o
Z
o-
oc:
o:
(-:
LL"
o =
(-;
t/5 =
CT"
ILlS
>f
2 =
D =
00
— LO
CT)
r^
==CD
C--
CO
1
Wenland, Paul
Beiträge zur Geschichte
der griechischen Philosophie
und Religion
IB
,639
zim5
^^'^ ^'c. <:
mmmmm-' /aliiliiiilisiiiiliiiiiiiiiiiiiiiiiiiisliiliiiiiiiir-'"
HlllilliÜlilüfilllü
BEITRÄGE
ZUR GESCHICHTE
DER
GRIECHISCHEN PHILOSOPHIE
UND RELIGION
VON
PAUL WENDLAND lnd OTTO KERN
BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1895
/ll!!i!iil!ll!!!ltii!i!ilillilll!il}]illlliiilll!llli!il!i!ilillllll!l!i
Verlag von Georg Reimer in Berlin,
zu bezieben durcb jede Buchbandlung.
DOXOGEAPHI GRAECI
COLLEGIT RECENSüIT PROLEGOMENIS INDIClBüSQUE
INSTRUXIT
HERMAMUS DIELS
OPUS ACADEMIAE LITTERARUM REGIAE BORÜSSICAE
PRAEMIO ORNATÜM
PREIS: 24 MARK.
Sibyllinische Blätter
von
Hermann Diels.
Preis: 2 Mcark 80 Pf.
In den Abhandlungen der Kgl. Preuss. Akademie der Wiss.
zu Berlin erschienen nachstehende Schriften von
Hermann Diels:
SENECA UND LUCAN.
PREIS: 2 MARK 50 PF.
ÜBER DAS DRITTE BUCH
DER
ARISTOTELISCHEN RHETORIK.
PREIS: 2 MARK.
ÜBER DIE
BEßLlNEK FEAGMENTE
DER
A0HNAlßN nOAlTEIA DES ARISTOTELES.
MIT 2 TAFELN.
PREIS: 4 MARK.
Zur
Textgescliiclite
der Aristotelischen Physik.
Preis: 2 Mark.
BEITRÄGE
ZUR GESCHICHTE
DER
GRIECHISCHEN PHILOSOPHIE
UND RELIGION
VON
PAUL WENDLAND und OTTO KERN
BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1895
b
(ha?
ZL7
Iv^AR 1 3 1967
HERMANN DIELS
ZUM 22. DEZEMBER 1895
PHILO UND DIE KYMSCH-STOISCHE
DIATßlBE
VON
P. WENDLAND.
Pestschrift für Diels.
I.
Unter der philosophischen Diatribe verstehe ich die
in zwanglosem, leichtem Gesprächston gehaltene, abge-
grenzte Behandlung eines einzelnen philosophischen,
meist ethischen Satzes. Der erste Vertreter dieser be-
sonderen Litteraturgattung, und wenn nicht ihr Schöpfer,
doch der, welcher ihr einen bestimmten Charakter, ein
eigentümliches Gepräge verliehen hat, ist Bion der
Borysthenite. Ein äusserst lebendiger, oft durch Anrede
der Hörer oder durch Einführung fingirter Gegner oder
Personificationen dialogisch gestalteter Vortrag, eine vor-
wiegend polemische Tendenz, ein überreicher Schmuck
von Versen der Liebliugsdichter, ein ebenso reichlicher
Gebrauch von Apophthegmen und Anekdoten, eine Vor-
liebe für witzige Pointen und Antithesen, für stets
treffende, nicht immer gewählte Vergleiche, kurz ein Vor-
trag, in allem berechnet, die Menge zu packen und zu
fesseln, dazu ein Stil, der durch Satzlösung und Bevor-
zugung der Parataxe scheinbar auf alle Mittel kunst-
voller Rede verzichtet, und der doch hierin wie im Ge-
brauche vulgärer Ausdrücke unter scheinbarer Künst-
le
— 4 —
losigkeit das höchste Raffinement und rhetorische Be-
rechnung birgt, — das ungefähr sind die Kennzeichen
der bionischen Diatribe, wie wir sie aus Teles und
andern Benutzern und Nachahmern des Bion erschliessen
•können, wie wir sie namentlich in einigen Nachbildun-
gen horazischer Satiren und in manchen Partieen der
von Arrian mit so treuem Gedächtnis bewahrten Dia-
triben seines Meisters wiederfinden. Zwischen Bion und
Teles einerseits, der Diatribe der ersten römischen
Kaiserzeit andererseits klafft für uns eine grosse Lücke.
In wesentlich und nicht zum Vorteil veränderter Gestalt
tritt uns die philosophische Diatribe in den Vorträgen
des Musonius und Dio Chrysostomos , in zahlreichen
Stücken der neupythagoreischen Litteratur, in Briefen des
Seneca und gefälschten Episteln des Heraklit, Hippo-
krates, der Kyniker, die aus ihrer Stilform herausfallend
den Predigtton anschlagen^), entgegen. Der Vortrag ist
hier meist ein ruhiger und lehrhafter, der Stoff wird wohl
disponirt und systematisch behandelt. Man empfindet
nicht den eigentümlichen Reiz, die Gedanken entstehen
und aufblitzen zu sehen, sondern fertig treten sie einem
entgegen. Der Gang der Erörterung ist vorher fest um-
schrieben und wird selten durch einen äusseren Anlass
wie die Einreden eines Gegners bestimmt. Die Kunst
des Periodenbaues, den die alte Diatribe oft absichtlich-
lich verschmähte, tritt wieder in ihre Rechte. Die philo-
sophischen Grundsätze treten zurück, und die Ethik, die
') Die Beweise s. unten.
— 5 —
ihrer Kraft nicht mehr vertraut, geht regelnd und vor-
schreibend auf alle einzelnen Gebiete des Lebens ein und
droht in Kasuistik auszuarten^). Wohl ist es zum Teil
dasselbe Gedankenmaterial, mit dem die alte und die
neue Diatribe arbeitet, aber die Formen sind andere ge-
worden, und der Zusammenhang der geschichtlichen Ent-
wickelung verrät sich nur darin, dass versprengte
Trümmer der alten Diatribe in die neue übergegangen
sind, dass ausser einer Masse von Anekdoten, Apo-
phthegmen^) und Dichtercitaten manche Schlagworte und
Lieblingswendungen sich hinübergerettet haben*'*). Die
Diati'ibe ist übergegangen in den zusammenhängenden
Vortrag, in die Predigt, und vielleicht verrät sich diese
Entwickelung auch darin, dass SiaiptßTJ, SiaXs^L?, Sioc^^o^o?,
ofjLiXia, während sie ursprünglich vorwiegend Schriften be-
zeichneten, die die Unterhaltung und den erzieherischen
Umgang des Philosophen mit seinen Schülern oder anderen
Menschen zum Gegenstande hatten, die allgemeinere Be-
deutung eines populärphilosophischen Traktates annahmen.
^) Durch diese Richtung ist die von Sen. Epist. 94. 95 behan-
delte Streitfrage über den Wert des theoretischen und des prakti-
schen (paränetischen) Teils der Ethik veranlasst, in der Seneca
eine vermittelnde Stellung einnimmt.
2) Mitunter werden diese, wie sie zum Teil aus Lehrsätzen
entstanden sind, in solche wieder umgeprägt. Die ganze Masse
kynischer Apophthegmen ist bereits unter dem Einfluss der alten
Diatribe geprägt (vgl. Hense Rh. M. XLVII S. 240. 232). Einen
sichern Terminus ante quem bieten die Kynikerepisteln, die zum
Teil massenhaft Apophthegmen aneinanderreihen. Möchte die
Florilegienforschung bald an diesem sichern Punkte einsetzen!
3) Hense a. 0. S. 239.
— 6 —
Die alte Diatribe lebt mehr in der Satirenclichtung als
in der Philosophie fort. Nur Epiktets Diatriben nähern
sich ihr wieder, nicht nur durch bewusste Anknüpfung
und Nachahmung, sondern auch schon dadurch, dass sie
als wirkliche Gespräche, in denen der Lehrende die Hörer
zu mitforschender Teilnahme zwingt, dem sokratischen
Dialoge, aus dem zum Teil die Diatribe hervorgewachsen
ist, verwandt sind.
Auf die durch Bion heraufgeführte Blüte der Diatribe
scheint bald ein Niedergaog eingetreten zu sein. Aber
auch bis zu ihrer neuen Blütezeit wird die Diatribe fort-
gelebt und sich fortentwickelt haben. Das beweist vor
allem das Zeugnis des Cicero Tusc. III 81: sunt enim
certa quae de paupertate, certa quae de vita inhonorata
et ingloria dici soleant; separatim certae scholae sunt de
exsilio, de interitu patriae, de Servitute, de debilitate, de
caecitate, de omni casu, in quo nomen poni solet cala-
mitatis. haec Graeci in singulas scholas et in singulos
libros dispertiunt; opus enim quaerunt, quamquam
plenae disputatioDes delectationis sunt^). Die pliilo-
^) Die meisten dieser Themata findet man später bei Sen. De
rem. fort, behandelt, vgl. Epist. 95,54. Im Beginn von Epist 94,
in der Seneca für den paränetischen Teil der Philosophie, der
besonders in der Diatribe gepflegt wurde, eintritt, heisst es: Eam
partem philosophiae, qnae dat propria cuique personae praecepta
nee in Universum componit hominem , sed marito suadet quomodo
se gerat adversus uxorem, patri quomodo educet liberos, domiuo
quomodo servos regat, quidam solam receperunt. Die Behandlung
der beiden ersten Themata durch Musonius ist uns bei Stob, er-
halten.
— 7 —
sophische Diatribe scheint die weite Verbreitung der
stoischen Moral vermittelt, die geistige Atmosphäre der
gebildeten Welt mit einer tieferen Sittlichkeit erfüllt und
ihre ethischen Gedanken auch Kreisen vermittelt zu
haben, die der Philosophenschule fern standen. Schon
Dioskurides (um 100 v. Chr.) sehen wir in seiner Schrift
riepi Tü)v Trap' ^ OfXT^pu) vojxtov in der Weise der späteren
Diatribe den stoischen Massstab an alle Gebiete des
Lebens anlegen, sehen ihn, auch wo er Aristarch und
das peripatetische Sammelwerk benutzt, in noch höherem
Masse, als sein letzter Bearbeiter annimmt, in der Aus-
wahl des Stoffes von stoischen Grundsätzen beherrscht^).
Horatius hat schwerlich nur an Bion oder Ariston, son-
dern auch an zeitlich ihm näher liegende Muster der
Diatribe angeknüpft. Und wenn neutestamentlichen
Schriften manche Begriffe und Ideen, Stilformen und
Vergleiche mit der philosophischen Litteratur gemeinsam
sind, so ist es nicht ausgeschlossen, dass die Diatribe
schon auf Stücke der urchristlichen Litteratur einen ge-
wissen Einfluss ausgeübt hat, den man sich nicht einmal
litterarisch vermittelt zu denken braucht. Einen beson-
ders wichtigen Zeugen für das Fortleben der Diatribe in
der Zeit vor ihrer zweiten Blüte glaube ich in Philo
entdeckt zu haben. In seinen Schriften finden wir
Stücke, die die Lieblingsthemata der späteren Diatribe
behandeln. Den Zusammenhang oft störend, verraten sie
sich als willkürliche Einlagen und heben sich öfter auch
1) S. R. Weber Leipz. Studien XL
— 8 —
stilistisch merklich von dem Tone ihrer Umgebung ab^).
Mit Musonius zeigen sie die auffallendste Uebereinstim-
mung und weisen eben dadurch auf ältere Quellen hin.
Alle Gebiete des Lebens, Speise und Trank, Kleidung
und Wohnung, das Verhältnis von Mann und Weib, die
Formen des öffentlichen Lebens, die Neigungen und
Thätigkeiten der Menschen werden hier mit stoisch-
kynischem Massstabe gemessen^).
IL
Im Genuss von Speise und Trank empfiehlt Philo
die Beschränkung auf die notwendigsten Bedürfnisse.
Gott selbst ist ja bedürfnislos, und je weniger der Weise
bedarf, um so mehr nähert er sich der Gottheit^). Arm
^) Einzelne kürzere Reminiscenzen an diese Stücke finden
sich dann oft auch in einem Zusammenhange, der an und für sich
nicht an eine solche Quelle würde denken lassen.
2) Fürs Folgende ist zu beachten: Die einzelnen Teile von
Philo De spec. leg. unterscheide ich nicht, da man sie nach Man-
geys Seitenzahlen leicht findet. Conybeares Ausgabe von De vita
contemplativa hat mir öfter, auch wo ich sie nicht citire, gute
Dienste geleistet. Stobaeus citire ich, soweit er in der neuen
Ausgabe vorliegt, nach Seiten von Wachsmuth und Hense, sonst
nach Meineke. Die Parallelen aus Clemens zu Musonius sind, wo
Hense sie mitteilt, nicht wiederholt. Clem. bezeichnet des Cle-
mens Alexandrinus Paedagogus, den ich nach Paragraphen citire.
Die besonders auffallende üebereinstimmung Philos mit der Dia-
tribe in einzelnen Ausdrücken ist durch gesperrten Druck hervor-
gehoben.
3) De fort. 3 S. 377, Harris, Fragments S. 101 b. Der Gedanke
— 9 —
ist im Grunde keiner zu nennen, da jedem der Reich-
tum der Natur, die Luft, das Wasser der Quellen und
Flüsse, die Früchte sich zum Genüsse bieten^). De
praem. et poen. 17 S. 424 heisst es: ttXouxo? o' 6 fisv
T^g (^ücsztuQ^) sütsXtj? lau tpocpr] xai ofzeiTy]* ipocpy] [xev g5v
dcp'o«; xal va[xaTiaiov 56ü>p, a (lies o) iravxaj^otj ttj?
oixoü[jL£vyjc avaxs^utat ^). Und die Nahrung der Thera-
peuten, bei denen Philo das Ideal einer naturgemässen
Lebensweise verwirklicht findet, ist Brod nebst Salz als
Zukost*) und Wasser, oig ^ap rj cpuöt? sTTsaxrjöe t(5 {>v73X(i)
-^£vet SsaTTotva?, ttsTvocv xe xal oi^J^av, dTCOjASiXtaaovxai xäv
ist zuerst bei Xenophon Mem. I 6, 10 ausgesprochen: i^iü 5e vofjLt'Cu)
t6 fji.lv [ji,r]8ev6s SieaOat ■&etov slvat, xo 6' tos ^Xa^^iaxcov dYY'^xdxü) xo5
Oe^ou, von Kynikern wiederholt.
^) De fort. 2 S. 376 De somn. I 16 S. 635 xpocpTJs fxev yap avay-
xat'a? «TTopos ouSei's, a^pts av Tirjyai [xev dvaßXuC«)(Ji , Tioxafxol oe
TiXrjfjifAupüiat (so die besten Hss.), y^ Se xous dxrjaious dvaStöiu (codd.
dva8(8u)at) xapTrou?. Quaest. in Gen. II 67.
2) Q. omn. prob. lib. 12 S. 457 xrjv öAiyoGetav xat EuxoXt'av, oTiep
eaxt, xp^vovxes Tteptouaiav, „Philos Schrift über die Vorsehung"
S. 91 ; vgl. das Apophthegma des Sokrates bei Stob. S. 265, 13
Hense auxdpxeta ydp cp6aeü)s iazi ttXoüxos (Gnoraol. Vatic. ed. Stern-
bach Nr. 476. 180) Epicurea Fr. 471. 476. 477 (Epikurische Spruch-
sammlung 25. 44) 202, vgl. Usener S. 71,15 und S. 376, Heinze,
De Horatio Bionis imitatore S. 20 Eusebius bei Stob. S. 53, 8.
416,15 Hense, Sexti sent. 294 Elt., [Hippokrates] Epist. 17,37 S. 303
Hercher, Clem. Paed. II 7.
3) Brod und Wasser: Quaest. in Exod. II 18 (= Harris S. 55,
vgl. II 72). De vict. 3 S. 239 dpxos ydp i^ctax^ öocpt'a? otapxrj?
xpocpig.
0 Fast wörtlich übereinstimmend [Diog.] Epist. 38, 4 7io[j.a
8e uScDp vajxaxiaTov, xpocpal hi dpxos xal o^'ov aXes -q xctp-
8a{A0V.
— 10 —
£t? xoXaxsiav siricpspovie? oüSsv, dXXa auxa la XP'^^^M''^ 0^
(I)v av£u Cr^v o6x laiiv (D. V. C. 4 S. 477. 10 S. 484).
Während V. Mos. III 29 S. 169 die Getreidefrucht als
einzig notwendige Nahrung, sogar die Früchte als unnötig
bezeichnet werden, werden De somn. II 7 S. 665 neben
Brod und Wasser als Tjöuafiaia dva-^Kcda wenigstens '(T^-
Tsiot xal Xa)(ava xal iroXXa xaiv dxpoSpucüV xal xupö? xal
er Ti aXXo ofioioxpoTTov genannt^). Die Gestattung der
Fleischkost wird hier wie Quaest. in Gen. I 18 II 58 als
besondere Koncession angesehen ^). Der Zweck der Er-
nährung ist die Erhaltung des Lebens*), und dieser
^) Nützlichkeit und Notwendigkeit sind die Normen des natur-
gemässen Lebens. Gegensatz von dvayxata und ajxeTpa, ueptixa:
De ebr. 52 S. 389 Leg. all II 6 S. 69 III 52. 53 S. 117 De agric.
9 S. 306, vgL V. Mos. I 6 S. 85. III 29 S. 169 Q. omn. prob. lib.
12 S. 457 Philonea ed. Tischendorf S. 63, 1 Legat, ad. Gai. 35
S. 586 Quaest. in Gen. II 67 IV 35 Quaest. in Exod. 16 II 18
(= Harris S. 55). 72 Harris S. 101 b. De somn. I 20 S. 639 ist etwa
zu lesen aiTtojv xal Troxüiv <7rXr)v> a.\ixb (Jidvov tcüv dvaYxat'wv . . . uTrepo-
Tixat, vgl. Harris S. 108. — Quod deus immut. 31 S. 294 De plant.
16 S. 339 wird ohne Nennung des Namens das Apophthegma des
Sokrates (Laert. Diog. II 25 Cic. Tusc. V 91) citirt, der angesichts
einer reichen Tiointri gesagt habe loexs, oawv ^(peCav oux eiin. Porph.
De abst. I 54 S. 128, 23 N. (Epicurea S. 296,21) hat man Victorius'
Besserung mit Unrecht verschmäht: ttoXü yap zb rihb £v tiij xaxa-
voeiv oaouv a{)x6(; j^petav (oix) 'iyzi.
2) De spec. leg. 5 S. 273.
^) Wenn De somn. eine einfache Zubereitung der Fleischkost xpd-
Tcov T^ptütxüiv ovxtüs dv§p(jiiv verlangt wird, so ist diese Bemerkung
veranlasst durch die Litteratur über Sitten und Lebensweise der
homerischen Helden (Dioskurides, Seleukos), vgl. von Arnim,
Quellenstudien S. 122. 123 [Lucian] Cynicus 14 Clem. II 72. 78.
^) otafjiovi^, Philonea ed. Tisch. S. 63,2. 64,1.
— 11 —
Zweck ist mit der Befriedigung von Hunger und Durst
erreicht. Daher heisst es, wohl mit Reminiscenz an
Xen. Mem. I 3,6 0 von den Therapeuten (D. V. C. a. 0):
Sia TouTo laötoüGi jxsv waxs [xtj ttsivt^v, Titvouai Ss &axe, jjltj
8i^J;r^v. Die sYxpaxeia wird die Grundlage des gesamten
Lebens De somn. I 20 S. 639 (vgl. D. V. C. 4 S. 476 De
vict. 3 S. 239) genannt^). Auch den Weingenuss sieht
Philo als überflüssig an^).
Die genauesten Parallelen zu diesem philonischen
Ideal der naturgemässen Lebensweise giebt uns Musonius,
der einzige stoische Philosoph, von dem uns eine syste-
matische Behandlung dieses Gebietes erhalten ist. In
seinem Vortrage über die Verbannung (bei Stob.
S. 751 H) führt er aus, dass der tüchtige Mann nirgends,
auch in der Verbannung nicht, Mangel leide (oben
S. 9) xal Y^p ouSs oso^xsöa iioXXaiv, av [iyj ßouXwjxs&a
XpUCpGCV •
£7121 XI Ssi ßpOXoTai TtXyJV OUOIV fJLOVOV,
Arj}XYjxpo? dy.xr^<; 'i:o)[iazo<; &' oop'q'/oou,
«Tiep TrotpcGxi xal i:£cpu)(' Y)[jia? xpscpsiv*)
^) GuveßouXsue cpuXaxTea&at xd Ttei'Oovxa (xrj ireivüivxa? daOt'eiv (xyjSe
Ot'j'uiVTaS TTtVElV.
-) Xen. Mem. I 5,4 t)]v dy/pareiav apexr^s elvai xprj-t5a, ange-
führt von lamblich bei Stob. S. 271,17 Hense und nachgebildet
bei Sext. sent. 86 a EU.
'•") De Jos.. 26 S.63 V. Mos. III 29 S. 169 De mon. II 7 auvdXu);
fjL£v ouv T/jv oivou /p^iatv ocTiaai xoii xaxd xov ßtov dXuaixeXeaxatrjV
elvai ÜTioXr^TiTeov xxX. Quaest. in Gen. II 67.
•*) Eur. fr. 892 N. An den letzten Vers des von Chrysipp viel
benutzten Citates erinnert die S. 9 angeführte Stelle aus Dq
— 12 —
\i'(iü oh Tou? Y^ ^oifOü a^ioü?; dvSpac ou twv dva^xaioiaiojv ^)
jjtovov TTpos Tov ßiov paoio)? av suttoosTv Iqoj ttj? oixsias (so
lese ich statt oixia?) ovtot? ^) . . . Die der Nahrung gewidmete
Diatribe (S. 503 H) beginnt Musonius mit dem Ge-
danken dp/TjV xai uTroßoXrjV toü awcppovsTv alvai tyjv £v
aiTioi? xal TioioT? s^xpocxsiotv (s. oben S. 11). Die einfache
Nahrung soll der kostbaren, die leicht zugängliche der
schwer zu beschaffenden vorgezogen werden^). Die an-
gemessenste Nahrung ist für den Menschen die von den
Pflanzen und von den lebenden Tiere gewonnene, nament-
lich die, welche einer Zubereitung durchs Feuer nicht
bedarf*), or« Stj xd xs wpcda xal täv Xa)(dva>v Ivia xal
^aXa xal lupö? xal xyjpia^). Auch Musonius verwirft die
praem. et poen. Auf Musonius mag zurückgehen Clem. Alex.
II 19 cpuai/cov (xev ouv xal vrjcpocXiov ttotov dvayxalov Sniicöatv
IcjTtv u8(üp. Vgl. auch 11 119 [Diog.] Epist. 33,3 t-^ (aev dfXTQ revia
xp^vat T£ xal yrj ^Tti'xoupot 36,5.
^) Vgl. S. lO^und Quaest. Muson. S.4, Musonius bei Stob. S. 175,2
H t6 t^? XP^'^'S dvoyxaiov, S. 175,14 TrepiTTcc xal oux dvayxara.
-) Auch das Folgende berührt sich mit De praem. et poen.
a. 0.; vgl. auch Musonius bei Stob. II S. 337,9 ff. Sen. Epist. 25,4
divitiae paratae sunt . . . panem et aquam natura desiderat. nemo
ad haec pauper est Dial. XII 10, 5, Epicurea Fr. 201. 602 (oben
S. 9-) Clem. II 14 ouSels 6e ectiv revr]? ziq xd dvayxala III 40 Plut.
De cupid. divit. 2.
2) zbzeXric, — ttoXuxeXt^?, eiTioptaxos — SucTidpiaxoa, vgl. 8.528. 529 H.
Auch De praem. et poen. a. 0. die bei Philo beliebten Ausdrücke
eixeXVis, TToXuxeXeta, eoTidpiaxo;.
^) Laert. Diog. VII 26 heisst es von Zeno dTiüpiu xpocpij] /pcu-
(xevos, vgl. Zeller III S. 318 Weber Leipz. Stud. X S. 117.n8
Dümmler, Antisthenica 15.
5) Vgl. oben S. 10, über die Kyniker Zeller II 1 S. 318 Teles
S. 4,9. 30,10 H., ferner Epicurea Fr. 466 ff. 181 und S. 64,1.
— 13 —
Fleischkost als zu schwer und dem Denken hinderlich').
Die menschliche Nahrung muss der göttlichen möglichst
ähnlich sein^), d. h. die leichteste und reinste. Und da-
für beruft er sich auf das Wort des Heraklit: olö^ti ^yjpy]
^ojri GfcücpcüTaTy] xal dpt'dxyj. Er verwirft die Künste, die
den Zweck haben ty]v iSwSrjv tyjc xpocpr^? Icpr^Süvstv xal
TYjv xaiocTToatv xoXax£U£iv^). Die Unmässigen sind körper-
lich schwächer, die Massigen gesunder und kräftiger*);
die Schwelgerei a'fxcpto oiacp^^stpst, 4'^Xi^ ^^ ^^^ öwfia,
ctüfxotTi [jLsv ötcjösvsiav xal d8uva[iiav, ^^X^ ^^ dxoXaaiav
xal dvavopiav IfXTroiouv ^). Der Mensch soll die Nah-
rung zu sich nehmen ou^ Tva ^Syjxai, dXX' Tva Tps^pyj-
0 Vgl. Galen Protr. 11 Sen. Epist. 15,2.3, die Stellen des
Plut. bei Peerlkamp, Musonii reliquiae S. 323.
^) Der S. 8 besprochene ethische Gedanke, der hier ins
Physische übertragen erscheint, findet sich zum Teil wieder in
einem Satze des Musonius bei Stob. III S. 196 Mein, eva oe xal
(xdvov TriaiTe6G0[jLev elvat 7tXo6(Jiov xat socpöv xöv Suvafxsvov xxi^aaaS'ai
x6 dvevSs^? iravxaj^ou, genauer noch bei Clem. III 1 [Lucian] Cyni-
cus 12.
^) Vgl. bei Stob. S. 526,7 H. Clem. H 9, oben S. 8 und D. V.
C 6 S. 479 ye^cfiv i^Süvat, unten S. 19.
4) Bei Stob. S. 506,4. 528,8 ff.
">) Mus. bei Stob. III S. 149, 16 ff. Mein. (Clem. II 2.7. 17
[Diog.] Epist. 28,5 Sextius bei Sen. Epist. 118,18. Eusebius bei
Stob. S. 293,7 H, Kiessling zu Hör. Sat. 112, 70ff.) Oft be-
tont auch Philo den Schaden, den die Unmässigkeit Leib und
Seele bringt: D. V. C. 4 S. 477 irXrjöfjLovrjv ws ij%p6^ xs xal im-
ßooXov 4*'^/^^ '^^ ^o'l ou)|j.axos lxTp£7rofj.evot Leg. all. III 20 S. 99 De
ebr. 6 S. 360. 52 S. 389 Apol. bei Eus. Praep. ev. VIII 11,11 Quod.
det. pot. ins. 27 S. 211 De agric. 22 S. 315 De vict. 3 S. 239 De
concup. 4 S. 352 De mon. II 7 S. 227 Legat, ad. Gai. 2 S. 548
Quaest. in Exod. II 18.
— 14 —
xai und Staixovr^? Ivsxa^). Er soll nach dem Worte
des Sokrates essen, um zu leben, nicht leben um zu
essen ^).
Zum Vergleich mit Musonius sei noch herangezogen
eine Ausführung der philonischen Schrift über die Vor-
sehung II § 109 ff. (= Eus. Praep. VIII 14,66 ff.), wenn
diese auch aus einer verschiedenartigen Quelle geflossen ist.
Philo beruft sich dort, indem er die geistige Begabung der
Griechen im Gegensatz zu den Leugnern der Vorsehung,
die die Armut Griechenlands anklagen, rühmt und auf
die Feinheit der Luft zurückführt, auf das von Musonius
angeführte Wort des Heraklit^): au^Yj ^YjpT] ^i>x^ aocptoTocTT]
xocl apiaiY]. Dies Wort findet er auch dadurch bestätigt,
dass die Nüchternen und Massigen verständiger, die Un-
mässigen unvernünftig seien*). Philo bekämpft dann
1) Bei Stob. S. 526,6. 527,7 H., vgl. oben S. 10 und Ps. Plut.
riept aaxTjceo)? Rh. M. XXVII S. 531. Mit der S. 9 angeführten
Stelle aus D. V. C. ist zu vergleichen Clem. II 29 w; ydp
TpocpaTs im. t6 fXT] Trelv^v, outw? xcct ttotiü irzi x6 {jltj 8i<!^^v ^^prjateov
Sen. Epist. 8,5. Wörtlich benutzt wird Xen. Mem. I 3,6 bei Clem.
II 15, vgl. Hense Rh. M. XLV S. 545. 546 luvenal 14, 316.
2) Bei Stob. S. 526,16ff. (Clem. II 1. 14). üeber das Wort des
Sokrates ist jetzt zu vergleichen Ilense S. 295,7 495,4 (503,2),
Sternbach zum Gnomol. Vatic. Nr. 479, Conybeare S. 219, der es
dort nicht treffend zum Vergleiche heranzieht.
^) Zu beachten ist die Uebereinstimmung des Philo und
Musonius in der Interpolation des Citates (s. Hense), die auf eine
beträchtlich ältere Quelle zurückgehen mag. „Philos Schrift über
die Vorsehung« S. 81*.
*) ärt ßa7rTiCo[ji.evoo xoT; Itteicioögi toü Xoyicffxoij, vgl. Clem. II 5.
17 Galen Protr. S. 15,22 K.
— 15 —
seinen epikurischen Gegner, der mit Unrecht Gott den
Vorwurf mache (§ 97), dass er den Menschen alle Mittel
zur Schwelgerei dargeboten. Wenn der Mensch alle
Arten von Fischen, Vögeln und Landtieren für seinen
Genuss verwende, so sei darum nicht die Natur zu
tadeln, sondern die tierische Roheit ^), die alles gemessen
wolle. Die Massigen begnügten sich Xaj^avcoSsi x^^'fl "^^^
xapiroi? 8£v8pü>v, und mit Recht hätten auch die Gesetz-
geber den Luxus eingeschränkt^).
IIL
Wie Musonius^) so behandelt auch Philo öfter in
seinen im Tone der stoisch-kynischen Diatribe gehaltenen
Sittenpredigten nach der Ernährung Kleidung und Woh-
nung. Er sagt darüber De praem. et poen. 17 S. 424:
aXSTTYJ? 5s SlIXOV sTSo?, TG [X£V d [ATTSJ^O VT] , XÖ o' OlXta
oia TÄs oLTzo xpujxou xal OdXTrou? TrocpaxoXouOoüaot^j C/jfAtac.
(üv sxdxcpov (so F statt sxaiepa), si' ii^ sOoXvjasis ty]v
^) Auch Musonius vergleicht S. 528, 10 H die Schwelgerischen
mit Schweinen und Hunden. Der mit Fischen und Vögeln ge-
triebene Tafelluxus wird bei Clem. II 3 ausführlich beschrieben und
§5 (:= Musonius S, 527,7) betont, dass Gott Speise und Trank
nicht zum Missbrauch geschaffen habe, vgl. § 9 [Lucian] Cyni-
cus 5 ff.
^) Auch Musonius Stob. III S. 149 Mein, beruft sich auf die
besten Gesetzgeber, besonders Lykurg, die die Einfachheit be-
fördert hätten.
^) Die Diatribe Ilspt ax^Tir]? beginnt xaÜTa [xev Ttept xpocpr]?
— 16 —
TTSpiSp^OV Xai TTSpiITTJV dtCpcXsTv TZoXuT iXeiaV ^ SUTTOpiaTO-
xaTov D. V. C. 4 S. 477 (Con. S. 75) IttsI Se^ xal öxstty]?
StTTov eT8oc, tö [A£V sa^TjC, xo 8s oixia, Tispl {jlsv ouv oixia?
eipTitai TTpOTSpOV OTl £!5TIV dmXktüTZlGTO^ Xal aUTO(J}(£8lO?,
TTpöc; To ^(psiaiSss «üto (jiovov sip'yaoffisvTj • xat sai)?]? 8e
6}xoi«)? suTsXscJTaxYj TTpö? dX£^Y][xa xpüfioü x£ xal BaX-
iroü?, yXaXvoL \ikv airö Xaötoü oopa? TzcnyzXa )(£ifi.üivoc:, Ico)-
}ik §£ Ospoü? tJ oOovyj^) 3 S. 475 ai hl oixiai xaiv öüveXtj-
Xu06x(ov öcpoSpa (X£V eüxsXeic £i(3i, Trpo? ouo xa dva^xcti-
oxaxa öxliryjv Tzapiyouaai ^ irpo? x£ xov dcp' tjXiou cpXoyjxov
xal xov ttTi' d£po? xpüfxov. De somn. II 7. 8 S. 655.666
Xt'c •(£ [i-YjV OUX oT8£V, OXl d[Jl7r£)^6v7J TTpOC XOC? ttTTO Xpü[Xo5
xal ^dXitOü? EYYivo}i£va? ßXdßac xuJ acofxaxi xaxEöxsua'aByj
xo 7rpü)xov; dXs^dvEjxo«;^) [xlv, wc oi iroiTjxai ttou cpaai (Hom.
^ 529) )(£i[xaivi dXXa jxyjv xal oixia? 8ia xÄs auxa?
eo£7jcr£v f^jjLiv aixia?, xal oirwc ji-rj irpo? Or^pitov t) Oyjpio)-
8£axdxü)V xa? cpua£i? dvöpwTrwv Imxps^^ovxwv ßXaTrx(jü|i.£Ba
De mut. nom. 43 S. 616 (= De somn. I 18 S. 636)
saÖY]? "(ap xa? dirö xpü[xoü xal O-dXirouc: dveip^Ei ßXdßa?
xal xa diToppyjxa x^? cpuöEojc iTricfxidCouaa*) irpo? £üxoa-
jiia? (so B statt suxoöfxiav) xoT? /ptoji-lvoi? loixi'v. Auch
^) Conybeare setzt die Korruptel inzihri in den Text. Uebri-
gens hat P ^TretSr] xai, Q ItteiSt] 8e vcat.
2) Die von mir bevorzugten Lesarten werde ich in einer Ab-
handlung über die Therapeuten rechtfertigen.
2) [Diogenes] Epist. 16.
^) Clem.II 111 aiöjfüvofxai yotp cbc dXrj&üis opwv tocoutov iv.ys6-
jjievov ttXootov st? xrjv aiSot'cov axirjv. Vgl. auch Philo De Cherubim
35 S. 1G2 Tt'vo? §£ evexa ttX/jv cxetit)? xat accpaXet'a?.
— 17 —
nach Musonius soll Wohnung und Kleidung allein dem
Nutzen^), nicht dem Luxus dienen, und zum Teil in
wörtlicher Uebereinstimmung mit Philo führt er aus
(S. 173 Hense); i^^iou 82 xal axsTryjv xtjv awcppova xio
G(üfxaxi C>]T£Tv, oü TYjv TToXuTsX^ xal TTsptTxVjv^) . . . cpu-
Xaxr^? £V£X£V xou atutiaxo?, dXX' oüx I7ri8£i^£(ü? . . . dinzz-
)(6vY3 xai uTr68£aic y] /pYjai.(j.a)xaxyj ') x(ü öwixaxi xpaxiaxv] . . .
eiteI hh axETTTj? Ivexoc xal xa? oixia? T:oio6[X£{^a, ^vjfi-l xal
xauxa? Seiv ■7r')i£ra&ai irpo? xö x^c y^pe.ioL'; dva*^xaTov ^), wg
d7:£p6x£iv {X£v xpuo<g, diTEpuxEtv 8£ {)otX7:oü? xö acpoSpov,
Elvat 8' fjXioü xal dvsfxwv £Titxo6pr^fi,a xot? 8£0{X£Vot? ^).
Clem. II 106 •^YjfAl xotvuv oux äWoo xivö? £V£xa 8£>3-
O^vai ucpaajjLaxtüV xöv dv&pcüTiov t^ axiiz-qt; awjjLaxo? irpö'?
dXi^Tjaiv xpu[ia)v x£ 67r£pßoX^? xal xaü[jLdx(üV £7rixda£ü)C, {iri
xt Yj[xa^ irapaXüTroi'yj xoa Tr£pi£)(ovxo? yj d[x£xpia, und ähnlich
äussert er sich § 78. 116 über Lager und Beschuhung ^).
1) Vgl. oben S. 8^.
2) Vgl. [Diog.] Epist. 30,3.
^) Vgl. [Lucian] Gyn. 4. Die Kleidung soll aber auch nach
Musonius den Körper nicht verweichlichen. ouB' oXous ^Ivat
dyeuaTOOs xaXov ^{j'/ooq tz xal öaXTtoo?, aXkä piyoüv ^(pY] toc [xexpta
7si[j.wvo? xai rjXioüC'&ai ^^pou? (S. 174 Hense), vgl. 650,4 H. cuve^t-
Cofxevwv fjfxüiv pt'yet ödXTcet, Sf^];^! Xi{j.i)i Philo De somn. I 20 S. 639
Treivav Se/ea^ai xal U^o^, •ÖccXtios t£ xal xpufxov (so A) xal oaa d'XXa
Soaxapx^pyjxa UTiep dpexTJs xTriasoj? IxotjAOTaxot • C'^jXwxal xwv eirco-
piaxoxdxwv, u)? (j.7]5' iu' eoxeXel /XaivT] iroxe SuawTirjö'rivat, xoivavxt'ov
Se xd? TtoXaxeXel; ovetSo? xal fxsydXrjv xoü ßi'ou Ci^|J-fav vo[J.{Gat. Dio
VI § 10. 11 Anton, De origine libelli iiepl «j^^X*^^ xdap.üi xal cpuatos
S. 476.
Festschrift für Diels.
18 —
IV.
Die Kehrseite der asketischen Forderungen der Stoa
ist die heftige Polemik gegen die herrschende Ueppigkeit
und Schwelgerei. Mit ganz ähnlichen Farben schildern
Philo und Musonius den in Speise und Trank, in Tracht
und Kleidung, in Bau und Ausschmückung der Häuser
getriebenen Luxus, mit gleicher Heftigkeit und Einseitig-
keit, die über den asketischen Grundsätzen den notwen-
digen geschichtlichen Zusammenhang zwischen Luxus und
Kultur ganz übersieht, bekämpfen sie ihn. Den Tafel-
luxus bekämpft De ebr. 52 S. 390: xa jxsv ^ap «[xyJkuv
xal jisXiTrVjxTCüV xal aXktov djxu^T^KüV 7re[X[xaT«)V noixikw-
xaia ^ivq ou jiovov xatc x^c SXyj? Siacpopaic, dXXa xal xto
xpoTTtp x^s xaxaöxsüTjC xal xoi^ ayrnicuai Trpö? ou jiovov xtjv
ystSasa)?, dXkoL xal xtjv od'sojc: dT:dxy]v iisptsipYaaixsva oi Trepl
aixoTTouav dxpot [xsXsxoiai. Dann wird die Thätigkeit des
Kellermeisters im Prüfen der verschiedenen Weine ge-
schildert, i/i^uac: 8e xal opvsi? xal xa TuapaTiXiljöia TroixiXcoc
dpxüöai xal xaxaaxsudaai xal oöa aXXa ot|>a YjSuvai irspixxol
xrjv STTtöXTJjiYjv sialv suirpsTTsT? 6c}iapxüxai, fiupia X^P'^^ ^^
Tjxouöav 7J siSov dXX' sx x^c öuve^oü? jxeXsxyj? xal xpißr^?
xtjov (so die besten Hss. statt x^c) £i? dßpoSiaixov xal
xsöpufifxsvov xov dpt'ojxov ßiov sTTivo^aai Ssivoi D. V. C. 6
S. 479 TTpö? 8s xouxois at irsfxiidxtov xal o^J^cuv xal rßua-
[la'xtov TToixtXiai, Trepl ä öixottoioI xal o^apxoxal irovouvxai
.... sTTxa 70UV xal irXsioi)? siofxojjLiCovxai xpotTTsCai ttXyjpsk:
aira'vxojv oöa yr^ xs xal ^dXaöGa xal Troxajiol xal d^jp cps-
— 19 —
poüöiv sxXoYa Travxa xal suöapxa, ^(spöaiwv, svüSpcov, depo-
Tropojv oiv ExocaiTj StaXXotööst xat xai? TrapaöxsuaT? xal
xatc TrapapTudsatv uTrsp xou [xyjSsv sTooc aTioXsicpO^vat xaiv
SV x:^ cpuasi^) De somn. II 7 S. 665 exi ouv yj xevyj
86$a TrpoasTTs^yjxsv dixTjxwv xat (xsXittVJxxcüv^) 7:e[X}j,a-
xojv Y^VT^ {JLüpict xal oivfov «[xu^tjxoüv 7roXu£p''^oüC xal
irafXTTotxiXou? xpaofst? irpö? diroXaüatv yjSov^? fiaXXov tJ
TTpö? jxexoüCftav xpocp^? 7rap7]pxü[x£va?. Die Köche xa
xaxa xTjC Tokaiv/]^ ^aGxpo<; Ix tioXXwv )(p6vü)v dvsupYjjxIva
SsXsaxa dvaxivVjaavxsc: xal ^uXaiv iStoxyjxa? axsudaavxs? xs
xal 8tai)£vx£? Iv x6ö{X(p Trpoadaivooai xal xtOaösuouai •(Xoix-
xav. De agric. 5 S. 303 6 ^ouv ttoXuc o{JLtXoc dvöptüTrwv xd
"y^C £7Tta)v xXijxaxa xal d^^pt xaiv irspdxcov cpödvcüv aux^?
xal xd 7r£XdY7] 7r£paio6[jL£VOs ^) xal xd Iv p-uj^ot? OaXdxxvj?
dvaCvjxwv xal [xyjö£V {X£po? laiv xou Ttavxoc dSiEpSüVYjxov d£l
xal 7ravxa}(ou TropiCst xauxa 8i' div yj8ovr]V öüvaü^vjaEi.
xaOdirsp yo^P o^ dXisüOfisvot Sixxua xaOiaaiv löxtv ox£ [ii^-
xiöxa tcoXXtjv £v xuxXo) 7r£ptßaXX6[X£voi OdXaxxav, iv o)?
7rX£i'axoü? • Ivxo? Xy^Mvtol^ dpxtSüjv ota x£i)(T^p£i? "^syovoxa?
lyjioq auXXdßwcJt, x6v auxov xpoirov tj irXEraxY] jjLoTpa dv{^pa>-
TTüjv oux IttI [X£po? OaXtt'xxYj? [xovov, dXX' £cp' (XTraofav xrjv
üSaxo^ xal 7^? xal dspo? cpuoftv xd irdvaypa, u)? 01 Tioiyjxat'
TTOu cpaat, Xiva x£ivaa' diravxa 7ravxa)(6&£V 81' yjoov^c: aTio-
>) So auch V. Mos. II 4 S. 138 De victimis 3 S. 239. 240 De
concup. 8 S. 354 Q. omn. prob. üb. 5 S. 450. 21 S. 469.
2) Vielleicht ist nach De ebr. a. 0. hier eine Lücke anzu-
nehmen.
3) Vgl. [Hippokrates] Epist. 17,25 S. 301 H (Heinze, De Horatio
Bionis imitatore S. 18), Peerlkamp S. 332 Friedländer Sittengeseh.
III S. 32 Anin. 2 Quaest. Musen. S. 26' [Lucian] Cyn. 8.
2*
— 20 —
Xaüötv T£ xal XP^"^^^ d^xiöTpsusiai. xal ^ap ^^v (xsiaXXsu-
oüSt xal xa Tzzkd'^y] Staßaivoüöt xat laXXa Tuotvia oaa EipVjvYj?
xal 'iroX£[xou Ip^a Spoiaiv uXac acpöovou? ü)? ßaaiXiSi tjSov^
TToprCovie?. Auch Musonius klagt über die vielen Künste
und Erfindungen auf diesem Gebiete, die sogar zu einer
besonderen Litteratur geführt hätten (S. 505,14 ff. H) ^), über
die masslose Verschwendung (S. 528): irapaöxsuY] {isv
o^iüv Y^^vsTai {Xüpiü)V* irXsixat 8' yj OaXatia jxs^pt tts-
parcüv [xa^eipoi 8s "(swpYüiv TrspiöTrouSaöToxspoi siaiv^)*
SstTTva 6s TrapaxtOevxat xive? d^paiv dvaXiöxovxs? xi[xd?. Vor
allem aber sind zu vergleichen eine Reihe von Stellen
des Clemens, die Philo nicht entlehnt sind, die aber doch
durch ihre Berührungen mit Philo auf ein gemeinsames
Vorbild der stoisch-kynischen Diatribe zurückweisen: 112
ai (JL2V ouv iroXusiSst? ttoioxyjxs? aTTOTrxüöxlai TroixiXa? Ivxix-
xouofai ßXdßac . . . sxTropveuouSYj? x^? "^zoazis)«; 8id xtvo? xaxo-
8ai[iovo? Tiyyri<; x^? o^JiapxuxiXTJ? xal xtj? djicpl xa TOjijxaxa
jj-axaioxs^via?^) .... 3 xauxa xoT? YjSüafAaaiv l^aXXdaaovxs?
Ol 'yaaxpifxapfoi xoi? o^j>ot? eirixsxTJvaöiv, ocsa xs ^(bisiv ttovxou
X£ ßsvöyj xal dspo? diiizpriTOV eSpoc sxxpicpsi xijj auxaiv
1) S. Oder bei Susemihl Gesch. der griech. Litt. I S. 876 ff.
2) Ueber die Köche ereifert sich Philo oft; s. ausser den von
Conybeare zu S. 479,24 angeführten Stellen De Plant. 38 S. 353
De Jos. 12 S. 50. 26 S. 63 De concup. 8 S. 354 yacftpl t^ TaXa^vy;
§aci[j.ou? aTiauciToi? sJöcp^povxa? dxpdxou, 7ie{j.[xccTü)v , Ij^biav, auvdXuJs
Öaa ctTOTCövwv xat öd'apTUTÜiv TeTe/vtTeu[j.^vat Tiepiepyfat (j-etd Tiaviotojv
^SeCfxccTOiv Syjfxtoupyoüctv (De opif. S. 61,7 Cohn). Aehnliche Stellen
anderer Schriftsteller bei Peerlkamp S. 326. 327 und in Haases In-
dex zu Sen. unter coquus.
^) üeber das Wort s. Kaibel, Galeni Protrept. S. 41ff.
— 21 —
£X7roptCo[jL£Voi Xatfxap^ia . . . 4 xal ^ap el<; xa Tzi\L\LOLza /al
xa (jLsXtTTTjxxa, Trpö? Ss xal etc xa xpaYi']fJiaxa s^toxstXsv stti-
8op7:ia[xax(juv ttX^Oo? supiaxouaa (sc. yj Xr/ydoC), TravxoSaTia?
07jpü>tx£vyj TTOioxr^xa? (vgl. III 26). Nur oberflächlich
berührt sich mit Philo De ebr. Clemens' Ausführung über
den verschiedenen Geschmack der Weine (II 30). Schon
S. 10. 11 sahen wir, dass Philo den Weingenuss wie den
Fleischgenuss zu verwerfen geneigt ist. Zu bemerken ist
noch, dass, wenn er den Wein D. V. C. 9 S. 483 acppoaüVYj^
cpapfxaxov ^) De plant. 36 S. 351 öavaaifxov <pap(xaxov und
(papfxaxov [laviot? nennt, er vielleicht auch einem stoischen
Vorbilde folgt. Bei Clem. II 20 werden die Anhänger einer
strengen Lebensweise (auaxr^pö? ßio?, stoisch) gelobt, die das
W^asser, xrj? cftücppoauvyj? xo cpapfiaxov, lieben, und wird den
Kindern geboten, aTisj^sa&at xoü cpapfjiaxou xouxou (sc. olvoü).
Wiederholt eifert Philo gegen die Ausartung der
Gastmahle, die er mit den stärksten und lebhaftesten
Farben zu schildern weiss ^): Wenn die Gäste vom
Weine den Verstand verloren haben, so schreien sie
und rasen wie wilde Hunde, beissen einander Nasen,
Ohren, Finger ab und machen des Dichters Wort von
den »J^ajiJLou? av8po}X£Oü? fressenden Kyklopen wahr''). Sie
1) Vgl. De ebr. 24 S. 371 De creat. princ. 8 S. 367 Stob.
S. 519,11 if.H Norden, De Varronis saturis Menippeis S. 288 Sext.
sent. 269 Elter, Dioskurides bei Athenaeus I S. 11 A.
2) Ich lege zu Grunde D. V. C. 5 S. 477 und ziehe ähnliche
Schilderungen zum Vergleiche heran.
3) Unbegreiflich ist es, dass Lucius, Die Therapeuten S. 117
diese Schilderung als nicht philonisch verwirft, trotz der wört-
— 22 —
führen das Zerrbild des gymnischen Kampfes^) auf, nicht
aöXyjiat, sondern ai>XLoi. Bringt sie nicht jemand ausein-
ander, so streiten sie mit einer Leidenschaft, als wollten
sie morden und sich morden lassen, rasend, ohne es
selbst zu wissen^), vom Weine nicht, wie der Komiker
sagt (Kock, CAF III 551 N. 810), zu anderer, sondern
zum eigenen Schaden berauscht. Die gesund und als
Freunde das Gastmahl begannen, scheiden als Feinde
und verstümmelt. Die einen bedürfen der Anwälte und
Richter, die andern der Aerzte. Die einen schlafen, die
andern, erst angeheitert, verabreden eine Kneiperei für
den folgenden Tag^). Durch solches Leben richten sie
ihre Familie und sich selbst zu Grunde, u^po? yocp xal
aavDxoq ßtoc otTraaiv iTti'ßoDXo?*). Die Gäste verschlingen
mit einer Gier wie die SeevögeP) die Speisen und be-
nagen selbst die Knochen. Haben sie sich bis zur Gurgel
liehen üebereinstimmung mit De Plant. 39 S. 353 De somn. II 24
S. 681.
^) De plant, und De somn. a. 0. D. V. C. ist zu lesen ä yctp
vrjcpovTc? h axaStots IxStvoi . . . evexa vi'xr]? xat axecpaviüv '0Xu[X7ria-
X(J5v (vulg. "OXofXTciovTxat xat) auv t£)^vrj Sptöaiv . . . Vgl. Lykon bei
Rutilius Lupus II 7: bibendo provocat, lacessit, <si>, sicut in proelio,
hostium quam plurimos superarit atque adflixerit, amplissimam
sibi victoriam partam existimans.
^) oTiep (statt ocTiep) oux taatJt, TrapaTcatovres ist zu lesen.
3) Aehnlich De ebr. 6 S. 360. 33 S. 377 (50 S. 388). 53 S. 390.
Hier wie D. V. C. der Ausdruck dxpo^wpaxes, über den Cony-
beares Kommentar zu vergleichen ist.
4) Das Folgende 6 S. 479.
^) xpoTiov atOutüiv. Die andern Beispiele dieses Vergleichs s.
bei Conybeare und „Philos Schrift über die Vorsehung" S. 67^.
— 23 —
vollgepfropft, so drehen sie den Nacken im Kreise, um
wenigstens Auge und Nase zu ergötzen^). Durst und Hunger
sollte man sich lieber wünschen als solchen Ueberfluss.
Gewiss hat Philo gerade in diesen drastischen
Schilderungen vielfach den eigenen Pinsel geführt und,
vielleicht nicht ohne Uebertreibung, nach dem Leben
gemalt. Aber bedenkt man, dass seit Theophrast und
Lykon solche Schilderungen sehr beliebt waren, dass
ihnen sogar in der Geschichtschreibung über Gebühr
Raum gegeben wurde, dass die Rhetorik zu solchen
Ixcppaasi? Anweisungen gab, dass die populär-philosophische
Litteratur eine grosse Vorliebe für sie zeigt ^), so ist es
doch wahrscheinlich, dass er auch hier von dem Muster
der stoisch-kynischen Diatribe wenigstens nicht unbeein-
flusst war. Darauf scheinen hinzudeuten das Einstreuen
von Anspielungen auf einen Homervers und auf einen
unbekannten Vers der Komödie, dessen Sinn nach der
Conybeare schreibt aiduüiv, aber OP haben, was er nicht erwähnt,
aidutwv, ebenso die Parallelen.
0 Vgl. De agric. 8 S. 305 De opif. S. 61,7 Cohn. Dieselben
Bilder auf den Geniiss der Weisheit übertragen De somn. I 9
S. 628. Vgl. auch De somn. I 20 S. 639 De prof. 5 S. 550. Ein
anderer Zug Leg. all. III 51 S. 116 ^fAexots (so Diels) )(prj(5cc{ji.evoi
irctAtv ^Ttl Tov axpaxov xat xaXka wpfxrjaav.
2) Sen. Epist. 95,65. 66 (Posidonius) ait utilem futuram et
descriptionem cuiusque virtutis: hanc Posidonius ethologiam vocat,
quidam characterismon adpellant signa cuiusque virtutis ac vitii et
notas reddentem, quibus inter se similia discriminentur . . . descrip-
tiones has et, ut publicanorum utar verbo, iconismos (Rhet. Gr. ed.
Spengel III 108,12) ex usu esse confiteor etc. S. auch Cic. De
fin. II 23.
— 24 —
beliebten Manier der Diatribe umgebogen wird^), die
Etymologio aöXTjxai — aOXiot^), endlich manche Berührun-
gen mit Clemens, die für diesen wieder an Musonius als
Quelle denken lassen. Auch bei diesem findet sich der
Zug, dass die Gäste in widerlicher Gier auch die Gerüche
sich nicht wollen entgehen lassen^), wird die Fortsetzung
der Gelage über mehrere Tage hervorgehoben (II 26),
der Zustand des axpoöwpac gezeichnet (II 22). Auch
er redet gelegentlich von Ipios? xal [xofj^ai xal Ij^i^pai bei
den Gelagen (II 53).
V.
Ich gehe über zu Philos Polemik gegen den in Tracht
und Kleidung, Ausstattung der Häuser und Hausgerät
sich äussernden Luxus und folge dem Gange der in De
somn. II 7. 8 S. 665. 666 eingelegten und schon öfter
^) S. Wachsmuth, Sillographorum rel. S. 69 ff. Heinze a. 0.
S. 19 Hense Rh. M. XL VIII S. 233. 235 Giesecke, De philosopho-
rum veterum quae ad exihum spectant sententiis S. 33. 34 und
den Index unter „Homer", Elter De gnomologiomm Graecorum
bist. S. 64. De somn. I 10 S. 629 De migr. 35 S. 467 verwendet
Philo Od. S 392 ähnlich wie Musonius bei Stob. S. 245 W. Laert.
Diog. II 21 VI 103. Eine andere homerische Floskel De somn.
II 10 S. 668.
2) Clem. II 2 Galen a. 0. 11 S. 18 K., der, wie Kaibel zeigt,
in dieser Schrift viele stoische Gedanken übernommen hat. Norden
a. 0. S. 299. 300.
3) II 11 (Hör. Sat. II 7,38. 2,19). Zu vergleichen sind auch
die Schilderungen am Schluss von § 7. 9. 15.
- 25 —
herangezogenen Deklamation. Es heisst dort: xi? ouv xa?
dXoüpYiSa?, Tiq xa Stacpocv^ xocl XsTrxa Osptcfxpa, xi? xa?
dpa)(voücp3t? dfiirs^^ova?, xi? xd £Tcr^vOiG>{x£va tj ßacpai? vj
TrXoxfti? 8id xoiv ßdT:x£iv (so Mangey statt pdicxsiv) 73
ucpaivetv iroi/iXa £7riaxa{jL£va>v xat xy]v iv C«>7pacpicjL [xiti-yjaiv
irapEüYjtjLEpouvxcüV oaioaX£U£xai ; xi?; oü)^ 73 x£V73 86^a;
Aehnlicli Clem. II 107 £t 0£ au}x7r£picp£p£ai)ai XP"^? oXqov
£vSox£ov auxcdq (den Frauen) [xaXaxcuxipoi? ^P^i^^Q^^ "^^^^
6cpd(3[JLaaiv [jlovov xdc |j,£[X(«pr^fjt£va? X£'7rxoup7ias xctl xd? Iv
xais ucpai? 'ir£pi£pYou; TiXoxdg £xiro5(Lv |i,£i)i(3xdvxa? . . . xd
^dp ir£pixxd xauxa xal Siacpavyj . . . 108 Trapccixyjxlov §£ XTJ?
lai^rjXO? xal xd? ßacpd? 109 xd x£ X9^^^ 7r£7:otxtX|X£va xal
xd dXoüpYoßacp^ . . . xal xoiv ufXEviojv xwv 'n:£pi67rxü)V xd
ttoXuxeXt] xal iroixiXa ijxdxta E^ovxa CtpSta £V x"^ 7ropcpupG|L
aüXTJj x£5(V(] yarp£iv £ax£ov ').
Philo wendet sich a. 0. weiter gegen den Luxus im
Häuserbau; xi ouv xd [jl£V ISa'cpyj xal xou? xoi'xo'^^ iroXu-
xfiXiai XiOoi? 8iaxoa|xouji£v; xt §£ 'Aaiav xal Aißür^v xal
Trdaav EupwTnrjv xal xd? vVjaoü? £7r£pxojX£i)a xiova? dptaxiv-
OYjV £7riX£X£*j'[l£VOÜ? Xal iTriÖXüXröa? £p£UVü)VX£C; Xl §£ 7r£pl
Atopiou? xal 'Icüvixd? xal Kopivi)iaxd? 'jXücpd? xal oaa 01
£vxpucpa)vx£? xai}£ax(jjai (so Mang, statt tiioai) v6[ioi?
^) Kynisch ist auch der Ton bei Philo De Prov. II 19 (= Eus.
Praep. VIII 14, 13) ia^fizic, ye fx7]v Trpoßaxtüv eta^v, tos ol TrotT^xai
7106 cpacfiv, d'vOos, xaxa hk ttjv STjfxioupyov Te^vrjV u9avT<5v eraivo?.
Vgl. Clem. II 111 t6 TroXu-eXe? xr); iaOrjxo? ot£XeYxt"[J^ev ^TriXeyovxe? •
Tpiyzi laxe Trpoßdxoov. Den Parallelen Quaest. Muson. S. 18 „Philos
Schrift über die Vorsehung" S. 52^ füge ich hinzu Galen a. 0.
S. 6,18 (vgl. Kaibels Kommentar) und Gnomol. Vatic. ed. Stern-
bach 177. 484.
— 26 —
TTpoasSsupov aTTOuSaCofJLSV t£ xal cpiXoTi[xou{i£da xiovoxpava
xocfjxouvts?; II bh ^^poaopocpoü? avopcivac xal -^uvaixojvi-
Ti8a? xaxaax£üaCo}J-£v ; ap' oü oiol tyjv x£vrjV 86^av; De Cherub.
30 S. 157. 158 xoviajxaxa xat ^pacpal xal Trivaxia xal Xi-
Oü)V 7ToXuT£Xa>v 5iai)£a£t?, ai? ou [xovov xot^ow?? «XXa
xal xa £5a'cpYj TroixiXXouat ^). Auch hier berührt sich mit
den philonischen Ausführuugen wieder die Polemik des
Musonius gegen die Häuserpracht bei Stob. S. 175 Hense,
namentlich die Worte: xi 6' al 'ir£piaxuXoi auXai; xi S' ai
-jToixi'Xat )(pia£ic; xt 8' ai )(püa6pocpot axl^ai ([Lucian]
Gyn. 9); xt o' ai iroXüX£X£iai xwv Xidoiv, xa>v [x£v
)ra[jLal auvTjpfxocJjxIvüiV, xaiv o' si? Toijoo^ i^XcifiEVCDV, iviwv
xal Tiavü 7r6pp(üi)£v r^Yfiiviov [Xiöcov] xal 6i' avaXcüfiofxwv
irXEiöxwv; ou xauixa Travxa 7:£pixxa xal oüx ava^xala . . .;^)
Weiter tadelt Philo die verschwenderische Ausstattung
der Betten: xal [xyjv Tipo? x£ uttvov [xaXaxov \ikv iSacpo?
auxapx£s ^v (De somn. I 20 S. 639 De spec. leg. 5 S. 274)
— £Ti£l xal {X£Xpi Vüv xoü? YU[ivoaocptaxa? irap' 'IvSot?
^a|X£üV£tv £x iraXaioiv ibS)V xax£/£i Xo^O'^ — , £i 6£ [XTJ,
öxißas 70UV £X Xi^cjov Xo"j'a6a)v tJ ^üXtov £ux£Xaiv 7r£TC0iy][X£vr]
xXivTj. aXXa ^ap £X£cpavx67:o8£s xa EVTJXaxa xal xXivxr^-
p£?^) oaxpaxoi? iroXux£X£ai xal TroixiXat? )(£Xtt)vai?
£v8£0£[X£Voi ^) (X£xa •jioXXoiv TTovojv xal oa7ravyj}xa'xü)v £v
^) De agric. 35 S. 323 xovictfxaxa xal Xi^pous, xda,aov ä^oyo^^,
oix^ats TTEptTiOevTe? De decal. 25 S. 202.
2) Parallen bieten auch Horatius, Seneca, [Diogenes] Epist.
28,6 Gnomol. Epikt. 39. 40. 43. 47 S. 472 Seh. Peerlkamp S. 340.
^) So Mangey statt xXtvxrjpas und ev8eoe(xevats.
— 27 —
TToXXto X9^^^ xaxaaxsüaCoviat, xtvs«;') 8s oXoGcp^upoi xai
oXoj^pücsoi xat XiöoxoXXr^Tot axpcofxvai, dvi)7]po7roi.xrA.oi? xal
)(puao7raaTOi,? epi'otc o)? 7rp6? Iirßsi^iv xal irofXTTTJv, oü tyjv
xai^' Tjjispav XP^i^^^ oiaxsxoajxyjjj-svar div orj^iioup^o? tj xsvtj
66^a. So verschmähen auch die Therapeuten bei Philo
ein weiches Lager und begnügen sich mit einer einfachen
mit Matratzen belegten Streu (9 S. 482) ^). Dazu werden
S. 488 im Gegensatz gestellt die üppigen Pfühle heid-
nischer Gastmahle: xpixXiva x£ xal TrsptxXiva /sXwvyj? tj
sXscpavxo? xax£(3X£uaa}X£va xal xi{xaXcp£ax£pas uXtj?, a>v xa
T:\zXazoL XiöoxoXXyjxa* axp(ü|xval dXoup^ei^ £Vucpaa[jL£voü
5(püöoü xal avöoßacpst? £X£pat Travxoiwv j^pwjxaxcuv Tipö?
x6 xr^g otj^sws e7:a7a)Yov. Aehnlich De spec. leg. 5 S. 274
De prov. II 22 (= Eus. a. 0. § 17): xXtvai Xi{>ox6Uy3xoi
xal 6X6)(pu(5oi . . . dpa)(Voücp£T«; t^ XtO«) •ys-j'pacpyjjxEva'. ^) De
somn. I 20 S. 639 TzoXozzkzXf; xXtva? xal £üavi)£axdxa? axpa)[jL-
va? £üxp£7riad|i-£vot {xaXaxto? acpoopa xaxaxXivovxai.
Auch Clemens II 77. 78 verbietet ein weiches Lager
(wie Musonius bei Stob. S. 650, 5 Hense), will aber
andererseits, wie auch Philo die Therapeuten die yVaxo)-
vixY] axXyjpa^cüYta*) verschmähen lässt (vgl. De concup. 4
0 Statt Tiv^s ist vielleicht ext zu lesen. Vgl. auch De somu.
I 20 S. 639.
-) Die bei Conybeare nicht glücklich behandelte Stelle ist
wohl so herzustellen : d ttou tis Ü7ioXcc[i.ßdv£t aTpu)[Avds . . . eOxpe-
TTtöOai, axißdSe? Trdpeiaiv (codd. yap e^cftv), dcp' (codd. dcp') wv ^a-
fAa{axp(üxa uaTiupou t^s ^yj^ujptou.
^) Ueber den sehr zweifelhaften Text s. „Philos Schrift über
die Vorsehung" S. 92.
*) Musonius bei Stob. Ecl. II 242,17 W tov o' au Aaxwvtxüis tuu)?
— 28 —
S. 352 [Heraklit] Brief IX S. 77,23 Byw.), auch nichts
wissen von einer xsvooo^ia KuvixtJ, die dem Diomedes
nacheifert, von dem es heisst: utto 8' eaipwio pivöv ßo6?
d^pauKoio ^).
Weiter findet sich eine Aufzählung fast der gleichen
Luxusartikel bei Musonius (Stob. III S. 147 Mein.): xal
jxTjV auvü)8a xal öu-^y^vt] t^ irspi xa? oixia? TuoXuTsXsia xai
xa Tojv ax£uu)V xciv xax' oixiav cpaivsxat ovxa, xKivai xal
xpa'TTsCat xal axptüfiaxa xal zi xi xoiouixov, Tra'vxo)? xtjv X9^^^^
uTTspßsßrjXOxa xal TrpoöcDXSpcu xwv dva^xaitov sXyjXuöoxa*
xXtvat [isv eXscpdvxivai xal dp^üpat y) vyj Aid ^^puaai,
xpaTusCai 8s TrapaTiXifjatac SXyjc, axpcoixval 8s dXoupY&T? xal
aXXüiv )(pa)}xdxü>v 8uö'iTopi(3Xü>v . . . xal aTrou8dC£xai xauxa
Trdvxa xo5 \ihv ay.(\nzohoi ouSsv xaxito Kap£)(0[i£Vou xaxd-
xkaiv yj[jLLV xr^c dp^üpd? t] x^c sXscpavxivyjs xXivtjC (Gnomol.
Epikt. 13 S. 465 Seh.), Tr^<; 8s aiaopa? txavwxdxr^«; ouar^(;
uTTSSxpwa&ai, waxs [xrj 8£iai}ai iropcpupiSo? r^ cpoivixiSoc. Und
sicher geht auf Musonius zurück Clem. II 35 xXivai xs
rjY[j.£vov. Mit Philo ist zu vergleichen der pythagoreische Spruch
bei Stob. S. 16,1 Hense C^^v xpelxTov laxiv iiii axtßccSo; xaxaxet'fjievov
■/.od ^appeiv -q xapdxxea^at ypua^v eyovxa xX(v7]V Ps. Plut. Ilepi dtJXTj-
aeu); Rh. M. XXVIII S. 531. Strenger Diogenes bei Epiktet I 24,7
III 22,47. Teles S. 4,10 H fragt die Armut: o-jx euvds aot xoaauxas
Trape^w bnocsri yTJ; xal öxpiopa? cpüXXa; Ebenso [Lucian] Cynicus
15 (1. 5) Anacharsis Epist. 5, vgl. Philo De somn. I 20 xouxoi?
ttoXoxeXt]? [j.£V Icxt xXt'vrj [xaXaxov eSacpo?, cxp(ü|j.vr] oe dctfxvot, 7:dai,
ßoxctvat, cpüXXu)v ttoXXt] yyaiq. S. auch Teles S. 40,12 41,1. [Diog.]
Epist. 37,6.44 Zeller II 1 S. 318.
^) Ueber die kynische Verwertung der Stelle s. [Diog.] Epist.
37,4 E. Weber a. 0. S. 232. 233 und R. Weber Leipzig Stud.
XI S. 94.
— 29 —
ötp^üpoTToSs? xai sXscpavTOxoXXTjToi, )(püa6öTtxxoi xs
xal )(£Xa)VYj? (^(sXwviQ Sylburg) Trs7:oixtX[i.£vai xoityj?
xXiöiaSs?, aTptü{xvai ts aXoup^Eiq xal aXXwv ^(pwjxaTwv
^uaTropiaiüiV, aTisipoxaXou TpücpTJ? xsxjATjpia (vgl. II 77)^).
Nachdem Philo De somn. a. 0. nur den Gebrauch
des Oeles zum Salben gestattet und den masslosen Luxus
auf diesem Gebiete verworfen hat^), geht er über zum
Trinkgerät. Echt kynisch meint er, als Becher könne
uns der von Natur verliehene, die gehöhlte Hand, ge-
nügen^), und will zur Not noch das ^swpyixov xiaa;6ßtov
gelten lassen, xi 8s dp^opaiv xal )(püacüv xüXixgov dcp-
Oovoiv ttXtjOo? xaxaaxsudCso&ai (sc. iSsi), et (xt] 6ia xöv
cppuaxxojJLSvov [leyaXa xo^pov xal xyjv Itc' aiwpac cpopoüjjLsvyjv
xsvYjv 66^av; Aehnlich wird wieder D. V. C. 6 S. 478 an
den heidnischen Gastmahlen gerügt sxTrcüixa'xcuv 'irX^i>o?
£xx£xa7|Jt£va)v xa{)' sxasxov £160? * puxa "^ap xal cpidXai xal
xuXix£s xal Ixepa iroXu£i8^ x£)(vixa)xaxa Oy]pixX£ia xal xo-
p£iai<; sTTiaxyjjxovixüiv dvSpwv -igxpißcüfxsva. — Auch Musonius
verwirft bei Stob. III S. 147 M im allgemeinen die golde-
nen und silbernen oder aus andern kostbaren Steinen
gefertigten Becher. Genauer lernen wir wohl seine Aus-
führuDgen kennen bei Clem. II 35, aus dessen Aufzählung
ich heraushebe: sxTrcofxaxcüv xoivüv dp-^üpou xal ^(puaoui
^) Vgl. auch [Diog.] Epist. 37,3 und die mit Unrecht dem
Teles zugeschriebenen Diatribe bei Stob. III S. 188,6 jff. Mein.
2) Vgl. Clem. 1166.67 „Philos Schrift über die Vorsehung"
S. 66 De plant. 38 S. 353.
3) Nach der bekannten Erzählung von Diogenes: Zeller II 1
S. 318 Gnomol. Vatic. ed. Sternbach Nr. 161. Vgl. Sen. Epist. 119,3.
— 30 —
diraiY] [JLovov . . . eppovitov xotvüv OyjptxXsioi xtvs? xuXixs?
. . . xal Ta>v £X7:a)[iaxa)v eiotj xa jjLüpia . . . val {xyjv xai
xopsüxcüv TTSpiep^o? ecp' uIXü) xsvoBo^ia . . . 'Ttspiopiaxsa . . .
axeüTj ap^üpa xai /püCfa. Und bei Stob. S. 147 M sagt
Musonius, vom hölzernen Tisch schmecke es ebenso gut
wie vom silbernen, aus irdenem Becher werde der Durst
ebenso gut gelöscht wie aus silbernen und goldenen^),
der Geschmack des Weines dazu nicht beeinträchtigt.
Im weiteren wird dann gezeigt, dass die einfacheren Ge-
räte wegen des billigeren Erwerbes, des bequemeren Ge-
brauches, der leichteren Erhaltung den Vorzug ver-
dienen.
De somn. a. 0. richtet Philo sich weiter gegen den
Gebrauch kostbarer Kränze: oxav xal (jx£9ava)ai (so schreibe
ich statt ax£(pavou»ai) xiv£?, dCiouai fxTj odcpvyj? jjltjSe xixxou,
^) Vgl. ausser Philo Lucian Symp. 14 xt ßouXovrai auxw a.\
Tocaüxai xal xrjXixaüxat xÖXixe? twv xspaasöjv i'aov Suvafxevwv [Gyn.]
9 Horatius Sat. 12,114 (II 2,15.25.38), Heinze a. 0. S. 24 Sen.
Epist. 119,3 Clem. II 30. 37. Gelegentlich sei gegenübergestellt
Hör. Sat. 112, 101 ergo
Quod superat, non est melius quo insumere possis
Cur eget indignus quisquam te divite? quare
Templa ruunt antiqua deum? cur, improbe, carae
Non aliquid patriae tanto emetiris acervo?
und Musonius S. 175,17 xai'xot 7:ocju> (Jiev s^xXedaxepov toO ttoXoxsXiü?
ofxeiv t6 tioXXous eOepyexeiv: irdau) Se xaXoxaya&ixwxepov toü dvaXi-
axeiv zlz ^(iXoL xat Xt{}ou? tc et? dvOptüTTOu? dvaXt'axeiv; . . . xi 8' av
dvatxd TIS X7]XixoÜTOV diz'' oi'x^a? {j-eye^ous xe xal xotXXou?, f^Xixov dr.b
xoü ^ap(Ceci^at TtdXet xal TroXt'xai? ix xüiv sa-jxovi; Durch die Stelle
des Musonius wird die von Maass, Orpheus S. 13 angeführte
Parallele aus Dio ergänzt.
— 31 —
{X7J lü)V 7J xpivdjv ri poSou yJ OaXXou auvoXü)? yJ tivo? avi)ou?
EütüSsi aT£cpav(|) (^(p^aOai) ^) irapsXöovTSC xa Osou Soipa, 5 8ia
Toiv Ittjöioüv («pcüv avaSiöoicsr ^(puaou? 8s uTi^p xscpocXrjc ßapuia-
Tov a5(i}o? aiojpoüöiv Iv ayopa jJ-söifj xai TrXyjOouaif] X^P^'^
ai8ou?. Auf demselben Standpunkte steht Epiktet D. I
19,29. Dem-, der die Ehre des goldenen Kranzes begehrt,
erwidert er: „Verlangst Du nach einem Kranze, so lege
lieber einen aus Rosen statt des goldenen um; denn er
riecht besser^)". Philo beschliesst seine Diatribe gegen
den Luxus mit dem stoisch-kynischen Schlussurteil, dass
er in allen den Vorkehrungen des natürlichen mensch-
lichen Lebens Formen des xaTs^suaffievo? xal xsiucpwfxsvo? ßio?
sieht, der dem aXyj^Yjc xal aiucpo? ßio? gegenüberstehe^).
Werfen wir noch einen Blick rückwärts auf
die Anordnung und den Zusammenhang der Gedanken
in dieser Diatribe. Denn nicht nur in einzelnen Aus-
führungen, sondern auch in der Gruppirung derselben
zeigt sich eine auffallende Uebereinstimmung mit Musonius.
Philo beginnt mit der Behandlung von Speise und Trank,
^) Hoeschel ergänzt dvaosla&at.
^) Es ist zu lesen oCei yap xofxtl^dxepov, die Hs. hat odisi, aber
das dt in Rasur von späterer Hand. Ebenfalls durch stoisch-
kynische Parallen zu belegen ist das strengere Urteil des Clemens,
der auch die Kränze aus Blumen verwirft, weil weder Gesicht
noch Geruch des Bekränzten sich an ihnen freuen könne; vgl.
das Apophthegma des Diogenes bei Laert. Diog. VI 39, Lucians
Nigrinus 32 Minucius Felix 38,2 Tert. De cor. 5 Apol. 42, Weber
a. 0. S. 139 und im allgemeinen [Lucian] Gyn. 18. De mut. nom.
14 S. 592 nennt Philo die goldenen Kränze neben anderen Ehren-
bezeugungen.
3) Vgl. D.V.C.S.477, „Philos Schrift über die Vorsehung« S.lll.
— 32 —
geht dann über zur axsTTY], die er in Kleidung und
Wohnung scheidet. Dann bespricht er der Reihe nach
das Lager, den Gebrauch des Oeles, die Trintgefässe, die
Bekränzung. Auch bei Musonius schliesst sich an die
Diatribe Flspi xpocpr^? die ITspl axsiryj?, und innerhalb dieser
finden wir dieselbe Teilung wie bei Philo. Man beachte
auch die Aehnlichkeit des Ueberganges von der Be-
sprechung der Kleidung zu der der Wohnung bei Philo
oXkoL }X7]v xccl ohioL<; 8ia xa? auxa? tjjjlTv sSsr^cssv aixia? und
bei Musonius (Stob. S. 175,1) £^£t Ss öxstttj? £V£xa xcxi
xa? OLxia? TiotoupLsöa. In dem nach den einleitenden
Worten darauf folgenden Kapitel Ilspl öxsücüv bespricht
Musonius die xXTvai und die Trinkgefässe, deren Behand-
lung — anders als De somn. — in D. V. C. ebenfalls
verbunden wird. Auch Clemens folgt im Paed. II Kap. 3
dieser Anordnung des Musonius und ist von diesem wohl
auch abhängig, wenn er dann in einem späteren Kapitel
(8) wie Philo zuerst den Gebrauch des Salbens, dann
den der Bekränzung behandelt.
Die in De somn. eingelegte Diatribe wird in manchen
Punkten durch D. V. C. noch ergänzt. Philo bekämpft dort
6 S. 479 die üppige Tracht und den Putz der die Gäste be-
dienenden Sklavsnschar. Auch dies ein beliebtes Thema
der Diatribe! Im Gnomol. Epict. 23 Seh. heisst es z. B.:
fieXsxü) (joi £V xoTc öixioi?, oiro)? aoi oi üTroup-j'Oüvxs? [xt)
TrXsroUs xaiv uTcoup'^j'oupisvajv UKOtp}(a)CJiv* axoTTOV "^äp oXqai?
axißaai TroXXocs SouXsusiv tj^u/a; ^). Und eine wohl auf
1) Vgl. D. III 2G,21, Seneca Dial. VII 17,2 Epist. 95,24, die
— 33 —
Musonius zurückgehende lebendige Schilderung der ver-
schiedenartigen Obliegenheiten der Sklaven lesen wir bei
Clemens III 26 (38). Wenn Philo an den Sklaven be-
sonders die übertriebene Haar- und Bartpflege, das
Flechten und Schnüren, den ungleichen Schnitt der Haare
rügt, so sind das alles Künste, deren Anwendung
Musonius und Clemens dem Manne namentlich ver-
bieten ^).
VI.
In seiner scharfen Kritik der Symposien des Xeno-
phon und Plato, denen er das der Therapeuten gegen-
überstellt, hat Philo am meisten die Behandlung der
Päderastie durch Plato zu tadeln (DVC 7 S. 480). Ausser
den Gründen, dass Seele, Körper und Besitz durch dies
Laster geschädigt werde, hebt er noch besonders hervor:
Tiapacpusiat ^) 8s xal jjlsiCov oc'XXo iravSyjfiov xaxov Ipyjjxiav
Stellen in Haases Index unter servus und besonders [Diog.] Epist.
37,3. 4. Die Therapeuten verwerfen bei Philo 9 S. 482 die Be-
dienung durch Sklaven, weil — nach stoischer Lehre — die Natur
alle frei geschaffen.
^) Die Parallelen sind zum Teil schon von Conybeare ange-
führt. Mit Philo XeXeiaa[ji.ivot, xa xe upoawTra Ivxpißovrat xai utto-
Ypctcpovxat vgl. Musonius bei Stob. S. 290,12. 22 Hense und Clem.
III 15 if. 64 II 104. Musonius a. 0. fordert, dass das Haar gleich-
massig geschoren werde.
2) Mit Unrecht liest Conybeare nach Arm. Tiapacpoea^at, Das
dvayxTf) yap . . . begründet die vorher erwähnte Schädigung von
Cüi{j.a, 4'^X^ ^^^ ouai'a. Mit Trapacpoexat kommt ein neuer und
selbständiger Gedanke hinzu.
Festschrift für Diels. O
— 34 —
TToXstov xai arocviv tou apiaioü ysvoü? dvOpwiroDV xai
aisi'pajcfiv xal d^oviav TSj^vaCovTwv , o? [jLt.[xo!JVTai toüc dvsTri-
GTT^fAova? TTi? Y^copYi«? airs/povia? ^) dvii t9jc ßaöuYsioi»
TTsSidSo? ucpotXjJLOU? dpoüpotc Tj XiöwOTj xal aTToxpoia yjü^ioL ^).
Auch Musonius (bei Stob. S. 286, Clem. II 87) bekämpft
die Päderastie, er erklärt es für die Pflicht des Mannes
zu sorgen, o-a>? r; ttoXic ijlyj epr/iio? rj und sagt, wer von
der Ehe nichts wissen wolle, der vernichte für sein Teil
das Haus, die Stadt, das ganze Menschengeschlecht (bei
Stob. III S. 4, 26. 23. 5,14)'). Philo vertritt in Bezug
auf den Geschlechtsgenuss die strengen Grundsätze des
Musonius, mit dem er sich auch hier oft wörtlich be-
rührt"^). Der Geschlechtsverkehr ausser der Ehe gilt ihm
als unerlaubt. Quod det. pot. ins. 27 S. 211 sagt er;
^) So ist zu lesen statt aretpovTes.
^) Äehnlich wird De Abr. 26 S. 20. 21 das Naturwidrige des
Lasters hervorgehoben. Die ihm fröhnen, führen die ^V^Xeia 'JoaoQ
(De leg. spec. 7 S. 305. 306 De vict. off. 13 S. 261) ein und ver-
nichten 10 -(z cTi' auToI? fjxov [xepo? t6 a6{X7rav dv^ptoTicuv
Y^vo?. Am ausführlichsten behandelt das Thema De leg. spec.
a. 0., wo besonders die kunstvolle Haartracht, das Schminken und
Salben der diesem Laster Ergebenen ähnlich wie von Musonius
bei Stob. S. 290,15. 291 H getadelt wird. Sie schämen sich nicht
die Natur des Mannes in die des Weibes zu verwandeln, vgl.
Tischendorf, Philonea S. 19,16ff. De sacrif. Ab. et Caiui 30 S. 183
De vict. off. a. 0. Sternbach zum Gnomol. Tat. Nr. 144.
3) Vgl. Clemens Strom. II 140 Epiktet III 7,19. Der entgegen-
gesetzte Standpunkt fand auch später noch kynische Verteidiger,
s. [Diog.] Epist. 47, wo die Ehe verworfen, das Aussterben des
Menschengeschlechts eher als Glück bezeichnet wird.
*) Lieber Epiktet s. Bonhöffer, die Ethik des Stoikers Epiktet
S. 63. 86 ff.
— 35 —
(xTjS' OTi (jLSpaiv Tüiv TTpo? Y^vac T^^Küi^yjc Ivsxa x^c ota|jiov7]<;
Tou TTctvioc:, cpöopa? xoct {JLOi)(£ias xai xac aXXac oux sua-^stc
[Afe? [i£T£p)(Oü, aXA.' oöai fxsia vojxou lö dv^pwTiwv GTrsipouat
TS xcci cpüTsuoüöi 7£voc. Die Ixvofxoi auvouaiai stehen den
aüvooot V 6 [xip, Ol gegenüber '), und in auffallender Berührung
mit den Xo^ia Christi sagt er Quod det. 48: £^£üvouxiad^vat
Y£ [XYjv a[x£tvov Tj TTpo^ aüvouGta? Ixvofxou? Xuxtav. Aber
auch in der Ehe wird der Geschlechtsverkehr beschränkt ").
Denn sein einziger Zweck ist die Kinderzeugung ^).
Ebenso fordert Musonius bei Stob. S. 286 Hense [lova |jl£v
acppoStatot vojxi'Ceiv Sixctia xa iv "j'ocfxo) xal ettI 'Y£V£a£i x£xvü>v
öuvx£Xou[X£va, oxt xat v6[xi[jLa iaxiv. xa §£ "(£ 7)8ovyjv
Oyjp(ji)}ji£va ^iXy]v aoix-x xoti Trapavojxoc, xav Iv 7oc{X(p -() (vgl.
Stob. III S. 6,19ff. Mein., Peerlkamp S. 355 Sen. De ma-
trimonio § 85). Allen ausserehelichen Geschlechtsverkehr
verwirft er. x6 -(ap [xy] v6[ii[xov jx7j5' £i>TTp£':T£c xwv guvoü-
1) Quod. det. pot. ins. 47. 48 S. 223. 224 De Jos. 9 S. 48
Tischendorf, Philonea S. 19,15.
^) De leg. spec. 2 S. 301 werden getadelt ot cptXoyuvatoi (die
Hss. cpiXoyuva^ot?) auvouat'ai? iTttfxefxrjVoxe? xat Xayv^axEpov 7rpoao[Jii-
XoüvTEs yuvai^iv oux dXXoxp^ott;, dXXa xaT? eauxüiv, vgl. ebenda 6
S. 305. 20 S. 318 cptXrjOovot fxev yäp ü (so Seiden, statt oY) fxr) GTTopa?
evexa texviüv xai toü Statcavtaat x6 yevog auvipyovxat yovctili'v, dXXd
^rjpwfxevot aoüiv v^ xpaycov xpoTiov xrjv ii 6jj.iXta? aTrdXauatv. Neu entd.
Fragm. S. 23 Nr. 6.
^) De Jos. a. 0. Tcpoxe&sifxlvoi x^Xo? oh-/^ f;8ov/jv, dXXd yvrjötoiv
TratSwv aTiopdv V. Mos. 6 S. 85 De Cherub. 13 S. 147. Quaest. in
Gen. IV 61. 86. Die geistige Gemeinschaft zwischen Mann und
Frau kommt, anders als bei Musonius, bei Philo nur selten (Quaest.
in Gen. III 21) zur Geltung. De spec. leg. 31 S. 327 Quaest. in
Gen. I 26 erinnert an die Art, wie Musonius bei Stob. S. 238 W die
Pflichten des Mannes und der Frau scheidet.
3*
— 36 —
aiaiv TOUTü)V aT(5)(6? xs xal ovsiSo? jis^a xoi? öyjpü)|jL£voi?
Gcöta?. — ^ De Jos. a. 0. nennt Philo den Ehebruch das
grösste Unrecht, was de spec. leg. 2 S. 301 näher be-
gründet wird; xous 81 "(uvaiO-v aXKwv . . . lirttjLSfjLYjvoTa? xal
sttI Xu|jlto tü)v TrXyjOiiov (so die Hss., irXyjat'cov vulg.) C«>VTac
oXa ^svyj TroXuavOpcüTia xißöyjXsusiv e7ri)(eipouiVTac xal xac [asv
IraYocjxioüc sux^^ TtaXifxcpifjfxou?, xa? 8s sttI xlxvoi c
£XT:L8a? dxsXei?^) aTrspYaCofJ-^voü? . . . oj? xoivoü? Ij^&pou?
«Travxoc: av^pwTrtov ylvou? xoXacsxIov ^). Die Schutzgötter
der Ehe und die an sie gerichteten Gebete erwähnt
Musonius bei Stob. III S. 6 Mein., und mit einer an
Philo erinnernden Wendung lässt er den Unkeuschen
sagen, dass, wer mit einer Hetäre umgehe, IXTriSa
7rai8ü)v ouSsvö? Siacpöstpsi. Eine genauere sachliche
Parallele aber giebt hier die scharfe Kritik, die Epiktet
II 4 an einem Ehebrecher übt. Dieser hat nach ihm
jeden Anspruch auf das Vertrauen seiner Mitbürger ver-
loren und ist unfähig, irgend eine Stelle in der mensch-
lichen Gesellschaft einzunehmen (vgl. II 10,18). — Ueber-
haupt ist nach Philo die Wollust die Ursache des
grössten Unheils. Die grössten Kriege sind entstanden
8i' epoixa? xal [loi/sias xal "(uvatxaiv airocxa? (De Jos. 11
S. 50, vgl. De decal. 28 S. 205 De post. Caini 34 S. 248).
Aehnlich heisst es bei Dio Chrys. VI § 16. 17, dass der
dcppoSiöia wegen, deren Genuss Diogenes sich so leicht ver-
schaffte, schon viele Städte elend zu Grunde gegangen seien,
') De creat. princ. 11 S. 370 cp^etpovxa? (so die Hss.) 5s xal
xd? iizi xexviov öTiopa -^vr^din'^ ^(prjaTa? i\Tzlha<; De decal. 24 S. 201.
^) Ausführlicher noch die Begründung De decal. 24 S. 201.
— 37 —
und in ähnlich kynischer Wendung bei Hör. Sat. I 3, 107
nam fuit ante Helenam cunnus taeterrima belli causa^).
Philo und Musonius bekämpfen auf Schärfste die
Aussetzung der Kinder, freilich mit verschiedenen Gründen.
Die Eltern, welche ihre Kinder aussetzen, übertreten nach
Philo das Naturgesetz. Sie machen sich schuldig der
(ptXyjSovia, indem ihr Geschlechtsverkehr nicht die Kinder-
zeugung, sondern die Lust zum Zwecke hat, der [iiofav-
OptüTiia, der avSoocpovia und tsxvoxtovigc. Sie lassen sich
oft beschämen durch die Barmherzigkeit derer, die die
fremden Kinder aufnehmen (De leg. spec. 20 S. 318.
319). Mit ähnlichen Gründen wird De caritate 17
S. 397 die Abtreibung der Frucht bekämpft. Doch
kommt ein neuer Gesichtspunkt hinzu: das Verbre-
chen ist eine Sünde gegen das Menschengeschlecht.
Tivi Y«p St' süvota? acpt^sai^e (so Seiden, statt s^ivsaDs)
*j'£v6}X£vot Tü)V iSiwv T£xva)V auzoy^zips^ ] Ol xa? TToXsi? 10 y'
scp'auTOt? TjXÖv [lipo^ Ipyjfxouvis?, dr.o tcüv ep/üTaxü) ^svoü?
ap^a'fxsvoi Tf^^ aTucüXsia?. Bei Musonius (Stob. III S. 74. 129
Mein.) überwiegen in der Polemik gegen die Sitte der
Aussetzung die Nützlichkeitsgründe. Zwar erinnert er
daran, dass die Gesetzgeber die Vermehrung der Bürger
begünstigen und wünschen, dass sie die dcfißXwat? ver-
bieten, die Aussetzung also auch dem Willen des Ge-
setzes widerspreche, er sieht sie auch als eine Sünde
0 Vgl. auch Hör. Epist. I 2,6 Seneca De matrimonio § 67, Epiktet
I 28,13 III 22,37 Clem. III 13. Habgier Ursache des Krieges: De
decal. De post. Caini a. 0., Piatos Phaedon S. 66 C [Luc] Gyn. 15,9
Seneca Epist. 94,57.58.
— 38 —
gegen die Götter des Geschlechtes an. Besonders aber
betont er den Segen und Nutzen, den Kinder den Eltern
und Geschwister einander bringen. Es ist nicht denkbar,
dass die von Philo geltend gemachten Gründe der Huma-
nität ganz bei Musonius gefehlt haben sollten. Wäre uns
seine Diatribe in ihrem ganzen Umfange erhalten, so
würden wir in ihr ähnliche Gedanken wie die philoni-
schen wiederfinden.
VIL
Wie Philo alle Gebiete des privaten Lebens einer
scharfen Kritik unterwirft, überall sittlichen Verfall und
Verdorbenheit erblickt und von den stoischen Grund-
sätzen eines naturgemässen , vernünftigen und einfachen
Lebens aus eine gründliche Reform aller privaten
Lebensverhältnisse und Lebensäusserungen fordert , so
fühlt er sich auch von dem öffentlichen Leben seiner
Zeit durchaus unbefriedigt und betrachtet es mit dem
aus Verachtung und Mitleid gemischten Gefühl des stoi-
schen Sittenpredigers. Wenn der Weise, sagt er De
conf. 12 S. 411. 412, den beständigen Krieg betrachtet,
der bei äusserlichem Frieden sich im öffentlichen und
privaten Leben, nicht nur zwischen Völkern, Ländern,
Städten, Dörfern, sondern in jedem Hause, ja in jedem
Menschen abspielt^), so kann er sich nicht versagen,
beständig zu mahnen, zu schelten, zurechtzuweisen, zu
1) Vgl. De Gig. 11 S. 269.
— 39 —
bessern^). Tiavia ^ap oaa ev TroXsjxo) Spaiat xax' sipT^vr^v
öüXaiatv, apTTocCouaiv, av8pa7ro8iCovTott, XsT^Xaiouai, TropOouaiv,
üßpi'Couaiv, aixiCovxat, cpOsipoüaiv, aia^^uvouai, SoXocpovouaiv, avxi-
xpu?, TjV (üGi SüvaTcuTspoi, xTsivoüat xxX. De Abr. 3 S. 4 6 [xsv
cpauXo? d-yopav xal Osaxpa xal öixaaxvjpia, ßouXsüxVjpia xs
xai IxxXyjaia? xal Travxa auXXo'^ov xal diaaov dvöpcuTrwv,
ax£ cpiXoTipaYfxoauvifj auCtuv, [isxaxplj^ei ^). Wenigstens in
einem Ausdruck klingt Epiktet an, wenn er II 22, 28
sagt, die falsche Vorstellung vom Werte der äusseren
Güter bringe die Menschen dazu Sdxveiv dXXTJXoü? xat
XoiSopeTaOai ^) . . . xat Iv xoTc Sixaaxr^pioi«; dTüoSsixvüaöat xa
Xifjaxtüv. Ganz derselben Stimmung aber, wie die philo-
nische Polemik, ist die Beurteilung des öffentlichen
Lebens im 7. heraklitischen Briefe entsprungen"*), der
zwar einige Spuren des biblischen Einflusses zu zeigen
scheint^), im ganzen aber den Ton der philosophischen
^) Aehnlich wird der Beruf des kynischen Philosophen be-
schrieben, s. Norden, Beiträge zur Gesch. der griech. Philos.
S. 377 ff.; Zeller, Sitzungsber. der preuss. Akad. der Wiss. 1893
S. 129.
2) Tischendorf, Philonea S. 17,7 ff. De somn. I 20 S. 639 xot
^v StxaOTTfjpfot? xat ßouXeuxTjpt'ots xat deaxpots xat T.ayxajoo [xat]
Trpos xoüs aXXous dSixT^ptata. xal fehlt in A.
^) Die folgenden Worte xat xds dpr^fAias xaxaXafxßdveiv rj xds
dyopds ü)S xd opr] sind verderbt. Mit Elters &y]pta statt xd opr] ist
der Stelle nicht geholfen. Denn statt des iprjpn'as xaxaXapißdveiv
schon erwarten wir einen neuen Frevel.
"*) Vgl. auch [Krates] Epist. 7 [Diogenes] Epist. 28, besonders
§ 1 dv 7roXe[X(p xov oXov ßi'ov xaxayrjpdxe, 2 ^v xtJ) xaXoufJtevi;] e^pVjvir]
[Hippokrates] Epist. 17,28. 43 S. 301. 303 Hercher.
^) Dass xd C«ivxa xaxeadt'exe sich nicht im allgemeinen auf
— 40 —
Diatribe nicht ohne Uebertreibung nachahmt. Man be-
achte namentlich die Worte xivi au[i[ioi)^£6ü>, iivi aütjL[i-i-
oticpovo), iivi au{X[xsöuü), itvi au[xcp9£tpo[iai.; . . . epyjfjLiav «5-
TTjV (die Stadt) TrsTroiyjxais 5ia xaxiot?. Ihr zieht vor
Gericht wie in den Krieg, eure Zungen als Waffen
brauchend, nachdem ihre alle möglichen Schandthaten
begangen habt. £v eipTJvTfj ttoXs-xsits 8ia Xo^tov . . . apTia-
Ceis t'o Sixaiov £v ^{cpsaiv . . . . oi IvSov 7ioX£|jlioi ocXXa ttoXT-
xai . . . TOI)? £X£UÖ£pou? dv§po7ro8iC£X£. Wenn nach dem
Verf. auch die Friedenszeit in Wahrheit Kriegszeit ist,
indem der Krieg in die Gerichtssäle verlegt ist, wenn das
ganze öffentliche Leben sich ihm unter dem Bilde einer
fortgesetzten Reihe von Verbrechen und Unrecht dar-
stellt^), wenn er unter diesen Verbrechen besonders
Raub und Mord, Verführung und dvopaTioSiajxo? anführt,
so stimmt er mit Philo überein. Und auch sonst be-
rührt sich der Inhalt des Briefes vielfach mit dem Stoffe
der Diatribe^).
Fleischgenuss, sondern nur auf den namentlich in bakchischen
Orgien üblichen Genuss rohen Fleisches beziehen kann, zeigt der
Sprachgebrauch (Bernays Herakl. Briefe S. 72). Auch bei Laert. Diog.
VI 73 wird zu lesen sein: Diogenes hielt es für erlaubt xüiv Cwvxtüv
(oder Ctüwv, statt Cqjwv) xtvos yeoaaaOai, vgl. 34.
^) Aehnlich das Urteil des Herodot und des hippokratischen
Buches über Diät über das Marktleben als beständigen Betrug
(Bernays S. 76).
2) An diese erinnert die für einen Brief an Hermodor un-
passende Anrede S. 74,19 Byw. d) av^pcoTroi (diese Anrede in der
Diatribe häufig, s. Hartlich, Leipz. Studien XI S. 314 und
Schenkls Index zu Epiktet), mit der der Brief den Predigtton
annimmt, die Polemik gegen Putzsucht (75,7) und Verbrauch von
— 41 —
Philos Strafreden gehen auch genauer auf einzelne
Gebiete des öffentlichen Lebens ein. De Cherub. 27 S. 55
eifert er gegen die übliche Begehung der Feste (Travyj-^ü-
pei?), die nach ihm jeder Art der Ausschweifung dienen.
Dass namentlich religiöse Feste gemeint sind, sagt er
ausdrücklich (sx jjlüOixüjv 7rXaa}xaT(üV öüvsaxYjaav und vgl.
das ganze Kap. 28), und auf solche deutet namentlich
die aSeta avsai? Ixsysipia, die Travvuj^iSsc, die [xsöyjfxsptvol
7a}xoi (aus Demosth. De cor. 129), unter denen vielleicht
die Darstellung eines lepo? ^ajxo? verstanden ist'). Wenn
er in diesem Zusammenhange von ßiatoiaTat ußpsi? redet,
so denkt er jedenfalls an die bei den heiligen Nacht-
feiern so häufige Entehrung der Mädchen, die auch der
Verfasser des heraklitischen Briefes den Ephesiern zum
Vorwurf macht ^). Ebenso hebt er im Gegensatz zu
der heiligen Sabbathfeier V. Mos. 114 S. 138 die durch
andere Feste begünstigte Völlerei und Unsittlichkeit
Salben (75,12), gegen Gastmähler und Kampfspiele (75,12 ff.), die
Berufung auf die Tiere als Muster. Wenn auch die Inschutz-
nahme der XetTTOTccxTai, die Bernays S. 71 einem „mit der griechisch-
römischen Welt durch noch so lose Bande zusammenhängenden
Schriftsteller" nicht zutrauen will, sich in der Diatribe nicht nach-
weisen lässt, vielleicht nur zufällig, so doch die Verwerfung des
Krieges: Epiktet 1122,22, Sen. Epist. 95,30.31 [Diogenes] Epist.
20, vgl. S. 36. Stellt doch sogar M. Aurel X 10 der Gesinnung nach
den Soldaten und Räuber auf eine Stufe. Nach diesen Stellen
können wir uns eine Vorstellung bilden vom Inhalt der Friedens-
rede des Musonius, die nur Spott und Unwillen erregte und die
Tacitus selbst als intempestiva sapientia bezeichnet (Hist. III 81).
^) S. Lobeck, Aglaophamus S. 609 ff.
2) S. 75,9 Byw. xdprjv ßta StotTrctpQ'eveuderaav Iv 7iavvu)(t(Jtv, dazu
Bernays S. 70 Friedländer Sittengesch. I S. 501.
— 42 —
(vgl. Neu entd. Fragm. S. 13, 10) hervor. Er verbietet
De vict. off. 12 S. 260 die Teilnahme an irgend
welchen TsXexat xal [luatTJpia^), die zur Zeit des re-
ligiösen Synkretismus in den verschiedensten Formen
von zahllosen Konventikeln gepflegt wurden. Die mit
ihnen verbundene Geheimnissthuerei und Scheu vor
der Oeffentlichkeit ist ihm ein genügender Beweis ihrer
Verwerflichkeit. Warum, fragt er die Mysten, teilt ihr
eure Lehren, wenn sie schön und nützlich sind, nicht
allen Menschen auf offenem Markte mit? Im Gegenteil
finden wir oft, dass von guten Menschen keiner, wohl
aber Räuber und Seeräuber, verächtliche und zuchtlose
Weiber für schnödes Geld in die Mysterien eingeweiht
werden ^). Den ersten von Philo ausführlich entwickelten
Gedanken finden wir in ein kurzes Apophthegma des
Kynikers Demonax gefasst: Auf den Vorwurf, dass er
allein in die eleusinischen Mysterien nicht eingeweiht
sei, erwidert er, oii, av xs cpauXa ^ xa jjLuöxi^pia, oü ai«>-
TTT^acXai TTpO? XOU? {XYjSsTTtÜ |i.£[XU7jiJL£V0UC, CtXX' dlTOXpS^Sl
aüxoü? xü>v 6pYtü)v, av xs xaXa, iraaiv auxa i^a^opeuaiiv
UTTÖ (piXavOpwTria? (Lucian 11). Und auch der andere
von Philo gegen die Mysterien gerichtete Vorwurf kehrt
ähnlich, aber in schärferer Fassung in einem Apophthegma
des Diogenes wieder: •fsXoiov, st 'A^YjaiKaoc [jlsv xai 'Ett«-
^) Diese wie die TravTjyjpei? verworfen auch von [Hippokrates]
Epist. 27,21 S. 300 Hercher.
2) S. auch De spec. leg. 7 S. 306 xob; yoüv dvBpoyuvous {Selv edti ...
xäv xats §opXGcTs TrpoTrofXTreüovxas y.at xa Upd xous dvispous BieiXTjj^dxas
y.ai [J.uaxr]piu)v xcxt xeXexcöv xaxdp/ovxa; xal xd AVjfATjxpos 6pyidCovxa?.
— 43 —
[xeivwvSa? ev ko ßopßopo) Siofcouöiv, euisXsi? 8s xivs«; }jl£|iü7j-
liivoi £v Tat? jjLaxapü)v vt^soi? lofovxai^). — Sehr heftige
Worte richtet Philo gegen die alexandrinischen Oiaaoi
(In Flacc. 17 S. 537), und er lobt den Flaccus, dass er
im Beginn seiner Verwaltung solche Vereine aufgelöst
habe^.
Mit besonderer Vorliebe wendet sich die kynisch-
stoische Diatribe und in Uebereinstimmung mit ihr
Philo gegen die Athleten (vgl. S. 22). Die sogenannten
ispol d^aivs? verdienen nach Philo in Wahrheit diesen
Namen nicht ^). Er macht die Künste der Athleten ver-
ächtlich durch den Vergleich mit den grösseren körper-
lichen Fähigkeiten und Vorzügen der Tiere ^), er hebt
den Widerspruch hervor, dass sonst körperliche Ver-
letzung gestraft, bei den Kampfspielen mit Kränzen und
Ehren belohnt werde ^), er bezeichnet wiederholt als
1) Laert. Diog. VI 39 und Julian S. 238 A, ähnlich Plut. De aud.
poet. 5 S..2I F. Andere kynische Apophthegmen über Mysterien
bei Zeller II 1 S. 330 Lucian a. 0. 34.
^) In Flaccum 1 S. 518 Tcts xs ^xaipetas xal auv6§ou?, ai dsl im
Trpocpctaet 'OuatüJv elaTtüivTo toIs 7tpay[jLaötv d(ji.T:apotvoOaai, SteXus, vgl. De
praem. et poen. 3 S. 411 Diogenes bei Laert. Diog. VI 28 ^/ci'vet 8'
auTOv xai t6 duetv (xev tots %eoii ÜTiep uyieiac, h ahrf^ 8e ttq ^oct'a xaxd
x^? uyieta? Semvetv (ein ähnlicher Gegensatz bei Persius 2,41 — 43).
3) De agric. 25. 26 S. 317. 318 De praem. et poenis 9 S. 416.
Uebrigens redet Philo trotzdem nicht nur in den für weitere
Kreise bestimmten Schriften In Flaccum 11 S. 530 Quod omn.
prob. lib. 17 S. 463 ohne Einschränkung von tepol dyüive?, sondern
auch Quaest. in Gen. III 20.
^) De agric. 26 , andere Stellen des Philo bei Norden S. 304.
305; vgl. auch Kaibel a. 0. S. 46 ff.
^) De agric. und De praem. et poen. a. 0,
— 44 —
den wahren d-ycüv den mit den Leidenschaften und
Lastern^), — alles Gedanken, die durch die philosophische
Diatribe vorzüglich im Umlauf gesetzt sind. Ganz im
Sinne der Popularphilosophie verwirft Philo die Leiden-
schaft seiner Zeit für Schauspiele, den Geschmack an
einer entnervten und weichlichen Musik ^), das Interesse
für Tänzer und Mimen und ihre entsittlichenden Dar-
stellungen') (De agric. 8 S. 305 V. Mos. III 27 S. 167
In Flaccum 10 S. 529). Wie er Caligula durch Makron
zu einer würdigen und für die Menge mustergiltigen
Haltung bei öffentlichen Schauspielen ermahnt werden
lässt (Leg. ad Gai. 7 S. 552), so hält Epiktet III 4 einem
Statthalter von Epirus in ähnlichem Tone sein un-
schickliches Verhalten beim Schauspiel vor*).
So erscheint dem Philo das gesammte Thun und
Treiben der Menschen im öffentlichen und privaten Leben
auf falsche, eitle und vergängliche Ziele gerichtet, für
deren Erreichung eine unverhältnismässige Kraft und
Mühe vergeudet wird. Mit Anspielung auf ein dem Pro-
treptikos des Aristoteles zugewiesenes Bruchstück ^) sagt
1) De agric. 25. 27 De praem. et poen. 1 S. 409 Qiiod deus
immut. 31 S. 294 Norden S. 301. 302 Weber S. 138 ff. 178, vgl.
auch [Heraklit] 4. Brief S. 72,5ff. Byw.
2) Friedländer III S. 349 ff.
3) Friedländer II S. 438. 459 Epiktet IV 2,9 dvaTrrjSdiv ^Trixpau-
yaCe Ttj) opj^rjaxi^.
*) Vgl. auch Gnomol. Vatic. ed. Sternbach Nr. 49.
^) Jamblich Protr. 6 S. 40,4 Pistelli (S. 62,9 der letzten Frag-
mentensammlung von Rose, vgl. Hartlich Leipzig Stud. XI S. 257):
o68e hti j^prjfxdTtov |j.ev evsTta tiXeTv ^cp' "^Hpay-Xeou? axVjXa? xat iioXXd-
— 45 —
er De migr. 39 S. 470, mit Recht habe man es für
sonderbar erklärt, dass Kaufleute um elenden Gewinnes
willen die Meere durchfahren und die ganze Welt durch-
wandern, indem sie alle anderen Rücksichten hintansetzen,
dass man aber um der Weisheit willen, die der schönste
und erstrebenswerteste Besitz ist, nicht die Meere durch-
segele und die Welt durchsuche. Quod omn. prob. lib. 10
S. 455, wo derselbe Gedanke ausgeführt ist, wird hinzu-
gefügt, dass es ja freilich keiner weiten Wanderung oder
Meerfahrt bedürfe, um die Tugend, die uns so nahe
liegt, zu erlangen '). Direkt aus Aristoteles hat den Ge-
danken Philo sicher nicht entlehnt. Denn auch Epiktet
verwertet ihn III 8,6 ttots oütq)? sVXsuaac uTisp xoö xa
SoYfiaxa sTtiaxe^aadai xa öaüxou xxX. ^) I 6, 23 aXX' st?
'0Xu[X7rtav [x£V aTTOor/fxsixs, fv' fövjxs x6 Ip^ov xo (cod. xoui)
C)£toioü . . . OTTOu 5' ou8' airoÖTjfxYjaai Xpsi« iaxi'v, dXX'
saxiv yJSyj xal irapsaxiv xoTs sp^yot?, xau>xa 8s OsaaaaOai xal
xGtxavor^aai oux s7:i(}u}XY5asxs; ^) Man sollte meinen, dass
Philo bei solchen geringschätzigen Aeusserungen über
das öffentliche Leben eine völlige Zurückziehung aus dem-
xtc xtvBuveueiv, Sid 8i cppdvrjGtv (nr^S^v ttoveTv [xt)8I SaTiavav. S. auch
Rose S. 69,21 ff.
') Vgl. De poenit. 2 S. 406 De post. Caini 24 S. 241.
^) I 29,38 r^%zXo'^ TiXeüaai in'' abro toOto xal i§eiv t^ jxou TtoteT
6 dO^XrjTT^?.
3) Hör. Epist. I 1,45. 11,29. Mit Absicht habe ich Stellen, wo
der Gedanke allgemeiner, ohne die Erwähnung der Schifffahrt oder
Reise, ausgedrückt ist, wie Porph. ad Marc. 32 [Hippokrates]
Epist. 17,25 S. 301 Hercher, ausgeschlossen. Die Diatribe des
Musonius oxi ttovou xaxacppovrjTeov (bei Stob. S. 643 Hense) führt
den Gedanken ins einzelne aus.
— 46 —
selben gefordert, ein quietistisches und beschauliches
Dasein als das Ideal angesehen habe. Zog doch über-
haupt der Individualismus und die sittliche und religiöse
Vertiefung der hellenistischen Zeit gerade bei den edelsten
Geistern den Trieb zur Isolirung und Zurückziehung auf
das eigene Innere gross. Forderte doch der Hedonismus
Epikurs wie die sittliche Rigorosität des Kynismus den
Ausschluss von den Aufgaben des öffentlichen Lebens
und erstickte den alten Bürgersinn, und wenn die Stoa
im Princip eine Beteiligung am öffentlichen Leben for-
derte, so machte doch die Fülle von Ausnahmen, die
sie statuirte und die Neigung für philosophisches Still-
leben ihre principielle Forderung meist illusorisch').
Wenn nun auch nach Philos eigenem Bekenntnis das
beschauliche Leben seiner eigenen Neigung mehr ent-
sprach, hat er sich doch, wie Conybeare S. 269 ff", zeigt,
von der einseitigen Ueberschätzung desselben freizuhalten
gewusst, den Trpotxiixo? ßio? als Pflicht eines jeden Mannes
angesehen^) und dem höheren Alter den vollen Genuss des
OsoipYjTixöc ßi'os vorbehalten wollen. Und damit braucht
er nicht direkt auf Aristoteles zurückgegriffen zu haben.
Hatte doch auch Panaetius neben der forschenden Thätig-
keit die Pflicht des Handelns und der Teilnahme am
öffentlichen Leben stark betont. So verbietet zwar die
0 S. Berl. philol. Woch. 1887 S. 1501 ff.
2) S. ausser den Citaten bei Couybeare auch Quaest. iu Gen.
III IG, wo Schiffahrt, Ackerbau, Handel neben einander genannt
werden; vgl. De Cherub. 10 S. 145 Heinze a. 0. S. 17. Ueber den
ßto? TrpaxTtxo? s. auch Quaest. in Gen. IV 47.
— 47 —
stoische Diatribe das Jagen nach äusseren Gütern, aber
nicht ihren Genuss, wenn sie sich dem Menschen von
selbst geboten haben. Denn auch sie sind ein Stoff, den
die Tugend wie jeden andern zu gestalten weiss. So
betont auch Epiktet energisch die Pflichten gegen den
Staat ^), gebietet ein Amt anzunehmen und in seiner
Verwaltung zu zeigen, iroic av&pa>Tro<: dvaaipscpsTai TusTrat-
Seufievo? (I 29,44, vgl. I 13,6). Beamter oder Privat-
mann, Bürger oder verbannt, arm oder reich, — in allen
Lagen und Stellungen des Lebens wird der Jünger der
Philosophie sich als den gleichen bewähren (II 16,42).
Wie es falsch ist nach Senatorenrang oder Aemtern zu
streben, ebenso falsch auch, diesen Obliegenheiten sich
zu entziehen (IV 3,1. 19). Wie es verkehrt ist nach
äusseren Gütern zu trachten, ebenso verkehrt, sie zu
vernachlässigen, wenn man sie besitzt (II 5) ^). Mit den
gegebenen Verhältnissen gilt es zufrieden zu sein, in alle
sich zu schicken. In demselben Tone ist Philo De pro-
fug. 5. 6 S. 550. 551 gehalten — eine Stelle, die man
als eine eingelegte Diatribe betrachten darf): um den,
') Bouhöffer a. 0. S. 94.
^) Vgl. Zeno bei Athenaeus VI S.233B und das von Diels (Archiv
f. Gesch. d. Philos. I 479) entdeckte und auf Aristoteles Protreptikos
zurückgeführte Bruchstück des Hortensius bei Augustin, Soliloquia I
17 nullo modo appetendas esse divitias, sed si provenerint, sapien-
tissime atque cautissime administrandas. Sehr ähnlich dem Stand-
punkt Epiktets und Philos den äusseren Gütern und Ehren gegen-
über ist der, den Seneca De beata vita 21 ff. (3,3) entwickelt. Vgl. auch
Hense Rh. M. XLVII S. 240. Verwandt ist der Standpunkt Aristipps
(Zeller II 1 S. 361 ff.), der ja auch die Diatribe beeinflusst hat.
^) Dies gilt wenigstens von den Grundgedanken, die ich allein
— 48 —
der den Reichtum schlecht anwendet, zu beschämen,
weise nicht den Ueberfluss von Dir. Um den Ehrgeizigen
und Prahler zurechtzuweiseu, verschmähe nicht die Ehre
bei der Menge, wenn sie sich dir bietet. Selbst zum
üppigen Male darfst du ruhig gehen, um durch dein
Verhalten die andern zu beschämen. Wer das gemein-
schaftliche Leben, Erwerb, Lust, Ehre, die Staatsgeschäfte
zu verachten vorgiebt, dem sollte man entgegenhalten,
dass es mehr heissen will, auf allen diesen Gebieten die
Tugend zu bewähren als ihrer Bethätigung ängstlich aus
dem Wege zu gehen. Uebet das praktische Leben vor
dem theoretischen wie den Vorkampf vor dem eigent-
lichen Kampfe. Nur so vermeidet ihr den Vorwurf der
Trägheit. Und vorher (Kap. 4 S. 550, das überhaupt zu
vergleichen ist) heisst es: nimm Teil an all den äussern
Gütern, die die Schlechten missbrauchen, und wenn Du
sie besitzest, ota Stjjxioüp^o? czyaöos sloo? apiaxov xaTc uXi-
xat? ouat'ai? sY/apa^ov xal STraivexov aTioTsXeaov Ip^ov^).
Dieselbe Anpassung an die oft wechselnden Verhältnisse
wird De Jos. 24 S. 61 in scharfen Antithesen, wie sie
die Diatribe liebt, gefordert: dXXoTpiov touto* jj-y] Ittii^ü-
anführe. Bezeichnend ist die fingirte Anrede und die der Diatribe
eigene Vorliebe für den beigeordneten Hauptsatz an Stelle des
untergeordneten Bedingungssatzes, (Müller De Teletis elocutione
S. 69), die aus dem philonischen Periodenbau völlig herausfällt.
1) Vgl. De Jos. 14 S. 52. Der bekannte Vergleich mit dem
Schauspieler Quaest. in Gen. IV 124, der mit dem Steuermann De
prof. 4. — Dies krankhafte Jagen nach äusseren Gütern wird na-
türlich verworfen, De ebr. 14 S. 365.
- 49 -
[jL£i. 1810V TouTO* y^pS) [XY] Trapa)(pa)[X£VO? ^). irspiouffiaCst?*
}jL£Ta8i8ou . . . oXqa xsxxyjarar jat] cpOovst toi? £)(ouat . . .
£u8o^£r? Xcd T£Tr}JLY]aai* [JLY] XOCXaXaCoVEUOl). xaiTElVO? £1 TOCT?
TtS^^ai?' dXXa xo cppovy]|xa jatq xaxaTciTcxlxo). Tuavxa öoi xaxa
vouv X"^P^^* jJ-S'^otßoXrjV £uXaßo[). irxat'Eic tcoXXocxi?* ^(pYjGfxa
IXitiCe* irpo? "(ocp xdvavxia xwv dvöpwTTwv (lies dvdpfoirEiojv)
ai xpoirai. Dem Inhalte wie der Form nach bietet die
schlagendste Parallele Tel es S. 6. 7. Man soll es machen
wie die Schiffer: £u8ia, ^aXVjvY]' xat? xwTrai? TrXIouai. xaxa
vaüv av£[xo?* Iirr^pav xd dpfx£va . . . ^spwv ^l'yova?' jxy] CT^x£t
xd xoü V£ou. daO£VY]? TrdXtv [xt] C^x£t xd xoü laj^üpou . . . .
diropoc TrdXiv ^E^ovac:* [it] CVjxEt xrjv xo5 Eüiropou Siaixav . . .
süTcopta* oidaxEiXov. dTiopia* öüc5X£iXov.
VIII.
In der Einleitung seiner Schrift Q. omn. prob. lib.
wendet sich Philo gegen die Ansicht der verblendeten
Menge, der die stoischen irapdSo^a seltsam und unver-
nünftig (irapdXoYa) erscheinen^). Er selbst bekennt sich
oft zu diesen Sätzen, die die Gegner der Stoa mit Vor-
liebe aufgrift'en, um sie lächerlich zu machen. Der
Weise ist im Besitze aller Tugenden (De Abr. 6 S. 6).
^) Anklang an Aristoteles, Fr. 56 Rose (vgl. Clem. Paed. II 9).
2) Gnomol. Vat. ed. Sternbach 295 Zt^vwv 6 Sxwtxo? cptXdaocpo?
XeydvTOiv tiväv ort Tzapdho^a Xeyet, l'cpY]* dXX' oi) TtapdXoya, vgl. Apoph-
thegma 18 bei Pearson und Kleanthes Fr. 107 bei demselben. Es
fehlt bei Pearson Varros Zeugnis (Sat. Menipp. 245 B) für die Be-
handlung der TTapdSo^a durch Kleanthes.
Festschrift für Diels. 4:
— 50 —
Die ganze Welt ist ihm von Gott als Besitz verliehen
(V. Mos. 128 S. 105)'). Er allein ist Bürger (Q. omn.
prob. lib. 1 S. 445), ist der wahre König (De agric. 10
S. 306) und r^^s\i(iiv, nicht durch Loos oder Wahl für
kurze Zeit, sondern von der Natur für immer eingesetzt,
Herrscher wegen seiner königlichen Gesinnung, auch
wenn es ihm an einem äusseren Gebiete der Herrschaft
fehlt ^). Mit ihm verglichen sind alle Herrscher, und
wenn sie die ganze Welt besässen, loiwiai (De plant. 16
S. 339. 340, Harris Fragments S. 36 = Quaest. in IV 76).
Er allein ist wahrhaft schön, wäre er auch äasserlich
hässlich wie ein Silen (Quaest. in Gen. IV 99). Umge-
kehrt ist der Schlechte cpuyac, auch wenn er mitten in
der Stadt wohnt und an allen Aemtern und Ehren teil-
nimmt^), arm, auch wenn er im grössten üeberflusse
lebt''). Eine zweiteilige Schrift, deren erste Hälfte ver-
^) Ueber den Reichtun des Weisen s. auch De Prof. 3 S. 548.
549 De Plant. 16. 17 S. 339. 340 Q. omn. prob. lib. 2 S. 445 Quaest.
in Gen. IV 182, über seine Sd^a De prof. a. 0.
2) De mut. nom. 28 S. 601 ou t«? uXots l^eTaaavxec . . . dXXa
xrjv Iv TY) Siavot'a ßaaiXtxTjv s'^tv xaTavoTQaavxss. De Post. Caini 37
S. 250 ä^yiüv xal ßaatXeo; eu^ew?, xclv fj.r]Oe[j.tä(; uXr]? euTTopirJ. Quaest.
in Gen. III 22. IV 76 (= Harris Fragments S. 36). Nach Teles
S. 16,131f. E. und Musonius bei Stob. II S. 276,4. 15 if. Mein, ist
der Weise Herrscher, auch wenn er nur über sich selbst die
Herrschaft ausübt. Vgl. auch De somn. II 36 S. 691. De praem.
9 S. 416. 417.
3) Q. omn. prob. lib. 1 S. 445. Leg. all. HI 1. 2 S. 87. 88.
De Gig. 15 S. 272. De congr. erud. gratia 12 S. 527. Quaest. in
Gen. IV 165. Quaest. in Exod. II 23.
^) Q. omn. prob. lib. 2. De prof. 3 S. 548 dSd^ou; xat Trevrjxac,
xav ßaötXecüv TtoXuypiccüv x6)(a; uTtepßdXXwaiv Harris, Fragments S. 69.
— 51 —
loren ist, hat Philo dem Erweis des stoischen Satzes ge-
widmet Travxa cpauXov sTvai SouXov und Travxa airouoatov
sTvoti eXsuOepov ^).
Besondere Beachtung verdient die Schrift riepl sö^s-
vEiac, die in ihrem ersten Teile den stoischen Satz oxi
[xovo? 6 ao^fö? ^u-(^vr^<; entwickelt, um aus ihm die Gleich-
berechtigung der Proselyten abzuleiten und sie gegen
Zurücksetzung durch jüdischen Nationalstolz energisch in
Schutz zu nehmen ^). Als Denkmal der jüdisch-hellenisti-
schen Propaganda besonders interessant, ist sie zugleich
geeignet unsere dürftigen Quellen für das stoische Para-
doxon zu ergänzen. — Wenn die Bewunderer der su^e-
vsia nach Philo oiovxai xoac; ex :TaXai07rXouxü)v xai TiaXai
£v86^ü)v su^evsT?^), so legt er, indem er die tiefere Be-
griffsbestimmung, die namentlich Aristoteles gegeben
^) Ich gehe auf sie nicht ein, da ich verweisen kann auf Aus-
felds Schrift (s. Archiv f. Gesch. d. Philos. I S. 509 ff.), Hilgenfeld
Z. f. w. Theol. 1888 S. 49 ff., Hense Rh. M. XLVII S. 219 ff. Ueber
die Quellen für das stoische Paradoxon s. Bernays Herakl. Briefe
S. 101.
^) Massebieau, Le classement des oeuvres de Philon S. 53, da-
nach zu berichtigen Immisch S. 79. Ausser den von Immisch,
Commentationes philologae, quibus 0. Ribbeckio congratulantur
discipuli Lpz. 1888 S. 79. 85 angeführten Quellen für den stoischen
Satz kommt namentlich in Betracht die jüngst gefundene pisidische
Inschrift eines Verehrers Epiktets (Kaibel im Hermes XXIII S. 542 ff.),
Galens Protreptikos Kap. 7, Dio Chrys. Or. XV Bd. I S. 268 ff.
Dind., Boethius Cons. III 6 (auch 4); über Gregor von Nazianz s.
Asmus Theol. Stud. u. Krit. 1894 S. 323, anderes unten. Zu ver-
gleichen sind auch Gnomol. Vatic. ed. Sternbach No. 10. 15. 151.
257. 307.
3) Im Folgenden ist [t.t]hk (so auch Seiden.) statt {atqts zu lesen.
4*
- 52 —
hatte ^), ignorirt, die Vorstellung der Menge zu Grunde ^),
gegen die auch die stoische Polemik sich gerichtet haben
wird. Das wahre Gut und also auch der Adel darf
nicht unter den äusseren Gütern (so Aristoteles, s. Im-
misch S. 83) oder dem Körperlichen, sondern allein in
der Seele und in ihrem edelsten Teile gesucht werden.
Denselben Gedanken spricht Seneca Ep. 44,5 (animus
facit nobilem, vgl. luvenal VIII, 24) und De ben. III 28,1,
ebenso der unbekannte Verehrer Epiktets mit den Worten
aus (V. 4ff.):
dvSpoc iXsuOspiac öxaOfiav iyiß, xav cpuaiv otutocv,
al' xa Tocv Yvw[iav ti«: IXeuöcpoc Ivooöev sfyj
opOa? sx xpotoiac 5 ■^^svvixöv dvspa iroiij-
xat xauia xpsivwv tov sXsu^spov ou xsv ajidpioi?,
OYxov 8e Tüpo^ovcDV X9jpov xal cp^T^vacpov aYstj.
00 ■'/dp Tot TTpo-i'ovoi TOV IXsudspov dvopa TlOeVTl.
uc, ^dp Zsuc irdvTüiV TTpOTTOCKop, jxia o' dvSpdai pt'Ca^'
zXc, TTQcXo? irdvTtüV 0 OS xav cpuatv ilXajp saöXdv,
süiraTpioa? ttjVo? xal IXeuöspo? dxpsxs? Ivxi.
0 Bernays, Die Dialoge des Aristoteles S. 141. Es ist eine
ziemlich bedeutungslose aristotelische Floskel (Immisch S. 83), wenn
Philo 6 S. 443 sagt otat toIs (xe^' auTTjv aTraotv euyeveta? «PX^ T^"
veaOat, vgl. 3 S. 440 toTs (j-et' auxov ap^rj xaxoSaifAOvt'a?,
2) Plut. bei Stob. III S. 157 Mein, xt ydp dtXXo vojj.iCo|xev elvai
xrjv euyeveiav et (xt] TiaXaiov tiXoütov "ig "scat So^av TtaXatav. Dio Chrys.
Or. XV Bd. I 268 Dind. Wenn Philo auch im Folgenden die
Tüchtigkeit der Vorfahren voraussetzt, wird er doch auch dadurch
nicht veranlasst, das Problem tiefer zu fassen.
^) Die Idee der Gottesverwandtschaft wird ähnlich verwertet
bei Epiktet I 9 und I 3, Boethius III 6 (in dem Gedichte).
— 53 —
Dieser Gedanke drückt sich auch darin aus, dass die
Stoa suYsvYj? im Gegensatz zum früheren Sprachgebrauche
in rein ethischem Sinne gebraucht^). Nur die Tugend-
haften soll man nach Philo als su^svsT? bezeichnen, xav
t6)(üj(5iv sC oixoTpißojv Tj apYupcüvvJxwv YSYovoTs?^). Die
Schlechten, die von Guten abstammen^), dürfen darum
keinen Anspruch auf su^sveia erheben. Denn wie jeder
Schlechte verbannt ist (aus dem wahren Vaterlande der
Weisen, der Tugend), so ist er auch unedel, wenn er
auch von den besten Eltern und Ahnen stammt. Der
Adel ist ihm nicht nur nicht angeboren, sondern der
Schlechte ist sein erbittertster Feind, indem er den Ruf
seiner Ahnen vernichtet. Wie dem Blinden die Scharf-
sichtigkeit seiner Ahnen, dem Stotternden ihre Rede-
sicherheit, dem Kranken ihre Kraft nichts nützt, so auch
dem Schlechten nichts die Tugend seiner Eltern *). Wenn
^) Diese Identität von ev)yevY]s als eu Yeyovüjs Tipos dpetrjv und
yevvato^ begründet Dio Chrys. a. 0.
2) Umgekehrt der Dichter v. 13:
SoOXov V oux oxvr]|j(.t XeyTjv xaxov ouSe TpiSouXov
8s [7:poydv]ü)s «"^X^j xpaS^a 8s ol evSov d'(evvri(;.
Epiktet IV 1, 57. Zum Ausdruck xpt'SouXos vgl. Gnomol. Vat. Nr. 195
Philo Q. omn. prob. lib. 2 S. 446 toT? 6" ix xptyovt'as (so die Hss.
und Wilamowitz bei Ausfeld S. 24 statt Tptysvct'as) aTtyi^axiaiq, Tiat-
8dTpn];i xal TiaXaiooouXot?. TiaXatdoouXo? auch 21 S. 468. Epikt. IV
1, 7 Tüiv rpt? 7re7:pa[jL^v(üv. Hör. Sat. 11 7, 70 o totiens servus 76.
^) 1 S. 438 ToTs 6' i^ dya&uiv Tuovr]pots, ebenso 5 S. 441 und
am Schluss der Schrift; vgl. den 120. Brief des Phalaris S. 444 H
6 ji.£v ix cpauXujv dyaOo? . . . 6 5' di dyctdüiv cpaüXos.
^) Der folgende Satz ist nach Seiden, zu lesen: ouSe (st. oute)
ydp ol vdfxoi xoXg Tcapavofxoüatv, (bv et'atv aixol xoXaaxat, vdp.oi oe Tive?
[dv elsv] dypacpoi xal ol ßi'ot t(Öv C^'jXcüadvTCüv dpexVjv.
— 54 —
sie Menschengestalt annähme, würde die su^svaia viel-
mehr solche entartete Sprösslinge für ihre erbittertsten
Feinde erklären. Sie müssen ihr verhasster sein als die,
denen man unedle Geburt vorwirft. Denn diese dürften
sich damit entschuldigen, dass ihr Haus ihnen kein Bei-
spiel der Tüchtigkeit bietet, jene erscheinen um so
schuldiger, als sie sich des Glanzes ihres Geschlechtes
rühmen. Derselbe Gedanke findet sich in dem die
£U7£V£ia behandelnden 7. Kap. des Protreptikos Galens:
XaüTTjV '(OCp tJLOVTjV l/Ol}JL£V OC V , £l §7] Tt? EOfTlV £üY£V£ia?
)(p£ia, TTpb? oix£iov TTapa8£q{xa ^) xov C^i^ov yj^xTv ^fyvzax^ar
o)? £1 ^2 itaxa tloXü t^c irpo^ovtüv apEtr;? dTToXEiKOji-eöa . . .
al(3'/ßvri S' f| jj-iv cxuTOi? toöwSe jjleiCwv oao) xoci xo ^evo?
7:£ptcpav£ax£pov oi [jiev -^ap TravxaTrotatv aay]|xot xco -j'£V£t
xxX^). Zum Beweise, wie wenig die adlige Geburt hilft,
führt Philo (3 S. 439) den Frevel des Kain, den Ueber-
mut des Harn gegen seinen Vater, den Sündenfall Adams
an, der sich Gottes als Vaters rühmen konnte^), und als
jüdische Beispiele die Verwerfung der Söhne Abrahams
ausser des einen und die Verwerfung Esaus. Weiter wird
der Satz erhärtet, dass andere von schlechten Eltern ab-
stammten und trotzdem ein rühmenswertes Leben führten.
Dafür wird angeführt die Auswanderung Abrahams, der
als Typus der su^lvEia der Proselyten gilt, aus seiner
^) Danach ist wohl Philo zu ergänzen: toutois [j.ev ydp «TroXo-
Xoyi'a t6 [xr^Bev ofxetov e^eiv xaXoxayaOtas (Kapdhziyiia).
2) luvenal VIII 138ff. Boethius III 4. Epiktet II 24,25:
selbst die göttliche Abstammung hat Achill nicht vor unwürdigem
Verhalten bewahrt, vgl. IV 10, 36.
— 55 -
heidnischen Heimat, Thamar und die Kebsweiber Jakobs
und ihre Söhne. — Philo fand schon in seiner Quelle
zwei Reihen von Beispielen vor, die er der Tendenz
seiner Schrift entsprechend durch jüdische ersetzte. Bei
Plut. a. 0. finden wir Midas, Sardanapal, Xerxes auf der
einen, Aristides, Sokrates, Kynaigeiros auf der andern
Seite ^). Die Schrift schliesst mit einem heftigen Schluss-
wort gegen die, die den Adel, ein fremdes Gut, sich an-
massen^). Sie sind Feinde des jüdischen Volkes, weil
sie es veranlassen, wahren Adel gering zu achten im
Vertrauen auf irpo^ovtxYj apsiij, Feinde aller Menschen,
weil sie ihre Tugend nicht gelten lassen, wenn ihre Her-
kunft nicht vorwurfsfrei erscheint^).
^) Hör. Sat. I 6, 9if. stellt den vielen zwar ahnenlosen, aber
braven Menschen den entarteten Spross der Familie der Laevini
gegenüber. So sehr derselbe übrigens die Ueberschätzung des
Adels verhöhnt (v. 17), so trennt ihn doch das dum ingenuus v. 8
vom stoischen Standpunkte. Vgl. bei Galen a. 0. die Beispiele des
Themistokles, Anacbarsis (s. Menander fr. Inc. 533, 11 — 13 III
S. 157 Kock.)
2) Auch Quaest. in Gen. IV 180 sagt Philo, adelig sei nicht,
wer von vornehmen Vätern und Grossvätern abstamme, sondern
wer der Frömmigkeit der Väter nacheifere; der Wert des Menschen
könne nicht in einem fremden, sondern nur im eigenen Gut liegen.
Boethius III 6 quae (sc. nobilitas) si ad claritudinem refertur,
alle na est ... splendidum te, si tuam non habes, aliena claritudo
non efficit. De Abr. 45 S. 38 tiÄoütoi hä xat euyevetat 7rpoaopfJ.tCovTai
fxev xat ToTs cpauXoTaxot?* zi 8e xal [Jidvot? arcouSaiot?, dyxu)jj.ta Trpo-
ydviuv xai xu^^r]?, dW' ou xwv Ij^ovtwv eiö^v,
3) Vgl. De mon. I 7 S. 219,
— 56
IX.
Für die Geschichte der Consolationes ist bisher nicht
verwertet die philonische Ausführung De Abr. 44 S. 37.
Die Worte der Schrift (Gen. 23, 2. 3), dass Abraham, nach-
dem er ein wenig (dies Philos Zusatz, vgl. Quaest. in Gen.
IV 73) die Sara beklagt, von der Leiche aufgestanden, ver-
anlassen Philo, die philosophische Fassung des Patriarchen
mit Farben auszumalen, die er der Litteraturgattung der
Trostschrifcen entlehnt hat. Abraham hat die Trauer
überwunden, indem er den Xoytaixo?, den Gegner der
TiaÖT], stärkte und ermutigte. Es ist eine häufige Mah-
nung der Trostschriften, die Heilung des Schmerzes nicht
der Zeit zu überlassen, sondern durch vernünftige Ueber-
legung herbeizuführen. Der Gedanke wird vielleicht auch
von Krantor ausgesprochen sein^), auf dessen Trost-
schrift als letzte Quelle sicher das Folgende hinweist.
Die Mahnungen des Xo^iötio?, denen Abraham folgt, sind
folgende: ixtj-s ttXsov^) iou jisipioü acpaSa'Csiv ü)c sttI xoci-
voiaxio xal a^evr^iü) cjüficpopa jjltJxs aTcaösta xaöaTrep [itjBs-
vö? oSuvr^poü aDtjLßsßriXOTO? ypr^aba^, xo 8s {xeaov irpö xoiv
ocxpcDV sXofxsvov jisxpioiraösiv TrsipaOr^vai ^) x-^j [jtsv (pucset x6
oixetov XP^°^ dTToXaßouair] [lyj hua'/epaivovxa, x6 8s au|xßsßr^-
xoc "yj^u/TJ] xal irpao)? sTTsXacppiCovxa. Im Gegensatz zu
1) Plut. Cons. ad Apoll. 6. 20. Cic. Tusc. III 58. Sen. De
rem. fort. 9, 1.
2) So die besten Hss. statt Tikdin und Tietpaadai.
— 57
der strengeren Haltung der meisten stoischen Trostschriften
(Cic. Tusc. IV 38 Sen. Dial. XI 18,5) wird hier die
Metriopathie, die rechte Mitte zwischen übermässigem
Schmerz und Gefühllosigkeit, empfohlen (vgl. Sen. Dial.
XI 18, 5. 6 XII 16,1). Das ist der durch Cicero und
Plutarch bezeugte Standpunkt des Krantor ^).
Cic. Tusc. III 71 natura
adfert dolorem, cui quidem
Crantor, inquiunt, vester ce-
dendum putat; premit enim
atque instat nee resisti po-
test.^) II 12 nee absurde
Crantor .... minime, inquit,
adsentior iis qui istam nescio
quam indolentiam magno
opere laudant quae nee po-
test ulla esse nee debet^).
Cic. Acad. II 135 sed
quaero quando ista fuerint
ab Academia vetere decreta,
ut animum sapientis commo-
Plut. Cons. ad Apoll. 3
(Fr. 8 Kayser) t6 ' jib ouv
dX'j'sTv xal oaxvsaöai tsXsüttj-
aavxo? uioui «puaixvjv lyzi r/^v
ap)(7]V T^c XuTryj? xal oux scp'
7](xtv. OU Y^^P £Ytt>7£ ÖDtJLCpS-
po[xai TOic üfxvoüoft XTjv ayptov
xal axXyjpav aTrocösiav ICco xai
TOü Suvaxoui xal tou autxcpspov-
To? OüOfav. dcpaipT^öSTai -(dp
fjfXWV aSxY] TY]V £X TOU CplXsi-
aOai xal cpiXstv euvoiav, tjv
iravToc fidXXov SiaatoCsiv dva^-
xatov. xö OS TTspa lou» jxs-
xpioü irapsxcpspsaOat xal öuv-
aü?ctv xd ttsvOtt] irapd cpuaiv
^Tvai <^'^[Ji'i xal üTTo x9]? £v
1) Denn Epikur, der auf demselben Standpunkte steht (Fr.
120), kann für Philo als Quelle nicht in Betracht kommen.
2) Philo V. Mos. I 8 S. 87 von der Trauer um Tote toTs aSou-
XduTOis TTocOeat xr)? ^r^^/jic,^ d fji.dva aythbv i^ ocTuavTcuv Aeu^epa i] <p\iai<;
dvTixe Sen. Dial. VI 7, 1 XII 17, 1.
58 —
veri et conturbari negarent.
mediocritates illi probabant
et in omni permotione na-
turalem volebant esse quen-
dam modum. legimus om-
nes Crantoris veteris Acade-
mici de luctu.
Tusc. III 71 ne aegrotus
sim; sed si fuerim, sensus
adsit, sive secetur quid sive
avellatur a corpore, nam
istud nihil dolere non sine
magna mercede contingit,
immanitatis in animo, stupo-
ris in corpore.
(vgl. Kap. 26). 610 xai toüto
|X£V saxlov ü)? ßXaßspov xai
(pauiXov xal a7rou5aioi? av5pa-
aiV ^KiaZOL TTpSITOV, TYjV Ss
[xsipioTraösiav oux ditoSoxi}i.a-
axsov. [lY] Y^p voaoT[x£v, cpyj-
alv 6 'Axa8r]{xaix6? KpavKwp,
voaTJaaat 8s irapsiY] ziq aibör^-
(31?, £lV OUV xlfXVOlTO Tt
TÜJV Yj[l£T£pÜJV £lV dTZOdTZlüTO.
zb Y^p avwSuvov toüto oux
av£u [j,£7aXü)y I^Yi^Vcxat fxi-
aöaiv. T£Ö7jpta)a()ai "(ap £txö?
£X£l [X£V aüifXOC TOIOUTOV, £V-
lau&a §£ ^u/7]v (vgl. Kap. 4).
Durch Philo gewinnen wir einen neuen Beweis da-
für, dass das ganze Kapitel des Plutarch die Gedanken
des Krantor wiederholt. Durch ihn wird bestätigt, was
schon aus Cic. Acad. zu vermuten war (Zeller II 1
S. 1048), dass Krantor die Metriopathie mit diesem Aus-
druck empfohlen habe. Wie bei Philo daran erinnert
wird, dass der Verlust nicht als etwas ganz Neues und
Unerhörtes (oj? im xaivoTan[] xat ol^zv^hö aüfxcpopa) be-
trachtet werden darf, so heisst es bei Plutarch nach einem
Citate aus Krantor (Fr. 9 Kayser) Kap. 6 S. 104 D: xaivöv
dxo'/ßXv oü8£V dv^ptüTTü) , dXXa 7:dvT£s xauib 7r£7r6v&ajx£v ^).
^) Wyttenbach schreibt auch diese Worte noch Krantor zu.
— 59 —
Der Gedanke, class das Leben wie alle Güter ein von
Gott dem Menschen verliehenes Lehen ist, das mit
Recht jeder Zeit wieder eingefordert werden darf, findet
sich wie bei Philo so in den Trostschriften häufig
ausgesprochen ^). Auch die Ausführung des Gedankens
bei Philo: xaOaTrep §£ ouSsk av a^^öotxo tüjv jxsxpiüiv r^ xpsos
TJ Trapaxaxaör^xr^v dviozivaiv tco TrposjjLSVtp , xov auxov xpoTrov
ouSs XTJ? (poaziü^ diioXafxßavouarj^ )(aX£7raiV£iv cpsxo osiv, dXXa
xoic dva'/xaioi? dafxsvi'Cstv erinnert an Plut. Kap. 28: ou Ssi
ouv 6üacpop£iv, iav a l/pTjaav f^fxiv irpö? oXqov, xaöx' dirai-
xü)(Jtv. 0ü8£ yap oi xpa7r£Crxai, xa{)d7r£p £ia>0'a[X£V X£'(£tv
TToXXdxi?, d7raixoü[X£Voi xd 0£}jLaxa Sua^^Epaivouöiv IttI
x-^ d7roo6a£i, £dvTr£p £U'yvü)[jiovwai xxX. ''^) Sen. De rem.
fort. 3,4. 3,2 Dial. XI 10. Zu vergleichen ist noch De
Cherub. 33 S. 160 (s. auch Quaest. in Gen. III 10), wo
Philo mit deutlichem Anklang an das plutarchische Citat
(a. 0.) aus Euripides (Phoen. 555) ausführt, dass wir die
Dass der Schmerz mit vielen oder allen Menschen einem gemein-
sam ist, wird als Trostgrund benutzt bei Plut. 9 S. 106 C 32
S. 118 C. Cic. Tusc. III 59ff. Sen. Dial. XI 1,4.
') Philo De Abr. a. 0. t^ (xev cpuaei t6 o^/teTov Xpio<; «TtoXaßouCY]
De Jos. 5 S. 45 xo oJ-zeTov dcpXTjfxa xrjs cpuaew? aTioXaßooar]? De vict.
ofFer. 6 S. 256 tov [Aexa^u /povov fz^iaeim %cd ■^avaxou Tiapd Oeoü
yprjötv Xaßwv und besonders Quis rer. div. heres 21 S. 487 [Plato]
Äxioclms S. 367 B Teles S. 11, 1 Plut. a. 0. Kap. 10 S. 106 F 28
S. 116. Cic. Tusc. I 93 Hör. A. P. 63 Sen. Dial. VI 10 Epist. 120,18
De rem. fort 2,1. 10,7.10. 13,3 Buresch Leipz. Stud. IX S. 104 ^
Praechter, Cebetis tabula quanam aetate conscripta esse videatur
S. 47. Der philonische Ausdruck /peos findet sich auch im
Axiochus und bei Plut.
2) Kynisch ist der denselben Gedanken ausdrückende Ver-
gleich bei Epiktet IV 1,79 (110).
— 60 —
äusseren Güter ') und auch das Leben wie einen fremden
(Gottes) Besitz gebrauchen und, wenn wir erkannt haben,
dass wir alles nur als Lehen haben, auch nicht vergessen
dürfen, dass der Herr das Recht hat, sein Eigentum, wann
er will, zurückzufordern. Wenn er besonders hervorhebt,
dass wir durch diese Vorstellung den Schmerz über Ver-
luste erleichtern, dass sie eine Quelle reichen Trostes ist,
so giebt er zu erkennen, dass es Gedanken der Trostschriften
sind, die er wiederholt. — In der Schrift De Abr. wird
noch der Trostgrund angeführt, dass durch den Tod die
Seele nicht vernichtet, sondern vom Körper getrennt wird
und zu ihrer Heimat eingeht. Die Möglichkeit, dass der
Tod als Rückkehr der Seele zu einem reineren Dasein
kein Uebel, sondern ein Gut ist, wird auch im Anschluss
an Plato von Cic. Tusc. I 51. 74ff.O erwogen. — V.
Mos. 18 S. 87 lässt Philo den Moses sein Volk im
Druck der ägyptischen Herrschaft mit dem Gedanken
trösten, dass alle menschlichen Dinge beständigem
Wechsel unterworfen seien: iravTa ^ap iisiaßa'XXEiv xa
£v Tu) xoajjLü) TTpb? xavavTiot, vscpcjoatv eU aiöpictv, ^veu-
jAOcxtüV ßiac £U alpa vVjvsjxov, xXuStova OaXaxxrj? zh
TiauyioLv xal ^(«Xr^vr^v, xa o' dvöpwirsia xotl [xaXXov, oatp-
TTsp aaxa{}{xrjx6x£pa. xouxoi? xaxsiraocüv ^) woiTicp aYaöo;
0 lieber die Betrachtung der äusseren Güter als Lehen s. Kiess-
ling zu Hör. Sat. II 2, 126 Epist. 2 II 175 und Lucian Nigr. 26, Se-
gaar in Dindorfs Clemens Alex. III S. 534. 542.
2) Axiochus S. 365B Plut. S. 117F toO t^? imhri[i.iaq . . . ypdvou
Sen. Dial. XI 9, 3.
^) üeber den Gebrauch dieses Wortes s. Buresch S. 123.
— 61 —
laxpo;^) . . . Auch dieser Gedanke wird in den Trostschriften
oft ausgesprochen, bald um das Uebel als notwendiges
und unvermeidliches Glied in dem Wechsel der Verhält-
nisse erkennen zu lassen, bald um eben aus diesem
Wechsel die Hoffnung auf eine bessere Zukunft herzu-
leiten^). Zum Schluss sei noch hingewiesen auf den
Gedanken De Jos. 5 S. 45 wxufiopoc o5osk vj ^) iraviec;
av{>p(o7roi* xal ^ap 6 [xa/popitoxaTOC oXqo^povKüiaTo? avxs^sia-
Coasvo? alüivi. Damit vergleiche man ausser dem, was
Cic. I 93 und Plut. S. 110 E (117 E) über den ampo?
öavaio? sagen, Plut. S. 111 C t6 ts ttoXu ot^ttouösv tJ
fiixpöv OüSkv Stacpspciv SoxsT Trpö? xöv aizeipov dcpopaiaiv
aiwva xxX. (107 A) und die Parallele bei Cic. I 94*).
X.
Ich fasse zum Schluss kurz die Resultate zusammen,
die sich aus der Betrachtung der diatribenartigen Par-
tieen bei Philo ^) ergeben:
^) Der Text nach den besten Hss. Vgl. auch S. 49.
2) Vgl. z. B. Klitomachus (Buresch S. 59) und Plut. 5, nament-
lich die Worte -/a\ Iv OaXaxTY] suotat xe xal j^eifjiüivs?, ouxto xal iv ßt'u)
TzoXKai xat Trotxt'Xai iteptaxaaets yiyvofxsvat Tipos xd? Ivavxia? Trepictyouai
xoü? dv'^pwTrotJ? xu^a?.
^) So die besten Hss., vulg. (Lxufxopoi 8' etat Travxe?.
■•) Buresch S. 50 Brinkmann, Quaestionum de dialogis Piatoni
falso addictis specimen, Bonn 1891 S. 17.
^) Nicht berücksichtigt habe ich hier die schon in den Neu
entdeckten Fragmenten S. 139 fF. behandelte Lobrede auf den Ttdvo?
(De sacr. Abelis et Caini 6 — 9 S. 168. 169), auch nicht manche
— 62 —
1. An vielen Stellen seiner Schriften hat Philo Ge-
danken eingeflochten, die mit Vorliebe in populären
Traktaten und Vorträgen der Philosophen ausgeführt
wurden. Die häufige Wiederholung namentlich der
die äussere Lebensführung regelnden Grundsätze, die fast
stereotypen Formen, in denen sie wieder und wieder ge-
predigt werden, die unvermittelte Art, in der diese
Episoden oft eingeführt werden, beweist, wie vertraut
Philo diese Ideen waren, die ihm jeder Zeit in seinem
Gedächtnis bereit lagen, wie wertvoll sie ihm erschienen.
Es genügt die philosophische Richtung und die Litteratur-
gattung, der sie angehören, zu bestimmen. Nach einem
bestimmten Namen zu suchen, nach einer Quelle wäre
fruchtlos und wohl auch verkehrt.
2. Denn diese Gedanken waren damals mehr oder
weniger Gemeingut der Gebildeten. Die sittlichen Ideale, die
Philo seiner Zeit predigt, die Art, wie er seine sittlichen
Grundsätze auf alle Gebiete des äusseren Lebens anwendet,
die düstern Schilderungen, die er von den Sitten seiner
Zeit entwirft, zeigten oft bis in den Wortlaut hinein die ge-
naueste Uebereinstimmung mit Musonius, eine Ueberein-
stimmung, wie sie in dem Maasse Musonius mit keinem der
ihm verwandten Schriftsteller aufweist. Die Annahme eines
Abhängigkeitsverhältnisses ist völlig ausgeschlossen, die
Uebereinstimmung erklärt sich genügend aus der aner-
Stellen der Schrift De animalibus, da für sie von anderer Seite
eine gründliche Quellenuntersuchung zu erwarten ist. Die Be-
nutzung bionischer Gedanken in der Schrift Q. o. prob. lib. erörtert
Hense Rh. M. XL VII S. 219 ff.
— 63 —
kannten Thatsache, dass in der Entwickelung der Diatribe
eine Fülle von Gemeinplätzen oft in bestimmten sprach-
lichen Formen ausgeprägt und in diesen Formen als
fester Bestand überliefert wurde wie die Grundgedanken
der attischen Panegyrik oder die Hauptthemen der alt-
christlichen Apologetik. Die Ausprägung dieses Gedanken-
materials, das wir aus Seneca und Musonius, aus Dio
Chrysostomus und Epiktet kennen, dürfen wir nun, da
Philo als Zeuge hinzukommt, einer beträchtlich früheren
Periode zuschreiben. Wir müssen eine längere Ent-
wickelung annehmen, die diesen Gedanken eine Bedeu-
tung und Macht errang und sicherte, die sie zu Philos
Zeit bereits besessen haben müssen. Schon im ersten
Jahrhundert vor Christus muss es eine umfangreiche
populäre Erbauungslitteratur , muss es Prediger und
Schriftsteller gegeben haben, die diese Ideen in die
Massen trugen. Und dafür fehlt es uns nicht an Spuren.
Hör. Sat. H 3 lässt den bankerott gewordenen Dama-
sippus als jungen Adepten der Lehre des Stertinius auf-
treten, um den stoischen Satz, oti ira? acppwv [xaivsiat,
mit den Worten seines Meisters zu erweisen. Die „Ma-
nier der stoischen Kapuzinaden" wird travestirt ^). Und
n 7 bringt der Sklave Davus — man erinnert sich jetzt
dabei an den Epiktet -Verehrer der pisidischen Inschrift
— seine vom Portier des Stoikers Plotius Crispinus frisch
bezogene Weisheit an den Mann, indem er dem Dichter
den Satz oii jiovo? 6 ofocpb? IXsuöspo? an seiner Person
1) Kiessling S. 152.
— 64 —
vordemonstrirt. Und nicht selten schlägt Horaz ganz un-
vermittelt den Ton des stoischen Predigers an (I 3, 126).
Es sind ephemere Grössen, dieser Stertinius und Crispi-
nus — denn gerade auf diesem Gebiete erneuerte sich
die Litteratur fortgesetzt, und das Neue brachte das Alte
in Vergessenheit — , es sind nur Vertreter einer gewiss
weit verbreiteten Gattung; aber sie haben doch litte-
rarische Grössen sein wollen. Von Stertinius sagen die
pseudacronischen Schollen (zu Ep. I 12,20): philosophus,
qui CCXX libros Stoicorum latine scripsit — eine Nach-
richt, die nicht ganz erdichtet zu sein braucht. Von Cris-
piniscrinia redet Hör. I 1, 120, was in dem Zusammen-
hange ebenso wohl auf philosophische Traktate wie auf
Dichtungen sich beziehen kann. Und von der Schrift-
stellerei des langweiligen stoischen Deklamators Fabius
(I 1, 14) weiss Porphyrio. Und wenn uns auch Horaz
Karrikaturen vorführt, die vielleicht nicht ganz der
Wirklichkeit entsprechen^), so bezeugt er doch, in wie
weite und verschiedene Kreise die Wirkung der philo-
sophischen Predigt und Erbauungslitteratur drang. Und
das bezeugen auch indirekt seine Satiren und Episteln,
die ein für ethische Kultur interessirtes Publikum voraus-
setzen. Und neben den Karrikaturen — das Wort
dpeiaXo^o? (Meister, Sitzungsber. der Kön. sächs. Ges. d.
Wiss. 1891 S. 13 ff.) scheint damals zuerst auf die Philo-
sophen übertragen zu sein — wird es auch würdigere
Vertreter der Popularphilosophie gegeben haben.
^) Kiessling zu I 1, 13.
— 65 —
3. In späterer Zeit dürfen wir als einen Durcli-
schnittstypus dieser Gattung Musonius betrachten. Wenn
uns jetzt der Vergleich mit Philo lehrt, in wie hohem
Maasse er von der früheren Ueberlieferung der Diatribe
abhängig ist und wie sehr er in ausgetretenen Geleisen
wandelt, so scheint uns der Ruf, dessen er sich zu seiner
Zeit und bei der Nachwelt erfreute, zu seiner wirklichen
Bedeutung in keinem rechten Verhältnis zu stehen, auch
wenn wir annehmen, dass von der Wirkung der Persön-
lichkeit in den Aufzeichnungen des Schülers viel ver-
loren gegangen ist ^). Musonius erscheint uns als Dok-
trinär und wenig originaler Geist, bei Epiktet vernehmen
wir fast in jedem Satze den Schlag eines lebendig
fühlenden Herzens. Durchsichtigkeit und Klarheit im
Vortrage sind die Vorzüge des einen, Feuer und Leiden-
schaft die des andern.
4. In den von uns behandelten Ausführungen Philos
haben wir eine bis jetzt fast gar nicht benutzte Quelle
für die Sittengeschichte seiner Zeit gewonnen. Indem
wir aber zugleich erkannt haben, wie die strengen Grund-
sätze und das Ideal der Stoa das Urteil Philos und der
verwandten Schriftsteller bestimmten, wie sich diese
strengen, oft rigorosen Grundsätze auch weiteren Kreisen
mitteilten und wie die sentimentale Stimmung der Zeit
die Durchführung dieser Grundsätze gern als frommen
Wunsch aussprach, vor dessen Erfüllung man wohl er-
schreckt wäre, sind wir in den Stand gesetzt, den ge-
^) S. den Anhang.
Festschrift für Diels.
— 66 —
schichtlichen Wert dieser Zeugnisse richtig abzuschätzen.
Als Zeugnisse für die Stimmung der Zeit haben sie einen
hohen Wert, als Zeugnisse für die sittlichen und gesell-
schaftlichen Zustände sind sie mit Vorsicht zu benutzen.
Fast überall in der Litteratur, wo der Luxus bekämpft
wird, hören wir das Pathos der stoischen Predigt durch,
und die Deklamationen gegen den Luxus sind meist so
allgemein gehalten und so wenig individuell gefärbt, dass
sie für die Erkenntniss der wirklichen sittlichen und
socialen Zustände nur mit Vorsicht zu benutzen sind.
Wer sich vergegenwärtigt, dass diesen Klagen ein Stand-
punkt der Beurteilung zu Grunde liegt, dem schon als
verwerflicher Luxus erscheint, was eine unbefangene Be-
trachtung als berechtigten Komfort ansieht, wird aus
ihnen ebenso wenig ein geschichtliches Bild meinen ge-
winnen zu können wie aus den Deklamationen Rousseaus
ein treues Bild der sittlichen Zustände seiner Zeit. „Die
Klagen patriotischer Schriftsteller", denen manche auch
nach Friedländers unbefangener Kritik ein zu grosses
Gewicht beimessen, sind in der überstrengen stoischen
Doktrin noch mehr begründet als in wirklichen Miss-
ständen.
5. Als besonders reichhaltige Quelle für die stoische
Diatribe hat sich uns die philonische Schrift Us.pi ßiou
{>£a)pyjTixoL> ergeben. Philo misst hier die sittlichen Ver-
hältnisse seiner Zeit mit stoischem Maassstabe. Wie sie
auf allen Gebieten dem stoischen Ideale widersprechen,
so erscheint dies Ideal verkörpert in der Gemeinschaft
der Therapeuten. Ist es wahrscheinlich, dass ei n Schrift-
— 67 —
steller aus dem Beginn des 4. Jahrhunderts, in das die
jetzt von den Theologen fast allgemein angenommene
Ansicht die Schrift legt, diesen stoischen Standpunkt ein-
genommen habe^)? Der reine Stoicismus war damals
untergegangen, die herrschende Philosophie der Platonis-
mus. Hatte im 2. Jahrhundert die Stoa einen bedeuten-
den Einfluss auf die christliche Lehrentwickelung ausge-
übt, so war sie jetzt auch in der Kirche abgelöst durch
den Piatonismus. Und als man das Mönchtum und die
mönchische Lebensweise auf eine Theorie und in ein
System brachte, da entlehnte man die maassgebenden
Grundsätze dem Neuplatonismus und verwertete stoische
Ideen nur,^ soweit sie im Piatonismus aufgegangen waren.
Die Thatsache, dass die Schrift über die Therapeuten
nur in der Blütezeit der stoischen Diatribe, der sie ihre
leitenden Gesichtspunkte entlehnt, verständlich ist, dass,
wie ich an anderer Stelle zeigen werde, manche Anstösse
sich unter dieser Voraussetzung erklären, ist ein wichtiger
Grund für ihre Echtheit.
0 Aus der Nachahmung Philos allein lässt sich der stoische
Standpunkt nicht erklären. Denn dazu ist einmal das stoische
Kolorit zu streng festgehalten. Ferner bietet die Schrift, wie wir
sahen, Gedanken der stoischen Diatribe, die sich sonst bei Philo
nicht finden.
5*
ANHANG
MÜSONIUS UND CLEMENS ALEXANDRINUS.
Bei Stob. II S. 193 Wachsmuth findet sich eine Ab-
handlung des Musonius mit dem Titel Auxiou Ix xwv
Mouöü)Vioü TTOTspov iG/üpoTspov löo? 7^ Xo^o?, Und derselbe
Lucius war citirt im ersten Buche (Elter, De loannis
Stobaei codice Photiano S. 46). Sicher gehen auf die-
selben aTroixvyjfjLovsüfiaia des Lucius mit Ausnahme einiger
kürzerer Sentenzen alle Reste des Musonius zurück ^).
Das beweist die völlige Gleichheit des Stiles, und ich
hätte Quaest. Muson. S. 22 gar keine Bedenken dagegen
äussern dürfen^). Daran darf man sich auch dadurch
nicht irre machen lassen, dass Suidas unter IlüiXituv eine
Schrift d7ro|Jivr^[jLov£U[iaTa Moüacovioü xou (piXoaocpoü erwähnt.
Wenn es nicht wahrscheinlich ist, dass zwei Schüler des
Musonius seine Vorträge aufgezeichnet haben, wird man
1) Hense zu Stob. S. 173, 4.
2) Vgl. die Ueberliefevung des Teles. Der Excerpter Theo-
dorus wird hier auch nur einmal genannt, obgleich alle Stücke
auf ihn zurückgehen.
— 69 —
eher geneigt sein, beide Schriften zu identificiren und
anzunehmen, dass entweder Stobaeus ungenau das Präno-
men des Pollio erwähnt hat^), oder dass, wie die Dia-
triben des Teles uns durch den Excerptor Theodorus auf-
bewahrt sind, so die Vorträge des Musonius durch die
Hand eines Lucius durchgegangen sind, ehe sie Stobaeus
benutzte.
Wichtiger ist es mir, einen andern Irrtum zu be-
richtigen, in dem andere mir unbesehen gefolgt sind.
Ich meinte beweisen zu können, dass Clemens an den
mit Musonius bei Stob, übereinstimmenden Stellen nicht
aus derselben Quelle wie Stobaeus, sondern aus einer
eigenen Schrift des Musonius geschöpft habe. Dass auf
die Zeugnisse eines Suidas und Eunapius über eine
Schrift des Musonius, die nur auf ungenauer Ausdrucks-
weise beruhen können, an und für sich nichts zu geben
sei, wusste ich; aber ich meinte die schwachen äusseren
Zeugnisse durch innere Gründe bekräftigen zu können.
Clemens schien mir an manchen der mit Musonius bei
Stob, übereinstimmenden Stellen einen ursprünglicheren
Wortlaut vorauszusetzen; Lucius hätte dann die Schrift
des Musonius wie Clem. benutzt, aber mitunter weniger
treu wiedergegeben. Eine nochmalige Erwägung der in
Betracht kommenden wichtigsten Stellen hat mich in-
zwischen eines Besseren belehrt. Wie unverständig
1) So Wyttenbach bei Peerlkamp S. 38. Die Stelle des Plin.
VII 31, wo jetzt nach den besten IIss. Anni Bassi statt Musonii
Bassi gelesen wü'd, kommt überhaupt nicht in Betracht.
— 70 —
Clemens mitunter den Musonius benutzt, kann folgende
Stelle lehren:
Clemens II 115 S. 239 P
Mus. bei Stob. S. 173, 14H
6si Y^P '^V öi^^^'^iV auxr^?
xpsTxTOV dTrocpaivsiv xo g/stto-
jjLSvov xal ta)(üp6x£pov , aXX'
oüx döOsveaxspov xs xal xs^P^^*
Ssi 8s XY]v öxsiryjv, oT[xai,
auxö auxTJ? ^) xpsixxov diio-
cpai'vStV x6 aXETTOfXSVOV, Ws xö
d'-yaXixa xou vscb xal xtjv «J^ü-
^y]v xoöi aa>[xaxo? xal x^?
eaÖTjXog xo awfia. Man mag anerkennen, dass bei
Clemens der nicht sehr passende Vergleich der Stärke
und Schwäche des Menschen mit der des Kleides (diese
kommt hier nicht in Betracht, sondern die Pracht) fehlt.
Aber darum hat Clemens noch nicht eine andere Quelle
benutzt, sondern seine Quelle nur umgestaltet. Denn
das folgende wc x6 — acufia ist sicher eigener Zusatz,
da es aus der Konstruktion fällt. Es müsste heissen oj;
x6v vsojv xö d'YaXjJLa (sc. Ssi sauxou xpsTxxov duOüaivsiv)
etc. Der sich anschliessende Gedanke, dass der Leib
mancher Frau beim Verkaufe nicht den zehnten Teil
einbringen würde wie ihr Kleid, kann sehr wohl aus
Musonius stammen, ist dann aber von Clemens aus einer
andern Stelle der dTrofivr^fxvsufxaxa entlehnt und mit der
uns erhaltenen kontaminirt.
Clem. II 120 S. 243 P
1x6(5(1) [X£V ^dp £üxX££ÖX£pOV
XOÖ TToXüTsXü)? OIXSIV XÖ TUoX-
Mus. a. 0. S. 175, 18
TToacD [jLSv suxXslaxEpov xoü
TToXüXcXü)? 01X£IV xo TToXXoU«;
^) auToö die Hs. auxr)? Potter aus Stob. Ich habe beide Stellen
früher falsch behandelt, wie Hense mit Recht hervorhebt.
— 71 —
Xoü? susp^sTstv; TToati) 8s au-
VSXtOlSpOV TOU £1? Xl'OoU? XOtl
)(püaiov TÖ £1? avOpwTCou? ava-
XiaX£lV; TTOOfü) 8s Ü)Cp£Xl[Jt(JüT£pOV
Tojv aiJ;u)(a)V xoa(ji(ajv xö cpi-
Xou? x£XT7Jaöai xoafjiioi)?; xiva
8s av d^pol ToaoüTov oaov
£ü£pYST£Tv; TToatt) o£ xaXoxa-
7a0ixa)T£pov toü avaXiorxsiv £i?
ioXoi xat Xiöoü? TÖ £1? av-
OptoTtou? dvaXiax£iv; iroatp 81
a)cp£Xi}xa)T£pov toü TispißsßX^-
öOai fjLSYdXvjv oixtav tö xsxttj-
ö&ai cpiXoü? TToXXou?; . . . Tt 8'
av ovaiTo Tt? ttjXixoutov dir'
oixia? [xs^s&ou? Tsxal xdXXou?,
TjXixov «ttö toü 5(aptCsG'i)ai
TToXst xal TToXlTat«? SX TOJV
Den ersten Satz hat Clemens allein treu wieder-
gegeben, dann von Glied zu Glied willkürlicher geändert,
im dritten, ein Wortspiel hineinbringend, den Parallelis-
mus und die Paronomasie zerstört, im vierten die Häuser-
pracht durch reichen Grundbesitz, der nicht in den Zu-
sammenhang passt, ersetzt. Also ist auch im zweiten
Gliede, wie sicher ^^pucjiov statt ^uXa, so auch ofüvsTwTspov
willkürliche Aenderung, und ich durfte nicht sagen
(S. 28): hoc melius quam quod discipulus Mus. praebet.
Ebenso unsicher oder unwahrscheinlich sind aber
auch die anderen früher von mir beigebrachten Gründe
für die Abhängigkeit des Clemens von einer Schrift des
Musonius. Die Anordnung von Clem. II 15 S. 173P er-
scheint, mit Stob. S. 504,8 H verglichen, nicht glücklich.
Bei Stob. S. 524 ist nach der ganzen Anlage neben der
Definition von -yacjTptiJLapYia und o^j^ocpa^ia kein Platz für
die von Clem. II 12 S. 172 eingeschobene Etymologie
— 72 —
der XaifiapYta. Stob. S. 528 scheint der Zusatz bei Clem.
II 5 S. 166 ganz passend, dass die, welche einfache Nahrung
gemessen, auch klüger sind, wie die Philosophen klüger
als die Reichen. Aber das Folgende und die Ausführung
bei Stob. 505 konnte Clemens zu diesem Zusätze veran-
lassen^). Auch in den andern Parallelen des Clem. ist
der Text zum Teil willkürlich geändert, eine bessere
Vorlage des Clemens nirgends zu erschliessen ^).
Damit scheint mir meine Vermutung widerlegt, die
auch darum unwahrscheinlich ist, weil der Verfasser der
d:ro|xv7j}jLOV£U}jLaTa, wenn die eigenen X6701 des Musonius
existirten, keinen Anlass zu seinen Aufzeichnungen hatte,
in denen er zum grössten Teil unter der Fiktion, die
von ihm gehörten Vorträge wiederzugeben, den Mu-
sonius ausgeschrieben hätte. Clemens und überhaupt die
von Musonius abhängigen Schriftsteller benutzen also alle
ein Werk, die durch einen Schüler überlieferten Vor-
träge des Musonius. Nur die Aussprüche des ' Poucpo?
bei Epiktet beruhen auf mündlicher Kunde. Auch die
kurzen Sentenzen des Musonius bei Stobaeus scheinen
auf jenes Werk zurückzugehen , wenn sie wohl auch
^) Damit nehme ich meine Bemerkungen Quaest. Muson. S. 24.
25. 27 zurück.
2) S. die von Hense zu S. 174, 15. 286, 13. 287, 5. 12. 289,
10. 291, 3. 505, 8. 14. 524, 8. 10. 527, 1. 9 angeführten Stellen und
meine Quaest. Muson S. 24. Bei Stob. III S. 148, 14 Mein, ist
freilich eixdXio? aus Clem. II 38 S. 190 einzusetzen. Aber hier
ist der Fehler eines Schreibers, nicht eines Excerptors anzu-
nehmen.
— 73 —
durch einen andern als Stob, ihre prägnante Form er-
halten haben ^).
Von dieser Berichtigung bleibt übrigens das Haupt-
resultat meiner Untersuchung im wesentlichen unberührt.
Wenn Clemens auch keine Schrift des Musonius benutzt
hat, so hat er doch das von Stobaeus excerpirte Werk
in seinem ganzen Umfange gelesen, hat Vorträge oder
Teile von Vorträgen in seine Schrift herübergenommen,
die Stobaeus verschmäht hat. Diese Erkenntniss scheint
mir gerade durch die vorliegende Arbeit bestätigt und
ergänzt. Denn wenn wir viele Berührungen des Cle-
mens mit der Diatribe nachweisen konnten ^), für die ge-
naue Parallelen des Musonius fehlen, so wird es immer
das Wahrscheinlichste sein, diese Stellen des Clemens auf
Musonius zurückzuführen, auch auf die Gefahr hin, an
der einen oder andern Stelle zu irren.
0 Das machen die von mir Quaest. Muson S. 33 Anm. 64, 17
(oben S. 13'-^) angeführten Parallelen aus Clem. wahrscheinlich.
Daraus wäre auf einen recht bedeutenden Umfang der dTtofxvTjfxo-
veufjLaxa zu schliessen.
2) Vgl. namentlich S. ll"*. 132. 16^. 20. 21. 24. 25. 27. 28. 292.
312. 33. 371.
REGISTER.
äywves, tspot S. 43.
Adel S. 51ff.
Apophthegmen und Gno-
men S. 92. 101. ii2_ 142^ 251.
261 27*. 28. 293. 342. 42.431.2
444. 292.
Aristipp S. 472.
Aristoteles S. 44. 46. 49'. 52i.
Athleten S. 22. 43.
Aurelius, M. Antoninus S. 40"-.
Axiochus S. 591.
Boethius S. 52^. 542. 552.
Cicero S. 6. 232. 56 ff.
Clemens, Alexandrinus, s. be-
sonders S. 68 ff. und die S. 732
gesammelten Stelleu.
Demosthenes S. 41.
Diatribe, ihre Geschichte S. 3 ff.
63 ff., ihr Stil S. 402. 473.
Dichtercitate in der Diatribe
S. 241. 28.
Dio, Chrysostomus S. 17^. 30^.
36. 51 ff.
[Diogenes], Briefe S. 163. 172.
262. 27*. 281. 29'. 343. 394,
402.
Dioskurides, üeber Sitten bei
Homer S. 7.103.
Ixcppaacis S. 23.
Epiktet S. 34. 36.37'. 39.402.
44. 45. 47. 523. 532, 542^ 592^
verbessert S. 31 DI 19, 29,
S. 45 I 6,23.
Epikur S. 92. 12^. 46. 57'.
Euripides S. 11*. 59.
Feste S. 41.
Galen, Protreptikos S. 13'. 203.
242. 43*. 51 ff.
Haartracht S. 33. 34^.
HeraklitS. 13. 14., Briefe S. 28.
39 ff.
[Hippokrates], Briefe S. 191
39*. 421. 453.
Horatius S. 13^. 243. 30'. 37.
453. 532. 55'. 591. 60'. 63.
64.
Inschrift, pisidische S. 52.532.
63.
luvenal S. 52. 542.
— 75
Kleanthes S. 492.
Klitomachus S. 6V.
Krantor S. 56 ff.
Kränze S. 31.
[Krates], Briefe S. 39^
K y n i k 6 r , ihre Lebensweise
S. 12^ \ 27*. 46, Ansicht über
die Ehe 34^, Beruf des kyni-
schen Philosophen S. 39^, ihre
Apophthegmen S. 5^.
Laertius, Diogenes, verbessert
VI 73 S. 39^
LucianS.103. 13^. VoK 173.27*.
30^ 3P. 37 ^ 42. 60'.
Lykon S. 22^.
Menander S. 55'.
Musik S. 44.
Musonius S. 6'. llff. 17ff. 20.
26 ff. 35 ff. 402. 453. 502^ ver-
bessert Stob. S. 752,5 H S. 12.
Urteil über ihn S. 65. Ueber-
lieferung seiner Vorträge
S. 68 ff.
Mysterien S. 42.
Paradoxa, stoische, S. 49 ft".
Persius S. 432.
Philo, verbessert S. 18 De ebr.
52, S. 16 De mut. nom. 43,
S. 91 De somn. I 16, S. 39^
De somn. I 20, S. 19 25. 26.
27^ 30.31 De somn. II 7 ff.,
S. 56 De Abr. 44, S. 60 V.
Mos. I 8, S. 352. 36 De leg.
spec. 2 S. 301, S. 36^ De
creat. princ. 11, S. 37 De ca-
ritate 17, S. 9 De praem. et
poen. 17, S. 5P. 53*. 54^ De
nobil., S.16'D.V.C.4,S.22i2
D. V. C. 5, S. 33 D. V. C. 7,
S. 272 D. V. C. 9. Die Schrift
über den Adel S. 51 ff., Echt-
heit der Schrift D. V. C. S. 66.
67.
Plato S. 33. 37'. 60.
Plutarch S. 522. 55^.
Porphyrius S. 45^, verbessert
De abst. I 54 S. 10'.
Salben S. 29. 342.
Seneca S. 5'. 6^ 122. 232. 321.
35. 31 K 402. 472. 52. 56 ff.
Sittenpredigt, stoische S. 66.
Sklaven S. 32.
Teles S. 12^. 27*. 502. 59'.
Theater S. 44.
»t'acot S. 43.
Trostschriften S. 56 ff.
Xenophon S. S^. 11. 14^ 33.
Zeno S.472. 492.
I
ZWEI KULTINSCHßlFTEN AUS
KLEINASIEN
VON
0. KERN.
I.
DIONYSOS IN MAGNESIA.
Von der Verehrung des DioDysos in Magnesia am
Maiandros wussten wir lange Zeit nur durch die Münzen,
bis kurz vor dem Beginn der deutschen Ausgrabungen
eine Inschrift ans Licht trat, die mit vollem Recht Auf-
sehen gemacht hat, das delphische Orakel über die Ein-
fiihruDg des Dionysoskults in Magnesia^). Bei unseren Aus-
grabungen ist kein neuer Stein gefunden worden, welcher
den magnetischen Dionysos unserem Verständnis näher
bringt. Der Inschriften, die ich hier zu seiner Erklärung
beibringe, sind nicht viele, und sie sind sämtlich bereits
veröffentlicht worden. Wenn ich es trotzdem wage, eine
neue Bearbeitung der Urkunde dem Urteile meines
Lehrers zu unterbreiten, so geschieht es in der Ueber-
zeugung, dass weder E. Maass^) noch S. Reinach ^) den
wichtigen Gegenstand erschöpft haben, und dass nament-
^) Zuerst veröffentlicht von Kondoleon Athen. Mittheil. XV
(1890) S. 330.
2) Hermes XXVI (1891) S. 178.
3) Revue des etudes grecques III (1890) S. 349.
— 80 —
lieh der Erstere in seiner Erklärung einen Weg be-
schritten hat, welcher mir wenigstens vom Ziele abzu-
führen scheint.
Die Inschrift steht jetzt in der Vorhalle des Tschinili-
Kiosk zu Konstantinopel, wohin sie bereits vor 1891
durch den dermaligen Conservator der Altertümer der
Provinz Aidin, Demosthenes Baltazzi gebracht worden
ist. Eine völlig zuverlässige Publikation giebt es noch
nicht. Für die Form der Buchstaben genügt freilich
die Revue des etudes grecques III (1890) veröffent-
lichte Heliogravüre Duj ardin. Den revidierten Text gebe
ich nach einem Abklatsch, den ich der Freundlichkeit
von Alfred Koerte verdanke.
'EttI TTpUTaVSO)? 'AxpoÖTJjJLOU TOU Al-
OTSijJLOu 6 69j[JLO? 6 MaYVYjicüV iizepo)-
T^ Tov Osov TTspl Tou arj^xsiou xoui
5 'ysYovoto? oTt TT^axavou xaia ttjv
TToXtv xXaaösiaTj? uirö avsfxoü eu-
psÖY] SV auT-(j dcpsioputxa Aiov6aou,
Ti auT(ü avjijLaivsi tJ ti av TTon^aa?
dScü)? SiaTsXoiVj* 8t' ov^) dsoirpoirot
10 sTTSfxcpöyjaav i? AiXcpou? ^Epiicüva^^)
'ETTi/pdioü? i-H 'ApiaTapj(Os AioBwpou.
^) StaxeXot 7]5iov alle drei Herausgeber, von denen nur S. Rei-
nach S. 352 diese merkwürdige, wie mir scheint, unmögliche Con-
struction zu erklären versucht. bC 8v bezieht sich auf den Inhalt
des arjiJLEtov, den jungen Dionysos. Oder hC 8<v>?
^) so richtig der Stein; 'Ep(j.wvas vulgo.
- 81 —
0£6c: £)^pr^a£v
MaiavSpoio Xaj^ovis? Icp' üSocaiv
ispöv aottü »-H MaYVTjTS? xxsavot?
15 £7ra[iuvTop£c: Tjasilpoiaiv,
7jX0£T£ 'ir£üa6[jL£voi ato{j>aTa>v a::' I-
a£to, Tt? u[i£Tv I— I jxDOoc, £7:£i Boc'x-
•/0(; OajjLVw £vi y.z(iizvo<; üicpOyj.
£^£(pavyj 8£ Ixi ^) y.oupoc, £TC£t tttoXi- ^)
20 aiOpa Tii)£VT£<; i— i vyjoüc o5x ojxi'cj-
oiat' lüTfXTjioi);;') Aiovüöoü. i— t aXka
xoti 5)c, u) 8r^{i3 [X£*j'aci)£V£'?, röpu£
VTjoüc H- 1 {)üpao)(apouc:* bor^a xiÖEt
0£ £UapXlOV'*) aYVOV hh £X{)£T£ §£
25 £? 0"/5ßr^c i£pov TTEOov, ocppa XcißyjTc
MaivaSac, ai ysv£^? EivolÜs «tto Kct-
0{ji7]£i"/j?* H— I a? o' u[jL£rv owaouofi xott
op'^^ia xai vofxtfjta da&Xoc^) i— i xal Ota-
aoü? ßaxyoio xaOciSpuaouaiv
:jo ■ £v äaxzi. i— i Kaxa xöv )(pYja[JLbv 8ia
xa)v 0£O7rp67Ta)V iooOvjaav Ix 0rjßojv
Maivao£? xp£T? ^ Koaxw hh ßaoßa)
') so der Stein; vgl. Maass.
'^) I am Schluss deutlich (trotz Reinach S. 350).
3) EYTMHTOYAlONYZß
■*) euapxiov der Stein; eiavxiov vermutet Kaibel bei Maass.
^) ia%Xd deutlich der Stein; so war schon in den Athen. Mitth.
a. a. 0. richtig vermutet worden; trotzdem schlug Kaibel bei Maass
S. 183 ipcc vor, und S. Reinach S. 351 [aX]Xa.
Festschrift für Diels. U
Oiaaov Tov riXataviair^vaiv,
35 7j 8s ßaußo) TOV TCpO TToXcO)?, f/ 6s
BsttocXy) töv tü)v KocxatßaTüiv ^) •
davouaai os auiai stacp/jaav
UTTO MaYVYj'wv, xai r^ jxsv Koöxü)
xsixai £v Kocfxcüßouvtp, t) §£ Bau-
40 ßa> SV Tccßapvst, yj 6s 0s~C(X7j
irpoc; Tu) {}£7'Tpü).
Diese Inschrift steht auf einer 1,40 m hohen und
0,57 m breiten Marmorplatte, welche unten in einen (in
der Höhenangabe enthaltenen) Zapfen endet. Oben sieht
man die Spuren eines Dübels, welcher den Stein an die
Wand oder an einen Pfeiler befestigte. Zusammen mit
dieser Platte wurde eine Basis gefunden, auf deren Ober-
fläche sich ein viereckiges, 0,14 m breites, 0,27 langes
und 0,065 tiefes Einsatzloch befindet, und deren Inschrift
in zuverlässiger Weise erst durch F. Hiller von Gaer-
tringen Athen. Mitth. XVI (1891) S. 248 veröff'entlicht
worden ist. Die Basis, welche sowohl Kondoleon') wie
S. Reinach a. a. 0. für zerstört hielten, steht noch heute
unversehrt in Magnesia in der Thalmulde südöstlich vom
Theater nicht weit von den Tscherkessenhütten des Dorfes
Tekke. Im Frühling 1891 ist sie dort von uns wieder
aufgefunden worden. Jedoch ist dieser Aufbewahrungs-
') so der Stein.
2) Athen. Mitth. XV (1890) S. 330.
— 83 —
ort nicht als Fundort der beiden Inschriften zu betrachten.
Es wurde uns vielmehr mit aller Bestimmtheit ver-
sichert, dass die Basis dorthin erst neuerdings verschleppt
worden ist; und von verschiedenen Seiten ist mir mit-
geteilt worden, dass beide Steine im westlichen Teile
der Stadt nicht weit von jenem grossen römischen
Gebäude gefunden seien, welches dem Besucher von
Magnesia heute zuerst in die Augen fällt, und dessen
malerische Ruinen Niemand vergisst, der es von den
Höhen der Stadtmauer aus einmal im Abendglanz
gesehen hat. Früher nannte man dies Gebäude in
herkömmlicher Weise Gymnasium. Vielleicht mit grösse-
rem Recht sieht Carl Humann in ihm ein römisches
Kastell, und dieser Bezeichnung werde auch ich mich
fortan bedienen.
Die Inschrift der Basis lautet:
6£(j) AtOVüCJü)
'AiroXXwvio? MoxoXXy]?
ap5(aio? [XüaxYj? dpyaiov
)(pYja[xöv £['irl] ötYJX.Yj? dva-
5 "(pd^ag ahv xu) ßtüjxco [dv]£i)[Y]-]
xsv.
Beide Inschriften sind von derselben Hand einge-
hauen; ihrem Schriftcharakter nach muss man sie in
Hadrianische Zeit setzen. Sie bilden zusammen eine
Einheit. Der dp/^ato? [iuött]? Apollonios Mokolles weiht
den auf der grossen Marmorplatte (Im öt7]Xyj?) ein-
gehauenen dpxato? XP^^f^^^ ^®^ ^^** Dionysos zusammen
6
*
— 84 —
mit dem ßcofio?, der Basis, welche eben die Weihinschrift
trägt. Es ist schwer zu sagen, was unter einem apyaTo?
fiüaiTj? zu verstehen ist. Die Analogieen eines ap)^i[iuaTy]c,
des TTpoixoiJLuaTirj? auf der Inschrift von Andania (Ditten-
berger Sylloge nr. 388, A. Dieterich de hymnis Orphicis
p. 12) und der smyrnaeischen TraxpoiiucfTai (C. I. G. II
3173, Maass Orpheus S. 21,8) passen sämtlich nicht ganz;
zudem wird man den apyaioc jjtuöxyj? nicht von dem
dpyjnog yp-/)a}x6c trennen wollen. Wie der Orakelspruch
aus alter Zeit stammen soll, so muss auch der Myste,
der ihn aufgeschrieben hat, die Bezeichnung eines dp/ato?
vor sich hertragen. Anderes wird man in der That nicht
sagen können.
Dionysosmysterien in Magnesia sind uns nicht mehr
unbekannt, seit die im Bulletin de corr. hell. XII (1888)
p. 211 kurz notierte Inschrift von F. v. Hiller ebenda
XVII (1893) p. 31 herausgegeben worden ist^). Wir
lernen von Mysterienbeamten einen dp/ifiuaxY]? (Z. 2),
einen dWas Atovuaou (Z. 9), einen Hierophanten (Z. 10),
eine Priesterin, die zugleich Stephanephoros ist (Z. 9),
eine uiroxpocpo; Namens 'EXtui? (Z. 10) und einen zweiten
diTTrac kennen (Z. 11). Ueber den Inhalt der Mysterien
erfahren wir nichts aus der Urkunde, welche die den
Mysten vermachten Geldbeträge aufzählt, und unter dem
i£p6? oTxo? xojv £v KXiöü)vt, welchem die Summen hinter-
lassen sind, können wir uns zunächst nicht viel vor-
0 Vgl. Cousin und Deschamps im Bulletin XVIII (1894) p. 13
Nr. 13.
— 85 —
stellen. Aber wichtig ist doch eben die Thatsache, dass
es in Magnesia einen mystischen Dionysoskult gab, und
für den, welcher Magnesia kennt und auf dem weiten
Terrain der Stadt auch hier gerne den Spuren alter
Gottesdienste nachgeht, wird es von Wert sein zu er-
fahren, dass diese Mysteninschrift auf einer Quader steht,
die ein paar Schritte westlich von jenem römischen
Kastell auf dem Felde an einer Stelle liegt, welche
durch die dort befindlichen Trümmer deutlich anzeigt,
dass hier ehemals ein antikes Gebäude stand. Trügt
nicht Alles, so stand hier das Dionysosheiligtum, von
dessen Gründung das delphische Orakel auf der Marmor-
stele erzählt, so stand hier auch einst die Platane,
in deren Zweigen Dionysos den Magneten zuerst er-
schienen ist.
Von seiner Epiphanie erzählt der alte Orakelspruch
auf der Marmorstele. Es ist wieder die rührige Priester-
schaft von Delphoi, welche für die Verehrung des Diony-
sos bemüht ist und für seine heiligen Weihen zu wirken
sucht. Delphoi und Dionysos sind mit einander eng
verbunden. So braucht man nicht an Magnesias be-
sondere Beziehungen zu Delphoi zu erinnern, um dieses
Eintreten des pythischen Gottes begreiflich zu finden.
Aber dass es ein mystischer Kult ist, welchem das Wort
des Gottes gilt, bedarf der Beachtung. Denn wir wissen
auch sonst, dass es oft mystische Gottesdienste sind, zu
denen der delphische Apollon als ihr Patron in Beziehung
tritt. Berühmt ist Apolls Orakelspruch, der am Beginn
des peloponnesischen Krieges die Erstlinge des Feldes für
— 86 —
die Götter von Eleusis einfordert, und der durch das
Demeter Chloe-Orakel aus Athen ^) eine neue Bestätigung
erhalten hat. Und nur so erklärt sich der Dionysos der
attischen Mysterienvasen. Es ist nicht Jakchos, der auf
der schönen Hydria von Santa Maria di Capua^) der
Mutter von Eleusis gegenübersitzt, sondern es ist der
delphische Dionysos, der auf dem Omphalos sitzt, auf
seinem eigenen Grabe, wenn wir Tatian Glauben schenken
dürften ^). Wir werden nicht das Recht haben , in der
Darstellung des Omphalos inmitten der eleusinischen
Gottheiten etwas Anderes zu suchen als einen Höflich-
keitsbeweis gegen Delphoi und werden uns namentlich
davor hüten müssen, ihm im Telesterion von Eleusis
eine Stätte zu gewähren. Die Vasen sowohl wie der
Pinax der Ninnion, in dessen Mitte der Omphalos dar-
gestellt ist, können sehr wohl aus derselben Zeit stammen,
in welcher Isokrates die Worte schrieb: ai jisv ^ap
TrXsiatat täv ttoXecüv U7r6|xv7^fjia x^? iraXaia? susp^scJi«? arotp-
•/a<; Tou aiTOu xaO' Ixaaiov lov Iviautov w? yjjiac cziroTcsti-
TTOücji, laTc: 6' exXeiTroüaat? TroXXa/i; fj nüi)ia zpo^stagsv
0 Athen. Mittheü. XVIII (1893) S. 192.
'^) Zuletzt veröifentlicht Collection Tyszkiewicz pl. IX. X;
ebenso auf emer noch unveröffentlichten Hydria der Sammlung
der archaeologischen Gesellschaft in Athen; vgl. auch den
Pinax der Ninnion, von dem ich bisher nur die flüchtige
Abbildung in der athenischen Zeitung T6 'Aaxu 1895 nr. 1607
kenne. Ebenso zu erklären ist auch der Dreifuss, an dem Diony-
sos auf der Rumänischen ßeliefvase (Compte Rendu 1862 T. III)
lehnt.
3) Rohde Psyche S. 124.
— 87 —
«TTOCpSpSI-V Xa [XSp/j TÖJV XapTToiv 7.7.1 TTOLSIV TCpÖ? TTjV TToXlV
TY]V Yj^xsTSpav xa Tiaxpia.
Es ist also nichts Auflfalleiides, wenn die Magneten
am Maiandros iliren mystischen Dionysosdienst durch die
Vermittelung von Delphoi erhalten. Aber das Orakel,
wleches die magnetischen Osoirpoiroi unter dem Prytanen
Akrodemos von Delphoi in ihre Heimat zurückbringen,
motiviert die Gunst, die den Magneten durch Delphoi zu
Teil wird, als einen Dank für die dem Tempel geleistete
Hilfe während eines feindlichen Angriffs: Ma'Yvyjxs;
xxsavois sirajxüvxope? yj{x£X£poicjiv. Wilamowitz (Hermes
XXX S. 180) bezieht dies auf den phokischen Krieg, in
welchem Magnesia vermutlich wie andere Staaten mit
Geld dem Apollon zu Hilfe gekommen sei. Aber dass
es Barbaren waren, gegen welche die Magneten das
Heiligtum des delphischen Apollon in einer siegreichen
Schlacht verteidigten, lehrt das in Magnesia gefundene,
um 200 V. Chr. gegebene Psephisma der Epidamnier
(Archäolog. Anzeiger 1894 S. 83), das die Hilfe der
Magneten erwähnt, welche sie den Delpliern gegen
räuberische Barbareneinfälle geleistet haben: xav -(s-^^s-
vr^jjLSv[a]v ßoaösiav uttq x[(i)]v :r[p076va)v a]uxa)V [d]<; xö ispöv
xo SV A£X[90is] vi[x]aaavxa)v jxa/at xou; ßap[ß]apou? xo[ü?]
£7ri[cjxpax£6a]avxa? Irl SiapTia-^at x«>[v xo]ü [OJsou XP^1^°^"
xü)v. In der Literatur ist, soviel ich weiss, kein Anhalt
zu finden um dies Eingreifen der Magneten chronologisch
zu fixieren. Es scheint mir aber doch das nächst liegende
zu sein an den grossen Galliereinfall des Jahres 279/8
zu denken.
— 88 —
In einer vom Sturm zerborstenen Platane haben die
Magneten das Abbild^) eines jugendlichen Dionysos ge-
funden, das ihnen die Veranlassung giebt nach Delphoi
zu schicken. Der Gott ist ihnen erschienen, weil seiner
bei der Gründung der Stadt ganz vergessen ist; er hat
damals keinen Iütjiyjto? vao? erhalten. So offenbart er
sich in dem Stamme einer Platane. Die Erscheinung
des Gottes in dem ausgehöhlten Baumstamme entspricht
durchaus der Vorstellung, welche wir uns von den An-
fängen nicht nur des Dionysoskultes, sondern überhaupt
jedes griechischen Bilderdienstes zu machen berechtigt
sind. Sie erinnert uns an die Zeit, da es noch keine
Tempel auf Erden gab, da der Mensch seinem Gotte
opferte und zu ihm betete in den Hainen und auf den
Feldern. Der Fromme verfertigte sich, so gut er es
konnte, aus Holz oder Stein das Bild seines Gottes.
Um es vor den Einflüssen der Witterung zu schützen,
stellt er es in eine Höhle oder, wo es die nicht gab, in
einen ausgehöhlten Baumstamm. So ist der älteste
Tempel ein ausgehöhlter Baumstamm, wie das schon
Plinius hist. nat. XII 1 ausgesprochen und wie, an eine
Bemerkung Jakob Grimm's anknüpfend jetzt 0. Schrader^)
überzeugend dargelegt hat, dass wir für den Stamm des
Wortes vTjOc (väF-6 — ) eine ursprüngliche Bedeutung als
Baumstamm ansetzen dürfen, eine Ansicht, die durch
^) dcpet'6pu[ji.a vgl. Dittenberger Syll. nr. 356 dcpt'Spufxa xoij xe
'AöxXtjtiioü xal TTJs 'rytetas.
^) Sprachvergleichung und Urgeschichte 2te Aufl. S. 402.
— 89 —
das von demselben Stamm abgeleitete Wort vau? durch-
aus bestätigt wird; denn ein ausgehöhlter Baumstamm
stellte zugleich auch das älteste Boot dar. Darin liegt
nicht zum mindesten die Bedeutung dieser magnetischen
Urkunde, dass sie uns mit klaren Worten sagt, was wir
lange nur vermuten konnten, und dass sie uns lehrt,
wie fest die Erinnerung an gottesdienstliche Einrichtung
im Gedächtnis wurzelt, wie sich der späte Orakeldichter
hütet in diesen Dingen einen Anachronismus zu begehen.
Dionysos ist der Beschützer der Baumzucht, und als
solchen lehren ihn uns Epikleseis wie SsvoptV/jc (Plutarch
quaest. conv. V 3, 1 p. 675 F.) und SsvSosü? (Studemund
anecdota varia graeca et latina I 268) verstehen. Aber
der Kultname Ivosvopoc, welchen wir in Boiotien finden
(Hesych s. IvSsvopoc vgl. Paus. II 2,7; IX 12,4) drückt deut-
lich dasselbe Verhältnis des Gottes zum Baume aus, wie es
uns die magnetische Inschrift zeigt; Dionysos wohnt in dem
Baume wie Zeus, der denselben Beinamen bei den Rhodiern
führte (Hesych s. v.) und wie Helena Dendritis, deren Kult-
legende (Pausanias III 19,10; auch hier Rhodos) nur diese
Deutung zulässt^). Ein ähnliches Epitheton ist das der
Artemis Kedreatis in dem arkadischen Orchomenos (Paus.
VIII 13, 3), während die sonst von 0 verbeck (Ber. der
sächs. Gesellschaft der Wiss. 1864, 131) aufgezählten Kulte
wie der des Asklepios Agnites, der Artemis Karyatis
u. s. w. schwerlich hierher gehören, am wahrscheinlichsten
^) Hieher gehört auch der lesbische und samische Dionysos
ivdp/r]s, wenn Maass a. a. 0. S. 187,3 Recht hat.
— 90 —
noch der des Dionysos Sykites (vgl. Sam Wide Lakonische
Kulte S. 167). Nichts aber spricht vielleicht deutlicher und
unmittelbarer zu uns als die folgende elsässische Sage ^) :
Ein Ritter jagte einst im Walde bei Plohsheim. Da sah
er plötzlich zwei wilde Tauben, icelche zuerst einige Male
im Kreise über seinem Haupte hinßogen, sodann ihren
Flug in einer gewissen Richtung hin fortsetzten. Blieb
er stehn, so kamen sie zurück und flogen, wie anfangs, 21m
ihn herum; ging er weiter, so verfolgten sie dieselbe Rich-
tung, die sie schon früher genommen. Da sie dies nun
mehrere Male wiederholt hatten, so war es dem jagenden
Ritter aufl'allend. Er folgte ihnen eine Zeitlang durch das
Gebüsche und sah, dass sie sich endlich auf einer grossen
Eiche niederliessen. Als er näher hinzutrat, erblickte er
im hohlen Stamme derselben ein Marienbild mit dem
Jesusknaben. In dieser ivundersamen Begebenheit erkannte
er sofort ein Zeichen des Himmels ; fiel andächtig auf die
Kniee und gelobte der heiligen Maria an der Stelle eine
Kapelle bauen zu lassen. Also entstand die nachmals be-
rühmt gewordene Wallfahrtskapelle Maria zur Eich oder
bloss zur Eich genannt, welche bis in die neueste Zeit von
einem Waldbruder bewacht und von dem Pfarrer von
Plobsheim bedient wird.
Der Kapelle, welche der fromme Jäger erbauen lässt,
und die fortan den Namen 'Maria zur Eich' führt, ent-
spricht der lipo? oTxo? -wv sv KXiSwvi — in diesem ispo?
1) Stöber Die Sagen des Elsasses S. 153: mehr bei P. Wagler
Berliner Studien XIll 2 S. 49.
— 91 —
oTxo? stand später — so meine ich — das d(p£i6pü}xa des
Dionysos, von welchem das Orakel spricht. Der ispö?
oixo; ist die Frucht des delphischen */P^ö[x6?. Auf einer
seiner Mauerquadern stand das Verzeichnis der Mysten,
die zu seiner Ausstattung beigetragen haben').
Aber Delphoi's Gott verlangt noch mehr von den
Magneten. Er heisst sie nach Theben gehen und aus
dem Geschlecht der Ino drei Mainaden holen, welche zu
ihnen die Weihen bringen sollen. Sie heissen Kosko,
Baubo und Thettale. Durchsichtig ist sogleich der Name
der Dritten: er weist nach Thessalien, woher die Magneten
nach Asien gekommen sind^). Kaum einen passenderen
Namen kann es aber für die Dienerin eines mystischen
Winkelkultus geben als den der Baubo, über deren
Wesen uns jetzt in unerfreulicher Weise die cptXiaCouaai
des Herondas aufgeklärt haben ^). Den Namen der ersten
Mainade aber vermag ich nicht sicher zu deuten. Das
Lokal wird hier das Ursprüngliche sein. Vom Siebberge
trägt Kosko ihren Namen.
Diese drei Mainaden nun führen drei Thiasoi an,
Kosko den der riXaiocviar/jVoi, Baubo den vor der Stadt
(izpo TToXsü)?), Thettale den der KaiaipocTai. Sehr vage
ist die Ortsbestimmung des Thiasos der Baubo; er hat
sein Lokal an einem Ort vor der Stadt; der Gott, dem
0 Vgl. C. I. G. S. I nr. 2233 (Thisbe) ^eoT; SeßaöToTs xat [x-a]
7td]Xei Tov oixov 'Aoi xov A[tdvi)]cov.
^) Vgl. V. Wilamowitz Hermes XXX (1895) S. 177.
^) Vgl. Crusius Untersuchungen zu den Mimiamben des Heron-
das S. 128; A. Dieterich Philologus LII (1893) S. 3.
— 92 —
er gilt, natürlich Dionysos, gehört zu den Oaol irpoaaTiavoi,
von deren uno-pocpo? Authermione wir den Sarkophag
wiedergefunden haben (vgl. Bulletin de corr. hellen. XVII
(1893) p. 33). Diese uTToxpocpo? der Osol iTpoaaxtavou mit
der wir die andere auf der Mysteninschrift erwähnte zu-
sammenzustellen haben, lehrt wieder den engen Zu-
sammenhang der hier behandelten Urkunden. Der Diony-
sos TTpö iroXsaj? mag ein Filial des städtischen Dionysos-
heiligtums gewesen sein ^). Denn dieses lag in den
Mauern der Stadt, eben nicht weit von dem römischen
Kastell. Da stand die heilige Platane — und da führt
die an erster Stelle erwähnte Mainade, Kosko, den Thiasos
der nXaxavicjTr^vot. Platanen werden stets diesen ispo?
olxoc umgeben haben, zum Andenken an das Wunder,
wie es auch in einer anderen elsässischen Sage^) aus-
drücklich heisst, dass man die Eiche, in welcher ein Hirt
anno 1518 das Marienbild fand, in der Kirche stehen
liess und '^ setzte ünsrer Lieben Frauen Altar daran mit
einem schönen hohen Chor und gewaltig hohen Thurn .
Nach den Platanen, also nach dem Ort, wo er statt hat,
heisst auch dieser Thiasos. So ist kein Grund vorhanden
für den magnetischen oder gar noch für den thebanischen
Dionysos den Kultnamen des FIXaTaviaTr^? zu erschliessen.
^) Ueber die Götter Trpo TidXetos Boeckh zu C. I. G. II 2963 c
(Ephesos); vgl. nr. 2462 (Thera): Upsus xoö Tipo TroXecü? Zliov-jaou.
Boeckh hat seineu Vorschlag in der theräischeu Inschrift Tcpo^oXi?
= urbis tutor zu fassen, selbst als unmöglich erkannt und bei
Besprechung der ephesischen Inschrift sofort zurückgenommen.
2) Stöber a. a. 0. S. 341.
— 93 —
Und ähnlich erklärt sich auch der Name des dritten
Thiasos, den Thettale führt. Der Name KaTocißaxai
giebt zwar nicht direct den Ort an, wo wir uns den
Thiasos zu denken haben. Aber sagen lässt sich doch
Einiges. Es ist nicht schwer sich des Zeus Katabates
zu erinnern, und Maass (S. 187) hat dann auch daraus
sofort die Consequenzen gezogen. Er nimmt also einen
dritten Dionysos an, — den Dionysos Kataibates; aber
wird er selber jetzt dies noch aufrecht halten, nachdem
er soeben in seinem Orpheus S. 177 in dem bei Asterios
Homil. X in martyres (Patrol. Graec. XL p. 324 Migne)
erwähnten Kotxaßaa'.ov eine Krypta des eleusinischen
Telesterions nachgewiesen hat? Gewiss ist dieser für
Eleusis bezeugte unterirdische Ort aus einer bestimmten
Kulthandlung zu erklären, und von einer solchen hat
auch der Oiaao? xaiv Kaxaißatajv seinen Namen. Das aber
wage ich nicht zu entscheiden, ob das Herabsteigen der
Mysten in eine Krypta gemeint ist oder ob wir an die
steilen Bergabhänge des Thorax zu denken haben. Denn
gerade für einen Kult vor den Thoren Magnesia's, für
den Dienst des Apollon in Hylai ist uns durch Pausanias
X 32, 6 eine sehr merkwürdige Ceremonie bezeugt, welche
mit der des Thiasos der Kataibatai wohl verglichen werden
kann. Hylai war ein Flecken in der Nähe Magnesias, be-
rühmt durch eine kleine Höhle, in der sich ein sehr altes
wundertätiges, Kultbild des Apollon fand. Sehr oft, aber
stets vergeblich habe ich nach dieser Höhle gesucht^).
') Ray et hat (Miiet et le Golfe Latmique p. 133) Texters Ver-
— 94 —
Solch ein Kultlokal wieder aufzufinden wäre allerdings
von hohem Wert. Heilige Männer sprangen zur Ehre
des Gottes von steilen Bergwänden herunter, indem
sie hohe Bäume, die sie mit der Wurzel aus der Erde
herausgerissen hatten, auf den Schultern trugen: xotTa
xa öxevt'jTaia tcüv dipaTrcov ojxoui tot? äybeaiv oosuouafi.
Einen solchen Heiligen sehen wir auch auf Münzen
dargestellt^). Es wird nicht geleugnet werden können,
dass solch eine Kulthandlung vortrefflich auch in den
Dienst des Dionysos passt, dessen Mainaden in wilder
Jagd in den Bergen umherschweifen.
Von einem dieser drei Thiasoi haben wir vielleicht
eine Darstellung auf Münzen des Caracalla und des
Alexander Severus^). Der junge Dionysos (In xoupoc)
sitzt auf einer cista mystica: zwei Säulen deuten als seinen
Aufenthaltsort einen Tempel an. Ein brennender Altar
steht daneben, vor dem ein Korybaut seinen Waffentanz
aufführt. Die anderen Münzen aus Magnesia mit Dionysos-
bildern (auch oft mit einer Mainade, die vor ihrem Gott
das Tympanon schlägt) geben für unseren Zweck wenig
aus. Sie lehren höchstens, dass namentlich in der
Kaiserzeit Magnesia's Dionysoskult besondere Bedeutung
mutimg, dass die allen Besuchern Magnesias wohlbekannte, etwa
2 km vom Tempel gelegene Höhle (es sind in Wahrheit drei) die
von Pausanias erwähnte sei, zugestimmt; sehr mit Unrecht. Denn
jene Höhlen sind weiter nichts als Steinbrüche.
') Rayet a. a. 0.
'') British Museum lonia 166 nr. 62 (pl. XIX 11); vgl. 168
nr. 68.
— 95 —
hatte, und sie führen uns die im Orakel erwähnten
Mainaden auch im Bilde vor.
Die thebanischen Mainaden werden dann auch nach
dem Tode ihren Verdiensten entsprechend geehrt. Ihre
Gräber bleiben im Gedächtnis der Magneten. Kosko
liegt auf einem Hügel, der den Namen Koaxwßoüvo? trägt,
Baubo £v Taßapvsi, Thettale beim Theater. Magnesia
ist hügelreich — man wird Koskobunos nicht bestimmen
können, eine Stelle beim Theater ist gewiss der rechte
Platz für das Grab einer Mainade, — und Taßapvi? wird
ein Ort ausserhalb der Stadt sein, irpo izolsax; wo ihr
Thiasos seine Feste feiert^). Wir finden den Ort Tabarnis
in magnesischen Inschriften noch zweimal erwähnt").
Aus der einen lernen wir, dass sich in Tabarnis eine
Quelle befand, aus welcher Wasser in die Stadt abge-
leitet wurde ^). Das erinnert uns an das Grab der Sibylle
Herophile in dem Hain des Apollon Smintheus in der
Troas, welches an einem Quell lag (Paus. X 12, 6), wie
denn auch das Grab des Euripides in Makedonien durch
^) Zu dem Namen Tabarnis lässt sich als Parallele der Ort
Abarnis am Hellespont, zwischen Lampsakos und Parion gelegen,
anführen: Xenoph. Hellen. II 1, 29. Orph. Argonaut, v. 487 heisst
der Ort Abarnias. Vgl. Steph. Byz. s. v. 'Aßapvos. Vielleicht darf
man bei dieser sicher ungriechischen Namensform auch an die
Kotßapvoi erinnern; s. 0. Crusius Beiträge zur griechischen Mytho-
logie und Religionsgeschichte (Progr. der Thomasschule in Leipzig
1886) S. 131.
2) Archäol. Anz. 1895 S. 116.
^) Zwischen Agora und Temenos der Leukophryene fand sich
die Inschrift: "^H tioXi? t7]v xpi^vTQV xat xd ^(nhia xal t6 uowp | i%
Tf]i h Taßdpvei Tir^yY]? 810: IpysTriaxccTou | AiXioo Ayjptov^txou.
— 96 —
eine vielbesuchte Quelle ausgezeiclmet war (Vitruv VIII
3, 16)0.
Es bedarf keiner Erklärung, weshalb es der theba-
nische Dionysos ist, dessen Einführung in Magnesia vom
delphischen Orakel gefordert wird (vgl. auch oben S. 89).
Aber nicht entgehen lassen wir uns ein epigraphisches
Zeugnis, auf welches Maass und Reinach noch nicht
hinweisen konnten, da es erst von Kondoleon dvsxoo-oi
Mixpasiaval STcqpacpai teu/oc Trpwxov 1890 S. 8 nr. 8 ver-
öffentlicht worden ist. Obwohl die Inschrift entweder
zusammen mit den von uns hier behandelten Dionysos-
inschriften oder — es lässt sich das leider nicht ent-
scheiden — bei den im Jahre 1890 durch D. Baltazzi
im Theater planlos unternommenen Ausgrabungen, die
einem Raubbau glichen^), gefunden ist, hat sie bereits
eine Geschichte. Kondoleon veröff'entlicht sie a. a. 0.
nach der Abschrift eines cpiXapxatoc nur mit der Angabe:
STTi jxotpfiapou:
Aiovüao) xal SsixsXifj
'Apiateu; ZtJvwvo?.
Nach langem Suchen fand ich sie endlich wieder —
auf dem Bahnhofe der Station Baladjik, wo sie für einen
Steintransport bereit stand. Leider war sie bereits
stark zerstört. Aber der erste Blick lehrte, dass es ein
kleiner Altar war (h. 0,84; br. 0,46; d. 0,46), auf dem
ich nur noch las:
^) E. Curtius Gesammelte Abhandlungen I S. 77.
2) Athen. Mitth. XIX (1894) S. 3.
- 97 —
AlONYZßlKAIZE
APIZTEYZZh
Unter der Inschrift befand sich eine Guirlande mit
Bukranien an den Ecken, die sich auch auf die anderen
drei Seiten fortsetzte. A^on der Mitte jeder Guirlande hing
eine Weintraube herab. Die Arbeit des Altars war nur
an der Vorderseite sorgfältig. Ich konnte noch einen
Abklatsch nehmen — aber wenige Tage darauf war das
ganze Stück bereits verschwunden. Man sagte, die Eisen-
bahn habe es mitgeführt, und so wird es denn wohl mit der
Zeit an irgend einem anderen Orte auftauchen und viel-
leicht mit einer neuen Provenienzangabe noch einmal
publiciert und — zu falschen Schlüssen verwandt
werden ^).
Soweit über den mystischen Dionysoskult in Magne-
sia. Aber Theokrit und Kos erfordern noch ein Wort.
Maass hat nämlich das Orakel aus Magnesia für die Er-
läuterung der A^vat r^ Bocx^a^ des Theokrit (XXVI) ver-
wandt. Er sucht zunächst nachzuweisen, dass dieser
Hymnos für den Dionysoskult in Kos gedichtet ist, und
geht dabei von der Identifikation des V. 33 genannten
Apa/avov mit dem Vorgebirge Drekanon auf Kos aus.
Das mag richtig sein^), doch lässt es sich zur wirklichen
^) Schlagend richtig hat Maass (Orpheus S. 45"*^) die Inschrift
von Akrai I. G. S. I. nr. 205 als Weihinschrift für Dionysos und
Semele (Aiovüöcüi xät S[£(j.£XY)t]) aufgefasst.
2) Vgl. Reitzenstein Epigramm und Skolion S. 225.
Festschrift für Diels. 7
— 98 —
Evidenz nicht bringen. Für Kos ist Dionysosdieust
sicher bezeugt, — wo wäre der auch nicht bezeugt? —
aber durchaus unrichtisj scheint mir die Deutunor der
AiovuöLa Trpwxa in der jetzt bei Paton-Hicks Inscriptions
of Cos nr. 13, 16 veröffentlichten Inschrift zu sein, welcher
H. Dibbelt quaest. Coae mythologae p. 63 zugestimmt
hat. Maass meint, dass die Aiovüaia TTpcüia noch ein
zweites und drittes Fest des Dionysos auf Kos beweisen,
während es doch etwas ganz Gewöhnliches ist, dass damit
nicht das Dionysosfest Nro. I, sondern die nächste Diony-
sosfeier gemeint ist^). Mit diesen drei Dionysosfesten
bringt er die neun Thiasoi des Theokrit zusammen und
dann auch natürlich die drei der magnetischen Inschrift;
und der angebliche dreifache Dionysos von Magnesia
wirkt dann weiter. Maass versucht sogar den Namen
des dritten 7rp6 ttoXscdc verehrten aus Kos zu gewinnen
— er nennt ihn in der That SxuXXitac und stellt somit
eine enge Kult-Verbindung zwischen Magnesia und Kos
her. All diese mit gewohnter Gelehrsamkeit vorgetrage-
nen Combinationen scheitern einmal an der unrichtigen
Interpretation der Aiovüaia TrpajTa und dann eben daran,
dass wir aus der magnetischen Urkunde durchaus nicht
auf einen dreifachen Dionysoskult zu schliessen haben.
Dionysos kam nach Magnesia aus Theben; das ist des
Orakels Sinn. Auch der theokritische Hymnus gibt den
^) Es wird kaum nötig sein die Beispiele zu häufen, vgl.
Fraenkel Inschr. aus Pergainon Nr. 159 dv[aY]wvt t(ij Trpw-tu cjv-
TeX£(i>0|x[^]vii) oder C. I. A. II 52 c, 9 Trpoaayaystv £{; tov Stjjjlov tU
TTjV 7:pibT[rjV IJxxÄrjat'ctv.
— 99 —
thebanisclien Mythus. Mag er in der Tliat für Kos ge-
dichtet sein oder nicht, von Kos führen nach Magnesia
keine Wege, und mit Theokrit hat der Orakeldichter
nur den allbekannten thebanischen Mythus gemein —
ich glaube trotz Maass, dass die Bakchen des Euripides
hier mindestens indirect eingewirkt haben.
Und schliesslich: wann ist der dp^aioc )(p-/]a[x6c ver-
fasst? Ist er zu Hadrians Zeiten, in denen er auf den
Stein gehauen ist, auch gedichtet? Formen wie ufxsTv, i?,
TT-oXiaiUpa raten in der That, mit der Datierung nicht
gar zu hoch hinaufzugehen. Die Datierung im TTpüiavscD?
weist freilich spätestens auf das dritte vorchristliche Jahr-
hundert; in späterer Zeit wäre im. aiscpav^fopou die
richtige. Aber das könnte eben absichtliche Täuschung
sein, — und einer solchen hätte sich dann wahrlich nicht
als erster Magnet der dpyaXoq [xucjitj? 'AttoXXwvioc MoxoXXtj?
schuldig gemacht '). Durch Possis (Athen. XII p. 533 d. e)
wissen wir, dass Themistokles , welcher auch sonst in
Magnesia als Stifter neuer Gottesdienste und Feste auf-
tritt, dem Dionysos Choopotes geopfert und den Tag der
Choen, den wichtigsten Teil der athenischen Anthesterien '^),
dort eingeführt habe. Es wird schwerlich irgend Jemand
geben, der das Orakel in die vorthemistokleische Zeit zu
setzen wagt. Und doch hören wir gerade in ihm, dass
ein Priester des Dionysos erst eingesetzt werden soll.
') Vgl. Griinclungsgeschichte von Magnesia S. 16.
''^) Der Monat Antbesteriou ist auch für Magnesia durch In-
schriften bezeugt.
7
7*
— 100 —
Das ist ein Widerspruch mit der Nachricht des Possis.
Denn das Choenfest setzt einen Dionysospriester voraus.
Wir kennen auch Diouysoskult in Magnesia, das viel-
leicht schon im vierten Jahrhundert ein Theater besass,
welches ausdrücklich als ispöv bezeichnet wird^). Eine
Weihinschrift für Dionysos Enagonios ist im Theater ge-
funden, die sicherlich älter ist als unser Orakelspruch ^).
Die Mache der Priester im ersten Jahrhundert nach Chr.,
denen Delphoi's Gott seine Stimme leiht, leuchtet uns
ein, in welche Zeit auch immer wir die Entstehung des
Orakels setzen mögen. Und wenn es in der That wahr
wäre, dass die Pythia seit der Zeit des König Pyrrhos
den Hexameter verschmäht und sich der prosaischen
Rede bedient hat^), dann würde man auch in den Versen
des Orakels eine Affeetation und nicht ohne Weiteres
ein Zeugnis für seinen älteren Ursprung sehen dürfen.
Aber das aus hadrianischer Zeit stammende Orakel, das
der Demeter Chloe gilt, spricht auch in Versen zu den
Athenern :
OoTßo? 'A&yjvaioi? AsXcpoüs vat'cuv laS' £[£i7r£v].
Es ist sicher, dass es seit Philochoros Sammlungen
delphischer Orakel gab*). So mag es kein Zufall sein.
1) Athen. Mitteil. XIX S. 44 Nr. 46.
2) Athen. Mitteil. XIX S. 37 Nr. 37.
^) Cicero de divinatione II 116 Pyrrhi temporibus iam Apollo
versus facere desierat.
*) G. Wolf Porphyrii de philo sophia ex oraculis haurienda
librorum reliquiae p. 46.
— 101 —
dass die prosaische Einleitung des den Magneten ge-
gebenen Orakels auffällig stimmt mit dem Anfang des
bei Demosthenes (Rede g. Makartatos § 66) erhaltenen
delphischen Orakels: 'A^aö-^jJ '^^XXl* sTispojT^ 6 S^fxog 6
'Aör^vai'ojv TTSpl toü ar^fxciou lou Iv x(p oupavo) ^svojisvou, o xt
av opÄaiv 'Aör^vaiois tj otw Osto Ououaiv tj £u)(ojjl£voi? eit]
£711 t6 a|jL£ivov airö toü ar^fiEioü. Aber irgend etwas Sicheres
über die Abfassungszeit werden wir wohl erst durch die
Sammlung der Orakel erfahren, welche wir von Eduard
Schwartz erwarten dürfen.
\
IL
A N A X.
Clemens Alexandrinus ^) erzählt folgende merkwürdige
Geschichte: ei OsXsi'j 8' sTioTiTsöaat /.ai xa Kopußavxaiv
opyia, Tov Tpiiov dosXcpov airoxxetvavTS? ouxoi xrjv xecpaXyjv
xou vsxpoü cpoivixi6i sTcsxaXudiaxYjv xal xaxaaxs^J^avxs k^a^d-
XTjV, cpspovxs? IttI )^aAx7is aaTTiSo? uttö xa? uTrtüpsia? xoui
'OXüjiTTOU. Kai xaux' saxi xa (xüaxiQpia, aüvsXovxi cpavai,
cpovoi xal xacpoi. oi Ss ispsis ol xüivos, ou? dvaxxoxsXsaxa?,
Ol? (jisXov xaXsTv, xaXouai, TrpoasTcixspaxsuovxai xijj aüfxcpopa,
oXoppiCov diraYopsuovxs? alXivov sttI xpaiisC'yj? xi^svai* oiovxai
^ap 8y] Ix xou aifiaxo? xoü Kopußavxixoü xö cfsXivov exirscpü-
x£vai. oiaTusp dfxsXsi xal ai OsaixocpopidCoüaat XTJ? poia?
xou? xoxxoo? irapacpuXdxxouaiv laöisiv xoü? aTroTrsTrxwxoxa?
^(ajjial £x xüjv XOÜ Aiovujoü a^tiaxo? axa^ovoiv ßsßXaaxr^xsvai
vo|xiCoüai xa? poia'?. Ka^sipoü? Ss xoü? Kopüßavxa? xaXouv-
x£? xal xsXsxYjv KaßsiptxYjv xaxa^^^j'sXXoüaiv • aüxw "jap 8tj
xoüxo) xüj dSeXcpoxxovo) xtjv xiöxyjv dvcXojj-lvo), sv f| xo xoü
Atovuaoü aiöoiov dirExsixo, £i? Tüpprjviav xaxi^YaYov, süxXsou?
') Protr. p. 16 Pott. = Eusebios praep. ev. II 3.
— 103 —
l[i Kopoi cpopTi'oü- xavTOtuOa oisxpißsr/jv , cpu^aSs ovis, t7)v
TToXunjxrjTOv suaspsiotc SioaaxaXiav, aiooTa xctl xiar/iv, Op'/j-
axsusiv Tcapaööfisvcü Tüppr^voi?- 8i' r^v aixi'av oüx dTisuoKDC
Tov Aiovuaov Tiv£? "Atxiv irpoaaYopcusaOat dsÄouaiv, aLOorojv
£aT£p-/jjx£vov. Seit Lobecks Untersuchung im Aglaophamus
JI 1256 ff. steht es fest, class der von Clemens hier be-
schriebene Kultus den Kabiren von Thessalonike gilt').
Auf ihn bezieht sich Lactantius divin. instit. 1 15 (summa
veneratione coluerunt — Macedones Cabirum), der mit
guter Sachkenntnis von einem Kabir spricht. Durch
die Funde im thebanischen Kabirion^) hat diese Nach-
richt an Bedeutung gewonnen. Wir können jetzt mit
Sicherheit sagen, dass wie in Theben so auch in Thessa-
lonike ein Kabir aus dem Kabirenverein hervorragte,
dass da im Laufe der Kultentwickelung ein Kabir in
den Mittelpunkt trat^).
Thessalonike ist eine Gründung Kassanders; sein
Kabirenkult stammt aus hellenistischer Zeit, in welcher
^) Vgl. Jul. Firm, de errore prof. relig. c. XI S. 91 ed. Halm:
In sacris Corybantum parricidium colitur. Nam imus frater a
duobus iiiteremptus est, et ne quod indicium necem fraternae
mortis aperiret, sub radicibus Olympi montis a parrieidis fratribus
coiisecratur. Ilunc eiindem Macedonum colit stulta persuasio. Hie
est Cabirus, cui Thessalonicenses quondam cruento ore (add. Halm)
cruentis manibus supplicabant. Considerandum itaque est, quäle
sit numen, quod parricidalis amentia, ut parricidium celaret,
invenit.
2) Ueber die Kabirenreligion \g\. jezt vor allem Roberts
Darstellung bei Preller griech. Mythol. P 847.
^) Vgl. V. Wilamowitz in seiner Abhandlung über Hephaistos
Gott. Nachr. 1895 S. 244.
— 104 —
überhaupt die Kabirenreligion erst weiteres Terrain ge-
wann. E. Maass hat soeben^) sehr hübsch ausgeführt,
dass die Orpheussage aus Aineia, welches zu den Städten
gehört, aus denen Kassanders Stadt hervorging, nach
Thessalonike gekommen ist. Orphische Züge trägt der
Kabir von Thessalonike wie der thebanische. Denn deut-
lich genug erinnert der von seinen Brüdern getötete Kabir,
von welchem das Spajjia [luaiixov handelte, an den von den
Titanen zerrissenen Zagreus. Wir besitzen sogar ein
Kultlied, das schon Lobeck hieher gezogen hat und das
sehr wohl für den Kult in Thessalonike gedichtet sein
kann. Es ist der XXXIX orphische Hymnus:
xixXT^axo) -/povot; aevaou ßaaiXrja [xs^iatov,
Küpßavt' 6Xßi6[ioipov, dpVjiov, ocTrpoaopatov,
VüXTSpivöv KoüpyJTOt, cp6ß(jüV airoTrauofTopa Seivaiv,
cpavTaaia>v eirapcoYov, epYjjJioTuXavov Kopußavia,
5 aioX6|jLop(pov avaxxa, ösov SicpuTj, TioXufiopcpov,
(poiviov, ai[xa)(t)£VTa xaGi^vv^Küv uttö Siaawv,
Atjou? oc 7va)tx-(j(jiv IvTJXXa^a? Ssjia? apov,
OyjpoTUTiov Osjxsvo? jxopcpYjv ovocpepoTo Spaxovio?*
xXudi, [xaxap, cpojvaiv, ^/olX^^:r^v 8' aTroTTSjxTTSo [at^viv,
10 irauwv cpaviaaia? ^u}(^<; IxtcXtJxtoü avocYXTjc.
Der tote Bruder heisst avaS, die Genossenschaft, die ihn ver-
ehrt, dvaxTOTsXsofTai, er ist der Kabir. Obwohl verdorben
und gestorben ist er der Herrscher in dem Verein der
Kabiren von Thessalonike. Ein aiäoiov und die Kiste, aus
welcher sich die Schlange emporringelt, sind das Instrument
1) Orpheus S. 143.
— 105 —
auch dieses mystischen Kultes^). Sein Bikl sehen wir auf
den Münzen, auf denen immer nur ein Kabir dargestellt
ist, mit Ryton und Hammer^), und ich kenne es auch
aus der Photographie einer kleinen Bronze, welche sich
jetzt in Rumeli - Hissar bei Konstantinopel befindet, und
deren Abbildung ich Paul Wolters verdanke. Der mit
Binden bekränzte Gott hält in der Linken eine Schale,
in der Rechten seinen Hammer. Aus dem Hammer darf
man wohl schliessen, dass es wie in Leranos auch in
Thessalonike Hephaistos war, an den sich der Kabiren-
kult anschloss.
Dass der Kabirenkult einen chthonischen Charakter
trägt, haben die Opfergruben bei Theben und auf
Samothrake bewiesen. Auch in Thessalonike findet
sich dafür mancherlei Bestätigung. Zunächst die Drei-
^) Für den Kabirenkult in Lemnos bezeugt die Kiste Attius
Philoct. fr. II (Ribb. p. 204) nach Bergks Conjectur: celsa Cabirum
delubra tenes, misteria quae pristina cistis consepta sacris.
2) Interessant ist eine Münze des Kaisers Philippus aus
Thessalonike, auf die mich Dr. Gaebler freundlichst hinweist;
dargestellt sind Apollon und der Kabir, die zusammen einen un-
erklärten Gegenstand halten (Cousinery voyage dans la Macedoine I
pl. I nr. 11; Mionnet I 503, 399; S. III 163, 1062). Man darf
diese Verbindung nicht etwa aus kathartischen Kultbräuchen er-
klären, sondern es ist, wüe Gaebler richtig sagt, nur der bild-
liche Ausdruck der aus Münzen von Thessalonike bekannten Kaße^-
pia Iludia. Siehe auch Berl. Münzkatalog II S. 152 Nr. 62, wo über
einen auf den Kabirenmünzen von Thessalonike erscheinenden
merkwürdigen hornähnlichen Gegenstand gehandelt wird. — Mysten
aus Thessalonike werden genannt auf der Inschrift Mooselov xal
ßtßXio8r]xir] xriQ euayyeXix^? ö/oXt)? Iv 21|xupvTf] 1876/78 p. 17 nr. ai^.
Der Stein befindet sich in den Dardanellen; er wird wohl aus
Samothrake stammen, wo ganz ähnliche Listen gefunden sind.
— 106 —
zahl der Brüder, welche H. Diels (Sibyllin. BL S. 40, 1)
als Merkmal eines chthonischen Kultes hervorgehoben
hat. Dann das Purpurgewand, in welches der Kopf des
erschlagenen Anax gehüllt ward, worüber die Nachweise
wieder in den Sibyllinischen Blättern S. 70 zu finden
sind^), und der Eppich, die Totenpflanze der Griechen,
mit denen sie ihre Gräber schmückten^). Schliesslich
deutet auch die Schlange des orphischen Hymnos v. 7. 8
auf chthonischen Kult, wie ja die ganze Legende durch-
aus einen finsteren Charakter hat.
Von Thessalonike ist der Weg nach Milet sehr w^eit,
und doch finden wir dort einen ispo? Xo^o?, welcher sich
mit dem eben gehörten vergleichen lässt. Es ist das die
Geschichte von den Söhnen des milesischen Königs Leoda-
mas, welche vor Amphitres, dem Mörder ihres Vaters, nach
Assesos geflohen sind und dort von ihm belagert werden ^).
Assesos wird hart bedrängt. Die Belagerten befragen
das Orakel und erhalten die Antwort, dass aus Phrygien
Helfer (ßoyjOoQ zu ihnen kommen würden, um den Mord
') Vgl. Arch. Anz. 1894 S, 81; die Mysten tragen in Sarao-
thrake Purpurbinden Ttepi xrjv xotXtav: Schol. Apollon. Argon. I 917.
-) Plin. Nat. hist. XX 113 apium (= oeXtvov): distiuguitur sexu.
Chrysippus feminam esse dicit crispiovibus foliis et duris, crusso
caule, sapore acri et fervido, Dionysius nigriorem, brevioris radicis,
vermiculos gignentem, ambo neutrum ad cibos admittendum,
immo omnino nefas, nam id defunctorum epulis feralibus
dicatum esse, visus quoque claritati inimicum. Vgl. Rohde
Psyche S. 204,2; 222,2.
3) Nikolaos Damasc. F. 11. G. III 388 nr. 54. Vgl. H. Geizer
De Branchidis p. 41.
— 107 —
zu rächen und auch um Milet von der Gewaltherrschaft
zu befreien. Und da erscheinen in einer Nacht vor den
Thoren zwei Jünglinge aus Phrygien, Tottes und Onnes
i£pa £)(0VT£? Kaßeipojv Iv xi'cfxei x£xaXu|jL[X£va.
'E](6[X£V0t 0£ TT]? Xtai£«)? (XjJKpOTEpOl 6 {JL£V £vO£V , 6 0£
£Vl)£V VUXTÖ? £Tl OUGfYj? irpOTjXÖ-OV £1? 10 T£lXO?? ^C('^ £X£X£u6v
acpa; hi-/ß.a^ai. Aber der Eintritt in die Stadt wird ihnen
erst gewährt, als man sich des Orakels erinnert. Sie
erklären am nächsten Morgen in der Volksversammlung
die Stadt retten zu wollen , wenn man ihnen die ge-
bührenden Opfer darbringe (()uaat xoc vo[xiC6}X£va autoic).
Jubelnd geht das hart bedrängte Volk auf ihre Bedingung
ein, und unter Vorantritt der phrygischen Jünglinge,
welche die i£pa irpö xr^? cpaXa^^'^? tragen, geht es mit der
ganzen Heeresmacht gegen die Feinde. Diese fliehen,
Amphitres wird von den Söhnen des Leodamas getötet,
und Krieg und Tyrannis hören zugleich auf. So ward
Milet durch die i£pa xoiv Kaߣrpa)V frei.
Gewiss hat Robert Recht, wenn er a. a. 0. 860
sagt, dass sich in dieser romanhaften Fassung der alte
Kern der Stiftungslegende kaum mehr erkennen lasse.
Aber Eines muss doch herausgehoben werden. Die
phrygischen Jünglinge, welche mit den i£pa lia^sipw\>
nach Assesos kommen, entsprechen genau den beiden
Brüdern aus Thessalonike, welche mit der heiligen Kiste
zu den Tyrrhenern wandern.
Es verschlägt dabei nichts, dass der milesische t£p6?
X670? von einer Mehrzahl von Kabiren spricht. Niemand
wird von Nikolaos von Damaskos solche Genauigkeit ver-
— 108 —
langen. Auch die milesischen Inschriften reden immer
von Kaßsipoi und [xs-^^Xot Osor) — aber einen Rest von
der Legende, nach welcher die Zwei den Dritten er-
schlagen, glaube ich in dem Namen des Priesters zu er-
kennen, der xü)Tot'p/rj? oder xü)Tap5(oc hiess, wenn anders
G. Keil specimen onomatologi Graeci p. 107 mit Recht
an die Glosse des Hesych v. xoit|<; ispsuc Kaßsipwv, 6
xailaiptüv cpovia, ol Ss xor^ erinnert hat. Dieser Sühn-
brauch ist das deutliche Zeichen eines chthonischen Kults.
Sehr viel wichtiger ist es aber, dass wir in Milet
unzweifelhaft den Gott der Anaktotelesten nachweisen
können. Aus Didymos ist bei Stephanus v. Byzanz
V. MtXrjTo? überliefert, dass Milet drei Namen gehabt
habe: Azks'^rfi^ nixüouiaa und 'Avaxxopia, und den letzteren
habe es erhalten nach Anax dem Sohn der Ge und des
üranos^). So ist Anax hier in die Reihe der Titanen
aufgenommen, und es fehlen für den Zusammenhaug der
Kabiren mit den Titanen auch sonst die Zeugnisse nicht.
Voransteht die Orakelinschrift des Apollon Gryneios aus
Pergamon, die leider jetzt verschollen ist^). Dort heisst
es (v. 7) von den Nachkommen des Telephos
otat irap' OupavoS uFsc s^TjTjaavio Kaßsipoi
TupajTOi Uzp^a\i(ri<; uTisp ax[pi]oc a[a]T£[p]o[7:r^T]r^[v]
TixTOfjtsvov Aia, [ir^Tptüir^v ois [Y^]c>t[ipa] Xüa[£v].
Und mitten in die Schaar der Titanen führt uns das
1) Robert a. a. 0. 860,4.
') Paus. 135,6; VII 2, 5.
3) Kaibel Epigr. gr. 1035.
— 109 —
von Conze') auf Imbros gefundene Gebet zu den Kabiren,
zu dem C. Keil (Philogos Suppl. II (1863) S. 598) einen
wichtigen Beitrag gab, indem er die Flaisxoi richtig er-
klärte. Aber es war nicht wohlgethan, dass er Z. 5 das
Wort"Ava^ als Epiklesis zu Kaa[jL£TX£ verflüchtigen wollte;
sehr mit Recht hatte schon Conze a. a. 0. an den
milesischen Anax erinnert. Unter dem Namen eines
ava^ xai izo/jqv ist der ältere Kabir, der später auch
mit den Titanen verbunden wurde, also nicht nur in
Thessalonike und Milet verehrt worden. Auch in Imbros
trefi*en wir eben seine Spur.
Als Kaßipttx die Mächtigen sind die Kabiren aus
Phoinikien nach Griechenland gekommen, und ihr Dienst
wurde von Küste zu Küste, von Insel zu Insel getragen,
in mancherlei Formen, in vielerlei Gestalten. Am treusten,
obwohl sie sich auch da an Hermes anschliessen, be-
wahrten sie wohl ihr Wesen in Samothrake. Dort heissen
sie immer in genauer Uebersetzung des phoinikischen
Namens die Grossen Götter, [xsyofXoi Oeot'. Denn es ist
noch keine Inschrift gefunden, welche für Samothrake
^) Reise auf den Inseln des thrakischen Meeres S. 91 Taf. XV, 9,
0£ol (JieyaXot,
%zo\ §uvaxoi,
la/uppot xat
KaC|j.£tX£ •
5 "Äva? nc^T[£]
xoi KoTo?
KpElos 'Y-
TTEpElCÜV
EfaTTETOS
10 Kpdvoc
— Ho-
den Namen der Kabiren erwiese. Und wenn Lobeck für
den einen Kabiren nnr zwei Beispiele anführen konnte,
das Epigramm des Diodoros (Antbol. Palat. YI 245) und
die Stelle des Lactantius, wir leben in der Zeit, wo in
kaum übersehbarem Reichtum das epigraphische Material
von Tag zu Tage wächst, und dürfen uns freuen, dass
auch in solch dunkle Gebiete "wie in das der Kabiren-
religion neues Licht gefallen ist. So kann man für den
einen Kabiren jetzt wieder ein neues Zeugnis aus dem
im zweiten Jahrhundert n. Chr. erbauten Theater von
Tlos heranziehen, das wir Benndorf verdanken ^). An der
Spitze einer Liste von Personen, welche zur Erbauung des
Theaters Geld hergaben, steht der Name eines Aristeides,
des Sohnes des Antigenes, welcher sich lebenslänglichen
Priester des Dionysos und Erzpriester des Kabiren nennt.
Aber noch überraschender ist ein Fund, dessen Mit-
teilung ich meinem Freunde F. Hiller von Gaertringen
verdanke. Von seiner neuen Forschungsreise bringt er
mir den Abklatsch einer Inschrift mit, welchen unser ehe-
maliger Aufseher bei den Ausgrabungen in Magnesia,
Mastro Athanasiu aus Smyrna, in einer Moschee des
Dorfes Tschanly genommen und C. Humann übergeben
hat^). Es ist ein Ehrendekret, das wie die Psephismen für
Apollophanes von Magnesia mit der Angabe der Stimmen-
^) Anzeiger der philos.-hist. Classe der Wiener Akademie vom
20. Juli 1892 Nr. XVIII (S. 11 des Sonderdrucks).
'^) Sehr nützlich war mir bei der Lesung des wenig scharfen
Abklatsches eine Umschrift, welche Ililler im Verein mit Rud.
Heberdey bereits vorgenommen hatte.
i
— 111 —
zahl, auf Grund derer es ausgestellt ist, schliesst^).
Hiller lenkte sofort meine Aufmerksamkeit auf das in ihm
erwähnte lepov xoui "Avaxxo? — und dieser Angabe wegen
habe ich die vorstehende Untersuchung hier ausgeführt.
Tschanly^) liegt im Nordosten der Mykale, etwa
37.2 Stunden von der Stadt Sokhia entfernt, nicht weit
vom Meere. Es ist der Ort, in dessen Nähe man lange Zeit
die Stätte des Panionions gesucht hat, ohne jeden Grund,
wie es scheint. Denn man hat, wie mir F. Winter bestätigt,
welcher im Sommer 1887 Tschanly zusammen mit W. Ju-
deich besucht hat, keine Veranlassung hier eine grössere
antike Ansiedelung anzunehmen. Es ist sehr verlockend
zu glauben, dass der Stein nach Tschanly aus den Ruinen
der altionischen Stadt Anaia verschleppt ist, deren Reste
Pulakis in dem kleinen türkischen Dorf 'Avsa wieder-
erkannt hat, welches in byzantischer Zeit der Sitz eines
Bischofs war und allein von allen ionischen Städten
seinen alten Namen bis heute bewahrt hat (' E/Ar^v. oiXoX.
aulX. 7ro(papr/;[ia zu Band XVIII [cixoaiTrsviacTr^pi? 1861
bis 1886] Konstantinopel 1888 p. 229). Aber es ist sehr
unwahrscheinlich, dass die hohe Zahl von 3580 Stimmen
für die Bevölkerung dieser Stadt, von der wir so wenig
wissen, passt, und wenn eine Verschleppung der Inschrift
nun einmal angenommen werden muss, dann liegen
') Athen. Mitteil. XIX (1894) S. 12.
2) Es giebt in dieser Gegend zwei Dörfer namens Tschanly. Da
Mastro Athanasiu eine Moschee als Fundort der Inschrift nennt, kann
hier nur das türkische Dorf Muslim-Tschanly gemeint sein. Für die
Stätte des Panionions hält man gewöhnlich das griechische Dorf.
Das türkische liegt etwa in der Mitte zwischen diesem und "Avea,
— 112 —
Priene — freilich durch die hohe Mykale von Tschanly
getrennt — und Samos — der Transport von Inschriften zur
See auf einem Kaik ist etwas sehr gewöhnliches — nicht
allzu weit von der Fundstätte des Steins. Zu erwägen
ist vielleicht auch, ob der Stein aus Magnesia stammt;
denn die Angabe der Stimmenzahl und die Formeln am
Schlüsse würden wohl dazu passen^). Die Inschrift, welche
nach ihren Buchstabenformen in das zweite vorchristliche
Jahrhundert gehören wird, lautet folgend ermassen.
— — — — — STTsiOY] — ]c IlaüCfavtou V£(üx6[po?]
— — — — — — — — ^]vftp] x[a]X6ij xotl «^«[Oos]
[ci? T]b[v oTxJov t[6v lepöv] xai zh tov or^jxov xal iöi[ai £-]
[xaa-]aji T(u[x 7ro[XiTa)V oiJaisXsi, SsSo'/Oai täi o[T^-]
5 [jxcjoi sjTT-CjV^aöat [-£ ocütoJv dpEir^? Ivsxev xat süvoia?
[v ^X]^^ SiaieXet ef? xs xöv oTxov xov ispov xal ei; x6[v]
[oTjjxov] xal ax£cpava)Or|Vai au[x]6v sv xois Trpwxoi? Aiov[ü-]
[aioiQ^) '/p\oa£(ai arscpavtüt, aiyjofai 5s auxou xal £r/6v[a o-]
[ttou av sjv xwi hpSii xou "Avaxxo; ßouXvjxai, [xo]u? 8s ot[xo-]
10 [vojjLOUs xo]u? |X£xa xov [. .]ov U7rrjp£[xrj]aai xo £[1?] xtjv £[r/6va]
[dvYjXwaa sx xcüjv Tiopcov oiv £)(0ü<3iv sie ttoXsü)? 0'.oixr^a[iv,]
[XsXuaUai hh] xal si' xt ^jY]cpta[(i]a svavxiov saxlv xü)io[s]
[xoji <|'7jcpta[JLax]i xax' auxö xo[ü]xo xai)' 0 saxiv Ivavxiov.
[^'*YfQ^ siryjvsy^ÖTjCfJav xpiaf^^iXioti TrsvxaxocJiai 6yoo[75-] f
[xovxa — — — — — — — — — — — — ] ■
0 S. oben S. 110.
2) Vgl. zu den TTpcüra AiovutJta oben S. 98. Aus der Erwähnung
dieses Festes die Herkunft des Psepliisina entscheiden zu wollen
ist vergebliches Bemühen. In einem magnesischen Psephisma
Avürde man statt der AiovSaia wohl die Aeuxocppurjvct erwarten.
— 113 —
__ <1 W o 21 ^ _
—
O
<1 - < H O O O
UJ
w
<I
<
_ <z^-^-^\n
z
I
H
Z
z
L_
oi-<^_o-<i-<i
I
^
o
o
00:co^O^O<
H
o
H
<
UJ
O
<
IaI
<]
N
G
lU
<
O
Q
N
H
W
UJ
z
O
z
<
z
Ui
z
H
w
UI
o
<
Z
W^H ujOI-UJ>-
^
Z
O
UJ
lil
Q.
IIJ
<
z
O
<
Q
X
Z
UJ
<
o
<
^^ij^uji-oa-^^
>
w
■
H
<
X
Z
O
>
o
w
"o
hHHHz: qj <ci <
===
X
liJ
-e-
I
O
w
O.
H
iilllli
iilllli
llliiil
lliiill
liill
z
z
>
H
Q.
HH ^HLU<^iij
o
<
111
ci
z
a
Q.
O
UJ
<
>-
<
<
Z
<
Z
:*:
—"
HaBGlAJ<W^*"
>
HBBh^:--'^^
^^■- z<<^
B H- H <^ =c ^ ^
^ ^ ^ H C_ C{
^ = ^ = iii
Festscbrift für Diels.
8
— 114 —
Aus der Inschrift selber lernen wir über das Wesen
des Anax leider nichts. Nur der in ihr erwähnte ispoc
oTxo? lehrt uns ungefähr den Kreis kennen, in welchem
wir Anax suchen müssen, und in dem wir ihn bereits
gesucht haben. Einen ispo? or/oc erwähnt auch die oben
behandelte Mysteninschrift aus Magnesia^), ispal oixiai
sind aus Eleusis bezeugt^), in Andania gab es einen
oT/o? Iv Ttp ispto (Dittenberger Sylloge Nr. 388, 113), und
sicherlich gehört wohl auch das Haus des Pulytion in
Athen ^), in welchem die Mysterien parodiert wurden, und
das zu Pausauias' Zeit der Verehrung des Dionysos galt,
in diesen Zusammenhang. Mystische Kulte scheinen in
solchen oTxoi oft ihre Stätte gefunden zu haben, und vor-
trefflich passt zu dem kpo? oTxoc xou "Avaxxo? der oTxo?,
den Philoxenos im Temenos von Samothrake den Grossen
Göttern geweiht hat*).
Anax kann ursprünglich jeder Gott heissen wie
avaxTopov jedes Gottes Haus^). Aber allmählich hat sich
1) Vgl. auch die oben S. 91,1 citierte Inschrift aus Ttiisbe.
-) Rubensohu Die Mysterieuheiligtümer in Eleusis und Samo-
thrake S. 73.
^) Pausan. I 2, 5 ; Milchhoefer in Gurtius' Stadtgeschichte von
Athen XCVI 40.
^) Untersuchungen auf Samothrake I S. 41 Nr. 8. Conze zieht
hieher auch das von ihm (Reise auf den Inseln des thrak. Meeres
Taf. XVI Nr. 3) veröffentlichte Fragment, welches ich Athen. Mitt.
XIX (1894) S. 527 nach einer Mitteilung von Phardys aus Ver-
sehen noch einmal herausgegeben habe. Die von mir a. a. 0.
vorgeschlagene Ergänzung lautet: E6a[YÖpa?] i\pi8[TgXou] ttjv c[ti-
ßaSa] ^e[oT?].
^) Vgl. F. Deneken in Roschers Lexikon I S. 2444.
— 115 —
diese Epiklesis zu dem selbständigen Namen eines Gottes,
eben des Kabir entwickelt '). Dagegen sind unter
"AvaxTs? oder "Avaxs? immer die Dioskuren verstanden
worden. Denn Pausanias' (X 38, 7) Zweifel, ob die im
lokrischen Amphissa durch einen mystischen Kult ver-
ehrten 'Avaxxs? für Kabiren, Kureten oder Korybanten
zu halten sind, erklärt sich einzig dadurch, dass von der
hellenistischen Zeit an die Gleichsetzung der Dioskuren
mit den Kabiren üblich geworden war, und C. Robert
(a. a. 0. 862) hat sicherlich richtig geurteilt, wenn er
in Amphissa den Dioskurenkult für das Ursprüngliche hält.
Vielleicht wird Mancher, der die vorstehende Unter-
suchung im wesentlichen billigt, einen Schluss vermissen:
die Deutung des bärtigen Mannes auf den von Conze'^)
gesammelten Weihreliefs an die grosse Mutter auf Anax.
Er wird dabei auf die Korybanten hinweisen, die uns in
der Kultlegende von Thessalonike begegnet sind, und auf
die phrygischen Jünglinge in Milet, die wir jenen gleich-
^) Es ist das ungefähr derselbe Process , den ich bei Zeus
Eubuleus und Hermes Tychon nachgewiesen habe (Athen. Mitteil.
XIX S. 62). Die dort in Aussicht gestellte Polemik gegen Furt-
wänglers Bemerkungen (Meisterwerke der griech. Plastik S. 562)
kann ich jetzt unterdrücken, da das von D. Philios Athen. Mit-
theil. XX Taf. 6 veröffentlichte Weihrelief aus Eleusis die Deutung
des vielberufenen Jünglingskopfs auf Triptolemos, wie mir scheint,
zur vollen Evidenz gebracht hat.
2) Arch. Zeitung XXXVIII (1880) T. 3 Nr. 1 (N) 2 (M) 3 (Q.) ;
S. 9. Auf den von Conze Athen. Mitt. XIII (1888) S. 202 und
XVI (1891) S. 191 nachgetragenen Reliefs findet sich dieser bärtige
Mann zweimal, auf einem Stück, das aus Magnesia am Maiandros
stammen soll, und auf einem, das jetzt im Brit. Museum aufbe-
wahrt wird.
— 116 —
gesetzt haben. Aber dabei muss einmal bedacht werden,
dass die Verbindung des phrygischen Meterkults mit dem
phoinikischen Kabirendienst durchaus keine religions-
geschichtliche Thatsache ist, mit welcher wir irgendwie
zu rechnen haben, dass dieselbe erst eingetreten ist in
dem Wirrsal jener späten Epoche, welche Kabiren, Dios-
kuren, Kureten und Korybanten sorglos durch einander
wirft ^). Dann aber scheint auch mir der Widerspruch,
den Furtwängler (Sammlung Saburoff zu Taf. CXXXVII)
und Robert (bei Preller P S. 653, 2) gegen Conze's
Deutung jeuer Votivreliefs auf Hermes-Kadmilos erhoben
haben, berechtigt zu sein^). Es giebt nicht ein Relief
dieser Art, das in Samothrake, der einzigen Stätte des
Kadmiloskults, gefunden ist oder an einem Orte, für
welchen der Dienst der samothrakischen Götter bezeugt
ist. Die meisten stammen aus Athen und dem Piraeus,
woher uns Kabirenkult nicht bekannt geworden ist.
Aber der Meterkult stand da in hoher Blüte. Für
Samothrake vollends ist die Annahme einer kultlichen
Verbindung von Kybele und den Kabiren, von der Göttin
der Höhe und den Dämonen der Tiefe ein Irrtum, gegen
den sich jetzt auch L. Bloch in seinem Artikel über die
Megaloi Theoi in Roschers Lexikon II S. 2527 mit Recht
gewandt hat^). Wenn aber religionsgeschichtliche Be-
1) Preller-Robert I* S. 857.
2) Athen. Mitteil. XIII (1888) S. 204 hat Conze seine Deu-
tung auf Furtwäuglers Widerspruch hin etwas modificiert.
^ Der Artikel lag mir durch die Giäte des Verfassers in
Correcturbogen vor.
— 117 —
denken dagegen sprechen, dass die Hermesfigur auf den
Kybelereliefs den Kadmilos darstellt, dann kann auch
von einer Deutung jenes bärtigen Mannes, der mitunter
auf diesen Denkmälern erscheint, auf den älteren Kabir
oder Anax nicht die Rede sein. Dieser mag auch heute
noch unbenannt bleiben, während die Gestalt des Hermes,
deren' Nachweis wir Conze verdanken, als Ersatz für den
ungriechischen Attis keine Schwierigkeiten macht (s.
Robert a. a. 0.)
So sehr ich also die Darstellung der Kabiren auf
jenen Reliefs leugnen muss , ebenso glücklich dünkt
mich Conze's Versuch die Kabiren auf dem Friese des
pergamenischen Altars nachzuweisen, den 0. Puchstein
(Sitzungsber. d. preuss. Akad. 1889 S. 330) noch zu
besonderer Evidenz gebracht hat^). Schlagend ist die
Deutung des den Hammer gegen den Stiergiganten
führenden Gottes auf den älteren Kabir, den wir mit
diesem Attribut auch auf den Münzen von Thessalonike
gefunden haben. Beweisen lässt es sich nicht, dass auch
die Pergamener zu dem älteren Kabir als dem Anax
xai iz^^xV göbetet haben. Aber das haben Pergamons
Kabiren mit dem Anax von Milet jedesfalls gemein: sie
sind auch aus Uranos' Geschlecht.
^) Vgl. jetzt auch die Beschreibung der Skulpturen aus Per-
gamon I Gigantomachie (1895) S. 16.
5
l
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
P. Wendland, Philo und die kynisch -stoische Dia-
tribe 1—75
I. Geschichte der Diatribe 3
II. Ansichten über die Ernährung 8
III. Ansichten über die Kleidung 15
IV. Polemik gegen den Tafelluxus und die Gelage ... 18
V. Weitere Polemik gegen Luxus 24
VI. Das Verhältnis der Geschlechter zu einander ... 33
VII. Formen des öffentlichen Lebens 38
VIII. Philos Schrift über den Adel 49
IX. Trostgedanken 56
X. Resultate 61
Anhang. Musoniiis und Clemens Alexandrinus .... 68
Register 74
0. Kern, Zwei Kultinschriften aus Kleinasien . 77 — 117
I. Dionysos in Magnesia 79
II. Anax 102
Verlag von Georg Reimer in Berlin,
zu beziehen durch jede Buchhandlung.
Neu entdeckte
Fragmente Pliilos
nebst
einer Untersuchung über die ursprüngliche Gestalt der Schrift
de sacrificiis Abelis et Caini
von
Paul Wendland.
Preis: 5 Mark.
Pliilonis
mechanicae syntaxis
libri quartus et quintus
recensuit
Richardns Schoene.
Preis: 2 Mark.
Philonis
de aeternitate mundi.
Edidit et prolegomeuis instruxit
Franciscus Cnmont,
Dr. phii.
Preis : 4 Mark. .
Aristoteles
Metaphysik
übersetzt von
Hermann Bonitz.
Aus dem Nachlass herausgegeben
von
Eduard Wellmann.
Preis: 6 Mark.
•S^^^)
^„itlltlii
liliiiiiiiliiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiitiiiii^
••;ii-'!'!:!i'ii!ii!;':
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKET
UNIVERSITY OF TORONTO LIBRARY
r
B
6B9
Z^\
Wenland, Paul
Beiträge zur Geschichte
der griechischen Philosophie
und Religion