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Beiträge zur Etymologie
Deutscher Flussnamen
Theodor jLohmey er ,
Dr. phil.
Gfittingen,
Vandenhoeck und Ruprecht's Verlag.
1881.
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B eiträge
zur
Etymologie deutscher Flussnamen
Theodor Lohmeyer,
Dr. phil.
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Gottingen,
Vandenhoeck und Ruprecht's Verlag.
1881.
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Vorbemerkungen.
Da Herr Professor Fick in Göttingen, dem ich
meine in Herrigs Archiv*) erschienene Arbeit „Zur
Etymologie hauptsächlich westfälischer Fluss- und Ge-
birgsnamen^^ vor dem Drucke zur Beurteilung zugesandt,
sich recht anerkennend über dieselbe geäussert imd
mich aufgemuntert, nach den angewandten Grundsätzen
weiter zu arbeiten; da er femer die hier vorliegenden
Untersuchungen seinem Verleger zum Drucke empfoh-
len imd dieselben in einem Briefe an mich „eine gründ-
liche imd durchdachte Arbeit" nennt, sowie hervorhebt,
dass er die Prinzipien, nach welchen ich arbeite, für
richtig halte, wenngleich er im übrigen über deutsche
Namenskunde kein kompetentes Urteil besitze: so glaube
ich nicht, dass es in diesem Falle besser gewesen wäre,
diese memhranae intus poliere, eingedenk der goldenen
Kegel: Delere licehit, quod non edideris.
Sicherlich werden sich manche Versehen in den
nachfolgenden Blättern finden. Sehr oft musste ich mich
z. B. lediglich bei den Beweisführungen bezüglich der
sachlichen Angemessenheit eines Flussnamens auf die
Darstellung der topographischen Karten von Liebe-
now und Reymann verlassen; jedoch auch gute Spe-
zialkarten, zu denen die genannten gehören, bleiben
immer nur unzulängliche Terrainbilder und verleiten
nicht selten zu Ungenauigkeiten. Deshalb bitte ich
derartige topographische Versehen entschuldigen imd
*) im 63. Bande; ich werde bei Verweisungen diese Ab-
handlung mit Abh. bezeichnen.
iviJeJ28145
IV
mir freundlichst mitteilen zu wollen. Auch der Nach-
weis andrer Fehler, die bei einer solchen Arbeit nicht
ausbleiben können, würde mir sehr angenehm sein, so-
wie der Hinweis, dass die eine oder andr^ der vorge-
tragenen Erklärungen bereits von einem andern ver-
öffentlicht sei. Hätte ich noch bessere Hülfsmittel ge-
habt, so würde ich manches viel genauer haben dar-
legen können : fast sämtliche für diese Untersuchungen
notwendigen Bücher und Karten habe ich mir selbst
anschaffen müssen. Man kann ja eine so starke Freude
an wissenschaftlichen Forschungen empfinden, dass man
gradezu mit Leidenschaft arbeitet und keine Mühe
noch Kosten scheut, um einer Sache auf den Grund zu
kommen. Die Etymologie hat mich schon auf dem
Gymnasium auf das lebhafteste angezogen, wo der um
das Bielefelder Gymnasium hochverdiente Professor
Jüngst uns bei der Lektüre des Mittelhochdeutschen
mit dem Grimmschen Lautverschiebungsgesetze bekannt
machte und wir oft unter seiner Anleitung die mit den
vorliegenden deutschen verwandten griechischen und
lateinischen Wörter finden mussten.
„Alte Liebe rostet nicht": von Zeit zu Zeit bin
ich immer wieder zu diesem Lieblingsgegenstande zu-
rückgekehrt. Als ich nun vor ungefähr vier Jahren
hierher, in das süderländische Bergland, kam, indessen
tief eingerissene Hauptflussthäler sich eine zahlreiche
Menge von Nebenbachthälem von kurzer Länge öffnet,
fielen mir die merkwürdigen, uralten Namen dieser
Bäche und Wasserläufe auf, und so kam ich dazu, die-
selben zu untersuchen. Grade wegen der Menge dieser
Bäche und ihres nur kurzen Laufes, war es mir mög-
lich , die sachliche Angemessenheit eines süderländischen
Flussnamens, der an verschiedenen Stellen unsers Va-
terlandes sich gleichfalls vorfand, in vielen Fällen an
Ort und Stelle festzustellen; dies war dann wieder von
grosser Bedeutung für jene sprachlich verwandten Na-
men von Flüssen im übrigen Deutschland, deren Natur
ich nicht an Ort und Stelle untersuchen konnte.
So ist also dieses Schriftchen aus reiner Freude
an der Sache entstanden und cum amore et studio
ausgearbeitet; deshalb darf ich wohl hoffen, dass das-
selbe auch^sme ira et studio beurteilt werden wird.
Im Aiischluss hieran will ich noch bemerken,
dass die vorliegenden Einzeluntersuchungen zwar im all-
gemeinen abgeschlossene Ganze sind, jedoch sich gegen-
seitig in wesentlichen Punkten ergänzen; deshalb möchte
ich bitten, nicht bloss den einen oder andern Abschnitt,
sondern das Ganze zu durchlesen; nur so lässt sich
ein sachliches Urteil über diese „Beiträge'^ gewinnen.
Alle Mitteilungen über Flussnamen würden mich
zum lebhaftesten Danke verpflichten; denn oft können
die dunkeln Gestalten dieser Namen erst durch For-
schungen an Ort und Stelle in ihrer wahren Bedeutung
erkannt werden.
Derartige Untersuchungen sind auch für die Ge-
schichte nicht unwichtig, denn die Flussnamen gehören
zu den ältesten Eigennamen. Sind dieselben erst aus
ganz Deutschland gesammelt und erklärt, sowie nach
räumlichen Gruppen geordnet, so werden sich daraus,
glaube ich, nicht unwichtige Schlüsse in betreff der
Gebietsgrenzen verschiedener Völkerschaften und viel-
leicht auch ihrer Wanderungen machen lassen; denn
schon aus diesen „Beitrag en^^ geht hervor, dass bei den
Flussnamen manche Grund- und Bestimmungswörter
sich nur in bestimmten Gegenden Deutschlands finden.
Zu verbessern bitte ich schliesslich Folgendes:
S. 11, letzte Z. im Text, ist „sofort'^ zu streichen;
S. 13, drittletzte Z. im Text, ist hinter „geheissen"
y,hahen^^ einzufügen; ebendaselbst, in der vorletzten Z.,
muss statt „seines" „ihres^^ stehen , sowie S. 34, Z. 15,
„Werre" statt „Werra". S. 97, Z. 7, muss es heissen:
„Der alte Name des Flusses war durch den römischen
Stadtnamen einmal fixierP^y — schliesslich S. 98, Z. 6,
statt „von Fr." „bei Fr/^
Altena i.W., im Juli 1881.
Lolimeyer.
Inhalt
1. Die Wurzel an in dem ersten Bestandteile derFluss-
namen Anara, Anatrafa, Ahne, Ennepe, Un-
strut, Unsinn, Untreu, One, Ihna, Eine, Ehn,
'Indrista, Inda ....... 1
n. Die mit -antia bez. -anza, -enza zusammenge-
setzten Flussnamen 19
in. Laisa und listan bez. laisti, laista als Bestim*
mungswort in deutschen Flussnamen . . . 51
ly. Der Begriff des Tönens, Rauschens in den mit
ban-, kal- und kar-, han- und lap- zusammen-
gesetzten Flussnamen 61
y. Der Begriff des Glänzens in den Flussnamen N e k-
kar, Neger und Nagold und der des Dunkeln
in den Flussnamen Regen, Rega u. s. w. sowie
die zu Grundwörtern för Fluss verwandten germ.
Wurzeln *ald und ars 88
yi. Moina — ein deutsches Grundwort für Fluss . 105
yil. Nachtrag . 125
I.
Die Wurzel an in dem ersten Bestandteile derPlnss-
namen Anara, Anatrafa, Ahne, Ennepe, Un-
strnt, Unsinn, Untren, One, Ihna, Eine, Ehn,
Indrista, Inda..
Wie es in der griechischen Mythologie für dasselbe
Naturwesen und dieselbe Naturerscheinung eine Menge
von Göttern gibt; wie dieselben Züge z. B. von ver-
schiedenen Sonnengöttern, so von Herkules, Theseus,
Odysseus erzäMt werden; wie die ganze, unendliche
Reihe von mythischen Sagen sich im allgemeinen auf
verhältnismässig wenige Naturerscheinungen — in des
Wortes weitester Bedeutung — zurückführen lässt: so
treten auch innerhalb der deutschen Flussnamen beson-
ders einige Vorstellungen ungemein häufig als Motiv
der Namengebung hervor und gelangen in einem merk-
würdigen Keichtume von Namensformen zum Ausdruck.
Und wie verschiedene griechische Stämme z. B. für den
Sonnengott ihren besondem Namen hatten, so besitzen
auch die verschiedenen deutschen Stämme zum Teil
ihre eigenartigen Ausdrücke zur Bezeichnung derselben
VorsteUung. Welche Menge Ausdrücke für Fluss gibt
'i»iwLi>eijk96bßnyaka, apa, ara, ambra, strawa, strudy
moina i) u. s. w. sind sämmtlich deutsche Grundwörter
für den Begriff „Fluss", aber nicht alle sind bei allen
deutschen Stämmen gebräuchlich. Jedoch nicht bloss
innerhalb der Grundwörter begegnet diese Mannigfal-
tigkeit, sondern ebenso sehr bei den Bestimmungswör-
tern. Auch die an die Spitze gestellte, zu Flussbestim-
mungswörtem verwandte Wurzel gibt — nach meiner
Ansicht wenigstens — einen Beweis für das Gesagte;
denn ich werde zu zeigen versuchen, dass dieselbe in
den oben aufgeführten Flussnamen den Begriff des Ei-
lens ausdrückt, den ich bereits in dem AI-, El-, II-
der Flussnamen Almina, llmina, lila, Alapa,
Alara, llara, Eilpe, Elpe gefunden*).
Die W. 3) an bedeutet ursprünglich atmen, hau-
chen und erscheint bekanntlich in dem gr. aveinog, im
lat. animus, in dem goth. anan 6n hauchen (F.I,12*)).
Die W. hat dann die beliebte Weiterbildung durch den
T-Laut erfahren, so in an. midi Geist, anda atmen,
as. ando, ags. anda das Aufgeregtsein, ahd. anadon
seinen Zorn auslassen = nhd. ahnden (F. IH, 14
u. 15). Wie sich nun in dem Verbum orifAi aus der
Bedeutung wehen die Bedeutung erregen, bewegen
entwickelt — vgl. Hom. 11. 21, 386: dixot Qv^ioq arjzo
die Seele wurde bewegt oder wogte u. Pind.
Isthm. 111, 27, wo gleichfalls arfcai in der Bedeutung
„wird bewegt" steht (s. Krüger, griechische Sprach-
lehre, 2. T. über die Dialekte, S. 102) — ; wie sich
ferner aus der W. dhu = 1. anfacnen, hauchen,
2. heftig bewegen im Gr. sowohl ^w fache an, brenne,
opfere als ^w bewege mich rasch gebildet 0); wie
^) s. über moina meine Abh. S. 366 ff. nnd besonders auch
unten Abschnitt VI. «) s. Abh. S. 360 ff. ») = Wurzel.
*) = Fick, vergleichendes Wörterbuch der indogermanischen
Sprachen. 1. Band, S. 12 der 3. Aufl. — Ich fühle mich grade-
zu verpflichtet, wiederum hervorzuheben, dass dieses ausg^e-
zeichnete Werk mir auch diesmal die allerwesentlichsten Dienste
geleistet. «) s. F. I, 119 u. II, 116 u. 117.
im Mhd. snurren rauschen, sausen und sausend
sich fortbewegen bedeutet, vgl.Wg. ß) unter schnur-
ren; wie dem mitteld. snotven, snöuwen = schnau-
ben, mit Worten hart anfahren das goth. snivan
eilen zu Grunde liegt '^); wie in den Worten Bürgers:
„Der Tauwind schnob durch Welschland" schnau-
ben sausend dahin stürmen heisst: so hat sich nach
meiner Ansicht im Germanischen in ähnlicher Weise
die ursprüngliche Bedeutung derW. an, nämlich hau-
chen, zu der nahe liegenden „sich rasch bewegen"
fortentwickelt. Unter den eben aufgeführten ähnlichen
FäUen bietet besonders die W. dhu ein -schlagendes
Analogen. Auf eine solche Bedeutungsentwicklung
scheint auch anda das Aufgeregtsein zu deuten.
Wer sich rasch bewegt oder in Aufregung ist, atmet
schneller; deshalb fliessen diese Bedeutungen leicht in
einander über. In den oben mitgeteilten Flussnamen
nun kommt sowohl die einfache W. an als die Weiter-
entwicklung derselben durch den T-Laut zur Erschei-
nung und zwar letztere in hidrista für Indistra ^) und
Inda ö).
Von den obigen Flussnamen gibt Fr. i®) die ahd.
Formen von Antrift = Anatrafa und Anirafa, Un-
strut = Onestrudis 11), Innerste (Leine) = Indri-
sta, sowie von Inde (Roer, Maas) = Inda; schliesslich
^ = Weigand , deutsches Wörterbuch, 2. Aufl. ') s. Wg.
unter schnauben. ®) s. Förstemann, Die deutschen Ortsna-
men S. 81. ®) Ob die In st er in Ostpreussen derselbe Name
ist, wielndrista, jetzt Innerste, halte ich zwar für möglich, er-
laube mir darüber aber kein Urteil, da mir die ursprüngliche
Form dieses Flussnamens nicht bekannt ist. Es sind übrigens
in Ostpreussen sehr viele Flussnamen deutsch, z. B. gibt es dort
eine Ilme (Schweine, Alle, Pregel) ; Alle kann aus Alä = Alaha
entstanden sein und eilender Fluss bedeuten; sie kommt vom
ostpreussischen Landrücken herab ; vgl. über die mit al- zusam-
mengesel^ten Flussnamen oben S. 2. — NB . Ilme, (Schweine,
Alle, Pregel) heisst: die Ilme, ein Nbfl. der Schweine, eines
Nbfl. der Alle, eines Nbfl. des Pregels. ") d. h. Förstemann,
Altdeutsches Namenbuch, 2. Bd. : Ortsnamen. **) so bei Gre-
gor V. Tours; im 8. Jhrh. schon Unstrut, s. Fr.
1*
erwähne ich die Anara, nach Fr. der bei Montabaur
vorbeifliessende Gehlbach (Lahn).
Was nun zunächst den Vokalwechsel von a, i, u
bez. in dem ersten Bestandteile dieser Namen betrifft,
so bemerke ich, dass die Formen mit a neben denen mit
i grade so zu betrachten sind, wie Alm i na, jezt Ahne
(Lippe) neben Ilmina, jetzt lim (Saale) ^*), wie Alara
neben Ilara, wie der Ilussname Else aus Alsa ^^ neben
Ilse, wie der Baumname Erle aus arila neben Irle i*),
wie Ameise neben Imse (bez. Emse) ^^). Die Formen
mit bez. u neben denen mit a erklären sich ebenso,
wie Alapa*^) neben Olaffa^^) und ülfa und Olpe,
") s. Abh. S. 360. *») Aleä = Al(i)saha; dies ist wenig-
stens meine Ansicht, s. Abh. S. 350 u. 351. ^^) so heisst die
Erle noch im Wetterauischen, s. Wg. unter Erle. ^) s. Wg.
unter Ameise u.. Emse. *^) s. Abh. S. 360 u. 376 darüber,
dass Alapa, jetzt Alpe (Aller) eilender Fluss bedeutet,
i») j. ülfa a. d. Ulfe (Nidda, Main), s. Fr. S. 173. Ferner gibt
es eine Ulfe (Sonter, Wohre oderWohra, Werra), sodann eine
Ulfe (Fulda, oberhalb Bebra). Für diese drei gleichnamigen
Gebirgsflüsse , die ich in meiner Abh. nicht erwähnt und des-
halb hier nachtrage, passt die Erklärung „eilender Fluss'' recht
gut. Sodann trage ich hier auch noch nach die Oleff (ürft,
Koer, Maas), als deren ahd. Form ich Alaffa betrachte, wel-
ches bekanntlich die oberdeutsche Form für A 1 a p a ist. Alaffa
hat Fr. für den Ort Alpfen , nordw. von Waldshut im Grossh. Ba-
den. Dieser hat ofienbar von einem gleichnamigen Flusse seinen
Namen ; auch Fr. ist dieser Meinung , da er unter apa (affa) auch
Alaffa aufführt, s. S. 98. Ober- und ünteralpfen liegt nun an ei-
nem kleinen Bache, der in den Steinbach (Alb, Ehein) mündet,
dessen Name aber weder auf Reymanns topographischer
Spezialk arte von Mitteleuropa — bezeichnet mit R. fortan
— noch auf dem IV. Blatte der recht genauen Schwarzwald-
karten in Bädekers Rheinlanden angegeben ist. Es ist auch mög-
lich, dass der Name Steinbach an Stelle von Alaffa getre-
ten ist; Beispiele davon, dass ein Fluss seinen alten Namen ge-
gen einen jüngeren verloren, lassen sich mehrere aus Fr. anfüh-
ren. — Prof. Arnold hält ebenfalls in seinem sehr lehrreichen
Buche: Ansiedelungen und Wanderungen degatscher
Stämme — zumeist nach hessischen Ortsnamen, das
ich mit Am. anfuhren werde, S. 97 Olpe und ülfa für iden-
tisch, bringt dieselben aber mit nd. äl, ol Sumpf zusammen.
Das ist wohl nicht angänglich, denn äl = Pfuhlpfütze ist zu-
wie Sulz aha neben Salzaha, wie Sulziberg neben
Salziburg, wie Ulmecke ^^^ neben Almecke.
Die Bedeutung sodann des zweiten Bestandteils in
Unstrut und Indrista (bez. Indistra). ist schon von Fr.
festgestellt, vgl. dessen „Deutsche Ortsnamen" S. 31 u.
Fr. S. 1510 unter Unstrut über strod, strud = Fluss,
sowie über stra = strawa = Fluss, welches z. B. in
den Flussnamen Elster, Wilster, Ulster erscheint,
vgl. Fr., Deutsche Ortsnamen S. 31 u. Fr. S. 1390.
In Inda fasse ich a = ä aus aha, in Anara ara als
das bekannte Grundwort für Fluss und nicht als Suffix
-ar mit hinzugefügtem k = aha. — Es bleibt nun
noch die Besprechung von -trafa in Anatrafa übrig,
dessen Erklärung ich noch bei keinem gefunden. Die-
ses -trafa, das ich auch als Grundwort sehe in dem
Flussnamen Benetrepha, jetzt Bentreff, über dessen
ersten Bestandteil Ben- ich noch in Abschnitt IV spre-
chen werde, sowie in Notreff, einem Flussnamen, den
ich, wie Benetrepha, Arn. S. 47 u. 97 entnehme, —
dieses trafa also bringe ich zusammen mit dem Stamm
drav (draw), dessen verschiedene Fortbildungen zu Wör-
tern Fluss bedeuten. Dieses Wort ist als indogerma-
nisches Eigentum zu betrachten, wie Fr. S. 476 bemerkt.
Dem Stamme drav sind z. B. entsprossen die Wortformen
Dravm, j. Drau — ein Name, der schon von Bopp mit
sskr. dravas fluens zusammengestellt ist — imd Tra-
vena, jetzt Trave, sowie Trewina^ jetzt Drän (Drau),
sammengezogen aus adel = niireiiie Flüssigkeit, ags. adele.
Niemak aber erscheinen die ahd. Formen der betreffenden Fluss-
namen unkontrahiert, was doch unbedingt bei jener Annahme
notwendig wäre , da adel selbst noch im älteren Nhd. und sonst
landschaftlich sich findet, s. Wg. unter A h 1. **) Den Namen
ülmecke habe ich in meiner Abh. noch nicht erwähnt, wäh-
rend Alm ecke, das Deminutiv von Alme, daselbst S. 373
besprochen ist. Aus dem in Liebrechts topographisch -
statistischer Beschreibung des Eegbz. Arnsberg auf-
geführten Einzelhause Ulm ecke schloss ich auf die Existenz
eines gleichnamigen Baches. Herr Fast. Böttcher in Meschede
bestätigte brieflich meine Vermutung: die Ulmecke fliesst in
den Lötmaringhauser Bach (Henne, Buhr, Ehein).
6
s. Fr. S. 477. Travena z. B. ist also eine blosse Diflferen-
zierung des Stammes durch angefügtes Suffix, ähnlich
wie nach meiner Meinung Am-ana, Am-isia, Em-a,
Emm-e (in Holzemme z. B.) sämtlich Sprösslinge der
Wurzelam sind und schlechthin „Fluss" bezeichnen. Trafa
übrigens mit einem f statt der Spirans w ist gradeso
eine berechtigte Nebenform zu trawa, wie ahd. hü wo,
hüo zu üvo, üfo, üf = neudeutsch Auf = Uhu ^^).
— Fr. gibt bei Anatrafa die jetzige Form Antrift;
Arn. S. 94 hat zwei Flüsse, Namens Antref, nämlich
einen Nbfl. der Ohm (Lahn) und eine Antreflf (Schwalm,
Eder, Fulda), ausserdem den Ortsnamen Antref ^o), der
ohne Zweifel von einem gleichnamigen Bache seinen
Namen hat^^); die Form Antrift erwähnt Am. nicht.
Die Antrift bei Fr. ist identisch mit der Antreff (Schwalm),
welche letztere in dem vorzüglichen Methodischen
Handatlas von E. v. Sydow — künftig mit Syd. an-
gezogen — als Andreft, sowie auf der Karte von R
als Antrift bezeichnet wird. Die Grundform ist liir
alle Anatrafa bez. Antrafa.
So wäre demnach die Bedeutung von Unstrut, An-
trift, Innerste, Inde, Anara eilender Fluss.
Sachlich passt nun diese Erklärung für diese Flüsse
recht gut. — Die verschiedenen Flüsse des Namens
Antreff fliessen sämtlich im Berglande; die Antrift
(Schwalm, Eder, Fulda) entspringt z. B. nach der Karte
von R. an dem zum Vogelsgebirge gehörigen Stollen-
berge. — Ferner liegt die mittlere in Stein gefasste
Quelle der Unstrut bei Kefferhausen, wie ich Dan.
S. 405 22) entnehme, 1205' über dem Meere, während
Mühlhausen, bis wohin die Unstrut ungefähr 5 Mei-
len Lauf länge hat, 680' über dem Meere liegt; der
Fluss hat also in seinem Oberlaufe ein bedeutendes
*®) 8. Wg. unter Eule und heulen. 2°) „am Krebsbache
bei Lohndorf". »ij ^j^ Antreff (Ohm , Lahn) heisst jetzt nach
Arn. Rulfbach, ebenso kann der Krebsbach früher Antrafa ge-
heissen haben; der Ort selbst hiess 1267 noch Antreffa, s.
Am. S. 94. 22) d^ h. Daniels Deutschland 1. Bd., S. 405 der
3. Aufl.
Gefälle und somit einen raschen Lauf. — Dasselbe ist
bei der lüde der Fall, deren Wasser, vom Nordende
des Plateaus des Hohen Venns im engeren Sinne aus
verschiedenen Quellbächen zusammenströmend, zum nie-
derrheinischen Tieflandsbusen, um diesen Ausdruck zu
gebrauchen, herabfliesst; zu dieser Tiefebene fällt be-
kanntlich das Hohe Venn im weiteren Sinne mit schar-
fem Rande ab; die Inde fliesst demnach im Oberlaufe
sicherlich rasch. — Ganz vorzüglich passt diese Erklä-
rung auf die Innerste, die, vom Oberharz kommend,
„der gefährlichste und gefürchtetste aller
Harzflüsse ist. Bei dem starken Gefälle des ober-
sten Laufes — auf der kurzen Strecke von der
Clausthaler Ziegelhütte bis Langeisheim 948'
— schwillt sie oft furchtbar an" 2^). — Schliess-
lich die Anara, jetzt Gehlbach, kommt vom Wester-
walde herab und fliesst gewiss rasch zur Lahn herunter.
Nun zur Besprechung der nicht in ahd. Form
überlieferten Flussnamen, die ich in der Überschrift
genannt.
Für die Ennepe (Volme, Ruhr) vermute ich als
ahd. bez. as. Form *Inapa. Dass zunächst -epe ^^)
aus apa entstanden ist, darüber dürfte wohl kein Zwei-
fel sein. Das e in Enn- würde sich ganz regelrecht
aus dem i vermöge der Trübung durch das folgende a
entwickeln. — Sachlich passt die Bedeutung eilender
Fluss 25) durchaus auf die Ennepe, denn sie ist von ih-
rer Quelle bis zur Mündung ein Gebirgsfluss. Sie
kommt aus dem süderlandischen Gebirge und entspringt
nach der Karte von L. ^ß) am Osterberge bei Halver,
38) Worte Dan. S. 450. ^) vgl. über die aus apa entstan-
denen neuen Formen auf -epe, -pe, -ap u. s. w. Fr. , Deutsche
Ortsn. S. 30 u. meine Abh. S. 356 ff. Prof. Crecelius' Aufsatz
über die Flussnamen auf apa, epe kenne ich leider nur
dem Namen nach. ^) vgl. den griechischen Flussnamen
^TTBQx^t'OS, der in Pape-Benselers Wörterbuche der
griechischen Eigennamen mit Schierenheck verdeutscht
wird mit der Anm. : „scioro = cito , s. Curt. gr. Etym. I, 178".
2«) d. h. Topographische Karte von Rheinland und
8
einem Orte siidw. yon Lüdenscheid. Sie hat einen
raschen Lauf, wie auch schon aus den Worten Na-
torps in seinem Buche „Ruhr und Lenne" (S. 119)
hervorgeht, wo er noch bei der Beschreibung ihres
Unterlaufs von Gevelsberg bis Hagen den Ausdruck
braucht: „Unten braust die Ennepe mit ihrem klaren
Wasser dahin".
Für Ahne setze ich als ahd. Form ^Än-d, bez.
*Anaha. Dieser Nebenfluss der Fulda,, den ich Am.
S. 46 entnehme, kommt vom Habichtswald herunter
und mündet bei Kassel; sicherlich wird er einen raschen
Lauf haben. — Möglicherweise gehört hierher auch der
Anbach (Prims, Saar), den ich der Karte von L. ent-
nehme.
Zu einer Gruppe vereinige ich sodann die Ihna
(Oder), die Ihne (Bigge, Lenne, Ruhr), die Ehn (Hl,
Rhein) und die Eine (Wipper, Saale, Elbe). Ich setze
für alle die Grundformen *In-aha, Ina, an, nehme
also an, dass, wie so häufig, der zweite Bestandteil in
Ehn ganz fortgefallen sei. Da ich nämlich bis jetzt
kein Grundwort für Fluss kenne, woraus Ehn ent-
standen sein könnte, so werde ich auf jene Annahme
gradezu hingewiesen durch das Gesetz der deutschen
Flussnamenbildung, welches sich mir als Resultat mei-
ner bisherigen Untersuchungen über die deutschen Fluss-
namen ergeben und zwar bis jetzt ohne Ausnahme, so
dass der Ausdruck „Gesetz" wohl nicht voreilig er-
scheint. Diese feste Norm wird ausserdem im Fort-
gange dieser Abhandlung überall sich zeigen, so dass
am Schluss der vorliegenden Arbeit der Induktionsbe-
weis für dieses Gesetz vollständiger erscheinen wird.
Zugleich wird dadurch eine Äusserung des Herrn Prof.
Fick in Göttingen vortrefflich bestätigt. Derselbe schrieb
mir nämlich: „So weit ich sehe, sind gerade die Ger-
Westfalen, bearb. von Liebenow. Im Massstabe von
1 : 80000. — Die Quelle der Ennepe liegt nach Lieb recht a. a. 0.
S. 71 1345' hoch, der Bahnhof Gevelsberg 598', der Bahnhof
Hagen 337' (S. 73).
manen in der Namenbildung die stärksten Systematiker
gewesen". Ausgezeichnete Systematiker sind wir gute
Deutsche, als Nachkommen jener urwüchsigen, mehr
instinktiven Theoretiker, ja noch jetzt in so vielen Din-
gen — zum Leidwesen Bismarcks. Das Flussnamen-
bildungsgesetz nun lautet:
Ein deutscher Flussname besteht, wenn er nicht zu-
sammengesetzt ist, aus einem einfachen Grundworte für
Fluss, wie aha, ambra, apa, moina u. s. w., welches
durch ein Suffix weiter gebildet werden kann, wie z. B.
in Travena, oder, wenn er zusammengesetzt ist, aus
einem Bestimmungsworte mit einem der Grundwörter
für Fluss 27).
Eine besteht nun neben Ihne und Ehn, wie Eilpe
(Volme, Ruhr) neben Ilpe (WennO; Ruhr) und Elpe
(Ruhr), welche wohl auf ein *Ilapa zurückgehen und
mit Il-ara, Ill-a, Il-mina, sowie mit Al-mina,
Al-ara, Al-apa u. s. w. sämtlich von der ursprüng-
lich al- lautenden Wurzel, deren Sprössling auch nhd.
eilen ist, bezüglich ihres ersten Bestandteils gebildet
sind 38). — Eine geht ferner auf *Inaha gradeso zu-
rück, wie der Flussname Leine in Thüringen ^9) auf
die ahd. überlieferte Form Linaha = Bergfluss ^o).
Und wie die Lenne (Ruhr) wohl unzweifelhaft ^i)
gleichfalls auf * Linaha zurückzuführen ist; wie der
Linnepe (Volme, Ruhr) und der Lennepe (Wupper,
Rhein) wohl sicherlich die as. Form *Linapa, ur-
sprünglich *Hlinapa zu Grunde liegt 3^): so erklärt
sich auch die Kürze des Vokals und das doppelte n in
Ennepe neben Ehn und Ihne, wenn wir für Ennepe als
as. Form *Inapa ansetzen.
2^) Man vergleiche die Systematik , welche in den deutschen
Personennamen hervortritt. Andresen, die altdeutschen
Personennamen spricht das Gesetz S. 8 so aus: „Die deut-
schen Personennamen beruhen auf der Zusammensetzung zweier
Stämme; die einstämmig erscheinenden Namen sind aus den
zweistämmigen durch Verkürzung hervorgegangen".. ^) s.
Abh. S. 360. 29) ^Iq L^ine (Aller) heisst ahd. Lagina. ^) s.
Abh. S. 349. ") s. Abh. S. 348 ff. ^^) s. Abh. S. 358.
10
Sachlich passt die Bedeutung „eilender Fluss" für
diese Gruppe ganz gut — Die Ihna fliesst vom pom-
merschen Landrücken herab zur Oder und wird sicher-
lich in ihrem Quelllaufe , dessen Beschafifenheit so häu-
fig das Motiv zur Namengebung geboten «*), rasch flie-
ssen. — Die Ihne (Bigge, Lenne, Ruhr) kommt vom
hohen Ebbegebirge und hat einen sehr raschen Lauf.
Dasselbe ist ohne Zweifel bei der Ehn der Fall, wel-
chO; auf den Vogesen unweit des Neuntensteines ^^) ent-
stehend, zur oberrheinischen Tiefebene eilt, — desglei-
chen bei der Eine, welche von dem Plateau von Harz-
gerode 3^) zum Harzwipperthale niederfliesst.
Die Ohne, bez. One (Wipper, Unstrut) möchte
ich auf ein ahd. *Un-ä. = Unaha zurückführen und
das als die durch das folgende a bewirkte Trübung
des u ansehen; jedoch kann o auch die Verdunkelung
eines ursprünglichen a sein. Die Ohne entspringt auf
dem Hochplateau des Eichsfeldes und zwar an den Aus-
läufern der Dünkette nach der Karte von R.; sie wird
wohl ohne Zweifel einen raschen Lauf haben. Für eine
Grundform Unaha möchte auch der Umstand sprechen,
dass die Quelle der Ohne nur ungefähr eine Meile von
der Unstrut entfernt ist. Deshalb deutet schon Fr. die
Unstrut als Ohnefluss, ohne freilich das „Ohne" zu
erklären, jedoch bemerkend, dass er fden ersten Teil
von Unstrut mit dem Namen Ohne für identisch halte ^^).
") vgl. z. B. Abb. S. 377. »*) so nach der Karte von R.
und der Vogesenkarte in Bädekers Rheinlanden , Blatt 11, mitt-
lere Vogesen. * ^) Dies Plateau hat nach Dan. S. 388 1278'
Höhe. ^®) s. Fr. S. 1510. — Arn. Erklärung von Unstrut —
S. 500 — kann ich nicht billigen. Er fasst Strut in Unstrut
als „Wald" und Un- in der verstärkenden Bedeutung „gross",
so dass Unstrut vermöge Übertragung des Waldnamens auf
den Fluss „das aus dem grossen Wald kommende Wasser oder
in abgeleiteter Bedeutung einen grossen Fluss bezeichnen würde".
Nun ist ja aber strut = Fluss von Fr. bereits festgestellt. Wenn
femer „un" scheinbar verstärkt — Arn. zieht Untiefe
und Untier an — , so geschieht das immer auf dem Grunde
der Bedeutung, dass es in Verbindung mit Substantiven diesen
den Begriff des Verkehrten oder Schlimmen aufprägt. Bei Un-
11
Hoflfentlich wird nun der Altmeister der deutschen
Namenskunde bei dieser beiderseitigen Uebereinstim-
mung meine Erklärung von Ohne und Unstrut um so
eher als richtig ansehen.
Es erübrigt noch die Besprechung der merkwürdi-
gen Namen Untreu und Unsinn, die vielleicht als
fluvius perfidus und demens manchem Laien sehr leicht
erklärt scheinen.
Die Untreu ist ein Nbfi. der Saale oberhalb Hof.
Soweit man ohne Kenntnis der alten Form urteilen
darf, ist Un- dasselbe Wort wie in Unstrut. Den
zweiten Bestandteil stelle ich zu Travena = Trawena
und -trafa in Anatrafa. Es ist ja bekannt — s. Wg.
unter dem Buchstaben W — , dass „Schwinden des w
nach vorausgegangener Bildung eines Diphthonges vor
oder unter Wirkung von diesem erfolgt'S z. B. in
dräuen, schon mhd. dröun, dreun aus dröuwen, ahd.
drawjan, drawan, ferner in Reue mhd. riuwe, riwe,
ahd. hriwa, hrewa, sowie in freuen mhd. vrewen, ahd.
frewan d.i. frawjan. Aehnlich heisst Drabonus, wel-
ches zu demselben Stamme wie Travena gehört —
jetzt Thron oder Dhron, Drone (Mosel) — schon
im 8. Jahrh. Drona; dieselbe Ausstossung des Konso-
nanten hat stattgefunden in Dr.una, jetzt Traun
(Donau) und bayrische Traun (Alz), ein Name, der
schon gar nicht in der ursprünglichen Gestalt mit er-
haltenem Konsonanten überliefert ist. — Die Spirans w
ist der ursprünglichere Konsonant in diesem Stamme;
daneben sind auch Formen mit b überliefert, z. B. Tre-
wina neben Trebina, Dravus neben Trabus, gradeso
wie Naba und Nawa die Nahe (Rhein) bezeichnen
(bei Tac. und Auson. Nava, s. Fr.). Mit dem Heran-
ziehen von Trewina und Dravus übrigens will ich nicht
etwa diesen beiden Flussnamen sofort germanische Her-
tiefe bemerkt Wg. ausdrücklich, dass bei der mundartlichen
Bedeutung ^^dbgrundartige Wassertiefe^^ un die Bedeutung des
Schlimmen habe. Ein Untier ist also zunächst ebenso ein
schlimmes Tier.
12
kunft beimessen. Also sprachlich kann sich Untreu
gradeso aus *Untrawa entwickeln, wie Traun, ahd. Druna,
sich aus einer Form mit der Spirans w gebildet hat,
worauf Druna verglichen mit Drona aus Drabonus =
Drawonus unbedingt hinweist. *Untrawa wäre deiflnach
sprachlich identisch mit der Antrafa (Anatrafa), eine
bei döm Wiederkehren derselben Flussnamen in den
verschiedensten Gegenden Deutschlands gewiss sehr an-
nehmbare Erklärung. Vielleicht ist diese Entwicklung
von *Untrawa zu Untreu unter Einfluss einer volks-
etymologischen Anlehnung an das bekannte Wort Un-
treue erfolgt; das Wort „Treue" ist ja selbst unter
Einbusse der Spirans aus mhd. triwe^ triuwe, triu,
ahd. die triwa u. s. w. entstanden ^t).
Als ich den Namen „Die Unsinn" **) auf der
Karte von R. fand, war ich sehr erfreut, weil mir da-
durch sofort klar wurde, dass der Flussname Sinna,
jetzt Sinn (Frank. Saale, Main) 5^) nicht zusammenge-
setzt, sondern ein Grundwort für „Fluss" sei. Dar-
nach hiesse auch Unsinn der eilende Fluss ^^); der Name
würde mit Unstrut, Untreu und Ohne sich zu einer
Gruppe vereinigen.
Wie kommt nun Sinna zu der Bedeutung Fluss?
Ebenso wie nach meiner Ansicht *i) die Ausdrücke apa,
ara, Amisia (Amana, Ema, Emme) das fliessende
^') Dass trawa am Fichtelgeb. eine nicht unbekannte Be-
zeichnung für Fluss war, sieht man aus dem Flussnamen
Thronbach (Selbitz, Saale). — Auch sachlich wird die Erklä-
rung auf die Untreu passen , denn dieselbe entspringt, soweit es
nach der Karte von R. und Syd. ersichtlich ist, an einem zu
den südöstl. Ausläufern des Frankenwaldes gehörigen Berge und
wird sicherlich anfangs einen raschen Lauf haben. •*) Sie
mündet in den Brockgraben; dieser fliesst, verstärkt durch die
Alpe, in die Innerste (Leine, Aller). ^^) Die Sinn als Nbfl.
des Mains zu bezeichnen, wie Fr., ist ungenauer, da dieselbe
sich kurz vor Gemünden mit der Saale verbindet. **) Sachlich
passt diese Bedeutung, da die Unsinn, welche auch an einer
Stelle Ilsenbach heisst, nach der Karte von R. an der Berg-
kette entspringt, die auf dem rechten Ufer der Innerste im
Südosten von Hildesheim sich hinzieht. **) s. Abh. S. 356,
360, 371 u. 372.
13
Wasser als das thätige, rastlos sich fortbewe-
gende bezeichnen, so auch Sinna. Ich bringe dies
Wort nämlich zusammen mit dem ahd. Yerbnm sinnan
gehen, reisen, welches, wie Wg. unter sinnen aus-
einandersetzt, „sich durch Lautangleichung aus einem
dem hohen Altertume angehörigen sinian, bez. sinjan
bildete, welche mittelst -i von dem Plural des Präter.
eines vorauszusetzenden, in eine noch entferntere Vor-
zeit reichenden ahd. Wurzelverbums dnan sich nach
einem Ziele bewegen (?) abgeleitet ist". Sinna
würde also die Gängerin heissen und eine recht pas-
sende Bezeichnung fiir das in unaufhörUcher Bewegung
befindUche Flusswasser bilden. Die ^Unsinna würde so-
mit die rasche Sinna sein. Dasselbe Grundwort
möchte ich in Senne (Dyle, Kupel, Scheide) finden;
der ahd. Name ist mir leider nicht bekannt *^)- Mög-
licherweise gehört auch die Saane (Aare, Bhein)
hierher, welche im 11. Jhrh. Sanona hiess**). -ona
wäre Ableitungssilbe und die Form Sanona träte neben
Sinna,. wie Am-ana und Am-isia neben Em-a, wie Tra-
vena sich aus dem Stamm drav gebildet. — Zur Un-
sinn möchte ich dann noch — als ParaUelform mögli-
cherweise — die Ansen (Acher, Khein) oder den An-
senbach stellen, wie der Name auf der Karte von R.
und dem 1. Blatt der Schwarzwaldkarte in Bädekers
Rheinlanden erscheint. Das -bach ist nach meiner An-
sicht , wie so häufig, späterer Zusatz. Die Ansen würde
ahd. darnac'h *Ansinna geheissen und sich bezügUch
seines ersten Bestandteiles zu An-ara, An-trafa, Ahn-e
stellen. Grade die Wahrnehmung, dass sich in den
**) Selbstverständlich kann man da, wo die alten Formen
nicht überliefert sind, immer nur von mehr oder minder gro-
sser Wahrscheinlichkeit bez. Möglichkeit sprechen; ich möchte
dies für aUe derartigen Fälle ein für allemal ausdrücklich her-
vorheben. *') s. Egli, etymologisch-geographisches
Lexikon bezügl. der alten Namensform. — In Holland und ei-
nem grossen Teile der Schweiz finden sich zum Teil dieselben
Flussnamen, wie im übrigen Deutschland; ich halte diejenigen,
die ich untersucht, für entschieden deutsch.
14
verschiedensten Gegenden Deutschlands dieselben Fluss-
namen finden , ermutigt mich auch hier zu dieser Ver-
mutung. Die Ansen kommt vom Schwarzwalde und
fliesst nach kurzem Laufe im Berglande zur oberrheini-
schen Ebene; sie wird demnach in ihrem Oberlaufe ein
beträchtliches Gefälle und einen raschen Lauf haben.
Dass ich eben die Sanona in der Schweiz = Sinna
anzusetzen wagte, dazu veranlasste mich auch beson-
ders der Ortsname Bersiningun, in welchem ich
ziemlich bestimmt den Flussnamen Sinna vermute, denn
dieser Ortsname ist offenbar mit dem Suffix -ing in der
Form des Dat. Plur. gebildet **) und zwar nach meiner
Ansicht von einem Flussnamen *Ber8inna» — Bersiningun
erklärt Fr. als „eine Wüstung in der Gegend von
Schaflfhausen, woselbst noch das Berslinger oderMe-
rishauser Thal". Nun liegt Merishausen an einem Bache,
der ziemlich bestimmt wegen des Ausdrucks „Berslin-
ger Thal" früher B er sli ng. geheissen haben dürfte *5);
Bersling selbst ist ja aus Bersininga vermittelst der
schon im Ahd. aufbauchenden und offenbar wegen der
bequemeren Aussprache entstandenen Form Berselin-
gen hervorgegangen. Nach dem Ortsnamen ist das
Thal genannt, nicht unmittelbar nach dem Flussnamen.
Ber-sinna nun, wovon der Ortsname Bersiningun gebil-
det ist, würde Bär enfluss bedeuten, grade wie Pern-
affa, jetzt Perf (Lahn), was schon Fr. so erklärt, oder
wie Berenbach.
Ebenso erkläre ich Persiniccha**), indem ich
-icha gradeso als Suffix und Nebenform von -inga fasse,
wie Fr., Deutsche Ortsn. S. 179 -igga, -igge als Neben-
formen von -inga, -inge. Es ist demnach Persinicha
identisch mit dem eben besprochenen Bersininga *'); —
^) s. über dieses Suffix die schöne Zusammenstellung von
Fr. S. 905 ff. — Bersiningun vom J. 846, Berselingen 945 , Ber-
sminga 1094. **) vielleicht heisst er jetzt noch so , vgl. be-
sonders auch den folgenden Namen. *•) Diese Form v. J. 893
betrachte ich als die ursprüngliche, nicht Bersnicha von J.
834, 1045 Persinich. *') der Bär heisst' ahd. sowohl per
als ber.
15
Persinicha erklärt Fr. als „Perschling in Niederöster-
reich, westlich von Wien, und die beiden Perschling-
bäche ebendaselbst". Meine Ansicht also, dass dem
schweizerischen Ortsnamen Bersiningun ein Flussname
Bersinna zu Grunde liege, wird durch das österreichi-
sche Persinicha vortrefflich gestützt, denn in diesem
Falle heissen ja auch die beiden Bäche Perschling.
Der Ortsname hat aber auf den Flussnamen eingewirkt,
denn -ling in dem Bachnamen Perschling lässt sich
ntir aus dem -inga bez. -icha des Ortsnamens erklären.
Der Flussname *Bersinna ist natürlich älter als der da-
von abgeleitete Ortsname. Nach der Gründung des
Ortes Persinicha, jetzt Perschling, nannte man später
jedoch nach diesem Orte den Bach den Perschlinger
Bach oder Perschlingbach. — Die heutigen Namen
Perschling in Oesterreich und Bersling *») in der Schweiz
tragen überdies so deutlich den Stempel von Zwillings-
namen an sich , dass die Erklärung des einen -auch den
Ursprung des andern klar stellt *»). — Ich will übri-
gens noch bemerken, dass unweit Schaff hausen ein Ort
Beringen sich findet ^^), den auch Fr. von ahd. her ab-
leitet. Es deutet dieser Name jedenfalls darauf hin,
dass in der Gegend von Schaffhausen früher besonders
viel Bären gewesen sind; auch dies möchte die Erklä-
rung „Bärenfluss" noch annehmbarer machen.
Vielleicht ist mit Sinna auch identisch die Seina,
jetzt Saynbach (Rhein). Seina würde sich zu Sinna
ähnlich verhalten wie Lais-phe zu Lis-ura ^i). Man
könnte wohl auch vergleichen Eilpe neben llpe. Eine
neben Ihne, obgleich dies moderne Formen sind. So
erscheint auch nach meiner Meinung — wenngleich aus
anderer Ursache ^^) — moina = Fluss mit verschiede-
nem Vokal bez. Diphthongen: als mona z.B. in Alc-
*®) in Berslinger Thal. *^) Bezüglich des üeberganges
von 8 in seh im In- und Auslaute — Perschling statt Persling —
8. Wg. unter dem Buchstaben S. '^) Peringen i. J. 965, s. Fr.
**) die Zusammengehörigkeit der beiden letzteren habe ich in
Abschnitt III zu zeigen versucht. ***) s. darüber ^ijsch 'H TT
16
mona, Liastmona, Salmonna, Monachgowe ß^), — als
miina z. B. in Alchmiina = Alemona, in Liestmunde =
Liastmona, — als mana in Alcmana, Salmana, Sul-
mana, Wermana, — als mina bez. mena in Salmene =
Salmana, Wirmina, Umina neben Umena. Die Möne
(Ruhr) heisst nach einer Mitteilung meines hiesigen
Koll. Nagel noch jetzt beim Volke „de Maine". ^^)
Wie nun in Holtisminni, jetzt Holzminden,
das -minni durch die bekannte Weiterbildung vermit-
telst des T-Lautes zu -minden sich entwickelt hat ^^);
wie die Liastmona, jetzt Lesum (Weser), schon im 11.
Jhrh. Liestmunde heisst 0^), so hat auch sinna durch
dasselbe Suffix eine Fortbildung erfahren ^'^). Letztere
hat ja auch schon bei dem Stamme stattgefunden, der,
wie ich glaube, diesem Worte zu Grunde hegt. Denn
unser nhd. senden — s. Wg. — „ist nach Büdung und
Begriff nichts Anderes als das Faktitiv des starken goth.
Verbums sinthan und sein ursprünglicher Begriff dem-
nach s. V. a. gehen machen, reisen machen. Die-
ses zur Erklärung von goth. sinths Reise vermutete
goth. Wurzelverbum sinthan ist aber nach Wg. vermit-
telst th von einem vorauszusetzenden ahd. Verbum
sinan, goth. seinan gebildet ^^).
^') im 8. Jhrh. — neben Moyngowe aus deme. Jhrh. — = Main-
gau, vgl. Rothmoune, Witzmoune aus dem 8. Jhrh. = Rother,
Weisser Main. ") s. über Main und Moin Abschnitt VI u. vgl.
über moina Fluss und den grössten Teil der oben gegebenen Zu-
sammensetzungen mit diesem Worte Abh. S. 366 ff. **) s.
Abh. S. 368. ^) s. Fr. s. v. «^ So erkläre ich auch die
ahd. Form Linde, jetzt Lenne (Weser), neben dem ebenfalls
ahd. überlieferten Namen dieses Flusses, nämlich Hlunia, vgl.
Abh. S. 349. Für die Lenne (Ruhr, Rhein) glaube ich in mei-
ner Abh. S. 348 als ursprüngliche Form *Hlinaha (*Linaha,
*Linä, *Lenä) nachgewiesen zu haben und zwar in der Bedeu-
tung „Bergfluss" i Hlin = hlind Berglehne. *Hlinaha fasse
ich auch als Grundform zu Hlunia; dann ist Linde neben
Lina ebenso berechtigt, wie Minde neben -mina (vgl. Abh. S.
367). Die dritte ahd. Form der Lenne (Weser), nämlich Lume, ist
entweder eine Entstellung als Hlunia oder wahrscheinhcher ein
Schreibfehler si^Xi Lune. Wegen des Vokals u in Hlunia gilt die
Gleichung: Hlunia: Linde = Luppia: Lippe. ^) Dieses
17
Es bedeutet nämlich der Flussname Per-sante
in Pommern, wo ein grosser Teil der Flussnamen, den
ich untersucht, deutsch, bloss häufig, besonders in
den Endungen slawisch umgeformt ist, — es bedeutet
JPer-sante nach meinem Dafürhalten dasselbe, was
Bersin- und Persin- in Bersiningun und Persinicha,
Das a erscheint in Sanona und Persante neben dem i
in Sinna, *Persinna, *Unsinna geradeso wie in den S.
4 mitgeteilten Wörtern. Diese Erklärung von Persante
wird nicht wenig durch den Namen der an einem Ne-
benflusse der Persante in ihrem Oberlaufe belegenen
Stadt Bärwalde gestützt, deren Benennung darauf hin-
deutet, dass grade in dieser Gegend sich früher beson-
ders viel Bären gefunden haben.
Schliesslich möchte ich auch die Zenn (Regnitz,
Main) und die Zinna (Oder) für identisch mit Sinna
halten. Zwar heisst Langenzenn a. d. Zenn schon ahd.
Cinna. Wenn jedoch das z in Ranzen und Bänzel
aus s entstanden ö^);, wenn umgekehrt bis aus mhd. J%
und big aus bitz, bitze == bi ze = bei zu, ferner dies
aus mhd. dig und d% aus diz, rf/^^fe hervorgegangen : so
erscheint auch der Übergang des s in z schon im Ahd. an
sich gerechtfertigt ^% da nach nunmehr wohl feststehen-
dem Grundgesetze der neueren Sprachvergleichung alle
Lautgesetze ausnahmslos wirken «i). Abgesehen
ei in seinan ist wichtig 'für das Verständnis des Diphthongen
in dem Flussnamen Seina. **) s. Wg. s. v. ^) Der Nbfl.
der Mosel, die Elz, ahd. Elza mit der Nebenform Elssa ist be-
zügKch des ersten Bestandteiles Elz- nach meiner Ansicht das-
selbe wie Eis- in Els-e, Els-pe, Ils-e ahd. Ils-a, Eis-
off, ahd. Els-apha, wie Alz- in Alz-issa — jetzt Alz aus
dem Chiemsee — mit der Nebenform A 1 s - a ; ein Nbfl. der Streu
(fränk. Saale) heisst Elz und Eis, ein daran liegender Ort ahd.
Elisba, jetzt Eisbach (vgl. über die mit Eis- zusammengesetz-
ten Flussnamen meine Abh. S. 350 und weiter unten) ; aus ahd.
Sorna ist der Flussname Zorn (Rhein) geworden. ") vgl,
z. B. Oathoff, das physiologische und psychologische Moment in
der sprachlichen Formenbildung, S. 6 fif. u. 12 ff., ferner die
etwas abweichende Ansicht von Delbrück, Einleitung in das
Sprachstudium, bsd. S. 126 ff. über dieses Gesetz.
18
von der schon in der Anm. 60 erwähnten Nebenform
Alsa för Alzissa, Mssa für Elza finden sich aber auch
im Ahd. unzweifelhafte Fälle eines Schwankens bez. Über-
ganges von s in z. Ich teile folgende aus Fr. mit: die
Schwentine in Holstein heisst nach Fr. in Einhards^
Annalen Suentana, später ahd. Zwentina; Saliso,*
jetzt Selz, erscheint schon in der ahd. Zeit in der Form
Celsa — c steht ja häufig in den Urkunden statt z — ,
ferner Sirimunti, auch Seremote, als Zirmute»
die Sincfala, jetzt Zwin, auch als Cincfal. — Hier-
nach möchte idi auch einen Übergang des s in z in
folgendem Falle annehmen.
Die Enns (Donau) heisst ahd. Anisa. Die Enz
g Neckar) hat Fr. nur in dem zusammengesetzten Worte
nzingowa **). Ich betrachte nun Anisa als Grund-
form sowohl für Enns als fik Enz; Enza == Enz ist
also, wie ich glaube, aus Anisa entstanden. Dieses
Enza, bez. Anza erblicke ich auch als zweiten Teil
der Zusammensetzung, also als ein Grundwort für
Flu SS, in den Flussnamen, welche Fr., Deutsche Ortsn,
S. 247 zusammenstellt. Es sind dies Bad-antia, bez.
iRatanzaund Rat-enza, j. ^^ Regnitz, — Rethrat-
enza, j. Rezat, — Pag-inza, rag-enza, Pag-ancia,
j. Pegnitz, — Sol-anza, j. Sulz (Altmiihl), — War-
in za, j. Wemitz (Donau), — Alis-ontia «^, bezeich-
nend sowohl die Als enz (Nahe), als die Elsenz oder
auch Eisens (Neckar) und die Alzig oder Aisig, französ.
Alzette (Sauer oder Sure, Mosel) ö^^, ferner die Arg-
enza, nach Fr. j. Erg er s (Dl, Rhein) ^% die Scapl-
anza oder Scafl-enza, j. Scheflenz (Jaxt, Neckar),
die Prim-antia, j. Prims (Saar), die Brantia, j.
Brenz (Donau). Die Form -antia scheint mir latini-
sierende Schreibweise zu sein für anza. Anza nun
•*) Es giebt auch eine Enz (Prüm, Sure, Mosel), sprachlich
sicherlich mit Enz (Neckar) identisch. **) = jetzt. •*) so
bei Ausonius; spätere Formen sind Alas-enza, Alis-entia,
Alis-inza. ^) Elsenz .und Eisens, Alzig und Aisig sind
zugleich Beispiele für den Übergang des s in z. "*) ich habe
diesen Fluss auf der Karte von R. und sonst nicht finden können.
i9
mit seinen Nebenformen -enza und -inza erklärt
sich gradeso aus *ansa = anisa, wie Banzen aus
Bansen und wie die oben schon aus der ahd. Sprach-
periode nachgewiesenen Übergänge von s in z. Die
heutige Form Enns (bez. Enz) entsteht femer ganz
ähnlich aus Anisa, wie Ems aus Amisia.
Da ich nun einmal diese Formen als Beispiele für
den Übergang des s in z angeführt und bereits Anisa
(Anza, Enza) als ein Grundwort für den Begriff „Fluss"
hingestellt, so will ich auch die angefangene Erörterung
zu Ende führen, indem ich zunächst den ersten Be-
standteil der oben aufgeführten Flussnamen auf -an-
tia untersuche und sodann meine Ansicht über die
Etymologie des Grundwortes selbst ausspreche.
n.
Die mit -antia bez. -anza, -enza zusammengesetzten
FInssnamen.
Ich hatte mich wiederholt der Meinung zugeneigt,
dass Enz ein keltischer Name sei, der mit Aenus (Inn)
und vielleicht auch mit dem lateinischen Anio u. s. w.
auf ein gemeinschaftliches indogermanisches Wort für
„Fluss" zurückzuführen sei. Ich möchte jedoch des-
halb Enza mit ziemlicher Zuversicht als deutsch
betrachten, weil dasselbe in Verbindung mit Bestim-
mungswörtern erscheint, welche auch in norddeutschen
Flussnamen von entschieden deutscher Herkunft sehr
häufig vorkommen. Freilich will man ja jetzt die Kelten
wieder sogar mitten nach Norddeutschland bringen.
Wenn man jedoch bedenkt, dass Cäsar auf Grund seiner
Erkundigungen den grössten Teü der Belgier als ger-
manischen Ursprungs und ihre Einwanderung nach Bel-
gien als eine bereits „vor alters" erfolgte bezeichnet «');
*') Caes. de b. g. 11, 4: sie reperiebat: plerosque Beigas
2*
20
wenn man erwägt, dass die Haruden, ein germanischer
Yolksstanmi, zwischen Rhein, Main mid Donau schon
zu Gäsars Zeit wohnten, dass die germanischen Stämme
derNemeter, Triboker und Vangionen bereits am
südhchen linken ßheiQufer sassen — nach Müllenhoff
allerdings erst unter Ariovist hier angesiedelt — , dass
die Latoviker als Nachbarn der Helvetier wie die
Tulinger Germanen waren und wahrscheinlich nörd-
lich vom Rhein und Bodensee ihre Wohnsitze hatten;
wenn man damit in Verbindung bringt, dass in Pom-
mern, Mecklenburg, Schlesien sich zum Teil ganz die-
selben Flussnamen wie z. B. in Westfalen und Thüringen
finden; wenn sodann diese wiederkehrenden Flussnamen
als deutsch nachgewiesen werden können: so ist man
nicht berechtigt, die noch nicht erklärten Flussnamen
in Nord- und Mitteldeutschland als keltisch zu be-
zeichnen; vielmehr hat mau triftigen Grund, auch die-
jenigen Flussnamen iq Süddeutschland bis zur und
auch noch südUch von der Donau als deutsch zu bean-
spruchen, in denen sich, wie es z. B. bei Enza der Fall
ist, dieselben Bestimmungswörter wie in norddeutschen
Flussnamen von entschieden deutschem Ursprünge fin-
esse ortos ab Gennani8.B.heiiumque antiqnitns traductos prop-
ter loci fertüitatem ibi consedisse Gallosque expulisse. In
der Einleitung der Kraner-Dittenbergersofien Ausg. der Kom-
mentarien Cäsars über den gall. Krieg wird S. 17 der 10. Aufl.
übey den Ursprung der Belgier bemerkt: „Am richtigsten wird
man mit Rouhz (milanges de philologie cfhistoire et cfantiquitSs,
Bruxelles 1850, fasc. VI) annehmen, dass dieselben zwar aus
Germanien eingewandert waren, allmählich aber Sprache und
Sitten der von ihnen unterworfenen Gallier angenommen hatten".
Übrigens, glaube ich, kann man aus verschiedenen Gründen
der Ansicht sein, dass die Frage, ob die grosse Menge der schon
vor alters nach Belgien eingedrungenen Germanen sämtlich
ihre germanische Sprache und Sitte aufgegeben haben , noch
eine offene sei. Müllenhoff und Kiepert, deren schwerwiegende
Autorität keiner verkennen darf, sind allerdings andrer Meinung,
8. Kiepert, Zehrbuch der alten Geographie, S. 526; Müllenhoffs'
Ansicht hierüber sowie über die Vangionen u. s. w. — s. oben
— kenne ich aus seiner Vorlesung über Tacitus' Germania (zu
cap. 28), einer Vorlesung, wie ich sie gediegener nie gehört habe.
21
den; ja man kann die Vermutung aufstellen, dass
auch die übrigen süddeutschen Flussnamen bis zur
Donau sich grösstenteils als deutsch erweisen werden. —
Bück 68) erklärt: „Nordhald der Alpen finden sich
verhältnismässig wenig vordeutsche Namen. Zieht man
die grossenteils vordeutschen Flussnamen, dann einige
Berg- und Wohnortsnamen ab, so ist fast alles übrige
Nainenmaterial deutsch". — Ich lege besonderes Gewicht
darauf, dass ein anerkannt so tüchtiger Forscher wie
Bück zu diesem Resultat gekommen; vielleicht gelingt
es mir, bezüglich der Flussnamen sein Urteil etwas zu
modificieren und einiges dazu beizutragen, dass auch
die süddeutschen Flussnamen — im allgemeinen bis
zur Donau — in ihrer ' deutschen Natur erkannt wer-
den. Bis jetzt haben viele — selbstverständlich rechne
ich nicht Bück dazu — zu sehr nach dem Sprüchlein
verfahren — sit venia cantilenae:
Was man nicht deutsch erklären kann, ,
Das sieht man gleich als keltisch an.
Man muss eben immer das schöne Wort Fr. «^) beden-
ken: „Flussnamen, diese ungeschliffenen Juwele in der
Namenforschung, führen uns oft auf das Ureigentum
der indogermanischen Sprache zurück". Man kommt
hier oft erst — hauptsächlich durch Aufsuchen und
Vergleichen möglichst vieler Glieder derselben oder
verwandten Namenssippe — auf eine brauchbare Erklä-
rung, nachdem man monatelang wieder und wieder die
rätselhaften Wortgestalten mit zäher Ausdauer betrach-
tet, wie es mir z. B. mit der Ennepe, Unstrut u.
s. w. ergangen ist, mit deren erstem Bestandteil ich
recht lange Zeit schlechterdings gar nichts anzufangen
wusste.
Doch nun zu den mit -anza zusammengesetzten
Flussnamen.
Ich beginne mit den Bestimmungswörtern, in denen
**) Oberdeutsches Flurnaraenbuch , Vorwort S. 10. ®®)
Deutsche Orten. S. 31.
22
ich alte Bekannte wiederzutreffen glaube, die ich bereits
in meiner Abh. charakterisiert.
So ist das Sol-, welches in Sol-anza erscheint,
wie ich glaube, dasselbe Wort, welches ich inSal-ä =
Sal-aha und Sal-mana , j. Salm 7®) (Mosel) nachgewie-
sen, nämlich als zusammenhängend mit sar''^ und
sal gehen, eilen, strömen. — Ich füge jetzt noch
hinzu den Flussnamen Saal-ach (Salzach, Lm), des-
sen -ach = aha einen weiteren Stützpunkt für meine
in der Abh. ausgesprochene Meinung bietet, dass das a
in Sal-a = aha sei, — ferner die Sul-aha — s. Fr. — ,
bezeichnend sowohl die Suhla (Hasel, Werra), woran
Suhl, als die Suhla (Werra), woran Marksuhl; auch
die Suhle (Hahle, Ruhme, Leine, Aller, Weser) wird
olme Zweifel auf die Form Sul-aha zurückzuführen
sein. Hierher gehört auch die Soll-mecke ^*) — das
'<>) 8. Abh. 366. '*) F. setzt I, 227 als indogermanisches
Thema an sar, sarati gehen, eilen, strömen; vgl. sskr.
sar, sal gehen, fliessen, saUila Wasser, oq^fir^ Eile, ak-
loficci für ttX'jouai = sal-io u. Abh. S. 369 u. 370. — Sar-avus,
j. Saar, ist nach meinem vorläufigen Urteil bezüglich des Be-
stimmungswortes dasselbe wie Sal-a, der Bach So r- aha das-
selbe wie der im Texte gleich zu erwähnende Flussname Sul-
aha und dieses = Sur-apa, j. Sorpe (Lenne, in ihrem Quell-
laufe). Surapa muss nämlich der Bach geheissen haben, weil
der daran liegende Ort Sorpe — bez. die Orte Ober-, Mit-
tel- und Niedersorpe — in der ahd. Form Sur-opo überlie-
fert ist. Übrigens liefern -aha und -apa in Sor-aha und Sur-apa
den sichern Beweis, dass Sor- und Sur- keine Grundwörter
für Fluss, sondern Bestimmungswörter sind. Doch über diese
Flussnamen, sowie über die, wie ich meine, damit sprachlich
verwandten Flüsse Sur-ä, Sor-na=Sor-(a)n-a einmal spä-
ter. '*) Dieser Bachname beweist zugleich wiederum, dass
-mecke aus mana entstanden; denn S&l-me-ke ist das Demi-
nutiv von Sal-mana, wie Al-me-ke (Lenne) von Alme ahd. Al-
mina; klar zeigt dies besonders Wör-mke ahd. Wer-mana
(Emmer, Weser); vgl. zu Wörmke den dreimal im Kr. Altena
erscheinenden Namen Wer-mecke und meine Erklärung von
Wer-mana Abh. S. 370 u. 371. Es bilden femer eine Gruppe die
Bachnamen HöU-meke und Hill-meke (Kreis Altena), sowie
Hill-mike (Kreis Olpe) mit Hel-me, ahd. Helmana. HöU-
meke steht statt Hel-meke, wie so häufig ö statt e. Über
23
Volk spricht SSl-mecke — (Verse, Lenne, Ruhr).
Hel-mana = Bergfluss s. Abh. S. 376 u. 377; ich füge jetzt noch
hinzu das germ. Wort hella Hügel, das F. IQ, 70 aufstellt
und das ags. hyll, hill, engl, hill Hügel; der Yokalisnius der
ags. Sprache und des westfälischen Nd. hat oft überraschende
Ähnlichkeiten; das zeigt sich nach meinem Dafürhalten auch
wieder in dem i in Hill-meke und hill. Übrigens halte ich es
für meine Pflicht, hier nachzutragen, dass es lediglich ein
Missverständnis meinerseits war, wenn ich Abh. S. 866
bezüglich des Flussnamens Helmana bemerkte, dass ihn Fr. an-
scheinend zu Helm stelle. — Damit sich nun jeder , ohne meine
Abh. einzusehen, ein Urteil über dieses wichtige Wort -mecke,
welches allein im Bgbz. Arnsberg in mehr als 60 Ortsnamen vor-
kommt, bilden kann, will ich noch einiges über das Verhältnis
von mana und -mecke hinzufügen. Sieht man nämlich, wie das
-me, bez. bloss -m in den heutigen Flussnamen aus ahd. mana,
mina eitstanden ist, z. B. ausser den mitgetheilten Al-me,
Hel-me noch in n-m , bez. Il-me aus Il-mina, in Sal-m aus Sal-
mana, Wür-m aus Wir-mina, Wü-mme aus Wie-mena
— vgl. über die Bedeutung derselben Abh. S. 367 — , so wird
man unmöglich in Namen wie Al-mecke neben Al-me,
Höll-, Hill-mecke neben Hel-me, Säl-mecke neben
Sai-m, Ruh-mecke (Ruhr) und Ro-mecke (Mohne, Ruhr)
neben Ruh-me (Leine, Aller), 01-mecke neben 01-m (Lahn)
— Ruh-me und 01-m sind mir leider nicht in alter Form be-
kannt — so wird man unmöglich mit einigem Rechte in -mecke
eine Entartung von -becke = Bach sehen. Entweder betrach-
tet man also Almecke, Höllmecke, Sllmecke als Deminutiv-
formen von Ahne, Helme, Salm(e) vermittelst der Verkleine-
rungssilbe -ke, wie ich es in meiner Abh. gethan — vgl. be-
züglich der Annahme von -ke als Deminutivsilbe Wg. unter
-chen, wo auf die der mhd. Verkleinerungsendung -kin vor-
ausgehende männliche Deminutivendung ahd. ihho, as. iko
und eine weibhche ihha hingewiesen wird — oder man nimmt
an, was mir jedoch unwahrscheinlicher erscheint, dass an die
bereits abgeschliffenen, unverständlich gewordenen Formen Alme,
Hellme, Salm(e) tautologisch -beke getreten, welches allerdings
— in Verbindung mit andern Wörtern am Ende — zu -ke
verstümmelt werden kann. So heisst z. B. das Dorf Jöllen-
b e c k bei Bielefeld, ahd. Jolenbecke, im Volksmunde Jüomke ;
an der Dalke (Ems) liegt Haus Dal-bke; offenbar ist Dalke
aus Dalb(e)ke entstanden. Da nun die Dalke ahd. Deichana
heisst, so hat man, wie ich glaube, das nicht mehr verstan-
dene -chana durch das geläufige beke ersetzt. Zur Entstellung
des beke vgl noch aus Fr. , D. Ortsn. S« 34 SaWke statt Salbeke,
24
Diesen Namen fand ich auf der Kroiskarte von Altena,
jedoch nur als Wohnplatzbezeichnung an einem kleinen
Bache. — Ich schloss aus -mecke — s. über -meke =
kleiner Fluss, Bach meine Abb. S. 373, 374 und
378 — , dass der Bach auch Sollmecke heissen müsse.
Mein hiesiger Koll. Nagel hatte die Güte, durch Er-
kundigung zu ermitteln, dass allerdings der Bach auch
Sollmecke genannt werde. Das u inSulaha und das o
in Solanza steht gradeso neben dem a in Sala und
Salmana wie Sulzaha neben Salzaha, wie Olafifa neben
Alafifa, vgl. dieAnm. 71 angefiUirten Flussnamen: Sur-ä
neben Sor-aha, Sur-apa neben Sar-avus.
Das War- in War-inza habe ich schon in meiner
Abb. S. 370 mit dem War- in War-inn-ä, j. Werre (We-
ser) und Wem (Donau), sowie dem Wir- und Wer- in
Wir-mina, j. Wurm, und Wer-mana, j. Wörmke (Em-
mer, Weser) zusammengestellt und auf die W. vars
reissen, raffen zurückgeführt, welche noch in un-
serm nhd. wirren yorhanden ist, sowie in gr. cr/ro-
fagae, im lat. verrere erscheint — s. F. DI, 296 — ;
War-inza würde demnach auch „treibender oder
rasch dahinfliessenderFluss" bedeuten. DieWer-
nitz fiiesst von der fränkischen Hochebene der Donau
zu; sie entspringt — s. Dan. S. 217 — 1290' hoch am
Schillingsfürster Walde und mündet „nach unendlich
vielen kleinen Krümmungen" und einem Laufe von nur
15 Meil. bei Donauwörth 1163' hoch. Demnach kann die
Steimke aus Steinbeke ; die Helbeke bei Altena heisst als Wohn-
platzbezeichnung vielfach Hehke neben dem ursprünglicheren
und auch noch vereinzelt, wie ich jetzt erfahren, im Volksmunde
gebräuchlichen HöUmecke ; amtlich heisst es jetzt nur Helbeke ;
die oben genannte HöUmecke ist verschieden von dieser. Für
die zweite Annahme, die tautologische Anfügung von beke,
verstümmelt -ke, lässt sich allerdings der in Abschnitt IV ange-
führte Flussname Quarmbeck gegenüber Quarme und der Name
der an diesem Bache liegenden Quarmke Mühle geltend machen.
Eine ähnliche Verstümmelung hat im Volksmunde das in zahl-
reichen Ortsnamen erscheinende -hausen erfahren, welches „in
hunderten von Fällen" , wie Fr. Ortsn. S. 84 bemerkt ,; zu -ten
verschrumpft ist.
25
Wernitz nur in ihrem Oberlaufe rasch fliessen; nach
diesem sind aber die Flüsse sehr häufig benannt.
Um nun dies Wort War- in Flussnamen noch
durch mehr Beispiele zu erläutern, füge ich an dieser
Stelle noch einige in meiner Abh. nicht erwähnte Fluss-
namen an, in denen ich dies Bestimmungswort erkenne.
— So betrachte ich das oben erwähnte War inna auch
als Grundform für den heutigen Flussnamfen Warne
(Ocker, Aller), welche nach der Karte von R. bei
Salzgitter am Gitterberge entspringt und schon nach
kurzem Laufe in der Tiefebene ankommt; sie wird
also sicherlich einen raschen Oberlauf haben. — Fer-
ner stelle ich hieher die War-aha ^*), j. Wohre, (Ohm,
Lahn), die ebenfalls nach den Karten von R. und Syd.
an einem Berge entsteht. Das -aha in diesem Fluss-
namen bietet zugleich einen schönen Beweis für die
Annahme, dass das War- in War-inna Bestimmungswort
ist. — Sodann bringe ich als Parallelform zu Wir-mina
und Wer-mana dieWar-manou „die Warmenau, j. Aue
genannt", wie Fr. sagt. Dieser Bach hat aber noch
jetzt z. B. bei Wallenbrück, im Kreise Herford, Amt
Spenge , wo Vf. wiederholt gewesen , seinen prächtigen,
volltönenden Namen, die Warmenau, behalten, und
dieser steht auch auf der Karte von Jj. Der Bach
fliesst in die Else (Werre, Weser). Die Endsilbe -au
ist entstellt aus a, wie schon Abh. S. 375 bei der El-
manau, j. Ilmenau (Elbe), hervorgehoben. Wie -ach =
aha für Süddeutschland charakteristisch ist, so au =
aha besonders für Norddeutschland, vgl. das sehr oft
selbst als Flussname vorkommende Grundwort Aue,
femer die Flussnamen Hau, Linau, Hardau, Hart-
au, Pinnau, Radau, Espau, Caspau u. s. w.
") Waraha betrachte ich auch als Grundfonn der Wohr-e
(Werra) , die auch Wehra heisst. Sie entspringt an einem Berge
westl. vom Meisnergebirge nach der Karte von K. ; die Bedeu-
tung würde also auch hier angemessen sein. Vgl. auch die
Wie r -au (Haase, Ems), die in dem Berglande der westlichen
Weserkette in der Nähe der Huntequellen entsteht; ich nehme
als ahd. Form von Wier-au *JV%r-aha an.
26
Auch für die Warmenau passt die Bedeutung, denn sie
eilt von der Nordabdachung des Teutoburgor Waldes
bei Werther, nordw. von Bielefeld, zur Else herunter. —
Wie Wür-m aus Wir-mina, Wfir-m-ke aus Wermana,
Hel-me aus Hel-mana u. s. w., so ist; wie ich vermute,
der Flussname War-me (Diemel) aus War-mana ent-
standen. Die Bedeutung würde stimmen, denn der
Fluss kommt vom Habichtswalde herab. Warme heisst
auch ein Zufluss der Lesse (Maas) in Belgien.
Weiter ziehe ich zu dieser Klasse die Wör-pe (Wümme,
Weser), deren ahd. Name nicht überliefert ist. — Zu-
nächst erkenne ich in -pe das alte apa '*). Wie nun
das Wör- in Wör-nitz, einer Nebenform von Wemitz,
aus War- entstanden ist, so auch, wie ich annehme,
das Wör- in Wörpe. Demnach würde der Fluss as.
*War'apa gelautet haben. Gleichfalls erkenne ich
ein Glied dieser Namenssippe in Wir-pke (Ocker),
nach meinem Urteil aus * Wir-beke hervorgegan-
gen. Sowohl für die Wörpe als die Wirpke passt
die angegebene Bedeutung, denn jene entspringt auf
dem Landrücken der Lüneburger Haide , diese fliesst
von den Helmstädter Höhen dem Bruch graben zu, der
die Ilse (Ocker) mit der Bode (Saale) verbindet. —
Auch die War-n-ow in Mecklenburg wird wohl der-
selbe Flussname wie Warne, Wern und auf die Grund-
form Warinna zurückzuführen sein, vgl. Warne-münde.
Der ganz deutsche Flussname hat nur die slaw. En-
dung -ow erhalten; diese ist wohl eine Umformung
von -au ''ö), das selbst wieder aus aha entstanden ist,
welches goth. ahva lautete; vgl. ahd. ouwa Aue, das
auf ein goth. ahvi oder ahvjo, wie Wg. unter Aue be-
merkt, hinweist. Auch für die Warnow wird die Be-
deutung bezügUch des Oberlaufes passen, denn dieselbe
fliesst von dem Landrücken der Mecklenburgischen
Seenplatte herab.
Die Alis-ontia oder Alas-enza, Alis-inza wollte ich
schon in meiner Abh. den Flussnamen Els-e, Ils-e,
^*) 8. S. 7, Anm. 24. '») fi, oben.
27
Els-pe, Eis -off'*) zugesellen, als deren ersten Teil
ich Else = Erle ''), Eller betrachte; die ursprüngliche
Gestalt von Else ist alsa, alisa, alesa'»), geradeso
wie arila und alira die Grundformen von Erle und
Eller sind. Damals, wo ich anza noch nicht als Grund-
wort in Verbindung mit echt deutschen Bestimmungs-
wörtern erkannt, veranlasste mich die Endung -ontia,
die mir wegen Vesontio als keltisch erschien, den
Namen einstweilen zurückzustellen; jetzt zweifle ich
nicht mehr, dass das Alis- in diesem Flussnamen, das
noch ganz dem von F. aufgestellten urgermanischen
Worte alsa, alesa, bez. alisa =» Erle entspricht, mit
unserm heutigen Wort Else zusammenhängt^). —
Der heutige Name der badischen Alis-ontia, nämlich
Els-enz, weist auf die Verwandtschaft hin mit Els-
pe (Lenne, Ruhr), Eis- off (Eder, Fulda), zu de-
nen ich jetzt noch hinzufüge die Els-awa^^) (Main,
zwischen Klingenberg und Aschaffenburg), sowie den
ahd. Namen Elis-ba oder Els-pa = Eisbach a. d. Elz
(Streu, fränk. Saale) , dessen -pa (ba), wie ich vermute,
aus apa entstanden ist. Der Ort hat von dem Flusse
seinen Namen bekommen und -bach in Eisbach ist,
wie die ahd. Form deutlich zeigt, eine Umformung des
unverständlich gewordenen apa (ba) ; Els-pa ist iden-
tisch mit Els-pe rLenne). Der Fluss selbst heisst jetzt
Elze, Elz und aucn Eis. — Hingegen die Elz (Neckar)
gehört nicht hieher, da der Fluss ahd. Al-antia«i)
lautet. Dieser Name war mir besonders ein schwerwie-
gender Beleg, dass anza mit echt deutschen Bestim-
mungswörtern zusammengesetzt ist.
Ich betrachte nämlich als solches AI-, worüber
'«) s. Abh. S. 350 £f. ") s. Wg. unter Else. '») s. F.
ni, 27. '•) Gradezu zahllos sind die Flussnamen, die von der
Erle, die besonders viel an Flüssen wächst, ihren Namen ha-
ben, vgl. noch Abh. S. 350. ^) awa aus aha, bez. ahva,
nicht = apa, welches in Oberdeutschland -affa lautet, bez. zu
-af , -of , -fe u. s. w. geworden ist. **) vgl. die Formen Al-
anca und Al-enza, zu nehmen aus Alancer marca und Alenzer
marca; Al-antia u.Al-anca aus dem 8., Alenza aus dem9. Jhrh.
28
ich in der Abh. S. 360 ausführlich gesprochen. Zahl-
reiche Flussnamen sind, wie schon oben S. 2 angedeu-
tet, mit diesem al- komponirt, welches erscheint in
goth. aljana, as. Ujan, ahd. Uan, nhd. eilen, nämlich
Al-apa, 01-pe, El-pe, Eil-pe, Il-pe, Al-mina,
Il-mina, Ill-ä, lU-ara u. s. w. — Al-antia heisst
also die eilende Enz, ein für diesen von dem östlichen
Teile des Odenwaldes zum Neckar herabströmenden
Fluss nicht unpassender Name.
Ich trage an dieser Stelle noch anhangsweise fol-
gende, nach meiner Annahme mit diesem al- zusammen-
gesetzte und in der Abh. noch nicht erwähnte Fluss-
namen nach.
Zuerst die Al-stra **), die Hamburger Alster, wel-
che von dem Holsteinischen Landrücken herab der
Elbe zufliesst. — Ich halte es für ganz unwahrschein-
lich, dass der Al-ster (Itz, Main) eine andere ahd.
Form zu Grunde liege als Al-stra , fasse demnach auch
diese Alster als eilenderFluss — ein nicht unpassen-
der Name , da dieselbe vom nordfränkischen Berglande
herabeilt. — In dieselbe Namensklasse bringe ich die
El-stra, j. Elster, welche beim Dorf und Bade Elster
— wie ich Dan. S. 408 entnehme — noch 1465' über
dem Meere ist, während Halle, oberhalb dessen die
Elster mündet, nach Dan. S. 406 nur noch 282' über
dem Meere liegt; die Elster ist also sicherlich zuerst ein
rasch dahinströmender Gebirgsfluss. — Die Schwarze
Elster entspringt im Lausitzer Berglande am 1400' ^^)
hohen Sibyllenstein »4) und wird demnach, da sie schon
nach kurzem Laufe in der Ebene ankommt, im Ober-
laufe schnell fliessen. Dass die Flüsse aber sehr oft von
der Natur des Quelllaufs den Namen haben, ist schon
wiederholt hervorgehoben; man vgl. noch z. B. Abh.
S. 361 das über die Aller Gesagte, ein Fluss, der mit
der Elster bezüglich des Terrains, welches er durch-
**) über -stra = strawa = Fluss vgl. oben S. 5. *') s.
Dan. S. 411. ®*) Meyers Konversationslex. VI, S. 71 der 3.
Aufl. entnommen.
29
fliesst, manche Ähnlichkeit hat. Übrigens verhält
sich Alster zu Elster wie Alpe (Al-apa) zu Elpe.
Mit Alstra und Elstra bildet femer Ul-stra, j. Ulster
(Werra), eine Gruppe; sie kommt vom Rhöngebirge
herab; XJl-ster: Al-ster = Sulz-aha: Salz-aha - Ul-fe:
Alpe u. s. w. ; ferner Ulster: Elster = Ulfe: Elpe^^);
Die n-aha, j. Dach (Lech), ist nach meiner An-
nahmeidentisch mit der schon in der Abh. besproche-
nen Hlä. Nach der Karte des Kgr. Bayern von Weiland
fliesst sie aus einem See ab von Vorhöhen in der s. g.
Zone der oberen Ebenen der schwäbisch -bayrischen
Hochebene. — II -aha betrachte ich auch als Grund-
form für die beiden Nbfl. der Saale (Elbe), die Ihl-e
und Ehl-e, welche beide vom Fläming herabeilen.
Auch die Ohl-au (Oder), die von ^en mittelschlesi-
schen Vorbergen zur Odertiefebene niederfliesst , kann
hierher gehören und zur Grundform *Al-aha haben:
Ohlau: Al-aha ==» Olpe: Alapa^*).
Es ist, wie schon in der Einleitung zu Teil I be-
merkt, gradezu merkwürdig, wenngleich sehr erklär-
lich, wie dieser Begriff des rastlosen Forteilens einen
so mannigfaltigen Ausdruck bei den Flussnamen gefun-
den. Ich nehme nämlich denselben auch an in den zahl-
reichen mit Bad- zusammengesetzten Flussnamen. Sehr
lange suchte ich nach einer passenden Erklärung die-
ses Bestimmungswortes vergebens. Ich dachte an Ried,
ahd. hriot = Schilfrohr, aber der Vokal a in Rad- wi-
dersprach, und verschiedene Flüsse duldeten durchaus
nicht diese Erklärung. In letzterer Beziehung war mir
besonders wichtig die Rathmecke bei Altena, die ich
ebenfalls hierher ziehe; bei diesem Bache konnte ich
mich überzeugen, dass die Erklärung „Schilf fluss"
nicht passe. — An den Stamm rMd== roden zu den-
ken, verbot gleichfalls der Umstand, dass sich nirgend
der Vokal u bez. der Diphthong iu in den ahd. über-
lieferten Namen fand; noch weniger Hess sich bei die-
^) vgl. oben S. 4 u. 9. ^ -au = aha ist schon oben er-
wähnt S. 25.
30
ser Annahme eine irgendwie passende Bedeutung aus-
findig machen. Weil femer bei den betreffenden ahd.
Flussnamen, z. B. bei Radantia, Badaha, Radbiki, nie-
mals eine Nebenform mit Rod- oder Rot- vorkommt,
so ist schon aus diesem Grunde eine Ableitung von
goth. raudas, as. röd, ahd. rot nicht angänglich. —
Schliesslich aber fiel mir ein, dass ein h vor dem r
fortgefallen sein könnte, und so gelangte ich endlich
zu einer Erklärung, die ich für sehr wahrscheinlich
halte. Ich bringe nämlich Rad- zusammen mit an*
hradhr »'), ags. hradh, ahd. hrad, rady hrat, rat und
radi, redi = velox, strenuus zusanmien, so dass
die hierher gehörigen Flüsse einen neuen Beleg für den
Satz geben würden, dass in der unendlichen Menge
von Flussnamen yerhältnismässig wenige Vorstellungen
zum Ausdruck kommen. Die Bedeutung „eilender
Fluss^* passt zunächst für die drei in ahd. Form über-
lieferten Flussnamen Radantia, Rad aha und Rad-
biki.
Nach dem Zusammenfluss der Fränkischen und
Schwäbischen Rezat, ahd. Reth-rat-enza, erhält
der yereinigte Fluss den Namen Rednitz, ahd. Rad-
antia, Rat-anza, Rat-enza. Der Name Radantia,
Rednitz, wird sich aber ursprünglich nicht nur, wie
jetzt*®), auf das 5 Meilen lange Stück von dem Zu-
sammenflusse der beiden Rezat bis zur Einmündung
der Pegnitz 8^) bezogen , sondern offenbar wird eine
der beiden Rezat zunächst den Namen Radantia er-
halten haben. Nach meiner Meinung hat derselbe
ursprünglich an der Fränkischen Rezat gehaftet. Diese
entspringt nämlich, wie Dan. S. 299 bemerkt, auf der
Hohen Steig. „Der Brückleinsweiher, 1302' hoch,
sendet Wasser zur Rezat und Altmühl Die Rezat
fliesst bei Ansbach, 1191' hoch, vorüber". Bis Ans-
bach hat die Rezat ungefähr 3 Meil. Lauflänge ^o). Aus
«') 8. F. in, 82. *«) 8. Dan. S. 299. »») die vereinigte
Rednitz • Pegnitz hei88t bekanntlich Begnitz. *^) nach der
Karte von R. abgemessen.
31
diesem Gefälle möchte ich schliessen, dass der Fluss
besonders anfangs einen nicht langsamen Lauf hat und
daher der rasche Fluss genannt werden konnte. —
Die schwäbische Bezat entspringt sehr viel niedriger;
ihre Quelle ist von der Altmühl nur durch eine Bodenan-
schwellung von 7 Meter getrennt ^i). Sie muss, soweit
ich es nach der Zeichnung der Karte von B.
beurteilen kann,, auf einem moorigen, bez. nasswie-
sigen Terrain ihre Quelle und auch ihren ersten Lauf
haben ^^); sie ist daher kein Bergfluss, wie die fränki-
sche Rezat, und wird keinen besonders raschen Gang
haben. Auf die Schwäbische Rezat passt aber, wie mir
scheint, der Name Reth-rat-enza recht gut. Dieses
Roth- bringe ich nämlich zusammen mit ahd. hriot, riot,
riet und hreod, read, ried^ as. ried, mnd. r^^; ags. hreod
= Schilfrohr, Sumpfgras, Riedgras, ferner mit
Sumpfgras bewachsener Grund, Ort mit Ried-
gras ^*). Ich schliesse aus dem moorigen, bez. wiesi-
gen Terrain der Quellgegend der Rezat, dass dasselbe
vielleicht noch jetzt etwas mit Schilfrohr oder Ried-
gras bewachsen ist, bez. früher bewachsen war, denn
vor der modernen rationellen Wiesenkultur muss das
Riedgras weichen. — Man betrachtete nun von vorn-
herein die Fränkische und Schwäbische Rezat ebenso
als die Quellflüsse des durch ihre Vereinigung gebilde-
ten Hauptflusses, nämlich der Rednitz, wie den Roten
und Weissen Main als die Quellflüsse des Main§i, wie
die Rauhe und Mittelebrach als solche der Rauhen
Ebrach, wie die Warme. und Kalte Bode als Quell-
bäche der Bode, wie die Waldnab, Fichtelnab und
Heidenab als solche der Nah, wie den Schwarzen und
Weissen Regen ' als diejenigen des Regens. Man sah
aber auch mit Recht in der Fränkischen Rezat den
Hauptfluss; deshalb behielt nicht nur nach der Verbin-
•1) Meyers Konv. XIII, S* 598 entnommen. •*) Es wäre
mir sehr interessant zu erfahren, ob dies richtig ist. Unweit
des Quelllaufs der Schwab. Bezat finden sich auf der Karte von
R. z. B. Wohnplätze mit dem Namen „Nass wiesen". •*) s.
Schade, altdeutsches Wrtb.
32
düng der Zwillingsflüsse der vereinigte Mass den Na-
men des Hauptflusses, sondern man gab dem kleineren
Flusse, um seine Zugehörigkeit zum Haupt- und Stamm-
flusse ^*) zu bezeichnen, den Stammnamen und verlieh
ihm noch zur Unterscheidung von seinem stärkeren
Zwillingsbruder einen Zunamen, welcher auf seine be-
sondere Herkunft hindeute, nämlich auf seine mit Ried
bewachsene, wiesige Quellgegend. Indem man also bei
der Schwäbischen Rezat diesen Vornamen Reth- dem
Hauptnamen Radantia vorfiigte, hob man damit das
Unpassende auf, welches in der alleinigen Benennung
mit Eadantia eilender Flüss gelegen haben würde ^*).
Desgleichen passt der Name auf die Rad -aha.
Fr. bemerkt unter Radaha: „Die Rodach, Nbfl. der
Steinach, südlich von Koburg". Aus der Bemer-
kung, „südl. von Koburg" geht hervor, dass nur
die Rodach, welche in die oberhalb Bamberg in den
Main mündende Itz fliesst, gemeint sein kann. Es ist
dies im Gegensatz zu der Voigtländischen Rodach,
welche im Reussischen bei Rodacherbrunn auf dem Thü-
ringer Walde entspringt, die s. g. Sächsische Rodach.
Die Voigtländische Rodach nimmt die Steinach auf,
und daher mag wohl das Versehen bei Fr. rühren. —
Für die Sächsische Rodach, für welche der Name Rad-
aha überliefert ist, passt die Erklärung recht gut;
denn sie entspringt nach der Karte von R. an der Ab-
dachung des Hahnritzberges, südw. von Hildburghau-
sen. — Ich möchte es nun als recht wahrscheinlich be-
zeichnen, dass auch der andern Rodach die alte Form
Rad-aha zu Grunde liege; dass für diese, welche auf
**) sit venia nomini praesente nota signato. ^) Das th
in Bethratanza statt des blossen t bez. d ist nicht von Bedeu-
tung; neben Reth- hat Fr. auch die Nebenform mit Keht-.
Keiche Belege für dieses Schwanken zwischen t, th und d
bieten die zahlreichen Namen auf -rod, welche Fr. S. 1261 ff.
zusammensteUt. Vgl. bezüglich der Rethratanza die ähnlichen
mit ahd. r6r=^ arundo zusammengesetzten Flussnamen bei Fr.
unter dem Stamme Raur und unten meine Erklärung von Ruhr
(Rhein) und Roer (Maas).
33
dem Thüringer Walde ihre Quelle hat, die Deutung
sehr gut sich eignen würde, liegt auf der Hand.
Die Rad-biki ferner in der Gegend von Ame-
lungsborn, wie Fr. angibt, nordöstlich von Holzminden,
steht auf der Karte von R. nicht namentlich verzeich-
net; auch hier wird der Name wohl passen, denn Ame-
lungsbom liegt im östlichen Weserberglande in der
Nähe des Berges Homburg.
. Von den übrigen mir in der alten Form nicht be-
kannten, mit Rad- zu^anmiengesetzten Flussnamen
möchte ich zunächst als ein sehr wahrscheinliches Glied
dieser Gruppe bezeichnen die Rathmecke (Rahmede,
Lenne), da die Erklärung auf diese von den steilhän-
gigen Lennebergen zuthal eilende Bachrinne sehr gut
passt und die Farbe des Flusses verbietet — vom Vo-
kal abgesehen — bei dem Rath- an rot zu denken. —
Desgleichen wird hierher auch wohl gehören der zur
Ocker fliessende Brockenfluss die Rad -au; die Er-
klärung würde auch hier sehr gut passen. — Ferner
möchte ich hierher stellen die beiden Nebenflüsse der
Haase (Ems), die Nord- und Süd-Radd-e, welche
beide vom Hümling kommen, einem über der Ems bei
Meppen etwa 200' hoch sich erhebenden Sandplateau.
— Vielleicht- sind auch dieser Klasse zuzuweisen die
auf der Ponmierschen Seeenplatte entspringende Rad -üe
(Persante) und die Rad-aune, welche von der Hoch-
fläche von Carthaus „in raschem Laufe" ^^) zur Weich-
selniederung strömt 97).
*•) Diesen Ausdruck entnehme ich Meyers Kon vers XIII
401. — Vgl. über den raschen Lauf der Rad-üe z. B. die Be-
merkungen von Foss in dem Buche „Wie ist der Unterricht in
der Geschichte mit dem geographischen Unterricht zu verbin-
den? Dargelegt an der Darstellung der Provinz Pommern",
S. 30: „Von der (pommerschen) Seeenplatte strömen eine Reihe
vonKüstenflüssen herunter Diese Flüsse haben in
ihrem mittleren Laufe ein sehr bedeutendes Gefälle.
*') In einer spätem Abhandlung möchte ich zu zeigen versuchen,
dass auch dem Flussnamen Stibharna, j. Stever (Lippe), und
der stammverwandten Flussnamengruppe der Begriff des Eilens
zu Grunde hegt; denn Stibhar-n-ä hängt, wie ich glaube,
3
34
Auch bei den noch übrigen von den oben aufge-
führten, mit -antia zusammengesetzten Flussnamen,
nämlich Pag-inza, Arg-enza, Scapl- antia, Pri-mantia
und Brantia lässt sich' der erste Teil als germanisch
nachweisen; jedoch will ich erst, nachdem ich möglichst
viele mit den Stämmen Pag-, Arg- u. s. w. gebüdeten
Flussnamen gesammelt, dieselben einer genaueren Be-
sprechung unterziehen; vorläufig begnüge ich mich,
meine Vermutung über die Bedeutung^ dieser Be-
stimmungswörter ganz kurz zu begründen; ich thue
das schon jetzt, um den deutschen Ursprung derselben
auch hier als möglich und sogar wahrscheinlich hin-
zustellen.
Den ersten Teil von Pag-inza möchte ich auch
in den heutigen Flussnamen Beg-a (Werra, Weser)
und Bigg-e (Lenne, Ruhr) wiederfinden. Wiederum
wird uns hier der Begriff des Eilens als Motiv der
Namengebung entgegentreten.
Unser biegen lautet goth. hiugan, ahd. biagan^
piogan^ piokan. Den ursprünglichen Vokal zeigt das
verwandte as.iai Rücken — vom Wenden, Biegen
mit ahd. atiuban, stiupan = stieben, rennen zusammen —
ich sage nicht, dass es davon herkommt. Das Faktitiv hierzu
ist bekanntlich ahd. stoupan, stouben stieben machen, welches
nicht von Staub abzuleiten ist, wie Wg. unter atauben, stäuben
bemerkt; Staub ist ja selbst von der Eigenschaft des Umher-
fliegens so genannt. Dieselbe Weiterbildung mit dem Suffix
-ar, wie in Stibharna, zeigt sich auch in stöbern = „suchend
aufscheuchen, wie der Stöber thut", s. Wg. unter stö-
bern. Das -n in Stibhar-n-ä ist, wie ich glaube, aus dem Suffix
-an entstanden und das a darin gradeso ausgestossen , wie in
Adrana und Hlutraha das a vor r, s. darüber Abh. S. 363.
Auch sachlich würde die Bedeutung passen, denn die Stever
kommt aus dem Hügellande von Billerbeck und Eoesfeld und
hat deshalb zuerst einen raschen Lauf. Hinsichtlich der Be-
deutungsentwicklung von Staub aus stieben erinnere ich an den
umgekehrten Vorgang bei dem gr. Verbum xovCto ^ 1. mit
Staub erfüllen, 2. eilig laufen, so dass man Staub erregt, vgl.
xovlovTsg neSioto hinstäubend durch das Gefilde \ ähnlich heisst
«täuben wetterauisch „Staub erregend fliehen", s. Wg.
unter stauben, stäuben.
35
so genannt — , ferner goth. and-baht-a-s Diener, ahd.
ambaht, arnpaht, mhd. ambet, nhd. Amt^^), Ln Sskr.
heisst bhaj auch eilen, fliehen — s. F. I, 154 — ;
goth. biuyan baug btigans hängt femer zusammen mit
gr. q)€vyü)^ €q)vyov, 7C€(pavya^ lat. fagio; ags. steht noch
bugon = sie flohen 99). Es steht nun nichts im Wege,
das Pag- in Pag-inza mit dem germ. Thema bug zu-
sanönenzubringen, — sprachlich nicht, weil das a in
Pag- im Verhältnis zu dem u in bug nach dem Obigen
durchaus begründet erscheint, andrerseits die Konso-
nanten völlig mit dem ahd. piogan stimmen, — sach-
lich nicht, weil die Pegnitz, an demselben Gebirge
wie der Rote Main entspringend, ,,im Oberlaufe",
wie Dan. S. 299 bemerkt, „rasch auf sandigem
Grunde dahinfliesst". Einer Bemerkung in Meyers
Konvers. XII, 678 entnehme ich, dass die Pegnitz erst
bei Buchau den Namen Pegnitz erhalte. Nun befindet
sich die Pegnitz bei Buchau noch durchaus im Ober-
laufe und hat bis hier ungefähr nach der Karte von
E. eine Meile von der Quelle ab in grader Entfernung
zurückgelegt; auch unterhalb Buchau fliesst sie im
Gebirge weiter. Demnach wird die Bemerkung Dan.
auch noch eine gute Strecke unterhalb Buchaus auf
die Pegnitz passen. Ausserdem, glaub ich, hat die
Pegnitz ursprünglich auch in ihrem Quelllaufe diesen
Namen gehabt, da mir der Name Fichtenohe = Fich-
tenfluss , wie sie jetzt zuerst heisst , viel späteren Ur-
sprungs zu sein scheint. Sodann ist nicht etwa aus
dem Namen Buchau i<><J^ in Verbindung mit der obigen
Notiz zu schliessen, dass die Paginza Buchenfluss
bedeute; denn bei dieser Annahme Wäre der Vokal in
Pag- mir wenigstens unerklärlich, da die Buche ahd.
. **) Die Bedeutung „Diener" entwickelt sich — s. F. I, 154
— aus der ursprünglichen Bedeutung der germ. W. hak, sskr.
hhag wenden und zwar vermittelst der daraus abgeleiteten
„sich zuwenden , ergeben , angehören" , also -bahta = sskr.
hhakta = Ergebener. ®^) s. Wg. unter biegen. "°) Bu-
chau hat sicherlich ahd. Buchowa in der Bedeutung Buchenau
geheissen, s. Fr. unter Buchowa.
3*
36
buocM oder puocli& heisst und in keiner germ. Sprache
sich in der Stammsilbe dieses Worts ein a findet; F.
setzt als nrgerm. hdka an. — Bei Buchau fliesst übri-
gens der Püchenbach = Buchenbach in die Pegnitz.
Falls die oben erwähnten Flüsse Bega und Bigge
hierher gehören — der alte Name ist mir leider nicht
bekannt — , so würde auch für sie die Erklärung recht
gut passen; denn die Bigge ist ein rasch dahinfliesseRder
Gebirgsfluss, der im südlichen Teile des Kr. Olpe, an
der Wasserscheide zwischen Ruhr und Sieg, entspringt,
— und die Bega fliesst aus dem Lippeschen Berglande
herab zu der Senke zwischen Teutoburger Wald und
diesem zum Werrethale sich abdachenden Lippeschen
Berg- und HügellandCi — Ich sehe keine Möglichkeit,
wie Bega und Bigge aus as. heki, biki^^^), mnd. beke,
ahd. pah, nhd. Bach entstellt sein können; denn beide
Flüsse fliessen auf nd. Gebiete, bezüglich dessen man
auf die as. Form beki zurückgehen müsste, aus der
Bega und Bigge schwerlich im nd. Volksmunde ent-
standen sein können. Der Bach heisst im jetzigen Nd.
beke und bike, auch bäk und beck^®*). Ich möchte
als Grundform für beide Flüsse ^Big-aha, *Bigd an-
setzen, echt ahd. *Pigaha, welches neben Pag-inza grade
so bestehen würde, wie ll-mina neben Al-mina, II -pe
neben Al-pe u. s. w.
Ebenso lässt sich Prim-antia aus dem Germ,
erklären und zwar in einem recht passenden Sinne.
Ich werde unten in einem besondern Abschnitte nach-
zuweisen suchen, dass ebenso wie der einfache BegrifiF
des Eilens als Bestimmungswort in den Flussnamen
in der mannigfaltigsten Weise erscheint, so auch der
Begriff des Tönens, Rauschens, der ja gleichfalls
in der Dichtung vom homerischen TtOTa/idg xelddwv
an als Attribut der Flüsse zum verschiedenartigsten
Ausdrucke gelangt i^^^),
»Ol) 8. Wg. unter Bach. *««) s. Berghaus, Sprachschatz
der Sassen. *®') So berührt sich die uralte phantasievolle
Anschauung des Volkes oft auf das wunderbarste mit den Vor-
stellungen der modernen Kunstpoesie. Bei den Griechen kommt
37
Prim- oder Prem-, deön Premantia kommt auch
vor, bringe ich zusammen mit ahd. breman oder pre-
man, lat. fremere, gr. ßgi/Licj, ßgof^og, ßgorti] ^®*) ; Prem-
antia ist demnach der rauschende Fluss. Dieselbe
Bedeutung habe ich bereits in Embi-scara, j. Emscher,
gefunden ^^^). — Auch Bram-aha, j. Brambach (Mu-
dau, Main), welches Fr. mit ahd. bräma rubus zu-
sammenbringt, möchte ich hierher ziehen und mit
grösserer Wahrscheinlichkeit noch die Prum-ia, j.
Prüm (Sure, Mosel). Wir würden folgende Gleichungen
erhalten: PrUm-ia : Frim-antia = HlUn-ia : ^Hlin-ä
= LvLpp'ia : Lipp-,e, — BrSim-aha : PrUm-ia =
JLl-stra : Ul-stra = JLn-trafa : *Un'trafa : Un-
strut, — BrSLm-aha : Prim-antia = An-trafa : Ind-
d : Ihn-a. — Die Bedeutung würde ganz gut passen,
denn alle drei sind Gebirgsflüsse, bei denen sich also
ein besonders hervortretendes Rauschen annehmen lässt.
In Arg-inza ferner führe ich Arg- auf die euro-
päische W. argh zurück, welche F. I, 498 gibt mit der
Bedeutung „heftig^bewegen". F. bemerkt daselbst:
„Dazu vielleicht germ. arga-, arg eigentlich zitternd,
feige?" Zur W. argh gehört bekanntlich gr. ogxew^
OQxeoixai^ welche Wörtef F. auch III, 24 unter dem
germ. arga anführt. — Dieses Arg- sehe ich auch in
Ar g-un a, j. Argen (Bodensee) ^^% sowie in Or c-ana i<^^),
j. Orke (Eder, Fulda). In Orc- kommt die oberdeutsche
Lautverschiebung zur Erscheinung. Es verhält sich
sodann Orc-ana : Arg-una = Ol- äff a : JLl-affa =
Sol-anza : Sai-mana u. s. w. — Argen und Orke sind
z. B. das Gewitter in vielen Mythen als Schlangenungetüm
vor; wie rein spiegelt sich dieses Phantasiebild wieder in dem
bekannten Schillerschen Rätsel : Unter allen Schlangen ist eine
u. s. w. *o*) 8. F. III, 216. *<>'*) 8. Abh. S. 372 und unten
Abschnitt IV. *°®) Verschiedene der mir bekannten in den
Bodensee fliessenden Flüsse haben deutsche Namen, z. B. die
Bregenzer Ach, femer die bei Friedrichshafen, bei ühldingen
und die in den üntersee mündende Aach, weiter die Goldach,
Steinach u. s. w. "t^ ^^^^ g 47 ^ält Orcana für keltisch,
aber vielleicht umgedeutscht, indem er an „an. urga fremere^ '^
erinnert.
38
Gebirgsflüsse; für beide wird die Bedeutung passen. —
Ueber Arg-inza vgl. ob. S. 18, Anm. 66.
Denselben Stamm finde ich weiter in Orc-unt-
rura, j. Urftios) (Roer, Maas).
Rura (Roer) und Oreuntrura sind grade so als
Zwillingsflüsse betrachtet worden, wie die Ratenza und
Rethratenza, wie die Obere und Untere Ourthe oder
Ourt (Maas) u. s. w. Rura, sowohl die Ruhr (Rhein)
als Roer (Maas) bezeichnend, ist mir nach seiner Ab-
leitung zwar noch nicht sicher, jedenfalls aber möchte
ich Rura als Rur-ä = Rur-aha fassen. Rura lässt
sich nun allenfalls auch auf die germ. W. ras tönen
zurückführen, von der rasda Stimme, ahd. rSrm
brüllen, nd. rören heulen herkommen i^a); es wäre
jedoch wegen des Vokals u an sich viel wahrscheinlicher,
dass Rura zusammenhienge mit as. hrörian^^^)^ md.
rören, rüren^ ahd. hruoran, riioran = rühren, womit
zu vergleichen mhd. ruore, md. (im 15. Jahrh.) rüre,
rür urspr. eilige Bewegung, dann auch Hatz der
Hunde auf Wild, Bhd.*ruora, rüra Bewegung,
Ton spiel, as. hrora Bewegung; Aufregung. Wir
hätten dann wieder den Begriff des Eilens, welcher
sehr gut passen würde sowohl auf die Ruhr (Rhein) m)
als die Roer (Maas), welche von dem Hohen Venu zum
niederrheinischen Tieflande herabeilt. Aber es würde
dann — bei meiner Erklärung von Orcunt — in einem
so uralten Flussnamen, wie doch Oreuntrura offenbar
ist, eine durchaus unpassende Tautologie anzunehmen
sein. Deshalb bringe ich Rur-ä, mit germ. rausa, ahd.
^^^) So nach Fr. Auf der Karte von L. finde ich auch
eine Er kens rühr, welche ungefähr 72 ^^ile oberhalb der
Einmündung der Urft ebenfalls in die Roer mündet. Sehr
wahrscheinlich wird dieser Fluss ahd. auch Oreuntrura gelautet
haben; er würde dann geographisch und sprachlich ein Zwil-
lingsbruder der Urft sein. 10») s. F. 111,252. "0) s.Wg. unter
rühren und Buhr. ***) Das Gefälle der Ruhr beträgt nach
Liebrecht a. a. 0. S. 67 von ihrer Quelle bis Assinghausen 27'
auf 100°; Assinghausen liegt nach der Karte von L. von der
Ruhrquelle ungefähr IVa Meil. in grader Entfernung.
39
rtr y nhd. Bohr ii*) zusammen und erkläre es als
„Schilfrohrfluss". Diese Bedeutung passt ganz gut
auf die Ruhr (Rhein), die, wie Vf. selbst gesehen, in
ihrem Quelllaufe mit Röhricht bewachsene Wieöen
durchfliesst. Man ist ausserdem berechtigt zu schliessen,
dass früher auf diesen Wiesen das Schilfrohr in ganz an-
derer Menge als jetzt, wo dasselbe durch die Wiesenkultur
ausgerottet wird, gestanden habe. Dass der Name
auch für die Roer (Maas) nicht unwahrscheinlich sei,
liesse sich wohl schon von vornherein daraus schliessen,
dass das Hohe Venu, wo die Roer entspringt, be-
kanntlich ein Plateau voll von Torfinooren ist. Das
gemeine Teich- oder Schilfrohr wächst aber bekanntlich
häufig in Teichen, Bächen sowie in Sümpfen und
„trägt sogar durch seine kriechenden Rhizome zur
Torfbildung bei"!^^). — Entscheidend aber für mich,
diese Erklärung vorzuziehen, war nun, dass ich auf
der Karte von L. ganz in der Nähe der Quelle der
Roer einen Strich mit „Rohrbusch" bezeichnet fand;
wiederholt ist ja schon darauf hingewiesen, dass gerade
die Beschaffenheit der Quellgegend bestimmend für die
Wahl des Flussnamens gewesen ist. Damit nun die
Zusammengehörigkeit von Roer und Urft auch im Na-
men hervorträte, gab man, wie ich annehme, dem Nbfl.
den Namen des Hauptflusses, charakterisierte ihn aber
näher durch einen Zusatz, indem man ihn die eilende
Ruhr nannte 11*). — Auch die Röhr (Ruhr, Rhein)
wird wohl Schilmuss bedeuten. — Die Silbe -unt in
Orcunt- fasse ich als Suffix mit euphonisch eingescho-
benem, bez. aus lautphysiologischem Grunde leicht von
selbst mitgesprochenem t.
Schwierig ist die Erklärung von.Brantia, Brentia,
Brenza. Ist dieser Name wirklich mit -enza zusammen-
gesetzt, was ich bejahen möchte, so ist in dem Be-
stimmungsworte etwas ausgefallen. In der Abh. habe
ich nun S. 355 und 356 den Bergnamen „Brehloh"
"«) 8. F. m, 247. "») Meyers Konv. I, 979. "*) vgl.
das über Ratenza und Rethratenza Gesagte, S. 31 ff.
40
sowie den Stadtnamen Brilon als „leuchtender Wald"
erklärt, indem ich die erste Silbe mit mhd. brehen
leuchten, glänzen, ahd.j9^raÄ^ glänzend zusammen-
brachte. Dieses Wort möchte ich auch in Brantia
wiederfinden, welches ich mir zusammengezogen denke
aus *Breh'antia, so dass das Motiv der Namengebung
dasselbe wäre, wie bei dem so häufig vorkommenden
Flussnamen Lutaraha, ferner beiGlana und Adrana^^*).
Die Brenz hat die Eigenschaft, nur bei sehr grosser
Kälte zu gefrieren 1 Iß); daraus möchte ich schliessen,
dass ihr Wasser recht klar ist. Vielleicht ge-
hören auch zu brehen die Flussnamen Breh-me^^^)
(Hahle, Ruhme, Leine) und der im Rgbz. Arnsberg
9 mal vorkommende Name Bre-meke, bez. Bre-mke^i»).
Es kann auch Brehme = ^Brem-d = ^Brem-aha =
rauschender Fluss sein und Bremeke das Demi-
nutiv hiervon; dies erscheint mir aber deshalb nicht
grade als wahrscheinlich, weil -mecke im Rgbz. Arns-
berg eine so überaus häufig vorkommende Bezeichnung
für „kleiner Bach" ist.
Vielleicht ist auch der Flussname Priesterbach
(Steckenitz, Trave) damit verwandt, in welchem -bach
ein Zusatz späterer Zeit sein kann, wie so häufig,
wenn die eigentliche Bedeutung nicht mehr verstanden
wurde. Das -st er könnte man nämlich wie in Al-ster,
El-ster, Ul-ster deuten ^^ 9); das P sodann statt des zu
erwartenden B würde bei einem nd. Flussnamen wohl
nicht aus dem Ahd. zu erklären sein, sondern aus einer
volksetymologischen Anlehnung des nicht mehr ver-
standenen Namens an das ähnlich lautende Fremdwort
Priester sacerdos.
Ebenso könnte man in diese Klasse bringen die
Pri.efi2o) (Oleff, Urft, Roer, Maas). Das P wäre
"«*) über letztere beide s. Abh. S. 363 ff. "«) s. Dan, S. 216.
^*') -me aus mana. ^*®) über -mecke als Verkleinerungswort
von mana s. ob. S. 22, Anm. 72. "») s. oben S. 5 u. 28.
****) Die Prief habe ich der Karte von L., den Priesterbach der
von R. entnommen.
41
hier im oberdeutschen Sprachgebiete ^*i) aus dem Ahd.
beibehalten, vgl. Wg.s Worte unter dem Buchstaben
P: „Bei manchen Wörtern kommt sowohl p als auch
b im Anlaute vor, bei einigen jenes erste in Bewah-
rung aus dem Althoch- oder doch Süddeutschen". —
Diese Erklärung von Brantia u. s. w. sehe ich übrigens
selbst für nichts weiter als für eine möglicherweise
richtige an.
Für die Erklärung von Scapl-anza — wie Scaflanza
aus dem 8. Jhrh. überliefert — habe ich folgende Ver-
mutung, die ich gleichfalls nur anfüge, um zu zeigen,
dass auch Scapl- als germ. betrachtet werden kann.
F. setzt — I, 809 — als europäische W. skip =
skap werfen, schleudern an. Die W. skap erscheint
z. B. in gr. aKiJTt-riOj im sskr. k-shap werfen, kshipra
rasch, die Yf.skip in gr. ayiiiiiTtTCjmii Wucht nieder-
setzen, passiv sich stürzen auf, ferner in mhd.
schtben vollend fortbewegen, aber auch intr. sich
rollend fortbewegen i^^). Wie nun ahd. Ulan,
mhd. Uen, nhd. eilen zusammenhängt mit goth. al-jana,
so glaube ich, dass im Urgerm. neben der im mhd.
schien erscheinende W. mit dem Vokal i noch eine
solche mit a vorhanden gewesen sei. Als eine von der
letzteren mit der Ableitungssilbe -al i^^) gebildete Wort-
form betrachte ich nun Scapl- statt Scapal, Es läge
hier demnach derselbe AusfaU des a vor, welcher statt
hat in Hlutraha und den ich gleichfalls in Adrana und
Stibharna angenommen 124^. Auch hier hätten wir
wieder den bekannten Begriff des Eilens in neuer Ge-
stalt: die Scaplanza, die dahinroUende Enz, würde
^2^) auf oberdeutsches Spr. deutet z. B. das -eff in Ol-eff,
wohl ziemlich sicher aus -affa entstanden, welches auf nd. Ge-
biete ja -apa lauten würde, s. über AI- affa als vermutliche
Grundform von Oleff ob S. 4, Anm. 17 und über -ef, -af, -of,
-f u. 8. w. als Torso von -affa Fr., Deutsche Ortsn. S. 30.
^'^) vgl. ahd. scibä, scipd Scheibe. "») Das Suffix mit der
Liquida 1 erscheint bei Flussname^ sehr häufig, vgl. z.B. Tuss-
ala, j. Dussel, Isela, j Yssel, Iscala, j. Ischl, Rotala j. Rötel
u 8. w.; 8. Fr., Deutsche Ortsn. S. 236. ^^) s. ob. S. 33,
Anm. 97.
42
dem lat. Flussnamen Volturnus^**) entsprechen, den
manja mit t^o^ar^ eilen, laufen, fliegen zusammen-
bringt. Grade wie nun bei volare, welches mit gr.
ßdXkw aus der W. gval werfen entsprossen ist^*^),
die Bedeutung eilen, fliegen sich aus der Grundbe-
deutung werfen entwickelt hat, so auch bei demmhd.
schiben die Bedeutung „sich rollend fortbewegen"
aus dem urspr. Sinne der W. skip, nämlich werfen "7).
Die Scheflenz, welche von den östlichen Ausläufern
des Odenwaldes, aus dem südlichen Teile des s. g.
Baulandes herabfliesst, ist ein Gebirgsfluss, auf welchen
der Name „die dahin roll ende Enz" sicherlich pas-
sen wird.
Ueber Brigantia sagt Fr., Deutsche Ortsn. S. 247:
„Die Br. ist die Bregenz am Bodensee, woran die Stadt
gleiches Namens liegt". Da ich auf der Spezialkarte
nur die Bregenz er Ach^*®) finde, so lasse ich die
Brigantia zunächst bei Seite. Heisst jedoch, was ich
durchaus nicht bezweifle, der Fluss ursprünglich die
Bregenz ahd. Brig-antia, Brig-enza, so haben auch für
diesen Flussnamen die jetzt folgenden Bemerkungen
über brig- Gültigkeit
Dass brig- ein keltischer Wortstamm ist, ist bekannt;
daraus folgt aber noch nicht, dass alle mit brig- zu-
sammengesetzten Namen keltisch sind. Ohne vorläufig
der Frage irgendwie vorzugreifen, ob z. B. der in Brig-
aha, j. Brigach, und in Breg-e, den Quellbächen der
Donau, sowie in Breg-enbach (Wilde Gutach, Elz,
Rhein) erscheinende erste Bestandteil keltisch ist oder
nicht, möchte ich doch zunächst darauf hinweisen, dass
in der Nachbarschaft dieser Flüsse die mir bekannten
Bäche sprachlich, soweit ich sie untersucht, entschieden
deutschen Ursprunges sind, z. B. die L in ach (Brege),
welche doch wohl ziemlich wahrscheinlich auf eine ahd.
*^) den Volturnus erwähne ich hier nur wegen des gleich
bemerkten Zusammenhanges von volo mit gr. ßallo}, "•) s.
F. II, 96, vgl. noch volucer und vul-tur (vom schnellen Fliegen
so genannt). "') man vgl. noch besonders sskr. kshipra
rasch. "®) sowie bei Dan. S. 188.
43
Form Lin-aha zurückgeht, wie die Lenne (Ruhr), Leone
(Weser) und thüring. Leine ^*^) und auch wohl die
Lin-au (Delvenau, Elbe), welche nach der Karte von
R. an einem Hügel entspringt; — andere Nachbarbäche
sind: die Esch-ach (Neckar) = Eschenfluss i*o\ sodann
die Ur-ach (Brege) = Auerochsenfluss^^^), scnliesslich
die Kirn-ach^ä^).
Aber auch sprachlich ist eine Herleitung aus
dem Germ, möglich. Es kann nämlich brig- zusammen-
hängen mit der germ. W. brak krachen, prasseln,
vgl. ags. hrecan fremere., as. brakt = ahd. prahl
Lärm, an. brak fragor; brak u. s. w. gehört ebenso
zu brekan brak brechen, wie fragor zu frangere^*^).
Es müsste demnach Brigaha streng ahd. *Prich-aha
bez. *Brich-aha lauten. Däss nun im Auslaute, wo
ch und g nur schlecht in der Aussprache zu unter-
scheiden sind 13*), zumal bei einem nicht mehr verstan-
denen Eigennamen eine Vertauschung der beiden Laute
leicht stattfinden kann, ist klar. Demnach wäre Brig-
aha der fragosus^ä^) torrens, wie Virgil sich ein-
mal ausdrückt. Ich halte aber folgende Erklärung für
besser, ohne jedoch dieselbe als irgendwie sicher hin-
zustellen.
Ich habe schon in der Abb. S. 354 die Brach-
tenbeck (Lenne, Ruhr), welche im Volksmunde noch
Brachmecke lautet, als Holzbach erklärt, indem ich
Bracht als eine Ableitung von Brake Holz hinstellte
und auf die ungemein häufige Verwendung von Brake
und Bracht zur Bezeichnung von Wohnplätzen hinwies.
Brake muss aber ursprünglich «icht bloss, wie jetzt im
Nd., das Schlag- bez. Unterholz bedeutet haben,
sondern Holz überhaupt, denn das Wort Brake als
Wohnplatzbezeichnung erscheint sehr häufig da, wo
schönes Hochholz in Menge wächst; z. B. heisst in
"») vgl. darüber Abh. S. 348 ff. u. oben S. 16 , Anm. 57.
**>) 8. Fr. unter Asc-aha. "^) s. Fr. unter ür-aha. "*) vgl.
Kimbach u. Fr. unter Quirn-aha, sowie Am. S- 24. "•) s.
F. III, 215. ***) man vgl. sctg und brach, *^) fragosus nehme
ich absichtlich, weil es mit brak etymologisch verwandt ist.
44
Schildesche bei Bielefeld eine Bauerschaft Brake, wo
noch jetzt — als Trümmer ehemaliger Waldesschön-
heit — prächtiges hochstämmiges Holz zu finden ist;
ein zu Schildesche gehöriger Hof hat den Namen Sud-
brak = Südholz, wo gleichfalls früher ein nicht un-
bedeutender Wald vorhanden war. — Meine Ansicht
ist nun die, dass in Brig- die Form ohne ableitendes
-t in der Bedeutung „Holz" erhalten sei; dem nd.
brak stände so ein oberdeutsches prack, brach = Holz
gegenüber. Diese meine Vermutung befestigte sich in
mir, als ich in der Nachbarschaft der Brege, Brigach
und des Bregenbaches das Prechthal fand mit seinen
Abteilungen Unteres, Oberes, Hinteres Prech-
thal ^^ß). Ich schloss zunächst auf einen gleichnamigen
Bach, aber der Fluss, welcher diese drei zusammen-
hängenden Thäler durcheilt, ist die Elz (Rhein); nir-
gends fand ich weder auf der Karte von R. noch der
recht genauen Schwarzwaldkarte in Bädekers Rhein-
landen einen Nebenbach der Elz dieses Namens: diese
drei Thäler sind eben weiter nichts als besondre Be-
zeichnungen des oberen Elzthales. Wir haben nun in
Prech- die Form, welche genau dem nd. brake (braak)
entsprechen würde; denn der Unterschied der Vokale
hat hier nichts zu bedeuten; Prechthal hiesse demnach
Waldthal. Die Schwarz waldberge sind aber bekannt-
lich mit Ausnahme der höchsten Kuppen dicht mit
Nadelholz bewachsen; nach der Karte von R. muss
dies auch im Prechthale der Fall sein. In der oben
erwähnten Gemeinde Schildesche findet sich der Flur-
name Braksie k. Das nd. Siek ist bekanntlich soviel
als Thalsenke; das nd. Brak siek würde also das-
selbe sein, was Prechthal, nämlich ein mit Holz
bewachsenes Thal. Dann würden Brigach, Brege und
Bregenbach „Holzfluss", mithin dasselbe bezeichnen,
was Bracht-pe, Bracht-bach, ferner Holzbach
*'*•) Man vgl. auch die WohnplatzbezeichnungPr ag (zwischen
Bregenbach und Brege liegen diese Wohnplätze); mit Brache =
umgebrochenes und ruhendes Land können Prechthal
und Prag wohl nicht zusammenhängen.
45
(Wied, Khein), die Holzemme im Harz, die Holt-
emme (Reues), die Hol-pe (Aue, Leine), die Holz-,
ape (Diemel, Weser) i*^). Dazu fuge ich jetzt noch
den Ortsnamen Wald-affa, der o&nbar von einem
gleichnamigen Flusse so heisst, sowie den Walt-bachi*®).
Auch die Wett-er-aha, j. Wetter (Nidda, Main), und
die Holzminde (Weser) habe ich als „Holzfluss"
erklärt is^). Es wird nun im Fortgange dieser Arbeit
noch immer mehr sich zeigen, dass sich bestimmte Be-
griffe bei der Flussnamengebung wiederholen. Vermöge
der versuchten Deutung würden auch Br.ege, Brigach
und Bregenbach in eine grosse Gruppe sachlich zu-
sanmiengehöriger Flussnamen eintreten; auch dies ist
kein unerhebliches Moment bei der Beurteilung der
Etymologie eines Flussnamens. — Vorausgesetzt ferner,
dass die Bregenzer Ache ursprünglich den Namen ;,die
Bregenz" hatte, so würde auch diese „Holzfluss'' heissen,
eine Bedeutung, die sehr gut passte, da der Bregenzer
Wald, welcher -von der Bregenzer Ache durchströmt
wird, „ehedem von dichtem Walde bedeckt war, der
allerdings jetzt ziemlich gelichtet ist" ^^^). Dass übri-
gens am Bodensee -enza auch in Verbindung mit deut-
schen Wörtern vorkommt, schliesse ich mit ziemlicher
Bestimmtheit aus dem Ortsnamen Asch-inza, auch
Asch-enza, j. Eschenz am Ausflusse des Rheins aus
dem Bodensee, den idi unten S. 48 ff. als Eschenfluss
gedeutet.
Da sich femer mehrfach in Ostpreussen deutsche
Flussnamen finden, so wäre es nicht unmöglich, dass
auch Pregel ein stammverwandter Flussname ist. Der
alte Name von Pregel ist mir leider nicht bekannt.
Gehört Pregel wirklich mit Prechthal, Prag, Brege,
Brigach, Bregenbach u. s. w. zu demsellDon Stamme, so
würde zugleich die Erklärung „Holzfluss" gegenüber
der Bedeutung „tosender Fluss*' unbedingt den Vorzug
erhalten; denn der Strom, welcher erst nach dem Zu-
"'j 8. Abh. S. 359 u. 355. "«) s. über beide Fr. ^») s.
Abb. S. 367 u. 369, Anm. 44. »*«) Meyers Konv. IH, 689.
46
sammenfluss der Inster und Angerapi* i) den Namen
Pregel erhält, ist durchaus ein Fluss der Ebene und
kann, soweit ich mir von demselben eine Vorstellung
machen kann, unmöglich als ein tosender bezeichnet
werden. Der Name Holzfluss würde aber um so besser
passen; denn nach der Karte von R. finden sich noch
jetzt von Insterburg bis westlich von Tapiau, besonders
auf dem linken Pregelufer ausgedehnte Waldungen, so
der Astrawischkener Forst, der Forst zum Löbenicht-
schen Hospital in Königsberg, das Imtener, das Gau-
ledener Forstrevier u. s. w. Welche Ausdehnung mag
aber der Wald gehabt haben, als der Name Pregel
entstand, etwa in der Zeit, wo die Gothen hier und
an der Bernsteinküste wohnten i**).
^**) auch das -ap in den Flussnamen Anger -ap, Gold-ap
(Angerap) ist offenbar das bekannte deutsche Wort apa = Fluss;
man vgl. femer dieSchwenteine(Pi8sa) mit derSchw entin e
in Holstein, die Schwein-e (Alle) mit dem ahd. Swein-aha,
sowohl die Schweinach (Donau) als den Ort Schweine in
Meiningen bezeichnend, sodann die Arge (Nemonin, welche in
das Kurische Haff mündet) mit dem Arg en ; — alles dies scheinen
Flussnamen germ. Ursprunges zu sein, worüber eine spätere
Untersuchung entscheiden wird. ***) In etwas losem Zusam-
menhange mit Pregel und Prechthal möchte ich hier bemerken,
dass auch der Name des das Prechthal durcheilenden Flusses,
der Elz, nach meiner Ansicht auf besonders häufiges Vorkommen
des Erlenholzes im Elzthal deutet. Die Elz heisst ahd. Helz-
aha, das, wie ich glaube, für Elz-aha steht. Das h findet sich
nämlich oft in Urkunden dem anlautenden e vorgesetzt, wie
folgende Beispiele aus Fr. zeigen: die Eem heisst Hemus "und
Ema; neben Egmunde findet sich Hecmundum, Erike und
Heriki sind beides Formen aus dem 9. Jahrb., ebenso Erin-
st ein und Herinst ein aus dem 10. Jahrb.; ferner stehen
nebeneinander Erisburc und Herisburc. Wegen dieser Bei-
spiele ist zunächst die Gleichsetzung von Helzaha = Elzaha
erlaubt. Sodann ist Elz-, wie mir scheint, dasselbe wie Eis-,
8. hierüber ob. S. 17 ff. Demnach bedeutet die jK/z Erlen fluss.
Diese Erklärung soll nun nicht etwa darauf hindeuten, dass im
Prechthale viel Erlenholz wachsen müsse; ich glaube vielmehr,
wenn ich die Zeichnung auf der Karte von R. betrachte, dass
die ELz erst beim Austritt aus dem Söhwarzwalde in ein nass-
wiesiges Terrain, den Lieblingsboden der Erlen, eintritt; der
daran stossende Wald berührt zum Teil nach der Karte noch
47
Damit wären die oben S. 18 aufgeführten Zusam-
mensetzungen mit -anza zu Ende. Ich füge weiter
noch hinzu die Flad-inz, j. „Fladnitz (Donau) und Flad-
nitz bei Zwiesel unweit der Regenquelle" (Fr.). In
Flad- hat Fr. S. 561' den Begriff des Reinen, Glän-
zenden gefunden, also dies Bestimmungswort für deutsch
erklärt; ich stimme dieser Deutung durchaus bei.
Sodann stelle ich unter die Kompositionen mit
-anza poch zwei Ortsnamen, die Fr., Deutsche Ortsn.
S. 247, unter den Wortbildungen mit -antia nicht auf-
führt, die aber wohl unzweifelhaft den übrigen zuzu-
gesellen sind. Es sind dies Ar-enza, j. „Ernzen
a. d. Erens" nach Fr. und das schon oben erwähnte
Aschinza.
Zunächst ist es nicht zweifelhaft; , dass Arenza,
der ahd. Name für das jetzige Ernzen, oder wie auf
der Karte von L. steht Er-enzen, auch zugleich der
Name des vorbeifliessenden# Flusses ist, den L. Erenz
schreibt; der Ortsname rührt auch hier von dem
Flussnamen her. Es gibt zwei selbständige Flüsse des
Namens Erenz, welche ziemlich parallel und beide in
die Sauer (Mosel) fliessen; der westlichere heisst bei
L. die Weis'Erenz, der andre die Schwarz Erenz.
— Das Bestimmungswort Ar- in Ar-enza bringe ich nun
mit demselben Stamme zusammen, von welchem ich
das Grundwort für Fluss, nämlich a7'a^ bereits Abh,
S. 360 abgeleitet. F. setzt HI, 21 als urgerm. Wort
arva an, welches erscheint in an. örr rasch, ags. earu
schnell, as. aru bereit, fortig. Beide Flüsse ent-
springen auf dem noch zu den Ardennen gehörenden
Hochplateau zwischen Mosel und Alzette und sind offen-
bar rasch dahinfliessende Gebirgsflüsse. Da ich übrigens
jetzt den Fluss, der sich hier in viele Anne teilt. Demnach
würde in diesem Falle nicht die Natur des Quelllaufs ein Motiv
für die Namengebung gewährt haben, sondern ein Erlenwald
beim Austritt des Flusses aus dem Gebirge. Ob sich letzteres
so verhält, müssen die Ortskundigen entscheiden, doch mit
ziemlicher Sicherheit reiht sich Helzaha in die grosse Gruppe
der von den Erlen benannten Flüsse und Bäche ein.
48
befürchte, dass dieser so oft in meinen Erklärungen
hervortretende Begriff des Eilens manchem grade we-
gen dieser Häufigkeit sehr problematisch wird, ja ihm
vielleicht sogar ein Lächeln und dem Sarkasten den
Zuruf abnötigt: Festina lenfe, immo vero: Claude jam
rivum derivandi et deUrandij so möchte ich noch dar-
auf hinweisen, dass es mit diesen zahllosen Wiederho-
lungen desselben Begriffs wohl eine ähnliche Bewandtnis
hat, wie mit den stereotypen homerischen Beiwörtern:
beide, sowohl der Dichter als die unbekannten Fluss-
namenschöpfer, haben es ganz natürlich gefunden, eine
einmal bei einem Gegenstande besonders hervorsprin-
gende Eigenschaft auch immer wieder hervorzuheben.
Uns Modernen mag dies vielleicht etwas eintönig und
geistlos vorkommen — soll doch sogar der Archiphilo-
loge, der grosse Böckh, wie mir ein Studiengenosse
mitteilte, einmal bemerkt haben, Homer sei allerdings
stellenweise etwas langweilig — , aber die unendlichen
Variationen desselben Themas machen sich überall in
den Schöpfungen des Volkes bemerklich, z. B. auch in
den Sagen und Märchen i*^).
Aschinza, j. Eschenz, liegt an einem Bache, wie
"') Ehe ich den Flussnamen Erenz in der ahd. Form
kannte, brachte ich denselben mit Arn-apa^ j. Erft (Rhein),
bezüglich seines ersten Bestandteils zusammen. Dieses Arn-
aber, waches auch noch in zwei andern, einmal später zu be-
handelnden Namen hervortritt, nämlich in dem Flussnamen
Arriy j. Haren (Hunte), und in dem offenbar auf einen Flussna-
men zurückgehenden Ortsnamen Arn-effe^ j. Anraff a. d. Eder
— dieses Arn- möchte ich nicht als eine Weiterbildung von
der in arna erscheinenden W. ar betrachten , indem man an-
nähme, das häufig in Flussnamen vorkommende Suffix -an sei
mit Elision des Vokals zur Anwendung gekommen , sondern ich
bringe am- zusammen mit an. arna gehen, fahren, goth.
rinnan, rann — über rann aus am s. F. HI, 22 — , an. ern
frisch, mutig, goth. arn-iha sicher, ags. eornest, ahd. ernust
Ernst, vgl. lat. orior, gr. oqvv/xi u. s. F. I, 19 u. 493, sowie
in, 21 u. 22; arn ist übrigens gradeso wie arva eine Fortbil-
dung der W. ar. Die Bedeutung der rennende Fluss passt
recht gut auf die Erft in ihrem Oberlaufe ; denn sie entspringt
ja in der Eifel und fliesst der niederrheinischen Tiefebene zu.
49
ich aus der Spezialkarte der Gegend von SchafiEhausen
bis Konstanz in Bädekers Schweiz ersehe. Ich ver-
mute aus dem Namen Asch-inza bez. Asch-enza, dass
der Ort von dem Bache den Namen hat; daraus folgt
die weitere Annahme, dass der Bach noch jetzt Eschenz
heisst oder doch früher so geheissen hat; auf der ge-
nannten Karte ist kein Name angegeben. Die Formen
Aschinza und Aschenza kommen je zweimal vor und
sind daher besser bezeugt als die wenngleich ältere
Form Exsientia aus dem Urkundenbuche der Abtei St.
Gallen (vom J. 799), wo zugleich, wie Fr. mitteilt, der
Name für römischen Ursprungs gehalten wird. Mir
scheint diese Form nichts weiter als eine latinisierende
Mönchsetymologie zu sein; man hat den Namen Asc-
enza verdreht, um durch die barbarische lateinische
Form Exsientia einen Anklang an exire und eine Hin-
deutung darauf zu haben, dass hier der'Rhein aus dem
üntersee geht. Fr., der übrigens Aschinza unter ahd.
asc Esche aufführt, weist bezüglich der Form Exsien-
tia auf Confluentia hin; sollte man dann aber nicht
Exeuntia erwarten dürfen? Jenes asc erscheint nicht
selten in Flussnamen, z. B. hat Fr. unter asc die Asc-
aha oder Asch-aha, femer den Asca-hach oder Ascha-
hachy sowie d^Q Asc-afa oAqt Asch-affa, Aschinza yraiA.Q
demnach Eschen fluss bedeuten.
Nachdem ich so die verschiedenen mit -anza zu-
sammengesetzten Bestimmungswörter zu erklären ver-
sucht, möchte ich bezüglich der Etymologie des Grund-
wortes selbst vorläufig nur eine Vermutung anfügen,
die ich als möglicherweise zutreffend bezeichne.
Wie ich nämlich Am-isia auf dieW. am zurück-
geführt habe i**), so möchte ich An-isa mit der W.
an zusammenbringen. Wie femer ara Fluss ursprüng-
lich der Rasche bedeutet hat, wie ich nachzuweisen
versucht i*^); wie in zwei andern nach meiner An-
nahme **^) zu Grundwörtern für fliessendes Wasser aus-
»**) Abh. S. 372. »«) Abh. S. 361. »*«) Abh. S. 356
u. 372.
4
50
gestalteten W., nämlich ap und aniy der Begriff des
Thätigen, in Bewegung Befindlichen hervortritt;
wie nach F. I, 687' haka, bdkja Bach zu hhag sich
wohin wenden, eilen gehört und eigentlich Was-
serlauf heisst: so kann auch Anisa ein Sprössling der
in ihrer Bedeutung und Verwendung zu Bestimmungs-
wörtern betrachteten W. an sein undwieara ursprüng-
lich den Sinn der Rasche besessen, dann aber zu ei-
nem Grundworte für fliessendes Wasser über-
haupt sich entwickelt haben i*^).
"') Wie ich nachträglich sehe, erscheint der Name Ani-
aus, j. Enns, schon in der s. g. Peutingerschen Tafel, einer
bekanntlich erst 1268 angefertigten Handzeichnung, die auf eine
der ersten Hälfte des 3. Jhrh. n. Chr. angehörige Redaktion der
Agrippa'schen Erdkarte zurückgeht, s. Kiepert a. a. 0. S. 8.
Daraus nun, dass Fr. den Namen Anisa als zuerst im 8. «Thrh.
vorkommend bezeichnet, schliesse ich, dass er diesen Flussna-
men auf der genannten Karte für eine spätere Hinzufugung
hält. Liesse sich übrigens nachweisen , dass die Enns schon im
3. Jhrh. n. Chr. Anisus geheissen, was ich nicht glaube, so
wäre dieser Name ohne Zweifel nichtdeutsch und wahrschein-
lich keltisch: er könnte von den Tauriskem herrühren. Dann
müssteman annehmen, weil doch -anza mit spezifisch deutschen
Bestimmungswörtern verbunden erscheint und wahrscheinlich
auch in Mecklenburg und Thüringen vorkommt — s. das über
Lupentia Abschn. IV und über Recknitz Abschn. V Gesagte — ,
dass ein den Kelten und Germanen gemeinsames Wort für Fluss
hier vorläge, ähnlich wie ambra ein keltisches und auch nach
Zeuss ein germanisches Wort für Flusswasser ist, ferner wie
aus dem Stamme draw sowohl der Flussname Travena im Nor-
den Germaniens als die wahrscheinlich keltische Bezeichnung
Dravus in Pannonien entstanden ist; vgl. über die keltische
Bevölkerung in Pannonien Kiepert a. a. 0. S. 362. Ich möchte
aber annehmen, dass der Name Anisus erst nach der Völker-
wanderung, erst nach der Besitznahme dieser Gegend durch
germanische Stämme als germanische Benennung ebenso an die
Stelle eines keltischen Namens getreten, wie Salzdha an Stelle
eines älteren Namens , der nicht sicher zu stellen ist (s. Kiepert
a. a. 0. 366). Vielleicht ist Anisus ein markomannisches Wort ;
denn die Bayern, deren Hauptbestandteil ja wohl ohne Zwei-
fel Markomannen waren, nahmen Norikum, wahrscheinlich mit
Bewilligung des ostgothischen Königs Theoderich , ein, nachdem
Odoaker die frühere Bevölkerung aus Norikum nach Italien ab-
geführt hatte, s. Arnold, Deutsche Urzeit S. 176.
51
in.
Laisa nnd Ilstan bez. laisti, laista^^») als Be-
stimmnngswort in deutschen FInssnamen.
Die Flussnamen Laasphe (Lahn) undLaasbeck
(Lenne, ßuhr) veranlassten mich zuerst über den ersten
Teil ihrer Zusammensetzung nachzudenken. Am. S. 96
fiihltselbst, dass die Ableitung von lahs esox salmo nicht
genügt. Wo bleibt da das h, welches mit folgendem s
wie X ausgesprochen wird? An. heisst der Lachs lax,
ags. leax, ahd. lahs, nur im Nd. und Mnd. begegnet
die abgeschliffene Form lass ^^% Die Laasphe fliesst
aber auf oberdeutschem Sprachgebiet. Selbst jedoch
eine bessere Erklärung zu finden, vermochte ich trotz
immer wiederholter Versuche nicht, — und schon wollte
ich diese Namen den Keltologen mit Resignation über-
lassen, als ich den Flussnamen Liast-mona, j. Le-
sum (Weser), fand, dessen ersten Teil mit Leiste =
allmählich ansteigende Höhe iö<>) in Verbindung
brachte und so auch zu einer sprachlich und sachlich
möglichen Erklärung des Laas- in Laas-phe undLaas-
beck gelangte.
Die oben an die Spitze gestellten Wörter laisa und
listan, laisti kommen von dem urgerm. Verbum lisan
lais lismn lisana fahren,, erfahren, lernen i^^); laisa
heisst also die Fahrt, der Gang, der Weg, woraus
sich die Bedeutung „Wegespur", Gel eis entwickelte.
An. lista bedeutet Band, Leiste, Kante, ahd. Ustä
Leisten, Streifen, Saum. Die Bedeutung entsteht
aus der ursprünglichen so , dass man die Leiste ^^^) als
^*®) Ich gebe diese Wörter in der urgerm. Form nach F.
in, 272. i*'0 s. Wg. 8. v. ^) vgl. Sanders' grosses Wör-
terbuch der deutschen Sprache s. v. , das recht gut ist, soweit
nur äie Bedeutung und der Gebrauch der Wörter in Betracht
kommt. "*) 8. F. m, 272. «*) vgl. Wg. s. v.
4*
52
das an etwas hin, herum Gehende fasste. Dass
diese Bedeutung ,*,ßand" auch schon der Form ohne
Weiterbildung durch den T-Laut, nämlich laisa, inne-
Sewohnt hat, zeigt sich, wie ich glaube, auch in
em ans dem Deutschen aufgenommenen franz. lisihre.
Diez bemerkt in seinem Wörterbuch der romani-
schen Sprachen i*»*): „Von ahd. Itstä Saum, Borte
kommt bekanntlich it.; pg., sp. lista Streifen. Eine
Ableitung ist fr. lisi^re Saum für listüre^^. Wenn nun
aber ahd. Itstd von demselben Verbum wie ahd. leisa
Geleis, nämlich von dem urgerm. lisan abzuleiten ist,
so ist nicht abzusehen, warum man nicht fr. lisiere un-
mittelbar auf die Form ohne T-Laut zurückführen
soll, gradeso wie auch lisse, welches Littre im Dic-
tionnaire für synonym mit liste erklärt. Neben lisihre
hat ja das Französische die Formen mit dem T-Laut
in den Wörtern liste aus ahd. Usta, ferner listet Lei-
ste 154) und liston. Neben lisibre steht im Fr. auch
lisSrS = Band, Saum und Ziso/r Querholz über der
A chse. Lisoir hängt offenbar mit lisere zusammen und
gelangt gradeso zu der angegebenen Bedeutung, wie
Leiste, welches nach Sanders ^^^) ;,eine unten auf
der Achse stehende, oben durch einen Bing an
den sich dagegen stemmenden und stützenden
Leiterbaum gesteckte starke Stange" bezeich-
net, also nicht dieselbe, aber doch eine verwandte Bedeu-
tung hat. Diese Stange heisst mundartlich auch Liest
und Liese ^^^); letztere Form ist aber, wie ich meine,
nicht aus Liest entstanden, sondern dasselbe, was
laisa, ahd. leisa, nhd. Geleis und bildet einen nicht un-
wichtigen Beleg für die Ansicht, dass auch laisa die
Bedeutung Streifen gehabt haben muss. Dem fr.
lisibre entspricht in Berry liseire, in Spanien lisiera;
auch hier ist kein Grund, den Ausfall eines t anzu-
nehmen.
Es ist nun aber — abgesehen von diesen aus den
"«) S. 194 der 4. Aufl. *«*) in der Architektur. ^) a.
a. 0. unter Leiste. *^) s. Sanders unter Leiste.
53
romanischen Sprachen sich ergebenden Fingerzeigen —
an und für sich sehr wahrscheinlich, dass auch schon
laisa die Bedeutung Band, Streifen gehabt und
zwar erstens weil das von demselben Verbum herstam-
mende Ustan, ahd. Itstä diese Bedeutung gewonnen, so-
dann umgekehrt das durch den T-Laut fortgebildete
Wort, nämlich goth. laists, die Bedeutung von laisa,
ahd. leisa, nämlich Spur, bewahrt hat neben der an-
dern Leisten = calopodium 15^, welche dem ahd.
und mhd. leist allein zukommt. Es ist dies von grosser
Wichtigkeit für die mit Las- bez. Lis- zusammen
gesetzten Flussnamen.
Wie entsteht nun aus der ursprünglichen Bedeu-
tung von lista, nämlich Band, Streifen, die noch
im Hd. vorhandene von Anhöhe, wie sie z. B. er-
scheint in dem Flurnamen bei Würzburg „die Leiste^',
auf welcher der bekannte Leistenwein wächst? — Ich
denke — gradeso wie sich bei oipQvg aus der Bedeu-
tung Augenbraue, gewissermassen der Leiste oder
dem Einfassstreifen des Stirnrandes, zunächst die wei-
tere „erhöhter Einfassstreifen, Rand" entwik-
kelte 1^®) und sodann aus dieser die von Hügelrand,
Hügel überhaupt 159)^ so hat sich auch bei lista aus
der Bedeutung Einfassstreifen, der sich etwas über
der Fläche erhebt und demnach gleichfalls ein erhöhter
Band ist, die von Abhangsrand, Abhang heraus-
gebildet i^<^). Wenn nun laisa nach der obigen Annahme
gleichfalls Rand bedeutet hat, so hat sich mithin auch
bei diesem Worte derselbe Begriff, nämlich Abhang,
herausgestalten können.
So erkläre ich denn das Las-^ Lis-, Liast-^ Liest-
in den betreffenden Flussnamen als Bergesrand,
i»7) vgl. bayr. Leist = Geleise und Schweiz. Leiste =
Holzrutsche, „gleichsam eine Leis (Geleise)", wie Sanders
nach Stalder mitteilt, „von dem das Holz bergab gleitet".
^'^ letztere tritt recht klar hervor, wenn Polybius den Ufer-
rand des Flusses ausdrückt durch otpQvgjov norafiov. **®)
vgl 6(pQvi] HxLgel , d(pQv6scs hügeMg, ***•) ÜberXm^ = seit-
liche untere Bauchgegend — eine Bedeutung, die erst im
54
Abhang, bez. Anhöhe, Berg selbst und lasse nun
diejenigen Flussnamen folgen, die nach meiner Annahme
mit diesen Bestimmungswörtern zusammengesetzt sind,
und zwar zunäclist die mir in ahd. Form bekannten.
Liastmona begegnet auch in den Formen Liest-
muone, Liestmundi, Liesmundi. Zur Erklärung des ia
müssen wir auf das goth. laists zurückgehen, welches
nicht nur „Leisten" bedeutet, sondern auch den ur-
sprünglichen Begriff „Wegespur" bewahrt hat, ebenso
wie das ags. last , leäst. In dem ea des Ags. finden
wir schon einen Fingerzeig für die Erklärung des ia,
denn die Liastmona fliesst auf as. Sprachgebiete. In
dem ia haben wir nämlich die Brechung, welche be-
reits im As. vereinzelt auftritt. Es tritt ie ein nicht
nur für e, e, sondern auch für e^^i). Nun ist aber
Nhd. vorkommt — möchte ich hier Folgendes anmerken. Bei
Wg. heisst es unter diesem Worte : „In Oberhessen sagt man
hier und da die Ldate, dessen ä ein mhd. und ahd. ei, goth. ai
voraussetzt. Danach ist denn das Wort nicht eins mit dem fol-
genden die Leiste, mhd. liste, sondern führt, 9hne das ablei-
tende t, auf das latinisiHe altfränk. laisus, auch laisa. Usus
Schoss^^ Mit mhd. liste, ahd. lista ist allerdings Leiste = seit-
liche untere ßauchgegend nicht identisch, aber wohl mit ahd.
leisi, goth. laists. Die Leistengegend führt bekanntlich ihren Ka-
men „von einem sehnigen Strange , welcher wie eine Leiste sich
hinzieht". Bei dem von Wg. angeführten laisus, laisa Schoss
hat sich wohl diese Bedeutung aus der von Streifen ent-
wickelt , da man diesen Streifen in der Bauchgegend xorr' ^lo/ijv
leiste bez. altfränk. laisus, laisa nannte; die Bezeichnung ei-
nes Teiles der Bauchgegend hat sich dann zu der allgemeinen
„Schoss" erweitert. DassXm^ = seitliche untereBauch-
gegend mit ahd. leist identisch ist, scheint mir auch daraus
zu folgen, dass das engl, last der Leisten nach Ed. Müller
in seinem Etymologischen Wörterbuche der engl.
Sprache — 2. Bd. S. 10 der 2. Aufl. — auch the groin,
also Schambug heisst, demnach, wie Müller a. a. 0. bemerkt,
,, genau unserm nhd. Leiste Schambug entspricht". Laisus,
laisa Schoss würde, wenn die vorgetragene Bedeutungsent-
wicklung richtig ist, einen neuen Beleg dafür bilden, dass schon
laisa = Gel ei 8 auch den Sinn von „Streifen" gehabt. *") s.
darüber „Heyne, Kurze Laut- und Flexionslehre der altgermani-
schen Sprachstämme" S. 38 der l.Aufl., wo als Beispiele des ie
für e mitgeteüt werden thiem = üs, hiet = jussi.
55
bekanntlich as. e die Verdichtung eines einst dagew^
senen ei = goth. äi, wie ja auch schon ahd. e vor ge-
wissen Konsonanten so eintritt Goth. laists, ahd.
leist müsste also eigentlich as. lest lauten, wie auch
das damit zusammenhängende as. Verbum ISstian fol-
gen, leisten diesen langen Vokal zeigt; in dem vor-
liegenden Flussnamen erscheint nun aber *lest vermöge
der Brechung als liest i^^). Liastmona würde sonach
Haldenfluss, Fluss von der Anhöhe bedeuten und ein
Analogen bilden zu Linnepe^ Lennepe^ Lenne, Leine (in
Thüringen) = Bergfluss i^^).
Bezüglich der sachlichen Angemessenheit der ge-
gebenen Erklärung ist Folgendes zu bemerken.
Die Wümme erhält nach ihrer Vereinigung mit
der Hamme den Namen Lesum i®*). Wenn nun ein
Ort, wie in diesem Falle das Dorf Lesum, für welches
der ahd. Name Liastmona zunächst nur überliefert ist,
an einem gleichnamigen Flusse liegt, so ist, falls der
Fluss einigermassen bedeutend ist, von vornherein fast
immer anzunehmen, dass der Ort nach dem Flusse ge-
nannt sei und nicht umgekehrt. Sodann glaube ich in
der Abh. S. 366 ff. und unten Abschnitt VI die Existenz
eines moma = Fluss sicher dargethan zu haben, wenn-
gleich ich selbst die von mir versuchte Etymologie nur
für wahrscheinlich halte. Es beweist also die unleug-
bare Zusammensetzung von Lisüst-mona mit -mona =
moina gleichfalls die Priorität des Flussnamens. Auf
Grund der freundlichen Mitteilungen des Reallehrers
Kohlmann in Vegesack bin ich nun über die in Be-
tracht konmienden topographischen Momente so ziem-
"2) Die Form Liastmona gibt Anskarius in V. Wille-
hadi; Anskarius f 865 , s. Wattenbach, Deutschlands Ge-
schichtsquellen im Mittelalter, S. 135 der 1. Aufl.
Später im 11. Jhrh. bei Adam von Bremen findet sich sowohl
Liastimona als Liestmona. Dieses ia scheint also die ältere
Brechung für ie zu sein. "«) s. Abh. S 348 ff. *") So
nach Meyers Konv. XV, 886; Dan. S. 450 bemerkt, dass die
Wümme auf der untersten Strecke Lesum heisse, Fr., dass die
Wümme vom Dorfe Lesum ab auch den Namen Lesum empfange.
Die Angaben schwanken also.
56
lieh orientiert. Darnach scheint mir eine dreifache
Möglichkeit vorhanden zu sein, die sachliche Angemes-
senheit des Flussnamens nachzuweisen.
Erstens kann der von Lesumstotel ^^s) herabkom-
mende Bach, welcher jetzt Aue =s aha heisst, früher
Liastmona genannt worden sein» Dass Flüsse andre
Namen annehmen, davon finden sich mehrfach Bei-
spiele: so hiess nach Fr. der Hahnenbach (Nahe) frü-
her Kira, die Spülig (Lenne, Weser) ahd. Luzilur-
sone, ferner heisst nach Arn. S. 47 u. 48 die Notref
(Losse) 1«^) auch Weddemann. Die Erklärung würde
passen, denn die Aue kommt von den Anhöhen bei
Lesumstotel, welche zu der Lüneburger Heide, dem
Westende des uralisch-karpathischen Landrückens, ge-
hören und sich zur Hamme sowie zur vereinigten Wümme-
Hamme ziemlich steil abdachen.
Zweitens kann der bei dem Dorfe Lesum i^') in
die vereinigte Wümme-Hamme einmündende Bach frü-
her Liastmona geheissen haben ^^^); auch hier würde
die Bedeutung sachlich passen.
Drittens: das rechte Ufer der vereinigten Wümme-
Hamme ist gehoben und zwar ungefähr 50 — 60' über
dem Weserspiegel, so dass der Fluss an einer Anhöhe
entlang strömt und deshalb auf seiner letzten Strecke
djßn Namen Liastmona erhalten haben kann. — Diese
dritte Möglichkeit erscheint mir jedoch den beiden er-
sten gegenüber als die am wenigsten wahrscheinliche.
Ausser der Liastmona stelle ich hierher die Les-
ur-a 1^9), j. Lieser (Mosel), und betrachte diesen Fluss-
namen als von dem einfachen Stamme ohne t gebildet.
— Soweit ich es nach der Karte von L. beurteilen
kann, entspringt der Hauptarm der Lieser am Raders-
berge in der Eifel, der andre an einem Berge südlich
von Kellberg, östlich von Boxberg. Es lässt sich -ur
***) Dies Dorf liegt ungefähr 5 Kilom. in grader Linie von
dem Zusammenflüsse der Wümme und Hamme. ^^) s. unt.
S. 60, Anm. 176, ^«^ Dies ist das Liastmona bei Fr.
*®®) Den jetzigen Namen hat Herr Kohlmann noch nicht erfah-
ren können. "') so beiAusonius, im 8. Jhrh. Lisera, s. Fr,
57
als Ableitungssilbe fassen, wie in Wis-ur-a, Wis-er-ä,
welches auch in den vollen Formen Wis-ur-aha, Wisar-
aba und Wiser-aba überliefert ist, oder -ura ist gleich
ara = Fluss mit Verdumpfung des a in u, wie sie uns
schon mehrfach entgegentreten. Da Lesura, Lisera
durchaus eine Parallelbildung zu Wisura, Wisera ist,
so entscheide ich mich für die erstere Annahme.
Femer bringe ich in diese Namengruppe die Liese
(Glenne, Lippe, Rhein). An diesem Bache liegt Lies-
born ^'^% welches schon im 9. Jhrh. — s. Fr. — so hiess.
Es entspringt nicht etwa die Liese bei diesem Orte,
sondern noch über zwei Meilen nordwestl. in dem Teile
des Münsterschen Landrückens, welchen man die Hü-,
gelgruppe von Stromberg nennt. Der Name „Hügel-
fluss" würde demnach auch hier gut passen. — Lies-e
wäre entstanden aus *Lies-a = Lies-aha.
Demnach betrachte ich jetzt die in der Abb. S. 352
berührte Vermutung als entschieden unhaltbar, dass
Liese durch Volksetymologie aus Else entstanden, die-
ser Bach zur ßömerzeit Elise gelautet und Aliso an
der Liese gelegen haben könnte. Schon in der Abh.
machte ich darauf aufmerksam, dass der Liesenbach
nicht unmittelbar in die Lippe fliesst, wie die Worte
des Cassius Dio verlangen, sondern in die Glenne, wel-
che in die Lippe mündet. Durch die gegebene, sprach-
Kch und sachlich mögliche Erklärung von Liese wird
nun meine in der Abh. ausgesprochene Ansicht, dass
Aliso nicht an der Liese gelegen habe, nur noch gestützt.
*'®) Vielleicht befindet sich bei Liesborn in der Nähe der
Liese „der Quell, der Wasser bringt den Bewohnern" , nm einen
hier grade gut passenden Ausdruck aus Goethes „Hermann und
Dorothea" zu gebrauchen, so dass der Ort von dieser seiner
Wasserquelle, dem Borne an der Liese, den Namen em-
pfangen; Liesbom könnte auch heissen Born an einem Ab-
hänge, an einer * Liese, Man vgl. den Flurnamen Liss-ing
bei Altena , der eine Stelle mit einem s. g. Kotten an der Halde
des Nettenscheider Berges bezeichnet; das -ing ist vielleicht
auch hier die so häufig in Bergnamen erscheinende Endung,
wie in Osning, SoUing u. s. w. , s. hierüber Fr., Deutsche Ortsn.
S. 243.
58
Mir scheint demnach die Annahme die richtige zu sein,
dass der Name Aliso in dem jetzigen Elsen erhalten
und Dio den Namen der Gegend bez. des Kas-
tells auf den bei Elsen in die Lippe mün-
denden Fluss üb ertragen 171); dieser heisst be-
kanntlich die Ahne, ahd. Almina ^ 7*).
Die Laas-phe i") (Lahn) hat Am. S. 96 auch
in der Form Lais-pe aus dem 14. Jhrh. Dieser Diph-
thong in Laispe scheint mir ein neuer Beleg für meine
Ableitung Von urgerm. laisa zu sein.
Die Laasphe, bei Laasphe in die Lahn mündend,
entspringt nach der Karte von L. am Bärenkopfe; die
»Bedeutung würde also recht gut passen. Bezüglich des
langen a in Laasphe verweise ich auf die schon oben
mitgeteilte Stelle aus Wg.: „In Oberhessen sagt man
hier und da die Laste, dessen ä ein mhd. und ahd. ei
voraussetzt". Dies passt auch durchaus auf Las-, wel-
ches ich bekanntlich mit ahd. leisa zusammenbringe.
Es mögen nun die mir in älterer Form nicht be-
kannten Flussnamen folgen, die hinsichtlich ihres Be-
stimmungswortes, wie ich glaube, demselben Stamme
angehören.
Die Last- er (Elb, Lahn) entspringt nach der
Karte von L. an einem Berge bei Westernohe. Den
jetzigen Namen führe ich auf ein ahd. *Leist-ara zu-
rück, indem ich mich wiederum auf dio eben aus Wg.
angezogene Stelle berufe. Bei diesem Flusse, sowie bei
der Li est- er (Bigge, Lenne, Ruhr), welche vom Ro-
then Stein im Ebbegeb. kommt, würde demnach die
Bedeutung recht gut passen. Das ie in Liester ist
identisch mit dem ie bez. ia in Liestmona.
Ein weiteres Glied dieser Gruppe erkenne ich in
der Löst- er (Prims, Saar). — Bezüglich des ö möchte
ich bemerken, dass, wie schon oben bemerkt, das Volk
die Mohne (Ruhr), die ich Abh. S. 368 mit Main
gleich gesetzt und mit den andern Formen -mona,
"1) Abh. S. 351 u. 352. "*) Über Almma s. Abh. S. 368.
"*) Über -phe = aJBfa vgl. ob. Anm. 121.
59
-mana, -mina, -mena alsFluss erklärt, noch jetzt „de
Maine" ausspricht, während der Fluss auf den Karten
Mohne heisst; man vgl. Main, ahd. Mo in; der Fluss
heisst bei dem Geographen FrancK und im Würzburgi-
schen noch heute Mön; hier ist aber der Übergang
ein umgekehrter: nicht von ai zu oi und 5, sondern
von oi zu 5 und ai, s. über Mein unten Abschn. VI.
Es kann also Löster auf * Leister, der verdunkelten
Aussprache von *Laister, beruhen und dies auf *Leist-
ara zurückgehen , das ich oben ja auch als Grundform
für den Flussnamen. Laster aufgestellt. — Ich gestehe
jedoch offen, dass ich mir über die Entstehung dieses
ö noch nicht recht klar bin i^*). — Die Bedeutung
V7ürde recht gut passen, denn nach den Karten von
L. und Syd. entspringt die Löster am Beurenberge, der
zum Hochwalde, bekanntlich einem Teile des Huns-
rücks, gehört.
Vielleicht ist der Liesebach (Nuhne, Eder, Fulda)
zu der oben besprochenen Liese zu stellen. Derselbe
kommt nach der Karte von L. vom Lagerstein, an der
Südseite der um das Plateau von Winterberg sich la-
gernden Berge.
Ferner möchte ich hinzufügen dieLeisse (Wenne,
Kuhr — unterhalb Meschede) , welche nach der Karte
von L. an einem Berge bei Fredeburg ihre Quellen hat.
Es hätte sich hier der Diphthong, wie auch in der
oben mitgeteilten Nebenform Laispe erhalten.
Ich weise auch noch auf den Laisbach (Nidda,
Main) hin, welcher an einem zum Vogelsgeb. gehörigen
Berge nach der Karte von R. entsteht.
Sodann fuge ich die Laasbeck (Lenne zwischen
Altena und Hohenlimburg) hinzu und stelle diesen Na-
men mit Laster und Laasphe in eine engere Gruppe.
"*) Andrer Art ist offenbar das ö , welches in Ölfe (Nuhne,
Eder, Fulda) erscheint; ich habe. .diesen Namen nachträglich
auf der Karte von R. gefanden. Öl-fe geht wohl wahrschein-
lich, wie die oben S. 4, Anm. 17 erwähnten Flussnamen 01-eff
und ül-fe auf die Form Al-afia zurück. Am. S. 97 hat die
Schreibung 01-fe.
60
Die Bedeutung würde gut passen, denn sie entspringt
nach der Mitteilung des Lehrers Decius in Nachrodt
(bei Altena^ in einer Wiese auf dem Berglande, welches
das Lennetnal auf dem linken Ufer oinschliesst und zu
demselben mit steilen Halden abfällt.
Ein interessanter Flussname war für mich die
Losmanne 1^5) und zwar besonders deshalb, weil der-
selbe wieder ein schöner Beleg für -mana Fluss ist i"^^).
Los- würde ähnlich neben Las- und Lais- stehen, wie
VoUme neben Val-me — s. unten Abschn. VI — , die
ich auf *Faild-mana zurückgeführt. Sie entspringt
nach der Karte von L. bei Lichtenau , westl. vom Ho-
hen Meisner.
Zur Losmanne stelle ich die 'Loss-a (Unstrut),
worin ich a als aus aha zusammengezogen betrachte.
Die Bedeutung passt gut, denn die Lossa kommt von
der Finne, dem bekannten Höhenzuge im ßgbz. Merse-
burg. — Es gibt auch noch eine Lossa (Mulde, Elbe),
welche aus demHohburg-Oschatzer Berglande her-
abfliesst. —
* Den Lösen-bach (Volme, Ruhr), stelleich wegen
des ö zu Löster, indem ich zugleich bemerke, dass eine
volksetymologische Anlehnung an das bekanntere „lö-
sen" stattgefunden haben kann. Derselbe entspringt
nach einer mir durch Koll. Nagel vermittelten Mittei-
lung „in der Mark, einem Berge bei Lüdenscheid, und
auf der Wiese bei Sonnenhol und Buckesfeld, also in
zwei Bächen, welche sich in Oberlösenbach vereinigen;
beide Quellen liegen ziemlich hoch".
Ich mache schliesslich noch auf die Lessc (Maas)
aufmerksam, die nach dem Atlas von Syd. an einem
^'^) Arn. S. 47 teilt denselben mit: „Losse (Lotzmanne,
Losmanne, Loszemann 13 — 15. Jhrh. oberhalb Heisa noch jetzt
Lossemann), Zufluss der Fulda bei Kassel". ^'®) ebenso der
von Am. S. 48 aufgeführte Name die Weddemann, „Zufluss
der Losse bei Heisa"; ich deute denselben als Weidenfluss,
vgl. die Wied (Rhein), Wid-aha^ Wtd-im-bachy Kl. Weide
(Wetter, Nidda, Main) u. Abh. S. 369, wo ich Wie-mena, jetzt
Wümme (Weser) aus ^Wid-mena abgeleitet.
61
Berge des Eisling, eines Teiles der Ardennen, entspringt.
Es sind in Belgien viele Flussnamen deutscher Her-
kunft,
IV.
Der Begrijf des Tönens, Bauselieiis in den mit
ban-, kal- nnd kar-, han- nnd lap- zusammenge-
setzten Flnssnamen.
„Die Wellen erklingen" — so singt der Dich-
ter, und dass schon unsre Vorfahren, als sie in grauer
Vorzeit von Deutschland, vor allen Landen reich an
Flüssen, Bächen und Quellen, Besitz nahmen, die Mu-
sik der Flusswellen nicht bloss empfunden, sondern
auch die Rauscher unter den Flüssen nach dieser
Eigenschaft benannt haben, das möchte ich in diesem
Abschnitte zu zeigen versuchen. — So prägt sich auch
in den deutschen Flussnamen überall das feine und zu-
gleich mächtige Gefühl für die Natur aus, das noch
jetzt in deutscher Art liegt.
a. Das Bestimmiingswort ban.
Die W. ban, welche ahd. hannan, pannan zu Grunde
liegt, kommt im Germ, nur in Wörtern vor mit der
Bedeutung gebieten und verbieten, Begriffe, die
dann in der mannigfachsten Weise zu verwandten Vor-
stellungen fortgebildet werden. Aus den in den urver-
wandten Sprachen der gemeinschaftlichen W. bhä, hhan
entsprossenen Wörtern lernen wir die Grundbedeutung
dieser W. kennen, nämlich „tönen" i'^). So heisst
"») 8. F. I, 156 u. 686; H, 162; IH, 201.
62
sskr. bhan schallen, rufen. So ist auch unser Wort
Biene dieser W. entsprossen: Biene heisst „Töne-
rin" 1'*). Im Gr. sind bekanntlich die Wörter q>rifiij
qrfiptrjy im Lat fari, fama Sprossformen derselben.
Meine in der Abh. S. 372 ausgesprochene Vermutung,
dass das Embi- in Embiscara, j. Emscher (Rhein), mit
sskr. ainbh tönen, gr. Ojuqpr sowie mit ahd. imhi Bie-
nenschwarm zusammengenöre und mithin Emscher
heisse tönender, rauschender Fluss, ist mir
durch dieses in Flussnamen erscheinende Bestinunungs-
wort ban- zu grösserer Gewissheit geworden i'*>).
Ich lasse nun zunächst die mit ban- zusammenge-
setzten Flussnamen folgen, welche in ahd. oder mhd.
Form überliefert sind.
Ich gebe zuerst wegen des Vokals a den von Am.
S. 94 in mhd. Form mitgeteilten Bachnamen Ban-efe,
j. Banfe bei Waldeck; dazu stelle ich gleich zwei an-
dere -Bäche, die Am. nicht in mhd. Form gibt, näm-
lich die Ban-fe (Lahn), um 1500 noch Ban-ephe ge-
nannt, und die wie die Eder am Ederkopfe entsprin-
gende Bän-fe oder Ben-fe (Eder); alle drei gehen
auf die Grundform *Ban-affa zurück. — Fr. gibt so-
dann in ahd. Form den Namen Bun-aha, welcher so-
wohl die Baunach (Main bei Bamberg) als den Ort
Kirchbaune, südw. von Kassel an der Baune bezeich-
net, folglich auch der Name der Baune selbst ist, von
der die von Am. S. 111 angeführten Orte Alten-, Kirch-
und Hangenbaune offenbar den Namen bekommen ha-
ben. Es verhält sich sodann Bunaha: Banefe =
Sulaha: Salaha == Sulza^a : Salzaha u. s. w. "o)
Femer hat Fr. die Bon-in-aha, j. Biena (Rott,
Inn). Das -in fasse ich als Ableitungssilbe wie z. B.
in War-in-ä ; Boninaha steht sodann neben Bunaha wie
koldin aureus neben kuldin, wie Solanza neben Siil-
*'^) vgl. ahd. piä, biä mit sskr. hha Biene. *'*) Zugleich
bin ich jetzt von der Richtigkeit des von Fr. angenommenen
Grundwortes «cora Fluss überzeugt. '~) s. oben S. 4 u. 5
sowie S. 24 u. 29 und besonders S. 37.
63
aha. Andrerseits verhält sich Banefe : Bunaha : Bonin-
aha = Alapa : Ulfa : Olaffa.
Ich stelle ferner hierher die Ben treffe 1*1), jetzt
Bentreff (Wohre, Ohm, Lahn), über dessen zweiten
Bestandteil, tref=trafa, schon oben S. 5 ff. gespro-
chen ist. Das e in Ben- steift sich zu dem e in Benfe ;
man braucht nicht dieses e als Trübung eines i ver-
möge des folgenden a anzusehen, so dass die Grund-
form *Binaffa für Benfe und *Binatrafa oder * Ein-
traf a für Bentreff anzusetzen wäre, sondern man kann
wegen des in Banefe erscheinenden bau das e in Benfe
und Bentreff als einen unorganischen Umlaut des a be-
trachten; die erstere Annahme ist jedoch an sich die
korrektere.
Ferner füge ich an die Bien, „Bach und Wiesen
bei Wahlen unweit Neustadt" ^®*), sowie den Benne-
bach (Helbe, Unstrut) und den Bambach (Treisbach,
Wetschaft, Lahn), welchen Arn. S. 94 in der Form
Bannebach vom J. 1300 anführt.
Schliesslich möchte ich es wenigstens als möglich
hinstellen, dass der Peene in Pommern die ahd. Form
*Pin-ä = Pin-aha zu Grunde liegt oder mit Trü-
bung des i vermöge des folgenden a Pen-ä i^^). Mit
der Peene kann man bezüglich des Namens recht gut
zusammenbringen die Pinnau (Elbe, unterhalb Ham-
burg), welche von der Südabdachung des Landrückens
von Holstein herabfliesst und zwar anfangs wohl rasch
und rauschend. Sprachlich steht nichts im Wege, dass
die Pinnau ahd. auch *Pinaha geheissen hat.
Die Bedeutung rauschender Fluss würde bei
allen genannten Flüssen, welche sämtlich im Gebirgs-
lande fliessen, passen, auch bei der Peene, denn diese
"*) So die Form vom J. 1215 nach Arn. S. 94, Benetre-
p ha vom J. 1270. "«) Arn. S. 46. "») Dan. S. 462 gibt
als ältere Formen Pena, Panes, Penes. Das P würde nach der
obigen Erklärung auf as. Gebiete allerdings gradeso auffallend
sein, wie das P in Persante, falls die oben S. 17 gegebene Er-
klärung dieses Flussnamens richtig ist. Hat dieses p statt b
vielleicht sein Analogon in dem sächsischen p statt b?
64
entspringt auf der Erhebung der Mecklenburgischen
Seenplatte; „ihr oberhalb Demmin noch rascher Lauf
wird unterhalb langsam und schleichend" i^*). Demmin
liegt aber nach dem Atlas von Syd. in gerader Linie
über sechs Meilen von dpr Quelle der Peene; dieselbe
kann also im Oberlaufe, dessen Natur so häufig die
Namengebung veranlasst, recht rasch und infolge des-
sen rauschend fliessen.
Ich halte es jedoch für durchaus unwahrschein-
lich , dass die Banfe bei Waldeck und die Banfe (Lahn)
sowie die Benfe als Grenzfluss zu deuten sind, wie
Am. S. 94 glaubt: „Alle drei zu bana homicidium
oder bau anathema etwa im Sinne von Grenze, wie
Bambach bei Wetter". Dass diese Flüsse Grenzflüsse
gewesen sind, müsste zunächst noch bewiesen werden.
Meine Erklärung halte ich deshalb für die wahrschein-
lichere, weil sie einfacher , sachlich zutreffend und eine
Menge Analoga für sich hat, wie sich in diesem Ab-
schnitt noch zeigen wird. Aus denselben Gründen kann
ich auch nicht der von Arn. S. 111 aufgestellten Er-
klärung des oben besprochenen Baune zustimmen, nach
der dieser Name gehört „zum mundartl. büne Weiden-
geflecht zum Schutze der Ufer, wovon zunächst
die Ortsnamen und dann der Bachname abgeleitet
scheinen". Es kommt hier noch hinzu, dass in den
allermeisten Fällen der Ort von dem bereits mit einem
Namen versehenen Flusse genannt ist, nicht umgekehrt.
Wenn ich hier und sonst noch mit Herrn Prof. Arnold
nicht übereinstimmen kann, so möchte ich andrerseits
noch einmal hervorheben , dass ich seinem vortrefflichen
Buche ungemein viel verdanke.
b. Die Bestimmungswörter kal und kar.
Die germ. W. kcd^ entstanden, wie F. bemerkt,
aus kar, findet sich in an. kall das Rufen, mhd.
kalle Gerede, Geschwätz, an. kaUa nennen, sa-
*»*) Dan. S. 463.
65
gen, rufen, ags. ceallian rufen, ahd. challdn, mhd.
kallen schwatzen. Die germ. W. kar, aus der kal
entstanden, hat noch die Bedeutung tönen; urver-
wandt ist damit gr. y^Qvg Stimme, lat. garrire, garru-
luSf altirisch gair Ruf, Stimme, vgl. femer yfiXaw i*^).
Wir dürfen nun wohl auch für die aus kar entstandene
W. kar die Bedeutung tönen in Anspruch nehmen }^^\
Zunächst führe ich hier aus Fr. Calmanapah an ^^'^).
Fr. bemerkt S. 383 über diesen Namen: „fin. u. ortsn.
8. Nach Fsp. 18 Gallenbach, Idg. Aichach". Ich finde
nun Gallenbach nordwestl. von Augsburg an einem klei-
nen in die Paar (Donau) mündenden Bache, dessen
Name auf der Karte von R. nicht angegeben ist; er
wird aber jedenfalls Gallenbach heissen. Das -pah zu-
nächst möchte ich als einen Zusatz betrachten, der ge-
macht wurde, als die Bedeutung von mana Fluss
nicht mehr verstanden wurde ; dies war sicherlich schon
im 8. Jhrh. der Fall. Nach meiner Ansicht hat mithin
dieser Bach ursprünglich bloss Calmana = rauschen-
der Fluss geheissen; dass moina im Donaugebiete eine
nicht ungebräuchliche Bezeichnung war, zeigt unter
anderm der Flussname Alemona oder Alcmana . j. Alt-
mühliös). —
Sodann möchte ich hierher ziehen die Kalbaha,
nach Fr. „1) Kalbach im Amte Neuhof, südl. von
Fulda, 2) Kohlbach am Flusse gl. N." Der Kallbach i»»)
fliesst in den Fliederbach (Fulda) und der Kollbach in
die Vils (Donau). — Sowohl Fr. wie Am. bringen diesen
Namen mit kalb vitulus zusammen; diese Erklärung
lässt sich auch durchaus verteidigen. Ich möchte je-
doch nicht Kalb-aha, sondern Kal-baha trennen und
1») vgl. über diese beiden W. F. I, 72 u. 565; II, 89; III,
42 u. 44. ^^) vgl. das oben S. 22, Anm. 71 Gesagte über sal-
Tind sar- in Flussnamen. ^®') eine spätere Form ist Kalomon-
bach. *®®) Abb. S. 375 deutete ich diesen Namen als Elen-
fluss; diese Frklärung möchte ich jetzt mit noch grösserer Zu-
versicht aufrecht erhalten. — Calmanapah übrigens von calomo
•alamus abzuleiten scheint mir nicht angänglich. **•) so auf
der Karte von B.
66
zwar deshalb, weil nach meineo Beobachtungen — die
allerdings, wie ich gern zugebe, für diesen Punkt nicht
ausgedehnt genug sind — aha nicht für so kleine Bä-
che gebraucht wird, wie der Kallbach ist, der von sei-
ner Quelle bis zur Mündung bei Neuhof nicht viel über
eine Meile in grader Linie entfernt ist. — Wenngleich
femer für die Etymologie auf die jetzige Namensform
nicht viel zu geben ist, so ist es doch seltsam, dass
sowohl in Bayern als in Hessen das Sprachgefühl des
Volkes von dem bekannten „Kalb" zu dem unbekann-
ten Kall- ^^^) abgeirrt sein soll; das Umgekehrte wäre
viel natürlicher. Die Schreibung -hahaj -paha steht
nicht entgegen, denn in dem bei Fr. unter Kalbaha
aufgeführten Oparachal- pacha aus dem 8. steht ch,
womit zu vergleichen die Formen Pahha und Pacha
für Bac = Bach bei Fr. S. 187.
Eine weitere Veranlassung, die bis jetzt behandel-
ten Namen zu diesem Stamme zu stellen, geben mir
die übrigen, nun zu besprechenden Flussnamen; es
tritt uns auch hier wieder die oben erwähnte Wieder-
holung derselben Vorstellungen und derselben Ausdrük-
ke entgegen. — Wie wiU man sonst die Kila, j. Kyll
(Mosel), die Kalle (Weser bei Vlotho), die Kahl (Main),
das Kellwasser (Ocker, AUer), den Kailbach (Salm,
Mosel) erklären? Ich lasse den Kallenbach (Nahe)
bei Seite, weil der Name aus Caldenbach entstanden
sein kann, wie Calenborn und Kallenborn aus
Chaldebrunna^^^, ferner den Kalbach (Nied,
Saar, Mosel), weil Fr. ein Kalbach nördl. von Frank-
furt als aus Caldenbach entstanden erwähnt. Ich
möchte aber doch hierher bringen den Kallbach
(Koer), weil die Namen der an demselben belegenen
Orte, Simonskall und Zerkall, auf eine. Grundform
Kala ohne den Zusatz -bach hinzudeuten scheinen und
eine Zugehörigkeit zu chalda unwahrscheinlich machen.
Freilich ist von den obigen Namen nur die Kyll in ahd.
»•0) bez. KoU-, Kohl-. "*) 8. Fr.
67
Form überliefert, doch möchte ich Kalle, Kahl und
Kellwasser nicht davon trennen, weil es mir nicht
gut möglich erscheint, dass die jetzigen Formön ent-
standen wären, wenn dieselben ursprünglich zu chalda
gehörten. Es gibt übrigens ausser der Kyll (Mosel)
noch die Kleine Kyll (Lieser, Mosel), die gewiss
gleichfalls auf die ahd. Form Kila zurückgeht. Li Be-
zug auf die Kyll haben wir wegen der ahd. Form
glücklicherweise festen Boden unter den Füssen. Kila
ist nach meiner Meinung = Kil-ä. = Kil-aha, wie Fuld-&
neben Fuldaha u. s. w. i^*). Da nämlich ein Grund-
wort Kila Fluss nicht nachweisbar ist bis jetzt, so
halte ich den Namen für zusammengesetzt. Das i in
Kil-ä erklärt sich gerade sowie llmina neben Almina,
wie llpe neben Alpe i^*) u. s. w.
Als weiteres Glied möchte ich dieser Flussnamen-
sippe die Kalbe (Ocker) einfügen. Diesen Fluss führe
ich auf die Grundform *Kal-apa zurück. Ähnlich habe
ich oben S. 27 das -ba in Elisba bz. Elspa aus apa
erklärt; so habe ich femer schon in der Abh. vermu-
tungsweise die Helbe (Unstrut) auf ^Hel-apa Berg-
fluss zurückgeführt'^*).
Es bleibt noch dieKel-m (Alpe, Aller) übrig, für
welche ich als ahd. Form *Kel-niana annehme. Diese
ja nur möglicherweise richtige Vermutung wird aller-
dings dadurch gestützt, dass z. B. die jetzigen Fluss-
namen Il-m, Sal-m, Wür-m aus Il-mina, Sal-mana,
Wir-mina entstanden sind i^^). Wenn Keim wirklich
von Keimana herkonmit, so wird hierdurch die obige
Erklärung von Calmanapah um so wahrscheinlicher;
denn es verhält sich dann Cal-mana : *Kil-mana bez.
^•*) vgl. das oben S. 9 erwähnte, von mir angenommene Ge-
setz bei der Flussnamenbildung. ^•*) vgl. oben S. 4. *•*)
Die Deutung als Bergfluss — s. Abb. S. 377 — halte ich jetzt
für um so wahrscheinlicher, weil ich auf der Karte von R. ge-
sehen, dass dieselbe an der Schwarzburger Warte entspringt,
deren Höhe mit 1351' angegeben ist. ***) s. ob. S. 22, Anm.
72 u. Abh. S. 366 ff.
6*
68
*Kel-mana = Al-mina : llmina = *Kal-& i»«) : Kil-ä =
Karabach i»') : Kir-ä.
Die Bedeutung „rauschender Fluss" wird bei allen
genannten Flüssen passen, weil sie sämtlich im Berg-
lande fliessen, bez. wie die Keim von einer Bodener-
hebung herabkommen.
Hinsichtlich der mit dem Bestimmungsworte har
zusanmiengesetzten Flussnamen bemerke ich, dass schon
Graff und Weigand i98\ den Namen Carabach bez. Cha-
rabachy j. Karbach (Main) ^9^), zu dem in Bede ste-
henden Stamme kar stellen, jedoch zu ahd. chara luc-
tus mit der Bedeutung Klagebach, während ich
denselben — gemäss des in so zahlreichen Beispielen
sich ausprägenden Grundsatzes der Wiederholung der-
selben Begriffe bei der Flussnamengebung — als „rau-
schender Fluss'^ deute, indem ich auf die auch
noch im Germ, hervortretende Grundbedeutung von kar,
nämlich tönen, zurückgreife. — Ich füge hier aber
als stammverwandtes Glied auch an die Kir-ä, eine
ganz analoge Bildung wie Kila. Die Kira heisst jetzt
der Hahnenbach ^^^) (Nahe) ; der alte Name hat sich
in dem Ortsnamen Kirn erhalten. Kausche fluss
heisst ja dieser vom Hunsrück herabfliessende Gebirgs-
bach sehr passend; war doch sein bedeutendes Getälle
mit Schuld daran, dass sich in der Nacht vom 4/5.
Aug. 1875 die auf der Höhe des Hunsrücks im Wol-
kenbruche niedergehenden Wassermassen so rasch zu-
thal wälzen iind einen grossen Teil auch der Stadt
Kim verwüsten konnten.
Desgleichen möchte ich die Q u ar- m e (Bode, Saale)
hierher ziehen, die ich auf der Karte von R. finde. Das
*®*) die Konjekturalform von Kall-e (Weser). **') s. die
folgende Erklärung. *®®) Ich entnehme dies Fr. S. 389, der
jedoch, wie ich selbst, die Deutung „Klagebach" nicht billigt.
199^ Femer nach Fr. Earbach im württembergischen Ober-
amte Wangen und Karben a. d. Nidda; beide haben natür-
lich von gleichnamigen Bächen den Namen; bei Grosskarben
ist auch auf der Karte von R. ein kleiner Bach ohne Namen
verzeichnet. *®°) s. Fr.
69
-me betrachte ich hervorgegangen aus mana, gradeso
wie in Al-me, Il-me, Hel-me, Wti-mme; das Quar- er-
klärt sich sehr einfach, wenn man bedenkt, dass ne-
ben lier W. kar auch die Weiterbildung kvar ^^^) vor-
handen ist, wie dieselbe in ahd. quer an, chweran ge-
mere hervortritt. Der Name würde für diesen Bach,
der vom Harz herabkommt und zwar nach der Karte
von R. von dem daselbst als 1652' hoch angegebenen
Rammberge, recht gut passen. Auf dieser Karte ist
zugleich eine an der Qüarme liegende Quarmke
Mühle angegeben. Das -mke in diesem Namen ist
ein neuer Beleg dafür, dass -mke oder mecke der
Torso von mana ist, vorausgesetzt natürlich, was ich
für sehr wahrscheinlich halte, dassQuarme aus *Kvar-
mana = ^Carmana entstanden ist. — Ich bemerke
noch, dass auf der Karte „Quarme Bach" steht; das
Bach ist ebenso späterer Zusatz, wie in Hasper-
bach statt Haspe *^2). — Dasselbe, was Quarme-
bach, ist die Qtmr-m'{beck) (Lachte, Aller), nordöstl.
von Celle, welche von dem Landrücken der Lünebur-
ger Heide herabfliesst 2^^).
c. Das Bestimmungswort hau.
F. 204) findet es wahrscheinlich , dass die W. can,
canati, kvan, kvanati tönen, gr. ytavaC^o) rausche,
lat.cörwer<? klingen, singen imGerm. in Äawaw Hahn,
hma Henne erscheine. Dafür dürfte auch eine Be-
merkung sprechen, die ich in dem sehr empfehlens-
werten Geschichts werke von Arnold Deutsche Urzeit
(S. 30 der 2. Aufl.) gelesen, nämlich dass unser Wort
Hahn nur den Germanen und Finnen eigen, letzteren
aber als germanisches Fremdwort noch in der unver-
^^) 8. F. III, 42. *«a) g. Abh. S. 359. ««») vgl. übri-
gens über das Verhältnis von Quarmke in Quarmke Mühle zu
Quarmbeck, also darüber, dass das -ke in Quarmke der Rest von
beke sein kann, oben S. 23, Anm. 72. ««*) I, 38 u. 517; II,
50 u. m, 61.
70
Behobenen Form kana zugekommen sei. Übrigens be-
trachtet auchWg., qui nä molitur inepte, ohne irgend-
welche Einschränkung Hahn als stammverwandt mit
canere und leitet das Wort ab „von einem vorÄuszu-
setzenden goth. Wurzelverbum hanan hdn hanans sin-
gen", s. Wg. unter Hahn. Die germ. W. han tönen,
klingen sehe ich auch in folgenden Flussnamen, von
denen ich zunächst wieder diejenigen erkläre, welche
in ahd. Form bei Fr. sich finden.
Die Han-afa, jetzt Hanf (Sieg) *^% hat auch dem
Orte an ihrer Mündung, nämlich Hennef seinen Na-
men gegeben. Am. stellt S. 100 Hanafa zu hanaf
cannabis, wie auch die Hanf- e, welche er S. 95 mit-
teilt. Wenn er nun aber Hanfe unter den mit affa
= apa = Wasser komponierten Flussnamen mit Recht
au£Fuhrt; wenn er ferner bei Hanf die alte Form Han-
afa anzieht: wie soll man sich dann die Zusammenset-
zung mit hanaf denken? Es wäre ja das zu hanaf
gehörige -af völlig fortgefallen , denn das afa in Han-
afa fasst auch Am. als das Grundwort für Wasser.
Dieser Ausfall erscheint mir aber bei einem in ahd.
Form überlieferten Flussnamen nicht wahrscheinlich.
Etwas merk- und fragwürdig — Herr Prof. Amold
möge mir diesen scherzhaften Ausdruck gestatten —
kommt mir ausserdem die Benennung „Hanffluss" vor.
Nach meiner Erklämng fügt sich aber die Hanafa sehr
passend der zahlreichen Klasse von Flüssen ein, welche
vom Klingen und Rauschen ihrer Wellen von unsern
Vorfahren einen wirklich poetischen Namen empfangen
haben. Und wie alle echte Poesie realistisch sein muss
d. h. entweder ein Spiegelbild einer schönen Wirklich-
keit oder eine auf Naturwahrheit beruhende Neuschö-
pfung des Dichtergeistes, so ist auch (dieser poetische
Flussname durchaus naturwahr; denn die Hanf fliesst
von dem Plateau des Westerwaldes zu dem Tieflands-
ao6j pj,^ bemerkt, dass der Fluss jetzt Langenbach heisse,
doch finde ich auf der Karte von L. sowie bei Am. S. 100 als
jetzigen Namen die Hanf.
71
busen nieder, der sich auch um die letzte Laufstrecke
der Sieg ausbreitet. Selbstverständlich ist auch
für die Hanfe die Grundform Hanafa. Die Hanfe fliesst
unterhalb Simmershausen, nördl. von Kassel, in die
Fulda und kommt nach der Karte von K. und Syd.
von den Ausläufern des Habichtswaldes.
Fr. erwähnt unter Hanafa auch einen Ortsnamen
Hanapia bei Laon; dies würde auch nach Fr.'s An-
nahme = Han-afa sein, nur in nd. Form; gewiss hat
dieser Ort von einem gleichnamigen Flusse oder Bache
seinen Namen. Das germ. Wort hier braucht uns nicht
zu wundern ; denn die Gegend von Laon liegt im Lande
der Belgae Cäsars, deren zum grössten Teil germani-
scher Ursprung bereits oben S. 20, Anm. 67 hervorge-
hoben wurde. Ist es aus andern Gründen aber nicht
möglich, dass der Name von den Belgiern herrührt,
so ist er auf die Franken zurückzuführen , die ja schon
kurz vor der Mitte des 5. Jhrh. unter ihrem Könige
Chlojo sich an der Somme festsetzten, s. Arn. Deutsche
Urzeit S. 150. Auf fränkischen Ursprung weist auch
das sonstige Vorkommen des Namens. Es ist unmög-
lich, dass dieser Name keltisch ist. Ich habe schon in
der Abb. S. 362 die Grosse und Kleine Hel-pe
(Sambre) mit der Hel-be in Thüringen zusammenge-
bracht, beide auf eine Grundform ^Hel^pa zurückge-
führt und als Bergfluss gedeutet; ferner habe ich
a. a. 0. auf die bei Stenay in die Maas fliessende Wis-
eppe hingewiesen und den Namen als Wiesenfluss
erklärt. Diese Erklärungen möchte ich jetzt für um
so wahrscheinlicher halten, da wir in Han-apia eine
ganz unleugbare Koincidenz mit Hanafa sehen.
Von Honnef am Siebengebirge bietet glücklicher-
weise Arn. in seinem Buche, einer äusserst ergiebigem
Fundgrube für Untersuchungen, wie die vorliegende,
auch die alten Formen: ;,m i;//Za Hun-epho, Hun-
efeh, Hunefa 1102—1181. Hünyppe^oe) 1283".—
Hun-efe 207) . Han-afa = Sulaha : Sala = Sulz-
*®®) Hunyppe ist natürlich die nd. Form von Hunafa, vgl.
unten Hunnippe S. 74. *°') natürlich = Hunaffa.
72
aha : Salzaha = Bunaha : Banefe u. s. w. *^®) —
Nach der Karte von L. und der recht genauen Karte
des Siebengebirges in Bädekers Kheinlanden fliesst
durch Honnef ein kleiner in den Rhein mündender Bach,
der nach den genannten Darstellungen von den Abhän-
gen der Löwenburgkuppe her ab kommt. Der Name
des Baches ist zwar nicht bezeichnet, doch erscheint
es mir nicht zweifelhaft , dass derselbe früher Hunafa
geheissen; vielleicht lautet derselbe noch jetzt Honnef
oder ähnlich. Die Ableitung von hun gigas, wie sie
Am. S. 101 von Honnef und dem gleich zu behandeln-
den Flussnamen Hunaha gibt, kommt mir unwahrschein-
lich vor. Wir sehen ja überall, wie einfach und reali-
stisch unsere Vorfahren bei der Flussnamengebung zu
Werke giengen: eine besonders hervortretende
Eigenschaft des Flusses oder der Örtlichkeit, aus der
er kommt und durch die er fliesst u. s. w. , veranlass-
ten auch seinen besondern Namen. So habe ich mich
gewundert, dass z. B. in keinem Flussnamen, den ich
bis jetzt untersucht, eine mythologische Beziehung her-
vortritt, wiewohl dieselben zu den ältesten deutschen
Namen gehören.
Das Hun- in Hun-aha, j. Haun (Fulda), ist iden-
tisch mit dem Hun- in Hun-efa; es gilt von der Hun-
aha die eben zur Erläuterung des u für Hunefa auf-
gestellte Gleichung. Die Haun, welche aus der s. g.
kuppenreichen Rhön kommt, hat sicherlich einen
raschen und rauschenden Oberlauf.
Auch die sprachliche Identität des Bestimmungs-
wortes in dem Flussnamen Hun-se mit dem bisher
behandelten Hun- ist mir nicht zweifelhaft. Dieser
Fluss fliesst von der Höhe von Westdorp in der Pro-
vinz Drenthe herab. Der ahd. Name desselben ist
nicht unmittelbar überliefert, sondern nur mittelbar
durch den Gaunamen Hunusga^ aus welchem bereits
Fr., Ortsn. S. 241, auf den Flussnamen Hunusa ge-
schlossen. Das a fasse ich als ä == aha und betrachte
^^) s. ob. S. 62.
73
mit Fr. a. eben a. 0. -us als Ableitungssilbe; -us und
-as sind gegenüber dem -is die viel selteneren Suffixe
mit s209).
Vielleicht gehört hierher auch der Ortsname Hun-
bach, in dieser Form bereits aus dem 10. Jahrh.
überliefert*^^).
Sodann möchte ich Hun-aha als Grundform der
mir in alter Form nicht bekannten Hüne oder Hone
(Euhr, Rhein) betrachten, die im Volksmunde und
sonst auch Hönne heisst*^^). Fr. weist bereits unter
dem Stamme Hun auf die mögliche Zusammengehörig-
keit von Hunaha und Hönne hin. Der Fluss entspringt
1393' *^*) hoch nicht weit von Neuenrade und rauscht
bei seinem besonders anfänglich starken Gefalle tüch-
tig, wie Vf. aus eigener Beobachtung weiss. Grade
wegen der Formen Hüne und Hone, die Fr. giebt,
möchte ich diese Erklärung als recht wahrscheinlich
bezeichnen. Nach meiner Ansicht lässt sich folgende
Verhältnisgleichung aufstellen: Hüne u. Hone: Hun-
aha == mügen u. mögen*^^). mhd. mugen, ahd.
mugan u. mugen = können: mhd. kunnen u.
kllnnen, ahd. chunnan, kunnan^i^).
Ebenso ist es möglich, dass die Henne (Ruhr, bei
Meschede) mit der Hönne identisch ist. Wenn man
allerdings bedenkt, dass z. B. die Henne (Scheide) aus
Hagna entstanden, dass Werre (Weser bei Rehme)*
^^) 8. Fr., Ortsn. S. 241 u. 242, wo eine Zusammenstel-
lung der mit S-Suffixen gebildeten Flussnamen gegeben wird.
"°) Fr. S. 869: ,,Hunhach 10. « In der Gegend von Trier;
ß Humbach an der Sieg\ y das spätere Montabaur in Nassau'''',
*") Man vgl. bezüglich der geschärften Aussprache des ö in
Hönne und der daraus sich ergebenden Verdoppelung des n ob.
S. 9, wo Lenne (aus *Lin-ä, Len-ä), Linnepe, Lennepe (aus
*Lin-apa, Len-apa), Ennepe (aus *In-apa) als derartige Beispiele
angeführt sind. *'*) s. Liebrecht a. a. 0. S. 71, der zugleich
S. 67 bemerkt, dass die Hönne von der Quelle bis zur Mündung
„ein durchschnittliches Gefälle von 10,9 Fuss auf 100 Ruten"
habe. **') beide Formen noch bei Luther, s. Wg. *") s.
über dieses ö, welches aus dem unter Einwirkung des Nieder-
deutschen stehenden Mitteldeutschen eindrang, Wg. unter
sowie z. B. unter mögen u. kö?men.
74
und Werra, die sich mit der Fulda vereinigt, ebenso
die thür. Leine und die Leine (Aller) aus ganz ver-
schiedenen Grundformen entstanden sind, so wird man
genötigt, die Zurückführung von Henne auf diesen
Stamm als bloss möglicherweise zutreffend zu bezeichnen.
Entweder wäre dann die jetzige Form Henne eine wei-
tere Abschwächung aus dem eben behandelten Hönne —
vielleicht mit volksetymologischer Anlehnung an Henne
gallina — , demnach auf Hun-aha zurückzuführen —
und dies erscheint mir als die wahrscheinUchere An-
nahme — oder Henne ist aus Han-aha entstanden,
welches sich bezüglich des a zu dem obigen Hanefa
stellen würde; man müsste dann weiter einen unorga-
nischen Umlaut annehmen, dessen Grund vielleicht
gleichfalls in einer Anlehnung an Henne gallina zu
suchen wäre. Für eine Zusammenstellung der Henne
mit Hönne möchte auch der Umstand sprechen, dass
sich die Flussnamen grade auch im Ruhrgebiete viel-
fach wiederholen, man vgl. die Volme (Ruhr) neben
der Valme (Ruhr) 215), die Röhr (Ruhr) und Ruhr^iß),
die Linnepe (Volme, Ruhr) und Linnepe (Röhr, Ruhr),
die Haspe (Ennepe, Volme, Ruhr) und Haspe 21 ?) (Sorpe,
Röhr, Ruhr), die Eilpe (Volme, Ruhr) neben der Elpe
(Ruhr) u. s. w. — Sachlich würde der Name auf die
Henne, die aus dem hohen Berglande zwischen der
' oberen Lenne und oberen Ruhr herabfliesst, gut passen.
Fr. führt unter den mit apa zusammengesetzten
Namen dMch Hunnippe auf, welches er S. 874 als das
jetzige Honneppe oberhalb Deventer bezeichnet. Auf
den mir zu Gebote stehenden Karten findet sich der
Name nicht ; unzweifelhaft hat der Ort von einem gleich-
namigen Bache den Namen bekommen. Hiinnippe ist
der Zwillingsname von Hunefa nur in nd. Gestalt.
F. stellt nun neben kan bez. han auch das Thema
kanati kaneti auf. Eine ähnliche Fortbildung durch
den T-Laut, wie sie z. B. in Liestmunde neben
Liestmuone, Liestmona erscheint, erblicke ich auch in
**^) 8. über Volme u. Valme utit. Abschn. VI. "*) s. ob.
S. 39. w') ß. Abb. S. 359.
75
dem Flussnamen Hun-t-ä, jetzt Hunte (Weser), dessen
a ich als aha fasse, sowie in dem mir in alter Form
nicht bekannten Zuflüsse der Lenne, der Hunde nach
Fr. oder Hundem ^i*). Auf beide Flüsse würde die Er-
klärung sehr gut passen, denn die Hunte entspringt in
dem Berglande der s. g. westUchen Weserkette — am
Moselberge nach der Karte von L. — und wird anfangs
deshalb sicherlich ein ziemliches Gefalle haben, weil
sie nach erst kurzem Laufe im Berglande bereits in
der norddeutschen Tiefebene anlangt. Die Hunde kommt
vom hohen Rothhaargeb. herab. Ist die Form Hundem,
wie ich aus den in der Anm. mitgetheilten Ortsnamen
anzunehmen geneigt bin, wirklich die^ ursprünglichere,
so ist es möglich, dass dieses -e/w ,* ähnlich wie das
-um in Lesum, eine Metathesis aus -me und der Rest
von mana ist.
Übrigens befinde ich mich im völligen Einverneh-
men mit Fr. — und das ist mir für meine Überzeu-
gung hinsichtlich der Richtigkeit der gegebenen Erklä-
rung sehr wichtig — , wenn ich die Hunte, Hunse und
Haun auf denselben Stamm zurückführe; s. Fr. S. 872;
eine Deutung wird allerdings daselbst nicht versucht.
d. Das Bestimmungswort lap.
Die Erklärung der unten aufgeführten Flussnamen
Luppia u. s. w. hat mich sehr lange 21 9) beschäftigt,
2*®) So finde ich auf einer Karte; dem entsprechend er-
scheint in den meisten mir zu Gebote stehenden Karten und
Büchern die Form mit m auch in den Ortsnamen Ober-, Kirch-
und Altenhundem. Aus dem Namen Altenhundem — am Ein-
flüsse der vereinigten Olpe-Hundeni in die Lenne, nördl. vom
Zusammenflusse der Olpe und Hundem — ist zu schliessen, dass
die Olpe in die Hundem fliesst, nicht umgekehrt; in der Abh.
S. 360 hatte ich die Olpe als Neben-, nicht als Zufluss der
Lenne bezeichnet. ***) Um zu zeigen, dass ich mich bemüht,
die grösste Besonnenheit und reiflichste Überlegung auf dem
so schlüpfrigen Gebiete der Etymologie anzuwenden und das
Horazische Nonum prematur in annum zwar nicht wörtlich, aber
dem Sinne nach zu befolgen , erlaube ich mir ausdrücklich her-
vorzuheben, dass ich z. B. die Erklärung von Luppia u. s. w.
76
ehe ich den hier mitgeteilten etymologischen Versuch
gefunden.
Zunächst kann die W. lap hängen *^<^^, lat. labt
nicht in Betracht kommen, desgleichen nicnt das ur-
germ. Verbum lapan lecken *^^); ebenso wenig darf
man etwa wegen des Flussnamens Lahara an das ur-
germ. Verbum Khan laib bleiben oder an die germ.
W. lub — vgl. lat. lubere — denken ^^^), Man wird
eben genötigt, auf eine W. der urverwandten Sprachen
zurückzugreifen, was selbst Fr. in solchem Falle zu
thun erlaubt, s. Fr. S. 476.
Zuvörderst kann die W. Za JA fassen, nehmen ^^s)^
welche in e-laß-ov, laß-gdg heftig, ungestüm, in lat.
rahidus ^^^) erscheint, hier nicht herangezogen werden,
weil im Germ, die urverwandte W. arbh — nach Fr.
die Grundform von rabh — z.B. in arb-ai-thi Arbeit
vorliegt; deshalb dürfte es sehr misslich sein, da-
neben noch die metathesierte W. im Germ, voraus-
zusetzen. Ausserdem würde die Bedeutung „der ra-
sende, wütende Fluss" z. B. bei der X.ippe nicht
passen. Da nun der Begriff des Rauscheus, wie ich
nachzuweisen versucht, in den Flussnamen sehr oft her-
vortritt, so habe ich es schliesslich für möglich und
sogar wahrscheinlich gefunden, dass in den Flussna-
men Luppia u. s. w. die europäische W. lap, bez. rahh,
rah tönen, welche F. I, 741 und 751 aufstellt, stecke.
Diese W. erscheint in sskr. rap, rapati schwatzen,
flüstern = lap, lapati, ferner in sskr. lapita Ge-
schwätz, in gr. olocpvg, olocpvgo), in lat. Id-menUim
für lap-menfum f vgl. ksl. rupuiu Gemurr, Getön.
Mit der W. rap ist verwandt die W. rahh, rab 225) er-
tönen, schallen, welche z. B. sich findet in gr. aga-
ßio) rasseln, ^aßdaaco lärmen, sskr. rambh^^^) brül-
über ein Jahr lang sehr oft , aber ohne rechten Erfolg in An-
griff genommen, bis ich schliesslich etwas sachlich und sprach-
lich Mögliches fand. »*<>) s. F. III, 266. «") s. F. III, 266.
222) 8. F. III, 271 u. 277. 228) g^ Y, I, 751. 224) j^jt älterem
r, vgl. sskr. rdbhas Ungestüm, Gewalt. 226) g p j^ jgg
u. 741. 226) auch ramb kommt vor, s. F. I, 741.
77
len, upa-rambh ertönen lassen. „Mit sskr. lanibh
tönen = rmnbh darf man vielleicht goÜiJamba- Lamm
(= blökend) zusammenstellen*' (F.). . Da nun neben
sskr. rambh auch ein Verbum ohne m vorkommt, näm-
lich ribh knarren, knistern, murmeln, plaudern, wo-
mit verwandt ist lett. rtb-ä tönen **7), so kann neben
dem durch m fortgebildeten Stamme, wie er im germ.
lamba vermutlich erscheint, auch im Germ, die W. lab
vorhanden gewesen sein, die ahd. lap und auch lab lau-
ten könnte. Für die W. to6 lässt sich geltend machen,
daÄS von derselben vielleicht eine Spur in lamba erhal-
ten ist, sodann der Flussname Lab-ara, welcher in der
ältesten Form vom J. 731 ^^^) Lap-ara, in einer Form
vom J. 829 Lab-ara und im 11. Jhrh., wie noch jetzt,
Laber heisst, die für* das Ahd. regelrechte Lautverschie-
bung zeigen würde, da bekanntlich indog. und ^skr.
bh im Goth. b, im Ahd. p oder b wird. Für die W. lap
hingegen spricht, dass die älteste der uns überliefer-
ten Formen, nämlich Luppia, das p zeigt und dieses
sehr einfach dadurch erklärt werden kann, dass, wie
F.I, 809 unter sÄ;ap; sfczp bemerkt , das urverwandte
auslautende p im Germ, sehr oft unverschoben
erscheint. Das p erscheint in den unten behandelten
Flussnamen Marchluppe, Lupentia (bez. Lupnitz),
Luppe, Lupbode, Lupow, Lopau, Leppe ge-
genüber Leber, Liubisaha, Leba, Lieber Lüb-
nitz.
Das u in Luppia gegenüber dem a der W. lap lässt
sich ganz so erldären wie in den Parallelformen Hlunia
und Prumia *29)^ sowie in Hunaha, Sulaha, Sulzaha,
Bunaha u. s. w.: es ist, wie schon Fr. für den Stamm
sult neben salt S. 1400 bemerkt, der Ablaut. — Das a
fasse ich als aha. Wie aber erklärt sich das rätsel-
hafte i, welches auch in Hlunia und Prumia erscheint
und auch wohl in Embi-scara? ^30) Sollte man das-
selbe nicht als das vokalisierte Bildungs-j von einem
*") vgl. riph, riph-ati knurren mit lat. Upire krächzen
(vom Geier). ««») s. Fr. S. 952. ^^^) s. ob. S. 66. ^) s,
ob. S. 62.
78
Adjektivstamme auf ja in der Femin in form fassen,
so dass die Femininendung a elidiert wäre?
Man vgl. z. B. sütl-s im Goth. bezüglich der Vokalisie-
mng des j und im Ahd. denselben Vorgang bei den
Adjektivstämmen auf ja, z. B. bei mitif kleini **i).
Meine Kenntnisse in der Wortbildungslehre der altger-
manischen Sprachen sind jedoch nicht gründlich genug,
um über diesen Punkt ein kompetentes Urteil abgeben
zu können, also: meliora probo.
Was nun die sachlicne Angemessenheit der Deu-
tung von Lupp-i'ä als „die rauschende Aha" be-
trifft, so bin ich durch die freundlichen brieflichen Mit-
teilungen des Herrn Fast Schneider in Lippspringe
über die in Betracht kömmenden Momente völlig orien-
tiert. Derselbe schreibt mir:
„1. Die Lippe quelle, unmittelbar unter der alten
Burg und unmittelbar neben der Heilquelle, die rechts
aus einem tiefen Felsspalt fliesst, kommt ohne alles
Geräusch aus einem tiefen Kolk und bildet sofort ein
Bassin (Teich). Wenige Schritte davon treibt die Lippe
schon eine Mühle.
2. Etwa drei Minuten nordwestl. von der Lippe-
quelle entspringt der Jordan. Derselbe kommt sehr
mächtig und rauschend aus der Erde. Sein Wasser ist
sehr kalt. Er verbindet sich nach einem Laufe
von etwa sieben Minuten mit der Lippe."
Hiernach glaube ich nun, dass ursprünglich der
Jordan als der eigentliche Quellfluss der Lippe betrach-
tet ist, weil er weiter westlich als die jetzt so ge-
nannte Lippequelle entspringt und demnach bis zum
Zusammenflusse mit der Lippe einen längeren Lauf hat
*") 8. Heyne a. a. 0. S. 238 u. 252. — An den Themavokal
i, wie er z. B. in Stetiheim erscheint, kann man wohl nicht
denken, vgl. über diese in der Komposition erscheinenden
Stammdeterminative a i u und ja Fr., D. Ortsn. S. 175. Man
vgl. noch wegen des i den von Ptol. angeführten Ort uilx i/ioev-
vlg , der — an der Altmühl belegen — uns den ältesten Namen
der Altmühl, ahd. Alemona, überliefert, — ferner Liastimona
= Liastmona.
79
als dieser Bach. Der Name Jordan stammt selbstver-
ständlich aus der christlichen Zeit. „Wie fränkische
Chronisten berichten", sagt Dan. S. 437, „wurden zur
Zeit Karls des Gr. Tausende von Sachsen aus diesem
„Jordan" getauft ***). Dass im J. 776 in der Gegend
des jetzigen Lippspringe viele Sachsen getauft worden
sind, geht aus Einhards Annalen klar hervor. Es
heisst daselbst unter dem J. 776: Nam ad fontem
Lippiae veniens, immensam illius perfidi populi multitu-
dinem relut devotam et suppUcem, et quam erroris sui
poemteret^ veniam poscentem invenit. Öui cum et mise-
ricorditer ignovisset tt eos, qui se christianos fieri velle
affirmabant, baptizari fecisset etc. 2»»). Aus den Wor-
ten Dan.'s schliesse ich, dass andere fränkische Chro-
nisten gradezu den Lippebach selbst als Taufifluss er-
wähnt und ihn bei dieser Gelegenheit „Jordan" ge-
nannt haben. Auf jeden FaU, glaube ich, wird der
Name Jordan, seit der Taufe Christi in demselben
zum Tauffluss ytar s^ox^v geworden, auf dieses Ereig-
nis zurückzuführen sein. Vor der Sachsen taufe durch
Karl den Gr. hat der jetzt „Jordan" genannte Bach
offenbar nicht so geheissen. Wir können aber daraus,
dass berichtet wird, die Sachsen seien in der Lippe
getauft, in Verbindung damit, dass der Tauffluss ohne
Zweifel der jetzt „Jordan" genannte Bach gewesen ist,
den Schluss machen, dass der Jordan früher auch den
Namen Luppia gehabt hat. Ohne Frage hiess der
andere Quellbach, die jetzige Lippequelle, gleichfalls
Lippe. Ist nun meine Erklärung richtig, so hat der
Fluss den Namen nicht von der jetzt so genannten,
„ohne alles Geräusch" aus der Erde kommenden
Lippequelle erhalten, sondern von der „sehr mächtig *
und rauschend" der Tiefe entströmenden Quelle des jet-
zigen Jordans. Es war aber natürlich, dass diese Be-
zeichnung auf den ZwQlingsbruder des Jordanquells,
^ Dan. hat vorher erwähnt, dass „als Quellbach der Lippe
der bei Lippspringe gilt". ***) Einhard bemerkt also nicht
ausdrücklich, dass die Sachsen in der Lippe selbst getauft
worden sind.
80
den jetzigen Lippequell» überging, weil man beide not-
wendigerweise sJs zusammengehörig betrachtete. Grade
weil ich wusste, dass die jetzt s. g. Lippequelle aus ei-
nem tiefen „Eolke^S um dies gute auch von Freiligrath
gebrauchte nd. Wort hier zu wiederholen, ohne Geräusch
konunt; weil ich andrerseits die Überzeugung hatte,
dass meine Erklärung von Luppia u. s. w. richtig sei,
dass also irgend ein rauschender Quellbach vorhanden
sein müsse : schrieb ich an Hm. Fast. Schneider. Seine
Beschreibung der Jordanquelle ist für mich ein neuer
Beweis für die Wahrscheinlichkeit der vorgetragenen
Erklärung. Dass die Beschaffenheit des Quelllaufs
sehr häufig ein Motiv bei der Flussnamengebung bildet,
ist schon wiederholt hervorgehoben; in diesem Falle
wählte man den Hsjaen Lippe Rauscheflusswasser,
um einer besonders auffalligen Eigenschaft der Quelle
selbst, dass sie nämlich als mächtiger Sprudel aus der
Erde emporrauscht, Ausdruck zu geben. Der
Glaube ist immer subjektiv und kann deshalb doch sehr
fest sein; seinen Glauben muss man aber niemand auf-
drängen wollen. Wenn ich demnach an die Richtig-
keit der obigen Deutung von Luppia glaube, so bin ich
doch weit von der Anmassung und Thorheit entfernt,
diese Ableitung, wissenschaftlich betrachtet, für
etwas andres als eine mögliche, höchstens als eine
wahrscheinliche auszugeben.
Des Namens Lab-ara*»*) oder Lap-ara, j. Laber,
gibt es verschiedene Flüsse in Bayern: einer mündet
oberhalb Regensburg, die andern beiden zwischen Re-
gensburg und Straubing in die Donau, ausserdem ein
vierter in die Altmühl. Alle vier fliessen im Berglande;
deshalb wird die Erklärung" sachlich wohl für dieselben
sich eignen. Die oberhalb Regensburg mündende La-
ber entspringt am Fränkischen Jura.
Da die Marhlupp-ä, Marchlupp-ä, j. Mar-
lupp (Inn), auf den mir zu Gebote stehenden Karten
^^) Ich fasse demnach ara als das bekannte Grundwort für
Wasser.
81
nicht yerzeichnet ist, so kann ich weder über das
March- noch über die sachliche Angemessenheit der
Deutung „Rauschefluss" die nötige Aufklärung geben.
Fr. erklärt es S. 1058 mit Recht ffir schwierig, die Zu-
sanmiensetzungen mit ahd. marha, marcha, auch marca
Grenze und ahd. n^arach, marck Pferd zu sondern.
Weil aber nach Grimm *^s) die ursprüngliche Bedeu-
tung von Mark Wald ist und dieselbe auch noch jetzt
hervortritt in dem von Wg. im Lexikon zuletzt aufge-
führten Sinne „Gleichberechtigten gemeinsam gehöriger
Wald, Weidegebiet^^, so möchte ich mich für die Erklä-
rung „Waldluppe", nicht „Rossluppe" entscheiden **ß)
— und zwar besonders wegen des Flussnamens Marc-
laha, jetzt Marklach (Regen), den Fr. mitteilt. In ei-
ner spätem Untersuchung werde ich in teilweiser Über-
einstimmung mit Fr., D. Ortsnamen (S. 34), zu zeigen
versuchen, dass Laca Leck, das -laha in Antilaha
u. s. w. dasselbe Grundwort ist mit der Bedeutung
Flu SS. An der keltischen Herkunft von Licus, glaube
ich, kann man allerdings nicht rütteln, s. Kiepert a.
a. 0. S. 366; doch wird eine gründliche und vorsich-
tige Betrachtung lehren, ob in Flussnamen, in welchen
ein deutsches Bestimmungswort mit -laha u. s. w. zu-
sammengesetzt ist, dieses Grundwort Anspruch auf
germanischen Ursprung hat oder als ein aus dem Kel-
tischen überkommenes Wort zu betrachten ist
Marclaha würde ich demnach alsWaldfluss erklären
Fr. gibt nur die Form Marclaha aus dem 9. Jhrh
Niemals aber kommt in der ahd. Sprachperiode marach
Pferd in der Form marc vor, wohl aber marha,
inarcha Grenze auch dlB marca; das fehlerhafte, aber
übliche marc Pferd ist mhd.
***) 8. Wg. untet Mark. ***) Marchluppa wäre so eine
Doppelzusammensetzung, wie Kethratenza; auch in Marchluppa
würde das erste Bestimmungswort wohl die Quellgegend näher
charakterisieren sollen. VieUeicht gibt es dort noch eine Luppe,
welche zu der Differenzierung durch March- Veranlassung gab,
ähnlich wie man die Kethratenza durch einen Zusatz von der
Ratenza unterschied.
6
82
Femer ziehe ich hierher den Ortsnamen Lup-
entia, Lujhenze, j. Lnpnitz *>7). Das -entia^ enze
scheint mir wegen Rat-antia, Rat-enza = Red-
nitz, Pag-antia, Pag-inza » Peg-nitz, War-inza
» Wer-nitz in Verbindung mit dem Fllttsnamen Liib-
nitz rölschnitz, Weisser Main) und in Gemässheit der
oben Detrachteten, mit dem urundwort -anza, -enza
Flnss zusammengesetzten Flussnamen unbedingt auf
einen Flussnamen zu deuten >>^). Nun fliesst allerdings
bei Grosslupnitz ein Bach in die Nesse. Dieser heisst
aber nach der freundlichen Mitteilung des Herrn Dir.
Rein in Eisenach die Beyer und der bei Wenigenlup*-
nitz in die Nesse mündende Bach nach der Auskunft
des Herrn Schulrats Eberhard die Nater. Dass jedoch
von einem Bache, mit Namen Lup-enza, der Ortsname
Lupnitz herrührt, das scheint mir notwendig zu sein.
Es muss demnach , wie schon bei der Besprechung von
Liagtmana hervorgehoben ist, ein Fluss in dortiger Ge-
gend früher einen andern Namen gehabt haben. Herr
Schulrat Eberhard meinte, dass vielleicht die Nesse in
dieser Gegend ehemals anders geheissen. Das ist mög-
lich, aber dann wäre nicht gut erklärlich, dass der
Fluss auf seiner untersten Strecke den Namen Lupentia
verliert und wieder Naz-aha lautet. Mir scheint Fol-
gendes wahrscheinlicher zu sein. In den bei Gross-
lupnitz in die Nesse mündenden Hauptbach, die Beyer,
fliesst ein kleiner Bach bei Beuemfeld ein, welches
nach der Karte zum grossen Teile zwischen dem Haupt-
und Nebenbache liegt Beuemfeld hat, wie auch Herr
Dir. Rein annimmt, von der Bever seinen Namen, vgL
z. B. bei Fr. Bihirhach, der auch Beuerbeki heisst.
Nach meiner Meinung ist nun der Nebenbach früher
Bever und der Hauptbach Lupenza genannt worden.
Später übertrug man den wohl noch verständlichen ^^^)
**') Gross- und Wenigenlupnitz an der Nesse (Hörsei, Werra).
*"*) über dieses in deutschen Flussnamen aus -inza (enza, anza)
entstandene -nitz vgl. noch unten Abschn. V. *■•) Die Biber, die
jetzt nur noch vereinzelt in Deutschland vorkommen, müssen
in früherer Zeit ungemein häufig in unserm wasserreichen
83
Namen Beyer auch auf den Hauptbach, dessen Bezeich-
nung unverständlich und ungebräuchlich geworden war;
der alte Name blieb nur noch erhalten in den Ortsna-
men Gross- und Wenigenlupnitz. — Diese Vermutung
soll natürlich nichts weiter als eine möglicherweise zu-
treffende sein.
Für identisch mit Lup-nitz halte ich die schon
eben angeführte Lüb-nitz **^), für deren Grundform
ich gleichfalls Lup-entia halte. Der Name würde gut
passen, denn nach der Karte Yon R. entspringt dieselbe
am Westabhange der zum Fichtelgebirge gehörigen
Kette des Grossen Waldsteins unweit der Quellen der
Saale.
Auch die Liub48'dha, j. Loisach (Inn), stelle ipk'
zu der W. lap. Das -is betrachte ich als die schon
mehrfach erwähnte Ableitungssilbe. Den Diphthongen
kann ich mir nicht anders erklären, als dass man ihn
als Ablaut einer W. lup betrachtet, wie z. B. bium
sum nach Heyne a. a. 0. S. 39 „das nach der vierten
Ablautreihe gebildete Präsens der W. bu ist und sich
zu^dieser nicht anders verhalt wie Hiutu fluo zu sei-
ner W. flulf'. Man vgl. liupy litib von der W. lub.
Diese W. lup würde neben lap gradeso stehen, wie z. B.
die germ. W. stu neben sta **i). Oder darf man viel-
leicht iu als Umlaut von u ansehen , verursacht durch '
das i in -is, ähnlich wie am Ende der ahd. Zeit der
Plural von hüs domus und chrüt herba hiuser und
chriuter lauteten ***) ? Hier gilt das Horazische: Si quid
novisti rectius istis, candidus imperti; si non, his utere
mecum. Sachlich würde die Bedeutung recht gut pas-
sen, denn der Fluss kommt aus den Bayrischen Alpen,
Lande gehaust haben, wie die zahh*eichen nach ihnen benann-
ten Bäche beweisen. Deshalb können damals, als die Lupentia
ihren Namen verlor, die Biber noch in Menge in dortiger Ge-
gend vorhanden und somit auch der Name Bever verständlich
gewesen sein. **®) Die Ölschnitz, in welche die Lübnitz fliesst,
heisst auch Ölsnitz. Dieses kann für *EUnHz stehen, £ls*nitz
femer = Els-enz = Alis-inza = Alis-ontia sein, s. oben S. 26
u. 27. "») 8. über «tu und «te F. HI, 889 und 342. «*«) s.
Heyne a. a. 0. S. 32.
6*
84
entspringt 1658 Met. hoch und mündet 557 Met. hoch
bei einer Länge Yon 120 Eilomet ^^'); er hat also ein
bedeatendes Gefalle, wobei das Banschen nicht fehlen
wird.
Ich lasse nun die mir nicht in alter Form bekann-
ten Flussnamen folgen, die ich hierher ziehe.
Das u, welches in Luppia erscheint, zeigt sich
auch in der Lupp-e (Saale). Als Grundform sehe
ich an ^Lup-d = *Lup-aha. Dieser Fluss wird gewöhn-
lich als ein Arm angesehen, den die Elster entsendet.
Nach der Karte yon Syd. möchte ich Folgendes als das
vielleicht ursprüngliche Sachverhältnis vermuten. Auf
dieser ist ein Fluss verzeichnet, der von der Boden-
erhebung, auf welcher Markranstedt liegt, herab-
kommt. Dieser steht durch einen Arm mit dem Ge-
wirre von Wasserläufen, die zur Elster gehören, in Ver-
bindung. Nach meiner Ansicht hat ursprünglich dieses
Flüsschen den Namen Luppe erhalten, der darauf auf
den mit der Luppe in Verbindung stehenden Elsterarm
übergegangen ist.
Desgleichen bringe ich hierher die Lup-ow***),
als deren Grundform ich auch * Lup-dha annehme.
Sie fliesst vom pommerschen Landrücken herab. Die
Erklärung würde recht gut passen, denn, wie Dan.
S. 460 bemerkt, „ist der Lauf der Lupow und Stolpe, wel-
che aus einer Höhe von 450' herabkommen, ausser-
ordentlich schnell im Oberlaufe". Nach der
Natur des Oberlaufes werden ja aber die Flüsse sehr
häufig genannt.
Femer vemeuhochdeutsche ich die bei Treseburg
in die Bode'mündende Lffp-^o^e als rauschende Bode
oder Fluss. Ich werde vielleicht einmal später zeigen
können, dass auch Bode^ ahd. Bada und Bota, ein
Grundwort für Fluss ist. Dass es ein Grundwort
und kein Bestimmungswort ist, geht hervor aus den
damit komponierten Flussnamen Lup-bode und Salz-
boed ^^^) (Lahn); letztere finde ich auf der Karte
•*•) 8. Meyers Konvers. X, S. 910. ***) s. über -ow oben
S. 26. ««) == Salz-aha, j. Salza.
85
von L.; sodann teilt Arn. die Wiesbtide mit**«). Es
wird sich auch bei einer späteren Untersuchung her-
ausstellen, ob Patra, j. Pader (Lippe) >*^), dasselbe
Grundwort ist nur mit dem Suffix -ar, dessen a elidiert
wäre>*8); mir scheint das schon jetzt nicht grade un-
wahrscheinlich. — Übrigens würde für die Lupbode,
einen echten Gebirgsbach, die gegebene Erklärung ge-
wiss auf das vortrefifiichste passen.
Das i, welches schon im ähd. Lippia statt Lup-
Sia erscheint, begegnet auch in Lippe **^), einem Zu-
usse der Unstrut. Femer heisst ein Ort an einem
Nebenflusse der Heller (Sieg) Lippe; daraus möchte
ich schliessen, dass auch der Bach lippe heisst. —
Sodann gehört hierher die Leppe (Agger, Sieg), wel-
che von der Südseite des hohen Ebbegeb. herabkommt
— sicherlich mit Rauschen. Den Ortsnamen Leppara,
,J. Lippern bei Duisburg", wie Fr. bemerkt, lasse ich
einstweilen beiseite, da ich auf der Karte von L. kei-
nen Bach ähnlichen Namens gefunden.
Wohl aber betrachte ich als Glieder dieser Fluss-
namengruppe die Leb-a und Leb-er oder Leb-erau
(Dl), als deren Grundformen man *Lib-aha und *Lib-
ara und deren e man als die durch das folgende a
hervorgebrachte Trübung des i ansehen kann. Über
die Leba, welche von dem pommerschen Landrücken
herabeilt, bemerkt Dan. S. 460: „Die L. entspringt
500' hoch. Um die Stadt Lauenburg selbst erscheint
das Land zwar ebener, aber weiter hmab begleiten das
tief aufgewühlte Bett der Leba romantische Berg-
höhen". Femer hebt Foss a. a. 0. **^®) ausdrücklich
die Leba hervor als zu den Flüssen gehörig, welche in
**•) Am. S. 48: „Zufluss der Bieber bei Bieber im Kreise
Gelnhausen". Wiesbüde = Wis-aha, j. Wies-eck (Lahn) = Wie-
senfluss, s. über Wieseck u. s. w. Abh. S. 362. **') vgl. Pa-
drabrunno bei Fr., femer die Formen Boderabrunnun, Bodir-
bmnnun, Boderenbrunnen, sowie vom J. 927 Bodarbrunnensis.
•*•) s. über diese Elision des SuffixvokaleB a ob. S. 41. **•)
In Lippebach auf der Karte ist -bach späterer Zusatz. "•) s.
S. 33, Anm. 96.
ihrem mittleren Laufe ein sehr bedeutendes Gefälle
haben. Die Bedeutung „Rauschefluss^* würde demnach
recht gut passen. — Foss bemerkt jedoch a. a. 0. S. 30
durchaus bestimmt: „Der Name der Leba ist derselbe
wie Labe und Labe nennen die Slawen die Elbe. Lauen*
bürg ist Labenburg, daraus entstand Lawenburg und
dann Lauenburg^^ S. 20 erklärt er mit gleicher Be-
stimmtheit den Namen Peene für slawisch.
Jeder muss zunächst zugeben, dass die Hauptflüsse
Pommerns **>!) zur Zeit, als die Germanen hier wohnten,
bereits Namen hatten. Wenn man nun z. B. in Pom-
mern den Flussnamen Wipper findet und denselben
auch in Mitteldeutschland, wo die thüringische und
Harzwipper begegnen, femer in dem von Slawen ganz
unberührt gebliebenen Westdeutschland, welches die
Wipper bez. Wupper ***) aufzuweisen hat, so wird man
an eine Herleitung aus dem Slawischen für alle Flüsse
dieses Namens unmöglich denken dürfen ^^^\ Vergleicht
man femer den pommerschen Flussnamen Ihna mit dem
westfälischen Ihne in einer Gegend, wohin nie Slawen
vorgedmngen sind, so wird man auch hier von einer
Herleitung beider Namen aus dem Slawischen Abstand
nehmen müssen — ganz abgesehen *s*) von den oben
geltend gemachten Gründen, welche z. B. die Ihne und
mna einer grossen Gruppe stammverwandter Flussnamen
zuweisen. Man wird aber noch einen Schritt weiter
gehen und auch derartige pommersche Flussnamen
als germanisch in Anspruch nehmen dürfen, wofern
sich eine sprachlich und sachlich zutreffende Erklämng
aus dem Germ, finden lässt, und zwar deshalb, weU
ja an und für sich die Möglichkeit germanischer Fluss-
namen in Pommem durch die geschichtliche Über-
lieferung durchaus nicht ausgeschlossen ist. Nun glaube
^^) „Pommern" ist ein slawischer Name = Land am Meer,
s. Foss a. a. 0. S. 3. »*) Die Wupper heisst in ihrem Ober-
laufe Wipper, vgl. den Namen der Kreisstadt Wipperfürth.
**") Ich werde später versuchen, diesen Flussnamen als deutsch
nachzuweisen. *^) meine Auseinandersetzungen könnten ja
als nicht völlig beweisend angesehen werden.
87
ich aber z. B. hinsichtlich der Flussnamen Ihna, Per-
sante und Lupow eine sprachlich und sachlich korrekte
Erklärung gegeben zu haben ; dasselbe, denke ich, wird
mir unten bei dem pommerschen Flussnamen Rega ge-
lingen *5ö). Demnach verdienen die Versuche eine
durchaus gründliche und sachliche Erwägung und Be-
urteilung, welche dann die pommerschen Flussnamen
aus dem Germanischen erklären wollen, wenn sie sich
auch im übrigen Deutschland in Gegenden wiederfinden,
die niemals von Slawen in Besitz genommen sind. —
Dies gilt auch von meiner Erklärung des Flussnamens
Leba.
Übrigens ist die Identität der pommerschen Iluss-
namen Ihna und Wipper mit den gleichnamigen im
übrigen Deutschland so schlagend >^^j, dass man schon
hierdurch zu der Annahme genötigt wird, die auch
sonst viel Wahrscheinliches hat, dass die Germanen
nicht bis auf den letzten Mann ausgewandert sind, wie
man von diesen Stämmen an der Ostsee gewöhnlich
annimmt, sondern dass in Pommern einzelne Abteilungen
zurückgeblieben sind, von welchen die slawischen An-
kömmlinge die germanischen Namen überkamen. Und
nach ein paar Jahrhunderten flutete ja auch die ger-
manische Völkerwoge nach Osten und Norden zurück,
welche zur Zeit der grossen Völkerbewegung nach Sü-
den und Westen abgeströmt war.
Neben der Leba hatte ich schon die Leber (Hl)
genannt. Diese entspringt auf den Vogesen an einem
Berge, der auf der Spezialkarte der mittleren Vogesen
in Bädekers Bheinlanden als 1027 Met. hoch bezeichnet
***) Man vgl. femer bezüglich des Namens die Ferse, die
von der pommerschen Seeenplatte zur Weichsel ' herabströmt,
mit der Verse (Wümme, Weser) und beide mit der Verse
(Lenne, Kuhr), der Versbeck (Lenne, Ruhr), sowie der Vers
(Salzboed, Lahn); man wird auch hier in Verbindung mit den
übrigen Momenten eine zufällige Übereinstimmung oder eine
Herleitung aus dem Slawischen abweisen müssen. Ich hoffe
später auch diesen noch mehrfach vorkommenden Flussnamen
aus dem Germanischen erklären zu können. ***) ganz abge-
sehen von Lupow, Leba, Persante, Radüe und Feene.
88
ist. Das Leberthal ist bokanutlicti ein malerisches Ge-
birgsthal, und auf den dasselbe durcheilenden Fluss
wird gewiss die Erklärung „die rauschende Ära" passen.
Wahrscheinlich gehört zu demselben Stamme auch
die Lieber '5^) (KyU, Mosel), die ganz im Oberlaufe
der Kyll oberhalD Kronenburg mündet Das e in ie
ist wohl bloss durch Anlehnung an lieb in den Namen
gekommen; dann würde für Lieber gleichfalls als ahd.
Form *Lib'ara anzusetzen sein. Auch für diesen in
der Eifel fliessenden Bach würde die Deutung ange-
messen sein.
Schliesslich kann man auch die Lop -au (Luhe,
Elbe) hierherziehen, welche vom Landrücken der Lüne-
burger Heide herabfliesst. Als Grundform Hesse sich
*Lup-aha aufstellen und das o als eine durch das fol-
gende a bewirkte Trübung des u ansehen ^ö»).
Der Begriff des Olänzens in den Flnssnamen Nek-
kar, Neger und Nagold und der des Bnnkelit
in den Flassnamen Regen, Rega n. s. w. sowie die
za Grundwörtern für Plnss verwandten germ, W.
"^ald und ars.
Schon in der Abh. ^^^^ "ixsihG ich als Flüsse, die
**') Ich entnehme diesen Namen der Karte von L. *^®)
über -au = aha ist oben schon wiederholt gesprochen. **®) S.
363 ff. — Ich möchte als mit Eder (Fulda) zu demselben Stamme
gehörig jetzt noch nennen die Etter (Nahe) und die Itter (Eder,
Fulda), sowie die Itter (Diemel) und Eder (Diemel, unterhalb
Warburg). Die Eder heisst auch Edder; das t in Etter und
Itter zeigt die regelrechte zweite Lautverschiebung, wie sie
auch hervortritt in dem nhd. eitel eig. glänzend, ^B.tdaly ahd.
ital. Mit Ausnahme der Itter (Eder) habe ich diese Flüsse auf
der Karte von L. gefunden.
89
von ihrer Farbe genannt seien, die E der, Eitrach,
Auerbach und die Diemel gegenübergestellt und
zwar jene als „glänzenden Fluss", als Hlutraha
oder Lutaraha, diesen als „dunkeln Fluss", als eine
Schwarza gedeutet. Ich möchte hier noch nachtragen,
dass vielleicht auch die Dahme (Spree) mit der
Diemel zu der von F. *ßo) aufgestellten germ. W. ihSim
dunkel sein gehört, welche auch erscheint in as.
thimm dunkel, ahd. demar Dämmer; in alter Form
könnte die Dahme ^Dam-ä - Dam -aha gelautet
haben. Nach der Karte von Syd. durchfliesst dieselbe
mehrfach bruchiges Terrain, kann demnach mehrfach
eine schwarze Farbe haben. Auch die Dame (Per-
sante) kann stammverwandt sein, desgleichen die De-
mer (Dyle, Scheide), für die man als alte Form *Dim-
ara, bez. mit Trübung des. i *Dem-ara aufstellen
möchte. Über die Farbe dieser Flüsse weiss ich nichts
Sicheres anzugeben; über die Eder und Diemel s. be-
züglich dieses Punktes die Abb.
Wie ich nun die Eder und Diemel als ein der
sprachlichen Bedeutung nach entgegengesetztes Fluss-
namenpaar fasse, so auch den Neckar und Regen: der
Neckar entspricht nach meiner Erklärung der Eder,
der Regen der Diemel.
Die indogerm. W. WÄjr, wojr waschen, reinigen^^i)
erscheint z. B. in gr. vitfo Tut vlyja), ahd. nichus Nix,
Wassergeist, in sskr. nagna nackend, goth. woga-
thas, afries. nakad nackend. Wir sehen an sskr. nagna
und unserm nackend^ dass der Begriff des Waschen s,
Reinigens in den des Blanken, Glänzenden über-
gegangen ist; deshalb sagt auch F. I, 124: ,,nagna
nackend von nag, nig blank machen". Wir haben
demnach hier dieselbe Bedeutungsentwicklung, wie von
der germ. W. hlut spülen zu ahd. hlütar lauter,
rein und die gleiche Verwendung dieses Begriffes für
Flussnanjen. Ich möchte nun besonders auch deshalb
diesen Begriff des . Glänzenden in dem Flussnamen
») m, 130. w^) 8. F. 1, 124, 129, 644, 652; IH, 157 u. 163.
90
Nic-ar*^*) erblicken, weil derselbe in das ganze schon
mehrfach hervorgehobene Flussnamensjstem passt, da
ja der Begriff des Glänzens nicht nur hervortritt in
den von mir erist so gedeuteten Flussnamen Eder u. s. w.,
sondern auch in Lutaraha, Glana***). — Fr. erwähnt,
dass man bei dem Neckar auch an die Verwandtschaft
mit dem oben aufgeführten ahd. nichtis Nix gedacht
habe, und bemerkt, dass dann Neckar einfach „Ge-
wässert^ bedeuten würde. Mich hat jedoch besonders
der Flussname Nag-alta, j. Nag-old, darauf geführt,
dass Neckar als ein zusammengesetztes Wort zu be-
trachten sei. — Fr. erwähnt auch den möglichen Zu-
sammenhang mit ags. niclian incurvare, genicled
obuncus. Mir erscheint diese Ableitung deshalb als
nicht statthaft, weil ags. niclian mit ahd. nicchen zu-
sammenhängt und dieses das Faktitiv von ahd. bnikan,
bnigan sich neigen ist***). Der Name Nicar ist
abet* schon aus dem 3. Jhrh. überliefert; es müsste
deshalb unbedingt das anlautende h überliefert sein. —
Auch an einen Zusammenhang mit Nahe (Bhein), —
ein Flussname, der uns nicht bloss von Tacitus und
Ausonius, sondern auch aus dem 8. Jahrh. in der Form
Nava = Nawa überliefert ist*®^) — kann nicht ge-
dacht werden; denn es müsste ebenfalls die ursprüng-
liche Spirans w bei dieser Annahme in der Namens-
form des Neckar aus dem 3. Jahrh. sich zeigen*««).
Das -ar in Nic-ar betrachte ich als ara Fluss; Neckar
***) Nicar aus dem 3. Jhrh., Nechar, Nechra und Neckare
aus dem 9. Jhrh. *••) Glana habe ich auch mit Fr. u. a. als
„glänzender Fluss^* gefasst, aber diesen Flussnamen abweichend
von Fr. u. s. w. aus dem Germ, abgeleitet. ***) s. Wg. unter
nicken und Neige u. Müller a. a. 0. S. 143. *^) erst im 9.
Jhrh. tritt die Form Naha auf, aus dem 8. Jhrh. hat Fr die
Zusammensetzung Nachgowi, s. Fr. 1135 if. *••) Dieses Nawa
führe ich — beiläufig bemerkt, später hoffe ich eine gründ-
lichere Erörterung geben zu können — auf die W. nu = snu
flies sen zurück, welche in nare, y^w, vdoi, äol. vavo}, sskr.
ndva Schiff, an. n6r Schiff, ags. naca^ as. nako^ ahd. nacho
erscheint; in letzteren Wörtern ist der Guttural jüngeres Ein-
schiebsel, 8. F. I, 130 u. 250.
91
heisst somit der glänzende Fluss, eine für diesen
klarflutenden Bergstrom gewiss recht passende Bezeich-
nung. Er entspringt nach Dan. S. 306 2150' hoch und
zeichnet sich besonders auch in seinem Oberlaufe durch
die Klarheit seines Wassers aus, wie mir mitgeteilt.
Auch ein Nbfl. der Schweiz. Thur heisst Neckar;
für diesen Bergfluss wird die Erklärung gleichfalls
wohl angemessen sein* — Femer heisst ein Nbfl. der
Ruhr in ihrem ersten Oberlaufe Neger. Ahd. heisst
der Neckar auch Neckar; aus dieser Form ist wohl
Neger zu erklären; es ist möglich, dass die jetzige
Schreibung mit g durch volksetymologische Anlehnung
an das bekannte Wort Neger erfolgt ist. Auch die
Neger, welche, wie Liebrecht S. 67 bemerkt, vom Asten-
berge kommt, wird wohl ohne Frage klares Wasser
haben bei ihrem bedeutenden Gefälle; der Astenberg
ist nämlich nach Liebrecht a. a. 0. S. 72 2682^ hoch.
Auch zwei Orte an einem Zuflüsse der Bigge
(Lenne, Ruhr) heissen Neger (Ober- und Untemeger);
ich schliesse daraus, dass der Bach selbst so heisst,
wie das so oft der Fall ist.
Die Ansicht, dass Neckar ein zusammengesetzter
Flussname ist, wird nun nach meiner Meinung beson-
ders auch durch den Flussnamen Nag-aUa^ j. Nagold,
(Enz, Neckar) gestützt. Das regelwidrige g lässt sich
vielleicht durch Annahme einer Stockung der Laut-
verschiebung erklären; denn die Eigennamen bewahren
oft viel zäher die alte Form als die übrigen Wörter.
Eine solche Stockung der Lautverschiebung habe ich
höchst wahrscheinlich gemacht in den Flussnamen
Nidda und Nied*^*'). Es bleibt aber noch eine andre
und mir wahrscheinlicher dünkende Erklärung übrig.
Schon im Ahd. ist die Volksetymologie, die Um-
deutung und Anlehnung nicht mehr verstandener Wörter
an bekanntere, thätig. So ist z. B. kartag = Trauer-
tag in garotag = Rüsttag entstellt**®). So kann
««') 8. Abb. S. 353. «««) 8. Andresen, über deutsche Volks-
etymologie S. 50, welcher noch verschiedene Beispiele aus dem
Ahd. aiSzählt.
92
das unverstandene ^Nachalia, welches die streng ahd.
Form wäre, an ahd. nagal angelehnt sein. Bück a. a. 0.
S. 188 teilt auch die Form Nak-alfa mit; dieselbe »«9)
würde sidi unmittelbar zu Nik-ar (Nicar) stellen und
den Guttural auf der ersten Lautverschiebungsstufe
zeigen. Hinsichtlich des Vokals a würden sodann mit
Nakalta eine engere Gruppe bilden: der von Fr. mit-
geteilte Flussname Nak'dl'ä^'^% sowie die von Bück
aus Oberdeutschland erwähnten Bachnamen Nagelbach
und Nagba^h, desgleichen der von Fr. aufgeführte Orts-
name ifagalbachy der ohne Zweifel von einem gleich-
namigen Bache herrührt.
Was bedeutet nun aber der zweite Bestandteil in
Nag-alta?
Als ich den Flussnamen Nagold in der ahd. Form
Nag-alta bei Fr. fand, fielen mir sofort die Flussnamen
Äldena, j. Olle (Hunte) "i), Mda, j. Eide (Elbe) "«)ein ;
aus den Karten hatte ich mir femer schon gemerkt
die Elina oder Elda«") (Werra), die Elte (Börsel),
die Altenaue (Ocker, oberhalb Wolfenbüttel), die
Altena (Alme, Lippe). Auch den Bach Altenau, den
Dan. S. 663 erwähnt, ziehe ich hierher; Dan. bemerkt
daselbst: „Die Erzählung" — nämlich von Altena =
all to nah = all zu nah — „ist eine Fabel: der Name
kommt von dem Bache Altenau, der den Ort
von Hamburg trennte". Es schien mir sofort sehr
annehmbar, das -alta in Nagalta mit diesen Flussnamen
zusammenzubringen und den in Aldena u. s. w. erschei-
nenden Stamm als Grundwort für Fluss anzusehen.
Dies ist aber auch sprachlich möglich.
^•®) Ich weiss nicht, ob sie bezeugt ist ; Fr. hat nur die Fonn
mit g. *^®) -al fasse ich als Suffix, a als aha. *'*) auf der
Karte von K. heisst sie Ollen; dort steht auch verzeichnet die
Bauerschaft Ölten und das OUener Moor. *'*) ausser diesen
ahd. Flussnamen hat Fi*, auch den Namen Lang-aüa aus dem
11. Jhrh.; unter Cald bezeichnet er denselben als Flussnamen,
aber nicht unter dem Namen selbst. Ich lasse ihn deshalb
einstweilen beiseite. *'*) beide Formen auf der Karte von R.
93
Im Sskr. heisst ard wallen, strömen, entspre-
chend gr. aqduv netzen * 7*).
Wie nun die indogerm. W. ark, welche in gr. aQxiwy
Tat. arceo hervortritt, nicht bloss im Gräkoitalischen
die Nebenwurzel alk hat — vgl. aAxif, lat. ulcisci — ,
sondern auch im Germ., was hervorgeht aus ags. ealgian,
algian schirmen, goth. älki Heiligtum neben und
gegenüber dem zu der W. ark = alc gehörigen ags.
earh Pfeil, goth. arhva-zna Pfeil *^ö): gradeso ist
auch nach meiner Meinung die indogerm. W. ard im
Germ, zu ald geworden. Dass aus der indogerm. W.
ard strömen sehr passend ein Gnmdwort zur Bezeich-
nung des Begriffes Fluss erwachsen konnte, liegt auf
der Hand: Jjdena, Elda u. s. w. bedeuten nichts weiter
als der Strömende, der Strom.
Die beiden Flüsse, Aldena und Elda, deren Namen
in ahd. Form überliefert sind, fliessen auf as. Sprach-
gebiete; sie sollten demnach, falls meine Herleitung
richtig ist, die Form Altena und Elta zeigen; denn, da
Bedeutung und Etymologie dieser Namen nicht mehr
lebendig war, wurden ^eselben doch wohl in der alt-
sächsischen Form niedergeschrieben. Nun findet aber
mehrfach in den Urkunden ein Schwanken zwischen d
und t statt. Eine dem vorliegenden Falle ähnliche,
jedoch nicht dieselbe Unregelmässigkeit zeigt sich z. B.
in mehreren mit alt vetus zusammengesetzten Eigen-
namen. So heisst z. B. Altenstadt, nördl. von Hanau,
sowohl Ältunsteti — aus dem 9. Jhrh. — als Aldenstat
aus dem SJ''^) — , femer Allstedt, südöstl. von Sanger-
hausen, sowohl Aldstedi — aus dem 11. Jhrh. — als
Altsteti — aus dem 10. Jhrh. — ; sodann ^'^ 7) erscheint
Paderborn in den Formen Padrahrunno (in Einhaxds
Annalen), Patllurbrunnon (aus dem 10. Jahrh.) und
Patrisbrunna (aus dem 8. Jhrh.); die Namen Dietrich
und Dortmund erscheinen in den Urkunden des 9 — 11.
«'*) 8. F. I, 24 und 498. ««) s. F. I, 22 und bsd. 497.
*'•) 8. Fr. S. 50. *'*) 8. über die folgenden Schwankungen
AUhoff, Grammatik altsächsischer Eigennamen in den Urkuräen
des 9—11. Jhrh,, S. 52 flF. und über Paderborn Fr.
94
Jhrh. in folgenden Formen: Tbiederic (Thidfic), IXo-
terieus und Teodericus, — Tbrotmanni, I>rotinannie,
Trotmannie; es begegnet auch die Form JDrodmannia.
Damach ist die Media in Aldena und Elda kein
Grund, die vorgetragene Erklärung abzulehnen. Es ist
auch möglich, dass schon &üh bei dem nicht mehr
yerstandenen Flussnamen eine Anlehnung an as. cdd
ahd. alt stattgefunden. Schliesslich kann auch eine
Stockung der Lautverschiebung vorhanden sein, wie sie
bei dem Nag- in Nagalta möglich erschien. Das
-alta in Nagalta, femer die Flussnamen EUe, Altenaue j
Altena zeigen den Dental auf der ersten Stufe der
Lautverschiebung **'8); auch in dem Namen der Bauer-
schaft Ölten, von der Aldena so genannt, zeigt sich die
*'■) Ich möchte trotz der mir nicht bekannten ahd. Form
von Elte u. s. w. doch die Identität dieser Flussnamen mit
Mdoy Aldena als sehr wahrscheinlich bezeichnen. — Fr. gibt
AUina auch als ahd. Namen für Ober- und Nieder elten, südl.
V. Paderborn. Nun finde ich aber in dem vom Oberlandesge-
riohts-Sekretär Dreymann herausgegebenen alphabetischen Ort-
Bchaftsverzeichnis für den Oberlandesbezirk Hamm, der bekannt-
lich ausser verschiedenen zur Rheinprovinz gehörigen Orten
die ganze Provinz Westfalen umfasst, in Westfalen keinen Ort
dieses Namens, sondern nur Elte im Kr. Burgsteinfurt, welches
auch auf der Karte von L. verzeichnet steht; dieses Ortschafts-
verzeichnis führt sogar die Namen der Einzelgehöfte auf. Auch
auf der Karte von L. findet sich südl. v. Paderborn kein EUeUy
aber wohl an der Altena die Orte Mteln und AUeln, welche
auch in dem genannten Ortschaftsverzeichnis als Orte des Kr.
Büren, zum Amtsgerichte Lichtenau gehörig, aufgeführt werden.
Mteln hat Fr. auch als Mlinun, unter Altina gibt er für sein
Elten südl. v. Paderborn auch die Form JSUinun, Alles würde
stimmen, wenn JStlinun eine Nebenform von £Uinun wäre oder
Atteln und Etteln auch Elten hiessen, bez. noch heissen. Das
muss aber der Fall sein, da ich auf der im Verlag von Ritter
in Arnsberg 1875 erschienenen Karte des Rgbz. Arnsberg für
Etteln Elten a. d. Altena finde, für Atteln allerdings auch At-
telen. Hiemach kann es nicht zweifelhaft sein, dass mit den
bei Fr. als Elten (Ober- und Nieder -Elten) bezeichneten Orten
Atteln und Etteln a. d. Altena gemeint sind, und so ist denn
AUina ganz ohne Frage auch die ad. Form für den jetzigen Fluss-
namen Altena; die beiden Orte haben, wie so oft, von dem
Flusse ihren Namen bekommen.
95
Tennis; vielleicht, ist dieselbe im Volksmunde immer
ausgesprochen. Ähnlich ist in den Flussnamen Neckar
nicht die streng ahd. Form mit der Aspirata durchge-
drungen, sondern der jetzige Name erscheint gleichfalls
auf der ersten Stufe der Lautverschiebung, wiewohl
verschiedene Formen aus der ahd. Sprachperiode mit
der Aspirata bei Fr. zu finden sind. — Das -en in Aldena
ist dasselbe Suffix, was auch in dem Grundwort Tra-
vena^ j. Trave, und dem gleich zu behandelnden Ursena
erscheint.
^a9o2(J! heisst demnach d er g 1 ä n z en d e oder k 1 ar e
Flu SS, eine Bedeutung, die gewiss auf den vom Schwarz-
walde herunter und nur im Berglande strömenden Fluss
passen wird. So soll auch nach Benseier im Wörtet*-
Imch der griech, Eigennamen die wahrscheinlichste Be-
deutung von nrjveiog der Glänzende sein*^^).
In etwas losem Zusammenhange mit *ala = ard
strömen möchte ich anhangsweise erwähnen, dass die
W. ar« strömen nach meiner Meinung in den Fluss-
namen Ursena^ j. Oertze (Aller), ürsela, j. Ursel
(Nidda, Main), und Luzilursone steckt. Der zuletzt ge-
nannte Fluss hat seinen alten Namen verloren und heisst
jetzt nach Fr. die Spiilie, nach den Karten von L. u.
R. die Spülig. — F. setzt III, 25 als germ. W. ars
gleiten, strömen an, welches in germ. ars = gr.
oQQoq^ femer im germ. ersla Mann — as. erl, ags.
eorl — sowie in goth. airzjan irren erscheine. Ur-
sena, Ursela und Ursone sind Sprossformen der W. ars
mit dem Suffix -en, bez. -on und -el und Grundwörter
für Fluss. Luzilursone heisst „kleine Ursone, klei-
*™) Benseler: „viell. richtiger = 4*riv€i6g von 4»i;roff = Aafi-
TtQos^^. — Das Epitheton aQyvQodCvng, welches der Peneios II.
2, 753 enthält, könnte an sich auch recht gut zur Erläuterung
von Nagold u. s. w. herangezogen werden, aber ich fasse das-
selbe — mit Hentze z. d. St. und im Anhange — als ein Bei-
wort, welches nicht den Gesamtfluss veranschaulichen soll,
sondern nur die eine Laufstrecke, wo „der Peneios beim reissend
schnellen Einströmen des Titaresios glänzend weisse Wellen
schlägt und Strudel bildet". (Hentze).
96
ner Fluss'^ Bezüglich des u in Ursena u. s. w. ge-
genüber dem a der W. verweise ich auf S. 77. —
Vielleicht ist dieselbe W. auch in dem Flussnamen
Erse (Fuse, Aller) enthalten.
Das Gegenteil von Neckar u. s. w. sollte der Flusa-
name Regen mit seiner sprachlichen Sippe bedeuten,
nämlich dunkler Fluss.
An. heisst röhr Finsternis; zu demselben Stamme
gehört goth. riqisa Finsternis; F. setzt I, 189 als
indogerm. Wort ragas Dunst, Dunkelheit an, welches
erscheint in sskr. rajas Dunkel. — Der Regen heisst
in den ältesten bei Fr. überlieferten Formen aus dem
9. Jhrh. Regan und Regana, entsprechend dem^Regan-
in der Form Reganisburg » Regensburg aus dem
8. Jhrh. Das -an fasse ich, wie in Adrana, Orcana
u. s. w. als Suffix und das Schluss- a =» aba, wie in
Sal-4, War-in-ä., eine Erklärung des a, welche durch
die Flussnamen Salmana, Sol-anza, Warinza, Waraha
ihre Bestätigung finden dürfte *8<^). Das urverwandte
g in ragas, welches im Nr. u. Goth. regelrecht zur
Tennis verschoben ist, sollte im Ahd. ch werden; folg-
lich müsste der Fluss nach meiner Erklärung streng
ahd. Rechana lauten. Nun wurde aber Regensburg
als römisches Kastell bekanntlich ungefähr 14 v. Chr.
angelegt und vom Flusse Regen Casfra Regina oder
Reginum genannt *®i). Ob hier bereits ein keltischer Ort
mit dem erst in Heiligenlegenden des 8. Jhrh. vorkom-
menden Namen Radasbona bestand — vgL Kiepert a.
a. 0. S. 367 — ist durchaus nicht ausgemacht; selbst
wenn dies aber auch der Fall wäre, so würde es gegen
den germanischen Ursprung von Regana nichts be-
weisen. — Nach der Annahme von Grimm erfolgte die
erste Lautverschiebung im ersten Jhrh. unsrer Zeit-
rechnung *8*); in diesem Falle wäre der Guttural uns
unverschoben überliefert. Mag man aber auch den
^) B. ob. S. 22, 24 u. 25. «si) ^gj ^^ g Dan. II, S.211.
*®*) Es ist mir nicht unbekannt, dass dieser Annahme vielfach
widersprochen wird, vgl. z. B. Arnold, dtsche Urzeit S. 35 u. 36.
97
Beginn der ersten Lautverschiebung früher ansetzen,
so kann die vorgetragene Erklärung doch richtig sein;
denn die Eigennamen leisten der Lautwandlung über-
liaupt zäheren Widerstand als die übrigen Wörter.
Der Name Regen würde so ein weiteres Beispiel zu
den lautverschiebungsfreien Flussnamen bilden. Der
alte Name der Stadt und damit des Flusses war durch
den römischen Namen fixiert, und so kann es xms nicht
wundem, dass dieser Name, in seiner Form gewisser-
massen erstarrt, unberührt von der Lautwandlung blieb
und sich erhielt. — Die regelrechte ahd. Aspirata zeigt
sich, wie ich glaube , in den bei Fr. mitgeteilten Fluss-
namen Ricchina^^^) , Richinhach und Richara. — Die
Richina — der Name ist aus dem 8. Jhrh. überliefert —
fliesst nach Fr. in Hessen ; der Richinbach — aus dem
8. Jhrh. — ist eine sehr oft vorkommende Benennung,
welcher nicht bloss die jetzige Form Reichenbach, son-
dern auch Rickenbach entspricht; die Richara fliesst
nach Fr. in Holland in der Gegend von Alkmaar. Nach
den bisher nachgewiesenen Motiven der Flussnamenge-
bnng erscheint es mir nicht angänglich, die letzten
drei Flussnamen mit unserm reich, as. riki, ahd. rfchi
zusammenzubringen. Was heisst ein „reicher Fluss"?
Reich ist hier ein relativer Begriff; man muss ergänzen
„an Wasser". In as. rtki u. s. w. war jedoch der ur-
sprüngliche Begriff des rex, des Herrschers, nicht er-
loschen: weil die Herrscher zugleich an Schätzen reich
waren, nahm riki den jetzigen Begriff von „reich" an.
Es wäre demnach sowohl eine Übertragung als eine
unvollständige Ausdrucksweise anzunehmen , die bei
diesen uralten Flussnamen mir nicht statthaft erscheint.
Abgesehen hiervon ziehe ich m,eine Erklärung auch
deshalb voi-, weil vermöge derselben diese Namen in
die' sehr zahlreiche Klasse derjenigen Flussnamen ein-
treten, welche von der Farbe genannt sind.
Den erwähnten möchte ich ferner zugesellen den
von Fr. mitgeteilten Reginbach^ welches die Grundform
^') = Richina, wie Ricchinbach = Richinbach, s. Fr.
7
98
für die jetzigen Formen Regenbach, Rheinbach und Äa^-
hach ist***). Gehört der Name zu dieser Gruppe, so
ist ein Stocken der Lautverschiebung anzunehmen,
welche vielleicht durch volksetymologische Anlehnung
an Regen, ahd. regan, rekan erfolgt ist*®^). Dies sind
die von Fr. in ahd. Form überlieferten Flussnamen,
die ich als „dunkle Flüsse" deute.
Über die sachliche Angemessenheit dieser Erklä-
rung lässt sich natürlich aus den Karten in diesem
Falle nichts entnehmen; doch, glaube ich, wird meine
Erklärung durch Folgendes gestützt.
Der Regen entsteht bekanntUch aus dem Schwarzen
und Weissen Regen; der Hauptquellfluss ist jedoch der
Schwarze Regen. Dieser Name besagt klar, dass der
Regen zu den schwarzfarbigen Gewässern gehört; für
den Schwarzen Regen würde demnach die gegebene
Erklärung recht gut passen ^^ö). Zwar kommen die
Ausdrücke Albus Regin und Niger Regin schon im 11.
Jhrh. vor, aber nach meiaer Ansicht sind dieselben
viel späteren Ursprungs als der Name Regen selbst.
Man sagte, wie ich glaube, „Schwarzer Regen", als
man die ursprüngliche Bedeutung von Regen nicht
mehr verstand. Der Weisse Regen kann nach meiner
Annahme ursprünglich gar nicht den Namen Regen ge-
habt haben, sondern ist erst später so genannt, um
ihn dadurch als Zwillingsöuss des Schwarzen Regens
zu bezeichnen. Hat er jedoch von Anfang an Weisser
Regen geheissen, so muss man dasselbe annehmen, wie
bei der Rethratenza: man fasste die beiden Flüsse als
zusammengehörig auf und gab deshalb dem kleineren
Zwillingsflusse den Namen des grösseren Bruders, gab
ihm aber zugleich einen Zunamen, um seine besondere,
von dem grösseren Flusse verschiedene Natur hervor-
zuheben.
Der Name Regen würde sehr gut für diesen Fluss
*^) 8. Fr. ^ Ich weise auch noch auf den Bigenbach,
den Fr. als den Rheinbach bei Simmem aufführt, hin. *®^)
In Pape-Benselers Wrth. der gr. Eigen, werden aus Griechenland,
Kleinasien u. Sicilien 9 Flüsse des Namens Mikas aufgeführt.
99
des Böhmerwaldes passen, „dessen Inneres rauh und
■wild ist durch unwegsame, sumpfige Strecken, durch
hohe, mit Tannenwald bewachsene Berge, voll steiler
Felswände, Abgründe und Windbrüche, durch men-
schenleere, von dunkeln Waldbächen durchbrauste
Thal er" «87).
Ich lasse nun die nicht in ahd. Form überUeferten
Flussnamen folgen, die ich hierher bringen möchte.
Ich beginne mit der Bega in Pommern.
Egli bemerkt a. a. 0. unter Beka: „Im Slawischen
= Fluss; der Name hat sich auch in der Bega des
altslawischen Hinterpommem noch erhalten". Ich
glaube jedoch aus folgenden Gründen weder, dass
Bega slawisch ist, noch, dass es etwa ein deutsches
Grundwort für Fluss ist.
Erstens — wenn Bega slawisch ist, warum erscheint
der Flussname denn nicht in der slawischen Gestalt
nait der Tennis, wie die Beka, der Oberlauf des Timavo,
im Karst? Sodann möchte ich auf Folgendes hinweisen.
Der Name der Bugii, welche an der Ostsee wohnten,
hat sich, wie mit Becht angenommen wird, noch in
den Namen Rügen , Rügenwalde ^ sowie in Regenwalde^
"^Povyiovy „der s. g. Stadt des Volkes*', erhalten «8«).
Nun liegt Begenwalde an der Bega. Es finden sich
aber unter den germanischen Völkerschaften nicht we-
nige, die von Flüssen ihren Namen bekommen haben.
So bedeutet Ampsivarii Anwohner der Ems 289),
Nordalbingi das Volk nördlich der Elbe; die
Suardones bringt man sehr wahrscheinlich mit der
Schwartau, die Sigambri mit der Sieg in Verbin-
dung ^^o). ferner leitet Fr. den Namen Thuringi^^^)
von dem Flusse Tyra in Thüringen ab, indem er über-
haupt die Deutung der Völkernamen aus den Namen
bestimmter Örtlichkeiten „als die beste Fährte" em-
««') Meyers Konv. HI, 436; vgl. Dan. S. 275 u. 276. ^
8. z. B. Lübkers Reallexikon des klass. Altertums unter Rugii
3. Aufl.). ^) 8. z. B. Nipp, zu Tao. Ann. II, 8. ^) s. Fr.,
"- Ortsn. S. 234 u. 239. «»*) Fr., D. Ortsn. S. 245.
7*
s
100
pfiehlt*'*). So können auch die Wariner ihren Namen
haben von der Warnow, als deren mutmassliche ahd.
Form ich ob. S. 26 * Warinna hingestellt. Fr. bemerkt
unter Varini: „In der Nähe der Havel und der Elbe,
vielleicht auch am Niederrhein, zuerst wohl in Schles-
wig und dem südlichen Jütland". Hierzu würde die
vorgetragene Erklärung ganz gut passen; vgl. über die
„Warnen^' ^ wie er sie nennt, noch Am., Deutsche Ur-
zeit S. 167 ff. Ich möchte deshalb glauben, dass die
Rugier von der Rega genannt sind, die vielleicht ähn-
lich wie Luppia, Hlunia, Prumia, Lupow u. s. w. als
ersten Bestandteil Rüg- gehabt hat. Als die Rugier
nun weiter nach Westen und auch über die Insel Rügen
sich verbreiteten, erhielt letztere wiederum von dem
Volke ihren Namen. Wir hätten demnach in dem
Völkernamen Rugii, geradeso wie es auch bei dem
Flussnamen Regana angenommen wurde, die unver-
schobene Form. Das muss man ja auch erwarten, weil
die Rugii gewiss schon lange vor der Zeit des Tacitus
an der Ostsee gewohnt haben *^'). Also auch diese
sehr wahrscheinliche Zusammengehörigkeit von ^Povytov
= Regenwalde a. d. Rega und der Rega selbst ver-
anlasst mich, diesen Flussnamen als einen deutschen
zu betrachten. Was zwingt xms aber überhaupt, den
^) a. a. 0. S. 239. «»«) Ich halte es für durchaus un-
wahrscheinlich, dass, wie einige annehmen, noch zu Cäsars Zeit
sich das eigentliche Germanien nur bis zur Elbe erstreckt und
jenseit derselben Slawen gewohnt hätten, dass hauptsächlich
erst durch die von Cäsar verhinderte überrheinische Auswande-
rung der Germanen die germanischen Auswanderungsscharen
sich nach dem Osten gewandt und die slawische Bevölkerung
zwischen Elbe und Weichsel unterwarfen. Wie ist es denkbar
— von allem andern abgesehen — dass in der verhältnismässig
kurzen Zeit von Cäsar bis Tacitus das ganze Land von der
Elbe bis zur Weichsel so vollständig germanisiert werden konnte,
dass Tacitus hier nur germanische Völkerschaften kennt? Mit
dieser Ansicht lassen sich auch wohl nicht die Angaben des
Massilioten Pytheas reimen, der bekanntlich um das Jahr 340
V. Chr. unge&hr seine Reise unternahm und etwa bis in die
Gegend der Eidermündung gekommen ist, s. z. B.Arn., Deutsche
Urzeit S. 26.
101
pommerschen Flussnamen durchaus slawische Herkunft
aufzunötigen, wenn eine passende deutsche Erklärung
vorhanden ist? Als die Slawen in die zum allergrössten
Teile verlassenen Sitze der ßugier xmd Turcilinger
gegen Ende des 5. Jhrh. einrückten, hatten doch die
Hauptflüsse bereits ohne Zweifel germanische Namen ^s*);
es wurden neue slawische Orte mit slawischen Orts-
namen gegründet, aber die alten Namen der Flüsse
verschwanden nicht, wenngleich auch sie mehrfach sla-
"wisiert wurden.
In etwas losem Zusammenhange mit der Abweisung
der bei Egli sich findenden Etymologie der pommer-
schen Bega möchte ich noch nachzuweisen versuchen,
dass Regen, Rega u. s.w. nicht füglich ein deutsches
Grundwort für Fluss sein kann. Wäre nämlich Regen
ti. s. w. ein solches deutsches Grundwort, dann wäre
es seltsam, dass sich gar keine Zusammensetzungen
mit diesem Worte finden, wie es doch der Fall ist bei
aha, apa, anza, ara, sina u. s. w. Lässt sich aber das
Eich- in Richinbach von dem ßeg- in Reg-ana nicht
gut trennen, so gibt uns, glaube ich, das -bach in
Richinbach in diesem Falle die Wahrscheinlichkeit, dass
Rieh- ein Bestimmungswort und kein Grundwort ist *^^).
— Wenn man ferner Flussnamen, wie die Reck-nib:
in Mecklenburg, die Rög-nitz (Sude, Elbe) mit Red-
nitz, Wör-nitz, Peg-nitz, Flad-nitz vergleicht ^^^), welche
bekanntlich aus Rad-antia, War-inza, Pag-inza, Flad-
inz entstanden sind, so dünkt mich die Annahme glaub-
lich, dass die Endung -nitz auch in Reck-nitz und Rög-
nitz aus inza, bez. anza unter slawischem Einflüsse ent-
standen ist. Man wird hierin bestärkt, wenn man erwägt,
dass sowohl oberhalb als unterhalb der Stadt Hof in
Bayern eine Regnitz in die Saale fliesst. Es scheintdoch
unzweifelhaft, dass diese beiden bayrischen Flüsse des Na-
>*»*) s. oben S. 86 ff. *^) Es sind hier eben keine Gründe
ersichtlich, die, wie es bei Calmanapah der Fall war, das -bach
als einen spätem Zusatz erscheinen lassen. ***) Man vgl. fer-
ner die Bemerkungen über Lupnitz, Lübnitz und Oelsnitz
(S.82ff. u. S.83, Anm. 240).
102
mens Regnitz mit Rögnitz bez. Recknitz ^3') identisch
sind. Dieselbe Ursache — der slawische Einfluss —
hat in Nord- und Süddeutschland die gleiche Wirkung
hervorgebracht, nämlich die Verwandlung des inza
(enza, anza) in- -nitz bei vielen Flussnamen. Es gibt
grade in der Nähe des Fichtelgebirges eine grosse
Menge von Flussnamen auf -nitz ; z. B. fliesst dort auch
eine Par-nitz (Saale) = ahd. ^Par-enza nach meiner
Annahme und der Bedeutung nach = Barmecke (Lenne)
= Ber-inecke (Heve, Mohne, Ruhr, Rhein) = *Berinana
= Bärenfluss a»»).
Diese Annahme wird weiter dadurch gestützt, dass
■®') ahd. Richinbach entspricht nicht bloss Reichenbach,
sondern auch Rickenbach. *•*) Das a in Parnitz, Barmecke
kann nicht dieser Deutung entgegen sein, da der Bär ahd. pSro,
h'ero^ mnd. bare, neund. hdr und auch haor^ bor heisst, s. Wg. u.
Berghaus a. a. 0. — Durch Iserlohn fliesst ein Bach, JBaarhach
(Ruhr) genannt; auch diesen deute ich als Bärenbach und finde
eine Bestätigung dieser Erklärung in dem Namen der nördl.
von Iserlohn und unweit des Baarbaches liegenden Ortschaft
bez. Bauerschaft Barendorf, als Barendorfer Fabrik bei Lieb-
recht und Dreymann a. a. 0. aufgeführt. Als ebenso zusam-
mengesetzt betrachte ich die Paar (Donau), bei welcher das
Grundwort -^ wohl ä = aha — wie nicht selten, fortgefallen ist,
— ferner die Bahr (Streu, frank. Saale), deren ahd. Form of-
fenbar in dem an der Bahr liegenden Orte Bar-dha^ j. Bahra,
überliefert ist, — sodann die Bar-heck (Stör) in Holstein, die
Behr (Donau in Württemberg) und die Behre bei Ilefeld am
Harz. Alle diese Flussnamen — von der Paar an — entnehme
ich Fr., der unter Bar einen besondern Stamm Bar für Fluss-
namen annimmt. Daraus jedoch, dass Bar-aha^ Bar-meke^
Bar-heck deutlich sich als zusammengesetzte Flussnamen kenn-
zeichnen, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit schliessen, dass
gleichfalls die übrigen zuletzt angeführten, auch nach Fr. der-
selben Sippe angehörigen Flussnamen mit demselben Bestim-
mungsworte komponiert sind. Dem entsprechend erkläre ich
den von Fr. unter demselben Stamme aufgeführten Orts- und
Gaunamen Baringi^ Paringe — vgl. Waldberungen , ahd. Wald-
baringi, in dem Gau Baringi — , desgleichen die daselbst von
Fr. mitgeteilten Dorfnamen Oster-, Gross- und Wolfsbehringen,
ahd. Paringi, als Bär-ingen; Paringi = Behringen erscheint
auch wahrscheinlich in den Formen Beringe, Beringa, s. Fr.
S. 207. Weiteres vielleicht einmal später.
103
die Toll-ense ^^^), deren zweiten Namensteil ich mit dem
oben behandelten -enza zusammenbringe , „bei Älteren",
wie Dan. S. 463 bemerkt, Toll-enze heisst.
Darnach halte ich es für wahrscheinlich, dass das
-nitz in Rögnitz und Recknitz aus -inza infolge slawi-
scher Umformung hervorgegangen ist. Ebenso wie nun
Bichinbach auch die alte Form für das jetzige Bicken-
bach ist, so kann auch, wie schon angedeutet, das
Beck- in Reck-^itz aus einer ahd. Form Rieh- entstan-
den sein, oder vielmehr — es erscheint, da der Fluss
auf as. Gebiete fliesst, das as. k, welches dem urver-
wandten g entsprechen würde, unverschoben noch in
der jetzigen Form. Dann würden demnach Recknitz
und Rögnitz ahd. ^Rich-anza^ as. ^Rik-ansa lauten.
Einen weitern Hinweis darauf, dass Regen u. s. w.
kein Grundwort ist, erblicke ich in der merkwürdigen
Bezeichnung die Reiche Ebrach (Regnitz, Main) und die
Reiche Raming (Enns, Donau). Aus denselben Grün-
den, weshalb ich die Erklärung von Reichenbah als rei-
cher Bach fiir nicht passend erklärte, deute ich auch
die Reiche Ebrach u. s. w. nicht als die wasserrei-
che, sondern als die Schwarze Ebrach. Recht klar
wird einem das Unangemessene der Deutung von reich
als dives, wenn man der Reichen Ebrach eine Arme
Ebrach gegenüberstellt.
Vielleicht gehört auch zu dieser Gruppe die Regge
(Vecht, neue Yssel).
Da die geographischen Handbücher über die Farbe
dieser Flüsse nichts mitteilen, so ist es mir leider nicht
möglich meine Erklärung auch sachlich zu stützen.
Anhangsweise möchte ich noch bemerken, dass Arn.
S. 94 u. 95 die Flüsse Arpe (Wenne^oo)^ Ruhr), Erpe
(Twiste, Diemel), Erpbach, Erfa (Main) zu an. jarpr,
ags. earp^ eorp, ahd. erpf fuscus stellt ^^^). Ich möchte
*®*) Das Toll-, welches noch in verschiedenen andern Fluss-
namen erscheint, hoffe ich in einer spätem Untersuchung als
deutsch erweisen zu können. ^®) bei Arn. steht — wohl in-
folge eines Druckfehlers — Unne statt Wenne. *®*) vgl. gr.
d^yvoff .finster, 0Q(f/vri Finsternis u. F. I, 498; II, 25 u. III, 37.
104
dem, soweit ich das ohne eigene nähere Untersuchung
darf, zunächst durchaus beistimmen; doch würde ich
nicht mit Am. als Grundform für Arpe *Arpapa, son-
dern *Arp-aha ansetzen, weil dies hier das Natürlichere
und Wahrscheinlichere sein dürfte , denn nach der Kon-
sonantverbindung rp könnte apa wohl nicht völlig ver-
schwunden sein. — Arn. hätte übrigens bei Erpe auf
Ärbalo hinweisen können, welches Fr. aus Plin. nat.
bist XI, 17, 55 mitteilt, mit der an erster Stelle ge-
gebenen Deutung „die Erpe, Nbfl. der DiemeV^ ;. genauer
wäre: Zufluss der Diemel oder Nbfl. der Twiste
(Diemel). Arbalo scheint mir jedoch wegen des o ein
Flurname, kein Flussname zu sein, man vgl Idisiaviso
und Aliso. Ich lasse daher einstweilen diesen Namen
bei Seite, möchte es aber für recht wahrscheinlich hal-
ten, dass Arbalo mit europäisch arpa ^^^) zusammen-
hängt; es wäre sprachlich durchaus möglich, dass die
Erpe früher *Arb-al-ä geheissen und davon der Orts-
name Arbalo gebildet ist
Es Hesse sich aber von den mitgeteilten Flussna-
men wohl nicht die Orb-aha, j. Orb (Einzig, Main),
trennen. Der Name ist aus dem 11. Jhrh. überliefert.
F. setzt als gräko-italisches Thema 11, 25 arpo, arpno
dunkel an; dem urverwandten p kann im Ahd. im
In- und Auslaute sowohl f wie b und p entsprechen,
so dass das b in Orbaha der Erklärung nicht wider-
spräche. — Ich würde schliesslich auch den mir in al-
ter Form nicht bekannten Flussnamen Orpe hierher-
stellen; die Orpe ist nicht wie die Erpe ein Zu-, son-
dern ein Nebenfluss der Diemel.
Demnach wäre auch bei diesen Flüssen die Farbe
das Motiv der Namengebung gewesen.
»2) 8. F. I, 498.
105
VI.
Moina — ein deutsches Grundwort fftr Fluss»«»).
Wenn man die Flussnamen War-aha, War-inn-ä,
War-inza, * TTar-opa *04) , War-manou, ferner *Pr«r-
ah<i^^^), Wir-becke ^^^) ^ Wir-mina mit einander ver-
gleicht, so zeigt uns das allgemein als Grundwort für
Fluss anerkannte aha deutlich , dass War- Bestimmungs-
wort ist; auf dasselbe Resultat führt -inza, welches ich
als Grundwort für Fluss nachzuweisen suchte. Wir wer-
den es daher auch schon bei dem Flussnamen War-manou
und Wir-mina wahrscheinlich finden, dass. War- Bestim-
mungswort ist. Stellt man femer zusammen Al-apa,
Al-affa, OUaffa, Al-ara, Al-stra, El-stra, Al-antia mit
'**) Eine Ergänzung zu der Auseinandersetzung in der Abh.
S. 366 ff. u. 375 ff. So grosse Ehrfurcht ich auch vor Kieperts
Autorität habe, so scheint er mir doch zu weit zu gehen, wenn
er in seinem Lehrbuch der alten Geographie es als ganz be-
stimmt hinstellt, dass ^ßie Römerfestung Mogontiäcum nach dem
einfliessenden Main benannt^'' sei und dieser ursprünglich Moginos
geheissen habe. Es heisst nämlich auch a. a. 0. S. 520, Anm. :
„Komisch Moenus, altkeltisch , wie Glück nachgewiesen, Moinos
und ursprünglich Moginos (-os, wie im Griech. gewöhnliche
keltische maskuline Endung, durch Inschriften beglaubigt)".
Desgleichen kann ich nicht zustimmen, wenn er ähnlich S. 526
alle Namen der Flüsse des deutschen Mosellandes ohne jede
Beschränkung und ohne jeden Zweifel als keltisch be-
zeichnet, z. B. auch die Salmona, abgesehen von Lesura und
Saravus; man vgl. auch S. 522 über die keltischen Namen der
Nebenflüsse des Neckar und der zum Rhein gehenden Schwarz-
waldbäche. — Dass der Main — um nur eins hervorzuheben
— ursprünglich Moginos geheissen, bleibt doch immer nur eine
Vermutung, gegen die sehr gewichtige Gründe sprechen.
Wenn femer z. B. Zeuss, der doch sicherlich einer der her-
vorragendsten Keltologen war, die Zusammengehörigkeit von
Mogontiacum und Moin leugnet, wie ich Fr. S. 1108 entnehme,
so lässt sich dieselbe doch nicht mit zweifelloser Gewiss-
beit behaupten. ^) s. oben S. 26. ^) s. oben S. 25,
Anm. 73. ~«) s. oben S. 26.
106
Al-mina bez. Almana ^ sodann * ll-apa^^"^), lUara, 11-
aha, Ill'd mit lUmina und El-manau, j. Il-menau, so
tritt uns das gleiche Ergebnis entgegen: apa bez. aff^a
in Al-apa und AUaffa, stra m Al-stra, aha in Il-aha
sind — ganz abgesehen von -anfia in Al-antia — an-
erkannte Flussgrundwörter, so dass al- und il- ganz
unzweifelhaft Bestimmungswörter sind; durch diese
zweite Gruppe wächst also die Wahrscheinlichkeit ganz
bedeutend, dass auch in Al-mina und Il-mina al- und
il- Bestimmungswörter sind. Diese Wahrscheinlichkeit
nähert sich immer mehr der Sicherheit, wenn man
dasselbe wiederum bei der Gruppe mit dem Bestim-
mungsworte Sal- beobachtet: Sal-d, Saal-ach, Sul-aha^
Sol-anza gegenüber Sal-mofine ^^^) und SU^ecke ^^^).
Desgleichen weisen die übrigen mitgeteilten Flussnamen
auf -mana, bez. -me und -mecke, die Annahme entschie-
den zurück, dass diese Wortformen in den oben be-
rührten Fällen ganz oder teilweise zu dem vorausgehen-
den Bestandteile gehören.
Hält man nun weiter zusammen die Formen Moe-
nus mit 'fioevvLQ in IdXyLi'fxoavv lg = ahd. Alc-
mona 5^®), sodann Mon- in Monachgowe und Mo-
nichgowe 311), jetzt Maingau, mit -mona in Alc-mona,
Liast-mona und auch Sal-monna, ferner -moune in
Witz-moune, Roth-moune 3^^) mit Liast-muone : so wird
man zunächst an der Identität der verglichenen Glie-
der nicht zweifeln, so wird man zweitens in Verbin-
dung mit den im Anfange dieses Abschnittes hervorge-
hobenen Momenten mit Notwendigkeit darauf geführt,
dass moina ein Grundwort für Fluss ist, und zwar
^®') 8. ob. S.O. ^ so lautet die älteste Form, etwas spä-
ter Sal-mana, 8. Fr. ^ s. oben S. 22 u. 23; merkwürdig ist
auch der Flussname Sor-monne (Maas) — vgl. ahd. Sal-monne, j.
Salm — gegenüber Ä^or-aha , iSwr-apa, s. S. 22, Anm. 71. ®")
so heisst bei Ptol. ein „höchst wahrscheinlich an der Altmühl
liegender Ort" (Fr.); durch diesen Namen wird zugleich die äl-
teste für uns urkundlich erreichbare Gestalt des Fluss namens
Altmühl erschlossen. '*^) Formen aus dem 8. Jhrh., s. Fr.
®'^) j. Weisser, Eother Main; man vgl. as. bnom mit ahd. poum.
107
deshalb ein Grundwort, weil es sonst nicht in Verbin-
dung mit einem Bestimmungsworte erscheinen könnte.
Da dies Wort sich aber in Ost- und West-, in Süd-
nnd Norddeutschland vorfindet, da die mit demsejben
verbundenen Bestimmungswörter sich sämtlich aus dem
Deutschen herleiten lassen : so kann man moina al» ein
deutsches Grundwort mit vollem Rechte beanspruchen.
Da wir nun neben Alemona schon früh die Neben-
form Alcmana finden und im 9. Jhrh. schon Alchmuna
begegnet, so wird man das -mana in Hel-mana — aus
dem 10. Jhrh. — für identisch mit dem in Alcmana
erscheinenden halten müssen, zumal uns in dem aus
dem 8. Jhrh. überlieferten Hel-mungowe das u , wie in
Alchmuna entgegentritt; dem entsprechend wird man
auch das mana in Sal-mana ***), Wer^mana, War-ma-
nou, El-manau als dasselbe Grundwort betrachten.
Da weiter neben Al-mina *i*) auch Al-man-go ^^^)
aus dem 9., sowie Al-mungo aus dem 11. Jhrh. vor-
kommt, da neben Helmungc^we auch Helmingouwe und
Helmengowe erscheint, sowie neben Sal-mana Sal-mene:
so sind wir gleichfalls berechtigt, -mina bez. -mena auch
dann als identisch mit -mona und -mana zu betrach-
ten, wenn diese letzteren Formen neben jenen nicht
überliefert sind; dies ist z. B. der Fall bei Ilmina und
Umena, j. Ihn (Donau) und lim (Saale), bei Wir-mina,
j. Wurm, und Wie-mena, jetzt Wümme.
So glaube ich denn den thatsächlichen Beweis
geliefert zuhaben, dass moina, -mona, -moune, -muna,
-mana, -mina und -mena identisch sind. Ich will nun
noch versuchen, die genetische Entwicklung dieser
Formenreihe darzustellen, möchte jedoch ausdrücklich
bemerken, dass ich nichts als einen Versuch gebe, des-
**'*) vgl. die schon angeführte älteste Form Sal-monna.
"") d. i. Alme (Ober- und Niederalme) a. d. Alme; schon Fr.
hat — D. Ortsn. S. 231 — aus diesem Ortsnamen mit Recht
auf den Flussnamen Almina geschlossen. '**) aus Almango
schliesst wiederum Fr. mit Recht, dass die Alme auch Almana
geheissen habe.
108
sen bessere Ausführung seitens Kundiger mir sehr er-
wünscht wäre, dessen endgültige Darlegung ich den
Meistern in der germanischen Vokalismuskunde em-
pfel)le.
Zunächst halte ich an der bereits in der Abh. er-
örterten Ansicht fest, dass in Moina der Stamm moid-
enthalten sei, der ursprünglich wallen und zwar vom
Wasser bedeutet. Wie nun der Stamm draw neben
dem unmittelbar abgeleiteten JDravm, j. Drau, auch
durch Suffixe eine Differenzierung erfuhr, z. B. in Trav--
ena, Trew-ina, so gleichfalls nach meiner Annahme der
Stamm mad. Ich betrachte aber jetzt nicht mehr als
Grundform Madina, sondern Modina, jedoch mit der frü-
heren Annahme, dass das d fortgefallen ^^^) ^^ld so die
Form Moina entstanden sei. Ganz ähnlich ist manare
aus madnare, finis nach Corssen aus fidnis geworden;
so heisst im ravensbergischen Niederdeutsch ^i') bleoen
bluten, bden baden, man roden, Süerlant ==: Sü-
derland, ?/;/ame = Pfarrhaus aus wedeme^^^); ähn-
lich ist. Rhone aus Rhodanlis entstanden. — Grade so
wie nun die Traun (Donau) xms nur in der kontrahier-
ten Form Druna aus dem 7. Jhrh. überliefert ist und
in den Urkunden nicht mehr in der vollen unkontra-
hierten Gestalt mit erhaltenem Konsonanten erscheint,
welche der mit Traun völlig identische Flussname
Drone (Mosel) noch als Drabonus bei Ausonius zeigt:
ebenso müssen wir auch bei Mein eine vorurkundliche
uralte Ausstossung des d annehmen. Diese muss in
sehr entlegener Zeit erfolgt sein, weil sich nur so er-
klären lässt, dass z. B. ausser Mein auch schon der
älteste für uns erreichbare Name der Altmühl, nämlich
I4l7ii^i0€vvig , diese Ausstossung aufweist. Nach mei-
ner Meinung also gab es ein urgermanisches Wort
. '") Schon Grimm erklärt, dase der Diphthong oi in Moin
durch Ausfall eines Konsonanten hervorgegangen sei. ^*^) und
auch sonst noch im westfäl. Nd. bei einigen Wörtern; s. über
die ravensberg. Formen Jellinahaus, Westfäl. Grammatik S. 54 ;
vgl. über manare und finis F. II, 183 u. 171. '**) wedeme
um 1650, 8. Jellinghaus a. a. 0.
109
* Modina, welches jedoch schon in der germanischen
Grundsprache seinen vollen Lantbestand eingebüsst hatte
und zu Moina geworden war *i^).
Sodann nehme ich jetzt aus drei Gründen nicht
mehr Maina als die ursprüngUche Form an, sondern
Moina.
Erstens die älteste, uns im römischen Gewände
überlieferte Gestalt dieses Wortes führt nur auf den
Diphthongen oi. Die Römer konnten ja das oi in Moina
allein durch ihr oe ausdrücken; denn nur bis zum
Ende des punischen Krieges finden sich die Formen
oino, oinvorsoi, ploirume u.s.w **<>), aber schon in den
punischen Kriegen schrieb man Poenicus, um 100 v.
Chr. kommt oe neben oi .sehr gewöhnlich vor und selbst
schon kurz vor 100 und in höherem Grade später wird
die Schreibart mit u die gewöhnliche. So drückt ja
die lateinische Sprache das gr. oi immer durch oe aus.
Zweitens gehe ich von dem Diphthongen oi aus,
weil in den ältesten ahd. Formen dieses Grundworts
sich der Vokal o und nicht a zeigt, nicht bloss bei
Mein, das in allen bei Fr. aufgeführten Formen den
Diphthongen oi oder den Vokal o aufweist, wie z. B.
in Monachgowe aus dem 8. Jhrh., sondern auch bei
Liastmona, welches in den Urkunden aus der ahd. Zeit
nur mit o bez. uo oder u vorkommt, und bei Salmonna,
der ältesten Form des Flussnamens Salm. Möun **i)
heisst der Main auch im Nibelungenliede.
Drittens veranlasst mich besonders auch die Auto-
rität Pauls, welcher in seinen Untersuchungen über den
germanischen Vokalismus S. 359 bemerkt: „Einen posi-
tiven Beweis, dass ein Übergang von o in a in der
Wurzelsilbe stattgefunden, dürfen wir vielleicht, wor-
auf mich Sievers aufmerksam macht; in goth. alev
^^^) Das Suffix mit n zeigt sich schon in sskr. mac^ana Wol-
lust, moe^anl eine Pflanze, sowie ingr. fxaStmfCa eine Was-
serpflanze; auch dies dürfte für die vorgetragene Etymolo-
gie sprechen. '**•) s. Gossrau, Latein. Sprachlehre S. 15 der
2. Aufl., ''^) so schreibt Lachmann (1464, 1), Bartsch in sei-
ner Ausg. (1524, 1) Meun,
110
sehen, welches doch wohl Lehnwort aus lat. oleum sein
muss. Ich möchte femer hinweisen auf Moguntiacum
— Maainza und für a im Diphthonqen auf Moenus".
Weiter das o, welches z. B. in Monachgowe er-
scheint, betrachte ich als eine Verdichtung des Diph-
thongen oi, ähnlich wie ahd. ö sich aus ou, goth. au
verengt und ahd. e aus ei, goth. ai. Dieses o kommt
sodann auch vor in -mona als zweitem Bestandteile ei-
nes Kompositums, wie in Liast-mona, Alemona, Sal-
monna.
Das ou femer in Witzmoune leite ich daraus ab,
dass der Diphthong oi, weil er in eine nicht haupt-
tonige Silbe verpflanzt war, nicht mit der ausreichen-
den Tonintensität hervorgebracht wurde und so dem
verdumpfenden Einfluss des folgenden Nasals unter-
lag ***). Übrigens möchte ich auch darauf hinweisen,
dass sich bei Williram oi für ou findet, z. B. hoibet
Caput, toi ros, gdoiben ^ gelonhen^^^). Weitere
Schwächungen infolge der geringeren Tonstärke sind
sodann : erstens das u in Alchmuna 3^*) und in Liast-
munde; femer das a in Alcmana u. s. w., schliesslich
das e und i in Salmene und Ilmina u, s. w.
Zur Vergleichung — jedoch zu nichts weiterem —
kann man die Lautabstufung u, o, a, — e, i 3*^) her-
anziehen, welche Paul a. a. 0. S. 342 ff. und S. 390 ff.
behandelt; ich hebe z. B. hervor „die Abstufung in den
Wurzelsilben der proklitischen Partikeln*' j welche Paul
a. a. 0. S. 411 auch auf den Einfluss des Accents zu-
'***) Vgl- über den verdumpfenden Einfluss des Nasals Paul,
a. a. 0. S. 272, wo nicht der hier vorliegende Fall erörtert
wird, sondern der, dass sich germ. u in der a-Reihe in ur-
sprünglich (indog.) unbetonter Silbe unter dem Ein-
flüsse eines Nasals oder einer Liquida entwickelte.
'*") s. Heyne a. a. 0. S. 34. — Es findet sich schon bei ^Jlx*-
fioewCg die Var. uiXxiixovwig. ***) aus dem 9. Jhrh. '***)
Aus den entwickelten Gründen ist hier die Stufenfolge oi und
— ou, u, a ; es lässt sich sodann nicht sagen, dass i jünger ist
als e und selbst als a, denn Ilmina ist ebenso gut aus dem 8.
Jhrh. überliefert, wie Salraana; ich möchte die Abschwächung
des oi in i als eine der in a koordinierte betrachten.
111
rückfuhrt, z. B. goth. tuz-, ahd. zar-^ za- = ahd. ^Ur)-,
ze(ry, as. ti-, te-; dem Einfluss des die folgenden Ton-
silben schwächenden Hauptaccents möchte ich es fer-
ner zuschreiben, wenn ähd. gam, gowi, gouwi in Zu-
sanmiensetzungen auch als gewi ^*^) erscheint. — So
wird z. B. auch im Lateinischen durch den Wortton
die Tonsilbe derartig angespannt, dass davon die nächste
Silbe vor und nach geschwächt wird und mit ihr der
Vokal: jDro, pejero, cano •— cecini, dare — per-dere.
Hier möchte ich nun zur weiteren Ergänzung des
betreffenden Abschnittes der Abh. noch einige Fluss-
namen anscbliessen, die mit Moin identisch bez. zusam-
mengesetzt sind.
Ein Mein(bach) fliesst unterhalb Prüm* bei Watze-
rath in die Prüm (Sure, Mosel); die Monne ist ein
Nbfl. der Losse (Unstrut). Der Mein — das -bach
halte ich für einen späteren Zusatz — stellt sich zu
Main und auch zu Mohne (Ruhr); letztere wird, wie
schon oben mitgeteilt, noch jetzt vom Volke „de Maine"
genannt; die Form Monne gehört zu dem in Salmonna,
Alemona, Liastmona erscheinenden -mona.
Sodann möchte ich hierher ziehen den Ortsnamen
Botinmanna y nach Fr. sowohl Rothenmann, südl. von
Fulda und Rottmann ^^t^^ südöstl. von Erding in
Oberbayern. Rothenmann liegt an einem auf der Karte
von R. nicht namhaft gemachten Bache, welcher in den
Fliederbach (Fulda) fliesst; man vgl. übrigens die gleich-
falls hessischen Flussnamen Losmanne und Wedde-
mann ^^^). Ebenso liegt Rottmann an einem Bache,
der nach der Karte von R. in den Strogen (Sempt,
Isar) fliesst. Diese Orte haben also nach meiner Ver-
mutung von gleichnamigen Bächen ihren Namen erhal-
ten und Botinmanna halte ich somit für identisch mit
Bothnoune == Roter Fluss, welches nach meiner An-
sicht auch die Rote Min-de ^^^) (Weser) bedeutet.
^*) 8. Fr. ^^ auf der Karte von K. steht Kottenmann.
^^ 8. oben S. 60. ^ 8. über die Weiterbildung durch -de
oben S. 16 und über die Holzminde und Rote Minde über-
haupt Abh. S. 367.
112
Auch Am. S. 290 u. Fr. stellen die Herleitung des Na^
mens Rotinmanna von einem Eigennamen hmno rufu^
als eine sehr fragliche Möglichkeit auf; ich möchte
diese Etymologie noch bestimmter als ziemlich unmög-
lich bezeichnen.
Mit noch grösserer Wahrscheinlichkeit bezeichne
ich als ein Kompositum mit dem vorliegenden Grund-
worte den Ortsnamen Fiormenni **®), jetzt Viermünden
bei Frankenberg a. d. Eder. Demselben liegt, wie ich
glaube, gradeso ein Flussname ♦Fior-mana zu Grunde,
wie Holtis-minni der Flussname *Holtismina **^).
♦Fiormana ist also* genau dasselbe wie Vierheche »»a)^
letzt Vierbach, der, wie ich Fr. entnehme, auf dem
Meisner bei Kassel entspringt. Nach der Karte von
L. entsteht nun der oberhalb Viermünden in die Eder
mündende „Vierfluss** aus der Vereinigung von vier
Bächen; zwei davon verbinden sich zunächst zu einem
Wasserlaufe am Ostende des Ortes Viermünden; dieser
läuft dann noch ungefähr 300 Schritte weiter und er-
giesst sich an derselben Stelle in einen grösseren Bach,
wo zugleich von der anderen Seite noch ein Nebenbach
in den letzteren einfliesst; der so entstandene Bach mün-
det dann in die Eder. So findet also am Ostende des
Ortes Viermünden und 300 Schritte von demselben ein
Zusammenfluss von Bächen statt.
Als eine weitere Zusammensetzung mit -mina sehe
ich den Ortsnamen Hademinm, jetzt Hedemünden süd-
westl. von Göttingen an. Der Ort liegt an dem Ein-
flüsse eines Baches in die Werra. Derselbe entspringt
nach der Karte von R. an einem Berge, welcher da-
selbst mit „Kl. Kopf bezeichnet ist. Nach meiner
Meinung hat der Ort von diesem Bache den Namen
bekommen; darnach muss letzterer *Hademina gelau-
tet haben. Ich bin nun mit Fr. einverstanden, dass
Hade- stammverwandt ist mit ahd. hadu Kampf ^^^),
"®) aus dem 9. Jhr., Fiormanni aus dem 11. Jhrh., s. Fr.
»*) s. Abb. S. 367. ««) aus dem 11. Jbrh., s. Fr.; es bedeu-
tet zugleich einen Wald und Ort in der bezeichneten Gegend.
~») 8. F. m, 60.
113
kläre den Namen aber nicht als „Kampffluss" , sondern
bin der Ansicht, dass die ursprüngliche Bedeutung von
hath, nämlich jagen, treiben, in Betracht kommt.
Die Hademina ist der „dahinjagende Fluss^', ein ttot«-
fibg XdßQog oder (oxvQOogj um einen homerischen Aus-
druck zu gebrauchen. Wenn man Hademina mit flu-
vius citiis übersetzt, so wählt man in citus einen mit
hath in letzter Linie wurzelhaft verwandten Ausdruck.
Denn citus kommt von der W. ki erregen, wetzen,
treiben *3*), welche erscheint in sskr. pf cinoti schär-
fen (ved. erregen, treiben), sskr. $ita angetrieben,
schnell ; diese gräko-italische W. ki, indog. 1^ ist aber eine
Nebenwurzel von indog. Jfa schärfen, wetzen, sskr.
ga gi-gd-ti schärfen, wetzen, erregen, und andrer-
seits ist indog. hxt weggehen, vergehen, fallen,
caus. jagen, fällen, welches eben urgerm. Aa^A jagen,
treiben ist und dem lat. cat-ax fallend zu Grunde
liegt, eine Weiterbildung der W. ka vermittelst t ^^^).
— Den Begriff schnell braucht man somit nicht erst
aus dem von jagen ableiten, was gleichfalls durchaus
statthaft erscheint, sondern derselbe kann, aus der
Grundbedeutung der W. %a entsprossen, vielleicht noch
in einem urgermanischen, aus der W. hath entsprunge-
nen Adjektivum bez. Partizipium vorhanden gewesen
sein, welchem sich sskr. gita^ lat. citus vortrefflich an
die Seite stellen Hesse.
Der Bach * Hademina würde sich also in die grosse
Gruppe derjenigen, die von ihrem raschen Laufe den
Namen bekommen, sehr gut einfügen. — Sachlich
würde die Erklärung gewiss angemessen sein, denn der
Bach, dessen Name leider auf der Karte von R. nicht
angegeben ist, fliesst vom Berge herab. — Ich hoffe,
dass Fr. und Am. diese Deutung annehmbar finden
werden; beide haben sich bis jetzt noch für keine Er-
klärung entschieden, sondern den Namen als rätsel-
haft bezeichnet ^^^).
Was nun weiter den von Fr. mitgeteilten Namen
»•*) 8. F. n, 60. »») 8. hierüber F. I, 54 und 56; vgl.
I, 545 u. 549. ^ s. Fr. unter Manni und Arn. S. 645.
114
Umieimi aiüangt, ao ist es möglich, aber JÜcht w^-
scaeinlid;!, dßss von dem Personeiuianie& Tlpmanrij wel-
ches also einen Mann bezeichnet, der auf d^r Höhe
wohnt, der ganze Ort den Namen bekommen hfub^^^).
Ich halte es für wahrscheinlicher, d^ass von einem Bache
Upmana d. h. Höhenfluss (der von der Höhe kommt)
der Ort genannt ist **®).
*") Der Name üpmann ist in Westfalen z. B. recht ge-
i)räachlich, älinlich heisst femer in der Gemeinde Schildesche,
Kr. Bielefeld, ein auf einer Anhöhe wohnender Hofbesitzer Up-
meier, sein Holz das Uphok, das daranstossende Feld das Up-
feld. Nebenbei bemerkt — heisst Schildesche der Schild-
Esch oder der wie ein Schild d. h. sanft gewölbte
Esch oder Acker flur, s. über diese Bedeutung von Schild
Bück a. a. 0. und über Esch Wg., vgl. über nd. esk Jelling-
haus a. a. 0. — Dieser Name passt ganz genau auf den ältesten
Teil von Schildesche, nämlich die Bauerschaft Alten-^childesehe,
welche, wie Verf. aus eigener Anschauung weiss, auf eifern
solchen Bodenschilde, aui einer sanft von der Aa (Werre,
Weser) ansteigenden Bodenerhebung liegt. Der jetzige Name
Alten -Schildesche erscheint bei Fr. als Alden Schilaece (aus
dem J. 974), in einer Urkunde aus dem J. 1244 ~ s. 2*0-
Uen^ Denkwürdigkeiten aus der Vergangenheit Westftdens S. 223
— treffen wir die Form Schildezge^ sowie Oldenscilde. Nun
führt Fr. unter Atisc (goth. atiec, ahd. e55isc, mhd. esch aus
e^esch) als Komposita von Esch unter andern auchBohter-esge,
Bram-ezcbe, Linch-esce, Trever-esga auf, woraus ganz unzwei-
felhaft hervorgeht, dass -ezge in Schildezge — Esch iat und r^e
in der Urkunde vom J. 974 entweder eine Entstellung wie Ol-
denscHde oder eine graphisch unvollkommene Wiedergabe von
esch(e) bez. esk(e) ist. — Esch ist übrigens eine in der Gem.
Schildesche noch recht gebräuchliche Bezeichnimg; so hat der
Meier zuDrewer den „Drewer Esch" , der Hälemeier den
„Haler Esch". ?'^) Man vgl. über diese Zusammensetzungen
mit up Fr. Auch dieser stellt Ußahun, Uflon, welches t^yiob.
Salzuffeln bei Herford bezeichnet, unter die Zusammensetzun-
gen mit up, ohne sich jedoch imter dem Worte Lon über die
Bedeutung des zweiten Bestandteiles in Uflon bestimmt aus-
zusprechen. Uflon bedeutet einen Ort — das liegt in dem Dat.
Flur., den auch ich in dem vpr liegenden -lahnn bez. Ion an-
nehme, s. Fr. unter Lon und vgl. über die Örtsname^bildung
durch den Dat. Plur. Fr., D. Ortsn. S. 195 — es bezeichnet
also einen Ort, der auf einer mit Holz bewachsenen Bodener-
hebung liegt. Wenn man nun -lon in Uflon mit dem von Fr.
unter Xo^ aufgeführten Eompositis Mundlatm nnd Thvrislaun
verglicht und diese weiter mit jßin}ohun imd RyamMjkun^ so
115
Auch Dtd-meni, welches sowohl Dülmen siidwesÜ.
braucht man, fflaube ich , nicht daran zu zweifehi , dass -Ion in
Uflon durch Eontraktion aus loun, hhun entstanden, also ein
Dat. Plur. ist, zumal da üflon auch als üflahan erscheint, als
dessen kontrahierte Form ich die ebenfalls vorkommende Uflan
betrachte; vgl. über die Zusammensetzung mit Loh = Holz
Fr. und Abh. S. 355 über Ion in einigen westfälischen Ortsna-
men. — Der Name würde z. B. für die nordöstlich und in näch-
ster Nähe von Salzuffeln beginnenden, zum Teil noch jetzt bewal-
deten Anhöhen recht gut passen. Desgleichen möchte ich
hier anfügen, dass auch der rätselhafte Flussname Ocker, der
schon auf alle mögliche Weise gedeutet ist, dasselbe bedeuten
kann, wasüpmana, nämlich^Höhenfluss. In den Annales
Laurissenses, als deren Überarbeitung und Fortsetzung die
Annalen Einhards zu betrachten sind — vgl. z. B. Watten-
hoch, Deutschlands GeschichtsqueUen im Mittelalter S. 105 ff.
der 1. Aufl. und Pertz in der Vorrede zu der Ausg. von JEin-
hards Annalen in usum scholarum — also in diesen alten Anna-
len heisst der Fluss OJyaerus (auch Soh-acar mit dem häufig
hinzugefügten h, s. oben S. 46), während in Einhards Annalen
Ov^acra und Ov-acrus und erst später bei Thangmar von Hil-
desheim Ovokare. Die Form Obacrus halte ich für die ältere
und Ob- für identisch mit ahd. opa, oha, ohe = oben, ober-
halb, über, welches den Wörtern oben und ober zu Grunde
liegt; über seine Verwandtschaft mit goth. uf und seine eigen-
tümliche Bedeutungsentwicklung gibt Wg. unter „ober^^ eine
recht klare Auseinandersetzung. In -acra sehe ich ein Grund-
wort für Fluss, welches nach meiner Vermutung als blosses
Grundwort, als Simplex erscheint in Ackara Agger (Sieg), so-
dann in Agara, nach Fr. die Eger (Elbe), Eger (Wemitz)
und die aus dem Attersee kommende Ager bezeichnend; das
gleiche Grundwort möchte ich auch annehmen in Ecker, dem
am Brocken entspringenden Nbfl. der Ocker, sowie in ücker,
von der die Uckermark den Namen bekommen hat; Ucker
würde Mch verhalten zu Ackara, wie Ulstra zu Alstra u. s. w.
Der Name Höhenfluss würde sehr geeignet sein fär die am
Brachberge im Harze entspringende Ocker. Nach der Karte
von R. tritt die eine Quelle ganz in der Nahe des einen Torf-
hauses am Bruchberge zu Tage; dieses Torfhaus am Südwest-
emde des eigentlichen Bruchberges liegt nach der Karte
2480* hoch, während die Höhe des Bruchberges selbst in Meyers
Konv. m, 764 mit 975 Met. — also über 3000' — angegeben
ist; die Quelle der Ocker würde demnach auch wohl noch 2000'
hoch liegen. Mit dieser einfachen Erklärung wäre der Name
Ocker ak deutsch gerettet. In einer spätem gründlichem Un-
tersuchung über diese Namensfanulie von dunkler Herkunft werde
ich hoffentlich die jetzt vor- und beiläufig gegebene Etymologie
8*
116
von Münster als Dollen (Dohlen'), südl. von Oldenburg
im Huntegebiet, bezeichnet, Kann hierher gehören.
Dem Dulmeni kann ein Flussname *Dulmana ss *Dal~
mana = Thalfluss zu Grunde liegen; es verhielte
sich ^DvUmana : *Daimana = Svlz-aha : SsUz-aha =
Hunaha : Hanaha u. s. w. ; Dulmana wäre =» Dolaha,
j. Thalach (Schwarzach, Altmühl). — Schon in meiner
Abh. S. 373 habe ich die Vermutung aufgestellt, dass
inDelme (Weser) das -me aus mana entstanden nach
Analogie von Ahne, Helme, Dme u. s. w. und Delme
mit Dill (Lahn), Dyle, Did-fe (Weis, Sieg) Thalfluss
bedeute. Sachlich würde nun der Name Thalfluss auch
in vorliegendem Falle passen, besonders wenn man die
Lage des Dorfes Haus Dülmen in Betracht zieht,
welches ungefähr V» Stunde von der Stadt entfernt ist.
Haus Dülmen liegt nämlich am Zusammenflusse des
Heu- und Mühlenbaches und zwar nach der Karte von
L. auf einem niedrigen Wiesenterrain, während sich
auch nach der Karte von Syd. östlich von der Stadt
Dülmen, von Südosten nach Nordwesten bis zur Hügel-
gruppe von Koesfeld hinziehend, eine Bodenerhebung
bemerkbar macht und im Südwesten von Dülmen der
Heubach zwischen der Hohen Mark und den Bor-
kenbergen durchfliesst, also hier nicht bloss wie bei
Haus Dülmen und im Oberlaufe in einer Bodensenkung,
sondern in einem wirklichen Thale strömt. Es kommt
nun sehr häufig vor, dass die ursprünglichen Flussna-
men verloren gehen und durch neue ersetzt werden;
wir sahen dies z. B. bei der Lesum, der Spülig, dem
Hahnenbach. So kann auch der Name Heubach bez.
Mühlenbach an Stelle des älteren * Dulmana getreten
sein.
Auch in der Nähe von Dohlen entspringen zwei
zusammenfliessende Bäche, welche ebenfalls nach der
bestätigen, sowie mich entscheiden können, ob auch die Oppa
(Oder) mit opa, oha zusammengesetzt ist, also ahd. etwa *Qp-
aÄrt, *Oh'aha = *Op-ä, *Ob-ä Höhen fluss heisst; hoch ge-
nug — nämlich 979 Met. nach Meyers Konv. XU, 334 — ent-
springt dieselbe. Zugleich werde ich dann versuchen, die Ety-
mologie des Grundwortes Agara bez. Ackara zu geben.
117
Karte von R. in einer Bodendepression der Hunte zu-
fliessen.
Schliesslich möchte ich die Vabne (Ruhr) und Volme
(Ruhr) mit ziemlicher Sicherheit als Zusammensetzun-
gen mit -mana bezeichnen, sowie vorläufig — vorbe-
haltlich näherer Untersuchung — bezüglich des Yal-
bemerken, dass die Wasserfarbe der Volme — abge-
sehen von verschiedenen andern Momenten — es ver-
bietet, an fahl = gelblich, gelblich grau zu den-
ken, dass vielmehr das Bestimmungswort, wie ich an-
nehme, mit Feld, welches nd. noch vielfach fallt heisst,
zusammenhängt.
Jellinghaus, ein gründlicher Kenner der westfälisch-
niederdeutschen Mundart, der sich durch die Heraus-
gabe seiner Westfälischen Grammatik *39) ein entschie-
denes Verdienst um die Erforschung der nd. Sprache
erworben, bemerkt daselbst S. 24, nachdem er die ra-
vensbergischen Wörter, wie aisen fürchten, faige dem
Tode verfallen, laige schlecht u. s. w. aufgezählt,
deren ai goth. ai entspreche, weiter: „Hier sind noch
zu erwähnen: failt Feld, Westfailinger Westfale,
lainen leihen"; „dieses ravensberg. ai", heisst es S.
23, „findet sich aber noch weithin in den angrenzen-
den Gebieten, im märkischen Süderlande u. s. w." —
Nach meiner Vermutung hat also die Valme bez.
Volme ^*<>) ursprünglich *Faildmona oder *Failthmona
geheissen, aber nicht in der Bedeutung Feldfluss, so
dass Feld eine Fläche zum Fruchtbau bedeutet, sondern
in der von Hochfeldfluss ^^i), was nicht bloss auf die
Valme und Volme, sondern auch auf die Fulddha —
von Grimm als „Landfluss" gedeutet ^^^) — vortrefflich
passt. Die Fulda entspringt nämlich an der zur Ho-
hen Rhön gehörigen 3**) Kl. Wasserkuppe. Von der
Hohen Rhön bemerkt Dan. S. 291: „Die höchsten Er-
889) Westfälische Grammatik. Die Laute und Flexionen der
Ravensb ergischen Mundart. Bremen (Kühtmann). ^^ Das o
in Volme ist weiter nichts als die bekannte Verdunkelung des
a in o. ***) oder Plateaufluss. •**) der es zusammenbringt
mit as. folda, an. fold, welches mit Feld verwandt ist, s. Wg.
unter Feld. »*») s. Dan. S. 370.
118
hebungen (Kuppel) sind wie Kegel oder breite Berg-
flächen und Felder geformt^^; über das zur Hohen Rhön
gehörige Dammersfeld heisst es unter anderm: „Das D.,
2948' hoch, hat gegen Südosten Massen von über ein-
ander gestürzten Basalten, die mit dem schönsten Laub-
holz bäeckt sind. Der grösste Teil des ansehnli-
chen Berges mit langem Rücken trägt Wiesen".
Ähnlich wird in Meyers Konv. IV, 941 gesagt: „Das
D. hat einen langen und breiten, mit grossen Moo-
ren und Wiesen bedeckten Rücken , auf dem sich noch
eine Kuppe erhebt**. — Das -feld in Dammersfeld »**)
bin ich geneigt unmittelbar mit dem -ßeld z. B. in
DoYre^eld (im skandinavischen Hochgebirge) zusammen-
zubringen; es bedeutet im germanischen Norden tmd
Süden dasselbe, nämlich die Bergfläche, das Berg-
feld, im Gegensatz zu den Berg kuppen, die sich
darauf erheben. — Ähnlich wie mit dem Dammers-
feld verhält es sich bekanntlich, wie schon angedeutet,
bezüglich der Berggestaltung mit der Hohen Rhön über-
haupt. So bemerkt Guthe in seinem vortrefflichen
Lehrbuch der Geographie kurz und treffend 5*^) : „Die
Hohe Rhön besteht aus einer zusammenhängenden
Massenerhebung von Basalt, über welche sich
noch vereinzelte höhere Kuppen auftürmen".
Die Hohe Rhön besteht eben aus Bergfeldem bez. aus
Bergfeldem mit Bergkuppen. — Aber nicht nur passt
der Name Bergfeldfluss vortrefflich für die von der
Hohen Rhön herabkommende Fulda, sondern auch für
die gleichfalls von dort herabfliessende Felde, auch
Volle (Werra), ahd. Feld-aha.
Die Vahne hat ihre Quelle an dem um den Kahlen
Astenberg sich nordwestl. lagernden Plateau oder Hoch-
felde, desgleichen dieVolme an dem Bergfolde, welches
sich an das Ebbegebirge im Südwesten anschUesst; das-
selbe möchte ich nach dem in der Nähe hegenden
Flecken das Hochfeld von Meinerzhagen nennen.
^ Dammersfeld hat Fr. als Staberesfeld aus dem 11. Jhrh.;
darin ist -feld sicherlich nicht verderbt, wenngleich Fr. — be-
züglich des ersten Bestandteiles offenbar — ein „verderbt?" an-
fügt. 8«) S. 500 der 1. Aufl.
119
«
IKe Quelle der Volme liegt nach L. a. a. 0. S. 71
1489' hock
Kurz will ich jetzt nur berühren, dass zunächst der
Ausfall des Ä in ^Faildmona nichts AufiTalHges hat
JelHnghaus bemerkt a. a. 0. S. 56: „Nach langem
diphthongischen Laute fallt d (sc. in der Konsonanten-
verbindung Id) aiis, z.B. /btfor Felder, tweofe Mulde";
Fr. setzt z. B. Veltpah als die eigentliche Form hin
und fügt dann aus d^n Urkunden diesen Flussnamen
in der Gestalt aus dem 8. u. 11. Jhrh., nämlich Fei-^
back und Velbach, an; man vgl. auch Velbert (Kr.
Elberfeld), ahd. Feld-broMi — 9. Jhrh. — und VeUbraM
— 11. Jhrh. «*«). — Sodann halte ich das a in Valme
ebenso für eine Verengung des ursprünglichen Diph-
thongen, wie sie erscheint in Lasphe neben Laispe,
vielleicht auch inLaca, j.Leck, neben Laika. Die Ver-
dunkelung des a in in Volme stellt sich neben die
in Losmanne vorkommende, welches ich oben **^) =
'^'Lasmana erklärt.
Schliesslich möchte ich noch einmal ausdrücklich
hervorheben, dass unser Wort Feld ursprünglich grade
wie das altnordische fiall ^^^) auch B ergf lache, Hoch-
feld nach meiner Aiinahme bedeutet h»t, eine Bedeu-
tixng) deren nähere Nachweisung und Begründung ich
einer spätem Untersuchung vorbehalte.
Erst nach der Absendung der vorliegenden Unter-
suchungen erfuhr ich auf einem Ausfluge auf das zwi-
schen Lenne, Bahmede (Lenne) und Verse (Leime) sich
"«) Wahrscheinlich ist Valbert, ahd. Fak-hreht (Kegbz.
Arnsberg) derselbe Name; ist das der Fall, so wäre auch der
Vokal a für das a in Val-me gegenüber dem e in Feld-aha,
Vell-e, bemerkenswert. — Vgl. übrigens über die Einschiebung
und Aasstossung von Konsonanten noch Sievera, Grundzüge der
Phonetik, S. 212 der 2. Aufl. »*') s. S. 60. »*») Man vgl.
den angenommenen Ausfall des d in *Faild-mona mit der Laut-
angleichung U statt Ith im An. sowie über die Identität von
JFWrf und 9,u.ßaU Wg. unter Feld, femer über die wurzelhafte
Verwandtschaft von Fel-d und Fel-s Wg. unter Fels.
.T:^
120
erhebende Hochfeld **^) den Namen eines auf der Kreis-
karte von Altena zwar verzeichneten, aber nicht nam-
haft gemachten Baches, nämlich der Völmeke; sie
mündet in die Rahmede (Lenne). Völmeke ist offenbar
ebenso die Parallelform von Volme, wie Almecke von
Ahne, Hellmecke von Helme, Sollmecke von Salm u. s. w.
Die Entfernung von der Quelle der Völmecke bis zur
Volme beträgt in grader linie eine Meile. — Das ö in
Völmecke ist entweder aus e entstanden, wie Höllmecke
statt Hellmecke, so dass nicht wie bei Volme und Valme
die Form mit ai (faild), sondern die mit e (fdd) zu
Grunde liegt, oder es kann auch — und dies ist wegen
der Nähe der Volme wohl das Wahrscheinlichere — das
ö in Völmecke gradeso aus ai hervorgegangen sein, wie
Löster nach meiner Annahme auf *Leistara bez. * Laist-
ara zurückgeht. Der Name Völlmecke bietet zugleich
einen weitem schlagenden Beweis dafür, dass -meke
nicht eine Entstellung aus beke ist, sodem dass an
-me, den Torso von mana, -ke entweder als Verkleine-
rungssilbe oder als der Best eines tautologisch ange-
hängten beke getreten ist.
Hier konnte ich mich nun an Ort und Stelle über-
zeugen, dass meine Erklärung von Volme und Valme
sehr wahrscheinlich sei, da dieselbe auf die sprachlich
verwandte Völmecke ganz vortrefflich passt. — Das
oben erwähnte Hochfeld zwischen Lenne, Verse und
Rahmede, auf welchem ungefähr ^/i Stunden von der
Einmündung der Bahmede in die Lenne mehrere Ge-
höfte liegen mit dem charakteristischen Namen Berg-
feld, nimmt nämlich ungefähr V« Stunde weiter bei
Rossmart erst recht den Charakter eines Bergfeldes
an, indem es an Ausdehnung bedeutend zunimmt. An
dem Rande dieses Hochfeldes nun entspringt in meh-
reren Quellen die Völmecke und fliesst in einer Thal-
mulde mit ziemlich starkem Gefälle zur Rahmede hin-
unter.
Da ich hier die Rahmede erwähne, so benutze ich
'*') Der Name eignet sich sehr gut zur Bezeichnung eines
Plateaus von geringerem Umfange ; denn unter einer Hoch eb en e
versteht man doch ein ausgedehntes Plateau.
121
die Gelegenheit, um eine inder Abh. vorgetragene Deu-
tung dieses Namens zu yerbessem.
Ich hatte daselbst S. 354 Rahmede als Wild-
matte erklärt, entstanden aus as. hrä roh, wild und
tnede = Matte =s nnld. mat, aMs. mede. Ich nahm
also an , dass ausnahmsweise — wenn auch erst später
— der Fluss Ton dem Thale bez. dem Orte den Namen
bekommen habe. Dies darf man aber immer erst nur
bei solchen in alter Form nicht überlieferten Flussna-
men in letzter Linie annehmen; Fr. D. Ortsn. S. 199
bemerkt hierüber: „Dass umgekehrt Flüsse nach Ör-
tem heissen, ist eine ganz moderne Erscheinung".
Wenn sich daher eine liklärung finden lässt, nach
welcher der Ort von dem Flusse den Namen bekommen
hat, so ist diese unbedingt vorzuziehen. Eine solche
ist aber bei Rahmede möglich.
Ich fand nämlich auf der Karte von L. ungefähr
20 Minuten von dem Einfluss der Valme in die Ruhr
das Dorf Velmede, ahd. Felmedo (s. Fr.); femer er-
fahr ich durch Erkundigung an Ort und Stelle, dass
der Bach, welcher bei Veserde — im Kreis Altena —
entspringt, Versbeck heisst. Felmedo führt Fr. —
D. Oirtsn. S. 227 — unter den Ortsnamen mit dem Suf-
fix 'ithi, bez. -idi an, welches nhd. meistens als -de
oder 4e erscheint. Veserde heisst auch auf Karten
Verserde und wird im Volksmunde noch ziemlich all-
gemein Vers« de ausgesprochen, wodurch die Identität
des Vers- in Versbeck und des Ves-, bez. Vers- in Ve-
serde bez. Verserde ausser Zweifel gesetzt vrtrd. Ve-
serde sollte also nach meiner Annahme Versede heissen ;
das r hat sich vor dem d als Bequemlichkeitslaut ein-
geschlichen, nachdem es aus der ersten Silbe aus dem-
selben Grunde verdrängt war. Velmede würde darnach
heissen der Ort bei der Valme ^s®), Versede der Ort
***) In dem Umstände, dass Velmede 20 Minuten von der
Einmündung der Valme in die Ruhr entfernt liegt, kann kein
Grund liegen, die Erklärung abzuweisen; z. B.Wennemen
a. d. Ruhr , welches doch wohl sicherlich von der f a s t 20 Min.
von hier einmündenden Wenne den Namen hat, liegt sogar auf
dem rechten Ruhrufer, während die Wenne links einfliesst;
122
an der Verse bez. Versbeck. So erkläre ich nun auch
Rahmede als den Ort an der Rah-me, Bah-me aber
als eine Zusanunensetzung aus as. hrd wild '<>^X höse
und "tne, sodann -me als den Best von mana bez.
moina; Bahme hiesse demnach Wildbach. — Nun
entspringt die Bahmede in mehreren Quellen an dem
Hochfelde von Lüdenscheid — diese Stadt liegt nach
Liebrecht a. a. 0. 1383' über dem Meere — ; der Bach
mündet in der Nähe des am oberen Ende von Altena
befindlichen Lennepegels, wo ein paar Fuss über der
Strasse an einem Felsen die Höhe über dem Meeres-
spiegel mit 158 Met, also ungefähr 505^ auf einer Me-
tallplatte bezeichnet ist; die l^nmündung der Bahmede
erfolgt ungefähr lO' niedriger, also etwa 495' hoch« —
Lüdenscheid liegt aber nach Liebrecht a. a. 0. S. 3 *^*)
von Altena 140 Minuten entfernt. Dies ist auch unge-
fähr die Entfernung von der Quelle der Bahmede bis
zu ihrer Mündung; denn die Chaussee von Lüdenscheid
nach Altena ist — bis auf eine ganz unbedeutende
Strecke bei Lüdenscheid — ihrer Gesamtausdehnung
nach im Thale der Bahmede herabgefiihrt und demnach,
weil das Thal sehr enge ist, im ganzen und grossen
ebenso* lang wie der Bach selbst. Hieraus ist ersicht-
lich, dass das G-efälle der Bahmede ein sehr bedeuten-
des ist, infolge dessen auch im Bahmedethale sehr viele
Fabriken u. s. w. liegen, welche die Kraft dieses vor-
züglichen Wassergef^Ules ausnutzen. Somit passt der
Name Wildbach recht gut auf die Bahmede, die sich
allerdings schon seit langer Zeit beinahe in ihrem gan-
zen Laufe unter die zwingende Hand des Menschen hat
beugen müssen, der zum Betriebe seiner Werke Sam-
melteiche gegraben sowie Ableitungskanäle zur wirksa-
meren Ausnutzung des Gefälles gezogen und dadurch
dem wilden Gange des Baches vielfach Hemmschuhe
angelegt hat.
Yelmede ist nach der Karte von L. zu beiden Seiten der Ruhr
gelegen. "*) s. Wg. unter roh. ■**) S. 3 der Ortschafts-
und Entfemungstabelle des Kgbz. Arnsberg , wo „die Entfernun-
gen in Minuten = Vioo pr. Meü. = 1 Nummerstein auf den
Itaatschausseeen angegeben sind*^ (S. 1.)
123
Für diese Erklärung spricht auch der Umstand,
dass so die Bah-me mit der Ruh-me (Leine), mit der
Bo-mecke, einem Zuflüsse der Mohne, und der Ru-
mecke (Ruhr) eine Gruppe bildet Diese letzten drei
Flussnamen habe ich schon in der Abh. als „Wildbach^^
erklärt und ihren ersten Bestandteil mit „roh*^ zusam-
mengebracht, welches ahd. r^, rd, rou lautet. — Die
Ruhme entspringt nach der Karte von R. und Syd.
noch oberhalb Ruhmspringe am Rothen Berge und
hat sicherlich anfangs einen sehr raschen Lauf. — Die
Rumecke (Ruhr) kommt nach der dem Natorpschen
Buche Bunr und Lenne angehängten Spezialkarte
von der Hellefelder *ö*) Höhe, welche nach Liebrecht
a. ai 0. S. 72 1582' hoch ist. DiQ Rumecke mündet
bei Freienohl. Nun Hegt die Ruhrbrücke bei Freienohl
nach Liebrecht a. a. 0. S. 71 733' über dem Meeres-
spiegel; die Rumecke hat aber nur eine Lauf länge
von ungefähr einer Meile ®ö*), also bei einer so kurzen
LauMrecke ein ungemein stiaxkes Gefälle; die Erklä-
rung würde somit vorzüglich passen. — Die Romecke
hat ihre Quellen in dem Berglande zwischen Ruhr und
Mohne, welches von Brilon bis in die Nähe von Ne-
heim sich hinzieht und mit dem Namen Arnsberger
Wald®**) bezeichnet wird; sie entspringt nördl. von
Hirschberg und wird sicherlich einen reissenden Lauf
haben.
Nach meiner Meinung würde nun auch die Rah-
mede bez. Rahme jetzt wahrscheinlich Rahmecke lau-
ten, wie die vielen andern Bäche auf -mecke besonders
auch im Kr. Altena, wenn nicht im Thale der Rahme
schon früh der Ort Rahmede entstanden und dieser
Name mit der Zeit nicht bloss zur Bezeichnung des
Ortes und des betreffenden Thalabschnittes, sondern
auch zur Benennung des ganzen Thaies angewandt wäre.
Hierdurch geriet der Flussname anfangs in den Hinter-
"■) HeUefeld wohl ziemlich sicher = Berffhochfeld; s.
über das germ. heüa = Berg F. III, S. 70; sachlich würde die
Bedenttmg recht gat passen. ^'^) nach der Karte von L. und
der Spezialkarte zu Natorps Ruhr und Lenne abgemessen.
«») Liebrecht a. a. 0. S. 59.
124
grund und schliesslich in völlige Vergessenheit, da der
Name des Ortes und Thaies auch zur Bezeichnung des
das Thal durchfiiessenden Baches gebraucht wurde;
dasselbe habe ich bei dem oben besprochenen Bachna-
men Perschling angenommen. Man sagt also jetzt die
E ahme de und bezeichnet damit sowohl den Stadtteil
Altenas als den Bach; ähnlich bedeutet die Nette so-
wohl einen Stadtteil Altenas, als den Bach Nette
(Lenne) '^ß), welcher seinem engen Thale und dem in
demselben belegenen Orte den Namen gegeben hat. —
Übrigens war ich recht erfreut, als ich von einem hie-
sigen sehr ortskundigen und zuverlässigen Manne hörte,
dass man noch vielfach ganz deutlich sage: „In der
Bahme^^ Ich sehe in diesem Volksausdruck nicht eine
Abschwächung aus Rahmede, sondern eine Bewahrung
des Ursprünglichen.
VII.
Nachtrag.
Ich halte den Namen Veldenzer Bach, den ich
nachträglich auf der Karte von L. gefunden, für wich-
tig genug, um ihn — wenn auch an dieser Stelle —
noch anzufügen und zu besprechen.
Nach meiner Meinung ist hier „Bach" , wie so oft,
späterer Zusatz, und das Flüsschen hat ursprünglich
die Veldenz geheiasen; die an demselben gelegenen und
nach ihm genannten Orte Veldenz und Thalveldenz
haben den ursprünglichen Namen bewahrt. — Die
Veldenz mündet oberhalb BernkacStel gegenüber der
links einfliessenden Lieser in die Mosel und kommt vom.
Hunsrücken herab. — - Nun ist bekanntlich der Huns-
^) Über den häufig vorkommenden Flussnamen Nette habe
ich Abh, S. 352 ff. gesprochen.
125
rücken seinem Grundchaxakter nach ein Plateau, auf
welchem sich allerdings an mehreren Stellen Bergket-
ten erheben. Auf einem solchen Plateau oder Hoch-
felde entspringt die Veld-enz und hat deshalb ihren
Namen Hochfeldfluss mit Kecht. Ich betrachte dem-
nach *Feld'enza als die ahd. Form für Veldenz. Der
Name bildet mit Fulda, Felde, Valme, Volme,
Völmeke eine Gruppe und ist deshalb recht wichtig,
weil er auf das klarste z.eigt, dass Enz in Verbindung
mit unzweifelhaft deutschen Bestimmungswörtern er-
scheint. Ich möchte es somit nochmals als sehr wahr-
scheinlich, ja als fast sicher bezeichnen, dass Enz ein
deutsches Grundwort für Fluss ist.
Sodann trage ich hier noch nach die Helbe
(Volme, Ruhr, Rhein). So heisst nämlich der Bach,
wie mir mein hiesiger KoU. Nagel auf Grund persönli-
cher Erkundigungen an Ort und Stelle mitgeteilt;
auf der Karte von L. wird er Halver Bach genannt.
Ich halte diesen Flussnamen für identisch mit der
thüringischen, bereits oben erwähnten Helbe; die oben
gegebene Erklärung „Bergflms^^ würde recht gut auf
die unweit Halver entspringende Helbe passen. Nach
Liebrecht a. a. 0. S. 71 liegt die Küsterei bei Halver
1421' hoch, der Ort Halver selbst aber auf einem Pla-
teau, von welchem — anfangs in westlicher Richtung
im allgemeinen — die Quellbäche der Ennepe, nach
Nordosten die Helbe abfliesst. Demnach erscheint das
Plateau von Halver, von dem Helbethale aus gesehen,
als ein Berg, so dass die Bezeichnung „Bergfluss^^ recht
gut passen würde. Wie also der thüringischen Helme
eine süderländische Hellmeke bez. Höllmeke ent-
spricht, so tritt dem thüringischen Helbefluss als
Namensbruder der süderländische Helbebach zur Seite.
Bezüglich der Zurückführung von Helbe auf *HeU
apa will ich noch bemerken, dass im Volme- und
;&inepegebiet grade das Grundwort apa recht gebräuch-
lich ist, man vgl. z.B. die Flussnamen -Eww-ßjoe, Has-pe^
Eil'pe, KierS'pe, Linn-epe (s. Abb. S. 366 fif.), während
in den Namen der Neben- und Zuflüsse der Lenne im
Kr, Altena das auf moina zurückgehende Grundwort
126
-meke ungemein häufig mch findet; man TgL die Soll-
mecke, HöUmecke, Volmecke, Brachmecke^ Barmecke,
femer die einmal später zu behandelnden Flnssnamen
Düsmecke, MöUmecke, Hemecke (bez. Hamecke). Sodann
möchte ich noch darauf aufinerksam machen, dass auch
die in Abschnitt HI besprochene Laasbeck (Lenne) im
Yolksmunde nicht vereinzelt, sondern sehr oft Laos-
mecke lautet. Da -mecke auf moina, -mana zurückgeht,
so wäre demnach Laasmecke identisch mit dem
gleichMis oben erwähnten Flussnamen Losmanne.
In betreff des in Abschnitt IV erwähnten Flussna-
mens Leber, für den ich als Grundfonn *Libara an-
gesetzt, bemerke ich schliesslich noch, dass ich nach-
träglich bei Fr. S. 979 den Ortsnamen „Lebraha. 9. Lü-
vre bei St. Marie aux Mines, W. v. Scfdettstadt^^ gefun-
den. St. Marie aux Mines heisst deutsch bekanntlich
Markirch undLievre auf der Sparte von R. Leberau.
Da Leberau an der Leber liegt und -aha in Lebraha
» Leberau unbedingt auf einen Fluss hindeutet, so lei-
det es keinen Zweifel, dass L^-aha — auch Lepr^-aha
aus dem J. 856 — die alte Form für den jetzigen
Flussnamen Leber ist
Das r in Lebraha betrachte ich als aus ar entstan-
den, wie Adrana aus ^Adarana, Hluthraha aus
Hlutaraha. Hier wäre demnach wie in Wis-ur-aha
und nach meiner Annahme auch in Les-ur-ä das
Grundwort an das Bestimmungswort vermittelst eines
Suffixes gefügt; die gleiche Kompositionsweise mit ei-
nem Suffixe nahm ich an in Liub-is-aha, dessen
liub- mit dem leb- in Leb -r- aha in Abschnitt III als
stammverwandt hingestellt wurde.
Dmck der Univ.-Bucbdruckerei von £. A. Hnth in Göttingen,
Vorkg von Vandonhoeck & Ruprecht in Gottiügon.
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