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Full text of "Beiträge zur Geschichte der griechischen Philosophie und Religion. Von Paul Wendland und Otto Kern"

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Wenland,  Paul 

Beiträge  zur  Geschichte 
der  griechischen  Philosophie 
und  Religion 


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BEITRÄGE 
ZUR  GESCHICHTE 

DER 

GRIECHISCHEN  PHILOSOPHIE 
UND  RELIGION 


VON 


PAUL  WENDLAND   lnd   OTTO  KERN 


BERLIN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG  REIMER 

1895 


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Verlag  von  Georg  Reimer  in  Berlin, 

zu  bezieben  durcb  jede  Buchbandlung. 

DOXOGEAPHI GRAECI 

COLLEGIT  RECENSüIT  PROLEGOMENIS  INDIClBüSQUE 

INSTRUXIT 
HERMAMUS  DIELS 

OPUS  ACADEMIAE  LITTERARUM  REGIAE  BORÜSSICAE 

PRAEMIO   ORNATÜM 

PREIS:  24  MARK. 


Sibyllinische  Blätter 


von 

Hermann  Diels. 

Preis:  2  Mcark  80  Pf. 

In  den  Abhandlungen   der  Kgl.   Preuss.   Akademie   der  Wiss. 
zu  Berlin  erschienen  nachstehende  Schriften  von 

Hermann  Diels: 

SENECA  UND  LUCAN. 

PREIS:  2  MARK  50  PF. 


ÜBER  DAS  DRITTE  BUCH 

DER 

ARISTOTELISCHEN  RHETORIK. 

PREIS:  2  MARK. 


ÜBER  DIE 

BEßLlNEK  FEAGMENTE 

DER 
A0HNAlßN  nOAlTEIA  DES  ARISTOTELES. 

MIT  2  TAFELN. 
PREIS:  4  MARK. 


Zur 

Textgescliiclite 
der  Aristotelischen  Physik. 

Preis:    2  Mark. 


BEITRÄGE 
ZUR  GESCHICHTE 

DER 

GRIECHISCHEN  PHILOSOPHIE 
UND  RELIGION 


VON 


PAUL  WENDLAND   und  OTTO  KERN 


BERLIN 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG  REIMER 

1895 


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Iv^AR  1  3  1967 


HERMANN     DIELS 


ZUM  22.  DEZEMBER   1895 


PHILO  UND  DIE  KYMSCH-STOISCHE 

DIATßlBE 


VON 


P.    WENDLAND. 


Pestschrift  für  Diels. 


I. 


Unter  der  philosophischen  Diatribe  verstehe  ich  die 
in  zwanglosem,  leichtem  Gesprächston  gehaltene,  abge- 
grenzte Behandlung  eines  einzelnen  philosophischen, 
meist  ethischen  Satzes.  Der  erste  Vertreter  dieser  be- 
sonderen Litteraturgattung,  und  wenn  nicht  ihr  Schöpfer, 
doch  der,  welcher  ihr  einen  bestimmten  Charakter,  ein 
eigentümliches  Gepräge  verliehen  hat,  ist  Bion  der 
Borysthenite.  Ein  äusserst  lebendiger,  oft  durch  Anrede 
der  Hörer  oder  durch  Einführung  fingirter  Gegner  oder 
Personificationen  dialogisch  gestalteter  Vortrag,  eine  vor- 
wiegend polemische  Tendenz,  ein  überreicher  Schmuck 
von  Versen  der  Liebliugsdichter,  ein  ebenso  reichlicher 
Gebrauch  von  Apophthegmen  und  Anekdoten,  eine  Vor- 
liebe für  witzige  Pointen  und  Antithesen,  für  stets 
treffende,  nicht  immer  gewählte  Vergleiche,  kurz  ein  Vor- 
trag, in  allem  berechnet,  die  Menge  zu  packen  und  zu 
fesseln,  dazu  ein  Stil,  der  durch  Satzlösung  und  Bevor- 
zugung der  Parataxe  scheinbar  auf  alle  Mittel  kunst- 
voller Rede  verzichtet,  und  der  doch  hierin  wie  im  Ge- 
brauche vulgärer  Ausdrücke  unter  scheinbarer  Künst- 
le 


—     4     — 

losigkeit  das  höchste  Raffinement  und  rhetorische  Be- 
rechnung birgt,  —  das  ungefähr  sind  die  Kennzeichen 
der  bionischen  Diatribe,  wie  wir  sie  aus  Teles  und 
andern  Benutzern  und  Nachahmern  des  Bion  erschliessen 
•können,  wie  wir  sie  namentlich  in  einigen  Nachbildun- 
gen horazischer  Satiren  und  in  manchen  Partieen  der 
von  Arrian  mit  so  treuem  Gedächtnis  bewahrten  Dia- 
triben  seines  Meisters  wiederfinden.  Zwischen  Bion  und 
Teles  einerseits,  der  Diatribe  der  ersten  römischen 
Kaiserzeit  andererseits  klafft  für  uns  eine  grosse  Lücke. 
In  wesentlich  und  nicht  zum  Vorteil  veränderter  Gestalt 
tritt  uns  die  philosophische  Diatribe  in  den  Vorträgen 
des  Musonius  und  Dio  Chrysostomos ,  in  zahlreichen 
Stücken  der  neupythagoreischen  Litteratur,  in  Briefen  des 
Seneca  und  gefälschten  Episteln  des  Heraklit,  Hippo- 
krates,  der  Kyniker,  die  aus  ihrer  Stilform  herausfallend 
den  Predigtton  anschlagen^),  entgegen.  Der  Vortrag  ist 
hier  meist  ein  ruhiger  und  lehrhafter,  der  Stoff  wird  wohl 
disponirt  und  systematisch  behandelt.  Man  empfindet 
nicht  den  eigentümlichen  Reiz,  die  Gedanken  entstehen 
und  aufblitzen  zu  sehen,  sondern  fertig  treten  sie  einem 
entgegen.  Der  Gang  der  Erörterung  ist  vorher  fest  um- 
schrieben und  wird  selten  durch  einen  äusseren  Anlass 
wie  die  Einreden  eines  Gegners  bestimmt.  Die  Kunst 
des  Periodenbaues,  den  die  alte  Diatribe  oft  absichtlich- 
lich  verschmähte,  tritt  wieder  in  ihre  Rechte.  Die  philo- 
sophischen Grundsätze  treten  zurück,  und  die  Ethik,  die 


')  Die  Beweise  s.  unten. 


—    5    — 

ihrer  Kraft  nicht  mehr  vertraut,  geht  regelnd  und  vor- 
schreibend auf  alle  einzelnen  Gebiete  des  Lebens  ein  und 
droht  in  Kasuistik  auszuarten^).  Wohl  ist  es  zum  Teil 
dasselbe  Gedankenmaterial,  mit  dem  die  alte  und  die 
neue  Diatribe  arbeitet,  aber  die  Formen  sind  andere  ge- 
worden, und  der  Zusammenhang  der  geschichtlichen  Ent- 
wickelung  verrät  sich  nur  darin,  dass  versprengte 
Trümmer  der  alten  Diatribe  in  die  neue  übergegangen 
sind,  dass  ausser  einer  Masse  von  Anekdoten,  Apo- 
phthegmen^)  und  Dichtercitaten  manche  Schlagworte  und 
Lieblingswendungen  sich  hinübergerettet  haben*'*).  Die 
Diati'ibe  ist  übergegangen  in  den  zusammenhängenden 
Vortrag,  in  die  Predigt,  und  vielleicht  verrät  sich  diese 
Entwickelung  auch  darin,  dass  SiaiptßTJ,  SiaXs^L?,  Sioc^^o^o?, 
ofjLiXia,  während  sie  ursprünglich  vorwiegend  Schriften  be- 
zeichneten, die  die  Unterhaltung  und  den  erzieherischen 
Umgang  des  Philosophen  mit  seinen  Schülern  oder  anderen 
Menschen  zum  Gegenstande  hatten,  die  allgemeinere  Be- 
deutung eines  populärphilosophischen  Traktates  annahmen. 


^)  Durch  diese  Richtung  ist  die  von  Sen.  Epist.  94.  95  behan- 
delte Streitfrage  über  den  Wert  des  theoretischen  und  des  prakti- 
schen (paränetischen)  Teils  der  Ethik  veranlasst,  in  der  Seneca 
eine  vermittelnde  Stellung  einnimmt. 

2)  Mitunter  werden  diese,  wie  sie  zum  Teil  aus  Lehrsätzen 
entstanden  sind,  in  solche  wieder  umgeprägt.  Die  ganze  Masse 
kynischer  Apophthegmen  ist  bereits  unter  dem  Einfluss  der  alten 
Diatribe  geprägt  (vgl.  Hense  Rh.  M.  XLVII  S.  240.  232).  Einen 
sichern  Terminus  ante  quem  bieten  die  Kynikerepisteln,  die  zum 
Teil  massenhaft  Apophthegmen  aneinanderreihen.  Möchte  die 
Florilegienforschung   bald  an  diesem  sichern  Punkte  einsetzen! 

3)  Hense  a.  0.  S.  239. 


—     6     — 

Die  alte  Diatribe  lebt  mehr  in  der  Satirenclichtung  als 
in  der  Philosophie  fort.  Nur  Epiktets  Diatriben  nähern 
sich  ihr  wieder,  nicht  nur  durch  bewusste  Anknüpfung 
und  Nachahmung,  sondern  auch  schon  dadurch,  dass  sie 
als  wirkliche  Gespräche,  in  denen  der  Lehrende  die  Hörer 
zu  mitforschender  Teilnahme  zwingt,  dem  sokratischen 
Dialoge,  aus  dem  zum  Teil  die  Diatribe  hervorgewachsen 
ist,  verwandt  sind. 

Auf  die  durch  Bion  heraufgeführte  Blüte  der  Diatribe 
scheint  bald  ein  Niedergaog  eingetreten  zu  sein.  Aber 
auch  bis  zu  ihrer  neuen  Blütezeit  wird  die  Diatribe  fort- 
gelebt und  sich  fortentwickelt  haben.  Das  beweist  vor 
allem  das  Zeugnis  des  Cicero  Tusc.  III  81:  sunt  enim 
certa  quae  de  paupertate,  certa  quae  de  vita  inhonorata 
et  ingloria  dici  soleant;  separatim  certae  scholae  sunt  de 
exsilio,  de  interitu  patriae,  de  Servitute,  de  debilitate,  de 
caecitate,  de  omni  casu,  in  quo  nomen  poni  solet  cala- 
mitatis.  haec  Graeci  in  singulas  scholas  et  in  singulos 
libros  dispertiunt;  opus  enim  quaerunt,  quamquam 
plenae    disputatioDes    delectationis    sunt^).      Die    pliilo- 


^)  Die  meisten  dieser  Themata  findet  man  später  bei  Sen.  De 
rem.  fort,  behandelt,  vgl.  Epist.  95,54.  Im  Beginn  von  Epist  94, 
in  der  Seneca  für  den  paränetischen  Teil  der  Philosophie,  der 
besonders  in  der  Diatribe  gepflegt  wurde,  eintritt,  heisst  es:  Eam 
partem  philosophiae,  qnae  dat  propria  cuique  personae  praecepta 
nee  in  Universum  componit  hominem ,  sed  marito  suadet  quomodo 
se  gerat  adversus  uxorem,  patri  quomodo  educet  liberos,  domiuo 
quomodo  servos  regat,  quidam  solam  receperunt.  Die  Behandlung 
der  beiden  ersten  Themata  durch  Musonius  ist  uns  bei  Stob,  er- 
halten. 


—     7     — 

sophische  Diatribe  scheint  die  weite  Verbreitung  der 
stoischen  Moral  vermittelt,  die  geistige  Atmosphäre  der 
gebildeten  Welt  mit  einer  tieferen  Sittlichkeit  erfüllt  und 
ihre  ethischen  Gedanken  auch  Kreisen  vermittelt  zu 
haben,  die  der  Philosophenschule  fern  standen.  Schon 
Dioskurides  (um  100  v.  Chr.)  sehen  wir  in  seiner  Schrift 
riepi  Tü)v  Trap'  ^  OfXT^pu)  vojxtov  in  der  Weise  der  späteren 
Diatribe  den  stoischen  Massstab  an  alle  Gebiete  des 
Lebens  anlegen,  sehen  ihn,  auch  wo  er  Aristarch  und 
das  peripatetische  Sammelwerk  benutzt,  in  noch  höherem 
Masse,  als  sein  letzter  Bearbeiter  annimmt,  in  der  Aus- 
wahl des  Stoffes  von  stoischen  Grundsätzen  beherrscht^). 
Horatius  hat  schwerlich  nur  an  Bion  oder  Ariston,  son- 
dern auch  an  zeitlich  ihm  näher  liegende  Muster  der 
Diatribe  angeknüpft.  Und  wenn  neutestamentlichen 
Schriften  manche  Begriffe  und  Ideen,  Stilformen  und 
Vergleiche  mit  der  philosophischen  Litteratur  gemeinsam 
sind,  so  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Diatribe 
schon  auf  Stücke  der  urchristlichen  Litteratur  einen  ge- 
wissen Einfluss  ausgeübt  hat,  den  man  sich  nicht  einmal 
litterarisch  vermittelt  zu  denken  braucht.  Einen  beson- 
ders wichtigen  Zeugen  für  das  Fortleben  der  Diatribe  in 
der  Zeit  vor  ihrer  zweiten  Blüte  glaube  ich  in  Philo 
entdeckt  zu  haben.  In  seinen  Schriften  finden  wir 
Stücke,  die  die  Lieblingsthemata  der  späteren  Diatribe 
behandeln.  Den  Zusammenhang  oft  störend,  verraten  sie 
sich  als  willkürliche  Einlagen  und  heben  sich  öfter  auch 


1)  S.  R.  Weber  Leipz.  Studien  XL 


—    8    — 

stilistisch  merklich  von  dem  Tone  ihrer  Umgebung  ab^). 
Mit  Musonius  zeigen  sie  die  auffallendste  Uebereinstim- 
mung  und  weisen  eben  dadurch  auf  ältere  Quellen  hin. 
Alle  Gebiete  des  Lebens,  Speise  und  Trank,  Kleidung 
und  Wohnung,  das  Verhältnis  von  Mann  und  Weib,  die 
Formen  des  öffentlichen  Lebens,  die  Neigungen  und 
Thätigkeiten  der  Menschen  werden  hier  mit  stoisch- 
kynischem  Massstabe  gemessen^). 


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Im  Genuss  von  Speise  und  Trank  empfiehlt  Philo 
die  Beschränkung  auf  die  notwendigsten  Bedürfnisse. 
Gott  selbst  ist  ja  bedürfnislos,  und  je  weniger  der  Weise 
bedarf,  um  so  mehr  nähert  er  sich  der  Gottheit^).    Arm 


^)  Einzelne  kürzere  Reminiscenzen  an  diese  Stücke  finden 
sich  dann  oft  auch  in  einem  Zusammenhange,  der  an  und  für  sich 
nicht  an  eine  solche  Quelle  würde  denken  lassen. 

2)  Fürs  Folgende  ist  zu  beachten:  Die  einzelnen  Teile  von 
Philo  De  spec.  leg.  unterscheide  ich  nicht,  da  man  sie  nach  Man- 
geys  Seitenzahlen  leicht  findet.  Conybeares  Ausgabe  von  De  vita 
contemplativa  hat  mir  öfter,  auch  wo  ich  sie  nicht  citire,  gute 
Dienste  geleistet.  Stobaeus  citire  ich,  soweit  er  in  der  neuen 
Ausgabe  vorliegt,  nach  Seiten  von  Wachsmuth  und  Hense,  sonst 
nach  Meineke.  Die  Parallelen  aus  Clemens  zu  Musonius  sind,  wo 
Hense  sie  mitteilt,  nicht  wiederholt.  Clem.  bezeichnet  des  Cle- 
mens Alexandrinus  Paedagogus,  den  ich  nach  Paragraphen  citire. 
Die  besonders  auffallende  üebereinstimmung  Philos  mit  der  Dia- 
tribe  in  einzelnen  Ausdrücken  ist  durch  gesperrten  Druck  hervor- 
gehoben. 

3)  De  fort.  3  S.  377,  Harris,  Fragments  S.  101  b.  Der  Gedanke 


—     9     — 

ist  im  Grunde  keiner  zu  nennen,  da  jedem  der  Reich- 
tum der  Natur,  die  Luft,  das  Wasser  der  Quellen  und 
Flüsse,  die  Früchte  sich  zum  Genüsse  bieten^).  De 
praem.  et  poen.  17  S.  424  heisst  es:  ttXouxo?  o'  6  fisv 
T^g  (^ücsztuQ^)  sütsXtj?  lau  tpocpr]  xai  ofzeiTy]*  ipocpy]  [xev  g5v 
dcp'o«;  xal  va[xaTiaiov  56ü>p,  a  (lies  o)  iravxaj^otj  ttj? 
oixoü[jL£vyjc  avaxs^utat  ^).  Und  die  Nahrung  der  Thera- 
peuten, bei  denen  Philo  das  Ideal  einer  naturgemässen 
Lebensweise  verwirklicht  findet,  ist  Brod  nebst  Salz  als 
Zukost*)  und  Wasser,  oig  ^ap  rj  cpuöt?  sTTsaxrjöe  t(5  {>v73X(i) 
-^£vet  SsaTTotva?,    ttsTvocv  xe  xal  oi^J^av,    dTCOjASiXtaaovxai  xäv 


ist  zuerst  bei  Xenophon  Mem.  I  6, 10  ausgesprochen:  i^iü  5e  vofjLt'Cu) 
t6  fji.lv  [ji,r]8ev6s  SieaOat  ■&etov  slvat,  xo  6'  tos  ^Xa^^iaxcov  dYY'^xdxü)  xo5 
Oe^ou,  von  Kynikern  wiederholt. 

^)  De  fort.  2  S.  376  De  somn.  I  16  S.  635  xpocpTJs  fxev  yap  avay- 
xat'a?  «TTopos  ouSei's,  a^pts  av  Tirjyai  [xev  dvaßXuC«)(Ji ,  Tioxafxol  oe 
TiXrjfjifAupüiat  (so  die  besten  Hss.),  y^  Se  xous  dxrjaious  dvaStöiu  (codd. 
dva8(8u)at)  xapTrou?.     Quaest.  in  Gen.  II  67. 

2)  Q.  omn.  prob.  lib.  12  S.  457  xrjv  öAiyoGetav  xat  EuxoXt'av,  oTiep 
eaxt,  xp^vovxes  Tteptouaiav,  „Philos  Schrift  über  die  Vorsehung" 
S.  91 ;  vgl.  das  Apophthegma  des  Sokrates  bei  Stob.  S.  265, 13 
Hense  auxdpxeta  ydp  cp6aeü)s  iazi  ttXoüxos  (Gnoraol.  Vatic.  ed.  Stern- 
bach Nr.  476.  180)  Epicurea  Fr.  471.  476.  477  (Epikurische  Spruch- 
sammlung 25.  44)  202,  vgl.  Usener  S.  71,15  und  S.  376,  Heinze, 
De  Horatio  Bionis  imitatore  S.  20  Eusebius  bei  Stob.  S.  53, 8. 
416,15  Hense,  Sexti  sent.  294  Elt.,  [Hippokrates]  Epist.  17,37  S.  303 
Hercher,  Clem.  Paed.  II  7. 

3)  Brod  und  Wasser:  Quaest.  in  Exod.  II  18  (=  Harris  S.  55, 
vgl.  II  72).  De  vict.  3  S.  239  dpxos  ydp  i^ctax^  öocpt'a?  otapxrj? 
xpocpig. 

0  Fast  wörtlich  übereinstimmend  [Diog.]  Epist.  38, 4  7io[j.a 
8e  uScDp  vajxaxiaTov,  xpocpal  hi  dpxos  xal  o^'ov  aXes  -q  xctp- 
8a{A0V. 


—     10    — 

£t?  xoXaxsiav  siricpspovie?  oüSsv,  dXXa  auxa  la  XP'^^^M''^  0^ 
(I)v  av£u  Cr^v  o6x  laiiv  (D.  V.  C.  4  S.  477.  10  S.  484). 
Während  V.  Mos.  III  29  S.  169  die  Getreidefrucht  als 
einzig  notwendige  Nahrung,  sogar  die  Früchte  als  unnötig 
bezeichnet  werden,  werden  De  somn.  II  7  S.  665  neben 
Brod  und  Wasser  als  Tjöuafiaia  dva-^Kcda  wenigstens  '(T^- 
Tsiot  xal  Xa)(ava  xal  iroXXa  xaiv  dxpoSpucüV  xal  xupö?  xal 
er  Ti  aXXo  ofioioxpoTTov  genannt^).  Die  Gestattung  der 
Fleischkost  wird  hier  wie  Quaest.  in  Gen.  I  18  II  58  als 
besondere  Koncession  angesehen  ^).  Der  Zweck  der  Er- 
nährung   ist    die    Erhaltung    des    Lebens*),    und    dieser 


^)  Nützlichkeit  und  Notwendigkeit  sind  die  Normen  des  natur- 
gemässen  Lebens.  Gegensatz  von  dvayxata  und  ajxeTpa,  ueptixa: 
De  ebr.  52  S.  389  Leg.  all  II  6  S.  69  III  52.  53  S.  117  De  agric. 
9  S.  306,  vgL  V.  Mos.  I  6  S.  85.  III  29  S.  169  Q.  omn.  prob.  lib. 
12  S.  457  Philonea  ed.  Tischendorf  S.  63, 1  Legat,  ad.  Gai.  35 
S.  586  Quaest.  in  Gen.  II  67  IV  35  Quaest.  in  Exod.  16  II  18 
(=  Harris  S.  55).  72  Harris  S.  101  b.  De  somn.  I  20  S.  639  ist  etwa 
zu  lesen  aiTtojv  xal  Troxüiv  <7rXr)v>  a.\ixb  (Jidvov  tcüv  dvaYxat'wv  . . .  uTrepo- 
Tixat,  vgl.  Harris  S.  108.  —  Quod  deus  immut.  31  S.  294  De  plant. 
16  S.  339  wird  ohne  Nennung  des  Namens  das  Apophthegma  des 
Sokrates  (Laert.  Diog.  II  25  Cic.  Tusc.  V  91)  citirt,  der  angesichts 
einer  reichen  Tiointri  gesagt  habe  loexs,  oawv  ^(peCav  oux  eiin.  Porph. 
De  abst.  I  54  S.  128,  23  N.  (Epicurea  S.  296,21)  hat  man  Victorius' 
Besserung  mit  Unrecht  verschmäht:  ttoXü  yap  zb  rihb  £v  tiij  xaxa- 
voeiv  oaouv  a{)x6(;  j^petav  (oix)  'iyzi. 

2)  De  spec.  leg.  5  S.  273. 

^)  Wenn  De  somn.  eine  einfache  Zubereitung  der  Fleischkost  xpd- 
Tcov  T^ptütxüiv  ovxtüs  dv§p(jiiv  verlangt  wird,  so  ist  diese  Bemerkung 
veranlasst  durch  die  Litteratur  über  Sitten  und  Lebensweise  der 
homerischen  Helden  (Dioskurides,  Seleukos),  vgl.  von  Arnim, 
Quellenstudien  S.  122.  123  [Lucian]  Cynicus  14  Clem.  II  72.  78. 

^)  otafjiovi^,  Philonea  ed.  Tisch.  S.  63,2.  64,1. 


—   11   — 

Zweck  ist  mit  der  Befriedigung  von  Hunger  und  Durst 
erreicht.  Daher  heisst  es,  wohl  mit  Reminiscenz  an 
Xen.  Mem.  I  3,6  0  von  den  Therapeuten  (D.  V.  C.  a.  0): 
Sia  TouTo  laötoüGi  jxsv  waxs  [xtj  ttsivt^v,  Titvouai  Ss  &axe,  jjltj 
8i^J;r^v.  Die  sYxpaxeia  wird  die  Grundlage  des  gesamten 
Lebens  De  somn.  I  20  S.  639  (vgl.  D.  V.  C.  4  S.  476  De 
vict.  3  S.  239)  genannt^).  Auch  den  Weingenuss  sieht 
Philo  als  überflüssig  an^). 

Die  genauesten  Parallelen  zu  diesem  philonischen 
Ideal  der  naturgemässen  Lebensweise  giebt  uns  Musonius, 
der  einzige  stoische  Philosoph,  von  dem  uns  eine  syste- 
matische Behandlung  dieses  Gebietes  erhalten  ist.  In 
seinem  Vortrage  über  die  Verbannung  (bei  Stob. 
S.  751  H)  führt  er  aus,  dass  der  tüchtige  Mann  nirgends, 
auch  in  der  Verbannung  nicht,  Mangel  leide  (oben 
S.  9)    xal    Y^p    ouSs    oso^xsöa    iioXXaiv,    av    [iyj    ßouXwjxs&a 

XpUCpGCV  • 

£7121    XI    Ssi    ßpOXoTai    TtXyJV    OUOIV    fJLOVOV, 

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^)  GuveßouXsue  cpuXaxTea&at  xd  Ttei'Oovxa  (xrj  ireivüivxa?  daOt'eiv  (xyjSe 

Ot'j'uiVTaS    TTtVElV. 

-)  Xen.  Mem.  I  5,4  t)]v  dy/pareiav  apexr^s  elvai  xprj-t5a,  ange- 
führt von  lamblich  bei  Stob.  S.  271,17  Hense  und  nachgebildet 
bei  Sext.  sent.  86  a  EU. 

'•")  De  Jos..  26  S.63  V.  Mos.  III  29  S.  169  De  mon.  II  7  auvdXu); 
fjL£v  ouv  T/jv  oivou  /p^iatv  ocTiaai  xoii  xaxd  xov  ßtov  dXuaixeXeaxatrjV 
elvai  ÜTioXr^TiTeov  xxX.  Quaest.  in  Gen.  II  67. 

•*)  Eur.  fr.  892  N.  An  den  letzten  Vers  des  von  Chrysipp  viel 
benutzten    Citates    erinnert   die    S.  9    angeführte    Stelle   aus   Dq 


—     12    — 

\i'(iü  oh  Tou?  Y^  ^oifOü  a^ioü?;  dvSpac  ou  twv  dva^xaioiaiojv  ^) 
jjtovov  TTpos  Tov  ßiov  paoio)?  av  suttoosTv  Iqoj  ttj?  oixsias  (so 
lese  ich  statt  oixia?)  ovtot?  ^)  . . .  Die  der  Nahrung  gewidmete 
Diatribe  (S.  503  H)  beginnt  Musonius  mit  dem  Ge- 
danken dp/TjV  xai  uTroßoXrjV  toü  awcppovsTv  alvai  tyjv  £v 
aiTioi?  xal  TioioT?  s^xpocxsiotv  (s.  oben  S.  11).  Die  einfache 
Nahrung  soll  der  kostbaren,  die  leicht  zugängliche  der 
schwer  zu  beschaffenden  vorgezogen  werden^).  Die  an- 
gemessenste Nahrung  ist  für  den  Menschen  die  von  den 
Pflanzen  und  von  den  lebenden  Tiere  gewonnene,  nament- 
lich die,  welche  einer  Zubereitung  durchs  Feuer  nicht 
bedarf*),  or«  Stj  xd  xs  wpcda  xal  täv  Xa)(dva>v  Ivia  xal 
^aXa  xal  lupö?  xal  xyjpia^).    Auch  Musonius  verwirft  die 


praem.  et  poen.  Auf  Musonius  mag  zurückgehen  Clem.  Alex. 
II  19  cpuai/cov  (xev  ouv  xal  vrjcpocXiov  ttotov  dvayxalov  Sniicöatv 
IcjTtv  u8(üp.  Vgl.  auch  11  119  [Diog.]  Epist.  33,3  t-^  (aev  dfXTQ  revia 
xp^vat  T£  xal  yrj  ^Tti'xoupot  36,5. 

^)  Vgl.  S.  lO^und  Quaest.  Muson.  S.4,  Musonius  bei  Stob.  S.  175,2 
H  t6  t^?  XP^'^'S  dvoyxaiov,  S.  175,14  TrepiTTcc  xal  oux  dvayxara. 

-)  Auch  das  Folgende  berührt  sich  mit  De  praem.  et  poen. 
a.  0.;  vgl.  auch  Musonius  bei  Stob.  II  S.  337,9  ff.  Sen.  Epist.  25,4 
divitiae  paratae  sunt  .  .  .  panem  et  aquam  natura  desiderat.  nemo 
ad  haec  pauper  est  Dial.  XII  10,  5,  Epicurea  Fr.  201.  602  (oben 
S.  9-)  Clem.  II  14  ouSels  6e  ectiv  revr]?  ziq  xd  dvayxala  III  40  Plut. 
De  cupid.  divit.  2. 

2)  zbzeXric,  —  ttoXuxeXt^?,  eiTioptaxos  —  SucTidpiaxoa,  vgl.  8.528.  529  H. 
Auch  De  praem.  et  poen.  a.  0.  die  bei  Philo  beliebten  Ausdrücke 
eixeXVis,  TToXuxeXeta,  eoTidpiaxo;. 

^)  Laert.  Diog.  VII  26  heisst  es  von  Zeno  dTiüpiu  xpocpij]  /pcu- 
(xevos,  vgl.  Zeller  III  S.  318  Weber  Leipz.  Stud.  X  S.  117.n8 
Dümmler,  Antisthenica  15. 

5)  Vgl.  oben  S.  10,  über  die  Kyniker  Zeller  II  1  S.  318  Teles 
S.  4,9.  30,10  H.,  ferner  Epicurea  Fr.  466  ff.  181  und  S.  64,1. 


—     13     — 

Fleischkost  als  zu  schwer  und  dem  Denken  hinderlich'). 
Die  menschliche  Nahrung  muss  der  göttlichen  möglichst 
ähnlich  sein^),  d.  h.  die  leichteste  und  reinste.  Und  da- 
für beruft  er  sich  auf  das  Wort  des  Heraklit:  olö^ti  ^yjpy] 
^ojri  GfcücpcüTaTy]  xal  dpt'dxyj.  Er  verwirft  die  Künste,  die 
den  Zweck  haben  ty]v  iSwSrjv  tyjc  xpocpr^?  Icpr^Süvstv  xal 
TYjv  xaiocTToatv  xoXax£U£iv^).  Die  Unmässigen  sind  körper- 
lich schwächer,  die  Massigen  gesunder  und  kräftiger*); 
die  Schwelgerei  a'fxcpto  oiacp^^stpst,  4'^Xi^  ^^  ^^^  öwfia, 
ctüfxotTi  [jLsv  ötcjösvsiav  xal  d8uva[iiav,  ^^X^  ^^  dxoXaaiav 
xal  dvavopiav  IfXTroiouv  ^).  Der  Mensch  soll  die  Nah- 
rung  zu    sich    nehmen    ou^    Tva  ^Syjxai,    dXX'   Tva    Tps^pyj- 


0  Vgl.  Galen  Protr.  11  Sen.  Epist.  15,2.3,  die  Stellen  des 
Plut.  bei  Peerlkamp,  Musonii  reliquiae  S.  323. 

^)  Der  S.  8  besprochene  ethische  Gedanke,  der  hier  ins 
Physische  übertragen  erscheint,  findet  sich  zum  Teil  wieder  in 
einem  Satze  des  Musonius  bei  Stob.  III  S.  196  Mein,  eva  oe  xal 
(xdvov  TriaiTe6G0[jLev  elvat  7tXo6(Jiov  xat  socpöv  xöv  Suvafxsvov  xxi^aaaS'ai 
x6  dvevSs^?  iravxaj^ou,  genauer  noch  bei  Clem.  III  1  [Lucian]  Cyni- 
cus  12. 

^)  Vgl.  bei  Stob.  S.  526,7  H.  Clem.  H  9,  oben  S.  8  und  D.  V. 
C  6  S.  479  ye^cfiv  i^Süvat,  unten  S.  19. 

4)  Bei  Stob.  S.  506,4.  528,8  ff. 

">)  Mus.  bei  Stob.  III  S.  149, 16  ff.  Mein.  (Clem.  II  2.7.  17 
[Diog.]  Epist.  28,5  Sextius  bei  Sen.  Epist.  118,18.  Eusebius  bei 
Stob.  S.  293,7  H,  Kiessling  zu  Hör.  Sat.  112,  70ff.)  Oft  be- 
tont auch  Philo  den  Schaden,  den  die  Unmässigkeit  Leib  und 
Seele  bringt:  D.  V.  C.  4  S.  477  irXrjöfjLovrjv  ws  ij%p6^  xs  xal  im- 
ßooXov  4*'^/^^  '^^  ^o'l  ou)|j.axos  lxTp£7rofj.evot  Leg.  all.  III  20  S.  99  De 
ebr.  6  S.  360.  52  S.  389  Apol.  bei  Eus.  Praep.  ev.  VIII  11,11  Quod. 
det.  pot.  ins.  27  S.  211  De  agric.  22  S.  315  De  vict.  3  S.  239  De 
concup.  4  S.  352  De  mon.  II  7  S.  227  Legat,  ad.  Gai.  2  S.  548 
Quaest.  in  Exod.  II  18. 


—     14     — 

xai  und  Staixovr^?  Ivsxa^).  Er  soll  nach  dem  Worte 
des  Sokrates  essen,  um  zu  leben,  nicht  leben  um  zu 
essen  ^). 

Zum  Vergleich  mit  Musonius  sei  noch  herangezogen 
eine  Ausführung  der  philonischen  Schrift  über  die  Vor- 
sehung II  §  109 ff.  (=  Eus.  Praep.  VIII  14,66 ff.),  wenn 
diese  auch  aus  einer  verschiedenartigen  Quelle  geflossen  ist. 
Philo  beruft  sich  dort,  indem  er  die  geistige  Begabung  der 
Griechen  im  Gegensatz  zu  den  Leugnern  der  Vorsehung, 
die  die  Armut  Griechenlands  anklagen,  rühmt  und  auf 
die  Feinheit  der  Luft  zurückführt,  auf  das  von  Musonius 
angeführte  Wort  des  Heraklit^):  au^Yj  ^YjpT]  ^i>x^  aocptoTocTT] 
xocl  apiaiY].  Dies  Wort  findet  er  auch  dadurch  bestätigt, 
dass  die  Nüchternen  und  Massigen  verständiger,  die  Un- 
mässigen    unvernünftig    seien*).      Philo    bekämpft    dann 


1)  Bei  Stob.  S.  526,6.  527,7  H.,  vgl.  oben  S.  10  und  Ps.  Plut. 
riept  aaxTjceo)?  Rh.  M.  XXVII  S.  531.  Mit  der  S.  9  angeführten 
Stelle  aus  D.  V.  C.  ist  zu  vergleichen  Clem.  II  29  w;  ydp 
TpocpaTs  im.  t6  fXT]  Trelv^v,  outw?  xcct  ttotiü  irzi  x6  {jltj  8i<!^^v  ^^prjateov 
Sen.  Epist.  8,5.  Wörtlich  benutzt  wird  Xen.  Mem.  I  3,6  bei  Clem. 
II  15,  vgl.  Hense  Rh.  M.  XLV  S.  545.  546  luvenal  14,  316. 

2)  Bei  Stob.  S.  526,16ff.  (Clem.  II  1.  14).  üeber  das  Wort  des 
Sokrates  ist  jetzt  zu  vergleichen  Ilense  S.  295,7  495,4  (503,2), 
Sternbach  zum  Gnomol.  Vatic.  Nr.  479,  Conybeare  S.  219,  der  es 
dort  nicht  treffend  zum  Vergleiche  heranzieht. 

^)  Zu  beachten  ist  die  Uebereinstimmung  des  Philo  und 
Musonius  in  der  Interpolation  des  Citates  (s.  Hense),  die  auf  eine 
beträchtlich  ältere  Quelle  zurückgehen  mag.  „Philos  Schrift  über 
die  Vorsehung«  S.  81*. 

*)  ärt  ßa7rTiCo[ji.evoo  xoT;  Itteicioögi  toü  Xoyicffxoij,  vgl.  Clem.  II  5. 
17  Galen  Protr.  S.  15,22  K. 


—    15    — 

seinen  epikurischen  Gegner,  der  mit  Unrecht  Gott  den 
Vorwurf  mache  (§  97),  dass  er  den  Menschen  alle  Mittel 
zur  Schwelgerei  dargeboten.  Wenn  der  Mensch  alle 
Arten  von  Fischen,  Vögeln  und  Landtieren  für  seinen 
Genuss  verwende,  so  sei  darum  nicht  die  Natur  zu 
tadeln,  sondern  die  tierische  Roheit  ^),  die  alles  gemessen 
wolle.  Die  Massigen  begnügten  sich  Xaj^avcoSsi  x^^'fl  "^^^ 
xapiroi?  8£v8pü>v,  und  mit  Recht  hätten  auch  die  Gesetz- 
geber den  Luxus  eingeschränkt^). 


IIL 


Wie  Musonius^)  so  behandelt  auch  Philo  öfter  in 
seinen  im  Tone  der  stoisch-kynischen  Diatribe  gehaltenen 
Sittenpredigten  nach  der  Ernährung  Kleidung  und  Woh- 
nung.    Er  sagt  darüber  De   praem.   et   poen.  17  S.  424: 

aXSTTYJ?      5s      SlIXOV     sTSo?,     TG     [X£V     d  [ATTSJ^O  VT] ,     XÖ     o'    OlXta 

oia  TÄs  oLTzo  xpujxou  xal  OdXTrou?  TrocpaxoXouOoüaot^j  C/jfAtac. 
(üv    sxdxcpov    (so   F   statt   sxaiepa),     si'   ii^    sOoXvjasis    ty]v 


^)  Auch  Musonius  vergleicht  S.  528, 10  H  die  Schwelgerischen 
mit  Schweinen  und  Hunden.  Der  mit  Fischen  und  Vögeln  ge- 
triebene Tafelluxus  wird  bei  Clem.  II  3  ausführlich  beschrieben  und 
§5  (:=  Musonius  S,  527,7)  betont,  dass  Gott  Speise  und  Trank 
nicht  zum  Missbrauch  geschaffen  habe,  vgl.  §  9  [Lucian]  Cyni- 
cus  5  ff. 

^)  Auch  Musonius  Stob.  III  S.  149  Mein,  beruft  sich  auf  die 
besten  Gesetzgeber,  besonders  Lykurg,  die  die  Einfachheit  be- 
fördert hätten. 

^)  Die    Diatribe   Ilspt    ax^Tir]?    beginnt    xaÜTa    [xev    Ttept    xpocpr]? 


—     16     — 

TTSpiSp^OV     Xai    TTSpiITTJV     dtCpcXsTv     TZoXuT  iXeiaV  ^     SUTTOpiaTO- 

xaTov  D.  V.  C.  4  S.  477  (Con.  S.  75)  IttsI  Se^  xal  öxstty]? 

StTTov  eT8oc,  tö  [A£V  sa^TjC,  xo  8s  oixia,  Tispl  {jlsv  ouv  oixia? 

eipTitai      TTpOTSpOV      OTl     £!5TIV      dmXktüTZlGTO^     Xal     aUTO(J}(£8lO?, 

TTpöc;  To  ^(psiaiSss  «üto  (jiovov  sip'yaoffisvTj •  xat  sai)?]?  8e 
6}xoi«)?  suTsXscJTaxYj  TTpö?  dX£^Y][xa  xpüfioü  x£  xal  BaX- 
iroü?,  yXaXvoL  \ikv  airö  Xaötoü  oopa?  TzcnyzXa  )(£ifi.üivoc:,  Ico)- 
}ik  §£  Ospoü?  tJ  oOovyj^)  3  S.  475  ai  hl  oixiai  xaiv  öüveXtj- 
Xu06x(ov  öcpoSpa  (X£V  eüxsXeic  £i(3i,  Trpo?  ouo  xa  dva^xcti- 
oxaxa  öxliryjv  Tzapiyouaai  ^  irpo?  x£  xov  dcp'  tjXiou  cpXoyjxov 
xal  xov  ttTi'  d£po?  xpüfxov.     De  somn.  II  7.  8  S.  655.666 

Xt'c    •(£    [i-YjV    OUX  oT8£V,    OXl    d[Jl7r£)^6v7J    TTpOC    XOC?    ttTTO  Xpü[Xo5 

xal  ^dXitOü?  EYYivo}i£va?  ßXdßac  xuJ  acofxaxi  xaxEöxsua'aByj 
xo  7rpü)xov;  dXs^dvEjxo«;^)  [xlv,  wc  oi  iroiTjxai  ttou  cpaai  (Hom. 

^  529)  )(£i[xaivi dXXa  jxyjv   xal    oixia?    8ia    xÄs    auxa? 

eo£7jcr£v  f^jjLiv  aixia?,  xal  oirwc  ji-rj  irpo?  Or^pitov  t)  Oyjpio)- 
8£axdxü)V  xa?  cpua£i?  dvöpwTrwv  Imxps^^ovxwv  ßXaTrx(jü|i.£Ba 
De  mut.  nom.  43  S.  616  (=  De  somn.  I  18  S.  636) 
saÖY]?  "(ap  xa?  dirö  xpü[xoü  xal  O-dXirouc:  dveip^Ei  ßXdßa? 
xal  xa  diToppyjxa  x^?  cpuöEojc  iTricfxidCouaa*)  irpo?  £üxoa- 
jiia?    (so  B  statt  suxoöfxiav)    xoT?    /ptoji-lvoi?  loixi'v.     Auch 


^)  Conybeare  setzt  die  Korruptel  inzihri  in  den  Text.  Uebri- 
gens  hat  P  ^TretSr]  xai,  Q  ItteiSt]  8e  vcat. 

2)  Die  von  mir  bevorzugten  Lesarten  werde  ich  in  einer  Ab- 
handlung über  die  Therapeuten  rechtfertigen. 

2)  [Diogenes]  Epist.  16. 

^)  Clem.II  111  aiöjfüvofxai  yotp  cbc  dXrj&üis  opwv  tocoutov  iv.ys6- 
jjievov  ttXootov  st?  xrjv  aiSot'cov  axirjv.  Vgl.  auch  Philo  De  Cherubim 
35  S.  1G2  Tt'vo?  §£  evexa  ttX/jv  cxetit)?  xat  accpaXet'a?. 


—    17    — 

nach  Musonius  soll  Wohnung  und  Kleidung  allein  dem 
Nutzen^),  nicht  dem  Luxus  dienen,  und  zum  Teil  in 
wörtlicher  Uebereinstimmung  mit  Philo  führt  er  aus 
(S.  173  Hense);  i^^iou  82  xal  axsTryjv  xtjv  awcppova  xio 
G(üfxaxi  C>]T£Tv,  oü  TYjv  TToXuTsX^  xal  TTsptTxVjv^)  .  .  .  cpu- 
Xaxr^?  £V£X£V  xou  atutiaxo?,  dXX'  oüx  I7ri8£i^£(ü?  .  .  .  dinzz- 
)(6vY3  xai  uTr68£aic  y]  /pYjai.(j.a)xaxyj ')  x(ü  öwixaxi  xpaxiaxv] . . . 
eiteI  hh  axETTTj?  Ivexoc  xal  xa?  oixia?  T:oio6[X£{^a,  ^vjfi-l  xal 
xauxa?  Seiv  ■7r')i£ra&ai  irpo?  xö  x^c  y^pe.ioL';  dva*^xaTov  ^),  wg 
d7:£p6x£iv  {X£v  xpuo<g,  diTEpuxEtv  8£  {)otX7:oü?  xö  acpoSpov, 
Elvat  8'  fjXioü  xal  dvsfxwv  £Titxo6pr^fi,a  xot?  8£0{X£Vot?  ^). 
Clem.  II  106  •^YjfAl  xotvuv  oux  äWoo  xivö?  £V£xa  8£>3- 
O^vai  ucpaajjLaxtüV  xöv  dv&pcüTiov  t^  axiiz-qt;  awjjLaxo?  irpö'? 
dXi^Tjaiv  xpu[ia)v  x£  67r£pßoX^?  xal  xaü[jLdx(üV  £7rixda£ü)C,  {iri 
xt  Yj[xa^  irapaXüTroi'yj  xoa  Tr£pi£)(ovxo?  yj  d[x£xpia,  und  ähnlich 
äussert  er  sich  §  78.  116  über  Lager  und  Beschuhung  ^). 


1)  Vgl.  oben  S.  8^. 

2)  Vgl.  [Diog.]  Epist.  30,3. 

^)  Vgl.  [Lucian]  Gyn.  4.  Die  Kleidung  soll  aber  auch  nach 
Musonius  den  Körper  nicht  verweichlichen.  ouB'  oXous  ^Ivat 
dyeuaTOOs  xaXov  ^{j'/ooq  tz  xal  öaXTtoo?,  aXkä  piyoüv  ^(pY]  toc  [xexpta 
7si[j.wvo?  xai  rjXioüC'&ai  ^^pou?  (S.  174  Hense),  vgl.  650,4  H.  cuve^t- 
Cofxevwv  fjfxüiv  pt'yet  ödXTcet,  Sf^];^!  Xi{j.i)i  Philo  De  somn.  I  20  S.  639 
Treivav  Se/ea^ai  xal  U^o^,  •ÖccXtios  t£  xal  xpufxov  (so  A)  xal  oaa  d'XXa 
Soaxapx^pyjxa  UTiep  dpexTJs  xTriasoj?  IxotjAOTaxot  •  C'^jXwxal  xwv  eirco- 
piaxoxdxwv,  u)?  (j.7]5'  iu'  eoxeXel  /XaivT]  iroxe  SuawTirjö'rivat,  xoivavxt'ov 
Se  xd?  TtoXaxeXel;  ovetSo?  xal  fxsydXrjv  xoü  ßi'ou  Ci^|J-fav  vo[J.{Gat.  Dio 
VI  §  10.  11  Anton,  De  origine  libelli  iiepl  «j^^X*^^  xdap.üi  xal  cpuatos 
S.  476. 


Festschrift  für  Diels. 


18    — 


IV. 


Die  Kehrseite  der  asketischen  Forderungen  der  Stoa 
ist  die  heftige  Polemik  gegen  die  herrschende  Ueppigkeit 
und  Schwelgerei.    Mit  ganz    ähnlichen  Farben   schildern 
Philo  und  Musonius  den  in  Speise  und  Trank,  in  Tracht 
und  Kleidung,  in  Bau  und  Ausschmückung  der  Häuser 
getriebenen  Luxus,  mit  gleicher  Heftigkeit  und  Einseitig- 
keit, die  über  den  asketischen  Grundsätzen  den  notwen- 
digen geschichtlichen  Zusammenhang  zwischen  Luxus  und 
Kultur  ganz  übersieht,    bekämpfen  sie  ihn.     Den  Tafel- 
luxus  bekämpft  De   ebr.   52  S.  390:    xa  jxsv  ^ap  «[xyJkuv 
xal  jisXiTrVjxTCüV  xal  aXktov  djxu^T^KüV  7re[X[xaT«)V  noixikw- 
xaia  ^ivq  ou  jiovov   xatc   x^c  SXyj?  Siacpopaic,    dXXa  xal  xto 
xpoTTtp  x^s  xaxaöxsüTjC  xal  xoi^   ayrnicuai  Trpö?  ou  jiovov  xtjv 
ystSasa)?,  dXkoL  xal  xtjv  od'sojc:  dT:dxy]v  iisptsipYaaixsva  oi  Trepl 
aixoTTouav   dxpot  [xsXsxoiai.     Dann  wird  die  Thätigkeit  des 
Kellermeisters    im  Prüfen    der  verschiedenen  Weine  ge- 
schildert,   i/i^uac:  8e  xal  opvsi?  xal  xa  TuapaTiXiljöia  TroixiXcoc 
dpxüöai  xal  xaxaaxsudaai  xal  oöa  aXXa  ot|>a  YjSuvai  irspixxol 
xrjv  STTtöXTJjiYjv   sialv  suirpsTTsT?  6c}iapxüxai,   fiupia  X^P'^^  ^^ 
Tjxouöav    7J    siSov    dXX'    sx  x^c  öuve^oü?   jxeXsxyj?  xal  xpißr^? 
xtjov    (so    die    besten    Hss.  statt  x^c)    £i?    dßpoSiaixov    xal 
xsöpufifxsvov    xov   dpt'ojxov    ßiov   sTTivo^aai   Ssivoi   D.  V.  C.  6 
S.  479  TTpö?  8s  xouxois    at  irsfxiidxtov   xal   o^J^cuv  xal  rßua- 
[la'xtov  TToixtXiai,   Trepl  ä  öixottoioI  xal  o^apxoxal  irovouvxai 
....  sTTxa  70UV   xal    irXsioi)?  siofxojjLiCovxai   xpotTTsCai  ttXyjpsk: 
aira'vxojv    oöa  yr^  xs  xal  ^dXaöGa   xal  Troxajiol  xal  d^jp  cps- 


—     19     — 

poüöiv  sxXoYa  Travxa  xal  suöapxa,  ^(spöaiwv,  svüSpcov,  depo- 
Tropojv  oiv  ExocaiTj  StaXXotööst  xat  xai?  TrapaöxsuaT?  xal 
xatc  TrapapTudsatv  uTrsp  xou  [xyjSsv  sTooc  aTioXsicpO^vat  xaiv 
SV  x:^  cpuasi^)  De  somn.  II  7  S.  665  exi  ouv  yj  xevyj 
86$a  TrpoasTTs^yjxsv  dixTjxwv  xat  (xsXittVJxxcüv^)  7:e[X}j,a- 
xojv  Y^VT^  {JLüpict  xal  oivfov  «[xu^tjxoüv  7roXu£p''^oüC  xal 
irafXTTotxiXou?  xpaofst?  irpö?  diroXaüatv  yjSov^?  fiaXXov  tJ 
TTpö?  jxexoüCftav  xpocp^?  7rap7]pxü[x£va?.  Die  Köche  xa 
xaxa  xTjC  Tokaiv/]^  ^aGxpo<;  Ix  tioXXwv  )(p6vü)v  dvsupYjjxIva 
SsXsaxa  dvaxivVjaavxsc:  xal  ^uXaiv  iStoxyjxa?  axsudaavxs?  xs 
xal  8tai)£vx£?  Iv  x6ö{X(p  Trpoadaivooai  xal  xtOaösuouai  •(Xoix- 
xav.  De  agric.  5  S.  303  6  ^ouv  ttoXuc  o{JLtXoc  dvöptüTrwv  xd 
"y^C  £7Tta)v  xXijxaxa  xal  d^^pt  xaiv  irspdxcov  cpödvcüv  aux^? 
xal  xd  7r£XdY7]  7r£paio6[jL£VOs  ^)  xal  xd  Iv  p-uj^ot?  OaXdxxvj? 
dvaCvjxwv  xal  [xyjö£V  {X£po?  laiv  xou  Ttavxoc  dSiEpSüVYjxov  d£l 
xal  7ravxa}(ou  TropiCst  xauxa  8i'  div  yj8ovr]V  öüvaü^vjaEi. 
xaOdirsp  yo^P  o^  dXisüOfisvot  Sixxua  xaOiaaiv  löxtv  ox£  [ii^- 
xiöxa  tcoXXtjv  £v  xuxXo)  7r£ptßaXX6[X£voi  OdXaxxav,  iv  o)? 
7rX£i'axoü?  •  Ivxo?  Xy^Mvtol^  dpxtSüjv  ota  x£i)(T^p£i?  "^syovoxa? 
lyjioq  auXXdßwcJt,  x6v  auxov  xpoirov  tj  irXEraxY]  jjLoTpa  dv{^pa>- 
TTüjv  oux  IttI  [X£po?  OaXtt'xxYj?  [xovov,  dXX'  £cp'  (XTraofav  xrjv 
üSaxo^  xal  7^?  xal  dspo?  cpuoftv  xd  irdvaypa,  u)?  01  Tioiyjxat' 
TTOu  cpaat,   Xiva  x£ivaa'   diravxa   7ravxa)(6&£V   81'    yjoov^c:  aTio- 


>)  So  auch  V.  Mos.  II 4  S.  138  De  victimis  3  S.  239.  240  De 
concup.  8  S.  354  Q.  omn.  prob.  üb.  5  S.  450.  21  S.  469. 

2)  Vielleicht  ist  nach  De  ebr.  a.  0.  hier  eine  Lücke  anzu- 
nehmen. 

3)  Vgl.  [Hippokrates]  Epist.  17,25  S.  301  H  (Heinze,  De  Horatio 
Bionis  imitatore  S.  18),  Peerlkamp  S.  332  Friedländer  Sittengeseh. 
III  S.  32  Anin.  2  Quaest.  Musen.  S.  26'  [Lucian]  Cyn.  8. 

2* 


—    20    — 

Xaüötv  T£  xal  XP^"^^^  d^xiöTpsusiai.  xal  ^ap  ^^v  (xsiaXXsu- 
oüSt  xal  xa  Tzzkd'^y]  Staßaivoüöt  xat  laXXa  Tuotvia  oaa  EipVjvYj? 
xal  'iroX£[xou  Ip^a  Spoiaiv  uXac  acpöovou?  ü)?  ßaaiXiSi  tjSov^ 
TToprCovie?.  Auch  Musonius  klagt  über  die  vielen  Künste 
und  Erfindungen  auf  diesem  Gebiete,  die  sogar  zu  einer 
besonderen  Litteratur  geführt  hätten  (S.  505,14  ff.  H)  ^),  über 
die  masslose  Verschwendung  (S.  528):  irapaöxsuY]  {isv 
o^iüv  Y^^vsTai  {Xüpiü)V*  irXsixat  8'  yj  OaXatia  jxs^pt  tts- 
parcüv  [xa^eipoi  8s  "(swpYüiv  TrspiöTrouSaöToxspoi  siaiv^)* 
SstTTva  6s  TrapaxtOevxat  xive?  d^paiv  dvaXiöxovxs?  xi[xd?.  Vor 
allem  aber  sind  zu  vergleichen  eine  Reihe  von  Stellen 
des  Clemens,  die  Philo  nicht  entlehnt  sind,  die  aber  doch 
durch  ihre  Berührungen  mit  Philo  auf  ein  gemeinsames 
Vorbild  der  stoisch-kynischen  Diatribe  zurückweisen:  112 
ai  (JL2V  ouv  iroXusiSst?  ttoioxyjxs?  aTTOTrxüöxlai  TroixiXa?  Ivxix- 
xouofai  ßXdßac  . .  .  sxTropveuouSYj?  x^?  "^zoazis)«;  8id  xtvo?  xaxo- 
8ai[iovo?  Tiyyri<;  x^?  o^JiapxuxiXTJ?  xal  xtj?  djicpl  xa  TOjijxaxa 
jj-axaioxs^via?^)  ....  3  xauxa  xoT?  YjSüafAaaiv  l^aXXdaaovxs? 
Ol  'yaaxpifxapfoi  xoi?  o^j>ot?  eirixsxTJvaöiv,  ocsa  xs  ^(bisiv  ttovxou 
X£    ßsvöyj    xal    dspo?    diiizpriTOV    eSpoc    sxxpicpsi    xijj     auxaiv 


1)  S.  Oder  bei  Susemihl  Gesch.  der  griech.  Litt.  I  S.  876  ff. 

2)  Ueber  die  Köche  ereifert  sich  Philo  oft;  s.  ausser  den  von 
Conybeare  zu  S.  479,24  angeführten  Stellen  De  Plant.  38  S.  353 
De  Jos.  12  S.  50.  26  S.  63  De  concup.  8  S.  354  yacftpl  t^  TaXa^vy; 
§aci[j.ou?  aTiauciToi?  sJöcp^povxa?  dxpdxou,  7ie{j.[xccTü)v ,  Ij^biav,  auvdXuJs 
Öaa  ctTOTCövwv  xat  öd'apTUTÜiv  TeTe/vtTeu[j.^vat  Tiepiepyfat  (j-etd  Tiaviotojv 
^SeCfxccTOiv  Syjfxtoupyoüctv  (De  opif.  S.  61,7  Cohn).  Aehnliche  Stellen 
anderer  Schriftsteller  bei  Peerlkamp  S.  326.  327  und  in  Haases  In- 
dex zu  Sen.  unter  coquus. 

^)  üeber  das  Wort  s.  Kaibel,  Galeni  Protrept.  S.  41ff. 


—     21     — 

£X7roptCo[jL£Voi  Xatfxap^ia  . . .  4  xal  ^ap  el<;  xa  Tzi\L\LOLza  /al 
xa  (jLsXtTTTjxxa,  Trpö?  Ss  xal  etc  xa  xpaYi']fJiaxa  s^toxstXsv  stti- 
8op7:ia[xax(juv  ttX^Oo?  supiaxouaa  (sc.  yj  Xr/ydoC),  TravxoSaTia? 
07jpü>tx£vyj  TTOioxr^xa?  (vgl.  III  26).  Nur  oberflächlich 
berührt  sich  mit  Philo  De  ebr.  Clemens'  Ausführung  über 
den  verschiedenen  Geschmack  der  Weine  (II  30).  Schon 
S.  10. 11  sahen  wir,  dass  Philo  den  Weingenuss  wie  den 
Fleischgenuss  zu  verwerfen  geneigt  ist.  Zu  bemerken  ist 
noch,  dass,  wenn  er  den  Wein  D.  V.  C.  9  S.  483  acppoaüVYj^ 
cpapfxaxov  ^)  De  plant.  36  S.  351  öavaaifxov  <pap(xaxov  und 
(papfxaxov  [laviot?  nennt,  er  vielleicht  auch  einem  stoischen 
Vorbilde  folgt.  Bei  Clem.  II 20  werden  die  Anhänger  einer 
strengen  Lebensweise  (auaxr^pö?  ßio?,  stoisch)  gelobt,  die  das 
W^asser,  xrj?  cftücppoauvyj?  xo  cpapfiaxov,  lieben,  und  wird  den 
Kindern  geboten,  aTisj^sa&at  xoü  cpapfjiaxou  xouxou  (sc.  olvoü). 
Wiederholt  eifert  Philo  gegen  die  Ausartung  der 
Gastmahle,  die  er  mit  den  stärksten  und  lebhaftesten 
Farben  zu  schildern  weiss  ^):  Wenn  die  Gäste  vom 
Weine  den  Verstand  verloren  haben,  so  schreien  sie 
und  rasen  wie  wilde  Hunde,  beissen  einander  Nasen, 
Ohren,  Finger  ab  und  machen  des  Dichters  Wort  von 
den  »J^ajiJLou?  av8po}X£Oü?  fressenden  Kyklopen  wahr'').     Sie 


1)  Vgl.  De  ebr.  24  S.  371  De  creat.  princ.  8  S.  367  Stob. 
S.  519,11  if.H  Norden,  De  Varronis  saturis  Menippeis  S.  288  Sext. 
sent.  269  Elter,  Dioskurides  bei  Athenaeus  I  S.  11  A. 

2)  Ich  lege  zu  Grunde  D.  V.  C.  5  S.  477  und  ziehe  ähnliche 
Schilderungen  zum  Vergleiche  heran. 

3)  Unbegreiflich  ist  es,  dass  Lucius,  Die  Therapeuten  S.  117 
diese  Schilderung   als    nicht   philonisch   verwirft,  trotz   der    wört- 


—     22     — 

führen  das  Zerrbild  des  gymnischen  Kampfes^)  auf,  nicht 
aöXyjiat,  sondern  ai>XLoi.  Bringt  sie  nicht  jemand  ausein- 
ander, so  streiten  sie  mit  einer  Leidenschaft,  als  wollten 
sie  morden  und  sich  morden  lassen,  rasend,  ohne  es 
selbst  zu  wissen^),  vom  Weine  nicht,  wie  der  Komiker 
sagt  (Kock,  CAF  III  551  N.  810),  zu  anderer,  sondern 
zum  eigenen  Schaden  berauscht.  Die  gesund  und  als 
Freunde  das  Gastmahl  begannen,  scheiden  als  Feinde 
und  verstümmelt.  Die  einen  bedürfen  der  Anwälte  und 
Richter,  die  andern  der  Aerzte.  Die  einen  schlafen,  die 
andern,  erst  angeheitert,  verabreden  eine  Kneiperei  für 
den  folgenden  Tag^).  Durch  solches  Leben  richten  sie 
ihre  Familie  und  sich  selbst  zu  Grunde,  u^po?  yocp  xal 
aavDxoq  ßtoc  otTraaiv  iTti'ßoDXo?*).  Die  Gäste  verschlingen 
mit  einer  Gier  wie  die  SeevögeP)  die  Speisen  und  be- 
nagen selbst  die  Knochen.    Haben  sie  sich  bis  zur  Gurgel 


liehen  üebereinstimmung  mit  De  Plant.  39  S.  353  De  somn.  II  24 
S.  681. 

^)  De  plant,  und  De  somn.  a.  0.  D.  V.  C.  ist  zu  lesen  ä  yctp 
vrjcpovTc?  h  axaStots  IxStvoi  .  .  .  evexa  vi'xr]?  xat  axecpaviüv  '0Xu[X7ria- 
X(J5v  (vulg.  "OXofXTciovTxat  xat)  auv  t£)^vrj  Sptöaiv  .  .  .  Vgl.  Lykon  bei 
Rutilius  Lupus  II  7:  bibendo  provocat,  lacessit,  <si>,  sicut  in  proelio, 
hostium  quam  plurimos  superarit  atque  adflixerit,  amplissimam 
sibi  victoriam  partam  existimans. 

^)  oTiep  (statt  ocTiep)  oux  taatJt,  TrapaTcatovres  ist  zu  lesen. 

3)  Aehnlich  De  ebr.  6  S.  360.  33  S.  377  (50  S.  388).  53  S.  390. 
Hier  wie  D.  V.  C.  der  Ausdruck  dxpo^wpaxes,  über  den  Cony- 
beares  Kommentar  zu  vergleichen  ist. 

4)  Das  Folgende  6  S.  479. 

^)  xpoTiov  atOutüiv.  Die  andern  Beispiele  dieses  Vergleichs  s. 
bei    Conybeare   und   „Philos  Schrift  über   die  Vorsehung"  S.  67^. 


—     23    — 

vollgepfropft,  so  drehen  sie  den  Nacken  im  Kreise,  um 
wenigstens  Auge  und  Nase  zu  ergötzen^).  Durst  und  Hunger 
sollte  man  sich  lieber  wünschen  als  solchen  Ueberfluss. 

Gewiss  hat  Philo  gerade  in  diesen  drastischen 
Schilderungen  vielfach  den  eigenen  Pinsel  geführt  und, 
vielleicht  nicht  ohne  Uebertreibung,  nach  dem  Leben 
gemalt.  Aber  bedenkt  man,  dass  seit  Theophrast  und 
Lykon  solche  Schilderungen  sehr  beliebt  waren,  dass 
ihnen  sogar  in  der  Geschichtschreibung  über  Gebühr 
Raum  gegeben  wurde,  dass  die  Rhetorik  zu  solchen 
Ixcppaasi?  Anweisungen  gab,  dass  die  populär-philosophische 
Litteratur  eine  grosse  Vorliebe  für  sie  zeigt  ^),  so  ist  es 
doch  wahrscheinlich,  dass  er  auch  hier  von  dem  Muster 
der  stoisch-kynischen  Diatribe  wenigstens  nicht  unbeein- 
flusst  war.  Darauf  scheinen  hinzudeuten  das  Einstreuen 
von  Anspielungen  auf  einen  Homervers  und  auf  einen 
unbekannten  Vers  der  Komödie,    dessen  Sinn  nach  der 


Conybeare  schreibt  aiduüiv,  aber  OP  haben,  was  er  nicht  erwähnt, 
aidutwv,  ebenso  die  Parallelen. 

0  Vgl.  De  agric.  8  S.  305  De  opif.  S.  61,7  Cohn.  Dieselben 
Bilder  auf  den  Geniiss  der  Weisheit  übertragen  De  somn.  I  9 
S.  628.  Vgl.  auch  De  somn.  I  20  S.  639  De  prof.  5  S.  550.  Ein 
anderer  Zug  Leg.  all.  III  51  S.  116  ^fAexots  (so  Diels)  )(prj(5cc{ji.evoi 
irctAtv  ^Ttl  Tov  axpaxov  xat  xaXka  wpfxrjaav. 

2)  Sen.  Epist.  95,65.  66  (Posidonius)  ait  utilem  futuram  et 
descriptionem  cuiusque  virtutis:  hanc  Posidonius  ethologiam  vocat, 
quidam  characterismon  adpellant  signa  cuiusque  virtutis  ac  vitii  et 
notas  reddentem,  quibus  inter  se  similia  discriminentur  .  .  .  descrip- 
tiones  has  et,  ut  publicanorum  utar  verbo,  iconismos  (Rhet.  Gr.  ed. 
Spengel  III  108,12)  ex  usu  esse  confiteor  etc.  S.  auch  Cic.  De 
fin.  II  23. 


—     24     — 

beliebten  Manier  der  Diatribe  umgebogen  wird^),  die 
Etymologio  aöXTjxai — aOXiot^),  endlich  manche  Berührun- 
gen mit  Clemens,  die  für  diesen  wieder  an  Musonius  als 
Quelle  denken  lassen.  Auch  bei  diesem  findet  sich  der 
Zug,  dass  die  Gäste  in  widerlicher  Gier  auch  die  Gerüche 
sich  nicht  wollen  entgehen  lassen^),  wird  die  Fortsetzung 
der  Gelage  über  mehrere  Tage  hervorgehoben  (II  26), 
der  Zustand  des  axpoöwpac  gezeichnet  (II  22).  Auch 
er  redet  gelegentlich  von  Ipios?  xal  [xofj^ai  xal  Ij^i^pai  bei 
den  Gelagen  (II  53). 


V. 


Ich  gehe  über  zu  Philos  Polemik  gegen  den  in  Tracht 
und  Kleidung,  Ausstattung  der  Häuser  und  Hausgerät 
sich  äussernden  Luxus  und  folge  dem  Gange  der  in  De 
somn.  II  7.  8  S.  665.  666    eingelegten    und    schon    öfter 


^)  S.  Wachsmuth,  Sillographorum  rel.  S.  69  ff.  Heinze  a.  0. 
S.  19  Hense  Rh.  M.  XL VIII  S.  233.  235  Giesecke,  De  philosopho- 
rum  veterum  quae  ad  exihum  spectant  sententiis  S.  33.  34  und 
den  Index  unter  „Homer",  Elter  De  gnomologiomm  Graecorum 
bist.  S.  64.  De  somn.  I  10  S.  629  De  migr.  35  S.  467  verwendet 
Philo  Od.  S  392  ähnlich  wie  Musonius  bei  Stob.  S.  245  W.  Laert. 
Diog.  II  21  VI  103.  Eine  andere  homerische  Floskel  De  somn. 
II  10  S.  668. 

2)  Clem.  II  2  Galen  a.  0.  11  S.  18  K.,  der,  wie  Kaibel  zeigt, 
in  dieser  Schrift  viele  stoische  Gedanken  übernommen  hat.  Norden 
a.  0.  S.  299.  300. 

3)  II  11  (Hör.  Sat.  II  7,38.  2,19).  Zu  vergleichen  sind  auch 
die  Schilderungen  am  Schluss  von  §  7.  9.  15. 


-     25     — 

herangezogenen  Deklamation.  Es  heisst  dort:  xi?  ouv  xa? 
dXoüpYiSa?,  Tiq  xa  Stacpocv^  xocl  XsTrxa  Osptcfxpa,  xi?  xa? 
dpa)(voücp3t?  dfiirs^^ova?,  xi?  xd  £Tcr^vOiG>{x£va  tj  ßacpai?  vj 
TrXoxfti?  8id  xoiv  ßdT:x£iv  (so  Mangey  statt  pdicxsiv)  73 
ucpaivetv  iroi/iXa  £7riaxa{jL£va>v  xat  xy]v  iv  C«>7pacpicjL  [xiti-yjaiv 
irapEüYjtjLEpouvxcüV  oaioaX£U£xai ;  xi?;  oü)^  73  x£V73  86^a; 
Aehnlicli  Clem.  II  107  £t  0£  au}x7r£picp£p£ai)ai  XP"^?  oXqov 
£vSox£ov  auxcdq  (den  Frauen)  [xaXaxcuxipoi?  ^P^i^^Q^^  "^^^^ 
6cpd(3[JLaaiv  [jlovov  xdc  |j,£[X(«pr^fjt£va?  X£'7rxoup7ias  xctl  xd?  Iv 
xais  ucpai?  'ir£pi£pYou;  TiXoxdg  £xiro5(Lv  |i,£i)i(3xdvxa?  .  .  .  xd 
^dp  ir£pixxd  xauxa  xal  Siacpavyj  .  .  .  108  Trapccixyjxlov  §£  XTJ? 
lai^rjXO?  xal  xd?  ßacpd?  109  xd  x£  X9^^^  7r£7:otxtX|X£va  xal 
xd  dXoüpYoßacp^  .  .  .  xal  xoiv  ufXEviojv  xwv  'n:£pi67rxü)V  xd 
ttoXuxeXt]  xal  iroixiXa  ijxdxta  E^ovxa  CtpSta  £V  x"^  7ropcpupG|L 
aüXTJj  x£5(V(]  yarp£iv  £ax£ov '). 

Philo  wendet  sich  a.  0.  weiter  gegen  den  Luxus  im 
Häuserbau;  xi  ouv  xd  [jl£V  ISa'cpyj  xal  xou?  xoi'xo'^^  iroXu- 
xfiXiai  XiOoi?  8iaxoa|xouji£v;  xt  §£  'Aaiav  xal  Aißür^v  xal 
Trdaav  EupwTnrjv   xal  xd?  vVjaoü?    £7r£pxojX£i)a  xiova?  dptaxiv- 

OYjV    £7riX£X£*j'[l£VOÜ?    Xal     iTriÖXüXröa?     £p£UVü)VX£C;     Xl     §£    7r£pl 

Atopiou?  xal  'Icüvixd?  xal  Kopivi)iaxd?  'jXücpd?  xal  oaa  01 
£vxpucpa)vx£?    xai}£ax(jjai    (so    Mang,     statt    tiioai)     v6[ioi? 


^)  Kynisch  ist  auch  der  Ton  bei  Philo  De  Prov.  II  19  (=  Eus. 
Praep.  VIII  14,  13)  ia^fizic,  ye  fx7]v  Trpoßaxtüv  eta^v,  tos  ol  TrotT^xai 
7106  cpacfiv,  d'vOos,  xaxa  hk  ttjv  STjfxioupyov  Te^vrjV  u9avT<5v  eraivo?. 
Vgl.  Clem.  II  111  t6  TroXu-eXe?  xr);  iaOrjxo?  ot£XeYxt"[J^ev  ^TriXeyovxe? • 
Tpiyzi  laxe  Trpoßdxoov.  Den  Parallelen  Quaest.  Muson.  S.  18  „Philos 
Schrift  über  die  Vorsehung"  S.  52^  füge  ich  hinzu  Galen  a.  0. 
S.  6,18  (vgl.  Kaibels  Kommentar)  und  Gnomol.  Vatic.  ed.  Stern- 
bach 177.  484. 


—    26    — 

TTpoasSsupov  aTTOuSaCofJLSV  t£  xal  cpiXoTi[xou{i£da  xiovoxpava 
xocfjxouvts?;  II  bh  ^^poaopocpoü?  avopcivac  xal  -^uvaixojvi- 
Ti8a?  xaxaax£üaCo}J-£v ;  ap'  oü  oiol  tyjv  x£vrjV  86^av;  De  Cherub. 
30  S.  157.  158  xoviajxaxa  xat  ^pacpal  xal  Trivaxia  xal  Xi- 
Oü)V  7ToXuT£Xa>v  5iai)£a£t?,  ai?  ou  [xovov  xot^ow??  «XXa 
xal  xa  £5a'cpYj  TroixiXXouat  ^).  Auch  hier  berührt  sich  mit 
den  philonischen  Ausführuugen  wieder  die  Polemik  des 
Musonius  gegen  die  Häuserpracht  bei  Stob.  S.  175  Hense, 
namentlich  die  Worte:  xi  6'  al  'ir£piaxuXoi  auXai;  xi  S'  ai 
-jToixi'Xat  )(pia£ic;  xt  8'  ai  )(püa6pocpot  axl^ai  ([Lucian] 
Gyn.  9);  xt  o'  ai  iroXüX£X£iai  xwv  Xidoiv,  xa>v  [x£v 
)ra[jLal  auvTjpfxocJjxIvüiV,  xaiv  o'  si?  Toijoo^  i^XcifiEVCDV,  iviwv 
xal  Tiavü  7r6pp(üi)£v  r^Yfiiviov  [Xiöcov]  xal  6i'  avaXcüfiofxwv 
irXEiöxwv;  ou  xauixa  Travxa  7:£pixxa  xal  oüx  ava^xala  .  .  .;^) 
Weiter  tadelt  Philo  die  verschwenderische  Ausstattung 
der  Betten:  xal  [xyjv  Tipo?  x£  uttvov  [xaXaxov  \ikv  iSacpo? 
auxapx£s  ^v  (De  somn.  I  20  S.  639  De  spec.  leg.  5  S.  274) 
—  £Ti£l  xal  {X£Xpi  Vüv  xoü?  YU[ivoaocptaxa?  irap'  'IvSot? 
^a|X£üV£tv  £x  iraXaioiv  ibS)V  xax£/£i  Xo^O'^  — ,  £i  6£  [XTJ, 
öxißas  70UV  £X  Xi^cjov  Xo"j'a6a)v  tJ  ^üXtov  £ux£Xaiv  7r£TC0iy][X£vr] 
xXivTj.  aXXa  ^ap  £X£cpavx67:o8£s  xa  EVTJXaxa  xal  xXivxr^- 
p£?^)  oaxpaxoi?  iroXux£X£ai  xal  TroixiXat?  )(£Xtt)vai? 
£v8£0£[X£Voi  ^)    (X£xa    •jioXXoiv    TTovojv    xal     oa7ravyj}xa'xü)v     £v 


^)  De  agric.  35  S.  323  xovictfxaxa  xal  Xi^pous,  xda,aov  ä^oyo^^, 
oix^ats  TTEptTiOevTe?  De  decal.  25  S.  202. 

2)  Parallen  bieten  auch  Horatius,  Seneca,  [Diogenes]  Epist. 
28,6  Gnomol.  Epikt.  39.  40.  43.  47  S.  472  Seh.  Peerlkamp  S.  340. 

^)  So  Mangey  statt  xXtvxrjpas  und  ev8eoe(xevats. 


—    27     — 

TToXXto  X9^^^  xaxaaxsüaCoviat,  xtvs«;')  8s  oXoGcp^upoi  xai 
oXoj^pücsoi  xat  XiöoxoXXr^Tot  axpcofxvai,  dvi)7]po7roi.xrA.oi?  xal 
)(puao7raaTOi,?  epi'otc  o)?  7rp6?  Iirßsi^iv  xal  irofXTTTJv,  oü  tyjv 
xai^'  Tjjispav  XP^i^^^  oiaxsxoajxyjjj-svar  div  orj^iioup^o?  tj  xsvtj 
66^a.  So  verschmähen  auch  die  Therapeuten  bei  Philo 
ein  weiches  Lager  und  begnügen  sich  mit  einer  einfachen 
mit  Matratzen  belegten  Streu  (9  S.  482)  ^).  Dazu  werden 
S.  488  im  Gegensatz  gestellt  die  üppigen  Pfühle  heid- 
nischer Gastmahle:  xpixXiva  x£  xal  TrsptxXiva  /sXwvyj?  tj 
sXscpavxo?  xax£(3X£uaa}X£va  xal  xi{xaXcp£ax£pas  uXtj?,  a>v  xa 
T:\zXazoL  XiöoxoXXyjxa*  axp(ü|xval  dXoup^ei^  £Vucpaa[jL£voü 
5(püöoü  xal  avöoßacpst?  £X£pat  Travxoiwv  j^pwjxaxcuv  Tipö? 
x6  xr^g  otj^sws  e7:a7a)Yov.  Aehnlich  De  spec.  leg.  5  S.  274 
De  prov.  II  22  (=  Eus.  a.  0.  §  17):  xXtvai  Xi{>ox6Uy3xoi 
xal  6X6)(pu(5oi  .  .  .  dpa)(Voücp£T«;  t^  XtO«)  •ys-j'pacpyjjxEva'. ^)  De 
somn.  I  20  S.  639  TzoXozzkzXf;  xXtva?  xal  £üavi)£axdxa?  axpa)[jL- 
va?  £üxp£7riad|i-£vot  {xaXaxto?  acpoopa  xaxaxXivovxai. 

Auch  Clemens  II  77.  78  verbietet  ein  weiches  Lager 
(wie  Musonius  bei  Stob.  S.  650,  5  Hense),  will  aber 
andererseits,  wie  auch  Philo  die  Therapeuten  die  yVaxo)- 
vixY]   axXyjpa^cüYta*)  verschmähen  lässt  (vgl.  De  concup.  4 


0  Statt  Tiv^s  ist  vielleicht  ext  zu  lesen.  Vgl.  auch  De  somu. 
I  20  S.  639. 

-)  Die  bei  Conybeare  nicht  glücklich  behandelte  Stelle  ist 
wohl  so  herzustellen :  d  ttou  tis  Ü7ioXcc[i.ßdv£t  aTpu)[Avds  .  .  .  eOxpe- 
TTtöOai,  axißdSe?  Trdpeiaiv  (codd.  yap  e^cftv),  dcp'  (codd.  dcp')  wv  ^a- 
fAa{axp(üxa  uaTiupou  t^s  ^yj^ujptou. 

^)  Ueber  den  sehr  zweifelhaften  Text  s.  „Philos  Schrift  über 
die  Vorsehung"  S.  92. 

*)  Musonius  bei  Stob.  Ecl.  II  242,17  W  tov  o'  au  Aaxwvtxüis  tuu)? 


—    28    — 

S.  352  [Heraklit]  Brief  IX  S.  77,23  Byw.),  auch  nichts 
wissen  von  einer  xsvooo^ia  KuvixtJ,  die  dem  Diomedes 
nacheifert,  von  dem  es  heisst:  utto  8'  eaipwio  pivöv  ßo6? 
d^pauKoio  ^). 

Weiter  findet  sich  eine  Aufzählung  fast  der  gleichen 
Luxusartikel  bei  Musonius  (Stob.  III  S.  147  Mein.):  xal 
jxTjV  auvü)8a  xal  öu-^y^vt]  t^  irspi  xa?  oixia?  TuoXuTsXsia  xai 
xa  Tojv  ax£uu)V  xciv  xax'  oixiav  cpaivsxat  ovxa,  xKivai  xal 
xpa'TTsCat  xal  axptüfiaxa  xal  zi  xi  xoiouixov,  Tra'vxo)?  xtjv  X9^^^^ 
uTTspßsßrjXOxa  xal  TrpoöcDXSpcu  xwv  dva^xaitov  sXyjXuöoxa* 
xXtvat  [isv  eXscpdvxivai  xal  dp^üpat  y)  vyj  Aid  ^^puaai, 
xpaTusCai  8s  TrapaTiXifjatac  SXyjc,  axpcoixval  8s  dXoupY&T?  xal 
aXXüiv  )(pa)}xdxü>v  8uö'iTopi(3Xü>v  .  .  .  xal  aTrou8dC£xai  xauxa 
Trdvxa  xo5  \ihv  ay.(\nzohoi  ouSsv  xaxito  Kap£)(0[i£Vou  xaxd- 
xkaiv  yj[jLLV  xr^c  dp^üpd?  t]  x^c  sXscpavxivyjs  xXivtjC  (Gnomol. 
Epikt.  13  S.  465  Seh.),  Tr^<;  8s  aiaopa?  txavwxdxr^«;  ouar^(; 
uTTSSxpwa&ai,  waxs  [xrj  8£iai}ai  iropcpupiSo?  r^  cpoivixiSoc.  Und 
sicher   geht   auf  Musonius    zurück  Clem.  II  35  xXivai  xs 


rjY[j.£vov.  Mit  Philo  ist  zu  vergleichen  der  pythagoreische  Spruch 
bei  Stob.  S.  16,1  Hense  C^^v  xpelxTov  laxiv  iiii  axtßccSo;  xaxaxet'fjievov 
■/.od  ^appeiv  -q  xapdxxea^at  ypua^v  eyovxa  xX(v7]V  Ps.  Plut.  Ilepi  dtJXTj- 
aeu);  Rh.  M.  XXVIII  S.  531.  Strenger  Diogenes  bei  Epiktet  I  24,7 
III  22,47.  Teles  S.  4,10  H  fragt  die  Armut:  o-jx  euvds  aot  xoaauxas 
Trape^w  bnocsri  yTJ;  xal  öxpiopa?  cpüXXa;  Ebenso  [Lucian]  Cynicus 
15  (1.  5)  Anacharsis  Epist.  5,  vgl.  Philo  De  somn.  I  20  xouxoi? 
ttoXoxeXt]?  [j.£V  Icxt  xXt'vrj  [xaXaxov  eSacpo?,  cxp(ü|j.vr]  oe  dctfxvot,  7:dai, 
ßoxctvat,  cpüXXu)v  ttoXXt]  yyaiq.  S.  auch  Teles  S.  40,12  41,1.  [Diog.] 
Epist.  37,6.44  Zeller  II  1  S.  318. 

^)  Ueber  die  kynische  Verwertung  der  Stelle  s.  [Diog.]  Epist. 
37,4  E.  Weber  a.  0.  S.  232.  233  und  R.  Weber  Leipzig  Stud. 
XI  S.  94. 


—    29    — 

ötp^üpoTToSs?  xai  sXscpavTOxoXXTjToi,  )(püa6öTtxxoi  xs 
xal  )(£Xa)VYj?  (^(sXwviQ  Sylburg)  Trs7:oixtX[i.£vai  xoityj? 
xXiöiaSs?,  aTptü{xvai  ts  aXoup^Eiq  xal  aXXwv  ^(pwjxaTwv 
^uaTropiaiüiV,  aTisipoxaXou  TpücpTJ?  xsxjATjpia  (vgl.  II  77)^). 

Nachdem  Philo  De  somn.  a.  0.  nur  den  Gebrauch 
des  Oeles  zum  Salben  gestattet  und  den  masslosen  Luxus 
auf  diesem  Gebiete  verworfen  hat^),  geht  er  über  zum 
Trinkgerät.  Echt  kynisch  meint  er,  als  Becher  könne 
uns  der  von  Natur  verliehene,  die  gehöhlte  Hand,  ge- 
nügen^), und  will  zur  Not  noch  das  ^swpyixov  xiaa;6ßtov 
gelten  lassen,  xi  8s  dp^opaiv  xal  )(püacüv  xüXixgov  dcp- 
Oovoiv  ttXtjOo?  xaxaaxsudCso&ai  (sc.  iSsi),  et  (xt]  6ia  xöv 
cppuaxxojJLSvov  [leyaXa  xo^pov  xal  xyjv  Itc'  aiwpac  cpopoüjjLsvyjv 
xsvYjv  66^av;  Aehnlich  wird  wieder  D.  V.  C.  6  S.  478  an 
den  heidnischen  Gastmahlen  gerügt  sxTrcüixa'xcuv  'irX^i>o? 
£xx£xa7|Jt£va)v  xa{)'  sxasxov  £160? *  puxa  "^ap  xal  cpidXai  xal 
xuXix£s  xal  Ixepa  iroXu£i8^  x£)(vixa)xaxa  Oy]pixX£ia  xal  xo- 
p£iai<;  sTTiaxyjjxovixüiv  dvSpwv  -igxpißcüfxsva.  —  Auch  Musonius 
verwirft  bei  Stob.  III  S.  147  M  im  allgemeinen  die  golde- 
nen und  silbernen  oder  aus  andern  kostbaren  Steinen 
gefertigten  Becher.  Genauer  lernen  wir  wohl  seine  Aus- 
führuDgen  kennen  bei  Clem.  II  35,  aus  dessen  Aufzählung 
ich  heraushebe:    sxTrcofxaxcüv  xoivüv  dp-^üpou  xal  ^(puaoui 


^)  Vgl.    auch  [Diog.]  Epist.  37,3   und    die    mit   Unrecht    dem 
Teles  zugeschriebenen  Diatribe  bei  Stob.  III  S.  188,6  jff.  Mein. 

2)  Vgl.  Clem.  1166.67   „Philos    Schrift    über  die    Vorsehung" 
S.  66  De  plant.  38  S.  353. 

3)  Nach  der  bekannten  Erzählung  von   Diogenes:  Zeller  II  1 
S.  318  Gnomol.  Vatic.  ed.  Sternbach  Nr.  161.    Vgl.  Sen.  Epist.  119,3. 


—    30    — 

diraiY]  [JLovov  .  .  .  eppovitov  xotvüv  OyjptxXsioi  xtvs?  xuXixs? 
.  .  .  xal  Ta>v  £X7:a)[iaxa)v  eiotj  xa  jjLüpia  .  .  .  val  {xyjv  xai 
xopsüxcüv  TTSpiep^o?  ecp'  uIXü)  xsvoBo^ia  .  .  .  'Ttspiopiaxsa  .  .  . 
axeüTj  ap^üpa  xai  /püCfa.  Und  bei  Stob.  S.  147  M  sagt 
Musonius,  vom  hölzernen  Tisch  schmecke  es  ebenso  gut 
wie  vom  silbernen,  aus  irdenem  Becher  werde  der  Durst 
ebenso  gut  gelöscht  wie  aus  silbernen  und  goldenen^), 
der  Geschmack  des  Weines  dazu  nicht  beeinträchtigt. 
Im  weiteren  wird  dann  gezeigt,  dass  die  einfacheren  Ge- 
räte wegen  des  billigeren  Erwerbes,  des  bequemeren  Ge- 
brauches, der  leichteren  Erhaltung  den  Vorzug  ver- 
dienen. 

De  somn.  a.  0.  richtet  Philo  sich  weiter  gegen  den 
Gebrauch  kostbarer  Kränze:  oxav  xal  (jx£9ava)ai  (so  schreibe 
ich  statt  ax£(pavou»ai)  xiv£?,   dCiouai  fxTj  odcpvyj?  jjltjSe  xixxou, 


^)  Vgl.  ausser  Philo  Lucian  Symp.  14  xt  ßouXovrai  auxw  a.\ 
Tocaüxai  xal  xrjXixaüxat  xÖXixe?  twv  xspaasöjv  i'aov  Suvafxevwv  [Gyn.] 
9  Horatius  Sat.  12,114  (II  2,15.25.38),  Heinze  a.  0.  S.  24  Sen. 
Epist.  119,3  Clem.  II  30.  37.  Gelegentlich  sei  gegenübergestellt 
Hör.  Sat.  112,  101  ergo 

Quod  superat,  non  est  melius  quo  insumere  possis 

Cur  eget  indignus  quisquam  te  divite?  quare 

Templa  ruunt  antiqua  deum?  cur,  improbe,  carae 

Non  aliquid  patriae  tanto  emetiris  acervo? 
und  Musonius  S.  175,17  xai'xot  7:ocju>  (Jiev  s^xXedaxepov  toO  ttoXoxsXiü? 
ofxeiv  t6  tioXXous  eOepyexeiv:  irdau)  Se  xaXoxaya&ixwxepov  toü  dvaXi- 
axeiv  zlz  ^(iXoL  xat  Xt{}ou?  tc  et?  dvOptüTTOu?  dvaXt'axeiv;  .  .  .  xi  8'  av 
dvatxd  TIS  X7]XixoÜTOV  diz''  oi'x^a?  {j-eye^ous  xe  xal  xotXXou?,  f^Xixov  dr.b 
xoü  ^ap(Ceci^at  TtdXet  xal  TroXt'xai?  ix  xüiv  sa-jxovi;  Durch  die  Stelle 
des  Musonius  wird  die  von  Maass,  Orpheus  S.  13  angeführte 
Parallele  aus  Dio  ergänzt. 


—    31    — 

{X7J  lü)V  7J  xpivdjv  ri  poSou  yJ  OaXXou  auvoXü)?  yJ  tivo?  avi)ou? 
EütüSsi  aT£cpav(|)  (^(p^aOai)  ^)  irapsXöovTSC  xa  Osou  Soipa,  5  8ia 
Toiv  Ittjöioüv  («pcüv  avaSiöoicsr  ^(puaou?  8s  uTi^p  xscpocXrjc  ßapuia- 
Tov  a5(i}o?  aiojpoüöiv  Iv  ayopa  jJ-söifj  xai  TrXyjOouaif]  X^P^'^ 
ai8ou?.  Auf  demselben  Standpunkte  steht  Epiktet  D.  I 
19,29.  Dem-,  der  die  Ehre  des  goldenen  Kranzes  begehrt, 
erwidert  er:  „Verlangst  Du  nach  einem  Kranze,  so  lege 
lieber  einen  aus  Rosen  statt  des  goldenen  um;  denn  er 
riecht  besser^)".  Philo  beschliesst  seine  Diatribe  gegen 
den  Luxus  mit  dem  stoisch-kynischen  Schlussurteil,  dass 
er  in  allen  den  Vorkehrungen  des  natürlichen  mensch- 
lichen Lebens  Formen  des  xaTs^suaffievo?  xal  xsiucpwfxsvo?  ßio? 
sieht,  der  dem  aXyj^Yjc  xal  aiucpo?  ßio?  gegenüberstehe^). 

Werfen  wir  noch  einen  Blick  rückwärts  auf 
die  Anordnung  und  den  Zusammenhang  der  Gedanken 
in  dieser  Diatribe.  Denn  nicht  nur  in  einzelnen  Aus- 
führungen, sondern  auch  in  der  Gruppirung  derselben 
zeigt  sich  eine  auffallende  Uebereinstimmung  mit  Musonius. 
Philo  beginnt  mit  der  Behandlung  von  Speise  und  Trank, 


^)  Hoeschel  ergänzt  dvaosla&at. 

^)  Es  ist  zu  lesen  oCei  yap  xofxtl^dxepov,  die  Hs.  hat  odisi,  aber 
das  dt  in  Rasur  von  späterer  Hand.  Ebenfalls  durch  stoisch- 
kynische  Parallen  zu  belegen  ist  das  strengere  Urteil  des  Clemens, 
der  auch  die  Kränze  aus  Blumen  verwirft,  weil  weder  Gesicht 
noch  Geruch  des  Bekränzten  sich  an  ihnen  freuen  könne;  vgl. 
das  Apophthegma  des  Diogenes  bei  Laert.  Diog.  VI  39,  Lucians 
Nigrinus  32  Minucius  Felix  38,2  Tert.  De  cor.  5  Apol.  42,  Weber 
a.  0.  S.  139  und  im  allgemeinen  [Lucian]  Gyn.  18.  De  mut.  nom. 
14  S.  592  nennt  Philo  die  goldenen  Kränze  neben  anderen  Ehren- 
bezeugungen. 

3)  Vgl.  D.V.C.S.477,  „Philos  Schrift  über  die  Vorsehung«  S.lll. 


—    32    — 

geht  dann  über  zur  axsTTY],  die  er  in  Kleidung  und 
Wohnung  scheidet.  Dann  bespricht  er  der  Reihe  nach 
das  Lager,  den  Gebrauch  des  Oeles,  die  Trintgefässe,  die 
Bekränzung.  Auch  bei  Musonius  schliesst  sich  an  die 
Diatribe  Flspi  xpocpr^?  die  ITspl  axsiryj?,  und  innerhalb  dieser 
finden  wir  dieselbe  Teilung  wie  bei  Philo.  Man  beachte 
auch  die  Aehnlichkeit  des  Ueberganges  von  der  Be- 
sprechung der  Kleidung  zu  der  der  Wohnung  bei  Philo 
oXkoL  }X7]v  xccl  ohioL<;  8ia  xa?  auxa?  tjjjlTv  sSsr^cssv  aixia?  und 
bei  Musonius  (Stob.  S.  175,1)  £^£t  Ss  öxstttj?  £V£xa  xcxi 
xa?  OLxia?  TiotoupLsöa.  In  dem  nach  den  einleitenden 
Worten  darauf  folgenden  Kapitel  Ilspl  öxsücüv  bespricht 
Musonius  die  xXTvai  und  die  Trinkgefässe,  deren  Behand- 
lung —  anders  als  De  somn.  —  in  D.  V.  C.  ebenfalls 
verbunden  wird.  Auch  Clemens  folgt  im  Paed.  II  Kap.  3 
dieser  Anordnung  des  Musonius  und  ist  von  diesem  wohl 
auch  abhängig,  wenn  er  dann  in  einem  späteren  Kapitel 
(8)  wie  Philo  zuerst  den  Gebrauch  des  Salbens,  dann 
den  der  Bekränzung  behandelt. 

Die  in  De  somn.  eingelegte  Diatribe  wird  in  manchen 
Punkten  durch  D.  V.  C.  noch  ergänzt.  Philo  bekämpft  dort 
6  S.  479  die  üppige  Tracht  und  den  Putz  der  die  Gäste  be- 
dienenden Sklavsnschar.  Auch  dies  ein  beliebtes  Thema 
der  Diatribe!  Im  Gnomol.  Epict.  23  Seh.  heisst  es  z.  B.: 
fieXsxü)  (joi  £V  xoTc  öixioi?,  oiro)?  aoi  oi  üTroup-j'Oüvxs?  [xt) 
TrXsroUs  xaiv  uTcoup'^j'oupisvajv  UKOtp}(a)CJiv*  axoTTOV  "^äp  oXqai? 
axißaai    TroXXocs    SouXsusiv    tj^u/a;  ^).      Und    eine    wohl    auf 


1)  Vgl.  D.  III  2G,21,  Seneca  Dial.  VII  17,2  Epist.  95,24,  die 


—     33    — 

Musonius  zurückgehende  lebendige  Schilderung  der  ver- 
schiedenartigen Obliegenheiten  der  Sklaven  lesen  wir  bei 
Clemens  III  26  (38).  Wenn  Philo  an  den  Sklaven  be- 
sonders die  übertriebene  Haar-  und  Bartpflege,  das 
Flechten  und  Schnüren,  den  ungleichen  Schnitt  der  Haare 
rügt,  so  sind  das  alles  Künste,  deren  Anwendung 
Musonius  und  Clemens  dem  Manne  namentlich  ver- 
bieten ^). 


VI. 


In  seiner  scharfen  Kritik  der  Symposien  des  Xeno- 
phon  und  Plato,  denen  er  das  der  Therapeuten  gegen- 
überstellt, hat  Philo  am  meisten  die  Behandlung  der 
Päderastie  durch  Plato  zu  tadeln  (DVC  7  S.  480).  Ausser 
den  Gründen,  dass  Seele,  Körper  und  Besitz  durch  dies 
Laster  geschädigt  werde,  hebt  er  noch  besonders  hervor: 
Tiapacpusiat ^)    8s  xal  jjlsiCov   oc'XXo  iravSyjfiov   xaxov  Ipyjjxiav 


Stellen  in  Haases  Index  unter  servus  und  besonders  [Diog.]  Epist. 
37,3.  4.  Die  Therapeuten  verwerfen  bei  Philo  9  S.  482  die  Be- 
dienung durch  Sklaven,  weil  —  nach  stoischer  Lehre  —  die  Natur 
alle  frei  geschaffen. 

^)  Die  Parallelen  sind  zum  Teil  schon  von  Conybeare  ange- 
führt. Mit  Philo  XeXeiaa[ji.ivot,  xa  xe  upoawTra  Ivxpißovrat  xai  utto- 
Ypctcpovxat  vgl.  Musonius  bei  Stob.  S.  290,12.  22  Hense  und  Clem. 
III  15 if.  64  II  104.  Musonius  a.  0.  fordert,  dass  das  Haar  gleich- 
massig  geschoren  werde. 

2)  Mit  Unrecht  liest  Conybeare  nach  Arm.  Tiapacpoea^at,  Das 
dvayxTf)  yap  .  .  .  begründet  die  vorher  erwähnte  Schädigung  von 
Cüi{j.a,  4'^X^  ^^^  ouai'a.  Mit  Trapacpoexat  kommt  ein  neuer  und 
selbständiger  Gedanke  hinzu. 

Festschrift  für  Diels.  O 


—    34    — 

TToXstov  xai  arocviv  tou  apiaioü  ysvoü?  dvOpwiroDV  xai 
aisi'pajcfiv  xal  d^oviav  TSj^vaCovTwv ,  o?  [jLt.[xo!JVTai  toüc  dvsTri- 
GTT^fAova?  TTi?  Y^copYi«?  airs/povia?  ^)  dvii  t9jc  ßaöuYsioi» 
TTsSidSo?  ucpotXjJLOU?  dpoüpotc  Tj  XiöwOTj  xal  aTToxpoia  yjü^ioL  ^). 
Auch  Musonius  (bei  Stob.  S.  286,  Clem.  II  87)  bekämpft 
die  Päderastie,  er  erklärt  es  für  die  Pflicht  des  Mannes 
zu  sorgen,  o-a>?  r;  ttoXic  ijlyj  epr/iio?  rj  und  sagt,  wer  von 
der  Ehe  nichts  wissen  wolle,  der  vernichte  für  sein  Teil 
das  Haus,  die  Stadt,  das  ganze  Menschengeschlecht  (bei 
Stob.  III  S.  4,  26.  23.  5,14)').  Philo  vertritt  in  Bezug 
auf  den  Geschlechtsgenuss  die  strengen  Grundsätze  des 
Musonius,  mit  dem  er  sich  auch  hier  oft  wörtlich  be- 
rührt"^). Der  Geschlechtsverkehr  ausser  der  Ehe  gilt  ihm 
als    unerlaubt.     Quod   det.   pot.   ins.  27    S.  211   sagt  er; 


^)  So  ist  zu  lesen  statt  aretpovTes. 

^)  Äehnlich  wird  De  Abr.  26  S.  20.  21  das  Naturwidrige  des 
Lasters  hervorgehoben.  Die  ihm  fröhnen,  führen  die  ^V^Xeia  'JoaoQ 
(De  leg.  spec.  7  S.  305.  306  De  vict.  off.  13  S.  261)  ein  und  ver- 
nichten 10  -(z  cTi'  auToI?  fjxov  [xepo?  t6  a6{X7rav  dv^ptoTicuv 
Y^vo?.  Am  ausführlichsten  behandelt  das  Thema  De  leg.  spec. 
a.  0.,  wo  besonders  die  kunstvolle  Haartracht,  das  Schminken  und 
Salben  der  diesem  Laster  Ergebenen  ähnlich  wie  von  Musonius 
bei  Stob.  S.  290,15.  291  H  getadelt  wird.  Sie  schämen  sich  nicht 
die  Natur  des  Mannes  in  die  des  Weibes  zu  verwandeln,  vgl. 
Tischendorf,  Philonea  S.  19,16ff.  De  sacrif.  Ab.  et  Caiui  30  S.  183 
De  vict.  off.  a.  0.  Sternbach  zum  Gnomol.  Tat.  Nr.  144. 

3)  Vgl.  Clemens  Strom.  II  140  Epiktet  III  7,19.  Der  entgegen- 
gesetzte Standpunkt  fand  auch  später  noch  kynische  Verteidiger, 
s.  [Diog.]  Epist.  47,  wo  die  Ehe  verworfen,  das  Aussterben  des 
Menschengeschlechts  eher  als  Glück  bezeichnet  wird. 

*)  Lieber  Epiktet  s.  Bonhöffer,  die  Ethik  des  Stoikers  Epiktet 
S.  63.  86  ff. 


—    35    — 

(xTjS'  OTi  (jLSpaiv  Tüiv  TTpo?  Y^vac  T^^Küi^yjc  Ivsxa  x^c  ota|jiov7]<; 
Tou  TTctvioc:,  cpöopa?  xoct  {JLOi)(£ias  xai  xac  aXXac  oux  sua-^stc 
[Afe?  [i£T£p)(Oü,  aXA.'  oöai  fxsia  vojxou  lö  dv^pwTiwv  GTrsipouat 
TS  xcci  cpüTsuoüöi  7£voc.  Die  Ixvofxoi  auvouaiai  stehen  den 
aüvooot  V 6 [xip, Ol  gegenüber '),  und  in  auffallender  Berührung 
mit  den  Xo^ia  Christi  sagt  er  Quod  det.  48:  £^£üvouxiad^vat 
Y£  [XYjv  a[x£tvov  Tj  TTpo^  aüvouGta?  Ixvofxou?  Xuxtav.  Aber 
auch  in  der  Ehe  wird  der  Geschlechtsverkehr  beschränkt "). 
Denn  sein  einziger  Zweck  ist  die  Kinderzeugung  ^). 
Ebenso  fordert  Musonius  bei  Stob.  S.  286  Hense  [lova  |jl£v 
acppoStatot  vojxi'Ceiv  Sixctia  xa  iv  "j'ocfxo)  xal  ettI  'Y£V£a£i  x£xvü>v 
öuvx£Xou[X£va,  oxt  xat  v6[xi[jLa  iaxiv.  xa  §£  "(£  7)8ovyjv 
Oyjp(ji)}ji£va  ^iXy]v  aoix-x  xoti  Trapavojxoc,  xav  Iv  7oc{X(p  -()  (vgl. 
Stob.  III  S.  6,19ff.  Mein.,  Peerlkamp  S.  355  Sen.  De  ma- 
trimonio  §  85).  Allen  ausserehelichen  Geschlechtsverkehr 
verwirft  er.     x6  -(ap  [xy]  v6[ii[xov  jx7j5'  £i>TTp£':T£c  xwv  guvoü- 


1)  Quod.  det.  pot.  ins.  47.  48  S.  223.  224  De  Jos.  9  S.  48 
Tischendorf,  Philonea  S.  19,15. 

^)  De  leg.  spec.  2  S.  301  werden  getadelt  ot  cptXoyuvatoi  (die 
Hss.  cpiXoyuva^ot?)  auvouat'ai?  iTttfxefxrjVoxe?  xat  Xayv^axEpov  7rpoao[Jii- 
XoüvTEs  yuvai^iv  oux  dXXoxp^ott;,  dXXa  xaT?  eauxüiv,  vgl.  ebenda  6 
S.  305.  20  S.  318  cptXrjOovot  fxev  yäp  ü  (so  Seiden,  statt  oY)  fxr)  GTTopa? 
evexa  texviüv  xai  toü  Statcavtaat  x6  yevog  auvipyovxat  yovctili'v,  dXXd 
^rjpwfxevot  aoüiv  v^  xpaycov  xpoTiov  xrjv  ii  6jj.iXta?  aTrdXauatv.  Neu  entd. 
Fragm.  S.  23  Nr.  6. 

^)  De  Jos.  a.  0.  Tcpoxe&sifxlvoi  x^Xo?  oh-/^  f;8ov/jv,  dXXd  yvrjötoiv 
TratSwv  aTiopdv  V.  Mos.  6  S.  85  De  Cherub.  13  S.  147.  Quaest.  in 
Gen.  IV  61.  86.  Die  geistige  Gemeinschaft  zwischen  Mann  und 
Frau  kommt,  anders  als  bei  Musonius,  bei  Philo  nur  selten  (Quaest. 
in  Gen.  III  21)  zur  Geltung.  De  spec.  leg.  31  S.  327  Quaest.  in 
Gen.  I  26  erinnert  an  die  Art,  wie  Musonius  bei  Stob.  S.  238  W  die 
Pflichten  des  Mannes  und  der  Frau  scheidet. 

3* 


—    36    — 

aiaiv    TOUTü)V    aT(5)(6?    xs    xal   ovsiSo?    jis^a  xoi?  öyjpü)|jL£voi? 
Gcöta?.    — ^    De  Jos.  a.  0.  nennt  Philo  den  Ehebruch  das 
grösste  Unrecht,    was  de    spec.  leg.  2  S.  301  näher  be- 
gründet wird;  xous  81  "(uvaiO-v  aXKwv  .  .  .  lirttjLSfjLYjvoTa?  xal 
sttI  Xu|jlto  tü)v  TrXyjOiiov  (so  die  Hss.,  irXyjat'cov  vulg.)  C«>VTac 
oXa  ^svyj  TroXuavOpcüTia  xißöyjXsusiv  e7ri)(eipouiVTac  xal  xac  [asv 
IraYocjxioüc     sux^^     TtaXifxcpifjfxou?,     xa?     8s     sttI    xlxvoi  c 
£XT:L8a?  dxsXei?^)    aTrspYaCofJ-^voü?  .  .  .  oj?  xoivoü?  Ij^&pou? 
«Travxoc:    av^pwTrtov    ylvou?    xoXacsxIov  ^).     Die  Schutzgötter 
der    Ehe   und    die    an    sie    gerichteten    Gebete    erwähnt 
Musonius    bei  Stob.  III  S.  6  Mein.,   und  mit    einer   an 
Philo    erinnernden   Wendung    lässt    er    den  Unkeuschen 
sagen,    dass,    wer    mit    einer    Hetäre    umgehe,    IXTriSa 
7rai8ü)v     ouSsvö?     Siacpöstpsi.      Eine     genauere     sachliche 
Parallele  aber  giebt  hier  die  scharfe  Kritik,  die  Epiktet 
II 4    an    einem    Ehebrecher   übt.      Dieser  hat  nach  ihm 
jeden  Anspruch  auf  das  Vertrauen  seiner  Mitbürger  ver- 
loren und  ist  unfähig,  irgend  eine  Stelle  in  der  mensch- 
lichen Gesellschaft  einzunehmen  (vgl.  II  10,18).  —  Ueber- 
haupt    ist    nach    Philo    die    Wollust    die    Ursache    des 
grössten  Unheils.     Die    grössten  Kriege    sind    entstanden 
8i'    epoixa?  xal   [loi/sias   xal  "(uvatxaiv   airocxa?  (De  Jos.  11 
S.  50,  vgl.  De  decal.  28  S.  205  De  post.  Caini  34  S.  248). 
Aehnlich   heisst  es  bei  Dio  Chrys.  VI  §  16.  17,  dass  der 
dcppoSiöia  wegen,  deren  Genuss  Diogenes  sich  so  leicht  ver- 
schaffte, schon  viele  Städte  elend  zu  Grunde  gegangen  seien, 


')  De   creat.   princ.  11   S.  370  cp^etpovxa?  (so  die  Hss.)   5s  xal 
xd?    iizi  xexviov  öTiopa    -^vr^din'^  ^(prjaTa?  i\Tzlha<;  De  decal.  24  S.  201. 
^)  Ausführlicher  noch  die  Begründung  De  decal.  24  S.  201. 


—     37     — 

und  in  ähnlich  kynischer  Wendung  bei  Hör.  Sat.  I  3,  107 
nam  fuit  ante  Helenam  cunnus  taeterrima  belli  causa^). 

Philo    und  Musonius    bekämpfen    auf  Schärfste    die 
Aussetzung  der  Kinder,  freilich  mit  verschiedenen  Gründen. 
Die  Eltern,  welche  ihre  Kinder  aussetzen,  übertreten  nach 
Philo    das  Naturgesetz.     Sie    machen    sich    schuldig    der 
(ptXyjSovia,  indem  ihr  Geschlechtsverkehr  nicht  die  Kinder- 
zeugung,   sondern  die  Lust   zum  Zwecke  hat,   der  [iiofav- 
OptüTiia,    der  avSoocpovia   und   tsxvoxtovigc.     Sie  lassen  sich 
oft    beschämen   durch  die  Barmherzigkeit   derer,    die  die 
fremden    Kinder    aufnehmen    (De  leg.    spec.  20    S.  318. 
319).      Mit    ähnlichen     Gründen    wird    De    caritate   17 
S.  397     die    Abtreibung    der    Frucht    bekämpft.      Doch 
kommt    ein    neuer    Gesichtspunkt    hinzu:     das    Verbre- 
chen   ist    eine    Sünde    gegen    das    Menschengeschlecht. 
Tivi    Y«p   St'    süvota?    acpt^sai^e   (so   Seiden,   statt  s^ivsaDs) 
*j'£v6}X£vot  Tü)V    iSiwv  T£xva)V  auzoy^zips^  ]   Ol  xa?  TToXsi?  10  y' 
scp'auTOt?  TjXÖv  [lipo^  Ipyjfxouvis?,   dr.o  tcüv   ep/üTaxü)  ^svoü? 
ap^a'fxsvoi  Tf^^  aTucüXsia?.    Bei  Musonius  (Stob.  III  S.  74.  129 
Mein.)    überwiegen    in  der  Polemik  gegen  die  Sitte  der 
Aussetzung   die   Nützlichkeitsgründe.     Zwar    erinnert   er 
daran,  dass  die  Gesetzgeber  die  Vermehrung  der  Bürger 
begünstigen    und    wünschen,    dass  sie  die  dcfißXwat?  ver- 
bieten,   die  Aussetzung   also   auch  dem  Willen  des  Ge- 
setzes   widerspreche,    er    sieht   sie  auch    als  eine  Sünde 


0  Vgl.  auch  Hör.  Epist.  I  2,6  Seneca  De  matrimonio  §  67,  Epiktet 
I  28,13  III  22,37  Clem.  III  13.  Habgier  Ursache  des  Krieges:  De 
decal.  De  post.  Caini  a.  0.,  Piatos  Phaedon  S.  66  C  [Luc]  Gyn.  15,9 
Seneca  Epist.  94,57.58. 


—     38    — 

gegen  die  Götter  des  Geschlechtes  an.  Besonders  aber 
betont  er  den  Segen  und  Nutzen,  den  Kinder  den  Eltern 
und  Geschwister  einander  bringen.  Es  ist  nicht  denkbar, 
dass  die  von  Philo  geltend  gemachten  Gründe  der  Huma- 
nität ganz  bei  Musonius  gefehlt  haben  sollten.  Wäre  uns 
seine  Diatribe  in  ihrem  ganzen  Umfange  erhalten,  so 
würden  wir  in  ihr  ähnliche  Gedanken  wie  die  philoni- 
schen  wiederfinden. 


VIL 


Wie  Philo  alle  Gebiete  des  privaten  Lebens  einer 
scharfen  Kritik  unterwirft,  überall  sittlichen  Verfall  und 
Verdorbenheit  erblickt  und  von  den  stoischen  Grund- 
sätzen eines  naturgemässen ,  vernünftigen  und  einfachen 
Lebens  aus  eine  gründliche  Reform  aller  privaten 
Lebensverhältnisse  und  Lebensäusserungen  fordert ,  so 
fühlt  er  sich  auch  von  dem  öffentlichen  Leben  seiner 
Zeit  durchaus  unbefriedigt  und  betrachtet  es  mit  dem 
aus  Verachtung  und  Mitleid  gemischten  Gefühl  des  stoi- 
schen Sittenpredigers.  Wenn  der  Weise,  sagt  er  De 
conf.  12  S.  411.  412,  den  beständigen  Krieg  betrachtet, 
der  bei  äusserlichem  Frieden  sich  im  öffentlichen  und 
privaten  Leben,  nicht  nur  zwischen  Völkern,  Ländern, 
Städten,  Dörfern,  sondern  in  jedem  Hause,  ja  in  jedem 
Menschen  abspielt^),  so  kann  er  sich  nicht  versagen, 
beständig  zu  mahnen,    zu  schelten,  zurechtzuweisen,  zu 


1)  Vgl.  De  Gig.  11  S.  269. 


—    39    — 

bessern^).  Tiavia  ^ap  oaa  ev  TroXsjxo)  Spaiat  xax'  sipT^vr^v 
öüXaiatv,  apTTocCouaiv,  av8pa7ro8iCovTott,  XsT^Xaiouai,  TropOouaiv, 
üßpi'Couaiv,  aixiCovxat,  cpOsipoüaiv,  aia^^uvouai,  SoXocpovouaiv,  avxi- 
xpu?,  TjV  (üGi  SüvaTcuTspoi,  xTsivoüat  xxX.  De  Abr.  3  S.  4  6  [xsv 
cpauXo?  d-yopav  xal  Osaxpa  xal  öixaaxvjpia,  ßouXsüxVjpia  xs 
xai  IxxXyjaia?  xal  Travxa  auXXo'^ov  xal  diaaov  dvöpcuTrwv, 
ax£  cpiXoTipaYfxoauvifj  auCtuv,  [isxaxplj^ei  ^).  Wenigstens  in 
einem  Ausdruck  klingt  Epiktet  an,  wenn  er  II  22,  28 
sagt,  die  falsche  Vorstellung  vom  Werte  der  äusseren 
Güter  bringe  die  Menschen  dazu  Sdxveiv  dXXTJXoü?  xat 
XoiSopeTaOai  ^)  .  .  .  xat  Iv  xoTc  Sixaaxr^pioi«;  dTüoSsixvüaöat  xa 
Xifjaxtüv.  Ganz  derselben  Stimmung  aber,  wie  die  philo- 
nische  Polemik,  ist  die  Beurteilung  des  öffentlichen 
Lebens  im  7.  heraklitischen  Briefe  entsprungen"*),  der 
zwar  einige  Spuren  des  biblischen  Einflusses  zu  zeigen 
scheint^),    im  ganzen  aber  den  Ton  der  philosophischen 


^)  Aehnlich  wird  der  Beruf  des  kynischen  Philosophen  be- 
schrieben, s.  Norden,  Beiträge  zur  Gesch.  der  griech.  Philos. 
S.  377 ff.;  Zeller,  Sitzungsber.  der  preuss.  Akad.  der  Wiss.  1893 
S.  129. 

2)  Tischendorf,  Philonea  S.  17,7  ff.  De  somn.  I  20  S.  639  xot 
^v  StxaOTTfjpfot?  xat  ßouXeuxTjpt'ots  xat  deaxpots  xat  T.ayxajoo  [xat] 
Trpos  xoüs  aXXous  dSixT^ptata.     xal  fehlt  in  A. 

^)  Die  folgenden  Worte  xat  xds  dpr^fAias  xaxaXafxßdveiv  rj  xds 
dyopds  ü)S  xd  opr]  sind  verderbt.  Mit  Elters  &y]pta  statt  xd  opr]  ist 
der  Stelle  nicht  geholfen.  Denn  statt  des  iprjpn'as  xaxaXapißdveiv 
schon  erwarten  wir  einen  neuen  Frevel. 

"*)  Vgl.  auch  [Krates]  Epist.  7  [Diogenes]  Epist.  28,  besonders 
§  1  dv  7roXe[X(p  xov  oXov  ßi'ov  xaxayrjpdxe,  2  ^v  xtJ)  xaXoufJtevi;]  e^pVjvir] 
[Hippokrates]  Epist.  17,28.  43  S.  301.  303  Hercher. 

^)  Dass   xd   C«ivxa   xaxeadt'exe   sich   nicht   im   allgemeinen  auf 


—     40     — 

Diatribe  nicht  ohne  Uebertreibung  nachahmt.  Man  be- 
achte namentlich  die  Worte  xivi  au[i[ioi)^£6ü>,  iivi  aütjL[i-i- 
oticpovo),  iivi  au{X[xsöuü),  itvi  au[xcp9£tpo[iai.;  .  .  .  epyjfjLiav  «5- 
TTjV  (die  Stadt)  TrsTroiyjxais  5ia  xaxiot?.  Ihr  zieht  vor 
Gericht  wie  in  den  Krieg,  eure  Zungen  als  Waffen 
brauchend,  nachdem  ihre  alle  möglichen  Schandthaten 
begangen  habt.  £v  eipTJvTfj  ttoXs-xsits  8ia  Xo^tov  .  .  .  apTia- 
Ceis  t'o  Sixaiov  £v  ^{cpsaiv  .  .  .  .  oi  IvSov  7ioX£|jlioi  ocXXa  ttoXT- 
xai  .  .  .  TOI)?  £X£UÖ£pou?  dv§po7ro8iC£X£.  Wenn  nach  dem 
Verf.  auch  die  Friedenszeit  in  Wahrheit  Kriegszeit  ist, 
indem  der  Krieg  in  die  Gerichtssäle  verlegt  ist,  wenn  das 
ganze  öffentliche  Leben  sich  ihm  unter  dem  Bilde  einer 
fortgesetzten  Reihe  von  Verbrechen  und  Unrecht  dar- 
stellt^), wenn  er  unter  diesen  Verbrechen  besonders 
Raub  und  Mord,  Verführung  und  dvopaTioSiajxo?  anführt, 
so  stimmt  er  mit  Philo  überein.  Und  auch  sonst  be- 
rührt sich  der  Inhalt  des  Briefes  vielfach  mit  dem  Stoffe 
der  Diatribe^). 


Fleischgenuss,  sondern  nur  auf  den  namentlich  in  bakchischen 
Orgien  üblichen  Genuss  rohen  Fleisches  beziehen  kann,  zeigt  der 
Sprachgebrauch  (Bernays  Herakl.  Briefe  S.  72).  Auch  bei  Laert.  Diog. 
VI  73  wird  zu  lesen  sein:  Diogenes  hielt  es  für  erlaubt  xüiv  Cwvxtüv 
(oder  Ctüwv,  statt  Cqjwv)  xtvos  yeoaaaOai,  vgl.  34. 

^)  Aehnlich  das  Urteil  des  Herodot  und  des  hippokratischen 
Buches  über  Diät  über  das  Marktleben  als  beständigen  Betrug 
(Bernays  S.  76). 

2)  An  diese  erinnert  die  für  einen  Brief  an  Hermodor  un- 
passende Anrede  S.  74,19  Byw.  d)  av^pcoTroi  (diese  Anrede  in  der 
Diatribe  häufig,  s.  Hartlich,  Leipz.  Studien  XI  S.  314  und 
Schenkls  Index  zu  Epiktet),  mit  der  der  Brief  den  Predigtton 
annimmt,   die  Polemik  gegen  Putzsucht  (75,7)  und  Verbrauch  von 


—    41    — 

Philos  Strafreden  gehen  auch  genauer  auf  einzelne 
Gebiete  des  öffentlichen  Lebens  ein.  De  Cherub.  27  S.  55 
eifert  er  gegen  die  übliche  Begehung  der  Feste  (Travyj-^ü- 
pei?),  die  nach  ihm  jeder  Art  der  Ausschweifung  dienen. 
Dass  namentlich  religiöse  Feste  gemeint  sind,  sagt  er 
ausdrücklich  (sx  jjlüOixüjv  7rXaa}xaT(üV  öüvsaxYjaav  und  vgl. 
das  ganze  Kap.  28),  und  auf  solche  deutet  namentlich 
die  aSeta  avsai?  Ixsysipia,  die  Travvuj^iSsc,  die  [xsöyjfxsptvol 
7a}xoi  (aus  Demosth.  De  cor.  129),  unter  denen  vielleicht 
die  Darstellung  eines  lepo?  ^ajxo?  verstanden  ist').  Wenn 
er  in  diesem  Zusammenhange  von  ßiatoiaTat  ußpsi?  redet, 
so  denkt  er  jedenfalls  an  die  bei  den  heiligen  Nacht- 
feiern so  häufige  Entehrung  der  Mädchen,  die  auch  der 
Verfasser  des  heraklitischen  Briefes  den  Ephesiern  zum 
Vorwurf  macht  ^).  Ebenso  hebt  er  im  Gegensatz  zu 
der  heiligen  Sabbathfeier  V.  Mos.  114  S.  138  die  durch 
andere    Feste     begünstigte    Völlerei     und    Unsittlichkeit 


Salben  (75,12),  gegen  Gastmähler  und  Kampfspiele  (75,12  ff.),  die 
Berufung  auf  die  Tiere  als  Muster.  Wenn  auch  die  Inschutz- 
nahme der  XetTTOTccxTai,  die  Bernays  S.  71  einem  „mit  der  griechisch- 
römischen Welt  durch  noch  so  lose  Bande  zusammenhängenden 
Schriftsteller"  nicht  zutrauen  will,  sich  in  der  Diatribe  nicht  nach- 
weisen lässt,  vielleicht  nur  zufällig,  so  doch  die  Verwerfung  des 
Krieges:  Epiktet  1122,22,  Sen.  Epist.  95,30.31  [Diogenes]  Epist. 
20,  vgl.  S.  36.  Stellt  doch  sogar  M.  Aurel  X  10  der  Gesinnung  nach 
den  Soldaten  und  Räuber  auf  eine  Stufe.  Nach  diesen  Stellen 
können  wir  uns  eine  Vorstellung  bilden  vom  Inhalt  der  Friedens- 
rede des  Musonius,  die  nur  Spott  und  Unwillen  erregte  und  die 
Tacitus  selbst  als  intempestiva  sapientia  bezeichnet  (Hist.  III  81). 

^)  S.  Lobeck,  Aglaophamus  S.  609  ff. 

2)  S.  75,9  Byw.  xdprjv  ßta  StotTrctpQ'eveuderaav  Iv  7iavvu)(t(Jtv,  dazu 
Bernays  S.  70  Friedländer  Sittengesch.  I  S.  501. 


—     42     — 

(vgl.  Neu  entd.  Fragm.  S.  13, 10)  hervor.  Er  verbietet 
De  vict.  off.  12  S.  260  die  Teilnahme  an  irgend 
welchen  TsXexat  xal  [luatTJpia^),  die  zur  Zeit  des  re- 
ligiösen Synkretismus  in  den  verschiedensten  Formen 
von  zahllosen  Konventikeln  gepflegt  wurden.  Die  mit 
ihnen  verbundene  Geheimnissthuerei  und  Scheu  vor 
der  Oeffentlichkeit  ist  ihm  ein  genügender  Beweis  ihrer 
Verwerflichkeit.  Warum,  fragt  er  die  Mysten,  teilt  ihr 
eure  Lehren,  wenn  sie  schön  und  nützlich  sind,  nicht 
allen  Menschen  auf  offenem  Markte  mit?  Im  Gegenteil 
finden  wir  oft,  dass  von  guten  Menschen  keiner,  wohl 
aber  Räuber  und  Seeräuber,  verächtliche  und  zuchtlose 
Weiber  für  schnödes  Geld  in  die  Mysterien  eingeweiht 
werden  ^).  Den  ersten  von  Philo  ausführlich  entwickelten 
Gedanken  finden  wir  in  ein  kurzes  Apophthegma  des 
Kynikers  Demonax  gefasst:  Auf  den  Vorwurf,  dass  er 
allein  in  die  eleusinischen  Mysterien  nicht  eingeweiht 
sei,  erwidert  er,   oii,  av  xs  cpauXa  ^  xa  jjLuöxi^pia,  oü  ai«>- 

TTT^acXai      TTpO?     XOU?      {XYjSsTTtÜ      |i.£[XU7jiJL£V0UC,      CtXX'       dlTOXpS^Sl 

aüxoü?  xü>v  6pYtü)v,  av  xs  xaXa,  iraaiv  auxa  i^a^opeuaiiv 
UTTÖ  (piXavOpwTria?  (Lucian  11).  Und  auch  der  andere 
von  Philo  gegen  die  Mysterien  gerichtete  Vorwurf  kehrt 
ähnlich,  aber  in  schärferer  Fassung  in  einem  Apophthegma 
des  Diogenes  wieder:    •fsXoiov,  st  'A^YjaiKaoc  [jlsv  xai  'Ett«- 


^)  Diese  wie  die  TravTjyjpei?  verworfen  auch  von  [Hippokrates] 
Epist.  27,21  S.  300  Hercher. 

2)  S.  auch  De  spec.  leg. 7  S. 306  xob;  yoüv  dvBpoyuvous  {Selv  edti ... 
xäv  xats  §opXGcTs  TrpoTrofXTreüovxas  y.at  xa  Upd  xous  dvispous  BieiXTjj^dxas 
y.ai  [J.uaxr]piu)v  xcxt  xeXexcöv  xaxdp/ovxa;  xal  xd  AVjfATjxpos  6pyidCovxa?. 


—     43     — 

[xeivwvSa?  ev  ko  ßopßopo)  Siofcouöiv,  euisXsi?  8s  xivs«;  }jl£|iü7j- 
liivoi  £v  Tat?  jjLaxapü)v  vt^soi?  lofovxai^).  —  Sehr  heftige 
Worte  richtet  Philo  gegen  die  alexandrinischen  Oiaaoi 
(In  Flacc.  17  S.  537),  und  er  lobt  den  Flaccus,  dass  er 
im  Beginn  seiner  Verwaltung  solche  Vereine  aufgelöst 
habe^. 

Mit  besonderer  Vorliebe  wendet  sich  die  kynisch- 
stoische  Diatribe  und  in  Uebereinstimmung  mit  ihr 
Philo  gegen  die  Athleten  (vgl.  S.  22).  Die  sogenannten 
ispol  d^aivs?  verdienen  nach  Philo  in  Wahrheit  diesen 
Namen  nicht  ^).  Er  macht  die  Künste  der  Athleten  ver- 
ächtlich durch  den  Vergleich  mit  den  grösseren  körper- 
lichen Fähigkeiten  und  Vorzügen  der  Tiere  ^),  er  hebt 
den  Widerspruch  hervor,  dass  sonst  körperliche  Ver- 
letzung gestraft,  bei  den  Kampfspielen  mit  Kränzen  und 
Ehren    belohnt   werde  ^),     er    bezeichnet    wiederholt   als 


1)  Laert.  Diog.  VI  39  und  Julian  S.  238  A,  ähnlich  Plut.  De  aud. 
poet.  5  S..2I  F.  Andere  kynische  Apophthegmen  über  Mysterien 
bei  Zeller  II  1  S.  330  Lucian  a.  0.  34. 

^)  In  Flaccum  1  S.  518  Tcts  xs  ^xaipetas  xal  auv6§ou?,  ai  dsl  im 
Trpocpctaet  'OuatüJv  elaTtüivTo  toIs  7tpay[jLaötv  d(ji.T:apotvoOaai,  SteXus,  vgl.  De 
praem.  et  poen.  3  S.  411  Diogenes  bei  Laert.  Diog.  VI  28  ^/ci'vet  8' 
auTOv  xai  t6  duetv  (xev  tots  %eoii  ÜTiep  uyieiac,  h  ahrf^  8e  ttq  ^oct'a  xaxd 
x^?  uyieta?  Semvetv  (ein  ähnlicher  Gegensatz  bei  Persius  2,41 — 43). 

3)  De  agric.  25.  26  S.  317.  318  De  praem.  et  poenis  9  S.  416. 
Uebrigens  redet  Philo  trotzdem  nicht  nur  in  den  für  weitere 
Kreise  bestimmten  Schriften  In  Flaccum  11  S.  530  Quod  omn. 
prob.  lib.  17  S.  463  ohne  Einschränkung  von  tepol  dyüive?,  sondern 
auch  Quaest.  in  Gen.  III  20. 

^)  De  agric.  26 ,  andere  Stellen  des  Philo  bei  Norden  S.  304. 
305;  vgl.  auch  Kaibel  a.  0.  S.  46  ff. 

^)  De  agric.  und  De  praem.  et  poen.  a.  0, 


—     44     — 

den  wahren  d-ycüv  den  mit  den  Leidenschaften  und 
Lastern^),  —  alles  Gedanken,  die  durch  die  philosophische 
Diatribe  vorzüglich  im  Umlauf  gesetzt  sind.  Ganz  im 
Sinne  der  Popularphilosophie  verwirft  Philo  die  Leiden- 
schaft seiner  Zeit  für  Schauspiele,  den  Geschmack  an 
einer  entnervten  und  weichlichen  Musik  ^),  das  Interesse 
für  Tänzer  und  Mimen  und  ihre  entsittlichenden  Dar- 
stellungen') (De  agric.  8  S.  305  V.  Mos.  III  27  S.  167 
In  Flaccum  10  S.  529).  Wie  er  Caligula  durch  Makron 
zu  einer  würdigen  und  für  die  Menge  mustergiltigen 
Haltung  bei  öffentlichen  Schauspielen  ermahnt  werden 
lässt  (Leg.  ad  Gai.  7  S.  552),  so  hält  Epiktet  III  4  einem 
Statthalter  von  Epirus  in  ähnlichem  Tone  sein  un- 
schickliches Verhalten  beim  Schauspiel  vor*). 

So  erscheint  dem  Philo  das  gesammte  Thun  und 
Treiben  der  Menschen  im  öffentlichen  und  privaten  Leben 
auf  falsche,  eitle  und  vergängliche  Ziele  gerichtet,  für 
deren  Erreichung  eine  unverhältnismässige  Kraft  und 
Mühe  vergeudet  wird.  Mit  Anspielung  auf  ein  dem  Pro- 
treptikos  des  Aristoteles   zugewiesenes  Bruchstück  ^)  sagt 


1)  De  agric.  25.  27  De  praem.  et  poen.  1  S.  409  Qiiod  deus 
immut.  31  S.  294  Norden  S.  301.  302  Weber  S.  138  ff.  178,  vgl. 
auch  [Heraklit]  4.  Brief  S.  72,5ff.  Byw. 

2)  Friedländer  III  S.  349  ff. 

3)  Friedländer  II  S.  438.  459  Epiktet  IV  2,9  dvaTrrjSdiv  ^Trixpau- 
yaCe  Ttj)  opj^rjaxi^. 

*)  Vgl.  auch  Gnomol.  Vatic.  ed.  Sternbach  Nr.  49. 

^)  Jamblich  Protr.  6  S.  40,4  Pistelli  (S.  62,9  der  letzten  Frag- 
mentensammlung von  Rose,  vgl.  Hartlich  Leipzig  Stud.  XI  S.  257): 
o68e  hti  j^prjfxdTtov  |j.ev  evsTta  tiXeTv  ^cp'  "^Hpay-Xeou?  axVjXa?  xat  iioXXd- 


—    45    — 

er  De  migr.  39  S.  470,  mit  Recht  habe  man  es  für 
sonderbar  erklärt,  dass  Kaufleute  um  elenden  Gewinnes 
willen  die  Meere  durchfahren  und  die  ganze  Welt  durch- 
wandern, indem  sie  alle  anderen  Rücksichten  hintansetzen, 
dass  man  aber  um  der  Weisheit  willen,  die  der  schönste 
und  erstrebenswerteste  Besitz  ist,  nicht  die  Meere  durch- 
segele und  die  Welt  durchsuche.  Quod  omn.  prob.  lib.  10 
S.  455,  wo  derselbe  Gedanke  ausgeführt  ist,  wird  hinzu- 
gefügt, dass  es  ja  freilich  keiner  weiten  Wanderung  oder 
Meerfahrt  bedürfe,  um  die  Tugend,  die  uns  so  nahe 
liegt,  zu  erlangen ').  Direkt  aus  Aristoteles  hat  den  Ge- 
danken Philo  sicher  nicht  entlehnt.  Denn  auch  Epiktet 
verwertet  ihn  III  8,6  ttots  oütq)?  sVXsuaac  uTisp  xoö  xa 
SoYfiaxa  sTtiaxe^aadai  xa  öaüxou  xxX.  ^)  I  6,  23  aXX'  st? 
'0Xu[X7rtav  [x£V  aTTOor/fxsixs,  fv'  fövjxs  x6  Ip^ov  xo  (cod.  xoui) 
C)£toioü  .  .  .  OTTOu  5'  ou8'  airoÖTjfxYjaai  Xpsi«  iaxi'v,  dXX' 
saxiv  yJSyj  xal  irapsaxiv  xoTs  sp^yot?,  xau>xa  8s  OsaaaaOai  xal 
xGtxavor^aai  oux  s7:i(}u}XY5asxs;  ^)  Man  sollte  meinen,  dass 
Philo  bei  solchen  geringschätzigen  Aeusserungen  über 
das  öffentliche  Leben  eine  völlige  Zurückziehung  aus  dem- 


xtc  xtvBuveueiv,  Sid  8i  cppdvrjGtv  (nr^S^v  ttoveTv  [xt)8I  SaTiavav.  S.  auch 
Rose  S.  69,21  ff. 

')  Vgl.  De  poenit.  2  S.  406  De  post.  Caini  24  S.  241. 

^)  I  29,38  r^%zXo'^  TiXeüaai  in''  abro  toOto  xal  i§eiv  t^  jxou  TtoteT 
6  dO^XrjTT^?. 

3)  Hör.  Epist.  I  1,45.  11,29.  Mit  Absicht  habe  ich  Stellen,  wo 
der  Gedanke  allgemeiner,  ohne  die  Erwähnung  der  Schifffahrt  oder 
Reise,  ausgedrückt  ist,  wie  Porph.  ad  Marc.  32  [Hippokrates] 
Epist.  17,25  S.  301  Hercher,  ausgeschlossen.  Die  Diatribe  des 
Musonius  oxi  ttovou  xaxacppovrjTeov  (bei  Stob.  S.  643  Hense)  führt 
den  Gedanken  ins  einzelne  aus. 


—     46     — 

selben  gefordert,  ein  quietistisches  und  beschauliches 
Dasein  als  das  Ideal  angesehen  habe.  Zog  doch  über- 
haupt der  Individualismus  und  die  sittliche  und  religiöse 
Vertiefung  der  hellenistischen  Zeit  gerade  bei  den  edelsten 
Geistern  den  Trieb  zur  Isolirung  und  Zurückziehung  auf 
das  eigene  Innere  gross.  Forderte  doch  der  Hedonismus 
Epikurs  wie  die  sittliche  Rigorosität  des  Kynismus  den 
Ausschluss  von  den  Aufgaben  des  öffentlichen  Lebens 
und  erstickte  den  alten  Bürgersinn,  und  wenn  die  Stoa 
im  Princip  eine  Beteiligung  am  öffentlichen  Leben  for- 
derte, so  machte  doch  die  Fülle  von  Ausnahmen,  die 
sie  statuirte  und  die  Neigung  für  philosophisches  Still- 
leben ihre  principielle  Forderung  meist  illusorisch'). 
Wenn  nun  auch  nach  Philos  eigenem  Bekenntnis  das 
beschauliche  Leben  seiner  eigenen  Neigung  mehr  ent- 
sprach, hat  er  sich  doch,  wie  Conybeare  S.  269 ff",  zeigt, 
von  der  einseitigen  Ueberschätzung  desselben  freizuhalten 
gewusst,  den  Trpotxiixo?  ßio?  als  Pflicht  eines  jeden  Mannes 
angesehen^)  und  dem  höheren  Alter  den  vollen  Genuss  des 
OsoipYjTixöc  ßi'os  vorbehalten  wollen.  Und  damit  braucht 
er  nicht  direkt  auf  Aristoteles  zurückgegriffen  zu  haben. 
Hatte  doch  auch  Panaetius  neben  der  forschenden  Thätig- 
keit  die  Pflicht  des  Handelns  und  der  Teilnahme  am 
öffentlichen  Leben    stark  betont.     So  verbietet  zwar  die 


0  S.  Berl.  philol.  Woch.  1887  S.  1501  ff. 

2)  S.  ausser  den  Citaten  bei  Couybeare  auch  Quaest.  iu  Gen. 
III  IG,  wo  Schiffahrt,  Ackerbau,  Handel  neben  einander  genannt 
werden;  vgl.  De  Cherub.  10  S.  145  Heinze  a.  0.  S.  17.  Ueber  den 
ßto?  TrpaxTtxo?  s.  auch  Quaest.  in  Gen.  IV  47. 


—    47     — 

stoische  Diatribe  das  Jagen  nach  äusseren  Gütern,  aber 
nicht  ihren  Genuss,  wenn  sie  sich  dem  Menschen  von 
selbst  geboten  haben.  Denn  auch  sie  sind  ein  Stoff,  den 
die  Tugend  wie  jeden  andern  zu  gestalten  weiss.  So 
betont  auch  Epiktet  energisch  die  Pflichten  gegen  den 
Staat  ^),  gebietet  ein  Amt  anzunehmen  und  in  seiner 
Verwaltung  zu  zeigen,  iroic  av&pa>Tro<:  dvaaipscpsTai  TusTrat- 
Seufievo?  (I  29,44,  vgl.  I  13,6).  Beamter  oder  Privat- 
mann, Bürger  oder  verbannt,  arm  oder  reich,  —  in  allen 
Lagen  und  Stellungen  des  Lebens  wird  der  Jünger  der 
Philosophie  sich  als  den  gleichen  bewähren  (II  16,42). 
Wie  es  falsch  ist  nach  Senatorenrang  oder  Aemtern  zu 
streben,  ebenso  falsch  auch,  diesen  Obliegenheiten  sich 
zu  entziehen  (IV  3,1.  19).  Wie  es  verkehrt  ist  nach 
äusseren  Gütern  zu  trachten,  ebenso  verkehrt,  sie  zu 
vernachlässigen,  wenn  man  sie  besitzt  (II  5)  ^).  Mit  den 
gegebenen  Verhältnissen  gilt  es  zufrieden  zu  sein,  in  alle 
sich  zu  schicken.  In  demselben  Tone  ist  Philo  De  pro- 
fug. 5.  6  S.  550.  551  gehalten  —  eine  Stelle,  die  man 
als  eine  eingelegte  Diatribe   betrachten  darf):    um  den, 


')  Bouhöffer  a.  0.  S.  94. 

^)  Vgl.  Zeno  bei  Athenaeus  VI  S.233B  und  das  von  Diels  (Archiv 
f.  Gesch.  d.  Philos.  I  479)  entdeckte  und  auf  Aristoteles  Protreptikos 
zurückgeführte  Bruchstück  des  Hortensius  bei  Augustin,  Soliloquia  I 
17  nullo  modo  appetendas  esse  divitias,  sed  si  provenerint,  sapien- 
tissime  atque  cautissime  administrandas.  Sehr  ähnlich  dem  Stand- 
punkt Epiktets  und  Philos  den  äusseren  Gütern  und  Ehren  gegen- 
über ist  der,  den  Seneca  De  beata  vita  21  ff.  (3,3)  entwickelt.  Vgl.  auch 
Hense  Rh.  M.  XLVII  S.  240.  Verwandt  ist  der  Standpunkt  Aristipps 
(Zeller  II  1  S.  361  ff.),  der  ja  auch  die  Diatribe  beeinflusst  hat. 

^)  Dies  gilt  wenigstens  von  den  Grundgedanken,  die  ich  allein 


—    48    — 

der  den  Reichtum  schlecht  anwendet,  zu  beschämen, 
weise  nicht  den  Ueberfluss  von  Dir.  Um  den  Ehrgeizigen 
und  Prahler  zurechtzuweiseu,  verschmähe  nicht  die  Ehre 
bei  der  Menge,  wenn  sie  sich  dir  bietet.  Selbst  zum 
üppigen  Male  darfst  du  ruhig  gehen,  um  durch  dein 
Verhalten  die  andern  zu  beschämen.  Wer  das  gemein- 
schaftliche Leben,  Erwerb,  Lust,  Ehre,  die  Staatsgeschäfte 
zu  verachten  vorgiebt,  dem  sollte  man  entgegenhalten, 
dass  es  mehr  heissen  will,  auf  allen  diesen  Gebieten  die 
Tugend  zu  bewähren  als  ihrer  Bethätigung  ängstlich  aus 
dem  Wege  zu  gehen.  Uebet  das  praktische  Leben  vor 
dem  theoretischen  wie  den  Vorkampf  vor  dem  eigent- 
lichen Kampfe.  Nur  so  vermeidet  ihr  den  Vorwurf  der 
Trägheit.  Und  vorher  (Kap.  4  S.  550,  das  überhaupt  zu 
vergleichen  ist)  heisst  es:  nimm  Teil  an  all  den  äussern 
Gütern,  die  die  Schlechten  missbrauchen,  und  wenn  Du 
sie  besitzest,  ota  Stjjxioüp^o?  czyaöos  sloo?  apiaxov  xaTc  uXi- 
xat?  ouat'ai?  sY/apa^ov  xal  STraivexov  aTioTsXeaov  Ip^ov^). 
Dieselbe  Anpassung  an  die  oft  wechselnden  Verhältnisse 
wird  De  Jos.  24  S.  61  in  scharfen  Antithesen,  wie  sie 
die  Diatribe  liebt,  gefordert:    dXXoTpiov  touto*    jj-y]  Ittii^ü- 


anführe.  Bezeichnend  ist  die  fingirte  Anrede  und  die  der  Diatribe 
eigene  Vorliebe  für  den  beigeordneten  Hauptsatz  an  Stelle  des 
untergeordneten  Bedingungssatzes,  (Müller  De  Teletis  elocutione 
S.  69),  die  aus  dem  philonischen  Periodenbau  völlig  herausfällt. 

1)  Vgl.  De  Jos.  14  S.  52.  Der  bekannte  Vergleich  mit  dem 
Schauspieler  Quaest.  in  Gen.  IV  124,  der  mit  dem  Steuermann  De 
prof.  4.  —  Dies  krankhafte  Jagen  nach  äusseren  Gütern  wird  na- 
türlich verworfen,  De  ebr.  14  S.  365. 


-     49     - 

[jL£i.  1810V  TouTO*  y^pS)  [XY]  Trapa)(pa)[X£VO?  ^).  irspiouffiaCst?* 
}jL£Ta8i8ou  .  .  .  oXqa    xsxxyjarar    jat]    cpOovst    toi?    £)(ouat .  .  . 

£u8o^£r?    Xcd    T£Tr}JLY]aai*      [JLY]    XOCXaXaCoVEUOl).       xaiTElVO?    £1    TOCT? 

TtS^^ai?'  dXXa  xo  cppovy]|xa  jatq  xaxaTciTcxlxo).  Tuavxa  öoi  xaxa 
vouv  X"^P^^*  jJ-S'^otßoXrjV  £uXaßo[).  irxat'Eic  tcoXXocxi?*  ^(pYjGfxa 
IXitiCe*  irpo?  "(ocp  xdvavxia  xwv  dvöpwTTwv  (lies  dvdpfoirEiojv) 
ai  xpoirai.  Dem  Inhalte  wie  der  Form  nach  bietet  die 
schlagendste  Parallele  Tel  es  S.  6.  7.  Man  soll  es  machen 
wie  die  Schiffer:  £u8ia,  ^aXVjvY]'  xat?  xwTrai?  TrXIouai.  xaxa 
vaüv  av£[xo?*  Iirr^pav  xd  dpfx£va  .  .  .  ^spwv  ^l'yova?'  jxy]  CT^x£t 
xd  xoü  V£ou.  daO£VY]?  TrdXtv  [xt]  C^x£t  xd  xoü  laj^üpou  .  .  .  . 
diropoc  TrdXiv  ^E^ovac:*  [it]  CVjxEt  xrjv  xo5  Eüiropou  Siaixav  . . . 
süTcopta*   oidaxEiXov.     dTiopia*  öüc5X£iXov. 


VIII. 


In  der  Einleitung  seiner  Schrift  Q.  omn.  prob.  lib. 
wendet  sich  Philo  gegen  die  Ansicht  der  verblendeten 
Menge,  der  die  stoischen  irapdSo^a  seltsam  und  unver- 
nünftig (irapdXoYa)  erscheinen^).  Er  selbst  bekennt  sich 
oft  zu  diesen  Sätzen,  die  die  Gegner  der  Stoa  mit  Vor- 
liebe aufgrift'en,  um  sie  lächerlich  zu  machen.  Der 
Weise   ist  im  Besitze  aller  Tugenden  (De  Abr.  6  S.  6). 


^)  Anklang  an  Aristoteles,  Fr.  56  Rose  (vgl.  Clem.  Paed.  II  9). 

2)  Gnomol.  Vat.  ed.  Sternbach  295  Zt^vwv  6  Sxwtxo?  cptXdaocpo? 
XeydvTOiv  tiväv  ort  Tzapdho^a  Xeyet,  l'cpY]*  dXX'  oi)  TtapdXoya,  vgl.  Apoph- 
thegma  18  bei  Pearson  und  Kleanthes  Fr.  107  bei  demselben.  Es 
fehlt  bei  Pearson  Varros  Zeugnis  (Sat.  Menipp.  245  B)  für  die  Be- 
handlung der  TTapdSo^a  durch  Kleanthes. 

Festschrift  für  Diels.  4: 


—    50    — 

Die  ganze  Welt  ist  ihm  von  Gott  als  Besitz  verliehen 
(V.  Mos.  128  S.  105)').  Er  allein  ist  Bürger  (Q.  omn. 
prob.  lib.  1  S.  445),  ist  der  wahre  König  (De  agric.  10 
S.  306)  und  r^^s\i(iiv,  nicht  durch  Loos  oder  Wahl  für 
kurze  Zeit,  sondern  von  der  Natur  für  immer  eingesetzt, 
Herrscher  wegen  seiner  königlichen  Gesinnung,  auch 
wenn  es  ihm  an  einem  äusseren  Gebiete  der  Herrschaft 
fehlt ^).  Mit  ihm  verglichen  sind  alle  Herrscher,  und 
wenn  sie  die  ganze  Welt  besässen,  loiwiai  (De  plant.  16 
S.  339.  340,  Harris  Fragments  S.  36  =  Quaest.  in  IV  76). 
Er  allein  ist  wahrhaft  schön,  wäre  er  auch  äasserlich 
hässlich  wie  ein  Silen  (Quaest.  in  Gen.  IV  99).  Umge- 
kehrt ist  der  Schlechte  cpuyac,  auch  wenn  er  mitten  in 
der  Stadt  wohnt  und  an  allen  Aemtern  und  Ehren  teil- 
nimmt^), arm,  auch  wenn  er  im  grössten  üeberflusse 
lebt'').     Eine  zweiteilige  Schrift,    deren   erste  Hälfte  ver- 


^)  Ueber  den  Reichtun  des  Weisen  s.  auch  De  Prof.  3  S.  548. 
549  De  Plant.  16.  17  S.  339.  340  Q.  omn.  prob.  lib.  2  S.  445  Quaest. 
in  Gen.  IV  182,  über  seine  Sd^a  De  prof.  a.  0. 

2)  De  mut.  nom.  28  S.  601  ou  t«?  uXots  l^eTaaavxec  .  . .  dXXa 
xrjv  Iv  TY)  Siavot'a  ßaaiXtxTjv  s'^tv  xaTavoTQaavxss.  De  Post.  Caini  37 
S.  250  ä^yiüv  xal  ßaatXeo;  eu^ew?,  xclv  fj.r]Oe[j.tä(;  uXr]?  euTTopirJ.  Quaest. 
in  Gen.  III  22.  IV  76  (=  Harris  Fragments  S.  36).  Nach  Teles 
S.  16,131f.  E.  und  Musonius  bei  Stob.  II  S.  276,4.  15  if.  Mein,  ist 
der  Weise  Herrscher,  auch  wenn  er  nur  über  sich  selbst  die 
Herrschaft  ausübt.  Vgl.  auch  De  somn.  II  36  S.  691.  De  praem. 
9  S.  416.  417. 

3)  Q.  omn.  prob.  lib.  1  S.  445.  Leg.  all.  HI  1.  2  S.  87.  88. 
De  Gig.  15  S.  272.  De  congr.  erud.  gratia  12  S.  527.  Quaest.  in 
Gen.  IV  165.     Quaest.  in  Exod.  II  23. 

^)  Q.  omn.  prob.  lib.  2.  De  prof.  3  S.  548  dSd^ou;  xat  Trevrjxac, 
xav  ßaötXecüv  TtoXuypiccüv  x6)(a;  uTtepßdXXwaiv  Harris,  Fragments  S.  69. 


—     51     — 

loren  ist,  hat  Philo  dem  Erweis  des  stoischen  Satzes  ge- 
widmet Travxa  cpauXov  sTvai  SouXov  und  Travxa  airouoatov 
sTvoti  eXsuOepov  ^). 

Besondere  Beachtung  verdient  die  Schrift  riepl  sö^s- 
vEiac,  die  in  ihrem  ersten  Teile  den  stoischen  Satz  oxi 
[xovo?  6  ao^fö?  ^u-(^vr^<;  entwickelt,  um  aus  ihm  die  Gleich- 
berechtigung der  Proselyten  abzuleiten  und  sie  gegen 
Zurücksetzung  durch  jüdischen  Nationalstolz  energisch  in 
Schutz  zu  nehmen  ^).  Als  Denkmal  der  jüdisch-hellenisti- 
schen Propaganda  besonders  interessant,  ist  sie  zugleich 
geeignet  unsere  dürftigen  Quellen  für  das  stoische  Para- 
doxon zu  ergänzen.  —  Wenn  die  Bewunderer  der  su^e- 
vsia  nach  Philo  oiovxai  xoac;  ex  :TaXai07rXouxü)v  xai  TiaXai 
£v86^ü)v  su^evsT?^),  so  legt  er,  indem  er  die  tiefere  Be- 
griffsbestimmung,   die    namentlich    Aristoteles    gegeben 


^)  Ich  gehe  auf  sie  nicht  ein,  da  ich  verweisen  kann  auf  Aus- 
felds  Schrift  (s.  Archiv  f.  Gesch.  d.  Philos.  I  S.  509  ff.),  Hilgenfeld 
Z.  f.  w.  Theol.  1888  S.  49  ff.,  Hense  Rh.  M.  XLVII  S.  219  ff.  Ueber 
die  Quellen  für  das  stoische  Paradoxon  s.  Bernays  Herakl.  Briefe 
S.  101. 

^)  Massebieau,  Le  classement  des  oeuvres  de  Philon  S.  53,  da- 
nach zu  berichtigen  Immisch  S.  79.  Ausser  den  von  Immisch, 
Commentationes  philologae,  quibus  0.  Ribbeckio  congratulantur 
discipuli  Lpz.  1888  S.  79.  85  angeführten  Quellen  für  den  stoischen 
Satz  kommt  namentlich  in  Betracht  die  jüngst  gefundene  pisidische 
Inschrift  eines  Verehrers  Epiktets  (Kaibel  im  Hermes  XXIII  S.  542  ff.), 
Galens  Protreptikos  Kap.  7,  Dio  Chrys.  Or.  XV  Bd.  I  S.  268  ff. 
Dind.,  Boethius  Cons.  III  6  (auch  4);  über  Gregor  von  Nazianz  s. 
Asmus  Theol.  Stud.  u.  Krit.  1894  S.  323,  anderes  unten.  Zu  ver- 
gleichen sind  auch  Gnomol.  Vatic.  ed.  Sternbach  No.  10.  15.  151. 
257.  307. 

3)  Im  Folgenden  ist  [t.t]hk  (so  auch  Seiden.)  statt  {atqts  zu  lesen. 

4* 


-     52    — 

hatte  ^),  ignorirt,  die  Vorstellung  der  Menge  zu  Grunde  ^), 
gegen  die  auch  die  stoische  Polemik  sich  gerichtet  haben 
wird.  Das  wahre  Gut  und  also  auch  der  Adel  darf 
nicht  unter  den  äusseren  Gütern  (so  Aristoteles,  s.  Im- 
misch S.  83)  oder  dem  Körperlichen,  sondern  allein  in 
der  Seele  und  in  ihrem  edelsten  Teile  gesucht  werden. 
Denselben  Gedanken  spricht  Seneca  Ep.  44,5  (animus 
facit  nobilem,  vgl.  luvenal  VIII,  24)  und  De  ben.  III  28,1, 
ebenso  der  unbekannte  Verehrer  Epiktets  mit  den  Worten 
aus  (V.  4ff.): 

dvSpoc  iXsuOspiac  öxaOfiav  iyiß,  xav  cpuaiv  otutocv, 

al'  xa  Tocv  Yvw[iav  ti«:  IXeuöcpoc  Ivooöev  sfyj 

opOa?  sx  xpotoiac  5  ■^^svvixöv  dvspa  iroiij- 

xat  xauia  xpsivwv  tov  sXsu^spov  ou  xsv  ajidpioi?, 

OYxov  8e  Tüpo^ovcDV  X9jpov  xal  cp^T^vacpov  aYstj. 

00  ■'/dp  Tot  TTpo-i'ovoi  TOV  IXsudspov  dvopa  TlOeVTl. 

uc,  ^dp  Zsuc  irdvTüiV  TTpOTTOCKop,  jxia  o'   dvSpdai  pt'Ca^' 

zXc,  TTQcXo?  irdvTtüV  0  OS  xav  cpuatv  ilXajp  saöXdv, 

süiraTpioa?  ttjVo?  xal  IXeuöspo?  dxpsxs?  Ivxi. 


0  Bernays,  Die  Dialoge  des  Aristoteles  S.  141.  Es  ist  eine 
ziemlich  bedeutungslose  aristotelische  Floskel  (Immisch  S.  83),  wenn 
Philo  6  S.  443  sagt  otat  toIs  (xe^'  auTTjv  aTraotv  euyeveta?  «PX^  T^" 
veaOat,  vgl.  3  S.  440  toTs  (j-et'  auxov  ap^rj  xaxoSaifAOvt'a?, 

2)  Plut.  bei  Stob.  III  S.  157  Mein,  xt  ydp  dtXXo  vojj.iCo|xev  elvai 
xrjv  euyeveiav  et  (xt]  TiaXaiov  tiXoütov  "ig  "scat  So^av  TtaXatav.  Dio  Chrys. 
Or.  XV  Bd.  I  268  Dind.  Wenn  Philo  auch  im  Folgenden  die 
Tüchtigkeit  der  Vorfahren  voraussetzt,  wird  er  doch  auch  dadurch 
nicht  veranlasst,  das  Problem  tiefer  zu  fassen. 

^)  Die  Idee  der  Gottesverwandtschaft  wird  ähnlich  verwertet 
bei  Epiktet  I  9  und  I  3,  Boethius  III  6  (in  dem  Gedichte). 


—     53     — 

Dieser  Gedanke  drückt  sich  auch  darin  aus,  dass  die 
Stoa  suYsvYj?  im  Gegensatz  zum  früheren  Sprachgebrauche 
in  rein  ethischem  Sinne  gebraucht^).  Nur  die  Tugend- 
haften soll  man  nach  Philo  als  su^svsT?  bezeichnen,  xav 
t6)(üj(5iv  sC  oixoTpißojv  Tj  apYupcüvvJxwv  YSYovoTs?^).  Die 
Schlechten,  die  von  Guten  abstammen^),  dürfen  darum 
keinen  Anspruch  auf  su^sveia  erheben.  Denn  wie  jeder 
Schlechte  verbannt  ist  (aus  dem  wahren  Vaterlande  der 
Weisen,  der  Tugend),  so  ist  er  auch  unedel,  wenn  er 
auch  von  den  besten  Eltern  und  Ahnen  stammt.  Der 
Adel  ist  ihm  nicht  nur  nicht  angeboren,  sondern  der 
Schlechte  ist  sein  erbittertster  Feind,  indem  er  den  Ruf 
seiner  Ahnen  vernichtet.  Wie  dem  Blinden  die  Scharf- 
sichtigkeit seiner  Ahnen,  dem  Stotternden  ihre  Rede- 
sicherheit, dem  Kranken  ihre  Kraft  nichts  nützt,  so  auch 
dem  Schlechten  nichts  die  Tugend  seiner  Eltern  *).   Wenn 


^)  Diese  Identität  von  ev)yevY]s  als  eu  Yeyovüjs  Tipos  dpetrjv  und 
yevvato^  begründet  Dio  Chrys.  a.  0. 

2)  Umgekehrt  der  Dichter  v.  13: 

SoOXov  V  oux  oxvr]|j(.t  XeyTjv  xaxov  ouSe  TpiSouXov 
8s  [7:poydv]ü)s  «"^X^j  xpaS^a  8s  ol  evSov  d'(evvri(;. 
Epiktet  IV  1,  57.  Zum  Ausdruck  xpt'SouXos  vgl.  Gnomol.  Vat.  Nr.  195 
Philo  Q.  omn.  prob.  lib.  2  S.  446  toT?  6"  ix  xptyovt'as  (so  die  Hss. 
und  Wilamowitz  bei  Ausfeld  S.  24  statt  Tptysvct'as)  aTtyi^axiaiq,  Tiat- 
8dTpn];i  xal  TiaXaiooouXot?.  TiaXatdoouXo?  auch  21  S.  468.  Epikt.  IV 
1,  7  Tüiv  rpt?  7re7:pa[jL^v(üv.     Hör.  Sat.  11  7,  70  o  totiens  servus  76. 

^)  1  S.  438  ToTs  6'  i^  dya&uiv  Tuovr]pots,  ebenso  5  S.  441  und 
am  Schluss  der  Schrift;  vgl.  den  120.  Brief  des  Phalaris  S.  444  H 
6  ji.£v  ix  cpauXujv  dyaOo?  . .  .  6  5'  di  dyctdüiv  cpaüXos. 

^)  Der  folgende  Satz  ist  nach  Seiden,  zu  lesen:  ouSe  (st.  oute) 
ydp  ol  vdfxoi  xoXg  Tcapavofxoüatv,  (bv  et'atv  aixol  xoXaaxat,  vdp.oi  oe  Tive? 
[dv  elsv]  dypacpoi  xal  ol  ßi'ot  t(Öv  C^'jXcüadvTCüv  dpexVjv. 


—    54    — 

sie  Menschengestalt  annähme,  würde  die  su^svaia  viel- 
mehr solche  entartete  Sprösslinge  für  ihre  erbittertsten 
Feinde  erklären.  Sie  müssen  ihr  verhasster  sein  als  die, 
denen  man  unedle  Geburt  vorwirft.  Denn  diese  dürften 
sich  damit  entschuldigen,  dass  ihr  Haus  ihnen  kein  Bei- 
spiel der  Tüchtigkeit  bietet,  jene  erscheinen  um  so 
schuldiger,  als  sie  sich  des  Glanzes  ihres  Geschlechtes 
rühmen.  Derselbe  Gedanke  findet  sich  in  dem  die 
£U7£V£ia  behandelnden    7.  Kap.   des  Protreptikos  Galens: 

XaüTTjV      '(OCp      tJLOVTjV      l/Ol}JL£V    OC V ,      £l      §7]      Tt?      EOfTlV      £üY£V£ia? 

)(p£ia,  TTpb?  oix£iov  TTapa8£q{xa ^)  xov  C^i^ov  yj^xTv  ^fyvzax^ar 
o)?  £1  ^2  itaxa  tloXü  t^c  irpo^ovtüv  apEtr;?  dTToXEiKOji-eöa  .  .  . 
al(3'/ßvri  S'  f| jj-iv  cxuTOi?  toöwSe  jjleiCwv  oao)  xoci  xo  ^evo? 
7:£ptcpav£ax£pov  oi  [jiev  -^ap  TravxaTrotatv  aay]|xot  xco  -j'£V£t 
xxX^).  Zum  Beweise,  wie  wenig  die  adlige  Geburt  hilft, 
führt  Philo  (3  S.  439)  den  Frevel  des  Kain,  den  Ueber- 
mut  des  Harn  gegen  seinen  Vater,  den  Sündenfall  Adams 
an,  der  sich  Gottes  als  Vaters  rühmen  konnte^),  und  als 
jüdische  Beispiele  die  Verwerfung  der  Söhne  Abrahams 
ausser  des  einen  und  die  Verwerfung  Esaus.  Weiter  wird 
der  Satz  erhärtet,  dass  andere  von  schlechten  Eltern  ab- 
stammten und  trotzdem  ein  rühmenswertes  Leben  führten. 
Dafür  wird  angeführt  die  Auswanderung  Abrahams,  der 
als  Typus    der    su^lvEia  der  Proselyten    gilt,    aus    seiner 


^)  Danach  ist  wohl  Philo  zu  ergänzen:  toutois  [j.ev  ydp  «TroXo- 
Xoyi'a  t6  [xr^Bev  ofxetov  e^eiv  xaXoxayaOtas  (Kapdhziyiia). 

2)  luvenal  VIII  138ff.  Boethius  III  4.  Epiktet  II  24,25: 
selbst  die  göttliche  Abstammung  hat  Achill  nicht  vor  unwürdigem 
Verhalten  bewahrt,  vgl.  IV  10,  36. 


—    55    - 

heidnischen  Heimat,  Thamar  und  die  Kebsweiber  Jakobs 
und  ihre  Söhne.  —  Philo  fand  schon  in  seiner  Quelle 
zwei  Reihen  von  Beispielen  vor,  die  er  der  Tendenz 
seiner  Schrift  entsprechend  durch  jüdische  ersetzte.  Bei 
Plut.  a.  0.  finden  wir  Midas,  Sardanapal,  Xerxes  auf  der 
einen,  Aristides,  Sokrates,  Kynaigeiros  auf  der  andern 
Seite  ^).  Die  Schrift  schliesst  mit  einem  heftigen  Schluss- 
wort gegen  die,  die  den  Adel,  ein  fremdes  Gut,  sich  an- 
massen^).  Sie  sind  Feinde  des  jüdischen  Volkes,  weil 
sie  es  veranlassen,  wahren  Adel  gering  zu  achten  im 
Vertrauen  auf  irpo^ovtxYj  apsiij,  Feinde  aller  Menschen, 
weil  sie  ihre  Tugend  nicht  gelten  lassen,  wenn  ihre  Her- 
kunft nicht  vorwurfsfrei  erscheint^). 


^)  Hör.  Sat.  I  6,  9if.  stellt  den  vielen  zwar  ahnenlosen,  aber 
braven  Menschen  den  entarteten  Spross  der  Familie  der  Laevini 
gegenüber.  So  sehr  derselbe  übrigens  die  Ueberschätzung  des 
Adels  verhöhnt  (v.  17),  so  trennt  ihn  doch  das  dum  ingenuus  v.  8 
vom  stoischen  Standpunkte.  Vgl.  bei  Galen  a.  0.  die  Beispiele  des 
Themistokles,  Anacbarsis  (s.  Menander  fr.  Inc.  533,  11 — 13  III 
S.  157  Kock.) 

2)  Auch  Quaest.  in  Gen.  IV  180  sagt  Philo,  adelig  sei  nicht, 
wer  von  vornehmen  Vätern  und  Grossvätern  abstamme,  sondern 
wer  der  Frömmigkeit  der  Väter  nacheifere;  der  Wert  des  Menschen 
könne  nicht  in  einem  fremden,  sondern  nur  im  eigenen  Gut  liegen. 
Boethius  III  6  quae  (sc.  nobilitas)  si  ad  claritudinem  refertur, 
alle  na  est  ...  splendidum  te,  si  tuam  non  habes,  aliena  claritudo 
non  efficit.  De  Abr.  45  S.  38  tiÄoütoi  hä  xat  euyevetat  7rpoaopfJ.tCovTai 
fxev  xat  ToTs  cpauXoTaxot?*  zi  8e  xal  [Jidvot?  arcouSaiot?,  dyxu)jj.ta  Trpo- 
ydviuv  xai  xu^^r]?,  dW'  ou  xwv  Ij^ovtwv  eiö^v, 

3)  Vgl.  De  mon.  I  7  S.  219, 


—    56 


IX. 


Für  die  Geschichte  der  Consolationes  ist  bisher  nicht 
verwertet  die  philonische  Ausführung  De  Abr.  44  S.  37. 
Die  Worte  der  Schrift  (Gen.  23,  2.  3),  dass  Abraham,  nach- 
dem er  ein  wenig  (dies  Philos  Zusatz,  vgl.  Quaest.  in  Gen. 
IV  73)  die  Sara  beklagt,  von  der  Leiche  aufgestanden,  ver- 
anlassen Philo,  die  philosophische  Fassung  des  Patriarchen 
mit  Farben  auszumalen,  die  er  der  Litteraturgattung  der 
Trostschrifcen  entlehnt  hat.  Abraham  hat  die  Trauer 
überwunden,  indem  er  den  Xoytaixo?,  den  Gegner  der 
TiaÖT],  stärkte  und  ermutigte.  Es  ist  eine  häufige  Mah- 
nung der  Trostschriften,  die  Heilung  des  Schmerzes  nicht 
der  Zeit  zu  überlassen,  sondern  durch  vernünftige  Ueber- 
legung  herbeizuführen.  Der  Gedanke  wird  vielleicht  auch 
von  Krantor  ausgesprochen  sein^),  auf  dessen  Trost- 
schrift als  letzte  Quelle  sicher  das  Folgende  hinweist. 
Die  Mahnungen  des  Xo^iötio?,  denen  Abraham  folgt,  sind 
folgende:  ixtj-s  ttXsov^)  iou  jisipioü  acpaSa'Csiv  ü)c  sttI  xoci- 
voiaxio  xal  a^evr^iü)  cjüficpopa  jjltJxs  aTcaösta  xaöaTrep  [itjBs- 
vö?  oSuvr^poü  aDtjLßsßriXOTO?  ypr^aba^,  xo  8s  {xeaov  irpö  xoiv 
ocxpcDV  sXofxsvov  jisxpioiraösiv  TrsipaOr^vai  ^)  x-^j  [jtsv  (pucset  x6 
oixetov  XP^°^  dTToXaßouair]  [lyj  hua'/epaivovxa,  x6  8s  au|xßsßr^- 
xoc    "yj^u/TJ]    xal    irpao)?    sTTsXacppiCovxa.     Im  Gegensatz    zu 


1)  Plut.  Cons.   ad  Apoll.  6. 20.     Cic.   Tusc.   III  58.     Sen.  De 
rem.  fort.  9,  1. 

2)  So  die  besten  Hss.  statt  Tikdin  und  Tietpaadai. 


—    57 


der  strengeren  Haltung  der  meisten  stoischen  Trostschriften 
(Cic.  Tusc.  IV  38  Sen.  Dial.  XI  18,5)  wird  hier  die 
Metriopathie,  die  rechte  Mitte  zwischen  übermässigem 
Schmerz  und  Gefühllosigkeit,  empfohlen  (vgl.  Sen.  Dial. 
XI  18,  5.  6  XII  16,1).  Das  ist  der  durch  Cicero  und 
Plutarch  bezeugte  Standpunkt  des  Krantor  ^). 


Cic.  Tusc.  III  71  natura 
adfert  dolorem,  cui  quidem 
Crantor,  inquiunt,  vester  ce- 
dendum  putat;  premit  enim 
atque  instat  nee  resisti  po- 
test.^)  II  12  nee  absurde 
Crantor ....  minime,  inquit, 
adsentior  iis  qui  istam  nescio 
quam  indolentiam  magno 
opere  laudant  quae  nee  po- 
test  ulla  esse  nee  debet^). 


Cic.  Acad.  II  135  sed 
quaero  quando  ista  fuerint 
ab  Academia  vetere  decreta, 
ut  animum  sapientis  commo- 


Plut.  Cons.  ad  Apoll.  3 
(Fr.  8  Kayser)  t6  '  jib  ouv 
dX'j'sTv  xal  oaxvsaöai  tsXsüttj- 
aavxo?  uioui  «puaixvjv  lyzi  r/^v 
ap)(7]V  T^c  XuTryj?  xal  oux  scp' 

7](xtv.        OU     Y^^P     £Ytt>7£     ÖDtJLCpS- 

po[xai  TOic  üfxvoüoft  XTjv  ayptov 
xal  axXyjpav  aTrocösiav  ICco  xai 
TOü  Suvaxoui  xal  tou  autxcpspov- 
To?   OüOfav.      dcpaipT^öSTai  -(dp 

fjfXWV    aSxY]    TY]V    £X    TOU    CplXsi- 

aOai  xal  cpiXstv  euvoiav,  tjv 
iravToc  fidXXov  SiaatoCsiv  dva^- 
xatov.  xö  OS  TTspa  lou»  jxs- 
xpioü  irapsxcpspsaOat  xal  öuv- 
aü?ctv  xd  ttsvOtt]  irapd  cpuaiv 
^Tvai    <^'^[Ji'i    xal    üTTo    x9]?  £v 


1)  Denn  Epikur,  der  auf  demselben  Standpunkte  steht  (Fr. 
120),  kann  für  Philo  als  Quelle  nicht  in  Betracht  kommen. 

2)  Philo  V.  Mos.  I  8  S.  87  von  der  Trauer  um  Tote  toTs  aSou- 
XduTOis  TTocOeat  xr)?  ^r^^/jic,^  d  fji.dva  aythbv  i^  ocTuavTcuv  Aeu^epa  i]  <p\iai<; 
dvTixe  Sen.  Dial.  VI  7,  1  XII  17, 1. 


58    — 


veri  et  conturbari  negarent. 
mediocritates  illi  probabant 
et  in  omni  permotione  na- 
turalem volebant  esse  quen- 
dam  modum.  legimus  om- 
nes  Crantoris  veteris  Acade- 
mici  de  luctu. 

Tusc.  III  71  ne  aegrotus 
sim;  sed  si  fuerim,  sensus 
adsit,  sive  secetur  quid  sive 
avellatur  a  corpore,  nam 
istud  nihil  dolere  non  sine 
magna  mercede  contingit, 
immanitatis  in  animo,  stupo- 
ris  in  corpore. 


(vgl.  Kap.  26).  610  xai  toüto 
|X£V  saxlov  ü)?  ßXaßspov  xai 
(pauiXov  xal  a7rou5aioi?  av5pa- 

aiV     ^KiaZOL     TTpSITOV,      TYjV     Ss 

[xsipioTraösiav  oux  ditoSoxi}i.a- 
axsov.  [lY]  Y^p  voaoT[x£v,  cpyj- 
alv  6  'Axa8r]{xaix6?  KpavKwp, 
voaTJaaat  8s  irapsiY]  ziq  aibör^- 

(31?,  £lV  OUV  xlfXVOlTO  Tt 
TÜJV  Yj[l£T£pÜJV    £lV    dTZOdTZlüTO. 

zb  Y^p  avwSuvov  toüto  oux 
av£u  [j,£7aXü)y  I^Yi^Vcxat  fxi- 
aöaiv.     T£Ö7jpta)a()ai  "(ap  £txö? 

£X£l     [X£V     aüifXOC    TOIOUTOV,     £V- 


lau&a  §£  ^u/7]v  (vgl.  Kap.  4). 

Durch  Philo  gewinnen  wir  einen  neuen  Beweis  da- 
für, dass  das  ganze  Kapitel  des  Plutarch  die  Gedanken 
des  Krantor  wiederholt.  Durch  ihn  wird  bestätigt,  was 
schon  aus  Cic.  Acad.  zu  vermuten  war  (Zeller  II  1 
S.  1048),  dass  Krantor  die  Metriopathie  mit  diesem  Aus- 
druck empfohlen  habe.  Wie  bei  Philo  daran  erinnert 
wird,  dass  der  Verlust  nicht  als  etwas  ganz  Neues  und 
Unerhörtes  (oj?  im  xaivoTan[]  xat  ol^zv^hö  aüfxcpopa)  be- 
trachtet werden  darf,  so  heisst  es  bei  Plutarch  nach  einem 
Citate  aus  Krantor  (Fr.  9  Kayser)  Kap. 6  S.  104  D:  xaivöv 
dxo'/ßXv   oü8£V   dv^ptüTTü) ,    dXXa   7:dvT£s   xauib  7r£7r6v&ajx£v  ^). 


^)  Wyttenbach    schreibt  auch  diese  Worte   noch  Krantor  zu. 


—    59    — 

Der  Gedanke,  class  das  Leben  wie  alle  Güter  ein  von 
Gott  dem  Menschen  verliehenes  Lehen  ist,  das  mit 
Recht  jeder  Zeit  wieder  eingefordert  werden  darf,  findet 
sich  wie  bei  Philo  so  in  den  Trostschriften  häufig 
ausgesprochen  ^).  Auch  die  Ausführung  des  Gedankens 
bei  Philo:  xaOaTrep  §£  ouSsk  av  a^^öotxo  tüjv  jxsxpiüiv  r^  xpsos 
TJ  Trapaxaxaör^xr^v  dviozivaiv  tco  TrposjjLSVtp ,  xov  auxov  xpoTrov 
ouSs  XTJ?  (poaziü^  diioXafxßavouarj^  )(aX£7raiV£iv  cpsxo  osiv,  dXXa 
xoic  dva'/xaioi?  dafxsvi'Cstv  erinnert  an  Plut.  Kap.  28:  ou  Ssi 
ouv  6üacpop£iv,  iav  a  l/pTjaav  f^fxiv  irpö?  oXqov,  xaöx'  dirai- 
xü)(Jtv.  0ü8£  yap  oi  xpa7r£Crxai,  xa{)d7r£p  £ia>0'a[X£V  X£'(£tv 
TToXXdxi?,  d7raixoü[X£Voi  xd  0£}jLaxa  Sua^^Epaivouöiv  IttI 
x-^  d7roo6a£i,  £dvTr£p  £U'yvü)[jiovwai  xxX. ''^)  Sen.  De  rem. 
fort.  3,4.  3,2  Dial.  XI  10.  Zu  vergleichen  ist  noch  De 
Cherub.  33  S.  160  (s.  auch  Quaest.  in  Gen.  III  10),  wo 
Philo  mit  deutlichem  Anklang  an  das  plutarchische  Citat 
(a.  0.)  aus  Euripides  (Phoen.  555)  ausführt,  dass  wir  die 


Dass  der  Schmerz  mit  vielen  oder  allen  Menschen  einem  gemein- 
sam ist,  wird  als  Trostgrund  benutzt  bei  Plut.  9  S.  106  C  32 
S.  118  C.     Cic.  Tusc.  III  59ff.     Sen.  Dial.  XI  1,4. 

')  Philo  De  Abr.  a.  0.  t^  (xev  cpuaei  t6  o^/teTov  Xpio<;  «TtoXaßouCY] 
De  Jos.  5  S.  45  xo  oJ-zeTov  dcpXTjfxa  xrjs  cpuaew?  aTioXaßooar]?  De  vict. 
ofFer.  6  S.  256  tov  [Aexa^u  /povov  fz^iaeim  %cd  ■^avaxou  Tiapd  Oeoü 
yprjötv  Xaßwv  und  besonders  Quis  rer.  div.  heres  21  S.  487  [Plato] 
Äxioclms  S.  367  B  Teles  S.  11, 1  Plut.  a.  0.  Kap.  10  S.  106  F  28 
S.  116.  Cic.  Tusc.  I  93  Hör.  A.  P.  63  Sen.  Dial.  VI  10  Epist.  120,18 
De  rem.  fort  2,1.  10,7.10.  13,3  Buresch  Leipz.  Stud.  IX  S.  104  ^ 
Praechter,  Cebetis  tabula  quanam  aetate  conscripta  esse  videatur 
S.  47.  Der  philonische  Ausdruck  /peos  findet  sich  auch  im 
Axiochus  und  bei  Plut. 

2)  Kynisch  ist  der  denselben  Gedanken  ausdrückende  Ver- 
gleich bei  Epiktet  IV  1,79  (110). 


—    60    — 

äusseren  Güter ')  und  auch  das  Leben  wie  einen  fremden 
(Gottes)  Besitz  gebrauchen  und,  wenn  wir  erkannt  haben, 
dass  wir  alles  nur  als  Lehen  haben,  auch  nicht  vergessen 
dürfen,  dass  der  Herr  das  Recht  hat,  sein  Eigentum,  wann 
er  will,  zurückzufordern.  Wenn  er  besonders  hervorhebt, 
dass  wir  durch  diese  Vorstellung  den  Schmerz  über  Ver- 
luste erleichtern,  dass  sie  eine  Quelle  reichen  Trostes  ist, 
so  giebt  er  zu  erkennen,  dass  es  Gedanken  der  Trostschriften 
sind,  die  er  wiederholt.  —  In  der  Schrift  De  Abr.  wird 
noch  der  Trostgrund  angeführt,  dass  durch  den  Tod  die 
Seele  nicht  vernichtet,  sondern  vom  Körper  getrennt  wird 
und  zu  ihrer  Heimat  eingeht.  Die  Möglichkeit,  dass  der 
Tod  als  Rückkehr  der  Seele  zu  einem  reineren  Dasein 
kein  Uebel,  sondern  ein  Gut  ist,  wird  auch  im  Anschluss 
an  Plato  von  Cic.  Tusc.  I  51.  74ff.O  erwogen.  —  V. 
Mos.  18  S.  87  lässt  Philo  den  Moses  sein  Volk  im 
Druck  der  ägyptischen  Herrschaft  mit  dem  Gedanken 
trösten,  dass  alle  menschlichen  Dinge  beständigem 
Wechsel  unterworfen  seien:  iravTa  ^ap  iisiaßa'XXEiv  xa 
£v  Tu)  xoajjLü)  TTpb?  xavavTiot,  vscpcjoatv  eU  aiöpictv,  ^veu- 
jAOcxtüV  ßiac  £U  alpa  vVjvsjxov,  xXuStova  OaXaxxrj?  zh 
TiauyioLv  xal  ^(«Xr^vr^v,  xa  o'  dvöpwirsia  xotl  [xaXXov,  oatp- 
TTsp    aaxa{}{xrjx6x£pa.       xouxoi?    xaxsiraocüv  ^)    woiTicp     aYaöo; 


0  lieber  die  Betrachtung  der  äusseren  Güter  als  Lehen  s.  Kiess- 
ling  zu  Hör.  Sat.  II  2,  126  Epist.  2  II  175  und  Lucian  Nigr.  26,  Se- 
gaar in  Dindorfs  Clemens  Alex.  III  S.  534.  542. 

2)  Axiochus  S.  365B  Plut.  S.  117F  toO  t^?  imhri[i.iaq  .  . .  ypdvou 
Sen.  Dial.  XI  9,  3. 

^)  üeber  den  Gebrauch  dieses  Wortes  s.  Buresch  S.  123. 


—    61    — 

laxpo;^)  . . .  Auch  dieser  Gedanke  wird  in  den  Trostschriften 
oft  ausgesprochen,  bald  um  das  Uebel  als  notwendiges 
und  unvermeidliches  Glied  in  dem  Wechsel  der  Verhält- 
nisse erkennen  zu  lassen,  bald  um  eben  aus  diesem 
Wechsel  die  Hoffnung  auf  eine  bessere  Zukunft  herzu- 
leiten^). Zum  Schluss  sei  noch  hingewiesen  auf  den 
Gedanken  De  Jos.  5  S.  45  wxufiopoc  o5osk  vj  ^)  iraviec; 
av{>p(o7roi*  xal  ^ap  6  [xa/popitoxaTOC  oXqo^povKüiaTo?  avxs^sia- 
Coasvo?  alüivi.  Damit  vergleiche  man  ausser  dem,  was 
Cic.  I  93  und  Plut.  S.  110  E  (117  E)  über  den  ampo? 
öavaio?  sagen,  Plut.  S.  111  C  t6  ts  ttoXu  ot^ttouösv  tJ 
fiixpöv  OüSkv  Stacpspciv  SoxsT  Trpö?  xöv  aizeipov  dcpopaiaiv 
aiwva  xxX.  (107  A)  und  die  Parallele  bei  Cic.  I  94*). 


X. 

Ich  fasse  zum  Schluss  kurz  die  Resultate  zusammen, 
die  sich  aus  der  Betrachtung  der  diatribenartigen  Par- 
tieen  bei  Philo ^)  ergeben: 


^)  Der  Text  nach  den  besten  Hss.     Vgl.  auch  S.  49. 

2)  Vgl.  z.  B.  Klitomachus  (Buresch  S.  59)  und  Plut.  5,  nament- 
lich die  Worte  -/a\  Iv  OaXaxTY]  suotat  xe  xal  j^eifjiüivs?,  ouxto  xal  iv  ßt'u) 
TzoXKai  xat  Trotxt'Xai  iteptaxaaets  yiyvofxsvat  Tipos  xd?  Ivavxia?  Trepictyouai 
xoü?  dv'^pwTrotJ?  xu^a?. 

^)  So  die  besten  Hss.,  vulg.  (Lxufxopoi  8'  etat  Travxe?. 

■•)  Buresch  S.  50  Brinkmann,  Quaestionum  de  dialogis  Piatoni 
falso  addictis  specimen,  Bonn  1891  S.  17. 

^)  Nicht  berücksichtigt  habe  ich  hier  die  schon  in  den  Neu 
entdeckten  Fragmenten  S.  139  fF.  behandelte  Lobrede  auf  den  Ttdvo? 
(De  sacr.  Abelis   et  Caini  6 — 9    S.  168.  169),   auch  nicht    manche 


—     62     — 

1.  An  vielen  Stellen  seiner  Schriften  hat  Philo  Ge- 
danken eingeflochten,  die  mit  Vorliebe  in  populären 
Traktaten  und  Vorträgen  der  Philosophen  ausgeführt 
wurden.  Die  häufige  Wiederholung  namentlich  der 
die  äussere  Lebensführung  regelnden  Grundsätze,  die  fast 
stereotypen  Formen,  in  denen  sie  wieder  und  wieder  ge- 
predigt werden,  die  unvermittelte  Art,  in  der  diese 
Episoden  oft  eingeführt  werden,  beweist,  wie  vertraut 
Philo  diese  Ideen  waren,  die  ihm  jeder  Zeit  in  seinem 
Gedächtnis  bereit  lagen,  wie  wertvoll  sie  ihm  erschienen. 
Es  genügt  die  philosophische  Richtung  und  die  Litteratur- 
gattung,  der  sie  angehören,  zu  bestimmen.  Nach  einem 
bestimmten  Namen  zu  suchen,  nach  einer  Quelle  wäre 
fruchtlos  und  wohl  auch  verkehrt. 

2.  Denn  diese  Gedanken  waren  damals  mehr  oder 
weniger  Gemeingut  der  Gebildeten.  Die  sittlichen  Ideale,  die 
Philo  seiner  Zeit  predigt,  die  Art,  wie  er  seine  sittlichen 
Grundsätze  auf  alle  Gebiete  des  äusseren  Lebens  anwendet, 
die  düstern  Schilderungen,  die  er  von  den  Sitten  seiner 
Zeit  entwirft,  zeigten  oft  bis  in  den  Wortlaut  hinein  die  ge- 
naueste Uebereinstimmung  mit  Musonius,  eine  Ueberein- 
stimmung,  wie  sie  in  dem  Maasse  Musonius  mit  keinem  der 
ihm  verwandten  Schriftsteller  aufweist.  Die  Annahme  eines 
Abhängigkeitsverhältnisses  ist  völlig  ausgeschlossen,  die 
Uebereinstimmung    erklärt   sich  genügend  aus  der  aner- 


Stellen  der  Schrift  De  animalibus,  da  für  sie  von  anderer  Seite 
eine  gründliche  Quellenuntersuchung  zu  erwarten  ist.  Die  Be- 
nutzung bionischer  Gedanken  in  der  Schrift  Q.  o.  prob.  lib.  erörtert 
Hense  Rh.  M.  XL VII  S.  219  ff. 


—    63    — 

kannten  Thatsache,  dass  in  der  Entwickelung  der  Diatribe 
eine  Fülle  von  Gemeinplätzen  oft  in  bestimmten  sprach- 
lichen Formen  ausgeprägt  und  in  diesen  Formen  als 
fester  Bestand  überliefert  wurde  wie  die  Grundgedanken 
der  attischen  Panegyrik  oder  die  Hauptthemen  der  alt- 
christlichen Apologetik.  Die  Ausprägung  dieses  Gedanken- 
materials, das  wir  aus  Seneca  und  Musonius,  aus  Dio 
Chrysostomus  und  Epiktet  kennen,  dürfen  wir  nun,  da 
Philo  als  Zeuge  hinzukommt,  einer  beträchtlich  früheren 
Periode  zuschreiben.  Wir  müssen  eine  längere  Ent- 
wickelung annehmen,  die  diesen  Gedanken  eine  Bedeu- 
tung und  Macht  errang  und  sicherte,  die  sie  zu  Philos 
Zeit  bereits  besessen  haben  müssen.  Schon  im  ersten 
Jahrhundert  vor  Christus  muss  es  eine  umfangreiche 
populäre  Erbauungslitteratur ,  muss  es  Prediger  und 
Schriftsteller  gegeben  haben,  die  diese  Ideen  in  die 
Massen  trugen.  Und  dafür  fehlt  es  uns  nicht  an  Spuren. 
Hör.  Sat.  H  3  lässt  den  bankerott  gewordenen  Dama- 
sippus  als  jungen  Adepten  der  Lehre  des  Stertinius  auf- 
treten, um  den  stoischen  Satz,  oti  ira?  acppwv  [xaivsiat, 
mit  den  Worten  seines  Meisters  zu  erweisen.  Die  „Ma- 
nier der  stoischen  Kapuzinaden"  wird  travestirt  ^).  Und 
n  7  bringt  der  Sklave  Davus  —  man  erinnert  sich  jetzt 
dabei  an  den  Epiktet -Verehrer  der  pisidischen  Inschrift 
—  seine  vom  Portier  des  Stoikers  Plotius  Crispinus  frisch 
bezogene  Weisheit  an  den  Mann,  indem  er  dem  Dichter 
den  Satz    oii  jiovo?  6  ofocpb?  IXsuöspo?   an    seiner   Person 


1)  Kiessling  S.  152. 


—     64    — 

vordemonstrirt.  Und  nicht  selten  schlägt  Horaz  ganz  un- 
vermittelt den  Ton  des  stoischen  Predigers  an  (I  3,  126). 
Es  sind  ephemere  Grössen,  dieser  Stertinius  und  Crispi- 
nus  —  denn  gerade  auf  diesem  Gebiete  erneuerte  sich 
die  Litteratur  fortgesetzt,  und  das  Neue  brachte  das  Alte 
in  Vergessenheit  — ,  es  sind  nur  Vertreter  einer  gewiss 
weit  verbreiteten  Gattung;  aber  sie  haben  doch  litte- 
rarische Grössen  sein  wollen.  Von  Stertinius  sagen  die 
pseudacronischen  Schollen  (zu  Ep.  I  12,20):  philosophus, 
qui  CCXX  libros  Stoicorum  latine  scripsit  —  eine  Nach- 
richt, die  nicht  ganz  erdichtet  zu  sein  braucht.  Von  Cris- 
piniscrinia  redet  Hör.  I  1,  120,  was  in  dem  Zusammen- 
hange ebenso  wohl  auf  philosophische  Traktate  wie  auf 
Dichtungen  sich  beziehen  kann.  Und  von  der  Schrift- 
stellerei  des  langweiligen  stoischen  Deklamators  Fabius 
(I  1,  14)  weiss  Porphyrio.  Und  wenn  uns  auch  Horaz 
Karrikaturen  vorführt,  die  vielleicht  nicht  ganz  der 
Wirklichkeit  entsprechen^),  so  bezeugt  er  doch,  in  wie 
weite  und  verschiedene  Kreise  die  Wirkung  der  philo- 
sophischen Predigt  und  Erbauungslitteratur  drang.  Und 
das  bezeugen  auch  indirekt  seine  Satiren  und  Episteln, 
die  ein  für  ethische  Kultur  interessirtes  Publikum  voraus- 
setzen. Und  neben  den  Karrikaturen  —  das  Wort 
dpeiaXo^o?  (Meister,  Sitzungsber.  der  Kön.  sächs.  Ges.  d. 
Wiss.  1891  S.  13  ff.)  scheint  damals  zuerst  auf  die  Philo- 
sophen übertragen  zu  sein  —  wird  es  auch  würdigere 
Vertreter  der  Popularphilosophie  gegeben  haben. 


^)  Kiessling  zu  I  1,  13. 


—     65    — 

3.  In  späterer  Zeit  dürfen  wir  als  einen  Durcli- 
schnittstypus  dieser  Gattung  Musonius  betrachten.  Wenn 
uns  jetzt  der  Vergleich  mit  Philo  lehrt,  in  wie  hohem 
Maasse  er  von  der  früheren  Ueberlieferung  der  Diatribe 
abhängig  ist  und  wie  sehr  er  in  ausgetretenen  Geleisen 
wandelt,  so  scheint  uns  der  Ruf,  dessen  er  sich  zu  seiner 
Zeit  und  bei  der  Nachwelt  erfreute,  zu  seiner  wirklichen 
Bedeutung  in  keinem  rechten  Verhältnis  zu  stehen,  auch 
wenn  wir  annehmen,  dass  von  der  Wirkung  der  Persön- 
lichkeit in  den  Aufzeichnungen  des  Schülers  viel  ver- 
loren gegangen  ist  ^).  Musonius  erscheint  uns  als  Dok- 
trinär und  wenig  originaler  Geist,  bei  Epiktet  vernehmen 
wir  fast  in  jedem  Satze  den  Schlag  eines  lebendig 
fühlenden  Herzens.  Durchsichtigkeit  und  Klarheit  im 
Vortrage  sind  die  Vorzüge  des  einen,  Feuer  und  Leiden- 
schaft die  des  andern. 

4.  In  den  von  uns  behandelten  Ausführungen  Philos 
haben  wir  eine  bis  jetzt  fast  gar  nicht  benutzte  Quelle 
für  die  Sittengeschichte  seiner  Zeit  gewonnen.  Indem 
wir  aber  zugleich  erkannt  haben,  wie  die  strengen  Grund- 
sätze und  das  Ideal  der  Stoa  das  Urteil  Philos  und  der 
verwandten  Schriftsteller  bestimmten,  wie  sich  diese 
strengen,  oft  rigorosen  Grundsätze  auch  weiteren  Kreisen 
mitteilten  und  wie  die  sentimentale  Stimmung  der  Zeit 
die  Durchführung  dieser  Grundsätze  gern  als  frommen 
Wunsch  aussprach,  vor  dessen  Erfüllung  man  wohl  er- 
schreckt wäre,    sind  wir  in  den  Stand  gesetzt,    den  ge- 


^)  S.  den  Anhang. 

Festschrift  für  Diels. 


—    66    — 

schichtlichen  Wert  dieser  Zeugnisse  richtig  abzuschätzen. 
Als  Zeugnisse  für  die  Stimmung  der  Zeit  haben  sie  einen 
hohen  Wert,  als  Zeugnisse  für  die  sittlichen  und  gesell- 
schaftlichen Zustände  sind  sie  mit  Vorsicht  zu  benutzen. 
Fast  überall  in  der  Litteratur,  wo  der  Luxus  bekämpft 
wird,  hören  wir  das  Pathos  der  stoischen  Predigt  durch, 
und  die  Deklamationen  gegen  den  Luxus  sind  meist  so 
allgemein  gehalten  und  so  wenig  individuell  gefärbt,  dass 
sie  für  die  Erkenntniss  der  wirklichen  sittlichen  und 
socialen  Zustände  nur  mit  Vorsicht  zu  benutzen  sind. 
Wer  sich  vergegenwärtigt,  dass  diesen  Klagen  ein  Stand- 
punkt der  Beurteilung  zu  Grunde  liegt,  dem  schon  als 
verwerflicher  Luxus  erscheint,  was  eine  unbefangene  Be- 
trachtung als  berechtigten  Komfort  ansieht,  wird  aus 
ihnen  ebenso  wenig  ein  geschichtliches  Bild  meinen  ge- 
winnen zu  können  wie  aus  den  Deklamationen  Rousseaus 
ein  treues  Bild  der  sittlichen  Zustände  seiner  Zeit.  „Die 
Klagen  patriotischer  Schriftsteller",  denen  manche  auch 
nach  Friedländers  unbefangener  Kritik  ein  zu  grosses 
Gewicht  beimessen,  sind  in  der  überstrengen  stoischen 
Doktrin  noch  mehr  begründet  als  in  wirklichen  Miss- 
ständen. 

5.  Als  besonders  reichhaltige  Quelle  für  die  stoische 
Diatribe  hat  sich  uns  die  philonische  Schrift  Us.pi  ßiou 
{>£a)pyjTixoL>  ergeben.  Philo  misst  hier  die  sittlichen  Ver- 
hältnisse seiner  Zeit  mit  stoischem  Maassstabe.  Wie  sie 
auf  allen  Gebieten  dem  stoischen  Ideale  widersprechen, 
so  erscheint  dies  Ideal  verkörpert  in  der  Gemeinschaft 
der  Therapeuten.    Ist  es  wahrscheinlich,  dass  ei  n  Schrift- 


—    67     — 

steller  aus  dem  Beginn  des  4.  Jahrhunderts,  in  das  die 
jetzt  von  den  Theologen  fast  allgemein  angenommene 
Ansicht  die  Schrift  legt,  diesen  stoischen  Standpunkt  ein- 
genommen habe^)?  Der  reine  Stoicismus  war  damals 
untergegangen,  die  herrschende  Philosophie  der  Platonis- 
mus.  Hatte  im  2.  Jahrhundert  die  Stoa  einen  bedeuten- 
den Einfluss  auf  die  christliche  Lehrentwickelung  ausge- 
übt, so  war  sie  jetzt  auch  in  der  Kirche  abgelöst  durch 
den  Piatonismus.  Und  als  man  das  Mönchtum  und  die 
mönchische  Lebensweise  auf  eine  Theorie  und  in  ein 
System  brachte,  da  entlehnte  man  die  maassgebenden 
Grundsätze  dem  Neuplatonismus  und  verwertete  stoische 
Ideen  nur,^  soweit  sie  im  Piatonismus  aufgegangen  waren. 
Die  Thatsache,  dass  die  Schrift  über  die  Therapeuten 
nur  in  der  Blütezeit  der  stoischen  Diatribe,  der  sie  ihre 
leitenden  Gesichtspunkte  entlehnt,  verständlich  ist,  dass, 
wie  ich  an  anderer  Stelle  zeigen  werde,  manche  Anstösse 
sich  unter  dieser  Voraussetzung  erklären,  ist  ein  wichtiger 
Grund  für  ihre  Echtheit. 


0  Aus  der  Nachahmung  Philos  allein  lässt  sich  der  stoische 
Standpunkt  nicht  erklären.  Denn  dazu  ist  einmal  das  stoische 
Kolorit  zu  streng  festgehalten.  Ferner  bietet  die  Schrift,  wie  wir 
sahen,  Gedanken  der  stoischen  Diatribe,  die  sich  sonst  bei  Philo 
nicht  finden. 


5* 


ANHANG 

MÜSONIUS  UND  CLEMENS  ALEXANDRINUS. 

Bei  Stob.  II  S.  193  Wachsmuth  findet  sich  eine  Ab- 
handlung des  Musonius  mit  dem  Titel  Auxiou  Ix  xwv 
Mouöü)Vioü  TTOTspov  iG/üpoTspov  löo?  7^  Xo^o?,  Und  derselbe 
Lucius  war  citirt  im  ersten  Buche  (Elter,  De  loannis 
Stobaei  codice  Photiano  S.  46).  Sicher  gehen  auf  die- 
selben aTroixvyjfjLovsüfiaia  des  Lucius  mit  Ausnahme  einiger 
kürzerer  Sentenzen  alle  Reste  des  Musonius  zurück  ^). 
Das  beweist  die  völlige  Gleichheit  des  Stiles,  und  ich 
hätte  Quaest.  Muson.  S.  22  gar  keine  Bedenken  dagegen 
äussern  dürfen^).  Daran  darf  man  sich  auch  dadurch 
nicht  irre  machen  lassen,  dass  Suidas  unter  IlüiXituv  eine 
Schrift  d7ro|Jivr^[jLov£U[iaTa  Moüacovioü  xou  (piXoaocpoü  erwähnt. 
Wenn  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  dass  zwei  Schüler  des 
Musonius  seine  Vorträge  aufgezeichnet  haben,  wird  man 


1)  Hense  zu  Stob.  S.  173, 4. 

2)  Vgl.  die  Ueberliefevung  des  Teles.  Der  Excerpter  Theo- 
dorus  wird  hier  auch  nur  einmal  genannt,  obgleich  alle  Stücke 
auf  ihn  zurückgehen. 


—    69    — 

eher  geneigt  sein,  beide  Schriften  zu  identificiren  und 
anzunehmen,  dass  entweder  Stobaeus  ungenau  das  Präno- 
men des  Pollio  erwähnt  hat^),  oder  dass,  wie  die  Dia- 
triben  des  Teles  uns  durch  den  Excerptor  Theodorus  auf- 
bewahrt sind,  so  die  Vorträge  des  Musonius  durch  die 
Hand  eines  Lucius  durchgegangen  sind,  ehe  sie  Stobaeus 
benutzte. 

Wichtiger  ist  es  mir,  einen  andern  Irrtum  zu  be- 
richtigen, in  dem  andere  mir  unbesehen  gefolgt  sind. 
Ich  meinte  beweisen  zu  können,  dass  Clemens  an  den 
mit  Musonius  bei  Stob,  übereinstimmenden  Stellen  nicht 
aus  derselben  Quelle  wie  Stobaeus,  sondern  aus  einer 
eigenen  Schrift  des  Musonius  geschöpft  habe.  Dass  auf 
die  Zeugnisse  eines  Suidas  und  Eunapius  über  eine 
Schrift  des  Musonius,  die  nur  auf  ungenauer  Ausdrucks- 
weise beruhen  können,  an  und  für  sich  nichts  zu  geben 
sei,  wusste  ich;  aber  ich  meinte  die  schwachen  äusseren 
Zeugnisse  durch  innere  Gründe  bekräftigen  zu  können. 
Clemens  schien  mir  an  manchen  der  mit  Musonius  bei 
Stob,  übereinstimmenden  Stellen  einen  ursprünglicheren 
Wortlaut  vorauszusetzen;  Lucius  hätte  dann  die  Schrift 
des  Musonius  wie  Clem.  benutzt,  aber  mitunter  weniger 
treu  wiedergegeben.  Eine  nochmalige  Erwägung  der  in 
Betracht  kommenden  wichtigsten  Stellen  hat  mich  in- 
zwischen   eines    Besseren    belehrt.       Wie    unverständig 


1)  So  Wyttenbach  bei  Peerlkamp  S.  38.  Die  Stelle  des  Plin. 
VII  31,  wo  jetzt  nach  den  besten  IIss.  Anni  Bassi  statt  Musonii 
Bassi  gelesen  wü'd,  kommt  überhaupt  nicht  in  Betracht. 


—     70    — 


Clemens  mitunter  den  Musonius  benutzt,  kann  folgende 
Stelle  lehren: 


Clemens  II  115  S.  239  P 


Mus.  bei  Stob.  S.  173, 14H 


6si    Y^P     '^V    öi^^^'^iV    auxr^? 

xpsTxTOV  dTrocpaivsiv  xo  g/stto- 


jjLSvov    xal   ta)(üp6x£pov ,   aXX' 
oüx  döOsveaxspov  xs  xal  xs^P^^* 


Ssi    8s    XY]v     öxsiryjv,    oT[xai, 
auxö    auxTJ?  ^)    xpsixxov    diio- 

cpai'vStV    x6  aXETTOfXSVOV,    Ws    xö 

d'-yaXixa  xou  vscb  xal  xtjv  «J^ü- 
^y]v  xoöi  aa>[xaxo?  xal  x^? 
eaÖTjXog  xo  awfia.  Man  mag  anerkennen,  dass  bei 
Clemens  der  nicht  sehr  passende  Vergleich  der  Stärke 
und  Schwäche  des  Menschen  mit  der  des  Kleides  (diese 
kommt  hier  nicht  in  Betracht,  sondern  die  Pracht)  fehlt. 
Aber  darum  hat  Clemens  noch  nicht  eine  andere  Quelle 
benutzt,  sondern  seine  Quelle  nur  umgestaltet.  Denn 
das  folgende  wc  x6  —  acufia  ist  sicher  eigener  Zusatz, 
da  es  aus  der  Konstruktion  fällt.  Es  müsste  heissen  oj; 
x6v  vsojv  xö  d'YaXjJLa  (sc.  Ssi  sauxou  xpsTxxov  duOüaivsiv) 
etc.  Der  sich  anschliessende  Gedanke,  dass  der  Leib 
mancher  Frau  beim  Verkaufe  nicht  den  zehnten  Teil 
einbringen  würde  wie  ihr  Kleid,  kann  sehr  wohl  aus 
Musonius  stammen,  ist  dann  aber  von  Clemens  aus  einer 
andern  Stelle  der  dTrofivr^fxvsufxaxa  entlehnt  und  mit  der 
uns  erhaltenen  kontaminirt. 


Clem.  II  120  S.  243  P 

1x6(5(1)     [X£V      ^dp     £üxX££ÖX£pOV 
XOÖ    TToXüTsXü)?    OIXSIV    XÖ   TUoX- 


Mus.  a.  0.  S.  175, 18 
TToacD    [jLSv    suxXslaxEpov    xoü 

TToXüXcXü)?     01X£IV     xo     TToXXoU«; 


^)  auToö  die  Hs.  auxr)?  Potter  aus  Stob.     Ich  habe  beide  Stellen 
früher  falsch  behandelt,  wie  Hense  mit  Recht  hervorhebt. 


—     71     — 


Xoü?  susp^sTstv;  TToati)  8s  au- 

VSXtOlSpOV     TOU     £1?    Xl'OoU?    XOtl 

)(püaiov  TÖ  £1?  avOpwTCou?  ava- 

XiaX£lV;  TTOOfü)  8s  Ü)Cp£Xl[Jt(JüT£pOV 

Tojv  aiJ;u)(a)V  xoa(ji(ajv  xö  cpi- 
Xou?  x£XT7Jaöai  xoafjiioi)?;  xiva 
8s    av    d^pol    ToaoüTov    oaov 


£ü£pYST£Tv;  TToatt)  o£  xaXoxa- 
7a0ixa)T£pov  toü  avaXiorxsiv  £i? 
ioXoi  xat  Xiöoü?  TÖ  £1?  av- 
OptoTtou?  dvaXiax£iv;  iroatp  81 
a)cp£Xi}xa)T£pov  toü  TispißsßX^- 
öOai  fjLSYdXvjv  oixtav  tö  xsxttj- 
ö&ai  cpiXoü?  TToXXou?;  .  .  .  Tt  8' 
av  ovaiTo  Tt?  ttjXixoutov  dir' 
oixia?  [xs^s&ou?  Tsxal  xdXXou?, 
TjXixov  «ttö  toü  5(aptCsG'i)ai 
TToXst     xal     TToXlTat«?     SX     TOJV 


Den  ersten  Satz  hat  Clemens  allein  treu  wieder- 
gegeben, dann  von  Glied  zu  Glied  willkürlicher  geändert, 
im  dritten,  ein  Wortspiel  hineinbringend,  den  Parallelis- 
mus und  die  Paronomasie  zerstört,  im  vierten  die  Häuser- 
pracht durch  reichen  Grundbesitz,  der  nicht  in  den  Zu- 
sammenhang passt,  ersetzt.  Also  ist  auch  im  zweiten 
Gliede,  wie  sicher  ^^pucjiov  statt  ^uXa,  so  auch  ofüvsTwTspov 
willkürliche  Aenderung,  und  ich  durfte  nicht  sagen 
(S.  28):   hoc  melius  quam  quod  discipulus  Mus.  praebet. 

Ebenso  unsicher  oder  unwahrscheinlich  sind  aber 
auch  die  anderen  früher  von  mir  beigebrachten  Gründe 
für  die  Abhängigkeit  des  Clemens  von  einer  Schrift  des 
Musonius.  Die  Anordnung  von  Clem.  II  15  S.  173P  er- 
scheint, mit  Stob.  S.  504,8  H  verglichen,  nicht  glücklich. 
Bei  Stob.  S.  524  ist  nach  der  ganzen  Anlage  neben  der 
Definition  von  -yacjTptiJLapYia  und  o^j^ocpa^ia  kein  Platz  für 
die    von    Clem.  II  12  S.  172    eingeschobene   Etymologie 


—     72     — 

der  XaifiapYta.  Stob.  S.  528  scheint  der  Zusatz  bei  Clem. 
II  5  S.  166  ganz  passend,  dass  die,  welche  einfache  Nahrung 
gemessen,  auch  klüger  sind,  wie  die  Philosophen  klüger 
als  die  Reichen.  Aber  das  Folgende  und  die  Ausführung 
bei  Stob.  505  konnte  Clemens  zu  diesem  Zusätze  veran- 
lassen^). Auch  in  den  andern  Parallelen  des  Clem.  ist 
der  Text  zum  Teil  willkürlich  geändert,  eine  bessere 
Vorlage  des  Clemens  nirgends  zu  erschliessen  ^). 

Damit  scheint  mir  meine  Vermutung  widerlegt,  die 
auch  darum  unwahrscheinlich  ist,  weil  der  Verfasser  der 
d:ro|xv7j}jLOV£U}jLaTa,  wenn  die  eigenen  X6701  des  Musonius 
existirten,  keinen  Anlass  zu  seinen  Aufzeichnungen  hatte, 
in  denen  er  zum  grössten  Teil  unter  der  Fiktion,  die 
von  ihm  gehörten  Vorträge  wiederzugeben,  den  Mu- 
sonius ausgeschrieben  hätte.  Clemens  und  überhaupt  die 
von  Musonius  abhängigen  Schriftsteller  benutzen  also  alle 
ein  Werk,  die  durch  einen  Schüler  überlieferten  Vor- 
träge des  Musonius.  Nur  die  Aussprüche  des  '  Poucpo? 
bei  Epiktet  beruhen  auf  mündlicher  Kunde.  Auch  die 
kurzen  Sentenzen  des  Musonius  bei  Stobaeus  scheinen 
auf  jenes    Werk    zurückzugehen ,    wenn   sie   wohl    auch 


^)  Damit  nehme  ich  meine  Bemerkungen  Quaest.  Muson.  S.  24. 
25.  27  zurück. 

2)  S.  die  von  Hense  zu  S.  174,  15.  286,  13.  287,  5.  12.  289, 
10.  291,  3.  505,  8.  14.  524,  8.  10.  527, 1.  9  angeführten  Stellen  und 
meine  Quaest.  Muson  S.  24.  Bei  Stob.  III  S.  148,  14  Mein,  ist 
freilich  eixdXio?  aus  Clem.  II  38  S.  190  einzusetzen.  Aber  hier 
ist  der  Fehler  eines  Schreibers,  nicht  eines  Excerptors  anzu- 
nehmen. 


—     73     — 

durch    einen  andern   als  Stob,  ihre  prägnante  Form  er- 
halten haben  ^). 

Von  dieser  Berichtigung  bleibt  übrigens  das  Haupt- 
resultat meiner  Untersuchung  im  wesentlichen  unberührt. 
Wenn  Clemens  auch  keine  Schrift  des  Musonius  benutzt 
hat,  so  hat  er  doch  das  von  Stobaeus  excerpirte  Werk 
in  seinem  ganzen  Umfange  gelesen,  hat  Vorträge  oder 
Teile  von  Vorträgen  in  seine  Schrift  herübergenommen, 
die  Stobaeus  verschmäht  hat.  Diese  Erkenntniss  scheint 
mir  gerade  durch  die  vorliegende  Arbeit  bestätigt  und 
ergänzt.  Denn  wenn  wir  viele  Berührungen  des  Cle- 
mens mit  der  Diatribe  nachweisen  konnten  ^),  für  die  ge- 
naue Parallelen  des  Musonius  fehlen,  so  wird  es  immer 
das  Wahrscheinlichste  sein,  diese  Stellen  des  Clemens  auf 
Musonius  zurückzuführen,  auch  auf  die  Gefahr  hin,  an 
der  einen  oder  andern  Stelle  zu  irren. 


0  Das  machen  die  von  mir  Quaest.  Muson  S.  33  Anm.  64, 17 
(oben  S.  13'-^)  angeführten  Parallelen  aus  Clem.  wahrscheinlich. 
Daraus  wäre  auf  einen  recht  bedeutenden  Umfang  der  dTtofxvTjfxo- 
veufjLaxa  zu  schliessen. 

2)  Vgl.  namentlich  S.  ll"*.  132.  16^.  20.  21.  24.  25.  27.  28.  292. 
312.  33.  371. 


REGISTER. 


äywves,  tspot  S.  43. 

Adel  S.  51ff. 

Apophthegmen  und  Gno- 
men S.  92.  101.  ii2_  142^  251. 
261  27*.  28.  293.  342.  42.431.2 
444.  292. 

Aristipp  S.  472. 

Aristoteles  S.  44.  46.  49'.  52i. 

Athleten  S.  22.  43. 

Aurelius,  M.  Antoninus  S.  40"-. 

Axiochus  S.  591. 

Boethius  S.  52^.  542.  552. 

Cicero  S.  6.  232.  56 ff. 

Clemens,  Alexandrinus,  s.  be- 
sonders S.  68  ff.  und  die  S.  732 
gesammelten  Stelleu. 

Demosthenes  S.  41. 
Diatribe,  ihre  Geschichte  S. 3 ff. 

63  ff.,  ihr  Stil  S.  402.  473. 
Dichtercitate  in  der  Diatribe 

S.  241.  28. 
Dio,    Chrysostomus  S.  17^.  30^. 

36.  51  ff. 
[Diogenes],  Briefe  S.  163.  172. 

262.   27*.  281.  29'.  343.  394, 

402. 


Dioskurides,  üeber  Sitten  bei 
Homer  S.  7.103. 

Ixcppaacis  S.  23. 
Epiktet  S.  34.  36.37'.  39.402. 
44.  45.  47.  523.  532,  542^  592^ 

verbessert  S.  31     DI  19,  29, 

S.  45  I  6,23. 
Epikur  S.  92.  12^.  46.  57'. 
Euripides  S.  11*.  59. 

Feste  S.  41. 

Galen,  Protreptikos  S.  13'.  203. 
242.  43*.  51  ff. 

Haartracht  S.  33.  34^. 
HeraklitS.  13.  14.,  Briefe  S. 28. 

39  ff. 
[Hippokrates],    Briefe  S.  191 

39*.  421.  453. 
Horatius  S.  13^.  243.  30'.  37. 

453.  532.   55'.   591.   60'.  63. 

64. 

Inschrift,  pisidische  S.  52.532. 

63. 
luvenal  S.  52.  542. 


—    75 


Kleanthes  S.  492. 

Klitomachus  S.  6V. 

Krantor  S.  56 ff. 

Kränze  S.  31. 

[Krates],  Briefe  S.  39^ 

K  y  n  i  k  6  r ,  ihre  Lebensweise 
S.  12^  \  27*.  46,  Ansicht  über 
die  Ehe  34^,  Beruf  des  kyni- 
schen  Philosophen  S.  39^,  ihre 
Apophthegmen  S.  5^. 

Laertius,  Diogenes,  verbessert 

VI  73  S.  39^ 
LucianS.103.  13^.  VoK  173.27*. 

30^  3P.  37  ^  42.  60'. 
Lykon  S.  22^. 

Menander  S.  55'. 

Musik  S.  44. 

Musonius  S.  6'.  llff.  17ff.  20. 
26  ff.  35  ff.  402.  453.  502^  ver- 
bessert Stob.  S.  752,5  H  S.  12. 
Urteil  über  ihn  S.  65.  Ueber- 
lieferung  seiner  Vorträge 
S.  68  ff. 

Mysterien  S.  42. 

Paradoxa,  stoische,  S.  49 ft". 

Persius  S.  432. 

Philo,  verbessert  S.  18  De  ebr. 
52,  S.  16  De  mut.  nom.  43, 
S.  91  De  somn.  I  16,  S.  39^ 
De  somn.  I  20,  S.  19  25.  26. 


27^  30.31  De  somn.  II  7 ff., 
S.  56  De  Abr.  44,  S.  60  V. 
Mos.  I  8,  S.  352.  36  De  leg. 
spec.  2  S.  301,  S.  36^  De 
creat.  princ.  11,  S.  37  De  ca- 
ritate  17,  S.  9  De  praem.  et 
poen.  17,  S.  5P.  53*.  54^  De 
nobil.,  S.16'D.V.C.4,S.22i2 

D.  V.  C.  5,  S.  33  D.  V.  C.  7, 
S.  272  D.  V.  C.  9.  Die  Schrift 
über  den  Adel  S.  51  ff.,  Echt- 
heit der  Schrift  D.  V.  C.  S.  66. 
67. 

Plato  S.  33.  37'.  60. 

Plutarch  S.  522.  55^. 

Porphyrius  S.  45^,  verbessert 
De  abst.  I  54  S.  10'. 

Salben  S.  29.  342. 

Seneca  S.  5'.  6^  122.  232.  321. 

35.  31 K  402.  472.  52.  56  ff. 
Sittenpredigt,  stoische  S.  66. 
Sklaven  S.  32. 

Teles  S.  12^.  27*.  502.  59'. 
Theater  S.  44. 
»t'acot  S.  43. 
Trostschriften  S.  56 ff. 

Xenophon  S.  S^.  11.  14^  33. 

Zeno  S.472.  492. 


I 


ZWEI   KULTINSCHßlFTEN  AUS 
KLEINASIEN 


VON 


0.   KERN. 


I. 

DIONYSOS    IN    MAGNESIA. 

Von  der  Verehrung  des  DioDysos  in  Magnesia  am 
Maiandros  wussten  wir  lange  Zeit  nur  durch  die  Münzen, 
bis  kurz  vor  dem  Beginn  der  deutschen  Ausgrabungen 
eine  Inschrift  ans  Licht  trat,  die  mit  vollem  Recht  Auf- 
sehen gemacht  hat,  das  delphische  Orakel  über  die  Ein- 
fiihruDg  des  Dionysoskults  in  Magnesia^).  Bei  unseren  Aus- 
grabungen ist  kein  neuer  Stein  gefunden  worden,  welcher 
den  magnetischen  Dionysos  unserem  Verständnis  näher 
bringt.  Der  Inschriften,  die  ich  hier  zu  seiner  Erklärung 
beibringe,  sind  nicht  viele,  und  sie  sind  sämtlich  bereits 
veröffentlicht  worden.  Wenn  ich  es  trotzdem  wage,  eine 
neue  Bearbeitung  der  Urkunde  dem  Urteile  meines 
Lehrers  zu  unterbreiten,  so  geschieht  es  in  der  Ueber- 
zeugung,  dass  weder  E.  Maass^)  noch  S.  Reinach  ^)  den 
wichtigen  Gegenstand  erschöpft  haben,  und  dass  nament- 


^)  Zuerst   veröffentlicht   von    Kondoleon   Athen.  Mittheil.  XV 

(1890)  S.  330. 

2)  Hermes  XXVI  (1891)  S.  178. 

3)  Revue  des  etudes  grecques  III  (1890)  S.  349. 


—     80    — 

lieh  der  Erstere  in  seiner  Erklärung  einen  Weg  be- 
schritten hat,  welcher  mir  wenigstens  vom  Ziele  abzu- 
führen scheint. 

Die  Inschrift  steht  jetzt  in  der  Vorhalle  des  Tschinili- 
Kiosk  zu  Konstantinopel,  wohin  sie  bereits  vor  1891 
durch  den  dermaligen  Conservator  der  Altertümer  der 
Provinz  Aidin,  Demosthenes  Baltazzi  gebracht  worden 
ist.  Eine  völlig  zuverlässige  Publikation  giebt  es  noch 
nicht.  Für  die  Form  der  Buchstaben  genügt  freilich 
die  Revue  des  etudes  grecques  III  (1890)  veröffent- 
lichte Heliogravüre  Duj ardin.  Den  revidierten  Text  gebe 
ich  nach  einem  Abklatsch,  den  ich  der  Freundlichkeit 
von  Alfred  Koerte  verdanke. 

'EttI    TTpUTaVSO)?   'AxpoÖTJjJLOU    TOU    Al- 

OTSijJLOu  6  69j[JLO?  6  MaYVYjicüV  iizepo)- 
T^  Tov  Osov  TTspl  Tou  arj^xsiou  xoui 

5  'ysYovoto?  oTt  TT^axavou  xaia  ttjv 

TToXtv  xXaaösiaTj?  uirö  avsfxoü  eu- 
psÖY]  SV  auT-(j  dcpsioputxa  Aiov6aou, 
Ti  auT(ü  avjijLaivsi  tJ  ti  av  TTon^aa? 
dScü)?  SiaTsXoiVj*  8t'   ov^)  dsoirpoirot 

10  sTTSfxcpöyjaav   i?  AiXcpou?  ^Epiicüva^^) 

'ETTi/pdioü?  i-H   'ApiaTapj(Os  AioBwpou. 


^)  StaxeXot  7]5iov  alle  drei  Herausgeber,  von  denen  nur  S.  Rei- 
nach S.  352  diese  merkwürdige,  wie  mir  scheint,  unmögliche  Con- 
struction  zu  erklären  versucht.  bC  8v  bezieht  sich  auf  den  Inhalt 
des  arjiJLEtov,  den  jungen  Dionysos.     Oder  hC  8<v>? 

^)  so  richtig  der  Stein;  'Ep(j.wvas  vulgo. 


-     81     — 

0£6c:  £)^pr^a£v 

MaiavSpoio  Xaj^ovis?  Icp'   üSocaiv 
ispöv  aottü  »-H    MaYVTjTS?  xxsavot? 

15  £7ra[iuvTop£c:  Tjasilpoiaiv, 

7jX0£T£  'ir£üa6[jL£voi  ato{j>aTa>v  a::'   I- 
a£to,  Tt?  u[i£Tv  I— I  jxDOoc,  £7:£i  Boc'x- 
•/0(;  OajjLVw  £vi  y.z(iizvo<;  üicpOyj. 
£^£(pavyj  8£  Ixi  ^)  y.oupoc,  £TC£t  tttoXi-  ^) 

20  aiOpa  Tii)£VT£<;  i— i  vyjoüc  o5x  ojxi'cj- 

oiat'    lüTfXTjioi);;')  Aiovüöoü.   i— t  aXka 
xoti  5)c,  u)  8r^{i3  [X£*j'aci)£V£'?,  röpu£ 
VTjoüc  H- 1  {)üpao)(apouc:*  bor^a  xiÖEt 

0£    £UapXlOV'*)    aYVOV     hh    £X{)£T£    §£ 

25  £?  0"/5ßr^c  i£pov  TTEOov,   ocppa  XcißyjTc 

MaivaSac,  ai  ysv£^?  EivolÜs  «tto  Kct- 
0{ji7]£i"/j?*   H— I  a?  o'    u[jL£rv  owaouofi  xott 
op'^^ia  xai  vofxtfjta  da&Xoc^)  i— i  xal  Ota- 
aoü?  ßaxyoio  xaOciSpuaouaiv 

:jo  ■  £v  äaxzi.   i— i  Kaxa  xöv  )(pYja[JLbv  8ia 

xa)v  0£O7rp67Ta)V  iooOvjaav  Ix  0rjßojv 
Maivao£?  xp£T?  ^  Koaxw   hh  ßaoßa) 


')  so  der  Stein;  vgl.  Maass. 

'^)  I  am  Schluss  deutlich  (trotz  Reinach  S.  350). 

3)    EYTMHTOYAlONYZß 

■*)  euapxiov  der  Stein;  eiavxiov  vermutet  Kaibel  bei  Maass. 

^)  ia%Xd  deutlich  der  Stein;  so  war  schon  in  den  Athen.  Mitth. 
a.  a.  0.  richtig  vermutet  worden;  trotzdem  schlug  Kaibel  bei  Maass 
S.  183  ipcc  vor,  und  S.  Reinach  S.  351   [aX]Xa. 

Festschrift  für  Diels.  U 


Oiaaov  Tov  riXataviair^vaiv, 

35  7j    8s    ßaußo)    TOV    TCpO    TToXcO)?,    f/    6s 

BsttocXy)  töv  tü)v  KocxatßaTüiv  ^)  • 
davouaai  os  auiai  stacp/jaav 
UTTO  MaYVYj'wv,  xai  r^  jxsv  Koöxü) 
xsixai  £v  Kocfxcüßouvtp,  t)  §£  Bau- 
40  ßa>  SV  Tccßapvst,  yj  6s  0s~C(X7j 

irpoc;    Tu)    {}£7'Tpü). 

Diese  Inschrift  steht  auf  einer  1,40  m  hohen  und 
0,57  m  breiten  Marmorplatte,  welche  unten  in  einen  (in 
der  Höhenangabe  enthaltenen)  Zapfen  endet.  Oben  sieht 
man  die  Spuren  eines  Dübels,  welcher  den  Stein  an  die 
Wand  oder  an  einen  Pfeiler  befestigte.  Zusammen  mit 
dieser  Platte  wurde  eine  Basis  gefunden,  auf  deren  Ober- 
fläche sich  ein  viereckiges,  0,14  m  breites,  0,27  langes 
und  0,065  tiefes  Einsatzloch  befindet,  und  deren  Inschrift 
in  zuverlässiger  Weise  erst  durch  F.  Hiller  von  Gaer- 
tringen  Athen.  Mitth.  XVI  (1891)  S.  248  veröff'entlicht 
worden  ist.  Die  Basis,  welche  sowohl  Kondoleon')  wie 
S.  Reinach  a.  a.  0.  für  zerstört  hielten,  steht  noch  heute 
unversehrt  in  Magnesia  in  der  Thalmulde  südöstlich  vom 
Theater  nicht  weit  von  den  Tscherkessenhütten  des  Dorfes 
Tekke.  Im  Frühling  1891  ist  sie  dort  von  uns  wieder 
aufgefunden  worden.     Jedoch  ist  dieser  Aufbewahrungs- 


')  so  der  Stein. 

2)  Athen.  Mitth.  XV  (1890)  S.  330. 


—    83    — 

ort  nicht  als  Fundort  der  beiden  Inschriften  zu  betrachten. 
Es  wurde  uns  vielmehr  mit  aller  Bestimmtheit  ver- 
sichert, dass  die  Basis  dorthin  erst  neuerdings  verschleppt 
worden  ist;  und  von  verschiedenen  Seiten  ist  mir  mit- 
geteilt worden,  dass  beide  Steine  im  westlichen  Teile 
der  Stadt  nicht  weit  von  jenem  grossen  römischen 
Gebäude  gefunden  seien,  welches  dem  Besucher  von 
Magnesia  heute  zuerst  in  die  Augen  fällt,  und  dessen 
malerische  Ruinen  Niemand  vergisst,  der  es  von  den 
Höhen  der  Stadtmauer  aus  einmal  im  Abendglanz 
gesehen  hat.  Früher  nannte  man  dies  Gebäude  in 
herkömmlicher  Weise  Gymnasium.  Vielleicht  mit  grösse- 
rem Recht  sieht  Carl  Humann  in  ihm  ein  römisches 
Kastell,  und  dieser  Bezeichnung  werde  auch  ich  mich 
fortan  bedienen. 

Die  Inschrift  der  Basis  lautet: 

6£(j)    AtOVüCJü) 

'AiroXXwvio?  MoxoXXy]? 
ap5(aio?  [XüaxYj?  dpyaiov 
)(pYja[xöv  £['irl]  ötYJX.Yj?  dva- 
5  "(pd^ag  ahv  xu)  ßtüjxco   [dv]£i)[Y]-] 

xsv. 

Beide  Inschriften  sind  von  derselben  Hand  einge- 
hauen; ihrem  Schriftcharakter  nach  muss  man  sie  in 
Hadrianische  Zeit  setzen.  Sie  bilden  zusammen  eine 
Einheit.  Der  dp/^ato?  [iuött]?  Apollonios  Mokolles  weiht 
den  auf  der  grossen  Marmorplatte  (Im  öt7]Xyj?)  ein- 
gehauenen dpxato?  XP^^f^^^  ^®^  ^^**  Dionysos  zusammen 


6 


* 


—    84    — 

mit  dem  ßcofio?,  der  Basis,  welche  eben  die  Weihinschrift 
trägt.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  was  unter  einem  apyaTo? 
fiüaiTj?  zu  verstehen  ist.  Die  Analogieen  eines  ap)^i[iuaTy]c, 
des  TTpoixoiJLuaTirj?  auf  der  Inschrift  von  Andania  (Ditten- 
berger  Sylloge  nr.  388,  A.  Dieterich  de  hymnis  Orphicis 
p.  12)  und  der  smyrnaeischen  TraxpoiiucfTai  (C.  I.  G.  II 
3173,  Maass  Orpheus  S.  21,8)  passen  sämtlich  nicht  ganz; 
zudem  wird  man  den  apyaioc  jjtuöxyj?  nicht  von  dem 
dpyjnog  yp-/)a}x6c  trennen  wollen.  Wie  der  Orakelspruch 
aus  alter  Zeit  stammen  soll,  so  muss  auch  der  Myste, 
der  ihn  aufgeschrieben  hat,  die  Bezeichnung  eines  dp/ato? 
vor  sich  hertragen.  Anderes  wird  man  in  der  That  nicht 
sagen  können. 

Dionysosmysterien  in  Magnesia  sind  uns  nicht  mehr 
unbekannt,  seit  die  im  Bulletin  de  corr.  hell.  XII  (1888) 
p.  211  kurz  notierte  Inschrift  von  F.  v.  Hiller  ebenda 
XVII  (1893)  p.  31  herausgegeben  worden  ist^).  Wir 
lernen  von  Mysterienbeamten  einen  dp/ifiuaxY]?  (Z.  2), 
einen  dWas  Atovuaou  (Z.  9),  einen  Hierophanten  (Z.  10), 
eine  Priesterin,  die  zugleich  Stephanephoros  ist  (Z.  9), 
eine  uiroxpocpo;  Namens  'EXtui?  (Z.  10)  und  einen  zweiten 
diTTrac  kennen  (Z.  11).  Ueber  den  Inhalt  der  Mysterien 
erfahren  wir  nichts  aus  der  Urkunde,  welche  die  den 
Mysten  vermachten  Geldbeträge  aufzählt,  und  unter  dem 
i£p6?  oTxo?  xojv  £v  KXiöü)vt,  welchem  die  Summen  hinter- 
lassen   sind,    können  wir    uns    zunächst  nicht  viel  vor- 


0  Vgl.  Cousin  und  Deschamps  im  Bulletin  XVIII  (1894)  p.  13 
Nr.  13. 


—    85    — 

stellen.  Aber  wichtig  ist  doch  eben  die  Thatsache,  dass 
es  in  Magnesia  einen  mystischen  Dionysoskult  gab,  und 
für  den,  welcher  Magnesia  kennt  und  auf  dem  weiten 
Terrain  der  Stadt  auch  hier  gerne  den  Spuren  alter 
Gottesdienste  nachgeht,  wird  es  von  Wert  sein  zu  er- 
fahren, dass  diese  Mysteninschrift  auf  einer  Quader  steht, 
die  ein  paar  Schritte  westlich  von  jenem  römischen 
Kastell  auf  dem  Felde  an  einer  Stelle  liegt,  welche 
durch  die  dort  befindlichen  Trümmer  deutlich  anzeigt, 
dass  hier  ehemals  ein  antikes  Gebäude  stand.  Trügt 
nicht  Alles,  so  stand  hier  das  Dionysosheiligtum,  von 
dessen  Gründung  das  delphische  Orakel  auf  der  Marmor- 
stele erzählt,  so  stand  hier  auch  einst  die  Platane, 
in  deren  Zweigen  Dionysos  den  Magneten  zuerst  er- 
schienen ist. 

Von  seiner  Epiphanie  erzählt  der  alte  Orakelspruch 
auf  der  Marmorstele.  Es  ist  wieder  die  rührige  Priester- 
schaft von  Delphoi,  welche  für  die  Verehrung  des  Diony- 
sos bemüht  ist  und  für  seine  heiligen  Weihen  zu  wirken 
sucht.  Delphoi  und  Dionysos  sind  mit  einander  eng 
verbunden.  So  braucht  man  nicht  an  Magnesias  be- 
sondere Beziehungen  zu  Delphoi  zu  erinnern,  um  dieses 
Eintreten  des  pythischen  Gottes  begreiflich  zu  finden. 
Aber  dass  es  ein  mystischer  Kult  ist,  welchem  das  Wort 
des  Gottes  gilt,  bedarf  der  Beachtung.  Denn  wir  wissen 
auch  sonst,  dass  es  oft  mystische  Gottesdienste  sind,  zu 
denen  der  delphische  Apollon  als  ihr  Patron  in  Beziehung 
tritt.  Berühmt  ist  Apolls  Orakelspruch,  der  am  Beginn 
des  peloponnesischen  Krieges  die  Erstlinge  des  Feldes  für 


—    86    — 

die  Götter  von  Eleusis  einfordert,  und  der  durch  das 
Demeter  Chloe-Orakel  aus  Athen  ^)  eine  neue  Bestätigung 
erhalten  hat.  Und  nur  so  erklärt  sich  der  Dionysos  der 
attischen  Mysterienvasen.  Es  ist  nicht  Jakchos,  der  auf 
der  schönen  Hydria  von  Santa  Maria  di  Capua^)  der 
Mutter  von  Eleusis  gegenübersitzt,  sondern  es  ist  der 
delphische  Dionysos,  der  auf  dem  Omphalos  sitzt,  auf 
seinem  eigenen  Grabe,  wenn  wir  Tatian  Glauben  schenken 
dürften  ^).  Wir  werden  nicht  das  Recht  haben ,  in  der 
Darstellung  des  Omphalos  inmitten  der  eleusinischen 
Gottheiten  etwas  Anderes  zu  suchen  als  einen  Höflich- 
keitsbeweis gegen  Delphoi  und  werden  uns  namentlich 
davor  hüten  müssen,  ihm  im  Telesterion  von  Eleusis 
eine  Stätte  zu  gewähren.  Die  Vasen  sowohl  wie  der 
Pinax  der  Ninnion,  in  dessen  Mitte  der  Omphalos  dar- 
gestellt ist,  können  sehr  wohl  aus  derselben  Zeit  stammen, 
in  welcher  Isokrates  die  Worte  schrieb:  ai  jisv  ^ap 
TrXsiatat  täv  ttoXecüv  U7r6|xv7^fjia  x^?  iraXaia?  susp^scJi«?  arotp- 
•/a<;  Tou  aiTOu  xaO'  Ixaaiov  lov  Iviautov  w?  yjjiac  cziroTcsti- 
TTOücji,    laTc:    6'    exXeiTroüaat?    TroXXa/i;    fj    nüi)ia   zpo^stagsv 


0  Athen.  Mittheü.  XVIII  (1893)  S.  192. 

'^)  Zuletzt  veröifentlicht  Collection  Tyszkiewicz  pl.  IX.  X; 
ebenso  auf  emer  noch  unveröffentlichten  Hydria  der  Sammlung 
der  archaeologischen  Gesellschaft  in  Athen;  vgl.  auch  den 
Pinax  der  Ninnion,  von  dem  ich  bisher  nur  die  flüchtige 
Abbildung  in  der  athenischen  Zeitung  T6  'Aaxu  1895  nr.  1607 
kenne.  Ebenso  zu  erklären  ist  auch  der  Dreifuss,  an  dem  Diony- 
sos auf  der  Rumänischen  ßeliefvase  (Compte  Rendu  1862  T.  III) 
lehnt. 

3)  Rohde  Psyche  S.  124. 


—    87     — 

«TTOCpSpSI-V     Xa     [XSp/j     TÖJV     XapTToiv     7.7.1     TTOLSIV     TCpÖ?     TTjV    TToXlV 

TY]V  Yj^xsTSpav  xa  Tiaxpia. 

Es  ist  also  nichts  Auflfalleiides,  wenn  die  Magneten 
am  Maiandros  iliren  mystischen  Dionysosdienst  durch  die 
Vermittelung  von  Delphoi  erhalten.  Aber  das  Orakel, 
wleches  die  magnetischen  Osoirpoiroi  unter  dem  Prytanen 
Akrodemos  von  Delphoi  in  ihre  Heimat  zurückbringen, 
motiviert  die  Gunst,  die  den  Magneten  durch  Delphoi  zu 
Teil  wird,  als  einen  Dank  für  die  dem  Tempel  geleistete 
Hilfe  während  eines  feindlichen  Angriffs:  Ma'Yvyjxs; 
xxsavois  sirajxüvxope?  yj{x£X£poicjiv.  Wilamowitz  (Hermes 
XXX  S.  180)  bezieht  dies  auf  den  phokischen  Krieg,  in 
welchem  Magnesia  vermutlich  wie  andere  Staaten  mit 
Geld  dem  Apollon  zu  Hilfe  gekommen  sei.  Aber  dass 
es  Barbaren  waren,  gegen  welche  die  Magneten  das 
Heiligtum  des  delphischen  Apollon  in  einer  siegreichen 
Schlacht  verteidigten,  lehrt  das  in  Magnesia  gefundene, 
um  200  V.  Chr.  gegebene  Psephisma  der  Epidamnier 
(Archäolog.  Anzeiger  1894  S.  83),  das  die  Hilfe  der 
Magneten  erwähnt,  welche  sie  den  Delpliern  gegen 
räuberische  Barbareneinfälle  geleistet  haben:  xav  -(s-^^s- 
vr^jjLSv[a]v  ßoaösiav  uttq  x[(i)]v  :r[p076va)v  a]uxa)V  [d]<;  xö  ispöv 
xo  SV  A£X[90is]  vi[x]aaavxa)v  jxa/at  xou;  ßap[ß]apou?  xo[ü?] 
£7ri[cjxpax£6a]avxa?  Irl  SiapTia-^at  x«>[v  xo]ü  [OJsou  XP^1^°^" 
xü)v.  In  der  Literatur  ist,  soviel  ich  weiss,  kein  Anhalt 
zu  finden  um  dies  Eingreifen  der  Magneten  chronologisch 
zu  fixieren.  Es  scheint  mir  aber  doch  das  nächst  liegende 
zu  sein  an  den  grossen  Galliereinfall  des  Jahres  279/8 
zu  denken. 


—    88    — 

In  einer  vom  Sturm  zerborstenen  Platane  haben  die 
Magneten  das  Abbild^)  eines  jugendlichen  Dionysos  ge- 
funden, das  ihnen  die  Veranlassung  giebt  nach  Delphoi 
zu  schicken.  Der  Gott  ist  ihnen  erschienen,  weil  seiner 
bei  der  Gründung  der  Stadt  ganz  vergessen  ist;  er  hat 
damals  keinen  Iütjiyjto?  vao?  erhalten.  So  offenbart  er 
sich  in  dem  Stamme  einer  Platane.  Die  Erscheinung 
des  Gottes  in  dem  ausgehöhlten  Baumstamme  entspricht 
durchaus  der  Vorstellung,  welche  wir  uns  von  den  An- 
fängen nicht  nur  des  Dionysoskultes,  sondern  überhaupt 
jedes  griechischen  Bilderdienstes  zu  machen  berechtigt 
sind.  Sie  erinnert  uns  an  die  Zeit,  da  es  noch  keine 
Tempel  auf  Erden  gab,  da  der  Mensch  seinem  Gotte 
opferte  und  zu  ihm  betete  in  den  Hainen  und  auf  den 
Feldern.  Der  Fromme  verfertigte  sich,  so  gut  er  es 
konnte,  aus  Holz  oder  Stein  das  Bild  seines  Gottes. 
Um  es  vor  den  Einflüssen  der  Witterung  zu  schützen, 
stellt  er  es  in  eine  Höhle  oder,  wo  es  die  nicht  gab,  in 
einen  ausgehöhlten  Baumstamm.  So  ist  der  älteste 
Tempel  ein  ausgehöhlter  Baumstamm,  wie  das  schon 
Plinius  hist.  nat.  XII  1  ausgesprochen  und  wie,  an  eine 
Bemerkung  Jakob  Grimm's  anknüpfend  jetzt  0.  Schrader^) 
überzeugend  dargelegt  hat,  dass  wir  für  den  Stamm  des 
Wortes  vTjOc  (väF-6 — )  eine  ursprüngliche  Bedeutung  als 
Baumstamm    ansetzen  dürfen,    eine  Ansicht,    die    durch 


^)  dcpet'6pu[ji.a  vgl.   Dittenberger  Syll.  nr.  356    dcpt'Spufxa    xoij    xe 
'AöxXtjtiioü  xal  TTJs  'rytetas. 

^)  Sprachvergleichung  und  Urgeschichte  2te  Aufl.  S.  402. 


—    89    — 

das  von  demselben  Stamm  abgeleitete  Wort  vau?  durch- 
aus bestätigt  wird;  denn  ein  ausgehöhlter  Baumstamm 
stellte  zugleich  auch  das  älteste  Boot  dar.  Darin  liegt 
nicht  zum  mindesten  die  Bedeutung  dieser  magnetischen 
Urkunde,  dass  sie  uns  mit  klaren  Worten  sagt,  was  wir 
lange  nur  vermuten  konnten,  und  dass  sie  uns  lehrt, 
wie  fest  die  Erinnerung  an  gottesdienstliche  Einrichtung 
im  Gedächtnis  wurzelt,  wie  sich  der  späte  Orakeldichter 
hütet  in  diesen  Dingen  einen  Anachronismus  zu  begehen. 

Dionysos  ist  der  Beschützer  der  Baumzucht,  und  als 
solchen  lehren  ihn  uns  Epikleseis  wie  SsvoptV/jc  (Plutarch 
quaest.  conv.  V  3,  1  p.  675  F.)  und  SsvSosü?  (Studemund 
anecdota  varia  graeca  et  latina  I  268)  verstehen.  Aber 
der  Kultname  Ivosvopoc,  welchen  wir  in  Boiotien  finden 
(Hesych  s.  IvSsvopoc  vgl.  Paus.  II  2,7;  IX  12,4)  drückt  deut- 
lich dasselbe  Verhältnis  des  Gottes  zum  Baume  aus,  wie  es 
uns  die  magnetische  Inschrift  zeigt;  Dionysos  wohnt  in  dem 
Baume  wie  Zeus,  der  denselben  Beinamen  bei  den  Rhodiern 
führte  (Hesych  s.  v.)  und  wie  Helena  Dendritis,  deren  Kult- 
legende (Pausanias  III  19,10;  auch  hier  Rhodos)  nur  diese 
Deutung  zulässt^).  Ein  ähnliches  Epitheton  ist  das  der 
Artemis  Kedreatis  in  dem  arkadischen  Orchomenos  (Paus. 
VIII  13,  3),  während  die  sonst  von  0 verbeck  (Ber.  der 
sächs.  Gesellschaft  der  Wiss.  1864,  131)  aufgezählten  Kulte 
wie  der  des  Asklepios  Agnites,  der  Artemis  Karyatis 
u.  s.  w.  schwerlich  hierher  gehören,  am  wahrscheinlichsten 


^)  Hieher    gehört    auch   der  lesbische  und   samische  Dionysos 
ivdp/r]s,  wenn  Maass  a.  a.  0.  S.  187,3  Recht  hat. 


—     90     — 

noch  der  des  Dionysos  Sykites  (vgl.  Sam  Wide  Lakonische 
Kulte  S.  167).  Nichts  aber  spricht  vielleicht  deutlicher  und 
unmittelbarer  zu  uns  als  die  folgende  elsässische  Sage  ^) : 
Ein  Ritter  jagte  einst  im  Walde  bei  Plohsheim.  Da  sah 
er  plötzlich  zwei  wilde  Tauben,  icelche  zuerst  einige  Male 
im  Kreise  über  seinem  Haupte  hinßogen,  sodann  ihren 
Flug  in  einer  gewissen  Richtung  hin  fortsetzten.  Blieb 
er  stehn,  so  kamen  sie  zurück  und  flogen,  wie  anfangs,  21m 
ihn  herum;  ging  er  weiter,  so  verfolgten  sie  dieselbe  Rich- 
tung,  die  sie  schon  früher  genommen.  Da  sie  dies  nun 
mehrere  Male  wiederholt  hatten,  so  war  es  dem  jagenden 
Ritter  aufl'allend.  Er  folgte  ihnen  eine  Zeitlang  durch  das 
Gebüsche  und  sah,  dass  sie  sich  endlich  auf  einer  grossen 
Eiche  niederliessen.  Als  er  näher  hinzutrat,  erblickte  er 
im  hohlen  Stamme  derselben  ein  Marienbild  mit  dem 
Jesusknaben.  In  dieser  ivundersamen  Begebenheit  erkannte 
er  sofort  ein  Zeichen  des  Himmels ;  fiel  andächtig  auf  die 
Kniee  und  gelobte  der  heiligen  Maria  an  der  Stelle  eine 
Kapelle  bauen  zu  lassen.  Also  entstand  die  nachmals  be- 
rühmt gewordene  Wallfahrtskapelle  Maria  zur  Eich  oder 
bloss  zur  Eich  genannt,  welche  bis  in  die  neueste  Zeit  von 
einem  Waldbruder  bewacht  und  von  dem  Pfarrer  von 
Plobsheim  bedient  wird. 

Der  Kapelle,  welche  der  fromme  Jäger  erbauen  lässt, 
und  die  fortan  den  Namen  'Maria  zur  Eich'  führt,  ent- 
spricht der  lipo?  oTxo?  -wv  sv  KXiSwvi  —  in  diesem  ispo? 


1)  Stöber  Die  Sagen  des  Elsasses  S.  153:  mehr  bei  P.  Wagler 
Berliner  Studien  XIll  2  S.  49. 


—    91    — 

oTxo?  stand  später  —  so  meine  ich  —  das  d(p£i6pü}xa  des 
Dionysos,  von  welchem  das  Orakel  spricht.  Der  ispö? 
oixo;  ist  die  Frucht  des  delphischen  */P^ö[x6?.  Auf  einer 
seiner  Mauerquadern  stand  das  Verzeichnis  der  Mysten, 
die  zu  seiner  Ausstattung  beigetragen  haben'). 

Aber  Delphoi's  Gott  verlangt  noch  mehr  von  den 
Magneten.  Er  heisst  sie  nach  Theben  gehen  und  aus 
dem  Geschlecht  der  Ino  drei  Mainaden  holen,  welche  zu 
ihnen  die  Weihen  bringen  sollen.  Sie  heissen  Kosko, 
Baubo  und  Thettale.  Durchsichtig  ist  sogleich  der  Name 
der  Dritten:  er  weist  nach  Thessalien,  woher  die  Magneten 
nach  Asien  gekommen  sind^).  Kaum  einen  passenderen 
Namen  kann  es  aber  für  die  Dienerin  eines  mystischen 
Winkelkultus  geben  als  den  der  Baubo,  über  deren 
Wesen  uns  jetzt  in  unerfreulicher  Weise  die  cptXiaCouaai 
des  Herondas  aufgeklärt  haben  ^).  Den  Namen  der  ersten 
Mainade  aber  vermag  ich  nicht  sicher  zu  deuten.  Das 
Lokal  wird  hier  das  Ursprüngliche  sein.  Vom  Siebberge 
trägt  Kosko  ihren  Namen. 

Diese  drei  Mainaden  nun  führen  drei  Thiasoi  an, 
Kosko  den  der  riXaiocviar/jVoi,  Baubo  den  vor  der  Stadt 
(izpo  TToXsü)?),  Thettale  den  der  KaiaipocTai.  Sehr  vage 
ist  die  Ortsbestimmung  des  Thiasos  der  Baubo;  er  hat 
sein  Lokal  an  einem  Ort  vor  der  Stadt;  der  Gott,   dem 


0  Vgl.  C.  I.  G.  S.  I  nr.  2233  (Thisbe)  ^eoT;  SeßaöToTs  xat  [x-a] 
7td]Xei  Tov  oixov  'Aoi  xov  A[tdvi)]cov. 

^)  Vgl.  V.  Wilamowitz  Hermes  XXX  (1895)  S.  177. 

^)  Vgl.  Crusius  Untersuchungen  zu  den  Mimiamben  des  Heron- 
das S.  128;  A.  Dieterich  Philologus  LII  (1893)  S.  3. 


—    92    — 

er  gilt,  natürlich  Dionysos,  gehört  zu  den  Oaol  irpoaaTiavoi, 
von  deren  uno-pocpo?  Authermione  wir  den  Sarkophag 
wiedergefunden  haben  (vgl.  Bulletin  de  corr.  hellen.  XVII 
(1893)  p.  33).  Diese  uTToxpocpo?  der  Osol  iTpoaaxtavou  mit 
der  wir  die  andere  auf  der  Mysteninschrift  erwähnte  zu- 
sammenzustellen haben,  lehrt  wieder  den  engen  Zu- 
sammenhang der  hier  behandelten  Urkunden.  Der  Diony- 
sos TTpö  iroXsaj?  mag  ein  Filial  des  städtischen  Dionysos- 
heiligtums gewesen  sein  ^).  Denn  dieses  lag  in  den 
Mauern  der  Stadt,  eben  nicht  weit  von  dem  römischen 
Kastell.  Da  stand  die  heilige  Platane  —  und  da  führt 
die  an  erster  Stelle  erwähnte  Mainade,  Kosko,  den  Thiasos 
der  nXaxavicjTr^vot.  Platanen  werden  stets  diesen  ispo? 
olxoc  umgeben  haben,  zum  Andenken  an  das  Wunder, 
wie  es  auch  in  einer  anderen  elsässischen  Sage^)  aus- 
drücklich heisst,  dass  man  die  Eiche,  in  welcher  ein  Hirt 
anno  1518  das  Marienbild  fand,  in  der  Kirche  stehen 
liess  und  '^  setzte  ünsrer  Lieben  Frauen  Altar  daran  mit 
einem  schönen  hohen  Chor  und  gewaltig  hohen  Thurn  . 
Nach  den  Platanen,  also  nach  dem  Ort,  wo  er  statt  hat, 
heisst  auch  dieser  Thiasos.  So  ist  kein  Grund  vorhanden 
für  den  magnetischen  oder  gar  noch  für  den  thebanischen 
Dionysos  den  Kultnamen  des  FIXaTaviaTr^?  zu  erschliessen. 


^)  Ueber  die  Götter  Trpo  TidXetos  Boeckh  zu  C.  I.  G.  II  2963  c 
(Ephesos);  vgl.  nr.  2462  (Thera):  Upsus  xoö  Tipo  TroXecü?  Zliov-jaou. 
Boeckh  hat  seineu  Vorschlag  in  der  theräischeu  Inschrift  Tcpo^oXi? 
=  urbis  tutor  zu  fassen,  selbst  als  unmöglich  erkannt  und  bei 
Besprechung  der  ephesischen  Inschrift  sofort  zurückgenommen. 

2)  Stöber  a.  a.  0.  S.  341. 


—    93    — 

Und  ähnlich  erklärt  sich  auch  der  Name  des  dritten 
Thiasos,  den  Thettale  führt.  Der  Name  KaTocißaxai 
giebt  zwar  nicht  direct  den  Ort  an,  wo  wir  uns  den 
Thiasos  zu  denken  haben.  Aber  sagen  lässt  sich  doch 
Einiges.  Es  ist  nicht  schwer  sich  des  Zeus  Katabates 
zu  erinnern,  und  Maass  (S.  187)  hat  dann  auch  daraus 
sofort  die  Consequenzen  gezogen.  Er  nimmt  also  einen 
dritten  Dionysos  an,  —  den  Dionysos  Kataibates;  aber 
wird  er  selber  jetzt  dies  noch  aufrecht  halten,  nachdem 
er  soeben  in  seinem  Orpheus  S.  177  in  dem  bei  Asterios 
Homil.  X  in  martyres  (Patrol.  Graec.  XL  p.  324  Migne) 
erwähnten  Kotxaßaa'.ov  eine  Krypta  des  eleusinischen 
Telesterions  nachgewiesen  hat?  Gewiss  ist  dieser  für 
Eleusis  bezeugte  unterirdische  Ort  aus  einer  bestimmten 
Kulthandlung  zu  erklären,  und  von  einer  solchen  hat 
auch  der  Oiaao?  xaiv  Kaxaißatajv  seinen  Namen.  Das  aber 
wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  ob  das  Herabsteigen  der 
Mysten  in  eine  Krypta  gemeint  ist  oder  ob  wir  an  die 
steilen  Bergabhänge  des  Thorax  zu  denken  haben.  Denn 
gerade  für  einen  Kult  vor  den  Thoren  Magnesia's,  für 
den  Dienst  des  Apollon  in  Hylai  ist  uns  durch  Pausanias 
X  32,  6  eine  sehr  merkwürdige  Ceremonie  bezeugt,  welche 
mit  der  des  Thiasos  der  Kataibatai  wohl  verglichen  werden 
kann.  Hylai  war  ein  Flecken  in  der  Nähe  Magnesias,  be- 
rühmt durch  eine  kleine  Höhle,  in  der  sich  ein  sehr  altes 
wundertätiges, Kultbild  des  Apollon  fand.  Sehr  oft,  aber 
stets  vergeblich    habe  ich   nach   dieser  Höhle  gesucht^). 


')  Ray  et  hat  (Miiet  et  le  Golfe  Latmique  p.  133)  Texters  Ver- 


—    94    — 

Solch  ein  Kultlokal  wieder  aufzufinden  wäre  allerdings 
von  hohem  Wert.  Heilige  Männer  sprangen  zur  Ehre 
des  Gottes  von  steilen  Bergwänden  herunter,  indem 
sie  hohe  Bäume,  die  sie  mit  der  Wurzel  aus  der  Erde 
herausgerissen  hatten,  auf  den  Schultern  trugen:  xotTa 
xa  öxevt'jTaia  tcüv  dipaTrcov  ojxoui  tot?  äybeaiv  oosuouafi. 
Einen  solchen  Heiligen  sehen  wir  auch  auf  Münzen 
dargestellt^).  Es  wird  nicht  geleugnet  werden  können, 
dass  solch  eine  Kulthandlung  vortrefflich  auch  in  den 
Dienst  des  Dionysos  passt,  dessen  Mainaden  in  wilder 
Jagd  in  den  Bergen  umherschweifen. 

Von  einem  dieser  drei  Thiasoi  haben  wir  vielleicht 
eine  Darstellung  auf  Münzen  des  Caracalla  und  des 
Alexander  Severus^).  Der  junge  Dionysos  (In  xoupoc) 
sitzt  auf  einer  cista  mystica:  zwei  Säulen  deuten  als  seinen 
Aufenthaltsort  einen  Tempel  an.  Ein  brennender  Altar 
steht  daneben,  vor  dem  ein  Korybaut  seinen  Waffentanz 
aufführt.  Die  anderen  Münzen  aus  Magnesia  mit  Dionysos- 
bildern (auch  oft  mit  einer  Mainade,  die  vor  ihrem  Gott 
das  Tympanon  schlägt)  geben  für  unseren  Zweck  wenig 
aus.  Sie  lehren  höchstens,  dass  namentlich  in  der 
Kaiserzeit  Magnesia's  Dionysoskult  besondere  Bedeutung 


mutimg,  dass  die  allen  Besuchern  Magnesias  wohlbekannte,  etwa 
2  km  vom  Tempel  gelegene  Höhle  (es  sind  in  Wahrheit  drei)  die 
von  Pausanias  erwähnte  sei,  zugestimmt;  sehr  mit  Unrecht.  Denn 
jene  Höhlen  sind  weiter  nichts  als  Steinbrüche. 

')  Rayet  a.  a.  0. 

'')  British  Museum  lonia  166  nr.  62  (pl.  XIX  11);  vgl.  168 
nr.  68. 


—     95     — 

hatte,    und    sie    führen    uns    die    im    Orakel    erwähnten 
Mainaden  auch  im  Bilde  vor. 

Die  thebanischen  Mainaden  werden  dann  auch  nach 
dem  Tode  ihren  Verdiensten  entsprechend  geehrt.  Ihre 
Gräber  bleiben  im  Gedächtnis  der  Magneten.  Kosko 
liegt  auf  einem  Hügel,  der  den  Namen  Koaxwßoüvo?  trägt, 
Baubo  £v  Taßapvsi,  Thettale  beim  Theater.  Magnesia 
ist  hügelreich  —  man  wird  Koskobunos  nicht  bestimmen 
können,  eine  Stelle  beim  Theater  ist  gewiss  der  rechte 
Platz  für  das  Grab  einer  Mainade,  —  und  Taßapvi?  wird 
ein  Ort  ausserhalb  der  Stadt  sein,  irpo  izolsax;  wo  ihr 
Thiasos  seine  Feste  feiert^).  Wir  finden  den  Ort  Tabarnis 
in  magnesischen  Inschriften  noch  zweimal  erwähnt"). 
Aus  der  einen  lernen  wir,  dass  sich  in  Tabarnis  eine 
Quelle  befand,  aus  welcher  Wasser  in  die  Stadt  abge- 
leitet wurde  ^).  Das  erinnert  uns  an  das  Grab  der  Sibylle 
Herophile  in  dem  Hain  des  Apollon  Smintheus  in  der 
Troas,  welches  an  einem  Quell  lag  (Paus.  X  12,  6),  wie 
denn  auch  das  Grab  des  Euripides  in  Makedonien  durch 


^)  Zu  dem  Namen  Tabarnis  lässt  sich  als  Parallele  der  Ort 
Abarnis  am  Hellespont,  zwischen  Lampsakos  und  Parion  gelegen, 
anführen:  Xenoph.  Hellen.  II  1,  29.  Orph.  Argonaut,  v.  487  heisst 
der  Ort  Abarnias.  Vgl.  Steph.  Byz.  s.  v.  'Aßapvos.  Vielleicht  darf 
man  bei  dieser  sicher  ungriechischen  Namensform  auch  an  die 
Kotßapvoi  erinnern;  s.  0.  Crusius  Beiträge  zur  griechischen  Mytho- 
logie und  Religionsgeschichte  (Progr.  der  Thomasschule  in  Leipzig 
1886)  S.  131. 

2)  Archäol.  Anz.  1895  S.  116. 

^)  Zwischen  Agora  und  Temenos  der  Leukophryene  fand  sich 
die  Inschrift:  "^H  tioXi?  t7]v  xpi^vTQV  xat  xd  ^(nhia  xal  t6  uowp  |  i% 
Tf]i  h  Taßdpvei  Tir^yY]?  810:  IpysTriaxccTou  |  AiXioo  Ayjptov^txou. 


—    96    — 

eine  vielbesuchte  Quelle  ausgezeiclmet  war  (Vitruv  VIII 

3, 16)0. 

Es  bedarf  keiner  Erklärung,  weshalb  es  der  theba- 
nische  Dionysos  ist,  dessen  Einführung  in  Magnesia  vom 
delphischen  Orakel  gefordert  wird  (vgl.  auch  oben  S.  89). 
Aber  nicht  entgehen  lassen  wir  uns  ein  epigraphisches 
Zeugnis,  auf  welches  Maass  und  Reinach  noch  nicht 
hinweisen  konnten,  da  es  erst  von  Kondoleon  dvsxoo-oi 
Mixpasiaval  STcqpacpai  teu/oc  Trpwxov  1890  S.  8  nr.  8  ver- 
öffentlicht worden  ist.  Obwohl  die  Inschrift  entweder 
zusammen  mit  den  von  uns  hier  behandelten  Dionysos- 
inschriften oder  —  es  lässt  sich  das  leider  nicht  ent- 
scheiden —  bei  den  im  Jahre  1890  durch  D.  Baltazzi 
im  Theater  planlos  unternommenen  Ausgrabungen,  die 
einem  Raubbau  glichen^),  gefunden  ist,  hat  sie  bereits 
eine  Geschichte.  Kondoleon  veröff'entlicht  sie  a.  a.  0. 
nach  der  Abschrift  eines  cpiXapxatoc  nur  mit  der  Angabe: 
STTi  jxotpfiapou: 

Aiovüao)  xal  SsixsXifj 
'Apiateu;  ZtJvwvo?. 
Nach  langem  Suchen  fand  ich  sie  endlich  wieder  — 
auf  dem  Bahnhofe  der  Station  Baladjik,  wo  sie  für  einen 
Steintransport  bereit  stand.  Leider  war  sie  bereits 
stark  zerstört.  Aber  der  erste  Blick  lehrte,  dass  es  ein 
kleiner  Altar  war  (h.  0,84;  br.  0,46;  d.  0,46),  auf  dem 
ich  nur  noch  las: 


^)  E.  Curtius  Gesammelte  Abhandlungen  I  S.  77. 
2)  Athen.  Mitth.  XIX  (1894)  S.  3. 


-     97     — 

AlONYZßlKAIZE 
APIZTEYZZh 

Unter  der  Inschrift  befand  sich  eine  Guirlande  mit 
Bukranien  an  den  Ecken,  die  sich  auch  auf  die  anderen 
drei  Seiten  fortsetzte.  A^on  der  Mitte  jeder  Guirlande  hing 
eine  Weintraube  herab.  Die  Arbeit  des  Altars  war  nur 
an  der  Vorderseite  sorgfältig.  Ich  konnte  noch  einen 
Abklatsch  nehmen  —  aber  wenige  Tage  darauf  war  das 
ganze  Stück  bereits  verschwunden.  Man  sagte,  die  Eisen- 
bahn habe  es  mitgeführt,  und  so  wird  es  denn  wohl  mit  der 
Zeit  an  irgend  einem  anderen  Orte  auftauchen  und  viel- 
leicht mit  einer  neuen  Provenienzangabe  noch  einmal 
publiciert  und  —  zu  falschen  Schlüssen  verwandt 
werden  ^). 

Soweit  über  den  mystischen  Dionysoskult  in  Magne- 
sia. Aber  Theokrit  und  Kos  erfordern  noch  ein  Wort. 
Maass  hat  nämlich  das  Orakel  aus  Magnesia  für  die  Er- 
läuterung der  A^vat  r^  Bocx^a^  des  Theokrit  (XXVI)  ver- 
wandt. Er  sucht  zunächst  nachzuweisen,  dass  dieser 
Hymnos  für  den  Dionysoskult  in  Kos  gedichtet  ist,  und 
geht  dabei  von  der  Identifikation  des  V.  33  genannten 
Apa/avov  mit  dem  Vorgebirge  Drekanon  auf  Kos  aus. 
Das  mag  richtig  sein^),  doch  lässt  es  sich  zur  wirklichen 


^)  Schlagend  richtig  hat  Maass  (Orpheus  S.  45"*^)  die  Inschrift 
von  Akrai  I.  G.  S.  I.  nr.  205  als  Weihinschrift  für  Dionysos  und 
Semele  (Aiovüöcüi  xät  S[£(j.£XY)t])  aufgefasst. 

2)  Vgl.  Reitzenstein  Epigramm  und  Skolion  S.  225. 

Festschrift  für  Diels.  7 


—     98    — 

Evidenz  nicht  bringen.  Für  Kos  ist  Dionysosdieust 
sicher  bezeugt,  —  wo  wäre  der  auch  nicht  bezeugt?  — 
aber  durchaus  unrichtisj  scheint  mir  die  Deutunor  der 
AiovuöLa  Trpwxa  in  der  jetzt  bei  Paton-Hicks  Inscriptions 
of  Cos  nr.  13,  16  veröffentlichten  Inschrift  zu  sein,  welcher 
H.  Dibbelt  quaest.  Coae  mythologae  p.  63  zugestimmt 
hat.  Maass  meint,  dass  die  Aiovüaia  TTpcüia  noch  ein 
zweites  und  drittes  Fest  des  Dionysos  auf  Kos  beweisen, 
während  es  doch  etwas  ganz  Gewöhnliches  ist,  dass  damit 
nicht  das  Dionysosfest  Nro.  I,  sondern  die  nächste  Diony- 
sosfeier gemeint  ist^).  Mit  diesen  drei  Dionysosfesten 
bringt  er  die  neun  Thiasoi  des  Theokrit  zusammen  und 
dann  auch  natürlich  die  drei  der  magnetischen  Inschrift; 
und  der  angebliche  dreifache  Dionysos  von  Magnesia 
wirkt  dann  weiter.  Maass  versucht  sogar  den  Namen 
des  dritten  7rp6  ttoXscdc  verehrten  aus  Kos  zu  gewinnen 
—  er  nennt  ihn  in  der  That  SxuXXitac  und  stellt  somit 
eine  enge  Kult-Verbindung  zwischen  Magnesia  und  Kos 
her.  All  diese  mit  gewohnter  Gelehrsamkeit  vorgetrage- 
nen Combinationen  scheitern  einmal  an  der  unrichtigen 
Interpretation  der  Aiovüaia  TrpajTa  und  dann  eben  daran, 
dass  wir  aus  der  magnetischen  Urkunde  durchaus  nicht 
auf  einen  dreifachen  Dionysoskult  zu  schliessen  haben. 
Dionysos  kam  nach  Magnesia  aus  Theben;  das  ist  des 
Orakels  Sinn.     Auch   der  theokritische  Hymnus  gibt  den 


^)  Es  wird  kaum  nötig  sein  die  Beispiele  zu  häufen,  vgl. 
Fraenkel  Inschr.  aus  Pergainon  Nr.  159  dv[aY]wvt  t(ij  Trpw-tu  cjv- 
TeX£(i>0|x[^]vii)  oder  C.  I.  A.  II  52  c,  9  Trpoaayaystv  £{;  tov  Stjjjlov  tU 
TTjV  7:pibT[rjV  IJxxÄrjat'ctv. 


—    99    — 

thebanisclien  Mythus.  Mag  er  in  der  Tliat  für  Kos  ge- 
dichtet sein  oder  nicht,  von  Kos  führen  nach  Magnesia 
keine  Wege,  und  mit  Theokrit  hat  der  Orakeldichter 
nur  den  allbekannten  thebanischen  Mythus  gemein  — 
ich  glaube  trotz  Maass,  dass  die  Bakchen  des  Euripides 
hier  mindestens  indirect  eingewirkt  haben. 

Und  schliesslich:  wann  ist  der  dp^aioc  )(p-/]a[x6c  ver- 
fasst?  Ist  er  zu  Hadrians  Zeiten,  in  denen  er  auf  den 
Stein  gehauen  ist,  auch  gedichtet?  Formen  wie  ufxsTv,  i?, 
TT-oXiaiUpa  raten  in  der  That,  mit  der  Datierung  nicht 
gar  zu  hoch  hinaufzugehen.  Die  Datierung  im  TTpüiavscD? 
weist  freilich  spätestens  auf  das  dritte  vorchristliche  Jahr- 
hundert; in  späterer  Zeit  wäre  im.  aiscpav^fopou  die 
richtige.  Aber  das  könnte  eben  absichtliche  Täuschung 
sein,  —  und  einer  solchen  hätte  sich  dann  wahrlich  nicht 
als  erster  Magnet  der  dpyaXoq  [xucjitj?  'AttoXXwvioc  MoxoXXtj? 
schuldig  gemacht ').  Durch  Possis  (Athen.  XII  p.  533  d.  e) 
wissen  wir,  dass  Themistokles ,  welcher  auch  sonst  in 
Magnesia  als  Stifter  neuer  Gottesdienste  und  Feste  auf- 
tritt, dem  Dionysos  Choopotes  geopfert  und  den  Tag  der 
Choen,  den  wichtigsten  Teil  der  athenischen  Anthesterien  '^), 
dort  eingeführt  habe.  Es  wird  schwerlich  irgend  Jemand 
geben,  der  das  Orakel  in  die  vorthemistokleische  Zeit  zu 
setzen  wagt.  Und  doch  hören  wir  gerade  in  ihm,  dass 
ein  Priester    des   Dionysos    erst    eingesetzt    werden    soll. 


')  Vgl.  Griinclungsgeschichte  von  Magnesia  S.  16. 
''^)  Der   Monat   Antbesteriou    ist  auch  für  Magnesia  durch  In- 
schriften bezeugt. 

7 


7* 


—     100    — 

Das  ist  ein  Widerspruch  mit  der  Nachricht  des  Possis. 
Denn  das  Choenfest  setzt  einen  Dionysospriester  voraus. 
Wir  kennen  auch  Diouysoskult  in  Magnesia,  das  viel- 
leicht schon  im  vierten  Jahrhundert  ein  Theater  besass, 
welches  ausdrücklich  als  ispöv  bezeichnet  wird^).  Eine 
Weihinschrift  für  Dionysos  Enagonios  ist  im  Theater  ge- 
funden, die  sicherlich  älter  ist  als  unser  Orakelspruch  ^). 
Die  Mache  der  Priester  im  ersten  Jahrhundert  nach  Chr., 
denen  Delphoi's  Gott  seine  Stimme  leiht,  leuchtet  uns 
ein,  in  welche  Zeit  auch  immer  wir  die  Entstehung  des 
Orakels  setzen  mögen.  Und  wenn  es  in  der  That  wahr 
wäre,  dass  die  Pythia  seit  der  Zeit  des  König  Pyrrhos 
den  Hexameter  verschmäht  und  sich  der  prosaischen 
Rede  bedient  hat^),  dann  würde  man  auch  in  den  Versen 
des  Orakels  eine  Affeetation  und  nicht  ohne  Weiteres 
ein  Zeugnis  für  seinen  älteren  Ursprung  sehen  dürfen. 
Aber  das  aus  hadrianischer  Zeit  stammende  Orakel,  das 
der  Demeter  Chloe  gilt,  spricht  auch  in  Versen  zu  den 
Athenern : 

OoTßo?  'A&yjvaioi?  AsXcpoüs  vat'cuv  laS'   £[£i7r£v]. 

Es  ist  sicher,   dass  es  seit  Philochoros  Sammlungen 
delphischer  Orakel   gab*).     So   mag   es  kein  Zufall  sein. 


1)  Athen.  Mitteil.  XIX  S.  44  Nr.  46. 

2)  Athen.  Mitteil.  XIX  S.  37  Nr.  37. 

^)  Cicero  de  divinatione  II  116  Pyrrhi  temporibus  iam  Apollo 
versus  facere  desierat. 

*)  G.  Wolf  Porphyrii  de  philo sophia  ex  oraculis  haurienda 
librorum  reliquiae  p.  46. 


—     101     — 

dass  die  prosaische  Einleitung  des  den  Magneten  ge- 
gebenen Orakels  auffällig  stimmt  mit  dem  Anfang  des 
bei  Demosthenes  (Rede  g.  Makartatos  §  66)  erhaltenen 
delphischen  Orakels:  'A^aö-^jJ  '^^XXl*  sTispojT^  6  S^fxog  6 
'Aör^vai'ojv  TTSpl  toü  ar^fxciou  lou  Iv  x(p  oupavo)  ^svojisvou,  o  xt 
av  opÄaiv  'Aör^vaiois  tj  otw  Osto  Ououaiv  tj  £u)(ojjl£voi?  eit] 
£711  t6  a|jL£ivov  airö  toü  ar^fiEioü.  Aber  irgend  etwas  Sicheres 
über  die  Abfassungszeit  werden  wir  wohl  erst  durch  die 
Sammlung  der  Orakel  erfahren,  welche  wir  von  Eduard 
Schwartz  erwarten  dürfen. 


\ 


IL 

A  N  A  X. 

Clemens  Alexandrinus  ^)  erzählt  folgende  merkwürdige 
Geschichte:  ei  OsXsi'j  8'  sTioTiTsöaat  /.ai  xa  Kopußavxaiv 
opyia,  Tov  Tpiiov  dosXcpov  airoxxetvavTS?  ouxoi  xrjv  xecpaXyjv 
xou  vsxpoü  cpoivixi6i  sTcsxaXudiaxYjv  xal  xaxaaxs^J^avxs  k^a^d- 
XTjV,  cpspovxs?  IttI  )^aAx7is  aaTTiSo?  uttö  xa?  uTrtüpsia?  xoui 
'OXüjiTTOU.  Kai  xaux'  saxi  xa  (xüaxiQpia,  aüvsXovxi  cpavai, 
cpovoi  xal  xacpoi.  oi  Ss  ispsis  ol  xüivos,  ou?  dvaxxoxsXsaxa?, 
Ol?  (jisXov  xaXsTv,  xaXouai,  TrpoasTcixspaxsuovxai  xijj  aüfxcpopa, 
oXoppiCov  diraYopsuovxs?  alXivov  sttI  xpaiisC'yj?  xi^svai*  oiovxai 
^ap  8y]  Ix  xou  aifiaxo?  xoü  Kopußavxixoü  xö  cfsXivov  exirscpü- 
x£vai.  oiaTusp  dfxsXsi  xal  ai  OsaixocpopidCoüaat  XTJ?  poia? 
xou?  xoxxoo?  irapacpuXdxxouaiv  laöisiv  xoü?  aTroTrsTrxwxoxa? 
^(ajjial  £x  xüjv  XOÜ  Aiovujoü  a^tiaxo?  axa^ovoiv  ßsßXaaxr^xsvai 
vo|xiCoüai  xa?  poia'?.  Ka^sipoü?  Ss  xoü?  Kopüßavxa?  xaXouv- 
x£?  xal  xsXsxYjv  KaßsiptxYjv  xaxa^^^j'sXXoüaiv  •  aüxw  "jap  8tj 
xoüxo)  xüj  dSeXcpoxxovo)  xtjv  xiöxyjv  dvcXojj-lvo),  sv  f|  xo  xoü 
Atovuaoü  aiöoiov  dirExsixo,  £i?  Tüpprjviav  xaxi^YaYov,  süxXsou? 


')  Protr.  p.  16  Pott.  =  Eusebios  praep.  ev.  II  3. 


—    103    — 

l[i Kopoi  cpopTi'oü-  xavTOtuOa  oisxpißsr/jv ,  cpu^aSs  ovis,  t7)v 
TToXunjxrjTOv  suaspsiotc  SioaaxaXiav,  aiooTa  xctl  xiar/iv,  Op'/j- 
axsusiv  Tcapaööfisvcü  Tüppr^voi?-  8i'  r^v  aixi'av  oüx  dTisuoKDC 
Tov  Aiovuaov  Tiv£?  "Atxiv  irpoaaYopcusaOat  dsÄouaiv,  aLOorojv 
£aT£p-/jjx£vov.  Seit  Lobecks  Untersuchung  im  Aglaophamus 
JI  1256 ff.  steht  es  fest,  class  der  von  Clemens  hier  be- 
schriebene Kultus  den  Kabiren  von  Thessalonike  gilt'). 
Auf  ihn  bezieht  sich  Lactantius  divin.  instit.  1  15  (summa 
veneratione  coluerunt  —  Macedones  Cabirum),  der  mit 
guter  Sachkenntnis  von  einem  Kabir  spricht.  Durch 
die  Funde  im  thebanischen  Kabirion^)  hat  diese  Nach- 
richt an  Bedeutung  gewonnen.  Wir  können  jetzt  mit 
Sicherheit  sagen,  dass  wie  in  Theben  so  auch  in  Thessa- 
lonike ein  Kabir  aus  dem  Kabirenverein  hervorragte, 
dass  da  im  Laufe  der  Kultentwickelung  ein  Kabir  in 
den  Mittelpunkt  trat^). 

Thessalonike    ist    eine    Gründung    Kassanders;    sein 
Kabirenkult  stammt  aus  hellenistischer  Zeit,  in  welcher 


^)  Vgl.  Jul.  Firm,  de  errore  prof.  relig.  c.  XI  S.  91  ed.  Halm: 
In  sacris  Corybantum  parricidium  colitur.  Nam  imus  frater  a 
duobus  iiiteremptus  est,  et  ne  quod  indicium  necem  fraternae 
mortis  aperiret,  sub  radicibus  Olympi  montis  a  parrieidis  fratribus 
coiisecratur.  Ilunc  eiindem  Macedonum  colit  stulta  persuasio.  Hie 
est  Cabirus,  cui  Thessalonicenses  quondam  cruento  ore  (add.  Halm) 
cruentis  manibus  supplicabant.  Considerandum  itaque  est,  quäle 
sit  numen,  quod  parricidalis  amentia,  ut  parricidium  celaret, 
invenit. 

2)  Ueber  die  Kabirenreligion  \g\.  jezt  vor  allem  Roberts 
Darstellung  bei  Preller  griech.  Mythol.  P  847. 

^)  Vgl.  V.  Wilamowitz  in  seiner  Abhandlung  über  Hephaistos 
Gott.  Nachr.  1895  S.  244. 


—     104     — 

überhaupt  die  Kabirenreligion  erst  weiteres  Terrain  ge- 
wann.    E.  Maass    hat    soeben^)    sehr  hübsch  ausgeführt, 
dass  die  Orpheussage  aus  Aineia,  welches  zu  den  Städten 
gehört,    aus    denen    Kassanders   Stadt    hervorging,    nach 
Thessalonike    gekommen    ist.     Orphische  Züge  trägt  der 
Kabir  von  Thessalonike  wie  der  thebanische.   Denn  deut- 
lich genug  erinnert  der  von  seinen  Brüdern  getötete  Kabir, 
von  welchem  das  Spajjia  [luaiixov  handelte,  an  den  von  den 
Titanen    zerrissenen    Zagreus.      Wir  besitzen    sogar    ein 
Kultlied,   das  schon  Lobeck  hieher  gezogen  hat  und  das 
sehr  wohl    für  den  Kult   in  Thessalonike  gedichtet  sein 
kann.     Es  ist  der  XXXIX  orphische  Hymnus: 
xixXT^axo)  -/povot;  aevaou  ßaaiXrja  [xs^iatov, 
Küpßavt'   6Xßi6[ioipov,  dpVjiov,  ocTrpoaopatov, 
VüXTSpivöv  KoüpyJTOt,  cp6ß(jüV  airoTrauofTopa  Seivaiv, 
cpavTaaia>v  eirapcoYov,  epYjjJioTuXavov  Kopußavia, 
5        aioX6|jLop(pov  avaxxa,  ösov  SicpuTj,  TioXufiopcpov, 
(poiviov,  ai[xa)(t)£VTa  xaGi^vv^Küv  uttö  Siaawv, 
Atjou?  oc  7va)tx-(j(jiv  IvTJXXa^a?  Ssjia?  apov, 
OyjpoTUTiov  Osjxsvo?  jxopcpYjv  ovocpepoTo  Spaxovio?* 
xXudi,  [xaxap,  cpojvaiv,  ^/olX^^:r^v  8'   aTroTTSjxTTSo  [at^viv, 
10        irauwv  cpaviaaia?  ^u}(^<;  IxtcXtJxtoü  avocYXTjc. 

Der  tote  Bruder  heisst  avaS,  die  Genossenschaft,  die  ihn  ver- 
ehrt, dvaxTOTsXsofTai,  er  ist  der  Kabir.  Obwohl  verdorben 
und  gestorben  ist  er  der  Herrscher  in  dem  Verein  der 
Kabiren  von  Thessalonike.  Ein  aiäoiov  und  die  Kiste,  aus 
welcher  sich  die  Schlange  emporringelt,  sind  das  Instrument 


1)  Orpheus  S.  143. 


—     105     — 

auch  dieses  mystischen  Kultes^).  Sein  Bikl  sehen  wir  auf 
den  Münzen,  auf  denen  immer  nur  ein  Kabir  dargestellt 
ist,  mit  Ryton  und  Hammer^),  und  ich  kenne  es  auch 
aus  der  Photographie  einer  kleinen  Bronze,  welche  sich 
jetzt  in  Rumeli  -  Hissar  bei  Konstantinopel  befindet,  und 
deren  Abbildung  ich  Paul  Wolters  verdanke.  Der  mit 
Binden  bekränzte  Gott  hält  in  der  Linken  eine  Schale, 
in  der  Rechten  seinen  Hammer.  Aus  dem  Hammer  darf 
man  wohl  schliessen,  dass  es  wie  in  Leranos  auch  in 
Thessalonike  Hephaistos  war,  an  den  sich  der  Kabiren- 
kult  anschloss. 

Dass  der  Kabirenkult  einen  chthonischen  Charakter 
trägt,  haben  die  Opfergruben  bei  Theben  und  auf 
Samothrake  bewiesen.  Auch  in  Thessalonike  findet 
sich  dafür  mancherlei  Bestätigung.     Zunächst  die  Drei- 


^)  Für  den  Kabirenkult  in  Lemnos  bezeugt  die  Kiste  Attius 
Philoct.  fr.  II  (Ribb.  p.  204)  nach  Bergks  Conjectur:  celsa  Cabirum 
delubra  tenes,  misteria  quae  pristina  cistis  consepta  sacris. 

2)  Interessant  ist  eine  Münze  des  Kaisers  Philippus  aus 
Thessalonike,  auf  die  mich  Dr.  Gaebler  freundlichst  hinweist; 
dargestellt  sind  Apollon  und  der  Kabir,  die  zusammen  einen  un- 
erklärten Gegenstand  halten  (Cousinery  voyage  dans  la  Macedoine  I 
pl.  I  nr.  11;  Mionnet  I  503,  399;  S.  III  163,  1062).  Man  darf 
diese  Verbindung  nicht  etwa  aus  kathartischen  Kultbräuchen  er- 
klären, sondern  es  ist,  wüe  Gaebler  richtig  sagt,  nur  der  bild- 
liche Ausdruck  der  aus  Münzen  von  Thessalonike  bekannten  Kaße^- 
pia  Iludia.  Siehe  auch  Berl.  Münzkatalog  II  S.  152  Nr.  62,  wo  über 
einen  auf  den  Kabirenmünzen  von  Thessalonike  erscheinenden 
merkwürdigen  hornähnlichen  Gegenstand  gehandelt  wird.  —  Mysten 
aus  Thessalonike  werden  genannt  auf  der  Inschrift  Mooselov  xal 
ßtßXio8r]xir]  xriQ  euayyeXix^?  ö/oXt)?  Iv  21|xupvTf]  1876/78  p.  17  nr.  ai^. 
Der  Stein  befindet  sich  in  den  Dardanellen;  er  wird  wohl  aus 
Samothrake  stammen,  wo  ganz  ähnliche  Listen  gefunden  sind. 


—     106     — 

zahl  der  Brüder,  welche  H.  Diels  (Sibyllin.  BL  S.  40,  1) 
als  Merkmal  eines  chthonischen  Kultes  hervorgehoben 
hat.  Dann  das  Purpurgewand,  in  welches  der  Kopf  des 
erschlagenen  Anax  gehüllt  ward,  worüber  die  Nachweise 
wieder  in  den  Sibyllinischen  Blättern  S.  70  zu  finden 
sind^),  und  der  Eppich,  die  Totenpflanze  der  Griechen, 
mit  denen  sie  ihre  Gräber  schmückten^).  Schliesslich 
deutet  auch  die  Schlange  des  orphischen  Hymnos  v.  7.  8 
auf  chthonischen  Kult,  wie  ja  die  ganze  Legende  durch- 
aus einen  finsteren  Charakter  hat. 

Von  Thessalonike  ist  der  Weg  nach  Milet  sehr  w^eit, 
und  doch  finden  wir  dort  einen  ispo?  Xo^o?,  welcher  sich 
mit  dem  eben  gehörten  vergleichen  lässt.  Es  ist  das  die 
Geschichte  von  den  Söhnen  des  milesischen  Königs  Leoda- 
mas,  welche  vor  Amphitres,  dem  Mörder  ihres  Vaters,  nach 
Assesos  geflohen  sind  und  dort  von  ihm  belagert  werden  ^). 
Assesos  wird  hart  bedrängt.  Die  Belagerten  befragen 
das  Orakel  und  erhalten  die  Antwort,  dass  aus  Phrygien 
Helfer  (ßoyjOoQ  zu  ihnen  kommen  würden,  um  den  Mord 


')  Vgl.  Arch.  Anz.  1894  S,  81;  die  Mysten  tragen  in  Sarao- 
thrake  Purpurbinden  Ttepi  xrjv  xotXtav:  Schol.  Apollon.  Argon.  I  917. 

-)  Plin.  Nat.  hist.  XX  113  apium  (=  oeXtvov):  distiuguitur  sexu. 
Chrysippus  feminam  esse  dicit  crispiovibus  foliis  et  duris,  crusso 
caule,  sapore  acri  et  fervido,  Dionysius  nigriorem,  brevioris  radicis, 
vermiculos  gignentem,  ambo  neutrum  ad  cibos  admittendum, 
immo  omnino  nefas,  nam  id  defunctorum  epulis  feralibus 
dicatum  esse,  visus  quoque  claritati  inimicum.  Vgl.  Rohde 
Psyche  S.  204,2;  222,2. 

3)  Nikolaos  Damasc.  F.  11.  G.  III  388  nr.  54.  Vgl.  H.  Geizer 
De  Branchidis  p.  41. 


—     107     — 

zu  rächen  und  auch  um  Milet  von  der  Gewaltherrschaft 
zu  befreien.  Und  da  erscheinen  in  einer  Nacht  vor  den 
Thoren  zwei  Jünglinge  aus  Phrygien,  Tottes  und  Onnes 
i£pa     £)(0VT£?     Kaßeipojv     Iv     xi'cfxei     x£xaXu|jL[X£va. 

'E](6[X£V0t  0£  TT]?  Xtai£«)?  (XjJKpOTEpOl  6  {JL£V  £vO£V  ,  6  0£ 
£Vl)£V    VUXTÖ?    £Tl    OUGfYj?    irpOTjXÖ-OV    £1?    10    T£lXO??    ^C('^    £X£X£u6v 

acpa;  hi-/ß.a^ai.  Aber  der  Eintritt  in  die  Stadt  wird  ihnen 
erst  gewährt,  als  man  sich  des  Orakels  erinnert.  Sie 
erklären  am  nächsten  Morgen  in  der  Volksversammlung 
die  Stadt  retten  zu  wollen ,  wenn  man  ihnen  die  ge- 
bührenden Opfer  darbringe  (()uaat  xoc  vo[xiC6}X£va  autoic). 
Jubelnd  geht  das  hart  bedrängte  Volk  auf  ihre  Bedingung 
ein,  und  unter  Vorantritt  der  phrygischen  Jünglinge, 
welche  die  i£pa  irpö  xr^?  cpaXa^^'^?  tragen,  geht  es  mit  der 
ganzen  Heeresmacht  gegen  die  Feinde.  Diese  fliehen, 
Amphitres  wird  von  den  Söhnen  des  Leodamas  getötet, 
und  Krieg  und  Tyrannis  hören  zugleich  auf.  So  ward 
Milet  durch  die  i£pa  xoiv  Kaߣrpa)V  frei. 

Gewiss  hat  Robert  Recht,  wenn  er  a.  a.  0.  860 
sagt,  dass  sich  in  dieser  romanhaften  Fassung  der  alte 
Kern  der  Stiftungslegende  kaum  mehr  erkennen  lasse. 
Aber  Eines  muss  doch  herausgehoben  werden.  Die 
phrygischen  Jünglinge,  welche  mit  den  i£pa  lia^sipw\> 
nach  Assesos  kommen,  entsprechen  genau  den  beiden 
Brüdern  aus  Thessalonike,  welche  mit  der  heiligen  Kiste 
zu  den  Tyrrhenern  wandern. 

Es  verschlägt  dabei  nichts,  dass  der  milesische  t£p6? 
X670?  von  einer  Mehrzahl  von  Kabiren  spricht.  Niemand 
wird  von  Nikolaos  von  Damaskos  solche  Genauigkeit  ver- 


—     108    — 

langen.  Auch  die  milesischen  Inschriften  reden  immer 
von  Kaßsipoi  und  [xs-^^Xot  Osor)  —  aber  einen  Rest  von 
der  Legende,  nach  welcher  die  Zwei  den  Dritten  er- 
schlagen, glaube  ich  in  dem  Namen  des  Priesters  zu  er- 
kennen, der  xü)Tot'p/rj?  oder  xü)Tap5(oc  hiess,  wenn  anders 
G.  Keil  specimen  onomatologi  Graeci  p.  107  mit  Recht 
an  die  Glosse  des  Hesych  v.  xoit|<;  ispsuc  Kaßsipwv,  6 
xailaiptüv  cpovia,  ol  Ss  xor^  erinnert  hat.  Dieser  Sühn- 
brauch ist  das  deutliche  Zeichen  eines  chthonischen  Kults. 
Sehr  viel  wichtiger  ist  es  aber,  dass  wir  in  Milet 
unzweifelhaft  den  Gott  der  Anaktotelesten  nachweisen 
können.  Aus  Didymos  ist  bei  Stephanus  v.  Byzanz 
V.  MtXrjTo?  überliefert,  dass  Milet  drei  Namen  gehabt 
habe:  Azks'^rfi^  nixüouiaa  und  'Avaxxopia,  und  den  letzteren 
habe  es  erhalten  nach  Anax  dem  Sohn  der  Ge  und  des 
üranos^).  So  ist  Anax  hier  in  die  Reihe  der  Titanen 
aufgenommen,  und  es  fehlen  für  den  Zusammenhaug  der 
Kabiren  mit  den  Titanen  auch  sonst  die  Zeugnisse  nicht. 
Voransteht  die  Orakelinschrift  des  Apollon  Gryneios  aus 
Pergamon,  die  leider  jetzt  verschollen  ist^).  Dort  heisst 
es  (v.  7)  von  den  Nachkommen  des  Telephos 
otat  irap'  OupavoS  uFsc  s^TjTjaavio  Kaßsipoi 
TupajTOi  Uzp^a\i(ri<;  uTisp  ax[pi]oc  a[a]T£[p]o[7:r^T]r^[v] 
TixTOfjtsvov  Aia,  [ir^Tptüir^v  ois  [Y^]c>t[ipa]  Xüa[£v]. 
Und    mitten    in    die  Schaar    der  Titanen    führt  uns  das 


1)  Robert  a.  a.  0.  860,4. 
')  Paus.  135,6;  VII  2,  5. 
3)  Kaibel  Epigr.  gr.  1035. 


—     109     — 

von  Conze')  auf  Imbros  gefundene  Gebet  zu  den  Kabiren, 
zu  dem  C.  Keil  (Philogos  Suppl.  II  (1863)  S.  598)  einen 
wichtigen  Beitrag  gab,  indem  er  die  Flaisxoi  richtig  er- 
klärte. Aber  es  war  nicht  wohlgethan,  dass  er  Z.  5  das 
Wort"Ava^  als  Epiklesis  zu  Kaa[jL£TX£  verflüchtigen  wollte; 
sehr  mit  Recht  hatte  schon  Conze  a.  a.  0.  an  den 
milesischen  Anax  erinnert.  Unter  dem  Namen  eines 
ava^  xai  izo/jqv  ist  der  ältere  Kabir,  der  später  auch 
mit  den  Titanen  verbunden  wurde,  also  nicht  nur  in 
Thessalonike  und  Milet  verehrt  worden.  Auch  in  Imbros 
trefi*en  wir  eben  seine  Spur. 

Als  Kaßipttx  die  Mächtigen  sind  die  Kabiren  aus 
Phoinikien  nach  Griechenland  gekommen,  und  ihr  Dienst 
wurde  von  Küste  zu  Küste,  von  Insel  zu  Insel  getragen, 
in  mancherlei  Formen,  in  vielerlei  Gestalten.  Am  treusten, 
obwohl  sie  sich  auch  da  an  Hermes  anschliessen,  be- 
wahrten sie  wohl  ihr  Wesen  in  Samothrake.  Dort  heissen 
sie  immer  in  genauer  Uebersetzung  des  phoinikischen 
Namens  die  Grossen  Götter,  [xsyofXoi  Oeot'.  Denn  es  ist 
noch  keine  Inschrift  gefunden,    welche    für  Samothrake 


^)  Reise  auf  den  Inseln  des  thrakischen  Meeres  S.  91  Taf.  XV,  9, 
0£ol  (JieyaXot, 
%zo\  §uvaxoi, 
la/uppot  xat 
KaC|j.£tX£  • 
5  "Äva?  nc^T[£] 
xoi  KoTo? 
KpElos  'Y- 

TTEpElCÜV 

EfaTTETOS 

10    Kpdvoc 


—  Ho- 
den Namen  der  Kabiren  erwiese.  Und  wenn  Lobeck  für 
den  einen  Kabiren  nnr  zwei  Beispiele  anführen  konnte, 
das  Epigramm  des  Diodoros  (Antbol.  Palat.  YI  245)  und 
die  Stelle  des  Lactantius,  wir  leben  in  der  Zeit,  wo  in 
kaum  übersehbarem  Reichtum  das  epigraphische  Material 
von  Tag  zu  Tage  wächst,  und  dürfen  uns  freuen,  dass 
auch  in  solch  dunkle  Gebiete  "wie  in  das  der  Kabiren- 
religion  neues  Licht  gefallen  ist.  So  kann  man  für  den 
einen  Kabiren  jetzt  wieder  ein  neues  Zeugnis  aus  dem 
im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  erbauten  Theater  von 
Tlos  heranziehen,  das  wir  Benndorf  verdanken  ^).  An  der 
Spitze  einer  Liste  von  Personen,  welche  zur  Erbauung  des 
Theaters  Geld  hergaben,  steht  der  Name  eines  Aristeides, 
des  Sohnes  des  Antigenes,  welcher  sich  lebenslänglichen 
Priester  des  Dionysos  und  Erzpriester  des  Kabiren  nennt. 
Aber  noch  überraschender  ist  ein  Fund,  dessen  Mit- 
teilung ich  meinem  Freunde  F.  Hiller  von  Gaertringen 
verdanke.  Von  seiner  neuen  Forschungsreise  bringt  er 
mir  den  Abklatsch  einer  Inschrift  mit,  welchen  unser  ehe- 
maliger Aufseher  bei  den  Ausgrabungen  in  Magnesia, 
Mastro  Athanasiu  aus  Smyrna,  in  einer  Moschee  des 
Dorfes  Tschanly  genommen  und  C.  Humann  übergeben 
hat^).  Es  ist  ein  Ehrendekret,  das  wie  die  Psephismen  für 
Apollophanes  von  Magnesia  mit  der  Angabe  der  Stimmen- 


^)  Anzeiger  der  philos.-hist.  Classe  der  Wiener  Akademie  vom 
20.  Juli  1892  Nr.  XVIII  (S.  11  des  Sonderdrucks). 

'^)  Sehr  nützlich  war  mir  bei  der  Lesung  des  wenig  scharfen 
Abklatsches  eine  Umschrift,  welche  Ililler  im  Verein  mit  Rud. 
Heberdey  bereits  vorgenommen  hatte. 


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—    111    — 

zahl,  auf  Grund  derer  es  ausgestellt  ist,  schliesst^). 
Hiller  lenkte  sofort  meine  Aufmerksamkeit  auf  das  in  ihm 
erwähnte  lepov  xoui  "Avaxxo?  —  und  dieser  Angabe  wegen 
habe  ich  die  vorstehende  Untersuchung  hier  ausgeführt. 

Tschanly^)  liegt  im  Nordosten  der  Mykale,  etwa 
37.2  Stunden  von  der  Stadt  Sokhia  entfernt,  nicht  weit 
vom  Meere.  Es  ist  der  Ort,  in  dessen  Nähe  man  lange  Zeit 
die  Stätte  des  Panionions  gesucht  hat,  ohne  jeden  Grund, 
wie  es  scheint.  Denn  man  hat,  wie  mir  F.  Winter  bestätigt, 
welcher  im  Sommer  1887  Tschanly  zusammen  mit  W.  Ju- 
deich besucht  hat,  keine  Veranlassung  hier  eine  grössere 
antike  Ansiedelung  anzunehmen.  Es  ist  sehr  verlockend 
zu  glauben,  dass  der  Stein  nach  Tschanly  aus  den  Ruinen 
der  altionischen  Stadt  Anaia  verschleppt  ist,  deren  Reste 
Pulakis  in  dem  kleinen  türkischen  Dorf  'Avsa  wieder- 
erkannt hat,  welches  in  byzantischer  Zeit  der  Sitz  eines 
Bischofs  war  und  allein  von  allen  ionischen  Städten 
seinen  alten  Namen  bis  heute  bewahrt  hat  ('  E/Ar^v.  oiXoX. 
aulX.  7ro(papr/;[ia  zu  Band  XVIII  [cixoaiTrsviacTr^pi?  1861 
bis  1886]  Konstantinopel  1888  p.  229).  Aber  es  ist  sehr 
unwahrscheinlich,  dass  die  hohe  Zahl  von  3580  Stimmen 
für  die  Bevölkerung  dieser  Stadt,  von  der  wir  so  wenig 
wissen,  passt,  und  wenn  eine  Verschleppung  der  Inschrift 
nun    einmal    angenommen    werden    muss,    dann    liegen 


')  Athen.  Mitteil.  XIX  (1894)  S.  12. 

2)  Es  giebt  in  dieser  Gegend  zwei  Dörfer  namens  Tschanly.  Da 
Mastro  Athanasiu  eine  Moschee  als  Fundort  der  Inschrift  nennt,  kann 
hier  nur  das  türkische  Dorf  Muslim-Tschanly  gemeint  sein.  Für  die 
Stätte  des  Panionions  hält  man  gewöhnlich  das  griechische  Dorf. 
Das  türkische  liegt  etwa  in  der  Mitte  zwischen  diesem  und  "Avea, 


—     112     — 

Priene  —  freilich  durch  die  hohe  Mykale  von  Tschanly 
getrennt  —  und  Samos  —  der  Transport  von  Inschriften  zur 
See  auf  einem  Kaik  ist  etwas  sehr  gewöhnliches  —  nicht 
allzu  weit  von  der  Fundstätte  des  Steins.  Zu  erwägen 
ist  vielleicht  auch,  ob  der  Stein  aus  Magnesia  stammt; 
denn  die  Angabe  der  Stimmenzahl  und  die  Formeln  am 
Schlüsse  würden  wohl  dazu  passen^).  Die  Inschrift,  welche 
nach  ihren  Buchstabenformen  in  das  zweite  vorchristliche 
Jahrhundert  gehören  wird,  lautet  folgend ermassen. 

—  —  —  —  —    STTsiOY]  —  ]c  IlaüCfavtou  V£(üx6[po?] 

—  —  —  —  —  —  —  —  ^]vftp]  x[a]X6ij  xotl  «^«[Oos] 

[ci?  T]b[v  oTxJov  t[6v  lepöv]  xai  zh  tov  or^jxov  xal  iöi[ai  £-] 
[xaa-]aji  T(u[x  7ro[XiTa)V  oiJaisXsi,     SsSo'/Oai  täi  o[T^-] 

5   [jxcjoi  sjTT-CjV^aöat  [-£  ocütoJv  dpEir^?  Ivsxev  xat  süvoia? 
[v  ^X]^^  SiaieXet  ef?  xs  xöv  oTxov  xov  ispov  xal  ei;  x6[v] 
[oTjjxov]  xal  ax£cpava)Or|Vai  au[x]6v  sv  xois  Trpwxoi?  Aiov[ü-] 
[aioiQ^)  '/p\oa£(ai  arscpavtüt,  aiyjofai  5s  auxou   xal  £r/6v[a  o-] 
[ttou  av  sjv  xwi  hpSii  xou  "Avaxxo;  ßouXvjxai,  [xo]u?  8s  ot[xo-] 

10   [vojjLOUs  xo]u?  |X£xa  xov  [.  .]ov  U7rrjp£[xrj]aai  xo  £[1?]  xtjv  £[r/6va] 
[dvYjXwaa  sx  xcüjv  Tiopcov  oiv  £)(0ü<3iv  sie  ttoXsü)?  0'.oixr^a[iv,] 
[XsXuaUai  hh]  xal  si'  xt  ^jY]cpta[(i]a  svavxiov  saxlv  xü)io[s] 
[xoji  <|'7jcpta[JLax]i  xax'   auxö  xo[ü]xo  xai)'    0  saxiv  Ivavxiov. 
[^'*YfQ^  siryjvsy^ÖTjCfJav  xpiaf^^iXioti  TrsvxaxocJiai  6yoo[75-]  f 

[xovxa   —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  —  — ]  ■ 


0  S.  oben  S.  110. 

2)  Vgl.  zu  den  TTpcüra  AiovutJta  oben  S.  98.  Aus  der  Erwähnung 
dieses  Festes  die  Herkunft  des  Psepliisina  entscheiden  zu  wollen 
ist  vergebliches  Bemühen.  In  einem  magnesischen  Psephisma 
Avürde  man  statt  der  AiovSaia  wohl  die  Aeuxocppurjvct  erwarten. 


—     113     — 


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^     =     ^     =     iii 

Festscbrift  für  Diels. 


8 


—     114     — 

Aus  der  Inschrift  selber  lernen  wir  über  das  Wesen 
des  Anax  leider  nichts.  Nur  der  in  ihr  erwähnte  ispoc 
oTxo?  lehrt  uns  ungefähr  den  Kreis  kennen,  in  welchem 
wir  Anax  suchen  müssen,  und  in  dem  wir  ihn  bereits 
gesucht  haben.  Einen  ispo?  or/oc  erwähnt  auch  die  oben 
behandelte  Mysteninschrift  aus  Magnesia^),  ispal  oixiai 
sind  aus  Eleusis  bezeugt^),  in  Andania  gab  es  einen 
oT/o?  Iv  Ttp  ispto  (Dittenberger  Sylloge  Nr.  388,  113),  und 
sicherlich  gehört  wohl  auch  das  Haus  des  Pulytion  in 
Athen  ^),  in  welchem  die  Mysterien  parodiert  wurden,  und 
das  zu  Pausauias'  Zeit  der  Verehrung  des  Dionysos  galt, 
in  diesen  Zusammenhang.  Mystische  Kulte  scheinen  in 
solchen  oTxoi  oft  ihre  Stätte  gefunden  zu  haben,  und  vor- 
trefflich passt  zu  dem  kpo?  oTxoc  xou  "Avaxxo?  der  oTxo?, 
den  Philoxenos  im  Temenos  von  Samothrake  den  Grossen 
Göttern  geweiht  hat*). 

Anax  kann  ursprünglich  jeder  Gott  heissen  wie 
avaxTopov  jedes  Gottes  Haus^).     Aber  allmählich  hat  sich 


1)  Vgl.  auch  die  oben  S.  91,1  citierte  Inschrift  aus  Ttiisbe. 

-)  Rubensohu  Die  Mysterieuheiligtümer  in  Eleusis  und  Samo- 
thrake S.  73. 

^)  Pausan.  I  2,  5 ;  Milchhoefer  in  Gurtius'  Stadtgeschichte  von 
Athen  XCVI  40. 

^)  Untersuchungen  auf  Samothrake  I  S.  41  Nr.  8.  Conze  zieht 
hieher  auch  das  von  ihm  (Reise  auf  den  Inseln  des  thrak.  Meeres 
Taf.  XVI  Nr.  3)  veröffentlichte  Fragment,  welches  ich  Athen.  Mitt. 
XIX  (1894)  S.  527  nach  einer  Mitteilung  von  Phardys  aus  Ver- 
sehen noch  einmal  herausgegeben  habe.  Die  von  mir  a.  a.  0. 
vorgeschlagene  Ergänzung  lautet:  E6a[YÖpa?]  i\pi8[TgXou]  ttjv  c[ti- 
ßaSa]  ^e[oT?]. 

^)  Vgl.  F.  Deneken  in  Roschers  Lexikon  I  S.  2444. 


—     115    — 

diese  Epiklesis  zu  dem  selbständigen  Namen  eines  Gottes, 
eben  des  Kabir  entwickelt  ').  Dagegen  sind  unter 
"AvaxTs?  oder  "Avaxs?  immer  die  Dioskuren  verstanden 
worden.  Denn  Pausanias'  (X  38,  7)  Zweifel,  ob  die  im 
lokrischen  Amphissa  durch  einen  mystischen  Kult  ver- 
ehrten 'Avaxxs?  für  Kabiren,  Kureten  oder  Korybanten 
zu  halten  sind,  erklärt  sich  einzig  dadurch,  dass  von  der 
hellenistischen  Zeit  an  die  Gleichsetzung  der  Dioskuren 
mit  den  Kabiren  üblich  geworden  war,  und  C.  Robert 
(a.  a.  0.  862)  hat  sicherlich  richtig  geurteilt,  wenn  er 
in  Amphissa  den  Dioskurenkult  für  das  Ursprüngliche  hält. 
Vielleicht  wird  Mancher,  der  die  vorstehende  Unter- 
suchung im  wesentlichen  billigt,  einen  Schluss  vermissen: 
die  Deutung  des  bärtigen  Mannes  auf  den  von  Conze'^) 
gesammelten  Weihreliefs  an  die  grosse  Mutter  auf  Anax. 
Er  wird  dabei  auf  die  Korybanten  hinweisen,  die  uns  in 
der  Kultlegende  von  Thessalonike  begegnet  sind,  und  auf 
die  phrygischen  Jünglinge  in  Milet,  die  wir  jenen  gleich- 


^)  Es  ist  das  ungefähr  derselbe  Process ,  den  ich  bei  Zeus 
Eubuleus  und  Hermes  Tychon  nachgewiesen  habe  (Athen.  Mitteil. 
XIX  S.  62).  Die  dort  in  Aussicht  gestellte  Polemik  gegen  Furt- 
wänglers  Bemerkungen  (Meisterwerke  der  griech.  Plastik  S.  562) 
kann  ich  jetzt  unterdrücken,  da  das  von  D.  Philios  Athen.  Mit- 
theil. XX  Taf.  6  veröffentlichte  Weihrelief  aus  Eleusis  die  Deutung 
des  vielberufenen  Jünglingskopfs  auf  Triptolemos,  wie  mir  scheint, 
zur  vollen  Evidenz  gebracht  hat. 

2)  Arch.  Zeitung  XXXVIII  (1880)  T.  3  Nr.  1  (N)  2  (M)  3  (Q.) ; 
S.  9.  Auf  den  von  Conze  Athen.  Mitt.  XIII  (1888)  S.  202  und 
XVI  (1891)  S.  191  nachgetragenen  Reliefs  findet  sich  dieser  bärtige 
Mann  zweimal,  auf  einem  Stück,  das  aus  Magnesia  am  Maiandros 
stammen  soll,  und  auf  einem,  das  jetzt  im  Brit.  Museum  aufbe- 
wahrt wird. 


—     116     — 

gesetzt  haben.  Aber  dabei  muss  einmal  bedacht  werden, 
dass  die  Verbindung  des  phrygischen  Meterkults  mit  dem 
phoinikischen  Kabirendienst  durchaus  keine  religions- 
geschichtliche Thatsache  ist,  mit  welcher  wir  irgendwie 
zu  rechnen  haben,  dass  dieselbe  erst  eingetreten  ist  in 
dem  Wirrsal  jener  späten  Epoche,  welche  Kabiren,  Dios- 
kuren,  Kureten  und  Korybanten  sorglos  durch  einander 
wirft  ^).  Dann  aber  scheint  auch  mir  der  Widerspruch, 
den  Furtwängler  (Sammlung  Saburoff  zu  Taf.  CXXXVII) 
und  Robert  (bei  Preller  P  S.  653,  2)  gegen  Conze's 
Deutung  jeuer  Votivreliefs  auf  Hermes-Kadmilos  erhoben 
haben,  berechtigt  zu  sein^).  Es  giebt  nicht  ein  Relief 
dieser  Art,  das  in  Samothrake,  der  einzigen  Stätte  des 
Kadmiloskults,  gefunden  ist  oder  an  einem  Orte,  für 
welchen  der  Dienst  der  samothrakischen  Götter  bezeugt 
ist.  Die  meisten  stammen  aus  Athen  und  dem  Piraeus, 
woher  uns  Kabirenkult  nicht  bekannt  geworden  ist. 
Aber  der  Meterkult  stand  da  in  hoher  Blüte.  Für 
Samothrake  vollends  ist  die  Annahme  einer  kultlichen 
Verbindung  von  Kybele  und  den  Kabiren,  von  der  Göttin 
der  Höhe  und  den  Dämonen  der  Tiefe  ein  Irrtum,  gegen 
den  sich  jetzt  auch  L.  Bloch  in  seinem  Artikel  über  die 
Megaloi  Theoi  in  Roschers  Lexikon  II  S.  2527  mit  Recht 
gewandt    hat^).     Wenn    aber    religionsgeschichtliche  Be- 


1)  Preller-Robert  I*  S.  857. 

2)  Athen.  Mitteil.  XIII  (1888)  S.  204   hat    Conze    seine    Deu- 
tung auf  Furtwäuglers  Widerspruch  hin  etwas  modificiert. 

^  Der    Artikel    lag    mir    durch    die    Giäte    des    Verfassers    in 
Correcturbogen  vor. 


—     117     — 

denken  dagegen  sprechen,  dass  die  Hermesfigur  auf  den 
Kybelereliefs  den  Kadmilos  darstellt,  dann  kann  auch 
von  einer  Deutung  jenes  bärtigen  Mannes,  der  mitunter 
auf  diesen  Denkmälern  erscheint,  auf  den  älteren  Kabir 
oder  Anax  nicht  die  Rede  sein.  Dieser  mag  auch  heute 
noch  unbenannt  bleiben,  während  die  Gestalt  des  Hermes, 
deren'  Nachweis  wir  Conze  verdanken,  als  Ersatz  für  den 
ungriechischen  Attis  keine  Schwierigkeiten  macht  (s. 
Robert  a.  a.  0.) 

So  sehr  ich  also  die  Darstellung  der  Kabiren  auf 
jenen  Reliefs  leugnen  muss ,  ebenso  glücklich  dünkt 
mich  Conze's  Versuch  die  Kabiren  auf  dem  Friese  des 
pergamenischen  Altars  nachzuweisen,  den  0.  Puchstein 
(Sitzungsber.  d.  preuss.  Akad.  1889  S.  330)  noch  zu 
besonderer  Evidenz  gebracht  hat^).  Schlagend  ist  die 
Deutung  des  den  Hammer  gegen  den  Stiergiganten 
führenden  Gottes  auf  den  älteren  Kabir,  den  wir  mit 
diesem  Attribut  auch  auf  den  Münzen  von  Thessalonike 
gefunden  haben.  Beweisen  lässt  es  sich  nicht,  dass  auch 
die  Pergamener  zu  dem  älteren  Kabir  als  dem  Anax 
xai  iz^^xV  göbetet  haben.  Aber  das  haben  Pergamons 
Kabiren  mit  dem  Anax  von  Milet  jedesfalls  gemein:  sie 
sind  auch  aus  Uranos'  Geschlecht. 


^)  Vgl.  jetzt  auch  die  Beschreibung  der  Skulpturen  aus  Per- 
gamon  I  Gigantomachie  (1895)  S.  16. 


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INHALTSVERZEICHNIS. 

Seite 

P.  Wendland,  Philo  und  die  kynisch -stoische  Dia- 

tribe 1—75 

I.     Geschichte  der  Diatribe 3 

II.     Ansichten  über  die  Ernährung 8 

III.  Ansichten  über  die  Kleidung 15 

IV.  Polemik  gegen  den  Tafelluxus  und  die  Gelage  ...  18 
V.     Weitere  Polemik  gegen  Luxus 24 

VI.  Das  Verhältnis  der  Geschlechter  zu  einander     ...      33 

VII.  Formen  des  öffentlichen  Lebens 38 

VIII.     Philos  Schrift  über  den  Adel 49 

IX.     Trostgedanken 56 

X.     Resultate 61 

Anhang.     Musoniiis  und  Clemens  Alexandrinus     ....  68 

Register 74 

0.  Kern,  Zwei  Kultinschriften  aus  Kleinasien    .    77 — 117 

I.     Dionysos  in  Magnesia 79 

II.     Anax 102 


Verlag  von  Georg  Reimer  in  Berlin, 

zu  beziehen  durch  jede  Buchhandlung. 
Neu  entdeckte 

Fragmente  Pliilos 

nebst 

einer  Untersuchung  über  die  ursprüngliche  Gestalt  der  Schrift 

de  sacrificiis  Abelis  et  Caini 

von 

Paul  Wendland. 

Preis:  5  Mark. 


Pliilonis 

mechanicae  syntaxis 

libri  quartus  et  quintus 

recensuit 

Richardns  Schoene. 

Preis:  2  Mark. 


Philonis 

de    aeternitate    mundi. 

Edidit  et  prolegomeuis  instruxit 

Franciscus  Cnmont, 

Dr.  phii. 

Preis :  4  Mark.  . 


Aristoteles 

Metaphysik 

übersetzt  von 

Hermann  Bonitz. 


Aus  dem  Nachlass  herausgegeben 

von 

Eduard  Wellmann. 

Preis:  6  Mark. 


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Wenland,  Paul 

Beiträge  zur  Geschichte 
der  griechischen  Philosophie 
und  Religion