seiner Erscheinung
vorkomme'^, dass es nach seiner objektiven 'Beschaffenheit
sUo s3 0 zu setzen sei für .die Erkenntniss » d. h. eigentlich
ab nickt erscheinend. Dass diess im Innern des Syslemes
verwirrende Zweideutigkeit erzeuge, indem d^n "WprUn nac^
diess eigentliche Resultat geläugnet w^rd, und, wie eben da-
durch die verschiedenen Interpretationen über den Sinn der
Kritik entstehen mussten, ja wie dadurch ,^eine b e li ebi ge
Einrichtung im Systeme selbst möglich wurde«*:
bat besonders Jacobl unübertrefflich gezeigt. (Sämmtlidit
Werke Th. III. S. 77.).
14
j I
214) Haum und Zeil« SitinKclikett; und Verstand.
itfimKek, -wäre KanTs Thc^rm von Zeit md Raum
anders ausgefidlon, auch die ganze Kritik der reinen Ver-
nunft in ihret firmem Resultaten eine andere geworden
sein würde; . diess glauben wir bereits gezeigt zu haben,
und eis wird diebs der fernere Verlauf noch deutlicher dar-
UuiD. -^ Und. in dieser Beziehung können wir den Wansch
nicht* unterdrücken, von all* den zaUreichen Phflosophen-
scbiden,.die auf die Konsequenz jener Kantischen Theo-
viO) so oder anders modificirt, ihre eigenen Lehren grOnden,
unsere Einwendungen gegen dieselbe nnd die daran ent-
wickdite eigene Ansicht scharf und eindringlich geprüft m
sehen ; damit diese entweder widerlegt werde , oder damil
ihre eigene widerlegende Kraft an der entgegengesetzten
Theorie hervortrete. Vor Allem ist es nämlich wichtig, die
Punkte zu durchgreifender Klarheit zu bringen, wo ver-
schiedene Ansichten, wie aus ihrer ersten Wurzel, ausein-
ander gehe«, damit der Streit nicht immer in den Ausseit-
werken der abgeleiteten Folgerungeft verweile, wo er nach
seiHiCBfi Fundament schwer zu erkennen und verwickelt ist,
sondern auf die einfache Grundlage der Sache zurückgehe,
wo stets eine vollkommene Entscheidung errungen werden
wird.
Wir halten den bisher abgehaaddten Theil der K a a-
t i sehen llieorie für den wichtigsten, und für die Grundlage
des Uebrigen. Desshalb scheint es uns hinlänglich , im
Folgenden kürzer die einzelnen Resultate zu berühren, da-
• bei jedoch immer die höhere wissenschaftliche Einheit der
Theorie im Auge zu behalten. >
Die Sinnlichkeit, als blosse Recep ti vi tat, bringt
lediglich eitlen manniehfachen Stoff gegebener Anschanun-
gen zum Bewusstsein, ohne dass sie denselben bearbeiten,
verändern, neue Bilder aus ihm hervorrufen, alte erneuern
könnte: sie ist nur die unmittelbare Affcktion durch das
^sinnlich Gegebene und mehr nicht. — Ihr steht die abso-
lute Spontaneität des Bewusstseins entgegen, die am
I I
SiBaiifikeitM«iir^TBlfiii(|. . SU
UsinittellMrvsMn 0te J«»t4l(Niiieel(raft «kb tt^^ ^
isä YemögM, den.tfiimUch ^egrebenon Stoff trennend uaiI
neu veriMAdend^ produoirend *niidircprod«eireiid — über-
banpl fr e i m' keherrschem'
Wir frngen hier niohfv wie die absolnt enigtegengfesetai«
ten Zostitide des reinen. Leidens und der reinen Thih
iigk^H' ^[KeeepUviMi wd SpOilfmeitil; ; ü^ahirgfeigebeabeit
und Fpeikett) $o ohnaiWei(e^0».in deia BiMn Bew«uuiWeia
verbiHtdeji .gedacht Mrerden kCffnetii .-^..wiifj&iiclispaliernoch
bedeutender in der Frage paeh .der ayoilbetischen Einbeiti
der AppereepliDn herv0rlt|it; t^-gem^ also .isl das De-
wvsatsein sieb .gegKAen.^t« und K^ut will vberbau^ auf
seinem kritiscben Standpunkte;. lächi Aber die munittelbaro.
ThatstDbei hinansgeben«. CVgi.ErinleitQng, S. 39. : »Ss giebl;
zwei Stämme der menschUcbeftJBifkeBtttnisS) diQivieHeicbt
ans einer gemeiiiscbaiUiGben , nns aber i^ n b e k a a n t e i^
Wnreel entspriiigen , näoilieh' Siimlicbkeit. und Vorstand.^
Daza noeh S. 74 ff.)
Die Einbiidangskraftalso erzeugt Bilder w» dem sinn-
lich G^ebenen; aber ihFe BHder sind an sioh l^er ond
ebne ReallMt; sie werden noch nicbjt als Obj ekle er-
kannt. . Doch indem aie mH (lern Stoffe der Krfabrung
frei m schatten hat, kann sie das Gleichartige dessek*
ben zu. Einem BlUe : vereinigen, das, Ungleichartige an ihm
faQen lasabnd ; und sie hat damit ein Allgemeinbild » und;
*>reMi dless auf 0 b.j ekC e bezogen wird; einen Begriff
gebiUet, woraus wieder' Urth eile zusammengesetzt weiw
den. So WiM die BfaibiUnngskraft zum Verstände, in-
dem dieser jene Bilder ^seinen Gesetzen gemäss denkt«;
nnd so kann abe näher der Verstand flir das Ver«*
aiögen des Begriffehihiofis eiidarl werden.
Aber auch hier wird es «Ugemeine Bestimmungen^
feste- Böhmen geben müssen 9 nach .^enen der .Versland,
Begriflb' biUend und Urtheild siusammenselzendy ! veriShrt:
sie Worden eben so ffir den Veraialid das Apriorische
iein, wi6 diess Zeit. und Baum for die Stünlichkeitt waren.
AuftteÜHg derselben isl das. Geschäft' der irans«^
ii% SinrdichkeÜmMi'Vktktmidl 'VraiMsoendentalo Logfik.
9t^ e n d e fl tiB 1 e ii li^g ilu i Dteflegebi üblnr iM ¥ ^ria der
t^iilb nämlich, ohneRdckstcht auf ihren lakttlt^ lehrt die
aligremeine Logik; (^ie^ daher nach Kant 'durch' die
transscendentale Logik nicht verdrfingt Oder aoflfeliöben, son-
dern in ihrem: mitergeordneten Weiihe belassen wird : ein
Urtheil, in Folge dessen man späterhin, weiter gehend, die
gewöhnliche Logik filr ganz überflüssig erkUifte «nd Pichte
^s aussprach, dass sie gar keine ptfilosophisofte Wis-
senschaft sei). Die Möglichkeit und Gültigkeil des
Fn h a 1 1 s der BegriSb dagegen hat die: transscenden—
tale Logik zu untersuchen, in Bezug darauf sind die
6^iffe nun entweder r e i n e oder empirische. Jene
dHIcken nur die h o t h w e n d i g e A t* t * der Verbindung des
mannictifflöhen empirischen Stoffes at^s; diese zu'gleich
das durch die Anschauuing gegebene Manhichfaltige ' selber.
^Hieraus würde nach Kant die für aHe Erkenntnisstheorie
wichtige Bestimmung folgen, dass auch in den ^empirischen*'
BegriiTen ein Nothwendiges ihnen gegenwärtig und unmittel-
bar einverleibt sei.) Reine Begriffl^ ohne Anschauung sind
(wären) demnach „leer^; blosse Anschauungen ohne Bo-
grUte „blind.«^ — Die nothwehdige Art und Wbise jöier
Verbindung des empirischen ^Stoffes durch den Versland
macht nufi ieben die „Gfei^tze^^desselben aus; da aber jede
Verbindong eines Mannicbfaltigen zurEihheit meiner Vorstel-
limg nur in der Form des Urtheiles geschdien kann;
so werden die Gesetze jener Verbindung den Ausdruck
YOU' ebenso viel nothwendigeh Urtbeilsformen annehmen.
Hier kommen der Theorie nun die zwölf ' Urtheilsfor-
tuen der gewöhnlichen Logik entgegen, die sie nach ihren
vier Hauptgesichtspunkten von Quantität, QualU&t, Relation,
und Modalität , übrigens aber ohne weitere philosopliische
Deduktion, ja selbst ohne nähere BegfiffsbestfanmuÄg, als
die zwölf Kategorieen aufstellt, und diese fHr „die Verzeidi-
nung aller ursprünglich' reinea Begriffe, die
der Verstand a priori in sich enthält^^, -^ erklärt - — Was
etwa «uf ein tieferes ergänzendes Verbältniss derselben
unter einander hindeuten konnte y. ward in folgender Form
Transscendentale. LegflL Die Kategorlecn. 813
anTgi^iyui: ^ lieber 4ie' Tafel, der > JKttegorieen Iftsaendch
artige Betraehtutgm.aDatonen, .z.,B. dass sich diese Tafel
mit ihren vier Classen in znvel Abtkeiliingen zeriBllen lasst)
dass überaU drei Eategoricen wscbcinen, welches zum
Naohdeaken auffordert, da sonsl atte Eintheilung
apriari durch Begriffe ein Zwia^^alt sein inuss;^
(also ein Entweder ^^ Oder, dn Weder. — Noch; wo
aber eben dia Vereinigung 'der Gegensätze in einem Uö«
bera. Dritten, also gerade die philosophische Erkenni«
niss, lünwegiaUtc Und i dennoch setzt Kant gleich Folgeiv*
des hinzu:) -*^ ,ydass..die diltte Kategorie allenthalben
au& der Verbindung der s^weiten mit der er-
sten ihrer Klasse entsfiriagt« (5. 109 — 111.);
woraus also folgt, dass die Gegensätze der beiden ersten
Kategorieen in der dritten vordnigt^ somit aufgehoben sind^
dass also nicfal bei dem ZwiespaltOy der Dichotomie, stehen
geblieben werden müsse.
Wie dieselben nun die apriorische Form. des Ver-*
Standes ausmachen, sind« sie an sich ganz leer und inhalls-i
los: erst durdi Beziehungen aitf bestimmte Anschauungea
empfangen sie Inhalt, -^ Verden nach ihnen bestimmte
Begriffe 9 einzelne Erkenntnisse gefunden. Aber auch sie^
beziehen sieh nur aufl das Erscheinende, jenseits des-
sen sie . ohne aUe Bed^ulnng sind ; also auch in ihhei»
wird das Bing an sidh nicht erkannt , vielmehr sind ihret
Besttmmongen gleichfalls^ ausdiAeklich vcm ihm. zu negi-«
ren. Also auch der Verstand vermag nicht dad Wesen,
des Dinges an sich zu erkennen, auch er ist auf die „Well
der Erscheinung^ beschrankt. . .
Wahrend bisher die Kategorieen. als abstrakte Allge-f
meinheitea gleichsam in Ruhe. und ohne „Anwendung^ au£
wirkliche GegensUnde betrachtet wurden ; so entsteht die
Frage, wie eine solche .Anwendung überhaupt möglich sei :
-^ eine, so viel wir wissen, von Kant zuerst in Anregung
gebrachte Untersuchung , . wodurch wenigstens von einer
andern Seite her, und gleichsam nachträglich, die fast ver-*
k>ren g^wg^^ Einheit izwischen Verstand und Sinnlichkeit
S14 ' Die KdefoKoMi
wiedariwiffesteHl wehbm söUi ^' fiifc Anschatidriler 'M
ein reEin SinnlicbeB,Adio Katagforieen ein absolut Un'-
sinnliches, reino V^rista/n^lelsCornen: wie können
diese nun auf jenes tngewen^t , ^ie beide je TÖrmUlell
werden zur Binbeit einer Erfahrungserkeantni««?
Dazu bedarf es offenbar eines dtritten^ beide Tereinigen-*
den Elementes ^ Welches gleichfalls rein (« jpriofi) ^ ohne
aDes Empirische, also zufleidi einerseits intellektuell,
anderer Seits i^innlich sei« So kdnnte z«.B. gefiragt
werden, welches die sinnliche F^orin ides ganz nnsiaalichen
Begriffes von Substanz und Accidbnz fai wirklicher An-
schauung sei? Fände, sich nin ialsusoldhe dier VeghSj ^^der
Beharrlichkeit eines Aealentjia. der Zeit^ zAgleicfa mit dem
^Wechsel an ifam<^ verbandeh; .so hatte' iiähtidaran^ eine
durchaus gemeingültige , * aitf aHes* Gegebeho i- flOBwendbare,
mithin apriorische Poha, ' «dennoch : leUi rihilili^hec Bc-
griff, darin aber das Bild („Schema^) eines Ihisinnlichea
gefunden. IMess leitet auf die Lebre von' dem tr an s-
scendentalen Schemati'smti.s der reinen Ver-
nunft (S. 176--*i87.); worin gezeigt werden soll, was
dieses Dritte, ebenso . rein* 'Apriorische und Allgemeine^
(der Vemunftallgemeinheit Angehörige), als Unmittelbare
md. sinnlich Gegenwartige »sei;' -^ biii an sich sdbst scholl
hdefast bedeutender Gcdaiike^^ iihdän er anf die Gmndan-*
sieht führt, dass in dem üamitfelbareft aller sinnlichen An«
schaunng die Veistandeswelt der Kati^gorieen in sdiemati«»
scher Weise, d. h. in vershmifchtelt Gestalt, gegenwärtig
lei V 4iass jene (dei* Inbegriff der «Innlfchen Anschwiang
oder die Sinnen welt) somit nur sei die versinnlichte
Verstand^swält der Kategorieen selber: ein Sbte, der aller*
dings der gegenwärti^n Erkewntnitislehre ihre Bedentang
md ihre nothwendige:Mckbeziehnkg auf eine daitef so
gründende Metaphysik gegeben hat. ^ :> .-
Abstrahiren wir nämlich vt)a' der schon als^ ftilsch nach-
gewiesenen Wendmigs die auch hier Kant wieder eintre-
ten lässt, dass das Apriorische oder schlechthin Allgemeine
desshalb nur ven snbjektiver <aeltQBg sein könne; so
Tnmsscendcntiiler ^SdicnaUsiiuis der irdnon Ycrnimfl. 'H6
ergiebt sich die Folgerung, dass in dem ^itinlielien
Schematismiis der Kategorieen, in welchem die «Dinge
an sich^ erscheinen, eben damit die wahren Und aligemei-
nen Prädikabilien derselben, subjelLt*-dbj^ktite
Grundbestimmungen für sie, enthalten seien, also ein
Erkennen der Dinge, ^wie sie an sich sind*, eben
dadnrch ttiögiich werde. Hiermit Mt auch die ^restrin--
girende Bedentong^ hinweg, welche nach Kant die Kate-
gorieen durch ihren sinnlichen Schematismus ' erbalten (S.
18&). An sich nämlich s(rilten die Kategorieen in ihrer
reinen Bedeutung, ohne alle Bedingungen der Sinn-
lichkeit^ von den Dingen überhaupt gelten, wie
sie sind, anstatt dass ihre Schemate sie nur vorstellen,
wie sie erscheinen; jene also eine von aHen
Schematen unabhängige, und viel weiter er-
streckte Bedeutung haben. Nun ist dasScIiema
«eigentlich nur das Phänomenen , der s i n n 1 i c h e B^gtiff
eines Gegenstandes, in Uebereinstimmtmg mit der Kaie^
gorie^ : also ist nur mittels desselben eine Anwendung äei*
Katcgorieen auf Objekte möglich , und an sidi sind jene
leer, haben nai die „logische Bedeutung^ der blossen Gin^
heit der Vorsteüungen, und sind, ohne Schemate, nur Funk-
tionen des Verstandes 2u Begriffen , stellen aber keinen
Gegenstand dar. So wirde die Kategorie der Subita ns,
^enn man ihr Schema: die Bestimmung der Beharr-
lichkeit derselben in dem eignen Wechsel innerhalb der
Zeit , wegliesse , zu einem leeren Subjekte werden' ^ wel-
chem weiter kein Prädikat beigelegt werden könnte , imd
80 mit allen Kategorieen. Diese können särnrnüich nur iin
sinofichen Ausdruck eines Verhältnisses in der Zeit
— Anwendbarkeit und Yorstellbarkeit erhalten. Nun hat
sich jedoch aus der transsceirdentalen AesSietik die bloss
subjektive Beschnffbnheit der Zeitanschauung ergeben ; mit-
hin fallen die sämmtlichen sinnlichen Schematisrhen , die
liur Modifikationen der Zeitanschauung sind, d^rselb^h ein«*
geschränkten Grandbedeutung anheiiti. So die Ka mische
Konsequenz! Aber in demselben Geiste Wäre ans der
216 Tfaiu»i;eiidenlder' ScbefaiRlisniiili' '
wideriegten Gmndprtlniisse von der Subjektivität der Zeit-
anschauung , das direkte Gegentheil zu Ibigem : auch ihr
ächematismu3 für die Kategorieen ist nicht bloss sub-
j e k t i V e r Natur. Und so zeigt sieh an dieser Stelle aber—
mals, dass eigentlich in Kants transscendentaler Aesthetik
.der ganze Mittelpunkt der Frage liegt, wdche auch über
die fernem Konsequenzen seiner Theorie zu entscheideit
hat; diese gewinnen sogleich eine andere Bedeatuag, ja
jkönnen in den entgegengesetzten Sinn übersetzt werden,
nvennjdie Grundansicht von Zeit und Raum eine andere
geworden ist^
Dabei zeigt sich in noch andrer Beziehung ein merk«»
würdiger^ auoh in die Fragen der gegenwärtigen Philoso-
phie tief eingreifender Umstand. Kant f&hrt den sammt^
liehen sinnltclien Schematismus der Kategorieen lediglich
Huf ^^Zeitbestimmungen^ zurück: das Schema der
iQuantitat kann nur Inder successiven Appre-
hension eines Gegenstandes innerhalb der Zeit» als
^Zeitreihe^ das Schema der Qualität, als Erfül-
lung der Zeit mit bestimmter Intensität, als „ Zeitin—
h a 1 1 ^ , das Schema der Relation, als das Verhältniss
der Wahrnehmungen unter einander zu aller Zeit, d. h.
nach einer Regel der Zeitbestimmung, oder als „Zeit—
Ordnung^, das Schema der Modalität endlich alsVor*
Stellung, ob und wie der Gegenstand zur Zeit gehöre, oder
als „Zeitinbegriff^^ angeschaut werden. Hier muss
gefragt werden, warum der andern, von der Zeitanschauungf
unabtrennlichen Grundanschauung des Raumes gar keine
Erwähnung geschehe , als ob diese untauglich wäre , was
gar nicht gezeigt worden ist, zum Ausdrucke eines sinn-
lichen Schematismus zu dienen; ja als ob nicht vielmehr
jeder in der Zeitanschanung ausgeprägten Kategorie ein
analoger Ausdruck in der Raumanschauung correspondiren
müsste. So ungerechtfertigt und, wir dürfen wohl hinzusetzen,
so unberechtigt diese Unterlassung an sich scheinen muss;
so charakteristisch ist sie dennoch für die damalige Phi*
losopfate, und so entscheidend in ihren Folgen. Damm
der rebienlVeiMrit S17
fOtoMdk M Ka nt tiflbibar mchl m dcnüf VeMackte flortge*
gangen, den Schernttimts- de^ Katej^forieen auch nach set«
nen RaodtibctetiBMMnig^n aafeQst6IRn>, treS die pgychoto^
sehe fleflezimi ftm zeigte, wie die mdi^käven Vorslelhingen
des Bemuitseiiis , die ,,ii]ischüinuigen'deii iitfnem Sianes^^^
in der Form einer' blossen ZeitsuccesMaa and Zeiterf&Uang,
also ohne alle HainnvorsleDuilg, vor sidi gehen. Es wwdo
daraus der ganz riofalige psychologic^che Sats, dass
der j, innere Sina^ der allgemeinere , indem er aaeh die
VorsteUongen desiossem Sinnes in sich auftiehmen mnss^
nm sie aur ^Einheit der Apperception^^ zu erhe-
ben, der äussere Sinn von eng^rm (Jihiiniglur das Be^
irnsstseni seL Aber damit. ist über die aDgettieine Frage
noch gar Nichts entsdrieden, ob nichl detr Ranm eine
ebenso universale GnindbesHaimüng aller y, erscbeinenden^
(in WifUichkeit und Wirkung tretenden) Dinge an sieh
sei — w'ie man den Sinn des. Worti; ^ Erscheinen <<' hier
auch lassen möge, — ab Kant es mitfiechi von der
Ze i t behauptet, — über die Frage : ob die satjektiven Yor^
stelluBgen ihrem Innern ürunde nach nicht ebenso an
Bedingungen des Raumes und der RaumerMung geknüpft
sind, wie an die der Zeit und der bdstimmten: Dauer, d. h.
ob aueh das Vorstellende und Denkende iai uzbi : nicht glei-^
eher Weise in einem Wo ist, wie in eifern Waftn? Hier"
triU Mber eben ein, was Kant dne «Siihreption^ nennen
wfirde: man 'substituirt unausgesetzt der; psychologi-
sch e n Tliatsachey dass die subjektiven Vprs^ettungen und
Gedanken, überhaupt die Bestimmungen «des innem Selbst^
bewusstseins, nicht nach Raumuoterschieden «ufgefasst wer-r
den können, die metaphysische Folgenu^g, welche man
sidi nicht einmal immer als Folgerung ausqpreehen magc
also ist die Substanz jenes Selbstbewusstsein^, die
flSeele^ oder der „Geist<^, auch objektivt YMi.aUOA raümli-
eben Bedingungen unaUiangig, an sich sejübst unräumlicher
Natur. Und doch ist dieser ganz imbere^tigte Schluss die
Giundlage der bisherigen Seelenlehre gewesen ; und auch
an dieser Stelle der Kantischen Theorie bleibt bemerkbar,
218 TranssCMidenUJcf :6clieiiilirtemus
wie ei 4*s*rRestittfii Qincp'Aeflndoa aur> die itfifeklivcii
ThttUiftoheii des iSelbslbewusalseiiu schon für ein ontologi-
sebes Ergpebnifis lOber dftT Wesen der Seele bSiL
Aber aneh üi iindeDdr Beziekung begegnen wir bier
etaen Zweifler jener YMinilldfMle .Schematisnins xwiscbea
reinem Verstände und reiner SkinlieiriEieit.sokeiBt uüs näm*
liok, nacb dem Goisfie, wie nach dete BuchaUben der Theorie,
völlig .unbegreiflich , ja widersprechend« Der Sinnli^keit)
der Messen „ReeeptiYitat^^ eines dem Bewosstsein ur-
sprünglich ganz .fremdadttigw Dinges, stdit der Verstand,
das • absolut q;)onlane Veimogen, gegenüber f sie aiod zwei
Slftnme ,;tiiibel£annter Wurzei!«' Oben fragten
wJri was beide innetliefa ausammenfage? Hier
fragen wirnookiiäher: wie anohnnr itfss et licli ihre For-
men :zn einander passen kdttien? — Kaoh diesem ZBsam^
menhange der Ansicht ist es nicht einmal begreiflich,
wie das rrein '^Sinnliche, die Etschtimmg eines dem
BewüsststihBntgegengesetzten, je an die Formen des
Verstandes, als: die rein innerlichen und subjectiven,
sieb tnttschli^sen kann; noch weniger ^ wie der Verstand,
auch, schematisirend, seine Kategorieen immer richtig und
zuversichtlich! anwende zur Bildung von (Verstandes-)
Begtififen aas > dsm absolut Sinnlichen. Woher dock
die Gewissheit 5 ja nur die BegreifKchkeit dalur , dass die
renienf Formen des Verstandes übeFAll so unerwartet den
Fometi der Sinnlichkeit parallel gehen , dass sie sogar für
kiichts AWdereö,^ denn nur iur SimiKches, BedeHtühg und
Anwendba)4cdt haben? Woher diese unerkifiriiehe Har^
monie? Beide Sphüren* trennt ja »eben nach Kant eine
titiübe^steigliciie ffluft: Jedes^ der Verstand mit seinem
E^^tende der Kategörieen, und das in der Mnnlich^m An^
^ohauung^ erscheinende Ding a n s i c h^ ist eine Wdf t&t
sich, s^lechthiti unabhängig von der andern, indem das
Ding an sich^ erscheinend in den subjektiven Formen der
Sinnlichkeit, zwar darin nicht erkannt werden kann , wie
CS an sich ist, dennoch aber wenigstens negativ zum
Weson der Ersckeimmg bettrigt , indem diese selbst
aitdehrK tftln ihicrfiiCö^ Ve%A AnNl^tt^i^ 'ih ili^ er-
schien«. -*<^ SblilUt «licht c«iAmar jener oben (S. i^l.f.)
gescliildcrte SiAjdiliv^sinttg K'aü't's "ydlUg* dazu atis, * dieses
Freblem , — ffMüi düfiP horste für dlhe Theorid des Be-»
ymuetaem» «tid ddS'folgeiiil^elchsie'iur die ganze Spelcula-«
tion^ — an Idsm. UnentslAiedett steht er zwischen voll^
endeteAi ideaKsndttS and koAsequehtem Sensualis-^
im» s 1^ • i d e stehen YOn • dtesot Sisitd her' der ' Erhlaningf
jenes Problems nfifafer , ^^ Wiiewohl es ihnen sonst an an-'
dem "Stelten fBlilen mag*^ -u^ ^v^ sie nur Ein Prin c i p
im gmaen Beimisstsein ^en lassen: Kant, det' hierin
vom GegeiiMatze «ssgeht» berHübt «ich dMilit 4iniviederbring-*
Uch des Fttndatnents, auf weteheser die BKiheit und deli
ZnsaHuneAbmg des <BeWtttstsoins 'grafnden könnte; jti diese
bleiben, nMk den Prämissen seiner Theorie, üiri mdh xm^
mA^Ucher oder nnbegtelflicher, ids für die altere metaphysi-
sche Theorie. Die Letztere sucht ganz allgemein den Zusam-^
menhnng zwischen dem Bewusstsein nnd den Dingen, zwi-
schen ^GeW und ,^ateri6<' zu erklären. Hier bfldet jede
dorheMenHfllften doch ebie in Sich isälbst gpe^cblossene, mit
sicfeubereinsttmniende Welt: bei Ktinf, w^dver idealisti-
scher Baum und Zeit mit allen flirefi Bestfinirfungen selbsft zd
btosB s^Q b j ek t i V en Formen dos Objektiven milcht, schwind
det dte Eine Hütte zu einer ttibekannfen Welt zusammen j
aber dafür tritt der Oag^otaiz ünA S Wiespdf , der gelöst
werden eollte, in das BeMrusstSOht selbst hinein ; es ist nun
die weit bedeiiklichete Plrdge^, wie iMf BewüSstsein seiber
der:iCiegensatz zwisdie* SinolichkeiV und Verstiand zur Ein-
heit imd UebereinstiaiBiohg eined>£tk Ruhens ausge-
glichen werden soll. ^ Und diese Bedenken liind nicht
gegen den BodisMen, sie siiid gegen den Geist, gegen
die Gnmdansklift der Kant isdiien Lehre giftrichtet, trelTen
also dien so sehr auch alle späteren llieorieeh^ die sich von
dieser Gnmdansicht nodh nicht losgemkcht haben.
Aber tot die Kritik der reinen Vernunft nicht dennoch
eine Antwort auf jene Fragen und Einwdrfc, ja bilddt nicht
gerade diese den faöefasten Lichtpunkt, die innere Einheit
230 SfnllMfUcIi^ SUhfit'
der gumen Theorie? Schxm frtl|er<S«13lOtlwtt^ bemit*
wortet| wie es geschehe^ dafift Sinvlichkeit vad Ver-
stand in sich übereinstimmen , dass, die KalegtHrieea der
Anwendung auf Sinnliehes^ die Sinnlichkeit des Be-
grilTenwerdens durch den Verstand iahig sei. . Das BewussU
sein ist selbst in sich Eines, ein untboilbares .Gmzes , in-
nerlich verbunden dui?c|i die ;syn;tbetische Einheit
der Apperceptioa: ^enn „das: Ich denke nass aUe
meine Vorstellungen begleiten können. ^
Sie sind also sammtlich zu beziehen auf die iraero
Einheit des Selbst^ewusstseins, die, indem sie allen, beaon-
dern Vorstellungen ursprünglich' vorau^kt» sie unter B i n e
Gesetzgebung fasst Das Bewusstsein kann daher sich
nicht widersprechen, odör auch nur aus disparalen Theilen
bestehen ; es bildet in der innersten Einheit des Selbstbe-*
wusstseins, im Ich, wie im höchsten Lichte, zusamraea-
strahlend, oder wie aus diesem Fokus sich . ausbreitend^
ein in einander greifendes organisches Ganzes, (S. 132 fil)
An sich, und seiner faktischen Beschaffenheit nach,
verhalt es sich freilich so mit dieser Einheit des Bewnsst-
Seins , die auch auf die weitere Uebereinstimmung Beimer
verschiedenen Sphären und Gebiete, wie Sinnlichkeit, Ver-
stand, Vernunft u.^s. w., scbliessen lasst; <— aber ea ist
eben die Frage, wie diese unzweifelhafte Thatsache sarolnt
ihrer Folgerung, sich in Uebereia«tiipiinuQgi)ringen laise mit
den Konsequenzen jener ganzen llieorie. Vorauage-
setzt und behauptet ist hier freilich die innere Einheit
des Bewusstseins., .auchi ist der Pwkt richtig bezetchoet,
in welchem diese Einheit ihren Ausdruck findet; aber ist
dadurch mehr geschehen, als auf die Thatsache hinge-
wiesen ; ist das Faktum nur irgend begreiflich geworden
durch die N afhweisnngen der Theorie ? htm gerade hier
erneuert siph um so stärker die Frage, wie das Bewusst-
sein überhaupt nur in syntlietischer Einheit der Appereei^
tion verbunden sein könne oder müsse, dajeaja nadi
jener Theorie in zwei an sich entgegengesetzte Hälften,
Sinnlichkeit und Verstand, getheilt ist , jene. Einheit daher
der Api^oeptton. ' Ml
in diesem KnsathmMihafOgfe irielmebr bUrveel mmiOglich', jti
formal frider^pre'ehend crsübeinen mfisstc.
So ist es ehen dasi^Benebmen der Kau tischen Phi-
losophie , ifie innere ' Einheit deis Bewusstseins übehill vor-^
««zusetzen, und sich auf sie zu b6ruren, durch das Resul-
tat der Theorie aber sie zu g^ßhrden, ja zu verliugnen.
Dennoch kann die Theorie selbst nur unter jener Voraus^
Setzung aufrecht erhalten werden, cBe doch zugleich, wäre
der Inhalt der Theorie wahr, eigentlich aufgehoben ist.
Und so wurde efa Zwiespalt zwischen Geist und Buchsta-
ben derselben , schwankende Meinung über ihren eigenfli-
chen Suin unvermeidlich; es mussten verschiedene Ausle-
gungen derselben entstehen, neue, mannichfach modificirtc,
unter sich selbst im Widerstreit begrifiene Schulen aus ihr
hervor gehen ; kurz, es ergiebt sich als nothwendige Folge
ihrer innem BeschaiTenheit, was die Erfahrung an der hi-
storischen Entwicklung der K a n t i sehen Philosophie be-
reits wirklich bewShrt hat.
YerfoTgen Wir indess die Theorie noch naher in Be«
zng auf die Anwendung des Verstandes auPs Sinnliche,
weldie wir derselben als faktisch bestehend einzuräumen
haben.
Jeder Kategorie in Ihrer Anwendung auf das sinnlich
Gegebene wird ein öpriorischer Grundsatz entsprechen
missen , der eben die Weise ihrer apriorischen Anwend-
barkeit bezeichnet : diess -sind daher zugleich die Grund-
sltzt^, nach denen atles Eikennen des Cregebenen einher-
geht^ — .die apriorischen Grundsätze alles Ver-
ata ndesgebrauchs. — Das analytische Urtheilen wird
zwar durch den Sabs des Widerspruches bestimmt, der
übeAanpt nur verbietet, widersprechende Prädikate in einem
Sabjekle zu vereinigen : doch ist dieser lediglich von ne-
gativer Bedeutung, Indem er bloss angiebt, wie nicht ver-
bmden (g^urAe^t) werden darf, keineswegs aber eine
positive, die Erkennthiss erweiternde Syntherfs begrandet.
3BS Aprteriadif'finin^sttze
iJnd. 90 w4^0t viehfiehr als fihuiidlag^.iiRd Piindp iiHerJo-
ner aprioriscben Grunds&lset des Verstandesgebränchs zu-
ex»l der Grwdsatz alli^s Synth oairetts auttuiuchen,
wodurpli zugleich wieder an die inrsprttiigiiehe Anfg^bedef
Vernunßkriiik erinneiit wird» die FragB^zn untenracbett uwl
durchgreifend zu lösfen : ^wie synthetische ürtlieile
a priori möglich, seiend
In synthetischen Urtheilea soll über dw giegseben»
Begriff hinausgegangen werden, um elwasganz Anderes,
als in ihm zuerst gedacht war, mit i)mi m Verbindung^ n
bringen, und es bejahend od^ verneinend auf' denselben
zu beziehen« Piess zugegjsb^n, ist ein Dri^ttos nöüuf,
worin ^rst die Syntbesis zweier Begriffe. yx)l]zogen Wanten
kann. Was ist nun dies Dritte, .als„dasMediuin all^r
synthetischen Urtheile?« (g. 194.)
jßs ist nur ein ^Inbc^gxiff^ in weichem iberhaupt aOa
unsere Vorstellungen enthalte^ sind, n4jnlieb,94^r inaere
iSinn^ und die Form desselben qpniVirt\ die 2*eit| laut
der oben angeführten und geprüften Entwicklung über die
zwischen Verstand und Sinnlichkeit hineinfallenden Irans-
^cendentalen, Schematismen der reinen yomunft. «^' Die
Syntbesis der Vorsteliongen überhaupt, beruht aaf 4er
^Einbildungs kraft ^ die syntheKische Einhfitl deimlrr
ben aber auf der „Einheit der Apperceptiea^t
d. b. waß von Vor^eUungen die Einbildungdcrafk in der
«synthetischen Einheit eines Bewusst^einsaktes eugleicji
(in demselben Zeit-jetzt vereinq^t)' vorsteUea kann, das
ist einß mögliche Syntbesis. Hierin wird also .4as
Princip. Cur. die ,^öglichkeit;S3fnliieti844i0r UrUieile« n
suchen, sein: sie ist gleich der S;Ubjekt:iven VvOrstoJJ^
bai;keit gewisser Vorstellungsverbindwigen in. Eineiii
Vorstelfungisakte der „ Einb^ngskralt ; ^ und $o ist der
wahre Grund der Möglichkeit d^r^elben in der Biab«it
dieses Vorstellungsaktes, in der £ i ah e i t der Appevoq^
üon (des vorstellenden Subjekts) m suohen«
Woher aber die NotbwendigJceil jn. i^thetischen
Urlh^Ien.j die eben dadurch, nur synthetische UriheOa a
alles VeiBtattdeigabiiUichs. fl23
prioH-'wcrilenrMi^ett? -^ •& ist Voih-McRstei^ hiteifesse,
liiesa Afich der .Darslelliin^ , r -wcld» ibr Kant (& 194-^
97.) gegeben, hftl^ nicht völfig kiav iind cinilinglieli erie*^
digte Frage aus der Konsequenz: de^ Oanzen nach .den
Datis jener DarMdhing zu erörtern.
Wenn e&ie Erkcnntniss (d. L e&i synttetisches Urtheil)
objdLtive Realität hri)en, sich auf einen Gegenstand be^
ziehen^soll ; so muss.der Gegenstand anf nagend emaWöiso
gegeben — gegenwärtig sein in der Ansdiammgides m&^
sem oder üinern Sinnes. Eine» Gegenstand ^gebenl^j un-
milteibar fto die Anschanmg darsMIen, ist nichts. Anderes,
„als dessen Vorstellung anf Erfahrung <es sei
wirkliche oder doeii mögliche) beziehen. <^ »-r
3iSeIbst der Raum und die Zeit, so rein diese Begriffe auch
Ton anem Empirischen sind , und so gewiss ' es anch ist,
dass Me im Gmflthe völlig apriori vorgestellt werden, war*-
den* doch ebne objektive GftItigkeit und ohne
Sinn nnd Bedeutung sein ,- wenn ihlr notbwen-»'
diger Gebrauch anden Gegenstfinden .d.et Bi^
fahrnng nicht geneigt würde*, ja ihre Vorstellung
ist ein* blosses Schema, das sich immer atif die < reprddnlif
tire Einbildungskraft bezieht, welche die Ctegenstando : det
Erfiibrang hefbeiniO, ohne die sie^ (Zeituqd Raum) ,»keino
Bedeutung hüben wfirden ; und so ist es mit allen'' (noth-
wendigen oder apriorisohen)« ^Begriffen ohnc-Unterschied^:
— mit den empirischen nämlich ohnehin !
Was heisst hier ^objektive Gültigkeit«, ~
„Sinn und Bedeutung^, welche der Zeit nnd dem
Räume, wie idlen andeni apriorisohari BegriflTen, trotz ihrer
Apriöriiät und allgemeingättigen Reinheit^ MiAih doch auch
ihier ,^Nothwendigfceit^ und TaugKehkeit , die EHienntniss
no Ih w en d i g e r synihetisoher Urtheile a priori zu Wege
zn bringen, nach Kants ausdrfioklioher BrUäffung abge^
sprechen werden? Offenbar die empirische Reali-i-
tät, welche nur die sinnliche Anschauung ' gewähren kanni
Mithia • isl i&r • di e s e me mit dem Stempel der Noihwen<«>
digkeit gegebene apriorische Erkenntniss *^eitiaupl nicht
224 lOMiistes Prfaieip
«
mdglioh? 4er Berdiclrdes apriorischeii Erkennend erstreckt
sich schlechthin nickt «nf das.Bmpirisohei, Einzelne, Er-
TahningsiRiassqie, sondern bbetinur ftiif ihre' allgemeine
Form, dasjenig^^ was Kant in dem gegenwärtigen Zu-
sammenhange (S. 195.) die ^^Möglichkeit der Er-«
fahrung^ nennt Das Nothwendige und Apriorische
bleibt scUediAin nur formeller Natur) völlig leer
und ohne objektive Realität, wenn nicht innerkalb
desselben eine r^ale Bestimmdieit gegeben wird.
Hiermit lenkt er nun dem auch sonst sattsam exponir-
ten und bekanntet Resultaie seiner Kritik zu, von d<mi et
nur interessant war , den Entstehrngsgrund und die inr-
sprungiichen Framissen aufzudecken. Die Kategörieen sind
an sich selbst nur „Funktionen der Synthesis^^^
subjektiv not h wendige. Bedingungen zum Denken
der Gegenstände in der synthetischen Einheit der Apper-
oeption ; aber sie enthällen nicht die Erkenntniss der Ge-
genstände «selbst, Welche nur durch das in sinnlicher Anschau-
ung Gegebene gefordert wird. Die „Gegenstände apriarif^
von denen K a n t in diesem Zusammenhange auch spricht,
bestehen nämlich nur in deii Formen der Erscheinnng
der (gegebenen) Gegenstände in Räum und Zeit ; oder in dem
Inbegriffe der apriorischen Möglichkeit der Brbhnuig.
Die Möglichkeit der Erfahrung ist also das, was
allen unsem Erkenntnissen a priori objektive Realität ver-
leiht: und so ist das oberste Prineip aller synthetischen
Urtheile, der höchste Grundsatz aller Synthesis a priori,
deteen Entdeckung die eigentliche Aufgabe der ganzen
KritQi )9(rar, .-^ folgendennassen auszusprechen : ^Via Jeder
Gegenstand äleht nnter den nothwendigen Bedingungen der
synthMStisicben Einheit deis Mannichfaltigen der Anschauung
in einer möglichen Erfahrung« (S. 197.).— -Keine
Synthesis a priin^ kann daher über die Sphäre der Erfah-
rung hinausgehen, weil ihre apriorische Form nur <fie Mög-
lichkeit derselben enthält, iirelcher allein das in der Erfah-
rung Gegebene ol^ektlve Gültigkeit zu verieihen veraug.
So behauptet Kant dadurch die Gränze alles synthe-
aUes Synthesircns. S95
tischea Vefstandesgebraucbs entecheidend festgesetzt zu
hai)eii.' Alle Kategorieen und daraus entwickeltea Grund-
sätze des Verstandes beziehen sich lediglich auf die Welt
der Erscheinung^; in Bezug auf das Ding an sich verlic*
ren sie alle Bedeutung. Eine jede Synthesis apriarimms
die Bedingungen möglicher Erfahrung in sich enthalten,
oder musssich belegen lassen durch Analogie wirk-
licher Erfahrung. Die Wirklichkeit von Etwas lasst sich
unmittelbar nur durch sianliche Anschauung erken-
nen, dann durch Urtheil und Schhiss, die' nach den Prämie«
sen einer richtigen Erfahrung einhergeht. So ist nach Kant
überhaupt nur ein erfahrungsmässiges Wissen möglich, in-
dem der Yerstdttd den gegebenen Stoff sinnlicher ^sdiau-
ung zwar ordnen, bearbeiten, seine synthetischen Erkennt-
nisse an der Hand der Erfahrung unendlich erweitem kann^
aber, ewig eingeschlossen in die leeren apriorischen For-i
men und die aposteriorischen Einzelgegebenheiten, nicht
hiiuiufzusteigen vetmag zu einem Erkennen der Gründe
derselben oder der übersinnlichen Wahrheiten.
Alles demnach, was eigentlich den Inhalt spekulativen £r-
kennens avsmadien könnte, oder sonst ausgemacht hat,
fallt dadurch von selbst hinweg; und an die Stelle der
bisherigen Philosophie kann nur die Kritik der Yemttnft
treten, : — in ihr ordnend und sichtend — den Sehein von
der Wahrheit, das Mögliche vom Unmöglichen. Und ebeh
dicss macht die Wichtigkeit der Untersuchung und- das
Entscheidende ihres Resultates aus, dass dui^ch sie der Ver-
stand endlich auch zum Selbstverständniss, zur
Anerkennung seiner nothwendigen Granzen hingewiesen,
und auf das ihm allein zustehende Erkennen eingeschränkt
werde.
So Kant: und wir müssen gestehen, dass der liath,
die Philosophie solchergestalt nur auf das Empirische, Ge-
gebene, einzuschränken, durch die spätere Philosophie^ von
allen Seiten und in verschiedener Weise-, befolgt worden
ist, und noch bis zur Stunde den durchgreifenden Charak-
ter auch der spekulativen Systeme ausmacht, welche
15
216 Kritik desseften.
Wisdenachaft des Wirldickeii md nur des WirUichea zu
sein, ausdrücklich erklären und zu ihrem vomehmsteniCha-
rakter machen. Da sie hiermit jedoch zugleich Wissen-
schaft des Absoluten zu sein behaupten, diess daher
auch seine Wnrklicfakeitnurira g'egebenen Wirklichen
haben soll; wird diesem ganzen Standpunkte sogleich ein
panflieistisches Gepräge angedrückt, ein Resultat, was den
eigenffichen Absichten und Hoffnungen des Gründers der
neuem Philosophie von den Folgen seiner spekulativen Re-
volution direkt widerspricht.
Wenn wir jedoch zurückgehen auf den eigentlichen
Grund davon , — warum einestheiis der Verstand mit sei-
nen apriorischen Formen und Regeln nur auf die ErTahrang
eingeschränkt sei, andemtheils jedoch di^te £rfahrung sel-
ber die Dinge an sich schlechterdings nur in ihrer subjdc-
Mven Erscheinung fßr uns, nicht in ihrem objektiven Ansich-
selbstsein zu erkennen gid)t; *• warum die^objeetive
Realität** also, welche Kant von der sinnlichen An-
schauung begehrt, umjeneansich leeren apriorischen For-
men durch ein „Gegebenes^ erst ausiuHen, ihnen selber
dadurch „Sinn und Bedeutung^ geben za lassen — warum
sie selbst doch durchaus nur auf das Dass, schleohdiiA
nicht auf das Wie der Dinge an sich gdit ; kurz warum
nach Oben, wie nach Unten hin Mangel und Bingeschrinkt-
heit den Charakter unsers theoretischen Bewusstseins bil-
den ; was eben die weitem Aushülfen nöthig gemacht hat,
die wir noch kennen lernen werden^ und den direkten
Umschwung in die entgegengesetzte Denkweise: — so
liegt der Gmnd von dem Allen in der durch alle Theile
von K»nts Theorie fortwirkenden Verl au sc hnng der
Begriffe des Apriorismus und des Subjekti-
ven, welche gleich an Raum und Zeit sich d<rfcmnentirtc,
und nachher ebenso die apriorischen Formen des Verstan-
des zu subjektiven machte. Wird dieser Irrlhum in seiner
Wurzel gehoben; wie von uns geschehen zusein scheint:
so wird das Resultat im Ganzen und in allen Theilen so-
gleich ein anderes. Die. Anschauung ist mitten in der
PhanomeM md Noumena. fi27
Welt der ReaTität, der ^Dinge an sich^, und auch der Ver-!-
stand ist nit seiiiai „ apriorisehen Formen und Regelnd
nichl in dem Sinne auf die Erfahrung beschrankt, dass er
im ^enseats^ derselben alle Wahrheit, und Gultigkeii yet-r
löre : sondern seme Formen und Regeln werden nun ewige,
alles Reale, wie alles Denken desselben durchgreifend be«>
herrschende Gesetz», feste Analogieen, nach welchen
man aus dem Gegebenen auch das Nichtgegebene erken«-
ncn kann. —
Du nun aber nach Kant die sinnliche Anschauung
selbst zufolge des Resultats seiner ^transscendenta«^
len Aesthetik^ nur Erscheinungen (Phamtomena) xum
Bewusstsein bringt^ all •anser Erkennen daher auT idiese
Welt „erschekiender Sinnenwesea^ eingeschränkt ist, setat
sich denselben dem Begri f f e nach nethwendig die Sphäre
d* Dinge an sich (der im Gegensatze der PAoenocnena
— Noumena zu nennenden) entgegen, die jedoeb, da sie
jenseits alles sinnlich Anschaubaren.. fallen , ebenso auch
jenseits der Gültiglceit dar Kategorieen , rnnr negative
Bedeutung haben, nur .eine leere Steileibezeiobneu
könn^, um die Sinnlichkeit wenigstens äusscriich zu be^
gränzen^ und als die. nicht einzig mögliche Erkenntniss*
weise zu bezeichnen (S. 310. 311. 312.): — eine derwiob«-
ligstea Wendungen der K an tischen Philosophie I Durch
dieselbe wird nämlich eines Tbeils die SinnÜchkeit allere-
dmgs beachrinkt, ja negirt, als nicht die einzige und böeh-*
8te , nicht die wahre Realität enthaltende , und die N o Ur
mena treten, als das wahrhafte Sein, das eigentlich Reale
ihnen gegenüber. Aber andern Thetls wird doch auch jer
des positive Erkennen dersdben in Abrede gestellt^ und
die Begränzung des sinnlichen Wissens durch dieselben
deotet Oberhaupt die Gränze alles wenigstens menschlichen
Wissens an« Das Sin n lieh e ist freilich nicht das Reate^
aber es ist doch der einzige, eigentlich ericennfoare Gegen^
stand unsers Bewusstseins : und so ist das Erkennen selbst
enlblösst von aller Realität — es ist Nich'twissep
des Wahren, das sich ihm stets verbirgt in der Hülle
B28 Phaiiomeaft .
des Brscheineriden. ^ Aber wo giobt es idenn überhaa{it
für uns Wahrheit? Was rettei das Bewusstsein vor
der rnigeheoem Leere .des «ig^enen Nichts, was verleiht
ihm überhaupt innere Gewissheit und Zuversicht zu einer
Reaiilat bei der imhier nur wibefriedigfenden, J^ein Ansich
darbietenden Erscheinung eines Realen , dessen An-
«ichsein überall = x bleibt, der Existenz nach gewiss,
der Beschaffenheit nach völiig unbekannt?
Hier verweist Kant späterhin an die praktischen Po-
sUiiate, Andere nach einer naheliegenden Erweiterung die-
seä Principes an die unmittelbaren Ausspruche des Glau-
bens und der Ahnung, die uns ersetzt sollen, was
das ibeoreiische Wissen uns um einmld nicht zu gewah-
ren vermag : und so kaim die Philosophie von diesem gan-
zen Standpunkte aus doch auehinur zur Unmittelbar-
keit in einer andern Form des>Bewusstseins, diemU ^r
sinnlichen Anschauung und Erfahrung Nichts gemein hat,
ziffäckkehren y d« h.' zu einer an: dem Negativen der theo-
retischen Resultate sich rechtfertijgeilden oder nothwendig
machenden, $o oder anders gestalteten Glaubenstheo-
rie, die, indem sie das Wissen, -^ den Empirismus
einißs Theüs, wie die reinen, aber nur im Leeren und For-
mellen verweilenden Wissenschaften, Mathematik und L<^
andern Theils, — in ihre Schranken weist, als ewig nur
im Subjectiven verweilend, nicht aber die Wahriieit selbst
erkenuend — eben dadurch dem Unmittelbaren in des
liensQhen Gemuth eine tiefere Bedeutung, Gewicht und
Stimme giebt. Je mehr daher das Wissen sich auf das Ne^
gative zurückgeführt sieht ; desto starker rouss die u njn i l-
telbare Ueberzetigung von den höhern Wahrheiten
sich geltend machen, die allerdings unerweislich (wodurch
sie wieder zum Wissen herabsänke), aber eben dadurch
als ein ganz eigenthumliches , jenseits des gewöhnlichen
Wissens liegendes, uumittelbares Erkenntntssvermög^n sich
kund gißbl, das jenem seine Ei^anzung und Erfüllung zu
geben vermöchte.
Wie diese Ansicht, nüt. bestipunfter fioziignahme aoT
und Nouincna. 339
die Ja CO bische Ph^osophie, sich za einer Porlselzun^,
und, wie behauptet worden, zn einer Vollendong der K a n-
ti sehen Vemanftkritik fortgestaitet habe, davon wird spater
zu reden sein. Hier ist noch bestimmter ku gedenken,
wie Kant selber stellenweise, rorzäglich nach einzelnen,
nachher zurückgenommenen Winken in der ersten Aus-
gabe seiner Kritik der reinen Vernunft (▼. J. 1781.)^ das
Verhaitniss der „nifinomena^ und „Noumena«, miMiin der
sinnlichen und der ufoersitmlicheft« Welt zu einander fest-
stellt und behandelt, welches, wenn man das darin Zuge-
standene erwagt und in semer Konsequenz verfolgt, einen
gfanz unerwarteten Vorblick giebt.
Dass wir „menschlicher^ Seits nämlich immer nur die
Phänomena, nie aber die Noumena, crketmen können,
— weldie vielmehr, wie Kant in der sogleich zu ent-
wickelnden Lehre von der Vernunft, als dem „Ver*-
mögen der Principien^ nachweist, hur als Ideen,
»priorisch-transscendentaie Principte'n, dem
Verstände vorschweben, um ihn in allem Erftihmngsge-
braoche anzutreiben und zu beleben; — diess liegt nach
Kant*s zwar auch ausdrdcklich erklärter Ansicht, noch
mehr aber durch seine ganze in der Kritik der reinen Ver-
nunft herrschende, bloss reflektirende, und somit aber das
Faktische nie zur Nachweisimg seiner Nothwendigkeit sich
erhebende Methode begründet^ durchaus nicht in einer
Apriorischen Nothwendigkeit, in dervon seinem
Begriffe ganz unabtrennlichen absoliiten Natur des Er-
kennens oder Bewusstseins überhaupt^ sondern es wird
<^en nur als die thatsächliche Beschaffenheit
unsers Eiiienncns bezeichnet. Unser Bewnsstsein, das «
eben dadurch zu einem „menschlich beschränkten^,
zu einem faktisch „so eingerichteten^ wird, kann sich
dieser Schranken schleclitenlings nicht entschlagen. Mit
Bf nein Worte: Kant behauptet nicht: schlechthin apriori^
zufolge seines allgemeinen Begriffes muss alles Erkennen
überhaupt von so beschränkter Natur sein', — vielmehr,
^t'nn von Schranken gesprochen wird, ist, nach Hegels
230 Id<3e
•
treffender Bemerkung') über die Sdiraidten sdion hinausge-
gangen worden ; -^ der höhere Begriff ehies tilerdings die
Dinge an «oh anschauenden (intuitiven), den Noomenis im-
manenlett Erfcennens isl^auch für Kant der einzig wahre
und rechte i diess Micki deuUii^h hiadorch und i¥ird auch
sehen in der Kritik der reinen Vernunft indirekt ausge-
sprochen, indem er sein Botretensein gor nidil verbirgt,
dass es faktisch mit dem menschlichen Erkennen sii'h
anders verhabe : ja be^ondörs in der ersten Ausgabe fehlt
es gar nicht aa simureioheQ Austegungsweisen und Ana-
logieen, wie sich die Megliehkeit eines seichen hohem Be-
wusstseins denken lasse.
Diese morkwördige, als Grundanstoht im Hinlergnmdc
bleibende, aber darum aioht weniger in's Ganxe der K a n-
t i sehen Erkenntmsstbeorie eingreifende VoraussetEung ge-
winnt nun erst weit spater, in der Kritik der teleo-
iogischen^Urtheilskraft, positive Bedeutung. Auch
hier wäre nanilich das eigcntlieh zu Ta^e koanmende Re-
sultat so auszusprechen : das „menschliche^ Bewusstsein, wie
es faktisch sich gegeben,- ist nicht das seinem Begriffe
adäquate und ihn' erfüllende; wobei freilich die doppeMe
Frage unerledigt bleibt, theils ob es sich wirklich damit so
verhalte, theils, falls diess zugegeben werden müsste, was
der Grund — sei es dieser Deterioration , sei es einer
ursprünglichen Ungenüge sein möge? Allerdings müssen
wir jedoch bekennen, dass auch die Philosophie nach Kant
bisher sehr weit davon entfernt geblieben ist, diese Fragen,
welche in Kant ohne Zweifel vorbereitet liegen, gerade
so aufzunehmen und, also gesteiH, einer weitem Untwsn-
diung zu unterwerfen.
Bei Kant selbst verhält es sich mit jenem Grundsätze
folgendergostalt (Kr. der Urtheilskraft, 2te Ausg.
IL Abtheilung: Dialektik der teleologischen
Urtheiiskraft. S. 211—344.): Der menschliche Ver-
stand ist in Bezug auf die Natur, als das sinnlich vrahr-
nehmbarc Weltganze, in' einer Antinomie befangen, welche
ihm selber unübcrstciglich ist, wiewohl es doch in
eines utuitiTen Erkennens. 231
Wabrheil bei dieser Anlinomie nicht bleiben kann. Wir
Glücken in aller Natnrverindenuig nnr eine mil mecha-
nischer Nothwendigkeit wirkende Reihe vonNalur-
ursachm : nirgends tritt thatsachlich das Einwirken ein^
freien, einen Endzweck sich setzenden, intelligenten Ursa-
che hervor. Diess f&hrt auf den Einen Satz der Antino-
mie: »Alle Erzeugung materieller Dinge ist
nach bloss mechanischen Gesetzen mögli-ch<<
(erklärbar).
Aber in einigen Natorwesen zeigt sich in der That eine
innere Zwackverfcnupfimg, ein Endzweck realisirt; wir
können ans ihr Dasein nicht erklären, ohne in dem me-
chanischen Ablaufe ihrer Veranddrongen einen Endzweck
als zu Grunde liegend anzunehmen. Diess begründet den
andeni Satz der Antinomie: „Einige Erzeugung ma-
terieller Dittgeist nach bloss mechanischen
Gesetzen nicht roöglich^^ (erklärbar). Beide Sätze
stehen in offenbarem Widerstreite, und dennoch können wir
keinen derselben aufgeben , d. h. es bleibt für uni^ere £r-
kennlniss unbegreiflich, wie die mechanische Wirkung
sogleich teleologisch sein, einen Zweck realisiren
könne.
Wohl aber ist es denkbar , dass ein höherer Ver-
staad allerdings das zusammenbringen und in Einheit be-
greiCen kann, was wir nur als auseinAnderliegcnd zu fassen
vermögen, den Naturmechanismus und die auf einen End-
zweck gerichtete Thätigkeit : und diess zwar ist um so mehr
denkbar, je mehr wir unser Unvermögen in dieser Hinsiclit
nor als die besondere Einrichtung unseres
(menschlichen) Verstandes anzusprechen berechtigt sind.
(8. 345. 46.)
Wenn diess aber ist, so muss hierbei die Idee von
einem andern möglichen Verstände, als dem menschlichen,
zu Grunde liegen, damit man sagen könne : dass zwar für
ttnsern Verstand gewisse Naturprodukte, als absichtlich
and durch Zwecksetzung erzeugt , erscheinen müssen,
ohne doch zu verlangen^ dass es iur sie eine solche nach
232 Koasequonz davon
Zyrtdkßn' sich besUinmendc Ursache wirklich gcbe^
r
indem ein anderer, höherer Verstand, als der menschliche,
auch in Mechanismus der Natur den 6nmd der Möglicb-
keit solcher Naturprodukte antreffen könnte.
Hier nun macht Kant einen merkwürdigeii RucUMick
auf die Kritik der reinen Vernunft. Wir müssen hier einen
solchen hohem Verstand der Möglichkeit nach statuiren,
«bcnso, wie wir in der Kritik der reinen Vernunft „eine
andere mögliche Anschauung in Gedanken
haben mussten^ (— von der freilich dort ausdrücklich
Nichts gesagt wurde — ), „wenn die un^ge ais eine b e^
sondere Art, nämlich die, für welche Gegen-
stande nur als Ers*chein uBgen gelten, gchal-
teil werden sollte.<< (S. 346.) • Und sobemcriit Kant denn
sogleich darauf diess „als eine gewisse Nothtoendig-
keit der Bosch affenheitunsers Vcr st ah des ^,
um sie als die Eigenthömlichkeit desselben , scum
Unterschiede von andern möglichen, sich zu bezeichnen.
So ist denn zuvörderst klar, was wir bohauptatcn:
dass Kant gar wohl erkannte, in seiner kritischen llieorie
aur auf Feststellung der Fakticitat des „menschlichen^'
Bevvusstseins ausgegangen zu sein^ nicht aber die all g e-
meine Idee desselben erschöpft zu haben; während er
diess, einstweilen als menschlich betrachtete, Bewusstsein,
stillschweigend oder ausdrücklich , möglichen «adem , ho-
hem Bewusstseinsfojrmon ^itgegensetzte. Sodann ergiebt
sich, dass er von der „zufälligen^ (d. h. ihm 'Uner-
klärlichen) Besdiaffenheit dieses menschlichen Bewusstscins,
wie er sie in seinen Kritiken volkiföndig ergrundet und
festgestellt zu haben glaubt, doch eigentlich sehr gering«-
schätzig urtheilt, und voll ist von dem Bekenntnisse der
Endlichkeit und dem Ungenügenden desselben. Es ent-
spricht, wie sich der gewissenhafte Forsdier nicht verber-
gen konnte, keinesweges seiner Idee, vielmehr widerspricht
es dorselben; und dennoch weiss er kein Mittel^ diese zu
realisir^n, oder dem durch sie erweckten Bedürfnisse in-
n^^halb dei* Scliranken des theoretiseheu Wissens ein Ge-
för Kant's Theorie. ' 233
«
nuge zu thun. Und diegs ist das Grosse in Kant's Denk-
weise, der unbestechlich redlidie Scharfbiiek seines CSei-
stes, eher, mit der Aneriienirang jener Schranken und der
Ungenuge des theoretischen Wissens, die Ungendge seiner
eigenes kritisehen Resultate darüber zuzugeben, — deni\
dass Beides am Ende wohl zusammenfallen werde, konnte
sich der tiefblickende Denker kaum verbergen , — als di^
Majestät jener hohem Idee sdbst anzutasten«
Es ist bekannt, wie in letzterer Beziehung seine gros«-
sen Nachfolger ihn beim Wort genommen haben, indem sie
durch Zertrümmerung des subjektiven Scheines, in welchen
sich Kant durch seine falsche Raom-* und Zeittheorie, wie
in einen Zauberfcreis, hineingdMinnt hatte, dasjenige gerade^
was er iur überfliegend und unerreichbar b^eichnete, ab
den Mittelpunkt und die Gegmiwart des Seins und Wissens
nachwiesen.
Aber noch ein and^i^r Keim einer neuen spdadativeii
Weadong ist bisher darin unentwickelt zarückgeblieben.
Es ist jene umviUkuhrlich zugestandene Idee eines ,,ni^-
liehen hohem Bewusstseins^, denn das „menschliche^ isl,
welche eben desshalb auch uns zur Erklärung hilft, und
die Möglichkeit begreiflich macht, wie jenes Weltganze, in
welchem Mechanismus oder Naturnothwendigkeit mit freier
Absicht und Zweckmässigkeit Eins werden und sich durch-
dringen , zur Wirklichkeit kommen könne. Um aber
diese Grundthatsache venständlich zu machen, ist es desshalb
u&eriasslich, jene Idee des hohem Bewusstseins* nicht bloss
eine mögliche, sondern eine schlechthin wirkliche, rea«
Usirte zu nennen,* realisirt eben in dem schöpferischen
Grande jenes Weltganzen, so gewiss und weil in die-
sem die Einheit von Naturnothwendigkeit und Zweck rea-
lisirt ist* Jener nicht blos^ „ menschlich discursive^
Verstand (S. 348. 49.) , der schlechterdings amr im Stande
ist, analytisch von den Theilen zum Ganzen, von dem
Bcsondem zu seinem Allgemeinen aurzusteigen , sondern
der schlechthin „intuitive^ synthetisch in der Ein-
heit auch alle ihre Bcsonderungen und Theile zugleich zu-
234 Versland und Vörauiift.
sammenfaMseade, und urbildiich — vorschöpferisch — ideen-
bildende Verstand ^ — er rauss e x i s ti r e n , weil seine
Wirkung dem discursiven Erkennen umniUeliiar voriiegt,
welches seibsl nicht einmal im Stende wäre, die Theile
pder Besonderheiten der gegebenen Dinge imter gewisse
(subjektive) Allgemeinheiten zu sammeln, wenn nicht der
Urakt einer IntelUgenz vorausgegangen wäre, der in ihnen
die Einheit und Allgemeinheit eines Gedankens realisiit
hätte.
Diess die fernere von hier aus zu aehmende Konse-
quenz, welche für einen so weit vorgeschrittenen Idealis-
mos fast unabweislich ist, und welche die Idee emer spe-
kulativen Theologie, als einer nun nicht mehr übei-Bi^en-
den oder transscendenlen Wissenschaft, uns eröffnet, zu-
gleich in dem näheren interessanten Siime, dass der BegrüT
jener Urintelligenz der Idee derselben weit näher liegt ond
von seihst sich aufdrängt, während der empirisch gegebene
Begriff des gewöhnlich menschlichen, ui die Schranken des
discursiven Erfahrens eingeengten Bewusstseins im Gegen-
theil als der innerlich unwahre und unangemessene, — viel-
mehr nicht sein sollende, — - unerwarteter und denk-
würdiger Weise sich bewahrt —
Durch diesen Vorblick über die Resultate der Kan-
tischen KAGk der reinen Vernunft hihaus haben wir uns
zugleich ihr eigenes Verständniss erleichtert; wir können
daher in noch umfassenderer Uebersicht in ihr weiter gehen.
Den Verstand mit seinen apriorisdien Giundsälzen
können wir das Vermögen der Regeln nennen, in-
dem jene Grundsätze eben nur als Regeln des richtigen
Brfahrungsgebrauchs Geltung und Bedeutung gewinnen. Aber
dieser Gebraudi selbst ist unbegränzt ; der Verstand kann
daher sein einzelnes bedingtes Erkennen in*s Unendli-
che erweitem, und durch umfassendere Schlösse sich zu
immer allgemeineren Bedingungen erheben. Offenbar strebt
er dabei die letzte, die Urbcdingung an, die, als solche,
M^ einer Wis&ensrchaft vom Unbedingten. Ü35
nicht mehr durch Höheres bedingt , sondern das Unbe-
dingte sdbst ist. Der Grundsatz alles wisseiischafliicben
Verslandesgebrauchs würde daher sidi so avsdröeken las-
sen: ^Snche zu allem Bedingten das Unbe-
dingte ant^
Das Unbedingte wäre das Ziel, das Princip (nicht
mehr die apriorische Regel) desVerstandeiigebrauchs: das
Unbedingte mnss daher in einem andern, h^em VenmH
gen des Bewusstseins, als der Verstand ist, in der Ver*
n H n f t (im engem Sinne) , seinen Sitz haben ; und wenn
irir. den Verstand das Vermögen der Regeln (das Er«-
kennen nach den Kategorieen und den daraus entwickelte»
apriorischen Grundsätzen) nennen können; so wäre die
Vemunfl als das Vermögen der Principien zu be-
zetchaen, als die, welche den Verstandesgebrauch ewig
belebend, ihm sein „Ideal<<, die Idee seines Unbeding-
ten YorstcUt. Die Frincfpicn sind also zn^eich die V e r^
nunftideen zu nennen, indem sie nicht aus Brfabrung
entlehnt, noch in ihr zu finden (zu belegen), sondern
wahriiaft ins Unendliche hin vom Verstände gesucht,
angestrebt werden , wahrend schlecht^dings keine ihnen
„congmente^ Erfahrung gegeben werden kann.
Dadurch wäre aber erklärt, wie überhaupt nur die
Idee, der Entwurf einer philosophischen, alle Erfahrung
i9>er£Begenden Wissenschaft entstehen konnte, die eben
das Unbedingte a priori zu erkennen sich zur Aufgabe
setzt. Diese ist indess in dreifacher Beziehung möglich,' in-
dem zuerst das Unbedingte der mannichfaltigen Erschei-
nungen des Bewusstseins -^ die Idee der absolut«! Ein-
heit des denkenden Subjekts, -^ das der erscheinenden
Seele zu Grunde liegende Dmg an sich, — aufgesucht wird:
— die Aufgabe der rationalen Psychologie; ^ so-
dann das Uni>edingte der objektiven Welt der Erscheinung,
— Idee des Unbedingten alles Objektiven : — Aufgabe der
rationalen Kosmologie, — endlich das Unbedingte
alles Daseins schlechthin', — Idee der Einheit der
Bedingung aller Gegenstände desBewusst-
236 oinor rationalen Psychologie, mit ihren Paralogismcn ;
scins überhaupt: — Aufgabe der rationalen
Theologie. Ditss ist der subjektive Ursprung der
Ideen jener emzelnen philosophischen Wissenschaften, die
aber als Ideen , „denen kein congruentes Objekt gegeben
werden kann^' , ewig nur Probleme der Vernunft sind*
(Vgl. S. 393.) ,
Wir brauchen namiieh bloss auf die innere Oekonomie
unseres Bewusstseins zurückzublicken, um einzusehen, dass
jene Ideen schlechthin überschwanglich für ims Mciben
müssen. Sie waren das Ding an sich für die cin»
zelnen Erscheinungen; aber eben joies zu erken-
nen, fehlen dem Bewusstsein alle Elemente.
So ist der rationalen Psychologie immer nur die er-
scheinende Seele gegeben, nicht das Seelenwesen an
sich. Diese erscheint beständig sich selbst; aber eben weil
sie nur erscheint, bleibt sie in ihrem Ansich sich sel-
ber ewig unbekannt Auch hier nämlich, wie bei dem in
Baum und Zeit erscheinenden Dinge an sich, fielst Kant
die Sache &o , dass die Erscheinung verhüllend sich
zwischen den Blick des Ericennens und des zu Erkennen-
den steUe: sich erscheinend, verbirgt sich eben damit das
Scelenwcsea vor sich selbst. — Die Verwechslung der
blossen Erscheinung mit dem Wesen erzeugt aber hier
eine Reihe von Paralogismen, deren Täuschung die
Kritik dadurch aufzudecken weiss, dass gezeigt wird, wie
wir kein Recht haben, von dem Subjekte, wie es uns
erscheint, einen Schhiss auf das ihm zu Grunde liegende
Ding an sich zu machen, und z.B., weil das Selbstbe-
wusstsein eine numerische Einheit ist, auf die innere ob-
jektive Einheit oder Einfachheit des Seelcnwesens zu sohlies-
scn. Aber auch umgekehrt ist der Schluss auf die Ab-
hängigkeit des Seelenwesens von materiellen Bedingungen,
weil die Erscheinung desselben diese uns zeigt, unbe-
rechtigt: Spiritualismus, wie Materialismus ha-
ben gleich wenig Ansprüche auf dogmatische Gültigkeit. —
So werden denn dadurch die bisherigen Streitigkeiten des
Dogmatismus über das Wesen der Seele zu einem gewalt-
einer rationalen Kosmologie, mtt ihren Antinomiccn. ftSJ
smum FHeden gebracht Alle TarteieD mtesfen verstai«
men ; denn jede derselben, mit ihren widerstreitenden Be*
haoptungep, ist in gleichem Unrechte, wenn ihre Satze vom
Dinge an sich gelten sollen. Und so verliert nii der
Bedeutung seiner Proble9ie dieser SIreil auch alles wissen-»
schaflliche Interesse. (Bis S. 432.)
Ebenso verwickelt die rationaleKosmoJogie sich
alsbald in die Schlinge entgegengesetzter Behauptungen^
die, da jede derselben mit Gründen vertheidigt werden
kann, die^sich di^ Gleichgewicht halten, einen Wi-*
derstreit in der innem Gesetzgebung der Vernunft (eine
Antittomie)zu verrathen scheinen. Die Ansichten vom
Weitganzen als eines ewigen — oder zeitlich an«
fangenden: ab eines begränzten — oder onbe-»
grunzten: — als intensiv endiichen oder nnend-^*
liehen: — als eines allein der. Naturnothwendig'*
keil unterworfenen, oder auch eine Causalitat aus Frei«*
heit zulassenden: als zurückzuführen auf ein schlecht-
hin nothwendiges Wesen, oder diese Zurück-
führnng nicht durchaus fordernd, — > alle ins^
gesäumt können sich bekämpfen mit gleich gewichtigen
Gründen; und nur das überwiegende theoretische oder
praktische Interesse der Vemimß wäre es, was sie bei
einer rinzebien dieser Fragen bewegen konnte, (ur die eine
oder andere Ansicht Partei zu nehmen« (Bis S. 503.)
Aber auch hier löst der transscendentale Idealismus
die Bedeutung dieses Widerstreites ^ wenn er den Wi-
derstreift selbst auch nicht aufheben kann. Alle Begriffe,
zeigt er, mit denen hier gestritten wird, gelten nicht vom
Dioge an sich, welches der Welt^rscheinung zu Grunde
liegt, sondern nur von der Erscheinung selbst: die ganze
Sphäre also , in welcfier der Streit geführt wird , hat gar
keine objektive Realität. So kämpft man eigentlich um
Nichts , indem man das wahre Erkennen (des Realen, des
Wesens) um Nichts fördert. Indess kann dem theoreti-
sehen Geiste , bei seinem unüberwindlichen Hange zu do-
gmalisiren, seinen nur subjektiv gültigen Begriflen Objekti-
238 Die Antinomieen.
vilü zaanachteSben , <ier Kampf seilMrt nidit gewelirt wer-
den ^ da in der That jede der Parteien gleich gewichtige
Grinide für ihre Sache anzuführen vermag: nur an aüer
Bedeuinng, wie an allem Interesse muss er vertieren , so-
bald die Entdeckung gemacht ist, dass er eigenäich nm
Nichts geführt werde.*)
Aber auch zugegeben jenen transscendentalen Schein,
ngegeben die objektive Bedeutungslosigkeit aller jener
Begriffe, was haben wir eigentlich dadurch für die Haupt-
frage gewonnen? Nur diess, dass das Antinomische, der
BOthwendige Widerstreit, statt in die Objektivität
versetzt zu werden, in uns selbst, in unsern innersten
Bewusstsein walten soll. Aber wie können Widerspruche
Uess dadurch ihre Kraft verlieren, dass man uns nachweist»
sie seien subjektiv-unvermeidlich? Werden sie
dadurch nicht viehnehr noch dringender und gefährlicher,
indem sie nicht mehr in dem Aeusserlichen der Objektivi-
tät verweilen, wo sie vieldeutig sind und dahii^festeiit
bleiben können f sondern unsere eigene Natur anlasten 7
Jetzt müssen wir sie auflösen, oder der Charakter der Ver-r
nunft, Harmonie und Vollendung in allen Theilen der Er-
kenntniss herzustellen, geht unwiederbringlich verioran.
Kurz, es tritt hier dasselbe Hissverhältniss hervor, das wir
schon in der K a n t i sehen Lehre von Zeit und Raum auf-
deckten , wenn , um die in jenen abstrakten BegrilTen lie-
genden Widerspruche zu lösen, sie für subjektive Formen
des Bewusstseins erklärt werden. — Und welche Ansicht
wird mis hier erst geboten! Eine theoretische Vernunft
*) Der Rern des ganzen Raitonnements ist in den Worten ent-
halUrt (S.Ö290: »»E« bleibt also kein Mittel übrig, den Streit
gründlich und zur Zufriedenheit beider Theile fea endig««
(weil die Klarheit auf beiden Suiten gleich ist) » als dass, da
sie einander docli so schön widerlegen können , sie endlich
überfuhrt werden, dass sie um Nichts streiten, und ein
gewisser transscendentaler Schein ilinen da
eine Wirklich k|eitvorgenialt habe, wo keine an-
. tntreffen ist.«
Die Antinomieen. 339
wind aiil)|resleBt) der eine noihwendig widers^trei«
teade Gegenvenranft zur Seite tritt, und zwar nicht in
unwichtigen Fragen , sondern in den höchste PnAüdoien
des firkennena , in der Untersochmig über Freiheit und
Notfaweitdigfceit , über das Absolute , ober das Wesen des
Weitganzen* Und als letzte Entscheidung über diesen Wi<«
derstreit die Behauptung, dass derselbe unvermeidlich und
uneatscheidbar sei, dass also die Vernunft. selbst — die
absohile Entsdiciderinn aller Friigen und harmonische Aus-
gleicberinn aller Gegensätze — in unheilbarem Kampfe mit
sich selb^ berufen sei. Aber zum Glücke gehe derselbe
aus bloss subjektivem Seh eine hervor; er werde
un Nichts gefuhrt , weil in dieser Region eben üur die
V^nunfl Nichts mehr anzutrei&n sei. — Damit hat sieh
eben d^ Widerspruch ausser uns 5 nur in einen in uns
verwandelt: seien alle jene Begriffe auch bloss von sab*
jektiver Bedeutung, die antinomisch sich gegenseitig auf
!tall reduciren ; so müsste zum Mindeste doch erUärt wer-«*
deg^ wie auch nur im Subjektive« <fieser ewige Selbslwi^
derspmch , dieser nie ruhende Hader gegen sich selbst
deiriÄar sei^ — vor AHem, wie der allgemeine Charakter
der Vernunft sich damit ausgleichen lasse.
Mckt man aber genauer hin auf den Inhalt der An«
tinomiera ; so kann man sie keineswegs für die letzten
Ausspräche der (phikMopbirenden) Vernunft überhaupt an«
erkennen, die hier in einem unvermeidlichen Widerstreile
gefangen wftre, vielmehr nmr 19r beschränkte Ansichten
der Vorstellung, die mva^t nur die Eine Bestimmung setzt,
ohne zu den nothwendig ergänzenden andern ^rtgehen zu
woQen, und welche eben die Vernunft zu bmcktigen hiHe,
die daSier , wed^ mit sich selbst noch mit jenen niedem
Standpunkten im Widerstreite, hier ihrem eigentlichen Cba«-
rakter treu bleibt, jene einseitigen Gegensätze von einem
hohem Standpunkte aus über sich selbst zu ver-
stfindigen.
,,Das Weltganze ist unbegrahzt im Räume
und ohne Anfang, wie ohne Ende In der Zeit:
240 Die AntiiiotfkieeiL
^oietes igt begränzi in beiderleiRtlcksicht.''
Eben an der gegenseitigen Wideriegung und an dem xo-
letsl gan2 negativen Resultate (Weder — Noch) zeigt sich
dasursprungiich. Unangemessene des ganzen Gegas-
satzes j keiner von beiden istdas Wahre» weil gleich urspribig-
lieh keine jener Bestimmungen allein und ohne die andere auf
den betrachteten Gegenstand angewendet werden kann. —
Kaum und Zeit, nach denen hier gemessen und bestimmt
werden soll, sind selbst Nichts an sich, sondern nur der
Ausdruck der absoluten Realität , des ewigen , innerlich
unendlichen Seins. Ewige, unendliche Dauer in innenn
Wechsel, unendliche Eatfaltung innerer Kräfte ist,
und ist das einzige Sein, aber nicht in Raum und Zeit;
als wenn beide möglicher Weise noch hinansreichen
konnten aber ihre Erfüllung : — * sondern das „WellganzeS
das AO , welches eben darum keine Realität ausser sich
hat, dmreiidie es begränzt werden konnte, bestimmt
und begränzt sich ebenso selbst ins Unendliche, ist
bestimmt erfüllter Raum und Zeit — , als es über jede
solcbo Insichbestimmtheit hinausgeht, und das eigene Jen-
seits derselben, ebenso endlich, und unendlich ist, — so
dass in keinerlei Hinsicht nun iU)erhaupt nur gefragt wer-
den könnte, ob es entweder als endlich oder als unend-
lich zu denken sei. Erst wenn man Einzelnes misst
-^ "begränzt, geschieht diess innerhalb von Raum uiMl Zeit;
und in diesem Sinne entstehen erst beide, erscheinen
als von ihrer Realität abgesonderte Formen und Bestim-
mungen: --» der Raum, als die ruhende Umgränzung
des einzelnen Daseins , die man nun freilich , abgesehea
von diesem Einzehicn, ins Unbedingte ausdehnen kann ; die
Zeit, als Dauer des Einzelnen, die nun aus. demselben
Grunde unendlich verlängert gedacht werden kann. Das
Sein an sich selbst aber, in Bezug auf welches Zeit und
Raum, als abstrakte, alle ihre Bedeutung verlieren, kann
offenbar nach ihnen, weder auf die eine, noch auf die entge-
gengesetzte Weise bestimmt, d. h. gemessen werden ; Bei-
des bleibt ihm eine gleichmäfisig inadäquate Bestimmung. —
Die Aniinoiriiccn. 241
^Allcs isl durchaus der Ndturnolhwen«
(iigkeiC unlerworfen, oder: Neben jener fin-
det auch noch eine Causalität durch Freiheit
s l a 1 1 ^^ — Hier bombt Alles auf der . Ceben durch . Ver^
nunfleftenntniss zu berichtigenden) Vorstelittng von dem
unüberwindlichen Gegensatze der Freiheit und Nothiiren-
digkcit. Kant begreift alle NotfawendigketI nur als todl
mechanische, dem Dinge von Aussen kommende, alsbJkid
wirkendes Naturgesetz, das fatalistisch Eines aus dem An^
dem bestimmt: Freiheit dagegen, als das schlechthin WiU-
kuhrlidie. Losgerissene von diesem ausserlich gesetzlichen
Zusammenhange, welches die Kette fatalistischer Wirkun-»
gen durchbricht, und gleichsam auf eigene Hand zu schal-^
Ion vermag : ihm ist Freiheit die abstrakte Möglichkeit des
Entgegengesetzten , und ei* kommt über den BegriiF der
Willkuhr, des schlechthin bcstimmunglosen , zufallig
sich entscheidenden aeqnüUnü nicht hinaus. Und beide
Begriffe also gofasst, ist es in der That schwer zu ent-
scheiden, wcldie Ansicht für verkehrter und geistesverderb--
lieber zu ' halten sei , die Vorstellung einer allbestimmen«
den^ Uindmechanischen Natumolhwendigkeit , oder die
Einbildung, dass die ewige Ordnung der Dinge durch ein-^
jrreifemle Willkuhr irgendje gebrochen werden könne. Und
dennoch schwanken die gewöhnlichen — auch philosophi-
Rchen Ansichten fast immer nur zwischen diesen beiden Aus-
schliesslichkeiten hin und her, ja die Einen erklären endlich
wohl sogar, durch das Wechselspiel dieses Zweifeins
ermüdet, es sei überhaupt ein unerforschliohes Geheimmss^
wie Freies und Nöthwendiges innerlich zusammenhangen,
während die Andern , an der Lösung des Gegensatzes sich
\orsQchend, nicht selten in der Alternative zu scheitern in
Gcfiihr sind, entweder die Freiheit dicht an die immanente
Nothwcndigkeit heranzuziehen, und kaum über sie zu erbe-
h\m^ oder im Gegentheil sie zu nahe an den leeren Begriff
der (grundlosen) Willkuhr anstreifen zu lassen. — Aber
auch hier tritt die Yernunnerkenntniss ordnend und be-
richtigend dazwischen, indem sie zuerst den äussern Ge-
IG
242 Die Antinomicen. '
g^nsatz von Freiheit und Moihwendigkcit , als geg^cn^eilig
steh ausschliessender Begriffo aufhebt, und Beides, als nor
der Wesensstufe nach von einander verschieden, auf-
weist — Alles ist individuell, — ans innerer Anlage
nnd nach eigenem Maass sich entfaltend: diese Anlage,
dieses innere Maass alles Daseins ist sein Gesetz, die
mveitruchliche Nothwendigkeit, die jedem Wesen
gleicher Weise zu Grunde liegt Indem es aber eben also
aus sich selbst sich entfaltet, aus sich ist, vras es wird;
ist dadurch dasjenige Element in ihm gesetzt, was in dea
hohem Formen des Daseins die Freiheit ist D^ui eben
hieraus entwickelt sich die bewusste Individualität, der
Geist, dazu, freie Persönlichkeit zu sein. Seine
Freiheit ist die unmittelbare Selbstbestimmung aus seiner
innem Anlage her, das Handeln aus den Gesetzen seiner
Natur ; und auch die wildeste , ausschweifendste Willkübr
des Me;nschen ist nicht losgerissen von diesem Bande seiner
innem Natur, vielmehr ist sie noch die beschränkteste, ge-
fesseltste an die engsten Schranken : sie ist jedoch auch
nicht Unfreiheit, todt mechanisches Wirken; wolil aber
noch Scheiqfreiheit, Knechtschaft unter den niedem
Kräften der Leidenschaften und Triebe : Knecht aber kann
nur sein der ursprünglich und innerlich Freie. Dagegen
ist die wahre (geistige) F r e i h c i t nur das Handeln aus
der ewigen Anlage des Menschen, ja aus der mit seinem
Wesen zusammenfallenden innem Nothwendigkeit ^ und
mit absolutem Unvermögen , anders zu sein oder zu han-
deln ; worin aber eben der Mensch den wahren VoUgcnuss
seiner Freiheit, das begeisternde Gefühl innerer Harmonie
und Sicherheit empfindet *)
*) Für wen die spekulative Ausfiihrimg dieser Sätze und tler
damit verwaadten UutrrstichungeQ besonderes Interes^te habca
sollte, den verweisen wir auf die Ontologie (§. 195—202.)
wo es versucht worden ist, den wahren (zugleich universalen)
Begriff der Kreiheit aus dem des real Möglichen und Noth«
wendigen zu entwickeln.
Anm. z. 2ten AufL
Die Anttnomieöi. S43
^Es cxisiirt überhaupt kein «chlechlhin
nothwendiges Wesen, weder in der Welt,
noch ausser ihr, als die Ursache derselben;
oder: zur Welt gehört Etwas, das entweder
als ihr Theil oder ihre Ursache, ein schlecht-
hin nothwendiges Wesen ist. <<
Was ist in diesen antinomischcn Sätzen Gott, das Un-
bedingte? Ein einzelnes Ding neben den andern,
überhaupt ein Besonderes, gleich allem Endlichen,
nur mit der auszeichnenden Eigenschaft, unbedingt zu sein,
und alles Uebrige aus sich selbst zu bedingen. Daher nun
allerdings die Erörterung Aöthig wird, ob er in der Welt
oder aulsser ihr, als ihr Theil oder ihre Ursache
anzusehen sei, u. dgl. — So wird denn auch in den fol^
genden Abschnitten der Kritik (^»^on dem Ideal über-
faaupt;<^ 99^om transscenden taten Ideal,<^ und „von
den Beweisgründen der spekulativen Vernunft, auf
(las Dasein eines höchen Wesens zu schliessen <^ ; S. 595
—611.), das 5,Ideal<* des ailerrealsten Wesens mit je-
nem Begrifle in Verbindung gebracht, und versucht, ob sich
die Realität eines solchen darthun lasse. Der Gedanke
davon, sagt Kant, ist freilich in der Vernunft enthalten,
er ist sogar ihr höchstes Ideal ; aber es fragt sich eben,
ob sich überall ein Reales dafür finden lasse. Also
ganz in der Art wird jener Gedanke behandelt, wie jeder
empirische Begriff, den wir wohl aufstellen können, dessen
Realftat zu belegen uns aber noch besonders zukommt.
Wie wenn virir also z. B. die Hypothese von Praada-^
miten* oder Mondbewohnem aufstellten, wir aber noch be^
sonders nöthig hätten, derselben durch einen äusserlichen
Beweis ihre Realität zu sichern; so verlangt man hier noch,
mitten in der unendlichen Wirklichkeit, einen besondem
Beweis für das Urwirkliche, mitten im Lichte zweifelt
man an einem stets erneuerten Urquell desselben. — l«^rei-
lieh Idsst sich liun bei solcher Ansicht der Sache ohne
Mühe zeigen,* wie jener (gleichsam faktische) Nachweis im-
mer unmöglich bleibe, weil ja nie aus dem blossen Begriffe
044 Die Antinomteen.
auf ein Sein geschlossen werden könne, noch weniger aber
ein solcher „hypo stasirt^ werden dürfe*): wie also
der ontologische Beweis sich vergeblich bemühe, aus dem
(subjektiven) Begriffe des allerreabten Wesens auf dessen
Existenz zu schliessen, weil Sein, Existenz, keine Begriffis-
realitat oder einzelne Eigenschaft sei, sondern die Posi-
tion eines Dinges, unabhängig von seinem Begriffe ; was
nun an dem bekannten Beispiele von den gedachte^ und den
wirklichen hundert Thalem noch femer eiiautert wird. Der
eosmologu»che Beweis sodann vermag nur von dem' Dasein
zufiilüger Existenz auf das Dasein eines schlechlhin Noüi-
wendigen, Unbedingten überhaupt zu schliessen, weldie
leere, ganz bestimnrrangslose Vorstellung nun nicht ohne
Weiteres mit dem Begriffe eines allerrealsten W^esens ver-
bunden werden darf. Kant drückt diess so aus, dassder
cosmologische Beweis in seinem weitem Veriaufo mit dem
ontologisehen zusammentreffe, demnach in den gleichen
Fehler mit jenem verfalle. Die Urbedingung also, das un-
bedingte Allbedingende ^- denn die Noihwendig-
keit eines solchen aufisuweisen ^ ist ja aben der Nerv des
cosmologischen Beweises — könnte Kant sich auch unter
einem andern Begriffe denken , als unter dem des alier-
realsten Wesens, des schlechthin umfassenden Principes
aller Realität und alles Daseins?
Aber auch sonst hat jene beschrankte Gnmdansicht seit-
dem in der philosophischen Denkart des Zeitalters tief und
durchgreifend Wurzel gefasst. Die Fragen und Betrachtungen,
die auch jetzt noch manche Philosophen lebhaft beschäfti-
gen : ob Gott als extramundan« oder intramundane Ursa-
che zu fassen, ob er mit der Welt zu identificiren, oder
von ihr gesondert zu denken, ob er blinde Naturiorafl
*) S. 608. 609. 6t0., wo die Deduktion besonder merkvurclig
ist, wie wir «ar nothwendigen „Illation'* einer Realität
des höchsten Begrifies gelangen!
Die Antttiotnicen* 245
oder em persönliches Vemunftweseii sei; — wo Ihnclie
so^r den VorwurF der Gottesläiig'fiung gegen die-
jenigen gewagt kaben, welche in diese beschrankten Ge-
gensatze mit ihnen nicht einzugehen gedachten : *~ alles
Diess ist nur die noCirwendige Folge jenes in der Wurzel
mangelhaften Prineipes, Gott, wie ein Besonderes an-
dern Besonderheiten gegenüber, in die Sphäre endlicher
Relationen und Begriflb herabzuziehen. Ist jenes Entwe-
der — Oder in der That die einzige Auskunft; hat man
nur die Wahl, für Eines oder das Andere sich zu ent-
scheiden; — ist uns das ^Weltganze^^ die Summe
der einzelnen Endlichkeit in Zeit und Raum':
so ist schon oben gezeigt* worden , wie eine solche in
keinem Sinne existire , als in der Tauschung des gemeinen
Bewusstseins ,* das in der Totalität nur eijfe Reihe voi|
Einzelnem erblicken will : — wie also Gott in Bezug
auf diess an sich Unwahre weder extra-- noch intra-
mondan sei, überhaupt in gar keinem Verhältnisise zum
Nichfseienden stehen könne« Wird die „Welt'' dagegen
gedacht als die Selbstverwirkitchung des absoluten Seins und
Lebens , der Einen ewigen Realität auf unendliche Weise
(ein freilich selbst noch abstrakter Begriff); so ist aber-
mals nicht möglich jene Begriflüsunterscheidung des Extra-
mundanen und Intramundanen und das Entweder — Oder
derselben auf diess Verhältniss beider anzuwenden; indem
nun die Welt als ein Bes onderes, „innerhalb oder
ausserhalb^ dessen Gott etwa sein könnte , gar nicht
übr^ geblieben ist. — Die „Welt" überhaupt, wie man sie
auch fasse und denke, bleibt, weil durch Gott, eben dar-
um auch in ihm; und diese Immanenz der Welt in
Gott ist von keiner überhaupt jenes Verhältniss nur den-
kenden Philosophie oder Religion je gcläugnet worden.
Die ganze Frage betriiFt vielmehr das weitere Verhältniss,
ob diese loHnanenz oben darum eine schlechthin
wechselseitige sein müsse; oder ob, weil die Welt
allein in Gott ihre Wirklichkeit findet,, ja immer neu au&
ihm sie schöpfen muss , darum auch Gott nur in der
246 Die Anlinomiocn.
Welt wirklieli- sei ; ob nicht victmehr, den einseitig pan-
thcisCißchcn Vorsteüimgen zuwider , eben um in solcher
Weise durch die Welt sich m bethatignen , er noChwendig
zngieieh als „e x t r a m n n d a n^ gedacht werden müsse; wo
sich abermals zeigt, dass mit dem blossen (Jegensatze we-
der ^ noch mit der blossen. Identität tn diesen Fragen
auszurcicItcR ist —
Bei der w<}ilcrn Unterscheidung aber, ob Golt blinde
iVaturkraft sei, oder ein persönliches Wesen,
nach deren Maassstabo jene Philosophen sogar über die
theistische oder atheistische Tendenz der Spekulation über-
haupt urtheiien zu können glauben ; so möchte auch hier die
tiefere Erwägung zeigen, da^ diess ein in Bezug auf Golt
eitler und unhaltbarer Gegensatz sei. — Auch* die Krall
der Natvr ist aus Gott, sicherlich und unbeslreitbar ; sonst
vermöchte sie überhaupt nicht zu sein : — aber blinde
Kraft? Der Ausdruck, gestehen wir, ist uns überhaupt
unverständlich in dieser Verbindung, ja scheint uns auf eine
tiefere Verwirrung zu deuten. Jede Kraft, als solch e, d. Ii.
als absohjte That, verschwindet nothwendig demBewussl-
sein, auch in der hellsten Sclbstdurchsichtigkeit des thäli-
gcn Subjekts, indem das wirkliche Thun, der Moment des
Einschiagens in das Produkt, niemals von einem Zusehen
begleitet werden kann; überall ist nur das Produkt, die
bereits in Aeussening und Verwirklichung hinubergciretenc
Kraft anschaubar. Was soll also hier blinde (bewusstlos
bleibende) Krdll im Gegensatze einer andern bedeuten?
Wir sehen, es liegt überhaupt im Begriffe derselben, diess
zu sein. — So soll jener Ausdruck hier allgemeiner nur
bezeichnen das mechanische Wirken des höchsten Princi-
pes, das atheistische Fat um. Aber auch hier ist es nur
eine vom Wirklichen abgewendete Betrachtungsweise , die
solche Vorstellungen erzeugen kann. Denn wenn man die
' Natur auch nur als lebendige Ordnung begreift, die selbst
das Einzelnste in das unendlich Ganze hineingebildet hat,
— wie Ihr ja müssl , wenn Euch auch nur in etwas um-
fassenderer empirischer Anschauung der Sinn für ihr
Uebcrgang zn JacobL Vkl
Wallen aufgegangen isl : — so kann man selbst iil Uur mcht
ein blmdwirkendes Frincip ab das Letzte denken, da sie
an jedem ihrer Werke bewährt die absolute Nichtblindheit
des höchsten Princips in ihr« *)
Ausgehend von der vorläufigen Frage nach der Mög-
lichkeit der Philosophie überhaupt, oder: wie synthetische
Urthcile a priori möglich seien? erweist Kant, nach sei-
nen Framissen volikommen gültig und unwiderlegbar , die
Unmöglichkeit jedes apriorischen Erkenucns jenseits der
Sphäre unmittelbarer Erscheinung. Was Kant daher
als den wesentlichen Inhalt der Philosophie bezeichnet, die
Lehre von Gott, Freiheit, Unsterblichkeit, wird ausdrücklich
für theoretisch unerkennbar erklärt. Aber damit ist der
wesentliche Inhalt der Philosophie durchaus hinweggc-
scfawunden, und sie selbst hat eigentlich alle Bedeutung
und Wichtigkeit verloren. Dadurch wird aber der Geist
um so kräftiger zurückgewiesen auf das unmittelbare Be-
wusstsein von jenen Wahrheiten, an den Glauben in
irgend einer seiner Gestalten und Wendungen. Und je
mehr die Spekulation sich zum bloss Negativen herabge-
setzt hat, mag sie ihre Unwissenheit über die höchsten
Gegenstände der Forschung auch mit dem Beweise ihrer
*^ Wir haben obige Expositionea , einige Abkürzungen abge-
reciinet, fast unverändert stehen lassen, nicht weil sie die
darin angeregten Fragen erschöpften , oder auch sonst nur
den Verfasser noch befriedigten , sondern weil sie zum Zeug-
niss dienen können, welchen BegrifTen und Denkweisen man
zur Zeit der Abfassung gegenwartiger Schrift (1825—28) in
iB unserm philosophischen Publikum noch begegnete. Matt
wird nicht verkennen , wie sehr seit<lero das allgemeine Ni>
veau der philosophischen Bildung sich verändert, wir dürfen
faiazusctzeu, sich gesteigert hat. Aber auch sonst können jene
Aeusferuugen , die, rhapsodisch, aber meist rirhtij^pn Blickes,
auf das wahre Ziel hindeuten , als Vorläufer dienen der spä*
tern entwickeltem Pbilosopbeme de« Verfassers.
Anmerk- zur 2ten Ausgabe.
248 Uebergang zu Jacobi.
UnvermeMilickkeit rechtfertigen , ja diese finldeckmig als
einen wichtigen Fortschritt in der Wissenschaft selbst be-
zeichnen: so wird nur um so stärker das Bedurfniss er-
wachen , ausser aller Spoktilatton und iin Gegensatze mit
ihr die unmittelbare Ueberzeugung von jenen Wahrheiten,
das Zeugniss für sie in des Menschen Gcmülh aus aller
Kjraft sprechen zu lassen.
Es lag in der ganzen Zeit , dass dieser Ausweg: von
mehr als einem denkenden und fühlenden Geiste ergriffen
werden musste, und jener philosophischen Leerheit gegen-
äbcr sich geltend machte. Keiner aber hat mit solcher
Tiefe und Würde, mit solcher spekulativ polemischen Krall,
mit so deutlich ausgesprochenem Bewusstsein seines er-
gänzenden Verhältnisses zur Zeitphilosophie diess
gethan, als Friedrich Heinrich Jacobi, welchen
wir daher hier sogleich als die wesentliche Ergänzung
für den negativen Standpunkt Kaufs, und überhaupt als
denjenigen bezeichnen müssen, in welchem der aligeincine
Geist der Wissenschaft, wahrend er theoretisch in der
Negation verharrte,, sich seine höhere Befriedigung und
ErfLUlung Zu schaffen suchte ; wodurch J a c o b i*s Erschei-
nung für jene Zeit von der umfassendsten WichtigkeH und
folgenreichsten Bedeutung geworden ist. In Kant selbst
war nämlich jene ergänzende Aushülfe unter dem Aus-
drucke von praktischen Postulaten eigentlich nur
gesucht, nicht in ihrer völligen Kraft und Selbstständigkeit
ausgesprochen ; daher diese Auskunft auch sogleich von
seinen Nachfolgern verlassen wurde, deren cigenlhümlicfier
Standpunkt als der Versuch einer Vermittelung der
Kantifchen Theorie vom Erkennen mit der Jacobi scheu
Lehre von der unmittelbaren Realität des Bewusstseins be-
zeichnet werden kann ; ein Versuch , über dessen Gdingen
nns erst dann ein Urtheil zukommt, wenn wir JacobiV
Theorie kennen gelernt haben, zu deren Parslellung wir
uns unmittelbar hinwenden.
II. J a e o b I.
Kein bedeutender Denker hat wohl so d&rchaus ent-
gegengesetzte Urtheile erfahren , als Friedrich Hein-
rich Jacob i. Von einer zahlreichen Partei ausgezeich-
neter Denker zum Vorbilde und Oberhaupte erkoren , wird
er von Andern als Philosoph eben so entschieden zurück-
gewiesen, die höchstens in ihm eine geistreiche Indivi-
dualität erkennen wollen , welche jedoch an einem nie auf-
gelösten Zwiespalte mit sich selbst untergegangen sei. —
Desto bedachtsamer ist daher unser Urtheil über ihn vor-
zubereiten , da wohl in diesem Falle am Wenigsten die ge-
wöhnliche Aushülfe gilt, dass die Wahrheit etwa in dur
Mitte liegen möchte. Sei dieses Lieblingswort der Menge
auch zulassig beim Urtheile über Männer praktischen Wir-
kens, welche im Kreise des öffentlichen Lebens unwill-
kürlich die Leidenschaften der Menschen auf entgegen-
gesetzte Weise erregen; so Mt doch dieser Meassstab
ganz hinweg bei einem Denker, der, ohne persönliche
Beziehung zu seinen Zeitgenossen , nur geistig auf sie
einwirkte. Hier muss jede der entgegengesetzten Parteien
nothwendig Recht haben in ihrer Art: aber eben difcs
deutet auf ein besonders merkwürdiges Verhäitniss, wo
verschiedene wissenschaflliche Gniridnchtungen , wie in
einem Wendepunkte, auf einander zu stosscn, oder in einen
noch unentschiedenen Kampf zu geralhen scheinen. Und
250 Allgemeiner Charakter
in der That , so wie Kant uns besonders dadurch wichtig
wurde , dass er eine in wissenschaftlicher Bildung weit-
verbreitete Grundansicht nach ihrer ganzen Konsequenz
darstellt; $o wird sich finden, dass auch. durch Jacobi
eine solche bei einer ungenügenden VerstandesbOdnng^un-
abweidiche , und in allen solchen Fällen individuell oder
im Allgemeinen unvermeidlich wiederkehrende Lebensan-
sicht ausgesprochen worden, ja dass eine nothwendige
Form der Wahrheit sich in ihm geltend gemacht habe.
Im Allgemeinen haben wir aber das Verhaltniss Ja-
cob Ts zur Philosophie seiner Zeit schon dahin bezeichnet,
dass, während der Kantianismus mit dem natürlichen Be-
wusstsein in jeder Gestalt auf das Tiefste entzweite, und
ihm am Härtesten entgegengesetzt war, diess, als unmit-
telbare Wahrheit (also auch in der Form der Un-
mittelbarkeit, mit ausdrucklicher Verziehtung auf strenge
Wissenschaft), jener Gestalt der Philosophie gegenübertre-
ten musste: nicht unähnlich, dem, wie wir in England im
Gegensatzo mit der Hum ersehen Skepsis, nur in der bo*
schränkten Gestalt des Empirismus, die Philosophie des
Gemoinsinns sich haben entwickeln sehen. Bei Ja-
cobi war es jedoch die Fülle und Zuversicht eines tiefen
Gemüthes, die jenem Ergebnisse der Spekulation gegen-
über trat: die Philosophie dürfe dem innersten, heiligsten
Gefühl nicht widersprechen; und wenn sie es thue, so
folge daraus nur , dass sie nicht die wahre sei. Es ist
dicss nämlich der Hauptcharakter von Jacobi's Denkart,
und seine wichtigste polemische Seite, der Spekulation ge-
genüber kräftig geltend gemacht zu haben , dass ein spe*
kulatives System, welches den innersten Anforderungen
des Gemüthes widerspreche, eben darum auch falsch sein
müsse. — Aber was gegen einzelne Systeme gewendet,
ekhe Zweifel ein wichtiger, wenn auch nur äusserlicber
Maassstab wäre, das hat Jacobi nun sogleich gegen die
Form des Wi'Ssens und der Wissenschaft überhaupt
zu wenden Neigung gezeigt. Es hiess nun bei ihm so-
gleich , dass die Wahiheit überhaupt nur in der Form des
seiner Philosophie. 251
Nichtwissens, des Unvermittelten, Unbegriffenen für
uns zu existiren vermöge, dass sie begreifen, be-
weisen, sie eben damit zum Produkte unseres Verstandes
machen heisse, wodurch sie aufhöre, Ursprüngliches, eben
Wahrheit zu sein.
Aber sollte, von jedem nahem Bedenken hier noch
abgesehen, überhaupt ein Zwiespalt nothwendig sein
zwischen Gemüth und Erkenntniss? Sollte nie, was der
innerste Glaube ühnet, der Verstand in freier Anerkennung
besitzen können? Ist jener Glaube in der That die Wahr-
heit, so muss sie auch dem Verstände zugänglich wer-
den. Bliebe dieser denn sonst noch eigentliches Verste-
hen, d. h. bliebe er überhaupt nur in der Wahrheit? —
J a c o b i laugnet jene völlige Ausgleichung ; und die Be-
hauptung der ewigen Unversöhnlichkeit zwischen Glauben
und Erkennen, zwischen (Unmittelbarkeit und Ver-
mitteltem ist der zweite charakteristische Uauptmoment
seiner Ansicht, der gleichfalls eine weitverbreitete Meinung
neuerer Zeit mud Bildung in sich ausspricht. *)
Wir beginnen , um gleich Anfangs den Mittelpunkt von
Jacobi*s Lehre scharf auszusprechen, von der Mittheilung
eines zum Thcil noch ungedrucklen Fragments desselben,
welches wichtig und bezeichnend an sich selbst zugleich
jenen Haupimoment in höchster Klarheit hervorhobt : **)
««
*) So in Schriften fast aus allen Epochen der Jacobischen BiU
«!ung: Sämmtliche Werke, Btl. 11. S. 11—14. 37. 38 Bd. III.
S. 13-22. 28-35. Bei. Hl. S,3l6. 317. Bd. IV. 1. Abiheil. S.
XX.WIII. XLir. S. 210. 223. u. «. w.
) Der älteste Sohn des Philosophen, Präsident Jacob i, ge-
genwärtig zu Bonn, hatte dem Vater einst seine Ansichten
über positiven Religionsg lauben in einem Aufsätze
mitgetheüL Dieser , aufmerksam ihn lesend , diktirte ihm
zuletzt die obenstehenden Zeilen als Urtheil und Antwort.
Als solche und zugleich als unbefangene Mittheiliing an den
Sohn möge mau jene bedeutenden Worte beurtheilen, in de-
nen er selbst ausspricht, w{is für und gegen ihn gesagt
werden kann. * Ueberfliissig wäre es wohl, wegen eines darin
252 ' Allgcmcinor Charakter
•
^In ^ie Klagfon über die Unzulängliclikeit alles unseres
^Plülosophiren^ stimme ich leider von ganzem Herzen
^^in ; weiss aber doch keinen andern Rath , als nur
„immer eifriger fortzuphilosophiren. IHess oder ka-
„Iholisch werden: es giebt kein Drittes! So wie es
^kein :Drittes giebt zwischen Christenthum und Hei-
„denlliiim; das ist, zwischen Naturvergöttenmg und
j^okratisch ^ Platonischem Anlhropomorphismus. ^
,,Gorne verlauschte ich mein gebrechliches philosophi-
„sches Christenthum gegen ein positives historisches.
^Durchaus ein Heide mit dem Verstände, mit dem
„ganzen Gemuthe ein Christ, schwimme ich zwischen
„zwei Wassern, die sich mir nicht vereinigen wollen,
„so dass sie gemeinschaftlich mich trugen ; sondern
^so wie das Eine mich unaufhörlich hebt, so versenkt
„auch unaufhörlich mich das andere.«^
Fürwahr, bezeichnender kann das allgemeine Leiden
der Zeit und der gegenwartigen Bildung nicht ausgespro-
chen sein , als in den vorigen Worten ! Glauben und Ge-
müth, entgegen dem Verstände: dieser,, zum (falschen)
Heidenthume verbannt^ zerstörend den Glauben, so weit
enlhalteiien Ausspruches auf die bloss symbolisclie Be-
deutung desselben aufmerksam zu machen, und ausdrück-
lich zu warnen^ die nicht in seiner Wirklichkeit als die
Meinung des Philosophen sich zu deuten. Wer jene Zeilen
also verstände, zeigte dadurch nur, dass sie für ihn nicht ge-
schriebeu, noch hier bekannt gemacht sind. — Es versteht
sich , dass, iodrm der Verfasser von dem hochverehrten Sohne
des Pliilosophpu jenen Aufsatz mitgetheilt erhielt, ihm auch
von Demselben die Erlaubniss wunle , den Zusatz des Vaters
zu gelegentlicher Bekanntmachung sich aufzeichaea zu dürfen.
Theile desselben hatte Jacobi späterhin Briefen einverleibt,
welche seitdem gedruckt erschienen sind in Jacobi's auser^
leseuem Briefwechsel, 2ter Th. Aum. zur Iteu Ausg.
Trotz der hinzugefügten Warnung und Verwahrung Haider
oben bezeichuele Ausspruch des Philosophen doch geiegeul-
lieh zu einem thetoriscben compelh dienen müssen !
Aum. zur 2teD Ausg.
seiner Philosophie* 953
seine Erieachtang goht ) Beide , die höchsten Krfiße , die
edelsten Biuthen des Geistes, in unversöhnlichem Hader
miteinander! -^ Aber so wie Jacobi mit innigfer Zuver-
sicht behauptete , dass eine jede Philosophie , sei sie aueh
noch 90 scharfsinnig entworfen und so unwiderlegbar dar-
^steDt , nothwendig falsch sein müsse , wenn sie jenem
Glauben widerspreche; eben so fest, und aus gleichem
If runde, ist uns die Zuversicht, dass jener Zwiespalt
ausgeglichen werden müsse, sonach aucli, dass er es
könne. Weiss ja doch auch Jacobi keinen andern
Rath, als den , nur immer rüstig fortzophilosophiren , oflfen-
bar nur aus der stillschweigenden Voraussetzung, dass er
endlich dennoch werde ausgeglichen werden , dass er a n
sich also nifht unausgleichbar «ei! Warum er selbst
aber, so rüstig philosophirend , dieso Einheit nicht errei'i-
chen konnte nacli seinen einmal gefasslen VorsteUungen
von wiss^tischaniicher Philosophie , welche er nur in der
Gestalt der Demonstration, des Erweisens aus ab-
strakten Begriffen gekannt zu haben scheint, diess
wir4 die fernere Entwicklung darlegen.
J a c 0 b i's eigentliche Ansicht ist in wenigen Haupt-
gedanken beschlossen ; denn wir bemerken sehr bald, dass
hier nicht ein mannichfach verflochtenes Gedankensystem,
eine umfassende, auf rein spekulativer (Sirundlage errich-
tete Wissenschaft gelehrt werde, sondern dass es eine
einfache Grundanschauung sei , von welcher er ausgeht,
oder auf welche er als das unbestreitbare Axiom zurück-
kommt, die sich indess besonders in polemischer Beziehung
erst nach und nach immer klarer entwickelt hat in Ja-
cobi's Schriften. Aber eben darum ist es nicht ganz
leicht, sie in getreuem Nachbilde wiederzugeben. Denn
so eigen verändert sie sich in der Darstellung des Philo-
sophen selbst, so innig ist sie mit den polemischen Be-
ziehungen verflochten , in denen sie sich ausgesprochen
hat; ja so ist sie selbst auf eine enge, leicht verfehlbare
254 Verstand nhd Vemunll.
Mttte der Wahrheit beschrankt , dass sie oft schon mler
dem Darstellen eine andere zu werden beginnt Zudem
finden steh, wie wdhl nicht zu längnen, so viele Wider-
sprüche — freilich nur dem Worte, nicht dem Wesen nach,
— in seinen Schrillen ; dass man auch dadurch za einer
fast authentischen Uoberiieferung seiner Lehren hingedrängt
wird.
Wir legen daher seine letzte, reifste Darstellung, die
Einleitung zu seinen philosophischen Schrif-
ten, (im IL Bande der sämmtlichen Werke) hier zu
Grunde, daran anknüpfend und damit vergleichend die an-
dern, meist polemischen Entwicklungen in seinen iibrigen
Schriften.
Zunächst hebt er an von der Unterscheidung zwischen
Verstand und Vernunft, den beiden Worten , die,
vielgebraucht seit Kant in wechselnder, ja entgegenge-
setzter Bedeutung, eine solche philosophische Sprachver-
wirrung veranlassten, dass es fast hatte nöthig scheinen
können, ihrer vorerst sich ganz zu enthalten. Aber auch
er blieb sich nicht überall gleich in dem Gebrauche der-
selben. *) Sollte demnach hierüber Etwas entschieden
*} Man vergleiche seine, wie wir glauben, früheste Aeuaseniog
«iber jenen Gegensatz: Briefe über Spinosa, S 219. 220.i
worin» all seinen spatern Bestimmungen geradezu entgegen,
die Yernunfl dem schauenden Verstände als das Nie-
drigere untergeordnet wird; während nach seinen spä-
tem Erk.lärungen eben die Vernunft, als das unmittelbar
Schauende, »Vern ehmende<< dem naturalistischen Ver-
stände (der Reflexion) überzuordnen ist Und mit bei-
den Erklärungen stimmt wiederum nicht uberein die Aensse-
rung an einer andern Stelle, welche auch in anderer Be-
ziehung uns höchst merkwürdig erscheint: „Ueber eine Weis-
sagung Lichlpnbergs^'* in der Schrift : von den gölll D., S.34.
Änm. : „Der Verstand , i s o I i r t , ist materialistisch und un-
vernünftig; er liingnet den Geist und Golt Die Vernund,
isolirt, ist idealistisch und unverständig; sie läugnet die
Natur, und macht sich selbst zum Gott." (Diess thäte
die Vernunft nach Jacob i's Sinne? Und überhaupt wel*
Verstand und Vemnnß. 2S5
werden, so konnte diess nnr geschehen ans dem höh^m,
che oder wer th&te denn das?) — * »»Der ganze QBzerslücktp,
wirkliche und wahrhaAe Mensch ist zugleich vemuiinig
und verstandig; glaubet ungetheilt und mit einerlei Zuversicht
— an Gott« an die Natur und an den eignen Geist.'*
Dann fugt er noch Folgendes hinzu: „Dieser dreieiuige all-
gemein unphilosophische (?) Glaube miiss auch eiil
im strengsten Sinne philosophischer, in der Reflexion
bestätigter Glaube werden können;'* (wäre er aber dann noch
Glaube; oder wiiesoll man sich jene Bestätigung denken?)
y,und ich bin kühn genug, zu sagen: dass ich we iss, er kann
es werden, dass ich den Buckweg sehe, auf dem ein verirr-
tes Nach- Denken hier wieder ankommen , und dann
erst eine wahre Philosophie, ein e den g anze n
Menschen erleuchtende Wissenschaft undWels-
heit hervorbringen wird.'* Trefflich, und bedeutend
in jedem Worte! Aber wenn er den „ Rückweg kannte , "
anf dem der Geist des Menschen zu voller Harmonie mit sich
selbst gelangen könne, und wenn er diesen Standpunkt als
den der wahren Philosophie bezeichnete; woher doch
nun die harten und allgemein verurtheilenden Ausdrucke
gegen die Philosophie und. Verstandeserkenntniss , woher die
Behauptung von dem nothwendigen Zwiespalte zwischen
philosophischem Erkennen und unmittelbarem Vemunflglanben,
die den eigentlichen Inhalt seiner „Unwissenheitslehre**
ausmachen? Er hätte hÖcJistens daraus folgern können, dass
alles bisherige Philosophiren sich als völlig ungenügend
erweise , gegen welche Behauptung , ist sie nur mit dem
rüstigen Versuche verbunden, die nach gewi e«
sene Lücke selbst auszufüllen, die Vemunflfor-
schnng an sich Nichts einzuwenden haben wird! Dem Vor-
würfe übrigens , der ihm besonders von Seiten der Schelling>
sehen Schule gemacht wurde, in Bestimmung jener beiden
IlauptbegriiTe seiner Philosophie stets geschwankt zu haben,
und in Widerspruch mit sich selbt gcratben zu sein, begeg-
net er auf die edelste und zugleich erschöpfendste Weise,
indem er (in der oben erwähnten ,, Einleitung in seine
phi losophi seh en S chri ft en" S. 5. 7. 10.) der Sache
geständig ist und freirouthig erklärt, erst auf dem Wege län-
geren Forschens sich der vollen Klarheit darüber bemächtigt
zu haben.
256 Vet^tand iind Vorhunft.
philosophischen S?nne der Sprache; und aus dieser sacht
Jacobi wirklich zunächst in der schon ang«iuhrlen ^^Ein«
icitung^ die Bedeutung' und das Verhöltniss jener beiden
Begriffe zu einander festzustellen (Bd. If. S. 8; ff.)-
Warum kann es einen ' bloss thierischen Ver-
stand geben , der den menschlichen zuweilen sogBt zu
übertreiTen scheint; durchaus aber keine bloss thierische
Vernunft? Eine gründliche Erörterung dieser Frage
imiss die Lösung des Räthsels über das Verhaltniss von
Verstand und Vernunft mit sich bringen.
Auch dem Thiere wohnt ein Vernehmen bei ; aber es
vernimmt nur Sinnliches : der mit Vernunft begabte Menscli
auch Uebersinnliches, und er nennt dasjenige, wo-
mit er das Ucbersinnliche vernimmt, seine Vernunft,
wie er das, womit er sieht, ^ein Auge nennt. — Wäre
nun , was wir also nennen 4 nur das Erzeugniss des auf
Erfahrung sich stützenden Reflexionsvermögens, wel-
ches wir als den Verstand zu begreifen hatten: so wäre
die Rede von übersinnlichen Dingen nur Geschwätz, die
Vernunft als solche grundlos, ein dichtendes Gedicht!
Ist sie aber wahrhaft offenbarend, so wird
sie ein über dem thierischen erhabener, von Gott, Frei-
heit und Tugend (nach spätem Aeussenmgen Jaco-
bi's, auch von Unsterblichkeit) unmittelbar wis-
sender, ein menschlicher Verstand.
Die Vernunft also nach Jacob i*s letzter Erklärung
ist lediglich das ^Organ^^; Verstand aber schon das
wirkliche Vernehmen, somit Sondern, Unterscheiden
und Vergleichen des durch jenes innere Oi^an« Gegebenen;
gleichwie wir dem Auge nach der von Jacobi selbst
dargebotenen Vergleichung , indem es wirklich sieht, Far-
ben unterscheidet , einen „Verstand" der Farben beilegen
müssten. Halten wir daher gleich hier den Gegensalz zwi-
fjchen beiden fest, der hiernach also bezeichnet werden
kann: Die Vernunft, das Ursprüngliche, Unmittelbare
ist, wie das sinnliche Auge dem Lichte, so als höheres
Ürgan der Innern unmittelbaren Erleuchtung
VenUnd und Vemimfl. S07
«
geOllhel, ist flonadi kein BrkenntaissvorinAgeii, da«
sich tbätig ceif en , theoretusiren , sieh selbst begrfindM
könnte; es ist ruhendes Schauen, durch sein ftos«
ses Dasein jfir sich zeugfend : alles Jenes ist dem V e fr
Stande (dem Reflexionsvenndgen) uberiassen, welcher Jber^
wci^end^ einhergeht, d* h. nachweisend ans zweiter Hand
dureb gewisse yoransgegebene Grunde, die sich zuletzt
nur auf Anschauung gründen können, auf die sinnlich«
oder die übersinnliche*
Dazu sind nun noch die*vielen analogen ErklirungeQ
zu vergleichen, (|urch welche Jacobi iwiederkdt darauf
hinweist, und es zu einer polemischen Hauptinstanz machti
früher , in seinem Gespräche über Idealismus und Sealis-^
mus, dem Beweise durch Begriffsdemonstration gegenüber,
spater, in den Schriften gegen Kant und Fichte, der
Reflexion und Construktion entgegen, dass alles vermittelt»
Wissen nur aus einer ursprünglichen', unmittelbar sich als
wahr erweisenden Quelle schöpfen, nicht aber umgekehrt
erst diese durch sich wiArmachen, begründen könne.
Das Wahre kann nur Etwas sein, das v o r und aus-
ser dem Wissen ist, was dem Wissen und dem Vermö-
gen des Wissens, der Vernunft, erst einen Werth giebt
Vernehmen setzt ein Vernehmbares, Vernunft (daher) dasi
Wahre zum Voraus: sie ist das Vermögen der Voraus-
setzung des Wahren. Eine das Wahre nicht voraus^
setvende Vernunft wäre ein Unding. Und wo die Wei-
sung auf das Wahre [(die ,^ h n u n g^ desselben) fehlt,
da ist keine Vernunft. — Sie ist ausschliessend auf das
unter den Erscheinungen Verborgene, auf ihre Be-
deutung gerichtet, auf das Sein, welches wohl durch-
scheinen muss in den Erscheinungen, wenn diese
nicht Ansich- Gespenster, Erscheinungen von Nichts sei^
soUen. (Bd. m. S. 22. 31. 32. tt. s. w.)
Meine Ueberzeugung ist, sagt Jacobi an einer an-
dern Stelle, in der neuen Einleitung zu seinen Briefen über
die Lehre des Spinosa,' die auch sonst zu dem tiefgrei-
fendsten Polemischen gehört, was er gegen den Pantheis-
17
asid Vfeffifdnd «Ad Verntmit.
miis gesagt hat, und wo sich aach'dti^ fipiterhin von An-
dern benutzte Auskunft findet, dass der Spinnsismon
nieiiT sowohl das Dasein Gottes, als das der Welt Hugne,
^kosinismus sei, •— welches aber an sieh nur
ein Wortspiel s»i, und auf dasselbe hinaus-
raufe (Bd. IV. Abth.l. S. XXXrV/f. XXXVlH. f. XLII.)t
ikieino Ucberzcugnng ist, dass jenes unmiUelbare Geistes-
ttoid Gottesbe^vusstsein, worauf meine Philosophie sich grQn-*
det , jeder Philosophie , die etwas mehr als blosse Nfttar-
und Yerstanddsmssenschafl; (Physik und Logik) s&in wolle,
2Um Gnind-^ ünd'Eekfiteine dienen müsse. — t>abei man
ausgegangen werden von Gefühl und Anschauung;
es giebt dtinihaüs keinen bloss spekulativen Weg
zum Innewerden Gottes; (das heisst, womit aHe Speloda-
fioi^ von je einverstanden war , und was au<;h in ihrem
Namen gesprochen ist: das Wissen von Gott ist kefn durch
Demonstration erzeugtes, oder Resultat eines ScUusses,
sondern ein ursprüngliches; es ist vielmehr Prineip iBilles
Schliessens; dott ist eine schlechthin „apriorische^ Idee)
— die St>eknllitiott irtag bloss hinzutreten Und durch ihre
eigisne Beschaffenheit erharten , dass sie an sich ieef ist
ohne jene Offenbarungen, die sie nur bestfitigen, idcht
begrAhden kann.
Vertilge itn ursprünglichen Glauben, und alle Wis-
senschaft wird hohl uAd leer : er ist eine feste Zuversicht
zu dem , was man ni<iht sieht. Wir sehen nie das Abso-*
lute; wir glauben es. Das Nichtabsolute, das Bedingte
sehen wir, und nennen dieses Sehen ein Wissen. —
So' giebt es tiber dem von der Vernunft er-
leuchte tenV er s-tande und Willen Nichts im Men-
schen, auch nicht die Vernunft selber; denn sie und ihre
Offenbarung ist selbst nur im Verstände möglich (Bd. 11.
S. 10.). Und eben ik diesel^ vollen Totalirlt des Lebens und
- Bewusstseins wird die lebendige Seele erst zu einem ver-
nünftigen menschlichen Wesen : erst hierdurch Ist sie auch
qualitativ, nicht bloss 4^ianti(ativ , vom Thiere unterschie-
den. (Vgl. Eben das. S. 28.)
' WtfMtkni und Vi*muiift. 259
Iittfem aber die Temmfl^ dls 0 r g d n' d)M Uebersi^
Hcheii, abhängig, hinweisend ist auf ein Anderes ntmet
sidi^ dessen Offenbarung nur sie sein kann : eo\A
Golt, der keine)r Organe bedarf, in diesem Sinne Vemuiüit
niciit zuzuschreiben. Ihm ist eigenthfimlicb das vollkom-
mene Insiehsein und Yonsichvri9sen,= der reine
alierböchste Verstand, der reine allmäohtige Wille. '
Erst spMer, bezeugt er^ habe sich diese Unterscheid
dimg zwischen Verstand nnd Vemunfl klar and vollständig
in ilm ausgebildeL In früheren Sehriften (in den Briefen
über Spinosa, in den Gesprächen über Idealismus und
Reafismns u. s. w.) habe er Jenes Organ des Uebersinnli^
eben im Menschen Glauben, Glaube nskraft genannt,
auch Sinn, welche er nun ganz konsequent über die
Vernunft setzen musste, was ihm damds HOssrerstand und
Nisskennung zugezogen habe. ^^
Aber die sich entwickelnde wissenschaftliche Bildung
brachte die Ansieht in Umlauf^ dass allgemein nur gel-
ten könne, was bewiesen, begründet worden sei. Of-
fenbar kann aber überhaupt nur in der Sphäre der sinn^
liehen Dinge und 6es Einzelnen von Beweisen die Rede
sein, indem zwischen dieser und jener Erscheinung, diesen
und jenen Begebenheiten ein nothwendiger Zusammenhang
nachgewiesert vrird. So wurde das ursprüngliche Verhält*
niss zwischen Verstand und Vernunft vöHig omgekehrt,
indem nun, was der Verstand aus Vernunft hatte und ge*^
noss, dennoch erst wiedertmi durch ihn bewiesen wer-
den sollte; und es entstand theoretische Philoso>»
pbie, die aus Missverstand des wahren Verhältnisses dem
unmittelbar Erkannten nun nedi das Gepräge überflüssiger
Beweise aufdrücken wollte (Bill. S. 11.14.). Diess theo-
retische Verehren seit A^r i s t o t e 1 e s (welche hilMorische
*} Man vergleiche heionders t^ie neue Anmerkung zu »einem
Gespräche über Idealisntus ttndReallltnius 6d. II.
S. 22lv; und tu dem Aufsalze: über Llehtenhergs W«fv<«
««guBg tl#r «b^Dto «*iM ZiwhU.i Bd. lU. 9. 236^"^^ • '
266 BeurtlieiluRg der pliilo8ffi|iic|e« Systeme
AftAhning m^ behanplen scheial« Aisir bei Plelon
4e^ frühem griechüschen Schulen die Vernunft ia Jaco-
b i «ehern Sinnendem Verstände, dem dialektischen Denioen,
iit>ergeordnet worden sei; eine Ansieht, die «cb sofar
bei dem Erstgenannten schwerlich dorchiubren lassen möchp*
te:>. — wurde esst seit Kant vo|lstaridig' einer Früfm^
unterworfen , und die Täuschung desselben anigededä.
K % n t zeigte, dass dasjenige , was man für eine auf theo-
retischem Wege erreichte Erkenntaji»5 des Uebersimiliehen
halte, nur apriorische, alle Erfahrung negirende Ideen, kei-
nesweges aber Erkenntniss Objekte seien.; wiewohl die
lUusion des Verstandes, jene dennoch dafür zu halten, in
der Beschafienheil des menschlichen Erkenntnissrermögcma
so.nQtbwendig begründet sei, dass auch die schärfiste Kri-
tik sie nicht vertilgen, sondern nur verhindern könne, da»
sie nicht betrüge (Kants Kr« d, r, V. S. 676).
Aber diesen Selbstbetrug von 6nmd aus enthüllen,
war dasselbe, als ihn für iminer xu zerstören« So wurde
für. den ächten Rationalismus vorerst ein leerer
Platz gewonnen. Diess,sagt Jacob i, ist Kants grosse
Iliat, sein unsterbliches Verdienst. Aber sein „gesunder
Sinn^ Hess ihn zugteich auch entdecken : dass dieser leere
f l^tz sich sogleich in einen alle Erkenntniss des Wahren
in sich verschlingenden {Abgrund verwandeln m^sse , —
p,^enn nicht ein Gott in's Mittel träte, es za
verhindern« (Ebendas. S. 31—34).
Diess sei nun ein Berührungspunkt der K a n t i sehen
liCbre und der seinigen; und es sdieint, als müssten sie,
dfi sie von hier aus nach Vorwärts ähnliche Resultate ge-
winnen, auch nach Rückwärts sich ausgleichen können.
Diess hindere aber die Unversöhnlichkeit der ersten Vor-
apssetzungen, und der verschiedene Begriff, den jede die-
ser beiden Philosophieen von der sinnlichen Anschauung^
hat.
Die K a n t i sehe Philosophie nämlich, während sie dar—
thut» dass der Verstand auf jede übersinnliche Erkenntniss
verzichten müsse, veriiert auch nach Unten alle Realität
«Qg tÜMeni lYiildpe. 451
Men sie d«5 Wesen ^er Wahtiiehmvn'g, ^cr ^fmiB-
che» SitointniM , arsfheM. Diese ist Ba<^ KantAur d(e
sobjektive Anscbamiiig des erödheinendea , an sich selbst
aber unerkennbaren Dinges. Indem nmi der Verstand
9Skm auf Ae SfamKcbkeil , als anf die einsige ^QiieUe des
Gegebenen^ sieh beziehen kann, diese aber an sich keine
Reafiüt enAftit, so schwindet nach Oben, wie nach Unten,
sie obydEtive Gewissheit; der Geist, mit sich selbst völlig
allein , erscheint nur als ein leeres Sich-in-sich^lbi^äb--
spiegeki, ein Reich wunderbarer inteUektueller TNimlA.
Sa fthrt der Weg der Ka n tischen Lehre no(hwend^
zu einem Systeme durchgängiger Subjektitit§t, gefUt
aber desswegen dem erklärenden (philosophisch seinwol-
lenden) Verstände, der jedoch znletet nicht erklart, sondern
vertilgt, ud hat wider sich nur die nicht erkifirende,
sondern positiv offenbarende^ imbedingt entscheidende Vcfp-
nimft, oder den „liatAriichen Vemunftglatiben. ^ --' Und
diess, lügt er an anderer SteHe binzn, fst das Schick!-
sal aller Philoeophie, die nicht ein ursprüng-
lich höheres Wahrnehmungsyermögein an^
nimmt; — so »neh namentlich derPbilösophie
des nnsterblicheii Leibnitz! —
D^ Weg der Ja cobi sehen Lehre, indem er zu ei-
nem System abseiilter ObjektivitSt (nach Oben ^ wie naed
Unten) ffiirt , miariSUt eben daram dem am begreiflichen
sich hakenden Verstände , nnd hat f ü r sieb nnr die nicht
erUirende^ «umltdbar offenbarende Vernunft, den natünrii-
diea Vemnafiglaiiben (Bd. II. S. 36. Vgl. von den g ölt i.
Dingen; BAAL S.372.>
Hier gUt es daher wieder , wie es uns bei J ac o b i
fleii^ AnfiBMgs entgegentrat, eine schneidende Allemtttive^:
entweder die Fluioso(^hie ^ und besonders die K an ti-
sche, hat den „Nihilismus«^ als ihre höchste Konsecfttems,
als ihr wahrhaft letztes Resultat anzuerkennen , o d e r-4H6
hms8 zur Annahme einer unmittelbar wahrmachenden
Vernunft zunickkehren. Kein Drittes ist möglichl
Und wie nun nach Oben die Venranft da» Uebersinn-
m JM«|i> B«srtf V
.Mche vm^ändcit^ sp' ist^ «qcb .«a^URien i^e WahrnckniMig
.lyahr«, acUquaU^ Auflbssung des SiniiliiKihieiif ^»W^li'r-
'Jfeliinen im cigwtliohen. Sipne ) im atrongalen Woflver--
;^(ande| wiewojhl.als unbe (^reifliches Wusder*^
AI50 nicht eiiu^al hier vermiß der VeirstaAd, iKe fteflemMi,
. ,erwcisoncr> bewahrend, soodem mir zweifeUiaft ma^
phen^» vernichtend einxutreten *). **- Und so ist denn von
I^eiden- Seiten Jacobi^s Ansicht umschrieben Md befe-
stigt ; i i das menschlidie Bewusstsein ist ursprünglich wwtr
Ql^i^f Sinn, jBibsoIute Rcceptivität ; nach Unten der Aiis-
senwftlt^ nach Oben dos Uebersinnlichen {S. 59|.
Zwischen beiden steht das sich eniwickdnde Vemögen
. ifiVf fleflexien , als verbmdendes und beziehendes , in der
Jlitte ; beide werden durch ihn ge^en einander abgewogen,
unterschieden , verstandigt , und eraengen sa die firkcnnlr-
jMss, welche die wahrhafte (Jaeobisdie) PhiieAophie
•ist: denn so wie die sinnliche Wahmeirinung vea der
Vernehmung des: Ueber^nliohen mit Kborheit sibh unter-
scheidet^ beginnt Pbilosephle. (S. S6O9 Philosophie in Pl^-
tpaischem Sinne.
, Uud :s9']schjEifit an* sich diec Vemunfl keine BegriffiE^
erbaut keine Systeme, Drlh^ilel auch nitht, soodem ist,
dem äussern Sinne gleich, bloss ^ffen:barend, ihren
Inhalt. als ißn an sich gewissen veiUkndend: 4ler tcp-
mittelnden Verstaiftdesrefleklon gegtinüher > ist ihr Wissen
unmittelbaset VernonfUnsehauHng ^zn nennen, .—
dem Verstände das den Sinnen Unerreichbare in iber«*
schwang^ichen GeCHbien allein, und doch als ein wahr*-
haft Objektives zu erkennen gebend <S. ö9j 6d.>
Was aber ist der Inhalt jener VemunAanseimiung,
wenn sie entwickelt, d. h. zu Verstände gehn^GhC wird
im Manschen ? ~ Auf Gott sehanend schafft ddr Mensoh
in sich ein reines Herz und einen gevrtsaea Geisl;
•u> ■■
.*
^) Datnit und attdh die frübereii ErLliMDgra su vergK»i€bcii, •«
dMD Briefe au Fichte, & 38., «lad bereiU im Idtalift*
AUS und Re«ai*i9u«, Bd. Ji. $. 166. 07>
von : der PlHloM|f|iie. ' -963
a vsser sich CSutefl und ScboM«. Und fK>' li| ^s die
Selbfiltnschaniuig der Frei bei t^ wßkhe 4io Wurzel dos
lleRflciien ausmuchl: in dieser imieffsieQ UQ|)ßr2Ciigiwg von
mnfit Freiboit, der Erbabenbeit über die Katar, |hre Ein-
flösse und mecbanischen Ursacli^n > isl d^T Mß^ W^ ^
Uerritcfakettcdes Mensehen, .das Ebenbild GtM^i? 9^ ihm
erscbieDen. Denn wie der Ifensch der eigenen Fi^eiheii in
sieb gewiss wird, erbebt sieb aucb in ibm der Glaube an
eise bochsle Persönlicbkeilund Vorsehung i In der jener
B^rilT in uberscbwänglicfaem Maasse yppjianden sein, muss
(S. 45.). Pas Böcbsle im Menseben deutet auf f in Allei^
böohstes bin; und beide Überzeugungen, geschöpft ni^bt
aus dem reflektirenden VereUnde, sondern siis dor Tjefe
der VemwA, stOtzen und verklären einander ; dsi^ iJif ef(it#
Gefiöbl seiner Freiheit deutet dem IHen^eh^n' ai^f e\nß botibste
Freiheit. und V^rsebiiRg hin; und. an di^e glfiul^n^t wiiyi
er ^Yiedenm der eigenefi Freibeit nup. g^avi^ser. ^)
Dain aufcb hier, wie oben, bat die V.fTumU ßif^W i^Pr
gen Feind zu hekam^ir«! , den Y e r sM 9 d 9 4er, si«b 4^*
sie erhebend» ihre Gab^ md Anschaiipngen zi^lSgo^ßi
TtasdinDg h^rabcusetzen siicht, R^flektiFend yerknüpll er
übetall Begebenheit und That paoh Ur^aqh^ und Wirkung^
ud weist so ebi jedes Einzebie dersjdben als ¥ßrii.r4>
8 a e h t e s auC Alles ist ihm daher \TrketN Pȣ% ,eYf\g0f
Vorheibeslinunung ; und njlbme n^n, beireisQt. ^r« F;rß ir
heit an, selbstständiges Eingreifen ausf elg^a^er Ma^bt iip
öen Latf d«r Begißbenbeiten , wodurch sie so oder, anders
gei^ikt würd^; — das ganze Gebäude der Welt miisste
ohne Hatarig zusammenstürzen. Aber wie vor dem Ver*
Stande die Freiheit verschwindet, eben so schwindet ],bw
dann aneh die Vorsehung dahin. Was man so nepint» Sfftgl
er, iirt die ewige Notbwendjgkeit jener Causpiverkettung, in
der Alles beschlossen hegt^ Jedes wird und ist, weil eß
*) Dnn bewoad^n die mafftsteiMk Erklärung &ber den Begriff
dir Freiheit in d«r zweiten Beil^e des Schreiben« an
Fichte, S. i^7ff. (erste Autjg.).
264 Jteobrs Begriff
also werden und sein nrnss, weil In dieser unendliciieii
Verknüpfnngf aUer Dinge nach Ursache und Wiricnng Jedes
die mechanisch wirkende Ursache des Folgenden wird ;
und so laiift^ ohne Untert>rechung durch freie CausalitSI^ die
Maschine der Welt dahin.
Bcmerkenswerth Ist dabei, dass Jacobi diese ab*
Strakte , höchst lückenhafte nnd unzureichende WeUansicht
zugleich für durchaus unwideriegbar halt aus V erstän-
de sgriinden, ja (&r das einzig spekulative Resnl-
tat konsequenter Forschungen über Freiheit und Vme^
faung: nur der Inkonsequenz oder dem Mangel an
dründlichkeit könne sich diess verbergen. Vnd so
wie er oben den Nihilismus für das leiste Brgdmiss
der Fhilosophie von der idealistischen Seite her erklftrte,
so ist es hier der Fatalismus von der natiffidistisdien.
'"Wir erinnern dabei an die bekannten Sftlse, in denen er
früher (Briefe über Spinosa,S. 3S3. Werke Bd« IV.
'S. 116 ff.) den Inbegriff seiner damaligen Ucdieraengtin-
gen aussprach , welche sich , nach seinem eigenen Zeug-
«nss, übei^ diese Funkte semer Ansicht niemals geind^t
linben. •— ^Spinosismus ist Atheismus^': (woxn die
jnerkwürdige Anmerkung; Weite IV. 217 — 20.) — j,We
Leibnitzisch- Wolffische Philosophie ist mdit n»-
dw fatalistisch, als die Spinosische^ und fuhrt
den unablässigen Forscher zu den .Gffunds&tzea der
letzteren ziirück<^ : und endlich der Hauptsatz : ,, J e d e r
Weg der Demonstration geht in Falalismns
a u s. ^ — Da nun das fatalistische Princip eben airf die
Läugnung menschlicher Freiheit, einer Vorsehung, eines
persönlichen Gottes hinausläuft; so schliesst Fatalismif
nothwendig Atheismus in sich. Verstandesphilosophie also,
so wie sie im Refiektiren auf die Realifät der Snineffwelt
tiothwendig zuletzt auf NihiUsmus kommen muss , gerftk,
ihre Forschungen über das Weltganze , das Unbedingte,
und die eigene Freiheit unablässig veifolgend, eben so on.
vermeidlich in den Abgrund des Atheismus: und wie
schon vorher behauptet wurde, dass die Leibnitzische
▼bn dk Philosophie. ' M6
PhHosophie z. B. nicht weniger niUUfllisch sei, ak die X an^
tische , so'^wird hier überdiess noch hinza^fiigt/ dbSI
sie ebeaso fatalistisch werde in ihrer hAchslen Konsequefti^
wie die des Spinosa.
Aber hier nicht die Grunde, sondern bloss den Inhalt
Jenes Ausspniches erwogen , scheint in ihm ein schwer
auszugleichender Widerstreit sich hervonsuthun. Ist das
-letzte Resultat des Philosophireos Idealismus, den J a c o b i
nun zugfleich Nihilismus schilt; so ist darin nücäi nur der
strengste, unv^söhnbarste Gegensatz, sondern sogar die
direkte Widerlegung aller falaiistischen Ansichten ausge-^
sprochen: diese gründen sidi sfiinmtlich auf das als ob<*
jektiv angenonmieiie Princip der Causaütit; aber eben
diess leugnet der Idealismus ganz und bis auf die Wiirzd^
•Der Fatalist fasst die Diiqie in ihrer immittelbaren^ sinnli^
Aetk Vereinzelung als Realitäten;: so kann er fliren KU*
sammeBhang nur durch medumucheBegründuiig erklären.
Eines setzt mit absoluter Nothwendi^kelt das Andere; und
auch , was als freie That erscheint , ist diess nur durch
Verborgenbleiben der wirkenden Ursache. Aber eben die^
ser ganze Standpunkt wird durch den Idealisons auTgerf
hoben, dem jene „Dinge<^ und das an ihnen. sich ohjekr
tivirende Priticip der CeusaUtät nur subjektive Bedeutung
haben kann, und dem als einzige Realität die Sdbstaftsehatti-
nng des unendlich bildenden , und darin sieh begränzen^
den, zu bestimmten Bildern sich fixirenden Bewiusslseins^ der
unendlichen Selbstthätigkeit des Ich^ übrig bleibt. Beide
können also eben so wenig als die letzten Konsequenzen
der Verstandesphilosophie neben dnander bestehe, oder
nbeiiianpt nur mit einander gültig sein , als uberhaiqit der
unablässige Forscher in Leibnitzens Philosophie jenen
ttthilistischen Idealismus, und zugleich den Fatalismus S p i-
nosa's finden wird. Schon nach demjenigen, was wir
oben über das eigentliche Princip der Leibnitzisdien
Phaosophie bemerkten, müssen wir vielmehr beide Behaup-
tungen für durchaus unbegründet erid&ren, welche dennoch
nicht wenig dazu beigetragen biben, jene Philosophie und
Süß Jacoir^. Betriff von dir FMIosophic.
4]je St>ekiiMon aberiiaupl Inier uitg in Qbelii Ruf xu brin^
86IL Die psychologwohe BrUdning von dieser Ansiclit
Jacobi'«, ^^ dcna nur eine solche bleibt in diesem
Falle übrig, — wird sich übrigens im weiteren VeriauTe
gdlen.
Dieser durch ihre Konsequenzen zerstörenden Yerstan-
desphilosophte tritt jedoch auch hier mederun die unmil-
tdbare Vernunftanschanung, dem unsprongliehen
Gefühle und seinen Aussagen vertrauend^ gegenüber. Un*
mittelbar schon ist in sich der Mensch seiner Freiheit sich
bewusst^ der absoluten Unabhängigkeit ton allem Natarme-
dianisnus, und über sich gl a u b t er eine höchste Freiheit
und Vorsehung. Aber jene omnätelbafe Ueberzengung,
irii dieser CHaube^ kanndutdiaus' nickt begreiflich gemncht
werden, indem ihr Begreifenwtrilen vielmehr beide vemicb-
teir würde. Begreiflich ist ihm im Mensehen nur eine
Freiheit, welche das Weltgeselz dei' Caüsalvericmpfong Ober
sich hat, die dah^ m Wahrheit nicht ist eine ursprAiig>^
hdie, ans sich selbst sich entscheid«ade; wodurch
also auch der wahre Charakter der Freiheit aufgehoben
werden würde. Begreiflich femer ist ihm nur eine alloni«-
fassende^ unwandelbare Nothweiuligfceit, oder von der an-
dern Seite ein Vorhersehen aiis Erfahrung; beides den
Gedanken einer göttlichen VorscHung gieiehmässig auf-
hebend.«
So kann an Gott und eigene Freiheit nur geglaubt
werden , Weil ein tieferes Brwagen ihres Begriffes einen
inncm Widerspruch in ihnen aufdeckt ^ der ihn vielmehr
zerstört, statt ihn zu befestigen. Es ist beides ein Ur*-
nml (Irundwundeir dem Erkennen, das es nur auflSis-
sen kann, wie es sich ihm darbietet durch unmittelbare
Veniunit, ohne es je selbst erweisen, begründen^ überhaupt
er^it^rn zu dürfen. — Und so ist auch hier das hödUle
RetfuKttt ein unversöhnlicher Geg^satz zwischen Verstand
und Gemuth, wasftiditaaikders, denn ein bostandigesSchwi
km swisdhea Theorie und mmUtriburemGeAliliB ^mwgen
kann. Dennoch fipgt Jacob i hinsn, dass eben diese An-
nähme einer wohihaAen Vorsehong nnd FreiheU nichl blois
im höchsten Wesen, sondern tterhaupt in jedem Temfin^
tigen, und die Behauptung, dass jene zwei Begriffe rfeh
gegenseitig voraussetzen, seine eigene „Philosophie^ von
allen andern, seit Aristoteles bis auf den hetv-
tigen Tag entstandenoA unterscheide: wo-
durch er wiedervn auf seine Einigkeit mit Piaton bift-
deuten zu woUea scheint.
Hieran hu^ft sich in der ang0iiihrten Darstelfaing (B4 IL
S. 49. ff.} noch eine scharfe , und, wie 9ns di^akt, übrigem
treffende Polemik gogen diejenigen Philosophen, welche,, um
jener Alternative von fatalistischer Lehre oder ym reinem
Venumnglauben an einen persönlichen Gott zu entgehen,
zum Begriffe einer bewusstlosen Vernunft als der
«absoluten^ ihre Zuflucht nehmen, die da, wie die
Natur in ihrer Entwicklung blinde, unwillkürliche Weisheit
an den Tag legt, auch an sich vernünftig sei, ohne von
sich zu wissen oder vorzusehen; uin durch- solche Annahm
me dem Gedanken einer vernnnftlosen Mothwendigf
keit zu entgehen. Hier zeigt er nun unseres Erachten^
vollkommen genügend, wie, diess Princip zum Uraniang-
lichcn, Absoluten gemacht, es Nichts helfen könne, dassßlbp
etviraiils Vernunft und vernünftig zu benennen, indem
es dennoch nur Macht, Schicksal bleibe, Vernunft
und Vorsehung dann aber in Wahrheit überall nicht Statt
finde ; — wie also jene Ansicht von der des f^ataUsmus
inneriich nicht verschieden seL Es ergiebt sich dahor, dass
der Begriff einer bewusstlos-vemünltigen, blinden Vernunft
nur einer von den vielen inireifen und unentwickelten
Denkversuchen sei , die vor der Klarheit reiferer Spe-
kulaßon längst hätten verschwind«! sollen. Auch der
sürengste Fatalist kann nicht läugnen, «lass seine Nothwen«-
digkeit absolute Ordnung, innerliche Vorbestimmung enU
halte, dass sie also, sei es auch blind, doch vemunßgeraäss,
alle Dinge un^dlich zur Einheit leite. Aber eben di^ce
MB KrKk de» PanMielsiiiQs.
"btinde Vernmift im Aburolaten, dieser eing^pAmzfte
Irtstinkt des VeniOnftlgfen' im nranfiit glichen We^en,
isl das tief und absolut VemunM^se , ja Ufig^reimfe , ge-
rade fSr den Verstand ; und von hieraus hatte J a c o b i
allerding« den Hebel einer -wisaensdiaflliehen Wideilegwig
einsetzen sollen. -^ Von Wannen denn überhaupt jener
angepflanzte Instinict, jenes blinde, doch vemünfUge Tlinn,
wenn nirgends sehende Vernmift, absolut Wisseades
«nd Ordnendes ist?« Wie kann femer das Blindwiriccnde,
aber Vernünftige, überhaupt nur in irgend einem Smne fSr
•das UranfSngliche oder Absolute gehalten werden , da in
jener Art des Wirkens, wie sie in der Natur gegeben
ist, an sidi selbst schon das Bedingt - und Vermitteltsein,
das Oeleitetwerden, also die Nichtabsolnfheit, sich verrdth ?
Die Widerlegung wäre aus reinen Verstandesgründen mög-
lich gewesen; ganz ebenso, wie' er den spSter aufgekom-
menen BegfrifF Gottes, als des absoluten ileistes, der jedoch
erst im Menschen zu wirklichem Bewusstsein und Persön-
lichkeit gdangt, aus demselben Principe durch die blosse
Konsequenz des Denkens hätte widerlegen können. —
Und so stimmen wir zwar mit J a c o b i uberein , wenn er
behauptet, was Gott zu einem wahren Gotte mache (zum
Absoluten, zur ewigen Einheit afler Dinge) ^ sei Vor-
sehung (absolutes Bewnsstsein) zu nennen (Bd. 11.
8. 51.). Aber aus gleichem Grunde scheint uns auch hier
die AlhDrnatiTe unzureichend, die er zum Schlüsse aufstellt :
das« der Geist, wenn er über den Dingen sinnend ver-
weile, entweder zuletzt nur auf ein iu x«/ ncTy, ein
unendlidies Setzen und Aufheben und absolute Verände-
rungskraft kommen könne, keineswegs auf Schöpfung und
einen Schöpfergott ; oder dass diese Erkenntniss nur das
Erzeugniss und Eigenthum eines Vernunftglaubens
bleiben müsse , welcher nie zu Verstände gebracht
werden könne. Auf die Frage nämlich, ob nun umgekehrt
durch die Annahme eines persönlichen Gottes, einer höch-
sten Intelligenz 'und Freiheil am Anfangfe, das AH besser
m hegreifen sei, als wenn man es sich denke, wie ein
Kritik 4es Pantheismus. i^
ewlg,4n.|l^h selbst kreisendes .Wesen, iM QJs^iofpfra
naturans} ohne SelbstbewDSStsein, okne Verstsnd imil Wilb
ist; als naiura tHUurata aber voQ selbstbeivusster , ver-
ständiger, nach Begriffen sich bestimmender Wesen, deren
keines jedoch 'ein absohiter Geist sein, noch je werden
kann; — so antwortet er ein entschiedenes Mein (Bd. U»
S. 12L220: — wahrend doch "von Piaton bis auf Leib--
aitz viehnehr aUe gr&ndliche Spehnlation äbereinstinimead
anerkannte, dass in jenem Begriffe erst die eigentUcbe
Lösung des Welträthsels zu finden sei, und dass ohne den-^
selben eigentlich Nichts verständlich gemacht werden
könne. ^^ Wohl aber das begreife er vollkommen , setnt
er hinniy dass Vorsehung und Freiheit, wenn nicht am An->*
fange, dann überhaiq>t nicht seien ; der Mensch mithin von'
seinem Geiste, Herzen und Gewissen, diesen unmitlelbar-
sten Ansprüchen seiner Vernunft, dann nur getauscht w^-
de : „ein Mährchen, eine L%e wäre dann der Mensch, eine
Löge des Menschen Gott — der Gott des Sokrate^ und
Pia ton, der Gott der Christen.«« — »So lautete meine
früheste Rede: ich ende, wie ich begann«« (S, 123,)*
Wenige Zuge vollenden noch das Bild seiner ganzen
Denkart: Wenn Jemand spricht, er wisse, so fragen
wir mit Recht : W o b e r ? Sein Wissen beweisend , muss
4
er zuletzt auf Eines von Beideii; sich berufen, auf Sinnes-
empfin4ung oder GeislesgeffthL Von dem Inhalte
des letztem sagen wir, dass er geglaubt werde, und
flonit kann Gott, Geist, Freiheit nur.Gegenstaiid eines Glau-
bens bleiben. ^ So gesteht er denn (S. 50.) „ohne Scheu,«
dus seine Philosophie von dem Geffihle, dem objekti-.
ven und reinen, ausgehe, dass sie seine Autorität Rr
die höchste aneikenne und in der Lehre vom Uebendni^.
liehen sich auf diese allein giiinde. Wissen aber, d. h«
Gewissheit aus zweiter Hand durch Reflexion und Beweis^
sei bei diesen Gegmistinden unmöglich. Daher denn
auch der Satz: dass ein Gott, der gewusst wer-
den könne, kein Gott sei, in diesem Sinne gani
konsequent erscheint: es hiesse, Gott zu einem beweis-«
270 ' Chmraktcr
baren, endlichen Wesen machen, wenn man Bm in der
Form des Wissens besitzen wollte.
Hiermit wäre J a c ö b i 's Theorie , nach ihrem allge-
meinsten Umfange und in dem Kerne seiner Denkart, tib-
geschlossen. Wir haben ihn selber bei den wichttgsfen
Stellen in wf^rllichen Anführungen reden laissen , weil wir
bei mehrmaligen Versuchen selbststfindif er Darstellung flui-
den, was hier allerdings als charakterislisch erscheint, dass
jene Theorie, entkleidet von den urspröngfichen Wendun-
gen und Aosdrickeii, unter unsem Hinden eine andern zu
werden drohte: und so konnte die treueste DafstellBng
Hier fest nur eine wörtliche sein.
Aber Auch bei J a c o b i selbst ist sie nur d^rgesf dft,
nicht eigentlich erwiesen. Die Beweise sind lediglich ne-
gattTcr, polemischer Art, um die Nichtigkeit der Re-
flexion und der Verstandeserkenntniss darzuthun. Die
Theorie selbst beruht dagegen nur auf dem Glauben an
die unmittelbare Aussage des Bewusstseins (der YemuAft) :
ihr positiver Beweis ist daher nur die Berufung auf die
Stärke jenes Zeugnisses, etwas Umniitelbares und allgemein
Menschliches. — Diess Verhaltniss müssen wir jedoch als
ein nothwendiges anerkennen. Glaube h(mh nämlicli
ilberäll nur negativ bewiesen , d. h. die gegen Ihn gerich-
teten GrAnde und Beweise vnderlegt werd^^ und so ist
die Polemik eine noäiwendtge Gegenseite Jaeobi scher
Philosophie , an welcher sie selbst sich sogar entwickelt
und gekräftigt hat, und wenn es gälte, ihn nach einem d^
gebräuchlichen Sektennamen zu bezeichnen, so müsste man
ihn zu den Skeptikern zählen> insofern er dieGQUig-
keit «Uer spekulativen Verstandeserkenntniss entscUeden
läugtiet.
Seine positive Lehre ist dagegen in einer einzigeii
Grundanschaming abgeschlossen , deren fiigenfhuiidiches in
won^gfen Worten bezeichnet ist. * Das Bcwusstsein als
sdcbes ist VeTiiebm)en> Abspiegeln eines Andern ausser
571
rieh, einer wabrfaaßea Rciriiliti ud nur dadnroh wird es
«elbst ein Reales, abo BewussUSein, wMirend es, a6
nur sich seihst in sich abspiegelml gedacht — imd diesb
hielt er für die Ifeinung, wenigsleiis für die letEte Kon^
söqnepz Kaut's «ml der WissensdiaftsMre , «^ ebea
Vomehmen , Abspiegeln des Nichts , alle Realitil nur lü->
gead, der grösste afler Widersprüche wäre. — Bewnssl^
sein also ist diess nur dadurch , dass es Organ , Vemeh^
mmHg ist des absolut Realen, dessen Existenz ihm dahet
scMechthin voranszusetcen ist Ist es aber in seiner Wnr^
feel vernehmend, posttiv oflfenbarend; so kennen 9rtie
vamittelbaren Aussprüche nidht tiuschen, Tielniehr liegt 4a
ihnen das lünteriuia aller Wahiheit, die absolole Entschei-
dung in letzter Instanz ; md es käme nur darmrf an , sie
rein abzuhören und richtig zu würdigen. Was da täu-^
sehen und frrthum erzeugen könnte, wäre nur das Be*
wosstsein aus zweiter Hand , die R e f 1 e x i o n , die will^^
kflhrlich abstrahirend^ das innerlich Verbundene trennt ^ die
Fülle jenes Inhalts mtleert und so seine innere Ckrwls»**
hrit cntkriitet.
Aber indem wir mit veHer Ueberzeugung dieser An-
rieht beitreten wollen, drftngen sich uns andere, eigenlliok
spekulative Fragen entgegen, die wir, bloss auf jene
«nihitlelbaren Aussprüche der Vernunft hörend, nicht zu
losen vermögen, ja die Mfgar aus ihr selbst sich entwickeln«
Und diess ist der Grund, wodurch die Theorie Jacobi*s
von ihrem eigenen Standpunkte und dessen Prämissen aus
unairfhaltsum in eineft umfassenderen Kreta der Betrachtung
hinausgetrieben zu werden scheint^
Das Bewusstsein, ursprünglich Vernehmen des ab-
soluten Seins, der ursprünglichen Realitfit, wenn es, diesen
Ck^daaken festhaltend, sich in demselben verlieft, muss je*^
nes eis das Ewige, Wandellose, nicht entsenden, nicM
tei^nglich, als. Sein aus und durch sich erkennen«
Sdion der einfache Begriflr des Wirklichen überiiaupt Ifisst
den' Gedanken eines Entstehens und Vergehens desselbett
nicht mehr zu: das wahrhalR Wirkliche ist, eben als sot-
972 Kntik denitibeB.
;Ohes, nur ab swig lu denken. Der wahre Inhal! Jener
Vemunllansdiaaung isl daher in seiner Ursprünglich-
keit, nicht sowohl die Idee eines (persönlichen) Gottes,
einer Weisheit und Vorsehung, wie Jacobi IrelgdHf
genug in ihren Aussprüchen hat lesen wollen, als die Uee
eines sdilechthin Unbedingten, überhaupt eines uranfing*
lioheB, ewigen Seins, welches nur als der Grund- sein er
selbst, und, nach der andern Bestimmung, als der alles
Seins begriffen werden kann. Dieser wahrhaft und a 1-
lein unmittelbare Ausspruch der Vernunft, welchen Ja-
cobi gewiss nicht in Abrinde za stellen geneigt ist, fa^
«dennoch , in seiner vollen Konsequenz l'eslgehaltän ^ die
ganse GlaubensdicOTie desselben auf, und zwingt ihn, sich
«auf eigenllich spekuktive Fragen einzulassen. — Ist das
S^ schlechthin, das Ewige, Göttliche, alles Sein, wie
doch zugestanden werden muss , wenn auch nur mit dem
Inhalte jener Vemunftanschauung Ernst gemacht werden
4S0il, --? wie vennag dann eine Welt des Endlichen, des
Entstehenden und Vergeheaden, zu existiren, die umgekehrt
nichts Ewiges in ihrem Umkreise erscheinen lässt? Die-
sem Gegensatze , ja Wideri^ruche vermag sich jene Yer-
aunftanschauung }un so weniger zu entziehen, je fester und
ihrer selbst gewisser sie in sich geworden ist : dadurch
gerath jedoch ihr vorher ruhender parteiloser Zustand in
die Spannung jenes Zweifels und Widerstreits, und die
Spekulation wird aus diesem Kampfe erzeugt, aii deren
erster unvermeidlichster Quelle wir stehen ; und bitte es
Jacobi gelingen können, sie völlig mid bis auf die Er*
innerung auszurotten , sie hfttte sich hier wieder neu er-
zeugen müs/^en. Denn es ist keineswegs eine müssige
Schulphilosophie oder die Vermessenheit eines eitehi und
verhärteten Verstandes, wie Jacobi diess darzasteDen
ttebt, sondern das tiefste Bedürfhiss des ganzen Men-
schen, welches zu solchen Fragen treibt ; und die Religion
wäre nicht, e^ würde kein Bedürfniss derselben gefunden,
•wenn jenes Bewusstsein des Widerspruches nicht wenig-
jstens verborgener Weise im Abgrunde des Geistes schfan»»
KrHIk d^r5elbcfl. 373
mefte. Es ist nicht Woss der aHgemeinste Ansdnich ffir
die Hauplaiirg^abe der Spekulation , sondern das Räthael,
welches theoretisch wie praktisch aus allem Dasein
sich hervordrangt! wie äberfmopt zu existiren vermöge,
was vielmehr nicht sein sollte, das Vergängliche, Nichtige,
UnvoIHtommne , und was zogleich^ damit gesetzt ist, dio
Sande und der Wahn ?• Woher Oberhaupt jener Streit
der Erscheinung mit der innersten Wahrheit und Evidenz
des „ Vemnnnglaubens^, der ja auch für Jacob i der
hödisle Maassstab aller Erkenntniss und Gewissheit ist ?
Diese Frage umgeht Jacobi durch die ungenügende,
^k'iclisam nur histerische Auskunft, dass der menschliche
Geist Vernehmen, Recepliviläl- sei , nach „Unten« für die
Sinnonwelt, also im eigentliehslcii Sinne wahr-nehmcnd
dieselbe; (wahrnehmend also dasjenige, wovon höchst
zweifelhalT, ob' überhaupt ein Wahres in ihm enthalten I)
— nach „O b e n^' fSr das Uebersinnliehe , einen Golt mit
persönlicher Freiheit und Vorsehung; ( — was heisst, oder
erklärt hier jenes „Oben" und „Unten«'? — ) wiewohl
übrigens beide Verkündigimgon des Bewusstseins ein un-
begreifliches Wunder bleiben sollen, jeder Erklärung und
Entwicklung durch Verstandeserkenntniss widerstrebend.
Und durch diesen wahrhaft anti platonischen
Glauben an das (li^ ov der Sinnenwelt, durch einen Dua-
lismus, der jeder näheren Erörterung ausdrücklich aus-
weicht, durch die ungenügende Auskunft, er sei ein Ur-
nnd Grondwunder, meinte er jede spekulative Philosephie
zu übertreffen , ja frömmer imd heiliger zu sem, als jene,
— die nothwendig atheistische? — Vielmehr
müssen wir behaupten, dass, wenn er wahrhaft durchdrun-
gen gewesen wäre von def £videnz jenes Vemunftglau-
bens, von der unvcrlilgbaren Gewissheit des Ewigen, wie
z. B. S p i n o s a , der mit dieser Wurzel des Spekulativen
auch die der Religion gerettet hat^ er jenen Zwiespalt
nimmer so ruhig hätte dahingestellt sein lassen können ; —
er hatte in der Art, wie Spinosa und das Identitatssy-
Stern in seinen verschiedenen Gestalten ihn mehr vertilgt,
18
274 Kritik derselbea,
ate a(ua(gfieidit , ein theoretisch vtelleichl ungenügendes, in
kekiier Art jedoch irreligiöseis oder i^h^isiischßs Begianea
erblicken können. Am allerwenigsten endlich hille er, in
der That erfüllt und getragen von dem lebendigen Yer-
nunftgiauben , dem verdüsternden Wahne sic;h hingeben
können, dass jedes Begreifenwollen der Sinnenw^lt nnrsu
btalistiischen Lehren führen könne, oder dass mm f,eine
Intelligenz am Anfange^ , einen „schöpferischen Gotl \er-
auHselzend^ das Dasein des Weltalls schlechterdings nicbt
besser zu begreifen vermöge, als wenn man diess Weltatt,
uidit als ,,Werk% sondern als ein ewiges, ohne Anfang
und Ende in sich selbst kreisendes ^Wesen^ betrachte
(IL S.122. Vgl. III. &403O. So ohnmächtig also wäre
der Begriir, dass er nicht vermöchte, bloss aus sich selbst
jeni's liüble Gespenst eines Aberglaubens an die selbstge-
machten Abstraktionen zu stürzen? Man eikennt schon
hier den unfruchtbaren Zwiespalt dieses ganzen Philoso-
phirons; dem Gotte des Glaubens za dienen, zeigt es den
besten Willen; aber dem Götzen jener Verstandosbegrifle
kann es doch nicht absagen, welche ihm die ,^^atur<^ als
ein blindverzehrendes Ungeheuer, als uneutfliehbarc Schick-
salsverkettung vorspiegeln; zu einer lebendigen Erfah-
nmgserkenntniss derselben, die ihm den immanenten,
allgegenwärtigen Zweck, in ihr, das Gescfaaffensein durch den
Geist, mit sinnlicher Unwiderstehlichkeit vor Augen rücken
musste, will seine Bildung sich auch nicht herablassen;
iumI so schwebt er unsicher, und, trotz seinen Versicherun-
gen, doch ohne die Starke iiigend eines Glaubens, von
enigegengesctzten Machten angezogen, zwisdien ihnen hin
und her.
Anders und gründlicher darin schon die einfache
christliche Zuversicht : kann sie den Ursprung des Ungött-
lichen, der Sünde und des Todes, auch nicht erklären ; so
haftet sie doch nicht zweifelnd und grüblerisch an ihnen,
um sich die eigne Zuversicht stets dadurch verkümmern zu
hissen: sie gelten ihr nur als dasjenige, an denen Gott
seinen Willen offenbart, an deren Ueberwindung im
KrUik derselben. . 275
Menschen und in der Weit er seine Machl verherrlicht^
d. h. ftb das an sieb Nichtige. Und so ist auch jenen
Glauben Gott der einzige Wehrhaftseiende, und was am
Menschen und in der Natnr ist, die Offenbarung des*
selben. Die Natnr offenbart Gott^ nach christlichem Gei^
s(e, nach seiner Macht, in seinen ewigen Gesetzen;
allerdings ist ste auch ihm unverbrüchliche Nothwendigkeiti
aber mit dem Gepräge göttlicher Weisheit , als das Werk
seiner Zwecke: nicht aber verbirgt sie Gott, wie Ja-
cob i will*)^ nicht aber leitet ihre Nethwendigkeit, die
*) y. d. gottlicben Dingen S. 189. Hl. S«425. »Die Natur ver-
birgt Gott, weil sie überall nur Schicksal, eine ununterbro-
chene Kette von lauter wirkenden Ursachen ohne A nfang und
Ende ofreobart, aussrhliessend mit gleicher Nothwendlgkeit
Beides: Vorsehung und Ungeföhr. — Willenlos wirket sie und
rathschlaget nicht, weder mit dem Guten, Jdoch roil dem
Schönen, auch sdiaffet sie nicht, sondern verwandelt absieht-
los und bewutstlos aus ihrem finstern Abgrunde ewig nur sich
selbst*' U.S.W. — Was Gothe von diesem Ausspruch und
der ganzen damit zusammen hangenden Denkweise übe/ die Natur
urtheilt, ist bekannt (Werke. 1 H. Bd. XLV. S. 293. vgl. 3d. L.
S.253); und als gelegentliche Notiz mag hinzugesetzt werden,
dass auch G G th e's Gedicht (Bd. II, S. 202.3.) sich auf J a c o b t
bezieht und das Werk« woraus jene Stelle genommen ist , im
Auge hat — Aber audi gegen F r. -S c h 1 e g e 1 u. A* be-
durfte Jacob! der Apologie dieser Worte (vgl Vorrede zum
III. Bde. S. IX*— XI.) , welche indess Qber den wahren , im
Texte nachgewiesenen Grund' seiner Behauptung keinen Zwei-
fel lässt: er kennt und versteht uot,er der „Natur" nur ihren
abstrakten oder formellen Begriff, die Nothweiidigkeit eines
-(leeren) unendlichen Sichverwandeins ohne Anfang und Ende,
ohne dabei von ihrem vemunflvollen, Zweckerfullten Inhalte
die geringste Notiz zu nehmen. Diess entleerte Abstr^ktum
verdient dann allerdings alle die schlimmen Prädikate^, weU
che sein gerechter Hass gegen dasselbe ihm eiugiebt; aber
ist diess die wirkliche, lebendige Natur? Dass diese jedoch
»uicht schaiTend«', sondern willen- und bewusstlos „wirkend",
dennoch nur Absichtvolles und Vernunflgemässes hervorbringt
In ihrem ewigen „ Aussichselbstiichverwandeln " : das macht
276 VcjrbftKntfis JncobPs
diiuhlerbroelicfiio Kette von Ursachen ohne Anfang und
Ende, umermeidlich auf ein blindeg ^ Schicksal.^ Forsche
auch nur mit dem Verstände, könnte das Christenthuni
sagen « in dem Eineelnen der Dinge , in dem Gesetze der
Gestirne, wie im Organismus der Pflanze, und überall wirst
Du wcishcitsvolle Notfawendigkeit , vorsocfende Ordnung
gewahr werden! — Der kräftige Glaube an einen le-
bendigen Gott, fem davon, den Verstand zu schmähen,
sie eben für das grundlicbe DeDken zu einem Nidit-Letzten
oder Absolnten, «ondern zum »Werke*« einet „ uranOingii-
eben" , seinen Zweck in ihr Tollziehentlen „ Gottes , einer
„W eltursacb e*% nicht eines mW el t g ru n d e s*', worin Ja.
cobi den Gegensatz von Theismus uud Piaturalismus lixiren
zu Lüonen glaubt (S. 404). Schon von hier aus daher ertcheint
der Naturalismus, wie Ja cobi ihu auffasst, als ein Tullig
UDzureicbeudes System ; und Nicbts weniger als suzageben
ist, was Jacob i an anderer Steile (S. 4030 yertichert: .»Der
Schlnss ans der Une r gr ün diichkeit (?) der Natur auf
eine Ursache ausser ihr, welche sie hervorgebracht und a q->
gefangen haben müsse, war, ist und bleibt ein fehlerhafter,
philosophisch nicht zu rechtfertigender Schluss*': — wenn
man nämlich an dieser Ausdrucksweise berichtigt, was daran
von ebenso unphilosophischen, als unwesentlichen Bestimmun-
gen sich hin zu gemischt zu haben scheint Denn „Unergrfind-
lichkeit« der Nat'nr — diejenigen, welche «ich um einen sol-
chen »Schluss*« bemühten, sprachen klarer und bezeichnen-
der hierbei von einer continggntia mündig — ist ein so
schwankender und vieldeutiger Begri£f, dass wir ebenso gut
sagen können: die Natur ist nach ihren meisten Seiten noch
une rg rund et, als sie doch überhaupt und unläugbar (auch
nach J a c o b i's erkenntnisstbeoretischen Voraussetzungen}
ergrundlich ist. Die Ursache »ausser ihr<< femer müss-
te, gerade um ihre Ursache sein zu können, in anderm Sinne
in ihr sein, und das blosse oder ausschliessliche „ Ausser <<
oder Eztramundane würde die „ Unbegreiflichkeit " über die
ganze Frage verbreiten, aber nicht durch die Schuld der Sa-
che, sondern der wtUkührlich dazu gebrachten Voraussetzun-
gen. Ebenso ist es mit dem Begriffe des »Anfangenss der
gleichfalls an Unbegreiflichkeit scheitern kann» wenn er hier
in seiner rohsinnlichen Bedeutung angewendet werden soll.
zam Ckristcnthuiiie. S77
oder ihm gewaltsam das Auge zu verscMiessen , forderl
Yiehnehr unablässig ihn auf, diesen Gott in allem WirfclL
chen, als in der Offenbarung desselben, zu bewahren: und
so hat sieb auch das Christenthum nichts weniger als feinde
seiig gegen die Wissenschaft und das spektdative Erkeni-
ncn gezeigt, indem diese viehnehr dem Geiste desselben'
einen neuen Aufschwung, ja eine höhere Bläthe verdankt ;
was schon historisch darauf hätte hinleiten mfissen , dass
der ^Vemunftglaube« nicht unverträglich sei mit der Wis*
senschafk, vielmehr ein neues Erkenntnissprincip in sie
hineinbringe. Und haben nicht gerade diejenigen Natur*
forscher sich durch die glänzendsten Entdeckungen ausge-
zeichnet , die von ursprunglich frommer Liebe zur Natur
gezogen , voraussetzungslos und. lernend sich zu ihr ver-
hielten , und nur den festen Glauben an die Vernunft und
Weisheit in ihr mitbrachten, nicht aber diejenigen, die mit
fertigen Voraussetzungen und Begriffen zu ihr traten, und
diesen zu Gefallen in ihr nu r eine mechanische und ato-
mistische Nothwendigkeit erblicken wollten ? Wir erinnern
zum Beweise bloss an den frommen Kopp 1er, den tief-
gemüthlichen L e i b n i t z , von denen nur blöde Missken-
nung behaupten könnte, dass es Geistesschwache oder In-
konsequenz gewesen sei , die sie in der Natur das Werk
einer göttlichen IntcHfgenz habe erkennen lassen. Ja, wa-
ren nicht gerade die geistreichsten Naturforscher die frömm-
sten, bnd wurde ihre Frömmigkeit nicht stets lauterer und
inniger, je tiefer sie die Betrachtung der Natiirordnung
aus dem Ganzen in*s Einzelne hineinführte? — Wir durf-
ten nur von Franz Baco oder Newton durch dieBeihe
der grossen Astronomen und Physiker bis auf die neuere
Zeit herabgehen; wie viele Ergüsse reiner Frömmigkeit,
hervorgegangen aus der Begeisterung fQr die erkannte
Herrlichkeit der Natur, mehr noch der stille Friede ihres
Geistes und Forschens, der nicht selten ihre ganze Denk-
weise adelt und beseelt^ verrathen die tiefe und gesicherte
Ausbildung, die auch ihrem Gemüthe durch diese Studien
zu Theil geworden. Und selbst G ö t h e, den man als den
!78 Verfaältiüsfi Jacobfs
Normdlmensoben . gegenwärtigt)t ZcU gar wohl zum Bei-
sf'icle für alle übrigen nennen darf; — wir müsse» erin-
nern , da^s auch er nicht durch Kunst oder sonstige Wis-
senschafl , am Wenigsten durch Glaubensbctrachtuiigen
J a c 0 b i scher Art, sondern vor Allem durch Naturforschimg
idem Göttlichen zugewandt geblieben ist, und die Zuversicht
zu der Treue Gottes aas der Natur geschöpft hat.
Historisch demnach hat die Behauptung Jacobi's,
da SS der Verstand, in der Natur unablässig forschend, nur
auf den Gedanken eines blinden Schicksals geiei.tel werde,
dass dicss das letzte, konsequenteste Resultat solcher
Forschungen sei, gar Nichts für sich. Nur der Grübler in
abstrakt leeren Begriffen und Unwirklichkeiten , gleich den
Atomen, Materien u. dgl. , mag sich ein atheistisches Sy-
stem hypothetisch zusammenbauen, — diese Denkweise ist
kniiier nur eine künstliche, ausgedachte, aus halber Bildung
erzeugte, -^ der wahre Naturschauer lasst das
System der Dinge ^ wie es sich ihm darbietet, und, unbC'-
kümmert um seine vorläuGgcn Begriffe von ihnen, eilt
er zu ihrer Erkenntniss aus ihnen selbst , und hier findet
er nicht Atome oder ein blindes Schicksal , sondern sinn«-
vollen Zusammenhang. Eben diess daher ist der wahre Geist
und die Lust der Naturbetrachtung, diese Konsequenz der
Natur im Grössten, wie im Geringsten, wiederzufinden, und,
wie Göthe sagt, darin „die Handschrift eines Gottes zu
sehen ^, nicht bloss sehnsüchtig von ihm träumem Und
ßo, nluss die Behauptung in jedem Betrachte als willkührlich
erscheinen, dass Naturforschung Atheismus erzenge ; diese
ist vielmehr in manchen Bildungsepocben das lelitfe, übrig-
Ueibende Mittel gewesen, um die Wissenschaft von den
JBigienmachtigen und skeptisch Doktrinellen, welches immer
nur aus der Abkehr vom Wirklichen entspringen kann, der
Wahrheit und Wirklichkeit wieder zuzuleiten. Aber aack
j0tzo daran zu erinnern, ist volle Berechtigung vorbanden*),
indem man^ im gegenwärtigen Augenblicke, gleich als ob
Zusatz der zweiten Ausgabe.
tarn ChrislentlNime. S79
kein beschränkter Bildnttgsstandpunkt je unter un£ zum
vergessenen oder fiberteblen werden -solite, von den ent«*-
gc^engesctzten Seilen her sich den Wahn erneuern sieht,
dass die ^Ceheimnisse^ des Glaubens nicht mit der Natur
und ihren Wahrheiten in Analogie festclU werden dfirften,
oder dass man umgekehrt von der Natur aus Wafea zum
Umstürze der Religion finden könne. — Man möcMe viel-
leicht den berühmt gewordenen Ausspruch eines französi*-
sehen Astronomen dafür anfuhren, dass er alle Himnoi
darebforsoht, nirgends aber einen Gott gefunden habe,
sondern nur Gesetz und Noihwendigkeit. Dieser Allieis^
mus setzt sich jedoch ganz mit Recht, wie es sdieint, je-
nem gefuhlsgläofoigen Theismus entgegen, der bei Jarob^i
und so vielen seiner Nachfolger Gottes Wesen weit über
die Weit in eine unerkennbare Ferne rikkt. Beiden kann
dieser vorausgesetete Gott nur ein Dem ex machma sein,
welcher, der (von Jacobi gleichfalls ausdrucklich aner-
kannten) Nothwendigkeit der Welt gegenüber, allenfalls nur
eingriife in- ihre sonst schon für sich ablaufende Ordnung;
Von einem solchen Gölte hat jedoch der Athoisaius dio
völligste Befiigniss zu sagen, dasi$ von ihm keine Spur ge-
funden werde in der Welt, und dass er völlig überflössig
sei zur Welterklarimg; wahrend es umgekehrt das Siegel
der Göttlichkeit an den Dingen ist, dass sie noibwen-*
di^ sind und blindwirkend^ dass sich aber diese Nothwen-
digkeit überall von Vernunft durchdrungen findet. —
Der Mensch nach dem Cliristenthume — um diese
Parallele mit der Jacobi sehen Philoso;>hie fortzusekteu^
— offenbart Gott nach seiner Heiligkeit und seiner GnadCy
aber durchaus nur in Vermittelung des Guttmenscben, wel*-
eker die höchste und unmittelbarste Bewährung und Ge-»
wissheit davon geworden ist. Und hiermit, sollte man er-
warten, Jacobi in voller Ucbereinstimmung zu finden.
Dennoch bringt er auch hierin sein £inversländniss mit dem
Chrislenthmiie uur zu einer bedingten und vorbchaltliehen
Anerkennung: das llislorisciie desselben ist ihm nur die
niiwesentliche Zutbat, eine der Schalen von der Pcrie des
280 Verkältniss Jac>(ibi*i$ 2utn ChristeiiUiume.
Christenlhuins (III. S. 954.) , in welche der blosse Idcalisl
der. ReiigioN, wcldier sich seines GoUes durch . reines Üeii-
kcn vei^e\viis3crii will, imd der blosse Materialist, welcher
dieser Gewissheit sich imr im Thatsächlichen. des Christen-
Ihuiiis. Yiei^sichiert hält, mit gfanz gleichem Haasse des
Irrthmues sich theileit. - Was da bleibt , als di^ Perle , ist
jenes wir geistige Chrislenibüm ^in seiner Reinheit^
welehes, wie es der Verfasser am Schlüsse seiner Schrill
über die göttliohcn Dinge schildert (III. S. 425. fll),
der aus jedem Kampfe mit dem Zweifel (S. 428.) siegccich
sich ermannende Glaube au die Wahrheit der, denHcn-
schen über die Natur erhebenden, Macht der Tug^end
ist, durch welche er Gott in sich offenbart Chri-
stenthum in dieser Reinheit aufgcfasst, ist allein Religion.
Ausser ihm nur Atheismus oder Götzendienst. — Auch
diese Entiialtsamkeit seines Glaubens, in welcher unmög-
lich Konsequenz zu verkennen ist, charakterisirt genau sei-
nen Standpunkt, der es nirgends bis zur Durchdrungenheit
und Ueberwalligung von Einem Gedanken, zur Entschieden*
heit, hat bringen können. Wie er sich nicht entscidiesscn
konnte, Gott in der jNatur verwirklicht zu sehen ; so scheut
er auch zuiück vor jeder wirklichen Einheit des Götllichen
und Menschlichen, vor jeder ausschliesslichen und höchsten
Offenbarung desselben in der Geschichte. Der Mensch an
sich selbst ist göttlichen Ursprungs , und aus sich selbst
fähig zur Tugend, zur Ueberwindung der Natur: so scheint
er eines Mittlers nicht zu bedürfen. Man sieht , . es bleibt
auch hier nur bei einer ganz allgemeinen Denkweise, wel-
che die eigentlich tieferen Geistes-« und historischen Fragen
unbestimmt lässt oder ignorirt: auch in dieser Hinsicht
zeigt sich die Jaco bische Philosophie unzureichend zur
Lösung des ethischen Problems der Geschichte.*)
*) Seit ilem rrsten Ersrlieinen <lcs ^f*gpnwärtigen Werks ist die-
ser 'J'lioil der Jaco bi scheu Philosophie- so eiodrinj^euil in
jede ihrer Weudiin{*ea und so ersciiüpljend beleuchtet worden
Sein Begriff similicher OÜMbanuig ^pruft. 281
Aber selbst das theorelisclie Fundameiil von.Jaco-
1) Ts Lehre , jene zwiefache Offenbarung ieB Bewusfilseins,
nach Unten der Sinnenwett, nach Oben des UebersinBlichen,
Beides aber als Ur- uiiil Grandwuader, imerforschlich und
unerkiaiikar, dann in der Mitte der Verstand oder die Her
flexion , beide Aussagen sondernd, abwagend, an einander
verständigend und so Hiilosophie erzeugend — alles Die»
ses fordert noch tiefere Erwägungen.
I. „Das sinnliche Bewusstsein ist wahre»
adiquate Auffassung der Sinnenwelt, Wahr-
nehmen derselben im strengsten Wortver-*
Stande.^ — Ist J a c o b i auch allen nähern philosophischen
Brörterungen dieses Satzes, unstreitig um des IdeaUsmos
willen, durch die Auskitfitl: es sei ein unbegreifliches W u n«
der, sorgfältig ans dem Wege gegangen; so kann er doch
nicht Tersagcn, über den formellen Wortverstand desselben
wenigstens, dem Fragenden Rede zu stehen. — In welcher
Bedentaing-, in weichem Umfange also soll er gelten? —
Dass die Sinne, d. h. die unmittelbaren Empfindungen, un«t
willkühriich, aber unvermeidlich, mit Trug gemischt sind, ist
eine allgemein zugestandene Wahrheit, wesshalb man sogar
in den WissenschaRen , die auf Beobachtung durch die
höheren Sinne beiuhen , sich bemuht hat , diese nothwen-»
digen Täuschungen nach festen Regeln von dem Resultate
der Beobachtung abzuziehen. Darauf beruht femer der
bekannte Rath, dass man die Aussagen der. verschiedenen
Sinne aber einen Gegenstand mit einander vergleichen, und
erst auf ihre Uebereinstimmung ein Urtheil grfinden solle,
u. s. w.
So kann jener Satz nur bedeuten sollen, dass die
Sinne, unter sich und dnrch den Verstand berichtigt^
adäquat die Sinnendinge darstellen. — Aber auch diese
von G Öse hei in seinen „Aphorismen über Niclilwissen tind
absolutes Wi»sen*< (S. IQ — 47«) > ^^^^ ^^' hierüber mit Voller
Bcislimmung jedes weitere Wort ihm abtreten.
S82 Sein Begriff siiiiiiidier OlMbaning urqHraR.
Auftkunfl lässt uns noch nicht rasten. Die algcmeihc Be-
trachtnng' macht sich geltend y daas anflassend — wahr*
nehmend eben — der Geist nicht bloss leidend , todt rc*
ccptiv, gleich einem Spiegel, das Bild der Aussendinge sich
t^inpflanzen lasse, dass er vielmehr settstthatig mitwiifce
tur Erzeugung der Sinnen Vorstellung, dass sugleick aber
auch der Sinn im Empfinden thStigsei, reagire gegen
die ihm von Aussen -gewordene AiFektion: dass also, nacli
einem früheren Ausdinicke von uns , in beiderlei Hin-
sicht die Sinnenwahrnehmung überhaupt nur anzusehen sei,
als das Produkt der Wirkongr des Gegenstandes und der
Crcgemvirkung des Bewusstseins und des Sinnes. DaaiÜ
werden wir aber unaufhaltsam in den Kreis der ÜDlersii-
ehnngen hineingezogen, die uns schon früher bei Locke,
Leibnitz und Berkeley beschäftigten, und die wir
daher hier nicht zu wiederholen brauchen* Wir stehen
also mit Jacob t hier eigenüich ani Anfange, wo wir am
Ende zu sein glaubten: jene Behauptungen, um nnr be-
stimmten Sinn erhalten zu können, mtesen einer Theorie
des Em.pfindens, einer Theorie des wahmehmendci
und vorstellenden Bewusstseins unterworfen werden; Dana
aber wird das endliche Resultat dieser Untersuchung auf
jeden Fall ganz ein anderes sein müssen, als es die eigene
lieh Nichts bedeutende Auskunft behauptet, die Sinnenvor«-
atellung, wiewohl „wahr-nebmend imstrengstenWort-
V e r 5 1 a n d e % sei dennoch ein unerkldrfoares Wunder.
Ist sie dieses , also ein Rathsel , ein uns Unenthflilbares,
iwoher wissen wir denn selbst nur jenen ihrei^ Charakter,
woher kommen die Gründe auch nur üor den Glauben an
ihre Wahriiafligkeit ?
• So dürfen wir wohl sagen, dass jener Jaeo bische
Salz alles philosophischen Werthes entbehre, indem er da
stehen bleibt, wo die spekulative Untersuchung erst beginnt.
Will man ihm auch nur im Allgemeinsten einen philoso*
phiscben Sinn geben, welchen er doch ohne Zweifel haben
soll; so löst sich soiji leichtes Gewebe, und aus seiner
Unbestimmtheit treten erst die einzelnen elementaren Pro-
Sein Begriff ubersbiiilicher Offenbanmg geprüft. S83
bieme einer Wisisemchnft TOm Erkennen hervor, m deren
scUoferer Fassung nicht einmal J a c ob i beigetragen hat
IL 5»Die Vernnnflanschanung des Ueber«
sinnliehen besteblin der unmittelbaren An*
erkenntniss eines persöniiohen, über die
Well erhabenenSchopfergottes, eines freien,
vorsehenden, der daher auch dem Menschen
eigene, selbstsfandige Freiheit, That und^
Entscheidung aus sich selbst, als das Eben-
bildliche des eigenen Wesens, verliehen hat
Mit Gottes Freiheit ist auch die des Hen-
sehen gegeben und gerettet; aber auch um-
gekehrt: mitdem innigen Selbstgefühle eige-
ner Freiheit, derErhabenheit über die Natur
und deren Gewalt, ist auch die Anerkennt-^
niss, der Glaube an eine höchste, absolute
Freiheit, deren Abglanz jene', unrmitterbar
dem BoMfusstsein gegeben.«'*)
An diesen SAtsen , behauptet J a o o b i , scheide sich
Wahrheit von Tnig« Leben von Tod; denn andi hier gelte
nur die Wahl zwischen diesem Theismus oder absolutem
Atheismus , zwischen Anerkemiang des freien natnreriuJie«
Geistes , oder Behauptung einer blinden Natuniothwendigw
keit. Und wer nur von gesmiidem GemnUi , welcher nur
ernst Erwagende würde hier nicht im Wesenifiehen aitf
das Wännste ihm beistimmen ? Der Glaube an Gott^ das
Bewusstsein eiganer Freiheit, — wer zweifelt dahin? -^
ist es erst, was dem Leben des Menschen die innere Bnt«
schiedenheit, die einzige Bedeutung giebt. Könn-
ten sie sich verlieren oder verdunkebi; der geistige
*} Wiewohl diese Salze nirgends in wörtlicher Zii^sainmeuütpniing
aijio bei Jacobi sich flnden mögen: ^ so bedürfen sie doch
wohl keiner besonderu Nachweisiiiig ans seinen Werken ; sie
eiitbalten nnr den Kern aller seiner einseluen Aeusserungen
Ober die angegebenen G^genslände.
1284 . . 'Sdiir flegriff
Scliwerpiuikt'mirc den Menschen geraubt, und^ irr gewor-
.den «n aller Wahrheit, rnüssten sie in bodenlose Wlttkühr
des Wähnens auseinander schweifen. Aber eine andere,
^^ein ms&eiisdhafUiehe Frage ist es ^ ob jener Glanbe aus-
•reicht, die ganzie Hiilosophie doraur zn gründen, oder,
wenn nicht, .alle wiäsehsciiafUiche Philosophie daraus za
widerie^en ; uberhailpl , ob er Erkenntnissprin cip
einer WekansichC- werden könhe?
Jene Aneii^enntnii» eines persönlichen Gottes in un*
«litteibarer VernunlllftnschaBung, von welcher Jacob! ans-
ieht , wäre 'nur zu charakterisiren , nach aheror philoso-
phischer Sprache,* aiis^eine „angeborene Idoe^^ indem
sie überhaupt eine aHgeneine, keines Beweises luhige, noch
bcdürnige Wahrheit s^iii .soll, die nurnöfhig har, zumBe-
W'Us st se in fgeibracht ^u' werden, um mit überschwangii-
cher Klarheit sogleich den Geist zu ergreifen. Solcher Art
ist z. B. der. Satz der Identität und des Widerspruches,
welche aHen besondern Wissen, als sein AHgemeinstes^ za
Grande liegen, und bei denen es daher nur derBntwicke-
iuiig bedarf, .um sie in dieser Allgemeinheit anerken-
nen zu lalssen. Mit Binem Worte, zu' den absoluten
Axiomen der Vernunft müsste die Erkenntniss eines per-
söhlichen Goltes gerechnet werden können, wenn ihr, wie
J a c 0 b i behauptet, der Charakter unmittelbarer Vemunfl-
anschauung beigelegt werden soll. — Diess nun kann von
ihr in keanera Sinne behauptet werden. Alles axiomatische
Wissen der Vernunft ist nothwendig ein ganz: altgemei-
nes, also abstraktes, welches, erst in Anwendung atrT
•eitten besondern Fall gedacht, einen concreten Inhalt
gewinnen kann ; dimn aber heraustritt aus der unmiüelba-
ren axiomatischen Form. So , wenn man darauf refleklirf,
dass jedes besondere Sein nach dem BegriiTe der Ideniilät
und des Widerspruches gedacht werden muss ;, ergiebt sich
daraus , dass man in jedem concrefen Gedanken unbownss-
Icr und unentwickelter Weise den Begriff der Identität und
des Widerspruchs mitdenkt: aber die einzelne Bezie-
hung und Anwendung jener Axiome ist eine durchaus zu-
übersinnlicher Oflbalmliing geprüft. 965
laiK^C) lücht init dmen zugleich gcaetste^.itnddetafiiooh ist
in ihnen schlechthin alle» ooacrete Sein und zn Denkende
befasst. — Alles Wissen eines Conereleii' daher, wozu doch
das Bewnsstsein eines persönlichen CioUes zu reehneii, isl
schlechthin nicht «xiomatischer Natur , sondern kann ^nt-»
weder nur durch iwunittelbare odar mittelbare Erfahrung,
oder durch rein begriOsmässige Enlwickelung (was man
sonst wolil auch apriorischen Beweis nennt) erworben
werden: so einQ sinnliche Ihat&acbe oder rein allgemei-«
ne Erfahroog; so eine mathematische, astronomische^
metaphysische Wahrheit. In Betreff der letztem bemerke
man, dass, indem sie sich als schlechlhln allgemeingültige
und nothwendig^ erweisen, auch, von ihnen gesagt werden
kann , dass sie in dem concre(^n Erkennen zufälligen In-«
halts mitwirken und darin g^enwartig sind (gleichwie nach
PlatOHS Lehre und Beispiel wir hcuristisoh aus fremdan
Bcwusstsein mathematiscbe Wahrheiten herauszuholen ver-*
mögen, welche in ihm liegen,, von denen es jedoch ui^
mittelbar selbst Nichts weiss) ,. .wäh|*end diese Er*
kenntnisse jedoch, ohne eine völlige wissenschaftliche
Sprachverwirrung zu erz^uge^, . imhi G^enslande einer
unmittclb^cn Vcmuaft^nsclianung genannt werden können
in Jacobischem Sinne, wcU sie gerade nicht unmittel-
barer oder axiomatischer Natur sind. Hier wird sich nun
nachweisen lassen, dass die Idee des Ewigen, Absoluten,
in weiterer Entwicklung derselbe dann auch die des ab-
soluten Geistes, eine schlechthin nothwendige sei in jener
mittleren Bedeutung, da sie weder als ein reiner, for-
meller BegriflT,. gleich jenen unmittelbaren Axiomen der
Vernunft, noch als ein ThatsachUches, mit Zufälligkeit Be-
haftetes, begriffen werden kaum« — Das unmittelbare
(axioma tische) Bewussts^n vom Ewigen, wenn ein solches
behauptet wird, könnte daher selbst nur formeller Na-
tursein, jene Ewigkeit und Allgemeinheit bezeich-
nen , die jeder schlechthin unbedingten und allgemeingül-
tigen Wahrheit innewohnt, in deren Setzung zugleich deren
Unendlichkeit mi^esetzt ist. Dass in diesem Bewusstsein,
286 SeinBrsrrifT
I
»
SO bedenleiid und mnnentiich so pfaUosophisdi «rioUJgf seine
Anerkenntniss auch »sei , Nichts enlhaUen ist) was an die
von Jacob i behauptete unmiHdbare VemunftansclMniung
des Ewigen nur irgend erinnern kdnne, leuchte! ein, jndem
aller concrde Inhalt zwar umlasst sein muss in jenem Bt^
WHSstsein^ jeder bestimmte aber avsdrüdilich dadurch
ausgeschlossen wird«
Und 80 steht es fest, dass die Idee Gottes, auch nur
als des Absoluten, Ewigen, in keinem Sinne eine
axiomatische sein kdnne: wie man sie auch fasse, ob
in der Form des Glaubens oder des Begriffes, noHiwendig
liegt sie schon innerhalb eines Ganxen von Prämissen, einer
Vermittlung aas andern Brkenniiissen, wenn diese Prä-
Missen auch nicht in jedem Einselnen, der jene Ueberzeu-
gung theilt, zu deutlichem Bewusstsein gelangt sein sollten.
Noch weniger abo — wir wiederholen es — kann Ja-
cobi behaupten, dass die Anerkenntniss eines person-
lichen, übe*r die Welt erhabenen Gottes IiAalt
einer unmittelbaren Vernunftanschauung sei.
Aber wie? So hätte der tiefschauende Weise ganx
und völlig sich getäuscht, sogar in dem, was eigentlich die
fi^teste Ueberzeugung sMies ganzen Lebens war? So
giebt es kein Bewusstsein in uns, gleichviel vorerst, wie
man es neime, welches ursprünglich , und unabhängig von
jeder w^tem Bildung, einer Vorsehung, einer Gottheit mit
persönHcher Bezielmng 2sam Menschen , uns gewiss macht?
LaugnesI Du aber dieses ganz , so läugAe nur auch alle
Rdigton, iäiigne alle die Menschheit adelnden Gefühle and
Strebungen! Denn weder als Ergebniss entwickelterer
Verstandeseinsicht, etwa einer zu reineren religiösen Be-
griffon erziehenden Philosophie, ^ noch als Werk ausser-
ordeiitUcher OSenbarung, hätte sie jemals Gemeingut
werden können in der Menschheit ; noch weniger wurde
sie tief und wirksam einzugreifen vermögen in das Be-
wusstsein jedes Einzeinen. Denn auch hier kann einer
gewissen Denkart — die , wolle sie nun auf die Salzuii-
gen das Begriffes oder eines positiven Glaubens alle
öbehgimlidier' OffeiAanmfr fepiiH. 88T
WahffMil i» Meiisclien zurflokf6hi*oii, imPriiici})edioselbe
bleibt — niobt scharf genug entgcgcngehüUin werden, daM
ntobis nrspriHglich ihm Fremdes und Aensseriicfaec in den
Mensiehea hineii^ebiacht , ihm einerzogen oder aademan-
sldrt werden könne, d»s all Dergleichen immer wieder
von ihm abfSUt» wie eine mürbe Schaaleoder ein veralte-
tes Gewand : — sondern dass nur zum Bewusstsein gebracht,
entwickelt, befestigt zu werden vermöge, was als Ursprung-
Kche Wahrheil «chon in ihm vorhanden ist. Wftre daher
iiichi adiOD in der Tiefe seines Gemuihes ein Bewusstseiil
des GMiichen^ w&re dasselbe schlechthin jenseits seines
ursprfingiichen Horizontes; kein Verstand , wie keine be^
sondere 'Lehre oder Veranstaltung, vermöchte es ihm n€N;ft
nmräbilden. Sind wir also im Gegentheil genöthigt, ein
orspvQngiiches Bewusstsein des Ewigen zuzogeben, damit
aach nur ein vermitteltes existiren könne ; wie wäre es
anders zu nennen, als redit eigentlich die V ernnnf t, das
innerste Vernehmen in uns, den Geistesanfang in unserm
Geiste? -*— Da also eine unstreitige Wahrheit der Jaco^
bischen Behauptang asu Grunde liegt; wo hätte er den*
noch, wenigstens in der ihm .gewöhnlichen Danstellnngs-
weise,! die Granze der wissenschaftlichen Klarheit über«
schrillen ?
Hier ist es zuerst die noch nicht genug erkannte Noth-^
wendigkeit der Sache, dass in philosophischen Wahrheilen
die beiden Gegensatze, UrsprüBglichkcit und beweisende
Vermitdung derselben, nicht auseinander liegei>, vielmehr
2u einander gehören, and diese nur durch jene zu Stande
kommt: jede achte and tiefschöpiendeVemiiiUung einer
spekulativen Erkcnntniss kann nur auf ihrer Ursprünglich*
keit ruhen; nur, was da ist, subjektiv und objektiv zu^
gleich, kann und soll der freie Gedanke begründen. Ware
daher die Idee Gottes nichts Ursprüngliches, Apriorisches;
so wäre auch kein Beweis für sie möglich. Freilich Ist
dipss ein Zirkel, aber ein nothwendigcr, aus dem alles gei*
stige Leben hervoi^eht , damit es Leben sei , und seine
t'rsprunglichkeit zu ihrem selbstbewussten Besitze gelange.
288 Urspningr cter Idee des Ahsoleteit.
Dabei ist sog^lcich jedoch die Verwechselung <les U n-
mittelbaren mit dem Ursprünglichen zu rügen,
welche sich unter den neuem Philosophen , besonders bei
J a c 0 b i , allerdings dem Wiederentdecker der Lehre von
der Ursprüng^ichkeit der göUlichen Idee, und von ihm ans bei
so vielen Andern von verwandter DeiAart nachweisen lässig
geltend gemacht hat. Aus der damit herrschend gewordenen
Vorstellung, dass, was der Mensch ursprünglich (potentiell)
ist, er auch unmittelbar seiü müsse , ^ da doch das
Gcgentheil stattfindet, ^ ist die Theorie von der Unmittel-
barkeit des religiösen Bewusstseins entstanden, die wir,
wie unklar und in vielfacher Selbsttäuschung befangen sie
uns auch erscheinen muss, dennoch fiir die herrschende
ansehen dürfen. Was ist hergebrachter in philosophischer,
theologischer und allgemeiner Bildung , als die Annajbme,
dass der „vernAnflige^ Mensch , d. h. da man Vernunft zu
den unmittelbaren Prädikaten des Menschen, rechnet,
der Mensch in seiner Unmittelbarkeit und Gegebenheii,
vollkommen im Slande sei, sich aus sich selbst, ohne ob-
jektive Anregung , von dem Dasein eines persönlichen
Welturhebers, einer Vorsehung und Weltregiemng nach
sittlichen Zwecken, zu überzeugen, und dass es aucK.histo-
risch sich nicht anders mit diesem „Glauben^ begeben habe?
Freilich sei er das Werk einzelner religiös und sittlich
begabter Individuen , d. h. solcher , in denen jene V e r-
nunftunmittelbarkeit, die Jeder besitze, nur mit
besonderer Stärke und Energie des Bewusstseins hervor-
getreten sei. Und es wird vorerst Unwillen erregen von
mehr als Einer Seite, ja man wird das Palladium nnd
jcdelste Vorrecht der Menschheit verletzt glauben , wenn
.wir jenes zu einem fast stillschweigenden Einverständniss
gebrachte Axiom kurzweg für ein ganz unausreichendes,
die wesentlichsten Unterscheidungen überspringendes Miss-
verstandniss erklären, und erachten , dass die Frage «neb
nur nach dem hislorischcn Ursprünge eines solchen „Glaa-
'bens^ keinesweges so leicht und behende zu sohlichten sei
Dass wir historisch dabei an Jacobi und seine
in ihrer Unmlfleibfirkeit. 289
nächsten Nachrolger anhnüpfbn, lie^ «n dem Uiristande,
dass von ihm diese Unmittelbarkeit mit dem stärksten Ge*-
ffichte lind in der polemischen Wendung* g^egen glcichzei*
ti^e Philosophieen, welche er ihr gab, auf die berechtigtste
Weise ausgesprochen worden ist, sowohl in seiner irühem
Periode gegen diejenigen , wielche , wie Mendelsso h n,
jene Anerkenntniss zum ausschliesslichen Resultate der phi*
losophischen Demonstration zu machen versuchten, als
gegen die spötere Epoche der spekulativen Philosophie,
welche, nur in strengerer Weise, sdbst die Ursprünglich-
keit jener Idee anerkannte (so bei Fichte, so in Schel-
lin gs inteUektneller Anschauung), aber nicht jede Bestim-
mung darin aufnahm oder wiederfand, welche Jacobi
iur seine theistischen Interessen nicht entbehren wollte.
Aber, um von der Vergangenheit auf die nächste Ge-
genwart überzugehen, — auch Hegels Ausffihrung des
Begriffes der Religion in der Einleitung seiner „Vorlesun-
gen über Reügionsphilosophie^ berührt diese Frage jr
keiner Weise , indem sie bloss bei den allgemeinsten Be-
stimmungen des Bewusstseins von Gott, imd Gottes selber
stehen bleibt Dieser ist dabei immer nur das Allgemeine,
Ewige, oder der allgemeine Geist; jenes nur das Bewusst-
sein des Endlichen, das in das Allgemeine sich nothwendig
zurücknehmen, diess in sich gegenwärtig wissen muss.
Weder die subjektiven Entwicklungsmomente jenes Be^^
wusstseins, und wie weit dasselbe für sich selber reichen
könne, noch der historische Ursprung und Fortgang der
Religionen , was dieser hinzubringt zu jenem subjektiven
Momente, und wie er es vollendet, ist scharf unterschieden,
und doch zur endlichen Vereinigung gebracht. Hegel
hat dort nur nach den Prämissen seiner Philosophie, und
unter der Voraussetzung, in ihrem Princip das religiöse
BoTQsstsein überhaupt schon erschöpft zu haben, einen
ADgemeinbegriiT der Religion zu erzeugen versucht , wie
er semer Auffassung der besondern Religionen , als der
Artonterscfaiede , wie ein gemeinschafllicher Genus zu
Grande gelegt werden konnte. Hiermit musste auch für
19
390 Die Idee de« Alwoiiite«
iiu^ wie Tür J a 0 o b i, nur in anderer Weise , der scharf-
bestimnile Unterschied zwischen der subjektiven Unmitlel-
barkeit jenes Bewnsstseins , — der „natürlichen^ Religion,
— und den ge^ffenbarten, ein göttlich Objektives vor-
aussetzenden Religionen völlig im Dunkel bleiben. Mit Fiur
ist dabei der Stanc^unkt beider Philosophieen , wie \ienig
sie sonst mit einander gemein haben mögen, doch nur als
der rationalistische zu bezeichnen.
Uebrigens kann diese Frage auch hi^r nur summarisck
nach den dabei zu unterscheidenden Hauptgesichtspunktea
behandelt werden. Denn mit Recht ist zu behaupten, da»r
die vollständige Nachweisung, wie Gott dem menschiickeR
Bewusstsein wirklich und gewiss werde im subjektives
Innern, in der Natur und in der Weltgeschichte, dem wcv
sentUchen Inhake der Philosophie gleich zu achten sei, und
das eigentliche Interesse derselben ausmache, von ihren
«KSlen erkenntnisstheoretischen Theile bis zu ihrer Schluss-
disdplin, dem spekulaliven Begreifen der Geschicble. ^
Am unioittelbarsten versetzen wir uns hier in den Mittei-
punkt der Sache, wenn wir den Hauptgedanken zum Aus-
gange rechne», auf den Jacob! und die zahlreiche Schule
derer sich stutzt, welche die Unmittelbarkeit des religtösee
Bewusstsehis lehcen : es ist die Urspninglichkeit des Ucber-
sinnliohen im' Geiste , der Ideen des Guten , Wahren und
Schönen.
Diese Hauptinstanz Jacobi's Dur seinen Theismus,
das eigentlich Positive seiner Philosophie , wie er sie in
allen seinen Werken, am Vielseitigsten vielleicht in seinem
Woldemar, und, von den Eingebungen polemischer Begei-
sterung entzündet, am Nachdrücklichsten in seinem Sclirei-
ben „an Fichte^ und in der Schrift „über die göttliclien
Dinge und ihre Ofllmbarung^^ dargestellt hat, lasst sich
kürzlich folgender Mnassen aussprechen:
Es giebt in uns , erhaben über die Natur und jede
iiirer Erregmigen, eine Sliinme und Macht der Tugend, des
Wahren und Schönen, nach einem absoluten, ursprüngiicli
ia uns selbst liegenden Maassstabe. Wie diese in u u >
in ihrer Unmittelbarkeit. 291
nichl 8119 unserer Mslur zu stammen vermag , nnd doch
elienso wenig unsere Erfindung ist, noch auch ein fiusser-
lich Angelerntes oder Ueberliefertes zu sein vermöchte:
so setzt diese Crrundlhatsache auch im Ewigen und Uran^
fanglichen , aus dem wir sind — (diese Idee wird daher
als eine anderweitig ursprftngliche schon vorausgesetzt),
~ in Gott, die gleiche Macht des Urgnten, Urwahren und
Urschönen, als sein Wesen voraus; und nur durch die«*
sen können uns jene höchsten Güter verliehen sein. Da«»
her müssen wir, so gewiss an die eigene Tugend md
Freiheit, als das Höchste in uns, ebenso gewiss an
einen Gott über der Natur und jeder blinden Nothwen^
digkeit glauben. Jener Glaube setzt diesen oder sehliesst
ihn in sich: wir können, als solche, die wir sind, uicbt
das Geschöpf der blossen Natur sein. — Es ist bekannt,
wie mannichfach Andere, die verwandten Lehren der Kan-
tischen Philosophie darnach umgestaltend nnd erweiternd»
diese Satze entwickelt und angewendet haben.
Bei Ja cobi ßgt sich sogleich noch die an. sieh rich-
tige, besonders gegen S c h e 1 1 i n g gewendete Betrachtung
hinzu, die nun vöHig spekulativen, ja metaphysischen €ha<-
rakter erhalt (W e r k e , U. S. 90. ff. , 1 14. f. , 118. 119.) t
dass, indem überhaupt (am Menschen) das Uebersmnliche,
Yemunft , Freiheit , sich verwirklicht zeigt , die Annahme
widersinnig wäre, das Urwesen in alknahlicher Entwicklung
aus der eigenen blindwirkenden Natur sich dazu hinaurpo-
tenziren zu lassen: bewussHose Vcmunft, in Nothwendig-
keit eingeschlossene Freiheit am Anfange, im abso-
luten Principe, sei vielmehr ein Widerspruch. Wir haben
oben gezeigt , wie berechtigt dieser Einwurf war.
Diess wäre positiv, wie polemisch, der Kern und die
Gnmdpramisse von J a c o b i *s Glaubenslehre.
Aber hierin gewahren wir weder ein Unmittelbares,
noch ein Ursprüngliches des „Glaubens.^ Kein Un-
mittelbares ; denn es ist eine Reflexion von gams phi-
losophischem Gepräge und höchst vermittelter Argumenta-
tionsweise, deren einzelne Glieder freilich unentfaltet ge-
392 Eigentltoher Charakter
bKeben sind, weil Jacob! nach seiner Eigenthümlichkeit
mehr in lemmatischer oder rhetorischer Unmittelbarkek
redete , als zu einer logischen oder philosophischen Enl-
wickhing sich bequemte. Jenes Argument ist ein unent-
wickelter, in seiner Vermittlung erdrückter Schluss , schon
voraussetsend die Idee eines absoluten Urgrundes, und ge-
stutzt auf die tiefe (doch nur durch philosophische
Bildung za erwerbende) Erwägung des specifischen Unter-
schiedes zwischen der Freiheit und der Naturwirkun<r •*
zwischen dem bewussten Zweeksetzen nach rein geistigen
Ideen ^ und einer Folge von hinter einander nolhwendig^
sich abwickelnden Naturveranderungen; und zurfickgefoi-
gert wird dann von der Beschaflenheit der Well, be-
stimmter des menschlichen Geistes , auf das Wesen ihres
Urgrundes. Es sind Bruchstucke oder unausgeführte An-
sätze eines philosophischen , näher metaphysischen Den-
kens: sie bleiben daher auch ebenso subjektiv violgestai-
tig, als unpopulär^ fremd dem unmittelbaren Be-
wusstsein.
Denn das wahrhaft Ursprungliche ist dabei gerade
übersehen worden : offenbar nämlich enthält dieser „Glaube^
ein doppeltes Element in sich. Indem Jacobi behauptet:
Gott ist nicht Natur oder Naiumothwendigkeit, sondern ein
nach Vernunftzwecken frei schaffendes Wesen, setzt er
dabei das Erst«, das Subjekt „Gott<^, schon voraus; und
seine Inhaltsbestimmung, seine Prädikate, sind es allein, um
welche es sich handelt, als das Zweite« Würde nun Einer
sogleich das Erste, das Dasein dincs Solchen, von dem
überhaupt jene entgegengesetzten, theiis naturalistischen,
theils theistischen , Prädikate gelten könnten, deren eines
Jacobi läugnet, das andere behauptet, ganz in Abrode
stellen: so wäre der „G1aube<< Jacobi's in beiderlei Hin-
sicht zu einer beweisenden Rechtfertigung genöthigt, theiis
dass überhaupt das Sein eines Solchen, theils sodann da^is
sein Wesen eben also gedacht werden müsse , wie er
es behauptet. $o hat sich die „Unmittelbarkeit^ von
srtbst aufgelöst und als der Vermittlung bedürftig gezeigt.
dieses Glaubens. 293
Daher Hegt auch kein wahrhaft Ursprüngliches
in einer solchen Fassung und Ausdehnung des BegriiTes
von Gott. Denn die Ursprüngiichkeit des Gottesbewussi-
seiiis, auf welche man sich hiert)ei benilt, hat eine ganz
andere Stelle und einen andern Ausdruck , als man hier
iliiii giebt; und diess eigentlich ist die Quelle aller weitem
liTlhömer und Verwechselungen dieses Standpunktes ge-
wurden. Ware man nämlich mit gründlicher Analyse in
j(aic vermeintliche Unmittelbarkeit eingedrungen , so halte
sich das wahrhaft Unauflösbare und Ursprüngliche darin in
semer Reinheit ergeben : die Idee eines Göttlichen, Ewigen
(Mchtendlichen) überhaupt, welche schlechthin tinab-*
tronnlich ist von dem Bewusstscin, eigener Endlichkeil,
und in jedem Akte dieses Bcwusstsein, als slillschweigende
Grundprämisse und Beziehung, mitgeselzt wird. Aber zu-
gleich wurde darin klar werden, warum es in so ursprung-
licher Weise ein schlechthin Allgemeines, Prödikailvses,
Unbekanntes sei, und wie es in jedem Falle einer Vermitt-
lung ("durch Denken, oder durch eine Thafsache ganz an-
derer Art) bedürfe, um jenes unbekannte Göttliche zu efnem
aufgeschlossenen, pradikabehi, kurz bestimmten^ werdt*n zu
lassen. Und was sich hier mit allgemein theoretischer
Nodiwcndigkeit ergiebt, wird völlig bestätigt durch die psy-
chologische und historische Gegebenheit jenes ursprungli-
chen Goltesbewusstseins , welches keine dei* Vorstellungen
rechtrertigt^ die sich Jacobi und seine Schule davonge-
macht haben. Wir legen jene in ihren Grundzügen dar. *)
*) Man TergleicLe mit der folgenden^ etwjs Kiisaiuraengeflräugteu
Eutwicklnog die sdiarftfinntge, noit feiueiii Gei«te für ihs. Ei.
geDltiüm liehe der Ertclieinungen abgeiasste D»rsle)luii|^ der
er«tea Reg-ungea des reUgiüseu BewiisUseins im Menschen you
Roseiikraoz in seiner Nalurreligion (1831. $. 12 — 58-).
Doch wurde eine genauere Kritik des Einzelneu zeigen, wie
manches Gezwungene der Deulungsweise, dessen Gefühl 'der
Verfasser sich srlbst nirlil völlig verbergen zu kunneu schien,
in engsten Verbände stehe mit der falschen Grundvorstelhiug
i'on Religioo» welche er» zudem nur Icmouitischer Weise und
294 Erste psycholog^che
Der Mensch in seiner natüriichen UnmittellniTkeil —
(welche darum jedoch mit seiner hurtorischen Urqpriuig'*
%U ein Axiom , an die Spitze gestellt hat Seiner Sdbule n
Gefalleiiy wird von iiim da« Weten und der Ursprung der Re-
ligion darein gesetct: „dass der Mensch sich mit Gott
als Eins weiss" (S. 91.; vgl. S.U. 13. 10. u. s.w.). Hier
muss er nun den Versuch machen , die Modifikation dieses
Bewusstseins schon in den niedersten und unmittelbarsten (dar-
um ihm auch frühesten) Formen der Religiös nacbzuweiseo.
Was nicht anders als erkünstelt ausfallen kann ; denn das «n-
mittelharste Bewusstaein derselben ist gar nicht das der Ein-
heit mit Gott, deren Gefühl nur in den höchsten und rein^
•ien Momenten unsers Daseins uns ergreifen kann, sondern
das des Unterworfenseins unter ein Unsichtbares , Uebermäch-
tiges. Gefühl der AbhängiglLeit hat es in beceichnendster Weise
Schielermacher genannt. Hiernach konnten nan auch
die Hauptformen der Naturreligion, der Zaubereiglaube, der
Todtendienst, der Begriff des Kultus von ihm, wie tob He-
gel, nur unter einem alterirten Gesichtspunkte aafgefoaat wer-
den, dessen Falschheit sogar empirisch erweislich ist. (Mir
▼erweisen darüber auf unsere gleich bei dem Erscheinen voa
H e gels Religionsphilosophie in den Heidelberger Jahrbu-
chern gelieferte Kritik derselben.) — Wenn wir jedoch be-
haupten, dass von dem Gefühle des Unterworfenseins unter
die göttliche Macht alles religiöse Bewusstsein ausgeht, so
bleibt es dämm doch nicht stehen bei diesem Gefühle des
Unterschiedes. Durch die Ausbildung, wekbe es erfahrt,
und welche sich selbst nicht denken oder erklaren. Uisst aus
seinem völlig sidi selbst iiberlassenen Zustande, geht es fort zu
einer freiwilligen Unterwerfung, su dem Anfange der Versöh-
nung mit Gott, und erreicht erst in der eigenen Vollendung
und Reinigung, in der Liebe Gottes, das Bewusstsein der Ein-
heit und der vollendeten Versöhnung, welches demnach grond-
▼erschieden ist von den spekulativen Voraussetzungen, die
jenem He gel sehen Begriffe der Religion, als der Einheit des
Menschen mit Gott, xu Grunde liegen. — Eine ganx andere
und aus weit bestimmteren Elementen xu erklärende Frage ist
die, wie sich die Vorstellungen von dem objektiven Wesen
dieses Gottlichen gestaltet und modificirt haben. Erst hier
kann der Unterschied der natürlichen und der geoffenbartea
Religion hervortreten, während jenes Bewusstsein, nur nacii
Entwicklung desselben. 895
lirhkeit War identisch Ku halten , Nichts gebietet ; rielmehr
fSBt diess in ein ganz anderes Gebiet von Utilehmchun-
gen) — ist keii|eswcges als spekulircnd zu denken über
den Ursprung der Dinge, oder sich hinaussinhend über die
eio^ne unmittelbare Wirklichkeit; sondcni berricdigt und
sicher derselben, wird er dennoch zugleich durch sie er-
regt zum Begehren und Erstreben : — kürz Wollend
ist er am Ursprünglichsten sich gegeben , was zugleich
der concreteste, vollste, alle andern Momente des Bewusst-
»eins in sich hegende Geisteszustand ist. Seine Nattirmn-
gebong verleiht diesem Willen sodann Seine innere Be-
stimmtheit und das Maass seiner Erstr&btingen.
Hiermit ist ihm aber sogleich nun, ebenso unmittelbar,
das Bewusstsein der Granze, der Endlichkeit dieses Wil^
lens , daher auch seiner eigenen Endlichkeit gesetzt ; uftd
von hier aus^ von dem Bewusstseih {dieser Schrbnke,
geht nun aijch der Process in's Erkennen über, und nöthigt
dass^e, eines Jenseitigen für die Gegebetlheit, &ber-
haupt einer unsichtbaren Macht ihm gegenüber, sich bewusst
zu werden. — Wir schalten nämlich aus den anderweitigen
Prämissen einer Psychologie , welche wir (ur die richtige
halten , die Bemerkung ein , dass Erkennen und Wollen
stets i n einander sind , dass jeder Willenszustand ebenso
ein Erkennen hinter sich hat, wie umgekehrt sich zugleich
in ein Ericenntnissresultat umsetzt^ und dass beide, Erken-
nen wie Wollen, in den sie vermittelnden Zustand der e r-
Füllten Selbstanschauung, des S e 1 b s t g e f ü h 1 s, zurück-
gehen, so dass diese dreieinen Momente das stets bewd|^-
dem Grade oder der Intensität unbestimmbar ahgestiirt, bet
den ▼erschtedenslen Vorstellungen über die Objektivität des
Göttlichen, specifitch dasselbe bleiben kann. Ueber {enft
weiteren Fragen müssen wir auf die ««Aphorismen Tiber
dir Zukunft der Theologie, in ihrem Verhält«
nisse za Spekulation und Mythologie" (/eitschrifi
lur Philosophie und spekul. Theologie Bd. III. H. I.) ▼erwei-
sen, welche auch sonst lur das Folgende anzuführen uns er«
laobi sei.
296 Erste psychologische Entwicklung desselben.
liehe , modificirbare Selbstgefühl (Sichfuhlen in jener Ge-
meinsamkeit des immer in einander greifenden Erkennens
und Wollens) hervorbringen.
Indem so mit dem sinnlichen Wollen und Erken-
nen zugleich schon das Anerkennen jener Schranke
gesetzt werden muss, ist auch das Selbstgefühl nicht ohne
ebenso ursprüngliches Gefühl semer Abhängigkeit von einem
unsichtbar und übermächtig Wirksamen, Dämonischen. —
Die Natur zuerst zeigt eine selbstbestimmte, den Menschen
sich unterwerfende Folge wiederkehrender Erscheinungen,
an denen er selbst Nichts zu ändern vermag, die ihn viel-
mehr in ihre eigene Aenderung hereinziehen; und hiermit
ist das vielgestaltige, in seinen Grundformen hier nicht
weiter zu verfolgende Princip der Naturreligion gegeben,
der Verehrung der Naturmächte , des Gestirn - und Elo-
mentendienstes u. s. w. (Aphorismen a. a. 0. S. 232.
242. 44.).
Aber nicht nur das Wiederkehrende, Regelmässige,
Erwartete begiebt sich in ihr; sondern in die grossen Vor-
gänge eines unabänderlichen Naturwechsels spielt das £r-
eigniss, das Zufällige immer mit hinein, heilbringend
oder verderblich, überhaupt beweglich und wie mit gehei-
mem Willen der Gunst oder des Schadens begabt. Diess
bestimmt und steigert jenes allgemeine Gefühl einer Ab-
hängigkeit von der unsichtbaren Naturmacht bis zu der
Spitze eines persönlichen Verhältnisses zu ihr: neben den
Kultus eines allgemein oder unbestimmt Göttlichen , oder
einer Lokalgottheit, tritt der Familiendämon oder der Fe-
tisch des Einzelnen, auf welchen in oil zufälligem Wechsel
jenes allgegenwärtige Gefühl übertragen wird.
Aus diesem gemeinsamen Boden , auch des Affektes
von Furcht und Hoffnung, bricht nun am Unmittslbarsten
die Anerkenntniss eines Unsichtbaren und der nothwendi-
gen Beziehung des Menschen darauf, der Religion in all-
gemeinster Bedeutung, hervor; es ist zugleich die erste,
aber nothwendige Acusscrung eines mclapliysischcn Denkens,
einer willkührlichcn und unbewusstcm Spekulation ; denn
Unmittelbare oder nalflrliche RcHgion. 297
{liermit hat schon das Erkennen den ganzen ihm efaige»
borenen Reichthum, die Denkg'esetze und Katcgorieen, in
Thätigkeit gesetzt, und die Urnen immanente Welt eines
Uebersinnlichen zuerst zum Bewusstsein gebracht. Aber
anch der Wille muss diese stete Beziehung anerkennen; er
fählt sich beherrscht von einem Verborgenen , das über
alle Macht und allen Willen des Menschen hinausrcichl^
und immer bereit scheint, aus seiner Verborgenheit heraus
zu schaden oder zu fördern. Und so entsteht aus diesem
Bewusstsein der steten Abhängigkeit das ahnungsvolle All«
gemeingefühl einer unsichtbar und allgegenwärtig das Le^
ben begleitenden, innerlich unbekannten GöUennacbt, —
religiöse Scheu, Andacht (Andenken) in ursprünglidH-
ster Wortbedeutung , welche sich , wenn gewaltige Natur-
krdfte oder Sdiickungcn dem Bewusstsein der eigenen
Beschränktheit entgegentreten, auch zur eigentlichen An^
dacht des Geiuhies steigern muss. Doch bleibt Furcht vor
der verborgenen Gewalt, welcher nie zu trauen, die unalH
wendbare Grundfarbnng.
Diess ist in Wahrheit das „unmittelbarste^ Götdicho
des Menschen, des sich selbst überlassenen , vernunft-
begabten, denkfähigen Kindes der Natur : an sittliche
Prädikate dieses Göttlichen ist, vor dem eigenen gebändigten
Naturstande des Menschen, vollends nicht zu denken, und
solche auch thatsächlich nirgends zu erweisen. Es ist die
Religion des unbekannten, in seiner Objektivität selbst noch
unoffenbarten , darum anch noch jeder hohem geistigen
Persönlichkeit entbehrenden Gottes: — dienatärlicfae
Religion* im eigentlichsten Sinne ; und es ist falsche oder
seichte Humanität, wenn man sich mit der Täuschung hinhälf,
dass der Mensch aus sich selbst und eigener Vernunft
es wesentlich weiter hätte bringen , auf den wahren Gotl
zufolge eines mit seiner Vernunft identischen
Sinnes hätte gebracht werden müssen. Einen solchen
„Sinn<* — unmittelbare „Ahnung^ oder „Instinkt^' (welchen
unglücklichen Ausdruck man auch einige Male bei J a c o b i
und bei Andern gewählt sieht, um das Nichlseiende we-
298 Die iifimitlelbare oder
nigstens zu imaginiren) für Gott, für eine weise nnd sitt-
liche Weltregicrung, giebt es ursprünglich nicht: das
(wahrhaft ursprüngliche und allgemeingültige) Vemttnflbe-
wusstscin enthält nicht nur Nichts davon, sondern es wi-
derspricht überhaupt seinem Wesen, wie nachgewiesen wor-
den, irgend einen specifischen Inhalt zu setseil, oder an-
mittelbar ein concret erfülltes zu sein.
Alle diese hohen und vortrefflichen Dinge demnach,
niit welchen die modernen Rcligions-Philosophen den na-
türiichen Menschen begabt haben, und die eitie kränkelnde,
des positiven Glaubens satt gewordene Theologie ihnen —
auf Glauben — abgenommen hat, losen sich in Dunst auf.
Wie es zu den empirisch ausgemachten und theoretisch
feststehenden Dingen gehört, dass der einzelne Henscb,
trotz der Fülle seiner Ursprünglichkeit, in welcher
der Roheste an sich selbst dem ausgebildet Begabtesten
um Nichts Nachstehen mag , dennoch , verlassen von der
Menschheit und unberührt von ihrer Entwicklung, in einem
thierahnlichen Zustande zurückbleiben würde : so hatte auch
die Menschheit im Ganzen sich nicht über jenen dumpren
Aberglauben , welchen wir noch jetzt in den Naturreligio*
nen sehen, ohne^/remde Hülfe erheben können, —
deren Charakteristisches wir eben aufzusuchen haben —
mochte sie auch in sinnlicher Weise ausgebildet und durch
Ueberiegung sinnlich verständig geworden sein.
So muss zuvörderst völlig in Abrede gestellt werden*),
dass der Glaube an die Einheit Gottes das unmittelbare
Ergebniss jenes ursprünglichen Gottesbewusstseins sei, noch
weniger der Glaube an die persönliche, überweltliche Ein-
heit desselben , in der wir überiiaupt , wie man auch den
Ursprung eines solchen Glaubens erklären möge, nur einen
der kühnsten und vermitteltsten Gedanken finden können^
zu welchem je sich das Bewusstsein aufgeschwungen. Und in
der That lisst es sich nur aus dem tiefen Drange eines
religionsbcdüriligeQ Gemüths entschuldigen , jene Idee um
*) Vcrgl. Aphorii»ea a. a O. 30. S. 239. 40*
natürliche Religfion. 299
jeden Preis vor «ck za bobaupten und 20 reehtrertigen,
wenn J a c o b i so leicht sich überredet , sie gesichert zu
haben ^ und sich s. B. an einer der vielen Stellen , ^'o er
diese schwierige Frage behandelt (Jacob! an Fichte,
Werke IL S. 48. 49.) , mit der Auskunft genügt : dass der
M^utch ^rein aus sieh^ Gott, nämlich das ewig Bine^
persönliche Wesen inde, ^weil er sich selbst nur zu«
gleich mit Gott finden kann, — > und dass er sich
seihst verfiert, sobald er widerstrebt, sich in Gott, auf
eine seinem Verstände unbegreiflicheWeise^
— xa finden; sobald er sich in sich allein begrün-^
den wili<^ : — als wenn ein Nichteingehen auf einen s 0 1-*
eben Theismus das Letztere (das Sichaussichselbstbegrun-
den> nothwendig machte; — und wdnn man yoHends diese
uniifaire , widerspmchvoile , hicohärente Yorstelhing die
^Qffenbarung^ Gottes im Menschen genannt siehtl
Bmster jedoch werden die Folgen dieser Selbsttäu-
schang , wenn er auf solche Gewissheit hin jeder htstori-^
sdien Ueberifeferung den Abschied giebt ; seiner himmel«'
gelH>renen Vernunft sicher , auf ein ,,reines^, jedes Histo-»
risehen oder Positiven entkleidetes Christenthum dringt,
und so einer der wirksamsten Stimmfuhrer dieser Richtung
in der Zeit geworden ist. Er zerstört damit den Stamm,
Bvt weichem er selbst erzengt und gewachsen ist; denn
nicht das allgemeine Vemunftbewusstsein , sondern allein
die christlicb-weitgeschichHiche Kultur bat ihm von dieser
Effcenntniss Kunde gebracht, und ihn in den Stand gesetzt,
die Gewissheit jener ernsten Wahrheiten so bequem und
sicher auszusprechen. Und bloss aus dem Grunde, weil es
jetzt mehr Sache der Gewohnheit als der Prüfung ist, daran
ücbt zu zweifebi, — Etwas für wahrhaft unmittelbar und ver-
mmftorsprQnglich zu halten^ diess heisst bei einem Philo-
soph^i die Connivenz für die Gewohnheit allzu weit ge-
trid>en!
Soll überhaupt das Dasein eines persönlichen Wesens
von vns etkannt werden, sohlst diess scMechlhin nur auf
doppelte Weise mogUch: es muss von uns erfahren
300 Ursprung der Idee
werden , sich ankündigen in eigener unmittelbarer SUtthei-
liuig; es muss — Person der Person — sich offen ba«*
ren; ein BegrilT von Offenbarung, den Jacobi, nach
seinen Aeusserungen über posiüvq Religion ssu nriheUen,
verwerfen würde: oder jene Erkenntnis^ Ueibt miFs Ei-
gcntliclisle Gegenstand einer wissenscbaiUtchen Erforschung,
einer rückschliessenden Begiündung von der Wellihatsa--
che. Auch hier ist kein Drittes möglich 1 — Aber un-
ter diesen Weltthatsachen wird, in seinen objektiven Zu-
sammenhang eingereiht, das weltgeschichtlidie Zei^iss
von einem solchen Gölte allerdings die höchste Bedeutung
gewinnen.
Und hiermit nahen wir dem Kerne der Sacke, der
Frage nach dem wirklichen Ursprünge jenes historisch zum
Gemeinbewusstscin der kultivirten Menschheit gewordenen
Glaubens an die Einheit, Geistigkeit und Persönlichkeit des
höchsten Wesens. Wir können dabei anknüpfen an den
Gegensats^ , welchen Jacobi im ersten Abschnitte seiner
Schrift über die göttlichen Dinge durchführt, zwi-
schen einem vollendeten Idealisten und Materialisten in der
Religion, wo, wenn dieser Alles nur aus Historischem und
äusserlich Gegebenem herleitet, jener es aus sich selbst und
aus reinem Yernunftbewusstsein thut, und mit einem erspe-
kulirten Gotte sich genügen zu können meint (Werke lil.
S. 263— 339. Vgl. S. 254.). Derselbe Gegensatz^ aar noch
liefer greifend, gilt auch in dieser Frage, und hier seheint
unser Philosoph sich dennoch überwiegend der bloss
idealistischen , sonst so lebhaft von ihm bekämpften Partei
zuzuneigen.
Bisher lässt sich überhaupt in allen Theilen der Wis«
senscliaft die entgegengesetzte Richtung unterscheiden,
entweder AUefi aus dem Innern, dem Subjekte, herzuleiten^
oder erst von Aussen es in's Innere hineingelangen, ja das
Innere, die Einheil des Subjektes selbst, aus einer Zusani-
ttienseizung von Aeusscrlichkeileii erwachsen zu la^en;
und wie uns Jacobi Solche Antagonisten im Religiösea
vorgeführt hat, so haben sie uicltt aufgehört, si€h in allen
von der Einheit «mt Persdniiehkcit Gottes. 301
Fn^en der Metaphysik, Psychologie rnid Physiologie zn be-
kämpfen. — Die durchgreifende Beobachtang und d(e
Speknialion lehrt jedoch , dass im Natürlichen, wie Geisti-
gen, nnr in dem Maasse Etwas zur Wirklicbkeit
koflint, als ein Inneres auf sein Aeusseres'(das Sabjek-
tiTB auf seine' Objektivität) trifft, kurz, wenn beide,
gleicfrvrie sie an sich des Einen Wesens, Ursprungs und
Geschlechts, für einander gebildet sind, so nun auch in
ihrer Wiitiichkeit zu einander kommen und sich durch-
dring'cn müssen«
So ist in uns selbst Alles, wozu wir werden, waswhr
uns wahitaft zu „eigen^ erwerben können , schon ebenso
apriorisch vorhanden, in uns vorgebildet, wie es zugleich
jedoch, um wirklich — vollständig wirklich iSr uns zu
werden, ein Aposteriorisches, erst zu Erfahrendes
bleibt. Unser Geist hat Alles, aber darum bedarf er dieses
Allen, und nur weil er es schon durch Antfcipation besitzt,
vermag diess auch faktisch ihm zuganglich, eindringlich
-zu werden , durch seine an sich ihm verwandte und ge-
niässe Natur. So enthält das Auge, überhaupt das System
der Sinne im Menschen, das Licht, die OiMlitäten der Na-
tur anf wahrhaft apriorische und ideeHe Weise : die ganze
Natur in ihren qualitativen Grundkategorieen ist apriori-
.stisch in den Sinnen vorgebildet ; dennoch bedarf er nicht
minder des entgegenkommenden Aposteriori — <les Lichtes
oder Tones — um darans ein wiridiches Sehen oder Hö-
ren werden zu lassen.
Nicht anders weist sich die Oekonomie der Wirk-
lichkeit nach in dem ürspnmge, wie in der Verwirklichung
des religiösen Bewusstseins. Die Idee Gottes ist eine durch-
aus apriorische, ursprüngliche, unvertilgbare: dasBewnsst-
sein der eigenen Endlichkeit, welches, wie gezeigt, mit
dem unmittelbaren Selbstgefühl znsammenftllt , setzt die
Idee eines Unendlichen schlechthin voraus : das' Sichnichf^
selbstbegrfinden - können schliesst die Idee eines Wesens,
das Grund seiner selbst, wie alles Andern ist, unmittelbar
in sich ; aber diese Idee bleibt in ihrer bloss subjektiven
302 Ursprimg der Idee
Versdüooieiibeil n^tkwendig unbestimmty si^hwankeml, den
Ab^rglaubea oder dem venüefatenden Zweifel hingegeben,
Oberhaupt ihrer eigenen, vieldeutigen Ansbildiing' über'-
lassen. Auch sie bedarf es zuerst, dass eine O b j ek-
iivitat Gottes ihr entgegentrete, aber nicht etwa, wie
sehen ans der Konsequenz dieses Zusammenhanges erbeut,
eine ebenso unbestimmte Objektivität desselben hi der Na-
tur md ui dem geschichtlichen WeUIaufe: — wie weit
BHin diese mil Reeht und Gründlichkeit nur reichen lassen
kann , haben wir nachgewiesen ; und wir stimmen völlig
Jaeobi und andern Forschem bei, dass erst, wenn man
die wahre firkenntniss von Gott schon habe, man ihn auch in
der Natur und im.WeltIaufe auf die reehte Weise wiederfinden
könne. Jene Objektivitfit Gottes ist viebnehr als ganz eigent-
Kcdie •*- Geist zu Geist, Person zu der Person — Ar den
:llenschen gefordert, aber mit der Nothwendigkeit einer
universalen Analogie gefordert. Denn indem, wie die Phi-
loso{ihie in höchster Afigemeinheit nachweist, und alle Wis-
seaschfA nur in*s Einzelne auszufithren bat , jedes Inner-
liche, Apriorische, darum aber zugleich an sidi Leere und
Unentschiedene, gedeckt (überdeckt) und dadurch erfiUlt
werden muss mit der ihm zugebildeten Objektivitfit , um
wirklich, und damit ein Bestimmtes zu werden: so
wäre es die stärkste Lüge des Daseins , die erste Lücke
jn jener Korrespondenz der stets sich voraussetsendea
Ha^n der Wirklichkeit, wenn dem apriorisch subjektivea
Gottesbewusstsein nun nicht auch ein objektiver Gott, es
bestfttigend, aber auch f i x i r e n d, es über sich und seine
eigenen Eingebungen hinausführend, entgegenkäme.
So nöthigt also die formellste Konsequenz zu dem
Satze: was von der obj ektiven Natur Gottes (zumal von
einer überwcltlichen Einheit und geistigen Persönlichkeit
desselben) dem Menschen zur Mitwissenschaft gekommen,
das kann er ursprünglich wissen nur auf vermit-
telte Weise, durch Gott sdber oder seine Mitlheilung.
Diesem allgemein spekulativen Postulate kommt wiric-
lich nun die^ universale Kunde von einer objektiven Offen-
von der Einheit und Penmilichkeit Gottes. 303
bcnnig in der Wettgeschidile entgegen : Gott hat das (»egehrle
Zeugniss über sich seibev in der Thal abgelegt. Indem nun die
Philosophie überall jenen allgemeinen Wechselaustausch und
Parailelismus des Innern und Aeussem wiederfindet, muss sie
ihn auch bis in diese OlTenbarung und Zeugnissschafl Gottes
iber sich selbst hineinverfolgen. Diess ist die ungeheuere
Thatsache , die sie nothwendig vorauszusetzen hat , nicht
nur 9 so gewiss Religion, objektive Gottesknnde — nicht
bloss jenes vage Gottesbewusstsein , — sondern so gewiss
Gesehicfate ist; denn nur unter ihrer Voraussetzung ist
eine wahre Geistesentwicklung, Freiheit, möglich. Erst da^
durch, dass der menschliche Geist in Rapport trat mit dem
Geiste Gottes, — C^loibe zunächst dahingestellt, wie ein
solcher möghch) — konnte er befireil werden von dem
ausschliesslichen Rapport mit der Natur ; denn nur so koimle
das Uebersimiliche , Unsichtbare ihm ein Objektives,
über die Naturobjektivital Erhobenes werden. Eine grund*'
Uch sich verständigende, alle entgegengesetzten 11691101»*
keiten durdiversuchende , historische und philosophische
Forschung dürfte endlich zu dem bleibenden Ergebniss zu-
rückkehren, dass alle wahrhaften Kulturanfange ohne diess
göltliclia Element der Geschichte völlig unerklärlich sind.
Und diesem begegnet abermals das durchgreifende
rische Z^igniss: Religion, Gesetze, Kultur werden
auf einen ersten gotterleuchteten und gottgesendeten Stifter
zurückgeführt; erst in ihm ertialten sie ihre ausdrückliche
Beglaubigung, welche sich auch spekulativ in irgend einer
Weise oder nach einigem Grade einer Rechtfertigung wini
unterwerfen müssen , indem auch begrüBsigemäss jede soIk
che Gründung ursprünglich nur von dem Ergriflfensein eines
einzelnen Individuums ausgehen kann. (Man veigleiche
die weitere Ausführung dieser Sätze in den Aphorismen
16. S. 219. 23. S. 228., besonders 54. 55. S. 266. ff.)
Eine künftige, dadurch erst in einem der wichtigsten
Tbeilc des Geisteslebens zur VoUsitändigkeit gelangende
Psychologie hat übrigens für die Mäcbweisung zu soirgen,
in wekher Gestalt der Perception ein an sieh übet die
3M Vnhrersnler BegriiF
Pfewöhnliciie Empirie und deren Bewwslseinsvnnmtthmgeii
liiaavsliegendcs Wesen dem Menschen dennoch za u n m i t*
•lelbarer, objektiver Kunde zu kommen fvermöge.
Hier bietet sich der Begriff der Eingebung dar, deren
liaiversale Thatsachlichkeit freilich selber zum Gegenstände
riner umfassenden psychologischen Untersuchung gemacht
werden roüsste : — der Eingebung nämlich in dem ganz
allgemeinen Sinne , dass nickt auf dem Wege sinnlidien
•fiowahrwerdcns und dessen Vermitthmg, sondern schlecht-
liin innerlich und doch unmittelbar (intuitiv), das Wiesen
-4es Einen in dem Andern zum Bewussisein gelange. (Vgl
Aphorismen 15. S. 218. 19.)
Wenn nun die unläugbare Erfahrung eines psychischen
•Hapports zwischen einzelnen gleichgestellten Individuen
«igt, wie, z. B. im animalisdien Magnetismus und sonst»
«die Gedanken und Empfindungen des Einen unmittelbar in
4ma Andern mit^tsteben ; so ist nach dieser Analogie auch
Sß Mögliohkeit einer Einsprache des h ö bern Geistes in den
Biedeni noch weit begründeter. Auch hier werden sichnäm-
lidi begriffsmässig in stetiger Entwicklung, und parallel damit
in kritisch'bewährten Thatsachen, durch deren Yerstandiiiss
nun das Hauptmotiv hinweggeräumt wird, warum man sich
sieht bloss mehr mit dem Ignoriren oder Abläugnen der-
selben zu- behelfen braucht , — Stufen und Vertiefungen
eines sotchen allgemeinen, wie speciellen Geisterrapports
Michwetsen lassen , wodurch der bisher isolirt stehende,
und so mit der härtesten Paradoxie behaftete theologische
BegdS der Inspiration zu einem allgemein psychologischen
werden, und in stufenmässigen Zusammenhang tretmi wurde
mit den unläugbarsten und geläufigsten Erscheinungen alles
geistigen Lebens *). Für die Wissenschaft nämlich kann
«
*j Hier ist auf die von Passavant, einem besonnenen und
bewährten Erforscher dieser Thatsachen, nachgewiesene Stu-
fenfolge im Hellsehen zu yi^rweisen: „Unterstichungen
über den Lebensmagnetismus und dasHeil«e>
ken« at« Attfl. 1837. S. 129—183. Vgl. S. 196. u. 34&
der Bingebangf. Mo
CS von keiner Bedentnng- sein , wenn ein flbrigcns wohk
meinender Eifer die Vergleicbung- des gewMnlichen Heu«
Sehens mit den einer hohem Ordnung der Dinge angehe^
renden Thatsachen bedenUich findet. Allerdings besteht
die Continuitat zwischen dem Hohem und Niedem, auf
welcher alles Dasein bembt^ nicht bloss in quantitativen
Steigerangen ; aber sogar die formelle Untersuchung dieser
Begriffe weist nach ^ wie das quantitativ Gesteigerte eben
damit sa einem qualitativen, specifischen Unterschiede
ausschlagen müsse.
Noch verfehlter wäre es hier , pantheistische Vorans*
Setzungen oder Ergebnisse zu befürchten. Der Begriff
einer solchen Inspiration, zu welchem die Konsequenz des
Thatsächlichen zu nöthigen scheint, überwindet den
Pantheismus so zu sagen auf faktische Weise; denn mit
einem bloss universalen, in das All ausgegossenen- Gott«*>
Wesen einen persönlichen Verkehr des Menschen, ein Sich-^
offenbaren jenes an denselben denkbar zu fin(fen, wäre
selbst ein Widerspruch, ein völlig ungereimter Gedanke.
Wird nun die Philosophie auch ihrerseits aus den vorher
entwickelten Gründen zur Annahme einer solchen That-^
Sache zurückgedrängt; so bestimmt diess nothwendig
auch YOn hier aus ihre spekulative Gotteidehre: sie kann
sich darin mit irgend pantheistischen Grandvoraussetzungen
kein Genüge mehr thun; aber ebenso wenig zeigen sich
hier noch ausreichend die unbestimmt theistischen Vor-
stellungen Jacob i*s von einer nur extramundanen Gott«
heit Unter beiderlei Voraussetzung vielmehr bleibt Im
Gedanken einer Offenbarung etwas Unklares und Mystisches
zurück; — ein Gedanke, ohne welchen dennoch der Be*-
griff der Geschichte und unserer geistigen Wirklichkeit dar-
in , des Gewissesten, was es fiir uns giebt, wie wir gese-
hen, nicht zum gründlichen Abschiuss gelangen kann.
Und so bleibt es abermals Aufgabe der Philosophie,
dieses Problem der Geschichte durch Uiren spekulativen
Gottesbegriff zu lösen, und nicht eher abzulassen, als bis die
Idee des ,,Ab8oluten^ auch von dieser Seite her der Wirk-
20
3«e Begrif
lichkeit (dem ftosilirzu Eridfirenden) vMligr gemtes gewor-
den ist. Dann wird darin auch das entscheidende Krite-
rium gefunden werden (dessen Durchführung in einer spe-
kulativen Geschichte der Offenbarung, als die
specifische Aufgabe der Religionspbilesopbie» zu beseicknen
ist), die wahre oder eigeatlicbe Offenbarung in der Ge-
schichte von einer falschen (subjektiv getrübten) bestinunt
abzuscheiden« Auch hier nämlich muss jener aUgemeine
Brkenntnissprocess einer Aneignung und Aufnahme des
Objektiven in die ihm zubereitete Subjektivität sich fort-
setzen, der objektive, oflfenbarte Gott wird sich dem Gotr-
lichen in uns immer tiefer und tiefer bezeugen. Die Aneig-
nung der Offenbarang kommt daher auch hier bis zum Punkte,
dass das Unmittelbare , Geglaubte , ein Vermitteltes ^ frei
Erkanntes werden muss durch das Zusammentreflen und
faieinandeigehen der. beiden ursprunglich verwandten Hüt-
ten, welche durch eine vorausgehende, gleichsam hinter
dem Rucken des menschliohen Bewusstseins und seiner
Freiheit vorgegangene Vermitthmg überall sich aufsuchen
und inden müssen« Wie daher nach den oben schon an-
gedeuteten, weiter zurückgreifenden Parallelen das Auge
dem künftigen Lichte , die Sinne überhaupt der Sinnenwell
vermittelt 6in4 auf eine geheimnissvolle , aber objektive
Weise, ehe und damit sie sich dann selbst vermitlehi kön-
nen ; so ist auch der ihm nahen<le objektive Gott schon
im Innern des Menschen zuhereilet: die „Vernunft^, das
ursprünglich (apriorisch) Gottliche i n uns , ist völlig im
Stande, den GoU in seiner objektiven OSbnbamng an uns
«u verstehen, und diese somit zu prüfen. Aber auch hier
ist das Wecbseiseilige, der Austausch beider wohl anzuer-
kennen, der jenen Kanon (credOy ui mieltiganif wekhem
dann zur Seite britt : inieUigo , quia credkk). ebenso sehr
bestfitigt und für sich voraussetzt, als doch näher bestimmt
und berichtigt Denn nirgends in diesen allgemeinen Ver-
haltnissen ist ausser Acht zu lassen , dass das Subjektive
die verwai^dte Objeklivitat nicht nur ui sich aufnunml,
sondern, in diese sÄDh hineinverstandigend, und durch sie
der Offbnbamngf. 907
Aber rieh hlnansgeffiirt , dadurch in ihrem nrsprOngUcheli
Horizonte erweitert wird. Wie umsere Vemunfk sich ei^
weitert an der Vernunft der göttlichen Schöprungawerke, so
musa noch weit tiefer die Oelionomie der göttlichen OSnK
barmig ond des geschichtlichen Gotles die Vernunft über
sich hinausorientiren. Denn in ihm kann erst der Stand*
ptmkt eines gründlichen und TOllständigen Weltverständ»
aisses gegeben sein. Die Philosophie endet in Theosophiei
wie die wahre Spekulation umgekehrt in dieser ihre ge*
heime Voraussetzung, Nahrung und Quelle hat
J a c o b i hat aber in unserer Zeit nicht nur das Ver-
dienst, welches ihm auch von Hegel zugestanden worden
ist, an die Ursprünglichkeit der Idee des Unendlichen wie-
der erinnert zu haben , sondern weit bestinitmier noch mit
dem Drange und der Inbrunst eines die wahre Objektivitflt
Gottes suchenden Gemüths auch im Umkreise der PhilosOi«
phie den Begriff einer eigentlichen und concreten Offenba«
nmg desselben , wenn auch nur halb zaghaft , und wie in
eingehüllter ^ unentwickelter Gestalt , zur Geltung gebracht
la haben.
Wemu wir jedoch, von diesen Anregungen d^gesehen,*
daraach fragen, was von den oben ausgehobenen Sätzen
Jaeobi*a als eigentirch spekulativen Inhalts, ab po-
sitiver Brtrag iur die Philosophie, zurückUeä^e, so möchte
das Gewicht derselben , also beurtheilt^ fast auf Nichts
kerantersinken. Gottes Person y ausdrücklich nur extra<-
anmdan, nicht intramundan, freischaffend und waltend nach
sittlichen Zwecken — alle diese Behauptungen, so wahr
A) an sich selbst sind, d. h. so irrig jede direkte Be«
hauptung des Gegentheüs wire,. — sind dennoch in die-
sem Zusammenhange eben nur Behauptungen, deren
Wesentliches* jeder Einzelne nach dem Standpunkte seines
Geistes wie seiner Bädung sich anders vorstellt; dahei^ mdk
Keinem , so lange er selbst in der Sph&re des Vorsteilens
bleibt , das Recht zusteht , seine Vorstellung (d. h. seinen
gl^bnissweisen Ausdruck daiur), als den einiigen und
gemeingültigen^ den Andern aufzudringen. Was alles Dies^
306 Jeeobrs BegriiT
Jieisse tmd bedeute , kann gemeiagfiitif Tiur auf dan
Wege des philosophischen Denkens entschieden werden,
da , wie sich nnn wohl unwidersprechiich gezeigt hat , in
dem unmittelbaren Bewusstsein des Ewigen, wovon
Jacobi ausgeht^ xogleich jene Vorstellungen nicht ent«
halten sind , noch sein können. Fällt diese Unlersuchosg
nun aber in den Hittelpunkt der Spekulation ; so können
wir auch hier nur auf die weitere Entwicklung derselbea
verweisen , die eben jenen Punkt zum C^trum ihrer For*-
schungen gemacht hat.
ni. Noch ist die dritte Frage zurück : welch* ein
Verhältniss von Jacobi dem Verstände angewiesen
werde zwischen der unmittelbaren Sinnenwahrneh*
m u n g und der ursprünglichen Vernunft? Bezeichnend
stellt er ihn dar, als das Vermittelnde zwischen beiden, als
das Auge der hohem Besonnenheit, welche sich des In-
haltes, wie der Aussagen jener beiden unmittelbaren A n-
schaumigen bewusst wird, aber nur durch sie seinen
Inhalt, seine Erfüllung empfängt So ist der Verstand eigent-
Udi innerlich Eins mit der Vernunft; er entwickelt, sichtet,
ordnet ihre Aussagen , ist überhaupt, nach der Konsequenz
dieses Verhältnisses, nur die ztir Klarheit über sich selbst
gebrachte, somit erweiterte Vernunft selbst. Keineswegs
aber kann ei* wiederum besondere Erweise von ihrer Wahr-
heit fuhren, weil, woraus er beweisen , d. h. die Wahriieit
eines Gedankens entwickeln kann, eben nur die Vernunft
ist, das Unmittelbare, Vorausgesetzte, woraus er
selber ist und schaut
Aber wie die Vernunft das Vorausge^gebene ist
dem Verstände, und sonach , wenn man will, das Vorneh-
mere und Erste ; so muss doch umgekehrt — auch nach
der Konsequenz Jacobi scher Ansicht — der Verstand,
ais das Scheidende , Entwickelnde jener Unmittelbarkeit,
das Höhere, der Richter über die Wahrbeit in letz-
vom Yerstancfe. 309
ter rnstahx erseheiiieB. * PaUs nämlich ZweiM entsteh
hen aber die Aussagen der' Vemimft, mdl Streit über die
Auslegung derselben ; — wie wir oben wirklich in den
wichtigsten Paukten die Aussagen der Vernunft ganz anders
fanden, als Jacobi sie behauptete; — wer anders ver-
mag in soleheni F^Ue dariU)er zu entscheiden^ als eben der
Verstand, der altgemeine Ansleger? Und dies« wäre
das Erste , was auch von hier aus seine Theorie nötkigen
wiirde, über sich hinauszugehen t
Aber auch in anderer Beziehung kann d!» Verminft
(in J a 4^ o b i sehem Sinne) sich nicht entwickeln (cum B e-
wQsstsein kommen), ohne auf Eigentlich spekihtive
Probleme zu stoasen; ja in ihrem eigenen Sehoosse irege»
sie, nur noch eingehulk in das Dunkd ihrer Unmittelbar-'
keit. Die Verminft enthalt in ihrer Ursprunglichkeit die
Idee, i8t die Anerkenn tntss des Swigen, Absehitenr wier
Termag doch also Endhches zu sein? — Ich bin mir
im Innersten metner Pfeiheif, meiner Selbstbestimmung be^
wiisst; woher dech die Nothwen digkeit, die sieh*
iberalt mir entgegenstellt, und sogar hemmend in mein
eigenes Innero greift? — Sind aber diese- Fragen ^ die
nächsten und unabweisbarsten, eirnnat zum Bewusstsein ge-2
bngt, so mdssen sie gelöst werden; sie w(Anen in der
Tiefe unserer Vernunft und treßen unsere eigene innerste
Natur; also nueh nur entwickelte, in sich vollendete Yemunft,
d. k. Yer^tand^ wird sie zu Idsen vermögen«
Dass sie überhaupt aber gelöst werdlen können^ M&r
scheint der Geist des Menschen selbst sich zu verbargen?
es musste denn ein ewiges Bcdürfhiiss i» ihm» geben ohnel
SattigoBg, einen Stachel der tieften Wissbegierde ebne
eniUeben Frieden , ja die Vernunft d^s Menschen selber
musste es auf einen Selbstwiderspnieh mit ihm abgeseho»
haben. — Aber wir können noch daznsetzcn ,. das» die'
Lösung dieser Fragen, wie sie in dier ReKgion auf eine*
unmittelbare Weise sich ausgesprochen findet, auch in der*
Pliilo(»ophie, seittlem philosophirt wird, nickt bloss versucht,
sondern auch geleistet sei, und zwar überall auf die gleiche'
310 Jacobi's Begriff
Art, nnr verscbieden nach dem Grade der Kiariieil md
Entwickelung: und so findet sich aoch historisch wirUich
nur Eine Philosophie, da eben in der Ldsung jener Gnmd-
frage das eigentliche Wesen derselben besteht, mur mehr
oder minder entwickelt.
Aber gerade hier s^ebt die Lehre J a c o b i 's ihre
staricste Blosse. Nicht nur laugnet er nämlich , dass aber
jene höchsten Fragen überhaupt eine entscheidende spe-
kulative Antwort möglich sei, wie Kant durch Ausmes^
sung des ganzen Erkenntnissvermögens den Innern
Grund entdeckt zu haben glaubte, warum ein theoretisches
Erkennen des Uebersinnlichen unerreichbar bleibe , waiurn
also wederein positives (theistisohes) Resultat erruBgen
werden könne, noch aber auch das direkte Gegentheil
desselben erweisbar sei: sondern viel weiter geht Jener
noch; ihm endet das unablässige Forsdien nothwendig
in einem durchaus verneinen den Resultate: die Untersii-
diung über die Realität unseres Erkennens in N i h i 1 i s m us,
die Forschungen über das höchste Wesen und unser Verhält-
niss zu ihm in Atheismus, die Untersuchung über den
Weltzusammenhang in fatalistische Freiheitsläugnung.
Und diess hat Jacobi nicht nur einer einzelnen Philoso-
phie als ihre nothwendige Konsequenz entgegengehalten,
sondern für das absolut letzte Ergebniss aller Spekula-
tjton erklärt Damit ist aber der geistzerreissendste Zwie-
spalt über den Menschen ausgesprochen: will er klar er-
kennen, will er nur dem Verstände vertrauen, so schwin-
det ihm jede höhere Wahrheit dahin; der Zustand der
Klarheit gränzt an den der Verzweiflung, und nur in der
Dänunerung, im Halbdunkel der Ahnung, des Glaubens, ver-
mag er festzuhalten , was ihm das Heiligste dünku Aber
immer treibt es ihn wieder, was er glaubt oder glauben
möchte, auch in freier Erkenntniss zu besitzen; diese je-
doch wirft ihn ewig nur in den vernichtenden Zweifel zu-
rück ; und so ist ein heil - und endloses Schwanken , ein
unvertiigbarer Hader des Geistes das letzte Ergebniss, wei-
ches Jacobi an sich 0<^st so treflfend schildert , wenn
▼om VcrftiAde. 311
er yayl , dats er 8idi Ton swiei mXgegetsgeBeMeh Slrö«
immgen getrieben fSibie^ deren eine ihn onaufhör«
lieh versenkt, Während die andere ihn em*
^erhebt*
Und dieser Zwiespalt seiner innersten nnd besten
KriDe bei dem edelsten Bestreben sollte das unvermeidli-
che Leos des Menschen sein, — des göttlichen Eben-*
b i I d e s auch nach J a c o b i ? Wahrlich, verhielte es sich
aiso , wir nähmen kernen Anstand ^ den Menschen für die
abenteueriichste ' Missgeburt der Schöpfong zn erklären^
wenn er mit seinem höchsten md reinsten Bestreben noth-*
wendig in innerer Selbstzerreissnng »den müsste. BiUig
nödite aber wohl jeder Besonliene in jenem an J a c o b i
rieh xeigenden und von ihm so vielfach geschilderten 6el«>
itesznstande nur das Resutlat einer Verbildnng oder
emer K r i s i s erblicken , wie sie in einer Uebergangsepo-
ehe, gleich der unsrigen, wo die Gewissheit des Glaubens
entwichen nnd die höchste Frucht der Wissenschaft noch
heinesweges gezeitigt ist, von den edelsten Gemufhern ge-^
rade am Tiefsten und SchmerzUchsten empfunden werden
buss.
Man vergebe uns die Lebhaftigkeit unserer Ausdrücke
hier und an einigen andern Stellen über den dahingeschie-
denen Weisen. Aber wenn er selbst übendi so beredt ist,
seinen innersten Abscheu gegen gewisse Lehren an
den Tag zu legen , die er für atheistisch oder nihilistisch
hielt, während er diese Konsequenzen seinen Gegnern doch
nur unterschob; wenn seine Polemik in der Regel aus
einem fast persönlichen Affekte gegen eine Ansicht enU
sprang, die er nun durch grelles Ausmalen, durch Ueber-
setzen derselben in gehässige Ausdrücke zu bekämpfen
suchte: könnte uns, den Jüngern, wenigstens nicht ver«-
geben werden , wenn wir gegen wörtliche Acusserungen
desselben , die schlechthin keine andere Deutung oder Be-^
schöniguttg zulassen , bei denen also auch kein M i s s v e r-
stand denkbar ist, mit unwiUkührlichem KachUruck, doch
312 Charakter
ehrfarchtsvoO, protosUrt haben? Zamal da wir innig uber-
Eeugft sind von dem Nachtheile, den diese Ansicht auf die
Bildung der Gegenwart schon ausgeübt hat, und noch aus-
zuüben fortfährt. Eben dieser Glaube, dass der Verstand
nur zerstörend wirke, dass man ihn soigsam abzuhalten
habe von der Prüfung der höchsten Wahrheiten, — der
bequeme, recht eigentlich zur Geisteswillkühr jeder Art
einladende — welche Konsequenzen kann er nicht unter
sieh bergen, zumal in einer Zeit, die Alles gleich bis zum
absurdesten Extreme verfolgt?
Aber auch die Beschränktheit, ja liliberalitäi von
J iei c 0 b i*s Polemik, scheint noch von keinem Unbefangenen
völlig in's Licht gestellt, da Manche sogar es ihm nach-
rühmen, wie er (Uierall nach Gerechtigkeit, Biliigkeii und
Milde gestrebt habe. Viehnehr scheint diese fast überall
nur darauf anszugehen, der angeführten oder ali-
gemeinen Konsequenz einer Lehre sich zu bemäch-
tigen , um daraus sofort zu entscheiden , was sie wohl be-
haupten könne, und was nicht; voraussetzend dabei, wie
es scheint , dass es ihm vorbehalten sei , die höchste Kon-
sequenz eines Systemes oft besser zu erkennen, als ihr Ur-
heber selbst. ^} — Er weiss es ja schon im Voraus, dass
■ »« ■ » I
*) Masche Aeusserimgeii von Jacobi gprechen diess sogar an-
umwunden aus, wahrend «ein polemisches Verfahren« welches
ein Eingehen in's Cinaelue fast nie für nöthig hält, überdies«
stillschweigende Präiaisse keinen Zweifel übrig lässt. So, in«
dem er gegen Rein hold" in Bezug auf die Wissenschafb-
lehre äussert, er habe zwei Hauptwerke Cber sie, Fichte*s
Rechts- und Sittenlehre, noch nicht durchlesen können, „weil
er noch immerzu viel Knoten in seiner Theorie
g e f a n d e n,'* setzt er demungeachtet sogleich hinzu : „Im
Grunde ist das gleichg uitig, denn es Ut nidit die Krage
davon ,. was Fichte am Ende meint oder lehren
will, sondern was er seinen Priucipien aufolge meinen und
lehren muss/' (Rein hol d's Leben und tilter. Briefwech-
sel S« 250.) Kbeii SU kann aiuh die Polemik gegen «irn
Atheismus der Philosoplien, da diese doch uirgeniis adiri-
stische Äeuss«rungen Torgebracht^ und ansserdcm noch jeder-
seiner Polemik. 313
eine spekulative Lehre keine tiefere WahrÜeit zu bieten yer-
m^e ; und so wäre es sogar ein psyctiologisclier Widerspmeii,
mit vollkommener Hingebung und gmzer Selbstaufopferung
ein Werk in sieh aubunehmen, von dessen Vei^ebliciikeil
man schon im Voraus überzeugt ist I — Kommt nun daso
noch ausgezeichneter Scharfsinn und jene . Gewandtbett,
eine leich^efasste Idee bis 2U ihrem Extreme zu verfol-
gen; so sind alle Elemente seiner Polemik dargeslellf,
wdche immer darauf hinausgeht, einer Seits im AO^eraei^
nen die theoretische Konsequenz einer Lehre anJBuerkennen,
anderer Seits aber ihr Resuttat; zu einer die Vernunft enN-
pörenden Absurdität zu machen. Sogeschah eslart
mivermeidlich , dass man seinen polemischen Werken ge«i
geo Kant, die Wissenschaf tsjehre, das Identi-
tätssystem, Verdrehung der Ansichten des Gegners vor-
warf, ja behauptete, sein grösster Kwstgriff bestehe im
Gallimathisiren desselben. Wohl ladet nämlich diess ganze
polemische Verfahren dazu ein, den Gegner zu missdeuten^
indem man ihn zu leicht > nimmt, .und mil allgemeinen Be*
hauptungen und Rügen ihn wideilegen zu können meinte
Und diess ist um so naohdrueklicher hervorzuheben, als
auch jetzt noch nicht selten in . der Kritik philosophischer
Weike, nur ohne den Scharfsinn. und die polemische Kraft
Jacob i's, dasselbe Verfahren gehandhabi wird.
Geheif wir jedoch auch hier zu den allgemeinen Gründen
zurück, auf die Jac.obi sein Urtheil über die Nichtigkeit
nnd Vergeblichkeit aller spekulativen Erkenntniss stützte:
sie finden sich anf Ausführlichsten entwickelt in der s i e-
benten Beilage zu den Briefen über Spinosa*).
zeit jene Bebauptuag J a c o b 1*9 Ton aich gewiesen haben,
zuletzt nur auf eine Vorauasetzuog des Inhaltes leiten: dass
Er besser wisse, was jene Philosophen eigentlich lehren waU
len oder können, als sie selbst! —
*} Man vergleiche mit dem Nachfolgenden die un^^efähr gleich-
314 Charakter
Der theordtiaclie Versland rachl überall zuiiXchsl <fie
nodiwendige Verimüpfung der Begriffe oder Dinge mCer
einander durch DemanstraUon aurznweisen. indem er A
denkt, ¥rird ihm dadurch auch ein B gesetzt; das Sein
von A ist 4hm also unabtrennliefa tom Sein ron B, und mn-
gekehrt Und diese Verkettung von Begriffen durch innere
Nothwendigkeit ist, was Wissenschaft, systematisches Er-
kennen, auanacht Aber aufgewiesen wird der noUiwendige
Zusammenhang zweier Begriffe nur durch ihre Konstruk-
tion, dadurch , dass wir sie im Geiste Trei erzeugend aiK
ihren Elementen entstehen lassen. Was wir auf diese
Weise konstniiren können, begreifen wir, was nicht
konstruirbar ist, begreifen wir nicht (S. 424. alte Ausg.
Werke IV. 2. S. 134.).
Der Verstand aber, unbefriedigt durch das Verweilen
' im Binseinen, versucht es, die allgemeine Form, das 6e-
sets, wonach alles Einzelne entsteht, sich verändert und
vergeht, kurz das soiriechthin Allgemeine zu erkennen.
Daraus die Philosophie, deren erste Frage ist, wie aas
dem Unbedingten das Bedingte hervorgehe. — Zu-
vörderst , was darf die Philosophie sich verstalten, in je-
nen Begriff aufzunehmen? Nichts, als was sie zu ihrer
Erklärung des Bedingten bedarf, Nichts, als was in demsel-
ben ihr wirklich begretflieb ist. Das Unbedingte ist i
zeitig geschriebene Kritik Hegels über die Ja co bische
Lehre in der Einleitung zur zweiten und dritten Ausgabe
seiner Ency klop. de r phil os. W issen sc haften ($»62
S. 75. dte Auüg.), welche denselben Ausgangspunkt niroort.
Ein Anhanger desselben hat dessbalb, das chronulogische Vei^
hältniss zo wenig beachtend, den Verfasser eines Gedanken*
rauhes an Hegel beschuldigt, welchen Verdacht, neben
jenem äussern Grunde (vgl. I n teil i g enzbl. der Hall.
Litt Zeit 1830. N. 51.), die Vergleichnng beider Aus-
f&hrnngen am Besten berichtigen kann. Um für jeden Fall
die Sache in ihrer Integrität zu lassen, gtebt der Verf. diesen
Abschnitt in unverändertem Abdrucke wieder.
Anni. zur zweiten AHtgabe.
seiner Polemik. 315
dakr nur letzter Urgrund, umfassende Bedingung des W^
sens and Seins aller einzelnen Existenzen : die (spinosische)
absolute Substanz, aus der unendlich Einzelnes auf
unendliche Art hervorgeht. So bleibt nur der Gedanke
absoluter Allmacht, nicht aber der Vorsehung, Weisheit,
9Per8dnliohkeit,<* an ihm übrig, weil die nothwendig«
Einheit dieser BegriiTe mit jenem nicht aufgewiesen wer^
den kann. Es genügt nämlich als letzter Erklanmgsgrund
alles Einzelnen der Begriff absohiter SdMdanz und AllnuMdil
ToDkommen.
Eben so ist bei der Frage nach dem ewigen oder
zeitlichen Ursprünge der endlichen Dinge aus dem abso«*
loten Urgründe die Frage sehr bald gelöst, ?renn wir im
Abstrakten der blossen Begriffskonstruktion bleiben. Das
Werden kann eben so wenig angeftmgen haben, als das
Sein, und jede endliche Bestimmung, hervorgegangen ihrer
Ursache nach aus einer andern, ihrem Grande nach
aas dem absoluten Urgründe, leitet auf dne unendliche
Reihe innerlich verketteter einzelner Dmge zurück, in weU
eher Alles befasst ist durch gleiche , dlbestimmende Noth«-
wendigkeit. Was wir daher Freiheit nennen, d. h. alH
soluten Anfang, That aus sich selbst, unterbrechend die
Reihe jener unendlichen Bedingungen, wäre ein Wideiw
Spruch an sich: nicht nur wäre die Verkettung des Uni-»
Yersuros dadurch unwiederbringlich aufgelöst, sondern es
wäre damit sogar ein schlechthin widersprechender Begriff
behauptet. Wie vermöchte überhaupt Etwas zu sein, nicht
begründet im absoluten Urgründe, d. h. durch keine in«^
Bere, ewige Nothwendigkeit getragen^ gleichsam aus dem
Nichts gehoben?
Aber wenn der Begriff (der Freiheit auch verworfen
werden muss ; woher doch das Phänomen derselben ? Weil
in unserm Selbstbewusstsein die Bedingung, die bewegende
Ursache derselben, verborgen bleibt, die, wenn sie aufge-
deckt würde^ unsere freien Handlungen zu eben so noth-
weadigen machen wdrde, als alles Uebrigc es ist. Ist doch
auch nach der gewöhnlichen Ansicht keine freie Handlung
316 . Charakter
ohne Motiv, ohhe „Bewegung'sgrnnd^, denkbar, und
eben in diesem mwss das Princip gesucht werden, das mil
verborgenem Zwange auch die scheinbar freieste Handlung
lenkt.
Diess Alles klar und auf ^unwiderlegbare Weise«
darzustellen *}y ist vor Allem S p i n o s a gelungen , dessen
Lehre daher recht eigentlich als das Normalsystera der
Demonstration, als deren eigentlichste und höchste
Konsequenz anzusehen ist Aber eben desshalb geht
jeder Weg der Demonstration in Fatalismus
aas, eben so bestimmt einen persönlichen Gott , als die
menschliche Freiheit länghend, indem beide nicht nur un-
denkbar sind nach diei^en Principien, sondern ihr Begriff
sogar .als sich widersprechend, innerlich unmög-
lich ersdieint ; eine Behauptung, die J a c o b i überall sehr
sorgsam hervorzuheben sucht.
Hieraus lassen sich nun alle Aeusserungen vollständig
herleiten, die über das Können und Nichtkönnen des Ver-
standes und der Spekulation bei Jacobi vorkommen.
Wir begreifen eine Sache, indem wir sie aus ihren näch-
sten Ursachen herleiten können, oder ihre unmittelbaren
Bedingungen der Reihe nach einsehen, (lieber Spinosa,
S. 419. Anm.) Daher sind die einzigen Wissenschaflen im
eigentlichen und strengen Verstände Mathematik und all-
gemeine Logik , und alle Erkenntniss kann nur in dem
Maasse wissenschaiUiche Form erwerben , als sie auf Ma-
Ihematik und Logik zuruckgefiUirt zu werden vermag. (Von
den göttlichen Dingen S. 121, Werke IV. S. 351.).
Jedes reale Erkennen aber, dessen innerstes Wesen
vielmehr darin besteht, Dasein zu enthüllen, die in-
nere Kraft und Wesenheit der Dinge zum Bewusstsem zu
bringen, fallt ttothwendig ausserhalb jenes wissenschaftli-
chen Processes : in dem Maasse nämlich, als die Dinge for-
*) Briefe über Spinosa, Vorr. S. XVI. XVIi. , und sonst
noch oll.
deiner Polemik. 317
miimr\ werden durch jenes Begreifen, Terschtrindet' im
jhnen die innere Fülle und EigenthümUciikeit ; die Saclie
wird zur Gestalt, das Reale zur F o r m (Schreiben an
Fichte, S. 15. 16. Werke III. S.20— 22.), und sie sind
leere, unwirkliche Abstracta geworden. Die wahre Reait«-
tat ist das absolut Indemonstrable, was nur der in-«
nersten Selbsterrahrung, dem wirklichen Erleben sich off-*
iiet, und ihr Erkennen daher nur Resultat einer wahrhaft
ten Selbstoffenbarung derselben*
So wäre ein Gott, der gewusst werden könnte, d.h.
durch reinen Verstand konstruirt, eben darum kein Goti^
vielmehr ein leeres , unwirkliches Ab^straktum , |,durch und
durch BegriC Höchstens bis zum Gedanken eines Fatuma
könne man damit gelangen , also zum eigentlichen Gottp«
Läugnen : ja es sei darum Interesse der Phik>sophie ,. als
konstnihrender Wissenschaft, dass kein Gott sei. Eben da«^
mit, dass er konstruirt, durch Erkennen gemacht werde,
Geschöpf des wissenschaftlichen Denkens sei , werde sein
Charakter als Urbedingung, seine schöpferische Rea-
lität aufgehoben. Gott wissenschaftlich erkennen, heilsst
Gott vernichten.*)
Jedoch auch hier hat J a c o b i versdumt, efaie wesent-
liche Unterscheidung zu machen, die ihm noch ein anderes
wissenschaittiches Erkennen, als das durch Demonstra-
tion, eröflhet haben wurde, welches letztere im Gegen-
Aeile wir gar nicht als das eigenüidi spekulative anerken-
Ben können.
Alle Wissenschaft zuvörderst, und auch die Spekida-
tion, hat mit dem Allgemeinen zu thun, und, was ihr,
als solcher, entgeht, die zufällige, unmittelbare
Seite der Dinge , ist mit Recht und wesentlich von ihrem
Umkreise auszuschliessen. Aber an sich lässt sich ein
*] Jacob! an Fichte^ Vorr. S. IX. X. S. 22. 26. 38^ 39^
Q- I. w. Kein hold'« Leben und litterarischer BriefWechsel,
S. 246: „Die philosophische Darstellung Gottes ist n o t h^
wendig obj^kiife GoitesTernichtong.'*
318 Ctefiikter
deppdtet VerUHiiit« xwiBdien dem CcmcrrfeD und den
Allgemeinen denken« Diess kann entweder sein das Att-
gemeine der logischen Reflexion und Abstraktion,
oder das des spekulativen Denkens. Jenes ist der so-
genannte logische Begriff, die Allgemeinanschau-
ung mannichfiiUiger concreter Anschaumigen, die durch
die gewöhnliche logische Reflexion und Abstraktion gefin^
den, deasludb fugüdi dieReflexionsallgemeinheil
genannt werden kann. Hier ist das Concrete das Reichere,
die Fülle des Lebens enthaltend, weil es &s Wirkliche
ist; das Altgemeine dai^ Inhaltsleere, bloss Abstrakte, durch*
«IS Unwirkliche und Subjektive, indem es ganx unwesent-
lich ist, bei weichet Stufe des Abstrahirens stehen geblie-
ben weide. Von Solchem redend, hat J a o o b i ganx Recht
SU behaupte« , dass es aller Realitfit entbehre , und dass,
wenn aOe Wissenschaft m solcher Erhenntniss bestände^
diese notkwendig bloss formalen Werth haben körnte , in-
dem sie statt der lebendigen Wirklichkeit nur mit den ver-
Uassten Gestalten der Abstraktion xu thun hat.
Aber eine and^e ist die absolute Allgemeinheit der
Idee, und ein anderes deren Verhallmss zur concreten
Wirklichkeit. Wie die lästere als eine unendlich wech-
sefaide, vergängliche, nichtige erscheint, nniss ihr ein
Daaemdes im Wechsel , ein imierlich gestaltendes
Princip als ewiges Gesetz zu Grunde liegen, welches
wiederum ein Al^gemmes sein wird, abet kein abstrakt-
unwirkliches, sondern ein solches, das als schlechthin
Wirkliches am Concreten sich bewährt. Und diess zn
erkennen ^ ist die eigentücbe Aukube der Philosophie, die
daher von der Einen Seite weder mit dem bloss Abstrak-
Im |Ztt thiü hwt, noch von der andern ledi^iek an der
concieten Wiriüidikeit haftet , sondern diejenige Aligemein-
heit zu erkennen hat, die als das eigentlich und bleibend
Wirkliche an allem Concreten sich erweist.
Hierauf nun Ifisst sich nicht mehr die J a c o b i sehe
Behauptung anwenden, dass diess Erkennen nihili^isch
sei, und die Form zur Sache mache; viehnehr bringt es
seiner PMemik. 319
das eigeiitliehe Wegen der Dinge KOin BewnsstteiB , dis,
was wahrhaft isl in ihrer endlos voruberfltessenden Br-
scheinung; und, indem es dadureh das Integrirende,
die innere Vollendung iOr alles Wissen ist, erfaill es eben
damit seine Nothwendigkeit und sein wesentliches VerfaälW
niss zu den andern, niedem Formen des Bewosstseins.
Wir machen diess deutlicher durch eine Vergleichung die.
ses Verhältnisses mit der Ja co bischen Theorie des
Brkennens.
Nach Unten galt diesem das unbegreiflidie Wunder
der Wahrnehmung einer Sinnenwelt, nach Oben das Jen»
seits eines geglaubten Uebersinntichen in unmittelbarer
VemunftanschauuQg« Die Frage, wie beide Welten sich so
einandw veriialten , ja wie sie nur neben einander ca
existireB vermögen, fiberging Jaeobi; und Indem er so
an der Grftnze awischen Philosophie und gewöhnliehem
Bewnsstsein stehen blieb , machte er dadurch eine Lösung
jeaes Problems durch eigentliche Philosophie um so nfr»
thigen Unter dieser verstehen wir jedoch nicht sowoU
eiaeinzebies ?on den Systemen, denen Jaeobi polendsck
gegenubertrat, als die gesammte, de» subjektiv idealistischen
Staadponkl überwindende Richtung der Spekulation, und
deren AHgemeinkonsequenz in Bezug auf den 6mndbe->
griff des Bewusstseins. Diese fasst gleich urspranglich das
' Wesen desselben auf eine tiefere Weise , als es von J a-
eobi zufolge seines ganzen Standpunktes gesehdien konnte,
oad entgeht dadureh schon Anfangs dem Widerspru oh e,
weleker bei Jaeobi unvermeidlich hervortritl, dass das
Eine Bewusstsein, nach Unten Sinnliches,
nach Oben Uebet sinnliches anschauend,
swei absolut g^etrennte Welten offenbaren
solL
Nach ihr ist zwischen Sein und Wissen in ihrem ür-
q»ninge und in ihrer Wirklichkeit keäie Trennung und kein
wahrhafter Gegensatz; und hierin kirne der Jacobisehe
»Ghadie« an die Realitit des Bewusstseins zu seiner B^
ititiganf , nur jedo<4 in d^m Sinne, dass der GtaiAe, das^
320 Charakter
UnmitteBMirß , als das Vermittelte des Begrifl^ g-erechtrerfigt
wird: kein Sein daher, welches nicht C^enigsfens seiner
Möglichkeit nach) ein gewusstes, dem Wissen zugilnglich
und durchdringbar wäre , ebenso kein Wissen , das nicht
darum schon reales wäre; denn, wirklich Bewusstsein
seiend > kann es nur der Wirklichkeit schlechthin b e^
w u s s t sein. Und hiermit meinen wir zuvörderst weder eine
bloss sinnliche, noch bloss übersinnliche Wirklichkeit, in-
dem es ursprünglich einen solchen Gegensatz gar nicht giebt,
sondern den in sich unheilbaren, gegensatzlosen Begriff
des reinen Seins oder der Wirklichkeit. — Femer wird
jedoch das Bewusstsein in seiner unmittelbaren Gegebenheit
auch nur sein können Wissen der Wirklichkeit in ihrer
unmittelbaren Gestait,*und als solches ist es Wahr-
nehmen des Einzelnen , Concreten , der unendlich wech-
selnden Mannichfaltigkeit der Dinge , der „sinnlichen Welt,^
die aber eben nur die Eine Wirklichkeit in der Form ih-
rer Unmittelbarkeit ist Ueber deren mit Zufälligkeit durch-
lebten Inhält erhebt sich das denkende Erkennen, in-
dem es, das Zufällige des Gegebenen durch Abstraktion
fallen lassend, den gemeingültigen „Begrifft (das Int>e-
greifende) einer Mannigfaltigkeit gleichartiger Erscheinun-
gen findet. In dem Begriffe derselben, in den allge-
meinen oder wesentlichen Bestimmungen, welche er um-
fasst, zugleich ihr Wesen erkannt zu haben, ist das
Denken unmittelbar gewiss. So hat das Wissen, indem
es denkendes wird, nicht mehr das bloss Sinnliche, Un-
mittelbarä, ZuflUige sich gegenüber; denn es hat darin
das Wesen , das Gesetz, das Nothwendige desselben ge-
funden. Das Wesen (der Begriff) ist solchergestalt ein
Vnsinnliches, aber Grund der einzelnen sinnlichen Erschei-
nungen, somit eine Realität, die doch nicht in das Jen-
seäs einer (leeren) übersinnlichen Welt hineinfallt.
Das Denken hat nur das unmittelbare Wissen ergänzt um
sein nothwendiges Complement, das Bewusstsein der Grunde
oder Wesenheiten des sinnlich Unmittelbaren. Es sind
dort, wie hier, nicht zwei entgegengesetzte Sphären der
seiner Polemik. 321
WirkOchkeR, dämm des Wissend, sondern Eine Welt^ die
Welt des Wiitiichen schlechthin; darum auch nur Ein von
der sinnlichen Unmittelbarkeit anhebendes , durch Denken
sich ergänzendes, und der eigentlichen Realitjit, des We«
sens , sich bemächtigendes Wissen *>
Wie Jacobi diesen ganzen Standpunkt angreifen
könne, versuchen wir noch anzudeuten, indem sich auck
hierdurch vomamlich Licht verbreiten möchte über sein
inneres Verhältniss zur Philosophie. — Die Nothwen«
digkeit, welche im Denken des Begriffes sich entwic-
kelt und seine einzelnen Theile nnd Merkmale unter sich
anir Einheit dieses Begriffes verknüpft, ist eine Ncvlhwen*
digkeit des Inhaltes, nicht bloss ausserlich durch die
Form des Gedachtwerdens ihm aufgedrungen ; dadurch ist
sie aber zugleich dasjenige, was dem Inhalte allein Wahr-
heit und Objektivität verleihen kann. Die Nothwendig-*
keit des Denkens ist nur das dem Gedachten,
dem Inhalte selbst innewohnende obje^ktir
AllgemeiRO» Diess VerhSltniss kann in allem DoBf*
ken, selbst in der Spekidation, Voraussetzung bleiben,
VDbeschadei der Wahrheit ihres Inhaltes : aber die Philo-
sophie, als vollendete Wissenschaft, hat selbstzu-
gleich den Beweis ihrer Möglichkeit und objektivea
Gültigkeit zu führen, d. h. sie muss erweisen, wie
und wodurch die Mothw^digkeit ihres Denkens zugleich
*) Man erkennt ohne Zweifel, dass diete snmniarisclie Cherak*
terisiik des Denkens nur anf weiter . ausgeführten NachweU
sangen einer Erkenntnisslehre beruht, auf die man sich hier
ebeto nur berufen kann.- Es ist nämlich allerdings Aufgabe
dieser Wissenschaft, aus der auf allen Stufen seiner Ent-
Wicklung ebenso objektiven, wie subjektiven Natur des Er*
kennens oder Wissens nacbeuweisen, dass der „Begriff*
nicht ein bloss subjektiv Erdachtet, eine formell logische
Allgemeiofaeit , sondern das im Denken gefundene Wesen seil
ein Beweis, welchen der Verf% nach dem Erscheinen dieser
Schrift nicht schuldig su bleiben bemuht gewesen ist.
Anm. cur iwei^en Ausgabe»
21
323 Charakter
obj ckti ve Bedeiiliing habe, wie sie nur sei das insBe-
wusslsein erhobene innere Wesen der Dinge selber. Ja*
cobi könnte, nach seinem ganzen Standpunkte,, diese wis-
senschaftliche Nothwendigkeit nur für einen subjektiven
Schein, und das philosophische Denken überhaupt iur eine
bloss subjektive Thfitigkeit, ohne objektiven Werth und
Bedeutung, erklaren. Denn nur insofern kann er auch be-
haupten, dass die eigentliche Wahrheit ifir die Philosophie
nolhwendig ein Jenseitiges bleibe, ja ans ihr, als Wis-
senschaft, und um ihres wissenschaftlichen Verfahrens willen,
herausfallen müsse. Und hatte er eben j^en Einwand nur
deutlich ausgesprochen und durch seine Grundpramisse von
der Unmittelbarkeit des wahrhaften Wissens motivirt ; so wäre
theils sein Verhditniss zur Philosophie weit ausgebildeter, kräf-
tiger, polemisch entscheidender hervorgetreten, theils wäre
es auch für die Bntwidcelung der Spekulation lehrreicher
geworden. Jenes skeptische Argument nämlich musste
ihm spgleich weit tiefer greifende Einwendungen gegen die
wissenschaftliche Philosophie eingeben, wodurch er ihr nidit
einmal verstatten durfte, formale Wissenschaft,
voHendetes Denksystem zu sein, indem die ihr zugestandene
sogenannte wissenschaftliche Denkstrenge doch nur ein
werthloser Formalismus, ein bedeutungsloser Schein äusser-
licher Konsequenz bleiben würde« Daher blieb die weil
durchgreifendere Frage übrig, woher dem DeakeR über-
haupt das Vermögen, wie das Recht kommen könne,
das Sein, die Objektivität in und durch den Gedanken
nachzu seh äffen? Jene Nothwendigkeit nämlich, die
den Process der denkenden Erzeugung begleitet, und die
Euch die Bewährung seines Gelingens ist, kann Eueh doch
nicht so ohne Beweis als ein im betrachteten Objekte selbst
Liegendes gelten; vielmehr müsst Ihr. gewärtig sein , sie
als ein bloss subjektives Spiel Eures eigenes Denkein-
bildens zu finden, das den Gegenstand selbst gar Nichts
angeht, das also in keinem Sinne ein Erkennen genannt
werden kann.
So hätte er die wissenschaftliche Philosophie unauf-
seiner Polemik. 323
hallsam zu dem Punkte faingedrSngt , varerst ihre eigene
objektive Möglidikeit und Gültigkeit durch eine einleitende
Erkenntnisswissenschaft zu begründen, wäre aber selbst
dabei auf die Untersuchung gewiesen worden , wie über-
haapi Bewussteein zum Seia^ Wissen zur Realität sich
verhalte; indem erst aus dieser allgemeinen Frage
Erörterung auch über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit
theoretischer Philosophie entschieden werden kann. Dann
wäre zugleich auch der Transscendentalismus E a n t's und der
WLsseaschaftsIehre ihm in einem höheren Sinne, und nach
ihrer eigentlich wissenschaftlichen Bedeutung erschienen^
indem gerade diese Systeme die Lösung jener Frage vor-*
bereitet und zur Entscheidung gebracht haben. Damit
wäre aber überhaupt der Standpunkt J a c o b i 's über sich
selbst hinausgerückt worden, indem er sowohl in polemi-
scher Hinsicht schärfer eingreifen, als seine eigenen posi*-
tiven Ueberzeugungen tiefer hätte begründen können.
So werden wir auch noch an der äussersten Gränze
der Jacobisehen Philosophie ohne volle Befriedig^ing
aber sie huiausgewiesen : vielmehr, indem seine Ansicht
in dem höchsten Zwiespalte des Geistes endet, entsteht
eben dadurch das dringendste Bedürfhiss, eine höhere £in«-
heit zu suchen y welche die bei ihm noch zurückgeblie-p
benen Gegensätze zu vereinigen im Stande ist. Wie aber
diese tiefere Versöhnung von den nachfolgenden ßyste-»
men vorbereitet worden und zu einem bestimmten Ab«
Schlüsse gelangt sei , wird sich aus dem weitern Yertaufe
ergeben.
Nachdem vrir die Hauptmomente der Philosophie J a-^
cobi^s im Einzelnen erwogen, scheintos erlaubt, endlich
ein zusammenfassendes Urtheil über ihn auszusprechen.
Früh schon von hoher Religiosität und tiefer S^nsucbt
nach dem UnendKchen entzündet, war es in ihm eigentlicti
die Stärke und Intensität dieses Selbstgefühls, in dem Be^
324 Endiirthctl über Jarobi.
wHssIsein eigener Bedingtheil und Schranke die Grund-
beziehung auf das Unbedingte stets in sich wach zu haben,
worin seine Genialität, die Eigenthümlichkeit seiner Bega-
bung zu suchen ist. Es war ein grosses, charakteristisches
Wort^ wenn er, bedrängt durch den idealistischen Versuch,
aus dem Ich, als dem höchsten Principe, über welches
kein endliche^ Bewusstsein hinausreicfac, alles Andere her-
zuleiten, und unvermögend, ihn zu widerlegen, ausrief:
Ich will nicht sein. Wenn Gott nicht ist! Aber
der Gott, den ich zu lieben vermag, der mich zu sich
einlasst zum innigsten Verkehre , der Freie , Persönliche,
Heilige I — Und doch ist er zugleich der Unendliche, Jen*
seitige. Verborgene; denn — ^jgehe ich straks
vor mich, so ist er nicht da; gehe ich zurück,
so spüre ich ihn nicht«'! Und selbst in Christus
wechselt das Gefühl der Gottesnähe mit dem der Gottes-
verlassenheit. (Von den göttlichen Dingen
Bd. IH. S. 428.) Somit kommt dieses Gottesgefühl , diese
Gemüthsinnigkeit, welche sich stets i n Gott zu fahlen ringt,
doch über das Gott nur Suchen nie hinaus ; den etwa
erlangten Frieden stört unaufhörlich die Reflexion auf jenen
unaufgelösten Widerspruch in der Idee Gottes , jenseitig,
unendlich, (dem endlichen Denken unerkennbar zu sein,
und doch^im Gefühle erreichbar und gegenwärtig sein zn
sollen.
So bedarf J a c o b i aus diesem intensiven Mittelpunkte
seiner Denkweise her der beständigen, ihren verborgenen
Zwiespalt beschwichtigenden Thätigkeit nach Aussen : es
wurde zur Neigung , sein Gefühl durch das verwandte in
Andern sich bestätigen zu lassen ; darin lag der eigentliche
Anziehungspunkt , welcher seine Gemeinschafl; mit andern
Geistern, lebenden oder abgeschiedenen, bedingte. Nicht das
Gesammte ihrer Denkweise oder ihres Systemes, sondern ein-
zelne Stellen, Sprüche, verwandte Anklänge zogen ihn an,
oder stiessen ihn ab. Denn das Geluhl, wie alles Unmit-
telbare, bedarf der Bestätigung oder Erwiederung von
Aussen, und muss sie auf^lucben, während der Wider^nich
Uduuinii. ^25
oder schon das Nicbteinversländniss es im IrmerstcD trifft
und verwundet. Diess allein erklärt genügend Jacobi*s
pulemisches Verhalten und seine Parteinahme für wie
gegen bestimmte Ansichten, die ein AusscUiessendes, Un-
versöhnliches , was an das Vorurtheil streift y kaum ver-
läiigrien können.
Der ihm verwandteste und doch ihn fiberragende m^
ler den Zeitgenossen, welcher diese Anziehungskraft übte,
war Hamann. Nur im Verhältnisse zu ihm kann J a c o b i
ganz verstanden werden ; denn er besass ganz, was bei
Jacobi nur in einem unvollkommenen Bruche gefunden
wurde, und er ist, wie Asmus, fast die einzige Geistes«-
gestalt auf jener Seite, welche, unter den zahlreichen Wech-
seln und geistigen Metamorphosen der damaligen Zeif, von
Anfang bis zu Ende sich treu geblieben sind. Aber auch
Hamann kann nur in seiner Zeit, und als Gegenge^
wicht für die damaligen Geistesrichtungen^ seine Bedeutung
erhalten , während uns Ifir die YITahrheit , welche er ver*
focht , jetzt wohl eine umfassendere Grundlage der Yer-
milüang gewonnen sein möchte
Auch dieser erwehrte sich, jener Unmittelbarkcil ver-
trauend, der Zeitphilosophie, sowohl der aufklärende»
Mendelssohn sehen Weisheit, wie der philosophisch
reOeklirenden Experimente mit der Wahrheit; aber es war
zugleich nicht die enge, schwer zu dcfinirende, auf die
Spitze gestellte Absonderlichkeit jenes J a e e b i sehen Gefühls :
sondern den ganzen Umfang und die Tiefe des chrisHichen
Glaubens hatte er in die Innigkeit und Lebendigkeit seiner
Gesinnung aufgenommen, die ihm nun auch die Welt völ-
lig verständlich, ja durchsichtig machte,, als die Gegenwart
desitt Natur, Geschichte, wie im Worte sich oSbn-
bärenden. Eins durch das Andiere auslegenden Gottes. Er
ruhte auf der grössten Brette eines gesicherten, überall
Gott-gewissen Dasdns^ und eines zwar summarischen, aber
vollgenügenden^ das Allertiefste, wie das Alleruiunittelbarste,
in sich vereinigenden Weltverslandnisses. Es waren die
beiden grossen Lehren von der gewissen , wirksamen Go«
326 HamloiiL
gcnwart Gottes, niid von seiner Menschwerdsng , wodurcb
ihm des Christenthums nichts Ausschliessendes und Abson-
derndes nach Dogma oder Kirchengemeinschaft bliebe son-
dern dem eigentlichen Leben und Erwachtseia
des Menschen gteich galt , und der Akt seiner geisti-
gen Befreiung wurde. Es ist bekannt, wie frei und
mit wie subjektiver Beweglidikeit er selbst das Bibelwort
behandelte, und auch von dieser Seite sich in keine Knecht-
schaft einliess.
Diese unreflektirte Unmittelbarkeit, die, nicht in sich
verlassen, überall Belehrung und Anknüpfungspunkte Üoden
konnte, veriieh ihm nun jene gediegene, sich selbst gleich-
bleibende Zuversicht, welche Jacobi nicht zu finden ver-
mochte, wie sehr er sie suchte und an seinem Freunde bewun-
derte. Diese gab ihm auch jene Schärfe des Blicks -^ eben
weil er in der Wahrheit stand und zwar in der voll-
standigen und ganzen, — mit welcher erden Man-
gel und die Unvollstdndigkeit, — das der Wirklichkeit Gottes
und des Menschen Unangemessene — in den Princi-
picn der damaligen Philosophie mit . treffender Rüge be-
zeichnete: an der Wolff sehen Metaphysft ihre Leere und
das erkünstelt Unwiiidiche ihrer Zusammenhänge, an
Mendelssohn die Selbsttäuschung seiner Demonstra-
tionsmethode, mit weldier er neu begründet zu haben
meint, was er en$t vorne hineingelegt hat; bei Kant das
unablässige unbefugte Trennen und Entgegensetzen
von Form und Gehalt, von Subjekt und Objekt, Sinnlich-
keit und Verstand, welche doch „die Natur verbunden
habe^, und welche iiur mit einander Wirklichkeit zuhaben
vermöchten: und an Jacobi, wie aus dem in des Letz*
tem Werken (Bd. IV. Abth. 3.) abgedruckten Briefwechsel
hervorgeht, die Zaghaftigkeit, sich weder aus dem Formel-
len und Abstrakten der (S p in osi sehen) Metaphysik (vgl.
oben S. 364. f.), noch aus dem Spröden seiner giänbigen
Unmittelbarkeit herausbegeben zu wollen, wiewohl bis zum
Jahre 1786 diess Alles noch eingehüllt in ihm lag und sich
Jiicht zu seiner spätem Unzulänglichkeit herausgebildet hatte.
Endurtheü über Jacobi. 327
tkm verdankt Jaoobi wesentlich das ChiindkrUeriiiiii
m, der Spekidation , welches er wahrend seiner ganzes
wissenschaftlichen Laufbahn polemisch gegen die einzelnen
Systeme ai^wendet hat: dassjede Philosophie^ sei sie auch
noch so geröstet mit Denkstrenge und scheinbarer Unwi-
derieglichkeit, nothwendig falsch sei, sobald sie widerspre-
che jener unmittelbaren Wahrheit, von welcher das Gemüth
uns Kunde giebt ; und Beide hatten Recht darin , indenii
stillschweigend oder mit ausdrucklichem Bawusstsein aus-
gesprochen, die Voraussetzung ^dabei war, dass das speku^
lative Erikennen nur bestätigen und liefer begrflnden können
was dem Bewusstsein das Urspnuigtiche und Grundgewisse
sei, aus den einfiftchen Gmnde, weil der Geist des Men-
schen «ich nicht widersprechen, seine Natur nicht in
einem disoluten Bruche endigen kann. Und so ist auch
tbatsächlich das Streben aller grossen Denker nicht minder
auf Versöhnung von Gemuth und Erkennen gerichtet ge-
wesen, als auf absolute Vollendung der Wissenschaft in
sich selbst ; nur haben sie je nach dem Princq>e , welches
ihnen in letzlerer Beziehung der wissenschaftliche Zusam-
menhang ihrer Zeit zu gewinnen gestattete, sich in j e n e r
Hinsicht dem unterwerfen müssen, wie weit es ihnen zu»
folge ihres Principes überhaupt gelingen konnte. Aber zu
schelten sind sie^ nicht darum, oder dieser Mangel zum Aa-
Uagepunkte gegen die Wissenschaft selbst zu machen,
wie von Jacobi geschehen ist; diese bedarf der Zwi-
schenstufen zu ihrer Reife, welcher sich die geistigen
Bedurhisse ihrer einzelnen Vertreter zuih Opfer bringen
müssen.
Ganz anders ¥rar eigentlich das V^ältniss Jac^obi's
zur Spekulation. Wie sehr er auch rathen mochte und be-
xeogen: „er selbst wisse kein anderes Mittel, als nur immer
rüstig fortzuphilosephirett«^ (vgl. oben S. 262.) ; so suchte er
doch die Wahiheit nicht erst zu erringen aus dem Kampfe
mit dem Zweifel, sondern- sich dieselbe nur bestätigen
za lassen durch die Spekulation, oder — sich von ihr ab-
MMreuden« So war es auch nicht das Interesse oder der
338 EBdarthea
Stachel «iner rein Iheorettsdien FVage, wie bei aUen ftgetA^
liehen Forschern, die ihn zur Untersnchung Irieb, — vei»-
halb er eich mit Recht ieinmal einen nur sufAlligen
Denker nannte : ^^ sondern die allgemein menscUiehen
Fragen, die Geheimnisse des Gemüthes, die
Tiefen des eigenenHerzens sind es, die ihn inleres-
siren in seinen Romanen, wie in seinen philosophischen Dar-
stellungen (vgl. ob. S. 172.> Anders der eigentlich Philoso-
phirende, der nur Gewissheit dnrch reines Erkennen gewin-
nen wiU, wess Inhalts diese auch sei, wenn nur unerschüi-
laiche Einheit des Denkens mit sich selbst ihre Ausbeute ist.
Diesen Gewinn vollendeter Klarheit und in sich sdbst
gegf^ndeter Sicherheit des Geistes hat nun J a c o b i , sei-
nem eigenen Gestandnisse nach , nie gdiostet ; er abe'
konnte es auch nicht , weil er nicht ohne Vorbehalt in
Einem Elemente des Geistes ganz zu leben beschloss« Und
in diesem Schwanken zwischen zwei Extremen , in dieser
Entzweiung zwischen Verstand und Herz , und der Ver-
zweiflung an jenem finden wir nun das Charakteristische
Jacobi*s, sein Recht, wie sein Unrecht. SetnRecht,
weil er eher der Wissenschaft entsagen wollte, ehe er die
heiligen Forderungen des Gemüthes sich kranken Hesse;
sein Uhrecht , weil er nicht unerschütterlidien Vertraoens
voll auf den Geist der Einen, Alles versöhnenden
Wahrheit, zugleich durch zeitliche, oft sogar von ihm miss-
deutete Versuche der Spekulation verleitet, ihr ganzes We-
sen hart venirtheilte, und nun selbst in ihrer umfassendem
historischen Entwicklung nicht mehr die sich voriierettende
Versöhnung erblicken konnte.
So ist seine Phflosophie — eigentlich können wir nur
sagen,' seine Ansicht, seine Denkart — lediglich die eines
subjektiven Zweifels, nicht der objektiven, zum Principe
ausgebildeten Skepsis, welche vielmehr, wie wir an H u m e
zu zeigen suchten, als einzelne Seite , als isolirter Moment
der positiven Spekulation anzusehen ist : — sie ist ein
subjektiver Uebcrgangsslandpunkt, wie er bei dem Zustande
der modernen Bildung fast unvermeidlich scheint^ und wie
fiberJacobL 329
er bei ao Vieles iidi wiederhoil hat, und noch wieder»
holen wird. Daher das UBSterbliche in ihm, auch R^ dte
gegenwärtige Zeit ; daher auch der grosse, immer wieder»
kehrende Anhang, wdchen Jacobi um sieh versam-
melt *) Denn überhaupt, wie Wenige auch der eigentlich
Wisseaschafiiichen möchten sich rühmen können, dass Ver-
stand und Gemülh in ihnen zu voller Uebereinstimmui^
gelangt seien , dass, was diess innerlich ersehnt, auch von
ihrem Verstände in klarer Einsicht besessen werde« Und
alle diese vertritt Jacobi als ihr höchster Reprfisentanl
and eigentlicher Sachwalter ; ein Umstand , der allein ihm
schon die höchste Bedeutung in der gegenwärtigen philo-
sophischen Epoche sichern mfi^stc : — er gleicht, in seiner
edeln Herzlichkeit, dun getreuen Eckart, der, war-«
nend vor den das Gemölh verödenden Richtungen der Zeit,
wieder zum vollen Gefühle des Geistes und seiner Bedürf-
nisse zurfickleitet ; und ein solcher wird uns noch geraume
Zeit hin nicht fehlen dürfen.
Dadurch bleibt jedoch iur Jacobi auch der spekula-
tive Werth seiner grossen fntdeckwg unverkümmert, dass
das Bewusstsein des Ewigen ein ursprüngliches, in
keinem Sinne erst Werk eines Schlusses oder einer ver-
mittelten BegriiTsreflexion sein könne* Durch ihn ist der
folgenreiche Satz : dass das Endliche nur an der A n e r-
kenntniss eines Ewigen zu diesem werde, dass daher
mit Existenz des Endlichen auch die des Ewigen milge-
setzt sei, wieder bewusstes Eigenthum der Spekulation ge-
worden , welche schon um desswillen nicht in subjektiv
idealistischer Selbstbeschränkung verharren kann. Was
somit Jacobi polemisch gegen alle spekulative Philosophie
richtete, hat er dennoch ausdrücklicher Weise 4n ihrem
Namen, und getrieben von ihrem Geiste, gethan : der wei-
*) Man vergleiche Kuhns Werk : „Jacobi und die Philo-
sophie seiner Zeit'« (Mainz, bei FL Kupferberg, 1834.)»
worin dieser Standpunkt mit GrQndiichkeit auseinandergesetzt
tind mit vollem Interesse vertreten wird.
330 findturtheil aber Jacobi.
tore Portgang der deutschen Philoaopbie hat diesen Gedan-
ken gerade von seiner spekulativen Seite ergriflren, und
in seine Entwicklung und Ausbreitung jbuui wissenschafUichen
Systeme den Inhalt und Werth der gegenwärtigen l^iekii-
lation gelegt Die verschiedenen Richtungen derselben
von hier aus, welche nur die verschiedenen Stadien jener
Entwicklung ausdrücken , hat besonders das dritte Buch
dieses Weikes darzulegen.
WEM. Die TennttCleF zwlMiieii ■Laut wmM
JaeobL
Der äussern Ordnang nach würde jetzt die Darstellitng
derjenigen philosophischen Systeme folgen, welche eine
Verbindung zwischen Kant und J a c o b i versachten. Er«
wigen wir aber , dass eine in*s Einzelne gehende Prfifting
derselben im Wesentlichen nur dasselbe enthalten könnte,
was bei jenen beiden Philosophen , besonders bei K a n t|
bereits erörtert wurde; so können wir uns hier fOg^idl
auf eine allgemeine Charakteristik beschränken , die den
philosophischen Inhalt jener FrQfung nur m kitrzen AndeiH-
tungen hier zur Anwendung bringt — An sich nämlich
scheint uns die Verschmelzung des Kantischen transscen«
dentalen Idealismus mit der unmittelbaren Vemunftansohau«
ung Jacob i*s, wie sie als Glaube und Ahnung sich
abstufen soll, bloss ein äusserlich synkretistisches Verein!«
gen zweier Standpunkte zu sein , deren inneres Wesen
vielmehr schlechthin sich aufhebt ; und wir sind überzeugt^
dass Kant, wenn er diese Versuche eriebt hätte, eben so
entschieden und mit dem gleichen Rechte eine solche Ergänz
zung seiner Philosophie abgelehnt haben würde, als Ja c o b i
seiner Seits stets eine Vereinigung mit einem Reflexions-
systeme von sich gewiesen, ja ausdräckiich behauptet hat.
333 Die Veriniltler
dass seine Lehre von der unmittelbaren Gcwis^heit
des Bewusstseins durch sich selbst, schlechthin unversöhn*
bar sei mit. jeder Ansicht, die erst durch reflekttrende Un-
tersuchung seine Realität begründen wolle.
Und treten wir jenen coalisirenden Philosophieen nä-
her, so gewahren wir auch faktisch alsbald, dass es io
ihnen nur zu einer äusserlichen Verbindung, keinesweges
zu einer organischen Wechseldurchdringung beider Stand-
punkte gekommen sei. Sie können, im Vergleiche mit dem
eigentlich spekulativen Resultate d^ Zeit, nur gefasst wer-
den als subjektive Strebungen und persönliche Aushülfen,
die idealistisdie Leere und den unbefriedigenden Subjekti-
vismus der Kan tischen und Fi cht eschen Theorie durch
irgend einen gemüthlichen Inhalt zu mildem und auszu-
gleichen; achtungswerth nach dem Maasse der darauf ge-
wendeten Geisteskraft und der Tiefe des Gemüthes, die
dabei sich geltend machten, aber für das Ganze der spe-
kulativen Wissenschaft ohne entscheidende und bleibende
Förderung. Daher auch in dem nicht kleinen Kreise die-
ser Philosophen und in ihren zahlreichen Schriften der un-
läugbare und ganz augenfällige Mangel aller eigentlich ori-
ginalen , sie von ihren Vorgangem , wie unter sich selbst
wirklich abscheidenden Ideen. Kant vor Allem, und Ja-
cobi sind ihre grossen Erblasser; und wie zahlreich und
eigenthümlich dann auch die Differenzen sein mögen, durch
die Jeder sich vom Andern unterscheidet, so sind sie \ iel-
mehr von der Art, dass ihre Uebereinstimmung in den
Grundvoraussetzungen und das Dahingestelltseinlassen der
allgemeinen Prämissen dabei gerade zu Tage kommt. Dass
ein jedes i^rkenntnissprincip, was überhaupt den Geist mit
Evidenz zu ergreifen vermag , in jedem einzelnen Geiste
sich individualisiren und zu einiger Differenz gestatten
werde, versteht sich ohnehin von selbst. — Der früheste
und selbst noch seinem Urspmnge eng verbundene Vorlau-
fer dieser Richtung, nach dem vorübergehenden Versuche
Reinholds, einen Zwischenstandpunkt zwischen Fichte
und Jacobi einzunehmeuj war der Realismus Joseph
zwischen Kant und Jacobi« 333
Rückerts^, welcher, der ersten Gestalt der Wissen^^
schaRslehre gegenüber, als die gleidie Aushälfe des un«
mitteftaren Bewusstseins sich bildete, und nicht ohne vor-
übergehende Einwirkung blieb. Es war die Hartnackigkeil
dieses Unmittelbaren, auf welche er sich hier berief, zu
welcher das allgemein menschliche Bewusstsein immer
wieder zurückkehre — wahrend doch Kant und nicht we-
niger Fichte in dem transscendentalen Idealis-^
mus selber als nothwendiges Moment den empirischen
Realismus nachgewiesen, die Thatsache des Letalem alsd
vollkommen erklärt hatten; wahrend doch Fichte selbst
in Bezug auf die übersinnliche Welt — Jacobi gegen-
über — es ausgesprochen hatte : „dass seine Philosophie ihr
Wesen ebenso im Nichtwissen habe, wie die Jaoo bische,^
dass sie „keine Religion in den Menschen hineinräsonnireri
wolle,«' dass sie, über jenes Grandbewusstsein hinauszuge*
hen, philosophisch keine Befugniss habe (Fichte 's Le-
ben und litter. Briefwechsel IL S. 305. 306.). So war ei
hier nur die aus jener Philosophie selbst aufgenonimenff
Entgegenhaltung des nichtphilosophischen Standpunktes mit
dem philosophischen; der nächste Schritt konnte nur der
Versuch sein, in der Vernunft selbst die Nothwendigkeit
nachzuweisen, die negativen Resultate der Spekulation durch
die Aussagen des unmittelbaren Bewusstseinis erginzen und
berichtigen zu dürfen. Und so treten die psychologischen
und anthropologischen Theorieen, dfe „zergliederndea^ For-«
schungen über die „menschliche Vernunft^ ausschliessend
an die SteHe der Spekulation und einer im eigentliciMii
Sinne nicht mehr möglichen Metaphysik.
Als der Ausgezeichnetste, Wirksamste und Vielseitigste
in dieser Richtung ist ohne Zweifel J. Fr. Fries zu be-
zeichnen: ein Geist von grossem Scharfsinne, leichter und
behender Produktionskraft, und mit nicht gewöhnlicher Fa-
^BerRpaiismus, oder Grundzuge su einer durch,
ans p raktjtch eil Phi lof o pii i f; , van Joseph
Rackert. Leipzig 1801.
334 J. Fr. Fries.
higkeity wie Uebmig begabt, durch scharfe Belbstbeobach-i
tung das Yerwtckette der Uebergaoge des Bewusstsräis
abzuscheiden und su besteichnen; — zugleich aber em
sittlich und religiös auf das Edelste ausgebildetes GemiUt
Ueberhaupt hat er sieh in seiner langen SchriftsteHerlauf-
bahn als ein folgerechter, überzeugter, ungeirrt sich treu
bleibaider philosophischer Charakter bewährt, und es ge-
hört zur BBrt)arei unserer äussern litterarischen Zustande,
wenn er nicht schon desshalb längst eines unantastbaren
Veteranenrufes unter Gegnern wie Freunden geniessl. —
Vor Allem im Eüiischen, — zumal da die wissenschaftUcbe
Behandlung dieser Gegenstände jetzt in den Hintergmnd
gedrängt zu werden anßngt, — kann man sich seiner Lei-
tung mit Vertrauen fiberlassen, und hierbei, wie in- den
Darlegungen seiner religiösen Weltansicht*), erhebt sich
seine Daretellung nicht selten zu einem Adel, und einer uber-
seugungsvoHen Eindringlichkeit, welche ihn den Besten uii-
aerer didaktischen Schriftsteller anreihen. In diesem*Sinne
wiollen wir auch seines Romanos : Julius und Evago-
ras oder die Sehönheit der Seele (Heidelb. 1822«
S Thle.) auf das Anerkennendste gedenken.
Ueberhaupt erscheint seine Weltansicht in dem Zo-
sammenhange mit seinen philosophischen Voifängem, bei
4er Udiiermacht der Kan tischen Reflexionsweise einer-
wd der vordringenden idealistischen Spekulation anderer«
seits, in ihrem subj ektiven Entstehung^runde betracb-
lel ,. als höchst berechtigt und ein fast unvermeidliches
nächstes Auskimftsmittel , um sich sejbi^ und einem Theile
des philosophirenden Zeitalters die höchsten Güter der
Wahrheft auf unmittelbare Weise zu sichern. Die fortruk--
*} Friecy Handbuch de r praktischen Philosophie
oiier der philosophischen Zweck'lehre. Erster
Theil: Etiiik oder die Lehren der Lebensweisheit. Zwei-
ter T h e i 1 : Religionsphiiosophie oder die Weltzweck lehre.
Heidelberg 1818. 1832. Dazu noch die populäre Schrift: die
Lehren der Liebe, des Glaubens und der Hoff-
b4ing. Heidelberg Ib23,
J« Fr. Fries. 335
kmide Geschichte der PhQosophie ^ je weiter sie sich vom
SchanpUtze des KsimfSes entfernt, wird immer anerkennen«
der auch von den Männern reden ^ wdche zwischen die
grossen Epochen treten. Sollte man Aberhaupt so ver«f
scimifihend und ausschUessend seU^st gegen die S u r r o«
gate einer hohem Lösung und Einigung sich verhalten
dürfen, welche doch allein es möglich machen, die sonst
verödeten Mittelznstande zu ertragen? Uns erscheint es kein
klemes Verdienst von Fries, dem pantheistiscben Lrrsid
gegenöber die religiösen Interessen der Spekulation gerettet
und im Andenken hewahrt zu haben; wir halten es um
so gerechter, ihn und ähnlich wirkende Männer schützend
so vertreten, als Leute, die k e i n selbststandiges Verdienst
haben, um die Wette sich ikberbieten, nach hergebrachten
ParteiiAerliefetungen sie mit den Minendrten FMdikaten
zn iberschätten«
lieber den Inhalt seiner Hiilosophie darf unser Bericht
tnrz sein, ohne gerade furchten isn mfissen, einen wesent-
fichen, in diesem Zusammenhange nöthfgen Gedanken zo
überspringen. Es kommt hier nicht auf das Einzelne der
Bestimmungen an, sondern welche neue Gestalt die grossen
Fragen, die Kant und Jacobi hatten stehen lassen, in
seinem Systeme angenommen haben« «— Sein Verhältniss
zu Erster^n, von weldiem er stets nnt bewundernder Ver-
ehrung andTtene, als von seinem grossen Lehrer,
spricht, bezeichnet er nach folgenden Punkten*}«
*) !• dar Vorrede s«r aweileii Anflifs Miner n^vca K.ri-
tlk der Vernaaft (Bd. I. S. XI^XIX) und ia der Ei n-
iei ioBg (Bd. I. S. 28- f- S. 49* ff- u« s» w«)* In HiiiUBiirUcher
Klarheit und Kurs« giebt des Gbvakter «ein«! 'Systems » im
Verhältiiiss su seinen Vorgängern ,Kanty Harne, Lockte
und die'6obQttasci»ePliHQSO|iihie dß9, conmon sease^ ein Aafsatz
IM: über die A ttfgabe e iner enthropologlschen
Rritik der Veirnunft (im Anfeange sn seinen polemi*
sehen Schrifte«^ Halle 1824. Bd.1. S. 333--59. 2te Ausg.).
Wir heben daraus, sogleich hervor , dass er K.a a t tadelt
336 Sein VorhüKntss zu Kunf.
Kant 8 grosse und eigentlich entschddeilde Entdek-
kong besttnd darin , den Ursprung and Umkreis aller un-
serer Gewissheit nur im Subjekte zu finden, und nach-
euweisen, dass dies nie über sich hinausgehen
könne. -^ Dies ist der Cärdinalpunkt der Frie&ischeii
Philosophie, welcher daher äberaU ausführlich nnd nach-
dnicksvoU in's Lieht gesetat wird. Das Subjekt kann sidi
iinnier nur mit. sich säbst vergleichen, kann nur untersn-
iehen, ob seine Vorstellungen, nach ihrem VerschiedeneB
psychologischen Ursprünge, unter einander- in UUyereinatim-
mung oder Nichtübereinstimmung sind, keinesweges jedodi,
ob mit'etiiras Anderm ausser ihm. In jenem besteht
die Wahrheit und Gewissheit , ' aus diesem ^ntstdlit Irrthuat
und ZweifeL Wie wir nämlich mit einem Gegenstande aus-
ser uns: in Berflhrimg komnien, Von. ihm aflicirt werden^
darauf wirken können, ist uns nicht möglich ssu erkennen.
i:
(S. 335}» wegen de« spekulativen Gebranchs der Ideen, weil
ihnen angeblich ein t ransscendental er Ursprung
SU komme, Untersuchungen angestellt zu haben, wenn dieso
* auch nur> auf die Nächweisung hinauskommen, dass sie
f.. Trugschlüsse erseug'en. Also das eigentKek speku-
t' ] lative oder metaphysische Element tadelt er, ab eine
der Kritik fremde, ihren Geist mit sich In Widersprach sei*
zende B^eimischung, von welcher sie völlig gereinigt zu ha-
ben, sein Verdienst sei. Dies ist es, was die späteren Schu-
len mit ihm in einen unversöhnlichen Zwiespalt gebracht hat;
denn hiermit ist sogleich die diametral entgegengesetzte Eich-
tnng beieichnet, welche ihn von allem eigentlich Speknla-
' t i 9 e n , MTransscendenlalen«* , abscheidet. Diese Reiaigang
iFon allem Spekolntiven , überhaupt von alleB das Objektive
betreffenden, über die psycho1ogisch-antbrc»pologiache SelbsU
beobachtung hinausgehenden Untersuchungen, k.it er in allen
Theilen der sonstigen Philosophie vollständig durchgesetzt,
und in der That ist er in dieser Weise mit der Pbilofophte
KU Ende gekommen: sein System ist wirklich vollendet und
ohne fortbildende Zukunft; denn es hat allen Impuls weite-
rer Untersuchungen über das Obiektive mit der Wunel aus-
gerottet«
Sein Vorhnhfitftg tu Kunt. .H37
/
Die Bikenntniss ist schlechlhiR nur auf ihr Inneres isolirt,
ist na r Selbsterkennktiss.
Dt ist es nm schon ein Fehler Kants — (welchen
Fries nnr seinem noch nicht völlig uberwnndenen meta-
physiciren wollenden Yonirtheile zu schreiben könnte) —
dass er die objektive Gültigkeit der anschaulichen
(Sinnen-^) Erkenntnisse durdi Anwendung des Causalver«
hütaisses zu rechtfertigen suchte, indem ein affioi-
render Gegenstand, als Ursache der Anschau-^
ang, diese objektive Gültigkeit derselben hervorbringen
solle (vgl. ,,über dieAufg. einer anthrop. Kritik«*
s. a. O. S. 336. 40.> Das Wahre sei, wie es Kant so«»
gleich selber verbessernd nachgetragen, stehen zu bleiben
bei der für unser Bewusstsein thatsdchlichen Wirk-*^
lichkeit einer aoldien anschauenden Erkenntniss und bei
der ebenso wirklichen Annahme von der objektiven
Gültigkeit«
Ein anderer, noch weiter durchgreifender Mangel an
Kant besteht darin: dass er die Kritik der menschlichen
Geistesthfttigkeiten nur bruchstückweise gegeben habe, w9b«
read es vielmehr die Aufgabe sei, dieselben vollständig und
in dem Znsamaienhange einer fortlaufenden Untersuchung
darzustell^i , wobei das psychologische und logische Mo-*
meat , als Fnndament des Ganzen , zu berücksichKgen ist»
Fries bezeichnet, wie man sieht, dieselbe Aufgabe, wel**
che Fichte bei seinem Hervortreten sich stellte, die drei
VernunRkritiken Kants, mit ihren drei von einander un-«
abhängig gebissenen Absoluten*), unter das Eine Absolu«
tom des Bewusstseins zu bringen: bei diesem wurde je^
doch, wie bei Kant, diese Aufgabe in metaphysischem
Sinne gedacht, bei Fries in psychologischem. Wie
bei Kant, sagen wir ausdrücklich: denn wie derselbe in
seiner Kritik der reinen Vernunft es ausspricht^
*) YgL Ficbte't WiMeoichafblftbre aiMdan Jabre fa04, in den
nachgolaasenen Werksn nd.il. S.96. 102— lOö.
22
338 Sein Verhaltniss zu Kant.
dMB Sinnlichkeit nnd Verstand in einer geifieinsehafHirhen^
aber unbekannten Wurzel ihren Grund haben mässen; wie
er in der tiefbedentungsvollen Einleitung* zu seiner Kritik
der Urtheilskraft (S. XIX. XX. 2te. Aufl.) bemerkt,
dass, obwohl zwischen dem Gebiete des NaturbegrifTs , als
dem Sinnlichen, und dem Gebiete des FreiheitsbegriIRss,
als dem Uebersinnlichen, (faktisch) eine unüber-
steigliche Kluft befestigt sei, man dennoch „em^i
Grund der Einheit des Uebersinnlichen , welches
der Natur zu Grunde liegt, mit dem, was der Frei-
heitsbegriiT praktisch enthäl^S anzunehmen habe: so
kann damit nicht gemeint sein jene Verbindung eines psy^
ehologisch (hatsächlichen Nebeneinander, sondern die „über-
sinnliche^, in der Seele, als dem „Dinge an sich«, ruhende
Einheit , und der ebenso übersinnliche , mit dem Urgründe
der Welt zusammenfiallende^ Grund der Harmonie zwische«
Natur und Freiheit. Diese, wie wir gezeigt haben, in der
K a n t i sehen Philosophie stets ebenso sehr gesetzte , als
doch verleugnete Beziehung auf die Idee des Absoluten,
und auch das Seelending ,,an sich% entschwindet für Frie s
vöOig« Dadurch macht er jedoch, wenn wir auch nur aaf
den öusserlichsten Buchstaben der K a n t i sehen Kritik bin-
blicken, und etwa aus der ersten Vemunfikridk an seine
Lehre von dem regulativen Gebrauche der Vemunftideen
in der Erfahrung, oder an die noch positiveren Ausfilhnin-
gen in der Kritik der Urtheilskraft (s. ob. 8. iI30— 33.) uns
erinnern , die K a n t i sehe Theorie selber zu einer völlig
andern. Die ganze Architektonik des theoretischen Ver-
mögens f wie der Urtheilskraft , kann ihm nicht zu Stande
kommen, ohne diesen steten Transscendentalismus
der Vernunft, diese Grundbeziehung auf das immer ge-
suchte und gewusste , wie faktisch doch nie erreichte Ab-
sotate, kurz ohne das Janusgesicht eines auf das Endliche
und Ewige zugleich gerichteten Doppelblickes der Ver-
nunft anzuerkennen.
Wenn nun Fries das Verdienst zugestanden werden
ffluss, jenem Kampfe und jener Spannung des Bewusstseiils
Sein Verhülltes zu Kant 339^
— wir dferfen sogleich ragen, der Spannkraft i m Erkennen
und jedem Reize desselben — das Garaus gemacht , und
was Kant als das wahriiaft Apriorische , als das Abeei-
chen einer hohem Welt im Bewnsstsein, mit ahnungsvoller
Ehriiircht auszeichnete, zu einer psychologischen Thatsa-*
che in Eine Reihe mit den andern herabgezogen zu ha-
ben; so könnte diess Verdienst— auch in Kan(s Augen
-- nur dem gleich gelten, seine Yemunftkritik nicht nnr
aus dem Grunde verfindert, sondern ihrer grossen und cha-
rakteristischen Entdeckung beraubt zu haben. Wir weN-
den sehen, was Fries an die Stelle derselben zu seteen
gedenkt.
Damit hängt auf das Engste ein anderes ^^Vorur-
theil« Kants zusammen (N.Kritik d. V. Bd. I. S. 28. ff.):
dass er nämlich den psychologischen, oder besser, den an-
thropologischen Charakter dessen^ was er transscendentale
Brkenntniss nennt, übersehen habe, und sie so ßr eine Art
Yon Brkenntoiss aprtort, und zwar von philosophischer, hal-
ten mfisse, wodurch unter Anderm auch der imgeheuere
Missgriff entstehe, die innere Wahrnehmung selbst zn einer
Brkenntniss apriori zu machen, was einen absurden Idea-
Üsmus erzeugen müsse, nach welchem das Ich nicht nur
Schöpfer seiner Welt, sondern sogar seiner selbst werden
würde.
Sehe man genauer hin , so finde man freilieh , dass
lant mit seiner transsc^ndentalen Erkenntniss eigentlich
die psydiologische Erkenntniss meine , dnreh die wir ein-
sehen, welche Erkenntnisse apriori unsere
Vernunft besitzt, und wie diese in ihr ent-
springen. — Diese Einsicht sei die transscendentale,
nnd darin unterscheide sich eben die (K a n t i sehe und
seine eigene) Yemunftkritik von der Philosophie selbst,
dass jene die transscendentale Erkenntniss enthält (die
bezeichnete Einsicht erzeugt), während dieser die logische
nnd metaphysische Erkenntniss gehört. — Bicss Auf-
finden der gegebenen ursprünglichen Ueberzeu-
tfungen in dem Bewusstsein durch Selbstbeobachtung
340 Angcmeiner Charakler seiner Philosophie
vnd Reflexion macht Fries nun zur Au%abe einer Kritik
der Vernimft, und diese Nachweisung nennt er, nack einen
Kant zu Liebe beibehaltneu, wiewohl zugeständlidi nicht
völlig bezeichnenden Ausdrucke , philosophische ,^ e d u k-
t i o n. <<
Dazu gesellt sich sogleich der andere sehr charakteristi-
sdie Vorwurf gegen Kant, dass er die Gültigkeit des Glau-
bens an Gott und Unsterblichkeit aus praktischen Poslulaten
zu erweisen versucht habe, statt den religiösen Glauben
in den unmittelbaren Vorstellungsweisen und Ueberzeugun*
gen, wie sie in der Vernunft gegeben sind,
nachzuweisen und dadurch zu begründen.
Hieraus ergiebt sich, dass alle philosophischen Auf-
gaben nur auf anthropologischem Wege, durch psycho-
logische Selbstbeobachtung zu lösen sind, welche uns
die Einsicht in das Dasein und den Zusammenhang der
apriorischen Grundsätze der Vernunft ver-
schafft
Um diese zu finden, ist jedoch das unmittelbare
Wissen von dem mittelbaren überall sorgfältig zu wter-
scheiden. Das letztere setzt durchaus das erste voraus
und ruhet auf ihm; über diess jedoch kann nicht hinaus-
geschritten werden ; denn es ist ewig unmöglich, den Ge-
genstand selbst mit der Erkenntniss ^u vergleichen. Die
Wahrheit kann daher nicht bestehen in der Ueberein-
Stimmung der Erkenntnis mit dem Gegenstande, sondern
allein in der Uebereinstimmung der mittelbaren
Erkenntniss mit der unmittelbaren, und in Be-
zug auf die letztere kann ihre Wahrheit nur bestehen in
ihrem ursprünglichen Dasein im Gemüthe (Kri-
tik d. V. Bd. I. „ Theorie der Reflexion oder des Den-
kens« , $. 51. «Verstand und Vernunft«, S. 238. ff. $. 78. 80.
S* 82. S. 86. a.s.w. System der Logik, 2te Ausg.
1819. S.563. S. 675— 600.>
Erst im mittelbaren Wissen entsteht daher der Irr-
t h tt m : jedes erweislich unmittelbare VVissen bat dagegrn
schon an sich selbst und in völlig gieichem Maasse auf
und «euie» IdeaUsmus. 341
Wahrheit Anspruch. Irrthiim ist nur eine millelbiire
firkenntniss weise, welche der Verstand , in willkührlicher
Thatigkeir, nicht richtig auf das unmittelbar Gewisse bezo«
gan hat. Der ganze Streit um Wahrheit und Gültigkeit
lüssk daher das innere Wesen der Vemuqfl ganz un-
berührt.
Dadurch gewinnen wir einen idealistischen
Standpunkt für die Philosophie, der es uns möglich
macht, über alle Wahrheit ein entscheidendes Urtheil zu
fallen, ohne aus den Schranken unsers Wesens
in das Objekt überzuspringen. Es wird nicht be-*
bliesen, dass z. B. jede Substanz beharrlich sei ; sondern man«
weist nur nach, dass dieser Grundsatz der Beharrlichkeit
der Substanz in jeder endlichen Vernunft liegte Ich
beweise nicht , dass ein Gott sei ; ich weise nur nach,
dass jede endliche Vernunft einen Gott glaubt.
•-* So weit über das Charakteristische dieses ganz nur
empirischen Idealismus.
Die unmittelbaren Erkenntnisse zerfallen aber selbst
in zwei Hauptgattungen; daher auch die sie betreffende
Begründung eine zwiefache sein muss. Entweder sie
sind solcher Art, dass wir uns ihrer unmittelbar be-^-
wusst werden. Es sind die Anschauungen. Eine
Wahrheit oder ein Urtheil , welches auf diese. Weise be-
gründet wird, tragt eben auch diesen unmittelbaren Cha-«
rakter der Gewissheit: es ist unmittelbares oder vermittel-
tes Wissen* Diese Begründungsweise kann Dem on-»
stration genannt werden, deren wir uns in allen Erfah-«-
ningswissenschaften, aber auch in der Mathematik bedienen,
wo wir uns auf das berufen, was in der reinen An-
schauung liegt. Für alle solche Wahrheiten bedarf es
aber eigentlich dieser Reflexion Fund vermittelten Begrün«
düng gar nicht ; diese wiederholt uns eigentKeh nur , was
wir schon wissen , und wovon wir uns ebenso' bewussl
&ind, dass wir es wissen. —
Oder die unmittelbaren Erkenntnisse sind mit. den
besQjidero Eriienntnissen unseres Verstandes so verflochten
342 AUgemelner Charakter seiner PhOosophle.
und verwickelt) dass sie, um in uns tarn (aosdiilcklichen)
Bewusstsein zu kommen, schlechterdings der Reflexion
bedürfen. Die Urtheile und .Wahrheiten demnach, in denen
iprir sie auf das Mannigraltigste anwenden , können ihre
Begrändung (philosophische Rechtfertigung) nur da-
durch erhalten, dass wir durch psychologische Reflexion
nachweisen, auf welchen unmittelbaren, aber zugleich
schlechthin allgemeinen Vemunfterkenntnissen sie beruhen«
Diese letzte Begröndangsweise ist nun die philosophische
Deduktion, welche nur Aufgabe der Psychologie seui
und in der Rückführung aller abgeleiteten Vemunflwahr-
heiten auf gewisse ursprüngliche Thatsachen des Bewusst-
»eins bestehen kann.
Alle Erkenntnisse, wodurch wir uns ewiger Gesetze
für die Natur, lur die Freiheit , und für die unwandelbare
Ordnung der Dinge bewusst werden, oder die philoso-
phischen, beruhen nun auf einer Unmittelbarkeit der
letztem Art. Die philosophischen Grundsätze, als solche,
können schlechthin .nur durch Reflexion gefunden wer-
den; diese vollzieht ihre Deduktion, in welcher gezeigt
wird, dass sie in der Unmittelbarkeit unserer
Vernunft ursprünglich gegr ündet sind ; d.h.
sie machen nicht weiter zu erklärende Grundthatsa-
eben aus,J)ei deren unmittelbarer Anerkenntniss man ste-
hen bleiben, daran sich beruhigen muss.
So kann die Philosophie die Wahrheit ihrer Sätze ur-
qMrunglioh nur auf das innerlich Beobachtete stützen : damit
ueiAl sie jedoch nicht einen Beweis derselben zu liefern
in gewöhnlichem Sinne ; diess würde sie vielmehr zu bloss
empirischen d. h. vermittelten Urtheilserkrantnissen
kerabsetscn ; — sondern ihre philosophische Deduktion
besteht tragekehrt darin, sie als an sich un erweisliche,
unserer Vernunft ursprüng^ch innewohnende Grundannah-
men zu bewähren«
Diese philosophischen Grundsätze nun^ deren Eigen-
IhümKchkeit darin besteht, nur durch Reflexion und darauf
gegründete Deduktion zu unserm Bewusstsein zu kommen,
Uebersicht seines Syf»i«iiis. 343
rallen der Hetapkysik eu, während „die Kritik der
Yernunft^^ das ganze Gebiet des BeMrusstseins zu durcli*
messen und alle seine Theile zum Ganzen zu verbinden
lial. — Jene sind doppelter Art: Theils bestehen sie in
den Principien, durdi deren Anwendung unsere Anschauung
geo, Wahrnehmungen und empirischen Erkenntnisse einen
nothwendigen Zusammenhang erhalten: es sind die Prin-
cipien der Erfahrung und Naturerkenntniss
überhaupt. Indem jedoch Begriff im engem Sinne^ .oder
Verstandesbegriff dasjenige bedeutet, was seine An-
wendung im Sinnlichen und Anschaulichen findet, äo sind
die philosophischen Principien der ersten Art Terstan-
desbegriffe: Fries begreift darunter die Kanti-
schen Kategorieen und die aus ihnen hervorgehenden Er-
kenntnissprincipien.
Theils gehen sie über dfe Schranken unserer sinnli-
chen und Yerstandeserkenntniss hinaus, und gehören, ohne
in ein unmittelbares Verhaltniss zur Sinnenwelt zu
treten, rein der Vernunft an. Was aber solchergestalt
nur aus der Vernunft entspringt, heisst Idee; daher sind
die philosophischen Principien der letztem Art die Ideen:
der Inhalt jener bildet die niedere, der Inhalt dieser die
höhere Metaphysik.
Aus diesem Gegensatze zwischen Verstandesbegriffen
und Vemunftideen , aus der Erkenntnissweise der Weh
entweder bloss nach den Kategorieen oder nach einer hö-
hera Werthgebung, entspringt der Gegensatz zwischen 'der
natürlichen und der idealen Ansicht der Dinge,
welchen Fries zu der eigenthümlichen Lehre von der
Abstufung des Wissens, Glaubens und Ahnens ausgespon-*-
nea hat. Die Begründung und Darlegung der letztem faHt
ausschliesslich der höhern Heiaphysik zu.
Diese macht geltend zuvörderst den Gegensatz der
Freiheit des Geistes gegen die Nothwendigkeit
der Natur, sodann die Idee des Ewigen dem Endli-
chen gegenüber. Hieraus entspringt eine Ansicht, Wjelche
ailein erst unsere apriorischen Vorstelinngen von der
344 Debersicbi seines Systems.
Seele, von der Welt nnd der Gottheit ideeU sa
Tollenden vermag. Diese dient daher zwei andern Sy-
stemen zur Grundlage, durch welche jene Ideen selbst erst
eine positive Bedeutung für die Natur und das
Wirkliche erhalten können. Es sind diess die Ethik und
die philosophische Religionslehre. — Jene ist prak-
tische Naturlehre: Lehre vom Werth und Zweck
menschlicher Handlungen, oder von der Lebensweisheit.
Unsere Vernunft ordnet die zufälligen Antriebe des Wol-
lens , zufolge absoluter Selbstbestimmung , einem u n b e -
dingten Sollen unter : diese Idee der sittlichen Wil-
lensfreiheit erhebt uns über die Natur, und verleiht unserm
Willen, wie den davon abhängigen Dingen erst den wah-
ren , absoluten Werth; sie bestimmt zugleich die gegen-
seitige Gemeinschaft des Menschen , indem diese eine rein
intelligibele , über die Natur und die bloss physische Ord-
nung des Menschen und der Dinge erhabene Weltordnung
realisiren sollen. . Die Ethik ist daher die Wissenschaft
einer allgemeinen Gesetzgebung des Werthes der Dinge
iur frei handelnde Wesen : subjektive Teleologie ;
Lehre von den Zwecken menschlicher Handlungen.
Die Religio nslehre ist praktische Ideenlehre:
Lehre vom Zwecke der W e 1 1 , objektive Teleologie,
Lehre von den Ideen des Weltzweckes. An diese jedoch
können vnr nur glauben, als an das wahre Wesen der
Dinge, und in der Schönheit und Zweckmassigkeit der er-
scheinenden Natur dasselbe ahnen.
Somit zerfallt diese Weltzwecklehre ihrerseits in Glau-
benslehre, und in philosophische Aesthetik,
welche sich mit einer der Ahnung gehörenden ästhetischen
Weltansicht unter den Gesetzen des Schönen und Erhabe-
nen beschäftigt Sie bildet daher nach Fries in der en-
cyklopädischen Gliederung der Philosophie den Schluss der-
selben; so wie, um noch einmal zurückzublicken, die Kri^
lik der Vernunft die Bncyklopädie des Ganzen umfasst, die
Logik aber sich mit den Gesetzen der allgemeinen Denk-
barküit der Dinge beschaflligt, wie sib der seine Gedanken
■
Uebersichl seines Systems. ä45
wiederfcolendeii Reflexion des Verstandes gfehdren, und die
philosophische Physili oder Nftturphitosophie end«>
lieh den n i e d e r n Theil der Metaphysik ausmacht und die
Lehre vom Wissen und von d^ Erscheinung der
Dinge bildet, welcher sich, wie schon angedeutet, die hö-
h e r e Metaphysik oder Ideenlehre, als die. Lehre vom
Glauben an das wahre Wesen der Dinge, ergänzend
gegenüberstelll *).
Uns interessirt hierbei vorzugsweise die Art , wie
Fries jene Stufenfolge von Wissen, Glauben und Aknen
zu Stande bringt, und die Grunde, wodurch er ihr Verhalt-»
niss, des erstem, als nur die Erscheinung der Dinge,
der letztem, als das wahre Wesen derselben Vermittetst
der Ideen zum Bewusstsein bringend, zu rechtfertigen stek
getraut« Hiermit lenkt er nämlich zugleich von Kant und
seinem Principe völlig ab, und wendet sich Jacobi zn
in einer Weise, von der wir in unsem frühem kritischen
Darstellungen behaupteten, dass sie nur die einer äusserli*
eben Coalition, keine wahre Vcnuittlung sei, welche auek
durch blosses Zusammenfassen beider Standpunläe dbcri-
haupt nicht zu Stande kommen könne, indem, nach Ja<»
cobi's eigenem Ausdrucke, seine Philosophie ganz nnveiw
trägiich sei mit jeder reflektirend idealistischen Theorie,
*) Vgl. N« Kritik derVernunft IL Bd. {• 86. 87. S. 7-8.
S. 13—15. System der Metaphysik im Grund,
risse 18124. $. 10—12. Ethik oder die Lehren der
Lebensweisheit: $.5. S. 12 — 15. R el igio n sp hi-
loiophie und philosophische Aesthetik. J. 2.
3. S. 2-5. $. 42. 43. S. 159-62. VgL S. 164. 65. $. 47.
S. 171. U.S.W« — System der Logik 2te AuS. 1819.
S« 4- 5. Vgl. S. 451. 53.» wo sich eine merkwürdige Erkläruag
über die Schwierigkeit findet , um aus dem Sprachgebrauche
den Unterschied zwischen Wissen, Glauben und Ahnen zu er-'
läutern und festzuhalten. — Von der mathematischen
Natnrpfailosophie/Heidelb. 1822., giebt Rosenirau'i
einen AuKzug in seiuer Gesch. der Katttisohen Phi-
losophie, 1840., S. 431-35).
346 'seine Theorie
Man hat Wideripruch gegen uns eingelegt ; dtnnm lassen wir
«och einmal diesen Thell der Fries i schon Theorie an uns
vorübergehen. Wir beziehen uns hierbei auf den Abschnitt
in seiner Kritik der Vernunft (Bd. IL S. 169— 293.
Ste Au^.), welcitö die Deduktion der Principien
für die Lehre von den Ideen entbalt. Mit dieser
verhalt es sich foigendergestalt:
In unserer Vernunft liegt Einheit und Nothwen-
dtgkeit ihrer Erkenntniss, als ihr erstes Gesetz ; aber die
Anforderungen desselben können durch die nur sinnlich
eingeleitete Erkenntniss nie vollständig befriedigt
werden. — Die Selbsterkenntniss der Beschränktheit
nserer Vernunft findet daher in der Einheit d^ gege-
benen Mannigfaltigen, statt der Totalität eines Weltgan-*-
cen, nur die Unendliehkeit d^ unvoUendbaren rein
«innlieben Foimen der Zahl, des Raumes und der Zeit:
sie findet femer in jedem gegebenen Ganzen nur be-
«ckrmkte Healitat^ statt eines absolut Realen ; und endlich
m allen Verhältnissen nur Reihen des Bedingten in's
ünendlidie hin, ohne je im Unbedingten das volistän**
•dige Ganze der Reihe fassen zu können. Sie muss also
4mdlich die Modalität ihrer gegebenen Erkenntniss, als
Erscheinung für ihre bescbrankle Erkenntniss , dem
nothwendigen Wesen derDinge an sich selbst
entgegensetzen. Aus diesem Gegensatze der vollendeten
Einheit, mit den Formen der (immer nur, endlichen) Ver-
bindung des uns Gegebenen, entsteht uns nun der Gegen-
satz zwischen der natürlichen und der idealen An-
sicht .der Dinge (S. 169—73.). Die letztere beruht auf
den ursprungiichen Ideen der Vernunft
Hier ist jedoch in Rücksicht der Dedoktion der Ideen
genau zu unterscheiden ihre positive Grundlage, und
die Form des Ausdrucks der Ideen vor der Reflexion.
— Jene positive Grundlage ist der ^Glaube an die
Realität schlechthin, welcher das innerste Kgen-
tfaum jeder vernünftigen Erkenntnisskraft ist^ (S. 1 73).
Wollen wir dagegen vor der Reflexion die Ideen uns
von Wissen, CSaaben und Ahnen. 347
aussprechen, so ist diess nur nnler der Form ekier
doppelten Verneinung möglich, indem wir die nc*
gativen Schranken der Reflexion an ihr abervMils vernei-
nen. Und hierin zeigt sich der hoke Werth der Reflexion
in iMis^rm Geiste* Die ideale Ansicht in ihrem Unter«
schiede von der Reflexion ist daher blosses Eigenthum
der Reflexion , in der die endlidie Vernnnft ihre eigenen
Schranken anerkennt.
Die Deduktion der Ideen berahl daher auf den drei
0
Fragen, zuerst: wie die Selbsterkenntniss der eigenen Be-
achrtinktheit mögüch sei? Sodann: woher kommt uns
der spekulative Glaube an die Raalititder
Dinge schlechthin? Endlich: woher kommen uns die
reflektirten Formen der idealen Ansicht selbst?
Nach unscm gegenwärtigen Absichten erlauben wir
uns, mit Beseitigung der beiden übrigen, anf die mittelste
Frage und ihre Lösung ansschiiessende Anfmerksamkeit
zu wenden. Was sonst noch über das Wesen und dmi
Ursprung der Ideen zu bemerken ist , wird sich am Ro-
sten daran anschliessen.
Das Wissen in seiner engsten Bedeutung gründet
sich unmittelbar oder mittelbar immer auf (sinnliche) An-^
schauung. Wenn wir fragen , ob wir etwas wissen , so
heisst diess nur, ob die Wahrheit ein^ Erkenntoiss in
dem nothwendigen Zusammenhange unserer sinnlichen An-
schauung gegründet sei. — Wenn dagegen unsere Vcmunlt
rein aus sich selbst eine Ueberzeugung hat, so kann
diese nur in einem Bewusstsein liegen, weiches seine Wahr«*
heit weder von jenen sinnlidien Anschaimngen enäehnt,
noch auch durch ihren nothwendigen Znsanunenhasg be«»
gründet, sondern „es ist uns nur wahr um sein selbst
willen, es ist der reinste Ausspruch unsers iüBersteu
Wesens.« —
Das Beispiel , welches Fries erläuternd beifugt, ist
charakteristisch. „So liegt der Quell' reiner Achtung und
reiner Liebe in unsenn Innersten, dessen wir uns<^ (je-
doch) 9 nur in einem durchaus reflektirten Fürwahrhalten
34S Seine Theorie •
ohne Am chanvng bewussl werden können.* Hadi
der oben yemonunenen |»sychologiscben Beschreibong nin«
Heb, mit wekber er die rein ans der Vernunft Slam-
menden (scblecbtbin ajrriorischen Grund--) Ueberzeugungen
chanikterisirt, könnte doch zunächst nur an gewisse theo-
retische Grundsatie und Denkformen gedacht werden, wel-
che die neuere Spekulation mit dem allgemeinen Namen
der Kategorieen bezeichnet, und iur deren eindringende,
das Gegentheil ihrer selbst schlechthin ausschliessende
Evidenz jeder ^ Glaube << oder jedes ^theoretische Für-
wahrhallen^ ein viel zu schwacher und verblasster Ausdruck
Ist. Stattdessen entweicht uns Fries (was sich später-
hin noch weiter ausweisen wird) in die etwas unbestimaite
Region moralischer und gemftfhiicher Gcluhle der reinen
Achtung und Liebe, wo sich schon im Voraus anneh-
men Usst , dass mancherlei Concrescenzen von wahrhaft
Vemunfhuspiünglichem und Apriorischem mit subjektiven
Angewöhnungen oder Einbildungen (wie bei J a c o b i) zur-
sammengeAossen und für einerlei Wesen gehalten worden
sein möchten! —
Diese eigenthQmliche, aber, wie man sieht, sehr
Heleregenes in sich bergende Ueberzeugungsweise der trans-
scendentalen Vernunft nennt Fries einen reinen Ver-
nunftglauben.
Dem ist abermals jedoch die Ahnung öberzuordnen :
sie ist eine ebenso ursprdngliche Urtheilskraft, welche sich
Hirer vollständigen, eigen thümlichen Gewissheit
nur durch Gefühl, ohne weder auf Anschauung , noch auf
Begriff zu fussen, bewusst wird. — ^ Nur stufenweise, durch
Verneinung der in der Natur gegebenen Schranken, bilden
wir die Welt der Ideen aus. Wir wissen so durch An-
schauung und durch Verstandesbegriflb von dem Dasein
der Dinge , wie sie uns in der Natur erscheinen; wir
(glauben nach Vemunftbegriffen'andas ewig'e Wesen
der Dinge ; und wir ahnen in Gef&hlen ohne Anschauung^
und bestimmtem Begriff das Gesetz des Glaubens in
der Naturv (Hiermit ist ein psychologischer Soheinatismu«
von Wissen ) Glaobon und Ahnen. 349
rntwoifen, dessen scharfirinAige ArcliUeiBConik karnn jedodi
die Fragen überflüssig macht, ob denn aligemeingültig vnd
nothwendig diese AbsluAmg in der Vernunft gesetzt sei^
ob nicht das Ganze in vonirtheilvoUen psychologischeil
Prämissen und sehr subjektiver, einem bestinunten Bildmig»*
stadinm der Philosophie entsprechender Selbstbeobacfatong^
seine Entstehung habe ? Das ,, A h n en <t wenigstens , so
wie es hier angeführt wird, -— oder, wie wir es nur nen«^
nen könnten, der Zustand eines noch unentwickelten, sA*
Ber VemnnftprSmissen in ihrer Stärke, aber nicht in
ihrer Ausdrücklichkeitf bewussten Denkens, — wel-«
ches sich darum personlich immer anders und unbestimm-k
bar modificiren kann, sollte hiemach in dem ursprunglichen
Wesen und in den notwendigen Erkenntnissstufen unseres
Bewusstseins gar keinen Matz finden.)
Diese drei Uebeczeugnngsweisen haben in nnserm
Geiste den ganz gleichen Grad nothwendig'er 6e^
wissheit: es giebt bestimmte Gegenstände, die wir nur
wissen, Einen, an den wir nur glauben (die Idee der
Gottheil), und gar Manches, das wir nur zu ahnen y«r«
mögen. Das Vorurtheil lür das Wissen rührt nur her tos
der IQariieit und Gemeinverständlichkeit der Sinnenan-«
schauung, welche jedoch in der Gründlichkeit keinen Vn^
lerschied macht — „Weit gefehlt , dass reiner Vernunft*
glaube ehn unsichereres Fürwahrhalten sei ; so ist er g &-
ra de das Festeste, was wir haben, indem er
rein ans dem Wesen der Vernunft entspringt Wir
hätten eigentlich gar kein Wissen, wenn
nicht schon-ein Element des Vernunftglai^
bens, eine Ueberzeugung aus blosserVer-
nunft ohne Sinn mit in ihm^ (dem WisSien?}
„wäre.«*)
Wir haben diese trefBiohe Stelle besonders ausgeho-
ben ; «e ist eine von denjenigen, wetehen man nicht selten
*) Kritik d. V. B4. 11. S/06. Vgl. dat. 5.. 10t* S. 03— 97.
). tdf 5 aia 919. 1
350 Kritik
in den Werkim von Pries begegnet, in denen der Geist
Scliter Sjiekulation uns wie ans hellen Augen anblickt, wo
ihr Verfasser wie unwiUkfthrlich es verräth , wie ihm das
Bewusstseitt des wahrhaft Vernünftigen und Allgemeinen
nieht nur vornbersokwittdend vorgeschwebt, sondern klar
gegenwartig gewesen sei, und dass es nicht der Mangel
desselben ist, wie bei vielen übrigens ihm geistesverwand-
ten Philosophen , sondern dass, — wir möchten sagen, —
die Kleingläubigkeit an sein eigenes Ghuibensprin-
cip es war, wodurch er nicht vermochte, das gnnse Be*
wusstsein von ihm durchdringen zu lassen. Wollte er nur
wörtlichen Ernst machen mit seiner Behaiq^tnug, „dass wir
gar kein Wissen hatten , wenn nicht eine Ueberzeugong
aus blosser Vernunft in ihm ware^, d. h. wenn nicht
alles , auch das sirniliche Wissen nur die besondere Ge-
staUung und Exemplifikation einer schlechthin allgemeinen
Vemunftwahrheit, diese nlso das eigentlich in ihm Gegen-*
wartige und Eingeborene wäre : so bedurfte er gir nicht
mehr seiher mähsam herbeigeleiteten Ualerscheidung xwi-
sdien dem Wissen nur von der Erscheinung der Dinge,
md dem nur Glauben an das wahre Wesen derselben, als
ein dahinter liegendes, nie zur Anschauung gelangen-
des« Er bitte erwiesen, .dass auch die Sinnenerkennt-
»iss, wie sehr sie nach ihrem bestimmten Inhalte „Schran-
ken hat^, und völlig saehgemäss, das rfiumlich und zeitüch
Unendfidie umspannen zu können, nie sich einbilden darf,
dennoch ein wahrhaft Unbeschränktes und Unendliches, die
Vemunflallgemeinheit der Kategorieen, und was aus
ihnen weiter folgt, in sich gegenwärtig *hat, und
wirklich besitzt Hiermit wäre auch der seilsame Wider-
sprach beseitigt, gegen den sogar der Sprachgebrauch sich
empören muss , das „Gewisseste im Wissen«' — Gluuben
genannt zu sehen; das Gewisssein des Gewissesten
wird man nimmermehr anders, denn Wissen , und zwar
Grundwissen, absolutes Wissen, nennen können,
bi Summa : Jene Tbeorie mag ganz nöthig sein , als
vorläufiges Hülfsmittel und Surrogat für diejenigen, wekhe
dieser Theorie. 351
TOB jener Vemunflgewissheit Nichts wifsen , bis sie siok
etwa zn diesem ganz* specifischen Bewnsatsein , wel-
ches eine nicht bloss psychologische, sondern spekulative
Philosophie erst möglich, wie nodiwendig macht, eiteben
möchten , um wenigstens durch jenes getrübte und selbst
«ehr vermittelte Organ mit der Weit der ewigen Wahr«
iieiten in Berührung zu bleiben. Fries kennt diese Ver«-
nunflgewissbeift ; denn er spricht sie an vielen Stellen höchst
energisch aus. Warum will er ihr nicht, seinem Ausspra-
che getreu, dass in ihr der Quell aller Gewtss*
heil liegt, das ganze Bewusstsein. unterwerfen, und auf
ihre Garantie hin auch das ,,Wissen« als vollgültig anneh»
men? Oder vielmehr, mu.ss er nicht solches?
Die „ Schranken ^ des letztem sind keine Instanz da-
gegen, indem, — wie ein so grundlicher Kenner Piatoni-
acher und Aristot^sdier Philosophie von hier aus, iberhaupl
schon von den Alten her, es wissen konnte, — <ye Un-
vollstindigkeit (das Platonische ansigov), welche im
empirischen Wissen immer übrig bleibt, die wahre, den-
noch ihm innewohnende Allgemeinheit nicht zu beeintrach-»
ligen vermag. Ob ich diess AUgemeine nur einmal setze^
oder unzählige Male, — in unbestimmbar vielen empirischen
Anwendungen aufsuche, — ist philosophisch betrachtet,
sagen jene Alten , völlig einerlei. Aber freilich wird sich
zeigen, dass Pries den eigentlichen Inhalt jener VemunfU
gewissheit selbst lange nicht rein und scharf genug au%&«
fiisst hat, darum auch nicht in seiner aiisscbliescAiehen Be«
deutung. So ist ihm Manch^ei damit zusammengeflossen,
weiches er seinem ursprünglichen Vernunnglanben vindi-
cirt, worin wir jedoch jene wahre Vemunftursprüngiichkeit
keinesweges wiederfinden können.
Wir nannten nämlich jenes spekulative Bewusstsein der
Vemunftgewissheit ein speci fisch es; es ist diess in
doppeltem Sinne:
Zuerst ist es darum ein speciflsohes und ausscbKess-
lidies, weil es durch einen Akt der ReAexion — wodurch
es darum jedoch nicht selbst etwa zu einem Produkte
353 . KriHk
«
derselben oder der SelbcftbeobRchtung wird, -*- da^onige
4n's ausdröcUiche Wissen erhebt, was ohne diese Aus-
dröcklichkeit dennoch in alle Akte des concreten Wissens
und Erkennens eingeht, und ihnen i m Wissen gerade den
Charakter der Gewissheit verleiht , das Erkennen zur E r-
kenntniss abschliesst. So ist von dieser Seite jenes Be-
wnsstsein ein specifisch nur spekulatives, weil es bei dem
PhiTosophirenden allein zu jener Ausdrücklichkeit und AlU
gemeinheit herausgeläutert wird, d^ren es bedarf, um als
-solches erkannt zu werden.
Aber es ist auch noch in dem andern Siime ein
•s^ecifisohes zu nennen , dass es , einmal dem Bewuastsein
aufgegangen, dasselbe mit einer ursprünglichen Evidens und
überzeugenden Gewalt ergreift, in denen kein anderes
Wissen ihm gleichsteht. Es ist das einzige, welches
schlechthin durch sich selbst, durch nichts Anderes
vermitfelt, absolute und höchste Gewissheit hat. SeinCha-
raktei* ist nicht blosse empirische und thatsacUiche A 1 U
gemeinheit, psychologische Ursprünglichkeit —
(bei welchen Bestimmungen Fries es bewenden läs$t) —
sondern absolute AllgemeingOItigkeit, und ebenso
absolutes Ausschliessen des Gegentheils und jedes An-
dersseinkonnens.
Nur diejenigen Grundwahrheiten oder unmittelbaren
Ikkeuntnisse, welche diess Kriterium an sich tragen (wei-
ches in seiner Scharfe aufgestellt zu haben , Kants un^
sierbliches und für die Philosophie folgenreiches Verdiaist
ist), können als wahrhaft Apriorisches und Vemunftur-
sprüngliches betrachtet werden. Alles Andere, mag
es psychologisch, — besonders nach einer unsere BU-^
dungsvoraussetzungen für ein Ursprüngliches haltenden
Psychologie, — noch so sehr als ein ursprünglich Gege-
benes erscheinen, z. B. die Ewigkeit unserer Seele, die
Einheit des Weltganzen , die Idee Gottes , ist in irgend
einem Sinne ein Vermitteltes, aus ihnen zu Rechtfertigen-
des, eine vielleieht bewussUose, durch einen hinter uns
Degendeu geistigen Prooess hervorgebrachte Venoittlungi
Beiner Theorie. 353
die aber durch Phflosophie eben begrftndet, d. h. in ihrem
nothwendigen Zusammenhange mit jenem reinen Vemmift*
ursprünglichen nachgewiesen (bewiesen) , nicht also 'als
selbst ein Unmittelbares belassen werden soll. Wir dürfen
uns indess darüber nur auf das bei Jacob i ausfuhrlich
Verhandelte berufen.
Man könnte sofort den Unterschied zwischen diesem
psychologisch Ursprünglichen und jener (wahren) Vernunft-
ursprünglichkeit für so geringfügig und unwesentlich hal-
ten , dass er einen Gegensatz im Princip unmöglich be«
gründen könne. Und dennoch ist diess Wenige, diese
scheinbar geringe Differenz völlig ausreichend , um alles
bloss Psychologische, d. h. eine Philosophie, die nur bei
der Unmittelbarkeit oder Ursprünglichkeit
gewisser Vernunftthatsachen stehen bleibt,
von allem eigentlich Spekulativen und seinem Bewusstsein
bis aof die Wurzel und durch eine unübersteigliche Kluft
abzuscheiden. Wer die Evidenz , die uns nöthigt , jedes
Wirkliche, sei es angeschaut, vorgestellt oder gedacht , in
den Kategorieen des Wirklichen zu denken, mithin
als ein schlechthin den Baum und die Zeit EriuUendes, als
quaUtativ Bestimmtes, als in dieser Bestimmtheit Beharrli-
ches, in jeder seiner Veränderungen aber durch einen
Grund derselben Bedingtes u. s. w. zu setzen, — wer diese
absolufS Nöthigung , die jeH^n Gedanken einer entgege»*-
gesetztffli Möglichkeit, des Auchandersseinkönnens dieser
Allgemeinbestimmungen, schlechthin ausschliesst und als den
absoluten Widerspruch mit sich selbst vernichtet, In eine
Beihe setzen kann mit irgendwelcher thatsächlichen
Ursprünglichkeit, mit jener ,, reinen Achtung und reinen
Liebe« etwa, welche jedes geibildete Gemüth allerdings
für das an sich Gute und Schöne empfindet : Der hat da$
Grundspecifische jener Evidenz nie gekostet; er bedarf
der Spekulation eigentlich gar nicht , noch kennt er sie in
der „Ausdrücklichkeit^ ihres Bewusstseins ; denn das In-
teresse der Fragen , die aus jener Evidenz hervorgehen,
und mit ihr Eins sind, ist für ihn nicht vorhanden.
23
354 Gegensatz de« Vernimftnothwendigen
ifan besteht aber, wie wir sahen, der Lockcaiii.^
m US nicht aHein in der Lehre, dass das Yemimftnothwendige
von Aussen in das Bewusstsein komme ; sein rechtes, allgi'-
meineres Princip ist es vielmehr, jenes überhaupt für gleich-
falls empirischer Natur zu halten: es ist ihm nurein
empirisch Ursprünjrliches , letzte oder erste Thatsachc,
die ganz gut auch anders sein könnte , ein Geschick des
Geistes, an dem er sich genügen lassen, eine^urspr üngli-
che Einrichtung des menschlichen Erkennt-
nissvermögens«, welche er so hinnehmen muss, als
etwa gültig in dieser sublunarischen Welt. Ja er kann
den Versuch, darin etwas absolut Vernünftiges sehen zu
wollen , nur fiir die Anmassung einer selbst\erl)lendeten,
unkritischen, über ihre Schranken und den ewig nur sub-
jektiven Standpunkt des Menschen unaufgeklärten, phanta-
sirenden Spekulation erklären. Und diess ist auch das stete
Grundargument der Polemik von Fries gegen Schel-
ling und Fichte, wenn er von jenem irgendwo sagt,
seine Schriften glichen einem Protokolle aus der Rathskam-
mer der Elohim, von denen jeder nach dem andern seinen
Plan zur Welterschaflung vorgelegt habe, oder diesem (in
einerRecension seiner „Wissen Schaftslehre im all-
gemeinen Umrisse«* 1810. in den Heidclbei^er Jahrbü-
chern) ironisch zu Gemüthe fuhrt, seine Philosophiere! eine
Art von Kabbalah ; schon diesohabe vom Adam Kadmon, von
der Urintelligenz bei Gott allerhand zu wissen vorgegeben.
Doch dient dabei für Fries die Entschuldigung, dass
er, wie schon gezeigt, den rechten Quell und Inhalt jener
absoluten Vemunftevidenz nicht getroffen, daher er ebenso
wenig den letztern in seiner Reinheit und Schärfe heraus-
zuheben vermochte : so bleibt er, ohne die Gegenseite eines
wahrhaft Absoluten im Geiste zu kennen, überall von dem
Bewusstsein der sinnlichen Schranken des Menschen
gedrückt, über welche er sich freilich mit der Auskunft, sie
sei eine nicht weiter zu erklärende „Einrichtung«, — wi«^
wohl im Grunde eine schlechte und nachlheilige , — be-%
schwichtigen mochte.
und des empirisch Ursprünglichen. 355
Dieser Mangel wird nnn auch hier das entscheidende
Moment; denn so wenig, als etwa ein Mathematiker» felis
er nur sich selbst versteht , den Satz , dass zwei gerade
Linien keinen Raum einschliessen, oder dass der Raum
gerade nur drei Dimensionen haben könne, als etwas bloss
subjektiv, oder nur ffir den Menschen zufolge der „Einrich-
tung seines Erkenntnissvennögens« Richtiges» sondern ali
unbedingt aus der Natur des Raumes Folgendes und att
Evidenz ihm ganz Gleiches, — eine Kategorie desseU
ben — anerkennen muss : ebenso wenig wird , wer ein-
mal in den Begriff und die Untersuchung des rein Wirkli-
chen nach seinen nothwendigen Bestimmungen hinein-
geleitet worden ist, in diesen, oder den Kategorieen, nur ein
Subjektives , Beschränktes , Sublunarisches erblicken , nnd
diesem Wirklichen eine andere jenseitige Wirklichkeit»
eme höhere Welt der „ewigen« — gleichsam der noch
^ewigem« — „Wahrheiten« entgegensetzen können. Viel-
mehr mfissle er all dergleichen als Produkte einer ganz
willkührlichen Phantasie^, ja eines leer Phantastischen und
ganz Unaussprechbaren — (alles Aussprechen fiele ja immer
negativ oder positiv in jene Kalegorieenbcslimmungen zu-
rück) *— bezeichnen, und Jso jenen. Vorwurf gegen di^
Spekulation mit voller Stärke zurückgeben.
Somit glauben wir die Befugniss nachgewiesen m
haben» alle Philosophen, die jenen Grundcharakter des Ver-
aunftallgemeinen verkennen oder nicht kennen» seien
sie übrigens Kantianer, oder Anhänger J a c o b 1 's^ oder
sonstigei Psychologen und Bearbeiter einer innern Ne?^
Vorgeschichte des-^Geistes , b^i Edlem fibrigem
Scharfsinne und anderweitigen Verdiensten, mit ihrer eige^
neu Erlaubniss als ausserhalb der Spekulation stehend^ von
<iieser nicht berührt , und umgekehrt sie selbst nicht be4
röhrend, bezeichnen zu müssen.. Aber sie sind insge«^
sammtdie Gegner Kants; denn von ihm ist das entschei'-
«lende Kriterium jener Vemunftallgemeinhelt wieder' auf»
► gefunden worden ^ und dessen wahre Nachfolgerschaft
ist überall sonst, nur nicht bei jenen^ ausv|chen% üebrigcns
356 Historische Genesis
wichst ihre Anzahl mit jedem Tage , je mehr das Chro-
nikenzeitalter, wie unsere grossen Vorgänger es
nannten, wieder zur herrschenden DenkM-eise wird, und je
mehr man in der täglich anschwellenden Masse empirischen
Stoffes die volle Gnuge der gelehrten Beschäftigung findet
Einen solchen, nur subjektiv begründeten Locke-
anismus müssen wir in der Theorie von Fries finden;
ja er ist der Vollender derselben, der klassische Autor für
diesen ganzen Standpunkt, in welchem sich die zahlrei-
chen Nachfolger und Umgestalter desselben eigentlich dank-
bar zusammenfinden . sollten. Warum suchen die Deutschen
80 oft doch zu thun, was schon gethan ist? Denn es bleibt
wahr: seine neue Kritik der Vernunft enthält die
erste vollständige psychologische Bewältigung und Durchar-
beitung des ganzen spekulativen Stoffes, der Ideen des Theo-
retischen, des Praktischen und des Aesthetischen auf scharfsin-
nige, im Princip konsequente und folgerichtige Weise, zugleich
ohne die Würde der Ideen zu verletzen, deren Inhalt^ als
Geglaubtes und Geahnetes, desto angemessener dem gegen-
wärtig verbreiteten Bildungsstandpunkte, nachgeliefert wird.
Aber diess bewirkt nur, dass die geheime Doppclheit
des Systems, in welcher es mit Einer Hand von Oben
her sorgsam zu befestigen sucht, was es mit der andcro
von Unten her so eben wankend gemacht hatte,* — in der
Ideenlehre eben — zum Ausbruche kommt. Wir wenden
«ms einer etwas genaueren Charakteristik derselben zu ♦).
Zunächst kann die Vernunft auf die Frage , ob ihre
«innliche , unzulängliche Ansicht der Dinge nur S c li e i n
oder die Erscheinung des wahren Wesens der-
selben enthalte, dem Grundsätze der Theorie getriu,
dass jeder vernünftigen Erkenntniss transscendenlale Wahr-
heit zukommen müsse, auch in der sinnlichen Ansichtsweise
nicht nur Schein, sondern Erscheinung sehen, so
♦) Kritik der Vernunft Bd. II. J. 129. S. 199. ff. $ 131.
S. 209. Dann die Entwicklung der eigentlichen Ideenielire,
der Idee der Seele, der Freiheit und der Gottheit
J. 134-150. S. 218—293.
von Fries Tbeori». S57
dass^ wie sie die 8id)jektiVen Beschrfinkungen diefier An->
«Chi aufgehoben denkt, ihr dann die ewige Wahrheit
vor Augen steht (S. 199. 201. 209.).
Wir haben unmittelbar also keine andere , als die
endliche Erkenntniss der Dinge in der Natur ; in dieser
halten wir aber das Gesetz des ewigen Wesens der
Dinge fest, und bedürfen der Formen (der Ideen) des Ab«
soluten , um uns desselben vor der Reflexion bewusst zu
werden.
Die modalischen Grundsätze der idealen Ansicht
der Dinge sind also folgende:
1) Die Sinnenwelt unter Naturgesetzen ist nur Er«
scheinung: — Frincip des Wissens.
2) Der Erscheinung liegt ein Sein der Dinge an sich
zu Grunde: — Frincip des Glaubens; denn an die Dinge
an sich kann nur geglaubt werden.
3;) Die Sinnenwelt ist die Erscheinung der Welt
der Dinge an sich: — Frincip der Ahnung. (A. a.
O. S. 209. vgl. $. 101. S. 96.)
Hier ist nun, was Kant jedoch eben sowohl,] als
Fries trifft , der Doppelsinn im Begrifle der E rs c h e i-
n u n g nicht ausser Acht zu lassen : freilich ist dieser un-
willkührlich, wie unvermeidlich , und hat in dem ganzen
('ontexte der beiderseitigen Systeme seine ' tiefe Begrün-
dung. Einmal wird gesagt, dass die Sinnenwelt unter
Naturgesetzen nur Erscheinung sei, das Falsche,
Inächte, das wahre Wesen der Dinge dahinter nur Ver-
hüllende. Diess ist der alte Kantische — widerspre-
chende — Begriff der Erscheinung , in der Nichts er-
scheint vom Wesen des Erscheinenden, sondern es ewig ver-
borgen bleibt. Und was wäre denn der Begriff des „Schei-
nes«, welchen Fries ausdrücklich verwirft , als eben
üiü4>er? Wiewohl wir freilich anerkennen, dass er den
blossen Schein darum ausgeschlossen haben will, weil ein
Wesen doch wenigstens hinter der Erscheinung ist. Aber
wenn er sagt, dass man ^den Ideen die Erfahrung
gleichsam als Folie unterlege^ (S. 202.), wären
368 Historische Genesis
jene hiermit nicht g^erade das sich an ihnen sichtbar
Machende, und auch eigentlich sichtbar Gemachte, das
jjWesen« in der Erfahrung, wir also dennoch auf ein
Wissen der Ideen angewiesen? Dicss soll jedoch erst in
der Ahnung gewährt sein: durch die ästhetische AuflTas-
sung der Natur erscheint, uns in der Schönheit und
Ordnung derselben nach den Ideen des Schönen und Er-
habenen die Welt der Dinge an sich auch in der Sinnen-
welt, Hiermit ist die andere Bedeutung jenes Begriffes her-
vorgezogen : Erscheinung ist Sichtbarmachung , Vergegen-
wärtigung; die sinnlose Vorstellung eines hinter seiner
Erscheinung versteckt bleibenden Wesens ist aufgegeben.
Doch ist die Ursache jener Verlegenheit, die nach
solchen Selbstwiderspruchen greifen lässt, gar wohl uns
bekannt. Es ist das alte Grundvorurtheil, dass Raum und
Zeit blosse „ Schranken * der Wahrheit , dass sie viel zu
schlecht seien, um die Dinge an sich, viel weniger Gott, zu
sich herabsteigen zu lassen. Hierdurch ist aber, wie mit
l&inem Schlage, nicht nur die Unbegreiflichkeit, sondern
die absolute Unvorslellbarkeit alles eigentlich Realen aus-
gesprochen; und völlige Nacht kehrt in's Erkennen ein,
dem mit Einem Schlage das Denken, Vorstellen, ja die
Sprache versagt, um eine solche überzeitliche und über-
räumliche Realität sich haltbar zu machen : denn alle Prä-
dikate (Kategorieen) , welche dem Wirklichen (Realen)
das Denken oder das Vorstellen beizulegen vermöchte, sind
nur Weiterbestimmungen der allerabstraktesten Grundbegriffe
derRäumlichkei t undderDauer, Werden diese durch
die willkührlichste Selbstentmannung dem Erkennen des Rea-
len abgeschnitten, so bleibt schlechthin ihm Nichts als der
nebulose Widerspruch eines Nichtseinkönnens , und doch
SeinsoUens, der Erscheinung zu Gefallen. Und so sehen
wir auch Ff'ies nachher in dem Speciellern seiner Ideen-
lehre (z. B. im Begriffe der Ewi gkeit, welche er dem
Ansich der menschlichen Seele vindicirt, S. 216. 17.) an
dem selbstaufhebenden Thun sich abarbeiten, einmal die
absolute Realität der Dinge an sich — für (ten
Ton Fries Theorie. 359
jGlaubeii bewefaea zu woHen^ aber tugleick doch wieder
.ihre absolute Unvorsteilbarkeit, — die Unmög-
lichkeit, sich von ihnen irgend einen BegrifiT zu machen,
— nachzuweisen ; womit es über alle grossen jund etgont«-
lich entscheidendeh Fragen der Menschheit, nach dem
Wesen Gottes, nach dem Ansich, der Ewigkeit, der mensch-
lichen Seele, bei dem traurigen Bekenntnisse des Nichtwis-
sens und Nichtwissenkönnens, der absoluten Unzugäng-
lichkeit für den Menschen bleibt; — welches wir nun
durch Fries, und nach ihm in unzähligen Variationen und
Einkieidunjgen , sich haben wiederholen sehen*).
So gilt auch geigen Fries mit ganzer Kraft , was
überhaupt gegen den subjektiven Idealismus Kants und
seine Lehre von der Erscheinung, im Gegensatz mit
dem Dinge an sich, eingewendet worden. Aber in der
Widerlegung seiner Raum- und Zeittheorie findet auch jener
Idealismus seine Erledigung, und Fries mit den Seinigen,
weiche hierin das gemeinschaftliche Fundament der eigenen
Lehre haben , sind auf jene zurückzuverweisen. Zugleich
^ fallt jedoch mit der Widerlegung der negativ idealistischen
Resultate Kants auch das eigentliche Bedürfniss, wie das
Interesse, seiner Glaubens- und Ahnungsichre da-
hin: wäre der Kantische Idealismus' wahr, so könnte der
Gedanke einer Ergänzung des Wissens durch den Glauben,
wie sie Fries beabsichtigt, wohl nützlich und nothig er-
scheinen, um der durchgreifenden idealistischen Verneinung
einen Damm entgegenzusetzen.
Freilich kann man selbst jenes heillose Resultat des
Wissens weder abläugnen^ noch widerlegen; aber getrost!
*) Wir schalten von iiier an, mit eiuigen Veränderuttgen , dai-
jenige ein, was wir in einem spätem kritischen Werke („über
Gegensatz etc«'1832) Aber Fries uml seinen Standpunkt
gesagt haben, weil wir es noch immer nicht anders su sagen
vermochten. Doch gerechtfertigt erscheint hier die«e Kritik
durch die genaue quellenmässige DarstelJung seiner Theorie,
welche dem damaligen Zwecke jene^ Werkes fern lag«
300 BKstorbche Geneds
— beweisen wir, dass alles Wissen fiberiianpt bloss sobjä«
ti ven Schein geVf ähre, dass es Nichts, als eine .menschli-
che Vorstellungsart sei; zeigen wir, dass es untie-
feres Bowusstsein der Wahrheit in uns giebt, welches jenen
Resultaten widerspricht, — nennen wir es Glanben und
Ahnung — : so ist jenem Mangel fär immer abgeholfen,
die ganze Menschheit ist zum ersten Male auf rechte Weise
vom Z^reifel geheilt, und kehrt, von allen erkünstelten Theo-
riecn und den Misverständnissen eines trügerischen Wissens,
tu der ursprünglichen Quelle der Wahrheit , zu den Ein-
gt^bungon des unmittelbaren Bewusstseins zurück. In dieser
Kunlokweisung alles Theoretisirens über die höchsten Wahr-
kf iton, was da nur zur Skepsis und Yeriaugnung derselben
MKrt'^n könne, und in das Hervorziehen des allgemein
monschlichen Glaubens und Fühlens über jene Gegenstande,
itt>txt Fries ausdrücklich den eigentlichen Gewinn und die
Wichtigkeit seiner Philosophie. Ihr Resultat besteht daher
„in der Ueberordnung des. Glaubens über die Wis-
senschaft. Die Ideeu<' (desselben) „gehören der ewigen
Wahrheit, d.h. in ihnen begibt sich die Wissenschaft
selbst in den Dienst des Glaubens, in den Dienst des
sittlichen Selbstvertrauens.'^ — „Der Zweck der Phi-
losophie geht nicht sowohl auf Erweiterung
unseres Wissens, als auf Aufklärung des
Glaubens, um diesen vom Aberglauben sowohl,
als den falschen Anmassungen der Wissen-
schaft zn befrei en.<^*)
Der Inhalt jener Vergleichung zwischen den Resulta-
ten des Wissens und des Glaubens ergibt sich nach Fries
nun näher folgender Gestalt:
1) Das Gesetz der Natur, — wodurch die Re-
sultate des Wissens bezeichnet werden sollen , — ist mit
dem Gesetze der Idee (dem Inhalte des Glaubens) im
Widerstreite. Die N a tur (das Resultat des Wissens) zeigt
Abhängigkeit des G e i s t e s vom Körper, des unendlichen
*) SytlMft d«r MeUphjsik im GrandrUs«; J.4. S. 5.
von Fries Theorie» ^1
WieUgfaiizen von R a n m und Zeil, gegensei%d I>epeBden8s
der Wesen von einander, endlich Abhängigkeit vom
Schicksale überhaupt. So schiene also, — was an die
ihnlich^i Jacobischen Behauptungen erinnert, — Ma-
terialismus und Fatalismus auf dieser Seite das
nothwendige Ergebniss des Wissens zu sein.
2) Die Idee (der Glaube) dagegen behauptet S e 1 b s t*-
ständigkeit des Geistigen vom Materiellen, Vollen«-
düng des unabhängigen Weltalls , Freiheit des Geistes
Ton allen fremden Einflüssen, und statt des Schicksals einen
persönlichen, mit Weisheit waltenden Gott Diesen Wi-
derstreit löst nun der transscendentale Idealismus , indem
er, nach Kant's Vorgange, die Naturgesetze nur als Ge-
setze der sinnlichen Auffassung für den Men-
schen nachweist; — daher die psychische Anthropolo-
gie, welche diesen Beweis zu fuhren hat, als die eigentli-
che Grundlage der Philosophie be;&eichnet wird, die, jener
beschränkten, endlichen Ansicht gegenüber, in den Ideen
die vollendete, ewige Wahrheit der Dinge nachweist
Um die Naturdinge wissen wir daher; aber wir
soOen daran nicht glauben, weil diess bloss unsere,- eine
menschliche Vorstellungsart des Realen ist An die ewigen
Ideen glauben wir, |weil in ihnen die höhere, jenseits
des Wissens liegende Wahrheit sich ausspricht : die Ideen-
lehre ist Glaubenslehre; und in den Gefühlen des
Schönen und Erhabenen erkennt die Ahnung die ewigen
Wahrheiten auch für die Naturersch'einungen an.
«Die Ideen des Schönen und Erhabenen sind uns die Deu-
terinnen des Weltalls nach den Gesetzen der ewigen Güte,
aus der es entsprungen ist**
Dazu noch eine 'charakteristische Erklärung. Nachdem
Fries (System der Metaphysik, S. 478.) gezeigt
hatte, wie die Mannigfaltigkeit der Gesetze und Ursachen
in der Idee einer absoluten Ursache der Welt und einer
nolhwendigen Einheit zusammenlaufen müssen , fährt er
also fort: „So bestimmt sich zunächst auf spekulative
Weise die Idee von Gott Wir dürfen aber GoU nidit
302 ADgeadiier Wefik
jnr ab dea ScUcksabordiier oder Geseta^ber der Natur'
(schärfer wohl «nsgedruckt: ^ als das absolute Natur^peselz
selbst) yydenkeii, sond^n^ — (diess ist der Wendepunkt) —
^wir sollen an Gott, als den lebendigen Urheber
alles Lebens, glauben, nach einer Idee, die nicht in
Begriflen, sondern nur in den Gelubien der religiösen Ueber-
-seugnng lebt. Denn nur die Geisterwelt in ihrer Selbst-
^(tindigkeit ist uns von ewiger Bedeutung. Von der idealen
Anflbssung des Menschenlebens jnach sitdichen Ideen aus-
gehend, sucht der Gedanke seine Vollendung in der Zu-
aaaunenfassung des Ganzen zur Welteinheit , und kann in
der Idee von Gott nur den höchstea Geist denken*,
Calso nun doch denken I) , welcher der ewige Urheber
aUes Lebens ist.^ Diese SteUe, im Znsanunenhange mit den
•vorhergehenden Aussprächen, lässt über den letzten Ab-
.fichluss der Lehre keinen Zweifel übrig: das naturalisti-
ache Resultat des Wissens wird nicht als an sich falsch
and aus theoretischen Gründen widersprechend verworfen ;
viebnehr wird es als ein nothwendtger , aber unrealer
Sehern recht eigentlich bestätigt ; aber siegreich erhebt sich
fiber an der Glaube. Warum jedoch siegreich? Was
berechtiget ihn zu diesem Stolze, dieser Erhebung über
das Wissen? Weil er durch praktische Gründe ge-
stützt wird , weil die sittlich-religiöse Ansicht vom Leben
in sich selbst schon die Bewährung ihrer Wahrheit trägt
An sich zweirein wir nicht daran; doch' ist damit der in-
nere Widerstreit im Bewusstsein nicht geschlichtet, viebnehr
erst recht angefacht und für unauflösbar erklärt; denn ist
das frevelhaft-naturalistische Wissen im Allgemeinen auch
niedergeschlagen, so droht dem Glauben doch immer nocfa
Gefahr von dem sich ermannenden oder mit neuen Waf-
fen der Theorie gerüsteten Gegner ; und keiner von beiden
kann sich rühmen , den Process für immer gewonnen zu
haben, — ein Verhältniss , dass der weitere Forlgang un-
serer Kritik nicht mehr aufhellen wird.
Es ist nun , wie -schon erinnert worden , keinesweges
unsere Meinung, jene religiös - ästhetische Glaubenslehre,
von Fries Theorie« 36&
Uirein Inhalte nach, fOr Irrig m halten, oder fai Ihren Be«
Ziehungen zur Gegenwart för völlig überflussig und un-»
sweckmassig zu erklären. Vielmehr verdient es, aflge-
mein menschlich beurtheilt, immer Beifall und Aner-*
kennung, wenn man vor den zerstörenden Resultaten mis-
glückter, oder in Halbheit verharrender Spekulation zu den
unmittelbaren Ueberzeugungen des Gemüths zurfickfl^Achtel,
und auch den andern von ähnlicher Verzweiflung Ergriff
fenen, den gleichen Ausweg anempfiehlt, bis etwa die Zeit
«nbricht, wo auch zwischen Gemüth und Spekulation die
Versöhnung gelingt. Nur kann diese ganze Wendmig nicht
für ein philosophisches Resultat ausgegeben, noch
weniger Ifir die höchste^ und letzte Vollendung des Bewussl^
Seins in sich selbst gehalten werden. * Es ist — um unsere
Meinung über Fries kurz auszusprechen — nur ^in sehr
mangelhaftes Philosophiren aus idealistischer Reflexion, was
ihm ßr das unvermeidliche Resultat alles Wissens gilt, und
was ihn dieses so verächtlich zurückstossen lässt. Dess-
4ialb ist seine Ergänzung durch den Glauben auch nur ein
persönliches Hülfsmittel , dessen Andere weder bedürfen,
noch es ertragen; es ist der natürliche Selbstheilungspro-
cess eine» edlen Geistes von den Wunden, welche ihm eine
verfehlte spekulative Bildung geschlagen , wie diess sogar
grosse Beistimmung finden musste in einer Zeit, die, gleich
ihm selbst, zwischen Glauben und Reflexion schwebend,
vor dem Werke der letztem, dem Zweifel, Schutz sucht;
und so lässt es sich sehr leicht begreifen, wie er, nament-
lich unter den Theologen^ Anhänger finden konnte, die,
zwischen den Bibelglauben und eine negative Philosophie
mitten hineingestellt, jenem entwachsen, wie diese scheuend,
eine solche gereinigte Glaubens- und Ahnungslehre
höchst willkommen finden mussten.
Wird sie dagegen nicht menschlicher Weise oder nach
den Bedürfnissen einer vorübergehenden Bildung, sondern
allgemein wissenschaftlich beurtheilt; so findet dann freilich
jener über dem Abgrunde des Wissens befestigte Glaube
einen sdiweren Stand. Eines von Beiden muss weichen,
364 Allgemeiner Werth
beide m einander gesellt heben dch auf. Entweder man
bleibt ganz auf dem allgemein menschlichen Standpunkte,
und vertraut dem Bewusstsein in allen seinen Aus-
saguen, indem man es, eben als solches, als ein die
Realität Offenbarendes fasst, nach Unten , eines sinnlich
Realen, nach Oben, eines übersinnlich Realen, Göttlichen;
oder man behauptet theoretisch die Subjektivität alles
B<ewusstseins schlechthin. Jenes ist der Jacobi-
sche, dieses ist der Kantische Standpunkt. Zwischen
beide muss allerdings zur Auflösung dieses Widerstreites
die entwickeltere Spekulation treten, nicht aber um einen
bloss partiellen Frieden zwischen beiden zu schliessen, in-
dem man jedem von beiden nur halb Recht giebt : die J a-
co bische Ansicht fom Bewusstsein wird vielmehr speku-
lativ bestätigt und begründet, der Kantische Subjektivis-
mus dagegen, als bloss negativer Durchgangspunkt in der
Entwicklung des Wissens, völlig aufgehoben und widerlegt.
Anders macht es Fries, der sich gleichfalls zwischen
Beide gestellt hat : er nimmt von jedem der beiden Gegen-
sätze die Hälfte, und stellt so äusserlich eine über die an-
dere. Das Wissen, d. h. das sinnliche Vorstellen und das
nach den Kategorieen einhergehende Denken (Sinnlichkeit
und Verstand), wird mit Kant zu einem Subjektiven
gemacht, und für eine bloss menschliche Vorstellungsart
erklärt: dagegen soll das ursprungliche Bewusstsein des
Ewigen in uns, der Jaco bische Vernunllglaube , als das
allein reale, allem Wissen und Denken übergeordnet
werden : diesem sollen wir vertrauen, jenem nicht ! Damit
wird ab^ der Widerstreit, der an sich schon zwischen
den Lehren Kant 's und Jacobi's waltete, und der, wie
wir nachgewiesen, diesen gerade zur innern Ergänzung und
zum berichtigenden Complement für jenen machte , durch
solches äusscrliche Pflanzen des Einen auf den Andern nur
desto sichtbarer, und die geheime Reibung muss zuletzt
auch nach Aussen in Flammen schlagen.
Zuerst nämlich macht jener Niederschlag des Wissens
zu einer bloss menschlichen Vorsteliungsart auch den
von Fries Theorie. 365
Glauben, der ja demselben Bewusstsein angehört, nur all--
zusehr des gleichen Hangels verdächtig, je mehr dieser
an sich schon als schwankender, ungewisser, kurz s üb*
jektiver sich ankündigt, denn das Wissen. Istdiessnur
menschliche Torstellungsart, irriger Schein, warum soll man
Glaube und Ahnung weniger dalur halten? Völlig will^-
kührlich glaubt Ihr Euerm Glauben, mistraut aber dem
Wissen: woher doch das Recht zu solcher Halbheit? Weil
die Resultate, die Euer Wissen gefunden, negativ und
unerfreulich lauten, so soll alle Wissenschaft eitel, ja das
Wissen selbst in der Wurzel nichtig sein ? Freilich haben
wir schon zugegeben , dass auch diese Lehre Euch tradi-
tionell ist: es kehrt darin nur die alte Jacob ische Be-
hauptung von dem nothwendigen Widerstreite* zwischen
Spekulation und Glauben zurück; aber nicht diese ist's,
welche Jacobi's grosser Entdeckung ihren Werlh giebt,
welche vielmehr sie verkürzt und missleitet hat — Der
Zweifel ronsste entweder völlig durchgeführt , oder ganz
davon abgestanden werden. Diess ist das Verharren im
natüriichen Bewusstsein, jenes der Eingang in die eigent-
lichct Spekulation. Der einfach unverkünstelte Sinn fasst
vertrauensvoll die Welt, wie sie sich ihm darbietet , ja er
versteht nicht einmal jenen künstlichen Zustand zweifelnder
Reflexion; er ruht zuversichtlich in seinem Wissen, und
verschliesst sich nicht dem Glauben; er ist ganz und mit
ungetheiltem Geiste sich gegenwärtig. Aber das Bedürfniss
der Philosophie, wie ihr Begriff, setzt schon voraus, dass
die ursprüngliche Harmonie zwischen uns und der Welt
getrübt sei , dass überhaupt der Zweifel Wurzel gefassl
habe.
Soll nun hieraus die höhere , spekulative Harmo-
nie sich wiederherstellen, so bedarf es, den Zweifel voll-
standig and in ganzer Kraft gegen Wissen wie Glau-
ben zu richten. Alles zu zersetzen, uni es neu und erprobt
durch jenes Läuterungsfeuer zurückzuempfangen^ und diess
ist der grosse Process des Denkens , der, durch die Jahr-
hunderte sieb hinziehend, und verschieden geschlichtet, uns
3ti6 Allgemeiner Werth
JetEl in seiner nmfft^sendsten Gestalt zm Lösungr Torliegi
Jenepaaren ohne gehörige Untersuchung Zweifel und G!au*
ben, statt Einem derselben ganz anzuhangen, und gerathen
dadurch in einen beidlebigen Zustand so seltsamer Art, dass
sie sich mit dem natürlichen Bewusstsein völlig entzweien^
ohne eigentlich einen spekulativen Schadenersatz dafür ztH
rfickzuempfangen. Denn wie fem ist Fries davon ge*
blieben , das Princip des Zweifels in ganzer Konsequent
und Härte vor sich auszusprechen I Es liegt überhaupt im
Widerspruche des Gedankens eines Realen ausser dem
Bewusstsein. Indem ich davon weiss ^ und sein Sein be-
haupte, ist es viehnehr in mir, nicht ausser mir. Und
ob überhaupt diess Ausser mir dem In mir je entqpre*
che, wie diess ganze Verhältniss zu denken , diess ist die
entscheidende Frage, welche im Zusammenhange wissen-
schaftlicher Philosophie nothwendig die erste bleibt , die
«berso lange nicht umfassend gelöst ist, als man bei den
widerstreitenden Halbheiten eines Wissens und Glaub^is
stehen bleibt.
Aber steht denn auch Euer Glaube in der Tbat so
erhaben da über allen Formen des Wissens und Denkens?
Versieht uns wohl ! Jene „ Ideen ** der religiösen Wdtan-
sicht, wenn es mit denselben nicht beim blossen Worte»^
bei der unverständlichen Behauptung bleiben soll, müssen
auf eine bestimmte Weise gefasst, als Gedanken von andern
unterschieden, d. h. gedacht werden. Ihr denkt sie also
nicht minder in den Vers tandeskategorieen, und
könnt gar nicht anders, wenn Ihr überhaupt nur von ihnen
reden wollt. Vorher aber habt Ihr die Kategorieen und
alle nach ihnen bestimmten Begriffe bezeichnet, als nur der
Sphäre des menschlichen Vorstellens angehörend, k^nes-
weges aber fähig zur Auffassung der I d e 0 n, welche eben
darum die höhere, wahrhafte Realität enthalten» •
Aber Ihr bestimmt, denkt doch auch diese, wodurch
sie nach Eurer Lehre unmittelbar in die unreale Vorstel-
lungswelt hinabgezogen werden, d.h. aufhörep, Ideen
zu sein. Und — sehen wir recht , so sind diese Ideen
von Prioff Theorie. 387
selbst insgesammt nur Produkt einer vergleichenden (te^
flektirendcn) Vcrstandesthaligkeit ; sie sind rein antithe-
tischer Form, also nur verstandlich an und durch
ihren Gegensatz^ welcher eben die bloss menschliche Von-
stellungsweise enthalten soll: Der Geist ist nicht abhän-
gig von Raum und Zeit , sondern frei von den materieDen
Beziehungen ; die Weltwesen dependiren nicht von einan-
der und zuletzt von einem blinden Weltgesetze , sondern
es existirl wahrhafte Selbstbestimnning und ein weise wal-
tender Gott I Wer sieht nicht, dass diess bloss Reflexions-
bestimmungen sind, die mit ihren Gegensätzen durebans
derselben Sphäre des Erkennens angehören, wo, wenn
der Eine Gegensatz als unreal verworfen wird, der andere
mit ihm unwiederbringlich verloren ist.
Zudem bedarf es darüber kaum einer spedellemNack-
weisong; KanI selbst rede für ins: es begegnen uns
hier ja eigentlich nur die bekannten Antinomieen aus deor
Kritik der reinen Vernunft, von denen die einen, irreligiös
seren Inhalts , zu einer bloss menschlichen VorsteilungsM
niedergeschlagen werden, während die andern, wiewohl
sie nur im Gegensatze mit jenen existiren, unter dem vor«*
nehmem Namen von Ideen, einer hohem, religiös-
ästhetischen Weltansicht angehören sollen. Ist aber
das Gebiet, welchem ihr Gegensatz angehörte, nichtig, so
fallen sie selbst der gleichen Nichtigkeit anheim; denn wir
finden in diesen, wie in jenen, nur zwei zusammengehörende
Hüften. Das ganze Princip duldet keine Halbheit und In«-
konsequenz: man muss den Subjektivismus völlig durch«-
fuhren , bis zum Widerspruche , md damit zur Negatioii
seiner selbst. '
J a c 0 b i indess trifk dieser Vorwurf nicht ; sein Stan ^^
punht fSUt eigentlich vor und ausserhalb der reflekti-
renden Bewegiii^ : er ist Zeugniss des Be^^üsstseins von
sich selbst, reinster, unbefangenster Ausdruck seiner innem
Gewissheit. Auch Kant trifft er eigentlich nicht: er hat
die spekulative Anregung der Reflexion begonnen, wenn
auch nicht vollendet; und blosse NichtvoUendung darfKei«
368 Uebergang za Fr. Bont^weck.
nem ran Vorwmfe gereichen. Fries dagegen steht mit
Einem Fnsse in der Reflexion, mit dem andern in dem all-
gemein menschlichen Bewusstsein; mid diess soll ihm den
Schaden ersetzen, den jene ihm zugefugt, — wissen-
schaftlich beurtheilt, ein unmögliches Begehren 1 Al-
les wird sabjektiv, Glaube wie Wissen^ wenn
man das unmittelbare Bewusstsein, die Ba«
sis und den Entwicklungspunkt alles Erken-^
nens, sich idealistisch zersetzt hat: wasdem-
nach als das letzte Resultat dieses Stand-
punktes festzuhalten ist
Keiner hat die hier nothwendig zurückbleibende ab-
solute Negativitat direkt wie indirekt schärfer in's Lieht
gestellt, als Friedrich Bouterweck, dessen Philoso-
phie demnach iur die Krisis und Reife jener ausseriich
versuchten Vermittlung zwischen Kant und Jacob i an-
zusehen ist. Schon seiner altem , von ihm selbst zurück-
genommenen Apodiktik*) lag der bedeutende Gedanke
zu Grande, welchei^nur durch die Form und V^bindung,
in die er gehüllt war, gleich einem verschütteten Samen-
kome, nicht zum Aufkeimen gebracht werden konnte: —
das;» allem Bewusstsein, als Empfindung, Denken u. s.w.,
ein Sein ursprünglich zu Grunde liege , welches Jiicfat
erst durch Reflexion erschlossen werde, sondern unmittel-
bn mit ihm gesetzt sei, weil das Bewusstsein selbst nur
•durch seine Grundbeziehung auf dasselbe und uiter Vor-
«ussetznng desselben möglich seL
Er drückte diess Verhältniss damals in der Form eines
Gegensatzes ans, den wir auf ähnliche Weise auch in sei-
nem letzten Werke werden zurückkehren sehen : entweder
#ei alles Sein ein bloss emgebildißtes , oder es müsse eia
*) Idee einer allgemeinen Apodiktik; II Thle. Qöt-
tingen 1799.
Seine Idee einer Apodiktik. 360
absohiles Erkenntnissvermögen (ein urßprflnglichef
ßewusstsein Jenes Seins) geben,- welches selbst dem Den*
ken zu Grunde liegt, und durch welches das Sein «apo-
diktisch^ gefunden wird. Die Sache an sich, d^r Be-
griff einer Immanenz des Seins im Bewusstsein und umge-
kehrt , der ursprünglichen Einheit des Subjektiven und
Objektiven , ist ohne Zweifel der wahre ; aber er bleibt
in dieser Fassung unfruchtbar und wirkungslos, weil er an
der Reflexion sich nicht durchgeführt, und der Zweifel an
der Realität des Seins sich vorh^ nicht bis zum Momente
des Widerspruches mit sich selbst fortgetrieben hat, wo-
durch das von Beut erweck nur Vorangestellte und Vor-
ausgesetzte hier nicht als Resultat des dialektischen Beweise«
herrorspringt , und den Zweifel hinter sich und überwun-
den hat. In diesem Zusammenhange bleibt es nichts mehr
als eine Annahme oder Hypothese, und so fiel B outer-
weck der Form nach mit seinem ursprünglichen Bewusst-
sein des Seins allerdings in eine Art von Dogmatismus zu-
rück, der von Kant, noch mehr aber von F i c h t e, schon vol.
lig beseitigt war. (Vgl. dess. Leben u. Briefwechsel II. S. 308.)
Die spätere Umgestaltung seines Systemes hat er am
Befriedigendsten niedergelegt in seiner letzten und reifsten
Schrift: die Religion der Vernunft (Götting. 1824),
einem bedeutenden Geschenk lur Viele unserer philosophi-
schen Zeitgenossen , um sie zum Selbstverständniss über
jenes Princip zu bringen, was aber^ so viel uns bekannt,
bei Niemand sonderliche Frucht getragen. Er zeigt darin
mit der höchsten Klarheit *) , woran freilich nochmals zu
erinnern nötfaig war, seitdem man die ersten Nachweisun-
gen Kants und der Wissenschaftslehre darüber verges-
sen: dass, nachdem die lleflexion einmal die Vorstellung
dem Vorgestellten entgegengesetzt hat, wie bei erwachen-'
dem Selbstbewusstsein unvermeidlich ist, damit auch der
ZiW^el hervortritt an der Realität des Vorgestellten. Man
*) ,,Z w e i I e Abhandlung: die Wissenichafl und der QUab«
iu Bfaiehtuog auf di« ReUgioB.<< S 72» if.
24
370 Doulerwucks
Will Ober die Vorstellung hinaus, in die Sache selbst : aber
diess ist eben der Widerspruch ; denn indem ich die Sache
XU ergfTciien glaube , fasse ich immer nur meine Vorstel-
lung von ihr, als das stets Dazwischentretende. Es ist der
alte Satz, der seit der Wissenschaftslehre allgemein bekannt
und geläufig sein sollte: dass das Bewusstsein in
allem Wissen und Vorstellen unmittelbar nur
seinen eignen Zustand gewahr wird. Und wenn
man die Vorstellungen, welche von dem Gefühle der Noth-
wendigkeit begleitet sind, als die objektiven bezeich-
net ; so sind wir selbst mit diesen nicht fiber die Schranken
unseres Bewusstseins hinaus. Wahr oder objektiv
heisst eigentlich: „was wir auf eine gewisse Art
vorstellen mtissen, weil wir nun einmal Menschen
sind^ (S. 73.). Hieraus entsteht unbedingter Skepticismns:
man kann nicht wissen, ob nicht unser ganzes vorgebliches
Erkennen blosse Selbsttäuschung sei, in der wir uns Man-
ches als zufllHg, Manches als nothwendig vorstellen, was
der Fluss der Vorstellung nach inneren Gesetzen mit sich
bringt. Dazu wird S. Maimoji angeführt und mit Recht
behauptet, auch die Kantische Philosophie ende darin,
als in ihrer höchsten Konsequenz.
Dieser durchgeltihrten Reflexion stellt er nun den
„Glauben* im allgemeinsten Sinne entgegen, ihn bezeich-
nend als das unmittelbare (also nicht weiter begründete)
Vertrauen auf unser Wissen. Glaube ist der Zustand
6es Geistes , in welchem der Zweifel entweder ganz nie-
dergeschlagen oder wenigstens zum Theil aufgehoben ist
durch die Anhänglichkeit des Geistes an eine
bestimmte Vorstellung. (A.a.O. S. 77.) — Freilich
meint Bouterweck damit einen schon durch Reflexion
hindurchgegangenen, und von ihr getrübten Zustand, nicht
das reine , unbefangene , wie unwillkürliche Vertrauen in
unser Bewusstsein , feu v^lchem selbst der entschiedenste
Skeptiker im Leben zurückkehrt, wiewohl es (vorerst noch)
d»s absolut unphilosophische ist. Bezeichnender w«re da-
her , was er sogleich darauf hinzufügt , dass der Glaube
Religion der Vernunft. 371
(in dem Sinne jenes nnmittelbaren Vertrauens) selbst E 1 e«
m e n t alles Wissens sei , dass er sogar dem sinnlichen
Vorstellen zu Grunde liege ; (S. 84. oder nach J a c o b i 's
Worten : dass wir ohne Glauben nicht zu Tisch und Bette
kommen können.)
Was er (in der ^dritten Erklärung«) über den Begriff
der Vemunfl hinzufügt, ist das Bedeutendste, mfisste jedoch^
da es eigentlich nur assertorisch behauptet , nicht aber
entwickelt ist aus dem Gesammtorganismus des Bewusst-
Seins, noch mancherlei Berichtigung erfahren, um für wis-
sensebalUiche Theorie gelten zu können. Die Vernunft ist
nach ihm zuerst innerer Sinn, ein Vermögen unmittel-*
barer Erkenntniss , wie der äussere ; daher auch dieselbe
„Passivität^ in jener, wie in diesem. „Je mehr Sinn,
in dieser hohem Bedeutung des Wortes , desto mehr Ver-
nunft ist im Menschen.<< — So d a n n, sagt er, nimmt die
Vernunft -Thätigkeit das Mannigfaltige der Vorstellun-*
gen in die Einheit des Bewusstseins auf; bildet Allgemein««
begriffe , daraus Schlösse. Diese Schlüsse gehören selbst
aber unter die Vorstellungen; daher sind sie an sich
weder wahr, noch falsch, ausser insofern man sie auf die
wirklichen Anfangspunkte des Bewusstseins , die Anschau*
ungen , auf intuitives Erkennen zurückführt. Vertraut
man aber allein den Schlüssen, und giebt sich der Mei^
nung hin , dass die demonstrative Erkenntniss über
die intuitive erhaben sei, oder ohne diese bestehen könne ;
so erzeugt diess den logischen Aberglauben, aa
welchem auch die meisten neudogmatischen Systeme kran-
ken. Man kann nicht aus blossen Begriffen ein Er-
kenntniss objekt erwerben. Richtig, so wie dieser Sata&
auch das wahre und bleibende Resultat der Kanti sehen
Philosophie ist! — Aber mit dieser Abweisung ist nodi
Nichts geleistet für die Bestimmung des Wesens der Ver-
nunft und für Sicherung ihrer Realität, vielmehr wird diese
dadurch nur noch dringender gemacht.
Und damit wenden wir uns zur „dritten Erklärung^
der Vernunft nach Boutcrweck, zum entscheidenden
372 . Boulerwecks
Punkte. Sie ist nämlich auch noch Quelle eigenthüotlicher
Erkenntnisse, unmittelbarer Vorstellungen, durch welche sie
sich eben so sehr über die aus sinnlicher Anschauunff tnt-
springenden Vorstellungen, als über die Yerstandcsb^riffe
erhebt. Es sind die Ideen (S. 106.)- Hierüber, setzt
er hinzu, sei die Philosophie noch am Wenigsten im Kla*
reo, und es sei auch nicht zu erwarten, dass auf dieser
aussersten Höhe der Selbsterkenntniss die Missverständnisse
sobald sich vermindern würden. — Und doch ist, meinen
wir , diese Selbsterkenntniss (Selbst beobachtttng)an
sich nicht das schwerste Geschäft der Philosophie: es be-
darf dazu nur einer richtigen Methode, und besonders des
Abstreifens aller wissenschaftlichen und sonstigen Vomr-
theile, die nirgends reichlicher gewuchert haben , als bier.
Man muss sich nur getrauen , wirklich finden zu wollen,
was in der Ursprunglichkeit des Bowiisstseins liegt , nicht
weniger, dem Dünkel gewöhnlicher Begriffsweisheit zu
Liebe, aber auch nicht mehr, um irgend welchen Lieb*
lingsmeinungen Vorschub zu thun.
Die erste dieser Ideen sei die des Absoluten, fahrt
er fort, erhaben über alle andere Vorstellungen: Kant
habe diese, wie andere Ideen, nur zum logischen Regu-
lativ j^emacbt, ihnen also ihre objektive Realität abgespro-
chen , wodurch sich das ganze System des menschlichen
Wissens in ein bloss logisches Vorstellun gsge-
webe verwandle; was eben Resultat der ganzen kriti-
schen Philosophie sei. ^Denn alle Wirklichkeit wird iu^
uns zur blossen Voi'stellung , wenn wir uns das Absolute
nur als Vorstellung, wenngleich als Vernunft-Vor-
Stellung denken« (S. 1 09.).
Aber welch ein Mittel weiss er selber gegen diese Ver-
flüchtigung aller Realität; auf welchen Angelpunkt will er
das ungehenere Gewicht aller spekulativen Gewissheit
stützen? Auch hier ist es einzig nur wieder der Glaube
an die Vernunft (S. 110«), durch welchen er die Realität
der Idee des- Absoluten zu retten vermag, ohne wel-
phen jedoch auch sie sich immer wieder in
Religion <ler Vernunft. 373
eiii nur subjektiv nothwendigfes Vorstellen
verwandelt. Und hiermit sind wir auf den Gipfel die-
ser Theorie gelangt, — ein Gipfel, der in anderm Sinne
wieder ihr Wendepunkt wird, auf welchem sie sich überstürzt.
^ener Glaube nämlich ist, eben als solcher, ein un-
mittelbarer , ungerechtfertigter : er hat nur sich s e I b s ty
keinesweges aber Gründe für sich anzuführen; freilich
darf er seiner intensiven Kraft vertrauen, und menschlicher
Weise hat man nicht nöthig, bange^u sein um sein Fort-
bestehen. So steht er aber in seiner Unmittelbarkeit noth-
wendig unter der Reflexion, als dem entwickeitern
Bewusstsein, welches allerdings Gründe für sich hat, und
einen Reweis führt von der allgemeinen Ungewissheit aller
Erkenntniss. Mögen wir auch nicht glauben an die Wahr^
heit jener Gründe , so können wir sie doch nicht durch
blossen Glauben widerlegen; und diess eigentlich ist der
Charakter jenes Standpunkts : es ist ein unaufhörlichea
Schwanken und Ringen zwischen Glaube und Reflexion,
ein wechselndes Trauen und Zweifeln , ein Rejahen , das
stets in Verneinung sich zu wandeln droht , eine Vernei-
nung, die zum Glauben zurückflücht^ , und wer von bei-
den letztlich den Sieg behält, da keiner in so nnvoUende-«
tem Zustande und undurchgekämpfter Sache mit Ehtschic-
denheit ihn in Anspruch nehmen kann, {hängt von gann
persönlichen Zustanden oder Neigungen ah. Der kräftigere
Charakter, wie Uume, Kant, Fichte in seiner ersten
Periode — (sie kannten nämlich jenen Glauben , als die
notbwendige Gegenseite der vernichtenden Reflexion, so
gut, wie Jacob! und Routerweck ;) — wird das spe-
kulativ auf jeden Fall höher stehende Recht der Refle^
xion geltend machen , eben weil es ein philosophischer
Standpunkt ist: schwächere Individitalitäten werden, sich
aus Bedurihiss das Recht des Glaubens nicht nelimen lassen»
Und diesen unausgefochtenen Kampf zwischen deii
beiden Mächten des Bewusstseins zeigt nun das B out er-
weck *sche Werk in seinen folgenden Theilen. Bei allen
böhem Ideen — der Gottheit, der Freiheit und Unsterb-
374 VerbreUung mid YieigestaUIgkeit
*
lichkeit — wird Glaube und Reflexion in ihrem Widerstreite
gegen einander gehalten, überall aber zuletzt durch einen
Machtspruch zu Gunsten des Glaubens entschieden.
Der Verfasser legt der Reflexion Stillschweigen auf, indem
er die vernichtende Oede schildert, welche sie übrig Jässt;
sie schweigt jetzt wiridich, überwältigt von der Stimme
allgemein menschlicher Wahrheit, um im nächsten Augen-
blicke desto kralliger mit ihren philosophischen Rechten wie-
der hervorzutreten ; und in dieser unaufgelossten Dtssonaoz,
die indess der eben so scharfe, als redliche Denker
sich selbst nicht verhehlte, endet sein Werk.
Dennoch dürfen wir Pries noch immer als den Mas-
sischeti Autor dieser vielverzweigten Zwischenepoche be-
trachten : alle Fragen derselben sind von ihm mit Voll-
ständigkeit, Ordnung und Klarheit ausgeführt worden, und
überhaupt lassen sich unter die allgemeinen Gesichtspunkte
d^s Wissens, Glaubens und Ahnen s viele Zwischen«
bestimmungen hineinschieben ; viele bis auf das Persönliche
hejpab schattirte Nuancen können sich darin neben einan-
der stellen, so dass dem Individuellsten und dessen Befrie-
digung, als dennoch einer philosophischen, Raum gegeben
wird. Denn der Grund der Entscheidung ist hier ein ganx
psychologischer oder subjekUver: der Grad der Lebendig-
keit, mit welcher die Reflexion und der Zweifel, oder das
unvermittelte Bewusstsein und der Glaube, den Geist zuerst
ergreifen , das subjektive Vertrauen auf die eine oder die
andere Macht: diess Alles ist durchaus abhängig von per-
sönlichen Meinungen, Bildungsvoraussetzungen, Erfahrun-
gen , es kann sogar wechseln innerhalb der eigenen per-
sönlichen Fortbildung; und so haben wir auf diesem
achwankenden Boden psychologischer Standpunkte bei mehr
als Einem Philosophen und Theologen aus diesem Kreise
Metamorphosen erlebt, deren, unter den Thcologrn nament-
lich von der Nuance der Anhänger Priesens bis 70
denen Schleie rmachcrs hinüber, nicht Wenige und
sehr Ausgezeiclmete sind , als deren sp^ulatives Protokoll
diCfies PrioQipQb 375
und theoretisches Selbstbekcnntoiss , warum hier nicht zm
objektiven Ruhe zu konimen, das obige Bouterweck sehe
Werk beiracbiet werden kann«
Ueberbaupi aber wäre denen, welche nicht ablassen,
in ^Selbstbeobachtung und Psychologie den festen Grund
der Wahrheit finden zu wollen , die einfache Erinnerung
entgegenzustellen, dass der Mensch, welchen sie beob-
achten, und auf dessen vermein Hiebe Urthatsächlichkeiten
sie den unerschütterlichen Grund der Philosophie legen,
aicbts weniger als der absolute, ganze, aufsein ursprung-
liches geistiges Niveau zurückversetzte ist: es sind, wie
wir an Jacob i und Fries gezeigt haben, nur die wie-
der halbbewusstlos gewordenen Bildungsvoraussetzungen,
welche das achtzehnte und neunzehnte Jahrhundert in uns
bervorgebracht^ und die wir nun iur Urwuchs und mensch-
lich Autochthonisches halten. Mit unserer Theorie von .
Wissen, Glauben und Ahnen, Vernunflglauben u. dgl., würden
wir kaum die Gränzen von Europa überschreiten können.
Desshalb ist es auch höchst schj^iorig, ein durchgrei-
fendes Einiheilungsprincip für die Möglichkeit dieser phi-
los(^faischen Formen aufzustellen. Das Nachfolgende ist
nur als ein Versueh eines solchen bcgriffsmässigen Ver-
ständnisses zu betrachten, wobei es leicht geschehen kann,
dass in dem Gedränge der Erscheinungen viele Eigenthüni-
lichkeiten uns entgangen, manche Zwischenlarbungen fakcb
j^efaast worden sind, während diess einer nur die Haupt-
slandpunkte der Philosophie charaktcrisirenden Kritik der-^
selben weniger zum Vorwurfe gereichen kann^ als einem
Werke von historischer' Aufgabe.
Die gemeinscliafiliche Grundevidenz , das eigentlich
Interessante und Unabläugbare , worüber man völlig mit
sich in's Reine gekommen , war der Satz , dass das Be-
wusstsein niemals über sich hinausgehen könne,
um etwa seinen Begrüf vom Objektiven mit dem Objekte
selbst zu vergleichen, und sich so der Realität seines Wissens
zu versichern. Diess ist das immer wiederkehrende Grund-
argument, das wir, entweder skeptisch gewendet, oder dem
376 Fielgestaltigkeii
Glauben an die HeaUttt anterg^eordnet, oder selbst als ein
letztes, nicht weiter za begründendes Faictum, oder im Al-
lemiren dieser sämmtlichen Standpnnlite , bei Schulze,
Fries, Krug und Bonterweck antreffen. Hier blieb
aber noch immer als Anlehnungspnnkt das Ding oder die
Dinge an sich, unter welchen leeren, mithin fügsamen und
vielgestaltigen Begriff ohnehin sich das Verschiedenartigste
bringen Vl%$&.
Aber eine scharfe und konsequente Passnngf dieser
Einsicht, musste den Widerspruch jenes Dinges, welches
erscheinen soll, und doch auch nicht erscheinen, ganz be-
seitigen. Es ist selbst nur das (unwillkährlicbe) Produkt
der nothwendigen Selbstbeschrankung des Bewusstseins,
die Schranke, die es, seiner absoluten Reflexionsform zu-
folge,, sich selbst geben, ebenso aber immer wieder durch
diese Reflexion aufheben muss. Diess ist mehr, als die
skeptische Unentschiedenheit über die Objektivität je-
nes unerkennbaren Dinges an sich ; es ist der durch-
drungene und erkannte Begriff desselben und die Zerstö-
rung seiner Realität. Im Wissen, und im Wissen des
Wissens, weil es in alle Ewigkeit nur von sich selbst
zu wissen vermag, lässt sich nichts Anderes errei-
chen, ifoch auch nur fordern ohne Selbstwiderspruch.
So Fichte bekanntlich in der altem Geslalt seiner
Lehre: einen Realismus von der Erkenntniss aus be-
gründen zu wollen ist schlechthin unmöglich ; „alle Rea-
lität entsteht nur durch — Neigung, um es
kurz zu sagen^ (Fichte an Reinhold: Leben und
Briefwechsel IL S. 308. ) ; und gäbe es kein anderes 0 r-
gan, sie zu ergreifen, ^c^ wäre sie ßr den Menschen
nimmer zu finden. Der durchgeführte Idealismus hat nur
das doppelte Ziel, dies rechte Organ und damit die wahre
Realität durch Zerstömng des Täuschenden und Realität
bloss Lügenden zu wecken und dem Menschen zu einem
nothwendigen zu machen ; ihn aus der vernichteten Schein-
welt in die wahre hinaufzudrangen. — Die Ausfühmng
davon im Gleichgewichte der beiden Seiten hat Fichte
dieses Princips. 377
insemer Bestimm'ang des Menschen gegeben, nnd^
auch lillerarisch betrachtet ^ ist es schwer erldärbar , wie
der Binflnss dieses Werkes, welches zugleich den allmSh^
liehen Uebergang F i c h t e 's in seinen zweiten Standpunkt
bezeichnet , auf die spater versuchten Synthesen der Se*-
flexions- und Glaubensphilosophie unerkannt bleiben koirnte.
Mag Fries noch so sehr, und mit seinem Rechte, sieh
in der Methode als Gegner von Fichte erkennen; der
Uebergang von dem „Wissen^ in den „Glauben^ und
hier wiederum von dem Praktischen in das Religiöse ist
zuerst von Fichte gemacht worden*, und sogar die
Wendung fehlt nicht in jenem Werke, dass der praktisch^
Geist die Welt als das Objekt und die Sphäre seiner Pflicht,
nachdem er aufgehört habe,- sieh als den Sciaven derseU
ben ZB wihnen (S.*177.)9 nun wieder in einem Glauben
zuröokerhilt, der seine Garantie und Gewisfliieit hat in der
unwiderstehlichen Ueberzeugung , dass eine jede sittliche
That, in dieser ausgesfiet, ihre unausbleibliche Feige ha<*-
ben werde. Die Natur ist nun nicht mehr Schranke, oder
eine fremdes und unerkanntes Gegenüber, sondeni ein der
Vernunft und der Freiheit schlechthin zu Unterwerfen-^-
des*). —
Unter der doppelten, dem eigentlichen Kanfianis*
mus naher stehenden Voraussetzung jedoch, zuerst dass
sich hinter dem Unmittelbaren der Erscheinung, dem
Wissen ewig unzugänglich, die Welt der Dinge
an sich verberge, und der daraus sich ergebenden
zweiten, dass desshalb die hohem praktischen, wie reli-
giösen Wahrheiten nmr geglaubt werden , und die philoso*
phiscfae Begründung desshalb nur darin bestehen könne,
diesen Glauben durch eine Theorie des Bewusstseins, als die
einzig. für sie mögliche Form, nachzuweisen: las»
*) Vcrgl. Ficbie'sBestimmoiigües Me.ntcbeo: erste
Ausg. S. 174— 78. 182. 186. ff. Begriff des G 1 a u b e n s S.
193. ff* 197. Verhältniss zur Natur innerhalb dieser Ansicht
S. 221. ff. UebergaDg %on dem Praktischen in's Religiöse S.
363. 29t. 320-338.
378 Ableitaiig seiner Fi»niieii.
ien flick fir diese g«iize A&flidit irar drei Abslmbagea
voo Unten nach Oben denken : entweder das« der Kach-
druck auf das Resultat der Reflexion gelegt und das Un-
gewisse, KOT Unentschiedenheit Aufibrdemde im Inhalte des
Glaubens in den Vordei;gnuid gerückt wird; — das s k ep li-
ache Moment, welches in diesem ganzen Standpunkte ver<-
steckt liegt, und bei Fries «nd Beute rweck eigentlich
nur niedergeredet wird durch das absolute Veto ihres
glaubigen Bewusstseins : — oder dass das deichgewicbti-
ge, Unentschiedene, das Eine oder das Andere Zulassende,
'diese faktische Beziehung zwischen- dem Subjektiveo und
Objektiven, selbst bloss faktisch au^fasst und ak die un-
fibersteig^iche, nicht weiter zu erklärende Grnndthalaache
bezeichnet wird; — der empirische SyntheÜsmiis Krugs:
«- oder endlich, was hier so nahe liegt, dass es kaum
abgehalten werden kann , indem das aligemein Menschliche
jenes Glaubens sich im christlichen wiedererblicken wird,
•dass diejenigen, welche auf die Seite des Glaubens tr^ea,
in diesen Inhalt zugleich den Inhalt des christlichen Be-
wusstsems anfhehmen. Diess ist die Granze ; es wird da-
-durch nicht nur aus dem philosophischen in das theologi-
sche Gebiet übergegangen, sondern aus dem wissen^ehaR-
lidien in das allgemeitt erbauliche oder das Gebiet Aeto-
rischer Darstellung«
L
An dem Skepticisrous von Gottlob Ernst Schulze
— denn dieser vertritt die erste der bezeichneten Formen
"-^ ist das Interessante nicht sowohl seine Starke nnd
Konsequenz, als die Schwache, das allmähliche Sichseibsl-
abhandenkommen desselben. Und wie vielgestaltig auch
jetzt alle Richtungen der Philosophie ihre Vertretung finden,
so ist doch nicht auf das Entfernteste ein entschiedener,
im Sinne der Alten gedachter Skepticismus darmitor anzutref-
fen; statt selbst anmasscnd oder keck zu werden, richtet
sich der Zweifel jetzt immer nur^ wie er sagt , gegen die
Anmassungen jder dogmatischen Spekuklion, um seiner
Antiker und niCNlerner Skepticismus. S79
Seits Empirismns zn bleiben, und die Philosophie xa einer
bloss erfahrungsmassigen Wissenschaft herabzustimmen.
Anf den ersten Blick könnte man glauben, dass der
Grund dayon in der allgemeinen Kraftlosigkeit unserer Zeil,
in der Schwäche unserer Individualitaten zu suchen sei^
welche, trotz alles eigenwilligen Meinens, doch sich nicht
getrauen oder nicht im Stande sind, in die theilnahmlose,
jeder Entscheidung sich enthaltende Einsamkeit ihres SuIk
jekts sich zu versenken. — Der wahre Grund jedoch ist
anstreitig ein tieferer, derselbe , der auch den Kampf und
die Widerspruche der Subjektivitäten gegen einander nicht
zu einem so tiefen und grundentzweienden werden lässig
wie im antiken Leben.
Die alte Skepsis konnte nur entstehen nach dem Sturze
der geistigen Realität des Alterthums, nach dem Untergang?
ifares Staates und Götterglaubens, und aus der völligen
Verzweiflung an der Wellgegenwart. Der Widersipruch dcjc
Wirklichkeit gegen die Anforderungen des Geistes konnte
sich spekulativ nur als die durchgeführte Skepsis , als
das Abläugnen jedes Kriteriums der Wahrheit, ausprägen.
Für uns wäre dieser Zustand ein völlig unwahrer, ja gril-»
lenhafter und kranker, so wie uns jene Geistes^tbaltuHg
fast unverständlich geworden ist, dass man , um dem Wi-«
dersinne der Gegenwart zn entgehen, der sieh überall auf*«
drängte , und in sieh wenigstens die Eintracht hav^
tustellen , bis zu der Gewaltsamkeit sich steigern mussli.'^
alles Wirkliche, als das an sich-Unwahre und WertlilQse,
mit Verachtung von sich zu weisen. Für uns hat die
christliche Religion in der Tiefe, des Geistes jedes Rechi
der Skepsis besiegt : durch sie sind wir in's Reich der Wahr^
heit schon eingesetzt; was uns entgegentritt, objektiv auggebiU
det ist im Staate und in der Religion , ist das Wahre nnd
Yernunfgemässe selber. Das einzelne Subjekt vermag nicht
mehr zu sein , als die geistige Gegenwart , die ihn trägt ;
ihm entsteht vielmehr die entgegengesetzte Aufgabe, sich
jenem adäquat zu machen und gewachsen zu zeigen : prak-
tisch genug £0 thun aeinen Aufforderungen» theoretisch es
380 G. E. Scknke's
' . . . .
denkend, begreifend sich anzueignen. So ist auch der
einzige Skepticismus , welchen das Christcnthnm entstehen
lassen konnte, und welchem die spekulative Philosophie be-
stätigend beitreten muss, die erhabene Skepsis der Mysli-
ker, welche sich in Opposition setzte gegen die BegriiTe und
Heflexionsgegensätze des gemeinen Verstandos, und, mit
Verwerfung dieser ganzen Erkenntnissform für die ewigen
nnd göttlichen Dinge, durch die Scholastik des Mittelalters
nnd die nen auftretende Verstandesphilosophic in Frank-
rdch und England sich hindurchzog. Dieser darf auf
ein nniversalhistorisckes Interesse Anspruch machen , nicht
der ganz partikulare , gelehrt kritische von H u m e und
^cbulze, welchen der Letztere desshalb gut als Anti-
dogmatismus bezeichnete , gerichtet gegen bestimmte
Zeitsysteme.
Schulzens skeptische Briefe (^ Aenesi denius
oder über die Elemente der von Herrn Pro-
fessor Reinhold in Jena gelieferten Elemen-
tarphilosophie, nebst einer Vertheidigung des
Skepticismus gegen die Anmassüngen der
Vernunflkritik«: ohne Druckort, 1792.) erschie-
nen im Culminationspunkte der Wirksamkeit von Kants
nnd Reinholds Philosophieen. Bcrähmt sind sie gewor^
den durch die Widerlegung des R e i n h o 1 d sehen Versuchs,
den Grundsatz vom Vorstellen zum Principe der gesammten
Transscendentalphilosophie zu machen. Aber wichtiger
und umfassender ist seine Polemik gegen Kant: sie hat,
neben dem allgemeinern Verdienste wissenschaftlicher An-
regung , auch noch das positive , auf Künftiges vorarbei-
tende, dass hier zuerst aufmerksam gemacht wird auf das
Element des Vermmftglaubens, das schon in Kants theo-
retischen Grundvoraussetzungen versteckt sei, welchen
Aenesidemus noch einmal H u m e 's - Standpunkt ent-
gegensetzen zu dürfen glaubte : die skeptisch empirische
Auffassung und Ableitung des Causalbegriifes , mithin auch
alier apriorischen Grundsätze bei Hume, sei von Kant
noch nicht widerlettt oder überschritten; denn auch Kant
Skepticisnms. 38i
ndune, obne Beweis der Berugniss, die Gfiltigkeil der Ka*
tegorieen an , auf Erfahrungsgegenstande, auf das er-
scheinende Ding an sich , angewendet zu werden , wobei
er sich am Ende nur auf die „Gewohnheit^, d.h. auf den
unwiderstehlichen Instinkt der Vernunil, als das letzta
Faktum eines nicht weiter zu begründenden Fürwahr-
haltens, berufen könne. Aber auch nur diess sei der wahre
Sinn des skeptischen Arguments von Hume.
Hieraus ergiebt sich nun schon , dass, wenn A e n e-
sideraus" dergleichen Argumente den Kantianern seiner
Zeit anbieten konnte, die Schärfe und durchgreifende Be-
stimmtheit des von Kant aufgestellten Kriteriums zwischen
dem Apriorischen und Aposteriorischen im Bewusstsein der
spekulativen Zeitgenossen wieder verwischt oder ganz verlo-
ren war. Diess hat sich dann auch, wie wir nachwiesen, auf
Fries fortgeerbt, und hierin^ zusammt dem späterhin von
Kant selbst in Umlauf gebrachten Vorurtheile, welches je-
doch mit seinen ersten Erklärungen in ausdrücklichem
Widerspruche steht, da$!s seine Kritiken nicht Propädeutik
eines Systemes der Philosophie, sondern diess System sel-
ber seien, — hierin lag die vollgenugende Veranlassung iur
Skeptiker, wie kritische Philosophen, von den nächsten
Schritten, zu denen jene Entdeckung, fuhren musste, abzu-
lenken, und die Philosophie zu einer „ Zergliederung ^ der
»innem Thatsachen.^ werden zu lassen. In diesem Sinne
kann nicht obne Fug gesagt werden, dass Kant nach sei-
ner Wirkung und in dem Verständnisse, welches er bei der
Hehrzahl seiner Zeii;genossen gefunden, das Hume sehe
Princip nicht überwunden habe; denn ein grosser Theil
seiner Anhänger stand selber mit letzterem noch auf dem
gkichen Boden.
Diese skeptische Wendung, Vorstellung und Sache,
als das ewig ausser einander Bleibende, sich entgegenzu-
setzen, hat Schulze in seiner Kritik der theoreti-
schen Philosophie, II Thle. (Hamburg 1802.) gegen
die Philosophie, dogmfitische, wie kritische, repräsentirt in
den S];;stemen von JLpcke, Leibni4z und Kant^ weiter
382 G. E. Schulze's
fortgesetzt. Philosophie dcfinirt er nls «die Wissen-
schaft von den obersten und unbedingten Ur-
sachen alles Bedingten, von dessen Wirklich-^
heit wir Gewissheit haben. <^ Aber als Wissen-
schaft von systematischer Einheit bedarf sie desswegen
eines einzigen obersten Grundsatzes oder
G r u n d b 0 g r i f f s, woraus alle ihre weiteren Sätze durch
„Zergliederung« abgeleitet werden können. (Bd. I. S. 20. ff.>
Hier zeigt sidh die bemerhenswerfhe Voraussetzung, über
öle man seit Rein hold einige Zeitlang einverstanden
war, und die auch Veranlassung zur ersten Form der Wis-
senschaftslehre wurde, dass die Philosophie nur dadurch
System — „Wissenschaft aus Einem Stäcke<<, wie es hiess,
werden könne, wenn sie durch Analyse aus einem Grund-
Satze oder Principe ihren Inhalt gewinne , statt vom G e-*
gebenen auszugehen, und aus diesem die eigenthüm-«
Kchen spekulativen Probleme sich bilden asu lassen. Man
muss gestehen , dass die immanente Dialektik des
absohlten , schlechthin nur aus sich selbst sich fortbestim-*
menden Begriffes die letzte und konsequenteste Frucht
dieses — Reinhoidischen Vorurtheils geworden ist.
Hier besteht nun, fahrt Schulze fort, der „Erb-
fehler^ aller Spekulation darin, dass das Bewusstsein, mit
der rropiriscben Erkenntniss des Gegebenen sich nicht be-
Modrgend, weii diess Gegebene nach Inhalt und Existen»
steh als ein ZuÜiliiges erweise, den verborgenen Grund
desselben , das Unbedingte zu diesem Bedingten , suchen
milsse, und doch nie erreichen könne, weil diess hinter
uhserm Bewusstsein liege, welches, über sich selbst niemals
Mnausgelangend, dieses übersinnliche Objekt nie mit seiner
Vorstellung davon vergleichen könne (a. a. 0. S. öl.)«
Hierin besteht das Grundargument des gegenwärtiger Skep-
tizismus; aber es verdient als charakteristisch für densel-
ben angeführt zu werden , dass er selbst diesem Principe
einen doppelten und sogar schwankenden Ausdruck gab.
Einmal nämlich, — und diess ist die vorherrschende
AuffiBissung — bleibt er bei der Voraussetzung der GMig^
Skeplicismus. 383
keit und Realität der Dinge an stell stehen , auf ivelche
sicli die Vorstellungen beziehen ; aber sie bleiben das Vn^
bekannte , weil sie der Vorstelhing entgegengesetzt sind.
Die von Locke und Leibnitz (dogmatisch) angenom-
mene Uebereinstimmung zwischen beiden mnss da-
her (skeptisch) eben unentschieden gelassen w^den. Alle
Yorslelliing bleibt VorsteOung; Wir können sie nie mit dan
Objekte v^gieichen, sondern inuner nur etwa mit einer
andern Vorstelhing desselben : und kefai Vemfinltiger
wird wähnen , im Besitze der Vorstellung von Etwas die»
ses Etwas zugleich mit zu besitzen (Bd. I. Vorrede. S. XL
S. 583. 588—90: u. s. w.).
An andern Stellen dagegen (Aenesidemus S. 245..
Kritik der theoretischen Philosophie B. L
S. 70.) tritt die konsequentere , und auf jeden Fall allein
skeptisch zu nennende Betrachtung hervor: dass diese ur«
sprüngliche Beziehung der Vorstellung auf ein Objekt, mit-»
hin der Begriff eines Objektiven überhaupt,
selbst nur Vorstellung , ein Subjektives , InnerltchesL seL
Man müsse die Vorstellung des logischen Seins von
der des realen Seins genau unterscheiden. Mit diesem
Gedanken hätte Schulze m dem das Ding an sich , als
äusserliches, schlechthin vernichtenden Idealismus
Fichte^s und weiter damit zum Umschwünge der ganzen
idealistischen Spekulation zurückgelenkt. Aber diess waren,
so scheint es, vorubei^ehende Regungen in ihm, welche
die Grundtage seines Standpunktes nicht erschütterten. Es
bleibt vidmehr dabei , dass wir ^zufolge einer ursprüngH«
eben Einrichtung unseres Erkenntnissvermögens^, Aber
welche wir nicht hinauskönnen, und die uns unerklärlich
i^t, •— (die lediglich empirische ultima ratio dieser ganzen
Kilosophenschttle) — zwar die Beziehung unserer Vor-
stellungen auf ein Objektives ebenso ursprünglich aner-
kennen müssen, als doch nicht minder die Unmöglich-
keit, hinter das wahre' Wesen derselben zu kommen.
Hiermit hat diese Skepsis^ welche sonach nur das Stehen-
bleiben beitav UnniitteMren imd Enipicischen anralhen kann,
384 €. E. Schulzens.
sich gieichfalls der Anerkennongr des allgfemeui
Veraanftglaobens angeschlossen, oder ihm voigearbeitet
Aus denselben Gründen bleibt nun auch nach Schulze
jede theoretische Philosophie ein durchaus unausführbarer
Gedanke. Die HaiqKinstanzen gegen wissenschaftlicbe
Spekulation überhaupt sind aber dreifach; sie duurakte-
risiren den Geist dieses Skepticismus erst ToUstandig (Kri-
tik der theor. Phil. Bd. L S. 613—28.): die Philoso-
phie , indem sie eine Wissenschaft sein soll , bedarf unbe-
dingt wahrer Grundsatze, um von ihnen auszugehen. Sol-
che sind aber unmöglich, weil die Uebereinslim-
mung des Begriffes mit dem Gedachten nie
unmittelbar und nothwendig gegeben isL —
Hieraus erhellt der eigentliche Sinn der Forderung, welche
der Skepticismus an die theoretische Philosophie macht,
um die Uebereinstimmung zwischen Vorstellung und Vor-
gesteUtem zu erweisen. Jene Instanz nämlich , allgemein
angewandt, würde auch jede wissenschaftliche Mathematik
unmöglich machen ; indem nach der Konsequenz derselben
z. B. ebenso wenig apodiktisch behauptet werden könnte,
dass der in der Vor Stellung der Grössenverhällnisse
freilich absolut nothwendige Grundsatz: dass alle Hälften
einander gleich siiid , auch von den realen Grössen
gelte. Dennoch würde dieser Einwurf gegen jene Skep-
sis , bei ihrer nicht seltenen Bezugnahme auf Mathematik
und matbematische Wissenschaftlichkeit, sie nicht in Ver-
legcuheit setzen : denn nach ihr bewegt sich die Mathe-
matik selbst nur in der Welt der Erscheinung, nicht der
Dinge • an sich; und was in ihr die (absolute Ueberein-
sliminung ihrer Gründe und Lehrsatze mit dem Wirklichen
hervorruft, ist selbst nur eine Uebereinstimmung zwi-
schen Vorstellungen, denen der unmittelbaren Sin-
nesanschauung und des durch Reflexion erzeugten m'atheina-
tischen BegriiFes. *— Hier Hesse sich jedoch auf alle Weise
Dragen, warum nicht auch die Philosophie mit der Realität,
die sie zu begründen hat, bei einer solchen Ueberein-
stimmung der Dinge an sich mit ihren Vorstellungen stehen
Skepticismusv 38S
bleiben solle , und TOUkommen sich Genüge geleistet zu
haben glauben dürfe^ wenn sie^ gleich der Mathematik) den
fipodihtischen Beweis führte wie diese (die diesseitige)
Objektivität mit dem Subjektiven übereinstimmen müsse?
Denn ohnebin wird es nimmer gelingen , eine andere
Objektivität, ein Wirkliches jenseits des Wirkiidien , d. h«
eine überwirkliche Wirklichkeit, ^^vorstellig zu machen.^ •-«-
Daran ergiebt es sich aber recht augenfällig, wie es sich
mit jenen j,Dingen nn sich^ bei diesem Skepticismus , wid
bei den bisher charakterisirten Philosophieeh des gleichen
StantlptinkteS) eigentlich verhalt« Sie sind das rein Negative^
6€hle<?hthin Unvorstellbare^ das blosse Nichts ah Realität $
eine absolut nur leere Stelle^ eine schon im begriiTe sich
selbst aufhebende Fiktion, welche man dennoch nicht weg-&
Werfen darf^ um nur den philosophischen Unterschied zwi»
6dien nothwehdigem und willkührlichem Vorstellen in det
iHieorie retten zu können^
Diese Unmöglichkeit, die Dmge an sich auch nnt
^Yorstellig zu machen ^'^ Wird von der zweiten Instani
tea bestimmterem Ausdrucke gebracht. Was die Philosophie
von d*?!! obersten Gründen des vorhandenen Bedingten er-^
kannt zu haben meinte diess kann sie bloss in Begriffen
aufgefasst und gedacht habeii. Der mit ^blossen Begriffen^
beschäRigte Verstand hat aber gar kein Vermögen, Etwaii
der Wirklichkeit gemäss auch nur vorstelligf
machen zu können; denn Vorstellungen sind
nicht die Sachen selbst; Noch weit weniger aber Be^
griffe^ Denn nur das Individuelle lexistirt ^ welches sich
^ar ia den (gleichfalls individuellen) Vorstellungen^ nicht
aber in den (abstrakten) Begriffen wiedergegeben denket!
liesse: blosse Begriffe können also nie über daft
Wirkliche entscheiden^ Auch dieser Beweisgrund ist
charakteristisch) und diesem ganzen philosophischen Stand-»
punkte gemeinschaftliche
Der Sinn ist der schon früher ^ besonders bei Cele»
genheit einer vergleichenden Kritik der Locke sehen und
Leibnitzischen Theorie^ von dem Skeptiker dargelegte^
85
386 G. E. Schiitee*s
es giebt nur IndividueUes, aDes Aflgemeine wird iediglick
durch Abstraktion aus jenem g^efanden ; der Begriff ist da-
her nur abstrakt, mithin gleichsam ein Sobjektives in
zweiter Instanz , noch weiter entfernt von den Dingen ao
aich. So hätten wir uns diese dennoch als individueOe za
denken: jeder sinnlichen Einzelvorstellung entspräche ein
Ding an sich, nur mit verhüllten Qualitäten für uns ; denn
was diese an sich sind, ist eben nkhl vorstellig zu ma-
chen. Die ausschliessende Realität daher, welche, im Ge-
gensätze mit der Vemunftallgemeinheit , dem sinnlichen
Vorstellen gelassen worden ist , wird ihm dennoch wieder
entzogen, den sinnlich-unsinnlichen Diessheiten gegenüber,
welches die „Dinge an sich* sind. — Wie wenig von die-
ser Seite her die Skepsis es zu Konsequenz und Entschie-
denheit gebracht hat, wie weit sie zurückbleibe hinfer der
Skepsis der Alten, hat bekanntlich Eeget gezeigt in sei-
nem für diess ganze Verhältniss epochemachenden Auf-
sätze „über das Verhältniss des Skepticismus zur Philoso-
phie, und Vergleichung des neuesten '^ (Schulze sehen)
„mit dem alten.* (Kritisches Journal der Phil.
Bd.I. St. 2. S. 1— 74.)
Das dritte skeptische Argument bezieht nun diese«
allgemeinen Begriff der Jenseitigkeit aller Dinge an sich auf
den des Unbedingten. Er gründet sich vorzüglich auf den
Schluss von der Beschaffenheit der Wirkung auf die Be^
schaffenhett einer angemessenen Ursache. Aber dieser
ist eben völlig unsicher: das hiesse hier vom Bedingten
auTs Unbedingte schliessen.
Ein Skepticismus mit so vielen empirischen und un-
berechtigten Beimischungen kann noch nicht in sich zur
Ruhe , zum Stehen gekommen sein ; wir dürfen erwarten,
ihn selbst nur in Wandel und Umbildung begriffen m
sehen. Und so ist es Schulzen wirklich ergangen,
gleichwie Bouterweck und vielen Andern; denn es i^
das unvermeidliche Loos auf diesem Gebiete. Er hat in
der Folge seiner spätem Werke über theoretische Philoso-
phie („Encyklopädie der philosophische-n Wis-
Skepticismusi 387
96tt6chaften« Göttiiigeh 1818. 2t8 Aufi^, uh4 ühet
diemenschliche Erkenntnisse ebendas. 1832.}
$e\m Skepsis noch weiter herabgestimml^ und zum Schhissö
endlich auf dem Gebiete psychologischer Philosophie Plati
genommen. In dem letztern Werke nennt er den von ihm
gewählten Standpunkt den des natürlichen Realis«
mas, und erkennt in der Yerbjndung der platonischen^
dem Jenseits der Erfahrung zugewendeten Art des Philo-»
sophirens mit der aristotelischen , von der Erfahrung be-a*
ginnenden, das Heil lur die künftige Philosophie ^ ^elchd
ein System werden müsse , welches ein allmähliches Fort^
schreiten von den aristotelischen Untersuchungen zii den
^ platonischen von Gott und den göttlichen Dingen in sich
schliesse. Hiermit ist also der Skepticismüs völlig ftufge«
g^ben ; er verliert sich in die Hofihüng auf eine k ü n f »
tige, befriedigendere Philosophie, während ihm jetzo am
Näch^n liegt, das Studimn des menschlichen Erkenhthiss-^
Vermögens fortzusetzen , tmd durch eine richtige theoriid
über das Erkennen auch das „natürliche Verhält^*
B i s s^ aufzuhellen, in welchem die Vernunft und der Ver-^
stand zu einander stehen. (Wegen des näheren Inhalte
Seiner eigenen Theorie über das Erkennen dürfen wir auf
B. Reinholds Lehrbuch der Geschichte dei^
Philosophie ite AuCL 1836. S. 622. 23. verweisen^ ein
Weik, ebenso zuverlässig in seinen Angaben , denen mei-
stens Quellenstudium zu Grunde liegt^ als umlsichtig in sei^»
tier Kritik.)
ti.
indem wir Wilhelm Traugoit ki^üg hier bn»
t^ihen und ihm die eweite Stelle im gegenwärtigen Zu-
sammenhange geben^ können Wir nur bekennen^ d^s diese
^ als die zweckmässigste^ keinesweges ali^ eine
iDoeriich nothwendige ^ erscheine. Diess gründet sich je»
doch auf ein eigenthüinliches, in der Beschaffenheit der Sache
^Ibst liegendes Verhältnisse welches öiler wiederkehrt) als
Bum sich gestehen will» — b der that nämlich i^ind nicht
388 W. T. Krugs
alle Philosophen und Philosopbieen, die sich faktisch findep,
auch noüiwendige : wie kann solchen daher eine nothwen-
dige Stelle gegeben werden? Ebenso ist aber auch in
den Philosophieen , die Nothwendigkeit haben , nichl Alles
nothwendig: vielmehr ringt die Nothwendigkeit ihrer Idee
mit dem Wirklichen , Undurchbildeten ihrer onraitlelbarcn
Erscheinung ; und zwischen diesen beiden Enden, der Idee
und des Zufälligen , der ewigen Wahrheit und des bloss
faktischen Ereignisses, reihen sich alle Philosophieen neben
einander; daher auch die entgegengesetzten Urtheile und
Crcsichtspunkte über die Bedeutung einer einzelnen Philo-
sophie , wo sich von Seiten des Benrtheilenden wie des
Beurteilten die Anspräche gar verschieden stellen müs-
sen. Für K r u g ist diess freilich der schlimmste Umstand,
dass die beiden entgegengesetzten Parteien der Philosophie,
sonst diametral verschieden in ihrem Urtheile , darin ein-
verstanden scheinen , sein System für unausreichend und
seiner Aufgabe nicht gewachsen zu erklären , so dass es
in der That nöthiger wird, an seine wirklichen Verdienste
zu erinnern , als in das gemeinsame , mit hergebrachtem
Wohlgefallen wiederholte Urtheil einzustimmen; dennauch
Krug könnte sagen , wie jene Königin des Dichters : er
sei besser als sein Ruf. Wir furchten daher nicht, seinem
wohlerworbenen Ruhme, als freigesinnten, muthigen Denkers,
als populären philosophischen Schriftstellers in allen Thei-
len der Philosophie , welche dafür sich eignen , überhaupt
als eines unparteiischen, ehr- und wahrheitliebenden litte-
rarischen Charakters, so wie seinen Verdiensten in einzel-
nen Theilen der Philosophie und in fast allen .der Littera-
tur, zu nahe zu treten , wenn auch wir sein System , nach
seiner eigentlich philosophischen Bedeutung, für ein zufäl-
liges , durch keine innere Nothwendigkeit getragenes , für
das Produkt einer bloss historischen Zusammenfugung tra-
ditionell aufgefasster Ideen erklären müssten. Für solche
Erscheinungen ist fast nur eine historisch psychologische
Deduktion möglich ; aber, einmal aus diesem Gesichtspunkte
gefasst , erhalten sie oft ein neues , unerwartetes Interesse
SyiUhetismus. 389
•
und sogar Wichtigkeil nach ^er innern Bedeutung des
Zeilpunktes, als deren Ausdruck wir sie fassen dürfen.
Fichte hat einmal, um Reinhold in seiner cha-
rakteristischen Stellung zu bezeichnen, ihn den Repräsen-
tanten des Philosophie studirenden Publikums genannt; aa
ihm könne der spekulative Schriilsteller den Maasstab neh-
men, theils wie er verstanden werde von demselben, theils
was ihm überhaupt von spekulativen Ideen eingehen wolle.
— So könnte man Krug vielleicht den Repräsentanten
nennen der in ihm historisch gewordenen und zum Ste-
hen gekommenen Spekulation, im Zeitpunkte ihres ersten
Uebergangs von Fichte zu Schelling^ den Vertreter
und Zeugen desjenigen, was in jener allerdings höchst be-
deutungsvollen, wiewohl unwiederbringlich der Vergangen-
heit anheimgefallenen Epoche , im grossem Publikum von
philosophischem Inhalte überhaupt zum AUgemeinbesitz ge-
kommen war. Alle Ideen und Probleme, welche das K a n-
t i sehe und Fichte sehe System theils aus sich hervorge-
bracht, theils angeregt und übrig gelassen hatten, sind der
Krug sehen Philosophie wohlbekannt und naeh ihren
Schlagwörtern ihr völlig geläufig: dennoch sind es nioht
mehr Ideen oder Probleme geblieben; sie haben sich in
empirisch - psychologische Iliatsachen , in ein subjektiv
Vorfindliches von durchaus faktischem Charakter verwan-
delt, mit einer so reinen und völligen Abscheidung alles
spekulativen, weiter treibenden Impulses darin, dass diess
eben das Neue und Interessante wird, ein philosophisches
System nicht nur ohne eigentlich philosophische Produkti-
vität entworfen zu sehen --* (denn auch ohne solche Idee»«
Produktion im höhern Sinne kann ein Denker einen schon
gewonnenen Standpunkt auf das Förderndste und Beleb-
rendsle ausbeuten) , -*- sondern es ohne allen philosophi-
schen Gehalt,, ja ohne Kunde und Intef^e an den eigen-
tlmmlichen Aufgaben der Spekulation zu finden , und bloss
durch eine historische Notiz von denselben geleitet..
Um nämlich summarisch den Inhaltsbestand derKrug-
schen Philosophie anzugeben ^ so hat er dagenige , was in
3ÖÖ W. T. Inig»
dem Kantisch-Flchteschen Systeme gerade die Au^
gäbe, das stachelnde Problem, was uberbaupt jener ganzra
philosophischen Epoche das Wunderbare und Räfhselhafte
war, in dessen Bcwnsstseia sich damals die ganze Anfgabe
der Spekulation zusammengedrängt hatte : — wie ein Objek-
tives jemals zn einem Subjektiven, ein Sein für sich za
einem vorgestellten zn werden vermöge, wie
es mit dieser sonderbaren Verwandlung zugehen
möge — (um Fichte's Worte zu gebrauchen, mif wel-
chen er am Eingang seiner Sittenlehre, 17^. S. 1. 11.
,die Aufgabe aller Philosophie« fasst;) — welche Aufgabe
Fries und die bisher charakterisrrten Denker wenigstens
fnSQfem lösten, philosophische Auskunft darüber ga-
ben, als sie die Einheit zwischen Subjektivem und Objek-
tivem, die freilich am Wissen in Abrede zu steHen sei , im
Glauben erreicht fanden, — welche Frage Sckelling
durch den grossen Gedanken umfassend löste, und so in ihr
die universale Aufgabe der Philosophie wiederfand : dass die
Well des Subjektiven und Objektiven, Natur und Geist,
|iur dadurch auch im Akte des Bewusstseins sich durch-
dringen , Eins werden können , weil sie ursprünglich Eins
und, nur in verschiedener Potenz, Ausdruck der absoluten
Vernunft seien : — diese Einheit, welche den Andern Auf-
gabe, etwas zu Erklärendes war, verwandelte Krug in
eine ursprängliche, nicht weiter zu erklärende Thatsa-
che; das Problem der Philosophie ist ihm der absolute
Grinzpunfct, über welchen keine Philosoph^ hinaus
kann, ohne ,^srch ii(i gnmdlojse Spckülatronen und leere
Traumereien, zu verlieren.« So endet sein System gerade
in dem, womit das der Andern beginnt, und die von Krug
l^ehauptete Lösung der Aufgabe besteht darm, sie als das
schlechthin U n a u f I ö.s U e h e geradehin vorauszusetzen,
als das erste od^let^te, nicht zu erklärende Grundfak-
lum. Alle Versuche nämlich, diese Einheit des Subjektiven
und Objektiven erklären, begroiiBich machen zu wollen,
d. h. nach dem philosophischen Pewusstseiu der damaligen
Zeit, das Problem der Spekulation wirklich zu
lüseny ftlien ihm, uro ihrer selbst willen schon, undgans
aHein wegen des darin gehegten Vorsat&s ^ in das Ge-
biet der leeren Hypothesen und grundlosen Forschungen.
Den Beweis unserer Behauptung bildet die nachfolgende Aus*
luhrung.
Für seine Philosophie bleibt daher nur das schlecht-«
hin Unphildsophische übrig, die Analyse psychologischer
Thalsachen, oder auch überlieferter philosophischer Ideen,
die bloss historisch gegeben, gleich jenen, einThatsäch-
l'c'hes werden müssen. Hierbei war Krug, /lach seinem
faktischen Zusammenhange, im weitem Sinne auf Kant, in
Bezug auf die Systemaiicitöt , überhaupt auf, das Formelle
der ^Philosophie aus Einem Stücke^, — welches
damals, gleichfalls übereinkommlicher Weise , zu den An-
forderungen an ein System gehörte , — auf Fichte ge-
wiesen , wobei er noch den Vortheil hatte , den idealisti-
schen Excentriciläten desselben, namentlich seinem Besei-
tigen des Dinges an sich, durch den ursprünglichen Stand-
punkt seiner Philosophie aus dem Wege gehen zu können,
ttnd doch einer Widerlegung desselben {überhoben zu sein.
So finden wir in Krugs System alle formellen Unterschei-
dungen, Grundsätze, den ganzen wissenschaftlichen Appa-
rat des Fichteschen Systemes äusserlich wieder, selbst
aber als etwas Vorausgesetztes , Ueberkommenes , und so
können wir seinen transscendentalen Synthetis-
mus am Kurzesten bezeichnen als eine in's Psychologi-
sche zurückübersetzte Wissenschaftslehre, welche^ die
t ransscendentale Einheit alles Wissens, die im
Ich gefunden sein sollte, in eine bloss faktische,
formelle verwandelt: im Ich sind alle Thatsachen des
Bewusstseins eben wirklieh bei einander. Der Kärnti-
sche Satz: dass die Vorstellung des Ich denke alle
meine Vorstellungen muss begleiten können j ist zu
einem Thatsachlichen geworden: sie begleitet dieselba
wirklich, und diess muss uns genügen.
Dieser rückbildeade Parallelismus ist nun fast in allen
einzelnen Theilcn seiner Theorie nachzuweisen. — Die Wis-
993 W. T. Kivgfl
«
^nschaftdehre behaiiptete in ihrem }A die Einheil des
von Kant nnvennittelt gelassenen theoretischen nnd prak-
tischen Vemögens, und d^mit das Piincip aller Transscen-
'(lentalphilitfophie gefunden zu haben. Ebenso bezeichnet
Krug in seiner , Fundamen talphilosophie oder
lirwissenschartlichen Grundlehre^ ( Zilichan
1803. 3te Aufl. 1827.) nicht nur gerade dasselbe als die
Aufgabe dieses We^es, die gemeinschaftliche Ch^mHage
für die theoxetiscbe und praktische Philosophie zo sein,
sondern ganz ebenso ist ihm das Ich diess gemeinschafU
ijiche Princip.
Nach der Wissenschaftslehre ferner ist der Ausgang»-,
punkt aller Philosophie die absolute Identität des
Subjektiven und Objektiven,, als derjfenige Moment, in wei-
chem beide noch nicht geschieden, sondern Ursprung«
lieh Eins sind. Diese absolute Identität lissl sieh jedoch
nicht nachweisen, als unmittelbare Thatsao^e des
iPewusstseins: es tässt sich nur zurnokschliessen von
der Wirklichkeit des Bewusstseins auf diess Gnmdprincip
in allem Bewusstsein. Es ist das Altgegenwärtige darin
ohne desshalb im Einzehien ausdrücklich hervorzutreteii.
Denn wie ein wirklict^ Bewusstsein entsteht, ist die IVen.
Iiung von Subjekt und Objekt schon gesetzt, aber zu-,
gleich damit vollziebt sich, in Aufhebung der Trauuinf»
die Vereinigung des Subjektiven und Objektiven in jedem
Akte des wirklichen Bewusstseins. .Auf den man-.
. • ... .7/
«igfaltigen Ansichten dieser Trennung des
Subjektiven, und Objekttven, und hiuMf ieder-
'um d^r Vereinigung beider« beruht der ganze
llech.anismus des Bewusstseins«! (Fichte a. a,
Ö. &IL)w
Es ist mm merkwürdig, zu sehen, wie alte diese Sätzo
Aufnahme lEinden hn Krug scheu Systeme, aber soglerch
doch einen andern Sinn erhalten. *:t- Auch nach Krug
Ist das. Philosophiren — r „ein Einkehren in sich selbst und
Aufmerken anf sich, um sich set^t m erkennen und za
veiiRel^n, und dn^urch xuin Frieden 'm und mit sich selbst
Symbetisonis. . 39Q
m gehinfen> (Fundamen talphilosophie, S. 8«,
vgl. S* 19, Anm., S. 26. , und Fickte'$ Darsteilung der
Wissen^ehaflslehre im Philos. Journal, 1797. H. I. S. 6. 7.)
Daher fallen in der Philosophie und in ihr allein das er«-
kennende Sobjekt und zu erkennende Objekt schlechlhin zu-i**
sammen; -^. sie ist also eigentlich nur Selbsterkennt^
niss und betrachtet diese als Princip aller ihrigen fir^
kenntniss; -^ ^denn« (wird nun jedoch hinzu gefiigt)
«was sieb selbst erkennen und verstehen gelernt hat, muss
auch im Stande sein , von Allem ; was es denkt und tbftfy
befriedigende Gründe anzugeben.^ -^ Die durchaus prak-
tische Tendenz der Philosophie wird daraus hergelei«.
tet, welche die alten Philosophen nur selten, die neuem
fiehr häufig aus den Augen verloren haben sollen , u« s. w.
(A. a. 0. S. 29 fr. Endlich die Anmerkung S. 48.49., wo
ein Hindurchleuchten von Reminiscenzen aus Fichte*s
Bestimmung des Blenschen sich kaum verkennen lässt.)
Aufgabe der Fundamentalpiiilosophie ist es
daher, die Qrundprincipien alles Erkennens zu finden, und
aus ihnen das System alles Wissens zu erbauen,
Kant bat dazu nur eine Propädeutik geliefert ; er hat Priiv-
cipien vorausgesetat, sie aber nicht abgeleitet, noch ge^tigt^
ob er deren eines oder mehrere setze. (Genau so be-
zeichnete Fichte die Idee seines Systems und sein Ver-
kSltniss zu Kant in dem ankündigenden Programm über
denBegriff der Wissenschaftsl^ehre oder der
sogenannten Philosaphie^ 1794; Vorrede und
sonst.)
Düe Fundamentalphilosophie hat desswegen zuerst die
<^bersteR Principien der philosophischen Erkenntniss aufzq-«
suchen: ob es deren giebt, weiss sie freilich nicht; sie
kann dessbalb nur vom prableouitischen Phiiosophiren zum
iq^odiktischen gelangen, sofern es ihr gelingt , dergleichen
zu fiuden ($. 4. Ajim. 2^ ^Problematische EJemeu-
tariehre^ $.. 5. ff. §. 28.). Hierbei scheint das ebenso
eingeleitete Philoysophiren Reinbolds bei Begründung
s^mes (spateru) rationalen Realismusi zum Vorbilde gedient
394 « W. T. Kfl^
n liabeii, waldies firefliek gtns in der OrAmng UBd re-
lativ grüadlicb m nennea ist, so lange man historisch
empirisch in die Philosophie sich hineinbewegt und iur das
oberste Prineip eine ledi^ich empirische Bewahrung sucht,
nicht der ursprOnglichen Evidenz desselben vertraoend, mit
welcher man eben darum anfangen kann. — So po-
stnlirt nun auch Krug sehr charakteristisch oberste
Principien, d. h. ,,er nimmt an, es gebe dergleichen,
weU er den Versach mach en will, sie zu finden*^
(EL 56.).
Das höchste Realp.rincip (prmdpiuM cBsentä) der
philosophischen Eriienntniss, die Grundbedingung ihrer Mög-
Uchkeit, —^ zum Unterschiede von den Idealprinci-
p i e n Cprindpüs cognoscendi)^ welche nur die Bedingungen
der Gültigkeit der einzelnen, unter einander zusammen-
hangenden philosophischen Erkenntnisse sind — ist das
Ich, wiefern es sich selbst zum Objekte der Erkaint^
niss macht ($. 360- Diess scheint sich nun völlig von
selbst zu verstehen ; denn ohne ein „philosophisches Sub-
jekt % femer ein solches Subjekt, welches, der Voraus-
setzung nach, weil philosopkirend, „auf sich reflekliit^ ^nd
so sich selbst „zum Objekte seiner selbst machte wäre
keine philosophische Erkenntniss möglich. Diess ist je-
doch der Sinn, in welchem allein absolute Identität von
Subjekt und Objekt dem Ich , als dem Realprineipe der
Philosophie , zugeschrieben werden kann. Daraus ergiebt
sich die Widerlegung des von der WissenschaRslehre auf-
gestellten Princips der absoluten Identität (S. 63^65.}.
Es bezeichnet auf das Treffendste das Wesen dieser Phi-
losophie und ihr theils entlehnendes , theils widerlegend
verbesserndes Verhaltniss zu Fichte; wir gehen daher
naher darauf ein.
Widerlegt wird nämlich das Ich der Wissenschaflslehre
durch jenes Realprincip sogleich in der dreifachen Bezie-
hung. Das Ich des Philosophen, weil es auf sich re-
flektirt, muss sich darin zwar als Sid>}ek (-Objekt an-
erkennen; aber man kann daraus nicht ohne Ueboreiluflg
SyntiieUsinu«. « 395
schliessen, wie Fichte g*et)iaTi, da^s dM Ich an und
fär sich betrachtet , auch Subjelit'^Objekt sei, d.h. dass
afles Objektive far das Ich nur Produkt desselben sei. -^
Eben so denkt sich das Ich im Philosophiren Kwar ris
ein Unbedingtes, weil es diese Brkennlniss aicbt von
einem anderweiten Principe aMeiten kann ; aber der Schluss
wäre übereilt, dass es desshalb tlberhaupt ein Unbe^
djngtes sei, dass das Ich weder Etwas über sich, noch
neben sich habe, von dem es in Ansehung seines Sein«
und Wirkens abhängig sei.
Endlich muss das philosophirende Ich sieh in Bezug
auf die philosophische Erkenntniss eis einiges Real*«
p r i n c i p denken ; aber daraus folgt nicht, weder dass m
nach das einige Realprincip aller Dinge sei, welche
fiberbaupt erkannt werden, noch dass es auch einige«
Idealprincip der Erkenntniss sei , aus wekhem man
Alles dedociren müsse , um ein Ganzes der Wissensehaft
Ea erbauen , mithin dass Real - und Idealprincip identisch
seien.
Alle diese Fehlschlüsse hat mm die Wissenschaftslehre
begangen durch eine dem Urheber freilich* selbst unbewusst
geUiehene Erschleichung. Jene Sätze sind nämlich in ge-
wisser Hinsicht (»eeunAtm quid) wahr, inwiefern das Ich
als philosophirendes Subjekt gedacht wird , nicht aber in
Beziehung auf das Ich überhaupt , oder an und (lir sich
isimplic^ery. Diese Verwechslung hat nun Fichte began-«
gea, die ganze Wissenschallslehre ruht also auf einem
SopA&wa amphiboHae u. s. w. (SL 65.)
Ueber die Sache selbst scheint uns nicht von Nothen
Etwas hinzuzusetzen; nur fallt dje Aerrolichkcit der Wi-
derlegung und verbessernden Umgestaltung in die Augen,
welche Krug dem Principe der Wisseiischaftslehrc angedei-
henlässt^ Fichte war nicht so bescheiden, biossauf Üen
Credit seines Ich, und zwar seines pbilosophirenden, jene
S§tze aufzustellen. Er nahm das Ich an sich selbst, die
Uee desselben , und getraute sich aus der Evidenz dersel-
ben in jedes mögliche IcJi hinein (vom j^menschliohen^
396 W. T. Krugs
ist bei ihm nie die Rede) iris aHgeneingfilti; zn behaup-
ten : dass das Ich , sich setzend im ursprünglichem Akte
der Selbstanschauung , ebenso schlechthin seinem Objekti-
ven sich entgegensetzen , als zugleich doch mit ihm sidi
gleich, in Uebereinstimmung setz^a müsse. Alles
Objektive ist daher nur für das Ich^ und in Bezug
auf dasselbe möglich, wie verstandlich, lieber ßch selbst
hinausgehen kann das Ich nicht einmal wollen , weil ihm
jeder nächste Akt der Reflexion zeigen würde , dass es
nicht gelungen ist, noch je gelingen könnte, indem jedes
U e b e r sich für es sdbst nur ein I n s i c h sein kann. Das
Ich ist sich sel1>er das schlechthin Erste und Letzte,
das nur sich selbst Voraussetzende und nur aus sich selbst
Erklärliche , die absolute Form. Weiter reicht , wie
Fichte einmal sehr bezeichnend sagt, keine „rechtliche^
Deduktion: die Frage nach einem Ans ich, nicht für das
Icli, kann nicht einmal Sinn haben für dasselbe. Das Ding
an sich ist eben mit der Thatsacbe dieses Begriffes schon
Etwas für das Ich , ein ihm Innerliches geworden. Man
vergleiche damit, wie Krug in seiner Metaphysik der
Erkenntnisslehre 2te Aufl. 1820. $. 13. S. 27— 31.
das Verhältuiss zwischen dem Erkennen und dem Dinge
an sich festsetzt. Hier wird einerseits zwar richtig , nnd
.zufolge des behaupteten ursprünglichen Synthetismus kon-
sequent erklärt: was das Gemüth nach seiner nrsprungL.
liehen Handelsweise an dem realen Dinge erkennt, müsse
demselben, sofern es Erkenntnissgegenstand ist, zukommen
und allgemeingültig von ihm ausgesagt wer^
den. Anderntheils aber schleicht sich doch wieder das
Be^nken ein, ob es auch demselben, inwiefern es Ding
an sich sei, beigelegt werden könne? Diess sei eine
transscen4ente und folglich unbeanlwortliche Frage^ Als
ob nicht jenes Ding an sich auch uur, als ein ^zufolge
der ursprünglichen Handelsweise des Qeoiüths^ gedachter
RegriiT, Erkenfitoissgegenstand wäre , alsa schlechterdings
innerhalb des Gemüths und seines E^-kemitnisbereiches
fallen müsste; wodurch die Frage keine ^^transscendeste«'
Syntheltemitf. 397
oder ^ utibeantwortliGhe * , sondern eine simdose und sich
selbst aufhebende wird*
Wnr eilen jedoch, den BegrUF jenes Synthetismus selbst
noch näher in^s Auge zu fassen. Die Hauptaufgabe der
Fundamentalphilosophie ist eine doppelte: den Ausgangs-
ponkt der philosophischen Erkenntnis (von den obersten
Principien) festzusetzen ; .dann aber auch zu untersuchen,
wie weit an sich selbst nur diese Forschungen fortgesetzt
werden können, oder was absoluter Granzpunkt
aller Philosophie sei.
Das Realprincip ist im Vorhergehenden angege-p
ben: die Idealprincipien theilen sich nach dem Gesichts-
punkte, was das Ich ursprünglich weiss, und wie es diess
weiss, in materiale und formale (Fund. Ph. $. 39.).
Jene sind die Thatsachen des Bewusstseins,
die sich durch Reflexion und Abstraction auf gewisse all-
gemeine Begriffe oder Grundthatsachen zurückfuhren lassen«
So viel es deren (faktisch) giebt , so viele materiale
Idealprincipien sind anzunehmen. Alle lassen sich
aber, wiederum durch noch weiter fortgesetzte Reflexion
and Abstraktion, auf die allgemeinste Thatsache (das
oberste Idealprincip) zurückfuhren: Ich bin thätig;
(S. 40^46. 48., mit Vergleichung der polemischen An*
merkung gegen Fichte und Schelling, S. 81. ff., wo
ihre seltsame Idee bekämpft wird, aus einem solchen ober-
sten Principe alle übrigen „Thatsachen^ apriori deduciren
zu wollen. Wenn allerdings alles diess nur Thatsachen
sind, und man nicht einmal auf die Frage kommt, ob zwi«-
schen den Hauptmomenten des Bewusstseins oder den
Grendthatsachen nicht ein n o t h w e n d i g e r Zusammen-
hang bestehe; kann ein solches Fortschreiten mit Noth*-
wendigkeit von der einen zur andern nur als ein ganz
müssiges Unternehmen erscheinen. Man erblickt wieder
die unerschütterliche Ruhe und selbstgetreue Konsequenz
des Empirismus, der sich nicht einmal die Vermuthung an-
fechten lässt, dßss es mit den spekulativen Konsiruktionen
^er Gegner auf etwas Anderes abgesehen isei. Dennoch
398 W. T. Knigf
wflrde der Bej^iflT der Thätigkeit, selbst nur tls die ober^
sie T hat Sache, kaum dem Ich von Krug^ vindicirt wor-
den sein, wenn ihm Fichte nicht mit dem in allen Akten
.seines Bewusstseins sich setzenden Ich vorausg^egangen
wäre.)
Die formalen Idealprincipien sind die Gesetze
der Thätigkeit des Ich in jenen verschiedenen
Gnmdthatsachen ; sie sind daher so vielfach, wie diesö
Thitigkeit selbst. Aber diese ^Gesetze^ oder, wiesogieick
hinzugesetzt wird, „obersten Regeln^ ($. 50.) arscheiaeil
wiederum keinesweges als etwas ^ an sich Nothwendiges^
«midem sie emstehen ($. 49.) ans der Reflexion auf die
Gleichförmigkeit und Regelmässigkeit, wekhe
thatsäehlich in der Thätigkeit des Bewusatseins , bei aller
Verschiedenheit derselben, stattGndet^ und weiche die
Gesetze ausmachen, die durch die ursprüugli«
che Bestimmtheit unserer Natur fixirt sind«
(Diese Gesetze sind^ analog dem Ausdrucke der bisherigen
Philosophieen , eine faktisch ursprüngliche, nicht weiter
lu ericlärende „Einrichtung^ imseres Geistes. Man vefgi»
Anm. zu §. 50. S. 86. L)
Die Mannigfaltigkeit dieser formalen Idealprincipien
inuss jedoch in einem Yereinigungspunkte, in einem ober»
sten Pormalprincipe zusammenlaufen , weiches, da die
Philosophie die höchste, der Vereinignngspunkt aller Wis»
aenschaflen ist, zugleich auch das oberste Fonnaiprincip
lener Wissenschaft sein muss. — Nun aber wird mein
fhiiosophiren durch den Zweck bestimmt, den ich dabei
habe. Dieser hängt an sich zwar von meiner freien Wahl
«b, kann also ein „beliebiger^ sein> aber ich werde doch
wohl thun, einen solchen zu setzen, der für mich selbst
von der grössten Wichtigkeit ist , und von dem ich auch
bei Andern ^vernünftiger Weise ^ dasselbe Interesse vor«
aussetzen darf ($. 61 — 53.)»
Ich will also — diess ist wenigstens mein Zweck -«
meine gesammte Thätigkeit kennen lernen, und zwar nicht
bloss in ihrer MaiinigfiBltigkeit, sondern in ihrer höehst
SyBlkctifimui. 3d9
«ftSglielien Einheit: ^ ich will wissen, ob eine durch-
gängif^e Ueb ereins t immung meiner gesamm*«
lea Thätigkeit wirklich oder möglich seu^
Denn es beunruhigt mich, wenn meine Thätigkeit mit sich
selbst 'in Widerstreit geräth n. s. w.
Ich erhebe also aus freiem Entschlüsse fol-
genden Satz zum obersten Fonnalprincip der Philosophie :
ich suche absolute Harmonie in aller meiner Thätig«-
keit. — Diess höchste Princip ist jedoch offenbar kein
gegebenes, sondern gemachtes. Es dient nicht zur
Ableitung aller philosophischen Erkenntnisse aus einem
einzigen Salze, sondern zur Uinleitung auf ein einzi-
ges ZieL Diess ist aber jene hervorzubringende lieber-
einstimmung. Harmonie im Denken und Erkennen, im
Wollen und Handeln, muss Jedermann interessiren, der dai
Wabre und Gute liebt ; denn ohne jene Harmonie sind dieati
nur leere Namen. Daher hat das Phtlosophiren nicht nur
eine spekulative, sondern aiueh eine höchst praktische Ten-
denz : und darum bangt der glückliche Erfolg des Philoso«
phirens ebenso sehr von der Gesinnung ab , als vom Ta-
lente u. s. w. ($. 54. mit Anm. 1. und 2.)
Diese charakteristische Entwicklung, welche wir dess-
halb in ihren Hauptzügen vollständig wiedergegeben haben,
lasst nun auch äusserlich keinen Zweifel mehr übrig , . dass
es hier auf die Lösung eigentlicher Probleme philoso-
phischen Inhalts, etwa des i(' alistischen, wie das Sein zum
Wissen sieh verhalte , oder des zugleich metaphysischen,
wie die Einheit des Ich eine Mannigfaltigkeit von Ver<>-
mögen und Beziehungen in sich zulasse , schlechthin nicht
ankommt. Es gibt dergleichen gar nicht iur diese Philoso-
phie; sie begnügt sich vielmehr in historischer Berichter«-
slattung die durch psychologische Reflexion und Abstrak-
tion gefundenen obersten und vermittelten Thatsachen des
Bewnsstseins — höchstes Real* und untergeordnete Mate-
rialprincipien genannt — nach einander darzulegen, als
das „zugleich praktische^ Ziel dieser Untersuchung aber
nachzuweisen, wie Harmonie zwischen diesen gegebenen
40« W. T. Krugs
Thäti^elfen des Geisfes, zwischen Empfittden und denken^
der Uebericgimg , Denken ond Handeln hervorzobriiigeD
sei, wodurch sich Alles sogleich in praktische Philosophie,
Lebensweisheit n. dgl.. verlauR. (Vgl. §. 84. ff.)
Hat nun jene Philosophie zugleich jedoch, ebenso hi-
storisch, von dem Vorhandensein solcher Probletne und
ihrer Lösung Notiz genommen; so müssen sich ihr beide
für den geistigen Horizont, welchen sie nie verlassen kaiin^
noch nur psychologisch gestalten. Diess hat sich bisher
schon ergeben ; und -^ sehen wir recht, so ist auch jenes
höchste Formalprincip : absolute Harmonie in aller llätig^
keit des Bewusstseins zu lachen -^ nichts Anderes, als
eine Reminiscenz aus der Wissenschaftslehre, welche in
ihrem Uebergange aus dem theoretisdieu in den pmkti«
sehen Theil und durch diesen praktischen Theil erst nach»
weisen zu können behauptet » wie Einheit, Gieichgewichf^
Harmonie in das Ich kommt.
Der theoretische Theil der Wissenschaftslehre kaim
den Anlass ^ durch welchen die (an sich) unendliche Thä*
tigheit des Ich begränzt und dadurch Hur Intelligr<^nz
deterroinirt wird, bekanntlich nur ^postüliren.^ Lasst
sich der Grund dieses Anstosses nicht aus dem Ich sei«
ber ableiten; so hat die Wissenschaftslehre^ als Theorie^ keiü
festes Fundament) aber auch das Ich, als Gegenstand der*
selben, in sich keine Einheit und Uebereinstim-*
mung mit sich selbst. -^^ Dieser Grund des Anstosses
and der Beschrankung seiner Thatigkeit wird nun. in dem
praktischen Theile wiiklich gefunden : das Ich selbst , in
seiner unendlichen Thatigkeit ^ muss sich ebenso unendlich
begränzen^ um ebenso unendlich über jede Begranzung
hinauszugehen. So entsteht für das Ich der Anstoss oder
ein Nichlich. Es liegt im Begriffe der Unendlichkeit , in
sich selbst sich ein Endliches^ Begrenztes entgegenzusetzen^
aber ebenso jedes derselben zu negiren, sich absolut frei
davon zu zeigen« Ist mithin die Begranzung ^ das Nicht-«
ich , einmal gesetzt , so zeigt sich das Ich sogleich als
schlechthin bestimmend dasselbe t d« h» es wird
prakti^<li^, r^ Dtt» Ich €&TetclHlMir: 0or 4ßi Begviff.sHaefe
selbA — tritt mit sich in Hannonüey wettxi ed abfohlt prak-
Uaeh wird. Man swht^ Krug hat üccsTheoreoi einer im
wirklichen kh -fftct» sich vollziehanden Wahrheit in ein
erst durch die PWlosx^ie anzustrebendes Postulat: such«
Harmonie u. s. w. verwandelt, > i
Oie«« Beschaffenheit seiner Phitosophie • konnii noch
wtleiiahfentletmnd , so sn.sagQpi interessanter zu .fage^
wei«n wie in die Untersu/^hung der Eu|i4t9«»eiitalprhilOT
Sophie eingehen (im z^wt^jten J^aupt^tucüe. S .55*
S. 96. ff.): was der ahs-olutre: GT:ä;n9.pq^kt der Pthifr
1 o ß o p b i e sei. Hier }^Bgßf^n, wir zufiiiqhjst Slt^n , 4ie
ein gaiia spekulatives Gepräge ,haben.
'iXii9.B<i^a^skseiii jst <dte Synthese ^^ Seins und Wiin
seivs\»t jedes besondere Bfiiriisstsein . ist daher a^ieh^eine
beetimmte Art dieser Synthese. — Sokfae. bestimmteil
jiad.wecbseikiden^ Synthesen, waren aber gar nicht möglicbi
weoti Sein und Wissen nicht schon ursprünglich (^apriari)
im loh verknüpft wöreB. Diese Synthese ist daher an«use4
hen, als eine ursprüngliche Thatsache^ fL h» äna
soicfae, die sich -in keinem Momente der Zeit und deef Be-
"wustseitis. nachweiw<;en lässt, sondern ^ jedem derselben
seblecblhin vorhergeht (S. 08. vergliclien mit dem^ wias
oben dai^ber aus.der Wissenschaflslehre voricam). Daher
kann diese Synthese auit^h die. 1 r a n s s c e n d e n t a Le ge««
mmni werden ^ zum Unterschiede von jöder besondenr,
empirisch ffe^benen.
Diese Urfhatsache ist aber , eben viä solche»
«eblechthin unbegreiflich; es ist durchaift; uner«
kJarfoar, wie und wodurch Sein und Wissoii in uns ver«
knüpft sind^ ^ndem uns das Bcwusstsein bloss lehrte das^
beides in ifAs^ verknupft^sei, wenn wirSifwas bewusst sindi,
und dass es eben darum schon vor allem bestinimtea
Bewusstseln. verknüpft seia. müsse. <^ — Daher ist jene trauif«-
acemtenlale Syltthese der absolute Granzpunkt d^s
Philösophirens: jede Philosophie^ die darüber hinaus^
gdieA will, muss trunsacendent werde«, »weilato
26
44M W. T. Kruf^i
ins Transflcendenlale selbst iberfliegeii wiH.« --
^Und auch die Anerkennung^ jener Unbegrei&icUeil
nnd ^ie daher entstehende freiwillige Beschränkung^ der
Spekulation auf jenen Granzpunkt, ist die nnuaiganglich
ttotbwendige Bedingung eines gtOeklicken Erfolgs iai Phi-
losophiren«^ ($. 57. 58., S. 99. 100.).
Erkennt man jenen Gesichtspunkt nicht an,- so ist nur
der doppelte Weg möglich : entweder das Ideale aus dem
Realen (im Realismus, der, konsequent gemacht, Ma-
terialismus wird), -« oder umgekehrt das Reale aus
dem Idealen (im Idealismus, der, konsequent durchge-
luhrt, Nihilismus wird), abzuleiten. Beide können diese
Ableitung nicht zu Ende fuhren , weil keinem von flinfn
die Nachweisung gelingt, wie das Eine zum Andern
— Ideales zum Realen oder umgekehrt — eigentlich
kommt Ebenso genügt auch keines dieser Systeme mei-
nem praktischen Interesse : das höchste Ziel meines Philo-
sophircns, Harmonie in mir hervorzubringen, wird nicht in
ihnen befriedigt; denn beide sind mit den sittlichen Ideen
und Gefühlen unvereinbar ($. 58 — 66.).
Da sich nun solchergestalt weder Sein aus Wissen,
noch Wissen aus Sein ableiten Ifisst , muss man bei ihrer
ursprünglichen (d. h. faktisch-unmittelbaren und nicht
weiter erklärlichen oder höher abzuleitenden) Verknüpfung
stehen bleiben. Das System der Philosophie, wdches jene
Schranken anerkennt , und so zugleich aus der Widerie-
gung der beiden filr sich einseitigen Systeme hervorgeht,
ist der transscendentale Synthetismus, welcher
folglich transscendentaler Realismus und Ide-
alismus in ursprünglicher und eben darum
unzertrennlicher Vereinigung ist (S.67.S. 130).
Hiermit wäre , müssen wir zugestehen , den Worten nack
das Höchste erreicht, zu welchem es bis auf den gegen-
wirtigeoi Augenblick die deutsche Spekirialion gebracht hat
Wir müssten diess System den grossen Erscheiaungen des
Schellingschen und Uegelschen an die Seite stellen;
und am^h hierdurch trüge es das .Zeichen der iclMesten
SyMbetiiimis. 403
imd tiefflieii Blnrielil an sidk, daw es das Bewosslaeni
von «ch UUe und bekannte , aus der Wideriegung und
Venultlung entgegengesetzter Einseitigkeiten hervorgegan-«-
geD zu sein.
Dennoch ist es nur eine. Parodie derselben und seiner
eigenen Versprechungen: statt eines „apriorischen, trans*
scendentalen Princips^ erhalten wir das Resultat einer em-
pirisdi bleibenden Refleidon, und der „S y n t b e t i s m u s^
besteht lediglich in der Behauptung , dass man über di^
nicht ursprüngliche, sondern unmittelbar gege-
bene Beziehung des Subjektiven auf ein Objektives, über
die „allgemeine* Thatsache-^ der Annahme einer
StMienweH, deren sjch auch der entschiedentste Idealist
nicht zu entschlagen vermag, nicht hinausgehen könne, und
dea Ratii, bei diesem natürlichen Bewusstsein eben stehen
m bleiben. (Fund. Phil. 8. 118. 19. S. 122 — 27. Die
weitere Ansf&hmng davon ist m der Metaphysik oder
Erk. Lehre $. 10. S. 21. und $. 15 ff. gegeben.)
Demungeachtet würde man ungerecht urtheilen, wenn
man diese Sätze für bloss nachgesprochene oder für das
Produkt eifi^ ausserlichen Nachahmung halten wollte ; viel-
mehr ist das Krug sehe System völlig selbststfindig und
sogar aus der Opposition gegen den Idealismus und das
Identititssystem erwachsen. Und diess giebt ihm gerade
das Interesse und macht es zu der eigenthümlichen , bei-
nah mit nichts Anderem vergleichbaren philosophischen Er-
scheinung. Es ist hervorgegangen einestheils aus dem
YoDstdndigen Bewusstsein über die Aufgabe der Spekulation
in der Gestalt, wie sie sich damals aussprechen musste,
andemtheils aus der völligen Unfähigkeit, die bei ihm ohne
allen Kampf und Zweifel zu naiver Sicherheit gediehen war,
jene Anfgabe-aaders als im empirisch psychologischen
Sinne zu fessen. Das Krugsche System ist daher, wie sich
diess aus der Kenntniss seines charakteristischen Inhalts
woU tm Genüge eigeben hat, eine Philosophie ohne allen
spekulativen Beisatz, aber getreulich die nächsten philoso-
phischen Ueberiiefarungen in sich wiedergebend. Jedes
404 W. T. rnigfi
Wort in flim <leutet auf ein wahret Problenr; ater ' üb
Ldsnng' ist, ihm eine empirißcb^ Stätte anzuweisen, es xor
<Jitoadthefsache zu stemp4rin ; und sa ist diese Philosophie
das lehrreiche und denkwürdige, weil völlig rein duiichge*
führte Beispiel geworden, was eine fbilosophjsche Ckund-
ansieht, reflektirt in einem ganz unapekulativen Bewoast^
sein, in diesem hervorzubringen vermöge. Krng wäre eta
grosser Philosoph, der NmseqiiOntesle Ausdruck seiner
Epoche, wenn^ es keine Spekulaliin' gäbe.
Aber in diesem Betmcht ist er sogar als eine aHge*-
meina, im ZnföRlgeti so m mgeh aoUfwendige Mnsteigestalt
Rt ^olbbe Siels wiederhehpende Bestrebungen zu bezei
nen. Nichts ist gewöhntiefaeir , ;|a nn^cmieidlicher in
Zeit votf r^ger, an Allem tbeilnehmender Ltlteratnr, als
dass auch die zur Spekulation Unaufgelegten un<l ddrek keia
inneres Interesse dazu betriebenen Nofios nehmen von
dem', was dfe Philosophie ihrer Reit bese4iäiligt , dass sie
durch irgend ein Organ dasselbe, eben als Notiz, — mb
Neuigkeit Rlr die t^^gier , oder als trocknes Resultat za
sonstiger Anwendung, — sich anzueignen suchen. Ebenso
versteht es ^id», dass sie dieses äussere Vermtttiungsorignii,
•benso wie dieses nicht selten sich selbst, gleicbfalls fiir
einen FIkilosophen und die Relalion iur PhHosophie halten^
W\e oft man audi wiederholen möge, dass ein spekulalrves
Prin-cip oder eine philosophische Wellffnstohl , zinn Gegen^
Stande einer faktischen Berichterstatlang geworden , noün-
wendig damit aufgehört bat^ -spekulativ zw sein. Es v^ma^
gar mcht historisch ircu üborMeferl zu wenhpi ; es
ist das Oegentheil seiner selbst, uirwahr gowordt«, und je
spekulativer an sich selbst, desto sicherer und unvermeid-
licher.
Hier ist nur ein doppelter Ausweg miüglicb: man
det für das Spekulative darin dnen empirischen Simi
und amplificirt diesen durch fernere Ausspii^nngen in gk^i^
chem Geiste. Diess ist Krug aufs Höchste gelungien fiir
seine Zeit. Oder man setzt sich in einfachen Widersprach
gegen dasselbo^ verwirft eü und bewahrt .o»am Bndo iia
Synthetiismiui. 49fi
der Cki^bUcUe dlon^chUclier S/oiiderbfirIceiteii. 1» einer
rihrtgeii Zeit, wie die gef enwartige , wo zudem das „Pa-
TBd^nßl^ -nur reizi und tnlockt , ituiss die erstere Gattung
der Yermitlelndeii den grössten Antbeil im Publikuna finden,
und 00 dürfen wir mit Zuversicht für jedes System und
jede lAitosopbische Epoche seit der K an tischen auch
ihren Popvlarvermittler erwarten.
Dass das Krugsche System, gerade weil es vom
Inhalte der Philosophie auf unphilosophiscbe Weise Ge-
brauch macht, in seinem ersten Aullreten die weiteste Ver-
hreitnag und den grössten Beifall finden musste , . liegt üi
der Natur der Sacber, und in der Hotnogeneitat desselben
zu seinem Publikum. Jetzt sind, bei dem Wechsel der Ai»-
toritäten und Systeme , dergleichen Vermittler für andere
Philosophieen an seine Steld getreten , ohne dass diese
sich freilich bis zur Klassicität der Leistungen , welche
Krug für seine Zeit und (tir den Kantiselien Standpunkt
vollbradit hat, erheben mögen« Wie viele Organe dieser
Art dai» Hege Ische Princip schon gefunden, freilich nicht
ohne tiefe Verietzung des eigentlich spekulativen Gehalte«
m ihm , daran bedarf es hier nur der allgemeinen Erin*
nerong.
Damit sind' nun' die andern, posittveren Verdi(Mste
Kru g's f&r 4^ PIMesophie nicht ausgeschlossen, sondern
gerade als Bedingengen seiner Hauptleistung an^j^terkennea.
Zanäcftsi die nngevneifie Klarheit,. PHicision und Nettheit
seiner philosophischen Darstellungsweise, wiewohl man Ott
nicht hegrein, wie er nicht von Ungedidd und Uekerdmsa
ergriffen wird bei umslindlicheii Auseinandersetzungen dea
von selbst sich Versteheoden: diess unermödtiche nnd
gteichmSssige Exponiren erinnert sehr an W o I f Ps scien^
tifischen Vortrag in seinen lateinischen und deotsehen*
Lehrwerken. So ist seine „Logik oder Denklehre^
(•2te Ausg. 1819, 3tc Ausg. 1827.) noch jetzt ein nach
zweckmässiger Kürze , Klarheit und Verständlichkeit kaum
ubertroffenes Werk , wenn von der leichten und vollstfin-
digen Aneignung des alten logischen Maleuals die Rede
406 Uebergang dieses Standtpnnkles
ist. Aber auch fAr die wissensdiafUiche Psychologie hat
er sich unseres Eraohtens ein vorbereitendes Verdienst er«
werben durch seine „Grundlinien zn einer neuen
Theorie der Gefühle (1823.), indem er, freilich, wie
uns dünkt, eine von Chr. Weiss früher begründete Theorie
eigentlich nur reproducirend *) , die seit Kant fast allge-
mein gebrauchliche Hypothese als unzulässig zurückwies,
dem Erkennen und Wollen nun noch als eine dritte Thä-
tigkeit des Geistes das „ Gefuhlsvermogen * anzureihen,
welches auch er vielmehr richtig, wie uns dünkt, als ste-
hende Innerlichkeit , aus dem Ineinandergreifen des er-
kennenden und wollenden . Lebens des Geistes hervorge-
hen lisst.
lU.
Der 6 1 a ab e — ergänzend die Ungenüge des Wissens;
die Wissenschaft ^ unflhig zur Erkenntniss der gött-
lichen Dinge , und so ihr Inhalt dem des Glaubens aus-
drücklich gegenübergestellt : — allen diesen Ansichten und
Voraussetzungen liegt die Konsequenz fast unausweichbar
nahe, zugleich das Historische und Positivedes
Glaubens zu umfossen, um wenigstens duith diess Mittel
dem Schwankenden und Subjektiven aut- und abwogender
Gemüthsbestimmungen in ^in Festes, Gewisses, und Gemein-
schafUiches zu entweichen. Wir haben gesehen, wie in-
haltsleer und stofBos J a c o b i 's Lehre werden musste, weil
sie dem Gehalte des christlichen Glaubens sich verschloss.
Diess Hohle derselben haben seine Nachfolger, überhaupt eine
spatere BUdungsepoche, tief empfunden, und der Durst nach
einer Objektivitfit , bestimmter und standhaltender Gegen-
ständlichkeit, für ihren Glauben ist desto tiefer erwacht
Daher die zahlreichen, geheimen oder lautgewordenen Be-
*) Wir köaaen nämlicii die kritische DarstcUang , die er von
W«isl'< Theorie in leioem Buche gegeben hat (S. 116 —
24.) , nUhi TÖllig gttrtu nad richtig finden*
in 09$ Positive des Glaubens. 407
k^ffimgeii von dem ^^Frevel« des Wissens zur Tugend des
CilaidDens^ aber eben so von dem Abmüdenden jener per-
sdnGdien Glaubensbeliebigkeit zu einem Sicbgefangenge-
ben in dem Positiven des Dognia. JHan gewinnt damit
allerdings eine Objektivität för den Geist , die wenigstens
eine JäusserliGhe ist, und der Verstand — darin liegt
A%s Charakteristische dieses Standpunktes — hat die Rolle
selbsCstfindiger Erforschung oder Begründung der Wahrheit
ausgeben , — diese ist überhaupt eine fertige , äberlie-
ferte ; — aber er hat noch immer durch Süssere Rechtfer-
Ugungsmitfel und Probabilitäten den Rechtstitel aufzuwei-
sen, wodurch die Offenbarung verlangen kann, den Ver-
stand unter ihren Inhalt gefangen zu nehmen.
. Wir können darin nur das letzte Stadium des lieber-
ganges aus der Philosophie in die Nichtphilosophie, zugleich
aber ein sehr wesentliches und in dem Gemälde dieser
\ganzen subjektiven Glaubensricbtung nothwendiges Glied
erkennen. Ware in der That die Spekulation nicht auch
eine geistige Objektivität, besasse nicht auch sie die Macht
einer historischen Entwicklung, welche aus- den engen
Schranken persönlichen Furwahrbaltens und ejgengemachter
Wahrheit zu befreien im Stande ist : fürwahr es bliebe dann
nur übrig , sich der in der Geschichte gegebenen Wahr-
heit zu vertrauen, und an den allgemeinen Trost anzu-
Uamnem, dass der Geist des Menschen darin nicht ge-
tauscht werden könne; denn in der Einsamkeit dnes per-
soniichen Selbstbeliebens , was oft „ Selbsidenken ^ heisst,
kann und soll er bei den höchsten Fragen des Geistes nicht
verharren»
Einzelne Namen von Solchen zu nennen ^ die jenen
Bekehrongsprozess in sich vollbracht haben , wäre hier
ebenno überflüssig, als ungehörig: ihre scbriftsteiieri-
sche Charakteristik fällt über das Philosophische hinaus in
das Allgemeine unserer litterarischea Zustände. Sie sind
Gegner, ja Antipoden der Philosophie, indem sie die Grund-
bedingung ihrer Existenz läugnen oder venirtheilen. Wenn
sie dennoch mit der Philosophie in ein Verhaltaiss treten,
406 €. A*. Eschenmayer'B
HO ik es, 'iiift 6i0 von <}eiii Gebi^to ^er Afeliglta'irad iRer
höterii Wahrheiten hinwej^sübeuelieft und auf Logfk^ for-
tneite Ausbildung^ des'SclniFr^inns n. dg^l. emzusehriiiken.*)
Auch Eschenmayter ist' dieser Richlunf verwandt,
indem er dem Wissen das Recht wie das Vermögen ab-
spricht, €ott iind'die ewigen Verhältnisse desselben rar
Schopftingf zu erkerinen oder in den Begriff aufzunehmen.
Wissen , Begreifen -ist ihm , nach den Prämissen , die wir
schon geprüft haben, nur das Vermögen der logischen Re-
flißxion und Abstraktion ober sinnliche Dinge, nicht beruh-
rend'das Gebiet ewiger Wahriiciten. Er bezeichnet den
Glauben, als die unmittelbare, dem Geiste einge-
borene Gewissheit von der Existenz des Göttlichen,
Seligen. Sein Grund liegt im Schauen des Absolu-
ten, welches jedoch nur hervorgeht aus dem Bestreben
der Seele, die Ideen der Wahrheil, Schönheit nnd Tugend
in einem Höhern Eins werden zu lassen. Diese Har-
monie der Ideen ist das Absolute. Es MIdet die
Spitze der Pyramide, in welcher unsere Erkenntnis»-, Ge-
fahls- und Willensseite zusammenlaufen, und hat so keine
'Existenz ausser der Seele. Es gehört' viehhefhr zn dem
i de a I CTi Kfeise, den die Philosophie beschreibt; und wenn
diese die Reöonstruction des EAennens, Fohlens, Wollens
Toltendet hat, muss sie im Absoluten endigen. Diess kann
daher nichts Anderes sein, als das höchste tJrbiM zu dem
Gegenbilde, welches die Wiilosophie in den drei höch-
sten Heen und ihren Wdtordnungöh darstellt. — Die Idee
des Absoluten ist daher nach Ei^chenmayer in der
*) Gharakterisirt find diete Bestrebungen in eiaer Al^baadluBg
de« Verfassers : ),das froiDme Bew U8.s.t8ei u in seinem
Verhältnisse zu Wissenschaft und Spekula tion'^
(Zeitschri ft rUr Philosophie Rd. IV S. 103—131.). ^^'
ren Inhalt um so mehr Iilerher gehOrt , als diese jetzt viel'
beguiüttigte , der Sp^kiiKitioa feindliche Richtung iu dem darin
bpurth«>ilten Werke 8o;;ar die Form eines neuen Syilew«
40f fhilasopfaie' anKanehmeo gesacht liat.
Theorie Voii CrlaoSm-uafl Wisse». 4DB
Weh f eaKirtv es isl der C o 1 1 e k t it Iref rJ¥i; der^i dem
ZusaimncnfaUen jener Ideen, sofern sie sieb .inr ünhrersodi
realisiri finden^ herveif^Mlt. Es isldieis'^r tetzie Schrift
^r Philosophie ^^die ,)Po«ewz^ de» Ewigen.'- iMeser abef
ist der erste zur Nicbtpbilosbip'hte,; sutn Glaubeii
— der Potenz des Seligen; denn Gott ist, in Bezug auf
das Absohlte, die nnendliche Hd böhere Potent •desselben'.
(Bsehenma yer, die Philosophie in ihrem (?€^
berganpe zur Nichtphilosophie ; Eriangen 18te^
$.40. f. und Psychologie^ als empiris^ohe, reinii
und angewandte; 2te Aufl. Stuttgart 18^2. '§. 199i
S. 117.) "
Das Vermittelnde dieses Glaubens , In dem uns nun
die Gewissiieit Gottes aufgeht, isf^as Schauen. Wie
das Gewissen über unsere Handlungen Recht spndit
anf sehlechtbin nr^prünglicbe Weise, und im Reifgiösefi
die Idee der Wahrheit repräscntirt : „so unt^rrichfel nn^das
Sdiauen in dem Mysticismus unseres relitriösen Ver^
hältnisses. ^ Er repräscntirt die Idee der Sch^hiheit irii
Rdigioven. '
,,Aas diesem Schanen ^mmen die prophetischen <ire^
aichle der fronmen Seher und ihre Ofibnbarangen.- in
Symbolen, die unter Bildern das Geistige vierhüllen , öRi^t
sich m» eine höhere Welt — ^ das Reich der götHioiien
Marchl, Weisheit, Lfd)e und Gnade.«- DiesB ist eben die
Welt des Glaubens. ' ^
Dieser ist jedoch eine ebenso de^ Seele eingidMorfme
Funiilion , aU Denken , Fühlen und Wollen. Er ist kein
Firwahrhalten aus BegriiTen , — anch nicht aus innem
Gefühlen — auch nicht aus moralischen Gründen, sondern
eine Gewissheit dureli Offenbarung. Darum ist er aueb
die Urkunde der Gottheil. — Das Wissen kommt
nie ans seinem idealen Kreise heraus , auch nicht in der
Annahme des Absoluten. Ob daher ausser der Idee, und
der der Idee correspondirendcn , aber auch nur
gewusslen Welt, eine Existenz sei ^ das kann ms
das Wissen nicht kund thun.
410 CA. BgckeBinayef 0
Das Jedoeh, was in der WirkUehkeil einer Wdl gege-
ben ist, gehört immer nur zur Sphäre miserer Seele. Diess
Reale ist nur die Kelirseite des Idealen in uns , and beide
beziehen sich durchaus auf einander» und die Ursprung-
Uehsten Gleichungen und Proportionen , die innerhalb des
geistigen Origanismus bloss ideal sind, sind in der Ans-
senwelt in unendlich vielen Reflexen real geworden. Diess
das ideaWealistische Bildungsmoment der Sc he Hing-
sehen Philosophie, welche auch in der sonstigen Konstrak-
lionsweise in Potenzen, Differenzen, Gleichungen, Polaritä-
ten tt.dgl. znr psychologischen Theorie Eschenmayer's
wesentlich beigetragen hat
Diese niedere Gattung von Existenz darf jedoch nicht
verwechselt werden mit jener höhern, die über Ideales
und Reales und über die Seele selbst hinausliegt — und
diess ist das Göttliche. Von dieser Existenz kana
kein Wissen unterrichten , weil diess über die Seele hin-
aus keinen Werth mehr haL Aber der Glaube offenbart
uns dieselbe.
Diess nun^ was im Glauben gewiss, aber prädi-
catlos ist, wird durch das Wissen, nicht seiner Existenz,
«i>ndem seinem Werthe und seinen Eigenschaften nach,
ibestimmt. Daher ist das wahre Verhaltniss des Wissens
ziim Glauben gerade das umgekehrte von dem nach der
gewöhnlichen Meinung. Der Glaube ist nicht der zom
Wissen hinzukommende Beifall, sondern das Wissen, das,
um jene Werthe und Eigenschaßen zu erhalten, se'me
Ideale steigert und von dem darin gegebenen Menschlichen
reinigt, ist der hinzukommende Beifall zum
Glauben^ welchem die Existenz des Göttlichen auch ohne
Zuthun der Veniunfl gewiss ist. — Dieser Glaube ist
Faktum im Menschen und in der Menschheit Nur ist
das Wesen desselben zu unterscheiden von seinen einzel-
nen , sehr veränderlichen Formen.
Hier ist aber die innere Steigerung jener Reihen nicht
aus der Acht zu lassen. Die Idee der Wahrheit beseelt
unsere Vernunft , ist aber selbst wieder angeregt vom Ge»
Theorie von Giwben tnHl Wissen« 411
wiflien. Die Idee der Schönheit beseelt die .Phantasie , i^
aber selbst wieder angeregt dorclt das Sehanen der Seele.
Die Idee der Tagend endlich beseelt den WiUen, ist aber
selbst wieder angeregt durch den Glauben.
Ohne den Gebranch der Vemnnft, der Phantasie und
des Wülens wäre keine Philosc^hie möglich ; und ohne
Funktionen des Gewissens, Schauens und Glaubens keine
ion. — Mit diesem Vermögen ist 'die Charakteristik
aller Vermögen umfasst Wir finden sie in drei Ordnun-
gen gereiht: die imtevste (Doppei-)Reihe der drei Vennö^
gen, Empfindung, Anschauung und Naturinstinkt, wie Vmu
steliungsvermögen , Einbildungskraft und niederes Begeh-
nmgsvermögen (vgl. §. 29— 6& und $. 82—84.), haben
wir mit den Thierm gemein. • Die mittlere Doppefareihe,
Verstand, GeRUhlsvermegen und Gemuth, so wie Vernunft,
Phantasie und Wille, können wir die rein menschliche
nennen; und -zuletzt ergiebt sich eine (einfache) Reihe,
Gewissen, Schauen und Glauben, die uns über das Mensch-
liche hinausfuhrt, und uns an die himmlische Bestimmung
mahnt (Psychologie a. a. 0. $.135 — 145.).
Wir lassen den Werth und die Wahrheit diewr psy-
chologischen Schematismen ganzlich auf sich beruhen , um
anerkennend henrorzuheben , wie durch diese Eschen-
mayer sehe Theorie der ganze gemeinschaftliche Slandpimkl
emer Ueberordnung des Glaubens über das Wissen sich aller-
dmgs niodificirt oder in eine neue Form gefugt hat. Zuvör-
derst sind es hier nicht die Grunde eines reflektircnden Idea-
iismug, der das Wissen nur zu einem Bewusstsein um die
Erscheinung herabsetzt, welche den Glauben über das Wis-
sen setzen lassen. Das Wissen ist aller Dinge an sich
maditig-; aber sie sind nur die weltlichen Dinge: es
beruht auf der absoluten Identität des Idealen und Realen,
deren Wirklichkeit eben die Welt ist, und deren
I d e e im Absoluten der Vernunft vorschwebt
Der Begriff des ^Absoluten« entspricht hier, wie man
sieht, genau dem Standpunkte der Seh eilingschen Philo-
sophie ; es ist die* im Universum in der Reihe ihrer Potcn<*
ftlft *'- CA. Bschenmayei^
^n tinehdlich sieh'iverwIrUiehende , :» lieh sdbst.jedooii
rein ^pcUenitose Idenlilat deä Realen und ideale*. AWv
GotJt Ist sie nach Eschenmayer damn^ nioM>, weD 4ife
Idee, des Heiligen und Seligen nicht in ihr ansgednidttisl.
Das religiöse Bewusstsein mit seinen Bedilrfiu^sen , wie in
seiner Ausbildung, kann in ihr den Gott nicht ifvietfeffih-
den, den es schon besitzt, und dessen es namentlich in 4tr
positiven 'OOenbarung schon gewiss gewordon istt UAU
diess ist der Gtund, derEsohenmayern nöthigt, Tur ihn
-oine besondere, «her jedes Wissen hinaiislcegeNda Veiw
-mitflung anzunehmen. De^shalb mHSls ein jenseüs «Her
.Vemunfterkenntniss und seines Absoluten, über diesen gam-
zen Standpunkt hinausreichendes ^ besonderes Orgen a»-
l^cnommen werden, welches diese» an mittelbare fie-
wissheit verleiht: es ist der „Glaube^, der likr sunächst
nur an negativen Bestimmungen erkanht whrd«
'fff Bekannt ist, wie £schenm.ayer bemüht war, froher
gegen Schelling, später auch geg^^i Hegel, die &e<^lB
dieses Glaubens und seines Giottes, als. des schkchlhin U6^
hern gegen die spekulative Vernunft und ihre Idee cbs
-Absoluten, zu vertreten, freilich nicht, ohne - diä >WiUkühr
und das Schwankende seiner Behnnptungehrdaruber aoidiai
Tag zu geben. Dass es offenbairer Widevsprnck.und Sallisl-
nMSBverstitndniss sei, ein Absolutes eusiigeben, und /Galt
dennoch ats die unendlich höhere PoleBz.ü^ber dkaseilid
zu stellen, dass man eben dadurch zeige ^ der idea^. dflas
-Absoluten fern geblieben zu sein; diess hat So h« Hing
in ^Phik>sopfaie und -Region ^ mit eindringUchsler SddxSß
gezeigt, ebenso in seinem „Antwortschreiben an Es che n-
mayer^ (in der allgemeinen Zeitschrifl von Deutschen
für Deutsche) nachgewiesen, in welcherlei weitere Wilt-
kührlielikeiien eine so leicht gehaltene Theorie sich nothr-
wendig hineinarbeite. Ueberhaupt ist diess das OfTenkoi^
digc und auch sonst Bekannte dieses Verhältnisses..
Dennoch müssen wir den verborgenen Antrieb, welcher
•E s c h e n m a y c r^ti zu diesen ohne Zweifel ungenügend
ausgedrückten Bestimmungen gebracht hat, fiir einen wich-
Theorie ^4H»? liihube« ytni YTissen. 4i8
«gen.fimdTtiefeA Vdfbliok erUi#en in S» iMMe Stxnte,
welche dic^ Sttehiflftttoüi über dad^ Iddntitäti^sf stein ia Scb«)^
fing*-« und H.eg'ats PANlosophieeft hinfiu^ zu ersteigen bidi
Die naebfolfende <>härak«eiialik beider Systöme m diesein
Werke wird nämlich darthun, wie der gemeinsohAnüohe
^ranteangel derselben (d. h. des frühem SchelHiA^*
sehen), uni der in ihhen ungelöst bleibende Widerspru^jl
atlerikigs darin : bestdht , did Idenfitil des Idealen und
Realen oder der Natur und des fieistes al» das Absokil^ 3«!
8el»e6, wahrend', diese^ sieh selbst vielmehr' nur als das
Bedingto, Ye^mttMte auA^efet, und so die Idee des Absetnien
mn^^einä Stttfe höh^r hinaufg'eruckt werd^cn.mutisi
' Watt entTemt »dafum^ €roU :vber das Absoititd
j€mer idetititiit.hinausihiatellea^ mldibn, wie bier geschi^t}
XHTO «Objekte .eitfes^. sdiwer c^H 4efiiitfendeii Glanben«'2i
madhelt, wirdnVielmQfar. wnfgdx^Kt die vermeinllicbo Ab4
sei«tfieiljeBc«r Identität, ihr 6o.tt**€rl.eiehsei^ widerlegH
und die NiditabsMutheit defselben naobgewfcisen. I)asa
dies», #e Einaicbl, wie falschlich das Identitätssysteot Sei»
Princip zum Absoluten erhebe, in -Esehenmayer dar
Grund waf, um Aber dasselbe* den Gott seines Glaubeils zn
setzen, ist unterb^nnhar; das;GefuU jenos Mangelst maebto
sich nach der religiösen Seite Lul'ti wahrend es nach det
spekulativen bin sieh miti dem anerkennenden GeHenltissen
des.'S-ckellingsdiieii (/und Hegelschbh) Standpunktes^
als des höchsten ipkilo:s»o^b'i«chen, ein Genügen thati
Und' anders»' joüssen wir bekeniten , wäre es nach der M*
gem^en^ Oekonomie aller geistigen Entwicklnng, selbst inl
Gebietender ^Spekulation , für damals kaum mögfich geure<-
senr wenn «ein relativer , gegen- das Frühere höherer und
absdilies&etider Kolmiftationspimkt kervorgearbeitei isb^
wird es fasfr^unineglich*, ihn' sogleich wieder über sieb
selbst in einc^ netie^ klarbewussteSieigerung hinauszutre^
ben« Hier nüissen andere Ausdrucksweisen, iVolestationenl
des Gtanbens oder 'Ergänzungen durch detiseiben, als9nr>«
rogale uad '¥oranzeigen- der künftigen spekulätiirenBefne*
dtg^ng* aosreiokei.
414 C. A. EschenuMjer^B
«
In jenem Ziwammenlitiige Jedoeh bitfe Es oh es«*
m a y 6 r auch nichl mehr eiaes so imgesdiickt eifigefohitea
CHaubens bedurft , um der Idee eines Gottes jenseilip 4er
^absoluten*' IdentiMt gewiss ni werden: er wäre ia den
sfnfenweisen FortscbritI eines am Begriffe des Absirinten
sdber sich vertiefenden spekdatiren Denkens hiaeiB ge-
kommen, ond bitte sich anch die dürftige nnd wiflkillirii-
che Deduktion durch jene schematisirten Reihen psycholo*
gischer Vermögen ersparen können.
Dennoch selbst in diesem so gewagt hingesiclliaii
61aid>en, in eine halb rithselhafte Verwandtschaft gebrmAü
mit dem „Schauen^ mit der. prophetischen Sehergabe, <leni
Divinationsvermogen u. s. w. (a. a. O. $. 134. S. 1120»
Usst sich eine tiefere Meinung, ein Snn ächter, lange Ver-
kannter Wahrheit unmöglich übersehen. Eschenmayer
bezeichnet mit ihm eigentlich den Glauben in evangelisch
Sinne, das Ai^ einer ausdrücklichen, specieH so m
nenden Offenbarung. Diess ist also das , Organa
welches er dem gewöhnlichen Wissen, auch dem spefailn-
tiven , entgegenstellt , und als das der ursprünglichen Ge-
wissheit Gottes, des wahren Gottes, bervorhebt, dn3
Organ der Eingebung; woraus die Prophetie und «He
eigentliche OiTenbamng.
Dass wir die Realität desselben und seine weltge*
schichtiiche Macht anericennen, wefehe erst den Anfang
nnd die Fortentwicklung einer objektiven Erkenntiiiss
Gottes in den Religionen der Menschheit möglich werden
lisst, und ohne deren Annahme eine Lücke, ein Unerklär-
liches bliebe m dem Ursprünge des religiösen Bewusstseins
imMenschengeschlechte; — diess haben wir nachgewiesen
in dem Gegensatze zu den schwankenden Begriffen über
Offenbarung, welche wir bei J a c o b i fanden (vgl. S. 995t —
30B.) ; und wir erkennen es als kein geringes Verdienst von
Eschenmayer, dass er, dem herrschenden ignoriren
zum Trotz, weiches die Pbilos^hie bis auf den gegenwir«
iigen Zeitpunkt fitr diese und alle damit zusannnenkangen-
den Thatsachen hartnäckig an den Tag legt-, jenem Be«
Theorie lon Gitvben und Wissen. 4t5
grUfe, wenn such noch miansgeahn mid selbsl gldduMO
nwr bistortfch, einen n«tz in der Reihe seiner Gemüthsver»
iMgen anzuweisen wagte. Ebenso riihmen wir seinen
Math , weil er nur in wahrer Gemathstiefe und Innigiieil
gründen kann, dass er, durch die Angriffe mner nachwueh-
sigeB» vermeintlich weit ihn nberschanenden philosophischen
Generation unerschuttert, in einfacher^ wenn anch der tief-
sten Grunde selbst nicht mfichtiger Zuvenrieht auf seinen
ersten Ueberzeugwigen beharrt ist.
Dennoch kann von diesem Glauben ans Schauen
Diehl gesagt werden, was Eschenmayer von ihm be-
halltet' — viefanehr scheinen sich da noch die Jacob^i-
sehen Verwirrungen einzumischen — : dass derselbe
ein allgemeinoT, universell verbreiteter^ in
der ganzen Menschheit vorhandener sei CS.
131.> Er ist viehnehr nicht ein Allen zngetheiltes Oiw
gan, nicht das gemeingAltige Gottesbewusstsein , vielmete
etwas durchaus Bxceptionelles ^ welches die Gemeinschaft»
lichkeU gerade .aussdüiesst : und hier hat. sich diesem an
sich so bestimmten begriffe des Glaubens , eb«i weil ihn
'Bschenmayer gleich ursprünglich nicht in seiner ao^
schliesslichen Scharfe gefasst zu haben schien ^ die unb^
stimmtere Vorstellung J a c o b i 's und seiner Schule «nie»-
susehieben vermocht.
Sodann ist nicht minder die Behauptung falsch, dass das
Objekt dieses „sdiauenden^ Glaubens an sich in ihm prä*
d i k a 1 1 0 s bleibe , und seine Bestimmungen lediglich aus
dem seine Ideale steigernden, und auf das.
selbe übertragenden Wissen zu- schopfeif
.habe ($. 143. S. 120.). — Hiermit sdieint Eschen«
may er. vollends den Ernst und die Tiefe einer Wahrheit
preiszugeben , welche ein der bisherigen Spekulation fremd
gebliebenes Zugestindniss hätte herbeiführen können. Um-
gekehrt ist vielmehr zu sagen, — und wir glauben es ge-
zeigt zu haben, — dass von dem innerlichen, uberweUli-
chen Wesen Gottes ursprünglich nur Gott selber durch
OSanhanmg dem Bewusstsein Kunde verliehen haben kann.
410- .'. O/ A. Eartamnayoi^«
Dto #riiA^^ BifihM Gattes tot der W«it , die UgocMee,
dte Idee voji dem ewig Dneieinen , lat keine ilre
steigernde VeriNinfl zaerst und a«s sich selbst
iem ^an sich prildikalioaent' Gotte zu prftdiciren vermocht.
Aier ein Anderes ist, dass diese Ideen, einmal in den Be^
sfui des Geistes gelangt y wenn auch nur ab Mysterien 6ir
den Glauben^ von diesiom aus durch das rem spekrialnre
Danken wiedöfgewonnen werden mussten, um in den freie«
Besitz der Erkenntniss gelangen zu käme«» Jenes scMäeast
dieses nicht im; vielmehr • wird nur so. diess Verkillniss
eta' g«iw.es^ frrundlicb dortbgefuhrtes : Beides ttifl sich i;fe^
geiiseltigl Die Spckubtian^rbUlitt jenem ihren bislo ri«-^
•dl eil': Böden «md ihren* arsli^fi AakfiQpfungspankt; aber
Sie erwliist^es imoh aaoh . seinem' hohen und geheimnlss^
yMlt». llrsptmige, indenK ehie Einsicht, die nur die tiefst«^
grflndHehste Insicheinkefar deis Denkens zu erreichen vermno;
kl solcher frühzeitigen Unnf ttetbatMt gefiinden , kein zs«
flUig Erdachtes oder bloss Eingebildetes sein kann.
1 • DcssfaaU) können wir endlich es nur für verwirrend
kälten, wenn Eschem-mayer das «VerhaMniss zwischen
Wissen (Spekulation) und Glauben als - das einer äussern
Brgiazung jenes durch letzteren bezeichnet. -— Das >Vi»-
stn tat uaob ihm nur mit dem Endlichen zu tbon ;
über dasselbe hinaus verliert es alle Bcdeutuag: und sn
isl ' der ' »GUufae das' Organ eroer ganzneuen, speciGsch
flfiidievtn Welt, die ntr auf diese Weise den» Menrrhen
«länglich iAt er ist besonderes Erkenntnisspirineip
ehiar» elgmtHumliehen Sphäre von Objekten und W-ahrkei^
%ßn , ' wdlohe nie Gegenstand des Wissens , auch niohl der
JSpekttlatioki , weMen können , welche letztere in der Ick*«
des Abtfolvlen endet und erlischt. Dies^ ist zuglaich der
Unpi^ung der wahren Mystik, welche gleii:UaIls über jeden
speiulatrven Begriff hinausliegt.
Der Grund - dieser, und ähnlicher Behauptungen , die
Bschenmayer ökrigens mit vielen der erleuchtetsten
iteiigiosen theVl, ist bei diesen ihre ünkenalniss des We^
der flf^eknbten; wnhdie sie mit empimdi rt— nnirotil
Theorie Ton Glaiibeii mid Wiss^. 417
den Reflexionen, mit der sogenannten Yersttodesiniltar ver-
wechseln. Was jedoch diese Nachtheiliges und Verwer-
fendes über die absolute Blindheit des Verstandes in Be-
treff aller ewigen und gottlidien Verhältnisse sagen y das
HieOl bekanntlich die Speknliation, ja hat es aus der ersten
Hand, ind^n sie die vollstdndige Theorie über das Wes^i
dieses sinnlichen Verstandes besitzt, und ihm überall den
Selbslirtderspmch nachzuweisen vermag. — Eschenmay-
er 'n dagegen kann diese gerechte Entschuldigung nicht za
Gimsten kommen; er musste das Wesen der Spekulation
erkannt haben, welche ihm in der Grundidee des Seh el-
lin gschen Systemes nach ihrem Einen und ewigen Gegen-
stande ebenso bestimmt entgegentrat , als in ihrer specifi-
schen, die dem Verstände unüberwindlichen Gegensätze
negirenden Etkenntnissweise. Bei ihm war es Unentsdiie-
denheit , Unklarheit über das Eine , wie über das andere
Prindp, über Spekulation, wie über den Glauben , was ihn
bei einer Mebeneinanderordnung beider stehen liess. Gott
ist im Wissen, wie im Glauben das gemeinschaftli-
che, ja das einzig wahre und einzig mögliche Ob-
jekt; wie könnte also der Inhalt des Glaubens oder der
Mystik fem von dem Wissen, oder der Spekulation bloss
entgegengehalten werden ? So gewiss jener erst die ganze
Tiefe der Wahrheit enthalt, darf die Spekulation nicht aus-
ser derselben bleiben , sondern , sich ihrer bemächtigend
und aus ihr die Probleme des Welterkennens lösend, damit
zugleich die Universalität und ausSchliessende Wahrheit
derselben erweisen«
Nach allem Bisherigen scheint sich nun das Endurtheü
über die wissenschaftliche Stellung Eschenmayers,
in welchem sich noch immer eine Menge der interessan-
testen und wichtigsten Zeitfiragen berühren, sicher und
parteilos aussprechen zu lassen. Er reprasentirt in sei**
ner Philosophie den Uebergang in das Gemüthliche, in
die Frömmigkeit, welche, — wenn sie als das rein
Menschliche , ja als der Kern des ganzen Menschen (folg-
lich auch des Philosophen) neben der Philosophie aller-
27
418 C. A. BsrhenmDim
mtngs forlbestehen soll , mif dasjs der Gott , weldiM die
Spekulation erkennt , nun auch die Kraft und Lenckte des
gesammten Lebens werde, — kter mm gar m einer eigen-
tkümlichen und hohem Erkenntnissweise des Göttlichen
sefter gemacht wird ; und diess ist es nur, was wir ling-
nen : er macht die Frömmigkeit (den Glauben) znr höchsten
StafTel der Philosophie^ nicht zur nothwemligen Gegenseite
derselben in einem nicht einseitig erstarrten Geistesleben.
Pas Wissen , in der Form der Philosophie , fasst Gott und
ans ihm die Welt im reinen Begriflte und enthält sich so-
ffrtl jedes gemAthli<Aen Ergusses darüber ; sie verwecfasell
ihr Thun nicht mil dem der Erbauung. Aber darum isl
die Philosophie, ist der Philosoph nicht genülhlos,
Tiehnehr wird ihn, als Mensehen, die liefete, allgegenwär-
tigste Andacht durchdringen, sein ganzes L^ben wird Be»
getsterung und Liebe des Göttlichen S(^n, weil ihn oben die
Erkemitniss Gottes nnd seines Walte ns als eine atlgegea-
wirtig klare stets begleitet, und weil er dessen In seinem
Bewttsstsein ganz sicher geworden ist. — Diesen Unter-
schied (nicht Gegensatz) zwischen dem Spekulativen and
Menschlichen verwischt nun Eschenmayer, gleich man-
chem Andern, wenn er mit seinen DarsteUungen in das
Gebiet des Erbaulichen überschweift, ja in ihm eine eigen-
thflmliche, der Philosophie zum insserlichen Korrektiv die-
nende Weisheit erworben zu haben behaupteL
Hiemach tissl sich nun ohne grosse MMie die Grinz-
berichtigung zwischen Behauptungen zieheir*), welche vid
Wahres, aber auch viel Falsches und Willkührliches za
endiallen scheinen. So lehrt er ausdrücklich , dass das
Wissen nvr- für das Zeitleben der Seele ausreiche, und
dass durch den Menschenfall dem Geiste bloss die Ahnung
der hohem Welt geblieben sei. ,^ede Philosophie (daher),
weiche das Streben nach jenem hohem , was Jeder als
*) Ctcb^Binayer'« Mysterien des inneril Leben«,
Tubiogeo, laaa s. vi. xi -jcyi. u. «. w.
Theorie von Glauben nnd Wissen. 419
AhnnBg in sich findet, nicht aufhiebt, ist auf dem Wege
zur -Wahrheit; jede Philosophie dagegen, welche mit einem
BegriiTe oder einer Idee endigt (?) , erstirbt auch in der-^
selben nnd verschliesst sich- auf immer den Weg zur Of*
fenbamng. Jede Philosophie ist im hrthnrn, wenn sie das
Heilige nicht höher setzt, als das blosse Wahre, Schöne
und Gute.^ Wenn wir diese ganz willkühriiche Begriffs-
abtrennung auch gelten lassen^ so fragt sich nur, ob das
Heilige, oder genauer doch wohl die Eigenschaft des Hei«
ligen, auch nach seiner Meinung einem andern Objekte
beigelegt werden solle , als die Eigenschaft des Urwahren^
Schönen und Guten, — nämlich Gott, ser dass dieser ein«
mal zwar bloss als das Wahre , Schöne und Gute , dann
aber hoher auch als das Heilige erkannt würde. Meint
Eschenmayer Letzteres mit seinem „Höher-Set»
z e n ^ des Heiligen , so sind wir zwar damit ganz einveiw
standen, sehen aber nicht ein, warum die Philosophie nicht
Gott als den heiligen soll denken können , und möchten'
mir fragen, auf welchem andern Wege, als dem des Den**
fcens (des begriffsmassigen Unterscheidens) , er selbst zv
öie»em Begriffe gelangt kU
^Die Philosophie ist im Irrtlium , wenn sie Gott he^
greifen, in sich nehmen, oder sieh in ihn hin-*
eindenken will^; — ein beherzigenswerthes Wort für
manche Spekulanten, welche der Verfasser dort im Auge
hat I Aber schliesst die Verwerfung der pantheistischen
Immanenz im Menschengeiste, woraus jene den Begriff der
absoluten Erkennbarkeit Gottes ableiten , damit das
„Begreifen^' Gottes, und eine Erkennbarkeit desselben nach
andern Erkenntnissprämissen aus? AUes diess sind so
schwankende Bestimmungen, dass man sich, je nach der
Weise der nähern Bedeutung, ebenso sie zu bejahe», jak-
zu verneinen entschliessen müsste. Dass der Begriff, das
Denken Gottes , als des Absoluten , nicht widersprechend,
sondern schlechthin ursprünglich und nothwendig mit dem
Begriffe, dem Denken des Endlichen mitgesetzt sei, hat sich
in der ganzen bisherigen Entwicklung , und auch den be-
42Ö C. A Esihenmayers Tlieoric n. s. w.
•
sondern BrkUningen Eschenniayers gemfiss, so cTident
ergeben , dass darüber kein Einspruch von ihm zu erwar-
ten isL Wie ist denn davon nun versciiieden das hier
geleugnete Begreifen desselben, und wenn es verschie-
den wäre, auf welche Erkenntntss|Nrincipien gründet sieh
dieser Unterschied? —
So ergiebt sich abermals, und noch an dem letzten
Philosophen in dieser Bildungsreihe , dass hiermit in kei-
nem Sinne ein Abschluss erreicht, oder ein an sich wich-
tiges Bildungselemenl zu seiner höchsten Reife und Ans-
büdung gelangt ist Solche Theorieen des Erkennens oder
Vemunftkritiken, wie wir sie an uns vorubergefuhrt haben,
kssen das wissenschafUicbe Bedürfiuss einer entscheiden-
den , das wahre Ergebniss von dieser Seite mit abschhes-
sender Strenge herattskehrenden Philosophie gerade recht
deutlich hervortreten. Dass diess in J. G. Fichte*s
Wissenschaftslehre nach ihrer ersten Gestalt ge-
schehen sei , haben wir schon im Vorigen , im Gegensatz
mit dem Bestreben Anderer, dem negativen Resultate der-
selben zu entgehen, an den einzelnen Stellen nachgewiesen.
Somit würde die Wissenschaftslehre von dieser
Seite gleichfalls noch in den Umkreis dieser Philosophieen,
und zwar an den Schlusi^ derselben, fallen. Indem jedoch
dieselbe den Umschwung von dem rein Negativen und Lee-
ren der Subjektivität nicht nur absolut nothwendig gemacht
hatte in dem Umkreise damaliger Spekulation , sondern
selbst ihn volbsogen, das Princip der Reflexion, durch höchste
Steigerung desselben aus ihm selber, auf bleibende Weise
durchbrochen, es sich selbst durch sie aufgehoben hatte in
die absolute Realität: so gehört sie um dieser positiven
Seite willen zugleich den spätem Philosophieen und dem
folgenden Abschnitte an.
ZufiBinmeAfassung alles Bisberigeiu 4fil
Hiermit haben wir alle Formen der Philosophie , wel*
che vom Bewusstsein and der Selbslerkenntniss ihren Aus-*-
^ngspoiikt nehmen , von Locke an bis auf die gegen-
wärtige Zeit, in vergleichender Charakteristik geschildert.
So schlechthin berechtigt und wesentlich, als gemeingültl-r
gar wissenschaftlicher Ausgangspunkt, sich dies$ Princip
auch bewähren wird ; so zeigt schon die historische Ver-
gleichong, wie eng an sich selbst der Umkreis ist, in wel-
chem sich seine Entwicklung auf- und abbewegt. Der erste
Kampf zwischen Sensualismus und Idealismus brachte die
skeptische Unentschiedenheit Hüme's hervor: hier wurde
zugleich schon sichtbar der Vemunftglaube Jacobi's» die
Berufung auf das unmittelbare Gefühl , wie das Ai^gumenl,
dass man über den Staudpunkt des allgemeinen Menschen-
verstandes au(*h in der I%ilosophie nicht hinauskonne : Aus-
sprüche, welche nachher so unzählige Male erklungen «ind.
Kant fpgte dieser Verhandlung die gewaltige, in ihren
Folgen entscheidende Entdeckung hinza , — wobei er
übrigens nur einen tiefsinnigen Geistesblick Leibnitzens
erneuerte — über das Wesen und den Ursprung des
Apriorischen, der Kategorieen und der Vemunftideen,
im Bewusstsein. Diess musste der Hebel werden, um, vrj^
über den Sensualismus, so über den in sich verschrfinltfen,
empirisch sich bomirenden Subjektivismus sich hinaoszu-
schwingen. IVie sehr aber diese wahrhaft grosse Ent-
deckung unter seinen nächsten Nachfolgern verkümmerte,
ist im Einzelnen nachgewiesen worden.
Ueberhaupt bewährt sich, auf wie wenige entschei-
dende Ideen beschränkt — (es sind die eben angefahrten)
— der Standpunkt des reflektirenden Selbsterkennens ist,
wenn er nicht parallel geht und ursprünglich hin^perichteC
ist auf die Begründung einer objektiven Philosophie. In
sich, durch Selbsteikeiintniss, das Kriterium aller Wahrheil
zu finden , ist in alle Ewigkeit hin tfer Weg grüQdlicher
Bildung und Wissenschaft. Aber auch hier ist das Ver-
haltniss ein wechselseitiges : das Selbst, nur an sieh seiher
sich messend und alle Objektivität zurücknehmend iir die
42S ZusammenTassung alles Bisherigen
ABspiegehing der eigenen SubjekUObjektivität, wie diess di^
Form der unendlichen Reflexibilität allerdings zulasst, — ver—
lälU damit einem steten Au^ und Absteigen in sich selbst,
einem engen, ohne Ausweg wieder in sich zurudkehrenden,
nur an Wiederholungen reichen Umlaufe, ohne wahre, Torf-
SjOhreitende Entwicklung. Aber ebenso wenig ist ein rea-
listisches Versunkensein in die Objektivität, ein Sichabsor—
birenlassen von ihr , im Stande , das eigentliche Probiem
des £rkennens zu lösen; und mit Recht hat man es cha—
rakteristisch gefunden, dass S p i n o s a 's Abhandlung über
die Yerbeflserung (Vollendung) des menschlichen Verstan-
des Fragment geblieben ist: sie musste es bleiben, weil
aie keinen Anfang hatte.
Aber erst jetzo ist Oberhaupt, durch die Ausbildung
der objektiven Philosophie zum absoluten Idealismus,
die Möglichkeit gegeben, die Aufgabe einer Erkenntniss-
lebre auf eine, den menschlichen Geist über alle GnmdVer-
baUnisse, in dmen er steht, wahrhaft und aus der Tiefe
verständigende Weise zu lösen. Diese Aufgabe ist die
Wachste an d^r Zeit, auch ist sie noch keinesweges gelösl
in den jetzt herrschenden Systemen. Diess zu zeigen , isl
gleichfalls eine der Hauptaufgaben des folgenden Abschnit-
tes^ welcfier auch übriges allein im Stande ist, indem er
die grossen Systeme der Gegenwart tum Ausgangspunkt
macht, das Vereinzelte oder. Halbvollendete, der bisher be*
tr^htet^n Pl*ii|€[ip«en in einem grossem Zusammenbang«
zu zeigen. Das tiefe Bedurfniss einer Versöhnung des aufs
Hö(3^le in sich gespannten Geistes ist in der bisherigen
PanateUung wohl zum dringenden Bewusstsein gekoaunen.
piese sollte der Zeit zu Theii werden durch einen der
graten und tiefgreifendstea Umschwünge, der je die Phi-
losophie ergriffen hat , welcher jedoch noch keinesweg-cs,
wie i$an behauptet, sein Ende gefunden, sein wahres Ziel
erreicht bat. Hierüber jedoch gerade waltet jetzt der Streit«
Und so ist es das Ziel des gegenwärtigen kritischen Wer-
kes, — nac'h der bisher -iiurchmeSNeneu Vergangenheit ge-.
wpudfiti 2u. Iseigcui wie diese sich ganas und unwieder«
und üetergang in's Folgende. ^ 423
brin^lich auTgehuben hat in das grosse Hauptergebniss der
l^eg^iiwärtigen Philosophie im Schellingschen und
Heg^ eischen Systeme; wobei wir zugleich auch der
He rbart sehen Lehre in einem bestimmten Sinne Antheil
an dieser Gegenwart zugestehen müssen : — auf die Zu-
kunft gerichtet jedoch, nachzuweisen , wie die Gegenwart
selbst, um die Wahrheit ihres Princips zu erreichen, so wio
methodisch desselben sicher zu werden , noch zli einem
neuen Fortscbritto über ihre bisherige Gestalt auizufor-
dem ist, '
Drittes Buch.
Die Philosophie der gegcawärtigea
Epoche.
il
Des Carte« • Splnosat I«elbiilt^
Wir nahen der philosophischen Gegenwart, kt es tarn
gelungen, im vorigen Buche nachzuweisen, wie die beiden
darin charakterisirtefi Hauptistandpunkte — der K an tische
der Reflexion und einer versiu:hten subjektiven Vehnitliulig,
wie der J.acobi'sche dor Yemunihinmittelbarkeit und ur-^
sprünglichen Gewissheit eines Absoluten, — mit ihren g&*
genseitig dich aufhebenden Ansprächen in einem lediglich'
negativen Resultate endigen, zugleich aber nadi den innem
Elementen ihrer Ansicht auf eine in ihnen selbst liegende,-
nicht bloss durch sie geforderte, spekulative Erfüllung
hinweisen: so stehen wir jetzt daran, diese, so weit sie
wirklich hervorgetreten, in der gegenwärtigen Epoche der
Philosophie nachzuweisen, — ein um so schwierigeres, weil
besonders dem Streite aiisgesetztes Unternehmen, als hier
eben noch Alles Gegenwart , Werden, Entwicklung ist , ja
Manches, was man für erreicht hält, ein noch zu Leisten-
des sein möchte, wodurch es in die vieldeutige Zukunft
oder in den Parteienkampf der letztverflossenen Zeit hin-ii
äberspielt
Viden nämlich, ont welchen sich sonst der Veriasser
428 Allgemeiner TorblicL
über das allgemeine Wesen der Spekolation, wie Aber die
Bedcutmig ihrer gegenwärtigen Epoche, im Einverständnisse
befindet, scheint dennoch der Gipfel, in welchem diese col-
miniren müsse, schon erreicht zu sein in einem bestimm-
ten Systeme, dem Heg eischen. Wir mnssten dicss gleich
vom Anfange her in Abrede stellen , und die weitem Do-
kumente über dieses System, die seitdem in der Reihe von
Hegels Werken bekannt gemachte Ausführung der ein-
zelnen . philosophischen Disciplinen , haben uns darin nur
bestätig: — nicht sowohl aus der ganz allgemeinen Be-
trachtong, weil es in jedem Sinne unceitig erscheinen muss,
von der V<rilendung einer so jungen Wissenschaft, nnd zu^
gleich einer so umfassenden, wie überhaupt die Philosophie
ist, reden zu wollen, als weil das Hegeische System in
«einem bestimmten Verhältnisse zu seinen beiden grossen
Vorgängern,- dem K a n t i sehen und dem S c h e 1 1 i n g sehen«
die beiden in ihnen liegenden spekulativen Impulse noch
nidit erschöpft und zn ihrer Vollendung gebracht hat : ihre
Epoche ist noch nicht geschlossen.
Auch darüber hat sich jedoch schon in einem ange-
sehenen Kreise von Denkern Binslimmigkeit gebildet, so^
wohl in BetreiT des Gmndmangels , welcher dem Principe
jener Philosophie überhaupt anhaftet, als wegen des neuen,
welches dadurch nothwendig geworden. Nach Hegel,
nnd seit dem gegenwärtigen Erscheinen dieses Werkes,
ist die Philosophie schon thätkräftig weitergegangen, za
frischen Bildungsgegensätzen und Entwicklungen. Diess
wird für uns jedoch die Gränze unserer historischen Dar-
stellung bleiben müssen; denn hier ist ein erst Auszubilden-
des, Neuzugestaltendes anzuerkeitnen, wofilr die Form der
Kritik oder der Debatte die einzig angemessene ist. Für
diese hat daher der Verfasser und die mit ihm Aleichstre-
bcnden ein anderes Organ der Hittheilung, das der Zeit-
Schrift, sich wählen müssen^ auf deren Inhalt wir spa-
ter nicht selten verweisen werden.
Wie jedoch nur durch die Vei^ngenhcit die Zukunft
zu verstehen ist, so giebi umgekdirt erst diese, nachdem
Allgemcifier Vorblick. 429
sie in unterscheidender Eigenlbtimlichkeit hervorgetreten,
auch der Vergangenheit ihre volle Bestimmtheit und DeiH
tung. So bedürfen wir selbst, hier der 2^kun(t , um die
letzte Vergangenheit zu verstehen, ja um sie als ein wahr«
haft Vergangenes aufzuweisen. Die Hege Ische Lehre
z. B. zeigt sich gerade darum als vergangene , zur histo-
rischen gewordene , weil über den Sinn derselben ,' über
die Bedeutung ihres Princlps in ihrem Umkreise ZwiespHlt
ausgebrochen. ist; die verschiedenen Deutungen derselben
sind die ersten Schritte über sie hinaus , an . denen die
innere Vieldeutigkeit, die in's Unentschiedene auslaufenden
Züge, welche jedem nqch nicht in sich zum Abschlusis ge^*
kommenen philosophischen Principe eigen sind, sich Ifln-
lem und fixiren. Nur durch die neue Lehre, die sich am
der vorhergehenden , so wie im Gegensatze mit ihr bildet
(Beides muss stattfinden), kommt diese zu ihrer in sich
abgegranzten Bestimmtheit. Die Kantische Philosophie
hat erst an der Wissenschaftslehre , S c h e 1 1 i n g s altere
Lehre an Hegel, selbst Leibnifz an Kant, wie sehr
jener auch mit der Innern Keimkraft seine!' Ideen über den
Kantianismus hinausreichen mochte, seine Scharfe und Be-
gränzuqg erhalten. Diess an einem Systeme aufweisen, seine
Gränze und das Princip , welches es selbst nöthig macht,
ist das äusserliche Zeugniss , dass das allgemeine philoso*
phische Bewusstsein es schon der Vergangenheit angereiht
hat, in welcher es freilich^ dem Zeitwechsel entrückt, seine
ewige Geltung hat.
Diess , was vorausgeschickt werden musste , um die
wesentlich modificirte Darstellung des Folgenden einzulei*
ten. Zuletzt müssen, wir jedoch bei den h ie r zu betrach-
tenden Systemen nach einer ganz andern Seile, als bisher,
und weit tiefer in die Vergangenheit zurückgreifen. KanI
halte seine positiven Voraussetzungen in L o c k e und H um e ;
diese wendete er negativ gegen die herrschende Metaphy-
sik seiner Zeit^ Aber schon bei Jacobi meldete. sich
historisch wenigstens die Beziehung auf S p i n o s a , selbst
auf Leibnitz. — Fichte, Schelling jedoch, mit
436 Allgemeiner RückUiek Des CaHeg
denen der Begriff des Absohlen in die Philosophie wieder
einiriu nd den Mittelpunkt derselben bildet , erneuem m
sieh jene Lehren auf eigenthäihlicbe Weise. Pichie*9
Princip ist die Combination des Begriffes der absoluten
Sdl^stanz, deren Unterschiede ihr selber immanent, selbst-
gegebene sind, und der L e i b n i t z i sehen Honade. Daher
auch sein berühmt gewordenes Urtheil über Spinosa und
Leibnitz, mit welchem er diess Yerhältniss bezeichnete:
Spinosa 's System sei die einzig konsequente Philosophie^
wenn das Recht aufgewiesen werden könne, über das
Ich binauszogehen ; Leibnitz aber se? der einzig wahr-
haft überzeugte Philosoph gewesen, weil sein Princip ober
di6 in sich absofait selbstgewisse Sobjektivität nicht hin-
anagegangen seL
So müssen wir jetzt zurückgehen auf den Anfang
der ganzen gegenwärtigen Philosophie nach allen ihren
Seiten, in welchem knospenartig Alles in einander gewtk-
keit liegt, was nachher hinter einander hervorgetreten. Es
iat die Philosophie des Des Carte s. Ist daher von den
Methodisch wissenschaftlichen Voraussetzungen der neuem
Phik)8ophie cfie Rede ; so kann nur diese als der alleinige
Ausgangspunkt bezeichnet werden , während andere 6e-
sidbtspunkte auch auf andere Anfange zurückweisen kön-
nen. — Desshalb findet auch zwischen Des Cartes und
Fichte, von dem ein ganz ähnlicher Umschwung der
Philosophie ausgegangen ist , eine offenbare , wenn wir
nicht irren, auch von Andern schon nachgewiesene Ana-
logie Statt , welche sich sogar in die Eigenthümlichkeiten
ihrer Schriften herab verfolgen Hesse. Wie in dem Letz-
tem die Keime aller Ideen liegen , welche von S c h e 1 -
ling und Hegel ausgebildet worden sind.; so in den
Schriften des Des Cartes alle Elemente für die nach-
folgenden Systeme, und durch diese auch für die uns nahe
liegende Philosophie.
Ja es kann sogar die Frage erhoben werden, ob in
der That alle Principien , welche in Des Cartes liegen,
bis jetzt ausgebeutet sind, ob nicht noch ein letztes, nahe*
und fiein VerküUlmsB eur Gegenwart 431
füfartes, in iteem Grande zurflckfeblieben ist?. Denn s^Mt
DesCartes hat eine Vergangenheit von -spekidalhreoi
Reichthume und Tiefe hinter sich, die scholastische Philo-
sophie, die er keinesweges zu vernichten vermochte, -^
vielmehr hegt auch sie Feuerbeständiges in sich, — son-
dern die er nur durch den Geist der Selbstständigkett und.
die Voraussetzungsiosigkeit seiner Forschung zu befreien
trachtete: und auch darüber hat erst die nachfolgende
Untersucbong zu entscheiden.
Aber nur dann , wenn auch dieses letzte Element AA
verwirklicht hat, kann die notiere Philosophie ihren Umlanf,
ihre erste Epoche voHendet haben. InDesCart'es begann
die Befreiung des Subjekts von der Objektivität, damit dali
höcftste skeptische oder kritische Mistrauen in die Wakr^
heil derselben. Diese subjektive Richtung hat lange von
hieraus ihre Hauptformen durchversucht 'Die neue Epoche
seit Schelling leitete die Versöhnung ein: wenn de
vollendet ist nach allen Momenten der Wirklichkeii^
dann ist die erste Epoche geschlossen; aber damit niebt
das Ende der Philosophie, sondern dervollstfindig ver-«»
mittelte Anfang gewonnen zu einer unzersläckelt ob-
jektiven, gleich mit ihrem Beginne voUstfindig einschrei*
tenden, und daram auch die ganze Wirklichkeit begreifenden
Wissenschaft ; wodurch die Philosophie aufhört , eine kav»
atenmassig abgesonderte Scienz zu jsein, vielmehr die eim-
nelnen Wissenschaften, als die universale, selbstbewussft
vereinigende Idee derselben, durchdringt , und ihre entlCM-
gensten Enden, — Theologie und Naturerkenntmss, Skepsia
und Offenbaningsinhalt -^ an einander zur Vermittlung bringt.
Und dann wird auch mit diesem Anfange die wahre, inhalts-
volle Unendlichkeit der Philosophie gefunden sein, indem
ihre Entwicklung kein Systemwechsel, kein Wechsel in
den Principien mehr ist: diese sind sammtlich erschöpft
nnd zn festen Gfiedem einer Begriffstotalität verarbeitet,
mit deren Vollendung die metaphysische Vorarbeit
Ür die Philosophie geschlossen ist. Wie nah uns diesen
Abichhiai Hegels grosse BnldecKlmg ' der dialektischen
43t Bei Gate«
B^MhaAmheil jeser PriadpieD gebradil hat, wird ddi
^MdüUto in weitem Veriaofe zeigen.
De6 Cartes, eine der kriftigsleii mid mspnmglidi«
«Im Persöniichkeiieii, welche die Geschichte der Philoso-
phie aiifzuweisai hat, fast sich nähernd an frischer Inge-
Boitat und seibstständig eindringendem Blicke den ersten
jk<5Uefiischen Phitosophen, vollzog die fiir die dnnalige Zeit
^Mtscheidende That der Spekolation, indem er als erste Be»
^ngUQg derselben ^ aassi^ch, dass aie alle gegebene
JEffcenntniss, jede Voranssetznng von sich zu wräea
Jiabe, mn ans dem sichlechthin Gewissen durdk Denken
die Welt der Wahiheit vdUig nen sich anfzubanea irad
Uschis gelten zn lassmi, als was in diesem Wiedarhentel-
taigsproeesse die Probe gehalten habe. — Mar dass ei
mit der Unabhängigkeit eines Welt- nnd Edelmannes glei-
^r Weise den Gelehrten, wie den Religio^n seiner Zeil
{fegenüberatand, dass er mit seiner Bildung in keinem Sinne
.aus ihrer Tradition und Verpflichtung hervorging, noch auch
öffentlich lehrend in diese eingriff., machte es ihm mög-
lidi, selbst ausseriich diese grundrevolntionire Pantdozie
jHir aussprechen zu dürfen. Welch einen gewaltigen Kampf
diese zunächst nur formelle Maxime in der ganzen Zeit
hervorrief, wiewohl beide Parteien zuerst sehr fem davon
waren, die tiefgreifende Gewalt derselbe zu kennen —
obschon der tractaluM theologico ~ polükus und poäUcnM
Spinosti's die erste Probe davon werden konnte — das
ist hinreichend bekannt und auch neuerdings mehr als ein.
mal sehr befriedigend dargestellt worden.
Aber das Priiicip war nicht skeptisch, vielmehr der
direkte Gegensatz der Skepsis: diese endet in dem Un-
entschiedenlai$sen alles Uebrigen, weil nur das eigene Sub-
jekt sich gewiss sei. Des Cartes beginnt von dieser
Selbstgewissheit , um alles Andere an Gewissheit ibr gleich
zu machen. So Tag in ihm viehnehr der fiegrundungstrieb,
tmd sein Veriiiltnifis tat Gegenwart 433
der Drmgf naeh Vorwfirid) die Lttel und de^ Hdth Ä^ Dim*
kens) mit welchem er indeoS) gleick eindm imgeduldigBii
Eroberer, schon im efsten Anlaufe das gunise Reieh der
Wafarireit zu nmfafiseli und sich zulKUeigneh gedachtem- Et
ist der Vater aller nachfolgenden Pfailosophie&n geworden^
indeiD er mit gewaltiger Kraft, aber nur massenhaft und
tindnrchbUde^ die PriHcipien derselben aus der Tiefe för»
dette. Diese Leistung ist sein eigentliches Verdienst: nicht
w i e er seine Priificipien au^geffihrt hat^ wo er über eineii
rohen, bloss dusserliiih vermittelten Dualismus nicht hinaus^
gekemmen ist^ welchem man merkwürdiger Weise indess
nuch für die Gegenwart einen besotidem Werth nnd rege«
tierativiß 6ed^utung hat beilegen Wollen.^) In seinen eigent*
licbM philosophischen Atisluhrtingen brachte er tiuT eiit
lückenhaftes^ traumfihnlithes Nachbild der WirklicUceil
hervor t seine Physik, wie seine psychologischen Erklänm»»
gen werdet! immer ein merkwürdiges tmd warlii^des Bei-*
fipie} bleiben ) wie weit ein formales Systematisiren nach
dürftigen Principien tmd Hypodiesen von der Wahrheit und
tler natürlichen Anschanung sich entfernen kanni
Des Carteis halte den Satist tvgüo^ trgo sum^ als
die nrsprüngltchste und gewisseste Erkenntnlss attsgespro«
chen ) denn in ihm ftdlt das Denkende und Gedachte (Sub*
jektives und Objektives) schlechthin s^fiammen^ und durch»
drhrigt Sich fcuvMliger Einheit. D esshalb Wird erAusM
gangspunkt der Philosophie. -^ Aber er behauptete^ darin
nur das formale Princip der Gewisshelt gcfenden zu
haben > das reale Princip aller Gowissheit und Wahrheit
fimlet er in Gott^ indem Nichts sein und erkannt werden
kann, ausser mittels der Idee Gottes, welche^ im Be»
Wusslsein ttrsprünglitSh sich findend, nicht dcsSert Bnsetig''
niss sein kann, sohdem umgekehrt ihm sich eingebildet
hat» Aus ihrem Vorhandensein muss nokhwendtg daher
*) t)t. C. V. If oct , Cdptfeshijf tln J Seihe R feg n «*r ,' fein
Beitrag Cur Cliaraktpristik clel* plii!c»sop[it.schi*Ti Eit*»tr^biitigetl
anderer Zeit. Wien 1835. Vgl. iiDti?a 6. 4«15.
28
434 Die drei Princquea
4rar die Existent Gottes selber surfickgesehlossoi wer-
den , als des gemeinscbaniidten Grundes alles Seins wU
aUes Erkennens vom Sein. Da es nun im Widerspmrbe
mit dem Begriffe eines absohit vollkommenen Wesens sUs
hen würde, dass es tauscht; so bin ich ebenso gewiss,
wie von seiner Existenz, davon versichert, dass Mes^ wu
ich klar und deutlich denke , auch wahr ist.
So hangt die GewissbeU und Wahrheit aller Erkemil-
niss von der ursprunglichen Erkenntniss Gottes ab; diese,
4ie selbst unmittelbare, durch sich gewisse, ist der ein-
zige Grund aller andern Erkenntniss und
der Gewissheit in derselben. Wie alle Dinge
durch ihn und in ihm sind, so werden sie auch nur er-
kannt durch ihn' und in ihm. Dieser Begriff der Inina*
nenz in Gott för alles Sein, wie darum auch für alles
Erkennen, ist das zweit ePrincip der Cartesianiscbea
Philosophie. — Jene beiden sind idealistisch und realistisch
voUstindig ausgebeutet worden durch die nachrotgenden
Phüosophicen ; über sie, und was in ihrem Bereidie liegt,
hat man sich bis jetzo erschöpfend verstindigt: darüber
hinaus aber nicht; und man laugnet nicht selten sth
gar, dass es spekulativ überhaupt nur ein solches Dard-
ber gebe. Vielmehr, was man für ein Solches halte,
falle unter jenen spekulativen Standpunkt der Immaneiu
hinab, sei nur, in Vorsteliungsweise entstellt, die Wahrheit
der Immanenz.
Dennoch hat sich historisch wenigstens aus dem Erb-
theil der vorausgehenden Philosophie in Des Cartes DOck
ein drittes Princip erhallen, dessen innere Macht er frei-
lich selbst nicht gekannt hat. Die Immanenz, in der sieb
Geist und Natur , — die „ denkenden und ausgedehntes
Substanzen, — zu Gott finden ,<< indem diese nur dnrch
die fortwährende Mitwirkung in der Existenz ärbalten
werden können, — schlägt wenigstens in ihrer ersten Gestalt
vorbedeutend genug bei Des Cartes in den Begriff der
Transscendenz über. Beide endliche Substanzen, weil direkt
sich entgegengesetzt, sind ihni uiunittelbar stiUechlhin
In seiner Phitosofhie« 435
nnabhinglg und r9üig beziehungslos auf einander. Somit
ist ilire wirkliche Uebereinsümmung nur zu erklären unter
Vonittssetziinff des fortwährend gelegfentlichen Bin-
Wirkens einer dritten, stets sie erhaltenden, mithin all-
schoprerischen Substanz. Diese dritte Substanz, die daher
gieichmassig ausser Beiden sein muss, ist pott
So leitet dieser rohe, weil abstrakte, Dualismus wenig-
stens die interessante und wesentliche Betrachtung ein,
dass Gott, indem er die angemessene Uebereinstimmung zwi-
schen den an sich geschiedenen und heterogenen Geistes-
und Korpersubstanzen unaufhörlich erhält, und das absolut
Passende in jedem Augenblicke jeder einbildet (die Hy-
pothese des Occasionalismus), er selber darum nicht
nur sie durchdringt und ununterbrochen im Dasein erhält
(Gottes Welterhaltung ist fortdauerndes Schaffen): sondern
zugleich selbstbewusst und persönlich über ihnen steht^
am jede der endlichen Substanzen in jener neuschaffenden
Erhaltung mit einander yermitteln zu können, — eine Vor-
aussetzung , welche ohnehin' Des Cartes besonders er-
weisen zu müssen sich nicht einfallen liess, — dass über--
kaupt somit Gottes Wirklichkeit in keinem Sinne aufgehe
in der Weltwirklichkeit.
Allgemeiner ausgedräekt : die Immanenz der Krea--
(or in Gott und Gottes in der Kreatur zeigt sich demnach
solcher Art, dass sie eben darum selber nur unter Vor-
aussetzung der Transscendenz Gottes mög-
lich im.
Und diess ist das dritte, auch von der gegenwär-
tigen Spekulation noch unberührt gebliebene Princip der
Ca rt es i anischen Philosophie, weil es erst aus völliger
Erschöpfung der Systeme der Immanenz, als der jetzt gel-
tenden und zunächst seither ausgebildeten hervorgehen
kann. Und wenn jene Ifeu- Cartesianer nur diess be-
zeichnen woHten, als das Regenerative im Cartesianismus,
wie es wenigstens ihre Polemik gegen die Systeme der
Immanenz schliessen zu lassen scheint; so wären wir völ-
lig einverstanden mit ihnen. Aber wir müssen auf dem
436 . Nachcartosiailer.
beseichneten Entwicklungsgänge bestehen, dass mir am
dein Begriffe der wechseli^eitigen Immanenz^ ab
wahrer und bestätigter, der Begriff der wahren und lebeadi«
gen, nicht in*s Deistische zurückschlagenden Transscendeni
Gottes über der Welt hervorgehen kann. Weil Gott der
Welt immanent, und diese ihm; ist er als ewig
transscendenter zu denkend Diess ist derweitere
Fortschritt, in welchem alle Systeme der blossen hn-
manena ihre Widerlegung finden, wodurch eine neue Reihe
von Systemen, über jene hinaus, aber sie in sich enthal-
tend, entsteht, welche der Gegenwart fürerst nochjensdtig
sind. Ihr Princip freilich ist da , — denn es ist so alt
und alter, als das der ausschliessenden Immanenz, — dodi
wissenschaftlich nur in verkümmerter Gestalt, oder noch
schwach, ohne Autorität, unansehnlich, wie ein Prinoip der
Zukunft. Seine Tiefe und sein eigenes Ende ist aber noch
nicht ausgcmossen , denn es trägt in sich die Kraft einer
gänzlichen Umgestaltung der Wissenschaik
Wie sich die einzelnen Glieder und Zweige ablöstcfl
von dem Grundstamme Cartesianischer Lehre , lasst sich
historisch schrittweise verfolgen« Keine philosophische
Entwicklung war stufenmässiger, weil sie aus einfacheo,
aber einer weitem Bestimmung bedürftigen Anfängen sich
ergab. — Ein Entgegengesetztes , wie Körper und Geist,
kann nicht auf einander einwirken: diess hat sich von
dorther ergeben. Folglich ist Wirksamkeit nur die imma-
nente, im wirksamen Wesen selbst beharrende: darum i^t
sie aber auch schlechthin begleitet von dem Bewusst-
sein dieser Wirkungsweise. Das nächste Axiooi
tritt auf: weder wir selbst, noch andere Sub-
stanzen können wirken, ohne zugleich damit zu
wissen, auf welche Art es geschieht; ein bewusst«
loses Wirken überhaupt ist nicht denkbar. ->— So JohaoB
Clauberg, der scharfsinnigste und bündigste der Carte«
sianer nach Leibnitzens Urtlieil, in seiner Ontoio^
J. Clauberg und A. Geulincx. 437
phia et 9cientia prima de iis, qnae Deo crea-^
iurigque suo modo commnnia attribuuniur*);
bestimrnter und ausschliesscnder diesen Punkt heraushebend
Arnold Geulincx**), welcher "damit einen bedeutenden
Schritt gegen den Idealismus des Malebranohe machte.
Er zog die beiden nächsten Folgerungen jener Prfiniissen :
zoersi, dass den kdrperlicben, bewusstlosen Substanzen nicht
eigene Kräfte, überhaupt ein Princip der Wirksamkeit
oder eigenen Veränderung beigelegt werden kann. Dem-
nach ist die göttliche Allmacht die einzig wirkende
Ursache in ihnen: sie sind die blosse Erscheinung
derselben; und der Cartesianiscbe BegrifF der endlichen
Substanz ist von dieser Seite, Spin osa vorarbeitend, völ-
lig aufgehoben, t— Sodann vermag auch der Geist nicht
zu wirken auf seinen Leib oder durch dessen Vermittlung
auf die Aussenwelt: denn er weiss nicht, auf welche Art
diess geschiebt, oder wie er es vermöchte: ^sein Nichtwis-*
i»en lässt hier jedoch auf sein Nichtkönnen schUessen. Alle
Wirkungen des Geistes gehen lediglich auf ihn selber
zurücl^ und seine ganze Tbätig^eit ist auf den Kreis des
Bewusstseins beschränkt. Das diesen Wirkungen Ent-
sprechende, so wie umgekehrt die den körp^ichen Ver-
andennigen analogen Geisteszustände], bringt Gott hervor
auf eine der Art nach unerkennbare und geheimnissvolle
Weise, der Wirkung nach vollkommen deuttich und mit
unablaugbarer Gewissheit
Somit ist G o 1 1 der einzige, wahrhaft dem Geiste gegen-
wärtige, so wie unmittelbar auf ihn einwirkende Gegenstand«
Ihn allehi sieht er in unmittelbarer Anschauung,
alles Andere, die Dinge , nur in ihm, und auf eine durch
ihn vermittelte Weise^ Es ist die Lehre von Nicolas M a-
*) In «]«ii Optribus phiiosophicU loanru Claub^r^ii» AouUloiL
1694 4. VgU Leiboltiana S. 147.
^) Metaphjrsica vera ei ad menteat P0ripaietieorunL Amslel.
1691. & 26-^3. TmJ^ aiavt6y üv^ Kthica. Aautelod« 1709
L 5. 2« Aum. 4— 14«
438 N. Malebranche
lebrancbe, die derselbe ia geinem vortrelOichen , aadi
durch Klarheit und Tiefe der Darstetiung klassisch zo ne»-
nenden, jetzt freilich berühmtem als bekannten Werke: de
la recher che de la f)erite*^ niedergelegt haL Es
ist ein zur Theosophie spiritualisirter Idealismus, ausg^end
von dem tiefsinnigen und gründlichen Gedanken, dass nur
dasjenige Wesen den Geist mit Brkennlniss begaben , und
reicher daran machen könne, was iim überhaupt in Exi-
stenz erhält. Gott, wie er Schöpfer unsers Geistes ist,
kann auch darum nur der wahre (unmittelbare) Grund und
Quell all seiner Erkenntnisse sein.
Von hier aus hat sich sein Werk zu einer volstan-
digen Erkenntnisslehre, als Lehre von der Erwerbmig der
Wahrheit und Vermeidung des Irrthums, ausgebildet**).
Indem er aber die Grundprämissen dafür aus dem hoch«
sten, immerhin aber noch unausgebildeten, der Zwischen-
bestimmungen entbehrenden metaphysischen Stand-
punkte schöpft, zugleich jedoch bei den spectelteten Er-
kenntnissfragen verweilt und sich in den Kleinhandel scharf-
sinniger psychologischer Bemerkungen und Rathschläge ein-
lässt ; überall s.charfsinnig und original, oft gross und tief :
-" so kommt seine Theorie doch im Ganzen nidit über
das Unausgebildete , Incohärente einer genial paradoxen
Hypothese hinaus. Man hat sie , wie späterhm die seines
Geistesverwandten, Berkelei, eine ingeniöse Sophi-
st ik genannt; und sie ist in ihrer eigentlich wi<ditigeii,
Metaphysik mit Erkenntnisstheorie vermittelnden Richtung
ohne Nachfolge geblieben.
Das Wesen des Geistes besteht im Denken , wie das
Wesen der Körper in der Ausdehnung: diess ist das alte
Cartesianische Princip. Alle Bestimmungen des Geistes da-
^) Zuerst Paris 1674; nach letzter Ausgabe in seiuen Oeuvrts»
Paris 1712. XIBdp. 12.
*•; Sehr wichtig und tief ist seine Ansicht von der Wurzel J«
intelleituellen Irrthums, weichen er in der zur falMhen Lust
oder Unlust erregten i^>eibeit findet i P. I. Liv. I. chap. 5.
Li?. 111. chap. 4 8.
Principien seiner Erkeimlntsslchre. 439
her, wie Empfinden, Einbiidon, treibst Wollen n. s. w., sind
nur Modifikationen des Denkens. Hiermit ist der
Geist allein in seiner wahren Eigenscliaft begriffen ; das
scblechthin ibm Entgegengesetzte, unter ihm Stehende , die
Körperwelt , kann daher in keinem Sinne Einfluss auf ihn
ausüben. So widerlegt M a I e b r a n c h e ( P. ü. Liv. HI.
de Veniendement qu de Fesprü pur : chap. 2.) unter den
möglichen Hypothesen zur Erklärung der Sinnenempfindun-
gen die sensualistische treffend und vollständig; er stellt
die Sinnlosigkeit und Unstatthaftigkeit der Annahme von
Bildern , die sich dem Hirn einprägen , von physisch äus-
sern Eindrücken, die innerliche, geistige werden sollen, hi*s
hellste Licht, und hat dadurch Berkeiei vorgearbeitet,
welcher in dieser Region, bis auf eine Theorie des Sehens
herab , so Grosses geleistet hat — Die sinnlichen Wahr-
nehmungen sind entweder daher blosse Einbildungen, Pro-^
dukte der innem Thätigfceit des Geistes, — dann aber
würde kein Unterschied sein zwischen Sensation und
Imagination, welcher doch feststeht und unverrückbar
ist*), — oder jene müssen bewirkt sein im mensch-
lichen Geiste durch eine ihm verwandte , zugleidi jedoch
ihm übergewaltige Macht: es kann nur Gott sein. Und so
lenkt Malebranche auf eine freilich zu jähe und vdll-
käbriiche Weise in das metaphysische Resultat ein , das^
im göttlichen Schöpfungs- und Brhaltungsakte des Geistes
selber der Grund aller seiner objektiven Erkenntniss ge-^
landen werde. Freilich ist es die spekulativste und sübli-
niirteste Gestalt, zu welcher die bei Des Cartes fast
nur äusserlich zwischen Subjekt und Objekt eingeschobene
Assistenz Gottes sich steigern kann. Das Bedeutungs-
Tolle und Hefe jedoch , was darin liegt , ist die Einsicht,
dass die Lösung des Erkenntnissprohlemes selber in die.
Metaphysik zurückführt, dass der wahre Begriff deB Abso-
luten dadurch eingeleitet und vermittelt werden muss*
*} Gins aboUch B e r k e 1 e L Siehe oben S d7<-69.
440 Principieii seiner Erkenntaisslehre.
Hier finden siph nun weiter bei ihia, wie embryi
artig eingebüUt ^ die durchgreifendsten ^tze , die ^Ue anf
dem grossen Principe rylien, dass jegliches WirUiche, andi
die materiellen Pinge, Qur dadurch für da$ Subjekt i nlel-i
] i g i h e 1 werde , weil e$ an siph «elhst durch Intelligenz
hervorgebracht sei. \V^ir er|j[ennen nyr dadurch, die Dinge,
weit sie von Gott ursprunglich erkannt sind, ihrer (dee nach,
wie in ihrer Wirklichkeit^ und ihre Erkennbarkeit
für uns muss uns auf ein absolutes Urerkann^
liein in Gott 9urück3chUes$;en laa^eo, Pieas das
AUgeiaeine, -r-r welches, speciell b^i lülalebranche mit
der durch den ^nbehQUene^ Carte$iapischen Dualismus
(lerbeigeführten , dach iie^sianig kühnen Hypotheae ai^h
verl^nd , da^a diess 6r|^ei^\en auch s o kein anaüttelbare«
zu ii»ixk vermöge ^ s^dem nur von Gott Me^ifirHt wordeii
könne^ durch ein mitwissende« E.ipgerücktaeiu
des Menschen in die eigene gastliche Welterkenntniss, wek
^hca er dem menschlicl^en Geiste ver$tatte^ fis i&^ ein Akt
götlKcher Magie 9Uf den mensohlichen Geist : daa Wunder
des Erkennei>s «cb^int er n^r durch eip ^öaaerea Grondn
lypider sich erklären zu können.
Diesa aber ist zugleich die einfachste und ^^rfbidlichste
Erklärung , die uns übrig bleibt: de^n nur so , «icht auf
kleinliphe und durch Zwischenglieder vennitte|te W^^is^«
pfiegt Gott «eine grossen Wirkungen hervorzubringen^ Gott
erkennt in seinem eigenem Geiste nicht nui^ das Wesea
aller Dinge ^ sondern auch ihre Existen?^; denn diese ist
nur abhängig von seinem Willen , durch welchen er daher
mit senier Wirksamkeit, wie ir^it seii^m S^rkennen
in den gesc^haßenen Dijpgen gegenwarl^ ist. Diess ist der
wahre Begriff seiner Allgegenwart, (hn:ch welche ac- sonach
auch auf das Innigste m^ dem pienschlichen Cteiste, «I&
gescbaffienem, verbunden i^t: er ist der Raum^ der Geister,
gleichwie die Au$/lehnung der Ratun der kO^eFlicbep Din-
ge; er umfasst sie alle in der ^infachhoit seines Wesens
(Liv, III, cliap, 4. 5. 6.>
Nur so ist erklärbar, wie der Geist die allgemeinen Ideen
Prineipten seiner Erkenntnisdefare. 411
^ter Gatliing, Art u. s, w. zu denken fSkig wird, in denen alkf,
Einzelne zagleich und auf wahrhaft eiafache Weise eriuninl.
wird; wie er fiberhaupl eine aUgemeiofi Wabrlieit auf eiM
ursprfingiiche und uomittdhare Art zu erlteaneA im ßtanda
ist. Er vermöchte es nicht, wenn es nicht duroh die .fiei*
genwart dessen wäre, welcher allein den Geist erieuchten,
des Allgemeinen, der Ideen iheilhaftig machen kann. QM
selbst unierrichtet die Philosophen in den ewigen Wahr*
lieiten, welche sie undankbarer Weise natürlich^ nm^
pen , wAhnand ihr Ursprung doch eip himinlisc^et' istt
Desswegen ist der grQndlictiste Bewcij! für die Exin
stanz Gottes in der Idee w finden, die unser Qeist voaii
Unendlichen hat; denn der Qcdanke eii^^s unendlich
volftonunenen Wefiens« wie vir ihn von Gott habiBn» kum
picht von einem erschaffenen Wesen in uns horyorgebracht
^in. T^ Der Geist hat aber nicht bloss die Ide^ de^ (Jn^
endlichen ; er hat 0e noch v a r der Idee des Endlichen^
Um das Endliche zu denken, muss es ke stimmt werdei^
innerhalb jenes aUgeyieinen Begriffes, welcher ihm also vor«-«
auszusetzen ist. Der Geist erkennt daher Oberhaupt Nichts
(Bestimmtes) Endliches), ausser nur durch die Idee, die
er vom Unendlichen hat, und diese entsteht so. wenig, wie
die Philosophie behauptet , aus der Vereinigung aller bo^
sondern Ideen , dass viehnehr diese an sich aeihst nur
möglich sind durch Innere Forlbestimmung der Idee dea
Unendlichen: ^^ gleichwie Golt auch realer Weise seia.
Daseia nicht aus der zufälligen Existenz einzelner Dinge
schöpft , sondern diese nur d^rch ihn zu sein veruiögeifc
(a. a. Ol Chap. 6^ 7.)^
In der Aprioritat oder UrsprungHchkelt dieser, wie^
wohl pihestimmt gelassenen, Idee des Unendlichen^ -r^ wel«*
che er nur um solcher Unheslimmtkeit willen sogleich für
identisch oiit der Idee Gottes hfdten durfte , -«- hat nun
Halebran^he demungeachlet richtig den Ort uihI das
Objekt der Metaphysik entdeckt, welchen Spinosa so^
gleich, den Einschritt von der Srkennknisslehre* aus über*»
stttiogend (wiuwoU nioht in eigentlich historischem Zu*-
411 Sein VeiftAttniss so 6pinosa<
fetfmnenhange TOn hier aus, denn er ist der ' Zell nadi der
Mhere gegen Malebranche), — realistisch ansgefuDt
hat dorch den Begriff der Einen göttlichen Sub-
stanz in der Unendlichkeit des Denkens und der Aus-
dehnung.
Denn es war nur noch ein Sehritt, um jenes Axiom
VOR Male1)ranche umkehrend, oder es von dem Aus-
drucke der Subjektivität beA-eiend, der selbst bei
Mulebranche kein ausschliessender war , faidem er die
Realität der räumlichen Dinge, wiewohl als unmittelbar
unerkennbarer , ebenso realistisch behauptete , — nun zu
Migen : Alle endlichen Dinge sind in Gott , und das Be-
wusstseifi , der Geist , ist ebenso nur die Eine Hälfte und
Grundrichtung der schöpferischen Thätigkeit, als die Aus-
dehnung die andere ist Und um so mehr war in Male-
branche Spinosa's Princip wirklich schon enthalten,
als auch bei jenem der Certesianische Begriff endlicher
Substantialität schon vor dem schärfer gefassten Gedanken
der durchdringenden Wirksamkeit Gotteis im geschopflicbeu
Dasein , — darin , dass die Welterhaltung nur als ein un-
unterbrochenes Fortschaffen gedacht werden könne, —
sich aufgelöst hatte. Darin war schon der ganze Spino-
sa, und in diesem scharf wiederhergestellten BegriSb der
Immanenz Gottes bestand das epodiemachende Recht
seiner Philosophie. Ist also der Begriff endlicher
Substanzen nicht auf andere Weise, von einer ganz
andern Seite her zu rechtfertigen , so kann er äberhaupt
nicht gerettet werden.
Für Malebranche jedoch war diess noch eine
durchaus jenseitige Frage; ihn drängte es, jenen grossen
Gedanken der göttlichen Immanenz, der eigentlich als der
keimende und begeisternde in der ganzen Spekulation jener
Zeit lag, an das Licht zu bringen. Er hat es gethan,
ohne dem Pantheismus zu verfallen; aberauch
ohne ihn zu dberwinden. Vor jenem schützte ihn der
mit Starke und Innigkeit in ihm lebende christlidie Gottes-
begriff; diess vermochte er nicht, weil das Princip der
Sein VerhUtniss za den frtnadsischeii Mystikern. 44t
huMnens sdbst noch nicht in seiner Kraft hervorgetreten
war. Desshalb hat er auch nicht, bei dem Tieisinne. untt
der Höhe seines Geistes , einen spekulativen Abschhiss sn
bilden oder einen geschlossenen Standpunkt zu gewinnen
vermocht Solchen Geistern wird immer ungerecht begeg^
net, und so wurde es uns gewisser Maassen Pflicht, seine
eif entliohe Bedeutung nachzuweisen. Neben - Blaise P a s-*
cni nnd St. Martin ist er der einzige Denker von ori^
ginalem nnd spekulativem Gehalte, den Frankreich hervor-:
gebracht, wo man lange Zeit eine psyciiologische CasuistÜt
oder die feine Penetration der SiltensdiHderungen , wi<l
sie auch in Deutschland der phiiosopht^clie Roman, Allwllt^
Woldemar an der Spitze, ausheutele, mit dem Nameti der
Pbikisophie beehrte. Es ist denkwürdig und durchaus ch*-^
rakleristisch , dass nur ihrer religiösen Tiefe , nicht ihrem
rehi philosophischen Triebe jeiie Manner es verdanken,
die Höhe der Spekulation bciMirtzu hdb^n. Pascal
vertritt unter ihnen den Moment der spekulativen Skepsis;
nit durchgreifender Schärfe nnd schlagenden Stretflichteni
entttn er die Unßhigkeit und die Selbstwidcrsprüche der
Versfandesbcstfmmungen, wenn sie auf die ewigen Wahf^
betten des „Glaubens^ angewandt werden soUen: Ma^
lebranche hat seine Wurzel recht in Muten der Fnn^
damental Wahrheiten der Philosophie, wobd er iadess weit
entlegene Standpunkte und Systeme in einander greifen
Ifisst ; die Folgezeit hat ihn nicht zu widerlegen , nur seine
Sätze ans einander zu rücken und anders zu vermitteln.'
St Martin, der dritte, der sich ihnen vergleichen lässt
nm nationaler Verwandtschaft willen, liegt jedoeh in- einer'
geistigen Region , die sich nach den hier vorauszusetzen-^
den Psrimissen kaum beurtheilen lisst, wie sehr er auch
die Höhe seines überschauenden Standpunktes und die Macht
seiner Ideen , in denen er Probleme löst , deren Bewusst-
sein dem gewöhnlichen Denken noch nicht aufgegangen
ist, mit der Fülle seines liebevollen Cremfiths umkleidet.
Trotz seiner Einfachheit und wahren Herablassung gehört
er zu den «nverstiuidensten und unverstfindiichsteii SchrilW
M4 B.Spfaiosa,
Itetlern, wdi er.von Anscbammgen und Brruhrafigeii sprickt)
die m einen selten berüiirlen Le|>enslurei$ faflen^
■«e»"— 'M I m '<mm
Spin^saV tiehre auch nur nack ihren GnmdBtgM
hiatorisck darzustellen, kann hier nicht unser Zweck sein^
diess System hat erst nacUeheud, wie keines, seine velle
WiihuBg geübt und ist so allen spätem Lehren de£Ksett»en
ßlüpdpunktes als wesentlicher Bestandlheil einverleibt wor^
ißm dsjher kehrt es nach seinem allgemeinen Gehalle in
der Darstellung der folgenden Systeme wieder^ Ueber-*
b««9t bewährt sich daran das grosse QesetK riler grtedU-i
eben wissenschaftlichen £jitwi<Aliing, dass das Ah strnkt e,
A^Ugewkeine^ überall das Fondamentale sein
muscie^ ai^ we]|pbem9 wie aus. ein^H fest umschltMasenen
j^em^» die nahern Bestimnumgen sieh schrittweise entwik^
belli mfis^ei^ hd^ dadurch jene fundamen^e AnsiclH nidil
W einei: falschen , wohl abter zu einer untei^e^rdMten«
theilwei^en, zumt^hen. bekanntlich b^ezeichnet Spinesa^a
Lehre ^inen der ersten,, aber wesentlichsteil Durebgangs-i
punkte 4er JMetaphysik > un4 so ist es* interessanter und
telunreicber SMr wsein krijUscI^i 6esammtzweek> nnchsu^
weisen, wie sie fortgewirkt hat und wieder auferstanden
ist in den nnchfolgend^n Systemen, ab das fiinisebio ihrer
Satae hier Korzufübreiw Ohnehin besehrSnkt stek das
eigentUoh Naehli^Uige derselben nur auf wenige Hauplge^
dwken; er ist die (Sresse und Wahrheit der GrondaU'
sieht» die unwiderstehliche Hoheit dcreduschen Gesinal«g,
dlie der abstrusen iPorm des Systems ihre Deutung und
Weihe gegeben, und worin das Geheimnissyelle un^ ttn->
aussprechUch An;i^ieheiMle jener nicht selten yieldeittigeA
AusspriÄche liegt. Die etua^elnen höchst unbefrioiUgenden
Erklärungen der Phänomene der Körperwelt und des (ieistes,
mit denen sich besonders das «weite und dritte Buch
der Ethik beschalligt, sind darüber völlig vergessen worden.
AI^iemeiMf Charakter und Inhalt seiner FhQosoiihl^ 446
EiMliit^h pfl^e imn ihn sonsl als Muster bfindig^ U^
thodik und strenger Konsequenz ta bezeichnen, wie S c h ek
fing in der frühesten D&rsteliong seines Syi^tems ihn m
seinem Vorbilde nahm, ,,weil siich so die Eviddna
derBeweise am Bestimmtesten beurtheileli
lasse^**). Späterhin brachten herbe Kritiken eines beiden
PhilosDpkieen feindseligen Standpunkts das offenbare Ge^
heimnifls von den formdien Möngebi seines Systems^ von
der Zusammenhangiosigkeit seiner Darstellung und der ab-
strakten WiUkuhr seiner Sätze euch vor das grossere
philosot»hische Publikum« Seitdem hat man aufgehört^ seine
Denfcstrenge zu rühmen, ohne dass die innere Unsterbiich-i«
koit seiner Ansicht das Geringste gelitten hätte»
Wenn nun Spinosa's ganzes Denken in der einfadi
erhabenen Anschauung > aufging, dass all das dnendlioh
EinaEelne, wie es dem innnlidien Bewusstsein als einzige
Realität und feste Gewissheit erscheint, an tAck selbst und
ausser Gott Nichts sei, noch vermöge, dass es ewigbefassl
and geordnet liege i^ der Unendlichkeit der Einen Snb-<
stanz, wie daher auch aOe äusseriiche Disharmonie und
UnvoUkommenheit , ja sdbst viras uns als B5ses erscheinty
in der Harmonie des Ganzen schon gelöst und versöhnt
sei, und die tiefste Eintracht nicht verlasse; wie diese
Einsicht i&r den menschlichen Geist zugleich die einzige
Quelle der wahrhaften Erkenntniss der Dinge und seiner
eigAitUchen Glöckseeligkdt sei, indem daraus die verste«
hfmde Liebe Gottes entspringe, mit der Gott in uns sich
ewig liebt; «— und hierin ist zugleich das Bleibende sei«
ner Lehre zusammengefasst : — was können wir sagen ^
dass ihm abgegangen wäre an der tiefsten zu^eich und
begeisterndsten Erkenntnisse da er ebenso die erste Grund«
läge aller metaphysischen, überhaupt spekulativen Wahrheit
mit sichern Zügen entworfen , als andrerseits die höchste
*) Schillings „Darst«tlutig meines Systems der
Philosophie«: Zeitschrift für spekul. Philo«« 1603. 11. 3.
& Xill.
M6 Allfaimiietnbr Clnnikrer mid Jnlnll seiner PkaoBopüie.
^Pracht phiidsophischen For9chen9 efprdM nnd gekostet
btttto? --* Dennoch bHeb gerade diessnbrig, diess war
uatisgeniflcht, wie sich das Alles denken- lasse , wie die
EinheK der absoluten Substanz zugleich Unendlicfakeil, neck
dazu in der doppelten Form unendlichen Denkens und an*
endliche Ausdehnung, zu sein vermöge, imd wie auch
«vr der Schein seibstsliiuliger Endlidikeiten in Gotl sich
erMsire» bisse? AHe diese Wideivpröche, diese metaphy-
sischen Aufgaben , sind versteckt oder erdrückt mUer aft»
gemeinen Definitionen und. abstrakten Eridarungen: es ist
mit einem Worte ein spekulatives Postulat, der höchst all-
gemeitt gehaltene, nach allen innem GrundzAgen aber
unausgeführte und unverstandiiche Entwurf eines Syste»
nes, welchen Spinosa*s tiefeianiges Gemuth (das
dIgentKcbe Talent und die Grösse seiner spekulativen Be-
gabung) zwar mit Liebe und inbrünstiger Ueberaeugmig
sich belebet mochte, hinter welchem aber erst die me-
iiiphysische Untersuchung beginnen muss. Auch hat
er eigentlidi kleines d^ spekulativ^ ^Probleme gelöst, nur
ittfgelöst in der Atigemeinheit aeiDer Ansckmiungn.
Denn selbst die Identität von Denken und Aasdehnung,
4>der von Geist and Natur, welche er zuerst auagesprochen,
ist bei ihm nur in höchster Allgemeinheit und nnfruchi-
barer Unbestieukilheii geblieben. Der Hauptsatz nämlich:
dass die Ordau-fig und V^rjLBtpfung der B^
griffe (der Modifikationen der unendltdhen denkearien
Substanz) . mi t der Ordnung und VeTknfipfuag
de-r ausgedehnten Dinge völlig .eiu&rlel sei,
aus dem Grunde ^ weil in beiden nur dieselbe und Eine
Substanz sich unendlich verwirkticbe — dass mithin jedem
Körper eine Seele in irgend einem Grade von Realität bei-
gesellt ist, welche schk^thin dem Grade der Realität die-
ses Körpers entspricht, und die weitern Bestimmungen,
welche das zweite Buch der Ethik: de natura et ori-
gine tnentis daraus herleitet, sind so fem von jeder
wirklichen Erklärung, der Seelenerscheinungen , und genü-
gen so wenig einer concreten Anthropologie und Psycho-
Seia VedraKniss tat spätem Philoi^phie. Hl
kigie, dass sie den -alten Rithsellösnngen gleichen »' wofte
die Lösung ein neues Problem ist«
Die eigentliche Bedeutung des Systemes ergiebt sich
erst, wenn wir die £in- und Gegenwirkungen betrachten^
welche es hervorgerufen. Gleich Anfangs wurde es nicht
missverstanden in seiner Umgebung , wie man gewöhnlich
meint, sondern lange Zeit verstand man sich nur nicht
weit genug hinein. Man war über den Hauptpunkt gauf
einig, dass S p i n o s a *s Lehre (nach der damaligen Spra*
che) Gott und Natur identificire, d.h. die Wirklichkeif
Gottes völlig aufgehen lasse in der Wirklichkeit^
Natürlich musste der damals herrschende Standpunkt der
ausschliesslichen Transscendenz darin Atheis*
mvfi finden; denn in dieser Lehre fiel der Gott ganz hin^
weg, der ihnen allein Gott war: der andere höchst wirk«
liebe und energische , welchen das System ihnen darbot^
war Cur sie keiner, sondern ,^atur.^ Sp trafen unver^
söhnliche Gegner auf einander; aber sie hatten sich rich^
6g verstanden. Ebenso treffend von seinem Stand-^
punkte ist die Bezeichnung W o 1 f f s für die Spinös is<^0
Lehre: er nennt sie Fatalismus*), weil sfie, den Be«
griff der endlichen Substanzen aufhebend , damit auch den
GedaxriKen menschliche Freiheit und Selbstbestimmung ver«
nichte. Und auch die (unten angefahrte) umständliche Kr^
tik desselben trilH sogleich den Hauptpunkt : S p i n o s a
habe nicht erwiesen, dass der Begriff der Substanz
nothwendigmit dem des durch sich selbst seienden
Dinges (ens a se) zusammenfalle: — was auch insofern
völlig richtig ist, als es nur eine Definition war, durch
welche Spinös a Anfangs diese Bedeutung des Begriffes
Substanz, als die einzige bei ihm geltende, feststellt.
Doch ist in diese Definition nur zusammengedrängt, was
*) Wulffs, veruunftige Gedauken von Golt und der
Welt u. ». w. S, 397. Theolo^ia naturalis, 1737. Vol. II;
&. 509* und betooders die ausfulirliclie, Punkt für Punkt ef-«
Grternde Kritik dieses Systems daselbst J}. 671—710.
4M WbUft Kritik deMftett.
Mch lib Resultat Aet Tofdüsgehendön Philosophie des C^r^
tosianismus ergeben hat : und es kanti so erhiubt, als be^
feeiehiietld scheinen, das Resultat der voratisgehehden Phi»
(bsophie^ xugleich als neüeK Principe in Form eiHer aOge«
tiicitieit Erklärtingf , voranzusteUen ^ womit Jedoch , neben
dieser historischeil Anknlipfiuig und Ruckvertnitlhitig' , die
t^'Ordening^ eifcicr allgemein wissenschaMIchen Begrün«
dnng ^igleich wieder eihtritt^ in der wir Spinosa's Un*
gcnfige schon eingeistanden habeti. ^ Dennoch ttnit sich
auch Wolff nicht tnit einer so formellen Rüge genug
Ctoi. §. 684. Vol. IL S. 687i ff.) , sondert er keigi aosflihr'
Reh und grundlich , dass dct Begfriff des litnitirten odef
endfichen Weschs „ wie in der Sphäre des Denkens^ so in
der der Ausdehnung, .keinesweges die Bestimmung def
Stibstarttlatitat von sich ausSbhliei^e ; dehn, WO ein Behair«
liches den Weeh^el an sich 2Ulasi$e , da sei auf ein Sub-
Statitielles ta schliessen (a. a. 0. $. 697. AT.). Und nua
Bäumt er nichts aus diesem Gegenargumente alte Fölgeron-»
gen henSttleiten, welche auch die eitizelnen Erklärungen Spi>
tiosa's als witikfihrliche oder Unbestimmte erscheilieii
lassen. Denn nicht eu läugnen ist^ dass gerade diese Weiche
Und Bodenlosigkeit, nach der im Endlichen nichts Bebarrli«
ehcs KU linden sein soll , ihn auch in seiner speknlatireu
Auffassung der einzelnen Probleme in WiDkUhr oder Utibe*'
stimmtheit zerflicssen lassen* Es Wird diess eine entschei-
dende Betrachtung auch ftir die nachrolgenden Philoso«
phieen werden.
So bleibt für Wolff das Verdienst, die früheste
gründliche und in^s Einzelne eingehende philosophische
Kritik jenem Systeme haben angedeihcn zu fassen ; während
Leibnitz, nur im Allgemeinen sich haltend und sogar
aus gutem Grunde der Vorsicht und Gerechtigkeit unent--
schieden lassend, was die eigentliche Meinung dieser Phh*
tosophic sei , mehr den Gegensatz seiner eigenen zu ihr
in's Licht stellt ^ als sie aus sich selbst widerlegen will.
Doch würde man irren, falls man nicht die tiefste Einsicht
ihm zutrauen wollte über den wahren Cardinalgrund ihrer
Verhiltate Ton Leibiiiti 20 flun, 449
Diferens, wain er aack bei den gclegentiiclieii Anflftmiu-
gen Spinosa'8 nnr sich begnügt , gegen den einseitigen
Spinosischea Begriff der Macht in Gott, ohne den der
Weisheit und der Güte , seu protestiren *). Diess verrSth
schon sein berühmt gewordener Aussprach , dass , wenn
es keine Monaden gftbe, Spinös ä Recht hfitte.
Man hat sich bei Würdigung desselben meist mit der
VorsteUung begnügt, als wenn Leibnite den Eigensinn
einer selbsterdachten philosophischen Hypothese, eben der
Monaden, der Grösse der Spinosischen Anschauung entge«-
gengeslellt, und damit S p in 0 s a für widerlegt gdialten habe.
Man irrt sich darin, wie auch sonst über den Ursprung der
Monadenlehre, und diess ist der Beginn des Unrechts gegen
den hohen Genius und eine seiner tieften Ueberzeugungen,
geworden. Es wird sich zeigen, dass es ein auf unuberwind^
licher Anschaming des Wirklichen l^eruhendes Princip
war , welches jenen Ausspruch hervorrief. Er ist völlig
dem andern gleich, welbhen wir wohl als das entscheidend-
ste Corfekiiv für die Spekulation ansehen dürfen, und der
sich auch spater n der eigenen kritischen Darstellung noch
einige Mal erneuern wird: Ware das Wirkliche in seiner
universalen Tbatsachlichkeit ein anderes, als es ist; so
möchte auch das behau|itete Erklämngsprineip ihm Genüge
Ihun : so aber treibt uns jenes eben darüber hinaus , wie
hier über die Spinosische allbefassende Substanz. -^
Indess mag die Widerlegung Wolffs so iafiponireiid
eeBcUenen sein, dass S p i n 0 sa 's unmittelbare Eihwirkung
erlosch: er war vergessen und verrufen migleioh. ' Aaicli
*} Vgl. Ttntam0nTheodic߀a4Opff,eil,ünitik»TA> S. 53« 256. 365.
T.II.P.I. S. 115. 225. per ttäriLSte Ausdruck, cl|Br«ich bei i|im
über Spinosa findet, ist wohl der (T. II. S.91-)9 ^o «r ¥oi%
den Abs urili täten im'SpfnosiscI^ Gottesbegriffe redet' Aucl^
da setzt er jedoch sogleich hinzu, dass die Quelle jenes Irrthums
nnr lieg^' in dcfr ydtlig ausgesprochenen Kousrequenz der Lehre;
wnlche dem eisdlicbtn.Dingfl eigemies' Vermdgen und Thltig-^
.Mt «bsp;ftf!hti d .h..dc)r .C«rte»i«»iic]|en. ....
29
•^«
der gelMn^.Cv^m^ 4m licfs^-itiif ilitn weiMe, war, nie
JPriedrioh ,S cA^l^g^l in seiser Ckalniklcrtsfik desselben
besonders jl eh e 1 1 i n g im Denkmal (S. 47. 48.) sehr
ge^igjt haben, der aHgemeine des frischen Denkers, welcher
f|ie (deistisicben) Vorstellungen seiner Zeit über GtftI ^icht
mehr geniessbsr^ findet, dki Gott fast nnr zum suppediü*
■renden Yeiyfleger mensohlich endlicher Bedürftigkeit her-
abgewürdigt hatten. Diesen gegenüber konnte er sich an
der Grösse jener keuschen, reinen, selbstentsagenden Idee,
welche den Menschen rückhaltlos in die Macht Gottes da-
hin giebt, nur bekrdfligend erfreuen ; und nicht mit Unrecht
hat S 0 h e 1 li n g (an jener Steile) die Geistesenge und
Dürftigkeit jener gezüchUget, welche nnt der Bntdeeknag,
^essing sei in den letzten Jahren seines Lebens Sp»-
HQsist gewesen^, rüdihaltig thaten, oder sie sogar ztan Ab-
fijßhreckungsmittel gegen die Philosophie überhanpt bemilzeD
wölttenw
Dennoch bleibt Jaoobi'n das entscheidende Ver-
ditolit, Spinosa's System in seiner historischen IntegriM
wiederhergestellt zu haben. Diese Nachwirkung, war ge-
wattig und entscheidend ; zwar an Kant ging sie vottber,
aber isie wurde auf Ficht e, noch starker aaf Sehe Hing
nbergeleilel , und erzeugte von hier ans die Wiedeitier-
sleHung einer vom Subjektiven aus sich vermittelnden ob-
jektiven Philosophie; aber auf der Grundlage des
Spinosismus, nac^h dem Principe der Imma-
nenz. Hiermit sind wir zu den Gestalten der Gegenwart
gelangt , in denen die Idee jenes Systemes aar neuen , —
mit Recht hat man hinzugesetzt, zur höher gesteigerten
Wiedergeburt gelangt ist.
Hierbei ist jedoch höchst 1>emerkenswerlh , dass das-
jenige lYinclp'i welches in der Tliat es vermochte, der
Lehre Spinosa^s eine neue Seele einzuhauchen, dem
Begrifle der Macht und d^ Nothwendigkeit nicht das bloss
Entgegengesetzte aufzudringen, sondern eine weitere Ent-
wicUqng seiner selbst ihm einzulBgen, von einer gani an-
dern Seite kam, alg die bisherige Ueberliefenuqff es erwar-
ien UesB, nml ab e^ m den eMgetim. Conkextntefls Stu4*
punktfi paasle. .Am Begrifle des ZW.eekesi» der iolinfi»
nenten T^leotogie, hat. sich' der Ujnisclmuiigt id#r
ganxen . gegen wartigeB.' Philosophie bereuet, und fährt
fort, von hier aas sich 20 voUetiden; und Immaau^l
Kant ist der Meister, der dadacoh am Ende seiner spekulii-
tiven. Laufbahn, mid seinen eigenen fitandpirnkt damii weit
überschreitend, ja das Blement dcrfielhstwidcrlegung darin
an's Licht förderndy imbewasst odar wider WiUen der Vid-
ier auch der objektiven: Philosophie geworden ist Ba ist
der ^eheimnissvolle Begriff des Zweckes/ der, indem urir
gcnöthigt sind, ihn nicht aur als ein SiAjektives, roenschh
lichfrei Gewühltes, sondern als ein objektiv Geworden
nes, bewusstlos sich vollziehendes thatsachlich anxiH
erkennen, uns nach seinbr aigefi6it M6gUchfceit und £f-
Uari)arkeii zn forschen nöthigi DaS^JiiHgemeine davoji i<!t
schon obedft hei Berichtovsfäilungi fibcf dcö .swialtcn . Thell
der Kritik der Urlhetlskraft abgchanddl worden;, die. sfle^
cielle Beziehung Kants auf S p i n 0 s a , wo es geraddüto
z» den entscheidendsten , vorausgreifendsten Ecklürangen
kommt, mussten wir bis auf diese Stelle verspüren.. .
Hier namlidi (Kritik der Urtheilskraft 9.Au0.
S. aiOr-aao» wo Kant die Frage aufwirfl, wie: vielerlei
Systeme oder Hypothesen es gebe, um die objektive
Zweckmässigkeit in der Natur zu erklären, erwähnt
er auch der Ansicht von Spinosa (S. 325 — 27.; vgl.
S. 373.), und charakterisirt sie auf die trefiPendste Weise.
Es ist die erste ihr an's Leben greifende Kritik.
Spinosa, sagt er, wolle dadurch der Idee von
Zwecken in der Natur alle Realität nähmen , dass er sie
nicht Jßr Produkte einer, absoluten Caiistlltät, sondern
ala eindm Urwesen mit uphedingter Nothwendigkeit Inhä-
rirende Accidenzen gdteh iässt' Hiermit habe er den
Natorformen zwar die Einheit des Grundes, weü
che zu aller Zweckmässigkeit (um sie zu erklä«»
rea) erforderlich ist, gesichert, zugleich aber die
Z n f ä 1 1 i g k e i t derselben , oluic die keine Kwe c ke 4 iv^
4B2 IKatTs Bdiekng
•^eit f*e4a'eht iferden könne, htnweggMonmeR ;
•berkanpl den Gedanken einer Absiebt,- so wie eines
Verstande^im Urgxnnde^ aurgelioben.
Uiennit leiste aber der Spinosismtis nicht, was er
woHe, d.h. er habe dadorcfa die Existenz jener iBnem,
bewnsstlosen Zweckmässigkeit (die er nicht iäugnet) kei-
nesweges erkMrt Er giebt dafinr bloss die Ei n h e 1 1 d es
Snbstrats, dem äBe Ratnrdinge inhäriren , an. Aber
•wenn man ihm auch diese Art cn existiren fiir die Weit-
wesen einräumoi woHte , — d. b. wenn es in Bezug auf
die allgemeine Existenz iler Weltwesen denkbar
bliebe, sie, nach Weise des Spinös a, fiirdie nnendlicheo
•llodifikationen der Einen ewigen Substanz zu halten; —
-so ist doch diese ontologische Einheit sofort nocdi nicht
Zweckeinheit, und macht diese keinesweges b^^eif-
Vck Die letztere kann schlechthin nicht folgen aus einer
blossen Verknüpfung der Weltvresen in Einem Subj^e
(dem Urwesen) , als der Accidenzen einer Substanz , n
deren ,^atur^ oder ursprünglich nothwendigem Wesei
sie gehwen; sondern sie erfordern zu ihrer Erklärung
schlechterdings die doppelte Bestimmung: dass sie innere
Wirkungen (nicht Accidenzen) der Substanz, als einer
Ursache sind, und dass diese Substanz nur Ursache
durah ihren Verstand sein könne.
Hau ersehe hieraus, . dass S p i n o s a nicht den Rea-
lismus, sondern nur den Idealismus der Zweckmäs-
sigkeit zu behaupten die Absicht gehabt habe: — d. k.
eigentlicher Zweck existirt nach Spinosa nicht in den
Dingen, sondern nur wir, unser subjektiver Verstand, tragen
ihn hinein in die Beurtheilung derselben : in ihnen ist nur
„unabsichtliche Zweckmässigkeit^ vorhanden.
— Aber selbst diese habe Spinosa nicht zu bewerk-
stelligen, ( denkbar ktt machen) gewusst: „weil die
blosse Vorstellung derEinheit des Substrats
auch nicht einmal die Idee von einer, auch
nur unabsichtlichen, Zweckmässigkeit be-
wirken kAnn«" (S. 337.>.
Und iran noch sum Schlüsse die gewichtigen, weit fai.
die Folge^il der PhOosophie hineinschanenden Worte
Kaiit*S) mit denen er in Aussicht stellt, wie das kaum
gerundene grosse Princip der immanenten Teleologie selbst!
zu überschreiten sei (S. 326.) : ,,Will man aber das , was
die Scbide die transscendentale Vollkommenheit der Dinge
ein Beziehung auf ihr eigenes Wesen) nennt, nach welcher
alle Dinge Alles an sich haben, um s o ein Ding und kein
andere» zn sein ,<« -^ (also eben den Begriff des Zweckes,
der sich in jedem Dinge gleich» Weise zeigt, und wodurch
es Selbstzweck, die immanente Teleologie inihmrea-
lisirt ist) •— „Zweckmässigkeit der Natur neu-
nett : so ist das ein kindisches Spielwerk mit Worten, statt
BegriSiML Denn- wenn alle Dinge als Zwecke
gedacht werden mfissen, also ein Ding sein
und Zweck sein einerlei ist; so giebt es im
Grunde Nichts, was besonders als Zweck vor«^
gestellt ZQ werden verdibnte.^^
In diesen Worten liegt, eingehüllter Weise, die dop-%
pelte Instmz gegen den Begriff der immanenten Teleologie,;
falls man hei ihm, als dem Letzten, stehen bleiben wolL
te ; — Instanzen, an denen freilich selbst das Hegel sehe
System m's Stocken* und zürn FaU gekommen isL Es ist
zuerst der Satz, -^i^velcben die Ontologie des Verfassers
in der Dialektik des Zweckbegriffes ^) ausfübriich in's Licht
gesfent bat, — dass, wenn auf völlig gleiche Weise Je--
de A als Zweck an sich selbst, wie ab Mittel Jur alles
Andere, betrachtet werden müsste, worin also ansgediuoktr
ist die allgemeine RealisindBg der . immanenten Teleologie
im ^Umrersum,^ — das eben, was' Kant bezeidmet; ~
■ I
*) Crandsuge sam Syiteme der PhilosopUie: zweite
AbtheiiuQg, die Ontotogie; 1836v $. 264. S. 457.
vgl $• 267. AniD« S. 463.« uod die spätere AutfuhruDg in der
Einleitung zur sp ekul a tiven Theologie: ZeiC^
Schrift für Philosophie und spek. TheologT^v
Bd.V. H.3. S. 199^201^
454 Kant's Beüobung at Spinosa.
iMrtBit/in der Thal Nichts mehr wahrhaQ, weder Zwrck,
noch Hittel zu sein vermöchte. Der Begriff des Zweckes
ist überhaupt unabtrennbar yob dem eines schlechlhia
höchsten, absoluten Endzweckes.
Darin ist jedoch zugleich schon die zweite , noch be-
stimmter gegen.Sfiinosa' oder das panlheistisclie Princip
gerichtete Instanz «ithalteny dass dieser absolute End-
zweck nicht das Absalute, das Unin^rsum selbst sei; wins
diess, so wiederht^Re sick in der Tbat der eben gerügte
Widerspruch': Gott ist nicht der absolute Bndzwed^ in den
die Weltwieseh sich siuflöaeB, sondern dar absolut Zweclb-
setzende (wie bei uns dieser Säte ausgedrückt and ge-
gen das letzte System der innnaneiiz, das Heg et sehe,
gewendet worden ist 3 Ontologie. S.465., vergLS. 521.).
Weiche Waffen und Abwehr K a.n t in seiifem Lehr-
gebäude, sich übrigenst erdächte gegen die Grosse^ solcher
Eingebungen und Veraatidicke des eigenen Genius^ babea
wir schon im VorhergehendeA gesehen. Er begnügt sich
nickt sowohl damil^ diese Ehtdeckimgen^ wie Samenkörner
auf den Zufall des :Wurzelschlagens, achtlos aosBUstreuen;
d verlöscht vielmdir ausdniicklidi ihren Glanz, und sucht
ihre Bedeutung Delber sich auszinredcs: er laufet ihre
objektive. Beschafindieit und stimmt sie, nachdem die Geg-
ner widerlegt sind, denneck zu subjektiven, bloss regnla-
fiven Principien herab. — Wie wir es sahen bei dem Be-
grifle der iinmahenten Teleofaj^ieind der Idee eines, He-
dianismüs und freie Zweckbfestimmaiig sddeditkin ül sich
Vermittelnden inlnitiTen Verstaniies (s. ob. Sw 231.
232.) ; ebenso macht er es mit dem Begriffe des höchsten
und rabsoluten Endzwecks,. ^aus welehem er Sp i n asfi wi-
derlegt. Wir sind nicht befugt , einen sichern theore-
tischen Schhiss zu machen auf das absolute Dasein eines
solchen absolnt zwöcksetzenden Verstamdes . Er taugt nicht
zuni cohslilutiv .spekulativen, Principe; seine' Berechtigung
gyht^picllit übßr das Sübjpidivp.. hinaus^, und so gqlidrt er
BOT der>refl.ektirQndcn Urtheilskraft an.
Daher blieb hier noch immer 4iie ScheidBwand der
Sein VerhSboiss zit Schelltng 45d
«wtedben dem Subjektiven und Objeklhren ste^
li^i ; das' Bf istraueh erwacht in Kant immer wieder gpe^en
die Realität seiner eigenen Entdeckungen. Und 'so ' be^
durfle es, auch von diesem tidhenputikte atis, von dem er
seine Btcke in die weiteste ZuknAIt der SpekidAtion sen-^
dete, des Vebergang^s durch den Stdridpunkt der Wissen^'*
Mbafklefare , «der • es über dies Mi^räueii hinans sur ab^
sdifiessenden Eiitscheidiing gebracht 'Imt/
Durah diu Vermittiiuig jene^^Kfi'n'tig^ien OetfataKeii^
g^dttnges hin Sehe Hing nnd Hegel, das Spino'sl-^
sehe Princip der ImmanenB erineuermf, in sieh selbst es
höher au stelg^mi« Hiernach' sind ^die Viibeile ta ehnrei^
sm , die jeder von^BeMeir üb^ ihttln gemeinschaiUicheit
Vorgänger geftUl bat.
Sehe Hing fiisste den Begriff des Zwed^es, ab den
der Polen a: die absolute Substanz, als Identität der
Nahir und des Geistes , reaüsirt in sich sdbst den hmnä-
nenlen Zweck, indem sie ^ „als unendliche Subjekt -
ObjdLtivilat,«' sich unendlich „dbjektivirl (zünfi Obfekt ivird),
aber ans jeder Objektivität (EndHehkeit) siegfreich vrleder
hervor und nur in die höhere Potenz der Subj^ktivi^i
tfit znröoktritt, bis sie nach Erscböpfting dieser Möglichkeit,
objektiv ZQ w^den , als über alles siegreiches
Subjekt stehen hfeibt^ (Vorrede zu Cousin
über französisehe und dentschePhilosophie,
S. Xill.); worin zugleich «ie sk^& seH^ als den absolu-
ten Endzw^k realisift hat. «^ Hiermit konnte Sck'eU
Itng, seme Verwandtscittift zimi Sptnosismiis anerkennend,
das e^iene System im Verhältnisse zu jenem charahferisfren,
wie dynamische Philosophie zur mechanischen, und es sdftet^
als efci einseitig realistisches System bezeichnen,
das sich vatk fidgrifle des l>inges, als todten Inbe^frtlRfs^'
ven Accidenzen und Moden, nidM' befreien kann, und dem
die unendliche* Substanz jeUen auch Mui^ein Ding ist.^
l>iess<' i^eich sei der Grund seines Deterfninlsmus, irfdem^
er auob d^ Willon als 'eine Sache behandh3f;{l)e nur be-^'
stiraml -^sbin kdnn^ (furch eine andere Sadie, -di^ ^iedeiT
45Q und tn Heget.
4iircli eine andere befitimmt isl, und 00 in^^ Unendlkke.
(lieber das Wesen der menschlicben Frei-
teil, S. 417. 18.)
Da&s^lbe hat eigentlich Hegel nur schärfer aUdh-
gedrückt, wenn er das Verhältniss seiner eigenen Philoso-*
phie zum .Standpunkte ^pinosa's durch den bekannten
Ausspruch bezeichnet (Phänomen ologne des 6 ei«
stes, Vorrede S. XX. XXI. vgl. XXV. alte Ausg.): dass
ABes darauf. ankomme, d|is. Wahre (Absolute) nicht als
Substanz, sondern elieiiso sehr als Subjekt aufzufas-
sen und auszudrücken. Es ist das Prio^ip der unendli-«
eben Negativität, >Y4?Icb«^ die. Substanz inigleich zum.
Subjekt macht. Sie ist, als S^lgekl, die reine einfache
Negativität, eben dadurch Entzweiung des Sinfachea,
qder die entgegensetzende Verdopplung, welche wiederum
die Negation dieser gleichgültigen Verschiedenheit und
ihres Gegensatzes ist : nur diese sich w i e d e r h e p st e 1-
1 e n d e Gleichheit oder die Reflexion iiti Anderssein in
in sich selbst ist das Wahre ; — der Kreis, der sein Ende
als seinen Zweck voraussetzt, und so zu seinem Anfan-
ge hat.
Insofern ist die Substanz , als das Subjekt , ätfdi der
absolute Geist; denn es ist die wesentliche Bestimmung
d^s Geistes, im Anderssein bei sich sdU>st zu Ueiben,.
die^s Andere als sich selbst zu wissen. Der Geist, daher,
4ie . unendliche Negation der Negation , ist fder immdnentß
Zweck, der als die übergreifende Subjekti¥ita4'/alis.;aHen
Gegensätzen und Entfremdungen zu sich selbst sich wie-
derherstellt. Diess die charakteristischen Bestimmuogen
Hegels, in denen. er Spinosa's System;uber die ur-
sprüngliche Begränzung hinausgebracht^ und mit dem Kan«
tischen Principe vermittelt zu haben erachtet konnte.
Nun hat er jedoch auch noch qiäter eine Bestimmung
hinzugißfügt, durch welche die Lehre Spinosa's von dem
Vorwurf des Pantheismus und Atheismus befreilv wer-^
den soll. (Ency41opädie de r.philos. Wisiren-
schaffen S. 60.61. 3te AuO. ^ Vgl. Hegels Ge-
sahichle der Philosophie Bd. UL & 373. 408.) . I»-
dem sie namUch die Realität der Welt, ab eioes Aggregat»
^^ndlicher DingeS TÖUig aufhebt und ihr nur GoU existirty
müsse man sie nach ihrer charakteristischen Weise als
Akosmismus beseichneQ. Dieser Begriff wird zwar
ton Hegel an einer spatem Stelle (a. a. 0. S. 59^.93.>
auch auf die Lehre der .Eleaten angewendet ; Aberhanpi
l^lf alle Systeme, welche die gemeine Vorstellang als pan**
theistische zu bezeichnen pflege. Bestimmter jedoch komme
er w/f denen Systemen ra, welche das Absolute
ii.nr als Substanz fassen, nnd deren Hangiel
eben darin bestehe, nicht zur Bestimmung-
der Substanz als Subjoikt und als Geist fort-
zugehen.
Hierin ist nun offenbar die doppelte Folgerung enthalt
teil. Zuarst, das& nur Spinosa und die im Bagriiflit der
Snbstantialitat .des Absoluten ihm verwandten Systeme, nidit-
aber die spatem, also das Schellingsche und Bl^egeJ-
sehe, als akosmistische bezeichnet werden könnten;
dass mithin zweitens in den letztem der Grund hinwegge-»
fallen sei, der jene zu ako&misti sehen macht. J^dif
Spinosa liegt dieses darin, dass er der Welt jede > af-«
firmative Realität^ abspricht: Hegels System alsO;
z. B. müsste dagegen eine solche relative S<^8tständigkeit,
(SubstanUalitat) für die Welt, für die ,,cndUchen Dinge %
übrig lassen , um nach seiner eigenen Versicherung diesen
Kamen nicht zu verdienen. » >
Damit hatte sich Hegel jedoch, isrenigsfens nach der
äussern Fassung der Sa^he , eines Widerspruchs gegen jsiich
selber schuldig gemacht, indem er^ von dem, sonstigen Siime
seines Systemes ganz abgesehen, in demselben Zusammen-
hange, wo er S p i n 0 s a 's I^ehre als akosmistische bezeich«
net, zugleich umständlich zeigt, in welche Ungereimtheiten
und Widerspräche diejenigen sich hineinarbeiten, w.9lch,e
der Welt, Gott gegenüber, eine solche ^affir-*
mative Realität^* zugestehen (S. 594. 95.)* Aus
welchem Grunde kann er somit sich berechtigl halten, den
VX> oftBWm 9 AMiSlaOTMff.
Bffriff des Akosnisim» Air setne eigene Lekrc abralelUieB?
Gewiss giescbak e» in «ifiriehfigster Uebeneogtmf ; aber
vom Scheine des Widerepniehs , oder vidmehr von Sofg-
lesigkeit der Darstellung imd Vemachlissigung wesentlieher
Micteibestlitmnngen kann er dabei nicbt frei gesproehen
Werden.
Ohne Zweirel glaubte nimlich Hegel dazn denselben
Onmd 211 haben, ans welchem er iKberhanpt auch über den
Sjpbiosismas hinausgelangt ta sein behaupten durfte. —
Do fl bleibt es (der Darstellung wenigsten^ nach,
welidie Sp i tt 0 s a seiner Lehre gegebeo hat) bei der lödlen,
unterschiedlosen Allgemeinheil der Substanz. Das Endliche
ist- kein Anderssein , mr eine Reihe Ton Accidenzen und
Modifikationen , in denen das Absolute' aus seiner Identitit
nicht heraustritt.
Hier enf Äussert Gott sich wirklich seiner selbst, geht
lAnn Gegensatze von sich fort, und die Aufhebung dessel-
ben ist keine bloss einfache Negation oder Entleerung,
sondern ein Negiren ^s Negativen, ein VenKesseitigen des
Jenseits. Das unendliche Anderssein ist die göttliche
Wirklichkeit selbst: der absolute Geist ist der unend-
lltfh sich vermenschlichende. Und so hat Hegel mit vol.
lern Rechte den Accent auf das Diesseits (die Welt), als
die götdiche Gegenwart , gelegt.
Aber auch von hier aus Ifisst sich noch einmal auf
die Seite Spinosa's treten, um nachznweiscu, dass der-
selbe Grund , welcher den Begriff des Akosmismus f&r
Högels System zu einem schiefen und ungeeigneten ma-
chen würde, auch von S p i n o s a in Anspruch genommen
werden kann: überhaupt dass, indem beide Systeme nur
in Betracht der Entwicklung desseTbcn Prin-
cips, kcinesweges aber imPrincipe selbst, von
Einander verschieden sind, entweder beiden, oder kei-
nem von Beiden jene von Hegel crftfnclene Bezeichnung
zukommen kann.
Bei Spinosa ist das „endliche Ding** die einzelne
Modifdcation desr unendlichen Denkens oder der unendlichen
■ Spinösa'5 AHosnrisoRig. 4S9'
Aasilebnnng^, deren absolnte BMidl die g6idichfe Substlmz
isU Hiefmit ist mm, dem Shme und 4er irrnem Beiekiitiiiiiiif
nach, zuTordenst der Begriff der „to 4 1 en, unterschied^^
losen Allg'emeinheit,^ oder gar der abstrahten
Identität des EndKchen und des Unendlidien -v8Iii|f ab-»
grwiesen, welche man Spinosa aufzubürden pflegt. Me
Substanz ist concrete Allgemeinheit, so gut wie bei He«»!
gel: sie aifirmirt sich selbst in jeder cndUchen Hodifi^
kation; denn sie wird ja zu ihr in Folge der «ige He»,/
innern, ihre Natur ausdrückenden Ke^thwen^.
digkeit; und der Satz: detenmmaih esi negaiioy ent*-
hält auch für Spinosa nur die Eine Seite der Wahriieit,
den Bezug der endlichen Moden zu einander, keines**
weges ihr VerhAltnins zur göttlichen Substanz«
Sodann aber y^rwirklicht, ^bej*ht^ sieh' diese nnab*
lassig in solchen Modiflkaüoneh : jeder endliche HoHnn tsl.
durch andere in unendlicher ReUve begrinzt, in der^n CM-^.
tinnitSt erst die absolute Sbibistanz ihi^ WiiUichkeH.hat,'
in keinem einzelnen, das nur Verschwindendes, Uoss Mo**
ment ist in jener unendlichen Selbstrealisation. So ist auch
dem Principe nach die eigentliche Entdeckung der He gel-
schen Philosophie, die Affirmation, als Negation der
Negation .oder unendliche NegativItälV in
Spinosa 's Systeme enthalten. Denn weder <bei dieMtUy
noch bei jenem sind diese Modi, diese CokicretlM de»
Allgemeinen, — und d ie ss ist das Entscheidende Sit itm*
Princip — eine scfaleohdiin ewige, substantiell Form «ei^
ner Selbstverwirklichung , sondern ein flu^siges^ Ideelles»
Moment, der sich aufliebt in die „uborgreifende^ Allg(taiein«f ;
beit der Substanz. (Wovon gleich mehr zu reden sdn \
wird bei Gelegenheit de^ Heg eischen Auffassung Lelb^'
nitziseher Lehre im Gegensatz zu der des Si^inosa^ .
Die.Uegelscfae Bezeichnung des Spinosiscbea 8y«t
Sterns als Akesihismu^ trift also entweder bei Weitem mti^y
denn (als) nur dieses, trifft aHe Systeme, denen überhaupt der
Begriff kreatArlicher SubstantiaUtaft abgeht , demnach aufch
das Hegeiiiche: oder er muss soläM venSpinoiia/s .
460 LelbtiilxiM netetAysIsdiM Pirincip.
Systtm in Abrede gesielt, und etwa nur auf die giin£
enluridGeite , die Ejüslenz eines Werdenden, MaimigMUgen,
ab der Welt, Überhang negirende oder dahingfesteHt sein
laaaende Ansicht der Elealen eingesdiraidrt werden. Anf
keinen Fall kann Hegel Spinosa's System im Unter-
schiede von den seinigen damit charakterfart zn haben
behaupten.
Akosmistisch — von Gott ans — apantheistiseh , -rr
xMm der Welt ans gesehen, — kann daher nur dasjenige
System mü Gnind und seinem Pirincipe nach genannt wer^
den, wdches auch im EndUcben den BegrifTdes Beharr-
lichen, Substantiellen zn speknlativer Gritong m
bringen vennag. Wer sein eigenlKcher Reprdsoitant in
nachcarlesianischer Fhüo^pfaie sei , kann nicht zweirelhail
sein: es ist LeilHti it. — Hiermit hat sich die Noth-
wendigkeit gefnndenv auch historisch zu dem oilgegenge»
sctslen Principe fort2Rigdien, in welchem der Begriff e n d*
lieber Substlintialitat den Unterscheidangsmonient
ansaiacbt: das metaphysische Prinoip Leibnitzens.
UAi die epochemachende Stellung zu rechtfertigen,
welche wir Leibnitz hiermit anweisen, dorchdie er, den
gewohnten historischen Beziehungen entrückt, und ansser-
hnih dier Reihe der gleichzeitigen und nachfolgenden Phi-
losopiieni -stehlend, in bestimmtem Sinne vielmehr ihnen ent-
giegengefetelit' wird, als der* Ausgangspunkt einer neuen
Bntwickhingsreihe, wird es nothig , sogleich von der ver-
scUedenbn Aidhssnng zu reden, die sein Princip, der H o-
n^dismus, Anfongs und späterhin gefunden. -Bei uns
sind es jedoch nicht seine Ansätze zu einer diristlich
tkeistischen Philosophie, welche ihm hier diesen auszeidi--
nenden Rang erweri)en — wiewohl begreiflich ist, dass
avch sie in innigster Wechselbedingung zu jenem Principe
stehen werden , — sondern es selbst in seiner rein meta«
physischen .Nüchternheit erwirbt ihm diese Stelle.
Die cnmte HStmirknng dessetteh md seind 2«il M be^
ksmit , und avch von ms schon oten (S. 4^. 43.) in den
aUgemeinsten Bezieliungen dargestellt worden. Sie halle
die eigentliebe Sedeutung desselben imberihrt , je ausser
Acht gelassen ; und überhaupt ist es durch eine tieflieg^de
Nothwendigiteit gegeben , dass' erst dann die verborgene
Macht eines Gedankenprincips hervorbrechen kann, nachdem
der Gegensatz, den es zu zerstören bestimmt ist, in sei*
ner vollen Stärke bervorgetrelen. Die L e i b n i t z i sehe
Philosophie ist eme von dai wenigen rüokwärtsliegendcni,
weicke, wie es einst der Splnosischen besohieden wv,
noch -jetzt Auferstehungskraft in sich bewahrt, und gleich
diesem eine Nachkommensdiaft von Systemen aus sich er^
zeugen wird. Das ei^nzend - beriditigende Verhdltnlaff,
welches in embryon^artigem Gegensalze Leibnitz n
Spin ose gebildet, muss in wdl entwickeltem FeraiM
noch eimnal auftreten. *)
Sein Prmcip kann nämlich ni^ht' vor den Systemen
der Immanenz, sondern nur durch diese hindurch,, a««
mid nach ihnen seine volle Kraft erhaben; das Spinfo>ti<*
sehe Princip ihusste ihm Torantretsn- und es zurüÄdräagen
auf einige Zeit : denn es liegt im nothwendigen BM^
wicklnngsgange der Erkenntniss, dass- das Abstrakte, Fun-
damentale den Ausgangspunkt bildet ~ Dien» isti geschehen
bis zum gegenwärtigen Zeitpunkte: aber das Bewusst-
sein über die eigentliche Bedeutung L e i b n i t s i seher Pht4
losophie ist noch keinesweges erwacht; denn selbst das
allgemein jetzt sich regende litterarische Intöresse an -sei-«
neu Werken und seiner Philosophie ist von sehr imeM^
schiedener, schwankender Bedeufnnjg, wie die philosopbi'^
sehen BrUlmmgen zeigen , von welchen es begteitet isti
*) Man verg^leiche damit die Charaktemlik , welche wir Toq
Leibnitzent Staudpunlcte im allgemeinen^ metaphysiäclirn
ZiisorameDliange gaben : ,,Zur apekuiativen Th e o 1 o g i e*^
in der Zeitschrift für Philosophie und Spekula-
tive Theologie Bd. V. H, 2. & IC6^ 67.
402 UilniltzeaB, meiMikfäfiAes PrM|).
Denn amll hitir bedarf es einer noch niebt mm aligemei-
nen BcvdiBstsein. gekommenen spekulativen Krise im P^rin-
cife selbst..
In der sunachsl vergangenen Epoeke war besonders
Leibnilzens orthodoxer Theisauis anslössig gewor-
den ; er reizte zum SpoUe oder machte die wissenschaft-
liche Aufrichtigkeit des Philosophen verdächtig. Man
glaubte , er habe seine (eben auch nur panlheisü3chen)
•UeberzeugungcQ absichtsvoU verhüllt lunter rechtgläubigen
Wendungen ; seiner Tbeodicae sprach man desshalb allen
f^kulaiiv^n Werth ab, indem sie sich nur mit leeren, ,^n
.VorsteUung&weise aufgefasslen ^ Problemen befasse, und
«elbst die eifrige Rüoksichtsnahme, welche Sc he Hing' in
seiner Abhandlung über die Freiheit jene« Werke
nngedeihea Iv^ss, machte bei Andern manchen SeitenUick anf
eine ahnliche BeschafTeoheit seiner eigenen Ansichten regc:
— Beides klug sich dankende, aber nnkritisch-rhiperkritisdw
Verrantimngcn, die von selbst verschwinden werden, wenn
naa, durch die jetzt geforderte nähere Bekanntschaft mit
«einen Werken, Leibnitzens Denkweise im Graa-
aen , und bis in den Zusaounenhang des Einzdnen « ken«
nnn. lernt«
Leibnitz fand in der philosophischen Denkweise
meiner Zeit eigentlich nur zwei gleichberechtigte G^cn-
sfitze vor : den monistisch-pantheistischen Intellektnatisraas
S p i n o s a 's und die hartnäckig empirische, sensnalistische
Richlimg i. 0 c k e '& Beide verwarf er ebenso sehr, als er
ihnen zugleich bedingte Anerkenntniss gab; denn er
rftckie beide um eine Stufe höher und vennittelta
sie hierdurch. Diess ist die grös^te, eigentlich ver8oh<*
nende, nnid fernejrhin fruchtbringende That seuies spekula-
tiven Genius, indem er damit die weit auseinander liegen-
den Enden philosophischer Bildung in der Tiefe des
Gedankens verknüpft und in ihrer inncrn Eiirhcit nachge-
wiesen hat Der Intellektualismus hat dadurch seinen rea-
listischen Wiederhalt, und dieser uaigekehrt seine letzte
Begründung in jenem erhalten.
MMtoeM' mi;(i»fc{r<kK*w Artltci^. 463
IMia tidiwi^tt^, SinyelBe zuvorderst,; vM4em*«fkr
SciisMüIimips .seinem A«iga«gispiinkt nimmt , i^lbei Leib^
nitz piqht die «luiliche, aiigeniaUige UnnuHtelbtirkeUf daa
oinzekie Dipig; — TiiBliiiefar ist idlei/Stmtjieiilpfindia^ obiie
Realität» sie islnnr daft:^erworrene.Be>jtuS6(6eAntuiibe8tiiiiiD4-
bar vieler, in einander fliessender Sefiaationeti, welche es
dem Verstände unniögüdi maclien, ihren Inhalt genau um
untersi)faeiden. Im Sinnlichen, aU solchen, idt fiberhaupt
das Einfach^ (^Reale) nißht zu finden *}. Abet es deuteH
hin, lassl varansaet^eA ein wahrhaft IndividiieUes, ursprOag-
lieh QnalUativefl , M auch in dieser Ur(}ualit«.t| ntdrt
verändert werden kamt« ' Diess ist die Quelle, aus weicher
eigentlich (nach unten noch naher zn entwickelndem Grin«-
den) Leibnitzen der unterscheidende Begriff der Monade
hervorging. Das unendlidi Individuelle, nicht aber als
Sinnliches, sondern als (intellektneller) Bealgruiid deasek-
ben, ist an die Stelle der (schieinharen) empirieohenr Bin-
zeldlnge getreten.
Abel* «0. i^igenlhuBdieh^ Si^lbststandtg , behan«nd die
Monade ist um ihrer Urqualitfit willegn, so ist» doeh ^bis
Allgemeine in ihr gegenwärtigt.das BidJBfelne<iat
ttor, durchdrungen vom AUgismeinen. Diess abmr/.lat
das Ideale an jenem, das Zeugaiss eines allverkrtpfe»^
den 4 in einamder' ordnenden: schopfetischen Verstandeil,
welcher sieh hfennit. aBein dem Begriffe der Welt, als der
anendliclieii, aUbezogenen Monaden, gewachsen zeigt. Der
Urgrund ist hiemach selber nicht bloss das Allgemein
ne, sondern diess allbeztohend Einende, ist Ur<-
mo n a s.
Hiermit ist ferner, zugleich die Konsequenz dessen
gegeben, was Leibnitz, mft > vielleicht nidht vMig äiK-
Ir^ender Beseiebnüng,. die vorvusbestimrate Har-
nen ie genannt hal; Die Monnde ist nicht bloss das
schlechthin JSigönäiüailiohe , nnr sidi selbst Gleiche ; son*
*) Uiibnitsi^ ßdmviaux E$$a/*, ÄTaatpropos, S. 9. 10- Litr. f.
S 27.2a ed. Rajpe:
LoffiRilzMi inetapilyriielw Prindp.
dem dalRiH ist sie zogieicli bezogfen auf das' mieiid-
lich Andere; diess ist in ühp gegenwärtig; md sie ist
sodann niclit nur also bezogen, sondern werdend — aas
aich selbst sich rerwanddad — stellt sie diese Bezogen-
beit auch in sich vor; der Gegenstand (Inhalt) ihres
Vorst^ens ist das Universum. Und wie sie sich andi in
dieser ans ihrem Innern gescliöpften Succession verandere,
immer bleibt sie entsprechend den Veränderungen jener
Unendlichkeit um sie her. Diess der Begriff der vorher*
-bestimmten Harmonie , der solcher Art orsprungHch nidit
als eihe spekulative Hypodiese zur firUftning des Zosam-
menbanges der Dinge anzusehen ist , vidmehr sich ab
•universale Thatsache, als in jedem Augenblicke sich
-vollziehendes Weltereigniss aufdringt, und selbst nichts
Anderes ist , denn jene Thatsache , nur zum universalen
Begriffsausdrucke erhoben. .
Daraus ergtebt sich M doppolte Betrachtung fiir den
eigentlichen Sinn Leibnitzi scher Philosophie:
Zuerst ist in der allgemiMnen Grundlage j^ies Be-
gAffes nicht sowohl enthalten , dass die Harmonie eine
Bchlechthitt vor aus bestimmte sein müsse, dass sie als
etwas von Ewigkeit 'Fertiges , unbedingt Sichabwickdndes
an den Monaden sich voUzidie , wiewohl wir freilich be*
liennen, dass Leibnitz um anderer Grande willen , die
mit einer tiefer, liegenden Einseitigkeit in der EntwickhRig
seiner Hauptidee zusammenhangen , genöthigt war , jenem
an sich vieldeutigen, aber allgemein unabweislichen fiegrilie
eine solche vorlauflge Ausbildung zu gd>en. ' So hatte sich
Leibnitz zwar einerseits erhoben über den Begriff einer
iusseriiehen Verkettung von unendlich sieh deter-
mmnrenden Ursachen -^ (das metaphysische Ge^enst jener
•Zeit, durch weiches sie» nadi.Jaoobi 's treffendem Ur*
theile , zu DelerminisfliHis ittd Fatalismus taiwiederbringtich
hinabgelockt wurde) »r* durch, den Begriff der Selbstän-
digkeit und Undurchdringliclikeit der monadiscben Indivi*
dualitäten gegen einander. Keanes wirkt ursächlich (als
absolute Determination) auf das Andere.
Die prästabilirie Hannome. 465
Aber an die Stelle trat das andere , nicht minder determi»
nistische Princip: indem nämlich keines der einfachen
lYeltwesen unmittelbar auf das andere einzuwirken ver-
mag, und dennoch harmonischer Zusammenhang zwischen .
allen, in ihrem Sein, wie in ihrem Werden, grundthaU
sächlich stattfindet, gleich als ob eine solche wechsel-
seitige Einwirkung wirklich bestände: so ist anzunehmen,
dass die ordnende Determination in die notbwendige Ent-
wicklung jedes Weltwesens für sich ursprünglich hinein-
gelegt ist; und das schlechthin Determinirende ist Gott.
Der Begriff der Selbst- oder Aussichbestimmung ist daher
eigentlich nur ein illusorischer; er findet bloss Statt in
Rücksicht auf den (nicht bestehenden) unmittelbaren
Zusammenhang der Weltwesen unter einander; in Bezug
darauf kann man jedes ansehen, wie wenn es schlecht-
hin selbststindig und frei, eine Welt iur sich, wäre; in
Wahrheit aber ist die jedes für sich durchdringende abso-
lute Determination das allein Wirksame. So ist das deter»
mniistische Princip nur nach Unten, nicht aber nach Oben
oder überhaupt abgewiesen. *)
Diess leitet jedoch zu der zweiten Betrachtung, dass
Schuld dieser Halbheit undUngenuge ganz nur die einsei-
tige Bestimmung im Begriffe der Monade ist,- wodurch die
Selbstbehauptung und Undurchdringlichkeit für Anderes zu-^
gleich nun absolute Zusammenhanglosigkeit mit ihm vor-
aussetzen soll, was in keinem Sinne daraus folgt, noch
im allgemeinen Begriffe der Monade mitbewiesen worden ist.
Jm Gegentheil kann, — wovon die Ausführung anderwärts
gegeben und woran hier nur zu erinnern ist, — jene Selbst
behauptung allein bei einer wahren und wesenhailen Ein-
wirkung auf einander sich in Kraft zeigen, aus gegenwir-
kender Ueberwindung. derselben hervorgehen. Hiermit ist
ein wirklicher (und wirksamer) Zusammenbang gesetzt zwi-
schen den Weltwesen; aber er determinirt keines dersel-
ben, sondern regt jedes zurSelbstdetermination aus
*) Maa vergleiche das früher Entwickelte, S. 148. 49.
30
466 GriYize und Mangelhanigkeil
Sich selber auf, welche nun, als die noUiwendig eatspr»-
chende' Gegenseite zu jenem Begriffe der gegensettigca
Wirksamkeit , ihrei volle Wahrheit erhalten hat. Das har-
monisirende Pnncip, die allgemein schöpferische Weltmadit,
wird daher auch an ihrem Tbeile nicht mehr gedacht wer-
den können, als bloss Determinirendes, zu (mechanischer)
Abwicklung die Wellwesen Vorausbestimmendes ; denn da-
bei halte es sein Bewenden , wenn der Begriff' der Deter-
mination der letzte und vollständige wäre: — sondern es
werden dann noch andere Bestimmungen sich ihm bei-
gesellen müssen.
Diess ist eines der h'erausstehenden Enden an der
Leib nit zischen Philosophie, wo sie, unvollendel, auf
spätere Ausbildung zu warten hatte. Diese ist ihm^ in einem
dar gegenwärtigen Systeme (dem H e r b a r t schen> auf eine
scharfsinnige und durchaus fördernde Weise zu Theil ge-
worden: der Begriff* der „Selbsterhalfung« (SHbstfoe^
Stimmung) setzt den der „Störung^ (Einwirkung | vor-
aus ; der Zusammenhang Aller mit Allen * ist daher eta
realer. Diess die Eine Seite.
Aber auch der Begriff des Absoluten wird laut Obi-
gem tiefer, reicher, persönlicher zu denken sein, indem der
wichtigen und wesentlichen Bestimmung, dass es Deter-
minirendes ist,, eine andere gegenüber treten und mit ihr
vermittelt werden muss , welche zugleich in ihm eine an
sich haltende, die AUdetermination begränzende, das Ge-
schöpf freilassende Macht setzt. Hierzu reichen jedoch
nicht mehr aus die gewohnten AHgemeinbegriffe- Leib-
nitzischer und auch (späterer Philosophie von Gott, als
-der höchsten Vernunft, dem wellschöpft-rischen Denken
oder dem absoluten Geiste ; diese fallen sämmtlich vielmehr
auf die andere Seite , und würden den Begriff des Allde-
terminirenden verstärken helfen. Hierzu .muss in ein völ-
lig anderes Gebiet von Vorstellungen übergegriffen werden :
nicht nur allgemein persönliche Eigenschaften, sondern die
wir die inneriichsten , concreteisten des Geistes , gemülhii-
ehe , nennen dürfen , genügen hier ; und an diese- vnirden
dieses Princips. 467
wir gewiesen werden, in ein von der gewohnten Metaphy-
sik kaum noch berührtes Gebiet, um das Weltproblem
gründlich und durchgreifend zu lösen. Zu bekennen ist
jedoch, dass, wenn die Leibnit zischen Principjen sich
auch nicht bis zu diesem Punkte ausgebildet haben , den-
noch in seiner ganzen Weltansicht der Antrieb liegt, nach
dieser Seite der Welterklärung vorzudringen.
Dagegen ist, besonders durch und seit Hegel*), die
zweite Hauptbestimmung der Leibnit zischen Philoso-
phie zur nachdrücklichen Anerkennung gediehen : der bei
Spinös a abstrakt und einseitig gebliebene Begriff der
Substanz habe durch Leibnitz seine Ergänzung im
Begriffe der Individuation gefunden; das Substantielle, All-
gemeine sei nur als Einzelnes wirklich: diess ist oft
genug wiederholt worden , dessen Bedeutung und Richtig-
keit an sich nicht zu verkennen- ist.
' Dennoch ist der eigentliche Sinn jenes Satzes, wie ihn
Leibnitz fasst, umgangen worden oder in Zweideutigkeit
geblieben. Nach der Hegeischen Bezeichnung ist das
Allgemeine (die Substanz) bei Leibnitz auch nur, wie
bei ihm, das unendlich sich Individualisirende , die Form
unendlicher Subjektivität und Negativität^ und nur so in be-
stimmtester Weise , als die unendliche Formthätigkeit der
absoluten Substanz, welche darin und nur darin — nicht
Subjekt — sondern Subjektivität wird^ ist das Princip
des Honadischen aufgefasst worden, wie wenn kein ande-
rer Sinn desselben übrig bliebe.
Damit setzt sich jedoch die Anerkennung, welche
Hegel dem L ei bnitzi sehen Principe hat angedeihen
lassen, in direkten Widerspruch mit der eigentlichen Mei-
nung des Philosophen , und aus der vorgeblichen Ueber-
eiostimmung wird vielmehr der bestimmteste Widerstreit.
Das Monadische an der absoluten Substanz nach Leibnitz
•) Hegels Wissenschaft der Logik (JI. S. 197—99.,
sämmil. Werke, Bd. IV.) Ency kiopädie der phU
iosopliischen Wissensciiaflen, 3ie Ausg. S. 191.
468 n«»gels
ist nicht jenes unnblassige Monadisrli- werden, die ,,Efliil-
guration<< zu unendlichen Monaden, als einer Well; — in
welchem Sjnne liälte Leibnitz i^nst Gott die Unnonas
zu nennen vermocht? -^ Noch sind diese die unendliche,
wieder sich aufhebende Formthäligkeit der absoluten Sub-
stanz, die in ihnen doch allein nur das Substantielle bleibt;
— wie hätte Leibnitz die endlichen Monaden sonst als
reelle Substanzen bezeichnen können? — Sondern nach
ihm sind in Jedem, dem Absoluten, wie dem Endlichen,
bfei de Momente, der Substantialitat* und der Subjektivität,
bleibend und unauflöslich vereint ; denn auch die geschaf-
fenen Monaden sind an sich selbst bestimmte, der Dauer
nach unendliche, der Specifikation nach endliche Substan-'
zen , als Subjekte , im Abbilde der Urmonas. Nur diess
in seiner freilich noch unvermittelten Paradoxie. ist der Sino
des Lei bnit zischen Principes, und man kann schwer-
lich beliaupten, nur die geringste Folgerichtigkeit und Zn-
sammenhang in seiner Philosophie übrig zu lassen , wenn
man diesen wesentlichsten Punkt derselben bei Seite brin-
gen will. Ein solches indifferenzirende Einschwärzen
Spinosä's in Leibnitz, oder ein stillschweigendes In-
einanderschieben des Pantheistischen mit dem Deismus —
denn diese sind es , die sich hier begegnen — bleibt, so
wie beide historisch gegen einander gestellt sind, völlig
unausführbar. Wie es Hegel versucht hat, treibt er
Leibnitz* selbst auf den pantheistischen Standpunkt zu-
rück.
Dennoch ist es höchst bezeichnend fiir jenen, wie er
in der allgemeinen Stellung, welche er dem Le i b n i 1 2 ischen
Systeme anweist', sich versichert hallen konnte, keine Um-
deutung mit demselben vorzunehmen, Tsondem das, was wir
das Nichtpantheistische in ihm nennen , bloss
seinem Mangel an systematischer Ausführung Schuld zu
geben. Man wird unwillkührlich ah den. schon beleuchte-
ten Ausspruch J a c o b i's erinnert: daissdieLeib'nitz^isch-
Wolffsche Philosophie den unablässigen. For»«her
mm Spinosismus zurückführe.
Kritik' desselben. 469
Scbon -die Stelle unter den lo^isch^n Kategorieen
(Hegels Logik a. a. 0. S. 186 f. 197.), in welche das
L e i b n i I z ische Princip eingereiht wird , ist für jene Auf-
fassong entscheidend geworden« Sie ist, als Kategorie,
ohne Zweifel die richtige , scharfbezeichnende ; aber es ist
überhaupt Tiel zu wenig bisher bedacht worden , dass die
Leibnitzische Philosophie gar nicht als dialektisches
System betrachtet werden kann in dem Sinne, als wenn es
die Durchfühniifig einer Kategorie nach allen ihren Begriffs-
momenten hätte sein wollen, und wie wenn diese nicht
zur vollständigen Ausfährung gekommen wäre. Vielmehr
scheint sie uns fragmentarisch oder rhapsodisch in dem
tiefem Sinne, dass die Hauptgedanken derselben hervorge-
gangen sind aus Erfahrung , aus einer ebenso universalen,
als eindringenden Auffassung des Wirklichen und Steige-
rung desselben zur Idee , wo die iiach Oben deutenden
Enden freilich unverknüpfl bleiben mussten. Desswegen ist
sie jedoch die lebendigste,, der Wirklichkeit nahedringend-
sto und ihr sich anschtniegendste Philosophie getdieben bis
auf die S c h e 1 1 i r g ^c&e ^ in ähnliobem Geiste entwor-^
fene,
Hegels Kritik dagegen besteht in einer dialektischen
Analyse des Begriffs der Monade, und. in der Nachweisüng,
welche Momente dabäl von L e i b n i t z unausgeführt ge-
blieben sind: aber schon- aus der Höhe der allgemeinen
Kategorie^, welcher er jenen Begriff anreiht (der Wirk-
lichkeit, als der in sich reflektirten Einheit des We-
sens und der Existenz S, 184^99.)» ergiebt sich -die Tiefe
und Wichtigkeit seines Princips. Das Absolute ist eben da-
durch nicht nur abstrakte Oeere) Identität . mit sich,
sondern unendlich erfüllte Wirklichkeit , indem es die un-
endliche Aeusserlichkeit der Attribute und Moden
sich selbst giebt , darin aber Identität mit sich ist, als
auf sich selbst sich beziehende Negativität, die ihr Scheir-
nen in Anderes eben als Scheinen setzt.
In diesen — logisch betrachtet wesentlich höchsten
*- Begviff des Absoluten (denn er ist es » zufolge dessen
470 Hegelg
ts in der conoröten Philosophie als absoluter Geist erwie-
sen zu werden vermag) theilen sich nun gleichsam, nach
Hegel, die Philosophie des Spinosa und desLeibnitz.
Der Begriff des Absoluten ist bei Spinosa zwar voll-
ständig, indem er beim Absoluten anfangt, das Attribut
darauf folgen lasst und im Modus des Attributs endigt ;
aber diese werden nur ohne Ableitung riach einander "auf-
gezählt, und das Dritte ist nicht die Negation a 1 s Nega-
tion, wodurch sie an ihr selbst die Rückkehr in die
erste Identität und diese die Wahrhafte Identi-
tät wäre.
Dieser Mangel der Reflexion in sich in der
ßpinosi sehen Auffassung des Absoluten wird jedoch er-
gänzt durch den L e i b n i t z i sehen Begriff der Monade,
(So ist es bei Hegel sogleich nur dieUrmonade, wel-
cher er nicht nur, als einer Gattung monadischen Daseins,
sondern als der schlechthin alleinigen , Geltung beilegt.)
In ihr zeigt sich gerade das dort Fehlende : sie ist Eins,
das mit. sich Identische , aber als das unendlich Negative :
-sie ist die Totalität des Inhaltes der Welt; aber dieser ist
in ihr, als der Identität, nicht verschwunden, sondern auf
negative Weise aufbewahrt. Die Monade ist daher
wesentlich vorstellend, und die Veränderungen und Be-
stimmungen in ihr sind Manifestationen ihrer in ihr
selbst Sie ist E n t e 1 e c h i e , das Offenbaren ist ihr
eigenes Thun. Daher ist sie schlechthin ohne Passivität,
nur selbstbestimmend, ein in sich geschlossenesAb-
solutes. Wird sie daher als begränzte oder endli-
che gesetzt; so lässt sich diese (eigentlich an ihr wider-
sprechende) Bestimmung nur so mit ihrem Begriffe ver-
mitteln, dass die damit geselzte nothwendige Beziehung
auf andere Begränzte nur, als ein schlechthin Prä Stab i-
lirtes, durch ein anderes Wesen ausser ihnen hervorge-
bracht sein kann.
Somit ist nun einerseits im Begriffe der absoluten
Monade die Natur der Reflexion zu finden, als die sich
auf sich selbst beziehende Negativität sich von sich abzih-
Kritik dewelbeiL 471
itOiiMii^ ywodupoh sie setzend und schaffend
ist''; andererseits wird im Leibnit zischen Systeme be-
haupte! , dfiss Gott die Quelle der Existenz und ' des We-
sens der Honaden sei, d. h. „dass jene absoluten Schran-
ken ün Ansichsein der Monaden nicht an und für
sich seiende sind, sondern im Absoluten verschwinden^.
Aber diese Bestimmungen gehören bei Leibnit z der rai^
sonnirenden dogmatischen Reflexion an, und sind nicht zu
spekulativer Entwicklung eriioben. j^So erhält das Princip der
Individuatiott seine tiefere Ausführung nicht, die Begriffe
über die Unterscheidung der verschiedenen endlichen Mo-
naden und über ihr Verhältniss zum Absoluten entsprin-
gen nicht aus diesem Wesen selbst oder auf absolute
Wei«e«.
Noch kürzer nind bestimmter drückt Hegel diess in
seiner Encyklopädie so aus (S. 190: Die einfache
Totalttat (der Urmonade) zerfällt in die absolute Viel-
heit der Unterschiede «so , dass sie selbststän-
dige Monaden sind. In der Monade der Monaden und
-der prästabiiirten Harmonie ihrer innern Entwicklungen
•sind diese jedoch wieder zur Unselbstständigkeit und Idea-
lität reducirt. Die Leibnitzische Philosophte
ist SP der vollständig entwickelte Wider-
spruch.
Hierin liegt jedoch das Lehrreiche dieser Umdeutu^g
Hegels; denn dass sich damit auch ein-Missverste-^
hen gründlichster Art verbunden haben möge, lässt sich
kaum , verkennen. Schwerlich ist nämlich anzunehmen^ dass
Leibnitz, der Mann , von welchem Lessing sagte,
dass er sonst nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben
pflege — bis zu einem solchen Grade über den Sinn deß
eignen Systenies unklar gewesen sei, um nur aus Selbstmiss-
versland die endlichen Monaden für substantielle, schlecht-
tuii dauernde und unaufhebbare zu halten , während sie
vielmehr ,,im Absoluten verschwindende^ hätten
sein inüssen nach der wahren Konsequenz seiner Lehre.
Wir glauben, dass er ein solches Konsequentermachen der-
473 EigenOiGher Sinn
selben , wilre es ihm angeboten worden, sehr entscUeden
von sieh. gewlesen hätte.
Irren wir nämlich nicht, so waren es keinesweges ifia-
lektische Halbheit und Unvermögen, sondern ganz besUmmte,
aus der Natur des Gegebenen, als der zu eiUireih-
den iVeltthatsache, hervorgehende Grunde, welche ihn dea
Begriff endlicher Substantialität zum Mittelpwikld
seines ganzen Systems machen liessen. Die Thatsache deS
Werdens, der unablässigen Veränderung in allem Gegebe-
nen, welche doQh stets in einem gemeinAimen Resultate,
zur Weltharmonie , zusammenstimmt , war , nach Allem a
urtheilen, das Problem, welches ihn am Ursprüngiichstea
beschäftigt hatte , und zu dessen Lösung er sein Syste«
entwarf: durch Schlüsse aus diesem begebenen und durch
weitere Combinatton der so gefundenen Hauplbegriffe.
Daher neigt- sein wissenschaftlicher Vortrag sich überall
zur Induktion: er erinnert an die gegebene Erschei-
nung, um sie auf ihren BegrifP zurückzuf&hren ; daher konnte
Lelbnltz sich, auch in fragmentarischen Berichten über
seine Philosophie Genüge thun, wo er yon den verschieden-
sten Ausgangspunkten her mit tiefer Einsicht dem Hauptbe-
grißb zuzuleiten versteht : er ist eben die nothwendige An^
nähme e n dl i c h e r Substantialitäten. Und selbst in denjeni-
gen Abhandlungen, worin er sein System in fibersichtlicheii
Zusammenhange darlegt — es sind eigentlich nur seine
lateinischen theses und die dem Inhalte nach nahe ver-
wandten principes de la natura et de la §ra'C$
fondit en raison^ wozu noch die wichtige, über seine
Jugendbildung lehrreiche Winke enthältende Abhandlung:
iyistime. nouveau} de la communication des
eubitanees und die considerations 9ur iet
principes devie e-i eur les naturee plasli-'
que$ gerechnet werden dürfen *) — selbst in diesen Ab-
handlungen beginnt er nicht auf dem Wege der Deduk-
«} 0p9ra Uihniiii studio Lud. DuUM Vol. II. T. I. 8. 20-
4S. 49—56.
fetaler Lehre. 473
tioii TOm Begriffe des ^scUechAfn nothweihligen Weiens^,
um durch dessen Ausstrahlungen^ den, Begriff der Weil
SU begr&nden ; sondern er leitet von der Gegebenheit vk^
sanimengesetzter (Mannigfaltigiceit seigender und auflös-
barer) und sich stetig verftndemder Dinge auf die Nolh-
wendiglceit eines ursprünglich Einfachen und imWech^
sei Dauernden zurück. Freilich folgt nur aus der
Contingenz des Endlichen (der Welt) die NothireiiAg^eft
des ewigen, absoluten Wesens; aber als Urmonas ist es
nur zu denken, weil endliche Monaden sind, und weil das
Absolute nur die Vollkommenheit des Endlichen in höch*-
ster VoDendung besitzen kann. Der Gang der Betrachtung
ist überall der aufsteigende, der der Induktion.
Solchergestalt nun vom Gegebenen ausgehend, und
durch keine allgemein Metaphysische Reflexion über das
Verhdltniss des Endlichen zum Absoluten und seine SelbsU-
aufhebuiig in ihm vorausbestimmt, musste er, gerade wie
Her hart unter den gegenwärtigen Philosophen, ebenso
auf dem Substantiellen in der Verinderlichkeit, wie auf dem
schlechthin Ursprünglichen des qualitativen Unter-
schiedes, bestehen. Es^st der grosse und folgenreiche 6e-
danke, dass nicht nur das Werdende den Kern eines Dau-
ernden in sich voraussetzt , der nicht angefangen haben
kann, wie desshalb auch nicht sich auszuleben vermag, ^
womit jedoch auch S p i n o s a und das pantheistische Prin-
cip einverstanden seih könnte; welche jenes Dauernde auf
den alleinigen Begriff der Einen Substanz zurückbezie-
hen — sondern auch , was weniger bisher in seiner ein-
fachen Konsequenz erwogen zu sein scheint , dass ebenso
der qualitative Unterschied ein urbestimm.ter , durch-
aus anfangloser und unvertilgbarer ist. Auch das quali-
tativ Unterschiedene kann nicht in*s Andere übergehen, ent-
stehen oder vergehen: es macht eben jenen unverandiT-
lich substantiellen Kern in . allem Wechsel und Wandel
aus. Hieraus folgt aber zugleich die Nolhwendigkeit , ein
Mehrfaches solcher gegen einander fester, ihre Verän-
derlichkeit nur aus sich selbst schöpfender Unterschiede
474 BigttOioher Sm
.unnekoMi , nd dies M der ledifiicli nw dem Oef e-
.benen geführte Beweis von der Existeni. qualitativer Mo»
4iaden oder endlicher Substantiaiilalen.
Aber damil steht zugleich der fernere Gedanke in
nothwemdiger Verbindung , dass jene wider einander ge-
kehrten Unterschiede eben damit in innerer Beziehung n
eisaader (gleichviel vorerst, wie dies gedacht weirde) ste-
hen missen. Der specifische Gegensatz, nack
wekhem (zufolge des voji L e i b n i t z angestellten Prin-
dps. der Identität des Nichtzuunterscheidenden) *) Jedes
das Andere ist für Jedes, ruft damit die Wech-
selbeziehung und den Zusammenhang aller die-
ser SpecificaUonen gegen einander hervor. Und wenn
leihnitz auch nicht die dialektische Nothwendigkett
dieses Ueberganges so bestimmt ausgesprochen haben
mag, so liegt doch seine Ausführung im BegriiTe der vor-
ausbestimmten Harmonie vor uns: die Unterschiede sind
zugleich 9ur innigsten Verknüpfung mit einander „a user-
seh en^, sie bilden ein geschlossenesSystemnu-
ter einander, in welchem kein Glied zu fehlen vermag;
wo daher jedes iur sich, wie alle insgesammt, die gegen-
seitige Garantie ihres Wesens, wie ihrer Existenz, enthalten.
Der kleinste Theil des Universums ist so unverganglicli,
wie und weil es das Ganze ist.
D i e s s ist aber der Moment, durch welcBen L e i b n i ts
xum Begrifle der Urmonas aufsteigt. Gott Ist , nach der
♦) Wie er dnssplbt; beweist, nämlich aus dem Salze des zurei-
chenden Gründen, 'indem sich kein zureicheuder Gnuid <!«""
ken liesse, warum irgend Etwas völlig gleich seia solle
dem Andern , d. h. indem offenbar ein Unzweok massiges,
Ueberflüasigea in einer solchen Verdopiiehmg liegen würden
acheint uns höchst charakteristisch zur Bezeichnung der Art,
wie Leihnitz auf diess Princip geleitet worden ist, noch
dazu, wenn er hinzusetzt: c^est un grand prejui^e eontre i^'
indi$cernabte9 , qu'on n*en trouve aucun exempU. ^j*-
Recueil de lettre* enire Leibnitm §t Clark €• Vol. 0*
P. I. S. i3&, 146. 47. N. %i. 24. 25.
seiner Lehre. 475
ontologiseheir und cosmologischen BeweisAhnoiff -*• das
scblechthin noUiwendige Wesen , dessen Idee seine Exi-»
stenz in sich schliessl , und derJetzte zureichende Gnmd
aller endlichen Dinge. Aber über diesen Bereich wird
sogleich hinausgeschrilten : in ihm ist nicht nur die Quelle
ihres Daseins, sondern auch ihres Wesens (jener qua-i-
litativen Urbestimmiheit), wieweit diess ein Reales ist, oder
innerhalb des Möglichen Realität gewon«-
nen hat.
DesshaH) ist das Denken Gottes die Stätte der ewi-
ge n Wahrheiten oder Ideen (jener qualitativen GnmdM.
bestinimiingen , nach welchen Gott die Weit gebildet hat),
und ohne diess (Denken) wäre weder Realität im Be-^
reiche des Möglichen, noch Existenz, noch überhaupl
ein Mögliches denkbar. (Thesis a. a. 0. N- 42. S. 25. :
JPrapierea wtellectus Bei est regio verüahim aeternarum
mU idearum , unde dependeni , et sine ipsa ^ (tnieUedn ?)
y^nUiü realitatis foret in possäriHtaiAus ^ et nihü non
moda existeret, sednihü etiam possibile foret,"* VgL
S. 36. 36.)
Gott kann daher überhaupt nur als die. Vollkommen-
heit, Allmacht der Intelligenz gedacht werden -^
so behauptet Leibnitz — desshalb, weil das Geg^
bene, die W*eltthatsache, die also bescha£Fene ist. So hingt
nun auch die fernere, oft für anstössig befundene Bestin»-
mung auf das Engste damit zusammen , dass im göttlichen
Denken, dem Grunde der Welt, a n sich unb esti m m hax*
viele Welten möglich gewesen seien. Es ist
em richtiger und wesentlicher Begriff am selbstbewussten,
mithin von Freiheit und Wahl durchdrungenen Denken,
dass es den negativen Moment der Möglichkeit oder Un-
entschicdenheit , aus welchem es sich herausbestimmt, .als
aufgehobenen an sich tragen muss. Jeder Akt des*origina-
len (erfindenden) Ur- (nicht Nach-) Denkens bat den Hin-
tergrund schrankenloser Mögüchkcitsrüile in sich, und be-
darf es, diese zur innem Be^thnmtheit und geardneten
Enlschiedenheit , or «* theilend und schliessend , zu fuüren.
476 Ei^fenUicher Sina
So unabweislich apdi in Gott, wenn sein Denken der Wett-
ideen nicht, bloss in aliegoriscber BildUchkeit oder m Un-
gewisser Vorstellung uns fern gehalten werden soll. Ab^
es ist ganz der tiefen und zugleich sinnreichen -Geisles-
richtung Leibnitzens gemäss, diesen Theil seiner Welt-
ansicht, auf welchen ihm Alles ankam, das J^uruckdriiiigen
der noihwendigwirkendcn Ursachen, als der ersten, uoi die
Finalursächen als die §rste. Ursächlichkeit nachzuweiseui
auch von dieser Seite her in's Licht zu steUen.
Er scheint hier nämlich , allerdings überflüssiger und
unberechtigter Weise (weil die Wellursache dazu keinen
Ruckhaltspunkt giebt — ') , bis zu der Betrachtung fortzu-
gehen, dass die Weltmdglichkeilen nicht, nur im potenliaien
Denken Gottes geblieben , sondern zum Actus des- wirkli'-
chen Gedachtwerdens erhoben worden seien , oder , be-
stimmter gesprochen^ ^- da einen zeitlichen Anfang der Well,
tmd daher ein wirkliches Vorher jener Betrachtungen
im Leeren eines Nichtexisttrens der Welt, L e i b n i t z schon
zolblge seiner Zeittheorie nicht zugeben kann -^ ewig
•dazu erhoben werden: hier nun hat jede dieser raög*
liehen Welten im Geiste Gottes einen Anspruch auf
Dasein gemäss des Grades ihrer VoUkommenfaeil (loKt
ieg [mondes] possiblee preiendeni ä Vis^ence dams FwUem^
dement de-Dieü ä propärtian de leur perfecHoM; S.36,ll.>
Desshaib kann entscheiden nur die Wahl des möglidi be-
sten Weltplanes, der herausgeläutert und abgeschieden wird
• aus jener ungewissen Möglichkeitsfälle : ein BegriiT, der,
wenn man den gewöhnlicK damit verbundenen Gedanken
eines schlechthin fertigen, in der Welt. nur widerstandslos
determintstiseh sich -abwickelnden Wellbeschlusses fallen
lässt, — .wobei L es sing mit Recht von der Vorstellung
einer unendlichen Langenweiie in Gott ergriffen ^viirde- —
einer Gottes - und Weltlehre ^uch künftig unentbehrlich
sein möchte.,, die in der That den Begriff einer Freiheit
und eines Aussichselbstseins, als .einen universalen, mit
Ernst durchzuführen wagt. Aber man darf sich onthaUen,
dabei in eine psychologische Analyse der geistigen Eigen-
seiner Lehre. 477
Schäften Golfes solcher Art einzugehen^ wonach seine
We i s h e i l die beste nnler den mögKchen Welten erkennt,
seine Güte sie wählt, seine Macht sie verwirklicht
iThesis 57. a. a. 0.) : diess sind halbwillkührlichc Unter-
scheidungen, her\'orgegangen aus einem luxurirenden Den-
ken , wie es L e i b n i t z so oft auch in der Theodicäe
geübt hat, dessen sich die Philosophie jedoch nm so stren-
ger zu (enthalten hat, als sie über da^ Gegebene und dessen
Erklärung nie hinausgreifen, diesen Augepunkt sich nie ver-
rücken , noch weniger verlalschen darf. Zwar kaiikt "die
Tiefe und Wahrheit des Princips, aus dem jene 'Erweite-
rungen stammen , dadurch nicht angetastet werden ; wöbt
aber ist es über den überflüssigen Ausspinnungen delssdk
ben verkannt und vergessen worden.
Aecht spekulativ ist* es jedoch, wenn Leibnitz zur
Unterstützung jenes grossen Princips'auf das Erfahrungsmäs-
sige hinweist : kein Weltverhältniss, zeigt er, lässt sich völlig
auf Nothwendigkeit zurückfuhren, oder giebt Kunde davon,
dass es Werk bloss nothwendig wirkender Ursachen sei.
Vielmehr zeigen sich, als universelle Thatsacfae, die einfach-
stcR Grundverhällnisse in die denkbarste Mannigfaltigkeit va-
Tiirt, die grössten Wirkungen hervorgebracht durch die ein-*
fachsten Mittel ; Raum . und Zeit auf das Weiseste gespart
zu den gfösstmöglichen Zwecken ; — und wir meinen, die
ganze Naturforschung sdtd^, bis hinein in die einzelsten
anatomischen und physiologischen Verhältnisse, hat diesen
Brfabrungssätz bestätigt. „Es ist überraschend, setzt Le ib-
nitz hinzu, dass, wenn man allein den Begriff der Noth-
wendigkeit zu Rathe zieht, von welehem die logischen,
Kcunictfischen und arithmetischen Wahrheiten abhangen,
man die Gesetze -der Bewegung , wie sie seine Zeit und
zum guten* Tlieile er selber entdeckt habe, sich nicht ge-
nügend zu erklären veimöge. Man muss vielmehr dabei
8uf die Finalursachen zurückgehen, nach dem Prin-
cipe des Angemessenen (de la convenance) d. h. der
Wahl einer göttlichen Weisheit. Diess ist einer der
«indringlichsten und überzeugendsten Be'-
478 Uebergang
weise der Existenz Gottes ffir Alle, welcke
gründlich denken«« (a. a. 0. S. 36, 9.. 10. 11.).
So sind nach Leibnitz die nothwendig wirkenden
Ursachen tiberall die s e c u n d a i r e n, gesetzten, hervorge-
bracht durch das Princip des Zweckes und der Wahl. Die
wählende; (frei intelligente) Macht ist allein die erste
Ibiurursache. Daher sind Nothwendigkeit und Zweckoiis*
aigkeit nicht überhaupt nur vermittelt im Begriffe der im-
manenten Teleologie, welcher die universale Welt-
diatsache der Identität beider eigentlich nur behaoptet,
nicht erkl ärt : — jener Begriff ist ja bis auf die gegen-
wärtige Zeit lange genug mit dem Gedanken der WeltseelCi
der bewusstlos wirkenden . YernunH in Verbindung ge-
setzt worden: — sondern er ist wirklich erklärt, seiner
«llgemeinen Möglichkeit nach begreiflich gemacht
worden.
Hierdurch, so wie durch den Erweis von der Noth-
wendigkeit endlicher Substantialitäten, welchen Leibnitz
wenigstens angetreten,. hat er.Spinosa und sein gan-
zes Princip vollständig überwunden. Es sind diess die
Elemente der Zukunft in Leibnitz, mit denen er noch
weit in unsere Zeit 'hinüberscheint, und welche der unmit-
telbaren Gegenwart aufzubewahren sind. Mit Des Carte«
bat er den Gedanken gemein, dass jene Immanenz der
Welt in Gott, welche mit ihrer £ndlichkeit, Bedingtheit, zu-
gleich gesetzt ist, -^ weil die Welt nicht Produkt einer
Kothwendigkeit 9 sondern zweckerfuUt , desshalb Werk
einer Intelligenz zu sein verräih , — nur unter .Vorausset-
vmg der Trans scendenz Gottes über der Welt mög-
lich sei. (Vgl. oben S. 435.36.) Ihm selbst aber eigen ist
d^ Begriff jener substantiellen Individualität in Allem,
welche , mit eigenthümlichem , nur aus sich selbst und ihr
gemäss sich bestimmendem Leben, keinen G^^ensatz
zwischen Geist und Materie zulässt, sondern nur eine stu-
fenweise Reihe von niedem oder /vollendetem Monaden
darstellt, welche zugleich wie Mittel und Zweck, näher wie
peripherische upd. Centhdmonade s\ch zu einander verhalten,
in das Folgende. 479
BAd M die. festen, stete deoh zur Binheil zosammeiislim-
menden Weltimlerdchiede bilden. Nach Oben, wie nach
Unten, hat Leibtiit£ hiermit die Enden des Weges ge-
aeeigt, welche das «tisgebiidete System der Philosophie in
erreichen hat, oder auch, wenn man will , seine rechten
principiellen Anfange nachgewiesen , fH^hai^t ^aber daf
Princip der Philosophie als Idealismus bezeichnet .
Es wäre vergeblieh mti ein erkfinsteltes Bestreben,
ein dem genialen Entwürfe dieser tiefgreifenden Ideen^ eng
sich anschliessendes und nach allen Seiten -hin sie ausbeu-«
tendes oder steigerndes System der Philosophie nachweisen
zu wollen, einer postulirten philosophischen Continuität ZQ
Gefallen. Wir haben gezeigt, dass diess kaum möglich
war , und , wie es versucht worden , misslingen musste :
und weil es misslang, mussten wir Leibnitz, wie Spi-
nös a , mit den Systemen der Gegenwart in nächste Be*
Ziehung bringen. Beide waren spekulative Propheten; jener
hat indess bereits volle Gegenwart und Ausführung gefun-
den in den letzten Systemen der Immanenz: Leibnitz hat
sich noeh nicht ausgelebt; er enthält in sich das Princip
des Ueberganges aus den Systemen der Immanenz in
das der Transscendenz. Dieses nothwendigen Ueber-
ganges wissenschafllich bewusst zu werden, ist jedoch die
Angabe des gegenwärtigen Zeitpunkts, und so lallt L e i b-
nitzens Philosophie noch immer der unmittelbarsten Ge-
genwart zu. Desshalb sind seine Principien bisher auch
nur allmählich, nach und'neben einander zur Ausfüh-
rung gelangt, und das vollständig ausgeführte Gegenbild
seines Systemes ist noch zu ei'warten.
Sq ist die episodische Einschaltung geschlossen, zu
welcher wir am Anfange des dritten Buches genöthigt wur-
480
Uebeii^lig in das Folgende.
den, indem die naehkantische Philosopiiie weiter rück*
wartoliegende , von Kant nnberührte Elemente wieder in
sich aufnahm, und darch sie gerade den Umkreis der
Kantisch-« Jacobischen Gesammtdenicweise zu spren-
gen vermochte. Wir lenken jetzt daher xom Schlosse des
«weiten Buches zurück.
n. Johann QottUeb Fichte.
Als die Punkte, in welchen die Kantische Theorie,
nicht sowohl nach ihren Resultaten , als durch ihr metho-
disches Verfahren , unzureichend oder unentschieden ge-
blieben ist, und welche sie somit als weitere Probleme
der Zukunft überlassen musste, haben in der vorhergehen-
den Kritik sich folgende gezeigt. Sie betreffen theils Un-
terlassenes , Unvollendetes , theils wirkliche Irrthümer und
Verstösse, deren Folge zum grossen Theile wir noch tra-
gen, so wie diese auch in ihrem wahren Ursprünge noch
keinesweges von Allen erkannt sind.
Kant gab seine kritische Untersuchung des Erkennt-
nissvermögens ursprünglich für eine propädeutische,
and diess nach innerer Nothwendigkeit. Denn die vorlfiu-
fige Frage , ob überhaupt eine Wissenschaft der Art, wie
Philosophie, möglich sei, konnte, ob sie nun mit Ja oder
Nein entschieden wurde , in ^ keinem Falle , auch auf das
Umfassendste beantwortet, an die Stelle der Philosophie
selber treten. Dennoch kam es für Kant selber , nicht
bloss für seine Anhänger^ aUmfthlig dahin , dass ihm die
verneinende Beantwortung im Umfange seiner drei Ver-
nunftkritiken, gerade so, wie sie sich in ihrem losen Ver-
bände an einander fügten, weil sie den wesentlichen phi-
31
482 Pichte*« Verhältniss
losopliischen Inhalt in ihren Bereich gezogen hallen, znm
ToUendelen Systeme der Transjjcendentalphilosopkie
Miirde. Im Gegensatze damit konnte nur auf das Stärkste
zum Bewusstsein kommen, was die Form der PiiUosophie
jftls Wissenschaft forderer sie müsse System „aiis
Einem Stücke^ sein.
Der Locke-Hum eschen Schule des Empirismus ent-
gegen hatte Kant die grosse Evidenz errungen, und da-
durch die Principien seiner Erkenntnisstheorie wieder za
der (richtig verstandenen) Leibni tzi sehen Lehre zurück-
geführt., (iass das schlechthin Allgemeingültige und Noth-
wendige unserer Erkenntniss nicht empirischen Ursprungs
sein könne, sonderm ein dem Bewusstsein Apriorisches
sei , nicht erst „von Aussen her* erworben , sondern sein
angebomer Besitz, Grund- und Urerkenntniss , damit zu-
gleich aberleer, nur die allgemeine ^Form^ sei, durch
welche der empirische, an sich formlose „ Stoff ^- erst ge-
staltet, zum wissbaren gemacht werden kann.
So schlüpfte, als etwas sich von selbsl Verstehendes,
die Nebenfolgerung mit ein, dass das Apriorische eben
nur von subjektiver Bedeutung, zugleich die leere
Form sei, welche sich mit fremdem, ganz von Anders-
woher stammendem Inhalte zu erfüllen habe. Der Idealis-
mus, welcher von der Einsicht in die apriorische Nalur der
aUgemeinen Wahrheiten unabtrennlich ist, entartete dadurch
zur beschränktesten Gestalt der Sabjektivitatsphilosophie ;
und die Falschheit der Folgerung aus der richtig erwie-
senen Apriorität von Raum und Zeit und von den Katego-
rieen auf ihre durchgängige Subjektivität musste aus so
unwiUkührlich leichtem Anfange in ihrem Resultate zum
ungeheuersten Verstösse werden. Nur von daher stanunt
der grundverwirrende, durch keine sachliche Nachweisung
gerechtfertigte Gegensatz zwischen subjektiven An-
ad^auungs- und Verstandesformen und einem objektiveo,
in jene Formen eintretenden Dinge an sich , womit die
ganze Lehre von dem nur Subjektiven seiner Erscheinung
und der absoluten Unerkennbarkeit seiner ObjekUvitit, wel-
zu Kant. 48S
che scheinbar sich erst aus einer langen kritischen Unter-*
Buchung ergeben sollte^ in Wahrheit schon in jene falsche
und zugleich unerwiesene Voraussetzung hineingelegt war«
Kants Theorie war ihm unwillkührlich fertig geworden
in den Voraussetzungen, mit welchen er sie begann.
Ein ^Erkenntnis 5 vermögen^ femer, diesem
Ausdrucke zufolge innerlich Eins und ein geschlossenes
Ganzes ^ kann auch nur in der ihm zugewandten Untersu-
chung betrachtet werden^ als diess aus der Einheit sich
entwickelnde, aus bewusstloser Unmittelbarkeit des Sinnen-
empfindens zu bewusster Entfaltimg gelangende; und die
Weise, dieser objektiv allgemeingültigen Entwicklung dessel-
ben zuzusehen, wird in diesem Falle auch die rechte Metho-
de einer kritischen Untersuchung desselben sein. Statt dessen
wurde dds Bewusstsein von Kant, und den Nachfolgern in
seinem Geiste, „zerlegt^, wie ein todtes Objekt, um seine
^Zusammensetzung^ zu erforschen , und die mannigfachen
Trennungen und Eintheilungen, seines theoretischen Vermö-
gens in Sinnlichkeit^ Verstand und Vemunil, der Vernunft sel-
ber in theoretische und praktische, in ein niederes und höheres
Begehrungsvermögen, in zwei Arten von Urtheilskraft; ***
dazu endlich die durch Alles hindurchgehende Scheidung
der apriorischen (subjektiven) Form des Bewusstseins von
seinem aposteriorischen (darum aber dennoch nicht eigent-
lich objektiv werdenden) Inhalte: — alles Diess lässt den
BegrüT des inner n Zusammenhanges, der Einheit für die-
selbe, aufsuchen, da sich im wirklichen Bewusstsein von
jenen Trennungen und Gegensätzen Nichts spüren lässt,
viebnehr das stets Fliessende und Uebergehende aller Zu-
stande desselben in einander die immer gegenwärtige Einheit
der Persönlichkeit darin thatsächlich bekundet» Auch diese
Einheit ist von Kant, als durchgreifende Thatsache^
richtig bezeichnet worden, •-* „das Ich denke muss alle
meine Vorstellungen begleiten können«^ — : aber so galt
es gleichfalls nur , wie etwas äusserlich, ja zufällig
jene .entgegengesetzten Zustände Verknüpfendes durch den
Akt der dazu tretenden Reflexion, nicht als allge-
484 Fichle*s Ycrhältnlss
gfenwartig durchdringende Einheit ihres, somit g e s c h I o s-
8 c ni9 n , Mannigfaltigen. Der Versuch jedoch , diese aus
dem Ich zu deduciren , musste gemacht werden , sobald
sich nur der strengere BegrifF einer Wissenschaft vom
Bewusstsein gefunden hatte.
Aber in jenem höchsten Resultate der Kan tischen
Vemunflkritik liegt zugleich ihr höchster Widerspruch : sie
endet in einer Halbheit, die der nächste Schritt der Spe-
kulation abwerfen musste. Die Dinge an sich, dem
Bewusstsein in seinen Anschauungs- und B^grifTsformen
erscheinend, verbergen sich nach dieser Lehre den-
noch eben dadurch ihm unwiederbringlich: wiewohl sie,
die Receptivitat desselben „afficirend% den Stoffseiner
Erkenntniss ihm verschaffen ; so ist doch dieser Erkennt-
nissstoff wiederum keiner e denn eben darum, weil wir sie
nach den apriorischen Anschauungs- und Denkfonnen auf
subjektiv bestimmte Weise zu erkennen genöthigt sind, ist
Nichts davon, objektiv an ihnen gültig. Es kommt Nichts
von dem Allen ihnen an sich zu, was wir „zufolge der sub-
jektiven Beschaffenheit unsers Erkenntnissvermögens'' ihnen
beilegen müssen. Der Akt des Erkennens selber entzieht
uns ihre Ansich - Erkenntniss ; durch ihr Erscheinen ver-
hüllen sie sich uns eben auf ewig : — der höchste Selbst-
widerspruch, und die tiefgreifendste Ungereimtheit, welche
je eine Philosophie ausgesprochen hat, zu der sie dennoch
unvermeidlich zurückgedrängt wurde durch jenes erste
Grundversäumniss.
Aber da von den Bestimmungen des das EritenntniiH»-
vermögen „ aflicirenden '^ Dinges an sich im Verlaufe der
kritischen Untersuchung ein Prädikat nach dem andern hin-
wegschmolz , was blieb es selbst in seiner völligen Inhalts-
losigkeit und Negativitat, als nur die leere Stelle für den
noch äusserlich zurückgebliebenen Gegensatz von Subjek-
tivem und Objektivem, der als Gegensatz des Inhalts
schon verschwunden ist ? Aber auf dem Gegensatse des
Subjekts und Objekts beruht hinwiederum die Grundorga-
nisation alles Bewusstsein«; jenes (leere) Objektive kann
zu Kam. 46S
daher nur als in und für das Bewusstsein sel-
ber gesetzt erscheinen, nachweisbar als noth-
Mrendiges Produkt dieser seiner sich vollziehenden,
thätig werdenden Grundorganisation. So machte sich
Fichte zum Erben der K a n t i sehen Spekulation, indem
er in der ersten Gestalt seines Systemes ihr nur wah-
res Ergebniss ganz aussprach.
Damit war aber auch sogleich eine andere Form der
Behandlung und Methode gefordert, denn es entwickelt sich
hier auch eine andere Grundansicht vom Wissen selber.
Es ist nicht mehr als leidende Receptivitdt , von Aussen
empfangend , wie bei Locke, nicht mehr als ein in sich
geschlossenes subjektives Vorstellen. mitten in einer unbe-
kannten , auf Glauben hinzunehmenden Wblt , wie bei
Hume, nicht mehr als eine Mannigfaltigkeit subjektiv
«priorischer, an sich leerer Formen, einem darin erschei-
nenden Dinge an sich gegenüber, wie bei Kant, sondern
als ein durchaus selbststandiges, immanent nach den eigenen
Gesetzen seines Wesens sich entwickelndes Princip, als
eine völlig geschlossene und aus sich zu er-
klärende Welt zu denken.
So stellte die Wissens- oder Wissenschafts-
lehre bei ihrem Hervortreten sich nidit als eine neue, der
K a n t i sehen entgegengesetzte Philosophie dar, sondern als
erneuerte, nur schärfer bestimmte Untersuchung der schon
von Locke und Hume angeregten, von Kant aber
näher vorbereiteten Frage nach dem Wesen des Be-
wusstsein s. Fichte 's frühesten und spätem Erklärungen
blieben sich darin völlig getreu : er fasste die K a n t i sehe
Theorie nur in streng idealistischem Sinne ; was dem Aus-
drucke nach dagegen war, getraute er sich durch eine
Auslegung zu beseitigen , welche Kant allein *erst mit
sich selbst in Uebereinstimmung zu bringen vermöchte
(Zweite Einleitung in die W. L., Phil. Journal
1797. U. 4. S. 371. if«). Dem Inhalte nach sei sein System
ganz nur das Kau tische-: er wisse, dass er nie Etwas
sagen könne, worauf nicht schon Kant, unmittelbar oder
486 Allgemeiner Begriff
mittelbar, deutlicher oder dunkler, gedeutet habe
(Vorrede zum Begriffe der W.L. S. V.). Alle Ma-
terialien seines eigenen Baues seien von Kant schon in
schtoster Sorgfalt neben einander gdegt, von ihm seien
aie uur zu einem innerlich, geschlossenen Ganzen zu Ter-
einigen« Sein wissenschaftliches Verfahren sei desshalb
ganz unabhängig vom Kantischen; er glaube den Weg
entdeckt zu haben, auf welchem sich die Philosophie zum
Bange einer evidenten Wissenschaft erheben könne*. Die
Philosophie, als Wissenschaft, müsse von einem eignen
Principe^ als höchste, absolute Wissenschaft, von dem
höchsten, schlechthin unbedingten Principe, von der Grün da-
läge allerGeivissheit im Wissen, ausgehen. Seine
Philosophie sei System, und System der Systeme , weil sie
IBr alle andern Wissenschaften die systematische' Form be-
gründet; die Kan tische Lehrd sei mir Prop&deutik n
einem solchen. (Phil. Journ, a. a. O. S. 359. BegrilT
der WissenschaftsU S. 11. 14. ff. 22. .ff. u. s. w.)
So Fichte bei seinem ersten Hervorbreten; ne/ch in-
nerlicher und erschöpfender erklärt er sich darfiber in sei-
nehVorlesungen aber die Wissenschaftslehre
aus dem Jahre 1804*), welche auch sonst ein wichtiges
Aktenstück in der Entwicklung seines Systemes sind, in«
dem sie den Uebergang In die zweite Gestalt desselben
enthalten«
Philosophie hat die Au%abe, alles Mannigfaltige
znrfickzuf&hren aufEitiheit, wie umgekehrt das Mannig-
Cahige sämmUich ^ so wie es ist, herzuleiten aus d^
Einheit, oder dem Absoluten. Philosophie ist „I>ar-
Stellung^ des Absoluten , als der Einheit alles Mannig-
faltigen. Diese Aufgabe hat die Wissenschaftslehre gemein
mit aller Philosophie ; nur fasst sie , dadurch sich unter-
scheidend von allen frühem, und. nach ihr hervoi^getre-
*} J. G. Pichte's nach g«laiaeu« Werk«. Bonn 1834.
B. ü. S. 95. f. 101. ff.
der Wissenschaftri^re. 467^
läfteit Philosophien , das Prfncip des HannigfalUgm in sei^
»er tiefslen Wurzel and letzten Urdi^unktion.
Vor Kant nömlich ^ (und eigentlich auch seit K a n t,
der in diesem Punkte gerade nicht verstanden worden , so
wenig , wie die Wissenschaftslehre) — wurde das Absoi
hite in das Sein gesetzt, ,,in das todteDing, als Ding^.
Aber schlechthin jedes Sein, so gewiss es fiir Ande-^
res ist, setzt Denken oder Bewussts.ein desselben
voraus ; : es ist selbst nur die Eine Hälfte , Clied einer
Disjonktion , welche aber,-, da alles Mannigfaltige auf die-
sen letzten Gegensatz von Denken und Sein nicht nur zu-
ruckgefdhit werden kann, sondern m us s , zugleich die
schlechthin höchste Urdisjunktion ist. . hie absolute E i n-
hei t kann daher, eben so wenig in das Sein, als in das
gegenöberstehende Bewusslsein , sondern i n d a s P r i n-
cip der Einheit und Unabtrennbarkeit beider
fallen ,. das zugleich damit das Princip der
Disjunktioii beider ist D iess nennen wir reines
Wissen-, Wissen an sich, also Wissen durchaus von
keinem Objekte, -^ weil es sonst nicht Wissen an. sich
wäre, sondern zu seinem Sein noch der Objektivität be-
dürfte, zum Unterschiede von Bewnsstsein , das stets
ein Sein setzt, und darum nur die Eine Hälfte ist.
Diess habe Kant entdeckt, ftigtFjchte hinzu, offen«»
bar nach der liberalsten Austeguhgsweise, indem er, was
ab vDientwickeUe EpnseQuenz in^ K^^ und in ihnl
selber erst entdeckt werden musstc, ials seine Bnideckung
bezeichnet *): dadurch sei er Stifter der Transsceh-t-
dcnta Iphilosophie geworden* Darin sei ihr also
auch die Wissenschaftslehre, als Transscendentalphilosophiev .
ganz ahnlich, dass sie nicht, wie die vorkantische Pbilo^
*] Vgl a. a. O. S. 102. Wi« er, «diesem gegenüber, das Pak*
ÜRche seine« Verhältnisses zu Kant aasab, ist aus persön-
lichen Aeasserungen gegen Fraunde au ersehen: Pichte*!
Lehen und litt erarit eher Briefwechsel 11.
S« 302. a03. 320.
488 AUgeme&ier Begriff
Sophie, In das Ding, aber aucli niclil In das aobjek-
tive Wissen, — «was eigentlich nicht möglich,
denn wer sich auf das zweite Glied besinne,
hätte ja auch das erste,^ — sondern in die Ein-
heit beider das Absolute setzt.
Hierzu fugt Fichte sogleich die polemische Bemer-
kung über das Grundmissverstandniss seines Systemes und
den Grundfehler der nach ihm auftretenden Verbesserer,
woraus sich ergiebt, wie er das S c h e 1 1 i n g sehe Princqi,
seinem eigenen gegenüber, gleich von Anfang angesehen.
Nachdem man nSmlich vernommen, dass die Wissenschafls-
lehre sich für Idealismus gebe , schloss man , dass sie das
Absolute in die subjektive Hälfte^ das oben so bezeichnete
Denken oder Bewusstsein setze, — wie sehr es
auch sich selbst und dem von ihr aufgestellten Begriffe
des Absoluten widerspricht. Dennoch sei diese Ansicht der
Wissensohaftslehre bei Freund und Feind gleich recipirt,
und es gebe kein Mittel, sie ihnen auszureden. Die Yer«
besserer hätten unter diesen Umständen das Absolute w i e-
d e r in die zweite Hälfte geworfen , beibehaltend übri-
gens das Wortlein Ich! —
Von Kant ist die Wissenschaftslehre aber dadurch
verschieden : die höchste Urdisjunktion und ihre Einheit
erkennend, ist er doch in eine Disjunktion anderer Art ge-
fallen. Das Band des unabtrennlichen Seins und Denkens
begriff er ; aber er begriff es nicht in seiner reinen Sdbst-
ständigkeit an und für sich, wie es die Wissenschaflslehre
aufiBteUt, sondern nur als gemeinsame Grundbe-
stimmung, oder als Accidenz seiner drei Ur-
modifikationen, in der theoretischen Ver-
nunft, der praktischen Vernunft und der Ur-
tbeilskraft, wodurch ihm eigentlich drei Absolute
entstanden, von ihm besonders abgehandelt in seinen drei
Kritiken, während ihm das wahre , Eine Absolute zu ihrer
gemeinsamen Eigenschaft verblasste. Der Begriff des
reinenCabsoluten) Wissens mithin, das sich selbst,
innerhalb seiner Urdisjunktion , nachweisbar und auf
der Wissenschailslelire. 489
vMter abzuleitende Weise , in jene drei 6nmdmodifik«tio<-
nen tlieilt, war K a n ten entgangen.
Diess reine Wissen — (gleich dem Absoluten
gesetzt , genau in dem angegebenen Sinne) — zum Auf-
gangs- und Deduktionspunkte zu machen, ist dagegen Cha-
rakter der Wissenschaftslehre. Daher muss es die Bo-
hauptung derselben sein, dass das Wissen , in dem Sinne,
wie es gefasst worden , wirklich eine rein für si.ch
bestehende Substanz sei, dass es, als solches, von
uns „realisirt^ werden könne , und dass eben in seiner
Realisirung die whrkliche Realisinmg der Wissenschaftslehre
bestehe.
Die Einsicht, mit der sie anbebt , wird daher keines-
Weges zunächst in der Einsicht der Spaltung des Wissens
in Sein und Denken , noch d^ tiefer liegenden Disjunktion
desselben in theoretische und praktische Vernunft und in
Urtheilskraft bestehen : \ielmehr in der Einsicht der u n-
mittelbaren Unabtrennbarkeit dieser beiderlei
Weisen, sich zu spalten. Die Deduktion dieser beiden Spal-
tungen besteht daher anderntheils in der Nachweisung der
darin sich behauptenden Einheit und Selbstständigkeit des
reinen Wissens. Das Princip des Wissens entspricht bo
dem Begriffe der L e i b n i t z i sehen Monas, nicht aber als
der endlich begräazten , sondern als des die Begränzung,
Spaltung und Concretion in sich ebenso unendlich setzen-
den, wie in seine Einheit und durchdringende Ganzheit
aufnehmenden urmonadischen Wissens. So ist jener Be-
griff der Urmonas einerseits aus seiner abstrakten Fassung
in die Wirklichkeit versetzt, andererseits jedoch ist es un-
möglich gemacht, was dem Principe nach von Leibnitz
schon geschehen war, mit dieser Gestalt des Begriffes das
Princip der Immanenz zu überwinden : die Wissenschafts-
lehre macht selbst vielmehr hiemach eine bestimmte Ge-
stalt unter den Systemen der Immanenz aus.^-
Die Wissenschaftslehre dringt somit hindurch bis zur
höchsten Synthesis , und vollzieht — „realisirt<< — so das
reine Wissen in sich ; sie gedenkt daher schleoUhin nichts
490 Einfteitspunkt
UihbegTeiffidKM asozogebeii, und Nichts nnh^Sbn za lassen;
wie sie denn sich bescheidet, gar nicht existiren zu wol-
len , falls ihr ein durch sie nicht Be^iffenes nachgewiesen
wird, indem sie durchaus entweder Alles sein will oder
^r nicht. .,,Sollte sie auch, wie ich zur Vermeidung
■des Missverständnisses sogleich hinzusetze, ein absolut
.Unbegreifliches zugeben müssen ; sa. wird
siiB es eben als das, was es ist, als absolut
linbegteiflich, begreifen, also es doch be-
greifet, wobei denn wohl eben das ab&olute
Begreifen anheben dürfte.<< (A. a. 0. S. lOäi
106. 104.)
Diese letzte, von uns desshalb besonders ausgezeich-
nete Aeusserung .triSl den Punkt, der, als der gemein-
«chflfUiohe , nach Rückwärts und Vorwärts weisend , die
irühere und spätere Gestalt des System^s verbindet. Oas
sis unbegreiflich begriffene absolut Reale
ist au c£i& Stelle des Kantischen Dinges an sich getreten,
und breitet sich aus dem diuikeln Hintergründe jcfaer Fas-
sung, allmählich immer* stärker und schärfer giefasst, in -der
fortschreitenden. Selbstbildung des Systemes aus. Aber es
ist in keinem Sinne ein Objektives mehr, wie bei Kant,
nur auch kein Subjektives , wie man nach dem gewöhnli-
dien Missverständnisse die Wissenschaftslehre ausgedeutet,
sondern was -schlechthin über diesen Gegensatz hinausliegt,
indem es ^ als absoluter Gehalt der jd>soluten form, ües
SubjekUObjektiven, diesen (erschöpfend von jener zu eon-
struirenden) Schematismus des Wissens erfüllt, und es sd-
ber dadurch zu dem als Schema (Bild) sich begreifenden
Schema macht. Diess die spätere Wendung des Systemes,
welche dem Wissen, als absolutem Urbilde^ ein Ursein^ das
Absolute oder. Gott, als Extstentialgrund untertegen niusste
vor und zugleich in aller Subjekt*ObjektivUäL
Hiermit wird aber alles bloss objektive Sein, das
eigentliche sogenannte ,JDing*', völlig aufgehoben und in
feiner Nichtigkeit nachgewiesen: diess ist die Bine^ nega-*
tive Seite der WissenschaOslehre , die PuncUuhaung des
des Sytftemes. 491
fHnclps der Reflexion. Die Aufrage des gemeinen Be^
wusstseins yoiq unmittelbaren Sein der Anssendinge kann;
philosophisch beurtheilt, nur die Bedeutung erbaltefi: dass
jene Aus^endinge und die ganze Objektivität Nichts seien,
als die Summe der gegebenen Vorstellungen
des unmittelbaren Bewusstseins', ilber deren
Realität oder Nichtrealität dasselbe gar nicht zum Zeugnisse
aufgemren werden kann. Es ist. vielmehr nur das durdi
die Wissenschall des Wissens, auch in seiner Gewissheil
eines . Objektiven sich gegenüber, in dieser lliatsäohlich^
keil zu Erklärende, oder aus einem hohem Principe zuBe«
gründende.
Indem es hfimlich von einem Objektiven weiss, wird
diess nur seine Vorstellung , dessen ganze Realität selbst
unreine vorgestellte, nicht seiende ist, d. b. eine solche^
Ober deren Sein innerhalb d i e s e s Wissens Nichts zu er«»
mittein ist Würde sie dagegen als nicht vorgestellte, son-
dern nuT seiende gefffsst; so wäre sie hiermit gar nicht
wehr für das Wissen vorhanden , und in keinem mögH^
eben Bewusstsein kann es ubeiliaupt vorkommen. Würde
sie aber wieclerum als Gewusstes gesetzt ; so begänne da«»
mit nur derselbe Zirkel, des Wiederaufgehobenwerdens.
Indem das Sein fiir Wissen ist, ist es eben nichi Sein,
sondern Vorstellung: wäre es jedoch nidit für dasselbe,
«o'kann überhaupt in-B^zug auf Wissen, in keinem Sinne
von Ihm die Rede sein.
tJm daher den Widerspruch in ganzer Schärfe auszu*
sprechen:, das Wissen und Sagen vom Sein hebt
im Einzelnen das Sein selbst auf, und zer«-
stört sein Ansich: indem esEtwas für das
Bewusstsein wird, hört es damit auf, E twas
an. gich zu sein, und ist lediglich Vorstellung
eines solchen Ansich. Diess, dass kein S e i n ohne das
zweite, -^ wiewohl in der Regel, gleichfalls nach einem
«bsolnten Gesetze des Bewusstseins , verborgen bleibende,
— Glied ddr es setzenden Vorstellung, — des Denkens,
sei, bezeichnet Fichte als die grosse Entdeckung K a n t s,
492 Princip
womit er Jedem Dogmatismos iür immer ein Ende gemacht
habe. Aber entschieden, in einem Gesammtausdnicke zu-
aammengefasst , hat er selbst es ausgesprochen.
Indem nämlich solchergestalt das Wissen immer sdion
mehr ist, als es unmittelbar von sich weiss; knüpft
eben diese unvermeidliche Doppelheit seiner Natur — die
nothwendige Folge seiner absoluten Grundform — den
seltsam verschlungenen Knoten der Reflexion, die je-
des gegebene Wissen in's Unendliche zwingt , über
sich selbst hinauszugehen, und so in Widerspruch mit sich
zu treten. Das Wissen selbst ist , seiner Form zufolge,
diese absolute Reflexibilität; indem es jedoch auf
diese Weise stets seine eigene Begranzung zu überschrei«
len vermag, wird auch der Augpunkt desselben dadurch
stets ein anderer , und das Bewusstsein der Realität , in
welchem es dort aufging , ist hier verschwunden , indem
diese nun zu einem bloss Vorgestellten herabgesetzt wird.
So sucht das Wissen im Einzelnen ewig eine Stütze,
worauf es fusse , während es doch eben im Einzelnen sie
sich stets selber hinwegzieht. Es bezieht sich unmittelbar
auf Sein, als das in ihm Abgebildete; aber die Reflexion
hebt dabei hervor , dass das Wissen überall , also auch
hierin , nur von sich selbst wisse ; jenes Sein also selbst
nur Vorstellung des Seins sei.
In welcher einzelnen Form oder Thatsache das Wis*
sen daher Seinsetzend wäre , d. h. aufginge in abso-
luter Gegebenheit, wie diess, zufolge seines Wesens, ihm
nothwendig ist ; so hätte damit die Reflexion Befugniss, es
aus dieser Abgeschlossenheit aufzujagen, indem sie das
ebenso in der Form desselben liegende Bewusstsein geU
tend macht, dass jenes Sein doch selbst nur innerhalb
des Wissens, ein von* ihm Vorgestelltes sei. — So
scheint alles Wissen/ in einem beständigen, sich selbst bc*
kämpfenden Widerspruche aufzugehen: so wie das-
selbe von der einen Seite in einer festen^ gegebenen Be-
granzung, in einer angeschauten Realität, sein Beruhen
finden muss; so wiederholt die Reflexion, durch gleiche
der ReOexion. 493
Gesclzlichkcit des Wissens bedingt, eben so im Einseinen
unendlich den Process , diese Realität zu stürzen und auf-
zuheben. Es ist ein ewig wechselnder Kampf zwischen
augenblicklicher Beruhigung und desto entschicdenerm
Zweifel ; nur, indem das Wissen Realität noch sucht, scheint
sie ibn beschieden; wie es jedoch sie wirklich erreicht
zu haben glaubt , schwindet sie ihm dadurch ; und jeder
Moment , wo es die ewig fliehende und dennoch stets vor
ihm schwebende erreicht zu haben meint, deckt ihm nur
eine neue Selbsttäuschung auf.
Dieser Zirkel und stets sich erneuernde Widerspruch,
in welchem das Bewusstsein im Einzelnen unrettbar
gefangen ist, begründet eben alle Skepsis, wie alle negativ
idealistischen Theorieen. Ist einmal die unmittelbare Ein-
heit zwischen Wissen und Sein, die Uebereinstimlnung von
Subjektivem und Objektivem, in der alles unbefangene (nicht
reflektirende) Bewusstsein aufgeht, zerstört, sind beide
durch Reflexion in Gegensatz mit einander getreten ; so
kann diese nur darin enden , beide Glieder , als von ein-
ander unabhängige, aufzuheben. Es wird geltend gemacht,
dass das Sein doch eigentlich nur in und für Bewusstsein
existire , wahrhaft also beide Gegensätze nur in absoluter
Einheit mit einander existiren können. Von der andern
Seite i)eruht aber ebensosehr der ganze Organismus des
Bewusstseins auf der Wechselbeziehung zwischen Subjekt
und Objekt, zwischen Bild und Gebildetem, also auf dem
wahren und realen Gegensatze derselben , so dass es
bei jener Ansicht der Reflexion dennoch nicht sein Be-
wenden haben kann.
Doch fruchtet es Nichts , vor dem nicht minder noth-
wendigen Ergebnisse derselben bloss die Augen zu ver-
schliessen und seine Konsequenz ignoriren zu wollen, wie
diess in jeder dogmatischen Philosophie geschieht , d. h.
einer solchen, worin das Princip der Reflexion nicht aner-
kannt und mitdurchbildet wird. — Wahrhaft spekulativ kaon
jene Konsequenz demnach nur dadurch überwunden wer-
den, dass ihr Princip vollkommen durchgeführt , und damit
494 SpokuIflUve Ueberwindunjf diese» Princips.
die eigenllichc Wurzel und der Grund jenes Widerstreites
im Bewusstsein selber aufgedeckt wird.
.Es ist der Standpunkt und die philosophische Bedeo«
tuttg der Wissenschanslehre, jenes Princip der Reflexion in
wissenschaftlicher Form geltend gemacht , aber in ihrer
weitem Entwickeiung auch über sich selbst hinausgebracht,
und seine Ternichtende Gewalt aufgehoben zu haben. Jena
Seite — die negative — möchre an ihr erkannt worden
sein von den Mltphilosophirenden, weniger entschieden die
aiidere, eigentlich erst, erfüllende , welche ihr im grossen
Ganzen der philosophisclien Wissenschaft stets einen be-
deutenden Platz sichern muss *). Indem sie nändich das
Besinnen zum Charakter ihres Philosophirens machte,
und darin zu absolut durchsichtiger Besonnenheit
sich vollendete , hat sie eben damit jenes , alle Realität
verflüchtigende Princip der Reflexion über sich selbst
verständigt , und seine wissenschaftliche Gränze und ei«>
f entliehe Bedeutung ihm nachgewiesen. Kant hat we«
nigstens hingedeutet auf diess ganze Verhältaiss, indem
er , wenn auch noch in mangelhaftem wissenschaftlichem
Ausdrucke, das Ich denke, welches alle einzelnen Vor.
Stellungen müsse begleiten können, als die synthetische
Einheit der Apperccption , als den Brennpunkt alles Be*
wusstseins bezeichnete. Mangelhaft nennen wir aber je«
neu Ausdruck aus doppeltem Grunde , weil nicht das
Denken oder überhaupt eine besondere Geistesfunktion
es ist , welche wesentlich die Einheit der Apperception
ausmacht ; sodann weil das Ich nicht bloss alle einzel-
nen Vorstellungen muss begleiten k ö n n en , sondern
wirklich begleitet, ja wesentlich in sich schliesst, wiewohl
es nicht immer aus dem innem Mittelpunkte des Bewusst^
*) Gleichwohl ist fu gestehen, dass seit dem ersten Erscheinen
(lieser Schrift und seit der Bekanntmachung der nachgelasse-
nen Werke Ton Fichte uuch diese Seite seines Systemes
eine ToUständigere und allgemeinere Anerkeuntuiss erlangt
hat. Anmerk. zur sweiteu Aufl.
Erste Gostalt der Wissenschaftslehre. 495
seiDs als das Selbstsehcnde in die Peripherie des Selbstge^
sebenwerdens tritt
In der ersten Darstellung der Wissiensch^flslehre kam es
nödi darauf an, jene höchste Einheit von^ Subjekt und Objekt
selber zu gewinnen , und aus ihr die Nothwendigkeit der
ifi ihr selbst gesetzten Gegensätze zu construiren. Daher
ist dort das allgemein^ (unendliche) Ich das Deduktions-
princip, welches, an der schlechthin durch dasselbe ge*
setzten Begränzung des Nichtich sich verendlichend,^
gleich in ein unendliches Streben über dasselbe hinau^fe-
wiesen wird. Hier streift jedoch das System noch unent«
schieden in sich selbst an's Nihilistische. Aber je mehr
das Ich sia die absolute Form der Subjekt - Objektivität
erkannt wurde, desto stärker trat das darin still vorausge-^
setzte Substantielle und die Nothwendigkeit ihrer Erfüllung
hervor. Hiermit muslste der Ausdruck : Ich für das Prindp
hinwegfallen ; die Substanz des Wissens, das Universum
der Intelligenz , trat an seine Stelle , bald realistischer als
Dasein des absoluten Seins (in seiner Religionslehref),
bald idealistischer, als Licht, Urlicht, endlich als sich selbst
verstehendes und damit in seiner Absolutheit sich vernich-
tendes Schema , Erscheinung des Absoluten, bezeichnet.
Nach diesem Vorblicke wird nun auch die erste 6^
slalt seines Systemes,^in ihrer historischen Beziehung zu
Kant und dessen unmittelbaren Nachfolgern, in etwas an-
derem Lichte erscheinen^ wie gewöhnlich.
Dass es dem Kantischen Kriticismus an der Einheit
eines Alles zugleich umfassenden, allgemeingültigen Princips
gebreche, hatte schon Reinhold entdeckt, und die For-
derung gestellt, die Transscendentalphilosophie auf ein sol-*
ches kritisch reflektirend „aufzubauen^, um die an sich
zwar allgemeingültige Philoisophie Kants dadurch auch
WT allgemeingeltenden zu machen. Aber als R e i h h o 1 d
seine Theorie des Vorstellungsvermögens entwarf (1788 —
89), war kaum, die K an tische Kritik der praktischen Ver-
nunft (17bb.), noch nicht seine Kritik der Urtheilskrafi
496 Erste Gestalt
erschienen. So konnte jener nur darauf bedacht seiii) die
in der Kritik der reinen Vernunft unverbundtn gebliebenen
Gegensätze unter sich zu vermitteln durch eine gemein-
schaftliche Thatsache des Bewusstseins.
Der Gegensatz, wie der Zusammenhang zwischen ddm
Trahsscendentalen und Empirischen, das Gemeinschaftliche
der Sinnesanschauung, der Verstandesbegrifie und der Ter-
nunftideen lässt sich auf den verbindenden Begriff der
Vorstellung zurückfuhren. Alle jene Unterschiede, in-
dem sie in das Bewusstsein eintreten, können nur von ihm
vorgestellte sein. Mithin ist der „Grundsatz^ der Vor-
stellung der einfachste und oberste ; er besitzt durch sich
selbst Evidenz und Gewissheit. — So entstand aus
der Einsicht in jenen Mangel der K an tischen Transscen-
dentalphilosophie das Bedürfniss — aus der Entdeckung jener
Üniversalthatsache der Entwurf einer Elementar- oder
Fundamentalwissenschaft für dieselbe, welche
Reinhold als Theorie des Vorstellungsver-
mdgens auszuführen gedachte. Die weitem Verhand-
lungen ergaben indess sehr bald , dass jenes Princip kein
,iGrundsatz<<, sondern eine Thatsache, kein an
sich Evidentes und Grundgewisses, sondern ein durch psy-
chologische Analyse gefundener höchster GattungsbegriiT
des Bewusstseins sei , aus welchem man nicht synthetisch
deduciren , sondern in fortgesetzter Analyse die äbrigen
Thatsachen des Bewusstseins unter ihn einordnen könne.
Demnach war dadurch der nächste Fortschritt gesche-
hen : der Begriff eines Einheitsprincipes, aus welchem sich
synthetisch - nothwendig der Grundgegensatz und die wei-
tem Unterschiede des Bewusstseins ergeben, war als For-
derung aufgestellt. Ebenso hatte Jac. Sigism. Beck,
wiewohl später, als der erste Entwurf der Wissenschafts-
lehre schon erschienen war^ von anderer Seite den Trans-
scendentalismus Kants vollendet: das Ding an sich, die
ausserhalb des Bewusstseins fallende, es „aflicirende^ Ob-
jektivität war von ihm (in dem „einzig jn öglichen
St.andpunkte, aus welchem die kritische Phi-
k
der Wisserischtililehre. 497
losaphie b'earthoiit werden innss*. Riga 1796.)
als unverträglich mit dem .wahren Sinne, der Kan tischen
Philosophie^ abgewieaen worden. Ebenso. hatte Kant sA*
ber dnrch den Säte ron der Einheit der spithetischcn Ap«
perception auf des. höchste^ allvermittelnde Princip im. Be^
wusstsein gedeutet Die Combination von diesen drei Ge-
danken enlhielt das Princip der WissenschaOslehre , und
sie war sich zugleich dies^ Entstehung' vöfiig bewusst;
wie es Oberhaupt der glücklichste und bildungsreichsta Zeit**
piqikt für die Fhüösi^hie ist , wenn sie sich stetig und
selbatbewusfll entwickelt^ oder-, falls die nächsten Schritte
des Pfades dch zu verlieren dirohen ^ wenn sie Tfid[warts
blickend sich vöUig. 2u . Orientiren sucht Diese besonnene
Reife damaliger Ausbildung forderte besonders Rein-
hold, weniger durch die Macht seines Denkens , aber
durch die Sittlichkeit und offene Geradheit seines Forschens.
Er war sogieich bereit, auch einen 'ihm selber feindüehen
Fortschritt gewissenhaft eiiizugei^en und empfehlend in
das Publikum einzuführen. Selbst seinem spätem Missgriffe
mit der Philosophie Bardili*s, endlieh seindln Versuche,
noch weiter zurdckschreitend, durch Krtük der Spradie und
crkennlnisstheoretischQ Forschungen über das Veriialtmss
der Sinnlichkeit, und des Denkvermögens eine Vereinba-
ning unter den Philosophieen herbeizufuhren, lag unstreitig
in dunkler Ahnung das Richtige und gerade Zeilgemässe
zu Grunde : doch trat es nie klar :und vollendet , dai'um
anch nicht zu eigener Befriedigutig iur ihn, aus ihm her-
aus. Reinhold gehörte zu den Geistdm, wdchc nie
fertig mit sich werdfin , aber durch die hallungsvoUe,^ ge-^
wissenhafle/ Selbstbeschaidung stets ehlwdrdig bleiben. *)
*) Die Urtheile Fichte'* über Rein hold und seine Philoso-
pjjie (^Begriff der Wis tensehaftslehre'«. Vorrede
S. VI.), weldie er nie verläugnet hat {▼ergl, „ Leb en.ti ni^
Briefwechsel" H. 273. 77. f. 3l0-«^12. 323.)/ und dofi
Schellings (Pliilos. Schriften S. 65. 66,) , müssen auch
ieftt nis durchaus bezeichnend und roassvoll hier angeführt
U'crdfn«
32
496 Brsle Gastall
Fiehle selber spricIU sich Ober jenea Uebecgaag so
aus (Leben und Qriefwedisel II. S* 22&) : er habe bloss
die Bemerkung' R ei nholds^ dass das System der Philo»
Sophie auf einen hödisten, dorch sich evidenten Gnaidsalz
ruhen müsse, und Kants Bemerkung, der oflfonbar auf
die Subjektivität, als dieses Priacip, hingewiesen» unter sich
zu veitinden nölhig gehabt , um die Idee seinw Wissea-
schaftslehre zu jEassen. Richtig; denn das in der Thal
durehaus Neue, was durch Fichte in die PhOoaophie
Kam , der Geist der Methode , der dedudrcnden Aohiei-
sung der Nolhwendlgkeit , von Glied zu GHed sfsthetisch
fortzuschreilen, war in der Forderung begriodet, die ganze
Philosophie aus Einem Principe herzuleiten. Es war damit
in die stagnurende Zeit ein Eingriff geschehen , wie durch
Des Cartes, spateriiin durch Hegel, und nicht so-
wohl eine besfimmte Gestalt des Systenes , viebnehr em
neuer Büdungsstandpunkt und Stil des Philosophirens ein-
geführt. Die so asigertgte und Andern mitgetiieilte Bewe-
gung reicht weit hinaus aber das Ziel , welches der Be-
ginner ihr setzte , und schon in Fichte hat seine Me-
thode mehrere sehr bestimmt zu unterscheidende Stadien
des eigenen Systemes hervoigebitdet
Schon diess ist bedeutungsvoll, dass er, der Erste seit
der Cartesianischen Schrift de methodo , über den Begriff
der Philosophie als Wissenschaft nach ihren formellen An-
fdrdeningen — (Kant hatte nur die allgemeine Möglich-
fceit derselben zu untersuchen sich vorgesetzt) — selber phi-
losophirte. Es ist geschehen in der Schrift: „üb er den
Begriff der Wissenschaftslehre oder der so-
genannten Philosophie«' (1794. 2te Aufl. 1798.)-
Hierin wird aus dem allgemeinen Begriffe der Wissen-
schaft, aU einer Gewissheit im Wissen, wodurch
ein Umkreis von Sätzen verbunden und zur gleichen Ge-
wissheit mit dem Principe der Wissenschaft erhoben wer-
de, die Nolhwendlgkeit nachgewiesen, dass es eine Wis-
senschaftslehre geben müsse: — die Wissenschaft
nämlich, welche den Grund aufzuweisen hat, wann über-
dar WtesenschaiUlebre. 490
hanpt eine solobe (bedingfie) Gewtesheil In Wissen zu sein
vermöge, dorcli Nackweisung desFrincipes des Wis^
sens, setner Urgewissbeit
Sie muss daber ein Princip für sieb selbst beben, .
welcbes weder aus ibr bewiesen werden kann, noch aus ^
irgend einer andern Wissensohaft. Das Princip isl, weil
es ist , unbedingt und sugleicb aUbedingend ; diffoh sich
evident; aber allem Andern nur durch seine Gegenwart
darin Evidenz verleihend. Giebt es daher überhaupt cÄn
System im Wissen ; so giebt es auch< einen ersten , abso«-
luten Grundsatz nnd me Wissenschaftslehre : giebt es
diese, bo auch jenen. Auch die Wissenschaftslehre kam
nur sein, weil sie ist. Es ist dies der unvermeidliche Zir«-
kei, der dann immer sich ergiebt , wenn wir zum Schlüsse
gelangt sind, zu der sich selbst tragenden und in sich zu«-
Tuckkehrenden Vollendung. Nur die Wissenschaftslehre \^
diese Totalit&t, und so absolut vollendet , weil sie die ab^
sohlte, in sich selbst gleiche, in der Anwendung aber on«
endliche Gewissheit des Wissen» zu ihrem Principe hatL Sie
ist die Wissenschaft von der nothwendigen Hand«*
Inngsweise des menschlichen Geistes in $ei^
ner (dem Inhalte nach unendlichen) Freiheit des
Handelns.
Desshalb ist nicht mehr, wie bei Reinhold, die
allgemeinste Thatsache des Bewnsstseins , sondern die
nrsprunglicbste Thathandlung in allem Wissen der
Ausgangspunkt der Wissenscbaftslehre. Es ist diese das
sich selbst setzende und in allem Setzen mit sich gleich
bleibende Idi. Die Gewissfaeit und Nothwendigkeil in allem
öbfigen bestimmten Wissen ist nur die Uebereinstim-
mung und Sichselbsigleichheit des Ich in dieser einzdheA
Gestalt seines Stchselbslsetzens. Somit setzt sich die Ge-^
setsgebung des Wissens aus dem reinen Ich fort: das
Notbwendige, was in der Urgewissheit (Ich =s Ich) gröndef:,
geht in (tie einzeheii Gebiete des Wissens über: ds ist
nur die Fortsetzung und concrete Passung jener ürgewiss-*
heit selber. Diese wird dann aber 01\jekt besondem*
600 Das absoluta loh in denelben,
Theile der WUsetiscIiAfblehre, oder eigeMr abgesonderter
Wissenschafteiu (Das VerhaUaiu» der Geometrie, der Na-
turwissenschaft und der Logik xnr Wissenschaftalehre hat
Fichte in diesem Sinne besonders abgeleitet: ^Begriff
der W. L.« S. 42. f. S. 4t--Ö0.)
Der Schematismus der Wissenschallslehre in ihrer frü-
hesten Darstellung , nach den drei möglichen höchsten
Grundsätzen, — dem ersten, nach .Inhalt und Form unbe-
dingten , dem zweiten , unbedingt der Form \ bedingt dem
Inhalte nach , dem dritten , unbedingt im Gehalte , bedingt
in der Form , — können wir hier übergehen , indem er
gleich in der zweiten Bearbeftung derselben (in deo Ab-
handlungen des philosophischen Journals 1797.) Cailea ge-
lassen wurde. Die „zweite Einleitung in die W.L*
giebt dagegen ausreichende Rechenschaft (eb endaselbst,
1797. Bd. L & 327. ff. 334. ff. IL S. 36. ff.), wie das Ich
derselben, durch reine, aber denkende CinteUektudle')
Selbstanschauung, zu gewinnen seL
Das reine, absolute ich ist nur durch unendliche, sidi
selbst setzende Thätigkeit. Ueber das Ich kann nicht hin-
ausgegaiagen mrerden: was da ist, ist nur für dasaetbe;
und die Memung , dariiber hinausgegangen zu sein , bebt
sich selbst auf. Alle Realität, wie Gewissheit lur uns, fallt
nur innerhalb desselben.
Aber die. unendliche Thätigkeit des reinen Ich ist nur
als begränzte zu denken, wenn es zu wirklicher Selbst-
anschauung kommen soll. Schranke jener Thätigkeit ist
also das schlechthin zu Fostulirende , damit das in seiner
Thätigkeit ah sich unendliche (hiermit ideell^) Ich in den
Moment wirklicher Selbstanschauung trete. Das concrete
Ich wird es nur am ebenso bestimmten Niehtich.
Schranke, Beschränkung innerhalb der Unendliebkeit, setzt
aber Theilbarkeit der letztem, jede Theilbarkeit fer-
ner setzt Quantum: Es muss daher im reinen, absolu-
ten Ich ein theilbares Quantum des Ich sowohl, als
des Nichtich, gesetzt sein, welches aber ebenso schlecht-
hin muss aulgehoben, in seiner Schranke überschritten
vorbildend das Pr&icip Schelltngs und Hegels. 60 i
werden Itönnen, ohne dass das (reine) leb anfgeho-
b e n ist. Das absolute Ich kann sich nur als em schlecht«
hin getheiltes Ich (unendliche Reihe von Ichen), einem ebenso
gelheilten und durchaus bestimmten Nichtich gegenüber
(Sinnen weit), wirklich anschauen. Beide sind daher tä
dem absoluten Ich und durch dasselbe nicht nur über^
hatipt in unabtreiinlicher Beziehung zu ein^
ander, sondern zugleich als schlechthin sich ge-
genseitig bestimmende gesetzt *)
Diess Prittcip nun , — die Einheit des Unendlichen
und Endlichen , die es eben dadurch ist , dass es , absolut
sich verwirklichend , sich verendlichen muss , aber jodo
Sclbstverendlichung überschreitend, sich darin als das Un-
endliche erweist, — diess Princip ist der Grundbegriff des
Absotuteii in den beiden folgenden Systemen gew4>rden<
Das reine, absolute Ich F i e h t e 's stellt vorbildlich die ab-
solute Identilat des Sttbjektiyen und Objektiven bei Schel-
lin g dar, welche, ausdrücklich als „unendliches SuIk-
jdit-Objekt^ bezeichnet, „ihrer Natur nach sich objektivirt ;
aber aus jeder Objektivität (Endlichkeit) nieder hervor- und
in eine höherePotenz der Subjektivität wieder zuruck-
trill«. So scheint vielmehr der Begriff der Steigerung, der
Potenzen jenes Processes , bei S c h e 1 1 i n g der specifisch
neue zu sein ; aber auch von diesem wird sich eine Ana-
logie in der Wissenschaflslehre finden. Ebenso , ja noch
entschiedener, taudit das absolute Ich F i e h t e 's in H e-
g e 1 s absoluter Idee mit dem Momente der unendlich über-
greifenden Subjektivität wieder auf. Und F i c h t o'n selbst
cigriff einmal dor Gedanke (in einem Briefe an Jac obi
*) Man vergleiche auuer dem entea HauptftbedmitU des t h e <^
retiBchen TbeiU der W. L. (»^Gruadlage des tkeoreUschett
W»tent<< SL 46. ff.) ond dem J&rund risse Jet Eigen-
ihamlichen der W. L. in Rucksicht auf das theo-
retische Vermöge n« seine ErlLlärungen im Briefwechsel
mit Jacobi und Reinhotd (Leben U. S. 18L Vd2.
231. 32.)
502 Das endltche Ich uiul NichiclL
a. a. 0. S. 181.>, welchen er nur im Systeme selbst kei-
ner Durcharbeitung unterwarf, dass das Einzelich, auT em-
pirischem Standpunkte , das reine Ich ausser sich als
€k>tt setzen mässe , mit Hinzufügung der merkwürdigen
Worte: ^Wie kämen wir auch sonst zu den Eigenschaf-
ten, die wir Gott zuschreiben, und uns absprechen, wenn
wir sie nicht doch in uns fönden, und nur in
einer gewissen Rücksicht, als Individuum,
sie uns absprächen?^' Dass aber aus diesem Prin-
cipe, so unmittelbar von Kant herkommend , kein Ideal-
realismus werden konnte im vollen Sinne , diess hatte
dann seinen ausreichenden Grund, dass Fichte sein von
dort aus gewonnenes Princip überhaupt nur insoweit gul-
lig finden konnte, als die Grundthatsache des Wissens und
der Gewissheit i m Wissen daraus deducirbar sei. Wer
giehi uns denn das Recht, über das Ich hin-
auszugehen? — musste er fragen, — oder ist, wenn
wir auch hinausgegangen zu sein erachten, das vermeint-
lich darüber Liegende nicht dennoch nin* (ur das Ich,
aus welchem Zirkel wir nie herauskommen ? Kurz ^ die
Konsequenz der Reflexionsansicht musste zuerst lur sich
selbst und vollständig sich durchsetzen, und durch sich
selber überwinden. Diess Schauspiel wird uns das Fol-
gende vorführen.
In jenem Principe ist ein Gnmdgegensatz enthalten,
aus welehem die UrcUsjunktion aUes wirklichen Wissens
hervorgeht.
1) Das Ich setzt sich als durch ein Nicht-
ich bestimmt, der Schranke seiner absolu-
ten Thätigkeit: dicss ist in höchster Allgemeinheit
intelligentes Ich, auf das Unmittelbarste Ge-
iuhl, Siefa-Fixirlwissen des Ich in einem gewissen, durchaus
bestimmten Bildrnhalte. Es ist in jedem Falle der voraus-
zusetzende Moment fUr das Folgende; das Ich, bevor es
praktisch werden kann, muss sich als wirkliche In-
telligenz erst ergriffen haben: dicss ist nicht möglich,
ohne ihm gegenüber die Schranke , das Nichlich , als be-
Dm miäche loh und HlcblicL 503
sUnoiendoi, das (endliche) Idi, ab aeiaer FaMtilil sich
bewiusles, vorauszusetzeiu Ohne Objektires kein
Sabjekl.
2) Das Ich setzt sich als bestimmend das
Nicht ich; der ebenso ursprünglich mit dem ersten ver-
einigte , aber sogleich darans resultirende Zustand des
praktischen Ich.
Auf dem steten Sichvoraussetzen und Sichgegensetzen
dieser beiden Grondzustande beruht die Organisation des
Bewosstseins. Ohne den Gegensatz von Ich und Nichtich
und ohne dasBewusstsein gegenseitiger Einschränkung wäre
gar keines wirklich: denn wirkliches Bewusstsein ist
nur ein bestimmtes Verhältniss dieses Gegensatzes. Das
Ich kann sich gar nicht anders als wirklich setzen ^ denn
durdi das Nichtich bestimmt ; diesen Zustand bringt es als
Leiden, Receptivitat, Gebundenheit in seinem Wissen, zum
So wird ilun das Nichticb zu Dingen an sich und
ausser ihm. Das VorsteUen der Dinge ausser uns ist
ein Handeln des Ich , wodurch es die Realität von sich
hinweg in die Dinge setzt. Dadurch erhalt das Nichtich
für das Ich selbststindige Wirklichkeit , aber nur insorcm,
als das Ich die an sich seiende Wirklichkeit y die nur ihm
zukommt , auf jenes überträgt. Ausserhalb der Beziehung
auf das Ich , auss^halb dieses Augpunktes des Bewusst-
-Seins, ist es ohne alle Bedeutung. Diess ist leicht und
unwidersprechlich zu erweisen: die Behauptung seines An-
Sichseins schlösse sein Sein für das Ich aus. Ihr
wirkliches Yoigestelltwerden setzt die „Dinge«' also noth-
wendig innerhalb der Sphäre des Subjektiven,
ab Produkte des reinen Ich in seiner absoluten und un*
endlichen Ihätigkeit, als Gegenüber dem endlichen Ich, dem
sie dadurch ein vorgestelltes Ansich werden.
— Diese Sä4se— jugen wir hinza —sind in solcher
Allgeroeinheit noch unbestimmt und bedürfen der Ausführung
uad nähern Fixinug; aber widerlegt, direkt au%ehoben
können sie nicht werden. Der wirkliche Gegensatz
501 Das theoretische Bewtestseia Aßs Ich.
swisdhen deh Dkiefen ^ind ihrem Bewui^rtseiii, der
listische oder' dsaltotische Gesichtspunkt , ist darch sie fär
immer widerlegt. F ü r die Intelligenz vermag nur zu sem
das an sich Intell%ible. -^ i
Jüehmen wir daher jene Lehre von der Einwirkung
der äussern Dinge auf das vorstellende Subjekt an, so ist»
nach dem doppelten Gesichtspunkte, auch eine doppelle
Antwort darauf 2u geben :
tDem £inzelich gegenfiber, in seiner nnmillelbttreii,
empirischen Seibstgegcbenheit, sind sie durchaus unabhän-
gig von demselben^ gleichgebürtig mit ihm , seine Tätig-
keit' ursprunglich beschrankend und weiter sonach stets
bedingend; — wiewohl in dem tiefsten Grunde der Sache
„wir innner es selber sind , die auch darin handefai , nicht
die Dinge.«
Von dem transscendentalen Gesichtspunkte aus entdek-
ken wir aber für beide, als die schlechthin unaiH
trennlichen antithetischen Glieder einer
Synthesis, indem das für das Ich Seiende nur im
Ich sein kann, den gemeinschaftlichen Grund im reinen
oder absoluten Ich.
Hiermit sind die beiderseitigen Ansprüche des Realis-
mus und Idealismus wirklich' ausgeglichen : beide wollen
das Problem über den Zusauimenhang der Erkeniitniss mit
^em Dinge an sich lösen. Aber der einseitige (dogmati-
sche) Realismus , wie der einseitige (bloss subjektive oder
skeptische , die Welt zum Schein herabsetzende) Idealismus
vermögen es nicht ^). Hier ist die Ausgieichung völlig und
gtfindlieh erfolgt. Der transscendentale Idealismus fuhrt
gerade den Beweis dessen, was der ReaHsmus nur behaup-
täa kann : dass wir der Dinge bewusst werden, wie sie
sind; Der transscemJentale Standpunkt' vertritt gerade
völlig den realistischen; er ist zugleich empirischer
Realismus, und in diesem Sinne hat sich die Wissen*
*)„E£St* £ialei.t^n9 in ^'^ WiiiieAacliartsleliff
von l'^i^hte« PhiU Jouro. t797. B4. 1. S. 37. ff.
Das UieoretiMSlio Beünmtscin des Ich«: 506
sciiirfhMure gleteh Anfangs ifir ideal-Realismns er-
klait ; denn durch sie , wie sich Fichte an einer andern
Sfetle ausdrückt, erfolgt ^die ganzliche Ausitöhnung
der Philosophie mit dem gesundenM^nschen--
Terstande^. Diess kann nur betssen, da die Aussagen
des „gesunden Menschenverstandes^ in keinem Sinne Etwas .
philosophisch erklaren können^ vielmehr selbst das p h i«
losophisch zu Erklärende sind: er wird in seineioi
unmittelbaren Bewusstsein in der That völlig erklärt und
so in sich zufrieden gestellt *)
Die urq)ringliehstc Einheit zwischen leb und Nichticb,
Bewusstsein und Ding, ist aber das G e f fi h 1. Fühlen hcissi
unmittelbares Bewusstsein dieser Beschrankung desBildens;
und diese ist das Ursprünglichste im Ich, der faktische
Entstduingsgrund des einzelnen Ich. • '
Dass daher ein Ich , und ein ihm Entgegengesetztes
— Nichtich — sei, geht schlechthin allen Operationen des
Gemütbes voraus; sie werden dadurch erst möglich. la
die Sphäre des empirischen Ich fällt gar kein Grund,
warum das Ich » Ich , und das Ding » Dkig sem müsse :
auch ist diess aus jenem Ich nimmermehr abzuleitw » aus
dem überhaupt sich Nichts ableiten lasst: — sondern diese
Entgegensetzung ist ihm, als empirischem, absolutes Fak-
tum, weil es selber dadurch entsteht, d. h. sich gegeben
wird, es also faktisch (wiewohl wissenschaftlich durch
Reflexion) nie aufheben kann. Diess sind die ursprüng-
lichen, ihm unbegreiflichenSchranken, die kein
endliches Wesen auflieben kaim.
Ueber diese Sätze hinaus geht keine Phi-
losophie; aber aus ihnen muss die ganze Philosophie
d. h. das ganze Verfahren des menschlichen Geistes , cnt-
vrickelt werden.
*) „Grund riss detBigenlii umlichen der Wisseti-
tf chaft sUhre*!: 2i6 Aufl. 1802. S:i67. 169. „Erste Eiu-
* leilung«« a. a. O. S. 12. S. 46. ff. „Leben n\xd Brief-
Wechsel«« II. S. 181.
506 Das tbeoretiscke Bewattteein des Ich.
Jooeg unprAngKche Setsen , Gefenselzea
and Theilen ist nun aber kein Denken, kein An*
schauen, kein Empfinden, kein Begehr en, kein
Fühlen (in dem gewöhnlichen , pfailoaophischen Snne)
1. s. f., sondern es ist die gesammte Thätigkeil
.des menschlichen Geistes, die keinen Namen hat,
die im Bewnsstsein nie voriKommt, die nn begreiflich
ist, weil sie das, durch alle besondem und le<fi|ich inso-
fern einBewosstsein bildenden Akte des Gemfitfas Bestimm-
bare, keinesweges aber ein Bestimmtes ist *)
Das Nfthere des Versnchs , die einzefaien Momente je-
ner Gesammiheit aus dem Ich zn dednciren , fibeigehen
wir hier, weil uns diess in reiferer Form nacUier wieder
begegnet Mit dem Vorigen ist aber zugleich schon der
Uebeigang in den praktischen Theil der Wissen-
schaRdehre gegeben , welcher mit dem theoretisciien so
eng verbunden ist , dass er die Theorie des Bewnsstseins
erst vollenden kann. C^Grundriss desEigenthflmli.
eben« u. s. w. S. 221 ff.)
Damit das reine, absolute Ich in seiner unendlichen
Thdtigkeit begrftnzt werde und so zum wirklichen Selbst-
anschauen als Sid>jekt-Objekt gelange , wurde der Ansfoss
durch das Nichlich, die Begränzung, und damit die Wech-
selwirkung zwischen endlichem Ich und endlichem Nichl-
ich schlechthin postulirt Lässt sich der Grund
dieses (hier nur posttdirten) Anstosses nicht aus dem
Ich selber deduciren, so hat die Wissensdiaftdekre
kein festes, unerschütterliches Fundament. Diess kann
aber nur in ihrem praktischen Theile gefunden werden ;
denn das Ich , als Intelligenz , wurde überall nur erUärbar
unter Voraussetzung der schon vorhandenen Be-
grenzung.
') »»Gmndlrisi de* Eigenthuinlicheu'« u. s. w. S.280.r.
«.Begriff d«r W. L" Vorrede S. VI. Aamerkesg »ur er-
<6.ieo Ausgabe (nachher wcggelaveji) ^ Lebe» und Brttf-
wechseW U. S. 182.
Das prftklisclie Bewusstseia des Ick* 507
•
Aber das Ich soll ^ aBen sciMn Bestimmung^eii nach,
sehlächthiii durch sich selbst gesetzt, and dem«
Bach unabhängig von ebiem möglichen Nichtich sein. Und
doch damit es diess sei^ damit es dem wahren Begriff (den
immanenten Zweck) von sich erreiche, moss es sieb
selbst gefunden haben, Intelligenz geworden sein. In-^
leUigentes Ich setzt unmittelbare Abhängigkeit vom Nicht-
ich, Sdiranke, und diess ist der allgemeine Grnndl
dwsclben, die Nothwendigkeit, die im BegrMb des Ick
liegt , dass es iiberiiaupt sich verwirkliche.
Hiermit sind jedoch das absolute und das intelligente
Ich — die doch nur Eins ausmachen sollen — einander
entgegengesetzt, was der ursprünglichen IdentitftI ihroi
Begriffes widerspricht. Dieser Widerspruch kann nur so
aufgehoben werden, dass das Idi, ursprünglich inteliigent,
zugleich sich anschauen rauss, als hinwiederum schlecht
hin best i mmend das Nichtich , oder praktisch.
Das Nichtich ist sonach nicht blosse Schranke, kb«
solutes Fixirtsein des intelligenten Ich, sondern Gegen«
stand eines Handelns des Ich auf dasselbe , und in die-
ser Rücksicht die Thätigkeit des Idi zwar bestimmend, —
nicht aber wahrhafl begranzend , oder ein settatständigea
Princip des Widerstandes ihr entgegenzuhalten fihig. I»
der Sinnenwelt und im sinnlich bestimmten Ich ist Nichts^
was dem praktischen Handeln des Ich und dem Sittenge-
bote eine wahrhafte Schranke zu sein vermöchte ; die Sin-
nenwelt ist nur die durchaus selbstlose Sphäre der sittlich-
praktischen Thätigkeit, als solche durchaus bestimmten,
aber an sich gleichgültigen (apriori unbegreiflichen) Inhalts :
nur dass sie sei, nicht was sie sei, mit Nothwendigkeil
erkennend lassend. Aber wie sie auch ist, an sich sel-
ber ist sie ohnmachtig, um Widerstand zu thun dem prak«^
tischen Ich; vielmehr ist jede Gegebenheit in ihr gleich
gut, gleich -gültig, um die Sittlichkeit daran zn ent- '
wickeln.
Bei diesem in Bezug auf die Grundwahrheit der gan-
zen Weltansicht einzig richtigen und cinfech erscböpfcndan
506 Das prtktische Bewussbcia des Ich.
Sfttze iil es aiidi oi der folgendeii UmgeslaHong des Sy-
stemes geblieben. Aber wenn die Natur, in ihrem Verhilt-
nisse.zura Reiche des Geistes mid seiner Entwickhing, in
Wahrheit dn durchaos Ohnmächtiges bleibt ^ und nur die
Verwirldichuttgsslatte desselben, ein teleologisch ihm Zage»
bildetes ist : so folgt keinesweges daraus, dass sie an sich
selber ein leer Schematisches , der Vernunft Baares sein
Bjlsse. Vielmehr muss schon der grfindlich fes^ehaltene
Begriff jenes Zugebildetseins der Natur für die Intelligenz
auf die Konsequenz fuhren , dass sie an sich nur intelli-
gentm Wesens, unmittelbare Vernunft sein könne.
Dennoch hat der Urheber der Wissenschaftslehre, die Grösse
sdnes eigenen Princips misskennend, sich dieser Konse-
quenz nie bequemen wollen, aus einer tief in der Bildui^
der Zeit liegenden , in ihm nur zur Reife gebrachten Ab-
kehr von der Natur und ihrem Walten. —
Aber es ist auch 'noch ein anderer , tiefer liegender
Widersprudi im Begriffe des Ich zu losen, liegend in dem
Gegensatze seiner (an sich) unbegränzteh, (für sich) jedoch
immer begränzten Natur.
Insofern das Ich unendlich ist , kann seine Thätigkeit
nicht auf die Begränzung gerichtet sein , in der es unmit-
telbar sich findet: sie kann nur auf es selbst zurück-
gehen. Sie ist unendliche Selbstbestimmung, als
die dem Principe nach erste und ursprflngliche Thätigkeit
desselben. Als begrähzt Thätiges , wie dennoch das Ich
unmittelbar sich findet, ist es auf seine Schranke, das
Nichtich , gerichtet : es ist in diesem Bezüge o b j e k t i t c
Thätigkeit auf einen sie beschränkenden, röckbeslim-
menden Gegenstand.
Beides ist nur so vereinigt zu denken , dass die un-
endliche , in sich zurückkehrende Thätigkeit des Ich sich
zu der objektiven, wie Ursache zur Wiikung verhält : dass
das Ich, in der endlichen Begfränzung seiner Thätigkeit
dennoch unendlich, sich durch die erstere zur letzten be-
stunme. Das Ich ist in dieser Endlichkeit un-
endlich, well es über jede Schranke hinaus«
Das praktische Bewnsstsein ies Ich. S09
gehen kann. Aber hiermil . wird auch die Oleioh-ii
heil (Uebereiasiimniuig) der nnendliolieii und der objek«
tiven Thati^eii gefordert, da in ihr erst der Fundamen-
talwiderspruch des Ich gelöst sein kann: d. h. beide ^s ol-
len^ schtechlhin gleich sein; das Objekt Sali scUecktbiii
za einem mit dem Subjekte flbereinstinunenden gemacht
werden, — und das absolute Ich, gerade mn seines absohi--
ten Seins willen, ist es, was diese Uebereinstiflunmig fordert,
— der kategorische Imperativ Kants (S. 240.)*
Das Nichtioh kann aber niemals yöllig fibereinstimmen
mit dem Ich , sofern es auch nur der Form nach ein dem
Ich Anderes sein soll : mithin ist die selbstbestknmende
Thatigkeit des Ich gar kiein Bestimmen amr- wirkfichen
Gleichheit, sondern nur ein Streben au einem solchen
gleichmachenden Bestimmen ^ aber ein unendliches^
welches dennoch völlig „rechtskräftig^ ist; denn es ist
tkurch das «bsohite Setzen des Ich mitgesetzt.
Somit ist durch das Wesen des absohilen Ich selber,
welches sich verwirklichen, als endlich - bestimmtes setzen
muss, zugleich gesetzt ein unendliches (alternireiid
sich begränzendes und diese Gränze überschreitendes)
Streben. Diess aber kann nur stattfinden in Bezug auf
ein mögliches Objekt— Weil daher das unendliche
Streben sich schlechthin verwirklichen muss , ist ebenso
schlechthin eine Sphäre desselben, die allgemeine Ob**
j e k t i V j t a t , gesetzt. Das intelligente Ich, nrit der darin
gesetzten Synthesis , ist nur der Verwirklichungsmoment
des praktischen: die Sinnenwelt hat nu^ darin ihren Ab-
leitungsgrund.
Diess endlich ist der wahre Deduklionspunkt der Ver-«
ein%ung zwischto dem intelligenten (theoretischen) und dem
absoluten (praktischen) Ich. DerAnstoss durch das Nicht-
ich ist im. endlichen Ich eben schlechthin gesetzt durch
das absolute, damit das absolute Ich in sich sdbst
zur Wirklichkeit komme, -— also strebend (S. 242 — 266.)'
Die , daraus erfolgende Einheit des Ich mit dem Ob-
jekte, in der es, wie es sich selbst setzt, ebenso. unmittelbar
610 Einheit boMer lOie.
$tdi bevTHsal wird; um der daher aBc^ Intelligenz ausgeht, hmn
nur bezeichnet werden ab Fühlensuder terwrimus a quo
»Uer weitem theoretischen BesÜmninngen. Aber ebenso
unmitteiber wird das Idli sein unendliches Streben fiUai,
als Trieb; aber als auf das Objiekt gerichteter Trieb :
der lffrmbm$ a quo aller praktischen Bestimmungen. — In
diese Synthesis fiillt der Grund alier Realität Da-
her scheint die. Rivalität eines Dinges gerühlt zu werden,
wahrend doch nur das Ich gefühlt wird , sich fühlt in
seiner unabwendbaren, zwischen beiden Grondgcgensutzen
der Unendlichkeit und der Begränzung, dadurch des Ge-
fdbls und des Triebes, schwebenden Organisation.
Etwas , das lediglich im Gefühle ist , ohne dass das
Ich fietner Anschauung desselben sich bewusst wird, noch
bewdsst werden kann , wird geglaubt An Rea-
lität, sowohldes endlichen Ich, als des Nichts
ich, findet lediglich Glauben statt, aber eist hier nach
seinem Principe aufgewiesener nothwendiger. Das Ich
bleibl: damit eben in " dem Zirkel seines eigenen Wesens
eingeschlossen, den es zu durchbrechen niemals vermag,
dessen Augpunkt mit allen seinen Konseqnenzen die Re-
flexion nicht aufhebt , nur erklärt . Fichte hat diess an
andererstelle (Leben und Briefwechsel II. S.308.)
sehr bezeichnend so ausgedruckt: dwss alle Realität für
uns nur durch Neigung entstehe, — durch jenes un-
mittelbare, unrefiektirte Einssein mit dem Gefiihle, dessen
wir, auch durch die Reflexion es aus seinem Grunde be-
greifend, uns nicht enischlagen können.
Es ist ganz derselbe Begriff, ja dasselbe Wort —
3,G]aube an die Realität^ — dem wir Torber bei
Jacobi, in noch bestimmterem ^ philosophisch entwickel-
terem Bewusstsein bei Hume begegneten. Aber bei Bei-
den trat er der Spekulation entgegen, als ein von ihr un-
erUn-bares Faktum , als Instanz wider sie , wodurch sie
Lügen gestraft , ja zu Grunde gerichtet werde.
Anders in der Wissenschaßslehre ; und man siehl,
wie Recht Fichte hatte, Jacobi entgegen in aller Aus-
ÜM^Ihaftes in diößci^Gestatt des Sfrtenii. 511
drtekMeUntt darauTfli bMlehen^ ^tst seine Philo^
Sophie bbenso sehr ihr Wesen im GLanben
habe» ais die JjLCobi8che<> tl'^ben eCe/IL S. 306.>.
Aber nidit im Glauben, als einem schlechthin nobegreifli^
«hen Faktum : sie dedudit vielmehr seine absohite Nelh-»-
vrendigkeit, ja das Unwideriitehlicbe desselben, einiget sich
also völlig mtt ihm und erklärt ihn. Hiermit ist sie alsoi,
dem vrissenschaftticheo Bewusstsein nach, völlig and anab*
liugbar über Jacobi hinausgeschritten.
Aber die AUeitong jenes „Giaubäis« selber mir nach
anderer Seite hin rnivoUständig geblieben, und Jacobi
bat mit dvr^^hdriagendem Blicke (in seinem Sendsclircibea
an Fichte) diesen Mangel entdeckt, indem er das Sy-
stem als aihilistisohes bezeichnet Denn hier in der
That liegt der Mittelpankt der Ungenfige, durch welche die
damalige Gestalt desselben über sich selbst hinausluhrea
nussle« Bs wird von ihm nachgewiesen, dass das Idi, um
sich sdbst setaen zu können, ursprünglich fixirt sein müsse
in iiigettd einem scbkchtlrin fertigen (sinnlich emptriscbea)
Bildinhalte, — gleichviel wie beschaifen — den es alsNicht«-
ich sich gegenüberstellt Sichsetzen des Ich , und Sieh-
setzen in einem specifisch bestimmten Gefühle ist ein ein-
ziger, untheilbar verbundener Wissensakt Das Dasein des
Wissens in seiner absoluten Reflexionsform setzt, d. h.
postuli'rt sciilechthin, einen absoluten Büdinhait Hier-
mit wird jedoch der Bildinhalt selbst als nur formeller,
leerer, behandelt; denn nur dass ein solcher sein müsse,
nicht aber was er ist , kann in diesem Zusammenhange
nachgewiesen werdra. Aber die Forderung eines absolu-
ten Büdinhalles {%r das Ich erklärt nicht zugleich^ woher
ein solcher ihm kommen könne: das Postulat enthält kein
Dedidrtions - oder Erklirungsprincip* Die Wissenschafls-
lehre der ersten Periode ist nickt von dem Fehler freiza-
sprechen, Beides unter einander gemischt, die Nachweisung
von dem Bedürfhisse eines solchen Inhaltes im Ich, mit der
Deduktion , der Erklärung , dass ein solcher sein müsse
und woher er komme, verwechselt zu haben. Aus dem
613 MmgoBiaikes in dieser OestaU d^ SyslHW.
<r6iiimi) idi kam er ebendeMMb nicht stMamat, w«Q
das Ich. seiner Grundform nach desselben bedarf. Die
wahihafte Eo^nng vrfire die gewesen, dass das leb, das
Wissen, sehlechthin nicht bloss ans sich selbst erkUii wer-
•dcn könne , überhaupt kein letztes, in sich selbst riige-
scMolisehes Gmndfaktnm sei , sondern sich nnr als Abg^
stönmtes , Zwieites , Principinrles^ begreifen könne , als das
Michtabsolute eines Absoluten. Diese letztere
Wendung entscheidet: der QueU jenes absoluten Bitdinhal-
les ist entdeckt, und das Wissen ist selbst nichts Anderes,
als die absolute Reflexions-, Selbsterscheinnng»**
form für jenen. Der Gegensatz des Subjektiv«» und Ob-
jektiven ist in die Einheit dnssdben ebenso zusaaunenge*
fasst, als sie selber doch jenen Gegensatz nnablaasig set-
zen muss» Jetzt erst ist der Idealismus Mridirhaft realistisch
geworden.
Die WissenschaOskhre selbst suchte sich Anfangs das
Gestindniss diesetr Lücke zu verbergen^ indem sie auf ihre
fieehts- und Sittenlehre verwi^. Aber sie selbst w«rde
dadurch nicht ausgefüllt, sondern ihre Entdeckung nnr hin-
ausgehoben: nach der gewöhnlichen Weise, die sdiwaehe
Seite einer Lehre dadurch verdecken zu wollen, dass man
sie an mehrere Stellen vertheilL
In der Rechtslehre ist nämlich der Begriff des Lpdi-
.vidunms der fundamentale. In der Sphfire des intelligenten
Ich ist eigentlich gar kein individuelles Ich : die Sinnenwelt
in ihrer schlechthin fixirten Anschaubarkeit, die-Denkg^setze
4n ihrer Aligemeingültigheit sind vielmehr dasjenige, wovor
4dle Individualität zur B^deutaugslosigkeit verschwindet.
Aber das intelligente, an seiner Schranke sich findende,
daran ^u sich selbst kommende loh ist Q]>en damit nur als
Individuum wirklich. . Das „veoiuiißige Wesen« kann sich
nicht mit Selbstbewosstsein setzen ,, ohne sich (als Indivi-
duum), als Eins unter Vielen, gleich Bewussten und gleich
Freien, zu setzen.
Hier wird jedoch das Ich ein individueües nur durch
die Besonderheit der Wirkungssphäre, in der jedes sich
Principieh der Rechtslehre. 611^
gegeben ist, «— darch alles Das, was wir iüssere, Na-
tur an ihm nennen können, — und wo zugleich, durch das
erste Moment seiner Selbstbestimmung gegen diese, jedes
folgende bedingt wird. Von einer innerlichen, geistig er-
füllten IndividnalitSt , wodurch sie die aus ursprünglicher
Selbstheit eigenthümliche sei, lässt sich nach dem anfSng-
liehen Standpunkte der Wissenschaftslehre kein Grund an-
geben ; und dennoch ist es ursprüngliches Bedürfniss, un-
entwickelte Grundvoraussetzung des Systemcs, dem prakti-
schen Ich eine solche durchaus übersinnHche Realität zu-
zusichern , indem nach ihm nur das praktische Ich das
reale ist
Der Rechtslehre faHt es anheim, die Verhaltnisse der
indivkiaellen Iche zueinander abzuleiten. Die nothwendigen
Bedingungen , unter denen ein individuelles Ich neben den
andern allein ein frei sich bestimmendes sein kann^ erzeu-
gen die Rechte desselben: unveräusserliche oder
Urreclite, die mit dem Begriffe der freien Person un-
auflöslich mitgesetzt sind ; Zwangsrechte, welche durch
den Eingriff Anderer in meine Urrechte mir erwachsen ;'
ich darf sie zwingen, diese zu ackten. Ob der Fall jener
Verletzung meiner Unrechte aber eingetreten ist, kann nur
durch Rechtserkenntniss und Richterspruch entschieden
werden. Desswegen muss diess, so wie die-Gewdhrleistung
der Rechte eines Jeden, in die Hände eines Dritten, Mäch-*
tigern, dem Alle vertrauen, niedergelegt werden: so ent-
steht der Begriff des Staats, des gemeinen We-
sen s. *)
So ist die Rechtslebre rein gehalten von der Einmi-
schung sittlicher Principien und Beweggründe, — eine
Sonderong, welche hier zuerst mit voller Schärfe geschah,
und die sidi Pichte wohl als Verdienst anredinen konn-
te**). Auf dem Gebiete des Rechtsbegriffes erscheinen
*) Grundlage des Naturrechts Th.I. S. 104—128. Vgl*
das System der Rechtslehre in den nachgelasse*
nen Werken Bd. IL S. 500— 516-
*') Sjstem der Rechtslehre a. a. Q. S. 498.
33
514 Pracipi^n der SiUetileiiffe.
die Iche sich nur in absoluter Spaltung, ab Indi-
viduen.
Der Sittenlehre filllt es nun zu, die Individuell
wieder zur Einheit, xum Bewusstsein der Gemeinschaft,
zunickzufuhrea, das reine Ich, welches Anfangs als' all-
gemeines Princip , als Hintergrund , gezeigt wurde , Jetzt
auch in seiner Realisirbarkeit und Seibstreaiisiruiig nach-
inweisen. Hier bedarf es eben darum eines Realen,
des sittlichen Willens j der Etwas wiU, »icht libmliaupl
nur will. Dieser scharfe Gegensatz , an dem d^ Begrif
des reinen Ich, als absoluteiiy ^ich bjteclien mufiste^ trat erst
in der zweiten Gestalt der Sittenlehre hervor: das Reale,
bihaltvoHe , jedes Ich eigentluiadick IndividualisireMe und
d^ch dadurch zugleich zur Eiobeit Verbindeude, ist das
Bild Gottes. Nur dadurch wird das loh reales
Princip*> —
Obigem zufolge fallt dMer in ' den Bereich der SSiten*
lehre ebensowohl .die genetische Ableitung des empiriscAea
leb aus deni reinen , als auch die Zuräckiuhnmg des er-
sten! au( dieses;. Das Vereistigwigsglied des reinen und
empirischen Ich liegt darin, dass ein Yemunftwesen schlecht-
hin nur als Individuum sein könne, wiewohl es zuialiig und
durchaus empirischen Ursprungs ist, wie jedes Individuum
bestimmt sei. Das aber, was das Ich zum .individuellen nacht,
ist der Wille, die durchaus eigenthämliche Selbstbestim-
mung desselben in der schlechthin ihm gegebenen Sphäre
seines Wirkens in der Sinnenwelt. Somit gehört der
Wille selbst zu der unmittelbaren Selbstgegebenheit des
Ich :. $r ist das Empirische, so wi^ der ^V e r s t a n d« (im
weitesten Sinne, die Intelligenz und das Yorstdhingsver-
mögea, — der Augpunkt, in weichem die allgeaieine In-
telligenz sich auf individuelle Weise in mir eigreift im
ganzen Contezte der Empirie — X und der Leib, als der
*) System der Sittenlehre in den nachgeL Werken
Bd. III. S. 13. 14.
Primj^eB der Sitt^ekre. 515
meinige , die vnteEfte Zospiteang des IndividueUen , zu
dieser uiuDitlelbaren Selbstgegebenheit gehören.
Aber das Objekt des Sittengesetzes, d. i« dasjenige,
worin es seinen Zweck daiigestellt wissen will, ist
c^cy eebthitt nichts Individnelles, sondern die Yernnnft aber-
liappt: in einem gewissen Sinne hat das Sittengesetz
sich selbst znm Objekte. Aber diese Selbstobjekti-
irirong kann es vermitteln nur dirclL die individuellen Iche.
Das SittengesetE ist daher für diese die Verwirklichung
und Darstellung des reinen Idi in ihnen t mithin ist es für
sie des schleehthin allgemeine , wie geoieiasann. ^des
Individuum soll schlechthin «ich gleich- oder fiberein-
stimmend machen der absoluten Vernunft, dem remen Ich.
Diess kann aber nicht am Einselnen erreicht werden, son*
dem nur in der Gemeinsamkeit Aller. Mithin ist zurRea-
fisimng des absoluten Soli, des unbedingten Zweckes,
als vermittelnder Zweck geselzt die Veredlung und
Sitllfchkeit Aller. Nicht Ick bin. mir Endzweck; ich bin
für mich selbst nur Mittel eines Endzwecks , alle An-
dern zur Sittlichkeit zu erheben. Alle Andern ausser
ihm sind dem Individuum Zweck, nie es sich selbst Der
(Sesichtspunkt, von welchem aus alle Individuen ohne Aus-
nahme letzter Zweck sind, liegt über alles individuelle
Bewusstsein hinaus. Daher wird die Vernunft) das reine
Ich, von dem endlichen (intelligenten) vich ausser sich ge-
setzt. Nor die gesammte Gemeine vernünftiger Wesen ist
die Reallsirung der Vernunft, des reinen Ich. Die
Darstellung desselben ist das Ganze der vernünftigen We-
sen, die Gemeine der Heiligen.
^edem allein wird vor seinem Selbstbewusstsein die
ErreidiUQg des Gesammtzwecks der Vernunft aufgetragenj
die gan^ Gepneine der vernünftigen Wesen wird von sei-
ner Sorge und Wirksamkeit abhangig, und er aUeio ist v^
Nichts abhängig. Jeder wird Gott, so weit er es
sein -darf , d. h. mit Schonung der Freiheit aller Indivi-
duen» Jeder wird gerade dadurch , dass seine ganze In-
dividualitat verschwindet und vernichtet wird, reine Dar-
510 Das reine Ich « Ckm.
Stellung des SUtengfeset^es in der Sinnenwelt ; eigenU
liches reines Ich, dnrch freie Wahl und Sdhsibe*
srimmung^. ♦)
Hiemach bestinimt Fichte an zwei andern SteUen**)
den Gegensatz seiner Lehre mil dem Stoicismus, wie mit
der Mystik. Im konsequenten Stotcismns wird die unend-
liche Idee des Ich genommen für das wirkliche Ich. Der
stoische Weise ist aUgenugsam und unbeschrankt; es
werden ihm alle Prädikate beigel^, die dem reinen Ich
oder auch Gott zukommen. Nach der stoischen Mond sol-
len wir Golt nicht gleich werden, sondern wir sind selbst
Gott. Die Wissenschaftslehre unterscheidet dagegen das
reine Ich und das empirische: diess kann nur darnach
streben, in unendlicher Annäherung dem reinen Ich gletch,
mit ihm Eins zu werden.
Damit ist zugleich auch der i,Irrdimn der Mystiker*
abgewiesen: in der Form der sittlichen Bestimmung ist
zugleich schon die Unendlichkeit des dem Ich aufgegebttien
Endzwecks ausgesprochen: denn die ganze Erfüllung dersel-
ben ist in keiner Zeit möglich. Jener Irrthum beruht dar-
auf, dass sie das in keiner Zeit zu Erreichende voTsteUen,
als erreichbar in der Zeit, ^ie gänzliche Ver-
nichtung des Individuum und Verschmelzung
desselben in die absolut reine Vernunftform
oder Gott, ist allerdings letztes Ziel der
endlichen Vernunft; nur ist sie in keiner Zeit mög*
lieh.« —
Hier tritt sonach Gott an die Stelle des reinen Ich;
aus jenem (transscendentalen) Augpunkte her sind närolidi
die einzelnen Intelligenzen, a I s einzehie, nicht vorhanden ;
denn die empirische, und vom empirischen Stand-
punkte aus nothwendig als real erscheinende, Gränze des
Nichtich, die das wirklich bewusste Ich zum individoellea
•) System der Sittenie lire 1798. S. 341—44.
••) Grund läge der W. L. 2tc Aufl. S. 2(i5. Aum. , und Sy-
stem der Sittenlehre S. f 94.
Gott, inwiefem iitteUigeBtes Wesen. 617
macbt, verschwindet hier vor dem reinen Ich, welches
seine absolute Verwirkli chnngsform — Sinnenwelt
und empirisches Ich r— schlechthin producirt, mithin andji
das daran geknüpfte Individuum.
Aber wiederum kann das reine , aUgemeiiie Ich , die
Grundmibstanz und der farblose Aether der Intelligenz, sich
nur an einer solchen Brechung zum Bewusstsein , Selbst,
verdichten: Ich istnur Begranztes, Individuum, das reine
Ich nur wirklich in unendlicher Individuation , der Quell
und Trieb unendlicher Selbstyerendliichung. Denn es ist
ja der (falsche , in seinen Wirkungen grundyei^erbliche)
Lehrsatz der Wiasenschaftslehre , dass die Form des
Bewasstseins die Form der Endlichkeit sei.
Desswegen ist der ^Gesichtspunkt^ Gottes, des reinen Ich,
abermals nur ein idealer; es ist da keine Sehe, kein
wirklich schauendes Subjekt- Objekt. Der Gott ist reine,
ni4>er8önliche Geistigkeit, unendliche Subjekt -Objektivität,
— und damit sind wir hier schon in den Kreis der spä-
tem, verwandten Vorstellungen Hegels eingeführt.
Daraus ergeben sich nun völlig folgerichtig die sonsti-
gen Aeusserungen in diesem Betreffe. Dass Gott Intelli-
genz sein müsse , ist unabläugbar ; wie vermöchten wir
selbst es sonst zu sein? Der Materie nach ist die „Gott-^
heit'^ — (so heisst es hier sehr bezeichnend , weit öfter,
als ^Gott^O — lauter Bewusstsein : sie ist reine Intelligenz,
geistiges Leben und Thätigkeit. Dieses Intelligente aber in
einen Begriff zu fassen — alles Begreifen setzt, ein Be-
schranken, ein Zusammenfassen des Begriffenen im Gegen-
sätze eines Andern, draussen Bleibenden, ist also Verend-
lichung — und zu beschreiben, wie es von sich und An-
dern wisse, Ist schlechthin unmöglich. Unbegreiflichkeit
gehört zu seinem Wesen *)•
*} Gerichtl. Veranlwortung gegea die Anklage
des A th eisiii u$» S. 47— 50« A ppella t i on aa d a a
Publikma, S. 98. Leben und Brief we cb» ei 11.
S 305.
518 Principfett der Rdigiondehre.
In jener Theorie und den über sie g^pfio^fenen .Debat-
ten ist nun eine Analogie und gewisser Maassen ein Vor-
spiel gegeben von den Verhandiongen Aber die Persönlicb-
keil Gottes, deren Begriff Einige im Uege Ischen Systeme
finden, Andere in Abrede stellen. Audi hier nämlich^ me
in der Wissenschaftslehre, isl eine doppelte Aoslegimg nicbt
gerade ausznschliessen« Dabei jedoch an ein absichtsvolles
Sichverstecken der Philosophen zu denken und sie eines
Verhehlens ihrer wahren Meinang verdichtig zu halten,
zeigt die tiefste Unkuttde .von dem Wesen der aus sich
selbst sich fortbestimmenden Spekulation. Solche Ungewiss-
heil und Vieldeutigkeit zeigt sicherlich auf die Stelle , an
welcher das System sich nicht genögt; und die Aufhebung
jener Vieldeutigkeit ist zugleich ein Fortrücken des Syste-
mes selbst, sei es durch den Urheber desselben, sei es
durch einen Andern. Zuhiebst jedoch kann über sich
selbst und seine unmittelbare Evidenz keui Philosoph
hinaus.
Diess war in ihrem allgemeinsten Umrisse die ur-
sprüngliche Gestalt der Wissenschaflslehre, wozu sich jedoch,
zunichst auf äussere Veranlassung, noch ein anderes Ge-
dankenelement gesellte, welches, aus unscheinbarem An^
fonge wachsend, endlich nöthigte, jene erste Form des
Systemes zu erweitem und in Betreff der erwähnten Viel-
deutigkeit sich entschieden abznschliessen. Wir meinen
Fichte's Ableitung des religiösen Bewusstseins in dem
Au&atze .ȟber den Grund unsers Glaubens an
eine göttliche Weltregierung', und in den damit
zusammenhangenden Abhandlungen ^y
Zuerst ist nicht zu übersehen, dass hier ein neuer
*) Philosophisches Journal 1798. Bd. VIU. S. 1—20.
imd ^,aui pitie'm Priva trch reiben im Janner 1800*'
ebendas. Bd. IX. S. 358—390.
PrtMJffieii der Iti%i«MfeUre» 6ld
Airiaiif febomtneii wii»d von einem «usserlialb des Syste-
men Hegenden tunkte. Wie tiämlich die Sittetoleiire von
der ThatsaM^he ausging,' Ams sich im Bewüsstsein des
Mensciien die tunötlitgting finde, Einiges tn thnn und
Einiges eu lassen, schleciilhin und ohne allen fittssem Zwecic,
welche BtsschaflenheK setne moralische Natnr zu nennen
sei , die daher, ab eine inbsolute lliatsache , auch' in ihrer
Nothwendigkeit zudeduciren, Aorgabe der Trans^
scendentalplnlosophie ^ei *) : do verhalt Sieh die Philoso*
phie auch zu dem thatsächlichen Glauben an eine
göttliche Weltregierung. Sie hat ihn zu erklären, sein
Faktum als ein nöthwendiges auTzuweisen, keinesweges ihn
hervorzubringen, was auch ein vergeblicher Versuch whre^
indem keine Philosophie einen solchen Glauben zu errfi«»
sonniren vermöchte.
Aber es giebt, nach denPrincipien derWisscnschafts-
lehre, von der Sinnenwelt aus keinen Weg, um diesen
moralischen Glauben zu begründen, seine Existenz zu
erklären. Sie enthalt schlechthin Nichts, was auf die
Gegenwart eines moralischen Princips in ihr hindeutete.
Durch den Begriff einer übersinnlichen Welt müsste
jener Glaube daher begründet werden, und in diesem liegt
er auch auf das Bestimmteste. Ich finde mich schlechthin
gebunden durch einen übersinnlichen Zweck: ich. soll
schlechthin ihn zum Inhalte meines Handelns machen. Ich
muss seine Ausführung daher als schfechHiin möglich
setzen, und alle Bedingungen ebenso unbedingt, wie
ihn, welche mit jener schlechthin zu setzenden Möglichkeit
verknüpll sind. Ich muss Beides durchaus nothwen-
d i g setzen , weil davon das einzige wahrhaft Unbedingte
abhangt, was ich anzuerkennen vermag: das Pflicht-*
gebot.
-Ein solches unmittelbares Setzenmüssen heisst aber
^Giaube^, hier bestimmter „moralischer Glaube^.
Der Inhalt dieses Glaubens ist* aber ebenso gewiss, wie
*) Syatem der Sitt'enieh r« 1798. S. 1—5.
52Q Pie mofdische Wettordbiwp
das Fflichtgebot unbediqgt ist; 4eiin< diimfi Mtal imm
aus : beide sind Eins iind unabtrennlieh. Und jn der Auf-
Weisung dieser Einheit besteht zuvörderst die Deduktioo
dieses Glaubens« — Was ist sodann aber der InhalC
desselben? Die Uebersengung von der Existenz einer
lebendigen und wirkenden moralischen Welt-
ordnung. „Diese ist selbst Gott; wir bedürfen kei-
nes andern Gottes ., und können keinen andern fassen.*
(„Ueber den Grund unsers Glaubens^ a. a. O.
8. 150
Wai^ Fichte jedoch unter „lebendiger moralischer
Ordnung^ verstanden hat, erklärt der zweite Aufsatz („a u a
einem Privatschreiben« a. a.O.S.364.382.86— 89.)
auf das Bestimmteste. Der sittliche Wille ist das einzig
in die Macht jedes einzelnen Vemunflwesens Gestellte;
dass diese Willen aber überhaupt Erfolg haben, dass so-
dann ein gemeinsamer Erfolg aus ihnen hervorgehe, diess
liegt in keinem. der Yemunflwesen für sich, sondern in
«inem jenseits ihrer anzunehmenden , zugleich jedoch
durch sie alle hindurchwirkenden sittlichen Prin-
cipe, einer sittlich ordnenden, allgegenwärtig , wirksamen
Macht »Und in diesem von allem sittlichen Handeln un-
abtrennlichen Glauben an die Wirksamkeit jener Macht ist
der religiöse Glaube gegeben in der einzig reinen , eines
vemünfUgen und sittlichen Wesens würdigen Gestalt«.
Er vergleicht bei dieser Veranlassung seine Religions-
lehre mit der K a n t i sehen : wie diese lehrt , dass aus der
Moralitat eine derselben angemessene Glückseligkeit erfol-
gen müsse; der Grund dieser Folge aber, das die letztere
mit jener Vermittelnde, nicht der Mensch sein könne,
sondern Gott; wie daher aus dieser Einsicht durch Kant
der moralische Beweis fuir das Dasein Gottes gesichert
werde : ganz in derselben Schlussweise werde von ihm
nachgewiesen, wie dasjenige, was den sittlichen Willen
aller Individuen zu einem Gesammterfolge vereinigt*, was
aus ihnen ein sittliches Weltganzes, eine Gemeine der Hei«
ligen hervorgehen lässt , und diese darin erh^alt , nicht in-
Selbstwideriegun; detf Systemes daran. B21
Beriifilb der Individuen , fondemnvr Aber Ihnen g^
dacht werden könne (S. 282. SS.)*
Durch diese anhangsweise Deduktion ist F i c h t e je^
doch nnwiUkührlich über sein Princip im Ich hinau«g*e^
schritten : er hat das indirekte Zeugaiss abgelegt, dass es
Bicht genüge, nm das za Erklärende, die Thatsachlicb«*
keit, daraus herzuleiten. Das Ich ist nicht mehr, wiee$
in der Wissenschaftslehre und Sittenlehre durchaus er-
schien ^ das ernsig Wirksame^ um die moraliseii«
Welt, die Yerwirklichwig des Vemunftgemässen in den
unendlichen Ichen hervorzubringen : auf das reine Ich^ das
nur in ihnen sich realisirt , in ihrer Unendlichkeit seine
einzige Wirklichkeit hftt , kann es auch nicht] übertrag^i
werden, jene lebendig wirkende, sittliche Ord-^
nung ausser den Ichen ^Iber tu sein. So ist und bleibt
sie iur Fichte, wie der analoge Begriff es für Kant
war, ein Postulat seiner Philosophie, und auch jener
hätte von diesen Punkte aus, aus demPostulate einer
sittlich wirkenden Macht über und doch in
den Ichen, ebenso wie Kant es gethan, eine ethik<^
theologische Deduktion von dem Dasein und den eigen-
schaftlichen Bestimmungen Gottes versuchen können, wo-^
bei auch das Charakteristische der Deduktion gemeinsam
gewesen wäre, dass sie im transscendentalen Gesichtspunkte
geblieben wäre, dass sie nur hätte reichen sollen bis zur
Deduktion der absoluten Gültigkeit für das Ich.
Fichte unterliess es, schon darum, weil diese ganze Auf-
fassung nur ein vorübergehender Durchgangspunkt für ihn
wurde.
Das Bedeutendste davon ist jedoch wohl diess, dass
es abermals der tiefe Begriff der „Ordnung^ , der harmo-
nisirenden Macht, der Zweckverbindung war, der, als nicht
zu umgehende Universalthatsache , als Weltgrundlage sich,
aufdrängend, hier über das Ideallstische deslreinen Ich und
der vereinzelten sittlich wollenden Iche , wie anderwärts
über das PantheisKsche einer Weltseele und einer unend-
lich sich individualisirenden allgemeinen Vernunft hinaus*-
&2a tTebdrgtaf
Meb. Und dien wir wirklich der imsdieiiibire PüAi,
an welcliem die innere Erweiterung nnd VairtMldmg der
Wissenscliafldelire sich anspann. Das Grosse nnd Blei-
bende des Standpunktes war jedoch auoh iiir ihre Tölgende
Gesiak , ja im Namen der ganzen Philosophie) gewonnen:
da.ss die ursprüngliche Identitil des Sub-
jektiven und Objektiven entdeckt war.
Diesen Uebergang und sein Sinnen und Seibs^irüfen
•cUldert ein im Jahre- 1800 geschriebener Brief Fichte*s
an Sehe Hing *). Er vermisst an seiner Wissenschafls-
lehre^ dass ne noch nicht System der intelligibeln
Welt geworden sei. Dazu müsse vor ADem das Recht
angewiesen werden, Aber das Ich hinauszugehen.
Dann können auch jene ursprünglichen Beschränkungen
— nach Oben das Gewissen, nach Unten das mate-
rielle Gefühl — tiefer erklärt werden : Jene aus
dem Intelligibeln als Noumen (oder Gott): die
GelfiUe , welche nur der niedere Pol des erstem sind, aus
der Manifestation des Intelligibeln im Sinn«-
liehen^: (wodurch allerdings für ihn eine grundveränderte
Ansicht von der Natur herbeigef&hrt worden wäre). — Diess
giebt zwei neue entgegengesetzte Theile der Philosophie,
die im transscendentalen Idealismus (in der Wissenschafts-
lehre), als in ihrem Mittelpunkte, vereinigt sind. Die end-
liche Intelligenz, als Geist (es wäre das invividuelle
Ich), ist die niedere Potenz des InteUigibeln, als Noumen :
(es wäre Gott, nicht mehr bloss als.reines Ich, abso-
lute Vernunft form, sondern als Reales, das Bewusstsein
Erfüllendes; denn die ursprüngliche Begränzung
des Gewissens soll daraus hergeleitet werden). Die end-
liche Intelligenz, als Na t u r w e s en , ist die höchste Po-
tenz des Intelligibeln, als Natur. (Der organische Leib
also würde hier einem neuen Zusammenhange angereiht wer*
den ; er wäre , wie die Naturphilosophie später es lehrte,
*> Leben and ßriefweclise 1 L S. 415^17.
in die zweite Gestalt Aeä SysteoM« 623
höchstes Glied in der Reike der Organisationen^ and Ol^-
ganismus das Intelligfible in der Natur.)
BedeutungsvoD setzt -Ficlite hinzu: ^Haben Sfe nun
das Subjektive i n d^r Natur für das InteHigiHe, sonach a us
der endlichen Intelligenz* (dem endlichen Ich,
welches ein Nichtich sich gegenüber hat) ^gar nicht
Abzuleitende genommen, so haben Sie ganz
Recht«.
Die zwei von hier aus sich, ergebenden, durchaus nenen
Wissenschaften, welche Fichte ankündigt, können mii^
sein: spekulative Gotteslehre und in dieser die
Ableitung des ^ystenes des Intelligibeln<< aus Gott; did
andere: Philosophie der Natur; beide vereinigt in
der Wissenschaftslehre, als der Ableitung der a b s o 1 u t e li
Vernunft- oder Reflexionsform. Die Natnrpbilo«
Sophie hatte aber das Inteiligible in der Natur, oder, wie
diess S c h e 1 1 i n g in seinem Systeme des taansscendentalen
Idealismus ausgedruckt hat: die Einheit des Mechanismus
mid des Zweckes ableiten müssen „aus der Manifestation
des Intelligibeln im Sinnlichen*, als seiner niedersten
Potenz: eine freilich sehr unausgef&hrte Kategorie, worin
jedoch der Gedanke wenigstens mit voDer Entschiedenheit
hindurchblickt , die Natur nicht mehr bloss als Schranke,
als Innenwelt und Nichtich, sondern als Intelligenz, nur
in niederster, bewusstloser Existenz, zu fassen. *)
Nun ist merkwürdig, dass Fichte die Wissenschafts«*
lehre nach jener Seite, nach Oben hin, vollendet bat, nicht
aber nach Unten. Das Wort, welches er sich hier gege-
ben , die Natur , als Intelligenz (Subjekt - Objekt) in nie-
derster Potenz, ans sich selbst zu erklären, sie zum Prin-
cipe ihrer selbst zu machen , ist unausgeffihrt geblieben :
so gewiss ist es, und in allen Fällen zu bestätigen, dass"
ein Philosoph auch spekulativ sich nicht der Individualität
seines Blickes und seiner nrsprflnglichen Bildung entwin**
den kann: er vermag nur seine Welt, den Umfang seiiiei'
*) V«rgU ob«ii S. 508.
5S4 y<»lilicke anf später UMOiigefiikrto».
dufcberlebten Asschammgeii zw Philosophie zu madieB.
Jene ist bei Fichte nur das Reich dos Geistes, midzwar
des pralttischen Geistes, gewesen ; in den Rechts- md sitt-
lichen Bestimmungen schaltet er als sicher treffender Mei-
ster. Daher erkennt er auch nur die freie und besonnene
Exislenz des Geistes als die eigentlich reale an: das an-
bewusste und uawillkührliche Walten der Divination, über-
haupt die Intelligenz in der Form der Unfreiheit und Nicfat-
besinnuttg, blieb ihm unverstanden zur Seite : so das ästhe-
tische Wirken des Genius , so auch das damit yerwandCe
Wirken der Natur. Aber weit spater trat ihm diess ganze
Gebiet noch einmal nahe , als ihn die Erklärung der Er-
fcheinongen des. Somnambulismus auf's Anhaltendrte
beschäBigte ; und in seinem Tagebuche aus dem Jahre
1813 (zum Theil abgedruckt in den „nachgelassenen
Werke n«" Bd. HI. S. 297-^44.) sind die tiefgreifendslen
Ansätze gemacl|t. (S. 301 — 304.) , um jenes der Freiheit
und der bewusstvoUen Intelligenz Unterliegende and stets
Durchwirkende , den substantiellen Geist , zum stehenden
Begriffe in seinem Systeme zu bringen : er erkennt richtig
und ausdrücklich, dass diess zuletzt in einer andern Ridi*
tiingauf einPhysiciren des Idealismus hinauskoni-
nian wflrde (S. 331.) , und endlich , dass der eigentiicl^
Zwec.kbegriff, damit also auch der Begriff des Orga-
nischen in seinen tiefstenVoraussetzungen, für
die Wissenschaflslehre ein ungelöstes Problem geblieben sei
(S. 342.).
Wie uns aus seinem Nachlasse sichere Spuren vor-
liegen , hatte Fichte früher , wie später , ein System der
Aesthetik ^ und der Naturphilosophie im Auge ; und nach
einer mündlichen Aeusserung (Leben L S. 574.) hoflte
er noch im vorletzten Jahre seines Lebens, wo er zugleich
die letzte Hand an die Darstellung seiner Lehre legen
wollte, wenn ihm nur ein Lebensraum von zehn Jahre
vergönnt sei , von ihr aus alle anAlem Wissenschaften neu
umzugestalten. Von seinem Gesichtspunkte iur die Aesthe-
tik wird späte/ zu sprechen sein: die Ableituugsmonente
Frincipien m einer Niititrpliilofepliie. 525
lür die Naturphilosophie sind in seinen (im Winter t812
gehgltenen, also vor den angef&hrlen Fragmenten im Tage«
buche fallenden) Vorlesungen über die transscenden-
lale Logik (Nachgelassene Werke, Bd.I. S.347
— 364.) enthalten: doch ist eine wesentlich andere Auf-
fassung , als die firühere , darin nicht erreicht Die Natur
gehört auch hier nur zum formalen Sein der Er*
scheinung: sie ist lediglich die an sidi inhaltsleere,
nichtig gleichgültige ReflextbiKtät eines Hohem, ebenso wie
es die ganze unmittelbare Selbstanschauung des Ich Ist:
aber äe ist eben darum vollendete Totalitil, die Einheit
eines geschlossenen Ganzen. - Die Naturknift ist ^her di»
unmittelbare Aeusserung des Gesetzes der faktischen An*-
sohauung, welche ist, weil sie ist, zufolge weldier aber
das Mannigfaltige notwendig Eins ist. Aus diesem
Begriffe, der Grundkategorie für die Natur , wird die An-
ziehungskraft der Materie erklärt: aus der gleichfalls, dem
Sein gegenüber, in der faktisdien Anschauung schiechW
hin geforderten Form der Genesis, das Werden und die
Veränderung der Raumtheile gegeneinander, wovon dag
einfachste und absolute Beispiel die Bewegung iid
(S. 347—59.).
Ebenso, da die Einheit des Mannigfaltigen nicht bloss
auf die quantitative Znsammengesellung der Raumtheile
gehen kann, sondern diese selber zugleich nur als dui%i^
aus bestimmte , in sinnlich ^qualitativen Unterschieden , zu
existiren vermögen , so giebt diess das allgemeine Gesetz
der chemischen Affinitäten. — Femer., indem die
ehemische Anziehung, nach dem abgeleiteten' Grundgesetze
des Altemirens der vollendeten Fakticität und der Genesis,
sich in der Anschauung gleichfalls als ein Werdendes
zeigen muss , soll diesem Begriffe das Wachsen, und,
als Naturprodukt, die Pflanze entsprechen. Die Genesis
der Bewegung sodann, das Aussichselbstanfangen derselben,
und ihr Sichlosreissen von dem Allgemeinen der Anzie*
hnng als selbstständige Bewegungskraft , stoUt sich im
Thierleibe dar: so wie endlich, als der höchste und
526 ftmifieu m ebm NutwpUtosopkitf.
leMe Ponkt in der Smpme der ftchledllun gegebenen Ab-
achaming, eine durch geistiges Wollen hervorgebrachle, an
einen dafür, organimrien Körper gekifttpBe Bewegung und
Selbstbeistimming, «Is nnmitlelhare Aevasening de^BegrilTes
in der Genesis, des W i 1 1 e n s. Diese .Erscheinung ist die des
Wenschen, ausdrücklich in dieser seiner e m p i r is c h.en
Erscheinfing; „Der Mensch ist in seiner Wurzel Empirie;
er isl aber empirisches Bild des Ich, welches ist ursprüng-
liches Bild • der Birscheinmig, welche ist Bild Gottes. Warum
noii das Bild des kh^ (der Mennch) ^»gerade so en^irisch
bißfltiiWit ist, mit soleben fünf Sinnes, dafür ist kein Grand,
md datmf konunt Nichts air^ da das Ganze Iddils ist;
denn der Mensch ist in dieser flegion durchaus ein leores
Bad, welches anf unendliche Weise anders gebildet sein
kannte. Was Wdires an den Menschen ist, hegt darüber
hinaus« (S. 369r.-3620.
So soll die Natur , nach der aUgemeinen Anforderang
der Deduktion, Bild des Begriffes,. das ans demBe-
gri^Te schlechthin AbgeHetste sein: dieser Gedanke bleibt
jedoch vöHig unausgeführt; denn din nähere empirische
Bestinunthett soll grundlos «ein , mithin unberührt, wie un-
erreichbar vom BegriiTe, ein Zufalliges, Gleichgültiges. Die
einaige AUeiUmg ief Natur besteht hier in dem Beweise,
dass sie unahleirbar sei in ihren einzelnen Bestimmungen.
Aber die Deduktion zeigt sich anch darin als völlig miss-
hingen, indem nicht einmal die Griknderscheinungen des
organischen Lebens, der vegetative und animalische Orga-
nismus^, auch nur annähernngsweise ihre Begreiflichkeit
erhalten haben. Wir dürfen diess für charakteristtsch er-
kliren : weder der in den Schranken der Subjektivität blei-
bende Idetaiismus , noch der Realismus , wie er sich auf
eine sonst bedeutende und eingreifende Weise im H e r-
bar Ischen Systeme ausgesprochen hat ^ ebenso wenig die
blos$ empirische Erklfirungsweise , sind dem Begriffe des
Lebe n B gewachsen : in ihm tritt ein durchaus ihnen Jen-
seitiges , Incomiueasurables , Unbegreifliches , als T h a ts a-
ohe, entgegen.
Uebeigang^pi^lci 537
Wir kehf^ svuelL Den Udl»ef9an^[idstand|rari4 ; die
Selbstndthigvner des Ich, Aber sidtL hinanszogeh^ii , den
Kreis der unendlichen Retexibilität xa. dürchbrecheii -*-
die eigentlich spekulative Lebensihat der spätem Wissen-
schafMehre --*- enthält Ficbte's Bestimmong der
Mensches (1800.)«
Ihr awdtes Bncli : das W i s s e n , spricht das bish^
rige idealistische Resultat mit ganzer , absichlsvoUer Härte
aus: Afles Wissen isl iedigiieh Sichwissen: in allem Wis-
sen von etoMm Sein bleibe ich immerdar nur Meiner'
sdbst bevutet: nur so lange ich nicht: re&ektire auf mein
BUdsein, sendem Bild b in , kann mur die Tänschnng de»
Glanbens an ein Sein vorschweben ; jeder Akt der Reflexion
verscheucht sie.
kh weiss überall von keinem Sein; auch nicht von
meinem eigenen: es ist kein Sein. Ich lEielbst weiss
äberhaupt nicht, und bin nicht: Bilder sind; sie sind
das Einsige , was da ist , und sie wissen von sich nach
Weise der Bilder — Bilder, ohne etwas in ihnen
Abgebildetes, ohne Bedeutung und Zweck. — Alle
Bealität verwandelt sich in einen wunderbaren Traum, der
in einem Traume von sich selbst zusammenhängt. Das An-
schauen ist der Traum, das Denken i^ der Traum
von jenem Traume. *)
•) S. 17a f. ^ Hiet Mt Migleich ao die hutonfchen fiezidia]!«^
gen zn eriaBeni, weicht Fichte, im Aage hat bei dieser
DarttflUiwg def trabaMendeaUlea Idealitmof ,,Mi den «ohoei-
deodsten AasdruclLen and Weadangen, um diess Resultat
▼ erhasst zu machen, dem man sich «^ doch ontonrer-
IWa mtiss«. Ohne Zweifel l^eaog diese sich auf Ja^cobi, um
dessen rhetorische Polemik in ihnlkhem Slil (in sdhiem
yiSondaeh reiben an Ftehte'^) aufannehmen nnd' zu
üheribjeten» Ja die Warte des „Geistee«« (S» 175.): n^un^
sicbüiger ! das nennen deines Gleichen -R u c hl.os ig4 e i t,
wenn man sich getraot au sehen, was da i^t^ und ao weit
sieht, als sie seihet; und dann auch noch weiter: — glaub-
test Du denn, dass diese Resultate mir weniger bekannt wä-
528 zwischen der ersten wid xweiten Gestalt des Systemes.
Aber diess ist die absolvte Natur des Wissens. Wiflst
Du das innere Wesen deines Geistes andern, «nd demen
Wissen anmutheh, mehr zu sein, als eben Wissen^ ein Sy*
Stern blosser Bilder ? Alles Wissen ist nur Abbildong- ; es
wird in ihm immer Etwas gefordert, was dem Wissen
entspreche ; aber diese Forderung kann durch kein W i »-
sen befriedigt werden. Wissen ist nidit Realität, eb^i
darum weil es Wissen ist.
Hiermit verschwindet aber auch die Realität der Sin-
nenwett, die als das Unmittelbarste und Gewalligste dem
Ich gegenüberstand : die Natumotfa^endigkeit, deren Sklave
es zu werden furöhiete, ist ihm d>enso damit versdiwiin-
ren, und dais ich nicht so wohl begriffe j als Du, wie darch
jene Grundsätze alle Realität durchaus Temichtet und in ei-
nen Traum Yerwancleit werde ?^ — Diese Worte, die Jaco-
bi'f Polemik in einschneidender Weise Qb^raU trafen ottd
angriffen, konnte denelhe sogar direkt auf sich gerichtet an-
sehen. So nahm Jacobi seinerseita. die Bestimmung dea
Menschen, besonders das dritte Buch derselben: Glaube
aberschriebeu^ worin sogar ein bisher allein ihm zuständiges
Gebiet ihm abgewonnen zu sein schien, mit höchstem Hiss-
fallen auf, und ergoss sich sogleich mit dem beredtesten Un-
willen darüber, eine fast persönliche Antipathie gegen Ficbte
bezeugend (Reinholds Leben und li tte r a riach es
Wirken Ton £. Reinhold. 1825. S. ^4. 5&.) : „Etwas
meiner Individualität Widerstebenderes giebt- es nicht, als
diese Fichteaohe Art, &unst und Natur«*. — „Ich schrieb
einmal an Jemand Über die Sonderbarkeit, dass es nach
Flehte selbst (in seiner Sittenlehre) absolut wahr sein
mibste, dass seine Philosophie nicht wahr sei. Diess ist mir
durch dais neue Buch nun noch recht auffallend gewerden.**
Bier entgebt Jacobi gerade das, Was in's Lieikt in setxea,
die Bestimmung des Menschen geschrieben war, dass näm-
lich Fichte's ganze „Philosopbie** niclit bloss, dieser Irans-
scendentale Standpunit unendlicher Reflezibilität sein sollte,
sondern zugleich die Selbstwiderlegung desselben \ dass sie
also das Bewusstsein der „Unwahrheit^y welches J a € e b i
gegen -sie behauptet, schon in sich anf|$eiio»men hatte.
Uebergangsp. zwischen d. ersten u. zweiten CTestalt etc. 529
den; auch sie ist nur Produkt des Wissens. Dicss ist das
einzige Verdienst des Transscendentalismus : er zerstört
Hnd vernichtet den Irrthnm. Wahrheit geben kann er nicht;
denn er ist in sich selbst absolut leer (S. 277.).
Hiermit scheint uns der erste kritische Moment seiner
Selbsterkenntniss erreicht. Es ist zu sehen , auf welchem
Wege hier noch jener „Glaube« eingeführt wurde, um die
dem Wissen verschwundene Realität auf wissenschaniiche
Weise sich zuzuführen.
Das Thnn ist die eigentliche Bestimmung des Men-
schen: diess konnte, als das Resultat der Rechts- und
Sittenlehre, aufgenommen und tiefer unterbaut werden. Das
Thun setzt Zweckbegriffe. Diese sind jedoch nicht,
wie die Erkenntnissbegrilfe, Nachbilder eines Gegebenen,
sondern Vorbilder eines Hervorzubringenden. Die reelle
Kraft soll ausser ihnen liegen in dem schlechthin Zweck-
setzenden; die Erkenntniss hat hier nur zuzusehen, wie
ans ihm selber, schöpferisch , eine neue Welt sich entwik-
kelt Diess ist der Punkt, an welchen das Bewusstsein
aUer Realität sich anknüpfen muss : meine reelle Thatkraft
ist es. Verhalte es sich mit der Realität der Sinnenwelt
ausser mir, wie es wolle: Realität habe ich: sie liegt in
mir und ist mir selbst einheimisch. Was mich nö-
thigt zu denken*, dass ich so handein solle, pölhigt mich
zu glauben , dass aus meinem Handeln Etwas erfolgen
werde, unverloren für alle künftige Zeit hin. So geht dem
Auge meines Geistes eine andere , bessere Welt auf, als
die für mein sinnliches Auge vorhandene : die ewige Welt,
zugleich aber auch als letzter, wahrhaft realer, durchaus
von der Reflexion unauflöslicher Grund der sinnlichen. In
ihr ist reih und bloss der Wille, wie er im Dunkel mei-
nes Gemüths vor allen sterblichen Augen verschlossen liegt,
erstes Glied einer Kette von Folgen, welches
durch das ganze unsichtbare Reich der Geister hindurch-
lauft , und es , nachdem die trennenden Unterschiede der
Selbstsucht in den Ichen sich vernichtet haben , auch in
dem Bewusstsein Aller zu einem einzigen Ganzen zusam-
34
530 Uebeiffflngspvnkl
tncnrasst. *) Das Absolute ist jetst gefanden : es ist der
ewige Wille, der durch die endlichen Iche hindurch ack
vollzieht, und diese ebenso zu einer hohem Binheil har-
tnonisirt, wie sie alle in gemeinsamen GeßUen, Ansdianim«
gen, Denkgesetzen Eins sind durch die absolute Veraunft-
ibrm des Wissens. Im Hintergründe dieser absoluten Form
hatte sich hiermit die Nothwendigkeil eines Realen , Ei^
lullenden , jene dadurch zur Form Herabsetzenden ge-
zeigt. Diess Yerhällniss wurde nun in den folgenden EnU
Wicklungen der Wissenschaftslehre immer bewusster and
unterschiedener ausgebildet
Die Blicke jedoch , die von hier aus noch einmal der
Natur sich zuwendeten, um sie nicht mehr als blosse ,^in-
n c n we 1 1^ und Schranke für das schlechthin sich fixirende
Bewusstsein, sondern als die Verwirklichung jenes absolu-
ten Willens im bildenden Leben zu begreifen (a.a.O.
S. 330. 31. 35. u. s. w.), blieben vorübergehende, wieder
aufgegebene Regungen; wir können lünzusetzen, eigent-
lich nur in bewussterer Konsequenz des einmal ergriffenen
Princips : auch hier sollte das absolut Reale, der Reflexion
Unzersetzliche , nur im Gewissen, im Bewusstsein der
Sittlichkei^t, sich offenbaren, was kaum mit dem Un-
wilikührlichen im Geistigen , am Wenigsten mit dem
Wesen der eigentlichen, bewussUosen Natur in Zusammen-
hang zu bringen war.
Streng wissenschaftlich blieb aber noch inuner das
Recht aufzuweisen , „über das Ich hinauszugehen.«
Hier tritt nun der Begriff des reinen Wissens , der
absoluten Form der Intelligenz, des „reinen Ich^,
aus welchem in der frühern Wissenschaftslehre Alles her*
geleitet werden sollte, in die Mitte. In ihm muss der neue
Vermittlungspunkt liegen, nach Unten die verschiedenen
Formen der Subjekt -Objektivität daraus herzuleiten, nach
Oben aber es selbst nicht als das letzte Princip, sondern
*) Bestinimnng des Mflnscken S. 383 2d0- 94. 300.
41. •. w.
xwLschen der ersten u. zweitem GeslaU des Systemes. 531
als selber Principiirtes , Form (vgoomnov} eines Gestalt in
ibm annehmenden, es durchhauchenden Realen, Absolu-
ten nachzuweisen. Es kam darauf an, das (in Bezug auf
alle sonstigen Gegensatze und Disjunktionen in ihm) abso-
lute Wissen an sich selbst als das Nichtabsolute ei-
nes Absoluten nachzuweisen, als das, wenn es, allem
Andern gegenüber, sich als das Unbedingte fassen muss,
doch, sich selbst in seiner Einheit und Lebenswurzel er-
greifend, sich nur als Bedingtes des wahrhaft und zuhöchst
Unbedingten fassen kann.
Hierüber sind in dem schriftstellerischen Nachlasse
Fichte 's, der mehrere noch ungedmckte Entwürfe zu
Vorlesungen über die Wissenschaftslehre seit dem Jahre
1801 enthält, die verschiedensten Wendungen versucht,
um diess Absolute, als ein stichhaltendes vor der zersetzen-
den Gewalt der Reflexion, zu erhärten. Wir haben bei
der Herausgabe der „Nachgelassenen Werke^' die ausgear-
beitetste dieser Darstellungen gewählt (Nachgel. W. Bd. H.
S. 89 — 314.), zugleich auch, weil diese den charakteristi-
schen Wendepunkt der neuen Ansicht am Schärfsten aus-
zusprechen scheint ; überhaupt ist jene Darstellung , übri-
gens ebenso , wie die erste gedruckte Wissenschaflslehre
(V. J. 1794.), auch nur aus Veranlassung von Vorlesungen
geschrieben, und für diese bestimmt *), vollkommen werth,
an Energie des Denkens , wie an Kraft und Virtuosität
vielbeweglicher Darstellung und glücklicher Blicke der er-
sten Werke zur Seite gestellt zu werden; doch ist sie nur
das Erzeugniss weniger Monate des Vorsommers 1804.
Hier wird nun gleich im Beginne das herkömmliche
Hissverständniss, die Wissenschaftslehre sei blosser Sub-
jektivismus, „sei auf dem Reflexionspunkte hangen geblie-
ben<^, auf das Bestimmteste abgewiesen, — entscheidender
noch durch die Darstellung ihres wirklichen Princips wider-
*) Man Tergleiche eine gelegentliche Aeassernng Fichte's über
«einen ganzen schri fUteUeritchen Charakter (Leben und Brief-
wechsel II. S. 455.).
A32 Zweite Gestalt de» Systemen
legt. Die Einheit von Denken und Sein , von Subjekt
und Objekt, i«t diessPrincip, nachweisbar aas sich setzend
die erscheinende Urdisjunktion jener beiden auf einander
sich beziehenden Glieder, innerhalb derselben eine Mannig-
faltigkeit anderer untergeordneten Disjunktionen , in wc^
eben allen nur jene Einheit sich verwirklicht. Alles
wirkliche Wissen ist daher nur eine blondere, wandel-
bare Gestalt dieser stets in ihm sich durchdringenden Ein-
heit von Sein und Denken« Fichte nennt desshalb jene
Einheit reines Wissen, Gewissheit, oder nach einem glück-
lich, wie uns dünkt, gewählten Tropus, reines Liebt,
— das noch ungebrochene Element alles InteUigir^is, das
verwirklicht immer ein besondres Verhaltniss von Sein
und Denken zu einander darstellt *).
Aber wie in diesem Einen Lichte alle Mannigfaltigkeit
und alle Spaltungen des Bewusstseins , und so auch der
letzte Dualismus von Subjekt und Objekt sich vernichtet
haben , aber zugleich begreiflich geworden sind in dem
höchsten intuitiven Akte der Wissenschaflslehre, der sich in
die Einheit derselben stellt; so hebt doch dieser Begriff der
Einheit, als des letzten Realen, sich an sich selbst auf: in
dem unendlich sich spaltenden Uiiichte der Intelligenz kann
sich nur zur Selbsterscheinung kommen ein unendliches
Sein, — aber nicht darum ein objektives, wodurch
es auf das Allerbeschränkteste Glied einer Disjunktion, noch
dazu einer sehr niedrigen und durchaus endlichen, werden
wurde, ein Todtes, Abgesetztes, und ein sehr leicht nach-
weisbares Produkt eines unwillkühriichen Objektivirens
des Bewusstseins, — vielmehr ein absolutes Leben, aber
als solches nur in der Form des Wissens sich selbst er-
greifend und unendlich sich vollziehend , und jene daher
setzeAd als die absolute Selbsterscheinungsform tur sich selbst.
Das Absolute kann daher nur erlebt werden im
Wissen ; and nur, so Du selbst es lebst , es in Dir lebt,
) Nacltgelaflseae Werlie Bd. II. S. 106. 114. 130. 46.
149—51. 169. u. s. w.
Princip desselben, 533
wirst Du desselben inne. Nur so verschwindet Dir gründ-
lich und Yollstdndig die Reflexionsform , und das von ihr
untbtrennliche Objekliviren, somit Ertodten, der
Realität un^ des Absoluten, welches jedes im Begfrifie Hin-
setzen desselben unvermeidlich bei sich fuhrt. Denn so--
fem es auch die Wissenschaftslehre also, wie sie es muss,
im Begriffe hinstellt, hat sie es ertödtet, hatte es selbst im
Begriffe gar nicht mehr , wenn sie nicht das Bewusstsein
bdtte, vom Begriffe desselben zu seinem Leben und £rle<-
ben fortgehen zu müssen.
Diess nun in dem reinen Lichte sich S0lbst ergrei-
fende, wissende Absolute ist das — absolute Wissen,
im bestimmten Unterschiede von dem Lichte selber oder
dem reinen Wissen. Aber ts ist selbst (für uns) nicht
im Begriffe oder Abbilde , sondern in seinem Erleben zu
gewinnen. — Darum ist es nichts Unmittelbares»
sondern nur genetisch erzeugbar. Das absolute
Wissen kann sich nur anschauen , als Akt der Selbster-
zeugung , der freien Hat , von einem schlechthin
vorausgegebenen Fertigsein des Wissens aus, der
Natur im weitesten Sinne. Die ganze Unendlichkeit der
Quantität mit ihren Formen von Zeit und Raum und ihren
unmittelbaren qualitativen Unterschieden ist nur die nach-
zuweisende — und die Wissenschaftslehre hat diese De-
duktion zu volliuhr^n •*- Grundlage und Bedingung des
eigentlichen Daseins und der Wahrheit; mithin an sich
selbst ohne alle Wahrheit und Realität.
(Die nähere Aufweisung dieser zum Absoluten teleo-
logisch hinaufführenden Stufen des Wissens, welche in der
hier charakterisirten Darstellung der Wissenschaftslehre nur
kurz und rhapsodisch versucht worden, ist mit grosser
Klarheil und ebenmässiger Ausfiihrung in den „Thatsachen
des Bewusstseins enthalten [v. J. 1812. nachgel. W. Bd. h
S. 400. ff.]^ und auf diese , als die ^eigentliche Quelle da-
für, zu verweisen.)
Somit lässt sich das ganze Resultat der Lehre nach
'ihrem damaligen Ausdrucke so aussprechen: Alles Dasein,
&H4 Princip desadb&L
schlechthin wie es Namen haben mag, vom allemieder-
sten bis zum höchsten, dem Dasein des absoluten Wissens,
hat seinen Grand nicht in sich selber, sondern in einem
absoluten Zwecke: es ist der, dass das absolute
Wissen sein soll. Durch diesen Zweck (späterhin
genannt das absolute Gesetz des Erscheinens
Gottes) ist alles Uebrige gesetzt und bestimmt; und nur
in der Erreichung dieses Zweckes erreicht es und stdit
es dar seine eigentliche Bestimmung.
Nur im Wissen daher, und zwar im absoluten
Wisi^en, ist Werth, mfd aDes Uebrige ohne Werfii: —
im absoluten Wissen, nicht in der Wissenschaftslehre;
denn auch sie ist nur der Weg , und hat nur den Werth
des Weges , keinesweges den Werth an sich. „Wer hin-
aufgekommen ist , der kümmert sich nicht weiter um die
Leiter.«
Wer aber von dieser Erkenntniss nur wahrhaft er-
griffen ist, bei dem wird sich der rechte Wandel (die
That und das sittliche Handeln) schon von selbst ^geben:
er wird nicht unterlassen können zu leuchten mit dem ihm
aufgegangenen Lichte, ^ur ist ein Unterschied zwischen
dem Rechtthun aus so verschiedenen Quellen. Das aus
eigennütziger Klugheit, oder aus (Kan tischer) Selbstach-
tung zufolge eines kategorischen Imperativs entsprungene
giebt todte und kalte Früchte, ohne Segen für den Thä-
ter, wie für den Empfanget^. Nur in der höchsten Ein-
sicht ist auch das Rechtthun seiner selbst gewiss, und
keines äussern Antriebs, wie keines Lohnes, bedürfend. *)
Hierin ist schon vollständig enthalten , was Fichte
in seinen populären Vorlesungen, am fiindringendsten in
„der Anweisung zum seligen Leben oder der
Religionslehre« über das Verhfiltniss seiner Iliilosophie
zur Religion und zur philo'sophischen Erfassung des Christen«
thums ausgeführt hat, und schon in dem zuletzt charakte^
risirten Vortrage über die Wissenschaftslehre wird dicss
*) Nachg«!. Werke a. a. O. S. 278— -293.
Verhältnis der Pöpidarscfariilen dazu« 535
Vcrhaitnfss nach allen charakteristischen Hanptzügen, weicha
in jenen Vorlesungen dargestellt sind, kurz angegeben *).
Man hat in diesen populären Ausführungen seiner religiö-
sen Weitansicht den höchsten und letzten Standpunkt finden
wollen , in welchen hierin sein Fhilosophiren , wie selbst-
entsagend, sich verloren habe ; mit dem Scheine des Rechts,
so lange seine nachgelassenen Werke noch nicht erschie-
nen waren : und bekanntlich war es die Hauptinstanz S c h e I-
lings in seiner Streitschrift gegen Fichte, dass der
Standpunkt , welchen sein Gegner hier als den religiösen
verkünde, schon mehrere Jahre früher von ihm in wissen-
schaftlicher Form aufgestellt worden sei. Aber auch seit
dem Erscheinen des Nachlasses ßhrt man fort, diesen po-
lemischen Fund als ausgemachte Thatsache zu wiederho-
len, und Einer der Geschichtschreiber neuerer Philosophie,
wiewohl er den Nachlass excerpirend perlustrirt zu haben
scheint, schliesst übereilt genug seine Berichterstattung
daraus mit der Bemerkung*: da es Fichte'n mit der wis-
senschaftlichen Deduktion seiner Sätze nie recht habe ge-
lingen wollen, so habe er sich mit desto grösserer Wärme
in dem religiösen Gebiete festgesetzt, und S c h e 1 1 i n g be-
balte Recht, wenn er' den eigenen, früher gewonnenen
wissenschaftlich€>n Standpunkt, zu dem Fichte nur un-
vollkommen hinangestrebt habe, als den hohem und allein
geltenden dem letztem entgegen halle. ♦♦)
Es ist Zeit , dass diese Behauptungen, herrührend aus
einer jetzt nicht mehr zu verantwortenden Unkenntniss
der historischen Urkunden, endlich aus der Geschichte der
Philosophie verschwinden. Wir haben den wissenschaft-
♦) A. a. O. S. 291. 305. 312-314.
**) Er bedient sich dabei des Ausdrucks: ,,da8« Fichte nur iiiii
Seh e 1 1 i nt( sehen Redensarten um sich werfe, ohne den
Kern seiner Gcduiiken zu erreichen", Worte Kichle's dabei
citireud, die vor dem Erscheinen des Sc he IM ng sehen Sy-
stemes geschrieben sind! Micheiet Gesch. der letz-
ten Systeme der Philosophie» Bd. U. S. 132.
536 ' Ueberwindimg
liehen Bildungsgang Fichte's aus den Jedem sogingfi-
chen Quellen bis zu dem Punkte voilsUindig dargelegt, wo
er (1806.) mit seinen populären Vorlesungen hfervortraL
Darin zeigt sich eine stetige , völlig selbstständige
Entwicklung des Identitatsprincipes , das immer schon das
seinigß war^ welches am Ursprünglichsten von ihm *iiB
^reinen Ich^, der Identität und dem Urheber des (subjek-
tiven) Ich und (objektiven) Nichtich nachgewiesen wurde.
Das Streben seiner fernem Bildung konnte daher nicht
mehr darauf gerichtet sein , — wie gemeint worden , —
jenes Princip erst zu gewinnen oder in seiner wahren Be-
deutung sich klar zu machen, sondern aus dem bloss For-
mellen, Nihilistischen, ihm eine. reale Erfüllung m geben:
die Realität, welche sein System vorher, in Kantisch-
Jacöbischer Weise, nur in einem Glauben, dem re-
flektirendcn Wissen gegenüber, besessen hatte, ins wissen,
als das Absolute des Wissens selber, hineinzuziehen. Vor-
her war seine Philosophie in Wissen und Glauben, in Re-
flexion und fast gewaltsames Abweisen derselben gespal-
ten; damals hätten ihn jene Vorwürfe treffen können, dass
er vor dem Bedürfnisse religiösen Abschlusses dem Rechte
der Spekulation Schweigen auferlegf habe; gleichwohl war
er sich dieses Jaco bischen Elements in seiner Philosophie
und der nur äusserlichen Umwendung in dasselbe völlig be-
wusst. Er glaubte sich bewiesen zu haben , dass nor in
diesem endlichen Sic^^abwenden von der Reflexion Rettung
vor ihr sei : jenes sich selbst abspiegelnde Wissen ist leer,
nur Wer sich an's Leben dahingiebt ; hat, gewinnt die Rea-
lität (S. oben S. 529.).
Aber diese Beschwichtigung des Zwiespaltes konnte
selbst damals seinem zur Einheit drängenden Geiste nur
eine vorläufige sein: desshalb war es sein Ringen, die Re-
flexion, welche sich des Identitätsprincipes bemächtigt halte,
aus sich selbst zu überwinden, allgemein wissenschaft-
lich das Recht aufzuweisen , ,,über das Ich hinauszu-
gehen.«
Und dieser entscheidende Wurf ist ihm unwidersprech-
des Reflexioi»staiid)>u!ikles dadurch. 537
lieh gelungen : er hat dadurch Tom r e f I e k ii re n d e n
Subjekte aus in allgemein wissenschaftlichem Zusam-
menhange den Standpunkt der Identitaty der Imma-
nenz der Realität oder des Absoluten im
Wissen, gerechtfertigt. Seit Fichte ist es schlechthin
unmög^ch geworden, das Absolute, als solches, zu einem
bloss Objektiven im Wissen, einem Gegen-
stande desselben , zu machen. Es kann nur sein , —
wie man auch weiter diess Verhaltniss fasse , wo sich da-
bei allerdings auch abstrakt ungenügende, und darum in's
Falsche leitende Wendungen einmischen mögen , — ein
dem Wissen von ihm Immanentes : Gott kaim nur durch
sich selbst , durch seine Gegenwart in uns , von uns er^
kannt werden. Diess ist — wenn sie darin nur verstan-
den worden wäre — summarisches Resultat der Wissen-
schaftslehre. Sie ist damit die spekulative Grundlage oder
Rechtfertigung, die jede wahre Philosophie (ur sich vor-
aussetzt , die sie aber nicht bloss a I s Voraussetzung (wie
es durch Scfaeilings intellektuelle Anschauung gesche-
hen), als ein Vorangesteiltes oder Postulirtes, gelten lassen
kann.. Und es ist bekannt, dass gerade dadurch, indem
Schelling für sein Princip der Rechtfertigung sich über-
hob, die nachfolgende Philosophie über ihn hinausgehen,
d. h. andrerseits wieder zu Fichte zurückkehren
musste , um den übersprungenen oder anticipirten Moment
aufzunehmen und in den Zusammenhang der Philosophie
zu verarbeiten: es ist^ was Hegel mit seiner Phänomeno-
logie des -Geistes, als „ersten Theiles des Syste-
me s der Wissenschaft^^, beabsichtigte. Fichte hat
durch den historischen Fortgang der Philosophie über Schel-
ling hinaus und die seitdem angeregten Fragen die voll-
standigste Genugthuung dem Letztem gegenüber erhalten.
Feststeht S che Hing s tiefere, reichere, umfassendere,
darum auch freiere und beweglichere Auffassung desPrin-
cipes der Identität: aber eben so haben wir erwiesen,
dass Fichte dasselbe Princip besessen habe, in dersel-
ben Klarheit und Bedeutung , nur von der ideellen Seite
638 Veriiaitntes
es durchführend, dadurch freilich jedoch einer grossenBe-
eintrfichtigung es preisgebend.
Aus diesen -GesiehtspunlKten sind anch die polemischen
Aeusseningen beider Männer gegen einander im bemthei-
len: sofern sie nicht geradesü auf unvollständiger und dess-
halb missverstehenden Kenntniss der gegnerischen Philosophie
beruhen, trifft jede auch in der ausserlichen Uebertreihang
den rechten Punkt des Grundmangels an der andern. Weil
Schelling die Reflexion ausdrücklich abwies und die
genetische Vermittlung seines Princips, als das Unphilose-
phische und Platte, verschmähte, kurz, weil er die &nm-
genschaft seiner Vorgänger nicht mit sich fortnahm , son-
dern reaktionär polemisch zurückwies: sah Fichte darin
eine Abwendung vom Geiste freier Wissenschaft, das ar-
beitsscheue Zurückziehen in eine dem dunkeln Drange des
Vemunftinstinktes sich überlassende Subjektivität, was ihm
in der weitern Laufbahn des Verfassers von den „Apho-
rismen über die Naturphilosophie« in den Jahr-
büchern für Mödicin bis zum „Denkmal für Jacobi*
immer stärker und ungescheuter hervorzutreten schien.
Um dieses sorglosen Trotzes gegen die Reflexton wil-
len musste es aber Fichte'n bedanken, als wenn, aller
Behauptungen des Gegentheils unbeschadet, der wahre Begriff
der Identität des Subjekt-Objektiven von Schelling nicht
erreicht sei : sonst konnte dieser Begriff der Reflexion nicht
widersprechen, er musste durch sie erhärtet, aus ihr gewon-
nen werden. Der nicht überwundenen , nur verschmähten
Reflexion entgegen bleibt jedoch schlechthin nur* die Fomi
des unreflektirten Bewusstscins, des blossen Objektivi-
rens, sich Gegenüberstellens der Realität, übrig, —
dasjenige , welchem Fichte durch sein System für immer
ein Ende gemacht zu haben überzeugt war. So konnte er
in dieser Form und Vortragsweise Schellings nur
einen Rückschritt in den Dogmatismus finden , und (in ei-
ner ungedruckten polemischen Abhandlung) hält er sein
System solch eines blossen Objektivirens des Absoluten für
dringend verdächtig, übrigens nachweisend, wie es eigent-
zwischen Pichte und Schelling. ft39
lieh nur auf der Kunst beruhe, an der rechten .— Jedem
indess anders beliebigen — Stdie vo^ der Reflexion das
Auge zu schliessen und die Hand aufzuihnn, um den Schein
der Realität und des Absoluten auf eine Weile festzufaal«
len. — Das polemische Bruchstück ist ungedruckt geblie»
ben, indem es, unerfreuliche Beziehungen vrieder erneuernd^
zugleich in den eigentlichen Sinn des Schelling sehen
Systemes nicht einzudringen schien. Aber in den jungsteil
Schicksalen und Gegnern desselben wiederholt sich nur
jene Voraussagung und Polemik seines Ältesten Gegners. *)
Denn das bloss contemplatiTe Elemenf ist in Schel->
ling durch seine spätere Entwicklung immer stärker und
ausschliesslicher hervorgetreten r mit erstaunenswerther Tiefe
bat er sich jetzt in die entlegensten und yerschlungensten
Gebiete der geschichtlichen Wirklichkeit versenkt, um wahr*
haft seherisch den Lebenspuls und innigsten Geist dersel-
ben herauszuschauen. Diese Leistung halbunwillkührlicher
Genialität wird man einst als eine seiner grössten erken-
nen mässen , und, als völlig werth, der grossen Naturan-
sicht zur S^te zu treten, welche Schelling erweckt hat.
Doch kann sie , um ihrer specifischen Art willen , keine
eigentliche Schule Und unmittelbare Nachfolgerschaft er-
wecken, die nur aus der Ueberiieferung eines frei und be-
weglich zu entwickelnden, mithin auch der Entwicklung
bedürftigen Principes ebenso frei erwachsen kann, und so
ist der spekulative Durchgangspnnkt unwiederbringlich Von
ihm hinweg auf das spätere System geleitet. So musste
Schelling, seinem Genius getreu bleibend, desshalb auch
von der andern Seite sein Schicksal erfüllen, wie Fichte^
seiner Zeit fremd und unverständlich zu werden. Kaum
mochte diese Entfremdung sich ändern , auch wenn sein
neues System bekannt ist, und wir halten den Grund von
Schellings gegenwärtiger Schweigsamkeit aus der rich-
*) Dazu noch na chgeiass e n e Werk e Bd. I. S. 460. 513.
Bd. II. S. 197. f. 331.' Bd. HI. S 42. 43. 371. ff. Leben
und Briefwechs«! Bd. IL S. 193. VgL Bd. JL S. 325.
540
Ügsten BenrtäeStang seines Veriiiltnisses zur Gegeiiwtit
hervoi^gpegangen. Aber das tiefer Hegende Princip dieser
wissenschafUtchen Abkehr hat Fichte in seinem grossen
spekulativen Genossen , dessen „wahrhaft göttliche
Divinationsgabe^ er frühzeitig bewunderte ^, damit
ebenso scharf und eindringlich erkannt
Umgekehrt wandte Se belli ng gegenFichte^s spä«»
teres System die nicht minder treffisnde Bemerkung, da^
Wer das Princip der Identität des Unendlichen und End.
liehen, die Gegenwart des Absoluten imWiriüidien, nur so
einseitig auffaslb , wie es von Fichte bei seinem ganz-
lichen Misskennen der Natur geschehen sei, sich auch dess
verdächtig mache , gleich ursprunglich jenen grossen Ge-
danken nicht in freier Sicherheit und voller Vemunftge-
wissheit besessen zu haben. S c h e 1 1 i n g nannte daher an
anderer Stelle seine Philosophie, nicht ohne tiefgreifenden
Sinn, „eine sich selbst missverstehende^. Und doch war
Grund davon bei Fichte nicht die fehlende Wahrheit des
Principes , — . denn Wer hätte es energischer gefasst und
strenger in seiner ausschliessenden Kraft es ausgesprochen,
als eben er? Es war die absolute Schranke seiner Indi-
vidualität und der Studien, welche jene Seite der Wirklich-
keit ihm verschloss; und die Virtuosität, zu welcher sieh
in- Fichte die Macht des selbstbesonnenen, alles UnwiD-
kührliche und Etngeberische unerbittlich zur Klarheit hin-
drängeaden Denkens ausgebildet hatte , vollendete seine
Selbsigenuge darin. Wenn daher Seh eil ing mit bitterm
Spotte ihm vorwarf, dass er, falls er's vermochte, die Na-
tur in sich vertilgen würde ; so müssen wir diess als wah-
*ren und tiefen Ernst für Fichte erkennen: nichts unwiil-
kührlich bloss Gefühltes oder Erahnetes übrig zu lassen^
den blinden Vemunflinstinkt, in der. Wissenschaft, wie als
dunkeln Leiter der Menschheit , völlig in die Klarheit des
Begriffs und in die besonnene Leitung der Vemunftkunst
aufzulösen, hielt er für seine eigentliche Aufgabe, und das
*) L«ben und Briefwechcei Bd. LS. 4l5.
zwischen Eichte und Schellinif. 541
Princip davon entdeckt zu haben, für die weltgeschicht-
liche, ja weltnmgestaltende That der Wissenschaltslehre *).
So schliesse sich diese vergleichende Charakteristik
in der Betrachtang ab , dass beide grosse Manner zuletzi
doch nur in ihrer starken, aber heterogenen Individualität,
die eben darum jedoch im Einsehien. eine FfiUe paralleler
Zage zeigt, die unüberwindliche Schranke finden mussten,
0m dasselbe Princip in so entgegengesetzter Richtung aus-
zubilden.
Indem wir uns dazu binwenden, die letzte Gestalt der
Wissenschaflsiehre nach dem in den „n achgelassenen
Werken^ Enthaltenen in ihren Hauptzägen darzustellen;
muss eine allgemeine litterarische Bemerkung vorange-
schickt werden. Es ist schon erwähnt worden, dass man
gewohnt ist, unter den Werken dieser letzten Epoche
F. i c h t e 's Popularvorlesungen , namentlich seine Beligions-
lehre, iur den höchsten Licht- und Gipfelpunkt seiner An-
wehten zu halten : daran schliesst sich natfirlich und glaub-
haft die Folgerung , dass er seine höchsten Einsichten
überhaupt nur in Form religiöser Anschau besessen habe*
Wie wir jene Aussagen widerlegten , so müssen wir
überhaupt das Urtheil über die wissenschaftliche Bedeutung
dieser Verlesungen einigermaassen herabstimmen. Fichte
selbst urtheilte so massig über ihren Werth, dass er in der
Vorrede zu einer derselben äussert, er habe nur durch
das Zureden seiner Freunde (was wörtlich wahr ist) über-
haupt vermocht werden können, sie dem Drucke zu über-
*) Wir .dürfen dafür nur an tain zweites Getprach über mPa«
triotismus und sein Gegeniheil'* (Nachgel. Werke.
Bd. III. S. 248 — 274)» und an den Inhalt seiner Staats-
lehre (Berlin 1820.) erinnern, namentlich wie er darin das
Verhältniss der Wissenschaft zum Christenthume und zur Rir*
che festsetzte.
543 Die Wissenschanilehre
geben. Was den wissensehefilichen Gdialt vnd Stendposkl
seiner Vorlesangen ^fiber das Wesen des Gelehrten^ und
über die „Religionslehre« (1806 md 1806.) betriflt; so ist
dieser, nicht bloss, wie dort, lemmatisch , wozu die popn-
hre Veranlassung zwang, sondern mit strenger principidler
Ableitung, in dem Vortrage über die IVisseBSchaRslefare
vom Jahre 1804 vollständig enthalten. Schon damals ver-
mochte er d^ religiösen Weltanschaunng die wissensdiaft-
liche zur Grundlage zu geben ; und der spätere Inhalt der
Nachgelassenen Werke (die Vorlesungen von 1810 — 14.)
sind eine so vollständige Ausführung des Systems von dem
einmal gefassten Standpunkte , wie man diese bisher den
firfthern Werken zugestanden hat.
Das Grosse und Tiere Jener populären Reden vrar der
mit voller Inbrunst der Uebcrzeugung ausgesprochene Ge-
danke — den übrigens die Wissenschaftslehre von 1804
(S. 291.) schon in kürzester Bestimmtheit enthält, — dass
wir nur dadurch über jedes objektivirende Bewusstseia
und die daran sich knüpfende Reflexion hinausgelangen,
der höchsten Realität, Gottes, gewiss werden können, dass
sie selbst in uns eingeht, dass wir von ihr erfüllt, mit ihr
Eins geworden sind. Nur die L i e b e, das Bewusstsein dieser
Einheit, über^vtndet die Reflexion, ist auch Gewissheit, weil
Gegenwart desselben. Diess ist aber allein Religion, nach
dem Chris tenthurae Glaube, im Gegensatze mit d^rWerk*
heiligkeit; und so ist die innerste Einheit der "Wissen-
Schaftslehre, als Lebens- und R e 1 i g i o n s lehre (denn
auch diese Begriffe sind Eins), mit dem Christenthume ge-
funden. Das Denken, die Wissenschaft , hat mir die Auf-
gabe, jene empirische Mannigfaltigkeit und Spaltung zn er-
klären, welche ausser dem Absoluten ein Sein vorspiegelt,
d. h. diese als nothwendige Erscheinungsform desselben
nachzuweisen , wodurch das Eine Absolute in seinem un-
endlichen Leben als alleinige Wahrheit zurückbleibt. Diess
der summarische Inhalt der Religionslehre und die
dort ausgesprochene Bezeichnung itires Verhältnisses zor
eigentlichen Philosophie: dass aber in: jenem Zusammen-
in ihrer aweiten Gestalt 543
hange der religiöse Slandpnnkt als der einsige bezeichnet
Mrerden durfte, welcher die Wahrheit besitzt, weil er, der
Reflexton entwachsen oder ursprünglich ihr fremd , in ihr
lebt und ist , war vöHig begründet ; denn das spekulative
Resultat ist nur der von der Reflexion gerechtfertigte, nacb-
{fewiesene Inhalt der Religion. —
Die Hauptxüge. des spätem Systemes lassen sich in die
nachfolgenden Sätze zusammenfassen. Wir legen dabei
„die Wissenschaftslehre in ihrem allgemei-
nen Umrisse«^ (Berlin 1810.) und die Voriesungen deff
Nachlasses zu Grunde, den Gang der erstem jedoch inso-
fern verändernd , als wir nidit , wie diese , indem sie ain
Ende der aufsteigenden Entwicklung des Wissens steht,
vom Sein des Absoluten beginnen können, sondern
diesen Begrifi* aus dem des Wissens selber zu vermittebi
haben. Dieser rückwärtsgreifende Gang des Wissens in
seinen eigenen Grund und Ursprung ist in den Vorlesun-
gen „über die Thatsachen des Bewusstseins^
CNachgel. Werke Bd. I. S. 403 ff.) am Vollständigsten
dargelegt.
Die Wissenschaftslehre , durch eine erlaubte Abstrak-^
tion fallen lassend alles einzelne und bestimmte Wissen,
geht von der Frage aus : was das Wissen , jenseits aller
seiner Besonderheit, in seinem absoluten Wesen sei, un<t
setzt dabei voraus, dass, falls sie dasselbe in seiner Ein»
beit richtig begriffen, auch die mannichfaltigen Bestim«
mungen desselben sich erschöpfend aus diesem Begriflb
werden herleiten lassen.
Das Wissen an sich ist absolutes Bilden zu nennen,
d. h. Vermögen, Princip, Bilder zu entwerfen. Wir kön»«
nen insofern umfassender sagen , Wissen sei absolutes
Bildsein, falls dadurch nur nicht ein Beruhen in einem
einzelnen Bilde oder einer Bildform verstanden wird , da
jenes n;ar der abstrakte Ausdruck seiner Allgemeinheit ist,
die im wirklichen Wissen lediglich auf eine bestimmte
Weise , andern Bestimmtheiten gegenüber , sich darstellen
kann. ' — Absolute Form des Wissens wird aber dasje-
544 Dfe WissenschaRsIehre
nigfe sein, was durch seinen Chamkter, als Bildlichkeit Sber—
haupt, nothwehdigf gegeben ist: und insofern bierin, mit
Allem , was weiter ans der absoluten Form des WisseiK
folgt , eine Mannigfaltigkeit solcher nothwendigen Bestim-
liiungen hervorgeht; werden wir diese die Gesetze des
Wissens nennen können.
Unmittelbar tritt in ihm die Unterscheidung hervor,
dass es, eben als Bild, sich entgegensetzt dem in ihm
Abgebildeten, dem Inhalte seines Bildens. Dieser
ist als das Erste, absolut ihmVorauszusetzende, za
denken, zugleich aber auch, als dasjenige, was nidit ge-
trennt von ihm und innerlich geschieden , vielmehr nur
als dem Bilden immanent und für dasselbe, gedacht za
werden vermag. Um also gleich hier einen für das Fol—
gende wichtigen Satz hervorzuheben: ein absolutes Qaa-*
le, ein Inhalt, ist dem Wissen schlechthin vorauszusetzen,
— als welches sich dieser bei weiterer Entwicklung- der
Theorie auch zeigen möge; — denn es wdre der offen-
barste Widerspruch, ein Bilden des Ntctfats, ein leeres, in-
haltloses Wissen zu denken: — sodann ist derselbe als
innerlich Eins mit dem Wissen zu setzen , d. h. in sei-
nem Bilden ganz un4 ohne Rückhalt sich dar-
stellend, wie er ist, so dass sein Sein und sein Bild
nur Dasselbige enthalten; — widrigenfalls das Wissen
ja abermals zu einem Bilden des Nichts , d. h. zu einem
Nicht-Wissen würde, ein Gedanke, der sich selbst
aufhebt.
Aus diesen beiden Sätzen , wiewohl sie erst im irei-
tem Verlaufe ihre vollständige Bedeutung erhalten können,
folgt zunächst doch schon zweierlei : dass das Reale (Sein)
dem Wissen in keinem Sinne ein Objektives zu sein ver-
möge, somit umgekehrt, das objektive Sein — die g^e-
wöhnlich sogenannten Dinge — kein wahrhaftes Sein sei :
sodann dass das Sein, so gewiss es ist, eben to vöUig^
aufgehe im Wissen , so dass das Sein nur das schlechthin
in das Bild seiner selbst Eintretende, Offenbare und Durch«*
sichtige sei^— unbedingt wissbar; umgekehrt das' Wissen,
in ihrer zweiten Gestalt. 545
das schlechthin das Sein durchdringfende , in Bildlichkeit
auflösende , zwischen beiden aber in der tiefsten Lcbens-
wnrzel kein Gegensatz und keine Trennung sei *).
Indem aber Wissen oder Bild überhaupt voraussetzt
r^'xn in ihm Abgebildetes; ist es daher nur innerhalb
eines Gegensatzes, und als das £ine Glied dessel*
ben zu begreifen ; und wo nur dieser Charakter der Bild-
hclikeit hervortritt, mms auch jener Gegensatz, wenn auch
durchaus nicht in den Fokus dieser Bildlichkeit tretend,
vorhanden sein. -^ Wo aber überhaupt ein Gegeosatz statte
findet, ist dieser niur für eine höhere, formal beide,
als Glieder eines Gegensatzes, vereinigende, qualitativ
sie einander entgegensetzende Einheit; — die synthetische
Einheit einer Trennung, oder die Trennung in synthetischer
Vereinigung.
So ist nun, da Bild nur in einem Gegensatze gedacht
werden kann, damit auch der Gedanke einer hohem Ein-
heit gesetzt, weiche, über jenem Gegensatze von Bild und
?iichUMld schwebend und ihn abbildend, erst denselben
möglich macht. Diess begründet nun die allgemeine Form
des Wissens, als solchen. Bild muss daher in einem hö-
hern Bilde als solches begriflTen , der Exponent seines
Wesens ihm unmittelbar hinzugefügt werden. Aber indem
diess höhere Bild, diess Bild des Bildes, nicht ein abstrak-
ter, unwirklicher Gedanke , sondern das absolute Wissen
selbst ist; so müssen wir sagen, dass das. Wissen zu-
gleich dieses Bild von sic^, dieser absolute Exponent sei-
nes Charakters sei.
Wissen also ist überhaupt (vor allen weitem .Bestim-
mungen, und als Gemeinschaftliches dieselbe umfassend)
Bild, das sich verstehet als Bild, und hieraus ist
die Form desselben durch analytische Entwicklung zu
finden. — Sein allgemeiner Charakter ist daher auf die
*J Wi ssenschaftslehre inj allgem. Umrisse S. 10— 13.
Wiss«ii8chaft8l. vom J. 1812. Bd. Tf. S. .333 ff. 347-49.
u. s. w.
35
546 Grandbegriff des Wissens.
Alt zu bestimmen , dass es nirgends aufgebl im eiafacbea
ßild-sein, sondern dass diess Sein durch alle seine
Nomente hindurch begleitet ist von seinem sich
selbst spiegelnden Reflexe: Wissen ist absolute Re flexi-
b i I i t ö t ; jeder Zustand des Wissens kann wiederum Ge*
sehcnes werden: und falls der objektiv irte Bildzu-
stand, das Bild-sein desselben, in verschiedene Momente
zerfiele; so wäre das objektivirende Bild, als das
Gemeinsame in jenen Momenten, die Einheit derselben,
ihr ordnend Zusammenfassendes; — und überall wäre im
(wirklichen) Wissen , durch diese absolute Form bedingt,
das Princip und der wahre Zustand des Wissens um eine
Stufe höher zusetzen, als es faktisch sich begrciil,
indem, zufolge dieser Form , das Hervorbringende dessel-
ben versteckt und ungesehen bleibt, und erst im nachfol-
genden Akte der hoher steigenden Reflexion aufgedeckt
werden kann. Die Wissenschaftslehre ist daher voriaiifig
als Auflösung der gesammten möglichen Reflexibilttit in
wirkliche Reflexion , als verwirklichte Reflexibilität zu be-
zeichnen *).
Jenes formale Sichverstehen als Bild aber xer-
CUU in einen neuen Gegensatz , dessen beide Uilllen wie-
derum schlechthin durch einander bedingt sind: wir un-
terscheiden nämlich daran zunächst die Anschauung des
reinen (noch unbestimmten) Ich, sodann den dazutreteD-
den Begriff, den charakterisirenden Exponenten flir je-
nes Ich, als welches bestimmte es sich anzuschauen habe.
Was aber als Mannichfaltiges auf diess Ich bezogen
wird, sind insgesammt Bilder, die nach der Jtothwendi-
gen Form , die Jeden Bildzustand begleitet , in einem hö-
heren Bilde als solche begriffen werden mössmi: die ge-
meinschaftliche Form daher^ in wekher das leb
dieselben auf sich bezieht , ist , dass jene Bildlichkeit als
solche verstanden werde, d. h. dass das Ich sich in jedem
♦) W. L im allg. ümr. S. 13, W. L. a, t. O. S. 405. 406 ft
Vgl. 325.
GramlbogriiT des >yis8en$. 547
derselben als besUmmtes Bild begreife. — Und dieser
zweite Hauptlheil der ganzen Synlhesis bliebe jelzl noch
gcnaoer zu erörtern übrig.
Was bedeutet zuerst „Sicfaverstehen als Bild?^
kidem ein bestimmter Jnhalt als Bild verstanden werden
soll, ist diese Charakteristik nur innerhalb einer Entgegen*
Setzung möglich: er, als Bild, ist diess nur im Gegensatze
mit einem Ntchtbilde ; es ist das Abgebildete , das Sein,
welches als das ihm Vorauszusetzende erscheint. So wird,
was im Bilde gebildet wird — sein Bild -In halt, —
vielmehr als das Nichtbild , Sein, ihm vorausgesetzt wer-
den müssen, am daran das Bild, als Nichtsein — vieknehr
als Bildendes jenes Seins, — zu begreifen. Das
Ich schwebt daher in dieser Synihesis charakterisirend
über dem Gegensatze von Bild und Sein, jede dieser
Wechselbestiinmungen durch die andere setzend. So ist
das Ich , indem es sich als in einem bestimmten Bildzu-
stande begreift, dadurch nothwendig ein Seinselzen-
iles^ nnd so wie nach Oben die Synihesis durch die Alles
vereinigende Anschauung des Ich geschlossen ist, so fin-
det sie nach Unten ihre feste Grundlage und ihren Ab-
sebittss an der Vorstellung des Seins.
Dadurch ist aber diese Form des Wissens als absolut«
Fünffachheit in der Einheit gesetzt: die reine Ich-
anschanung zerfallt zunächst in die Zwiefachiieit des Sub-
jekt-Objekts ; dazu gesellt sich sogleich das Sichverstehen
als Bild , von dem das Sein als sein begleitender Gegen-
satz unabtrennlich ist : und so sind diese fünf Glieder nur
durch- und ineinander , und von absoluter Einheit durch-
drungen, die das Ich ist. Diess ist aber selbst nichts An*
deres, als jene zur Einheit verschmolzene Fünfiachbeit, das
sie durchstrahlende Licht des Bewusstscins. Und wenn wir
jene Mannichfaltigkeit dennoch nicht als das vom Ich Ge»
setzte, Hervorgebrachte denken können (wie Einige
die früheren Darstellungen der Wissenschaftslehre deute-
ten); so ist noch weit weniger jene Ichanschauung als
Produkt der Mannichfaltigkeit von Vorstellungen , die sich
548 Absolute FakiicUat desselben.
dazu vereinigen, seine Vorstellung aUmahlig aus sich ent-
stehen zu lassen , wie eine neuere Philosophie die Sache
angesehen hat, zu denken: — sondern an sich (d.h.
absehend von der faktischen, zufälligen Entwicklung des
einzelnen Bewusstseins) sind alle diese Momente schlecht-
hin in Einem Schlage , indem sie nur durch einander zu
sein vermögen : und jenes Setzen oder Dcduciren aus dem
.Ich gilt nur innerhalb des wissenschaiUichen Processes,
der, das innere Zugleich jener Momente auflösend, sie aus
ihrer Einheit genetisch entstehen lasst
Aber das Wissen , indem es überhaupt existtrt , muss
sich unmittelbar als fertiges, durchaus vollendetes
gegeben sein ; d. h. es macht , vollzieht sich niclit erst
selbstschöpferisch und mit Freiheit zu einem bealimmten
Bildzustande ; sondern wie es ist^ ist es ohne all sein Zu-
thun sich ein unmittelbar Gegebenes , — sich selbst a b-
solutes Faktum. Daraus folgt, dass es gleich ur-
sprunglich in seinem Bilden auf eine bestimmte Weise
fixirt sein, sich in einem gegebenen Bildinhalte als schlecht-
hin gebunden finden muss: und dicss wäre die fak-
tische Grundlage alles Bewusstseins, der lermimu
a quo , woraus jeder höhere Zustand desselben sich ent-
wickelt, und worauf er sich bezieht. — Das Ich isl sich
unmittelbar gegeben, als ein fertiger Bildinhalt, heisst
aber : es ist schlechthin wahrnehmend, was deradbe
ihm darbietet, und also , wie er sich ihm gestaltet , beides
mit absoluter Negation seiner Freiheit zu bilden. Das Be^
wusstsein findet sich in diesem Zustande überhaupt lei-
dend, hingegeben und versenkt in ein schlechthin cdmc
sein Zuthun sich ihm machendes Bilden. Diess setzt
es als Aussen-Welt, — d.h. eineSphäre, über die ihm
absolut keine Gewalt zusteht, als ein ihm Fremdes und Un-
abhängiges, — sich selbst, als dem Innerlichen, entgegen. So
wird jener unmittelbare Bildinhalt des gegebenen Bewusst-
seins als ein von ihm Unabhängiges, d. h. nicht als (frei-
entworfenes) Bild, sondern als Sein angeschaut. Das
unmittelbare Bewusstsein, als solches, ist noth wendig an-
Unmilidbare Gegenwart des Denkens darin. 549
schauend, oder Seinsetzend. Diess„Sein<^ ergiebt
sich aber nicht etwa aus dem Inhalte der unmittelbaren
qualitativen Anschauung; -^ im sinnlich Qualitativen derselben
kann schlechthin Nichts von diesem Begriffe enthalten
sein: — sondern es ist Resultat des absoluten Bewusstseins,
dass in jenen) Bildinhaltc alle Freiheit des Bildens negirt
sei, also Produkt eines über die reine Wahrnehmung hin-
ausgehenden Urtheils. Das Sein wird nicht angeschaut,
sondern durch eine zum Inhalte dazutretende Funktion des
Bewusstseins gedacht. Jedem Anschauungsakte gesellt
sich daher ebenso unmittelbar , als der verborgene Expo-
nent desselben, ein Denkakt bei, Sein und Bild, ihrem
schlechthin ursprünglichen (apriorischen) Charakter nach«
sich gegenüberstellend und Eins durch das Andere begrei-
fend. Dem faktischen Wissen ist daher schlechthin ur-
sprünglich das Denken gegenwärtig; das Wissen wird
nicht erst Denken, so dass diess als ein besonderer Zu-
stand oder Funktion des erstem wäre, sondern es ist
Denken, ursprünglich und schlechthin, und in seiner Grund-
form nichts Anderes, denn Denken, Verstand.
Diese absohite, schon im faktischen Wissen in unmittelba-
rer und danmi sich selbst verborgener Gestalt gegenwar-
tige Verstandesform — Sichverstehen der absoluten
Erscheinung — erschöpfend zu verstehen , Verstehen des
absoluten Vorstandes zu sein, kann abermals als
unterscheidender Charakter der Wissenscbaflslebre gel-
ten. *)
Hieraus ergiebt sich,' als Neben folgerung, auch der be-
deutende Satz, dass das sogenannte logische Denken, wel-
ches die gewöhnliche Logik zum Gegenstande nimmt, und
das sie für das primitive halt, nichts Anderes sei, als das
Bewusstwerden , die Nachkonstruktion des ursprünglichen,
dem faktischen Wissen einverleibten Denkens.
Dtidurch wird allein auch erklärbar, was die gemeine
Logft so wenig erklart , dass sie nicht einmal der Noth-
") Nacbgel. Werke Bd. 1. S. 408-411. 413. 14.
550 Vcrfaällniss der gcuohRlicbca Logik zu denselben.
tvendigkeit einer Fnij^e danach sich bewusst wird , oder
es einer Untersuchung werlh hält: — wie der empi-
risch (regebene Inhalt der Anschamnig , die Faktiriläl ,
sich den (logischen) Geselzeo des Denkens , den For-
men des Begriflcs , als genus und species so IreffUcfa
fäge und ihnen einpassen ISsse. Wäre jener Inhall nicht
ursprunglich schon durch die absolute Verstandes-
form der Erscheinung Gottes gesetzt, somit absolut in-
telligirt und intelligibel; so vermöchte auch das
nachkommende (empirische) Denken ihm nicht die (ver-
meintlich seinigen oder gar erst durch Logik angelernten)
Fou'men der Intelligenz aufzudrucken: — ein gnindwich-
tiger Salz, den erst die spätere Wisscnschaftslehrc aus
den dunklem Prämissen ihrer ersten Gestalt zur völligen
Klarheit herausgeiäutert hat, entscheidend überhaupt für
den ganzen tieferen Sinn ihres Idealismus, zugleich aber
auch zum ersten Male einen verständlichen Zusammenhang
aufweisend und eine Brücke schlagend zwischen dem Den-
ken , als einem sogenannt nnsern und innem , und der
Aussenwclt, alsi einer von uns unabhängigen Objektivitäl.
Auch die von hier aus vorzunehmende Revision und Kritik
der gewöhnlichen Logik hat Fichte nicht unterlassen.
Hierher gehört seine ,, transscendentale Logik
oder über das Verhältniss der Logik zur
Philosophie*^ (Nachgel. Werke Bd. L S. 105— 400.),
welche alle jene. Aufgaben löst und die vorhin erwähnten
Sätze begründet ; so wie seine ,,E inleilungsvorie-
sungen in die \Vissenschaftslehre<< (Ebendas.
S. 3 — 103.), welche besonders den Charakter des empüv
sehen Bewussfseins, seinsetzend zu sein, mit der höcbslcd
Kvidenz darlegen.
Mit dieser ebenso ursprünglichen, wie faktischen Syntkesis
von Ani?chauung und Denken ist jedoch die Selbsfgegebenheil
des Bewussiseins noch nicht erschöpft, oder der unmittel-
bare Znstand desselben vollständig umschrieben ; viel-
mehr werden wir dasselbe noch nach einer entgegen^^c-
set/Jen Kichtung hin eben so unnütlelbar bestimmt ündea.
Fakticilät des Ich als Nalurwifle und Trieb; 551
Dabei entsteht aber die Frage , wie überhaupt das Eine
Bewusslsein in ein mehrfaches, ja in einen Gegensats
von Zuständen zerfallen könne. Sie wird nur dadurch
eil lösen sein, dass nachgewiesen wird , wie in der Ein-
heil des Bewusstseins selbst dieser Gegensatz gegründet
sei , wie daher das Bcwusstsein vielmehr nicht wahrhafte
Einheit sein könnte, wenn diese nicht die Einheit von
Entgegengesetztem wäre.
Indem nämlich das Ich unniittelbar sich als wahr-
nehmend anschaut, ergreift es darin zunächst sein Bil-
den , das , was es absolut ist, als gebunden , d. h. sem
Vermögen, als negirt: dadurch geht es aber hinaus ober
das blosse Wahrnehmen , indem es in ihm zugleich sein
Vermögen , überhaupt zu bilden , — zunächst freilich als
negirtes, — anschaut. Die Anschauung der Gebundenheit
des Vermögens enthält nämlich sicherlich am Ursprung«
liebsten das Bild des Vermögens selbst : um also
der Negation desselben sich bcwusst zu sein , ist die An*
schauung der Wirklichkeit desselben unmittelbar gesetzt.
Gleich ursprünglich also, indem es sich als wahrneh-
mend gegeben ist, fasst das Ich sich nicht bloss als
wahrnehmend , sondern in der absoluten Doppelheit
eines Gebundenseins und einer Freiheit seines Vermögens
za bilden ; und auch hier ist nicht ein Vorher und Nach-
her des einen oder des andern Gliedes, sondern absolut
zugleich gesetzte Synthesis.
Was Itegtaberin der Anschauung dieser Frei-*
heit? — Auch diese wird selbst wieder in eme Doppel-
heit zerfallen müssen: zuerst Bild der Freiheit über-
haupt, der formalen Unabhängigkeit des Ich von der
Naturgewalt der Aussenwell. Das Ich schaut sich in ihm
an, als frei wirkend; der Hemmung der Aussenwelt
absolute Rückwirkung entgegensetzend und sie bewäl-
tigend. (Es ist der unmittelbare Naturwille des Ich:
das Aussending [die faktische Anschauung] bestimmt das-
selbe ; aber umgekehrt sucht das Ich gegenstrebend sich
jenes anzueignen oder anzupassen — durch Begierde und
552 als Eiiibildungskrafl.
Trieb, — oder nach dem Iiöchsleii Ausdrucke dieses Ver-
mögens — sucht es die Aussenwell seinem freienlHorfeiieii
Zweckbegriffe zu unterwerfen.—) Zugleich isl aber
noch zweitens darin die Freiheit zu bilden gesetzt,
in welcher das Ich sich eben so unmiüelbar «nzuschaufin
hat: es ist die Bildungs- oder Einbildungskraft
des Ich, das Vermögen, den gegebenen Bildinhall frei
wiederherzustellen, oder, ihn umgestaltend, neue Vorstellun-
gen daraus hervorzurufen , welches in seiner Unmittelbar-
keit als völlig gesetzloses Einbilden und an einander Forl-
treiben zufalliger Vorstellungen , als die erste ungezügelte
Macht der Einbildungskraft, sich zeigt.
Die unmittelbare Selbstgegebenheit des ich zerfallt
demnach in eine Dreifachheit der Momente , die
schlechthin im Wechselverhaltuisse mit einander stehen, also
unzertrennlich sind ; und erst hiernach wäre eine er-
schöpfende Bezeichnung des Wesens desselben möglich.
Das Wissen ist in seiner Wurzel bildendes Leben —
absolutes Vermögen, durch eine Hannichfaltigkeit von Mo-
menten hindurch sich bildend zu entwickeln. Als Bild,
setzt es aber nothwendig voraus und bezieht es sich auf
ein in ihm zu Bildendes^ einen Inhalt, ein Sein, des-
sen abbildende Darstellung es ist, um in derTbat
Wissen zu sein. Eben so ist aber die gemeinsame
Form des Wissens, welche seine mannichfaltigen Momente
ordnend zusammenschliesst , durch seinen absoluten Bild-
charakter bedingt: es ist das Sichverstehen als Bild, wo-
durch es sich, als Negation seiner selbst, ein Sein entge-
gen- und voraussetzt.
Das Wissen aber, in seiner unmittelbaren Gegeben-
heit, ist sich zunächst der Beschränkung, Fixirlheii
seines Bildens, bewusst; — eine hier noch unbegreif-
liche Schranke desselben, well nur das Warum derselben
(damit es überhaupt zu einem Wissen komme), nicht aber
das Woher, das höhere Princip davon nachgewiesen wer-
den kann, wofür sich eine andere Stelle finden wird. -
Aber ^n dem Bcwusstscin jener Bcschräukung des Bildcus
Die. Fakticiliit nur von formeller Bedeutung. 553
entzündet sich untniltelbar, d. h. ist von ihm unzertrenn«-
lieh , das Selbstgefühl der absoluten Freiheit des Ich , zu-
nächst als Rückwirkung, Gegenstreben gegen jene
Schranke; der Richtung von Aussen nach Jnnen stellt sich
unmittelbar die von Innen nach Aussen gegenüber, — der
]\aturwille; — ebenso die Freiheit des Bildens, das
Vermögen, den Inhalt jener gegebenen Vorstellungen sich
als Eigen th um zu bewahren, oder umgestaltend neue
daraus zu erzeugen.
Aber diese gesammte faktische Selbstgegebenheit des
Wissens, die Empirie mit Allem, was ihr verbunden ist^ bat
durchaus nur formelle Bedeutung ; es soll sich überhaupt nur
durch. sie die absolute Form des Sichverstehens realisiren,
der Fokus wirklichen Bewusstscins sich entzünden. Dio
Erfahrung ist absolutes Bild des formalen Sichverstehenfi
der Erscheinung Gottes; und nur diess ist sie. Diess
giebt das schlechthin empirische Objekt und das System
dieser empirischen Objekte , die Natur, welche schlecht-
hin Nichts sind, als das, woran das Verstehen dargcstelll
wird, indem das Wahre der Empirie nur in der Form des
Verslehens überhaupt liegt. *)
JEben darum kann jedoch das Wissen (als Erscheinung
des Absoluten) schlechthin nicht aufgehen in diesem nur
formalen Selbstverstehen: es rofisste ihm gegenübertreten
ein höheres Verstehen, worin die Erscheinung sich als das -
versteht , was sie in der That , und abgesehen von ihrer
blossen Form , als reale, ist , als die Erscheinui^ dos
Absoluten, und dieses Bild des Absoluten musste heraus-
treten in diesem BegrilTe.
Zu erinnern ist näiidich daran, was wir schon im Vo-
rigen nachgewiesen haben, dass das Wissen, als absolut
bildendes Leben, .unendliche Bildlichkeit, nicht lecft, formell,
sundern Bilden eines unendlichen Inhaltes, einer
*) T h a l s a r ii e n des P e w u s a t 5 e i u s iu Jeu nacli^elassciicn
Werken Bil. I. S. 419.'
554 Das absolut Reale im Wissenc
scUechlliin ihm iminanenten Reaiiiät sein köanc. Nicht
diess ist hier jedoch der Gegenstand des Beweises, son-
dern in welcher Form des Sichverstehens allein jenes
Realbild im Bewusstsein erscheinen könne.
Das Absolute, dessen absolute Erscheinung das Wis*
sen ist, und, was damit schlechthin sSusammenfallt , als
solche sich versteht, ist zuvörderst nicht der todte Begriff,
den wir so eben , es objektivirend j ausgesprochen haben,
sondern es ist in sieh absolutes Leben. Das absolulo
Wissen demnach, als des absoluten Lebens Erscheinung,
als das, wodurch es in die Verstandesform, die Selbsfklar-
beit , aufgenommen wird , kann ebenso wenig' ein in sich
gebundenes, fertiges und todtes Sein sein ; vielmehr muss
es sein ein Vermögen zur Verwirklichung nur dessen,
was in ihm liegt, von Bildern in der festen und stehenden
Form des Sichverstehens. Das Bilden jenes unendlichen
(göttlichen) Gehaltes, zugleich als sichverstehendes,
kann somit nur Bild einer freien Vollziehung, eines
Seins durch absolute Selbstbestimmung, sein; und eben
darum ist die Empirie nur die leere Form des Sichverste-
hens, weil sie schlechthin fertig und gegeben, Negation
der Freiheit , damit aber zugleich der nothwendige Aus-
gai^spunkt ist, durch welchen es zum Bewusstsein der
Freiheit und, was davon unabtrennlich, des realen absolu*
ten Inhalts komme. *)
So ist im Wissen, und zwar innerhalb der fesibe-
stimmten Einheit der Selbstanschauung, des Ich, vrelches
durch die absolute Form des Sichverslehens der Erschei-
nung schlechthin gesetzt ist, ein Grundgegensats gegeben,
der einen absoluten Hiatus bildet, einen termmus a quo und
ad quem: das Bild des empirischen Seins und die ganze
UnmittelbaHteit desselben , — sodann ein genetisches Bild,
welches nur unter Bedingung der freien Entwicklung der
Erscheinung hervortreten kann, und das mit demselben
zugleich gesetzte reine Denken oder Intelligiren.
*) W. L. im allg. Umrisse, S. 7. 11.
YcmiiUluDg beider Sphären im Willen j 555
Aber scbon früher ist nachgewiesen, dass das emplri«*
sehe Ich, ausser der sinnlichen Anschauung, Vorstellen,
dadurch vermittelt, zuhöchst W i 11 c, Naturwille sein müsse»
absolutes , wiewohl zunächst nur leeres (rormelles) Princip
einer Wirkung in der Natur. Der Wille ist das absolut
Höchste, Uebersinnliche derselben: selbst Natur, denn er
ist schlechthin gegeben in dem Conlexle der faktischen
Selbslanschauung des Ich ; i n der Natur aber das Uebersinn-
liche, denn er ist Bild (Reflex) der realen Erscheinung des
Absolaten. Dadurch haben wir eine Naiur mit Leben, wie
diess nicht anders sein kann ,« da die Natur das Bild der
Form der Erscheinung ist, welche Form Leben ist. ,,Man
spricht so oft von einer W c 1 1 s e e 1 e — Naturseele. Frei-
lich gtebt es eine solche ; nur glaube man nicht , dass es
zwei Seelen in der Natur gebe: sondeim die Seele des
Menschen ist diese Weltseelc. Des Menschen; — denn
das Ich, als organisches Nalurglicd, heisst so.^
„Dass die Menschen vor diesem Gedanken erbe*
ben, kommt bloss von der verächtlichen Meinung, die
sie vom Menschen haben , weil sie nicht das Ueberwirk-
liehe sehen j dessen Venvirklichungsform lediglich der
Mensch ist.^ — „Dadurch fallt auch in der Wurzel hinweg
und verschwindet in Nichts jenes absolute Naiurgesetz,
welches die Philosophen aller Schulen noch immer als Et->
was hinstellen , vor welchem sich die Freiheit zu furchten
babe^ und das dieselbe beschranken könne. Die Freiheit
ist ja das Princip der Nati^r, und das Princip wird niemals
durch sein Principiat beschrankt^' *)
Alles diess findet seine Erklanmg in dem Satze,
w^elchen besonders die Sittenlehre mit Nachdruck
durchRihrt, dass das empnische Ich an sich seibsl gar
keine R^Klat habe, sondern, wie die ganze übrige Natur,
nur formelles Schema der Erscheinung Gottes sei ; dass es
real nur werde , damit aber zugleich in sich absterben
^ThatiaclieiidesBewiisstseinsBd. I S. 4ld~4(>4-
556 ^ bestiinmlcr im sittlichen Willen des Ich.
lasi^e das an sich Nichtige jenes zufälligen und unstätcn
Naturwillens, indem es sich anschaue als Verwirklichmigs-
glied der übersinnlichen Welt. Das Ich muss sich erschei-
nen mit einem absoluten Willen der Pflicht, wel-
cher alles besondere Wollen schlechthin aufhebt. Dieser
Wille muss seine Persönlichkeit, sein Charakter sein,
aus welchem allein er lebt, und woraus alles sein anderes
Leben, nur als Erscheinung dieses Charakters, sich entwik-
•kclt. Diess wird die neue, nun aber ewige Wurzel setner
Persönlichkeit, in der das göttliche Erscheinen unendlich
abüiesst, und dieso sich ge\wnnen hat zu einer bleibenden
und schlechthin eigenthümlichen Gestalt seiner Ver-
wirklichung. Eine solche Persönlichkeit ist daher auch
ihrer ewigen Fortdauer schlechthin gewiss; denn in die
absolute Ewigkeit, d. h. in die Zeltreiiie, die schlechthin
kein Ende nehmen kann, ist sie schon wirklich eingetreten.
„Dagegen kann jedes Ich, das sich nicht einer sol-
chen Persönlichkeit bewusst ist, sicher sein seiner abso-
luten Vernichtung, und das Beste, was es erwarten und
hoffen kann , ist eben diese Vernichtung und der Durch-
bruch des neuen und schlechthin ewigen Lebens, von wel-
chem wir reden. Sein Leben trägt den Tod in sich, weil
OS eigentliches (reales) Leben gar nicht ist Ob nun al-
lenthalben diese Sterblichkeit übergehen werde in das neue
Leben, oder in ein absolutes Verschwinden seiner Erschei-
nung aus dem Systeme der absoluten Erscheinung , das
wissen wir nicht, haben aber durchaus keinen Beweisgrund
gegen die letzte Voraussetzung, und diess lässt sich dar-
thiKi. « *)
So konnte. Fichte in diesem Zusammenhange ohne
Widerspruch ebenso den Satz aussprechen : das empirische
Ich muss vernichtet werden, wie in andcrm Zusamn^ßnhange
den entgegengesetzten: dass das empirische Ich selbst
nichtig sei. Es gilt hier nur, dass das an sich Nichügc
*) ,,$ystem der Sittenle h re«< 1812. Bd. iU. S. 35^49,
52—56.
SilUiches Princip (»er Well , 557
vernichtigt, das Sierblichc gerade dadurch zum Tode ge-
bracht werde ; dass an dessen Steile und in dessen Aus-
iüUung das wahrhaflc Lebon Iritt.
Hiennil ergiebt sich für unsern unmittelbaren Zusam-
menhang, dass jener sittliche , allein eigentlich reale Wille
nur anknöpfen, erfüllend eintreten kann in den Natur-
willen des Ich. Durch jenen wird er gesetzt als über«-
naturliches Princip innerhalb der gegebenen Natur; als
Princip einer übernatürlichen Ordnung, umgestal-
tend die natürliche. Diess müsste sich ausdrücken in einer
Ordnung, die, wenn sie da wäre , nicht da wäre um d c r
Na tu r willen, in irgend einer ihrer Gestalten, sondern
schlechthin um ihrer selbst willen, und die Natur
ebenso schlechthin sich unterwerfend. Das Ucberwirklichc
verhält sich darum zur Empirie , wie der Begriff zur An-
schauung ; das Ueberwirkliche ist ein Ordnen , die Natur
das Mannigfaltige , an dem das Ordnen erscheinen soll«
So kann diese neue, höliere Ordnung , die dnrch- das Ich,
als Yermittlungsglied, sich in der Naturordnung verwirklicht^
nur in der Form der Genesis und des Gewordenseins,
und zwar durch den Willen des Ich hindurch, seinen Natur«*
willen beherrschend, im Gegensatze der niedern erscheinen.
Das Ich muss sich mithin bewusst werden, theils seiner ab-
soluten Freiheit, theils aber auch der Unterwerfung dieser
Freiheit unter jenes überwirkliche Princip. Nennt man nun
jene Beziehung des Ueberwirklichen auf das Wirkliche,
wodurch es Princip ist des letztem , ein Gesetz, aber
ein Gesetz an die Freiheit und den Willen, so spricht man
dieses Gesetz aus als Soll.
Diess ist der kategorische Imperativ Kants.
„Mit der Wahrheit der Kan tischen Behauptung hat es
sonach seine vollkommene Richtigkeit« Stellt man ihn aber
hin als absolute Thatsache , ohne allen Zusammenhang mit
andcni Thatsachen, so gicbt diess kein sehr verständliches
und zusammenhangendes Princip. Wir begreifen ihn, als
die Beziehung des schlechthin Ueberwirklichen, und die-
ses 9 als der Erscheinung Gottes , auf das Wirkliche und
558 als Band des Erapirisch«» und Uetorempirischen.
Sichtbare, al« Prtncip auf sein Prineipiat , durch die Frei«
heit des Ich hindurch, weil die Wirklichkeil, als Wirklich*
keil, absoluter Grund ihrer selbst ist, und darum
eben als Freiheit erscheint. So giebt es iur uns keine
absoluten Imperative , sondern wir sehen sie wer-
den.«* *)
Uiennit ist überhaupt ein tieferer Zusammenhangf zwi-
schen der Empirie und dem Uebcrempirischcn vemiillell:
da jene an sich selbst nichts Anderes ist , als die Ver-
wirkiichungssphure von diesem, dieses umgekehrt sein ab-
soluter Zweck; so ist darin ein „heuristisches
Princip«^ gefunden, um die Empirie daraus abzuleiten
und in ihren nähern Bestimmungen kennen za lernen : —
einPrincip, von dem Fichte hinzusetzt, dass es, so
viel ihm bewusst , noch in keiner Philosophie also ange-
wendet worden sei. **)
Dadurch kehrt nämlich der eigenthämliche GesichU*
punkt wieder, den Fichte seit der ersten Idee seines
Systemes festgehalten hatte. Die niedere Form des Wis-
sens existirt , und extstirt also, nur, damit das hö-
here Wissen daran sich entwickle : dieser teleologische
Moment ist , im Gegensalze mit jedem Spinosistisdien De-
teminationsprincipe, seine bestandige Deduktionsweise ge-
wesen. Der ganze innere Zusammenhang der Wdl und
die Beschaffenheit des geistigen Lebens zielt auf die höch-
ste Gestalt alles Daseins hin, das Bewusstsein der Erschei-
nung Gottes , als solcher. Das Ueberwirkliche , nn-
sichlbar und im Hintergrunde der Wirklichkeit, ist dennoch
der wahrhafte und bestandige Grrnid derselben; es drangt
sich , durch die niedere Wirklichkeit und die Form der
Freiheit sich vermittelnd , unablässig in's Dasein« Es ist
das Yernunnprincip , der göttliche Geist der Geschichte,
der alles Andere , auch die freien Individuen , zu seinem
blossen Mittel herabsetzt.
•) Thatsache« a. a. O. S. 467 •> 475. 477—78.
•♦) Thatsacben S. 482. "
Analogie darin mil ScbcUings und Hegfels Lehren. 559^
In dieser Ansicbts - und Deduktionsweise liegt eine
offenbare Analogie mit dem naturphilosophischen Satze,
dass die bewusstlose Natur lediglich der lerhüllle Geist,
dass in ihren Entwicklungsstufen teleologisch der Mensch,
nach seinem Organismus und seiner geistigen Existenz,
vorgebildet sei, der am Ziele ihrer Entwicklung hervortre-
ten müsse. Auch hier ist dem niedem Dasein ein Damit,
ein Zweck, eingebildet, und hier, wie dort, ist das alle
eigentliche Erklärung ausschliessendc Princip der Nothwen-
digkeit weit überflügelt, wodurch, wie bei Spinosa, alles
Faktische zu einem gleichmässig Werthvollen und Nothwen-
digen gemacht wird, worin es ein Oben und Unten, ein Da-
mit und Wozu gnr nicht giebt.
Dennoch müssen wir bekennen, dass in jenen beiden
Philosoph ieen , wie auch in dem dritten, spitem Syste«
mc , mit dem Geltendmachen dieses neuen Principes nur
auf halbem Wege stehen geblieben worden ; ebenso scheint
sich dieser Mangel besonders an der Wissenschanslehra
sichtbar machen zu lassen, obschon er völlig in derselben
Weise den beiden andern Systemen eigen ist. Da hierin
einer der Wendepunkte liegt, um die bisherige Philosophie
zu einer Steigerung und Umgestaltung ihres Gesammtstand^
Punktes zu noAigen ; so legen wir das Verhaltniss naher dar.
Die WissenschaAslebre deducirt aus dem schon nach«-
gewiesenen immanenten Zwecke der Empirie die
einzelnen Bestimmungen derselben: damit* sich aus ihr
das höhere' Bewusstsein der Erscheinung Gottes ergebe,
m u s s sie so und so innerlich bestimmt sein. Analog da-
mit die Naturphilosophie und Hegel: die immanente Ver-
nunft in der Natur treibt den Geist , als ihren Zweck , aus
ihr hervor. Die Naturvemunft selbst aber ist die bewusst-
lose; sie ist der Zweck, aber sie hat ihn nicht: ihr
Thun ist zweckvoll, aber nicht zwecksetzend. —
Hier bleibt in jenen Systemen allen eine Lücke, ein Uner-
klärtes zurück, welches man wohl zu behaupten, nicht aber
begreiflich zu machen , zum Verstandnisse zu bringen im
Stande ist.
r
560 Gcmcinschnfiliclicr Mangel dieser Systeme.
Wie kann jenes ^Damit^ nämlich f3r das schöpfe-
rische Princip ^'ehalten werden, welches dasjenige in
dem nicdern Dasein s^ugleich hervorbringt, was es
zu seiner eigenen Verwirklichung^ in demselben nur f o r-
dert oder voraussetzt? Oder, um in den tierem Zu-
sammenhang der Wisscnschanslehre einzugehen : indem
der Grund aller Empirie, das absolute Erscheinen Gottes, in
die absolute Verstandesform eintritt; mit dieser Verstandes-
oder Ichfonn aber die Form der Freiheit, als das Vermit-
telnde, ebenso schlechthin gesetzt ist, wodurch das abso*
lote Erscheinen unmittelbar ein überwirkliches ist, die Em-
pirie jedoch nur den Typus der Ersichtlichkeit derselben
an sich tragen, Mittel ihrer Versicbtbarung sein soll:
so bleibt ganz unerklärt, da von einem sonstigen Begrifle der
Schöpfung dieses niedern Mittels in diesem Zusammen-
hange nicht die Rede sein kann, wie dieses Soll sich vor-
bildlich darin abspiegeln und so realisiren könne, sich tea-
llsiren, ehe es selbst noch ist? Denn es soll ja werden
erst durch jenes sein Mittel. Diess ist hier noch völlig
unverstandlich, ja widersprechend; d. b. in dem allgemei-
nen spekulativen Zusammenhange wird es selbst ein weiter
auA lösendes Problem.
. Ganz Aehnliches bleibt in Schellings älterm und
in Hegels Systeme zurück : Der Geist ist der immanente
Zweck der Natur : diese ist daß Mittel , aus welchem er
sich selbst hervor- und zum Bewusstsein seiner
|)ringt Die Natur ist aber das bewusstlose Tbun des Gei-
stes* Aber wie vermag überhaupt zuerst der Zweck i n
dem Mittel gegenwärtig zu sein, der erst durch das Mittel
hervoigebracht werden soll; wie ist eine solche (ideelle)
Vorexistenz, ein Wirklich- und Nichtwirkiichsein zugleich,
verständlich zu machen ; — näher sodann , wie vermag
ein bewusstlos Vernünftiges und Absichtsvolles, ein ab-
strakt Logisches und reines Denken, als höchstes und
letztes Princip, gedacht zu werden? Auch diess kann
man nur behaupten, als höchste Wahrheit eben hinstellen,
mit der Versicherung, dass darüber hinauszusteigen vei^geb-
Geimeinschaftlicher Mangel dieser Systeme. 561
lieh sei, aber wahre Verständlichkeit ist ihm nicht abzn-
gewinnen, und so erklärt er eigentlich auch Nichts in
letzter Instanz.
Aus dieser vorläufigen Parallele ergiebt sich jedoch,
wie die bisherige Philosophie in ihren sämmtlichen
Hauptrepräsentanten ein gewisses gemeinsames Niveau noch
nicht überschritten hat, und dass es ein ebenso gemein-
schaftlicher Grundgedanke ist , der, gegen jede Gestalt je-
ner Philosophie gewendet,' sie nothigen ^ürde ^ über sich
hinauszusteigen.
Bis zu diesem Hauptpunkte in der Charakteristik der
Wissenschaftslehre vorgerückt, können wir den aufsteigen-
den Gang derselben kurzer zusammenfassen. Durch die
übersinnliche Natur des Ich wird seine empirische Selbst«
gegebenheit durchaus bedingt und vorgebildet. So gehört
zu dieser Form der Empirie das Ich mit Wahrnehmung,
Raum und Zeit, und den übrigen schön im Vorigen ange-
gebenen Kategorieen der Natur; femer mit Willen, repro-
duktiver und produktiver Einbildungskraft, mit Verstand
und Urtheilskraft. Was aber durch diese Grundformen
und ihre Gesetze mitgesetzt ist , ist reiner StoJP und vei^
geht vor dem Sittengesetze in die Bedingung für dessen
Realisirung^ ist an sich aber durchaus foimeÖ und gesetzlos.
Die Natur — Alles nämlich, was zum BegrifTe der Selbst-
gegebenheit des Ich gehört, könnte im weitesten Sinne
Natur genannt werden, weil es absolute Pakticität ist, —
ist an sich selbst darum durchaus nicht Bild Gottes , son-
dern nur dasjenige, worein Gott zu bilden ist ; ebenso we^
nig ist sie Gottes Geschöpf, sie hat mit Gott gar Nichts
gemein. Wir, die vernünftigen Iche, können werden Gottes
Geschöpfe, und die Natur zu unserm eigenen Geschöpfe
machen; wir sind das Bild Gottes, und die Natur ist un-
ser Bild. ♦) —
*) „Thatsachen" S. 483—516.
36
562 -AbleituDgr
Aber in dem Systeme dieser thatsachlicbcn Unmittel-
barkeit liegt noch eine Thatsache, welche bisher übersehen
worden: die an sich Eine Erscheinung theilt sich in eine
Reihe von leben. Die Erscheinung ist Eine ; die
Grundform der Erscheinung ist Ich. So schiene, wie in
dem empirischen Grundbilde, der Natur, eine solche AUgc-
meinheit liegt, auch ein solch allgemeines Ich , nicht aber
Individualitäten desselben, gefordert. Dennoch widerspricht
diesem die Thatsache.
Die Individualitat des Ich, Trennung desselben in lebe,
fallt jedoch nicht in das Gebiet der Wahrnehmung : die
objektive Sinnenwelt ist vielmehr allen ohne Unterschied,
mit absoluter Aufhebong des Individuellen, ganz dieselbe:
alle Iche zusammen, in wiefern sie Personen sind, wer-
den umgekehrt gehabt von jener Einen Anschauung der
Natur. Auch die allgemeinen Bestimmungen der geistigea
Existenz kommen jedem Ich, seinem Begriffe nach, zu.
Erst innerhalb derselben fSlU die Spaltung: in die in-
nere Selbstbestimmung der Freiheit, z. B. in der Attentioni
in der Bildungskraft, im Denken und den einzelnen Wol-
lungen, so lange diese selbst innerliche bleiben. Wer-
den sie vollzogen, so treten sie dadurch in die Eine, ge-
meinsame , alle Individualität bindende Naturanschauung :
^unA daher kommt es, dass, was Einer thut, kein Anderer
zu dersetbigen Zeit thun kann , weil der Eine in der That
es nicht thut , als Einer , sondern als der Reprasenlant
Aller, als die Gesammtnaturkraft, die sich nicht
selbst widersprechen, aufheben, verdoppeln kann<<. — „Wir
müssen nur nicht vergessen, dass wir nicht zusamnienhan»
gen in den Dingen , sondern in dem Einen absoluten Be-
wusstseiu, das da ist , so wie Gott isl in seiner Ei-schci-
nung, — welches in den verschiedenen Formen seiner
Sichtbarkeit als ein Mannigfaltiges erscheint, im Grunde
aber ist die Eine Lebens- und WirkenskrafL^'
— „Die Erscheinung Gottes ist Ein Geist, und
zwarBiner inAllen, welcher sich aber selbst
anschaut, als ein System vieler.^
des individudlen Ich. 563
^Dft ferner jedoch die Empirie überhaupt nnr ein for-*
malcs Bild der Erscheinung ist , so ist klar , dass sie auf
diese Weise Eins sein muss, als Bild der Einheit. Zwi*-
sehen diesen beiden Endpunkten , dem höchsten , der Er-«
scheinung vor allem Begriffe^ und dem niedersten,
der Empirie, liegt nun die Disjunktion des Ichs in Iche, in
ein System derselben, betreffend nur das Verstandes«
b i 1 d der Erscheinung von sich selbst'^ *)
Hiermit hat F i c h t e die tiefste Wurzel seine)r Lehre
ausgesprochen , anknüpfend an jene frühesten Begriffe vom
reinen Ich und von den empirischen leben, und diese, die
individuellen, auch hier versenkend und verschwinden las-
send in die Substanz des Einen Geistes, der ewigen Selbst-
erscheinung Gottes. -— Die Frage bleibt jedoch übrig, warum
anch nur der Erscheinung nach es nicht Bin Ich sei, und
welches der eigentliche Grund dieser in der absoluten Ver-
standesform gesetzten Spaltung?
Wir berühren damit einen andern tiefsten Punkt in
d^ spatem Ausbildung seiner Lehre.
Die Eine Erscheinung in der höchsten Potenz, die wir
kennen, die an Gott ist, Gottes Accidens, und durchaus
nicht ein eigenes Sein und Substantialital
hat, ist Leben, aber ewig vollendet und urtheilbar; und
so ist sie nicht etwa zu denken, als ein in. eine unend-
liche Zeit auszudehnendes Vermögen zu erscheinen,
sondern sie ist eben das Erscheinen ganz und ewig , wie
Gott in sich selbst ganz und ewig ist Aber ihr Erschei-
nen ist nur Sich erscheinen. Sie ist daher wirklich alleiii
in der Verstandesform , und zufolge dieses Gesetzes des
Sichverstehens stellt sie sich als ein besonderes , auf sich
selbst beruhendes, immanentes .Sein dar, als fixirtes
Objekt ihres Sichverstehens. Diess ist das Ich: alles zu
Verstehende wird aufgetragen auf diese Form des Einen
Ich: ich bin diess Alles.
Diese Hinschauung : Ich, ist das einzige wirkliche Sein
•) „Thatsachen" S. 517— 527,
504 Ableitung
jenes göttlichen Erscheinens: sie ist darum ebenso gewiss
du, als jenes Erscheinen oder die allgemeine Bildungskraft
selbst. Diese Ichform nun ist der Schöpfer eines Objekti-
ven, fertig Hingeschauten in seinem Grundbilde. Es
ist darum zugleich das , wodurch jenes Eine und ewig er-
scheinende Leben zu einem fixirten Objektiven gemacht
wird, wodurch Zeit und Unendlichkeit in dasselbe
hin:Mnkommt, sammt allen den andern Kategorieen der
Empirie, welche die JLogik^ abgeleitet hat, innerbnlb de-
ren jenes ewige (qualitative) Erscheinen Gottes erst , als
ein Werdendes, und durch Freiheit des Ich Werden-
des , mithin in eine unendliche Zeitreihe von Seibslbestim-
mungen Zerschlagenes, eintreten kann« — Zerschlngenrs
aber nur (setzen wir hinzu) in der nothwendigcn Bildlich-
keit jenes Objektivirens der Ichform , wahrend es an sich
das urtheilbar Eine Erscheinungsleben Gottes isL — Hierin
ist aber zunächst noch keine Mannigfaltigkeit oder Spal-
tung innerhalb der Ichform selbst als nothwendig auf-
gewiesen.
Doch könnte sich, unter dieser Voraussetzung und im
bisherigen Zusammenhange, das Ich nur als das letzte und
höchste Princip erscheinen : es hat kein Mittel , wie keine
Nöthigung, über sieh hinauszugehen, und sich zu fassen,
als das, was es doch in Wahrheit ist, als blosse Erschei-
nungsform des Einen Erscheinens Gottes, als Erschei-
nung der Erscheinung. (Hierdurch hat P i c h t e den
fiühem Standpunkt derWissenschaftsIehre^ worin das reine
Ich in Wahrheit diess Letzte blieb, und die Sittenlehre die
höchste Wissenschaft wurde , in den Context der eigenen
möglichen Standpunkte des allgemeinen Ich ajufgcnommcn ;
aber nur, um die Möglichkeit und Nolhwendigkeit nachzuwei-
sen, über ihn hinauszugelangen, und so auch einen höbern
Standpunkt der Wahrheit anzuericennen , als den sittti*
eben, welcher seiner Strenge nUch, »von Gott Nichts
weiss**. *) )
*) System der Sittenlehre 1812 Bd. 111. $.4.25. u. s. w.
des individuellen Ich. 565
Es muss daher in der objekti venSelbstanscharung
des Ich (in seiner empirischen Selbstgegebenhetl) Etwas
liegen, von welchem aus ein solches freie Sicherhe.
ben über das Ich möglich wäre: — ein Zusatz in seiner
ünmillelbarkeil , der Nichts weiter wäre , denn seine B e-
greifiichkeit als Erscheinung der Erscheinung. (Es ent-
geht dabei nicht die abermals teleologische Art der Be*
weisluhrung: das Ich soll sich über sicherhoben; darum
muss im Faktum seiner Sclbstanschauung etwas Dem £nt->
sprechendes gegeben sein,)
Welches dieser Zusatz sei , ist sehr leicht zu erken-
nen : das Ich soll an ihm sich begreifen, als die blosse Yer«
standcsfonn der Einen Erscheinung, und darin des Einen
erscheinenden Gottes. Diesen Begriff seiner selbst soll
es finden, soll durcti sein Denken dazu genölhigt wer^
den von seiner unmittelbaren Sclbstanschauung aus;
am Angeschauten soll sich, als Exponent desselben, der B e-
griff entwickeln. Der iermmus a quo für den Begi'ilT
der Einheit ist aber die Mannigfaltigkeit. Inder
unmitlelbainpn Selbslanschauung daher muss das Ich schlecht-
hin versenkt sein in ein Mannigfaltiges; in seiner gesamm-
ten Wirklichkeltsfonn kann überiiaupt nur Mannigfaltigkeit,
keine Einheit, gefunden werden. So ist das Ich auch nur
ein Mannigfaltiges; und wirklich ist kein Ich, als Eines,
sondern nur als Ichc. EberT darum können sie aber nicht
bei sich selber , als dem Letzten , stehen bleiben : in ihrer
Mannigffalligkeit liegt die Nölhigung für ihr Denken , sich
als blosses Principiat , Erscheinungsform eines Andern, zu-
letzt nur des Einen Absoluten , zu begi*eifen. *)
Es ist derselbe Gedanke, an der Fakticität des Ich befe-
stigt, welcher sonst in dem kosmologtschcn Beweise für das
Dasein Gottes sich geltend macht : das Mannigfaltige, Wer-
dende, ist eben darum ein Endliches, welches Princip
seiner selbst zu sein, den Grund scmes Daseins in sich
selbst zu haben , nickt veimag. Aus dieser jiCoiHingeuz^
•) „Thalia che li« S. 627 551.
566 Ableltong
desselben (aus seinem Auch-nichUsein-kfinnen) sddiessf
Jener Beweis auf die Existenz eines absolut Seienden, so«
gleich eines absoluten Grundes ilir alles diess auch nicht
seui Könnende. Diese Schlussweise nun, welche gewöhn-
lich für eine besondere Leistung und die eigene Erfindung
des philosophischen Denkens gehalten wird, verallgemeinert
Fichte, indem er sie in der faktischen Anscbamings-
und Yerstandesfonn des allgemeinen Ich, und in dem notb-
wendigen Denken seiner selbst schlechthin begründet nach*
weist. Nicht der Philosoph denkt diesen Beweis, sondern
die allgemeine Intelligenz, die absolute Verstandesform,
denkt ihn; und in jedem Akte, durdi welchen das Ich
sich als endliches setzt, ist auch, mit oder ohne aus-
drückliches Bewusstsein, die Idee des Absoluten, und darin
des Grundes jenes Endlichen, mitgesetzt. Und dieWissen-
schaftslehre darf um so mehr auf der nothwendigen Unab-
trennbarkeit dieser beiden Gedanken bestehen, als ihr die
Mannigfaltigkeit jener sich selbst erscheinenden endlichen
Iche in der Wurzel keine Wahrheit hat , nur die als ein
Nichtiges zu erkennende Form der Bildlichkeit J3t. —
So zeigt sich auch von hier aus : ^- was die Iche zu
individuellen macht, ist weder — nach Unten — die
faktische Selbstanscbauung , noch -^ nach Oben — das
qualitative Erscheinen Gottes, als der absolute Zweck
der Welt, sondern das Ergreifen jenes Zweckes, der sitt-
lichen Weltaufgabe von einer besondem Seite: jedes leb
ist wahrhaft individuell und eigenthümlich nur in def Dar-
stellung jenes Zweckes. Es ist hierin nicht die blosse
Vervielfachung des Ich (wie sie im Gattungsleben
vorkommt), sondern die gegenseitige Ergänzung und b-
tegrirung der Iche gesetzt : sie insgesammt machen das
tifittm coUeoHeum des gemeinsamen Ich , und der Einea
göttlichen Erscheinung aus , aber als geschlossenes
System eigenthümlicher , durch einander sich vollenden-
der Individualitäten : eine Gemeinde der Geister, vereinigt
durch den sittlichen Willen und die harmonisch sich ihnen
stellenden Lebensaufgaben ; und so muss auch von hier,
des individaellen Ich. 567
vcm dem qitalitiativen Momente der Mannigfaltigkeit der
Iche aus , die theoretische Erhebung zur Einheit, zum
Bilde Gottes, nothwendig erfolgen. *)
Damit isl, von beiden Seiten her, die Möglichlceit und
Nothwendigkeit einer Wissenschaflslehre nachgewiesen: sie
selbst nämlich ist nichts Anderes, als die Vollziehung jener
in der ganzen Grundform und Selbsterscheinung des Ich
liegenden Reflexion: dass das Ich in seiner Man«
nigfaltigkeit und in den ganzen, damit zu*
gleich gesetzten empirischen Apparate,
nichts Letztes, .sondern selbst Principiat, aber, als le*
diglich bildendes Vermögen, Principiat eines B i 1 d I e b e n s,
diess jedoch Principiat eines im Bildleben erscheinenden
absoluten Seins sein müsse: die Wissenschaflslehre
ist nur das in der Grundform der Erscheinung als möglich
und nothwendig gesetzte, irgend einmal demnach sich voll-
ziehen müssende, absolute Sichverstehen der
absoluten Erscheinung. Sic beginnt also da-
mit, dass sie , unter den bisher abgehandelten „Thatsa-*
eben des Bewuss tseins^ sich selbst als die höch-
ste Thatsache begründet, und so zugleich ihr eigenes Da-
sein erklärt und sich stets von Neuem erfindet
Eigenthümliche Aufgabe der Wissenschaftslehre ist es
daher, das Sichverstehen der Erscheinung -^
was deren absolute Grundform ist, — zu vollenden:
ihr einfaches Problem ist daher nur, die absolute Ver-
standesform zu erschöpfen, d. h. alle Mannigfaltigkeit,
welchen Namen -sie auch habe, aus dieser abzuleiten, und
so dieselbe auf Einheit — aber zunächst gar nicht
auf Einheit des Seins, sondern des Bildwesens, — zurück-
zuführen. Indem sie dadurch den Grund aller Mannigfal-
tigkeit in Einern^ dem Grundbilde, findet, Bild und Bildlcben
aber nicht das Letzte , Absolute, sein kann , sich viclmelir
als Nichtabsolutes schlechthin erkennt : erhebt sie
sich hiermit zum wahrhaft Letzten , dem absoluten Sein
•) ,/rhat«acheii«* S. 552 561.
&68 Das absolute Sein,
(Quäle und Inhalt) jenes Bildiebens. Die Refiezion, ge-
rade weil sie sich durchgeführt, in absolutem Selbstverste»
hen gefasst hat, vernichtet sich selbstbewusst an jenem
Begriffe des absoluten Seins.
Daher ist nur das Absolute in der wahren und ein-
fachen Form des Seins: reines, an sich seiendes
Leben. Die Erscheinung ist nicht in diesem Sinne, son-
dern nur in der zusammengesetzten Form des S i c h v e r-
stehens. Nennen wir diese zweite Art des Seins, um
die in^ ihr liegende Beziehung auf sich selbst , ihr n u r
f ür s i c h Sein auszusprechen , etwa D a sein , Existenz,
Aeusserung des absoluten Seins (so hatte Fichte das
Verhältniss beider Begriffe auch in seiner ,,ReligionsIehrc^
gefasst); so heisst dieser Satz: was da ist, ist nur da
im Verstände. Der Verstand ist aber nicht Verstand von
Nichts, sondern der Erscheinung, des absoluten Bildwesens;
diese wiederum ist nicht Erscheinung von Nichts, sondern
des Absoluten, und erst hier ist der Umkreis des Be-
gründens wahrhaft beschlossen. ^)
Hiermit ist nun aufsteigend das höchste Princip der
Wissenschaftslehre gefunden worden , der Begriff des a b-
soluten Seins. Das Wissen ist dadurch jedoch wie-
derum, wie es scheint, seinsetzend, objciitivirend, ge-
worden ; — träten daher nicht aUe Rechte der Reflexion
an dieses „Sein* wieder hervor? Und wehrt nicht, was ist
der eigentliche Grund, jene davon abzuhalten, welche vor-
her im Einzelnen an jedem Sein aufwies, dass es nur
objektiv Hingebildetes^ also aus einer deutlich nachzuwei.
senden Synthesis von Subjekt-Objektivem Erwachsenem sei?
Warum ist diess Sein überhaupt gar kein Objektives
mehr, sondern in seiner Absolulheit, welche darin eben
♦) „Thatiacben" S. 567.
als Gehalt des abscdofen Wissens. 569
gegründet ist, Princip alles Subjekt-Objektiven, der absoi*
tuten Vcrstandesform ? ' Liegt namliGb, unsem Nachweisun*
gen zufolge, in dieser Ueberwindung der Reflexion und in
der Begründung jenes Princips der Identität des Subjekte-
Objektiven die allgemeine wissenscbaftliehe Bedeutung die-
ses Systems ; so ist es jetzt an uns, auch voik jenem hoch*
sten Standpunkte aus diess Verhaltniss nachzuweisen.
Hier gilt es nun, an die frühem Sätze über das We-»
scn des Wissens und seine allgemeine Bedeutung zu er-
innern. — Das Wissen in seiner Allgemeinheit und uin-p>
fassend all die einzelnen Bestimmungen und Momente, die
in ihm gesetzt sein können, ist unendlich bildendes Leben 2
als solches , darum nicht mehr bloss in seinen einzelnen
objektiven Bewusstseinsakten, sondern an sich und im All"«
gemeinen, setzt es einen absolut unendlichen Inhalt, —
nicht aber, als ob es ihn hervorbrächte, da es selbst viel«
mehr nur durch denselben überhaupt möglich wird, —
sondern es setzt ihn voraus, als die Grundbe-
dingung seines Seins. Das Wissen weist durch sich
selbst über sich hinaus auf ein schlechthin ihm Vorauszit«
setzendes , und kündigt sich an durch sein Wesen , als
Zweites, Abgestammtes, nur durch und inAn-
derm Seiendes.
Dieses schlechthin Erste, vor allem Wissen und allen
konkreten Begriffen und Gegensätzen, die dasselbe weiter
hervorruft, — also an sich selbst durch keinen derselben
zu bestimmen, indem diese Bestimmung ja doch nur Pro-
dukt sein könnte eines innerhalb des Wissens vollzoge-
nen Gegensetzens, — kann nur durch einen einzigen
Bcgriß bestimmt werden, der selbst freilich wiederum nur
innerhalb eines Gegensatzes ist, aber nicht eines solchen,
den das Wissen aus sich gesetzt, hervorgebracht
hjitte, sondern der mit dem allgemeinen Begriifc des Wis-
sens selber gegeben ist.
Absolutes Wissen setzt voraus absolutes SeVn,
was nun nicht mehr ein Objektives im Gegensätze drs
Sul^ektiven sein kann ^ sondern der Gehalt in allem
570 Aufliebiingf
Subjekt -objektiven Bilden des Bcwusstscins, das
selbst in ihm Darstellende, die tnneriieh mit ihm yer-
e inigte Wurzel und Grundla;rc desselben gedacht wird.
Durch seine Existenz und sein Wesen (als Bild) giebt das
Bewusstsein schlechthin Zeugniss Itir das Sein des Ab-
soluten, welches ist, so gewiss und weil über-
haupt Bewusstsein ist. Und hieran kann die ein-
tretende Reflexion, die vorher am einzelnen Sein mit Recht
den vernichtenden Zweifel hervorhob, nur sich selbst
vernichten , und somit überhaupt erlöschen : es ist die
wahrhafte, einzig Stich haltende Realität, weil das Be-
wusstsein selber durch sein allgemeines Sein Zeug-
niss daftlr wird ; und eben dadurch , dass die Reflexion
sich durchgeführt, die absolute Reflexibilität durchaus in
sich vollzogen hat, ist sie genöthigt, sich aufzugeben und
über sich hinauszugehen. Und die Wissenschaflsiehre, als
diese Durchfuhrung der Reflexion , ist sonach , auch von
liier aus betrachtet , keine fremdartige oder künstlich er-
dachte Theorie, sondern nur das nothwendige Scibstver-
stindniss des allgemeinen Bewusstseins selber, die ur-
sprüngliche Selbstbesinnung desselben : das Wissen,
durch Reflexion eben sich abthuend von der Zerstreuung
über die Mannichfaltigkeit seiner Objekte und endlichen
Beziehungen , besinnt sich auf sein ursprüngliches Wesen,
auf die Wurzel seines Seins, und nachdem in diesem Läo-
terungsprocessc alle andere Realität sich ihm verflüchtigt
hat, findet es hier, in der eigenen Tiefe, die unentweich-
bare Beziehung auf eine un endli che Realität, als
deren Sichtbarkcits- und Verslandcsform es sich selbst nur
fassen kann. Die absolute Realität offenbart (versicht-
bart) sich in ihm ; die Schranke der Subjektivität ist durch-
brochen ; die Verhärtung des Ich in sich selbst übeo^nn-
den: es kann sich nur als an und in einem Andern,
dem Absoluten, erkennen, und wie es, dieses in steh
olTenbarcnd , auch für sich selbst nur Realität zu gewin-
nen vermöge. Auch die tiefere wissenschaftliche Selbst-
besinnung ist daher nur ein vollkommnercs Erken-
der Reflexioii daran. 571
nen des Abaoluten, weil es der alleinige In-
halt des Wissens ist
Dadurch erglebt sich aber zunächst die ganxe Be-
deutung der Reflexion und des durch sie erregten Zwei-
fels: es ist dieNegation des Endlichen imBewussU
sein nicht gesetzt, damit es überhaupt' bei diesem Negiren
sein Bewenden habe, welcher ganz haltungslose Standpunkt
vielmehr fOr sich Selbst sich in einen absoluten Wider-
spruch auflöst ; sondern indem daran mit unwiderstehlicher
Gewalt das Bewusstsein des Absoluten als der wahr-
haften Realitdt hervorbricht, hat eben jene Negation
selbst erst ihre Bedeutung erhalten: nur um der Schein-
weit ihr Recht zu thun, dann aber sich selbst aufzugeben,
kann die Reflexion sich geltend machen ; und wir haben
hier in wissenschaftlichem Ausdrucke nur. denselben lieber-
gang von der absoluten Negation zu dem erfiUlenden Po-
sitiven gefunden, der schon vorher bei H u m e in histori-
schem Zusammenhange von uns dargestellt wurde: die
Skepsis , die Reflexion ist Qberall nur die negative Seite
der philosophischen Wahrheit Ist im Wissen nicht vor«
erst die Welt des Endlidhen überwunden , so vermag, es
auch sich selbst nicht recht zu erkennen, als innerlich
Eins mit dem Ewigen, Absoluten«
So ist vollständig das Princip gerechtfertigt, aus wel-
chem das System dasjenige, dessen Lehre, Ableitung es zu
sein behauptet, selbst ableitet, und wir setzen unsem Leser
an dem Eingange der eigentlichen Wissenschaftslehre ab,
auf deren speciellere Ausführung wir ihn verweisen müs^
sen. *)
•) ,,D i e W i » s e n s c h a ft s I e h r e, V o r g e t r a g e 11 1 m J. 181 5.'*
Nachgelassene Werke Bd. 11. S. 317. ^ 336--dl6.
u. t. w.
573 Hookster DedidiKonspankt
Hier begnAgen wir uns , das Charakterisfisdie dieser
allgemeinen Principien herauszuheben; zwar sind sie von
Fichte selbst in jenem Vortrage der WissenschaRslehre
mit ebenso viel Klarheit, als Kurze, ausgesprochen worden;
doch hat man durchaus in allen krilischen Berichterstat-
tongen und Geschichten neuerer Philosophie diesen Theil
völlig ignorirt , welcher doch erst über den Charakter der
Wissenschaftslehre in ihrer spätem Ausbildung entschei«
den kann.
Der Philosoph muss mit dem faktischen Wissen zu
Ende gekonmion sein: dieses Ende ist der Begriff
des Absoluten; und dieser von der andern Seite her
(för das Herabsteigen) der A n f a n g der Philosophie. Das
faktische, von Genesis durchdrungene, zufällige, mithin
auch nicht sein könnende , Sein treibt das Denken auf
das Sein des Absoluten, welches darum, als nicht
nicht sein könnend, den Begriff der Existenz
not h wendig in sich scliliessend, gedacht werden muss.
Hiermit ergiebt sich der Gegensatz zweier, wie es zunächst
scheinen muss, sich gegenseitig ausschliessender Begriffe
von Existenz : das Absolute kann nicht nicht sein,
und keine Genesis kann damit vereinigt werden. Das
Faktische kann seiend, oder auch nicht seiend, gedacht
werden; wir fragen sodann nach einem Grunde dessel-
ben: es wird erzeugt in der Emsicbt; also kann es
mit der Genesis synthesirt werden, ja es muss diess auf
einem gewissen (dem rein faktischen) Standpunkte.
Die Philosophie muss darum neben dem absoluten Sein
auch ein faktisches Sein zugeben; denn Werden, Ge-
nesis, das vom Absoluten aus seinem Umkreise schlechthin
Ausgeschlossene, existirt thatsäcblich. Hieraus entsteht der
Widerspruch, dessen Lösung die eigcnthümUche Auf-
gabe der Philosophie ist. ^ Kein Sein ausser dem Einen ab-
soluten, spricht der Begriff: dennoch ist ein faktisches Sein,
behauptet, jenen widersprechend, das faktische Bewusstscin.
Aber warum soll dieser Widerspruch gelöst werden?
Es ist bloss das Interesse des Verstandes, der Klarheit:
der Wisscnsehaftsicbre. 573
man kann ihn allerdin^ auch ung'elöst lassen. Nor Gott
ist, Alles ist in ihm, haben Viele gesagt; diess giebt
ein andächtiges Schwfinnen. Die Frage ist viehnefar: wie
ist denn nun Alles in Gott? Diess dürfte sogar höchst
praktisch werden.
Zur Lösung jenes Widerspruches giebt es zwei Wege,
von denen jedoch nur Einer denselben wirklich löst , der
andere ihn stehen lässt, ja ärger macht, indem er ihn zur
Schau ^teflt. Der letztere besteht darin , wenn man den
Gmndcharakter des Seins mittheilt an das faktische Sein,
und ihii beiden gemein macht.
Diese Mittheilung selbst scheint auf doppelte Weise
möglich: entweder das absolute Sein wiederholt und setzt
sich (im faktischen Sein) noch einmal ganz; so ist iä
ihm Genesis und Wandel. (Hiermit kann Fichte eigenl«
lich nur die Schöpfungstheorie im Auge gehabt haben, die
eine Mittheiiung Gottes durch Schaffen an die WeJt , diess
aber als einen in die Zeit fallenden Akt Gottes betrachtet
Eine solche Fassung ist völlig unverträglich Aiit dem ganz
nur abstrakten und elementaren Begriffe^ welchen die Wis-
senscfaallslehre von Gott hat : es ist daher höchst charak-
teristisch , dass Fichte jene Lehre nur stehen lässt , als
ein völlig Unverständliches und Incommensurables , indem
er ihr von seinen Prtncipien aus völlig Nichts , nicht ein-
mal ein bis zum Interesse ihrer Widerlegung Reichendes,
abgewinnen kann.)
Oder das Absolute ist in sich selbst ein Mannig-
faltiges und insofern Faktisches. Das Letztere ist der
AufscUuss Spinosa*s; und diess die von ihm vorge-
brachte Lösung jenes Widerspruchs. Nach ihm ist das
Eine Absolute zugleich schlechthin mannigfaltig, Denken
und Ausdehnung; jedes dieser ewigen Attribute wie-
derum ist ebenso absolut bestimmt und gegliedert bis
auf die kleinste Modifikation herab. Nicht das Absolute
wandelt sich daher oder wechselt; es isf schlechthin der
Wandel: dieser ist (als eine unendliche Reihe endlicher
Modifikationen des Denkens und der Ausdehnung) selbst in
674 Mit Sptno8a*s Piineliie vergltchcn
das absolute Sein aorgcnommen. Die Fakticitat ist m*9
Absolute erhüben worden.
Aber diess einmal zugegeben , isl das Absolute diess
Alles mit Nothwendigkeil; es moss so sein und kann
nicht anders: ^mithin nach einem Gesetze. Dadurch er-
halten wir zwei Absoluta, ein bestimmendes, jenes
Gesetz, das durchaus von sich keine weitere Rechenschaft
geben kann, wonach Alles absolut und mit Nothwendigkelt
ist, was da ist; und ein bestimmtes, in seiner Frei-
heit des Seins beschränktes. Das Absolute ist nicht alles
— sondern nur das nach einem Gesetze der Möglich-
keit mögliche Sein: der Begriff des Durch und Von
sich selbst Seins des Absoluten ist angetastet. (Eme Kri-
tik jenes Systemes, welche ganz abweicht von der gewöhn-
liehen Art, es aufzulassen und zu beurlheilen.)
Es bleibt daher nur übrig die zweite Auskunft : dem
faktischen Sein das eigentliche Sein, die Art und Weise
des Seins des Absoluten, ganz abzusprechen, und ihm eine
4urchaus andere , jener schlechthin entgegengesetzte Form
des Seins beizulegen. So die Wissenschaftslehre.
Ffir sie stehen darum unveränderlich fest die Satzet
Eins i s t und ausser diesem Einen i s t schlechthin Nichts.
Alles Andere i s t nicht : diess ist, als der Wissenschafts-
lehre charakteristisch , festzuhalten und keiner ihrer Aus-
drücke so zu nehmen , als ob jenem widersprochen wer-
den sollte. Ebenso sind damit nicht Sätze zii verwechseln,
welchen die Wissenschaftslehre gerade widerspricht, und
sie als den Grund aller Verworrenheit erkennt : z. B. Alles
i$t Eines, Alles in dem Einen. — Alles: die Summe des
Mannigfaltigen? Wer könnte nur verstehen, dass in dem
Einen ein Mannigfaltiges sei , und vollends ein beendetes,
beschranktes Mannigfaltige? Es wäre eben der Spino-
sische Widerspruch.
Einige, die der Wissenschaftslehre Ehre anzntbwi
glauben mit Sätzen solcher Art: wir sind in Gott, habea
unser Leben in ihm , u. dgL ; möchten sich erst umthim,
in welchem Sinne und in welcher Beschränkung man diess
mid von ihm mtersehieden. 575
auch in der Wissenscbaftslehre sagen könne. Dieser
Meinung müssle KanI gewesen sein, wenn er
ins Rein.e gekommen wäre: sonst Keiner. Die
Naturphilosophie macht das Faktische zum Absoluten , den
eigentlichen Charakter des Letztem, die Nicht-Genesis,
durchaus verkennend , wie S p i n o s a. —
Eine andere Form des Seins also Or das Fakti-
sche musste geiunden werden. Da könnte sich nun das
Denken vergeblich erschöpfen und abmuhen, eine solche
auszudenken: diess ist nicht mehr Sache des Denkens.
Sie nniss sich finden, faktisch gegeben werden.
Und sie findet sich auch. Das Sein selber ist nur
für den Begriff^ iOr das Bild desselben. Das Bild
des Seins ist unabhängig vom Sein, und dieses von jenem.
— Da SS mithin, ausser dem Sein, ein Bild desselben ist,
dass Bildsein daher als diese andere Form dos Seins zu
betrachten, ist an dem Begriffe klar. Diesen ist, laut
des unmittdbaren faktischen Bewussiseins ; und er ist, laut
seines Zeugnisses von sich selbst in unmittdbarer An«*
schauung , der Begriff des Seins. Es ist darum gefun«*
den, was ausser d^n Absoluten sein könne; — könne,
weil es eben ist, denn die Möglichkeit wird hier nur ge-
schlossen aus der Wirklichkeit, da Alles ausgeht
von der Fakticität und Wirklichkeit
So ist der Widerspruch im Ganzen getost, d. i.
es ist ein Mittel seiner Lösung gegeben. (Die weitere
und wirkliche Lösung würde nämlich darin bestehen, nach"
zuweisen, dass alles faktische Sein wirklich nur Bild-
wesen oder Produkt eines Bildwesens sei ; der durchge-
führte Idealismus wäre zugleich der Beweis der Richtigkeil
jener Lösung.) Wohl aber kann nun, wenn diese andere
Seinsform gefunden ist am Grundfaktum derselben, diess
wiederum aus dem Begriffe des Seins abgeleitet , mit ihm
in Verbindung gebracht werden. Das Grundfaktum des
Bildes, und der ganzen , von ihm unabtrennlichen Ver-
standesform kann selber nicht auf Nichts beruhen , Bilden
von Nichts sein, sondern allein Bilden der absoluten Rea-
570 Dat lib«riole Ersrheinen Gottes
litat f und in seitior liefsteR Wurzel nicht abgetrennt Ton
ihr, fiondeni nur ihr eigenes ins Bild Treten, Selbstverste^
hen sein. Weil Bild ist — schlechthin faiitisch , -- so
schliessen wir ferner, ist diess nur des absolulen Seins
Erscheinung; mithin erscheint dasSein zugleich, ebenso
absolut, als es ist *)
Hiermit ist nun — unter Voraussetzung obiger Aas-
fiihnmg — der Wissenschaltdefare zufolge* das Weltpro-
blem wiridich gelöst. Das absohite Sein bleibt in sich
Eins, unwandelbar , ungetheilt und unvertfeißittgt : auch
das Bild., die Erscheinung, ist, als Grundbiid, in der
Wurzel nur Eine. Genesis, ja unendliche Genesis und die
Spaltung In eine Unendlichkeit von Ichen, kommt in die-
selbe erst durch ihre absolute Verstandesform hinein , mid
die Nftchweisung derselben daraus — damit also die eigent-
liehe Welterklärung — ist Sache der wirklichen Wissen-
achaßslehre.
Die Verstandesform aber ist iur die Erscheinung
ebenso absolut und aus dem Absoluten , wie sie selbst
und das Sein es ist : nicht wir haben sie, sondern sie hat
und gestaltet uns; sie ist das wahrhafte Welt-, Mannig-
faltigkeit Schaffende. Alle Dinge sind freilich nur im
Wissen ;— in jenem verwirklichten Sichverstehcn
di^r Erscheinung ; aber diess Wissen ist selbst das gfitt-
liche Dasein **) und ewig, wie Gott : zwar ein anderes,
als diess innere Sein ; aber unabtreni^ch von ihm und
ihm gleich. So konnte F i c h t e (in der „Religionslehre«'),
an neupiatonisch - gnostische Philosopheme erinnernd , es
die W e i s h e i t nennen, die bei Gott ist, und nach Johan-
nes den Logos, durch den alle Dinge geworden sind.
Aber als welcher offenbart sich denn Gott in dem
Wissen, als seinem Dasein? Diese Frage, das Quali-
tative, den eigentlichen Inhalt desselben betreffend,
*) Wissensclia ftslehre a. a. 0. Sr 326— 337.
*') Wissens cbaft<lehre S 338. u. Pichle's Religions-
1 e li r ej ürilte Vorlesuug , S. 82. ff.
in der absohiten Verstandesform, . 577
wird von der Wissenschaflslehre, wenn sie in ihrer streng
theoretischen Begränzung bleibt, nothwendig ans ihrem
Umkreise hinweggewiesen werden müssen. Sie ist näm-
lich an sich nichts mehr als allgemeine Wissenslehre, for-
male Hieorie des Bewusstseins ; die eigentliche Realität,
das Qualitative desselben, kann sie daher in diesem Zusam-
menhange nicht erkennen , weil ihr ganzes Wissenschaft«
liches Element nur ist die Reflexion auf die Form des
Wissens, mit nothwendigem Hinwegsehen von dem Inhalte
desselben, der vielmehr in Bezug aufdie allge-
meine Wissenschaft des Wissens aus jener nicht
abzuleitender, d.h. nnbegreiflicher, bleibt. Desswe-
gen kann die Wissenschaftslehre bei jener Frage nur aufii
sich selbst hinausweisen in die Wirklichkeit des Wis-
sens, und die darin gegenwärtige Offenbarung Gottes. In-
dem ihr ganzes Resultat aber der Beweis ist, wie lediglich
durch 'das religiöse Bewusstsein und sittliche Handeln (nicht
etwa bloss in negativer Moralitat) das Absohite ohne Hülle
und Abbruch, d. h. als Gott, sich im Ich verwirklicht:
endet sie dadurch indirekt in einer Religionslehre,
und verweiset so zuletzt an das Leben und dessen hö-
here Ausbildung, für weiches sie nur die formale Vor-
bereitung sein zu können gesteht. — Aber eben diess
besonnene Festhalten ihres Standpunktes, diess Anerken-
nen der nothwendigen Schranke desselben, hat ihr vielfach
die Anklage einer bloss formalen, nihilistischen Wissen-
schaft zugezogen; und auch die ganze Polemik Ja c ob i 's,
wie sie sich in dem berühmten Schreiben ironisch, als Un-
wissenheitslehre, der Wissenslehre, als einer leeren, nich-
tigen , sogar ausdrücklich für atheistisch bezeichne-
ten, entgegengesetzt, beruht bloss auf dem Begehren, ent-
weder das eigentlich Qualitative , Unergründliche , das nur
KU Erlebende, a priori zu erkennen, oder desshalb
alle Philosophie als werlhlos aufzugeben.^ ^ '
•) Thalsaclieii Bd. I. S. 569— 572., Wi ssenscliafls'l. Bd. 11.
S. 49 1.92. Vgl. Bd.lll.S.3ü9., und: Zu „Jacobi an Fichte"
das. S. 390 394.
37
578 Inkoaseqoenz der W. L«
So gehl auch die WisseaschafUlehre zoletzl darauf
hinaus , wie jede gunze , aus einem Hittelpankte sich ent-
faltende Erkenntniss , die gesammte Denkweise amai-
bilden, und eine bestimmte Lebens ans ich! als die
einsig und erschütterUch wahre aufzustellen. Sie trifft den
ganzen Menschen und dessen innerste Gesinnung; wie
vermochte daher auch nur theoretisch derjenige sie zu
fassen oder sie gelten zu lassen , dessen eigentliche Welt
ihre ganze Denkart zerstört ? Und so wird auch sie, gleich
jeder andern wahrhaft spekulativen Lehre , nie eigentlich
populär werden können , oder allgemein anerkannt ; viel-
mdir wäre eine solche AUgemeinfasslichkeit iur jede Phi-
losophie das verdachtigste Anzeichen.
Noch bleibt indess ein wichtiger Punkt der Erwägung
übrig ober eine Seite am Systeme, welche im Vorigen noch
nicht besonders zur Sprache gekommen. — Nach d^ vom
Urheber selbst nachdrücklich ausgesprochenen Konse^pieos
seiner Ldire ist das Wissen in allen seinen Formen mti
Entwickehingsstufen nichts Anderes , als das mehr .oder
minder entwickelte Selbstverstehen der Erscheinung Gottes:
nirgends also und in keiner Form ist es völlig leer, einer
eigentlichen Healitat enti^ehrend; und die Reflexion, wel-
che , aufsteigend vom unmittelbaren , faktischen Be-
wusstsein, Alles hinter sich zu zerstören , jede Realität zu
tilgen schien, muss zum höchsten Punkte der Befriedigung
in sich selbst gelangt , von da wieder herabstteigen,
und jenen .Fluch der Vernichtung zurücknehmen, ja
die ganze Welt des Bewusistseins sich in neuem verklarti-
rem Lichte wiedererstehen lassen. Alles Wissen zeigt sich
nur als die verhülltere oder entwickeltere Selbstoffenbaruog
des Absoluten ; und Idealismus und Realismus haben in der
Tbat sich vollkommen durchdrungen; die objektiven Dinge
eines einseitigen Realismus sind verschwunden , eben so
aber auch das leere Sich in sich Abspiegebi eines ideali-
stischen Bewusstseins. Die wahrhafte Realität und das
absolute Wissen sind als Eins erkannt worden in ihrer
tiefsten Wurzel: jene ist nur im Wissen, dieses aller
in ihrer Anffawmig der Natur. 579
ItealiUlt mlchllg; beide fcfalechtbiit durchdringlich
Br einander«
So kann denn flttcit das Bewusstoein deg sinnlichen
Universums keineswegs mehr gelten ^ als die bloss sttbjek«
tive Erscheinung eines durchaus Unbekannten Dinges (nach
Kant), noch als ein leerer Schematismus des Wissens in
rieh selbst (nach der ersten nnd zweiten Gestalt derWis-»
Benschaftslehre); sondern es muss erkannt werden als die
Selbstoflenbarung des Absoluten in der Form unmittelbarer
Gegebenheit und strenger Gesetslichkeit^ und so
als die erste feste Voraussetzung des Daseins und des Wis»
sens, für die Entwicklung der durch Freiheit zn vermitteln-«
den Formen desselben. Indess kann aaf dem Standpunkte
der Wissenschafkslehre ^ als Theorie des Wissens , nur im
Allgemeinen bewiesen werden, da ss ein solches unmittel-«
bares Dasein und Bewusstsein nothwendig sei ; k^neswegi
abet^ als welches es sich gegeben sein müsse ^ odei
Mit andern Worten : es ist von hier aus keine spekulative
tliysik möglich ; die Wissettschaftslehre kann das faktische
Wissen nur a 1 s Faktisches aufnehmen ^ und von da aus
weiter gehen : sie enthält , wie wir uns mit Rücksicht auf
die spätem Systeme ausdrucken würden , nur die Gruqcl-'
läge einer Geistesphilosophie» lieber diese SelbsU»
enthultung geht jedoch die Wissenschaflslehre hinaus: sie
stellt einen positiven BegriiT von der Natur auf, indem sie
ihr überall nichts mehr ist, als die absolut gegebene^ aber
bloss formale Bildlichkeit ^ nothwendig gesetzt^ damit eS
nur überhaupt zu einem Wissen komme , als solche
aber durchaus ungöttlich und leer an Realität, welche nur
durch die Freiheit hindurch in die Sinnenwelt eingeführt
zu werden vermöge. Also lediglich in dem aus dem Na-»
turzustande schon entwickelten Bewusstsein erscheint nach
dieser Ansicht das Göttliche 9 nicht in der Natur; woraus
man sich dann die übrigen, zum Theil im Vorigen ausge«
hobenen Folgerungen leicht selbst entwickeln kann«
Uns scheint jedoch diese Ansicht von der Natitf
nicht nur nicht bedingt zu sein durch die Konsequenz det
580 Tieferer Grund derselben.*
Wissenschanslchre, sondern sogmr im WidersIreile zu ste-
hen mit dem ganzen Principe derselben. Keine Form des
Bewusstseins nach ihr kann Wissen des Nichts, leere,
bloss formale Bildlichkeit sein; Bild, in welchem Nichls
sich bildete, wire ein absoluter Widerspruch: und diesen
Satz , — das wahre Endergebniss der ganzen Lehre und
zugleich den Begründer eines wissenschaftlichen Realismus,
— in allen seinen Beziehungen und Folgen zu entwik-
kein , wäre eben die weitere Aufgabe derselben. So ist
nach dieser Grandansicht vom Wissen auch das faktische
Bewusstsein nur irgend eine bestimmte Ansichtsweise des
Einen ewigen Inhaltes des Wissens, der göttlichen Erschei-
nung; -^ wir haben bereits nachgewiesen, welche? Und,
wie wir gesehen haben, fehlte es selbst in Fichte nicht
an vorübergehenden Regungen zu dieser einzig richtigen
und konsequenten Ansicht von der Natur.
Fragen wir aber : woher jener Widerstreit der Wis-
senschaftslehre gegen ihr eigenes Princip, noch dazu in
einem so wichtigen Punkte, stammen möge, worin sie aller-
dings bisher ihren Gegnern die verwundbarste Seite darge-
boten hat: — so ist es offenbar noch der Kantianismos,
namentlich seine falsche Raum- und Zeittheorie, welche
die Wissenschaftsichre in ihrer spätem Vollendung noch
nicht ganz abgestreift, und welche sie hier mit ihrer eige-
nen Grundansicht in Widerstreit versetzt hat — Sind
Raum und Zeit in der That nichts Anderes, als die sub-
jektiven Anschauungsformen des Bewusstseins, so muss
konsequenter Welse auch die Erscheinung der wahrhaften
Realität, des Göttlichen, von ihnen ausgeschlossen bleiben;
im räumlich Ausgedehnten und im zeitlich Verlaufenden,
der Natur, kann nach dieser Ansicht das Gepräge eines
Schöpfergottes nicht einmal mehr gesucht werden; sie ist
dann durchaus nur eine Welt subjektiver Bilder,
ohne höhere vorbildliche Bedeutung: und wenn diess
die unmittelbaren Nachfolger Kan't's nicht anerkennen
oder nur unvollständig zugeben , so ist diess nur eine
der Inkonsequenzen , die sich schon oben bei der ge-
Ob die W. L. paniheistisch ? 581
nauern Musterung ihrer Philosopheme, uns nicht verbergen
wollten. So entscheidend ist, von Kant aus, eine bericli-
tigic Raum- und Zeittheorie desselben , und die entschie-
dene Ablehnung aller darauf gebauten Felgerungen oder
Voraussetzungen , welche sich tiefer und unwillkührlicher,
als man meint , mit den spekulativen und theologischen
Grundvorstellungen der Gegenwart verbunden haben.
Nach dieser in allen Uauptzügen vollständigen Dar-
stellung der Wissensehaftslchre liegt, bei der Richtung der
Zeil in Beurtheilung früherer und gegenwärtiger Systeme,
die Frage nahe — und man wird sogar darüber schon
entschieden haben nach den sonstigen Voraussetzungen,
welche man mitbringt, — ob die Lehre; für panthei-
s tisch zu halten sei oder nicht? . Und in der That hat
sich ein Jünger pantheislischer Lehrweisheit sogleich dafür
erklärt , und als das höchste Lob derselben es ausgespro--
chen, die Unphilosophie werde ihr diesen Vorwurf machen,
— denn sie sei Gottes voll!
Dass Pantheismus an sich kein „Vorwurfe gegen
eine Philosophie, dass er vielmehr ein notliwendiger und
wichtiger Durchgangspunkt sei zu einem gründlichen Sy-
Sterne des Theismus, davon sollte Ersteres anerkannt sein,
zumal da der dabei angewendete Maasstab so verschieden
und die Vorstellungen über Pantheismus nicht selten so
unklar und schwankend sind : — und über Letzteres wird
die allgemeine Einsicht auch nicht ausbleiben.
Ist Pantheismus jedoch , seinem philosophischen Be-
griffe nach , n u r diejenige Lehre zu nennen, in der Gottes
Wirklichkeit in der Weltwirklichkcit (in dem Einen und
Allen des Universums) völlig aufgehl, er nur ein der
Well immanenter ist: so gäbe es kein System, welches
anlipanlheistischer wäre, ja was diesen Widerspruch gegen
den Pantheismus in eine schärfere Formel gebracht hätte,
6S% Wesentticher Mangel
fils eben die Wissenschaftjslehre. Sucht man daker Ver«
gleictiiiiigspunkte' för dieselbe mit älteren Philoaophieeii^ so
würen diese an einer andern Stelle m suchen, als in der
Gruppe pantheisUgcher Systeihe. Sie wäre eher als toIU
(staiidige Durchführung des eleatischen Princips sa bezeich^
aen, indem auch hier, wie dort, der Begriff des Seins von
pllem Wandel und aller Mannigfaltigkeit rein erhalten, und
der faktischen Welt , als dein blossen Phänomenen,
entgegengesetzt wird ; oder treffender und bestimmter wäre
fm die Lehre der j^euplatoniker yni erinnern ^r- (und in
der That hat sehr einsichtsvoll der jüngste Geschichts^
Schreiber der neuem Philosophie bei den letzten Ansichten
fichte's des ProklQs erwähnt), — indem auch hier
der Verstand zum zweiten Principe aus dem an sich
unwandelbar Einen gemacht, welcher, die in ihn über«-
Piessende Fülle abbildend und in's Verständniss erhebend,
die Ideenwelt erzeugt , deren Abbild abermals die Natur,
das in Wahrheit Nichtseiende der Sinnen weit , ist. Alle
diese Standpunkte sind spmit i^ls d^m Psintl^eismus gegqe^
risphe zu betrachten.
Aber ganz unabhängig von solchen äusserlichen Be^
j^eichnungen und Parallelen ist zu sagen , dass das System
aus innern Gründen nicht befriedigt , inde^i das Weltpro-
(>len) in ihm weder gefasst , noch geltet ist auf eine ir-?
gendwie ausreichende Weise; wovon nebenbei der Erfolg
zugleich der ist, dass dem Pantheismus darin nur wider-,
sagt wird, nicht er aus sich selber ühenvunden und in die
aus ihm hervorgehende ho|iere Ansicht eingefiihrt zu wer-*
den vermag. So bleibt dieser ihni feindlich gegenüber und
ein wirklich gefahrlicher Gegner desselben,
Gegen die ganze Lösung der Aufgabe der Philosophie
liämlich , wie die Wisaenschaftslehre sie volllührt , gleich-;
wie gegen viele ähnliche , pur ipfi Abstrakte^ blci)>ende
Lösungen, ist vor Allein die einfache Bemerkung zu rich-
ten: dass in ibneuilie Aufgabe selber völlig unbefrie-
digend gefasst worden ist, Die gesammte F a k t i c i t ä t,
— die „Well^, aber als Problem , — ist das fest# Patvm
des ganzen Systemes. £83
•
fBr die Erkennfniss des Absoluten; ans diesem soll cugleich
das Problem der Welt gelöst , deren Fakiicität begreiflich
gemacht werden. Nur auf diesem doppelten, theils regres«
ßiven^ theils progressiten Erkenn tnisswege ist Oberhaupt
Metaphysik mögliche diess erkennt Spinosa, die Wissen-
schaftslehre und eigentlich alle auf Metaphysik eingehende
Philosophie an, ohne freilich das Bewusstsein dieses metho-
dischen Verhältnisses überall zur völligen Klarheit ausgebil-
det zu haben. ^
Wie kann jedoch — muss man fragen — jene Gmnd-
aufgabe der Philosophie : das Absolute und sein Verhält-
niss zur Fakt|citdt zu erkennen, ausreichend gelöst wer-
den , wenn der Begriff des Faktischen selbst durchaus un*'
zureichend gefasst wird ? Und fürwahr, man kann diesen
Begriff, und damit auch den Begriff des absoluten Grun-
des, nicht abstrakter — ganz eigentlich oberflächlicher be-*
zeichnen , — aber es ist der gewöhnliche , immer wieder
zu bekämpfende Aberglaube scholastischer Bildung, dass
das Abstraktere auch das Tiefere und Spekulativere sei,
da doch das Gegentheil gelten sollte, — als indem man das
Faktische bloss als Werdendes, Endliches, fasst, wodurch
man sich nun auch mit so unausreichenden Abstraktionen
im Begriffe des Absoluten ein Genüge thun konnte, wie sie
in d^ ganzen Reihe der neuem Systeme, von Spinosa
an , auftreten : das Absolute sei die absolute Substanz un-
endlicher Medißkationen von Denken und Ausdehnung, sei
das* alle Genesis von sich ausschliessende Sein , sei die
unendlich sich verendlichende Idee u. dgl. Daher die Un-
fruchtbarkeit und Oede aller bisherigen spekulativen Got-
testheorieen , die über solche abstrakte Gegensätze und
Vermittlungen aus jenem Grunde nirgends hinausgekonw
men sind.
Gewiss ist Endlichkeit Grundcharakter der Fakticität;
aber lange nicht ihr ganzer : ebenso liegt Ewigkeit , Aus-
schliessen aller Genesis und alles Wechsels in seinem An-
siohselbstsein, im Begriffe Gottes; aber es ist lange
nicht sein ganzer Bogriff. Je tiefer, reicher, konkreier
584 Bleibende Bedeutnng'
daher das WeUproblem an sich g-efassl wird ,* — welches
darum sehr verschiedene Ausdrücke zulasst , ja fordert,
und diese zu finden, zugleich aber sie in den höchsten
Ausdruck zusammenzufassen , kann selber nur Gegenstand
philosophischen Denkens, ofienbar in einer die Metaphy-
sik einleitenden Wissenschaft, sein: — desto tiefer, rei-
cher und wahrer wird auch der BegrÜT des Absoluten
daraus hervorgehen.
Hiemach kann uns nun die Wissenschaftslehre gleich
ursprünglich nicht als Metaphysik , sondern nur in einer
andern Beziehung Wichtigkeit haben. Sie ist uns gerade,
was sie von Anfang her bis zuletzt sein wollte, Wissen-
schaft des Wissens, vollständige, aus den tiefsten
metsiphysischen Gründen schöpfende Begründung des
Erkenntnissbegriffes. — Insofern bleibt ihr eine
doppelte Bedeutung , eine historische und eine allgemein-
wissenschaftliche, welche freilich nirgends wahrhaft getrennt
werden können.
In historischer Beziehung bildet sie den Uebergang
von den Subjektivitätsstandpunkten der Kantisch-Ja-
cobischen Epoche. Sie hat dem Principe, wenn auch
nicht der vollständigen Ausführung nach (wegen ihres
mangelhaften Begriffes von der Natur) , den Begriff eines
bloss subjektiven Wissens, dem das Objektive draussen
oder gegenüber bleibt, als ein ihm Fremdes und Anderes —
(den bis auf D e s C a r t e s und die Scholastiker zurückrei-
chenden, in Kant völlig verhärteten Dualismus refldkti-
render Abstraktion) — völlig und durch alle Instanzen wi-
derlegt — das objektive und doch fiir Wissen vorhanden
sein sollende Ding an sich als den Widerspruch an sich
selbst nachgewiesen.
Hierdurch wird aber dem Resultate der Wissen*
schafislehrc zugleich seine bleibende Stelle im ganzen Sy-
steme der Philosophie gegeben. Der Standpunkt der Ein-«
heit des Subjektiven und Objektiven *, die Grundvorausset-
zung aller Philosophie, ist durch sie begründet ; die Wis-
scnschaftslehre ist allg eme i ncEiul ei tungs wissen-
desselben. 585
schart in die Philosophie, sie erklart die Möglichkeit der-
selben in der Möglichkeit alles Wissens, und die Philoso-
phie wird durch sie nicht als ein besonderes, durch be-
sondere Kunst oder Erwerb sich vollendendes , in jedem
Falle erkünsteltes Wissen, sondern als die nothwen-
d i g c und durchaus allgemeine Vollendung des Wissens
in sich selbst nachgewiesen. Ihr Resultat ist der BegriiT
und die Realisirbarkeit des absoluten Wissens, der
Macht des Erkennens über alle Objektivität, um der ur-
sprünglichen Einheit des Subjektiven . und Objektiven willen.
Kein Sein, ohne dass es nicht dem Wissen durchdring-
bar wäre, überhaupt keine Welt ausser dem Wissen
oder der Wissbarkeit. Sein, Wirklichkeit, schliesst
hiemach absolute Erkennbarkeit in sich , und die Bedin-
gungen (Formen) des Wirklichen, sind unmittelbar die der
Erkennbarkeit, wie umgekehrt: die Kategorieen haben nicht
nur schlechthin Subjekt - objektive Bedeutung,
sondern sie sind das Alldurchdringende im Sein, wie Wis-
sen ; dasjenige daher , was auch die gegenseitige Durchs
dringlichkeit beider, ihr völliges Aufgehen in einan-
der, der Möglichkeit nach, setzt. Subjektivität und Objek-
tivität entsprechen sich nicht bloss, gleich zwei an sich
getrennten Sphären, in einer bei ibrem innem Gegensatze
lediglich postulirten oder geglaubten Uebcreinstim-
mung, — (so wäre diess Verhältniss bei Jacobi auszu-
drücken) — oder sie können und sollen praktisch sich ent-
sprechend gemacht werden — (so trat das Verhältniss
zwischen Ich und Nichtich in der ersten Gestalt der Wis-
senschaitslehre hervor) : — sondern sie sind Eins in ih-
rem Unterschiede. Der Idealismus , auf seine Spitze
gestellt, hat sich hiermit als durchgreifniden Realismus
erwiesen, und in dieser Eigenschalt sich zugleich vollstän-
dig erklärt. ♦)
*) Ujn schon Ausgeführtes niclit noch einmal zu wiederholen,
verweisen wir nameuLlich iu Bezug auf das Vej-hältuiss der
WissenscbafUlehre zu den spatern S)'stenictt der Philosophie
586 Bleibende Bedeutung
So wird die allgemeine spekulative Entwicklimg darcb
die Wissenschaftslehre bestimmt an der Stelle abgesetzt,
wo der Schellingsche Standpunkt und überhaupt alle
realistische Philosophie beginnt, — aber in anderm Sinne,
als man diess Verhaltniss gewöhnlich zuzugeben geneigt
ist; denn die Wissenschaflslehre ist von uns als die vor«
begrändende, rechtfertigende jenes Standpunkts erwiesen
worden. Aber darum begleitet sie auch denselben durdi
alle seine Theile hindurch , ja greift hinaus über ihn , we-
nigstens in der Form, welche das Schellingsche Syslem
ihm gegeben, und es ist Hegels grosser Entwurf gewe-
sen , jenes Princip der Wissenschaftslehre selbst dem ge-
rammten Systeme der Philosophie einzuverleiben, lieber,
baupt aber leuchtet ein, dass die Maxime der Besonnenheit
und die methodischen Forderungen und Vorbegriffe , wel-
che daraus sich ergeben, nicht nur vorr)e gelten in einer
solchen allgemeinen Einleitungswissenschaft , und nachher
för immer abgelegt werden , sondern durchweg beherr-
schende und leitende bleiben müssen. Auch unabhängig
davon, dass die Wissenschaftslehre zuerst ein Beispiel
durchgeftihrter spekulativer Methode gegeben , hat sie da-
her auch das allgemeine wissenschaftliche Bevnisstsein der
Methode und des Begfiffiss der Philosophie möglich ge-
macht. Sie bleibt, in ihrem Resultate, integrirender
Theil des allgemeinen, ebenso gegenwärtigen, als könf-
tigen , durch alle Zeiten hindurch tiefer sidi ausbildenden^
^ystemes der Philosophie,
Man hat es anstössig gelunden und nur etwa mit ver-
wandtschaftlicher Vorliebe entschuldigen wollen , dass ich
in der Vorrede zu den nachgelassenen Werken
CBdJII. S. VIIIo Fichte einen Philosophen der Gegen-
9uf die „G rundzuge lum System« derPhilotopbie:
Erste Abtheitung" S. 274 flf. und auf die Abbandluog
yyflber das Verhaltniss des Form« und Realprin-
cipes« in der Zeitschrift f ar Philoiophie Bd. 11.
H. l. S. 77-82.
desselben« 587
wart genannt habe. Durchaus in dem hier nacligewiese--
nen Sinne war diese Bezeichnung gemeint und ich kann
nicht umhin, sie hier zu wiederholen.
Aber auch in anderm Sinne muss ich die Wissen«
gchaflslehre als nur der Gegenwart angehörig, und so alle
Beschränkungen derselben an sich tragend, bezeichnen, —
und diese Behauptung diU'fte jenen Brinnemden vielleicht
noch anstössiger sein 9 je fester sie sieh selber , nur auf
andere Weise, in dieser Gegenwärtigkeit der Philosophie
fibschliessen, und je hartnäckiger sie läugnen, dass es ä b^r
sie hinaus noch Philosophie gebe. Wir haben nachge-*
wiesen , dass die Wlssenscbaftslehre eine der nothwendi*
gen Gestalten sei auf dem gegenwärtig herrschenden
Standpunkte der Immanenz -^und ihre nähere Yer-»
wandtschafl, ihr Vorspiel auf die Hegel sehe Lehre kann
gar nicht abgelsiugnet oder verkannt werden : -7*- aber auch,
wie und warum, eben um dieser blossen Immanenz
willen, über sie hinausgeschritten werdQQ,^us5e. Das Glei«-
che, und ans gleichem Grunde, ist nun auch von der
0 c h e 1 1 i n g sehen Lehre in ihrer ersten Qestsilt, ita^m von
4er Hegel^cheii zu s^eigen^ '
m. Friederich WUhclin Joseph fSchellliiir*
För SchcIIings allgemeinen Standpunkt hat sich die
Wissenschallslehrc als ebenso allgemeine Voraussetzung
oder Vorbegründu^* ergeben: dass nämlich das Wissen,
näher das spekulative Wissen , subjekt-objektiv^
dem Sein (der Wahrheit) immanent , oder anders ausge-
drückt , dass das Ideale zugleich real sei. Dennoch lässt
sich historisch kein unmittelbarer Uebergang zeigen von
dieser zu jenem ; denn gleich ursprünglich hatte bei S c h e I-
ling der Begriff des Idealismus und das Ich, als Princip
desselben , eine andere Bedeutung , als bei Fichte.
Schelling hat sich darüber auf das Deutlichste selber
ausgesprochen, indem er *) erinnert, er habe den Idealis-
mus immer nur in seiner objektiven Bedeutung, und
das Ich in dem Sinne gefasst, dass von der Philosophie
zu zeigen sei , wie Alles — auch das sogenannte Objek-
tive, die Natur, — gleich dem Ich ist: die bewusst-
lose Natur Subjekt-Objektivität in niederer Potenz, Vemunfl
in bewusslloser Gestalt, der Geist Subjekt-Objektivität in
*) la der Vorrede zur Darstelfting seines Systemes der
Philosophie, in der Zei t sc hri ft für spekuiatire
Physik Bd. IL Hca.2. S. VI- VIII.
Schellings Verhältniss zu Fichte, 589 <
hödister Potenz, oder die zum Selbslbewusslsein erhobene
VemunfL
Diess kann man zunächst jedoch nur einen Absprung
nennen von der stetigen Entwicklung der Spekulation durch
Kant und Fichte; denn in der Gestalt, wie ScheU*
ling die Philosophie aufzunehmen hatte, war der Begriff
der Natur, als eines objektiv Existirenden, ideali-
stisch vielmehr völlig vernichtet Die Natur, die ^objek-
tiven Dinge^ waren nur für das Ich und im Ich ein
„Ansicht, keinesweges eine Realität ausser demselben,
wonach es sich selbst in irgend einem Sinne als deren
,,höhere Potenz<< hätte begreifen können. Und erst aus
Widerlegung, dieses idealistischen Standpunktes , —
welche die Wissenschaflslehre selber in ihrem zweiten
Stadium vollzogen hat, — konnte ein Idealismus im Sinne
Schellings hervorgehen.
Diese stetige Entwicklung und das nächste Resultat
derselben im Auge behaltend, hatte Fichte daher Recht,
den Sehe Hin gschen Begriff einer realen, subjekt-objek-
tiven Natur, und die Idee eines solchen Ideal-Realismus
zu verwerfen, und erneuert darauf zu bestehen , dass alles
Sein nur für das Wissen (Ich) da sei; Wissen sich also
nicht aus diesem Sein, als Potenz desselben, herleiten
lasse, überhaupt die absolute Doppelheit des Subjekt-Ob-
jekts nimmermehr durch blosse Steigerung des an sich
Einfachen, des Objekt-Seins erklärt werden könne: und
diess in der That ist es, was wir ihn gleich Anfangs dem
Entwürfe einer Naturphilosophie , als der behaupteten G<^
genseite zu dem transscendentalen Idealismus, entgegen-
halten sehen. *) Aber diess Unrecht Schellings war
ein vorausgreifender Blick » des Genius , der sich in das
höchste Recht auflöst, eine Spekulative Wegverkurzung, die
1 «•'^r
*) „Zu Schellings transscen den tale m Itlealismus"
in den nacli gelassenen Werken Bd.. )1L S. 368—70.
Yergl. Leben und Briefwechsei Bd., 1. S. 416.
•690 und EQ Hegel.
jeioik , wie Altes dieser Art ^ der iBke nidil fibetlieliM
konnte, ruckliolend jene Lncke atiszttiullen; deno in dem
SiMe jener strengen Stetigkeit War der Idealismus der
Wissenschaftslehre in ihrer ersten Gestalt keinesweges wi-
derlegt, ztmächst nur beseitigt, dvrch das Schellingr^
Sehe System, wiewohl in mittdbarer Folge auch aus denseU
ben der Begriff des absolaten Wissens gewonnea
werden masste, worin die afichste Vollziehung seines Macb«
folgers, Hegel, bestand, der sich dadurch '^ in seinef
Phänomenologie des Geistes -^ selbststjbidig dilis jdeai
flcheliingsehen Principe herausstellte.
Hiernach besünual sich genau das Verhittniss S e h e I*
lin gs zu seinem Vorgänger, wie unmittelbarem NachfoU
fer ^ worAber man theils Ungenaues ^ theils geradezu Fal«
scbes überUefiMt hat, und zu fiberltofern fortßhrt Fichte
hat, mündlich und in Briefen, immer es abgelehnt. Sehet»
1 i n g als aus seiner Schule hervorgegangen und als im nr«
sprönglichen Einverständnisse mit ihm bezeichnet zu Sehens
sein Augpunkt konnte ihn jene Wencfong Scheliingn
nur als eine unvermiltelte und unberechtigte verwerfefl
lassen. Si>hellings Philosophie ist nach Rudnirärln
durchaus selbstständig, durch einen schlechthin neuen, nun
sich selbst schöpfenden Anlauf hervorgebracht: überall na
bewttsster Polemik gegen Kant, in .unbewusster gegen die
Wissenschaftslehre, deren Grundgedankien Schell ing von
An&ng an in dynamisch realistischem Sinne gefosst hatte)
mit Fi^ bemerkend, erst aus dar vollständigen Ausführung
beider Systeose könne es sich zeigen, ob und wie weit er
mit Fichte übereinstimme nnd« von jeher öbereinge«
stimmt habe. *)
Und wenn in Beztig auf Sphellings Nachfolger die
Ueberliefemng aufgebracht und in Umlauf gesetzt worden
ist, dass dieser ihn erst über sich habe aufklären und ihm
sagen müssen, wie er zuvörderst über die Kan tische
*) Vorrede n.a.O. Zesltschrift fAr spak. Physik, il. 3.
s. vin.
Sehdiingfs VerhaltDiw zu Hegel. 591
Philosophie, dann auch über die Fichtesche hinausge«
kommen, während er selbst sich noch in den Gränzen des
subjektiven Idealismus zu befinden glaubte : so kann dies9
Tradition, hat Hegel wirUich dergleichen geäussert, nur
aus einem Mijssverständnisse von Hegels Worten erwach-
sen sein. Dieser musste sich erinnere, dass S c h e 1 1 i n g
seit dem Beginne seiner selbstständigen sdiriftstellerischen
Laufbahn (1797.) der Transscendentalphilosophie
immer und mit ausdrücklichem Bewusstsein eine Philo-
Sophie der Natur entgegengesetzt hat, diese als deo
Standpunkt der Produktion , jenen als den der Reflexion
bezeichnend, beide ab die entgegengesetzten Hälften eines
liinheitssystemes b^rachtend , dessen Idee ihm vom Be^
^inme an vorschwebte , und die schon in der „E i n I e i-^
lang zum Entwürfe des Systemes der Natur«-
Philosophie oder aber den Begriff der spe«
fculativen Physik^ (1799.), ebenso in seiner Einlei«*
long zum Systeme des transscendentalen Idea-»
lismus^. (1800. S. 1-— 23.), dann in seiner „Deduktion
des dynamischen Processes^ (Zeitschrift. für
spek. Physik 1800. Bd L Heft 2. $. 63. S. 83^87.)
und endlich in der gegenEschenmayer gerichteten Ab-»
handlung „über deq wahren Begriff der Natur«*
Philosophie und die richtige Art, ihre Pro-
bleme aufzulösen^ (Ebendas. Bd. H. Heft L S. 116,
119. ff. 124. u. s. w.) auf das Deudichste ausgesprochen
worden ist, noch ehe er (1801.) mit der Darstellung sei««
nes Systemes vom Standpunkte der Identität hervor«
Irat: — Alles Schriften , welche noch vor seine unmittel-
bare Verbindung mit Hegel (1801.) fallen.
Auch der nach derselben Quelle behauptete spätere
Einfluss Hegels auf Sehe Hing und die Beschuldigung
eines geheimen Aneignens der Ansichten seines Freundes
von Seite des Letztern lässt sich durch eine vorurlheillose
Vergleichung der Schriften beider Denker aus jener Periode
keinesweges rechtfertigen: schon diese zeigen die ganze
Divergenz der Individualitäten und Richtungen, welche sich
692 ' Scbellings VcrliaHniss zu HcgeL
nachher nvr weiter ausgebildet hat. Sc hell in g versenkt
sich , von diesem Zeitpunkte seines Auftretens an , immer
mehr in die realistische Tendenz , das objektive System
der Dinge zu finden , und in entsprechender Konstruktion
künstlerisch es wieder hervorzurufen: Hegel war damals
noch mit dem durchgreifenden Verstandnisse der spekula-
tiven Standpunkte seiner Zeit und der klaren Bemachti-
gimg des neuen Princips verwickelt^ dessen negative Gewalt
und widerlegende Erafl gegen die vorhergehenden Systeme
er sogleich ergriffen hatte, und mit einer Tiefe und einem
(Scharfsinne an allen Gestalten und Windungen derselben
durchführte) welche den allgemeinen Sieg des Principes erst
begründeten. Er ergriff zunächst nur die polemische Kehr-
seite desselben gegen die zurückliegenden Standpunkte,
aber auf eine durchaus allgemeine, d. h. spekulative Weise:
ihm ist das Princip sogleich schon ein dialektisches ge-
worden ; er fuhrt daher die vorliegenden Gegensatze jener
Fhilosophieen in dasselbe zurück , so dass sie darin, ab
lebendig sich wiedererzeugende Theile^ erhalten blei-
ben. Sc hell in g spricht nur die Identität derselben ans,
und den Gegensatz für sich als den ewigen Irrthum; aber
er erklärt nicht, wie er überhaupt entstanden sei im Den-
ken, und wie er stets neu entstehe.
So würde jenem sein späteres methodisches Princip,
aus der doppelten Negatioa die wahre (vermittelnde) Be-
jahung hervorgehen zu lassen, an diesen kritischen Erör-
terungen immer klarer. Seine experimentirenden Zersetzun-
gen vorausgehender und gleichzeitiger Geistesstandpunkte
sind ihm daher Vorstudien zur Phänomenologie und zur
Logik geworden: Glauben und Wissen in den ver-
schiedenen-Gestalten der Reflexion , wie er sie an der
Kantischen, Jacobischen und Fichteschen Philoso-
()hic darstellt , werden ihm allgemein nothwendige Durch-
gangspunkte tier Bildung, und seine wichtige Abhandlung :
,,über das Verhältniss des Skepticismus zur
Philosophie^ erinnert wieder an die seit dem Alter-
Ihume vergessene Einheit des Skeptischen mit dem Speku^
Schellingj; Verhiltniss zu Eegel. 593
*
lativen , als der zum Positiren sich hindurciiringenden
NngRlion.
Hegel hat daher neben Sehe Hing sogleich selbst*
stfindig sich der kritischen und formellen Seite des gemein-
schaftlichen Princips bemächtigt, ebenso aber jenen in sei-
ner unberührten Selbstständigkeit gelassen , ohue in diis
Bigenthämlichkeit seiner realphilosopbischen Construktionen
einzutreten. Sogar in seinem gleichfalls frühesten Auf-
salze: über die wissenschaftliche Behandlung
des Naturrechts berührt er schon vorgreifend den
höchsten Gipfel seiner spatem Lehre, und es blickt bereits
dieselbe Austerität und Härte der Ansicht gegen den Be-
griff des indiyiduellen Geistes oder der einzelnen Persön-
lichkeit hervor, deren Nichtigkeit an sich selbst und ihre
Versenkung in die allgemeine Substanz des Yolksgeistes,
als des wahrhaß Göttlichen , schon hier gelehrt wird ; —
während Sc he Hing, auch in der ersten abstraktesten
Fassung seines Systemes •-- (wir werden die Stellen dar-
zulegen haben) — mit tiefem Vemunflinstinkte die Idee des
Persönlichen * stets in seiner Integrität und Heiligkeit für
^e eigene höhere Zukunft aufbewahrt hat
Die angeführten Schriften jener Epoche (1797—1800.)
bilden nun die erste Gestalt des Seh elling sehen System
mes und die Voraussetzung seiner spätem Lehre. Aber,
was entscheidender ist, wie durch jene das System einge-
leitet worden, wird darin schon die scharfbestimmte
Gränze bezeichnet, welche es in seiner zweiten Gestalt
noch behalten, und die dieser den ausschliessenden Cha-
rakter der Immanenz^ aufgeprägt hat Desshalb ist es
von Interesse , das Hervorgehen des Systemes aus jenen
ersten Anfangen genauer zu verfolgen, als 'diess bisher ge-
schehen sein möchte. — Wir legen dabei. S ch eil ings
friUieste Erklärungen zum Grunde , wie sie in den ange-
fahrten Schriften jener Periode enthalten sind.
38
5M Ersle Gestalt
Alle wahre Spekulation ist Idealismus: sie kat
nachzuweisen, wie alles Wirkliche nur eine eimehne Ge-
stalt (PoteuE) der durch bestimmte Stufen der S^isian-
schauung sich entwickehtden Intelligenz ist Es gidbü 4»-
her einen IdeaKsmus der Natur (Nalnrphilosophie) und eineft
Idealismus des ich (Tranisscendentalphilosophie).
Die Naturphilosophie geht aus von der inteliek-»
4uellen Anschauung, wie sie in der Wiasensckafts-
lehre gefordert wird , nur mit Abstraktion von dem A»-
schauenden (Subjektiven) in dieser Anschanasig. In
der Wissensdiaftslehre erzeugt die inteliektneHe An-
-schauung das Princip derselben, das reine Idi: indem
•ich mich anschaue^ über schlechthin rein und abgeoEOgm
von jeder weitem Bestimmtheit, habe ich das rein Sabjek.
tive dem rein Objektiven v5Uig gleich gesetzt: der bhafi
^r Anschauung ist das reine -S i c h s el b s t s tim en. S»
wird das Ich, tndem es «rklärt , im Begriffe genetisch ge-
macht werden «oll ^ selbst zunächst in die Potenz des Be-
wnsstlosen zuriickversetift , d. fa. nicht «Is (atusdrflcldioh)
Ich igefasst. Denn 9ch ist nur das Subjekt-Objekt , in so-
fern es sich selbst als solches ericeviat, ndit das vefaie
(wahrhaft ursprüngliche) Subjekt-Objekt in seinem Selbst-
setzen. Die Akte , welche in der Wissenschaftslehre als
Akte des Ich, also gleich in der höchsten Potenz
atf%estellt werden, sind eigentlich (nrflprunglich) Akte des
reinen Subjekt-Objekts, und daher als solche noch nichl
Empfindung, Anschauung, u.s.w.^ welche sie nur durch
Erhebung in*s Bewusst sein werden können.
Dieses reine <;an sich potenzlose und doch sich potea-*-
zirende) Sutyekt-^Objekt ist nun Inhalt der mteltdiloeBea
Anschauung in «ihrer reinen , ursprfingiichsten Bedeutung,
so, wie Sc hell ing sie fordert: Inhalt zuvdrdetst, nieht
€re gems tand «oder -objektives Ding an sich , fftr dieselbe;
indem in 4er Idee derselben liegt, «aad es sidi am Bade
•des subjektH)bjektlvirenden Potenzirens zeigen muss , dass
4ie intellektuelle Anschauung, in welcher der Philosoph sie
fasst , selbst nur eine Potenz ihres SichselbstselEens und
von Sphdlings Systeme. 595
zwar eine der bachsten , ist , dass sie im Phitosoplien nur
sich selbst setzte oder ihrer bewusst wird*
Dfts Geschäft des Philosophen ist es daher nur, diesem
Selbsipotenziren des absoluten Subjekte-Objekts zuzusehen;
darin besteht die philosophische Construktion — . eigent-
licher die Selbstconstruktion jenes absoluten Subjekt-Obf
jekts auf idealem Wege, wie es sich realer Weise im
Umversnm construirt. Der Beweis iur die Wahrheit des
Princips kann daher nur an der That der Ausführung yoU*
zogen werden: die Construktion hebt an von der nieder^
stan Potenz und lasst das Subjekt^Objekt der intellektuelle^
Anschauung bis zur höchsten der Selbstanschauung sich
steigern. Erst nachher, durch Vollendung fieser ununter-*-
brochenen Reihe von Steigerungen, kann sich ergeben,
dass man nicht nur ideal , sondern zugleich real gedacht,
das Wirkliche erklärt hat.
Hieraus ergiebt sich das Verhaltniss des Systems zur
Wissooschaflslehre (in ihrer damaligen, ersten Gestalt).
Alles Philosophiren, also auch das rein theoretische, durch
welches die Naturphiloso^phie entsteht , setzt , um subjektiv
Hiögiich zu sein , die Wissenschaftslehre voraus, und beruft
sich auf sie. Alles philosophische Wissen gründet in einer
Wjssenslehre überhaupt ; und dieser ist es verstattet,
ja »e ist genöthigt, Alles gleich in der höchsten Potenz,
der des wirklichen Bewusstseins , und so das Subjekt-Ob-
jekt schon als Ich , zu nehmen. Die Wissenschaftslehre
ist nicht die Philosophie selbst, sondern Philosophie .über
die Philosophie.
Es ist daher keine Frage, dass diese Philosophie über
das Philosophiren subjektiv (in Bezug auf das philosophi-
rende Subjekt) das Erste ist, ebenso, dass in deren Um-
kreise das Ich schon in die höchste Potenz aufge-
nommen ist. . So lange ich im Philosophiren mich in dieser
Potenz erhalte, kann ich auch kein Objektives anders,
als im Momente seines Eintretens in's Bewusstsein (denn
diess ist seine höchste Potenz), niminermehr in seinem
ursprünglichen Entstehen aus der bewusstlosen
586 Bleibende Bedeutung
So wird die allgremeine 8pel(ulative Entwickhing durch
die Wissenschaftslehre bestimmt an der Stelle abgesetzt,
wo der Schellingsche Standpunkt und überhaupt alle
realistische Philosophie beginnt, — aber in anderm Sinne,
als man diess Verhaltniss gewohnlich zuzugeben geneigt
ist; denn die Wissenschanslehre ist Yon uns als die vor-
begründende, rechtfertigende jenes Standpunkts erwiesen
worden. Aber darum begleitet sie auch densell»en durdi
alle seine Thetle hindurch , ja greift hinaus über ihn , we-
nigstens in der Form, welche das Schellingsche System
ihm gegeben, und es ist Hegels grosser Entwurf gewe-
sen , jenes Princip der Wissenschaftslehre selbst dem ge-
rammten Systeme der Philosophie einzuverleiben. Ueber.
bflupt aber leuchtet ein, dass die Maxime der Besonnenheit
tind die methodischen Forderungen und Vorbegriffe , wel-
che daraus sich ergeben, nicht nur vorqe gelten in einer
solchen allgemeinen Einleitungswissenschaft , und nachher
fär immer abgelegt werden , sondern durchweg beherr-
schende und leitende bleiben müssen. Auch unabhängig
davon, dass die Wissenschaftslehre zuerst ein Beispiel
durchgeluhrter spekulativer Methode gegeben , hat sie da-
her auch das allgemeine wissenschaftliche Bewusstsein der
Methode und des Begriffes der Philosophie möglick ge-
macht. Sie bleibt, in ihrem Resultate, integrirender
Theil des allgemeinen, ebenso gegenwärtigen, als künf-
tigen , durch alle Zeiten hindurch tiefer sich ausbildenden,
Systemes der Philosophie,
Man hat es austossig gefunden und nur etwa mit ver-
wandtschaftlicher Vorliebe entschuldigen wollen , dass ich
in der Vorrede zu den nachgelassenen Werken
(Bd,III. S.VIIIO Fichte einen Philosophen derGegen-
9uf die „Grundvuge lu in System« derPhiloiophie:
Erste Abtheilung'« S. 274 flf. und auf die Abhandlung
»,Sber das Verhaltniss des Form- und Realprin-
cipes« in der Zeitschrift f Or Phi ioiophie Bd. II.
H. 1. S. 77-82.
desselben« 587
wart genannt habe. Durchaus in dem hier nachgewiesen^-
nen Sinne war diese Bezeichnung gemeint und ich kann
nicht umhin, sie hier zu wiederholen.
Aber auch in anderm Sinne mnss ich die Wissen«
Schaftslehre als nur der Gegenwart angehörig, und so alle
Beschrankungen derselben an sich tragend, bezeichnen, —
und diese Behauptung durfte jenen Erinnernden vielleicht
noch anstössiger sein 9 je fester sie sich selber , nur auf
andere Weise, in dieser Gegenwärtigkeit der Philosophie
fibscbltessen, und je hartnäckiger sie läugnen, dass es ü b^ p
sie hinaus noch Philosophie gebe. Wir haben nachge^
wiesen , dass die Wissenscbaftslehre eine der nothwendi^
gen Gestalten sei auf dem gegenwärtig herrschenden
Standpunkte der I minancnz-r- und ihre nähere Yer<«
wandtschaft, ihr Vorspiel auf die Hegel sehe Lehre kanq
gar nicht abgeläugnet oder verkannt werden : -^ aber auch,
wie und warum, eben um dieser biossei^ Immanenz
willen, über sie hinausgeschritten werd<}f^,,musse. Das Glei*
che, und ans gleichem Grunde, ist nun auch von der
Siehe Hing sehen Lelire in ihrer eisten Qest^lt, dpnn von
4er Hegelscheii zu i^eigeq. *
598 Erste Gestalt
diess im eignen Namen hinzuffigen — keine geringe Ver-
wirrnng bislier Ober die encyUopädische Anordnong der
einzeben Theile des Systemes der Philosophie übrig ge-
lassen hat
Sie kann nicht umhin, dem BegrilTe des Wissens eine d op-
pelteStelle zu geben: in ihrem Anfange wid ebdeltmigs-
weise, indem die Philosophie, als bestimmtes Wissen, sich
selbst hervorzubringen hat aus dem allgemeinen Inhalte des
Wissens : dann im objektiven Systeme der Dinge, wo ans
dem Begriffe des Geistes auch der des wissenden (Seisles,
die Möglichkeit des Erkennens überhaupt, abzuleiten ist
Aber dort und hier kann dieser Begriff nicht Yölfig
als der nämliche wiederkehren, und auch hierüber hat
Sehe Hing im Obigen auf das Richtige vorgedeutet Zu
Anfang oder in der philosophischen Einleltungswissenschaft
ist es der Begriff des Wissens (Erkennens), als der Identität
des Subjekt-Objektiven überhaupt, welcher als Aufgabe, ab
zu realisirendes Postulat, dieser Realisation durch die im-
manenten Stufen der Selbstentwicklung des Wissens unter-
worfen wird : hier kann nur von der niedersten Potenz des
Zusammenfaltens jener beiden Faktoren im Wissen aus-
gegangen werden; es ist die Empfindung und Anschannng.
«— Die allgemeine und vollständige Erklärung jedoch,
wie ein Wissen und darin die besondem Wissenssliifen
möglich , wie überhaupt daher die objektive Natur biteBi-
gibel, der subjektive Geist wahriieiterfftllt se^n könne , —
vermag erst das System der Philosophie in seinem umfas-
senden Zusammenhange zu geben: im Begriffe des abso-
luten Geistes, als des Grundes der Welt , kann allein auch
der höchste Grund gefunden werden von jener Wechsel-
durchdringung und Einheit des Subjektixen und Objektiven,
welche in jedem Akte des Wissens auf eine besttnirote
Weise sich vollzieht Diess führt S c h e 1 1 i n g, seinem da-
maligen Standpunkte gemäss, so aus, dass er in den Kate-
gorieen der Natur und in ihren ursprünglichsten Schöpfiings-
akten den Charakter einer erloschenen oder noch nicht in*s
Bewusstsein erhobenen Vernunft erkennt Die Natmrpbi-
von Schcltiogs Systeme. 59tf
l#«Ofllie ist Hini so die objektive Begründung des
Idealisma«, weil sie die Natur, als an sicli Vernunft, aach-
^reist.
Hierdurch sind die Begriffe des Objektiven und
Subjektiven, in dem Sinne, wie sie die frühere phi-
losophische Bildung kannte, aus ihrem Fundamente umge-
wandelt ; sonst wurde an ihnen der Gegensatz dßr Natur
und des Geistes, des Realen und Idealen, bezeichnet;
aber dieser Gegensatz selber ist völlig verschwunden: des
Objektive ist Ideales und Reales zugleich ; Bei«-
des ist nie getrennt, sondern auch in der Natur schon
ursprünglich beisammen; den Beweis davon hat die Na-
turphilosophie zu fuhren. Zum Objektiven, einem Sai>-
jektivsn gegenüber , wird das Ideal - Reale nur durch das
ettlsteliende Bewusstsein , ib welchem das Subjektive sieh
bis zur höchsten (theoretischen) Potenz erhebt ; die Nach-
Weisung davon gebührt dem transscendentalen Idealismus.
Jenes reine Subjekt-Objekt aber, welches durch aMe
Potenzen gieichmässig sich verwirklicht, i^t durch seine
Natur schon -^ durch den Widerspruch, der in
ihr liegt — zur Thäligkeit (Selbstverwirklidimg) de-
terminirt. Jener Widerspruch ist der Kampf des tdeejMen
inil dem Realen, so aber, dass das Ideelle, als <[Ke wahre
Natur und das. eigentliche Wesen des reinen Subjekt-Ob-
jekts, sich immer tiefer und sieghafter aus seiner Unmit*-
telbarkeit — es ist die an sich seiende oder noch be-
wusstlQse Vernunu — herauszidantern , sich in's Bewusst-
sein zu erheben ringt. Schöpfungsakte, durch welche die
Natur scheinbar todte und vemuuftlose Produkte erzeugt,
sind die Akte des in der Natur waltenden Subjekts, am
zur Selbstanschauung zu gelangen : es sind misshuigene
Versuche desselben, sich zu r^ektiren, und die todte
Natur nur eine unreife Inteiigeaz. Daher in allen ihren
Phänomenen der ursprünglich^ intelligente Charakter gegen-
wärtig ist , und in den Bahnen der Wellköiper z. B. mit
bewusstloserRegebnässigkeit nur die orhabexie G^metrie.des
Weltgeistes, jener reinen Subjekt-Objektivität, sich volfciieht.
600 Sein allgemeiner Charakter.
Das Ideelle daher ist das Uebermäcbtige, welches jed
niedem Produktionsakt, der noch nicht zngleich vöUig^n*
Akt der verwirklichten Intelligenz ist^ überwindet, and m
die höhere Potenz seiner selbst hinüberhebt: — die ersten
Vorspiele jenes Begrifles , der nachher im spatem Systeme
als die ^übergreifende Subjektivität'^' anfgetrelen
ist. — Das höchste Ziel aber, sich selbst ganz Objekt zo
werden , oder jenen Widerspruch zu lösen , mit dem die
Natur in ihrer Unmittelbarkeit kämpft, erreicht sie erst
durch die höchste und letzte Reflexion, welche nichts An-
deres, als der Mensch , oder allgemeiner das ist , was wir
Vernunft nennen, durch welche die Natur erst voll s lau-
dig in sich zurückkehrt, und wodurch nun offen-
bar wird, dass die Natur ursprünglich iden-
tisch mit dem ist, was in uns als Bewusstsein
und Intelligenz erkannt worden ist.
So war sich Schelling schon in seiner ersten Pe-
riode, welche uns Andere, als im Kan tisch- Fi cht e-
schen Standpuukte befangen, ausgeben möchten, aurs Kiar-
gte und Kräftigste des Principes bewusst, weiches er noch
zuletzt, in der Vorrede zu Cousins Schrift*), — Spi-
nös a *s und Hegels Systemen, als den Phiiosophieen des
reinen Rationalismus, gegenüber, und im Gegensatze mit
jeder Forschung in bloss allgemeinen Begriffen, und mit einer
Dialektik aus abstrakten Bestimmungen, — als das Prtncip
des Wirklichen und Concreten, dessen, was da ist, be-
zeichnet« Er nennt. an jenem Orte, als eine durch le ben-
dige Auffassung des Wirklichen seiner Philoso-
phie aufgedrungene empirische Bestimmung , das im-
endliche Subjekt -Objekt, d. h. das absolute Sub^
jektj „das seiner Natur nach sich objektivirt (zum ObjdEte
wird), aber aus jeder Objektivität (Endlichkeit) siegreich
wieder hervor-, und nur in eine höhere , Potenz der Sob^
*)y. Cousin fiber franzosische und deutsche Pli i-
lo Sophie, nebst einer beurtheilenden Vorrede von Sc hei*
liDg. 1834. S. XIIL XIV.
Sein Bllgemeincr Charakter. 601
■
jektiYitat wieder zurücktritt, bis es, nach ErsöhöpDing sei-
ner ganzen Möglichkoit, objektiv zu werden, als.
über alles siegreichei$Subjekt stehen bleibte
Dieser Gedanke ; fast . in demselben Wortausdrucke,
worin Seh ellin g auch in seiner spätem Epoche den
charakteristischen Inhalt seiner Lehre mehr als einmal aus-
gesprochen hat, ist ihm ^nom Anfange an gegenwärtig ge-
wesen: es ist das Fundament seiner ganzen Lehre, und
der Eingang in ihr eigentliches Versländniss hängt davon
ab, ihn in seiner ursprünglichen Ingenuität , und der her-
gebrachten Spekulation in AUgemeinbegriiTen und ihren ge-
wohnten Erklärangen aus allgemeinen Gesetzen und Kräf-
ten gegenüber, in seiner paradoxen Eigenthümlichkeit zu
fassen. Dies» scheint bisher noch keinesweges geschehen
SU sein, aus demselben Grunde, welcher auch nach Scb ei-
lin g einer abstrakten BegrilTsphilosophie in unserer Bil-
dung sogleich wieder Eingang verschafft hat.
Was es mit jenem endlichen Stehenbleiben eines über
Alles siegreichen Subjektes,' d. h. einer Transscendenz Got-
tes über der Welt, für eine Bcwandtniss hat, ob es in der
That, um des Anfangs und Einschreitens im Systeme wil-
len, gelingen konnte, den BegrilT der Immanenz dadurch
zu überflügeln, muss die weitere Darstellung zeigen. Desto
mehr jedoch ist das Grosse* und Eigenthümliche des gan-
zen Princips dieser Philosophie im Bewusstsein zu erbal-
ten. Der absolute Grund der Dinge ist ihr, zum Unter-
schiede von allen andern Philosophieen, zugleich ein Con-
cretes, ist individuell: der Gegensatz des Allgemeinen
und Einzelnen , an welchem das gewohnte , -auch spekula-
tive Denken bis auf unsere Zeit hin sich genügen Hess,
gerade in der dialektischen Vermittlung beider Gegensätze,
in welcher doch der Gegensatz , als der zu vermittelnde
eben , stehen gelassen wurde , — ist hier völlig über-
schritten. Das allgemeine Princip des Univprsums ist viel-
mehr Individuum, aber ausdrücklich nicht in der spä-
tem, besonders Heg eischen Weise gedacht, dass es, als
allgemeines Wesen, zugleich Individuum, unendliche
602 Sein att^meiner Charakter.
IiHÜTidiialitJit (abermals ein Ahstniktimi) sei; vielmehr ist
das Absolute selbst als höchstes Individuum, afcso-
Itttes Subjekt zu denken, dessen unendliche Lebeiisaklo
daher auch nur Individuen sein können.
Von diesem Principe sagt nun S c h c 1 1 i n g, dass es »eiiie
durch lebendige Aufßissung des Wirklichen Uun aarge*
drungene empirische Bestimmung^, keinesweges Rc^-
tat eines von AUgemeinbegriflten ausgebenden Nachdeiikeos
gewesen sei. Er verhält sich ganz als empirisch intuitiver
Forscher zu seinem Gegenstande ; Denken und Ansckaoung'
fallen ihm zusammen: das universal Wirkliche lasst die
Idee, welche sich in ihm verwirklicht, durch einen Akt
genialer Einschau ihn zum Bewusstsein bringen. Aber
es kann sich nur darum in ihm in so zusammenrassendoni
Bewusstsein V ergreifen, -* dieas ist die im Uintergmnde
Kegende Voraussetzung dabei, — weil in derThat nur ein
Geistiges, ein Subjekt, sich in allem Wirkliehen reaUsirt.
Dieser Lebens« und Selbstschöpfungsdrang des höchsten IndU
viduums, -^ nennen wir es die Natur oder Gott -^ das Idedle,
den Geist , der sein Wesen an sich selbst ist , auch aus
sich zur Ausdrficklichkeit einer Welt zu gebaren , und , in
der höchsten Potenz, sich in dieser wiederzuerkennen, —
dieser nothwendig iVete Lebensdrang, *- Schelling hat
ihn später Wille genannt, und so auch den Lebensketn
aller geschaffenen Dinge , wodurch sie Eigentiiümlichkeit
erhalten, als ihren Willen bezeichnet, — er ist -der allge-
meine Grund der Schöpfung, und in ihr, dass Alles leben-
dig und individuell sei. Denn auch hier ist an den be-
zeichnenden Ausdruck Schellings zu erinnern: Gottes
Geist sei nicht so arm , dass er (in jenem unendlidien
Selbstverwirklichungsakte) nach Allgemeinbegriffen schüfe.
Diess das Allgemeinste und Leitende fiber seine Phi-
losophie : jetzt ist die Frage, wie sich diess Princip in ein
System hineinzubilden verbucht und welche Bihinngsstand-
punkte es darin durchlaufen hat. Selbst indess,.wenn wir
die Bezeichnung: System auf diese Lehre anwenden, ge-
schieht es nicht im gewöhnlichen Sinne einer sysieaiatischen
Scheüings VerbiltniSB zu Hegel. 691
Philosophie, dann auch über die Fichtesche hinaiuige-
kommen, während er selbst sich noch in den Gränzen des
subjektiven Idealismus zu befinden glaubte: so kann dies9
Tradition, hat Hegel wirklich dergleichen geäussert, nur
aus einem Missverstandnisse von Hegels Worten erwachs
5en sein. Dieser musste sich erinnen)» dass S c h e 1 1 i n g
seit dem Beginne seiner selbstständigen schriftstellerischen
Laufbahn (1797.) der Transscendentalphilosophie
immer und mit ausdrücklichem Bewusstsein eine Philo^
Sophie der Natur entgegengesetzt hat, diese als den
Standpunkt der Produktion , jenen als den der Reflexioii
bezeichnend, beide als die entgegengesetzten Hälften eines
Einheitssystemes betrachtend, dessen Idee ihm vom Be^
ginne an vorschwebte, und die schon in der ,,Einlei*
lung zum Entwürfe des Systemes der Natur«
Philosophie oder aber den Begriff der spe*
kalativen Physik^ (1799.), ebenso in seiner Einlei«*
lung zum Systeme des transscendentalen Idet-
lismus^. (1800. S* 1—23.), dann in seiner ,J)eduktion
des dynamischen Processes^^ (Zeitschrift. für
spek. Physik 1800. Bd, L Heft 2. $.63. S. 83—87.)
und endlich Inder gegen Es che nmay er gerichteten Ab*
handlung „über deq wahren Begriff derNatur«*
Philosophie und die richtige Art, ihre Pro«
bleme aufzulösen« (Ebendas. Bd. H. Heft L S. 116«
119. ff. 124. u. s. w.) auf das Deudichste ausgesprochen
worden ist, noch ehe er (1801.) mit der Darstellung sei«
nes Systemes vom Standpunkte der Identität hervor«
trat: — Alles Schriften , welche noch vor seine unmittel«
bare Verbindung mit Hegel (1801.) fallen.
Auch der nach derselben Quelle behauptete spätere
Einfluss Hegels auf S c h e 11 i n g und die Beschuldigung
eines geheimen Aneignens der Ansichten seines Freundes
von Seite des Letztern lässt sich durch eine vorurlheillose
Vergleichung der Schriften beider Denker aus jener Periode
keinesweges rechtfertigen: schon diese zeigen die ganze
Divergenz der Individualitäten und Richtungen, welche sich
604 Sein aUgemetner Cbantkter.
zur Philosophie im gewöhnUehei» Sinne, zu einem Systeme
apriorisch erAbleitungen, zu machen sei, — in der
Abhandlung von der Weltseele (1798. 2teAuil. 1806.)
hatte er diese vielmehr sehr bezeichnend „eine Hypo-
these der hohem Physik zurErklärung des a]lgi?mei-
nen Organismus^ genannt: — an die Incongruenz zwischen
dem Inhalte und jener (der begriirsarl]gen)Form, — wir kön-
nen hinzusetzen, an den anfänglichen Hangel des Bewusst-
seins über die Grundverschiedenheit jenes Princips von
dem der vorhergehenden Philosoph ieen, woraus das un-
sichere Herumtasten und wiederholende Versuchen in Dar-
stellung der allgemeinen Principien seiner Philosophie ent-
stand, haben sich frühere und spätere Gegner, darin nicht
ohne offenbare Berechtigung, gehalten.
Dass er jetzt, abermals in gegnerischer Betrachtung,
durch Kundnsdime von dem nach ihm auftretenden Hegel-
schcn Systeme,, darüber zur vollständigsten Klarheit gelangt
sei, ist nicht zu bezweifeln: in der angeführten Vorrede
(S. XIV.) rügt er nämlich die Verwandlung und hyposta-
sirende Uebertragung dessen , was er an seinem Principe
das Lebendige und Wirkliche nennt, wodurch auch in der
Methode diesem ein eigentlicher Fortschritt und eine
,ySelbstbewegung^ beigelegt werden könne, auf ein blosses
Gedankending , auf einen logischen (metaphysischen) Be-
griff, welche Umwandlung aber sogleich ihr Unvermögeo
vcrrathe, wenn diese Philosophie „den schweren Schritt in
die Wirklichkeit zu thun habe^'^ mit welcher ungesondert
£ins zu bleiben , und ein Abstraktes , Metaphysisches , gar
nicht anzuerkennen, die seinige, wie man sieht, hier das
entschiedenste Bewusstsein hat. Daher nennt Schelling
sie positive Wissenschaft; darum erklärt er den Begriff des
Seins , Werdens , ohne ein Seiendes und Werdendes , für
den leersten und nichtigsten aller Gedanken. —
Die angeführte Darstellung des Systemes in der Zeil-
un4 Realen in der Natur, als Einleitang itur „Welt*
• tt«le*' (Zweite Aofl. 1806.) S. LL
Schcllings Varhfiltiriss zu Hegel. 693
lativen, als der zum PositiTen sich hindareliringenden
Negation.
Uegelhat daher neben Schclling sogleich selbsf«-
sländig sich der kritischen und formellen Seite des gemein-
scbafUichen Princips bemächtigt, ebenso aber jenen in sei-
ner unberfihrten Selbstständigkeit gelassen , ohne in di&
Bigenthümüchkeit seiner realpliilosopbischen Construktionen
einzutreten. Sogar in seinem gleichfaUs frühesten Auf-
sätze: über die wissenschaftliche Behandlung
des Naturrechts berührt er schon vorgreifend den
höchsten Gipfel seiner spätem Lehre, und es blickt bereits
diesdbe Austerität und Härte der Ansicht gegen den Be-
griff des individuellen Geistes oder der einzelnen Persön-
lichkeit hervor, deren Nichtigkeit an sich selbst und ihre
Versenkung in die allgemeine Substanz des Volksgeistes,
als des wahrhaft Göttlichen , schon hier gelehrt wird ; ^
während Sehe Hing, auch in der ersten abstraktesten
Fassung seines Systemes — (wir werden die Stellen dar-
zulegen haben) — mit tiefem Vemunftinstinkte die Idee des
Persönlichen ' stets in seiner Integrität und Heiligkeit für
ilie eigene höhere Zukunft aufbewahrt hat.
Die angeführten Schriften jener Epoche (1797-^1800.)
bilden nun die erste Gestalt des Seh e Hing sehen System
mes und die Voraussetzung seiner spätem Lehre. Aber,
was entscheidender ist , wie durch jene das System einge-
leitet worden, wird darin schon die scharfbestimmte
6 r ä n z e bezeichnet , welche es in seiner zweiten Gestalt
noch behalten, und die dieser den ausschliessenden Cha-
rakter der Immanenz^ aufgeprägt hat Desshalb ist es
von Interesse , das Hervorgehen des Systemes aus jenen
ersten Anfangen genauer zu verfolgen, als diesa bisher ge-
schehen sein möchte. — Wir legen dabei . S c h e 1 1 i n g s
früheste Erklärangen zum Grunde , wie sie in den ange«
führten Schriften jener Periode enthalten sind.
38
606 Zweite Gestalt des Syfitemes
sondern von der Identität derselben aosgehl: er terselzl
sich, «um die Evidenz der Beweise {Hrufen zu lassen*, in
die S p i n 0 s i sdie Methode , welche , selbst bei diesen
üicht original, auf die scholastischen Formen des Carte»
sins zurückweist.
Das Grundgebrechen derselben ist schon bet der
Wolffschen Philosophie geschildert worden* Sie hebt
von Definitionen und Erklärungen an ,. und lassl daraus
Demonstration n%en durch analytische Folge-
Tungaus den zuerst aufgestellten Begriffen.
Diess droht sogleich Formalismus zu werden: man kamt
nämlich eine Folgerung aus vorausgesetzten und hinrei*
fchend erklarten Bcjgiiffen immerhin in ihrer formellen Kon-
sequenz zugeben müssen, ohne dass die Realität nnd Evi-
jdenz des ersten Begriifes {imreichend erhärtet ist; und so
JUeibt dem ganzen methodischen Verfahren vom Beginne
ßn der Eindruck eines auf willkfihrlichea oder unerwiesenen
Voranssetzwigen sich stutzenden Begriffsfortschrittes aa^
drückt. Denn die ersten Fragen sind (Übersprungen , was
das Gegebene sei, von welchem die Spekulation aosziH
gdien babe, und wie man ihrem Realprincipe diese
Jtealitat zu vindiciren vermöge, — Fragen, welche, so ein-
lach sie erscheinen, dennoch die mannigfachsten .YcHimter-
SttchuBgen in sich schliessQn. Es vrird sich zeigen , wie
entscheidend diese Betrachtnng flpur die folgenden Systeme
geworden sei.
Hiermit kann nun auch die ^rklärung^, mir wel-
cher Schellijig sein System (a. a. 0. $. 1.) beginnt:
«ich nenne Yemmiß die absolute- Vernunft , oder die
Vernuntl, insofern sie als totale Indifferenz des
Subjektiven und Objektiven gedacht wird* : -
den Schein einer bloss willkührlichen methodischen Vor-
aussetzung nicht überwinden. Einen Satz, welcher so un-
geheuere Folgerungen in sich schliesst, wie dieser, in den
das Denken endlicher Gegensätze ganz abgestreift und der
absolute Standpunkt eingenommen werden soll, durch wel-
chen femar nicht nur der ^Gedanke des Absoluten, ab
als Identitalssyslrm. 607
der Indiflferenz zugleich und der Identilftt aller Gegensatze
des Bndlichen, gewonnen, sondern anch durch ,,uileUek-
tuelle Attschauung^^die unbedingte Realität und Wirk«
lichkeit dieses Gedankens festgestellt werden soll : — einen
solchen Satz , der noch unentwickdt eigentlich das ganze
System i s t, bloss eiklfinmgsweise vorauszuschidcen, mochte
wohl der höchste Beweis mediodischer Unfireiheit und Be-
wusstlesigkeit «ein, welchen die neuere Geschichte der Fht«-
iosopfaie kennt, noch dazu, wenn man femer erwägt, was
der Verfesser, zur ,3c<^btfertigung dieses Sprachgebrauchs^
-nicht sowohl, als zur ^rwecknng dieser Idee« so^
gleich hinzugefügt (S. 1. 2.>
Er legt darin nicht dar , wie ihm selber diese Idee
entstanden , die von ihm nur geforderte intellektuelle
Anschauung zur festesten Gewissheit geworden ist, sondern
•er gfreift auch hier nach einem Apparate äusserlich Uei*
hender Anmuthungen oder scheinbar voraussetzungswekier
Behauptungen. Jene Erklärung nämlich ist ihm seB>er
eigentlich Resultat, t ermittelt es Endei^gebniss der
beiden schon - znrfidkgelegten Hauptgegensfttze seines Sy«
Sternes , der Philosophie der Natur und der Transscendea-
talpbilesophie. Das , wie wir oben von ihm erfuhren *)|
durch Abstraktion von dem Subjektiven der intellek**
Quellen Anschauung in der Wissenschaitlehre entstandene,
vorerst eigentlich nur hypothetisch zur Erklärung
der Natur angenommene (a. a. 0. S. 126.)) reine
Subjekt-Objekt, von welchem die Consiruktion der
Potenzen beginnt , hat sich hier, mif dem Standpunkte
des Identitatssystemes , bereits durch alle Potenzen des
<^ektiven ~ der Natur ~ wie des Subjektiven — des
Geistes — hindurchentwickelt, und hat darin seine Univer*
saiitat und Absoiutheit (das bidiflforente und Identische z u*
gleich in Bezug auf jene realen Gegensätze zn sein)
durch die T h a t erwiesen. Es ist , laut der vollzogenen
')Vgl. Zeitschrift für Spekula tive t^hys i k 1801: Bd.lf.
H«ft t. S. 120. 122 » betoaders S. 125. 26.
60b Die intellektuelle Anschauung.
Constrnktion , das allein Wirkliche in allen Gegen-*
Sätzen der Natur und des Geistes; aber damit besieht
selbst kein Gegensatz mehr zwisclien Natur und Geist. Die
einfache Erhebung des Denkens von dem Hesultate jener
beiden entgegengesetzten Wissenschaften zu ihrer gegen-
satzloscn Identität macht die Vermittlung und den
Beweis jener . ^ Erklärung << aus, dass es ein absolutes
Subjekt-Objekt, die Vernunft, als totale Indifferenz
des Subjektiven und Ob jektiven, giebt: das
Realpriiicip des Systemcs ist damit in seiner Wirklich-
keit, me für das Denken., so für die Anschauung, in der
That erhärtet; es ist, in dem die Identität (das Gedacht-
werden müssen) und die Realität (Anschaubark eit) schlecht-
hin zusammenfallen; oder nach der scholastischen Defini-
tion , das Wesen , dessen Begriff schlechthin das Sein ia
sich schliesst. Diess ist zugleich der wahre und gedan-
kenmässige Fortschritt der spekulativ geschichtlichen Ge^
sammlenlwicklung: überall, wie sich auch im Bisherigen
ergeben hat, ist das zusammenfassende Resultat des Vor-
hergehenden zugleich ein neuer Standpunkt, der damit
auch neue Probleme in sich schliesst. Die ,,intel-
lektuelle Anschauung^ und ihr Inhalt ist so ia
der That begründet und erwiesen; nach Rückwirts
zu schliesst bei Sehe Hing Alles auf das Beste zusam-
men: nur nach Vorwärts hin — womit wir freilich einen
weit in's Folgende reichenden Vorblick uns erlauben —
bleibt ein darin eingehülltes Grund« und Hauptproblem un-
erledigt: ob jenes reine Subjekt-Objekt, in den Akten der
unendlichen Selbstverwirklichung aus dem Bewusstlosen
zum Bewusstsein sich potenzirend, eben darum das Abso-
lute zu sein vermöge, was, wie man sieht, aufs Engste mit
der Frage nach der ausschliesslichen Immanenz des Abso-
luten im Endlichen zusammenhängt
Statt jener die Richtigkeit des spekulativen Zusammen-
hanges bewahrenden, und so mit ihrem Inhalte einsblei-
benden Begründung seines Princips , hat S c h e 1 1 i n g , ge-
gen sich selbst im Unrechte und die Berechtigang seiner
Die intclleklnelle Anscbflunng« 609
Idee in Schatten stellend, sich begnügt, nach dem Gebrau-
che sonstiger Philosophie , nur 2u beschreiben oder anzu-
geben, wie man zum Denken derselben gelange. ,,Man ge-
langt dazu durch die Reflexion auf das^ was sich in
der Philosophie zwischen Subjektives und Objektives stellt,
und was offenbar ein gegen beide indifferent
sich Yerhalt'cndes sein muss^. Aber es ist diess
kein Akt unmittelbarer und einfacher Reflexion, indem diese
nur das leere Abstraktum einer solchen Indifferenz
erzeugen könnte , sondern die allervermitteltste Zusammen-
fassung der in ihrer Einseitigkeit schon vernichteten Ge-
gensatze des Subjektiven und Objektiven , wie sie Natnr-
und Transscendentalphilosophie vollbracht hat. Nur dann
ist das zwischen Subjektives und Objektives „sich Stellende'^
nicht mehr ein bloss „logischer Begrifft ein „leeres Sein
ohne Seiendes*^, welches' Seh elling späterhin so
perhorrescirt hat.
„Um die Yomunft als absolut zu denken , um also zu
dem Standpunkte zu gelangen, welchen ich fordere, muss
vom Denkenden abstrahirt werden. Dem, wel-i
eher diese Abstraktion macht, hört die Vernunft unmittel-
bar auf, etwas Subjektives zu sein — ja sie kann auch
nicht als Etwas Objektives gedacht werden : sie wird
also durch jene Abstraktion zu dem wahren
Ansich, welche; eben in den Indifferenz-
punkl des Subjektiven und Objektiven fallt^
(a. a. 0. S. 2.).
Diese Erläuterung , rein für sich selbst und ohne die
sie tragenden, ja allein verständlich machenden Rückbezie^
hungen betrachtet , welche wir angegeben haben, kann nur
als der Gipfel wiUkührlich dogmatisirender Besinnungslosig*
keit erscheinen. Wie? Durch die blosse „Abstraktion vom
Denken derselben<<, durch diesen Akt allein, soll die in ih-
rer Unmittelbarkeit und Fakticitat nur als Subjektives zu
tiezeichnende Vernunft zum Ansich, zum Absoluten,
werden? Und vor dem nothwendig sieh aufdringenden
Bedenken, an diesem Absoluten mnr ein Produkt des Den-
39
610 Pie inleUektueUe AaschaitiHig:
kens ro bemt^eii) uvUI man sich durch die JfordetuBg^
deeken, i90$ mw eben hierbei vam Denken zu ah-
strahiren, auf den prodaoirenden PenkalU nicht zu
achten ha he? Diesa war ea aogleich, was der Ur-
heber der Wiasenaehaflalehre dieaem Beginnen entgegen-
mhaltea hatte; md wenn Sc-helUng in der Anmer-
kung m S, 2. (S. 3.) hinzu$et£t : «Die Vernunft i s t das
Ahaolnte, sQbald aie gedacht wird , wie wir ea $. 1. be-
atiaunl haben; der gegenwärtige Satjs (daas die
Vernunft Allea sei,) gilt mithin bloss unter
disser Voraussetzung:^ — so tritt dieser Darstel-
kmgsweiae voUkoaeHnen beveoktigt die Frage gegenüber:
wenn wir aber die ganxe Voraussetzung yerwerfen,
oder das Gegentheil derselben beweisen ? Dann wäre Vor-
aussetzung gegen Voraussetzung in Nichts aufgegangen.
~ Diese « voraussetzende ^ Formalistik konnte fast an
das so arg verspottete problematische PhilosO'
phiren Reinholda erinnern, dem wenigstens dabei
das Boduribisa im Hmtergrunde lag , durch den proble-
matischen Anfang eben zur voriäufigcn Festeteltamg eines
Bcalprincipes hindurchzudringen : ein nur nicht zur völli-
gen Klarheit gebrachter Gedanke der Gründlichkeit , daFS
erst von diesem Punkte an das eigentlich objektive
System beginnen könne.
Diese übereinander sich schiebenden Verwachsnogeii
weit auseinander zu haltender Fragen erreichen endlidi
ihre Vollendung , wenn S c h e 1 1 i n g, kurz vorher (S. 2.),
das Wesen der Vernunft und Vemunfterkenntniss charak-
terisirend , soig^icb hinzusetzt : ,,da8S es die Natur der
Philosophie sei, allesNacheinander und Aussereii-
ander, allen Unterschied der Zeit und überhaupt jeden,
den die blosse Einbildungskraft in das Denken einnisciit,
völlig aufzuheben, und nur das in ihnen zu sehen, wodarch
sUi die Eine Vernunft ausdrucken , nicht aber insofern sie
Gegenstande der bloss an den Gesetzen des MechaaiSBias
wd ia der Zeit fortlaufenden Reflexion sind^. Es ist da-
mil. das Altes unter der Form der Ewigkeit begreifende
nach ftrem Grande und Principe. €11
ierikm geim$ cogniäams bei Spinoza bezeichnet : doch hat
dieser wenigstens das Bedurfniss empiiinden, in efaiem iin<*
Yoiiendeten Versudie über „Ansbildung der Vernunfterkennt^
niss^ die beiden untergeordneten Krkenntnissweisen zum
absoluten Erkennen der Wahrheit hinaurzubtlden. Hier
wird dagegen , was nur als .Resultat einer vollständigen
Theorie des Erkennens in stufenweiser Abstreifung der
endlichen Formen desselben gelingen kann, kurz und rhfr«
psodisch voransergriffen ; und auch an dieser Stelle, wie
noch in der Folgeftbei bedeutenden Gelegenheiten, werden
die sich empordrangenden Fragen und keimenden Probleme
Yor der raschen Eile erdruckt, den realistischen Stand-
pimkt zu gewinnen, zur Sache selbst zu kommen. *>^
*) Eine diesem Standpiinkle genau entsprechende Erkenntniss-
theörie hat G. M* Klein gegeben: „V erstan d es 1 e h re''
Bamberg 18t0; nachher weiter ausgeführt hk desselben „An-
schaonngt- uitd Denk lehre'' (Ebendas. l81Sf erste
Auftage; 1824> xveite Aufl.) Nach diesem Werke sintl drei '
Standpunkte der Erkenntniss zu unterscheiden } die an »ich
einseitigen Sphären der sinnlichen Erfahrungserkenntniss und
der Erkenntniss des blos^ Uebersinnlichen , als Vernunft-
erkenntniss : Beide treten erst in der ebenso' spekulativen, als
nnschauenden Erkenntniss in die wahre Mitte zusAmmen,
welche die philosophische Erfahrivng bildet. Alle
unsere sinnlicfaeo, wie iibersiDnlkheA, EHuenntnisse .kontten sich '
nur auf die Natur oder den Geist des Measchea beziehen:
die Vemunft Wahrheiten tind selbst aar wirklich am UBmit-
telbaren , nod auch Gotl können wir nur insofern erkennen»
als er sich in der Natur und Menschheit geofTenbart hat.
Das Vernünftige iind Spekulative ist daher auch nur das An-
schaubnre. — Üiess ist an sich vollkommen richtig, eine
leere Jenteitrgkeit desselben eatscIrretteBf ahinwthen, mi4 anf
. <ler Gegenwart attd Uninrltelbarkeit des Göttlieltea 2u beste-
hen. Aber die andere Frage ist dabei noch keineeweges er-
ledigt, ja gar nicht berührt: ob eine (metaphysische) Er>
kenntniss der Vemunriwahrheiten in ihrer Reinheit und an
sich seienden Allgeraeinheit nicht die erste nnd eigenthomfiche
Aufgabe der Philosophie sei? Indess, ganz genrass den Tntentio-
612 Weitere Aororderungeii
Diesa Alles ist nun spater in die bestimmte wissen«
schaiUiche Anforderung zusammengefasst worden , die in-
tellektuelle Anschauung, welche hier Voraussetzung
geblieben sei, zum spekulativen Resultate zu machen,
, und was zugleich daraus hervorgehen würde , das Prineip
der Identität des Unendlichen und Endlichen zu einem im
freien Gedanken (begriilsmässig oder metaphysisch) ver-
mittelten zu erheben. Wie diess geschehen ist im folgen-r
den Systeme, haben, wir der weitem historischen Entwick-
lung zu überlassen. Der Tadel jedoch 4iber die Formlo-
sigkeit oder, wie man es nannte, den Mangel der Methode,
im Schellin g sehen Systeme, ist seitdem zu einer Art
von Gemeinspruch geworden , um sich dadurch mit der
grossen Bedeutung seines Trincips auf das Kürzeste abzu-
finden.
Auch wir haben jenen Tadel erhoben und ausluhiüch
rootivirt; jedoch nur in solchem Maassc, als wir es, wie
bereits gesagt, für die Schuld äusserer Missgrifie , nicht
für einen innem Mangel oder für Ohnmacht des Princips
an sich selbst erklären können, hier in einem äusserlichen
Formalismus veii)lieben zu sein. Lassen wir nie aus den
Augen, dass Sehe Hing Hetaphysiker zu sein weder be-
gehrte, noch vermochte, dass jedem Begriffe , jeder Ver-
nunftwahrheit bei ihm durchaus eine Anschauung ent-
spricht, dass sein System eigentlich nur ist eine Reihe
von zu Ideen erhobenen Erfahrungsanschauungen; bleibt
femer uns gegenwärtig, dass die DarsteUung seines Identi-
tätssystemes , wie sehr er auch von Aussen diese Abhän-
gigkeit zu verdecken suchte , durchaus nur ini lebendigen
und unmittelbaren Zusammenhange mit den beiden vorher-
gehenden Theilen seiner Philosophie verständlich ist : so erle-
digen sich die gewöhnlichen Vorwürfe gegen dasselbe fast
sämmtlich ; auch die „intelldKtuelle Anschauung^ ist in Wahr-
heit, wie weit sie Erkenntnissprincip für das Folgende seiner
nen Schellings, überspringt er sie mehr, alt dass er sie
abweisen solilel
an dieselbe. 613
DarsteUiing sein soll, ausreichend begründet. Aber an die
Stelle solcher einzelnen Bedenken tritt uns die durcbgrei*
fende Erinnerung, dass die relative Vollendung und Ge-
schlossenheit des Systemes für sich desto entschiedener
andere Interessen von sich ausschliesse und unbefriedigt
lasse. Gewiss ist der Entwurf desselben aus dem Einen
Gusse einer wahren Idee und eines tiefliegenden Veniunft-
principes hervorgegangen: es ist seiner eigentlichen Be-
deutung nach durchweg realistisch , Versuch eines natür-
lichen Systemes der Dinge nach dem Principe der in. ihnen
zur Idealitat sich hinauFpotenzirenden absoluten Vernunft.
Aber das Charakteristische bleibt, dass in ihm das
metaphysische Erkennen keinen Platz findet: dieVer-
nunftallgemeinheit; a 1 s solche , kommt in ihm nirgends zu
ihrem Rechte und ausdrücklichem Bewusstsein, — denn
die wenigen metaphysischen Satze , welche die hier be-
sproche^ie Darstellung (§§. 1 — 50. S. 1—35.) enthalt, und
die meist nur mit polemischen Beziehungen durchflochle-
nen Expositionen dieser Art in den spätem Werken sind
eher geeignet , diesen Mangel aufzudecken, als ihn zu be-
friedigen. Ja in dieser Sphäre ist Schell in g, dessen
Genius, als Naturforscher in der tiefsten Bedeutung dieses
Wortes , als S e h e r in jedem Gebiete der Wirklichkeit,
seine volle Gewalt und tiefe Penetration nirgends verleug-
net, geradezu dürftig und ohnmachtig zu nennen. Die
rein gedankenmässige Entwicklung eines Begriffes aus sich
selbst bis zu Ende will an keinem Orte gelingen, wiewohl
er an der zugestandenen methodischen Meisterschaft Fi ch-
te's darin ein Vorbild gehabt hätte. Es müssen realisti-
sche Anschauungen oder Vergleiche der Darstellung auf-
helfen y in welcher die Schönheit und plastische Anschau-
lichkeit , der Drang und die Tiefe seiner ursprünglichen
Vernunftevidenz an die Stelle des eigentlich entwickelnden,
zum Ziele leitenden Beweises treten. Die Widerlegung der
einseitigen Bestimmungen des endlichen Erkennens beste-
hen einestheils allerdings in einer tiefgreifenden Kritik der
Mängel, unberechtigten Voraussetzungen und Vonirlbeile
fil4 Weitere Anforderungen
der gewöimlicbea Wissenschail; anderaÜieUs wird jedoch
die Nichtigkeit und das ZusaminenfaUen jener Gegensäixe
mehr behauptet, und der Standpunkt ihrer IndifTerenz höch-
stens beschriebe n, — als jeder aus sich seU>st widerlegt
und in die Einheit mit dem entgegengesetzten übergeführt
(Als Beispiel und Beleg für das Gesagte dürfen wir seine
Abhandlung: von der höchsten oder absoluten
Erkenntnissart im Allgemeinen, in der ,,neuen
Zeitschrift für spekulative Physik^ Tübingen
1802. Bd.I. Heft 1. S. l->32. anführen, welche mtt den
beiden folgenden desselben Heftes : Beweis, dasses
einen Punkt gebe, wo das Wissen um das Ab-
^solute und das Absolute Eins sind (S.33— 48.)
und über die Idee des Absoluten (S. 49 — TTO^ so
viel wir uns erinnern , die einzigen sind , in denen es
Sc he Hing ausführlich versucht hat, genetisch zum Stand-
punkte seines Systemes hinaufiuleiten. Sie scheinen ms
insgesammt die angegebenen durchaus charakteristischea
Entbehrungen und Vorzuge an sich zu tragen.)
Ebenso hat sich das System auch in der unmittelbar
hier vorliegenden Darstellung aller Rechenschaft überhoben,
wie Philosophie überhaupt, näher wie die absolute Erkennl-
lüssart , aus welcher es selber entworfen zu sein behaup-
tet, entstehen kann. Es erklart durchaus nicht seine eigene
Möglichkeit , oder verflicht die Frage darnach nur in die
allgemeinen Konsequenzen seines Standpunktes, wobei, wenu
es zur Ausdrückiichkett dieser Aufgabe käme, der Zirkel
solcher Erklärungsweiso handgreiflich werden mussle.
Schell in g hat jedoch, wie wir wissen, diese ganze Un«
tersuchung von sieb ab* , und auf die Wissenschanslebre,
als die Philosophie über das Philosophiren , ziirückgawie-
sen. *) Von dieser hat sich jedoch gezeigt , dass sie in
ihrem genuinen Sinne jene Frage keinesweges also beant-
wortet, dass sie die Lehre des Nachfolgers ohne Weiteres
*} Zeitschrift für spekulatire Physik 1801. Bd. II.
U. 1. S. 116.
an diei^lbe. 615
Ott Uircn Zusammeiriiang verwenden kMttite. BfgeiitHeh
hat sie daher Schelling nur übersprungen, oder als ein
ferfieres, ron ihm nicht berOhrtes IVoblem , der spekulati-
ven Zukunft überlassen«
Und so ergiftbe sich schon hier, nach deni ersten Un-^
g^flhren Ueberschlage, dass ausser dem Objektiv realisti-^
sehen Systeme der Dinge, v^ie es Schelling entworfen,
in weichem das Denken mit der Anschauung sich durchs
dringt, Spekulation und Erfahrung in einander fallen , und
die ganze Untersuchung nur eine in die Idee sich auilie-^
bende (verklärende) Erfahrung ist —das System theilt
sich hiemach, seinem Inhalte gemfiss, nur in die beiden
grossen Sphären der Natur und des Geistes — der Begriff
und das Bedfirfniss einer die Vernunftwahrheiten und Ver«
häHnisse derselben rein betrachtenden (metaphysi-
schen) Wissenschaft, so wie einer allgemein einleitenden^
dus Erkenntntssproblem im weitesten Suine lösenden Disci«*
plin, durch jenen Mangel gerade geltend gemacht und her-<>
vorgerufen werden. Hätte Schelling das objektive System
der Philosophie sogar vollendet ; er^ würde dadurch jener
doppelten Aufgabe doch gleichmässig fern geblieben sein.
Wir kehren nach dieser allgemeinen Erörterung 2U
der schon angelTIbrten Darstellung des Systemcs zurück,
wo es nicht dtnrauf ankommen kann, jeden Satz und Para-
graphen derselben einzeln zu erwägen — wir müssen in
diesem Betrachte vielmehr auf ehie treffende Kritik solcher
Art in Fiehte's nachgelassenen Werken (Bd.III.
S. 371— 389.) verweisen , — als überhaupt die wissen«
sehaftltdie Form dieses ganzen Philosophirens txt cliarak-
terisiren« — Uehrigens sind die ersten fünfzig Paragraphen
jener Darstellung, welche die allgemein metaphysische Be-
gründung umfassen sollen, darum von Wichtigkeit, weil sich
616 Die absoluto- Vcraunfl ,
0U8 ihneii, und an ihrer Stelle, (Uc ganze objektive Logik
Uogels colwickelt hat.
Nach jener Anrnngserklarung ($. iJ), von welcher sich
ergab, dass sie eingewickelt schon Alles in sich enthält
oder voraussetzt, was, der methodischen Zurüstung und
dem ausserlichca Beweisapparate nach, erst erwiesen wer-
den sollte , ist das Verfahren nun das doppelte , Hand in
liand gehende: die endlichen Gegensätze. des empirischen,
•auch des reflektirend philosophischen Erkenncns werden,
als letzte und gültige Bestimmungen , von der „absolutes
Vcnmnd^ negirt — sie ist das gegen sie Indifferente;
— aber ebenso worden die wahrhaft objektiven Gegen-
sätze, auf deren relativem Ueberwiegen aller Unterschied
des Daseins beruht , der Gegensatz des Subjektiven un3
Objektiven , Idealen und Realen , als die im Unterschiede
zugleich in Eins gesetzten , in der Totalität des Univer-
sums zur Einheit (Identität) sich auflösenden, bestätigt, —
die absolute Vernunft ist die Identität derselben.
Die nicht zum ausdrücklichen Bewusstsein gelangende
Grundvoraussetzung ist dabei jedoch die, welche eben nur
Resultat sein kann der rückWärtsliegenden nnd schoa
durchmessencn Theiie der Natur- und Transscendenlalphilo-
Sophie , — dass jenes hypotheti'sch angenommene
reine Subjekt-Objekt, nach dem Ausdrucke gegenwärtiger
Darstellung : die a b s o 1 u t e V e r n u n f t, die realen Gegen-
sätze der Natur und des endlichen Geistes wirklich in sich
enthalte und sich als vöUig ausreichendes Real- und &-
klarungsprincip für dieselben schon ei^eben habe. Es
schwebt der Darstellung schon vor, was als ausdrückliches
Bekenntniss erst im $.26. (S.6.> mit der „Erklärung^
enthalten ist: die absolute Identität sei abso-
lute Totalität, sei das Universum selber.
Nur unter dieser Voraussetzung wird vefständlich, wie
S c h e 1 1 i n g sich überreden konnte , auf eine so alige-
meinp Erklärung, wie sie $.1. enthält: „er nenne Ver-
nunft die absolute Vernunft, oder die Vernunft, insofern
jjic als totale Indiiüercuz des Subjektiven und Objektives
als Indifferenz gelasst 617
gedacht wird^ ~ anf eine solche — Nominaldefini-
t i o n sogleich den zweiten Satz folgen zu lassen : y^nSr
ser der (dieser) Vernunft ist Nichts, und in
ihr ist Alles ($• 2. 8.2.); wodurch der Gegenstand je-
ner Definition sogleich nun zu nichts Geringerem, als dem
Rcalprincipe aller Dinge, erhoben wird. Es sollte in
direkter Folgerung aus jenem Satze vielmehr nur heissen :
Für diese Vemunll ist Nichts , weder Subjektives noch
Objektives , weil sie als gegen beide gleiph Indiffe-
rentes gesetzt ist; — denn von der im Stillen hinzuge-
dachten Prämisse aus den vorhergehenden Theilen der
Philosophie, dass sie in der That sich schon erwiesen habo
als gegen die laut faktisch er Erfahrung gegebene
Differenz des Subjektiven und Objektiven gleichgültig sich
verhaltend, darf von Rechtswegen in diesem Zusammen-»
hange keine Notiz genommen werden.
Die dem $. hinzugefügte Beweisführung vollends lenkt
ab von jenem, dem einzig wahren Gesichtspunkte. Es
wird darin apagogisch gezeigt, dass die Annahme, es sei
Etwas ausser der absoluten Vernunft, entweder für die-
selbe ^ also als etwas Objektives für Subjektives, — oder
nicht für sie — also ftls etwas Objektives zu Objektivem,
— in beiden Fällen gegen die Voraussetzung des
$.1. s e i. Es ist aber gegen die Voraussetzung des $. 1. nur
unter der Bedingung, dass man das Resultat der
beiden vorhergehenden Theile des Systemes hier mithin-
eitttragen wilL Ohne diese Beziehung kann aus der ein-
fachen „Voraussetzung^ nur ' gefolgert werden , dass für
e'me solche Indifferenz weder Subjektives noch Objek-
tives , dass Nichts für sie existire. — Die absolute Ver-
nunft, so anfänglich als Indifferenz gefasst, gleicht durch-
aus dem Heg eischen Anfange vom Sein, dessen noch
Nichts -Sein dieser jedoch mit Bewusstsein aussprach.
» Diess anders Setzen und anders Meinen , indem die
wahren Prämissen und Beweisgründe nirgends ausdrücklich
herausgestellt und beim Namen genannt werden, solcher
Gestalt daher auch dem Philosophen selbst nie in seine
618 Die absolute Vcinunll y
klare Gewalt gekommen sein kdnnen; sondern nnr tob
hintehhcr lind bewusstlos in ihn kineinwirken , diess stete
^uid pro quo setzt sich nun auch in die folgenden ${.
fort. Nickt was S c h e 1 1 i n g ausdrücklich sagt and be-
weist — es bleibt Tast ul>eran der formelle Beweis eines
Folgems aus der einmal angenommenen Voraussetzung oder
eines apagogischen Widerlegens der entgegengesetzten An-
nahme •— vielmehr was er nicht sagt, sondern snbinteBi-
girt , verleiht den einzelnen SAtzen Verständlichkeit rnid
Wahrheit, wiewohl wir auch aus diesem Gesichtspunkte in
ihnen nur eine sehr sprungweise und lückenhaH durchge-
führte, in ihrer Anordnung durch fiusserliche Motive be-
dingte Reihenfolge erblicken können. Wir ffihren die Haupt-
gedanken davon auf:
Die Vernunft ist schlechthin Eine und
sich selbt gleich ($. 3.> Das erste Prädikat ist mh
tcr den angegebenen Voraussetzungen sogleich zuzugeben;
denn die Vemunil , als absolutes Realprincip , als Gmnd
dos Universums gefasst, kann nicht umhin, schlechthin nar
Eine zu sein; doch wird späterbin noch eine wesentliche
Bemerkung nothig werden aber eine hier zurückbleibendö
Zweideutigkeit. Wenn jedoch das Prädikat der Sich-
selbstgleichheit hinzugefilgt wird, so kann diess,—
falls es nicht in dem flachen Sinne einer formell logi-
schen Identität genommen werden soll, nach welchem
man sagt , dass jedes »Ding«' und jeder Begriff, wie auch
sonst bestimmt, so wenigstens als das sich selbst Gleiche,
mit sich Uebereinstimmende , gedacht werden müsse, —
hier im Gegentheile nur die Bedeutung haben, dass die ab»
sohlte Vernunll auch in dem ihr Ungleichen aad
Differenten (welches' hierbei stillschweigend miüiin-
eingetragen wird), das mit sich Identische, zur Sichselbst-
gleichheit daraus sich Iferstellende ist. Anderktz-
tem Deutung dieses Satzes lässt nun weder der Zas8«i-
menhang des Ganzen , noch die gleich aus dem Satze ge-
zogene Folgerung zweifein ($.4.): dass das höchste
Gesetz für das Sein der Vernunft das der
als IdCQtilal gebssL 619
Identität sei. — Von diesem Sinne des Satzes müssenf
wir jcdock abermals behaupten, dass er mit Nichten folge
aas der Darstellung selbst, sondern nur ans dem in sie
Uineingetragenen.
Diese sofortige Erhebui^ des formell logischen 6e-
solsses der Identität zu einer realphilosophisoben Bedeutung^
crgiebt sieh sogleich im Folgenden noch klarer: Jenes
Gesetz isl die sich selbst setzende Identität der
absoluten Vernunft in den Dingen, welche ihrerseits,
wie bald nachher gezeigt wird , mit dem relativen lieber-
gewichte der Einen oder der andern Differenz zu
kämpfen haben. Desshalb wird (Zusatz 2 zu $. 4.) der
Satz A 9^ A die einzige Wahrheit genannt, welche an
sich, ohne alle Beziehung auf Zeit gesetzt , d. h. mithhi
„eine ewige Wahrheit^ seL Und (im Zusatz f.) wird
— freilich in einer verkehrten Ordnung dieser Corollaricn
— hinzugefügt, dass durch alle andern Gesetze, wenn es
deren giebt,. Nichts bestimmt wird, wie es in der Vernunft
oder an sich ist, sondern wie es in der Reflexion oder in
der Erscheinung ist. In demselben realistischen Sinne wird
das Subjekt und Prädikat (il » A} des Salzes der Identi-
tät (§. 16 mit Zusatz) in eine reale Differenz gesetzt, yon
welcher zugleich nun behauptet wird , dlass diess keinen
Gegensatz an sich in der absoluten IdentitM begründe.
Ebenso wird aus dieser Uindeutung gefolgert das ah^
solule Sein der Identität (§. 6.) und die unbedingte
Erkenntniss derselben ($.7.); Beides $ber in dem
Sinne (vgl. $.8 nrtt Zusatz 1. und 2.) 9 doss nur von der
absoluten Identität es gilt, durch ihren Begriff al-
lein ihr Sein und ihre unbedingte Erkenntniss m setzen*
^Gs gehört zum Wesen der absoluten Identi-
tät, zu sein.^
Desshalb, und unter dieserVoraussetzung, kann auch
die Vernunft als mit der absoluten Identität
Eins seiend genannt werden ( §. 9.)* Die Unbedingtheit
des Seins und Wesens der absoluten Identität laut gleich-
sam zusammen oder deckt sich mit der Unbedingtheit,
630 Die absolute VernunR,
welche von Anfang her der Vernunft zugestanden worden
ist Das IdentititsgcseCz ist daher das Gesetz, md
zwar das einzige, der absoluten Vernunft ; — oder, wie
es anderswo heisst, ihre abi^olute Form (vgl. $. 15 mit
Zusatz 1.). — Die weitem Folgerungen reihen sich an:
die absolute (so mit der Vernunft Einsgewordene) Identi-
tat ist schlechthin unendlich ($. 16.) ; sie kann, als Iden-
tität , — f (in allem sonstig nicht identischen Dasein) ^
nidit aufgehoben werden ($. ll.> Die absolute Iden-
tität ist das Einzige, was schlechthin, öderen sich,
ist. Also ist Alles nur insofern an sich, als es die ah-
sohite Identität selbst ist, und insofern es nicht die abso*
lute Ideutitat ist, ist es überiiaupt nicht an sich ($. If.
12. Zusatz 1. 2.). —
Mithin ist Nichts, dem Sein an sich nach, entstan-
den, und Nichts, an sich betrachtet, endlich(S. IH. 14.}.
Hieraus folgt (E r 1 ä u t e r u n g zu $. 14.) , dass von
Standpunkte der Vernunft aus (zugleich dem der Wahrheit
und Philosophie) keine Endlichkeit sei, und dass die Dinge
als endlich betrachten, — ebenso als verschiedene und
mannigfaltige, — ganz dasselbe heisse, als sie nicht an sieb
oder vom Standpunkte der Vernunft aus betrachten. Und
der Grundirrthum aller Philosophie sei die Voraussetzung,
dass die absolute Identität wijiilich aus sich herausgetreten,
und das Bestreben, diess (vermeintlicbe) Herau^reten, auf
welche Art es geschehe, begreiflich zu machen.
Die absolute Identität hat nie aufgehört, diess zu sehn, und
Alles, was ist, ist nicht etwa die Erscheinung dersel-
ben , sondern sie selbst. Die wahre Philosophie besteht
umgekehrt in dem Beweise, dass die absolute Identität
(„das Unendliche^) nicht aus sich selbst heraustritt, und
Alles, was ist , insofern es ist, die Unendlich-
keit selbst sei. Nur Spinosa habe von allen bishe-
rigen Philosophen diesen Satz erkannt, fugt Schelling
hinzu, habe aber den Beweis dafür nicht vollständig
geführt, sei überhaupt darüber fast allgemein missver-
standen worden.
als MenUtttt gefasst. 681
Die beideii letzten BemerkungoH konnten zu denken
geben , auch in Betreff der richtigen Auffassung seines
eigenen Systems. ^^Fast allgemein missverstan-*
den« in Hinsicht de^ Haup4)unktes, der absoluten Identität
des Ewigen und Endlichen, konnte man das System Spi-t
n o s a 's ni^ht fugUch mehr nennen , seitdem J a c o b i , in
seinem Briefen über die Lehre Spinös a's und in der
darin enthaltenen Darstellung derselben, gerade diesen Mo«
ment, dass, wie er sich ausdrückt, das Werden ebenso,
wenig angefangen haben könne, als das Sein (S. 168«
2te Ausg.) , in ein unstreitiges Licht gesetzt hatte. Auch
der Yonvurf gegen S p i n o s a selbst , den Beweis dafür
unvollständig gelassen zu haben, kann sich nur auf
eine andere Seite jenes Begriffsverhältnisses beziehen»
Nicht die Identität der unendlichen Substanz und der end-*^
liehen Dinge, als ihrer Modifikationen, hat S p i n o s a zwei-
felhaft gelassen oder unvollständig erwiesen — wenn man
nämlich Erweisen eine vollständige und bewusste Explika«
tion des einmal ergriffenen Pnncipes nennt, und mehr
hat Sehe Hing auch nicht getban, —^ sondern das ist dag
Mangelhafte seines Standpunktes — und Sehe Hing hat
sich gleichfalls in seiner Abhaindlung über die Freiheil
darüber erklärt, — dass es endliche Dinge sind, aus
deren unendlicher Summe das Wesen und Sein der abso-
luten Substanz bestehen soll. — Wir ha^en bei dem
Tadel .S c h e 1 1 i n g s vielmehr den Nachdruck darauf zu
legen, dass ihm selber das Endliche, als solches, wirk-«
lieh, verschwunden , ein starres , fertiges , durch eine ihm
äusserlich bleibende Causalität mit mechanischer Nothwen-
digkeit bestimmtes Einzelding gar nicht vorhanden ist Das
Binzebie ist selbst nur flüssiges Moment des unendlichen
Lebens, welches auch in sein Einzelnstes seine Natur ^ die
Prädikate der Absolutheit und Ursprünglich-
k e i t , bineiolegt S c h e 1 1 i n g s Philosophie ist dynamisdi,
nicht mechanistisch; und hiervon ist es vollkommen ge-
recht zu sagen, dass es weder von S p i n o s a gehörig er-
wiesen, noch viel weniger durch J a c o b i gewürdigt worden
683 Der Beweis
sei. Dcap von diesem hat sieh gezeigt, da»s er seQier nur
eine mcchamstische Philosophie kennt und bekämpft.
Mit diesen Sätzen hat Schell ing den ersten auf-
steigenden Schritt in sein Princip hinein vollendet: aUe
in faktischer Erscheinung gegebenen Differenzen sind auf-
gehoben, — d. h. wie es vorerst nur erscheinen bum^
vernichtet — in der ewig mit sich gleichbleibenden
Identität der absohiten Vcmunfl. Diese ist bis jetzt
keinesweges schon „das Unendliche^, sondern die ferb-
und unterschiedlose fiinerleiheit desselbigen Wesens in ab-
strakter Ewigkeit , rein Seiendes ohne jeden weilern
Beisatz« Die Differenz ist von ihm vielmehr nur ver-
neint, die Identität ist noch keinesweges die des skh
setzenden , aber ins Gleichgewicht zurückkehrenden
lebendigen Unterschiedes. Vorher haben wir diess^ so aus-
gedrückt,-dass hier der Begriff der Indifferenz noch
der herrschende sei, keinesweges der der eigentlichen,
sieh auswirkenden Identität, die sich nur am Nicht-
identischen bewähren kann. Diess das Erste ; und wemi
Schelling in der zugleich lockern oder unbestimmten
Weise seiner Darstellung auch beide Begriffe mit Klarheit zn
sondern unterlassen hat , so ist dtess doch abermals eine
deir unterzulegenden Prämissen, um sich jene Darstelhmg in
völlig innerm Verständnisse näher zu bringen.
Fragen wir jedoch, durch welchen BegriSnipparat der
Beweis dalur in wisscnsehafMieher Hinsicht geführt wor-
den ist, so ist es hier — (die sonstige, verboifen blei-
bende Unterlage dalBr kennen wir freilich schon) — mir
die schon charakterisirte Umdentmig des logischen
Princips der Identität Die Folgerungsweise ist
summarisch so auszudrucken : der Satz der Idenfität ist
eine ursprüngliche, keines Beweises bedürfende, ewige
Wahrheit; sein Inhalt schliesst durch sein Wesen das
Sein in steh; denn er ist das Einzige, was in riiem
Sein unmittelbar wahr ist. Desshalb ist wakr-
hafl (oder an sich) in Allem nur die absolute Identitit
wirklich ; das DiSerente ist das Miebtsciende. Die iden-
dieses Princips. 6St3
Utal ist daher selbst rar noch als Indifferenz ge-
fasst«
Es bedarf kaum noch der nöhem Ausführung^ wie
bierin der Nerv des Beweises nur auf dem Doppelsinne
beruht, dass dasjenige, was ursprfinglich allein in logisch-»
formcUer Bedeutung auf diese unmittelbare, keines Bewei««
ses bedurllige , wie fähige Gültigkeit Anspruch macht,
Cnjedes Bestimmte ist , als bestimmtes , >1 a il , mit sich
selbst idcntisch<<) , sogleich nun in einen höhern , meta-
physischen Sinn übertragen wird :. „i n jedem bestimm-
ten (Endlichen) ist . seine Wahrheit nur die absolute Idon-
titäl , und diese das eigentlich in ihm Wirkliche^«. Durch
eine ungeheuere Hypostasining wii^ jener nur formelle
Gedanke der Identität in ein wirklich Seiendes ver«
wandelt; die Identität ist das Absolute, und der Sats,
welcher in formell logischer Bedeutung allerdings auf im-*
mittelbare Geltung Anspruch macht : dass die Identität durch
die ^ Unbedinglheit ihres Wesens unmittelbar ihr Sein in
sich schliesst, wird von Sohelling in gewissem Sinne
in einen Beweis filr das Dasein jenes Absoluten (Gottes)
venvandelt. An sich selber und in ihrem unmittelbaren
Sinne ist jene Identität nur der bekannte höchste Gat-
tungsbegriff der Logik, welcher in keinem Sinne mohr
Art (spedes) werden kann. Aber wiul man sich erhü-
ben können, diesen höchsten Gattmagsbe^rifj^ i u dem aller-
dings jedes Bestimmte ist , nun sofort zu einem wirklich
Existirenden zu erheben? Und doch beruht auf dieser
Wendung die ganze vermeintliche Beweiskraft des Vorigen.
Dass mithin diese Zurustungen zur Begrondung des
Princips der absoluten Identität durchaus mangelhaft
sind , ja in gar keinem Verhältnisse stehen zu der gewat»
tigen Last, welche sie fortbewegen sollen, — dass sie
zunächst in ein völlig anderes Gebiet von Begriffen fal-
len, darüber kann kein Zweifel oder keine Beschönigung
Statt finden. Und zwar nicht minder, als das Doppelte, hätte
geleistet werden müssen, um auf jenen Satz dSeAnsjKuche
eines metaphysischen Resulbits za gründen«
694 Der Beweis
Der Begriff y welcher wirklich den Hintergmnd jenes
Beweises ausmacht und ihn aus seiner verborgenen Ondlc
nährt, ist nicht der der (logischen) Identität, sondern der
eigentlich metaphysische der Endlichkeit Der wahre
Sinn des Scheliingschen Satzes wäre daher also aus-
zusprechen : der Begriff der Identität ist nicht, wie die ge-
meine Logik anzunehmen pflegt, auf alles Seiende schlecht-
hin anzuwenden; das Endliche vielmehr ist das Micht-
identische , das sich Ungleiche , das Andere gegen sirh
selbst, das Fliessende, Vergängliche. Diess wäre die Eine
Seite jenes Satzes, wodurch der Begriff des Endlichen für
sich selbst aufgehoben wird. Das Endliche ist das
Nicht*Seiende, nur Erscheinende; nicht es selbst tsf,
sondern in seinem Existiren ist wahrhaft nur ein Ande-
res. Und das äussere Gepräge oder Kriterium davon
wäre, dass es die Identität mit sich selbst nicht zu
wahren vermag.
Hiermit ist nun die andere Wendung, die in dem
Satze enthalten ist, hinreichend vorbereitet. Indem der
Begriff der Endlichkeit , d. h. der Identität des Endliche
mit sich selbst, sich in seiner Nichtigkeit gezeigt hat , er-
giebt sich daraus, dass wahrhaft in ihm hur wirklich sei
ein Ewiges, d a r i n Sichgleichbleibendes, in all jenem
Nichtidentischen (oder in den erscheinenden
Differenzen, die aber nicht das Ansich oder die Wahrheit
des Seins ausdrücken,) die Identität mit sich Be-
hauptendes. Hiermit wäre der Beweis wenigstens ^ a n-
gefangen von der Existenz des Ewigen, als der abso-
luten Identität Bei Sehe Hing ist diess Alles jedoch nm*
als Anforderung, Aufgabe, hingestellt, und selbst
darüber mangelt das bestimmte wissenschaftliche Bewusst-
sein, während es auf das Klarste im spätem Satze U egels
ausgesprochen ist : dass altes Endliche der Widerspruch
sei, an welchem es untergehe, — wobei freilidi der Aus-
druck des „Widerspruches* — wovon anderswo —
als ein unrichtiger sich zeigen wird.
Dennoch ist jene halb unbewusste Erbebnng des Iden-
dieses Princips« 625
titflIiSgesetzeff Ms seiner bloss logischen Bedeutung in ein
spekuiativ'-metaphysisches Gebiet einer der tiefsten und fol-
genreichsten Blicke gewesen^ in welchem Schellings
spekulativer Genius sich kund gethan hat; mit diesem
Einen und doch gewaltigen Schritte ist der eigentliche Wen-
depunkt gewonnen Worden^ durch den sich die neue Bpo*
che der Philosophie von der Kant isch«>-Jacobi sehen
Periode gründlich und specifisch scheidet Hier sollte alles
Erkennen^ auch das philosophische ^ nur auf die endlichen
Dinge beschrankt sein, vom Unendlichen aber keine Kunde
haben: da war es die That SohellingS) eine der gross»*
ten in der ganzen Geschieht^ der Philosophie^ jenen Be*-
griiT des Endlichen, als eines letzten und abschliessenden^
und das enge Haften daran, zu durchbrechen ^ und in ihm
gerade das Ewige, als das darin gegenwärtige, nachzüweiv
sen. Das Erkennen ist so wenig als nur auf das Endliche
beschränkt anzusehen, dass yielmehr, was es im Endlichen
wahrhaft weiss und erkennt ^ nur dasEwige ist» So
Sehe Hing mit energischer Evidenz und mit einem po«
Je misch alle Instanzen durchkämpfenden Nachdrucke.
-Aber selbst die lakonische Weise^ mit welcher er den pO'»-
«itiven Beweis führte, die Parodoxie^ welche die äussere
Unbeholfenheit jenes Beweises übrig liess , hatte die AVir-*
kung eines aufrüttelnden , zu weiterer Forschung spornen-*
den Anstosses.
Aber die blosse Vernichtung des BcgrifTes des
Endlichen durfte nicht genügen: Seh ellin g konnte nicht
.dabei stehen bleiben, das Sein des Endlichen, Differenten,
nur zu laugnen,'was er in den bisher betrachteten Pa-^
ragraphen ausschliessend gethan hatte, mit einem, wie wir
es oben nannten, in sein Princip zurückschreitenden
Verfahren* Er musste zur Wiederherstellung fortgeben: »
der Begriff des unendlichen Sichdifferenzirens musste
im Begriffe der Identität selber ^ als ein ihr in-
newohnender Moment ^ nachgewiesen werden. Hiensu
schickt er sich von S* ^o* in folgender Gestalt an.
Die absolute Identität ist nur unter iet
40 •
676 Versachte AUeitaig
Form des Stlxes Ä am A^ oder diese Form isl
telbar durch ihr Sein gfeseict Nun isl die absohite
Identilit unbedingt; eiso tsl mit ihrem Sein a«cii jese
Form gesetzt , und ^ ist hier Iteia UdiergBiDg , kein Yer
und Nach) sondern absolute Gleichzeitigkeit des
Seins und der Form selbst^^CS.lSu). — lene JfinmF
nändich wird sich bald als das DWerendraade aufweisen;
mithin ist die eben ff^iörte (wiederum an sich nur for-
ftielle) Folgerung gleich der , dass die absohite Identttit
nicht erst in irgend einer ^yZeil* zum Sididifierenztrendea
wird, zur Welt ooacreter Dinge auseinandertrilt , soa«
dem in ^absoluter GIeichzeitigfceit<< «it seinem mRspnui^
Uchen Sein es söbon ist.
Zusatz 1. und 8* •dehnen jene Gedanken nooh ans-
tferöckiicher zur UnterscheiduBg von Wesen mid Fermi
Ton Ansidi und Nichtansich , der letztere in der bentimm*
len Wendung ans: dass> was bloss zu der Form des
Seins der absoluten Identität, nicht aber zu
ihr selbst gehört, nicht an sich gesetzt sei.
Am Folgenden CS* i6 mt Zusatz 1.) ei^giebt sich naa
eine neue merkwördige metaphysische Uebertragua^ : Z w i*
sehen dem Ä des Subjekts und dem A des Pri«
^ikats ist an $iek kein Gegensatz möglich;
lindes is\ fiin und dasselbe gamski A un der
Stelle des Subjekts und der desPridikats ge-
setzt. Diese beiden 4 stnd nändich bestimmt, spfiter als
die beiden Pole der sich diierenzirenden Identilat, mit 4em
Ueberwiegea des siAjektiven oder des objektiven Paks,
aufzutreten, und dass BiermR kein wahret Gegensatz, sondern
nur eine „quantitative Differenz«^ (vgl. S.94-a.ff.)
in ißT absoluten Identität gesetzt fiei , soll der Zusatz be^
gi^taden, dass das ganze Ä^ die absolute Identitfit sel-
ber , in jedem der differenzirenden Striten des Subjekts
amd Prädikats gegenwärtig sei. ^-^ Ueber den formellen
Missbrauch des il « i< in dieser Bedeutung biaucht nichts
mehr hinzugesetzt zu wenlen; wenn aber derselbe einmal
yeiAaRet ist , so «irgtebt sich der awelta lasatz aDerdiags
des Princips der Differenz. 027
ir0ii selbst: ^dass die tbsolste Identitit nur lin-
ier der Form einer Id.entitat der Identität
«et% d. h. unter der Form, wodurch sie in aDen (er-^
scheinenden) Differenzen sich ak die ursprüngliche
Identitäl ihres Wesens behauptet, und damit ihr „Sein«
Aberall und scUechthin ihrem ^Wesen« gleich macht»
Zwar ist nun dadurch ein Sein und eine Form des
Seins im Allgemeinen der absoluten Identität irindioirt;
aber keinesweges ist angeg^en, noch weniger abgeleitet,
welches diese ewige, dem Satze Aas A ^n Unbedingt*
heil gleichkommende Form bestimmter Maassen sei? Bs
verlohnt der MAhe, die Art dieser Ableitung , wie sie von
$• 17« beginnt, genauer kennen su lernen.
Bs giebt eine ursprängliche Brkenntniss
der absoluten Identitit, und diese unmittel-»
bar mit dem Satze A ma A gesetzt ($. 17.); denn
es giebt (nach $. 7.) fiberhaupt eine Erkenntniss der Uen^
lität, Bs kann damit nur das Faktum unserer (subjek«
liven) BAmntniss jener Vemunftwahrheit gemeint .sein,
km euie Thi^sache unseres Bewusstseins , . deren Inhalt
i^A at il) zugleich auf absolute Ursprungliohkeit Anspruch
macht. Dass sich diess in Schellings Sinne nicM an«
ders veihidte , ist ausserdem noch aus der Art der B^
weisfuhrung. zu ersehen : die ursprüngliche Bikenntniss der
absoluten Identität folgl nicht aus ihrem Wesen , sondern
nur aus ihrem Sein (ist eben schlechthin faktisch ge-
setzt), gehört mithin zur Form ihres Seins. Diese Form ist
aber (laut des Vorigen) so ursprünglich, wie IhrSein,
und wie ihr Wesen selber. — Bs entgeht uns indessen
nicht , dass hier vorerst nur behauptet wird, die Ursprünge
liehe Brkenntniss der Identität gebore zur Form ih*
res Seins, sei eine derselben, also keinesweges die
einzige und ausschliessliche, was dann offenbar
erst weiter zu beweisen wäre.
Anders der «darauf folgende Satz: Altes ^ was ist,
ist demWesen nach, sofern diess ansioh oder
absolut betrachtet wird, dieabsolule Idcntt«
028 Versuchte Abteitongr
tat selbst; der Form des Seins nach aber ein
Erkennen der absoluten Identität ($. 18.)- Der
zweite Theil des Satzes , heisst es , folgt aus §. 17. ; es
wird also sofort die Partikularilät jenes Satzes (§. 17.) zw
Universalität oder Absolutheit erhoben: die Form des £r-
kennens ist die absoluteFosm des Seins der Iden«
tität, durch die Alles ist. — Zusatz 1. und 2.
lassen über diese überraschende Wendung vollends keinen
Zweifel. ^Die ursprüngliche Erkenntniss der absolute«
Identität ist also zugleich ihr Sein der Form nach , und
umgekehrt jedes Sein, der Form nach, ein Erken-
nen — nicht ein Erkannt^erden — der absolu*
ten Identität^ (Zusatz 1.). — ,,Es giebt kein ur-
sprünglich Erkanntes^ (blosse Objektivität, und einfaches
Dingsein), „sondern das Erkennen ist das ursprüngliche
Sein selbst, seiner Fonp nach betrachtet:^ — alles Sein
ist Subjekt-Objekt, Akt der Selbstanschauung der absola-
ien Identität (Zusatz 2.)
Dazu nun noch ($. 19. mit Zusatz, und $. 20. 21.)
die ausdrückliebere Exposition des Vorhergehenden: das Ge-
rammte, was ist, ist dem Wesen iiath die absolute Iden-
tität selbst , der Form seines Seins nach das Selbster-
kennen der absoluten Identität i n ihrer Identität. Das
Selbsterkennen der Identität ist (daher) un-
endlich. Sie kann sich aber nicht unendlich
selbst erkennen, ohne sich als Subjekt und
Objekt (in einer relativen Differenz, und in einem Ueber-
wiegen des Subjektiven oder des Objektiven) zu setze n<
Damit wird denn der Moment des Differenzirens in den
(gleichfalls an sich einfachen) Akt des Selbsterkennens der
absoluten Identität allmählig eingeschoben durch scheinbar
logische Analyse.
So beschaffen ist dar „strengwissenschafUiche^^ Beweis
des Fuifdamentalsatzes dieser Lehre (dass alles* Wirkliche nur
jdurch einen Scibstanschauungsakt des ursprünglicben Subjekt-
Objekts sei), der freiüch sich ursprünglich für Sc bel-
li ng durch eine reale Konstruktion yon ganz anderer Art
des Princips der Differenz. 629
und Bedeutung ergfcbcn hatte : denn auch- hier ist die Natur-
und Trans^cendentälphilosophie die eigeniliche Quelle jener
£vi((eri2. Hier kommt der Beweis nur durch die doppelte
Ersclileichung zu Stande, von der sich zweifeln liesso, ob
die Bcwusstlosigkeit derselben von Seilen des Urhebers,
oder ihr bisheriges Unentdecktgebliebensein das grössere
Erstaunen erregen müsse : — Zuerst wird die subjektive
Gewisshcit jenes formell 'logischen Satzes der Identität in
unsenn ßewusstsein durch die ungeheuerste Hypostase zu-
gleich objektivirt und reaiisirt: sie „gehört^ zur absolu-
ten Seinsform der absoluten Identität; was zunächst allen-
falls die haftbarere Folgerung darbieten konnte , dass jene
ursprangliche Erkenntniss der absoluten Identität i n u n s
an six::h selbst nicht die unsere oder unser Weric, sondern
die Selbsterkenntniss der absoluten Identität durch
uns sei. So wäre diess Selbsterkennen wenigstens als eine
<ler Seins- oder „Selbstbejahungs^ - Formen der absoluten
Identität erwiesen.
Aber auch dabei wird nicht stehen geblieben, sondeni
durch den zweiten Uebergriff jene r\UT theilweise Geltung
weggeworfen; dIess Selbsterkennen ist vielmehr die unbe-
dingte und durchaus universale Form alles Seins der
absoluten Identität. — Es ist zweifelhaft, ob sich noch'Ein
Beispiel in der Geschichte der Philosophie finden möchte,
wo der Hauptgedanke eines Systemes auf so falsch gestellte
und wankende Sätze gegründet worden wäre. Spino-
sa*s Darstellung bietet kaum etwas Aehnliches dar, und
Wolffs veritifene Formalistik ist, damit verglichen, ein
Muster gründlicher und behutsamer Wissenschaftlichkeit.
Haben wir im Bisherigen den allgemeinen wissen-
schafllichen Charakter der Sehe Hing sehen Darstellung
seines Systemes hinlänglich nachgewiesen; so können wir,'
von jenem Hauptsätze an , alles Folgende kürzer zujsam-
men fassen.
In jenem ursprünglichen Selbsterkennen der absoluten
Identität ist zwischen dem Subjekte und Objekte keine an-
dere, als eine quantitative Differenz möglich ($. 23).
630 Dto qaaDtitattve Diifereni
Dieie Isl aber im Einzelnen wirklich gesetzt, weO m
gonsl flberiiaapt nicht ,,a c t u<^ existtren könnte , wiewohl
sie in der Totalität oder im Universum — die ab-
solute Identität ist aber absolute Totalität
oder Universum ($. 26. mit Erklärung und Zu-
s a 1 2), *-T a ( s quantitative Differenz nicht gesetzt ist, son-
dern in dieser Totalität sich vielmehr in quantitative
Indifferenz auflöst. Nur inwiefern Etwas ausser-
halb dieser Totalitat, ^zufolge einer willkähilidien Tren-
nung des Einzelneil vom Ganzen« (Anmerkung zu $.28.
«^ wie ist aber eine solche überhaupt möglich?) — eiw
blickt wird , erscheint es a 1 s Einzelnes und in der (frei-
lieh, nur quantitativen) Differenz des Subjektiven und Ob-
jektiven« Anmch selbst aber ist kein Binzebies undkelae
solche quantitative Differenz ($. 24 — 31.).
Dazu wird (als das eigentlich Beweisende) die ihrem
sonstigen Inhalte nach bd£annte j^Eriäuterung^ (S.17.)
gefflgt , ^dass, könnten wir All^s, was ist , in der Totalität
erblicken« (warum jedoch können wir es nicht ? — diess,
wie Schelling nachher sogar zugiebt, hartnäckige
Unvermögen bedurfte irgend einer Erklärung — ^), ,wir i m
Ganzen ein vollkommenes quantitatives Gleichgewicht
von Subjektivität und Objektivität, also nur die reine
Identität gewahr werden würden , so sehr audli in Anse-
hung des Einzelnen das Uebei^ewicht auf die Eine
oder die andere Seite fallen mag«. «*- Woher aber ein
Einzelnes oder wenigstens der stete Schein eines Eiuet«
neu ausserhalb der Totalität, welcher uns diese viel-
mehr gar mcht ,^gewahr werden lässt«?
Wir haben in einer firühem Kritik des Spinös a die
Lücke und den Abspimg nachgewiesen , welcher mdi in
seiner Ethik bei dem Uebeigange aus der ewigen und un*
endlichen Natur Gottes , ans welcher selbst nar
Unendliches und Nothwendiges folgen kann,
zu den endlichen und zu fälligen Dingen findet (vgl.
Ethic. L. L Prep. 21. 22. 23.). Er Mngt ihn nur sa
Stande, indem er <Prop.^28.) den unerwarteten Slls em*
det fihibjdrthren imd ObjDkllTeiL 631
sehiebt: „dass ein jedesEinzelnes^twelches hier*
mit theoretisch Terneint, faktisch aber «igenommm wird)
^weder existtreii, noch zumWirken bestimmt
sein kann, es sei denn dnreh 0ine anderoi
gleichfalls endliche Ursache -^ und' so iii*s
Unendliche fort^; wodurch der vemeint^ SiHilichkeit
und behaupteten Unendlichkeit eine unendliche Reih«
Yon Endlichkeiten snbstitairt wird, und darin be-
sieht die Abieitonf ier endlichen Dinge ans dem unend-
lichen und ewigen Wesen. (Derselbe Satz, ebenso benutzt^
kehrt auch in der Schellingsohen Darstellung, {$. 3&.
36. und Zusatz, wieder.)
Ganz ahnhch istbeiSchellingdas Schwanken und
widerspruehvoUe Altemiren zwisdhes dem seiend <- nicht-
seienden Einzehien und der „reinen*, jede DiiTerenz
vielmehr auslöschenden Identität Wir reden hier
nicht bloss von den Lftcken und der gänzlichen Ohnmacht
der Beweisführung ; das Resultat, auch zugegeben ohne Be-
weis, lässt kaum scharfe Fassung imd bestimmte Klarheil
au ; denn wie soll die reine Identität , welche als Totalität
CUniversum) unendlicher Di&renzeo gesetzt wird, hinwies
derum doch als die reine gedacht wiarden? Gerade in-*
dem gleich darauf in ihr „^otenJten^ gesetftt, und ein
^ichpolenziren derselben angeaoaunen wird> i;st sie
nicht mehr die reine, und sofern sie ihrer Seinsförm nach
Selbsterkmnen in ihrer Totalität sein soll , wäre auch das
reine , d. i. leere Selbstefkennien derselben ein so wertk-
loses, Inßig» Abstraklnm, dass es sieh zur völlig unver«-
ständlichen Allegorie verflüchtigt, oder dem Solhstwider«-
spmche gleichkommt.
Desriialb ^eift nun Schelling «ogieich zu den con-
creteslen Bestimmnngen und Unterlagen jener Sitze. Jüi»
Krall, welche sich in die Masse der Natur ergieast., ist
dem Wesen nach dieselbe mit der, welche sieh in der
geistigen Welt darstellt, nur dass sie dort mit dem Ueber«*
gewichte des Redien, hier mit dem des Ideellen, zu käm-
pfen hat : aber auch dieser Gegensatz, welcher ein Gegen-
632 Die qaani. DUItocnz des Subjektiven n. Objektiven.
aats, nicht dem Wesen , sondern der blossen Potenz nsdi,
ist, ersctteint als Gegensatz nur dem, wdcher sich ausser«
halb der Indiflferenz befindet , und die absolute Id^tilät
flicht selbst als das Ursprüngliche erblickt^
Hiermit ist er endlich aus der leeren Höhe des- Meta|ihy^
^icirens auf den festen Boden des Concreten gelangt; es
ist die Natur und die geistige Welt , an welchem jener in
der Identität verlöschende. Gegensatz sich zeigea soll ; aber
wie er verlöschen könne, was jenes Auflösen in die
Reinheit der Identität selbst sei , ist darum nicht be»
greißicher geworden. So ergiebt sich schon jetzt, dasg
den metaphysischen Prämissen Schell in gs selb^ das
Formprincip eines Mannigfaliig^en völlig abgehe: daher
kommt es , dass er auch in der Darstellung mil der Un«
beholfenheit Zu kämpfen hat , bald das geg^isatzlos Iden«
tische hervorzuziehen , ohne von da aus in einer achtes
Ableitung zum Unterschiede gelangen zu können, bald von
dem Gegensatze , als dem Faktischen , auszugehen , ohne
sein Verschwinden in der Identität recht begreiflich machen
zu können. Ss bleibt immer der Zwiespalt der beiden
auseinanderstrebenden Gedankenhälften dbrig. Denn 'der
betreffende Satz, durch den S c h e 1 1 i n g jenen Uriiergang
yu begründen meint , dass die absolute Identität
dem Wesen nach in jedem Tkeile de« Univer-
sums dieselbe sei (vgl. $. 34.), erklärt nieht denUih
terschied , er hebt viehnehr den faktisch gegebenen ^ als
den wesenlosen, auf. Und damit begnügt Sc he)-^
ling sich meist auch in den sonstigen spätem Expositionen
seines Princips, Aber nicht davon allein kann die Rede
sein , •». es ist bloss die £ine Seite des Beweises , das
Jlückschpeiten in*s Prineip, -^ die Wesenlosigkeit der
,,Theile^ oder Gegensätze des Universums zu behaiqilen,
sondern umgekehrt auch das unendliche Anderswerden je^
fies Prinoips der Identität zu erscheinendenGegensätzen,
nus ihm selber nachzuweisen,
■ Mit diesen Unterlassungen und Locken hängt nun auf
das £ngste zusammen, dass jäc hei ling sogleich die fol-'
Dio abs. Identität gleich dem Universum. 633
genden, eigentlich wichtigsten Sätze seiner Philosophie
($.32,33.) anreihen zii können meint: Die absolute
Identität ist nicht Ursache des Universums,
sondern das Universum selbst; desshalb ist das
Universum gleich ewig mit der absoluten
Identität.
Ueber den Sinn dieses Ausspruchs kann kein Zweifel
sein: er bezeichnet die Immanraz des Absoluten im Bnd-
lichen, und zwar die blosse Immanenz desselben, auf
das Bestimmteste und Ausschliessendste. Nur das ist die
Frage, wie sich derselbe in den bisherigen Zusammenhang
seiner Prämissen einfuge?
Die sämmtlichen Gegensätze sind versenkt in die ab-
solute Identität: sie machen die Form ihres Seins
aus; denn in ihnen ist nur sie das Wirkliche. Diess ist
der Sinn und das eigentliche Resultat alles Bisherigen: die
unendliche Totalität (das Universum) der Gegensätze ist
nur die sich verwirklichende Identität Aber
ifaiss sich hier zwischen Beides : die Gegensätze einer^ und
die Identität andrer Seits , kein Mittelglied einfugt , dass
man beide so ohne weiteres Bedenken im Begriffe der
Wiiidichkeit zusammenfallen und sich durchdringen lässt,
diess ist, wie die Kritik des Bisherigen wohl mit höchster
Klarheit gezeigt hat, keinesweges Resultat eines positiven
Beweises und einer wirklichen Begründung, vielmehr im
Gegeniheile das schlaffe Ergebniss eines unterlassenen Be-
weises, Rest einer vergeblich versuchten Bcgriffsvermittelung
zwischen der Identität und dem Universum der Gegen-«
Sätze.
Eigentlich verhält es sich daher so mit jenem pan-
Uieistischen Grundaxiome : weil Schelling nicht nach-
zuweisen vermochte, wie 'die (angeblich reine)
Identität wirklich Ursache werde der Gegensätze des
Universums, weil er die Nachweisung dieses Ueberganges
schuldig blieb; so soll gar kein Uebergang statt*
finden, und keine Ursächlichkeit desUniver-
sums, als welche in ihm selbst liegt.
634 Kritik
Hier, bei diesem entsdieidendoi metaphysiscken
Wendepunkte , können wir uns daher anch nichl mehr auf
die Resultate der S c h e 1 1 i n g sehen Natur- und Transsem-
ilentalphilosophie häufen, in denen wir bisher die eigent-
liche Auslegung und Begreiflichkeit , ab^ anch die Ter-
borgeiie Stütze, für seine Theorie fanden : hier kommt es tn
gerade auf die metaphysische Entscheidung der Präge : o b
jene cum Universum ton relatiyeit Gegen-
sitzen auseinandertretende, in ihnen sich
verwirklichende Identität demsufolge zn-
gleich demBrgriffe des Abseinten gewacht
sen sei? Ob die Identität, gerade weil sie nur
das im Universum sidi Verwirklichende sein soll, dess-
halb den wahren Charakter* der Absolntheit
nicht entbehre? Man kann die Richtigkeit der Schel-
lin gschen Nachweisungen in Be^ff seiner Nator- uad
Transscendentalpbilosophie, den aufgewiesenen PftralldisBnis
zwischen Naturprocessen und geistigen Vollziehungen, aho
die innere Identität ihres Princips, als der immanentes
Vernunft, vollkommen zugeben — und wir haben schoa
bezeugt, dass wir in diesem Falle sind — ohne damit die
andere Behauptung weder zuzugeben, noch erwiesen ta
finden, dass diese innerweltliche Identitil, die
immanente Vernunft, das Absolute, seL b
wird sich gerade zeigen, wie in diesen Pkmkt, in die zwi-
schen den Worten Sc he 11 ings: ^dass die absointe Iden-
tatit nicht Ursache des Universums , sondern das Uni-
versum selber sei«, ofien gelassene ungehenere Gedaa-
kenlücice, die ganze folgende. Bntwicidung der PhilosopUs
hineinfällt *
Diess ist somit die erste Antwort, welche Sckel-
ling uns giebt auf die früher schon bei ihm angeregte
Frage , ob er vermöge , durch den Begriff der Immanenx
zu dem der Transscendens des Absoluten hindordiaadriB-
gen? Er sagt zwar in der sehen oben angeführten spe-
testen Erklärung über das Frincip seines Systems (Vor-
rede zu Cousin, &XIII.;, es sei das absolate
des Princips der Immanenz. OSi
Subjekt^ welches nach Ersehöpfung aller H&gf-
lichkeiten, objektiv zu werden, — und diese er^
schöpfte Selbstobjektivirung wäre ohne Zweifel 'das ,^Uni^
versum^, jene Totalitat der relativen Gegensätze, — al$ über
Alles siegreiches Subjekt stehen bleibt —
Solcher ewigen und mit dem Seibslobjektiviren gleich
ursprünglichen Transscendenz wird jedoch in
der altem, auch noch spaler von Sehe Hing als authen-
tisch bezeichneten Darstellutig auf das Nachdrücklichste wi«**
dersprochen , und die „Absonderung^ des absoluten Prin*
cips von seinem unendlichen Prineiinate , wie nicht die
Yemanft, sondern nur die Reflexion, und Einbildung sie
mache, als „die Quelle aller Irrthümer^ bezeich-
net (S. 19. 20. f.). Es zeigt sidi demnach, dass hier
sich das S c h e 1 1 i n g sehe Princip aoch nicht bis zu jener
Höhe heiauq^elatttert hatte.
Dennoch ist hierl^ei noch ein Doppeltes zu erinnern.
Zuvörderst lässt si(^ die von Schelling hier abgewie-
sene , ja durchaus verworfene Transscendenz selber in
einem zwiefachen Sinne denken: zunächst in der alten, von
Kant und J a c o b i eigentlich erst ausgesprochenen und
zur Ausschliesslichkeit erhobenen Bedeutung des absoluten
Gegensatzes zwischen dem Unendlichen und Endlichen,
zwischen Gott und der Welt. Diesen hat Schelling'
ausschliesslich im Auge, als die allerdings historische Vor-
aussetzmig seiner eigenen, und als den- Ausdruck der da-
maligen gesaimnten philosophischen Bildung: diesem ge-
genüber und in direktem Widerspruche gegen denselben
behauptet er (Be absolute Immanenz beider in ein-
ander.
Aber diese Immanenz, Gegenwart Gottes in der Well,
ist dadurch allein noch nicht als die ausschliessliche
gesetzt; es ist an sich selbst damit noch nicht behauptet,
dass Gottes Wirklichkeil schlechthin aufgehe in der Wirk-
lichkeil des Universums , und umgekehrt in diesem nur
die Selbstverwirklichung Gottes gesetzt sei: es ist diess
eine weitere, in keiner Weise mit jener ersten Bcgriffsbe»
636 Erilik
stimmunjf zn vcrmengfendo Frage , deren wosentlichcr Un-
terschied von der ersten freilich durch die beiden en(*
gegengeseizten Parteien bisher übersehen worden ist. Gott
kann ebenso sehr als der Welt immanent gedacht wer-
den müssen, wie eben darum zugleich in absohitcr
Transscendenz zu derselben sich verhaltend , und zwar ia
der nothwendigen Verbindung beider Begriffe , dass um
seiner Weltimmanenz willen, um diese zu begreifen, der
Begriff seiner Transscendenz sich als nothwendig aufweist,
und umgekehrt, dass nur aus einer solchen Transscen-
denz der Begriff einer solchen Immanenz möglich (er-
klärbar) werde.
Diesem letztem Doppelbegriffe und der damit . ange-
deuteten Wechselbeziehung des einen auf den andern, hat
Schelling durch jene allgemeine Erklärung gegen die
bisherige ausschliessende Transscendenz offenbar nicht wi-
dersprochen oder eine solche erweiterte Bestimmung on-
niüglich gemacht; aberv in der That erreicht und ausge-
sprochen hat er diese eben so wenig durch die frühere
Gestalt seines Systemes. Die weitere Entwicklung dessel-
ben muss zeigen , ob sie in der Folge wirklich von ihm
erreicht worden ist, oder nicht.
Daraus crgiebt sich zugleich schon der zweite Punkt:
CS kann nämlich noch mehr behauptet werden zu S c bel-
li ngs Gunsten. In der That hat er mit dem tiefen Ge^
danken des absoluten Subjektes , welches sieh unendlicii
objektivirt, aber aus dieser Objektivität zu sich zurück-
kehrt , --r. also das ewig bei sich Bleibende ist in jeder
Selbstobjektivirung , -^ einer Idee die Bahn gebrochen,
wolclie allein im Stande ist, das Räthsel einer solchen hii-
nmiienz Gottes im Universum, wie wir sie in der Well, als
dorn realisirten Systeme in einander wirkender Zwe<5ke und
AiitU.'l , wirklich vor uns erblicken , auf eine begreillirhe
Weise zu lösen. £s ist die Idee des Geistes selber.
Nur im absoluten Geiste sind beide Geiiensatze von Trans-
scendenz und Immanenz , wie gebieterisch der eine auf
dort andern treibt, auf völlig begreittiche Weise vermiUelt.
des Princips clor Irnimmenz. 637
Der 6eist*al]eia vemiag bei allen UnU^rschieden , Selbst-
entfremdungen und Widersprüchen, denen er sich über-
lasst, dennoch über ihnen in .sich zu bleiben, und in
der vollen Hingabe an die einzelnste Objektivität und Aus-
echHcssiichkeit sich doch ganz mitzubringen, völlig darin
und darüber hinaus zusein. Das eigentliche Gebeimniss
und Grundproblem der Spekulation und alles Daseins , wie
etwas wahrhaft Anderes und Eigenes zo cxistiren vermöge
ausser dem Absoluten, wird nur im Geiste, dem absoluten,
wie dem kreatürlichen , gelöst. Und' nicht zu läugnen ist,
dass Fichte und Sehe Hing diesen Gedanken zuerst
entzündet , Hegel ihn fortgesetzt hat.
Die spätem Sätze der angeführten Schellingschen
Darstellung (von $. 37 u. ff.) gehen sogleich über zur
Konstruktion der concreten Differenzen in der absoluten
Identität.
Die quantitative Differenz des Subjektiven und
Objektiven ist der Grund aller Endlichkeit, und umgekehrt,
die quantitative Indifferenz beider ist Unendlich«
keit — Die absolute Identität ist (daher) im Einzelnen
unter derselben Form, unter welcher sie im Ganzen ist ; -^
sie ist im- jedem Einzelnen ganz. Jedes Einzelne ist also,
zwar nicht absolut, doch in seiner Art unendlich. Es
ist aber in seiner Art, oder, da die Art des Seins bestimmt
ist durch die quantitative Differenz von Subjekt und Ob-
jekt , und diese Differenz wiederum durch Potenzen des
Einen von beiden ausgedrückt wird, i^n seiner Potenz
unendlich ; denn es drückt das Sein der absoluten Identität
für seine Potenz unter derselben Form aus, wie das Un.
endliche (das Universum selbst) ; es ist also in Anse-
hung seiner Potenz, obgleich nicht absolut, 'unend--
lieh. Jedes Einzelne daher ist in Bezug auf
sich selbst eine Totalität: — welche Schelling
die relative nennt ($. 37 — 39 , $. 40 mit B e w e i s,
S. 41. 42.).
638 Der Begrir der Potensen.
Die tbsolvle Idenlitit i8t aber nir unter
der Form aller Polensen. Aue Potenzen sind da-
tier absolut gleichseitig. Sie beateben nur indem
-relatiTon Ueberwiegen dea Sobjeldiven oder dca
Objelftiven, welches in der TotaUtfit zur qnantitatlTea
Indifferenz beider znrdckfSBt Ea kann daher ia's
Unendliche (z. B. in irgend einem TheQe des Universnois)
nie SubjektiTes oder Objektives für sich gesetzt seia,
aondem i n Jedem ist auch das andere , nur mit dem De-
berwiegen des Einen oder des Andom ($, 43 — 50.)-
Nennen wir in diesem relativen Ueberwieeen A das
Subjektive (Ideelle) , B das Objdttive (Reelle) : so «ragt
sich, wie S c h e 1 1 i n g es erreicht, aus diesem allgemeinen,
farblosen bieinandersein beider, indem jedes derset
hen in's Unendliche hin soll überwiegen kön-
nen, eine Reihe fest unterschiedener und stufenweise aoP
steigender Potenzen zu constmiren. — In dem il » B ist
Ä wirklich als bloss Erkennendes, B aber als dts,
was ursprünglich ist, jenes also als bloss ideell, die-
ses als reell. So kann es aber nicht sein; denn Ä ist
wie B (der ganzen Chrundvoraussetzung nach), ^flea
beide gleich reell gesetzt werden , so fUlt in den Ueber-
gang aus der relativen Identität in relative TotalitSt notk-
wendig relative Duplicitfit: jene entstdit aber erst,
nachdem beide realiter gleich gesetzt sind*. (BrliiH
t e r tt n g zu $. 50. S. 33.) — Duplicität allerdings ; aber
warum relative Duplicität, da das Ueberwiegen von A
oder B in*s Unendliche bei ihrem bieinandersein eine
solche stetige Potenzenfolge desselben keinesweges
TU begründen vermag? Das (a.a.O.) hinzugefugte Sdient
soll „anschaulich maclhen*, nicht beweisen! Aber weiter:
Indem ^ » jB als relative Identität gesetzt wird, wird
auch ein Heraustreten des iA ans derselben (eineao»-
druckliche Verwirklichung der Idealen) als nothwen-
dig gesetzt; denn es soll zwar subjektiv,
«her als ieieni d. h. reell gesetzt sein. — Hier-
aus folgt nach der liberalsten Interpretation dennoch nur,
Dar Begriff dor Potenzen. 639
dacs das Ideelle , 6n aSgremeine Princip des Selbsterken«
nens der absoluten Identität y flberhaapi sieh realisiren
miiss, dass, wie es bald nachher, um diess zu beschreiben,
lieisst, (S.35.)9 ^^amch das Subjektive nach Reali-
tät strebf*: es ist das Sein des Geistes iber-
haupt igeseizt, mit Nichten aber, Cund diess ist ja
der eigentlich zi enr eisende Originalgedanke des Systemes)«
— dass er, wiewohl das absolut Ursprüfagli-
che und das Prttis von^Allem, dennoch erst aus
einer Stufenfolge von Potenzen zur AusdruckUcb-
keit und Wirklidikeit sich heraufläuteni könne! — Es wird
fortgefahren: ^In il » £, als relativer Identität, ist die
absolute Identität nur (überhaupt unter der Form des Selbst-
erkenuens gesetzt^. ^ ,^nn ist sie aber überhaupt Uft»
endliches Selbst er kenn«n<^ nach vorigem Beweise
— (wie precär und erschlichen dieser, hat sich schon er-
geben); -^ ^es kann also Tiichts in ihr sein, was nickt
auch unter dar Form des Seibstorkennens gesetzt wurde,
und diesswird nothwendig , und so lange fortgesetzt wer-
den müssen (?), bis sie unter der Form des ab-
soluten Selbsterkennens gesetzt ist^ (S. 34.)»
Auch hieraus folgt in Wahrheit Nichts , als der Satz,
dass jedes Ob jektive überhaupt auch .in die Form ab-
soluten Erfcennens eintreten* müsse, dass mitbin die unend-
liche Objektivität des Universums z u gl e i c h die allge-
meine Potenz der Erkennbariteit schlechthin und den
Drang in sich trage, zu diesem absoluten Selbsterkennen
(etwa im philosophischen Subjekte des Menschen) sich zu
erheben« Es ist der Begriff des absoluten Wissens,
der uns an einer sehr bedeutungsvollen Stelle^ amSchlusse
des Hegelschen Systemes, wieder begegnen wird,
nicht aber eine Ableitung der Weitpotenzen.
Mit diesem Satze sind wir also abermals, wie mit den
andern Hauptpunkten des S c h el 1 i n g sehen Systems in vor-
liegender Darstdkiag desselben, von ihr selber hinweg und
auf die ätere Natur- und Transscendeatalphilosophie ver-
wiesen. Ist es in diesen gelungen , eine Potenzenreibe
fi40 Der Begriff dcf PotenzcO.
durch Konstruktion des Realen nacheuweisctl ^ $o kunium
wir vielleicht zugestehen^ in Betracht des Genialen und des
ticftreffenden dieser empirischen Intnition, ihr
lebnsätzlich auch eine metaphysische Geltung gegeben
zu sehen. Handelt es sich jedoch von der allgemeinea
Anforderung an dieses System ^ als Wissenschaft; so er^
giebt sich von selbst , wie leicht gebant, ja fhndamentlo?,
dasselbe erscheinen müsse: von keiner der eigentlich ent-
scheidenden Begriffe ist auf allgemeine oder aprio^
sehe Weise ein rechtmässiger Beweis gefuhrt.
Die hier angegebene Unterscheidung unserer Kritik be.
Währt sich auch noch aus einem andern Gesichtspunkte. Nach
einigen ähnlich klingenden Aeusserungen H e g el s^ welche
man direkt auf die Darstellungen Schellings bezogt hat
man dem Letztem vorgeworfen, die Differenzen des Con«
creten , statt sie abzuleiten , „in die Nacht des Absolutes
versenkt zu haben*. Diesen Vorwurf müssen wir , Ange^
sichts der realen Konstruktionen desselben, völlig unbe-
gründet finden. In Betreff seiner Metaphysik jedoch müsste
er, wenigstens dem £inen Theile nach, zugegeben werden.
Hier sind es nämlich immer zwei Standpunkte, welche sicli
abwechselnd hinter einander hervorschieben , und die
„dialektisch* allerdings nicht unter sich verbunden
sind; der der absoluten Identität^ in welcher das
Ueberwiegen de» Einen und andern differenten Poles der-
gestalt sich ausgleicht, dass ,,in ihr gar Nichts sich
unterscheiden lässf« (Zusatz S. 31. vgl. S. 33.),—
und der der absoluten Totalität, die sich aus der
relativen Identität und relativen Totalität ergiebt (E r 1 ä u^
terung 1. zu S* ^OO^ und in welcher die beiden entge*
gengesetzten Pole des Subjektiven und Objektiven, mit ei^
nem Ueberwiegen des Einen oder des Andern „in 's Un-
endliche hin'^, waraus das „einzelne Ding^, als selbst
eine relative Totalität, hervorgeht, die realen Differenzen
hervorbringen, indem in jedem beides (Subjekt, wie Ob-
jekt) zwar gesetzt^ doch in immer anderer quantitativen
Differenz gesetzt ist.
Der Bogriff der Potenzen. 641
Hier abcf creig^tet es sich nun durch das schon nach-
Sfcwicscne durchgreifende Missgcscbick im Formellen der
Darstellung, dass, statt irgendwo in stetiger Gedankcnf'olge
Yiachzuweisefi , wie sich die absolute Identität zur Fülle
jener wirklichen Unterschiede ausbreitet und in ihnen
die ursprüngliche IdeSiIitäl (jenes priiu des Geistes oder
absoluten Selbsterkennens) immer höher und* poteneirler
volteieht, umgekehrt nur versichert wird -^ was bei'm er«
sten AvsgaRgspunkte von der Identität^ als b 1 o s s c r I n d i C-
f erene, wahr sein mag^ nicht aber spater mehr — diiss
der Unterschied der Potenzen in ihr gar nicht exi-
stire, Ä undS sei in ihr wahrhaft nicht als ver-^
schieden, mithin auch nicht als ideell oder real
gesHstzl u» s. w. (S. 33. 34.)
So gehen durch das Innere der Seh ellin g schon
Darstellung zwei entgegengesetzte Strömungen > durch die
610 Buf der Einen Seite stets wieder aufhebt und umwalzt,
was sie auf der andern behauptet zu haben schien : das
negirte DifTerente wird gesetzt, dann aber wieder diese ße^
jahung- nc^irt; ein äusSOrlicher Widerstreit, der den An<~
grifTen seiner Gegner gewonnenes Spiel über sein System
gegeben hat. Der Grund davon liegt jedoch nicht in einer
tic^rarzelnden Discrepanz oder Ungereimtheit desselben,
sondcm darin, dass man sich noch nie mit voller Klarheit
CS ausgesprochen hat, — und Schellingen freilich selbst
ist diess ebenso wenig gelungen, -^ wie seine metaphy-
sischen Sätze und Beweise lediglich die Abschaltung seiner
reellen Konstruktionen sind, abstrakte Ausdrucke ^ ja eben
desshalb nur Symbole für dasjenige, was sich im Con-
creten in seiner Geltung ihm bereits erwiesen hak Sehet*
lings System ist, gleich dem Antaus, ' ohnmächtig, wenn es
in der Höhe abstrakter Bestimmungen zu streiten hat; aber
auf den Boden der Wirklichkeit zurückkehrend und in die
concreten Anschauungen sich vertiefend, gewinnt es immer
innigere Stärke.
Dass überhaupt aber jene Fundamentatbegrifle desSy-
Sternes keinesweges mclaphysischcr Natur und Ursprungs
41
642 Schcllings spalorc Darstdlancr
•
sind, (liess zeigen am Besten diö spätcrn wicdcrholicn Dar-
steliangen derselben, wo Schclling, des ihm immer nur
äusserlich gebliebenen Zwanges apriorfstischer BegriSsi&giiiig
sich entschlagend, in ganz concreter Anschaunngsweise
spricht Besonders gehört hierher, ausser den Aphoris-
men zur Einleitung in die Naturphilosophie
(in den Jahrbuchern für Medicin), seine Abhand-
lung über das Yerhaltniss des Idealen uad
Realen in der Natur ♦). Hier nennt er, — mit aas-
drucklicher Beziehung auf die Theorie eines damals leben-
den ausgezeichneten Physikers ' (rgl. S. XVI.), welcher die
innere Nothwendigkeit , mit der zwei specifisch entgegen-
gesetzte physikalische Kräfte sich suchen, und in unauf-
löslicher Wechselbeziehung zu einander stehen, ebenso be-
zeichnet — jene Identität des Endlichen und Unendlichen,
welche er früher metaphysisch zu konstmiren unternahm,
sogleich realistisch das absolute Band, die (reale, nicht
bloss logische) C o p u 1 a — „so lange bis er etwa einen
andern Ausdruck derselben findet'^ — in der die onend*
liehen Positionen selbst nur das Eine sind. Hierbei er-
innert er gleich Anfangs an den universalen Begriff' der
Materie, weiche der Inbegriff jener Positionen, zugleich
ihre in die Einheit sich auflösende Unendlichkeit, und so
der ursprünglichste Abdruck jenes sich auswirkenden Ban-
des ist (S. XXIL XXIV. XIX. f.).
Das Band kann daher auch bezeichnet werden als die
unendliche Liebe seiner selbst ( — „welche in
allen Dingen das Höchste ist^ — ), die unendliche
Lust, sich selber zu offenbaren, — Sichselberwollen,
Sichselbstbejahen auf unendliche Weise.
Das Absolute ist daher nicht allein ein Wollen sei-
ner selbst (eine für Sehe Hing charakteristische, bis in
die letzte Periode seines Philosophirens ihm treu geblie-
bene Kategorie, wonach er in allen Dingen das sie reali-
♦) AU Einieituiig 7.ur Schrill: Von der Weltsecle, xwcile
verbcsserle Auflage, 1806. S. XiX. iL
von seinem Principe. 043
sirondc and zugleich spocificircnde Princip ihreii
Willen nennt ,) -* sondern ein Wollen auf unendliche
Weise, also in allen Formen, Graden undPoteni^eA
von Realität ,
Der Abdruck dieses ewigen und unendlichen Sichsel-
berwollens ist die Welt. So ist ßie von dem Absolutep
selbst nicht verschieden, sondern nur die vollsländige und
in progressiver Entwicklung ausgebreitete Copula ;
— zu welcher Erklärung -wir , in bestätigender Ergänzung
unserer vorhergehenden Kriük , abermals bemerken müs--
sen , dass auch hier von der behaupteten , durch Poten-
zen allmählich sich steigerndenEntwicklung
der Copula oder Identität ein allgemeiner Beweis nicht
voiüegt. Nur die universelle Erfahrung einer solchen
Potenzenfolge in der Natur ist daher der eigentliche Be«
weis.
Identität in der Totalität , und umgekehrt , ist (daher)
das ursprüngliche und in keiner Art trennbare oder auf-
lösbare Wesen des Bandes, welches dadurch keine Dupli-
cital erhält, sondern vielmehr erst wahrhaft Eins
wird.
Weder ans jener, noch aus dieser daher, kann die
vollendete Geburt der Dinge begriffen werden , sondern '
nur aus dem noth wendigen Einssein beider in Allem und
Jedem, wie in dem Bande selbst. Die Vollständig-
keit der Bestimmungen in allem Wirklichen ist ganz
gleich jener Vollendung des Ewigen selbst, kraft
welcher es in der Identität das Ganze, und in der Ganzheit
das Identische ist.
Es ist der Satz, welchen auöh die vorher angeführte
Darstellung heraushob, und der besonders in den Aphoris-
men zur Naturphilosophie mit vollem Nachdrucke ausgeführt
wird: dass das Einzelne nicht bloss Moment im Unendr
lichen , sondern selbst ein Unendliches ist , Selbstbejahung
der Identität auf eine durchaus eigene , nur ihm selbst
gleiche Weise. Es ist diess das Siegel der absoluten Iden-
tität an J c d c m , dass es ebenso sehr das nur mit sich
644 KoDstrakKon des Bealcn.
Identische ist, wie jenes von der absoluten Identität selber
gilt. Diess ist Eugicich der wesentliche Grundonterschied
Schellingscher Lehre von der des Spinosa: derBe-
griiF des endlichen „Dinges^, deren unendliche
Reihe in der absoluten Substanz zusammengerasst wird,
ebenso der Begriff der eigentlichen Endlichkeit, im Un ter^^
schiede vom Unendlichen, ist aufgehoben. —
Ueberbllcken wir indess alles Bisherige für einen sum«
marischen Ausspruch, so müssen wir, wenn Schelling
in seiner spätem Erfclfirttng gegen Hegel*) diesem vor«
warf, den Fortschritt von dem bloss Logischen (Metaphy-
sischen) zur Wirklichkeit nicht haben vollbringen zu köiw
nen , auch andrerseits erinnern , dass ein solcher bei
Schelling ebenso wenig sich findet. Dieser hat, wie
hier an den letzten Erklärungen noch zur unwidersprecfc-
liehen Evidenz gekommen, mit seinen metaphysischen Aih
Sätzen niemals das ^Wirkliche% Concreto, die Erfahr
T u n g^ verlassen, kraft deren nur wahr ist, was von jenen
Allgcmeinsätzen Schelling seinen realen Konstruktionen
vorausgeschickt hat. Bei letztem befmdea wir uns nun*
mehr, und hiermit beginnt das Gebiet von Scji eil in gs
eigentlich grossen Entdeckungen.
Die Materie ist die erste relative Totalität,
die Grundvoraussetzung aller Potenzen, daspriifiufn exu
stens; mithin sind in ihr, «wenn nicht der Wirklichkeil,
doch der Möglichkeit nach, alle Potenzen enlbalten
($.51. mit Zusatz : S* B90« ^^^ i^^ ^^ ^^^ (unterste Potenx
der) Einheit des Idealen und Realen : das Ideale, Subjektive,
„das erkennende Princip<^ (§. 55« und Anmerk. zn
$. 56. S. 43.) geht in die Materie mit ein, und wird auf
ursprungliche Weise in ihr reell.
Hieraus ergiebt sich die dynamische Konstraktion der
Materie ; sie ist stets sich erneuerndes Resultat eines „d y n a-
mischenProcesses^**), in welchem die ursprüngliche
♦) Vorrede tu Cousin S. XIV.
'*) Vgl.- Allgemeine Deduktion det dynamii^faen Pro-
Begriff der Materie« 645
Biclitung nach Innen, das Ideale, als A t ir a k t i v k r a f t, die
ebenso ursprüngliche Richtung nach Aussen, das Keale, als
Expansivkraft «uflrelen : (§. 53. und Zusatz 3, Vgl. Sy-
slem des transscendentalen Idealismus, S.169.
u- IK> Beide aber, als entgegengesetzte, werden ausge-.
löschl in ihrem gemeinsamen Grunde , der absoluten Iden-
iilat, zu einem Ineinanderbestehen, wodurch in der.
Konstruktion der Materie zu ihren beiden ersten Dimensio-
uea die dritte hinzukommt (S. 36.37. 39. der Zeilschrift
zur spek. Physik Bd. IL H. 2.): so ist die absolute Iden-
litäl , als Einheit dieser drei Momente oder Dimensionen
der Malerie, am Unmittelbarsten als Schwerkraft zu
setzen. Aber die Schwerkraft ist darum nicht in irgend
einem Produkte wirklich, oder anschaubar; sie ist vielmehr
zwar das in Allem dynamisch Wirkliche; aber weil alles
Concreto schon eine bestimmte Potenz des Idealen und
Realen ausdrückt, die Schwerkraft an sich jedoch das Po-
tenzloso , obschon der Grund aller Potenzen ist , nur das
dynamisch oder als Grundlage Alles Durchdringende. »Es
ist aus diesem unmittelbaren Gesetztsein der
Schwerkraft durch die absolute Idealität ersichtlich , wie
immöglich es sei, die Schwerkraft als Schwerkraft zu er-
gründen oder in der Wirklichkeit darstellen zu
wollen, da sie ^als die absolute Identität gedacht wer-
den rouss, nicht inwiefern diese ist, sondern insofern sie
Grund« (Grundlage, sclbstgegebene Voraussetzung) „ihres
eigenen Seins, also seihst nicht in der Wirklichkeil ist«
(a. a. O. S. 41.). ~ Sc he Hing nennt sie daher auch
überhaupt die construirende Kraft, und bezeichnet
sie mittelbar als den Grund aller Realität, nicht
nur nach dem Sein, sondern auch nach der Fort-
dauer der Dinge. Alle Materie ist daher als ursprüng-
lich flüssig zu denken (Zusatz 1 und 3. m $. 54.
S. 42.).
cesses in der Zeitschrift für »pekula tive P hy » i k
Bd I. lUa 1. S. 100—136. H. 2. S. Uk ?4^. 2^- "• »• '^'
646 Die Potenzenreihc.
Die Schwerkraft geht schlechthin auf das Sein des
Produktes, welches durch relatives Ueberwiegen des Idea-
len oder Realen (A & B) bezeichnet wird (§. 63.)* Nun
geht aber das quantitative Setzen der AttrakSv- und Expan-
Sivkrail in's Unendliche; aber im einzelnen Produkte
können beide nur mit quantitativer Differenz gesetzt
sein , d. h. mit dem relativen Uebergewichte der einen
oder der andern, so dass das Gleichgewicht nur im €tan-
zen , in der Totalitat des materiellen Universums , ausge-
glichen wird (S. 51. 57. Zusatz 6. zu §. 58.)-
Was aber in einem Einzelnen die Begranzung der Po-
tenz hervorbringt, ist das ideelle Princip. Diess wird
nur begrSnzt, insofern es dem Reellen gleich, d. h. selber
reell und damit zugleich reell begrdnzt wird. Aber,
als reell begränztes , kann es nicht in seiner Idealitat be-
grSnzt werden. Hithin wird es in dieser Ideali tat
unmittelbar als unbegränzbar gesetzt Es kann
aber nicht als unbegränzbär gesetzt werden , als in einer
höhern Potenz der Subjektivität, mithin ist un-
mittelbar eine solche höhere Potenz (il^ gesetzt Das
quantitative Gesetzt- oder das Begränztsein ies A
(des Ideellen) in der relativen Totalität von il » fi ist die
specifischc Schwere ($. 57. 58. mit Zusatz 1 — 6.).
Hit andern erklärenden Worten: die specifische Schwere
in der Körperreihe (vgl. §. 72. mit A n m e r k u n g 1. S. 51.)
ist das bestimmte Realwerden und die Begranzung des
idealen Princips in ihr, wodurch auch allein die speciGsche
Differenz in den Vorigen hervorgerufen wird.
Wegen der Ableitung der Potenzenreihe können vir
uns auf das Vorhergehende berufen. Hier dagegen dränirt
sich eine andere , allgemeinere Bemerkung auf: nur durch
den Kampf des ideellen Princips mit dem realen, oder da-
durch, dass es, sich verwirklichend, immer in eine reale
Begranzung geräth, entstehen überhaupt, wie gezeigt,
die Potenzen ; aber auch die Möglichkeit für jenes, aus
jeder bestimmten Potenz mit dem Ueberwiegen des
Ideellen h i n a u s<- und über sie fort in eine höhere Potenz
Wolter die höchste PoUmz? 647
desscUM!» ^nziltiolen. Wir finden hieran wieder jcnesf
was schon bekannte reine Subjekt-Objekt, welches zu-
lelzl mit dein völlige Siege über alle seine Versuche, ob-
jektiv zu werden, al» über Alles erhabenes Sub-
jekt stehen bleiben soll: die höchste Potenz des
Ideellen wäre darin einreicht.
Aber zu einer solchen eben vermissen wir alle Be-
dingungen in der bisherigen allgemeinen BedukUon, wie
in den gegenwartigen speciellen Erklärungen : das ideeUc
Princip wird ganz im Gegentheile, aber völlig konsc*
quent, als ideelles Princip^ für „völlig unbegränz-
bar^ er klart ($.58*)) d.h. niemiils wirklich ein^ höch-
ste Potenz erreichend, sondern i|i einen unendlichen
Progross hinauslaufend. Das Universum ist dann
jedoch keine geschlossene Totalitat , nicht realisiries
Vernunft System, sondern ein Unendliches im schleeh*
tea, negativen Sinne, so wie sich überhaupt die entschei-
denden Folgen dieser Erklärung für den Charakter des
^nzcn Systems gar nicht in ^rede stellen lassen. Es
J^Ieibt gleichsam oiTen nach Oben zu, und selbst der Cha-
rakter der Idealität ist gefährdet und zum unbestimmten
Abstraklum herabgesetzt durch den Hangel des BegriSss
«incr wahrhaft höchsten, das Ideale auf völlig adäquate
Weise verwirklichenden Potenz.
Dennoch können' wir diesen Mangel nicht als einen
liloss zufälligen erkennen, oder als einen solchen, der a«s
blosser Inkonsequenz oder Vernachlässigung gewisser im
Principe liegender Bestimmungen hervorgegangen wäre,
welche man nachträglich etwa noch hervorzuziehen hfitte.
'Er ist ein wesentlicher und durchaus charakteristischer,
denn er klängt mit dem Ablehnen einer vorausgehenden
.metaphysischen Wissenschaft auf das Innigste zusammen;
er ist der negative Beweis dafür , dass auch zur realen
Konstruktion der Potenzenreihe im Universum etwas we-
sentlich Höheres vorausgesetzt werde, denn nur die ge-
niale Anschauung eines erfahrungsmässig in den Stufen
der Weltwesen sich potenzirenden Geistigen : der schiecht-
§48 Woher die höchste PeteacY
hlh allgemeine (metaphysische) Begriff des Gei*
stes, als des das System der Potenzen wdiihaft absohlie»*
senden, selbst über die Potenzen binansUegendeB, ist daaai
nöthig. Denn ob diese Poterizenreihe uns er&hnmgs*
mSssig bis zur schlechäiia höchsten Potenz vorliege,
kann aus blosser Erfahrung , mithhr aus einer intnitivea
AulTassung derselben, unmdgiich entschieden werden.
Und so müssen wir zuvörderst filr den Zusanunenhang
des S c h e 1 1 i n g sehen Systemes den Satz : dnss das ideeMe
Princip, a 1 s ideelles, schlechthin unbegrftnzbar sei ($. 5S.)f
durchaus konsequent und nothwendig finden. Nur ^a wM
gerechtfertigt, wie überhaupt Potenzen , höhere Stufen der
Idealitat, möglich sind, wenn gleich ursprünglich das Idedk
als ' das Uebermächtige, vom Realen gar nicht zu
Begranzende, siegreich stets däruberHinansschreitendOi
behauptet wird. Diess ist ja zudem die grosse Tbat der
Schellingschen Lehre, die Natur daraus wirklich koiw
struirt, es in ihr nachgewiesen zu haben. Dann wird m
aber auch sieh zu den Entbehrungen bekennen müssen, die
von einer so unmittelbaren Auilkssung unabtrennllch sind.
Wenn nämlich das Ideale vom Realen (laut des Obigen)
nicht begranzt zu werden vermag, so ist in ihm selbst
überhaupt kein Princip der Begränzung vor«
banden. Seine Begränzung, Bestimmtheit, erh^t es erst
vom Realen her ; an sich selbst dagegen ist es
hier „das Unbegränzbare^. Und überhaupt, wenn
wir einen Begriff zu suchen haben, nach welchem das Ideale
an Sieh selbst sich zu begränzen und in ii^end einer
Selbstgestaltung abzuschliessen hätte; so kann eine solche
„höchste^ Potenz durchaus nicht mehr erklärt worden aus
jenem wechselseitigen Uebergewichte des Idealen und Rea*
len — im Begriffe dieser Potenzenreihe liegt es viebnehr,
in*s Unbegränzte (d. h« Unbestimmte) hinauszulaufen, mithin
der Begriffsmassigkeit völlig zu entbehren : — eine solche
Selbsibegrdnzung eines an sich schrankenlos Ideellen kann
vielmehr auf wirklich begreifliche Weise nur gefunden wer^
den in dem E n t s c h 1 u s s e, in der Denk- und Willensmaclit
Metaphysischo Lücke in lÄieScin Bcgrinb. 649
eines absohiten (persönKchen) Subjektes. Wie fern hiervon
jedoch ans der gegpenwärtige Standpunkt des Seh ei unge-
sehen Systemes nacii seinem wirklieh zum Bewussisein her«»
ausgebildeten Standpunkte noch lassl, ergiebt sieh von selbst.
Und so müssen wir' auf die immer wieder sich aufdrfin-
gende Fragte, ob Sehe Hing jenes reine Suhjekt- Objekt
seines Anfangs zur wahrhaften Transscendenz eines über
der Welt (der Potenzenreihe) stehenden Subjekts hinaus-^
snifilhren vermocht habe , von hier aus mit einem enteil
schiedenen Nein antworten. Sogar scheint in den bislie-
ingren Prämissen dazu gar keine Aussicht zu liegen; und
was in spätem Paragraphen dieser Darstellung sich dar-
über entdecken lässt , -^ wovon alsbald , — wird durch
den eigenen ungewissen Charakter nur um so stärker un^
ser gegenwärtiges Bedenken rechtfertigen. -^
Wie sodann jedoch dieses Ergebnlss auPs Innigste
mit dem Mangel einer metaphysischen Yorwissenschaft bei
S c hei 1 in g zusammenhängt, ist noch zu zeigen. Was
derselbe Verwirldichung des Ideellen im Realen und Po«-
tcnzirung jenes aus diesem nennt, ist, was Kant und dio
spätere Philosophie die Gegenwart des Zweckes , -«- oder
die Spuren eines absichtsvollen Wirkens , — in der Natur
und ihrer Nothwendigkeit, kurz die immanente Teleo-
logie genannt hat. Und so lässt sich, was wir entbeh-
ren, aOgemein dahin aussprechen: dass dem Systeme die
dialektische Analyse des Zweckbegriübs abgeht, die, mit der
Erörterung des Zwecks überhaupt, auch den BegriiT des
höchsten Zweckes fder schlccUhin höchsten „Potenz^)
im Universum durchaus apriorisoh nachzuweisen hätte. Diess
nun hat eine gründlich durchgeführte Metaphysik zu lei-
sten: ob die Hegeische Logik, die diese allgeineinc Be-
stimmung an sich trägt und auch jenen BegriiT behandelt
hat, ihm zugleich schon seine vollständige Ausführung ge-
geben habe, ist eine erst später zu lösende Frage. Aber sie
hat ihn wenigstens in der ganzen metaphysischen
Bedeutung erkannt^ welche er besitzt, währenil hierüber im
Schell in gschcn Systeme der reine Defekt ofibn daliegt.
650 Cohäsionsknift
Was Schclling die »höchslc Potenz«^ ge-
nannt hat , entspricht metaphysisch ausgedriickt , den Be-
griffe des absoluten Weltzweckes. Dass aber
ein solcher überhaupt gesetzt sei^ und ^ a s er sein müsse
dem allgemeinen Begriffe der Welt oder des UaiTersiims
^olge, kann sich gar nicht empirisch ergeben, — dass
nämlich die Zweck- oder Potenzenreihe nicht in 's Un-
endliche gehen könne, ist, empirisch betrachtet,
gar kein« Widerspruch ; — es ist nur metaphysische
Aufgabe ; hier aber ergiebt sich mit Nothwendigkeit, dass,
wenn überhaupt Zweck oder Zweckmassiges Cldeelles) in
der Welt gesetzt sei, auch ein wirklicher und erkennbarer
höchster Weltzweck gesetzt sein müsse, ein absoluter
gchluss jener Potenzenreihe. Wir können dar-
über einstweilen nur an die metaphysische Ausführung <Ke-
ses Begriffes in der Ontotogie CS* 263— 267.> und in
den clulcitendcn Abhandlungen zur spekulativen Theologie
(Zeitschrift für Philosophie Bd,V. H. 2.S.197 ff. 201—204.)
verweisen.
Wir gehen zur Dariegung der e^entlichen Potenzen
über.
Expansiv- wie Attraktivkrafl, für sich gedacht, sind
.unwirklich und wirkungslos: nur beide Kräfte in einan-
der geben ein Produkt: in einen Punkt vereinigt, geben
sie die Linie, als die erste Synthcsis des Punktes mü
dem unendlichen Baume, zugleich als die erste ursprüng-
liche Dimension der Materie, die Länge. (AI lg. Deduk-
tion des dynamischen Processes Bd. L Heft 1.
S. 106—118.; Darstellung §.46. mit Zusatz: $. 51.
S. 36.) — Die Form dieser Linie ist das Bedingende der
Cohäsion der Materie; denn in jedem Punkte dieser Li-
nie sind A und £, Attraktiv- und Expansivkraft, in rela-
tiver Identität. Es ist also zwischen je zwei Punkten die-
ser Linie eine Krall, welche ihrer Entfernung von einander
widersteht, d. h. Cohasionskraft.
als Magnbtifinus. 651
IHc Form dieser Linie ist die des Magnetismus;
die Länge kann in der Natur nur unter der Form des
Mag-iietismus existiren, und dieser ist dessliaH> als allgo-
m oine FuKJction der Materie anzuseilen. Dio*
Materie im Aanzen ist ein unendlicher Magnet. Der
Magnnetismus ist daher Bedingung aller Gestaltung. Diesen
durchgreifenden, alle mechanisch atomistischen Ansichten
von der Materie ein-* f3r allemal aufhebenden, auch durek
die durchgreifendsten Erfahrungen nachher bestätigten Satz
hat Schell ing zuerst in seinem Bntwuri'o zum Systeme
der Naturphilosophie indirekt bewiesen, in seiner Dcduktioa
des dynamischen PrOcesses (S. 112 u. iT.) zum Uauptsafzo
gemacht, in seiner „Darstellung«^ ($.68. mit Zusatz
S' 69. 71. und Zusatz) auf jene Konstruktion «ich beru-
fend, nur ausgesprochen. —
Aller Unterschied zwischen den speciOsch verschiede-
nen Körpern ist nur durch die Stelle bestimmt^ welche sie
im Totalmagnete (der Materie) haben: je zwei Kör-
per daher, die von einander (specifisch> verschieden sind,
können wie die zwei entgegengesetzten Seiten eines Ma-
gnetes betrachtet werden, und um so mehr, je grösser ihre
relative Differenz ist. ^— In dem Totalmagnete muss der
empirische Magnet als der Indifierenzpunkt betrachtet wer-
den, weil in ihm das relative Ueberwiegen der Einen oder
der andern Kraft wirklich d. h. faktisch znm Gleichge-
wichte gelangt, also der in den übrigen Körpern nur la-
tente Magnetismus hier zur wirklichen und steten Erschei-
nung kommen kann. Der empirische Magnet ist das Ei-
sen. Alle Körper sind daher potenüalüer im Eisen ent-
halten , und blosse Metamorphosen desselben (§. 74 — 78.
mit Zusatz.).
Ebenso ist aber auch unser Planetensystem im Ganzen
ein Magnet, wie es die Erde im Einzelnen ist; und so bis
herab auf die irdischen Körper : die Reihe der irdischen
Körper ist gleich der Reihe der himmlischen. Ueberall
waltet eine sich auf Anderes beziehende Differenz, deren
^annung in irgend einem ladiffcrenzpunkte sich ausgleicht.
es« Das Lieht
aber ebonso sehr aua diedem wieder «ieh anfadit, w^ den
allgemeinen Cohäfiion0procc$8 , aus welchem AUes
bervorgebl, stets erneuert AUe Körper sind daher in
Cranzen, oder an sich betrachtet , Eine Mm 8 e CS- '9^
mit Zusätzen), ^
Den Paralidisnus xvriseheii der Reihe der MetaDe iiBd
der Planeten, ,,worin mehrere von jenen sich m gewissen
andern offenbar wie Monde zu ihren Hauptplanetra yerfaal^
len% hat Schelling in der Neuen Zeitschrift für
spekulative Physik (Bd. I. St 3. 1803, S. 103 b. Bl
und St, 3. S. 92.) durchgeführt: Abhandlungen von dem
reichsten und tiefsten Gehalte über Parallden iii der
Natur aus jenen einfaeheii Principien, Doch ist nidit zn
verkennen« dass hier viele Deduktionen schon an der
Granzo stehen, in das bloss äusserlich schematisirende Ver^
gleichen auszuschlagen, was man S c h e 1 1 i n g selbst , mit
mehr Recht seiner Schule y zum Vorwurfe gemacht hat
In der Schwerkraft (§% 54. Anmerk.) müssen] wir
zwar dem Weseu nach die absolute Identität erkennen;
aber nicht als seiend, vielmehr n|ir als Grund (Grund-
lage) ihrer Existenz«. Die Cohäsionskraft ist die unter der
allgemeinen Form des Seins CA » jB) existirende
Schwerkraft« In beiden ist die absolute Identität mit dem
ganzen Uebergewichte der Objektivität (ilO gesetzt Die-
ser muss gegenuhertreten die absolute Identität mit dem
ebejiso entschiedenen Uebergewichte der Subjektivität C^i^)*
Diess ist das Licht: es ist das Existiren der ab-
soluten Identität selbst auf schlechthin un-
mittelbare Weise, und darin liegt der Grund des
ursprünglichen Gegensalzes von Schwerkraft und LichL
Die Schwere ist das äussere, das Licht das innere
Anschauen der Natur. „Bei Weitem den Meisten kommt
es vor, als ob das Ideello weniger exisUre oder sei, aL>
das Reelle: — diese mögen darauf aufmerksam sein, dass
sie in dem Lichte schon ein principium mere ideale
tactu existens erblicken'^. Selbst das Denken ist nur
der letzte Ausdruck von dem, wozu dus Liebt denAufaog
Da« Licht -^ dio Eiektricttat. 653
gemacht, die absolute Idealiläl in der Nafur^ nicht Mom
reell, sondern schlechthin wirksam. Die absokite Merttitity
sofern sie ab Licht ist, ist nicht Kraft, sondern Tha*
tigkeit -^ Die Schwerkraft ist constrttirende Kraft ^ sie
ergiesst sich in das Produkt Aber durch das Licht wird
6ie bestinmt, zu reconstruiren. Die ganze Natur
(in dem engem Sinne dieses Wortes, welchen er ihr in der
Erklärung $. 61. giebt) ist nisr die Geburt aus dem Kampfe
zwischen Schwere und Licht. ($. 62. mit Zusalz: $. 93^
mit Anmerkk. und Erläuterungen^ S« 69—^2.) S« 94: Zu^
saiz 1. und 2. zu $. 63.)
Es versteht sich von selbst, dnss hiermit die Göthe-
sehe Lehre vom Lichte und der Farbe (vgl. das Weitere aber
Durchsichtigkeit und Farbe $. 98 — 106.) zuerst
philosophische Aufnahme und An^kennung linden musste,
und se lange es in der Philosophie eine spekulativ dyna«-
4nische Ansicht von der Natur giebt , wird dieselbe nur
eine Lidbttheorie solcher Art richtig finden können. Schet-
ling bezeugt daher auch ausdrücklich von ihr (S. 60. 61.>,
dass nur auf der Basis einer solchen Ansicht von der Iden-
tität des Lichtes in sich selbst sich das ganze IdentitätB^
System habe Erheben können.
In der Rekonstruktion der Materie » in welcher laut
des Vorigen das Licht das Bestimmende, den Process stets
Hervorrufende ist, muss dtdier irgend ein Moment vorkom**
men , in welchem die Attraktiv^^- und Repulsivkraft , der^i
wechseldurchdringende Identität in der Schwere gesetzt
war, absolut sich trennen. Hiermit wirken sie niolit
mehr (als Magnetismus) in Einer Linie nach entge-
gengesetzter Richbmg, sondern von jedem Punkte
dieser Linie nach allen Richtungen. Zur ursprünglichen
Dimension der Länge kommt so die Breite hinzu, in der
NaUir real repräsentirt durch die Elektricitäl, als
Breitenkraft (Deduktion des dynamischen Pro-
cesses Bd.L H.I. S. 115. 119 ff. 124. Darstellung,
$.83. mit Zusätzen.)* Die weitem Folgerungen und Er--
weise daraus müssen wir übeiigehen : nur das' g^t hervor,
Go4 Die Etektricitüt.
«
dftss die ElcktrieUat überiianpt nichts Anderes ist ^ als der
durch die Berührung zweier in ihrer Cohasion dUTcrentea
Körper hervof^gemfeiie Gegensatz, weicher sich auszugiei-
ehen strebt dnrch die wechselseitige Cohäsions-
veränderung. Sie wird daher immer nur er-
weckt, und im Grunde gar nicht mitgetheilt
($. 86. Zusatz): sie ist die Erweckung der Innersten
Individualität des Körpers, der des andern gegenüber,
<ider, da ein einzelner Körper in Wahriieit nicht ist (S- 65.
Znsatz und $. 79. 80*)^ der zur bestimmten Potens in ihn
fixirten absoluten Identität.
,^an könnte sagen , der dynamische Process sei ein
durchgängiger Versuch der Schwerkraft, auch das, was sie
gezwungen enthüllt hat, wieder zu verbergen. Der Hagnet
.sirdit mit seinen beiden Polen zusammen, und wird daran
mir durch s^ine Starrheit gehindert Jeder Pol sacht mit
seinem entgegengesetzten zusammenzuhängen, am sich
zu verbergen; die Sonne, welche gegen alle ihre Pia-
jueten nur Einen Pol repräsentirt , inclinirt ihre Axen und
^ndit mit ihnen zu cohäriren. Der Erde ist es mit dem
-Monde, und wohl allen Planeten mit ihren Monden gdnn-
gen , wenigstens zur Cohasion in der Form mit ihnen za
gelangen^. (Damit scheint nur gemeint werden zu können,
dass der Mond in das ganz bestimmte Cohärenzverhältniss
-zur Erde gerathen ist, immer nur die Eine Hälfte ihr zn-
znkehren.) — „Zwei indifferente Körper, wran sie nicht
Magnetismus (Totalität in Bezug auf sich selbst) setzen,
erwärmen sich , weil jeder im andern das setzt , wodurch
er mit ihm cohäriren könnte. Zwei differente hängea
wiiklich zusammen, gleichsam als ob jeder seinen
Mangel an Ganzheit durch den andern zu ver-
bergen suchte« (S. 82. 83.).
Wir zeichnen diese Stelle aus , als eine derjenigen,
worin sich der Charakter der idealistischen Ansicht S c fa c I-
1 i n g s von der Natur am Eigensten abriegelt. Was gleich-
nissweiso oder auch nur in rhetorischem Sinne gesagt er-
scheinen möchte, ^isl der eigentlichste Begriff: aoch soll die
Die EIcktricilat. 65Ö
Nafar nicht bloss die (formenen) Momente der Vernunft,
dos Begriffes, an sich tragen — was wir vielmehr als die
Hegel sehe Ansicht von der Natur bezeichnen können i
— sondern ein bewusstlos Individuelles, Eigeriwilliges regt
sich in jedem Naturwesen, als das Siegel der Identität an
ihm, wodurch es, in seiner Art oder Potenz, der abso^
toten Identität sidi gleich setzt. Es ist dasselbe, Principe,
'welches S c h e 1 1 i n g späterhin Wille nannte , und als das
«nlversale a&er ursprünglichen Seinsentstehung bezeich-
nete : blindes Wollen im chemischen Körper, wenn er das
ihn Ergänzende sucht, dämmerndes in der Pflanze, in dem
Thiere , dem ihm ergänzend Homogenen zu , bewusstes im
Menschen, der Etwas über sich will. — Uns schemt diesö
Idee, welche sich schon in Schellings frühesten AeosK
scrungen, wie z. B. in der hier angefährten, sehr bestimmt
findet, noch viel zu wenig in ihrer Eigenthümlichkeit er-
kannt oder auch nur mit historischer Entschiedenheit auf-
gerasst, — abgesehen freilich von Schuberts Werken, in
welchen dergleichen Aensserungen häufig sich finden, . aber,
.weil sie dort nicht eigentlich philosophisch behandelt sind,
am Ersten den Schein übrig gelassen haben, bloss in alle-
gorischer oder symbolischer Bedeutung genommen worden
za sein. Sie sind gerade die eigentlichste Zuspitzung des
Sc hell in g sehen* Princips. —
Aber weder durch Magnetismus , noch durch Elektri-
cität wird cKe Totalität des dynamisclien Processes dar-
gestellt Im Magnetisrnns repräsentirt unter der Form der
relativen Identität der Eine und sdbe Körper zugleich
den positiven und negativen Faktor; hi der Elektricität
werden in der relativen Duplicität (Differenz) die beiden
Faktoren durch getrennte Körper dargestellt. Weder
in jenem, noch in dieser, ist daher Totalität.
Diese Totalität kann nur durch das Hinzukommen des
absolut Indifferenten dargestellt werden ; denn nur dann ist
(piantitative Differenz und Indifferenz zugleich, d. h.
Totalität erreicht. Diess geschieht hn chemischen
Pro c esse, zugleich dem Processc der dritten Dirnen-
65G Der chemische Process*
sion« Dio beiden Körper^ welche sich im otoktriisdieii Wo^
cesse nur in den beiden ersten Dimensionen verind^n^
werden im chemischen Processe in allen drei Dimensioiiett
verändert , d, h. sie gelangen zur wirklichen gegensei-
tigen Durchdringung und erfüllen gemdnschafUicfc
denselben Raum. Das Schema, des M agaetismns ist folglidi
die Linie, der Blektrioitfit der Winkel, des ch^ni^wAen Pro«
cesses das Dreieck^ als zugleich die dritte Dimension dar<*
stellend. Im chemischen Processe sind daher alle andern
dynamischen Processe , nicht nur pofenHa , sondern auch
adu vorhanden, und der Moment des Magnetunnus sowohl^
als der der Etektricität) erneuert sich (potenzirt) im che^
mischen Processe , was S c h e 1 1 i n g in einer qiecieBoii
.Theorie desselben näher durchfuhrt (Deduktion des
dynamischen Processes Bd. I. H. 2. S. 11 ff« S.35%
J)arstellung $.110. mit Zusatz l.und2. $.112.113.
.mit Zusätzen u. s. w. S. 84— 88.)»
Der chemische Process^ obwohl er nach allen Dim^i-
sionen wirkt, aßicirt doch in allen bloss die Cohäsion ; und
alle sogenannten Qualitäten der Mateiie sind blosse Po-
tenzen der Cohäsion. Desshalb ist die Substanz jedes
Körpers von seinen Qualitäten völlig unabhängig und nickt
durch sie bestimmt. £s ist daher in Wahrheit nur Eise
Substanz in den Körpern, oder der Substanz nach sind alle
sich gleich, und das Sein der Materie, abstrahirt von
ihren Potenzen, ist gleich dem allgemeinen Sein,
und völlig dasselbe mit ihm.
Kein Körper ist daher seiner Substanz nach zusam-
mengesetzt , und auch , wenn er chemisch zerlegt wird,
heisst diess nur, dass das £ine und gleiche Existirende
unter differenten Formen der Existenz gesetzt ist« Dess-
halb ist alle Materie nach Innen sich gleich und
diiTerirt bloss durch den nach Aussen gerichteten Pol. Also
Aleali und Säure z. B. sind an sich völlig indifferent,
und differiren bloss dadurch , dass jedes im Andern den
entgegengesetzten Pol hervorruft — ^ohno Zweifel dadurch,
dass jenes den Wasser-, diess denSauerstoOpoI, nach Aussen
Höchster Gnmd 4es Specifischen in der Natur. 657
kehrt^. -^ Die Substanz entflieht uns eben darum unter
den Händen, weil jeder Körper nur durch den andern ver-
änderlich, und in jedem Momente des Processes, der Form
der ExistenE nach, ein anderer ist, ohne da ss je das
reine und formlose Wesen selbst hervortre-
ten könnte^ — Durch keinen Process kann daher in
den Körper Etwas kommen , das nicht schon p o t e n t i a-
liter in ihm ist Denn Alles, was durch den chemischen
Process in einem Körper gesetzt werden kann, sind blosse
Potenzen der Cohäsion ; da sich aber alle Materien von ein-
ander nur durch die Potenzen der Cohäsion unterscheiden,
so heisst diess : in jeder Materie sind alle Potenzen der
Ck>häsion schon enthalten. Kein Entstehen im chemischen
Processe ist daher ein Entstehen a n s i c h, sondern blosse
Metamorphose. Es ist nothwendig, dass die
chemische Metamorphose nach entgegengesetzten Richtun-
gen und in freistehenden Polen (Kohl^istoiE- und StickstoflT-
Pol) endige (f. 120—1350.
In diesen Sätzen S c k e 1 1 i n g s , darf man vielleicht
mit Recht behaupten , sind die festen Grundlagen wenig-
stens zu einer Metaphysik der unorganischen Natur ge-
geeben. Einer Metaphysik, sagen wir ausdrucklich ; — denn
die Processe , durch welche der in der sichtbaren Natur
unbegränzte Unterschied von Stoffen , Materien , und von
specifischen Qualitäten derselben entsteht, werden hier zu-
räcKgefiihrt auf einfache ^dynamischem d.h. Gedanken-
verhältnisse , auf ein Plus und Minus des Sichpotenzirens
oder Depotenzirens der Cohäsion, auf die allgemeine
Wechselwirkung der dadurch hervorgerufenen diffe-
renten Produkte auf einander, welche nur gegenseitig oder
an einander ihren specifischen Unterschied hervorrufen,
gegen welchen jeder Körper an sich selbst indifferent
sich verhält, d. h. wo die specificirende Kraft (nach dem
gewöhnUchen Ausdrucke) als latftnt^ oder an sich
selbst nicht vorhanden , zu erachten ist.
Mit einem tiefen Blicke hat Hegel daher diese Ver-
hältnisse schon in seine Logik herübelgenommen und dort,
42
658 Idee einer Metaphysik der N&mr ,
als eigentlich metaphysische , in den Abschnitten des Me«
chanismus nnd Chemismus abgehandelt; nnd auch daVeiw
fasser darf hiert>ei auf die entsprechenden Capitel seiner
Ontotogie (^Ursache nnd Wirkung« S^ 238—245^
und «Kraft und Produkte §. 246^256.) nm so be-
stimmter verweisen, als er darin die einzelnen Standpnnktei
in denen diese metaphysischen Begriflb sieh fixiren lassen,
fea ausdrlckltchen^ dem Standpunkte, den hier bei Schelf
ling die absolute Identitfit einnimmt, entsprechenden De-
finitionen des Absoluten ausgebildet hat. In ersterer Be*
riehnng ist das Absolute eis die aUgemeine , m afien S^
eificationen der Dinge hindnrchwirkende, öbrigens sie sebst,
als specifische, unberöhrt lassende Grundursache be--
zeichnet (Ontolegrid $• 24S. S. 430 f.)» welche wir
realphtloso^Mch nur als die allgemeine Schwere betrach«
ten können; auf dem zweiten Standpunkte wird das Abso*
tute, gan2 eHlsprechend der absolulen Identität, welche im
Processe des unendlichen Sichdifferenzirens in ehemischen
Unterschieden doch das mit sich Identische bewahrt, das
specifirende, darin aber Eins bleibende, Weltgeseti
genamit (§. 255. S. 444 f.).
Aber es möchte damit immer noch gefordert sein, das
wahre Verhaltniss dieser grossen Entdeckungen Sehet*
lings zu einer künftigen Naturphilosophie bestmimter was*
zusprechen, als es bis jetzt gesdiehen ist. Von der Einen
Seite bilden jene Kategorieen nnd ewigen 6 rnn d-
Verhältnisse der unorganischen Natur die metaphysi-
sche Vorbedingung und den einigenden Halt des Verstand«»
nisses für aDe die grossen , auf dem Wege der Empirie
gemachten Entdeckungen in der Physik, wdche seit dem
ersten Hervortrelen Sehe Hing s dieser Wissenschaft eine
beinahe völlige Umgestaltung gegeben haben; durch sie
sind jene tiefgreifenden Ideen Sc belli ngs nur bestätig«,
erläutert und weiter entwickelt werden. Se hat er das
Recht, sich den spekuhtiven Propheten der ganzen neneni
Physik zu nennen , und gewiss ist auch in den reichen
aphoristisch«m Sätzen, welche der DarsteUung seiner Nalnr-
zum Unlevscliiede von der Natiiifhik>6o)>hie. 659
Philosophie eiagestreittsindf noeh Vieles^ was einer Ver-*
leiblichung nnd Bekleidung durch die mannigfacbste bestd*-
tigrende Erfahrung entgegengeht, oder was iminittelbare Prä-
miwie zu solchen weitem Unt^suchongea werden kann.
Dennoch hört danun diess Alles nicht auf, nur Meta-
physik zu sein in dem scharfen nnd ausschliesseaden Sinne,
de& dieses Wort bei uns hal. Und es liegt ebenso im
allgiemetnsten Interesse 4^ ;Kterbeit jdber das Formelle der
Philosophie, sich über diese w^hpe Beschafienheit nicht zii
täuschen, als es dadurch eivt mogUch wird» eine Zweideu«*
ügkeit oder Utteutsehiedenheit ^ welche in den hisherigei^
Principien der Schelling^chen {fatmphilosophie zurückf-
geblieben ist , ynd die sieh auch in da^ nachfolgende Sy^*
Stern übersiedelt , ja innerlichst ihm einveii^ibl hat , in
ihres frühesten AnzeicsheB zu e^tgreafen und zur fintschei-
dungr zu bringen^ Wir fassen die Sache an äirem conc»'e-
testen Ende , wie eß hier igerpde vorliegt.
Wenn die neue Cheogüe seit Ggy-Lussac, Berze-
1 i u s u. A. nachweist , wie die äusserlich unbesti^mbarcfi
chemischen VnteriS^hiede sich >auf sehr wenige einfache
Grundstolfe zurückfiihren lassen, die nur nach gewissen
unveränderlich bestimmten Proportionen, in
festem arittmetischem VoiiiaUnisse, mit einander sich ver-
binden , wie .daher ^alle chemischen Dilferenzen nur in
quantitativer JHaassversehiedenheit der Verbindung je-
ner Urstoffe bestehen ; so entspricht diess durchaus dex
hier entwickelten Grtindansicht der Naturpfailosophie : die
specifiscben Materien sind nur versqhiedenß Potenzen
des CohasionsverhMtnisses ; in jeder Materie sind daher
der Potenz nach alle andere enthalten , jedes Specifische
kann aus jedem werden durch Metamorphose u. s. w.
Und metaphysisch hat Hegel in demBc^UFe desMaasses
auf das Bastimmteste das Ueberschlagen des Quantitativen
in's Quahtative nachgewiesen *)• Dennoch Ist hier ein
*) Hegels Wissenschaft der Logik» Werke Bd. III.
ftS. 4'i0'f.$ TSl. Ontotogie S. !!»•
660 Idee einer Metaphysik der Natur
wesentlicher Unterschied nicht zu übersehen. Die neuer«
Chemie, wenn sie auch bis an die finsserste Gränze ihrer
Analyse schon vorgedrungen wäre, was allerdings sie seihst
noch nicht behauptet, würde doch auch dann ein Ur qua-
litativ e s , und zwar in einer specifisch sich ergänzen-
den Mehrheit desselben, ein geschlossenes S}*-
Stern von Urquali täten, die, wahrhaft indecomponi-
bei, dennoch ursprünglich nichts bloss Quantitatives sind^
anzunehmen genöthigt sein ; ja diese Reduktion aller nur
erscheinenden oder bedingten Qualitäten auf solche Qualiüls-
fibsbluta ist der wahre und letzte Zweck aller ihrer Ana-
lysen. Das Vertrauen auf ein Urqualitatives .ist die Vor-
aussetzung dabei, und die Nothwendigkeit eines solchen das
eigentliche Resultat.
Und diess ist zugleich der wahrhaft begriffsmäs-
s i g e Uebergang , den in seiner Allgemeinheit eben die
Heiaphysik zu vollziehen hat: es ist nicht die blosse
Quantität, das Maass, welche, mit sich selbst sich multipii-
cirend oder potenzirend , auch nur den Schein ein^ Qua-
litativen hervorzubringen vermöchte ; so ist es auch nicht
die blosse^ qualitätslose Identität, welche lediglich durch
verschiedene Potenzirung der Cohäsion die specifischea
Unterschiede der Körper erzeugt ; — diese Anlegung sei-
ner Sätze hat Sehe Hing indessen nur übrig gelassen:
— sondern das Quantitative überhaupt ist nur die Specifi-
kationsform, welche, als Form, abermals nicht ausser-
lieh oder accidentell, wie ein besonderes Princip, zur Qua- '
lität hinzutritt, senden^ welche vom Qualitativen, als dem
Ursprünglichen, Unzerlegbaren , sich selbst beigelegt wird,
d. h. es setzt sie mit seiner Verwirklichung.
Und hieraus erledigt sich* zugleich die andere , hier
übrig bleibende Frage , welche die bisherige Philosophie
freilich sich kaum zum Bewusstsein gebracht zu haben
scheint, wie das Universum, an sich vollendete Tota-
lität, geschlossenes Vernunftsystem, zudem
Nichts mehr hinzukommen, von dem Nichts hinwcggedacfat
werden kann , — ein Be^griff, welchen wieder erweckt zu
zum Unterschiede von der Naturphilosophie. 661
haben, S c h e 1 1 i n g sich zum hohen Verdiensie anrechnen
kann , — zugleich nun dennoch ebenso unmittelbar, link-
en dl ich es sei in intensiver, wie extensiver Bedeutung?
Es sind nur die unbcgränzbaren Combinationen der Figur,
der Zahl und des Maasses, kurz das Formunendliche , wie
es die Grpsscnlehre nachweist, was jene geschlossene To-
talität der Kräfte und Specifikationen zu einem iu's Unbe-
gränzte sich Wiederholenden und ModiGcirenden macht.
Dieser Gegensatz, und zugleich das dialektische
Verhältniss der Be dingtheit des Quantitativen durch
das Qualitative, der Form vom Realprincipe , ist nun bei
Schelling völlig im Unbestimmten fl-elassen worden.
Diess wäre zuvörderst ein Mangel seiner metaphysi*^
sehen Prämissen für die Naturphilosophie : aber da er nicht
^die blosse Metaphysik einer solchen , sondern sie selbst
geben wollte; so kommt hier noch die weitere Ungöüüge
dazu , jenes Grundverhältniss verkannt , und das für den
Charakter eigentlicher Naturphilosophie uncrlassliche real*
philosophisclie Element, welches nicht durch bloss apriori-
sche Konsljuktion herbeigeschallt, vielmehr zu ihr voraus-
gesetzt, eigentlicher bis in die Anschauung (Erfahrung) hin-
ein aufgesucht werden muss, in seiner durchgreifenden
Verschiedenheit von jenem gänzlich übersehen zu haben,
liier ist es eben, wo alles metaphysische Denken mit Be-
wusstsein sich die Gränze setzen , und die Anschauung in
sich hineinlassen soll.
Diess Alles ist nun dem allgemeinen Principe, wie der
einzelnen wissenschaftlichen Ausfuhrung nach, noch unent-
schieden , unentwirrt geblieben in der Schelling sehen
Darstellung: aber sie selbst ist so sehr aus realphiloso-
phischer Anschauung 'geschöpft und von ihrem Hauche
durchdrungen, dass sie nicht ausdrücklich auf die gegne-
rische Seite gestellt werden darf. Erst im Hege Ischen
Systeme ist bis zur bewussten Einseitigkeit fortgegangen
worden , Alles aus der Immanenz des Denkens hervorge-
hen lassen zu wollen , und so die ganze Philosophie in
Metaphysik zu verwandeln. Aber es bedurfte eines so cnt-
662 Das Lidit, als metamorphosäreDde ,
scheidenden Henrorti'etens , um dai'an das BewHssttmin de^
Einseitigen darin hervoraarüfen, welches die volle Krisis, die
ScheldiiQg von Metaphysik und Realphilosophie, herbeige-
(Ohrt hat, deren Vermischung in den ersten Principien der
Naturphilosophie wir hier schon bei S c h e 1 1 i n g vrahmeh-
men konnten, was an seiner ersten Quelle sogleich airige-
deckt werden musste. —
Wir kehren in den nahem Zusammenhang seiner na-
tnrphilösophischen Satze zurück.
Nicht der dynamische Process ist das Reelle, Son-
dern die durch ihn gehetzte dynamische Totalität;
denn überhaupt nur die Totalitat ist das Reelle. Umnitle]*
bar durch diess Gesetztsein der dynamischen Totalitit ist
das Hinzutreten des Lichts zum Produkte ge«
setzt: denn in jener ündet das Licht , das ideelle Prindp,
seine 6 ranze ($. 94. vgl mitS< 134.), d.h. es bort auf,
ideell zu sein, und wird reeU, tritt zum Produkte des dyna-
mischen Processes, welcher dadurch eine Totalität zum
Produkte erhält« Der Ausdruck derselben ist Licht, mit
Schwerkraft verbunden ($. 135. 136, mit Zu-
sätzen)«
Unmittelbar durch das Gesetztsein dieser relativen To-
talität ist die Schwerkraft als blosse Form des Seins der
absoluten Identität gesetzt , als das A o c i d e n t e 1 1 e ; es
ist das stets neu Producirte, Ausdruck der hohem Potenz,
die sich in ihm darstellt , und dadurch eben die blosse
Schwere, a 1 s solche , überwindet, zum AccidenteHen, Vvh
wesentlichen herabsetzt.
Die ursprüngliche Metamorphose , deren Totalprodokt
wir bisher erkannt haben, deutet daher das allmähli-
che Gesetztwerden der Schwerkraft als blosser Form der
absoluten Identität bki; A^, oder das Licht, ist aber die
höhere metamorphosirende Potenz derselben,^ wodurch jene
aus ihrer Ruhe gerissen wird, und nun durch magnetischen,
elektrischen , in der Totalität durch chemischen Process,
die Potenzen , unter denen sie gesetzt ist , anfzuhebeo
sucht.
die Sohwcrkra{t , als metamorphosirte Potenz. 663
Als Potenz, oder in irgend einer Pqt^iv» ffose^t, kann
sie, da sie an sieb indifferent ist , nur nach den entge-
gengesetzten Polen dieser Potenz «gesetzt sein , welche als
spccüisch sich ergänzende gedacht werden müssen. Diess
Gesetz gilt, wie alle Gesetze des ^eins der absoluten Ideu*
iitat , |,in's Unendliche^ (hier wieder die begriffloso
Unendlichkeit, welche schon oben bemerkt wurde 1) -^und
zwar sowohl in Ansdiung des Einzelnen, als des Ganzen.
Hier fugt sieh sogleich nun unerwartet, mit der bei-
Sreiugten Entschuldigung, dass man »Sätze, deren Beweise
Jeder durch eigenes Nachdenken finden kann, al$ Lehn-
Sätze aufstelle,^ — der Lehnsatz an^ dass die entgegen-
g-esetzten Pole, unter welchen die Schwerkraft auf gleiche
Weise als Form der Existenz der absoluten Identität ge^
setzt ist — in Ansehung des Ganzen Pflanze und
Thicr, in Ansehung des Einzelnei^ die Differenz der
Geschlechter, — überhaupt also , dass jenes Total-
produkt aus Schwere und Licht der Organismus sei,
)&ugleich als A^ ($. 137-^141. mit Zusatz L).
Wir können das Bekenntniss dieser Lehnsatzlicbkeit
an einer Stelle , wo ein offenbarer Sprung in ein jenseiti-
ges Gebiet hinein stattfindet, nicht anders als charakte-
ristisch nennen. Totalprodukt aus Schwere und Licht in
ihrer tiefsten Einigung ist der Organismus entschiedener
Maassen nicht; ein generisch höheres, eigentlich ideelle^
Princip, das der Vernunft, senkt sich lüQrmit dem Ma-
teriellen ein, gerade in der Potenz es aufnehmend , bis zu
welcher Schwere und Licht in ihrem wechselseitigen Kampfe
es gebracht haben , in dem elektrischen und chcmiscl|en
Processe. Gerade deren Produlite ergreift der Lebenspro^
cess, um sich aus ihnen seine leibliche Verwirklichung zu
erbauen , fiberwindet sie aber damit | und setzt sie zum
blossen Mittel seiner selbst herab. Und so betrachtet gleich
weiter unten Schelling selber diess Verhältniss, indem
er (S. 145. Erklärung, S. 114.) hinzufügt, dass die
Natur durch Cohäsion und Licht nur Grund (Grundlage)
ihres Seins als A^ (Oiganismus) sei, so wie sie
601 Der Or^^nlsmiis.
darin wiedemm Grand ihres Seins in einer noch hölieren
Potenz (offenbar nur als Geist) sein möge. Mithin hat
^icht^ in diesem Deduictionsversuche nur die allgemeine
Bedeutung des Ideellen , der relativ höhern Potenz über-*
.haupt, der hier noch unsagbaren, abstrakten. Es ist Man-
gel der Klarheit, nicht Fehler der Grundansicht; und nur
das wäre zu rflgen, dass in einer durchgreifenden Verwech-
selung von Producirendem und Grund, der Organismus To-
lalprodukt aus Licht und Schwere genannt wird , während
diese nur die Grundlage, der Möglichkeitsgrund sind, dass
sich aus und an ihnen das organische Leben ver«
wirkliche.
Bestimmter wird dann ($. 145. Zusatz 2.) dasVer«*
hältniss der vorausgegebenen Potenzen zu der des «Olga-
nismus dahin angegeben , dass diese den Organismus nur
von Aussen zurWirksamkeit determiniren, d. h.
(Erklärung zu $. 145.) ihn erregen, reizen;
wodurch A^ in der Identität von A ^s B im Organismus
als Reizbarkeit, der Organismus selbst aber, in Bezug
auf jene mitil^ gesetzten niedern Potenzen, als Indiffe-
renzvermögen gesetzt sein muss.
Hieraus erhell! nun, sagt Schelling (S. 115. 116.)«
dass die absolute Identität eben so unmittelbar Ursache
des Organismus, als des AmiAB in dem primum exi*
$iens Ist. Der Organismus ist daher das secundum
existens: (er ist relativ auf jenes ebenso unvermittelt
und unbedingt, nur durch die Urthat der absoluten Identi-
tät gesetzt , wie , relativ auf die Existenz überhaupt , das
primum existens gesetzt war.) Da aber die absolute Iden-
tität , als unmittelbare Ursache des Organismus , abermals
Grund ihrer Existenz ist, so stellt sie sich hier auPs Nene
nur als Schwerkraft der höhern Potenz dar.
Durch die ganze Reihe geht sonach die absolute Iden-
tität, als Grund ihres eigenen Seins, sich selbst, sofern sie
existirt , voran: durch die ganze Reihe begleitet sie,
gleichsam als das mütterliche Princip, die Schwerkraft,
welche , von der absoluten Identität befrachtet , sie selbst
Der Organismus. 665
lienrorbringt. Es erheHl ans dem Ganzen, dass der Orgfa-
nismus ebenso ursprünglich ist, als die Materie; aber
auch , dass es ebenso unmöglich ist, das erste Einschlagen
des Lichts in die Materie auf empirischem Wege darzustel-
len, als das erste Einschlagen des ideellen Princips in das
reelle überhaupt (durch den ersten SelbstverwirkKchungsakl
der absoluten Identität in der Materie).
Hiermit lässt sich von dieser Darstellung S ch el I i n gs
aus der letzte entscheidende Blick in das Ganze des Prin-
cips thun. lieber den Begriff der blossen Indifferenz
in Bezug auf die Potenzen und Gegensätze, welche aus ihr
hervortreten , Ist die absolute Identität in Folge der Dar-
stellung selbst weit hinausgelangt; und wenn wir gegen
den Anfang jener Darstellung erinnern mussten, dass dort
das Princip dieser Philosophie zwischen dem Begriffe der
Identität und der Indiflbrenz unentschieden zu schwanken
scheine : so hat sich durch die letzten Erklärungen diess
völlig und unzweifelhaft bestimmt. Die Identität ist jetzt
nicht mehr bloss Identität der in ihr gesetzten, „existi-
renden*, Potenzen, sondern vor jeder wirklichen
^Existenz^ ist sie alle jene Potenzen schon ideell oder
potentialiter (yg]. S. ISO.)? d.h. schlechthin ewig
und seit Anbeginn, um sie in wirklicher Existenz sein
zu können. „Wir können uns^ sagt S c h e 1 1 i n g (a. a. 0.)
^die Organisation gar nicht als entstanden denken a-us
dem Unorganischen, sondern als vom Anbeginn,
wenigstens potentia gegenwärtig.^
Was von dieser Potenz CA^} Schelling ausdrück-
erklärt^ muss von ihnen allen gelten : sie sind präexistent
in der (im Stillen dabei vorauszusetzenden) eigenen ideell-
realen Präexistenz der absoluten Identität : diese ist selber
das ewig vollendete Vorbild dieser geschlos-
senen Potenzenreihe, welche „existent^ werden, zur
objektiven Wirklichkeit gelangen können nur dadurch,'
das i sie ewig und vollendet in ihr s i n d. U o b e r d i*c
eigene „Existenz^ hinaus hat daher die abso-
lute Identität selbst ein potentiales, aber
666 Erste Anklänge einer Transscendenz des Absoiuleo.
•desshalb um nichts weniger reales und we-
senhaftes Dasein, weil sie nur so Grund aller
Realität zu sein vermag.
Diess sind die Prämissen, «^ ob deutlich hier schon
von Schellin g gedacht, ob nicht, lassen wir unentschie-
den, — welche wir dennoch als die letzte Konsequenz
solchen Aeusserungen zu Grunde legen müssen, wie wir
sie angefiihrt. Und hierin kündigen sich allerdings zum
ersten Haie die Spuren einer Transscendenz im Begriffe
des Absoluten an, welche wir bisher vermissten. Aber so,
wie sie vorliegen , keimartig , zweifelhaft , der ungewiss
nachspfirenden Deutung überlassen , können sie zwar un-
sere Aufmerksamkeiten leiten bei dem weitem Verfolge
von Schellings Ansichten ; aber sie können nicht für
den Anfang einer wissenschaftlichen Ausfuhrung jenes Be-
griffes gelten. Daher sind sie auch in der Schule Sc hei*
lings, und bei der nächsten Nachfolgerschaft desselben in
Hegel, ohne stetige Ausfuhrung geblieben.
Der Rest der S ch eil ing sehen Darstellung, welche
wir bisher zu Grunde legten , enthält nur noch wenige
wichtige Bestimmungen, deren weitere Ausführung hier schon
einiger Maassen an das schematisirende Vergleichen und Pa-
rallelisiren zu streifen scheint (z.B. $. 152. mit Zusatz:
S« 155. 157. u. s. w.) , welches die Schule späterhin oft
für philosophische Konstruktion selbst ausgegeben hat.
Die unorganische Natur, als solche, existirt nicht;
denn das einzige An sich dieser Potenz ist die Totalität,
d. h. selber der Organismus. Die sogenannte unorgani-
sche, Natur ist daher wirklich organisirt , und zwar für
die Organisation, gleichsam als das allgemeine Samenkorn,
aus welchem diese hervorgeht.
Die Weltkörper sind Organe des allgemeinen
anschauenden Principes der Welt, oder der abso-
luten Identität. — Wie das anschauende Princip der Welt
sich im Weltkörper individualisirt , so das des Welt-
körpers im Organismus, den es aus sich hervorbringt.
— Die Organisation jedes Weltkörpers (z. B. der Erde)
Zweideutigkeit in diesem Principe. — Oken. 667
Ist daher das herausgekehrte Innere dieses WeltkörpcrS
selbst, imd durch innere Yerv^andlong (z. B. der Erde)
gebildet. Die Erde selbst wird Thier und Pflanze, und es
ist eben die zu Thier und Pflanze gewordene Erde , die
wir jetzt in den Organisationen erblicken. Die jelzl vor
uns liegende unorganische Materie ist freilich nicht die,
woraus Thiere und Pflanzen geworden sind ; denn sie ist
vielmehr dasjenige von der Erde , was nicht Thier und
Pflanze werden , oder sich bis zu dem Punkte verwandeln '
konnte, wo es organisch wurde: es ist das Residuum der
organischen Metamorphose , welche mit der Erde vorge-
gangen ist. CS« 148. 149. 1. 2. $. 153. Erläuterung
». 120. 21.)
In dieser Darstellung erblicken wir, — von manchem
andern speciellern Bedenken abgesehen/ — dem allgemein
nen philosophischen Ausdrucke nach, dieselbe Zweideutig*
keit , denselben Mangel der Unterscheidung von Grund
(Unterlage) und Hervorbringendem (Princip), welchen wir
schon bei der Deduktion des A^ oder der Potenz des Or-
ganismus erwähnen mussten. Er hat auch nicht unterlas-
sen, in der naturphiiosophischen Schule selbst seine Früchte
zu tragen, und (um einer neuerlich aufgebrachten Bezeich«*
nung uns zu bedienen) auch hier eine rechte und linke
Seite derselben sich bilden zu lassen. Dem unmittelbaren
Sinne nach ist hier die höhere Potenz schon in der nie-
dern enthalten; sie selbst steigert sich zu derselben: das
Organische ist nur der höhere Ausdruck des Unorgani-»
sehen, der Geist endlich nur die höchste Blüthe der Schwere
und des Lichtes , das höchste Produkt der Metamorphosen
der Erde. Wir brauchen nur an die naturphilosophischen
Darstellungen von 0 k e n zu erinnern , um diese Richtung
damit hinreichend bezeichnet zu haben.
Aber sie ist gerade entgegengesetzt der wahren S ch el-
lin g sehen Ansicht: die höhere Potenz ist vielmehr das
schlechthin Jenseilige für die niedere, das nicht aus ihr zu
Erklärende oder zu Gewinnende, das über sie kommt und
sie sich unterwirft zu einer schlechthin* neuen und hohem
668 Steffen».
Crestalt de» idealen Prinoips , welches d«s ^Siegreichem i n
Allem ist und durch Alles hindurch. So zweifelsohne der
wahre Sinn der S c h e 11 i n g sehen Potenzenlehre ; aber die-
ser Sinn ringt hier zweifelhaft und unentschieden mit sei-
nem direkten Gegentheile, ja er vergreift sich dahin, Aus-
drücke aus diesem Gegentheile zu nehmen. £rst Stef-
fens hat das grosse und eigenthämliche Verdiensl^ die
naturphilosophisch0 Grundansicht S c h e 1 1 i n g s ia| diesem
' Punkte zur Entschiedenheit fortgebildet zu haben : es macht
das -^ in gewissem Sinne auch metaphysische — Resqllat
seiner Anthropologie aus, an den concreten Stufen
des organischen Lebens nachgewiesen zu haben, wie jede
y,Potenz<^ in derselben ein specifisch Neues und Jenseitiges,
durch keinen blossea Uebergang aus der vorigen Stufe zu
Erklärendes , eine völlig neue Schöpfung enthalte , die das
Ungeahncto und nur Anzuerkennende aufweist. Steffens
hat dabei ■ mit einer tiefen und weitreichenden Analogie an
die Eingebung des Genius im Geistigen , in der höchsten
Beziehung an das Wunder erinnert , wodurch das Uner-
wartete^ durchaus mit dem Vorhergehenden nicht in Con-
tinuität zu Bringende, sich begiebt. Seist nicht Steigerung,
sondern Ueberwindung des Niedern durch ein Höhe-
res, der wahre Sinn der Potenzen; dadurch zeigt sich aber
der ganze Begriff derselben unzureichend, und die weitere
Entwicklung der Wissenschaft hat ihn zurücknehmen müs-
sen aus tiefem Gründen, als den bloss „förmellen<^. Nicht
das Niedere potenzirt sich zum Uöhern in ursprunglich un-
unterscheidbarer Identität des Idealen und Realen, — was
wieder der Rückfall in den Begriff der Indifferenz wäre,
— damit das Ideale so erst wirklich („existirehd^) werde:
sondern das Ideale ist selbst das Ursprüngliche und Wirk-
liche, das schlechthin Anfängliche , welches sich nur dem
i\ ledern eingebiert, es von Stufe zu Stufe überwindend und
endlich zum gelungenem Gegenbilde seiner selbst erhebend.
Diess die hier noch dunkel bleibenden, aber kaum zwcifel-
hallen Prämissen, welche Schell in g vorschwebten, aber,
in seinem Entbehren aller melapbysischon Yorbegruiidmig)
Schcllintrs Defininon der Nitur. 669
•p»
weder freien Ausdruck , noch die rechte AnsdrBcklichkeil
der Form und der Begriffsmissigkeit haben finden können.
Wie sie in seinen nächsten Werken und endlich auf der
Höhe seiner Weltonsicht sich gestaltet haben , wird die
weitere Folge zeigen.
Wir beschliessen diesen Abschnitt der Sc hei 11 ng-
sehen Darstdlung mit der Definition , welche er darin von
der Natur giebt, und die er noch in einer spätem Schriß,
in welcher er über den ursprunglichen Standpunkt derNa«-
turphilosophie schon hinausgeschritten war*), als die erste
urkundliche bezeichnet und wiederholt.
Zuerst wurde ($. 61. der angeführten Darstellung) die
Natur bestimmt, als die absolute Identität, insofern sie un«-
ter der Form von A und B (als das Ideelle überhaupt in
Gestalt der Unmittelbarkeit , der Realität) actu existirt
Nun existirt sie aber als solche nur in der Cohäsion und dem
Lichte (als A^ undil^). Da sie aber durch beide Grund
ihres Seins als A^ ist , und da sie , als il^ , Grund ihres
Seins in einer noch hohem Potenz werden kann — A^ ist
aber, wie bekannt, der Organismus ; — „so werden wir all-
gemein sagen können: wir verstehen unter Natur die ab-
solute Identität überhaupt, sofern sie nicht als seien d,
sondern als Grund ihres Seins betrachtet
wird, und wir sehen hieraus vorher, dass wir alles Na-
tur nennen werden, was jenseits^ (d. h. unter, als be-
dingende Gmndlage ihrer Existenz) „des absoluten
Seins der absoluten Identität liegt.« (S- 145. Erklärung
S. 114.)
Jene „höhere Potenz«, als deren Grund der Organis-
mus bezeichnet wjrd, ist die ideelle Reihe der geistigen,
am Menschen sich verwirklichenden Funktionen. In
diese Reihe und in die menschliche Verwirklichung müsste
daher, nach dem bisherigen Zusammenhange, ,,das ab-
*) Schell ings Denkmal der Schrift von den gutU
liehen Din{;en des Herrn Fr. H. Jacobi a. s. w. 1811.
S. o* "o*
670 Dts Jenseitige dcfr Nfttur«
solute Sein^ <tar absoluten IdenlitSi fidlen* Avdi M
kein Zweifel, was nach den vorl&oSgen ErUiningen S chel«
lings (Darstellung S. C27.) untar Soleier absoluter Ezi»
sienz der absoluten Idratitat (zngitich der höchsten
Potenz) hier zu verstehen sei. Die ideelle Reihe , stgt
er, soH in künftigen Darstellungen durch die drei, in Anse«
hung des ideeUen Faktors positiven, Polenten bis rar Kon-*
struktion des absoluten Schwerponkles geführt werden , In
welchen, als die beiden höchsten Ausdrücke der
Iftilifferenz, Wahrheit und Schönheil fnilen.
(Etwas anders und weiter ausgebildet in dem das ganze
System vorbildenden Schema der Potenzen : vergl. A p h o«
ri£men zurNaturpfailosophie in der Zeitschrift
für Medic in, Bd. I. H. 1. S. 66.)« In ämra ist also das
der Natur durchaus jenseitige Sein der absduten Idenlitit
erreicht, oder um die im Denkmal gegen Jacobi vor-
kommende Unterscheidung zwischen Deus impliciius
und explicitus hier aufzunehmen: in Wahrheit und
Schönheit oder Wissenschaft nnd Kunst ist
Gott entwickelt oder eigentlich wirklidu Diess
von hieraus die einzig zulassige Deutung.
Gegen diese und ihre Konsequenzen hatte nick aber
Jacobi gerade in der Schrift erklärt, welche 4as „Denk-
mal^ bekämpft: er haUe das Sys^m a}s Identificirung Got-
tes mit der Natur (derWeUwirkUohkeit)^ und so als athen
stisch bezeichnet; in jenem Sinne offeiriMr mit Recht,
sofern er dabei die ältere wissensdiaftliche DaffSteUw^ im
Auge hatte und die scheinbar exoterischen , an sich aber
schwierigern und unbestimmteren Darstelbingeii in Schel-
lin gs «Phäosophie und Religion^ und in seiner Abhand-
lung „über die Freiheit^ bei Seite liess.
Um so merkwürdiger ist es nun zu sehen, in weichem
Sinne Schelliag jenen alten BegrüF der NaUnr gerade
gegen Jacobi glaubt wenden zu können, und was er sel-
ber zur weitern Erläuterung desselben beifügt (Denkmal
S. 6.). Zuvörderst sei Natur (in engerer Bedeutung) und
Naturphilosophie immer bloss als die eine Hälfte- des Gan-
SchoUings spätere Erkürungen • 671
Een beseichitel worden ; den reellen tlieile sei der ideale
entg^egenzusetzen : eine Aushalft, weiche den eigentlichen
Sinn von Jacobi's^ Einwarf kaum beseitigt haben dürfte;
denn nicht, dass Qeit im Measthen, in Wissenschaft und
Kunst erst seine iiochste, vdllig adäquate Wirklichkeit sich
^ebe, -^ nicht diese „Seilet vermissl er am Scheliing-«
sehen Systeme , sondern das verwirft er , dass Gott seine
Wirklichkeit nur in der Natnr (Welt), in der Potenzenreihe
des Realen und Idealen^ haben solle. Weiter jedoch, als bi^
zu diesem Resultate, reicht die angef&hrte Definition der
Natur nicht ; und schwerlich ist sogar anzunehmen , dass
Seh ellin g selbst bei der ersten Aufstellung derselben
einen andern Sinn fSr zulässig gehalten haben wfirde, noch
weniger die nachherige Deutung beabsichtigt , oder mch
nur mithineinvcrslanden habe.
Um so merkwürdiger und durchaus bedeutungsvoll ist
es, dass zehn Jahre später , im „Denkmal^ dieser andere
Sinn als der ausschliessliche und allein gemeinte auftritt
— ein Zeichen, wie tief und durchgreifend Seh eil in g
seine Principien seitdem umgestaltet hatte, ohne dass es
ihm freilich gefallen hätte, diese umgestaltende Wirkung
audi ausdrucklich gegen seinen Anfang zurückzuwenden.
Die angeführten Worte der Definition (sagt er, S. 7.)
bestimmen zugleich , was ausser der Natur ist Natur,
behaupten sie , ist Alles , was (vom höchst^i Standpunkte
der schon seienden absohiten Identität) jenseits dieses
ihres absoluten — nämlidi subjektiven ^- Seins liegt
— («Subjektives Sein<^ d^ absoluten Identität konnte bis
jetzt nur bedeuten ihre Verwirkhchung in der höchi^n
Potenz der Idealität , also überhaupt innerhalb der Po»
tenzenreihe.) — „Dasselbe, vom Standpunkte des Menschen
ausgedrückt, würde so lauten müssen : Natur ist Alles, was
für uns die SS seit 8 der seienden absoluten Identität,
diessseits ihres fabsoluten, nämlich subjek«-
tiven, Seins liegt Daraus erhellt, dass, die Natur
oder auch unsere eigene gegenwärtige Exi-
stenz zmn Standpunkte angenommen , die seiende
672 über diess Veriiftltniss.
absolute Identität, d. h. Gott, als Subjekt, eia Jen«
seits-, also woU auch ein A asser •* und U eher- der
Natur sein muss^ (a. a* 0. S. 8.)-
Durch diese Wendung ist plötzlich AUes anders ge-
worden. ,^atur^ umfasst jetzt zogleidl auch die ideelle
Reihe der Potenzen, wie sie sich im Menschen verwirklicht
hat, ,|Unsere eigene gegenwärtige Existenz^
also überhaupt die ganze Potenzenreüie : — und nach-
dem jenem Begriffe diese neue Bedeutung subsUtuirt wor-
den ist , welche freilich in ausdrücklichem Widerspruche
steht mit dem ursprünglichen Sinne und der Konsequenz,
innerhalb welcher sich dieser ergeben hat, — so kannte
mit einigem Scheine des Rechtes behauptet werden,
schon aus der Definition der Natur folge eine Jensei-
tig k e i t des absoluten Seins der Identität (ur dieselbe,
— oder Gottes Sein liege ausser und über allen Poten-
zen , nicht aber als deren blosse Indifferenz.
Dennoch war für jeden genauem Kenner von S c h e 1-
1 i n g s Systeme diese Sinnvertauschong nicht schwer zu
entdecken: sie lag bei einer Yergleichung der ursprüng-
lichen Worte und der gegenwärtigen zu nahe. So konnte
sie leicht als ein direktes £ingestandniss, ja als sophisti-
sche Ausflucht, gedeutet werden, und hätte Jacobi'n bei
der Richtung auf die Gesinnungen seines Gegners , welche
er seiner Polemik gestattete , leichtgewonnenes Spiel ge-
geben , wäre dieser nicht auch hier mit zu geringer Spe-
ciaikenntniss der Lehren, die er bekämpfen wollte, in den
Streit gegangen« Wir selber sind jedoch schon darum weil
entfernt, hier eine Absichtlichkeit Schellings zu ver-
muthen , weil , von allen tiefem Gründen abgesehen^ eine
solche Absichtlichkeit gerade sich mehr verhüllt hätte. Es ist
die aufrichtige wissenschaftliche Meinung Schellings, wel*
che sich hier ausspricht ; und die vollgenügende Erklärung
dieses zunächst seltsam scheinenden Wechsels wäre wohl
darin gegeben , dass er sich allmählich so weit ' ent-
fernt hatte von seinem ersten Standpunkte, oder dieser
so sehr von ihm erweitert worden war, dass der Ursprung-
Verhältaiss Scheliings und Jacobi'^. 67.3
liebe Sinn desselben mit der hohem Bedeutung^ welche ihm
die spatere Ansicht gegeben hatte ^ tinwilMhriich und un<>
gesondeti susammfenschiüobk Das frühere System er-*
sekeini dem Weiteigeschrittenen fast nothwendig in einem
andern Lichte , weil er nun zugleii^h in das Rrfifaere hin«-
eiiischaut , Was ihm daAlus geworden ist ; — *> und ganz
Aehnliches hat sich taeh bei' Fichte in Bezug auf
seine beiden Standpunkte etgeben^ -^ ohne dAss sich
freflich für Schelling die ellgemeine Ferderung dadorck
erledigt hätte ^ mit wissetDschafUichem Bewusstsein und
Klariieit den lösten Standpimkt in seinra b&hem hin^
äberzafiihren.
Hiernacb liesse sich der keinesweges bisher ssilm End-»
nrtheii gediehene Streit zwischen Jacobi und Schek
nug iii folgender Weise schlichten, die bt^ide^Theile itt
ihr Redit zurückzustellen geeignet sefaeiikt:
Jacobi hatte in seiner letzten poleihischen Schrift
— ohne freilich damit zti deh Beschnldigmigeli des Athei^
mus, kaum nur des Pimtheismus, überhauj^t abm* keine&>-
weges zu Anklagen berechtigt zu' sein, die einen philoso-^
phischeb Standpunkt nidht widerlegen können -^ in
Schellings System seilen anfSkigUcken Sinn und seine
ihatsacUidi ausgeprägte Wirkung auf die damalige Zeil
bekämpft und beide unstreitig in ihren allgemeinen
Grundzugen richtig diarakterisirt» Seine Polemik wird im-
mer ein bedeutendes Aktenstück gegen den naiuralisti*
sehen Pantheismus der damaligen Zeit bleiben, gleichwio
jetzt die Epoche des s p iri tua 1 isti s eben Pahtheismus sick
ihrem Ende naht, und ähnliche Protestationen gegen sich
hervorgerufen hat. Freilidi hatte sich Schelling voil
jenem losgesagt, und war durch seine letzte grössere Schrift
über die Freiheit auch spekulativ ausdrücklich über
seine Prämissen hinausgeschrittra ; dennoch war er attf
einem seiner Durchgang^unkte der unstreitige Urheber
desselben in einigen oft grellen Nachwirkungen bei Andena
geiforden; und Jacobi'sErklärungeu bezogen sich langd
nicht aufSchelling altein oder uusscUiessend , wiewohl
43
674 Vertiillntss ScheiiUig:s und iacobrs.
f te alles Ernslefl darauf ausgingen , ihn für jene Friniiiasea
fefantwortlich zu machen.
SohelUng an seinem Theile, voll von dem Bewussi-
sein , weich einm Weg der Sdbstentwiddung er schon
nrfickgd^gi habe seit jenen eralen Darartellungen^ and ge-
rade damals in tier Arbeit begriffe» , den TheiwMis aus
der Tiefe der firkenntniss auf nmÜEissende , weil bhI den
Dnrkhchttn Uaiid in Hand gehende Weise, nen zu begri»-
dfn, Jtonttte den damals gegen ihn gerichteten Angriff
war verspätet oder unzeüig finden nach seiner Schritt ober
die Freihdt; aber enpöüen mossie ihn die Art Asssei-
ben, welche darauf gerichtet schien, seine ganze Wirksam-
keit auf die Nation f&r immer m Uhmen. Wie er geant-
wortet , ist bekannt genogc es war zur Erwiedenng des
«oraiisohen Angriffes aUefdings auf eine lilterarisc&e Ver-
nichtung seines Gegners abgesehen ; Aer er< konnte seiner
Abwehr nur dadurch «tea Sieg zuwenden , und diesen zum
Triumphe vollenden, wnnn el* den fragmentarischen Bridirnn-
fen über das WissenschafUloiie, w^hes sein ,,Denknia!^ ent-
hielt, ein vollstindiges Werk hätte folgen lassen^ wdches
den Sinn jener aphoristischen Behauptungen tiefer t^egrm-
det und von der Xweideutigkeit befreit hätte , die ihnen
dort noch anhaftet : und katrni kann geleugnet werden, dass
«eit jener Zeit , bei dem fortgesetzten Schweigen während
an vieler VeranlasBungen zmn Reden, der Zweifei an
SthellingRamn gewonninhat, und seitdem mit immer
stärkeren Schatten seinen Ruhm und sein unsterbliches Yer-
dimist zu umhüllen suchte^
Der strenge, dnrch dä$ System selbst vorgebildete
Zusammenhang scheint zu fordern, jetzt zur Konstndction
der idealen Reihe übefzugeben nnd so heranzuziehen, was
in Schellings spätem Weichen — in Ami gVorlesnn-
gen über die Hethnde des akademischen Stu-
diums« in „Philesophie^ nnd Religion« imd in
Fernere Scbriften der awellen Epoche. 075
der Abhandlmig „über die Freiheit«, mehr firagmenia-»
riseh, als ausgeführt, und keinesweges au die vorige Dar*
Stellung genau ^ich anschliessend , dartter gegeben ist.
Dennoch würden wir dadurch eine grosse Lücke in
der Fortbildung des Systemes übrig lassen, welche jenes
NichtonscUiessen des Spätem an das Freiere nicht nur
voUstfindig erklärt, sondern sogar su einem berech^gt^n
und notbwendigen macht. Der Drang nach Vorwftris, zm
Fortsetzung jener Koiüstruktionen ans der ideellen Reihe,
stockte plötalich inSchelling; er wandte sich gegen die
Allgemeinheit seines Principes znraek, indem er es tiefer
zn begründen, freier in seine Gewalk zn bekommen suchte ;
und lüer beginnt die Reihe jener denkwürdigen Sehriftai
nnd Abhandlungen zwischen den Jafarm 1802-^1806^ die
er in unglaublidi rascher Fcdge erscheinen liess, ohne dass
die Fülle den mannigfachsten Produktion ihrer Hefe' und
Kraft Abbrnck gethan hätte. Durch diese gelang es ihm
erst , nicht durch seine frühem DarateUnngen , vor steh
selbst und vor den Mitphilosophirenden s«n Princip in rol«*
1er Klarheit auszusprechen, nnd durch dasselbe die gewal-
tige Umschaffung der wissenschafUicben Denkweise au ei^
ringen , Welche der Kantiscfaen Grundansicbt im Spekn-
httiven, und ebenso der gewöhnlichen, rationell empirischen
Behandlungsweiae der Erfahrai^fswissenschaften nach vor*
aus angenommenen Reflexiondiestimmnngen ein Ende ge-
macht hat. Hierher gebdren besonders seine Abhandlun-
gen in der Neuen Zeitschrift für spekulative
Physik (3 Hefte 1802^1803.) ^von der höchsten
und absoluten Erkenntnissart^ (Ueftl.S. 1-— 82.)
der beweis, dass es einen Punkt'gebe, wo
das Wissen um das Absolute und das Abso-
lute selbst Eins sind^ und ^ie Idee^esAbso^
luten^ (S. 34 — 77.): j^von der philosophischen
Konstruktion oder von der Art, alle Dinge
im Absoluten dari^ustellon« (Heft 2. 8. 3— 50.>.
Ebenso sind hi« anzuffihren seine Vorlesungen über
die Methode des academischen Studiums
676 Weitere Begrändimg
(Zweile Ausgabe 1813.) besonders die über die Na^»
iurwissenschaft im Allgemeinen (S. 242. fll)
und über das Studium der Physik. und Chemie
(S. 263.) ; endlich in Bezug auf das Verhältnis« des Erki^inens
zum Sein, des Apriorischen zum Empirischen, des Idealist
mus zum Realismus und alle damit verwandten Fragen,
S c h e 1 1 i n g s Streitschrift gegen Fichte (Darlegung dea
wahren Verhältnisses der Naturphilosophie zur verbesäer«
ten Fichte'schen Lehre 1806« S. 33.47.50 ff. u. s. w.).
Der HaupU und Cardinalirrthum jener spekulativen An-
sicht , wie der Voraussetzungen , welche der Empirismus
zur Wissenschafk hinzubringt, besieht in der doppelten An^
nähme : d o r t ^ dass das Ewige^ die Ideen ein dem Unmil-
telbaren, Endlichen Jenseitiges, erst durch Denken zu
Gewinnendes seien , und dass sie diesem sogar über-
schwänglich, transscendent bleiben : hier, dass man durdi
die Annahme bedingter Ursachen, Kräfte , Malerien o. dgL
eine Naturerschdnuug wirklich erklären Zu können meine.
Beidem hat Sehe Hing sein einfach grosses Princip ge«
genübergestellt , dass das Ewige , Ideelle, auch das einzig
Wirkliche und Unanttelbare sei ; man habe die Wahrheit
nicht hinter den Phänomenen zu suchen, sondern sie seien
selbst das Gesetz, die. Theorie, und nichts Anderes,
denn diess ; das Unmittelbare, Einzelne, selber schon das
Ursprüngliche und Ewige , nur in einer seiner Selbsiver-
wiridichungen. Die Einheit von Denken und An--
schauung war damit ausgesprochen«
Kant hatte in seiner Kritik der reinen Vernunft den
einen grossen Schritt der Wahrheit entgegengethan , dass
er , die Vernunft (in ihrer engern Bedeutung) als das
Vermögen der Ideen (Principien) bezeichnend, die
Ideen als das schlechthin Apriorische, aller Erfahrang
Vorausgehende, nachwies: er hat dadurch der Philosophie,
bestimmter der Metaphysik, ihr Gebiet für immer wieder-*
erobert. Aber durch die merkwürdige Vertauschung und
Gleichstellung von Apriorischem und Subjektivem , deren
erste unscheinbare Anfinge wir in der Kant i sehen Raum»
des Schellingschen Prinoips in ihnen. 677
und Zeitrtieorie nachgewiesen und bis zu dem ungcheuem
Resultate jener nnwillkührlichen Verwechslung vollständig
▼erfolgt haben in unserer Kritik der Kantischen Pliiloso-
phie Cvgl. S. 185^194. 226. 233. 235-^.) , — wurden
f&r Kant die Ideen zu bloss subjektiven Vorbildern, denen
alle Forschung zwar nachstrebe, welchen aber keine Er**
fahrung jenrals adäquat sein könne. Diess Resultat wurde
Glaubensartikel der Zeit : die Verschmähung des Wirklichen,
als des ursprünglich schon der Idee Unangemessenen, Un-
göttlichen, das Uinausschnea in eine nebelhafte, dem Prin^
€ipe nach schon jeder Begreiftichkeit entschwindende Well
Jenseits des Raumes und der Zeit^, wurde zum
allgemeinen, von der Philosophie selbst sanktionirten Grund«
Zuge damaliger Gesinnung und Bildung.
Diese scheinbar unüberwindliche Scheidewand zer-
trümmerte Sc he Hing mit Einem gewaltigen Schlage; den
für jenseilig und überfliegend gelxaltenen Ideen gab er eine
objektive , ja unmittelbare Begründung , indem er in den
GmnderscheiHungen der Natur ihren ideellen Charakter
nachwies, und so sie aus der Sphäre des Erscheinenden,
Bedingten, Endliehen, zmn aus sich selbst Sichbedingenden,
Realen, zur Gegen wart des Absoluten erhob. Aber
zuerst vermochte er die grosse erkenntnisstheoretische
Wichtigkeit des neuen Principes, der Kanti sehen Grond-
ansicht gegenüber , selbst nicht zu fassen; er hatte sich
noch nicht ausdrücklich und mit gründlichem Bewusstsein
abgetrennt von der vorigen Bildungsepoche, Diess geschah
später duroh die Reihe der vorhin angeführlen Schrillen,
die wir desshalb als den Scbluss und die Vollendung des
zweiten Standpunktes' von Sc h el 1 i n g bezeichnen können ;
denn sie enthalten zugleich das Bew.usstsein jenes Friiici*-
pes von sich selbst.
Aber auch hier Var es niclU bei Sohelling eine
Widerlegung durch ein Eingehen in den Kern und die in-
nern Motive der gegnerischen Theorie ; sondern in einzel-
nen durchgreifenden Blitzen und apkoriMisch ausgefübitca
Axiomen, mehr noch mittelbar durch die Folge seiner po-
67ä Weitere Begr&ndmiir
sitiven Ansichten, zerstörte er die Gnmdfeste der Kant»-
sehen Philosophie. Damm fehlte aber die Vermittlong': der
Gegner blieb im Bewosstsein seines Rechtes, sorüd^ge-
drängt, aber nicht flberfBhrt ; nnd hierin möchte der Grand
aller Polemik liegen , welche die nachlebende K a n I i sehe
Schule gegen die Sohellingsche Ansicht gerichtet hat:
ja wir brauchen , im Rückblicke auf unsere eigene Kritik
jener Lehre, die Ueberzeugung nicht zu Tcrbergen , dass,
wie oft auch spater Ton Schellings undHegels Schule
aus eine Kritik des Kantischen Systemes bis in's Bin-
zelne hinein unternommen worden sein mag, so riel wis
bewusst, erst von uns zum ersten Quell und Ursprünge des
Irrthums zurückgegangen ist, der seinen so tief und gründ-
lich begonnenen Idealismus in's bloss Subjekfire zunick-
schlagen Hess, wodurch auch seine Ideenlere die be-
schränkte Bedeutung behalten musste, welche Schellin-
g e n zu bekämpfen übrig blieb.
Aehnlich und nicht minder unentschieden war Anfangs
das Verhällniss Schellings zu der alten empirisdieB
Behahdiungsweise der Naturwissenschaft und ihren Begrifi-
voraussetzungen. In seiner ersten naturphilosophiscAen
Schrift: Ideen zu einer Philosophie der Natur
(Erste Ausg. 1797.) und selbst noch in dem Werke über
die Weltseele (Erste Ausg. 1798.) lehnt er sidi an
die überkommenen Vorstellungen von Materien und Krif-
ten, von ihrem Gegensatze und ihren wechsdseitigen Be^
schränkungen, und hüHt seine Ideen in diese durchaus im-
angemessene Form. Erst jetzt (neue Zeitach rift o.
s. w. Heft 1. S. 3 — 10.) ist er auch darüber völlig im Ha-
ren und zur Entschiedenheit über sein eigenes Princfp ge-
langt. Er sagt im Wesentlichen Folgendes über jenes Ver-
hältniss :
Nicht dass der Empirismus innerhalb seiner Sphäre
bald mehr, bald weniger den Verstand braucht, oder ein
bald mehr oder weniger philosophisches Ansehen sich
giebt , macht ihn weniger oder mehr verwerflich ; die
ganze Erkenntnissart ist falsch , dem Principe nach , und
iß$ ScfaeUingsobeti Priaetp» in Urnen. 679
doie ewige und unversiegbare OueHo des Irdiiuin^. — Jet.
ue« SchUej»5en von der Ursache auf die Wirkung ist in der
Thal nichts Anderes , als ein förmliches sich selbst aus-
sprechendes Nichtwissen, Denn wie kann eine Reihe von
K'^nntnissen ein Wissen sein , welche in keinem Punkta
etwas Unbedingtes bat? Das einzelne Glied in der
Kette hat. einen Wertb.; aber es hat ihn durch ein ande-t
res , diess wieder durch ein anderes , u, & f. in's Unend-*
Viche ; der Werth jedes Einzelnen ist also bedingt durch
eine unendliche Reihe, welche selbst ein Uading
isi^ und nie wirklich sein wird, und jedes Binzelne bedeu-»
tet nur darum £twas , weil man sicher ist , dass man nia
uöihig haben werde, den Werih^des Ganzen zu realisiren,
• oder dasis man nie b i s zumLelzten kommen könne,
wo sich dann die ganze vermeinte Wiiäsenschafl in ein
Niclil/3 auflösen würde, (Fün^^a^r das treOende Bild unse-«-
rer experiinentirenden Wissenschaften, die Versuche auf
Versuche häufett, kidem sie meinen, daran doch immer nur
ein Bedingtes zu haben, und iiie zum Ursprünglichen jener
wecliselndon Combinationen koihmen zu können !)
Die Wuth „ Alles zu erklaren, Nichts nehmen zu kön->
neu, wie es ist, in seiner Totalitat, sondern nur auj^einaur
dergezpgen in Ursache und Wirkung zu begreifen , ist es, .
was am Meisten aus der Indiffereu z des Den-
kens und An^chauens reisst, welche der ei--
gentliche Charakter jdes Philosophen, der
absoluten Erkennlnissari ist,
hl diesem Bestreben bleibt Schlechterdings Nichts an
seiner Stelle, in seinem Wesen. Alles im Universum isl
unbedingt in seiner Art, Nichts , was 'nicht vollendet
in sich , sich selbst gleich wäre« Eben daitim hat auch,
wenn einmal von Erscheinung die Rede Lst, jede, das glii-
che {locht zu sein. Nicht Eine ist der anderii
wahrhafte Ursache, sondern jede ist indem
Unbedingten auf gleiche Weise gegründet.
Anstatt diesen gleichen Werth anzuerkennen, und Jedes in
seiner Potenz dasselb^e sein zu lassen, was das Andere in
680 Begriff der absoluten ErkeimUiteart.
der seinigen ist, wird viehnehr des Eine dem Andern
Icrgeordnet , aus dem Andern sm begreifen gesttcht , uras
gerade eben so ist, als wenn der Geometer das Ooadrat
aus dem Dreiecke y den Zirkel aus devi Quadrate aUeitea
wollte.
Diesen Aphorismen , -^ die jedoch ebenso sehr auf
eine ausgeführte Erkenntnisslehre zuruckdeuten , welche
den eigentlichen Charakter der Anschauung und seinVer^
haltniss zUm Denken festzustellen hat , als eine solche nö*
thig machen, — ffic)it S c h e 11 i n g mit tiefer und cinschaei-»
dender Ironie Betrachtungen ein aber den Abergkiuben und
den superstitiosen Fetischismus der empirischen Natarwis-'
^enschaft, welche an £e RealitSt ihrer bypothetisdi eison-
flenen JWalerien und Ursachen glauben miig , und wirkScke
Erklärungen der Natur dadurch ersonnen zu haben sich
einredet Es ist nicht zu täugnen, dass die veränderte
Methode gegenwärtiger Naturwissenschaft, der reinen Okt
jektivitat der Erscheinungen sich hinzugeben und jede hy«
poth^Usche Erklärung, als das Ueberitussige, Leere, Zuge^
dichtete , abzuhalten , wesentlich durch die Reform mühe«;
^^ dingt fet, wekhe Sehe Hing in di^ Spekulation ge-.
brachf^
Jenen beiden Bildungsrichtungen jfleichennaassen, ^ren
innere Verwandtschaft sieh kaum veriäugnen lässt, indem,
falls es philosophisch bewiesen ist, dass das wahrhafte We*
sen der Dinge doch nicht ergründet werden kann, es we^
nigstens gestattet scheint , als Surrogat der fehlenden Er-
tcenntniss, allerlei Bypothesen darüber sich anszusinnen —
tritt nun Schellin g entgegen darch seinen Begriff
der absoluten Erkenntnissart. Es ist nöthig, dar-
über etwas Allgemeineres zu sagen.
Die Paradoxie des Anfangs und d^ ursprüngUchea
Anmutkungen seines Systemes kam für Schell ing vre«
nigstens insofern zum Bewusstsein , als er die Vorausset«
Zungen desselben J'ur ein unmittelbar Uncrklärli^r
ches, erst im Ganzen des Systems sich Auflösendes
und Rechtfertigendes erkannte. Der wahre spckulalive
Begriff der absoluten Erkeimtnissart. 681
Standpunkt ist nur durch ein völliges Abbrechen von den
Voraussetzungen der gemeinen Erkennlniss zu gewinnen.
Aber diess macht ihn eben au deiii der ficht philosophi^-
achen Erkenntnissweise: sie ist Nichts, was gelehrt
werden könnte, und ebenso wenig giebt es einen Ue«
bergang von den Bedingtheiten des gemeinen Erkeiinens
zum unbedingten, von den Gegensätzen desselben zur ab-
aolut gegensatzlosen 9 alle DiflTerenzen in sich tragenden
Erkenntnissweise. Lässt sie sich daher aueh keinem in-
telligenlen Wesen andemonstriren , so kann ihr auch von
Keinem Etwas entgegengesetzt werden. Und zu begreifen
ist überhaupt auch nicht, warum die Philosophie zu beson«
derer Rücksioht auf das Unvermögen verpflichtet sei. £s^
ziemt sich vielmehr den Zugang zu ihr scharf äbzuschnei-«
den, und sie nach allen Seiten hin von dem gemeinen Wissen
dergestalt zu isoliren , dass kein Weg oder Fusssteig von
ihm aus zu ihr fUiren könne. Hier fangt die Philosophie
an, und Wer nicht schon da ist , oder vor diesem Punkte
sich scheut , der bleibe auch entfernt oder fliehe zuröck
(a. a. 0. S. 33-38. 41. 44 f. u, s. w.).
Mit dieser vorlaufigen Abfindung durch solche kate««
gorische Erklärungen , di^ nachher auch von spätem Bil-
dungsstandpunkten noch oft wlederhoh worden sind -^
wobei man zudem das bloss populäre Binfciten und Yer-^i
slandlichndachen der spekulativen Erkenntniss, welches man
ablehnte , mit der unerlasslichen wissenschaftlichen B e-f
grundung derselben verwechselte — überhaupt mit dcr-s
gleichen Negationen konnte Sehe Hing selber sich nicht
befriedigt halten. Die behauptete Identität des Ewigen und
Endlichen in der intellektuellen Anschauung, wodurch sich
das Anschauen zugleich im Denken, das Denken dem Ewi-p
gen, das Ideelle dem Realen substantiell einverleibt befin-
den soll , ^ alles Diess muss sich wenigstens in der To-
talität des Systemes, durch die Grundkonsecpienz desselben,
rccbtfißrtigen und in diese aufgenommen werden. Aber
ebenso bedurfte die Einheit des Endlichen und Unendli-
chen, die unmittelbare Wirklichkeit des Absoluten^ einer
682 Vorspiel darin unf Hegels Logik.
freieD , unabfafingigen VemiittlBiig im Denken : es ist die
Grundvoraussetzung, und Schelling bat es radem aocli
sonst ausdrücklich ausgesprochen *), dass mit dem Real-
gründe auch der Idealgrund in absoluter JEinlieit ge-
setzt seL
Aber es bedurfte eines gemeinsamen, die Seiten des
Ideellen und Realen in ihm unmittelbar als identisck sei^
senden Begriffes; und so entstand in jenen DarsteUwigcii
das Vorspiel einer Erkenntnisslehre und einer Heiaphysik,
welche zugleich ihm wieder zusammenwuchsen: es
war darin der Entwurf zu einer Lehre von der absoIiH
ten Vernunft in schlechthin subjekt-objekti-
vem Sinne, als Erkenntniss-* und Realprincip
zugleich , niedergelegt , welche die beiden Enden des £f-
kennens und der Objektivität ebenso scheidet, al^ zusam-
menfasst. Der Begriff einer Logik im .Sinne Hegels
war gefunden, welcher die Ausführung dieses Princips und
die völlige Verschmelzung des Metaphysischen und £f-
keaiUnisstheoretischcn a^u Stande brachte, wahrend eine
noch spätere Zeit Beides wieder sondern — (nicht enl-
gcgensetzeu) — zu müssen geglaubt hat.
Was ist nun jener gemeinschaflliche Begriff, in wel-
chem Erkennen und Sein ohne Weiteres zusammenfallen
und Eins sind, von wo aus wir also ebenso wohl nach der
Seite des Erkennens, als nach der des Seins, hinubertrelen
können, ohne jedoch in einen wahren Gegensatz beider zu
gerathen? Es ist der Begriß des Selbsterkennens
des Absoluten, als mit der ewigen Form desselben zu-
gleich gesetzt. Schelling giebt (Neue Zeitschrift
u. s. w. Heft 1. S. 33—480 darüber dieselbe Erklämi«
und Beweisführung, welche scboQ in der ersten Daistel*
lung (§. 17 — 21.) uns begegneten, und daselbst von uns
umständlich beleuchtet wurden (vgl. oben S. 627. ff.). —
Hier müssen wir zwar die Analyse dieses ursprtiag-
lieh auch nur vorausgesetzten Princips gelungener,
*) Vgl. z. B. Bruno S. 46 ff
Das Absolute y 663
bewtissler, den BegriS desselben intensiver, die DarsteUmig
freier finden: aber die allgemeine Begründung, naeh den
vorher nachgewiesenen Grundbedingungen, ist um keinen
Schritt weitergerückt. Sie geht, ihrem wesentlichen Inhalte
nach , folgendermaassen von Statten.
In der Idee des Absoluten wird nothwendig eine ^ew
che absolute Einheit der Idealität und Kealitit^ des Wissens
und Seins , der Möglichkeit und Wiridicbkeit gedacht. --•
Uebrig geblieben ist diese Idee in der dogmatischen Phi-
losophie unter der Gestalt des ontologiiKchen Beweises lur
das Dasein Gottes ; so war jener Gegensatz zwar in Gott,
aber nicht im Erkennen der Philosophie aufgehoben , und
ho folgte nicht mehr aus der Idee in Gott selbst, sondern
aus dem Denken des Philosophen, das Sein Gottes : dieser
wurde abermals als ein nur Objektives zu jenem ge-
fnsst , und der K a n t i sehe Einwurf („die gründliche Ge-»
ineinheit der vom Kriticismus darüber eingeführten Vorstel-
]ungen<< S. 39.) konnte nun Geltung und Schein gewinnen«
^— Dass aber die Idee des Absoluten , wie sie mit den
bezeichneten Prädikaten sich nothwendig in unserm Wis-
sen findet, im Absoluten selbst sei — (also unmittel-
bar dadurch eine Garantie vom Sein desselben in sich
schlicsse, d. h. „der Punkt sei, wo das Absolute
selbst und das Wissen desAbsoIuten schlecht,
hin Eins ist*^) — diess wird folgendei^estalt er-
wiesen.
Was in allem Sein vereinigt ist, ist das Allgemeine
und Besondere, wovon jenes dem Denken, dicss dem Sein
entspricht. In Ansehung des Einzelnen und Endlichen folgt
jedoch nirgends aus dem Allgemeinen das Besondere, aus
dem Begriffe das Sein. — Das Wesen aller Dinge aber
ist Eines, und in demselben für sich liegt kein Grund des
Besondern. Das, wodurch es sich absondert und unter-
scheidet, ist die Form, welche die Differenz des Allgemei-
nen und Besondem selbst ist, die an den Dingen
durch ilir Dasein ausgedrückt ist. (D.h. Form
ist im Absoluten nur desshalb zu denken , weil endliche
684 »Is Einheit von W^sev und Form,
Dinge, Besonderes fegeben ist , welche» sieh nur d^nl^e«
Msst, als durch das Sichformen des AUgemeineo ia^'s Be-^
sondere gesetzt. Das Formprincip im Absoluten, wird auch
hier, wie in den frühem Darstellungen, nur aus dem Fak-r
tum eines Endlichen zurückerschlossen ; ketnesweges Kssl
man es folgen aus dem Wesen des Absoluten.)
Da es nun aber die Form ist, wodurch das Besondere
ein Besonderes, das Endliche endlich ist, so i:;t, woi( im
Absoluten (seiner Idee zufolge) das Besondere und Allge^
meine schlechthin Bins ist, auch die Form mit dem
Wesen Eins; und schon in dieser gleichen Abso-
lulheit des Wesens und der Form liegt die
Enthüllung derMögliohkoit: \hc das Absolute uod
das Wissen des AbsoliUen Eins sein können.
Da nämlich die Differenz des Idoalen und Realen
Ovohinein jener Unterschied des Absoluten und eines Wi^
sens um das Absolute lediglich fallen kannte) der Differenz
des Wesens und der Form völlig gleich^usela^n ist, beide
aber im Absoluten völlig Eins sind: so ist Einheit des
Idealen und Realen ebenso nüth wendige Form des
Absoluten , als die Form in ihm seihst absolut und dem
Wesen gleich ist.
Nun ist aber in der absoluten Erkeontniss (jener fak-
tisch gegebenen Idee des Absoluten) eine solche absolate
Einheit des Denkens und Seins wirklich gesetzt; der ein-
zige Gegensatz, der zurückbleiben könnte, wäre der, dass
das Erkennen nur formell bestimmt ist, und so dem Abso-
luten selbst entgegengesetzt wäre: allein die Form ist
auch das Absolute selbst ; denn Einheit des Wesens und
der Form gehört zu seiner Idee. Es ist sojiacfi^ was vor*
her nur der allgemeinen Möglichkeit nach bestimmt war,
jetzt auch wirklich gesetzt : die formell absolute
Erkenntniss ist nothwendig zugleich eine
Erkenntniss des Absoluten selbst. Es giebtso-
nach eine unmittelbare Erkenntniss des Absoluten und nur
des Absoluten, — weil hier der einzige Punkt ist, wo Ein-
heit des Wesens und der Form statlfindct, d. h. wo die
darin von Erkennen und Erkanntem. 685
Rrkenntni^s mit ihrem Gegfcnstaftde absolut
Kilis sein kann: und jene ist die erste spekulative Er-
Icenntniss, das Princip und der Grund aller Möglichkeit aller
Fhilosophi^k
Hier ist Wieder der Nerv des Beweises ganz nur der ^
frühere, welcher der ersten Darstellung zu Grunde lag»
£s g i e b t erweislich , mit unbedingter Fakticität^ eine Idee
des Absoluten ; nun ist aber , zufolge dieser selben Idee,
Nichts ausser dem Absoluten, alles Besondere, Endliche nur
die Differenz der Form von seinem Wesen , deren ur-
sprüngliche Einheit jenes bleibt ; also ist auch jene Idee
des Absoluten durch seine Form gesetzt: in un-
serm Erkennen von ihm erkennt lediglich das Absolute sich
^Ibst ; Subjekt und Objekt fallen hier auf das Ursprung'«
liebste , imd zwar im Absoluten, zusammen»
Der in sich selbst sich umherwendende Zirkel des Be-
weises, was seine Form betrifft i kann Keinem entgehen $
aber auch dem Inhalte nach ist es noch ein weiter Weg
der Vermittlung von dem Satze , dass das W e s e n des
Absoluten ebenso schlechthin die ewige Form, die unend«-
liche Selbstoffenbarung und Selbstbejahung sei^ bis zur
Nachweisung, dass in unserm Bevnisstsein von ihm es
selbst das eigentlich Sichwissende und Selbstbcfjahende sei.
Alle diese halbgewaltsamen Verwachsenheiten haben spä-
terhin bei Andern die reichlichsten und verderblichsten Irr^
thümer aus dem Principe hervorgehen lassen.
Aber von hier ans geht Sc he Hing sogleich noch
einen machtigen Schritt weiter. Da3 absolute Erkennen»
welches auf eine so precfire Art als e i n e der Fakticitaten
oder Formen i m Absoluten nachgewieseu worden ist^ wird
sofort nun zur Form aller Formen, zur absolutem
Form erhoben. Die nothwendige und ewige, dem
Absoluten selbst gleiche Form ist das abso-
lute Erkennen. „Denn die^ (als absolutes Faktum in
unserm Erkennen gesetzte) „intellektuelle Anschauung ist
absolut, d. h. in derselben ist das Absolute, aber nur
als Erkennen , d. h. formell y und so , dass diese formelle
6b6 Krilik
Absolutheit nooh der AbsokiUioit im und für sich enig«-»
gengeselzX werden könnte. Hier trUt aber die Idee des
Absoluten ein , kraß welcher in Um kein Unterschied sein
kann des Wesens und der Form, mitliin ist das absobte
.Erkennen, als formelles, nothwendigf das Absotnte selbst,
und sonach die nothwendige und mit dem Absoluten gleich
ewige Form des abi^oluten Erkennens'' (a. a. 0. S. 55. 56.).
Wir haben die durchaus charakteristischen Worle dkv
ser Beweisführung vollständig angeführt, — alk*s Fer-
nere ist nur kritische oder polemische Erweiterung dersel-
ben, ^* um auch an dieser Steile die gänzliche Ungenfilee
ihrer Form und bestimmter noch, die überall bewnsstlos mil-
kineinspielende Vermischung des ErkenntnisstheorelischeB
und Metaphysischen nachzuweisen, weiche den Beweis noch
des letzten Restes von Bündigkeit beraubt.
Nach allem Bisherigen kann nur fiir erwiesen gelten,
dass unser Erkennen voiri Absoluten in ihm selber und
durch dasselbe Statt finde: somit ist eine för die Philo«-
Sophie propädeutische Frage erledigt oder es ist für die
Erkenntnisslheorie vollständig erklärt, wie es überall za
einem Wissen vom Absofaiten kommen könne. Gott weiss
sich selbst in uns : Bewusstsein überhaupt , näher sodaaa
Wissen seiner selbst in uas^ ist daher eine der For-
men (Potenien) seines Seins : „inteUektuelle Anschauung^.
Da aber, was als Fonn in ihm ist, gleich ewig ist mit sei-
nem Weseii; so ist anch jene nicht geworden, oder her.
vorgebracht vom mensdiiichen Bewusstsein : vielmehr ist
sie das Substantielle , (der Potenz nach) Ewige unseres
Geistes. — Und bis so weit reicht auch nur die Deutuag,
die wir den eben angeführten Worten geben dürfen.
Mit Nichten Jedoch ist dadurch der metaphysische
Satz erwiesen , dass jener absolute , göttlich menschliche
Erkenntnissakt in Gott die Form aller Formen, das
einzige Princip alles Objektivwerdens Gottes
sei. Jener Akt eines absduten Erkennens in uns . wad
wider das Recht der Deduktion ausgedehnt zum universa-
len Sclbsteikenntnissakte Gottes in allem Objekitvei». —
dieses Princlps. G87
lind dennoch wird, nach dieser Yoranssetzmig , mit meta-
l^ysischen Axiomen solcher Art die Darstellung überschüt^
tet. Das absolute Erkennen sagt Schell ing, welches
iiolhwendig das Absolute selbst und son*ach (!) r«^ noth*
wendige und mit dem Absoluten gleich «wige und erste (?)
Form desselben ist , ist im Idealismus der Wissenschans-
lehre als absolutes Ich bezeichnet worden. (Man vergleiche
damit unsere DarsteUung derselben S. 500-^03. 516.) D as ist
der Begriff., mit dem , wie mit einem Zauberschlage , die
Wdt sich öffnet, das Objektivwerden des unend-
lichen Denkens ist die Welt: die Dinge an sich sind
die Ideen im ewigen Erkenntnissakte Gottes.
Ifas Denken (was so eben Selbsterkennen hiess) ist das
Unendliche in ihm, aber es giebt sich selbst seine Gränze;
diese ist die Form: so wird es das Sein, das Endliche,
Objektive. Die ewige Einheit beider, das schlechthin als
endlich , real und objektiv sich setzende unendliche Deor^
ken ist aber das Absolute.
Wie daher das Absohrte fiar sich und an sich abso^
lute Einheit sein könne , in der schlechthin Nichts unter-
scheidbar und unterschieden ist, und wie es eben dcsswe«
gen, weil es an sich Eins, für den Reflex Alles ist ,. in
ein Universum oder eine Totalität übergehe ; diess kann
Keinem verborgen bleiben, der das absolute Erken-
nen und in diesem die reale Einheit zugleich
und ideale Entgegensetzung des Realen und
Idealen (eben mittels jenes unendlichen Erkenntniss-
aktes) begriflfen hat. Hier liegt das sograannte Geheimniss
der Einheit in der Ifannig&lligkeit und der Mannigfaltig-
keit in der Einheit.
Darin ist zugleich nicht nur die Einheit des Einzelnen
oder Endlichen mit dem Absoluten, sondern auch seine Wo«
sensgleichheit mit ihm und wahre Abbildlichkeit enthalten;
denn auch das Einzelne ist nur dadurch, dass es in der
Vernunft, und so als organisches Glied des absoluten
Ganzen, nnd dadurch als Reflex der absoluten Einheit be-
griffen werden muss.
6SH Ideales und Reales Im Absolttteii ^
biese im absoluten Ericenntnissakte Gottes geB&tM
Ürdnplicität in Einheit beginnt schon Schelling mit ilen
Symbole der Dreieinigkeit im götUicIien Wesen ku veiglei^
chen. pas absolute Erkennen, die Form aller FdimeQ, ist
ewig bei Gott und Gott selbst : der dem Absolutes einge«
bome S 0 h n ^ nicht verscbiedea von seinem Wesen^ soih
dem Eins mit ihm: der ewige und allgemeine Mittler
mit dem Vater (Neue Zeitschrift IL 1. S.44«^w48.&5fll
62. 75— ?7. Br\inO) S. 219. 220.).
Diesä ist bis zur angegebenen £pocho der Charakt«'
wissenschaniicher Darstellung bei S c h e 1 1 i n g smr BcgnliH
düng seines Principes: an die Thatsache der intellektuellen
Anschauung, an die Fakticitöt eines absoluten Brkennens
in uns^ musste er anknüpfen ^ um bis zu jener melaphysi^
sehen Höhe eines weltschöpferischen Erkenntnissakles a
Gott emporzudringcn. Aber eine andere Form tritt ailmih-«
lig an die Stelle der bisherigen^ und besonders im Britno,
begünstigt durch die freieren Wendungen des Gespräciest
und von dem contemplativen , mehr darstellenden^ als be--
gründenden ) Geiste des Ganzen fortgetragen ^ giewiaat
Schelling zuerst einen metaphysischen Anfang seines
Principes aus sich selbst«
Das Absolute ist unendliches Leben in sich , und ifr-
sofern allein schon Einheit (Ali*Ck>pula , Band , wie es
in andern Werken heisst) des Idealen und Realen t unend'«
4iche und lautere Selbstbejahnng seiner in allem Da^
seim Bejahung des Seins ist Erkenn tniss des Seins^
und umgekehrL Das Ewige also, da es wesentlich ein
Selbstbejahen ist, ist in dem Sein auch ein Selbstei^
kennen, und umgekehrt (lieber das Verhält^
niss der Naturphilosophie zur Fichteschen
Lehre 8. SO»).
Und so kann die Einbildung des Unendlichen (Ideellen)
in's Endliche und Reale, welche sich in jedem Wirklichen
vollzieht, überhaupt nur ein intellektueller Akt des Selbst-*
erkennens sein; näher dann, wie im Bruno gezeigt wer«-
den soll , sich wie Denken und An$cl)auei|, Yer«>
sich verhaltend, wie Denken und Anschauen. 689
wandlongf eines (ideal) Gedachten in ein (real^
eoncret) Angeschautes sich verhallen: sie ist die
V e r w i r k 1 i ö h ü n g des ürbildlichtöii (im Denken) duröh
<ien realisirehden Anschauüngsakt^ um hierin das Abbild-
liehe dem Ürbilde völlig gleich zu setzen;
So wird im Bruno auf das Bestimmteste^ und in die-^
Isem Zusammenhange keinesweges in bloss mythischer Fär-
bung, eine vorbildliche Ideenwelt des Universum^ iii fiolt
gelehrt >, in weicher alles Vor und Nach und Aussereihan-
Aer^ allä Zeitunterschiede und Raumdimensionen Schlecht-
hin aufgehoben und in Eins gesetzt Sind« Sie Wird dort
dem Chaos verglichen^ in welchem gleichfalls nach deii al-
tem Vorsteliungen alle Dinge in einander und imgetreiint
liegen ; di^ss Chaos ist aber zugleich im abisolüten Den-
ken ^ dürchdrungeh und g^eordnet von ihm: so ist es dot
Grund und das Urbild aller Schönheit und Harmonie in der
Weli , welche hur iil ischwachem und verzogenem Abbildd
den Glan:^ jetier Denkbildei" der absoluten Vernunft, in dor
das Uiletidiiche zugleich gesondert und in ewiger Beziehung:
Huf einander liegt, wiederzugeben verinag;
yfi6 aber ist jener schöpfeiische Anschaüühgsakt zu
denken ? Er ist die Einbildung der Ideeii in die Bestimmt-
heil von Raum uild Zeit; nur dadurch werden sie reäle^
dass sie eingeschaut werden in jene beiden Fonnen^ did
Grundbilder jener ursprünglichen Unendlichkeit; Üiid {Wie-^
wohl dadurch kein wahrer Gegensatzzwischeri dem Idea-
Ijen und Realen hervorgerufen wird, indeni Denken j wie
Anschauen intellektueller Natur sind; so ist doch im In-
tellektudlen selbst dadurch ein Unterschied . gesetzt ^ der
dem Gegensätze entspricht^ welchen das gewöhnliche Er-
kennen »wischen dem Idealen und Itealcn annimmt Did
einzelnen^ endlicheil Dinge existiren hur durch den Selbstr^
nnschauungsidit d^ Absoluten in ihnen: die ihiien cinge^
bildete Idee ist ihre Sejele^ die räumlich-zeitliche Bezieh
hang, in die jene durch das Anschauen eintritt.^ ist ihr
Leib; aber auch hier ist dem Wesen nach kein Gegen-
satz zwischen beiden«
44
600 Kritik
^So sind die einzelnen Dinge, diö vielfiilliiTPti GeslaU
len der lebenden Wesen , oder was sonst nnr untrrscliie-
den werden kann, nicht als wirklich getrennte im Univer-
sum enthalten ; dennoch sondern sie sich von demselben
nur für sich selbst in dem Haasse ab , als die in-
nere Einheit sich in ihnen aufschliesst , d. h. je relativ
vollkommener sie die ewige Einheit abbildlich in sich dar-
stellen. Der Stein z. B. ist in der absoluten Gleichheil
mit allen Dingen; auch für ihn sondert sich Nichts ab:
Dägegen dem Thiere, dessen Leben in ihm selbst ist, öfT-
net sich mehr oder weniger , je mehr oder weniger indi-
viduell sein Leben ist, das All; und endlich der Mensch,
durch die Art, wie er völlig ebenbildlich im Absoluten ist,
ist fähig gemacht, sich selbst die Einheit zu sein. Nimm
aber jene relative Gleichheit hinweg , und Du siehst
Alles wieder zusammengehen inEins.^ (Bruno
S. 85. 86. 131 u. ff. Vgl. über das Verhältniss des
Idealen und Realen S. XLV.) Der zuletzt erwähnte
Begriff, wie im Menschen, dem leb, der äusserstc Punkt
jener vor sich selbst erscheinenden relativen Seibststanc^-
keit, der Grund des Abfalls eines Endlichen vom Absolu-
ten, gesetzt sei, wird in der spätem Schrift :Philosophic
und Religion weiter ausgeführt.
Diess Schellings Standpunkt im Bruno, dessen
metaphysischen Inhalt wir im Vorigen summarisch
angegeben zu haben glauben. Der Parallelismus dessdben
mit der spätem Wissenschaftslehre leuchtet übrigens ein
unter der schon oben in Bezug auf sie angegebenen Beschrän-
kung (vgl. S.558 ff. 578-81.)- Aber auch in dieser Gestalt sind
es immer nur metaphysische Axiome , welche noch sehr
fern beiben von wissenschaftlicher Entwicklung, viel weiter
noch von eigentlicher Begründung im grossem Zustmm^i-
hange eines frei auf sich selbst ruhenden Systems. Der
leitende Begriff ist der der Copula» des Bandes, 'wodurch
das ewig Eine sich selbst . den Gegensatz eines Unendli-
chen giebt, ohne doch außsuhdren , im Gegensatze -selbst
das mit sich Eine zu bleiben. Dieser abstrakte und höeb»t
. dieses BogriiTcs. 691
allgemeine Begfriff der »Selbstbejahung« im Andern
der Verdoppelung in sich selbst, um sich als Einheit
gerade zu verwirklichen^ lässt sich am Unmittelbarsten nur
vergleichen und empirisch uns näher rücken durch
den intellektuellen Akt der Selbstanschauung, und ebenso ist
zuzugeben, dass eine soldie Einheit nur im Ich, im Selbst-
bewusstsein, zur vollen, ausdrücklichen Verwirklichung ge-
lange. Dennoch, wie viele Zwischenbestimmungen fehlen
noch bis zu dem Punkte hin, wo für bewiesen gehalten
werden könnte^ dass um jener Analogieen willen das AIh
solute, als unenjdliche C o p u 1 a, unendliches Anschauen sei-
ner selbst , und der Akt der Weltschöpfung nur für eine
intellektuelle That desselben, nur in absoluter Vernunft ge-
gründet , zu halten sei ! Noch weniger kann der Unter-
schied und die Einheit von Denken undAnschauung,
welche hier hineingezogen werden aus nicht weniger nur
empirischen Voraussetzungen, jenen Begriff weiter ent-
wickeln; überhaupt ist es der gewaltsamste Sprung, das
Anschauen zum einzigen weltschöpferischen Principe zu
erheben : welche Lücken sind auszufüllen , welche dazwi-
schenfaljenden Fragen sind zu lösen ! Es bleibt , — nach
dem Bereiche dieser Prämissen beurtheilt, und abgese-
hen von den realen Konstruktionen und Anschauungen —
ein ganz ebenso abstrakter Idealismus , wie der der Wis-
senschaftslehre; und selber dessen wissenschafliiche Be^
gründmig kann nach dem Bisherigen nicht für erledigt
gehalten werden. Wir müssen desshalb auch darüber noch
immer den weitem Verlauf des Systemes im Auge behalten.
Ein solcher ergiebt sich in der nächsten Schrift aus
dieser Epoche: Philosophie und Religion (lQ04t.')^
in welcher er , nach ihrer ursprünglichen Bestimmung als
einer Fortsetzung des Bruno, nachdem er der Darstel-
lung dßr reellen Potenzenreihe mehrere Schriften gewid-
met hatte, zum ersten Male in die Darstellung der ideellen
Sphäre übertritt. Aber auch diese Schrift ist Fragment ge-
blieben, — Fragment in dem doppelten Sinne., dass sie
^eineiiweges die ganze Welt des Ideellen umfasst, und dass
(392 Schcllings Philosophie und Rdigfion.
sie auch, an sich selbst rhapsodisch und aphoristisch, mehr
einzelne Bruchstficke aus der Idealphilosophie zur Aiideu-»
tung bringt, als in einem gediegenen Zusammenhange dem
Leser vorführt. Ihr Verßisser erklärt und entschuldigt es
halb in der Vorrede (S. IIL) mit der äussern Veranlassung
zur Herausgabe dieser Schrift , welche nur vergönnt habe,
die Theile derselben, aus der höheren organischen
Form gerissen, welche sie ursprünglich besessen hätten,
vereinzelt dem Publikum vorzulegen, — Wir erkennen
daraus die Verpflichtung der Kritik > jene höhere Einheif,
wo möglich, wiederherzustellen, nicht nur in Bezug auf die
einzelnen Theile der Abhandlung selbst, sondern auch in
Rücksicht auf ihren weitem Zusammenhang mit den vor-
hergehendem und nachfolgenden Werken Seh eil ings«
Wir sehen daher von den polemischen Beziehungen
der Schrift zu der damals schon hervortretenden CHaubeas«-
theorie von Eschenmayer ab, um sogleich auf ihren
5pekulativen Inhalt einzugehen.
Es ist auch hier wieder die Idee des Absoluten
und der Beweis , dass die Erkenntniss derselben nur eine
unmittelbare, anschauende sein könne, wovon
ausgegangen wird. Nur das Zusammengesetzte ist durch
„Beschreibung^ erkennbar, das Einfache aber will
angeschaut sein; so vergleicht er jene Erkenntniss dem
Lichte in der Natur , i n welchem nur ein Sehen der eis^
zelnen erleuchteten Dinge möglich ist Völlig ebenso kommt
jene absolute Erkenntnissart nicht erst zu der Seele durch
Unterricht, Anleitung u. dgl. hinzu, sondern sie ist ihre v^ahre
Substanz und das Ewige von ihr: in ihr wird alles Uebrige
erkannt, und die Absicht der Philosophie in Bezug auf den
Menschen ist vielmehr .die, ihn von dem Zufälligen, das d^
Leib, die Brscheinungswelt, das Sinnenleben zu ihm hinzu^
gebracht hat, zu dem Ursprunglichen zuruckzufSbren. Dess^
halb können alle Anleitungen zu dieser Erkenntniss nur
negativ sein, indem sie die Nichtigkeit aller endlichen Ge.
gensätze «eigen, und so die Seele indirekt zur Anschauung
des Unendlichen fähren. Zu dieser gelangt, lasst sie yon
Standpunkt dieser Scbrifl. 693
telbst nachher jene Behelfe des negaÜTen Beschreiben»
fallen , um die Anschauung in ihrer Reinlieit und Gegen-
satzlosigkeit zu besitzen (S. 15-r-17.)-
Für die Reflexion jedoch jCd. h. iQr die Vermitt-
limg im Denken, welche jene Idee an das Gegebene knöpft)
lässt sie sich nur auf den dreifachen Ausdruck zurftckf3h-
ren, welchen Sohelling schon im Bruno (S. 166*) ab
die drei möglichen Formen des Schlusses nachgewiesen
hatte: die Formen des kategorischen, hypotheti^
sehen und d i s j u n k t i ve n Schlusses. Aber selbst diese
sind nur die Erscheinungsweisen desAbsoluten
in der Reflexion (im Denken), und hierin sind sie
alle sich völlig gleich.
Einer der tiefsten und fruchtbarsten Gedanken 8 ekel««
lings, in dessen Begrönduhg und volle AusfiUurung die
rechte Aufgabe einer spekulativen Brkenntnisslehre zu seU
zen istt Die Lehre vom Schlosse, als der ausgebildetsten
Vernunft«- (Denk-)Form des Brkennens, hat nur nachzuwei^
sen , wie in jeder Form des Schlusses, in besonderer 6e^
stalt , das Endliche im Absoluten begründet , das Bedingte
am Unbedingten befestigt wird. Alles Begründen ist be-r
wussüos oder mit ausdrücklichem Bewusstsein ein ^ meta^
physischer Akt, welchem die Beziehung auf das Unbedingte,
die Idee desselben, schlechthin zu Grunde liegt : wir kön-f
nen uns darüber auf die weitere Ausführung in unserer
Erkenntnisslehre beziehen, -r-r
Die erste Form des Setzens der Absolutheit ist die
kategorische: das Absolute ist weder das blossSub-r
jekttve , n 0 c h das bloss Objektive; Diesem tritt dabei*
sogleich die hypothetische zur Seite : Wenn ein Sub-
jekt und ein Objekt ist, so ist dfui Absolute das gleiche
Wesen beider , ebenso schlechthin das Sulyektive, wie das
Objektive. Damit ist zugleich schon die dritte Reflexions-r
funn, die disjunktive, gesetzt: Es ist nur Eines; aber
dieses Jüiuc kann auf völlig gleiche Weise jetzt ganz ^U
ideal, jet;^ gan^ al^ r^al betrachtet wftrdcfi.
Diese nicht vermittelte, sondern ganz unualtelbare,
694 UnmHIelbaifa^l
nicht äussere , sondern innere Identität des Idealen und
Realen hat allen Denjenigen verborgen bleiben mässen,
welche nicht erkannt haben, dass das absolut Ideale, ohne
mit dem Realen integrirt zu werden; an sich
selbst auch absolut real ist.
Der Voraussetzung einer bloss vermittelten Erkennt-
niss des Absoluten, gleichviel, wodurch diese Vermitllung
geschehe , kann das Absohite des Philosophen nur als Et-
was ers<5heinen, was angenommen wird , um philosophiren
zu können; da vielmehr das Gegentheil stattfindet: alles
Philosophiren beginnt un4 hat erst begonnen
mit der lebendig gewordenen Idee des Abso«
luten. — Aber nicht minder wird, wer die Evidenz er-
fahren hat, welche in der Idee des Absoluten und nnr in ihr
liegt , und welche zu beschreiben jede menschliche Spra-
che zu schwach ist , alle Versuche , sie durch Glauben,
Ahnung u. s. w. auf das Individuelle des Indivi-
duums zurückzufiihren und zu beschranken, als ganx un«
angemessen betrachten müssen (S. 9 — 14. 17. 18.)-
Der Zweck der erhabensten Wissenschaft, sagt Seh e>
ling in einem andern Werke (über das Verhdltniss
des Idealen und Realen in der Natur S. L. U.%
kann nur dieses sein: die Wirklichkeit im strengsten Sirnie,
die Cregenwart, das lebendige Da -sein eines Gottes im
Ganzen der Dinge und im Einzelnen darzuthun. Wie hat
man je nach Beweisen dieses Daseins fragen können?
Kann man denn über das Dasein des Daseins
fragen? Es ist eine Totalität der Dinge, so wie das
Ewige ist ; aber Gott ist als das Eine in dieser Totalität.
Die All-Copula ist in uns selbst, als die Ver-
nunft, und giebt Zeugniss unserm Geiste. Hier handelt es
sich nicht mehr von einer ausser-^ oder übernatürlichen
Sache , sondern von dem unmittelbar Nahen , dem allein
Wirklichen , zu dem wir selbst gehören , und in dem wir
sind. Hier wird keine Schranke übersprungen , keine
Granzc überflogen , weil es in der That eine solche nicbl
giebt. — '
dor Idee des Absoluten. 605
^^Ucs^ vfßs man gegen eine Philosophie, die vom
Gütlichen handelt, oder nuch wohl gegon ifiissverslandene
oder sich selbst missverstehende Versuche einer solciieni
vorlängst vorgebracht hat, ist gegen uns völlig eitel,
und wann vfhd endlich eingesehen werden, dass gegen
diese Wissenschaft — Transscendens und
Immanenz vöUigund gleich leereWorte sind,
da sie eben selbst diesen Gegensatz aufhebt,
und. in ihr Alles . zusammenfliessl zu Einer
Gütterfülllen Welt«? *)
Gegen die Kraft und Wahrheit dieser ErkiäruQge«
bleibt kejn Einwand übrig , und») wir schliessen uns voll--
ständig ihnep. an io dein eigentlichen Sinne und derbe«
stimmten Begrönzung, welche sie haben können. Die. Idee
des Unbedingten ist die ursprünglichste, durchaus a.prio-»
rische: denn mit der schlechthin ersten und unwiltet-
barsten Gewissbeit eines Seienden (Wurklichen) uberhaupl
i^t die Gewissheit eines Urwirklichen gegeben. Wer möchte,
isagen wir mit S c h e 1 1 i n g , in der Fülle] und GeVijssheit
des Daseins wohl nach Beweisen des Daseins fragen? Je<-
der Akt des Bcdingens und Begrundens, auch im Einzel'^
nen, setzt in sich die Grundbeziehung auf ein Unbe-
dingtes und AUbegröndendes schon voraus; ohne letzten
Grund wäre nirgends ein Grund; und so ist mitten in
diesem Dasein des Bedingten und zu Begründenden das
Ursprünglichste, wie Gewisseste, das Unbedingt-Allbegnui-
dende. Diess meint und bezeichnet Schellings „intellek-
tuelle Anschauung«.
Ob dieser von Fichte zur Bezeichnung der reinen
Selbstanschauung des Ich gewählte und also übertxagene
*) Damit ist die ebenso klare, als energische Darstellung zu ver-
gleiclien, die Schelling von dem Hauptprincipe seines
Systpmes gegeben hat in der Darlegung des wahren
Verhältnisses der Natorphilo sophi e cur rer-^
besserten Fichteichen Lehre 1800. S. I3-— !Bf. 33»
39. 47* 50-63.
@96 Veniii$chiiiig 4er UFsprtqgüehkeU dieser I4oc
Avsdfacl^ mit Gfiiok eiKl€^t aei, wird sich mdil|e¥
jien. Vom Inhalte desselben haben anch wir eikemil-
nis^eoretiseh und raetaphysLsch (iq einem sog^eidi piker
SU bestimmenden Sinne) die dtaldilische Aiisf^hrang gege?-
))en, nnd verweisen auf dieselbe , indem es hier mr gilt,
^en Punkt des Blnverstandnisses und ^er Abweichung auf
das gcharfste zu beeeiohnen. Denn woit Afiem ist es nö-
Ihig, den abgeführten S c h e 1 1 i n g sehen Darstellungen ge?
genüber, aitf die Granse ihrer Berechtigung hinzuwefaiai,
fufid ^e ^dtern ^fqrderpngen <ler Wissefischaft an sie
gelt^ncl XU macliem
|)oheIli(ig behauptet überall mit Recht, dass man
durch aPrklarungen und Besohreil^ungeiiS nicht
'^zu gelange könne , die uvspringlictie Bvidena; jener
Pnmdüberzeuguag nqck klarer zu machen. Er hätte bcr
stimpler sagen können, -rr da mit „Brkläreii und Beschrei-
Jf&k^ es in der Spekulation überhaupt nh^nds getba^i ist,
r- dass schon ein ursprAnglich Unangemessenes dann liege,
durch ein begründend es Erkennen dasjenige, was Tiel-r
mehr Grund von Allem ist, erweisen und befestigen za
wollen. Aber diess trifft zugleich den Hangel der eigenen
^rkenntnissthearetischen Voraussetzungen Schellings.
Es giebt nicht nur ein deducirendes Erweisen durch Be-
gründung, wo veh dem Gründe, als dem Höhere, Yor-
au^ZHsetzenden, zu seiner Bedingung herabgeschritten wird,
sondern auch ein regressives Zuröcideiten desj Bedingten
in seinen Grund , i/aid so dennoch auch eine vermittelnde
JpSrkenntniss des Letztem, welches sich daran eben als ins
Urspr4ungliche, Unbedingte, erweist
Wir müssen hier daher Sc he Hing dasselbe erwi-
dern, was wir Jacobi gegenüber geltend machten (vgf.
^en S. 287. 88. 293.) : er vermischt , wie dieser , ür-
sprüngliches mit Unmittelbarkeit desselben^ und die Idee
d^s; Absoluten so für ^t^as Uomitlelha^s haltend, was
^ie nicht ist, Iqhnt er jede VermiiUung iur diosellie
^, wie Jlacobi. Ihn trifft daher dieselbe Widcricgung,
yfie diesen , indem er seinen Vemunflglaubcn an Gott iur
mit Umnittelbarkett derselben, 697
■
etwas Unmittelbapes hielt, und ebenso jedoBegrbidiin|f dtvon
ablehnte, Gerade das Ursprüngliche im Erkennen muss, wie-f
sen wir nach, spekulativ vermittelt, zur Ausdröoklichkeil
seines Bewusstseins gebracht werden , und ebenso umge-»
kehrt : nup das wahrhaft UrspnInglicHe und Orundgairisse
kann durch solche Vemritthmg. erwiesen und zum rechten
6rande weiterer Vermitäungen gemacht werden. ^Beweise^
von der Idee des Absoluten im bezeichneten speku-p
lativett Sinne , weit entfernt , überflüssig oder uuzdtig zu
sein, sind eben Beweise ihrer Ursprünglichkeit, und
stellen sie erst als Idee hin: bei der Anschauungy
als dem Unmittelbaren, I^ann in keiner Weis^ mt ihr ^<
lieii geblieben werden*
biess ist das Brste. Abe? die zweite Frage ist: was
^ spekulative Brkennen an dieser Idee in ihrer Urt
sprünglickkeit wirklich besitzt, und was erstaua
einer, wenn auch nicht öbferaH zu ausdrücklichem fiewusst-i
sein gelangenden, Weiterbestimmung derselben hervorgeht?
Sie enthält an sich selbst nur die einfache 6e-t
wissheit eines übrigens durchaus unbe-«
atimmten Absoluten überhaupt. In allem Dasein,
sofern es werdend und wechselnd , muss ein schlechtbin
Beharrliches sein : soweit geht die Evidenz jenes 6c^
dankens ; was dazu kommt , ist schon ein Werk weiterer
Ausbildung desselben, denkender Reflexion darüber. S c h elt
ling sagt zwar, dass die Idee des Absoluten ihrer No*«-
tur nach nur Bin es bezeichnen könne (8. 8.)) aber er
miterlässt die Nachwi^sung, weil — er es nicht beweisen
kennte. Brst ein weiteres, nftber die abstrakte Ursprünglich-«
keit jener Idee hinausschpeitendes Denken, weiches sie be-^
zieht auf den allgemeinen Weltzusammenhang, und den aus
ihi\k resultirenden BegniF dßs E i n e n U n i v e r s u m s, kann
die Nolh>vendigkeit ergeben, einen wahrhaft letzten, einen-
den Urgnmd d^Sj^dbe^i an^unel^i^en, welcher desshalb als
schlechthin nu^ Ejner sic^ erweisen muss. Die Evidena^
der Einheit des Absohlten ist selbst eine vermittelte;
die Reflexion eines sollen ztnn Spekulativen gebildeten
698 VornioUe AUottimgr
Denkens maas sich aus der rohen FahUcilal vereinzetler
Stnnendinge schon zum Begrifie des Universums erhoben
haben ; und so ist es gerade und auf's Ansdrücklicbste bei
Schelling: im Einen Unhreraun Objekiivirt.sich ihm die
Idee des (diesem zuii>ige nnn einigen) Absoiulen. Aber
hiermit ist er weit über dea remen Apriorismns und die
VeiTMittftarspninglichkeit jener Idee hinausgeschritten. Diese
verboiigen gebUebenei. Entwicklung spekulativen Denkois,
die theils in historisch vorausgesetzten Veniunftsf steinen me-
tegelegt ist , theiis vom allgemein vorausges^zten Glao-
ben des christUcheil} Bewuastseinft) als ein von selbst sich
Vecstehcndes , .zum spekulativen Denken milhinzugduracht
wird, muss dennoch in seiner vollständigen Ausfiihrang zum
ansdrücklichen Bewusstsein jener Voraussetzungen und da-
mit über. sie hinansgelangen: die von Schell ing in ver-
meintlicher Uunittelbarkeit beiasseae Idee des Absolu-
ten, und des Einen Absoluten ^ muss vielmehr in der
nadigewiesenen doppelten BaZKhung vermittelt , — nicht
begründet , sondern als das Alibegföndendo jedes der Be-
gründung Bedürttigen au^ewiesen werden. *)
Aber ebenso sehr zeigen sich die Folgen der unge-
nügend abstrakten Fassung jener Idee, in Geslalt der Un-
mittelbarkeit, an den weltern Ableitungen , welche daraus
gemacht werden sotten. Es gilt iür Sc hell ing, aus
ihr ,,die Abkunft der endlichen Dinge und ihr
Verhältniss zum Absoluten herzuleiten^ (S.18.).
Hier zeigt sich nun jene Idee des Absoluten in ihrer
„Reinheit^ wie er sie festgehalten wjssen will (S. 21.)9
als viel zu leer, abstrakt, bestimnuingslos , um solche Uer-
leitung aus ihr, und ein Verhältniss in ihr zu sich
8 e 1 b s t, auf gründliche und begreifliche Art zu Stande zu
*) Alles diesa kano nur im metaphysischen Zusamroenhange be.
gründet werden durch eine yollsiandige dialektische AucHili-
rtmg jener Idee: wir verweisen daher den Leser aatdrilcklicb
nn dieselbe in der Abhandlong aar spekulatiTea
Theologie (Zeitschrift für Philosophie ttad
spekoi. Theologie«, M. V. U. 2. S, 155-163).
der cndlichfin Dinge ^ aus ihr. 6VH)
bringen. Die Axiome vom „einfachen Wesen des-
selben^^, das „an sich ikur i d e a I<« ist, dem aber gleich
^ewig^ ist die «ewige Form^ j welche darin besteht, «dass
dflu^ scUechthin Ideale , unmittelbar als solches, ohne
also ans seiner Idealitat herauszugehen, auch als einRean
Ib8 sei:<' (S. 22.) — woraus dann wieder auf die be-*
kannte Weise nach dem Resultate hingelenkt wird , dass
Ausdruck jeher ewigen Form das absolute Selbst««
erkennen sei (S. 24.)) — ivas können sie anders be*
weisen , ak das gänzliche , bis auf die Tautologieen und
Verlegenheiten des Ausdrucks herab sich veiliündende Un-
Yermögen ihres Urhebers, durch metaphysischesDen-
ken einen eigentlichen Begriffsfortschritt oder Realunter^
schied in der Idee des Absoluten nacharweisen. Es feMI
der innere Widerhalt in ihr, die Möglichkeit, wahrhaft
concreto Unterscheidungen in sie hineinzubringen, woil
der Röclcgang aus dem Endlichen in sie, aus der Welt
ooncreter Unterschiede undGegensätze, wel-
che in ihr sich whrklich vermittein sollen, übersprungen
ist, oder verleugnet wird. Dennoch nämlich bringt Seh el-«
ling diese Voraussetzungen zu seiner Darstellung still*«
schweigend hinzu, und versteht sie in seine vermeintlich
metaphysischen Nachweisungen überall mithinein , so dass
nun bei seinen weitem Erörterungen dieser Lehrsätze
(S. 24 — 27.) nur den doppelte Fall übrig bleibt : entweder
man leiht ihm dabei jene ruckwartsliegenden Voraussetzun-
gen , und legt ihren Sinn mit ihm hinein in jene Sätze,
welche eigentlich, wie*wir an der ersten Darstellung sei-
nes Systemes sdion zeigten (vgl. oben S. 607-^61509
ihre Begründung allein in den lieiden , noch vom Stand-
punkte der Differenz aus entworfenen Wissenschaften, dem
,yEnt würfe der Naturphil o so phie<< und dem „Sy-
steme des transscendentalen Idealismus^ fin-
den können ; so kann man in jene Erklärungen alU^rdings
einstimmen, ohne sie jedoch in diesem Werke bewiesen
KU finden: oder man weist, wie die Rechte der wissen-
scbafUidien Form es fordern, solche bewusstlos bleibende
760 Onmdmangel
Unterlage zurück ; so mas8 man die voriiegende DarakeUmg
YÖllig ungenügend finden. Sie gewährt nur das Schauspiel ei-
nes steten Ausgehens von Voraussetzungen und vergeUidiea
Siohberufens auf Sätze ^ die erst bewiesen werden
«ad dadurch, gerade bewiesen werden sollen , dass
sich auf sie beruft i es ist die ununterbrochene peHHopri
dpa des Beweises^ dass das Ideale zugldch real «ei, «ei
es auch umgekehrt gelte«
Hier ist es jedoch am Orte , hervorzukehren und nr
Anerkenntniss zu erheben, was Sehe Hing in der Ikai
gemeint hat mit dem, was er nur sagt -^ Hätte er
jene rfiokschreitende Vermittlung vom coucret Eodlieken
des Subjektiven und Objektiven, von Oeist und Nater,
kl das Absolute, als die ebenso concrete Identität
l>eider, wirklich vollzogen, wie wir diess hier, wie iberaU
in seiner allgemein metaphyäschen Beweisiuhrung, bei ihm
vermissen: — so war mit dieser Vermitllung der Idee des
Absoluten auch eine andere, selbst concrete, Idee de»«
selben gefunden. Hat sich die. Natur erwiesen, als die
objektive Vernunft, der in der Unmittelbarkeit sei«
ner selbst noch befangene Geist, der bewussle Geist aber,
als die zu sich selbst sich vermittelnde Natur; ist also die
Wesensgleichheit von Natürlichem und Geistigem im Be.
griffe des Idealen, der Vernunft selbst, gefunden;
wird dann ferner von dem also im Endlichen sich realisi^
renden Weltb egriffe aufgestiegen zum absoluten
Principe desselben: so kann diess nun nidit mehr ge-
dacht werden als eine abstrakte Identität des Sub-
jektiven und Objektiven, mit unmittelbarer
und ausschliessender Immanenz in diesem, son-
dern als das an sich selbst Ideale, als der absohite
Geist, zugleich darin aber als die absolute Macht, sich
zu realisiren, ohne damit die Natur des Geistes abzulegen,
ohne „herauszugehen aus seiner Idealität«
(S. 24. 26.)* ~r Untec diesen in's Benken heram^fe-
stellten Voraussetzungen scblicsst die Immanenz des Abso^
luten seine Transsc^idenz wiiklich in sich , und die ailge*
dtcsos Vcrsttcks« . 7Q1
Meine Möglichkeit ist nacbgcWie^n ^ wie jeiiär ganze Qe-^
gemsAtz^ nach Schellings früherem Aussprache, «völlig
bedeutungslos^ für das System werden könne ! er ist, we-»
aig'stens dem Principe nach , vermittelt.
Mögen nun auch jene Prämissen keinesWeges als atis^^
reichend befunden werden zur Lösung der ersten meta«*-
physischen Aufgabe^ mnss bekannt werden, dass in ihnen
Lücken und Unentschiedenheiten zurückbleiben *) t so enU
sprechen sie doch genau dem bisherigen Standpunkte
S c hellin gs, und erklären vollständig, wie wir ihn in der
hier betrachteten Schrift wiederfinden* Wir können daher
unter diesen Vorbehalten , welche unsere Kritik schön in
sich schliessen , sogleich auszeichnen , welche weitere
Entwicklung seiii Prtncip erhalten hat. Das Resultat des
darin Gewonnenen ist nämlich , dass der Standpunkt der
blossen Identität des Endlichen und Unendlichen immer
mehr verlassen wird, und schon mit Bevnisstsein und Au&^
drficklidikeit der Begriff der Immanenz Gottes in der
Welt in die Idee einer Transscendenz desselben über«*
zugreifen beginnt
Wir haben nämlich hier nach Schell in g Folgendes
zn unterscheiden: Pas schlechthin Ideale, das eTwig fiber
aller Realität schwebt und nie aus seinef
Ewigkeit kemustritt -* Gott; -*• was Isidion an
das „reine Sid)jekt^ der spätesten Aaflhssung erinnert,
^vrdcbes nach allen Versuchen objektiv zu werden, als
das gegen sie Freie und Siegreiche, stehen bleibt^ : ^ so-^
dann das schlechthin Reale (das Objektivwerden jenes),
welches nicht ein wahres Reales von demselben
sein kann, ohne ein anderes Absolutes, nur rea-^
1er Weise, zu sdn; und das Vermittelnde beider»
.*) Aoch hier matitn wir lur Ergänzung und Erläutenmg auf did
Vollständige Ausfuhrung derselben verweisen, welche auf den
hier erwähnten Seh etling sehen Standpunkt ausdrücklicb
Rücksicht nimmt (zur speku L Theologie a. a* O. Bd. V.
H. I. S. 94-96. 111—113).
/02 • Dennoch Vorbcreiliing «larin
die Absoliithoit oder die Form. Inwiefern nun, kraft
derselben, das Ideale im Realen, ate seinem sdbsteiandigeii
Gcgenbilde, objektiv wird, „kann diese Form als ein
Selbsterkennen beschrieben werden«^, das aber
nicht ein nor Accidenteltes am Absoluten, sondarn sdbsl
seine substantielle Natnr ist.
Diess selbststandige Siohselbsterkennen des schlecht-
hin Idealen ist nun die ewige Umwandlung der reinen
Identität in Realität^ das Absolute wird daher darin nicht
bloss in einem idealen BUde von sich objektiv, sondern
in einem Gegenbilde, das zugleich es'selbst, ein
wahrhaft anderes Absolutes ist. Sein schöpferisches
Produciren ist ein Uineinbilden , Einschauen seiner selbst
in das Reale, wodurch diess selbstständig, und
gleich dem ersten Absoluten in sieh selbst ist.
Diess ist die Eine Seiie an ihm. — -* Aber es ist diess
selbststandige objektive Gegenbild seiner selbst doch nur
dadurdi möglich^ sofern es zugleich orsprünglich Ideales,
die ewige Form des Selbsterkennens ist: diess ist seine
andere, ideale oder subjektive Seite. (S* 23 — 29.)
Hit andern und ausdrücklichem Worten, — die frei-
lich hier eben noch nicht bis zu dieser Ausdrücklichkeit
herausgeläutert, viel weniger zur BegrUTsvermiltiung gelangt
sind: — die Immanenz Gottes in der Weltob-
jektivität ist selbst nur möglich in Folge, sejner
ursprünglichen Superiorität über dieselbe,
seiner rein idealen Transscendenz. Jene hat io
diese sich aufgelöst und zugleich ihren Grand in ihr ge^
funden. (ass diess die einzig rechte Deutung derSchel-
1 i n g sehen Worte sei , scheint sciion daraus hervorzuge-
hen^ weil nur unter dieser Voraussetziog der Begriff eines
objektiven Gegenbildes Gottes, als eines zweiten Abso-
luten, zulässig und vjdkständlich wird; auch so nur ferner
ist Konsequenz und Zusammenhang in die folgenden Er-
klärungen hineinzulegen, wovon sogleich.
Demungeacbtetmuss andererseits zugegeben werden,
dass mit diesen Fortschritten, die Sehe Hing hier nicht
mt cino höhere Bntwickhmg 703
tindcullich Ober sein eigenes ursprungliches Prindp gewon-
nen hat, die wirklichen Präfnisscii f^cincr Deduktion, wiä
er hier sie giebt, völlig anzureichend werden. Er unter»
scheidet offenbar mit mehr oder minder Bewusstsein eine
doppcIteExistential weise des Absoluten: die ideale,
überobjektive , und die reale , wdtobjektive : die Vermitl-
lung beider ist die ewige Form, das absolute Selbsterken*-
nen jener in dieser. Ist es jedoch nur Ernst mit jener
Behauptung einer idealen Existenz desselben, ist sie In der
That „das erste Absolute,^ wie er sie nennt; so er*
giebt sich sofort die weitere Anforderung, ihr selber, ab
<iieser ersten, eine eigene Form der Existenz, ein von
jener ihrer Objektivität freies Insichselbstsein zu
vindiciren.
Und diess wird auch aus den nächsten Gründen, wel-
che der gegenwärtige Zusammenhang an die Hand gi^t,
sich nicht abweisen lassen : damit das Absolute sich o b-*
j e k t i V, im Universum , erkennen könne , bedarf es eines
ursprünglich idealen Selbsterkennens in ihm (oder
nach der im Bruno beliebten Unterscheidung : das zur
Welt sich realisirende Anschauen des Absoluten setzt
Denken, eine vorbildliche Idealwelt in ihm voraus).
' Whr jerhielten so in Sehe Dings eigenem Sinne einSclbst-
erkennen Gottes von idealer, wie realer Art, eine
doppelte Form seiner Existenz.
Aber hiermit ergiebt sich für ihn nur eine neue Ver-
legenheit; denn kaum wird es jetzt gelingen, in den Begriff
des Selbsterkennens, das seiner ganzen Natur nach nur ein
Ideales bezeichnen kann , eine so triftige Unterscheidung
hineinzuzwingen , dass es irgend begreiflich werde , wie
jene Intellektualweit durch den blossen Akt der Selbstan-
schauung aus Idealität in Realitüt übergehe, da ihre Ejör-
stenz in einem solchen Selbsterl^ennen überhaiy)t nur die
ideale sein zu können scheint. So miiss si<^ nach
Scheliings eigenen Voi^aussetzungen der Begriff dos
Selbsterkennens als völlig; ungenügend erweisen, umRealh-
grund des ^Gegenbildcs'' Gottes, des „zweiten AI»-
704 des ScheUingschen Principes«
Bolütcn^ zli werdeti. Die Welt serschmilzt in die ideale
Ihn^Iichkeit der göttlichen Selbstanschannng, jene relative
Selbstständigkeit odet Absolutheil der Ideen (von welcbea
sogleich mehr) wird nicht erreicht ^ nnd an die Stelle des
die Transscendenz des Absoluten auf den vorigen Stand-
punkten absorbireiiden Weltbegriffes ist jetzt A kos m Is-
mus getreten , was iih letzten Effekte und Resultate wak
Jenem auf Eins hinauskommt!
Doch sind diess Bedenken ^ mit denen wir nicht nnr
über S c h e 1 1 i n g s Standpunkt, wie er im angefahrten Weike
niedergelegt ist, sondern über den Bereich der gegenwips
tigen, in Hegel kulminirenden Spekulation hinansb^teiD.
Im Gegentheil ist zu sagen 4 dass in Schell ing allein
und ausdrücklich das Bewusstsein dieser Probleme $ und
der Dtaiig ihrer fiefsten Und durchgreifendsten Lösong^
angetroffen wird ; desshalb hat es auch mit jenem Begriffe
« weltschöpferischen Selbsterkennens bei Schell ing sein
Bewenden nicht gehabt Oilfenbai' hat das Gefiihl dieser
Schwierigkeit ihn hier zu dem j, Abfalle <^ der Ideen von
Gott, um wenigstens den Söheid eines Andersseins
zu erklären ^ hingedrangti Späterhin tritt der Wille als
universales Prineip an die Stelle decäselben : in welchem Sinne
und unter welchen begrifflichen Konjunkturen » wird, sich
im weitern Verlaufe zeigen« -^
Mit jener Lehre vom Abfklle und der daran hangen-«
den Frage von der ,,Abknnft der endlichen Dinge aus dem
Absohiten^ und von ihri^ Bezäehung zn ihm verbalt es
sich nach dem Bisherigen nun folgender Gestalt :
Das Absolute wurde im« RealcA nicht wahrhaft objek»
iiv, theilte es ihm nicht die Macht mit « gleich ihm seine
Idealität in Realitäl zU verwandeln^ uod sie in beson^
dern Formen ztl objektivireft« Dieses zweite Produ->
ciren ist das der Ideen ^ odejT dieses und jenes Prodo-
ciren durch die absolute Foi'm. ist vielmehr Eins. Auch die
Ideen sind, relativ üuf ihre Ur^inbeit in Gott^ in sich
selbst; aber sie vermögen es nur dadinrch zu sein^ dass
sie selber zugleich ideal, in der Uccmbeit sind«
Das Nähere jener Ableitung. 705
ITiemit ist behauptet^ dass die Ideen, die wahrhaft
realen Dinge -^ nicht die sinnlichen^ die Scheinbilder der
Ideeti) -^ durch das erste Produciren derselben aus Gott^
mar nach ihrär Möglichkeit -^ sich zu Objektiviren -r^
niciit nach ihrer Wirklichkeit gesetst sind: ihre Ver^
virirklichiing ist wesentlich ihre Selbstthat^ in welcher sie
jedoch Wahrhaft Eins mit ilfrem Absoluten, und Gegenbilder
desselben Joder der Ureinheit sind. Diese relative
Absolutheit und das Selbstverwirklichen der
Weltwesen ihr ftufolge^ ist eine der wichtigsten
Bestimmungen für Sohellings Und die ganze folgende
Philosophie: .mag auch der metaphysische Dedüktionsgrund^
welcher hier gegeben wird , dass das objektiviretide Ab-»
solute seiner Objektivität die Gegenbildlichkeit^ die gleiche
Natur desfo^esetztenProducirens verleihen müsse, so alt^
gemein ausgedruckt» fiir ungenügisnd gehalten werden» . Eä
fehlen abermals hier Zwischenbestimmungen» um jenem Be^
griffe der Bbenbildlichkeit die Ausdrücklichkeit und scbarib
BegrdnZüng zu geben , in welcher er Wahrheit und Be-»
greifliehkeit gewinnt» d; h. authdrt, doch nur ein halbsym*
boüscher^ Aiksdruck zu sehi» *^
Das Resultat dieser fortgesetzte Subjekt-Objektivimng^
wekhe nach dem Einen ersten Gesetze der Form desAb^
0oliilen ins Unendliche geht) istt dass die ganze ab-
soiote Welt mit allen Ab^fiingen der Wesen sich auf die
absolole Einh^t Gottes redücirt^ dass demnach in jener
nichts wahrhaft Besonderes, und bis hierher
Nichts ist ^ das nicht absolut ^ ideal ^ ganz Seele und nor*
iura nat%ran$ wäre»
Hier schallet sich nun der von Neuem unterbrochenen
Deduktion eine lebhafte Polemik gegen, jede ältere und
neuere Philosophie ein^ welche versucht habe^ an der
vermeintlichen Realität der endlichen Dinge haftend , eine
Ableitung desjenigen, was wahrhaft nicht existirt, aus
dem Absoluten zu unternehmen. Die ächte Spejkulation habe
au den erscheinenden Dingen . nur dtrs negative Verhält-*
nisS) ihr Niditsein, daher aqph ihre unmittelbare
45
700 Das Nfihere
Verhältnisslosigkeit znm Absoluten m beweisen.
Hiermit wäre sonach die Lehre von der ^Abkunft der end-«
liehen Dinge« umgekehrt der Beweis, dass eine solclie
Abkanfl, wie ihre Existenz, keine Wahrheit hdhe. — Jbl
Einem Worte, vom Absoluten zum Wirklichen giebt «
keinen stetigen Uebergang; der Ursprung der Sin«
nenwelt istnur als ein f ollkommen«« Abbre*
eben von der Absolutheit, durch er nen Sprung
denkbar: -^ ^ ihr Grund kann nicht in einer Mitthei'
hing von Realität liegen , welche Mitlhcilung vom Absoiu-
ten ausgegangen wäre; er kann nur in einer £nt«
fernung, in einem Abfalle vomAbsalutea, lie-
gen« (S. 29—35*).
Diese zunächst ganz assertorisch und im Tone der
Versicherung eingeführte Lehre vom Abfeile der endlichett
Dinge bringt nun die Deduktion eigentlich voa der Stelle,
und über das farblose Produciren der Ideen aus Ideen in's
Unendliche hinaus (S. 34* 35.)- Es ist ^ kein Konslgriff,
aber eine auch von andern Philosophen häufig geübte na«
turiiche Selbsthälfe eines mit schwacher plastischer Kraft in
ihnen auftretenden spekulativen Princips, statt einer stetifM
Entwicklung desselben an der Handhabe der Polemik oder
Kritik sich zu weitem dialektischen Bestimmungen in thai
fortzuhelfeir. Wir sind jetzt bei einem — wir iMssen noch
nicht, ob wahren, oder nicht wahren Andern, dem Ab«
soluten gegenüber , — auf jeden Fall bei einer ^Staineo'
weit*' angelangt, die zwar ^nicht existirt^, denningeacklet
jedoch ^durch einen Abfall der Ideen vom Absoluten^ cn
zeugt ist. Das Räthsel dieses Widerspruchs^ zu dessen Be«
schwichtigung die Seh eil in gsche Darstellung sich durcb
die härtesten Begrifle hindurchwindet , kann erst nachher,
aber auch hier nur vermuthungsweise, gelost werden] und
es könnte fast ndthig scheinen , für solche DarsteUongs-»
art eine Art von Conjekturalkritik sich zu gestatten, wie
bei der Forschung über alte Philosopheme«
Die Selbstständig^keit , das Insichsdbstsein der Idee»«
weit, als des Gegenbildes des Absoluten, — diese eigent«
jener Ableitung. 707
liehe und wahre Realität desselben, — ist Frei-
heit, und von jener ersten Selbstständigkeit des- Gegen-
biides fliesst aus, was in der Erscheinungswelt, im endli-
chen äeiste, als Freiheit wieder auftritt, „welche n^ch die
letste Spür und gleichsam das letzte Siegel der in die
ahgefoliene Welt hineingeschauten Göttlichkeit ist.<< Das
Gegenbild wäre nicht wahrhaft absolut^ könnte es sich
nicht in seiner Selbstheit ergreifen > um als das ander ä
Absolute wahrhaft zu sein; Aber es kann diess
nicht sein^ ohne Sich von dem währen Absoluten zu
treniieil^ oder von ihm abzufallen; Es ist aber
üttr iti sich selbst und absolut^ sofern es nur im Ab-
sdluteri ist -^ (wodurch jene Trennung und jener Ab-
fäll sofort wieder zurückgehommiBn schienen !); ^^ Diess
sein Verhältiiiss . ist das der Noth wendigkeit; aber
ebeii in dieser äbsoioteri NothKVenriigkeit ist es absolut
fräi; Indäm es daher in seiher eigenen Qualität, als
freies^ vöti der NbihWen digkeit abgetrennt^
ist -^ (v^i*mag es denn aber eiil so Abgetr^nnties zu
sein"^ Wir haben ja ebeii das Gegentheil vemonlaeti;
und Wehii es diess vermag ^ Si^ ist die Möglichkeit geradä
das Nächziii^eisende) : -^ hört es auch auf, frei zu sehi^ und
VerWiökelt sibh mit der Nothwendigkeit^ wel-
che diid Negation jener absoluten ^ also rein, ehdlieh
ist; D^r Sache nach ist hierin- die wichtig^ und tiefe Be-
trachtung ausgesprochen ^ dass die (wahre) Freiheit jedes
Geschöpfs^ mit der i n ti e r ti Nothwendigkeit seines Wesens
Bins^ mir aus dieser flieSst^ dass eine davon losgerissene^
grundlose Freiheit (Wilikühr) sich beizulegen ^ Selbst-^
illüsiöil und Täuschung eines in der äusserlicheii
CausälverkettUng der Dinge befangehen (endlichen) Yer-
standäs ist. In jener Darställung wird jedoch die Wahr-
heit dieses Satzes scheinbar zum Selbstwiderspruche und
Missvcfrstände^ indem, was feilsche Meinung ^ Illusion , Täu-^
schong des Verstandes ist^ dem Ausdrücke nach zu einen!
Wirklichen, zu einem „Aufhören der Freiheit**^
zu einem ^Verwickeln derselben mit einer endlichen Noth-
70S Das Nähere
wendigkeit*^ gemacht wird , weiche doch in Wahrbeit gar
nicht existirt Und in diesen zwis/AenschUlemclen Begriff
von Wiridichkeit und NichtWirklichkeit, in den Begriff eines
Solchen, das nur in der Tauschung einer falschen
Imagination existirt, werden wir auch die Bedea-
tung jenes Abfalls , und der Entstehung endficher Dinge
durch denselben, einschwinden sehen.
Der Grund des Abfalls daher, und insofern auch j^ies
Producirens endlicher, nichtiger Dinge, liegt nicht im
Absoluten, sondern im Realen, Angeschauten selbst, und in
dessen Freiheit. Vom Absoluten aus, als dem Grunde der
Freiheit, ist also nur bis zur Höflichkeit desselben zu
gelangen: seine Wirklichkeit liegt lediglich im Abge-
fallenen selbst, welches eben daher ^^nur durch und
für sich das Nichts der sinnlichenDinge pro^
dncirt^. Indem nämlich das Producirende, vom Absola-
ten getrennt , selbst nicht mehr absolut ist , kann es nur
dasjenige produciren , dessen Realitfit. ausserhalb sei-
ner Idealität ist, welches demnach nur eine sinnliche,
bedingte Wirklichkeit hat.
Daher kann auch der Ursprung keines endliGhen Dings
unmittelbar aufs Unendliche zurückgeführt, sondern
nur durch die Reihe der Ursachen undWirkungen begrif-
fen werden, die selbst endlos ist , wodurch auch hier ge-
zeigt wird, dass der Grund der endlichen Dinge nur ab
ein Abbrechen von der Absolutheit gedacht werden kann.
Das Producirende derselben bleibt immer die Idee,
„welche, sofern sie bestimmt ist, Endliches
zu produciren, in ihm sich anzuschauen,
Seele ist^. — Dieser ist ein doppeltes Leben verliehen,
eines in sich selbst, wodurch sie aber der Endlichkeit ver-
pflichtet, und welches, inwiefern es vom andern sich
trennt, ein Scheinleben fst; das andere im Absoluten,
welches ihr wahres Leben ist Dieser Ewigkeit des Ab-
falls und seiner Folge, des sinnlichen Universums, ungeach-
tet, ist sowohl in Bezug' auf das Absolute, als auf die jene
Scheinwelt producirende Seele, jener, der Abfall, wie dieses,
Jener Ableitung. 709
das siftnliche Universum , ein bloss AccidenteUes , ' Ansser-
wesenlliches : in keinem von jenen beiden verändert er
Etwas , weil das Gefallene sich unmittelbar dadurch in das
Nichts einfahrt , und in Ansehung des Absoluten, wie des
Urbilds (der producirenden Seele) , es wahrhaft Nichts
und nur für sich selbst ist.
Die Seele , ihren Abfall erkennend , strebt gleichwohl
in diesem ein anderes Absolutes zu sein und Absolutes zu
prodociren* „Ihr Verhängnisse ist aber, was an sich ideal
war , real, demnach als Negation des Idealen , zu pro-
duciren. Sie ist also produktiv von besondern
und endlichen Dingen. Aber sie strebt , in jedes
dieser Scheinbilder die ganze Idee nach ihren beiden Ein-
heiten, und alle ihre Abstufungen hineinzulegen , und so
entstehen ihr die verschiedenen Potenzen der Dinge, in-
dem sie slurenweise , jetzt ganz im Realen , jetzt ganz im
Idealen die Idee ausdruckend , sich bis zur Ureinheit er-
hebt. Aber um ihrer Verwicklung in die Selbstheit willen,
ist ihr Produkt nur die natura naturata^ welche sich
für sie in den Schauplatz der Geburt der endli-
chen und sinnlichen Dinge ausbreitet.
Die in den Abfall hineingezogenen beiden Einheiten
der Idee, die, wodurch sie in sich, und die, wodurch sie
im Absoluten ist , die an sich selbst Eins sind (und sein
sollen), werden in dem Abfall zu einem Zwei, einer Dif-
ferenz, und die Einheit wird ihr daher nothwondig zu ei-
nem Drei.
Das Bild dieses Insichselbstseins ist die Zeit; denn
jedes Ding ist zeitlich , welches die voUkommene Möglich-
keit seines Seins nicht in sich selbst,] sondern in einem An-
deruhat, und dieZeit ist daher das Princip und
die notbwendige Perm aller Nichtwesen. —
Das Bild der andern Einheit , der Zurücknahme des DifTe-
renten in die Ureinheit, ist der Raum; in ihm ist dieselbe
zur umfassenden , die Diflerenzen in die Identität zurück-
nehmenden Totalität ausgebreitet.
Das Producireade (die Seele) sucht inde5s das Pro*
710 D^ Nai^erQ
•
(iacir(e so viel möglich der Idee gleich zu inacheiu Wie
das wahre Universum alle Zeit als Möglic^keil in
sich, aber keine ausser sich hal, strebt j^nes, die Zeil
(lern Dritten (dem der Zeit, wie dem Räume eingebildeten
Produkte, Naphbilde der Idee) zu upterwerren, und sie in
^er andern (dieser gogenbildiichen) Einheit zu fessein.
Weil aber die Seele nicht zurückl^nn in dio absolute The^
sis, die absolute EinSj, (-::- und doch wird nachher ^Is die
Bestimmung und der immanente Zweck des Uniyessnms
^ez^eicl^net die Versöhnung des Abfalls und die Räckkehr
der Seelß in die wahre — bewusste — Emheit noit den
Absoluten; hier bleibt also zu fragen, warum, was die
Seele ^n dieser Stelle , bei ihrem Ausgange aus dem Ab-
soluten , nicht vermag , ihr durch jenen ableitenden Uan
^eg gelingen soJl fy rr so producirt sie niu: die Synihesis
^der die Drei ^ worin die beiden Einheiten, nicht, wie im
Absoluten ungetrübt, i^s ein und dasselbe Eins, das sich
^icht summirt, sondern als ein unfkberwindii-
9 h e s Zwei stehen. (Warum oder wie «unüberwindlicbes«?
P^ss( das Eingehen des Raums in die Zeit , und die Ansr
gleichung dieser stets zugleich in ihnen gesetzten Differ
renz, in der kosnuschen Bewegung de^ \V^eltkörper ^folge,
als den^ A.hdrucke der Idee im sinnUchen Uni-
yer sum, hatSchoUingim Bruno gezeigt: noch inniger
und durchdringender wird die Einheit im chemischen, be-
sonders im organischen Prozesse, hergestellt, welche letzlere,
als da$ Zeit und Raum, jedes für' sich, wie in ihrer wech-
selseitigen Beziehung, eigentlich tiberwindende ftincq»
zu bezeichnen wäre. — Doch ist diess ebenso für Schel-
ling gesprochen in einem andern Zusapimenhange , lüs
hier gegen denselben.)
Das Producirle ist daher ein Mittelwegen , we^
^hes an der Natur der Einheit jind der Zweiheit, ,des gu-
ten und bösen Princips^, gleicherweise Theil nimmt, worin
die beiden Einheiten sich trüben , und ein der ^videoz
undurclidringJiches Scheinbild der wahren Realität hervor-
bringen. 1:$ ist die Materie, durch welche, wie durch
jener AbleUnng. 711
einen getrflbten Spiegel, die Seele von nun an die wahren
>Vescn, die Ideen, zu erkennen vermag. Diess ist der Cha-«
rukter des endlichen Erkennens, welches daher zu den Ge-
|renständen an sich nur ein irrationales, durch keine Glci«
chung' aurzulösendes, Yerhaltniss hat. (S. 31—45.)
Das für sich selbst Sein des Gegenbildes drückt sich,
darch die Endlichkeit fortgeleitet, in der höchstenPo-
Ien2 als Ichheit aus. Die Seele schaut daher in alle
Dinge schon einen Abdruck dieses Princips ein, — des allge^
meinen Grundes des Abfalls im GegenbUde. Am unorgani-
schen Körper drückt es sich als Starrheit, in derEinbildung der
IdcnÜldt in Differenz oderBeseelung, als Magnetis-
mus aus. An den Weltkorpem, den unmittelbaren Seh ein-
bilde r n der Idee,, ist die Centrifugenz ihre Ichheit. Wo
die Ureinheit, das erste Gegenbild, in die abgebildete
Welt hineinfallt , erscheint sie als Vernunft (Ao-
yöQ , zugleich das Bild der Vernunft , der absoluten ?orm),
-— und als gefallene Vernunft — Verstand (i»©!/?)' —
Die Vernunft aber und die Ichheit in ihrer wahren Abso-
hithcit -^ sind Ein und dasselbe ; und ist diescj der Punkt
des höchsten Insichi^elbstseins und der Entfremdung des
Abgebildeten^ so ist sie zugleich der Punkt, wo in der ge-
fallenen Welt selbst wieder die urbildliche sich herstellt,
^ene überirdischen Mächte zunächst versöhnt werden und in
Wissenschaft, Kunst und sittlichem Thun der Menschen sich
herablassen in die. Zeillichkeit Die grosse A.b sieht
des Universums und seiner Geschichte ist
lieUe andere, als die vollendete Versöhnung
und Wiederauflösung in die Absolutheit^
(S. 41, 420,
Die grosse Absicht der gesummten Welterscheinung da-^
her, wie sie auch in der Geschieht^ der J^enschheit, obgleich
nur von ßiner gleite , sich ausdruckt , ist , dass die Ideen,
di« Geister, von ihrem Centrum abfallen, sich in der Na-
tur, der allgemeinen Sphäre des Abfalls , in
die Besonderheil einiuhren , mit der Endlichkeit und Leib-
liddieit sich impliciren mussten, damit siv nachher , als
712 Das KUiere
Peiondere, bi die Indififerenz surftckkehren , und, iki
versöhnt, in ihr sein könnten, ohne siez«
stören, (S; 64,)
Die Natur, „diess verworrene Scheinbild gefaOener
Geister^, ist daher nichts Anderes, als ein Durchgeboioi-
werden der Ideen durch alle Stufen der Endlichkeit , —
und diess der höchste Grund, wie die Bcslinunmig der
Potenaen , realer sowohl , wie idealer Reihe , -^ his die
ßelbstheit an ihnen, nach Ablcgnng' aller Differenz, cor
Identität mit dem Unradlichen sich läutert, und alle, sü
reale, zugleich in ihre höchste Idealität eiofebea.
Da die Seihstheit eigentlich das Producirende des Leibes ist,
so schaut die Seele in dem Maasise, als sie mit SelhsChefl
))ehaftet ist, sich in einen materiellem oder weniger Bia<-
terieUen Leih und Zustand hinein , so wie sie , wenn ^
im gegenwärtigen Leben Alles , was bloss auf den Leib
sich bezieht, von sich abgesondert hat, unmittelbar in iu
Geschlecht der Ideen zurückkehrt , und rein ffir sich , oh&e
eine andere Seite, in der Inteliektualwelt ewig lebt —
piess, die Palingenesie der 'raensdiliehen Seele und ibie
Befreiung von der . niedem Leiblichkeit und Rückkehr in
die Welt der Ideen, ist nach Seh ellin g ihre wahre,
isugleich aber persönliche, Unsterblichkeit (S. 68-^7^^)*
Besteht aber die Sinnenwelt nur in der Anschaur
ung der Geister; so ist jenes Zurückgehen der See-
len in ihren Ursprung und ihre Scheidung von Cos-
creten jnigleioh die Auflösung der Sinnenwell
selbst, die zuletzt in der Geisterwelt verschwindet, b
gleichem Verhältnisse, wie die Geisterwelt sich ihrem Cen«
tro annähert, schreitet auch jene zu ihrem Ziele) dem
aucd den Gestirnen sind ihre Verwandlungen bestimmt, und
ihre aümäblige AuflösuA^ uns der tiefem Stufe in ^^
höhere.
Hierdurch erscheint aber jene UnvenneidUchkeit to
Abfalls und das dadurdi über dai$ Universum gekonuDene
Geschick selbst in einem höheren Lichte. Die Seibstbei;
der Ideen war eine aus der wmittelbdreii Wirkong Go^
Jener Ableitung. 713
lierfliessende Folge ^der ewige Nöfhwendigfceit seiner Na«-
tmr«, der absoluten Form: die Selbstheit und AbsolutheH,
in die sie sich durch die Versöhnung ein-
führen, ist eine selbstgegebene, so dass sie, als
^vvahrhaft selbststflndige im Absoluten, unbeschadet
von dessen Absolutheit , sind. Dadurch wird der Abrall
das Mittel der vollendeten Offenbarung Got-
tes. Die Selbstheit und Endlichkeit, welcher er die Ideen
liingegeben, die in ihm ohne selbstiges Leben waren, ver**
leiht ihnen die Fähigkeit, als unabhängig existirende wie-
der i n der Absolutheit zu sein , weicheis durch die voll-
kommene Sittlichkeit geschieht.
Durch diese Ansicht vollendet sich erst der Begriff
Jener Indifferenz oder Neldlosigkeit des Absoluten gegen
Bein Oegenbild ; -««- es ist , nach S p i n o s a 's Ausdrucke,
die intellektuale Liebe, mit der Gottunend-
lich sich selber liebt im Gegenbflde, ihm die
Selbstheit gönnt > und in derselben —- es ist die „Endak-
sicht der Schöpfung« «^ es zur Gleichheit mit sich selbst
zurückführt. (S. 72. bis Ende. Vgl. über die Freiheit
S. 494. 95.) -^ „Das ist das Geheimniss der ewigen Liebe«
sagt S c h e 1 1 i n g an anderer Stelle ^), „dass, was für sich
absoltit sein möchte , dennoch es flir keinen Raub achtet,
es fib sich zu sein, und es nur in und mit dem An«^
dem ist«. Die Liebe verbindet solche , deren jedes luf
^c)i c^ein |£Qimtef und es doch ^i cht sein will«
^ r
la diesen Ideen, <r^ dereii Ursprung und Darstellungs^
weise offenbar platonisch ist, wäiirend bestimmter noch
P lotin OS jcum Voi4)ilde gedient hat bei der Lehre von
der Sede (der Psyche ) als dem| ndritten« Principe) , die,
ffm
^Aphorismen xur Elnleltiing in die Nftturphil o-
tophie S. 59«
71jt Kritik
abgewendet van ihrem Ursprünge , mit bewusstlos ptasli-
scbem Triebe die Ideen dem' Schainbilde der Ifaterie ein-
bildet, und so die Sinnenwelt erzeugt; --r- in diesen Ideen
müssen ;iwei Seiten scharf von einander geschieden wer-
den, der metaphysische Thei), und der, wo realphilosophisdi
von den Potenzen des yniver^uins gehandelt und sogar die
Qsoliatologie desselben vorausgedeutet wird. Dbss beide
lUlzunah zu einander ger&clKt sind , dass ganse Wiss^n*
achaflei) ausgebildeter Spel^ulatiqn sich dazwiscbendrängen
müssten, um jenes mit diesem organisph und in ebenmis-
aiger Ausbildung zu verbinden , kmn schon die summui-
fiche, aber wesentlich vollständige Berichtersliittang zeigen»
welche wir vqn der Abhandlung gegeben : überhaupt aber
vqn der wissenscharUichen Foro^ keii^ Wprt meiir! Wir
nüssen ohnehin ben\er](en , dass mit dieser Schrift eine
völlig neue Bildungsepoche in Sehe Hing beginnt, ^r
yerläsat die Konstruktion concreter Naturerscheinungen;
(j|er ganze Standpunkt der Naturphilosophie wird ihm seis-
her die Voraussetzung univer^talerer Kombinationen und
pouceutriFterer Weltansohauungen, und sq y(ii^d auch seioe
Darstellung inimer innerlicher, ahgewendeter von eigent-
licher Qegriffsentwicklung oder dem, was gemeinhin pU-
Iqsophische Fprm h^isst. So i^ seine merkwürdige Ab-
handlung uher die Freiheit geschrieben, das Bmcb-
ft^ok einefii völlig andern Stiles uud Inhalts von Speiui-
lat\Qnen.
Zu diesen kann mau sich nur doppelt verhalten: ent-
weder ihnen ganz fem bleiben , als einem formell ungenö-
genden, ungeläuterten Aufgahren von speculativen Ideen,
fius welchem sich vielleicht, falls der Begriff hineintritt,
^jniges herausscheiden jtiesis^ , während das Meiste vai
jeden Fall ^Is Schlacke zu Boden (Mit : — so hat sicb^
trotz des grossen afienbaren oder geheimen Einflusses
jener Abhandlung Scheliings, im Ganzen die phibso-
phische Bildung des Zeitalters dazu verhalten ; auf die g^
sammte spekulative Fortbildung haben jene Ansichten nocb
nicht eingewirkt Man hat sogar die ganze spätere Epoch<$
diGsei (des ddtten) SSimdpiuiktes, 715
Scliellingg fBr einen AbMI dosselbeii Von sich selber
auszugeben gewagt ! — Oder man findef, ohne Zweifel ge-
Techter und besonnener von der grossen Bedeutung der
ersten Weiice flchellings auf den tiefem Qeist der
iq>4tem schliessend, es überhaupt nötbig , auf ihren Inhalt
anzugehen i so ist dtess nicht ohne Schwierigkeit und
ohne die Gefahr, in der Deutung fehlzugreifen, Es wird
fast, wie schon angedeutet^ eine kombinirende Conjektvrnl«
luitik nötbig , die aber zum Mindesten ebenso anziehend
und belohnend ist, als wenn wir die grossen Bruchstöcke
alter ^>ekulation enträthseln.
Indem nach S c h e II i n g s eigenen Erklärungen *) die
«pfltere Abhandlung fiber die Fr ei he it. durch ihren
Inhalt an den in Philosophie und Religion ge*
maöhten Anfang, sich anschticsst, ^der freilich durch Schuld
der Darstellung undeutlich geblieben ist^; so f&hrt uns
diese am Nächsten in die spätere Schrift hmfiber. Durch
sie, als die mittlere, kann es uns vielleicht geitirgen , die
früheste Gestalt des Systcmes mit der spätem in eine st&r
tige Verbindung zu setzen. Wir nehmen daher den Faden
der Kritik da wieder auf, wo wir ihn faHen Hessen (s^ oben
8. 704.), um zur Berichterstattung iberzugehen.
' Princip aller Realität ist das ewige Selbsterkennen Gottes i
wir leih^ diesem Begriffe einstweilen die von S che i lin g
noch keinesweges gerechtfertigte Deutung ^ dass nachge*
wiesen frei, wie der intellektuelle Urakt Gottes, tn w^icheii^
er seine innere^ ideale Unendlichkeit anschaut, und welr
eher alier Weltbildung vorauszusetzen ist, unterschieden wer«-
den könne von depa sich zur Welt realisirenden Selbst-.
erkennen Gottes, dass überhaupt die Realität derselben
daraus erklärt sei (vgl. S. 703.). Aber in dem telzteni
selber scheint nach Schelling etwas Doppeltes unter-
schieden werden zu müssen. Der selbsterkennende Schö-
pfungsakt Gottes dherträgt seine ganze Wesenheit an das,
worin er objektiv wird.: dies3 ist die erste eigent^
f) Phtiotophisc^he Schriften Bd. I. Vorred« S. IX.
716 Kritik dieses Standpmktes.
lieh gföMkhe SchApftmg; die realisirte Ideenwelt:
die Ideen treten dadurch, aus ihrer bloss idealen Yore»-
etens im Geiste Gottes , in die Sonderang und Ausdrüek-
lichkeit heraus: es ist das Universum in der FäHe aller
seiner Potenzen und Abstulnngen , in welchem die ganze
Möglichkeit Gottes objektiv zu werden, real oder.ob*
Jektiv geworden ist. Es ist daher Gott in seinen Ge»
genbilde: ein wahrhaft anderes Absolute (PhiL
und Relig. S, 28. 30.>
Dennoch scheint damit noch nicht zugleich gesetzt zu
sein, was wir errahrungsmässig Raum und Zeit nennea
(vgl. a. a. 0, S. 45, 47.), -*- nämlich das sich ausscUies-
aende Aussersichsein der räumlich erlullten Theile, die ge-
genseitige Undurchdringiichkeit^und Starrheit der Materiatur,
und die ebenso das Reale in Dehnung auseinaaderhaU
tende, wahrhaft vernichtende Form der Zeit. Ueborhaq)t
Ist dieser Punkt ^ einer der dunkelsten der S c h e 1 1 i n ;-
sehen Lehre ; und jene Herabsetzung beider Wiridichkeits-
formen zu Bildern einer blossen Scheinwelt deutet auf dne
doppelte Auffassung derselben : des realen und des unrealen
Raumes, der wahren und der falschen Zeiilicfakeit;-r- wei*
ches Alles wir freilich den zukünftigen Fragen der
ßpekulatian beizuzählen haben. *
Aber die Ideen, das ^wahre Universum^, sind nur in^
sofern ein anderes Absolute, als sie wahrhaft selbst-
ständig, in sich und aus sich selbst iahen* Sie habea
ihr „Wesen«, das Urbestimmte jhrer Idealität, in Gott; es
ist die unzerreissbare Einheit, durch welche sie mit ihm
verbunden sind, der sieh in der That in ihnen objektiviit
hat Aber eben desshalb ist darin der neue Anfang
eines Slchselbstbestimmens derselben gegeben: ihre Wirk-
lichkeit ist nur aus ihnen selber,' darch diese
Selbstbestimmung: Freiheit ist der durchaus universale
Charakter aller Kreaturliohkeit. Himn findet jedoch Sc bel-
li n g femer die Möglichkeit eines Abfalls der Ideen, eines
SeinwoHens derselben ausser der Einheit , einer falschen,
erlogenen Selbstständigkeit: wie aber durch das Prododien
Das wesentlich Neue desselben. 717
abgefUleiten Ideen die Scheinwelt der endliehen Dinge
oraseugt werde, dabei gerade verdunkeit sich die Evidenz,
1M^<1 die Stetigkeit der Entwicklung wird lockerer.
Dennoch ist sogleich der Gedanke heraniSzuheben»
nr^chen wir für den neuen und entscheidenden zu halten
nicht umhin können: der Begriff einer relativen Ab«
s o 1 n t h e i t der Kreatur , der Satz , dass sie ihrer Mög-
liehkeit nach aus Gott sei, ihre Wirklichkeit aber aus
sich selbst, aus .einetoi neuen Anfange durch
Selbstbestimmung habe. Keine Verwirklichung der Kreatur
isi das blosse Produkt einer Schöpferwirksamkeit in siß
hinein , sondern das Zusammenwirken Gottes , in dem
Grunde, weichen er durch die Idee für die Kreatur gelegt
hat, und der sich bestimmenden, ein eigenes Leben in sich
(»tzändenden Kreatur selber.
Hiermit halten wir den ersten Schritt gethan zu
einer Ueberwindung des Pantheismus, und so aUch zu einer
Losong der Fragen über das Yerhaltniss von Freiheit und
Notfawendigkeit , Selbstständigkeit des Willens und Wirk-«
samkeit Gottes«^ auf eine nicht mehr nur abstrakte Weise*
Diese Probleme müssen aber, ebenso wie etwa die Frage
nach Persönlichkeit des Menschen und Unsterblichkeit , im
Ganzen ond Universellen des metaphysischen Princips ge-'
löst werden. Dieser Begriff ist die eigentliche Entdek-
kung Schellings auf seinem dritten Standpunkte und
der Anfang einer neuen, umgestaltenden Philosophie: erst
lüermit ist der BegriS der Immanenz oder der Identi-»
tat des Unendlichen nnd Endlichen (der Gentralbegriff des
zweiten Standpunktes) eigentlich durchbrochen, und eine
Philosophie eingeleitet, welche über den wissenschaftlichen
Kuhmnationspunkt seines nächsten Nachfolgers , Hegels,
hinausreicht RealphUespphiscb ist diess Princip von Stef-
fens, metaphysisch von den Systemen ergriffen worden,
welche dadurch gerade das Recht erhellen, sich nach-,
hegelsche zu nennen. Aber es ist diess jetzt kein
Gedanke mehr , welcher dem einzelnen Philosophen ange-
hörte, von dem ein ausschliessender Besitz noch mögtieh
f^
Üb Kritik
Mrei ^ ist dAs tidbte ficdfirßiiss ^r Zeil in Hileit
ZvTäigen ihi^r Bildung) imd ein dtess befriedigendes pUlo-
sophisches. System ist jetzt Hur tioch von jeneu AaAk
potlkte tndglich 4 lienne man sein Prinzip das der Person-
liebkeit oder das der Frethail^ nd in der lliat kami man
es auf diese aweifache Weise nennen t
Aber liierin üegt für Scheiling noch die elgent^
liebe ParadoxieV die tiefste Schwierigkeit seiner Lehre —
Vielleicht andi aller Spekulation ? £s ist eu ^ehen^ wie er
sie in Philosöphiä und Religion su lösea suchti
Die ^erste Schöpfung* ist dieser sufolge iii den ob^
jektiv kingeschauten^ dadurch zur Schiedlichkäl gekomme«
neu Ideen su sucbem Diese würden jedoch nicht wahr-
haft objektiv, theilte ihnen das Absolute nicht dasselbe
t)roduktiYe Vennogen , die Mächt mit ^ seine Idealität in
Reftlitflt umzuwandiilR ^und sie iii besondern Por med
im objektivilren« (8. 29;> Diess ist ^das zweite Prodo«
dren<^ der Ideen (die xweite Schöpfung). Sie sind wie
trtastisöhe Mächte anzusehen^ die »ch durch objektivirendes
Herausbilden ihrer Ideriitat in eiiiaelnd Geataiteii tkeileD,
and in Urbilder ihr«* selbst pröpi^iren. Uier hätten wir
daher schon^ wie es scheint, wenigstens im allgemeinsteii
Umrisse ^ ein Prihcq) aur Erklärung der ^endiichen*, *^eib»
Beinen^ Dinge gewonnen^ deiien gleichwohl f ü r s i c b tein^
wahrhafte Realität 4 ebenso wenig ein unmittelbares
Veiiiältniss »un Absoluten ^ ' ausuerkennen wäre; ^^ Bis
Beispiel solcher Dpla.s tischen* Ideen -^ übrigens eia
alter tmd tief spekulativer Gedanke -». hat uns S c h e P
ling selbst schon in Bruno dargelegt: es sind die Ge*
sHrne und Wellkdrper (8» 90 t 106 ffi)^ die ^erste fiin^
heit eines jeden* an sich selbst^ aus welcher erst die Main
nigfalttgkeit und Getrenntheit der einzelnen Dinge auf ihm
hervorgehti Sie sind $ gleich einem organischen
Leibe.) unendlicher Verwandlungen fähig in das System
der Naturdinge / welche wir auf ihnen erblicken^ und in
denen sie somit ihre Innerlichkeit ^ Potenz (Idealität)^ zur
äusscrliohen Unterscheidung gebracht > objektivirt haben^
dieses Stnndpunktes. 710
int Abbilde dei" 6bsoiuteh Kinbeit « ttnd Wie cliei^ ctie
unendliche Mannigraltigkeit aller Din^e (Ideen) ati9 sich
hervorgehfen Ifisst. Näher, ühd ^vahlrer vielleicht, wäre Äti
das plastisch Urbildliciie zh erinnern, dos deti Thier^ tihÄ
PSanzenspebies vorlsteht, und dirrch alle Vereinzelung ihrer
isnlstehenden und vergehenden Geschlectiler mit wahrha^
ter Unsterblicbkeit das Gepräge ihrer Individualitat festhält
ttnd jedem Exemplare bi^ in's Einzelne aufzuprägen Weis»,
Ja unter Widerstrebenden Bedingungen sogar mit siUnreit^
bewusstioser Weisheit das Angemessenste herauszubilden
verstehti Hiermit scheint uns für eine geWisseSphäre,
f&r das grosse Gebiet des organischen Lebens, das rechte
firidäruhgsprincip^ die Einheit der cohcreteh fdee mit
dem Wirklichen^ von Sehe Hing gefunden zu sein ^ in
welcher „die einzelnen Dinge* stets neu etzeUgt Werden,
ohne doch auf Realität tind Wahrheit Ahspilich tu habeil«
Nach Unten dagegen , in der Schwere , in* dem Allgehiei^
tien der kosmischen und tellurischen Kräfte , in den ein«»
ftachen Naturqualitäten, Welche im chemischen Processe das
eigentlich Unsterbliche sind, köntien wir jene plastisch het-*
ausbildende Idealität seelisch ei' Einheit Und Mannigfal^
tigkeit nicht Wiederfinden : und nach Oben hin ^ in der
Sphäre des Geistes, wäre zu erweisen, was Sehe)«
ling ebenso ununterschieden lässt, -»^ wiewohl es Vor^
aossetzung seiner Unsterblichkeitslehre (S. 72.) sein mfisstOi
•*^ wie in jedem geeist igen Individuum eine eigenthum-
liehe Idee sich verwirklieht, welche gleicher Weise ab die
höhere begeistende Potenz zu* dem bloss Seelisehen der
Organisation sich verhält « wie diese Zu den chemischen
Stofl^en, aus ihnen sich Verleiblichend und sie sich unter»*
Werfend.
Doch abgesehen von diesen speciellen Fragen, gelingt
es vielleicht jetzt besser^ die Idee des Abfalls nach Sehe ü-
I i n g s eigenen Voraussetzungen zu deuten , wiewohl es
fluch hier sich fragt^ wie weit es uns gelingt , das nickt
flberall klar Uerausgebildete mit sicherem Sinne zu treffeni
Jenes erste Produciren der Ideen aus dem Absoluten,
720 Kritik
welches er eine wahre traitsscendentale Theogonie neoüt^
enthält noch Nichts, was nichl absolut, ideale blosse natura
naiuraiM wäre (S. 30.) s wir sind hier überhaupt noch
nicht bis zum wahrhaft Besondem, Endlichen gelangt} b i s
hierher ist also auch kein Abfall zu denken« ErsI im
zweiten Produciren der Ideen aus sich selbst beginnt «r;
aber damit auch eine gewisse , schwer auszuscheidende
Zweideutigkeit dieses Begriffes 9 welche abermals lediglich
ihren Grund zu haben scheint in dem nahen Aneinander-*
ruckeii von Punkten der Untersuchung, die weit yon ein«
ander zu sondern wären»
Jenes aus Gott obj^ktivirte und dennoch ideale Uni-»
Tersum könnte nicht wahrhaft ein anderes Absolutes sein^
ebne sich dadurch vom wahren Absoluten zu trennen^
von ihm abzufallen. Im Absoluten liegt nur die
Möglichkeit dieses Abfalls^ die Wirklichkeit lediglich
im Abgefallenen selbst^ in der aus ihm selber stammenden
That oder Vollziehung (S» 37. 38.)*
Welches ist diese? Wir können nur finden: das zweite
Produciren selbst ^ durch welches die Ideen zufolge ihret
wahren Gottgieichheit und j,andern* Absolutheit eine
neue Schöpfung aus sich hervorgehen lassen. Der Abfall
ist daher die aus ihrer Gottgleichheit mitNothwendig^
keit (vgl* S« 39.) hervorgehende That: er ist daher so
nowig^ als die Absolut)ieit selbst und als die Ideenwelt;
er kann auch desshalb . nicht ^erklärt^ werden ^ ,,denn er
ist absolut und kommt aus Absolutheit^^ 0^. 39. 40.): -"
demungeachtet liegt in ihm , in der Verwirklichung jener
Absolutheit , der Grund des Endlichen und des Bösen : -^
isie ist das ^Princip des Sündenfall es^S ^n wel-
ches sich die Strafe knäpft , welche in der Ver«
Wickelung mit dem £n dlichen b esteht (S. 42.
40.). Die verwirklichte That des Ausser-GotU-Seins,, die
Kreatürlichkeit) ist auch, nicht der entfernten unmittelba-*
ren Möglichkeit, sondern der unmittelbaren Wirklichkeit
nach, die erste Sunde.
Hier erblicken wir nun sogleich den yerhängnissvoIIeD
dieses Slandpunktcs. 721
Irrihum eingeleitet, welcher nicht für Sc he Hing, wohl
aber für Viele seiner Nachfolger, zum Wendepunkte ihres
eigenen Falles geworden ist : das Ununterschiedenlassen bei
Schelling, — bei den Andern die gänzliche Vermi-
schung und Verwechselung — des Kreatürlichen und der
falschen Endlichkeit, als wenn das Endlichsein an sich
selbst schon die Sünde und das zu Strafende oder Gestrafte
— mit innerer Nichtigkeit Gestrafte — wäre; ebenso als
wenn in der Form des Ich (vgl. S. 41. 43.), in dem Sich-
ergreifen des Geistes als eines Selbst, an sich schon der
Sündenfall läge. Doch thut es nicht Noth, die weitreichen-
den Folgen dieses Gnmdirrthums neuerer Spekulation nä-
her darzustellen, noch ist es Zeit, eine alte Polemik gegen
denselben zu erneuern , welche der Verfasser schon seit
seiner ersten philosophischen Schrift (der Vorschule
zur Theologie) in allen Gestalten bekämpft hat: hier
ist es nur unser Geschäft, bis zur ersten Ouellc jener Ver-
wirrungen zurückzugehen. Da ist i)un nicht zu verkennen,
dass Schelling selbst, nfcht durch positive Lehrsätze,
aber durch Uebergchen dazwischen liegender Bestimmun-
gen, Veranlasser jenes Irrtbums hat werden können. Erst
durch seine spätem Erklärungen in der Abhandlung über
die Freiheit, dass der Begriff der hnmanenz des End«
liehen in Gott , und der Abhängigkeit von ilim , an sich
schon eine Selbstständigkeit desselben , ja Freiheit , nicht
nur nicht ausschliesse, im Gegentheil eiuscliliesse (S. 413.
414.) , dass ferner das Böse in seiner unmittelbaren Er-
scheinung, a 1 s „Abgefallenes" , nur am Ziele der Natur,
im endlichen Bewusstsein, hervorbrechen könne, und auch
hier nicht als unmittelbare Folge der Selbstheit ^ sondern
einer innem Verkehrung derselben (S. 4ö6.) : — erst durch
diese Erklärungen ist Schelling jener Deutung aus-
drücklich cnlgeo^engetrcten. Ebenso ist an eine andere
Stolle zu erinnern, wo er erklärt, der letzte und vollgültige
Aulschliiss über den Ursprurifi^ der endlichen Dinge, und
ihrer Scheinexislonz ausser dem Absoluten , könne nur in
der praktischen Philosophie gegeben werden: ein^
46
t
722 Die Lehre vom Abfalle
Ausspruch, der kaum einen Zweifel fibrig zu lassen scheint
über die Bedeutung jenes nur imaginativen, d. h» in
falscher Vorstellung, in theoretisch- m ora-
lischer Yerkehrung deis Menschengeistes,
beruhenden Abfalls oder Getrenntseins des Endlichen yoid
Absoluten.
Und so versuchen wir die Doktrin vom AbfaUc , wie
sie inPhilosophie und Religion vorgetragen wird,
folgender Gestalt zu deuten , freilich nicht ohne den aus-
drücklichen Widerspruch einzelner (schon angeführter)
Aussagen und Wendungen zuzugeben , dennoch vielleicht
in dem einzigen Sinne , welchen der Zusammenhang mit
dem übrigen Systeme zulässt. Dazu kommt , dass nur so
die Lehre von der ^celc« , als dem Producirenden von
Raum und Zeit, und vom Scheinbilde der Materie, in wel-
chem zugleich „der Ursprung aller Privation , aller Be-
schrankung und des daraus hervorgehenden Uebels^ liegt
(S. 44. 47. 48. 50.)) eine verständliche Lösung erhält:
Nicht das „zweite Produciren« der Ideen , welche das
sinnliche Universum als die unmittelbare Verwirklichung ihrer
selbst erzeugen, enthält an sich schon den Abfall vom Ali-
soluten im eigentlichen Sinne : jene sinnlich unmittelbaren
Einzelnheiten, die vervieltaltigten Exemplare der Ideen, sind
darum doch nicht einzelne Dinge, Selbstständigkeiten ge-
worden : sie sind zusammengefasst und gehalten von der
ihnen immanenten Einheit ihrer Idee ; und wie diese ihr^
Immanenz in Gott, gerade in Folge ihrer Ebenbildlichkeit
mit ihm, nie entweicht, sondern befasst ist in ihm, als der
absoluten Einheit: sq sind auch jene, mittels der re^
lativen Einheit ihrer Idee , an der sie wie Zweige und
Blüthen 'an ihrem Stamme hangen , von der Ureinheit ge-
tragen , auf sie bezogen , und in ihr Uindnrchwirken auf-
genommen.
Von dieser Einheit mit Gott , welche sie in der That
daher nie verlassen, werden die einzelnen Individuationen
der Ideen nur in einem falschen , der Totalität vergessen-
den Erkennen gesondert; es ist keine Losreissung der
der endlichen Dinge. 723
That — sondem nur eine Abtrennung dem Denken nach :
die SS producirt durch falsche Imagination die ^endlichen
Dinge^ , als von der inneren Einheit und Totalitat des Ab«
sohlten abge*sonderte Existenzen; diess erzeugt
den Abfall von Gott : der Mensch, sein falsches Vorstellen«
ist alleiniger Urheber desselben; aber auch nur ihm gilt
diese Scheinwelt, ^« nur für sein von der Einheit abgewen-
detes Bewusstsein existiren sie (vgL S. 720; und jenes leere
Abstraktum einer Materie , das sinnliche Universale einer
oberflächlichen Reflexion , ist a n s i c h , d. h. fär jene
absolute Einheit und das in der Wahrheit ruhende JErken-«
neu, die philosophische Anschauung, nicht vorhanden.
Von dieser befreit daher die spekulative Anschauungs^
weise der Dinge, indem sie jene Gegensätze der Reflexion,
von Endlichem und Unendlichem, Sinnenwelt und abstrakter
Uebersinnlichkeit, von Anschauung und Denken verwirft : wir
fassen vielmehr die Dinge so, wie sie sind, in der Totalitat des
Universums und der in ihm sich verwirklichenden Ideen;
ihre erlogene Eigenheit und Absonderung verschwindet^
und wir sehen in ihnen das Absolute nicht nur hindurch^
scheinen -* denn dem Endlichen, weil es nicht ist,
kann auch die Macht nickt beigelegt werden, welche den
Strahl des Absoluten zu brechen oder zu umhüllen ver-^
möchte , — sondern das unmiltelbarc Leben des Absoluten
in dem sich selbst objeklivirenden Universum seiner Ideen
erfollckeri und besitzen wir schon in der Unmittelbarkeit
der Anschauung. (Vgl. oben S. 694. 95.)
Wenn wir daher die einzelnen Versuche S c h e 1 1 i n g s^
sich über die Konsequenz seines altern Princips zu erhe-*
ben, auf dasselbe zurückbeziehen, mit der Frage, ob eine
wahrhafte Steigerung desselben durch jene Versuche in der
That erreicht und gelungen sei: so müssen wir umgekehrt
uns bekennen, dass sich, statt besiegt zu sein , aus jenen
Bildungsansätzen das ältere Princip nur noch in grösserer
Macht und Ausschliesslichkeit wiederherzustellen scheint«
Der Begriff der Iimnancnz Gottes in der Welt , ohne sich
von hier aus zu dem der Transsccndenz zu steigern, ab-*
724 Die nächsten Schriften SchcUings
sorbirt im Gegontheil diesen wiederum : wir Gnden ms 9f^
den Standpunkt des alten Idcntilatsbegrifles zurückversetzt,
und müssen den Versuch, aus dem Begriffe der Ein heil
(Immanenz) selber den des Unterschiedes CderTraas-
scendenz) zu begründen , für misglückt erachten , so tief
und richtig an |sich der Begriffsfortschritt wäre, in der
rechten Immanenz selber den Grund einer
Transscendenz zu finden. Auch der Begriff des
Abfalls von Gott, der den Gedanken eines Unterschiedes,
einer wahren Dualität von Gott und Kreatur , vorübef|r&*
hend befestigen sollte, schwindet bei durchdringendem ¥ct-
Ständnisse zu einem bloss imaginirten, zum Abfalle und Dbi-
lismus in einem täuschenden Bewusstsein, zusam-
men , und die volle Immanenz findet sich umgekehrt nv
daran bestätigt: — wiewohl wir zugeben müssen, dass
jene Idee eines verkehrenden imaginativen Princips im
kreatürlichen Geiste, in welchem von Schelling der
Grund aller Abwendung von Gott und , in der falschen
Freiheit , auch der Ursprung des Bösen gesucht wird, auf
etwas Tieferes und Realeres deutet, als der gegenwäiüge
Zusammenhang es zuzulassen scheint, und dass insofern die
Schelling sehe Lehre vom Abfalle, schon wie sie in
^^Philosophie und Religion^ vorgetragen wird, Zu-
gloch einen weit speciellem Sinn einschliesst ; aber zur
Ausführung oder zur bestimmten Abscheidung dieses ethi-
schen Sinnes von der allgemein metaphysischen Bedeutung,
welche er dort zunächst haben soll , ist es nicht gekom-
men. Wir können ihn daher hier noch einen fremden, un-
durchbildeten , „mystischen«' Bestandtheil nennen , welcher
sich, künftigen Entwickelungen vorgreifend, inSchellings
ursprünglichem Principe festgesetzt hat.
Die nächsten Schriften Schellings aus diesem Zei^
räume drangen daher das sich vorankündigende neue Prin^
cip wieder in den Hintergrund , und der Standpunkt der
Immanenz tritt reiner, als je, in ihnen wieder hervor : seine
„Aphorismen zur Einleitung in die Naturphi-
losophie^ (1805.), worin, was in Philosophie und Reli-
aus dieser üebergangscpoche. 725
gion Ideo liiess , als Position und SelbstaflSnnalion Gottes
im ursprüug^lichcn Selbsterkennen bezeichnet wird, suchen
den BegrifP des Endlichen besonders von der Seite aufzu-
heben, indem sie nachweisen, wie in jedem, auch dem
einxelnsten und scheinbar beschränktesten Dasein , eine
actuelle Unendlichkeit der Anschauung vorliege;
vnd wie , was wir Endliches an den Positionen nennen,
mir die Relation derselben auf einander ist, die Gott ihnen
nicht geben, nicht positiv in ihnen bejahen, weil es bloss
ein Accidentelles ist, aber ihnen auch nicht nehmen kann,
weil er sie sonst zu einem reinen, absoluten All machen
müsste, wie er selbst es ist. — Alles , was die endlichen
Dinge, als solche, von Gott unterscheidet, besteht in einem
reinen Mangel, in nichts Positivem. Die Relation, in der
sie zu einander stehen, ist daher ihrem Leben in Gott ent-
gegengesetzt, und y^ittsofern ihr von Gott abge-
fallenes und abgetrenntes Leben^, in welchem
da:s falsche Scheinbild der Ewigkeit , die Zeit , oder Ent-
stehen und Vergehen stattfindet, während in dem ewigen
Leben Gottes, als des All, Nichts in Wahrheit entsteht oder
vergeht. — Es kann daher auch in der ächten Philosophie
von keinem „Ursprünge^' des Endlichen, als des wahr-
haft NichtSeienden, aus Gott die Rede sein, vielmehr fin*
det zwischen dem Endlichen , sofern es als existirend ge-
dacht wird , und dem Unendlichen gar kein Verhältniss
Statt; — „so ist es gewisserMaassen richtiger,
auch* alle Stetigkeit zwischen ihm und dem
Unendlichen aufzuhebend^: *) — wodurch unsere
Auslegung jener Lehre vom Abfalle für den damaligen
Standpunkt Schellings zur höchsten Gewissheit erhoben
wird. Hit diesen Erklärungen stimmen überein seine Ab-
handlung „über das Verhältniss des Idealen
und Realen in der Natur<^ und seine pplemische
*) ,,A p h 0 r i s m e n" u, s. w. in den Jahrbüchern d e r M e*
(licin Bd. I. H. 1. S. 22. 23. 34. 35. (besonders $.1030 38.
u. f. w. S. 75. 86. 76-81.
726 Gesammtkritik
Schrift gegen Pichte, deren wesentlichsten metaphysi-
schen und * erkenntnisisitheoretischen Gehalt' wir sdMm an-
gegeben hitben*
Aber jener Versach, wie wenig er entscheidenden Er-
folg gehabt haben möge , hat doch fSrdas Sckelling*
sehe System nicht nur, sondern ifir die ganse spät^^ Phi-
losophie, eine tiefere und allgemein lehrreiche Bedentang:
denn nicht in Zufall oder in sonstigen äussern Veianhs-
pungen , sondern in einer innem Unzdängiichkeil des an
m Grunde liegenden Erklärungsprincipes selbst li«gt jenes
|tf isslingen , daher auch das Belehrende desselb^a ; es ist
nämlich bis jetzt noch ein gemeinsamer Mangel und ein
ebenso gemeinschaftlicher tiefliegender Grand desselben,
welcher das grosse, nach SchelHng auftretende Sfsten
nicht weniger trifft, als das ihm vorangehende; und indoB
wir ihn aufdecken, versetzen wir uns zugleich in den ti^
lit^ii Mittelpunkt der eigentlich metaphysischen Fragen hinein.
Der BegrifT, den Seh eil in g eigentlich fessehi and
tnthfilien wollte in jenen Begriffsentwicklungen insgesammt,
ist der einfachste, aber zugleich universalste und tie£^:
der des Da-Seins, des Wirklichen selber. Was
Sehaffen, Auswirken in der tiefsten Lebenswurzd
bedeute, diesen Kern und Urquell aller Wirklichkeit zu ent-
hüllen, scheint das Ziel seines innersten und anhaltendsten
Forscherringens gewesen zu sein, das sich, äusseriich we-
nigstens, bis jetzt noch nicht genug gethan hat — In der
Epoche der Werke , die wir bisher betrachtet , hatte er
die ebenso einfache Antwort : Schaffen , Hervorbringen ist
der intellektuelle Akt einer sich objektivirenden Selbstaii-
^cbauung;.x?as bisher Eingewickelte (Ideelle) tritt damit
in ausdrückliche Entfaltung (realisirt) auseinander: —
die S c bei ling sehe Einheit des Idealen und Realen in ib-
rem tiefsten Wesensgrunde. Das Geschafi'enc ist nor in
diesem sich selber abspiegelnden Anschauen des Schaffenden,
und dieser intellektuelle Entfaltungsakt ist der wahre Grund
und das Princip alles Daseins. Aber auch, was sich in den
krcatürlichen Dingen fortzougt, und was die Lust der Pro-
dieses Standpunktes. 727
pagation ausmacht, ist jener Drang , sich in einem Eben-
l>tlde zu befestigen und anzuschauen«
Dieser einfache Gedanke ist der Kern des Schel-
lingschen Idealismus; und wir setzen hinzu: wena He«
g- eis System Bedeutung und Wahrheit haben soll, so hat
es sie nur in jenem Gedanken : und in der That meint das
Letztere dasselbe mit dem in seine Momente sich zerlegenden
und im unendlichen Anderssein derselben bei sich bleiben-
den absoluten Begriffe. Aber der Gedanke selbst bei
Sc belli ng ist eigentlich nur die gewaltigste Hjipothcse,
ihm aufgedrungen, wie er sagt *), durch die lebendige Auf-
fassung der Wirklichkeit selbst , welche in diesem Erkla-
rungsprincipe am Erschöpfendsten begriffen werden konnte ;
die Weltbildung kann nur sein eine intellektuelle That, der
ungeheuere Selbstanschauungsprocess, Jenes 'zugleich Einen
und unendlichen göttlichen Subjektes.
Dabei hätte Sehe Hing noch immer das Recht, die
Hegeische Ausführung seines Princips als einen Abfall
vom ächten Geiste des Idealismus zu bezeichnen: was bei
ihm lebendig, concret, und darum auch begreiflich ist, hat
sich dort, wie es scheint, in die öde Abstraktion eines,
— man weiss nicht wie? — in Momente seiner selbst zer-
fallenden, eigentlich völlig unverstandlichen absoluten Be-
griffes verwandelt. — Für uns ist es hier noch nicht Zeit,
die wahre und grosse Bedeutung auch dieses HegeU
sehen absoluten Begriffes darzulegen ; nur das ist heraus-
zuheben , dass aber den Grundgedanken jenes idealismus :
Schaffet! ist intellektuelle That, auch die von
lieget vertretene Metaphysik nicht hinausgekommen ist;
in jenem Satze liegt bis jetzt noch die höchste Blüthe der
gegenwärtigen Spekulation.
Aber für alle auf diesem Principe beruhenden Welt-
ansichten ist die Immanenz der einzig übrig bleibende
konsequente Begriff: das im Schaffen Uingeschaute
ist damit nicht eigentlich hervorgetreten aus Gott , als ein
•J Vorreile zu Cousin S. XIV.
728 Gesammtkritik
Anderes mit selbststSndiger Lebensregrung und Loslassimg
von Seiten Gottes, und zu eigener Transscendenz desselben
über jenes hinaus. ,Die Weltschöpfung bleibt die theoretiscbe
That eines innerlichen , wie energisch auch gcdaditcn.
Selb stbespiegelns. Wahrheit hat die Welt, aber
keine Wirklichkeit in oder ausser Gott: es ist .der ver-
geistigtste Akosmismus. Und sehr konsequent iässt S ch el-
lin g daher selbst in dem Werke, welches den ersten An-
satz enthält, sich über jenes Princip zu erheben , die An-
sicht von einer Realität der endlichen Dinge ausser Gott
ebenso nur aus dem kreatürlichen Akte eines theoreti-
schen Sündenfalls hervorgehen.
Zwar behauptet S c h e 1 1 i n g, dass den Gedanken Got-
tes Objektivität, selbstständige Wirklichkeit zukomme;
und er könnte an den Künstler erinnern, der die Idee sei-
nes Werkes in plastischer Selbstständigkeit sich gegenüber-
stellt, und seine Idee erst hieran selber recht besitzt Aber
die nahe liegende Aehnlichkeit des Gleichnisses zeigt viel-
mehr die innere Unähnlichkeit des Begriffes, und dass jentö
eben nur Behauptung bleibt. Abgesehen davon, dass der
nicht göttliche Künstler eines Stoffes bedarf, um seiner
Idee Wirklichkeit ausser sich zu geben, wovon hier die
entgegengesetzte Voraussetzung gilt; so hat auch an sich
da^ Kunstwerk kein eigenes, selbstständig sich fortpflan-
zendes Leben, keine Gewalt der Propagation : eine solche
$chöpfühg wäre schlechthin fertig und vollendet, lediglich
Produkt des Alles fixirenden und bis zur Entschiedenheit
treibenden weltschöpferischen Anschauens, und dessen völ-
liges, bis in's Einzelne herausgewirktes Artefakt Weder
eine Selbstschöpfungs- und Selbstentschcidungslhat von Seile
der Kreatur an sich selbst, noch weniger ein Fortzeogen
aus dem Mittelpunkte eigenen Lebens jst aus diesem Prin-
cipe gedenkbar ; die Schöpfung wäre absolut vollkommen,
aber ewig und bewegungslos. Dicss ist das Paradoxe, Unge-
nügende, was für jene Wcllansicht zurückbleibt: das Princip
einer wahren Genesis und realer, solbstslandig sich bewe-
gender Weltkräftc ist abgescimitten. Sehe Hing sagt
dieses Slandpunktos. 720
znyar auch hier mit einem niclit zu verbergenden Gedan^
kensprongo, dass das Absolute im Realen nicht wahrhaft
objektiv mirde, wenn es ihm 'nicht die Macht mitlheillo,
g^teich ihm seine Idealität in Realität zu verwandeln, wenn
die Ideen nicht selbst wieder producirende wären *). Aber
diess wahrhafte Objekliv-werden ist eben hier die Frage
und das zu Erklärende. Das aus dem ideellen Abgrund'Q
der göttlichen Imagination zur Ausdrücklichkeit bloss Hin-
geschaute ist darum noch nicht ^wahrhaft objektiv<<;
dafür muss noch etwas Anderes hinzukommen. Am Wenig-
sten kann ihm darum vom Absoluten die Macht »mitge-
theilt^ werden , abermals durch forlzcugendes Produciren
die eigene Idealität in Realität umzusetzen : denn schon das
erste Mal ist dieser Umschwung nicht gelungen ; wir sind
aus dem Umkreise des Idealen noch nicht herausgekommen,
trotz aller Versicherungen des Gegentheils«
Diess ist die Widerlegung jenes Princips in höchster
und umfassendster Instanz: aus ihm allein kann das
^U a s e i n^ nicht erklärt werden. , Gewiss ist der eigent-
liebste Schöpfungsakt Gottes nicht ohne die Mitwirkung je-
ner intelligenten That; der ewige, absolute BegriflT, das
hingeschauto Welturbild ist in Gott die noth-
wendigeVoraussetzung seines SchafTc^ns; aber jene
ist es nicht allein und ausschliesslich , sie kann überhaupt
nicht als das specifisch Schöpferische gelten, son-
* • *
dem dafür ist eine andere Potenz des Geistes zu suchen,
>velche in ihrer geistigen ideellen Natur zugleich den Keim*
des Realen einschiiesst. Zu zweifeln ist nicht, welche die-
ses sei: es ist der Wille.
Hierzu ist Sehe Hing, von Neuem seine Weltansichl
vertiefend , nun selber noch fortgeschritten : es ist diq
dritte Epoche seiher Philosophie, beginnend mit seiner
Abhandlung über das Wesen der menschlichen
Freiheit (Philosophische Schriften 1. Bd. 1809.), deren
Urkunden jedoch weder nach Innen , — was die Ausbil-
t) PJiiiosop hie u u d H e li g i o n S. 23. 29—30. 37. u. s. w.
730 Entschiedenes Hervortreten
dang des neuen Prtncipes, als solchen, betriiR , — noch
nach Aussen, — was seine systematische Ausbreitung an-
belangt, — mit einiger Vollständigkeit öffentlich vorliegen.
Ein Endurtheil über diese dritte Epoche ist daher schon
desshalb nicht möglich; dagegen scheint es wichtig und
nOthig genug, der gewöhnlichen, die verschiedenen Stand-
punkte derselben nivellirenden Ansicht von der Schellin g-
schen Philosophie ge^nüber darzulegen, wie mit der Umge-
staltung ihres Princips auch die Weltansicht selbst ein»
specifisch verschiedenen Charakter angenommen habe. End-
lich scheint von selbst zu folgen , dass , wenn der Stand-
punkt der zweiten Epoche im Ganzen mit dem Uegei-
sehen Systeme parallel ging, die Steigerung jenes and
eine Erhebung über die Gesammtheit des letztem in sich
schliessen werde ; und so wird es auch der weitere Fort-
gang ergeben. Wirklich berubren wir von hieran zma
ersten Male im Bisherigen , — einige Anregungen aus
Cartesianischer Philosophie und die Vorblicke. Lei b-
nitzens abgerechnet — die Keime und Bildungsansatze
einer zukünftigen Philosophie ; und es ist durchaus charak-
teristisch und aus dem Tiefsten geschöpft, wenn Schci-
1 i n g sein neues Princip mit den Worten einfuhrt : es sei
nun an der Zeit, dass der höhere, oder vielmehr der ei-
gentliche Gegensatz, der von Nolhwendigkeit und Freiheit,
hervortrete, mit welchem erst der innerste Mit-
telpunkt der Philosophie zur Betrachtung
komme. *} Es ist nämlich sehr wahr, dass mit jenem
idealistischen SchöpfungsbegiKro, weder der wahre, den
Pantheismus überwindende BegrifT der 'Kreatur, noch der
entschiedene Begriff der krüalürllchon Freiheit , — beide
gehen Hand in Hand — haben hervortreten können.
*) Philosophisciie Schrifteu Bd. 1. VorreJe S. VUi.
1
der dritten Epoche bei SchcUing, 731
Qie ersten einleitenden Erklärungen, mit denen S c h e U
ling seine Abhandlung über die Freiheit eröfihet, dienen
dazu, den Uebergang zu bezeichnen, durch welchen er
das vorige Princip in das neue auflöste^ oder, genauer und
aufrichtiger gesprochen , wodurch er die Unbestimmtheit
und das Schwankende in dem ersten schärfer fixIrCe ^ und
es 80 zur Ausschliesslichkeit erhob.
Wechseldurchdringung des Realismus und Idealismus war
die ausgesprochene Absicht seiner ursprünglichsten Bestre*
bungen. Aus der erkannten Einheit des Dynamischen der Na-
tur mit dem Gemüthiichen und Geistigen ging die Naturphiloso-
phie hervor, welche, als blosse Physik, zwar für sich bestehen.
konnte , im Ganzen der Philosophie aber stets nur als der
reelleTheil derselben betrachtet wurde, der ersP durch die
Ergänzung mit * dem ideellen, in welchem Freiheit herrscht,
der Erhebung in das eigentliche Vernunftsy^
«tem fähig wird. In der Freiheit realisirt sich der
letzte potenzirende Akt (die höchste Potenz), wodurch
sich die ganze Natur in Empfindung, in In-
telligenz, endlich in Willen verklärt.
„Es giebt i.n der letzten und höchsten In-
stanz gar kein anderes Sein, als Wollen.
Wollen ist ürsein , und auf dieses allein passen alle Prä-
dikate desselben: Grundlosigkeit, Ewigkeit, Unabhängigkeit
von der Zeit, Selbstbejahung. Die ganze Philoso-
phie strebt nur dahin, diesen höchsten Aus-
druck zu finden: — bis zu diesem Punkte ist sie
durch den Idealismus gehoben worden« (S. 419.).
So weit die vorläußge Ankündigung des neuen Prin-
cipsi aber wir finden sogleich darin eine Unbestimmtheit
aufzuklären, wodurch, was zunächst als blosser Uebergang
aus dem reellen in den ideellen Theil des Syslcmcs be-
zeichnet wurde , dennoch zugleich zur Widerlegung oder
auch, wenn man so will , zur scharfern Bestimmung des
vorigen Standpunktes ausschlug. Nach den vorigen Wor-
ten ist Freiheit, Wille, nur die „höchste« Potenz des
«ibjekt-objektiven Processes, weicher in der bewussüosen
732 in der Abhandlung über die Freiheit.
r
^tur seinen Anfang nimmt: d. h. der Mensch ^ als dtr
freie, wollende, aus sich selbst (näher zumBdsenodrr
txm Guten) sich bestimmende, ist der Gipfel dieser sich objek-
tivirenden Selbstverwirklichung der absoluten Identität : aber
auch, wie rückwärtsgreifend von hier aus gefolgert werdeo
muss, — nur im Menschen ist eigentlicher Wille, Frei-
heit» Selbstthat wirklich. Er hebt sich aus den Tiefen der
bewusstlos gährenden oder in Lebensinstinkten dammeni-
den Natur über sie , zur Freiheit und Macht a q s sieb
selbst: er ist der wahrhaft und einzig Tran ssc enden te,
der Geist , das göttlich Freie.
Diess die ursprüngliche, auch dem Ausdrucke nach
liier nicht verleugnete Konsequenz des Systemes ; dies9 zu-
gleich der Sinn, in welchem auch ein vergeistigter Pantheis-
inus, z. B. die He gel sehe Lehre, die Freiheit des Men-
schen, als diese im Menschen sich vollziehende Erhebung
des göttlichen Geistes, über die Natur, mit vollem Ernste
und Nachdruck lehren kann. — Dennoch würden wir dx-
mit di^ rechte Meinung Schellings an dieser Stelle ver-
fehlt haben. Was nach der bisherigen Konsequenz nur
„höchste Potenz^, das ausschliesslich Menschliche, sein kann,
wird dennoch von ihm als da«: schlechthin Universelle, das
Prii^cip schlechthin alles Seins gcfasst: „die ganze Phi-
losophie strebt nur dahin, jenen höchsten Ausdruck
z\i finden^.; — diese Worte bedeuten nicht den höd^teo
Ausdruck , zu dem sich real und in der Natur der Dinge
die weltschöpferischa Macht aufschwingt , sondern sie be-
zeichnen den höchsten metaphysischen Begriff iur die
Allgemeinheit des weltschöpferischen Principes seber, wie
der weitere Verlauf der Abhandlung es sogleich ergiebt
Daran verräth sich nun von Neuem die Unbeholfen-
heit , ja das ganzliche Ungeschick der wissenschaftlichen
Form bei Sehe Hing. Abermals ist das neue Princip
picht vermittelt oder abgeleitet, sondern nur aufgestellt, aus
der Wirklichkeit aufgenommen , und zwar , was nur als
höchste Potenz bcgriflen worden , wird sofort zum univer-
salen Princip gemacht. Damit stellt sich jedoch die Unbe-
Das neue Princip derselben. 733
8timmtheit wieder ein , welche von] solcheri bloss aürgo-
nommenen BegrifTen unabtrennlich ist. . Wille, Freiheit, als
dicss Universelle, wind mit ,,LebenS „Thätigkeit<<, mit dem
überhaupt, wodm*ch die Dinge werdende sindj gleich-
gestellt: er ist zugleich das allgemein Dynamische, dlö Le-
benssucht oder „Begierde^, die „den Grund jedes be-
sondern Naturlebens ausmacht^ der Trieb („Eigen-
wille^) jeglichen Daseins , „sich nicht nur überhaupt, son-
dern in dieser bestimmten Existenz zu erhalten^ der nicht
zo dem schon geschaffenen Geschöpfe hinzugekommen,
der vielmehr als das Schaffende selber zu denken
ist (S. 420. 21. 27. 31. 55.).
Hierbei ist jedoch der Begriff des Willens in Gefahr,
aus seiner scharfbcgranzten Bestimmtiieit, wonach er fre^
bewusste Selbstbestimmung, Moment jener schöpferisch
intellektuellen That, welche wir kennen gelernt haben, und
nur dieser ist, sich in die alte Verwaschenheit zu verlie-
ren, nach welcher er Alles in Allen, nicht die „höchste Po-
tenz^ , sondern die durch alle Potenzen hindurchgreifende,
unendlich modificable Identität wäre. Und so droht der
Fortschritt abermals, weil an keinen festen metaphysischen
Begriff gebunden, und durch ihn gewonnen, in alte Stand-
punkte zurückzufallen. Den Beweis für das neue Princip
kann aber Seh eil in g eigentlich nur, wie früher, in der
Berufung atif die lebendige Anschauung der Wirklichkeit
finden. Aus der Regelmässigkeit einer blossen Verstandes-
that das Weltdasein völlig zu erklären^ ist unmöglich : „das
Irrationale und Zufällige, das in der Formation der
Wesen, besonders der organischen, sich mit demNoth-
wendigen verbunden zeigt, beweist, dass es nicht
bloss eine «geometrische Nothwendigkeit ist , die hier ge-
wirkt hat, sondern dass] Freiheit, Geist und Ei-
genwille hier mit im Spiele waren« (S. 455.).
Diese bedeutenden Worte erklären völlig, und rechtferti-
gen zugleich, die neue Wendung, welche Schell ing ge-
nommen; nur wird die Frage übrig bleiben, in welchen
metaphysischen Zusammenhang und in welche be-
734 Der Wille ,
gnriifismässige Passung jenes Princip wird eingereikl
den müssen?
Aber auch in diesem Betrachle müssen wir den tiefen
Sinn bewundem, der Schell ing bei dem ganzlicheti Man-
gel jenes begriflsmässigen Zusammenhanges dennodi das
Rechte hat treffen lassen« Wille ist die concreteste Zospil-
zung der Persdnlichkeit^ die innigste Wecbseldurchdringng
des Idealen und Realen , der Macht und des inteOigenten
Lichtes: er bedarf daher zu seiner eigenen Vorausselsung
des Realen, Substantiellen, — einer Natur in sich selbst;
— und leerer, dieser realen Basis entbehrender WiDe —
wie manche der spätem Schellingianer diesen BegrifiF ge*
nommen zu haben scheinen *) — wäre abermals nur eis
unwirkliches und ohnmächtiges, Nichts wahrhaft zu etUi^
ren geeignetes Abstraktum.
Dieser Auffassung tritt sogleich nun Schelling durch
die energischsten Aeusserangen des Gcgentheils etktgegca.
Es wäre einen Irrtham zu nennen, sagt er, dass der Panthas-
mus darch den Idealismus -^ (schon durch jenen ganz all-
gemeinen Begriff des Willens) — aufgehoben sei : denn ob
es einzelne Dinge sind ^ die in einer absoluten Substanz,
oder ebenso viel einzelnen Willen , die in einem Urwillen
begriffen sind, ist für den Pantheismus, als solchen, ganz
einerlei (S. 421. 22.). — Es bedarf dazu für den kreatör-
liehen Willen selber einer von Gott unabhängigen Baas
seiner Existenz, überhaupt also einer Basis: diese kana
nur die Natur, oder im Ganzen des philosophischen Sy^
stemes, der Realismus gewähren* „Der Idealisoins,
wenn er nicht einen lebendigen Realismus zur Basis er*
halt, ¥rird ein ganz leeres und abgezogenes System.' *-
i,Idealismus ist Seele der Philosophie , Realismus ihr Leib;
nur beide zusammen machen ein lebendiges Ganzes aus.
Nie kann der letzte das Princip hergeben ; jaber er miiss
*) Vgl. des Verfassers Schrift : ,,ii b^r Gegensatx, Wende*
pankt und Ziel heut ige r Pili 1 o« ophi 6'* Dd.LS,119>
120. und die „Ontologie« S. 52&
als dicss universale Princip. 735
Grund und Mittel sein, in dem jener sich verwirklicht*** —
^Fchll einer Philosophie diess lebendige Fundament, wel-
ches gewöhnlich em Zeichen ist, dass auch das
ideelle Princip in ihr ursprünglich nur
schwach wirksam war: so verliert sie *sich in jeno
Systeme , deren abgezogene Begriffe mit der Lebeniäkraft
und Fülle der Wirklichkeit im schneidendsten Kontraste
stehen« (S. 327- 28.).— So ist für Schellin g der Rea-
lismus seines rückwärtslicgenden Standpunktes zugleich die
allgemein wissenschaftliche Bedingung geworden , um dem
neuen Principe die rechte Grundlage und Fasstmg zu geben.
Wir gehen jetzt zur Darstellung desselben in seinen Grund-
zügcii fort , nach den freilich nicht selten schwer zu deu-
tenden Erklärungen in seiner Abhandlung über die Freiheit.
Gott kann nur den Grund seiner Existenz in sich
selbst haben, so aber, dass dieser etwas Reelles und Wirk-
licher sei, nicht der blosse Begriff seiner Aseität, wo-
mit zuletzt Nichts gesagt oder erklärt wäre. — Wir kön-
nen uns für den Beweis dieses Satzes auch hier an die
allgemeine Gmndansicht Schellings halten, dass alles
Leben, alle aktuelle Wirklichkeit — also auch die göttliche
— auf einem ursprünglichen Gegensatze von Einwickelung
und Evolution, einem torminus a quo und ad quem
des Daseins, einem Grunde von Existenz und einer daraus
sich entwickelnden Verwirklichung desselben, beruhe. (Die-
ser yfieus implicitus^ und ^explicitus^ tritt bekanntlich als
der Hauptbegriff in Schellings „Denkmal« gegen Jacobi
hervor.) — ,5Golt hat in sich dicken innern Grund
seiner' Existenz, der insofern ihm, als Existirendem, voran-
geht: aber ebenso ist Gott wieder das Prius des Grun-
des, indem der Grund, a 1 s solcher, nicht existiren könnte,
wenn Gott nicht actu wäre*^ (S. 436.).'
Aber dieser Grund in Gott von Gott selber jst nicht
nur etwas Reelles und Wirkliches ; er muss nach der gan-
zen GrundauiTassung Schellings eben damit zugleich
etwas Erfahrbares,' wenigstens in einigem Grade em-
pirisch Nachzuweisendes , sein. Es ist die „Natur in
736 Gegensatz Ton Grand und Existenz,
Gott* — bestimmter der Geist, Charakter der Natur^ der
Selbstschöpfungsdrang, mit dem sie blind , aber bewnssttos
vemunflig, einem von ihr selbst unverstandenen Ziele vob
Bildungen sich zubewegt: — ^die Sehnsucht, die das eviige
Bine empfindet , sich selbst zu gebären^ die unergründ-
liche Einheit, die Gott ist. Insofern ist sie auch «Wille;
aber Wille in dem kein Verstand ist, und darum audi
nicht selbstständiger und voUkommner Wille,
indem eigentlich der Verstand der Wille in dem
Willen i 8 1^'. (Richtig , Wille in eigentlicher Bedeutung
ist nur das zweite Moment zum Denkön , das durch den
Begriff hindurchgetretene, in ihm licht gewordene
Reale jener . Sucht und blinden Begierde : damit ist aber
der universale Begriff des Willens von Sehe Hing selber
wieder limitirt oder in's Unbestimmte gerückt ; er giebt uns
eine doppelte Bedeutung desselben t Wille in eigenUiehem
und uneigentlichem Sinne.)
Aus diesem Verstandlosen nun ist in eigentlichstem
Sinne der Verstand geboren. Wiowohl nämlich das reine
Wesen der Sehnsucht längst durch das Höhere, das sich
aua ihm erhoben hat, verdrängt ist, indem, die ewige That
der Sclbstoll'enbarung Alles in Ordnung, Regel und Gesetz
aufgelöst hat: so liegt doch das Regellose zu Grunde; und
niig'ends scheint es, als wären Ordnung und Form das Ur-
sprüngliche, sondern als wäre ein anfanglich Regelloses
zur Ordnung gebracht worden.
Ohne dicss vorausgehende Dunkel giebt es keine
Realität der Kreatur; ,,diess ist an den Dingan die
unergreifiiche Basis der Realität, das, was sich mit der
grössten Anstrengung nicht in Verstand auflösen lässt, son-
dern ewig im Grunde bleibt^. Wiewohl nämlich dieser re-
gellose Wille unvermögend ist , etwas Dauerndes für sich
zu bilden; so ist er doch der Grund zu aller Mannigfaltig-
keit und Vielheit der Dinge , zugleich zu ihrer Selbsifaeit,
Gott, dem Existirendcn, gegenüber. Allgemeine und
besondere Naturanalogiecn erläutern diesen Fundamentcol-
6atz seiner Theorie (ß. 431 — 33.).
WiUe md Verstand in Qotk. 737
yfit kaknvsn dieseti WiRen des Grundes das erstö
Prinöip in tiott nennen. Aber in das chaotische Riiigen
dc^selbto wird das Licbl des Selbstetkeiinens gcM
bracht: was iaiif deib vorigen Standpunkte Schellings
ausscUliesseniles Princip war, daruhi aber Koglbich nur iik
uneigendlchem iSinite galt , als ^Selbstbejahmig j Seibstbe-»
krälligün^ überhaupt, miliiin detri sehr nahe kam, war jetzt
ebenso iineigentiteh universaler Wilie^ Belbirtthät und Frei-«
heil; alles Wirklichen genannt worden : dbs wird hier zinn
% Mf.^ i t e n Principe in Clott ; aber es ' ist dämm auch ^io
S^bst^rkennen . im eigentlichen und ättsdr&cklichen Sinnei
Eatsprechetid ndmlich der Sehnsucht •— (weil diese all
sich selbst schon ein dem Verstände Verwandtes, ihm.Ge^
mässes, das Intelligente iii sich vei^schlossen Tragendes ist)^
ißrzeugt sich ih Gott eine innere, reflexiTä Vor-»
Stellung, durch MrelcheGott sich selbst ^^ (den In.haU
jener Sehnsucht) ^ in eiilehi Ebenbilde erblickL
Diesö VorsteUungr (Selbstabspiegelung) ist das Erste^ worin
Gott, absolut betraebtet^ verwirklieht ist, obgleich nui^'
in ihm Selbst: sie ist der göttliche Kiyag^ der. im. An-»
fange bei Gott ist^ der in Gott gezeugte Gott^ «^ die
ideellä, somit ohnehin durchaus vorweltliche SelbstverWirk-'
licAung Gottes (Si 434. Vgl. S. 483. 84.). -^ «In dem gött-
lichen Verstände selbst, als in uranfdnglicher Weisheit^
worin Gott isich ideal, oder tirbildlich , ver*«
wirkiicht^ Ist, wie nttr Ein Gott, so auch nur Eine mög-<
liehe Welti In dem göttlichen Vetstfande ist ein System^
(jenes urbildlicfao System eben der Weltbildung) ^ ,^aber
Gott sdbst ist kein System, sondern ein Leben<^ (S* 486a
4870.
Diese Vdr^tcilung ist ebgleich der Verstand^ das
Kweüe nrincip, das Ziel jener Sehnsucht, dem sie sich
zubcffvgi. Gott aber, als Einheit beider der ewige Geiste
in ^ der reflexiven Vorstellung klar durchdringend u^d un^
ten»€heidend den Inhalt jener Sehnsucht, «spricht nun, von
der Liebe bewogen , die er Selbst ist» das Wort aus, dass
nun der Verstand mit der Sehnsucht zusammen ü'^ischar««.
47
738 Daraus Bo^riff «ler Schöprutfg
fciider uiul aUnäcbtiger WiHe wird^ •— ^ dM' dritto Trin*
oip m 6ült^ *>*. „und in der anfängiicli- rcf^iellosiiii Malur,
ab in ihrem Eletnente. und Wevk^eng&y Iiil4ei<^ (& 4i4.).
Hier iirird jenes Bii«iiiNid , in dem fiM zuerst ideeM sich
venrcricHohte, auch real , und erst hierafit begtniit die ei-
gentliche Koamogoniew
Die erste Wirkung des Vacstandes ist die Schdiking
jener waptungliGh chaoUscken Kräfte, um die; in' Uunem
Ahgninde Kegeadb 9 alle uater aioli kefaasendc mid ord*
nende Einheit (was zugleidi ihrer aller iimmaaenUT
ZwedL wa^e) herlmssuhebeii und au verw.irldifciieHh Diese
Bmheit, $nt welche alle Kräfte der Natur zielen, ist der
Mensch, dämm zugleich das verwirl&liGble , der Natur
eiBgescUossene Ebenbild Gottes ia der Scfadphag ; ^der in
der Tiefe verschlossene göttliche LebensbBck , den Gott
ersah, als er den Willen aur Natur fasate. loi Menschen
allein hat Gott die Welt geliebt; und eben diesa Ebenbild
Gottes hat die Sehnsucht im Contro ergrißen, als sie mit
dem Lichte in Gegensatz trat<< (S. 437.).
Denn durch jene Erregung des Verstandes zur Schei*
düng der Kräfte , zum Aurgeben der DuakelheS; , wird die
Sehnsucht zur Gegenwirkung angefacht ; äe sucht den
in ihr ruhenden Lebensblick in sich zu verscUiecäsen , die
Dunkelheit zu erhalten, ,,damit immer ein Grund
b 1 e i b e<^ (S. 4^. 35.) : — eioe charakteristische^ in ihrer
Begründung aus dem bisherigen Zusammenhange aber
schwer zu deutende Lehre. Die in dieser Scheidung ge-
trennten , aber nicht völlig aus einandergetretenen Kräfte
sind der Stoff, woraus nachher (für die Welt des Organi-
schen) der L e i b (die Unmittelbarkeit der sinnlichen Er-
scheinung) configurirt wird ; das aus der Tiefe des natür-
Kchen Grundes, als Mittelpunkt derKr&fte, aber entstehende
Band ist die Seele. „Weit der ursprftngliche Verstand die
Seele aus einem von ihm unabhangigea Grande, ajs
inneres hervorhebt : so bleibt sie eben desshalb seibat un-
abhängig von ihm , als ein besonderes und für sioh be-
istehendes Wesen« (S. 435.). Daraus das Selbststaadige^
^
.und Kosmagonic« 739
Centrale, Eigenwillige, was jedem Seeliscben und Geistigea
beizulegen ist. (Vgl. S. 454. 5&>
Bei dem Widerstreben der Sehnsucht aber, „wel-
ches. nQthwendig ist 2^r vollkommenen Ger
bart^, klinn die Hervorhebung der aUerinnersten £inr
heil nur in einer stufenwei^en Entfaltung geschehen;
hier tritt die Potenzenlehre wii^der ein* Bei jeder Stufq
entsteht ein neues Wesen aus der Natur^ dessea Sf ele uqi
so YoHkonuBner sein muss , je mehr es das, )was in den
andern noch ungescbieden ist , . g^e schieden, enthält*
Jedes Wesen bat daher ein doppeltes Princip in $ich, wel-
ches jedoch an sich selbst nur Ein und das nämliche ist
Das erste Princip ist, wpdurch sie von Gott geschieden,
oder im blossen Grunde sind; das zweite, was in ihnen
der Verstand herausgewirkt hat. „Da aber zwischen bei«
den eine ursprüngliche Einheit stattfindet und der Process
der Schöpfung nur auf eine innere Transmi^tetion oder
Verklärung des anfänglich dunkeln Princips gejit : so sind
beide, obwohl in bestimmtem Grade, Eins in jedem NaUur-,
wesen*.
Jenes Princip ist der Eigenwille der Kreatur, der aber,
sofern er nicht zur Einheit mit dem Liebte, dem Principe
des Verstandes, erhoben ist, blosse Sucht oder, Begierde,
blinder Wille ist (aus welchem nachher in dem intelligenten
Wesen die Möglichkeit und Wirklichkeit des Bösen abgeleitet
w ird). Diesem Eigenwillen der Kreatur steht der Verstand
als Universalwille entgegen, der jenen als blosses
Werkzeug sich uiUerordnet — In dem Men^hen sind
beide Principe in ihrer Stärke und Vollendung; in ihm ist
ganz das finstere Princip, aber er ist zugleich Geist. „Wäre
nun im Geiste dps Menschen die Einheit beider ebensqi
unauflöslich, wie in Gott, so wäre kein ynlerschi^d, d. h.
Gott als Geist vmrde^ (av^ Menschen) ,,ni^ht offenbar. Die
in Gott unzertrennliche Einheit muss also im Menschen zerr
tremilich sein, — und diess ist die Möglichkeit des Guten
und Bösen« (S. 436—38.).
Ss ist nicht dieses Ort?s ^ den Fortschritt von der
740 Möglichkeit und Wiridichkcit
Möglichkeit zur Wirklichkeit des Bösen weiter zu verrat-
gen. Nur so viel mussaus der Sehe Hing selten Dar-
stellung noch darüber entnommen werden, dass die allgt*-
meine Erregung des Eigenwillens in der Kreatur, die Ak-
tualisirung des Bösen in der Versuchung, dämm notb-
wendig ist, damit an der Ucberwindnng derselben das
Gute als solches, in Gott, als dem SichoOenbarenden, vie
in der bewusstcn Kreatur, als der im Guten berestigten,
durch die Versuchung hindurchgegangenen, völlig wirkKrb
und offenbar werde. Erst dadurch erhalt jedes Wesen die
volle Scharfe und Eigenheit der Existenz : jedes kann nur
an seinem Gegentheile offenbar werden, Liebe nur in Hass,
Einheit in Streit. Wäre daher keine Zertrennung der Priii-
cipien, so könnte die Einheit ihre Allmacht nicht erweisen:
wäre nicht Zwietracht, so könnte die Liebe nicht wirklich
werden. Der Grund muss wiriien in der Schöpfung auf
universale Weise , damit die Liebe sein könne, und er
muss unabhängig von ihr wirken, damit sie
reell existire. Dieses Wirkenlassen des Grundes ist
der einzig denkbare Begriff der Zulassung des Bösen ; er
wirkt nur als der Wille zur Offenbarung ; aber eben da-
mit diese sei, damit die Liebe in ihrer Allmacht erscheine,
muss er die Eigenheit unM den Gegensatz hen'ormfen
(S. 452—54-, vgl. 490 f. 461.). Der Anblick der ganzen
Natur überzeugt uns von* dieser geschehenen ErreguniTi
durch welche alles Leben erst den letzten Grad der Be-
stimmtheit erhalten! kann. In der (bewusstlosen) Natur
übrigens kündigt sich das Böse nur durch seine Wirkung
an : dahin gehört das Giftige, Lebensfeindliche, Zerstörende
gewisser Naturkräfte, der natürliche Abscheu, den manche
Erscheinungen im Menschen erregen ; dahin auch der kei-
nesweges in ursprünglicher Nothwendigkeit gegründete
Vorgang, dass alle organischen Wesen ihrer individuellen
Auflösung entgegengellen. * Der Tod erscheint als Werk
einer spätem , schon gestörten Natnrordnung (S. 455—
461. 462.).
Aber erst im Menschen tritt das Böse^ als solches,
des Bösen. 741
Fiervof : es Ist die Verkehrung des Willens« die Erre«
grun^ der Kräfte des Grundes , welche bloss dienen sollten
Kur Aktualität eines eigenen Triebes und einer besondem
Sucht. Diese aber ist , wenigstens als Versuchung , eine
durchaus universale, damit in ihrer Ueberwindung
die Liebe, die wiederhergestellte Einheit, empfindlich werde.
Diese Offenbarung und Macht des Guten rouss aber im
Reiche des Geistes die nämlichen Stufen haben, wie die
erste Manifestation in der Natur , so {nämlich , dass auch
hier der erste Gipfel der Offenbarung der Mensch ist ;
aber der urbildliche und göttliche Mensch, der im Anfange
bei Gotl war, in dem alle andern Dinge und der (krea-
lürliche) Mensch selber geschaffen sind. So muss das im
Gegrensatze mit dem Bösen in die Welt gesprochene Wort
die Menschheit oder Selbstheit annehmen, ein menschlich
persönliches werden , — - der Gottmensch , als der Mittel-
punkt des Reiches des Geistes oder der Geschichte
CS, 467.>
Diese letztern Sätze der Schellingschen Abhand-
lung sind es eigentlich , welche bisher schon Einwirkung
g-e runden haben und zur fruchtbarsten Anwendung gekom*
men sind« Die spekulative Anerkennung einer Offenba-
rung im allereigentlichsten Sinne , die Nachweisung , dass
diese deAsdben Gesetze stufenweiser Entfaltung in der
Weltgeschichte unterworfen sei , wie die Offenbarung des
göttlichen Weltplanes in der Natur, die Versuche, die Oc-
konomie der göttlichen Offenbarung in der Geschichte nicht
mehr bloss rationalistisch, oder symbolisch, sondern con-
cret, als einen ebenso sehr im Natürlichen, wie im Geisti-
gen, sich abspiegelnden Process zu begreifen, -r- alle diese
Begriffe haben die erste Anregung zu einer spekulativen
Behandlung der christlichen Lehre gegeben, durch welche
— wir sagen nicht zuviel, -7- eine völlig neue Epoche der
ReügionswisscnscbaR begonnen hat Der metaphysische
Inhalt der Abhandlung hat dagegen , wie ßcbon die bis-
herige Bcrichteri^tattung zeigen kann , desto weniger ein-
gewirkt
742 Begriff der Person,
Aber Gott ist bisher nur betrachtet vpordcn ^b sich
selbst offenbarendes WeseA«', als freischaffender aBmacb-
tiger Wille, der den Inhalt jenes Verstandes , dw s^mi-
fSn^lichen Wetsheit^*^ den chaotischen Kräften des Grandes
einbildet. Aber wie Teriiält er äch zu dieser Otenbann^
als „silöiches Wesen« ? Hat er das Böse, dessen Mogfich-
keit und Wirklichkeit durch die Selbstoffenbamng bedingt
ist, auch gewollt, wenn er diese gewollt hat , und wie i^
dieses Wollen mit seiner Hieiligkeit utid höchsten Vallkoii-
menheit in Einklang £u bringen?
Dass zunächst die Selbstoffenbamng freie tliai sei, ist
schon durch aUes Vorhergehende, ja durch die ganze
Ansicht , begründet. „ W§re uns Gott ein bloss fegi-
sches Abstraktum, so müsste auch Alles ans ihn
mit logischerNolh wehdigkeit folgen; er selbst
wäre* nur das höchste Gesetz , von dem Alles ansfliesst,
aber ohne Personalität und Bewusstsein«. — Aber er ist
Persönlichkeit, und zwar höchste Persönlichkeit Wenn
nämlich der Begriff der Person auf der Verbindung
ein es- Selbststän digen mit einer Ton ihm un-
abhängigen Basis beruht, sodass beide sick
ganz durchdringejfi und Ein Wesen sind; sa
kommt Gott dieser Begriff im eminenten Sinne na : dir
Natur, das Wirken jenes Grundes , ist die Basis , — die
reale Seite in Gott; der Verstand, die abspiegelnde Selbst-
durchdringung, ist die ideale Seite, aber zugleich damit
das höhere, die Einheit des Bewusstseins verwiridichende
Band , welches Gott zur Person , zum Geiste , nufliia auch
zum frei sich- bestimmenden Geiste macht.
Allein weil inGott zwei gleich ewige Anfinge
der Seibstoffenbarung sind, der aus dem Grunde, und der
durch den Verstand ; so muss auch der Begriff seiner Frei-
heit in Beziehung auf beide verschieden bestimmt werden.
Der erste Anfang zur Schöpfung ist der Wille des Grundes:
dieser ist jedoch „kein bewusster oder mitR^exion verbnn»
dcner Wille, obgleich auch kein völlig bewussfloser, son-
dern mittlerer Natur, wie Begierde oder Lust« u. s. w. (S. 482.).
juid der Petsöfilidikeit flotles. 743
S^hMklhin iräier tod bcwusster Wilie ist dapege« der
^WiHokI^ Liebe<^, der Selbstoffenberung aas dem Ver*-
stnnde, e-ben weil er diess ist; und die aus ihm fol**
gende OffiMbamng ist Handlung und Tfaa t^ i^Die Scbö«-
pfkxng^ ' <in jenem Sinne eines Soheidens und Ordnens der
Krifte «»aus der alten .Natur^) ist keine Begebenheit,
sondern. eine That. Es giebt keine Erfolge aus
aUgtemeinen . Gesetzten, sondera Gotl;» d.h.
die JPeraon Gottes, ist das allgemeine GeseU,.
und Alles^ wa;s .fesohieht, geschieht verhiöge der PeTsön«-
lichkeit Gottes , nicht nach einet abstrakten 'NtothifTeridig-
keil, die wir nicht ertrafen wurden im Handeln, geschweige
Gott'^. -^ ^Das höchste Streben der dynamMichen Eiiüa-
nmgsait ist kein anderes, als diese Reduktion- der Natur-
gesetee auf Genrath, Geist und WiUen« <S. 484.). *)
Aber es fragt sich doch ausserdem noch^ ob die That
der SeibstoffenbaruBg Gottesl auch in dem Sinne frei ge-
wesen sei, dass er alle Folgen derselben (die dadurch
miteiregte Verwirklichung des Bösen) vorausgesehen liabe?
Auch diess ist zu bejahen ; in der reflexiven YorsteHimg,
in wöloher Gott ideal sich verwirlüicht Coder, was Eins da-
mit ist, Toraussielit , was ans seiner VerwirUichnng erfel->
gen muss), kann aneh diess nur enthalten sein. Dennoch
nittss der Wille zur Offenbarung, die Liebe und
CiUte m Gott, überwiegen , damit es zur wiilclicben Offen-
^ Dieser Begriff der Person scheint auch in (Ter spätem, dem
grOtsem PulxICkum noch onbekannten Darstellung ronSchel-
kinf 8.- Systeme den Mittelpunkt tu bilden, lirie aus den An-
deutungea Stahls (PhiL des Rechts Bd. I. S. 324— >300
darüber sich ergiebt. Sätze, vrie die von Stahl aufgestelt-
tcD : M^i^ Person ist das vollendetste Sjrsteni , das Ursystem,
und es giebt kein System ausser ihr*'; oder: „wir streben
nur dämm Alles systematisch 7u machen , weil Gott persön-
lich ist*-, und ähnliche^ tragen viel zu sehr den Stempel ur-
kundlicher OViginelit&t und innerer Verwandtschaft zum Stune
der hier betrachteten Abhandlang, als dass wir nicht die tir«
iprüugliclien Worte S c h e II in g s darin vermutheu sollten.
744 Begriff einer DttdUfit in GoUl
|>aninf komnie; und ^dieseEntsokeidnng? (der Offen-
(»aningsr, Schöpfongs^Entechlnss) ^vollendet erst deft Be-
griff derselben, als einer bewusslen und sitUicli-
freien That^ (8. 484.). ^ Die Oßenbann^r ist eine
sittlich nothwendige ) -^ der einsig müssige Be^
^nff einer Nothwendigkeit in Gott; damit der ^ie^ lier
Liebe sei , damit diese v6Ilig oiTenhar werde am Gegen-
(heile und Widerstände , hat Gott auch diesen und alle
seine Folgen in der Schöpfung über sich genommen. Cad
^n diesem Sinne lässt sich sagen, dass Gatt mittelbar
fiucJ^ das Böse gewollt (8. 485r^49t).
Allein wir müssen noch andere charakteristiseke Ans*
f^rüche Schell in gs hier anreihen, welche, wie sie ger.
eignet sind; die Rechtfertigung Gottes wegen WaUeninssens
des Bösen noch weiter zu treiben, als irgend eine Philor
Sophie es unternommen hat, vpn der andern Seite doch
in den Sinn der ganaen Weltansicht entscheidendere Blicke
thun lassen, als 'bisher^ -r^ ,,Dass Gott die unordentlichen
Geburten des Chaos zur Ordnung gebracht und seine ew^
liinheit in die Nattur ausgesprochen , dadurch wirkte er
der Pinstemiss entgegen , und setzte der regellosen Bewe-
gung des verstandlosen Princips das Wort, als etn iMstan«-
diges Gentrum und ewige Leuchte, entgegen. Der W^üie
zur Schöpfung war datier unmittelbar nur ein Wille
zur Gehurt des Lichtes und damit des Guten;
das Böse aber kam in diesem Willen9 weder
als Itfi ttel, noch als conditio sine qt/tß non der
grossten Vollkommenheit der Welt, in Be-
tracht Es war weder Gegenstand eines gött-
lichen Rathschlusses, noch viel weniger ei-
ner Erlaubnisse'. (S. 491. 92.). Hieraus wideriegt
Scheliing den Leibnitzischen Begriff des Bö^en, als
fler beglelteinden Bedingung zum Guten. Gott kann dem
\ViUcn des Gru^ides nicht wehren, oder ihn aufheben, in-
dem Gott damit die Bedingung feiner Existenz, seine Per-
sönlichkeit , aufhöbe. „Damit also das Böse iiic|it wär^
niusste Gott selbst nipht sein«.
Folge darau»» Ar die ganze Ansicht <?)4&
ist Yon. S che Hing einer Ansicht Raum gier
geben, wdbhe. an die VoR^eUMng eines Duaiimnus in GoM
selbem sireill, Da« bewussllose Wirken des Grundes,
welches die diaoUschen Geburten hervoiigebracht , isl da«
urs^üngliche und ers^e, dem dureh das Verhängnis», vfeU
che« itti Gesetse alles Lehens liegl , Gett selbst nicht hat
entgehen {(önnen. Die Auswirkung des Boseni walohe mit
darin j^tbalten ist , iist daher gleichfalls vpn Gott weder
zugelassen, noch beschlossen; sie ist die unwillhuhrlidbe
FQlge jenes ungeordneten Aufgihrens des Grundes , wel-
cher Gott, der E^istirende, die Person Gottes, viebnehr bann
digend und ordnend entgegentritt, als allein der WiUe
des Guten; und hiermit beginnt die Schöpfurig,
welcii0 daher zugleich (wie es die Abhandlung in ihrem
letzten Theile. weiter« entwiekelt} in ihrem Fortgänge eine
De^iegung lund Aufliebung jener Kraße des Grunde? i^t,
indem diose aus d^qi Triebe, s^lbststandig und ausser ihrer-
wahren Einheit zu wirken , in sich zurückgebracht und in
dent Zustand des Crundes , der Pptentialität, versetzt wer-,
dep , wodurch d^s Bqse daa wird , was es immer fiein
sollte, Basis, UnterwQrfenes. Das Ende der Offenbarung
(die Vollendung der Schöpfung) ist daher die Ausstossung
des Busen vQui Guten , d. h. dio Erklärung desselben als
gauziichcr Unrcalität.
So lange aber die anfangliche Dualität dauerte,
herrscJite d^s schaffende Wort in dem Grunde; ^diese
Periode der Schö.pfung^ (der Dualismus des unter«
geprdnpten , widerstrebenden und des übergeordneten,
überwindenden Princips) „geht durehallo hindurch
bis zum Ende, Wenn aber die Dualität durch die
^heidung vernichtet ist, ordnet das ideale Princip si^^h und
das mit ihm £in$ gewordene gemeinschaftlich dem
Qeiste unter^ Mnd dieser, als ds(S göttliche Bewusstsein, lebt
nun i^uf gleiche Wf^ise in beiden Prinpipien^* -^ ^Das
ist. die Zeit, wo Gott AUos in Allen, d.h. wq.er ganz ver-r
wiiklicbt sein wlrd^e (Si. 496, 94.).
Doch die llärto , ja das. Bedenkliche jenes Dualismus
7¥} Folg« Mlamos ,
in .CMl) wdcher Es'oheiiiiiiyer'n ist setaem bektRiDten
Sendschreiben anSehelUng sogar sum harten oder ge-
wttgtK^n Vorwaife veranlasste, dkiss diese Ansicht Gott» als
Bxistirenden, aus etwas dem Teufd AdHiKdIlfem faerrofge^
fcert lasse, halSch^lling selbst gleich uinprüngfieh «chen
Miszugleichen gesuelkt, vieiieicht freilieh nicht ohne «hdnrdk
den Gewitin , welchen die Lehre vom Grande in Gott ihn
darbot , zu geOhrden und teilweise sogar wieder za
limitiren.
Ueber jenen beiden gieich ewigen Anfingen, nagt er,
mnsi ein Wesen sein, was nnr ab die absolute I n d i f fe-
renäs beider bezeichnet. werden kann, — «der Urgrund
oder vielmehr der Ungrund^' — welches in jeden
deraelben nicht nur zugleich, sondern g I e ieh e r-
weise, in jedem afs das Ganee^ wirklich ist.
- - > JÖer Ungrond tlieüt sich aller in die beiden glekfa
ewigen Anfinge, nur damit die zwei, die in ihm, ab
Ungrnnd, nicht zugleich oder Eines sein konnten, durch
Liebe Eins werden, d. h. er Iheift sieh nur, da-*
mit Leben und Liebe sei und persönliche Exi-
s^tenz; — denn das ist das Geheimntss derLi^e, dass sie
solche verbindet , deren jedes fär «ich sein könnte , und
doch nicht ist und nicht sein kann, ohne ^s Andere^. —
Indem sich aber, was aus dem Grunde isIT, allniahltiA in
der fortschreitenden Scheidung der Kräfte dem Geiste, und
dHdurch der höchsten Einheit, unterwirft, um völlig selbst-
sldndig und in freier Eigenheit doch zugleich Eins zn seiA
mit Gott, indem so die Schöpfung und die Wettkriais zu-
gleich vollendet wird: „ist in dem Geiste das ExtsUrende
mit dem Grunde zur Existenz Eins ; in ihm sind wfaUkh
beide zugleich, er ist die abselate Identität bei-
der. Aber aber dem Geiste ist der anfängliche Ungrnnd,
der nicht mehrlndif ferenz CGleichgültigkeit)
ist, und doch nicht Identität beider Principten , sondern
die aHgemeine, gegen Alles gleiche, und doch von
Nichts ergriffene Einheit, das von Allem ireie und
doch Alles duichwirkende VVohlthun, mit Einem Worte
i«M
für die gan2o Ansicht 74/
itie Liebe , die Alles in ARem ist«. — „Nur GM, nU
Geist, ist di« Absolute IdeMirät beider Pmoipfen, über
nur dadurch nnd insofern, dass nnd inwiefern b«id*e
seiner Persönlichkeit nnternrerfeil sihd^
(S. 497—5010.
üiess ist nun der höchste Lidht^ und OitiAilpunkt ;, bi« '
m weichem S c h e 11 i n gf in dieser Abhandlung-^ und fibeFü
hattpt wohl in den durch denDitick fiocli Vekunnt gttwtm*^
denen Urkunden über sein System ^ förlgae^clfritten' Isti
Hfeinnit \A jedoch — was ziAifichst zu zeugen ^ die Cehtu
von dem rdtaiiv unabhängigen Grunde ^ aus welchem dnd
Chaos, als ursprtlnglichste8,ttnddieAlBtuansftnnif de^
Bösen staimnt, bedeutend modKicirt. Es ist keiii UnwilU
kflhrliches mehr, keine unentweichbare Nothwendigki^il;
wie es vorher erscheinen muss^, wonach inG*dt4 selbst
das Dunkel dem Lichte, das Chaotische «ind Blindwirkende
dem Verstände vorausgeht; sondern mü ffcüeniKnlschlussti',
in der Absicht, „damit* durch die Einigung des Gcflhe»*
ten das Leben und die Liebe empfindlich werde, scheidet
sich Gott in jene beiden Anfange. Dadurch fhllen jedoch,
wie schon bemerkt , die Vorbehalte hinwejg, durch 'Welche
Schelling die 'Verwirklichung des Bösen uiid seine
Theilnahme daran von Gott abwenden zu können gfMibte,
Bestimmt sich Gott in freiem Entschlüsse dazu, si-ch zum
Grunde seiner selbst zu machen, sammt allen diiran ge-
knüpften , ausdrücklich „vorausgesehenen« Folgen • l^i die
Oekonotnie der Schöpfung; so Ist es Gott nun allerdings
selbst, welcher mittelbar auch das Böse erregt, und auch
Schelling musste wieder auf die Anfangs verworfen^
Bestimmung Lelbnitzens zurückkommen , welche ohne-
hin seiner ganzen Grundansicht völlig ta entsprechen
scheint, dass das Böse die „Bedingung, ohne wel^
che nicht«, des verwirklichten Guten sei, universal
erregt, zur Befestigung und zum Siege der Liebe und
des OöUlichen in der Schöpfung. Aber nicht nur dfesöf
kleme Widerspruch , sondern ein tioch tieferer Zwiej?palt
des Systemes mit sich selbst ergicbt sich aus jenen spätem
749 Vcrmdi , die. höchste Efaihcit
Beitiifiviiingeii im Gegensatze mit der ftmdamenlakn Lehre
fiaw yon r Qoftt umibhfitigfigeii Grundes in Gatt selbsl, wo^
von am Sobhisae dieses Abschnitts bei Erwähnung der lete-
tcp Gestalfr des- Systemes noch Etwas hinsnizulugen ist.
Dennoch wäre von der andern Seite sogletdi heraus*
^ sufaeben, dass jene«o eben vernommenen Schlusseiidinni-
gen v(dlstandig ausreichen, um dem Begriffe der Immaneai
von Gott und Welt^ von UneadUdiem und Endlichem, wie
der firöhere StandpunktSchellings ihn mit sich brachte,
ein finde zu machen. Scheilings spätere Sdiüier ha-
ben behauptet, sebie gegenwärtige Lehre sei so wenig
Faiithei^mus^ dass sie vielmehr zur Bekämpfung seines Prin*
i^ps weit tiefer greifende Fundamentalbegriffe in Bewegung
%n setzen termöge, als die herrschende theistische Denlc^
weise. Wir müssen diesem Urtheile , von allem Andern
abgesehen, was die Lehre uns zu bedenken giebt, völlig
beitreten. Gott tritt in , die beiden gleich ewigen Anfange
der Schöpßing auseinander , er gönnt so der Kreatur , ih-
ren Ursprung und ihre Selbstständigkeit in dem einen der-
selben zu haben , damit er am Ende der Dinge mit der
selbstfitändigen und freien sich vereinigen, damit die Udie .
sich verwirklichen könne. Hier kann mit Recht behaqitet
werden, dass Gott diese Liebe, welche er am Schlüsse ver-
wirklicht und offenbart , auch am. Anfange ist : abenmüs
jedoch nicht im Siinne eines abstrakt allgemeinen Wesens,
{sondern als ewiges Subjekt , als absolute PeiSQnlichkeiL
ItMlcm er nämlich gedacht werden muss, als ebenso frei
libei* jenen Gegensätzen schwebend , wie sich iluien hin-
geben4i aber d^ch nicht qiinder sich völlig daraus zurück-
behaltend , indem er in jedem der Giegenslitze nicht nur
zugleich, sondern g^n^, als derselbe ist: lisst
^ich dieses völlige Eingehen in den Gegensatz und die
eben so völlige Freiheit oder Indifferenz davon nur be-
greiiUch finden an einem höchsten Subjekte, in dessen
persenlicheni Geiste und Bewusstsein; denn nur des Gei.
stes Eigenschaft ist. es, dass er im Wechsel der Zustände
sich ganz bewahrt und, in alle Gegensätze oder Ausschliess-
derselben zu fassen. ' 749
KcMceitört eingehend^ darin gich dodi M^ dev ißiiiltSe Und»
Selbe mit hinzubrtitgt, «
Wenn also Schelling — ^ um neefa einmal an>Aeitte.
späteste Erkläningf zu erinnern — Qott ^daa absolute Svh^\
jekl^ nennt , „das seiner Natur nach sich objelitivtrt^ «bcri
aus jeder Objektivität siegreich wiedbr hervor- und nov^
in eine höhere Potenz der Subjektivität Burücktritt^ big ei.
zuletzt a 1 s über alles siegreiches Subjekt s t e h e n b 1 ei bt<^:)
so ist ihm von hier aus ebenso die rflckwirtsgreifendfi,»
freilich noch nicht ausdrücklich von ihm ausgesprochene;
Folgerung einzuräumen, dass Gott darum auch als
ewiges Subjekt am iin/^an^ire gedacht werden
müsse, nicht erst in Folge der Selbstpaten*
zirung durch den WeltpreceS'S.
„Damit^ nämlich Gott am Ende des vielversdilünge-
nen Weltprocesses als diess ,,siegrei«he^ Subj^li, -^^
als die Einheit des göttlichen und krealurlif^
eben Geistes , — auferstehen könne; -- wie ist die^
ser wundervolle Vorgang (der gliche ,,Sieg^ einer Vor-
sehung) in derThat anders begreiflich zu machen, als un«
ter Voraussetzung eines Ursubjektes, einer diesen Sieg
vorausschauenden , wie bewusst auswirkenden Macht von
Anfang? Ueberhaupt ist diess der gründlichste und
fruchtbarste Weg der Forschung; wie er hiermit auch von
S ch eil in g wenigstens eingeleitet zu werden scheint, von
dem Weltbegrifle zum Begriffe Gottes aufzusteigen , d. h*-
die innerweltliche Manifestation desselben zur Prämisse
zu machen , auf welche die Schlüsse über seine vorweit*-
liehe Natur gegründet werden müssen, ^ oder in jener die
Daten für diese aufzusuchen.
Diess ist unsers Erachtens auch der eigentliche fiS-^
dungsgang rein metaphysischer Forschung seit älte-
ster Zeit gewesen , welchen wir erneuert eingeschlagen
haben, um^ ohne jenen (Schellingschen) Umweg , der
sich nicht ohne Gefahr der Verirrung erwiesen hat , auf
das nächste Ziel der Metaphysik , zugleich den Höhen-
punkt der eigentlichen Philosophie, deki fiegriff
750 Versuch , 4io (loefaste Einheit
dergöttiiiAeB VcvmJkkkeH, bis. zu deeaen Vorausse
sung wenigstens Schelling hier gehingt ist, völ
»HMstindfg von «anstigen Bt^iehungea zur RealphUoso-
phie loiBtigdieB. Wes bei SckeUing ninlich in seiner
reslphilosephisdie« Ko80lniklion der Begriff der Poleasea
tindi dinr hö€fastea Potenz etidiält , fassl unsere metapby-
aisclie Bewieisfuhsnng aUgemeitter unter dem Begriffe des
ifi- der Well «ilgegenwäiligen ^ imnianenten Zweckes : das
eigentliche «ettlpbysiadi m bearbeitende Problem ist die
onivenNile Wellthatsacbe einer unendlichen Zweckverknö-
pfingy.aof den»n upgebewser Garantie die Metaphysik zn-
letBUden unabiwieisUohen Aussprach gründet, dass das Abso*
hite^ ab eine der Wellten Zweck einschauende Maoht, daran
selbst nur als urdeokendes und (dessbalb auch) wol-
len d e^ Weseti gedaeht werden ken^e* Damit versehwin-
dei jodi(Kb» was. noch wicbliger ware^ jede YoransseisiBig
eines anßng^ichen. Dunkels in Gott, als oiae widec^re*
ehende,: ja; in Uefster Bedeutung widersinnige, weil sie sieb
mit jenes Thalsaohe atlgegmwartiger Zweckverknäpfung ioi
üniveesum uavertragUeb zeigt Der Zweck in den Wdu
dingen^ wem Ernst mit diesem Begriffe gemacht wird^ kann
nicht gefiftsst werden, als ihnen au^epiigt durch eine erst
apiler Ober sie kommende Anordnung eines ursprunglich
regellosen, der Zweckbildung flreokden Stoffes, wie aus den
Principicn der Schciüng sehen Kosmogonie folgen war«
de :. der Zweck des Dinges muss selber aus seinem Gründe
stammen, seinem ursprunglicben Wesen einverleibt sein, ja
als Bins mit diesem gedacht werden. *)
*) Vn^ ui9tapbyajdcbf /^n^iJuhruiig jene« Begriffes in der asgege-
beiMa Weise giebt, neben der Ootologie des Verfassers^ be-
sonders seine. Abbandlung zur spekulativen Theologie
in der Zeitscbrift für Philosophie (Bd. V. H. 2.
. S. 195^254.), worin auch (S. 216-^19.) ein summa rtsdies
Urlheil Aber die Seh el l tngsche Lehre nach ihrem g«gMk-
wältigen SUndpfn^btie, abgtfgeheo wini, «uf dvasen lahaU iumI
Gründe wir tp^iter noch luruckkommfii müssen«
dersolbcnr tm fassen. 7^
Doch wfire wiSit j^fehU^ wenn mm jene Lehre von
eiiK^n dtnkeln, bowii^stlo» wirkenden Gmnde in Gett^ di^
ScheMing. alioh ap&lier nioht aurgegeben zu .haben sok^f^
so vielfdche InooDyeaienzennacii aUeii Seiten hili sie sen«
ucm Systeme kereüea mmsB , bloss aus der noch rforMtn-^
emdea Verbindung desselben alt 4en BegriSbn seiner flU
tcrn Naturphilosophie kevleiteii , nni den Gnmil davon iih
c4nor:Heber(ragung ihrer Pateneenlehre iii*s Helaphysische
finden woHte. . Sie kingl bei :ihmf vielmehr' auf das TuM»
mic einnb andern Prdbtenie ^anisammen , dessen Lösang er
darch jene Ansichl kerbeiififarcn wioUte* Am Unumwnnde»«-
sten hat er sich dailSber in dein Denkmale gegen Jax
cobi ansgesprochen. Jacobi's Alternativ« ndmiieh b^
kämpfenil , wonach dieser behauptete , es könne nur zwei
Haoplüasseii von FhHoaofphiäeii geben, solche, wdche «datf
Vollkommene aas dem Unvollkommenen hervoigehen vni
aUmdhSoh sich.entwickehi lassen (der NaturaUsmus) , - und
solche, welche als- Ursprung von Allem das Vollkommenste
vorausgehen lassen,. ,,ein sitUiehes Princip, eine mit Weia-i
kett wollende und wirkende Intelligenz , einen Schöpfer««
Golf* (der Theismus)*); steBt* Schelling ein drittes,
beide vermittehides System auf, aus folgenden Gründen*^) 3
Das Tiefste, Verborgenste in Gott, seine Aseitat, ist
nicht schon selbst Bewusstsein , also der . bewusste GotLl
(An sich gewiss nicht; die RealitSt in Gott, seine Na-
tur, einseitig für sich selbst genommen, müsste als etil
ebenso Dunkeles gedacht werden , wie im kreatürliohen
Geiste eine dunkle Grundlage von Existenz ist : aber dtek
doppelte Frage bleibt zurück, ob in Gott diese seine
Natur nicht gleich ursprünglich von Bewusstsein und Selbste
durohsichtigkeit durchdrungen ist, w a s ihn eben zu Gott
*)9,U«ibfr güttlicb« Dinge und ihre Offen bar niig^'s
Jacobi'f Werke BcL JU. S. 382. ;
*") y,1>enkni al der Sohrift yon den gdtilichen Dto«^
gen«' 8. 76—87.
753 Allg'em^iiie Prtmisseh
macht? Sodaitn noch besKmintcr: ob Gott fnitjen^m don-
Mn Grande seiner selbst schon schaffend wirke? Undjeae
Vr^e bejahend, diese verneinend, hfitte mati damit dife RidM
ttgkeit tmd Allgämeinheit jeites Satzes, wdcher allehlings die
Gmndla^ jedes wahren und lebendigen Theiamiis biMet^
nicht aurgegeben ; ja man hatte sie vielleicht von anderer
Seite her nur verschärft nnd bestäti|ft)
. Dass äich das Vollkommenä aus seinem eigenen Ua-»
vofflMihmeneh erhebe ^ dariii liegt nichts Widersinniges;
Schelliiig bestätigt den Satz an Beispielen aus dei' Natur
des endlichen Geistes. NothMrencfig muss jedoch das
Allervollkommenste — dasjenige, weldies die Yollkooamea-»
heit aller Dinge in sich hat^ ^^ vor allen Dmgea sein.
Das Vollkommenste, dem blossen Vermögen nach^
ist daher zuerst. ^^Die t^rage ist aber, ob es als das Ak
IbrvoHkommenste zuerst war, welches schwer zu
gflauben Ist^ aus vieleh Gründen^ zuntt^hst
aber schön aus den ganz einfältigen, weil es,
im wirklichen Besitze der hö chsten Vollkom-
menheit, keiiien Grund zur Schöpfung nnd
Hervorbringung so vi ei erDinge hatte, dnrcb
dickes, linfahig eine höhere Stufe von Voll-
kommenheit zu erlangen^ nur Weniger Tolt»
kommen werden konnte'^.
Diess halten wir itir den wahrjcn, zugleich ticf||cschöpf-'
tcn Grund ^ welcher Sc hell in g die Lehre von einer ur-^
sprunglichen Evolution aus dem Unvollkommen in's VoU-
kommene in Gott selber nicht aufgeben liess. Woher
überhaupt sonst das ganze Reich, dasUniveilsüm, desBewusst-
losen^ gegen welches das Reich des Bewussten, de» freien
Geistes, äusserlich ^um Unbedeutenden Versehwindet; woher
das mühsame Ringen der Natur selbst , stufenmässig , und
in wiederholten Ansätzen , die Gestalt dieses Geistes ^ und
das äussere GefSss einer sinnlich se^listhcn Organisation
iur denselben zu finden 5 wenn es der Allmacht des voll«
kommensten Geistes möglieh gewesen wäre, gleioh Ursprünge
lieh auch das vollkommenste, und nur das voUkommeosle
dieser Weltaiisicht 753
Geschöpf 20 bilden? bt daher niebl in ihm selbst eine
Schranke anzonehmen, ein Widerstrebendes, welches nur
gradweise, aus dem Innersten seiner selbst her , überwun-
den werden konnte? — Es verdient bemerkt zu wer-*
den 9 welche hypochondrische, aber originale und tict*
sinnige Lehre Friedrich Daumer aus jenen Prämissen
und überhaupt aus der sich ihm aufdrängenden Grund«
anschauung von dem Uebergewichte und der Ursprünglick-
keit des Unvollkommenen ausgeboren hat, indem er den
Grund aller Unvollkommenheit und aller Uebel des Daseins
unmittelbar in Gott selber findet^ der in seinem Selbstgebä-
rungsprocesse durch die Welt noch keine höhere Stufe der
Vollendung sich errungen hat Alle Individuation und Ein-
zebiheit , auch der Geister , ist nach ihm nur die unwill-
kührliche, wieder abzustreifende Folge jenes sich selber
suchenden, zur Gestalt bringen wollenden Ringens in Gott;
im Tode, als der Vernichtung derselben, werden er und sie
selbst wieder befreit von diesen temporären Versuchen
des Daseins: sie kehren in die Ruhe in Gott zuriSck,
und wenn von einem Wiedererscheinen Verstorbener die
Bede ist , so ist auch diess nur die kranldiaft widematAr^
liehe Aufstörung eines überreizten Lebens, welches jene Ruhe
noch nicht finden kann-;' die nut der völligen Aufhebung
der Individuation in Gott Eins ist. — Wie grundverschi»«
den nun auch diese Lehre von der S c h e 1 1 i n g sehen sei,
indem man sie das Widerspiel der letztem, eine Philosophie
des Todes, nennen könnte: so ist sie doch aus denselben
Keimen, aus dem Bewusstsein derselben Grundprobleme,
nur in einseitiger Steigerung einzelner derselben, hervor-
gegangen; und auch, wie dieser, muss man ihr zugeste-
hen , aus einer tiefen , in Gemülh und Geist durchbildeten
Grundanschauung geschöpft zu sein, welche nicht durch
blossen BegrilTssyUogismus widerlegt, £;ondern deren Be-
dürfniss und Anliegen befriedigt werden muss durch eine
wirklich lösende, jene Fragen aufklärende Gesammtansicht.
Wiefern diese Befriedigung in Schellings gegenwärti-
ger Philosophie erreicht ist , muss bis zu ihrer Veröffent*
48
754 Aligemeine Präniissen
lichung tmentschieden bleiben; in Hegels Systeme mid in
den herrschenden Vorstellungen der Schule ist Nichts da-
von vorhanden', indem man hier nicht einmal jener Fnge
mit Bestimmtheit sich bewusst wird, und ihr tiefes GewiÄt
empfindet 1 —
Ebenso ist es die andere leitende Idee der Sckel-
lingschen Lehre, dass allem Leben ein Schicksal, die
Nothwendigkeit eines Werdens ans der Ueberwindnng von
GegensätsM^n , auferlegt sei ; so auch dem Leben Gottes,
falls es wirklich das lebendige , noch mehr das geistige,
sittlich freie sein solle. Sc h eil in g spricht sich darüber
auch im „Denkmal^ auf das Bestimmteste aus*). Wenn
des göttlichen Wesens Art in Lid>e und Güte besteht , so
kann seine vorausgesetzte Natur nicht auch in Gate und
Weisheit bestehen, weil sonst kein Unterschied
wäre; in ihm selbst muss daher ein Mangel, w^üg-
stens.von selbstbewusster Güte und Weisheit, es
muss in so weit blosse Stirke sein. Und wie sollte
Gott doch selbst, sammt seiner Weisheit und Gute, beste-
hen ohne Starke, da Starke eben das Bestehen ist? Denn
wo keine Stärke, da ist auch kein Charakter , keine Indi-
vidualität und wahre Persönlichkeit ; und ma durch die
Stärke kann auch die höchste Güte £ur Majestät erhöht
werden.
Wenn aber einmal eine Stärke, also Etwas, was
bloss Natur ist, im höchsten Wesen vorausges^zt
werden muss: so kann kaum noch gefragt werden, was
vorausgegangen, ob Gü^ und Weisheit zuerst g^
wesen, und dann die Stärke ,,darüber<^ gekomm^ sei,
oder vielmehr umgdcehrt I Und so folgt denn von sdbst,
dass das' zuerst Gewesene — ,,nioht zwar eine Natur
der Dinge^ c^ine Schöpfung), ,^die noch gar nicht hier-
*) Man Tergleiche In weiterer Beziehung noch dutelbst «eioe
ErkUrangen fiber den Begriff der Persönlidikeit GoUes, S.94
^100; über den Begriff det Lebens S. 102 — 104. 107.
u. 8. w.
dieser Weltansicht 755
her ^hört, — wohl aber die Natnr des Wesens
selber sei , das sich zum adu VoOkommensten aus sich
sdber evolvirt habe^: — (wobei' jedoch immer noch die
allgemeine Voraussetaang zu prüfen bleibt, ob in Gott
überhaupt von einem solchen ^Vorausgehen« des Einen
oder des Andern die Rede sein könne , wo dann leicht
das ganze Entweder-Oder dahinfallen möchte.)
Auch die Intelligenz, welche wir dem göttlichen
Wesen beilegen , kann nicht so blank nnd bloss auf sich
selber, als Intelligenz, beruhen, sie bedarf eines Seins,
einer realen Erfüllung , „indem sie^ als Denken, gleichsam
das Dünne 'und Leere, wie jenes das Dicke und Volle ist^*
Aber der „Anfangt' einer Intelligenz in ihr selber *—
(ein Anfangen, ein wirkliches Vorausgehen eines Nicht-»
intelligenten, als eines besondem und für sich bestehenden
Zustandes, diese Eonsequenz ist jedoch abermals nicht ge-*
fordert durch den an sich richtigen Inhalt jenes Satzes)—: kann
nidit wieder Intdligenz sein, „weil sonst keine Unter-
scheidung wäre«, ttber auch nicht schlechthin nicht
intelligent , weil es die Möglichkeit einer loteDigenz ist.
Die Gegner dieser Ansicht haben aber, nach S c h e 1 1 1 n g,
Hoch das besonders gegen sich, dass sie nicht zu erklären
im Stande sind: „wie doch aus einer so ganz kla-
ren und durchsichtigen Intelligenz ein so
sonderbar verworrenes — wenn gleich in
Ordnung gebrachtes — Ganzes, wie dieWelt,
habe entstehen können«^? (Denkmal S. 78. 81.
83^-84. 86. Vgl. S. 105—106.).
In der mythologischen Abhandlung «über dieGott-
heiten vonSamothrace« (1815), dem letzten Werke,
worin sich S c h e 1 1 i n g über seine philosophischen An-
sichten öffentlich eiklärt hat , wird die Potenzenlehre vor-
getragen, aber mit ebenso bestimmter Hervorhebung eines
gegen sie freien, in ihnen waltenden , aber eben darum
von Anfang her ihnen vorauszusetzenden göttlichen
Subjekts , welche Lehre er in den Mysterien der Kabiren
und überhaupt in der Gesammlheit der alten Mythologie
756 ScheiUngs
tufsucht, und ^als dasUrsystem der Menschheit' ans einer
Deoiungf derselben wiederherzastdl^n, sucht.
Das tiefste, anfinglichste Wesen (Axieros- Ceres) ist
Hangar und Sucht nach Dasein, der erste, entfernteste Ao-
fiing alles wirklichen, offenbaren Seins ^- die „Sehnsndit*
des Grundes in der Abhandlung fiber die Freiheit Die
nächste Gottheit (Axiokersa-Persephone-Isis) macht den
Gnindanfang der ganzen sichtbaren Natur , wodurch , wie
durch Zauber*, Alles zur Wirklichkeit oder Gestaltung ge-
bracht wird:^ ,)Zauberinn ist Persephone, als erster An-
&ng zum künffigen leiblichen Dasein, als die, welche diess
Kleid der Sterblichkeit webt and das Blendwerk der Sinne
hervorbringt': — yei^eiehbar , nach der frühem wissen-
schaftlichen Unterscheidung , dem ersten Scheiden und Ord-
nen des zweiten Principes , des Verstandes , in den
ursprunglich regellos sich bewegenden Natnrkraflen. —
Die dritte Gestalt* (Axiokersos-Osiris -Dionysos •*Othin)
„überwindet den Zauber der Persephone, und wird dadurch
erster Er Öffner der Natur, sie in mildes Leben und sanfte
Leiblichkeit aufschliessend^, — den völligen Sieg des Ver-
standes über die chaotischen Kräfte der Natur , die blei-
bend geordnete Schöpfung in einer Stufenfolge der Welt-
wesen, und damit die Herausbildung des eigentlichen Welt-
zweckes, des Geistes, befestigend : desshalb nennt er den
'Dionysos auch den Herrn der Geisterwelt, die Qffenbanmg
im Geiste.
Aber über der Natur und der (kreatürlichen) Geister-
welt steht das die Beiden^ sowohl unter sich, ab mit
dem Ueberweltliohen vermittelnde Princip (Kadmilos — Her-
mes — der Engel des 'Angesichts Gottes). Diess ist un-
streitig die merkwürdigste Gestalt unter den mythologischen
Deutungen Schollings für die Vergleichung mit seinem
eigenen Systeme. Offenbar kann sie nur dem vergtichea
werden, was Seh ellin g im Zusammenhange seiner altern
Ansicht die Identität des Subjektiven und Objektiven nannte,
d. h. dasjenige Wesen, was ebenso ganz in der Natur, als
in der Geisterwelt, sich verwirklicht: — der Wellgeisl, das
myliiologteciie AbhancUimg 757
^ttliche Geistwesen, was, durch die Natur sich potenzirend^
im Menschen unmittelbar kreatürlich wird. Dieses hat nun,
nach allen Erklärungen Schellings in den Werken sei«
nes zweiten Standpunktes und nach der damals nirgends
verleugneten Gesammtkonsequenz desselben ,. — (welcher
das He gel sehe Princip (Anehm conform ist) — ihm iiQr
das Absolute selber gegolten. Hier ist es dagegen
nnr der Mittler des Kreaturlichen mit dem gegetf die Welt
freien Gotte, dem Demiurgos, Zeus ; — der, wenn wir die
Konsequenz des Ganzen richtig fassen und den Sinn einzelner
Ausdrucke festhalten, nicht die höchste Potenz in der Reihe
der übrigen, — eine solche wäre vielmehr, als Person, Kad-
miios, — sondern das schlechthin über alle Potenz hinaus-
liegende, und in allen gleichmässig wirkende Wesen, wo*
darch doch die Einheit Gottes in jener MannigfalÜgkeit,
der Potenzen oder götUichen Machte wiederhergestellt, und
gerade die überweltiiche Persönlichkeit dieses ßinen Gottes
gerechtfertigt wird. Indem er frei in allen Potenzen wirkt,
und sie sämmtlich zur Einheit des Resultats im Weifganzen
zusammenknüpft , muss er als das Eine , bewusst göttliche
Subjekt von Anfang gedacht werden. In diesem Sinne kann
S c h e 1 1 i n g das Kabirensystem fassen, j^als die Darstellung
des unauflöslichen, in einer Folge von Steigermigen vom
Tiefsten in's Höchste fortschreitenden Lebens , Darstellung
der allgemeinen Magie und der im ganzen Weltall immer
•dauernden Theurgie, durch welche das Unsicht-
bare, ja Ueberwirkliche, unablässig zur Of-
fenbarung Ujud Wirklichkeit gebracht wird.<^
— „Die ersten Gottheiten desselben sind weltliche , kos-
mische Mächte , Glieder Einer vom Tiefsten in's Höchste
aufsteigenden Kette, die sich endlich alle in Eine
höchste Persönlichkeit verklären, — die Mitt-
ier zwischen dem Menschen und der (höch-
sten Gottheit«. ♦) —
*] „lieber die Gottheiten von Samothrace, Beilage
758 Sptterer Uebergang SdieHnigs
ßo wdt fSnfem ms die von Schell iag sdbil
fiber sein System TeröffenUichlen Uiiciniden ; die gegen-
wfirtige Geslalt dessdben , worüber joie noch nicht gege-
ben sind , kann kein Gegenstand fernerer Darstdlong vi
Kritik sein« Doch sind andi ober die letztere einige Winke
gegeben worden in Chalybäns historischer Ent-
wicklung der spekulativen Philosophie von
Kant bis Hegel (Brste Anfl. 1837, S. 244--«l):
s weite Anfl. 1839, S. 274--2890. Die qneUennätsig
gewissenhafte nnd einsichtsvolle Darirtellang in den nbrigei
Theiien des Werkes lässt uns annehmen , dass auch Uer
hinreichende Daten su Grunde liegen ; um so mdir, als die
dort* erwähnten Haup^mnkte , — die Richtigkeit des fin-
lehien lassen wir unentschieden — sich gennn an die
letzte Gestalt von Schellings Systeme anschliesteo, nnd
deren Entwickelung sogar fortsetzen wurden.
Hiemach scheint nämlich diese weitere DuTühbfldnng
der in der Abhandlung von der Freiheit neu fundamenlir-
tirtcn Weltansicht darauf gerichtet zu sem , die Lehre tob
dem blindwirkenden Grunde in Gott, das aus der Naturphi-
losophie herubeigebrachte Princip, welches nach dem Sinne
jener Abhandlung, wiewohl nicht ohne einiges Schwanken,
in ein Dualistisches für Gott selber auszuschlageii sdiea
(5. oben S. 746—747.), tiefer nnd dauernder dem Begrife
der götdichen Einheit und Freiheit zu unterwerfen. Diese
spatere Entwicklung drängt namlioh mit der grösstea Ent-
schiedenheit auf den Begriff der freien Subjektivität in
Gott, mit welcher er, als das frei sich entscheidende, danm
geistig persönliche Wesen, über den entgegengesetzten
Möglichkeiten semes Seins schwebt: im Stande ist, m je-
der der drei Potenzen (der allgemeinen Mögtichkeit des
Seins oder des Nichtseins, des Grundes zur eig^dicbes
Existenz und der dadurch vermittelten Existenz) ganz n
zu den WTeUaltem, S. 17. 18. 19--22 ; TergL S. 75 £
26—28. 37. u. s. w.
in emu vierten Stemlpluikt. 769
sein, oder eben so ganz bei akh selbst ra Ueäen, in das
reine (geistige) Ansichselbstsein sich jEurflckzunefamen.
Hiermit verschwindet völlig der B^^riff j^fier Noth-
wendigkeit , jenes Schicksals in Gott , wodurch er so un-»
mrilikuhrlich, wie ursprünglich, in« das bhnde Wirken eines
Grandes in ihm verwickelt is^ und wenn wir nrtheilen
muwten, dass in der Abhandlung über die Freiheit dies«
Ansicht noch nicht vollständig abgelehnt oder dberwunden
war 9 dass hierin besonders sich das Schwanken derselben
kund that : so ist jetzt das Unentschiedene darin mit voller
Ansdrucklidikeit hinweggethan, das Prindp der Persönlich-
keit von Anfang hat völlig gesiegt , und wir können mü
vollem Rechte von daher den Uebeigang Schellings
in eine vierte (nach ihrer nähern Entwicklung übrigens
noch unbekannte) Epoche datiren. Für jetzt könnten wir
das Charakteristische derselben etwa so aussprechen :
In Gott ist die freie und klarbewusste Hö^ichkeit ge-
setzt (und darum ist er Person, vor jedem Personwer*
den m der Weltgestaltung) , skh dem Processe der Po«>
lenzen, der Gegensätze in ihm , hinzugeben -— was sonst
nur in idealer Selbstanschauung ihm vorschwebt , zu ver-
wirklichen , — oder auch nicht Dass und wie er sich
über diese entgegengesetzte Möglichkeit entschieden , dar-
über kann apriort nicht abgeschlossen werden : es ist die
Urthat, die absolute That, von deren Vollziehung wir nur
durch das Faktum der Welt und einer solchen «Welt
Kunde erhalten. Desshalb scheint Schelling seiner Phi^
losophie den ausschliesslichen Namen der positiven, mitten
in der Wirklichkeit stehenden und diese erklärenden,
vorzubehalten. In diesem Sinne kann auch sein gewichti-
ger Ansq»mch zu deuten sein : dass mit dem rein Ra-
tionalen (Apriorischen) an die Wirklichkeit nicht heran^^
zukemmen ist.
hidem sich aber Gott entschieden bat, — oder ebenso
stets von Neuem sich entscheidet, — wirklich zu sein; —
denn er könnte jene Urthat an sich eben so wieder zu-
rücknehmen » und überhaupt die Weherhaltung als ereotio
760 Al^fenriiMte Umrisse
cmUmua ni ftfisen, bioss in der Konsequeia der Schel-
lingschen Weliansidit liegen: — giebt er sich damit zu-
gleich freiwillig dem Loose der Endlichkeit, dem Schidb-
sale hin , das , was er in reiner Idealitäl zomal und als
Eins war, getrennt zu setzen; detm ohne einen sofchen
Gegensatz , ohne eine ^annnng^ der Potenzen, kann es
nun einmal zu einem Begriffe der Sdiöpfang in rechtem
nnd ansdriickliehem Sinne nicht kommen. Gott muss äch
selbst dazn dem blindwirkenden Sein, als dem Grande sd-
nee hohem Offenbarung , unterwerfen, damit er auch in
der Schöpfung als Gott, in seinem verwirkltcb-
len Bbenüilde, existire. Um dieses hödisten voransge-
sohauten Zieles willra (was die „Absicht^, der immanenle
Zweck, des Schaffens ist) , nimmt Gott es über sich , das
unvollkommene, blinde Sein ^ blosser Grund der Sch^iimg,
zu werden: es ist eine Nothwendigkeit, aber keine media-
nische, sondern eine sittliche, die Nothwendigkeit des Go-
ten und der Liebe, um ans jener Uebemahme des dimkeh
Grundes, in welchem die Gesdiöpfe ihr' selbstständiges Le-
ben haben, sie zur Einheit mit sich, zur verwiridichten
Liebe, fortzuführen. In diesem Sinne sprach Schelling
schon frilher aus , dass auch die ältesten Mystiker die
Schöpfung der Welt als den höchsten Akt der Seibstenl-
änssemng , Demuth Gottes bezeichnet hebea , dass ferner
überhaupt ohne den Begriff eines leidenden, „m en s eh-
lich leidenden* Gottes, welcher sich zugleich durch
alle Mythologieen hindurchziehe, der Gedanke einer leben-
digen, in Abstufungen getheilten Schöpfung
mmöglich werde.
Diess in ihren Anfangsumrissen Schellings
neuere Weltansicht ; ober das Nähere verweisen wir auf
die angeführte Darstellung von Chalybäns, ma das
etwa Authentische derselben nicht durch eine doppelt ver-
mittelte Auffassung — die seinige und die unsrige — nn-
wilikührlich zu Verändern.
Aber selbst hiemach urtheilend, müssen wir, nach an-
dern und allgemeinem Principien , als den hier khr ge*
demselben. 761
wordenen, AnerkemieR, dass jener FortscliriU eiji dorchans
n othwendiger, f&r eine gründliche Erwägung gar
nicht stt umgehender war. In keinem Sinne konnte Sc h e 1-
1 i n fir stehen bleiben bei dem Gedanken einefi in den Grund
seiner seibat ifnd m die sich offenbarende Entwtcklang
daraus geth eilten Gottes, eines absoluten GegensatzciS
des Dunkels und Lidites in Gott. Wozu Gott wird in
Folge der Weltentwicklung, das muss er, um diess werden
zu. können, eben darum schon ursprünglich sein, — das
urbewusste Subjekt , Licht von Anfang und durchaus.
Dennoch scheint es nöthig , von hier zunächst noch
einen Schritt weiter zu gehen : ist jener Begriff des Ur-
subjekts einmal errungen , so muss auch jeder Gedanke
eines ^blind Seienden oder Wirkenden^ in ihm schlechthin
aufgegeben werden; es lässt sich mit streng metaphysi-
scher Nothwendigkeit erweisen^ dass, giebt es ein ^Blind-
-wirkendes^ , wie die Natur , diess um desswillen gerade
nicht in Gott oder Gott selber, sondern Werk Gottes
(bleibe dieser Begriff auch übrigens in seinen nähern Be-
stimmungen noch unentschieden) sein könne. Und' hier
wagen wir allerdings nicht mehr zu entscheiden , ob die^
ser Begriff nicht ebenso die letzte Gestalt des S c bel-
li ngschen Systemes überschreiten würde , wie er uns an
der eigenen Hand des Meisters über die ältere Form des-
selben, mit Einschluss seines Standpunktes in der Abhand-
lung über die Freiheit, hinausgeführt hat, — und wi# er,
setzen wir hinzu, in der nachfolgenden Kritik ebenso über
die Heg« Ischen Principien uns hinausführen wird.
Für uns selbst können wir darüber nur auf unsere
metaphysischen Ausführungen uns berufen; denn allein ein
vollständiger metaphysischer Beweis kann die Unterlage
und der Halt jener kritischen Behauptung sein : — wir
verweisen in der „Ontologie^ auf den Uebergang vom
Absoluten, als der Weltseele, als dem bewusstlosen Zweck-
wirken in der Natur (§. 278. 281.), in die absolute Ver-
nunft, als die Identität des Subjektiven und Objektiven
CS. 282. 8.490—493.), sa wie von da zur Gestalt des ab-
762 Kritik
solirten Getetes, dg des weltBchöpferisolMi Denkens i$. 983
—285.) , von wo aus wir noch einmal , um die teilte
Abstraktion abzustreifen, zum Begrifite der selbstbe-
wussten Einheit in der Einheit des Ailwissens aofsleigai
mussten (§. 286 — ^96.> Die Einheit des AJlwissens^, das
Binschauen der Einheit in die Weltonendfichkat, setzt un-
abweislich voraus Einheit des Selbstwissens C*- ^0-
8. 512—14.). Hiermit ist der Begriff des von der Wdt
freien Ursubjektes erreicht und ontologiseh erwiesen,
gerade also, wie Sehe Hing ihn kennt; — aber hier hal
er die Vorstellangen eines blinden, bewnsstios vemUnfUgea
Wiritens in Gott, als rückwärtsliegende, dem Wldersprache
verfallene Abstraktionen von universalenWelt-
thatsachen, in sich aufgezehrt und widerlegt: sie
sind in ihm nur noch als dialektisch aufg^
hobene, für sich unwahre, vorhanden. Die
bewusstlose Vernunft, das hat sich dort in höchster Auge-
meinheit erwiesen, ist nur die gesetzte (geschaffene) Ter-
nunft, nicht die setzende, auch nicht die sich (etiva
durch den Wel^rocess) setzende (S. 490.).
Mit noch bestimmterer Beziehung auf diese Gesfolt des
Schellingschen Systemes hat die spitoro metaphysisdie
Abhandlung*) dasselbe Resultat hervorgearbeitet. Es ist
unerlasslich, um dieser kritischen Bezüge willen die Haupl-
wendungen ihrer dialektischen Begrtindung hier vorso-
führen.
Zuvörderst muss dem Sehöpiiingsbegriflb die Lehre voa
dem ewigen Welturbilde in Gott zu 'Grunde gelegt werden,
lieber diesen Hauptbegriff mit S c h e 1 1 i n g im Einverständ-
nisse zu sein, — er lehrt ihn andeutungsweise sdion in
seiner Schrift: Philosophie undReligion, ausdrück-
licher in seiner Abhandhmg über die Fteiheit, — ist ans
die wichtigste und fundamentalste Bürgschaft einer künf-
tigen vollständigen Ausgleichung der Spekulation über ibie
*) In der Zeitschrift für Philosophie und spekaL
Theologie (Bd. V. H. 2. besonder« S. 212-.219.)
dieses Slfuidtninktes. 763
»
Iiöchsten EVagen ; denn es wird sich aseigen , dass , sobald
dieser Punkt der UebereiBStimmnng einmal erreicht ist,
nach Rückwärts , \rie Vorwärts , die strenge Konseqaens
desselben kein Schwanken der Vorstellungen mehr übrig
lässt.
Sehe Hing selbst hat sich in jenen Werken nicht
YoUstandig erklärt, aus welchen Gründen ihm jener BegriiT
in Gott, und überhaupt damit eine vorweltliche Inner-
lichkeit desselben, gesetzt seL Uns eigiebt er sich aus
der Dialektik des Zweckbegriffes, welcher sich in
der Welt, als Grundthatsachliches, allgegenwärtig
realisirt. Das System in einander geordneter Zwecke, wie
es jeder Akt der Weltschöpfung und Erhaltung verwirk-
licht zeigt, kann daher nicht gedacht werden ohne die Ge-
genwart eines denkenden «^ die Aaum- und Zeit-
unterschiede der wirklichen ZweckausGuhrnng in. reiner
Idealitat (des Welturbildes) vermittelnden und ihr Äusein-
andergeworfensein überwindenden, — ebenso es auswir-
kenden, «;- wollenden, — göttlicben Std>jektes in der-
selben, welches damit ebenso als das schlechthin ihr Im-
manente , wie ihr Vorangehende oder transscendente, zu
denken ist. Jede Schöpfiingsthat desselben im Ganzen,
gleichwie im Einzelnsten , ist ein Zwecksetzen, wei-
ches den einzelnen Zweck dem unendlichen Ganzen einschaut,
umgekehrt das Ganze dem Einzelnen gemöss hält. Von
Seite Glottes kann daher kein „blindes Sein<< oder „Wir-
ken^ dazwischentreten; der Urzweck, wie der Einzelzweck,
der untergeordnete, wie der höchste Zweck des Univer-
sums, wären sonst gleicherweise dahin. Und zu sagen —
worin wenigstens die frühere Meinung S c h e 1 1 i n g s re-
präsentirt wäre, — jenes ursprünglich blinde Wirken des
Grundes in Gott werde in dem spätem, eigentlichen Schaf*-
fen des Verstandes, durch Einbilden der Weltzwpcke in
ihn, überwunden , während die Weltwesen doch in jenem
allein den selbstständigen Grund ihres Seins behielten, — auch
diese Auskunft würde nur auf eine schon oben zurückge-
wiesene widerspruchsvolle Halbheit fuhren.' Der immanente,
764 Kritik
jedem Weilireseii gegenwirtige, mit ihm mA realisireBde
Zwcclc isl nichts Anderes, denn dieser Orund (Grundlage)
des Weltwesens selbst : er ist eben Eins mit dessen hä-
vidnalitaty die f eschlossene Einheit, die es in*s Dasein mft,
aus welcher es ist in all seinen Lebensakten; und diese
erst hinzukommen zu lassen zur Grundiiage seiner Existoiz,
den Inhalt des eigentlich Existirenden zu dem (jetzt nar
formell oder abstrakt gewordenen) Lebensgninde als ein
Zweites dazuzubringen , wäre ein so unförmlicher Dualis-
mus, dass die ganze Konsequenz der Schellingschea
Lehre ihn weit hin wegwirft. Mithin muss, selbst im
wahren Geiste der Ton Schelling angenom-
menen Prämissen, auch derjenige Schöpfiingsakt Got-
tes, wodurch dem Geschqife relative Selbstständigkeit aus-
ser Gott verliehen wird , — werde dieser im Uebrigen
auch noch unentschieden gelassen — dennoch ein intel-
ligenter sein. Die Lehre vom ^blinden Sein' in GoU
aber, in welcher Einschränkung oder Modifikation sie anch
beibehalten werde, ist unwiderruflich dem Widerspru-
che verfallen mit dem Begriffe des Absoluten;
denn ein Widerspruch wird es, wenn das im Schaffen
zwecksetzende (Vernunft auswirkende) Absolute^ weL
ches in jeder einzelnen That des Schaffens die ganze Un~
endlichkeit der Zwecke, wie in der Unendlichkeit das Bin*
zelne, sich bewusst gegenwärtig zu erhalten hat, das so-
mit das Einzelne, wie das Ganze der Zwecke, i n einander
schauen, durchschauen muss, an irgend einem Thefle
seines Seins oder seines schöpferischen Wirkens in soi<^er
Blindheit eines bewusstlos Vernunftigen gelassen würde.
Diese Wahrheit positiv ausgedrückt, erhalten wir da-
durch den Gegensatz zweier sich ausschliessender, zugleich
aber darin sich ergänzender Sätze: mit dem Begriffe des
Absoluten, als des, Zwecksetzenden- im Schaffen, — diesen
Begriff aber anzunehmen, nöthigt die Weltthatsadie, — ist
völlig unverträglich jeder Gedanke einer unbewosst in ihm
wirksamen , den Verstand ihrer selbst nicht besitzenden
Vernunft. Ebenso umgekehrt: der bewusstlos sidi Tcr-
dieses Standpunktes. 765
wirldichende Zweck, das blind Teniifaiftige Wirken, schliesst
mit Nothwendigkeit den Begriff des Ansfiiohselbstseins, der
Absokitheit, ans: und der Geist der Natur, weil er sich.
nur in unbewusster Weisheit des Wnrk^s zu zeigen ver-
mag, ist eben darum der nicht- absolute, nicht der Geist
Gottes. Das, was wir Natur nennen , diess aus verborgi>»
ner Weisheit Siohheransringen und Potenziren, kann somit
in keinem irgend verständlichen oder gründlichen Sinne
in Gott, als dessen Natur oder Toraussetztmg, welche ihm
zur Existenz und Persönlichkeit verhflft, gedacht werden:
sie ist eben darum nur Werk, Hervorgebrachtes, weil in
ihr ein dunkler Grund der Existenz , ein nur in bewusst».
lose Weisheit Gesetztes ist
Endlich wird zugleich dadurch für den metaphy-
s ischen Beweis von dem Dasein einer Ideenwelt in. der
gottliehen Selbstanschauung, mithin überhaupt einer Subjekt*
objektiven Innerlichkeit in Gott, die entscheidende Grutid««
prämisse gelegt : — und auch davon vermissten wir , we-
nigstens in den bekannt gewordenen Darstelbingen Seh el--
lings, jede vollständige Ausführung. Dass im Univer-^
sum der relative, wie der absolute Zweck in alle ihm vor-^
ausgehenden Mittel wahrhaft hineingeschaut sei, dass über-
haupt alle realen Raum- und Zeitunterschiede von dem ia
ihnen sich realisirenden Zwecke überwunden sind: diess
erste und ursprünglichste Wunder des Daseins kann voH-
gültig', oder in letzter Instanz y nur erklärt werden
durch die Voraussetzung^ dass die Welt urbildlich im Geiste
des Schöpfers vorhanden , ewig vollendet sei in der
Zeit und Raum überwindenden ^elbstanschauung Gottes^
mit welcher er seine eigene Unendlichheit , die reale Seite
in ihm, durchdringt und in der Klarheit des Selbstbewusstr-;
seins besitzt. In Gott ist kein Dunkel , so gewiss in der
Welt Zwecke sich verwirklichen: ab^ diess Zwecksystem
muss in seiner Vollen düng, als Idealuniversum,,
von Golt angeschaut werden; nur so kann es, ohne sich ent«
fremdet zu werden, die Succession und die selbstständigen
Unterschiede im Wel^rocesse^.überhai^tt das Negative der
766 Kritik
Saiiiii**ZeUlielifc6H dnrchdanern. Und so ßhrt mts Stolen-
weise, aber mit nnwiderslefaHclier Ndthignng der Gedanken-
folge, die dialektisdie EntwieUmg von der unmitteDiarsteA
und universellsten Thalsacbe aitf ihren höchsten, allein erst
Erklärenden Grund in GoU aordi^, woraus nun in herab-
steigender Folgerung die Prämissen zu einer neuen , m e-
taphysisch begrAndelen Schöpfungstheorie sich er-
geben.
Hier stellt sich nun aber nach Schellings spiterer
Lehre der Begriff des Willens, als eines MittlereB,
dazwischen: es ist derlVieb eines imaginatiyen, dem Ver-
stände verwandten, ihm vorbildenden Thuns, welcher nach-
her ausdrucklich über ihn kommt und das in ihm liegende
Rflthsel löst, ihn zu sich selbst, zum bewussten WiHen, be-
freit Aber auch diecto Au£hssung bricht sich am Begriffe
des Absoluten, naher des absoluten Willens : sie ist aber-
mals nur, — nicht ohne Reminiscenz an vorausgegangene,
pantheistische Standpunkte, — die Abstraktion jenes
Begriffes aus seiner kreatürlichen Form, <fie
in's Absolute erhoben ward. Im Kreatfiriichen ist der
Wille der allgemeine IMeb des Selbstseins und derSdhst-
gebäruHg, für welchen, — weil vom Endlichen der Begriff
des Sucoessiven, der Scheidung der Momente, miabireiuilffk
bleibt, — * die Intelligenz und das Bewusstsetn erst das Spi^
lere ist, in wdches jener sich aufhebt : so im Ganzen der
Diatitf , wie im Einzelnen der individuell'- geistigen Ei^
Wicklung.
Anders bei Gott, weil in ihm keine andere Yoraii^
Setzung seines Daseins ist, als er seV^er. Der Begriff der
Aseitat , auf dessen lebendiges Denken Schelling so
grossen Nachdruck legt, weist allein schon jede solche üo-
terscbeidimg ab : Gott ist schlechthin , was er sein kann,
sein Vermögen zu sein tritt stets völlig und ungehemmt
in die Verwiridichung hinüber; diess ist der wahre Sian
seines Grundseins in sich selbst. Da mithin nur Er Grund
seiner selbst in vollem Sinne , Er allein das ^lechlhin
Voraus8etzungslo.se zu sein vermag; so ist auch
dieses Standpunktes. 767
je^e Ursadie aasgeschlossen, ihm^ vorerst g^eichsam^ efaien
solchen dunkeln Willen eu leihen, nnd nadiher, als
irgend einen zweiten Moment, das Intelligente dazu treten
zu lassen. Der Akt seiner Selbsterzeugong , der Wille
zu sich selbst, ist der ewig klare, zuversichtlich see-
lige , von der ewigen Selbstanschauuig getragen , sofern
überhaupt nur eine intelligente Macht in Gott angenommen
werden mnss ; und es bleibt hier in der That bloss die
Alternative , entweder zum abstraktesten Standpunkte einer
pantheistischen GottesaufHssnng wieder zuröckzufailen, oder
mit dem Gewinne des hohem Frineips jene HalUieit aus«
zuscheiden*
Noch weniger kann bei dem Schaffen der Well
ein blindes Wirken als Grundlage desselben und als erster
Moment angenommen werden ; denn nur der im eigenen
Sein vollendete Gott ist als Schöpfer zu denken , oder
der Pantheismus wäre nicht überwunden. Auch hier ist
es daher nur Inkonsequenz gegen das eigene Princip und,
näher erwogen , ein Nichtgedanke , ein Blindwirkendes zu
Hülfe zu nehmen, und diess doch in Gott Willen zu
nennen ; uneingedenk dess , dass Wille in wahrer und ei-
genUicher Bedeutung nur heissen kann das schon von der
Intelligenz beherrschte Realwerden eines Gedachten.
Das Denken bestimmt sich fort zum Wollen , nicht umge-
kdirt; denn auch schon in« abstraktestem Sinne bedeutet
Wollen nur Sich zum Realprincipe Machen des Den-
kens: Wille ist die geheimnissvoUe , und dem Menschen
doch so klar aufgeschlossene Macht — die wahre und
einzig gründliche Vermittlerin zwischen Idealismus und
Realismus — welche, wahrhaft schöpferisch „aus Nichts^,
einem Zauber gleich^ das nur in vorbildlicher Idealitit Be«
sessene in selbststandige Existenz hinüberwirft.
Im Willen, und zwar im absoluten, keiner vorausge-
gebehen Entwicklung unterworfenen , liegt daher auch für
uns das Princip, welcher das Wunder des Weltdaseins löst :
aber es würde nicht wahrhaft gelöst durch die Vorstel-*
lang eines blinden Willens. Das Gewollte ist in der
7fi8 Endurtkeil
Thal hiermii hervorgelreten aus der i'dealeii VeräddosMi-
heit des Gedank^s» in welchem es nur snbjdLtiv, für das
Denkende bleibt ; es ist| jetzt ein allgemeingältig Aeos-
serliches, Objektivgewordenes; denn durch den Willensakt
isi sein Inhalt unwiderruflich frei, unabhängig hingestdit
vom Wollenden selber; ein zweiter Willensakt kann den
ersten vernichten oder weiter bestimmen, durch keine All-
macht aber ihn selbst wieder zunicknehmen t er steht
da in der Kette des Objektiven schlechthin, und in seiner
Durchwirkung; in*s Folgende nicht auEeuheben. Diese ob^
jektive Unwiderruflichkeit der Dinge durch ilur GewoDtseia
ist der von Gott selbst unabhängige Grund
ihrer Existenz; — zugleich daher der Anfang ihres ei-
genen Seins, sofern und weil Gott sie fortwill: diess
Fortwollen auch des Einzelnen ist aber unabtremilidi von
dem Universalentschlvsse, mit dem er das Ganze (die Sklo-
pfung selber) wUl; die Dauer und damit die aus sich
selbst sich bestimmende Fortentwicklung des Ein-
zelnen hat ihre Garantie im Systeme des Ganzen. Wie ms
diesen Prämissen der Begriff einer Schöpfung der Welt und
zwar, da ein höchster Zweck in ihr sich realisirt, einer in
Unterschiede (Potenzen) abgestuften , sich weiiter entwickle,
gehört in die spekulative Theologie: — nur aeigt sich,
dass auch wir, wie Schelling oder mit ihm, über das
schwächlich unzureichende £rklärui|gsprincip , das seine
mittlere Epoche beherrschte, das Schaffen für den blossen
Selbsterkenntnissakt des Absoluten zu halten, hinausgelangt
sind : die ewige Selbsterkenntniss Gottes — wiewohl wir die
Darlegung der tieferen Unterschiede in diesem Begriffe hier
schuldig bleiben müssen, wie sie Schelling bis jetzt
schuldig geblieben ist, — hat sich zwar als die nothwen-
dig vorauszusetzende Bedingung zum Schaffen erwiesen;
aber sie ist nicht das eigentlich schöpferische Prindp.
So greift jetzt AJles zu einem Endurtheile über die
höchste Gestalt der Schelling sehen Weltansicht in ein-
ander. Ihr Ausgezeichnetstes ist , dass sie von der Seile
her, von welcher dieser Sieg unstreitig am Schwiengstea,
fiber Schellittgfs Wellansicht. 769
aber auch am Folgenreichsten ihr werden mosste, itr ihren
realphilosophisdhen Ideen und vom Weltbegrifie ans , den
Anfangs Yon ihr so entschieden gezogenen Umkreis des
Pantheismus selbst wieder dnrchbrochen hat , darchbro«-
chen wenigsteins in der fundamentalen, eigendich ent-
sdhfiHlenden Idee : Gott ist ihr am Schlüsse Ihrer Laufbahn
niobt mehr — was er altem Pantheismus, dem niedrigsten,
wie dem geistigsten, Ist, — ein bloss allgemeines Wesen,
die .allgegenwärtige Grundlage des Weltbesondem , werda
es nun gefasst als absolute Substanz , oder als die allrer^
tnitlelnde Identität des Idealen und Realen, wie ih der tir^-
sprüngiichen eigenen Gestalt, — oder als das allgemein
Geistige in allen Geistern, sondern ein Kern des ImUvH*
duallen, damit des Persönlichen, ist für. ihn gewonnen : -^
er ist nicht einmal mehr allgemeiner (somit doch nur wie«^
der abstrakter) Wille, das Wollende in allen endlich
unendlichen Willen, j|;ondem wollendes. Sich wollend ao*
chendes Ursubjekt, und so Jtuvdrderst Individuelles;
wem er jedoch Sich gefunden, das |n jenes Duidcel sei-^
jier Ursprunglicbkeit verhüllte Licht dös Verstandes , ist er
ebenso nicht bloss Persönlichkeit^ sondern Person, selbst^
l)ewiissles Ursul^kt. Der Pantheismus ist hi^ nicht durch
/diese od^r j^ne Bestimmnag^ ^sondern durch die ganze spe«
4>ifi$cbe Grundansicht übettroffen, oder recht eigentlich
nberflüssig. gemacht., indem gezeigt wird , dwsis Gott, um
auch nur jeaes atigemeine Grundwesen i n der Welt sein
2u können , vor allen Dlng^ki selbststandiges Eigenwesen
sein niGssew ■ . . • a
Wenn wir daher — wn einen, frühem Ausspruch« m
wiederholen^} -^ die ^gesammte pantbeistiscdie Hiohtung
in : der Philosophie bis zu Hegel hiaanC bezeichnen könn-^-
ten, als ain zum AhiQluten Erhehea eines allgemeinen
Weltbegrif Ces, einer Kategorie , die eben damit zu^
gleich jiniversale W.eltthalsache Ist': Gatt, als das
Lj»^^.f > ■ I »i.>^^M^.*M
«)A. :i.O. Zeitschrift fdr Philosophie Bd. Y. H. ^;
49
770 HiduxlheU'
Sttbdtiviliene ia Allem, — da» stihleekthin Dauernden
Wechsel) -^ od^ zuf ieiob, $iai das L€i)eii in aUem Leb»-
difen, die Seele in allen Seelischett, und bei Hegfei eml-
lichi zagieich als die absahitcl 6eil»tigkeil ki allen Gräten,
M denken.; -^ so ergiebi sich durch : die Jetsle firhebaBf
^M^ . S^c h e 1 1 i n g sehen Pffinei^ der gewaltige Foitsdirift
ii atji specifiseh anderes Erkeanlntssgebiet : ni^t i^ml
etin Atlgeaietnes in seiner unendlich kieataifiekeB Besonder
jwg ist Gotly al<s soteher , sondern das Pereonlicbe , frei
von jenen Pcocelse der Besondernng in sich Ruhende; —
freilteh jedooh^die nach der Aanlogie des Kreaiöriichen siek
enlmckelnde; das Dankel-ia sich mit dem Lichte Tonit-
lelade P^soo. Wir ioönnten es. daher ein Vergöttera
des menSiChendhnlichen Typus der Persön-
lichkeit nennem
' Hiermit ist jedoch kaum verfcennMr ein kMtr RcA
des i absterbenden Paniheisnms zurftdtgeblieben : — ein
schwer albzalehnendes. Debertrieibsel des wissensohafUtciiea
Processes, durch welchen, wie sdion gesagt, anf dem «nb-
aamsten und seUupflrtgsten Wege, Sc h el Ii n g sa der leto-
tea Höhe goiarfgt isti Auf den Credit der Natitr , des
Natur wir kenn, wM jenes btinde Sbib m Gott ange-
nomnMn, überhaupt sodtnn, weil in dem kreatürllchea
Verlauf* der Dinge das* Dnakle^ Unfolifcoamme skh
Aberatt als das AnfBngIlehe^«Grttndiegende, bewahrt Alles
Leben' bedarf einer Saccessiafi von Cegensataen, das Liebt
deS'Dunkds, das Freie und Oeiatige dea ihm schon ver«
wandten , aber blinden Triebes , um als solche henror-
treteft za kSimen; Dieser lelKtere Triish: eines bewussl-
bs Oeittigfli nun ieigl; sinMi in dar Natur verwirUicht
Aber es ist ein^ JU^ssß Aissertion SchelHnga an
oftabar.unBUt^cbeadeavbd t&t diesem Anwendung unbe-
wiaseami^ Primisaea , zu bdhmpten ^ daa» jener Uitypos
Usatdriicb^i Entihhung aaeh^oHae Weiteres aaT^ das Ab-
solute zu übertragen sei. Die metaphysische Erwä-
gung diesefi BegriSes lebr^,, uijid, wir l^ab^ii es anderswo
erwiesen, dass dem nicht so sei : die Natur ^ eben ab
über Schdltngs WeUansichr. 771
bewttsstlos wirkende Weisheit, ist danim nicht iit Gott;
und wenn wir das Problem, dass der Anfang* in
der Schöpfung sieb als dafi UnvolllioinmeBe
zeige, deiss alles Kreatörliche Ton einem Zustande des
Dunkels und der Einwickelung aue^ebe, um Er.eatürli*
c h e s zu sein, nur durch einen, auf andere Weise Wider«-
«prüche herbeifUirenden Schiff eines blinden WiUais ia
Gott zu erklären vermöchten : so wire es ohne Zweifei
dann grundlicher und aufrichtiger, zu gestehen, dass diess
Problem überhaupt noch nicht gelöst sei; wiewohl wir
fiuch so gestehen , nicht einsehen m können , wie äber<«>
haupt jene tfebertragrmg von dem geschöpflich Bedingten
atif dai$ Unbedingte sich rechtfertigen lasse. Das U m g e«-
kehrte vielmehr scheint weit ndherzu liegen, derSchluss»
dass , weil alles Bedingte sich, um seiner Bedingtheit wil-
len , dem Processe der Genesis unterwerfen müsse , der
Charakter der Unbedingtkeit absolute Vollendung , NichU
gcnesis im Sltme der Endlichk^'t, in sich schliesse«
Aber wird damit Gott nicht wiederum zu den todten,
ein f&r allemal A;^ligen Abstraktem herahg;eset«t , wie der
J a c o b i sehe und mehr noch der filiere dogmatische B^
^ff des ^allerrealsten Wesens^ ihn fasste, voll
welchem die Spekulation befreit zu haben, Schelling in
der Polemik gegen Jacob i als sein Hauptverdienst be-^
zeichnet? Diese Frage, — wobei aussondern sehr irriger
Weise vorausgesetzt wird, dass es nur entweder jenen
oder diesen, keinen mittleren oder hohem, Begriff
vom Absoluten gebe, — diese Frage ist gar nicht so vor-
IfioGg und nach uffmittelbarem Gutdünken y sondern allein
durch eine voUstandig ausgebildete Metaphysik zu lösen.
Und so hängt vor allen Dingen diese Ungenüge des
Inhalts, welche auch das letzte Stadium Sc hellingscher
Spekulation kaum verleugnen könnte, auf das Genaueste zu-
sammen, mit den allgemein methodischen Mängehi, welche
der gpaze hi^tpriscbe Verlauf seiner Philosophie bisher nach-
gewiesen Jbat. S ch e 1 1 i n g s System ka^n selbst nach seinen
gegenwärtigen Principien darum nicht fertig s<Wi es wird
772 ' Endurtheil
sich immer neuen Umbildmigen und DarsteUungsversucheiiao-
lerwerfen missen, s 0 lange es keinen rein wissen-
schaftlich sich herausbildenden, frei sich
beherrschenden und besonneji sich über-
schauenden systematischen Anfang und Fort-
gang hat *). Sein Anfang und erklärender Selbstrer-
mittlungsgnind liegt in seinem historischen Genesis,
theils aus den vorhergehenden Systemen, theils in sich
seU)st; aber Nichts bürgt ihm dafür, da ss diese Ge-
nesis, oder wo sie schon abgelaufen sei, denn Wer sol-
chergestalt sein Princtp nicht völlig in seine (Sewalt be-
kommen, kann, wie mächtig es auch sei, und wie ener-
gisch es ihn erfüllt habe, selber nicht wissen , zo wdcher
Endgestaltung es ihn fuhrt
So müssen auch wfar einem vielfach geäusserten Ur-
theile über Schell iugs Philosophie, doch nicht im Sinne
des Vorwurfs , völlig beistimmen : sie hat es niemals bis
zur Gestalt eines eigentlichen Syst emes bringen können ; sie
ist vielmehr die Mutter einer Reihe von Systemen , deren
Principien, gleich einer noch nicht au^egangenen Saat, io
ihr liegen; von denen Eines, gerade das aus der mitfleni
Epoche, mit Energie und wissenschaftlicher Virtuosität voa
Hegel ausgeführt worden ist : sein System ist die voll-
ständtge Durchführung und Ausbeutung des Seh eilt ng-
schen Principes der Identität «des Idealen und Realen, Den-
kens und Seins, und nennt sich mit Recht so absolutes
Idealismus. )
Aber Sc hell in g ist noch einmal principieD über
sich selbst und damit über Hegel hinausgegangen- -^ wie
*) In w«lchea besondera Beziehungen dies« gelte , hat der Ter-
faner in einer Kritik der Schrift von Cousin über deutsche
und franaösische Philosophie und der beurtheilenden Yorrede
S c h el 1 i n g • nachzuweisen gesucht^ unter dem Titel : „Ober
4ie Bedingungen eines speku la tiren Tbeis-
in u s*' 1835 , besonders abgedruckt, auf welche mt häer ter
ErgänsuBg Terweisen.
Aber Schellings Weltansicht 773
wir von Seite Schellings bereite erwiesen, in Rücksicht
aufHegel im folgendeA Abschnitte in erweisen haben.-«
Diess letzte Princip hat seine systematische Ausbit*
dufig* noch m erwarten, and erst dariii kann der im Ver-
boi^nen schon vorbereitete Sieg über alles bloss Pan-
thelstische, nicht bloss principiell, oder diesd als Gegensatz
ausser sich lassend , sondern es aus sieh über sich selbst
hinausfikbrend/'und so in seiner Besonderheil völlig zerstö-
rend, anV Licht treten. Indem wir jedoch diese systema-
tische Ausführung als eine Forderung hinstellen, und zwar
an die gegenwärtige Zeit; geziemt es sich , unent-
schieden zu lassen, ob Schellings eigenen, noch nicht
liekannl gewordenen Ausführungen einer solchen nicht schon
völlig genügt haben: nur das behaupten wir, und haben
es bewiesen, dass, wie seine Philosophie öffentlich bis jetzt
vorliegt, sie noch fern davon scheint, ja auch in den Ent-
wickhingsstadien, die sie bisher durchlaufen, sich von ei-
nem wissenschaMich sich selbst begründenden Anfange
eines Systemes mehr entfernt, als ihm genähert haben
möchte.
Von Anfang 1ier lasst sich nämlich ihren realphiloso«
phischen oder theesophischen Konstruktionen die allgemeine
Frage entgegenstellen: virie diese Philosophie, — oder die
Spekulation überhaupt , — die absolute , gotterkennende
Wahrheit für sich in Anspruch zu nehmen berechtigt sei,
und wie sie dieses Recht zu erhärten vermöge? Sie spricht
vom innersten Wesen und Selbsterkennen Gottes, von dem
überweltlicheu Urakte , der aller Schöpfung vorausgeht.
Woher sind ihr diese demiurgischen Offenbarungen zu Theil
geworden ?
Man kann allerlei auf diese Bedenken erwiedem aus
den allgemeinen Voraussetzungen jenes Standpunktes, wo-
durch die Assertion seiner einzelnen Behauptungen auf
eine Grundassertion und allgemeine Voraussetzung ge-
wälzt wird, die aber nicht minder nur Voraussetzung
bleibt, welche man entweder anzunehmen hat, um nur
Emgang zu finden in den Umkreis der Lehre , oder ganz
774 EndardieU
Tenrerfen kann: efai demonstratlr Zwingendes daOr isi
nicht vorhanden. Und so wird ^aufeh iusseiiicii (tiese ent-
scheidende Vorfrage, welche erst Zutrauen zn dem
Standpunkte erwecken kann, und ihm Börgerreckt gi^
im Kreise der Wissenschaft , im ganzen Umfange dessel-
ben nicht erledigt, ja nicht einmal im Ernste angeregt
Daher muss auch noch jetzt die Seh ellin gscke Philoso-
phie skh sagen lassen , dass , je mehr man ihrem Stand-
punkte Wahrheit zugesteht oder mit ihm einverstanden ist,
man es iur desto unabweislicher erachte , den^ voSstindi-
gen Beweis für ihn zu führen. Seine Philosophie ist voa
derArt^ dass sie selbstzuerst ein Wiederauf erstehen
in der Perm des Systemas nötfaig macht «od auch
das Bewusstsein dieser Nöthigung aufdringt : ohne
eine Erkonntnisslehre und eine Metaphysik ^ weiche ihre
Voraussetzungen zu begründen^ ihren (eigentlich nur anti-
cipirten) Resultaten eine allgemeine Entwickhmg' zo geben
vermag, wird sie immer fundamentlos bleiben, und bei der
tiefsten Nolhwendigkeit, aus der sie hervorgegang<», dem
Scheine geistreieher Willkühr, eines genialen Behd>ens,
kaum entgehen. (Vgl. oben S. 613—15.)
Diess wird noch mehr einleuchten, wenn wir, was wir
uns nach einer so sorgfaltigen BinzelentwicUnng wohl ge-
statten dürfen, in einem zusammenfassenden Rückblicke
die ganzQ Art, den Stil gleichsam, seines PhilosophireBS
charakterisiren. Schon von Anfang her, als Sehelling
das neue Princip seiner spekulativen Physik aoflBbellte , die
Selbsterzeugungsakte der Natur dynamisch, d. k. nach gei-
stigen Analogieen, zu begreifen, und in den Erscheinungen
des Bewusstseins daher nur die höhere Potenz voa dem
zu ßnden, was bewusstlos schon in der Natur thätig sei;
— also , um in dieser Beziehung an das Bestinimtore sd
erinnern, die anorganische Welt aus dem Ineinanderwirken
von Hagnetlsmos, Elektricitat und chemischem Processe in
verschiedenen Yerhällnissen zu erklaren, welchen nach glei-
cher Triplicitat in der organischen Natur die Funktionen
der Irritabilität , Sensibilität und des BildiDigstriebes ent-
über ScheWigs .Weltansicht 775
spfreehai (diess kaiin «Is 4a8 RejBüUaft ^Heiner ^U^eme!-
neu fiediiklion des dyaamischeiif rocesses^^
betruditet werdisn); ivelcfaer Dbppeltriplicdät abermals ia
noch faSheorer Potent) -r- was sein ^System des trau sU
scendental^n IdeüHsnus^ nadiweist, — drei Mo^
mente in cter Geschichte, des Sdbstbewnsstseins enteprechea
sollen; -*- als daher <Seh eil ing» summiiriseh seine Na^
luraiisickt darlegead, .behauptete^: „alle NatHrfBaliifiten sind
Empfindangen , alte Kasper Ansohauungen. der Natur, *-«
die Natnr selbst «ine mit . aiieii ihren Empimdimgeh und
AmehammgeA ^nslarrte Intelligent^' : -^ wdche Bedeutung
glaubt: mutt wohl, da^ Sch-itlling Mbst diesen Kon»'
s^ruktionen und dem dadurch erlangten allgemeinen Be^nl-
iaie beigelegt habe ? fir spridht sich ia der auch Iraher
schon als wichtig b^zeichrtelea Abhandlung ,,ttbeT d«n
wahren Begriff der Naiurphilosoph ie und die
richtige Art, ihre Frobleme aufsulösen^'. **)
avf das Klarste und Eindringeadste also darüber, aus :
Der. NatlirphilosOph $etst für seine Konstruktion der
Natoi* /ttberalL Nk^bts voraus, als das ,^feiiie<( — d. h.
Böch viBig potenKlose, fSr den eigenen Gegensatz inditie*
vetafle — ,^u}9eklt^rQbjekt dar Inf ellekhieUen. Anschauung^:
a& iat imendliche ideal*^reale Thatigkeit ; darum zugleich
aber stets ia seiftem befitiaant^ Produkte deterrainfrt ^ über
wrtdies jene doch . zugleich loaaussehreitet in eine höheare
Fatana. . Diese bogranzt «^ uab^anete Thätigkei| (ideal-*^
realen SefiMtanscfaniuisns) giebt daher eine bestiniaite Po-j-
teaaearaäie von relativ differentea Pnodukten« ^Ob jene
Produkte die in der Krfikruag vorkamaienden sind , oder
aidit,- (k.4immert mich vorerst aicfal; ich sehe
btosa aqf die Selbsikoilsiruktion des.Sabjekt-Objekts. Eni*
stehen durch die^ielbe PnMkikte fmd Potenzen der idedlen
L,
'*} ielttchfiCt fflr 8i>ekuIative'Physik Bd. I, 1 und
a H«ft.
*)..'K«iU'»cbrift für speL Phy«ik Bd. II. H. 1. betoodcrs
776 Bodiutfiea
I
Thitigkeit^ wie sie in derNatUT aafgeseigl wer-
den können: so sehe ich fireilieb, dass mein Ge-
schäft eigentlich einDedaciren der Natur,
d. h. Naturphilosophie war; — obgleich Ihr mir,
nachdem ich für mich das Experiment ange-
stellt habe, gestatten werdet, meine PUiosophie ha
Voraus als Naturphilosophie anzuktedigen^.
In diesem Sinne und unter dies^ Begranmng ist
nun . auch die nachfolgende Aeuflserong völlig wahr und
bezeichnend: ,^adurch, dass ich von der anschauea-
den Thdtigkeit in der intellektueUen Anscliauinig absira*
hire^ — wodurch eben der Begriff jener reinen, aa
sich zugleich doch ideal- realen Thätigkeit entstellt, — >
„nehme ich das Subjekt -Objekt nur aus s^einereig^
nen Anschauung (ich mache es bewusstlos), nidrt
aus der meintgen. Es bleibt, als meine Konstruktimi,
auch fortwährend in meiner Anschauung begrif-
fen, und ich toeigs^ dass ich durchgängig nur
mit meiner Konstruktion zu thun habe^.
W a s ist also endlich der wahre Grund, wodurch S c h e 1-
ling hoffen kann, da« ^Experimente seiner Kob-
struktionen mit der objektiven Selbstkonstrak»
tion des absoluten Subjekt-Objektes in der Natur xuMn^
men fallen, (beide sich gegenseitig decken) zu lass»?
Er hat es selbst ausgesprochen in jenem Winke , dfeesea
vorübergehend in ihm auMämmemdes fiewusstsein um so
merkwürdiger ist, als es daiä erste und letzte Mai war, wo
Setielling, noch an dem frühesten Entspringen aebes
Prii|cipes stehend, welches späterhin , wie ein inädit% da-
hinfluthendef Strom , Alles überwallte , Rechenschaft gab
über die Möglichkeit desselben, oder ^über seinPhi-
losophiren selber phiiosophirte^. Die nacb-
herige Vergleichung der in seinen Konstruktioneo
»ufgewiQsonen Potenzen mit den in der wirklichen Erblu-
Hing gegebenen natürlichen, die zu verhoffende Ueberein-
siinunung jener mit diesen , deren Nachweisung aigendich
jedoch ausserhalb der philosophischen Kon«
Ober ScheltiagSs Wcltansicht. 777
slruktion selber iSDt, <^ diess nachtrftgliche
Fakliiiii, f«y6 nämlich jenie HoftniBg sich bestätigt y-^
ist der wahre und einzige Beweis für die Rea**
lildt der Konstruktion, mithin für den speku*^
lativen Charakter des ganzen Beginnens,
vrelches , sobald sich jene Uebereihstimmung nicht fände,
nach Schellings eigenem Gestandnisse, nur für eia
leer subjektives, bedeutungsloses Gedan^ken«
experiment gehalten werden müsste.
Schein ngs Princip demnach ^kündigt sich in sei^
ttem ersten Auftreten eigentlich nur als eine Hypothese
an , wekhe von ihrem Brfolge Bestätigung erwartet , und
gelber nur durch diesen > auf Gehung Ansprach machen
kann. Hag diess S c h e 1 1 i n g auch nur in halbem Zoge^-
Standnisse dort angedeutet hab'en ; so ist diess doch die»
wahre und ganze Konsequenz seiner Erklärungen« Wie
wenig jedoch die „Darstellung seines Systemeii'
der Philosophie« in der Zeitschrift Sür spekulative:
Physik diesen hypothetischen oder bloss vorauf'
setzenden Charakter fär ihr Princip oder wissen-«
sekaMiehes Fundament abzostrteifen im Stande war, haben
wir oben (S.603. 607. iE 612. ff. 6150, nicht ohne sorg^
firltige Erwägung seines ganzen Zusammenbanges niaeh'
Rückwärts und Vorwärts, dargelban. Sein Princip und die
darin enlhaitenen Potenzen sind eigentlich nur „eine Reihe:
von zu Ideen erhobenen Erfahrungsanschau-*
ungen^ fvgL oben S. 612.), daher er das Zusammen-
ftillen von Denken und Anschauung als den ausdrücklichen
Charakter seiner Philosophie angiebt.
Sq ist nun auch jene Idee der unendlichen Selbstan«*
schauung d^r absoluten Identität im Universum durchaus'
nur von hypothetischer Natur, ein durdh Analogie von
der bewnssten Sdbstanschauung in uns auf das Absolute:
übertragener Versuch, aus diesem Principe' alle Welt^-«^
Schonungen zu erklären , in ihrer gesammten, wie.
hesondern Eigenthümffchkeit wirklich begreiflich {zv
machen ; «in ,£xperimcat^,^äbor dessen Gelingen , wie bei
778 Sndmrüeit '
allen Experinenten ^ erst durch seinen Brfdg (doreh das
in der That gelöste Wettrafhsel im GirnBoi «id im. Bem^
dem) eBfschieden werden kann. Diesen Charakter
byj>otiietiBcher Principien hat seine Philo-
sophie anöh in ihren spätem fitadien nie*
mals abgclegl; vielmehr hat sie das Experimentirea
m\i dai Wehthatsachen auTs Genialste und Grossartigsle
nur fortgesetzt, immer in ihrem VerwArtsschreitea übersprin-
gend jede methodische Rechenschaft, jedes Binletlen md
ZmrecÜegen der Probleme, nicht minder in dem Beireffe,
wie sie enti^hen , als wie sie sbu losen sind. Se driafft
Sehe Hing unablässig weiter, ohnb seine Fiankea gedeckt
an haben; denn der Si^ liegt ihm. nur vorwärts, ia
der Eroberung des Prihcipes, fOr welches er a&e Machte
des Weltdaseins auf das Kühnste combinirt , um ihre her-
vorbringende Ursache zu ergründen, und dennoch auch dea
Fuia ihrer Bigenthümlichkeit herauszußhlen ; die dabei oa-
terdrückten Vorfragen interessiren ihn kaum.
Gott ist absolute Vernunft, der Nons , die alt-
gemeine intellektuelle Macht des „Denkens^, in der dae
Ideenwelt, ihre Unendlichkeit in Einheit, verboi^gen ist,
wie die Vorbilder im Geiste des Künstlers liegen , aber
nocb in einander gesogen, nicht cur AusdruckUdikeit be-
freit. Der Uebeiigang in diese AusdrücUiohkeit durdi le-
bendiges Hinschauen — der Uebergäng von ^Denkea«
in ^Anschauung^, — ist derSchdpfangsakt des üni^wrsaDis:
die Weltk&rper sind selbst verwirklichte Ideen, gottlidi
Qeelige Wesen , . denen in ihren kosmischen Verhältnissea
und Umläufen die erhabenste Geometrie der absolutea Ver-
nunft eingebildet ist , die aber , im AbbSde ihrto Erzeu-
gers, selbst mit plastischer AnsöhaviAigsktaft begabt sind.
So ist Gott unmittelbar nurSchopfer einer Ideenwelt; diese
sdbststfindig und ebenhUdlich hingeschauten Ideen habca
damit diess Vermögen, durch ebenbildende Sdbstansdna-
•ungen sich fortzupflanzen: * aber, selbsistandige, den Dä-
monen vergleichbare Machte, wie sie sind > können sir
auch ihres Ursprungs vergessend ^ mid von der ewiges
fiber Schdiirtg« Wcltansic&t. 779
Einheit, welche sie bäfassl, »t^fäilend^ BIlHEeliinr, iii
V^reinzelongf gegen einander, 4)ildeii r diees ist 4ie Schein-«
weit der Sinnendtnge ^ in den ebenfalb nui^ voigeßpiegeU
ten falschen ScheinbOdern des Rattalea nhd 'd^ Zeit, die
eine lVeiliiinig< und Absonderung jelictr Dinge von eina»«
der, wie von der absohiten Binteit, einbilden' iasseh^ wel«
che in Wahrheit nicht vorhanaden iii. Si^wiM Im'.BraiiOK-
und in Philosophie nnd Reiigiofi rhapsodttch mi
halbmythisoh da^ WeltraUisdi gelöst Das Ungenngende
dieses Standpunktes ist gezeigt worden. i-im
Bald aber ihochlerSchelling Mber etnpflndeii/ dass
eine InleHditiieHe Macht in. Goft allein, der Begriff 4ft0
Selbsterkennens , ein« zu: soh waches Prinzip sei, unit die
eigentliche Parodoxie des DaseittS' zu ioäen; 4ef selbst«
ständige Lebensdrang, das h#atioHaley iniiornfale, das sichr
in allen Weltwesen zeigt, behieint' steh ebier .itolch^ Re«^
dnktton «uf anschauendes Selbslerhennen .eher «i wider«^
setzen, als daraus erklären zu : lassen ^ in der Scbdpitevg
zeigen steh viel eigenrhächtigei^ Eiemente und > Kräfte, um
sie* bloss zum (passiven) Konstweüke eiivergüttUdien V^r^
ilonft zu machen; So griff Seh elHng noch einmal fre-a
fer in den Kern der Dinge: jene Wutzet 4err Bfg<»nhe!t in
ihnen, wodurch sie bewosstios, abep>slnntotl^i''eiMmfi>1hHew
unbekannten und dennoch sicher vorgebildeten Ziele sich
zidsewegen , und dabei a«f jedem Schritte ihM' Bnfwick-
hng individuell, unvorfaetgeseiien, unberechenbar sind,
stets die Tyohe au^r sich entwickeini, — i sie lässt sich am
Besten mit dem vergleichen, was*' wir Wollen nennen
worden in universalster Bedeutung, als jenes MHttere zwi^
sehen Realem und Idealem, Dunkel und' >Vei*stund^ Wille
daher ist das Princip der Dinge,-sagt .nim S c h ei 1 i ng: :ih«^
nen allen liegt ein blinder, aber das Licht in sich tragende^
und darum .es imdender , UniversatwiMe zU'Ghrode:
mithin ist ders^Hie in Cfo tt, aber nur insofern' Hr Gifnni
seiner eigenen Existenz ist. So ^giebl^sich In ihm* ein
Gegensatz von Grund und Bxisfctoz, wnxfilnviliek^Iinrg ^nnd
ausdrüdüichein Dasein, .'vonNichtoirctd^ärtseln and Ottern^
780 .< i . BndttrUteU
bannif. Büin iiefliehl aber dais Leos alles (endfichen)
LeMis^ mr «aniitiegensttfee .ßeiner adbsl wird sich dasl^-
ben empfindiicli , - kommt der Geist zum Selbslbewusstsein,
luuin,die:LteUe liJis aoidie sich oSenbaren. Dem Geschicke
jeMff. aitgvmeineQ' Lebensbechsgimg (deren ursprüngtick
emfriris-okes Datum abermals miverkennbar ist) kat
sich auch Gott mterwotfen, wq wirklich za sein; hier-
iiiiierUiroii sich vollgültig die zwieracfaen Anfange afles
Dkseins, und wie' die Grande der Schöpfong die qdvoD-
kommensten sein musslen.
^ Aber noch ■ einmal mosste sich Schelling erheben:
Gelt wäre nicht« wahriiait Eins, wenn er nicht seine ^ge-
nen fiogensalse beheqrrscht», nnd in der firei^s Möglich-
keit, sich ihnen hinzugebeA oder anch nichts über ihnen
Stande« Dibse abaoluln Mächt üb^r den eigenen Gegen-
satz dtenO' Freiheit ,: in . ihai md über ihm zugleich a
senl, dtess eigimtfehe Band, in weichem das Entgegen-
gesalste bei einander sieht und in einander wirkt , ohne
sich .SU sUrte oder aurzübeben, findet seine Begreiflichkeit
nuv.4n <ieni (empirisch gegebenen) Begriffe der selbst-
bewussteaf Subfftanas,' des persönlichen Geistes: Gott
kann nur ab v4rwellliches Subjekt gedacht werdai. Die
weitem «Ugemeinen Gmndzüge von da ans sind schon an-
(^geben.
Wir: haben hier über diess Alles Nichts mehr sa
sagen ; aber so lange diese Principien insgesammt, — und
welche auf ^leichenk Wege etwa noch daza
gefunden werden sollten, — nicht metaphy«
s i s c h . beslbnmt, und dadurch erst zo selbststandigen, ren-
nen Begriffen befrdit, auf die eigenen Füsse gestellt wor-
den sind; körtnen sie, 'insserlich.zute Mindesten, das Ge-
präge bypoUiettschtir Voraussetzungen oder einer nur halb-
symbolitchen GelUulg nicht aUcgen; und es bleibt unser
letztes Wort: gäbe es noch ;k6iiie Metaphysik, gäbe es
noch voraus Imne spekulative Wissenschaft, welche das
Problem des Brketmens löst ; sie müssien im Bedürfnisse pnd
Interesse der S ch e 1 1 i n g sehen /Philosophie erfunden, ihr
über Schellings Weltansichl. 781
f
mtterbant werden. Aber diese vom Anfange her sich
durchbildende Methodik, so fest sie das von Schelling
erreichte Ziel im Auge behalt, wird sich doch gegen die-»
sen Inhalt nicht bloss äusserlich oder receptiv verhalten
können ; vielmehr hat auch dieser vieUeicht eine Umge-«
staltung zu gewärtigen, auf jeden Fall steht er unter dem
Gerichte dieser über ihn kommenden Form. Das sind
ftber Fragen einer spekulativen Zukunft und einem andern
Orte vorbehalteiu
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IT. Ocory Friedrich UrUlielin Hei^A ^
Auch zwischen Schclling^ auf seinem letzten
Standpunkte, und Hegel wäre ein direkter Uebej^ng
oder eine unmittelbare Anknüpfung schwer nachzuweisen,
ebenso wenig, wie sich ein solcher von Fichte zu Sehe I-
ling ergeben wollte (S. 589.)« Noch. weniger würde jedoch
das sachliche Verhältniss dadurch getroffen, wenn man
durch das Einschieben von Zwischenstandpunkten , wie es
versucht worden, diese Vermittlung bequemer herbeifuhren
zu können glaubte. Hiermit ist gerade das Umgekehrte
des wahren Verhältnisses behauptet; denn nicht so weit
rückwärts steht Sehe Hing hinter seinem Nachfolger« dass
er nicht an ihn heranzureichen vermöchte ohne solche Zwi-
schenvermittlungen; vielmehr müsste Schelling ans sei-
ner spätem Entwicklung wieder zurückkehren auf den
blossen Standpunkt des Identitätssystemes, von wo Hegel
sich von ihm ablöste , um eine so nächste , unmittelbare
Vorbedingung für diesen zu werden. Denn Heg eis Philoso-
phie ist die vollendete systematische Ausführung nur jenes
Standpunktes der Identität des Idealen und Realen, wozu
sich jedoch die allgemein methodischen Principien gesellen,
welche er dem Fichteschen Systeme, ebenso aber auch
Hegel. 783
flen Bllehi HiistiBni der Dialektik entnahm. Der BnMrick-
hing des Seh eilin gschenPrincips selber ist er etwa nwt
bis zun Standpunkte des Bruno zut Seite geblieben, am
Inhatte der späten^ in die ideelle Seite des S^fstems äber^
führenden Schriften: Philosophie und Religion^
und derAbhaiidlung über die Freiheit bat er kei-
nen Tbeil mehr genommen; auch zeigt, ^ch weder in* sei-
ner eigenen Philosophie , noch in seinen kritischen Aeus-
serungen über Sehe Hing, die geringste Kunde von
ihrem Principe. *) .
^ Den äussern B«wei8 davon giebt -^ der innere liegt in un-
serer gau2en Darstellung — eben jene britische Musterang
des S ch e( I in g sehen Systemes, wie sie in Tiegels ^»Ge-
schlcfite <)er Phi lo sophi e« (llt. S, 646 ff.) yorliegt.
%Vl6 durfklg und unv61tsläncl{g auch übrigens der Bericht sei;
selbst dieser beschränkt sich nur auf dfe altern Schriften
Sc he Hing 8, etwa bis zur Neuen Zeitschrift fRr spe-
kulative Physik (180!!— 3). negeTbezeichnet Sehe Hing
darin nur als den „SlIAer der' neueren Natnrphlloso-
p h 1 e*S ausdrucklich in dem Sinne, dass diess „nichts Ande-
res** heiss^, „als die K atur denkend betrachten, was die ge-
wöhnliche Physik und die ältere Naturphilosophie, wie Rant,
tibrlgefts ' auch gettian habe'S Es sei in diesem Betrachte
„eins der Verdienste Schellings,' den Begriff und die
{■'orm (?) des Begrlfl^ in die Natur eingeführt zu
haben« (S. 672. 73. Vgl. S. 670.). — Diess, dass S'cheU
iing' allein die Nat^irphilosophie hervorgebracht,
Hegel aber der Grilnder der Philosophie des Geisfes gewor-
den sei (was in Betreff der co n cret e n A ns f u h ru ng
gegründet ist —^ aber es handelt sich vor Allem um die Ent-
Wicklung des Priucips) ;~lst liachher das allgemeine Wort der
Schule geworden. — So weiss Heg^l von der Abhandlung
u'ber die Freiheit nur zu sagen, nachdem er erinnert, dass
Schelling „in Rücksicht des Pra kti s eben' nie ht
we iter for t'gega ü' gen , ^i e Ka nt in jener Schrift
vom ewigen Frieden": jene Ahandlung sei „tiefer *spe-
" k'ulativeF Art, wiewolil s Fe nur diesen tsinen Pdnkt
«betreffe** (S. 672.) lliemacb kann H^gel auch tiuht
ihren ungefährsten liihnlt gekannt haben. Kndlich berich-
784 Sein erstes Hervortreten
Wir heben das unfprOngliche Veiftältniss beider Den-
ker KU einander schon oben (S. 590 — ^93.) bezeichnet, als
wir . das gfemeinsefaaiUiche Hervorgehen derselbeii ras
F'ichta nachwiesen, und haben dabei den, Schellings
1*« V»
tet «r nocli aus der iclei^Ifen' Seite dt» Systeilies, „das« Kunst,
Dlektkuntt, HüdisUi 'b«i S«h i II iog gei«f -* aber die Kmsf
aei ttof dos liibaeiiiJte in^ smvikher Forai (S. 678.). Hiermit
kann er sich nur auf die ältero ..Daraifltiiagett SchelliBS'
in seinem Iransscenclentalen Idealismui (1800) und die gletcii-
zeitigen Torbereiteudeu Abhandlungen in der ersten Zeil-
•chrifl für spekulative Physik berufen. In dem überstellt-
^chen Schema dagegen, welches Sichelt ing vom Ganzen
seines Systemes g.egebpn hat (Jahrb. derMedicin 180.*)
Bd. I. U. ^. S. 66 ), bezeichnet er aU die liüchate Potenz der
relativ ideellen Seite die Geschichte and den Staat,
also geradeda^jenige,\va« Hegel selbst in sei-
nem Systeme z,um höchsten Resultate tindZiele
aller Geist es eutwjcklungen macht, während
Sehe Hing vielmelir auch darfdier in seiner AbhandluDg
über die Kreibeit sich erhoben hat» wo am Schlüsse der Of.
£rnbarungs- und £rlö;iungsprocess Qottes» die Herslellung der
Einheit des menschlichen und göttlichen. Geistes in realen
— nicht in metaphysisch abstraktem — Sinne , als das all-
gemeine Ziel der Schöpfung nachgewiesen wird, in welcbem
die, Metamorphosen des sinnlichen Universums, wie des gei-
stigen, eulmini ren. -r Diesen offenbaren Entstellungen ge-
genüber, und der dürftigen oder missbeliebigen AufiaMOOg
seiner Philosophie von Seite Hegels , — noch dazu nicht
selten im, Tone eines , belpaglich ironitcben Darübersteheu
Torgctragen , welcher überhaupt ,den Geist der H je g e 1 sehen
Geschichte der Philosophie , besonders in ihren letzten Par-
tieen, nicht erfreulich macht, — und ganz abgeaehen von
dem sachlichen Inhalte des Gutachtens, welches bei Schal-
ling über Hegeis Philosophie kaum ein anderes sein
konnte., wird nian den herben Ausdruck entschiddijgt , weoo
nicht gerechtfertigt finden-, welchen Sehe Hing jenem tJr-
tlieile in seiner bekannten Vorrede zu Cousins Schrift
gegeben hat. Es schien uns , den fortgesetzten Verunglim-
pfungen von Einer Seite entgegen, so gerecht als nöthig^^, sn
das historische Sachverhaltniss darüber zu erinnern.
ScheOing gegenld>er. ^ 785
Darstellungen allerdings ergfinzenden Charakter von He-^
gr e I s ersten Leistungen angegeben. Ihr Prineip war jedoch
auch finsserlich das gemeinschafUiche ; es ist die ausdrück-
liche VoraussetEung und Grundlage, aus welcher Hegel
in seinen kritischen Werken argumentirt Was darin, bei
dem persönlichen Austausche ihrer Ideen, dem Einen oder
dem andern Denker als eigenthfimlicher Antheil zufalle,
kaim , soviel es nicht schon jetzt in den Schriften beider
Männer urkundlich vor Jedermamis Augen liegt, wohl erst"^
in sein wahres Licht gerikkt werden durch die einstige
Bekanntmachung des Briefwechsels derselben.
Bekannt ist, dass Hegel erst durch seine „Phano-
menolog'ie des Geistes'^ClSO?) inneriich, — Süsser-
lieh durch die polemischen Erklärungen in derYorrede zu
derselben — sich yon Schellings Systeme lossagte; aber
die noch nicht erörlete Frage ist : ob ein n e u e s P r i n-
cip, oder ob nur eine andere Behandlung des mit
S o h e 1 1 i n g gemeinsamen sich' darin ausspreche ?
Was die angefahrte Pbletiiik bcHrifil gegen ,,die hohle
Tiefe« der damaligen Philosophie, gegen die Weise, „das
Absolute nicht begreifen', sondern itihlen und anschauen zo.
wollen«, so dass „nicht der Begriff, sondern sein GeRkM
und Anschauung das Wort führen und ausgesprochen wer«
den«, die Protestation gegen die Jieert Nacht des Abso-
luten, in der alle Kühe schwlsrc sind« 'u. dgl. «): so kann
es zweifelhaft sein , ob jene Polemik (ebenso wie die fast
gleichlautenden Aeusserungen, weldie aus den filtern Vor-
lesungen Aber Geschichte der PhUosophie von 1805—6. ift
dem angeführten Werke abgedruckt sind) ^^ Schell in gen
gelten soB, oder nicht Vielmehr dem Missbrauche seines
Princips in seiner Schule, gegen welchen Sc belli ng
selbst sich mit nicht minderer Energie erklärt hat. Allge-
mein zu sagen , dass der Seh eil ing sehen Philosophie
*} Ph&nomeno logie dea Geittei, erste Aais* Vorred«
S. XII. XUl. XVill. XIX. LXlil. LXV. n. s. w.
«•) HegeU Gesch. der Philof^p hie Bd. III. S. 680^83.
50
#
daa Princip 4er ^^y^mjatheUS 4er j^Horos«, abgehe,
dass sie ^^yeraph^ch ; auf Um bliQke^ (S. XI. XII.> , wäre
ganz ungeharig.; .\ya& dem Sc belli ng sehen Standpunkte
von (kuse wxs .abgehe , babcua wir niehl verbehU : es ist
etile Metaphysik und Erl^enotnisslehror, überhaupt die rein
begrifflictie Bemäcjbitigang i^nd . £jMf«ltUDg ihres Pnncips:
die erstere Wissenschaft h^ IJegel ihr hinzugefügt nach
dem relativen Maaa^stabe meines. eigenen. Standpunktes; &
"hat einen andern Hx^ros , über ie$sm . wahre Bedeutung
sich noch sprechen lasseQ wird : ab^r es wäre eine un-
kritische Uebereilung T.on:ihm, darum der Sc hellin g-
schßn Philosophie je^es metlipdiso]^, l>estimmende Prin-
cip abzusprechen. Sie besitzt es (orraeil nicht nur in dem
Begriffe der Potenzen, von deiiea jede höhere ihre voriier-
gehende nicht nur in sich ai^&iiüBQit upd steigert, sondeni
auch in das Höheiie ihrer selbst verwandelt; — der
Uegel^che Begriff der oAnfhebung^' in ihrem doppel-
ten dialektischen Sinne ist 4f^rin .vorgebildet} — sondeni
jenes Princip hat ziq^leich apph r.Qa.le Bedeutung; der
bestimmende Uorps. für jed§n Begriff im Systeme ist die .
Stelle, welche, er im objjßktiy.ein Weltzusammen-
hangle, im Systeme der Di^gß selber hat: und diess ob-
jektive Vemimftsysjtem j^ id^g Piy^^ nachbildend wieder-
herzustellen , — ^AachzucoQßtruiren^, -— ' dATUk besteht ei-
gentlich d^s meth9di6ctie PriUfQip Schell in gs. Esitf
dasseU^v^vtrii^'^f^^'i^p'^^. fV'A^ H.^9.^1 in (i^iner ,oIi!|ektiveK
Dialektik der ißapbe ^i^i^l^t^ , imna^ar ungeatrebt hat
S p b e 1 1 i n g '^,. U^hetier dep ejgentbihtüichen, Piiacips der
Methode s vonHp^qtist ea m, denBegriCf, in das wis-
senscbafUiche Bewuß^.jts^fs;ip,. sßine.r selbst erhoben
wprden. ♦)•. .; -.i .;/ iv, - - .
*) Mit dieser bistorischea Feststellung des Verhältai^ses Tei^lei-
che man, wie Scheiling dasselbe poleniisch bezeichnet
hat (Vorrede «u ^fiCMiitk' tib'er. fraüBöiir« ch« and
deutsche PbiUsOpb i)«<< S* XIV.) t diese polemische
Beaiiebung abgececbnet ^ ' .wird 1 miin es!> nur. begrut lefc fiaden,
der Sache und der Methode in Einheit. 78l
Wir gehen ' zuni sech]ichen Principe aber , welche«
Hegel A]b das ihm dgenthämliche be2eichn€t) nicht ohne
so^letdh auf das enge Verbündniss desselben tnit dem def
Hetkode hinfiuweisen. Die eigentliche Gestalt der Wahr^
heit^kann liar in die WissenschafUichkeit gesetKt werden^
in' den Begrifpder nicht bloss ab das Unmittelbare
gpesebt) oder ate llesultat ausgesprochen, sondern, ali^
das sieh selbsl iii jenen beiden ßliden Vermittelnde , «^m
Systeme si^ entwickelt. «) ' •
Mü dieser Förderung einer ' EntiUtung des Principe
aiK dbr Unmittälbarkeit des Anfangs zw TotaMt^ die cd
selber ist , hängt nun anPs Ihnigste Kusammbn die satdi^
liebe AuiRisstfng jenes Princips, nie sie Hegel als da^
ihm Ei)peiitiianitfcbe beseichnet: '^S$ kommt' nach meinev
BinsieftlY 4i0 sieb durch die Darstellung' des Systeme»
selbst reebtferägen miisis, Alle^ darauf an, das Wahre
nicht als Savl^statiz^ sondern eben9Ö »€kr als Sut»-
j^kt äufieikfassen «nd aus2Udrücken<<. — Uebrigefls-, be-^
meriil äry scbliesse die SubsUintialität eben so nur die
' Untnitle^ibiarkeit de» Wissens, wie des Seins, dea
wi^nn er, i^wischen sich \iiicl sdiuem l^achfotger, das Hecht d^r'
- ^rforf^t'iiitfh'ib' dieser Hinsicht f3r sich m Anspruch' iiftniht;
Wilf iülobn^ik teioaders- folgende Stella^ aus: ,>dM''Sri)»3eLt«(
: (diu nindp derVraethOi(li»eben B«wtiguiig) ^»war^ wie gesagtf.
(bei Hegel) der logische Begriff. Weil also diaser e»
war, 4er ^Lph ang/eblich beveg|;e .-^ wa^ man zwar TQn einem
. Lebendigen , Wirklichen » denken , von dem, blossen Begriflfe
aber weder denken, noch imaginiren , sondern eben nur sa-
ugen kaW^ bannte 6t die Bewegung feltae d lalel 1 1 iieh e,
''«und Weil'itii 'flrufiem Systeme- die Feftsl:hi*eHtiiig- iii diesen»
läfnne altenüttgs keine diaiebtisdM .wart' so l^alite ; dieiee
Systea^ dem »e^cUs JPrimrip der M^hpde , d« h< 4ie M«|gliicbr*
. /.kejit^ ^fA^ Sy^eß^ auf seine Weise zu machen, gaps. alleiu
verdiinkte , nach ihm gar keine Methode ; . die einfachste
Ar;t die eigenthümliche Erfindung desselben sich anzumas-»
■•'''8en*''(S. ^IV\ r.V.). ■
•Tl'Phä:iiomdno!'ogie Vorrede S.Vni. XVlll. XXlH. XX^tlt!
788 Sein Princip
für das Wissen Unmittelbaren, in sich». Beides bleibt ibin
daher, jedes für sich selbst ^ ebenso unvennitteU, ab es
auch nicht zu einander kommt: die Beziehnag too
Wissen za Sein bleibt unenthüllt, deren nothwendige Ein-
heit aufzudecken sich als die eigentliche Aufgabe der Fki-
nomenologie ergeben wird. ^^Wenn aber das Denken das
Sein der Substanz , als solcher , mit sich vereint , und die
Unmittelbarkeit oder das Anschauen als Denken eifasst;
so kommt es noch darauf an, ob dieses inldtek-
tnelle Anschauen nicht wieder in die träge Einfach-
heit zurfickfUlt und die Wirklichkeit selbst anf
unwirkliche Weise darstellt« (S. XX. XXL).
Diese bestimmter gegen S c h e 1 1 i n g gerichtete Aeosse»
rong enthält einen doppdten , aber » wie es scheüil , sich
aufhebenden Vorwurf Der allgemeine Sinn dessdben ist
ohne Zweifel, dass es Schelling nicht gelungen sei, die
^Einfachheit« der intellektuellen Anschauung und ihres Prni-
cips der absoluten Identität durch immanente Begriflsent^
Wicklung , zum Unterschiede in sich selbst fortzabefitiofr-
men. Er hat die Unterschiede bloss aufgenooimen and ^
potenzenweise jener Einfachheit eingereiht: die ss ist der
stets wiederkehrende Vorwurf. Aber damit hätte Schel-
ling die Wirklichkeit gerade nur auf j^w irkliche«, Bicht
auf spekulative Weise dargestellt, und die letztere polemi-
sche Wendung ums ab eine am Ziele vorbeitreffende er-
scheinen.
Die erste Präge bleibt es nun , wie Hegel aber den
Gedanken, in dem er sein Eigenthfimliches ausspricht: die
Substanz ist nur als Subjekt zu fassen, sich be*
stimmter erklärt hat^ theib um' die unv^rmQidliche Zwei-
deutigkeit, welche nach dieser Fassung zunächst nooh in
ihm liegt, aufzuheben, th^ilsum sich, Schelling gegeo-
über, diess Princip als sein Eigenthum vorbehalten zu kön-
nen. Im höchsten Grade ist anzuerkennen, dass alle seine
frühesten , wie spätesten , Erklärungen über diesen Punkt,
welphen er ebenso immerdar ab den Hauptpunkt bezeicli-
UDt hat , völlig sich gleichgeblieben sind : sein Plmicip hat
der Sachcf und' der HedioAo in Einheit. 789
^ch in ihm nicht gesteigfert wdhr^d seiner Laufbahn,
sondern nur ausgeführt; es stand schon vollendet vor
ifam bei seinem ersten Hervortreten. Sein System bat da-
her keine Entwicidungsgeschichte des Princips , wie wir
bei Fichte und Schelling sie zugeben mussten, son->
dem, wie bei Kant, die Geschichte immer reiferer und
umfassenderer Ausführung eines solchen. Aber, wie es
sich zeigen wird, und worauf dieses Fertigsein am Anfange
ohnehin schon deuten konnte', das Princip ist selbst ein
fiberkommenes , der in einen prägnanten Ausdruck zusam«*
mengezogene Gehalt des SchelUngsehen Systemes in
meiner mittelsten Epoche. (Vgl. oben S. 7S7.)
Die ersten, allgemeinsten Bestimmungen der Subjekte
vitdt an der Substanz sind ganz Schellingisch ; der Unter-*
schied ist nur der, dass auf das Formelle, auf Herausbil-
dung dieser an sich seienden Wahrheit in das Pfir«
6 ichsein des Systemes, gedrungen wird. Hierdurch
vfird man an die späteste Aeusserung, den Sohiuss des Sy-
stemes in der H e g e I sehen Encykiopfidte, erinnert, welcher
dieselbe Yoliendung Gottes zugleich und der systema-
tischen Wahrheit aussprrcht, dort aber nicht als ein
noch zu erreichendes, sondern im Rflckblicke auf die vor-
angehenden Theile des Systemes schon vollendetes und in
dieser Vollendung bewnsst steh zusammenfassendes Ziel.
Auch hier schliesst also Hegels Anfang und sein Ende
genau sich an einander, wie Verheissung tfkid Vollbringen,
was allerdings von Schelling bisher nicht behauptet
werden durfte, weil er das mit Hegef gemeinschafllicha
Princip selbst zum Durehgangspunkte eines Weiterscbreitens
gemacht hat«
Die lebendige Substanz, heisst es, ist Subjekt,
oder was dasselbe heisst, in Wahrheit wirklich,
nur insofern, i\$ sie die „Bewegung des sich
selbst Setzens^ (Fichtisch und a^ugleich Scbellinglsch)
oder die ^Vermittlung des sieb anders Wer-
dens mit sich selbst^ ist (Schellingisch : die abso-
lute Identität stellt sich aus ihrer unendliebcn Differenz
790 DieiB PrliuJpi, . i * i '
}n ihren PetenBen «ur IndüTerene wieder ^ket^ rWeldie an
sich me attfjgrekobeii werden kann) ^}*
Sa ist, als Su)>jefcl, die reine jeiafaohe Negati-
yitat (nach Scheiling: ladifferena) ehan. dadurdi liie
Eateweiung des Binfaehan (nach S c h e U i n g r * das sich
Difibrenziren derselben) oder die entf egangeseUte Yer<-
doppehing, welche wieder die Negation dieaer giaiobgäJ--
tigen Verschiedenheit und ihres Gegensatzes ist : jvnnr diese
sieh wie derherstielltende^ (nach Sohellin g: aus
der Differenz w^r TotalitAt«^ surückkehreDde) „(Elleicbheit«
(Identität) ^^Dder die Reflexion im Andersseia ia sich'^lbst
*— nicht eine ursprüngliche .oder niittelbare Bin-«
heif, als selche , ist das Wahre. Es ist di^s Werden sei*
ner, der Kreis, der sein Ende, als seinea Zwi^, «us^'^i^^ ^
seinem Ahfange . hat, und so nur durch dieAusfuhruiag
und sein Ende wirklieh ist« (S. XXi.>.
Sofern nun Hegel mit diesen Fundamentall^esUaimun-*
gen, wie man sieht, den S c h e 1 1 i n g sehen Umkreis keines-
weges verlassen hat, so möchte wenigstens d^r Ausdruck :
5)Subjekt, Subjektivität^^ original S4;beinen, um dieas
Beisichselbstbleiben des Absoluten im unendlichen, Auders^
werden durch die tie&chOpfende Analogie eines in sich
selbst sich Reflekürens desselben dem Verstäadnisse naber
ia bringen. Ueberhaupt könnte gleich an der Schwelle
von Hegels Philosophie die Neigung desselben h^clist
bedeateii(f Erscheinen , io geistigen Akten und Analcigieen
die Lösung des Weltrdthseb zu suchen, so wi^ i^i^M iBin-
dcir, das Realprincip der Dinge und das der wi^aonschafl*
liehen Helheidik selbstbewuast als Eins au fassen, liier
läge schon der Sat% im Ruckhalte , welcher sich wch in
*] Sch«l liag.t Darstelltiag in der Zeitschrift für
fpek. Physik II.. 2- $. 11. Zusatz 1. und :3[. zu §, 12..
^. 15 — 19. $.24 — 31. §.43. und die erläuternde RouftLriiktiun,
um uach/tiweiseh, wie die absolute Identität 9us ibrer rel.it I-
veu DifTpren» d<»8 Objektiven oder Subjektiten zur Totali-^
• tat znfiicklLehrt, ebeud. S. 33-*»35.'
schon ia Sd^Uit^ diUhMen. 791
unsere ErkOiritÄidsIelird ^), «l9 d^ letkte firkUnrngsgrand
€ler Uebereinistitnmung von ' Subj^fclivein und Objektivem,
Welt und Erkerfnen, ergiebt : ^wir eAeanen die Dinge nur
dadurch, weil sie in (Boltes Bewus^flsetn vorgecbcht sind,
nnd vermögön sie nur daniitf (Idttrch Wissenschaft) in ein
System zu bringen, weil im göttlic&en Denken einUrsystem
derselben isi^. Das Principe aller- (JBEettti^^ ^t)jekliven) Me-
thode kann selbst nto* im Urdenk^n des Absoluten Beinen
höchsten und wahrhaft begreiflith^n'Gmiid finden.
Dennoch ihusseri Vir auch- davoW die i^iorftü Seh e)^
ling zusprechen ! nicht liup 4j$t'iftiM das SetöpteHsche (dia
lüOura nahtranky 4fis ait siich Ideblle Md Siibjeklire, -^ ^
^SiHbjekt an sich^i wie fleg'el es avsdttiicken könnte, ~
sondern der {yotenzireftde 6^(if&|jrii«gsclkt ist ein 6 e 1 b s t-
i^r k e n n e nf , nn^ das* Seih dei* Din^^ in- '4^n WeUp'6tenzen
i(die natura naturätä} 'nichts Anderes ,^tilä das immer ,
lierere Eintreferi d^s ^Idealen in^if B^a^ deir immer geiun-i-
genere SelbslerkenfttnissakI des Vrsubjekt?, welches
endlieh im Menschlichen Böwui^stselin, und Bubdchst in de^
f'ntdüektuellen AnS^ha u^utigf durch menacfaliche
Verfimift, vöHlg M sich selbst kommt, ihdl^m es in de^ Idee
des Absoluten', 'darin das Absolute vfiAig sidh selbst er^
Itennl und bejaht^ ai^h für siirh zum Subji^kte wird. So
inSchellings Äfuno undin dMi Abhaifälimgen der neuen
Zeitschrift fQr spekulative Physik. tV^l. oben S. «75 ff.
6851-90.) ♦*)
Wenn Hegel daher nift ironischer Ruckbeziehung
auf S c h e ! 1 i n g s »Aphorismen ' zui* Wätiirphilosophie«. so*-
gleich hinzusetzt:' „dass man itfi^ Lel)eh Gottes und das
glottliche Erkennen wohl als^ iÄü Spiel der Liebe mit äch
^} Qrundsügje c«,q]. Syttam r'/dari Ph tiosopbi«:! Wsto
AbtheiUing, 1832. $. 227. S. 313. 14.
**) Mit den dort von S.cheiÜDg aDgefTihrten Expositionea ist
. äie'dem PHttdf)e nach Übeteitiitiiiimenile %iitwicMuiig dies Be-
griffes der Reii g roif, als 4^ 5eH)stBfc>A^<is9t8«ias «les absolu-
tea Geistes, bei H .eg e 1 Religionsphil. I. S, 1!^9. zu Vdrgf eichen.
7&3 Diegs FriMip ,
selbst aussprechen kfinne, dass aber diese Idee zur Erimn
liebkeit und selbsl rar Fadheil herabsinke, wenn der
Ernst und Schmerz, die Arbeit der Negation daran feUe*);
-^ „das An sich jaies I^ebens und SubjdLts nmsse daai
kominen, es auch f ür s i ch am sein^' : — so mnss die histo-
rische Feststellung des Yerbftlinrsses zwischen beiden Den*
kern behaupten» dass Schelling diess selbsl sich sagen
konnte und gesagt habe ^ dass 9 wenn es ihna uqgendwo
fehlte, es; nicht das PriaiHP war^ welches er f erlig und
nach seinem Zjelß hin vollständig, wie man sieht,
Hegeln flberUef^rie, swd^in, dass es nach Vorne hin
von ihm nicht Y^rmlttelt wan Was f&r letz lere Ver-
mittlung Hegel gethan habe, gerade in seiner Phänome-
nologie des Geistes, wird alsbald zur Sprache komaien«
Er fahrt fort:., das Wahre ist das Ganze; das Gänse
ist aber nur das durch, se^ne Entwicklung ach voO-
endende Wesen« jSs . ist vom Absoluten zu sagen, dass es
Resultat, erst am Eide ist, was es in Wahriieit ist,
und hierin besteht eben seine Natur, Wirkli-
ches, Subjekt, oder sich selbst Werden zv
sein. -^ — Da^ fied&rfniss, das Absolute als Subjekt vor-
zustellen , bediente sich der Sätzp : Gott ist das Ewige,
die moralische Weltordnuug, oder die Liebe. — Aber hier
ist „Gott^ für sich nur ein sinnloser Laut, ein blosser Na-
me, der erst von den Prädikaten zu erwarten hat, was
er ist, in seine Wahrheit und Bedeutung eingesetzt wer-
den kann« — -^ ^Jene Anticipatioo , dass das Absotate
Subjekt ist, ist daher nicht nur nicht die Wirklichkeit die-
ses Begrifls , sondern macht sie sogar unmöglich ; deaa
jene setzt ihn als ruhenden Punkt; diese aber ist die Selbste
bewegung« (S. XXII. S. XXIII— XXVIL). — Diess Alles M
S ch ellin g iurwahr nicht mit so methodischer Klarheit
und Energie ansgesprochön ; aber es liegt in seinem Pria-
*) Unbeivusst , Ifätte Ue,ge, l hiermit teiQe eigene spatere Aevi'
j^nmg iI^«Vs^9l^fEhii9«op|uf Ih S. 206.) parodirt imd ge-
fährdet. . . 1 : .
schon in ScbdUng enthalten« 793
eipe .und bat nur Wahrheit in Folge desselben. Gott ist
auch nach S c h e 1 1 i n g erst voHständig (in höchster Potenii)
erkannt, als (endlichbs) Subjekt und Geist werdender, und
in diesem, zufolge der ihm eingeborenen Idee des Absolu«
ten, zur Einheit mit selbst zurückkehrender.
Hegels Erklärung über jenen Hauptpunkt schliesst
folgender Gestalt: ,^ass das Wahre nur als System ynskf*
lieh oder dass die Substanz wesentlich Subjekt ist^ (biet
wird also ohne Weiteres das Realprincip und da« Prinoip
der Methode, als das identische, Terknüpft), „Ist ilt
der Vorstellung ausgedrückt, welche dai^ Absolute als Geist
ausspricht — der erhabenste Begriff, welcher der neuem
Zeit und ihrer Religion (der ehristlidien) angehört. Dail
Geistige allein ist das Wirkliche -— das Wesen oder
An sich seiende, das zugleich sich zu sich verhalt^
das Anderssein und Ffirsichsein ist , und in dieser Be-
stimmtheit oder seinem Aussersichsein doch in sich bleibt,^
— oder an und für sich is(^. --
Diess „An und für sich sein* ist es aber in sol-^
eher Weise „nur an sich Oder für uns*; es ist so nur
die geistige Substanz. Aber es innss diess auch
für sich werden; es muss sich als Gegenstand sein,
aber ebenso als vermittelter, au%ehobener, in sich
reflektirter Gegenstand. Diess Letztere geschieht nur da-^
durch, dass es sich selbst in altem gegenstandlichen' Dasein
als den reinen Begriff erkennt und weiss, und auf dies^
Weise in seinem Dasein in sidi reflekfirter Gegenstand filr
sich wird, Diess geschieht in der Wissenschaft:
diese ist der Geist, nicht bloss als aligemeine Substanz,
sondern der als alles Sein sich wissende. Sie ist seine
Wirklichkeit und .das Reich , das .er sich in seinem eig<^
nen Elemente erbaut (S. XXVHL XXIX.). t
Auf gleiche Weise sdiliesst auch , wie schon gesagt,*
das Ende der fincyklopädie der philosophischen Wissen-'
scliaften sjicji ab in „der ewigen, an und ffir sich
seienden Idee% welche, als Absoluter Geist, sich ebenso
wohl in 4er an ciich. seienden Objektiv i*tM der Sache,
794 . <H0gete.Verhftttiilis
fufodur^li sl9 Hlob li Geist uml Natu r dirlmirt, ab in
^r TffiUgkfiit des Erkerinens (der WissensclHift),
iwoduiflh ,&ie mh Hiu jenen Gegensätzen , als selbsfgfge-
bffW^M.wti Einhalt. vric$ der* Eiisain menfaisst, ewig
bethätigt, erzeiigi} usd geiüesst (Eticykl. der philos.
M^idl».en»!€iiiflft€in, 3te AnL S. 538. 99.)- — ^ ^öUig
gfeiiohom SUHie eiriicipirildie erste Auflage der EBcyUo-
y^^ •<»* :deji spätem isl diese voriduflge Definition, vn-
iltr^iiig twk ihner far des dortigen Zusa'mmenhang pars-
4o»ea U/iAteir^taiidlichkeit v bihweggeßillen) den BegfiB der
PbiilQSX)phie v6r • seiner AmrühriMg 4abin, dass, sie die-
«ßtlbeails die Wifrsenschart derVernvnft ^ausgiebf,
und^zwar inso fior^^ als <iie?ernunft ihrer selbst
i|ls alles Seüns be'wusii wird ($. 5. S. 6. Ausgab»
\on. 4^1.70.« .'.'.:..
. :: Qurclib diese AJlgeineinbestiminnng ist Hegel jedoch
^t S.piin.Qi^il'a'.lKi^hne, als dem Systeme der Substantiali-
tat , in ein ausdrückliches .nhid bewussles Verbältniss ge-
irutiini:! seilen »wir dadier^ ob seine spätem Erklänmgea
4bW{ <iiesS'VerhätBisS'' mit j/enet ursppängliehen im Kn-
^ratändnlsse sind. " W as ist es evgendicb, was er an ihn
tiiiidelt;.waS4St daher aitcb das Ueberspinosistiscfae
ißi ^ig^n^n. Systeme^ und ist di^ss at^leich über Schel-
U Ol g hinaus oder nicht? . - .
.. SpiiQ.K>sa bat Gott : nidit . als 'den Geist bestimmt;
4efii$batb«im)aflate.s6inG Philosophie das Zeitalter, in dem sie
flliUrat^ empören. Das. Seibstbewiisstsefn ist bei ihm in
ßf griffe, der Substana untergegangen , nicht erhelten wor-
^On ,Seiflieiin''Begrifib der Substanz fehlt das Priaoip der
P/^rsartli-c^ik.eit, der Reflexion in sich: dasDen-
keii). ato.dds Attribut Gottes; tnll als ein Zweites, A^easser-
liebes , ihm nur biniu , n e b en dem der Ausdebming i ^
4as6^ s\ß «nut^tihmunwesentüdiei^ennen^ 9ind, die Ordnung
der J>ii|gek,diescib|e ist^ als die des Denkend, dort eine
Totalität* ditr Dinge,! hier der Gedanken. Aber wie es eine
äussere Reflejäoui ist, wddbe diesen Unter^diied macH so
i^t.^ie es.aucbiy. ^elcbi^ ihn in die- «bsohtte Identitll i>-
• ^aü Splnosa. T95
rtekführt. ' D i e g'änze freveguhf geht ausser Aem
Ab'soluten vor.' ZiVar ist diess ao sich s^st^atteh
1> e ti k e n , und so f Allt aueh diese Reflexion nur in chs^
selbe hinein , aber nur al^ Einheit mit der Ausdehnung*^
somit nicht b\» diese Bewegilngp, welche we'sentlioli
auch dfrsMonient derEn tgegenfietzung ist.-^
Sc weit da« W^enAicbe ' in seiner Logik. Diese logische»
Bestimmungen schärft Hegel in seiner Geschichte dei^
Phifosophie noch bis sn '• folgenden concretein Ausdriicken:
Gotl ist hier ' nicht Gellst, weil er nicht der ^dreieintge«
Ist^ (Welche metaphysische Bestimmung Hegel dft^
mit meine ,' ^int sich spAfer ergeben.) Dte SobStsfn^
Meibt in dei» Starrhett, Tcristeitiening, ohne B^hme scheid
Quellen^. In die Eine Substanz . gehen alle Unterschiede
nnd Bestimmungen der Diiige nur zurück und v ersuch win^
4en in diesem Abgrunde der Vernichtung)
Aber es kommt Nichts heraus; das BesondereV wovon ei*
spricht , wird nur ' aU fg e n o m m e n aus der VorsfellungV
ohne dass es gerechtfertigt wäre. Sollte es ger^chtfbrllgf
sein, so mfisste es S p i n o s ä ableiten aus seiner SuhitBitzl-
Sie schliesst sich nicht auf: das wäre die Lebendige
keit, Geistigkeit. — Die starre Substantiamit' ist daj
Letzte 'bei Spincs^a, ni^ht die Tinendßehe Form;
tt. Ä w. (So wird auch die' metho'd isch e t^ngönüge
sogleich in dem ungenügenden Realprincipe des Systertiei^
g€Jfundcn, und ebenso ein Zeugniss fllr letztere UngenQge
in }enem aufgewiesen.) *)
In SuiAmä; Was eigentlich Spinosa fehlt, dei^
Grund, waruüi 'die Sübstane biei ihm nicht Geist, schärfei*
• ; ' ' . .1
*), lw9,er 4^111 ob^« 9btr dat Vechäl^U« /Von Spiao«« ai^d
Hegel aus Lf Ute rem Beigebrachten (S. 456 — 60.J, wo be-:
iondera wichtig ist, in welchem Sinne Leibnitz den
Spinosa erganzen solle, verweisen wir auf Phänomeno-;
l'tfgie S. XX. Wissenschaft der Logik, ßd.I. Th. 1!.
S. 192. 194-^96. 199. Geschichte der PhUoaophi«
Bd. III, S, 375-.78. 382, 8D, 91. .
790 Uegds und SchelUiig» Verhältnis»
anag^drückl: Geislif keil geworden ist, Vksst sich mr
dahin aussprechen, dass ihm das absoiule Fornprincip, lias
Princip der unendlichen Negalivitat, abgiehl, wi^«
nach die absoiate Substanz in ihrem Andern dennech
unendlich bei sich selbst bleibt Diess ist ,,Lelie&%
naher y^isiiges^ Leben, weil nur der Geist den Gegensata
ebenso unendlich in sich selbst setzt, ab ihn zu dem sei«
Bigen, überwundenen aufhebt
Aber das ist ausdrücklich doch der Portschritt, welcher
schon durch Schelling über Spinosa's Grundansidit
geschehen ist, und in dessen Folge er diess System als
ein einseitig realistisches bezeichnen konnte, de^
sen Fehler keines weges darin liege, dass es die Dinge ia
Gott setze, sondern dass es Dinge, abstrakte Weitwe^
sen, seien, welche in der absoluten Substanz nur inbegrit-
fen sind, wahrend die absolute Substanz selbst ihm vüsk
nur Ding ist, „Daher auch ganz folgericbttg seine m&-
clianische Naturansicht, Oder zweifelt man, dass
schon durch die dynamische Naturansicht^ (von welcher
Schelling sodann zeigt , dass sie die Einheit des Dy^
naioischen in der Natur mit dem Gern ü t blichen und
Geistigen begründet) ,)die Grundansicbten des S^ino*
sismus wesentlich verändert werden mussten?^ *)
Der Unterschied zwischen Spinosa und Schelling
(sammtHegel) lässt sich daher auf 's Schärfste dahin aus-
sprechen : In S p i n 0 s a ist die absolute Substanz gleich*
gewichtig Denken und Ausdehnung: diese sind die beiden
an sich geschiedenen Modifikationen derselben, und wet-
che nur dadurch Eins werden , dass , was die Substanz in
einer, auch in der andern Hinsicht ist. Es ist der Pa-
rallelismus von Denken und Ausdehnung (Subjektivem
und Objektivem) in dem niedern , genkZ abstrakten (Gartesia-
nischen) Sinne; denn sie sind nicht dem Wesen nach Eins,
vielmehr entgegengesetzte; ja, was Spinosa's Darstellung
betrifft, so fällt das Uebergewicbt der Geltung sogar auf
■ « ii
*) SchelÜAg über die Freiheit S. 417. 1& 19.
zu Spmolra. ^ 797
Seile d^r k6rperticlien Modifikationen , indem in ikror
verschiedenen Voilkommenheit aucli das Princip Hegen soll,
^w^onacl> sicli die VoUkommeniieit der Idee (Seele) jedes
Körpers riclitet ( S. oben S. 446. ). Nacli Sc bell in jf.
Cund nach Hegel) dagegen ist das Ideelle, Subjektive das
absolute PHus und Grund aller Dinge und auch des sinn*
liehen Universums: die Substanz ist an sich schon nur
ideelle Macht, Geist , und ihr Sichauswirken in den Wdt*«
anterschiedeii hat nur das Resultat, auch für sich zum
Geiste zu werden. (Vgl. oben S. 455—67.)
Somit scheint erwiesen, dass, sowohl im Uiiheile fibei^
ihren gemeinschaftlichen Vorgänger Spinosa, dsin-
dein, was sie über ihn hinaus als ihr Eigenthümlicbes b&^
httnpten, S c h e 1 1 i li g und Hegel völlig einstimmig sind:
das Princip des Letztem, ausdrücklich so wie er es in der
Phänomenologie ausgesprochen hat, ist also ganz nur da»
Schellingsche und überkommene: «— ob nocb
ein anderes Princip in die Hege Ische Philosophie hinein«^
tritt, wie in die Schellingsche allerdings ein soidies
eingetreten, muss der weitere Erfolg zeigen. Nach seinen
eigenen Erofihungen hat bis hierher Hegel keine An^
Sprüche zu machen auf ein so eigenes und neues.
Wir wenden uns nun zu dem, was He^el sögfleieh
dagegen als sein Eigenthum ansprechen darf, die Aus-
bildung jenes Principsi Hegel erklärt sich darüber auf
folgende Weise : In ihm hat sich die Idee und der Grtind
derWissenschaft geflmden: diese ist die verklärte
Wesenheit, der Geist; der aDe Dinge ist, so auch in diesem
Andersseins wissend bd sich zu bleiben ringt , und in
der (ausgeführten) Wissenschaft das Wissen seiner selbst
geworden ist. So ist er aber gegen die Unmittelbar-
keit des Wissens einem Werden, einer Erhebung zu sich
selbst unterworfen ; und wenn die Wissenschaft verfangt,
79S ^ Dio Phiiiwienfliiogie
das^ <to jndi/ridQWQ sieb in dioi^ Sfamipiififci des sfl^
Qieiiiett G^t^s erhebei so hat die^ noigekebri da« ^echlS
BD todem , daM die. Wissenschaft ihin die Leiter weoif-
atens .au^ diesem Standpunkte reiche.. Der uamittelbtre
SMüdpänkt des. Bewosstseins ist , von g«ge|i|stfindlickeii
Dii^^. idi GegenBat^ gegen sieb seU)st, «nd von a\ch im
Qegeaaataa gegen sie, zu wissen; die Wissenschaft kann
denselben nnt als den Verlost de^ Geistes, das sich seUisi
Abhantengekomm^iisein desselben, betrachten. Jeder von
diesen beiden Tl^ilen scheint daher Skr dea andern das
Yetk«iijfte der Wahrheit z» sein, die Wisseiiachall
diim: tofttürlichen Bewusstsein auf d^oi Kopfe zu gehen, md
dkaswiederam Cur die Wissenschaft . mr der Gegensatz der
Wahrheit und des Geistes selbst zu aeiii: Diese bat jedech
äiil»Sleiaent und ihre ailgemeine: Voraussetzung im Selbst-
bselVQSStseftn ; sie bat daher die Unniittelbarkieit dessdyyen
Hit. sich zu vereinigen» oder vielmehr m zeigen, 6ass nnd
wi0 «s :ihr selbst angehört: sie hat das S e Ibs tbe wtisst«
telil aU £ins mit sich zu set^eii.
j. . , Die$s Werden der Wissenschaft überhaupt ist Auf-
ga))r^ >4er fhanon^enoiof ie des tfieisti^s, als des
^ersten. i;i^0i.l es des $ystem¥ts. dersielben**: —
späterhin bekanntlich, bei der vollständigen Darstellung- des
Systemes, als solcher erste Theil zurückgenommen, und in
den öffentlichen oder mündlich gelegentlichen Erwähnun-
gen Hegels*) nur als eine historische Ueberleitung ste-
llen ,gelgs|^9 ^ WO. den $tandpui^t,der »Wüeensohsil der
• : ■ • - 1. .,■ : I. .
*>H'4tf^Bl8 IWJ8Yftii8«.1kaft -der L*gik emce Aiug. Bd. L
. . S, Xi. X»v(W!*tt«. Aus«* $. :^, 34,>, S.i ß,, ▼^f^dtti^ m9K <l«
lJjpiMrheiUfuQa.iQ. der spatern «li^ai^e; S» 59^62. Eiicjkl<^
jpädie, der p b i Ic^s.W.is^ e^ Schafte«, jlriUe Ausgab«
S. 35.30. — Dazu Micbelet's^ C esc h,i,ch te der letzten
Systeme der P lii l o'soph ie Bd. if.' S. 616. und dcsVer-
f^ners: ;,aberdjrf8Verhaltdik5 derErVenntniss-
l^hreiMür Metap bysli«« ini "d^r» Z«its clirift für
jehilrofc..BdoL,ft* X ^ laaiKwle; .:.f . i, . ,
(.
4» ärisMI 799
Wissenachaftf 21t gewmiien. Die sehr Mfiigeii Gfühde iMe^
a^r • Zurfidknahme werden' sich nachher eigcAfti- ' ^1 ' i^ t»
Das Wissen^ wie es mxmittettMr fsti, iiJlr'4(as< g^isdo^
edfT sini»Hche:BewasS'tJein: UnF zum d^htiioheti»
Widsan oder znriWissenschaft %a w^den^.Jiät es tiikieir'iah«JiI
gea Wog ziiräükzol^gai. Bwsm Wvrden des Wide eii0 ^4im
jener seiner Unmittelbarkeit zum. «bisohileii 'Wlisetii iif^-
sotaeint als elwas Anderes, derni als ^e A4fil>eitd'ngi
des unwisse.ns.cliaFtivcbenl •Bewts'Sisein^iBliTi
W i B s 4 nis c ha f t. *^ ^htermit^ werden^ die fterd^rdngieb %i^
Des popidämii Einleitens und ZnreeMegeng'ffe: 'das klW
ji^tlve Bedurfniss ites VerstehSeiis :ziirftdkgewi«0eR) -^i-n/bm
es ist aoeh etwas Anderes , alis 'die"B'e^ii#n/d>U'ifgi d'd¥>
W issenschaft -^ (hieisiit wird bezeicfhttet^ '*&As»'4fm
auch die aUgemeinen erkennlnisst&efOMiaichai VoA^^fib
fiiT' die Wissenschaft nicht sni erwarten Shabe) •-^; dktkVUf
hat es Nichts gemein mit der ^Be^iatferttng^ did; ^^e! WtiP
der Pistole, mit dem absoluten Wiflsen'' inimittelbar i^tifing^t}»
und mit andern Standpirnkten sdion dadaroh fertig' t^t^^idlMbl
sie iceiae.Notifl von -üoien m nehmen * etMM<< ^ (S. "XXVBfr
— xxxiii)w' ..■•;!)
' Vielihehr isl diei Aufgabe, dais t^ndiviünum 'von' n^J^
nem ungebildeten Standpunkte zum Wlssenf zu führen ,:itai^
allgemeinen Shme zii fassen: das all'geftieifife In*
aividnam, der Wettgeis^tV ist fn »seittef Bi'K
dang zu betraichten. Dio^Phänömefioloj^i hat^di^^^
bildende Bewegung znm iBbsohiten' Wlssefn, Worin 'jeiläf'
Gegeonatz eines, Aeussera und ftiAem v iSdb^ktH'eil- oivd^
Objektiven, abgestreift ist, und d^rG^ist' sil^h'^alN^ ktleä
weiss, sowbM in ihrer Ausführrl4chke4t und Not^^
wendHgkeit', als äueh in der ire^rodadrendenOidstSi^
twig dttsien , was denrf Geiste schon* 'Äim' Mömeiite ^iM9'
Bigenthume, zur Voraussetzung und ^imorgMiäfcfeeii ÜMretif^I
herabgeisunken ist, darisostellen. ..;-.-/ i. i ..'
Die Ldnge dies6s>Weges ii^ zte tttra^efiK' Weil'die^
Sttbslans des Individuum» , der Weltg^i«6t^idie'€itMMfr
800 Die PMnomettologie
griiAbt, fUese Formen td dttrchgehen, und die migeheMre
Arlieil der Weligfesdiichte zu dbenehmen, weil er
durch keine geringere das Bewusstsein über
sich erreichen konnte; so kann aach das bidin-
dwim nicht mit weniger seine Sobstams begreifen. Rar
hat es. die geringere Mflhe, weil diess an sich sAon
vollbracht ist , und ihm nur die An^^fabe bleibt , das An-
sish in das. Fursidhsein , in das Begriffene , unumwandcin.
In diesem begreifenden Wiederherstellen der Bildongsstn«
ien lies Wdtgeisles wird mm geleistet und erreicht , iass
das Moss Voigestellte und Bekannte, das so Fesige-
wordene und Vorausgesetete, in den begriflfenen Gedanken
venvsndelt, und so ia den allgemeinen Begriff, in
cjn0 nothwendige, wie allgemeingültige We-
awiieit erhoben wird (S. XXXIU^XU.).
Der Weg , wodurch der i^griff des Wissens erreicht
Wf^rden soll, wird durch jene Nachweisung selbst ein
iiothw.endiges und vollständiges Werden, so
dass diese ,|Yorbeceichuttg^ aufhört, ein zufälliges Fhiloso-
phjaren zu sein, weiches an diese oder jene YoranssetzuBgen
des unvollkommenen Bewusstseins sich anknQpft, sondern
dieser Weg des Begriffs wird die vollständige Welt-
Uohlfeit des Bewusstseins in ihrer Nothwen-
digkeit umfassen.
Zum e r s t e n- Theile der Wissenschaft wird er aber
dadurch, weil er. den Geist , die allgemeine Voraussetzung
aller Wis^nßchaftj den Anfang des Wissens sdilecht*
hin, zu seinem Gegenstände, hat Aber das unmittelbare
Qaseiu des Geisfes^ das Bewusstsein, fallt in den Ge-
gensatz des Wi/ssens und einer dem. Wissen negativen
Gegenständlichkeit. Diese' Ungleichheit , welche unmHiel*
bi|r zwischen dem Ich und der Substanz, welche Gegen-
stfmd desselben ist , stattfindet , * kann als der Mangel in
beideio angesehen werden ,, ist aber die Seele d^ Bewe-
gung im Wissen, welche diese Ungleichheit vertilgt: denn
wenn es die Sache i^s Ich ist,, die substantielie Gogen-
flltadli^hkeit ^ wdcbe der Geist noch ia der Form seines
des Geistes. 801
Ansich ist, begreifend in sich aurzunehmen : so zeigt sich
vielmehr, dkss diess Thon in den substantiellen Geist selbst
hineinJOüllt; er bewahrt sich daran, dass er wesentlich
S }^ j e k t ist Durch Vollendung dieses Processes hat
der Geist sein Dasein seini^n Wesen voilketnoien gleich
gemacht: er begreift sich, wie er ist^ die Trennung des
Wissens und der Wahrheit ist überwunden : sein Sein ist
absolut vermittelt ; ^— es ist substantieller Inhalt, der ebenso
fiigenthum des Ich, Gewusstes, und zwar als Begriff
Gewusstes, ist. Der substantielle Geist (Weltgeist), nach
frühem Aeusseningeit Hegels^ ist damit absolutes
Wissen, sich selbst durchsichtig geworden»
Hiermit beschliesst sich die Phänomenologie des Gei^
stes : was der Geist in ihr sich bewirkt hat , ist j^d^B
Element des Wissens^ d» h» nun die doppelte Seite :
dtes er, der Geist^ alles Sein ist^ aber zugleich doch das
Sein durch sinh selber in's Wissen auiliebt^ was die
Wissenschaft ist. ^Iii diesem Elemente breiten sich nun
die Momente des Geistes iki der Form der Einfach«--
h e i t aus , die ihren Gegenstand als sich selbst weiss.
Sie fallen nicht mehr in den Gegensatz des Seins und
Wissens aus einander, sondern bleiben in der Einfachheit
des Wissens , sind das Wahre in der Form des Wahren,
und äce Verschiedenheit ist nur die Verschiedenheit des
Inhalts. Ihre Bewegung, die sich in diesem Elemente zum
Ganzen organisirt ist' die Logik oder spekulative
Philosophie« (S. XLI^XLIV.). -- Der übrige Theil der
Vorrede bespricht das Wesen der spekulativen Methode,
den Hauptphasen des damaligen Philosophirens ^ «dem sche-
matisirenden Formalismus (S. XLV — ^LIXo^ dem rä*
sonnirenden Verstände (S. LXXII. ff,)^ und dem na«
türlichen Philosophiren des gesunden Menschenverstan-
des und der Genialität gegenüber (S^ LXXXlVo*
So weit die vorläufigen Erklärungen Hegels über
Aufgabe und Ziel seines „ersten Theiles des Sy-*
stemes der Wissenschaft^^, welche sogleich schon
einen vergleichenden Rückblick auf das Vorige , inwiefern
51
802 Die Phänomenolome
O'
nämlich darin die neue Ausbildung des altern S c kel-
lin g sehen Princips erreicht sei (vgl, oben S. 784. 85.), so
wie noch andere allgemeinere Erwägungen nöthig nackpn.
Schon die ausdrückliche Beziehung auf Schellin;
Ifisst nicht den geringsten Zweifel, in welchem VerhiUnis»*
zu ihm Hegel sich selber gedacht habe bei seinem erstn
Werke. Schell ing setzt toraus das Ideefle (lucb
Hegels Ausdruck: den substantiellen Geist) als das Frius
und absolute Princip alles Wirklichen. Ihm lag dabei , als
stillschweigende Voraussetzung, wie wir nachgewiesen bi-
ben , der Gedanke zu Grunde , dass sich jenes Priocip
durch seine Ausführung, das gewonnene Resultat m
Ziele des Systems als das rechte und einzige zu bewah-
ren habe. Diese Voraussetzung des Anfangs, di^
der substantielle Geist Alles sei, will nun Hegel in seine
Vermittlung zurücknehmen : — er hat sich selber als das
„Alles* zu erweisen, indem er, auf dem Wege seines nolh-
wendigenWerdens, sich in-diesen Momenten sei-
ner Genesis als die vollständige Totalitat alles Sems ant
weist. Das absolute Wissen oder „die intellektuelle An-
schauung« Schellings im Anfange hat sich dadord
vermittelt, bewährt, das blosse Princip ist Resultat ge-
worden.
Hiermit hat nun überhaupt , und abgesehen von ailei
speciellem Vorbehalten der Kritik , Hegel dasjenige ge-
leistet, was als erste Bedingung erfüllt werden musste, so-
fern nur von einem eigentlichen Fortschritte in der Pbiio«
Sophie die Rede sein sollte. Was im vorausgehenden Sy-
steme allgemeine Voraussetzung, ein Letztes, blieb, soU
hier erwiesen werden , ist also nur in der Gestalt des
Problemes zufassen. Aber schon in der Fordernag,
den vorigen Standpunkt zu begründen, ist das Fernere oi'^
eingeschlossen , dass er sich selbst dadurch zu höherer
Klarheit erhebt , das unbestimmt Gebliebene schärfer md
bewusster bestimmt, sich wissenschaftlich überhaopt
in seine Gewalt bekommt. Dieser allgemein methodische Fort-
schritt Hegels gegen S c h e 1 1 i n g ist jedoch auch hislorisch
des Geistes. 803
ein fast flllgfemcin schon Zugestandenes: seit Hegeto
Auftreten* ist nur durch ihn vermittelte Wissenschaft
der Philosophie möglich, nach dem universalen Maassstabe,
der durch Schell ing in dieselbe eingeführt worden ist>
wie in der ersten Gestalt von Fichte 's Systeme sich da9
Forraprincip fiir die Philosophie vom subjektiven Stande
punkte, für die K antische £poche, geltend gemacht hatte»
Aber die fernere Frage ist, welche erst innerhalb jcS-
lies allgemeinen Zugeständnisses fällt, wie Hegel jenes
allg-emeinste Problem des spekulativen Erkennens gefasst,
und wie t&r es gelöst habe ? — Wir müssen damit abeiw
inaLs auf die noch allgemeinere Frage zurückgehen: wie
jenes Brkcnntnissproblem zu fassen und zu lösen überhaupt
möglich sei?
Was die Möglichkeit betrifft, so bietet sich m
diosom Zusammenhange der spekulativen Ueberliefenmg,
am Ende von S<fhellings Systeme und nach Aufstelhing
des Princips für den objektiven Idealismus, schledithin nur
der doppelte Weg. Entweder Uegel fuhrt den Beweis
wirklich durch, auf wetehen sich Sehe Hing mit stitt»
schweigender Anti<;ipatioh nur berief; er weist ^ur Vorbei
gründung des objektiv idealistischen Princips in vollstan«
diger Ausführung nach , wie der „substantielle Geist^ in
Allem sei , wie Alles darum durch ihn intelligibel für uns
werde, weil es nur der Geist sei auf den verschiedenen
Stufen seines Ansicht- und F ü r s i c h - scins. Er könnte
der realistische, realphilosophische Beweis genannt
werden.
Dennoch konnte dieser Weg nicht füglich von ihm
gewählt werden, so lange nur von einer Begründung des
Princips die Rede war; ^n in jener vollständigen
Nachweisung besteht ihm ja eben das System derPhilo-«
Sophie. Es wäre daher dasselbe doppelt zu thun gewe-
sen, zuerst einleitend und vorbegründend , nachher noch
einmal in der Ausfuhrung des Systdmes ^) ; und wiewohl
*) Diess hat auf eine kaum abkuläugnende Art Weitce %e»
{
804 Aafgabe
ÖS eine aKe Erinnerung der Hegel sehen Lehre ist , das»
erst das Ende des Systems des Princip in seiner VoUstan-
digkeit, und so zugleich der be'währte Anfang sei; wie-
wohl es richtig und sachgemäss ist, zu sagen, dass erst sm
Ende das Princip eines Systeines sich vollständige erwie-
sen, als das universale ausgewiesen haben kann: 5^0
ist es doch etwas völlig Verschiedenes , die allgemeine
Nothwendigkeit eines Princips rückwärtsschreitend ans ge-
wissen Prämissen dar2uthnn, oder dasselbe abwärtssleigend
in allen seinen Folgen und Dependenzen auszuführen ; wie-
wohl erst darin das Princip , als solches , vollständig er-
kannt zu werden vermag *}.
So bleibt nur die andere Beweisform übrig ; wir kön-
nen sie dieerkenntnisstheoretische nennen, wd-
die auch allein erst die ganze Aufgabe in der ihr zokom-
joenden Schärfe und Eigenthumlichkeit fasst. Denn hier
soll zuvörderst. erklärt werden, nicht, wie im Universum,
im „Alles Sein^, der substantielle Geist wirklich werde,
-sondern wie eine Wissenschaft vom Universum m^^
lieh sei, wie unser Erkennen einzudringen vermöge in die
unmittelbar ihm entgegengesetzte, ursprü ngiich,
wie es scheint, ebenso ihm fremde Objektivität, wie es
(.■
xeigt in der AJbhandluog über ,ydie drei Grund fr agea
der gegenwärtigen Philosophie" (Zaitachrifl für
Philo«. Bd. I.> H. 1- S. 84.). Ueberhaupt ist das Gutachten
desselben über Hegels PUanoiDeuologie mit dem hier Ge-
sagten ergänzend zu vergleichen.
*) Mit dem hier Gesagten ist 7iir Erläuterung zu vergleichen und
wohl zu erwägen, was der Verfasser über diesen noth wendig
sich ergänzenden regressiven und progressiven Gang
des Systeme« in Bezug auf die S che 11 in g sehe und He-
g e lache Philosophie in seiner Schrift: über die Bedin*
gungen eine« sp e Lu la tiven T he is mu $, in allge-
meinerer Beziehung aqf das System selbst ^ in seiner Einlei-
tung zur spekulativen Theologie , abgedruckt in der Zeit-
schrift fii r P h i los o p h i e Bd. IV. H. 2. S. 183 If ge.
sagt hat.
derselben. 805
ihres Wesens sich bemächtigen könne. Und hiemiit
allein schliesst sich Hegel in dieser Frage richtig an
die ihm vorausgehende speknlative Ueberlieferung an. £»
wurde in der ganzen Kan tischen Epoche zur Hauptattf-'
gäbe der theoretischen Philosophie gemacht, zu zei-
gen, — um mich des Fichte 'sehen Ausdrucks zu bedie*
nen — : ,,wie ein Objektives jemals zu einem
Subjektiven, ein Sein für sich zu einem vor-,
gestellten zu werden vermöge, wie es mit die-
ser sonderbaren Verwandlung zugehe^ ? — oder K a n t i seh :
wie synthetische Urtheile a priori möglich
seien? — oder nach der altem Locke sehen Fassung :
was der Ursprung der allgemeinen Wahrbei-
len im menschlichen Geiste sei*)? — kurz die^
Lösung des Erkenntnisspr oblemes war wesentli-
cher Inhalt der theoretischen Philosophie jener Zeit
Diesen scheint zunächst nun auch Hegel wirklich
aufnehmen und fortsetzen zu wollen in dem „ersten
Theile^ seines Systemes der Philosophie, weniger nach;
den Aeusserungen der Vorrede zu dem angezeigten Werke,
deren dahin einschlagende Erklähmgen wir schon kennen
gelernt haben, als nach denen der „Einleitung^ desselben
(ß. 3—21.), wo er ganz mit Kantischen Betrachtungen
anhebt, dieselben aber im. weitern Verlaufe nur darum ver-
wirft, weil sie selber für eine Theorie des Erkennens
auf unbewiesenen Maximen und Voraussetzungen beruhen.
Statt dessen kommt es nur darauf an, die Wahrheit
des Wissens in ihm sellfst zu untersuchen, bei wel-
chem der B egriff und der Gegenstand, derMaass-
stab und das daran zu Prüfende nicht aqseinander-
zuhalten sind , wie Kant überall diess thut , sondern wo
sie in einander fallen. Andern, was das Wissen In-
fi erhalb seiner iur das Ansich oder das Wahre er-
klärt, haben wir den Maassstab, es selbst in seinen einzel-
nen Stufen zu messen, ob und wie es in jeder derselben
*) Yergl, oben S. 31. 33.
806 Aurgabe
nen Ansioh oder dem BegriSb seiner entspricht oder nicbL
Diese sonst ans einander fallenden Momente : Begriff und
Gegenstand, Ansichselbst-i- und Ffir ein anderes
Sein sind hier, im Wissen, vielmehr in einander; „wir
haben daher nicht ndthig, Maassstäbe mitzubringen md
unsere EinRUe und Gedanken bei der Untersuchung zu
applioiren: dadurch, dass wir diese weglassen,
erreichen wir es, die Sache, wie sie an und
für sich ist, zu betrachten^ C^. 16o«
Hieraus entsteht nun die ,^dialek tische Bewe-
gung^ im Wissen selber, indem in dieser stufenweisea
Erhebung desselben, um sich seinem Begrifie gleich , ihm
entsprechend, zu machen, ebenso sehr das Bewu sslsein
des Gegenstandes , als ()er Gegenstand, wie endlich
der Maassstab der Wahrheit geändert, gesteigert
wird. In dieser Steigerung aus sich selbst fällt daher das
jedesmalige Resultat, welches sich an einem nicht wahr-
haften Wissen ergiebt , nicht in ein leeres Nichts zankk
Cwte der Skepticismus es erscheinen lässt) , sondern als
Negation desjenigen , dessen Resultat es ist, entfafilt es
dadurch gerade die in ihm bewahrte, nur noch nickt
' in*s Bewusstsein entwickelte , mithin , gegen dasselbe ge*
halten, höhere Wahrheit. Dieses Fortschreiten des Be-
wusstseins von emem Wissen und seinem Gegenstande mm
andern, insofern ihm der neue, wahre Gegen-
stand daraus entspringt, ist nun eigentlich Er-
fahrung zu nennen, und hiermit stellt das Gesammtre«*
snltat jenes Fortschritts dar die Wissenschaft von der E r^
fahrung des Bewuss^seins, Diese kann jedoch
ihrem BegriSb nach nichts weniger in sich umfassen, als
„das ganze System^ des Wissens , od^ „das ganze Reich
der Wahrheit des Geistes^, so dass ,die Bestimmungen
desselben hier nicht abstrakte, reine Momente sein
können^ (wie die Logik sie fasst und darstellt), „sonders
so wie sie für das Bewusstsein oder als Gestal-
ten des Bcwusstseins sind^.
Das Ende dieses Fortschreitens tritt aber an dem
derselben* 8C7
Punkte ein, an welchem das Wissen seinen Schein ablegt,
mil Fremdaptigem, welches nur für es und als ein Anderes
ist» btehaftet zu sein , oder wo die Erscheinung dem Wei-
sen gleich wird : und so , indem das Wissen sein Wesen
erfasst, ist es als absolutes Wissen zu bezeichnen
CS. 16—21.).
Diese aus sich anfangende und durch sich fortschrei-*
tende Bewegung des Wissens legt nun sogleich Hand an's
Werk: der Anfang in sein Unmittelbarstes, welches
eben darum nur «aufgenommen^, faktisch anerkannt
werden kann, wie es ist, die sinnliche Gewissheit
(S. 22.) : das Ziel, in dem es sein Anderes, und den. ver-
meintlichen Gegensatz einer ihm fremden Objektiritat «zu
sich selber gemacht hat% ist die Wissenschaft, das
absolute Wissen (S.763.): — zwei rein erkenntniss-
theoretisohe Momente , während sich dazwischen man-
cberl^ einschiebt, dessen Vorkommen in einer Genesis
der Wissenschaft schon auf den ersten Anblick be-
fremden muss. Und so konnte man bei dem Anblicke der
Ausführung zweifelhaft werden, ob es in der That in
Hegels Phänomenologie auf jene erkenntniss theo-
retische Beweisführung abgesehen gewesen sei?
Und der Zweifel bestätigt sich auch : denn es ist merk-
würdig zu sehen, wie Hegel weder den ersten Beweis,
noch den zweiten, sondern etwas Halbes aus beiden
geliefert hat, nach Unten oder im Fundamente nicht genug
gebend und den rechten Punkt völlig verfehlend, nach
Oben zu viel und völlig Fremdartiges hereinziehend. Und
der leiste Umstand musste aUein schon Hegeln Veranlass
sung werden, da er die wichtigsten Abschnitte aus der Phi-
losophie des Geistes hier bereits anticipirt halte , späterhin
das ganze Werk fallen zu lassen. Von jenem Verfehlen
des Eingangs und Fundamentes dagegen ist Hegeln selber
^ nie eine klare Einsicht zu Theil geworden. Er begnügte
sich j die Phänomenologie als „ersten Theil seines
Systeme s^ überhaupt nur aufzugeben, oder bloss als hi-
storische Hinleitung zu dem schlechthin „voraussctzungs-
BOR KriUk.
losend Anfange des Syslemes in der Logik g<etten m hs.
sen : — in der EncyUopftdie der philosophischen WisseiH
schailen wird nämlich von dem Inhalte und den Resriti-
ten der Phänomenologie, als Anfangswissenscbafl, völlig
Umgang genommen -^ ohne dass er sich za deodichein
^ewusstsein gebracht hätte , was an die Stelle des prei^
gegebenen »ersten Thetles^ Besseres Qder Anderes tretea
müsse.
Dtess hat schon früher dem H egel sehen Systene
von uns den Vorwarf der Fundamentlosigkeil zagraofes:
^ir werden ihn hier bestätigen müssen , and zwar uiter
der doppelten Voraussetzung, sowohl, wenn nadi 4«
allem Weise die Phänomenologie als der erste yorbegm-
dende Theü des Systemes angenommen wird , indem sie
eine solche Vorbegrändung in eigentücher Bedeutung keir
nesweges enthält, "v^ec^er in realphilosophischem,
^och erkenntnisstheorettschem Sinne genoflMDee;
•^ als auch, wenn man, nach Hegels eigener späterer
Ansicht von jeder dergleichen Vorbegrändung absehend,
ifvelche eigentlich nur ein Vorgriff aus der Logii^
|(ei^), in der Logik ckn setbsiständig aus sicli
beginnenden, Nichts voraussetzenden An&ii^
des Systeu^es, und allenfaUs nur die propädeutischen, aus-
serhalb des Systems fallenden Erörterungen über die ver-
scl^iedenen Brkenntnissstandpunkte , als subjektive Vorb^
rcilung, zulasse.
Aber auch die letztere.Annahme wird aufgegeben wer-
den müssen ; denn der Anfang der Logik , eben damit er
dieser Anfang in dieser Bedeutung sein könne, wird so
viel unbewusst bleibende , so ungerechtfertigte Vorausset-
zungen verrathen, der ganze Einschritt wird in seiner io-
nern Gewaltsamkeit sich so bloss legen , dass es nnr be-
darf , di^s Mes zum Bewusstsein zu bringen , um eine
^) £^cyklopällie der p hil os (» phi9cl\e n WiaseiiscM^"
tes 3te Aufl. $. 23. S. Ja. 36.
der Phänomenologie, 809
völlige Umgestaltong des Systemes von Vorne her, unter
jener^ wie unter dieser VoraussetsEung, für nöthig, und ihff
Bedjirfniss für erwiesen bu finden. Beiderlei Behauptungen
siad nun in der folgenden Kritik näher zu begrfinden,
. In Bezug auf das Ton Hegel einiger Maasaen in's
Dunkel gestellte Verhältniss von Phänomenologie und Ix>*
gik zuerst haben die neuem Apologeten desselben erin-»
nert, — ^ was unmittelbar auch hier ab der beste Ausweg
erscheinen könnte , um die bezeichnete Scbwiejigkejt zu
lösen, -^ dass man eigendi<A einen doppelten Anfang
des Systemes anaiunehnen habe, den von der Subjektivität
des Erkennenden, und den objektiven, von dem Principe
der Wahrheit selbst Diese Bemerkung, allgemein betrach-*
tet, ist so wahr und wichtig, dass es, unsers Erachtons, zu
den wesentlichsten Einsichten in den Begriff des Syste-«
mes der Philosophie gehört, diesen doppelten Anfang, den*
subjektiven, das Realprincip regressiv erst suchenden,
und den objektiven , von dem gewonnenen herabsteigen^
den , im klaren Begriffe auseinander zu halten, und jedem
der beiden sein eigenthümliches Recht zu thun und eine
vollständige Ausbildung zu Theil werden zu hissen *). Und
so gehört an sich selbst diese Unterscheidung, falls wir
sie bei Hegel annehmen dürfen, zu seinen grössten
Verdiensten um die Fonn der Philosophie. Nur wird
sich im weitem Verlaufp ergeben , dass ihni nicht gelun-«
0 Vgl. j,aber dasYerhältnlst der Erkenntnlas lehre
zur Metaphysik«' (Zeltfchrift für PhÜQs. I. H. 1«
S. 130 — 33.) und Qber den doppelten Anfang des Systemes,
^nd die ganze theüs regressive, t(ieiis progressive Doppeificli-
tung desselben: „zur spekulativen Theologie, er-r
ster Artikel«' (Zeltschrift etc. Bd. IV. U. % S. 171
177 ff. 182^193.).
810
gm ist , den rechten , scbarfbegrfliizten Begriff dieser An-
finge zu treffen*
Man hat von jeher die Nothwendigkeit empftmdeB,
über das Erkennen, dorch welches Philosophie hervorge-
bracht wird , irgend vorläufige Rechenschaft abasulegen:
man hat sich seit Kant und Fichte bestimmter gesigt,
dass , wie der B e g r i f f der Philosophie nur durch sie
selber , durch wirlüiches Philosophiren , gefunden werden
könne , so auch das geistige Organ und Ange fOr ibe
Welt nur von ihr asu erxeugen sei. Das natürliche, vh
mittelbare Bewusstsein und Denken ist nicht spekobtifer
Art: die Philosophie muss also zuerst das Denken zu
aich selbejr erziehen , aus dem unmittelbaren BewosstseiB
das spekulative Denken entstehen lassen. Die (redüe)
Einleitung der Philosophie in sich selbst ist abo nor
die Genesis und die VerwiiUichung des spekulativen,
absoluten Wissens. Eine sdche zu geben, hat He-
gel offenbar beabsichtigt durch seine Phänomenologie,
ausdrücklich* dabei zurückweisend die Kantischen Be-
denklichkeiten von einem erst zu suchenden „Maassstabe't
um das Verhaltniss des Bewusstseins zum Gegenstande, des
Wissens zu seiner Wahrheit, vorlaufig festzustellen. lisst
man nur das Wissen nach seiner eigenen innem Koib-
« wendigkeit sich entwickeln, darin den Gegenstand mit sidi
fortnehmen, und so ihn selbst in seine Wahriicit sich ver-
wandeln : so ist das Gesuchte geschehen ; das Wissen hat
sich zur absoluten Gewissheit — welche eben damit ^
Wahrheit des Gegenstandes ist, — hinaurgelautert. Dario
hat Hegel zugleich jedoch vöUig übersprungen und be-
seitigt — und zwar in nicht minderem Grade, als So bel-
li n g, — was der eigentliche Kern und Grundgedanke der
Kan tischen Vemunftkritik war: dass namKch das Eiied-
nen, als Thatsache, wie als Begriff, ein Problem
in sich trägt, welches zu allererst gelöst werden müsse,
ehe auch nur über Realisirbarheit der Philosophie entschie-
den werden könne. Erst ist über eine weil tiefer grei-
fende Frage, über das Wesen des philosophisckeD,
der PhSnomenoIode. 811
o
wie a 1 1 e s Efkennetis, zu entscheiden, ehe man mit solchen
phänomenologischen Yersicherangen die Sache afezuschlie»*
sen das Recht erhält* Wie vermag das Erkennen, ab
meine subjektive Thätigkeit, das ihm gegenäberstehende,'
Objektive aufzufassen und zum Bewusstsein zu bringen, ge<»
rade also, wie es an sich ist, — Wissen von ihm zu wer«
den nach seiner objektiven Beschaffenheit, nicht nach»
seinem etwanigen Scheine? Wissen, Erkennen
heisst freilich nur : das innere Wesen des Gewussten einw
seben; aber der Begriff des Wissens allein kann nicht
seine Realität sichern. Femer beruht auf der stiFlschwei-^
genden Voraussetzung, dass mein Bewusstsein vom Gegen^
Stande schlechthin flbereinstinMiie mit dem Gegenstande
selber, „Subjekt^ mit dem „Objekt^ zusammenfaHe^
alles nioh^hilosophische, wie philosophische Wissen ; und
diese UebereinsUmmung bewusstlos eben nur vorauszuset-
zen , ungeprüft dahinzunehmen , ist von dieser Seite der
Charakter des unphilosopbischen Wissens, so wie das ihm
zugestandene Vorrecht , bei dieser voraussetzenden Weise
stehen zu bleiben. Kein anderes Wissen oder Wissenschaft
trifft die Anforderung, sieh methodologisch zu begründen,
die Philosophie allein hat die Aufgabe , ihre eigene Mög-*
lichheit zu erklären ; aber in dieser besondem Aufgabe
liegt auch die allgemeine: die Möglichkeit alles Erken-^
nens aufzuklären, die Frage zu lösen, wie Subjektives und
Objektives überhaupt zusammenhangen, „wie es mit dieser
sonderbaren Verwandlung des Kinen in das An-
dere zugehe^?
Diess ist der wahre Sinn von Kants Frage nach dem
„Haassstabe^, nach dem Kriterium dessen, was schlecht-
hin Subjekt - obj ektiv, allgemeingültig sei,
wodurch synthetische Urtheile apriori von den
Brkenntnissobjekten möglich werden? Aus demselben
Grunde erklärte Fichte , Philosophie könne nicht bloss
absolute Wissenschaft, sondern sie müsse Wissen-*
Schaftslehre sein, den höchsten Grund und die Me-^
thode schlechthin für alles Wissen aufdecken.
812 Kritik
Wie verhfift sich min He fei «n dieser Aufgabe? Nif
fortgesetztem Spotte gegen Kant, welcher ^dem bekami-
ten Scholastikus gleiche , der nicht eher das Wasser be-
rühren, denken woII|e, als bis er schwiniinen gelernt, sds
Denken untersucht habe^, aber auch nicht ohne ironischen
Ruekblick auf Schelling, dessen Philosophie „nrit an-
dern Standpunkten dadurch schon fertig ist, dass sie keine
Notiz von ihnen zu nehmen erklärf' *}: — hat er sdhst
doch die ganze Fragestellung und Untersuchung bei Kant
— (abgesehen von dem Resultate , in dem sie Kant ab*
sohloss und dessen unwillkühriiche Fehler wir belencbtel
haben) -^ nur wieder um ihre Schärfe oder Eigenäichkeit
gebracht, und in die alte nebulose Unbestimmtheit svrück.
geschoben.
Statt jener durchgreifenden Gränzberichtigung über
das Allgemeingültige von „Wissen^ und ,,Gegenstand<', anf
welche Kant ausging, lässt Hegel in der Phänomenolo<*
gie den „Gegenstand^ selbst schon in's Wissen faHeo,
fasst ihn daher gleich vom Beginne an nur
in seinem subjektiven Momente, und indem er
nun, „in der dialektischen Bewegung^ beider, das Wissen
am Gegenstande , den Gegenstand am Wissen , in immer
höhere , wahrere Gestalten ihrer selbst und ihres Verhält-
nisses zu einander sich verwandeln lässt, kann er auch in
diesem Fortgange, — wie sehr er auch versichere,
dass die Gewissheit die Wahrheit des Gegen-
Standes selber sei^ -»- über das Gebiet des bloss
Subjektiven niemals hinauskommen; — der
„Begrifi^ überschreitet hier nirgends den eigenen Umkreis;,
denn er setzt nur die hohem Formen seiner Subjekti-
vität mit den niedem in Yergieiohung. Da jedoch He-
gel von dieser innem Beschaffenheit der Sache Nidits
liierkt oder sich merken lässt (was eben der hartnäckige
„dogmatische Schlummer«^ ist, welchen Kant f9r
immer verbannt za haben behauptete) ; so ist der eigenl-
') Phänomenologie, Vorrede S. XXXIL XXXIII.
der Phänomenologie* 813
llcfae Sinn der K a n t i sehen Entdeckung hier ebenso preis-*
gegeben^ als, bei der Meinung, über ihre Beschränktheit
weil hinausgegangen zu sein, und ihrer nicht zu bedürfen,
ihr Fortschritt auch für die Wissenschaft im Ganzen verlo-
ren geht. Zwar legt Hegel jener dialektischen Bewegung
sogleich die subj ekt*ob j ektiye Bedeutung unter,
-^ aber nicht weniger ohne vollständige Begründung und
nur voraussetzungsweise, als es von Schelling
in seinem Systeme geschieht , welcher sich dessen jedoch
bewusst war, während man hier das Heilmittel gefunden
KU haben meinte , den Subjektivismus theoretisch zu über-
winden. Wie diess bestimmter zu verstehen ist , hat die
genauere Charakteristik der Phänomenologie zu zeigen *)•
Hegel hat bei der ganzen Behandlung dieses ?to^
blems auf Fehlem seiner Vorgänger förtgebaut, und ihnen
noch einen neuen, im Zusammenhange der vorigen liegen--?
den, hinzugefügt ; daraus ist der Entwurf seiner Phänome-
nologie entstanden **). Kant hatte das Problem zuerst
♦) Diesen Zirkel und die y^petitio prineipii**, wodurch He-
gel in jenem Werke ,^da$ Bewusstsein nur mit sich
selbst vergleich t*% und durch diese idealistische Wen«
düng den ganzen Verlauf der Phänomenologie im Voraus be-
stimmt , hat K. f h. Fischer in seiner „W issenschafi
der Metaphysik" (S. 11 tf. 397 ff.), wie uns dankt, voll-
kommen evident nachgewiesen. J. Seh a 1 1 e r (die P h i-
losophie u nserer Zeit 1837. S. 100 ff.) hat redlich,
gründlich und ausführlich eine Rechtfertigung Hcgelä da-
gegen versucht« Wir lassen- dahingestellt, ob er mich nur
sich selbst dadurch völlig zufrieden gestellt habe , woran wir
fast zweifeln möchten , indem er mit der achtun^swerthesten
Offenheit die ßedenkiichkeitea und Schwierigkeiten nicht ver-
hehlt, welche der Gegenstand noch immer für ihn habe.
Warum uns selber seine Rechtfertigung Hegels nicht genüge,
warum sie uns den rechten Punkt gar nicht zu treffen scheine,
das könnte ihm die nachfolgende Untersuchung zeigen.
**) Bei dem folgenden Abschnitte müssen wir zugleich auf die
Abhandlung „über dasprincip der pbilosopiii-
814 ^ Kritik
wieder hervorgerufen, und es in schärfsfer und Hchtigsler
Fassung aulgüslellt ; auch hat er die einzig rechte Aiil«>
wort darauf gefunden ; aber ebenso ist er der Vater des
ersten folgenreichsten Fehlers geworden i warum ihm nam«
lieh der Begritf des Nothwendigen und AilgemeinguUigen
(Apriorischen) zu einem zugleich nur Subjektiven
mnschlug, wie diese Vertauschung und Verwechselung bei»
der Begriffe sich halb unwiUkührlich ihm unterschob, dai^
iber dürfen wir uns auf das früher Nachgewiesene besie-
liea iS. 180 iL).
Wie sind synthetische Urtheile apfioti
mdglich ? d« h. wie vermag das Erkennen '45chlechthin jen«»
seits aller Erfahrung das Wesen ^ -^ das Nothwendige
und Bleibende — der Dinge in sein Bewusstscin zu erhe^»
ben? Diess ist nur insofern möglich , als ein Gemein^
schaftliches entdeckt wird, das ebenso in allem Seien-
den, wie in allem zu Denkenden , schlechthin npthwendig
und allgemeingültig ist, wovon durchaus nicht abstrahirt
werden kann in jenem, wie in diesem. Dicss ist das neu-
trale Gebiet für beide Sphären, das Subjektive und
das Objektive, der gemeinsame Boden, worauf sie sich
durchdringen, und wo es für den Inhalt der Sache durch-
aus gleichgültig ist, — (wo der Gegensatz zur Indifferenz
herabgesetzt ist), — ob er in die Vorstellung oder in
dieWirklichkeit gesetzt wird: denn beide stehen hier
noch in absoluter Uebereinstimmung und Inhaltsgleichheit.
Diess schlechtliin Aligemeingüitige , falls ein Solches
gefunden wird, kann im Erkennen nicht bloss aus Er-
iahruug stammen, es geht aller Erfahrung vorher ; ebenso
tet es im Sei enden nichts Zurälliges, oder nur einzelner
Weise, sondern ursprünglich und allumfassend; in Bezug
auf jenes hat man es mit einem freilich nur sinnlichen,
aber naiv prägnanten Ausdrucke, als die „angeborenen
sehen Methode" verweisen (Zeitschrift für* Phil.
Bd. V. H. 1. S. 38 if), und über Hegels Phänomenologie
daselbst S. 60->63.
der Phänomenologie. 815
Ideen« desselben , für dieses als seine alfgfeiaetnen Ge«
setze, ^Principien^ bezeichnet. Schon LeiJjnitz kannte
sie, als den eigentlichen Sitz der Metaphysik, ebenscKals
den Grund aller Vernunfterkenn tniss : aber es waren ihn
nur die ^ewigen Wahrheiten^* der Vernunft, <&e
Kalegorieen des Denkens , im Gegensatze mit dem sinnit«*
eben Erkennen.
Hier ist es nun das Eigentliche und Grosse vonKantft
Entdeckung, wie wir gesehen, das Gebiet dieses VemunfU
nothwendigen oder Allgemeingültigen bis in das Sinnliche
hinab ausgedehnt zu haben. Das Wort Kants, — der
^össte spekulative Fortschritt am Ende des- achtzehnten
Jahrhunderts : — auch Raum und Zeit sind ein Apriori-
scbes; esgiebtein sinnliches^prtor«, — begründete,
als Basis einer neuen spekulativen Bildungsepoche , den
objektiven Idealismus: — denn dass Raum und Zeil,
nachdem ihr schlechthin „apriorischer^* Charakter erwie-«
sen war; nur durch jenen das Apriorische subjektivireitden
Irrthum bei K a n t zu etwas bloss Subjektivem herabge^
setzt worden , können wir nach unsern frühem Nachwei-
sungen, als eine unwesentliche, eigentlich nur wider Willen
in das K an tische Resultat hineingerathene KonsequenZ|
völlig in Abzug bringen von demselben.
Aber eben so war dadurch der Theorie des Erkennens
nnd dem Probleme, wie Subjektives und Objektives im Er^
kenntnissakte übereinzustimmen könne , eine neue Grund-»
läge gegeben. Kant legt in seiner Streitschrift gegen
Eberhard mit Recht den stärksten Nachdruck auf die-*
sen Unterschied seiner Ansicht von der Leibnitzi sehen;
er habe allein dadurch die Möglichkeit einer streng aprio^
rischen Wissenschaft im Gebiete der Anschauung, wie
die Geometrie ist", erklärt. Aber es war noch mehr da-
durch geschehen : im BegriiTe eines sinnlichen iipriori
oder der sinnlichen Kategorieen war erst die Idee einer Na<-
turphilosophie möglich, so wie auch in ihm die rechte Wurzel
und der Ursprung der Uebereinstimmung von Subjektivem
und Objektivem gefunden wird , zu deren ausreichender
816 Kritik
Erklänttig ^^^ ^^^ ^^ ^^'^ sarückgreifcn mtiss. 6cn fo-
griff des Empfindens, und damit des nnmittelbiirstet
Znsaromen'- und Binsseins von Subjektivem und Objektivea
in finden^ ist Sache der Naturphilosophie : ihr höchstes Zid
ist die Genesis desselben « die Aufweisung , wie das Sf^
stem der Naturqualitaten iili Systeme der Sinne som
Subjekti.ven, Empfundenen wird« Die Naturphilo-
sophie und Physiologie unserer Zeit ist in der That büs n
dem Satze gelangt : dass die Sinne in ihrer geg-enseitigen
Ergänzung das Innerlich- (Subjektiv-) Werden
der Attssenwelt, oder, mit ebenso ursprüngliche Wahr-
heit; umgekehrt die Naturqualitaten ein Aeusserlichwerden
der Sinne, das sinnliche Universum überhaupt das Objek-»
tivgewordensein der Vernunft, des Geistes, der seine unmit-
telbarste Gegenwart im Baume hat, darstellt So ist im
Empfiitden die unmittelbarste Einheit des Subjektivea
und Objektiven nicht tiur behauptet, oder postulirt, sondern
durch die universale Konsequenz, welche auf der entdeck-
ten „Aprioritat^^ des Raumes beruht, erwiesen. Im Em-
pfinden sind beide Momente noch völlig ungelrennt, gleich-
gewichtig; es ist ebenso gut subjektiv, wie objektiv, s inn^
lich-na türlich, wie in ihm doch schon der bis dahin
herabreichende Geist gegenwärtig ist. In dieser ursprüng-
lichen Wechseldurchdringung des Subjektiven und Objek-
tiven , welche , da sie von hieraus gesichert ist , auf den
folgenden Erkenntnissstufen nie aufgehoben wird, liegt nun
die wahre Widerlegung des subjektiven Idealismus
durch vollständige Ausführung seines eigenen Prindpsi
durch die Nachweisung der Universalität des Ideellen nach
seiner erkenntnisstheoretischen Seite, wie auf
realphilosophische Weise diese Durchführung
Sehe Hing in seinem objektiven Idealismus vollzogen hat,
wo er recht wohl sich bewusst war, wie als mittelbare Folge
dieser ganzen Grundansicfat auch die Realität des Erken-
nens gesichert sei, für welche jedoch von diesem Principe
aus den ausdrücklichen Beweis zu führen, nicht umgangen
werden kann. So muss die Theorie des Erkennens iits
der PhSnomonologie. 817
Eum Empfinden »irückgehen, keineswegs« aber In der Form
der Phänomenologie, als „sinnliohe Gewissheit^
wie sich sofort ergeben wird.
Indess hat es sich nun einmal also begeben^ dass der
richtige Einschritt in den Idealismus bei Kant cum bloss
Subjektiven umschlägt und so minsste auch das Pro«
blem des Brkennens bei ihm und seinem Nachfolger eine
veränderte Bedeutung erhalten» Der Grund der Einheit von
Subjektivem und Objektivem konnte jetzt nur auf eine for<*
melle, selbst eugleich bloss subjektive Basis gestützt werden^
Yiicht mehr auf die universale Wahrheit, dasa der Geist in
der Natur nur sich selbst anschaue und so ^ ans der Mitit
derselben sich erhebend, und im durchgreifendsten Zusam*
menhange mit ihr, in allen auf sie sich beziehenden Eiw
kenntnissakten nur ihr erkennendes Bewusstsein sei.
Fichte drückt die Frage nach der Einheit des Sab«
jektiven und Objektiven so aus: „Wie ein Objektives m
einem Subjektiven, ein Sein für sich zo einen Vorgestellten
werden könne, wird nie Jemand erklären, welcher
nicht einen Punkt findet, in welchem dasOlH
j ektive und Subjektive überhaupt nicht ge-
schieden, sondern völlig Eins sind^. — Ganz
recht; nur aus dem ursprünglichsten Zusammen fallea
beider, dergleichen wir in der subjekt^objektiven Unmit-*
telbarkeit des Empfmdens nachweisen, lässt sich auch
herleiten , wie beide in den Momenten der Trennung doch
in Uebereinst immung bleiben.
Aber er fährt also fort : ,3inen solchen Punkt stellt
unser System auf und geht von ihm aus; es ist das Ich.
Diese absolute Identität des Subjektiven und Objektiven
lässt sich nur schliessen, nicht etwa als Thatsache des wirk-
lichen Bewusstseins nachweisen; denn wie ein wirkliches
Bewusstsein entsteht, erfolgt die Trennung^ der Glieder, die
aber zugleich im Akte des Brkennens sich in Uebereinstim-
mung setzen. „Auf den mancherlei Ansichten die-
serT.rennung des Subjekt! ven und Objektiven
und hinwiiederum ihrer Vereinigung , beruht
62
818 Kritik
der g»n.se-Me9<iaavsinu!S des Bewussiscins«*).
Fichle.*s Tk^Dm 'entstand dur^h ein« Deduktion aus
dem Satze, welchen Kant aufsteigend als die ^Einheit der
Afperception^ ^eibndeo hatte: ^das Ich denke muss alle
meine. Vorstellungen begieite^n kdaaen^. Nur im Ich nod
^nreh das lohkem^nt Uebereinstimmung in die Vor^
Stellungen des Bewusstseins. Darüber hinaus, sagt
Fichte, kann eine rechtliche Deduktion nicht einmal ge-
hen wollen.
Zunächst ist die wesentliche Gleichheit dieses Inhaltes
der Transsöeadentalphllosopfaie nach Kant und Fichte
«üt der Aufgabe y welche Hegel seiner Phänomenologie
4es Geistes setzt, nicht zu verkennen. Was hier der er-
scheinende Gegensatz von Bewusstsein und Gegenstand ge-
nannt wird, welcher stets sich aufhebt, indem mit der
Steigerung des Wissens auch der Gegenstand ^n anderer,
ihm angemessener wird, das sind dort die mancherlei An-
sichten von der Trennung des Subjektiven und Objektiven,
in denen doch zugleich die Einheit beider nachgewiesen
wird. Aber hiei' und dort ist es nur die subjektive,
i n das Bewusstsein fallende, Einheit von Subjekt und Ob-
jekt, die Vergleichung des Wissens nur mit sich selbst
und innerhalb seiner selbst» An die Stelle der (als
schlechthin unbeweisbar aufgegebenen) Uebereinstim-
mung einer Welt des Subjektiven und des Objektiven —
des Geistes mit den Dingen an sich -*- denn „Realität entsteht
dem Wissen nur durch Neigung****) — trat furFichte
die Identität von Subjekt und Objekt i m Wi ssenselbst;
es war die formelle Einheit des Ich. . Diese nnvenneidücbe
Felge der K a n t i sehen falschen Wendung in einen sub-
jektiven Idealismus ist det zweite Fehler, welcher sich
jenem ersten hinznsummirte, und wodurch das ganze Pro-
blem des Erkennens einen verschieden Ausdruck erhielt
Indem der Grund der Uebereinstimmong des Subjektiven
*•) t'ichte'» System der Sittenlehre 1798. S. f. II.
♦^ t1<ihte'» Leli«ii und Briefweehtel Thl.II. S. 308.
der Phänomenologie. 819
joaid Objektiven in dem Ich, an dieser falschen SteUe, geirucht
wurde^ war der Sinn dessen 9 was man suchte ^ selbst ein
anderer geworden : es sollte nur erklärt werden , wie das
.Wissen ) sein Salyekt^Objektives , mit sich übereinslitn«*
me , qnd in all dieser EntgegensetSEmig tlie Einheit des
Be|vi)sstse|ns bewahren könne: von einer Uebereinstimmung
des Wissens mit einem ^iDinge an sich^ Mrar nicht mehr
die Rjede; dieser ganle Begriff und seine Ai%abe^ als
sinnlose ., in sich selbst sich aufhebende> waren völlig ab'»
handpn gekommen.
So übernahm Schelling den Idealismus und sein
Princip: wir haben gesehen , wie er das Selbstsetzen des
Ich realistisch ausdeutete und zum Principe eines objekti»
yen Idealismus erweiterte. Das von Kant und Ftchtd
überkommene Erkenntnissproblem wurde da|}ei zunächst
übersprungen ^ oder vielmehr nach Vorwärts an das Ende
des Systemes, als sein letztes Resultat, hinausgeschoben;
denn nach seinen frühesten Erklärungen hatte es Schel-*
ling ursprunglich auf eine objektive Erklärung des Idea-
lismus durch eine grundveränderte Ansicht von der Natur
abgesehen, welche von der (subjektiven) Vernunft darum
prkannt zu werden vermag, Weil diese in ihr nur sich selbst,
ia|uf einer niedem (noch objektiven) Potenz festgehalten,
erkennt. Und ohne alle Frage hat Schelling das ein-
zig rechte Princip gefunden, aus welchem auch das Pro-
blem des Erkennens zuerst seine erschöpfende Lösung fin-
den kann: auch ist der wahre Sinn desselben wiederher-
gestellt: es ist wieder von Uebereinstimmung des Geistes
mit der Natur, nicht bloss von Uebereinstimmung der Vor-
stellungen des Bewusstseins unter einander^ die Rede. Den-
noch, ist es bei Schelling eben nur Princip, Unausge-
fi^irtes , geblieben.
Bei dieser Lage der Dinge griff Hegel in die Ver-
handlung ein : er hatte das Princip eben auszuführen , und
wollte OS; durch seine Phänomenologie in der ausdrücklichen
Weise,, (Jass er das unvermittelt — „wie aus der Pistole*
— dtie Einheit des Subjektiven und Objektiven vorausset-
820 Kritik
sende absolute Wissen zam Rcsnilate, znih Erwiesenes n
ftiftchen halte. Hier blieb nur das DoppHle übrig: ruerst
w der Anfangfsfrage, gerade wie sie von Käut ge-
stellt war, zurückzukehren, sodann in dem Schellinsr-
Schert Principe das Mittel ihrer vollständigen Lösung ru er-
kennen, und dasselbe ebenso für den rein gehauenen Be-
reich der E Aennlnisstheorie auszuführen , als den roA^-
gründenden „ersten Theil der Wissen schafl-,
wie es in ihren folgenden Theilen für den Bereich dff
Natur und des concreten Geistes durchzuführen gewesen
wäre.
Statt dessen hat Hegel Keines von beiden, und fiir
jedes derselben nur einen halben Schritt gethan : über je-
nes subjektiv-idealistische Princip, das Wissen nur in sei-
ner Uebercinstimmung mit sich Selbstbinder
subjektiven Identität, zu fassen und gelten lassen za
wollen, ist er, wie wir bewiesen haben , der Sache nach
nirgends hinausgekommen : die Widerlegung desselben hätte
an den A n f a n g fallen, und im Forlgange sich durchfuhren
müssen. So ist er hier, dem Principe nach, Fichtitner
geblieben. Aber er gestattet sich, gleich Anfangs demsel-
ben die Bedeutung unterzulegen, welche es bei Schcl-
ling hat, die er ja aber, Schelling verbessernd und das
an ihm Getadelte berichtigend, erst zu begründen gedachte.
Es ist eine falsche Voraussetzung, sagt er gegen Kant,
dass es einen Maassstab über das Wissen hinaus gebe,
durch welchen man seine Uebereinstimmung mit dem „Ge-
genstände^ auf die Probe bringen könnte: die Ueberein-
stimmung des. Wissens mit sich selbst, seine Erhebung
in die (ihm homogene) Wahrheit, den Begriff, isl aoch
die Wahrheit (das objektive Wesen) des (Segefistan-
des. Diess ist dem Principe nach ganz nur Fi ch tisch;
aber in dem Sinne, welchen Hegel ihm von den Schel-
I i ng sehen Prämissen aus unterlegt, soll es das Höhere ge-
gen Kant , wie Fichte, das Beide Wideriegende sein.
Diess ist die peiitio principiiy welche wir vom An-
fange her durchblicken sahen, und die, einer subjektiv idea-
der Phäaomenologie. 821
lifitischett FWosophie gegenüber, gegen welche sie gerieb-
tel war, ^faßt noch etwas Schlimmeres wird , nämlich ein
Rucklf U ün die blinden Voraussetzungen ^ifies Dogmatifsrous.
Wir ,M^npe^ mit jener erkenntnisslbeoretischen Maxime
(v^-v^ :B05— 7.) wejclie ohne Weiteres als das Höhere
gegefi ÜAHt ,^ich ankündigt und der Phänomenologie vor«»
sHis^etot, ^dass in der Erhebung desWissen^i
zujn. begriffe die Sache, wie sie an und füpr
iiick isi^t .iQiten(haIten ^ei und darin erkannt
^erde, — . jdem Xvruadaxi^oie aucl^, des übrigen He-
g^elsjßhen SysteiQeg, «**- in diesem Zusammenhange noch
Didils Anderes, und fester Begründetes erblicken , als das
seit C a r t ,e s i ;q s oder W p i f f eingeführte Axiom der dog<-
niifttis^ei^t ^phulen : der klar gedachte Begriff ist
das We^en der Sache.
Zij ißm Allen kommt nun noch der weitere, anstössigo
Ueberijuss der Phänomenologie, den wir freilich auch jiicht
für einen zufälligen erklären können , sondern darin einen
Draog der Nothwendigkeit anzuerkennen haben , um das
im Priacip. Mangelnde durch die Grösse und Intensität 4^r
Leialuqg aqszugleichen. Es ist die stete Vermischung und
das I^einanderlaufenlassen des bloss Erkenntnisstheoreti-
üi^hen^ was hier allein zur Sache gehörte, mit Materien aus
der praktischen Philosophie, der Philosophie der Geschichte,
ja der. Anthropologie und Physiologie (in dem Abj^hnitte
^ber Physiognomik und Schädel|ehre>. Das Wissen, die
formelle Identität des Ich, erweitert sich zum substantiellen
Geiste, , der, bis auf seinen. I^ib und die Hand z.B. herab
(Phä^om. S. 244, ff.), sich vollständig objektivirt, aber
«zugleich nach der subjeküvon Seite hin durch den Process
der Weltgeschichten in Gesittung, £he, Rechtszustand, all-
gemeiner Bildung, Kunst, Religion, Wissenschaft, sich ein
guistjiges Univer-sum' erbaut , sich dadurch als ^Weltgeist^
luanifestirt , und so es erweist, in seiner Objektivi-
tät nur boi sich. selbst isu sein«
Hierdurch tritlT an die Stelle des einfachen erkenntniss-
iheorjstifjchen Problemes , wie im £ r k e n at n i s s a k t e
Si% Kritik
WiM^n Md Gegfenstand in Ueberehistimmimg: Meibeü kön-
iien, die umfassende, eben darum aber diess nicht erle-
digfende Nachweisung, wie der Geist in der unendfie^MH
Objektivität nur äch seihst ht gegenständlicher Fonn bc*
isiUe, wie er also an sich selbst schon das Aber aVes
bloss Objektive ühenqäohtige Princip sei, von seiner Leib-
lichkeit ao, welcl^er er das eigene Geptdge aardrörkl,
darch alle Stadien der Selhatobjektivining hinauf bis equ
absoluten Wissen, der Wissenschaft, in welcher der
Weltgeiat gan^ aus seinem Anäiich^eiit sn sehem
F ü r s i 0 h eingekehrt ist ) seine Objektivität tst ySSüg ia
sein Selbstbewusi^sein aufgenommen : der Gegensatz zwi-
schen Subjekt und Olyeht , Wissen und Gegenstand hat
sich auf durchaus universale Weise aufgehoben, indem das
(subjektivmenschliche) Wissen für sich , vrie das GegeiK
standliche ihm gegenüber, nur als Momente erkannt wor«
den sihd des in ihnen an und für sich seienden absohi^
ten Geistes,
Statt jenes geforderten erkenntnisstheoretfschen BeweU
scs wird uns daher, wie es scheint, ein weit umfassende-
rer geboten: die Universalthatsache eines weltgeschichtiidi
s^ur Verwirklichung gekommenen geistigen Universams« das
ungeheuere Faktum einer Wissenschaft, geben uns Bürg-
schaft dafür, dass die Vernunft das Absohile, der
Grun4 aller Dinge sei, welcher sich im sinnlichen
Universum objcktivirt, \m menschlichen Geist snbjektivirt
hat , in Kunst, Religion, zuli5chst in der Wissenschaft aber
aus jenem nur erscheinenden Gegensätze mit sich setbsl
sich vermiUelt. So wird hier auf die Voraussetzungen des
8 c h e 1 1 i n g sehen Standpunktes wieder eingegangen, des-i
gen höchste Potenzen, Kunst, Religion, Wissenschaft ruck-
tvärtsgewcndet werden, um daraus die allgemein theoreti-
sche Bedingung eines solchen Standpunkts der Idenfitäl
des Subjekti-Objefctiven überhaupt zu rechtfertigen, wobei
formell betrachtet , der Zirkel dieses Beweises , die peütia
principii darin, tinabigugbar sich aufdrangt.
Gleichwohl können wir , der Sache nach und selbst
der PhftnoniAiologie. $23
um di^tfr VoTfwsißtxmtgeti wiU^/4^>U<!g«ilKcI|6jSyi6&era
nicht lur fundamenüos erklären ' van .:deT'»PMii0m0Aologid
des Geistes aus , uiul nicht .soi aSlgJDOieiii s fet die .fcnhere
Aeüfisc^ung yott uns (S. 8080 'zu« Jeuten i sia Jundam/ßnUrt
nämlich noch mehr, als oiHr/den Aibfaog des:Systenies, die
Logik; MB ist oder fundamentirt (cmgteiQh auch das En de
des Ganzen. Und dcsshalb allein schon musste Heg^eli
um eine Philosophie des Geistes zu gewinnen, in weichet]^
nur ausgebreiteter, und in veränderter Ordnung,, der ganze
Inhalt der Phänomenologie wiederkehrt^ die Phanomenolo-r
gie , als solche, zurücknehmen.
Aber aus dem glerchea Grimde .hat die PhänomenoIOr-
gie dennoch die eigentliche Aurgabe . eines ersten Th^S
des Systemes der Philosophie, welcher nur das Erkenntnisse
probl^n zu lösen- hat, weder richtig gefasst, noch eigent*
lieh erledigt; in diesem Sinne entbehrt daher das Hegel-
sehe System auch von hier aus des rechten, iur die Fort-
bildung der Spekulation dauerhaften. Grundes ; und. wenn
wir uns 9u jenem allgemeinen Zugeständnisse bekennen, m
müssen wir ebenso auf dem Beweise des leidem Punktes,
und dem darauf gestützten definitiTcn Urti/eile über das
System, bestehen.
Aus jener schwankenden , wenn ni(At geradezu fal^
sehen Auffassung ihrer Aufgabe erklären sich mm die ein^
zelnen Verstösse in der Ausführung der Phänomenologie,
sofern sie, worauf es nach ihren auschücklichen . Erklärung
gen in der Einleitung abgesehen war, das Erkenntnisspro«-
blem lösen woUte, Wir haben an einem andern Orte nach-
gewiesen und berufen uns hier darauf *), dass die beiden
ersten Abschnitte derselben von „der sinnlichen 6e-
wissheil^ und von r.der Wahrnehmung^, das ei-
gentliche Ziel gänzlich verfehlend , welches eine Erkennt-
nisstheorie im Auge behalten musste, nur die metaphy-
*) ,,lJeber das Princip der philosoph.i sehen Metho-
de« in der Zeitschrift für Philosophie Bd. IV. H. 1.
S. 60—04.
824 Kritik
ilichen.K8itegürieea, welche In denselbeii efaeiK beso»-
dem Aiudmck erhalten^ daraus hervorarbeilet ; der Begriff
des Endlichen, Sichanfhebenden, der Begriff des
,»Andern seiner selbst««, *^ das sind die Bestin-
mungen wQrin sich die Clewisdieit des sinnlichen Die-
sen, wie des Wahrgenommenen nnd der WahmehoHiog dia*
lekUsoh aufbebt *— Aus jenem gleichen Grunde begegnet
man im Folgenden alsbald einer Vermischung der Homente
des theoretischen und praktischen BewussIseiBS.
Die Phänomen otogie Eeigt, wie in dieser dialektischen Zer«
setiung der sinnlichen Objektivität, welche sur blossen
„Erscheinung^, einer „übersinnlichen Welt^ gegenüber, wird
iß. 73, Ygl. S. 98 ff.), die Wahrheit nur xur Gewiss-
heit seiner selbst werden kann: es bleibt nur das
seiner selbst gewisse, das Selbst-* Bewassts ein
tibrig; -* ^n wichtiger theoretischer Moment in der
dial^tischen Entwicklung des Erkennens. Hier nimmt er
aber zugleich praktische Bedeutung an: es ergri^btsick
daraus der „Kampf auf Leben und Tod<( um die praktische
„Selbstständigkeit des Selbstbewusstseina^ , welche
ihre nächste Ansgleidiung in dem Gegensatze von j^Uerrn^
und „Knechte« findet (S. 114^128.> So scharf und tret
fend die Wichtigkeit dieser praktischen Momente, von der
Unterwerfung der Freiheit und dem Gehorsame zur Aner«
fcennuttg des Allgemeinen im Selbstbewusstsein überzugehen,
für die allgemeine Ausbildung des Bewusstseins hier
nachgewiesen wird ; so muss doch gefragt werden , wie
diess irgend hierher gehöre, in die Entwicklung des
theoretischen Selbstbewusstseins , und auoh dem willigsten
Leser muss sich der Zweifel an der Objektivität einer Dia«
leklik aufdrängen, welche so willkührlich aus ganz hetero^
genen Gebieten ihre Uebergänge zusammengreid, Diess
Urtheil gilt nicht weniger von der entsprechenden Stelle
in der spätem Encyklopä die der philosophischen
Wissenschaften, wo jener BegrifEszusammenhang in
der Philosophie des Geistes., bei dem Uebergänge
von dem Selbstbewusstsein, als abstraktem Für&ic hs ein,
der PhSnomenologie. 825
«
in das allgemeine. Seltotbewusstseur, als. i^s ane.iy
kennende Selbstbewusstsein, im Verhaltniase .von Uenpf-
schaft und Knechtschaft anrückkehrt (J^ncyk,). der.pJiir
losophischen Wissenschaft^en 3te A|ifl» ,Si 4291.
431--43Ö. S. 444-<-48.)- Hier jedoch, wo die. Stufen des
Geistes in ihrer allgemeinen Bedeutung gefasst werden, kapf
jenes Verhältniss des Herrn, zum Knechte* »(seine überff
flüssige Exemplifikation, wie daran der Einzel- undEigen*
wille sich gegenseitig abarbeitet und zum c^llg.emeinen
aufhebt, wenigstens entschuldigt werden ; in der Fhä^onie«
iiologie ist es ein völlig heterogener Auswuchs , so wi^
noch vieles Spatere dieser Art in ihr sich findet^ welches- aii3
dem angegebenen Gesichtspunkte — der indess in der Einlei«*
tung zur Phänomenologie selbst angegeben worden ^ -^
leicht sich entdecken lässt. Diess muss jedoch einer spe-.
ciellern Kritik des Werkes und des ganzen Systemes überw
lassen bleiben.
Wir haben zuletzt nur noch herauszuheben, mit wet«
chem Resultate di^ Phänomenologie endet, um demSyste^
me hieraus den Uebergang in die Wissenschaft der Logik
zu bereiten.
In der ^^offenbaren Religion^ hat sich der sub-
stantielle ,,a b s 0 1 u t e^ Geist , oder der „Weltgeist^ (vgK
S. 708,), aus den unvoUkommnen Formen der Religion, worin
er sich noch nicht als der , welcher er ist', begrifT, zur
AVahrheit seiner selbst auf unmittelbare Weise , heraufge-*
läutert: er ergreift sich in der Unmittelbarkeit eines Selbst*-
bewusstseins, wird menschliches Subjekt, gelangt darin zum
Wissen von sich selbst: oder, was dasselbe ist, das
einzelne Selbslbewusstsein kehrt in seine Substanz, seinen
Grund zurück, und fasst sich in bewusster Identität mit
ihm, „Diese Menschwerdung des göttlichen Wesens^
(dessen, was vorher der Weltgeist genannt worden ist)
„oder, dass er wesentlich und unmittelbar die Gestalt des
Selbstbewusstseins hat, ist der einfache Inhalt der
absoluten Religion. In ihr wird das Wesen als Geist
gewusst , oder sie ist sein Bewusslsein über sich selbst,
1
I
836 KriUk
ikUlm «ein« (S. 709. vgl. S. 711. ii. ». w.). — Wie diese
"S^Wiis^te ' Einheit des GöMichen und Menschlichen anf rni-
lAÜtUbai^e^ Weist im Gotfmenschen hervortrill, nachher
•durch ihn Termittolf , indem sein Tod diese sinnliche Un-
tnittälbarkeit gewaltsam abstreift, in der Gemeine ^ sich aus-
fer,^itet (S. 713— -738.), diese Entwicklung ist von sonst-
tier bekannt und hier nur des Ueberganges wegen zu er-
wähnen.
Aber die Gemeine ist noch nicht vollendet in die-
0611k Selbsthewosstsein : ihr Inhalt ist nur in der Form des
Vorsteilens fllr sie: sie hat noch nicht das Bewusstsein
Ikb^r das, was sie tat. Sie ist die Gegenwart des abso-
falten Geistes, welcher in ihr zum Wissen seiner selbst ge-
langt ist ; er hat sich seines natürlichen Daseins enläossert
nnd damit die seinem Wesen adäquate Existenz erreicht
Aber die positive Bedeutung, dass diese Innerlichkeit des
Wissens ebenso sehr das sich selbst gleicheWesen
iat, ^der dass die Substanz hierin zum absoluten Seibst-
b^ttsstsetn gelangt ist, die^s wahre Verhältniss bleibt dem
^andächtigen Bewusstsein^ verborgen, welches die Sub-
stanz in ein Jenseitige« seiner selbst hinaurrückt.
Diese erscheinende Entzweiung ist noch hinwegzo-
thuU': es geschieht im absoluten Wissen, der (voll-
endeten) Wissenschaft, unter der, diesem Zusammen-
hange gemäss, Hegel nur die spekuFative W^isseo-
ßchail, bestimmter dann die Philosophie vom Standpunkte
der Identität des Subjekt-Objektiven , endlich die zum
Vollendeten Systeme ausgebildete Philosophie dieses Stand-
punkts, meinen kann. -r. Hier wird jene Gegenständlichkoit
IQr das Bewusstsein auch noch hinweggearbeitet: der sub-
stantielle Geist weiss sich ebenso sehr in dem Subjekte,
als diess sich in die allgemeine Wahrheit, die
Wahrheit des Begriffes, aufgenommen und so die Zu-
fälligkeit und Einzelnheit seines Selbst abgestreift hat End-
lich ist diese Bewegung des sich ausgleichenden Gi^^en-
Satzes nicht als eine einseitige zu nehmen: das Selbst
ist darin ebenso frei und bei sich , als sich doch nur die
der Phänomenologie. ' SVf
siilMlftnlK4Ie Wahrheil des ^Hg^meineh Geistes in {hin ^tmi
Bewnsstsein erhebt, ' » : •
„Was also in der ReligtoA Inhalt oder Foinn ded
Vorslellens eines* Atidern war,' dasselbe ist bielr eige^
nes Thun das Selbst; der fte^g^ritf verbindet es, dafss det
Inhalt eigenes Than des 'Scflhst Ist ) -* denn dieser Be^ff
ist — das Wissen des Thiins des Selbst in sich, als al^
1er Weseiihelt ni^d alles Daseins: däs'WlsSeii
von diesem Sabjekte^, al9 der Substanz, und von def
SubstatiT^, als diesem Wissen seines Thuns^^, -^ „Di^s^
lelKte Gestalt des Geistes-, der <yeist, der seinem volist§n^
digen und wahren Inhalte zugleich die Form des Selbsi
grtebl,.«nd dadureb seinen Begriff ebenso reallsirt, als hl
dieser Realisation in seinem Begriflb bleibt, -^ist der sidi
in Geistesgestalt wissende Geist, oder das begf ei-*
fende Wissen«.
Jet£t ist die Wahrheit nicht nur «rollkommen der
Gewissheit gleich , sondern sie hat auch die Gestalt
der freien Oewtssheit, sie ist ISr den Geist inr ()er Form
des Wissens seiner selbst, wfthrend in der Religion die
Wahrheit dieser Form der Gewissheit noch ungleich war,
Fadurch ist dasjenige zum Biemente des Daseins oder zur
Form der Gegenständlichkeit für das Bewusstsein
geworden, was das Wesen selbst ist, nämlich der Be^
griff, — Die Wahrheit hat die Gestalt des Ich, das diesei^
und kein anderes ist, angenommen, welches zugleich doch
ebenso vermittelt, das allgemeine Ich ist (S. 742
—754.).
Mit Einem Worte : der absolute Geist , der Weltgeist
(beide Begriffe, wie man sieht, ohne Weiteres als gleich--
bedeutend gebrauoht) , ist es selber , der die begreifende
Wissenschaft, die Philosophie, als das Wissen seiner selbst,
als des Geistes in Allem, erzeugt, und darin zugleich
seine höchste Selbstverwirklichung, sein Werden zum all«
gemeinen Subjekte, feiert. Hiermit Ist einestheils die Ver-
mittlung von Gegenständlichkeit und Wissen oder Subjek-
tivem und Objektivem in höchster Weise erreieht; denn
828 Ki*iUk
beiden M d^Geisl, als dag al^solule Prinoip, inunancBt,
er ist in allem Dasein , wie er sicli mittels der Wisse»-
achaft in Allem als solpbea erkeBm. AAdemlheils hat
aick dafan die Einheit des Allgemeinen und Einseloen be-
wiesen: weder hat das Ich sich in der Form des
Selbstbewusstseins gegen die Form der Substanüa-
litat und Gegenständlichkeit festsuhalten , ^Is ob es Angst
vor seiner Entäusserung hätte; die Kraft des Geistes ist es
vielmehr^ in feiner Entäusserung sich selbst gleich zu blei*
bea , das Fürsiehseia ebenso nur als JHonient zu setzeo,
wie das Ansichsetn^ : — noch ii^t das Allgemeine der in-
haltsleere ^Abgrund des Absoluten^*, in den „die Unter-
achiede nur zurückgeworfen werden^^, um ihre abstrakte
«Gleichheit^' mit demselben avszuoprechea : „sondern
„das Wissen besteht vielmehr in dieser scheinbaren Unthä-
tigkeit, welche nur betrachtet , wie das Unterschie-
dane sich an ihm selber bewegt, und in sei-
ne Einheit zurückkehrt^'.
Wie ans dem WeUjgeiste die Unterschiede Cdie „Poten-
zen'' nach Sehe Hing) hervorgehen, auf denen die Schö-
pfung beruht, so tritt auch in der höchsten Selbstverwirk-
hchung desselben der selbstverstehende Begriff zu diesem
hinzu: das reale Thun, die weltschöpferiscbe Dialektik bebt
sich in die spekulative auf, welche nur ist jenes scheinbar
untbätige Zusehen , die in den Schöpfungsakt eintretende
Sehe , welche nur darum dem Geiste durclidringtich, zur
Wissenschaft reproducirbar ist, weil er an sich selbst
der Begriff (S. 753—761.).
So langte Hegel am Schhisse seiner Phänomenologie
bei der höchsten und ausgebUdetsten Bestimmung seines
Anfhngsaxiomes an: dass. die Substanz als Subjekt
zu fassen sei. Die Substanz ist nicht nur überhaupt
in einzelnen leben, endlichen Sidyekten, wirklich, sondeni
sie gewinnt sich zuletzt darin als das allgemeine, ihrer
Substantialität völlig adäquate Subjekt , durch die ab-
solutwisaenden, spekulativen Individuen, durch die
„Gemeine der ldee% wie ea vollkonunen zu&reffeud
der PhSttOmenotogie. 829
Einer der Schule dpfiterhfn g^ntlnn! hat Dais Absolute, ab
Geist oder Idee, hat an sich nieht nur realistisch sich
ssam Universum ausgfevfirkt, sondern an und fQr sich oder
ideell nimmt es sich £nm BegriiTe seiner selbst in der
Kunst , d^ Religion , der Wissenschaft zurflck.
Das Ende der PhSnoriienologie entspricht daher ge«
nau dem Schlüsse des Systemes in der Idee der Wissen-
ßohaft, der Philosophie (EneyklopSdie d«r philos.
Wissenschaften §. 672. 574—77.), als der sich wis-i
senden Vernunft, welche, nachdem sie sich (im Schöpitaiigf^
processe) in 6 eist und Natur entzweit, darin jedoch
das Logische, das absolut Allgemeine, zu ihrer Mitte be-'
hält, so aus den beiden Extremen ihres Sich-tMhei«»
lens zu sich selbst, als der in ihnen sich begreiftsnclenl
Vernunft zurückkehrt; und auch hier wird von Hegel
sogleich das weltschöpferische Moment und das Princip d^r
Spekulation als in der Wurzel Eins bezeichnet, als der Be-
griff an sich, der dort nur .objektiv, hier subjektiv
thätig wird. Bloss der Unterschied ist in dem Schhissä
beider Werke , dass die Phänomenologie den BegrifT des
absoluten Wissens nur erst als einen potentiellen,
absolut geforderten, nachzuweisen vermag , welchen die in
sich vollendete Encyklopfidie , im Rückblicke auf das' be^^
grifibne, natürliche und geistige All, als einen durch sie
verwirklichten behauptet, in dem „sich die ewi-
ge, an und für sich seiende Idee als absolu-
ter Geist bethätigt, erzeugt und geniesst«
(S. 599.). Die Philosophie, als zum encyklopädischen Ab-
schlüsse gekommen, ist das vollendete, ganz sei^'
ner Substanz adäquate Bewusstsein Gotteij
von sich selbst. Es ist gleichgültig, ob Hegel in
seiner eigenen Philosophie diess für erreicht, iür durchaus
verwirklicht gehalten habe; wesentlich ist, dass diess seitt
Begriff der Philosophie, und damit das Resultat semes Sy-
stemes gegeben sei.
Hierin, wie in allem Uebrigen, spielt jedoch der Schloss
der Phänomenologie nur den spätem Ausfuhrungen voti
830 l(rilik
0 je gel irt niigends Aker ihreit lakalt bindii^egdngreti oder
ihm uiUreu gewordeo ; sein ersteB Weric ist auch in dem
Ißteten noch gegenwärtige und sehan in jenem werdcai die
Qi1indris60 des.Systemes ma der charakteristischen Mitte
des Principes her gezogen» -^ Der absolute Geist hat zum
wirklichen Geiste erst zu werden» Dl^ä ist die Bnt-
fiu/ssemiig desselben, in welcher er sein Werden ztim tieiste
in der. Form- des freien, sufä lügen Geschehens
darfUelit^ sein reines Selbst als die Zeit ausser ihm
aBAohiuil: *- das Reich der Geschichte ^ in deren
jitriger Bewegung^ und lungsamer ^AoseinanderTolg« von
G^istem^ der Begriff des durchlebten Zustandes immer das
^atere ^ Nachkommende ist » in dessen ,^Krinnerung*
sicii jene aufheben» (Auch die spätere charakleristiscbe
Attffassui^ der Geschichte nämlich, dass der Begriff in ihr
nie das schöpferisch Vorausgestaltende , nur nach Räck*^
wärts Erkennende sein könne, dass der Vogel der Minerva
^rst in der Dämmerung eines schon veriebten Zustandes
seinen Flug beginne *) , ist schon in der Phänomenologie
atti!gesi>rochen.) ,
Aber das Ziel der Geschichte ist das absolute Wis-
fiea oder der sich als Geist wissende Geist , deren ^Weg
die» Srinnerung der Geister ist, wie sie die Organisation
ihres Reiches vollbringen^. — „Ihre Aufbewahrung nach
der Seite ihres freien, in der Form der Zufälligkeit er«
geheinenden Daseins ist die Geschichte, nach der Seite
y^r begriffenen Organisation die Wissenschaft des
eracheinenden Wissens^, d.h. die Phänomenologie^
welche sich somit zugleich als eine Philosophie der Ge-
schichte, ausweist (S« 761 --^ 65.)» So ist in Obigem die
Phi^o^ophi^ deis Gdstes beg^ndet
, Aber diess Werden de3 Geistes zu sich selbst greift
qpch auf eine tiefere Voraussetzung zurück: ^das Werden
86t9Kt ein Seip» ein lo^ichbestehen, voraus, das der Geist
*} Vorf^üe tur Philosophie des RechU, i, Aufl. S* XXIV.
der Phaaomepologiö. 831
tiur als Raum ^aoKuschauen^ vermag. ^yDic^-llfatifirris^
seia lebendiges , unmitteU)ares W^rflen , . spe ^ft der ^nt-*»
äusserte Geist, und in ihrem O&^aui Nicb^tay dis.die^
ewige Entäussening ihres Bestehens und ^ie Bq^w^
(rung, welche das Subje^Lt hersteUl^ (S. 764.;). Dtess
die Grundlage zu einer Philosofiihle der Natur, iiirelßhey fu>
Abstrakt und dürftig sie auch ist» -^ wir Werden Gel^ont»
beit haben^ sie mit dem spjitem Begriffß der:Na!l)w:ii(;#fi
Encyklopadie zu vergleicbea , — . doch ihren fkl^gßmj^i^ßfk;
Grund, ganz Schellingisch, io die AiiStchatt%n;gi
des absoluten Geistes setzt. Wir müssen, dfther ^^(3pf{
Anfang gemachte Bemerkung hier abermals beatätjgeiii): d%n
Weltschöpferischo ist völlig, wie bei.Sch^Ilinj[Jn,;Sei«->
ner mittleren Periode, die intellektuelle, selbstimschiiHen^a
Macht des Absoluten ; Schaffen heisst sein ^jektivirjei^4fiA
Selbstanschauen , und die Spekulation , ist . nur. der hiocbi^
subjektivirende Akt desselben , Selbsterkennen in jen^
Objektivität. Das einzige Neue, was Hegel jenem Prip-?
cipe hinzugefügt hat) ist die klar ausgesprochene letztere
Folgerung« welche indess mittelbar schon in d^ frühesten
Erklärung Schellin gs enthalten war, dass die NatprphI«?
losophie, die Konstruktion der Natur aus ideellen FrinpiTr
pien> den realistischen £rweis davon führ«) splißt wurup
das Objektive selbst idealistisch erklärt, in eine spekulatinf^
Theorie erhoben Pferden könne (S* ö94. ff.)^
Endlich stellt die Phänomeniriogie noch einen setfrr bor
stimmten Begriff von dem Unterschiede auf, welcher zwt^
sehen ihr und der Logik -— hier „Wissenschail^ genamif
-^ stattfinde (S. 762.). Wenn in d^r Phänomenologie d^
Geistes jedes Moment noch den Unterschied de&WMsem(f
und der Wahrheit enthält, zugleich aber die Bew^giaqg
ist , in weicher er sich aufhebt : so enthält die ^W^sseiiff
Schaft'^ — eigentlicher die Logik — diesen U n t e r s c h i« d
und dessen Aufheben nicht mehr, sonderpfi inr
dem das Moment die Form des Begriffs .hat^ vereiiiiT
get es die gegenständliche Form der Wahrheit und .4^
wissenden Selbst in unmittelbarer Eiaheiti.^ D«r reine Be^
m Kritik
griir tritt nnt tn die ei^en^n innern Unterschiede «1$^
einander, welciie in seiner Bestimmtheit liegen ^ and
Metrie Fortbewegfiihg ist ebenso die rein inneriiche. If!er->
ans die Idee 'der bo^fk. «^ Umgekehrt entspricht jedem
abstrakten Momente der Wissenschaft eine Gestalt des er-
^cheinendeti Geistes dberliaupt Hier fallen diese jedoch
ans der emfaehen Vermittlang, als D en ken, welches ihre
wahre Natnr ist , in die sinnliche Unmittelbarkeit aus em-
ender, werdet äiisserlfch geschiedene Gegensätze. Diesea
iirt de^ Uebergang des reinen (logischen) Begrifles in das
Bewif sstsein, welches, als aninfichst in unmittelba-
rer Gewissbeit sich ergreifend, sinnliches Bewnsst-
gein-ist: -^ der Anfang, von welchem die Phänomenolo-
gie ausgegangen ist, und welchen sie am Schlüsse begrei-
fend wieder aufnimmt. „Dieses Entlassen seiner
itus der Form seiner Selbst in die Gegensätze
det sinnlichen Unmittelbarkeit ist die höch-
gte Freiheit und Sicherheit seines Wissens
von sich« (S. 7«i— 63.).
So wird die Voraussetzung, welche im Verlaufe
des Werkes immer deutlicher hervortritt, dass in jenen
S^lbstvermittlnngen und Steigerungen des Bewusstseins der
Weltgeist, allein, der zugleich lur das Absolute ge-
halten wird , das thätige Subjekt sei, durch Zurückweisung
auf jenen Anfang auch bis zur sinnlichen Unmittelbarkeit des
Wiissens ausgedehnt Wie der Wei^eii^ sich objektiv zur
Nftfuf entäussert hat, während er eigentlich nur in jener
(togisehen*) Idealität sein vollkommen selbstgemässes Dasein,
die reine „Form seines Selbst' besitzt, so ist es
auch zum sinnlichen Wissen geschehen , nur jedoch um
Mch aus dieser zwiefachen höchsten Selbstentzweiung zn
immer angemessenem Gestalten seines Bewusstseins zn er-
heben. Aher Hege^l enthält sich bei diesen Bestimram-
^gen taicht der Atififdrücke, Welche auf ein völlig persdnü-
ches Veritältniss jenes Weltgeistes zu sich selbst , auf em
freies ^Sichentiassen'^ und Eingehen in das 'ihm selber Eat-
gegen^n^tzte, hinweisen , weil er die Seibstgewissheit und
der Phänomenologie. 833
Klarbeit seinem Wussens in sich so ^sicher' «^ d. h. so
persönlich — besitzt, dass er in keinem Gegensatze
sich verlieren kann. Offenbar mnss dabei ^- dunkel oder
attsdrückllch — ein Entschluss und eine Wahl entgegenge«*
setzter Möglichkeiten angenommen werden; denn nur so
kann die ganze Voraussetzung, auf welcher die Phänomen
noiogie beruht, und die sich gegen denSchluss hin immer
ausdrücklicher hervorarbeitet, einige Wahrheit und Begreif**
lickkeit erhalten.
Diese, und ähnliche Wendungen, wo dem an steh Ab-
strakten und Unpersönlichen Eigenschaften oder Handlungen
beigelegt werden« die verständlicher Weise nur von einem
persönlich selbstbewus^ten W6sen gelten können, sind be.
kannUich bei Hegel nicht selten, und kehren an den ent-
scheidenden Stellen seines Systemes sogar mit charakteri- '
stischer Prägnanz wieder. S c h e 1 1 i n g hat sich über diese
Zweideutigkeit und den Missbrauch solcher Ausdrucke , im
Verhältnisse cur ganzen He gelschen Grundansicht, ener^
gisch erklärt, und sie sind es zugleich« welche die doppelte
Auslegung des Systemes von der Schule begünstigt , ja
gerechtfertigt haben , die sich darauf hin in eine ^linke^
und ),rechte Seite^ spalten mochte» üennoch kann uns
jene abstrakte Haltung Hegels im Uebrigen an sich nicht
berechtigen, diese Wendungen , so wiederkehrend und so
bezeichnend in ihrer Wahl, wiez. B» der Begriff des Sich«
entlassens und Zurücknehmens« des Sich-Ur*«
t h e i 1 e n s der ansoluten Idee in Natur und Geist , Jer
Reflexion in Anderes und Insich, der über-
greifendenSubjektivität u. s. w. bloss für schlecht
gewählte Tropen oder frostige Allegorieen zu halten : H e-
gel verband mit ihnen den tiefsten, bezeichnendsten Ernst,
wenn sie auch unwidersprechlich ein heterogenes , trübes,
schwer zur völligen Klarheit zu • bringendes Element in
seine Grundansicht hineinbringen. Er kennt , so gut wie
Schelling, — oder viehnehr er hat es von ihm
überkommen und setzt stillschweigend rot-
aus — - jenes «absolute Subjekt, das seiner Nator
53
8.t4 Kritik
nach sich ziim Objokl» wird* — (sich ans sich enllässt)
— „aber aus jeder Objektivilal siegreich wieder hervor-
und in eine höhere Potenz der Subjektivität zuräcktriU^ *)
— (aus jener Reflexion in Anderes sich zuräcknimint, die
über jedes Andersseins übergreifende Subjektivität ist>
Aber diese Voraussetzung kommt bei ihm nicht an's Licki,
noch weniger wird sie gerechtfertigt oder erwiesen , wie
der weitere Verlauf es zeigen wird; jene Erhebung zu
concretern, persönlichem Bestimmungen am Absoluten bkribt
eine gewaltsame, dem ursprünglichen Zusammenhange sp^-
cifisch entgegensetzte: die Ausdrucke des Sichetttiassens
oder Sichentschliessens, des Selbstanschauens im Andern
(Encyklop. §. 214. Anm. §. 244. u. s. w.) , des über jede
Selbstgestaltung hinausgreifenden Subjekts, werden nicht
als logische Kategorieen aufgewiesen oder überhaupt nur
im begrifHichen Zusammenhange bestimmt, sondern, matten
zwischen die abstraktesten Kategorieen eingeklemmt , er-
scheinen sie als ein willkührlicher und zugleich fremdar-
tiger Einschub. Diese geheime Zvvieträchtigkeit , welche
zugleich zur Protestation des Systemes wider sicti selbst
ausschlägt, beginnt schon in der Phänomenologie des Gei-
stes; aber sie hat bis in die spätesten Werke hinein fort-
. gedauert, und in den Vorlesungen über Religionsphiloso-
phie tritt sie so entschieden auf, dass dieselben in fast
durchgreifendem Doppelsinne eine entgegengesetzte Aus-
legung zulassen. Diess Alles wird im Folgenden einzeln
und ausiuhriich zu erweisen sein.
Desswegen werden wir auch — wenn die innerste
Meinung und Intention des Philosophen in Frage kommt —
billig Anstand nehmen, diese als pantheistisch zu be-
zeichnen , wiewohl er in seinen begrilTsmassigen Bestim-
mungcn über das bloss Pantheistische nicht hinauskam, und
diesen Standpunkt dialektisch nicht zu sprengen vemodite.
Dless Zweideutige können wir daher die „mystische^ Seile
'*') Schelliog Vorrede zu Gousi n , S. XIII.
der Phänomenologie. 835
«n ihm nennen, dasjenige, was der WiUkfihr und der hin-
eintragenden Auslegung — nach sonstigem Belieben und
andervreiten Gemüthsvoraussetzungen — Spielraum gelas*
sen hat Diejenigen , welche nur den Begriff haben wat-
ten lassen, sind über den Sinn des Systemes, — über
das, was dieser Sinn sein müsse, — nie zweifelhaft ge-»
wesen.
Wenn wir uns nun fragen , absehend toh der Form
und dem dialektischen Apparate , wdche in der Phänome«-
nologie noch unbeholfen genug gehandhabt werden j wei-
clies das eigentliche Fundament sei , worauf sich die oben
entwickelte Grundansicht stutze: —von dem „Wettgeiste^,
der sich durch alle Stufen des erscheinenden Bewusstseins
bis zum höchsten Selbstbewusstsein in der Philosophie hin*
aufläutert, — welche Gründe sodann sie habe zu der auch
sonst so geläufig gewordenen Yertauschung des Weltgei-
stes mit dem „absoluten^ Geiste oder Gott, wodurch jenes
zugleich zum Selbstbewusstsein Gottes wird: so werden
wir abermals auf S c h eil i n gsche Ueberlieferungen zn^
ruckgewiesen. Es ist ein Hauptgedanke Schellings —^
schon in der frühesten „Darstellung seines Syste-
mes« (Zeitschrift für spek. Physik IL 2. S. 149—
153. mit Erläuterung S. 120. f.) , nachher weiter ausge-
führt in seinem Bruno,, dann besonders von Steffens
und Oken, — dass „das allgemein anschauende
Princip der Welt<^ in den Weltkorpern auf bestimmte
Weise und In geschlossener Totalitat aller ihrer Bezüge
sich individual isirt: diess ist jener „Geist% das sub-
jektive Princip derselben^ zunächst nun der Erde, wel-
ches am Unmittelbarsten in der organischen Welt, in Pflanze
und Thier, sich verwirklicht, eigentlich ihm gemässes Da-
sein aber erst im Menschengeschlechte, als der freien Sub-
jektivität, gewinnt^ Diesen allgemeinen Gedanken hat nun
836 Die Wahrheit und die Schranken
•
Hegel, wie schon bemerkt, bis zu der ihm cigenthüBH-
lichen Nachweisung ausgeführt , dass hierin zugleich die
höchste vermittelnde Möglichkeit liegt, wie es zu einer
Wissenschaft des. Objektiven und hier .wiederum zu einer
absoluten Wissenschaft — zur Philosophie — komnea
könne. Das System der Philosophie ist das absolute,
sich adäquat gewordene Bewusstsein, das in's Licht Getre-
tensein, des Weltgeistes für sich selbst.
Dieser Wellgeidt (Erdgeist) — das ideelle Princip
der Welt, indivi dualisirt an unserm Planeten — ist
die verborgene Voraussetzung, weiche der Phänomenologie
von Anfkng her unterzulegen ist, das verschwiegene Sub-
jekt, an welchem alle jene Metamorphosen )ind Steige-
rungen des „erscheinenden Bewusstseins* (der Mensdiheit)
Vorgehen, und das in ihrer Geschichte wesentlich seine
Geschichte hat. Aber warum wäre es das absolute
Subjekt, — oder jene Geschichte die Geschichte Got-
tes, wie es auch in Hegels Religionsphilosophie behauptet
wird? Wie vermag überhaupt das Selbstbewosstsein des
Erdgeistes sofort für das Selbstbewusstsein Gottes
ausgegeben zu werden, ausser und vor welchem
er keines besitzt? Denn in diese Behauptung, — mag
man sie sonst mit dem intensivsten und religiösesten Ge-
halte erfüllen^; auch betrachten wir hier nicht ihre Fromra-
heit oder Heillosigkeit , sondern allein ihre Gründlich-
kait, •» laufen alle weitere Konsequenzen des System»
zurück. Diese ungeheuere Uebertragung , die gewaltsam-
ste, die es giebt, liegt an sich weder im Schell in gf-
schen Principe , noch erscheint sie als • nothwendige oder
unmittelbare Folge desselben : sie wäre daher m rechtfer-
tigen gewesen von Hegel; aber sie wird von ihm nicht
einmal ausdrücklich zur Sprache gebracht.
Diess ist nun der erste, aber gewaltigste Verstoss der
He gelschen Ansicht, welcher sie durch alle ihre Theile
hindurchbegleitet , und allein auch ihre übrigen langst be-
kannt gewordenen Gebrechen verschuldet hat. Aber wir
können ihn nur in wirklicher Begrifflosigkeit , in Mangel
dieses Standpunktes. 837
an , Gründlichkeit und Energ^ie des Denkens finden : es ist
gnnz nur Hegels Fehler , der Irrlhum der Ausrührung ;
das Princip selber tragt keine Schuld daran. Doch ist er
ein fast gemeinsam gewordener, an welchem auch Schel-
lin g in seiner frühern Epoche , mehr noch seine Schule,
Theil genommen , und über welchen , seiner allgemeinen
Bedeutung nach , sich völlig in Klarheit zu setzen , schon
jetzt unserer Kritik Noth thun wird : denn es ist ein Halb--
irrthum solcher Art , dass er zugleich eine Seite der tief-
sten und berechtigtsten Wahrheit in sich schliesst.
Einestheils nämlich werden wir die Einsicht, dass
das Schöpferische, Göttliche, nicht ein iur allemal der Welt
vorübergegangen sei und die Geschöpfe als fertige aus sich
abgesetzt habe, sondern, ihnen gegenwartig und sie erhal-
tend, zugleich recht eigentlich das Beseelende und B e-
geistende für sie bleibe ^ in diesem Sinne daher auch
Seele und Geist in ihnen werdend genannt werden könne,
— keinesweges aufgeben oder schmalem dürfen in ihrer
durchgreifenden Bedeutung: es ist der wahre, ächte, tiefe
Sinn der Immanenz , und diesen wiederhergestellt und be-
festigt zu haben, das grosse Resultat der gegenwärtigen
Epoche. Der Weltgeist, Erd geisl — in jener Bedeu-
tung, wie ihn das S c h e 1 1 i n g sehe Princip enthält, — ist so
ohne Zweifel der Geist Gottes, wie er den Dingen sich
einverleibt, die schöpferische Weisheit, die in allen Ge-
bilden der Erde wirkt, von der tiefen Geometrie an, we^
che die Welt der Krystallisationen uns aufschliesst, bis
zum Menschen in seiner physischen, anthropologischen und
weltgeschichtlichen Entwicklung. Diesen Weltgeist, — den
vermittelnden zwischen dem Menschen und der Natur in
jeder ihrer wechselnden Beziehungen, — sein Gesetz
und seinen Sinn zu erkennen ist der eigentliche Inhalt
und das Ziel aller besondem Wissenschaften: an diesen
appelliren sie mit Bewusstsein oder bewusstlos, wenn sie im
Bereiche ihrer Erfahrungen auf eine der ahnungsvollen Be-
ziehungen treffen, die sich durch blossen Mechanismus oder
aus den gewöhnlichen Begriffen der Causalverbindung nicht
838 Die Wahrheit und die Schranken
erklären Ifisst*); Oberhaupt ist er ihr allgemeiner, nach
einzelnen Seiten und Beziehungen an ihnen aus seinon
Dunkel hervortretender, im Ganzen jedoch Gefaeimnias bket-
bend'er Hintergrund. Erst die Philosophie erhebt nch zd
seinem Begriffe und fasst jene yereinzelten Seiten in
ihn zusammen: das ist diebleibende, berechtigte
Seite an den Systemen der Immanenz; sie ma-
chen die Idee des Weltgeistes zum Mittel- und
Gränzpunkte ihrer Weltansicht
Anderntheils ist jedoch von hier ans bis zur Be-
hauptung, dass diess Göttliche des Wellgeistes, diese schö-
pferische Manifestation Gottes, Gott selber gleich sei,
*-- diess &€tov der ganze, höchste Gott» — noch ein weiter
Weg: selbst in diesem Zusammenhange würde darin nur
eine Reihe von Uebereilungen und Fehlschlüssen liegen.
Dennoch ist es die Behauptung der Systeme der Imman^iz,
oder wenigstens die ihnen unbewusst gebliebene Voraus-
setzung. Diess zu zeigen, haben wir nur an das ReaU
princip der Sehe Hing sehen Weltansicht und an das
Formprincip zu erinnern, was Hegel in dasselbe
hineingebracht hat.
Jener Ansicht zufolge ist alles Wirkliche, jeder Sckö»
pfimgsakt, aur durch die selbstanschauende That eines or-
sprünglich Ideellen: der Geist ist der Grand von Allem,
der absolute Anfang, darum auch das Ende und Ziel , das
steh aus Allem wiederherstellt Diesem hat nun Hegel
das allgemeine Princip seiner Form ausgeiunden : sie ist
die Bewegung der unendlichen Negativität in ihm,
über jeden Gegensatz und jede SelbstgestalUmg hinauszu-
gehen und sie in sich zurückzunehmen: eben so in ilir
zu sein,, als doch völlig frei über ihr, was nur Sache des
Geistes ist. Es ist das ewige Wesen des Geistes Gottes,
woran er sich gerade als der Geist bestätigt , von jeder
seiner Individualisinmgen eben so frei zu sein , sein An-
sich über ihr zu haben, als in jede sich ganz zu cntäusst^ni.
*) Man vergleiche oben die Leib nitki^che ßemerkung, S. 47'
dieses Standpunktes. 839
. Diese «Bewegung^ der absoluten Negativitat vh^t H e-
^ e I selbst jedoch nur auf einseitige oder halbe Weise in's
Litcht gestellt : er hebt auf das Stärkste hervor , dass der
absolute Geist über die individuellen hinwegschreitet und sie
zu ideellen Momenten seiner selbst herabsetzt; er schärft
unablässig ein, dass das Individuum sich in die geistige
Substanz, und die allgemeinen Interesspn des Geisles ein-
zutauchen und darin zu vergessen habe. Aber diese Ver-*
Senkung in das Aligemeine, wie die dialektische Bückrüh-
rung selber, ist nur ein erster und halber Schritt: nur der
Weltgeist ist .die geistige Substanz , der ^absohitef^
Geist, der die Individualitäten der Einzelnen, wie der Völ-
kergeister, aus sich hervorlässt , wie in sich zurücknimmt,
und in diesem Processe „die Wirklichkeit, Wabrr
heit und G<ewissheit seines Thrones erhält,
ohne den er das leblose Einsame wäre^'*).
Er selber jedoch ist abermals in seine Substanz z|i-
rückzunehmen , und erst diess ist der ganze Schritt und
die volle, das Princip von der Gestalt eines besduun-
kenden Pantheismus befreiende Wahrheit. Gleichwie unser
Planet nur der Diese ist, Moment im Universum, so ist
auch sein „Geist^ nur Glied in der Geistertotalilät dessel*
ben : Geist des Universums ist ein System von WeKgeistern,
inbeghiTen und urgedacht im allgemeinen ,' yfiber sie hin-
ausgehenden^ Geiste Gottes, der nun wahr ha R der abso-
lute ist, welcher jedoch auch seinerseits hier immer bloss
von Seiten seiner Weltimmanenz, als das schö-
pferisch Begeistcnde, dem Universum Sich Einbildende
gedacht wäre. — Die Philosophie soll ohne Zweifel ihre allge-
mein pädagogische Bedeutung auch darin haben , von den
tellurischen Gesichtspunkten und Schranken zur tbeocentri-
schon Ansicht der Dinge zu erheben : in solchen Auffas-
sungen hat sich jedoch der Pantheismus als der xähcsten
und engsten Verschrankuiig auf das TeUurische schuldig
verrathen.
'*) Phauoiii eu ologie des Geiäles S. 765.
840 Die Wahrheit und die Sohrankeii
An diese Sfitze haben sich faidess noch wdiere Fol-
gerungen angeschlossen, durch welche eine Gattung kirch^
licher Orthodoxie sich mit dem Pantheismus auf ein^i Au-
genblick vereinigen zu lassen scheint Auf der Erde ist
Gott Mensch geworden, sagen beide : in Christus hat Golt
sich zuerst in p^^önlichem Selbstbewusstsem eigriffen, be*
hauptet. der Letztere. Diese Eine That ist zugleich eine ewige,
allgemeine That 2 in jener historischen Fakticität ist sugleioh
die ewige Geschichte Gottes niedergelegt; hier ftber
ist einmal allemal, sie wiederholt sich nicht anderswo.
Die Erde ist daher Mittelpunkt und höchste Blüthe desgan-
sen Universums : der menschliche Geist daher die einzige
Stätte der höchsten Sellustverwirklichung Gottes, der Wie-
derschem seines Geistes ün Universum, Die weitem Fol*
gerungen, selbst bis auf die astronomischen Begriffe ▼ob
Weltganzen herab , lassen sich ohne Mähe von selber fin*
den, so wie auch das Poetische, ja das Tiefe dieser Welt-
ansicht nicht zu verkennen ist
Dennoch erwiedem wir ihr, dass sie fan Namen der
Philosophie zu viel behauptet, dass sie ihr Gegebenes
äberschreitet, und den Sinn ihrer Folgerungen daraas nb^
seine Berechtigung ausdehnt AU jenes in^s Absolute Erhe-
ben teDurischer Verhältnisse enthält diess Unberechtigle, der
spekulativen Besonnenheit Ermangelnde; es ist nur ein
Dogmatismus neuer Art^). Freilich hat die Philosophie
auf dem Beweise und der Einsicht zu bestehen , dass der
wahre Begriff der Menschheit so wenig unvertragiich ist
mit dem der Göttlichkeit, dass beide, nur in einander .dn*
gehend oder an einander, das Göttliche und das Menscb*
liehe, als solche, zeigen können. Nur s^ ist der Begrifi
der Offenbarung in ausdrücklichein Sinne, derMitthei*
Inng des einen Geistes in den andern, denkbar zu maehea.
Dass nun diese wahre Vereinigung „beider Naturen«^
um ihrer Unterschiedenheit Willen , auf welche erweislick
■«■v
*) Vgl. „%ur sp«kuUtiv^o Theologie'« Zeitichrift BU. V. H.l.
S. 100. 101,
dieses Standpunktes. 841
die ganze Entwicklung der S^enschheit hinausgeht , zuerst
in Christus erreicht sei, vermag eine spekulative Kon-
struktion der Geschichte ohne Zweifel zu zeigen , ' und es
dürHe der Gipfel einer Philosophie der Geschichte in der
Nachweisung bestehen, wie Chrislus für uns der Gott^
Mensch, der Mittler und Offenbarer Gottes sei im aller-
eigentlichsten Sinne. Dennoch . Ist diess die Granze : für
jene absolute, gleichsam metaphysische Bedeutung, welche
iich bis ZQ den oben erwähnten Folgerungen ausdehnen
liesse, ist uns Spekula tfv kein Maassstab gegeben: und
wenn sich der Pantheismus ihrer bemächtigt, um sie unter
seine Botmftssigkeit und Auslegung zu nehmen; so lisst
sich das Geluhl, hierin einer Täuschung zu begegnen^
sei es seiner selbst oder Anderer , kaum zurückdrängen.]
Drittens jedoch -^ was nun vollends über das Bis-
herige entscheidet -^ ist schon bei der Schelllngschen
Philosophie nachgewiesen worden, wie das Princip der
Immanenz durch sich selbst zurückgehe in
das der Transscendenz. Der göttliche Geist, in Ge-
stall weltgeistUcher Verwirklichung, ist nur an sich Sub-
jekt, für sich wird er es erst als Resultat: so weit
Schelling in seinem filtern Systeme, so Hegel durch-
aus. Diess hat sich aber als das Ungenügende, Halbe ge-
zeigt ; diess Princip kann bloss vorausgesest, assertorisch
behauptet, nicht aber begreiflich gemacht werden als das
wahrhaft Absolute/ Eben weil Gott, als Weltgeist, mit
„bewusstloser Vernunft^ iu allen Gestalten des Daseins wirk-«
sam ist, und. aus dem Dunkel desselben in immer geistige-
rer Weise sich hervorbringt, vermag er diess nur, weil er
vor allen jenen Weltprocessen ebenso, wie in ihnen, der
ewig klare, urbe wusste ist. Jene „bewusstloseWeis-*
heit<<, auf welche die bezeichnete Spekulation so grossen
Nachdruck legt und nichts Geringeres, als das Gepräge des
Absoluten in ihr entdeckt zu haben behauptet, existirt selbst
nur, von unserm Augpunkte aus gesehen: auch der
Natur- und Weltgeist, weil er , selbst relativ und nur Mo-
ment, auf ein weit höheres Subjekt bezogen werden musj».
842 Uebergang^ys der Phänomenologie
als in den Bereich d^r bisherigen Standpunkte der Inma-
nenz gefallen ist , niuss in den Geis^ Gottes , als den mit
Bewusstsein darin wirkenden , zurückgenommen werden.
Knrz es kehrt biet* dieselbe Dialektik zurück, wdche wir
schon bei der Kritik von S che Hin gs Philoso|Aie gel-
tend machten, und es wäre nur hinzuzusetzen^ dass aarh
das Hegeische System ebenso entschicKlen ihrem (anekle
unterliegt, weil es noch ausschliesslicher sich darauf be-
granzt hat , nur die Eine Seite des ganzen Verhiltaisses,
die der Immanenz , an sich auszubilden.
Wenn wir , nach diesen allgemeinen Vorblicken , zun
Hegeischen Systeme nach seinem Resultate am Schlosse
der Phänomenologie , und nach seinem Anfange mit der
Logijk zurückkehren; so lässt sich aucii bei den freigebig-
sten Zugeständnissen , die wir ihm machen mögen , nicht
bergen, dass dieser Anfang der Logik, — wie man iki
auch fasse , ob als einen durch jenes Werk vermitteKeB,
oder als einen aus eigener Unmittelbarkeit beginnende«,
— um im Sinne des Systemes solche „Anfangt zu sein^
eine Reihe von unbewiesenen ' Voranssetzungen in skli
schlicsse , dass also in keinerlei Betrachte durch ihn die
wissenschaiUicben Anforderungen an einen solchen Anfaaf
erfüllt werden.
Er kann, als grunjdlegender Anfang iiQr eine als Me-
taphysik behandelte Logik, nur gelten unter der doppellea
Voraussetzung : der Gegensatz des Subjektiven und Objek-
tiven ist durchaus überwunden, die Bewegung des Ge-
dankens ist völlig nur die der Sache selbst: diess
das Erste. Was jedoch zweitens in jener Gedankenbe-
wegung erkannt wird, ist das Absolute oder Gott selber:
die Logik ist dieDarstellungGottes, wie er in sei-
nem ewigen Wesen, vor der Erschaffung der Katur
und eines endlichen Geistes, ist *).
*) Die Wissenschaff d p i- Lom'k. Erstp Aufl. Hfl J linki
tUDg: S. Xill. (Zweite Aufl. S. 36. Hegels Werir Bd. III
S. 3ö.i.
in die Wissenschaft der Logik. 843
Hit beideriei Voraussetzungen indess ist Hegel, von
der Phänomenologie aus, zu einem klaren und
vollständigen Beweise derselben nicht hindurchgedrungen.
Was er in den spätem Bearbeitnngen der philosophischen
Encyklopidie dafür geihan hat, wird sich finden. In jenem
Betrachte haben wir gezeigt: der subjektive Idealismus ist
nicht überwunden in der Phänomenologie; er ist immer
nm* 9is ein schon überwundener vorausgesetzt, und
so auch der Standpunkt des absoluten Idealismus , als der
allein richtige, nur voraussetzungsweise hineingezogen wor*
den. So steht die erste Grundprämisse des logischen An-
fangs, von. hier aus gesehen, in der Luft. »
Aber „die Bewegung, des Gedankens ist nur die der
Sache selbst^. Welche Sache (Realität) ist es denn,
und zugleich, wie kann sie „Bewegung^, noch dazu eine
„Gedankenbewegung^ annehmen? Was bedeutet überhaupi
dieser Begriff, welcher die seltsamste Anmuthung in sich
zu schliessen scheint? Nur ein wirkliches, lebendiges Sub-^
jekt kann es sein, das sich also bewegt, ebenso ein
denkende^ Subjekt, damit seine Idealbeweg ting seinem
realen Bewegen entsprechen kann. Esist das Absolute —
der absolute Geist ; — die zweite Voraussetzung. D i e s s
ist das gemeinschaftliche Subjekt, das, in uns sich denkend,
den eigenen Begriff von sich erzeugt , das zur logischen
Wissenschaft wird , so wie es , den Begriff objektivirend,
sich in die Natur und den endlichen Greist ausgewirkt haL
Nur durch diese Prämisse, wie gewaltsam sie erscheine,
kommt Sinn und Verständniss in den Anfang und weitern
Zusammenhang der Logik , deren DenkbesCimmungen als
fortschreitende „Definitionen desAbsoluten oder
Gottes^ angegeben werden *), während das Absolute
selbst in ihr „in seinem ewigen Wesen<^, vor der
Erschaffung einer endlichen Welt, existirt.
*) Encykiopadie r1f*r philos. Wissenscbart eo. Werke
Bd. VI §. 84, S. 16.x .
844 Anfang der Logik/
Aber auch diese Voranssetmng ist nachgewiesenermaa«-
sen eine völlig unbegründete, wenn wir von der
Phänomenologie herkommen. In dieser ist kei-
nesweges die Idee des Absoluten als Resultat gewiMi-
nen , sondern allein die des Welt- oder Erdgeistes ; and
es hat sich ergeben, wie weit noch' der Weg sei von die-
ser bis in jene zurQck.
So müssen wir völlig auf die andere Seile treten, und
das System ganz unabhängig betrachten von seinen phäno-
menologischen Vorbeziehungen. So hat es Hegel sdhst
behandelt in den drei Bearbeitungen seiner ^^Encyklopädie
der philosophischen Wissenschaften^^. In der ersten Aus-
gabe derselben (1817») erklärt er die Philosophie als ,,die
Wissenschaft von der Vernunft^, und zwar ,,in sofern
die Vernunft ihrer selbst als alles Seins
darin bewusst wird*' ($. 5.): — eine Erklärung, die,
wiewohl sie genau und erschöpfend den spekulativen Stand-
punkt Hegels wiedergiebt, dennoch, unstreitig um ihrer
Unverständlichkeit und Paradoxie bei dieser vorlauten
Fassung, späterhin weggeblieben ist. Die Phänomenologie,
als einleitende Wissenschaft , wird dagegen fallen gelassen
und der Vergangenheit überwiesen (erste Ausgabe $. 34.
S. 30,)^ ))Weil das Bewusstsein und dessen Geschichte, wie
jede andere philosophische Wissenschaft, nicht ein ab so*
luter Anfang, sondern ein G I i e d in dem Kreise
der Philosophie sei^: -^in der dritten Ausgabe ($. 25.
S. 35. 36.) wird als. Grund dieses Fallenlassens noch be-
stimmter das Doppelte hin zugefügt: dass die phänomeno-
logische Entwicklung des Bewusstseins zum Theil schon
den Inhalt anticipiren müsse , der erst in die concrelen
Theile der Philosophie des Geistes lu fallen habe, wodurch
die Darstellung verwickelter werde, und ihr Gehalt sich in
den spätem Partieen des Systemes wiederhole; — über-
haupt jedoch sei zu bemerken , dass alle solche Betrach-
tungen über die Natur des Erkennens u. dgl. immer nur
vorläufige bleiben können , weil ihnen , trotz des Scheines
ihrer Qoacretheit , doch nur „einfache Gedankenbe-
Anrang der Logik. 845
Stimmungen^ zu Grunde liegen, „die erst in der
Logik ihre wahrhafte Erledigung erhalten^*«
— Hieraus ergiebt sich also, dass nach Hegels späte**
rer Ueberzeugung der wis,senschaftliche Anfang «sei-
nes Systeraes — abgesehen von propädeutischen Vorer-
klärungen und einleitenden Orientirungen zum Behufe der
Lehrmethode oder nach subjektivem Bedurfnisse , — mit
der Logik, und nur mit ihr, zu machen sei, weil sie
die Lehre von den' Kategorieen , den allge-
meinsten Gedankenbestimmungen, den Grund-
formen alier Wahrheit, ist *)•
Hiemach erklärt sich nun Hegel in den ersten Aus-«
gäbe seiner Encyklopadie auf das Unbewundenste dabin:
dass der Anfang der Wissenschaft, alle sonstigen Voraus-
setzungen, Meinungen, auch philosophische Axiome u. dgl«
wegzuwerfen habe, nicht darum, weil sie etwa falsch seien,
sondern weil sie blosse Voraussetzungen sind. Die Wis-
senschaft habe Nichts vorauszusetzen, als dass sie rei-
nes Denken sein wolle. Dazu habe der Skepticis-
mus auf negativem Wege, indem er alle. endlichen Denk-
bestimmungen ab widersprechende nachwies, zurückfuhren
wollen — zu diesem Zweifeln, der Verzweiflung an
Allem. Diese sei aber gleich der gänzlichen Vor'aus-
selzungslosigkeit anAUem, welche durch den freien
Entschluss „r e i n denken zu wollen^ durch die Fr ei-
h e i t vollbracht werden könne , welche von allem übrigen
Inhalte abstrahirt , und nur die Einfachheit des Denkens
erfasst ($. 35. 36. S. 30. ff. vgl 3te Aufl. $. 78. S. 950*
Diess sei der wahre, durch sich selbst sich rechtfertig»
gende, einzig zulässige Anfang der Philosophie.
*) Wie richtig diecs sei, wie aber daraus nach uns gerade der
BegriiF einer der LogiL (im Sinne der Me taphysik) voraus-
gehenden Erkenntnisslehre begründet werde , darüber yer«
gleiche man des Verfassers Abhandlung: über dasYer»
hiltniss der Erkenatnisslehre xur Metaphysik in
der Zeitschrift u. s. w. Bd. I. H. 1. S« 1^2* SL
846 VorboTgeric VoranssefEungon
Indoni nach dieser firklftrung, „rein nur denken
zu wollen^, sofort nun mit dem wahrliafl erstiHi Gedan-
ken: dem reinen Sein, das noch Nichts ist, be-
gonnen wird; wäre gegen diesen Einschritt Nichts zd er-
innern: aber es wird sogleich ein Grund dieses Anfings
fainzogefugt , welcher dem „reinen Denken'^ ein Elemenl
beimischt 9 welches nicht in ihm ii^. „Das reine Sein
macht den Anfang, weil es sowohl reiner' (d.h. schlecht-
hin erster) „Gedanke, als das einfache Unmittel-
bare' (das einfachste Sein) „ist: der erste Anfang aber
nichts Vermitteltes und weiter Bestimmtes sein kann'.
Und noch unerwarteter wird hinzugefugt: „die wahr-
haft erste Definition des Absoluten ist da-
her (l): es ist das reine Sein' ($.39.). — Dem „reinen
Denken' wird daher nicht nur sofort auch das Sein , das
Objektive überhaupt, immanent gesetzt, sondern weit mehr
noch, das absolate Sein. Das „reine Denken' ist daher
nach der weitern, schon nachgewiesenen Voraussetzung zu-
gleich gefasst, als absolutes mit dem Sein identisches
Denken^ als dasSichselbstdenken des Absoluten.
Hieraus entdeckt sich klar, was es eigentlich mit der
angeblichen Voraussetzungsiosigkeit des Anfangs , der ab-
sohiten „Verzweiflung' an aller Wahrheit und Gewissheit,
bis sie sich im „reinen Denken' gerechtfertigt habe, für
eine Bewandtniss bat. In der That, allein von dieser Stelk
des Systemes aus beurtheUt, und ohne Rudisicht auf den
weitem Zusammenhang mit dem Ganzen, in welchem jene
Behauptung Wahrheit erhalten konnte, muss dieser Anfang
als einer der unbegründetsten, sich widersprechendsten
und wiükührlichsten erscheinen, mit weichen je ein Philo-
soph sich der Konsequenz einer Selbsttäuschung -hingegeben
hut. So für sich gefasst, kann das System nur für das
iVodukt des zähesten und hartnäckigsten Dogmatismus ge-
halten werden.
Für voraussetzungslos Jcann das „reine Denken' näm-
lich nur gelten in Bezug auf den Inhalt, welchen es
dialektisch aus sich gewinnt : ah dein ersten einfachsten
dieses Anranges. • 847
o
Gednnken reiht sich der dadurch vermilleUe zweite, und so
fort bis zu Ende. — Voll der blindesten Voraussetzungen
dagfo^en, die um so verderblicher sind, je weniger sie aus-
drucklich ausgesprochen werden , ist es in Rücksicht auf
die Bedeutung, welche jenen Gedankenbestimmungen
zukommen sollen. . Was können an sich , in einem wahr-
haft Nichts voraussetzenden Zusammenhange , jene durch
reines I>enken abgeleiteten Kategorieen bedeuten? Nichts
mehr, als das ^ wofür sie selbst sich geben durch ihre
Ableitung: als schlechthin nothwendige Wirklichkeits-
formen, die um dieser Nothwendigkeit willen, schlecht-
hin ailgcmeingultig von allem Seienden, wie zud>en-
kenden, gelten, ohne die ein Seiendes oder ai# wirk-
lich zu Denkendes gar nicht gedacht werden könnte. Mit-*
hin sind sie in diesem Sinne auch ebenso schlechthin
objektiv, wie subjektiv; Sein und Denken fallen, in Bezug
auf sie, als indiflerente in einander; d.h. es ist für deren
Inhalt gleichgültig , ob sie im Sein oder als Begriffe ge-
nommen werden ,* und gleicher Art wäre es in diesem
Sinne wirklich bloss eine ^Voraussetzung*« — ein unbe-
wiesenes Vorurtheil , — wenn man etwa (nach K a n t i-
scher Wejse) die Kategorieen in nur subjektiver Be-
deutung fassen wollte.
Aber gerade eben so wenig ist von der andern
Seite durch sie oder durch ihre dialektische Entwicklung
ein Seiendes, überhaupt ein concretes Wirkliche
mitgesetzt, von dem jene Wirklichkeitsformen, als die
Prädikate, „Definitionen* desselben , gelten und darauf be-
zogen zu werden vermöchten. Und so sehr Hegel sich
gegen ein „Erkennen«* erklart, das „ein blosses Bezie-
hen von fertigen und festen Prädikaten auf irgend
ein gegebenes Substrat* wäre ($.35.); — und diess
mit unbezweifeltem Rechte, sofern jene eben nur fer-
tige und feste Bestimmungen, diess ein anderweitig
vorausgesetztes , beide überhaupt unmittelbar entgegenge-
setzt sein sollen': — so ist damit die Frage keinesweges
erledigt , o b ein Seiendes sei in jenen WirkIichkeifc$for-
84S Verborgüno Yoraas6ctZDngr«n
men ^ und woher das ^Brkennen* isich äbeiiiao^t em<^
solchen za versichern gedenke? Dass nämlich diess Seiende
den WirUichkeitsformen schlBchthin immanent, ja sel-
ber das (durch seine Selbstverwirklichung) sie Setz ende,
in ihnen sich Auspragende sein werde, diese Konseqnenx
Uegt freilich nahe ; ebenso isl durch weitere Polgenn^
abzusehen , wie diess schlechthin Seiende , und dadurch
Setzende jener aHgemeingüitigen WiijUichkeitsfannen , als
das Absolute werde erkannt werden müssen* Aber aBes
diess soH herausgesetzt werden, zum Vorschein komnien m
einer , wie sie behauptet , Nichts voraussetzenden Phi^
losopWe.
Statt dessen wird alles diess nicht nur übersprangen^
sondern es geschieht noch mehr; das gerade Gegehüieä
des wahren Verhältnisses wird in solcher voraussetxendea
VITeise, als das . sich von selbst Verstehende, stUlschweigeod
untergelegt Es wird von Hegel am Anfange seiner JLo^
gik nicht nur in der That zuerst ein solches mit dem Mun*
de verleugnetes „Substrat^, ein Seiendes, voransg«-
setzt, damit der subjektive Begriff: „Sein^ auch ob-
jektive Bedeutung haben könne; nicht nur wird sodann
angenommen ein •seiendes Absolute, damit das ,^iii^
die erste Definition desselben, zu werden vermöge : — son-
dern ausdrücklicher noch liegt in der ganzen Art, diess als
verschwiegene Voraussetzung nur unterzulegen, und weder
ntich dem Seienden , noch nach dem Was des Seienden
zu fragen — die grundverkefarende Konsequenz : dass hier-
mit das System der dort abgeleiteten , gegenseitig sich er-
gänzenden und in einen höchsten BegriiT sich zusammenfas-
senden Kategorieen selbst zum Absoluten werden
muss; und da sie alle darin übereinkommen, Gedan-
ken zu sein, und die in ihnen logisch aufgewiesoie Be-
wegung eine „Gedankenbewegung^ ist, so wird nun dis
Absolute zum sich selbstbewegenden Gedanken:
innerhalb der Logik in seinem Ansich oder in reiner 6e-
dankenmässigkeit, innerhalb der Natur sich von aick selbst
entaussernd, im Reiqhe des Geistes zu sich selbst zurück-
dieses Anfanges. 849
kehrend, und jenen logischen Anfang ebenso rechtfertigend^
als aus sich selbst erfüllend«
Hier zeigt sich das Resultat des Systemes als schon
A n t i c i p i r t in der Verworrenheit der Voraussetzungen,
welche es sich verstattet; indem es behauptet, in der
sich fortbewegenden Dialektik der Kategorieen die DeGni*
lionen des Absoluten zu besitzen , ist ihm dadurch nicht
weniger als das Dreifache voraussetzungsweise gewiss : ein
Seiendes überhaupt, ein seiendes Absolutes sodann, und
endlich, dass diess Absolute, als das Subjekt jener logischen
Gedankenbewegung, und hiermit die Einheit des Subjektiven
und Objektiven, selbst der Gedanke, die absolute
Idee, objektiv wie subjektiv, an sich, wie an und für sich^
sei. Werden aber diese Voraussetzungen bei Seite gestellt,
d. h. 4Kunachst nur als Voraussetzungen aulgewiesen , so
muss das System verstummen. Es kann in diesem Falle
sich nur darauf berufen, dass der Umkreis , in welchen es
sich durch jenen willkührlich angenommenen Anfang der
Logik hineingebaut, im Ganzen auch folgerichtig vollendet
worden sei , und es kann einladen , oder zur Bedingung
machen , in den Umkreis einzutreten , wo dann auch die
Rechtmassigkeit des Anfangs klar werde. Welches AUes^
wissenschaftlich beurtheiit , von gar keinem Gewicht und
Entscheidung ist; denn es lässt sich, mit einer offenbaren
petitio prmcipn an seinem Schlüsse den Anfang nur bestä-
tigen: der Kreis der Voraussetzung bat sich in sich selbst
abgeschlossen, über ihn hinausgegangen ist nirgends.
Diess wäre nämlich auf die Entgegnungen zu erwie-
dern, welche das System , wie wir wissen , auf solche Er-
innerungen in Bereitschaft hält, denen übrigens an sich
selbst und in begranztem Sinne volle Wahrheit zuzugeste-
hen isL ^Auch das Unmittelbare muss in anderm Sinne
ein Vermitteltes sein ; denn Alles steht im Zusammenhange
mit Allem und kann nur in diesem seine Bestimmtheit
erhalten. Erst das Endresultat ist daher die
volle Wahrheif".
Richtig; nur kann ans diesem Axiome in keinem FaUe
54
8(0 Verboigeae Yortotfebsmigeii
folgen , dMs der Anfang des Systemes der Philosofriue wai
den möglichen Ausgang hin nur vofaiuigesetzt w^deo
dürre , um dann als richtig zu gelten ^ falls der Ausgang
etwa ihn bestätigt. In jedem Anfange ist das Ende schoa
mitgegeuwärtig, und einen wilikühriichen Begina durch sei-
nen Ausgang oder Erfolg erweisen zu lassen, heistf mif,
diese Willkühr in sieh selbst abschliesscn und voUeadeD,
nicht aber, sie durch den Beweis des Erfolges be-
stätigen. Unddiess, was wir gegen den Hegelschea
Anfeuig des Systemes in der Logik erinnern mussten, ohae
noch auf sein Ende hinüberzublicken , wird die Kritik an
diesem Ende gerade bestätigen. Audi das Ende zeigt
sich als ebenso willkuhrfich, wie der Anfang, nicht blo^
weil es das Ende nur eines solchen Anfanges isl, son-
dern auch, weil im Verlaufe des ganzen Systemes, -^ Ton
der Wahrheit der einzelnen Ausführungen abgesehai und
nur auf die Begründung seines Princips Bedacht ge-
nommen — dieser Begründung um Nichts näher ge-
rückt worden ist, als an seinem Anfange. Das System ist
mit Einem Worte die vollständige, zur encyklopädischea
Ausbreitung aller Theile gelangte Durchfuhnmg einer spe-
kulativen Grundvoraussetzung, — der, welche irir
schon kennen von der Phänomenologie des Geistes her,
und die» sich eben auch dort als ein Unbe wie seines,
als blosse Erbschaft der S c he Uingschen Philosophie ge-
zeigt hat Nur die Grösse und innere Wahrheit dieses
Princips und die Bestätigungen, welche ein concretes Be-
greifen des Wirklichen aus ihm als Nebenerfolg immer bei
sich führt, konnten dem Urheber des Systemes die wahre
fermelle- BeschaiTenheit desselben verdecken: das mige-
heuere Gewicht der Sache trug und unterstützte die dorcb-
aus noch unadäquate Form.
Jenen logischen absoluten Anfang jedoch betreffend,
durfte sich Hegel um so mehr seiner scheinbaren Ge-
wissheit getrösten, als hier der merkwürdige Umstand em-
tritt , dass er in doppelter Beziehung Recht mit ihm
hat , dass aber eben darum das letzte , wahrhaft ^ntschei-
dieses Anfatigfes. 851
r>nd() Recht dazwischen hineinfflli Die Sache ver*
ilt sich so damit.
Dass von dem Vorsatze, „rein nnr denken zu
'olIcn% wie Hegel sagt, von der absoluten Vorausset-
ingsloslji^keit jeder nur gemeinten, angenommenen Wahr-
eit alle Spekulation anzufangen habe, scheint sich so sehr
on selbst zu verstehen, dass diess die allgemeine oder
11 bjektive Bedingung ist, unter welcher überhaupt nur
as Bedurfniss eines andern, als bloss empirischen, immer in
ewissen Voraussetzungen verharrenden, Wissens erwachen
ann. Aber mit jenem Vorsatze, wie an sidi selbst, ist
ir den wirklichen, objektiven Anfang desSystemes
och gar Nichts , weder gewonnen, noch entschieden : es
lufen von hier ans tausend Wege nach allen Richtungen
in , und es muss schon darum als der gewaltsamste Ge-*.
ankenspnmg erscheinen , von dem unbestimmten Vor«*
atze, „rein denken zu wollen^, sofort zum „ersten Be-
riffe'', dem „reinen Sein^ , überzugehen , indem es eines
chon sehr in sich vermittelten spdndaliven Bewusstsein
tnd der complicirtesten Bildungsvoraussetzungen bedarf, um
lur das Bedurfniss zu haben, auf einen schlechthin ersten
redanken zurückzugehen, und ihm spekulative Bedeutung
beizulegen , oder vollends das Rocht , aus ihm d i a 1 e k-
isch weiter fortzuschreiten, aufweisen zu können. Min-
Icstens ein Begriff der dialektischen Methode muss dies-
em' Beginne vorausgeschickt und darin der Beweis
hrer Ob jektivität geführt werden.
Aber hiermit allein schon sind wir von jenem sub-*
ektiven Anfange Hegels aus in einen ganz andern
kireich von Untersuchungen hineingewiesen: vor aUett
Hngen müssen, wie man sieht, gewisse erkenntniss»
heoretische Fragen festgestellt sein, ehe jene ob^
fiktiv logische Begriffsdialektik auch nur zu Wort gelassen
irerden kann ; und erst von jenen her lasst sich entschei-
Icn , welchen Sinn die letztere babe^ und welche Bedeo^
ung im ganzen Systeme der Philosophie ihr
ugcslanden werden kann. Gerade also die Fragen müs-
85a Dcpfolsimi
flen die ersten wep'den , welche auch die PbSnomenoiogie
fiberspringt oder voraussetzt, und denen rie andere Cschon
halbmetaphysische) Untersu<;hungea untergelegt hat. In-
dem also Hegel mit seinem Systeme auf den allgemein-
sten Anfang alles Philosophirens , auf die reine Voraiisset>
zungslosigkeit und Inhaltsleerheit, hat zurückgehen wollen
— ein Vorsatz , der , wie sich gezeigt hat , ihm unter
keinerlei Gesichtspunkt gelungen ist, welch ein Werk,
ob Phänonoenologie oder Logik , man auch für den wah-
ren Anfang seines Systemes halte: — so handeln diejeni-
gen gerade seinem Principe getreu und thun das zunächst
von ihm Geforderte und eigentlich Gewollte, welche nicht
Phänomenologie, nicht Logik, als die wahre Anfangswis-
aenschaft erklären, sondern nur die Lehre, die sich über
jene Forderung des ,)reineQ Denkens^ selber verständigt,
oder in weiterer Beziehung, welche das darin liegende
Brkenntnissproblem löst. Der Vorsatz nämlich,
Aberhaupt denken zu „wollen*^, wird an solchem Wollen
nicht genug haben, um sogleich zum Werke zu schreiten:
er wird sich zuerst über das Voll bringen, dessea
Möglichkeit und die Bedingungen eines ,)Speknlativen^
Denkens verständigen müssen; kurz das reine Denken wird
zunächst zum Begriffe seiner selbst, im weitestm
Sinne, durch eine Erkenntnisslehre aufzusteigen
haben, und darin erst wird der unbestimmte, alle Voraus-
Setzungen bei Seite stellende Antrieb zum Philosophiren,
der subjektive Anfang der Philosophie , auf den wah-
fmi, objektiven Anfang des Systemes surückgeheo
und so ihn begründen , d. h. als diesen objektiven nach-
weisen. — Doch bedarf es an dieser Stelle keiner weiten
Auseinandersetzung darüber: wir halteir den in Hegels
eigenem Geiste hier nöthtgen Fortschritt iur schon gesche.
hen in mehr als Einer Weise, und können, was uns selbst
betrifft, nur auf die von uns gegebene Ausführung dessd^
ben weiter verweisen *). —
*) Giruadzuge zum Systame dtr Philosophie; Erttf
in (Kesem Anfange. B53
Aber auch , wa» Jenen von Hegel aufgewehten „er-
;len Begrifl^ anlangt, so hat er Recht mit ihm zum zwei*-
. e n Male, ohne es darum im Ganzen zu bekommen. Das
,rein pradikatlose Sein^, als gleich noch dem ^ichts^, iat
n der That dieser schlechthin erste Begriff des metaphy-
;i sehen Denkens. Aber nicht nur, dass zwischen Hm
md jenen „Vorsatz^ des reinen Denkens eine ganzä
Wissenschaft hineinfallen muss, deren Hegel nicht Acht
hatte; nicht nur, dass diese zu erweisen hat, was Hegel
für sein reines Denken nur voraussetzte, die auf dem me-
taphysischen Standpunkte schon gewonnene Identität des
Subjektiven und Objektiven: sondern viel mehr noch, wie
jener Begriff in Heg^els Logik erscheint, als die erste
Bestimmung eines „reinen^, d.h. leeren Denkens, ist er,
nach seinem eigentlichen Werihe gefasst, völlig eben so
leer und nihilistisch. Um Prädikat, „erste Definition^ ir-
ij^end eines Seienden , vollends des Absoluten , zu werden^
niuss das also zu Definirende selbst erst gefunden, das Sein
des Absoluten erwiesen werden. Erst dadurch kann
der Logik (Metaphysik) ein substantieller Gehalt und Rea-
lität zugestanden werden , und , was noch wichtiger , die
Idee des Absoluten davor gesichert bleiben , zum blossen
Begriffe des Weltgeistes herabzusteigen , wie sie von
der Phänomenologie des Geistes aus in das System hin-
eingerielh. In Betreff dieses Ueberganges aus Erkennt-
nissichre in Metaphysik halten wir gleichfalls das Wesent-
liche schon für geleistet: in der vollständigen Lösung des
Erkcnntnissproblemes durch Vermittlung des Subjektiven
und Objektiven, des Geistes und der Natur, im Begriffe der
Einen, in Geist und Natur gleichmässig sich
verwirklichenden, und so beide vermitteln-
den Vernunft, — welche daher eben „Identität des
Subjektiven und Objektiven^ das Schell in g- Hegeische
Abibeil II ng, (taj Erkennen ülsSelbsterkenne^;
Heidelberg 1833. Einleitung: Begr^T der Philosophie $. 1^14.
854 Doppelsiiiii
AbsohHe, d. h* der Weltgeist ist, — wird dieser Be-
griS selber z^m Problem, zum höher Kafirklären-
den: er geht selbst in den Begriff des Absoluten zu-
rück, weiches hier seinem ganzen Principe nach schon ein
schlechthin jenseits aller Weltvernunft Liegendes ge-
worden ist, weil die Weltvernunft, jene Identitöt von Na-
tur und Geist selbst aus ihm erklärt werden soll. Hier-
mit entsteht ans der Losung des Erkenntnissproblemes die
Aufgabe der Metaphysik, das Absolute zu begreifeii,
wobei — davon abgesehen, dass hier zuerst ein lückenlo-
ser , klar begreiflicher wissenschaftlicher Zusaauneoliang
staltfindet , — gleich im Principe die pantheistische Ver-
schrankung durchbrochen ist« welche Schelling erst
spater, Hegel nie überschritten fiat *).
Hegel selbst ist entschuldigt wegen jener Hissgrifle,
deren Entdeckung freilich sein ganzes System in die Luft
sprengt Ihm war beschieden, nach einer andern Seite hin
den nachdrucksvollen Ausschlag zu geben : die Nachwei-
sung der innem Dialektik und des in sich geschlossenen
Systemes der Kategorieen, ihrer innerlich sich ergänzen-
den, in einen höchsten Begriff sich zusammenfassenden To-
talität , macht das eigentliche Verdienst seiner Logik aas.
Wenn er ungeduldig zu ihrer Ausführung eilte und in die-
ser Wiedererweckung des wahren Inhalts der lletaphysil[
*) Wir können nicht umhin, auch hier auf die an andern Orien
gegebene wissenschaftliche Ausführung zu verweisen, welche,
da sie dort mit ausdrucklicher Rucksicht äiuf das HegeU
ach« System gegeben wird , die gegenwartige Darstellung er-
gänzt und yerrallstilndigt: ,,Ontologie'< (Heidelberg 1S36.)
Einleitung: Begriff der Ontologie, J. XI. Ann.
S. 10 — 16. Ueber daa Verhältnias d ea Form- nod
Realprincipes in der Zeitschrift für Philosophie Bd. II.
H. 1. S. 88 ff. ,j2 ur spekulativen Theologi e« iwei-
ter Artikel. Ebendaselbst Bd.vV. H. 1. S. 91—113. besonders
J5> 4- 5. 7., deren eingewobene Kritik der Hegelscb« Lehrs
wir auch nir das hier Folgende der sorgfältigen Efwagoag
empfehlen.
in diesem Anfimge^ 855
•
die weiter dabei zu bedenkenden Vorfragen übersprang;
Wer wird diesen unwillkührlichen Hangel niclit sogar be-
endet finden in der allgemeinen Natur der spekulativen
Entwicklung, worin die Auffindung und thatkrailige Durch-
[uhrung eines neuen Princips immer das Erste, die Klartieit
des Begrifies und die allgemeine Begründung desselben das
/Zweite, Nachkommende ist?
Wenn jedoch seine Ausleger und Apologeten jetzt,
wo diese .Lücken des Systems wiridich zum Bewusstsein
grekommen sind, und man Hand angelegt hat, sie auszu«»
Füllen, sich immer noch überreden, alle Bedenken erledigt
zo haben, indem sie Hegels Betrachtungen über das En-
cyklische der Wissenschaft und den zum Anfange zurück-
kehrenden, ihn rechtfertigenden Schluss des Systemes — kurz
die einstweiligen Beschwichtigungen desselben, mit denen
3r sich genügte, um mit dem eigenen Principe nur in Worte
kommen zu können , — im eigenen Namen wiederholen :
;o kann diess fast nur als Eigensinn oder Beschränkt-
leit erscheinen; oder, wenn wir darin eine sich beschei-
lende Pietät gegen den Heister erblicken wollen , so gilt
iiese in der Wissenschaft immer nur einer Einladung zum
ichlummemden' Verharren gleich.
Dennoch würden wir Unrecht thun, zu behaupten,
lass nicht 11 e g e Tn selbst im weitern Verlaufe seiner Lehr-
hätigkeit diese Grund- oder Anfangslosigkeit seines Sy-
temes zum Bewusstsein gekommen wäre. Ohnehin schrieb
^in Schüler von ihm eine Propädeutik zum Systeme der
Philosophie *), freilich als Commentar zur Phänomenologie,
ndess mit der ausdrücklich ausgesprochenen Absicht, den
Itandpunkt der Logik und alle Voraussetzungen , die der-
elbe macht, dadurch vorbegrfindend zu unterbauen. So
am die ganze Frage, wenigstens in Gestalt eines Bedürf«
*) Gabier Lehrbuch der philosophischen Propä-
deutik, als Einleitung zur Wissenschaft, Tbl. I.
Erlangen 182,7.
856 Begds Einteilung
nisses, um den Eingang in*s System Tasdicher und lekbler
zu machen, zuerst ausdrücklich zur Sprache. Aber diess
selbst noch uobestunmle Bewusstsein suchte sich bei He-
gel gleichfalls mit der Ausrede zu genügen , dass es nur
eines populären Vorredens, reflektirender ABknäpfungs-
punkte und vorläufiger Erklärungen ausser dem Kreise der
Wissenschaft bedürfe, — diese stehe, nach wie vor, io
durchaus selbststandiger Integrität, — um alles Gewünschte
vollständig zu erreichen. Aus dieser Idee sind seioe was-
fuhrlichen Einleitungen in die Logik zur zweiten nnd
dritten Au^abe der „Encyklopädie der philosopbischea
Wissenschaften (1827 und 1830.) hervorgegangen.
Diese Einleitungen erklären sich selbst ausdräcklicb
für durchaus exoterischen, die Gedankenbestimmungen, auf
denen ihr Inhalt beruht, aus der späteren Ableitung der
Wissenschaft nur anticipirenden Charakters : ihre ganze
Bedeutung kann daher nur in einer Kritik der bishe-
rigen Vorstellungen über das Wesen des Erkennens oind
das Yerfaältniss des Sulyektiven ^nd Objektiven bestehen^
deren wissenschaftliche Prämissen und Grundsalze erst in
der nachfolgenden Logik ihre Ableitung er-
halten sollen. Und so ist denn auch, diesem enlspre-
cliend, der Inhalt jener Einleitungen wesentlich kritisch«'
Natur , anknüpfend an die letzten Systeme der Philosophie
und die dadurch geläufig gewordenen Vorstellungen über
die Erkenntnissfragen. Hegel widerlegt darin den K a n-
tischen Standpunkt, indem er zeigt, wie die „Verstandes-
ansieht^, die nur das Endliche, Bedingte, als erkennbar er-
achtet , und das Erkennen auf diese , als sdne absolute
Gränze einschränkt , eben dadurch sidi widerspricht, und
von sich selbst zeugt, über diese Schranke schon hinaus-
gegangen zu sein, ind^n nur an der Idee des Unbe-
dingten und an der Gegenwart desselben im Erkennen,
— an der „Vernunftidee% — das Endliche und Be-
dingte, als solches, charakterisirt werden könne. Sozei{t
sich vielmehr die Idee des Absoluten als die im Erkennen
schlechthin gegenwärtige und grundgewisse ; mit dem Fik«
in die Encykkipftdie. 867
im des Bedingten ist der Gedanlie eines Unbe-
inglen zugleich gesetzt.
Ebenso widerlegt er den Jacobi sehen Standpunkt
les unmittelbaren Wissens vom Absoluten wesentlich
lurch die doppelte Erinnerung, dass jene Unmittelbarkeit
les Wissens seinen Inhalt, Gott, eb^ dadurch zum End-
ichen und Besondern mache; indem er, als das nur ab-*
; t r a kt Allgemeine gedacht , die (andern) endlichen Din-
re sich nur gegenüber hal>e; Geist aber könne er
lur heissen , insofern er , als concret Allgemeines sich in
»ich selbst zum Endlichen vermittelnd, gewusst werde. So*
lann bleibe man auf jenem Standpunkte nur bei der „kah-*
cn Versicherung^ stehen, dass ein Gott sei, nicht aber
iomme zum Begriffe, was er sein möge. Damit ist Gott,
ils Gegenstand der Religion , ausdrücklich auf den Gott
überhaupt, auf das unbestimmte Uebersinnliche , be-
schränkt, und die Religion mit ihrem Inhalte auf ihr Mini^
mum reducirL In keiner Welse könne daher auf diesem
Standpunkte der Unmittelbarkeit stehen geblieben, er müsse
fortgeführt, zum Anfangspunkte weiterer Vermittlungen ge-
macht werden.
Am Schlüsse dieser Einleitung fasstsich aber wiederum
das Endurtheil alles Bisherigen dahin zusammen, dass alle
diese Voraussetzungen, ebenso die Annahme eines ursprüng-
lichen Gegensatzes von Denken und Sein, von Wissen und
Objektivität, zunächst schon desswegen bei Seite zu setzen
seien, weil sie in blossen Voraussetzungen oder beliebigen
Versicherungen bestehen. „Denn es ist dieWissen-
Schaft, in welcher alle dergleichen Bestim-
mungen erst untersucht, und was an ihnen
und ihren Gegensätzen sei, erkannt werdea
solK Der wahre Anfang der Wissenschaft wird
daher auch hier noch immer als „die gänzliche Voraus-
setzungslosigkeit% der „Entschluss, rein denken zu wollen^
u. s. w. bezeichnet (Encykl. 3te Aufl. §. 78. S. (^. 95.).
So scheint, dem ausdrücklichen Wortlaute nach, das
durch die Einleitung etwa erj^rbeitete Resultat wieder bin-
858 Hegels Biiricitang-
weggeworfen zu werden: es sott Nichts darch sie
schieden sein, und Alles der kominendeti Wissenschaft
überlassen hieben, die sich daher, genau genommen^ wie-
der zu der Reinhe^ und Leere ihres ursprünglichen An-
Ihngs in der ersten Ausgabe der Encyklopadie zorudiTer-
setzt sähe , welche wir nachgewiesen. Wozu dann über-
haupt das Bedfirfniss einer Einleitung und die Mühe der-
selben, wenn doch Nichts durch sie erwhrkt wird, und wir
auch nach ihr noch immer an dem einleitungslosen An-
fange stehen? Man erkennt, wie schwankend and iinzo-
sammenhSngend bis an's Ende Hegels eigene Yorstei-
hingon über alle diese Fragen waren : ohne Zwetfel harte
er die Nothwendigkeit einer einleitenden Vorbegrundung
seiner Logik sich einiger Haussen zum Bewussfsein ge-
bracht ; um ihr zu genügen , schrieb er die Einleitung.
Dennoch vermochte er nicht , damit den andern Anspruch
aufzugeben , der ihm den Anfang der Logik ein für alle
Male zum Toraussetzungslosen machte; abfer wäre es nur
ihm völlig klar geworden, was mit dem schlechthin „er-
sten Gedanken^, von dem seine Logik beginnt, für
einen solchen Anfang wirklich geschehen sei und was
nicht, — dass er zwar logischer (metaphysischer) Anfiang,
aber keineswcges darum voraussetzungsl eser, za
sein vermöge: so wären diese Selbstwidersprüche, welche
auch die Znsätze in der letzten Ausgabe der Encyklopadie
(Werke Bd. VI.) noch nicht zu tilgen vermochten, vermie-
den , wenigstens gemildert worden.*
Wenn wir jedoch, abgesehen von diesen widersprechen-^
den Erklärungen , an sich selbst beurtheilen, was Hegel
durch die Einleitung wirklich geleistet habe für Begrün-
dung des Systems in seiner encyklopädischen Darstellunsf ;
^0 müssen wir ihm zugestehen, durch die Kritik der vor-
hergehenden Systeme allerdings hingeleitet zu haben zn
seinem Standpunkte. Wir wollen eine solche historisch
kritische Einleitung nicht geradezu fQr unzulässig erklären,
wenn die Sache gotrolTen , der Erfolg erreicht ist. Auch
Schell in g hat jüngsthin erUärt, dass er es i3r das beste
in die Encyklopädie. 859
Mittel halte , einen Standpankt zu begntndcn , historiseb
nachzuweisen , wie alle andern Auswege versucht seien,
und nur noch einer, der letzte 4 übrig bleibe« Auch
schlägt er dazu ausdrucklicher eine Geschichte der Philo-
sophie vor ; und auch von Andern in neuerer Zeit , wie
von Braniss in seiner Metaphysik y ist diese historisch
einleitende Yorbegründung gewählt worden. Nur ist zu
erinnern, dass die in sich selbst zum System vollendete
Wissenschaft sich damit nicht genügen lassen könne : diese
muss auch der Form nach völlig selbststandlg und unab-
hängig sein von allen zeitlichen Beziehungen oder Vorbe-
dingungen.
So gestehen wir nun, dass Hegel auf jenem Wege
die Idee desAbsoluten vermittelt und seiner Wissen-«
Schaft der Logik, als eine gewiss nicht verwerfliche Mit-
gift, zugebracht habe. Aber diese Idee, als solche, ist
auch dem Kan tischen Systeme nicht fremd; vielmehr ist
$ic dort in ihrer Apriorität und ^Yernunftursprungllchkeit^
in ein so helles Licht gesetzt, als es Hegel nur zu wün-
schen vermag. Aber die wesentliche Differenz bleibt zwi-
schen Beiden, dass Hegel ohne Weiteres die Objektivität
ierselben behauptet, während Kant sie zunächst nur für
nne Idee , ein „Ideal^ der Vernunft gehalten wissen will^
>is etwa der Beweis ihrer Realität nachher gegeben wer-
len könne, — eine Zurückhaltung, in welcher jeder Den-
ker ihm Recht geben muss. (Dass sich nachher bei Kant
las Ergebniss findet, ein solcher Beweis bleibe theoretisch
mmöglich , jenes Ideal sei ein ,;uber8chwängliches«, und
lass bei diesem besondem Ergebnisse Irrthümer vorgefal-
3n sein mögen, ändert die Wahrheit der ganzen
I a X i m e , welche der Kan ti sehen Forschung zu Grunde
cgi , nicht im Mindesten.)
Aber Hegel tadelt an Kant, dass er nicht eingese-
en habe , wie es dem Begriffe Gottes ^ gerade wesentUdi
2i, die Einheit des Begriffes und^eins zusein,
nd spottet auch hier nicht wenig über die ^triviale Be-
erkung'' des alten Denkers, dass Gedanke und Sein
860 Hegels Einleitimg
verschieden seien, und dass hiermit die Idee Gottes noch
nicht auf sein Sein schliessen lasse. • ^Es müsste sonderbar
zugehen, wenn diess Innerste des Geistes, der BegrtflT, oder
auch, wenn Ich oder vollends die co ncrete Tota-
litat, welche Gott ist, nicht einmal so reich
wäre, um eine so arme Bestimmung, wie Sein ist,
ja welche die alleraimste , die abstrakteste ist , in sich 20
enthalten. Es kann für den Gedanken, dem Gehalte
nach, nichts Geringeres geben, als Sein<< (Eacykl. $. 51.
S. 63. — Werke Bd. VI. S. 112. 113.).
In der That , Wer diess schreiben konnte , verräth
dadurch, den eigentlichen Nerv der K an tischen \¥ider-
legung vom ontologischen Beweise iur das Dasein Gottes
nie gefasst, oder ihn, wahrend solcher höhnenden Erwide-
rung gegen Kant wenigstens , vergessen zu haben. Das
hat ja gerade Kant in ihr gezeigt, und damit der alteo
Fassung des ontologischen Beweises , die hier in bester
Form erneuert werden soll, filr immer ein Ende gemacht,
~ dass „Sein<( , „Existenz^ , gar kein Prädikat, keine
„Gedankenbestimmung«' , weder eine j,arme*, noch eine
„reiche^^, sondern die Position eines Dinges oder
gewisser Prädikate desselben in den Coiitext der
Wirklichkeit sei *). Was sieh Hegeln hier unterschi^l
und jener verworrenen Argumentation gegen Kant die
innere Evidenz verleiht, ist die ganz schon pantheistisdie
Supposition, das abermals anticipirte Resultat des Systenies,
dassGotteben„cona>rete Totalität^ nur des Universums
sei. Das gegen Kant erhobene Argument lässl sich daher
vielmehr so ausdrücken : gleich wie es „sonderbar zugehen^^
Riösste, mitten in d^ Wirklichkeit des Universums stehend,
noch nach einem Beweise, — einer Garantie fnr des.
sen Wirklichkeit zu fragen, und, seiner inhaltsreichen PöOe
gegenüber , es wohl das Geringste wäre , von ihm za sa-
gen: es ist; eben also und aus demselben Grande
*) Kants Kritik der rciaen Vecnunft; 5t« Auflage.
s. 626— ae.
in die Encyktopftdie. 861
filt diess auch von GoU. Bei ihm haben wir im Godan-
:en seiner Wirklichkeil die Wirklichkeit selber, weil er ja
lur ist das AII9 — das Wirkliche in allen con-
:reten Wirklichkeiten. Die Widerlegung Kants
st also aus einem Resultate geflossen , welches jener zu--
iogeben sehr weit entfernt gewesen wäre *).
Mit Einem Worte: Hegel hat in dieser Einleitung/
[ant gegenüber, und dem, was er die K an tische Vor-
Aussetzung nennt, nur die sein ige vorangestellt; beide
Lommen daher auf den gleichen Rang der Unentschiedßn-
leit zurück. Wenn es bei Kant Voraussetzung, «Vor-
irtheil^' sein soll , dass die schlechthin vemunfturspräng-
[iche Idee des Absoluten nicht zugleich für real genom-
nen werde, so steht die entgegengesetzte Behauptung H e*
l^els durchaus ebenso nur voraussetzangsweise da in
iiesem Zusammenhange. Und zwar ausdrücklich diess
n doppelter Beziehung ; dass überhaupt Begriff und Reaii-
ät, Denken und Sein zusammenfallen , wovon zuerst auch
e n e Frage abhängt , ist , wie wir zeigten , zwar überall
vorausgesetzt von Hegel in seiner Phänomenologie und
Logik, nirgends aber ausdrücklich begründet. Sodann, was
)ei Hegel jener wiederaufgebrachten ontologischen Ar>
Ifumentation allein ihr Gewicht giebt, der nur panthei-*
$tische Sinn ihres Gottesbegriffes , als ob es
schlechthin keinen andern gebe , oder als ob es keiner
.Philosophie je eingefallen wäre , einen andern zu suchen,
— diese zweite , noch stärkere Voraussetzung kann , weil
;ie das erst zu enveisende Resultat des Systemes schon
irorwegnimmt , welche Anticipation eben darum zurückge-
iviesen werden muss, — um so weniger über die objektive
Bedeutung der Idee des Absoluten Etwas entscheiden.
*) Dieselbe Argumeutation, nur weiter auageführt, liegt auch der
H e gel sehen KritilL de« ganzen Abschnittes von Kants
Vernunftkrjtik iiber die .UnmdgliQhkeit eines spekulativen Be-
weises vom Dasein Gottes in seinen »»Vorlesungen über
die Beweis •'< etc. za Grunde.
863 Hegels Wissens^rbuft der Logik:
E0 tot daher durch diese historische Kritik der Kan-
tischen Philosophie auch der Sache nach für den He-
gel sehen Anfang der Logik Kichts gewonnen. Also, wie
die Idee des Absoluten hier eruirt wird , könnte sie als-
dann erst Realprincip und Subjekt-Objekt für die im-
manente Dialektik der Logik werden, wenn überbaapt mid
in ganz allgemeinem Sinne zuvörderst dem
Erkennen Realität gesichert worden w^ire.
Vollends unentschieden musste aber bleiben bei dem er-
sten Aufstollen jener ^Idee^, ob sie überhaupt eine so be-
schrönkt pantheistische Deutung erhalten dürfe, oder ob
sie nicht als ein weit Höheres sich erweisen werde?
Wenn wir daher auch jenes formelle Bedenken bei
Seite setzen und Hegeln zugestehen wollten, auf den
Wege seiner Einleitung oder sonst auszuführender Voii>e-
trachtungen, — wie sie uns in seinen ^Vorlesungen
über die Beweise vom Dasein Gottes^ weit i»es-
ser gegeben scheinen, die wir daher schon einmal als eine
Einleitung in die Logik anzusehen empfahlen *) — durch
den BegriiF des Endlichen, Bedingten vermittelt, die Ge-
wissheit eines Unbedingten überhaupt wissen-
schaftMch festgestellt zu haben : so wäre die Kluft, welche
von hier aus bis zum wirklichen Anfange der Logik bietbt,
dadurch noch nicht ausgefüllt; sie träte nur noch ab-
schreckender hervor. Wie weit nämlich ist es noch von
dem so ganz unbestimmten Gedanken eines Unbedingten,
der an sich selbst den Begriff einer Mehrheit desselben
gar nicht ausschliessen wurde '*^), bis zu den Behaiq[»tun-
gen , welche dem Hegeischen Anfange aliein Sinn und
Zusammenhang geben : dass das Eine Absolute in den Ka-
tegorieen der Logik sich definire , dass eine jede Sphäre
der logischen Idee als ^^eine Darstellung des Ab-
*) Religion und Philosophie in ihren gogeawirti-
gen Verhältnissen. Heidelberg 1834. S. 27.
«) Vgl ,,zur spekulal« Theologie** in der Ze i tschrtft
Bd. V. H. 2. S. 159. 161. ff.
Anfang denielben« 863
olaten^t anziisehMsei(EiicykIop&die: Werke ficLVL
. 163. 640« Hiermit ist abermals die doppelte unbegrün-»
ete Voraussetzung dazugemischt, dass das Absolute ebenso
ohi das Denkende^ als das Seiende, das Subjektive , wie
objektive, sei in jenem logischen Denkprocesse, und dass
ben d esshalb ihm die Kategorieen , die Formen alles
eins, wie Denkens, als erste Grondbesttmmungen bei-
ulegen seien.
Nachdem von allen Seiten und unter allen Vorausset-
ungen oder Modifikationen die hoffnungslos, ja unwieder->i
ringlich preisgegebene Stellung des Anfangs der Logik
ich gezeigt hat; ist es Zeit, dem Inhalte derselben im
ünzelnen näher zu treten, und damit in das Eigentliche des
Systems einzugehen. Ueber den Sinn jenes Anfongs und
lie Voraussetzungen^ welche ihm zu Grunde zu legen sind,
ann nach dem Bisherigen kein Zweifei obwalten; weil
fit indess so genau dem historischen Zusammenhange ge-
>lgt sind, durch welchen sich alimählig jenes verworrene
reschiebe entlehnter Prämissen und unbegrfindeter Behaup^
ingen, von der Phänomenologie bis zur Logik hin mit ih*
pn verschiedenen Einleitungen, aufgehäuft hat : so können
rir jenen Sinn vielleichl klarer oder eigentlicher avsspre-
hen , als es bisher, seftst von Hegel, geschehen sein
lochte.
Die Phänomenologie des Geistes cfidet mit dem Be-
riffe des absoluten Wissens, als eines potentia.
en, geforderten sowohl, als an sich möglichen. Die
kUslQhrung, das verwirklichte ^absolute Wissen^, — das
ibsolnte, in das Licht seines eigenen Begriffes gesetzt,
* ist eben das vollendete System der Philosophie. So ist
as dem Anfange desselben Vorauszusetzende eben die
dee des absoluten Wissens, aber aus der Potenz
es wirklichen, realisirten Wissens zuriickversetzt in die
864 Hegels Wisieiisdiaft der Logik:
der reinen , noch unbestimmten WiMbarkeit , als des
Tangs alles Beslimmens , somit des leeren, ganz nodi. be-
stimmui^iosen ^eins^.
Sofern aber dem absoluten Wissen , was ja hier von
Anfang bis zu Ende die Grundvoraussetzung ist, nniiiiltei-
bar eine objektive Realität entsprechen soll und diese
bestimmter zu bezeichnen wäre: so kann sie ebea nur
gefunden werden im Inbegriffe „alles Wirklichen^ oder, a
diess zum Gedanken, tm Einheit zusammenzufassen, in der
Idee des Universums« Diese in ihrer PotenÜalilit
ist es daher vielmehr, welche dem Anfange der Logik zu
Grunde liegt ; und die ,^Idee des Absoluten«', welche U e^
gel — gleichviel , ob gehörig begründet , oder nicht , —
jenem Anfange vorausgesetzt zu haben meint, ist näher
betrachtet, in Wahrheit nur die des Universums, und
auch hiermit schliesst sich Hegel in bestimmtester Ueber«
Ueferung an die erste Gestalt des Schellingschen Sy-
stemes. Nur diess kann die »concreto Totatitat^ bedeuten,
welche Hegel in der Einleitung ohne weiteres Bedenken
zu seinem ,)Gotte^ erhebt; und in diesem Sinne sind
auch wir völlig im Stande , in seine Idee des Absoluten
(» des Universums) , als der vorausgesetzten Unterlage
seiner Logik, mit ihm einzugehen.
Wir woUen bei dieser Wendung der Sache den stärk-
sten Nachdruck nicht darauf legen, dass die Logik (Meta-
physik) nun nicht mehr Lehre vom Absoluten sein
könne — «von Gott, vor seiner Schöpfung der Natur mtd
des endlichen Geistes^ — , sondern Weltlehre, die
dialektische Ableitung der allgemeinen Weltformen,
wie sie aUen besondern Erscheinungen der Natur und des
Geistes gemeingültig sind ; denn Gott ist nach jeder gründ-
lichen Metaphysik der Welt immanent; und jene allge-
meinen Weltformen erkennend, werden wir auch Gott ia
irgend einer Beziehung erkannt haben. Das viefanehr ist
die Frage , welche aber bei dieser Untersuchungsweise
gänzlich übersprungen, ja unmöglich gemacht wird, ob Gott
nur dor Welt immanent, ob eine völlige Gleichnog
Anfang derselben. 865
tvisclion bohlen Begrifien zu setzen sei? -*- Zu Letzterem
fistet Vorschub eine Verwirrung der Begriffe^ welche auch
I e g e I , freilich unbewusster Weise , nicht unbenutzt ge4
issen hat, um die Schärfe jener Frage und die darin lie-*
ende Alternative zwischen einseitigem (oder aosschlless^
chem) Pantheismus und einem Uünausschreiten über d^n^
ßlben ) von sich abzuhalten.
Das Absolute, Gott, f&r Grund und Inbegriff
lies Wirklichen zu erklären, wird keine Philosophie^
lieh die theistisch skrupulöseste , Anstand nehmen» Und
o wäre kein Bedenken, also verstanden, Gott des Wirk-^
chen Inbegriff (Universum) zu nennen; es wäre nur
in analytischer Satz, die Definition dessen, was „absolut^
nd „Urgrund^ überhaupt heisst.
Durch die spdralative Ueberlieferung der letztem Sy*
tchie hat jedoch der Begriff des Universums eine weit
usschliessendere Bedeutung erhalten : er bezeichnet den
nbegriff un ser er Erfahrungen, überhaupt den
Bereich und Augpunkt unserer Ansichtsweise von dem
)ingcn. So fällt das Absolute zum Inbegriffe und zur
Einheit dieses Wirklichen , zum blossen Weltgeiste,
loch ausdrücklicher in den concreten Bestimmungen, die
hm beigelegt werden, zum Erdgeiste herab , und im«
ncr meint man noch, durch jenen universalen und unum-
tösslichen Fundamentaibegriif auch in diesem Missbrauchei
foderkt zu sein. Diess ist es nun, was wir auch hier ab
pn Grundirrlhum und die Grundbeschränktheit des Heg ei-
chen Standpunktes, welche aus der Phänomenologie in die
lOgik und die übrigen Theile seines Systemes sich über«
ragen haben, bezeichnen müssen: die Untersuchung über die
Idee des Absoluten^ trägt gleich im Beginne dea
inengenden, jeden freien Aufschwung hemmenden Irr«
fium in sich, dass sie nur die Seite der Weltwerdung Got«
3S im Auge behält, und gar nicht für möglich hält, weil
ie damit den Begriff der Wirklichkeit übei«
aupt erschöpft zu haben sich einbildet, durch
mc über sie hinauszugehen, und die Weltimmanenz
55
866 Hegeb Wissenschaft der Logik:
Gottes 2um Beweise seiner Transscendenz zu
In der Idee des Universums selbst muss die Nothve&dig-
keit gezeigt werden , zu ihrer eigenen Erklärung über se^
hinauszugehen: sie muss in die Idee des Absolntei
als ihres Grundes , zurückgenommen werden , damit sie
selbst nur begreiflich werde, so, wie sie ist Diess Ab-
solute ist nun nicht mehr das nur Weltwirkliche oder das
Untversnm im Sinne letzterer Philosophie, sondern ein ihm
Jenseitiges, ohne dämm weniger wirklich, oder in der
Idee des Universums in seiner weitesten Bedeutung omfiust
zu sein. Der ftilsche Begriff der Transscendenz ist daher
ebenso darin beseitigt — Ist nun die dialektische Nach-
Weisung jenes Ueberganges gelungen, — und sie macht
eben den Inhalt unserer Ontotogie und. die Begründung
ihres Ueberganges in eine dadurch erst möglidie »spe-
knlative Theologie^ aus; *) — so ist das Hegel-
sehe System nicht nur in seinen einzelnen Resuiiateo wi-
derlegt, sondern sein ganzes Princip gesprengt und eine
nmfassendere Grundansicht der Dinge gebildet.
Unter so hindernden Einflüssen jedoch, die in jenem
Principe ihren Grund haben,' konnte Hegels System der
pantheistischen Beschränktheit sich nicht entziehen ; und
Wie aufrichtig er selbst daffir auch bestrebt war , wie si-
cher er meinte, es erreicht zu haben , so lange seine Phi-
losophie diesem Principe unterworfen ist, kann diese Er-
hebung nur für Selbsttäuschung gebalten werden, die eine
konsequente Forschung wieder aufhebt.
Daher ßndet auch eine spätere Erscheinung ihre völ-
lige Begreiflichkeit. Bekannt ist es, wie manche Brklärer
Hegels eifrig bemüht waren, alles Pantheistische aus ihm
hinweg zu erläutern , und desshalb auf den Sinn einzel-
ner Worte und Wendungen zu dringen. Aber man ge-
währte bald, wie man damit eitel Dunkelkeit, Sdbstwidor-
*) Ontotogie $. 2^94 f. S. 510 fT.; ,,z u r spe4LQlatiT ta
Theologie'^ in der Zeitscfaria etc. Bd. IV. H. 4. S. 186. f.,
Bit. V. H. 2. $. 56. S. »27-234.
Anfang derselben. 867
Spruch und Zweifel in das System hineintrage, auch abge-
sehen davon, dass man sich mit den ausdrücklichsten Er-
klärungen und Durchführungen desselben in Widerstreit
setzte. Die spätere, weiter vom Urheber abstehende Ge-
neration der Anhänger hat jene Bedenklichkeiten wegge-
worfen und sich frei und unverhohlen zu den unstreitigen
Konsequenzen des Systemes bekannt. Und in der That,
erst mit dem Vorsatze, in ihm keinen andern Sinn finden
zu wollen, als den sein Princip zulässt, gewinnt im Innern
desselben Alles Zusammenhang , Evidenz , überzeugende
Haltbarkeit: Inhalt und Methode stimmen dann wahrhaft
zusammen und bilden eine gediegene Einheit ; unter jeder
andern Voraussetzung durchaus nicht.
Das System hat zur Aufgabe den rollsländigen Wie-
deraufbau des Universums in denkender Entwicklung nach
dem , was in ihm das Nothwendige, der Begriff, ist.
Sein methodisches Fortschreiten ist die „Dialektik der Sache'^,
die Aufweisung des Innern Zusammenhangs, der zur Tota-
lität sich ergänzenden Einheit, der nothwendigen Welt-
formen , welche das Denken y wie es dieselbe in ihre Mo-
mente zerlegt , so auch aus denselben wieder zu dieser,
nun erwiesenen , zum denkenden Bewusstsein erhobenen,
Einheit zusammenfassen muss. Dass aber das Denken dazu
befähigt , dass es das schlechthin Uebermächtige ist , dem
das Universum sich nicht vetschliessen kann , liegt darin,
indem es selber nur der objektivirte , in seine Momente
auseinandergelegte BegrifF , dais realisirte Gedän-
kenuniversum ist. Hier nun hat es Sinn und gewinnt
Bedeutung , den schlechthin ersten , fundamentalsten und
durchgreifendsten , darum zugleich aber unbestimmtesten
Gedanken aufzusuchen. Und mit Recht hat die Wissen,
schall der Logik auf die Ermittlung dieses „Anfangs'
den grössten Werth gelegt, wie auf die dialektische Ent-
wickhmg alles Uebrigen daraus.
Hiermit beginnt nun für die Kritik des Systems ein
ganz anderer Gesichtspunkt: man kann nämlich über sein
Princip völlig mit ihm einverstanden sein, und dennoch in
8ß8 Hegels Wissenschaft der Logik:
den einzelnen dialektischen Uebcrgangen Lücken oder Irr-
thümer finden ; oder umgekehrt mag man, wie wir io des
Falle sind, über den Rang und die Bedeutung desPrindps
versc^hieden denken, und man könnte doch mil jenem Gange
im Allgemeinen einverstanden sein. Es hat den bi^eriga
Fehden über das He gel sehe System keinesweges zob
Vortheil der Klarheit gereicht , diese verschiedenea Ge-
sichtspunkte nicht unterschieden zu haben. Aar jedea
Fall zeigt sich jedoch, dass eine solche Kritik der einzel-
nen Gedankenbestimmungen und Uebergange nur innerhalb
einer eigenen ausfuhriichen Entwicklung derselben mög-
lich ist. Wir müssen uns hier daher begnügen , auf das
früher darin Geleistete nur kurz zu verweisen.
Jener absolute Anfang ist der Gedanke des reinen,
noch unbestimmten Seins, desjenigen also, welches um
seiner Unbestimmtheit willen zunächst als gleich dem Nichts
zu setzen ist.
Es schwinden an ihm von selbst, oder, was dasselbe
bedeutet, es sind darin unmittelbar enthalten alle Gegen-
sätze , von denen das gewöhnliche Erkennen sich nickt
losmachen kann. Zunächst aber ist der Hauptgegensatz be-
seitigt, dass Etwas, entweder als bloss subjektiv (em
Denken und ein leerer Gedanke desselben), oder als ob-
jektiv (als Realität ausser dem Denken), zu fassen sei
Bloss Erstcres findet hier nicht statt, weil jener Anfang
sich selbst zu' realen Bestimmungen dialektisch fortent-
wickelt, also allerdings sogenannt „Objektives^ und ^Ob-
Jekte^ dann erkannt würden ; Letzteres nicht , da er als
Anfang alles Bestimmens , jeder concreten Realität noch
ermangelt.
Das Sein ist daher nur noch das Nichts, und
dieser zweite Gedanke ist erst die rechte Besämmung, die
Wahrheit, des ersten. Indem das Sein als das Nichts
bestimmt wird, ist daher auch das S e i n noch nicht wahr-
haft gedacht, sondern nur das Sein d es Nichts, die reine,
absolute Negation ist festgehalten. — Bezeichnender Ist es
daher, jenen absoluten Anfang zu charakterisiren als das
Sein, Nfchls, Werden. 869
lOch unbestimmle Subjekt eines Urlheils, das noch nicht
IS zu seiner Copula und seinem Prädikate fortgedacht ist»
«reil dadurch theils der innere Widerspruch des Dabei-
tehenbieibens , die weiter treibende Gewalt jenes Gedan--
Lens, theils die absolute Bestimmbarkeit und dieNothwen-
iigkeit , von ihm aus bestimmend fortzuschreiten , ausge-
iprochcn wird. Sein wird als das N o c h - N i c h t , als
Hcht-Bestimmtes, damit als Widerspruch gegen sich
lelbst, ausdrücklich bestimmt.
Diess die Wahrheit an der Hegeischen Ausfühnmg
Encykl. $. 86—87. Werke Bd. VI. S. 165^171.): dass
edoch dieselbe einen vöUig schiefen Sinn bekomme, wenn
cnes noch Unbestimmtbleiben des ,,Seins<^ in den Sät.
;en ausgedräckt wurde , wie Hegel es thut : ,,S e i n i s t
fleich dem Nichts^ — ,,Sein und Nichts ist
[asselbe^; noch mehr, wenn das Nichts als „die
weite Definition des Absoluten^ bezeichnet wird : — diess
st ausführlich in der Ontotogie (S. 61 — 65.) nachge-
lesen.
Indem aber das reine Sein , „als gleich dem Nichts^
fcselzl wird, ergiebt sich durch die geforderte Ver-
littiung dieses Gegensatzes — (wir haben je-
!och in der eben angeführten Kritik dieser Hegel sehen
^ategorieen gezeigt , dass beide nicht als Gegensatze , als
elativ selb&tständige Existenzen , wonach „Sein in Nichts,
fichts in Sein übergehe« ($. 88, 4. 5.)? sondern Nichts nur
is die nähere Bestimmung solchen Seins gedacht werden
önnen, dass mithin auch keine „Vermittlung^^ gefordert sei)
- die Einheit desselben, der Begriff des Werdens.
BS Werden ist die erste concreto und zugleich wahrhafte
edankenbestimmung: das Werden ist die Grundbestimmung
lies dessen, was ist (S. 175. 76.).
Dieser ursprünglichste Gegensatz von Sein und
iclils im Werden ist es daher, der allem Concreten inne-
ohnt: alles endliche Dasein ist ans dem Sein und Nichts
jsammengeflossen, und beide haben gleichen Theil an ihm.
lies Endliche ist daher der ^daseiende Wider-
870 Hegete Wissenscbaß der Logik:
spruch<<, d. h. es enthält jene entgegengesetzten Bestiia-
inungen, und dieser jedem endlichen Dasein innewohnend«
Widerspruch ist es, der es in seiner Existenz aufreibt und
zu Grunde richtet.
In diesen letzten Bestimmungen der Logik durchdrin-
gen sich jedoch die stärksten Uebereilungen und Begriffs-
verwirrungen« weiche nicht wenig zu den spätem Uaupt-
irrthümem des Systemes beigetragen haben. Dass zuvör-
derst die Kategorie des Werdens noch gar nicht hierher
gehört , weil es einer „Vermittlung^ zwischen Sein und
Nichts überhaupt gar nicht bedürfe, sondern erst viel spa-
ter, in einem weit vermitteltem Zusammenhange ihren PlaU
finde, weil „rein es Werden^ ein völliger Nichtgedanke,
eine undenkbare Ungereimtheit , und im Werden nothwen-
dlg ein Nichtwerdendes, ein Beharrliahes, vorausge-
setzt werden müsse, diess hat unsere Ontologie umständ-
lich gezeigt (g. 12. Anm. II. S. 65—67. vgl. $. 88— 92.>
Aber der scheinbar zunächst nur formelle Irrthum hat
die tiefgreifendsten Folgen far das ganze System. Hegel
ist dem Probleme des Werdens, und dem Widerspruche,
welcher im „reinen (leeren) Werden^ ü^t? n>6 näher ge-
treten. Wie vermag überhaupt ein Seiendes zu werden, in
das Andere seiner selbst überzugehen? Wie kann eine
Inhaltsbestimmung an ihm, die da war, nicht mehr sein,
und eine andere an deren Stelle treten? Diess ist, ganz
allgemein ausgedrückt, das metaphysische Problem, wel-
ches im Begriffe (der Universalthatsache) des Werdens
liegt. Hegel löst es nicht nur nicht , sondern er hat es
sich nicht einm^d in seiner Schärfe und entscheidenden Wich-
tigkeit zum Bewusstsein gebracht. Er analysiri bloss je-
nes Problem, d. h. er legt dem Begriffe des Werdens an-
dere Ausdrücke unter : es ist das sich anders werdende,
sich aufhebende „Etwas^; so aber geht es nur mit sich
selbst zusammen, und stellt sich aus der Negation
seiner selbst zum ^ürsichsein^ her — ist hiermit die
„wahre Unendlichkeil«' (g. 92^95.). Das Endliche
(Etwas) hat sich aufgehoben, als Moment, Ideelles des Un-
Werden. 871
endlichen nachgewiesen, welches das allein Wirkliche^
Affirmative in der unabiasaigen Selbstnegation des Endli-
chen ist. Das Unendliche (Absolute, Gott) ist diess aus
der Vernichtung des Endlichen ewig sich Waederherstel-*
lende, darum Affirmative (S. 186 — 89.)*
Diess ist es nun , was wir sonst schon die Scholastik
und den Formalismus des Hege Ischen Systemes genannt
haben: die eigentliche Schwierigkeit des Problemes (im
Werden) wird umgangen und es nur formell verändert^
andere Ausdrucke ihm untergelegt. Was aber noch mehr
bedeutet, es wird aus demBegrifle der unendlichen Selbst-
aufhebung, des ewigens Vorgehens des Etwas ^ nicht
etwa die Forderung, die No th wendigkeit abgelei«*
let, ein Beharrliches, Niditanfhebbares , „Affirmatives^» al4
darin gegenwärtig , anzunehmen , — wiewohl diess ge«
rade Hegeln dunkel vorgeschwebt haben mag bei je^
ner Gedankenwendung, — sondern diess Sächselbstauflieben
und ewige Vergehen ist das unendlich Affirmative
selbst: das Positive ist nur das unendHch sich neuge-«
bdrende Anderswerden und NichtsSein, d. h. selbst
das anendliche Nichts. Diess leere und sich selbst
widersprechende Argument ist es zugleich , welches als
Hauptpramisse den Hegel sehen Beweisen lur das Dasein
Gottes zu Grunde liegt: denn jenes Unendliche „affirma-
tiver^ Selbstaufbebungen -*- eine baare Ungereimtheit —
nun noch vollends zum Absoluten (Gott) zu erheben, ist
die zweite , ganz unberechtigte Konsequenz.
Die Ursache jedoch, warum sich Hegel diese Will-
kührlicbkeiten so leicht verbergen konnte, liegt nahe; sie
ist dieselbe , welche auch der peikio principü des. ganzen
Systemes von Anfang her zu Grande liegt : es ist der Zir«^
. kel, den wir in ihm nachgewiesen haben, dass er die Re»**
litat der absoluten Idee, welche sich ihm dennoch als Re-^-
sultat ergeben soll, schon unbewusster Weise voraussetzen
muss, um den Beweis dieses Resultates nur beginnen zu
können*
Soauch hier: aU» oaendiichcar Seibaiaufhebung des
879 Hcgüls Wissenschaft der Logik :
Endlichen wird und resullirl in alle Ewtgfc^'l Nichts,
wenn man nicht voranssetzungsweise das posi^
Unendliche mit hinzubringt und jenem unterlegt. Uege)
hat es schon unbewusster Weise, wenn er yon jenem »ch
selbst audiebcnden Endlichen spricht: es ist das bewusst-
los vorensgesetzte Substrat, an welchem er jenes Endliche
befestigt, oder das verborgen bleibende Subjekt jenes
unendlich sich verendlichendcn Anderswerdens; und den-
noch meint Hegel es erst aus dem Begriffe des sich selbst
aufbebenden Endlichen bewiesen zu haben.
Nicht minder falsch und übereilt ist es, von jener
„Selbstaufhebung des Endlichen'', d. h. genauer und be-
hutsamer ausgedrückt, von dem steten Wandel der Prädi-
kate an ihm, sogleich zum „Unendlichen^ (Absoluten) auf-
zusteigen und dies s Z4i dem in ihm sich setzend-
Aufhebenden zu machen. Dazu liegt in jenem Be-
griffe nicht die geringste gründliche Berechtigung: Nichts
Anderes ist in Wahrheit gewonnen , als der Beweis yon
der Nothwendigkeit eines Beharrenden im
Endlichen selber. Was aus diesem die weitere me-
taphysische Untersudiung zu machen vermöge , ist ihr zu
überlassen ; nur zeigt sich , dass wir mit allen jenen (He-
gelschen) Bestimmungen l^r den Bereich des End-
lichen noch gar nicht hinaus sind.- Diese Un-
endlichkeit des Endlichen ist nicht das Absolute. Doch
kann diess nur ein selbststandig ausgeführter metaphysi-
scher Zusammenhang entscheiden; wir verweisen desshalb
auf die Ontologio ($. 89-^1000 in ihrem Uebergange
aus der Kategorie dei^ Negation in die der Limitation,
worin die „Selbstaufhebung^ des Endlichen sich vielmehr
als die Selbstbehauptung seiner Urbestimmtheil auf-
weist; oder auf die Abhandlung „zur spekulativen
Theologie« (Zeitschrift V. 2. S. 164. ff. 171. f.),
in welcher zugleich auf eine bestimmtere Kritik der eben
Meuohteten Hegel sehen •Kategorieen ^gegangen wird.
Und zuletzt noch — dieses Sichanders werden
des Endlichen im. Wandel soll, nach Hegel, der ^Wider-
das Endliche der Widerspruch. 673
sp roch^ sein, an welchem es sich aafhebL ^5ides end<*
liehe Sein (und Denken) ist Widerspruch,, so sehr,
<la8S es Nichts giebt, in dem nicht ein Wider-*
Spruch existirt, der sich aber freilich ebenso
aufhebt«" (Hegels Werke Bd. XVIL S.235.). — Was
soll hier das „ Widersprechende^ sein, an dem sich alles
Endliche aulliebt? Das eben, dass es ein Wandelndes
ist , von andern zu andern Prädikaten fortschreitet,
überhaupt die Einheit von Gegensätzen. Wie Ein-
heit von Gegensätzen zu denken sei , kann jedoch wohl
metaphysisches Problem werden; an sich selbst schon
Widerspruch ist es nicht : am Allerwenigsten für H e-»
gel, dessen Absolutes ja eben als die absolute Einheit
alter Gegensatze zu denken ist. Woher denn also .der
sichselbstaufliebende „Widerspruch^ im Begriffe des
sich anders werdenden Eiuiliohen?
Hier ist Hegeln.einVenktoss begegnet, der iur einen
gründiichen Logiker freilich fast unbegreiflich erscheint:
er hat Gegensatz (Anderssein) mit Widerspruch,
das (logisch) Contrare mit dem Contradiktori-
schon verwechselt. Das Endliche wandelt sich, läuft
durch Unterschiede ab , nicht aber durch Entgegengesetz*
tes, (contradiktori^ch) sich Aufhebendes: Widersprüche ha«
ben keine reale ,' nur ontologische Geltung , um im D e n«-
k e n nämlich i^ch zu ihrer Ergänzung „aufzuheben^. Der
Sinn jenes Hege Ischen Satzes ist einer der verworren-
sten, und zugleich im Widerspruche mit den andern Kon-
sequenzen des Systemes. (Yergl. Ontotogie $. 93. mit
Anm. S. 163—1680.
Wir kehren zurfick in den Zusammenhang der Ho*
g e I sehen Logik , um den Uebergang aus den Kategorieen
der „Qualität«^ in die der ^^Quantität«' nachzu-
weisen.
Das Werden „diirimirt^ sich in Momente des Wer-
dens: in das „Etwas^, welches, anderm Etwas gegenüber,
„Anderes gegen Andere<<, aber, an sich selbst werdend,
ebenso ^ Anderes gegen sich selbst^ ist ins Unendliche.
874 Hegels Wisscnsehail der Logik:
— Diese UnendiichkeH sich aadiebender Anderer ist die
schlechte Unendlichkeit, oder dts Solleii des
Aufhebens des Endlichen, während es doch nie dun
konunk
Was darin jedoch in der Tkat vorhanden ist, ist, dass
das Andere, immer nur zu Aiiderm Werdende, darin nsr
mit sich selbst lusammengeht, im Anders-* und Anders-
werden dtess Eine mit sich selbst bleibt (hier wird
eben jener Begriff des positiv Unendlicben im Anders-
werden eingeschwftrzt), und so darin zum FUrsiciiseia
kommt. „Diese Beaiehnng auf sich selbst« (wessen? —
das ,,sich beziehende* SiÄjekt, dessen Annahme jenen Ge-
danken allein doch möglich macht, wird verschwie-
gen!) „in Uebergehen und im Andern ist die
wahrhafte Unendlichkeit^^ (S. 89—950-
Das Fürsichsein Ist das Unmittelbare, das Eins,
ausschliesseud die Andern. Aber dadurek sein es
sick in Beziehung auf sie, attrahirt sie: die „Repulsion*
ist ebenso wesentlich „Attraktion*,, und das die Andern
ausschliessende Eins oder das Ffirsiohsein hebt sich auf:
es sind viele Eins , aber mit gleichgültiger oder
aufgehobener qualitativer Bestimmtheit, was den Begriff
der Quantität giebt ($. 96—98.).
Dass der wahrhafte Begrifisöbergang keinesweges von
Qualität zu Quantität, sondern umgokehrt von die-
ser zu jener, fortzuadireiten habe, — darüber müssen wir
gleichfalls auf die eigene metaphysisctfe Darstellung (On-
iologie, $. 9, S.Ö50 und das dort nachgewiesene Her-
vortreten der Qualität aus der Quantitit verweisen, indem
jene nur sein könne das die Qnantit&t Setzende und Her\-or-
bringonde (g. 68. S. 127.). Aber auch hier tritt Heg-el mit
sich selkst in Widerspruch *) und auf unsere Seite, indem
er in seiner Naturphilosophie von der „reinen Quantität*
*) Eine Bemerkung, welche wir zuerst in K* Ph. Fischers Idee
der Gottheit S. 24. Note herausgehoben und ausgeführt
gefunden haben.
Uebergang ims Ooaiital in Quantäät 875
des Raumes und der Zeit anhebl, und erst von ihnen $m
zur «MaterieS dem RaumfiUIenden übergeht (EncYkl.
S. 254—61.); — ein Uebergang, den wir real- oder
naturphilosopbisch fiir ebenso unzulässig erUären
müssen, wie wir ihn logisch oder metaphysisch fiir
den einsig richtigen halten.
In der Logik ist der Fortschritt nach Hegels eige^
nem Grundsatee von dem Abstraktem in's Goncretere,
von dem zu Begründenden in's Wesen , in's Princip. Das
Quantitative erweist sich — auch nach Hegel — als da^
an sich Unwahre, als nur die Form des nnmittelbar sich
qnanlitirenden Qnale (das ^specifische Quantum^'):
die specifische QualHät giebt sich eben damit ihr ebenso
specifisches Quantum; Quantität hat logisch (metaphysisch)
somit in die Qualität, als ihren Gnmd, zurückzugehen, nicht
umgekehrt. Desshalb sind die quantitativen Bestimmungen
das in allen Kalegorieen der Qualität Aufgehobene;
d. h. darin gegenwärtig, aber näher bestimmt. Quantität
ist aber dasselbe, was, realphilosophisch ausgedrückt,
Raum und Zeit genannt wird : oder Quantität, als verwirk-
licht gedacht, ist nur als Raum-Zeitliches zu denken, was
zugleich heisst: alles Qualitative schlechthin, verwirk-
licht, ist Zeit und Raum setzend-^erföllend , oder trägt die
raum-zeitlichen Bestimmungen in sich. So hat auch Tren-
delenburg in seinen „logischen Untersuchun-
gen (1840. Tbl, I.) richtig gezeigt, wie in den Ka-
tegorieen der Heg eischen Logik räumliche und zeitliche
Bestimmungen den verschwiegenen Hintergrund bilden, firei^
lieh um eine andere Folgerung zu «machen, als virir nach
dem gegenwärtigen Zusammenhange aie etwa zulässig fin^^
den würden.
In der Naturphilosophie ist dage|fen nicht mehr
der Rückgang vom Abstrakten in*s Wesen zu nehmen : das
absolute Wesen, der Realgnind, auch der Natur, soll ja in
der Logik gefunden sein. Es ist in ihr also nur von der
Nachweisung anzufangen, wie sich das unendlich Reale als
räumlich-zeitliches setzt, d. h. Raum und Zeit zugleicb als
876 Hegels Wissenschaft der Logik:
•
eifUlte. Wir kehren den Grund, welchen Hegel (BncykL
3ie Aufl. S. 235.) fdr seine Anordnung anRihrt , desdialb
gerade gegen ihn: ^Die Natur^ (es sollte vielmehr heis-
sen, die Natorphitosophie, oder philosophische Betrachtimg
der Natur) »flingt darum nichl mit dem Qualitativen , son*
dem mit dem Quantitativen an, weil ihre Bestimmung' nicht,
wie das logische Sein , das abstrakt Erste und Cnmittei-
bare, sondern wesentlich schon das in sich Ver mit leite,
Aensserlich«. oder Anderssein ist«. — Das Aensserlicbsein
zunächst bat mit der Vermittlung Nichts zu thun ; der Geist
ist nach Hegel das AUervermitteltste, weil er das in sich
Gegangene, das Innerlichgewordene jener Aensserlidi-
keit ist
Von dieser verwirrenden Nebenbestimmung Hegels
also abgesehen, zeigt sich , dass, was er eigentlich Recht-
fertigendes anfuhrt , wider ihn spricht. Die Logik, sagt
er , hat vom abstrakt Ersten und Allgemeinsten (so statt
„Unmittelbarsten« sollte es heissen; denn das Unmittelbare
ist nie das Abstrakte) anzufangen : die Quantität ist
aber offenbar abstrakter, als die Qualität *). Die Natur-
philosophie dagegen hebt schon vom „Vermittelten^ an :
Sie hat die BegriiTe der ^antität und des Princips ihrer
Erfüllung schon hinter sich , durch das Vorausgehen der
Logik ; sie kann demnach nicht von der Quantität, als der
leeren , anheben , um ihr Erfüllendes jetzt erst noch zu
suchen. •*- Diess ist öbrigens nicht die einzige Stelle,
wo manHefifol, sein eigenes besseres Princip gegen seine
falsdie Ausfuhrmig wendend, aus sich verbessern kann. —
Quantität ist das reine Sein mit aufgehobener
oder gl eichgüUiger Bestimmtheit: diese aber, in ihre
Momente zerlegt, ist theils, als unter sich befassend
di^ durch jene aUgelmeine Beziehung (Attraktion) verei-
nigten Viele, continuirliche Quantität: — theils eben
so sehr, im Einzehien der>^elen, discrete Grösse. Da-
*) Man vergleiche damit besonders den „Zusatz*' zu der ueuen
Ausgabe der Encjklopädie (Bd. VI. S. 199. f.).
Katcgorieen der OuantitSt 877
her 16st sich die Continuität inncrliob uomittelbar in
Discretion auf, so wie die Discretheit schlechthin in def
Continuität befasst ist. Beides ist Dasselbe^ derBe-*
griiT der Quantität , einmal nur (als Discretes) in sejAev
Gesondertheit, das andere Mal (als Continuität) nur
in seiner Totalität betrachtet ($. 99^100.).
Diese Unterscheidbarkeit ina^halb der Quantität, die
Möglichkeit der Gränze derselben , giebt den BegrifT
des Quantum. Diess aber intensiv, sich verwirklichend,
isi der Grad, in welchem Begriffe eben desshalb dii)
Qualität mit der Quantität zuerst sich zu durchdringen be-
ginnt — Aber der Grad tritt in seinem einzelnen Ffir«*
s i c h s e i n wiederum in das Verhältniss der unmittelbaren
(theils repellirenden , theils aber darum wieder attrahiren-^
4en) Beziehung zu dem andern ihm gleichen Einzel-
nen, und so entwickelt sich hier wiederum, wie oben, ein-
unendlicher Progress , nämlich der unendlich quantita-
tive, d. h. die Möglichkeit einer immanenten Vermehrong
des Quantum in's Unendliche , wie z. & in Raum und Zeit
CS. 101—1060. /
Das Quantum, in Rücksicht der in ihm gesetzten Qua«
lität begriffen, welcher Moment laut obiger Bestimmung
sich in ihm geltend macht, also das qualitative Quan-
tum, oder die Qualität an ein Quantum gebunden und das-
selbe durchdringend , — giebt das M a a s s ^ die endlich
vollkommen vermittelte Einheit der beiden Gegensätze von
Onalität und Quantität, so wie gleich Anfangs das Werden
die Vermittlung des Seins und des Nidits war. ,
Aber das Maass \ durch sich selbst nicht begränzt
(weil jede wahrhafle Begränzung nur entstehen kann durch
dmi zu einem neuen Unterschiede fortgehenden Begriff),
schreitet über sich selbst zu seiner unendlichen Nega-
tion im Einzelnen, in das Maasslose hinaus, und es
thut sich hier wiederum, was wir an Qualität und Quan-
tität schon nachwiesen , auch an der Einheit derselben
der bcgrifflose Progress in's Unendliche hervor, eigentlich
nur eine leere Gedankenbewegung ohne wahrhaftes Den-
878 Hegeb Wissonscimn tier Logfik:
ken, indem grftneenlos , also nach der Seite der nnendli-
chen Mdgiiclilieit iiin, immer nur Dasselbe wieder-
holt, nicht aber elgenUicb begrilbmässig weiter gekom-
»eil wird CS- 107—1110.
Die wahrhaft innere Begransnng jenes Begriffes ist
das Wesen. Es ist das auf sich selbst zurückgehende,
in sich selbst sich bejahende Sein, im Gegen-
sätze eines Andern an ihm selber, weldies eben
negtrt wird, als nicht das wahre Sein: nnd insorem triu
es als Allgemeines , Gleichbleibendes (als ,, W e s e n ■
eben), der unendlich sich aurhet>enden Bestimmtheit in
ihm, als dem Scheine (dem „Unwesentlichen^
gegenüber: nnd in diesem Gegensetzen besteht der ganze
"Begriff.
Das Wesen ist daher Reflexion in sich, das in
sich Borückkehrende und die scheinenden Prädikate Ton
sich ablösende Sein, nnd somit der ganze firühere Be-
griff des Seins , nur zi^leich die Negation des in ihm
gesetzten Negativen hervorhebend. — Aber eben dessbalb
liegt es im Begriffe des Wesens, dass es über sich selbst
hinausgetrieben werde zu einem Andern an ihm. Das
Negative, den Schein in sich, negirend, ist er nothwendqr
ein Reflexißns-, eiii Verhältnissbegriff, und diese
Relation an ihm ist es , was seinen Unterschied von dan
(darum abstrakteren) Begriffe des Seins ausmacht So
wie früher das Absolute als das Sein zu definiren war,
wird diese neue, entwickeltere Bestimmung jetzt gleich-
falls auf jenes übergetragen werden müssen ; und so gäbe
diess die adäquatere (schon um einen Schritt aus der Ab-
straktion heraustretende) Bestimmung: dass das Absolute das
Wesen sei, während das Endliche, — die einselnea
Bestimmungen des Andern gegen Anderes in Srai,
nach der früheren Bezeichnung , — nach der gegenwir.
tigen, das Scheinen, aber das unendliche Schei-
nen ist, welches vom Wesen eben so unendlich negirt
wird ($. 112—14.).
Als jener Verhältnissbegriff ist aber das Wesen zuerst
die Kaieforieen des Wesens. 879
die Identität, die reiae BeEiehviig auf sich zurück: das
Wesen, sich reflektirend, bejaht sich, als identisch mit sich,
als das Eine, überall sich Gleichbleibende. Inwiefern aber
diese Beziehung auf sich, diese Identität, rein formell
festgehalten wird , ist dtess nur die Abstraktion von allem
Besondern, und das Festhalten bloss der leeren Identität
CS- 1150-
So ist das A b s t r a h i r e n wohl das Zurückgehen in*s
Wesen, aber in das Wesen, als rein formelles, vom We-
sentlichen leergemachtes, also an sich nur Negatives;
und die formalen Denkgesetze der Identität und des Wi~
derspruches enthalten nichts Anderes, als die äusserlichste,
unwesentlichste Wahrheit, weil dasWesenh^fte in ih-
nen entleert , auf das Abstrakte zurückgebracht ist ; was
auch die gewöhnliche Logik durch den Ausdruck bezeich-^
net, dass jene Sätze nur als negatives Kriterium der
Wahrheit angesehen werden können.
Eben so seh|r setzt aber jener Verhältnissbegriff der
Identität, als das Zweite, den Unterschied (das Anders-
sein) entgegen, aber nicht mehr bloss als etwas ihr Aeus-
s e r 1 i c h e s , wie es in der Sphäre der Qualität noch sich
verhielt, wo d^m Etwas das Andere nur gegenübertrat, ohne
innerliche Einheit und Vermittelung beider ; sondern hier
ist das Wesen diese Vermittelung, die lebendige Einheit
der Identität und des Unterschiedes. Das Wesen, als Iden-
tisches, tritt in den Unterschied hinein, eben darin seine
Identität, als lebändige, durchführend und bestätigend
($. 116—21.).
Absolut tsl es aber Identität; Unterschied toird es
unendlich : dieser ist das unendlich Verfliessende , das
wechselnde Scheinen am Wesen. Daher ist es schlecht-
hin begründend, d. h. unendliche Unterschiede in sieh
setzend oder in sich scheinen lassend. Die Einheit dieses
Verhätnisses daher , die wahrhafte Einheit von Identität
und Unterschied, ist der Grund. Er ist das Wesen in
seiner Totalität (in der vollkommenen Vermittelung
seiner Gegensätze). Das Wesen, als Grund, ist Reflexion
880 Hegels WissansseliiiR der Logik:
in sich, die unmittelbar zugleich Reflezioii ia Anderes
131 (S. 121.).
Der Grund, sieh eigiessend in den einzelnen Un-
terschied (in das Etwas) , und in demselben sich dar-
stellend, aber innerlich vom Wesen getragen, welches die
innere Einheit des Grandanden wie des Begründeten ist,
— ist die Existenz ($• 123.) — die unmittelbare
Wirklichkeit — das „Ding« ($. 125—28.). In dieser
Vorstellung gefasst , wird das Wesien oder das Absolute
bezeichnet werden können als das Ding an sich, ei-
gentlich nur die leere Grundlage der unendlich ein-
zelnen, (in die Sphäre des Dinges hinausgesetzten)
Unterschiede.^ Das „Ding an sich<^ ist derGrund,
aber noch nicht als unmittelbar wirkender gerassL,
sondern in seiner Abstraktion, als leerer, un bestimmte:
das „Ding% das Etwas (die Reflexion in Anderes am
Wesen) ist ein bestimmtes; es hat Unterschiede , die
im Dinge , nicht an ihnen selbst , die Reflexion in sich
haben, d. h. sie sind Eigenschaften des Dinges, oder
dasselbe hat Eigenschaften. Das Ding, als Wesen,
setzt si-ch wiederum in seinen Eigenschaf-
ten, in dem Etwas an ihm , Unwesentiichkei-
ten gegenüber; ein Gegensatz, wie der von
Materie und Form, Ding an sich und Stoffen,
welche Vorstellungen insgesammt in jenem dialektischen
Verhältnisse ihre Wahrheit haben (§. 129. 30.).
Aber die Existenz, das Etwas aus dem (vronde^
ist, tiefer erwogen, die Erscheinung des Grundes oder
des Wesens selber. Das Wesen , eben als lebendig-
wirkliches, muss erscheinen ($.131.)« Sein Erschei-
nen ist das Hervortreten zur Unmittelbarkeit der Existenz:
aber diese Unmittelbarkeit — was wir vorher auch das
Etwas nannten — ist nicht an sich, sondern nur a m W e«
Sen. Also dadurdi, dass das Wesen es ist, welches exi-
stirt, ist die Existenz, .das unmittelbare Etwas, auch die
volle rückhaltlose Erscheinung des Wesens. Das Wesen
ist daher nicht hinter oder jenseits der Erscheinmig
die Kalegorieen des Wesens. Ööl
KU suchen, was gerade Kant 's Behauptung war, sondern
diese ist ohne Rückhalt das sich verwirkli'*
c hende Wesen selber: — was seit Hegels Logik
mit Recht ein Fundamentalsatz der ganzen gegenwärtigen
Philosophie geworden ist.
Aber eben so e mv eitert* sich das Wesen , in-
dem es Existenz, Selbsterscheinung ist, zum Verhält-
nisse ($. 13'5.) Das Wesen, als Ein und dasselbe, zer-
legt sich in entgegengesetzte Beziehungen an ihm ; es er-
scheint in Entgegengesetztem, dessen identische Einheit es
bleibt.
So ist das Grundverhältniss das des Ganzen und
der Th e i 1 e : das 6 an z e ist nichts Anderes, als die Theile,
nur in lebendiger Zerlegung, Besonderung, erfasst, und die
T heile nichts Anderes, als das Ganze, in' ihre identische
Einheit zusammengefugt , also als nur in Bezug auf
einander möglich. Von jedem Gliede dieses Gegensatzes
wird man unaufhaltsam zum andern getrieben; denn keines
ist ohne das andere^ — und so ist wahrhaft nur die To-
talität derselben.
Aber das Eine oder das Ganze ist eben darum sc t-
eend seine Theile; diese gehen aus seinem Innern her-
vor, als der vollendete Ausdruck desselben: so sind sie
nicht nur Theile, sondern Aeusserungen jenes Innern,
als der Kraft. Wesentlicher ist also dasVerhältnissvom
Ganzen und den Th eilen zu bestimmen, als das der
Kraft und ihrer Aeusserung (§. 136.)*
Die Kraft , als das Ganze , besteht eben nur darin,
sich absolut zu äussern; d.h. die Reflexion in sich
ist unmittelbar und identisch zugleich Reflexion in Ande-
res: (und hiermit sind wir über den Begrifl^ des Grun-
des hinaus, der noch als Inneres, gleichsam Todtes,
nicht auch als unmittelbar sich Vollziehendes, betrachtet
wurde).
Die Wirklichkeit der Kraft ist also die lebendige Iden-
tität von Reflexion in- sich und Reflexion in Anderes, d. h.
der unmittelbar auseinander tretende Gcgen-
66
b^A Hegels Wissenschaft der Logik:
gcseizl, also nnler der Form der Nothwcndigkeit gefasst
wird. Beide Gegensatze sind aber wiederum schlechlhjn
Ei/is : die Wirkung ist nur an der Ursache, und die Ursa-
che nur in der Wirkung wirklich. — Daher ist das
SubstantialverhSItniss vielmehr näher bIs Causalitätsverhalt-
niss zu bestimmen , indem die Substanz sich als absofafe
Ursache gezeigt hat, also' sein Accidentelles aus sich
, selbst als Wirkung setzend. — Diess Verhältniss , auf das
Einzelne und Unmittelbare angewendet, leitet auch auf ein
Einzelnes, als dessen Ursache zurück , welches wie-
derum in einem andern Einzelnen seine Ursache haben
kann, u. s. f. in's Unendliche ; und so thut sich hier wie-
derum der Progress in's schlechte Unendliche hen'or, wie
er schon an den bisherigen Denkformen nachgewiesen wor-
den, als das bloss äusserlich sich Verflachende ihres Denk-
processes.
Diess leitet zunächst in das* dritte Verhaltniss der
Wechselwirkung, als die eigentliche Wahrheit
der beiden vorhergehenden , über (§. 155.). Indem die
Substanz nicht aufgeht in einer einzelnen Ursache und
deren Wirkung, sondern die absolute Macht unendlich
' einzelner ist: so sind diese an ihr in absolute Beziehung
mit einander gesetzt. Jedes Einzelne ist nur , als auf die
andern sich «beziehendes, und eben so diese Beziehung xu-
rückempfangcndes, d. h. sie sind in absoluter Wech-
selwirkung. Und diess ist die lebendige Dialektik der
Substanz, jede unmittelbare Wirklichkeit an ihr in nega-
tiv-positives Verhaltniss zu ihren unendlich andern
Unmittelbarkeiten zu setzen : jedes dieser Momente bedingt
das andere, und wird von ihm bedingt, — Jedes ist nur
in Allem un.d Alles nur mit Jedem, — so däss
eben jener begrifliose Progress in's Unendliche sich in die
Totalität 'eines absoluten Zusammenhangs,
und zugleich sich wechselbedingender Ursachen,
verwandelt. Die Causalität' ist nur als Wechselwirkung,
und erst in diesem VerhältnissbegriiTe ist die Wahrheit der
beiden frühem erreicht. Das Wesen ist, «als Substanz
Uebergang vom Wesen in den Begriff. &85
und als Ursache, vielmehr die Tulalilat ihrer mimiUel-
Laren Wirklichkeiten , in welche es sich hinauswerfend,
dennoch ihre unendliche Wechselbeziehung, organische Ein-
heit ist. — Jenes Werden zu unendlich Einzelnem hebt
sich auf in die absolute Ruhe immanenter Totalität , wo
Jedes absolut in und mit dem Andern ist, Keines also erst
zu werden vormöchte. — ,Die Substanz — das Absolute
— ist organisclic Einheit unendlicher Wechselbeziehung
gen (x6of.iog) , und in diesem Begriffe sind alle bisherigen
vereinigt.
Dadurch ist aber zugleich das Wesen des Begrif-
fe s ausgesprochen, der nun als die Wahrheit alles Bishe-
rigen , als das erscheint , in den das Sein und das W o-
8en dialektisch übergegangen ist ($.158.). Der Begriff als
Allgemeines dirimirt sich, erschliesst sich innerlich zu
Besonderem, und sich besondernd setzt er sich in die
Unmittelbarkeit des Einzelnen über. Damit verliert er
aber nicht seine innere Einheit und Allgemeinheit, sondern
setzt und bestätigt sie gerade in diesem Processe unend«
lieber Vereinzelung. Das Einzelne ist das Allgemeine, in-
dem dicss ein unendlich sich Besondemdes ist, und alle
drei Momente — Allgeraeinheit, Besonderheit, und Einzeln-
heit — schlechthin Eins sind, und in dieser Einheit eben
den B e g r i f f ausmachen.
Das Absolute — wäre demnach nun zu sagen mit neuer
wesentlicherer Definition — ist der Begriff, das ein un-
endlich Besonderes in sich begreifende und in seiner To-
talität vereinigende Allgemeine. — Damit ist aber
der Begriff zugleich das absolut Freie, weil er das nur
aus sich Nothwendige, die unendliche Macht der Sub-
stanz ist« Der Begriff ist für sich die Macht der
Nothwendigkeit und der substantiellen Frei-
heit (§. 159. 160.).
Nach dieser freien Rekapitulation der Abschnitte vom
Sein und Wesen — worin wir zugleich den Kern des
Walireu daraus hergestellt zu haben glauben , — müssen
wir hier jedoch, bei dem Uebergange aus derNothwen- .
886 Hegels Wisscnschatl der Logik:
digkeit in die Freiheit und aus dem Wesen in den
Csubjekt.iven) Begriff einen ^ Augenblick innchaUen,
um uns über die Art dieses -Ueberganges und sein Resul-
tat näher zu verständigen.
„Der Uebergang von der Nolhwcndigkeit zur Freiheil,
oder vom Wirklichen in den Begriff, ist der härtesle*,
sagt Hegel (S. 312.) 9 ^^cil die selbstständige Wirklich-
keit^ (das Einzelne, scheinbar Selbstständige und Für-
sichsciende) „gedacht werden soll, als seine Substantiali-
tat dennoch nur im Uebergehen und der Identität mit der
ihr andern selbstständigen Wirklichkeit zu haben: so ist
auch der Begriff das Härteste, weil er eben diese Iden-
tität selber ist^. — Der Begriff n^imlich ist die ab-
solute Substanz, welche, in jenem unendlichen Uebei^-
hen durch einzelne „selbstständige Wirklichkeiten^ darin
die gegen sie freie, 'über sie hinausschreitende Iden-
tität mit sich bleibt Jene einzelnen Wirklichkeiten
oder Momente des Uebergehens aber sind zwar selbstsstän-
dig, „undurchdringlich* (S. 213.) gegen einander,
aber schlechthin bestimmt (determinirt) aus dem durch sie
hindurchschreitcndcn Absoluten. Diess ist das einzig
Freie in ihnen, und die Freiheit jener besteht allein darin,
sich mit Bewusstsein der sie befassenden Nolhwcndigkeit
zu unterwerfen, sich in die Freiheit des Absoluten hinein-
zufluchten, und die eigene im Bewusstsein der Vereinigung
mit ihm, d. h. mit der Totalität, zu finden. „Das
Denken der Nothwendigkeit ist die Auflösung jener
Härte'' (des Sichunterwerfcnmüssens unter das „Schicksal«);
„denn es ist das Zusammengehen seiner mit sich selbst in
dem andern Wirklichen, mit dem es durch die Macht
der Nothwendigkeit zusammengebunden ist**. — Ueberhaupt
ist es die höchste Selbstständigkeit des Menschen, sich als
schlechthin bestimmt durch die absolute Idee zu wissen;
es ist Spinosa's amor intcllectualis DeL Als für
sich cxislircnd hcisst diese Befreiung Ich, in ihrer To-
talität freier Geist, als Empfindung Liebe, alsGenuss
Seeligkcit (ß. 211. 213.).
der Begriff als das Freie. 887
Alan hat diese Steile gross und das Erhabenste ge-
nannt, was die neuere Philosophie auszusprechen ver-
mochte. Hegel selbst würde sich bescheiden, auf keine
andere Grösse und Erhabenheit des Inhalts Anspruch zu
machen, als wie beide wirklich schon in Spinosa, auf
den er mit Recht sich beruft , vorhanden sind , bei ihm
nur um die dialektische Stufe erhöht, welche Seinen
Standpunkt überhaupt von dem Spinosistischen unterschei-
de!. Auch nach Spinosa ist Gott der einzig freie, weil
allein nach der Nothwendigkeit seines Wesens sich- be-
stimmende ; nach Hegel ist der Begriff (das Absolute) die
AUes bestimmende Macht der Nothwendigkeit, und darum
die „wirk liehe Freiheit^: das Endliche ist nur Moment
dieser allgemeinen Selbstbestimmung und das darin schlecht-
hin Determinirte.
Mit Einem Worte: Hegels Lehre ist in diesem Be-
treff ein schlechthin deterministisches System, hat alle
weitern Folgen eines solchen auf sich zu nehmen und bat
sie in den weitem Anwendungen, z. B. in der Lehre vom
Ursprünge und Wesen des Bösen, eigentlich auch nie ver-
leugnet. Aber es ist diess nicht ein zufälliger Fehler jenes
Systems oder die Schuld einer Unterlassung, sondern die
nothwendige Folge des Princips, das Absolute nur als das
der Welt Immanente, das Endliche nur als vorüberscbwin-
dendes Moment in diesem Processe anzusehen , kurz den
Begriff der Urposition im Endlichen nicht zu kennen;
und in diesem Sinne, wonach die Widerlegung nur in ei-
nem umfassenden metaphysisehen Zusammenhange gegeben
werden kann, haben wir in der Ontologie ebenso die Kon-
sequenz dieser pantheistisch - deterministischen Lehre von
der Freiheit in Gott dargestellt , als aus dem Begriffe der
Urposition im Endlichen widerlegt (Ontologie §.196—
202.), auf welche Ausführung auch in Bezug auf diese Stelle
des Hegeischen Systemes zu verweisen ist.
Aber mit dieser Kategorie des Begriffes, als des
Freien, das in jedem seiner Momente für sich das
Ganze, die Totalität ist ($. 1600, das hiermit in
833 Uegels Wiflsenschail der Logik:
seiner Bewegung: durch diese Momente nicht nur ein Ce-
hergehen oder ein Scheinen in Anderes, sondern EeU
Wicklung ist, indem die Bestimmtheit (das Aa^
ressein des Begriffes) das freie Sein des ganzen BegrifiiES
ist (S. löl.)? hiermit soll auch derUebergang in den sub-
jektiven Begriff gefunden sein (§, 163. ITOy welcher Ak
in seine Momente, das Urtheil und den Sohluss, an^
einander legt, und hiermit den Inhalt desjenigen ausmadit,
was die gewöhnliche „Verstandeslogik^ mit sonstigrem psy-<
chologischen und empirischen Materiale verbunden ($. 161),
für sieh verarbeitet hat.
Der Begriff an sich selbst ist das Absolute (es wird
sich im weitern Verlaufe des Systemes zeigen, dass wir in
der That mit ihm die höchste Hege Ische Definition des Ab-
soluten schon haben, dass keine wesentlich neuen BestioH
mungen im Folgenden hinzukommen; vgl. „Zusatz^ zu
§. 160. S. 316.); er ist das concret Allgemeine ($.164.):
der subjektive Begriff ist dagegen der „formelle^
($. 162.). ^ Wir haben an sich gegen diese Unterschei-i
düng Kichts ; wir fragen vielmehr nur , woher sich aber*
haupt hier die Rücksicht auf einen ^subjektiven^ Begriff
einstelle, bestimmter, wie sie deducirt sei im bisherigen
dialektischen Zusammenhange. In diesem hat sich nar g^
fundcn das Princip der „Wirkli chkeit^' , als das con-
cret Allgemeine,/ sich selbst gebend die Momente des ^B^
sondern^' und „Einzelnen«, und in ihnen als das „Ganze
sich darstellend«. Diess Princip vergleicht Hegel mit dem-
jenigen, was sonst der „Begrifl^ in subjektiver Bedeutung
genannt werdc^ und nennt so jenes Allgemeine selbst den
'Begriff, den „absoluten Begriffe. Dabei wird ausdrücklich
in den erläuternden Zusätzen beigefügt: dass man hier den
Begriff „in einem andern und hohem« (d. b. einem allge-
mein metaphysischen) „Sinne auizufassen habe, als
solches in der Verstandeslogik geschieht, weicher zufolge
der Begriff bloss als eine an sich inhaltslose (?) Fonii
unsers subjektiven Denkens betrachtet wird« (S. 316.).
Hiermit wird jedoch jede Beziehung auf die subjektive
der absolute und der subjektive BegriiT. 889
Bedeutung desselben vielmehr abgewiesen, als darge-
than: und vollends ist nicht abzusehen, wie ein Beweis
von dem Vorhandensein eines begriffebildenden
D enkens in ünserm Geiste dadurch nur in allerentfern«*
testeib Sinne vermittelt sein könne. Der Zusammenhang
alles Bisherigen ist ein bloss metaphysisch er, durch«*
aus noch ignorirend alle Unterschiede der natürlichen und
gfeistigen Dinge, oder, wo deren Erwähnung geschieht, sio
nur als einzelne Beispiele eines allgemein metaphysischen
Verhältnisses, als erläuternde empirische Belege desselben
in die Darstellung hineinziehend. -^ Warum wird die Lo-
gik plötzlich dieser allein hier berechtigten melaphysiscben
Haltung untreu , und springt mit der gewaltsamsten fisTa^
ßaaig eig aXko ysvoq in das Gebiet des subjektiven Gei-
stes, und zwar des in logischen Formen denkenden, über?
Und in der That wird sich — in Hegels Lehre vom
Geiste «^ die rechte Stelle finden, welche dem Denken, als
logischer Thätigkeit , zukommt. Der dialektische Zusam-
menhang der Logik rechtfertigt diesen Uebergriff nicht nur
nicht, sondern schliesst ihn geradezu aus, und ihre ausser-
dialektischen Erläuterungen bemühen sich ebenso sehr,
diesen Gesichtspunkt^ oder dergleichen Einmischungen^ zu-
rückzuweisen , nicht sie zu fördern. Der eigene Zusam-
menhang der Hege Ischen Darstellung verräth daher ge-
nugsam, was es mit diesem „Ue bergan ge^ in die sub*<
jektive Logik auf sich hat; es ist ein völlig heterogener
Auswuchs, dessen Willkühr sich höchstens nur darin
versteckt hat, dass Hegel die allgemeine, von ihm doch
80 eben gescholtene und widerlegte Ueberlieferung benutzte,
bei dem „BegrifTe«', an ein subjektives Denken desselben
sich zu ei-innern, und so nun, auch äusserlich abspringend
genug, die Lehre vom subjektiven Begriffe, ürtheile
und Schlüsse anzufQgen. Und um diese Incohärenz auch
dem blödesten Auge sichtbar zu machen, bedarf es nur, den
* ganzen Abschnitt vom ,5subjek ti v en Begriffe«^ wirk-
lich herauszuwerfen und nun zuzusehen, ob der dialektische
Zusammenhang der Logik 'dadurch Einbusse erlitten habe?
890 Die Lehro vom subjektiven Bc^äTe
Das Ge gentheil findet sich: so gfcwaltsam er
f eßhrl wurde , ebenso gewaltsam ist der Uebei^gang^ voa
seinem Schlüsse aus — („rremdartig^ ist selbsl Hegel
genöthigt, ihn zu nennen, §. 193. S. 360.) — in die Lehre
von der Objektivität des Begriffes ($. 19H. &.), die in
der That auch so nicht begreiflich tu machen ist, segleidi
aber sich von selbst einlebt, wenn man den Uebeigsng ii
die Objektivität des Begriffes unmittelbar hervor-
gehen Ifisst aus der Lehre von der Totalität des Begriffes, ak
des concret Allgemeinen, oder, mit Ueberspringimg der da-
zwischen fallenden §$. der subjektiven Logik, den $. 193. un-
mittelbar aufs. 161. folgen lässt. Beide bilden einen so öli-
gen, lückenlosen Zusammenhang, — der Begriff, der sidi als
die Totalität^ erwiesen hat, in der jedes der Momente das
Ganze ist ($. 166.) , ist damit auch der unendlich sich
^r ealisirende^ (S- 193.)) worin ^das Allgemeine diese
Eine in sich zurückgegangene Totalität ist, deren Un-
terschiede ebenso diese Totalitat sind% während diese
Unterschiede „durch Aufheben der Vermittlnng^ als ^un-
mittelbare Einheit, als Objekt^, zu bestimmen sind,
— dass der letztgenannte §. nur als die Wiederaufnahme
und Umschreibung des ersten anzusehen ist, und von dea
dazwischengeschobenen „subjektiv logischen^ Bestinrniongen
— als von einem solchergestalt von selbst sich verralhen-
den hors d'o euere — keine Notiz genommen wird,
ebenso wenig, wie diess im folgenden Zusammenhange der
Logik geschieht.
Diese Entdeckung ist aber entscheidend für das Schick-
sal der Heg eischen Logik: nicht nur, dass dadurch* das
Ebenmaass ihres dialektischen Rhythmus aus allen Fugen
getrieben wird, es entsteht aus der Nothwendigkeit, diesra
Theil von ihr auszuscheiden, noch weit mehr eine sadiUche
Lücke der schwersten Art im ganzen Systeme. Wie ganz
ungehörig jener Inhalt der* subjektiven Logik auch in den
metaphysischen Zusammenhang eingeschoben sei; in den
spätem Theiie, der Philosophie des subjektiven Geistes und
in dessen psycbologiseber Entwicklung, kann er keine SteUe
ist auszuscheiden. 891
finden, weil er in.derTbat nur der formelle, die allgemci-
vicn Unterschiede und Stufen des Denkens enthaltende,
ist. Wohin nun also mit ihm ? Dahin, wozu er eigentlich
2u gehören, durch die Sache selbst Zeugniss giebt : zu der
IfVissenschaft vom Erkennen, deren allerwesenllichslcr
Gehalt doch die Genesis des d e n k e n d e n, und zwar des
spekulativ denkenden, Erkennens sein wird.
Soll daher die Hegeische Logik, als das, was sie ist,
als Metaphysik, Ansprüche auf Fortexistenz machen,
freilich mit vielfachen Umschmelzungen ihrer gegenwärli-
gen Form; so ist es nach ihrem eigenen Ergeb-
nisse nur möglich, indem sie eine spekulative Wissenschaft
für sich voraussetzt , welche theils die bewusstlosen Vor-
aussetzungen, auf denen ihr Anfang und Fortgang beruht,
ziim Bewusstsein bringe und begründe, theils den ihr selbst
überschüiSsigen und widerstrebenden Inhalt in sich aufnehme
und ihm die rechte Stätte gebe. Die eigenen Bestandtheile
des Hegel sehen Systemes drangen sich auseinander und
fordern an sich selbst schon eine neue Umgestaltung.
Aber Hegel hat ja vielmehr die metaphysische
Bedeutung der logischen Formen des Begriffes , ürtheils
und Schlusses dargethan : wie ist daher diesen , als den
Formen ( Kategorieen ) der absoluten Vernunft, das
Recht zu bestreiten , auch in der Metaphysik ihren Platz
zu behaupten ? Absfrahiren wir nämlich nur von der Weise,
in welcher wir gewohnt sind, die logischen Formen als nur
subjektive zu denken, und erinnern wir uns, dass derBe^
griir, als das absolute Princip derWirklichkeit, von
der Logik gerade erwiesen werden soll: so werden wir
sogen müssen, dass auch der Schluss (die entfaltete Solbst-
darstellung des Begriffes) das Allerobjektivste und Wirk-
lichste sei, weil der Grund alles Wahren und Wirklichen.
Das Absolute ist der Schluss, oder in anderm
Ausdrucke: Alles (Wirkliche) ist der Schluss. Alles näm-
lich ist der Begriff, welcher sich den Unterschied sei-
ner Momente giebt, so dass seine Allgemeinheit durch
die Selbstboson derung hindurch sich zum äusserlich
893 Die Lehre vom subjektiven Begriffe
Realen, Einzelnen macht: oder umgekehrt ist da^
Wirkliche ein Einzelnes, das durch die Besondening
dos Allg-emeinen, als seines Princips, dessen Gegenwart ist,
und sich mit diesem ^zusaromehscbliesst^. Der absolute Fro^
cess alles Wirklichen ist daher dieser logische Verlauf eines
Schlusses , in dem die Momente auseinandcrireten , darin
aber vermittelt und so zum Schlüsse, zur concreten Einheit,
aurgehoben sind; und zwar erweist sich näher alles Vemünr-
tige als ein dreifacher Schluss , indem jedes der drei
Glieder desselben ebenso wohl die Stelle eines Extremes,
als des piecUus ferminuSy des Vermittelnden, muss einn^*
men können , so dass jedes Glied, indem es die Schluss-
Vermittlung mit den andern Extremen zusammenschliesst,
eben darin sich nur mit sich selbst vermittelt, sich
producirt und erhalt. Das universalste Beispiel dieses Schlus-
ses ist daher der Organismus undf das organische Leben;
und erst durch diese dreifache Vennittlung derselben
terminorum kann ein Ganzes in seiner Organisation wahr-
haft verstanden werden. Der Begriff und der Schluss, bia
auf die Scblussfiguren herab , haben daher metaphysische
Gellung und gehören in die Metaphysik.
Diese (anscheinende) RechtfertigungH egel s, durchgreifend
und sachgemass, gicbt jedoch vielleicht Veranlassung, einen
noch tiefem* Blick in das Wesen seiner Lehre zu thun. Zu-
wachst müssen wir erinnern, dass eine so reingehaltene me-
taphysische Behandlung der logischen Formen dann auch die
unvollkommenen und sich selbst aufhebenden Gestalten der-
selben, die sie im subjektiven denkenden Bewusstsein an-
nehmen , ganz hatte ausscheiden müssen : die sich selbst
widerlegenden, unwahren Urtheiis- und Schlussformen ha-
ben eben desshalb keine objektive Bedeutung,
i$ind nicht Formen des objektiv Wahren und der Wirk-
lichkeit; ~ so das „qualitativ e Urtheilc" ($. 172.f.),
so der „unmittelbare Schluss«^ ($.182.7.), der sich
durch alle seine SchlussOguren als der unwahre, zufallige,
in einen unendlichen Process auslaufende , mithin begrifis-
lose, erweist.
ist auszoschcidcn. 893
Wie gelangen daher diese unwirklichen , objektiver
Wahrheit entbehrenden Formen zn einer Stelle in derMe-
t a p h y s i k , zudem noch , zu einer ausdrücklichen Ab*
leitung-, d. h. zur Aufweisung ihrer Nothwendig-
keil? — * Darum , weil sie allerdings auf Nothwendigkeit,
oder besser auf Unvermeidlichkeit, Anspruch ha-
ben , aber nicht unter den metaphysischen Weltformen,
sondern in der Entwicklung des Erkennens, wel-
ches sich bcgriffebildend , urtheilend und schliessend, sei-
nerseits erst aus dem Unmittelbaren, Zufälligen, als seinem
Anfange, herauszüläutern hat. Was al;so lur die metaphy-
sische Dialektik nicht nur ein U^berflussiges , sondern ein
absolut Ungehöriges und Ungereimtes bleibt , hat für di6
erkcnntnisätheoretische die sicherste und nothwendigste
Bedeutung; Hegel hat nur diese mit jener zu einer un-
vertraglichen Mischung zusammenfliessen lassen , die ihr
Ineinanderbleiben kaum langer wird fortsetzen können.
Das Unvermögen, jene logischen Formen rein metaphysisch
zu halten , wie* es Hegel gezeigt hat , und der Selbstwi-
derspnich, in welchen er sich dadurch verwickelt, deuten
daher auf eine tiefere Ungenüge im Principe des Syste-
mes selber hin. Und diess ist nun näher zu zeigen.
Das Absolute ist der in seine Momente, als besondere
Existenzen, sich auslegende, diese sodann jedoch vermit-
telnde, d. h. in ihnen sich nur mit sich selbst ver-
mittelnde BegriiT, oder der ^chluss; späterhin wird
es aus diesem Grunde heissen: er ist die „absolute
IdeeS der „Geist^. Und es sollen diese logischen Be-
stimmungen nicht nur vergleichungsweise gelten , als eine
erläuternde Analogie, sondern sie sollen durchaus zutreffen
und die allereigenflichste Bedeutung des Standpunktes cha-
• rakterisiren. Alles Einzelne , Endliche , wird dadurch als
nur „ideeller Moment^ bezeichnet, dem das Allgemeine als
Dilrchdringendes, es in' die eigene Totalität Einordnendes,
gegenwärtig ist, und es in sich aufhebt. So ist das Allge-
meine der lebendige Begriff, in diesem Wechselbezie-
hen seiner Momente ganz nur ideelles Thun , welches
894 Das Ab.:olutc, als der BogrilT:
dennoch einziger Grund des Realen ist Der Standpunkt
ist Idealismus (vgl. Encyklop. Zusatz zu §, 160.
Bd. VI. S. 315.), oder- nach einer später erfundenen, noch
treffendem Bezeichnung, Monismus des Gedankens.
Aber damit kündigt sich schon hier das Halbe , Un-
ausgeführte, darum Paradoxe und Unverstandliche, des gr^n*
zen Prin Olpes ah, weiches die weitere Ausführung H e g e 1 s
im Systeme selbst , wie in den Nebendarstellungen der
^Religionsphilosophie^ und „der Beweise vom Dasein Got-
tes^, zwar umhüllt und unter Verzierungen versteckt, doch
keinesweges gcdankenmössig ausgeglichen hat. Die Defi-
nition des Absoluten , als des absoluten Begriffes
($. IbO. S. 316.), leidet an einer doppelten Unverständlich-
keit, einer grossem^ als welche durch den Uebergang in
die folgende Definition, die nun selbst die „absolute^ oder
^höchste^ sein soU: das Absolute sei die Idee, als die
Einheit des Begriffes und der Objektivität
($. 2130i — ausgeglichen zu werden vermag.
Zuerst ist es die gewaltsamste Abstraktion, welche
sich durchaus jeder Vorstellung oder eigentlichen Begreif-
lichkeit entzieht, den Begriff, d. h. einen durchaus be-
stimmten Gedankeninhalt, der jedoch, als allgemeiner (ge-
ntM), ebenso Gedankenunterschiede in sich zulässt, und auf
diese Weise durch Denken in seine specifische Unter-
iK^biede zerlegt werden kann , nun solchergestalt zu hypo-
slasiren, dass ihm eine selbstsländige Existenz, ebenso das
Vermögen, sich diese Unterschiede, als. reale Momente,
selber zu geben, beigelegt wird. Soll ^BegrifT^ und „spe-
cifischer Unterschied^ hier mehr sein, als ein Wort ohne
allen verständlichen Sinn ; so kann er nur im Denken
existiren, und nur das Denken kann ihn zu jenen Un-
terschieden fortbestiinmen. Wir haben also zuvörderst dem
^absoluten Begriffe^ ein Denken vorauszusetzen, in wel-
chem der Begriff existirt , nur, indem er von ihm ge-
dacht wird: ein Begriff als „Ding an sich<^, vollends
als ein sich selbst denkender und in die Momente
seiner selbst sich entäussernder, darin aber, als in
Hegels Idealismus oder Monismus. 89fi
Schlüsse, [sich mit sich vennillelnder , — alles Diess
sind y in dieser Ausdrücklichkeit genommen , bedeutungs-
lose Worte , leere Gespenster eines roh phantasirenden
Denkens , und auch darin den Phantasmen gleichend ,
dass man am Ende nur die Wahrheit derselben ver-
sichern, den Glauben an sie fordern, kann. £s isü
der Aberglaube an das Abstrakte, den wir schon mehr
als einmal als das Grundgebrechen heutiger Philosophie ge-
schildert haben : er hält seine Gedankenspekulationen nicht
selten gerade darum für wahr und tief, \^eil man mit ih-
nen im Uny^ständlichen und Nebulosen zu bleiben genö-
thigt ist.
Diese Unverständlichkeit steigert sich sodann noch,
wenn wir, wie hier vorgeschrieben wird, diesen ,jBegriir*
als das Absolute, und das Universum , in seinen gegensei-
tig sich setzenden und zur harmonischen Totalität sich er^
gänzenden Unterschieden , als den .in seine ideellen Mo-
mente sich auslegenden und in ihnen mit sich selbst sich
znsammenschliessenden Begriff zu denken versuchen. Hier
haben wir nicht bloss, wie so eben, ein Denken vor-
auszusetzen , welches den Begriff in seinen Unterschieden
iviederfindet und beide Momente subjektiv in sich zusam-
menfasst, sondern hier wird das Denken zugleich viel-
mehr als eine real objekttvirende, weltschöpferische Macht
vorausgesetzt. Das Universum ist der durch ein weltschaf«^
fendes Denken realisirte Begriff, nicht der sich sel-
ber schaffende, ^ was eben ein Selbsimissverstandniss
der Abstraktion bleibt.
Hat sich hiermit diese eine Voraussetzung als verschwie-
gen oder übersprungen gezeigt, so tritt dazu noch die anr
dere : diess weltschöpferische Denken nämlich, — wenn wir
auch nur im ersten Anlaufe und ohne tiefere Begründung es
alsErklärungsprincip des Wirklichen zugeben wollen, um dem
Verstandnisse der H e g e 1 sehen Lehre überhaupt näher tre-
ten zu können, — wäre an sich selbst ebenso wenig zur
Verständlichkeit zu bringen , wie der ^absolute Bognil^ es
war, ohne abermals höhersleigend ihm ein denkendes U r-
890 (las Absolute
Subjekt vorauszusetzen, welches^ indem es die objektivn
Weliuntcrschiede aur einander bezieht , und in die Einheit
des Weltganzen zusammenfasst, sie damit zuvor in der Ein-
heit seines Solbstbewusstseins tragen ^ und darin msaoH
menkalten muss. Ohne selbstbewusstes , sich in der Ein-
heit der Selbstanschauung wissendes, Ursobjdit iä
auch keine Einheit des Weltdenkens möglich. ^Abso-
luter Begrifi^, ^unendliche Idee% ^absoluter C^ist* u. dgL
werden so lange völlig sinnlose Worte bleiben , bis nidit
zu jenem abschliessenden , sie verstandlich macheodei
Begriffe vorgeschritten worden ist Diess ist aber von
Hegel nirgends geschehen; er hat sich begnügt^ in den
nebelhaften ZwischenregioneA jener Vorstellungen stehen
zu bleiben, und ihnen die aus jenem hohem Begnfle flies-
senden Bestimmungen stillschweigend, wo es nöthig schien,
unterzulegen. Wir werden nämlich sehen , dass er, —
wahrend die Kategoriecn seiner Logik nirgends über jene
abstraklen und unpersönlichen Begriffe vom Absoluten hin-
auskommen, — wie ihm auch sonst die Hauptübei^gänge der
Logik fast sämmtlich mtsslungen sind , so nun auch bei
dem Punkte der grössten Schwierigkeit, -bei dem Ueber-
gange in die Naturphilosophie, nicht davon freizusprechen
ist , Bestimmungen einzumischen und durch diese jenen
Uebergang herbeizufuhren, welche nur zulässig sind, wenn
tlfe „absolute Idee^' auf ganz persönliche Weise gedacht
wird. Kurz, Hegel schafft sich Hülfe durch ein Princip,
welches er sonst gerade verschmäht und verleugnet«
Diess trifft jedoch einien der Cardinalpunkte des Sy->
Sternes ; wir müssen desshalb dem Beweise unserer Be«-
hauplung näher treten. —
Der „Begrifft hat- sich, laut dem Bisherigen, mit der
„Objektivität" ausgeglichen: daraus ergiebt sich die Idee,
als die absolute Einheit des Begriffes und der Objektivität,
das Wahre „an und für sich^. Die Definition des Ab-
soluten, dass es die Idee sei, ist selbst nun absolut,
und alle bisherigen Definitionen gehen in diese zurück.
Das Absolute ist hiermit die Eine und allgemeine
fils die absolute Idee. 897
1d<^c^ welehe ur-lheilend sich zum Sysleme der be-
slimniten Ideen besonderl, die aber nur diess sind, in die
Eme Idee, als in Ihre Wahrheit, zurückzugeben : (sie sind
die ^ideellen Momente^^ an derselben). Uiermil ist die Idee
zunächst nur die Eine, allgemeine Substanz, Grund«
la^e aller Besonderungen : aber sie giebt sich, da sie we-
sentlich „Processi ist, selber diese Besonderungen Inder
„Form dusserlichen Daseins^, und nimmt sie ebenso
in sich zurück , indem sie in ihre Idealität , als in ihre
„Macht'', eingeschlossen sind, und so in ihr erhalten
werden. Ihre entwickelte, wahrhafte Wirklichkeit ist
daher, dass sie zugleich als ^Subj ek t*' und so als „6ei$t<'
ist. Ihre Subjektivität ist eben die unendliche Neg a-
t i V i t d t , mit welcher die Idee über jede ihrer Besonde-
rungen 'hinüberschreitet, sie aufhebt in ihrer ideellen Macht,
zugleich aber darin aufbewahrt und In die neue, höhere
Gestalt mitnimmt , um sie als geistiges Element dersdben
ihr einzuverleiben. Das ist der Sinn des ^Processes^ der
absoluten Idee , welcher eben dadurch ein geistiger wird,
gleichwie die absolute Idee darin die ȟ bergreif ende
Subjektivität^, «ewige Lebendigkeit und ewiger
Geist ist ($. 213-216. S. 385—91.). .
„Indem diese gedoppelte Bewegung^ — des Eingehens
in den unendlichen Unterschied und des Insichzurückneh-
mcns desselben — „nicht zeitlich , noch auf ii^end eine
Weise getrennt und unterschieden ist, ist sie das ewige
Anschauen ihrer selbst im Andern; der Begriff, der *
in sehfier Objektivität sich selbst ausgeführt hat, dag
Objekt, welches innere Zweckmässigkeit, wesenU
liehe Subjektivität ist« (S. 389.)*
Wir heben diese aus einer Anmerkung entnommene
Stelle, worin zuerst „der ewigen Selbstanschauung« der
Idee beiläufige Erwähnung geschieht, wörtlich aus, weil
sie in mehr als einer Beziehung charakteristisch ist. Zu^
nächst erscheint schon auffallend, und fremdartig dem Cour
texte alles Bisherigen, beigemischt, jenes „ewige Anschauen
ihrer selbst im Andern«, weiches der „gedoppelten Bewe»
57
898 Das Abftolotc ,
gtmg^ beigelegt wird. Sehen wir auch ab von dem Unbe^
Mfeaen und Unkorrekten dos schriDsleHerischen Avsdmcfcs,
itr dag Angehauen auf die ^Bewcgnng^^ selber bestebl,
itatt aur die in ihr sieh bewegende absolute Idee: so ist
^es doch nicht minder sinnlos oder dialektisch iückenhafi,
•der absoluten Idee , bloss darum , weil sie »in dieser ge-
doppelten Bewegwig^ ganz in ihr Anderes, den Unterschied,
eingeht) aber, über diesen hinausschreilend , ihn in einen
andern (desshalb auch hohem oder vermittelbaren) Unter-
schied mitfortnimmt , — bloss aus diesem Grunde ihr ein
Anschauen ihrer selbst im Andern, diese intel-
lektuelle That selbstbewusster Persdniichkeit,
beizulegen. Dass diess „Anschauen^ jedoch keinesweges
ausdrücklich, sondern in symbolischem Sinne oder als ent-
fernte Analogie gedeutet werden müsse , — daruBoi aber
in diesem streng wissenschaftlichen Zusammenhange nur
verwirren oder täuschen könne — zeigt der wei-
tere Zusatz, wodurcli jene vorübergehende Hinweisuiig auf
einen persdnlichern BegriiF von der absoluten Idee sogleich
wieder zurfidcgenommen und in die ganz abstrakte Auffas-
sung versenkt wird : dass die Idee in dieser (selbstan-
schauenden) Objektivität „die innere Zweckmäs5ig>-
keit^ gewinne, was eben ihre „wesentliche Subjekti-
vität^ sei. Wäre es mit jenem Anschauen seiner seihst
nur irgend Ernst, oder es wörtlich zu nehmen; so würde in
Hegels Sinne daraus mehr folgen, als er zu behaupten
gedenkt , dass z. B. auch kein Lebendiges (als „die
Unmittelbarkeit der Idee« $.216.) sich ohne S^st-
anschauung, mithin Selbstbewnsstsein, denken lasse, was an
sich absurd, und das direkte Gegentheil der eigenen He-
gel sehen Ausführungen über diesen Begriff sein würde.
Midiin ist jener Begriff des ewigen Selbstanschauens
der absoluten Idee nicht nur nicht erwiesen und den Ka-
iegorieen der Logik eingereiht worden , sondern das Ge-
gentheil hat sich ergeben : die gänzlidie Unmöglichkeit, aus
so abstrakten Bestimmungen, wie die Logik allein sie kennt,
'leinen Uebergang zu finden in eine ihr so gänzlich fremd-
als die absolute Idee. 899
leibende Aulhssong. Ganz ebenso verhält ag sich pil
IM1 Prädikaten: „Subjekt««, »ewiger Geist«, wc^lche der
bsohiten Idee im weitem Verlaufe beigfclegft werden; es
ind nicht Kategorieen, dialektisch erwiesene Denkbestim-
lungen, sondern fem anklingende, unverstandlich bleibende
Lnalogiecn'fur höchst abstrakte Begriffe: ja Hegel Ist
lit ihnen der Sache nach kaum über die altern Fichte-
ehen Ldiren hinausgekommen, der gleichfalls behauptete:
dass der Materie nach die Gottheit lauter Bewusstsein,
eine Intelligenz, geistiges. Leben untfThfitigkeit sei; die-
;es Intelligente aber in einen Begriff zu fassen und m be-
;chreiben , wie es von sich selbst und Andern wisse , sei
schlechthin unmö^ch« *). Für Fichte jedoch blieb, sei-
lend damaligen Standpunkte gemdss, noch der Ausweg da-
sei, ausdrucklich an die Unbegreiflichkeit dieser Vorstd-
ungen appelHren zu dürfen , und ihrer, als unvollkommner
\nalogleen , sich völlig bewusst zu sein, was Hege TA
licht zu Gute kommt*: iur ihn bleibt das Subjektive , Gei-
stige, Gottes ein Unbegreifliches weit sdilimu^erer Art, ein
Gedanke y den er in der That nicht zur Ausdrücklichkeit
des logischen (metaphysischen) Begriffes zu erheben, dia.
lektisch auszufahren im Stande war , sondern sich begnü-
gen musste, ihn den weit hinter ihm zurückbleibenden Ka-
tcgorieen nur erlftuterungs- und sprungweise einzupassen.
Von Geist und Subjekt in ausdrücklichem Sinne kann bei
Hegel nur da die Rede sein , wo sich Gotl in mensch-
lichen Subjekten und in deren Selbstbewusstsein objektiv
wird •♦). — *
So ist nun -— uro in den onierbrodienen Zusammen-
*} Picht«'« Leben und Briefwechsel U. S. 308. Ge-
richtliche Verantwortungsschriften, S. 43. 4b6.
Appellation an das Publikum'S. 98. ff.
**} Bei diesem ganzen Abschnitte ist übrigens zur weitern Ausfuh*
rung auf die Abhandlung: „zur spekulativen Theo-
logie« (Zeitschfift etc. 3d. V. H. 2. J. 5t. S. 220 ff)
zu rerweisen.
000 ' Das Absolute^
•
hang surftckzukchrtn , und alle bisherlgea Bcsfiinniiii^gm
der Logik zu^aroincozufaascn — die Idee der unendlicho
P r o c e s s , weM ihre Idenlital nur die absolute und freie
des Begriffes ist, insofern sie die absolute Ne^livttat und
d a h Q r dialektisch ist Sie ist dtgr Verlauf, da|S der Be-
griff , als die Allgemeinheit , welche Einzelnheit ist , sich
selbsl zur Objektivität bestimmt, und diese Aeusser-
licfakeit, welche den Begriff zu ihrer SuiMstanz hat, durch
ihre immanente Dialektik in die Subjektivität zurückf&hrt.
— Sie ist daher mf lebendiges Schliessen , • indem sie die
Homettte des Schlusses zuerst in ihrer Gesondertheit set-
zend, sie wiederum zusammenschliesst und vereinigt Da-
durch setzt sie sich^ als das Ideelle, ganz und ohne Rück-
halt in die Realität hinüber, welche die vollkommene C^dä-
* quate) SelbstdarsteUung der Idee ist ($. 315.)-
Alles Wirkliche ist daher, insofern es einWah-
re s ist, die Idee , und hat seine Wahrheit allein diurcli
und kraft der Idee. Das .einzelne Sein ist irgend eine
Seite der Idee; für diese bedarf es daher noch anderer
Wirklichkeiten , die eti^ra gleichfalls als besonder^ fuc sich
bestehende erscheinen; in ihnen zusammen und in ihrer
Beziehung ist allein der Begriff (die ideale Seite der Idee)
realisirt Das Einzelne für sich entspricht sei-
nem Begriffe nicht; diese Beschränktheit
seines Daseins macht seine Endlichkeit und
seinen Untergang aus. — Indem die Idee in das
Dasein tritt , wirft sie ihre Momente ans einander ; da sie
aber deren Grund und Wesen bleibt, so ist sie in ih.
nen, und als in ihnen ist sie bestimmte Idee. — Das
Absolute aber ist diese allgemeine und Eine Idee, wel-
che eben so sehr das System der bestimmten Ideen ist,
und in welche diese als in ihre Wahrheit zurückgehen
(S. 213.).
. Dadurch wird Eines Theiis das Wirkliche versöhnt
mit dem Ideellen, — was die eigentliche Aufgabe aller Spe*
kulation, ja alles wissenschaftlichen Erkennens ist, ini Wirk«
liehen die Idee , das Vernünftige , nachzuweisen : andern
als die absoluta Idee. 901
Thcils wird daHn der Begriff erkannt und gerechtFertigt
iiaoh seinen beiden Seiten, der subjelitiven , welche sicli'
Objt^lctivüSt giebt^ Als solcher ist er die Idee, welche
hicmaph als Subjekt-Objekt, Einlieit des Ideellen und Rea-
len , des Bndlichen und Unendlichen , dea Seele und des
L.cibes , als dasjenige gefasst werden kapn , dessen Natur
nur aU existirend begriffen werden muss, weil in
ihr alle Verhältnisse des Verstandes, aber in ihrer unend-
l i c h e 1^ Rückkehr und Identität mit sich , enthalten sind
CS-*'214.). — Die Hervorbringutig der endlichen Dinge und
Gog-ensätze ist selbst diese <bewusstIos «r^ale) Unterscheid
tlung des Einzelnen vom Allgemeinen , welche der i>Ver-
6tnnd<< in uns Intellektuell vollzieht; aber ebenso wie die
^VernunH^^ diesen Gegensatz, als den unwahren, in unserm
Erkennen wieder aufhebt, so ist sie auch real (bewusst-
los) die objektive Dialektik , „welche dieses Verständige,
-Verschiedene, über seine endliche Natur und den falschen
Schein seiner Selbstständigkeit wieder verständigt und in
die Einheit zurückfuhrt^^ (S. 389.). Jene subjektiven Er-
kenntnisstbaten unseres (trennenden) Verstandes , wie un-
scröt (vermittelnden) Vernunft, sind keincsweges die tin-
sern, und- zwar in dem doppelten Sinne nicht, Indem so--
wohl subjcktiv-bcwussl , als objektiv-waltschdpferisch oder
bewossUos , es nur dia Eine allgemeine «Idee ist^ die in
Bcidciu ihren absoluten Process voilzicht Das Ge*-
'wicht dieser Sätze für die ganze H egoische Grundan-
sicht wird erst am Schlüsse des ganzen Systemcs hervor^
treten.
Die Idee , als Process , durchläaft in ihrer Entwiche-
lung drei Stufen: das Leben, die Idee in ihrer Unmittel-
barkeit, sodann das Erkennen, welches in der gcdop-
Igelten Gestalt der theoretischen und praktischen
liice erscrlieint. Dieser Process des Erkennens hat zu sei-
iinn Resultate die Wiederh erste ll^ing der durch den
Unterschied bereicherton Einheit: diese ist die dritte
Sture, die der absoluten Idee, „welche sich zugleich
ais das wahrhaft Erste und nur durch sich selbst
902 Die Idee , als Leben.
Seiende erweist« (Zusats, S. 391.)- — Wir mftwen diese
wichtigen Beslimnningen naRer erwägen.
Das Lebendige kündigt sich rnsofem an, ab dif
Unmittelbarkeit der Idee tf .* 216—18.) , als der Lebest
process die imiianente Teleologie', der sidi seihst erfol-
iende nnd in sich zuräckkebrende Zweck ist. Und dies
iwar auf do|^lte Weise: das lebeadige Indi vidaaB
erhalt sich aus dem Negativen einer ihm gegeodbefsldkai-
iten aaerganiscken Natur ($. 219.): aber, als diesa Un-
mittelbare, ist es selbst zugleich vielmehr vermiltclL
Bs isl Erzeugtes durch den Process der Gattung, der
es in seine allgemeine^ Macht aufhebt and durch aOe Eia-
zelnheiten nur die Gattung, als das wahre IndiTidaum,
erhalt. — Das Leben verlänfl sich hiermit nur zonächst ta
die sehfechte Unendlichkeit des Processes in*« Unendlidie.
„Was indess dem Begriffe nach durch den Process des
Lebens zu Stande kommt , ist die Aufhebung und Ueba-
Windung der Unmittelbarkeit , in wdcher die Idee ab Le-
ben noch befangen ist<^ ($. 220. 21.). — Die Idee in die-
ser Form des Lebens zeigt sich darum noch, als die iiir
selbst nicht angemassene Unmittelbarkeit, weil sie es
immer nur au einem scUechten , unfreien Einaelnen , zun
Exemplare einer Gattung in unterschiedsloser Dassel-
bigkeit , nicht zu dem c o n c r e t Allgemeinen , widUaA
Individuellen, bringt.
Hegel hat sein^ Darstellung nicht hinzugefugt, dass
„Leben^^ nicht minder eine Definition des Abs<duten sei,
wie die frühem Bestimmungen der Legik. Doch lässt der
Zusammenhang darüber keinen Zweifel: der allgeveijie
Lebensprocess, der sich in der organischen WeR der PBui-
zen- und Tbtergeschlechter vollzieht, ist der Lebensprooess
Gottes selbst , worin sich jene logisch noch abstiaki all-
gemeine Idee des Lebens in das System von Gatlangeo
und Arten gliedert, dessen Erkenntniss von der heutigen
Botanik und Zoologie unter dem Begriffe eineä ,^atDrii-
ehen Systems^ der Pflanzen* und Thicrbildungen angestfelH
wird.
Die idee,' ate^L^ben. 903
ff
Aber damit scheinen in 4er Thal diese WHüensdmt-
tcn schon hinausgoschrilten zu sein über die Uer voiiie->
sende Hegel sehe Anffassting des Leben», al$ nur der
ungenügenden, noch nicht zum Geiste geengten Yorge*
slalt der absoluten Idee. Sie weisen in gans^ nur empiri^r
scher Vcrgleichwig. an den vecsehicdenen Pflanzen- und
• Thiergesthlechiem eine Gliederung zusammenhangender
Ge.danken nach, welche sich in mannigraeheHi Wecbset,
aber doch in stetigem und konsequent feslgehaltenem Zu»-
saninienhango, auf Eine Idee der Pflanze^ auf Eine des Tkiers,
beziehen, und man hat es langst ausgesprochen, dass die
niJMiiitgfaitigen Pflanzen und Tliiere nur die in ihre Theile
zerlegte Urpflanze und Urthier seien , welche i n allen,
und darum nirgends als besondere, «xistiren. Eine solche
empirische Auflhssung des Lebens greift aber unttiittel*-
bat schon in die spekulative zurück: derGrund einer sol-»
eben in Pflanze und Thier' unmittelbar sich realisirende«
Gedankenweit kann nicht mehr die „absolute Idee^
in Uind beWosslloser Unmittelbarkeit sein; das Werk
veriiündet einen Meister, es wird Zeugniss einer de ««•
fcenden, mithin, — was das dafür YorajDSsetzende ist — -
einer selbstbewussten Persönlichkeit , und es können nur
die in ihrem Geiste enthaltenen Vorbilder (Ideen) sein in
eigentlichstem Sinne, welche sich in jenen Gebilden yer-
wirkliehen , weil sie durchaus , in der Einzeinheit , wie iit
ihrer Totalität, diess gedankenmässige Gepräge tragen.
Damit lallt dann auch von selbst die andere falsche
Konsequenz der He gelschen Lehre hinweg, dass dasAb^
sohlte sell>er in dem allgemeinen Welt-Lebensprocesse noch
mit jener ihm ungenügsamen Unmittelbarkeit und Bewuast*
losigkeit bekaßet sei, von welcher es sich durch den völlig
amgewirkten Process eben zu befreien hat>e^ um zum
Geiste — zum „Erkennen'^ zu werden, Geist, Eiw
kennen i s t es schon , um auch nur als der Grund einer
solchen (von der Empirie nachgewiesenen) Lebenswelt
begreiflich zu werden j und hier schon zeigt es sich„ wie der .
Begriff der Immanenz Gottes in der Welt, in voUer Grund-
904 Me Idee, als Leben.
lichkcil erwogen , zmn Begriffe seiner Transscenclenz fort*
sugehen nöthtgt. Diess ist daher auch die Wendung, wel*
che wir in der »0 Biologie« ($. 278. S.82., vgl. §. 282.
S. 490-93.), HegeTn gegenüber, durchgeführt haben : weä
ein System von Lebendigkeiten, und weil darin Allorg-a-
nismns existirt, so ist es eben darum nicht Gott, der
in ihnen steh bewusstlos, als Weltseelc, oder als Welt-
geist , auswirkt : er ist schlechthin mehr , als Beides. —
Von Hegels Seite liegt das Yersiumniss hier besonders
darin, dasser den Begriff des Lebens nur formell gefasst
hatte : er spricht von dem leeren Processe in*s UnendUche,
durch welchen das Einzelne , Lebendige , unauilidrlich in
seiner Gattung untergeht. DJess ist ganz nur die abstrakte
Fassung der Sache ; nicht darauf kommt es an , sondern
auf den Inhalt und das ergänzende Verhältniss der Gat-
tungen unter einander y so wie auf dessen spekulative Be-
grandung.
Aber die Idee erhebt sich, durch den Lebensprooess
vermittelt, zum Erkennen: sie hat sich in jenem nicht
war von irgend einem (besondem) unmittelbaren Diesen,
sondern von dieser Unmittelbarkeit überhaupt
befreit; sie kommt damit zu sich^ zti ihrer Wahrheit,
«nd erst hiermit tritt sie als freie Gattung für
sieh selbst in die Existenz. „Der Tod der nur unmit-
telbaren einzetaien Lebendigkeit ist das Hervorgehen
des Geistes«« ($.,2220.
Wir werden dieser sefar lakonisch gehaltenen und
keinesweges zur vollständigen Klarheit geführten Deduktion
am Besten Hegel selbst zum Ausleger geben an de^
spatem , aus der Naturphilosophie in die Philosophie des
Gdstes überführenden Stelle seiner Encyklopädie ($.375. f.).
Denn nicht der Sinn jener Behauptung an sich, dass nur
im Geiste die Gattung als das Freie und Allgemeine für
sich selbst exi^ire , ist das Dunkle oder Zweideutige
jener Assertionen des Paragraphen, — es ist darin wenige
. stens die abstrakteste Wahrheit des Geistes ausge-
* sprochen, — sondern wie die Dialektik den „immanenten'
Dio Idee, als Erkennen* 005
ITebergang von dem vorhergehenden Begrifle . (des Lebens,
Organismus) zfu diesem (dem des Geistes,' und zwar als
des Erkennen s) ohne Sprung bewerksteIHgen könne?
(Wir glauben nämlich in der „Ontotogie^ nachgewie-
sen za haben, dass noch ändere Begriffe dazwischen falleiii
dass dann, aber auch der Geist in solcher Specialikät, wie
hier, am Allerwenigsten als blosses „Erkennen^ zu
fassen wäre.
An jener spätem SteHe der Encyklopädie wird nun
ans folgendem allgeineinem Zusammenhange vom BegriSs
des Lebens zur Idee des Geistes fjortgegangen.
Das lebendige Individuum hat seine allgemeine
Unangeroessenheit darin, dass seine Idee noch die
unmittelbare bleibt, dass es, als Thier, innerhalb der Na tut
steht, mithin seine Subjektivität nur die an sich seiende,
keinesweges die für sich selbst gewordene ist. Diese
innere Allgemeinheit bleibt daher gegen die natürliche Ein-
zelnheit des Lebendigen die negative» Macht, an wel-
cher es untergeht, weil sein Dasein, als solches, nicht selbst
diese Aligemeinheit in sich, mithin nicht deren entspre-
chende Realität besitzt. Darin liegt seine ursprüng-
liche Krankheit und der Keim des Todes, der
sich inneriialb. seines Lebensprocesses mit ihm zugleich
entwickelt. Das individuelle Leben tödtet sich aus sich
selbst (S. 374. 75.).
Aber die dadurch erreichte Identität des Einzelnen und
Allgemeinen durch Vernichtung des Erstem ist selbst nur
die Eine und zwar die abstrakte Seite , der Tod
de^ Natürlichen. Der Begriff, weil er darin nur an
sich ist, muss nun auch die Stätte des Fürsichseins,
der concreten, sich wissenden Allgemeinheit, des Be-
vmsstseins , finden ($. 376. , vgl. §. 381—83.) : diess ist
die allgemeine Nothwendigkeit des Geistes, wel-
sche daraus hervorgeht, dass die absolute Idee, die ihrem
^esen nach der Begriff, das Ideelle, ist, in dem Lebens-
processe und der Natur über das Setzen und Aufheben des
ihr Unangemessenen in's schlecht Unendliche ^hin nienuüs
906 Die Idee^ ab Erkennen.
Mnads^langl. Weil daher die NtUir vmr diese is!,
CS einen Geist ^ als die Wahrheit derselben nnd das Da-
sein der Idee, geben. So weit Hegel; und nnr als vk
genau dürfte die Aeusaerung su beaeichnen sein , wekk*
allerdings nicht wenig verworrene Deutungen veranlasst
hat, dass ,,der Tod der nur unmittelbaren einaeinen L&-
bcndtgiceit selber das Hervorgehen des Geistes
sei'' ($.222.). Sie verfallt nämlich in die doppelte ScUri*
heit y als wenn uberiiaupt ans der Matur , als das daria
schon Enthaltene, der Geist ,^ervorzngeheD<( hahe,
wovon das gerade GegentheU riditig und der eigenliiche
Sinn Hegels ist, — der Geist kommt zur Nator nd
über sie; — ebenso, als wenn die Erscheimnig des Todes,
des individuellen Sterbens , ein vermittelndes Moment s«a
könne iur diess Hervovgehmi des Geistes, und Hegel
daraus das dem Tode Bntnommensein , die Unsterb-
lichkeit, des Geistes habe erweisen oder wenigsteas
andeuten wollen. * Der Ausdruck Hegels* kann den Za-
aammenhange nach nur das früher schon Angegebene be-
aeichnen, dass, weil es die Natur nicht weiter bringt, ab
bis zum einzelnen bewusstlos Lebendigen (nebenbei daher
auch Sterblichen) , in Verneinung desselben ein höheres^
bewusstes, der Idee, als dem absoluten Prineipe der Wdt
imgemessenes, Dasein gesetzt sein müsse. Die Frage nadi
der Sterblichkeit oder Unsterblichkeit des individnellen Gei-
stes ist dabei auch nicht auf das Entfernteste berührt.
So mitosen wir Hege Fn zugestehen, den Uebeigaag aus
der Natur in die Allgemeinheit des Geistes gefunden
zu haben, den er jedoch zunicbst abermals in setner Un-
mittelbarkeit, alsSeele und zwar als natürliche Seele
auffiasst ($. 388. ff. 391. f.) , und so die dialektischen Ml-
telstufen nachweist, welche wir zwischen dem ^Leben^ und
4em i^Geiste^, als solchem , in der zuerst angefiihitey
logischen Deduktion Hegels vemissten. Diese
bietet daher wiederum hier eine empfindliche Lücke dar:%
der unmittelbare Uebergang vom Begrifie des Lebens
zu dem des Geistes ist falsch, selbst nach Hegels
Die Idee , als Erkennen. 907
eigenem Zeugnlvse; und yollends wiliUibriMi isl es»
der allgeineinen Naliir des Geistes ausscbliessend hier mir
die Seite seines Erkonnens (nachher des Wdlens) ker^
vorzukehren« Freilich wird sick das Bedürfniss diei-
$ea Gedankenspninges alsbald ergeben, um dadurch nacb^
her Bestimmungen , die der subjektiven Logik ange^i
hören , einflQhren zu können ; aber auch dabei wird sich
das gewaltsarm Eingefligte, wie an dieser Stelle, von selhil
verralhen^ es ist immer noch die Folge des Grundfehlers
der ganzen Hegeischen Logik , das ErktMln isstheoreti-
sche und Metaphysische gewaltsam in einander arbeiten ii
woDen.
Sei es indoss zugegeben: dat Erkennen istjlie näob^
ste adäquate Existens der Idee ($• 221. M.). Daraus
folgt sofort, dass der Erkenntnissprocess (in uns) abermalsi»
wie der des Lebens, Bestimmung des Absoiuteii
sei. Es selber ist das verborgene Subjekt, wekhes die.
Erkenntttissstufen der allgemein menschlichen Vernunft
durckl&uft , und sich darin seiner , als des concret AHgei-
nieinen , Freien , gewiss wird. Jener Process , in seiner
liüchsteit Allgemeinheit, durchläuft aber die drei Momenten
die idee,Jn ihrer zur Allgemeinheit bestimmten SubjAtivi«*
lat, ist zuerst reines Unterscheiden innerhalb ihret
selbst, — Aaschauen , das sich in dieser identischen AiU
gcmeinheit hilt : — (wollen wir es bestimmter bezeichnen,
als es von Hegel geschehen ist: die 'reine, einfache
Id^titat des Selbstbewusstseins , welche alles Eriuinnte,
9UAterschiedene<<, auf jene Einheit bezieht und in sie
aufnimmt , die fonnelle Bedingung alles Brkennem , —
Kant 's synthetische Einheit dar Apperception, das: ,4ch
denke, weiches alle meine Vorstellungen muss begleiten
können^').
Aber, als bestimmtes Unterscheiden , ha*t die Mee
zweitens die Totalitat von Unterschieden sich gogember;
als das Erkennende, setzt sie sich selber als ittsserli«'
ch es Universum voraus. So entsteht der Gegensatz
des Subjektiven und Objektiven, eines fiewvsst-
M6 Die Idee , ab Uieorelisclie£i' EHiciinen.
aeing md eiwr ron Um vorgermdencn urfmillelbare«
Weit Inden jedOeh das Ansi ch jener beiden nnailtei-
bnren HAlften des Subjektiven und Objektiven, des Erlen-
nens und der Welt, die Eine- Idee Mbsl ist, Jiat sie nnck
im Erkennen die einiaehe Gewissheit der an sick
•seienden Identität dieser objektiven Welt mit ihr. J^k^
fVemunft kommt an die Welt, mit dem absoluten danben,
die Identität seteen imd ihre Gewisriieit zur Wahrheit er-
heben «tt können , und mit dem Triebe , den Ar sie an
#ich nichtigen Gegensalz auch als nichtig za setzen^
(g. 224.).
Aber diess Auflieben geschieht zunächst nur an ^fcb;
derProcess ist daher noch mit der Endlichkeit die-
ser Sphäre behailet (es U^ hier noch nicht der Proeess
der ,^bsoluten<' Idee, den wir vor uns haben) : er zerlallt
daher in die doppelte Bewegung des Triebes, — die Ein-
seitigkcH der SnbjOKtlvität der Idee aufzuheben, ver-
niitteist der Aufnahme der seienden Welt in das subjektive
Vorstellen und Denken : der Trieb d$s Wissens nach Wa hr-
beit, der theoretische — tmd umgekehrt, dieEinsei-
iigkeit der objektiven Welt aufzuheben und ^e durcli
das Innere des Subjektiven, wel<shes . hier als das wahr-
haft seiende Objektive gilt, zu bestimmen und dieses ihr
ehizubilden : der T^ieb zur Volibringung des € u t e n , das
Wollen, die praktische ThÜigkMt der Idee ($. 225.>
Wir Jcönnen die didektisehe Entwicklung der Idee des
Wahren (§. 226 — 32.) hier lAcrgehen: sie handelt von
der analytischen undsynthetischenHethode, uail
von der Untai^liehkeit einer jeden für sich, zum Ausdrucke
wahrhaft dialektischer Verhältnisse zu werden, von D e f i a i-
lion und Ein the i In ng, von Theorem und Beweise.
Nur ist von Neuem zu fragen, wie alles Diess in ^ine He-
fa physlk, noch dazu von so' IheosophisöbeF Bedeutung,
hineinkomme? Es inöehteHegeTn schwer fallen, zwiscbea
'jenen Denkformen , den sogar als dürftig und mangelhaft
nachgewiesenen Hulfsmitteln eines subjektiven Erkenneas»
und den metapliysischon Definitionen GeUcs nur irgead
Die Idee, als pnfkttsche, mMl als BhsöMe. 909
einen denkbaren Zusammenhang nachzuweisen« Hier Her^
g^cm, si^t Inan wohl, ganze Weiten der Untersochung da-
zwischen I Aber diese innere Incongmenz wird uns so-»
gleich noch slarlier zu Gesichte kommen«
Darob die Idee des Guten, den Trieb des praicIU
s Q h e a Handelns fg. 232--^5.) , — welcher in den Wi«
derspruch der sphlechten Vnendlichlceit verMuft, durch seine
eigene ^ii^fllhrung eben steh aufzuheben, also entweder »in
einer endiifhen That ta erlöschen oder in ein endloses
S 0 1 1 e IT hinausiulaufen (was an seinem Theile von Hege!
scharfbezeichnend^auseinandergesetzt wird ; vgt. Z n s a t z,
S. 406. 7.) 9 -^ nimmt sich die Dialektilc^in die Einheit
der theoretischen und praktisclien Ide» zurdck , dass er-
kannt wird , W|ß das Gute in der objektiven WeH schon
an ttnd für sich ebenso erreicht i s t, wie es zugleich ewig
als den Zweck in ihr sich setzt , und so nicht aufhörf,
unablässig -in ihr erreicht zu werden. Die objek-«
tive Welt ist an und für sich schon selber die
Idee. — ,,Dieses aus der Differenz und Endlichkeit des
Erkennens zu sich zurückgekommene, und durch die Thä-«>
tigkeit des Begriffs mit ihm^ (dem Begriffe) „identisch ge-
wordene Leb^n ist dio spekulative oder absoluta
Idee« (S. 235.).
Diese Einheit des Subjektiven und Objektiven, beider,
als völlig verwirklichter und ausgeführter , ist nun „die
Wahrheit und alle Wahrheit, die sich seltist denkende
Idee , und zwar hier a 1 s denkende , logische Idee^ Die
Unmittelbarkeit des sinnlichen Universums hat sich jetzt
nicht nur als die Gegenwart der in ihm sich realisi-
renden Idee erwiesen, wodurch jene Unmittelbarkeit seihst
zum Vermittelten geworden ist; sondern diese Einsieht
und Erkenntniss , welche wir so eben ausgesprochen ha«* '
ben , und die unser eigenes Erwerbniss tu ' sein sehiene,
ist nicht dieses: die Idee selber hat in uns diese Stufe
des Selbsterkennens erreicht: sie weiss sieh (in uns>
als alles Wirkliche. „Bisher haben wir die Mee'
in der Eatwicklung durch ihre verschiedenen Stufen zu
910 Die absolute ) die speftubtire Idee.
uoflefm CSegenstande ifobabt; nonmehr aber ist die Idee sich
selbst gegenständlich. Diess ist die yoriatg v^Jjns^^, weU
che 49chon Aristoteles als die höchste Fofm der Idee be-
zeichnet hat« (Zusata, S. 408.> — Verwirklicht whtl
4Ueser Standpunkt aber in der Philosophie ; in iht wird die
Idee sich seihst als alles Wirkliche feg^nsiandlicii ; «sd
die anfan^iche Definition der Encyklopädie (s. oben S. 844.)
dass die Philosophie dieWissenschaft voll derYer-
nnnftsei, insofern sie sich ihrer selbslals alles
Seins darin bewnsst wird, wäre aehon hier, für
den Unkrefs dieses Standpunktes, ^ereoltferttgt. Die Lo-
gik anticipirt nur diesen Inhalt des ^^ailes Seins^ in der
Tüalitat ihres Begitfes. Dieser Universalität des iogisckea
Begriffes ist Hegel völlig bewusst: erdrückt diess so
aus^ dass die absolute Idee an dieser Steile die reine
Form des Begriffes sei, die ihren Inhalt (jenes ^aHes
-Sein«') als sichselbst anschaut Sie ist stoh (insofern
aber auch) Inhalt, als sie darin das ideelle Unterschei-
den ihrer selbst von sich ist, worin jedoch die TolalRit
der Form ab das System der InhaltsbestimmuR«
gen enthalten ist Dieser Inhalt ist das System des
Logischen: aber als Form bleibt der Idee hier Nichts,
als die Methode dieses Inhalts ($. 237 .> — Hegel
gebt daher von hier aus, vollkommen sachgemiss, zum Be-
griffe der wahren, spekulativen Methode fort, er-
kenntnisstheoretiscl^beurtheilt, zu einem der wich-
tigsten und lehrreichsten Abschnitte seiner Logik. Darin
wird gezeigt, dass der Anfang, das Unmittelbare, ebea
darum zugleich als das Aflg^neinste, Abstrakteste, nur das
Yermittelte sein kdnne : wie Alles, auch das f3r einen g^
irisisen Umkreis als Unmittelbares Vor aus-gesetzte, doch
einem Ganzen angehört und Moment der Idee i^
Der dialektische Fortgang sodann ist ebensowohl
analytisch, als synthetisch in völliger £inheit: es
wifd dadurch ebenso sehr nur g e*s e t z t , was im ersten
Begriffe schon enthalten war (analytisch) , als doch durch
den Widerspruch, wenn bei der ersten UftiiitlenMuteit
Die fpokuhttive Idee. 911
stehen geblieben wftrde , die Nolhwendigkeit einer neven
Beslimmuog ^ eines Unterschiedes, sich ergtebt, und
(synthetisch) dictf^r Unterschied herausgesetzt wird«
So ist der dialektische Fortschritt zugleich das Zuruc.k<>-
g'.ehen in's Wesen, in die Einheit der Unterscliiede. . ,,Nur
durch diese gedoppelte Bewegung erhalt der Unter-*
schied sein Recht , indem jedes der beiden Unterschiediv
neu sich an ihm selbst betrachtet zxLt Totalität vollendet, un4i
darin sich zur Einheit mü dem andern bethaUgt Nur das
Siebaufheben der Einseitigkeit beider an ihnen
selbst lässt die Einheit nicht einseitig wer«
d en« (S* 239--41.)*
Hiermit losen die Unterschiede insgesnmmt sich in das
Ende, in ihre Totalität auf, in welcher sie als auf-
gehobene, bewahrte sind. Es ist der realisirte Begrii^
d. L der Begriff, welcher das Gesetztsein seiner Bei*
Stimmungen in seinem Fursichsein enthält. Diess ist
die Idee, als an und fOr sich seiende Einheit ihrer un-
terschiedenen Uomente, — „für welche zugleich als absolut
Erstes (in der Methode) diess Ende nur das Verschwinden
des Scheins ist, als ob der Anfang ein Unmittelbares,
und sie^ (die Idee) „ein Resultat wäre; — das Erkennen,
dass die Idee die Eine Totalität ist<«^$.244.). — Die Her
thode ist daher nicht äusserliche Form , sondern die Seele
und der Begriff des Inhalts ; „die Wissenschafl'' (die Logik)
,)SchIiesst auf diese Weise damit, den Begriff ihrer selbst
zu fassen, als der reinen Idee, für welche die Idee ist^
($. 243.).
Hiermit haben wir nun erkenntnisstheoretisch
einen Abschluss erreicht: es ist, wenn wir die Voraosset-
zongen zugeben , welche der ganzen bisherigen Dialektik
zu Grunde liegen, wirklich, erklärt und dargethan , wie es
zu einem spekulativen Erkennen und , indem sich dieses
realisirl , zu einer Philosophie , als enöyklopädischem Be^
griffe des All , kommen könne. Es ist die Eine Idee (die
Vernunft), welche sich objektiv im Universum verwiilE«
licht , indem sie das System , die Totalität ihrer Momente
918 Dio spekitfative Idee.
auseinanderwirft , und ob scheinbar imabhingige BjcHsIc»-
zen rcaltsirt; und welche dann, subjektiv erlcemieBd, skk
aus diesen Unterschieden wieder znsammenfasst , und des
innem Zusamneuhang jener Momente , die ihnen eingebil-
dete Einheit , als das dialektische Band derselben , ihiv
^inunanente Melbode** , sich zum Bewusstsein Mngt
Mit Einem Worte : nur weil das Universum , von sei-
ner naturlichen, wie. geistigen Seite, ein System reali-
sirter Gedanken ist, lisst sich die Möglichkeit einer
Wissenschaft von demselben, zugleich einer höch-
sten, allumfassenden, der Philosophie , begreifen. Aber
auch umgekehrt lässt sich — und Hegel legt verschie-
dentlich auf diese Thatsache Gewicht, — aus der fakti-
schen Erkennbarkeit der Welt, aus dem wirkUchen Zo-
sammenfallen von Denken und Sein in jedem Aide des
Erkennens , zuröcksdiliessen auf die absolute RatioBafitit
des Wirklichen und die Immanenz der Idee in ihm. £s
ist derselbe Satz, welcher sich als Resultat unserer Brkennt-
nisslchre ergeben hat, und der schon früher angeführt
worden: ,,nur weil die IMnge ur gedacht sind , könnea
sie auch von uns nach-gedacht (erkannt) werden^.
Das Erkenntnissproblem ist wirklich dadurch in
letzter Instanz gelöst, die Möglichkeit einer Metaphysik
überhaupt nachgewiesen : aber darum gerade gehört je-
ner Salz nicht in den metaphysischen Zusammenhang.
Noch weniger denken wir- aber zuzugeben , dass diess
Resultat für ein letztes und definitives der ganzen Hii-
losophie, wie von Hegel, gehalten werde. Es wird
uns wiederum Problem und zwar Problem, welches
die Metaphysik — die der Heg eischen Logik ent-
sprechende Wissensdiaft — zu lösen hat Denn j wie
schon gezeigt worden, jene (Hegeische) absohite Idee,
die sich selbstschöpferisch in das System ihrer Momente
auseinanderwirft, und so das Universum ; als der realisirte
Gedanke, wird uns ein vollkommen widersprechender,
Nichts erklärender Begriff. Bewahrt sich die Wdt als das
absolut Gedankenmassige, als die Verwiridichung von Ideea
Die spekulative Idee. 913
so ist ihr Grund auch ein anderer, als nur eine „gich (len-
kende absolute Idee<^ *),
Orienliren wir uns jedoch bestimmter, an welcher
Sielle der HegeUchen Lehre wir mit diesem Resiilt^
stehen : so ergiebt sich -*- abgesehen von der schon g^
rüg-ten Vermischung des Eri^enntnisstheoretischen und He-
iaphysischen ^ wodurch dieser ganze Abschnitt für eine
Logik in Hegels Sinne völlig unbrauchbar wird, — dei[
fernere merkwürdige Umstand , dass jenes Resultat doch
wiederum kein anderes ist, als mit welchem
die Phänomenologie desGeistes schloss. Inletz-
lerer ergab sich aus dem Beweise , wie in allen Erschei-
nungen und Hervorbriagungen des geistigen Universums
der allgemeine Geist (der Weltgeist) nur mit sich selbst
Eusammengeht , der BegrifiT des absoluten Wissens
in seiner Potentialitat. Die Logik hat hier denselben
BegriiT erwiesen, und eben auch nur als einen potentialen,
indem der BegrifT der absoluten Methode , aber als einer
noch unausgeführten, als der ^absoluten Form^, sich erge-
ben hat. Und auch darin ist in beiden Werken völlige
Uebereinstimmung der Beweise und ihrer innern Konse-
quenz, indem es der Weltgeist ist — die im Univer-
sum objektivirte , in uns zum Bewusstsein ihrer selbst ge-
langende, allgemeine Vernunft, welche in der Phänomeno-
logie von subjektiver Seite, in der Logik von ihrer abstrakt
allgemeinen , erkannt wird, in beiden aber zu diesem
einfiicben Resultate aus ihren Unterschieden zusammen-
geht.
Aber damit ist es nicht genug; sondern nochmals,
zum dritten Male , ' kehrt dasselbe Resultat, derselbe Be-
griff des absoluten Wissens, in dem Hegeischen Sy-
steme zurück : es ist am Schlüsse des Ganzen , dort aber
*) Man vergleiche damit: ,)Zur spekulativen Theologie«'
(Zeitschrift etc. Bd. V. H. 1. S.95~-10a), worin die liier
ausgesprochene Folgerung auch für das He gel sehe System
näher ausgeführt wird.
58
914 Versuchter Uebcrgang aus der Logik
als ein an den Weltgegcnsätzen durchgeführter und be-
währter, als concret Allgemeines, und dort wird noch ein*
'mal, in einem vergleichenden Rückblicke über das Ganze,
davon zu reden sein. Gleichwohl ergiebt sich schon
vorläufig, wie die Hege Ische Lehre, trotz ihrer encykio-
pädischen Ausbreitung über einen reichen Gehalt, dennoch
nach dem aus ihm erworbenen Gedankenresnltale
nur auf einen schmalen Bereich der Geltung wird Anspruch
machen können. Es ist immer nur das sich wiederholende
Ergcbniss, was wir schon kennen, ein enger, stets in sieh
zurückkehrender Umkreis von Begriffen.
Aber wie sich diess nun auch verhalte, ein wirkliches
Resultat hat dennoch die Logik gehabt, ein wichtiges und
acht spekulatives : wir stehen damit in der That an ihrem
Abschlüsse, dem klarsten, entschiedensten, in sich
konsequentesten, den es geben kann. Und über Nichts in
Wahrheit könnte man gewiss und entschieden sein bei phi-
losophischen Darstellungen , wenn nicht über den wahren
Sinn dieses Abschlusses: ein ,)Missverständni8s^ —
die gewöhnliche uUma rcUio der Apologeten — oder die
Besorgniss, eine geheime Nebenbedeutung im Vorhelge-
henden unenthutlt gelassen zu haben, kann hier nicht ein-
treten. Entweder weiss überhaupt die Hege Ische Dar-
stellung im letzten Abschnitte der Logik nicht, was ihr
Ziel ist, oder sie will diess, und nur diess, was wir so
eben in*s Licht gestellt und gebührend anerkannt haben.
Nun aber ereignet sich Etwas, das, schwer zu benen-
nen, sich selbst bezeichnen mag. Die Logik ist in ihren
Anfang, ^ihn rechtfertigend^, zurückgelaufen ; sie hat sich
selbst umkreist und abgeschlossen. Auf die Logik hat je»
doch die Naturphilosophie zu ftrigen; es muss also
ein U eher gang in dieselbe gefunden werden; und es
würde, im gewöhnlichen Laufe der Dialektik, hiermit ge-
fragt werden müssen, welch ein BegrifTsmoment auf d^r
gegenwärtigen Stufe der Idee dunkel , unenthüUt , wider-
mchts \f^^ bleibe, dessen Ergänzung daher den Ue-
absolut Gtu.. jjs Folgende nolh wendig mache.
in die Naturphilosophie. 915
Ein solche Momeni findet sich nun in Wahrheit n i e h I:
die Idee, als logische) sich in Allem denkende, ist
hiermit vielmehr vollendet; denn sie ist schon
vresenllich dieselbe, als weiche sie am Schlosse des gan-»
zen Systemes sich zeigt Zwar kann das allgemeine Be-
durfniss wach werden , jenes ^alles Sein^, welches sie ab
die selbstgegebcnen Unterschiede in sich zusammcnfasst,
nun auch in concreter Aosföhrung zu besitzen, <lie Idee
an „Allem^ im Einzelnen zu bewähren, und diess „Alles^
in sie zurückzunehmen — kurz den Verlauf der spekula-
tiven £rkenntniss des Realen, welchen die Phänomeno-
logie schon einmal begann, nochmals iind umfas-
sender durchj^uRihren.
Da mag nun das spekulative Erkennen anderweitig
sehen, wie es den Uebergang in das Reale sich zusichere :
vom Schlüsse der Hege Ischen Logik aus ist ein soldu^r
in keinerlei Weise möglich; denn sie hat schon in
allgemeinen Umrissen das Reale und die
grossen Gegensätze der Welt, ebenso ihre
gedoppelte Vermittlung, in sich anticipirt:
Natur und Geist, und ihr unmittelbarer Gegensatz , sind
schon nachgewiesen in der logischen Idee (vgl. $$. 223.
225. 227. u. s. w.) ; denn nur beide vermittelnd, — zu-
nächst theils theoretisch, theils praktisch, — sodann aber
durch unendliche Selbstrealisation in ihnen, welche
durch das spekulative Erkennen zum Selbstbewusstsein ge<-
langt, wird die Idee zur absoluten Idee. Wir haben
das höchste Resultat der Philosophie (^alle Wahrheit«)
durch die Logik in der That schon erhalten; wenn auch
im summarischen Extrakte, so ist immerhin doch
von ihr kein weiterer. Fort- oder Uebergang mög-*
lieh ; denn , wohtnein sie übergehen könnte , das besitzt
sie schon.
So kann nur durch einen völligen Sprung, ein Hin-
übergreifen in ein specifisch a n d e r e s BegrifTsgebiet die-
ser Uebergang herbeigeführt werden : um das Reale, con-
cret Wirkliche, wirklich zu erklären, bedarf es selber eines
9M Versuchter Uebci^ng aus der Logik
concreteren Absoiiiten , als der boUen Universalität einer
i,in ihre Begriffsmomente sieb auseinander werfenden Idee^,
Und wenig fehlt , dass Hegel seibat an diaser SieDe der
Ohnmacbt seines Princips inne geworden, ja sie aongespio-
cben hätte. Denn hier tritt ihn plötzlich , wie anch aa
vielen Steilen seiner „Religionsphilosophie^, das Bedörftiss
an, die Allgemeinheit jener alksoluten Idee zu verpeisüii-
liehen , in die Einheit eines ^^anschauenden«' Ursobfehtes
zusammenzuziehen; mit wie gänzlichem Mang<d an dinleh-
tischer Unterstützung oder Berechtigung , haben wir ge»
sehen.
Dennoch wäre es ein Unrecht gegen den grossea
Denker , hierin nur gemeine Selbsttäuschung , oder gar
Täuschung lur Andere beargwöhnen zu wollen. Nach so
vielen tiefer deutenden, nur freilich selten durch den wis-
senschaftlichen Zusammenhang gerechtfertigten Aeasseron-
gen desselben, namentlich in seiner ^eligionsphilaso-
phie^, war vielmehr der tiefere Sinn , die eigentliche , in
Hintergrunde liegende Meinung des Philosophen , lur wei-
che er nur nicht die Kategorie gefunden oder genauer die
allgemeine Kategorie des Geistes noch nicht bis zum trei«
fenden Punkte ausgebildet hatte , — der Gedanke eines
Ursubjektes, freilich nur, als des im Universum sich
unendlich anschauenden Weltgeistes. Diesen müssen
wir ihm leihen oder zugeben , um im Schlusq^aragFaphea
der Logik (§. 244») nicht nur überhaupt irgend einen
Sinn, sondern Etwas zu finden, was nur auf das £ntfenite-
ste einer Deduktion der Natur (eines Realen) gleich käme.
Es ist jedoch interessant und bei einem der wichtig-
sten Punkte des Hege Ischen Systems sogar unerlassiidi,
die verschiedenen Darstellungen jenes Ueberganges von
Logik in Naturphilosophie mit einander zu vergleichen und
darin nachzuweisen, wie das Bewusstsein des vöUigea
Unvermögens, aus der logischen Idee, als solcher, ei-
nen solchen Uebergang zu Stande zu bringen, immer deut-
licher in Hegel hervortritt, demungeachtet aber er nie zum
entschiedenen Geständnisse desselben kommen kann , weil
in dio Naturphilosophie. 017
damit die Folge verbunden gewesen wäre, das logi-
sche Princip selbst in das specifisch Andere seiner zu
steigern.
In der frühesten Darstellung der Logik {^Wissensch.
der Logik« 1816. Bd. U. S. 399—406.) wiU Hegel am
Schlüsse diesen Uebergang ^nur noch andenten^^. Sehr
möglich hatte er einen solchen Uebergang damals selbst
nur nach den allgemeinsten Grundbedingungen »ich vor-
g-estellt , das Bestimmtere späterer Erwägung überlassend :
die ^Andeutungen*^ können nämlich kaum lakonischer^ zu-
rückhaltender sein. Aber es ist nöthig, näher auf sie ein-
zugehen.
Zuerst wird (S. 398.) mit dem grissten Nachdrucke
herausgestellt, wie die Logik in der That zu ihrem sich
umkreisenden Abschlüsse, zur Rechtfertigung ihres An-
fangs, gelangt und darum zu Ende sei. Die reine Un-
mittelbarkeit des Seins , wovon der Anfang gemacht war,
ist die durch die Vermittlung, worin die Unterschiede auf-
g-choben sind, zu ihrer entsprechenden Gleichheit mit sidi
selbst gelangte Idee. Die Juiethode^' ist daher eines-
theils der reine Begriff, der sich nur zu sich selbst ver-
hält, — die einfache Beziehung auf sich, das reine
Sein: anderntheils jedoch nun auch das erfüllte Sein,
das Sein als die concrete, ebenso schlechthin intensive To-
talität, der sich in allen Unterschieden begrei-
fende Begriff. — Als zum „Schlusse^^ gehörig wird noch
das Doppelte erwähnt: zuerst, dass in der Idee des abso-
luten Erkcnnens der sich begreifende Begriff völlig sich
realisirt hat, indem er sich darin zum „Ganzen seiner Rea-
lität, zum Systeme der Wissenschaft^^ ausbildet;
^—sodann, dass diese Idee nur logisch sei, in den rei-
nen Gedanken, in die „Subjektivität^ eingeschlossen^ „die
Wissenschan nur des göttlichen B e g r i f f s<<. Daher
ist sie zugleich „der Trieb , diese Subjektivität aufzuhe-
ben, und die reine Wahrheit wird, als letztes Resul-
tat, auch der Anfang einer andern Sphäre und
Wissenschaft^
. 918 Versuchter Uebergatig au$ der Logik
Hiermil ist zunächst bloss nachgewiesen, wie dk ur
logische TolHlU&t der Idee es bedarf, oder — wen
man sich gestattet , sie zu hypostasiren , — dass sie det
,,Trieb^ liat, sich mit dem cöncreten Inhalte eines Realou
der N a t u r , zu erfüllen. Damit aber einen Dedoktions-
grund für die objektive Natur nad ein Schöpfung^hnc^
derselben finden zu wollen, wurde der allerdings seilsana
Argumentation gleich sein, dass, weil das formelle Erkea-
nen einen sonstigen Inhalt voraussetze, dadurch die Koik-
wendigkeit eines Realnniversums nachgewiesen sei; Ae
ganze Welt sei nur da , um dem abstrakten Begriffe ar
Aushülfe zu dienen. So zeigt sich aus diesen Prämissen
der Logik zunächst nicht nur kein Deduktionsprincip iSr
ein Reales , sondern die ganz heterogene Stellung, in wel-
oher sich überhaupt diese Wissenschaft zu einer soldieo
Anforderung befindet.
Nun vnrd aber sogleich also forlgefahren: Indem sick
die Idee als absolute Einheit des reinen Begriffes uad
seiner Realität ^etzt% somit in die Unmittelbarkeit des
Seins zusammennimmt — (in Wem ^etzt<* sie sich der-
gestalt, laut allem Obigem ? Doch nur im „Systeme der
Wissenschaft^, in der sich als alles Sein wissenden Idee,
d. h. in den philosophirenden Subjekten:) — „so ist sie
als die Totalität in dieserForm — Natur«'. Sie wird
jedoch nicht erst zu derselben oder geht in sie über;
in ihr ist überhaupt keine unmittelbare Bestimmung mehr,
die nicht ebenso gesetzt und der Begriff wäre. „Das
einfache Sein, zu dem die Idee sich bestimmt, bleibt ihr
vollkommen durchsichtig, und ist der in seiner Bestim-
mung nur bei sich selbst bleibende Begriffe«.
Sollen wir diese Begriffe in dem rechtmässigen Sinne
irerstehen , den sie durch den bisherigen Zusammenhang
der Logik erhalten haben , so ist diese „Durchsichtigkeit^
des unmittelbaren Seins die Zugänglichkeit desselben fir
unser, bestimmter für unser spekulatives Erkennen,
die absolute Intdligibilität der Welt; und da rum bleibt io
ihr der Begriff schlechthin bei sich selbst. Hier aber
in die Natarphilosophkx 919
wird durch einen schwer zu rechtrertigenden tpeluilativen
Handstreich der anomale Nebensinn eingeschwärzt, dass
der Idee ein reales ^tzen^ der Einheit des Begrifls und
der Wirklichkeit, ebenso ein reale^ ^Sichdarinzusammen-
nchmen<^ zur ^Unmittelbariceit^ des Seins — welche unniit-
ielbare Totalitat dann nothdürilig als sinnlich unendliches
Universum imaginirt werden kann, — zugeschrieben wird ;
"wodurch nun auch jene ^Durchsichtigkeit^ unerwartet in
einem ganz objektiven Sinne wiederaufcrsteht : sie ist nun
das Sichwissen , Sichanschauen der schöpferischen
Idee in den Dingen, und es ist Etwas damit gesetzt, das ganz
füglich als der „philosophische Begriffe für die
gewöhnliche „Vorstellung«' einer göttlichen Allwissen-
heit ausgegeben werden kann. Hätten jedoch jene Aus->
dräcke: „Setzen^ „Sichzusammennehmen^ u. dgl., die rea-
listischen Nebenvorstellungen Raum geben , nicht zufallig
sich hier eingeschoben; so fiele die ganze Deduktion zu-
ß^mwen; denn allein auf diesen Worten beruht sie, wie
man sieht« Und so hat auch sonst H e g e 1 in seiner oft
ungenauen, oft in der That verworrenen Darstellungsweise
den besondcm Ucbelstand nicht vermieden , das Allerab-
sbrakteste, wie hier, zu einer halballegorischen OhjeHtivitftt
hinaufzuschrauben und ihm Bewegungskräfte beizulegen, die
nur am Realen Verstand und Sinn erhalten. Und so ent-
steht eine vollständige Mythologie, ein ganzer Olymp sol-
cher personificirten Abstraktionen, vyelche eben nach seiner
Meinung die schöpferischen und herrschenden Weltmächte
sind. Hatten wir Unrecht , diess einen Abeiglauben an*s
Abstrakte zu nennen?
Nachdem nun durch das aufgewiesene HuIjEsmitfe! die
Schlusskategorieen der Logik zu einem völlig neuen Sinne
gelangt smd , geht der Rest der Deduktion einer Nator
(Wissenschaft der Logik a. a. 0. S. 400.) auf das
Leichteste von Stalten. Bei diesem SichselbstdurcAsichtig-
sein der Idee im' Andern, ist nun diese, ganz zur (mytho-
logischen) Person gewordene, „absolut ihrer sicher und in
sich ruhend^. Sie kann sich daher „entschliessen^,
920 Versuchter üebergang aus der Logik
sich „firel aus sich selbst tu entlassen*^. Aber um dieser
Freiheil willen ist die Form ihrer Bestiminibeit
ebenso schlechthin frei — ' (als diese ^Freiheit« \veisl sich
sogleich jedoch nur die Aeusserlichkcit und ^egw-
T i V i t ä t derselben auf, — gleichfalls ein gewaltsamer Giv
dankensprung!) — jene Freiheit ist nämlich ^die absofui
Ü'ür^ (an) ^ich selbst ohne Subjektivität scie&cfe
Aeusserlichkeit von Raum und Zeit^.
Dieser ^nächste Entschlüsse der reinen Idee, och
als uusscrliche Idee (als räum -zeitliches Universum) m
bestimmen f setzt sich damit (in der Natur) nur die Ver-
mittlung, aus welcher sich der BegrifT, als freie ans
der Aeusserlichkeit in sich gegangene Idee, hervorkeU;
diess geschieht im Geiste (nicht wie esHeg-el oage-
nauer Weise ausdrückt: ,,in der Wissenschaft des
Geistes^). Diese Befreiung, setzt aber Hegel ia dea
Schliissworten der Logik hinzu, wird in der „Wissea-
schaft dos Geistes^ überhaupt, näher dann in der
logischenWissenschaft vollendet, welche, als ^der
sich begreifende reine Begrifi^, den ^h ochsten Begrifft
desselben von sich enthält. So schiene die Logik na<A
Hegels damaliger Ansicht, als die höchste and völlig ab-
schliessende , dennoch auch über die Wissenschaft des
tJeistes hinausreichen zu sollen, was hier, wo er eben ?«
der Phänomenologie des Geistes herkam, seinen gnten Sinn
hat, aber in Widerspruch tritt mit der Architektonik der
ganzen Lehre, wie er hier sie andeutet , später sie ausge-
fährt hat Es ist* uns nicht gelungen, den Selbstwider-
spruch, der in diesen Andeutungen liegt, befriedigend
aufzulösen.
Nun sollte man jedoch erachten , dass so gewattige
Verstösse und so offenbare Begriffslücken , wie sie hier
nnablätigbar sich preisgeben , vom Urheber selbst in sd-
ner weitem Entwicklung einer gründlichen Umbildung hä^
ten unterwerfen werden müssen. Hegel hat es zweimal
versucht, bei Gelegenheiten^ wo es darauf ankam, den hier
besprochenen Uebergang in die Naturphilosophie nicht nr
in di^ Naiürpmibsöphie. »21
„aiiztidetilen*, ßond^rn auszuführen, — te den beiden
Bearbeitungen ' sißiner Encyklopädie der pfailosoptiischen
Wissdnschaflen (erstä und zweite Ausgabe, 1819 und
1827; die dritte folgt darin der zweiten): — wie es
ihm gelungert, ist nun zu sehen.
' „Die spekulative Idee^, -^ heisst es in der ersten
Ausgabe der E n c y k 1 o p ä d i e ($.191.)) nachdem vorher
aur die bekannte Weise die absolute Methode als die
mit der Totalität des Weltinhalts schlechthin zusammenfhi-
lende , ihn „in der Einheit der sich sdbst darin wissenden
Idee* zusammenfassende , erwiesen worden war , — „die
spefrulaüve Idee, welche ^o für sich di^ Idee ist, ist
damit die unendliche Wir kl ich keiK — Nach dem Bis-
herigen kann diess nur bedeuten, da zudem liuf die „spe«
k n 1 a 1 1 V e* Idee der Nachdruck gelegt wird : iin Spekulativen
gewinnt die absolute Idee ihren eignen Begriff, und indem
sie nun, im Rückblicke auf das dui'chmessene Wirkliche,
sich darin wiedergefunden , kann sie (im Philosophen)
diei^s zu dem Satze zusammenfassen: ich bin alles Wirk-
liche. Im Philosophen ist sie Person, „das unendliche
Freie*, geworden, „die absolute Wahrheit ihrer selbst*, —
sonst nirgends.
Gar nicht abzusehen ist aber, wie Hegel sogleich nun
folgendergestalt fortfahren könne : „In dieser absoluten
Freiheit geht sie* (die Idee) „nicht nur in's Leben über,
noch lässt sie als endliches Erkennen, diess nur in
sibh scheinen* (wo man nicht weiss, ob das „endliche*
Erkennen das spekulative miteinschliessen oder voh sich
ausschliessen soll; wenn Letzteres jedoch nur die aus-
driickliche Meinung des Philosophen sein kann , so wider-
spricht diess indess der hier durchblickenden weitem Vor-
aussetzung, welche durch den Gegensatz eines „endlichen*
Erkenhens eingeleitet werden zu sollen scheint, dass ein
absolutes Erkennen ganz besonderer Art, nicht im
Philosophen, sondern ausserdem noch, als ein weltschöpfe-
rischcs Vermögen, in der Idee zuslaluiren sei): -— „son-
dern in der absohiten Wahrheit ihrer selbst entschliesst
922 Versuchler Uebei^ng aus der Logik
sie sich , d$s Moment ihrer Besondeilieit oder des erskn
Bestimmcns und Andersseins, die unmittelbare Idee^
als ihren \Viderschein, sich, als Natur, frei aus
sich zu entlassen^. — Mit diesem Butzend übel ver-
bundener Worte ist die Deduktion der Natur vollbrackf; —
f&rwahr ein so beredter Lakonismus , als es je eiaen ge-
geben I
Von der verborgenen Grundvoraussetzung dabei ist obea
schon die Rede gewesen : die „spekulative, sich^ (im Phife-
sophen) „selbst erkennende^ Idee ist unter der Hand, darcfa
iigend eine zwischen den Zeilen zu suchende Zauber-
gewalt, zur vorweit liehen Objektivität und zu einen
hypostasirten Analogen von Persönlichkeit gelangt : sie
„entschliesst^ sich, ihren Selbsterkenntnissakl zu reali-
siren und sich, als ihr Anderes, „frei aus sich zo
entlassen^. — Aber damit ist noch keinesweges ge»^
geschehen. Warum ist es zimächst nämlich die Natur,
diese negative Aeusserlichkeit , zu der die absolute Idee
sich enlschliesst ? Auch, wie man sich mit dieser Frage
abgerunden, verdient nähere Beleuchtung.
£s hat sich früher gezeigt, wie der (logische) BegrilT
„sich besondert^ und so, als wirklicher, nur das concret
Allgemeine, das Emzelne, ist, dless aber, als die volle Ge^
genwart des Allgemeinen , welches darum jedoch über
diese und jede Einzelnheit hinausgeht. So ist mithia
der conpret allgemeine BegrifT, die Idee, am Unmittel-
barsten, als die Voraussetzung ihrer weitem Selbstver-
mittluBg, die abstrakte Aeusserlichkeit, die Form rni-
endlicher Einzeinbeiten, — ^ wo man wenigstens im A%e-
meinstpn zu entdecken vermag , wie diese Aeusserlichkeit
als Haum U9|d Zeit „angeschaut^ zu werden vermcige.
Auf diese „Anschauung<^, als den ursprunglichsteA
Erkenntnissakt der absoluten Idee, wird daher auch in den
befrcfienden Paragraphen (g. 244.) der zweiten mi
dritten Ausgabe der Encyklopädie der Hauptnachdnui
gelegt. Die Assertion, dass die Idee in derNator ao-
schauend sei, — von einem Beweise dafür ist nichl
in die Natarphilosophie. 923
die Rede, kann nicht die Rede sein, aus gleich aiiKttfiihrGn-
den Gründen — ist das in der neuen Auflage Hinsage^
komniene. „Die Idee, welche für sich ist, nach dieser
ihrer Einheit mit sich betrachtet, ist Anschauen, iisd
die anschauende Idee Natur. Als Anschauen ist aber die
Idee in einseitiger Bestimmung der Unmittelbarheit
oder Negation durch äusscrliche Reflexion gesetzt^. •-*
Natürlich; denn, laut empirisch-psychologischer
Selbsterfahrung, ist das Anschauen nur noch das
Unmittelbare^ nicht in sich Reflektirte des Bewusstseitis ;
— man könnte es die Selbstentäusserung des Bewusstseins
nennen , welche es eben desshalb, als Vorbedingung (niickt
zeitlich , sondern begriflflich) seiner Reflexion in sich, sei«
ncr hohem Bewusstseinsakte , ^oransznsetzen hat.
Diese Genesis des Selbstbewusstseins in
uns, welche die Psychologie weiter darzulegen batlc^
wird nun vonHeg e 1^ in jenen halb wieder verschluck-
ten Andeutungen von einem Anschauen oder Selbstan^
schauen der Idee, auf die weltschöpferiscbe Idee
übertragen: sie muss sich unmittelbar ihrer selbst
entäussem, bloss «anschauende Idee — Natur^ sein, damit
sie zur Reflexion iii sich selbst, — zum Geiste, werden
könne, was der Inhalt des weitem Weltproceases ist. Sie
kann sich jedoch frei „entschliessen^ zu dieser Selbstent«-
äusserung, mit der Sicherheit, sich darin nicht völlig eiil^
fremdet zu werden — sie ist auch hierth , tvie es in der
Logik hiess (S. 400.) „ihrer absolut sicher und
in sich ruhend^ weil sie doch an sich schon der
Begriff, „ewiger Geist^ ist, die sogleich schon Aber jene
sich entSuflsernde Unmittelbarkeit „hinübergreifende Sub»
fekfivität«.
Diess Alles wäre nun, auch als blosse ¥ ersiehe*
rung, als ein frommer Wunsch, es etwa eiiimai pbiloso«^
phisch begründet zu sehen, gar nicht abzuweisen oderrdiese
Ansicht der Lehre zu verkümmem ; hätte sich ihir Urheber
dabei nur die Hauptbedingung enlsphieden zum Bewnsst*
sein gebracht , den Begriff, ohne welchen ein solches
924 Allgemeines Rerältai und Endarfheil
seltetenUliisserndes Sichanschaveii der Idee im Andern (sei
es der Welt überhaupt, oder allein der Natur) vöUigr sidb-
los ist Nur dem persönlichen Subjekte, nicht
dem Neutrum einer unendlich übergreifenden ^^ubjek-
tivität^, lässt sich Selbstanschauung zugestehen ; ist sie
hber vollends Selbstanschauung im Andern und im an-
endlich Andern, welches sie in Einheit zusammenz»-
fassen hat, so kann sie nur absolutes Subjekt, abso-
lutes Selbstbewusstsein sein. Und Wer die Früchte dieses
hohen BegriiTes firndten will, niuss es auch wagen, sidi mit
Klarheit für ihn zu entscheiden, aber auch allen Schwierig-
kSeilen und Konsequenzen desselben in*s Auge zu sehen.
Diess aber ist das Doppelsinnige und Unentschiedene, ja,
gestehen wir es offen, das uns Widermulhende der H egel-
sehen Lehre , dass sie zwar es nirgends verschmäkt , jene
Ihr fehlende Idee, als die Im Hintergrunde liegende Prä-
misse, aufs Beste zu benutzen , um die auflallendsten Lü-
cken ihres Princips auszufüllen, ohne jedoch sie als ein
nur Vorausgesetztes anzuerkennen, noch überhaupt des
eigenen, im ganzen Principe Kegenden, spedfischen Mangels
Je bewusst geworden zu sein. Selbst in den „Zusätzen-,
welche die EncyklopSdie aus Hegels mündlichen Vorlrä-
gen neuerdings erhalten hat, bringt der hierüber gegebene
fleitrag (Werke, Bd. YL $. 344. S. 414.) das AUerdürfUg-
ste und Ungenügendste. „Das , womit wir die Logik an-
fingen, war das Sein, das abstrakte Sein, and nunmehr
haben wir die Idee als Sein; diese seiende Idee
ist aber die Natur^.
Lasitt uns Hegel daher rathlos , — nicht über seine
Meinung, sondern über die Beweise iur dieselbe, —
so müssen wir selbst , was er wirklich dafür geleistet, ans
dem weitern Zusammenhange seiner Logik aufsuchen. Da
sind denn die beiden Grundpramissen eben nur die alten,
schon nachgewiesenen.
Das Absolute zuerst ist das concrel Allgemeine, die
unendliche Negativität, sich selbst nur das Andere seiner
selbst zu sein , darin also in unendlicher Rückkehr uid
aber Hegeis Logik. 9^6
Iclentillt mit rioh selbst m bleiben: i^or insofern isl
OS ewige Schöpfung, ewige Lebendigkeit und ewiger Geist^
CE n c y kl. S. 214.). Es jedoch darum als den absoluten B e-
grriff, oder, in der Einheit desselben mit der OlyektiYitftty
als Idee, als Denken, überhaupt als ewigen Geist, zu
bezeichnen in eigentlicher Bedeutung, ist hi^ lediglich noeb
eine Assertion, die sich auf Späteres gründen muss.
Sonst hätte mit ganz demselben Rechte schon Sjpinasa^
der das wesentlioh gleiche, nur dialektisch nicht m
ausgebildete Princip anerkannte, die ewige, in nnendliehe
Modifikationen der Ausdehnung und des Denkens sich enU
öossernde Substanz, den ewigen Begriff oder den Geist nen«*
ncn können. Er hat es unterlassen , im Bewusstaein der
radikalen Unangemessenheit dieser Bezeichnung; aber der
wirkliche Fortschritt , welchen Hegel jenem Principe ge^
geben , die immanente Negativität und unendliche Lebe»»
digkeit dieses Processes nachzuweisen, reicht nicht aus
bis zu Bestimmungen der Intellektualität in ihm.
Was ist es daher eigentlich, wodurch Hegel seinem
Absoluten schon in der Logik jene ihm fremde Steigerung
geben konnte? Historisch nur die Ueberliefbning aus
der Schellingschen Naturphilosophie, wdcbe die Idea-*
litat der Natur auf ganz anderm Gebiete, imConereten,
nachgewiesen hatte. Was spekulativ seine Logik hin-
zugebracht hat, ist bloss das Weitere (hier die zweite
Voraussetzung für den Schluss derselben und ihren Ueber.»
gang in die Naturphilosophie): dass es ein spekulatives
Erkennen der gesammten Objektivität, des Universums giobi,
worin sich dasselbe als ein schlechthin Gedankenmassiges,
Vernünftiges, worin sich die Immanenz der Idee in ihm
faktisch bewährt. Das Universum ist dem Erkennen schlecht^
hin zugebildet; denn es wird erkannt in der Wissen«
Schaft , am Universalsten in der Philosophie.
Hieraus geht nun der (in seiner Ausdröcklichkeit übri-
gens verschwiegene, nur als dunkle Prämisse durchwal-«
tende) Rückschluss hervor , --- wir selbst haben ihn oben
schon, wiewohl in anderm Zusammenhange und für andere
936 Allgemeines Residtal and Endortheil
Gellutig, eum Bewnsstsein gehncdii : — weil die Objektiv
▼itdl siek erkennen lasst, weil sie durchdrungen ist
von absoluter Inieliigibita t, so ist auck ein In-
telligiren , Donken , der „BegrilP' oder die «Idee^ als der
wahrhartc schöpferischeGrund derselben an^-
nMiehen. Auf diesem einfachen Gedanken Uegl die gimze
Wucht jener durch die Logik ausgespoanenen Grundan-
nakme, dass das Absohite nicht bloss das concret Allge-
meine , die unendliche Negativitat steten Selbsterzeagens
wd Selbslaufliebens (alles Diess würde nämlich noch nicht
zu geistigen Prädikaten desselben berechtigen), sondern
darin als der intellektuelle Process eines Selbstansckauens
und Solbsterkennens vorauszusetzen seL Das wahrhaft
ungeschickt zu Nennende aber im Plane der Logik
bleibt imnier das dabei, dass die ^spekulative Idee%
aus der alle diese Konsequenzen hervorgezogen werden,
erst gimz am Ende auilritt, wodurch die vorausgehenden
Prädikate des Absohiten , als des Begriffes, als der
Idee, als der ubergreiienden Subjektivität und des Gei-
stes — (wie nämlich die vermeintliche ^dialektische^ De-
dnktion derselben im Einzehien beschaffeil sei, haben wir
schon gezeigt) — zu blossen Anlicipationen werden,
indem man uns damit auf diess spätere Ergebniss vertrö-
stet, ohne es jedoch auch darin zur Klarheit und Ausdruck-
lichkeit der Beweisiuhrung aus ihm zu bringen; selbst
vorausgesetzt, dass ein solcher Beweis aus dem Faktum
zur vollständigen Begründung eines allgemein qmkulativen
Princips irgend hinreichen könnte.
Nach allen bisherigen Nacbweisungen geschieht daher
der Hegel sehen Logik lediglich ihr Recht , wenn wir sie
in allen Gestalten, unter denen sie Hegel vorgeführt hat,
ihrem ganzen Plane und Zusammenhange nach, wie naher
nach Ausgang und Anfang, für verfehlt erklären mfis»
sen , in specieUerem Sinne aber sie iur völlig ungenügend
erachten, das Princip zu begründen, welches Hegel sei-
ner Weltansicht zu Grunde gelegt hat. Man müsste jedoch
Bedenken tragen , die Beleuchtung so grosser Gebre-*
aber Hegels Logik. 927
chen , gerafde an den Hauptponhten des ^temes , iit den
Annalen der Spekulation niederzulegen , wären sie nicht
völlig erwiesene, nicht auszn tilgen de, unwiedernifliche, und
fanden sie nicht -^ was ihre spekulative Wichtigkeit aus-<
macht , — ebenso nach ihrem Entstehen , wie nach deni
Bestreben ihres Urhebers, sie sich zu verbergen, ihre voli'^
kommene Erklärung im ganzen Standpunkte, — einem Ue-*
bergangs Standpunkte, -— welchen Hegel halb gewalt-
sam iur sich selbst zu befestigen suchte.
Der Idealismus, in dessen Besitz Hegel durch das
S c h e 1 1 i n g sehe Vermächtniss kam , drängte ihn dahih^
wenn er sein Princip nicht nur realistisch durchführen,
sondern es allgemein metaphysisch begründen wollte, —
was er sogleich als die eigenthümliche Aufgabe seines
Philosophirens gefasst hatte, r— denselben üebergang, wel-
chen wir Seh ein ng in der letzten Epoche seiner Werke
gewinnen sehen, schon in der Logik klar und unzweideu-
lig herauszustellen. Das Pan-Ideelle, die allem Wirk-
lichen innewohnende Vernunft , und so der Begriff dieser
Immanenz, ist kein Letztes, sie ist nicht das Absolute,
sondern nur (in welchem nähern Sinne auch gedacht)
Folge des Absoluten. Diess ergab sich uns schon bei
S c h e 1 1 i n g ; wir sahen dort zugleich , wie dieser in den
Werken seiner mittlem Epoche , im „Bruno^, in ^Philoso-
phie und Religion^' und sonst, bedacht war , diesen reali-
sirenden Schöpftingsakt des Ideellen, a I s solchen , begreif-
lich zu machen: überhaupt als Selbsterkenntnissakt des ab-
soluten Subjekts, näher als ein realisirendes Hinschauen
der Ideen , im Gegensatze mit der bloss ideellen That
eines Denkens derselben. Und reafisUscb hatte S c h e I-
ling dieser ganzen Auffassungsweise schon vorgearbeitet:
er hatte das Universum das unendliche „Anschauen^^ der
absoluten Identität, die Schwere das äusserliche, das Licht
das innere Anschauen , die Existenz des Ideellen in der
Natur, genannt, beide jedoch unter dem Uebergewichlc des
Realen stehend.
Darüber hinaus ist nun Hegel in seiner Logik kei-
•928 Endurtheil fiber OegeU Logik.
nesw^es gelangt, ja, metapbysiach beurUieilt , ki«ai
bis dahin. Auch ihm ist das ^unendlicbe Sichandefswer-
den'* des Absoluten zur Welt (— diess ist die etgentlicbe
logische Kategorie, die er für den Begriff der Sdiöpüng
baO dem Principe nach ein Selbsterkenntnissakt der absofaiteB
^Idee^; — die Natur ist „anschauende Idee", und so würde
es amletzt auch bei ihm , mit einer etwas nachsichtigen
Interpretation , sich zum Zugestandnisse eines »absolateo
Geistes^ und einer göttlichen Persönlichkeit bringen bis-
sen *y^ wenn jene Bestimmungen insgesammt nur mehr
wären, als blosse Versicherungen, Anticipationen, ja Ent-
lehn u n g e n aus der genialen I^turanschauun^ seines Vor*
gingers: den Kategorieen der Logik sind sie fremde ond
aufgenöthigte, specifisch ihnen entgegengesetzt, und diese
gewinnen erst ihre volle Klarheit wieder, wenn man diess
fremde Element von ihnen ausstösst **).
Dem ungeachtet hat es nun dennoch im Systeme Hatz
gefunden, und ist — leicht erklärlich — manchem Anhin-
ger das Wichtigste geworden , weil es das Räthseihaflo,
Paradoxe , die weitere Forschung Spornende ist. Daher
nun der Doppelsinn des Systemes, die Möglichkeit, dass sich
eine rechte und linke Seite den Deutenden hal bilden kön-
nen, von denen die Letztem ohne Zweifel allein Recht ha-
ben^ wenn es auf eigentliches Verstandniss und auf Durch-
führung desPrincips ankommt, während die Ersten doch
unstreitig die tiefem und selbststandigern Köpfe sind. Die
Logik ist selbst nämlich in die Schwebe gestellt : sie blickt
hinüber in ein Reich concreter Begriffe, anttcipfrt diese
gelegentlich zu eigenen Zwecken, ist aber durch ihre Me-
thode und ihren eigentlichen Bereich generisch von ihnen
geschieden« Dass diess auch durch die beiden folgenden
Theiie des Systemes nicht anders geworden, ist noch kttn'
lieh zu zeigen.
*) Dazu die Stelle in der „Logik<f (Bd. IL S. 296. alte Aug.)»
welche man' darauf gedeutet hat»
**) Vgl. „zur spek. Theologie" Zei t seh rifl Bd. V.H. 1. S.104-9.
Hegels Naturphilosophie. 929
Der Naturphilosophie Hegels so in*s Einzelne
zu folgen, wie diess mit der Logik geschehen, wäre nicht
bloss überflüssig für den Zweck der gegenwärtigen Schrift,
die nur eine Kritik der Principien enthält , sondern auch
unthunlich für uns. Es ist unsere Maxime , bei Werken,
deren allgemeines Princip wir für wahr und berechtigt Bai.
len, deren relativen Hangel wir jedoch behaupten müssen,
wo es also auf die positive Ausführung desselben ankommt»
uns auf eigene Leistungen zu berufen und diese zur Un<-
terlage der Kritik zu nehmen. Diess vermochten wir, im
Allgemeinen wenigstens, bei der Phänomenologie des Gei-
stes, und speciell bei der Logik konnte die in der Ontolo«
gie gegebene Ausführung der metaphysischen Probleme erst
die volle Rechtfertigung unserer Kritik derselben überneh-
men. Ein eigenes System der Naturphilosophie aulstellen
zu können, ist uns bis jetzt noch nicht beschieden wor-
den ; auch hallen wir , allgemein gesagt , eine glückliche
Lösung dieser ganzen Aufgabe noch iur unzeitig , ebenso
wie ein System des geistigen Universums, eine Philosophie
der Geschichte, mit Anspnich auf erschöpfende Durchfüh-
rung. Denn ebenso, wie die frühesten Anßnge der Hen-
schengcschichte noch in Dunkel gehüllt liegen, das sich
erst allmählig durch sehr umfassende und reich combinirte
spekulative und historische Forschungen erhellen lässt, in
ganz gleichem Verhältnisse sind die tiefsten Gründe der
Natur, spekulativ und für die Beobachtung, das Schwierig-
ste und Entlegenste ; in Beidem liegt aber dii^ eigentliche
Bedeutung , der „BegriiF der Natur und der Geschichte,
wenn auf die spekulative Ergründung von Anfang Alles
ankommt Ebenso hat sich das unendliche Detail derNa-
lurbeobachtungen noch viel zu wenig gesichtet und in be-
währte Grundbegriffe zusammengefasst, um die „immanente
Dialektik«' des Natnrzusammenhanges, die objektive Stufen-
folge der Naturdinge ohne Lücke gedankenmässig wieder
aufzubauen.
Abgesehen von den früher gemachten Bemerkungen
(S. 874—76.) über die iur eine Naturphilosophie
59
930 Begriff der Natur.
unsers Erachtens falsche Stellung von Raum und Zeit, ist
der Grundbegriff der Natur, dass sie der unaufgelöste
Widerspruch ($. 248.) sei, das zuerst zu Beachtes-
de ^). Widerspruch könnte hier abermals in dem laxe-
ren Sinne gebraucht scheinen , dass es zugleich aocii Ge-
gensatz, Anderssein , Unterschied fibcrhaupt bedeute. Die
Natur ist die absolute Idee in der Form des Ausser-
Sichseins. Diess lässt sich voh der Logik her näher
verstehen : die obsolute Idee ist System, geschlossen
Einheit , von Ideen ; in ihrer Existenz als Natur , hat sie
diese Ideen, als selbststandige Dinge neben eiaander aus-
gebreitet, „hingeschaut^. Dieser Schellingscke
Begriff , wenn auch nicht ausgesprochen , bleibt im Hin-
tergründe.
In dieser Aeusserlichkeit haben die Begriffsbestimmini-
gen den Schein eines gleichgültigen Bestehens und der
Vereinzelung gegen einander; der Begriff ist desswegen
als Innerliches. Die Natur zeigt keine Freiheit^ nur Not b-
wendigkeit und Zufälligkeit. Wie die Idee daher
ist in der Natur, entspricht ihr Sein ihrem Begriffe nicht;
sie ist vielmehr der unaufgelöste Widerspruch ; — die
Unangemessenheit ihrer selbst gegen sich. — Der
Widerspruch der Idee aber, indem sie sich selbst in der
Natur änsserlich ist, ist naher „der Widerspruch der einer-
seits durch den Begriff erzeugten Nothwendigkeit ih-
rer Gebilde und deren in der organischen Totalität^ (der
ganzen Natur) „vernünftigen Bestimmung, — und anderer-
seits deren gleichgültigen Zufälligkeit und un-
bestimmbaren Regellosigkeit^. Das Zufallige an
den Naturdingen ist nämlich eine ^Henge von Eigenschtt-
*) Diess ist auch die früheste Schellingsehe Bestlmoitmg vm
der Natur: es ist der ,, Widerspruch*' des absoluiea Subjekt-
Objekts in seiner Unmittelbarkeit, als Natur , noch aicfat dai
Ideelle zu sein. Später hat Schelling diese BestimaiaBi
aufgegeben. Vgl. oben S. 599—600.
Begriff der Natan 931
len^, (]io in Bezug auf ihren BegriiT, ^die fär sich seiende
Subjektivität^^, gleichgültig «ind, in deii^ daher ihr Begriff
g^ar nicht oder nur schwach und dämpieirnd wiedererkannt
zu werden vermag, in denen sie diese daher ^äusser-
l icher, somit zufälliger Bestimmung über-
1 ä s s t^. — Darin besteht die „Ohnmacht^ der Natur^ dilp
Begriffsbestimmungen nur abstrakt zu erbaltqn und die
Ausführung desBesondem äusserer Bestimmbairkeit aus-
zusetzen ; in jener liegt zugleich die Schwiqrigkeit und in
vielen Kreisen die Unmöglichkeit, aus der empirischen Be-
trachtung feste Unterschiede für Klassen und Ordnungen zu
finden. Die Natur vermischt allenthalben die we-
sentlichen Gränzen durch mittlere und schlechte Ge-
bilde ; eben dahin sind die Missgeburten , Missibildungcn
aller Art za rechnen u. dgK ($. 247—250. S. 227. 28.
230-33.).
In diesem Begriffe der Natur, von allem Weitern ab^
gesehen , finden wir zunächst sogleich jenes Zufällige und
Rege.Uose , das Hegel als die Eine Seite des iu ihr „un-
aufgelösten Widerspruches^ bezeichnet, weder dialektisch
abgeleitet, noch auch nur formell mit der andern Seite,
der Nothwcndigkeit in derselben, in Verbindung gebracht.
Die Nothwendigkeit der Natur hat Hegel, — wenn auch
nicht in ausführlicher Behandlung , doch deutlich genug,
um seiner Meinung gewiss zu sein, — auf das Tiefste und
Wesentlichste gefasst £s ist die Nothwendigkeit
des Zweckes, die sich in ihr realisirt. Die vereinzelt
Buseinandertretenden, den „Schein eines gleichgültigen Für*
sichbestehens<< tragenden Naturdinge haben in der ausser
ihnen liegenden und doch durch sie hindurchwirkenden
Einheit des Zweckes ihre Nothwendigkeit, Schranke, Be-
dingung. Es ist mit Einem Worte der höchst bedeutungs-
volle Begriff der Endursache, welche sich im Univer-
sum, in einem Systeme sich steigernder , aber auf die in-
nere Einheit des absoluten Zwecks bezogener Zweck- und
Millelreihen, realisirt, und deren von Hegel verabsäumte
Dialektik unserer Ontotogie die abweichende Richtung von
932 Nothwendigkett und Zufälligkeit
der Heg et sehen Logik gtebt und einen fiber sie hinaus-
liegenden Begriff des Absoluten vorbereitet.
Aber Hegel irrt, wenn er diese Notwendigkeit
nur auf die Natur eingeschränkt wissen, oder ftr den
^nicht aurgeldsten Widerspruch«^ in derselben ausgeben
will. Nicht nur die bewusstlosen Naturdinge, sondern das
geistige Universum der freien Individualisten ist dieser
Nothwendigkeit des absoluten Zweckes ebenso unterwcMfen,
wie sich in Bezug auf letztere an das bekannte , dahin
einschlagende Problem : die individuelle Freiheit mit der
Nothwendigkeit des Weltplanes auszugleichen , erinnern
lisst ; — und wenn der Begriff des höchsten , absoluten
Endzwecks nur innerhalb ihrer reaMsirt werdeii kann, so
leuchtet daraus ebenso sehr einerseits die Nöthigmig her-
vor, auch in ihnen und ihrer relativen Freiheit die Grund-
lage eines ihnen immanenten Nothwendigen anzunehmen,
wie andrerseits doch auch die Aufgabe , ein diesem Ver-
hältnisse gewachsenes Absolutes denken zu mässen
sich föhlbar macht (vgl. Ontotogie, §. 290—93. be-
sonders S. 509. ff.). Und diess eben sind die Lücken,
welche das Hegel sehe System auch von dieser Seite, im
Begriffe der Natur , übrig gelassen hat : sie hangen auf
das Innigste, wie man sieht , mit den früher nachgewiese-
nen zusammen.
Aber die Zufälligkeit und unbestimmte Regeltosigfceit
in der Natur ($. 250.) , das ungebundene Spiel der For-
men, die Willkuhr der unbestimmten Uefbergänge und Miss-
bildungen, überhaupt die ^Ohnmacht^^ der Natur, wodurch
ihren Gebilden ihr Begriff nur abstrakt erhalten wird,
d. h. ein bloss ihnen äusscrilcher bleibt, — existirt sie denn
in solcher Weise ? Hierüber kann jedoch angeführt wer-
den, dass die ganze neuere Naturforschung und nament-
lich die Biologie zu gerade entgegengesetzten Resultaten
gekommen ist. Namentlich die letztere legt in jenem „un-
gebundenen Spiele« der Gattungen und Arten das tiefste
und sinnvollste System von Uebergängen dar, worin kein
organisches Moment übersprungen wird, und wo die Em-
in der Natur. 933
phrie selber sich durch ihre ausgeführten Analogieen 211
dem Range eines apriorischen Wissens aufgeschwungen
hat, in diesem Systeme gewisse Thier- und Pflanzenformen
als noihwendige zu fordern, bis sich etwa in den
untergegangenen Geschlechtem der Vorwelt dieselben wirk-
liSh finden, und jene Lücken ausgefüllt werden.
Welche grosse Bedeutung ferner die Missbildungen in
der organischen Natur filr die vergtoidbende Physiologie
erhalten haben , darf Keinem unbekannt sein , der sie als
Instanzen gegen die Begrifismissigkeit der Natur anführen
will. Im Gegentheil dienen sie zu zeigen , mit welcher
Kraft und Hartnäckigkeit der ^Begriil^, die plastische
Seele, welche in jedem organischen Gebilde die Gat-
tungsallgemeinheit zugleich auf eine individuelle, ei-
genthumliche Weise durchfuhrt und darstellt , auch unter
den widerstrebendsten Mitteln und ungünstigsten Bedingun-
gen das ihr möglichst Homogene mit sinnreich bewusstlo-
ser Weisheit herauszubilden vermöge : das Anomale der
Natur zeigt gerade, wie stark und mächtig der i^Begrifi^ in
ABem »gegenwärtig^ sei.
Aber ganz unverkennbar hängt die Bedeutung, welche
Hegel überhaupt dem Zufalle in seinem Systeme ein-
räumt, — denn auch im geistigen Universum, in der Weltge-
schichte kehrt ihm derselbe zurück, und diejenigen Völker-
geister und Individuen, welche nicht die Träger des Welt-
geistes zu sein vermögen , oder an denen dieser weitge-
schichtliche Process sich schon durchgesetzt hat, werden
jener AeusserUdikeit des Zufalls überlassen: ihr Treiben
und Geschick ist ein dem WeKgeiste fremdes , gleichgülti-
ges , mithin zufälliges ; sie sind zu der Bedeutung der be-
grifflosen Naturexistenzen herabgesetzt *> : — diese Be-
deutung des Zufalls im Hegeischen Systeme hängt mit
cinent tiefern Gebrechen im Principe zusammen , welches
schon früher zur Sprache kam. Der Moment des Concre-
*) Hegels Becbispbilosophie, $. 340. 45. 47. 4a
934 Nothwcndigkcil und Zufälligkeit
ten : das InAviduelle in der Natur , das Persönliche in
Geistigen , hat an sich selbst keine Dauer und keinen Be-
stand, mithin auch keine Wahrheit; es ist nnr Moraeel
des Allgemeinen, dazu da, um aufgehoben zu werden. Sa
kommen ihm auch keine selbstständigen, individnalisi-
renden Geslaitongskräile zu; was also in ihm hinan^egt
über jenen Allgemeinbegriff und die ebenso allgemetne
Nothwendigkeit seiner Momente, ist gesetzlos, nnberecheii-
bar, zufällig. Nur das absoM Begriffs-, d. h. Regci-
tnässige sollte sein, oder vielmehr nur diess ist wahrhaA;
denn das ^Zußillige^' , gegen den Begriff Gleichgültige , ist
hiermit auoh als das Unvernünftige, Nichtwirk.
liehe zu setzen.
Dadurch Ueibl indess im metaphysischen Prii-
cipe der ganzen Weltansicht eine Lücke zurück, weicke
allein schon zeigt, dass es für sich unzureichend sei n emer
wahrhaft objektiven Welterklärung. Sei nämlich jenes In-
dividuelle an den Dingen immerhin vemonfUos, zufällig
und durchaus ohne Bedeutung; so halte das System nickt
minder doch zu erklären , w i e es überhaupt nur zu exi-
stiren, in*s Dasein zu gelangen vermöge. Ist alles Schöpfe-
rische, der ganze Grund der Objektivität, nur der sick
selbst reaiisirende absolute Begriff; so bleibt es
schlechterdings unerklärbar, ja widersprcs
chend, dass ein so Zufälliges, dem Begriffe
Entfremdetes, überhaupt zu existiren ver-
möge: es kann nicht sein, weil es nicht aus dem (vor-
aussützlicfaen) absoluten Grunde alles Daseins ist — Moss
aber, gleichwie Hegel es thut, zugegeben werden, dass,
wie er es liennt, „"Zufälliges« in der Natur , wie in
der Geschidite, zum Dasein komme, d. h. solches,was
er aus S0in€n Weltprinoipien nicht erklären
kann: so gilt der entg€^ngesetzte Schluss; HegftI ist
damit faktisch, durch diese negative That des Ni<Aler-
klärenkönnens , der Hangelhafligkeit , der „Ohnmacht' sei-
ner Principien geständig geworden. — Zufall in diesen
(metaphysischen) Sinne nämlich ist völlig gleich der Grund-
in der Natur. 935
I osigkeit, d. h. dem Nichtwissen des Grundes; und
^vie weit ein spekulatives System jenen zugesteht, was viel-
mehr ein Einräumen des letztern, des Nichtwissens,
grleichkommt , so weit hat es sich als unzulänglich aufge-
w^iesen und selbst widerlegt *}.
Noch einmal also: die Natur ist die absolute Un-
a ngemessenheit der Idee für sich selbst, der unauf-
l^elöste Widerspruch, ihr Abfall von sich; — und den-
noch ist sie das Unmittelbare, Yorausgegebene , ja, trotz
aller jener verneinenden Bestimmungen, das nothwendig
Yorausgegebene , damit sich die eigentliche Wahrheit der
Idee, die Seele und der Geist, daraus entwickeln könne«
Hier bleibt jedoch eine Reihe von Fragen zurück, hinter
denen das Spekulative erst beginnt Hegel ist, mit der-
gleichen Erklärungen über das Yerhältniss der Idee zur
Natur, über das lediglichF aktische nicht hinausgekom-
men, wobei an die entsprechende Lücke und das dialek-
tisch gänzlich Ungenügende der Deduktion der Natur am
Schlüsse der Logik wieder erinnert werden muss.
Jener ganzen Auffassung liegen nämlich bewusstlos
^ Auch hierüber muss an die zusammenhaogende metaphysische
Dialektik verwiesen werden (Ontologle $. 176—181.)» wo
der Begriff der Zufälligkeit in jeder seiner drei Bedeutungen
sich widerlegt und in den BegrifF der Nothwendigkeit auf-
hebt. Aber auch das Deterministische, die Nothwendigkeit^
ist in keinem Sinne das Höchste nnd Absolute, «- was in
den Kategorieen der Nothwendigkeit nachzuweisen ist
(a. a. O. $. 191 — 202.), — sondern der Begriff -der Selbsthe-
Stimmung jeglichen Wesens — jeder Urposition — aus sich
selbst, worin diess seine Bestimmtheit oder innere Noth»
wendigkeit, zugleich daher das bewasste Wesen die Wur-
zel seiner Freiheit hat (§. 199 — 201). üeberhaupt muss da-
her an Hegels System ebensowohl der Begriff des Zufalls,
als der der Nothwendigkeit widerlegt , oder gesteigert wer-
den. Wie beide aber in seinem Systeme aufs Innigste zu«
sainmenhangen , darOber Tgl. Ontotogie J. 180. Aomerk.
S. 308. ff.
936 Die Natur, als der unaufgeloste Widersqpruch
folgende Prämissen zu Grunde: die Natur, das raum--aseil-
liche Dasein in seiner ausserlichen Unendlichkeit, ist g^e-
gebe n ; ebenso faliUsch ist es aber, dass der Gpist, das indi-
viduelle Bewusstsein, nur unter sinnlichen Naturbedingungen
sich verwirklichen , in organischer Körperlichkeit exislir^i
kann. Nun ist aber, laut obiger logischer Beweise, der
absolute Begriff der alleinige Grund alles Objektiven ; ist fer-
ner in der Natur so vieles Begriiflose, ja Begriffswidrige an-
zuerkennen, so kann diese nur als die dem Begriffe schiecht«
hin unangemessene Existenz, aber, da sich faktisch aus ihr
der individuelle Geist erhebt , doch nur als die „n o t h-
wendige^ Bedingung jenes höhern , dem Begriffe ange-
messenem Daseins angesehen werden.
Wir können nicht umbin , diese ganze Argumentation
iür seicht und nach allen Seiten hin ungenügend zu er-
klären : Nicht so , durch blosses Einreihen des Faktischen
in die Nothwendigkeit des Begriffes, kann ein melaphysi-
• sches Problem , — ein „unaufgelöster Widerspruch** , —
seine Erledigung erhalten ; es ist eben die hier zu lö-
sende Frage: warum der (mdividueile) Geist einer
solchen Vermittlung bedürfe, wie sie faktisch vorliegt,
warum zu seiner Verwirklichung ein so ungeheuerer Ap-
parat bewusstloser Naturstufen nothwendig sei? Hegel
hat das Problem gestellt , nicht gelöst.
Ebenso behauptet er zufolge derselben, aus dem Fak-
tischen sogleich in die Begriffsnothwendigkeit sich eriie-
benden Begriffswendung: die Natur ist die unmittelbare,
jedoch die ihr unangemessene, ihr selber widersprechende
Existenz der absoluten Idee. Aber wie seltsam, hier sich
die Frage gar nicht beigehen zu lassen, oder kein Beden-
ken darin zu finden : wie die absolute Idee zu dieser wi.
derspruchsvoUen Existenz gekommen sein möge, noch dazu,
wenn sie ihre Unmittelbarkeit sein soll? Was wäre auch
sonst diess für ein räthselhalles Dasein der Idee, eine Un-
mittelbarkeit derselben, die dennoch zugleich mit dem Wi-
derspruche gegen sich selbst, gegen die Wahrheit des ei-
genen Begriffes , zu kämpfen hat ? Ueberhaiqit ist es die
der absoluten Idee. 937
liftrleslc^ paradoxeste Auffassung der Natur, sowohl an sieb,
wie im VerhaUntsse zum ganzen Systeme, mit welcher sich
je weht eine Philosophie hat genflgen lassen.
£s soll nämlich das Absolute, die „absolute Idee^
sein 9 die in der Natur mit einem ihm fremden Elemente^
mit dem Widerspruche gegen rieh, behanet ist. Eine sol-
che Bestimmung sohlicsst jedoch den Begriff des Ab-
soluten gerade aus. Ist die Natur in der That die Un-
mittelbarkeit eines unaufgeldsten Widerspruches , so kann
dieser nicht, am Absoluten, am höchsten Principe, haften;
denn, abgesehmi davon, dass ein solcher Selbstwiderspruch
auf einen kaum verhehlten Dualismus im Absoluten selbst hin-
auslaufen würde, wäre noch bestimmter dagegen zu sagen, dass
die Nothwendigkeit, welche die absolute Idee zwingt,
in unmittelbarer Existenz der Widerspruch mit sich zu sein,
offenbar das Höhere gegen dieselbe ist: sie wfire dann
das Absolute, nicht mehr die fälschlich zum Absoluten er*
hobene Idee.
Aber wie willkfihrlich , nebulos und doch dürftig sind
alle diese Hegel sahen Bestimmungen ; wie lassen sie
durchaus das eigentiicbe Wesen des Problemes, den Scho-
pfungsakt eines Objektiven , einer Natur , zu erklären , im
Dunkel ! Ja sie schneidien den Antrieb zu jeder weitem
Erforschung desselben ab durch eine Assertion , die we-
der hinreichend erwiesen scheint, noch einen scharf be-
stimmten Sinn darbietet. In der That lasst sich 'der ginz^
liehe Mmigel an Klarheit und lichtvollem Unterrichte an die-
ser Stelle des Systems nur aus der abstrakten Dürftigkeit
des ganzen Princips begreiflich fmden : die Fakticitit za
erklären, vermag es nicht; so muss sich Hegel be»
gnugen; diese Fakticitat der Natur^ gerade so , wie er sie
in allgemeine Begriffe gefasst hatte , als ein schlechthin
nothwendiges Moment in der absoluten Idee eben nur zu
behaupten. Das Lehrreiche und Brauchbare für die Zu-
kunft der Spekulation liegt hier wirklich nur in dem indi-
rekten Geständnisse Hegels, dass ein solches, im
Widerspruche mit sich selbst begriffenes
938 Die Natur, als der unaufgelösle Widerspruch
Dasein nicht das Absolute sein könne, und in
4&m sich daran hervordrangenden Bevnisstsein , wie vide
Zwischenfragen hier iUI>ergangen seien.
Sprechen wir nämlich hier nochmals ans, was wir
schon an einem andern Orte in Erinnerung brachten : ^
das eigentliche Grundproblem des Ideaiismas, d.h.
derjenigen Weitansichten^ welche den Erklarangsgnuid alles
Daseins im Principe der Vernunft und einer intellektuellen
That derselben finden, also des Heg eischen, wie des
Schein ngscben und Fichteschen Systems, ebenso im
Alterthume der Lehren Piatons und des Aristoteles,
— das Grundproblem und zugleidi die Schwierigkeit des-
selben ist nicht , die Existenz eines ioeatörlichen Geistes,
sondern die des Nichtgeistigen zu eridaren, noch dazu,
wenn die massenhafte Ueberwucht des Wiridichai ädk als
das Bewusstlose, Unfreie , den Geist noch Negirende zeigt
Es mossle — sagten wir schon einmal *) — nach d^
wahren Schätzung vielmehr als das Erstaunenswertheste
und Rathscihafteste erscheinen, wie der Geist, einmal
als der Urgrund und das Wirksame in Allem
erkannt, in seiner Unmittelbarkeit doch in Noth-
wendigkeit nnd Bewussüosigfceit versenkt , somit seinem
wahren Begriffe durchaus zuwider, als blindwirkende Na-
tur erfunden zu werden vermöge.
- . Es ist das alte Problem, dessen wir uns schon voo
Sehe Hing her ans seiner Abhandlung über die Freiheit
erinnern; aber auch der Lösung, wie sie -dort gegeben ist:
— Hegel hat sich begnügt , Beides zu ignoriren und zo
Überspringen. — Es ist (ks Schicksal alles Lebens , wie
alles Geistes, selbst in Gott, vom Zustande der Einwii&e-
lang, der Negation gegen sich selbst, auszugehen, iun erst
im Gegensatze damit, sich empfindlich, seiner bewusst zo
werden. Warum uns metaphysisch, im absololen
^)Zur spekulativen Theologie: Zeitschrift etc.
. Bd. V. H. 2. S. 101-^103.
der iftsi^utta Uco. 939
IVinci^, diöse AuskanA nickl ansreiebirnd scheine, haben
wir dort aoseiiiandergosctzi ; es iM sogar sweifeihan , ob
wir darin noch die jetzige Mehrang Schellings erke»*
nen dürren. Aber auch von dresen historischen Bezügen
abgesehen, leuchtet ein, dass diess ein aUgemein metaphysi-
sches Problom ist, welches in die von Hegel übrig ge*
lasiene Lüclce zwischen Logik und Natniphilosophie hmeii^*
fallt, deren Weite und. Tiefe man auch daran etwa ermes*
gen mag : eine ganze Wissenschall , die speknIatiTe Theo-
logii^ und darin eine (das Objektive erkennende) Scho«
pfungslehre hat zwischen beiden Platz zu nehmen. —
Die Dialektik der Hegeischen Natnrjriulosophie in
ihren allgmueinen Umrissen dürfte als gelungen und rich-
tig angesprochen werden : aber sie war nach der grossen
£oheiIirtgschen Vorarbeit, nach StefCens, Okens
Leistungen , überhanpt nach der ganz« universalen Rieh^
tiing, welche die Naturwissenschaft durch jenen ersten Im-
puls . erhalten hatte , etwas kaum mehr zu Verfehlendes.
Wir bringien Folgendes daraus zur Sprache.
Die Natur ist an sich ein lebendiges Ganze , als sol-
ehes aber ein System von Stufen, deren eine ans
der andern notbwendig hervorgeht und die nichsts
Wahrheit derjenigen ist, aus welcher sie resultirt, aber
nicht so, dass die eine aus der andern natürlich erzeug!
würde, sondern in der innem , den Grund der Naiiir aus-
machenden Idee. Der Natur ist gerade diese Aeusserlioh-
keil eigenthümlich , die Unterschiede aus einander fallen
und als gleichgültige Existenzen auftreten Zü lassen. „Der
dialektische Begriff, der die Stufen fortlei-
let, ist das Innere derselben^^ ($. 249. 261.). Hiemit er-
klärt sich Hegel durchaus gegen die bekannte (yw
Qken insbesondere aufgebrachte und in's Eincetaie ans-
gemaUe) Vorstellung desUervorgehens der Pflanzen
und Thiere aus dem Meere, oder des albnahUgen Ueber-
g e h e n s der niedem Thierorganisationen in die hohem,
wobei man einen unbestimmbar langen Zeitraum zu Hülfe
nin^nt Die Kategorie d^her, welche Hegel festhilt, ist
940 Dialeidik dw Natantafen.
dio unstreitig lebr bereohligte und mkre: die Nator ia
allen ihren Momenten ist seUechtlun geschlMsene TotadiüC,
sie ist (der Idee nach) dnrdiaiis die Eine , sogleich giv
aetzte ; ein waiurbafles Vor und Nach kann in ihr nicht
atattfinden. (Und so erklirt er sich auch in seiner „Phi-
losophie der Geschichte^' SL 56. 58. n. s.w. gVBi
folgerichtig gegen alle die Fragen nach d^n vorhistorischen
Entstehen des Mraschengeschlechts , seinen Paradiesessn-
standen u. dgl. : nur mit dem Geiste und sein«* Freiheil
beginne die philosophische Betrachtung desselben imd so
auch eine Phiioaophie der Geschichte.)
Aber hier wird der Begriff der Natur, ala der inner-
lich (ideell) Einen und geschlossenen, bloss entgegen-
gestellt der naturiiistoffsch erwiesenen Thatsache, dass
diese an sich Bme Natur doch nur allmähKch , in grossen
Zeiträumen^ sich stufenweise entwickelt und später erst, nrit
dem Hervortreten des Menschen , geschlossen hat. Jene
Einheit des Begriffes der Natur kann diese zddiclie
Genesis derselben nicht erkläre, aber hat auch kein Recht
sie zu läugnen, oder au -- ignoriren. Das Letztere scheint
hier indess stattgefunden 2u haben, und dann ist Oken in
seinen Rechte , d^ wenigstens das Vorbandensein eines
Problems darin anerkannt und den Versuch gemacht hat,
es SU lösen. —
Die innere Bewegung der Idee dnreh jenen Stden-
gang d^ Natur besteht darin, dass sie sidi als das setze,
was sie an sich ist, dass sie aus ihrer Unmittelbarkeit
und AensserUcbkeit, „welche der T o d ist** (todte, unorga-
nische Natur), in sich gehe, um zunfichst als Lebendi-
ges zu sein — aus dem universalen AIHeben , der Cen-
trundosigkeit , zuerst nur ein Individuelles (Organis-
mus) zu selffen ; aber femer auch diese Bestimmtheit , in
der sie nur Leben ist, zur Existenz des Geistes »f-
hebe , der die Wahrheit und der Bndzweck der Natur and
die wahre Wirklichkeit der Idee ist.
So zerfillt die Naturphilosophie in die Mechanik,
die Physik und iBe Organik. Die eratere betnieUel,
Mechanik nnd Physik. 941
*
nach den abstrakten Fonnen der AeoMeriichkeil , Raum
und Zeit, das vereinzelte, aber noch nicht als ooncret
(qualitativ) gefasste, Aossereinander, — die Körper, als nur
vereinaelte Materie (Schwere), und ihr VerhiUniss xu ein»
ander in jenen abstrakten Formen des Raumes und der
Zeit : Triigheit der Körper, Stoss, Druck, FaH ($. 262-^.)*
Aber die selbstlesen, auf ein fremdes Oentrum sich bezkw
henden Köiper heben sich auf in ^ Tatalität der allgrc^
meinenGravitation der Weitkörper gegen einander, in
deren absolut freier Beuregung keiner derselben ab«-
solutes Centrum, sondern ebenso einzelner Moment, ja^
als sieh bewegender, Sulqektivitil ist , wie andem-
theOs weaentlicher (Begrifib-) Moment in dem Sy«^
Sterne der Weltkörper wird , in welchem sich die Idee
realisirt zeigt, in der Unmittelbarkeit der Materie sich
dargestellt hat (g. 269—71.).
Die Materie hat jedoch dadurch Individualitat,
insofern vlas Färsichsein (die Subjektivität) des Körpers
zugidck nun an ihm erscheinen , sein Rinmliches aus
sich selbst, der allgemeinen Schwere gegenüber, be-
stimmen muss; das allgemeine Gebiet der physikali-
schen Qualitäten, — als Inhalt der „Physik«
(S. 272. £[.)•
Hier tritt zuerst ebenso , wie vorher , Has Allgemeine
voran , die universalen Fonnen der Materie , die „a 1 1 g &-
meinen physikalischen Individualitäten« (f.
272. f.), vor allen das Licht, als erste qualifictrte
Materie, aber zugleich als die reine Identität mit
sich, die doch den Unterschied, Trfibung und Farbe,
als Moment in sich trägt: ($. 275. 76. vergl. $. 317. IK,
was mit der Sehe Hin gschen, überhaupt mit der Aut»
fassung der rrähem Naturphilosophie ganz übereinstimmt.)
— Aber die Körper dieser reinen Identität sind die Fix-
sterne, die Sonne zugleich, als Moment einer Totalität
von Weltkörpem (eines Sonnensystemes) , zu betrachten.
Sie repräsentirt darin die Seite der abstrakten Allgemein-
heit oder Ideiriität : auf die andere Seite treten , als
94a Pliygik.
Körper des Gegensatzes» der Mond, als Körper der
Starrheiti der,, des metereologisoken Proet^sses und
darum der Atmosphäre entbehrend, der Niederschlag- vor«
hergfehender Revolutionen ist; — und der Komet, eine
miruhige , kernlofie Dunstmasse , welche , be8tandfa>s , sich
erseugt, und wieder zerstäuben mag ($. 279.}. Der Welt*
körper der wahren Individaaiit&i, des c o n c r e t A%eniefr»
nen, ist aber der Planet, in welchem die physikalischen
Qualitäten als seine Momenle, als die Unterschiede, zb
denen er sieh aurscUiefist, und deren gemeansamer Grand
er bleibt , enthallen sind (S* 960.).
So werden die allgemeinen pbysikalisdi^a OwlUälea
cn Momenten des Weltkörpers,* des Planeten , berabge.
seilt : er ist selbA das allgemeine Individuum , welches
eich in sie dirimirt, und sie als die Untersehiede seines
Processes setzt: die Luft, als das Element der unter,
sdiiedtosen Binfaohbeit , welches das bidividueUe und Or-
ganische in sich aulzehrt und überhaupt alle speciiiscfaen
Unterschiede bewältigt^ — die negative Allgemeinheit:
— die Elemente des Gegensatzes, Feuer und Wasser,
jenes die stete Unrahe des Verzehrens, welches, der An-
dern vernichtend, damit in sich selbst erlischt und in . den
Gegensatz seiner selbst, die Neutralität, übergeht ; diess das
schlechthin Nentrale und darum vielgestaltig Bestimm-
bare und sich Umgestaltende. Die Erde (die zunächst
noch unbestimmte Erdigkeit überhaupt) ist die concrete
IMäHtät und der feste Träger, an wdchem jene Unter-
schiede in einander übergeben ($• 281— ^50.
Diese zugleich in einander übergehenden Unter-
schiede der. Elemente bringt nun die Erde, der Planet, im
elementarischen Processe ((• 286. ff.), stets an-
gefacht durch die Thätigkeit des LichU (vgl. S- 287.), hn-
mer von Neuem aus sich hervor, und fuhrt sie in einan-
der über. Hierin, 60 wie im Vorigen, trotz mancher nur
abstrakten Parallelen und Schematismen, enthalt Hegels
Naturphilosophie einen wesentlichen FortsoiirLtt gegen die
frühere Sehe Hing sehe; sie hat den Begnil' der ludivi-
Physik. 943
duftUtäl und Lebendigkeit des Weil*(£rd)körpcr&' tiefer und
reicher durchgerührt, als es von Schelling (in seinem
Bruno) geschehen. Die Doppelheit jenes Processes ist
«inestheils die Diremtion der Erde in den Gegensals
Ton Starrheit und Flüssigkeit, andemtheils das Zurdckneb»'
man dieser Extreme in die eigene Negativitat , wodurch
die einzelnen Elemente in einander übergehen oder sich
aus einander erzeugen : die vollständigste Erscheintnig die«»-
ses Processes ist das Gewitter, wie andererseits die
Bildung von Atmosphäriiseii, in welcher der Process selbst
bis zur Bildung eines innem Kernes fortgeht (^. 288J)-
Indem wir die beiden nächsten Abschnitte der Natur»-
philosophie: die Physik der „besondern^ und der „to^
talen Individualität^^ hier übergehen müssen, deren sum«^
tnarische Betrachtung uns zu viele Bedenken und Schwieri^^
keiten machen würde; scheint es uns im Folgenden ein
ebenso tiefer, als richtiger Gesichtspunkt^ dass- Hegel die
geologische Natur als den ersten Moment der
organischen Physik bezeichnet hat ($.338.01).
Die Erde ist lebendige Totalität, selbst Individuum ; so aber
das allgemeine System der individuellen Körper geworden,
und zugleidi die Grundlage alier Processe derselben unter
einander, ist sie, als dieser erste, vorausgesetzte Organismus,
nun nicht mehr die lebendige , sich wiederherstellende
Thätigkeit: ihr Bildungsprocess ist ein vergangener, erlo-
schener; und so zeigt sie unmittelbar nur noch die ans*
serKche „6 e s t a 1 1*' eines Organismus (?), während dadurch
gerade, dass dieser Process erloschen ist, die reale
Möglichkeit des Lebens, welche überall durch sie aus-
gegossen ist, hervortreten muss, an den Gebilden der
universalen Generation, welche auf jedem Punkte des Lan-
des und des Meeres in vorübergehende Lebendigkeit aus*
sehlägt ($. 341.). ^
Durch diesen in seinen Folgerungen tiefreichenden
Blick hätte Hegel die eigene frühere Behauptung von
der jeder Zeitentwicklung entbehrenden Totalität aller Na-
tmsbifen m i t und neben einander widerlegt ; zugteich
944 Organik.
wäre darin die Ausführung des altera Schellingsehen
Gedankens (Zeitschrift ffir spekul. Physik IL 2«
S« 120. 21.) eingeleitet , dass die Organisationen nicht
sowohl aus der Erde hervorgegangen seien, als die E r d e
selbst sich in sie verwandelt habe, weicher dadurch
auch das Schiefe und der Missdeutung Unterworfene, wel-
ches ihm in dieser Unbestimmtheit beiwohnt, verHeren
mOsste. Wie sehr zugleich die neuesten Erfahrungen jenen
Gedanken bestätigen , welche darauf hinweisen , dass das
erste Auftreten jenes universellen Lebensprocesses wieder
in die Erstarrung des Gesteins zurückgesunken sei , dass
ganze geologische Ablagerungen nur Residuen oigantscher
Processe sind, dass in den frühasten Brdperioden daher
die geologischen upd organischen Processe einander ge-
wirkt haben: diess bedarf hier gleichfalls nur der Er*
innerung.
Die Unmittelbarkeit des individuellen Oi^nis-
rous wiederum ist nun in der vegetabilischen Na-
tur dargestellL Jeder Theil der Pflanze ist die ganze
Pflanze; das Leben kommt in ihr stets ausser sich, sie
bringt im Keimen und Sprossen immer nur gleichartige In-
dividuen hervor (dasselbe was freilich auch in der Thier-
welt von den Protozoen und Pflanzenlhieren zu sagen wäre).
Die getrennten Geschlechter bei der Pflanze und die Saa-
menbildung sind daher im Ganzen als ein Ueberfluss
anzusehen, da der Gestaltungs- und Assimilationsprocess
der Pflanze selbst schon zugleich Produktion neuer Indi-
viduen ist (S. 243. 244. 248.).
Hier äussert aber gelegentlich Hegel einen der tief-
sten Sätze für die ganze Biologie und namentlich auch für
die Auflassung des Begriflis der organischen Chemie ($. 345.
mit Anmerk. S. 356. vgl. §. 365. S. 373.): Der Lebens-
pipccss der Pflanze erscheint nothwendig dunkler , als der
des Thieres , weil er einfacher ist, die Assimilation
weniger Vermittlungen durchgeht, und die Veränderung
als unmittelbare Infektion geschieht. Bei allen
(natürlichen und geistigen) Lebensprocessen , wie in der
Orgnnlk. 945
Assimilation, ist es die Haupt saclie zu erkennen, dass die
Vetandening 9 welche die Stofle in ihrer specifischen Bc-
stimmliieit erleiden , nicht in der Weise ^clieuaischer oder
mechanischer Alhnahlichkeit^, sondern einer ^un-
miltelbarenVerwandlung^' des einen in den andern
^dacbl werden muss. Dieser einfache Bück oder viel-*
mehr die trelTende Anerkennung der Thatsachc, wie
sie in allen Akten der natürlichen , wie der geistigen As*
similalion (z. B. im Erkennen Oberhaupt, in der Verwand-
lung des äusserlich Angeschauten in eine innere Vory
Stellung, im Versenken jener in den ideellen Abgrund des
Gedächtnisses) sich allgegenwärtig vollzieht, ist eine der
grössten Entdeckungen Hegels, und der ' Faktische Be-
weis von der Wahrheit des Idealismus. Es Gndet hier
* überall thatsächlich eine Umwandlung in ein schlechthin
Neues und Anderes , d. h. nach der gewöhnlichen Re*
flexionsansicht, ein Werden aus dem Nichts Statt, durch
die absolute Uebermacht unsichtbarer (ideeller) Kräfte über
die erscheinende Materie *).
Im thierischen Organismus ist endlich der wahre
Ausdruck des Lebens, die sich unmittelbar verwirklichende
Subjektivität, erreicht: seine Theile sind Glieder,
in denen der Organismus die selbstische Einheit festhält.
Erst hier findet die vollendete und zugleich ununterbro-
chene Assimilation Statt; der thierischc Organismus also
hat freie Bewegung (er bestimmt sich selbst nach .innerm
Zufall zum Orte : er hebt Raum und Zeit zur freien Idea-
li tat auf): er hat Empfindung', durch den ganzen Kör-
per ausgegossenes Gefühl, und in den hohem Thieren
Stimme und innere Wärme ($.350.51.). — Hier sind
nun die femern Bestimmungen Hegels allgemein bekannt:
das Tliier bringt es am Höchsten nur zum Gaftungs-^
processe, und die Gattung ist eigentlich das wahre In-
dividuum, aus welchem das einzelne Thier ebenso wohl
•) Vergl. Idee der Fersönlichkeit, 1834. S. 138. I4l—
143. i45. . , .
60
946 Das Absoltttc
kcrvoF-, als darin unterg-ebt. Es ist die aBfcntctne tlmn*
geiRi^f^seiilieit des Eince'iK'n ($. 374— Tö.)« dass selno IdMt
nar auf unmilielbare Weise an ilim reaiisirt, dass sie
hl ihm nur an sich, aber niohi TAr sich selbst Ig^
slig, bewnssl) ist Diess ist seine ursprüngiicke Krank-
heit, der Keim seines Todes, und , indem diis einzekie
Lebcnsthatiglceit sich abstainpft und verludcherl , der Tod
des Natürlichen.
Aber hiermit ist im Lebendigen der Idee , den an
«nd ffir sich seienden Begriffe, kein Genüge geUMn.
3,Dic Subjektivität ist in der Idee des Ld^ens der B c g r i f I;
— durch das auljgfezeigte Aufheben der Unmittelbar-
keit Ihrer Realität ist sie mit sich selbst zusam*
mengegangen; das letzte Aussersiebsein der Natmr»
(im lebendigen Oiiganismus) „ist aufgehoben , und der in
ihr nur an sich seiende Begriff ist damit (?) ffir sich
geworden: — der Geist<^ (|. 376.)* Wir haben uns über
die Art dieses „dialektischen^ Ueberganges sdion aa der
parallelen Stelle , in der Logik , erklärt , worauf hier ver-
wiesen wird. Wir können darin kcinesweges eine posi-
tive Deduktion des Geistes, als solchen^ erblicken , wie
es die llcgelsche Darstellung behauptet, sondern nur den
negativen Beweis , dass in der Natur die adäquate Wirk-
lichkeit der Idee nach der einmal gefundenen Formel dos
Anund fürs ich noch nicht angelrofferi werde, dass mil-
bin ein höheres Dasein derselben schlechthin gesucht
werden müsse, welchem das Faktum 6eM endlichen Gei-
stes bestätigend entgegenkommt Auch hier ist der „dia-
lektische Beweis^' nur das Einreihen der Fakticität
in die cvoraussctzliche) Notbwendigkeit des Be-
griffes.
Wichtiger ist es in^ess» noch einmal zurückzublicken,
wie innerhalb der Naturphilosophie die absohite Idee,
Gott, sich gesteigert habe, welche erweiterten Bestimmun-
gen seinem Begriffe zu Thcil geworden seien ? — Aber er
ist nur eingeschrumpft %u dem kosmischen und tellurischea
Processe ; da femer jedoch Fiiustem , Komet und Tn^ant
9iß Weltgcka 9 Errfg^ffsk 947
lediglich die abstrakten Momente, der Planel, besttmiiiter
die Erde, uliein das concret Allgemeine, dcf individnali^
fiirte Weltkörper ist: so kann nur der Erde zugestanden
werden, gleichwie der concreto, individualisirto Mittelpunkt
des Universums, Ebenso die einaige oder höchste SelbsU
verwlrklichung Gottes in Weltkörperjfestalt m sein: auf
der Brde gewinnt er L e b e n , und bereitet sich in diesem
die Statte, Geist zu werden, zum SelbstbewuSstsein zu kom^
iiien. Als Erdleben, endlich als Erdgeist in dem lelztbe-^
zeichneten , ausdrücklichen Sinne ^ wird er innerhalb d«r
Naturphilosophie bestimmt
*Uter zeigt sich ^jedoch , zu welcher beschränkten An«
sieht auch vom sinnlichen Universum der Pantheismus bb^
sammensinkt, wenn ^r begriffsmässig und konsequent sich
durchßhrt, — eine Seite der Sache,' welche 'bisher von
Freunden , wie Gegnern desselben weniger erwogen zu
feein scheint. Es ist auch dless die Folge seines Grund-^
princips, die Weltentwicklung als die eigene Entwicklung
Gottes fassen zu müssen , indem Gott ^ an sich selbst
oder vor der Weit, nur die abstrakte, sub sta.nticll0
Einheit derselben ist, — das concreto Centrum, das eigent-^
liehe, an und für sich seien de Selbst aber; erstin«^
nerhalb ihrer zu suchen hat. So entsteht dem Pantiicismus
nur die Wahl , auf jede Gefahr hin , entweder die Macht
der Konsequenz walten zu lassen^ dann aber Sich der engu
sten , maulwurfsartig in das Unmittelbare Dasein , in did
Erde , sich einwühlenden Weltansicht preiszugeben , oder
die Rechte des BegriiTeS in diesem Gebiete ausdruckiieb
zu verleugnen, und sich mit unklaren, bodenlosen Phvnt««.
siecn hinzuhalten.
Es wäre nach diesen Prämissen reihe BegrUHosigkeit^
anzunehmen, dass das Absolute, der allgemeine Haturgeisl^
der aber sich zu finden trachtet, völlig ohne Centrum oder
in sporadischer Vereinzelung sich auf allen Weltkörpem
verlebendige und vergeistige; es wäre ein Pandämonium,
welches der Idee der Einheit , die in dem verwirklichten
Gegenbilde, ihrem bewussten Selbst, ebenso eine letzte Höhe
948 Konsequenzen darau5 iiir den Pantheismus.
und einen absoluten Miltclpunkt der Selbstanschaonng sefzt,
schlechthin widerspräche. Kommt Gott erst im creatürü*
eben Geiste zum Selbst^ die an und für sich seiende Idee,
erst durch ihren Weltprocess vermittelt, zum ausdruckliehen
Fürsich sein: so kann sie sich nur in Einem Geiste,
einem höchsten oder absoluten Menschen , verwiridi-
chen, und auch im Menschengeistc wäre Zersplitterung und
Vereinzelung der alte Widerspruch , — eine Instanz , wel-
che noch einmal später geltend gemacht werden wird.
Aber diese letzte Weltansicht , die eigentlich unvermeid-
liche Konsequenz des Pantheismus, wäre an ihrem Theile
so abentheuerlich und so bomirt zugleich, dass sie, bis in
ihre einzelnen Grundzüge herab verfolgt, um einen Ernst
und eine Wahrheit aus ihr zu machen , in der That da-
durch schon , als eine völlig widersinnige , widerlegt ist.
So sieht sich der Pantheismus von beiden Seiten mit
dem Endpunkte seiner Naturphilosophie zurückgewiesen:
will er der äusserlichen Unendlichkeit des Universums ihr
Recht thun und eine Bedeutung lassen, so vereinzelt sidi
ihm dasselbe in ein begrifiloses Zerfallen unendlicher kos-
mischer Individualitäten; es ist eine leere Dasselbigkeit,
keine reale Einheit in der Welt. Oder wird der Wertb
des Universums und die eigentlich geistig göttliche Gegenwart
einzig auf die Erde zysammengedrängt; so lässt sich die
innere Unwahrheit und das Missverhältniss einer solchen
Kosmologie zu den andern feststehenden Erkenntnissen der-
selben kaum verleugnen« Auch schon von dem aligemein-
sten natnrphilosophischen Gesichtspunkte ans gesehen, sind
daher bloss pantheistische Voraussetzungen durchaus un-
fähig , das Problem der Welt zu lösen ; seine Lösung fallt
durchaus jenseits dieses Standpunktes in ein specifisch
dem Pantheismus unzugängliches Princip.
Uebcrgang in die Philosophie des Geistes. 949
Wir sind in die Philosophie des Geister ein*,
getreten, und müssen Uegel'n sogleich, als sein Haupt-
verdienst in diesem Theile der Philosophie zuerkennen,
den Begritr des Geistes in seinem charakteristischen Un-
terschiede vom niedern Natnrdasein sowohl, wie auch von
dem Begriffe des Lebens und der bloss seelischen Einheit,
aur das Schärfste bezeichnet zu haben. Zwar hatte Kant
durch den Begriff der synthetischen Einheit der Appercep-
tion (das: Ich denke müsse alle Vorstellungen begleiten
können), Fichte durch den Satz , dass alle Unterschiede
im Ich nur Selbstbestimmungen desselben seien, in denen
es mit sich identisch , Ich «& Ich , bleibt , jener erschö-
pfenden Auffassung vorgearbeitet. So blieb es für Hegel
noch das Bi des Columbns, seinen rechten Begriff zu treffen;
dennoch gehörte der Geist eines Columbus dazu , es mit
solcher Energie zu thun , und die Folgen für die ganze
Wissenschaft sind die allerentscheidendsten : jede materia-
listische oder sensualistische Ansicht und Erklärungsweise
geistiger Erscheinungen ist aus dem einfach gedachten
Wesen des Geistes widerlegt ; das Princip des Idealismus,
der Beweis von der Alleinwahrheit des Ideellen , hat sich
auch hier befestigt und durchgeführt ; denn jenes absolute
Ineinandersein der Unterschiede und entgegengesetzten Zu-
stände , die ebenso durch sie alle hindurchgreifende Ein-
heit des Geistes , die in jedem ganz , und doch zugleich
schlechthin frei von jedem, und nur in sich ist, kurz,
Mras Hegel die absolute Negativität nennt ($.381.),
und was die Natur des bewussten Geistes ausmacht, wi-
derstreitet alleh materialistischen und sensualistischen Vor-
aussetzungen.
Die Form des Aussereinanderseins in der Natur , sagt
Hegel ($• 380.), wonach hier die besondem Stufen und
Bestimmungen ihrer Entwicklung, als ausserlich selbststän-
dige Existenzen, einander gegenüber treten — (im leben-
digen Organismus jedoch nicht mehr in diesem Sinne, denn
auch hier findet schon ein ideelles Incinanderwirken der
organischen Theile Statt) , — wo die Bcstinunungen der
950 Begels BcgrifT des Gefsics.
S tippe. zQgleich ab fcale Eigfenschineii der Körper, onii
noch ftusserlicher, als geschiedene Elemente, oxisümi:
diese Form isl in der Existent des Geisles Hbcrwi«-
den. Die SKufen des Geistes sind zagteick in Eins g^z«-
gen, sie sind wesentlich nur »Is Momente, Zustände, Be-
slimmiiingen an den höhern Entwicklicngsstufen , so vit* es
umgekehrt gilt , dass die hohem Geisteszustände schon n
den nicdem, aber als unmiUelbare, be\>iisstlose , — (wir
4urften passend bi^ den von Hegel bei anderer Gck-
geoJ>cit verworrenen Ausdruck der Physik herelnzieheB, al$
,platente<^) — gegenwärtig sind. So ist in der Enpfia-
dung ulles höhere Geistige , als Inhalt oder BeslifflndieÜ,
enthalten: man könnte oberflächlicher Weise zogiekli ia
ihr dessen Quelle und Wurzel suchen ; aber $ie ist nv
dessen aufzuhebende Unmittelbarkeit. Darum ist es jedodi
iLÖthig, um diese niedem Stufen in ihrer empirischen E»-
stenz und Abgränzung bemerklich zu machen, an die bö-
bcrn zu erinnern, in welchen sie zu Momenten h^afatf^
setzt existiren, und auf diese Weise auch in ihnen eiaeo
Inhalt im Voraus anzuerkennen , der sich eigentlich cr^
i^puler , nach der vollzogenen Entwicklung , in seiner Ais-
dräcbiichkeU darbietet : der Schlaf des Geistes ist mr tf
seinem Erwachen zum Bewusstsein . die Verrücktheit nur
am Begrifle des Verstandes und dergl., richtig zu kssco
(§. 380. 389. mit Anm. S. 400. $. 399. 408. mit Anin,
S. 427, f., S. 412. u. s. w.): treffliche, durchgreifende Be-
stimmungen , welche nicht nur der psychologischen For-
schung, sondern auch der vergleichenden Naturbetracfatvi^
zur wesentlichsten Richtschnur werden körinten. An i^
entwickelten, zum Unterschiede herausge-
stellt e n Erscheinung mnss auch rückwärts derselbe, nur
nocli unentwickelte Zustand erkannt werden , nicht uozg^
kehrt, wie es gewöhnlich versucht wird : das Hohen} ton
nur der Schlüssel zum Begreifen des Niedem , Dunklemi
mitbin Schwierigem werden, -r
Das Wesen des Geistes i^t es, ak für sich mef^
Allgemeinheit sich zu besondern, und hierin idenli^
Parallele init der Ficblesdieii Philosophie. 951
Mdk m bleiben; die Bt'aUmfHlheil des Oeteles ist Am*
lier, sich ^a offenbaren, d. h. nicht so ^ dass er Et«
^w a>s oflcnbairt, sondern dass seine ganze Natur darin be*
»IcM, offenbarend zu sein^ seine lonerlichkeit und
SitbAlaaiialilät vor , sich in's Bewasstsein hcnranszustellun,
i ^ äSi. 84.) ; ^ derselbe BegriiT , weivher uns schon bei
¥ i c* b t e, ift seiner zweiten Gestalt 'der Wisseaschaftslehre,
ItNsgegneie : das Wissen ist an sich selbst absolutes £ r«
scheinen in der Form der S i c h erscheinung ; das
Iniiero, Substantielle aber, was da erscheint» ist das
W esen Gottes« Ebenso ist die ^atur die absoluteFak-
t i c i t & 1 5 das Vorausgesetzte des Wissens , seine WeH^
on welekeni das Ich^ als dag freie, (vgl. $• 3S2.h sieh
eiilwickeit« Ganz dieselben Gmndbeslinimungen von der
Nator ßni^n wir sogleich nun auch bei HegeL, nur ohne
die bloss abstrakte und subjektiv idealistische Auffassung
von der Natur, welche wir jedoch auch an der spätem
Wisscnschanslekre als eine Inkonsequenz und ein Selbst»
missvcrstandniss derselben nachwiesen (vgl. oben S* 553. L
578. ff.) , so wie in ungleich reicherer Durchifihrung und
Uliederuiig der Lehre vorn Geiste, als es durch Fichte
geschehen ; dennoch ist es dasselbe Princip bei diesem, wie
bei jenem. Wenn wir jedoch gegen Hegel den Vor-
wurf erheben müssen , dass er Gott hierbei nur auf ein-
seitige Weise , nur innerhalb der Welt ,* als Geist zu be-
stimmen vermochte, — dass er ihm bloss der AVelt- oder
Erdgeist ist , so entgeht Fichte in der That nur dadurch
diesem Vor>vurfe — nicht weil er ein anderes, höheres
Friucip gehabt hatte , sondern weil er mit ilim aus der
subjektiv idealistischen Haltung nicht herausgetreten ist
(vgL S. 682.) : die Well, als Werdende , Wandelbare , ist
Ulm nur Erscheinung , Phanomenon ; das allein Reale ist
das Sein, das Wandellose, als welches er Gott^ im
Gegensalze mit der Welt, bezeichnet. Seine Philosophie
ist Akosmismus und darum aliein, um dieses abstrakten
Uangels willen, frei von pantheistischen Bestimmungen.
An dieser principiellen Identität beider Systeme lassen
952 Das Absolute , als der Geist.
die nachfolgenden ErkiänmgeA H egel 's nan ketnen Zwei-
fel ($. 284.):
^Das Offenbaren, — welches, als noch abstrakte Itlee^
in der Natur W e r d e n ist, — ist, als Offenbaren des Gei-
stes, der frei ist, Setzen der Nator, als seiner Weit,
aber zugleich damit^ (da der Geist nuri&u werden, an
der Negation seiner selbst, die er doch selber ist»
zu erwachen vermag), „Voraussetzen der Welt, aJs
einer selbststandigen Natur«. Der absolute Begriff,
der an sich selbst freilich auch die Natur ist, kann den-
noch nur innerhalb der Natur für sich selbst, oder zun
Geiste, werden, weicher mithin jene, als ein ihm Voraiis-
gesclztes, sich gegenüber behalt, und sich erst ans ihr m
gewinnen ha^ „Das Offenbaren im Begriffe ist^ (daher)
„Erschaffen der Natur, als seines Seins, in welchein
er^ (der Begriff und der Geist) „die Affirmation
u'nd Wahrheit seiner Freiheit sich giebt^; und
dieser Process ist nun der des Geistes in seiner sub-
jektiven Innerlichkeit und in seiner weltgeschichlliclien
Objektivirung. .
„Das Absolute ist der Geiste diess ist die
höchste Definition des Absoluten; diese Definition zu fin-
den, und ihren Sinn und Inhalt zu begreifen, war
die absolute Tendenz aller Bildung und Philosophie; auf
diesen Punkt hat sich alle Religion und Wissenschaft ge-
drangt, aus diesem Drange allein ist die Weltgeschichte
zu begreifen. Als Vorstellung ist sie früh gefunden
worden , und es ist Inhalt der christlichen Religion , Gott
als Geist zu erkennen zu geben. Aufgabe der Philoso-
phie ist es , ihn im Begriffe zu fassen ; und „diese kann
so lange nicht wahrhad und immanent gelöst werden,
als der Begriff und die Freiheit nicht ihr Gegenstand und
ihre Seele ist« (S. 393.).
Hier kündigt sich nun der Sinn und das Endresultat
des dritten Theiles dieser Philosophie schon vorlfiufig an:
bei einer andern Gelegenheit sagt Hegel, der Glaube an
eine Vorsehung, an ein göttliches Wallen in der Geschichte,
Das Abseiute , als der Geist. 953
sei diene Zuvenricht, dass der absolute Begriff der
Natur und dem menschUchen Geiste iminanent , dass nur
er es sö^ welcher sich in ihnen verwirkliche. Diese in-
nere , objektive Vemänftigkeit desselben , die ebenso in
den Ereignissen der Weltgeschichte das Substantielle ist,
wie sie sich in den universellen Vorgangen der Natur of»
ienbart, nur hier mit Nothwendigkeit und zufalliger Aeus«
serlichkeit behaftet , wie dort in der Gestalt der Willkuhr
und eines subjektiven Beliebens , — diese objektive Ver«
nunft des Weltgeistes ist der eigentliche Inhalt je-
ner Zuversicht, der Begriff einer Vorsehung; und diesea
hat die Philosophie nicht sowohl überhaupt nur zu bestä-
tigen, als ihn vielmehr in seiner nahem Bestimmtheit nach-
zuweisen, und die immanente Begriflsmässigkeit der Natur,
wie der Weltgeschichte im Concreten, zu begreifen. Diess
ist die achte „Theodic&e der Wirfilichkeit«.
Wir haben damit wiederum die Elemente der vollsten
Wahrheit und dos Irrthums, in seiner hartnäckigsten Ein*^
settigkeit , ineinandergeflochten vor uns : es sind ganz nur
die Voraussetzungen , welche sich uns am Schlüsse der
Phänomenologie des Geistes unerwiesen ergaben. Die
absolute Substanz, welche zu^eich als Subjekt zu fas-^
sen ist, der absolute Geist, wird hier abermals nur als der
Weltgeist bestimmt, als ob in keinerlei Bedeutung da-
von die Rede sein könne , ihm eine andere Subjektivität
zu vindiciren! Zwar, dass jener substantielle *Geist der
Weltgeschichte göttlicher Natur und Abkunll sei , wird
keine Philosophie bezweifeln; dass das Absolute aber nur
in solcher Weise Weltgeist sei , das ist das Unerwiesene^
Vorausgesetzte, — es wird sich späterhin zeigen : — auch
das Widersinnige und Widersprechende. —
Auch in der Philosophie des Geistes, wie im vorigen
Theile des Systems , können wir von den einzelnen Aus-
führungen und Resultaten absehen, um den Sinn des Gan-
zen zu würdigen ; denn ganz unabhängig von dem allge-
mein metaphysischen Gesichtspunkte , in welchem Hegel
die psychologische Entwicklung des Geistes betrachtet, kann
954 Anthtopohiigle.
muti in Uewet Wuhrheic und Tiefe finlefk Und m fa
TlMt haCHogel nach anscrat Urtketto dio inmaiMle
Enlwicklttng des Geistes zum Bewnsstsem und Sdkibf*
wussUein mit einer Stetigkeit und eiaer Umtassang aii^
(ihrt^ welche die Psyclioiogie weit fiber den Rang hm»-
gehoben hat, in «reicher er sie fand ^ trotz der reickhaki-
gen Vorarbeiten des altem Ca ras und der für die aücc-
ttieine Theorie wichtigen und treffenden Untersndimgni
von Chr. Weisse über das Wesen und WirlieB
der menschlichen Seele (Leipzig 1811., ^ ^^
S. 406.). Bei allen weitem Fortschritten, welche die Lekre
vom menschlichen Geiste ea machen hal — md tot alla
Dingen hat sie einen fandaroeatalen y durehgreirendai a
thun, den individuellen Geist als concreto Substanz a
erweiset» , oder za seigen , wie jeder in wahrem Siaa
i0Original<< sei, — wird sie dennoch die H e gel sehe Ui-
lersuchnng zum Ausgangspunkte und zur fealcn Gnädige
an machen haben. ««—
Der Geist ^ hier als die substantielle Tetalh
I d t des Menschengeschlechts m fassen, — hal sich a*lM
erst aus der Natur, aus einer ihm objektiven, iosserii-
oben Natur sowohl , wie aus seiner eigenen Natflriichbef/y
eniporzuentwickeln. Diess betrachtet die Anthropolo-
gie, als die Wissenschaft von der Natnrbestimmtbeit der
Geistes ($. 388. ff.). Der Geist ist hier nur noch Seeler
theHs durch seine Verwirklichung mit der Erde in du
kosmische, siderische und tcllurische Leben derselben ver-
senkt, gleich dem Thiere, aber vor dem erwachendefl Ihv
wusstsein diese dumpfen Beziehungen verschwinden las-
send; theils in die eigenen natürlichen UniersAi^^
eingehend: die Raconverschiedenheit, die Verein-
zelung in Völker- und Localgeister , di« Cc-
schlechtsdifferenz, und die völlig' individneUen Un-
terschiede des Temperaments , der geistigen /ts-
lagen, der Idiosynkrasicen ($. 391 — 404.>
Damit hat jedoch der Geist die Macht gewOHiK«i
dkscr Innern Naturbestimmtheit gemäss, und dieselbe
PlitaOHMNioiogie. 955
4«viii nbsptofeliMk^ sebitT LeibUclik oil »ie eiazubil«.
4len ^ und so im wirkliche« in Uircm LoUic gogen*
warli^e Seele z« werde». Es gesclueht durch die Ge*
wabnbeit, darch Geischioklichkeilen, Abhärtung u. dgL»
wodurch der Leib nun das vollkommen flussige und nach**
l^ielngo Ollgan für dieSeeic, das von ihr durchwohnle,
wiriL Diese schon gewohnte, eingebildete Wirklichkeil dev
Seele m Leibe as^igt der paihognonische und phy-«
siognomische Ausdruck desselben: in ihm fühlt sie
sich wd gibi sieb zu fühlen , indem der Leib dadurch
zum ^Kunstwerke der Seete^ geworden ist (S* 406-—
411.). -^ Dieser ganze Abschnitt ist einer der reichsteA
und wichtigsten, und ein erst durch üegel der Wissen*
sehafl des Geistes erworbener Besitz, wiewohl einzelne
Pavtiecn, z. B, die Stellung, welche er der ^Yerr&ckt-
hcit<^ (S. 408» mit Anmerk.) im dortigen Zusammen-
bange giebt, noch Bedenken übrig hissen.
Die dergestalt leiblich verwirklichte Seele ist dadurch
Kuglüich zum Fürsichsein geworden, sie erwacht zum
Ich, „als der abstrakten Allgemeinheit, insofern sie für
dito abstrakte AUgemeinbeit isi^ ($.412*): das Bewusst-
sein. Diess zu betraehten und seine Erhebung im*»
Selbstbewusstsein und zur Vernunft zu vcrfol-^
gen, lasst Hegel Gegenstand der „Phänomenologie
des G eistest' werden ($. 413. £), eingedenk jenes äU
lern Werkes, dessen sonstigen Inhalt er überhaupt in dem
dtiltcn Theile seines Systemes erweitert wiedergiebt. — la
der Vernunft wird die Unmittelbarkeit des Gegensatzes,
in welchem das Bewusstsein und Selbstbewusstsein sicit
einer Objektivität gegenüber befinden, abgestreift: sie ist
ebenso Identität der Subjektivität des Begriffes and seiner
Objektivität, wie Allgemeinheit: sie hat die Gewiss-
heil, dass ihre subjektiven Bestimmungen ebenso gegen-
standlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als.
ihre eigenen Gedanken sind« Somit ist die Vernunft,
als diese Identität — „nicht nur die absolute Substanz,
s^ondem, als Wissen, die Wahrheit: denn sie hat hier
956 Psychologie.
zur eigenthAmlieben Bestimmtheit den fAr sich selbst
existirenden, reinen Begriff, die Gewissheit
seiner selbst, als unendlicher Allgeniei nheit^
i$. 438. 39.). Die Objektivität und innere Verbofi^enheit
des Weltgeistes , mit welcher er in der Natur bloss die
,,absohfte Substanz«' ist , hat sich in der Vernunft smn sn
und f&r sieh seienden Begriffe , zu seiner freien fixisteiiz
für sich, zum Ich, gesteigert — ^Die wissende WalirMt
ist der Geist^.
Die Lehre vom „Geiste« ($. 446. ff«) bal Hegel
als „Psychologie« bezeichnet , mtl ofenbarem PeMgriffe in
der Wahl dieser sogar elymologisch abweichenden Benen-
nung. Falls die ganze Unterscheidung und Bintheilong^ auch
künftig beibehalten werden mflsste , — was wir hier wi-
entschieden lassen, da sich unser Gutachten nicht niher
motiviren liesse ; — so würde tat diesen Theii der Lehre
vom Geiste wohl am Besten zu der von Rosenkranz
vorgeschlagenen Benennung: Pneumatologie, zurückzukeh-
ren sein, wo fär den vorhei^henden Theil der Name <ter
Psychologie in engerer Bedeutung übrig bliebe.
In der Lehre vom „Geiste« tritt nun als das Wesent-
lichste der Unterschied hervor, dessen wir schon aus der
Logik in der Lehre vom Eritennen uns erinnern , der des
theoretischen und praktischen Geistes : — die
Abweichungen oder Ueberelnstimmungen zwischen der
doppelten Ausführung, nach ihrem Inhalte, wie nach ihren
Gründen, naher zu verfolgen, könnte lehrreich werden,
auch zur nachträglichen Kritik der Logik, würde aber vom
wahren kritischen Zwecke des Werkes uns abführen.
Der theoretische Geist tS* 445. AT.) verinneriicht
sich die Objektivität, indem er sie in ihr An sich, in
ihre Wahrheit, wiedeiherstellt. In der Empfindung
sind beide Gegensatze des Subjektiven und Objektiven noch
ungetrennt Eins; sie sondern sich erst in der Anschau-
ung; und durch die Wahrnehmung tiitt sodann dem
anschauenden , in sich Eins bleibenden (subjektiven) Ich
ebenso die coUektive Einheit der Empfindungen im (objek-
Der tbeoreliselie GeisU 957
<
tiven) Dinge gegenfiber* So können ferner die «Dinge«
mil ihren Prädikaten scuVörstellungen vcrinneriich t^
zu elwjas Bleibendem und Allgemeinem aufgehoben w^den :
d ie SS Allgemeine bezeichnet der Name, und die ebenso
allgemeinen (;Denk^)Verhiltm6se und Beziehungen die gram-
malisclie Veriuiöpfung der Sprache. Den ganz innerlich
(KU einem Ueetten) gewordenen Besitz dieses Aeusseriicben
and Ittnerlidieii trigl das Gedftchtniss in sich, die ai^
gemeine Idealität, der ,^hacht« des Geistes ($. 461—640«
Wir mAssen es als eines der grossten Verdienste U egels
um die Psychologie bezeichnen, die tiefe Bedeutung des
Gedächtnisses, nicht bloss als eines dialektischen I^wischen-
gliedes zwischen Wahrnehmung und Denken , sondern als
der aügememen Macht des Ideellen (vgl. $. 463. Anm.)t
als den faktischen Beweis von der Idealitat des Gei-*
stes, nachgewiesen zu haben.
Das Gedaditniss ist daher der Uebergang in das Den«
ken <$. 465. ff.), in dessen Thätigkeit die Objektivität vom
Subjektiven wesentlich gar nicht mehr verschieden ist:
seine Innerlidikett ist selbst das A n s i c h , die Wahrheit,
des Objektiven. Es bezieht, als Verstand, das Einzelne
auf seine Allgemeinheiten , auf allgemeine Gesetze , ver«
wandelt überhaupt die ungeordnete Masse der einzelnen
Sinnenerscheinungen in eine Welt von Gesetzen, Kräften,
Allgemeinheiten: im Urtheilen bezieht es jene Einzeln-
betten auf ihr (wahres) Allgemeine, auf ihren Begriff, e r«-
kürt rie „iur^ ein A^gemeines (Gattung und Art); und
im Schlüsse bestimmt es aus sich selbst den Inhalt,
wird absolut gesetzgebend för das Objektive ($. 467.)»
Das Denken zeigt in jedem Schlussakt die naive Zuversicht,
dass sich das Objektive ganz von selbst nach ihm rich-
ten werde, dass es dem Vernünftigen schlechthin unter-
worfen seL
Diess nun ist die Stelle, in die Hegel die ,)Subjek-
tive Logik« hatte einreihen sollen, deren ganz unhaltbare
Stellung imierhalb des objektiv logischen (metaphysischen)
Bereiches schon oben sich gefiinden hat (S. 889* ff.). Und
9A8 Uebergfaiif in don prukrtschcn GcisL
dicss gieM er mittelbfir mgnr sdbst za (An merk, n
S. 467.); — so 6chwttc4i tiamlieh Ist der Re€litr«rti(^iiiff^
grund, mit welchem er diese Doppel|g*est«lt der Logfk, oder,
wie er Bngi , das ^Immcrwiederher\*ortrefeR des lio^scken
Denkens in verschiedenen Theilen der Wissenschaft^ mehr
enlsrhuldigt, als erklärt : — ^weil diese Theiic nur dvrck
das Elomeiit nnd die Form des (Segensaties Tcrsohieden
sind, das Denken aber dieses Bine und dasselbe CcAtnn
isl, in welches , als in ihre Wahrheit , die Gegensätso is*
ruckgehen«'. — Das Denken , der Begfriff ^ die Idee , ist
Princip schlechthin von Allem, das absolute ^Centnim^, —
behauptet Hegel; desshaib kommt es fiberall vor.
Aber eben desswegen, — müssen wir ihm entgegnen —
kann es in der „bestimmten Form^, als subjektives
logisches Denken, auch nur an einer einzigen bestimm-
ten Stelle seines „Allvorkommens«' den rechten Plats finden.
.Durch diese Ericidrung ist er jenes frohem , den ganzen
dritten Theil seiner Logik verunstaltenden ^ Missgriflbs nur
geständig worden. —
Die Intelligenz ist mm , nach der vollständigen Be-
sitznahme der erkannten Objektivität, darin in ihren
Eigenthume; durch dio letzte Tiegation der Unmittel-
barkeit (im Denken) ist gesetzt j das» für sie der Inhalt
durch sie bestimmt sei. Das Denken, ab der freie
BegrlfT, ist nun auch dem Inhalte nach frei. Die Intel-
ligenz , als das Bestimmende des Inhalts sich wissend , ist
Wille: im Willen „tritt der Geist in WirMiehkeü«, wird
selbstsländlge Quelle von Objektivität; im Wi^en iai er
auf dem Boden der Allgemeinheit des Begriffes; — der
Uebergang in den praktischen Geist (f. 469. ff»)«
Diesen Uebeiigrang von der Höhe der Intelligens im
Denken und einer durch Wissenschaft völlig erkannten Ob-
jektivität , — in den Willen, und zwar zunfldist in die
sinnliche Unmittelbarkeit desselben, als „praktisches Ge-
tm*^ fS. 471. ff.), als Gcfähl ffir das Angenehme
nnd Unangenehme ($. 47S.) , — missen wir jedoch
ftnr dnrchaus ungehörig und sachiicb onwahr erklären: die
Der prnktl5chc Crcist. 959
„Ifnmflnenz'^ der Dialektik, als der Prüfsteiii Bit dfe Wahr-
heit der Methode, ist hier vielmehr auf das Schwerste ver-*
letzl, und dadurch auch ein schon in's Frühere zurückgreif
fendcs wesentliches Missvcrhalthiss in die Architektonik der
He^cl sehen Psychologie gekommen.
Der Wille (die concreto Selbstbestimmung) ist ein
ebenso unirersales, schon in seiner sinnlichen Unmit^
lelbarkeit auftretendes Vermögen des Geistes, wie das Er^
kennen; nicht hier, an den Gipfel des Erkennens, war
daher der dialektische Moment seines Ucberganges in den
Willen anzuknüpfen, sondern an die ebenso sinnliche Un-
mitlelbarkeit des Erkennons: wie diese, das Empfin-*'
den, in die sinnliche Form des Willens, den Trieb, uher-^
schlügt, aufzuweisen, das ist der „immanente^^ Deduklions^
punkt des Willens ; — wobei aber endlich nicht zu über-
sehen ist, dass beide Gegensätze des Geistes nur im
Mittclpunkle des Gefühls, — des Bewusstseins seiner
concreten Zuständlichkeit im Ineinanderwirken von Erken-
nen und Wollen, — ihre vermittelnde Einheit finden. Diess
Dritte oder Mittlere, das Gefühl, hat Hegel vollends auf
eine ungenügende Weise in den praktischen Geist milein-»
gemischt.
Um jedoch die Form des Willens zu finden, welche
dem denkenden , Vernunft gewordenen Erkennen parallel
ist , so kann diese nur der eben so allgemeine , „d e n*
k e n d e<< Wille sein , nicht der einzelne , n u r subjektive
eines eigennützigen Triebes. Und so wirklieh bezeichnet
auch H e g Q I sogleich den Willensbegriff (§. 469. , vergL
$.471. An merk.), und setzt hinzu: „die wahre Freiheit,
als S i 1 1 1 i c h k e i t , ist diess , dass der Wille nicht sub«
jektive, d. i. eigensüchtige, sondern allgemeinen (Gedan-
ken-)Inhalt zu seinen Zwecken habe<<. Und das goldene
Wort : „Es ist nichts Geringeres , als absurd, aus der
Sittliebkeit, Religiosität, Rechtlichkeit das Denken au s-
sohliesscn zu wolien<^ (S. 485.), — welches nach rechts
und links die entgegengesetztesten Parteien triift, die,
welche die Religion vor dem Denken bewahren wollen,
060 Der prnküscbp Geist
gleich denen, welche das Denken Aber die Religion sldlen,
und diese iur eine bloss subjektive Selbstbefriedigung des
Geilihls erklären mochten, — diess goldene Wort Hegels
soll uns nicht verioren gehen. ^ Aber innerhalb der De-
duktion betrachtet , und in der Verbindung, in welcher es
steht, indem von dieser höchsten sogleich zur allernie-
drigsten Form des Willens, dem durch sinnliches Gefühl
angeregten Bedürfnisse, den Trieben und derWill-
küh r zurückgegangen wird ($. 472. IT.), welche zuhöebst
nur in der Gluckseeligkeit(S. 479. ff.), — dem Ver-
suche, durch Begranzung und Mdssigung der Triebe sie
alle, oder den subjektiven Haupttrieb, zu befriedigen, —
ihren Ausdruck finden, kann jener Ausspruch nur als ein
falsch gestellter, wie jener ganze Begriflszusammenhang
als ein undialektischcr , das wahre VerlMiltniss zu einem
ijßsteron-'proterou verkehrender, bezeichnet werden.
Erst im objektiven Geiste ($.483.0*.) erhält der
freie Wille, oder bestimmter die Freiheit, (die nicht
mehr, als Willkühr, an die einzelne Subjektivität ge-
knüpfte >, sondern die Subjekte zu Momenten ihrer selbst
herabsetzende)^ die Freiheit des Begriffs, ihre volle
Verwirklichung. Die Zwecktbatigkeit dieses WiUens ist,
sdnen Begriff, die Freiheit, in der äusserlichen Objektivi-
tät zu realisiren, so dass sie eine durch den vernündigen
Willen bestimmte Welt sei. Der Geist hat sich volle Ob-
jektivität zu geben, ein Gedankenuniversum aus sich selbst
durch Freiheit aufzubauen. Der (absolute) Begriff ist hier-
mit in dieser Objektivität schlechthin „bei sich selbst, mit
sich zusammengeschlossen; er ist hiermit zur Idee
vollendet"« ($. 484.).
Diese Eii^heit des vemänitigen (Universal-) Wfllens mit
den einzelnen Willen, in welchen ersterer seine unmitleL
bare und eigenthümliche Verwirklichungsform oder Bethä-
tigong findet, macht „die einfache Wirklichkeit
der Freiheit^ au& Auch in diesem ganzen Gebiete ist
daher die Allgemeinheit das wahrhaft Substantielle;
die einzelnen Geister werden von ihr durchwohnt nnd
Das Recht — die MoraQtat. 961
durchwirkt, aber, a I s Einzelne, in jene geistige Sabstantla«
litat au^ehoben. Diess geistige Universnin , — aufgebaut
durch jene substantielle, allgemeine Freiheit des abso^
luten BegriiTs , welche an den Einzelwillen nur ihre Mo«
roente hat, — (übrigens eine ganz unverständliche Abstrak-
tion) — ist zuerst die Welt des Rechts, der Rechtsver-
haltnisse von sich gegenseitig bindenden, zum Vertrage
unter einander eingehenden , oder die Rechte der Person,
im Betrüge oder Verbrechen, verletzenden freien Per-
sönlichkeiten. Diese ausserliche^ selbst nur objektive Existenz
der Freiheit wird sodann in der H o r a 11 1 ä t ($. 503« vergl.
Rechtsphih $.105. IT.) in den innerlichen, subjektiv
sich bestimmenden, Willen aufgehoben : die (nur juri«
dische) Person ist hier das freie S üb j ekt geworden. Der
subjektive Wille ist insofern ein moralisch freier, als er
in seinen Handlungen nur dasjenige als das seinige aner-*
kennt, und sich zurechnen lässt , was er als seinen Vor-
satz dabei in sich gewusst und gewollt hat ($. 503. ff.
vgl. Hegels Rechtsphilosophie $. 105. 107. 113.)«
Die Absicht, der Zweck des Guten, und die Zurech-
nungsfähigkeit, machen hierbei das Charakteristische
des Willens aus: das Gewissen, die rein innerliche Be«*
deutung, in welcher das Subjekt seine That genommen bat,
sollen die Entscheidung über dieselbe und ihren Werth
geben. Das Subjekt, in seiner Ein z ein heit, ist und
weiss sich, als das Entscheidende darüber.
Hiermit ergiebt sich jedoch zugleich schon in dieser
sich selbstständig setzenden Einzelheit des Willens
die Möglichkeit des Bösen. Es ist eben dieses Sichset-
zen und Wissen in seiner Einzelheit , als das absolut
Entscheidende, über Zweck, Absicht und über das
Gute. Im Gewissen selbst, sofern es diese subjektive Will-
kühr wird , ist der Ursprung des Bösen gesetzt: ,,es ist,
als formelle Subjektivität , schlechthin diess , auf dem
Sprunge zu sein, in's Böse überzugehen: an
der sich für sich wissenden und beschliessenden 6e-
.wissheit seiner selbst haben die Moralität und das Böse,
61
963 MdgüdikeU des Bösen.
beide ihre gemeins€bailUchcWancK ($.511.12. Rechls-
pliil* S« 139. mit An merk. — Wie die subjekiire
Meinung von dem an sich Gutsein einer Absicht, m^
sie dadurch auch objektiv gul zu machen, unmiUdbmr nia
sich in Heuchelei und moralischen Probabilismiis unselir.,
hat Hegel dort §. 140. weiter treffend gezeigt.)
Ittdess ist bei dieser Deduktion des Böseo aus dem
Begriffe des Gewissens, die in der That befremdlich erschei-
nen könnte, der wesentlichste Umstand übersehen wordeo.
Gewissen wird hier ausschliesslich }a dem modernen , ub-
wahren und selber subjektiven Sinne gefasst, um das Fal-
sche , den Dünkel und die Arroganz , zu bezeichnen . ais
der eigenen subjektiven Willkühr, als dem Gewissen, über das
objektiv Gute und Böse entscheiden zu wollen. Die ss
^Gewissen^ ist selbst der Quell alles Bösen, der Ursprmig
der tiefsten und heillosesten Selbstverstrickung ; aber es ist
gerade sein durch die praktische Philosophie zu widerle-
gender Begriff: Gewissen ist vielmehr der ursprfinglichei,
über jede blosse Subjektivität hinausreichende, Bnisdheider
— nicht sowohl in Betreff des allgememen Gegensatzes
von Gutem und Bösem, und hierhinein, in diese allgemei-
nen Festsetzungen darüber , fallen die Urtheilscollisionea
der Probabilitat, die unmittelbar unsittlich werden könneo,
— als über das Gute und Böse jeder persönlichen Wtllens-
entscheidung *). Hierüber kann Jeder , falls er nur will,
stets mit sich auf dem Reinen sein , und ein „irrendes*
Gewissen, wie die Kantische Schule diess vortrefflich ge-
zeigt hat, giebt es nicht; denn in ihm liegt eine eben- so
absolut entscheidende, mit ursprünglicher Evidenz beliehene
Macht , wie die theoretischen Axiome , die aprioriscIieB
Vernunftwahrheiten es sind; und keiner der neuem Fhilo-
' sophen hat darauf starkem Nachdruck gelegt , als eben
der, gegen welchen jene Polemik Hegels gerichtet ist,
*) In dieier, der eincig richtigen, Bedeutung nimmt Hegel jik
dess dies« Wort ftn andern Stelten wirklich, 2. B. in der £o-
qrUop. S, &56. 57. u. s. w.
Möglichkeit des Bösen. 963
1. Fr. Fries (vgL oben S. 343.). — So Ist aach die He«,
^e Ische Deduktion vom Ursprünge des Bösen nicht dar-*
über hinausgelangt , die ganz nur empirische Möglichkeit
desselben zu erklären. Der subjektive Einzelwille kann es
sich eben faktisch einfallen lassen, über die substan«
tielle Sittlichkeit, wie sie im Volksgeiste, in der
Sitte, in der positiven Gesetzgebung-, im Staate und der Bell-
frton ausgesprochen ist (diese sind eigentlich nach Hegels
Konsequenz das sittliche Gewissen des Einzelnen, vgl^ Bncykl.
S. 560.61.),.sichautonoiBisch hinauszusetzen: das ist dann
die sich als das Absolute behauptende Subjek-»
tivität, das Böse (Rechtsphil. §. 141. 146.).
Wären hier auch sonst nicht die wichtigsten Zwischen«^
bestimmungen ausgelassen zwischen der sittlich ihrer
selbst gewissen Subjektivität und der sich als das Absolute
setzenden Eigensucht, dem allein Bösen; so bliebe noch
immer die tiefere Frage übersprungen, woher denn, nicht
faktisch, sondern metaphysisch, der subjektive Ein-»
zelwillc also sich auszusondern und entgegenzusetzen ver-
möge der allgemeinen sittlichen Substanz., als der einzigen
Weltmacht, welcher gegenüber nach Hegels Prämissen
der Einzelne , als flüssiges Moment derselben , gaf keine
Eigenmacht und Selbstständigkeit haben kann. Denn selbst
die sittlichen Individuen, die Träger des Weltgeistes, „sind
in Bucksicht auf den substantiellen Gehalt ihrer Arbeit
Werkzeuge desselben, und ihre Subjektivität, die ihr
Eigenthümliches ist, ist die leere Form der Thätig-*
k c i t^'. Auch sie sind nur flussige Momente jenes allge-*
meinen Processes , und nichts Eigenes , aus einem Selbst
in ihnen Stammendes, ist an ihnen ($. 551. Bechtsphi-«
1 o s 0 p hi e §. 343., vergl. mit §. 348.).
So bleibt hier dieselbe, tief in diePrincipien.des gan-
zen Systemes hineinreichende Lücke, deren parallele Stelle
sich auch in der Naturphilosophie ergab. Dort heisst es:
das Einzelne der Natur , des Lebendigen, ist der Zufällig-
keit begriffloser Unterschiede preisgegeben , durch die es
in endlose Verschiedenheiten gegen sein Anderes verläuft.
964 Die ShUlclikeit
Mag es sein , dasd bis in diese hinein sein Begriff nlcU
mehr verfolgt werden kann , die Frage ist dort nur , wie
hier, woher denn überbaopt, da Nichts sein soll , als der
absolute Begriff , der absolute Geist , ein Begriffloses , ein
von der allgemeinen geistigen Substanz Losgerissenes, Exi*
stenz gewinnen könne, in dem natürlichen Dasein , vne in
der Sphäre des Willens? Auch hieran widerlegt die Ue-
g e 1 sehe Ph'dosophie sich selbst, indem sie der Unfahigiceit
ihres Princips, diess Begriffslose, diesen Rest des Daseins,
anch nur nach seiner Existenz zu erklären , offen gestai>-
dig wird. ^
In der Sittlichkeit endlich ($. 513. ff.) wird die
Vollendung des objektiven Geistes, die Wahrheit des sub-
jektiven und des objektiven, erreicht. Die subjektive Frei-
heit einer- und die objektiv sittliche Substanz andererseits,
die in der Moralität aus einander fielen, wenigstens fallen
konnten , sind hier zur Einheit gelangt. Die subjektive
Freiheit weiss sich als der allgemeine vernünftige
Wille, und ist einverstanden, versöhnt mit ihm : die objek-
tive sittliche Substanz lungekehrt gewinnt in der allge-
meinen Gesinnung der Subjektivitäten, der Sitte, dem
Volksgeiste, dem Staate, ihr reales, fesigegründetes,
durchwirkendes Bewusstsein. Die sittliche Substanz ist so
theils, als unmittelbarer oder natürlicher Geist, der
Process und Geist der Familie, theils, indem diese nur
in bewusster Beziehung und in befassender Totalität mit
den andern geistig sittlichen Individualitäten sein kann, die
bürgerliche Gesellschaft, deren vollkommener^
ans sich selbst sich erhaltender , ergänzender und erneu-
ernder Organismus der Staat ist, als „die selbsibe-
wusste sittliche Substanz^: > — und diesen, als das völlig
realisirte System aller Rechte und Pflichten , der in allen
Individuen herausgebildeten sittlichen Gesinnung, welche in
der Religion ihre wahre Garantie und innerliche Sub«
stanz hat ($. 5ö2. mit Anmerk.>, diesen vollkommenen
Vernunft Staat herauszubilden, ist das Ziel und die ab-
solute Bestimmung der Weltgeschichte, durch die
Tergleichimg mit Flchte*s praktischer Philosophie. 965
mmcr tiefere Euibildong des göttlichen Geistes (des Weit-
rcisles) in die allgemeine Wirklichkeit des Selbstbewusst*
»eins: durch Versöhnung des menschlichen Gei-
»Ics mit dem göttlichen(§. 648. 49. vgl mitRechts^
[) h i !• $. 359. 60.)-
In diesem ganzen Abschnitte der praktischen Philoso-
phie Hegels kehrt zunächst eine unverkennbare Analogie
mit den Principien des späteren Fic ht eschen Systemes
zurück ; dennoch sind auch die prinoipielien Unterschiede
zwischen beiden nicht weniger wesentlich ' und wichtig,
gelbst wenn wir vom Einzelnen absehen, wie z.B. Fichte
die oben beleuchtete Auffassung des Gewissens, als eines
nur Subjektiven im Willen , weit von sich hinweggewor«-
fen haben würde. — Beide Systeme setzen das natürliche
Dasein als das der Idee, dem Göttlichen, sddechlhin un-»
angemessene : für beide bereitet sich erst im Geiste , be*
ßlimmter dann im freien Geiste, die Stätte wt Verwirkli«-
chung der Idee; im Rechte jedoch nur auf negative Weise :
der allgemeine Rechtszustand , und der Staat , sofern er
nur diesen garantirt, ist bloss der Schutz der formellen
Freiheit der Individuen, Bedingung zur allgemeinen Sitt^
lichkeit, welche nicht fehlen darf, die aber noch nicht p o^
8 i t i V e r Inhalt des Sittlichen und sein Voltbringen ist. So
hat namentlich Fichte den Boden des Rechts von dem
der Sittlichkeit auf das Bestimmteste abgeschieden und nach
diesem Gesichtspunkte Rechtsphilosophie, wie Ethik in
scharfer Abgränzung von einander behandelt *). Hegel
stimmt im Allgemeinen über die Bedeutung dessen , was
er „abstraktes oder formelles Recht« (Rechts-
phil. S. 33. 34—46.) nennt, mit Fichte überein; es ist
auch ihm die Bedingung, Voraussetzung, zur Verwirklichung
der beiden Gebiete , welche er als Moralität und Sittlich-
keit bezeichnet ; und schon diese Unterscheidung , welche*
Fichte nicht kennt , noch einer der frühem Uoralphilo-
*) Vgl. Fichte's nachgelassene V^erke Bd.II. S. 496. ff.
Bd. III. S. 8.
066 Vcrgicichung
sophon, zoigt eino umfassendere und tiefere Glicdeiting drr
letztern Sphäre, als wie sie bei Fichte sich findet. Aber
hiermit scheint uns die scharfbegränzte wissensehafUiriif
Haltung zwischen Rechtsphilosophie und Ethik wieder tct-
wischt, welche von der Kan tischen BUdungsepocbe ans
für beide gefunden war. Wie jedoch anch Fichte dif
höhere, sittliche Seite des Staats, sein Verhiltntss zu Re-
ligion und Kirche in ihrer gemeinsamen wellgrschichllichrs
Entwicklung anerkannt, diess hat er in seinen Vorlesongcfl
aber das Verhältniss des Urstaatcs zum Vcr-
nunTtrelchc (Berlin 1820.) dargelegt ♦).
So zieht Hegel irrig, wie uns dünkt, Recbtspfli'gp,
Gericht und Bestrafung , die Poücel mit ihrer äusseriichei
Sicherheitsmaassregeln, in das Gebiet der Sittlichkeit, wäh-
rend diese nur zu den negativen Bedingungen derselbm,
zum rechtlichen Schutze der persönlichen Freiheit, gebörra
Und so ereignet es sich , dass im Systeme seiner Rechts-
philosophie Verbrechen und Strafe, Rechtszwan^
und Rechtspflege doppelt vorkommen, theils im
„abstrakten Rechte«, wohin sie gehören ($.99 — 103.), Ihcifa
wiederum in der Sphäre der Sittlichkeit ($. 219. 20.>
in einem Zusammenhange, wo von den sittlichen Pflicii-
t e n des Staates die Rede ist, dass die Rechtspflege öfientlich
*) Auch wäre iiicht unangeraessen , hierbei lu weiterer Vergtei-
diuiig zwischen Hegel und Fichte auf die Aiiafuhning zo
verweisen , durch welche der Letztere Staat und Kirciie im
Begriffe einer Theo lir atie vereinigt a. a. O. S. 270. IT.:
Hegel lüsst die Kirche in den Staat eingehen; in der Voll'
kommenheit der staatlichen Einrichtungen ist jene befasst
und nur ein Moment desselben: nach Fachte geiien Staat
und Kirche, wie sie jetzt einander relativ gegenüberstehen,
in die dritte, höhere Einheit der Theokralie über : er hat io
seiner Philosophie ein Princip der Zukunft, während Heget,
von allem Andern seiner Auffassung abgesehen , auch hier
den Gedanken einer neuen, speciOsch alle Lehensverhalloi»««
umgestaltenden und tiefer versöhnenden Wettgestaltung kaum
übrig lä»st.
mii Fichte*8 praktischer Philosophie. 967
sei, dass in dem Urtheflssprache auch der Moment der sub«
jektiven Ueberzeugung von der allgemeinen Ge-
rechtigkeit desselben, als einer That der allgemeinen sitt-
lichen Substanz, beachtet werde u. dgl. Diess müssen wir
für eine Vermischung zweier völlig zu sondernden und in
der firübem Ausbildung der Wissenschaft wirklich schon
getrennten Sphären erachten; ebenso, wenn an einer an-
dern Stelle (Bncykl. $.486. Anmerk.)« nach Entwick-
lung der Begriffe des R e c h t s und der P f 1 i c h t, als zweier
Correlaten , indem einem Rechte von der Einen Seite eine
Pflicht (Bindung der formellen Freiheit, Verpflicblung , de-
biium) von der andern S'nte entspricht, der weitere ganz
ungehörige Begriff hinzugebracht wird, dass, indem die
Rechte der Person am Unmittelbarsten 'm Eigenthume,
seinem rechtlichen Besitze, verwirklicht sind, es um dess-
willen „Pflicht der Person sei, Sachen alsEigenthum
zu besitzen, d.i. als Person zu sein^ (S.499.): —
eine widersinnige, ja abgeschmacktb Konsequenz, indem
etwa auch daraus folgen musste, dass die freiwillige Armuth
(Eigenthumlosigkeit), welcher sich die Mönchsorden unter-
ziehen, unsittlich sei ^), und dass ihre Individuen, als
jedes Eigen th um es baar, auch keine rcchllichen und
sittlichen Personen sein können : — Folgerungen , die wir
Hegel'n ersparen wollen, denen seine Theorie jedoch
ausgesetzt ist durch Verwirrung jener beiden Gebiete des
Rechts und der Sittlichkeit.
Aber eine wesentlichere Ungenäge bleibt hier noch
zuräck, gleichfalls im Gegensatze mit der tiefer dringenden
Fichte sehen Sittenlehre. Hegel zeigt in diesem gan-
zen Gebiete, dass ihm der eigentliche Begriff* der Per-
«) £in ähnliches Urtheil blickt, als die wirkliche Meinung, hin-
durch, wenn Hegel späterhin (S. 560.) ,,<lie Heiligkeit der
Armuth und ihres Mussiggang»«< (?) gegen „die Sittlich-
keit der Vermögens- und Erwerhstliätigkeil*« tief herabsetzt
— eine zelotisclieMisskenunng, welche er besser den Gemein-
plätzen älterer Aufklärung gegen den Katboilcismus überlas-
sen halte.
968 Vergleicfaung mil F1clite*s praktischer Philosophie.
sönlichkeit, selbst in den höchsten Formen desGcfisIrs,
völlig ficemd geblieben ist. Auch das sittiiche Subjekt,
auch die Genien, in welchen der Geist der Weltgeschichte
sich verwirklicht, sind an sich eben so nichtig, „ihreSub-
jeklivilal^' eben so nur «die leere Form der Thäiigkeit<^,
die vergänglichen Gestalten jenes «tnnem Gescharies^ des
Weltgeistcs an ihnen (Encykl. $. 551. RechtsphiL
(. 344.) 9 als es die bloss sinnlichen Subjektivitäten sind:
nicht einmal im G o n i u s hat Hegel die innerlich unergründ-
iiche, in ihrem seitlichen Erscheinen nicht auszuschöpfende
Macht des kreatörlichen Geistes zu erkennen vermocht, und
dass es im Gebiete des Geistes überhaupt keine Mens eb-
be i t giebt , als ein GoUektivindividuum von gleichgültig
sich substltuirendep Exemplaren, wie im Pflanzen- und
Thierlebcn allein die Gattung das Individuelle und Unsterb-
liche ist, — sondern nur ursprüngliche Persönlichkeiten,
deren jede eine concreto Idee in Gott verwirklicht. Kurs
Hegel ist auch in der Sphäre des Geistes nicht über den
Begriff des blossen Gattungs lebe ns hinausgelangt. Ah«
ders bei Fichte, welcher -^ der Erste, so weit uns be-
kannt, seit Leibnitz, welchem Gedanken Schelling
nachher die naturphilosophische Ausiulirung gab
(s. oben S. 643. u. s. w.), — wenigstens im sittlichen
Ich diese innere Substantialität und Ewigkeit des kreatür-
liehen Geistes mit Entschiedenheit erkannt hat. Den Grund
derselben findet er darin , dass Gott nur in einem g e-
schlossenen Systeme von Geistern, von eigenthüm-
lichen und innerlich sich ergänzenden Individuen erschei-
nen könne, welche eben darum, jedes in seiner goUbestätig-
ten Eigenthümlichkeit, gleich ewig sind mit Gott*).
Hiermit ist wenigstens die Grundlage gegeben, um auch in
anderer Beziehung über den gewohnten Begriff* eines end-
losen Erscheinens und Wiederverschwindens von Indivi-
duen hinauszukommen, der selber leer und voll von Wi-
*) Fichte's Sitte n I eh r e^ nachgelassene Werke, Bd. III.
S. 51. 55. f., Thatsdchen Bd. II. S. 548. ff.
• Die Lehre vom absoluten Geiste. 069
dersprüchen ist: ieih Begriße der Scb^fung, als eines
vollendeten (vollkomninen) Vernanftsystemes widerstreitet
durchaus die Vorstellung jener schlechten End. und Zaht«>
losigkeit, welche Hegel in der Naturauffassung zwar be*
kämpft hat, sofern sie wenigstens nichts Erhabenes in sich
45chliesse, in der Sphäre des Geistes aber hat belassen mdSi**
«en , weil ihm der Begriff der. wahren (in ihrer Einzeb-
heit selber unendlichen) Individualitat fremd gebUe^
bca ist.
Im ^absoluten Geiste« endlich (§. 553. ff.) ge-
langen der subjcktivo, wie der objektive Geist, gleicher Weise
zu ihrer Versöhnung und Vollendung in einander. Er
ist die Eine und allgemeine Substanz, als ,,geistige% näm-
lich das Urthcil in sich und in das Wissen, für wel-
ches er der Eine und allgemeine Geist ist. Hegel be-
zeichnet das Eigenthümliche dieser Sphäre dahin, dass jene
Einigung ebenso vom Subjekte auszugehen habe , welches
sich als „im Allgemeinen sich befindend weiss^, wie vom
absoluten Geiste selbst, welcher, als solcher, in das Sub-
jekt eingeht. Als Beispiel führt er die Religion, den ^Glau-
ben^ an, der jedoch, so gefasst, nicht als dem Wissen ent^
gegengestellt zu denken sei, sondern als ein unmittel-
bares Wissen, die unvermittelte Zuversicht, dass „Gott,
als Geist, in seiner Gemeine gegenwärtig ist«. — Allge-
meiner und bezeichnender vielleicht hätte Hegel an das
Wesen der Begeisterung überhaupt erinnern können,
sei es die künstlerisch bildende , die praktische , die wis-
senschaftliche, oder die höchste der eigentlichen Andacht
und GotteserRüllung. In ihr weiss sich das Individuum im
Dienste, als das offenbarende Werkzeug, einer Idee, und
diese in sich gegenwärtig; zugleich jedoch fühlt es sich
selbst mit ihr versöhnt und in diesem Zustande vollendet.
In dem religiösen Bewusstsein dagegen, namentlich in
970 Die Kunst.
dem ^der Gemeine, welche den Geist Gottes ii
sicli f^egenwärtig weiss<*, treten, wenn diess Wert
nieht zu einem sehr nniversellen Abstraiitnm kerabgiestinnt
werden soll, noch so tiergreirende und eigenthümliclie Be-
^tinunangen hinzu, dsss es, als Beispiel l&r eine so nllge-
meine und vielumrassende Zustindlichkeit gewählt ,
dezu sinnverkehrend wird , nach der Einen , oder der
dem Seite, iur des Beispiel selbst.
In diesen Gebieten, dem der Kunst und der BeligiOB,
welche Hegel zudem noch in besondem Werken reick
und eigcnihflmlich behandelt hat, treten sehr etgenthumficbe
Interessen hinzu, welche jedoch unsere Kritik für jetzt gnx
ausschliessen muss, um die allgemeine Idee des Systemes
and die Charakteristik seines Standpunkts aach in diesei
speciellem Ausführungen nicht aus dem Auge zu verikrea.
So muss namentlich die Entwicklung Hegeis über das
allgemeine Verhältniss der Kunst zur Religion , bestimmter
über das Verhältniss der Kunstformen der einzelnen Reli-
gionen zu der wahriiaften oder absoluten Religion C^ncykl-
S. 3Ö2. 63. Aesthetik, Werke Bd. X. 1. S. 418. ff.
478— 86.)9 hier übergangen werden. Was vrir wahr darin,
oder in anderer Beziehung principiell mangelhaft, and dannn
auch nicht selten mit einer tiefen Mi sskennung des
Faktischen behaftet , erklären mussten (z. B. über die
christliche Myslik, über die romantische Kunstromi, Aesthe-
tik I. S. 477. 78. u. s. w.) , das wird aus unserer Kritik
des Principes Jeder sich selbst zu entwickeln vermögen.
Jetzt nur so viel darüber, um auch hier die Granze zu zei-
gen, welche jenem Principe überall eine absolute und un-
übersteigliche zu sein scheint.
Die schöne Kunst (und deren eigenthümliche Religion,
die griechische) bat ihre Zukunft in der Religion über*
haupt (S. 063.) , bestimmter in der absoluten Religion,
als der Religion des sich offenbarenden Geistes.
Nach der formellen Konsequenz dieser Feststellung
wurde daraus folgen, dass, mit dem Hervortreten der ,ab-
soluien^ Religion, der christlichen, auf die Stufe des well-
y
Die Kunst. 971
g-escbichtficben Bewusstoeins, auch det Unlergang der Kunst
eingetreten sein iiifisste, wenigstens die Bedürftiisslosigkeit
der absoluten Religion klar geworden sei, ein eigen-
th ü in liebes Kunslprincip aus sich hervorzurufen, glekh-i*
wie die Trübem Religionen, zum Zeichen des „beschrank-
ten G e b a 1 1 s ihrer Idee^' , sich in besondem und ihnen
entsprechenden Kunslgestaltungen verkörpern inusslen , um
wenigstens in so sinnlicher Weise den festen Ausdruck zu
gewinnen, welcher ihnen in der „Innerlichkeit des Geistes^
noch nicht vergönnt war. Diess wäre nach der „Ency-
klopädie^ die unverläugnete Konsequenz des Syslemes ; wie
sehr nur das Gegentheil wahr ist, wie durchgreifend das
Christcnthum auch eine neue und ebenso ihm gemasse
Künsten t Wicklung erzeugt hat j diess bedarf keiner beson-
dem Erwähnung: selbst Hegel hat in seiner Aesth et ik
es keineswegs bei so ungenügenden Bestimmungen gelas-
sen; die romantische Kunstform ist es vielmehr,
welche dem modernen, christlichen Bewusstscin entspricht:
dieses Axiom der ganzen neuern Aesthetik bat er, trotz
des formellen Widerspruches seiner allgemeinen Principien,
aufgenommen.
Hier aber ist es von Neuem charakteristisch und hfingt
abermals mit dem Hangel des ganzen Princips aufs In-
nigste zusammen , wie er das Wesen der Romantik gc-
fasst hat. Während die Kunst der Erhabenheit wc-'
scntlich dem weltgeschichtlichen Standpunkte des jüdischen
Bewusstseins und Cultus , so wie seiner Poesie , beigelegt
wird (Aesthetik I. S. 480. ff.), — wir wollen nur er-
wähnen, dass vielmehr im christlich Romantischen erst
das Geiuhl und der Kunstausdnick des Erhabenen seine
höchste Form erreichen kann ; — so soll die Wurzel der
Romantik in der geistigen Freiheit und Unend-
lichkeit dosSubjekts bestehen, welche abermals nur
in die «I d e n t i f i k a t i o n^ des Subjektes mit Gott , in
^in Zurücknehmen in*s Absolute^', gesetzt wird.
Diess Süll aber am Höchsten in dem Gegenstande der spe-
cicllcrn christlichen Kunst, in Christo und seiner Erlösungs-
972 Die Kunst.
geschlchte, dargestellt werden. Hier ist es nicht mehr
der Mensch , der in bloss menschlichem Charakter und in
endlichen Zwecken oder Ausführungen , auch nicht in ei-
nem blossen Bewusstsein von Gott erscheint, sondern ^
„als der sich wissende einzige und allgemeine Gott selber,
in dessen Leben und Leiden, Geburt, Sterben und Anfor-
stehen, sich nun auch för das endliche Bewussiseio
klar macht, was das Ewige und Unendliche sei-
ner Wahrheit nach sei^.
,,Die Ausbreitung dieses Selbstanschanens, wo-
durch sich der Geist Gottes in der ganzen
Menschheit gegenwartig macht, und in dieser
Wirklichkeit mit sich selbst in Einheit bleibt^, — (hier
eulminirt Romantik, wie Christenthum, demnach in formellem
Pantheismus) — ,yist der Friede , das Versöhntsein
des Geistes mit sich in seiner Objektivität — eine göttliche
Welt, das Reich Gottes« (A e s th e ti k Bd. IL S. 124-30.
144. 47. tt. s. w.). Wie sehr Hegel daher auch übri-
gens , selbst in diesem Abschnitte , die Virtuosität seines
Geistes bewährt, den Allgemeincharakter der reichsten und
vcrschlungen^ten Erscheinungen, aus ihrer Gesammtverwick-
lung mit Nebensächlichem oder Zufälligem, auf's ScbärTsle
herauszuläutem , und ihr Grund wesen zu treffen; — hier
geht ihm das Erklämngsprincip unter den Händen aas : er
hal die Romantik sammt dem Christenthume nur in unbe-
stimmtester Allgemeinheit , gleichmässig verwandt den he-
terogensten Zuständen und darum sich selbst nicht mehr
ähnlich , fassen können , weil beide , wie sich zeigt , über
die Macht seines Princips hinausliegen. Das Bedürfniss
einer Versöhnung mit Gott, das Bewusstsein von dem Bru-
che alles irdischen Daseins , in welchen der tiefste und
alleinige Ursprung aller Romantik gefunden wird , welche
jedoch nur aus der durch das Christenthum geweckten
Grundanschauung des Menschisn von sich selbst in die
Welt gekommen sind, meinte und suchte wohl zugeständ-
lich etwas specifisch Anderes, denn nur jenen dialektischen
Vcrsöhnungsprocess des allgemeinen Geistes mit dem ein-
Die absolute Religion. 973
eelhcn, in welchem jener ein. „Fürsiciifolber wird^t
Eine solche Auslegangsweisc aber kann sich im Einzelnen
kaum vor Gewaltsamkeit, ja vor Entstellung bewahren.
Zwar mag sich, wie persönlich bei Hegel gewiss, die
tiefste Intensität des Geistes und Gemfiths auch in jene
Allgemcinformeln Ton dem ,^inswerden des Unendlichen
und Endlichen^ versenken oder in ihnen sich wiederfinden,
wenn sie nur auf das Allgemeine, nicht auf's Specifischoi
achtet; aber zugegeben muss doch werden, dass die spe*
cifische Bestimmtheit, auf welche es wissenschaftlich ge^
rade ankommt, durch solche willige Ilineintragungen wo«
der gerettet, noch weniger durch solchen Begriff begründe!
worden ist. -^
Wir haben im Vorigen zugleich schon den wesentli-
chen Inhalt der absoluten^ ,^eoffenbarten> Reli-
gion CS« 564. ff.) vorausgenommen. Ihr specifischer Mo«
menl ist gerade diess Offenbaren, Hanifestiren des nncnd«
liehen Geistes im endlichen , diess Personwerden einer*,
diess sich im nnendlichen Geiste Wissen andererseits. Das
Wissen, „das Princip, wodurch die absolute Substanz
Geist ist^ , ist , als die unendliche Form des Ffirsichseins,
das selbstbestimmende, unendliche Manife-
st! ren ihrer selbst fdor Substanz) im endlichen iSeiste.
Was in deren Tiefe, FQlle, verborgen ist, — die noch un«^
offenbare Substanz Gottes — muss zu diesem Lichte der
Selbstanschäuung: gelangen im endlich - nnendlichen
Geiste. „Wenn das Wort Geist einen Sinn haben soll,
so enthält derselbe das Offenbaren seiner^ (S. 675.). So
bat Christus die Tiefen des Vatärs aufgeschlossen ; so ist
femer in seiner Gemeine der Geist Gottes gegenwärKg.
Diess ist, als allgemeiner Zustand , ftberhaupt Religion,
in der nfthem Bedeutung , dass das endliche Bewusstsein
fiott als Geist (in diesem Sinne) weiss, absolute,
offenbarte Religion; denn nur Gott selber kann es
sein , der im endlichen Bewusstsein sich als Geist za
erkennen giebt. So entsteht richtig die Stufenfolge von
Standpunkten, welche Hegel (5.576.) nach Göschelf
974 Die absolute Religmii.
Vorganf e *) , and auf Ibn sich berarend , mbo be*
aeicbnei : -
^Gott ist nur Gott, insofern er sich sei-
bor weiss^. Hiermit ist dem Anfangsbegriffe des Sf-
Siemes Genüge geleistet , dass die Substanz nur als Sub-
jekt zu denken sei. — ^Sein Sichwissen isl ferner
sein Selbstbewusstsein im Menschen^ (dass
zunächst überhaupt die allgemeine Substanz in ein wis-
sendes, selbstbewusstcs Wesen eingeht), »nnd
das Wissen des Menschen ron Gott^ (so dass je-
nes selbstbewusste Wesen — der Mensch — nicht nur
von sich, sondern auch von Gott weiss). Diess geht
endlich fort zwn Höchsten, zur VoUendung: ^dass sich
der Mensch in Golt weiss^'.
Ob' in der Bedeutung dieser Sätze Hegel und Ga-
se hei bis in*s Tiefste einverstanden gewesen, ob der Letz-
tere nicht stillschweigend Etwas in sie mithineinverslaft-
den habe , welches jener nicht hinzudachte (wovon nach-
her), während Beide in dem wirklich herausgestell-
len Sinne der Sätze, unbeschadet jener ruckwärtsliegen-
den verschwiegenen Differenz , Eines Sinnes waren und es
sein konnten ; diess soll nicht weiter untersucht werdet
Wie Hegel sie verstand, verstehen musste (oder sollte),
kann nicht zweifelhaft bleiben , wenn wir sie einreihen in
den auch hier von uns erwiesenen Sinn und Zusammen-
hang seines Systems.
Die absolute Substanz ist unendliche Negativität oder
Sid>jektivitat , Geist an und für sich. Das im Universuai
sich allvenvirklichende Princip (der Weltgeist) ist darin
eben Geist , weil er diess „Manifestiren* ist, weil er sich,
über all sein Objektivgewordensein hinaus, in das Licht
des Wissens, in den Genuss seiner selbst, ausgebierL Alle
Abgründe und Tiefen desselben müssen sich entfalten und
*) Aphorismen über Nichtwissen und absolutes
Wissen u. s. w. Berlin 1829. S. 73_7L Dazu noch S.89.
95. 9a ff. 104.
Die absolute Religfio». 975*
in das Bewusstsein. treten, weil sie die Tiefe des absoluten
Geistes sind, dessen Natur und Wahrheit, ,,seine unend-
liche Form^, das Wissen ist. Die tausend Augen, in
ivelchea der Weltgeist sich aufthut, um die eigene Schön-*
heit 2U empGnden , im Menschen dann seine Natur , sein
Wesen zum Bewusstscin zu bringen , ^ der wahre und
höchste Grund der Uebereinstimmung zwischen Subjektivem
und Objektivem (Denken und Sein) , — der Drang , der
die Weltwesen, so auch die Geister, zu einander zieht, wo-
durch die Liebe, und nur sie, das wahrhaft Schöpferische und
Bindenjle ist in allem Dasein, von den Akten der organi-
schen Erzeugung an , bis herauf zu der schaffenden Be-
geisterung in Kunst, Wissenschall, in praktischem Gestalten,
welche auch nur Liebe zur Idee ist , — der tief durch-
dringende, geheimnissvotte Einklang, den wir in der Welt-
geschichte plötzlich ein Volk oder die ganze Menschheit
ergreifen und mit tiefer Nothwendigkeit, welche doch ge-
rade ihre Lust und Freiheit ist, einer völligen Umgestaltung
zufuhren sehen , die i n allen Individualitäten , und doch
über ihnen waltende Macht, welche die geistige Signatur
jedem Zeitalter , jedem Volke , ja jeder, Einzelne verknü-
pfenden Geistesgemeinschaft aufdrückt; diess unendlich ge-
staltende und individualisirende Weltprincip , der Welt-
geist, die göttliche Gegenwart, als die geistige und
begeistende in Allem, — nennt Hegel den a b s o 1 u t e ir
Geist , Gott ; und sein ewiges Selbstanschaucn und Wissen
von sich selbst ist dieser unendlich geistschaffende Process im
Menschen, die schlechtbin durchdringende und damit „über-
greifende^ Subjektivität, welche sich, weil es ihre Natur
ist, so vor sich selber in das Licht des Bewusstseins heraus-
lebt (EncykL $. 214. 15. S. 216. 17.; vgl. was Hegel
Bestätigendes und Erläuterndes zu Gösch eis Schrift hin-
zufügt: Werke Bd. XVIL S. 126—32.).
Darin allein hat nun zugleich der endliche Geist
seine Gewissheit, (wahrhafte) Freiheit, Vollendung und Se-
ligkeit, sich also „in Gott^ zu wissen, als Glied und
Moment dieses göttlichen Selbstgenusses. Indem
976 Die absolute ReHgion.
er Jedecfa also in Gott sich weiss, indem er darin di^Ge-
wisslieit seiner Vollendung (Erlösung) gewinnt —
das Böse ist nur die Verhärtung des SiebnichlanBösen-
Wolfens in diese göttliche Concinuilät *) — wird dadnrrk
dem endlichen Subjekte die Persönlichkeit erworben.
^Es ist das Wahre der Persönlichkeit, sie durch diess Ver-
senken in das Andere zu gewinnen, — seine Isoli*
rung, Abgesondertheit aufzuheben. — bi der
Freundschaft, Liebe, gebe ich meine abstrakte Persooficb-
keit auf, und gewinne sie dadurch, die con-
creto In der göttlichen Einheit ist die Persönlich-
keit als aufgelöst gesetzt; nur in der Erscheinung
ist die Negativitat der Persönlichkeit unter-
schieden von dem, wodurch sie aufgehoben
wird^ **). — In diesen Geistern allein hat nun der ab-
solute Geist seine bewusste Wirklichkeit: in ihnen
ist das Witoen von Gott „fortgegangen^* zum ,pSichwissen
in Gott^. Sie sind die „Wahrheit und Selbstgewissheit
seines Thrones^ (Phänomen, am Schlüsse); diess ist der
wahrhaft göttliche Inhalt der Weltgeschichte , worin sich
der Weltgeist aus allen semen Gegensätzen zusammenfasse,
und — zuhöohst dann in der Wissenschaft, der Philoso-
phie, „als absoluter Geiste sich ewig „bethätigt, er-
zeugt und geniesst^ (Encykl. $. 577. Schluss).
Hier legt nun Hegel jedoch femer mit Recht den
grössten Nachdruck darauf, dass dieses Sichwissen in Gott,
überhaupt das Erkennen Gottes , so wie die daraus ver-
mittelte Erlösung und Versöhnung mit GoU, — (falls wir
einen solchen bloss theoretischen Akt überhaupt so
nennen dürften) — nicht als eigene That des Subjektes,
sondern als That Gottes in ihm , gefasst und betrachtet
werden müsse. Auch die Liehe, welche wir zu Gott
*) Kncyklop. J. 512. Rechtsphil. J. 139. 140. A omerk.
Relig. Philo«. H. S. 239. zweite Ausg. Vermischte
Schriften Bd. II. S. 132. f.
**) Rei. Philosophie Bd. li. S. 237—39.
Ailgeincines Resultat der RcUgionspbilosophie. 977
empfinden; das höchste einigende fjand seiner Gemeine in
ihm , ist nur die Liebe , mit welcher Gott zn sich zurück^
kehrend oder vielmehr darin auf's Innigste bei sich blei-
bend, sich selber liebt*); und auch Hegel hätte je-
nen tiersten BegrifTSpinosa's von der intellektualen
Liebe Gottes, in welchem dieser Denker sein Princip
wesentlich durchbrochen und bis zum He gel sehen Be-
grriffe, dem der unendlichen Subjektivität, gesteigert hatte,
auf das Ausdrücklichste in den eigenen Zusammenhang
verwenden können.
Diess , vom Standpunkte der Religion aus und in de-
ren Ausdrucke , der summarische Inhalt der Hegel sehen
Weltansicht ; und wir wenigstens sind nicht gemeint , die
gi*osse, liefe Wahrheit derselben , auch die volle Wahr-
heit dessen, was darin positiv enthalten und in den aus«-
drücklichen Begriff herausgestellt worden ist , in Zweifel
oder Fragp zu ziehen : wir umfassen es vielmehr in e\ge^
ner üeberzeugung , und preisen Hegel darum , dass er,
den Schranken der Zeil und einer allem Philosophie ge-
genüber, nicht allein der in ein blosses Jenseits leer
hinüber Hoffenden, sondern auch der christlich Ausschliess^
liehen und die Grösse des Princips Beengenden, die volle
Gegenwart des götilichen Geistes im endlichen, und die
befreiende, wiederherstellende und vollendende Macht des-
selben für die endliche Persönlichkeit , wo sie nur irgend
sich völlig dahingiebt in diesen Dienst der Idee , mit der
ganzen Schärfe des Begriffes gefasst und , — wir dürfen
wohl sagen, als der Erste unter den Philosophen nach allen
Weilen und Tiefen, welche dieser Standpunkt, — das
Princip des Weltgeistes, als des göttlichen, — r
zulässt, vollständig durchgeführt zu haben. Von h i e r a u s^
wenn von irgendwo her, ist der Weg zur Erkenntniss des
innem Wesens Gottes zu finden; es ist die wichtigste,
reichste und höchste Weltkategorie. Auch freuen
wir uns mit voller Anerkennung des Ernstes und der Tiefe,
») Rel. Philoaophie H. S, 227. 240.
62
%
978 Allgemeines Resultat der ReligionspkUosopliie.
durch welche Hegel aus diesen Prämissen die w
liebsten chrisilichea Dogmen in ihrer, der gewohnten. Auf»
Tossung unzugänglichen , Paradoxic und Eigentlichkeit zn
begreifen gesucht hat, Und wir müssen ihn specifisch hin-
ausrücken, ja weit erhaben erkennen, über die panUieistisck
aufklärerische Verflaöhung, welche sein Princip in der neuem,
jot£t tonangebenden Fraktion seiner Schule erlitten hat
Dennoch, dass diess Princip sogleich diesem Verfalle ans-
gesetzt war, — es ist nichi als ein Zufälliges anzusehen;
Hegel selbst ist keinesweges ohne Schuld daran , nicht
sowohl durch sein Leisten, als durch sein Unterlassen..
Denn hier tritt uns gerade darum , weil wir bis so
weit vollen Ernstes mit Hegel fortschreiten konnten, der
weitere Wendepunkt ein: Hegels Princip ist nur die
Hälile, eigentlicher noch die hintere Hälfte der Wahrheit,
di6 freilich darum, soleni sie für die ganze und ausschlies-
sende Wahrheit gehalten sein und zur umfassenden Welt-
ansiclit sich ausbreiten will, nicht umhinkann^ darum f als ch
zu werden.
Gott vermöchte nicht, der Weltgeist zu sein in sol-
cher Tiefe geistiger Immanenz, •— nicht als sitt-
liche Macht im Gewissen des Menschen , nicht im rdigiös
Begeisterten als Welt und Tod überwindende Kraft auf-
zutreten, — wenn er nicht wäre — keinesweges „Geist
von Anfangt' und nach der Ursubstanz, diess ist eben die
zweideutige Halbheit, in welche Hegel sich verstrickt hat,
— sondern selbstbewusster Geist, transscendente^ überwelt-
iiche Persönlichkeit; Und wie hiermit der BegriiT des
Weltgeistes von der einen Seite zuerst seinen innein Halt,
seine Gewissheit und Begreiflichkeit findet, so ist dieser
von der andern doch nun nieht mehr «Gott^', der „ab-
solute Geist^, dessen „absolute Form^ das Wissen,
d. h. die Selbstmanifestation im kreatürlichen Bewusstsein,
ist, — alle diese Halb- und Unklarheiten, diess j^ystisdie<^
ist abgeschnitten: sondern es ist der göttliche Aushauch
in die kreatürlichen Geister, sich ihnen einsenkend, sie „in-
spirirend<* , die damit nioht aufgehoben , zurückgenommen
Goscheis VerhäUniss tn Hegel. 979
in die allgoimMnc geistige Substanz, — welche al$
W eltgeist nun gar nicht existirt, noch exisliren
kann für ein gründliches Denken , — sondern die ihre
(wahrhafte) Eigenheit darin nur bestätigt erhalten.
Diese Wendung aus der tief und voUslandig gefassteh
immanenz in die Transscendenz Gottes , musste , wie ge-
sagfl, auch hier wie bei S c h e 1 1 i n g (vgj. oben S. 763. IT.),
-eintreten, was die fortgesetzte Kritik des Hegel sehen
Syslemes noch Imstimmter zu zeigen hat; und diess ohne
Zweifol schwebte schon damals , wie eine stiOschweigt^nde
Nebenfolge , 6 p s c h e 1 n vor , als er jene apologetischen
Aphorismen tbor das System bekannt ntachte. Spater , in
seinem „Monismus des Ge d ankens^ und sonst, am
Ausdrdckiichsten und Ausgefuhrtesten aber in seiner letz^
ten Schrift: den „Beiträgen zur spekulativen Phi-i-
losophie von Gott und dem Menschen und dem
Gott-Menschen^ (1838), besonders im wichtigsten
Abschnitte über den Kampf des Nominalismus und Realis«^
mus (S. 102. IT.), wird dieser Gedanke als die all ge-
meine Voraussetzung auch des llegolschen Prin-
cipes gezeigt, indem „Subjektivität ohne Persön-
lichkeit^ selbst nur ein unwahres, nominalistisches Ah*
stmktum wäre, da „in derSphäre des GeistesRea-
lität ohnc<^ (diese) „Subjektivität gar nicht
denkbar sei^. — Allerdings; nur findet sich die Kategorie
der absoluten Person in der HegeUchen Logik nicht nur
nirgends, sondern sie ist, wie wir erschöpfend. nachgewie-
isen, auch ihrerii ganzen BegriOsbeceiche ein schleiihtbia
Unzugängliches , und das Gleiche wird noch der Schluss
des Syslemes im Begriffe des (realisirten , nicht mehr Po-
tentialen) absoluten Wissens und Geistes ergeben. Und
wie fem vollends das System ist, dieweiteni Konsequen-
zen jenes mächtigen Gedankens auch nur ahnnngsweise zu
erkennen, darüber lassen die allgemeinen Resultate unserer
Kritik keinen Zweifel. Dass endlich G ö s c h e 1 s wohlge^
raeinler Wunsch und Versuch, jenen Begriff dem He gel-
schen Systeme in der Gestalt , wie es vorliegt , nur ohne
»80 Hegels Begriff
Weiteres einzaverieiben , uod nach dieser Vorausset-
zung es zo interpretiren, ein vergeblicher bleibe, ist ihn
TOD 'uns an allen Stadien dieses Versuches, mit weichen er
hervorgetreten , nachgewiesen virorden *). *—
Aus jenen allgemeinen Prämissen seiner Grundansidt
entwickelt Hegel in der Religionsphilosophie seinen Be-
griff der Dreieinigkeit , in den drei Abschnitten von dem
Reiche des Vaters, des Sohnes und des Geistes.
Auch f3r das System ist es nicht ohne Wichtigk^t, diese
Austührung kennen zu lernen. In * der bisher beuHhetUen
strengwissenschatUichen Darstellung des Sy^emes trat be-
sonders die Lücke hervor bei dem Uebergange aus der
Logik in die Naturphilosophie: das Sichanderswerden, der
Abfall der absoluten Idee von sich, blieb dort das Unver-
mittelte , das bloss Postulirte , der Sprung und Uiatos im
Systeme selbst. Hier, im Gebiete der Religionsphilosophic,
wo Hegel mit der ganzen Entfaltung des Gedankens und
zugleich mit Rücksicht auf die ihm vorangegangenen Be-
stimmungen des religiösen Denkens und der dogmatischen
Ausbildung in der Kirche, auf diese Urverhältnisse eingefal,
muss es zur Entscheidung kommen , ob jene Lücke durtk
einen zufSIligen Hangel der frühem Ausführungen Hegels,
oder durch die innere Schwäche des Princips selber be-
dingt sei.
Gott in seinem ersten Momente, „in seiner ewi-
gen Idee an und für sich'' (Rel. Phil. 2te Ausg. IL Bd.
S. 223 — 247.) ist hier nur die abstrakte Idee, ist noch
im abstrakten Elemente des Denkens, nicht des Bc-
.'*') Vgl. Idee der Persönlichkeit, S. 10. ff. 32—37., Zeit-
gchrift für Philosophie Bd. IL S. 241. ff. Wie jedoch
der G Öse hei sehe Standpunkt, im Ganzen gefasst, zwar uhr r
das Hege Ische System hinausgehe, aber nur als ein Ueber-
gangsmoment in einen höhern, das Princip ToUständig zur GeU
tnng bringenden Standpunkt sich ergebe, haben wir im alt.
gemeinen metaphysischen Zusammenhange zu zeigen gesucht
(Zeitschrift Bd. V. S. 221.).
der Dreieinigkeit 98f
r e i f cns, weil sie nach nicht mit dem Anderssein
ehaflcl ist. Es ist diess das „Reich des Vaters^
S. 224^2320.
In dieser Idee sind nun zwei Seiten zn unterscheiden:
Lio des subjelstiven Denkens, welches diese Idee be-
sitzt, und die der selbstständigen Objektivität ihres In-
tiuUs. Aber beide fallen vielmehr in der Wahrheit der Idee
selbst zusammen : das Denken ist Bewegung , Process , es
erhebt sich über die Endlichkeit; da denkt es Gett , alle
Bcsondemng ist ihm verschwunden , und „so fängt die
Religion, das Denken Gottes an<^ : es ist in der Reli-
gion ,,reines, bewegungsloses, abstraktes
Denken«^ (S. 225. 26.). — Andererseits aber ist auch das
Allgemeine wieder in sich Bewegung und Process; es
unterscheidet sich von sich selbst : hier aber nur so, „dass
der Unterschied die Allgemeinheit nicht
lrübe<<. Es ist so noch unendlicher, aber „abstrakter
Unterschied^; — die Möglichkeit eines unendlichen
Selbstunterscheidens ist überhaupt in ihm gesetzt« Der
wirkliche Unterschied ist aber schon der concreto,
die Welt, das ausgewirkte Sichandersseiti Gottes.
Daher ist Gott in diesem abstrakten Unterschiede^
— müssen vrir hinzusetzen, als die unentweicbbare Folge«
rang dieser Deduktion, — nur im Denken, oder auch
in der R e 1 i g i 0 n existent, indem allein diese die Unend-i
lichkeit der c on er et en Unterschiede, deren Identität der
wirkliche Gott ist, in ihre Abstraktion und Allgemeinheit
zurücknehmen , sie darin zusammenfassen können. Der
wirkliche Gott dagegen ist immer schon der in der
Welt gegenwärtige, mit dem concreten Anderssein be-
haftete ; seine „reine Einheit^, sein (überweltliches) Ansich-
selbstsein ist selbst nur seine „abstrakte^, unwahre Idee,
„der abstrakte Inhalt des Denkens«' (S. 226. 28.
231. ff.)* Diess das Erste, wobei sich, alles Frühere be-
släligcnd, ergiebt , dass auch hier zu einer Ableitung der
Momente des Unterschiedes (des Endlichen) aus Gott, —
d. h. zum BegriiTe einer eigentlichen Schöpfung, die die
982 Uegeb Begriff
Welt zur ThaU nichl sur Wirklichkeit, Gottes mtM,
— überliaupl keia Raum übrig Ueibl. Dieser Howent ist
völlig übersprungen ; wir sind mit dem Begriffe Gottes,
s^baki wir nur nicht bei seiner Abstraktioa
stehen bleiben wollen, sogleich schon miHea im
Begriffe der Welt , desconcreten unendüchea Unlcr-
schiedes , als eines in ihm aufgehobenen. Diess ist
jedoch ganz nur. die älteste Schelli ngscbe Bestim-
mung: y^6ie absolute Identität ist nicht Grund des Ini-
vcrsums , sondern das Universum selbst^, und ^die wahre
Fhilosophio besieht in dem Beweise, dass die ai>soliile
Identität^ (auch ia ihrem Anderssein) ,^cht ans sich her--
ausgetreten , wahrhaft sich ein Anderes geworden sei*.
(S. oben S. 620. 26.)
Nun erinnert Hegel jedoch weiter, dass jene ab-
strakte Idee Gottes, in seiner ,^einen Einheit snd Allge-
meinheit^ dennoch nicht Werk eines einzelnen Denkens
«nd imserer Subjektivität sei. Dem Processe des (subjek-
tiven) Denkens, die Endlichkeit in Gottes Idee znrvckneli-
men, entspricht, und es fallt mit ihm zusammen der Pro-
cess der Idee , sich zu besondern , d. h. in eui einzelnes
Bewufistsein und sein Denken einzutreten. Unser Denken
Gottes in seiner reinen Idee ist sein Denken von sich
aelbst in uns; ^ was abermals der altem Schelling-
schen Bestimmung entspricht, dass es einen Punkt der Kin-
sicbt giebt, für weldien die Idee des Absolulea
ttnd das Absolute zusammenfallen (vgl. S,684.
685.). Diess Denken, Wissen seinef selbst in der Religion,
wie im spekulativen Begriffe, ist aber zugleich die ein-«
zigeForm seiner idealen» reinen (wenn man will, .vor-
weltlichen^) Existenz ; ebenso die e i n z i g e F o r m seines
Selbstbewusstseins. Als der reale Gott hat er sich immer
schon ausgewirkt in die Weltgegensatzä (der Weltgeist ist
diess nur, als der verwirklichte); und aus ihnen fisst
er sich nur durch jenen Begriff seiner selbst
in die ideale Einheit zusammen (S. 225. 231. f.
270. f. u. s. w.).
der Dreieinigkett. 863
Dies8 das eigenflich spekulative flesnltat in Beireff des
^ersten Momentes^ in Gott: das Uebrige sind erklärende
oder berichtigende Anwendungen dieses Princips auf frü*
here spekulative oder dogmatische Bestinimongen. Diess,
das ewige Sichunterscheiden Gottes von sich selbst , da^
dach in sich zurückkehrt, ^diess Anschauen, Fühlen, Wis-
sen der Einheit« — ist die Liebe , — „ein Spiel dieses
Utiterscheidens, mit dem es kein Ernst ist, dass eben sd
als anfgehoben gesetzt ist^ d. h. die ewige, einfa-
che Idee« (S. 227.).
Damit ist Gott zugleich der Dreieinige: er unter-
scheidet sich unendlich von sich , das absolute Urtheil —
erzeugt sich ewig als den Sohn — (es ist die Welt) : —
der zweite Moment. Was er aber so von sich unter^
scheidet, hat nicht die Gestalt eines Andersseins, sondern
das Unterschiedene ist anmittelbar nur das, von
dem es geschieden worden. So ist Gott der Geist; diesf
Sichzurücknehmen des unendlichen Unterschiedes, das Bei-
sichselbstbleiben darin : — der dritte Moment.
Wo diess Beisicbselbstbleiben sich vollzieht, haben wir ge-
sehen : „im Geiste des Mensehen , der eben nur dadurch
Geist ist, weil er diese Wahrheit empfangen kann« (S. 228. f.
245. 247—52. 309. 315.). Diess sind die wesentlichen
spekulativen Bestimmungen des BegriiTs der Dreieinig-
keit, aufweiche, als auf seine „Wahrheit«, Hegel dia
nahem kirchlichen und dogmatischen Unterschiede zurflck^p
zuführen sucht.
Hierin jedoch müssen wir die wesentlichsten Unterscheid
düngen vermischt und zusammengewachsen erachten, auf
deren scharfer Auseinanderhaltung eine zur Vollständigkeit
ihrer Momente entwickelte. Idee Gottes nicht nur, sondern
ebenso das vollgenugende 4*eligiöse Bewusstsein, den stärk-
sten Nachdruck zu legen bat: in ihre Vermischung bei
Hegel jedoch laufen, noch einmnl wie unter Einen Ge-
sichtspunkt gebracht , alle die Mängel und Bedenken zu-
sauimcn, die wir schon vorher im Einzelnen bei seinem
Systeme nachgewiesen. Es ist hier ein Doppeltes wohl zu
964 Begriff
«nterschoideh , von weichem wir freilich nkKl b^adplen
wollen, dass es überhaupt bisher bestimmt geni^ geson-
dert worden sei , oder dass die Schuld jener VermisdiaBf
mit ihren unabweislichen Folgen Hegel allein oder Tor-
zogsweise treffe ♦).
Im Begriffe der Dreieinheit liegt ganz ang-emeiB zu-
nächst der Gedanke einer Sdbstverdoppelung, Selbstobjek-
livirung des Wesens , dem wir sie beilegen ; eines Slch-
ergreifens desselben in der Fülle und Mannigfaltiglieit des
eigenen Seins, um diess „Andere seiner^ in ihm als das
seinige zu fassen , sich selb st darin zo iühlen , oder zu
wissen. So ist diese Dreieinheit die Grandbedfaigung' aDes
Lebens, bestimmter alles bewussten Lebens, und der QaeU
aller Eintracht, Freude und Seligkeit eines Wesens an sirh
selbst. Umgekehrt , wenn der Begriff lebendigen Selhst-
seins und Selbstbewusstseins (eines Subjekt-Objekts, wie
die Kunstsprache es ausdruckt,) auf nicht nur abstrakte
Weise gedacht werden soll, kann er es nur unter VoraiK-
setzung einer „Natur^, einer Mannigfaltigkeit realer Ge-
gensätze in ihm , welche jene Sclbstheit ebenso real ver-
eint und beherrscht, als sie ideell durchdringt oder weiss:
die Einheit desselben ist zugleich nur die sich am eigenen
Gegensätze wissende und geniessende.
Und so ist, seitdem die spekulirende Theologie, schon
im Philo und in den Neuplatonikem , nicht nur den Bc^
griff der Einheit Gottes , sondern einer Einheit durch und
im Geiste, zum Mittelpunkte der Gotteserkenntnlss gemacht
hat , auch ein der kirchlichen Trinitat weniger oder mehr
analoger Begriff des Wesens Gotles gefunden, und zum
entscheidenden Kriterium der rechten Gotteserkenntniss,
so wie des Glaubens an ihn — der lebendige (Sott ist
nur der Dreicine, — gemacht worden. Es ist diess jedoch
*} Das Nachfolgemle ist zum Theii schon in der „Zeitschrift
für Philosophie« etc. (Bd. VII. H, 2.) in einer andern
Verbindung erschienen, >vei! man dafür ein allgemeineres la-
ieresse voraussetzen durfte.
einer doppelten Dreieinheit Gottes. 965
Kimftchst nur eine Bestimmung des inner n (zor Welt noch
in keiner Beziehung gedachten) Wesens Gottes: seine im--
tnanente Wesenstrinitat. Man könnte sie des»«
halb, fär den allgemein spekulativen Standpunkt unstreitig
bezeichnend, die ontologische oder metaphysi-
sche Trinitöt nennen. Aber diese ist auf das Bestimm-
teste zu unterscheiden von demjenigen Begriflfe der Drei-
einigkeit, welcher der christlichen Theologie aus dem ei««
gentlichen und unmittelbaren Gegenstände ihrer Betracb«
long, der innerwoltlichen OffenbarungsUifttigkeit Got«^
tes, erwachsen ist, als der Vater , welcher sich im Sohne
(in Christo) und im heiligen (heiligenden) Geiste (in der
Gemeine) der Welt gegenwärtigt und die umschaffende,
wiedercmenemde Kraß derselben wird. Als Vater, als
selbstbüwusster und persönlicher Gott, mithin auch als Drei-
^nigerin sich selbst, wird er jedoch dabei schon vor-
ausgesetzt ; und der, wenn auch nicht überall mit völligster
Klarheit ausgesprochene RAckschluss der christlichen Lehre
war, wie schon gesagt, allezeit der ganz richtige: weil
Gott sich also in Christus, also in jeder Tbat der Brlösung
«d Heiligung, offenbart hat und offenbart , moss er auch
Hranfänglich sich selbst offenbar, selbstanschauendes,
dreieines Wesen sein«
So bezog die Glaubensldire' die Offenbaningstrinitat,
welche sich innerhalb der Welt vollzieht, in's innere We-
sen Gottes zurück , mit mehr oder minder entwickeltem
Bewusstsein jedoch beide von einander unterscheidend,
oder, ^ da eine eigentlich spekulative und völlig selbststän-.
dige Gedankenentwicklung dieses Dogma, welches sie mit
Becht stets als ihr tiefstes und fundamentales betrachtet
bat , nicht in ihren Bereich fallen konnte , — eine solche
Unterscheidung viehnehr, als das Vorauszusetzende, im
Hintergrunde behaltend : erst die neuere Dogmatik schied
bestimmter die ontologische oder Wesensdrei-
einigkeit von der ökonomischen oder Aus-
gangstrinität (C. J. Nitzsch System der christ-
lichen Lehre, 3te Aufl. S. 163. 165. und: über die
986 BegriiT
wesentlioiio DreietnigkeUGoltes in deaTbeol.
Studien und Kritiken 1841. II. S. 304.). Da indefs
der Kirchenlehre Tür jene ontologiscbe Drdeinheit des ur-
persönitchen Gottes keine andere Beslimmungen übr^ bfie-
ben , als die neutestamentUcfa bekundeten , und Chrlalns
ohnehin als der menschgewordene kiyoc bezeichnet fvnr;
so geschah das UnvermeidKche, wiewohl desshalb um nickb
weniger Unangemessene, dftss die Unterscheidiiiig' der
drei gesonderten Hypostasen oder Personen des inner-
weltlidi sich offenbarenden Gottes ^ als Vater, Sohn, Geist,
die ursprünglich nur Bedeutung und Wahrheit balleR in
Bezug auf diesen, übertragen wurden auf das innere,
urpersonliehe Wesen ^iottes , und auch von diesem , der
an sich , oder der Substanz nach , einigen Persöidicfakeit,
eine Dreiheit von Substanziirungen , ein Vater-* Sohn-
und Geistsein, uiid in jedem dieser dennoch das Ganze
sein, gelten soUte.
Diese Bezeti^nung mussm wir nun, sofern sie wai die
OBlologische Dreieidieit übergetragm wird , aus m c ( a*
physischen Gründen für falsch erklären. Dass sie aach
die kirchliche Fassung des Dogma gleich von Anfang an
irregeleitet habe , könnte vielleicht auch dogmengeschicht-»
lieh naher gezeigt werden ; wenigstens ist sie es , welche
den Begriff der Trtnitat, auf das innere Wesen Gottes
bezogen, mit dem in keiner dogmatischen Fassung über-
wundenen Widerspruche, oder — * wie der Glaube beschei-
dener sich ausdrückt, — mit ^dem undurchdringlichen Ge-
heimnisse^ belegt hat, welches völlig verschwindet, wenn
man die Bezeichnungen: Vater, Sohn, Geist, nur im Sinne
der innerwelliicfaen Offenbarung Gottes , mit nächster Be-
ziehung auf den christlichen Ueilsbcgriff, verstanden wisset
will , in dem sie allein doch ursprünglich , d. h. neutesta-
mentlich, aufgebracht worden sind.
Von der Einen Seite kann es nämlich nicht anders,
als ungeeignet erscheinen , die Momente in der Urpersön-
iicbkcit Gottes, nach welchen er seine reale, objektive
Unendlichkeit, seine innere Wesemu&cfat und Fülle, sub-
einer doppelten Dreieinheit Gottes. 967
iekiiv , selbstanscbauend durchdringt, und ^ aus seincaa
Uaendlicbseiu ewig ki seine Einheit vor sich selbst zurück-
kehrt , *--- die Weise , in welclier^ von Augustinus an
l>is auf Leibnitz, Poiret, Lessing, Scheiling^
berab , alle tieferen Denker diesen Begriff gefasst babeti,
— kurz die Momente des immanenten, Einen Selbslbewusst^
seins Gottes , sich überflüssiger Weise noch in die Unter«*
schiede des Vaters , Sohnes und Geistes umzudeuten ; ~
und doch ist es vieirach geschehen von der Spekulation:
— den Vater, als die ursprüngliche , aber wie noch
unenifaltcte göttliche Einheit, welcher den Unterschied, das^
unendliche Anderssein sich giebt, „den Sohn aus sich
erzeug t^', aber diess Anderssein in die eigene Subjek-
livilat zurücknimmt, ^der Geist, welcher ausgehet
vom Vater und vom Sohne^. Je weniger hier eine
wahrhafte, eine Wesensaiiaiogie einleuchten will ftwischen
jenem und diesem, desto erkünstelter oder verwieketter
mussten die Vergleichungspunkte ^ wie , die Unterschiede,
zwischen beiden bestimmt werden: das endlichie Resultat
davon sehen wir in der neueren spekulativen Entwicklung
v4>r uns, '--die inilere, ursprünghche Wahrheit jenes gros«
sen Begriffes ist nach beiden Seiten hin verloren gegan-
gen; und dem Rationalismus, wie dem intensiv gISubigea
Bewussisein, konnte er nur als etwas Fromdos, darum für
den Glauben Ueberflüssiges , erscheinen.
Ebenso von der andern Seite ist es in jedem Sinne
nur als irreleitend zu betrachten, — (es wird sieh namUch.
zeigen , dass , wie jene von uns gemachte Unterscheidung
den Pantheismus im Prifici(>e vernichtet , und spekulativ
allein über ihn zu erheben vermag, so der Mangel dersel-»
ben und die Vermischung beider Sphären eine konsequente
Entwicklung des Trinitatsbegrifles unwiederbringlich in den.
Pantheismus hinabfuhrt) , — die Menschwerdung Gottes in
Christo als den Selbstobjektivirungs-* oder Selbstanschau-
ungsakt Gottes zu setzen: — die bekannte Konsequenz ist
davon unabtrennlich , gleichviel ob man sie für die aus-
dräckliche Meinung der neuem Spckubition , namentlich
988 Begriff
Hebels, oder nur fOr dne wettere Folgerang aus
nen Prämissen zu halten geneigt ist, dass Gott in
xaerst persönlicher Geist, Selbstbewosstsein geworden,
welcher psychologische Process sich nachher im Bewosst-
soin der sich Eins mit Gott wissenden Gemeine foii-
setEt, worin der dritte Moment, der des Geistes, ge-
geben wäre , oder der Röckkehr Gottes in sich aelbst,
und so endlich seine Vollendung, sein Anündfürsich-
sein.
Aber in welchem Verhaltnisse steht doch dieser Be-
griff »1 dem ursprünglichen Dogma von der Millbeihng
des göttlichen Geistes durch die H e i I i g n n g und christ-
liche Wiedergeburt, worin sich dem also Wiedergeborenen
die Kraft Gottes thats achlich und Gott zugleich als der
persönliche bewährt? Diese durchaus specifische und
scharfbestimmte Tliatsächlichkeit der objektiven Bewihrung
Gottes einerseits, wie des subjektiven Ergriffen- und Ueb^-
zeugtwerdens von Gott andererseits — was hat diess ni
thun mit dem metaphysisch unstreitig wahren , aber durch
ganze Welten der Wissenschaft und der Begriffsvermitt-
hing davon geschiedenen Satze : dass Gott , wie er , als
der persönliche, der Unterschied von sich sei, so doch in
der 'Selbstanschauung dieses Unterschiedes ewig wieder zo
sich zurückkehre? Das noch nicht durch dogmatische
Voraussetzungen eingeschränkte, natürliche, wie spekulative
Denken kann sich unmöglich verbergen , dass öberlianpt
hier zwei generisch verschiedene Begriffsgebiete ohne Fug
und Recht in einander geschoben werden : jenes des rein
metaphysischen Denkens über die innere Wesenheit Gottes,
— wobei freilich nach dem allgemeinen Gange , welchen
die metaphysische Betrachtung zu nehmen hat (vgl. oben
S. 765. 66.)) von der Weltbeschaffenheit zurückzuschlies-
sen ist auf das Wesen Gottes , was aber nur berechtigen
würde, in gleichem Verfahren die Offenbarung Gottes im
Christenthumc zur Prämisse solcher Folgerungen zu ma-
chen , nicht sein Inneres und seine Offenbarungsthätlgkcit
sofort zusamineidalien zu lassen, — und das Gebiet einer
einer doppelten Dreieinheit Gottes. 989
nur Im sdiarfbegränzten historisehen Zusammenhange zA
begreifenden, ebenso geschichtlichen ThatsäehlichkeU: des
Brsclieinens Christi und der von ihm ausgehenden geisti«
g-cn Umgestaltnng der Weltgeschichte. Ehe beide Gebiete
nicht YÖnig auseinandergehalten werden , besonders ehe
man nicht davon absteht , durch spekulative Behandlung
die Offenbarungsthatsachen in blosse Metaphysik a^n ver-
^wandeln, wahrend ihr Verstandniss in eine Philosophie der
Geschichte gehört , ist jener Grundverwirrung nicht abzur
helfen, mit welcher wir seit geraumer Zeit Spekulation und
Dogmatik sich gegenseitig verderben sehen. Die BegrifliH
bestimmungen lur die innere Wesenstrinität Gottes würden
nämlich unseres Erachtens, da sie durchaus metaphysische
sind, und die biblische Gotteslehre schon auf der allgemein
ncn Voraussetzung der Persönlichkeit Gottes zu bestehen
hat, nur der selbst^tändigen spekulativen Entwicklung zn
überlassen sein.
Und jene Grunde waren es wohl auch, — wenn vor-»
erst auch noch nicht zur Ansdröcklichkeit herausgestellt^
— welche die rationalistische Theologie der neuem Zeit
veranlassten , das ganze Dogma von der Wesenstrinität
Gottes, also gefasst, entweder, als entstanden aus dichte-
rischer Personifikation oder Prosopopöie göttlicher Eigen-
schaften, ganz zu beseitigen , oder seuie Erklärung nur in
den subjektiven Formen unsers Erkennens zu finden, wel-
che uns nöthigen, das an sich Eine Wesen Gottes in einer
dreifachen Relation, zu sich selbst, als Vater, zur Welt,
als der allgemeine Grund derselben , im Sohne, und als
das sie in allen Theilcn mit Kraft und Geist Erfüllende, im
Geiste, zu denken. Den klarsten Ausdruck dafür, und
eine Hinweisung auf das tiefere , richtige Verhältniss der
beiden noch nicht deutlich unterschiedenen Trinitäts-BegrifTe,
glauben wir bei S c h 1 e i e r m a c h e r zu finden. Nach sei-
nen allgemeinen spekulativen Grundsätzen giebt es gar
kein Denken Gottes seinem Ans ich nach, sondern ledig-
lich durch den WeltbcgriDT und mit demselben. Die
Anschauung Gottes wird nie wirklich vollzogen , sondern
990 Kritik
bleibt mnr ein indirekter Scliematismns *}. Daher 9 woR-
len wir von der Dreieinigkeit, als einer inwohnenden We-
aensbestimmung GoUes, sprechen (a. a. 0. S. 159.); ^
müsste bedacht werden, dass wir hierbei nur mit i n a d ä-
«lUBton, bildlichen Vorstellungen zu fhnn ha-
ben, deren beschrankter, subjektiver Geltang bloss lor uns
wir wohl eingedenk bleiben sollen. Von einer objeldiveii
Bedcntnng der Begriffe : Vater, Sohn und Geist^ kann nach
Schleiermacher daher fSr Gottes Aosiehseltetseni
gleichfalls nicht die Rede sein. Aber in seiner GIaiilK*ns-
lehrc fasst er jenen Begriff durchaus in der andern , nicht
metaphysischen Bedeutung: er bezieht ihn auf die Momente
dos religidsen Bowusstseins, also auf das Verhältniss Go^
les , als des sich offenbarenden , zur Welt nnd sun Men-
schen. —
Nach diesen Prämissen können wir nun erst Tollstän-
dig den Hege Ischen Trinilätsbegriff in seinem wahren,
allerdings entscheidenden Sinne und in seinen Beziehungen
fassen. Hegel unterscheidet nämlich nicht nur nicht zwi-
schen der Vi^esens** und Offenbarungstrinität, — worin an
sich noch kein Irrlhum, nur eine unentschiedene, unent-
wickelte Fassung jenes ganzen Verhältnisses enthalten wäre,
-^ sondern weit mehr noch hebt er die Möglichkeit eines
solchen Unterschiedes vöUig auf. Die immanente
Weaenslriaität Gottes findet er nur in der Welt verwirk-
licht: das geschaffene Universum ist das Andere, an
dessen Objektivität das Bewusstsein Gottes, seine Selbst-
anschauung, sich entzündet; die Schöpfung ist
derSelbstobjektivirungsprocess des ohne diese
dunkeln, unaufgeschlossen bleibenden (in „abstrakter , un-
wahrer idee<^ gefassten) Gottes. Aber nicht anders nahm
auch Schclling in der Epoche seines Bruno (vgl. oben
S. 6S8.) den Begriff der Trinität. Und diess ist überhaupt
bis jetBt die herrschende spdiukitive Auffassung derscl^
«> SciiUiermacher's Diftlektik S. lh% 53.
der Hegeischen Dreieinigkeitslehre. 991
gewesen. Daher bei Hegel der Satz: Oboe Welt wäre
Bott nicht Gott ; daher ist das Endliche«* (Geschaffene) nur
dussig'Bs, wieder zurückgenommenes Moment inGrOtt; daher
die früher (S. 981—83.) angeführten nahem Bestimmungen
der He gel scheu Trinitatslehre : wir könnten aus ituien
das stanze System wieder zurückentwickein I
So stände zuerst Test: die ältere Dogma tik setzt die
Oirenbarungstrinilät, welche sich in der Welt vollzieht, in
GoU zurück , unterscheidet jedoch mehr oder minder aus-
drücklich von ihr die Urpersönlichkeit Gottes von Anl'nng.
Für Hegel, und den ganzen (darum) pantfaeistiscben
Standpunkt,, fallen dagegen beide zusammen. Nach uns -^
und wir dürfen hinzysetzen, nach einer Gruppe Iheoiogi»
scher Denker der neuesten Zeit — sind beide Trinitäten
zu scheiden, und die erste wird mit den Distinklionen des
Vaters , Sohnes und Geistes nicht treffend und charakteri-
stisch bezeichnet.
Das Zweite bestände jedoch in der genauem Er*
wägung, dass auch die panlhetstisch Hege I sehe Triniläts«'
auffassung noch eine Unbestimmtheit, die Möglichkeit dop^*
peller Auslegung, in sich übrig lasse. Gott, sich zur Welt
realisirend , schaut zugleich darin sich ewig an , sein
Schaffen ist im unendlichen Scibslrealisalionsprocesse zu«
gleich der Akt des ewigen Bewusstwerdens, und
da er, — könnte man sagen, -^ was er als Resultat, auch
als Anfang ist; so wäre eben damit (abermals in lieber*
einstimmang mit dem Schellingschen Philosophirea aus
der mittlem Epoche) ein Selbstbewusstsein, Selbst*
erkennen Gottes von Anfang dargethan. Und ki der
That hat Hegel selbst bei vielen Wendungen und (min*
der genauen) Bestimmungen diese Auslegungsweise ISr
sich übrig gebssen , — die Stellen sind von seinen Aus*
legem , die dieser Erklärung beipflichten , längst zusam*
mcngestellt, -* und so behielten diese Männer der laxeren
Interpretation (Gabler, Göschel, Schaller U.A.)
vielleicht Recht mit ihrer Auslegung?
Aber vor allen Stellen von schärferer BegriiEsfassung,
992 Krilik
mehr noch vor der Konsequeni des ganzen Systems, nickt
nur, wie es am Schlüsse der Logik, etenso am Schlüsse
der Encyldopfidie, wo U e g e 1 eben d o s s h a i b den Stand-
punkt der Religion in den der Wissenschaft aufhebt, son-
dern auch in seiner Religionsphilosophie (gerade nach den
authentischen Zusätzen der zweiten Ausgabe) sich zq
erkennen giebt, verschwindet völlig die Möglichkeit jener
Auslegung.
Wir haben schon oben (S. 980--83.) gezeigt : Gott
„in seiner ewigen Idee an und fftr sidi% der „Vater^ist
nach Hegel selbst nur die „abstrakte^ (für sich un-
wahre , nur im abstrakten Denken existirende) Idee : er
bedarf der Schöpfung des Sohnes, um real, aus jener
Abstraktion herausgestellt zu sein. Er ,,erzeugt sich ewig,
als den Sohn^, und giebt sich erst in diesem „unendlichen
Anderssein^ seine Wirklichkeit. Aber damit ist er , in
diesem zweiten Momente, noch nicht Geist, Setbstbewusst-
sein, Persönlichkeit : er ist im Anderssein, — was an sich
freilich ein ebenso nur abstrakter Moment ist. Um aus
diesem „zu sich selbst zuruckzidcehren% dazu bedarf es
des Dritten, des Geistes. Das Selbstbcwusstsein Gottes
kommt durchaus erst im dritten Momente , dem des Gei-
stes, zu Stande: nicht im ersten, des Vaters, wie der
christliche Theismus behauptet, nicht im zweiten, des Soh-
nes, wie Schelling in einer frühem Epoche, und die
Gruppe jener Heg eischen Ausleger, wenigstens halbpan-
theistiscby es lehren. „Gott ist der Anfang ; aber er ist so'
(d. h. als Gott) „auch nur das Ende , die Totalitat : so,
als Totalität, ist Gott der Geist. GoU, als bloss
der Vater, ist noch nicht das Wahre: so, ohne den
Sohn, ist er in der jüdischen Religion gewusst^ : — (diese
letztem Worte, abermals eine von den nachlässiger gehal-
tenen Bestimmungen, wie sie der mündlichen, wie schrift-
stellerischen Darstellung Hegels nicht selten entschlüpften,
werden das Verständniss des wahren Zusammenhangs nicht
aufhalten; nach Hegels eigener Entwicklung der jüdi-
schen Religion ist der Begriff der Schöpfung, also des
dnr Hegeischen Drelciniglceitslchrc. 993
zweiten Moments Gottes, der wesentliche fn ihr; aber fref-
licli vräre citescr Moment, der des Sohnes, im Jadenthimie
noch nicht bis zu dem Punkte entwickelt, um zur Einheit
Gottei? mit dem menschlichen Geiste, d. h. bis zum Uebor-
l^ng-e aus dem zweiten in den dritten Moment , äberzu^
ß-ehen.) „Goll ist vielmehr Anfang und Ende; er
ina cht sich' selbst zur Voraussetzung; diess ist
nur eine andere Form des Unterscheidens'': ^-^
diese „VV>rausselzung<* ist aber der zweite Moment oder
die Schöpfung, also noch nicht „das Ende<^, das erst „im
Geiste« gefunden wird (Rel. Phil. 2le Ausg. II. S. 228. 29.y
Ebenso entscheidend für die eigene Philosophie ist die Auf-
legung, die Hegel (S. 24H--47.) den Alexandrinern und
Gnostikern zu Theil werden lasst, welche gerade den Ver-
such machten, einen immanenten, vorweltlichen
Selbstanschauungsprocess Gottes zum Begriffe zu bringen ;
als Xoyfit;^ als ooq>ia, als Adam Kadmon, als die ewige gdtt**
liehe Sclbslbetrachtung.
Anerkennend, dass in solchen Vorstellungen die Idee
wenigstens „gegdhrl^^ habe — aber es komme darauf an,
zu verstehen, wie sie in der Vernunft ihren Grund haben,
und welche Vernunft darin sei — setzt er abschliessend
hinzu (S. 246.) : „Diese Idee ist jenseits de»Men-
sehen gcslcHl worden, so ihr gegenüber, dass diese Be-
stimmmig, welche alle Wahrheit ist, betrachtet worden ist
als etwas nur Gott Eigen thu ml ich es, jenseits
Stehenbleibendes, das tticht sich reflektirt im An-
dern , das als Welt, Natur , Mensch erscheint^'. Und J a-*
kob Böhme preist er besonders desshalb , weil er ge«
lehrt, „die Dreieinigkeit müsse im Herzen des Men-*
sehen geboren werden*.
Jene metaphysischen Begriffe fuhrt er nun an den
christlichen Bestimmungen weiter aus <S. 306. ff.). Der
Tod Christi, diess ausserlichc Negative, schlagt in das In-
nere, Ewige , Allgemeine um , in die Wahrheit : dass das
Andersseins , das Menschliche , Endliche , Gebrechliche,
göttliches Moment selbst ist, dass es die Einheit
63
994 Kritik
mit Galt nicht hindert. Der Tod hat einerseits
Sinn, dass das Menachiiche abgestreift wird, und die göü-
liohe Herrlichkeit wieder hervortritt; andrerseits ist er
aber auch die böehste Spitze des Negativen, denn der
Mensch, als natürliches Dasein, und eben damit Gott
selbst, auagesetzt ist — ^Diese Geschichte ist göttlich
Geschichte, worin klar wird, dass Gott der Dreieinige ist'
CS. 30&).
„In ihr ist den Menschen zum Bewusstsein gekom-
men, dass die Idee Gottes für sie Gewissheit hat, dass
das Menschliche unmittelbarer, präsenter
Gott ist, und zwar so , dass in dieser Geschichte , wie
sie der Geist^ (das spekulative Denken) ^auflasst , die
Darstellung des Processes ist, was der Mensch
ist An sich Gott und todt — diese VerraitUung^ (ist es
einerseits) , ^wodurch das Menschliche abgestreift wird,
andererseits das Änsichseiende'^ (Gott, als der Vater) ,^
sich zurflckkommt, und so erstGeist wird« (8.^07.).
Dieser Process breitet sich nun von der „nnniit teil-
baren Gegenwart^ — (]»des einzelnen , sinnlichen In-
dividuums , welches als Gott zu verehren unendlich hart
ist, wogegen die Freiheit des Subjekts sich empört^,
S. 310., vgl. 317. Ib.) — die er in Christi Erscheinen
hatte, in die Allgemeinheit der Gemeine aus. Die Bildnag
der Gemeine hat den Inhalt , dass die sinnliche Form i a
ein geistiges Bloment übergeht (S. 311.). Dessfaalb
sagte auch Christus seinen Jungem, heisst es an einer an-
dern Stelle, dass es ihnen gut sei, von ihnen, hinwegge-
nommen zu werden, sie von seiner sinnlich-göttlichen Prä-
senz zu befreien , damit der Tröster, der Geist (das Be-
wusstsein der göttlichen Gegenwart in Allen , in der Ge-
meine) über sie kommen könne (S. 318.)»
Ebenso spater, als nach der Beglaubigung gefragt
wird, welche Christus, als der rechte Gottmensch, für sidk
anfuhren könne, während doch auch Andere als Götter
verehrt worden seien (S.320. ff.), wird als das Entschei-
dende dafür herausgehoben, dass sßine Geschichte allein
der Rogelschen Dreieinigkeitslclirc. 995
^or Idee sc Klo cht hin gemäss seL Als spekulatt-
AT er Inhalt aber der, von der sinnlichen Gegenwart des
einzelnen Subjektes (in Christo) ebenso (S. 327.)9 wie von
der Vorstellnng in der Gemeine (S. 328.) beßreiten Idee
^wirü nachmals abschliessend angegeben: „dass das Be-
stehen der Geroeine ihr fortdauerndes» ewiges Wer-
den ist, welches sich darauf grändet, dass der Geist^ —
<doch offenbar kein anderer, als der Geist Gottes) — ^diess
ist, sich ewig zu erkennen, sich aufzuschliessen zu
endlichen Lichtfunken des einzelneu Bewusst-
seins, und sich aus dieser Endlichkeit wieder zu sam-
mein und zu erfassen, indem in dem endlichen Be-
^wusstsein das Wissen von seinem Wesen, und so
das göttliche Selbstbewusstsein hervorgeht
Aus der Gährung der Endlichkeit, indem sie sich in
Schaum verwandelt, duftet der Geist hervor^
(S. 330.) ♦).
Diess nun müssten wir allerdings, dem Principe nach, für
den vollständig herausgebildeten pantheisti-
sehen Irrthum erklären, wie er beiStrauss (in seiner
ehristiichen Glaubenslehre) zu vollem Selbstbewusstsein und
ausdrücklichem Bekenntnisse gediehen ist. Nicht das Glei-
che lasst sich von Hegel sagen, dessen spekulativ gründ-«
Itcher Sinn und tiefe Gemüthsinnigkeit ihn weit davon ab-
hielten, in solchen Sätzen ausschliesslich nur die pantheisti-
sche Auslegung , als das allein Philosophische , hervorzu-
ziehen und diess überhaupt, auch nur vor sich selber, als
^ Zum Ueberflusse bemerken wir noch , dast diese entfcheiden«»
den, besonders in ihrem weitern Zusammenhange die früher
erwähnte Auslegung abweisenden Worte, als neuer Zusats
sur zweiten Auflage der Rel. Philosophie, hinzu-
gekommen sind, also laut den Erö/ßiungen der Heraus-
geber derselben in der Vorrede (Bd. I. S. VII 1.) allem Ver-
muthen nach dem eigenen Collegienbefte Hegels entnom*
men sind. Die ersle Ausgabe (Bd. II. S. 268.) entliielt die-
sen und ähnliche näher bestimmende Zusätze noch nicht.
996 Kritik
die letzte Konsequens seines Princips mit AusdrückliebiDeä
und abschliessend auszusprechen. Er hätte eben dsak
vor sich selbst diess Princip zur AusdruckHchkeit der
Seichtheit, zur leeren, zukunflslosen Verflachung herabge-
drückt ; denn es hat sich auch hier schon gezeigt, wie der
ernst und konsequent ^efasstc Pantheismus sich seihst
überschreiten, aus der Weltimmanenz Goitcs ear Traas-
scendenz sich erheben muss. Dicss hat Hegel, freilich
nicht in deutlichem Bewusstsein, wohl aber als dunkle Prä-
misse, immer vorausgesetzt , und diess macht das Doppel-
deutige seiner Lehre in ihren tiefsten Principien. Jetzt
wirft man ihm vor, nur aus Inkonsequenz, vielleicht aus
Anhänglichkeit an alte Vorstellungen, die letzte Wahrheit
seines Denkens, die pantheistische , nicht selber gezogen
zu haben ; — aber hierin der Halbe , Inkonseqacnte ge-
blieben zu sein, zeigt Hegel vielmehr als den grossen
Denker, dessen Geistes- und Gemüthsmacht die unmittelba-
ren Resultate seines Principes weit überschwcllte ; denn
diese wären gerade hier nur die halben Resultate , die
halbe Konsequenz : er hätte zum Stillstand und Rückzug
das Zeichen gegeben, während er so wenigstens die Mög-
lichkeit offen gelassen hat, von ihm selbst aus weiter ^ vor-
«urücken, und eine neue Gestalt der Philosophie zu er-
zeugen.
Und so legt nun Hegel in der folgenden Darstellung
seiner Religionsphilosophie mit ergreifendem Ernste in den
Sinn seiner an sich freilich kaum vieldeutigea Formel von
der Identität und dem Einswerden des göttlichen und des
menschlichen Geistes, die ganze Intensität der christlichen
Wahrheit hinein, als eine von ihm selbst gewusstc und er-
lebte. Er verschmäht es ausdrücklich , die Begriflb der
christlichen Heilslehre von der Versöhnung, der Wiederge-
burt u. s. w., wie es seinem Principe freilich genügt hätte,
und wie es nach ihm geschehen ist, in die schon beleuch-
tete psychologische Allegorie zu verwandeln, überhaupt
als einen bloss theoretischen Vorgang, gleich einer sonsti-
gen Evidenz, zu betrachten. Die Wiedergeburt ist ihm
der Hcgclschen Dreieinigkeitdchre. 997
alles Ernstes die reale, wo der lebendige Geist Gottes den
menschlich endlichen Geist „der FarfikuJarität , das natur-
liehe Herz, die besondem Interessen, Leidenschaft, Eigen-
sucht^, überwindet. Und Wer möchte glauben, wenn
der Philosoph von „solchen durchdringenden Tönen , die
die Seele durchbeben und sie, wie Hermes der Psycha-
goge, aus dem Leibe herausziehen und in die ewige Hei-
malh hinüberfuhren« (U. S. 291.)» von solcher Wahrheit
sich ergriffen bezeugt , dass hier nicht der vollste Ernst,
auch auf die Gefahr hin , der Armseligkeit einer formellen
Inkonsequenz im Principe sich schuldig zu finden, in ihm
zugegen sei?
Aber diese Inkonsequenz, diess Durchbrechen sei-
nes Princips, ist für Hegel hier wirklich schon ein-
getreten : wenn wir vorher einige Male finden muss-
tcn , dass sein Princip zu ohnmächtig sei , um manche
Geisteserscheinung in ihrer Wahrheit und aus ihrer Tiefe
zu begreifen ; so hat hier umgekehrt die Gewalt ei-
nes ihn ergreifenden Gedankens sein Princip ihm sei-
bor zu Nichte gemacht. Denn es ist unabweislich : —
Wer die christliche Lebensthatsache anerkennt, und damit
einen göttlichen Geist, aus dem Grunde erneuernd und
umgestaltend den menschlichen , der kann , ohne theoreti-
sche Inkonsequenz handgreiflichster Art , keinen bloss
pantheistischen Gott mehr haben. Dieser Geist Gottes
kann ihm nicht mehr nur sein die aus dem Processe der
Welt aufgährende „höchste Potenz« des Weltgeistes (nach
Schell in gs älterer Lehre) , oder (nach Hegel) ein
„Bevvusstwerrfen^ desselben im Menschen : — das wäre
rcelit eigentlich der Geist des Menschen mit seinen „na-
türlichen Partikularitäten , Leidenschaften und Eigensüch-
ten^; denn in diesen gerade kommen die Abgründe des
VVcllgcistes in's Bewusstsein. Darum , der Geist , welcher
diesen (den Wcltgeisl im Menschen) überwindet, und sein
Panier einer neuen , höhern Ordnung in der Seele des
Menschen aufpflanzt, kann nicht mehr Einer Art und Einer
ficihc gedacht werden mit jenen weltgeistigen Bethätigvn-
998 Kritik
gen im Menschen ; wie vermöchte er sonst sie zu anler*
werfen, zum Knechte zu machen eines specifisch neaea
Antriebes, welcher die Wiedergeburt ankündigt? Die-
ser Gott kann dem Weltgeiste selbst nur der jensei-
tige sein.
Diese unwillkührliche Inkonsequenz Hegels, — an
sich die lehrreichste und berechtigtste, welche es giebt, weil
sie aus der Anerkennung des Wirklichen hervorgehl, —
lasst sich mit einer andern früher schon bemcrklen,
lange ebenso verborgen gebliebenen, bei Spinosa ver-
gleichen, durch die er, ohne es deutlich zu wollen, ebenso
sein Princip überschritten hat. „Die intcllektuale Liebe,
mit der wir Gott lieben , ist nur die Liebe Gottes zu sich
selbst , nur ein Thcil der unendlichen Liebe, mit der Gott
(in uns) sich selber liebt«^ (E/«c. P. IV. Prep. 33. 36.).
Hiermit ist anerkannt, dass Gott nicht bloss die allgemeine
Substanz unendlicher, noth wendig verketteter Modifikatio-
nen, sondern (in uns) persönliches Bewusstsein seiner selbst
sei. Spinosa hat dadurch sein Princip des Substantia-
litatsbegrifibs durchbrochen, und Hegels Begriff der un-
endlichen Subjektivität oder Negativitat des Absoluten vor-
übergehend anticipirt.
Ebenso jetzt Hegel: er erkennt die christliche That-
sache an , dass der Geist Gottes den Geist des Henscbea
in seiner Natürlichkeit überwinde, umschaffe, wiedei^'-
bare; er reiht diess Faktum in sein Denken ein. Aber
darin ist jener Begriff der unendlichen Subjektivität des
Absoluten im Geiste ' des Menschen , selber überschritten
und ausser Kraft gesetzt: das natürliche Aufsprossen des
Menschengeistes aus seinem Grunde, mit welchem er eben
darum Eins bleibt , und der allerdings in ihm zum Be-
wusstsein seiner selbst erwacht, kann als unendliches Sub-
jektiv* oder Persönlichwerdcn — nicht des Absoluten,
wie wir schon zeigten, aber dos Well geistes, be-
zeichnet werden, und diess ist die (untergeordnete) Wahr-
heit des He gel sehen Princips, allgemeiner des Pantheis-
mus. Wie dieser jedoch (in der Wirkung einer Wie-
der Hegeischen Dreieinigkeitslehre. 999
Acrgeburt) mit sich in Widerstreit treten , sich selber zn-
grieich setzen und besiegen , bestätigen und überwinden
soUe, ist nicht* einzusehen, sondern ein Sinnloses, ein Wi-
derspruch. Und so glauben wir, nach solchem Zugesland-
msse Hegels, nur in seinem Geiste, wenn auch nicht im
Geiste des Systemes, uns zu erklären, wenn wir, — wo-
durch freilich sein System auch von dieser Seite aurgeho-
ben wird, — zur Behauptung einer ursprünglichen Trans-
scendenz des Geistes Gottes, aber damit, wenn diese nicht
wieder nur flach oder abstrakt gefasst werden soll, zum
BegprilTe jener immanenten oder Wcsenstrinität , ohne Be-
ziehung zum Weltbegriffe und in Unterscheidung derselben
Ton der Oflenbaningstrinität , zurückkehren.
Dasselbe Schwanken, dieselbe nicht ganz verhehlte Un-
einigkeit mit sieh selbst und das durch die Tiefe des Ge-
genstandes gebotene unwillkührliche Hinausgreifen über das
eigene Princip, zeigt nun Hegel nicht selten auch in der
Abhandlung vom „Reiche des Sohnes^' (Rel. Phil.
H. S. 247—308.). Mit welchem Ernst er auf das christ-
lich Historische dringe , darauf ist schon aufmerksam ge-
macht worden. So unentschieden auch die Ausdrücke sind,
mit weichem er sich in der frühem Ausgabe des Werkes
über das Faktische von Christi Auferstehung und Himmel-
fahrt erklärte , — diess sei Faktum ausdrücklich nur f ü r
den Glauben, Christus sei nur seinen Freunden
erschienen u. dgl. (erste Aufl. H. S. 249. 50.) : — so ist
doch in der neuem Ausgabe eine Stelle dazugekommen,
welche an Hegels Ueberzeugung von einer histori-
sehenObjektivität jener Ueberlieferungen kaum einen
Zweifel lässt. „Gott ist gestorben, Gott ist todt:
— diess ist der fürchterlichste Gedanke, dass allös Ewige,
alles Wahre nicht ist, dass die Negation selbst in
Gott ist; das Gefühl der vollkommenen Rettungslosig-
keit ist damit verbunden^. So lautete es schon in der
ersten Ausgabe: aber jenes „Todisein Gottes^ mit allem
Dazugefugten , würde selbst als die höchste Ungereimtheit
erscheinen, wenn es für ein Wirkliches oder Faktisches
iOOO Kritik
gehalten werden sulUc ; es konnte kaum eine andere Be-
deutung haben, als dass Hegel nur aus der Mexaung des
Gläubigen heraus gesprochen habe, der in Christi Tode
den Tod Gottes selber vor sich zu haben meint. Denn
^nun tritt die U m k e h r u n g ein ; Gott erhält sich in die-
sem Processe (der Negation}, und dieser ist nun der
Tod des Todes. Gott stehet wieder auf zum Leben;
es wendet sich somit zum Gegentheile*'.
Der Sinn davon in diesem Zusammenhange konnte
kaum zwcifelhaR sein: diess (dieser metaphysische Salz)
ist die „Bedeutung^ des Todes, wie der Auferstehung
Christi; d. h. an der Vorstellung eines darin enthal-
tenen Sterbens und Auferstehcns Gottes wird dem Gläubi-
gen die allgemeine Idee eines unablässigen Sterbens
und Wiederaufcrstehens des gölUiclien Geistes, einer ste-
ten Selbsterncuerung aus der unendlichen Negation dessel-
ben, zum Bewusslsein gebracht. Darauf allein kommt es
an ; das etwa Faktische dabei ist gleichgültig oder unent-
schieden gelassen; denn doch eigentlich nur in der Vor-
stellung des Gläubigen ereignet sich Jenes Sterben
und Wiederaurcrstehen Gottes durch Christi Tod und
Auferstehung. „Die Bedeutung der Geschichte ist, dass es
die Geschichte Gottes selbst ist. Gott ist die
absolute Bewegung in sich selbst , die der Geist ist , nnd
diese Bewegung ist hier an dem Individno vorge-
stellt. In dieser Geschichte ist für die Gemeine die
Natur Gottes, der Geist, durchgeiulirt, ausgelegt, explicirt.
Diess ist die Hauptsache^ (Hrsle Ausg. II. S. 255.).
In diesem Sinne glaubten wir in einer frühem Beurthei-
lung von Hegels Reiigionsphilosophie *) die Bedeutung
des Ganzen nach Hegels Geiste mythisch fassen zu
müssen, wie es späterhin Strauss gelhan hat Aber, — *
bemerkten wir dabei , und wir vermögen es auch jetzt,
dieser Auffassungsweise gegenüber , noch nicht zurückzu-
*) Religion und Philosophie in ihfem gegeowärli-
gen Verhältnisse^ Ucidea>. 1834. S. 22.
der Hogelschen Drcieinigkcilslehrc. 1001
ncbmen, — ist jenes Sterben und Auferstehen Gottes etwas
durchaus Immanentes^ Ewiges, unendlich Erneuertes ; warum
bedarf Gott noch, „im Individuo^ diess Schicksal zu erici»-
dcn, oder in diesem Einzelnen (Christo) das symbolische
Spiel mit sich zu treiben ; ja wie vermag er es hier mit
eiuer ausschliessendern Symbolik, als anderswo, wenn sich
in jeder That der Menschwerdung, und noch mehr in je«
dem Fortschritte weltgeschichtlichen Bewusstseins, dasselbe
Symbol erneuert? Dagegen gehalten verdiene Tast ein heid^^
nischer, der Osirismy thus den Vorzug ; denn er sei wenig-
stens klar und von zutreffender Bezeichnung , wenn auch
nur im Naturgebiete. Jedes Jahr stirbt Osiris; aber bei
wiederkehrender Fruchtbarkeit der Natur steht er zugleich
zum Loben auf. Hier ist die ewig sich erneuernde That
der Naturbelebung wirklich das Symbol zugleich und die
faktische Bewahrung der Macht des Gottes.
So damals; das innere Missverhältniss des concreten
historischen Gehaltes zu einer si)ckulativcn Begriffsallge-
meinhcit , in welche er übergedeutet werden sollte , und
die Willkühr der ganzen Deutung konnte kaum auf andere
Weise bezeichnet werden. Aber der Widerspruch reichte
doch nicht bis in's Princip hinein ; denn jener ganze Her-
gang schien von Hegel nur in die Vorstellung des
Gläubigen hineinverlegt zu werden, und die Konsequenz
des Ganzen wenigstens scjiien gerettet.
Anders ist es jetzo : nach dem angeführten Zusätze
der zweiten Auflage lässt sich eine bloss mythische
Auffassung jener historischen Züge in Hegels Sinne kaum
uoch rechtfertigen. Nach den oben angeführten Worten
aus der Religionsphilosophie wird nämlich aus einem ,)ei«>
genbändig geschriebenen Hefte Hegel s<^ (S. 300.) hinzu«
gefügt : ^Es ist diess die Auferstehung und die Himmelfahrt
Christi. Wie alles Bisherige, in der Weise der
Wirklichkeit für das unmittelbare Bewusst«
sein'« (also als empirische, erlcbbarc Thatsachc), „so (gilt)
auch diese Erhebung. Für die Anschauung ist eben
so vorhanden dieser Tod des Todes, die lieber-
1002 Kritik
Windung des Grabes, der Triumph ftber das Negative. Die
Ueberwiadong des Negativen f^i aber nicht ein AvszielieB
der mensclilichen Natur^ (so dass nun Alles bloss im Be-
griffe vorginge, und nor begriffsmässig — s3fn]bolIsch, ny-
Ihisch — zu verstehen wäre), »sondern ihre höchste Be-
wahrung, selbst im Tode und in der höchsten Liebe*
o. s. w.
Hier zeigt sidi Hegeis energisches Festhaltet und
Behaupten der Wiriciichkeit iür jene zugleich symbo-
lischen Vorgänge ; aber sogleich damit werden sie auch io
ein metaphysisch Allgemeines hinübergespielL Christi
Tod, Auferstehung, Himmelfahrt, sind dem Denker That-
Sachen, aber Thatsachen der inhaltsschwersten Art; ^e
haben schlechthin ewige Bedeutung: sie sind zugieicli
allgemeine Begriff e; dio absolute Idee symboli-
sirt sich zum ersten Haie nicht nur ISr die Vorstel-
lung an ihnen , sondern sie vollzieht sich wirklich zu-
erst durch sie. Nur so könnte diess Verhällniss naher ge-
fesst werden.
In gleichem Sinne besteht Hegel an einer andern
neu hinzugekommenen Stelle (U. S. 282 — 85. vergl. erste
Ausg. IL S. 233.) 9 — nachdem auseinandergesetzt wor-
den , wie iur die HauptbegrifTe des Christenthuins ADes
darauf ankomme, „dass gewusst werde die an sieb
seiende Einheit der göttlichen und mensch-
lichen Natur^(S. 281.)» — auf das Nachdrucklichsie
darauf, dass hier nicht das Allgemeine der Vorstellung
oder des Begriffs genüge, sondern dass jene Wahrheit nur
Gewissheit haben könne, wenn die Idee die Form
sinnlicher Anschauung, ausserlichen Da-
seins erhalte. Die Einheit Gottes und des Menschen moss
„als einzelner, ausschliessender Mensch erscheinen für die
Andern , nicht alle Einzelne , sondern Einer , von dem sie
ausgeschlossen sind ; aber nicht mehr, als das Ansicht das
drüben ist, sondern als die Einzeln hei t auf dem
Boden der Gewissheit. Um diese Gewis^eit and
Anschauung ist es zu thun , nicht bloss um einen gott-
der Hegelscheti Drcieinigkeitslehre. 1003
lictien Lehrer^' u. s. w. (S. 282. 83.). So ist Christus der
p V- ä s c h t e Gott, er ist der erste Einschlag der göttlichen
!Ncitur in die menschliche ; aber in seinem Faktom liegt die
lotzte Spitze der Gewissheit dieser Einheit, weil sie, über
alle Vermittlung durch Vorstellung , Gefühle und Gründe
Iiinaus, darin gegenwärtig ist. — „Gottliche und mensch-
liehe Natur in Einem ist freilich ein harter , schwerer
Ausdruck, aber die Vorstellung, die man damit ver-*
bindet, ist eben zu vergessen; was zmr äussern Par«
tikularitat des Menschen gehört, sein Endliches , ist darin
verschwunden«.
Wie nun? Wollen wir diese Christologie , die aller«
dings die orthodoxeste ist, welche der alte Glaube sich
^wünschen kann^ von Hegel annehmen innerhalb der all-
gemein pantheistischen Voraussetzungen, über die uns sein
System principiell nicht hinausgebracht hat? Soll der Gott
^wirklich« in Christo gestorben , in ihm auferstanden sein,
um dadurch die Gewissheit seiner „Diessseitigkeit«
zu bewähren ? Wer sieht hier nicht den Widerspruch^ ja
das Absurde, wenn Fakticitäten, seien sie weltgeschichtlich
von noch so durchgreifender Wirkung, zi^leich „ewige
Bedeutung^' erhalten, kurz als metaphysische Be-
griffe behandelt werden sollen, — der vielbesprochene
Grundfehler Hegels, der ihn auch hier, fasse er jene
Bezöge zwischen Gott und Christo mythisch oder als 'lliat-
sächliches , in unentwirrbare Schwierigkeiten stürzt 1
Und femer: müssen wir sie, nach Hegels Versiche-
rungen , in seinem Namen als ein Thatsächliches fassen,
kann dabei die pantheist isch c Grundlage seines
Systemes bestehen , ohne dasselbe dadurch entweder der
wesentlichsten Lücken, oder der offenbarsten Ungereimtheit
iür überwiesen zu halten ? Was der „Processi der Mensch-
werdung, des Persönlichwerdens Gottes bedeutet, wissen
wir nach den bisherigen quellcnmässigen Angaben. Wie
wir aber so eben vernommen , ist es nun wirklich die
Einzelnh-eit, auf die es ankommt. In Christus allein
oder doch zuerst (indem dieser Process sich nachher
1004 Kritik
Bvr Ton ihm aus in die Gemeine fortzusetzen bat) wird
Gott Person; so wäre es doch Hegeis ausdrüddiche Mei-
nung, welche wir vorher nur als eino aus seinen Prämis-
sen gezogene Konsequenz aufzustellen wagten , dass Coli,
als Allgemeines, zuerst in Christo persönlich sich ei^g^rifien,
im einzelnen Geiste sich als hier und gegenwärtig gewnsst,
in ihm ,,(ch zu sich gesagt habe^? Bei diesem, im
Binzefaien sich absorbirenden Selbstbewusstsein Gotles, wäre
aber die Erinnerung vollkommen richtig, dass das zeitiidu;
und Eine Individuum in diesem , dem hier gemeiBteo,
Sinne das Ewige nie erschöpfen, ihm adäquat werden kann,
und wir mussten bei dem Satze : dass der unendliche Gott
im Individuum Christus zu völligem Selbstbewusstsein ge-
langt (zur Allwissenheit seiner selbst geworden) sei, ge-
gen die gemeine Auslegung der Straussischen Erklärung
völlig beitreten : es ist eine offenbare, durch Nichts zu ver-
schleiernde Ungereimtheit. Ist jenes aber nicht die Hei-
ifung Hegels^ kennt er ein anderes Selbstbewusstsein
Gottes; wie stimmen damit seine metaphysischen Prämis-
sen , seine Lehre vom absoluten Geiste am Schhisse der
Encyklopädie, wie die oben vernommenen Erklärungen vom
„Vater^ , als dem abstrakten , an sich unwahren Momente,
und das Verhällniss des „Geistes^ zum „Yaler^? Hierbleibt
eine offenbare Lücke, ein Widerstreit im Heg eischen Sy-
steme, zwischen seinem Principe, Gott als den Geist zu
fassen, und der metaphysischen, wie religionsphilosophischen
Ausfuhrung desselben.
Aber was S t r a u s s an die Stelle setzt, ist es irgend
gründlicher , und wären wir damit zu einem wahrhaften
Abschlüsse gelangt? Nicht im Einzelnen, in Christo, son-
dern in der ganzen Henscliheit , ununterbrochen und nn-
mer anders , wirkt sich Gott zum Bewusstsein seiner selbst
aus: er ist ewiger Geist, weil er es unablässig wird:
Christus bleibt nur für uns das erste Beispiel und
darum vornehmste Symbol dieser allgemeinen Wahr-
heit: — und dicss, wird hinzugesetzt, sei auch die
eigentliche Meinung Hegels, — wenigstens , die
der Hegebchen Dreieinigkeitslehfe. 1005
hfttle haben sollen, am mit sich konseqfuent zu
Ijiciben.
Hier ist jedoch der Widerspruch , die Ungereimtheit
nur um einen Schritt weiter hinausgeschoben; dem Begriffe
nach sind beide noch dieselben. Gott ist an sich selbst
unendKche Subjektivität, er ist der ewige Geist: Alles
kommt darauf an , Gottes Wesen, nicht als Substanz,
sondern als Subjekt zu fassen. So lautet es beiStrauss,
wie bei H e ge I. Wird jedoch weiter gefragt, woher denn,
auch nach Hegels Verbesserern, für Gott diese Ewigkeit
des Geistes komme, so ist es nur das Menschengeschlecht,
^orin er zum Geiste wird. Bekanntlich ist diess jedoch
von sehr jungem Datum auf dem Planeten , wahrend hier
<Iagegen mit der Ewigkeit des göttlichen Geistes eine
Ewigkeit des Menschen (ebenso wie die Ewigkeit
der Schöpfung), nicht dem „Begriffe«, sondern der Rea-
lität nach, stattfinden müsste. In welchen Subjekten hat
sich nun vorher der ewige Geist Gottes, als Geist, ver«
wirklicht? Hegel lehnt in der Einleitung zu seiner Phi-J
losophie der Geschichte alle entscheidende Ant-
wort auf die Frage nach dem Entstehen des Menschenge-
schlechts ab : die Philosophie habe sich , mit Beseitigung
aller Hypothesen , nur an's Wirkliche zu halten. Er ahnt
hier scharfsichtig die Lücke seines Systems, die in seine
metaphysischen Principien zurückgreift, er lässt
desshalb den Widerspruch unausgesprochen. Strauss
nimmt keinen Anstand , es auch hierin bis zum ausdrucke
Kchen Widerspruche , zum ausgeprägten Bewusstsein des-
selben zu treiben : ewiger Geist ist nach ihm Gott nur int
Mcnschengeschlechte, in dem geistigen Processe der Welt-
geschichte ; a6ef, wenn er (Strcitschtiflen H. S. 73. ff. Glau-
benslehre I. S. 681-86.), übrigens nach einer längst von allen
kundigen Naturforschern für unzureichend erkannten Ana-
logie , lehrt , das Menschengeschlecht sei durch generatio
aequicoca entstanden, hat er damit einen zeitlichen
Anfang desselben zugestanden , wie auch sonst gar nicht
zu umgehen war; und ihn trilR daher jene Frage mit
1006 Kritik der Hi*pelsdien Dreieinigkeitsidire.
voller Ntchl, wie dabei die Ewigkeil des Geistes Got-
tes y — kurz der ganze Fortschritt ^ den der spiritimllsti-
sehe Pantheismus über den iltem spinosislischen und den
naturphiiosophischen , — die weit konsequenteren,
— gelhan zu haben vermeint, überiiaupt sich noch retten
lasse? Und diess soll das ,,höhere Resulial^ sein,
weiches Hegel aus seiner Philosopiiie entweder nicht zn
ziehen vermochte, oder es auszusprechen nicht gewngt
habe? Diess rohe Erzeogniss eines kurzsichtigen, aiil
unwisscnschafUichcn VorurUieilen angefUiten Halt^denkens?
Doch ist es überflässig, die Incoharenz solcher Phn»
losopheme, zu denen man den alten Denker, — man weiss
nicht , ob zurückbekehren , oder vorwartstreiben viriil —
weiter in's Licht zu setzen : sie zerbröckela vor der festen
Berührung. Hegel hat dergleichen nie gelehrt und mdd
lehren können ; er wäre nicht der tiefe Geist gewesen^ als
den wir ihn erkennen. Seine „wahre Konsequenz^, die
verborgene Grundvoraussetzung , die alle jene Widersprü-
che und Mangel wenigstens ihm selber einstweilen schlich-
tete , muss daher gerade nach der entgegengesetz-
te n Seite fallen , als jene Verbesserer es meineil. Und
welche andere könnte es sein, auch nur um seine Christo-
logie begreiflich zu finden , als die wir aus jener Verbor-
genheit, aus dem unentschiedenen Insicliverschlungenseia,
welche sie bei ihm noch hatte , zur ausdrücklichen Ent-
wicklung und damit zum Beweise gebracht haben? Aach
in seinem Geiste daher, wenn auch über sein Wort hin-
aus, können wir es aussprechen : vor jenen Ungereimth^
ten rettet nur der Begriff einer Transscendenz des gött-
lichen Geistes , ein gründlicher Theismus , der femer je-
doch , wenn er nicht abermals abstrakt bleiben , sondeni
für Gottes Wesen selbst, wie für seine Offenbarung in der
Welt, bis zum Concreten, damit zum Begreiflichen, gelan-
gen soll, sich in dem Begriffe jener doppelseitigen Trinitit
wird fixircn müssen«
Der Pantheismus aber, — wie er sich auch hier über-
haiq>t als Moment, als die Eine Seite zeigt, welche erst in
Hegels Begriff des Wunders. 1007
^ie Totalitfit der Wahrhdt anfsuheben ist (vergl. obeii
S. 773.) 9 ^- als seine ausschliessenden Bekenner in ge-»
^«^Tiwärtigor Zeit zeigen sich daher auch nur die ober»
flachlichem, unspekulativen Kopfe, oder denen es überhaupt
nur darauf ankommt , dilettantisch eine philosophische An-
sicht zu Grunde zu legen,— der Pantheismus hört gerade in
dem Maasse , als er sich in sich steigert und ausbildet,
vom naturalistischen zum spiritualistischen wird , wiewohl
auch jene frühere Stufe des Pantheismus, wie wir im Vorigen
gezeigt haben, den immanenten Zweck in der Natur kti-
uesweges zu erklären vermochte , — in gleichem Maasse
auf, begreiflich, klar, objektiv erklärend zu sein. Er ver-
wickelt sich immer mehr in Macht- oder in Widersprüche.
Dasselbe Schwanken zwischen Pantheistik und theisti-
sehen Voraussetzungen (aber letztere Form kommt es freilich
nirgends hinaus), welches Hegels Religionsphilosophie
uns im Bisherigen zeigte , so dass man behaupten konnte,
beide Gnindansichtcn in ihr neben einander zu ha<*
ben , wobei den Auslegern die Auswahl bleibt , auf die
eine oder die andere das stärkere Gewicht zu legen, —
dasselbe Schwanken zeigt sich bei Hegel auch in Ne*
benbegriffen, z. B. im Begriffe des W u n d e r s. Als seine
durchgi'eifende „spekulative^' Ansicht vom Wunder ist wohl
die zu bezeichnen , dass die Existenz des freien Geistes
überhaupt and seine vernünftige Herrschaft über die Natur
diess Grundwunder , die sich bewahrende Macht eines
schlechthin Höheren gegen jene, sei : dass keine Beglau-
bigung aus ihnen für die Wahrheit der Lehre Christi ge-
schöpft werden könne , setzt er ausdrücklich fest. Diese
beglaubigenden Wunder müssten nämlich selbst erst beglau-
bigt werden ; aber wie die Idee einer solchen Beglaubigung
durch sie nicht nöthig hat, so bedarf sie es auch nichts
jene zu beglaubigen (Rel. Phil. II. S. 326.). Daran schliesst
sich an, dass er bei anc/erer Gelegenheit (Gesch. der Phil.
I. S. 220. 21. )9 die Erzählung vom Leben Christi ganz mit
den spätem mythischen Lebensbeschreibungen des Pylha-
goras auf £ine Stufe stellend, darin ,,ein Gemisch von wun-
1008 Hegels ßogrifT dos Wunders.
derbaren , abenteuerlichen Fabeln findet , wS dem Boden
gemeiner Wirklichkeit, nicht einer poetischen Well^. Und
80 schiene es nur in seinem Geiste , wenn die Neuhegd-
sehen, auch darin ganz mit dem theologischen RattonalisniQS
Hand in Hand, keine andere Wunder erkennen wollen, »Is
welche der Geist durch Kultur und, Industrio (durdi
„Dampfkrall und Eisenbahnen^) der Natur abgewinnt.
Demungeachtet wird doch nun wieder an einer einzelnen
neu hinzugekommenen Stelle der Religtonsphilosophie f2ie
Ausg. II. S.326.) eine Macht des Glaubens, der Zuversicht
auf Gott angenommen , welche eigentliche Wunder , einen
Erfolg über den natürlichen Zusammenhang, zu bewirken
vermöge. Das allgemeine Princip, in welches er diess Zu-
geständniss einreiht, müssen wir das rechte und tiefe nen-
nen. „Ueberhaupt ist der Geist dieses Wunder, diess
absolute Eingreifen in die^ (vermeintlich absoluten) „Ge-
setze der Natur. Schon das Leben greift in diese söge-
nannten ewigen Gesetze der Natur ein, es vernichtet
z. B. die ewigen Gesetze des Mechanismus und der Che-
mie. Noch mehr wirkt auf das I^ben die Macht des
Geistes, und seine Schwäche, Schrecken kann Tod,
Kummer, Krankheit herbeiführen, und ebenso hat zu all en
Zeiten der unendliche Glaube und das Zutrauen den
Krüppel gehend, die Tauben hörend gemacht u. s. w. Dem
neuern Unglauben an solche Erfolge liegt
der Aberglaube an die sogenannte Natur-
macht und deren Selbstständigkeit gegen den
Geist zu Grunde".
Diess ist der einzig rechte Standpunkt , auf welchem
die Spekulation, jenen sporadisch hervortretenden Erschei-
nungen gegenüber , die unmittelbar ein Anomales , Natur-
widriges darbieten, zu stehen hat : sie muss die Macht des
Lebens über die todte Natur, des Geistes über das natür-
lich Lebendige und über seine gewöhnlichen Schranken,
dem Principe nach, behaupten. Wie wejt aber das
letztere gehe , was die absolute Schranke jener lieber-
macht des Geistigen über das Leben und die niedere Natur
Der Begriff der Philosophie. 1009
si^i., daröber liegt im Principe selbst keine spekulative
Maassbestimmmig; hierüber künn eben nur ^ybeglaubigtc^^
Erfahrung entscheiden , fiir wHche die recht sich verste-
hende Spekulation mit ebenso viel Liberalität sich offen
cfhalten wird, als sie doch eben darum die strengste ob-
jektive Beglaubigung solcher scheinbar thaumatischen Vor-
gänge wird fordern müssen.
Es bleibt jetzt noch übrig , im ganzen Systeme H e-
gcls seine letzte Erhebung, von der Stufe der Religion in
die Stufe der Philosophie, der Wissenschaft, zu
YCrrolgen. — Auf dem vorhergehenden Standpunkte hat
sich die absolute Idee gezeigt, als der ewige, aber Ie<»
bendige, in der Welt gegenwärtige, und im reli-
giösen Bcwusstscin des Einzelnen zu sich selbst kom-
mende Geist.
Diese objektive Totalitat ist so nur noch die
Voraussetzung für die endlich e.Unmitteibarkcit des e i n-
zelnon Subjektes; sie steht ihm daher noch als „ein An-
deres und Angeschautes^ gegenüber, gegen welches jenes
sich zu isoliren , für sich bestehen zu können meint , •—
„das Nichtige und Böse an ihm% — bis es sich ^in dem
Schmerze der Negativital<^ mit ihm zusammenschliesst, und
80 sich mit dem absoluten Wesen vereint erkennt, welches
ebenso sehr darin (nach der oben nachgewiesenen Dop-
pelbcwegung der Substanz zum Subjekte, wie dieses in
jene zurück, was Eins und Dasselbe ist; vgl. S. 969.)
sich als inwohnend im Sdbstbewusstsein bewirkt, und die
wirkliche Gegenwärtigkeit des an und für sich seienden
Geistes, als des allgemeinen, ist (Encykl. $. 569 — 71.)*
Diese drei Schlüsse , die Ein Schluss sind , die sich
mit sich selbst vermittelnde Totalität des allgemeinen
und zugleich für sich seienden Geistes, machen die
Wahrheit aus : in dieser Form der Wahrheit ist sie Gegen-
64
1010 Der absololc Geist,
stand der Philosophie. —Diese ist Einheit der KubsI
und Religrion insofern, als das subjektive Prodocirva
und ZerspUltern des substantiellen Inhalts des GoltUckcii
in viele selbststandige Gestalten, wie es die Kunst übt,
zuerst in die Totalität der zweiten , der Religion , zu-
sammengerasst wird. In dieser ist aber jener Inhalt mit
der Form des historischen Geschehens und eines objekfi-
vcn Verausserlichens der Offenbarung behaftet (in wetchem
Sinne diess Alles, haben wir im vorigen Abschnitte gese-
hen): diese zeitliche Form und die damit zusammenhan-
gende Verausserlichung hebt die Philosophie auf; diese
gicbt ^den denkend erkannten Begriff der Kunst und
Religion, in welchem das in dem Inhalte Verschic-
deue als nothwendig, diess Noth wendige
als frei erkannt wird^ (§. 572. mit An merk, zo
$. 573. S, 582.)« — Dieser doppelte Fortschritt, dass das
„Verschiedene^, scheiabar Mannigfaltige und Zulallige,
vielmehr in der Idee sich als. ein Nothwendiges erweise,
dadurch aber, wie es Hegel in der Reltgionsphilosophie
ausgeführt hat, die freie Entfaltung der Idee aas sich
selber ist, greift genau in die aUgemein logischen Bestim-
mungen Hegels zuiück, und entspricht charakteristisch
und konsequent dorn zuerst dort von ihm genouunenen
Standpunkte.
Dieser Begriff der Philosophie ist daher die sich
denkende Idee, das Logische, aber nicht mehr in sei-
nem reinen Gedanken, sondern als die im concreten Welt-
inhalte, als in seiner Wirklichkeit, bewahrte Allgemein-
heit: das Logische ist in sein Resultat, das Geistige,
übergegangen, indem es sich aus dem Erscheinen, als
seinem Unmittelbaren , in sein reines Princip und zugleich
in sein wahres Element erhoben hat. Dieser Procuss be-
gründet nun die weitere (der Philosophie als Bigenthfim-
liohes zufallende) Entwicklung, welche abermals in einem
Systeme von drei Schlüssen abläuft.
Der erste Schluss ($. 575.) hat das Logische zum
Grunde und Aasgangspunkte , die Natur zur Hitte (medha
als Systrm von drei Schlössen. Erster Schluss. 1011
terminus)^ den Geist zum andern Extreme, welcher durch
«lio Natur mit dem Logischen zusammengeschlossen wird.
A}as Logische wird^ (^^^^y >vas eben Inhalt des absoluten
Trocesses ist) ^zur Natur , die Natur ebenso zum Geiste^'.
Hier ist aber „nur in dem einen Extreme^ — nämlich im
Geiste — ^die Freiheit des Begrifles als sein Zusammen«
schliessen mit sich gesetzt^.
Es ist diess offenbar dcrSchluss, in welchem Hegel
lißfi Process der Weitschöplung vorbildet ; aber auch hier-
mit bleibt dieser Begriff ebenso abstrakt unausgeführt ^ als
JuckenhaH. Auch an dieser Stelle , so wenig wie früher,
wird nicht erkannt, u>ie und traruffi ^das Logi-
sche zur Natur werde^'; d. h. die Nothwendigkeil
davon ist nur die alijstrakle , unvermittelte. Hegel hat
daher nicht , wie er behauptete , die Nothwendigkeit in's
Freie , d. h. in das Vernüullige und dessen Begründung,
erhoben. Das wesentlich Vernünftige dieses weltschöpfe-
rischen Schlusses käme eigentlich erst daran zum Bevvusst*
sein , dass die Natur nur „der Durchgangspunkt und der
negative Moment^ zur Hervorbringung des Geistes sein
soll; sie ist nicht „Zweck an sich^, sondern nur der me-
dhis terminus (das Mittel) , um den Zweck an sich , das
Logische, die an sich seiende Vernunn, mit dem endli-
chen Geiste, der an und für sich seienden Vernunil,
zusammenzuschliessen. Aber warum — so fragten wir
schon das ganze System hindurch — bedarf es dieses
Umweges durch die Negativität der Natur in so langen
und viel verschlungenen Windungen, um dann erst das
All sich zum Anundfürsich hervorbringen zulassen?
Die Philosophie hat das Welt<lasein zu erklären , die un-
mittelbar erscheinende „Nothwendigkeil^ desselben in „Frei-
heil^, BegreiOichkeit aufzulösen : .— hier , auf dem Gipfel
des Hegeischen Systemes, ist diess ebenso wenig ge-
schehen, als am Schlüsse der Logik, wo wir die Entschei-
dunnr über jenes Bedenken im Systeme bis hierher uns
vorbehielten; nicht einmal die Frage, als Problem, ab
des Denkens werthe , ist rein vor die Forschung gestellt.
1012 Erster Schluss.
Und überhaupt nur zu sagen , dass der Schluss — die
Form des Schlusses in dem Verhältnisse der sich ver-
mittelnden drei Glieder, — der absolute Grund jener Be-
schaiTenheit des Weltdaseins sei, würde das Princip der
Hegeischen Philosophie ^ den Monismus des Denkens,
seihst zum ganz formellen und inhaltsleeren zusammen-
schwinden lassen. ,,AlIes ist der Schluss , ist vemünnig
und vermittelt^', — dieser allgemeine BegrifF der He-
ge Ischen (wie eigentlich aller nicht fatalistischen oder
atomistischen) Philosophie wurde selbst trivial und leer an
Erkenntniss werden , wenn es nach ihm genügen könnte^
überluiupt bloss eine vernünftige Vermittlung unter den
Weüdingen zu behaupten, nicht die specieüe Vemänf>
tigkcit in jedem nachzuweisen. Darin liegt ja auch
der eigentliche Sinn von Hegels wiederholten Einscbär-
fungen , dass der BegriiT nicht abstrakt bleiben , sondern
concret werden müsse; das ist die grosse Bedeutung sei-
ner objektiven Methode, durch sie nur die „innere^,
d. h. ganz concreto oder specielle , „Vemünfligkei^ der
Sache^ erkennend an den Tag zu bringen. Diess richtige
Axiom, welchem Hegel in den einzelnen philosophischen
Disciplinen nach Kräften genug zu thun bemüht war, ist
hier jedoch , in dem metaphysischen Grundpro*
bleme aller Spekulation, völlig von ihm vernach-
lässigt worden. Die VermitUung des Welt- oder Schö-
pfungsprocesses ist auch hier nur die logische geblie-
ben ; es ist ihm nicht gelungen , wie er es wollte,
das „Nothwendige^ als das „Freie% Vernünf-
tige« concret darin nachzuweisen. Wie wir
damit den durch das ganze System hindurch aufgewiese-
nen Grundmangel hier nur bestätigend wiedererkennen,
so wird sich für ihn selber alsbald ein concreterer Aus-
druck finden lassen. —
Der zweite Schluss (S* 576.) hat den Geist zu sei-
nem medius termmus^ welcher die Natur, als das eine Ex-
trem, voraussetzt und sie mit dem Logischen zn-
sammenschliesst — Diese zunächst nur formelle Konsequenz
Der zweite und dritte Schlass. 1013
Iiat bei Hegel eine sinnreiche, wenn auch zur Haifte
vrillköhrlichc Deutung erhalten ; denn der ^Geist% welcher
doch ebenso praktisch , als erkennend ist , wird vorzugs-
weise als der letztere bezeichnet, indem er Natur und Lo^
^isches vermitteln soll. Indess kann diess Bedenken gegen
Hegel doch zum grossen Theil in dem frühem Satze seine
Erledigung finden, wonach das Praktische eben auch eine
That des Erkennens , Theoretisches und Praktisches aber
nur Momente der spekulativen oder absoluten Idee sind
Cvgl. oben S. 909.)< — Jene Vermittlung vollzieht nämlich
der Geist, indem er die Natur erkennt, das Vemänflige
in ihr mit dem absolut Vernflnftlgcn (Logischen) zusam«
inenschliesst, diess in jener wiedererkennt. Das Resultat
ist die Wissenschaft, „der Schluss der geistigen
Reflexion in der ldee«(§. 576.).
Aber diö Wissenschaft „erscheint^ hierbei noch
,,als ein subjektives Erkennen^; der subjektive Geist
(des Menschen) scheint es selber zu sein , der jene wis-
senschaftliche That durch sich vollbringt. Diess, als die
letzte Hülle der Unwahrheit , hat der d r i 1 1 e Schluss , in
der Erhebung zur „Idee der Philosophie^, noch abzustrei-
fen : jener Erkennlnissakt ist die eigene That der absolu-
ten Idee, als der nun „sich wissenden Vernunft^;
in der Wissenschaft, bestimmter in der Philosophie, gelangt
dieselbe zur vollkommenen Selbstgewissheit und Selbster-
kenntniss in *der Natur, in der Allheit des Objektiven; sie
findet darin nur sich selbst wieder.
Daher hat der dritte Schluss (§. hll.')^ als „die Ideo
der Philosophie^^, das absolute Allgemeine, Logische selbst
zu seiner Mitte, welches „sich in Geist und Natur
entzweit^. Diese Entzweiung daher setzt zunächst den
(erscheinenden) Gegensatz eines Subjektiven und Objekti-
ven. Das Subjektive , der Geist , ist dabei „die Voraus-
setzung, als der Proccss der subjektiven Thaligkeit der
Idüc^, iü)crhaupt zu sich selbst zu kommen, Selbstbewusst-
sein zu werden : das Objektive, die Natur, ist „das alJge-
incinc Extrem, als der Process der an sich, objektiv seien-
Idl4 I>^r driUe Schluss,
*
den Idee^. Die Natur nämlich ist die allgemeine GnnMi—
läge der beidan Proceaso , sowohl dass es überhaupt »i
(subjditiveo) Geiste komme, als dass in diestwo der
jekt-objeklive) Geist, das Selbsterkennen der absolulen Idet:^
erstehe.
So ist die Natur dem Heroischen Systeme auch noch
in seinen allerletzten Bestimmunifen ein Unmittelbares, eine
unerklärte Fakticitat , in die sich das Logische , als das
absolute prtiis, mit unentfliehbarer Nothwendigkeit ^er*
flochten findet. Warum bedarf es dieser „allgemei-
nen Grundlage^ für jene „Processen? Das Syslen hat
keine Antwort auf diese Frage; ja es kennt nicht einmal
die Frage selber ; denn es ahnet nicht , dass hier ein
Problem liegt, — das (F i c h t osche) Nichtich, als die
„unbegreifliche Schranke^ des Ich,-— hier des LogischeA,
der absoluten Vernunft, ist noch keinesweges wahrhaft
überwunden, und die in seinem Uebergange zwischen ,Lo-
gik^ und ,^alurpliilo5ophie^ im Hege Ischen. Systeme
nachgewiesene ungeheuere Lücke, von der sich zeigt, dass
sie wohl nur durch eine neue Wissenschaft (eine speku-
lative Theologie) auszufüllen wäre, tritt um so chiU
scheidender für die Bedeutung des ganzen Systemcs
hervor. Sie verräth es in seinem auf jeden Fall noch un-
tergeordneten Standpunkte, über dessen eigentlichen Werth
und Sinn unsere Kritik, nach allen bisherigen Vorbereitun-
gen, jetzt noch das letzte Wort zu sagen hat. Zuvor jedoch
über den höchsten Begrifl* des absoluten Geistes nach
Uegel.
Das ^icb-Urtheilea<^ der absoluten Idee in jene
beiden „Erscheinungen^, der Natur und des subjektiven
Geistes und Erkenncns, „bestimmt dieselbe, als ihre —
der sich wii^sendon Vernunft — Manifestationen'. Jene
,^ntzweiung^ geht im dritloii Schlüsse eben zum höchsten,
absoluten Zusammenschliessen fort: es „vereini^t^ sich
in der absoluten Idee , der sich wissenden Vernunft, das
Doppelte, „dass die Natur der Sache'' (der Objektivilat)
„der Begriff' , es ist , die sich fortbewegt und entwirkell.
und AtoeUiiss des Syistemes. 1015
und diese Bewegung ebenso sehr die^' (subjektive, in
uns rieb voUziebende) ,,Tbatigkeit des Erkennens ist«,
Cduss) ^die ewige, an Md für sieh seiende Idee sich
ewig als absoluter Geist^ (in jenem Zusaromenschlies-
sen der beiden Extreme) ,,bethatigt, ereeugt und geniesst«
CS. 577. S. 599.).
Ebenso bestimmt , nur klarer vielleicht , und mit kür^
zerem, treffendehn Ausdrucke spricht der Schluss der En-
cyklopadie in der ersten Ausgabe (§. 471—77.) ober
diess höchste Resultat sich aus *). Die OlTenbarung des
Absoluten nimmt sich in der Philosophie , aus dem Kreis-
läufe concreter Gestalten in der Vorstellung, und einer
(erscheinenden) zeitlichen und ausserllchen Aureinander-
folge, in den allgemeinen, ewigen und einfa-
chen Geist zusammen. — Dieser Begriff der Philo-^
Sophie ist das Logis che mit der Bedeutung, dass es die
im concreten Inhalte (der Natur und des subjektiven Gei-
stes) bewährte Allgemeinheit ist: die Philosophie er-
fasse am Schlüsse ihren eigenen Begriff, indem sie nur auf
ihr Wissen zurücksieht.-— Diess zerlegt sich (wie iif
den letzten Ausgaben) in die schon erwähnte Dreifachheit
von Schlüssen. Vom letzten derselben heisst es nun ($. 277.
S. 287. 88.):
„Diese Erscheinungen^ (emestheils einer Natur, an-
demtheils eines Geistes und subjektiven Erkennens) „sind
in der Idee der Philosophie aufgehoben , welche die sich
wissende Vernunft, das absolut AUgemeine, zu ihrer Mitte
hat, die sich in Geist und Natur entzweit, jenen zur Vor-
aussetzung, diese zum aUgemeinen Extreme macht. Als
*) Wir treten gans dem Urtheil« von Rotenkmns bei Aber
die eigenUiümlicheii Vorzüge der ersten Ausgabe der Encj«
klopädie vor den folgenden, wi'lche die Idee und Gliederung
des ganzen Syslenies im frischesten Entwürfe , ohne manche
später eingetretene Rücksicht oder Polemik, zeigt, iiud wir
^"tiiMchen mit ihm, dass sie in iinveräiideKem Abdriiike den
Werken H e g e 1 6 einverleibt werde.
1016 Der Abscbiiiss des Syslenes.
■
solches isl die Natur uAmiltelbar „Dar ei
Gesetz les<^ — (eben jene abs.oiate Uniniltelbarkeii
Facticität, eine in Wahrheit unbegriffene ^chran*
ke^ y wie wir nachwiesen) — y^ wie der Geist eben
diess, nicht die Voraussetzong, sondern die in sieh so-*
ruckgekehrte Totalität zu sein. Auf diese Weise
bat die Mitte, der wissende (absolute) „BegriiT, schlecht-
hin solche, weiche als Begriilsinomente siild^ (die zd sei-
nem Wesen gehören) , ,,zu seiner Realitaf^ (Natiir imd
subjektiver Geist sind aber diese Momeitfe); — ^und ist
als das allgemeine, in seiner Bestimmtheit^ (m den
concreten Unterschieden der Natur nnd des Geistes) ^mi-
mittelbar bei sich bleibende Wissen^.
Jener Akt des Absoluten , ,,sich in den aUgemelaen^
ewigen und einrachen Geist zusammenzunehmen^, hat
sich vollzogen. Aber wo und wodurch? Nur in md
durch die Philosophie, ak der Wissenschaft vom All,
und zwar vom All, als der begriffenen Wirklich-
keit des Geistes oder der absoluten Vernunft. Eine an-
dere Auslegung lässt der ganze Zusammenhang des Sy-
stemes, und der specielle gegenwärtiger Paragraphen,
welche den absoluten Geist als das ,,absolute Wissen'
(Philosophie) aufweisen , Si^hlechlhin nicht übrig. Wenn
Hegel Anfangs (Encykl. erste Ausg. $• ^- veigl. oben
S. 794.) die Philosophie ankündigte, als die Wissenschaft
von d er Ver nun f t und zwar von der „Vernunft, iosofeni
sie ihrer selb st, als alles Seins, bewusst wird"^:
so hat sich diese Ankündigung jetzt durch seine Ausfüh-
rung bestätigt« In dem encykiopadisch durciuncssenen Sy-
steme der Philosophie, welche hier, am Ende^ ^auf ihr
Wissen nur zurücksieht^ (§. 473.), ist die absolute
Vernunft ihrer selbst, als alles Seins, bewusst ge-
worden , sie , das „Absolute^ hat sich hiermit aus jenen
seinen unendlichen Unterschieden durch Philosophie
in den ewigen und einfachen Geist zusammcngefasst , nä-
her damit hat auch das Logische als alles Scan sich
-bewährt".
Endurlhcil Aber Hegels Standpunkt. 1017
Nach so ausfiihrlicheii Forschungen über dio einzelnen
Theile des Hege Ischen Systems, muss das Endnrtheil über
das Ganze seines Standpunktes und über den eigentlichen
Umrang seines Resultats .sich von selbst ergeben : wir ha-
ben das allmählich Aufsummirte nur, in Eins gefasst, aus-
zusprechen. Falls diess WidersprucH erfahren sollte , so
geben wir den rHchteinverstandenen , welche ein anderes
Resultat Hegel scher Philosophie theils wünschen, theils
wirklich zu finden glauben, nur das zu bedenken, dass
hier nicht das Urtheil ist über den sogenannten innem
Geist, über dio spekulativen Gesinnungen Hegels, von
welchen wir zugeben und nachgewiesen haben, dass sie
liefer waren , als sein System , sondern über das System
in seiner erreichten Ausbildung , über seinen objektiven
Erwerb in der Reihe des Philosophtrens.
„Die absolute Substanz ist nur als Sub-
jekt zu fassen«; — diess war der erste Ausdruck, in
welchem Hegel das Ziel seiner Bestrebungen aussprach.
Wir haben nachgewiesen (vergl. oben S. 724. 788 — 93.),
dass diess nur ein von Schelling überkommenes Prin-
cip, der in einen prägnanten Ausdruck zusammengezogene
Gehalt der Schellingschen Lehre aus ihrer mitllcrn
Epoche ist. Desshalb muss das H e g c 1 sehe System in der
Reihe der spekulativen Entwicklungen hier seine Stelle
erhalten: es ist nichts mehr , als dio vollständige
Ausführung jenes mittlem Priiicips bei Schelling;
was wir dort, bei Schellings Philosophie, noch vermu-
thungs- oder behauptungsweise aussprachen, hat sich an der
vollständigen Kritik des Hegel sehen Systemes bestätigt.
„Das Absolute ist der Geist, der absolute
Geist^; — so sprach Hegel zuletzt, auf dem Gipfel und
am Absclilusse seines Systemes, stehend, jenen Anfangsge-
danken aus , gezeitigt und zur Reife gebracht durch alle
vermittelten Stufen des Weltdaseins, und metaphysisch be-
festigt am logischen Begriffe der Vernunil. Es ist noch
bestimmter zu sehen , als es bei den vereinzelten Bespre-
cbuDgen dieses Hauptpunktes im Vorhergehcndeu möglieb
lOlR EndurUieil
war, bte zu welchem Gesammtremltatc He^cl jenen Be-
griir entwickelt hat. Wir mOasen dabei Mf die im Vori-
gen enthaltenen einzelnen Resultate unserer kritischen AIk
handlnng surückverweiscn*
Hegel hat, gieiohwie SchellinglS. 738. f.), im
aller schöpferischen Hervorbringung des Wiriciichen , so
gewiss überall darin ein «eoncret Allgemeines^, ein stets
anders sich individualisirender Begriff sich verwirklicht,
nur eine intellektuelle That, einen Erkenntnisse
a k t des schöpferischen Grundes erblicken können. Scbaf-
fen ist (Tcalisirendes) Denken ; diess ist die eigentlich tra-
gende Grundevidenz seines ganzen spekulativen Lebens md
seiner Lehre. Hiermit konnte ihm jener Urgrund nur als
substantielle Vernunft, als das »Logische^ ^scheinen^ aber
mit dem unabtrennlichen Charakter „concreter Porm-
thätigkeit% des unendlichen I^bens und der unaMassi-
gen Selbstverwiriilichung jener Denk- und Intuitionsmacht :
es ist der Begriff der „unendlichen Subjektivität^
der absoluten Idee, in welchem Hegel zugktch nun den
allgemeinen Begriff des Geistes findet (S. 893. 94« 97.}.
yfieisi^ (Geistigkeit) ist ; das ,)Offenbaren<': sm
Wesen besteht nur darin , diess Offenbaren zu sein, seine
verschlossene Substantialitat und deren Gebalt vor sich in*s
Bewusstsein herauszustellen (S. 951.): darin hat auch die
höchste, abschliessende Definiti(on des Absoluten, als des
,i6 eistest, ihren Beweis und ihre Wahrheit (S. 953. 53.)'
Hegels System ist darum objektiver Ideatismos und
Monismus, weil in diesem weltschöpferischen Denken ebenso
der reale , objektive Ursprung aller Dinge , wie der
Grund ihrer Rationalität und Erkennbarkeit, die
Möglichkeit alier Wissenschaft, enthalten ist (8.91^.) *
es ist die Einheit aller objektiven Weltmächte und aller
Erscheinungen der subjektiven Wirklichkeit, welche
darum nicht nur theoretisch in ursprünglicher Ueber-
einstimmnng mit der Objektivität, sondern auch praktisch
in absoluter Uebcrmacht gegen dieselbe sich befindet
(S. 909. 960. f.). Es ist der Weltgcist in seiner
über d«$ System. 1019
objekliren, wie subjektiven BeUialifnng, worin jime beidon
Haiipfgegfensätse aller Dinge zasamnieng-efasst und be»
schlosaen Hi^n.
Hierbei ofTenbart sich nun nicht aeiten ein Schwaidcen
in Hegeis Darstdiung (vg^. daa. S. 896. 910. 18. 2S-^4«
928. u. s. w. Nachgewiesene), indem er in erläuternden
Steilen seiner wissenschaMichen Werke, später noch
mehr in der populären Passung seiner ReligionsplHlesophie,
sich wohl so aussprach, als sei jener Weltgeist noch be-
sonders zu hypostasiren , die unendliche Subjektivität der
absoluten Vernunft ganz eigentlich als Ursubjekt, ab
selbstbewusste Persönlichkeit zu denken , vriewohl unserer
Nachweisung zufolge weder seine Metaphysik (Logik) da^
für eine Kategorie kennt , noch in dem ScMusse Aes Sy-
stems mit dem absoluten Geiste (und hier gerade am We-
nigsten) eine Möglichkeit f&r solche Hypostase gefunden
wird.
Hieraus konnte indess voriibergehend eine * doppelte
Auslegungsweise in der Schule entstehen, und es ist man-
cherlei Kampf darüber entbrannt. Jetzt scheint jene 6äh-
mng sich abgelaulert zu haben ; von beiden Seiten scheint
man mit mehr oder minderer Entschiedenheit zu erkennen,
dass die theistisch hypostasirende Auslegungswdse den
Hege Ischen Standpunkt eigentlich in einen andern hin*»
überintbrpretiren wurde. Die Neuhegcischen, wie sie selbst
sich nennen, sind zum strengern Sinne des Systems, zur
Bedeutung seiner Kategorieen , zurückgekehrt , und haben
ihm auch äusserlich ^ wie es scheint , fär die Geltung der
Schule den Sieg verschafft, *- über diesen Punkt mit
uns In ausdrücklichem Einverstandnisse , indem wir Ton
Anfang an nur diess rechtlich und grundlich vom He gel-
schen Systeme vertreten finden konnten. Wenn diese ne-
bendem noch behaupten, jede andere Auffassung, nicht nur
Hegels, sondeni der Philosophie, die Fassung des gan-
zen Weitproblems anders , denn von diesem Standpunkte,
sei unphilosophisch, zeuge von Ohnmacht des Denkens und
spekulativem Unvermögen : so ist es ganz nur ihre Sache,
1030 EBdnrtheU
di60S bisher ongehörie Paradoxon m voriretcD, wobei ikneii
übrigens nicht zu sonderlicher fimpfeUung gereichl, d«ss
sie selbst bisher nur als Ausleger fremder Gedanken, oder
in kritischeni Thun sich bethatigt, am Wen^sten aber tob
der Prodiditivilat eigenen spekulativen Denkens Proben
abgelegt haben. —
Es ist nun zu sehen , wie der Begriff des Absdnteo,
als des Geistes, von Hegels höchstem StandpnnlLte , der
Philosophie des ^absoluten Geistes^ ans, gefasst werde, wie
überhaupt von hier summarisch und abschliessend das ganze
System zu bezeichnen sei.
Das Absolute ist „ein Schluss von drei Schlvssen^
dreifach sich mit sich selbst aus seinem Gegensatze ver-
mittelnd , worin es die ewige Insichumkreisung seines
weit schöpferischen, damit aber zugleich selbst schöpfe-
rischen Lebens hat Es ist zuerst das Logische, die all-
gemeine Vernunft (in der Potenz bewussUoser Weisheit
und Wiritens), der ewige Gmnd der Natur, vrie dos Gei-
stes, and das beide unter einander und so mil sich selbst
Vermittelnde«
Das Logische „wird aber ewig znrNatur^; sie ist
seine Unmittelbarkeit, damit jedoch das noch Ungenügende,
nur „der Durchgangspunkt und das negative Moment^, um
den Geist, die Wahrheit des Logischen , hervorzubrin-
gen. So ist, im ersten Schlüsse, „die Natur die Mitte
zwischen dem Logischen und dem Geiste. Das Logische,
nach Hegels früherer Bestimmung des Trinitätsbegriffes
(S. 980 — 83.) gleichzusetzen dem Momente des »Vaters^,
der abstrakten, unverwirklichten Idee, wird nur durch ewige
Naturvermittlung , aus dieser auferstehend , der Geist. So
ist das Absolute auch zuletzt noch, aus Mangel an mela.
physischer Durchfuhrung , wie sich zeigte, ledigiicb in der
Gestalt des Weltgeistes aufgcfasst worden.
Es ist aber der Process des Geistes, aus seiner näch-
sten Existenz, der sinnlichen Unmittelbarkeit und für
sich seienden Vereinzelung, in dei* er sich findet, eh
seinem A n s i c h sich zu erheben. Diess geschieht in den
über Hegels 45(andpunkt. 1031
höchsten und allgemeinen Mächten desGetgtcs: Kunst, Re*
ligrion and Wissenschaft In ihnen ist der einzelne Geis!
ebenso der allgemeine: er hat, besitzt das Allgemeine;.
aber eben so umgekehrt , das Allgemeine , ewig Substan-
tielle des Wel^istes besitzt ihn , macht ihn zn seinem
Orgtin und Auge; denn es ist zu bedenken ^dass die Bewe-
gung der Substanz zum Subjekte, wie iles Subjekts in seine
Substanz, nur Eine und dieselbe ist« (S.969. 99:i.)*
Und zwar ist jenes näher der Inhalt des zweiten
Schlusses, durch welchen der Geist, als die Mitte, die
Natur mit dem Logischen zusammenschliesst : denn er e r-
kennt in jener die Gegenwart des Logischen , Vemunr-
tigen, indem er sie überhaupt erkennt. Hegel hat am
Tiefsten unter den neuem Philosophen den Begriff des Er-
kennens , der Wissenschaft , bis in seine metaphysischen
Prämissen zuruckverfolgt (vgl. S. 911. 12.): Erkennen ei*
nes Gegenstandes heisst nur seine immanente Vernunft,
die concret gewordene Selbstgestaltung des WeRgeistes in
ihm, seinen „Begrifft, a n erkennen, zum Bewusstsein brin-»
gen. Diess ist der höchste (metaphysische) Grund der
Uebereinstimmung des Subjektiven mit dem Objektiven und
der Möglichkeit einer Wissenschaft.
Insofern aber der endliche Geist vermeinen sollte , in
dieser erkennenden That der selbstthatige, ihr Urheber, zu
sein; so reinigt auch noch von dieser Unwahrheit der
dritte Schluss das Bewusstsein, welcher das Logische zu
seiner Mitte hat, das nun beides, Natur und Geist, durch
sich vermittelt: diess ist die Idee und die Verwirk-
lichung der Philosophie. In ihr erkennt sidi zmn
ersten Male das Logische (Absolute) als alles Sein, so
der Natur, wie des Geistes: sefai Selbsterkennen ist
hier zuerst seinem Sein adäquat geworden. Die Philo-
sophie ist das höchste und wahre Bewusstsein des Ab-
soluten (Weltgeistcs) von sich selbst ; lediglich in i h r ist
es, wo zur Klarheit kommt, dass die selbstschöpferisch zur
Welt sich realisirende That des „Be griffest die „Natur
der Sache<^, „ebenso sehr die Thätigkeit des Erken-
1083 Bndnrtheil
neits isi^ — in der Pkitosophic zum Bewosstsein seiner
selbfA die Aagen aubcbli^ Allein in ihr, der Philoso-
phie, ^belhUigt, erzeugt und g e n i e s s I sich« der abso-
lute Geist (& 976. 1009—1016.).
Diess ist der allein folgerichtige und auch von Hegel
dialektisch aurs SorgfllUifste herausgestellte Sinn dtss Sy-
stemes: einen andern aus-^ oder hineinzulegen, wäre die
selbstsüchtige Willkühr, nur seine Vorstellungen in ihm
wiederfinden zu wollen. So allein isl das System fiber-
cinstimmend mit sich selbst vom ersten bis zum letzten
Zuge, ebenso mit dem historischen Zusammenhange des von
Seh eil in^ ihm überlieferten Prindps: jene theistischen
Einmischimgen verunstalten das reine Ebenmaass, welches
die Hauptideen desselben wenigstens, einig und eng ver-
bunden, an einander schliesst. Sollte hier noch ein CSot-.
müthiger oder Starkgldubiger ein ^yllrsubjekt^' des Well-
geistes wähnen können hinter der Welt, oder glau-
ben , dass für dergleichen Nichtgedanken ein Platz übrig
bleibe in jener so klaren und in sich gerundeten Evidenz?
Denn — was noch mehr bedeutet , als die bloss- hi-
Morischen Bezüge und Zeugnisse, — hat das System in-
nerhalb seiner Begränzung nicht völlig Recht, mit
dem, was es behauptet, wie mit dem, was es läugnet?
Das Auge, in dem der Weit gei st sich am Höchsten und
Reinsten spiegelt , das Subjekt , in welchem er sein höch-
stes Bewusstsein gewinnt, — kann es in derThat ein an-
deres sein, als das des Menschen in der Wissenschaft, der
Philosophie , als die „Gemeine der Idee^' ? Ebenso , wie
schon im Auge des Künstlers, in dem Gemüthe des Dich-
ters , die Welt in den Geist erhoben wird , zum Genüsse*
ihrer Schönheit gelangt auf mannigfachste Weise. Ist nicht
der Dichter, der Kfinsder, der Denker das einzige Sub-
jekt, in welchem die der Welt eingeschlossene Vemünf-
tigkeit, die „Seeie^ der Dinge, zum Bewusstsein kommt, so
dass sie dargestellt , oder als Erkenntniss ausgesprochen
würde? In der That sind im Geiste des Menschen alle
Dinge ; der Weltgeist scheint in ihn hinein , er muss sich
aber H^ek Standpunkt. li»S3
ihm offen legen : diess ist die geistige Magie, die uns mit
tillem DfMein verbindet, und sein Bigenthümiicbirtes uns
aufschliesst' Wie anders, als so, wolieiTwir den Ursprünge
liehen Pamlielismus zwischen Natur und Geist uns erklären,
bestiininter noch , die absolute Uebermacht des letztem
über jene, mit der sie ihr verschlossene^ Wesen uns preisr
g^ebea mnss su künstlerischer oder theoretischer Reproduk-
tion ? Pur solches Wellgeistige jedoch, über diese wirk*
tichen oder begreiflichen Subjekte hinaus, noch ein trans«
seendentes Subjekt und besonderes Bewussisein erspähen
zo wollen, wie seltsam und widersinnig wäre esl Wo
wäre dazu der wissenschaftliche Anknäpfiingspunkt und
die Berechtigung?
Nur das ist di^ Frage, die freäich an einem ganz
andern Punkte einsetzt , ob jener Weltgeist das Absolute,
Gott sein könne? — Oder vielmehr, es ist keine Frage,
so gewiss wir in der t'ortschreitenden Kritik des Sehet*
lingschen und He gel sehen Sysl^mes nachgewiesen ha«r
ben, dass die der Natur, wie den endlichen Geistern iai-
manente Vernunft, wiewohl göttlich, doch eben darum nicht
der Geist Gottes sei , dass der Begriff des Weltgeistes,
der in Bewussllosigkeit als Welt gesetzten Vernunft , dem
Begriffe der höchsten^ Ursache, des Absoluten, schlechthin
widerspricht. Es hat sich gezeigt: der Weltgeist, weU
ursprüngliche bewusstlose, zum Subjekte nui' durch die Na*
tur sich vermittelnde Vernunft, ist eben darum die gesetzte,
hervorgebrachte; fiingeschaffenes , nicht Schöpferin
sches. (Vgl. S. 435—36, 478, 79. 763: 7/8-81. 978.
u. s. w.)
Um so mehr müssen wir uns nun mit jenem He gel-
schen Resultate in seiner relativen Wahrheit und in sei-
nem engem Bereiche einverstanden erklaren. Es ist wahr
in dem , was in ihm positiv erkannt wird , i'alsch wird es
nur dadurdi , indem es diess für das Ganze , überhaupt
tür das Princip einer ausreichenden Welt»
erklär ung hält. Hier ist schon Sc he Hing, wie wir
bewiesen, weit darüber hinaus und in das Eigentliche des
1024 Endurtfaeil
Wcitproblemes tiefer oingegangen , indem er de» Gnnde
jener bewussUosen Weisheit in den uiiniittelfoarefi Weit-
anfangen beharrlich nachfontchte , also die vermeinlllcbe
Absolutheit und Ursprüngflichkeit des Weitgeistes anfliob,
und ihn selbst aus einem höiiem Principe zu eridären natklg
fand (vgl. S. 748—50. 55, 58—60. u. s. w.).
Hiermit bestätigt sich nun auch vom höchsten End-
punkte des He gel sehen Systems das Urtfaeil, welches dbs
vorläufig der Schhiss der Phänomenologie, das Ergebniss der
Logik (S. 853.) , selbst der spekulative Ertrag seiner Ae-
sthctik und Religionsphtlosophie fassen liess. Es bleibt audi
am Schlüsse dabei : das Absolute ist von ihm überall nur
unter der einseitigen Bestimmung des Weltgeistes gedacht;
er hat sein Princip: «^die Substanz, als Subjekt^,
den ,,absoluten Geist^, nicht anders, als in dea
Schranken und Formen der Weltimmanenz, seine selbst-
bewusste Verwirklichung demnach nur im Henschengeisfe
8U erkennen vermocht , ohne je sich zu fragen , wie sich
Schelling gefragt *- und zugleich geantwortet hat, ob
nicht jene Grundthatsache von der Weltimmanenz der Ver-
nunft zu ihrer eigenen Erklärung gerade nölhige , eine
ewige, vorweltliche Selbstanschauung de]:selben zudenken?
Diess bedingt — halbirt gleichsam, die Wahrheit sei-
nes Standpunktes, dem die andere, ergänzende Hälfte fehlt,
durch welche auch jene allein wahren Bestand , Klarheit
und Begreiflichkeit erhalten kann. Weil das Univ<»snm
als objektiv ausgewirktes Gedankensystem gefunden wird
in der Aeusserlichkeit seiner Baumunterschiede und in dem
Werden seines Zeitablaufes, daher doch , als ewig Eins in
jener, als ewig vollendet in dieser Beziehung gedacht
werden muss : kann diess Gedaokensystem nur ewig voll*
endet und mit ideeller Vorexistenz im Geiste eines selbst-
bewussten Urwesens ruhen. Nicht ebi anonymes, sich zur
Welt entaussemdes , und mit bewusstlosen Syllogismen in
ihr operirendes Denken reicht hin zur vollen Begriia-
düng und Erklärung eines solchen Wcitdaseins; hier kann
nur ein Wesen genügen, mit allen Attribnten ausgestattet,
über Hegds SlamlpunU. 1095
in denen wir die VoUkommenhetteii und Vorzüge dcrTer«- I
sönlichkoit erblicken. Und hier wäre es Zeit^ den hart* •
nackig* Abstrakten gegenüber, an ein späteres Wort S c k e 1-
i i n g^ s zu erinnern : wenn Gott nun persönlich, menschen-
ähnlich sein wolle , •— vielmehr , weqn er nur also sich
kund gebe durch das Weltdasein, — „was können wir
dagegen einwenden? -^ Darin liegt der Wende- und An- '
knöpfungspunkt t'ur eine neue Wissenschaft, die speku-
lative Theologie, deren ungewisse , in Keimgestalt
vorhandene Grundlage zwar wir bei H e g e 1 finden, — darin ,
finden, dass er den zunächst ganz allgemeinen Begriff des Gei-
stes in seiner Tiefe und Eigentlichkeit erfasst hatte, als die
auch in ihrem Unterschiede bei sich bleibende Substanz, —
während in Seh e Hing s Lehre, schon wie er sie in sei- j
ner Abhandlung über die Freiheit vorgetragen, alle innem
Bestandtheile einer solchen Wissenschaft vorhanden sind, <
welche nur metaphys ich, nach der bekannten Denk-
weise desselben, keine Ausführung erhalten haben. Eine
Bemerkung über die Stelle jener neuen spekulativen Wis-
senschaft in der systematischen Folge der einzelnen phi-
losophischen Disciplinen wird sich nachher machen lassen.
In seinem historischen Zusammenhange nach Rück-
wärts ergiebt sich daher das Hegeische System, mit Be-
stätigung dessen, was sich bei seinem ersten Hervortreten
zeigte, auch am Ende nur noch, als die AusfiUirung des
ersten Sehe Hing sehen Standpunktes der Identität des
Subjektiven und des Objektiven, welchem Hegel das Lo-
gische, aber nur als Abstraktes, lediglich in der Weltlich-
keit der Natur und des Geistes Wirkliches, unterbaute. In
seiner künftigen Geltung nach Vorwärts hin wird daher
das Resultat der Hegel sehen Lehre , weit entfernt das
ganze oder letztentscheidende zu sein, sich begnügen müs- *
sen, ein relatives, einem grössern Ganzen einzuverleibendes
zu werden. Was es völlig erreicht habe, und was es ver-
missen lasse, lässt sich endlich daher nach beiden Seiten
hinauf das Einfachste aussprechen: der Weltbegriff
ist von Hegel vollständig erschöpft und ausgeführt wor-
65
1086 EadurtheU
den/die Phnosophie hat sich m ihm zurWeltweisheit
auflgesponneti , indem er die Weisheit i b der Welt , die
Vernunft , den ^BegriiF , als das Princip und den wahren
Brkldrungsgrund derselben durchgeführt hat In der Cfrä-
hem) Philosophie Schellings und in Hegels S3fsie-
me erkennt sich die iminanenle Weltvemunft selber oder
erhebt sich xum BegritFe ihrer selbst: diess ist der ge>
melnschaftliche Charakter der ganzen philosophischen BÜ-
dungsepoche. Aber in Uegel ist ihre Vollendung : er hal
daraus dio Möglichkeit eines objektiven Erkennens erklärt
(obwohl er die wirkliche Ausführung einer Erkenniiiissk^ur
achuMig geblieben ist); er hat jenen Begriff konsequent als
den der immanenten Methode bezeichneL Zogleieh
ist aber durch ihn die ^Weltweisheit^ aach ^ncyklopä-
die der philosophischen Wissenschaften^ gewordeq: die
Weltvernunft wird von seinem Systeme, aus ihrer objektiven
Vollexistens, auch subjektiv zum Voilbegriffe erhoben, und
die grosse Dreitheilung der Philosophie, als Wissenschaft des
Absoluten und der Welt, als der Natur und des Gei-
stes, mit dem Begriffe eines in ihnen gemeinschaftlich sich
steigernden absoluten Weltzweckes — (sei der Begriff des
letztern selber auch nicht recht — nur pantheistisch — von
ihm bestimmt worden), — ist das bleibende Resultat seiner
Lehre, von welchem die künftigen Philosophen nicht ohne
ihren Schaden, und ohne in WillkührUchkeit zu gerathen,
sich werdoi entfernen können.
Hiermit ist aber die Grönze Hegels und der in ihm
sich abschliessenden spekulativen Biidung scharf bezeich-
net. Wenn sich nämlich die Frage erhdit nach dem
Grunde und der Möglichkeit eines solchen Wel^i-
stes selberi, die gar nicht zu umgehen ist von einer gründ-
lichen Metaphysik, indem, nach den viellach im gegenwär-
tigen Werke gegebenen Nachweisungen, der Wel^fdst eben
darum das Absolute nicht ist: so zeigt sich, dass Alles,
was mit dieser Frage in Verbindung steht, auf sie hiniei-
tet und «US ihr folgt, jenan Systeme durchaus jenseitig
ulftd unzagängiich bleibt; und selbst dieLudcen, wekhe es
über Hegpeb Standpunkt. 1027
dvrbielet , von den fehlenden Mchslen logischen Kdtego-
rteen an , bis zu dem , selUamer Weiae doch nitr .wieder
in daa z w e i ro a 1 schon Dn^weaene, in 4lie Idee der Phii-
losi^hie» zufttcidaurendea ScMosae de» Syatemes: -r Alles
entspricht genau dem Grundbegriffe desselben, welches zwar
die Wechselbeziehung von Natur und Geist, und so auch
daa firkeantnissprobleoi , aus der Idee einer (relativ aof
beide) absoluten Identität von Natur und Gei^ , eines an
aich seienden^ d.h. als absolutes Faktum anzunehaaenden
Weltgeiisies, seiners^ts voIlgulUg erklirt, nirgendi^ aber sich
beigeben Hisst, weiter za fragen, wie jenes »abisolute Fak<r
tiMn% die bewnssttos in den Weiktingen wirkende Vemunl^
selber möglich werde.
Darin ist indess zugleich weh der Grand aller je^er
llftngel g^eben, welcher wir sonst die Lehre schuldig faadan;
sie sind nicht ein zufällig Unt^rhisaenea , nur entstanden
was der Schwäche einer nicht durchgeführten ü^nueqittmi^
die BUS dem frischen Nachwirken des PriqcQNS getilgt jeh
werden vcrniöchte: des Princip hat vielmebr mh auageH-
wirkt, und kann nur, eittew umihssendem einviei^^ti wie-
der aaferstehen , in welchem jene LAckeri tnichi nur ans«,
gelullt werden können, iN>adern woriw sich H^ Lösipg
im begrifisgemassen Gange und von setbat i^ügiebt %'
So hat Hegel in der Phanomenpli>giß des Geistes
das erkennende endliche ^^uhjekt dadurch Aber dia ver-i-
meintlichen Schranken seiner Endlichkeit und Subjektivität
hinubergehoben, dass er es als Moment des sifbsianiMien,
als Welt sich auswirkenden « z^gletoh darin aber sich er-
kennenden Geistes nachweist. Der Weltgeist und sein un-
endliches Selbsterkennen (d^s absaiute Wissen der Möglich-
keit nach) ist Resultat des Weckes» zugleich aber doch
nur Grund voransse'ttnng desselben (S. 832. 35-42.).
*) Auch hier ist zur ErgünctiDg zu vergleichen, was im metapby-
sischen Zusammenhange über da« YerhikaM» jener bei4ca
Stamlpuukte zu «man^r nusgefiiiift ist „z^ir^pek« Theo-
logie^' (Zeitschrift Bd.. V. H. 1. S. 95-^ 109.}.
fOS8 ERdurlhea
Dertelbe Kreisiaiif von VorauMeiziiHg miid den Be-
weisen daraus, erneuert sich in der Logik : was es nanich
mit dem anf eblich „roraussetzongslosen^ Anfange ders^
feen för eine Bowandniss kabe, ist ausführlich gezeigt wor-
den (S. 846. IT.). Hier wird der WeRgeist, flreltich ohne
es ausdrdcklich su sagen, woher und mit welchem Reckte
dieser Begriff vorausgesetzt werde, in die abstmklesle Po*
tenz der einrachsten Kategorieen zuräckgcnommen , ond
Ton da aus dialektisch weitet* bestUnmt: er ist dns ver-
borgene Substrat dieses Objekt * subjclttiven Denkens, und
es waltet hief abermals die doppelte Voraussetsungr , dass
der Wdtgeist es sei , der ebenso in AUem existirt , wie
darin das Erkennende ist, — und dass er das Absolute
sei. So kommt es mit ihm am Schlüsse der Logik wieder
bloss zu Bestimmungen, die dem Ende der Phänomenolo-
gie parallel gehen : das Absolute (der Weltgeist) ist die
nbsl^lute, an und für sich seiende Idee, unendliche Ne-
gativitit und Subjektivität , sich unendlich selbst bestim-
mend zu allem Sein , darin zugleich aber einen ursprüng-
llchen Brkenntnissakt übend , womit dann der eigentliche
Grund gegeben ist, warum es auch (in uns) zu einem sob-
jektiven Wissen von den Dingen kommen kann : das Metaphy-
sische, Erkenntnfsstheoretische und Realphilosophische wird
stets in einander gezogen , oder vielmehr mit dnander ia
ungeordneter Mischung gehalten. Damit ist jedoch , wie
wir nachgewiesen (S. 913. ff.), der Schluss der Logik ein
definitiver und ganzer; was sollte^ in dem Zusammen-
hange dieses Standpunktes und seiner Welt-
ansicht, in der That noch folgen auf ein Resultat, wei-
ches alles Objektive md Subjektive , alles Sein und ylles
Erkennen, in Einem Principe zusammenfasst und in dem
Begriffe desselben, als des darin Identischen, urspräng-
Hch beschlossen aufweist Mit der Logik hätte Hegel
sein System abschliessen können i ja er hat es dem Prin-
cipe nach wirklich gethan.
Denn von der Naturphilosophie an beginnt doch ei-
gentlich nur derselbe Umlauf zum dritten Male, aber mit
fiber HegOg Standpunkt. 102»
umrangreicherem Inhalte: ^aUes^ Objektive und Ssbiektive,
welches die Logik summarisch umfassle, wird hier in oon--
crelerer Gtiederung dialektisch vorubergefuhrt bis zum
^absoluten Geiste^ biRaar (S. 914.) : at»er der ^absohte
Gelsl'^ ist auch hier abermals nur jener von dem Sddosse
der Phänomenologie und der Logik her. bekannte Begriff:
es ist der Weltgeist, der die beiden Enden — ^ das Reale
in seiner entlegensten Uhmtltelbarkeit , und das Erkea**
n c n in seiner höchsten Reife, als Philosophie , — in sieb
zusammenrasst und darin nur ^^bei sich selber bleibt^«
Eine wahre Steigerung jedoch, zugieicb auch eine c%tttl^
liehe Begrfindung dieses überall nur voraussetzuags*
weise eingefofarten Begriffes,* ist auch hier nirgends erreiehl
(S. 1014-16.> Dass vollends der Anfang dieser spekuktliven
Denkreihe, — der von der Natur, als der „Unmittelbar-
keit<* der absoluten Idee, — keinen innem, „dialektischen^
Zusammenhang mit der Logik habe , dass er ein wahrhaft
neuer Anlauf des Denkens sei, und dass die beiden Versuche
Hegels, die Natur abzuleiten, der in der Logik (S. 919
— 23.), wie der in der Lehre vom absoluten Geiste (S. 1011
>-14.), gleichmassig verunglflckl, und nur im Postulale
einer absoluten Pakticität stecken geblieben sind«
ist so hinreichend gezeigt worden, dass kaum ein Wider«
Spruch dagegen übrig bleiben möchte.
So haben wir ein System von drei Stücken , die , an
einandergereiht, nicht aus einander hervorgehend, nur ei-
nen Parallelismus derselbigen Begriffe , aus verschiedenen
Gesichtspunkten, darbieten. Sehen wir aber auf den ge»
mcinschafUichen Grund dieses dreifachen Ganzen ; so be-
ruht es ebenso auf drei Voraussetzungen: die erste ist
die aus der Sehe llingschen Lehre überlieferte Idee der
Identität des Subjektiven und Objektiven — des Welt-
geistes; die zweite, dass dieser, der Weltgeist, das
Atisohiie oder Gott sei; die dritte hegt in der Unfähig-
keit des Systemes , die Natur abzuleiten« Desshalb muss
auch die Frage, wie „der absolute Getst<« in seiner
„Unmittelbarkeit^ z« einer so seltsamen Verflechtung mit
1030 Bndurtlleil
eher flb96iitttit Negulion seiner selbst, der Natur, komme,
warum er stck erst kerauasuringeii habe aus den eigenen
bewusaUosen Anßngen , — Alles Bestimmungen , die den
Begriff des Absoluten geradezu aufliebcn , — in diesem
Systeme völlig unerledigt, ja unberührt Metben. Die Natur,
nvfe der Webgeist, ist iär das System ein absolnles,
nicht weiter erklärbares Faktum, wtewoU durch
diess Faktum ein Widerspruch zurückbleibt in seinem
Begriffe des Absoluten (vgl. S. 838^49.). Ueber die bei-
den letztern Voraussetzungen ist Sehe Hing, wenigstens
d^ Prineipe nach , binausgeschritten in der spatem Ent*
Wicklung seiner Lehre ,- und dadurch mittelbar auch über
die erste (S. 768—81.): Hegel nirgends und niemals.
So wird mm sein System widerlegt, oder, was die
einzig rechte , das Wahre darin zugleich bestätigende und
tiefer begründende Weise der Widerlegung ist, es wird
Aufgelöst in den umfassendem Zusammenhang einer Welt-
ansieht Der Standpunkt der Vernunft, als der Weltimmanenz,
Ist selbst ein zu begründender: der Weltgeisl ist in
keinem Sinn»* das Absokito, er ist Problem , mid von ihm
ist 'erat aufiiusteigen to dem jetzt höher gefaasten Begriffe
des Absoluten« Hiendit werden die erste und die zweüe
YoniuA6oUung*Mch ihrem InbaHo und nuck dem formeiien
Mangel, nicht begründete zu sein, gleicher Weise erledigt :
Uk ihro Stelle tritt ^ine ausgebildete Wissenschaft vom We-
sen des Absohlten (die spekulative Theologie). Aber damit
findet die üiatur, vorh«* die bnmittdbare, erste oder letzte,
Existenk, objektiv ihren Grund und spekulativ ihre Ablei-
tung. Die kundbar gewordene Kluft zwischen der He«-
g e 1 sehen Logik und scMior Naturphiiosoplne füllt sich hier
gutaz von selbst mit einer Wissenschnft aus , welche den
Begriff des Weltgeistes in dein köfaem Begriflfe Gottes seine
Begründung finden Itisst. Vnd bicnrfit möchte zugletch die
frtthiere Frage beantwortet sein nach der Stelle, welche die
spekulative Theologie im Umkreise der phlh^sophiscbcn
Wissenschaften begrifkgemass «inzunehmen hat. Wie der
Begriff von der Weltinmatienz der¥eniunfty von der Idee,
über Hegeb Stondpiinkl. 1031
als der unendUchen Sobjeklivilat in der Welt, zumBe-
IprilTe einer uranfangiichen Transscendenz derselben nö^
Ihigle, somit das Resultat derHegelfchen Logik selbst
ziüH Probleme, mid so zogleich zur Prämisse dieses
hohem Begriffes gemacht wurde : eben ato mAsiste, wenn
wir in der stetigen und wülkurlosen Entwicklung der Pbi-*
losophie nach ihrer historischen Stufenfolge bleiben wollen,
die spekulalive Theologie an die Stelle eines letzten, volU
endenden Tbeiles der Hege Ischen Logik treten, als die
völlig ausgebildete und zum Abschlüsse gebrachte Meta-
physik, — die überhaupt mit Recht von jeher als die
Wissenschaft von den „übersinnlichen^ (transseendentalen)
Gründen der Welt gegolten , und hiermit, durch den
grundlich durchgeführten Weltbegriff sel-
ber, ihren ursprunglichen Umfang wiedererhaltim hat.
Kant läugnete die Möglichkeit einer Metaphysik in
jenem Sinne, während J a c o b i , dem Grundprincipe nach
mit ihm einverstanden, in den Glauben an einen ftbersinn-
Kchen, geistigen Grund aller Dinge zuröckflüchtete. S ch el-
lin g gab diesem „meiaphysisäien^ Gnmde jedoch in den
Unmittelbaren und Wirklichen eine neue Bewährung und
Grundlage; er wies im „Sinnlichen^ selber die Gegenwart
des „Uebersinnliohen^, Vernünftigen auf: der Begriff einer
blossen und ausschliesslichen Transsoendenz desselben war
dadurch für immer abgewiesen; und so erwuchs die Mög-
lichkeit einer Metaphysik der innerweltlieben Vernunft , in
deren AusfiUirung wir den Standpunkt und das Resultat
von Hegels Logik gefunden haben. Jetzt bleibt der
nächste, durch das gegenwärtige Resultat der Immanenz
selbst gebotene Schritt zu thun , die durch die Immanenz
ermittelte Transscendenz in gleicher Weise zu ihrer meta-
physischen Entwicklung zu bringen, und so den Real-Idea-
lismus der Welt und des Weltgeistes in der S e h e 1 1 i n g^
Hegel sehen Epoche theils zu vollenden , theils in sich
erst zu erklären.
Hiermit nun ist die Bildungsperiode der Systeme der
Immanenz vonSpinosa bis auf Hegel geschlosscii, weil
1033 Eadartheil
sie BU ihrar vollen Ausführung uitd Gdtuog getangt ist :
die zuletzt von uns angeregten Aufgaben falicu daher
in ein ihnen allen zukunfUges, innerhalb ihres Umkreises
ihnen unerreichbares Gebiet Aber wir selbst braacfaeu
hierbei nicht mit leeren Verheissungen uns zu befugen,
oder auf ein uns selber erst Zukünftiges zu verweisen;
wir sind über den blossen Pantheismus , ebenso ober
seine blosse Widerlegung , schon hinaus : das ihn über-
schreitende Princip ist ge funden und wissenschaftlich fest-
gestellt, und seine Entwicklung bildet die Gegenwart
der Philosophie, während jener für sich selbst, nach
der wahren wissenschaftlichen Schätzung, jetzt nur noch ein
historischer, vergangener ist. Aber man hat sich im ge-
flissentlichsten Ignoriren dieses Wendepunktes gefallen,
während man die weiter dringende Spdiulation durch Droh-
worte zur nüchternsten , vulgärsten Pantheistik znrückzo-
scheuchen sucht.
Obgleich nun diese Schrift nadi ihrem UTq>rünglichen
Plane den Kreis der philosophischen Gegenwart zu be-
rühren sich enthalten muss; so dient es doch selbst zur
scharfem Bestimmung der spekulativen Vei^gangenheit, die
unterscheidenden Begriffe, welche nach mis die gegen-
wärtige Epoche vor der unmittelbar vorhergehenden aus-
zeichnen, bestimmt auszusprechen. Hiermit wird uns zu-
gleich eine Uabersicht gegeben von dem historischen und
kritischen Gesammtbefunde unserer Schrift.
Neu jedoch sind jene Begriffe nicht in dem gewohn-
lichen Sinne , dass sie ein noch nie Dagewesenes , eine
frische firflndong der etwa jetzt Philosophirenden zu ver-
künden hätten: eine solche Neuheit würde deii Stempel
des Unächten an sich tragen ; denn erfunden — gefun-
d c n -^ sind alle acht spekulativen Ideen und Principe
schon längst. Das Neue und Fördernde ist nur darin zu
suchen , dass sie sich immer vollständiger und von enlle-
geuern Standpunkten her zu einem umfassenden Systeme
der Wahrheit vereinigen: und für den gegenwärtigett Zeil-
punkl , welchen wir desshalb gerade als einen neuen and
über Begeh Standpunkt. 1033
entscheidenden bezeichnen , liegt das Denkwürdige darin;
dass von ganz entgegengesetzten Enden her sich fernlte^
gendc Principien die Hand reichen zu mässen scheinen,
weil sie , zunächst freilich nur in grösster Schroflhoit ae^
bcn einander hintretend , dennoch so weil für sich selbst
sich ausgebildel haben , dass in jedem das Bedürfniss des
andern sich verräth. So Hegt die neue und entsehei-*
dende Thal iur die philosophische Gegenwart nicht in ih«*
rem Nebeneinanderstebcnlassen oder allseitigen Anerken.
nen , sondern in dem Beweise ihrer nothwendigen Yer*
Irindnng zu einem hohem, sie umfassenden Ganzen. Diesa
ist das neue, allein der Gegenwart gewachsene System^
^dches wir ihr anzubieten uns im Stande glauben. Wir
selbst haben immer bekannt, dass wir darein die Auf-
gabe und Bedeutung unserer Philosophie setzen. Die
ganze bisherige Kritik dieses Werkes hat den Beweis für
dieselbe zu führen, und wenn eine unbefangene und voil-^
standige Charakteristik der bisherigen Hanptsystcme , yon
dem Anfange der neuem Philosophie an , ganz wie von
selbst die Idee eines solchen Systemes erweckt , wie un«*
sere Philosophie es ausführen soll: so muss ihm wenig-
stens zugestanden werden , dass es volles Recht hat
dazusein. Wir geben zum Schlüsse noch in den Haupt-
zügen an, wie 03 aus dem Gesammtergebnisse der bishe>*
rigen Spekulation begriifsgemäss sich entwickelt hat.
Seit Des Cartes und Locke sind drei grosse
Hauptstandpunkte der philosophischen Bildung, wenn auch
nicht gleichmassig neben einander, und jeder in cbenmas-
siger Starke und Entwicklung mit dem andern , dennoch
deutlich unterscheidbar, entwickelt worden. Den einen kön-
nen wir kürzlich, wie sonst schon, den anthropocenirischen,
vom Menschen und seinem Selbstcrkcnnen ausgehenden,
nennen: den zweiten dahin bezeichnen , dass er, theocen-
trisch kühn, aus der Idee des Absoluten das Endliche,
1034 Die Piiik»ophi0 der Gegenwart,
t)ie Well, zu begreifeft imtemiiiMiL Beide SUmdpmklc«
wtewoU langte genug ohne bestinmte Besidrang auf ein-
ander aich ausbUdend, haben doch in der neueren Zeit
enlachieden und woU für imner einander sich genähert:
durch erkenataisatheoretisdie Begrfindong das Princip imd
den Kingnng in die Metaphysik zu finden , scheint in <ler
neuem* Philosophie nach Hegel i&r alle diejenigen, welche
nborhaupl die Möglichkeit einer Metaphysik in dem bezeich-
neten Sinne zulassen, ein gemeinsames Resnltat geworden »i
sein* In Hegels Betreff ist wenigstens suzageben, 4»ss,
mm Unterschiede von Sc ke Hing, das Bedürihtss ihm
immer vorgeschwebt habe , die Idee und BeaUtil des Ah-
soltAen vom subjektiven Geiste und SelbstbewiissC5ei& mos
zu biegrunden , wenn ihm auch , wie unsere Kritik zeigen
mussle, die wirkliche Ausffihrung nie richtig oder vollstin-
dig , weder in seiner Phänomenologie des Geistes , noch
in den Vorlesungen über die Beweise vom Dnsein Got-*
les (hier jedoch am Entwickeltsten) gelungen ist. Denn
noch bestimmter kommt es darauf an , wie in dieser Be-
gründung das metaphysische Princip aus einer Erkenntnisse
theorle resnltirt , als welches dasselbe gleich Anfangs
gefttsst werde: wovon nachher noch ein Wort
Der •dritte Standpunkt , welcher bis auf die neueste
Zeü Un nur sporadisch und wie in halben Lauten sidi
vernehmlich machte, geht weder ans vom Subjektiven, noch
ist er metaphysisch zu nennen in der herkömmlichen Be-
deutung. Er beginnt von einer Analyse des Gegebenen
in seinem gesammten Umfange, um aus dem Scheine des-
sdben zu seinem Wesen vorznMngen, dem Zusammenge-
setzten und Wechselnd«fi seinEinfaches undBleiben-
d e s Hibzugewinnen. Vora^us gesetzt werden dabei, als
gültig und überall anwendbar, die Denkgesetze der Logik, und
der philosophische Forscher |[laubt hier mit dein ihm ange-
borenen Denkdpparatc eben so unmittelbar und zuversicht-
lich an die Sache gehen zu können, wie der nichlphilosopiu-
sehe es zu thun gewohnt ist, und ihm es zugestanden wird.
Die metaphysische Forschung ist' nur dadurch venschiedcn
lufch ihren dreü llaoptaleaiettteii. 1035
^on der empirisdien , dMs jeao die allgemeinsten TMt-»
Sachen ihrer Analyse unterwirft , und weiter , ab dieae^
^Bxtm schlechthin Einfachsten, gedankenmässig Unzersets-
baren, gelangen wilL Ehio so erzeugle Metaphysik , so
sehr sie innerhalb des Entdeckten auf exakten Beweis An««
Spruch macht, darf daher, ebenso, wie die andern, an der
Hand der Empirie sich entwidcelnden Wissensdiaften, etae
Granae ihres IV)rschens, ebenso Ntchtvoilcndnng und Ldk-
ken in ihrem Resaltaie sich zugestehen. — Jedermann
sieht, dass wir die durch Herbari unter uns vertretene
nichtung des Philosophirens meinen. Sie hat sieb gegen
die beiden andern Standpunkte völlig beziehungslos und
iusseflicfa verhalten, und darin ist wohl besonders die Ur**
Sache zu suchen, warum sie bisher nicht zu allgemeinerer
Einwirkung und zu einem dauernder erregten Interesse in
der Gegenwart gelangt ist Ab^ nach den wahren wissen«
schäftlichen Antriebeii und den stichhallenden Resultaten,
welche dennoch auch in ihr liegen , mnss diese Isolirung
äuAoren ; wir glauben ihre bleibende Stelle zu kennen, in
einer umfassenden Metaphysik. Wenn jedoch bei unsem
eigenen philosophischen Bestrebungen die Beziebui^, in
weiche wir Erkenntnissichre und Metaphysik setzen, Aner-
kennung und Einwirkung gefunden hat ; so ist doch die Seile
unserer Metapliysik, nach welcher wir ein Monadisches, Sob-
staiNielles im Endliehen nachweisen und so die Her hart*
sehen Principien in den ganzen Plan einer Metaphysik or-
ganisch aufnehmen, bisher nur sehr geringer Aufmerksam-
keit gewürdigt worden. Wir haben mit Absicht daher die
Erwähnung Herbarts und unseres Verhältnisses zu ihm
bis an das Ende aufgespart. —
Der erste Bildungsstandpunkt, weicher vom Menschen,
näher von dem Wesen seines Brkenneps und der Mdglioh«
keil der Wissenschaft, der Philosophie, ausgeht, hat sich
von Locke, dorch Berkolei und Hume hindurch, bis
auf den Idealismus Kants und auf Jacobi's Unmittel-*
barheiiatheorie , stetig und in den einzelnen Pbilosophieen
0lreng in einimder greifend , entwickelt. Das BiM dieser
lOaS Die PlMtoiO|ilrie der Gegmwtrl,
BniwicUmg b^ben die beideii ersten Büeher dieses Vfctksi
vorsttfiyiffen gewoht.
Des vollständigste System vom Standpunkte desSubiektiven
hat Fries gegeben, indem er dabei die durcfagef&farle Be-
flejdon und Abscheiduag des Subjektiven vom ObjekUvett durch
Kant mit Jacobi'sGhiuben an die Unmittettmifceil des Be>
wusstseins verband. Sein Verdienst und sein Becht, die Ka o.
tischen Resultate einmal voraussetzend, in Jacobi's
Unmittelbarkeitslehre einen ergiinsenden AbseUnas wenig-
atens au suchen, mnsste ihm zugestanden werden; aber es
ergab sich bei näherer Kritik , dass die Kant ische Konse-
qoenz nicht widerleg! werden könne durch jenen Begriff
der Unmittelbarkeit und des reinen VemnnRglanbens, es sei
I40SS ein äusserltches Nebeneinanderstellen beider, an sich
unverirüglicher Standpunkte. Aber ebenso sei von ihm ver-
kannt worden das von Kant schon gefundene Grandfcrite-
rium der absoluten VemunflaUgemeinheit, in ihrem specifischen
Gegensatze von dem nur empirisch Ursprungliehen« Hierin
liege Kants oigentiicbe erkenntnisslheoretische Entdeckung
und der weili^e Uebergang in die folgende Philosophie.
So konnten wir . die eigentliche Lösmig des Erkennt-
nissproUemes und die wahre Erklärung von der Einheit
des Sutyektiven und Objektiven nur indem Idealrealis-
nius finden, wio derselbe, dem allgemeinen Begriffe nach
in Fichte's spiterm Systeme, realphilosophisch durchge-
führt, in Schellings Lehre begrfindet ist Das Sub-
jektive unsers Erkennens reicht nur dadurch in die Weh-
Objektivität hmein , vennag das Wesen derselben zu sich
hinüberzuziehen, in den Begriff zu erheben , indem es
das Eine Vernunflprincip ist, welches, dort objektiv sdio-
pferisch , hier subjektiv eriiennend , in beiden aber ohne
allen ursprünglichen Gegensatz vemuni^mäss wallet. Die
Welt muss alle ihre Hefen unserm Erkennen aufscUiesseit,
weil sich ihr bewusstlos Tiefes im Erkenntnissakte nur sdlNit
erkennt : denn Alles (Weltwirfcliche) ist nur Vemunft, eis
ursprünglich Subjektives, dem (kommendmi)Bewiis8twefdea
Zugebildetes. So weit d<^ Standpunkt Schellings «ad
ntch ihren droi Uauptelementen. 1037
H e g e i 8 , bis wie weit eine ToHsländige Brkeantnisdehre
ihn zu begleiten hat; denn darin erst ist das Problem des
Brkennens vollständig gelöst. Aber diese Weltvemunft
(der Wellgeist) bedarf an seinem Theile einer objektiven
Erklärung: in ihr liegt selbst ein neues Problem^ das Pro*
bleno der Metaphysik ; und so erzeugt die Erkenntnisslehre«
indem sie sich volieadet , die Aufgabe der Metaphysik,
fordert dieselbe. Aber wie hier dieser Uebeigang in
die Metaphysik begründet wird, ist das Absolute i^selben
gleich Anfangs um eine Stofe höber gerückt , als in dem
ültern Systeme Scfaellings und in Hegels Philosophie:
es ist nicht mehr die blosse Identität des (Welt-)Objckli-
▼e« und Subjektiven, sondern das Wesen, welches. jene
Identität selbst aus sich verwirklicht , in dmn unendlichen
Objektiven und Subjektiven der Natur und des Geistes die
Vetnunft, als das darin Identische, setzt ; ebenso daher ihrö
Ursache ist, wie das eigene Wesen ihnen einbildet; d.fa.
ihnen immanent ist, nur vermöge sein^ Transscendenz.
Und diess, diesen Uebergang von Erkenntnisslehre in
Metaphysik, wie den daraus sich ergebenden Standpunkt
und Um rang unserer Metaphyrik , dürfen wir von dieser
Seite als das Neue unseres Systemes ansprechen. Aber
es ist ein Neues , gebieterisch durch das Alte bedingt und
gefordert.
Ebenso sind dabei, an einer weit sich durchziehenden
Kritik des Kantischen Raum-« und Zeitbegriffes, die ent-
sohmdenden Polgen seines Missgriffs nachgewiesen wor«*
den, die von ihm streng erwiesene Ursprüngiichkeit und
Unabtrennbarkeit derselben von der Anschauung des
Wirklichen (ihre Apriorität) im bloss subjektivem Sinne zu
nehmen ; überhaupt das Apriorische als ein bloss subjektiv
Aligemeingültiges zu fassen. Dieser Missgriff in Betreff von
Raum und Zeit zeigte sich , wie ein Voriirtheil , fast der
ganzen folgenden Spekulation aufgeprägt Das Räumlich-
Zeilltehe wurde für zu gering gehalten , und unfähig , die
Wahrheit, das Ewige, Göttliche, rein darzustellen ; diess worde
in ein abstrakt unverständliches Jenseits über Raum und Zeit
1038 Die Philosophie der Gegenwart,
Terwiesen wid demGlaabeii md der Ahirang,iineriiennlnir, mr
Verehnmg hingesteHL Z\?ar wurde diesen Gmndirrtbiiine
dem Princtpe nach schon durch die Sohellingsche Pht-
iosophie ein Ende gemacht; abor weil er nicht historisch
an seuier Wunel , der falschen Raum* und Zcittlieorie
Kants, angegriflfen wurde, blieb ihm gewiflsennaassien
das Recht, sich noch in seinen Nachwirkungen auf die aH-
gemeine BUdung, selbst bis in Hegel hinein, tu behaup-
ten. Dessen Voniehmheit gegen die Natur , die Spuren
jenes unverständlichen und unerklärten Dualismus in seinem
Systeme, sie Ar das nur Aeussere , Negative , AbgeraUese
des absoluten Bogriib zu eiUiren , sind die letzten Beste
jenes Vonirtheils. Und auch aonst muss man gestehen,
daas die Unklarheit unter den Philosophirenden über jene
beiden Fundamentaibegriflb noch die grösste seL Diesm
hofft nun unaere Kritik, der Metaphysik vorarbeitend, durch
Nachweis«^ der historischen Genesis des Irrthams ein
Ende gemaohl au haben : Zeit und Raum sind Nichts a n
sich selbst, sind keine (besondera) Formen, in welche
die Bealitit entrite , und die so , ans sich selbst das an
sich unzeitliche und unräumliche Reale formirend, pder es
in die eigene Kxistenz- (oder Erscheinungs-) Weise her-
Attemehroend , dadurch zur blossen Erscheinung degra-
dirten. Das Reale selbst , als sich Verwirklichendes , ist
dadurch raum^eltlieh, wirkt sich dazu aus; alles Wirk-
liche isl eben darum auch ein Riumliehes, und das Ewige
ist nur als die unendhche Zeit. Der ,^inneoschein%
durch welchen sich der reflektirendd Idealismus so sehr
beunruhigen lasst , lillt in ein wtiit engeres Gebiet ; der
Reaüsmus ist dadurcli auf eine aene Basis gegründet —
Das zweite Hauptelement der gegenwartigen philoso-
phischen Bildung ist die durch Hegel nea begmndete
Metaphysik (Logik). Sie ist ihm ebenso die Lehre vom
Absoluten (dem höchsten Realprincipe), ab von den all-
gemeinen Wettformen, den Kalegorieen (Formalprinci-
piea der Dinge). Dass es ihm hierbei keinesweges ge-
lungen sei, weder Beides bestimmt genug zu untersdieideB,
nach ihren (h-ci Hauptelcmentcii. 1039
noch das Eine aus dem Andern herzuleiten, hat eine ausk
iuhrliche Kritik seiner Logik gezeigt« Dennoch bleibt dess^
halb der ganze Gesichtspunkt und das Uauptresultat der-^
selben um nichts weniger ein entscheidendes : es isl die
Nachweisung des dialektischen Verhältnisses, der innerlich
^schlossencn Einheit der Kategorieen. Sie stellen eine
gegliederte Stufcnrolge von Welttbrmen dar, zu einem höch-
sten Ziele sich vollendend, sie sind ein absolutes YernuiiiW
System. Dieser einfache , grosse und kühne Gedanke is^
das eigentliche Erwerbniss Hegels, wodurch das Axiom
Leibnitzens, dass das Dasein ewiger, schlechthin all-
gemeiner Wahrheiten auf ein Verstandespriflcip in Gott
deute, seine objektive, sachliche Begründung erhalten, we-^
nigstens diese vorbereitet hat Die Aufweisung eines solchen
Vernuntlsystemes nämlich, wie es sich in der Weltunend*
lichkeit verwirklicht zeigt und das Fundamentale aller Welt-
erscheiuungen ist, kann aber nicht, wie bei Hegel, ein
Letztes, die spekulative Erkenntniss Abschliessendes, selbi^t
das Absolute sein : hier zeigt sich die schon oft von uns
beleuchtete Nöthigung , aus Immanenz in Transscendew
überzugehen , von einer neuen Seite. Jenes Yernunftsy^
Stern der Welt kann seinen vollgenügenden ErkKtrungsgrund
nur finden in einer es denkenden absoluten Vernunll,
aber nicht also, dass diese allein schaffend es dächte,
dass ihr Schaffen und Denken zusamnienfielen und das
Identische waren, bei welcher Meinung Hcgei verblieben,
— sondern dass im Denken jenes System der Weit^ eben
weil es ein solches ist , ewig , vollendet , jeder Genesis
entnommen, existiren musste : das ewige Welturbild in dem
ewigen Verstände Gottes. Nur so endlich wird die Gni»d-
thatsache einer Weltvernunft, und das metaphysisch alige^
meine Denken derselben (in uns) erklärbar, dass Gott der
Urmolaphysiker ist, somit es in ihm eine unserm Verstände
anakge Maeht geben muss. Aber d>eiiso folgt daraus, dass
nicht diese die weltschöpferische Potenz sein kann: ans
ihr allein vermöchten wir das Welldasein nicht zu erkla-
ren; denn in ihr ist es nur das «rbildliche^ Eine, unaus-
IMO Die Philosophie 'dnr Gegenwart,
dritckliche, mit in oiniisder gesogenen, ungesdiiedenefi Ge-
^nsaUen: das Gcgentheil seiner WirkJichkeU. So-
nach ist noch eine andere, verwirklichende Macht in Golf
Ztt denken, welche nur in Analogie mit dem, was wir am
I endlichen) Geiste den Willen nennen, sich begreifen
Idsst. Diese Kategorieen, Verstand und Wille in Gott , in
dieser Folge und gegenseitigen Bedingung von einander
(vgl. S. 750. 779. f.), — erklären allein erst, schliessen
daher ab, die Weltkalegorieen ,. obgleich diese nicht min-
der, wie jene, ebenso Grundbestinimungen des Weltdaseins,
wie Gottes, sind. Das Ende der eigentlichen Logik (On-
toiogio), der Lehre von den Weltkategorieen im Absolo-
ien, geht daher über in die Möglichkeit und die AuTgab«"
•eines metaphysischen Erkcnncns Gottes — der spekulativen
Theologie , welche zugleich durch eine neue Schöpfungs-
und Weltzwecklehre der siiekulativen Betrachtung der Na-
tur und des Geistes (Natur- und Geistc^hilosophie>^ eine
festere UnterInge geben zu können hoOt Unvollendet für
sich selbst ist aber auch jene (die Metaphysik) bei Uegel
in der doppelten Beziehung geblieben , indem er jene Ka-
tegorieen oder Grundrormen alles Wirklichen nicht bts'zii
ihren Gipfel und zugleich zu dem Begriffe hindurchgeiuhrt
hat, welcher ihre eigene Möglichkeit zu eridaren vermag,
zum Begriffe einer absoluten, denkend- wollenden Persön-
lichkeit, dadurch zudem auch mit dem Begriffe des Abso-
luten bei einer untergeordneten und zugleich unverständ-
lichen Abstraktion stehen geblieben ist : jenes System der
Kategorieen selber , die in ihnen durchwaltende Einheit,
welche verständlicher Weise doch nur in unsenn Denken
oder in einem Urdenken existiren kann , wird, durch eine
seltsam sich selber uiissyerstehende Hypothese, zum Abso-
luten erhoben , als die ,ySich denkende Idee^ , der «sich
wissende Begriffe, — was iur das Absolute eben nur aus-
gegeben, nimmer aber begreiflich gemacht oder wirklich
verstanden werden kann.
Daher nun auch, wie wir nachwiesen, die Dunkelheit
und Resultatlosigkeit von Hegels Logik im Ganzen, bei
nach thren drei Hauplclctncnten. 1041
der unslreiligen Wahrheit und dem Erfolge ihrer dialekti-
schen Nachweisungen im Einzelnen: daher insbesondere
ihre stetö Vermischung des Metaphysischen und Erkennt-
nisstheoretischen , welche sich am Schlüsse des ganzen
Systemes nur wiederholt und sich steigernd vollendet. Hire
Fortexistenz kann sie daher allein durch Wiederauflösung und
bestimmtere Sonderung der in ihr verwachsenen Elemente
finden , und in der Verarbeitung derselben zu einer um-
fassendem Metaphysik. Der Entwurf der unsrigen hat sich
daraus ergeben, und zugleich darin wohl auch der Beweia,
wie sie die einzig rechtmässige Fottsetzerinn sein möchte
der durch Scheiling und Hegel gegründeten spekula-
tiven Bildungsepochc.
Der erste Wendepunkt ihrer neuen Weltansicht lasst
Sich füglich in den Begriff jener doppelten und doch iin
Verhaltnisse gegenseitiger Bedingung stehenden Trinität Got-
tes zusammenfassen , -« der ersten , als seiner sqlbstan-
schauenden, bewussten Persönlichkeit, der andern, als der
höchsten Gestalt seiner Weltimmanenz (S. 984 — 89.)v
In. diesem Doppelbegriffe werden die beiden fernsten En-
den der Spekulation , der Gipfel der Metaphysik und das
höchste Ziel realphilosophischer Weltbctrachtung , ebenso
auf einander bezogen, wi6 doch durchgreifend unterschie-
den. Auf dem Zusammenfallenlassen beider beruht
aller Pantheismus : durch die Sonderung derselben, zu-
gleich aber die nothwendige Wechselbeziehung und Be-
gründung beider in einander (und zwar theils metaphy-
sisch , theils innerhalb der Weltrealität) , ist der concreto,
das grosse Recht des pantheistlschen Princips erkennende
und zur vollen Wahrheit bringende Theismus gerettet.
Gott ist der dreieine , selbstbewusste , vor der Welt ; aber
die Kunde und Gewissheit davon giebt uns die Thatsache
euier solchen Welt, nicht allein, als des allgemeinen
Vemunftsysteroes , auch nicht allein die Thatsache eines
(kreatürlichen) Geistes in ihr, — obwohl auch diese ge-
nügten zum Beweise eines Geistes Gottes von Anfang —
sondern in der Well des Geistes abermals die höchste
66
1043 Die Philosophie der Gegenwart,
ThalMirlic einer Hciligiingf desselben, eines neuen Cäsles,
der über den Menschen kommt, macht jene ferne göttUche
PersönUchkeit zur nahen, unmittelbar gewissen , und sieill
das Metaphysische in den Kreis des Begreiflichea , erieb-
bar Thatsäcblichen hinein. Die grosse Lehre, welche sich
durch alle Religionen hindurchzieht, aber erst in derRdi-
gion der neuen Weit gewiss , ein Faktisches geworden isl
in jenem Sinne, dass der göttliche Geist menscUicber Katar
sich einverleibt , diess höchste , tröstlichste Resultat aDes
metaphysischen, wie empirischen Erkennens, erhält in un-
serer Weltansicht daher eine Bedeutung — einestheils für
den metaphysischen Begriff des götUicfaen Wesens: der
Golt nur solcher Thaten und Entschlüsse ist ihr der wahre;
— aber andemtheils muss doch dieser volle Beweis des
Geistes Gottes durch die ganze Natur bis in die Weltge-
schichte hinein, eine metaphysisch also verstandigte Philo-
sophie zum Anerkennen und Begreifen jenes Faktums
der OIFenbarung fortieiten : diese schliesst ihr erst den Kreis
der durch die Natur und den Menschen hindurch sich stei-
gernden göttlichen Thatsachen ; eine so weit gedideue
Philosophie, wenn sie den Sinn ihrer Metaphysik nicht ver-
laugnen will, kann ihren Umfang nur (ur vollendet achten
in dem Begreifen jener götUichmenschlichen Thatsachoi der
Weltgeschichte ans ihnen selbst. —
Es bleibt noch übrig, des dritten Bildungselementes zu
gedenken , lur welches , um seiner bisherigen Isolirang
wiHen, die allgemeinsten Vorfoegriffe in Leibnitz abge-
rechnet, sich bei den vorigen Systemen, kein Anknäpfimgs-
punkt ergeben wollte. Es ist dasjenige, welches von Unten
auf, von einer genauen Analyse des Gegebenen her, die
Metaphysik erbauen will. Schon in einer altem Kritik der
Herbartschen Lehre nach ihren Prineipien*) haben wir
*) Ueber Gegensatz^ WendepQokt und Ziel «.f. w«
Heid eibers 1932. Bd. f. S. 230-293. VgL & Q9U f.
nach fliren drei Hauptelementen. 1043
auf den Ponkl hingewiesen, durch welchen sie nnserer An-
sicht nach specifisch neu und wesentlich ergfinsend in
die ganze bisherige Bildung eingreift, und so ein Element
der eigentlichen Gegenwart und einer neu daraus zu bil-
denden Zukunft enthält: — aber auch das theils Falsche,
theils Eingeschränkte ihrer Methode, die mangelhaften
Grundvoraussetzungen , über welche sie nirgends hinaus-
kommt , und die ihre spätem Bearbeiter mehr durch mil-
dernde Darstellung aus den Augen gerückt, als innerlich
beseitigt haben, mussten dabei zur Sprache kommen. Un-
sere Kritik war, historisch beurtheilt, die erste principielle
jenes merkwürdigen Systemes. Aber von Beiden, der An- *
erkennung, wie dem Tadel, vermöchten wir kaum Etwas
zurückzunehmen; andere Stimmen haben im Wesentlichen
nach beiden Seiten hin diess Urtheil genehmigt , und so-
gar aus dem Kreise seiner eigenen Schule wird ihm ein
ähnliches Gutachten entgegengebracht, so dass diese
Lehre auch aus sich selbst früher oder später zu einer Er-
weiterung ihrer Methode und ihrer Principien genöthigt
werden wird *).
*} Wir meinen fatermit 4ie ausf&brliche und «eh« rfs innige Kritik ,
mit weicher nevllch Strümpell („tl ie Hauptpunkte
'<ler II erbartschen Metaphystk» kritisch be-^
I e u c h t e t*< 1840.) die sämmtliciieii metaphysischen Princi-
pien und Resultate seines Lehrers geprüft hat. Der Verfasser
ist derselbe y welcher, als unsere Kritik erschien, diese in
einer apologetischen Schrift ffir Her hart sehr unsanft und
ziemlich summarisch als eine gana Yerfehlte abfertigte. Jettt,
im Verlaufe seiner eigenen ForthHdung, ist er auf anderm
Wege Bu demaelben wesentlichen Crtheile ul^r die He r bar t-
•che Metaphysik gekommen, welches wir damals behaupteten.
Er zeigt (8 125.) das „Unsnreicbende'' in den metaphysischen
Grundbegriflen Herbarts, um das Gegebene tu erklaren,
gans so wie wir die Wahrheit der ersten ßeg;>iffe Herbarts
anerkannten, aber sie nnTollständig und weiterer (dialekti-
scher) Krgänsnng bedürftig fanden , um die rolle und auch
der £>kläniug des Wlfklich^n näiier kommende Wahrheil zu
1014 Die Pbilosopliic der Gegenwart,
Das Vordienst von llerkarts qualilativem
ist, den bloss uiechanischcn Atomistikern and der l'ormeUen
Philosophie gegenüber, gegen beide bewiesen, überhaupt
bis zar unwiderstehlichen Evidenz festgestellt za haben,
dass das Qualitative, das spccifisch Unterschiedene in den
Wclterscheinungen, sich nicht erklären lasse aus bloss quan-
titativen Formen (aus Atomen oder Molecülen von verschie-
dengefonnter kleinster Gestalt, wie Epikuros und die spa-
tem mechanischen Physiker behaupteten), noch auch sonst
aus bloss formellen Principien, — wie, wehr durch die
erhalten. ladem nun aber Herbart iUe$e innere Ergänzoog
von diesen einfachsten Begriffen ausdruckliih abhält, sei er
genüthigt, ein bloss Hypothetisches dazuziimischen und so dem
Realen untersuschieben. Sein Fundamentalbegriff von den
Y,Sturungen und Selfosterfialtungen einfacher Wesen*' sei nidils
als eine solche Hypothese^ eine Fiktion, an deren Stelle auch
ebenso gut ander« treten konnten , weil die ausftchUcMlicbe
PJothweudigkeit , nur auf sie zuriickztikoninien , keinesweges
dargethan sei^ und so werde ein bloss Denkbares , ein will-
kuhrlich Angenommenes für ein Reales gehalten und in eine
Reihe mit dem Gegeli^nen gestellt (a. a. O. S. 267-72.)- Gerade
dasselbe weist Strümpell in der ausführlichen Einzelkn'Uk
nach f indem er in Bezug auf jene Grundannahme ron den
Störungen und Selbsterbaitungen einfacher Snbstanten es
ausdrücklich nachweist (S. 127 ] , wie dieser Begriff nur aaf
einer Erschleichung beruhe, welrhe das Formelle der
Denkoperation mit dem Realen Terwechselt und
auf dieses überträgU So wird auch besonders in
den folgenden Abschnitten seines Werkes mehrfach nach-
gewiesen , wie die blosse Denkbarkeit , das Nichtwfderspre-
chende, von Herbart in's Reale erhoben werde, im
Widerspruche gegen den eigenen Geist seines uethodischeo
Verfahrens, das Gegebene rein «und unentstellt sn erhalten.
— Wir können mit dieser späten und unbewussten Anerken-
nung unserer Kritik nur zufrieden sein , indem es uns ein
unwidersprechliches Zeugoiss scheint über den objektiven
Charakter jenes Systems, welches gerade, wenn es seine bis-
herige Form nud deren Ansprüche aufgiebt , au einer gaai
neuen Wirkung und Anerkennung berufen sein möchte.
mich ihr^ii <rei HttiiplefemeiiteQ. 1045
LAcke, welche da» He gel sehe System hier läbrig lissl,
als durch ausdrückliche Behauptung und Lehre , diess das
Resultat desselben ist: — vielmehr sei es in seiner 6 rnn d-
Bpecifikation ein durchaus Ursprüngliches, selt^
lieh Unentstandenes, darum auch wahrhaft Unvergängliches,
Indestniktibles , keiner wahren Veränderung und keinem
Uebergehen in ein Anderes unterworfen , das schlechthin
Beharrliche im Wandel des Gegebenen, und in den wech-
selnden qualitativen Erscheinungen desselben das unver-
tilgbar Einfache.
Aus dieser Analyse des Gegebenen ist das wick-
tige Resultat hervorgegangen, dass im Endlichen ein qua-
litativ Substantielles, Urunterschiedenes , zugleich aber in
unbestimmbarer Mannigraltigkeit desselben, eine qualita*
live M^nadenwelt gesetzt werden mAsse. Herbari
hat dadurch, freilich ohne es ausdrücklich zu beabsichti-
gen, den Pantheismus von Unten her, faktisch, so zu sagen,
— ans einem Grundfaktum der Welt , widerlegt. Jener,
weicher die einzige Substantialität des Endlichen nur im
Absoluten erkennt, hat durch die Nachweisung, dass die-
ser Begriff schon an der nächsten Erklärung des Gegebenen
scheitere, den Todesstoss erhalten. Diess ist eine entschei-
dende metaphysische Entdeckung : ans ihr ergiebt sich erst
der voUsUndige Begriff des Endlichen , damit aber auch
von dieser Seite her die Nöthigung, jenem Begrilfe ge-
mäss das Terhältniss des Endlichen zum Absoluten neu
herzustellen. Diess sind jedoch für Herbart, wie fltar
Hegel, jenseitige Fragen, zu denen doch beide Systeme
den bestimmtesten Antrieb in sich enthalten. An welche
Stelle un Systeme der >Kategorieen jener Beweis filr das
Monadische im Endlichen und der neue Begriff des Bnd-
lichen zu fallen habe, darüber müssen wir auf unsere me-
taphysischen Darstellungen verweisen, welche zugleich die
kritische Beziehung auf ihre beiden Vorgänger nicht aus
dem Auge gelassen haben ^).
•) Ontologid, 1836. J. 108. ff. J. lU. 5.225-254. Zur »p«.
10^ m^ Pliiiosophte der GegeaMrl,
Aa j«ne Binsidil reilil sich ergäiUBettd der wichtige^
noch direkter gegen Hegel gewendete SaUs , dass die
Vortlelhing eines «reinen Werdens^, als eine vöHtg
widersprechende , undenkbare , ganz abgewiesen werden
müssen. Das Phänomen des Werdens , der Verindeiiich-
keil überhaupt, weil entfernt, Ar einen der einfachsten Be-
griife , bloss für die Einheit von Sein und Michls gehalten
werden zu können , sekliesst selbst ein sehr oompUeiites
Problem in sich, welches erst an einer weit spilem SleUe
der Melaphysik, nachdem viel concretere Begnttb festge-
slelll sind, gelöst werden kann. (Vergl. oben S* 870. flU
und des Verfassers Ontologie $• 12* Anm. IL S. 65. ff.)
Herbart bat auch dadurch den gegenwärtigen meta-
physischen Uniersttchungen einen umfassendem Spidraom
«nd neuen Aufschwung verliehen. Wekbe Sditze auf
dieser Bahn der Untersuchnng ifir die Metaphysik im „Ge-
geben en^ noch liegen mögen, — ein Begriff, auf des*
sea Beachtung Her hart gerade hingewiesen, -^ möchte
noch lange nicht erschöpft sein. Man musste selbsl nnr
nicht mit Her hart so unverruckt stehen bleibett bei dem
«nfugsamcn, jeden tiefem Unlerschied und jede innere
Wesensabstufong abschnetdenden Begrifib einbcher quali-
•tattver Wesen.
Ob daher ausser jenen beiden Bntdeckmigeii der wei-
tere Fortgtmg der Wissenschaft von Herbarts metafriiy-
istschen Principien noch mdur wird mit sich Tortnehmea
•können, «- wir zwcifdn vorerst «biran , — diess m^g die
Zeit lehren. Doch isl auch jenes hinrdebend , um der
Spekulation eine ganas neue Seite m öffnen; denn olen-
bar «wird es nach diesen Prämissen nicht aus metaphysi-
jKhom Denken der Formalprincipien, — eine sogcnamilc
AbleUttng apriori oder eine immanente Begriffsdialektik
ecigt sich für diese Untersuchungen vielmehr als gnus
unzureichend , *- sondern aüein aus der Bearbeitung des
kulativeu Theologie ia iler Zeilsclirift für Pbt-
losophie 1830, Bd. V. H. 2. §, 23. S. 179-65.
naeh Hireit drei HmqitdemeiitM. i047.
begebenen ztt beantworten sein ^ welches die wdtem Na-
tur und innere Abstufimgr jener im Wechsel der Eraehei«
Hangen briiarrlichen Weltsnbatanaen sei. Diesa wird Ar
die Rea Iphil osoph i o die eigendidi grundlegende Präge
-werden; es sind die Kategorieen der Natur imd
des Geistes, — das ausgeführte Bild des Weltsyw
Siemes, dessen allgemeinen Begriff, — als der objekfireii
Vernunft, die ebenso wohl den Weltzweck, als den imma-*
nenten , allgegenwärtigen , setzt , wie innerhalb dessetben
eine Reihe von Zwecksteigeningen und darin den schlecht«
hin höchsten Zweck enthält, — die Metaphysik ebenso nur
im Allgemeinen aufzuweisen vermochte» Erst wenn jene
Zweckrethe auf erfahningsmassige Weise ohne Locke dar-
gelegt ist , wird sich der immanente , wie der kMiste
Zweek der Dinge begrifflich und empirisch zugleich er-
kennen lassen : es ist, von Seiten der N a t u r, die Stnfe»»
folge der Weltwesen , das natiörliche System der Dinge,
welchem die eine Hälfte aller empirischen Erkenntnisse di0.
Nffturforschung , als ihrer höchsten Aufgabe nuehzugekea
hat; es ist, von Seiten des Geistes, die durch alle Frei«
liett des geschichtlichen Geisleslebens sieh hindurchzidieiMb
Nothwendigkeit, der absolute Zweck der Geschichte, wet-
chem die andere Hälfte der Forschung, die Historie, dvcb
alle Erscheinungen und Umwege derselben nachzugehen
hat Wenn beide ihre Au%aben gelöst, das concreto WelU
System erbaut haben, wäre das Zid auch aller netapiiysi^
sehen Wissenschaft erreicht. Es würde dann mchl mekr
der Metaphysft, als einer besondem, „reinen^ Wissenschaft
bedürfen; sie hätte sich äberflOssig gemaebl, indem die
Vernunft der Welt und ihr höchster Zweck «n dem Sy-
steme der Thatsachen empirisch erhärtet zu werden ver»
möchte. Erst dann würde aber die Spekulation ihre e»«
gentliche Evidenz errungen haben, die nur in dem vöBigen
Eingehen des Begriffs in die Anschauung gefunden wer-
den kann. Denn nach dem wahren Verhältnisse der Sache,
hat der Begriff sich der Anschauung immer adäquater zu
machen , nicht die Anschauung sich in jenem zu abserbi«
lOIB Ofe PyioMfUe der GagemmHt
ren^ um die wahilidleii wa rmrim, — Em wiie diess «He
Epoehei welche wir als d«s eifeiiUicIie Ziel vui die Voll-
endinig d^ Spekulation« ale das apekulativ anscliaii-
ende Erkennen beseicbnelen « wo der bidier unver-
meidliche Gegensatz von Begriff md Anachauung , Meta-
physik nnd Erfahrung , als ein fiberflitesiger verschwinden
wArde , — <* in einem andern Sinne jedoch , als wohl nnch
vom Heg eischen Principe aus dieser Gegensatz f&r ntf-
gehoben gelten könnte. Hier ist es die Immanenz des Be-
grüfes und seiner ans sich selbst spinn^den Dialektik,
der sich selbst denkende absolute Begriff, welcber kei-
ne Wahrheit ausser sich übrig lasst: nach Uegel wire
das Ziel aller Wissenschafi , die Empirie in Metaphysik za
verwandeln ; nach .unserm Standpunkte eriLonnt die Meta-
physik an, dass sie selber die Abbreviatur des Univ^wnns,
dan AllgemeinbUd der grossen Verhältnisse des Wirklichen
sei, das sich immer weiter in's £in:^ehie auszuführen hat
Je mehr daher die Erfahrung eine stetige wird , dmi in-
nem, nothwendigen Zusammenhang ihrer Theile und Ue-
befginge begreift, desto eigentlicher wird sie spekulativ,
duie abbrevirend , metaphysisch , sein zu müssen. Es ist,
diese Einsicht sich klar zu erhalten, jetzt doppelt nothig —
nach entgegengesetzten Seiten hin , nach der eines Alles
veischlingenden Metaphysicirens, wie nach der andern einer
in*s Endlose sich vereinzelnden» hartnäckig den Ideen sich
versdiliessenden Empirie , welche , um jener halbwahrea,
noch mehr von ihr unverstandenen Allgemeinheiten willea,
rieh herausnimmt, feindlich oder veraditend gegen die
Spekulation sich zu äussern«
So sehen vrir einer reichen philps^hischen Zukunft
entgegen, und Systemen , nach weit grösserem Maassstabe
und mit mächtigerer Kombination der Ideen entworfea,
als sie bis jetzt möglich waren, wo die universalen W^t-
ihatsachen selbst noch dunkel und empirisch undurchdraa«
gen vor uns lagen. Je mehr aber jetzo die andern Wn^
senschaften , besonders die der Naturforschung, in diirek<»
greüenden Entdeckungen mit einander wetteifern, was sie
Jiaek tbroB dr«i ÜMpteien^ntoii. t«49
nur üitem flldigim Foitioiiveiteii Hd der femeMMuneti
Förderung verdanken 9 de«lo mehr kötmle iie PkÜOMpWe
Gelegenheit haben , auch ihreiseila sie nachmahmen , und
den Segen dietos sIeUfen Gangies nnd «dieaes innai€hligen
ZnanminenwirlBens an jenen m erkennen.
Hnch manchen Anaeiehen der letstan Zeit nfimUeh n
urlkeilen, kann die FkOoserkie näduldeni in Gefahr eebai-
nen, alatt dieaea gevBdnaokten Fertaehrettens in einem aler
Ugen Büdnngfigange sich iviedisr in*a willkuhBKeh Unf^
wisse nn verlieren , über ihren wahren Brwerb nnd Ge-
saniniMandpnnkt deaarientirt au werden, iind nur neu aem
zu wollen in halb- aafiHiger Kembinaiion alter Princjpien
oder in anbjdttiven SehatfsinBiigketten. Die Geachtohie der
Phileaepfaie, dar kritia<Ae FeaiMeilen «Iterer Standpunkte,
welehes jetsi wieder das ToUe und gerechte Int^resae er-
regt, ist dennoch nicht dazu beistimmt, um einen denselben
als den vorzugaweis berecbligten hervorattzieben , sondern
durch die Erkenntnias aller und ihres gegenseitigen Veiv
haitniases sieh von solcher Ausschliesslichkeit fitei zu ma«
chen, und doch von aUen ihr Resultat erworben au
haben.
DemnngMKfttel ist diess unsichere Fortschreiten der Phi«
losophie, Und Ihr ^vielfaehes Unbertasten und Versuchen,
selbst ihre Wiederkdungen , weit weniger subjektir und
ztiMKg, als es scheinen kßnnte. Es ist diess nnabtrenn-
lieh ven Jeder ffire Prineipien erst suchenden ^ ober ihren
allgemoinen Umfiing und die Ordnung ihrer Tbeilo sich orien-*
tirendea Wissenschaft. Die Philosophie ist lediglich noch
in ihrea Anflingen begriffen ; und mag sie historisch, nach
ihren frfihesten Versuchen und Ansätzen, eine der öltesten
sein, so ist sie nach flirem erarbeiteten Resultate die
jüngste^ ja sie >kat eigentlich erst jetift zu beginnen , weil
sie liber ihre allgemeinsten Begriife^ und den einstweiligen
Entwarf ihres eUcyklopadischen Zusanunenhanges noch nicht
hiaaisgekomnien ist. Wie wenig nodi Dauerhaftes, Ge-
sundes, definitiv Abgeschlossenes an den grdssten Syste-
[ men der Gegenwiurt gefunden werde, hat unsere. Kritik
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1050 Die Plitlodopliie der Gegenwart,
dersetben gezeigt, und idockKiari «ia muMBitig die
fasseAdslen an InlMK, die ausgebUdeiUlen an Pnm» wekbe
irgend'eine Zeü lierrorgebraohIL'
Dennoch kann dieas VeiMllniw der Philosophie nicht
verwundern. Ueberhanpt ist: aie nur der Creoammtertag
des g^fialigen Inhalts, den das Menacheiigeschlecht vat. dem
jedesmatigen Standpunkte ' seiner weUgescbichttichao Be-
dang errungen hat, lind die fiesionderheilen des fflniihews,
der festgewordenen Sitle,'^ des empirischen Erkennena, niis»
sen erst vorangegangen sein , che die PhiiMopfaie sie in
ihre AUgemeiMeit msammenrassen ud in ihr begieifea
kann. Aber das MensehengesoUeciil-: -^ oder, seine Idee,
das, was es sein sollte und könnte^ mftsste trugen, ?— steht
selber noch am Anfange seiner Entwicklang, jdie Wettge-
sehidite ist , wie ihre Begleitferinn , die Philosophie , auch
noch in ihrer Kindheit Und ausserddia noch «^ die letzlere
bedarf überall eines festgestellten, gepruflen , wohl geord-
neten empirischen Materials zu ihrer Unterlage. Aber wie
jung alle ErfahrungswisscnschallbeB' ,. wie wenig gesichtet
und genau erprobt ihre empirisohen Resultate sind» liegt am
Tage, und es enthüllt sich immer mehr, wie oft ihr Schein*
reiobthum nur A^muth oder VonntheU in sieh sehliesst.
So kann auch dio Philosophie nur noch mit mangd-
hafien, partikularen Prineipien.gebahiten; aber eben, indem
sie diese eu unfvcrsaiisiren sucht, kommt deren Partiknlari-
tät -dabei zur Erkenntniss. Daher für jeixt noch 4ie ein-
seitigen Systeme, denen wir doch ftre Berechtigung sage-
stehen müssen ; denn für bestimmte .Sphären , für gewisse
Thejflc des Gegebenen, haben sie wirÜioh Recht und ihr
Werk ist ihnen gelungen. Wenn nun jeder spekufaitive
Forscher *-* jeder selbststandigie Forscheir überhaupt —
ebenso gut die Neigung hat, wie den Beruf ^ seinem Pria-
cipe Alles sni tmterwerfen und seine Erklirungsweise so
weit als möglich auszudehnen ; so ist fast unvermeidlich
ausgeschlossen Von diesem Thun der voUe Sinn lur die
Eigenthümlichkeit des Thatsächlichen und . für die Seiien
dessdben, welche der einmal gewählten AuUbssmg sieb
nach ihren drei Hauptelementen« 1051
^widersetzen. Sie zu beseitigen oder ihnen Gewalt anzu«
thun, ist daher beinahe allen Theoretikern begegnet. Denn
überhaupt ist Konsequenz des Durchführens und Vielseitig-
keit des Blicks ein schwer zu vereinigendes, ja kaum je-
mals Terbnndenes Talent. Und so geziemt sich Nachsicht
mit der Konsequenz, wie mit den Inkonsequenzen derPhi-
losophirenden ; denn beide gehören eigentlich zusammen :
über nicht die Nachsicht einer nnthäligen Gleichgültigkeit oder
schlafTen Verzweiflung, sondern einer anerkennenden, scharf
abwagenden Benutzung. Auch gegenwärtige Schrift hoill,
wie die frühem kritischen des Verfassers, zu dieser Art
der Verständigung einen Beitrag gegeben zu haben.
Druckfehler.
S. 561. Z. 2. von Oben statt er lies es.
S. 563. Z. 13. von Uulen statt iirth eilb ar I. iint heil bar.
.»
Bonn» gedruckt bei Carl Georgi.
4^
1
BL-T 3 1 1931,
Leqox Library